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Gelammelte Werke
des Grafen
Adolf Iriedrid von Schack. In fehs Bänden.
atit dem Bilönifle des Verfallers.
Dierter Band.
Fotosblätter. — Die Plejaden. — Weihgefünge.
Stuttgart. Derlag der J. G. Cotta'ſchen Buchhandlung,
1885,
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Deu von Gebrüder Kröner in Stuttgart.
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Cotosblätter. J. Vermiſchte Gedichte.
Bor einem Fenſter. Todtenklage \ An Elijabeth v. K. Macht der Liebe
Um Strande . : Un die Prinzejfin ©. . Luftgebilve
Die Schwäne
Sm Sturm Herbitwonne .
Die Ahnenbilvder Morgentraum 2 Weihe des Schmerzes . Sm Garten zu ®.-. Das Waldthal . Abendgang
Mitternacht
Sm Mär -. ...
Der Grieche im Norden
Das Zauberſchloß . Am Fuß der Alpen Gebet des Künftlers
— —
Ewige Jugend
Nach dem Gewitter
An den Kukuk
Nachruf
An den ——
Bei Muſik
Unſterbliches Glück.
An meinem Geburtstage .
Un meinem Geburtstage (30 Jahre ſpäter) Der längſte Tag a rn Die längſte Nacht
Am Mittelmeer .
In der Krankheit
Novemberabend .
Der Seeadler
Karls des Fünften letzte —— Aller-SeelenNadt .
II. Verwehte Blätter. Erites Bud .
1 u Be —
III. Ans fremden Ländern.
Dolores : Verbrannte Briefe . nes
Anhannisnadit
König Holger
Am Guadalquivir .
In Granada
Auf dem Libanon .
Bei Troja
Homer . Me SrDeinBl.- u. rate Morgen in Athen .
Am Parnaf . ; : Frühling in ——
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IV. Vermwehte Blätter,
END 2 6666666 161116 V. Kampf und Sieg.
Am Grabe Friedrichs des Zweiten. 141 Er saniergruft m Speyer : 2... 6114119496 e » rn. nn. . 145 Die ſchwarze Schaar. . . BEN 32% RE Die Bildfäule Karls des — ae A TEE N) RT Ste N, ee 10 Barerer elehrakbuin .. % 0 en en 16 Od MWiederjehen von ann Se re re a Be Bl alten. . . ; 2 2 N Beim —— in San Be 666 ee BT ee AR ER | © SER RE. ne 4 Je |; | Die Plejaden. eg) Ve ———7 Bear a ana ie ra 2 PHP ALTO NIE PN
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— VI —
Auf dem Friedhof
Der neue Tempel
Am Meer .
Verifles .
Blumenwelt Was kommt daher auf — Bahn Sn Olympia — Heimkehr
Dante
Sternennacht
Neujahr .
Die Sibylle von Tibur . Amerifa . SUR Römiſche Veite .
Die Götter .
Eolumbus
Aetna
Frühlingswonne
Der Tod des Apoſtels Wolfram von — Urania
Zoroaſter
Ode
Neue Geneſis
Das geſprengte Grab
Der erſte Mai. Sonnenaufgang
Die Märtyrer .
Gruß an das Morgenland 2 Die lebte Stunde .
Seite 394 598 400 402 408 409 411 414 416 422 424 425 429 452 454 435 440 443 444 454 459 461 464 465 467 469 471 473 476 478
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€ Had, Gef. Werte. IV
I. Vermiſchte Gedichte.
Vor einem Fenſter.
Bleich am Himmel ſteht der Mond; In das Fenſter zu dem Zimmer, Wo ich ehedem gewohnt,
Zittert geiſterhaft ſein Schimmer, Und zurück glaub' ich zu ſchaun
Zu den lang verſunknen Jahren, Als mir noch die Locken braun, Friſch die Lebensgeiſter waren.
Alles drinnen wie bekannt!
Dort der Seſſel vor dem Pulte Und die Spieluhr an der Wand, Die mich oft in Schlummer lullte; Dort bei einer Kerze Licht, Bücher vor ihm aufgeſchlagen, Sitzt ein Jüngling; ſein Geſicht Iſt wie meins in frühen Tagen.
Sage mir, mein Schattenbild, Du voll Luſt, wie ich voll Trauer: Glaubt dein Drang, der nie geſtillt, Noch an ew'ge Lebensdauer?
Be
Bei Holianten, Nachtgefell, DBrütend bis zur Morgenftunde Mühſt du dich, der Weisheit Quell Auszuſchöpfen bis zum runde?
Schwingen deinem Geifte wohl Willſt du weben durch dein Yernen, Denkſt zu fliegen an den Pol
Zu des Himmels fernften Sternen, Träumſt in jugendlichen Muth, Großes einjt zu thun auf Erden — Aber Kraft und Wangengluth
D wie bald fie ſchwinden werden!
Geh’ und jchlag’ die Bücher zu! Sieh hernieder, wo ich ftehe!
Du bift ich, und ich bin du,
Nur gebeugt von Gram und Wehe; Bitter an den Yippen Elebt
Mir des Yebensbechers Hefe,
Und, wie heiß ich auch gejtrebt,
Yabt fein Kranz die glühnde Schläfe.
Was ich baute, jah zeritört
Ich zu Boden wieder rolle;
In der Yuft ift ungehört
Meiner Worte Klang verichollen, Und bevor mein Volk, mein Yand Noch erkannten, wen fie hatten, Unbetrauert, ungenannt
Werd’ ich gingehn zu den Schatten.
Vodtenklage.
An den Hängen, die in Eis Tiefbegraben jtarrten,
Schmüden Krofus, gelb und weiß, Beilhen ſchon den Garten; Blätter hängt das junge Jahr
An die fahlen Aeite,
Und es fehrt der Wanderjtaar Zum verlafinen Nefte.
Fa, im Glanz, der über Thal - Und Gebirg ergofjen,
Allen al ein Freudenjaal Ward die Welt erjchlofien,
Nur aus meinen Herzen weicht Nicht der Gram, der ftete, Still an meiner Seite jchleicht Er durch blühnde Beete.
Seit ein Wiegenlied uns Zwei In den Schlaf gejungen, Schweſter, hat in jedem Mai
Mich dein Arm umschlungen, Schrittſt du hier mit mir am Bad) Durch die blum’ge Wiefe;
Nun zum erjten Male, ach!
Fehlſt du mir, Elife!
In der dumpfen Stube lang, Winterlich umnachtet,
Nach der erſten Lerche Sang Hatteſt du geſchmachtet.
SEIEN De
Endlich hell durch mildre Yuft Scholl er dir entgegen,
Da, Geliebte, in die Gruft Mußteſt dur dich legen.
Nicht im jungen Sonnenlicht
AU das Grünen, Blühen,
Und der Fichten Sprofjen nicht, Die wie Fadeln glühen,
Nicht, Durchbligt vom Morgenvoth, Die beperlten Aueı,
Gönnte div der Mörder Tod
Noch einmal zu jchauen.
Wohl in einem Jenſeits gern,
Wie zu höhern Räumen
Hin du ſchwebſt von Stern zu Stern, Möcht ich dich mir träumen;
Doch umfonft! mein Geiſt muß matt Seine Schwingen jenfen;
Su der finftern Todesſtatt
Kann ich nur Dich denken.
Dort zu div hinunter nun
Dringt fein Hauch von Yenze. Dleich zu deinen Häupten vuhn Die verwelften Kränze,
Und ein blaffer Lichtſtrahl ftreicht Nur mit Dämmerhelle
Yängs der Wände, falt und feucht, Dur die Grabfapelle.
Dft im Traume, grambetäubt, Zwiſchen Steingebrödel
Heb’ ich, moderdujtumftäubt, Deines Sarges Dedel.
ED DER
Sieh! da ſchläfſt nach kurzem Sein Du den Schlaf, den langen,
Und ein matter, ei’ger Schein Spielt um deine Wangen.
Und von den Atomen jchon, Die in Staub zerfallen,
Hör’ ich einen leifen Ton Durch die Stille hallen;
D zu dir nimm mich hinab Aus dem Weltgedränge,
Daß mit deinem bald im Grab Sich mein Staub vermenge!
An Sliſabekh v. K.
In deiner Seele milden Lichte
Iſt mir der Frühling aufgeblüht, Gereift find meine erften Früchte Allein von ihrem Strahl durchglüht.
ALS fih von Staub empor zu ringen
Mein Geift oc matt die Flügel fchlug,
Liehft du ihm, Freundin, Kraft der Schwingen Und ſpornteſt ihn zu fühnem Flug.
Die Sehnjucht, die zu lichtern Räumen Sich aufſchwingt aus dem dunklen Hier, Der Seele Rausch in hohen Träumen AS Yebensmitgift gabft du mir.
BERN
Mit mir auf allen meinen Wegen Hogit du als Schußgeift ungefehn, Und deiner Lippen milden Segen
Fühlt' ih) um meine Stirne wehn.
Bei Nacht zu meinen Augenliven
Hat fih im Traum dein Bild gejentt, Dis es das Herz mit ftillen Frieden Zum Ueberfließen mir getränft.
Für Alles, was du mir gegeben,
Wo wär’ ein Danf, der nicht zu Klein? Bon einem vollen ganzen Yeben
Die Ernte dacht’ ich dir zu mweihn.
Kun, da du ſankſt zum frühen Grabe, Am falten Marmor hingefniet
Hab’ ich für dich nicht andre Gabe, Als Thränen und dies arme Yied.
acht der Liebe.
Wie einen Stern, der im Verſinken,
Seh' ich im Auge, gramumflort,
Nur matt noch deine Seele blinken,
Vom ſcharfen Todespfeil durchbohrt.
Ich kenn' ihn, ach! den Schmerz, den herben; Wenn in dem Winterfroſt der Welt
Das Herz erſtarrt, und vor dem Sterben Das Leben ſchon in Trümmer fällt.
Se
Und, wie einft vor den Tempelmanern, Den Säulen, die auf Sunium
Um die verlornen Götter trauern, Dft fteh’ ich vor dir, wehmuthitummt.
Doch eine Macht ift, Weib, o glaub’ es, Die aus Berzweiflungsqual den Geiſt, Aus Tod und aus der Nacht des Staubes Empor in alle Himmel reißt.
Durch Yiebe fteigt aus den Ruinen Das Yeben, daS in Trümmern lag, Und leuchtet, morgenglanzbejchtenen, Entgegen einem neuen Tag.
Am Hfrande.
Um Strand, von Floden Schaumes überthaut,
Lieg' ich geſtreckt in duft'ges Haidekraut.
Ich ſchaue, wie die Fluth in Grün und Gold
Und Purpur wechſelnd mir zu Füßen rollt,
Und mir ans Ohr tönt in der Wogen Schwall Geliebter Stimmen Widerhall.
Fern durch der ſchaumbekrönten Wellen Tanz,
Was ſchimmert weiß im Mittagsſonnenglanz?
Ein Segel iſts; und noch ein andres blinkt,
Indeß die Fluth ſich hebt und wieder ſinkt.
Sie nahn! ſie nahn! die Fahrt geht küſtenwärts! Was klopfſt du, ungeſtümes Herz?
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Hoffnungen werden, die ich faſt vergaß, Bon Neuem wach; was ich vordem bejaß, Die Theuern all, die ich verlor, das Glüd, Die erjte Yiebe, fehren jie zurück? — — Ah! in die Ferne ſchwinden, fichtbar „kaum, Die Segel hin am Himmelsſaum.
An die Prinzeffin €.
Du lächelft hold beim Morgengruße, Als ob fein Gram auf Erden jei; Holdlächelnd ſchwebſt mit leichten Fuße Du Abends mir im Tanz vorbei.
Und doch — die Schwermuth ahnen Alle, Die hin durch deine Seele fchleicht,
Denn friih den Schwamm voll bittrer Galle Hat dir die arge Welt gereicht.
An Herzen, die verzweifelnd brachen, Yag deines, bis zum Tod betrübt; So viel die Menfchen dir verſprachen, Trug haben fie an dir verübt.
Co laß die falihe Maske finfen
Und nimm den Feftfranz aus dem Haar; Mag fih das laute Yeben schminken,
Die Einfamkeit ift ewig wahr.
Gleich gilt vor ihr des Armen Kammer, Das prahtgeihmiücte Fürſtenhaus. — Seh’ denn, und weine deinen Jammer Im dunfeln Stübchen einfam aus.
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Fuftgebilde.
Wo ver Abend das Himmelsblau Tränft mit goldenem Sonnenlicht, Seht der Wolfen Kreijen und Wallen, Wie fie Terraffen und vagende Hallen Thürmen, dann wieder der luftige Bau In fih zuſammenbricht.
Alpengipfel, leuchtend von Schnee,
Steigen empor und ſtürzen herab;
Wieder dann Thürme mit funkelnden Spitzen, Schlöſſer, die weithin im Spätroth blitzen; Plötzlich zertrümmert ſinkt Alles jäh
Nieder ins Sonnengrab.
Hoffnungen, Träume von Liebe und Glück, Die ihr die Seele gaukelnd umſchwebt, Gleich der Wolken bunten Geſtalten, Immer wechſelnd, doch immer die alten, Steigt ihr empor und ſinkt zurück,
Bis man mit euch uns begräbt.
Die Hcdwäne.
Die ihr vor mir, ſchöne Schwäne, Auf der Wogen Fluth euch wiegt, Silbern ſchimmert eur Gefieder, Dod in eurer Bruft der Yieder Süßer Quell, den der Hellene Oft gepriefen, ift verfiegt.
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Einjt am Strome des Kayiter,
Wo die Sonne heller tagt
Und der göttlichen Gejchwiiter Tempel zwijchen Myrten ragt, Yıeblich tönten eure Stimmen
Zu der Mufen Saitenfpiel,
Wenn des Frühroths erſtes Glimmen Durch die Cedernwipfel fiel.
Hin mit Steigen und mit Schwellen Glitt eur Hymnus auf den Wellen, Sel'ge Lieblinge Apolls!
Horch! und an den Flußgeſtaden Ringsum von der Oreaden
Lippen wie Gebethauch quolls.
Und die Luft begann zu ſtrahlen; Hallend that ſich auf das Thor, Und auf goldenen Sandalen
Trat der ſchöne Gott hervor!
Nun verbannt, ihr Südbewohner, Unter unſer Wolfengrau,
Fern dent Yande der Joner Und dem felgen Himmelblau, Ach! verlort ihr ſelbſt die jchöne Mitgift der Natur, die Töne! Um eur Theuerjtes betrogen, Wie jo ftill ihr auf den Wogen, Yautlos eure Kreife zieht!
Bei dem feuchten Nebelfchauer Ningt, zu lindern eure Trauer, Sid) aus eurer Bruſt fein Lied.
Selig ift, wen des Geſanges Troft ein milder Gott verlich! Ob ihm Weh das Herz zerwühle,
Ob es juble — der Gefühle Jedes wird ihm ſüßen Klanges Auf dem Mund zur Melodie. Aber wehe, wenn das jchnöde Schickſal ihm fein Beſtes vaubt! Sn des Dajeins Winteröde Steht er mit gebeugtem Haupt; Und die Freude, die wie ftummer Gram an feiner Seele nagt, Gäb' er gerne für den Kummer, Den er fonft im Lied geflagt!
Im Hfurm.
Wagt' ich mid) von des Lebens Strand
Zu weit hinaus? In Dunkel jhwand Des Tages legter Schimmer,
Nur hier und da hinunter gießt
Ein Blis, der durch die Wolfen jchießt, Sein zadiges Geflimmer.
Bis auf des Meeres ſchwarzen Grund Hinab reift ung der Wogenjchlund,
Dann wieder auf den Wellen Wirt himmelwärts der Sturm das Schiff; Ein Stoß nur, und am Felſenriff
Des Caps muß es zerjchellen.
Auch du, zu dem als Kind empor An meines Baterhaufes Thor Ich ſchon in Andacht ſchaute,
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Verhüllſt du dich in Finfterniß,
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Stern, auf den ich ſiegsgewiß Des Lebens Hoffnung baute?
Du hörteſt meinen Seelenſchwur,
Daß nicht auf Erden meine Spur
Im Wind verwehen ſolle,
Und gabſt mir Muth auf meinem Gang Und Kraft, wenn ich empor mich rang
Vom Staub der niedern Scholle.
Strahl auf! Ich fände Ruhe nicht Dort unten, wenn ich Luft und Licht
Zu früh verlaſſen müßte,
Noch iſt mein Tagwerk nicht vollbracht, O führ' zurück durch Sturm und Nacht
Mich an des Lebens Küſte!
Herbſtwonne.
Leuchtende Oktobertage,
Deren Hauch den Wald durchzieht, Holder tönt mir eure Klage
Als des Frühlings frohſtes Lied!
Loſe an den Wipfeln hangend Trennen in dem milden Weſt,
Gelb und roth und golden prangend, Sich die Blätter vom Geäſt.
Alle, alle endlich müſſen
Fallen; die der Wind nicht brach, Vor der Sonne warmen Küſſen Sinken ſie den andern nach.
Se —
Und die wilden Roſen jenfen, Während fie mit heißem Duft Einmal no die Lüfte tränfen, Blatt auf Blatt fih in die Gruft.
Seit der Oſten roth erglühte
Dis zur Zeit des Abendwehns, Schmwelg’ ich hier mit Yaub und Blüthe In der Wonne des Vergehns.
Die Ahnenbilder.
Aus dem altergrauen Rahmen Blickt ihr fremd auf mich herab, Und ins Aug' euch mit Vertrauen Wie ein Sohn nicht kann ich ſchauen; Nichts mit euch ja als den Namen Theil' ich und dereinſt das Grab.
Still am väterlichen Herde,
An die Scholle feſtgebannt,
Lebtet ihr im Kreis, dem engen, Kanntet nicht das wilde Drängen, Das mich über dieſe Erde Ruhlos trieb von Land zu Land.
Nicht der Nächte bleiche Qualen, Wenn der Geiſt in Fieberhaſt Sucht ein Traumbild zu erreichen, Doch es weichen ſieht und weichen, Bis es in des Morgens Strahlen Wie ein Meteor erblaßt.
— ————
Ob des Enkels Thun und Trachten Schütteln ſeh' ich euch das Haupt; Früh ſchon hat es ihn inmitten Der Verwandten nicht gelitten; Nicht gedacht, ſo wie ſie dachten, Hat er, noch. wie fie geglaubt.
Werth der Mühn ſchien ihm nur Eines — Durch ein Werk, von ihm vollbracht,
In der Menfchen Angedenfen
Seinen Namen einzujenfen,
Daß er fernhin lichten Scheine
Strahle durch der Zeiten Nacht.
Alpengipfel, nie erſtiegen,
Lockten ihn zu ſich empor,
Doch, kaum daß er fie erflommen, Höher, morgenlihtumglommen, Sah er andre Firnen liegen,
Und ein Abgrund war davor.
Aus des Abends fernjten Meeren, Bon des Dftens Purpurſaum
Dacht’ er heim den Schaß zu bringen; Do vergebens war jein Ringen, Und, im Auge heiße Zähren,
Sagt er fih: es war ein Traum.
Bald den Särgen feiner Väter Wird nun feiner eingereiht, Und, wie in der Jahre Rollen Eure Namen längjt verjchollen, Nur um ein’ge Tage fpäter Dedt auch ihn DVergefienheit.
ER ge
WHorgentraum.
Henn müde von nächtlihem Wachen
Die Wimper mir finft beim Morgenroth, So freundlid) in deinem Nachen
Mich wiegt du, Schlummer, holder Pilot!
Empor aus der Tiefe leife
Wallt e8 zum Ohr mir wie Feengejang, Und um mich tönende Kreife
Schlagen die Wellen bei jedem Klang.
Mit Duft von Blüthen beladen,
Die nicht von diefer Erde find,
Herweht von fernen Geftaden
Mir um die Stirn ein fäufelnder Wind.
Und vor mir die Sonnenpalme,
Die aus den Wogen auf Feljen ragt, Grüßt vaufchend im Morgenpjalme
Das Picht, wie e3 höher und höher tagt.
Hinein! In das himmliſche Feuer
Führe hinein mich, trauter Pilot,
Und erzittert die Hand dir am Steuer,
So Ien® e3 dein Zwillingsbruder, der Tod!
Deihe des Hdimerzes.
Schon meinen Spielgenofien hieß ih Träumer, Denn wie ein Bruder engverwandt von je,
Fühlt' ich, o Schmerz, du tiefer, allgeheimer, Mich dir und deinem dunfeln Web.
Shad, Geſ. Werke. IV. 2
—
Wenn lachend über mir des Lebens blauer
Lichthimmel hängt, mich Scherz und Luſt umhallt,
Doch ſtets zu dir in deine ernſte Trauer Zurückgezogen werd' ich bald.
In mich mit langen durſt'gen Zügen ſauge
Ich deinen Odem, während ſo vertraut
Und wie aus Weltalltiefen doch, dein Auge, Das große, dunkel auf mich ſchaut.
Da fühl' ich: aus dem düſtern Reich dort unten
Nur kommt die Weihe in des Menſchen Bruſt,
Und matt und ſchal erſcheint mit ihren bunten Trugbildern mir der Erde Luſt.
Im Garten zu db...
Daß ich ſo euch, all ihr trauten Plätze, wiederfinden muß!
Wohl noch mit bekannten Lauten Murmelt der geſchwätz'ge Fluß, Wohl die Knoſpen bricht der Flieder Wie in jenem ſel'gen Jahr, — Doch nie Frühling wird es wieder Wie es damals Frühling war.
Nie mehr aus dem Grün der Linden Lacht und duftet ſo der Mai,
Nie wie damals in den Winden Hallt des Kukuks froher Schrei,
BR —
Nie fo an den Feljenhängen Flammt der Fichtenjprofien Roth; Hier in allen Yaubengängen Hingejchritten iſt der Tod.
Derer, die mir theuer waren,
Keinen findet mehr mein Blid,
Mit gehäuften Sram von Jahren Kehr' ich noch allein zurüd,
Und rings, wie mit Geifterzungen, Aus dem Yaub, dem Waſſerfall Tönt von Stimmen, lang verflungen, An mein Ohr der Widerhall.
Auf den Najen, die verwildern, Sucht mein Auge thränenjchmwer Nach der Götter Marmorbildern, Welche einft, olympiſch-hehr,
Bon den Piedeftalen fchauten ; Nun von Neiieln überdedt
Yiegen fie und wilden Rauten, Auf den Boden hingeftredt.
Dit, halb hoffend und halb zage, Wenn des Morgens Roth fich zeigt, Den’ ich, dag der alten Tage Einer neu im Dften fteigt,
Hoc und höher ſchwingt der reine Slanz am Himmel fi) empor,
Aber bald mit blafjem Scheine Stirbt er hin in Nebelflor.
Und erjchredt, wohin ich jchreite, Fahr’ ich auf bei jeden Zritt; Schatten jchleichen mir zur Seite Dur die Öartengänge mit,
BR: U
Sigen bei mir auf den Bänten, Flüſtern Worte mir ins Ohr — — D hinweg! ih mags nicht denken, Was ich hatt! und nun verlor!
Das Waldthal.
Wie ſüß in div, o Waldeseinjanteit,
Mein Thal, wo durch die grünen Blätterwogen Der Menfchheit bange Sorge nie gezogen, Hab’ ich verträumt die Sommerzeit!
Der Schleier war von der Natur, der Bann, 2 Der fie von mir getrennt, hinweggenommen, So freundlich blickte fie mich mit den frommen, Den jeelenvollen Augen an.
Was tiefgeheim in ihrem Innern lag, Ließ fie mich leſen in den trauten Zügen Und lehrte mich in Menfchenlaute fügen, Was fie im Blätterliſpeln ſprach.
Sie hat mir Frieden in das Herz geflößt, Antwort gegeben mir auf alle Fragen,
Die angftvoll lang ich in der Bruft getragen, Und jedes Räthſel mir gelöst.
Bon dir verbannt nun, ſel'ger Zufluchtsort,
Seh’ ich ihr neun ums Haupt den Schleier wallen, Und was te fpricht iſt ein verworrnes Lallen; Ich ſuch' umfonft das Yölungswort.
RE.
Hbendgang.
In der Schlucht bein Abenddänmern Schreit' ich durch den düſtern Wald. Stille ringsum in den Zweigen,
tur daß leife durch das Schweigen Bon den fernen Eifenhänmern
An mein Ohr ein Pochen jchallt.
Und auf vielverfchlungnen Wegen Des Gedanfens irrt mein Geift, Sinnt dem Räthjel nach, dem alten, Welcher Macht geheimes Walten Binftern Zielen ung entgegen
Durch Geburt und Sterben reißt.
D der Menfch mit jenem Wollen Wie er ringt und wie ev ftrebt! Seine Wünſche unermeffen;
Dann zu ewigen Bergeffen
Ruht er unter Falten Schollen, Gleich als hätt’ er nie gelebt!
Und die Seele fühl’ ich ſchwanken Unter jchwerer Zweifel Wucht; Wieder aus der Feljenenge
Winden fi) ans Yicht die Gänge; Doch, o Abgrund der Gedanken, Führt ein Pfad aus deiner Schlucht?
Nitternadt.
Tiefmitternacht; mid iſt durchs Yaubgejchling Der legte Hänfling in fein Neſt geflogen; Schlaftrunfen hängt der nächt'ge Schmetterling Am Kelche der Viole Feitgejogen.
Und die Natur, in Schweigen tief verjenkt, Scheint auf ihr dunkles Selbft fich zu befinnen; Die Duelle, draus fie alles Leben tränft, Hörſt du aus den verborgen Klüften rinnen.
D Naht, zu deinem Heiligiten das Thor, Wohin fein Blick noch fiel der Frechen Sterne, Sit hier; doch drang je Einer weiter vor, Hinab zu deinem allgeheimen Kerne?
Wie manches Mal jhon dag ich dich beichwur: Noch tiefer laß das Dunkel um mic nachten! Den großen Schat des Yebens, der Natur, Sch weiß, birgſt du in deinen düſtern Schachten.
Und dichter, Dichter um mich quoll und brach Die Finfterniß aus nie erfchöpften Bromen; Ich ahnte, aufgeichloffen vor mir lag
Dein Heiligthum voll unbefannter Wonnen,
Stumm, athemlos ſtarrt' ich, wie fejtgebannt, Noch in den wundervollen Abgrund nieder — Da wards im Oſten hell, und Alles jchwand Allmählig in das laute Tagslicht wieder.
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Im März.
Did) vor allen Monden preiſ' ich, Fürſt des Jahres, heil'ger März,
Wenn den Banden, ſtarr und eiſig, Sich entringt der Erde Herz!
Noch iſt Schlaf auf ſie gebreitet, Aber leiſe, ſichtbar kaum,
Ueber ihre Züge gleitet
Schon vom nahen Lenz ein Traum.
Und ſie regt ſich; aus den Kammern, Wo es ſtockend lang geruht,
Fluthet durch gebrochne Klammern Wiederum ihr Lebensblut.
Und des Donners erſten Schlägen, Der den Frühlingschor beginnt, Und dem Wetterſturm entgegen Jauchzt der Sonne Lieblingskind.
Da, wie Eis im Frühlingswinde, In dem großen Werdehauch Schmilzt des Froſtes ſtarre Rinde Tief in unſerm Herzen auch.
Sprudelnd mit den Erdenflüſſen, Mit der Gletſcherſtröme Fluth,
Bricht in mächtigen Entſchlüſſen Neu hervor der Lebensmuth.
Und der lang, ein Schlafbetäubter, Dagelegen, wieder kreist
Um der Alpen Rieſenhäupter
Mit den Adlern nun der Geiſt.
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Daß er hoch und höher ringe Und, durchglüht von deinem Kuß, Ganz fein Lebenswerk vollbringe, Sei mit ihm, o Öentus!
Der Grieche im Morden. (An Buonaventura Genelli.)
Gerne glaub’ ich an die Mythe, Freund, daß aus der Nymphen Schaar Im Gefolg’ der Amphitrite
Eine deine Mutter war,
Daß am Klippenftrand von Delos, Bald in Grotten, meerumfchäumt, Bald auf Halden, ewig jchneelos, Du die Kinderzeit verträumt.
Dort auf eines Felshangs Rajen Lagſt du bei der Fluth Geroll, Wenn das Mufchelhörner-Blafen Der Tritonen vor dir fholl
Und der Nereiden Lachen,
Die in des Pofeidon Zug
Auf gezäumten Meeresdrachen Hin und her die Woge ſchlug.
In den immer lauen Yüften, Drin ihr Haupt die Palme wiegt, Hat um Bruft dir und um Hüften Keine Hülle fich geichmiegt;
Aber welcher Damon war es, Welches böfen Gottes Fluch), Der an unfer unwirthbares, Eif’ges Ufer dich verichlug ?
Aus den Nebeln, drin wir fiechen, Ward von dir feitdem die Flucht Nah dem Sonnenland der Griechen ort und fort umſonſt geſucht,
Und der du vordem im Süden Blühteft, den Olympiern gleich, Nun in unſerm Froft mit müden Gliedern welkſt du Frank und bleich.
Nein! Nicht jo im Winterfleide Kaure fort am Flammenherd!
Nimm den Tranf hier, theurer Heide, Drin des Südens Feuer gährt! Selbft ihn durch die Purpurwogen Bracht' ich dir von Hellas her,
Wo er feine Gluth gejogen
Aus der Sonne des Homer.
Trinf, den Froft des Blut zu thauen; Und, verflärt in lauterm Glanz, Wieder dir zu Häupten blauen
Wird der Himmel Griechenlands.
Auf den Hügeln, auf den Hängen Liegt des Herbites goldner Schein, Und bei jubelnden Geſängen
Keltern Jünglinge den Wein.
Und, umbraust von wuthentbrannter Thyrſusſchwinger Evne,
Naht mit dem Gejpann der Panther Selbſt der Sohn der Semele,
Ran TB
Satyın folgen mit den Schläuchen, Faune, trippelnd auf den Zehn, Und, voll füßen Weins, mit Keuchen Schleppt ſich hinterdrein Silen.
Polyphem läßt ſeine Lämmer An des Weſtens Ocean,
Der Cyklope ſein Gehämmer In der Werkſtatt des Vulkan; Ihrer Jeder drängt zur Kelter Sich heran in wildem Lauf, Fängt die Güſſe ſaftgeſchwellter Trauben mit den Lippen auf.
Und der Jubel braust gedoppelt; Aus dem Kreis der Andern tritt Menſch und Roß in eins gekoppelt, Ein Centaur im Taumelſchritt,
Und zu dir, ein halb Bezechter, Spricht er: Alter Freund, ſo ſtumm? Ein homeriſches Gelächter
Laß doch hören wiederum!
Ja, der Sorgen trüben Heerrauch, Drin dein Leben welkt und dorrt, Mein Genelli, ob dich ſchwer auch Deutjchland kränkte, ſcheuch' ihn fort! Die Olympier felber grämen
Sich, daß jo dein Pinjel vubt; Drunten irren, blafje Schemen,
Sie um des Kocytus Fluth.
Ah! das Naß der Griechenreben Weckt fie furz nur, halb zum Sein; Dich, e8 ihnen ganz zu geben, Flehn fie an; die Macht ift dein.
— NE.
Auf! all deine Yebensgeifter Sammle, von dem Trank durchglüht, Daß durch dich, geliebter Meifter, Neu die Götterwelt erblüht!
Das Zauberſchloß.
Ich weiß ein Schloß, das hoch auf Klippen ragt; Bon Adlern ift jein Zinnendach unflogen
Und wirft den Morgenglanz, lang eh es tagt, Schon weithin auf die blauen Meereswogen;
Im Traum hab’ ich, o meines Herzens Braut, Uns Beiden diefen Wonneſitz erbaut.
Dort in den Gärten jchmweifen wir umher
Und jehen von den hängenden Terrafien
Zu Füßen uns den Himmel und das Meer
In Liebesſchauern bald, gleich uns, erblafjen, Bald jo wie wir, mern Mund am Munde ruht, Hoc aufglühn in des Abends Purpurgluth.
Und o! die jonn’gen Halden an der Stluft,
Die Grotten, die zu ſel'gem Schlummer laden, Indeſſen meerhauchfeuchter Miyrtenduft Emporwallt von den hallenden Geſtaden,
Und durch die Brandung, die am Feljen dröhnt, Das Wonneftainmeln unfrer Herzen tönt.
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Am Fuß der Xlpen.
Keu klimmt der Frühling auf die Höhn,
Die Gletfher auf den Firnen krachen,
Und die Yawine läßt der Föhn
Zu ihrer Sommerluft erwachen;
Der Donner ihres Sturzes hallt
Durh Thal und Schluhten hin von Spalt zu Spalt.
Bon Wipfel wirft der Fichtenbaum
Die Eifesdede, die geborften,
Froh fliegen nah) dem Wintertraum
Die Adler auf von ihren Horften,
Und mit dem Gießbach thalmärts wälzt
Der Schnee jich, den die Frühlingsionne jchmelzt.
Wohl fonft zu euch ins reinre Blau,
Ihr Alpen, an den Felfenfteilen
Klomm id) empor, in Almenthau
Des Lebens Wunden auszuheilen,
Dod der ich war, bin ich nicht mehr;
Was ruft ihr mid) und macht das Herz mir jchwer?
Gebet des Künftlers.
Neidvollen Blickes
Empor zu euch ſchau' ich, Ihr hohen Unſterblichen, Die ihr auf Himmelsgipfeln, Einſiedler des Ruhmes,
Im ewigen Lichte wohnt,
BEE 2,
Und von den ftrahlenden Sceiteln Geſchlechter auf Gefchlechter der Menjchen Mit eurer Werke Glanz erleuchtet!
Weh dem Armen hier unten,
Dem, gleich euch zu den heiligen Höhen zu klimmen In die Seele der Trieb gepflanzt ift, Aber zu ſchwach die Kraft!
Ewig ihm vor dem Geifte fchwebt
Die himmliſche Schönheit,
Die er in Formen bannen mödte; Doch nicht der Prometheusfunfe Glimmt in der Bruft ihm,
Daß er daS marmorentftiegene Bild Mit Schöpfergluth bejeele.
In jeder Frühe
Schwanfen Schrittes eilt er zur Werfitatt, Und im Hoffen und Zweifel und Zagen Bittert fein Herz,
Während die Hand den Meißel führt; Aber jtarr bleibt der Stein;
Statt daß er des Göttervaters Antlit In olympifcher Hoheit
Ihm entfteigen jähe,
Bliden verzerrte Züge
Wie zum Hohn ihm entgegen.
Da ſinkt ihm ermattet die Hand;
Und jeufzend all Derer gedenft er, Die, wie er, geftrebt und gerungen — Und ruhmlos ing Grab gejunfen. Ueber ich hin die Schaaren
Der Erlejenen fieht er ziehen,
Der Götterfühne,
Die, von des Genius Flügeln getragen, Zu den jonnigen Gipfeln eilen;
Br
Aber um ihn hoch und höher
Schmillt der Strom
Des niederen Erdentreibens
Und will hinweg ihn reißen von dem Altar, An dem er fruchtlos geopfert.
O blickt mild auf ihn herab, ihr Unfterblichen! Gießt Muth und Kraft ihm ins Herz, Daß er ausharre im heiligen Amte. Einen Strahl eures Geiftes
Sendet hernieder zu ihm
Und laßt, ob auch jpät,
Ein Werk, nur eines, ihm gelingen, Das ein Denkmal auf Erden ihm jet, Auf daß er nicht gleich den andern Kindern des Staubes
In den Wirbeln des Lebens
Spurlos verſchwinde,
Und deffen, was er war, nicht Alles Das gierige Grab verfchlinge!
Fwige Dugend.
Schön wars, al3 aus dem Miorgenroth Mein Yeben anhub aufzuftrahlen,
Und mir die Luft in vollen Schalen Die reichjten ihrer Spenden bot;
Doch nicht die Jugend, fchnell verweht Und bleichend mit den braunen Haaren, Ich preife die, die nie vergeht
Und fchöner aufblüht mit den Jahren.
— li —
Das Götterbild, dag immerdar Ich feierte mit Hymnenſange,
Ste ſchütz' es, daß e3 ewig prange Auf meines Herzens Weihaltar, Und meine Peter jtimme fie,
Daß alles Herrliche und Schöne In voller jel’ger Harmonie,
Aus ihren Saiten widertöne!
Sie trage aufwärts meinen Geift, Auf daß er hoch und höher ringe, Sp wie in Jugendfraft die Schwinge Den alten Aar nad) oben reißt;
Er ſchwebe, himmelsluftgewiegt, Indeß, vom Yichtglanz ungeblendet, Er auf die Welt, die unten liegt, Die Sonnenblide niederjendet.
Häuft dann des Alters Wintertag
Den legten Schnee auf meine Yoden,
Nicht jchreden mich die weißen Flocken, Sch weiß, ein neuer Lenz folgt nad);
Und heller noch, als da ich jung,
Wie Abendroth der Alpen Firne, Umleuchte mir Begeifterung,
Wenn fie zum Grab fich neigt, die Stirne.
Gedrückt hat jo der Genius
Dem einumdachtzigjähr’gen reife, Dem hehren Sophofles, noch leije Auf Stirn und Mund den Weihefuß; Und, während er im Morgenlicht Sein Opfer bracht' am Muſenherde, Noch auf den Lippen ein Gedicht, Ward er entrückt von dieſer Erde.
Dad) dem Gewitter.
Nun zerreißt des Wetters Dad, Matt verhallt das Sturmgetofe, Durd die Riſſe nad) und nad) Blidt das Blau, das jchleierloje; Und wie fi der Sternenvaum Aufthut bis ans Weltenende, Falten an der Wolfen Saum Engel zum Gebet die Hände.
Und hernieder wallt ein Ton
Bon der Sonnen Feierreigen,
Die jeit Emwigfeiten ſchon
Droben finfen oder fteigen,
Reißt nah Sturm und Wettergroll Aufwärts, aufwärts meine Seele, Daß fie einftimmt andachtsvoll
In die himmlischen Choräle.
An den Kukuk.
Stimme, die im Frühlingswinde Fernher durch das Yaubgrün hallt, Tönt dein Ruf, wie einft dem Kinde, Neu mir aus dem Buchenwald?
Sahre, mehr als du dem Knaben, Muntrer Vogel, prophezeit,
Sind jeitdem verrollt; begraben Liegt die goldne Fugendzeit.
Hin die erjte zauberiiche Dämmerhelle vor dent Tag, Als der Thau in Morgenfriiche Auf des Yebens Blüthen lag,
Hin der Rauſch, als himmelwärts mir In der Jugend erſtem Stolz
Sid) die Seele hob, das Herz mir An geliebten Bliden ſchmolz!
Du indeß, Unjterblich-Froher,
Haft in deiner Waldesluſt
Nichts von Trauer, nichts von hoher Hoffnungen Berblühn gewußt.
Neu dir feimt, wenn es gefallen, Mai für Mai das Yaub empor, Und durch grüne Blätterhallen
Schweifſt dur fröhlich wie zuvor.
Juble fort in deinen Hainen, Während, nie mehr zu erjtehn, Unfer Glück und unjre fleinen Yeben in den Wind verwehn!
Nachruf.
Läſſeſt du allein mich ſo, Der ich manchen Abend froh Hier mit dir geſeſſen? Deiner längſt zum Zwiegeſpräch Harr' ich; und hierher den Weg Haſt du nun vergeſſen?
Schack, Eeſ. Werke. IV. 3
ER ao En
Unten rauſcht wie jonft der Rhein, In dem Glaſe blinkt der Wein, Daß mein Karl ihn trinke,
Und ich lauſch' und lauſche bang, Ob ich höre feinen Gang,
Ob ſich vegt die Klinke.
D die Zeit, wie froh fie war, Als fo wie ein Blüthenpaar, Einem Zweig entjprofien,
Hier des Lebens ſüßem Mai, Knoſpend, duftend unſre zwei Seelen ſich erſchloſſen.
Hier im ſchönen Seelenrauſch Bei der Reden Wechſeltauſch Ihn zum Freund gewann ich; Jedes Wort, das ihm entquoll, Schien mir tiefer Weisheit voll, Lang darüber ſann ich.
Eh mit erſtem Schein der Tag Durch das Rebengitter brach, Kam er mich zu wecken,
Und bei Lerchen-Morgenſang Schritten wir den Rhein entlang Durch die Weißdornhecken;
Sahen über Wieſengrün
Fernhin alte Burgen glühn
Auf den Felſenſpitzen,
Und die Thäler, feucht von Thau,
Nach und nach durchs Dämmergrau
Hell im Frühlicht blitzen.
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Dann, wenn in des Yernens Drang Einer mit dent Andern vang
Um den Sieg im Wiffen,
Stets von ihm mir, ob ich heiß Auch geworben um den Preis, Sah ich ihn entriffen.
Ihm mit Staunen blidt’ ich nach; Dod, wenn mir die Kraft gebradh, Um ihm nachzuringen,
Dacht' ich bang: genug! genug! Brechen müſſen bei dem Flug Endlich jeine Schwingen.
Und es fam wie ich gedacht; Um fein friihes Grab bei Nacht Flattert die Phaläne;
Wo fo oft er bei mir jaß, Bleib’ ich einfanm, und ing Glas Rieſelt eine Thräne.
An den Worgenſtern.
Von Allen, die am Himmel ſind, Wie dich lieb' ich nicht Einen, Mein Auge hängt wie da ich Kind An deinem Glanz, dem reinen.
Noch träumend liegt der junge Tag Auf den begrünten Matten
Und blickt, die Augen reibend, zag Durch die gebrochnen Schatten.
Ze
Aufſchwingt zu div im Frühgeſang Mit Schnellen Flügeljchlägen Die Lerche fih, und Glockenklang Hallt feiernd div entgegen.
Und wie im Morgenlicht erwacht Die Ströme, Fluren blinfen,- Seh’ ich des Lebens lange Nacht | Fern hinter mir verfinfen.
Ber Auſik.
er bift du, deffen Odem auf den Wogen Der Töne mir entgegen quillt? Entzüdungen, die nicht won dieſer Erde, Wehn leife mic) aus ihnen an; ich werde Hinunter an das bleiche Meer gezogen, Das zwifchen hier und drüben jchwillt.
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Mich führt ein Weib, verhüllt mit weißem Schleier, In ihren Kahn; von dannen trägt
Der Windeshaudh uns auf dem Wellenjpiele,
Das ſich melodiſch bricht am Kiele y
Und tönend bei den Klängen ihrer Yeier ; Stets weitre, weitre Kreiſe Schlägt.
Ein Yispeln hallt um mich von Geifterjtimmten, Und Yaute, die ich nie gefannt,
Und Murmeln hör’ ich ungejehner Quellen; —
Dann legt fich große Stille auf die Wellen,
Drauf weiße, wunderbare Blüthen ſchwimmen, Nie Boten von dem Fenſeitsſtrand.
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In eine Schale, während ſüßes Beben Bom Haupt zum Fuße mich durchichleicht, Schöpft von den blafjen Wellen die Verhüllte Und bietet mir zum Trank die vandgefüllte; Mir ftodt der Athemzug; iſts Tod, iſts Yeben, Was fie mir in dem Kelche reicht?
Anferblides Glück.
Lichter Schon werden die Neben der Yaube, Drunter im Yenz wir, im Herbfte geruht, Und, die wir reifen gefehen, die Traube
Strömt auf die Kelter die goldene Fluth.
Bald als Wein in feurigen Wogen Siegen wird fie die Gluth des Auguft, Die fie am flammenden Mittag gejogen, Uns beim Decemberfroft in die Bruft.
So um Verlornes wie follten wir Klagen? Immer vom Yiede der Nachtigall
Tönt aus den wonnigen Junitagen
Uns in der Seele der Wipderhall.
Singen Alle zu Grab, die ung theuer — Bon der Viebe, die wir geliebt,
Ewig erfüllt ung das wärmende Feuer, Ob auch das Yeben zu Ajche zerftiebt!
Un meinen Geburtstage,
(In der Jugend.)
Der junge Tag läßt Thal und Höhn Im Abglanz feines Yächelns glimmen; Bon allen Seiten ſchallt Getön
Der Heerden, die an Feljen Flimmen; Die goldnen Sommerfävden jchwinmen Wie Boote durch der Lüfte Meer,
Es tönt gleich taufend Liebesſtimmen
Der Vögel Zwitichern um mich her.
Dort unten fließt der alte Rhein, Ich ſehe muntre Kinder fpielen,
Ich jeh’ im heiten Sonnenschein
Die Blüthen am den jchlanfen Stielen Gejchaufelt von des Windes Flügel; Doch ich mag nimmer fröhlich jein Und ſchaue vom bemoosten Hügel Mit triibem Blid ins Yand hinein.
Wie ruht’ ich einft jo fanft und tief, Eh zu des Ervdenlebens Kummer, Mich diefer Tag ins Dajein rief!
Das Nichtjein ift der beſte Schlummter! Wer bift du, namenlojes Wejen,
Das mich gewedt, als ich ihn jchlief? Wer ift der Bittende gemefen ?
Wer reichte dir den Vollmachtsbrief?
Noch ſchwebt vor meinen Geiſt ein Bild Aus meinen frühften Kindertagen,
Als mich die Mutter engelmild
An ihrer lieben Bruft getragen;
Sie ließ den Lebensquell mic ſaugen Der aus dem Mutterbufen quillt, Und fang, und ſah mir in die Augen, Bis fie den MWeinenden geftillt.
Sie jah mich tief und tiefer an, Und traur’ger wurden ihre Yieder, Und eine heiße Thräne rann
Auf das geliebte Kind hernieder; Sie hatte wohl zu tief gejehen
Und ahnt im findlichen Geficht Schon all die Yeiden und die Wehen, Bor denen jebt mein Herz zerbricht.
Der Sommer flieht, der Herbit beginnt! Schon finfen matte Schmetterlinge
Und Blätter fterbend in den Wind,
Die Schwalbe prüft zum Flug die Schwinge, Und bange zittertS durch die Neifer,
Wie fie der fältre Hauch durchrinnt,
Und flüftern Hör’ ichs Leif’ und leifer:
Komm fehlafen, armes müdes Kind!
An meinem Geburtstage. (Dreißig Jahre jpäter.)
Und jo folgt das Jahr dem Jahre, Und mit ſchwarzem Flor behängt Steht gerüftet ſchon die Bahre, Die im leten mic empfängt.
— 0—
Tiefer in des Lebens Blüthe Nagt ſich täglich ein der Wurm, Und die Gluth, die in mir glühte, Stirbt erlöſchend hin im Sturm.
Hin mit jedem Tage ſchwindet Etwas, das mir theuer war,
Und der Augen Stern erblindet Und zu Grau erbleicht mein Haar.
Mag das Eis der Bäche thauen Und ihr Neſt an meinem Dach Wiederum die Schwalbe bauen, Nie mein Herz mehr ſingt ſie wach.
Durch des Frühlings Glanz und Prangen Fühl' ich nur den Grabduft wehn
Derer, die dahingegangen,
Und gleich ihnen muß ich gehn!
Der längſte Tag.
Tag der Sommerſonnenwende, Schönſter in der Brüder Schaar, Seines Segens reichſte Spende Häuft durch dich auf uns das Jahr.
Alle deine goldnen Stunden
Zu genießen, voll und ganz,
Früh dem Schlummer ſchon entwunden Hab' ich mich beim Sternenglanz.
EA ——
Sah die Dämmernebel brechen, Als jein Thor der Oſt erſchloß, Und dein Licht in Flammenbächen Auf die Erde niederfloß;
Sah, wie ſie in durſt'gen Zügen Schlürfte von dem reinen Trank, Bis in ſeligem Genügen
Sie in Mittagsträume ſank.
Hoch mit dir am Himmelsbogen Iſt auf deiner lichten Bahn Meine Seele hingezogen
Ueber Berg und Ocean.
Und in ſich, bis tief, tiefinnen Sie geſättigt war von Gluth, Ließ in vollem Strom ſie rinnen Deiner Strahlen heil'ge Fluth.
Noch im Sinken lange, lange Leuchteteſt du, goldner Tag; Lang noch nach dem Untergange Glühe mir im Herzen nach!
Die längſte Nadit.
Bon des längjten Tages Helle War mir no) der Sinn beitridt, Gern an feines Yichtes Duelle Hätt’ ich ewig mich erquidt.
Dod die Nächte wurden länger Und das Dunkel ftieg und ftieg; Engre Kreife, immer enger
509 die Sonne, matt und jiedh.
Selbjt der Himmel ſchien zu trauern, Daß die Strahlenpracht verglüht, Und inmitten finftrer Mauern
Mich verbarg ich lebensmüd.
Nun wie anderd Alles! nicht mehr Sehn’ ich mir zurüd den Tag, Da allhin, ein wallend Yichtmeer, Sonnenglanz auf Erden lag.
Schöner nun zu taufend Malen Unter jchneebededtem Dad)
Slänzt von zweier Augen Strahlen Mir dies nächtliche Gemad).
Weich hält mich ein Arm umwunden, Und zwei Lippen flüftern jacht:
Mit den dunfeln, dunfeln Stunden Sei gejegnet, längjte Nacht!
Am Mittelmeer.
Hinunter in die Miyrtenjchlucht
Stürzt ſich zerflatternd die Cascade,
Es rauscht das Meer von Bucht zu Bucht Entlang der zadigen Geftade,
Und Höhle tönt und Feljenjpalt Bon Yispeln feiner Wellenzungen; Im Herzen murmelts mir und hallt Bon wonnigen Erinnerungen.
Strahlend in Negenbogenglanz,
Grün, golden und mit Silberflanme, Hinhüpft des Yichtes Zittertanz
Bon Wellenfamm zu Wellenfamme Und wiegt um Klippen, jchaumbejprist, Sich funfelnd auf dem Wogenichlage. Im Herzen leuchtets mir und blist Bon der Erinmrung jel’ger Tage.
In der Krankheit.
Nicht kann ich Shaun den Lieblichen April,
Wie reinre Yuft fih um die Erde breitet
Und übers Antlıg jhon ein Traum ihr gleitet Des Frühlings, der erwachen will.
Der du dich leuchtend ob der Erde wiegit
Und hoch und höher dort den Himmel vötheit,
D Morgen, daß du mir die Schwingen bötejt Und mich enipor vom Lager tritgft!
Dann hört’ ich, wie mit lautem Wogenjchlag
Das Meer an allen Ufern rauſcht' und riefe
Und aus den Buchten, aus des Abgrunds Tiefe Entgegenjubelte dem Tag.
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Einmal noch jäh’ ich über Thälergrün
Der Berge Häupter roſig ſich verklären
Und hochauf von der Gletſcher Eisaltären Die Morgen-Opferfener glühn.
Bergebens! Tauſendfach, indeß das Yicht
Du trägft von Weltgeftad’ zu Weltgeftape,
Sinft ja das Yeben hin auf deinem Pfade — Was machts, ob meins zufammenbricht?
Dft noch, wie deine hohe Bahn du ziebit,
Wirſt du die Yänder und die Meere weden,
Doch mich nicht, wenn mid) dunfle Schollen deden Und über mir der NRafen jprießt.
Novpemberabend.
Ein Hauch des Grabes ſchien von Blatt zu Blatt, Von Aſt zu Aeſten träg zu wallen;
Das letzte Laub nur klammerte noch matt Sich an die Zweige vor dem Fallen.
Vom Nebel des Novembers kalt umtrieft, Der rings auf Hügeln lag und Mooren, Hinſchritt ich, in Erinnerung vertieft An all das Glück, das ich verloren.
Der Jugend Hoffnungen und Träume deckt Für immerdar die Nacht der Grüfte,
Und meine Seele bebt zurück erſchreckt, Wenn ich den Leichenſchleier lüfte.
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Dahin, wie meines Geiftes fühner Flug, hr, die im Arm ihr einft mic vuhtet!
An Wunden, die euch früh das Schickſal fchlug, Um mic, vor mir feid ihr verblutet!
Der einſam ich zurückgeblieben bin,
Nun ftürmen fühl’ ichs rauh und rauher, Und meines Yebens Blätter finfen Hin,
Die legten in des Herbftes Schauer.
Ich dacht‘ es; hinter Wolfen, trüb’ und jchwer, Sah ich das Abendlicht verglimmen,
Und leife trug der Wind vom Friedhof her Mir an das Ohr der Todten Stimmen.
Der Heeadler.
Mob, König der Yüfte, für deinen Flug Der Sturm dir die Schwingen, die weißen, Daß fie geihwind, wie ein Athemzug, Bom Meer gen Himmel dich reißen?
Hat dir die Sonne das Auge gefeit,
Daß du nicht dDroben erblindeft,
Wenn du in blauer Unendlichkeit
Dem Sehrohr jelber entjchwindeit?
Hoch, hoch, wo der Alpen mächtigite Piks In Dämmernebel verihiwinden,
Hinunter ſpähſt dur leuchtenden Blicks
Zu des Weltall3 gähnenden Schlünden;
Und ſiehſt von deiner himmlischen Wacht Jenſeits von dev Erde Gränzen
Den Tag, der Abend nicht fennt noch Nacht, Den unvergänglichen, glänzen.
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Wenn wirbelnd daher das Gemitter jauft
Und aus unterftem Dceane
Die Fluth aufpeiticht, daß fie himmelan brauft, Wiegſt du dich auf dem Drfane; Was, ob in den Wellen, zu Bergen gethirmt, Auch ganze Flotten verfinfen,
Du jubelft, wo es am wildeften jtürmt,
Der Windsbraut Ddem zu trinfen.
Das Frühroth bleibt, daS purpurnen Saum Aufiteigt ob Meeren und Yändern,
Matt hinter dir, Beherricher des Raums, Zurüd an den Himmelsrändern;
Ans Nordcap hörteft du wilden Schlags
Ber Nacht die Wogen noch branden
Und grüßeft den Strahl des werdenden Tags Schon hoch vom Gipfel der Anden.
Wie dir — o lang verjunfene Zeit! — Einft wollte zu ihren Flügen
Des Raumes weite Unendlichkeit
Kaum meiner Seele genügen;
Nun ſeufzt fie, gebeugt vom niederen Joch, In des Yebens finfterer Enge;
Ah! daß fie nur einmal jubelnd noch
In den leuchtenden Aether fich ſchwänge!
In durjtigen Zügen, voll und ſtark,
Die Luft des Himmels zu jchlürfen,
Hinab zu der Schöpfung entlegenfter Mark Die Blide ſenden zu dürfen —
D Adler! dir neid' ich den jeligen Tod, Der dir dort oben bereitet,
Wenn die ewige Sonne ihr glühendes Noth Um die brechenden Schwingen dir breitet.
Karls des Fünften leßte Stunde.
Hallt um mich, ihr Sterbegloden! Mönde, reiht das Crucifix!
Wie die Athemzüge jtoden,
Sinft die Wucht des Mißgeſchicks; Yang genug auf Erden büß’ ich, Wanfend an dem Pilgeritab,
AS den erften Raftort grüß’ ich Wandermüde nun das Grab!
Schon als Knabe, da die bleiche Mutter weinend mich umjchlang, Sie, die an des Vaters Yeiche Wahnfinnvoll die Hände vang, Irrt' ich mit ihr Jahr’ um Jahre Durch) die Welt im Trauerzug, eben mir die Todtenbahre,
Die den blaſſen Bater trug.
Ziemte mir, dem Unglüdsjohne — Früh ſchon war ich todeskrank — Mir von jenem Reich die Krone, Dem die Sonne nie verjanf? War ic) würdig, daß in Aachen Bei des großen Karl Gebein
Jene ſchwarzen Wähler jprachen: Diejer Karl joll Kaifer ſein?
Immer noch vor meinen Sinnen Schwebt der ungeheure Tag,
Da in Worms auf morſchen Zinnen Sonnengleich die Zufunft lag;
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Feder Blick jah hoffnungstrunken Zu ihr auf, dem Vicht erwacht, Ich allein, in mich verjunfen, Starrte in die alte Nacht.
Unbekannte Rufe jtiegen
An mein Ohr mit fremden Klang; Neue Fahnen jah ich fliegen,
Die ein neuer Glaube jhwang; Rauſchen zwiichen ihren Falten Hört’ ich eine junge Beit,
Aber finftre Nachtgeftalten Geißelten mich in den Streit.
D die Banner wohl zertreten,
Nicht bezwingen Fonnt’ ich fie,
Und der Klang der Siegsdrommeten Scholl wie Trauermelodie,
Und das Auge mußt’ ich jenfen
Bor dem hingeftürzten Aar —
Soll ih noch an Mühlberg denken, Denken noch an Billalar?
Horch! durch dieſe Glockenklänge, Seufzerſchwer, im Trauerchor, Tönen mir die Grabgeſänge Meiner Völker an das Ohr.
Zu der Welt, die ich beſeſſen, Schweift das Auge mir hinab, Wie ſie weithin, unermeſſen Liegt, ein rieſenhaftes Grab!
Fern, vom letzten Strahl beſchienen, Dämmert mir das deutſche Reich; Schon auf ſtürzende Ruinen
Sinkt die Nacht, dem Tode gleich;
ZEUG
Matte Stimmen hör’ ich, lallend Bon vergangner, großer Zeit, Doch der Ölodenruf, verhallend, Trägt fie in die Ewigteit.
Näher mir auf wirrem Schutte Steht ein florumhüllter Thron, Und ein König in der Kutte — Ich erkenne meinen Sohn — Zählt die leichennollen Särge, Die, der feine Reiche lenkt, Jener herzogliche Scherge
In den großen Friedhof ſenkt.
_ Spanien, wirf fie hin, die Yanze, Da dein legter Ritter fiel! Sterbend zittert die Romanze Auf den legten Saitenjpiel! Statt der Pieder num, der frohen, Füllt dich dumpfer Kettenflang, Und der Scheiterhaufen Yohen Yeuchtet deinem Untergang.
Aber fernehin im Weiten
Seh' ih Küften, friſch und grün, Mit den Morgenthausgenäßten Fluren aus dem Meer erblühn; Und ein Kiel mit jegelpollen Maften naht dem ſchönen Strand, Und die- Anfer hör’ ich rollen, Und die Schiffer rufen: Yand!
Fa, das Schiff der Menfchheit ſteuert Zu dem Port der jungen Welt, Wo das Leben ſich erneuert, Und das Dunkel fih erhellt. Schad, Ge. Werke. IV. R 4
BE ae
Doch für mich und dieje alte, Die mit mir zu Tode geht, Kun der Ölodenton verhallte, Mönche! ſprecht ein Grabgebet!
Aller-Heelen-Nadit.
Der Tag verglomm mit blafjem gelbem Streife, Einfam war ich zum Thor hinausgegangen Auf Pfaden weiß vom erjten Winterreife.
Und wie um mic in des Novembers Schauer Die legten welfen Blätter niederjtoben, Berhüllte meine Seele fih in Trauer.
Der Lieben all, die ich verloren hatte, Dacht' ih und hub verfunfen in Erinnrung, Bon Jedes Grabe noch einmal die Platte.
Sp, nit der Stunden achtend, wie ſie jchwanden, War ich verirrt zu einem Plag gekommen, Auf welchem nie zuvor mein Fuß gejtanden.
Um mich erglänzten bleic) im Mondesſtrahle, Mit friſchem Kranze jedes Kreuz umwunden, Reihn hinter Reihen, ernſte Todtenmale.
Geſang ertönte aus der Grabkapelle, | Die in der Mitte ftand, und durch die Fenfter Slomm vom Altar der Lichter matte Helle.
Langſam herab vom Thurm erflang Geläute; Zwölf Schläge that die Uhr, und bangen Herzens Sagt’ ih mir: Aller-Seelen-Nacht ift heute,
Da, wenns vom Thurme Mitternacht erfchollen, Sieht, wer auf einen Friedhof fich verirrte, Die Theuern, die ihn bald verlaffen wollen.
Und Schon im bleichen Mondftrahl drei Geftalten Gewahrt' ich auch, die längs der Grabdenfmale Im Feiergange zur Kapelle wallten.
Zur Seite wollt’ ich weichen, angjtbeflonmen ; Doch mußte feftgebannt am Wege jtehen Und jah fie näher, immer näher kommen.
Der Bordern glühten jugendlic die Wangen, Sp wie in Bajäs Bucht die Meereswellen, Wenn fie im Nofenlicht des Oſtens prangen.
Sie war e3, die mir leicht jedwede Mühe Und jeden Kampf gemacht und jedes Wagen In meines Lebens goldner Morgenfrühe.
Sie ſchritt mit mir im Yenz durch grüne Auen Und ließ, wenn jchwer des Herbites Nebel mwallteı, Mich ſchon des neuen Frühlings Sonne jehauen.
Als Spiel hat mir durd) fie Gefahr gegolten, Und lächelnd blickt’ ich auf die Wetterwolten Des Schidjals, die zu meinen Füßen grollten.
Ich vang, berauſcht von ihrem Athemzuge, Mid aus dem niedern Staub empor und folgte Dem Adler nach auf feinem fühnften Fluge.
Und num, du fchönfter Saft beim Yebenzfeite, Rief ih, o Jugend, willft du mich verlafjen? Und nimmſt vom Dafein mit dir fort das Beſte!
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Doch achtlos ſah ich fie von dannen fchreiten; Drauf, wehmuthsvoll ihr nachſchaund, hört’ ich Töne, Wie Windeshauch durch AeolSharfenfaiten.
Und zu mir trat mit rüdgejchlagnem Schleier, Das dunkle Auge von Begeiftrung glühend, Die Zweite, in der Nechten eine Yeier.
Auch du, Öejpielin meiner Knabenjahre, Nief ich, des Jünglings Lehrerin und Freundin, Willſt fliehn? o was bleibt dann mir als die Bahre!
ie mehr die heil’ge Flamme willft du zünden Auf dem Altare meines Herzens? nie mehr Durch meine Pippen Seherworte fünden ?
Nie ferner zu der Vorwelt grauen Tagen Und über Raum und Zeit hinweg die Seele Dir zu der fernen Zufunft Wundern tragen?
Soll ohne Sinn fortan der Sterne Reigen, Der ewige, zu meinen Häupten freifen, Und die Natur, zu Stein erftarıt, mir ſchweigen?
Wenn du mic fliehft, und früher Herbftreif ſchnöde Verwelken läßt den Frühling meiner Seele, Was bleibt mir in des Yebens Winteröde? —
Sie ſchritt zur Grabfapelle fort; mir hingen In dunkler Trauer lang an ihr die Blide, Und fern hört’ ich ihr Saitenfpiel verklingen. -
Die Dritte fam, von milden Glanz ummoben; Ein Hauch des Yenzes ſchien um fie zu mwehen, Bor dem die falten Nebel rings zerftoben.
Mit tiefen, feelenvollen Augen jchaute Sie lang mic) an; mir war, als ob im ihnen Der ganze mwolfenlofe Himmel blante.
Und du auch, Sprach ich, willft mir treulos werden, Du Hüterin an der geweihten Quelle, Draus Alles fließt, was göttlich ift auf Erden ?
Dich in der Seele ahnungspoller Stille Früh fühlt’ ich, wie des Morgens Nahn die Roſe Schon fühlt, eh fie noch brach die Knoſpenhülle.
Und als du famft, al3 du die Engel-Holvde Mir in den Arm geführt, wie glomm und ftrahlte Um mic das Yeben auf im Morgengolve,
Wie jenfte jih auf uns in Duft und Blüthen Ein Lenz, der nicht von diefer Welt, hernieder, ALS ihre Lippen an den meinen glühten!
Und ift mit feinen erſten Wonnejtunden Mit jeinen Roſen, jeinen Nachtigallen Auch jener Mai der Yiebe hingefchwunden,
So weich’ doch du nicht, Fürſtin meines Yebens! Schon wenn ichs denke, zittert durch die Seele Mir Todesahnung fchauervollen Beben.
Ich ſprachs; mir war als ob fie, mein nicht achtend, Bon dannen jchreite; da janf tiefes Dunkel Auf meine Augen, finfter mic) umnachtend.
Beſinnungslos lang lag ich; als daS matte Auglid ich wieder hob, fand ich amı Boden Mich hingeſtreckt auf eine Grabesplatte.
Erblaßt im Kicchlein war der Kerzen Schimmer, Doch die Geftalt, die ich geſchieden wähnte, Stand, wie zupor, zur Seite mir noch immer.
Mein, nicht diejelbe ſah ich mehr; ihr Schatten, Nur wars gewejen, welchen meine Blide, Ich ahnt es wohl, zuvor gejehen hatten.
Ste glich) an Hoheit und an Himmelsmilde Dem Urbild aller Göttinnen und Frauen, Dem ewigen, auf des Urbiners Bilde.
Ins Antlig Schaut’ ich bange nur der Hehren Und mehr und mehr jah, als ich aufwärts blicte, Ich fie zu Himmelsglorie jich verflären.
Sie ſprach: Nicht jene, die im Sinnentriebe Die Adern flopfen läßt, die Herzen jchlagen, Ich bin die ewige, die reine Liebe.
em meinen Yebensodem in die Seele Ich hauche, überreich mag er fich preifen: Und ob auch alles Andere ihm fehle,
Die Menschheit Lehr’ ich an die Bruft ihn drüden, In Liebe alles Yebende umfaſſen Und ſelber ſo beglückt ſein im Beglücken.
Drum zage nicht, wenn in dem wüſten Treiben Der Welt du einſam daſtehſt und verlaſſen! Ich will dir bis zum Schluß der Zeiten bleiben.
II. Verwehte Blätter. Erſtes Bud).
L.
Ihr Yerchen, jehüttelt den Thau von der Bruft! Fliegt auf aus Furche und grünender Saat, Hoc über der höchſten Berge Grat Schwingt euch empor in jubelnder Luſt Und jauchzt es in alle Yande hinein:
Sie tft mein!
Flammt auf, ihr Alpen, golden und roth!
Bon Zade zu Zade und Feljenrand
Laßt ſchießen die Strahlen, bis hoc der Brand Bon Gletihern und Eisaltären lobt,
Und leuchtetS in alle Yande hinein:
Ste iſt mein!
9 ir
Lang verfchollne Wonnen kehren, Oedes Herz, in dich zurüd; Aber wirds dich nicht verzehren, Diefes neue Piebesglüd ?
REES
Selig lodernd, wie getroffen Bon des Himmels Wetterjtrahl, In Derzagen und in Hoffen Brennft du, und in füßer Dual.
Diefes jubelnde Vergehen, Wenn das Ich ing Du verfinft Und in heißem Athemmehen Tödtliches Entzücken trinkt,
Bangen Zweifels muß ich fragen, Ob es Segen oder Fluch;
O, um alles das zu tragen,
Biſt du, Herz, auch ſtark genug?
Ss ‘
Süß find die Yaute all, in denen Die Liebe traute Zwiejprach hält. Süß ift das Wort, das zwifchen Thränen Und Lächeln flüchtig ihr entfällt,
Und ſüß der Schwur auch), der glei) Zweigen Zmei Leben ineinander flicht;
Doc füher noch der Yippen Schweigen,
Wenn Seele nur mit Seele Spricht.
Schön find, doch kalt die Himmelsfterne, Die Gaben farg, die fie verleihn;
Für einen deiner Dlide gerne Hingeb’ ich ihren goldnen Schein!
Getrennt, jo daß wir ewig darben, Nur führen fie im Sahreslauf
Den Herbft mit feinen Aehrengarben, Des Frühlings Blüthenpradht herauf.
Doc deine Augen — o, der Segen Des ganzen Jahrs quillt überreich Aus ihnen ſtets als milder Regen, Die Blüthe und die Frucht zugleich!
[>11
Wie jollten wir geheim fie halten, Die Seligfeit, die ung erfüllt? Nein, bis im jeine tiefiten Falten Sei Allen unſer Herz enthüllt!
Wenn Zwei in Liebe fich gefunden, Seht Jubel hin durch die Natur,
In längern mwonnevollen Stunden Yegt fi der Tag auf Wald und Flur.
Selbft aus der Eiche morſchem Stamme, Die ein Jahrtaufend überlebt,
Steigt neu des Wipfels grüne Flamme Und rauſcht von Jugendluſt durchbebt.
Zu höherm Glanz und Dufte brechen Die Knoſpen auf beim Glück der Zwei, Und ſüßer vaufcht es in den Dächen, Und veicher blüht und glänzt der Mai.
6.
In deines Auges klare Quelle Taucht ſich mein Geiſt wie in ein Bad; Die Welt ſtrahlt ihm in reinrer Helle, Wenn er in ihr vom Staub geklärt jich hat.
Er ſchwebt dahin mit Lichter Schwinge, Als ob erftanden aus dem Grab; Durhfichtig werden ihm die Dinge, Bis auf den tiefiten Grund Schaut er hinab.
Was vor Jahrtauſenden gewejen, Wie was in Zufunft unfer harrt, Kann er in einem Blide leſen,
Und Alles doch iſt holde Gegenwart!
T;
Dein Aug’ ift Schwarz wie die Sturmesnacht, Wenn Wolfen den Himmel durchjagen;
Ich blick hinein in die wilde Pracht
Und fühl’ ein ſchwindelndes Jagen;
Dann wieder wie aus der Unendlichkeit quillt Ein Glanz hervor, der das Bangen jtillt.
u a. 22
Dein Aug’ iſt ſchwarz, ift Schwarz wie der Tod; Oft nur mit heimlichem Grauen,
Das mich in die Tiefe zu veigen droht, Bermag ich hinein zu ſchauen;
Und Wonnen doch ſchauern aus ihm mid au, Die nie ih geahnt, noch faſſen kann.
8.
Schon an den Hollunderhecken Wagen aus den Tagverſtecken Sich die Dämmerfalter vor, Flattern ſcheu noch und verftohlen Um der Pilten, der Biolen,
Der Syringen Blüthenflor.
Fern beginnt es zu gewittern, Durch die Yüfte geht ein Zittern, Eh herein der Sturmmwind bricht, Und vor deiner Thüre lange Wart' ich ſchon im Miyrtengange, Doch die Klinke vegt fih nicht.
D! was läſſeſt du mich harren? Mädchen, rührt div nichts den ftarren, Kalt in fi verichlofinen Sinn?
An den Lılten, den Syringen
Flattert mit den Schmetterlingen Angftvoll meine Seele hin.
Während des Spätroths Strahlen blaß Hinter dem Walde verglimmen,
Welch ein Rauſchen und Regen rings! In den Blättern des Yaubgefchlings Auf den Wiejen, von Thau ſchon naß, Hörſt du die flüfternden Stimmen?
In den Lüften wie Yispeln wehts, Stammelt und raunt in den Bächen, Murmelt im Strom empor aus der Kluft; Alle die Blätter, die Wellen, die Luft, Etwas, aber vergebens jtets,
Ringen fie auszufprechen.
Nimm die Yaute! Was jene nur
Matt und gebrochen lallen,
Leih' ihm aus deiner Seele das Wort, Und mit deiner im vollen Akkord
Yaß die Stimmen von Wald und Flur Aus den Saiten erichallen.
10.
Duftendes Geisblatt, fteige
Höher empor, daß Aſt mit Aſt, Ranke mit Ranke ſich dicht verzweige Zu der Liebe Sommerpalaft!
Süß iſts, wie wir zufammen
Nuhen unter dem wogenden Grün Und des Yaubes jmaragvene Flammen Uns zur Seite, zu Häupten jprühn.
En a
Aber Dichter umd dichter
Schließ um uns ji) das Dlättergevant, Immer noch) fpielen zitternde Yichter Zu ung herab auf die Raſenbank.
Zeugen der Wonne dürfen,
Wenn in der Yaube wir Nachts zu mein Mund von Munde den Odem uns fchlürfen, Selbjt die fchweigenden Sterne nicht fein!
Fr,
In deinem Blick ſich ewig jonnen, Wohl wär’ es Himmelsfeligfeit; Allein auch mit dem Mindern ſchon Zufrieden ſei der Erdenſohn!
Denn in der Liebe großen Wonnen Wird Glück fogar das Trennungsleid!
Glück nenn’ ichs, wenn im Abſchiedsharme Die Stimme flüftert: noch einntal!
Und aneinander wiederum
Die Yippen zittern freudeftunm,
Bis langjam fich der Arm dem Arme Entwindet in des Scheidens Dual;
Und Glüd dann, wenn ein theurer Nanıe, Der Nofegleich, die einfan blüht,
Mit Duft des Fernjeins Dede füllt,
Bis fih das Weh in Seufzern jtillt,
Und heißer nad) dem Trennungsgrame Der Kuß des Wiederfehens glüht.
Auf ſchwankem Kahn ins Ungewiſſe Irrt' ich durchs wildempörte Meer, Da glomm durch Wetterwolkenriſſe Ein blauer Schein von oben her.
Und nach und nach zerrann in hellen Lichtglanz das Dunkel über mir, Ans Ufer trugen mich die Wellen In leiſem Windeshauch zu dir.
Mag deiner Augen ſel'ger Himmel, Der rettend mich dem Sturmesgraun Entriſſen hat, dem Weltgetümmel, Nun ewig mir zu Häupten blaun!
All die Gedanken und Gefühle,
Die ſich im Herzen mir gehäuft, Wenn nach des Julitages Schwüle Der erſte Thau herabgeträuft
Und zu mir aus dem Lindengange Der Duft herſtob im Abendwehn, Im Herzen wahrt' ich ſtill fie lange, Allen ich wußte nicht, für wen.
Was ich empfand, wenn mir zu Häupten Der große Sternenhimmel hing,
Und itbern Mund der jchlafbetäubten Natur nur leifes Murmeln ging,
— —
Was bei der Lerchen Frühgeſängen, Wenn rein die Frühlingslüfte blaun, Es wollte mir den Buſen ſprengen, Doch Keinem mocht' ich es vertraun.
Seit ih did fand — o Heil dem Tage! — Erſt fteigt aus meines Herzens Gruft
Der Mitternächte jtumme Klage
Mit der begrabnen Yenze Duft;
Und all der Sommermorgen Wonnen,
Der goldnen Abenditunden Luft,
Koch glühnd im Strahl verfunfner Sonnen Ausſtröm' ich nun in deine Bruft!
14.
Schon rauſcht der Herbit durchs Waldgezweig, Und Eiche, Buche, Yinde
Streun ihre Blätter, gelb und bleich,
In die Oftobermwinde.
Doch eine Buche, die ſich kühn
Hebt aus der andern Kreife,
Dleibt jeit dem erften Yenzhauc grün Bis zu des Winters Eife.
ALS Margarethens Namenszug
Ich eingrub ihrem Stamme,
So ftolz aus ihr zum Himmel ſchlug Des Wipfels grüne Flamme.
= ee
och lange wenn, des Herbites Raub, Der andern Blätter fallen,
Debt von der Elfen Tanz ihr Yaub, Dem Lied der Nacdhtigallen.
Und bei der Bögel Mielodie, Der Geiſter frohem Reigen Webt ſüße Yiebesträume fie In immer grünen Zweigen.
15.
Wenn unjre Herzen aneinander fchlagen,
Jedwedem Schickſalsſturme biet’ ich Stand,
Doc fern von dir befüllt mich banges Zagen, Ein Kleinmuth, den ich nie gefannt.
Ich denke tieferfchredt: wenn fie nicht wäre, Wenn auf der Welt verfchwunden ihre Spur, Wie trüg’ ich nur die gränzenloſe Yeere,
Den großen Riß in der Natur?
Daun ift mir, alles Yeben ſäh' ich fiechen;
Ein Heerraud, drin das Grün des Frühlings dorrt,
Scheint durch den Himmel tödtend hinzufviechen ; Angftvoll, dich ſuchend, ſtürz' ich fort.
Da bift du, bift du! Und, wie wilde Ranfen — Den Baum umklammern, feft mit Herz und Geift Umschling’ ich dich, Gefühlen und Gedanken;
Iſt Einer, der dich mir entreißt?
16.
O rede fort! Wie Weihgefänge
Tönt deine Stimme mir ans Ohr; Was herrlich in der Welt der Klänge, Eint fih in ihr zum vollen Chor,
In ihr der Plauderton der Duelle, Der Feljengrotten Widerhall
Mit dem Gebraus der Wafferfälle, Dem Frühlingslied der Nachtigall,
In ihr mit mächt'gem Waldesraufchen Der Lenzluft erſter Athenzug; — Ihr eine Stunde ſtumm zu laujchen, Sit für das Leben Glück genug.
ui Diefe Ader, die gejchlängelt Neben deinen Brauen rinnt, Welch Geheimniß fehrieb die Liebe Auf die Schläfe dir, mein Kind?
Zeichen find e3 einer Sprache, Welche feine Zunge jpricht;
Und mie viel ich forſch' und jpähe, Ihren Sinn doch Faß’ ich nicht.
Wohl in Yauten, die im Traum du
Leiſe flüfterft, unbewußt,
Ningt fich Halb des Räthſels Yöfung
Ahnungsvoll aus deiner Bruft. Schack, Geſ. Werke. IV. 5
De
Aber erſt, wenn Herz an Herz wir, Yippenpaar an Yippenpaar,
Feſt umfchlungen ruhn, wird ganz uns Das Geheimnig offenbar.
18.
Breit’ über mein Haupt dein jchwarzes Haar, Neig’ zu mir dein Angeficht!
Da ſtrömt in die Seele jo hell und klar Mir deiner Augen Licht.
Sch will nicht droben der Sonne Pracht, Noch der Sterne leuchtenden Kranz,
Ich will nur deiner Locken Nacht
Und deiner Blicke Glanz.
19.
Wilde Blumen dir zu pflüden, Duftende von friſchem Thau, Ueber wilde Bergesrüden
Streif’ ich jeit dem Morgengrau.
Tief im Waldesgrund auf feuchten Mooren die VBergißmeinnicht,
Die wie Sterne einfam leuchten,
Wo fein Strahl durchs Dunkel bricht:
BIRD
Auf der Alpen fteilfter Spige Die Öenziane, blaugeaugt,
Und die Roſe, die dem Blitze Seine Flammengluth entjaugt:
Und die Blumengloden-Ranfen, Welche bei des Sturms Gebraus Tönend hin und wieder ſchwanken — Alle wind’ ich dir zum Strauß.
Dann fie, Theure! div zu bieten Wieder eil’ ich niederwärts;
Nimm fie! aus den wilden Blüthen Duftet div mein wildes Herz.
20.
Kommt, Libellen, Schmetterlinge! Goldig, roth und blau von Schwinge, Wiegt euch in der Sommerluft.
Hin von Kelch zu Kelche gaufelt, Windgefchaufelt,
Um mic her im Blüthenduft.
Seid die Seelen ihr von Stunden, Die mir ſüß dahingefhwunden? Wie ihr aus der Gruft euch hebt, Alle kenn’ ich fie, die holden, Welche golden
Dich in jel’ger Zeit umfchwebt.
Stunden im geliebten Armen Einft verträumt, indeß von warmen
Be
Lippen mich der Hauch umquoll, Und zu mir wie Himmelslieder Sanft hernieder
Eine füße Stimme jcholl.
Wie ihr leicht, ihr flügeljchnellen Schmetterlinge und Yibellen,
Um mich ſchwebt im Morgenſchein, Selber aus des Grabes Banden Schon erjtanden
Glaub’ ich, jo wie ihr, zu fein.
21.
Auf den Wellen wiegt ji) das Boot, Die zum Schlummer fich legen
Und im verglimmenden Abendroth Leiſ' und leifer fich vegen.
Su der Fluthen fryftallenem Schoof Zwiſchen Storallengeäfte
Dämmert Gemäuer, umvanft von Moos, Langverſunkner Paläfte,
Und, wie fie, mag unter uns weit Leben und Erde verfinfen, Während wir lange Seligfeit Yippe von Yippe trinken,
Sligernde Wellen nah und fern, Slüfternd im Traum und lachend, Oben der Liebe heiliger Stern, Unfere Wonne bewachend!
ut
22.
Koch träumt’ ich von den Alpenwanderungen, Wo ich mit den Lawinen Zwieſprach hielt, Bon Rofen, die hoch ob dem Thale
Der Morgen grüßt mit erſtem Strahle,
Und von der Ceder, ſturmgeſchwungen,
Die tändelnd mit dem Blite fpielt.
Dod nun von Ceder wie von Alpenroje Berftummen muß in meinem Yied der Preis, Seit ich im Thale dich, das zarte Märzveilchen, holverblüht, gewahrte,
Das ftill fi birgt im niedern Mooſe
Und nichts vom eignen Dufte weiß.
23.
Seitdem dein Aug’ in meines jchaute Und Liebe, wie vom Himmel her, Aus ihm auf mich herniederthaute, Was böte mir die Erde mehr?
Ihr Beſtes hat fie mir gegeben, Und von des Herzens ftillem Glück Ward übervoll mein ganzes Yeben Durch jenen einen Augenblid.
Schleich’, Geſang, mit leifen Tritten, Schleich” an der Geliebten Pfühl! Dir vertrau’ ich, feinem Dritten, AU mein innerftes Gefühl.
Meine Lieder all, auf denen
Friſch noch Liegt des Herzens Thau, Blinkend von der Liebe Thränen, Dringe hin der thenern Frau!
Trag’ zu ihr, was mir an Früchten In der Seele je gedieh;
Goldnen Aepfeln gleich am lichten Weihnachtsbaum umleucht' es fie!
Auf der Yautentöne Wellen,
Die ſich ſuchen, die fich fliehn, Gligernd laß dahin den hellen Schein durch ihre Träume ziehn,
Bis dem Schimmer und dem Klange Ihre Seele Antwort giebt,
Und ein Roth auf ihrer Wange Mir verräth, daß fie mich liebt.
25.
Ich kenne dich in jedem Pochen Des Herzens, das an meines jhlug, In jedem Wort, das du gejprocdhen, In jedem Blick, in jedem Zug.
Die Stirn, der Hals, drum leichten Falles Sic jchlingt das ſchwarze Yodenhaar, Allgegenwärtig lebt das Alles
Vor meiner Seele immerdar.
Und doch bei jeden Wiederjehen Befällt mich wunderbare Scheu; Ich kann nicht faſſen, nicht verftehen, Daß du jo fremd mir fcheinft, jo neu.
Durch Züge, die ich ſonſt nicht ſchaute, Durh Töne, nie gehört vom Ohr, Wird mählig dann das Altvertraute Mir lieblicher noch als zuvor.
So bringt der Frühling feine Lieder Und Blüthen uns erſt nah und nad), Und fchöner jeden Morgen wieder Ihn jehn wir als am frühern Tag.
26.
Früh auf deinem Angefichte
Nuht mein Auge, faum erwacht; Yang noch aus dem Abendlichte Strömf es Glanz in meine Nacht.
Sit ein höhres Glück? Jch gleite, Wie in fanftbewegtem Kahn, Nun dahin an deiner Seite Auf des Yebens Wogenbahn.
Br; —
Und am Steuer leicht den Nachen Yeitend durch den Wellenſchaum, Führft du mid) vom Traum ins Wachen Und vom Wachen in den Traum,
27.
Dein Mund, vollathmend heiß an meinem Munde — Dein Herz mit hohen Schlag an meins gepreßt, Wie weihſt du jede flüchtige Sefunde
Des Tages mir zum Yiebesfeft!
Und dann die heil’gen, wonnemüden Nächte, Das Schwelgen Arm in Arm und Bruft an Bruft! Mikgönnen nicht dem fterblichen Gejchlechte
Die Götter ſolche Himmelsluft?
Fa, dent’ ich Alles, was du mir gegeben
Und noch mir giebft, jo fürcht’ ich ihren Neid;
Yeicht zudt ihr Blitzſtrahl nieder auf ein Yeben, Das allzu voll von Geligfeit.
28.
Dich ahnte meine Seele lange, Bevor mein Auge dich gejehn, Und jeligsfüße Schauer bange Fühlt' ich durch all mein Wefen gehn.
BET) —
Ich jog von unbekannten Blüthen Den Duft, der mir entgegenquoll, Und nie erblidte Sterne glühten Zu Häupten mir geheimnigvoll.
Doch immer fah ich deinen Schatten Nur trübe wie durch Nebelflor,
Dein Antlis ſchien daraus in matten, Gebrochnen Zügen nur hervor.
Und als der Schleier nun gefunfen,
Der dich) vor mir verhüllt — vergieb, Wenn lang ic) fprachlos und wie trunfen, Betäubt von all dem Glücke blieb!
29.
Längſt ſchwand ihr Wagen in die Weite, Doch jedem Worte, dag fie fprad,
Wie dem Gefang die Harfenfaite,
toch zittert meine Seele nad).
Die Blüthen zwifchen Myrtenheden, Des Springquell3 ſüße Melodie,
Der plätfchernd fällt ins Marmorbeden, Bon ihr nur duften, flingen fie.
Und durch die Nachtluft dringt das Wallen Bon Athemzügen her zu mir;
Am Brunnen ruht beim Tropfenfallen
Der Yiebe Gott und träumt von ihr.
30.
Stumm liegt die träumende Natur; Wozu die große Stille brechen? Das Herz laß mit dem Herzen nur, Da3 Auge mit dem Auge fprechen!
Spricht Blüthe fo mit Blüthe nicht
An des Jasminſtrauchs duft'gen Zweigen? Sp Stern zum Stern mit goldnem Licht Nicht in der Sommernächte Schweigen?
Das ift die Sprache, mweltenalt, Die lang die Liebe ſchon geſprochen, Eh fie den erften Yaut gelallt; In Worten fpridht fie nur gebrochen.
31.
Fliegt, durch die zitternden Neben Ins Stübchen, ihr Töne, fliegt, Wo hinter den Gitterftäben
Die Kleine ſchlummernd Liegt!
Schon beim Klange der Saiten Negt fi die Schläferin; Liebliche Träume gleiten
Fühlt fie durch Seele und Sinn!
Web’ aus tönenden Majchen,
Webe ein Neb, mein Lied,
Im Schlummer ihr Herz zu hafchen, Das wachend ſcheu vor mir flieht.
—
Länger mit Lachen und Necken Höhnen mich ſoll es nicht mehr; Wo es ſich mag verſtecken, Fang' es und bring's mir her.
Nicht zürnen wird ſie dem Diebe, Der es geraubt über Nacht, Wenn aus Träumen der Liebe Beim Morgenroth ſie erwacht.
32.
Wenn mich dein Arm umſchlungen hält, An deinen meine Lippen hängen,
Dringt fernher nur der Lärm der Welt Noch an mein Ohr mit matten Klängen.
Herab aus deinen Augen thaut
Ein Glanz, den meine kaum ertragen, Tiefklar, wie wenn der Himmel blaut An wolkenloſen Junitagen.
Die Wimpern ſenk' ich vor dem Licht; Erſt nach und nach in ganzer Fülle, Wie es kein Erdenſchatten bricht, Kann ich es ſchauen, ohne Hille.
Doch zweifelnd frag’ ich: muß mein Blid Nicht für die niedre Welt erblinden?
D werd’ ih noch den Pfad zuriid
In das verlafine Leben finden?
33.
Wozu noch, Mädchen, ſoll es frommen, Daß du vor mir Verſtellung übſt? Heiß froh das neue Glück willkommen Und ſag es offen, daß du liebſt!
An deines Buſens höherm Schwellen, Dem Wangenroth, das kommt und geht, Ward dein Geheimniß von den Quellen, Den Blumengeiſtern längſt erſpäht.
Die Wogen murmelns in den Grotten, Es flüſterts leis der Abendwind,
Wo du vorbeigehſt, hörſt dus ſpotten: Wir wiſſen es ſeit lange, Kind!
34.
Ihr fragt, was ewig aufs Neue Zu ihr zurück mich zieht:
Iſts ihres Auges Bläue?
Der Lippe Zauberlied?
Fragt, wer dem Schmetterlinge Den Weg um die Roſe weist, Daß er mit flatternder Schwinge Den duftenden Kelch umkreist!
Fragt, wer die brandende Welle Den Meerpfad kennen lehrt, Daß ſtets zu der Uferſtelle, Der theuern, ſie wiederkehrt!
Bi Je
Wie's in den Sternen gejchrieben, Werden fie unbewußt
Zur Rofe, zur Küfte getrieben, Und ich an ihre Bruft.
3.
Komm, daß wir diefe Stunde Arm in Arme Zur feligften des Yebens weihn!
Vergeſſen joll die Welt mit ihrem Harme Im Bollgenuß der Yiebe fein!
Fernab ift die Vergangenheit verjunfen; Und, ob ein Tag dereinft ung trennt,
Nicht den!’ ichs, während meine Seele trunfen Im Kuß auf deinem Munde brennt.
Berwehn, in der Gefühle Sturm gebrochen, Mag auf den Yippen uns das Wort,
Die Pulfe do, die aneinander pochen, Die beiden Herzen reden fort.
Und wird das finjtre Thor vor ung erjchlojjen: Wie jcheuten wir den legten Pfad,
Die wir in einer Stunde jo genofjen, Was Herrlichftes das Leben hat?
| 1 02) |
96. Ein Zauber ift dein: in den Waſſerfall, Adele, ihn haft dur gelegt, Daß aus der Wogen ftürzendem Schwall Bon deiner Stimme den Widerhall Der Wind entgegen mir trägt.
Rings ahn' ich dich, in der Feljenkluft,
Auf den fonnigen Halden am Meer;
Dein Odem, vermengt mit der Myrten Duft, Ummeht im Hauche der Sommerluft
Die Stirne mir wonnejchwer.
Die plätichernden Wellen am Uferſaum Im dämmernden Mondenfchein,
Die Blätter des Waldes, die hörbar faum Sich) regen im mitternädhtlihen Traum, Sie jprechen von dir allein.
om Ol,
Wie über ftarren, winterfahlen
Gefilden, die noch Schnee bededt,
Der Frühling hängt mit milden Strahlen, Bis er fie neu zum Leben wedt: Gebritet über meiner Seele
Hat deine jo mit Schöpfungsmacht;
Nun neu entgegen div, Adele,
Ringt fie fih aus der Todesnacht.
%
EU TE
Ich fühle, wie ein leiſes Thauen
In ihr die Winterbande jprengt,
Wie fnofpend fie fi auf zum blauen Pichthimmel deiner Augen drängt;
Bald blüht fie auf durch Eis und Floden Noch vor der erften Lerche Sang,
Und alle ihre Matengloden
Begrüßen di mit Duft und Klang.
38.
Wenn mid du von der Yiebe Wonnen, Und janft did Schlummer überfliegt, Entzückt fühl’ ich dein warnes Leben An meins in jedem Tropfen beben, Der durch die Adern hingeronnen
In leichter Wallung fich ergteßt!
Des Auges blaue Strahlenkreije Berbivgt die Wimper meinem Blick; Doch dämmernd durch die zarte Hitlle Wie Mondglanz quillt des Lichtes File, Und deine Pippen murmeln leije
Im Traume noch von unſerm Glück.
3%
Dir in das Auge nur zu bliden, Adele, hatt’ ich lang gezagt;
Auf deine Hand die Yippe drüden, Das kühnſte wars, was ich gewagt.
ee
Da goß die gottgefandte Stunde
Vom Himmel her ins Herz mir Muth, Daß heiß mein Mund auf deinem Munde Im erſten heil’gen Kuß geruht.
Gebrochen war das Reich des Truges, Wie Seele in die Seele ſank
Und langen, vollen Athemzuges
Vom Strom des ew'gen Lebens trank.
Und als die Blicke wir erhoben,
O! ſtrahlend, wie wir nie ſie ſahn, Zog da durchs tiefe Nachtblau droben Welt neben Welt die lichte Bahn.
40.
Laß uns fliehn, die rings Bewachten, Vor des Lichtes frechem Schein! Deiner Lippen ſüßes Schmachten
Iſt für mich, nur mich allein.
Selbſt der Sterne dreiſten Strahlen Hab’ ich oft gegrollt bei Nacht, Wie fie halb das Glüd mir ftahlen, Das du ganz mir zugedacht.
In das Dickicht fomm, wo Eiche Sich mit Eiche dicht verjchlingt, Und des Lichtes letzte bleiche
Helle faum durchs Laubwerk dringt.
EG
In der Wafjerjtürze Braufen,
Die gefchwellt der Wetterguß,
Sn der Wipfel dunklem Saufen — Dort verhalle unfer Kuß!
N
41.
Dft, wenn wir ruhen Mund an Mund
Und meine Adern an die deinen pochen,
Nach innen laufch’ ich plöglich till;
Ich fühle, wie aus unfrer Seele Grund
Ein Wort, noch nie auf Erden ausgeſprochen, Empor ſich ringen will.
D! der Natur Geheimniß ruht
Und alles Yebens in dem Wort bejchlojien, Dod matt bisher noch iſts verhallt. Höher aufflammen laß der Küſſe Gluth, Daß es zuletzt, in vollen Klang ergofien, Bon unfern Lippen wallt!
42.
Zu ihr! das Segel, ihr Winde, baufcht
Und laßt e8 ans Ufer fliegen!
Schon hat fie, ich weiß, an den Thüren gelaufcht, Ob Alle im Schlummer Liegen.
Sie tritt aus der Pforte, und Blüthenraud)
Weht ihr von den Beeten entgegen;
Die Nachtigall auf dent Granatenftraud)
Begrüßt fie mit jchmetternden Schlägen. Shad, Geſ. Werke, IV. 6
Hinab in den Garten nun! Ringsum
Iſt das Yicht an den Fenftern verglommen, Und fie jpäht in die Ferne erwartungsitumm, Ihr Blick nur fragt: wird er fommen?
Er kommt, er kommt! — Schon zünden zum Fejt Veuchtfäfer die blinfenden Kerzen,
Ans Ufer führt mich behende der Weſt
Und es flopft das Herz am Herzen.
43.
Spätherbit wars; mit bunten Farben, In der Sonne mattem Strahl Schmücdten um mic, eh fie jtarben, Sich die Blätter noch einmal.
Und Novemberftürme wehten
Sie herab von Baum und Straud); Bon den wüften Gartenbeeten Duoll3 empor wie Moderhaud).
Alles ſchien um mich im Alter, Welk wie ich und fiech zu fein,
Und ich ſpann mich mit den Faltern Schon zum Winterfchlummer ein.
Da heran zu mir gefchritten, Wie ich ſaß in meinem ram, Plötzlich kams mit leifen Tritten, Die das Herz entzüidt vernahm.
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Und ein Wehn begann, das lauen Fittigs mir die Stirne ſchlug, Und ich fühlte, Frau der Frauen, Deiner Seele Athemzug.
Ueber mir in leichte Flocken Löſte ſich das Nebelgrau, Und ich ſah dir ſüß-erſchrocken In der Augen Himmelblau.
Sieh! nun frühlingsgrüne Yauben Wölbt die Yiebe für ung Zwei!
Konnt’ ichs ahnen, konnt’ ichs glauben, Nach dem Herbite jold ein Mai!
44.
Fern auseinander reißt uns Beide Des Sturmes ungejtimes Wehn; Wohl ſag' ich mir, indem ich jcheide, Es ift für ung fein Wiederfehn.
Doc) einmal noch in deines fluthe
Mein ganzes Sein in heißem Kuß; Schwer ſei die jhwindende Minute Uns von der Liebe Vollgenuß!
Und grollen laß ung nicht dem Looje, Daß eilend unfer Glück entflieht! Nur darum duftet jo die Roſe,
Weil fie denn Tod entgegen blüht.
II. Aus fremden Ländern.
Dolores.
Diefer fliegt die Sommerſchwalbe; Bor dem Wetter zuden matt, Längs der Uferbäume, falbe
Blitze hin von Blatt zu Dlatt.
Und, aus tauſend Kelchen jtäubend, Wallt der Nachtviolen Duft, Der Jasmine, finnbetäubend, Durch die athemjchwere Yuft.
O, ich fühl's! Mein Herz umjtriden Will noch mächtiger als je
Das verzehrende Entzücden
Bon zuvor, das jelge Weh;
Fühle, daß in Geift und Sinnen Neu der alte Raujc mir gährt, Wie, da du mir, Weib! tiefinnen An des Lebens Mark gezehrt.
er Ka rel
Iſt der Arm noch nicht vermodert, Der fich heiß um meinen wand ?
Nicht der Lippen Gluth verlodert, Die auf meinen oft gebrannt?
Wieder deine ſchwarzen Augen
Seh’ ich flammen über mir;
Aus dem Grab, mein Blut zu jaugen, Steigft dur nächtlich als Vampyr.
Verbrannke Briefe,
Dank dir, daß dur den Trug mir befannt hait! Daß, die ic) fchrieb mit des Herzens Blut, Du die Briefe zurück mir gejandt haft!
Nun mit allen hinein in die Gluth!
Frei aufathmen werd’ ich aufs Neue, Wenn fie verlodert find wie mein Wahn Und die Schwüre ew’ger Treue,
Die du im bremmenden Kuß mir gethan.
Aber um die du, o Weib, mich betrogen,
Alle die Stunden, al3 ich) vom Mund
Dir verzehrende Wonne gejogen,
Während dein Herz jchon gebrochen den Bund,
Ale, wo ich dir am Buſen gelegen, Erd’ und Himmel um dich vergaß Und nur an deiner Pulſe Echlägen Meine ſchwindenden Tage maß,
Ba
Sage! kannſt du fie wieder mir geben; Mußt du nicht zittern, wenn ich zurüd Heiſche ein halbes verjchwendetes Yeben, Das du um Frieden betrogen und Glüd?
Dres.
Mädchen, deiner Stimme Lachen, Deiner Wangen Nofenlicht,
Seis im Schlummer, feis im Wachen, Andres traum’ und dent ich nicht.
Dei der Kaftagnetten Schmettern, Deiner Dlide feuchtem Glanz
Beb' ich, gleich des Yorbeers Blättern, Drunter du dich ſchwingſt im Tanz.
Yänger iſts mir nicht geheuer, Zauber mußt du üben, Kind, Daß das Blut wie jengend Feuer Wild mir durch die Adern vinnt.
Ya, miv ahnt, bei deiner Amme, Die als Here Allen gilt,
Hältit du nädhtlih in die Flamme Meines Herzens wächlern Bild.
In der Bruft dann banges Klopfen Fühl' ich, Gluth wie fiedend Erz; Ach! geichmolzen fließt in Tropfen Auf den Herd mein armes Herz!
——
Dohannisnacht.
Der ſel'ge Abend, als inmitten Bekränzter Nachen wir im Kahn Hin an Sevillas Gärten glitten Auf ſanft bewegter Wellen Bahn!
Hell leuchteten die Ufer alle
Bon der Fohannisfener Glanz,
Es jchwang beim Caftagnettenjchalle Die Menge fi) im muntern Tanz.
Aufftiegen flatternde Raketen, Nüdjtrahlend in des Stromes Fluth, Und ſchoſſen durch den jternbefäten Lichthimmel hin mit dunkler Gluth.
Doc ſüßer wars, als fern dem Feſte Ans Ufer uns die Barfe trug, Und über uns der grünen Aeſte Geheime Nacht zufammenjchlug.
Erjt dort, wo dämmernd aus den Zweigen Der Schimmer der Limonen quoll, Erſchloß in Dunkel und in Schweigen Sich unſre Wonne ganz und voll,
D, daß es oft noch fo uns nachte! Doc jest auch laß uns dankbar jein Und, weil er ung fo treu bewachte, Dem Täufer eine Kerze weihn.
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König Holger.
Wenn ich befeligt Tag auf Tage Gebannt in deine Nähe bin, Dolores, fonımt miv oft die Sage Bon König Holger in den Sim.
Nach Süden durd) der Stürme Wüthen Verſchlagen, fern von Iſenland,
Sah er erftaunt fih unter Blüthen
An Avalons begrüntem Strand.
Und große goldne Früchte lachten
Auf ihn herab von dunklem Aft,
Und Jungfraun führten den Erwachten In ihrer Königin Palaft.
Entgegen trat im Marmorſaale Morgane hold dem Nordlandjohn, Bot Wein ihm in fryftallner Schale Und lud ihn zu fi) auf den Thron.
Er blidte aufwärts ſüß erjchroden In ihrer Augen Himmelsglanz; Hernieder glitt auf feine Yoden Aus ihrer Hand ein Blumenfranz;
Und fern dem Yande feiner Ahnen, Wo wild die Nordjeewoge jhäunt, Hat König Holger bei Morganen Fortan Jahrhunderte verträunt.
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An Guadalguivir.
Wo bift du, Wunderbau der Dmajaden,
Az-Zahra, zauberiſch am Silberfaden
Des rauſchenden Guadalquivir gedehnt?
Braut Abderrahmans, in der Schattenkühle
Des Mandelhaines auf die Roſenpfühle Der Uferhügel hingelehnt?
Wo ſind die Feſte unter Myrtenlauben
Bei Brunnenrieſeln und Gegirr der Tauben,
Bei Lampenglühn und buntem Wimpelflug,
Wenn auf dem Strom, in den kryſtallnen Tiefen
Die Lorbeerſchatten ſpaltend, den Chalifen Die ſchimmernde Galeere trug?
Wo deine Gärten längs des Uferrandes,
In denen mit den Feen des Abendlandes
Arabiens Peri ſich beſprach,
Wenn auf den blüthenduftigen Terraſſen
Boll weißer ſchimmernder Kiosks im blaſſen Lichtſchein der Sternenhimmel lag?
Und du, o Stadt der hochgewölbten Dome,
Milchſtraßengleich mit deinem Häuſerſtrome
Auf deinen Erdenhimmel hingeſtreckt,
Fanal der Gläubigen, des Wiſſens Leuchte,
Die hellen Strahls zuerſt das Dunkel ſcheuchte, Das lang und tief die Welt bedeckt:
O Cordova! wo find' ich deine Dichter,
Wo deine Schönen, glänzend wie die Lichter,
Die vom Serai der Nacht herniederſehn?
Wo ſie, die mit dem Ruhm des Einig-Einen
Zum Himmel ragten aus den Cederhainen, Die Halbmondkuppeln der Moſcheen?
—
Geſtürzt ſind deine goldnen Minarete! Der Iſan ſchweigt! Nie mehr, wenn die Drommete Die Gläubigen ermahnt zum heil'gen Kampf, Entſtrömt das Heer der turbanbunten Mohren Im ehrnen Harniſch deinen hundert Thoren
Bei Allahruf und Roßgeſtampf.
Einſam inmitten deiner Trümmer ragen
Die Pfeiler, die das hehre Dach getragen,
Ein wipfelreicher Marmorwald;
Erloſchen aber iſt der Lampen Menge,
Nie mehr wallt Allah durch die Säulengänge, Draus kein Gebet zu ihm mehr ſchallt;
Ein neuer Glaube füllt die Tempelhallen
Des Islam nun, die Stein auf Stein zerfallen, Mit Orgelklang und Weihrauchqualm;
Bald ſtirbt auch er; des Hochaltars Gepränge Deckt mählig Staub, und matt wie Grabgeſänge Verklingt der letzte Chriſtenpſalm.
In Granada.
Wie oft mit ihr vom Winterherde,
Wenn außen kalt die Flocke fiel,
Träumt' ich mich nach dem Lenz der Erde, Dem grünen Hochthal am Genil.
Da durch der Mondnacht Dämmerhelle Zu der Alhambra Zackenthor
Trug ſie beim hellen Klang der Schelle Das Saumthier neben mir empor.
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Wir ruhten in den Zauberhallen, Wo einfam nun der Brunnen vanfjcht, Und mit des Weftens Nachtigallen Die Peri Bagdads Worte taufht,
Und unten aus der Schlucht der Miyrten Stob mit der wilden Sträuche Duft
Zu ung das nächt'ge Lied der Hirten Empor durch die beraufchte Luft.
Es war ein Traum; nicht nad) dem Süden, Zu fernern Küſten brad) fie auf,
Und meiter trug allein mih Müden
Des Yebenzftromes ivrer Yauf.
Nun ſpielt um mic auf weißen Platten Sm Löwenhof der Mondenjchein;
Allein er wirft nur einen Schatten, Nur meinen auf den Marmorftein.
Huf dem Libanon.
O führte nie das Segel mid, davon,
Und dag ich, wie die jüngft verträumten Nächte, Der andern viele, heil’ger Libanon,
Sanft unter deinen Cedern nod) verbrächte!
Kein Dunft umfing der Klaren Luft Kryſtall, Ein reinres Licht war durch fie Hingequollen; Ich fühlte unter mir den Erdenball Entgegen einem ſchönern Morgen vollen,
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Schon jhien des neuen Tages Dämmerung Um deine Patriarchenſtirn zu gleiten;
Selbft ward ich mit der Erde wieder jung Und lebte in den Wundern grauer Heiten.
Vor mir, wie Stimmen aus der frühen Welt, Scholl es empor vom Grunde der Gifterne, Und hoch herab vom blauen Himmelszelt Erzählten goldne Märchen mir die Sterne.
Der Vroja.
Kun aus der Urwelt trüben Dämmerungen, In die vor Menfhenblid und Tageslicht Did die Jahrtaufende hinabgejchlungen, Auffteigft dur wieder; nein, du jelber nicht — Bon jenem Troja, das Homer bejungen, Begraben in Ruinen, Shit auf Schicht, Iſt, zu Atomen von der Beit zerrieben,
Ein Aſchenreſt allein zurücgeblieben.
Gethürmt, jeitdem am vaufchenden Sfamander Des Priam ftolzer Königsbau gevagt,
Hier haben jich die Reiche auf einander;
Das eine brödelte, zu Staub zernagt,
Dem andern nad, und jchon als Alexander Am Orabeshügel des Achill geklagt, Berfunfen in das triimmerüberfäte
Blachfeld längſt warft du unter andre Städte.
Die hwarze Spur von Qualm und Flammenbrand Nur findet, daß die Sage feine Yüge
Bon dem verheerten Ilion, das hier ftand; Dazwiſchen liegen Spangen, Thränenfrüge,
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Goldreife, die der Kön’ge Haupt umfpannt, Zerſtückt fie all’; und halberlofchne Züge
Auf ehrnen Opferjchalen, die zerbracen,
Noch ftammeln ftumm in lang verflungnen Sprachen,
Doch unten tiefer, wo fich ſelbſt zum bleichen Zwielicht die Nacht empor nicht ringen fann, Ahn’ ich den Staub von ganzer Völfer Leichen, Und wie Verweſungsduft haucht es mich an Bon Königen, die fein Erinnrungszeichen
Auf Erden ließen; eh dein Tag begann, Berflungen war ſelbſt in der Sagen Munde Bon ihnen und von ihrem Reich die Kunde.
Wer mag, wie tief die Gräber reichen, wiſſen? Wär’ uns zu Füßen eine Riefenkluft
Hinab bis in der Erde Herz gerilien,
Wir fähen eine ungeheure Gruft,
Und noch bis aus den tiefiten Finfternifien Entgegen quöll' uns feuchte Grabesluft
Und Moderdunft der jtummen unzählbaren Geichlehter, die vor uns auf Erden waren.
Mir ift, als hört! ich durch verſchollne Tage, Den ſchwarzen Abgrund namenlofer Zeiten, Die Keiner fennt, mit leifem Flügelfchlage Den Tod hin ob der Bölfer Häuptern gleiten, As ſchöll' ans Ohr mir ihre Sterbeflage, Wie fie im Trauerzug vorüberjchreiten
Und in das dunkle Reich, die weiten Hallen, Die Allen aufgethan, hinunterwallen.
Und ob die Zufunft zu Gigantenjahren Anſchwellen mag, der alte Kreislauf bleibt, Der ruhelos auf Wiegen und auf Bahren Hinauf, hinunter alles Yeben treibt,
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Bis jelbjt mit allen feinen Wefenjchaaren Das Erdenrund in blaffen Dunft zerjtäubt, Daß wieder fich der Nebel, im Erfalten, Zum Wohnplag forme neuer Staubgeftalten.
Homer.
Vergeſſen hat die alte Erde nun
Selbſt deinen Staub, erhabner Blinder! Zu viel ſind der Geſchlechter ihrer Kinder, Die drunten ſchon begraben ruhn.
Oed liegt Jonien; vergebens ſucht Mit Wellen, welche träge ſchleichen, Dein Meles durch den Schutt von ſo viel Reichen Den Weg zur nahen Meeresbucht.
Doch, wie das Morgenlicht den Sipylus Bekrönt mit goldnem Strahlenkranze, Umleuchtet in der ew'gen Jugend Glanze Noch dieſes Land dein Genius.
Ja ſelber auf den Trümmern deiner Welt Und den zerbröckelten Gebeinen
Der Völker weilſt du noch in Idas Hainen, Auf Ilions weitem Todtenfeld;
Und her zu dir vom fernſten Erdenſaum, Jenſeits vom Land der Läſtrygonen,
Wo Nebel dir noch barg die Erdenzonen, Triebs mich durch ſalz'ger Wogen Schaum.
Erzähle miv von des Peliden Wuth, Bon Priams Gram an Heftor3 Yeiche! Bon Circes Zauber, wie die Yiftenveiche Odyſſeus zu dem Becher lud!
Und während mir ing Grab — gedankt div jeis! — Die drei Jahrtauſende verfinfen,
Laß mich die Puft der Erdenfrühe trinten,
In der dur athmeft, heil'ger Greis!
In Delphi.
Umblüht von Aloe und Yorbeerrojen Hängt noch der Tempel über blum’ger Schlucht, Wo in der Abgrundtiefe ſich mit Tojen
Der Bergftrom wälzt in jäher Flucht.
Im Heiligthun, geweiht dem Sonnengotte,
Schwanft windbewegt der wilde Myrtenſtrauch,
Allein von Neuem aus der Pythia Örotte Steigt auf der lang verfiegte Rauch.
Die eiſ'gen Winterftürme jind geflohen,
Gebrochen ift des alten Fluches Banı,
Sie kehren wieder, die Unjterblih-Hohen, Und Eros jchwebt beihwingt voran.
Schon zum Altare durch die Tempelthüren
Seh’ ich die Opfernden in Feittracht zieh,
Und Prieſter weiße Opferjtiere führen: Komm! laß ung mit den Frommen fnien!
Morgen in Akhen.
Bift dus, und bringft vom Yande des Homer,
D Eos, uns den neuen Morgen her,
Auf den wir lang vergebens harrten ?
Schon auf die Wellen jprüht vom Himmelsvand Ein roſ'ger Schimmer hin und läßt am Strand Die Berghöhn glühn, die Felfenwarten.
Die Erde, lang wie Dantes Trauerjtadt Ein Sitz des Wehes, ift der Buße fatt, Der Kreuze und der Hochgerichte;
Und jcheuchen joll die Sonne Griechenlands Des Mittelalters grauſen Todtentanz
Mit ihrem reinen Himmelslichte.
Im Frühglanz, jiehe, der fih vom Hymett Herniederjenft zu des Ilyſſus Bett, Aufleuchtet Shen dem Göttervater
Der Tempeljäulenwald, und erjten Blicks Grüßt Helios der Athene Bild, die Pnyr Und Erechtheum und Theater.
Und fanfter Schauer geht durch die Natur; Aus Grotten dur den dämmernden Azur Weiß jchimmern der Najaden Glieder;
Im Pintenhain am Duell Kallirrhoe Anhebt die Nachtigall in ſüßem Weh
Ihr Slagelied um Itys wieder.
Neu fchliege nun fih das Gymnaſium auf, Daß fi im Diskuswurf, im Kampf, im Yauf Zu Sünglingskraft der Knabe ftähle,
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Am Marmorbild, das auf ihn niederfieht, Und an des Homeriden ew'gem Lied Empor ſich ranfe feine Seele!
Durch Afademos’ Delwald, wie zuvor,
Mag Arm in Arm, im Haar den Kranz von Rohr, Der Jüngling mit dem Füngling wandeln,
Und Platos Lehre nähre feinen Geift,
Bis ihn hinaus das ernfte Yeben reift,
ALS Mann zu wirken und zu handeln.
Erblühn, von finftrer Jahre Schladen rein, Wird auf der Erde fo ein ſchönres Sein;
Und, bricht das Irdiſche zufammen,
In ſchwarzem Grabe modre der Barbar,
Wie follten wirs? Was fterblih an uns war, Auflodern mags in heil’gen Flammen!
Am Varnaß.
Noch lebft du, jhöner Gott des Lichts! Ob auch Dein letter Tempel längft zerfallen Und nie mehr bei der Lyderflöten Hauch Sn Delphi fromme Chöre fallen; Noch flammen Hellas’ Felshöhn dir, Apoll, Bei jedem Frühroth als Altäre, Noch donnern bei Korinth mit Fluthgeroll Den Hymnüs dir die beiden Meere.
Und wen, von höherm Drang entflammt, das Herz Hinausftrebt aus der Zeiten Enge Zu dir, fo wie die Blume fonnenwärtz, D König ewiger Gefänge,
Shad, Gef. Werke IV.
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— N
Das Antlig wendet er; nach Öriechenland Führft du ihn heim in wachen Träumen Und Läffeft ihm am Munde, voll zum Rand,
Der Dichtung Götterbecher ſchäumen.
Nicht drängen Blätter ſich im Wald jo dicht, Die vom Geäft der Herbitwind wehte,
Wie drunten, Trümmerſchicht auf Trümmerſchicht, Berichollene Hellenenjtädte;
Hinweggeſchwemmt hat der Barbaren Fluth Das Volk der Griechen von der Erde,
Ein neu Gefchlecht entfacht die Opfergluth Auf eines neuen Gottes Herde.
Doch wenn mein Blid vom Hange des Parnaf Dahinſchweift längs der Felſen Fuße,
Wo hier und da aus Schutt von Tempeln blaß Aufragt ein hagres Bild der Buße,
Dft fernher hör’ ich deiner Leier Klang, Und hell beginnt die Yuft zu jtrahlen;
Du nahft, ambrofifh Duften quillt beim Gang Bon deinen goldenen Sandalen.
Und fortgenommen von Gebirg und Alur Sit der Verödung Fluch, und wieder,
Bon dumpfen Alpdrud frei, Schlägt die Natur Empor die ſchweren Augenlider,
Und Tempeldächer bliden marmorweiß Dur) Yorbeerwipfel und Platanen,
Und durch die Zweige hin vaufcht dir zum Preis Der Schall von feitlichen Päanen.
En, mag ein neuer Gothenſturm Ruin Der Welt von heute auc) beveiten,
Lächelnd, in ew’ger Jugend Hin durch ihır, Gott des Gefanges, wirst du fchreiten;
N —
Wie Strahlen ſchon vor Morgen nad) und nach Mit Licht der Berge Haupt verklären,
Spielt um die Stirne dir der junge Tag, Wenn wieder dich die Menjchen ehren.
Frühling in Griechenland.
Nun zieht in die Fluthen der Schiffer den Kiel;
Heim kehren die zwitſchernden Schwalben vom Nil Zu ihren geliebten Cykladen,
Und jauchzend, erwacht aus dem Wintertraum,
Durchflattert die Möve den ſpritzenden Schaum An allen den Inſelgeſtaden.
Am duft'gen Hymettus von Neuem umſummt Der Chor der Bienen, der lange verſtummt, Des Ginſters goldene Blüthen, Und es wacht in der milderen Nacht des April Am Bach im Geſtäude von Asphodill Der Hirt, um die Heerde zu hüten.
O Hellas! ruhn, der Jahrtauſende Raub, Auch deine Tempel in Trümmer und Staub Der Völkerſtürme gebettet, Dich hat aus dem leuchtenden Morgen der Welt Dein Genius, ein unſterblicher Held, Zu uns herübergerettet.
Noch ſingt den ewigen Siegespäan An Salamis' Ufern der Ocean Mit der Wogen melodiſchen Lippen, Und, brauſend um des Themiſtokles Grab, Erweckt er das Echo von Cap zu Cap Weithin an den Inſeln und Klippen.
— IT
Hoch über Afiens Berge heran
Führt Helios der ftrahleuden Roſſe Geſpann Und grüßt fein liebftes der Yänder;
Auf Hügeln wird e8, auf Fluren wad);
Im Myrtengebüſch, am ftürzenden Bad Was ſchimmern jo weiß die Gewänder?
Die Jungfraun find es, die heiligen neun, Die auf Erden die Saat des Schönen verjtreun, Die Trägeriunen der Yeier; Neu laffen die Thäler fie blühen, die Höhn, Und fingen zu bebender Saiten Getön Der hohen Unjterblichen Feier.
Nicht ift geftorben der alte Ban;
Entichlafen auf grünendem Wiefenplan Nur war er, von Ulmen bejchattet,
Und bei der Syrinx erfterbendem Ton
Auch ſenkten das Haupt, befränzt mit Mohn, Die anderen Götter ermattet.
Nachtvüftre Dämonen umklammerten falt, Wie der Alp in die Bruft des Schläfers fich Frallt, Der Menschen geängftete Seelen, Und fie träumten, anjtatt vom lichten Parnaß, Bon blutenden Heiligen, Teichenblaß, Bon Kreuzen und Marterpfählen.
Doc als die Naht und der Winter entfloh, Aufſchlugen den Blick fie und lächelten froh In des Himmels ſelige Bläue, Und mit den Fluven, den Strömen, dem Hain Erwachten im goldenen Frühlingsjchein Die hohen Diympier aufs Neue.
— 101 —
Und verfinfen im raſtlos fluthenden Schwall Der Zeit auch die anderen Götter all, Die Kirchen und die Moſcheen, Sie haben fich, ihr jeit der Kindheit vertraut, Im Herzen der Menjchheit den Tempel gebaut Und fünnen mit ihr nur vergehen!
In den Mpenninen.
Unter grüner Eichen Aeften
Und der Pinien dunklen Kronen, In den ewigen Paläjten
Der Natur hier laß uns wohnen. Und, wo zwiſchen Yorbeerrofen, Zwiſchen wilden Erdbeerbäumen Thalhinab die Bäche toſen, Einſam, weltvergeſſen träumen.
Einen Kranz von Lotos ſchlingen Wollen wir in unſre Locken,
Und ums Haupt uns duftend klingen Sollen ſeine Blüthenglocken, Während beim Geſumm der Bienen, Bei dem Schall der Hirtenpfeifen, Wir der düſtern Apenninen Felſenwildniſſe durchſtreifen.
Bald der Wipfel mächt'gem Brauſen Und dem Lispeln, all dem Regen Lauſchen wir, bald in den Pauſen Unfrer eignen Herzen Schlägen,
Und mit hohem Klopfen jollen Sie einander Kunde geben,
Wie wir, für die Welt verjchollen, Einer nur dem Andern leben.
Aurelia. F
Geflohn hab' ich die gelbe Tiber,
Und dich, o Weib, das mich betrog,
Als Liebe mir, ein glühend Fieber, Am Mark des Lebens ſog.
Doch, ob uns Himmelsweiten trennen,
Noch klopft mein Herz mit wildem Schlag,
Und heiß die Wange fühl' ich brennen, Wie an dem Scheidetag.
Der ſchwarzen Augen ſengend Feuer —
Wollüſtig wallt durch Geiſt und Sinn
Mir noch von ihm ein immer neuer Gluthſtrom entnervend hin.
Und, fliehend auf entlegnen Meeren,
Fleh' ich umſonſt die Sterne an,
Die unbarmherz'gen, mic zu lehren, Wie ich vergeffen kann.
182)
Fort rollt mein Schiff zum fernen Weſten, Doch läßt dein Bann mich nicht entfliehn, Und hält mich feſt in den Paläſten,
Den Gärten auf dem Palatin.
Auf Schutt, bedeckt mit ſchwarzem Staube, Ziehts mich durch rankendes Geſchling Hin zu der dunklen Myrtenlaube,
Wo mich dein Arm ſo oft umfing.
Mein heißes Haupt in dumpfem Brüten Lehnt ſich auf einen Säulenknauf,
Und um mich ſteigt, mit Duft der Blüthen, Der Moderhauch aus Gräbern auf.
Am Himmel durch die wetterſchwere Nachtluft wälzt ſich ein Wolkenzug, Und ſchrillend flattert her vom Meere Ein Mövenſchwarm in haſt'gem Flug.
Da regt ſichs in den Myrtenzweigen; Herab von ihrem Piedeſtal
Seh' ich der Venus Bild ſich neigen; Die Luft durchzuckt ein Wetterſtrahl.
Dich, dich erkenn' ich bei dem Lichte, Und langſam legt ſich, furchtbar Weib, Wie ſtarr den Blick ich auf dich richte, Dein Marmorarım um meinen Leib.
Fliehn will ich, doch auf meine Stirne Drüdft du den Mund, zum Herzen jäh Schießt mir das Blut, und im Gehirne Fühl' ich ein tödtlich ſüßes Weh.
— 104 —
Der Athem ſtockt mir, im Erwachen Fahr’ ich entjeßt vom Pfühl empor, Und dumpf erfchallt der Bretter Krachen, Der Wogen Donner an mein Ohr.
In der Dilla.
Nach Fahren, die mir trüb geſchwunden, Neu trat ich in das Gartenthor,
Und wieder ftiegen jel’ge Stunden,
Hier ſüß genofjen, mir empor.
Kun öde und mit Spinngemebe Die Hausaltane überdeckt! Zerfallen des Geländers Stäbe, Der Pfad in Unkraut tief verjtedt!
Ich warf am Teich bei der Cypreſſe Mich nieder an den morjchen Stamnt, Wo neben mix in Yeichenbläffe
Der Mond auf gelben Wellen ſchwamm;
Und während an des Fenfters Gittern Mir feitgebannt das Auge hing, Hört’ ich, wie ein unheimlich Zittern Entlang die öden Mauern ging.
Auf den Balkon jah ih Sie treten, Ihr Schleier wehnd in Abendluft, Und rings quoll von den Oartenbeeten Entgegen ihr ein matter Duft.
—, Alla
Halb wieder jtieg aus der Fontaine Der lang verfiegte Waſſerſtrahl; — Ich fühlte, wie ſich eine Thräne Aus meinem Auge bebend jtahl.
Bald wieder Alles todt; mir jtarrten Die Blide noch zum Fenfter bang, Als in den wüſt-verfallnen Garten Des Morgens fahler Schimmer drang.
Einft Sit von Wonnen ohne Öleichen, Zum öden Friedhof ward er nun! Warum, mein Herz, noch über Yeichen Nahtwandeln? — Geh’ auch du, zu ruhn!
Fontana Vrevi.
Früh ſchon hab’ ich, faft mod) Knabe, Meine Lippen ſo wie jetzt,
Quelle Trevi, an der Labe
Deiner reinen Fluth genetzt.
Und von deinem Zaubertranke
An die ew'ge Stadt gebannt,
Jahr für Jahr, der Sehnſuchtkranke Zog ich an den Tiberſtrand,
Saß auf bröckelndem Geſteine,
Wo Metellas Aſche ruht, Schweifte in Egerias Haine, Schlürfte, Quell, von deiner Fluth
—.: 4106 =
Und auf mich, da der Albaner Berge wieder por mir blauı, Seh’ ich nun al3 ernften Mahner Ceſtius' Denkſtein niederjchaun.
Seis! Muß ich zum letzten Male Schöpfen aus dem Trevi-Strom, Noch die randgefüllte Schale Weih' ich dem geliebten Rom.
Denezia.
Am Strand der Inſel, wo Venedigs Todte Auf ftillem Friedhof bei einander ruhen, Gelandet war ich jüngjt im leichten Boote.
Dort, wo ich feit dem Frühling oft gejejlen, Nun blinften weiß im Reife des November Zu Häupten mir die mächt'gen Grabcypreſſen.
Ringsum, gemeißelt auf die Marmorplatten, Entgegen ſchauten mir die Züge derer, Die drumter fich im Staub gebettet hatten.
Und denfend an Venedigs große Tage Späht’ ih, ob nicht ein Stein der Yoredano, Piſani, Barbarigo Namen trage.
Bergebens! Die Gefchlehter find verjchollen, Die Kön’ge einft befiegt; ihr Ruhm lebt einzig Noch in verftanbter Pergamente Rollen.
SEHR —
So finnend neben einem Yeicheufteine Yehnt’ ich, indeffen am den höchſten Alpen Der Tag erlofh mit letztem blaffen Scheine.
Da fan der Sohn des Gondoliers gejprungen: Schnell! Schwer wird jonft die Heimfahrt. Tiefer Nebel Hält ſchon im Süden Stadt und Meer umpchlungen.
Er zog mich in die Gondel mit der Rechten, Und zu den Audern griffen Sohn und Vater, Daß fie zurück mic nad) Venedig bräcten.
Still war das Meer; doc graue Nebel wallten In langem Zuge rings heran und legten Auf die Lagune fih in ſchweren Falten.
Die Deivden thaten fräft’ge Nupderjchläge ; Yang fuhren wir; allein nicht Stadt noch Ufer Erſchien; das Boot glitt langjam hin und träge.
Da vor uns ferne her erjchollen Stimmen, Gejang, im Nachthauch fluthend, drang ans Ohr mir, Und Yichter ſah ich durch das Dunkel glimmen.
Und uns entgegen aus dem Nebelflove Schwamm eine Barfe; tief verhüllte Männer, In Händen Fadeln, jangen drin im Chore.
Inmitten war als wie zur DTodtenfeier Ein Katafalf gebaut, und auf ihm ruhte Ein hohes Weib, umwallt von jchwarzen Schleier.
Wohl kannt' ich fie, die bligend von Juwelen In Prachtgewanden ich auf manchem Bilde Geſehen in des Dogenjchloffes Sälen.
=
Ein matter Schimmter jpielte um das bleiche Geſicht der Todten, ihr zu Füßen lagen Die Banner drei befiegter Königreiche.
An meiner Seite janf aufs Knie der Knabe; Doch ernft die Hände faltend, ſprach mein Schiffer: Benezia ifts, fie führen fie zu Grabe.
Die Glocken des Gampanile.
Auf Kuppel und auf Mauerkranz San Marcos ruht noch Sonnenglanz; Doch zu der Marmorbilder Fuß
Und auf des Plages weiße Platten Hinbreitet fi) der Abendichatten ; Indeſſen janft der Engelgruß
Bom Campanile niederwallt
Und auf und nieder flügelleicht
Der Taubenſchwarm die Luft durchjtreicht. Empor zum Suppelfveuze bald
Sid ſchwingen fie im zad’gen Flug, Bald daß aufs Evangelienbuch
Des Heiligen fie niederfinfen,
Daß in. des Abends letztem Strahle Sic) jonnend, aus der Weihefchale, Die feine Nechte hält, fie trinken.
Die ſchlanken Säulenreihn entlang Durch der Arkaden Yaubengang Wogt vor Venedigs alten Dom Im Feftgewühl des Bolfes Strom. Zu eng faft jeheint der Raum, der meite;
— 109 —
Und wie ich mit den Andern fchreite, Der wechſelnden Geſchlechter all
Den! ich, die bei der Glocken Schall Bordem wie ich hier hingeſchritten. Der Schleier, der vor unferm Geiſt Vorzeit und Zukunft dedt, zerreißt. Bor ſechs Jahrhunderten inmitten Bon ungeheurem Volksgedränge
Steh ich; um mich im Pejtgepränge Erglänzt von wehenden Standarten Der Platz gleich einem Frühlingsgarten. Durch Sammt und Seide, farbenbunt, Giebt ſich Venedigs Adel kund,
Und weiße Federbüſche zieren
Die Häupter ſelbſt den Gondolieren; An Fenſter, auf Balkon und Dach Drängt ſich die Menge tauſendfach. Hin durch die Schaaren geht ein Toſen, Nach der Piazzetta neugiervoll
Starrt jedes Auge; horch, Geroll Von Ankern! Jubel der Matroſen Schallt wolkenauf her vom Kanal. Gereiht iſt weithin vom Palaſt
Des Dogen bis zum Arſenal
Und zum Rialto Maſt an Maſt.
Der Siege und des Ruhmes ſatt, Aus der erſtürmten Kaiſerſtadt
Kehrt Dandolo, der hehre Greis, Zurück in ſeiner Ritter Kreis.
Es folgt in Waffen und in Wehr Mit Beute von zerſtörten Reichen
In hundert Schiffen ihm das Heer; Im Morgenlichte ſchimmert weiß
Auf Aller Bruſt des Kreuzes Zeichen, Der Glanz der Waffen und der Speere
= 10, =
Hüpft von Galeere zu Öaleere.
Kun grüßt mit lautem Glodenfpiele Die Kehrenden der Campanile,
Das Haupt entblößen alle jte
Bein Klang der theuern Melodie.
Und ſchon, um für des Zugs Öelingen Dem Heil’gen feinen Dank zu bringen, Vom Bord tritt an des Führers Hand Der blinde Doge an das Yand.
Dort harıt der große Rath auf ih, Und einen Purpur-Baldachin
Auf feinem Haupte haltend jchreiten Zehn Senatoren ihm zur Seiten,
Bis bei des Volkes Jubelrufen:
„Heil, Heil dem Dogen Dandolo!“
Er aufwärts jteigt die Tempeljtufen, Die Ritter folgen heimkehrfroh,
Und aus den Schiffen Mann fir Mann Wogt dichtgedrängt das Heer heran; Auf Fahnen, flatternd vor dem Zuge, Hinfchwebt im ſtolzen Stegesfluge
Des heil’gen Marcus Flügellen.
Beim Glanz der Helme, Yanzenjpigen, Der Panzer und der Schilde Dligen Geblendet ſenkt der Blick ſich ſcheu. Nun fluthend durch des Tempels Thor Erſchallt der Prieſter Feierchor;
Dort dankt beim Klang der hohen Mette Der Doge an geweihter Stätte
Dem Herren, der geſtürzt durch ihn Den Kaiſerthron des Conſtantin.
Doch außen von dem Platz der Landung Was wogt heran wie Meeresbrandung? Das Viergeſpann von ehrnen Roſſen, Von des Lyſippus Hand gegoſſen,
ae 7 4 BEE
Das hoc) hernieder auf Byzanz Gefunfelt in der Sonne Ölanz, Herführt es in Venedigs Port
Ein Rieſenſchiff an jeinem Bord. Durchs Volk, das ſich in Haufen ballt, Dann wieder auseinander wallt, Getragen auf Gefangner Rüden
Wird nun die Gruppe der Coloſſe; Den Dom San Marcos joll fie ſchmücken. Vorüber an des Dogen Schloffe
Zum Tempelthor jind fie gelangt,
Und oben tritt auf den Altan,
Der reih im Schmuck von Fahnen prangt, Der Doge hin, fie zu empfahn.
Empor bis wo fie jtehen jollen, Gewunden werden fie an Rollen,
Und von den Dächern und Terrafien Tönt Jubel dichter Menſchenmaſſen, Wie oben von des Doms Ejtrade
Die ehrnen Griechenrenner kühn
Hinab auf Stadt und Meergeftade
Das Feuer ihrer Nüftern ſprühn. — —
Der Yärm verſtummt, das Bild entweicht, Des Abends tiefe Dämmrung legt ſich Rings um mich her, ein Ton kaum vegt jich. Hin übern Platz nur ſelten jchleicht Noch eine ſchwankende Geitalt!
Herab vom Campanile hallt
In matten Klängen Örabgeläut —
Das ift nicht gejtern, ijt nicht heut;
Ich fühle, daß zufünft’ge Zeiten
Mir um das Haupt den Echleier breiten. Zur Seite ſchimmern blaß im Licht
Des Mondes, der durch Wolfen bricht,
— 12 —
Halb Hingeftürzte Säulenreihn.
Noch aufrecht fteht die große Halle, Doch chleicht voran dem nahen Falle Ein leifes Kniſtern durchs Geftein.
Der Marcusdom liegt in Ruinen;
Mit dem Gewölbe über ihnen
Nagt in der Mitte noch der Chor
Aus Trümmern und aus Schutt empor, Und niederichaut in ernfter Trauer
Der große Chriftus von der Mauer. In Staub find, der den Boden deckt, Die Heil'genbilder Hingejtredt.
Ich Ichreite weiter fort zum Strand, Doch finde den Palaft nicht mehr;
Nur eine Wildniß allumber
Sit die Piazzetta, wo er ftand,
Boll Neffeln, die im Windhauch ſchwanken; Gehemmt wird mir der Schritt von Nanten, Die ſich um meine Füße fchlingen.
Am Boden mit gebrodhnen Schwingen Zertrümmtert liegt dein Yöwe da, Unjel’ge Stadt der Adria!
Geringelt um den Hals in langen Windungen find ihm wilde Schlangen. Mein Tritt hallt dumpf auf Steinen hin Und Gräberplatten, halbverfunfen,
Die mit der Emo, Vendramin,
Der Barbarigo Namen prunfen. Hinklimmend über Säulenftüce
Gelang' ih an die große Brüde
Und ſchaue nieder auf die Fluth,
Die reglos mir zu Füßen ruht.
Ich lauſche in die Ferne bang:
Kein Ruderſchlag, fein Fifcherfang ; Berhallt ift das Geläut, ringsum
So wie in Gräbern Alles ſtumm. Leck liegt, mit Waſſer angefüllt,
Nur eine Gondel noch am Pfahle, Und zu den Seiten am Kanale,
In blaſſe Nebel eingehüllt,
Reihn ſich die morſchen Mauerreſte Der Kirchen und der Prachtpaläſte. Von ihrer Steine Sturz tönt leiſe Zum Ohre mir der Widerhall,
Ich ſeh' im Mondenlicht, wie Kreiſe Das Waſſer zieht bei ihrem Fall. Herüber da vom Redentore
Dringt Meßgeläute mir zum Ohre, Ein Requiem, vernehmbar kaum Von einem Geiſterchor geſungen. Nochmals hebt lallend, wie im Traum, Der Glockenthurm die ehrnen Zungen. Doch plötzlich ſeh' ich, wie er wankt; Die Quadern löſen ſich, er ſchwankt, Der Boden längs der Riva zittert; Die Häufer, Kirchen, die vermwittert Am Ufer dajtehn wie Sfelette, Berfinken ins Yagunenbette.
Und an dem öden Inſelſtrand,
Wo ehedem Benedig ftand,
Ragt nur noch hie und da ein Thor, Ein Bogen aus der Fluth empor.
Das find die Bilder und Gefichte, Die, wenn mich in des Abends Lichte Ummogt Benedigs buntes Leben, Beim Klang der Gloden mich umfchmeben.
Shad, Geſ. Werke. IV. 8
—- 11 —
Auf den Thurm des Heraskiers.
Welch Braufen um mich her? Mir ift, ala wehte Ein Schöpfungsodem durch die Welt,
Da unten fich die Kaiſerin der Städte Im eriten Tagesftrahl erhellt.
Herein durchs Klippenthor der Symplejaden Melodiſch ſauſt der Bosporus
Und giebt, aufjhäumend an den Felsgejtaden, Zwei Welten feinen Wogenkuß.
Die Morgenmwinde jagen Segelboote Heran vom blauen Hellespont;
Fern ftrahlt das Schneehaupt des Olymp, vom Nothe Des nahen Pichtgeftirns bejonnt;
Und hoch und höher leuchten auf die Done, Und weiße Minarete glühn,
Friedhöfe, Brunnen, mächt'ge Hippodrome Aus dunfelndem Cypreſſengrün.
Doch über all der Pracht mit trüben Blicke Seh’ ih am Horizonte ſchon
Die düftre Wetterwolfe der Gejchide, Schwer von der Zufunft Schreden, drohn;
Ya, jeh’ auf hochbeichäumten Wogenpfaden Im weltverheerenden Drfan,
Mit Bligen und mit Wirbelwind beladen, Die Flotten aller Yänder nahn.
Schlahtdonner und Gekrach und Flammenziichen, Wenn Tod die Feuerjchlünde jpein,
Wird bald gen Himmel fchallen, und dazwischen Bon Sterbenden das Jammerſchrein.
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IV. Verwehte Blätter.
Bweites Bud).
I,
Einft glänzte am Himmel droben Ein Stern jo hell, jo rein;
Oft hab’ ic) den Blick erhoben Zu jeinem goldenen Schein.
Wenn ich ihm mein Sehnen vertraute, Mein Hoffen und meine Qual,
Troft und Entzüden thaute
Auf mich hernieder fein Strahl.
Wo blieb er? Suchend am Himmel Schmweift mein Auge umher;
In all der Sterne Gewimmiel
Find’ ich den einen nicht mehr!
189)
Heb’, o hebe die Hülle nie
Bon den modernden Eärgen, Die in der Seele begraben find! Ruhen, bis dein Leben verrinnt, Mögen die Todten alle, die jie Drunten dem Tagslicht bergen.
Weh dir, wenn du den Dedel hubſt! Hin durch dein Inneres ſchleichen
Wird bis tief in ſein Mark ein Graun, Wenn ſie dir ſtarr in das Antlitz ſchaun, Alle die Freuden, die du begrubſt,
Aller der Hoffnungen Leichen.
* Js
Wenn mitternächtig auf den Gaſſen Des Tages legter Lärm verhallt, Weil ich allein in deinem Zimmer Und jehe, wie des Mondes Schimmer Zu all den Plägen, num verlafien, Mit blaffem Dämmerjcheine wallt.
Ein leifes Zittern schleicht, ein Beben Hin an den Wänden, bang und ſtumm; Der Roſenſtrauch, den du begofjen, Strömt Duft aus Kelchen, neu erſchloſſen, Und träumend hinter ſeinen Stäben
Regt ſich der Zeiſig wiederum.
— 18 —
Im Strahl des Mondes tönt mit matten, Gebrochnen Klängen das Klavier;
In Wonne halb und halb in Trauer Zieht durch die Saiten hin ein Schauer — Ich fühle, aus dem Rei) der Schatten, Adele, iſts ein Gruß von dir!
4,
Giebt e8 noch neuen Gram für mich,
Seitdem ich fie verloren habe?
Wohl manches Mal noch überjchleicht
Mich ein Gefühl, das neuem Kummer gleicht; Dann will ich zu ihr eilen,
Bei ihr die Wunde auszubeilen;
Doch plötlich ſag' ich mir: fie liegt im Grabe, Und in dem alten ftirbt der neue Schmerz.
Fit eine Freude noch für mid,
Seitdem ich fie verloren habe?
Wohl hier und da no, halb mir unbewußt, Regt fih ein froh Gefühl in meiner Bruſt; Dann will ich zu ihr eilen,
Sie joll- mit miv die Freude theilen;
Doch plöglich jag’ ich mir: fie liegt im Grabe, Und fühle größer noch den alten Schmerz.
Was fliegt das Schiff, was lenkt das Steuer Den Kiel durch dunfelblaue See?
Ah! zu der Einen, die mir thener,
Trägt mich der Wellen feine je!
Klar, aus des Oſtens Purpurquelle,
Strömt auf das Meer des Frühroths Gluth, Und jubelnd in der goldnen Helle
Berauſcht ſich die beſchäumte Fluth.
Und Inſeln, duft'ge Küſten ſchwimmen An mir vorbei im Morgenwehn,
Und zwiſchen Palmenhainen glimmen Die goldnen Kuppeln von Moſcheen.
Doch ob ſich mir mit lichten Thoren Der Orient erſchließen mag,
Zu ihr zurück, die ich verloren, Blick' ich in den geſunknen Tag.
Fern dort bei Sturm und Blättertreiben Blinft weiß ein Grabftein durch die Nacht; Da jchläft fie unter dunfeln Eiben
Den Schlaf, aus dem fie nie erwacht.
6. Wieder jchreit’ ic) längs des Stromes, Wo uns, wenn mit ihr ich ging, Trunfen an des Himmelsdomes Abendglanz das Auge hing.
> > la =
Da bei Gloden-Spätgeläute,
Das in wilden Melodien
Durch das Laub ſcholl, überftreute Uns mit Blüthen der Jasmin;
Und die Abendnebel rauchten Golden aus der Felſenkluft; Zwiſchen unſre Küſſe hauchten Wilde Roſen ihren Duft.
Stumm iſt nun der Klang der Glocken, Längſt der Blumen Duft verweht,
Und des Stromes Wellen ſtocken,
Wo mein Fuß vorübergeht;
Auf zum dunkel-abendrothen Himmel blid’ ich trauerbang: Denn der Schatten einer Todten Geht mit mir das Thal entlang.
Welch ein Schimmern rings und Yeuchten ! Funkelnd in des Morgens Strahl Sprühn die Tropfen von den feuchten Zweigen nieder in das Thal.
Licht auf den beeisten Spigen,
Licht ſelbſt tief im Abgrundſchacht! Ach! durch all das Strahlen, Blitzen Trag' ich einſam meine Nacht.
———
— 21 —
Die Nacht ift ſchaurig und finfter,
Der Friedhof mit weißen Floden beftreut; Hernieder vom alten Münſter
Im Winde wallt der Glocken Geläut.
Sie alle, die oft mir erflungen,
Wie tönen mir ihre Stimmen vertraut; Die hat mich in Schlaf gejungen,
Und die mich gewedt mit dem erften Yaut.
Und unter den fteinernen Platten Quillt es hervor wie Yeichenduft; Sefhwundener Stunden Schatten Entſchweben bei den Klängen der Gruft.
Erröthend, dann neu ſich entfärbend, Bon ſel'ger Zeit mir flüjtern fie; Um ihre Yippen hallt jterbend Berichollener Lieder Melodie.
Bon weißen Rojen ummunden
Sind ihre Stirnen; fie reißen ſie ab Und zeigen mir blutende Wunden — Ich finfe bebend hin auf ein Grab.
Hernieder durch jtäubende Floden Bricht matt des Mondes blafjer Glanz, Und fort beim Schalle der Glocken Wallt mir zu Häupten der Geiſtertanz.
Am Tage bang und herzbeflommen Schreit' ich dahin auf ödem Pfad,
Dis, wenn fein dreiftes Licht verglommen, Die vielerjehnte Stunde naht.
Sie, die im Tod mich nicht vergefien, Auf furz dann darf ich wiederjehn; Herüber von den Grab-Epprefien Schmebt fie zu mir im Abendwehn.
Bon ihrem Athemzug, den vemen, Umhaucht fühl' ich mich wiederum; Site drückt die Yippen auf die meinen, Und Seele hängt an Seele ftumm.
Wie mahnend in mem Auge jieht fie, Legt ihre Hand in meine matt,
Und Leis zu ſich hinab mich zieht fie In ihre dunkle Grabesftatt.
Und wo ic) nad) des Lebens Streite Ruhn joll im ftillen Friedenshaus,
Dort unten träum’ ich ihr zur Seite Den Traum des Todes ſchon voraus.
10,
Das mir jonft jo froh erflungen, Deinem Liede o! warım
In den grünen Dämmerungen Lauſch' ich jest jo tranerjtumm?
= 93 —
Schwer von Wonnen, num gefchwunden,
Holde Sängerin der Nacht, Mahnt es mic an jene Stunden, Die ich jelig hier durchwacht.
Wieder nun wallt von den Beeten DBlüthenodem durch die Luft, Doch von frühern, längjt verwehten Lenzen ift es nur der Duft;
Und Erinnerungen fluthen
Auf der Töne Strom heran,
Ah! mir will das Herz verbluten In des Piedes ſüßem Bann.
Antwort einſt mit frohem Pochen Gab es ihm, o Nachtigall;
Doch in Herzen, die gebrochen, Traurig tönt ſein Widerhall!
Ringsum nun wird es ſtille, Indeß der Tag verſinkt
Und froh im Gras die Grille Den Thau der Dämmrung trinkt.
Aufſteigt die Nacht im Weſten, Sie athmet hörbar kaum
Und wiegt von Aſt zu Aeſten Den Wald in Schlaf und Traum.
a
Den Bögeln, wie jie brüten, Drüdt fie die Augen zu
Und lullt im Thal die Blüthen, Die Aehren all in Ruh).
Komm, Mutter Nacht, und lege Die Hand aufs Herz mir mild, Daß fie die wilden Schläge Dem Ruhelofen ftillt!
12.
So find’ ich wieder dich nach Jahren Und jehe wiederum die Zeit, ALS ſchuldlos wir und glüdlic) waren, Erftehen, doch im Sterbekleid.
Wie matt dahin durch deine Nechte Das Blau der welfen Ader jchleicht! Wie hat der Gram durchweinter Nächte Das ſchöne Antlitz div gebleicht!
Wozu die alte Yiebe weden?
Entfteigen würde, jchattenbleich,
Nur ihr. Gefpenft, um uns zu jchreden, Sie felber nicht, dem Todtenreich.
Für immer fei es denn gejchieden, Wie wir für immer ausgeliebt!
Im Tode ſuch', wie ich, den Frieden, Den uns das Yeben nimmer giebt.
13.
Der Landmann geht zu feiern, Bon Sonnengluth verjengt, Die janft mit feinen Schletern Der Abend num verhängt:
Es huſcht durch laub’ge Aeſte Der Hänfling heim zum Neſte, Wo auf den warmen Eiern Sein Weibchen ihn empfängt.
Schon ruht in ſüßer Zelle
Die Biene arbeitmatt,
Zum Schlaf ſtreckt die Libelle Sich auf das Lindenblatt;
Ins Dörfchen fehrt der Mäher, Und nah ſchon glänzt und näher Das Lämpchen ihm, das helle, Bon feiner Yagerftatt.
Nicht fehlt die Ankerkette
Dem miüden Nudersmann,
Dem Rehe nicht fein Bette
In Buchwald oder Tann,
Und nicht die Schlucht dem Winde, In der er Ruhe finde;
Wo aber ift die Stätte,
Darauf ich ruhen kann?
14.
Auf morgen mir ein Wiederjehen Verhießeſt du mit legtem Wort;
Da rig des Schickſals Sturmeswehen Di unerbittlich von mir fort.
Umſonſt durchforſcht' ich Yänder, Städte, Wo deine Spur auf Erden jet;
Statt deiner zog, jo viel ich jpähte, Die fremde, falte Welt vorbei.
Bon Orte trieb es mi zu Drte, An alle Häufer klopft' ich an, Dod immer wurde mir die Pforte Bon fremden Händen aufgethan.
Und ob zum fernjten der Geſtade Wir jchweifen über Yand und Meer, Nicht einer führt der Erdenpfade Mich zu dir hin, did) zu mir her.
15.
Nach des Frühlings blühenden Glück
Und des Herbftes ftrogenden Garben
Nun Felder, kalt vom November bereift; Durch Nebel und ftäubende Floden ſchweift Mein Blick in dämmernde Fernen zurück Zu Wonnen, die lang erftarben.
— —
Nach des Morgens thauigem Glühn
Und des Mittags leuchtendem Strahle
Nun Nacht und des Mondes eiſiger Schein; In Mitte des Friedhofs ſteh' ich allein Und kränze mit dunklem Cypreſſengrün Verwitternde Todtenmale.
16.
Noch, die Zweige überdedend, Herbftlaub, das nicht weichen will! Und jchon neue Knoſpen wedend Naht der Fröhliche April.
Seine Wipfel ihm entgegen Frendejchauernd wirft der Wald; Nur in meiner Bruft fein Regen! Alles ftarr und winterfalt!
Wenn bei Nachtigallenichmettern Wieder grünt das junge Yaub, Stumm mit den gewelften Blättern Sinft mein Leben in den Staub.
Ir. Fremd ging ich ſonſt an dir vorüber; Froh lachte mir der Yebenstag;
Ich floh den Gram, der wie eim trüber Nachtichatten auf der Stirn dir lag.
Bi, 1
Berftummt an Gräbern, über Leichen Seitdem ijt meiner Lippen Scherz; Yaß uns die Hand einander reichen! Dein Bruder bin ih num im Schmerz,
1
Rn
Getroft! der Weg war heiß und lang, Allein der Abend kommt;
Geſorgt ift, jet darum nicht bang, Für Alles was dir frommt.
Die Schatten werden länger jchon Und fühlre Lüfte wehn;
Vom Thurme halt der Glode Ton Und mahnt zum Schlafengehn.
Bald thut fi div das Nafthaus auf, In dem für Alle Raum;
Da labt dich nad) den Tageslauf Ein Schlummer ohne Traum.
1%
In der Schlucht hat jchon zu dichten Haufen fi) das Yaub gethürmt, Während neu der Herbftwind Schichten Welfer Blätter niederjtürmt.
Aber durch das Sturimgetoje Und den Moderdunft der Kluft Haucht noch einfam eine Roſe Ihres Kelches ſüßen Duft.
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Liebe! aus begrabnen Jahren In mein Leben, längjt verdorrt, Hauchjt du deine wunderbaren Milden Düfte fort und fort.
20.
Wenn flüchtig wir einander nahten,
War deine Rede jchen und farg;
Durch nichts ward mir der Schat verrathen, Den deine Seele ftill verbarg.
Erſt kurz, eh unter ſchwarzer Hille Sie dich im Tempel aufgebahrt, Hat fih in ganzer Yiebesfülle Dein Schönes Herz mir offenbart.
Empor jhlug da im dunfelrothen Lichtglanz die lang verhaltne Gluth, Doch ſchon auch in das Weich der Todten Trug dich hinab die dunkle Fluth.
Nun neu im wilden Weltgetriebe Steh’ ich verlaffen, wie ich ftand, Und ſuch' umfonft ein Herz voll Liebe Wie deins, das ich zu ſpät erfannt.
21.
Deine blafjen, blafjen Wangen,
O des Himmels Purpurlicht
In des Frühroths erjtem Prangen
Däucht fo ſchön wie fie mir nicht. Shad, Ge. Werke IV. 9
— 10 —
Hier und da noch durch die weißen Spielt ein röthlich-matter Strahl, Dann dem Grab fie zu entreißen Ningt das Yeben noch einmal,
Doch erloſchen jchnell, vergangen Sit das flücht’ge Roſenroth; Deine blafjen, blafjen Wangen ?oden mid zu füßem Tod.
22.
Mein Herz ift ſtumm, mein Herz ift kalt, Erſtarrt in des Winters Eife;
Bismeilen in feiner Tiefe nur wallt
Und zittert und regt fich3 leife.
Dann ifts, al3 ob ein mildes Thaun Die Dede des Froftes brede;
Durch grünende Wälder, blühende Aun Murmeln von Neuem die Bäche.
Und Hörnerflang, von Blatt zu Blatt
Im Frühlingswinde getragen,
Dringt aus den Schluchten ans Ohr mir matt, Wie ein Ruf aus feligen Tagen.
Doch das alternde Herz wird jung nicht mehr, Das Echo fterbenden Schalles
Tönt ferner, immer ferner her,
Und wieder erftarrt liegt Alles,
23.
Nacht ruht auf dem Geift mir düfter und ſchwül, Ich fühl ein Braujen im Hirn;
O neig’ dich herab auf meinen Prühl
Und leg’ mir die Hand auf die Stirn!
Nur fie, die liebe, die weiße Hand
Bermag mir zu lindern den Fieberbrand.
Das mwallt von ihr nieder wie Frühthau mild, Wie Weit, der um Blüthen fost,
Es legt fih der Sturm, ob noch jo wild, Der mir im Haupte getoSt,
Und meine Seele blidt klar wie zuvor
In deiner Augen Himmel empor.
24.
Berhängt dein Fenfter, dein Stübchen leer, Und du in die Weite gezogen!
Was joll mir der Mai in den Gärten umber, Und des Kornfelds Wallen und Wogen?
Ich wünfche den eifigen Januar Zurüd, und die Nächte, die langen, Als mich ummallte dein Yocdenhaar, Mich deine Arte umfchlangen.
Da ſchritt ich über den Dröhnenden Eee
Zu dir und dem harrenden Glücke,
Und wieder von dannen durd Sturm und Schnee Auf des Eiſes fliegender Brüde.
— ur
Dir wußte das Herz vom Frojte nicht, Noch den nächtlichen Finfterniffen:
Es ftrahlte von deiner Augen Licht Und glühte von deinen Küffen.
Sp oft in mein Aug’, o Kleine,
Von deinen Bliden ein Yichtitrahl Fällt, Wird wieder von Frühlingsicheine
Die erftorbne Seele mir janft erhellt.
Ein Beben und Sproffen und Keimen, Wie auf der Flur bei des Oſtwinds Wehn, Deginnt in ihren geheimen
Srabfammern, ein Werden und Auferitehn.
Bei Nachtigallengejchmeiter
Negt Knoſp' an Knoſpe, die aufblühn will, Im Kelche die zarten Blätter;
Dann wieder Alles öde und ftill.
Und ach! wenn der wonnige Schauer Berflogen, der mich flüchtig durchrann, Bleibt mir im Herzen nur Trauer,
Daß ich wie fonft nicht mehr lieben Fanır.
26.
Nun ziehen die Wolfen durchs lichtere Blau, An grünen Halmen zittert der Thau;
— 13 —
Bon Blumen fchillert der Naien bunt In der fröhlichen Winde Wehen,
Und die Primel fteigt aus dem Wiejengrund, Um den leuchtenden Himmel zu jehen.
Mit Drofielgefang und Wachtelfchlag, Wie umfängſt du mic) wonnig, jtrahlender Tag! Doch wo ift die Stimme, die einft mich rief, Und die Hand, die meine gedrücdt, Und wo das Auge, jo blau, jo tief, Das einjt in meines geblidt?
27.
Berftummt, ihr fröhlichen Gejänge Bon Liebesluſt und Yebensglüd!
Wie in Auinen, tiefzerfallen,
Die Abendwinde widerhallen,
Dumpf tönt ihr nur als Trauerflänge Aus meinem Herzen noch zurück.
Berjunfen liegt, in fernen Weiten,
Die Welt, in der ich glücklich war,
Und hauptverhüllte Schatten tragen
Mir Bilder her aus alten Tagen,
Und fchluchzen in den Schall der Saiten: Dahin, dahın für immerdar!
Im braujfenden Sturz hinab in die Schlünde
Wie jubeln die Bäche, vom Eije frei!
Wie hallt im Winde durch Schluchten und Gründe Das Alpenhorn und des Hirten Schalmei!
Heimfehrt durch des Himmels lichtere Bläue Bon Süden der wandernden Vögel Schaar, Und jeder findet den Zweig aufs Neue,
Auf dem er geniftet im lebten Jahr.
Und bei der Lieder fröhlihem Scalle
Aufgrünt und blüht und duftet der Daun — Ich kenn' euch, ihr Stimmen, ich kenn' euch alle; Mir ift, al3 erwacht’ ich aus düſterem Traum.
Komm, Jugend, fomm Liebe! Was lapt ihr mic) harren? Zum Herzen, das einjt fo froh, jo fühn,
ehrt wieder zurüd, dem winterlich ſtarren,
Und laßt es von Neuem duften und glühn!
Der mich geboren, zweiter Auguft, Deiner thauigen Dämmerung Luſt, Könnt’ ich je fie verfäumen ?
Eh noch ein Lichtjtvahl die Yerche wedt, Auf dem Hügel lieg’ ich geftredt
Unter den jchlummernden Bäumen;
— 13%. —
Höre den Bad) im Morgenwind
Pallen wie ein erwachendes Kind,
Und das frohe Gejchmetter
AU der gefiederten Sänger umher,
Mie fie mit Flügeln, von Thau noch ſchwer, Huſchen durch zitternde Blätter.
Und in der Frühe fänfelndem Hauch
Alle die munteren Geifter auch
Fühl ich im Herzen erwachen;
Wie, wenn die Stunde des Yernens vorbei, Knaben fich jagen mit Jubelgejchret, Tummeln fie fi und lachen,
Weden zum Singen die Vögel im Neft, Schütteln miv Aepfel herab für das Felt, Nüffe vom Hafelgeftäude —
Zweiter Auguft, du, dev mich gebar, Immer verjünge von Jahr zu Jahr
So mir der Kindheit Freude!
30.
Während mit den Sternenaugen Ueber uns der Himmel wacht; Oeffne deinen duft'gen Kelch mir, Heil'ge Wunderblume, Nacht!
Wonne, der zerſtreuten Seele, Die der Tag verwirrt, zu groß, Himmliſches Entzücken ſtrömt mir Tief aus deinem Blätterſchooß.
— 136 —
Bon dem Duft, der unergründlic) Aus dem Weltenabgrund quillt, Mehr, o mehr noch laß mich jchlürfen, Bis der Durſt mir ganz geftillt!
Wenn das Morgenlicht in feur’gen Funken auf die Erde ftäubt, Saugend noch an deinem Selche Häng’ ich ſelig, ſüßbetäubt.
31:
Noch find die Hähne alle ſtumm,
Und fchwer liegt auf den Augenliven Mir nod) der Schlaf der Nacht; warum Weckt ihr fo überfrüh den Mitden?
Kaum um den Himmelsrand fpielt fern Ein Schein, al3 ob die Dämmrung graute, Schlaftrunfen grüßt den Morgenftern
Die Lerche mit dem erften Yaute.
Und matt im Dften hebt der Tag
Sich halb empor vom Wolfenfaume, Dann auf den Pfühl, auf dem es lag, Sinft nen fein Haupt zurüd zum Traume.
Drüd’ mir die Augen wieder zur! Fern von dem lauten Yebensjchwarme, Allmutter Nacht, vergönne du
Mir lang’ noch Naft in deinen Arme!
32.
Ob auch mein Abend längſt begonnen, Doch oft, Hellleuchtend wie zuvor, Noch fteigen lang verfunfne Sonnen Vor meinem trüben Blick empor.
Dann ift mir, wieder herrlich glänze Die Welt, wie ich fie einft gejehn; Den Athem lang verblühter Yenze Fühl' ich durch meine Seele wehn.
Kühl vaufchts in feiner Wipfel Blättern, Entgegen quillt miv Blüthenduft,
Und lang geſtorbne Yerchen jchmettern Bon Neuen hoch in blauer Yuft.
O jubelt fort! Sanft auf dem Pfühle Yaßt mich entjchlummern beim Geſang, Der in des Sonnenaufgangs Kühle Am Himmel meiner Kindheit flang!
Ums Haupt der alten Bergesriejen Spielt noch der erfte Morgenftrahl Und gleitet, auf dem Nauch der Wiefen Hinzittend, nieder in das Thal.
Leis beben von den Athemzügen
Der Schlafenden die Lüfte noch;
Noch ruht der Stier, bevor zum Pflügen Der Adersmann ihn fehirrt ans Jod).
— 138 —
O mwedt zu jeinem Werk voll Mühe Den Tag aus feinem Schlummer nicht! Umfang’ uns lang noch, jel’ge Frühe, Mit Morgenluft und Morgenlicht!
34.
Schon lagern über den Mooren Die Nebel des Abends ſchwer; Kaum zittert ein Strahl verloren Dur der Dünfte wallendes Meer.
Die Blätter, die Blüthen fiechen Im falten Oktoberhauch,
Und giftige Lüfte kriechen Verheerend von Strauch zu Strauch.
Doch ich träume von grünenden Matten Und Wieſen, mit Thau beſprengt, Darüber an felſigen Platten
Die Roſe der Alpen hängt,
Von Gipfeln mit eiſiger Firne, Die hoch in den Himmel ragt Und den Morgen auf ihrer Stirne Schon trägt, bevor er noch tagt.
Wer je ſich an deiner Quelle Den Durſt, o Liebe, geſtillt, Von ewiger Morgenhelle Iſt ihm die Seele erfüllt.
35.
Dahin der Jugend Wonnen, Und felbjt ihr fühes Weh Zerſtoben und zerronnen Die Frühlings-Blüthenjchnee.
Nicht jauchzt mehr zu den Sternen Mein Herz wie jonjt empor;
Es ftarrt in öde Fernen
Nach dem, was e3 verlor.
Nicht mehr in Schmerz zu biuten Vermags, wie einjt es that,
ALS es die rothen Fluthen Erlabten wie ein Bad.
Nur wenn in holdem Sinnen Dein Auge auf mir ruht, Wohl regt fih noch tief-innen In ihm die alte Gluth.
Hoc Flopfend dann entgegen Pocht es dem jungen Glüd — Doch finft mit matten Schlägen Dald nen in fich zurück.
36. Wie war mir jo beflommen, Als ih im Fenfter lag! Ich ſah, er war gefommen, Der erſte Wintertag.
— 10 —
In blafjem, grauem Etreife Zog Heerraudh ob dem Moor, Weit angehaudht vom Reife Erglänzte Halm und Rohr.
Ein Fink fang auf der Linde Beim halbgeftürzten Neft, Welk bebten noh im Winde Die Blätter am Geäft.
Erft in der Abendipäte Erftarb die Stimme matt — Der eiſ'ge Nordwind mehte Herab das letzte Blatt.
V. Kampf und Sieg.
Am Grabe Trriedridis des Zweiten. 1864.
Aus Palermos Blüthenfülle, die mit Duft den Sinn betäubt,
Aus dem Strahlenglanz, der blendend über Meer und Gärten ftäubt,
In die Gräberhalle flücht' ich, fern dem lärmerfillten Tag,
Dir den Todtenfranz zu winden um den dunkeln Sarfophag,
Mächt’ger, der um ein Jahrtaufend Deiner Zeit du ſchrittſt voran,
Deſſen Riejennamen bebend nur der Deutjche ſtammeln fann!
Laß im diefer heil’gen Stille, wo du, alles Wandels bar,
Nicht den Tag und nicht die Nacht fennft, nicht das Fit und nicht das War,
Laß mich denfen, wie von Deutſchlands Kaiſerthrone ſchickſalsvoll
Einſt gebietend durch die Länder deines Wortes Donner
ſcholl,
ee
Denken, wie vom Nord» zum Südmeer durch dein unermeßnes Neid)
Du den Adler Ruhm, den fühnen, einem Edelfalken gleich,
Auf der ftarfen Fauſt getragen und gejpornt von Flug zu Flug,
Bis die Schwinge, Alles wagend, ihn in Sonnenferne
trug!
Um dich her mit Schild und Yanze, al3 ein eijenfejter Wall,
Neihten fih die Ervdenfürften, Jeder deines Throns Bafall,
Und, das Werk der Nacht zerftörend, für des Priefters Bannfluch taub,
Tratſt du, die ihn dreifach krönte, die Tiare in den Staub,
Während an dein ehrnes Deutjchland du das jonn’ge Morgenland
Und des Südens heitre Küften bandeft mit gemwalt’ger Hand. —
Aber weh! die hehren Bilder, wer verhüllt fie meinen Blick?
Neuen, immer neuen Wechſel bringt das rollende Geſchick,
Und durch ſiebenhundert Jahre ſeh' ich wie im Traum— geſicht
Finſtrer ſtets den Himmel kreiſen mit erloſchnem Sternenlicht,
Seh' dein Reich in Trümmer ſinken, daß, zerbröckelt und zernagt,
Selten noch ein halbgebrochner Pfeiler aus dem Schutte ragt;
Weithin geht durch ſeine Zinnen, ſeinen Wall der Riß hindurch,
Und am Boden liegt die ſtarke, liegt die heil'ge Völker— burg.
— 13 —
Trauernd iiber deinem Yande hat der Genius fich ver-
hüllt,
Bon den eignen Söhnen wurde feiner Schande Maaß erfüllt;
Seine Yenfer in Verblendung denfen nicht der Zeit, die war,
ALS ſich herrfchend über Alle ihwang der doppelhäupt’ge Yar,
Nicht fein Volk, daß ihm der Kaiſer, was dem Schiffer der Pilot,
Ohne ihn auf ſtürm'ſchem Meere finkt es ſelbſt im leden Dont.
Nun verzagend ftehn fie Alle, da der Boden kracht und wanft,
Wilder tobt un fie die Woge und der Compaß trügt und ſchwankt; Doc) vergebens rollt der Donner mahnend über ihrem
Haupt,
In den jähen Abgrund ftürzen fie ſich felber finn- beraubt.
So dein Yand, erhabner Kaifer! morſch ift Alles drin und hohl,
In der Zeiten Wirbelftrömen treibt es ohne Stern und Pol.
Wohl dir, daß dein Auge nimmer haut dies deutjche Sammerbild!
Möge Trauerflor umhüllen dein berühmtes Wappenſchild!
Um dich her im Traume magft du deine Heldenſöhne ftehn
Und die Schatten der vergangnen großen Tage gleiten
” ſehn,
Doch kein Laut des Lebens dringe, Herrlicher, zu dir herab,
Als das Rauſchen deiner Fahnen, wie ſie wehen um dein Grab.
— 14 —
iu
Die Kaifergruft in Speyer.
2”
Wie öde trauert dieſe heil’ge Welt
Im zweifelhaften Schein der Tageshelle, Die dämmernd dur die Bogenfenfter fällt Und zitternd jchleiht um Altar und Stapelle.
Bisweilen nur, unheimlich wie im Traum, Scheint fich der Tempel wunderfam zu regen, Ein innres Athmen den geweihten Raum Mit geifterhaftem Leben zu bewegen.
ann hört man dur die Stille dumpf und ſchwer erloren einzle Glockenklänge hallen,
Wie vor dem Sturme auf ein jchweigend Meer Die Tropfen der Gemitterwolfe fallen.
D 2 V
Ein bleiches Weib, ein Geiſt vom Ehedem, Wallt durch den Dom; gelöst find ihre Haare, Halb von der Stirne janf das Diadem,
Ein Trauerkleid umfliegt die Wunderbare.
Gebrochnen Schrittes wanft fie hin; fie blickt Die Kaifer-Särge an mit ſtummem Harme
- Und hebt mit „Klagerufen, halb erftidt,
Um Rache flehend himmelwärts die Arme.
Da aus der Orgel bricht ein mächt'ger Schall, Ein Sterbefeufzer, ihrer Bruft entquollen,
Der bei der Säulengänge Widerhall
Durch das Gewölbe jchleicht mit dumpfem Rollen,
Und von den Riejenflang erbebt das Licht Der Pampen, die auf den Altären ſchimmern, Daß geifterhaft wohin es zitternd bricht
Die Kreuze und die Peichenfteine flimmern.
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In dichtern Tropfen aus den Pfeifen träufts, Und durd die Hallen jchweben dunkle Schatten, | Und zwifchendrein vernimmt man das Geſeufz Der Todten unter ihren Marmorplatten.
Bald wieder Alles ftille wie zuvor!
Kings Naht und Schweigen in den öden Mauern; Nur Kreuze, eingehüllt in ſchwarzen Flor,
Und Heil’ge, die in ihren Nifchen trauern.
Die Hohenſtaufenkrone.
Noch rauſchen deine Eichenforſte
Von unſrer Väter Heldenthum,
Um deiner Felſenburgen Horſte Schwebt einſam noch der Adler Ruhm; Es glüht von ſeinen kühnen Flügen Die Kunde noch in Flammenzügen
An manchem Denkmal, halb vermorſcht: Doch über den Ruinenhaufen
Nach dir, o Land der Hohenſtaufen, Nach dir hab' ich umſonſt geforſcht.
In ſchweren Kerkerbanden liegſt du, Germania, Weib im Trauerkleid; Gramvoll die müde Stirne wiegſt du In Träumen der vergangnen Zeit! Es ſpotten dein die rohen Schergen, Wie deine Thräne zu den Särgen Des Gatten und der Söhne träuft, Und roſtig ruht am Sarkophage Ein Schwert, nach dem in ſtummer Klage Bisweilen deine Rechte greift.
Schack, Geſ. Werke IV. 10
Be
D Zeit, mit ihm ins Grab geftiegen, Als, deinem Friederich vermählt,
Du deine Tage nach den Siegen, Die er für dich erftritt, gezählt!
ALS fih vom Rhein zum Hellesponte Die Welt in deinem Ruhme jonnte, Und dein Panter mit ftolzem Flug Im alten Wunderland der Träume, Im Orient, die Purpurjäume
Des fernften Morgenhimmels jchlug!
Wo ift das Zeichen, das gemeihte,
An dem das Erdenſchickſal hing,
Die Krone, die den Kaiſer feite,
Mit ihrem goldnen Zauberring ?
Wo das Geflecht, das göttlich ſchöne, Die hehren Töchter und die Söhne, An deiner Mutterbruft gefäugt ?
Ah! Antwort giebt der ftille Sammer, Der tiefer in der Todtenfammer
Dein Antlig auf die Erde beugt.
Doch traue, Weib, den alten Sagen, Bon unfern Vätern gern geglaubt! Es liegt dort, wo die Alpen vagen, Ein himmelnahes Bergeshaupt; Kings klaffen mit jahrtaufendalten Schneefeldern ungeheure Spalten, Kein Wanderer drang je hindurch, Und auf der höchiten, fteilften Spitze Hebt ſich die Nachbarin der Blike, Der Stürme Braut, die Kronenburg.
— —
Als Manfred fiel, der heldenkühne, In Benevent auf blut'gem Feld,
Als auf Neapels Henkerbühne Hinſank der junge Kaiſerheld,
Da trug von dem verwaisten Throne Ein Aar die Hohenftaufenfrone
Zu jenem Alpenfchloffe fort —
Es blühn und welfen die Gejchlechter, Doch Geifter ſchirmen, treue Wächter, Bis heut des deutjchen Reiches Hort.
Einft aber wird ein Held erjtehen,
Bon edlem deutjchem Stamm ein Sproß, Auf den der. Herr im Sturmesmwehen Den Athem jeiner Weihe goß;
53 ftrahlt fein Haupt im Morgenglanze, Befreiung bligt auf feiner Yanze,
In feinem Banner raufht der Sieg, Und mit den Winfen feiner Brauen Lenkt durch der Schlachten Wettergrauen, Wie feinen Sklaven, er den Krieg.
Bor ihm vergeht die Macht der Böſen, In ſich zerbricht der alte Bann;
Das deutjche Kleinod einzulöjen Stürmt er die Kronenburg hinan; Und fteh! die Eisgewölbe brechen,
Sie löſen fi) zu Gletſcherbächen, Schneebrüden ftürzen donnernd nad), Und, hoch) die Alpenhäupter zündend, Ein neues Exrdenjahr verfündend,
Hebt ftrahlend fi der junge Tag.
— 1485 —
Hernieder dann aus den Ruinen,
Die theure Krone in der Hand, Steigt bei dem Donner der Yawinen Der Kaifer in fein deutſches Yand; Ihn feiern die Drommetenftöße,
Der auf das Haupt der alten Größe Den Kranz der jungen Freiheit drückt, Ihm prangt die Flamme der Altäre Und ihm die lautre Freudenzähre, Die jedes deutjche Auge ſchmückt.
Dir findet, Weib, der Klang der Gloden Das Nahen des erjehnten Herrn, Entgegen ftrahlt von feinen Locken
Die Krone dir als Morgenftern ;
Und über dir und dem Befreier,
Als Zeuge bei der heil’gen Feier,
Die allen deinen Sammer jühnt,
Rauſcht ftolz wie einft die deutjche Eiche, Die mit dem neu erftandnen Reiche
Der Ewigkeit entgegengrünt.
Die ſchwarze Schaar.
Mit dunkeln Tſchakos Alle und Todtenköpfen drauf Eilten bei Hörnerſchalle ſie nach dem Zelte zu Hauf. Und ehe ſie drinnen waren, rief freundlich der Herzog
ſchon:
„Gegrüßt, ihr ſchwarzen Huſaren! gegrüßt, meine Rache—
legion!“
— 149 —
Die Braven hieß er fich jegen: „Achtſam eur Ohr mir geliehn!
Mir jendete diefen Feen der Kaifer eben aus Wien;
Mehr liebt ev auf Bällen das Tanzen als Waffentanz in der Schlacht,
Drum hat er bei Znaym mit den Franzen jegt feinen Frieden gemacht.
Damit ich ihn unterfchreibe, ſchickt er den Wiſch miv nun; Er denkt wohl, mit einem Weibe, wie er eins, hab’ er ß zu thun; Doch daß man Schurfe mic heiße, daß Schande mid) treffen mag, Wenn ic) das Dlatt nicht zerreiße! da liege, verfluchter Bertrag!”
Er riefs, und zerriffen ftoben umher die Stücke Bapier,
Jubelnden Auf erhoben Gemeiner und Offizier;
Er aber: „Mein Blut fühl’ ich fieden und Gluth auf den Wangen mir lohn,
Sobald ich höre von Frieden mit dem Unhold Napoleon.
Den Bater mir hat ex erichlagen, mein Braunfchweig mir gevaubt,
Nicht mochte mein Weib das tragen, früh ſank ihr blühendes Haupt;
Dann über dem Grab meiner Pieben jah ich von den Alpen zum Meer,
Bon Höllengeiftern getrieben, hinjagen jein wüthendes
Heer.
Wie jchreit noch aus Dörfern und Städten zum Himmel um Wache der Brand,
Wie hat dich der Wüthrich zertreten, mein deutſches Vaterland,
— 150 —
Wie deine Söhne geſchändet, betrogen, verführt, entzweit, Bis ſie einander verblendet würgten im mördriſchen
Streit!
Deine Fürſten, die ſtolzen Schildhalter von Kaiſer und Reich,
Wie iſt ihre Größe geſchmolzen, wie ward ihre Ehre ſo bleich!
Vom fremden Unterdrücker nahmen zu Lehn ſie den Thron Und preiſen ihn Weltbeglücker, indeß ſie zermalmt ſein Hohn.
Doch ich will das Haupt nicht bücken, bevor ich es leg' in die Gruft;
Fort! fort! ſonſt wird mich erſticken die deutſche Kerkerluft;
Hindurch uns zu ſchlagen zum Meere, ihr Freunde, führ' ich euch an,
Und fall' ich, ſo fall' ich mit Ehre als deutſcher Fürſt und Mann!“
Alſo der kühne Welfe; und rings auf ſein Aufgebot
Erſcholl es: „daß Gott uns helfe, wir folgen dir bis zum Tod!“
Die Hand ihm zu küſſen drängte ſich Jäger heran und Huſar
Und hurtig von dannen ſprengte der Herzog mit ſeiner Schaar.
Im Sturme vorwärts brauſend auf ſchäumenden Roſſen gings;
Kaum waren ſie ihrer tauſend und der Feind unzählbar rings,
Doch ob ſtärker ums Hundertfache, ſcheu ließ er ſie ziehn fürbaß:
„Weh, weh, das Corps der Rache, die ſchwarze Legion iſt das!“
—'151 —
Stach aber Einen der Sigel, fie zu hemmen auf ihrer
Fahrt, Bald hat er in dem Scharmützel die welfiſche Kraft ge— wahrt!
Denen, die heim geblieben, wenn er im Kampf nicht fiel, Wußt' er von deutſchen Hieben hinfort zu erzählen viel.
Auf, Halberſtadt zu erſtürmen! erſchallts aus des Her— zogs Mund.
Erzſpeiend von Mauern und Thürmen kracht der Kanonen Schlund;
Aber den Flammen entgegen, die den Tod auf ſie ſprühn,
Dem ziſchenden Kugelregen werfen die Schwarzen ſich
kühn.
Der Führer ſtürmt, der kecke, den Andern voran zum Thor,
Unter ihm ſinkt ſein Schecke, zu Fuße dann dringt er vor;
Schon iſt eine Breſche geſchoſſen, er wirft ſich der Erſte
hinein: „Sieg oder Tod, ihr Genoſſen!“ tönts durch der Seinen Reihn.
Genommen Wälle und Schanzen, erobert Halberſtadt!
Die weſtphäliſchen Schranzen ſenken die Arme matt,
Aus Fenſtern wehen Schleier und jubelnde Bürger ſtreun
Blumen auf den Befreier: „Heil, Enkel Heinrichs des Zeun !”
Zum Meer auf offenen Wegen zieht weiter das Fleine Heer;
Die Straßen ihm zu verlegen wagen die Wälſchen nicht mebr;
— 12 —
Nur schen, wie den Yömwen die Füchje, umſchleichen fies noch fortan,
Als ob Jeder zum Niefen wüchſe, geht Furcht den Schwarzen voran.
Don Felfen zu ihren Füßen bald jahn fie der Flut)
| Geroll,
Aus dem es wie Freundes-Grüßen den Freien entgegen— ſcholl.
„Nun, meine Kampfgeſellen, hinweg vom geknechteten Strand
Ueber die freien Wellen ins freie Engelland!
Einſt an die Küſten der Väter heimträgt uns der hurtige
Ihr Feiglinge und Verräther, verloren dann euer Spiel!
Der Feinde giftiger Heerrauch wird, wo wir nahen, ver— gehn,
Und Freiheit, ein friſcher Meerhauch, hin über Deutſch— land wehn!“
Die Bildfänle Karls des Großen.
Steigft du aus der Gruft, Exrhabner? Bon der Erdengeifter Haft
Hat dein abgrumdtief-begrabner Heldenleib fich aufgerafft ?
Wo did) band des klugen Zwerges Leisgeraunter Zauberſpruch,
In der Kluft des Odenberges Schlummerteſt du lang genug;
— ⸗⸗
— 153 —
Senkteſt auf dem Stuhl von Erze Deine Stirne, träumejchwer,
Und das Licht der Grubenkerze Goß ſich flimmernd um dich her,
Aber als die Friſt verronnen, Wie ein Erdſtoß da ericholls, In den Erz und Feuerbronnen, In den Wafferadern ſchwolls;
Und beim Auf, der mit dem Stoße Schütterte den Erdenball,
Dröhnte: „Wo ift Karl der Große?“ Hundertfach der Widerhall.
Da erftandeft du, Gewaltiger, Sprengteft die granitne Thür; Ein Jahrtaufend hing als faltiger Mantel um die Schultern dir;
Und ein fteingewordner Schatte, Deine Seele jelber Stein, Trittft du auf die Marmorplatte, Neu bei deinem Volk zu fein.
Sprich, was runzelſt du die Brauen? Freut das Morgenroth dich nicht, Welches deinen deutſchen Gauen Hoffuungsreih durch Wolfen bricht?
Siehſt du nicht mit Stolz das Wappen, Das dein ein’ges Deutichland ſchmückt,
Seit in ſechs und dreißig Yappen i Wir dein Burpurkleid zerjtüct ?
— 14 —
Nicht den Dom, wo edelmüthigit Wir die Fahne abgeftedt,
Und der Gallierhahn uns gütigft Baſilisken-Eier hedt?
Nicht die Wälder, mo der Gimpel Seine Hoffnungslieder pfeift,
Und der Maftbaum für die Wimpel Unfrer deutſchen Flotte reift?
ein, den Blick verhülle, Mächtiger, Nicht für Dich ift diefer Tag!
Mag ein Schleier dir, ein nächtiger, Uns entziehn und unſre Schmad!
Schlaf’ in dieſem immer wüſteren Yeben, das die Nachwelt lebt, Kur erwachend, wenn mit düfteren Nebeln fie die Nacht begräbt!
Dann, wenn Donner um dich wettert, Wenn der Sturmmwind dich umfliegt, Und der Blitz, der jonft zerjchmettert, Sich auf deiner Stine wiegt,
Schau hinab zu deinem Neiche, Das ſich weithin, endlos zieht, Wie die Gegenwart die bleiche Große Borzeit Dämmern fieht!
Durch die Fläche jchleicht ein Glimmen
Wie ein blafjes Meteor; Fernher tönen dumpfe Stimmen, Kaum vernehmbar an dein Ohr.
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——— ———“
—- 15 —
Yauter dann, gleich Geifterrufen, Hallt es aus dem Erdenſchooß, Wie Geſtampf von ehrnen Hufen Dröhnts und wie Drommetenftoß.
Iſts das MWogen ferner Meere,
Das an felj’ge Küſten jchlägt?
Sinds die Schemen deiner Heere,
Die der Sturmwind peitfcht und fegt?
Ja, fie fteigen, die Erwachten,
Aus der Gruft, wo hingeftredt
Sie den Staub von hundert Schlachten Ueber ihren Pfühl gededt.
Zoderftandne, bleiche Gruppen Kahn fie ih im luft'gen Tanz, Ihre ehrnen Panzerfchuppen Dlinfen matt im Mondenglanz.
Schleuderer und Bogenjpanner, Eiferne von Iſenland,
Knappen mit dem heil’gen Banner Und dem Horne Dlifant,
Nitter, die der Saracenen,
Die des Nordmanns Heere jahn, Ziehn auf Roſſen, ſchwarz von Mähnen, Zu dir her die nächt'ge Bahn.
Aber du aus dicht fich ballenden Nebeln, wie ein Niejengeift, Blickſt hernieder zu dem wallenden Kriegsvolk, wie es um dich kreift.
— 16 —
Da der alten Schladhtluft denkſt du,
Deine Ader fchwillt vor Zorn,
Einmal noch die Fahne jchwentit du, — Einmal ſtößſt du noch ins Horn!
Yangjam, weithin tönt der fluthende, Schwellende, gewalt'ge Schall — So blies Roland, der verblutende, In der Schlucht von Ronceval.
Wild indeß, wie ums verwitternde Felſenhaupt ein Wolkenzug,
Brauſt das Heer um deine zitternde Steingeſtalt im Wirbelflug;
Und wie bei der Töne Rollen Donnernd das Getümmel wallt, In dem Sturm und Wettergrollen Iſt das kleine Jetzt verhallt!
Die deufſche Mukter. 1866.
Das iſt ein Feſt, ein herrliches, heut, Kanonengekrach und Glockengeläut
Und Hallen von Siegesliedern.
Nein! nein! Reißt ab von den Helmen das Laub Und ſtreut auf das Schlachtfeld Aſche und Staub, Wo Brüder ſich würgten mit Brüdern!
Todt Beide, die ich mit Schmerzen gebar, Die ſchöner und ſchöner von Jahr zu Jahr
w — 4 — 1
Erblühten an meinen Küſſen! Gebrochen nun in des Lebens Mai Ihr roſiges Haupt! vom heißen Blei Die Bruſt den Theuern zerriſſen!
O hätt ich — das iſts, was am Herzen mir zehrt — Das Wort fie nimmer jtammeln gelehrt,
Das in den Tod fie getrieben!
Mein, mein die Schuld! mit erhobener Hand
Gebot ich ihnen, das Vaterland,
Das deutjche, vor Allem zu lieben.
Wenn Abends die Zwei mir ſaßen im Schooß, Dft ihnen erzählt’ ich von Waterloos,
Bon Leipzigs herrlichen Schlachten,
Wie heim aus dem Feld ihr Vater, ihr Ahn Sich Ehren für Thaten, die fie gethan,
Und leuchtende Wunden braten.
Da flammten die Augen der Knaben in Gluth
Und liegen mit Stolz des Gatten Blut
In den Adern der Söhne mic ahnen.
Was mehr? Die Jünglinge trieb es — fein Halt! — Zu Habsburgs Adler den Theobald,
Den Karl zu den preußiichen Fahnen.
„Mein Bruder, leb' wohl! Doc bald vereint Wehn unfere Banner wider den Feind
Und jagen ans Meer ihn nach Weiten;
Für Deutihland, wie uns die Mutter gelehrt, Yaß dann, des Ahnen, des Vaters werth, Uns fämpfen unter den Beſten.“
Und fie träumten noch von vereintem Sieg; Wer war es, o wer, der da den Krieg
— 18 —
Bon Deutjchen mit Deutfchen entflammte? Wohl bebte zurüd die entjeste Natur,
Doch band an die Fahnen die Zwei ihr Schwur Und riß fie ans Werk, das verdammte.
Die Hölle jauchzte; von Sid und Nord Entgegen fich zogen zum Brudermord Die Heere mit flingendem Spiele,
Und, wie ich jammernd am Boden lag, Die beiden Söhne bei Nacht und Tag Schaut’ ih in dem Schlachtengewühle.
Und Flammenziſchen und Nädergeroll
Und Krachen der Feuerfchlünde erjcholl
Und Sterbender Aechzen und Wimmern;
Da ſchwand der Dampf, der die Wahlftatt umflort, Und blutend lagen die Zwei, durchbohrt,
Auf Haufen von Leichen und Trümmern.
D Mutter der Schmerzen! Vom Crucifix
Des Sohns ſchau her mitleidigen Blicks
Und dent’, du hatteft nur Einen!
Yicht gleicht dein Jammer dem meinen; dir quillt Die Iindernde Thräne vom Auge mild,
Ich habe feine zu meinen.
Und ihr, mit Jubel und Feftluft heut
Verhöhnt ihr mein Weh? mit Glockengeläut
Und hallenden Siegesliedern ? —
Schweigt! ſchweigt! Reißt ab von den Helmen das Yaub Und ftreut auf das Schlachtfeld Aſche und Staub, Wo Brüder ſich würgten mit Brüdern.
— 159 —
Hiegesfeier in Hfraßburg.
Hallt, Gloden, hallt von Erwins Thurn, Und braujen mag der Jubelſturm
Bon Berg zu Berg, von Strom zu Strome! An jedes Ohr die Botichaft tragt:
In deutjche Yuft nun wieder vagt
Der herrlichite der deutjchen Dome!
D
Der alte Frevel iſt gerächt,
Der von Geſchlechte zu Geſchlecht
Uns bittre Schmach vererbt und Schande: Hallt Glocken! von des Nordens Meer Bis zu den Alpen ruft ſie her,
Die Söhne aller deutſchen Lande!
Ja freier, wie gelöst vom Bann, Aufathmet Aller Brust; heran
Durchs Münfterthor jeh’ ich fie wogen, Und wie ein himmliſcher Orfan Braust Orgelichall, indeß fie nahn, An Gurten hin und Strebebogen.
Und durch die Fenfterroje bricht
Ein Farbenglanz herein, wie Yicht
Des Negenbogens nad) Gemittern; Allhin bewegt ſichs wunderbar,
Wie von Altare zu Altar
Die Strahlen durd) den Tempel zittern.
Bom Mımd der Cherubim von Stein, Die oben längs der Pfeilerreihn
Und an den Marmorbeden hängen, Tönt jchmetternder Drommetenſtoß, Als wollt im tiefſten Erdenſchooß Der Klang die Grabesriegel ſprengen.
— 160 —
Der Beter Jeder finft aufs Knie;
Und durch der Andern Reihen, fieh! Umflungen von den Danfkchorälen, Nahn ſich Geftalten jchattengleich;
Die find nicht aus des Yebens Neid), Sie fommen aus dem Yand der Seelen.
Voran, die Yoden filberweiß,
In Freundenthränen tritt ein Greis;
Um ihn erichallt von taufend Zungen — Denn Alle haben ihn erfannt —
Sein Lied vom deutſchen Vaterland; Nun ward erfüllt was er gejungen.
Und rings Fnien fie, die opferfroh Auf Yeipzigs Feld, bei Waterloo
Um Tod fürs Vaterland geworben; Yang wurde drüben in der Welt
Der Seligen ihr Glück vergällt
Bom Gram, daß fie umfonft geftorben.
Doch nun, verflärt im Morgenglanz, Geſchmückt mit ihrem Siegesfranz Und mit der Wunden blut'gen Malen, Begrüßen fie den hehren Tag
Nach langen Nächten dunkler Schmad) Und fonnen fich in feinen Strahlen.
Und hochher vom Gewölb herab,
Wie von den Engeln, die das Grab Auf Golgatha erichloffen fanden,
Zu Glockenſchall und Orgelflang
Ertönt ein himmlifcher Gefang: Deutjchland ift aus der Gruft erftanden!
— 161 —
Wiederfehen von Deutfdiland.
Hier, wo um mic im Morgenglanz der Alpen Gletſcher ſtrahlen,
Und hinter mir Italien mit ſeinen Goldfruchtthalen,
Mit ſeiner Myrtenhügel Grün verſchwimmt in duft'ge Bläue,
Schaut freudethränenvoll mein Blick, o Deutſchland, dich aufs Neue!
Oft, aus der Ferne heimgekehrt ans Ufer deines Rheines,
Wohl dacht' ich, ſchön auf Erden ſei wie du der Länder keines,
Und Raſt nicht ließ mirs, bis ich dich nochmals durch— pilgert hatte,
Von wo das Hochgebirg Tirols ſich ſenkt zur grünen Matte,
Und in der frifchen Thäler Schooß die blauen Seen träumen,
Bis wo an Schleswigs Dünenftrand die Nordjeewogen Ihäumen;
Doch ftolzer heut, als je zuvor, dich darf ich mit dent füßen,
Dem heil’gen Namen Baterland, du theure Heimath, grüßen!
Wenn jonft in alten Burgen nur, wo ranfendes Gewinde
Der Epheu ſchlingt und fcheu bei Naht am Brunnen trinft die Hinde,
Sch deines Ruhmes Kunden la3 auf grauen Marmor- platten,
Jetzt glorreich ſtehſt du vor mir da, erftanden von den Schatten.
D, nun der mächt'ge Kaiferaar, hinflatternd ob den Heeren, Zu feinem alten Horfte fehrt, an Siegen reich und Ehren, Shad, Ge. Werke. IV. 11
Wie rollt hochwallend, Adern gleich), wenn ſie zu ichnellern Schlägen Die Freude treibt, dein deutjcher Rhein voll Jubel ihm
entgegen!
Bon den Vogejen bis zum Harz, zum Kreideftrand von Rügen
liegt flammenhell die Botjchaft hin von jeinen Sieges—
flügen;
Aus langem, ſchwerem Traum erwacht hebt Straßburgs Kathedrale
Begeiſtert ihr befreites Haupt und tönt im Morgen— ſtrahle,
Und mit der Glocken Feſtgeläut von Strome hin zu Strome
Zujauchzen freudeſtammelnd ihr die hehren Schweſterdome.
Hochbrauſend mit der Wogen Schlag, die um Arkona branden,
Begrüßt der Oſtſee blaue Fluth das Reich, das neu erſtanden;
Die Alpen jauchzen Antwort ihr mit donnernden Lawinen,
Und deine Kaiſerpfalzen all und deine Burgruinen
Und deine Städte altersgrau, des Ruhms erlauchte Wiegen,
Erglänzen in dem jungen Licht, dem Schutte halb ent— ſtiegen.
Geſühnt iſt was von wälſchem Hohn ſeit Karls von Anjou Tagen
Bis zu dem Corſen-Unhold du, Unſelige, ertragen.
Zu deinen Todten drunten ſelbſt im kalten feuchten Grauen
Der Gräber rinnt der Troſt hinab wie ſanftes Frühlings— thauen,
Und fie, der Franken-Frevelmuth das ſchöne Herz ge— brochen,
Die heilige Luiſe fühlt neu ihre Pulſe pochen;
— 18 —
Bon Thränen um ihr Vaterland noch ſchwer die Augenliver,
Entjteigt fie ihrem Sarfophag und hebt die Blicke wieder,
Und jchlürft die junge veine Yuft mit frohem Athemzuge.
Indeß fie iiber Deutichlands Aun hinwallt in Iuft’gem Fluge,
Schwebt von Apuliens Blüthenſtrand, verklärt im Mor— genrothe,
Der junge Conradin heran, der vielbeweinte Todte,
Und Manfred führt er an der Hand, des Staufen— thrones Erben,
Den wälſche Tücke ſo wie ihn geriſſen ins Verderben.
Da, wie die theure Heimath ſie mit ihren burgbekrönten
Felshöhen ſchauen, lächeln ſanft hernieder die Verſöhnten.
So mögt ihr unſerm Volk fortan Schutzgeiſter ſein,
Verklärte,
Daß es jo groß im Frieden ſei wie mächtig mit dent. Schwerte!
Gleichwie nad) der Gewitternacht durch das zerrifine Dunkel
Der Morgenſtern ſein Licht ergießt mit ſilbernem Gefunkel, Auf alle Völker ſtrahle ſo von dem geweihten Schilde, Mit dem es Recht und Freiheit ſchützt, ein Glanz von
Himmelsmilde!
Den Blick der Zukunft zugewandt, in Thatenkraft der Ahnen
Der Menſchheit ſchreit' es kühn voran auf ihren hohen Bahnen,
Bis unter Palmenwipfeln fie im morgenhellen Yichte
Aufathmet aus dem Kampfgewühl, dem Angittraum der Geſchichte,
Und nach Jahrtauſenden voll Blut, nach langen düſtern Nächten
Der Liebe ſchöne Genien ihr den Kranz des Sieges flechten.
— 164 —
Dtafien.
Zu ihr, zu der die Öletjcherbäche Südwärts hinunterjauchzen,
Nocd einmal wend ich den Blid.
Wie unter der nordiſchen Eichen Dom Ihre Rieſenſchweſter Germanien,
So unter Lorbeerwipfeln
Hält Italien die Siegesfeier.
Ein magiſcher Ring
Hat eure Geſchicke, ihr Länder,
An einander gebunden —
Zu euerm Unheil, o wie lange!
Mit ihres Himmels ſchmachtendem Blau, Ihrer Goldfruchthaine Duft und Glanz, Lockte die Zauberin des Südens Deutſchlands Fürften und Völker
In ihre Armidagärten,
Daß fie bei Brunnenriejeln
Unter Myrtengebüſch und leuchtenden Marmorbilvern Nicht ihres Reiches und Volks mehr gedachten. Dann aus Wollujtträumen der Nacht Fuhren fie auf;
An den eifernen Panzer
Pochte ihr Herz in Begier,
Ueber das Land der Götter zur herrichen; Es zudte das Schwert aus der Scheide, Und hochauf jchlug die Flamme des Kampfes; Städte loderten und erjtanden neu
Zum Rachefrieg aus der Aſche;
Bon Gift gewürgt
Sanf der größte der Kaiſer
Bleich auf den fieberathmenden Boden; Selbjt die Bande des Bluts
— 165 —
Löſte der Haß,
Ganze Gefchlechter von Ftaliens Söhnen Niederwälzte die mordende Schlacht, Und als verhallt der Schwertichlag,
Der Siegsruf und die Todtenflage, Erjchöpft, ohnmächtig lagt ihr beide, Ein Hohn und Spott dem Fremden.
Sei denn, wie einjt zum Berderben,
Sp nun euch zum Heil, eur Schidfal Unauflöslich verbunden,
Und, wie in einer Sonne Mittagsglanz Eur Auferftehungsfeft ihr feiert,
Sp ſchreitet Arm in Arm
Der größern Zukunft entgegen.
Beim Hiegeseinzug in Berlin.
Steig’ empor,
Herrlichjte der Sonnen,
Die über Deutjchland geleuchtet!
D den Tag, den dur bringft,
Ganz und voll zu geniegen,
Sit es genug nicht des Glücks für ein Yeben ? Den fterbenden Greis
Laß das Auge nicht fchliegen,
Bevor er ihn erblict,
Und in der Wiege dem Säugling Deffne des Geiftes Sehkraft,
Daß fein Gedanke ihn fafle,
Und er einft noch den Enfeln finde: Ich habe den großen Tag erlebt.
"7 Bi
A SE
Horh! Trommelwirbel
Und Fall von hunderttaufend Tritten! Sie find es, fie nahen,
Die durch den Donner der Schlachten Ueber ftürzender Brüder Yeichen dahin Deutſchlands Banner getragen!
Noch ſcheinen ihre Yanzen
Bom Wirbelfturm des Kampfes zu zittern. Doch Hoch! erjchallt es, Hoch!
Durch des Volkes wogende Reihen, Und mit den Grün des Friedens befränzt allen durchs Thor die Siegesfahnen. Gen Himmel fladert
Im Sonnenlichte der Glanz
Der wogenden Helme und Waffen, Wie durch die geſchmückten Straßen Der Zug der Krieger ſich wälzt,
Und Fanfarengejhmetter num
Und Jubelruf von Millionen;
Sie fommen, die glorreihen Führer, Die Yieblinge des Ruhmes,
Die noch nach Jahrtauſenden
In ungeborner Völker
Gejängen leben werden!
Aus ihrer Mitte hervor,
Wie Orion unter den anderen Sternen, Leuchtet der Herrliche,
Der Netter Deutſchlands!
Laßt Platz für fein Roß,
Ihr Weiber, die mit euern Kleinen Heran ihr euch drängt,
Um, ſeine Kniee umklammernd, ihm zu danken, Daß er euch Haus und Herd
Vor Schande geſchützt!
Wohl mehr, als des Krieges Gewühl,
— 167 —
Liebt er, Kinder um fich jpielen zu jehen;
Aber noch einmal heut, zum legten Male,
Eh zur Pflugſchar das Schwert fich wandelt, In feines Heeres Mitte
Mit den frachenden Feuerſchlünden
Muß er Zwieſprach' halten,
Hoch! das find die ehernen Stimmen,
Er fennt fie,
Die ihn in zwanzig Siegesschlachten umdonnert, Bor denen hundert Beften
Und ein Reich in Trümmer gejunfen.
Bon allen Thürmen die Glocken fallen ein,
D! und weiter, dahin durch den Blumenregen, Der von Fenftern und Dächern niederjtäubt, Zieht ev — adtlos vorüber an ung,
Denen an der Wimper die Freudenthräne zittert, Mährend die Lippe verſtummt
Und nur des Herzens Klopfen
Dank ihm ſtammelt,
Daß er uns ein Vaterland geichentt.
AUller-Heelen-Vag 1871.
Zum Friedhof, wo bei gelber Blätter Fall Matt im Novemberlicht die Kreuze glänzen, Nun ftrömt das Volk, bei Tranerglodenichall Geliebte Gräber zu befränzen,
War je der Jahre, die geweſen find,
Sp mördrifch eins wie dies? Mehr Hoffen Hat es, als Blätter der Novemberwind, Mit gift’gem Todespfeil getroffen.
— 168. —
Wie Viele jchleppten matt und todeswund
Bon Frankreichs blutgedüngten Stätten
Die Glieder heim, nur um auf deutichem Grund Zur legten Ruhe fi zu betten!
Und neidenswerth noch ihr, die in den Schooß Der Heimath ihr gefenft die Euern!
Wie mandhe Mutter fehnt fich ſchlummerlos Nur nach der Aſche ihrer Theuern!
Der Abend fommt; im Kreiſe um fie her Berfammelt hat fie ihre Yieben,
Doch ftumm blickt fie, das Auge thränenjchwer, Auf einen Pla, der leer geblieben.
Umfonft hofft fie, je von des Sohnes Hand Noch werde regen ſich die Klinke, Vergebens, daß, gefehrt ins Vaterland,
Er an das Mutterherz ihr fine.
Auf ferner Haide ftreiten nun vielleicht
Um feine Leiche ſich die Raben,
Der Wind, der falt durch die Vogeſen ſtreicht, Hat fie vielleiht in Schnee begraben.
Doch nein, nicht jo! Verſtumme, Grabgeläut, Und hemmt, ihr Mütter, Brüder, Schweitern, Den Klagelaut! Vergaß das Fleine Heut Sp fchnell ſchon das gewalt’ge Geſtern?
Denft wie, al3 wär ein Himmel aufgethan, Lächelnd zum Bollglanz unfver Siege, Empor vom Sterbebett die Greife fahn, Die Säuglinge aus ihrer Wiege!
u
— 169 —
Da warfen ſtolz, dem Heldentod geweiht, Gleich jener heil’gen Schaar von Theben, Die Euern hin ihr niedres Staubeskleid, Um in Unfterblichfeit zu leben;
Glückſelig fie, die, während fie der Sieg Umranjchte aus des Banners Falten,
Der deutihen Sonne, welche glorreich jtieg, Ins Antlitz ſchaund, nach jenfeitS wallten.
Betrügt fie denn durd Klagen, wie zum Hohn, Nicht um den Ruhm, ihr theures Erbe,
Kein, bleibt euch nach den andern nod ein Sohn, So lehrt ihn, daß wie fie er jterbe!
Hinweg mit Seufzern und dem weißen Kranz, Mit Threnodien und Trauerjchletern! In jedem Auge Freudenthränenglanz Soll Deutichland feine Todten feiern!
An die Franzofen.
Ihr zürnt, daß wir, mit Naubfrieg überzogen, Euch blutend wieder heimgejandt,
Und deutſche Gaun, um die ihr uns betrogen, Entriffen ‚eurer Frevelhand ?
Fir viele Miſſethat war das die Sühne, Und mit mehr Recht habt ihr gebüßt Als jener First, den auf der Henferbühne Für fremde Schuld ihr fterben ließt.
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Nicht an die Ströme Bluts, aus deutichen Adern Geſchlagen vom Franzojenjchwert,
Mehr vdächten wir fortan, noch altes Hadern, Wenn ihr nicht die Verftocdten wär't.
Bereint nun follten wir den Feind befriegen, Den argen Sohn der Finfterniß,
Dem eurer Beten Einer von den Zügen Die Lügenmaske lachend riß.
Dod ihr, beraufcht vom Trank des Taumelmeines, Der euch jo oft den Sinn bethört,
Screit Rache, weil wir euch beim Naub des Nheines, Dem lang gebrüteten, geftört.
Wohl, wählt, verbündet mit dem PVatifane, Der Menfchheit taufendjähr'gem Fluch, Die Fledermaus zum Sinnbild eurer Fahne
Anstatt des Adlers, den fie trug!
Laßt Priefter fie mit Segensſprüchen weihen, Und — edles Bündniß! — Afrika
Die Tiger feiner Wüften nach uns ſpeien — Wir ftehen fampfgerüftet da;
Und durch das Nafjeln der Kanonenräder Euch rufen wir ins taube Ohr:
Gezählt die Theuern hat der Unfern Jeder, Die durch eur Mordſchwert er verlor.
Paläfte find in Deutichland nicht noch Hütten, Wo nicht die Trauer, hauptverhitllt,
Umfonft nach einev Stimme laufcht, nah ZTritten, Die jonft fie frohen Klangs erfüllt.
*
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Und, joll nochmals des Krieges Flamme lodern, Ein furchtbar Würgen wird es jein;
A die Erſchlagnen, die in Frankreich modern, Sie fümpfen mit in unfern Reihn!
Sa, einen Todten hat ein Jeder drunten, Deß Geift zum Nachewert ihn ftählt
Und heil das Feuer fprühn läßt von den Yunten Und jorgt, daß nicht die Kugel fehlt.
Sp wißt, eh ihr beginnt das Unerhörte Und neu mit Blut die Erde neßt: Es ift der eigne Untergang, Bethörte, Den auf den einen Wurf ihr ſetzt!
Denn enden wird der Kampf erſt, ob Millionen Bon Leben auch das Schlachtichwert frißt, Wenn ausgetilgt im Buche der Nationen Der Name der Franzofen ift.
Zum Neuen Dahr. 154.
In Herrlichkeit, wie fie die Welt nicht jah Seit grauer Zeit des Alterthumes,
Mein deutjches Vaterland, ftehjt du nun da Auf Sonuenhöhen deines Ruhmes.
Berderben jchleudert auf den Feind und Tod Das Falten deiner mächt’gen Stivne,
Und doch fpielt milder Glanz um fie, wie Roth Des Morgens um der Alpen Firne.
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Wohl! um die Schläfe, die der Siegesaar Umfreist mit den gewalt’gen Schwingen,
Magft an des Friedens duftendem Altar Du dir der Kränze reichjten jchlingen!
Ihr, die als ſchönſter Schag der Menſchheit gilt Und fie der Geijterwelt verkettet,
Der heiligen Kunſt in Klang und Wort und Bild Ser Hütrin, die fie ſchützt und rettet!
Schritt nicht die Dichtung durch den Schatten ſchon, Den deine Urwald-Eichen warfen,
Und rauſchten ihre Wipfel nicht beim Ton, Dem ehernen, der Bardenharfen ?
Gedenk', wie dich von früh her, nie verjiegt, Der Melodien Strom durdhfluthet,
Auf dem Beethoven fich, der Schwan, gemwiegt, In dem fih Mozarts Herz verblutet !
Strahlt nicht al3 heller Miorgenftern der Kunft, Der Andern lichter Reigenführer,
Zu uns aus finftrer Zeiten Nebeldunft Herüber der erhabne Dürer?
Und länger könnte dich, die das bejigt, Bethören noch der Tand der Seine?
Bom eitlen Bildwerf, das der Franke ſchnitzt, Auflefen möchtejt du die Späne?
Nein! aufwärts ſchau, zu jener Riejenwelt, Die fich, ein Werk der Feen und Önomen,
Kur durch ein ew’ges Wunder aufrecht hält, Zu Kölns und Straßburgs hohen Domen!
EEE we,
— 173 —
So wie hochauf ihr Wald von Pfeilern jteigt Und mit den Aeſten, Nanfen, Neben
Zur mächt'gen Säulenlaube ſich verzweigt, Soll deine Kunſt gen Himmel ftreben.
Ein hoher Tempel jollft du jelber fein, Und, wenn ringsum der Schönheit Blüthen Im Sturm des Herbites finfen, noch allein Des Geiftes Heiligthiimer hüten.
Und flieht an andre Küften einft der Tag, Der wechſelnde der Weltgeichichte:
Bergoldend lang auf deinen Zinnen mag Er ruhen no mit legtem Lichte!
So jpielt um die Ruinen Griechenlands Noc heut ein Abendroth, als füßte
Der untergehnden Sonne Scheideglanz Des Mäoniden Marmorbüite.
Die Plejaden
Gin Gedicht in gehn Gefängen.
Dritte Nuflage.
Erfter Geſang.
Meiner Kindheit holde Spielgefährtin, Meiner Jugend Freundin, einmal veich mir, Hohe Himmelstochter, noch die Leier!
Mag die falte Mitwelt mein nicht achten, Einft, ich weiß, doc wird mit höhern Schlägen Manches Herz bei meinen Yiedern Elopfen, Wenn das meine längft ſchon ausgejchlagen. Bon der Erde ſchönſtem Frühling laß mic Singen, al3 vor Hellas’ Heldenjugend
Aliens Hochmuth hinfanf und im Yenzhaud) Ihres Siegs der Blüthenflor des Schönen Sich entfaltet, der in ew'ger Friſche
Bis zu uns durch zwei Jahrtauſende duftet.
Bon des Hügels Rand, der an Joniens Küften über Ephejus emporragt, Sahn zwei Griechen in die Tiefe nieder, Wo die Stadt mit ihren Prachtpaläften, Mit des Hafens wimpelüberwehten Maftenwald ſich dehnte und Dianens Tempel in des Morgens Strahlen glänzte.
Schack, Geſ. Werke. IV. 12
— 1
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Auf der Steinbanf unter diefer Pinte Yaß den jungen Seemann ung erwarten, Der ſich geftern freundlich mir gejellte, Als, die Schiffe aller Länder mufternd, Längs des Meers ich hinſchritt! Zu erzählen Weiß er viel von fremder Menfchen Sitten, Und, da er des gleichen Wegs zieht, werden Uns durch ihn die Stunden jchneller ſchwinden.
Sp der Eine. Aber jein Gefährte Unterbrach ihn: Vorſicht, beſter Kallias! Zwanzigjährig biſt du erſt, und Leichtſinn Giebt ein alter Spruch in unſerm Sparta Euch Athenern Schuld. Ich, den ſie früh ſchon Den bedächt'gen Dymas nannten, darf dich Mahnen: traue nicht zu früh dem Fremdling! Unſer Werk kann anders nicht gedeihen,
Als wenn tiefgeheim vor Ungeweihten Wir es halten. Deiner Worte jedes Wäge drum! Wer bürgt, ob jener Jüngling Nicht an uns ſich drängt, uns auszuſpähen?
Kaum noch ſprach ers, und herauf die Straße, In Joniens ſchmucker Tracht, geſchritten Kam Alkander. Zu den Beiden tretend: Seid gegrüßt, ihr Fremdlinge! nahm das Wort er; Eine Gunſt des Schickſals muß ichs heißen, Daß es zu Begleitern für die Stadien, Die mein Epheſus von Sardes trennen, Euch mir gönnt. — Den Gruß erwidern Jene, Und, dem Meer den Rücken wendend, oſtwärts Wandern nun die Drei mit rüſt'gen Schritten An des Kayſter ſchilfbekränztem Ufer, Ueber dem erlöſchender Hirtenfeuer Rauch gekräuſelt durch der Pinien Kronen
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Aufiteigt. Dämmernd, noch beſäumt von Streifen Halbgeſchmolznen Schnees, erhebt der Tmolus Fern vor ihnen feine blauen Gipfel,
Ueber frühlingsgrüne Auen ſchweben
Kraniche langen Zugs im jonnigen Aether Wieder zu den heimathlichen Nejtern;
Und in Reihn, den Wanderern vorüber,
Zieht bei muntrer Yieder Schall das Yandvolf.
Sit wie mein Jonien, ſprach Alkander, Noch ein Yand auf Erden? Nach dem Herbite, Eh ein Winterfturm den Wald entblättert, Schenken ung die Götter hier den Frühling; Durch das ganze Jahr in grünen Wipfeln Drängt ſich Frucht an Frucht und Blüth' an Blüthe, Und ſobald geveift die erſte Ernte, Keimt aus jcholligem Boden jchon die zweite: Doch ob allen Ueberfluß der Himmel Auf jein Pieblingsland herniederjchüttet, Unjer Feind, der übermüth'ge Perſer, Einzig labt ſich dran. Die reine Yuft jelbit, Die um diefe Küften haucht, das Yabjal Klarer Quellen in des Latmos Thälern Wurde Gift für uns, jeit mit Barbaren Wir fie teilen müſſen.
Schweigend hatten Ihm die Beiden zugehört, und plößlich Hielt er felber inne; denn des Weges Her von Sardes fam ein Schwarm von Kriegern, Meder, erzbehelmt, mit Schuppenpanzerı, Und Aſſyrer, wucht'ge Eifenfeulen In der Rechten. — Das find unſre Herren, Fuhr Alfander fort, ‚als fie vorüber; Für Satrapen, die Despotenwillkür
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Ueben und, in Sklavenangft doc) zitternd, Sich vor Sufas Herricherthrone beugen, Müffen fie dies Volk, das altberühmte,
In das Joch des ftolzen RXerxes ſchmieden. All die Städte, ſonſt der Freiheit Sitze, Kolophon, Milet, Erythrae, Smyrna,
Keine weiß ich, die ſie zu der Knechtſchaft Zwingburg ſchnöde nicht verwandelt hätten! Als, das Unerträgliche abzuſchütteln — Zehn der Jahre ſind es nun — Phocäa Mit Milet und Teos ſich verbündet'
Und der Aufruhr ſeine Banner ſiegreich Hin von Stadt zu Städten ſchwang, erblühte Schnell im alten Glanz Jonien wieder.
Im Platanenſchatten am Mäander Sammelten ſich aufs Neu die Bundesbrüder, Um im ernſten Rath die Landeswohlfahrt Zu erwägen und in den Gymnaſien
Sich zu ſtählen, daß der hohen Ahnen Werth ſie würden; doch daher von Oſten Strömten, zahllos wie Lokuſtenſchwärme, Daß kein Grashalm blieb wo ſie gezogen, Der Barbaren Heere. Ihnen ſtemmte Todesmuthig ſich Joniens Jugend
In des Tmolus wald'ger Schlucht entgegen, Doch umfonft; jo wie im Herbjt die Halme Bor der Fauft des Schnitters fallen, dedten Ihrer Leichen lange Reihn der Heimath Theuern Grund; vergebens jeine Flotten Sandt’ Athen uns beizuftehn; die Mauern Bon Milet, die hochgethürmten, brachen Bon der Felfen Wucht zermalmt, die Medien Wurfgeſchütze fchleuderten; unfre Tempel, Unfrer Götter Marmorbilder ſanken
Unter ihren Keulenjchlägen; Staub nur
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Wirbelte, wo die hehre Stadt gejtanden. Ihre Wohner all, und mit den Eltern
Sch, der Knabe, fernhin an den Tigris Wurden wir geführt in Sflavenfetten.
In den menfchenleeren Niederungen,
Wo der gift’ge Hundsftern auf den Mooren Peſtqualm brütet, blaß wie Schatten wanften Alle bald, von unbarmherz’ger Vögte Geißelhieben blutend; fiechen ſah ic)
Und in Sammer jterben exit die Mutter, Dann den greifen Vater — —
Thränen tropften Aus Alkanders Augen, da er aljo Sprad. Er ſchwieg. Ihm theilnahmsvoll ins Antlıg Blidend, fagte Kallias: Du Armer! Wenn das Mitgefühl im Leiden Tröftung Bieten kann, jo glaub’! mit dir empfind’ ic) In des Herzens Tiefe deinen Kummer. — Drauf, fi) wieder faſſend, fagte Jener: Mich, der bei den Andern, der Verzweiflung Beute, ich verwaist zurüd geblieben, Hielt die Kraft der Jugend in dem Frohndienft Aufreht, jelbft als in Carmaniens Dede, In die Fieberdünfte von verjumpften Steppen man uns weiterfchleppte. Endlich Schien erfchöpft der Ingrimm unſrer Dränger, Und den Wen’gen, die noch nicht zum Hades Eingegangen, lösten fie die Bande, Daß fie frei zur Heimath wiederfehrten. D wie jauchzt’ ich, als aus unmwirthbarer Felſenwildniß ich in Lydiens Thäler Niederftieg, und goldfandführende Bäche, Unter Yorbeerrojen vaufchend, mit mir Meerwärt3 wanderten, bi3 Joniens Himmel
ET
Dir zu Häupten blaute, und am Ufer Dich die Wogen mit den alten Stimmen Grüßten, die in ſüßen Schlaf als Kind mich Oft gewiegt! — Allein wie anders Alles, Als ichs einſt geſchaut! Ein Trümmerhaufe Mein Milet! Phocäas, Teos' Straßen
Wie die Wüſte leer, auf ihrer Häuſer Herd im Windeshauch die Diſtel ſchwankend! Fern, an Galliens, an Iberiens Küſten Waren ihre Bürger a Daß ich nicht das Elend fchaute, triebs mich In die Ferne fort; nah Memphis ſchifft' ich, Zum Goflopeneiland, ja noch jenjeits, Wo der alte Himmelsträger Atlas Durch des Abendmeeres Nebel dämmert. Dann zurüd zu meinen Brädern 3098 mid); Aber nur als Leiche deſſen, was es Vormals war, fand ich dies Yand, der Götter Liebling einft. Nur für den Fremdling feltern Unſre Winzer ihre golonen Trauben, Nur für ihn fpannt feinen Stier der Yandmann Bor den Pflug; Gymnaſien, Hippodrome, Wo die Jugend ſonſt zu ehrner Mannheit Sich die Sehnen ftählte, ftehn verlafjen, Halb zerfallen; Strafen harren deſſen, Der fie zu betreten wagt; denn feige — einzig will Despotenwillkür
Sich erziehen, Männer nicht! Geduldet Wohl noch wird der Dienſt in unſern Tempeln Und der Dionyſien Feier; aber Sie auch rauben will man uns, und wenn nicht Wider unſre Unterjocher muthvoll Bald wir uns erheben, glaubt, als große Todtenhalle wird des Mäoniden Heimath, als verſchollnen Ruhmes Denkmal
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Unſrer Ahnen Größe, unjre eigne Schande fommenden Zeiten aufbewahren.
Tollfühn fprihft du — unterbrad ihn Dymas. Wenn die Jahre dir dies Fladerfeuer Erjt gedämpft, fo wirft du, Freund, erkennen, Daß wir Sterbliden uns umſonſt dem Schidjal MWiderjegen; ewig wechjelnd freijen Seine Speichen, heute dies der Völker, Morgen das empor zur Herrichaft hebend; Und die feines Rades Yauf verwegen Sich entgegen werfen, fie zermalmend Nollt es über fie dahin. — Bedenk das! Feſt dem Sprecher in das Antlitz blickend Nief Altander da: Laß niedre Seelen Solde falihe Weisheit preifen! Thorheit Dünkt fie mich; noch find der Männer viele Und der Jünglinge hier, die für die Freiheit Lieber fterben, als in goldnen Ketten Bor des RXerxes Herrſcherſtuhl fich beugen.
Yang war jchweigend an der Beiden Seite Kallias gefchritten; da, nicht ferner Sic, bezähmend: Ja, laß mich als Bruder Did begrüßen! — rief er aus — und glaub’ mir, Taufend und noc aber taufend Herzen Klopfen in Athen, wie meins in Einklang Mit dem deinen.
Zeichen, daß er ſchweige, Gab ihm Dymas und begann aufs Neue Zu Alkander: Einzig von Gedichten Weiß er; wenn von Ibykus er DVerje Herfagt, von Alcäus — alle fennt er — Magſt du feiner achten; doch im Weltlauf
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Iſt ev unerfahrner als ein Knabe.
Mir, den Sparta mit des Staats Gejchäften Dft betraut hat, magft du glauben, daß ich) Guten Rath ertheile. Alfo nochmals: Unheil werdet ihr aufs Haupt herab eud) Ziehen, wenn ihr wider Xerres’ Herrjchaft Euch empört; jogar ein Heer Titanen, Nichts vermöcht' es gegen feine Allmacht!
Drauf Akander: Nein! du bift ein Grieche, Bift ein Sparter; und ic) jollte glauben, Daß du, wie du redeft, denkſt? Vielleicht nur Meinft du, in der Perfer Solde wol’ ich) Erft euch ausſpähn und euch dann verrathen. Wohl! magft wider mi du Argwohn hegen; Keinen kenn’ ich wider Hellas’ Söhne!
Wer ich bin, und daß ihr mir vertraun dürft, Kind’ euch diefes Zeichen! — Und ein Plättchen, Drauf geheimnißpolle Schrift gegraben,
Zog er vor aus des Gewandes Falten.
Kaum hat Dymas es gewahrt, jo reicht er
Ihm die Rechte: Unfer Bundesbruder,
Seh’ ich, bift du; allen Göttern dank’ ichs.
Aber Kallias wirft ungeftüm jich
An die Bruft ihm, in geftammelte Worte
Seines Herzens Freudenfturm entladend.
Noch ftehn fo die Drei; da auf der Straße Fernher tönt Geroll von Rädern. Dymas Mahnt die Beiden, ſchweigend auf dem Wege Ihm zu folgen. Und heran von Djten Nahen Reiter, Hohe Yanzen tragend,
Deren Spitzen goldne Aepfel ſchmücken; Dann bejpannt mit zehn nyſäiſchen Roſſen Edelfteinbefegt, ein prächt’ger Wagen,
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Und im Wagen hinter goldnen Gittern Sieht man weiße Schleier, wie nad) Perfiens Sitte fie der Weiber Haupt verhüllen.
Bon des Kerres Schwäher, von Dtanes, Sinds die Frauen, die der Sommerfühle Sih am Meer in Lycien freuen wollen, Raunt Alfander. AS der Zug vorüber — Diener, weiße Stäbe in den Händen, Kappadocier, Hyrlanier, Inder
Schließen ihn — fortfährt er: Freunde aljo Und zu gleichem Biel verbunden find mir. Alles ift gerüftet. Wenn in Sardes
Das Signal wir geben, wird der Freiheit Fahne hin dur ganz Jonien flattern;
Und die Inſeln auch — in Samos, Rhodos War ic) jelber jüngjt, für uns zu werben — Senden und auf ihren Flotten Beiftand!
Kallias drauf, und wie die Morgenjonne, Wenn fie am Ilyß, aus Frühlingswolfen Tretend, auf Pentelifon, Hymettus Goldne Yichter freut, fo leuchteten freudig Seine Augen: Weiter, als wir hoffien,
Schon gedieh das Werk; nun rüftig vorwärts! Iſt Jonien, aller Yänder jchönfter
Edelftein, den Händen der Barbaren
Erſt entriffen: dann wird in Erfüllung
Gehn, was unſre Weifen, unfve Dichter
Yang verkündet: die Hellenen alle
Wird ein mächt’ges Band umſchlingen — alle, Die von Aetna her, des Pontus eij’gen
Ufern und Tarteffus’ jonn’gen Strande
Zu Olympias hohem Fefte wallen.
AS ein großes ftarkes Volk die Scepter Werden fie der Tyrannen Hand entringen
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Und zum Heiligthum die Erde wandeln, Drin die Kunſt und alles Edle blühe!
Ihm erwidert ernfte Worte Dymas: Daß den Tempeldienft du als Ephebe Kaum vollendet, fieht man. Nicht zu träumen Gilt es jetzt; zu rüſt'ger Arbeit fordert Uns die Zeit. Selbſt wenn die Sklavenketten Dies Jonien von ſich geſchüttelt Und mit uns ſich wider der Barbaren Macht verbündet, alle Sehnen ſpannen Müſſen wir, damit im Rieſenkampf wir Nicht erliegen. Seit der Perſerkönig, Um Athen zu züchtigen für den Beiſtand, Den Milet es bot, jein Heergetümmtel In das Abendland gefandt, und ſchmachvoll Afiens erzgepanzerte Myriaden Auf dem Felde Marathon dem Häuflern Griechen unterlagen, brütet Rache Des Darius Sohn; um Sufa ballt ſich, Um Efbatana — der Perjerherrichaft Alte Sitze — ſchon ein Kriegsfturm, furchtbar Wie noch feiner unferm Hellas drohte. Da, mein guter Kallias, fann des Armes Stärke, kann der ftraffen Glieder Spannkraft, Wie die Zucht Lykurgs in Yacedämon Sie die Knaben lehrt, allein ung retten, Nicht Athener-Weichlichkeit.
In Borngluth Flammte Kallias auf: Mein Yiebftes jollit du, Mein Athen, nicht ſchmähn! Im Kampfe, Prahler, Tritt mit mir den Perfern gegenüber, Und dir zeigen will ich, wie die Seele, Wenn für Hohes glühnd, dem Arme größre Kraft verleiht als euer ew’ges Ringen!
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Ernſt ſprach zum Spartaner drauf Alfander: Yaß doch ab, den alten böjen Zwieſpalt, Eurer Bäter Erbtheil neu zu ſchüren! Und, die Hand ihm reichend, ſagte Kallias: Did als meiner Seele Freund erfenn’ ich! Dann, ihn abjeits führend, fprach er weiter: Mir erzählt von deinem Yebensichidjal Halt du, jo vernimm auch du von meinem! Heimath iſt Athen mir; ſchon als Knabe Hört’ ich von des Vaters Mund der Götter Und Heroen Sage. Auf des Kekrops Hohe Burg oft jchritt er mit mir, wies mir Von des Theſeus Grabe, bis wo dämmernd Ajas' Inſel aus den blauen Wellen Stieg, die Stätten, welche noch der alten Helden Ruhm umſchwebt. Nah Marathon ihm Mußt' ich folgen und den heil’gen Todten In den Staub ein Opfer giegen. O, da Ging ein Schauer hin durch meine Geele; Und dereinft fürs Vaterland zu ftreiten Dünfte mich der höchſte Preis des Yebens! Drauf als Jüngling in des Theron Schule Ward ich nad) Korinth gefandt, auf daß er Zu der Baufunft Meifter mich erzöge. Unter ihm jchuf am Poſeidontempel Dort ich, der vom Elippenfteilen Iſthmus Auf zwei Meere nieverichaut. Im ſchönen
Herbitmond dann, wenn bei dem Felt des Weingotts
Subelnde Schaaren Höhn und Thäler füllten, Kehrt' ich nah Athen, und an der Dichter Wettjtreit im Theater, an den Hymnen,
Die Simonides in der entzücdten
Hörer Kreife jang, hing wonnetrunfen
Dft mein Ohr. Auch weiter hin durchs theure Hellas durft’ ich ftreifen, auf Arfadiens
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Triften ruhn und mir die glühnden Yippen Mit der Duelle negen, die in Delphis Grotte jprudelt. Weber die Purpurwogen Trug der Nahen mich zum heil’gen Delos; Und mir war wie der Unfterblichen Einem, AS ich hoch, von feinen palmumrauſchten Gipfel niederfah. Rings aus den Wellen Tauchten all die himmlifchen Cykladen,
Und auf ihren Feljenhäuptern vagten,
Aus Oranatenwald und Forbeerdidicht,
Stolz in alter Dorerpracht der Götter Marmortempel. Dft dann, wenn der Opfer Weihraud von den Feftaltären aufftieg, Wars mir, längs des hallenden Meergeſtades Säh’ ih) mit den heil’gen Neun Apollo Schreiten, und durch die berauſchten Lüfte Töne feiner Yeier Klang ans Ohr mir.
Aber immer drüdte ein Gedanke
Mir das Herz: Wenn die Barbaren nohmals Ihre Heerfluth wider Hellas wälzen,
Wird uns ein Miltiades erftehen,
Uns zu vetten? Und wenn nicht — was ſchmücken Wir mit Prachtgebäuden unfre Städte,
Daß Verwüſtung über ihre Trümmer
Den Triumphzug halte? Wenn ich aljo Dachte, hatt’ ich länger nicht Genüge
An der Kunſt. In die Paläftra eilt’ ich, Mich im ernten Waffenwerk zu üben
Und die andern Jünglinge zu mahnen,
Daß zum Kampf fürs Baterland in Muth fie Und in Sraft fich ftählten. Oft am Abend, Wenn ich finnend auf den Uferflippen
Saß, erjchollg mir aus der Wogen Brandung Wie homerifcher Gefang; und jank dann Schlaf auf mic, von Ruhm und fünft’gen Thaten
©
EN
War mein Traum. Da fam zu mir die Kunde, Wie Milet, wie Sardes neu fich rüſte,
Perſiens Joch zu brechen; und ich dachte:
Wenn Foniens Volk zu feſtem Bunde
Uns vereint ift, mit ganz Aſien wagen
Darf den Kampf dann Hellas. — So nicht ferner Ließ mir Raft; ich flog an Afiens Küfte,
Um mit euch zu wirken und zu handeln. — Ungeftüm der funfelnden Schlacht entgegen
Klopft mein Herz. Und nun genug! In Sardes Wieder treff’ ich dich; hier aber jcheidet
Unſer Pfad fih. Jenſeits dort des Waldes,
An des Hügel Rande liegt das Yandhaus,
Wo den Zeichen nad, die mir geworden,
Phanor, der Athener, wohnt. Ein Schreiben Meines Vaters hab’ ich ihm zu bringen.
Drauf Alfander: Wie? zu Phanor gehit du? Weißt du auch, daß von Joniens Griechen Keiner anders, als Verwünſchung murmelnd, Seinen Namen nennt? Berräther heißen Alle ihn; denn an des Xerxes Hofe Sit er hochgeehrt. Wenn wider Hellas Zur Erobrung der Barbarenherricher Auszieht, wird er fiher — aljo vaunt man — Ihn zu hohem Feldherrnamte füren.
Schon gewarnt bin ich, erwidert Kallias; Und, vertrat’ mir, nicht aus einem Yaute Meines Mundes foll er unſre Pläne Ahnen. Aber meines Vaters Auftrag Zu vollführen, ift ein Pflichtgebot mir.
Wieder dann zu ihm heran tritt Dymas: Freund! das Wort, das ich vorhin gejprochen,
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Ich beren’ es. Du, jobald die Sonne Dreimal ihren Tageslauf vollendet,
In der Tmolusihluht vor Sardes’ Weſtthor Sei bei uns! PVereint dann mit den Andern Wollen, was gejchehn joll, wir berathen.
Ich gelob’ e3 dir mit diefem Handichlag, Sagte Kallias. Und die Rechte Beiden Bietend ſchlug den Pfad er ein gen Dften; Jene zogen ihres Wegs nad) Sardes.
weiter Gefang.
Abwärts führte durch ein grünes Waldthal, Wo ein Bach durch Wiejen glitt, die Straße, Welche Kallias ſchritt. Die Mittagsfonne Brannte heiß vom wolfenlofen Himmel Schon hernieder; doch erfrichend weht’ es Aus dem fühlen Grunde um des Wandrers Stine. Yängs des Uferfchilfs, indefjen Weiße Blüthen von der Mandelbäume Zweigen auf ihn niederftoben, ging er Bis zum Waldesjfaume. Auf der Seele Yaftete Eorge jehwer ihm wegen Phanors; Und er fann, ob er des Perjerfreundes Schwelle ganz nicht miede. In Gedanken Tief verjunfen, hatt’ er bald ins Didicht Sic) verloren. Immer mächt'ger wölbten Taufendjähr’ge Cedern ihre Zweige
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Ueber ihm, Platanen, Eichen mifchten
In die dunkle Trauer ihrer Aeſte
Frisches Yaubgrün, und aus moofigem Boden, Wo des Morgens Thau im ewigen Schatten Nie verfiegte, hoben Anemonen,
Krofus, Beilhen ihre duftigen Selche.
Wie gejchaffen war der Plab für Faune,
Dei der Tagesgluth die heiße Stivne
In des Waldgrundg feuchtem Gras zu fühlen, Für Dryaden, um, befränzt mit Epheu, Durch die Dämmung auf den ſchwanken Halmen Ihren Tanz zu fchlingen. Einer Grotte, Die von wilden Reben itberranft war, Wurde Kallias gewahr und drinnen
Eines Marmorbildesg — ex erkannte
Freudig: Artemis, die theure Göttin,
War es, und nad ihr den Blick in Andacht Nichtend ließ er fich auf eine Steinbanf
An der Höhle Eingang nieder. Fernher Tönte Braufen eines Wafferfalles,
Und aus einer Ceder Wipfelfrone
Schollen, wie vom Himmel, fanfte Töne: Bon des Dunfels jürgen Sängerimen,
Welche nie verftummen und noch Mittags Hier der Mondnacht fanftes Zwielicht finden, Schien e3 zu der Göttin Preis ein Hymnus.
Dem Geflöt der Nachtigallen lauſchend, Hauptgejenft ſaß Kallias. Da vernahm ex Im Gezweig ein Raufchen, und wie Wallen Weißer Schleier blinkt? es durch die Büfche. Daß Diana jelbft es fei, in deren Heiligthum er frevelnd eingedrungen,
Der Gedanke zudte hin durchs Haupt ihm. Scheu zur Seite wid) er in das Didicht,
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Und durch) das Geäſt trat eine Jungfrau Mit zwei Dienerinnen. Leicht hernieder Duoll aus weißer Hülle ihr des Haares Dunkle Flut) um Stine und um Naden, Und als glitte eine Silberjchlange
Durch das Gras hin, bligten an den Füßen Ihr im Gehen die Sandalen. Langjam Trat fie, feierlihen Schritt3 zum Bilde
In der Grotte, es mit frifchen Blumen Kränzend, während ihre Dienerinnen
Bor der Herricherin des Waldes Weihraud) Zündeten. Auf das hehre Marmorantlit Heftete lang die Jungfrau im Gebete
Aug’ und Seele; dann zum Gehen wieder Wandte fie den Schritt. Da aus den Büfchen, Wo er bang geftanden und zu athmen Kaum gewagt, trat Kallias vor. — D Schöne, Sprad er in geftammelter Rede, bift du Bon den Nymphen diejes Haines eine, Dover von des Berges Dreaden,
Sp vergieb, wenn ich, der Sterbliche, wage, Bor dich hinzutreten! Stets den niedern Sohn des Staubes drängt es, feine Seele, Wie auf den Altar die Opferblumen, Dankbar vor die Göttlichen hinzubreiten, Die, erhaben über Tod und Schiedjal,
Shre Huld den Menjchenjühnen gönnen. —
Ihm, den Blid zu Boden jchlagend, Antwort Giebt die Jungfrau: Willft du meiner jpotten, Daß die Erdgeborne mit den hohen Himmelstöchtern du vergleihjt? Dianen, Meiner treuen Schüßerin, ein Opfer Täglich bring’ ich hier, und nicht geziemt mir Durch Geſpräche diefe heil’ge Stätte
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Zu entweihen. — Noch, indeß hinweg fie Schreitet, ruft der Jüngling: Selig, Holde, Iſt der Vater, welcher dich gezeugt hat,
Iſt die Mutter auch, die Dich geboren!
Doc nicht Antwort mehr empfangend fieht er Sie des Weges, den fie fam, verfchwinden.
Yange vegungslos ihr nad) jchaut Kallias; Und Gefühle, nie zuvor empfunden, Strömen hin durchs Herz ihm, wie im Frühling Duft der Noje Kelch erfüllt. Noch immer Schwebt ihm vor dem Geift die Glanzericheinung; Dom Dlymp herab zur Erde fcheint fie Ihm geſtiegen, und doch will ihn dünfen, Schon gefehn hab’ er die Züge. Wieder Dann fi) an des Vaters Auftrag mahnt er Und verläßt den Hain. Hinab gen Weiten Senft die Sonne fih und ſchüttet goldne Schimmer auf die Wipfel und den Bergitrom, Der von Fels zu Felfenzade ſchäumend Bor ihm niederftürzt. Empor den Abhang An den braufenden Wellen klimmend fieht da Kallias das Landhaus mit den mächt’gen Dorerfäulen, das von fteiler Höhe Stolz hevabblidt, vor fi ragen. Diener, In der Meder prunfende Tracht gekleidet, Liegen fih an Würfelſpiel ergötzend In der Pfeilerhalle am Portale. Kann e3 fein denn? denft er; meines Vaters Jugendfreund, inmitten von Barbaren Selbſt Barbar geworden, foll hier weilen? — Auf die Frage, ob der Herr des Hauſes Phanor jet, wird erft ihm nicht Erwidrung; Dann hervor drängt durch der Andern Reihe Sich ein alter Sklav' in Griechenfleidung Schack, Gef. Warte. IV. 13
— MM —
Und ruft freudig: Deine Sprache fündet,
Daß du ein Athener; folg’ mir! melden
Dem Gebieter werd’ ich dich. — Sie gingen; Und im Säulenhof, der reich mit Afiens
Pracht geſchmückt war, aber in Apollos
Ehrnem Standbild auch die Kunſt der Griechen, Herrlicher als Ophirs Schäße, zeigte,
Harrte Kallias. Bald vernimmt er Schritte, Und hinein winkt in die tönende Halle
Ihm der Sklav. Ein Mann, noch braun von Yoden, Doch auf tiefgefurchter Stirn des Alters
Spur ſchon tragend, grüßt ihn freundlichen Lächelns: Sei von ganzem Herzen mir willfommen,
Sohn des Drimakos! Nein, nicht fein Sohn mir Scheinſt du; wie ich deine hohe Stirne,
Deinen Adlerblid und doch den milden
Zug, der deinen Mund umjpielt, betrachte, Glaub’ ich, daß der Fahre Nebel rückwärts Wale und mir deines Vaters Antlit
Selbft entgegenfchaue. Jugendfreund mir
War er, wie ich feinen theurern kannte.
Schon als Knaben jahn Gymnaſium, Rennbahn Immer uns vereinigt, daß die Andern
Uns die Dioskuren nannten. Yuftig
Bom Flyllus zu des Yyfabettus
Felfenfteile oft auf ſchnaubenden Roſſen
Jagten wir im Wettſtreit. Drauf im Lager, Als wir Jünglinge wurden, mußt' ein Zelt uns Beiden Ruhſtatt bieten, und am Morgen
Bei tyrrheniſcher Erzdrommeten Schmettern Stürzten wir vereint zu Kampf und Siegen. Faſt zwei Olympiaden ſind geſchwunden,
Daß ich meinen Drimakos nicht ſchaute,
Doch von ſeinem Glück kam oft mir Botſchaft, Daß kein Wölkchen ſeines Lebens Himmel
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Trübe. Nun, mein Kallias, viel erzählen Solljt du mir von ihm, und lang als Gaitfreund Hoff ich dich in meinem Haus zu jehen.
Stumm, betroffen ftand vor ihm der Jüngling; Dann, ein Herz ſich faſſend, jprad er: Kurz nur Darf ich bleiben; Schon in nächſter Frühe Treibt nad) Sardes mich des Vaters Auftrag. Hier empfang’ das Schreiben, das für dich er Mir gegeben, und hier noch ein zweites Bon Themiftofles! — Aus feinen Händen Nimmt die Tafeln Phanor und, indefjen Sie fein Auge überfliegt, verrathen Seine Züge, wie ihm durch die Seele Tieferregend hin der Inhalt zittert.
Dann: Laodamas! mit lauter Stimme
Nufend, einem Knaben, der in muntern Sprüngen naht, gebietet er: Ein Fußbad
Heiß die Schaffnerin den Gaſtfreund rüſten, Um den Reiſemüden zu erlaben.
Das Gemach, das nad athenijcher Sitte Eingerichtet, wei)’ ihm an als Wohnung, Dann, mein Sohn, zur Hausterrafje führ' ihn! Seiner harr' ich dort zur Abendmahlzeit.
An der Hand den Fremdling zog der Knabe Mit fich fort und ſprach: Ein Grieche bift du, Deine Tracht verräths: o ſei willfommen! Mir und meiner Schweiter immer jchafft es Freude, wenn "wir der Hellenen einem Unter dieſem fremden Volk begegnen.
Faft vergefjen wir der Griechenfprache; Denn, verjenkt in tiefen Trübfinn, wenig Redet nur der Vater, und die Sitte
Gönnt uns nicht, daß mit den alten Sklaven Nhaifos wir viel Gefpräche pflegen.
— 1196; —
Als er nun allein, gebeut den Dienern Phanor, reich die Tafel zu befegen, Und die Schreiben aus Athen, die beiden, Sinnend in der Rechten haltend, tritt er Auf die Hausterrafje, die nad) Weiten Db der Tiefe hängt. Die finfende Sonne Ueberftrömt indefjen mit der Strahlen Glühndſtem Roth vor ihm die Thäler unten, Und entlang den leuchtenden Bergeszügen Ueber Nebengeländ und vielgewundne Bäche jchmweift jein Blid zum Himmelsrande, Wo, ein purpurner Streif, die Meerfluth ſchimmert, Die fein Heimathland, fein langverlornes Hellas birgt. Noch an dem Wellenfaume Hängt fein Auge. Da des plaudernden Sohnes Stimme hört er; und, von ihm geleitet, Aus dem Haus tritt Kallias. Ihm entgegen Freundlich jtredt die Rechte Phanor: Nochmals Sei mir hochwillkommen! Wenn mein eigner, Todtgeglaubter Sohn mir wiederfehrte, Freudiger wahrlich) könnt' ich ihn nicht grüßen. Doh nun nad) der Wandrung dich zu jtärfen Komm! Bereit jteht was mein armes Haus dir Bieten fann. — An einer Tafel, die von Perſiens Dienern wohl bejtellt mit Speije Und mit Tranf ift, muß auf Purpurpoliter Sich der Füngling ihm zur Seite betten. Dort, gehäuft in filberglänzenden Schalen, Prangt des Frühlings Yieblingskind, die jchöne Walderdbeere, die mit würz'gem Dufte, Und mit leuchtendem Roth der Dreaden Sinn beftridt. Dort in kryſtallnen Flaſchen Perlen Weine, auf den Hügeln Smyrnas, An der Grotte des Homer gefeltert, Neben folchen, die im fernen Oſten
Ira
Indiens Sonnengluth in ich gejogen.
Und indeg am Berghuhn vom Meffogis,
An der Gazelle zartem, von der Wiifte Weihrauch duftendem Fleifche fi) der Gaſtfreund Pabt, läßt reichlich in des Bechers Höhlung Ihm der Wirth den Saft der Neben fluthen. Unterdefjen von Athen und Kallias’
Bater reden fie; von jedem Bläschen
In der Eltern Haus, das zum Piräus
Und auf Salamis vom Miufenhügel Niederihaut, muß Kallias erzählen,
Ob e3 unverändert noch; und mählig
Löſen ſich von feinem Geiſt die Sorgen,
Daß ihm frei vom Mund die Worte ftrömen.
ALS die Beiden fih vom Mahl erheben, Spridt er: Alſo nun, fein altes Unrecht Gegen dich bereu’nd, das Volk Athens dich Heimruft, hoffen dürfen wir in unfrer Mitte wieder dich zu jehn? — Da legt ſich Tiefer Ernſt auf Phanors Stirn, und Antwort Giebt er: Innig dank’ ich deinem Vater, Dank' e3 auch Themiftofles, daß meiner Sie in Freundichaft denfen und die Bürger Bon Athen vermocht, den alten Achtiprud) Mir vom Haupt zu wälzen. Doc der Ladung, Heimzufehren, Herz und Sinn verjchließ’ ich. Auf das Meer, das heute leije plätjchert, Morgen im Orkan des Himmels Säulen Wanfen läßt, magjt eher du vertrauen Als auf den Beſtand der tollen Menge.
Wer giebt Bürgjchaft, ob nicht eben Jene, Die mich heut in ihre Mitte laden,
Eh der Mond den Yauf vollendet, wieder Mich in die Verbannung jenden? Ja, und
Bee
Könnten fie das Unrecht auch vergüten,
Das an mir verübt ward, nie vermögen
Sie zu fühnen, was an meinem Freunde, Meinem Waffenbruder fie verbrochen,
An Miltiades! Auf ihrer jpätften
Enfel Stirnen wird es noch als Schandfled Brennen, daß den Sieger Marathons fie,
Dem fie ihre, ihrer Kinder Freiheit
Und des DVaterlandes Rettung danften, Jammervoll im Kerfer fterben ließen.
Nur der Tod hat vor dem Henferjchwerte
Ihn geihüst, wie mich die Flucht. Auf faljches Zeugniß — nein, nicht Zeugnig, auf Verdacht nur, Dit dem Freund hätt’ ich Verrath gejponnen — Sandte Bosheit, im Verein mit Irrſinn, Häfcher wider mich. Noch von den Wunden DBlutend, denen an des Feldheren Seite
Ich die Bruft geboten, mit dem Weibe
Und den Kindern übers herbftourchftürmte Meer, von Inſel Hin zu Inſel floh ich;
Wie gefheuchtes Wild aus jeder Freiftatt,
Die und Zuflucht bieten wollte, wurden
Wir vertrieben. Auf der graufen Irrfahrt Fand den Tod mein Weib. Mit Sohn und Tochter In des Perjerreiches erjtem Hafen
Darg ich endlich mich, und von den Feinden, Deren Heeresreihen ich gebrochen,
Ward miv Schug vor meines eignen Yandes Söhnen. Huldvoll nahm an feinen Hof mic) König Kerres auf, als wär’ ich Freund ihm Und Verwandter. Daß ich ein Verſtoßner, Heimathlofer war, vergefjen hätt’ er
Mich es laffen, wären die Gedanken
Mach der fernen Baterjtadt nicht immer
Mir zuricdgeeilt. Wie auch vermächte
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Je ein Herz fi) von den trauten Stätten,
Wo es einft in Luft und Leid gejchlagen, Loszureißen? Mir zum Sommerfig gab
Xerxes dieſes Yandhaus, das mir werther
AS in Suſa mein Palaft; von hier aus leitet oft mein Blik zum Saum des Meeres, Und auf feinen Wogen jchweift die Geele Trauernd mir nach) Hellas. Ach! was darf ich Seiner nicht in Freude denfen? Sorge
Nagt am Herzen mir und bange Ahnung, Weil dur Zwiſt von Stamm mit Stamm die Griechen Sich den eignen Untergang bereiten,
Während innerhalb der Städte Zwiejpalt Witthet, und ein Haupt des Volks des andern Sturz heiſcht, hadert Megara mit Theben, Winihen Sparta und Athen einander
In den Staub zu beugen. Als die Heere Aſiens uns zu zermalmen drohten,
Ward uns von den Griechen Beiftand? Nein, fie Standen thatlos um uns her, des Scaufpiels Harrend, wie, gleich Löwen in der Grube,
Wir der Feinde Yanzen unterlägen.
So, da Feder auf des Andern Unheil
Sinnt, baun die Hellenen jelbjt die Zwingburg, Die, vom Iſthmus hoch ob beiden Meeren Nagend, bald ganz Griechenland in Knechtſchaft Halten wird.
- Er jchwieg, zu Boden jtarrend. Kallias, der lang nicht Antwort finden Konnte, unterbrad) zulegt die Stille: Um Miltiades’ Geſchick und deines Hab’ ich Thränen ſchon gemeint als Knabe, Und die Zorngluth wider eure Feinde Yoderte höher auf, je mehr zum Jüngling
Ich erwuchs. Doc mit den alten Sünden, Glaub’ mir, hat das Volk Athens gebrochen! Freie Bürger, die zum Wohl von Allen Eintrachtvoll zufammenmirfen, wirſt du Finden; auch der alte Geift des Haders Zwiſchen Staat und Staat ift im Erlöjchen; Und wenn ein Eroberer wider Hellas
Sich des Zugs vermäße, Alle würden Gegen ihn fich ſchaaren. Alſo fehre
In das Vaterland, das neugeborne!
Nicht die Stadt blog am Ilyſſusufer,
Nein, ganz Hellas darfit du heut jo nennen! Freudig wirds dich im Triumph empfangen.
Ihm erwidert ernjt, doc freundlich Phanor: Wolfenlos erjcheint dem Blick der Jugend Wohl der Himmel, wo de8 Mannes Auge Streifen fieht, die neue Stürme fünden. Aber wär’ es auch, wie dur berichteft,
Nie doch könnt' ich in die Heimath fehren. Dankbarkeit für reich empfangne Wohlthat Feffelt mic an dieſes Yandes Herrjcher. Fir die viele Huld, die aus des Herzens Eignem Antrieb RXerxes mir erwiejen,
Hat er nur verlangt, daß ich gelobte,
Al jein Freund an feinem Hof zu leben; Und jelbft diefen Sommerfig vergönnt er Meinem Wunſch, wenn nur die Wintermonde Ich in Suſa ihm zur Seite weile. —
Nie, ich ſchwör' es, brech’ ich mein Gelübde.
Alſo er; und nicht auf Kallias’ Antwort Wartend zu Laodamas, dent Knaben, Sprad er: Deine Schweiter ruf’ herbei mir, Daß den Gaftfreund fie willfomment heiße.
Schon verjunfen war die Weltenleuchte. Nur noch um des Yatmos höchſten Gipfel Spielt’ ein Schimmer ihrer legten Strahlen, Während unten auf die Nebgelände Und die Haine tief fih Schatten legte Und der Stern der Aphrodite zitternd Durch das Zwielicht glomm. Auf die Terrafje Trat die Tochter Phanors, und mit freud'gem Schreck erkannte Kallias die Jungfrau, Die zuvor der Artemis geopfert. Komm, Arete! — jo fie bei der Nechten Faffend jprach der Vater — Grüße Kallias, Sohn des Drimafos! — Auf fie die Blicke Heftet, jüßen Bangens voll, der Jüngling; Doc, verwirrt und ftammelnd, ſpricht Arete: Kallias, Sohn des Drimakos! iſts möglich? — — Nun, was haft du? Kind! fragt fie der Vater. Und Arete fpricht zulest: Gedenkſt du, Bater! nicht, daß Kallias bei Olympia Füngft im Disfuswurfe, wie im Ringkampf, Sih des Delbaums heil’gen Zweig erjtritten? Dir erzählt, jobald ich hörte, hab’ ichs! Fliegt dur) ganz Jonien doc) und Hellas Ruhmvoll hin, von Mund zu Mund, fein Name!
Wadrer Kallias, alſo du, ſprach Phanor — Dein Erröthen zeigt es — haft errungen, Was umfonft ich einjt mit meines Willens Boller Kraft exftrebt? Ein höhrer Preis ſchien Damals mir ein Blatt des heil’gen Baumes, Als die Kronen aller Erdenfön’ge Und als alles Gold in Kröjus’ Schaghaus. Meinen Drimakos fünnt’ ich beneiden,
Daß er folden Sohn erzeugt! Nur weil mir Tribe Sorgen auf dem Geifte laften,
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Deines Sieges dacht’ ich nicht; ſonſt hätt’ ich Meinen Glückwunsch dir jogleich geboten.
Drauf der Jüngling, während auf Areten Ihm das Auge ruhte: Wie Erinnerung Eines ſchönen Traums aus früher Jugend Dämmernd ftiegs empor in meinem Geifte, Als vorhin ih in Dianens Haine,
Holde Jungfrau, dich erblidte! Du wohl Kannſt Gedächtniß nicht der Zeit bewahren; Kaum erwacht dem Yeben blühteft damals
Du entgegen. Doc in deiner Eltern
Haufe ſah ich deiner Kindheit erftes
Knospen: früh hinweg mich Knaben brachte Dann der Bater nad) Korinth, und nie mehr Schaut’ ich dich; doch fonnt’ ich ahnen, daß jo Neizuoll diefe Knospe ſich erſchloſſen?
Schüchtern drauf zum Jüngling ſpricht Arete: Daß du ein Athener, augenblicklich Hab' ich das erkannt an deiner Rede. So erzähle von der theuern Stadt mir! — als Kind verließ ich ſie; doch immer Wandelt noch durch ihre Säulengänge Meine Seele, denkt wie auf der Pallas Alte Burg am Feſt der Athenäen Mich die Eltern durch die wogende Menge Führten, oder wie an der Nymphengrotte Ich Narciſſen auf der Wieſe pflückte, Während in der Pinie mir zu Häupten Der Cicaden Chorlied ſcholl und neben Mir der Schwall des heil'gen Waſſers rauſchte. Schön wohl iſt Jonien; aber wem ſich Am Ilhyſſusſtrand zuerſt das Auge
Ein ;
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Aufihloß, aus der Seligen Oefilden Wird’ er noch zu ihm zurück fich jehnen.
Neih und voll fließt von des Jünglings Yippen Da das Wort. Des Bolfs lauthallendes Treiben Auf der Agora und dann die Stille Schildert er, wenn fi um einen Redner Alle ſchaaren, ſchildert wie der Ringplatz Am Kephiffos von dem Nuhmeswettftreit Muthiger Jünglinge weithin tönt; wie fernher Zum Piräus auf bewimpelten Kielen Heim die Kaufherrn Tyrus’ Purpur bringen, Vließe Sinopes und goldne Aepfel Aus den Zaubergärten, die der alte Hesperus mit feinen Töchtern hütet.
Alle, ruft er, die der Erde Wunder
Sahen, fünden, daß der Städte feine
Mit Athen an Herrlichkeit ſich meſſe.
Auf den grünen Fluven, wo Poſeidons Köftliches Geſchenk, die edlen Noffe,
Weiden, drängt ih, von Kallivvhoes Duelle Bis Kolonos Prachtbau neben Prachtbau; Ragen aus Platanen-Didicht Tempel
Und Odeen; und zwifchen Dorerjänlen Heben reizender noch die jüngern Schwejtern Aus Jonien ihre Häupter. Prächtig
Ueber alle fteigt dev Stolz der Welt auf, Das Dlympion; und aus Sikyons Werkitatt Ziehn, in Marmor leuchtend, lebend, athmend Die Unfterblichen in die Heiligtümer,
Die der Bürger Andacht ihnen baute.
D von Allem hört’ ich, unterbrach ihn Da Arete; aber ſag' mir: ift es Wahr, was von der Dionyfien Feier
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Mir berichtet ward? Zu herrlich dünkt michs, Daß ichs glauben könnte. Dies Theater, Reihen über Neihn gethürmt, hinaus auf Attikas blühnde Aun, Kolonos' Delwald
Und des Meeres duft’ge Inſeln ſchauend,
Auf den Stufen Haupt an Haupt ein ganzes Volk gedrängt, fi) an dent hohen Werke, Das die Mufe ihrem Yiebling eingab,
Sinn und Herz zu laben — —
O, nod) größer, Fällt ins Wort ihr Kallias, noch erhabner, Als erzählt dir worden, ift das Schaufpiel; Aus Eleufis fam ein gottgeliebter Dichter ung — nein! Dichter nicht, Propheten Nennen muß ic ihn. Mit feines Geiftes Odem hat der Sehergott Apollon Ihn erfüllt; der Sohn Euphorions ift er: Aeſchylos. Wohl manchem prächt'gen Chorlied Seit des Thespis’ Tagen hat die Scene Widerhallt; allein vor jeinen Rhythmen Matt verftummt es, wie des Zephyrs Säufeln Bor des Wetterſturms gewalt’gem Braufen, Der in einem hehren Klang die Töne All' heranträgt, die in des Frühlings Seele Schlummern. — Die Geheimniffe des Lebens Und des Todes find ihm fund; der Erde Tieffte Gräber fennt er wie des Himmels Höchfte Sterne. Wenn das Opfer aufloht Und im heilgen Naufche die Choreuten, Den Altar umwandelnd, feine Hymnen Singen — dunkle Schauer durch den Geift dir Fühlft du wehn, wie bei der Eleufinten Allgeheimer Peter; feine Geſtalten, Auf Kothurnen hochherichreitend, Alles
u AR
Was nur fhnell verjchwindend über die Erde Hinfchwebt, was als Traum in deinem Innern Als Gefühl und Ahnung dämmernd auffteigt, Tritt in ihnen, unvergänglichen Yebens
Boll, vor dih! Der Nacht uralte Töchter Tauchen vor dir aus dem dunfeln Weiche Drunten; und wenn zwijchen der Vorwelt Helden In des Olympos Herrlichkeit die Götter
Du ſich mengen fiehjt, unsterblich jelber
Dünkſt du dich wie fie! — —
An feine Lippen War in Yaujchen fejtgebannt Arete, Da er alſo fprad. Er wollte weiter Reden; doch Laodamas, der Knabe, Eine Yeier bringend, unterbrad) ihn: Schweſter, ſiehſt du nicht, wie wieder düſter Bor fih hin der Vater ftarrt? Den Trübfinn, Der, du weißt e3, fein fich oft bemeiftert, Kannft du einzig durch Geſang verfcheuchen. — Und Arete fang, indeß der Yeier Saiten unter ihrer Nechten bebten, Bon Stefihoros, Siciliens Sänger, Eine Ode. Wenn im Ennathale Schwer von Hirtenflötenflang der Wejtwind Ueber Blüthen fäufelt, gleicher Wohllaut Mag es fein. Die Athemzüge hemmend Lauſchte Kallias dem Lied der Jungfrau, Und fein Herz verlor fich in fein eignes Klopfen. Bei dem Vater unterdefjen, Der im Seſſel ruhte, ftand der Knabe, Ihm Tiebfofend, und die trübe Wolfe Wich allmählig von des Brütenden Stirne. ALS der Tochter Lied verflang, erhob fich Phanor: Schon am Stand der Nachtgeftirne
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Seh’ ich, dag es Schlummerszeit. Als Gajtfreund Weile lang noch unter meinem Dache,
Werther Kallias! — Wie dem Wandersmanne, Wenn aus ſanftem Traume von der Heimath Ihn ein Feuer-Lärmruf plötzlich aufjchredt, Alſo war dem Jüngling bei den Worten:
Daß die Pflicht ihn binde, ſchon am nächſten Tage zu den Freunden aufzubrechen,
Mahnt er ſich, und hin durch alle Fibern Weiter zittert bang ihm der Gedanke.
Doch verwirrte Laute nur zur Antwort
Kann er ſtammeln. Noch im Gehn ihm wünſchend, Daß ein milder Schlummer ihn erquicke, Schreitet fort mit Sohn und Tochter Phanor. Drauf, geführt von NRhaifos, dem Sklaven, Sucht die Ruhſtatt Kallias. Doc wie foll ihm Schlaf aufs Auge niederthauen? — Yang noch Wird vom Sturme ftreitender Gedanken
Und Gefühle Hin und her die Seele
Ihm geworfen. Hier der Trieb des Herzens, Der in dieſem Haufe ihn zurüdhält,
Dort fein Griechenland, in deſſen Dieniten
Er gefommen, um Joniens Bölfer,
Die befreiten, ihm zu Bundsgenofjen
Wider Perfiens Uebermacht zu werben.
— Phanor und die Tochter, wenn der Aufjtand Ausbricht, ſchwer gefährdet! Welch ein Irrſal! Kann ein Gott jelbjt aus dem Yabyrinthe
Ihm den Ausweg mweifen? — — Da er aljo Angftvoll nachſinnt und hinaus durchs Fenſter Ihm der Blid ins tiefe Nachtblau gleitet, Sieht ex feiner Kindheit Yieblingsfterne,
Die Plejaden, wie fie durch des Oſtens
Dunft empor am Horizonte jteigen;
Und: Ihr glückverheißenden Lichter, ruft er,
— au —
Ihr, nach denen der Schiffer durch den Himmel Forſchend jpäht und erſt die Anker lichtet, Wenn er euch, ihr fieben göttlichen Schweitern, Nach des Winters Stürmen euren Neigen
Neu beginnen fieht — wie durch Drfane
Und durch Meeresftrudel ihr zum fichern
Hafen ihn geleitet, jo jeid mir auch
Auf dem tiefumdunfelten Pfad des Yebens Führerinnen zum erjehnten Ziele!
Dritter Geſang.
Schlaf vermochte Kallias auf dem Yager Nicht zu finden; wenn die übermüden Augen furz fich ſchloſſen, immer wach doc) Zwiſchen Zweifel, Furcht und Hoffen ward ihm In der Bruft das Herz umhergeſchleudert. Als mit erſtem matten Streif das Frühroth Durch das Fenfter glomm, vom Pfühl erjtand er, Um in ernjten Sinnen zum Entfchluß fich Aufzuringen. Wie der junge Adler Nach der finjtern Neumondnacht am Morgen Aus dem ſturmgewiegten Horft fi) muthig In den leuchtenden Himmel aufſchwingt, alfo Hob fich bei dem höher fteigenden Lichte Aus dem nächt'gen Zwieſpalt feine Seele. Treulos nicht dem hohen Auf zu werden, Der ihn von Athen hierher entboten, Sic, gelobt ev. Daß die güt’gen Götter
Na r
Zu dem lodenden Glück in Phanors Nähe Ihm die Rückkehr gönnen, heiß erfleht ex Es von ihrer Huld — wo nicht, ein Opfer Fordern darf Athen von feinem Sohne.
Sein Gemach verlafjend ſetzt der Füngling, Mit dem Wanderftabe jchon gerüftet, Sich auf eine Steinbanf vor der Wohnung. Yang dort finnt er, wie e8 ihm gelinge, Die Gefahr von Phanor und den Seinen Abzumwenden, die bei der Jonier Aufitand ihn bedroht.
Indeß jein Auge Nach dem Haine hinjchweift, wo Arete Geſtern er zum erften Mal erblidt hat, Ziehen duft'ge Morgennebel aufwärts Durch die grünenden Zweige der Cypreſſen, Die vom Thal empor zum Hügel klimmen; Und wo fie geſchwunden, bligen Tropfen Thaus im Frühlicht an den zitternden Aeſten. Plöglih unten an des Haines Saume Sieht er drei Geftalten treten; hoch auf Schlägt jein Herz, wie näher fie und näher Auf dem Steilpfad fommen; ja, Arete Iſt es mit den beiden Dienerinnen.
Ihr entgegen, halb hinab den Abhang Schreitet Kallias, feinen Gruß ihr bietend Und ihr fündend, wie des Vaters Auftrag Ihn zu fcheiden zwinge. — Sit denn Aufſchub Möglich nicht? erwidert ihm die Jungfrau; Der Atheneriprache traute Paute Hätt' ich gern von deinen Pippen länger Noch vernommen. — Drauf zu ihr der Jüngling:
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Alſo wenn die leitenden Schiejalsiterne
Mir hierher die Wiederfunft verftatten, Sprechen wirft ein freundlich Wort bei Phanor Du für mich, daß unter feinem Dache
Er mir Einkehr gönne? — Meines Wortes Nicht bedarfs, erwidert ihm die Jungfrau. Db der PVaterftadt durch fchweren Undanf Ihrer Bürger auch entfremdet, wife!
Stet3 Athener blieb ev noch im Herzen. Deshalb nur von Xerres diefes Yandhaus Hat er fi zum Sommerſitz erbeten,
Weil er näher hier dem Yand der Griechen. Und oft jeh’ ich ſehnſuchtsvoll die Blicke
An des Meeres blaffen Saum ihn heften, Das ihn von der fernen Heimath fcheidet. Kehre bald zurüd drum! Feucht jein Auge Sah ich werden, als von deinem Vater,
Bon Themiftofles dur Sprachit, und ficher Leicht gelingen wird es dir, das böje
Unfraut Groll aus feiner Bruft zu reißen.
O ſchon klopft mein Herz in Findifcher Freude, Wenn ich denfe, wie du von Olympia
Uns erzählen wirjt; wer könnt' es beſſer Auch als du, der jelber du den Siegskranz Dir errungen? — Bon den goldnen Adlern, Die mit bligenden Flügeln bei der Spiele Anfang von der Rennbahn fich erheben, Möcht' ich hören, von den Biergefpannen Hierong, und don den donnernden Wagen. —
Abends, unterbrach fie Kallias, gönnft dur Bon Corinna ung die göttlichen Lieder Und von Ibykos, dem Mufenliebling. Glaub’! der Töne jeder, die dur geftern Sangit, hat um mein Herz wie eine Majche Shad, Gef. Werfe. IV. 14
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Sic, gelegt und hält im diefem Landhaus Es zurüd, auch wenn ich ferne weile,
Alſo redend find die Zwei des Abhangs Reſt emporgeflommen, und vereint, noch Mannichfahe Worte taufchend, wandeln Hin fie durch des Gartens Yorbeergänge, Während Wohlgeruch der Myrtenbüſche Und der Wälder Murmeln aus den Thälern In des Frühlings Wehn zu ihnen auffteigt. Leichte Nöthe, wie fie an des Fremdlings Seite wandelt, überfliegt Aretens Wangen oft; der halberſchloßnen Roſe Gleicht fie, die den Morgen fchon, bevor er Anbricht, ſchauernd fühlt. An ihrem Antlitz Feftgefogen hingen Kallias’ Blide,
Und erihroden fuhr er auf, als Phanors Stimme er vernahm, der aus dem Haufe Tretend ſprach: Schon mit dem Wanderftabe In der Rechten, junger Freund, dich find’ ich? Aber jcheiden darfjt du nicht, mein Kallias, Ehe du mir Wiederfehr verſprochen.
Geh, Arete, die du meines Haufes
Seit der Mutter Tode walteſt! Sagen
Soll nit Drimakos, ich hätte Färglich Seinem Sohne Gaſtfreundſchaft erwiefen.
Eilends ging die Jungfrau. Phanor aber Sprad zu Kallias: Nicht in dein Geheimniß Dräng’ ich mich; doch meinem alten Freunde Schuld’ ichs, dich zu warnen. Biel Athener Streifen hier durchs Yand, um zur Empörung Seine Wohner aufzuftacheln. Kamſt aud) Du zu gleichem Zweck, jo wiſſe: eher Kann der Strohhalm über den Orkan ſich
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Sieg verjprechen als Joniens Bölfer,
Selbft wenn alle fi zum feften Bunde Einten, über Perfien. Aber fuche
Solden Bund im Yand der Träume! Smyrna Neidet Ephefus die blühnde Schiffahrt
Und wird jubeln, wenn des Feindes Rache Mit dem Schutte feiner Prachtpaläfte
Seinen Hafen füllt. Priene, Teos,
Sardes lauern eine auf der andern Untergang. Nun dent’, des Xerres Heere, Zahllos wie des Mittelmeeres Wogen,
Wenn fie Boreas zum Sturm aufgeißelt, Auf euch niederbraufend — wahrlich, Nettung Magſt du für die Berggazelle hoffen,
Wenn ein Rudel Wölfe auf fie einbricht, Nicht für euch! —
In fich verſunken hatte Kallias faum fein Ohr geliehn der Rede, AS mit einer Amphora Arete Wiederkam. Laodamas, ihr Bruder, Und der Sflave Rhaifos, in Händen Wohlgefüllte Schalen tragend, folgten. Honig aus dem fchöngehenfelten Kruge, Brod und Milch bot ihrem Gaft die Jungfrau. Aber in des nahen Abjchieds Bangen Nur zum Scheine führte zu den Yippen Kallias von der Koft. — Wohl mit dem Honig, Den die Bienen aus des Hymettus Blüthen Euch bereiten, mißt fich nicht der unfre, Sagte Phanor. Plöglic) aufgerafft da, Um die Qual zu fürzen, feinem Wirth beut Kallias Dank; allein der Schmerz der bald’gen Trennung läßt die Stimme ihm erzittern, Wie er jpricht: Hoch fteht bereit3 die Sonne;
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Und noch groß ift meine Tagereiſe.
Alſo ftammelnd und mit geſenkter Wimper An Arete feinen Gruß entbietend Schreitet er des Weges fort nad) Sardes.
Pang noch fieht, wie er von dannen wandelt, Ihm die Jungfrau nad); daß von Gefahren Er bedroht fei, bange fchleicht Die Sorge Ihr durchs Herz dahin und läßt es beben, Sp wie vor dem Sturm im Wald die Blätter In des nahen Donner Ahnung zittern. Kallias’ Pfad führt über grüne Hügel Unter Pinien hin, auf deren Wipfeln,
Fackeln gleich, die jungen Zapfen leuchten, Unter Pfirfihbäumen, die mit weißen Blüthen ihn beftreun. Mit haftigen Schritten Eilt er vorwärts, daß im Wanderfturme
Er fein Herz betäube. In den Bächen,
Die vom Berghang raufchen, nur Aretens Namen hört er: jubelnd in den Himmel Tragen ihn die Lerchen, welche um ihn
Aus der Neder jungen Saaten fteigen.
Mit des Willens ganzer Kraft fih mahnend, Seines Werks nicht und der harrenden Freunde Zu vergeffen, fommt an einem Dörfchen Er vorüber, draus mit Weherufen,
Tliegenden Haares, Kinder an den Briten, Weiber ihm entgegenftürzen: Hilf uns,
Der von unferm Stamm du bift, ein Grieche! Bon den Perjern wurden unſre Männer, Unfre Söhne fortgefchleppt in Ketten,
Weil der Zins, den der Satrap gefordert, Unerſchwinglich! Ohne unjre Nährer
Sind dem Hungertod mit unjern Kleinen
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Wir nun preisgegeben. Laß, o Jüngling, Laß dich unſer Jammerſchickſal rühren!
Was er kann, um ihre Noth zu lindern, Giebt den Unglückſel'gen Kallias; aber
Bald von dannen treibt ihn der Gedanke, Durch des ganzen Volks Erhebung werde Schutz vor der Barbaren Willkür Allen Werden. Nach und nach gen Weſten tiefer Lenkt der Sonnengott ſchon ſeine goldnen Roſſe, und ein Purpurwolkenvorhang
Wallt am Himmelsthor, durch das hinunter Er in Amphitrites kühle Wohnung
Ziehn will. Im die wildzerrißnen Schluchten, Die der alte Tmolus meerwärts fendet,
Tritt der Jüngling. Zwiſchen bliggejpaltnen Stämmen ſchäumend wälzt fi) der Paftolus Neben ihm dahin durch Felſentrümmer,
Und Gefahren, wenn der Fuß ihm glitte, Drohn ihm auf dem Pfade; drum zur Nachtraft Unter einer Terebinthe Wipfel
Will er die ermüdeten Glieder ftreden.
Da erichallen eines Jagdhorns Klänge
An fein Ohr; laut, immer lauter jchmetternd, Angftvoll, al3 ob Hülfe fie erflehten,
Tönen fie. Er folgt dem Schall, und vor fich, Um des Felfens Ede biegend, jchaut er
Einen Hirſch, der vom Geſchoß getroffen
Das Geftein mit feinem Blute röthet. — Neun ertönt ein Hornftoß — fieh! und unten In der Schludt, von einer Eiche Zweigen Halb verdedt, am Boden liegt ein Perjer, Der, im Kampfe mit zwei Mordgefellen Ueberwältigt, mit der legten Kraft noch Wider fie das Schwert züdt. In des Sturmminds Eile, doc beforgt, daß ihn den Argen
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Nicht jein Tritt verräth, heran ftürzt Kallias, Bohrt, zu Häupten des Bedrängten ftehend, In des einen Mörderd Bruft des Dolches Schneid’gen Stahl und reißt den Hingefunfnen Auf vom Boden. Al3 der andre todt nun Den Genoſſen fieht, und drohnd die Beiden Gegen ihn fi) wenden, vor fie nieder
Kniet er gnadeflehnd — da eben zeigt fich Eine Schaar Gewaffneter. Vom Felspfad, Ihre Panzermafchen in des Abends
Strahl wie eines Baches Silberwellen Gligernd, fteigen abwärts in die Schlucht fie Und, dem Perſer nahend, werfen alle
Sich vor ihm zu Boden. Seinem Winf nad Legen fie den Frevler drauf in Bande
Und beginnen, an des Stromes Ufer,
Der die Schlucht durchbrauſt, ein Zelt zu fchlagen. Aber fo zu Kallias fpricht der Perfer: Wackrer Grieche, dem ich meine Nettung Schulde, was ich bin und was ich habe,
Böt' ich dir, könnt' ich dadurch dir danken; Doch ich weiß, in dem Vollbrachten einzig Suchen Edle ihrer That Belohnung.
Kallias drauf: Die Götter, die mir huldvoll Seit der Kindheit waren, zeigten neu mir Ihre Gunft, da ich vor diefer Schurfen Hand dich fchügen durfte. Ihnen danke!
Wie ers fpricht, erbleicht und wanft er plöglich; Eine Wunde Hlafft an feinem Halfe,
Wo des Mörder Dolch, bevor er hinjanf, Ihn getroffen hat. Ins Belt ihn leiten
Und auf Polfter betten läßt der Perſer.
Bald in Fiebergluth erlifcht dem Jüngling Die Befinnung; Nächte lang und Tage
— 215 —
Auf dem Yager liegt er da bewußtlos.
Aber unter Jenes treuer Pflege
Endlich lächelt er dem Licht genefend
Neu entgegen. Wie ihm die Erinnrung
Des DVergangnen fehrt, der Freunde denkt er, Die feit lang in Sardes ihn erwarten,
Und will ungefäumt von dannen eilen;
Doch zu bleiben nöthigt ihn der Perſer,
Dis er ganz geheilt. Sodann am Abend, Eh’ er ihn entläßt, die Hand ihm reichend Spricht zu ihm er: Wifje, wen dem Tode Du entriffen! Narbazanes bin ich,
Den nah Ephefus, daß jene Stadt ich
ALS Satrap verwalte, König Xerres
Sendet. Beim Berfolgen eines Wildes Allzuweit von meinen Dienern hatt’ ich Mic hinweggewagt, und jene Frevler Nüsten meine Unvorfiht. Nun aber
Komm, mein Freund, daß wir das Nachtmahl halten!
In ein andres Zelt, mit Purpurdeden, Gold und Edelfteinen prangend, traten Ein die Beiden; Yömenfelle waren Auf den ftein’gen Boden hingebreitet, Und auf filbernen Seffel ihm zur Seite Sich zu jeßen, lud den Griechenjüngling Narbazanes, während indische Sklaven Wein in die kryſtallnen Becher jchenkten. Nun, mein Freund, warum fo düjter? ſprach er; Beim begeifternden Klange der Pokale Laß nach unferm Brauch den Bruderbund ung Schließen! Hoc verehr' ich die Hellenen. Daß doch alle Griechen mit den Perjern Sich zu einem mächt'gen Bolf vereinten, Wie die Meder jchon und die Afiyrer,
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Fa, die Bölfer all’ vom eij’gen Thracien Fern big zu den Sonnenaufgangsländern. Läßt ein höhres Glüd für Hellas’ Söhne Sich erfinnen, al3 dem hochgemalt’gen Xerxes Kriegsgefolge und im Frieden Ehrendienft zu leiten? Nie gejehen
Hat die Erde noch ein Neich wie feines! Bor dem Glanze feines Throns geblendet Senft das Auge fich, des Himmels Sterne Ehr, als feine Heere magſt du zählen.
Soll ich feiner Königsſtädte Pracht dir, Babylon mit feinen hängenden Gärten,
Und Efbatana, und Paſargadä,
Und des Memnon Burg, das hehre Sufa Schildern? Schildern dir, wie ſich von Gränze Hin zu Gränze feiner unermefinen
Staaten breite Straßen ziehn, gen Himmel Auf der Riejenberge Staffeln Elimmend, Dann in Abgrundnaht hinunterftürzend? —
Fremd nicht, unterbrach ihn Kallias, ift mir Was du jagft; doch mögen Aſiens Männer Willig einem König Frohndienft leiten,
Jedes Griechen höchſtes Gut ift Freiheit,
Sie die Lebensluft, in der er athmet,
Und das Wort „Tyrann“ erregt ihm Abjchen,
Mehr als Tod und Peſt. Im Staub der Rennbahn Nadt um eines Delblatt3 Preis zu ringen
Iſt ihm größrer Ruhm, al3 wenn ein König
Seine Sklavendienfte ihm mit Kröfus’
Schätzen lohnte.
Wieder dann der Perfer: Ueber den Geſchmack ift nicht zu ftreiten. Doch um Eines, Freund, da ich euch wohl will,
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Bitt' ich euch: in eurem ungezähmten
Stolz vermeßt euch nicht zu hoch; wenn nochmals So wie früher, al3 ihr der Milefier
Aufſtand fchürtet, ihr des großen Königs Ingrimm reizt, glaubt mir, Verderben einzig Euch bereitet ihr. Nur des Mardonius Ungeſchick und Vorwitz hat verjchuldet,
Daß bei Marathon wir weichen mußten.
Aber nöthigt ihr zum zweiten Male
Uns zum Kampf, mit Trauer muß ich denlen Was dann euer Yoo3; jo wie die Sturmfluth, Nächtlich auf ein Thal fich nieverwälzend, Stadt und Dorf zerftört, daß nicht die Stätte Kennbar wo fie jtanden, aljo würden
Xerxes' Heere auf das arme Hellas
Sich, ergießen.
Und in Macht erftehend, Wie ihr nie geahnt — fo fällt ins Wort ihm Kallias — würden wir zu Land, zu Meere, Ob auch Einer gegen eurer Hundert, In die Flucht die wimmelnden Bölferfchaaren Jagen, die eur Aſien nad) uns außfpeit; Staunen folltet dann ihr, wie ein Grieche Mehr gilt als ein Heer jtumpffinn’ger Sklaven.
Ihm erwidert lächelnd Narbazanes: Nicht erhige Dich, nein wadrer Kallias! Schon vernommen haft du: Frieden, Eintracht Zwiſchen euch und ihm wünjcht König Xerres. Stoßt denn nit die Hand zurüd, die Er euch) Bietet, welchem Sterne, Mond und Sonne Selber Ehrfurcht zollen! Blickt auf uns aud, Seine Diener, nicht voll Hochmuth nieder, Deren Ahnen jchon Satrapen waren,
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Eh’ der Name Hellas nod genannt ward! Alt, das merfe! wie der gipfelfteile Kaukaſus, des Lichtgotts heil’ger Wohnfig, Iſt dies Sonnenreich, von König Dſchemſchid In der Zeiten Anbeginn gegründet,
Und die Großen, die um feinen Thron fich Reihen, find von Götterſtamm entjproffen. An des Zeltes Wänden dort die Bilder Schau’, aus denen unſrer Helden Thaten Slanzvoll dir entgegenleuchten; Ruſtem, Den gewalt’gen fieh dort, meinen Ahnherrn, Wie er ganze Heere mit der Keule Niedermetiert! Dort Isfendiars Schlachten, Der des Ahriman, des finftern, Nachtreich Und die Herrjcherburg von Turan ftürzte, Dort Kai Chosrus Welteroberungszüge!
Während zu der Zeltwand bunten Gruppen Kallias’ Auge ſchweift, in goldnen Schalen Dringen Diener, was an föftlichen Speifen Meer und Land, Gebirg und Thäler bieten, Und zum Mahl des Gaftes Becher fleißig Füllend weiter redet Narbazanes:
Eingeftehen, Freund, ich denke, wirft du, Unrecht habt ihr, wenn ihr uns Barbaren Sceltet. Eins zum mindeften, die Kochfunft, Wohl verftehn wir, und was man von Spartas Schwarzer Suppe mir berichtet, macht mich Eben lüftern nicht, um ihretwillen
Perfien mit Hellas zu vertaufchen.
Sonderlich auf meinen Koch vermag ich Stolz zu fein; ein Meifterftüc in feiner Kunft, ein ftaunenswerthes, hat er unlängft Mir gezeigt; vernimm! Als in Gedrofiens Wüſte, taufend Meilen weit vom Meere,
*
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Ih in Pflichten meines Amtes weilte,
Und mit Wurzeln jener ftein’gen Dede
Oder wilder Ejel Fleiih die Tafel
Nur bejtellt mir ward, befiel mid Trübfinn, Und daß ich an Yeib und Seele fiechte, Wurden meine Diener inne. Yange
Hatt’ ich jo geihmachtet, da auf einmal Mittags ward mir bei Drommetenftößen Eine Schüfjel vorgejegt, bei deren
Anblick ſchon Entzüden mich durchſtrömte. Kaum den Augen traut' ich: ja, ein Seefiſch War es, jener köſtlichen Muränen
Eine, die, der Stolz von Lyciens Küſte, Manchmal mich gelockt an jenes Ufer.
Neu erfüllte, als ich ſie genoſſen,
Kraft und Lebensmuth mich, und den wackern Koch, um ihn mit einem Ehrenkleide
Zu beſchenken, ließ ich vor mich treten; Sag', du Trefflicher, welch ein Wunderthäter Biſt du, daß in tauſend Meilen Ferne
Von der Küſte dieſen Meerbewohner
Du mir vorgeſetzt? — Da auf den Boden Warf er ſich und ſtammelte: Mein Gebieter! Wenn ich ſchuldig bin, laß mich enthaupten; Doch geſtehen muß ich: eine Rübe
War es, die mit Brühen und mit Würzen So ich zugerichtet, daß als Seefiſch
Sie dir galt. Falls ich geſündigt habe, Hat der Wunſch allein mich, deinen Trübſinn Zu verſcheuchen, zu der Schuld verleitet. Aber ich, um ſeine Meiſterſchaft ihn Preiſend, ſchenkt' ein zweites Ehrenkleid ihm.
Lächeln bei des Narbazanes Rede Mußte Kallias, und mit heitrer Zwieſprach
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Schloß das Mahl. Am nächften Morgen Abjchied Nimmt von feinem Wirth der Füngling; redend Stehen vor dem Zelte noch die Beiden,
AB am Bergabhang ein Zug von Reitern, Sih um eine Sänfte reihend, fichtbar
Wird. Norane, meine Schwefter, iſt es,
Die in Ephefus mit mir den Sommer
Zu verleben ich gebeten habe.
Früh ſchon Wittwe, da dem Sohn des Kerres Sie nur furz vermählt war, ift fie worden; In ihr einfan Leben in Eiltcien
Wollt’ ich einen Wechfel gerne bringen. — Alfo Narbazanes; und der Sänfte,
Schon den Zelten nah, entjteigt in ftolzem Schritt ein Weib von föniglichem Anjehn.
Sei gegrüßt, mein Bruder! Das Verlangen Dich zu fehen ließ mir Raſt nicht; früher Komm’ ich hierher, al3 du dachteſt. — Staunend, Während jo fie ſprach, blickt ihr ing Antlig, Deſſen Schleier janft der Wind gelüftet, Kallias. Schreden wie vor einer Gottheit Füllte ihm das Herz bei ihrem Anblid‘;
Für den niedern Sohn de3 Staubes allzu Hehr war ihre Schönheit. — Diefen Griechen, Sagte Narbazanes, mußt du preifen,
Daß du deinen Bruder noch, Roxane,
Bei den Lebenden trifft; vor Mörderdolchen, Schon auf meine Bruft gezüct, gevettet
Hat er mich. — Und Danfesworte, freundlich, Aber doc von majeftätischen Klange,
Als ob der Olympierinnen eine
Spräche, richtet Jene an den Jüngling.
Drauf zu ihm der Perfer: Gern dich ſäh' ich Noch bei mir in Ephefus zu Gafte.
Komm mit ung! E3 foll dir nicht an Kurzweil
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Fehlen. Tags Gazellen, wilde Eber
In den Bergen jagen wir; am Abend
Aber foll die prangende Galeere
Mit Roranen auf dem Meer ung wiegen. — Ihm erwidert Kallias: Den Perjern
Gleich der eitlen Luft der Jagd zu fröhnen, Sich auf weiche Polfter hinzubetten,
Ziemt nit dem Hellenen. Strenge Pflichten Nufen mich nad) Sardes; aber fliehn dann Will ich Aſiens weiche Yuft und üpp’ge Sitten und mir am Ilyß im Ningfampf Neu zum Männerftreit die Glieder härten, Die bei euch Schon halb erjchlafften. — Yächelnd Sprach Norane: Stolz ift deine Rede,
Als ob du bei Marathon geftritten!
Aber. nicht um ſolchen Stolz dir groll’ ich, Jüngling, da mit deines Armes ehrner Stärke du die Mörder hingejchmettert. Seinem Retter bot, ihm nochmals danfend, Einen Siegelving darauf der Perjer,
Der mit prächt’gem Chryjolith geſchmückt war Und mit feines Namens Zug. Dies Kleinod, Sprach er, trag’ zu meinen Angedenfen,
Und wenn je am Hof des großen Königs Ich dir nügen, jemals dir in Drangfal Helfer jein kann, zähl auf meinen Beiftand!
Und hinweg fchritt Kallias. Wie betäubt noch War er von des Weibes Schönheit; immer Hallt im Ohr ihm ihre Stimme, mächtig Und doch Lieblich wie des Meeres Rauschen, Wenns im Mittagstraum im fchatt’ger Grotten Dämmerung wallt. Bald aber tritt von Neuem Ihm in unvermwelften Reiz Arete Vor die Seele; kann die hohe Lilie,
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Stolz in üpp’ger Gärten Mitte prangend,
Sich der duftenden Roſe mefjen, die fich
Tief im Thalgrund birgt? So wieder ſchweift ihm Der Gedanke nah dem Landhaus Phanors,
Und zurück möcht’ er die Schritte lenken;
Doch dann mahnt er fich: der Pflicht genüg’ erft! Wenn dem Baterlande du der eignen
Bruft verwegnen Trieb geopfert, werden
Nach vollbrachtem Werk den Wunfch des Herzens Gnädig dir die Himmlifchen gewähren.
Ueber wilde Bergeshänge, ſpärlich Mit Lentisfgefträuch bewachjen, führte Hin fein Pfad, und arme Fiegenhirten Boten Nachts ihm ihrer Hütten Obdach. Um des dritten Tages Mitte fah er Fernher, von des Tmolus Riejfengipfel Ueberragt, das fünigliche Sardes Ihm entgegenleuchten. Gruppen Perfer Flohn des Wegs mit Weibern und mit Kindern, Und er ahnte, abgejchüttelt habe Schon Joniens Bolf das Joch der Fremden. Höher ftieg, wie ihn der Schritt beflügelt Vorwärts trug, die alte Burg des Kröſus Por ihm auf, erhoben Säulenhallen, Tempel und Baläfte ihre Zinnen Aus dem weiten Häufermeer. Zur Seite Bor dem Thore jah er Zelt an Belt fich, Ueberwallt von bunten Wimpeln, reihen — Und noch neue Pfähle, um das Yager Zu vollenden, fehlugen emfige Sklaven. Dichte Schaaren, all’ in Tracht der Griechen, MWogten hin und her; und von der Männer Einem ließ Bericht fich des Gejchehnen Kallias geben. Bei dem erſten Aufe:
9) ea
Freiheit! hoch Jonien! hatten alle
Wohner griechifchen Bluts in Lydiens Hauptſtadt Sich erhoben, und nach kurzem Schwertſchlag Waren aus dem Trugwahn ihrer Allmacht Aufgeſchreckt hinweggeflohn die Perſer.
Nah auf einen Hügel, wo die Menge Haupt an Haupt ſich drängte, klomm der Jüngling. Einen Greis, ſchneeweiß von Locken, ſah er In der- Mitte; athemloſe Stille War um ihn, und während Alt und Jung ihm Lauſchte, ſprach er: Einen Achtzigjähr’gen, Meine Brüder, hört, der auf der Erde Bielen Wandel ſchon gefhaut! Der Menfchen Drei Geſchlechter jah er um ſich aufblühn Und hinab zum dunfeln Hades fteigen. Wider meine Warnung, allzu frühe Seid ihr gegen Afiens mächt'gen König Aufgeftanden. Noch der andern Städte Beiftand ift euch ficher nicht; fein Zeichen Giebt euch fund, dag Samos’ Fürft zu Hülfe Seine Flotte hierher fenden werde. Drum jo mehr ift noth, daß eilends Boten Wir an Myos', Kolophons, Prienes Bürger, an der Inſeln Herrſcher ſchicken. Nur wenn fie mit uns zu feſtem Bunde Sic) vereinigt haben, ift uns Hoffnung, Daß Hinfort wir, nad) der Väter Satung, Wieder freie, glücdliche Tage leben. Laßt ſogleich uns denn die Sendlinge wählen! Und bis ganz Jonien, ein ſtarker Unzerbrechlicher Wall, dem Feinde trogend Sich entgegenftemmen fann, im Ringkampf Stählt euch und im Yanzenwurf und Schwertichlag Für die Männerihlacht! Vor Allem aber
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Macht euch werth, ein freies Volk zu heißen! — Durch Gerechtigkeit und Maß den Berfern Zeigt, daß ihr von edlem Griechenftanme! Den, der euh in Waffen gegenüber
Tritt, nicht Unbewehrte treffe eure
Nahe! So vor Allem heifcht die Ehre Eures Namens, daß dem greifen Phanor, Der des Xerres Liebling, feine Unbill Widerfahre; unfern hier, ihr wißt es,
Weilt er, und in eriter Wallung fünnte
Sich euer Zorn an ihm vergreifen; aber Mögt ihr auch al3 unfrer Feinde Freund ihn Hafjen, ſchwört mir nimmer zu vergefien, Daß er mit Miltiades des Sieges
Ruhm bei Marathon getheilt hat. Heilig Sei euch jedes Haar auf feinem Haupte!
Wie im Pinienwald bei Epivdaurus, Wenn ein Lufthauch her vom Meere jäufelt, Erſt ein Zweig ſich regt, dann Aft auf Aft zu Schwingen anhebt, bis ein mächt'ges Braufen Durch den Hain geht, jo von Mund zu Munde Allumher erfcholl e8: hoch Machaon, Hoch der Edle vom Ilhſſusufer, Defien Haupt die Weisheit fi) zum Site Auserwählt! — Und den verlangten Eid ihm Leifteten Alle mit erhobner Nechten.
Durch die Neihn fich drängend drauf fpricht Kallias Zu Machaon: Wackrer! Dir im Namen Von Athen Dank ſag' ich, daß du alſo Seines ſchwergeprüften Sohns dich annimmſt. Dann mit lautrer Stimme, Allen hörbar, Fährt er fort: Die Kekropsſtadt entbietet Euch, Fonier, ihre Segenswiünfche!
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Hergeſendet, um zum Widerſtand euch Wider Perſien zu ermuth'gen, hat ſie
Mich, und freudig nun die ſchon Befreiten Kann ich grüßen. Nehmt in eure Reihen Mich als Kämpfer auf und laßt mich Zeuge Sein, wie ernſte, feſte Freundſchaftsbande Sich um euch und unſer Hellas ſchlingen. Dort, wo in der Altis heil'gem Haine,
Am Alpheusufer eure Väter
Mit den unſern um den Siegspreis rangen, Stehen eure, ſtehen aller Griechen
Laren. O vergönntens die Olympier,
Daß fie alle, die wie fturmverjchlagne Schiffer an entlegner Meere Küften Hingebannt find, die al3 Inſelwohner Losgeriſſen von der Mutter Erde
Auf des Dceanes Fluthen treiben,
Daß jie all’ als große Volksgemeinde, Erzgepanzert, ihrer Götter Tempel,
Ihre Freiheit vor den Perfern jchirmten!
Yauter Jubel ſcholl bei feiner Nede, Und in Foniens Namen hieg Machaon Ihn willfommen. Aus der Andern Mitte Traten Zwei fodann hervor, Alfander Und der Sparter Dymas, feines erften Wandertags Gefährten: Bift dus endlich?
Ihnen fündete Kallias was gejchehen, Auf die faum geheilte Wunde deutend; Und Alfander unter feurigem Willfomm Sanf ihm in die Arme: Freunde laß uns Für das Leben bleiben! Aber Dymas Unterbrach die Beiden: nicht zum Schwärmen Shad, Gef. Werke. IV. 15
— 226 —
Iſt die Zeit jest; kommt zur Waffenübung! Bald in ernftem Kampf follt ihr erproben, Ob ihr in Athen, ob in Fonien
Speere werfen fünnt wie wir in Sparta.
Vierter Gefang.
Seit dem Tage, da zu weitrer Wandrung Kallias aufgebrochen, denft Arete An den Fremdling nur. ft in ihr einjam Leben unter dem Barbarenvolfe Doc) fein Öriechenjüngling noch getreten; Und der erfte nun, den fie erblidt hat, War Dlympias allgepriejner Sieger. Nicht wie jonjt mehr beim gewohnten Opfer Kann fie, feit er fern ift, ihre Göttin Feiern; immer mengt des Holden Name Sich in ihr Gebet, mit feiner Stimme Spricht zu ihr die Einfamfeit; der Luft gleich, Die, wenn lang der Leier Ton verhallt ift, Immer noch den füßen Klängen nachbebt, Zittert vor Erinnrung an den Fernen Ihre Seele. Jeden Morgen fragt fie: Wird er mwiederfehren? — Doch die Nacht nur Führt ihn ihr zurüd im Traumgefichte.
Unterdeffen in noch tiefern Trübſinn Als zuvor ift Phanor hingefunfen.
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Nicht des Sohnes muntre Knabenſpiele Können feinem Brüten ihn entreißen,
Nicht Alcäus’ noch Prarillas Yieder,
Seine Pieblinge ſonſt. Dft lange Stunden An des Meeres bleihen Saum die Augen Heftend fit er ftumm auf der Terraffe,
Und vergebens faßt Laodamas ihn
An der Hand: Komm, Bater, um zu jehauen, Wie mein Arm weithin den Disfus fchleudert, Wie mid Nhaifos den Bogen jpannen
Und des fichern Pfeilmurfs Kunſt gelehrt hat.
Einft des Morgens trat zu ihm Arete: Sieh! im Frühroth des Apollo Standbild In der Halle ſchon mit Hyacinthen,
Die dem Gott vor allen Blumen theuer, Haben wir befränzt. Sein heil’ger Tag ift Heute, und du haft ſeit zarter Kindheit
Uns gelehrt, ihn feftlich zu begehen.
Laß umfonjt nicht länger auf dich warten! Fhrer Ladung folgend tritt der Vater
In die Halle, grüßt den Gott voll Ehrfurdt Und ftreut Weihrauch in die Opferflamme, Die der Sklave Ahaifos mit Reiſern
Emfig nährt. Indeß von einer Rolle
Lieſt Yaodamas des Homeriden
Hymnus auf den Pythontödter, Yetos
Sohn, dem all die Meeresufer heilig
Und die Inſeln und die Feljenwarten
Längs der purpurnen Fluth. Heil Helios! Hochhin wandelnd über der Berge Gipfel Schleudert er ins Herz der Nacht, des Abgrunds Tieffte Höhlen, feine tödtenden Pfeile,
Diefe Welt mit feiner Strahlenfülle
In ein Gewand von goldnem Lichte Eleidend!
— 283 —
Nach der Feier einfam mit Arete Dieb der Vater. Schweigend ihr zur Geite Saß er ernſt; dann nahm das Wort er: Schöne Jugendzeit, als mic an diefem Tage Mit der Fünglinge Feftchor vom Piräus Das befränzte Schiff zum heil’gen Delos Führte, daß auf den Altar des Gottes Wir die Weihgefchenfe niederlegten, Die Athen ihm fandte! Wie voll Andacht Sang ich da das Preislied auf Apollon. O wie blühte um mich her die Erde Einem Tempelhaine gleih! Da tönten Aus des hochaufraufchenden Meeres Wogen Mir der Nereiden Reigenchöre; Pans, des fchlummernden, Athemziüge hört’ ich Aus dem Uferichilfee Doch geſchwunden Iſt mir jener Glaube. Seit mir Perfiens Magier Zoroafters ernſte Yehre Kündeten, feit im Bild der ew’gen Sonne Ich den Urgott fie, den Einen, höchften, Alles Lichts und Lebens Duelle, ehren Und, anftatt in engen Tempelhallen, Ihre Opfer auf der Berge Spigen Leuchten fah, ift jene Göttermelt mir Eingeftürzt; nur für der Kinder Seelen Bon den Dichtern jcheint fie mir erfonnen. Als ic) vor dem Marmorbilde Weihraud) Streute, hat das Herz nicht, hat Gewohnheit Einzig mir die Hand gelenft. Und dennoch, Wie in Hellas immer meine Seele Weilt, gedenk' ich auch der Zeit mit Sehnſucht, Da des Mäoniven holde Fabeln Meinem Knabengeift noch Wahrheit däuchten.
— 29 —
Bater, — fällt ihm in das Wort Arete — Konnte dich die Fremde fo beivren? Glaub’, unfterblich weilen die Olympter Unter uns! Nicht in dem grellen Lichte, Das für heilig hält der Perſer Irrwahn, Lebt das Himmlische; nein, wie in der Jris Sich der einen Sonne Strahlen brechen, Iſts in buntem Farbenfpiel, das Yeben Uns verſchönernd, durch die Welt ergoffen. Selig oft von jeinen Athemzügen Fühl' ich mich bewegt, wenn aus des Oſtens Goldnen Wolken Phöbus’ Yeiertöne Schallen und aus Thälern, Strömen, Grotten Durch die laufchenden Yüfte leifer Stimmen Echo fluthet. Im den duftigen Nebeln Seh’ ich dann dahin die Götter fchreiten Sp wie einft al3 Kind, wenn mic die Mutter Auf des Ilyſſus Krokuswieſe führte.
Glücklich preis’ ich Dich, daß du den alten Wahn dir noch bewahrt haft! — fagte Phanor: — Immer lebt mir noch der Wunjc im Herzen, Daß, wenn erjt Yaodamas zum Jüngling Aufgeblüht, mit ihm du in die Heimath Eifeft, wo dich der Verwandten viele Froh willkommen heißen werden, wo dir Glück vielleicht an eines Gatten Seite Lächelt. Kallias, meines Jugendfreundes Sohn — aus -jeinen Bliden, feinen Worten Schließ' ichs — fand an dir fein Wohlgefallen, Und das Roth, das dir bei ſeines Namens Nennung übers Antlig fliegt, verräth mir Dein Gefühl. Am Tag, als dich die Mutter Mir geſchenkt, ſprach Drimakos zu mir ſchon: Schön wär's, wenn dereinſt durch unſre Kinder,
u
Die vereinten, uns ein neuer Frühling Blühte! Wohl! willkommen wird’ ich8 heißen, Daß fein Sohn heim nach Athen dich führte.
Nimmer — fiel ihm in das Wort Arete — immer laß ich, Vater, in der Fremde Did allein! Doc an der Deinen Seite Ueber Meer zieh’ fort ins theure Hellas! Kannſt du Schönres denken, al3 nad) langer Irrfahrt wie Odyſſeus heimzufehren? AU die trauten Pläße neu zu grüßen, Wo du mit Miltiades gewandelt, Und zu jehen, wie Athen in Wohlfahrt Und in Freiheit immer herrlicher aufblüht ?
Ihr erwidert Phanor: Mächtig hat mir Kallias die Sehnſucht nad) der Heimath Angefaht — allein entfagen muß ic.
Nie mehr, daß nicht meine Herzenswunde Heißer blute, fprich von ſolchem Plan mir! Wenn nicht jchon die Dankbarkeit mich bände, Unauflöslich fnüpfte für das Leben
An den Herriher Perfiens mich mein Eidſchwur.
Eben jpricht ers; da herangejprungen Kommt Yaodamas: Ein Zug von Reitern Naht des Wegs von Sardes; Große ficher Sinds von RXerxes' Hof; in ihrer Mitte Tragen Diener eine prächt'ge Sänfte. — Bor das Yandhaus tretend ſchaute Phanor, Wie des Zuges Führer aus dem Gattel, Während Sklaven ihm den Bügel hielten, Sich herabſchwang. Narbazanes! rief er Ihm entgegen; und der Fremdling folgt ihm Mit den andern Großen in die Halle,
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Ehrfurchtsvoll fi) vor dem Griechen neigend Sprad dann Narbazanes: Beugt die Kniee, Huld’gend, Freunde, vor dem Hocherlauchten, Den der Weltgebieter zum PVertrauten
Sich erwählt hat. Ormuzd' Yiebling, Xerxes, Der des Himmels Sterne al3 Tiara
Sich ums Haupt flicht, jendet, edler Phanor, Seinen Gruß dir und, gefügt aus Indiens Zunfelndften Rubinen, feines Namens Heilige Züge! Ein Gefchent empfängft du Hier, wies feinem noch der Erdgebornen
Je zu Theil gemorden.
Und dem Griechen Boten, vor ihm auf den Staub des Bodens Ihre Stirnen prefjend, junge Sklaven Eine fandelholzgejchniste Tafel, Drauf in dunfelm Purpurglanz des Herrfchers Edelſteingeſchmückter Name blitte.
Weiter ſprach der Perjer: Seines Herzens Stimme will der Kön’ge König länger Schweigen nicht gebieten. Jahre dünken Ihn die Monde, die du feinem Hofe Ferne weilft. Drum des Gebieterd Wunfc div Soll ich fünden, daß zu ihm nad) Suſa Du fofort zurückeilſt. Wicht'ge Dinge Hat er mit dem Freunde zu berathen — Fa, dem Freund, jo nannt' er dich! Erhebe Stolz dein Haupt; uns aber günne, daß mir Uns im Lichte deiner Stine fonnen!
Schnell gefaßt und nach des Morgenlandes Sitte auf der Bruft die Hände freuzend, Sagte Phanor: Schon der Wunjch des hohen
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Herrfchers ift Befehl, und ich gehorche. Dann den Botjchaftbringer fammt den Großen Lud er, unter feinem Dad ala Gäfte
Bis zu feinem Aufbruch zu verweilen. Aber Narbazanes ſprach: Die edlen Perfer hier ſammt hundert Yanzenträgern Werden als Gefolg’ mit dir nad) Sufa Ziehen. Mir jedoch Liegt ob, noch heute Zum Satrapenfige, den der große
König mir beftimmt, mic) zu begeben. Mit der Schwefter, welche außen wartet, Muß ich Ephefus vor Nacht erreichen, Um das Kriegspolf jener Gegend fehleunig Wider die Empörung aufzubieten,
Die aufs neu in Sardes ausgebrochen. Dorther jend’ ich Diefe dir in Kurzem. Du indeffen rüfte dich zur Reife!
Als fie fort, zur Tochter eilte Phanor, Und in düftrer Trauer gab er fund ihr, Wie mit ihm fie das geliebte Yandhaus Laſſen müſſe. Bei der Kunde fprachlos Blieb Arete lang, und auch der Vater Barg in Schweigen feiner Bruft Gefühle. Endlich fi) ermannend: Keine Wahl bleibt, Sagt’ er: weife, wer der Schiejalsfügung Ohne Murren fi) ergiebt! Für eins noch Laß mich forgen! Wiederkehr verſprochen Hat mir Kallias; auf das nächſte Frühjahr, Wenn wir diefes Yandhaus neu beziehen, Kann ich jest ihn laden nur. Nach Sardes Mag mein Griechenjflan mit diefer Botjchaft Gehen und zugleich den Jüngling warnen, Daß er fern fi den Joniern halte,
Die in neuem hoffnungslofen Aufjtand
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Sich erhoben; meines Jugendfreundes
Cohn möcht’ ich vor drohenden Unheil jchügen! — Bater, ja — fällt ihm ins Wort die Tochter — Schleunig ſende Rhaifos! — Was weiter
Sie der Lippe nicht zu jagen gönnte,
Wohl errieth es Phanor. Selbſt den Sflaven Ruft fie dann, und ſchon in nächjter Frühe
Eilt der treue Rhaikos nad) Sardes.
Wenig Tage drauf, von Perfiens Großen Angeführt, mit Roſſen, Dromedaren Und Gefolg von Yanzenträgern nahte Her von Ephefus die Karawane, Und dahin gen Sufa mit den Sindern Zog des Wegs der Grieche, trauernde Blide Dft noch) nad) dem Meeresſaume jendend, Bis er in den Dunft der Ferne hinfchwand.
So durd Aſiens unermeßne Yänder, Durh der Wüfte fluthende Sandeswogen Zu des Sonnenlandes Fran Gränzen Waren fie gefommen. Geis, daß Mittags, Wenn herab auf fie ein fengendes Gluthmeer Wallte, fie an den Eifternen ruhten,
Sei es, daß die Nacht zu ihren Häupten An des Himmels dunfelblaue Wölbung Ihre em’gen Wegesleuchten hängte, Stumm in fi) verjunfen blieb der Bater, Stumm die Tochter; und vergebens juchte Plaudernd, wie die murmelnde Bergesquelle, Ihren Gram Laodamas zu fcheuchen. Endlich jahn auf feinen beiden Hügeln Sie vor fi) das fünigliche Sufa
Ragen, Feftungsthürme, breite Wälle Und Paläſte, hoch aus Viltengärten,
u
Ihre ſtolzen Säulendächer hebend.
Bei der Kunde von der Karawane
Nahn find, feinen Liebling zu empfangen, Ausgerüdt des Herrſchers Ehrenwachen. Demuthvoll die Yanzen jenfend, deren
Spiten mit der Granate Goldfrucht prangen, Stehn fie zu des Weges beiden Seiten, Während über des Choafpes Wogen,
Der ſich wirbelnd in der Tiefe hinwälzt,
Zu der Riefenftadt der Zug emporfteigt.
Bor den Kommenden thut mit ehrnen Flügeln Weit das Thor fih auf, und durch die breiten Feſtgeſchmückten Straßen giebt von Zinnen Und von menjchenwimmelnden Dächern freud’ger Auf des Volkes ihnen das Geleite; Myrtenlaub und Palmenzmweige jtreuen Jubelnde Schaaren hin zu ihren Füßen,
Bis der Pradtpalaft, umringt von blühnden Gartenhainen, den für feinen Günftling
Xerres baun ließ, die Ermüdeten aufnimmt,
In die Fraungemächer, wo nad) Perfieng Brauche Indiſche Mädchen fie bedienen, Birgt Arete fih mit ihrer Trauer.
Aber Phanor, von des Weges Mühjal
Sich ermannend, folgt alsbald der Yadung, Bor des Herrfchers Throne zu erfcheinen; Und auf diamantbefäten Roſſe,
Mit Gefolge von Trabanten, veitet
Er dem Luftfchloß in den Zagros-Bergen Zu, wo RXerxes fi der Sommerfühle
Freut. Ein immergrüner Wald am Abhang Nimmt ihn auf, und dichtverfchlungne Zweige MWölben ihm zu Häupten mächt’ge Dome. Als der Hain fich lichtet, hoch hernieder
— 235 —
Bor ihm braust vom Feljen des Kaprotas Silberfluth. Als ob das Licht von Ormuzd' Neinem Himmel fi in Tropfen löſe, Unaufhaltfam rinnen die fryftallnen
Wellen aus der blendenden Höhe nieder, Stürzen taumelnd in die jchwindlige Tiefe Und entjprühn in weißem Wirbeljchaume Wiederum dem Abgrund, an der Pinien,
An der taufendjährigen Cypreſſen
Wipfel bligende Flocken hängend. Ningsher Im melodiſchen Sturme brechen neue Ströme aus den Felſen vor und jauchzen Mit im jubelnden Getümmel. Aber
Oben hoch, wo auf dem feuchten Staube Regenbogen windgewiegt ſich ſchaukeln,
Wie von Geiſtern in der Luft getragen, Schwebt in hehrem Sonnenglanz des Königs Luſthaus, der auf ragenden Terraſſen
Dort, in hängender Gärten ew'ger Friſche, Seine Weltreich-Pläne ſinnt. Von ferne, Während über den donnernden Abgrund aufwärts Ihn das Roß auf hochgewölbten Brücken Trägt, ſieht Phanor ſchon des Prachtbaus goldne Kuppeln auf den lotosknaufgeſchmückten Säulen ihm entgegenleuchten. Oben
Bieten Sklaven knieend ihm den Nacken,
Als er aus den Bügeln ſteigt, und weiter Führen Diener ihn durch lange Gänge Längs geflügelter Stiere Marmorbildern. Eine Halle folgt, wo die „Getreuen“ — Achtzigjähr'ge Greiſe all mit weißen Wallenden Bärten — Wache halten; endlich Oeffnen ſich des Thronſaals Silberthore. Dort auf hohem, purpurüberhängtem
Thron, den mit Juwelen überſtreute
—:,256 —
Pfeiler tragen, ruht der Herr der Erde,
Auf der Stirn die bligende Tiare.
An den Stufen aber reihn des Reiches Würdenträger fich, des Feuerdienftes DOberpriefter. Eben ihm zu Füßen
Knien des fernen Aethiopenlandes Abgefandte, Huld’gung ihm zu leiften.
Dod dem Kommenden, faum daß er eintritt, Schreitet Xerre8 zum Begruß entgegen
Und gebeut ihm, nächſt dem Thron zu figen; Dann erjt den Tribut der Schwarzen Männer, Elfenbein und Ebenholz und Weihraud), Nimmt er lächelnd an. Der erfte Höfling Meldet weiter: Noch aus Afiens Norden Jenſeits von den himmeljpaltenden Bergen, Die das Yand der ew’gen Nacht, des Eifes Unwirthbare Deden von des Oxus Kiederungen trennen, harren Männer, Fremd von Antlig und in Thierfellmämmijer Tiefverhüllt, den Staub zu deinen Füßen, Herr des Weltalls, ehrfurchtsvoll zu küſſen! Aber Xerxes winkt: Bis morgen warten Mögen fie! Yaßt mich allein mit Phanor!
ALS fie AU gegangen, zu dem Griechen, Ihm die Nechte bietend, fpricht der König: Dank dem Mithras fag’ ich, meinem Schüter, Daß er dich zurüd mir führt, mein Phanor! Ohne dich im wimmelnden Gedränge Meiner Höflinge, ohne dich im Yager Einfam fühl’ ich mich; denn fein Berather Lebt mir, der dir gleich! Feſt wie auf Felſen Gründ' ich mein Bertraun auf deine Weisheit, Deine Treue. Heut in ernfter Stunde Triffft du ein, zu großem Werf bedarf ich
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Deiner. Seit Darius, mein erhabner Bater, in die Schattenwelt gefchieden,
Wars, das weißt du, meines Strebens Endziel, Frans Macht und unfres Drmuzd Pichtreich Bis zu der Erde Gränzen auszudehnen. Was mein Ahn Kai Chosru halb vollführte, Nahezu gelang mirs; von den Syrien Lybiens bis zum ſturmdurchwühlten Pontus Iſt der Weſten mein, und huld'gend neigen Sich der Scythen Könige am Iſter
Meiner Macht! — Das übermüth'ge Hellas Beut mir Trotz nur, und ſeitdem am Athos Meines Vaters Flotte dem Orkane Unterlegen, mehr und mehr gewachſen
Iſt ſein Uebermuth. Die frechen Griechen, Wirſt dus glauben? hatten Hohn und Spott nur Für die Boten, die mir heim von ihnen Erd' und Waſſer als der Unterwerfung Zeichen bringen ſollten. Unter allen
Ihren Städten bläht in eitler Hoffart
Sich Athen, zu Widerſtand die andern Stachelnd; in Jonien — alſo wird mir Kunde — hat es neu des Aufruhrs Flamme Angeſchürt; allein, bei Ormuzd! beugen Will ich es zum tiefſten Staub; und daß mir Dieſes Hellas nur als Brücke diene,
Bis nach Gades, bis an des Herakles Säulen meine Herrſchaft zu verbreiten, Herberufen hab' ich von den Marken
Meines Reiches Turans, Indiens Völker, Ja, noch jenſeits vom Jaxartes ſolche, Deren Namen nie dein Ohr vernommen. Wie vom Kaukaſus, wenn vieler Winter Schnee auf ſeinem Gipfel ſich gethürmt hat, Seine Maſſen in Lawinenſtürzen
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Allverheerend auf die Ervdenthäler Niederdonnern, alfo über Hellas Soll das Kriegsgemitter fich entladen.
Prüfend in des Freundes Auge blidte Xerxes; Antwort aber gab ihm Phanor: Herr! die Dankbarkeit für alle Huld, die Du auf mich gehäuft, legt mir die Pflicht auf, Ueber Alles dein und deines Reiches Wohl zu achten; drum, da meines Rathes Du begehrit, vernimm ihn: Zu gering nicht Achte der Hellenen Macht! nicht Feindjchaft Irennt fie mehr wie ehmals. Oder waltet Hader no und Haß, beim erjten Angriff Der von Perjien droht, wird er vergehen, Die im goldnen Morgenftrahl der Nebel In Penteles Schludt. Durch alle Stämme Wird, die vielzertheilten, eine mächt’ge Flamme lodern, drin die alte Zwietracht Schmilzt, daß nicht mehr Sparta ift, noch Elis, Nicht Korinth, noch Argos. Aber wenn du AW die andern auch div unterwürfeft,
Nie Athen doch, glaub’! wirft du bezwingen; Denn ein Sig des Muthes, der an eines Alles jest, der Freiheit feſtes Bollwerk
Iſts geworden, feit auf jener Ebne
Deines Vaters Heere ihm erlagen,
Und ehr unter ihrer Mauern Trümmern Werden feine Bürger fich begraben,
ALS fich dir zum Frohndienſt zu bequemen!
Yächelnd gab zur Antwort ihm der König: Daß fie Prahler find weiß ich jeit lange, Und bethört hat ihrer Einer, jcheint es, Deinen Haren Geift. Was fie als Freiheit
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Preifen, eben das ift ihr Verderben,
Und in tollem Rauſche alles Heil’ge, Altehrwürd’ge niederreigend jtürzen
Selbft fie häuptlings in den Untergang fich. Wider fie, mit mir verbündet, wirfen
Des Pififtratus vertriebne Entel,
Wirken al’ die Sprofjen edler Ahnen,
Deren angeftammtes Recht — vom Bater Auf den Sohn vererbt — jie angetaftet. Doch was brauch’ ich Bundsgenofjen? Eines Schon der Heere, wie ich hundert auf fie Schleudern will, ſchon Baktras fühnes Bergvolk, Felshart wie der Boden, dems entſproſſen, Reichte hin, dies Völklein zu zermalmen.
Ihm ermwidert Phanor: Herr erwäge, Wenn zu Myriaden, wenn jo zahllos Wie der Herbitfturm welfe Blätter, dur auch Gegen Weiten deine Völker wälzeſt Und, des Hellespontes Meeresenge Ueberbrüdend, fie durch Thraciens Schluchten In das Herz von Hellas führft, noch immer Bor dir fliehen wird der Sieg. Vom Feſtland Auf das Meer fich rettend deiner jpotten Wird Athen. Bertraut find feine Söhne Mit der dunfelblauen Fluth des Aegeus, Und von Kindheit auf in ihrem Schooße, Wie im Schooß der Mutter, haben alle Sie gejpielt. Zertrümmre ihre Häufer, Ihre heil’ge Stadt lebt auf den Wogen Fort und wird im Kampf mit dir nicht raſten, Bis vom Boden Griechenlands den legten Deiner Krieger fie vertrieben, und fich Prächt'ger, als fie je gewejen, wieder Aus dem Schutt die Pallas-Stadt erhoben.
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Sprachs und ſchwieg; jo aber gab ihm Antwort Xerxes: Sorglich, daß auf ihrer Seemacht Ihre einz’ge Hoffnung ruht, erwog id). Sahrelang in allen feinen Thälern Hallt der Yibanon drum von der Aexte Schlägen, welche jeine Cedern fällen,
Und in Tyrus’ und in Sidons Häfen Wandelt der Phönicier Kunft die Stämme Mir zu NRiefenjchiffen um. Die Flotte — Nein, nicht Flotte, eine ſturmbeſchwingte Menfchenwimmelnde Stadt ift fie — mer fünnte Beſſer fie, als du befehl’gen? Jede
Klippe im Aegeer-Meere fennft du,
Und wenn im entfefjelten Kriegsorfane
Du fie wider Hellas führft, wie fchwache Halme fniden werden der Athener
Maſten vor der losgelaſſnen Windsbraut.
So an deinem eignen Bolfe jchaffe
Rache dir für die erlittne Unbill —
Als Satrap ſollſt, als mein zweites Selbſt du Ueber Griechenland und feine Inſeln
Herrchen.
Wie ers ſprach, erhob fich Xerxes; Und des Freundes Widerrede hemmend Fuhr er fort: Bei unfrer Freundfchaft, Phanor, Heiſch' ich diejen Dienft von dir. Du — du mirft Sicher in den Staub Athen mir werfen! Noch die Wintermonde mir zur Seite, Während Alles ich zur Heerfahrt rüfte, Sollft du mweilen; aber wenn das junge Fahr mit feinen erjten weißen Blüthen Um uns her die Hügel meines Sufa, Meiner Lilienftadt, beftreut — aufbrechen Laß vereint ung zum Erobrungszuge!
—
= —
Phanor ging mit tieferfchütterter Seele, Da, al3 Dank für alle die erwieine Wohlthat, Xerxes Soldhes von ihm heiſchte.
Fünfter Geſang.
Unterdeg gen Sardes in das Yager War Foniens freiheitdurft’ge Jugend Bon des Latmos, des Mefjogis Höhen Und vom Meerftrand Hingeftrömt. Die Thäler Kings, die Bergeshänge mwivderhallten Bon der Thatenluft'gen Kriegsgefängen, Ihrer Waffen Schall. Zurücgeworfen Zu zwei Malen war mit feiner Heerſchaar Beffus, Perſiens Satrap in Lydien, Bon dem tapfern Häuflein; aber klein nur Blieb e8. Krieger hatten einzig Myos, Teos, Kolophon gefandt: der andern Städte Beiftand und der Samierflotte Hilfe ward umfonft erhofft. Bon Dften, Drohend wie gemitterfchwere Wolfen, Rückte Beſſus da mit neuem, mächt'gem Sriegsheer wider fie, den Bogenſchützen Parthiens, Paphlagoniens Reiterſchwärmen. Schon von einer nahen Warte ſah man Weithin unter ihrer Roſſe Hufen Wolken Staubs, durchblitzt von ihrer Waffen, Ihrer Harniſche Glanz, zum Himmel wirbeln. Schack, Ce. Werke. IV. 16
eg
Abend ward es; von der Mondesjcheibe Wallte Dämmerglanz auf Berg und Ebne Nieder, und ſchon flammten einzeln Feuer Bor den Zelten auf. Hin durch des Yagers Gaffen mit Gemwaffneten, deren Führung Ihm vertraut, ſchritt Kallias zu dem Hügel, Wo Machaon, den als ihres Werkes Lenker Alle ehrten, zur Berathung Ihn mit Andern hinbefchieden. Biele Fand er dort im Kreife ſchon verjanmelt, Und dem Achtzigjähr’gen floß die Rede Eben jo vom Mund: Auf uns, uns einzig Sind wir num geftellt! Die Hoffnung, daß ung Noch von Andern Hülfe fomme, wäre Unjrer Feinde ſchlimmſter. Aber mögen Die uns feig verlaffen, die in den Städten Sich bei Wein und Mahl ergögen! Freud'ger, AS fie fich die Stirn mit Rofen fränzen, Stürzen wir dem Schlahtgewühl entgegen. Nah ift der Entjcheidungstag; jo zahllos Wie im Herbft der Wanderpögel Schwärme, Wenn ihr Flug die Luft verfinftert, ziehen Wider uns der Perſer Heere; doch was Zagten wir vor ihrem wogenden Kriegsſchwall, Die wir Alle, ehr als daß wir weichen,
Uns die Bruft mit vothen Todeswunden, Bis hinab zum Herzen Haffend, ſchmücken? Wer das Erdenkleid als Unterpfand für Em’gen Nachruhm in den Staub zu werfen Stet3 bereit ift, kann den Sieg gebieten: Sei mein Sklav! Und ob er gegen Hundert Einer ftehe, aus der Feinde dichtiten
Reihn vermag er ihn von Xerxes’ Wagen, Dem er wie ein gefeffelter Leu durch hundert Schlachten nachgefolgt, an fich zu reißen.
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Sprachs und ſchwieg. Rings aus der Krieger Kreiſe Scholl ihm Zuruf laut aus jedem Munde; Über Hier voll Siegsvertrauen, dort voll Todesahnung. Hoher Greis! nahm Dymas Drauf das Wort, in Yacedämon früh jchon, Wenn bei Winterfroft wir des Eurotas Fluth durchſchwimmen, wenn im Schwertertange, Paar an Paar, die Jünglinge fich entgegen Schreiten, lernen wir mit Kraft die Glieder Stählen, wie mit Mannesmuth die Geele.
Aber freudig muß ichs mir befennen:
Hier auch füllt ein Hauch von des Tyrtäus Geiſt der Krieger Bruft, daß fie nicht beben, Wenn die Möre ihre dunfeln Looſe Schüttelt.
Und von hundert Stimmen tönte Durch die Reihn das Lied: Feſt an die Tartſche Drängt das muth'ge Herz, wenn ſich des Kampfes Blutiges Gewirr erhebt! Der Männer Keinem, ſei er auch vom Götterſtamme, Ward beſtimmt dem Tode zu entfliehen, Und ſüß iſt fürs Vaterland das Sterben, Wenn der Tapfre, kühn dem Feind das Antlitz Bietend, hinſinkt in den vordern Reihen.
Als das Lied verſtummte, ſo zu Kallias Sprach der Greis: Nah kann der Perſer Angriff Sein; drum ehe noch der Berge Gipfel Eos röthet, auf des nahen Hügels Warte klimm, um nach dem Feind zu ſpähen, Und bereit laß Lydiens beſte Roſſe Halten, um von ſeiner Regungen jeder Uns durch Boten Kunde ſchnell zu ſenden!
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In fein Belt, dort furze Zeit zu raſten, Schritt Machaon; auch die andern Krieger, Durch das Yager fich vertheilend, lagen Bald in Schlaf verfenkt; der Auf der Wachen Einzig ſcholl noch. Aber Kallias jprengte, | Nicht den Tag erwartend, nad) dem Higel, Und Gedanken bald ans theure Hellas, An Arete bald und wieder drauf an Kampf und Tod im wilden Schlachtgewühle Drängen wechſelnd fich in feiner Seele.
Auf des Hügels Spitze heißt Alfander, Der dort Wacht gehalten, ihn willfommen; } Und die Beiden pflegen bei einander Sitzend lang noch Zwieſprach von Joniens Und von Hellas' Hoffnung. Als die Sterne Nach und nach erbleichen, ſo ſpricht Kallias Zu dem neugewonnenen Freund: Erfülle Einen Wunſch mir: wenn nach dieſem Kampf du Mich nicht wiederſiehſt, ſeis daß die Perſer Mich hinweggeſchleppt, ſeis daß der Schlachttod Mich ereilt, bring’ an des Phanor Tochter Dies von mir und thu’ ihr fund, daß treu mein Herz ihr immer blieb!
Er ſprachs und reichte Bei der Frühe Schein den Freund ein Täflein, Drauf er Worte ſchrieb. Jedweden Dienft dir, Fuhr er fort, gelob’ ich, wenns verhängt tft, Daß ich lebend, frei das Schlachtfeld Laffe.
Ihm die Rechte bietend ſprach Alfander: Bau’ auf mih! Doch nicht um Gleiches bitten Kann ich dich: dem Vaterlande einzig,
Aber Feinem Weibe noch in Yiebe
a
Bin ich zugethan. Allein im Lager Harrt man meiner; Freund, ih muß dich laſſen!
Und von dannen fprengt er, während höher Aus der Finfterniß ringsum der Berge Spigen tauchen und wie Purpurinfeln In der Fluth der Morgennebel Schwimmen. Als die Dünfte fchwinden, in der Ebne Sieht und auf den Höhen allhin Kallias Sich) der Perjer Heergemwimmel dehnen,
Und fein Bli verirrt fi in der Völker, In der Trachten fluthendem Gewühle. Siehe! gleich dem Meer im Morgenwinde Negen fi die Waffen; von der Roſſe,
Bon der Reiter ehrnen Schuppenpanzern Hüpft ein bligender Lichtſtrahl durch die Yüfte. Daß heran zur Schlacht die Feinde rüden, Sagt der Wimpeln Flug, die nah und näher Flattern. Kallias läßt verhängten Zügels Reiter mit der Botjchaft zu Machaon Fliegen; eilendS jelbft zu feiner Schaar dann Sich gefellt er, fie ins Feld zu führen,
Und alsbald mit Schmetterton erichallen
In Joniens Yager die Drommeten.
Auf dem Schlachtenwagen, den zwei weiße Roſſe ziehen, hoch die blinfende Yanze Schwingend gab der greife Held Machaon Für des Heeres Ordnung die Befehle; Und das Fußvolf und die Roffetummler, Seinem Wink gehorfam, drängten Schwarm auf Schwarm fi durd) das Feld. Bon drüben nahte Mit den menſchenmähenden Sichelwagen, - Gleich als wär's zum Erntefeſt des Todes, Afiens ungeheures Heergemoge;
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Seiner Bauten Schall erhebt ſich dröhnend Himmelwärts, und al3 die Vorderreihen
Auf einander treffen, mengt mit Yanze
Yanze fich, Roß wiehert dicht am Roſſe.
Auf den Boden feft geftemmt die Füße,
Mit dem Schild die Bruft gededt, bricht Kallias Wie ein Keil ins wirre Knäul der Feinde Seinem Häuflein Bahn mit wucht’gem Speere. Aechzen von Erjchlagnen, Stegesjubel
Halt um ihn, und Leichen über Yeichen Ihürmen fih. Ein Braufen ringsum war es Die im Wald, wenn in des Herbites Sturmwind Krachend feine Zweige an einander
Schlagen. Bor der Meder mächt’ger Steule Fiel der Eine hin zermalmt; vom Fangitrid, Den die Baktrer jchleuderten, wurden Andre Fortgeriffen und vom Dolch der Wilden
Dann durhbohrt. Dem Meer am Vorgebirge Sunium glei, wenn es mit vollenden Wellen Um die Klippen ſchäumt, hinauf, hinunter Wogt die Schladt; Joniens Krieger brechen Durch der Pfeile Flug, die ſauſenden Speere Bahn fich, ob auch rechts und links zu Boden Sterbende finfen; ihre erznen Schilde
Klingen von dem Anprall der Geſchoſſe;
Wo fie vorwärts dringen, wallt ein Blutftront. Aber immer neue Feindesfchaaren
Yichten mählig ihre wanfenden Reihen;
Nicht Machaon mit der ftrahlenden Yanze
Sieht man mehr; geftürzt vom Sclachtenwagen Sit ex, Sterbende deden haufenweife
Um ihn her die Erde. Aufrecht ftand noch Kallias in der Mitte Hingejunfner ;
Dann durch einen Speerwurf ward vom Haupte Ihm der Helm geriffen. Stürmiſch ſprengte
———
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Wider ihn ein Schwarm von Berjerreitern; Dei dem Andrang janf mit flirrender Rüftung Er zu Boden, und die Reiter fausten
Ueber ihn dahin mit Stegesjauchzen.
Yange dunkel blieb es ihm im Geifte. Dann, daß auf ein Roß gebunden itber Berg’ und Thäler man am jengenden Mittag Wie beim Froft der Nacht hinweg ihn fchleppte, Ward gewahr ev. Wieder mwechjelnd ſchwanden, stehrten ihm die Sinne. Vorwärts immer, Naftlos vorwärts gings; wie viele Tage, Nächte? jeine fiebernden Pulſe einzig Maßen fie mit ihren wilden Schlägen. Todesſtarrheit hatte lang die Sinne Ihm gebunden; als fie wiederfehrten, Fand er fich in grabestiefem Dunfel. Wie er fterbensmatt die Glieder vegte, Tönte Kettenrafieln. Nach und nad drauf, Daß in finfterm Kerker er gefefielt, Ward er fi bewußt. Der glühenvden Yippen Durft zu ftillen, ftand ein Wafjerbeden Neben ihm. Bisweilen hallte Klivren Schwerer Riegel an fein Ohr, und drehen Hört’ er fich ein Thor auf ehrnen Angeln. Dann auf Augenblide glitt ein matter Schimmer durch die Finfterniß; er fchaute Eine Geftalt, die iiber ihn fich beugte, Drauf verſchwand; gefüllt war neu das Beden, Und ein Brod lag ihm zur Seite. Irr ward Halb im Wachen, halb im Schlummer hierhin, Dorthin ihm der Geift gejagt. ein Hellas, Ueberſchwemmt vom Heere der Barbaren, Sieht er, fieht Athen zur Trümmerſtätte Umgewandelt und im Schutt der Tempel
ra
Seiner Götterbilder Pracht begraben;
Roth von Blut gehn des Kephifjos Wellen; In den Winden weht die graue Aſche
Bon zerftörten Städten, und in öden Straßen kämpfen Wölfe mit den Geiern Um die Leichen ihrer erwürgten Wohner. Aus dem wüſten Graungefichte rettet
Seine Seele fih in Nacht, wie Nichtfein Tief. Doch wieder dann, daß ihn Berzweiflung Nicht umdunfle, fenden holde Träume
Ihm die Götter: in des Morgens Lichte Sieht et Pallas ihre ftrahlende Yanze
Ueber Attifas beglüdte Fluren
Und der heiligen Stadt Heroengräber, Tempel und Altäre jcehügend breiten;
Bor der Himmliſchen fliehn des Perjerheeres Taufend-Taufende; und er jelbit gerettet, Der befreiten Heimath Lüfte wieder Athmend, wandelt an Aretes Seite
Durch Kolonos’ immergrüne Waldnadht, Wo aus dunfeln Epheus Schattenfühle Nachtigallen im Silbertone flöten,
Dver läßt mit ihr von des Anchesmos Delbaumprangendem Hang die Blide fernhin Auf die Thefeusftadt, des Olympion Säulen Und des Meeres duftige Inſeln gleiten.
Lange, lange Monde hatte Kallias In des Kerkers ewig ftummer Grabnacht Keiner Menſchenſtimme Laut vernommen. Einſt den Wärter da, an den umſonſt er Oft das Wort gerichtet, hört er alſo Reden: Jüngling, ſtreng iſt mir geboten, Angekettet hier dich zu bewachen; Doch mein Herz vermag ich nicht dem Mitleid
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Zu verfchliegen. Einen Sohn einft hatt’ ich; Lebt' er noch, jo wär’ er deines Alters.
Und an ihn, als dich hierher die Krieger Brachten, fand ich mich bei deinem Anblid Sp gemahnt, al3 ob er vor mir ftände. Daß dein Yeben hier verwelfe fürcht’ ich, Wenn du diefen Moderdunft nur athmeft. Komm’ denn! jeden Tag auf eine Stunde Löſ' ich dir die Fefleln, daß du droben
Auf dem Dach des Thurmes dich ergeheit.
Und die Ketten von ihm nehmend führte Ihn der Wärter fteile Treppen aufwärts In des Tages ungewohnte Helle.
Auf den Zinnen eines himmelhohen Thurmes, der auf fahle Bergesrüden Niederichaute, fand fih Kallias. Düftre Schlünde, mit des Korkbaums grauen Stämmen Spärlich nur bewachlen, gähnten allhin; Nur nad einer Seite lag ein Blachfeld, Unbebaut und menfchenleerr. Dem Jüngling War des Himmels freie Luft zu athmen Yabjal ſchon. Zurück von Neuem ward ev Ins Berließ gebracht; allein er fonnte
In der Hoffnung auf den nächſten Tag nun Yeichter feine Kerferqualen dulden.
Als nach bang gezählten Stunden wieder Auf dem Dach er ftand, von unten fernher Klang e3 wie Gejchmetter von Drommeten An fein Ohr; in Paufen nur vom Windſtoß Ward der Ton zu ihm emporgetragen.
In die Tiefe blidend, dichtgefchaarte Heeresmafjen, Wolkenjchatten ähnlich, Sah er ziehn; durch Wirbel Staubes jagten
oe
Reiterſchwärme; von des Fußvolks Tritten Hallte dumpf der Boden, daß jein Dröhnen Bis nach oben ſcholl. Auf Kallias’ Frage Antwort giebt der Wärter, als zum Kerfer Er ihn wieder leitet: Unaufhaltjam
Rückt vom Saum der Erde her, von Aſiens Vetter Gränze Kriegsheer hinter Kriegsheer. Der erhabne Xerres will das troß’ge Griechenland mit allen jeinen Wohnern Unterwerfen; und fchon jest, noch eh er Selber feine Kriegermyriaden
Ueber den Hellespont auf luft’ger Brüde Führt, die Heergejchwader ſchickt er weſtwärts. Sp wie hier ftarrt zwijchen Indiens Bergen Und dem Meere Joniens von Waffen
Alles Land; zu uns ward Narbazanes,
Der Satrap, mit hunderttaufend Kaſpiern, Daß fie in Eilicien überwintern,
Jüngſt gejandt; er weilt am Meer bei Iſſus In dem Schloß Roxanens, feiner Schweiter, Die dem Sohn des RXerxes furz vermählt war Und am Hof des Königs hoc) geehrt wird.
Wie ein Blitz, der feine Nacht erhellte, Fiel der Name in des Kallias Seele. Narbazanes! rief er. — Beim Gedächtniß Deines Sohnes fei befhworen, bring’ ihm Dies von mir und ſag' ihm: bitten laſſ' ich Um des Lebens Beftes ihn, die Freiheit. Sieht er diejes Kleinod, das er einft mir Neichte, ich bin ficher, er gewährt fie!
Und den Ring mit prächt’gem Chryjolithe Zieht er aus der Bruft; der Wärter nimmt ihn Und erwidert: Wohl! an den Satrapen
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Send’ ich ihn durch meiner Diener treuften. Freudig wie dem eignen Sohne, glaub’ mir! Würd' ich dir des Kerkers Thore öffnen.
Dange Stunden, Tage harrt der Jüngling, Bon des Thurmes Zinne fpähend, ob nicht Staub, fernher aufjteigend, ihm des Boten Rückkunft melde. Endlich heim des Weges Kommt er mit dev Kunde: den Gefangnen Selbft joll ic) vor Narbazanes führen,
Daß er prüfe, ob er jeine Fefjeln Löſen dürfe. — Alfo folg’ mir, Grieche!
Sechster Geſang.
Im Geleit Gewaffneter zog Kallias Weſtwärts durch Gebirg und Schluchtgewirre, Bis am zweiten Abend er des Meeres Blauen Spiegel und, auf Klippen thronend, Einen Prachtpalaſt gewahrte, deſſen Hochgewölbte Kuppeln, Thürme eben In der Sonne legten Strahlen glühten. Fliegende Treppen führten zu des Schlojjes Marmordad empor; auf Faspisjäulen Ragten goldne Söller, rings aus Nifchen Sahen alter Helden Marmorbilder Don den Wänden nieder, und vom Felle, Drauf es ruhte, jenkften auf Zerrafien Sich Yimonenmwälder bis zum Ufer.
Aufwärts zu dem Bau, durch hallende Höfe, Wo der Goldfiſch durch kryſtallner Teiche Zitternde Wellen ſchwimmt, in einen Saal wird Kallias geführt, und den Satrapen Sieht er, der von einem Purpurdivan Sich erhebend ihm entgegenjchreitet:
Sei gegrüßt, mein junger Freund! es ſchmerzt mich So gefefjelt dich vor mir zu jehen.
Hätteft meiner Warnung du geachtet
Und dich wider des erhabnen Kerres
Unbezwingliche Heere nicht vermeffen
In den Kampf gewagt, die Freiheit hätte
Keiner dir gefürzt. Allein die Ketten
Löſ' ich gerne dir; geloben einzig
Mut du mir zuvor, die Waffen nie mehr
Wider Perfiens Herricher zu erheben.
Ihm erwidert, muthig ihm ins Antlig Schaund, der Jüngling: Fordre, daß der Götter Fluch ih auf mein Haupt herniederrufe,
Ehr, als daß ich ſolchen Eid dir leifte!
Nein, der Ketten ſchwerſte Yaft zu tragen Soll die Hoffnung Kraft mir leihn, einjt werde Meine hohe Schügerin Athene,
Aus der Haft mich vettend, zu den Meinen Heim ins theure Hellas mic) geleiten.
Mag durchs Kerkerjoh mir dann der Glieder Kraft gebrochen, mag mein Haar ergraut fein, Do, fo lange noch ein Tropfen Bluts mir In den Adern rollt, jo lang ein Schwert noch Meine Rechte halten kann, auch werd’ ich Wider unfres Yandes Erbfeind fümpfen.
Narbazanes drauf: Um deine Thorheit Thuts mir leid! Zwei Tage noch Bedenkzeit
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Geb’ ih dir; allein, wenn du bis dahin Andern Sinnes nicht geworden, muß ich, Wie es mich auch jchmerze, in den Kerker Neu dich jchleppen lafjen, und noch jchwerer, Daß fie deinen Starrfinn brechen, Jüngling, Sollen Eiſenjoche auf dir laften.
Während jo er fpricht, iſt aus der Halle Nebenan Rorane vorgetreten, Und auf Kallias die dunfeln Augen, Tief wie wolkenloſe Sommernädte, Heftend redet fie zum Bruder aljo: Diefjem Griehen — muß ich dran dic) mahnen? — Dankſt das Leben du, und nun in Ketten Sehen fannft du ihn? Daß jolde Gluth ihm In der Seele flammt, daß über Alles Theuer ihm jein Hellas ift, ich preif’ ihn Hoch darum. Tritt näher, edler Jüngling; Bon den Armen nehm’ ich dir die Felleln.
Doch, wie feſtgewurzelt, feinen Schritt thut Kallias; jtaunend zu dem hohen Weibe Blickt er auf; ihm ift, als ob der Here Marmorbild lebendig vom Altare, Wo er oft als Knabe ihr geopfert, Niederfteige. Lächelnd tritt die Fürftin Drauf zu ihm heran und löft die Fefleln Mit der lilienweißen Hand. Gejchehen Läßt es der.Satrap, doch fpricht voll Ernites: Mein Bertraun wirft du nicht täufchen, Grieche, Das verbürgt dein Blif mir, den fein Wölkchen Falſchheit trübt. Allein vernimm: verjuchteft Du mir zu entfliehn, jo würden taujend Schwerter wider deine Bruft gezüdt jein. Nach zwei Tagen deine Willensmeinung
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Thu mir fund! Gelobſt du was ich heijche, Sp fteht frei der Rückweg dir nad) Hellas; Aber mweigerft dus, jo muß ich, Solches Heiſcht die Pflicht von mir, dich in der Veſte Unterftem Verließ es büßen lafien.
Bis dahin, fiel ihm ins Wort Norane, Sei er denn mein Gaft! Wenn du dem Xerres Schuldeft, unfer Heer vor jeines Armes Kraft zu ſchützen! ich, als unſern Feind nicht, Nur als deines Lebens Netter fenn’ ich Ihn. Ihr Sklaven auf! in meines Schlofjes Prädtigften Gemächern joll er wohnen; Schmückt fie feitlih, um ihn zu empfangen!
Mildern Tons drauf jagte Narbazanes: Nicht vergaß ich, wie ich, wadrer Jüngling, Dir verjchuldet bin. Sei weile, wie du Tapfer bift! Erfülle, was von dir ich In des Königs Namen heifchen mußte,
Und von Perferdankbarfeit ein Zeugniß Sollft du mit dir heim nach Hellas nehmen.
Keiner Frift, ſprach Kallias, bedarf eg, Daß ich mich entfcheide. Seiner Täufchung Sieb dich Hin! Wofern du wähnft, ich fünnte Meinem befjern Selbjt je untreu werden, Sende gleich zurück mich in den Kerker.
Der Satrap darauf: Die Zeit wirft Wunder, Freund! und über Nacht kommt befirer Rath oft. Schon zum Untergang neigt fih Orion.
Geh der Ruhe pflegen jest, und Ormuzd' Segen malte über dir!
Zum Gehen Wandt' er fi; zuvor den Saal verlafjen
—
Hatte ſchon Roxane, daß ſie Alles
Zum Empfang des Gaftes ordne. Kallias, Bon des Tages Mühſal überwältigt,
Folgt den Sklaven in die Prachtgemächer Und wirft übermüdet fich aufs Yager.
AS am Tage drauf der Traumgott, der ihn Freundlich in fein Hellas heimgeleitet,
Bon ihm weicht, ift nahe ſchon die Sonne Ihrem Mittagsftand. Auf eine Sklavin Fällt fein Blid, die unfern feiner Ruhſtatt Steht, und tiefvermundert hört er, wie fie In Hellenenfprache zu ihm redet:
Dieſe Prunfgewänder, Fremdling, bringen Soll id) dir; nach Iſſus plöglich wurde Der Satrap gerufen und fehrt morgen
Erſt zurüd; doc) meiner hohen Herrin Wunſch ifts, daß du bald vor ihr erjcheineft.
Schnell gefaßt drauf Jener: Griechin bift du Und fannft glauben, ein Hellene werde Durch Barbarenkleidung fi) entehren ? Eile! deiner Herrin melde, anders Nimmer al3 in Tracht der Griechen wird’ ich Bor fie treten.
Seiner Weijung folgend Geht Erigone; doch, al3 vom Yager Er fih faum erhoben, fehrt zurüd fie Mit der Meldung: deinen Willen achtet Meine Herrin; folge mir zur Stelle.
Bor ihm jchritt die Sklavin durch des Schlofjes Zange Gänge bis in eine Halle, Die von Porphyr ftrahlte; Blumenfränze Wanden fih um Wlabafterfäulen,
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Und durch hochgewölbte Bogenfenjter
Glitt der Blick hinabwärts auf des Ufers Schmwellende Hügel, wo aus dunflem Yaubgrün Der Granate Purpurfrüchte glängten
Und Limonen bleich durchs Blätterdidicht Dlinften. Hallend auf zu den Altanen
Stieg der Meerfluth Brandung, die ſich unten Mit der Schiffe fernhingleitenden Segeln
Bis ins Unermeßne dehnte. Kaum war Kallias eingetreten, al3 Roxane
Hold ihn grüßte. Rückgeſchlagen wallte
Um ihr Haupt der Schleier, und der Yoden Schwarze Fluth umdunfelt nachtgleich ihres Nadens Marmorglanz. Der Sphinx Aegyptens, Die mit ihrer Züge Schönheitzauber
Schon der Menjchen frühe Welt beftridte, War fie gleich an Antlis, und gebannt ſtand Sallias, wie fie fprah: Sei, Freund, willfommen ; Und als Herr in dieſem Schlojje walte!
Dein, jo weit das Auge reicht, iſt Alles. Diefe Haine, die mit goldnen Früchten Prangen, diefe Hügel, wo die Winzer
Mir der Weine Föftlichjte feltern, nennen
Did) Gebieter. Als der Herrichaft Zeichen Nimm den Ring hier mit der Edelperle,
Die aus tiefftem Meerjchlund dieſes Golfes Taucher mir geholt! Des ganzen Oſtens Kön’ge werden den Befig dir neiden.
Ihr erwidert Kallias: Du verhöhnft mich! ALS Gefangner weil’ ich hier, und wieder Dald wird mich der düſtre Kerker bergen.
Frei bift du — fällt ihm ins Wort Roxane — Doch mit einem andern Band umfchlingen
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Will ih dich; nur leicht find feine Maſchen, Aber um dein Herz gemwoben werden
Feſter fie als Erz dich) an mich fetten;
Nie mehr diefen Wohnfig unfrer Wonne Darfit du lafien.
Doch zu ihr fpricht Jener Leuchtenden Blids: Für Baterland und Freiheit Kämpft der Grieche; Schmach ihm, wenn die Pflicht er Einem Weibe opfert!
Drauf die Fürftin: Nicht jo vajch, Unbändiger! Bernimm mic: Eben weil du Grieche bift, zum Liebling Meiner Seele hab’ ich dich erforen. Früh ſchon ließ Erigone, die Sklavin, Mic für der Hellenen Bolf erglühen, Und hoch flammte mir das Herz, wenn fie mir Bon der Argonauten Zug erzählte, Wie der fühne Jaſon von des Dradens Wuth das goldne Widderfell erfämpfte; Mir erzählte, wie am Strom Sfamander Wetterwolkengleich der Krieg fich ballte Und durch feine Wirbel die Achäer Stürmten, um von Ilions hoher Zinne Sich herab den Sieg zu reißen; o wie Staunt’ ich, wenn auf donnerndem Schlachtenwagen Mit dem flatternden Helmbuſch Diomedes, Ajas durch der Troer Reihen brauste; Mit bei ihrem Thatenjubel jauchzt' ich, Weinte mit bei ihren ZTodtenflagen. Groß find Frans Helden, aber größer, Herrliher als unjer Ruſtem dünkt mic Eur Adill, eur göttlicher Patroflus.
Schack, Gej, Werke. IV. 17
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Habe Dank! fällt Kallias ein: vor Freude, Daß du der Hellenen Helden preifeft, Hebt fich hoch mein Herz. — Dann Jene weiter: Und nun ihrer Einen, des Peliden Abbild jeh’ ich vor mir — dich, Öeliebter! Schon als in Jonien vor des Bruders Zelt ich dich erblidte, klopften ftürmifch Alle meine Pulſe dir entgegen; Doch wie von des Himmels Blitz getroffen Stand ich da; drauf, als ich zum Bewußtſein Neu erwachte, warft du mir entfchwunden. Boten ſchickt' ich fruchtlos Dich zu ſuchen, Und in Nacht verhüllte fich mein Yeben. Aber Ormuzd hat, der höchfte Yichtgeift, Dich mir hergefandt, du junger Sriegsgott, Und in Fefleln, ſüß wie fein Gefangner Jemals noch fie trug, will ich dich ſchlagen. In den Hallen hier, auf den Terrafjen Yaß uns ruhn, und bei des Springquell3 Plätjchern Unfre Herzen, an einander pochend, Holde Zwieſprach halten! Oder unten In des Haines dichtverfchlungnen Yauben, Wo, wie Mondlicht, durch die ew’ge Dämmrung Der Drangen goldner Schimmer zittert, Ström’ ich alle meine Herzensmwonne, Alle Quellen meines tiefften Weſens In das deine, während in Himmelsflammen, Wie das heil’ge Feuer über Mithras’ Stirn, die Liebe lodernd über unfrem Haupt zufammenfchlägt.
In ihrer Stimme War ein lang, der hin durch alle Nerven Bebte; ein geheimnißvoller Zauber, Ihres dunfeln Auges Gluth entquellend,
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Lud zu Schlummer und zu heißen Träumen, Die wie Flügel wonnevollen Todes
Um die Seele wehen. Gleich dem Wandrer, Der in eines Waſſerſturzes Wirbel Niederftarrt und in den ſchäumenden Abgrund Schwindelnd fich hinabgerifjen fühlt, fteht Kallias vor der Schönen da; den Boden Fühlt er unter feinen Füßen zittern,
Und ein nie empfundenes Entzüden
Will hinab in felgen Untergang ihn
Ziehen. Nicht daß ſchon Hin durch den Saal ſich Dämmrung breitet, hat er wahrgenommen. Auf den Wink der Fürftin bringen Sklaven Eine Tafel, drauf in Silberſchüſſeln
Alles prangt, was Köftliches die Erde
Und die Meerfluth beut, das Neſt, das Indiens Schmwalben hoch an himmelnahe Feljen Hängen, wie der Tiefe köſtliche Mufchel,
Des Neptun Geſchenk. Auf Purpurpoliter Muß der Füngling an der Schönen Seite Sigen und, ihm Wein vom Euphrat bietend, Der in fryftallner Schale perlt und funfelt, Spricht fie: Siehe! der Geftirne Reigen Schon führt Anahid herauf. O Füngling, Noch nicht ahnt du, welche hohen Wunder In des Dunfels Schooß verborgen ruhen, Wenn die Nacht mit ihren thauigen Yippen Jeden Schein des Tags in Schlaf geküßt hat Und allein der Liebe Sonne leuchtet.
Dann erft wird das Herrlichſte des Lebens Uns zu Theil, wenn ſelbſt der dreiften Sterne Strahl nicht dur) des Epheus, der Springe Blätterneg ſich einftiehlt, unter dem mir Schmachtend an geliebtem Bufen ruhen
Und in heigem Athemzug des Andern
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Seele in uns ziehn, indeß der Yiebe
Duft’ger Hauch, in Tropfen Thaues zitternd, Sich an unfre Locken hängt, und Ader
Dit an Ader Hopfend, wie mit Klängen
Aus dem Chor der Ephären uns beraufcht. Freund, Nicht undankbar dürfen wir des hohen Drmuzd Huld verfhmähn, der Schon auf Erden Der Unfterblichen Glüd uns ſchenkt; des Lebens Duell, von dem er jelten einen Tropfen Seinen Vieblingen gönnt, hat reich und voll er Bor uns ausgegofjen; laß in ihn denn
Wie in ein feliges Bad ung untertauchen,
Daß wir neugeboren ihm entjteigen! —
Der Perfephone, der Schatten bleiche
Königin, vor deren Yilienbläffe
Aller irdiſchen Frauen Reize, ob auch Roſengleich ihr Antlig blüht, verfchwinden, Glich NRorane, wie ihr ſchwarzes Auge
Auf dem Jüngling ruhnd mit heißen Schauern Ihn durchſtrömte. Ihre Worte ftoben
Wie berauſchender Duft auf ſeine Seele.
Da zu ihnen trat die Sklavin: Herrin!
Eben heimgekehrt iſt Narbazanes;
Mit ihm kommt ein Großer von des RXerxes Hof, der eine Botſchaft dir aus Sufa
Bringt. Sogleich verlangt er dich zu ſprechen; Denn jhon in der Frühe auf die Rückkehr Soll er fich begeben und zum König
Antwort, von dir jelbft gejchrieben, tragen.
Zürnend hebt Rorane fi) vom Site: Bin ih Sklavin denn? Entweichen möcht! ich, Bis wo mich fein Machtgebot des Kerres Mehr erreiht! — Sich dann zu Kallias wendend Spricht fie: Weile hier; bald kehr' ich wieder!
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Und wie feftgewurzelt blieb der Jüngling, ALS fie fort war. Sinnentnervend bebten Ihre Reden, ihres Auges Strahlen In ihm nad. Im Naufch, der geiftumnebelnd Ihn beftricte, dacht’ ev: An die Bruft ihr Sinfen, ihren wolluftheißen Athem Langen Zugs von ihren Lippen jchlürfen, Unter ihrem Feuerfuß verglühen,
Was kann Höheres mir daS Leben bieten ? Dort des unterivdifchen Kerkers Grauen, Wonnen hier, wie jelber im Elyfium
Sie die Sel’gen mir beneiden müßten —
Kann ich ſchwanken?
Mit ermattenden Gliedern Wankt' er aus dem Saale, den Arabien Myrrhenrauch betäubenden Dufts durchwallte, Auf den Schloßaltan hinaus und warf fich Auf die Marmorbanf. In der Gefühle Wirbel, in dem Taumel aller Sinne Nang er fruchtlos fich zu faſſen. Während Um die heiße Stivne ihm die Nachtluft Kühlend wehte, hört’ er um die Klippen Unter ſich des hochaufraufchenden Meeres Brandung, und befannte Stimmen glaubt’ er Zu vernehmen. So auf Suniums Felſen Scholl ihm ehmals oft der Wogen Braufen An das Ohr, wenn er von fünft’gen Thaten Einfam auf den Tempelftufen träumte. Da das Antlig hebt er, und vom Himmel Hochher funfelt der Plejaden Sternbild Auf ihn nieder. Dämmernd erft, dann heller, Smmer heller in der umbdüfterten Seele Steigt ihm die Erinnrung an den Abend Wieder auf, al3 zu dem Nuderboote,
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Das ihn nad) Jonien tragen follte,
Ihn der Vater führte und beim Abjchied Mit erhobner Hand gen Himmel deutend Zu ihm ſprach: Zurüd in meine Arme Mögen dic die fieben himmlischen Schweitern Yeiten, die als ihre Schußgottheiten
Unfre Schiffer anflehn. Wenn ich droben Sie den leuchtenden Reigen ziehen fehe, Will ih auf di) nieder der Olympier Segen flehen. Aber du, jo oft du
Sie erblidit, mein Kallias, denk' an Hellas Und was du ihm ſchuldeſt! — Wie er aljo Dachte, nicht des hehren Ölanzgeftirnes | Anblid konnt’ er tragen; jcheu die Wimpern
Senfend ftand er lang gebeugten Hauptes.
Aber mehr und mehr ſank von der Seele
Ihm der Schleier, und fein befjerer Genius
Hob die Schwingen fiegreich, alle Fäden
Sprengend, die ihn zu umfpinnen drohten.
Mit dem Baterlande ſtieg Aretes
Bild, das theure, auf vor feiner Seele.
Himmelwärts den Dlid gerichtet rief er:
Göttlihe Sterne, Yeuchten meines Yebens,
O vergebt mir und den Sinnbethörten
Laßt dem lodenden Truge nicht erlegen!
Noch auf dem Altane jo ſtand Kallias, Als er in dem Saal Roranes Stimme Hörte. Schnell gefaßt hin vor fie trat er Und ſprach ernſt: Daß du den Fremdling freundlich Aufnahmft, habe Dank! doch länger meilen Darf ih nicht. Du jelber, der die Geele Sn Bewunderung für die Heroen Der Hellenen flanımt, wie kannſt du wollen, Daß ein Sohn von Hellas feines Bolfes
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Namen fhände? In den Zaubergärten
Hier ſollt' ich in Selbftveradhtung leben, Während meine Brüder ſich im Wettlauf
In der Ajiaten Lanzen ftürzen?
Nimmer! Roth der Scham, wenn ich! nur denke, Fühl' ich mir im Angefichte brennen.
Eben in die Halle, die des Frühroths Erſter Schein erhellt, tritt Narbazanes, Und zu ihm gefaßt jpricht Kallias: Heut noch Laß jogleich zurück mich im die Veſte Bringen! Nie dir leift! ich das Gelübde, Das du heifcheft. Sind die Glieder drunten In des Kerkers Naht mix feftgefchmiedet, Frei mitfämpfen in der Griechen Schlachten Soll mein Geift do; und mir bleibt die Hoffnung, Daß die Götter meine Ketten löfen, Daß ich mit dem Schwert der Perſer Heere Nievermettern kann. Ya, ſelbſt verhängten Mir die dunfeln Mören, nie das Tagslicht Mehr zu fchauen, lieber dort im Abgrund Will ich fterben, als mit des Verräthers, Mit des Feiglings Brandmal auf der Stirne Schmachbefleckt durchs Leben Hinzufchreiten.
Zornig der Satrap drauf: Deines Starrſinns Strafe alfo trag! Nicht meines Herzens Stimme, nur dem Pflichtgebote darf ich Folgen! —. Doppelt ftarfe Eifenfetten,
Als er trug, an Hände und an Füße Legt, ihr Sklaven, ihm! Berittne jollen Dann zurüd ihn in den Kerker führen.
Und auf fein Geheiß heran fchon eilten Dienftbeflifjene niit dem klirrenden Erze,
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Während hauptverhüllt Roxane dalag:
Bei des Jünglings erften Worten war fie Sprachlos auf den Seſſel hingefunfen. Rachedurſt verfchmähter Yiebe regte
Erft in ihrem Buſen fi; doch furz nur; Dann, die dunklen Triebe niederfämpfend, Feſten Schrittes trat fie hin zu Kallias: Staunend auf zu deinem Hochſinn blick' ich, Deiner Seelengröße, edler Grieche!
Alfo ftanden deines Yandes Helden,
Sp Achill, Batroflus vor dem Geift mir. Dich allein der Yebenden werth geachtet Hätt’ ich mir Gemahl zu fein und wiirde Selig mich wie die Unfterblichen preifen, Dürft' ich dein Gefhid an meines knüpfen. Doch Entfagung legen mir die Götter
Auf das Haupt; in Wittwentrauer hüll' ich Mich zum zweiten Mal und jchwöre, nie mehr Heben werd’ ich von der Stirn den Schleier. Aber du — hör’ mein Gelübde, Jüngling! Frei zurüd nad) Hellas jollft du fehren. Muß mein Bruder, feiner Pflicht gehorchend, Di in Ketten halten, wohl fo eil’ ic) Selbft zu König Xerres! Edlen Sinnes Wird er deiner Feſſeln dich entled’gen.
Du jedoch — zu Narbazanes wandte
Sie fi) dann — bei jedem Athemzuge,
Den du thuft, mußt du nicht denken, daß du Diefem Kallias ihn dankſt? Und ihn nun Könnteft du im Kerker fchmachten laſſen? Nein! ich weiß, dein Herz nicht, der Satrap nur Kann das wollen. Ueber allen Pflichten Steht des Danks Gebot, vom höchſten Ormuzd Uns mit Lichtfchrift in die tieffte Seele Eingegraben. Ihm, mein Bruder, folge!
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Sieb den Griechen frei, und wenn bei König Kerres Einer je dich drob verflagte,
Tritt zu ihm und ſprich: Großherzig zeigte Der Hellene ſich; hätt’ ich, des Namens Perfer unmwerth, klein mich zeigen dürfen?
Sinnend jah zu Boden Narbazanes Und ſprach dann: Frei bift du, Grieche! Eile Zu den Deinen heim; jedoch verbirg dich Wie du fannjt vor jedem Menjchenblide! Der Jonier Aufftand ift bezwungen; Und wenn man al3 Griechen dich erfennte, Könnte der Satrap felbft dich nicht retten.
Kallias vang vergebens auszudrüden, Was jein Herz bewegte. Stammeln fonnt’ er Einzig: Nicht durch Danfesworte will ich Mein Gefühl entweihen! Diefer Rechten Drud, die ich als ew’ger Freundfchaft Pfand Euch Biete, mag ſtatt meiner reden. Laßt mich Ziehen denn, nach Griechenland die Kunde Von der Perſer Edelſinn zu tragen!
Noch des Weges Richtung, wie durch Wälder, Schluchten er ihn nach Jonien führe, Deutet Narbazanes ihm. Hinweg drauf, Als der Tag verglommen, flieht der Jüngling Durch des Taurus unwegſame Schlünde; Ueber brauſende Ströme hin, auf Brücken, Die ihm blitzgefällte Stämme bauen, Geht ſein Pfad, und eh des Morgens erſtes Dämmern durch den Himmel ſchleicht, verbirgt er Sich in Höhlen; erſt die Eule, wenn ſie Wieder ſich zu nächt'gem Flug hervorwagt, Giebt das Zeichen ihm zu weiterm Fliehen.
aber —
Uepp’ge reichbebaute Ebnen breiten Sich um ihn; doch fürchtend, daß den Perjern Ihn das Schallen feines Tritts verrathe, Sucht er öde menfchenleere Haiden. Milde Beeren der Geſträuche, Eier, Die er aus der Vögel hangenden Nejtern Sammelt, find ihm einz’ge Nahrung. Trank beut Ihm der ftodenden Quellen bittres Wafjer; Ueber Simpfe, wilder Büffel Heimath, Und dur immergrüner Eichen Didicht Treibt die Flucht ihn irren Schrittes weiter, Bis von Neuem fteiles Felsgebirg ihn Aufnimmt. Mit dem Fuß aus ihrem Yager Dft empor die wilde Schlange fcheuchend, Ueber Wurzeln mächt’ger Bäume klimmt ev Auf zu wolfennahen Gipfeln oder Läßt am Dorngeftrüppe fi) den Abhang Niedergleiten. Da, nach) mondenlangem Nuhelojem Frrgang, als Dianens \ Schönes Nachtgeſtirn durch fein Erbleichen Ihn das Picht zu meiden mahnt, erblidt er Ferne des Meſſogis blauen Scheitel, Und: das ift Jonien! fagt hochflopfend Ihm fein Herz. Im eines Waldes dunklen Tiefem Schattengrunde, ungeduldig Daß es wieder nachte, fich verbirgt er. Duftendes Geftäude, wie er nieder Auf das Gras fich ſtreckt, wölbt eine Yaube Ueber ihm. Erwachender Hirtenflöten länge hallen aus den grünen Thälern; Horh! und fernher über thauige Wiejen Nuft der Kufuf, wie er in der Heimath Sn den Schluchten des Pentelifon ihn Dft vernommen. Lange dünkt, wie nie nod), Ihn der Tag, der ihn in dem Berftede
FIR
Feſthält. Aber als in nächt’ges Dunkel
Drauf des Zwielichts legte Schatten brechen, Mit beflügelten Schritten eilt er weiter;
Und bald neben ihm mit trauten Klängen,
Wo im Uferfchilfe wilde Schwäne
Sic) bei jeinem Nahn im Schlummer regen, Rauſchen des Kayſter Murmelmellen.
In der Frühe fern am Himmelsſaume
Taucht ein fahler grauer Streif, dag Meer auf; Doch bevor der Haud von Helios’ Nofjen Noch die träumende Fluth bewegt, verbirgt fich Wiederum der Füngling. — Nach zwei Nächten — Herz, dein ungeftümes Klopfen ftille! — Bor des Phanor Wohnung werd’ ich ftehen Und ihn finden dort — ihn und Arete!
Da der Frühling Wälder ſchmückt und Wiefen, Muß er Suja längft verlafien haben.
Alfo Kallias; als die zweite Nacht dann Sich herabjenft, fteigen Wetterwolfen, Hoch fih thürmend, auf am Himmelsdache. Geine Yoden jehüttelt wild der Sturmmwind, Blige zuden, und dem Donnerrollen Widerhallen dumpf die Bergeswände. Aber vorwärts durch des Wetters Toben Stürmt der FJüngling; ſchon befannte Pläße Glaubt er zu erfennen — fieh! zerrifien Eben hat das Wolkendach ein Windſtoß, Und der Mond ftrahlt hell herab; bei feinem Scheine da gewahrt er Trümmermalfen, Halbgeborftne Mauern ftarren düſter Ihm entgegen mit gebrochnen Pfeilern Und, geſchwärzt von Brand und Rauch, find Steine Allumher verſtreut — irr fchweift fein Auge Ueber der Zerſtörung grauſes Bild hin.
Doch hat nicht des Mondes unſtät-flücht'ger Schein, von Wolken wieder ſchnell verſchlungen, Ihn getäuſcht? Nein, bei der fiebernden Blitze Zucken in dem Haufen Schutt erkennt er Phöbus' Standbild, das die große Halle
Einſt geſchmückt hat: das iſt Phanors Landhaus! Solche, die ihn als Verräther haften,
Haben es verwüſtet, und er ſelber
Mit der Tochter iſt, ein blutend Opfer,
Ihrer Wuth erlegen! Lautlos nieder
Sinkt auf einen Haufen Schuttes Kallias, Während im Orkan ihm wild die Locken Flattern und zu Häupten ihm die Eichen Ihre mächt'gen Wipfel krachend ſchwingen. Heule, heule fort, gewalt'ger Sturmwind! Ueberbrauſe meines Herzens Stürme!
Nieder wie den blitzgeſpaltnen Stamm dort, Der vor deinem Wirbelhauche hinſtürzt,
Wälze mich und deiner Donnerkeile Tödtendſten laß auf mich niederflammen,
Daß hinab bis in das Mark der Seele
Er mein Weſen all in Staub verwandle!
Nicht des Hagels, der das Angeſicht ihm Peitſcht, indeß die Windsbraut wild und wilder Um ihn rast, hat Kallias Acht; und auch als Matt durch dichtgeballte Nebelmaſſen Sich der Morgen hebt, die Trauerſtätte Läßt er nicht; fein Fühlen und fein Denken Scheint erftarrt in eiſ'gem Todesfrofte.
Erft al3 wieder Tag und Nacht geſchwunden, Blist ihm eine Hoffnung auf; vielleicht weilt Phanor mit Arete fern in Sufa.
An den Mauern nur, die er bewohnte,
Hat geftillt fich feiner Feinde Ingrimm.
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Unbefümmert, ob man ihn als Griechen Kenne, von vorüberwandernden Perjern Sudt ev Kunde einzuziehn; doch Alle Sagen eins ihm nur: al3 die Empörer, Die nicht auf dem Schlachtfeld hingeſunken, Sich in Flucht zerjtreuten, hat ein Haufe In dies Haus den Fackelbrand geworfen; Ob bewohnt e8 war und ob die Wohner Bon der Mordbegier’gen Hand gefallen, Fragft du uns vergebens.
In dem Jüngling Regt ſich der Gedanke: fort nach Suſa Eil' ich, meines Herzens bangen Zweifel Zu erſticken; doch des Vaterlandes Ernſte Mahnung wieder dann vernimmt er. Finſter zieht heran das Kriegsgewitter, Sein Athen mit Untergang bedrohend; Und die heimathlichen Laren ſoll er Schutzlos, ſoll der Muſen Lieblingsſitze, All die Tempel und geweihten Stätten Vom Barbarenſchwert verwüſten laſſen?
Hin und her wird ſo die Seele lange Angſtvoll ihm geworfen. Endlich rafft er Sich empor in mächtigem Entſchluſſe:
Auf nach Griechenland! Die große Mutter Ruft; des Herzens eigenſücht'ger Trieb ſoll Mich an ihr nicht zum Verräther machen.
Und aufs neu in Höhlen ſucht er Zuflucht, Nachts verſtohlen an das Ufer ſchleichend, Um ein Schiff der Griechen zu erſpähen, Das ihn heimwärts trage. Einſt als Abends Er in eine Felſengrotte eintritt,
Hört er drinnen Stimmen — Laute ſind es
NO
Der Hellenenjprache; hochauf jubelt
Bei dem langentbehrten Klang das Herz ihm, Und, ſich näher wagend, in der Tiefe
Sieht bei einer Fadel rothem Strahle
Er um einen reis, der franf am Boden } Daliegt, eine Männerjchaar verjammelt. Dann: Machaon! tönt von feinen Lippen. Und mit freud’gem Gruß hinab fich beugt er Zu dem Hingefunfnen. Matt die Rechte Reicht der Greis ihm; auch der Andern Biele, Ihn erfennend, heißen ihn willfommen.
Bon des Aufruhrs Ende, von der Perjer Grimm, wie fie auf alle Griechenfreunde Fahnden, fie in Kerfer, auf die Nichtjtatt Schleppen, geben treulich fie Bericht ihm; Aber ihrer Keiner weiß von Phanor.
Alfo redete dann zu ihnen Kallias: Und in diefem Yand der Knechte mögt ihr Länger noch der Sklavenfetten Klivren Hören? Auf! anftatt in dumpfen Höhlen Euch zu bergen, folgt mir! Schon gerüſtet Liegt am Strand ein Schiff, das mich nach „Hellas Bringen fol. Sp wie gefangnen Aolern, Wenn befreit des Himmels reine Yuft fie Wieder trinfen, wird euch auf dem Meer fein, Auf dem theuern, das mit Mutterarmen Seine Slinder, Hellas und Jonien Und die Inſeln al’ umfchlingt. Da drüben Harren euer jehnfuchtsvoll die Brüder, Daß in ernfter Männerſchlacht mit ihnen Ihr die Macht des Weltdejpoten brechet.
Und empor vom Boden vafft Machaon Mählig fih: In meine welfen Adern
a
Frisches Yebensblut hat deine Nede
Mir geftrömt. Das achtzigjte der Fahre Nach Athen zurüd, wo mir das erite Blühte, laß mich tragen! Stählen wird mir Pallas, die Beichügerin meiner Jugend, Einmal noch den Arm, daß die Barbaren Meines Schwertes Wucht empfinden. Aber Trifft mic) Tod, die müden Glieder geb’ ich roh der heimathlichen Erde wieder.
Gleich dem Bligftrahl, der geſchwind von Wolfe Hin zu Wolfe hüpft beim Wetterdunfel, log die Rede durch der Andern Reihen. Sünglinge, Männer riefen: Auf, nach Hellas! Und von Schwertern, Echilden, Yanzen blinfte, Die fie aus der Örottentiefe holten, Bald bei Fadelichein die Feljenhalle. Aber Kallias mahnte: Vorſicht, Brüder, Daß wir uns den Feinden nicht verrathen! Wenn die nähjte Nacht die Flügel jchügend Um uns breitet, laßt ans Meer uns eilen Und in entlegner Bucht das Schiff befteigen.
Siebenter Geſang.
Oranervoll, ſeit Phanor fie nad) Sufa Heimgeführt, im ftillen Fraungemache Weilt Arete, um de3 fernen Freundes Schickſal bang, mit dem durch wen’ger Etunden Zauber unauflöslich fie ihr ganzes
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Sein verflochten fühlt. Auch um den Vater Drüdt fie Sorge; denn noch tiefre Schwermuth Als zuvor in feinem Antlitz liest fie.
Und fo oft von RXerxes er zurückkehrt,
Düftrer liegt auf ihm- des Trübſinns Schatten. Ein Geheimniß jcheint er zu verbergen;
Aber, daß er ihr es offenbare,
Hat fie immer ihn umfonft gebeten.
In die Gärten nächſt dem Prachtpalaſte, Den der König jeinem Freund erbaut hat, Flieht fie oft mit ihres Herzens Trauer. Stolz erhebt zum ewig blauen Himmel Dort des Oſtens Lieblingskind, die Palme, Ihrer Blätter majeftätifche Krone Ueber Eedernhaine und Cypreſſen,
Und im dunfeln Wipfellaube leuchtet
Purpurn der Oranate ſchöner Apfel,
Während aus den Miyrtenheden Weihrauch Durch die trunfne Luft emporwallt. Sprudelnd Hier und da gießt in ein Marmorbeden
Eines Springquell3 flüffiger Kryftall fich,
Und hernieder zu des Gartens Pfaden
Senfen rings aus ehren Urnen Yilien, Tulipanen, Nojen ihre Kelche.
Dort, wenn mild des Abends Stern von Weſten Kühle durch die brennende Yuft herabthaut, Wandelt durch den Yorbeerhain Arete,
Dei der Quellen Murmeln ihrer Seele
Sram zu ſtillen. Oder vor des Tages
Gluth in Fühler Grotten Dämmrung flüchtend Bei der Nachtigallen Liede träumt fie
Don dem Pernen, Theuern.
Einſt tritt haftig Zu ihr hin Yaodamas, ihr Bruder,
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Der zum Jüngling nach und nach erblüht iſt: Schweſter! ſieh, der langerſehnte Bote
Iſt zurückgekehrt! Und ſchon auch folgt ihm Nhaifos, vom Staub der weiten Wandrung Noch bedeckt. Für ihn fein Wort des Willtomms Hat die Jungfrau; nur mit der Erwartung Starrem Blid ihn ſchaut fie an; und ſchnell auch Ihrer Frage fommt zuvor der Sklave,
Da er fpricht: Gebietrin, all mein Forjchen Nach dem Sohn des Drimafos, vergebens Ward. Daß er im Kampfe der Jonier Mitgeftritten, ward mir fund; doch Keiner Weiß, wohin er dann verfchwand, zu jagen. Kaum noch fpricht ers, da tritt in den Garten Phanor und begrüßt den Rückgekehrten,
Aber fragt ihn nicht nach feiner Botſchaft;
In der Tochter angfterfüllten Zügen
Lieſt er fie. Als er noch tiefbetroffen
Dafteht, meldet ihm ein Aethiope:
Eine ganze Schaar gefangner Griechen
Aus Jonien hat man dur das Stadtthor Eben eingebracht. Ich jah fie kommen
Und vernahm, mie ihrer Einer heifchte,
Daß man ihn zu dir, Gebieter, führe;
Einen Auftrag hab’ er dir zu bringen.
Doch die Krieger riefen: In den Kerker
Mit den Frechen! Nicht ein Menfchenantlit Sehen dürfen fie, wenn nicht der König Anders es befiehlt.
Alsbald zu Xerxes Eilte Phanor. Einzig ihm von allen Würdenträgern ſeines Reiches gönnte Der Monarch, zu jeder Stunde vor ihn Hinzutreten. Nacht ſchon wars geworden, Schack, Ge. Werke IV. 18
ur ——
Und von Naphtha, das in taufend Yampen Brannte, ftrahlte gleich) dem Himmelsdome Der Palaſt mit feiner Marmortreppen Goldnen Baluftraden. In dem Thronfaal Hieß der König feinen Freund willfommen; Und faum, daß mit den gefeffelten Griechen Eine Zwieſprach ihm verftattet werde,
Hatte Phanor noc gebeten, ala ihm
Jener lächelnd Antwort gab: Nicht das nur Sei gewährt: nein ihnen allen fchenf’ ich Freiheit; eins indeß ift die Bedingung:
Bis zum nächften Mond in meiner Hauptftadt Weilen müffen fie — an nichts gebrechen Wird es ihnen; bei der großen Heerjchau, Wo ic) Hunderttaufende muftern werde, Meines ganzen Reichs erleſenſte Streiter, Sollen fie die unermefine Kriegsmacht,
Die ich wider Hellas jchleudre, jehen,
Nein, nur ftaunend, voll Entfegen ahnen.
Auf dem Heimweg erft — denn einen Eidſchwur Ihnen nehm’ ich ab, daß den Athenern
Sie Bericht von dem Erblidten bringen — Werden fie die ganze Völfermenge
Shaun, wie fie, von Waffen ftarrend, bligend, Eine wandernde Mafje Erz, ans Meer fich Wälzt — ein Taufendtheil von ihr genügte, Mächtige Reiche aus der Welt zu tilgen. Wollen wider mic jodann die Thoren Kämpfen, wohl! e3 fer nad) ihrem Willen.
Ehrerbietig auf der Bruft die Arme Kreuzend wollte Phanor fcheiden; aber Xerxes hieß ihn bleiben: Deinen Rath mir Für den Kriegsplan, hoff’ ich, wirft du gönnen; Keiner ift in allen meinen Reichen
me
Dir fo werth wie du; als Erſter ſollſt du Dei der Heerichau mir zur Seite ftehen. Dann zwei Monde noch, und bis nad) Yydien Mich begleiteft du, der nahen Salzfluth Bon dem Niefenfchiffe, das für dich ich Daun ließ, Sflavendienjte zu gebieten
Und die bejegelten Häufer meiner Flotte, Die gethürmten, ftadtzeritörenden Beften Wider Griechenland zu führen. Ich dann, Wenn ich Thracien im Triumph durchzogen, In Athen, das mir befiegt zu Füßen Wimmert, dene’ ich wieder dich zu treffen.
Phanor ging; im Kampfe feiner Seele Starb die Antwort ihm. In feine Wohnung Noch dieſelbe Nacht zu ſich entbieten Ließ er die gefangnen Griechen. Alle, Für die unverhofft gewonnene Freiheit Danfend, traten vor ihn hin; der Eine Aber bat, ein Füngling, daß Gehör er Ihm allein gewähre. ALS die Andern Fort, beginnt er: Ein Jonier bin ich, Und Alkander heiß’ ich; einen Auftrag Gab des Drimakos Erzeugter, Kallias, Dir für deine Tochter; jo gewähre Mir die Gunft, ihn jelber ihr zu bringen.
Ihm ins Wort fällt Phanor: Und fo lebt er, Meines Liebften Freundes Erftgeborner? Drauf Alkander: In der Morgenfrühe Jenes Schlachttags, der Joniens Hoffnung Wohl gefnict hat, doch fie nicht gebrochen, Sah ich ihn zulegt; ob er gefangen, Ob fir unfer Yand den legten Odem Er verhaucht — die ew’gen Götter wiſſens!
— 2716 —
Eben war Arete eingetreten, Und die Worte, die fie noch vernommen, Sanfen eifig, wie auf die Narciffe, Die zu früh dem Frühlingshauc vertraute, Winterreif, auf ihres Herzens Hoffnung. Ihr das Täflein reiht Alkander: Dies hier Gab mir Kalliag und ſprach: Areten Brings und fag ihr, daß mein Herz ihr treu blieb!
Stumm vernimmt3 die Jungfrau, und von dannen Wankt fie ſchwanken Schritts. Wohl weiß der Vater, Keine Tröftung ift in folder Trübfal,
Heißer macht fie nur die Wunde bluten. Drum die Einfamfeit der Tochter gönnt er; Aber täglih muß Alfander bei ihm
Weilen, von Jonien ihm erzählen
Und vom Sohn des Drimafos. Zu Theil ward, Sprad der Jüngling, kurze Zeit das Glück mir Der Vereinung nur mit ihm; doch al3 wir Uns zuerſt erblidten, ineinander
Schmolzen unfre Seelen, und mit feinem Fühlt' auf immerdar mein eignes Veben
Ich verflochten. Wenn hinmweggerufen
Ihn die ewigmwaltenden Götter haben, Mehr, als ob den Bruder ich verloren,
Bin verwaist ich; aber ein Vermächtniß Ließ er mir, in dem er felber fortlebt: Seine Geiftes Ringen, feur'ges Streben Hat er ausgeftrömt in meine Seele,
Und der Stadt, der all fein Fühlen, Denken Salt, will ich mein Leben weihn. Hat eine Auf der Erde Helden, Weife, Dichter,
So wie fie, geboren? it fie Mutter
Aller Künfte nicht und alles Schönen?
Hat fie nicht der Freiheit heil’ge Flamme
— 277 —
Fort und fort an ihrem Herd gehütet
Und, wenn kurz auch Tyrannei ſie löſchte, Bald fie höher noch aufſtrahlen laſſen?
Nun, fobald die Mondesfrift verronnen,
Die mich hier noch bindet, auf des Sturmwinds Schwingen eil’ ich, für die Stadt der Städte In den Kampf, jeis in den Tod zu gehen. D, wenn jeder Grieche jeden Tropfen Seines Blut3 zum Pfande macht, daß feiner Der Barbaren nur mit einem Hauche Seines Odems Hellas’ Luft entweihe, Mögen dichter dann heran fie jtürmen
Als des Wüftenfandes Wirbelmogen,
Heim nach Afien werden wir fie geißeln!
Schmweigend hört ihn Phanor, tief im Herzen Der Gefühle Strom, der faft die Bruft ihm Sprengen will, verbergend, und Alfander Redet weiter: Denf! Athen der Perfer Beute! Würde Nacht der Barbarei nicht Und der Knechtſchaft ſich auf Erden breiten, Wenn, geftürzt von der Aſiaten Aexten,
Die Altäre feiner Götter ſänken?
Nein! und müßt’ ein ganz Geſchlecht das Schlachtfeld Auch mit feinen Knochen überdeden,
Emig als der Freiheit fihres Bollwerk,
Feſt auf weiſer Gefege Grundftein vuhend,
AS des Wilfens und des Schönen Tempel
Ragen ſoll die hehre Stadt der PBallas!
Oft noch muß der Jüngling wiederfehren; Und nicht jatt wird Phanor ihm zu laufchen, Wie von feinen Fahrten er verfiündet,
Bon Korinth, dem doppelmeerumbrauften Iſthmus, wo der Tyrer feinen Purpur
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Für der Iberer wollige Vließe austaufcht, Und von Argos, der Heroenwiege,
Bon den Inſeln allen, Delos, Naxos, Die, wie Berge bei des Sonnenaufgangs Strahlen, von des Genius Feuer leuchten, Endlih dann vertraut Aretes Vater
Ihm fein Lebensſchickſal: wie die Sehnſucht Mächtig heim ihm ziehe, doch ein Eidſchwur Und die Pflicht des Dankes ihn für immer An den Dienft des Perjerfönigs fette. Alles Weitre, wie beim Schwur der Treue Xerxes von ihm heifche, jeine Flotte
Selber wider fein Athen zu führen,
Birgt er in des Herzens tiefjten Dunkel.
Tage hinter Tagen ſchwinden alfo; Und ſchon zu dem hohen Feſt des Drmuzd, Das der nächſte mit der Königsheerichau Bringen fol, geſchmückt mit Palmenzweigen Und mit Teppichen find die Straßen Sufas, Da zu Phanor angftvoll und erjchroden Tritt Arete. Kind, was ift gejchehen, Daß ſo bleich du bift? fragt fie der Vater. Und mit Stammeln fpricht fie: In des Morgens Thauiger Frifhe mir die heiße Wange Nach der ſchlummerloſen Nacht zu fühlen, War ih in den Garten früh gegangen. Des Choaſpes Murmelmellen Iodten Mich, wie fie im Hauch des Dftwinds jpielten, Mit den Dienerinnen in den Nachen, Und ftromabwärts rudert’ ung ein Sklave. Un das Ufer, ung auf blühnder Wiefe Unter Silberpappeln zu ergehen, Waren wir getreten; aus dem Didicht Plöglih da zu mir heran ſchritt Beſſus,
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Der Satrap, mit frechem Blid mid) anjchaund. Ab mein Auge wandt’ ich, fein nicht achten; Aber er, als ich beftürzt zum Strom hin Eilte, mich mit dreifter Yiebeswerbung
Wagt' er zu verfolgen. Aus dem Nachen Hört’ ich noch), wie er mir drohend nachrief: Was du meigerft weiß ich zu ertrogen.
Tief betroffen hört es Phanor: Beſſus Hier, den ich im fernen Lydien wähnte? Einmal jhon auf meinem Landhaus heifcht' er Deine Hand von mir: allein gemweigert Hab’ ich fie dem Argen. Alle kennen Seine Tüde; doc ſtets hinterliftig Weiß er Xerres’ Gunft fich zu erhalten. Dein Gemach verlaß nicht! von den Sklaven Werd’ ich dich vor ihm behüten laſſen. Morgen heifcht mich ganz der Dienft beim König.
Eh’ der große Fefttag anbricht, leuchten Heil’ge Feuer ſchon auf allen Bergen, Allen Hügeln, hoch ing reine Nachtblau Yodernd; und die taufend Thürme Sujas Sind zu Brandaltären umgewandelt. Auf den Knien liegt ringsumher die Menge. Magier ftehen, hauptbefränzt, in weißen Wallenden Gewanden vor den Feuern, Sort und fort mit Sandelholz die Flammen Nährend. Als das Frühroth nun heraufiteigt Und die Sonne, die unfterbliche, hehre, Glorreich ſich erhebt, im Chorgefange Feiern fie die göttliche, alles Lichtes, Alles Lebens Duelle: Sei gepriefen, Bild des Ormuzd, Spendrin alles Guten! Deines Segens unerſchöpfte Fülle
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Gönn’ auch ferner uns und lehr' die Menfchen Kein wie du zu wandeln! Sende ihnen Himmlifche Boten, die zu edlen Thaten
Sie befeuern und in ihre Seelen
Klarheit gießen! Doch verflucht der Nachtgeift, Der Betrüger Ahriman, mit feinem
Böſen Heer, des Todes und der Sünde Bater, der, in Finfternig verfchlungen,
Seine Frevelthaten brütet! Schütz' ung, Himmlifche, vor der Arglift des Verruchten!
Und die Hunderttaufende, auf den Höhen Knieend, heben, wie die Magier aljo Beten, zu dem heil’gen Taggeftirne Andachtsvoll die Arme und das Antlitz.
Als die Sonne höher fteigt, aufs ſtolze Roß ſchwingt Phanor fich, und hundert Reiter Folgen ihm, in Händen goldne Stäbe. Weihraud) dampft auf allen Straßen Suſas, Wo der Zug vorbeifommt; die Terraffen Sind erfüllt von bunten Menjchenichaaren, Und den Boden deden Palmenzweige.
In dem Thale, wo mit träger Strömung Des Choafpes gelbe Fluth dahinſchleicht, Unabjehbar wogt das Heergedränge.
Wie des Schiffer Auge fich geblendet
Senkt, wenn hoch er vom Verdeck herabichaut, Und allhin des Meeres Silberwellen
In der Morgenfonne Strahlen bligen,
Alſo Phanors Blid, als auf der Panzer Blauem Stahl, auf Helmen, Schilden, Speeren Und der Sichelwagen blinfenden Klingen
Fern bis zu des Horizontes Gränzen
Er den Lichtſtrahl, wie verirrt in all der Waffenmenge, hüpfen fieht. Stand nimmt ev Bei des Königs Prachtzelt, das auf Säulen Yautern Silbers ruht und, mit Demanten Ueberftreut, auf Meilenferne funfelt.
Plöglih durd die Haupt an Haupt gedrängten Schaaren geht ein Murmeln hin, ein Zittern, Wie durch Aehrenfelder, wenn ein Windftog Sie bewegt. Ein Zug von Tartjchenträgern, Taufende hinter taufenden, naht; in langen Reihen folgen ihm der Hofburg Wächter, Tanzenhalter mit gejenften Speeren,
Auf dem Haupt rubingefhmücdte Helme. Sklaven geigeln aus dem Weg die Menge; Und von acht nifätfchen weißen Roſſen,
Die in goldnen Jochen gehn, gezogen
Kommt des Drmuzd heiliger Schlahtenwagen, — Nie darf ihn ein Sterblicher befteigen — Drauf in anderm edelfteinbejegten Mufchelmagen, über dem der Sonne
Und des Mondes goldne Bilder ftrahlen, Xerxes, in des Königs voller Zierde,
Mit jumelenbligender Tiare.
Um ihn veihen ſich des Reiches Erite,
Und mit ihnen Phanor. Bei der Heerjchau Anfang werden vor dem Ervdenherricher Dächer, Yeitern zu der Feindesftädte
Sturm vorbeigemwälzt auf riefigen Rädern; Widder, unter deren Anprall frachend
Ihre Mauern ftürzen; Wurfgejchüge,
Die gleih Bällen ganze Felſen fchleudern. Unter PBeitichenfnall, von braufenden Rennern Vortgeriffen, nahn die graufen Thürme,
Die von Waffen jtarrend, erzgepangert
Mit der Schwerter fchneidigen Klingen vingshin
Yeichen jtreuen. Perſiens Reiterjchaaren Führt Mardonius, des Königs Schwäher, Ihm vorüber; und, indeß der Boden Dröhnend unter ihnen zittert, vuft ihm Xerxes zu: Wenn ich zur Welterobrung Auch nur dich und deine Weiter hätte,
Alle Völker bis zur Erdengränge
Würden hin vor eurer Nenner Hufe,
Mir Gehorfam jchwörend, in den Staub ſich Werfen.
Mit den Wagenfämpfern Lydiens Die, in rechter Hand den Bogen, mit der Yinfen ihre jchnaubenden Geſpanne Stadeln, rückte Gobryas vorüber; Mit den pfeilgewaltigen Hyrkaniern Artabanus. Braune Steppenjöhne Bom Farartes, ungezählte Schwärme, Sprengen vorbei auf ihren wiehernden Hengiten, Stirn und Bruft vom Mähnenhaar umflattert. Ghilans Männerblüthe und das Bergvolf Parthiens, eifenfejt wie jeine Felſen, Führt Arfames; dann die Schleudrer Myſiens, Baktriens gewalt’ge Keulenſchwinger Megabazus. Wie er ſie vorbeiziehn Läßt, zu Phanor ſo ſpricht Xerxes: Siehe! Dieſe da auf meinen Rieſenſchiffen Sollſt du wider das vermeſſne Hellas Führen, daß mit ihren Keulenſchlägen Sie Athen und ſeine Göttertempel, Seine Burg zermalmen! Dir vertrau' ich, Daß für Marathon du ſo mir Rache Schaffen wirſt. Auch Jene, die noch folgen, Sollen deinem Heerbefehl gehorchen.
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Und mit ftarrem Blick, ſich ſtumm verneigend, Schaute Phanor auf die unermefine Heerfluth, die wie eines Bergftroms Wogen Wirbelnd noch vorüberzog; die Völfer AU des männerreichen Aſiens drängten Sid) heran, Chorasmier mit der Fangſchnur, Meder, artbewehrt, im Gürtel Dolce, Safer, erzbehelmt, mit vunden Schilven; Inder auf der Elephanten Rüden;
Nubier dann in Yeopardenfellen ; Und auf Dromedaren Arabiens gelbe Söhne, fühn wie ihrer Wirte Yömwen.
Schon verglomm die Sonne, und am Himmel 509 die Nacht empor mit ihren Sternen. Aber immer noch, wie fie jo zahllos, lutheten vorbei die Kriegerjchaaren.
Da die Oberfeldherrn und die Großen
Lud zu fi) ins Purpurzelt der König. Aethiopenjklaven boten Allen
Goldne Becher, drin der Wein Foniens Schäumte; und zu ihnen jagte Xerxes:
Wenn ich fo, gleich dem Gewitterſturme, Meiner Bölfer Wolfen gegen Weiten
Treibe, wer wird mir zu trogen wagen ?
Ehr mit dem Drfane, mit dem Erdftoß,
Der hinunter ganze Städte, Yänder
In den Abgrund fchmettert, läßt ſich kämpfen, Als mit meiner Macht! — Ihr, meine Wadern, Seid mir -längft erprobt als Heereslenfer! Heute Phanor no, den edlen Griechen,
Euch gejell’ ich; wider Hellas ſoll ex
Meiner Krieger Blüthe übers Meer hin Leiten. Tauſend, abertaufend Segel
Harren ihrer an Joniens Küften,
Hin zum Land der Griechen fie zu tragen. Mit der Feinde Untergang befrachtet
Sit die Flotte, und zu ihrem Feldherrn Heg’ ich das Vertrauen: mit des Drachen Mörderiihem Hauch wird er Verderben Auf der Hellenen todgeweihte Schaaren Schleudern.
Sprachs; und durch der Großen Reihen Scholl der Ruf: Heil dir, erhabner Xerres! Heil dir, Ormuzd' Abbild auf der Erde! Götterlicht des goldenen Gejchlechtes !
Noch bat, ihm auf furz fein Ohr zu leihen, Phanor den Gebieter und ſprach alfo: Yang des Krieges ſchon entwöhnt empfind' ich, Daß ich erſt mich neu im Schlachtenwerfe Ueben muß und zu dem Kriegszug ftählen, Den du, hoher Herr, mir anvertraun willit. Drum verftatte, daß nad) Kappadocien, Statt des Merdon, der erfranft, ein Heer ich Führe, um des wilden Bergvolfs Aufjtand Zu bewält’gen; raſch gelingts, ich denke; Und im nächften Mond, noch eh du aufbrichit, Wieder fiehft du mich bei deinem Heere.
Wadrer Phanor, fagte Xerres, doppelt Schuld ich Dank dir. Wohl! in jenes Bergland Zieh! In Babylon indefjen will ich Bor dem Feldzug noch der Ruhe pflegen. Dort erwart’ ih dich; und eh das Heerichiff Du befteigft, begleiteft du ans Meer mid). Phanor ſchied; und in der nächiten Frühe Zu Arete fprac er: Sorge quält mic) Wegen diefes Beſſus, Kind; denn mächtig,
380. —
Wie verwegen ift er! Fern der Hauptjtadt Did vor ihm zu bergen heifcht die Vorficht; Drum in Kappadociens Felsgebirge
Will ich zu Imäus, meinem Freund, dich Bringen. Grieche und mir ganz ergeben Sit er, und fein Weib der Frauen Perle. Ruhe ſchaffts mir, wenn bei ihm du Zuflucht Findeſt. Mir geboten hat der Herrfcher, Des Gebirgs empörte Stämme wieder
Ihm zu unterwerfen. Drum zum Aufbruch Rüſte dich!
Alsbald mit ftattlichem Kriegsheer Zog des Wegs nad) Kappadocien Phanor. In des Eflaven Rhaifos Geleite Und des Bruders, aber fern den Kriegern Und geheim, daß ihre Flucht nicht Einer Künden könne, folgt ihm nach Arete, Bis fie in der mweltentlegnen Felsihlucht Des Imäus Burg empfängt. Nicht lange, Und man bracht’ "thr Botjchaft aus dem Bergland, In der erften Schlacht mit den Empörern Hab’ in ihren dichtften Neihn der Vater Tod gejucht und fiegend ihn gefunden.
Achter Geſang.
HNun, des blauen Mittelmeeres Becken Ueberſchiffend, laßt uns am Piräus Landen. In der Morgenſonne Strahlen,
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Ueber der Dliven Silberwipfel,
Steigt die Stadt mit ihren Marmorgiebeln Bor uns auf, die unjer Aller traute Seelenheimath ift, die große Männer,
Große Thaten, wie der Frühling Blüthen, Trieb. — In feines Haufes Säulenhalle, Die hinab vom Hang des Muſenhügels
Auf Athen fchaut, vedet zu Kallifto,
Seinem Weibe, Drimakos: Gefendet
Hab’ ich auf die Agora den Sklaven,
Daß er mir der Volfsverfammlung Anfang Kinde. Gleich dann eil' ich Hin; das Schickſal Bon Athen, von Griechenland, entjcheiden Muß ſichs heut. Zurücgefehrt vom Iſthmus Wird Themiftofles uns Kunde geben,
Was im großen Rathe der Hellenen
Dort beihloffen ward. — Und immer denfjt du, Gab Kallifto Antwort, an die Rüftung
Für den Krieg nur? Beſſer wäre Frieden. Ach, den Sohn, den theuern Kallias, hat uns Schon der grimme Ares hingejchlachtet.
Seit zuerft er aus Jonien Botjchaft
Dir von Phanor fandte, ward fein Zeichen Seine Yebens und; gefallen muß er
In der Schlacht fein, wo fo viele Griechen Schon erlagen.
Stet3 noch heg' ich Hoffnung, Sagte Drimafos, daß er zur Heimath Kehre; kann er nicht in Haft der Perſer Sein und feine Ketten löfen? Aber, Wär es wie du glaubft, laß ſtolz ung denken, Daß ruhmwürdig für Athen er Hinfanf, Der Barbarenfluth, die wider Hellas Sich heranmälzt, durch Joniens Freiheit
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Einen Damm zu fegen. Nicht geziemt es, Seiner eignen Trauer nachzuhängen,
Wo Verderben Allen droht. Gelungen
Iſts Themiftofles, nad) langem Kampfe
Auf das Meer die Macht Athens zu bauen, Und beim Anblik unjrer Schiffe dürfen
Stolz wir jagen: it der Griechenftaaten Einer gleih an Macht uns? Doch zu Yande Und zu See, in unermefinen Schaaren Wälzen fi) heran des RXerxes Heere,
Und ob Theben, ob Korinth, ob Argos
Zu ung ftehn, noch Keiner fann e3 wiſſen;
Ya in unjerm Volke jelber werben
Knechtſinn, Feigheit, Niedertracht den Perſern Bundsgenofjen, und zu Unterwerfung —
Läßt die Schmady fi) denken? — rathen Biele.
Wie er3 fpricht, den jüngern Sohn gewahrt er, Der mit einem Meißel an der Werkftatt Thor fich zeigt, und vuft ihm zu: Nun rüfte Did, Anthyllos, um mit mir zu gehen! Wie? noch immer an dein Marmorbild nur Dentft du, wo die Andern deines Alters In des Krieges ernften Werk fich üben? — Laß ihn! fällt die Mutter ein — vielleicht ja Wird der ganze Kriegsjturn noch verhallen, Daß mir ruhig diefe Beeren feltern, Die fih Schon am fonnigen Felshang bräunen —
Und die Feigen, die Öranaten ernten, Sprad) der Jüngling, näher tretend; fieh, wie Köthlih aus dem Yaub bereits fie ſchimmern! D! ich hoff's, das ew’ge Yanzenwerfen Und der Ringfampf der Paläftren endet Bald, zu feiner Kunft zuritdfehrt Jeder,
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Und im Herbfte, wenn wir bei der Cymbel, Bei der Either Schall das Weinfeſt feiern, Unter niederfinfenden Trauben tell’ ich Meines Bachus Bild auf.
Ernſt gab Antwort Ihm der Vater: Ob auch zwanzigjährig, Noch ein Kind bift du, fo lag mich denken, Daß mich Schlimmer Argwohn nicht bejchleiche. Deiner Mutter, da fie Weib, vergeb’ ichs. Doc erfahren mußt du: wer von Frieden Koch zu ſprechen wagt, den Feinden redet Er das Wort: D, daß ichs läugnen könnte, Diele, Hunderte find in unver Mitte, Die beftohen vom Barbarengolde Für die Perfer wirken. Wieder Andre, Stolz auf ihres Stammes hohen Adel, Möchten lieber, als der Macht des Volkes Sich zu fügen, ung das Joch der Knechtichaft Auf den Naden legen, und die Priefter Sind im Bund mit ihnen und die Feigen Und die Sendlinge der vertriebnen Fürften. Doc) der alte Genius unfres Volkes, Der bei Marathon der Meder Hochmuth Fällte, wird in junger Kraft erftehen Und die Freiheit, ob die Lebenden alle Auch der Tod ereilt, den Enkeln retten.
Eben ſprach ers: da gemefinen Schrittes Naht ein Mann mit hochgewölbter Stivne,
Schliht von Kleidung, durch des Gartens Gänge.
Freudig ihm entgegeneilend grüßt ihn Drimakos, und Jener Sprit: Zu früh wars Für die Agora; drum, Freund, zu dir noch Macht’ ich diefen Gang. Nachher zufammen
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Yaß uns gehn, daß von Themiftofles wir Hören, ob zu feiten Bunde Hellas’ Staaten auf dem Iſthmus ſich geeinigt.
hm erwidert Drimafos: Zu hoffen Wag' ichs nicht; nur Yacedämons find wir Sicher und Arfadiens; die Andern ſchwanken; Und wenn in ung felbft nicht unjre Stärfe Ruht, verloren ift Athen. Doc hier auch MWie viel fleine, niedre, läſſ'ge Seelen! D daß deines Geiftes doch ein Athen Hin durch Alle wehte! Einmal war ich Zeuge, Freund, beim Dionyjosfefte, Wie durch di der Mufe Himmelsodent Alle Herzen im der Begeiftrung reinen Flammen glühn ließ. Welche Feierftille Ringsumher auf des Theaters Sitzen! Wie in Andacht hingen alle Blice An der Scene, laufhten Ohr und Seele Deinen Chorlied, als die Achilleis Dem entzücdten Volk dur botft.
Ins Wort fiel
Jener ihm: Freund! Sprich von Anderm! — Aber Drimafos fuhr fort: So mögen, wenn du Selbft nicht willft, Anthyllos und mein Weib doch Mir ein Ohr leihn! Vor dem Geiſt noch fteht mirs Lebensvoll, al3 ob ichs eben jchaute, Wie der Peleusjohn mit Agamemnon Hadernd fern dem ©riechenheer am Meere Einſam grollt, und wie die Myrmidonen Wider Ilion ihn umfonft zu Hilfe Rufen. Siegreich vor fich her jagt Heftor Der Hellenen fliehnde Reihn; Patroflus Sit erichlagen, und in dumpfen Jammer
Schack, Geſ. Werke. IV. 19
En
Wirft Achill fich auf des Freundes Leiche,
Und der Chor fingt von dem alten, ew'gen Frevelmuth, der Aliens Völker wider
Hellas ftahhelt: wie von den Barbaren Hingewürgt die beiten feiner Söhne
Sinfen, weil durch Haß und ew'ge Zwietracht Selbft den Feinden fie die Waffen jchmieden. Bei des Liedes Klang erhebt der Held fich Bon dem theuern Todten; dem Atriden
Der Berfühnung Hand zu bieten jchwört er, Und hoc) auf den Schlachtenwagen jchwingt fich Der Pelide, brauft hinaus aufs Blachfeld, Daß bei feinem Nahn, wie vor des Sturmmwinds Hauch zerrifine Wolfen, Trojas Krieger Auseinander ftäuben; feine Yanze
Schmettert Heftor nieder, und vereint nun Siegen Hellas’ Heeresführer; Ilions
Stolze Veſte fällt. — Da ging ein Jubel, immer endend, durch der Hörer Reihen; Hätten damals Aſiens Bölferhorden
Bor Athen gejtanden, alle Bürger
Wären freudig, fiherm Tod entgegen
In die Schlacht geftürzt. Allein der Menjchen Enge Bruft vermag der Götter Odem
Doch auf Augenblide nur zu faſſen;
Wieder bald ziehn Eigenfucht und Kleinmuth In fie ein und alle nievern Triebe.
Deine Bruft, mein Neihylus, allein ift
Ein Altar, auf dem die heil’ge Flamme
Emig lodert.
Ihm erwidert Jener: Was gemahnſt du mich an Längſtvergeſſnes? Traute Freundin meiner Jugendjahre War die Dichtung; lang jedoch der ernſten
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Pflicht des Mannes ift fie nun gewichen. Schon als Knabe, wenn ich in Eleufis
Am Geftade jaß, ging bei der Wogen Brandung, die um Heldengräber raufchten, Mir die Ahnung auf, nichts Höhres geb’ es, ALS fürs heil’ge Vaterland zu fämpfen
Und zu bluten; wenn bei der Myſterien Feier ih dem Zug der Eingemeihten
Mit den Eltern bis zum Tempeleingang Folgte und her vom Altar der Priefter Chorgejang ertönte, ſprach mein Bater: Nicht gelüftet wurde mir der Schleier
Bom Geheimniß, das fie drinnen hüten; Doch ich weiß und du bewahr’ es: Eins ift Aller Weisheit Ziel: die Götter ehren
Und dem Baterland fein Yeben mweihen! Glaube mir, mein Drimafos, die Wunde, Die bei Marathon das Schwert der Meder In die Bruft mir grub, mit höherm Stolge Trag’ ich fie ala all’ die Dichterfränze, Welche leicht erregbar mir die Menge
Um die Stirne wob. Wie dürft’ ich jest nod) An der Jugend müß'ge Spiele denfen?
Nun zu ernfterm Werk, zu größern Schlachten, Als da unſre Schwerter auf Mardonius Niederflammten, müſſen wir uns rüſten.
Meinen Sklaven ſeh' ich mwiederfehren — Unterbriht ihn Drimafos — zum Gehen Fit es Zeit. Begleiten wird mein Sohn und. —
Und die Beiden mit Anthyllos fchreiten Hin des Wegs zur Agora.
Schon fluthet Dichtes Volksgetümmel dort. Verſammelt
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Bor dem großen Altar der Olympier
Sind der Stadt Archonten und Prytanen. Aufgezogen auf der Rednerbühne
Iſt die Fahne; aber wirres Toben
Brauft noch allumher, der Marftgenofjen, Kohlenbrenner, Waarenhändler Rufen.
In der Lärmenden Mitte drängt ſich Einer, Und mit lauter Stimme al die andern Uebertönt ex, wie er Spricht: Ich ſag' euch, Naferei, an Widerftand zu denken,
Wär es. Aus Bithynien meine Waaren Bringend, längs des Strandes alle Yänder, Bon der Propontis bis hinab an Lyciens Meerbucht, fand ich voll von Perfiend Heeren. Was ein Schwert nur trägt im unermefinen Afien, ſtürmt in Waffen unaufhaltfam
Wider uns heran. Am Hellesponte
Schaut’ ich, wie auf rieſ'ger Eifenbrüde,
Die von Welttheil fih zu Welttheil hinſpannt, Sieben Tage, Nächte lang der Kriegszug Nach Europa fi) hinüberwälzte;
Was zu Roß, zu Fuß, auf Schladhtenwagen Und auf niegejehner Ungeheuer
Nücen, die fie Elephanten nennen,
Ich in einer Stunde mir vorbeiziehn
Sah, ſchon war genug, um alle Griechen
Aus der Welt zu tilgen. Weiter num erft An Joniens Küften die Myriaden Schmwimmender Paläfte, die bejegelt
Nur des Windes harren, wider Hellas
Aſiens ſchäumende Bölferfluth zu tragen!
Auf dem Meer, um alle fie zu fallen,
Sit nicht Raum — und gegen fie uns ftemmen Sollten wir? — — Er mill noch weiter fprechen; Drohend wider ihn dringt da ein Haufe
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Mit Gefchrei heran: Laßt nicht den Schwätzer Ferner reden! Seine großen Worte
Zeigen: ein verfappter Meder ift er! — Nein doch) — fo, die Fäufte ballend, rufen Andre — von den hochmuthstollen Freunden Des Pififtratus ward er gedungen;
Nicht vergeffen fünnen fie, wie ehmals
Sie fich hier gebläht in Amt und Anfehn; Wieder jollen num zur Macht die Feinde Ihnen helfen; in den Staub mit Allen!
Da, nicht ferne, fchallen Weherufe. Dicht um Einen, der, von athemlojem Lauf erjchöpft, verworrne Worte ftammelt, Drängt die Menge fih; und wie allmählig Aus den einzelnen Yauten fi) der Rede Sinn erihließt, von Mund zu Munde jchallt es: Weh, der Spruch der Götter, den die Pythia That, verfündet Untergang uns allen, Wenn den Perfern wir zu widerftehen Uns vermeffen! Wir mit unfern Weibern, Unfern Kindern müfjen, wenn vom Schwerte Der Barbaren nicht erjchlagen, hülflos ort ins Elend ziehn; verbrannt, verwüſtet Wird Athen ein Haufen vauchenden Schuttes Werden. Nah Schon find die Abgejandten, Die der Seherin Wort aus Delphi bringen; Ihnen nur vorausgeeilt ift dieſer.
Und Beftürzung liegt auf jedem Antlitz. Bon den Lippen Bieler ſchallt's: was bleibt ung, Als der Ööttermahnung ung zu fügen? Erd’ und Waffer al3 der Unterwerfung Zeichen müſſen wir den Perjern enden.
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Aber eine Stimme, weithin hörbar, Wird vernommen: Wär’ es felber Wahrheit, Was euch Jener fündet, Feiglinge! mwolltet, Um euch Leben, Habe, Stadt zu retten, Ihr als Sflaven in des Sflavenvolfes Joch euch beugen? Aller Güter beftes Iſt die Freiheit; und wenn wir fie retten, Mag die Stadt in Schutt und Trümmer finfen, Mag uns jelber Elend, Tod ereilen, Doch das Köftlichfte mit ung zu Grabe Nehmen wir.
Sp Aeſchylus; da ſchmetternd Scholl Drommetenklang; hin durchs Gedränge Schritt ein Herold: Auf! zur Volfsverfammlung "Auf die Pnyxr! Zurückgekehrt vom Iſthmus Will Themiſtokles euch Nachricht geben, Männer von Athen! was in der Griechen Großem Rathe dort beſchloſſen worden. —
Durchs Gewühl hin bahnten Bogenſchützen Den Archonten einen Weg nach oben, Und die Menge ſtrömte nach, in Reihen Um des Hügels Haupt ſich ſchaarend. Alſo Von der Rednerbühne, ernſten Blickes Auf die Stadt und ihre Hochburg ſchauend, Die ſich vor ihm hin im Halbkreis breitet, Dann beginnt Themiſtokles: Athener! Kurze Rede ziemt ſich, wo zu Thaten Die Gefahr des Vaterlands uns fordert. Seit bekannt und ward, daß König Rerxes Seine Sklavenvölker al’ in Waffen Wider ung zum Kampf mit Geißelhieben Treibt, in alle Pänder der Hellenen Schickten Boten wir, daß ihre Wohner
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Sich mit uns zu feſtem Bund vereinten.
In Korinth, am Heiligthum Poſeidons Sollten ſie mit uns Berathung pflegen,
Wie gemeinſam unſre heimiſchen Laren
Wir beſchützen. Doch mit Trauer ſag' ichs: Wenige der Griechen ſind des Wahlſpruchs Unſrer Väter eingedenf: Nur Eines
Thut jest noth, das Vaterland zu retten! Allen königlichen Scepterträgern,
Den Tyrannen von Thefjaltien, Samos Klopft das Herz in Zärtlichkeit für Perfiens Herrſcher. Seiner Füße Staub ehr füßten Sie, als mit Athen ſich zu verbinden; Denn fie wiffen, daß Harmodius’ Dolch hier Jedes wartet, der Defpotenmillfür
Ueben möchte. Doc verräthrifch hält ſich Auch die alte Freiheitsfeindin Theben,
Die, beherrfeht von ihren ahnenftolzen Dligarhen, ung Verderben brütet,
Hält auch Argos, Megara, Platäa —
Was noch joll ich all die andern nennen? — Sich zurüd. Allein, ob nur mit Wen’gen, Um fo fefter ward der Bund gefchlofien! Für ganz Griechenland mit ung vereinigt Stehn Korinth, Arkadien und Sparta,
Und als Eidgenofjen am Altare
Des Kronion haben wir gejchworen,
Bis zum Tod das Vaterland zu ſchützen, Weib und Kind, der Götter Heiligthimer Und der Ahnen Gräber. Wer aus Feigheit Fernbleibt unferm Bunde, nicht Hellene
Sit er mehr, nicht bei Olhmpias Spielen Darf er mit den andern Freien fämpfen; Und in Acht verfällt als Hochverräther,
Wer zu Perfien hält. Wohl uns bewußt find
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Der Gefahr wir. Alle Bölferichreden
Aus des Oſtens grauen Fabelreichen,
Aus den mitternächt’gen Bergen werden Xerxes' Heeresfürften auf ung jchleudern; Mächtig ung zu rüften, alle Kraft zu Spannen, daß für Taufend Einer ftehe,
Gilt es da. Nach Norden, um Theſſaliens Päſſe den Barbaren zu verjperren, Aufgebrohen find ſchon die Spartaner;
Uns indefjen liegt es ob, ein Yandheer Abzufenden, dag im Thal von Tempe
Ihre Rückhut bilde. — Seine Kriegsmacht Schidt Korinth, Arkadien uns zum Beiftand. Doc der Flotte von Athen vor Allem
Stolz vertraun wir; mögen ohne Zahl auch Des gewalt’gen Perfiens Rieſenſchiffe
Wider ung herannahn: wie vor ihnen Zagten wir, die früh, als mit Gefährten, Mit den Wogen wir gejpielt, am Ruder Und im Taumerk fletternd zum Gehorjam Uns das Meer gewöhnt? Db au) die Luft ſich Bon der Wurfgeſchoſſe Hagel ſchwärze,
Die fie nah) uns fchleudern: in den finftern Abgrund werden unfere Trieren,
Leicht beweglich hin und wieder ſchießend, Ihre fhwimmenden Thürme bald begraben! — Sp noch ſprach er; rings war Todtenftille. Auf drei Männer, die durch) das Gedränge Haft’gen Schrittes Bahn fich brachen, plötzlich Nichteten Aller Blicke fih. Aus Delphi Warens die Gefandten. Hin zu ihnen
Trat der Redner; und auf der Archonten Antlig, wie auf feines legte, da fie
Ihre Botſchaft hörten, tiefrer Ernſt noch Als zuvor ſich. Dann die Rednerbühne
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Neu betrat Themiftofles: Vernehmt es, Männer von Athen; nicht um die Wahrheit Will ich euch betrügen: Mit den Perjern Sind die Götter wider ung im Bunde, Durd den Mund der Seherin verkündet Uns Apoll: wenn wir dem Feinde trogen, Wird Verwüſtungsſtaub die Stätte deden, Wo Athen geftanden. Wohl denn! möge Der Diympier Wille fich erfüllen;
Dod jo lange noch ein Tropfen Blutes
Hin durch unfre Adern rollt, fo lange Unfer Arm noch eine Yanze ſchwingen Kann, die Bruft dem Feind entgegenmerfen Wollen wir; — ifts uns verhängt zu fallen, Noch im Tode, während unfre Knochen Mit der lodernden Aiche unſrer Häufer, Unfrer Tempel fih vermifchen, werden
Wir der Freiheit himmlischen Odem trinfen.
Alfo ſprach er. Feierlihes Schweigen War umher: zurück in feines Herzens Tiefe drängte Jeder feine Zagniß.
Und das große Schidjal, das am Himmel Ueber Allen aufzog, machte größer
Auch die Seelen. Lautlos in die Straßen Bon Athen vertheilten fi) die Bürger;
Und in welchen Heerestheil zu treten
Ihm bejtimmt jei, wie durch Waffenübung
Er zu ernftem Kampf fich vorbereite,
Ward dur die Acchonten Jedem Weifung. —
Zu dem Bater, faum daß ihm zur Seite Er die Agora verlaffen, fagte So Anthylios: Heute noch den Meißel Will ic) mit dem Speer, dem Schild vertaufchen,
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Daß ich mit dem Yandheer nordwärts ziehe! Und voll Freude preift des Sohns Entjchliegung Drimafos. Da Beide zu der Wohnung
An dem Hügel kehren, jtürzt entgegen
Ihnen, noch in Reiſetracht, ein Jüngling, Athemlos und freudeſtrahlend. Vater!
Ruft er aus; allein die Stimme ſtockt ihm
In des Jubels Uebermaß, indeß ans
Herz dem Drimakos er ſinkt. Ja! Kallias Iſts, der langverlorne, neugefundne.
Auch die Mutter, die den Heimgekehrten Schon begrüßt hat, tritt heran, von Neuem, Stets von Neuem ihn an die Bruſt zu drücken. Als des Wiederſehens erſte Wonne Dann geſtillt und ſeiner Abenteuer Schnell der Sohn gedacht, mit einer Bahre, Drauf ein Greis ruht, nahen vom Piräus Sklaven. Dieſen auch — ſpricht Kallias — Bring' ich euch als Gaſt. Machaon iſt es, Führer von Joniens Griechen. Hoch ihn Als der Helden edelſten müßt ihr ehren. Noch als Greis in unſern Reihn zu kämpfen, Kehrt er nach Athen!
Sie Alle traten, Willkomm ihm zu bieten, um die Bahre. Doch zurückgeſunken lag Machaon Reglos, wie entſchlummert. Dann die Augen Oeffnend, halb emporgerichtet ſpricht er: Tragt den Abhang mich hinan! Die eigne Kraft verſagt mir. Meine Seele möcht' ich An dem Anblick weiden. — Ihm nach oben Folgten Alle; und der Greis ließ lange Hin den Blick auf Stadt und Meer und Inſeln
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Schweifen, die im Abendlichte glühten.
Sa, jo rief er, mein Athen, ich jeh’ dich Wieder! Noch inmitten der Delbaummälder, Deren Zweige meine Wiege fränzten,
Liegft du da; Kephifjos und Ilyſſos
Senden noch wie einjt, die Zwillingsbrüder, Ihrer Bronnen raftlos quellende Waſſer Hin durch deine rofjeprangenden Fluren! AU die Tempel grüß’ ich, wo als Knabe Ich den Göttern opferte, die Paläftren, Drin ich mit den Jünglingen rang: da drüben Mein Kolonos, wo in grüner Waldnacdht Mit Xenofrates, dem Lehrer, wandelnd
Ich von jeinen Yippen Weisheit jchlürfte ! Theure Stadt, für did im Kampf zu fallen, Wollen mir die Himmlischen nicht gönnen: Deinen Boden nur betreten jollt’ ich,
Um zu fterben. Aber ewig möge
Di die blaugeaugte Pallas ſchützen!
Aufgerichtet, wie er jo gejprochen, Stand Mahaon; doc ermattend plößlich Sank er rüdmwärts in des Kallias Arme. Seine brechenden Blicke glitten einmal Noch auf jein Athen dahin — nur furz noch, Und verhaucht hatt! er den legten Odem.
UNeunter Gefang.
Haum des Wiederſehns von Kallias haben Sich die Eltern noch gefreut, da trauernd, Aber ftolz den jüngern Sohn in Waffen Sehn fie nach Thefjalten ziehn. Zum großen Yagerplage ift bis zum Piräus Und BPentelifon das Yand geworden.
Allhin blisen Lanzen, Helme, Tartjchen, Tönt der Panzer und der Schwerter Klirren, liegt der Stolz von Attifa, das Streitroß, Schnaubend durch den Wirbelftaub. Doc Kallias Und der Vater eilen in der Frühe
An das Meer, um jeder die Triere,
Die ihm anvertraut, zum Kampf zu rüften Und die Ruderer im Werk zu üben.
Alle Werften find gefüllt mit emj’gen Menſchenſchaaren, und von Segeln ſchimmert Weit hinaus die See. Die Felsvorjprünge A umſchiffen, jede Bucht durchkreuzen,
Jede Klippe meiden lehren will erſt Drimakos den Sohn ſammt den Gefährten, Eh des Kampfes großer Tag heranrückt.
Schon kam Botſchaft, daß gleich Wetterwolken, Schwer von Kriegsſturm, Perſiens ungeheure Flotte durch des Oſtmeers Wogen nahe;
Und durch große Opfer aller Götter Beiftand auf Athen herabzuflehen Unabfehbar drängte ſich die Menge.
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Blumenkränze prangten um der Tempel Dorerſäulen, und zur heil’gen Höhe
Der Akropolis in langen Reihen,
Bei der Flöten und der Eymbeln Schalle Ging empor der Feltzug. Vorn die Priefter, ?ichten wallenden Gewands, in Händen MWeihefchalen, dann die Opferdiener
Mit dem Schlachtbeil; hundert weiße Stiere, Die als Hekatombe fallen jollen,
Folgen nach, und hoch auf prunfenden Wagen Jünglinge mit prächt'gen Viergefpannen, Greiſe mit Dlivenzweigen, Jungfraun Silberbeden und Tripoden tragend.
Um den Altar reihn ſich die Archonten
Mit Themiftokles, des Staates erjtem
Lenker, und herab die Tempelftufen
Bis zur Stadt das Bolf in Feſtgewändern, Kränze auf dem Haupt. Der heil’ge Hymmus Hat begonnen; plößlich geht ein Raunen Dur die Menge hin, ein angftvoll Flüftern. Neben fich hört Kallias Einen fprechen:
Seht, die Unglüdsboten! — Durch die Reihen, Die fich öffnen, jchreiten von des Weges Staub bededt noh Männer in Theſſaliens Kleidung, und von hundert zitternden Stimmen Um fie tönt es: Wenn e3 wahr, es wäre Aller Untergang!
Bor die Archonten, Alſo ſprechend, treten die Theffalier: Dur dag Thor von Hellas eingedrungen Sind die Perfer; ihrem Heere ftemmte Sic Leonidas entgegen, Spartas König, Tag für Tag auf Yacedämons Ganze Kriegsmacht hoffend, daß der Feinde
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Andrang er bewält’ge. Nur Dreihundert Waren mit ihm, und den mweitern Beiftand MWeigerten die tüdifchen Ephoren.
Sieben Tage, fieben Nächte rückwärts
In die Engſchlucht trieb das kleine Häuflein Perſiens Schaaren; taufend, abertaufend Sanfen hin, durchbohrt von Griechenlanzen; Und voll Ingrimm von der Feljenhöhe Schaute Xerre3 feiner bejten Krieger Untergang: voth floß von ihrem Blute
Feder Bach der Schluht. Im offnen Kampfe, Wußt' er wohl, den Durchzug ſich erzwingen Konnt’ er nie; geleitet vom Berräther Ephialtes — treffe aller Götter
Fluch ihn! — führt’ er auf geheimen Bergpfad Durchs Gebirg drum feiner Bogenſchützen Myriaden; und am Morgen waren,
Sp wie Löwen in der Grube, Spartas Helden rings umzingelt. Keine Rettung!
Da zum Tod fih wie zum Felt zu ſchmücken Gab Leonidas Befehl den Tapfern;
Und, ins Haar fih Blumen windend, jehritten Sie bei eines Päans Jubelklängen
In den legten Kampf. Bon allen Höhen log der medifchen Pfeile ehrner Hagel
Auf fie nieder; doc durch der Gefchoffe Nächtige Wolfe noch Berderben trugen
In der Feinde Neihn fie, biS zevjplittert Ihre Yanzen brachen. Sterbend ſanken Mann an Mann fie: iiber ihre Leichen
Wälzt verheerend der Barbaren Fluth ſich Gegen Attifa; zerftörte Städte,
Nauchende Dörfer fünden ihres Weges
Spur. Durhmwühlt von ihrer Habgier werden Alle heil’gen Stätten; Fadelbrände
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Sn die Tempel und gemweihten Haine Schleudern fie. Wenn die Olympier ſelbſt nicht Ihrem Frevelzuge Halt gebieten,
Iſt Athen, ift Griechenland verloren!
Ernſt, Beftürzung, feierliche Stille Yagert, wie die Boten alfo reden, Sic auf Alle. Yange, tiefen Sinnens Senkt Themiftofles jein Haupt; hin tritt er Dann vor den Altar, um vor den Göttern Seinen Rathſchluß einmal noch zu prüfen. Und zum Volf mit fefter Stimme fpridt er: Eins nur bleibt ung, aber in dem einen Nettung. Unſre Stadt noch ſchützen wollen, Thöricht wär's; am diefer Burg, der Pallas Alten Heiligtum, und an den Tempeln Bon Athen mag fi der Feinde Ingrimm Sätt’gen; unfre Häufer mög’ er fchleifen, Daß die Stätte nicht, wo fie geftanden, Mehr zu finden. — Doch nicht in den Mauern, In den Steinen, die die Zeit verwittert, Fit Athen: in unfern Herzen, unfern Seelen ungerftörbar fejt gegründet Stehts. Hinweg mit uns auf unfre Schiffe Nehmen wirs, und ſchützend wird Poſeidon Es auf jeiner Wogenfluth empfangen, Big mit uns gerettet es ans Ufer Steigt, in neuer Herrlichkeit zu blühen. Alle denn laßt und das Mindre opfern, Um das Köftlichjte zu retten: Freiheit, Baterland! Wer Auder oder Yanze Führen fann, auf den Trieren ſuch' er Seine Heimath; auf der Wogenfluth auch, Wie am Hausaltare ung behüten Werden unfre Laren. Weibern, Kindern,
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Greifen diene Salamis als Zufludt. Legt in meine Hand, in der Archonten Hand, Athener, denn des Werkes Leitung!
Zweifelnd vor ſich nieder ftarrten Alle. Fragend ſahn fich gegenfeitS ing Antlitz Die Archonten; bang geflüfterte Worte Einzig wurden laut. Nicht fern ftand Kallias Bon Themiftofles, und zu den Männern, Die ihm nahe, ſprach er: Welches Zögern? Bon den Göttern jelbft kommt diefer Rathſchluß! Fa, ich weiß, in ihm allein blüht Heil uns. Als vor Monden in der Perfer Haft ich Seufzte, und der Kriegslärm ihrer Heere, Die fi) donnernd gegen Hellas wälzten, Dumpf in meines Kerkers Mauern dröhnte, Sandten einen Traum mir die Olympier. Bor mir vom Pentele und Hymettus Sah ich, einen bligenden Strom von Waffen, Auf Athen der Meder Niejenfchaaren Niederfluthen; aber erzgepanzert, Mit der Yanze auf das Meer Hindeutend, Schwebte Kronions blaugeaugte Tochter Ueber ihre ſchutzbefohlne Stadt hin. Und auf allen Wegen, ihrem Winfe Folgend, drängte an das Geegeftade Sich das Bolf. Jedoch die hehre Pallas Mies, indem fie leuchtend einem Stern glei) Ueber die blaue Fluth im Flug dahinglitt, Auf die Schiffe ihm den Pfad. — Er jprad) es; Und von Mund zu Munde flog die Kunde, Muth von Neuem in die Herzen gießend. Und Themiftofles erhub die Stimme Wiederum: Das Opfer laßt uns enden!
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In der nächften Frühe dann vollziehn wir Was die Schügerin Athens gebietet.
Neu ertönte von der heil’gen Höhe Der Gefang, die Opferhefatombe Biel, und während ernjt und groß die Sonne Hinter Salamis verfinft, bergabmärts Wallt der ſchlummerloſen Nacht entgegen Sorgenvoll die Menge.
Bon Kalliſtos Lippen hallt, wie mit dem Sohn der Gatte Bei ihr eintritt und fie in der Frühe Sich zum Aufbruch rüften, feine Klage. Schmweigend ordnet fie die kleine Habe, Um das theuerfte mit fi zu nehmen; Und als durd das brechende Dunfel Dämmernd Sich der Morgen hebt, mit Scheidebliden Auf der Wohnung und der Säulenhalle Und des Gartens Delbaumdidicht laſſen Noch die drei daS Auge ruhn. Des Weges Zum Piräus mit den beiden Sklaven Und der treuen Dienerin Denone Ziehn fie dann. Don dichten Menjchenfchaaren Sind bededt die Höhen all’, die Pfade; Und die Hände ringend wenden Mütter, Kinder oft zurück nach der verlaffnen Stadt fi, deren Häufer, Tempel, Haine Durch Barbaren-Fadeln nun in Afche Sinken jollen. Doc die Fünglinge Schauen Und die Männer feften Muthes meermärts Auf die neue Heimath, deren Wellen Ihnen freud’gen Gruß entgegenraufchen.
Weithin längs des Ufers ift mit Schiffen Ueberjät die Fluth, und leichten Fluges
Shad, Ge. Werke IV. 20
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Bei der fallenden Ruder Taft hinüber
An der Infel Küfte trägt Triere
Auf Triere die Athenerinnen
Mit den Säuglingen und den gliedermatten Greifen. Zelte werden dort gejchlagen, Drunter auf des Bodens hartem Felsgrund Sie die Yagerftätte fich bereiten;
Andre finden Schuß in der Gebirge Höhlen.
Nah dem Strand in eines Fifchers Hütte ſucht Kallifto mit Denone Zuflucht; Drimafos jedodh und Kallias Gleich) den Andern, die zum Kampfe tüchtig, Wählen fich als Haus den wogenden Schiffskiel.
Schredensfunden über Schredensfunden Kommen bald, wie im Verwüftungszuge Sengend, plündernd die Barbarenheere Aus des Nordens Bergen näher rüden,
Wie fie alles Volk in Ketten werfen
Und, des Jammers, der Verzweiflung Beute, Fort zur Sflavenfrohn in Afiens Wüften Schleppen. Flüchtende aus Böotien langen An in Salamis. — Wie Nachts ein Bergftrom MWetterfturmgefhwollen in die Thäler iederbraust und fammt den Hütten ihre Wohner in die Wirbelfluth hinabreißt,
Alfo war ein Schwarm von medifchen Reitern Würgend in die Schluchten des Parnafjus Eingebroden; nur ein Ajchenhaufe
Gab den Platz noch fund, wo des Apollo Heiligthum in Delphi ſonſt geftanden.
Und der Tempelſchatz, die Weihgefchente,
Die Jahrhundertlang der Griechen Andacht
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Am Altar dem Gotte dargeboten, Waren zerftreut in alle Winde worden.
Selten Nachts, wenn er von der Triere Dienft fih Ruhe gönnen durfte, weilte Kallias bei der Mutter auf der Inſel, Tröftung ihr zu bringen. Um Anthyllos, Um den jüngern Sohn, voll banger Sorge War ihr Herz, der auf dem Weg nach Norden Nun vielleicht durchbohrt von Perjerlanzen Hingefunfen, fein Gebein am nadten Felshang bleichend, jeine Manen ruhlos Frrend. Ihren Gram zu mindern juchte Kallias: Glaube, fiegreich fehrt er Bald zurück! Doch ihm auch ſchwand die Hoffnung Nach und nad. Wie vor dem nahen Erdſtoß, Eh hinab er in die finftre Tiefe Städte reift und blühnde Yänderftreden, Leifes Zittern hinfchleicht durch den Boden, Liefen Angftgerüchte vor dem Kriegsfturm Her. Ein jeder Abend bradte Nachricht,
Die vom nächt'gen Pfühl den Schlummer ſcheuchte. Schon von Waffen der Afiaten, hieß es, Starren des Cithäron wald’ge Schluchten; Wieder dann: in Attika ſchon bligen
Ihre Yanzen! Einft da, al3 das Dunkel Ueber Salamis hereingebrodhen,
Zu Kallifto, die mit Sohn und Gatten
In der Hütte noch Geſpräche pflog, ftürzt Tief erfchredt die Dienerin: Am Feftland, Auf den Höhen um die Stadt, rings fladert Rother Lichtglanz — Wachtfeur der Barbaren Müffens fein! — Zum nahen Hügel Kommen Auf die Drei. Und weithin vom Hymettus Und Pentelifon bis in den Thalgrund
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Des Kephifios jahen fie den Gluthſchein Eich verbreiten. Rings war das Gejtade Ueberdedt mit Flücht’gen, die aus Zelten, Höhlen, Hütten aufgefheucht voll Jammers Nah dem Schredensanblid ftarrten. Yauter Bald erichallt der Angftichrei; dann auch meiter Unten leuchtet auf, und Flammen fcehlagen Ber Kolonos, bei Kallivrhoös Duelle
Durch das Dunkel; das find Yagerfeuer Nicht, Brandfadeln haben die Barbaren
In des Thejeus Stadt gejchleudert. Züngelnd, Hoc und höher lodernd ſchießen Gluthen Hin von Dad zu Dächern; Säulen jtürzen Und Baläftren in die mächt'ge Lohe;
Wild empor fid) windend ſchlingt die heiße Schlange ihre Ningel um die Tempel
Der Akropolis, die Marmorgiebel;
Und al3 endlich nur ein ungeheures Slammenmeer noch allhin vom Olympion Bis Kolonos und Munychion fluthet,
Stirbt der Schauenden Wehruf: allzu tief ift Für die Klage ſolch Entjegen — jtumm nur Dliden alle nad) der Grauenjtätte,
Kalt und bleich zulett legt ji) der Morgen Auf das Schuttfeld und die Aichenhigel Der verſchwundnen Stadt. Zu ihrem Tagwerf Auf den Schiffen gingen neu die Männer, Glücklich fie noch, daß die ernfte Pflicht fie, Daß die Uebung für den Kampf ihr Sinnen Ganz gefangen nahm. Allein Kallifto, Wie des Tages überlange Stunden Sie verlaffen in der Hütte weilte, Welche Schredgedanfen zogen wechjelnd Dur den Geift ihr! Todt ihr Herzensliebling,
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Ihr Anthyllos! Ihre ſüße Heimath
Eine Trümmerftatt, und deren Wohner
Noch vielleicht zu größerm Trauerſchickſal Aufgeipart. Als fie in dumpfem Kummer
So geſeſſen und umfonft am Abend
Auf des Sohns Beſuch, des Gatten harrte, Trat zu ihr die Dienerin Denone:
Herrin, raff dich auf aus dieſer Trübjal!
Sie wird enden; von den Göttern ward mir Kund. Bernimm! In Gram wie du verfunfen In der Schluht von immergrünen Eichen
Saß ih. Da von ferne durch das Didicht Klang ein Schall von Cymbeln und von Flöten. Näher kams; und durch die raufchenden Zweige Traten tänzelnd furzgehörnte Faune;
Satyın folgten nach in luſt'gen Eprüngen, Nymphen, Eichenfränze um die Stirne,
In den Händen jchmetternde Krotalen
Und Banisfen, auf den Pfeifen fingernd,
Die fie lachend an die Lippen drüdten.
Wie fie meiner achtlos auf dem Raſen
Ihren Reigen fchlangen, ihr Geficher
Hört’ ih. Ans Geftade hin trat Eine;
Und nad) ihrem Winfe aus den grünen Meereswellen tauchten Nereiden,
Schimmernde Perlen in den Yodenhaaren, Cithern in der Rechten; ihnen aber
Rief die Nymphe zu: Hinüber wieder
Sollt ihr bald uns zum Piräus führen,
Rüſtet eure Mujchelnachen; lang nicht
Währt mehr unfer Bann: in diefem Herbit noch Feiern am Ilyſſus wir das Weinfeft!
Zu Themiftofles auf die Triere Ward indellen Kallias berufen.
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Wie du fühn und weiſe deine Mannfchaft Leiteft, ſprach zu ihm der Feldherr, hört’ ic). Jeden Lufthauch weißt du in dem Segel Aufzufangen, und dein Schiff gehordht dir
Wie ein Nof dem Reiter. Auch beim Opfer Auf der Burg an deiner Nede hab’ id)
Mich erfreut. Noth ift ein Mann wie du mir! Drum an meiner Seite dich zu haben
Wünſch' ih. Den Foniern deines Schiffes Werde Theron Führer, der Acharner.
Kallias folgte willig dem Geheiße. Auf des Feldherrn Schiffe nun als Zweiter Unter ihm die Mannjchaft der Triere Yeitet er. Und immer drohnder ziehen Um die Bucht von Salamis des Krieges Wetterwolfen fih zufammen. Weithin Bon der Perjer Reitern, Wagen, Fußvolk Sit erfüllt das Ufer; und herüber Auf den Wogen ſchallt von ihren Warten Das Geklirr, da3 Rollen ihrer Räder, Noßgewieher und des Bodens Dröhnen, Der zerftampft von unzählbaren Schaaren Dumpf erzittert. Durch die Feljenpforte, Die ſich zwifchen Yand und Inſel aufthut, Aber fieht man, Maft an Maft fich veihend, Unabjehbar der Barbarenjchiffe Taufend-Taufende bis zum Himmelsrande Sich verbreiten. Eingefeilt, vom Meer aus Wie vom Feftland, blieb dem Häuflein Griechen Rückzug nicht. Die flüht'gen Frauen, da fie Bon der Inſel Klippen auf die Öatten, Söhne, Brüder niederblidten, vaunten Bange: Wie in der Eyflopenhöhle Die Gefährten des Odyſſeus find fie;
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Einen nad) dem Andern auf die Schlahtbanf Wird dies wüth'ge Volk und uns dann jchleppen.
Mit Korinths, Arkadiens, Sparta Feldherrn War Themiftofles Berathung pflegend Bis zur Nacht vereint gewejen. Grollend Kehrt er auf fein Schiff und fpricht zu Kallias: Untergang uns Allen wird dies Zagen Bringen. AS ich ernſt zu jchleun’gem Angriff Mahnte, jahn Arkadiens, Spartas Führer Fragend fih mit Bangen an, und bleicher Wurde noch vom Widerſchein des andern Jedes Antlis. Uns in fein Verderben, Riefen fie, mit ſich hinunterreißen Will Athen; beſetzt ſchon von des Feindes Heeren iſt der Iſthmus, und der Weg ſteht Ihm bis in das Herz der Pelopsinſel Offen. Nur noch eine Rettung bleibt uns: Durch den Ausgang, den die Perſerflotte Bei Munychion noch nicht ſperrt, zu fliehen. Mit den Bangenden länger Zeit verlieren Wil ih nicht; an König Kerres, Kallias, Sollft von mir du eine Botſchaft bringen!
Behnter Geſang.
Durch das Nachtgraun ſchifft im leichten Nachen Kallias an das Feſtland. Unermeßlich Dehnt ſich über Hügel, Thäler, Ebne
u
Bor ihm aus der Perjer Riejenlager.
Gleich al3 breite unterm Sternenhimmel, Welcher droben leuchtet, fich ein zweiter
Auf der Erde, glänzt der Wachtfeur Schimmer Und der Yichter. Durch den Mund des Herolds Fordert in des Griechenfeldheren Namen Kallias, daß man ihn zu König Xerres Bringe, und hin durch der Zelte lange Reihen leiten Krieger ihn bergaufwärts.
Daß er Yand und Meer und Heer und Flotte Ueberſchaun kann, hat der Herrſcher Afiens Auf de3 Bergs Aigaleos felſ'gem Gipfel
Zelt und Thron für fich errichten Laffen. Zwiſchen Yanzenträgern, die zu beiden
Seiten Wache halten, jchreitet Kallias
Bor, bis durch das nächt'ge Dunkel blinfend Bon dem Zelt auf ihn des Mithras goldnes Bild hernieder funfelt. Zu des XKerres
Thron dann wird er hingeführt; ein Vorhang Walt zurüd, und von des Weltgebieters Munde jchallt entgegen ihm die Frage: Welche Botjchaft fendet mir dein Feldherr, Grieche? Willig bin ich, fie zu hören.
Kund thun — alfo gab ihm Kallias Antwort — Yapt durch mich Themiftofles dem Xerxes — Und der bift du, denk' ich: — nicht gebieten Könn’ er mehr den Griechen; diefe Nacht noch) Durch geheime Flucht die offne Meerfluth Zu gewinnen dächten fie. Doch eher Will er Untergang für die Hellenen, AS daß feig fie fliehn. Drum fie zu zwingen Denkt er, dir ſich in der Schlacht zu ftellen; Laß denn fperren alle Meerespfade!
— #13. —
Hochwillkommnes meldeft du, ruft RXerxes. — Der Berblendete! So kann er mwähnen, Mir im Kampf zu widerftehn? Die Schiffe, Die Schon fast entronnen, liefert ſelbſt er Mir al3 Beute. — Geh, fag deinem Feldherrn Meinen Danf, und du für deine Botjchaft Meiner Gnade fer verfichert, Grieche!
Deine Huld gewähre dem, vief Kallias, Der nach ihr begehrt! Nur ein Verlangen Heg’ ich: diefe Bruft den Perferpfeilen Bietend um mich her der Euern Viele Auf des Meeres feuchten Grund zu betten.
Deiner Jugend, ſagte lächelnd Xerxes, Freund, will ich den Uebermuth verzeihen; Aber wiſſe: in mein Net gerathen Seid ihr — nirgends Zuflucht, noch Entrinnen. Und bei Becherflang von meinem Felsthron Will ich zufhaun, wie die Meeresmoge Eurer Schiffe Trümmer, eure Leichen Mir zu Füßen an die Klippen jchleudert.
Kallias ging; und feinen Plottenführern Eilends gab Befehl der Herrſcher Aſiens, Dreigetheilt jedweden Pfad des Meeres Zu behüten; mit dem Haupt es büßen Würden Alle, wenn der Griechen Einer Nur entränne. Das Gebot vollftreden Jene, Jeder feine Mannſchaft ordnend; Wer zu rudern weiß, wer Waffen führen Kann, befteigt der Kiele ſchwanke Bretter, Und hin von Geſchwader zu Geſchwader Tönen dur) die Nacht der Mannschaft Rufe.
Als ihm fund durch Kallias geworden, Daß der Sendung Zwed erreicht jei, jchleunig Ließ TIhemiftofles den andern Führern Melden: Wir Athener ziehen morgen In die Schlacht! Fhr, zwiihen Ruhm und Schande Wählt! Allein auch, wenn ihr uns verlafjet, Kämpfen mir.
Kaum noch hat Helios’ weißes Roßgeſpann die Meerbucht und die taufend Segel drauf erhellt, jo ſchallt von allen Borden der Athener jauchzender Kriegsruf, Und von Inſelklippen und von Feljen Hallt zurüd der Jubel. Der Drommeten Schmettern mahnt zum Kampf, und zu dent heil'gen Kriegspäan ertönt der Schlag der Ruder. Vorwärts, von Themiftofles geleitet, Stürmt der rechte Flügel, und die ganze Flotte folgt ihm nach; wie des Eurotas Weiße Schwäne, wenn im Prühlingsfturme Sie die Schwingen breiten, ſchießen Spartas Segel über die Wellen; durch der Tuba Erzflang dringt von der Arkadier Schiffen Geller Hirtenpfeifenton, und hochauf, Wie um ihren Iſthmus beider Meere Brandung, dröhnt von der Korinther Booten Lärmender Kriegsruf. Während hierhin, dorthin Flügelfchnell die Fluth der Griechen Kiele Sp durchſchneiden, langſam, faſt der eignen Wucht erliegend, rüden die Gejchwader Perfiens wider fie; gleih Schlangen winden Der Athener Boote zwifchen ihnen Sic hindurch, die fcharfen Eijenzähne In der Ungethüme Seiten bohrend, Bald jchlägt Schiff in Schiff den ehrnen Schnabel,
— —
Eins das andre in den Abgrund reißend; Und hinüber und herüber ſchleudern Katapulte ganze Felſenſtücke,
Rieſ'ge Balken ſchießen auf, die Spitze Erzgekrönt, in ihrem Niederſturze Schwachem Rohre gleich der Feinde Maſten Knickend, das Verdeck in Trümmer brechend.
Als vom Schlachtenſturm umhergewirbelt So die Schiffe aneinander prallten, Und umher ein ungeheures Krachen Von zerſchmettertem Ruderwerk ertönte, Durch der Pfeile Hagel wurde Kallias Neben ſich in einem Boot Alkanders, Seines Freunds, gewahr, von dem hinweg er In Jonien geriſſen worden. Doch den kaum Erblickten trifft zermalmend Eines Steinblocks ungeheure Felslaſt. Weiter fortgetrieben durch die Wogen, Die, von Scheiterſtücken voll und Leichen, Ihn umkreiſen, dann auf anderm Decke — Kann ers glauben? — Rhalkos, den Sklaven, Und Yaodamas, den Sohn des Phanor, Sieht er rüftig fämpfend. Da vom Maſt her Heiſcht Themiftokles: Die Eiſenklammern Werft an jenes Perſerſchiff! Zu retten Gilts den Aeſchylus, den Stolz von Hellas! Alzufühn zum Feindesbord hinüber Hat er fih gewagt! — Wie feftgefchmiebet An die Attiſche Triere bald war Des Artembares, des Mevderfüriten, Schiffskoloß, daran fi) von der andern Seite ſchon ein Griechenſchiff gedrängt hat, Und zum Schlacdhtgefilde, wo mit Keule Und mit Schwert fih Mann an Mann befämpften,
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Wurden die vereinten Borde. Dorthin!
Ruft aufs neu der Feldherr. Bor den Andern Bricht fi) Kallias Bahn durd) das Getümmel, Bis wo Aeſchylus allein inmitten
Eines Haufens Perfer kämpft, und eben
Eine Stierfopffeule ihm die Stirne
Zu zerfchmettern droht. Vor Kallias’ Schwerte Sinft des Feinds erhobner Arm; die andern Griechen übermannen rings die Perjer;
Nieder ftürzt durchbohrt von Yanzenftichen Selbſt Artembares, und in die Reihen
Der Athenerboote im Triumphe
Wird fein Schiff gefchleppt. — Dicht, immer dichter Ballt indefjen fih die Schlacht; des Meeres Tiefe und das Himmelsdad) erzittern
Bon dem Kampfgewitter; feſt verſtrickt ich Schiff mit Schiff, der Kämpfer mit dem Kämpfer; Bon der breshenden Ruder, der geborjtnen Bretter Krachen und der Untergehnden Weherufen hallt die Luft. Der Perfer
Flotte, fi im engen Sund verjtopfend,
Kiel am Kiele ſich zerftoßend, brachte
Selber fih Verderben. In die Fluth ſchlug Bord um Bord; Meer war nicht mehr zu jehen; Trümmer, Scheiterftüde nur und Leichen Wogten um den Strand und um die Klippen. Taufendftimmig da erfcholl der Griechen Siegesruf; in wilder Fluth entſtürmten
Der Barbaren Schiffe, die noch Beute
Nicht dem Feind geworden. Aber ihnen
Nach mit hurtigen Ruderſchlägen flogen Griechenlands Trieren; an die Fliehenden
Sich wie ihre Schatten heftend riffen
Sie hinab fie in den feuchten Abgrund.
— 3 —
Hoch vom Bord, von wo die Schlachtbefehle Er ertheilt, umbraust vom Giegesjauchzen, Nief Themiftofles: Die fchnellften Boote Nehmt, daß ihr das Eiland dort umzingelt, Piytaleia! Dicht bejest mit Perſern its, die aus dem Hinterhalt zu fahn uns Dadten. Schnell, damit fie nicht entrinnen! — Schleunig dem Befehl gehorchten Viele;
Eid in fleine Boote werfend ringsher
Nach der Inſel ſchoſſen fie; mit ihnen Kallias. Doch aus der Verzweifelnden Mitte Flogen Felſenmaſſen, jhmwirrende Pfeile,
Und ein Wurfgefchoß, mit Macht gejchleudert, Stredt’ ihn auf den Boden hin; nur hören Konnt’ er noch der Griechen Jubelrufe,
Wie fie näher drangen, und der Perfer Wehgeſchrei, als unter ihrer Schwerter Streich der Stolz der edelften Gejchlechter Blutend ſank; dann ſchwanden ihm die Sinne.
Unterdeß von jeinem Feljenthrone Seren Blicks ſchaut Xerxes in die Tiefe, Wo der Sturm der Schlaht in wilden Wirbeln Seines Heeres Hunderttaufende umtrieb. Boten jprengten erft mit Siegesfunden Ihm heran; dann jubelnd hoch den Becher Hub er; doch fein eignes Auge ftrafte Bald die Botſchaft Yügen, und nad) unten Sandt’ er, jedem Yäffigen Tod zu drohen. Aber neue Boten famen: Wehe! Deines Reiches Blüthe finft! Zerichmettert Liegt auf ödem SKlippenftrand Arfames, Mediens Schlachtenfürft; durchbohrt vom Schwertitog Treibt auf todgejchwelltem Meer Dadakos, Mit des Blutes Strom die Wogen färbend!
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Jede Welle jchleudert Yeichen deiner Tapfern an die Riffe; in der Brandung Ruhlos werden fie umhergemirbelt.
Und al3 nun, aus feiner Allmaht Wahne Aürfgeichredt, der Herricher Afiens drunten Seiner Flotte prangende Gejchwader Allumher die Fluth mit berftender Schiffe Scheitern überdeden jah, al3 donnernd Ihm zu Füßen an den Strand die Welle Trümmer warf und Yeichen, da verzmweifelnd Sein Gewand zerriß er, und die Feldheren, Seines Reiches Untergang bejammernd, Standen flagend um ihn her: Weh! Wehe! Deines Volkes Ruhm ift hin, Gebieter! Deine ſchwimmende Bretterjtadt, gewalt’ger Als Ekbatana und Babylon, jtürzt Krahend ein, und in den Abgrund taumelt Afiens Heldenjugend! jchleun’ge Flucht nur Kann dich retten noch und deines Heeres Keft. Berloren bift du, wenn die Brüde, Die an Aſien Europa jchmieden
Sollte, von der Feinde Hand zeritört wird, Eh den Hellespont du überjchritten. —
Sp in haft’ger Flucht, voran der König, Wälzten nordwärts zu der Thrafer Bergen Ueber Ströme, die in frühem Eife Starrten, fih der Perſer Heeresihaaren.
Kallias, al3 ihm die geſchwundnen Sinne Wiederfehrten, fand im Ruderboote Sih am Boden liegend. Keine Wunde, Nur des Wurfgeſchoſſes Anprall hatt’ ihn Hingeftredt. Der Schiffsgefährten Einer, Freudig den Erwachenden begrüßend, That ihm Meldung: bi8 an Chios' Küften
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Hätten fie verfolgt die flücht’'gen Meder,
Und die Beute, die Gefangnen fünne
Tragen faum der Kiel; nah Salamis nun Geh’ es heim. Allmählig taucht Erinnrung Auf in dem noch halb Betäubten. Sieg! Sieg! Jauchzt jein Herz mit hohem Schlag; zugleich) macht Der Gedanke an des Phanor Tochter
Sein erftarrtes Blut in fchnellrer Wallung Durch die Adern rinnen. Aber war e3 Traum nicht, daß Laodamas er jchaute?
Und wenn er3 geweſen, blieb die Schmweiter In Jonien niht? Dem Boote wünſcht er Sturmesſchwingen, daß der Zweifel bald fich Löſe. Doc es ſchwebt die Nacht hernieder, Und er fieht, wie fern er noch der Heimath: Milos’ weiße Marmorflippen werfen
Bor ihm Schatten auf die hüpfenden Wogen. Hurtig über leichtbewegte Meerfluth
Trägt der Nahen ihn, und von der Stirne Nimmt der frifche Oftwind ihm des Fiebers Letzte Gluth; der Ruderſchläge Fallen
Und des Mondes Dämmerlicht, von Welle Hin zu Welle glitzernd, will in Schlaf ihn Lullen. Aber wenn ſich ſenkt die Wimper, Schnell verjagt vom Sturme der Gefühle Wieder flieht der Schlummer. In der Frühe Als von Oſten her des Helios Roſſe Brauſend nahen und, in höhrer Brandung Um die Klippen rollend, das beſchäumte Meer dem Sonnengott den Hymnus donnert, Heben Naxos und das heil'ge Delos
Ihre lichtbeſtrahlten Dorertempel
Vor dem Kehrenden. Mit trägen Stunden Schleicht ein Tag noch hin; an ihm vorüber Schwimmt Aegina; in der ſinkenden Sonne
Gluth ficht Attifas Gebirg er glorreich
Sich entgegenfchimmern. Endlich landet
Durch die purpurne Fluth beim Abendrothe
Er an Salami’ Geftad’; die Eltern,
Bang um feinethalb bejorgt, empfangen Freudig ihn am Ufer; ihren Armen
Sucht er ſchnell fi zu entwinden. Sohn, was Haft du? fragen fie; doch wirre Worte Stammelnd eilt ex fort, ob von Arete
Ihm nicht Kunde werde. In der Menjchen Schwarm tritt ihm durch günft’ge Schiefalsfügung Rhalkos entgegen. — Biſt dus, Beiter? — Und Arete? — Sp mit freud'gem Gruße Giebt der Sklav zur Antwort: Eine Grotte Birgt fie mit Paodamas, dem Bruder Komm, ich führe did! — Hochklopfenden Herzens Folgt ihm Kallias zur nahen Grotte;
Und fie fteht vor ihm, nun zu der Jungfrau Boller Schönheit aufgeblüht, Arete.
Sprachlos bleiben lang die Zwei; dann ſchüchtern Yallt der Füngling abgebrochne Laute.
Aber Jene hebt zu ihm das Auge
Bald, bald wieder ſenkt fie es. Die Liebe,
Die bei wer’ger Worte füßem Tauſche
Einft als Funke in ihr Herz gefallen,
Iſt zur mächt'gen Flamme durch die lange Trennung nun emporgeloht, der Beiden
Seelen in einander jchmelzend. Ihre
Nechte in des neugefundnen Freundes
Rechte legt die Jungfrau, und wie Ader
Warn an Aber jchlägt, verräth ihr Klopfen, Was die Yippen zagend noch verfchweigen.
In der diftern, matt vom Fadellichte
ur erhellten Höhle felig fühlen
Sich die Liebenden, als ob entrüct fie
— 321 —
Diefer Welt auf des Olympos Gipfel
Der Unfterblichen reine Wonne fchlürften. Bald beredter fließt im Wechfeltaufche
MWort auf Wort. Don feinen Abenteuern Erſt muß Kallias Bericht erftatten;
Und Yaodamas, herangetreten,
Giebt von feinem und der Schweiter Schidjal Nachricht fo: In Kappadociens Bergen
In dem Schloß des Gaſtfreunds harrten lang wir Auf des Vaters Wiederkehr. PVergebens! Botihaft fam, daß die Nebellenheere
Er beftegt, allein, in ihre dichtſten
Reihn fih ftürzend, felbjt den Tod gefunden. Endlih auch von feinen Treuen wurde
Seine wundenüberdedte Leiche
Uns gebracht und eine Tafel, drauf er Abends vor der Schlacht den legten Willen Eingegraben: An Arete jend’ ich
Meinen Batergruß. Den Flammen geben Soll fie mein Gebein und meine Ajche
Nah Athen heimbringen. Sie geleiten
Mag mein Sohn, auf den der Götter Segen Ich herniederflehe. Ihn umſchweben
Wird mein Geiſt, wenn er mit Hellas' Heeren Auszieht; ſelbſt in ihren Reihn zu kämpfen Wehrte mir mein Eidſchwur; vor dem Schickſal, Wider Griechenland mein Schwert zu zücken, Hat der Tod mich jetzt beſchützt.
Indeſſen
Tritt Arete zu dem Aſchenkruge,
Noch dem Vater eine Thräne weihend,
Und gerührt ſpricht Kallias: Edler Phanor!
Trübt dein Tod uns ſo den Siegesjubel?
Und kann dein Athen, das vielgeliebte, Schack, Geſ. Werke. IV. 21
- m —
Nie mehr ganz und voll an dir die Unbill Sühnen, die verblendet es begangen?
Weiter dann erzählt Yaodamas: Wir Brachen heimlich auf, Die theuern Reſte Heimzuführen. Auf verborgnen Wegen, Dur) Gebirg’ und unmwegjame Schludten, Ueber Moore ging die Flucht und Sümpfe. Dennoch hatte Beffus, der Satrap, ung Ausgefpäht; als in entlegnem Thale Nachts wir ruhten, unverfehens brach er Bor, und wie der Habicht auf die Taube Auf Arete ftürzt! er. Schon in Armen Riß er fie hinweg, zwei Spießgejellen Hinter ihm; ich in Verzweiflung fuchte Ihm fie zu entwinden. Plötzlich jah ic) Blutend rückwärts auf das Roß ihn gleiten: In die Bruft gebohrt hatt’ ihm die Schweiter Ihren Dolch. Noch Frampfhaft fie umfchlungen Hielt der Hingefunfne; aber leicht ihm Sie entringend, mit der theuern Beute —_ Schwang ic) auf den Nenner mich, und weiter Ging mit Rhaifos, der treu zur Geite Bei den ganzen Kampfe mir geftanden, Weſtwärts unfer Ritt. Bon unfrer Irrfahrt, Bis das Meer an Attifas geliebten Strand uns trug, erfahren follft du fpäter.
Kallias drauf: Wohl hallt euch Siegesjubel Bei der Wiederfehr entgegen; aber Statt der herrlichen Stadt nur öde Gaffen Werdet ihr, verwüftete Gärten finden. Deiner Väter Wohnung am Muſeion Viegt in Trümmern; und fo lange, bis fie Aus dem Schutte neu erftanden, wirft du
— 323 —
Mit dem Zelt, dem einz’gen Dach, das ich dir Dieten fann, zufrieden fein, Arete?
Kur mit einem Blick und einem Handdruck Gab die Jungfrau Antwort ihm; zu voll war Shr das Herz. Roth durch den Örotteneingang Unterdeffen drang die Morgenhelle,
Und zu feiner Mutter ihm zu folgen
Bat Areten Jener: In der Hütte
Mußt bei ihr du wohnen, bis hinüber
Nach Athen das Boot uns trägt! Mir aber, Waderer Laodamas, den ftolz ich
Meinen Waffenbruder nenne, gönne,
Daß mit dir ich diefe Höhle theile!
Hin am Strand de3 leuchtenden Meeres jchritten Dann die Drei; und vor der Fifcherhütte Tritt entgegen ihnen Drimafos ſchon Mit Kallifto. Botichaft des Gefchehnen Bringt den Eltern Kallias, und herzlich) Heißen fie den holden Gaſt willfommen, In der engen Wohnung neben ihnen Ihr die Schlummerftatt beveitend. Sohn! jpricht Drimafos, wohl legt fid) dunkle Trauer Auf mein Herz, daß zu den Schatten Phanor Eingegangen; doch die Götter fchenfen Mit dem Schmerz zugleich mir mild die Tröftung, Da das Kind des vielgeliebten Freundes Sie al3 Tochter in das Haus mir führen. Nun in neuem Frühling mag, ihr Theuern, Mir durch euch mein alterndes Leben aufblühn.
Kaum gejprochen hatt’ er jo, der Beiden Hände in einander fügend, als ihm Sich ein Krieger nahte und ihm winkte,
— 34 —
Seinem Wort Gehör zu geben. Eilends Ging mit Jenem Drimafos zur Seite
Und, nachdem er ihn vernommen, wieder
Zu den Andern ſprach er: Was verhehl! ichs? In Theſſalien von der Perjer Lanze
Wacker kämpfend ift Anthyll gefallen.
Schmerz ließ ihn verſtummen; auch der Mutter Weh war allzutief für Klagerufe; Lautlos ſtarrte ſie zu Boden, während Ueber Kallias' junges Glück die Trauer Ihren Schatten ſenkte. Endlich wieder Nahm das Wort der Vater: Schön gefallen Iſt er! Früh hinweg von dieſer Erde Nehmen ihre Lieblinge die Götter, Daß ſie nicht der Jugend, nicht des Glückes Welken ſehen. Laß uns denn, Kalliſto, Um den Sohn nicht klagen; nein, laß ſtolz uns Sein gedenken, daß er, den ich läſſig, Thatlos oft geſcholten, ſich ermannt hat Und, faſt Knabe, Männerruhm erſtritten! Konnten wir dem Vaterland ihn weigern? —
Und nun in des nächſten Tages Frühe, Den die Sonne, über Delos ſteigend, Zu der Siegesfeier weiht, nach oben Mit den Schaaren jubelnden Volks zum Felshaupt, Welches über Meer und Inſeln weithin Niederſchaut, laßt uns die Schritte lenken! Hin von Mund zu Mund der Schiffer, wie ſie Aufwärts klimmen, geht die Rede: Habt ihrs Schon vernommen? Glaukos hält, der Meergott, Bon Geſtade zu Geſtad', von Inſel Hin zu Inſel wieder ſeinen Feſtzug. Dieſe Nacht beim Mondlicht ſahen Viele
— 325 —
In der Hafenbucht den Fiſchgeſchwänzten
Im Gefolg von jauchzenden Tritonen,
Wie er aus der Fluth die jchilfgefrönte
Stirn erhub und in die Hände klatſchend
Nief: Nun auf, ihr Schiffer! Spannt die Seile! Hebt die Anfer! Um die Maften windet
Yaub und Blumen, und die Kliele wieder
Laßt hinaus in die fhäumenden Wogen jchiegen! Brei, jo weit Hellenenlaute tönen,
Iſt der Dcean vom Perjerjoche!
Bis hinab in feine tiefften Schlünde
Yacht er mit den ſchießenden Wogenftrudeln Ueber der Stolzen Sturz, und aus den Höhlen Allumber und von den Feljenflippen
Widerhallt das Hohngelächter; jauchzend Schmüden in der grünen Dämmrung drunten Sich die Nereiden mit des Meeres
Schönſten Perlen, daß in fejtlichem Reigen
Sie von Strand zu Strande eure Schiffe Dur das freie Wellenreich geleiten.
Jetzt zur Höhe, wo der Blick hinunter Auf das Meer mit feinen jel’gen Inſeln Und auf Hellas’ vielgezadte Küften leitet! Fernhin über Böotiens dunfeln Wäldern ragt das Schneehaupt des Parnaffus, Ragt der mufenheilige Eithäron,
Und gen Süden aus den Purpurmellen Sehen wir des Pelops Eiland dämmern. Unabfehbar, als ob alle Griechen
Dort verfammelt wären, mogt die Menge Auf des Berges lichtbefränztem Scheitel. Zum Altar, mit Myrtenlaub ummunden, Sit ein Felfenblof gefhmüdt; ſüß duftend In den reinen Aether fteigt des Opfers
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Flamme, während feierlihen Klanges
Sich der Siegspäan von hunderttaufend Lippen hebt, und all die raufchenden Bäche, Die von Klippe hin zu Klippe ftürzen,
Und das Meer mit feinen Wogenzungen
Ihn im Chor begleiten. Aufgejchichtet
Iſt um den Altar die Stegesbeute,
Und gefalbt, im Haare Delzweigkränze, Schwingt ein Chor von Jünglingen im Feſttanz Bei der Cithern und der Flöten Schalle
Sid um die Trophäen. Aus des Bolfes Mitte tritt bei des Päans Berftummen Dann Themiftofles, und bis zum Himmel Hallend grüßt ihn donnerndes Jubelrufen: Heil Themiftofles! des Baterlandes
Netter Heil! — Er aber jpridt: Ihr Freunde! Mir nicht, jagt den rettenden Göttern einzig Dank, daß fie des Himmels fchönfte Gabe Uns, den Sieg, geſchenkt! Laßt von der Beute Uns das Befte wählen, und die Söhne
Der Gefallnen mögen in Olympia
Und in Delphi unfre Weihejpenden,
Hymnen fingend, den Unfterblichen bieten, Daß fie ferner huldvoll auf uns ſchauen! Aber Fenen auch, die fämpfend jtarben,
Mög’ in feinem Herzen jeder Grieche
Einen Altar weihen, drauf des Dankes Flamme lodert! Nicht mit Yorbeer fränzen Können wir ihr Grab; auf öder Salzfluth Treibt, ein Spiel der Wellen und der Winde, Ihr Gebein; allein ein ew'ges Denkmal
Sei ganz Hellas ihrem Ruhme! Selig
Ihre Söhne, felig ihre Enfel,
Die im duft’gen Schatten ihres Sieges Wirken nun und ſchaffen fönnen, daß ihr
— 327 —
Hellas herrlich, immer herrlicher erblühe! Auf, ihr Freunde! Einmal noch im Chore Mit des Opfers goldner Yohe walle
Zu den Olympiern unſer Danf! Dann laßt uns Alles rüften! Wenn um die dritte Wache Nachts der Fahrwind ſich erhebt, hinüber Sollen nad Athen uns die Trieren
Tragen. Schon die nächte Frühe muß uns Bei der Arbeit ſchaun, daß auf den Feldern, Die der Perferrofje Huf zertreten,
Neu der Delbaum grüne und die theure Stadt mit der geweihten Burg des Sefrops Aus der Afche prächtiger eritehe.
Als er ſchwieg, auf mächt’gen Flügeln hob ſich Abermals der Chorgefang gen Himmel. Und hoch vom Altar, genährt mit Myrrhen, Stieg das Feuer, während ihren Neigen Singend um ihn her die Knaben fchlangen, Dann in frohen Gruppen auf der Inſel Höhn vertheilte, in den fchattigen Thälern Sich die Menge, nun zuerjt ſeit Monden Aller Sorge ledig. Arm in Arme, Langentbehrter traulicher Geſpräche Sic erfreuend, wanderten mit den Freunden Freunde; Väter an der Söhne Seite Flochten fih im fühlen Waldespidicht, Wo beim Platanos die Ulme flüftert, Kränze friihen Schilfes in die Locken Und ergögten an der Sprudelquellen Rande ſich bei Becherflange. Alfo Zu den Fünglingen, die um ihn im Sreife Sich verfammelt, redete Kallias: Freunde! Nun der holde Friede aus der Nechten Uns das Schwert nimmt, fehre unfer Jeder
— —
Zu dem Werk, zu welchem ihn der Genius Ruft! Die hohen Himmelstöchter ſeh' ich Lächelnd vor uns her, die Muſen, ſchweben, Uns den Weg zu ihrem Lieblingsſitze
Am Ilyß zu weifen. Quader muß ſich Jetzt an Quader fügen, Säul' an Säule, Und das Tempeldach, gen Himmel ragend, Unſern Dank für das geſchenkte Siegsglück Den Unſterblichen bringen. Allen Göttern Und Heroen ſollen Heiligthümer
Wie im Frühling Blüthen aus dem Boden Wachſen! Glorreich, alle überragend, Steige das olympiſche Haus des Donnrers Aus dem Schutt, und hoch von unſrer Felsburg Breite unſre hehre Mutter Pallas Schützend über uns die ehrne Lanze, Während unten Dromos und Paläſtra Und Odeon und der Theater Feſtbau
Aus der Gärten Laubgrün ſich erheben. Eure Stirnen kränzt, ihr Dichter! brauſend Laßt im Sturme der Begeiſtrung eure Saiten tönen und, den Thyrſus ſchwingend, Um die Thymele die Chöre ſchreiten!
In das weiße Felsgeſtein Penteles Strömt, ihr Bildner, eurer Seele Feuer, Daß zur Fülle himmliſcher Geſtalten
Er erblühe! Aus den Säulenhallen Müſſen ſie, von Niſchen und Altären,
Der Begeiſtrung Gluth in allen Adern, Niederleuchten. Ja, in Siegsdenkmalen Soll von Hellas' Ruhme jede Landſchaft, Jede Stadt und Inſel zeugen. Keine Bergeshöhe ſei, auf der ein Tempel
Nicht die Götter prieſe; keine Klippe
Oder Meereswarte, die nicht fernhin
— 329 —
Mit der Marmorgiebel Heldengruppen Schon den wiederkehrenden Schiffer grüßte. Eine Siegesfeier joll e8 werden,
Die durch die Erinnerung der ſpätſten Nachwelt Trauer noch in Jubel wandle!
Aber al3 die Nacht herabgefunfen, Rüften Alle fich zum Aufbruch. Kaum noch Hat der Fahrwind um die dritte Wache Sich erhoben, als fih Männer, Weiber In die Boote drängen und die Kliele Durch die hochaufraufchenden Wogen fliegen. Kallias lehnt am Borde mit Arete — Neben ihr des Baters Ajchenurne — Und empor zum Himmel deutend jpricht er Zu der Jungfrau: Sieh im reinen Nachtblau Die Plejaden dort, die himmlischen Schweitern, Die der Pilot als glüdverheißende Zeichen Preift. Schon meiner Kindheit Yieblingsfterne Waren fie; und als im fernen Yande, Bon Gefahr umdroht, bedrängt von Zweifeln, Ich ihr mildes Licht gewahrte, fleht’ ich, Daß auf tiefumdunfeltem Pfad des Lebens Führerinnen zum erjehnten Ziele Sie mir feien. Bald dann, al3 Bethörung Mich von Vaterland und Pflicht und Treue Loszureißen drohte, wet’ ihr Strahl mic Aus dem Sinnenraufche! Sieh, durd) Strudel Und Orkane haben nun die Holden Mich — und dic) an meiner Seite, Theure — Ins gerettete Vaterland geleitet!
Wie ers fagte, glitt auf plätjchernden Wellen Uferwärts das Boot ſchon; des Piräus Hafen nahm es auf; und vor den Beiden
— 30 —
Blühte in dem Rojenliht der Frühe
Nah und nach mit all den wonnigen Pläßen Attifa empor; des Lykabettus
Gipfel warf den erften Strahl des Morgens In das Thal hinab, und fernher hörten
Sie die Wellen des Ilyſſus rauſchen.
Weihgefänge
Dritte Uunflage
Ber Hürstin Caroline won Wittgenstein
in Rom
verehrnungsvoll gewidmet.
EFT ERS
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J
—
—
Aufruf.
Juf! aus unſern Erdennächten, Drin du zagend irrſt, verwaist, Von den Sorgen, die dich knechten, Ringe dich empor, mein Geiſt!
Arm iſt, wen in ſeinem engen Kreis das Ich gefangen hält; Aber denen, die ihn ſprengen, Blüht und duftet reich die Welt.
Fühle jenes mächt'ge Ganze, Das uns Alle trägt und nährt! Sonne dich in ſeinem Glanze, Wärme dich an ſeinem Herd!
Auf der kleinen, matterhellten Erde nicht, die jetzt dich bannt, In dem großen All der Welten Iſt der Menſchheit Vaterland,
Und die Weſenſchaaren alle,
Von des Abgrunds tiefſtem Schlund Bis zum höchſten Sonnenballe
Eint ein großer Geiſterbund.
— 336 —
$t10S.
Mag längft der Rauch von Weiheferzen Und Opfern zu des legten Gottes Ehre Dermweht fein auf dem legten der Altäre, Doch aufrecht ftehn in unſern Herzen
Soll dein Altar bis an der Zeiten Schluß, D Liebe, ältfter Genius,
Erhabener, den ſchon die frühfte
Menſchheit als höchſten Weltgebieter grüßte! Wer wars, als du, der aus des Chaos Wüſte Die Elemente fchied, dem Ocean
Sein Bett wies und den Weltorfan
In Feſſeln legte, drin er fruchtlos grollte? Der Sonnen jeder zeigteft du die Bahn, Auf der fie durch den Himmel freifen jollte; Und wenn in Wetterfturm und Finfterniß Die dunfeln Mächte wiederfehren wollen, Zwingt dein Gebot den Donner zu verrollen, Die Wolfen theilen fi, durch ihren Riß Hernieder lächelft du im felgen Blau,
Und in des Regenbogen: Pracht
Strahlt fallend jeder Tropfen Thau.
Den Frühlingsfhmud ſchenkſt du der Erde wieder Und der Libelle ihre Hochzeitstracht,
Und lehrſt die Nachtigall in weiche Lieder Ausftrömen ihres Herzens Luft und Trauer; Sehnfüchtig duftet zu Dir auf die Roſe, Und athmend fühlt jogar das Seelenloſe Bei deiner Nähe ſüße Schauer;
Wie erft der Menfh! Ein tiefes Schweigen Kommt iiber ihn bei deines Hauches Wehn; Ein Himmel, den er nie gefannt,
Fit ihm zu Häupten ausgejpannt,
— 37 —
Und große Sternenbilver fieht er fteigen, Die noch fein Sterblicher gejehn.
Wenn du zwei Wejen, Göttlicher, begnadeft, Sie fafien faum des Segens Fülle, Die du vom Himmel über fie entladeft. Auf fie hernieder jenft ſich große Stille; Der Eine in den Anderen verloren, Fühlt Jeder, wie in einem heil’gen Bad, Sein Jh in jenem neugeboren Und achtet nicht, was fonft die Erde hat. Dom Erpdftoß, von der Reiche Fallen Mag um fie her der Donner hallen, Sie blicken lähelnd, unter Freudenthränen Sn die Abgründe, die vor ihnen gähnen, Und während Bruft an Bruft fie finfen Und fih im Kuffe Mund vom Munde Den Strom des ew’gen Lebens trinken, Wird jede fliehende Sekunde Für fie zur Emwigfeit der Wonne; Bor ihnen finft mit Himmel und mit Sonne Die ganze Welt der Sichtbarkeit hinweg, Nur ihre Herzen halten Zwiegeſpräch Und ftammeln fort von ihrer Seligfeit.
Ihr hohen Liebenden, gebenebdeit
Seid ewig ung, die durch der Stürme Wuth Ihr umverlöfcht Hintrugt des Herzens Flamme! Ob euch der Kampf von Stamm zu Stamme Umfluthete mit feinem Meer von Blut, Ob Mordbrand um euch wüthete und Peit, Zum Jubel ward euch alles Weh. D Romeo und Julia! war je Ein Kaiferpaar am Thronbefteigungsfeit Beglüdt wie ihr an eurem Ehrentage,
Shad, Ge. Werke IV. 22
— 338 —
AS Arm in Arme kranzgefchmücdt
Ihr zmifchen Schwertern, von den Montague, Den Capulet auf eure Bruft gezüdt,
Zur ew’gen Raſt im Sarfophage
Euch bettetet! Nur daß diefelbe Platte
Eur moderndes Gebein beftatte,
Nicht höhre Seligfeit begehrtet ihr.
Und du, Francesca, zartes Kind des Po, Licht wird der Schwarze Höllenabgrund dir, Wenn deine Arme deinen Paolo,
Den blafjen, blutenden, umklammern
Und ihm am Mund im langen, langen Glühheißen Kuſſe deine Yippen bangen! Umher gewirbelt durch die grauſen Schlünde, Wo von Verdammten mit dem Kainsmal Der Wehruf, das Geächz und Jammern Allein der Stürme Heulen unterbricht,
Gern trägft die Strafe du der füßen Sünde, Und für die fieben Himmel nicht Bertaufchteft du die Stadt der ew’gen Qual!
Komm denn, o Liebe, allerhabne! Wie jene hohen Fünglinge und Frauen Gefeit du haft in Nacht und Todesgrauen, Sp auch auf uns in Staubesnaht Begrabne Gieß deinen Odem nieder, mächt’ger Geiſt, Der du der Seele Grabesbande fprengit Und der ermatteten, der längjt Berzweifelten die Schwingen leihft, Auf denen fie, erjtanden von den Todten, Ihr Flug dahin durch alle Himmel reißt! Dir heben fi) mit mächt'gen Flügelfchlägen Der Menfchheit große Hoffnungen entzegen! Zu löfen ihres Dafeins wirren Knoten Vermagſt du einzig, Weltbefreierin!
— 339 —
Gleich wie der Sonne goldner Strahlenregen Die freifenden Geftirne tränft und hin
Durch die Unendlichkeit von Ball zu Ball
Sich ſchwingt, bis durch das weite All
Ein göttlich Feuer brennt und flammt und loht, Und ſelbſt im Erdenſchooß ein Morgenroth Aufdämmert, draus mit taufend Augen
Ihr bligend Licht die Edelfteine jaugen,
AU unfer Fühlen jo und Sein und Denfen Mit deinem Glanze ſollſt du tränfen,
Bis deine reine Gluth allein
In allen Herzen flammt, in allen Seelen; Dann feiern wir das Feft, wo ſchon auf Erden Die Menfhen mit den Göttern fi) vermählen; Gebrochen ift der alte Fluch; wir werden
Wie du allmächtig und unfterblich fein!
Der himmliſche Gaſt.
Heil dir, himmliſcher Gaſt,
Der du freundlich dich mir geſellt Auf dieſer dunklen Erde!
Von dir gewaffnet,
Wagt' ichs, hinauszutreten
Auf des Lebens Kampfplatz; Unſterbliche Freunde,
Die aus der Jahrhunderte Tiefen Mit leuchtenden Augen mich anſahn, Haſt du mir herangeführt,
Daß ihr Odem mich ſtärke
Zum großen Tagwerk.
Wollte die Kraft mir ermatten,
— 340: —
Dich vief ich,
Und fern dem haftenden Gewühl
Im Morgenrothe der. Zeiten
Unter Aſiens Tempeln
Mit den Sehern der Vorwelt ließeſt du mic wandeln,
Trugft mich empor
Auf Alpengipfel der Schöpfung,
Wo meine Seele in langen Zügen
Das Sonnenfeuer tranf.,
In heiligen Nächten
Erſchloſſeſt du mir den Geift für die Botſchaft,
Die aus der fernen Unendlichkeit die funfelnden Sterne,
Die blafien Monde mir fandten,
Führteft mich hinab ins Reich der Gräber
Und öffneteft den ſtummen Geſchlechtern, die vor uns gemejen,
Die Lippen, daß fie mir fündeten,
Wie fie gefämpft und gerungen
Und glovreich gefallen!
D weiche nicht von mir, Himmlifcher!
Weit noch ift der Gang
Durch brennende Wüften,
An Abgründen und über Schladhtfelder hin.
Schreite voran mir mit der wallenden Fahne,
Daß ich fiegreich ausſtreite den wdifchen Kampf!
Velkſeele.
Wenn all die Stimmen der Natur ich höre,
Des Donners Grollen beim Gewittergraun,
Das Rauſchen im Geäſt der dunkeln Föhre, Der Lenzluft Liſpeln durch die Aun,
— 341 —
Wenn meerhinab die Felſenſtröme braufen,
Der Sturmwind mir Geheimniſſe weltalt,
Doch ewig jung, vertraut, und in den Paufen Die Brandung um die Klippen hallt,
Wenn unter mir, am Berghang, wo ich klimme,
Die Shluht vom Sturze der Lawinen dröhnt,
Oft ift mir dann, der eignen Seele Stimme Vernähm' ich, die aus ihnen tönt.
Schon feit des Lebens erjten Dämmerungen
Dur allen Wandel der Natur hat fie,
Sch fühl es, vollen Tones mitgeklungen Im Strom der großen Harmonie,
Und fernher ifts ihr Klang, der mir zum Ohre
Aus dämmergrauen Zufunftstiefen dringt,
Wie fie bis an der Zeiten Schluß im Chore Mit Erd’ und Meer und Luft erflingt.
Michel Angelo. Nom, 1869.
Ein Fremdling, wie aus anderm Stern Berirrt, hinfchrittft du durch das Yeben; Wohl hätteft du den Menjchen gern
In Liebe warm dich hingegeben,
Doc nicht vermochten die Pygmäen
Die Seele des Titanen zu verftehen. Wenn in den Stein und in das Erz Dein Genius den Götterfunken ſprühte, Nicht fühlten fie das große Herz,
Das in dem Bildwerf klopft' und glühte.
So, von den Yebenden hinweg
Früh in das Schattenreich geflohen,
Mit Göttern hielt dein Geift und mit Heroen Und Urweltfehern Zwiegeſpräch. Todbleichen Schemen, jhon jahrtaufendalt, Neu gabft du Leben und Oeftalt;
In langen Reihen durch des Hades Thor, Bon dir beſchworen, ftiegen fie empor; Prophetifch über ihrer Stirne lag
Mit erftem Schein ein junger Tag,
Der no der Welt nicht angebrochen, Und Worte grub dein Meigelichlag
In ihre Lippen, die unausgejprochen
Bis heut auf ihnen ruhen.
D dich ſehn In deiner Werkftatt hätt’ ich mögen, AS unter deines Ddems Wehn Der Lebenspul3 mit erjtem Negen Dahinſchlich durch des Marmors Adern, Und aus den Blöcken, aus den Quadern Die göttlihen Geſtalten all erblühten, Die in dem Steine fi) verborgen — So mocht' am erſten Weltenmorgen Gott über feiner Schöpfung brüten. Da, aus dem großen Schlummer faum erwacht, Ringt fich mit den Gigantengliedern Die Mutter aller Dinge auf, die Naht — Schwer ruht auf ihren Augenlidern Ein Traum der Urwelt noch — da jchlägt, Wie überm Chaos fie zuerft gethan, Aurora ihre Wimpern auf, da regt Die dunkle Brut fi, die der Dcean In feinem Wogenſchooß, die Erde In ihrem finftern Abgrund hegt.
RE Ne ee en
— 34353 —
Eyflopen von Hephäftus’ Flammenherde, Geichlechter ohne Kinder, ohne Ahnen, Tritonen und Gentauren und Titanen,
Die ihre Felfenferfer brechen,
Schaun in das neue Yicht, das fie umwallt, Mit Staunen auf, und dumpfes Murmeln hallt Berworren, wie die Elemente jprechen,
Dom Mund der halb noch Schlafbetäubten. Hoch, oben hoch zu ihren Häupten
Weß find die mächtigen Öeftalten, Sternbildern gleich von deiner Rieſenhand An das Gewölbe hingebannt?
Die Rollen, die fie in der Rechten halten, Seh’ ich bedeckt mit Runenzeichen,
Die feiner Schrift von Menfchenhänden gleichen; D werd vermöchte, fie zu lejen,
Ihm würde Alles offenbar,
Und über Trümmern defjen, was geweſen, Säh’ er da3 neue Erdenjahr,
Das fommen wird, am Himmel fteigen! — Nächſt den Propheten dort, ihr Yodenhaar Im Sturm der Zufunft flatternd, neigen Die gotterfüllte Stirne die Sibylien;
Noch künden Sterblichen fie nicht,
Was fie geſchaut im himmlischen Geficht; Nur faum vernehmbar, wie bei Meeresjtillen Die Welle flüftert um des Ufers Klippen, Spielt hier und da um ihre Lippen
Ein matter Yaut; dann wieder Alles ftumm; Kund werden foll erſt fommenden Gejchlechtern Das heilige Myſterium,
Das du vertraut den Urmwelttöchtern.
Auf den Gebilden, hoher Angelo, Die du getränft mit deines Herzens Blut,
—: 344, —
Hat andachttiefes Schweigen fo,
Seit deine Hand fie Ichuf, geruht.
Doch nun ſich über deinem Sarfophag
Der Staub von drei Jahrhunderten gefammelt, Auffteigt am Himmelsrand der Tag,
Der ihre Lippen öffnet; leisgeftanmelt
Schon oft, wenn ich an deinen hehren Öeftalten hinſchritt Durch den Säulengang, Erſcholl mir ihrer Stimmen Klang;
Her von den Gräbern, den Altären
Und aus der Öruft der Medicäer
Ihn Hört’ ich zittern durch den Chorgefang, Und in Begeiftrung hob des Horeb Seher
Die Stirn, umflammt vom Morgenroth. Jüngſt in San Siftos heiliger Kapelle
Saß ich am Trauertag von Chrifti Tod;
Des Abendlichtes letzte Helle
Biel durch die Bogenfenfter ſchon
Und ließ mich noch die Reihn gedrängter Beter, Die Cardinäle jhaun, der Kirche Väter,
Und über ihnen auf dem Thron
Den fiehen Greis, den Schatten der Gregore, Der gern in ew’ge Nacht, wie fie,
Die Welt begrübe. Schluchzend ſcholl vom Chore Herab des Miferere Trauermelodie
Und wallte, al3 ob ferner Donner rollte, Durch das Gewölbe; vor mir grollte Gewitterſchwül dein jüngfter Tag, und bang Wandt’ ic das Auge von dem zornentflammten Weltrichter und den Gottverdammten,
Wie fie des Abgrunds Schlund verichlang. Allmählig auf den Wogen der Choräle
Glitt mir der Blick, den ich verhüllt vor Graun, Zur Wölbung auf, und deine ganze Seele
Sah ich verflärt von ihr hernieder fchaun.
— 345 —
Da ſchwebte über der Gewäſſer Schooß Der Schöpfer jelbft, unnahbar groß,
Und ließ vor feinen Werdehauchen
Die Weltgebirge aus der Tiefe tauchen Und wies den Sonnen und Planeten
Hin dur den Aether ihre Bahn;
Die Züge feines Odems mwehten
Entlang der Wand, ein göttlicher Orkan, Um die Sibyllen und Propheten.
Erhoben hatte Daniel fi) vom Sit
Nach unten drohnd, und lohen Strahls Aus feiner Rechten zudt’ ein Blitz Hinunter auf die Pfaffen Baals.
Die Seiten von Jeſajas' Buch)
Wurden vom Sturme hin- und hergeblättert, Auf feinen Lippen zitterte ein Fluch)
Gleich) dem, mit dem er Babylon zerichmettert, Allein auf feiner Stirne brad)
Des Zorns Gewölk ſich nach und nad, Indeß er fündete: „Site fällt, fie fällt — Schon jeh ic ihre Mauern wanfen — Die alte Zwingburg der Gedanken,
Und freier athmet auf die Welt.
Unter der Gögentempel Staube
Begraben wird der faljche Glaube,
Und feiner denft man nur wie einer Peft, Bon der man fehaudernd jagt: fie war. Schon für der Menſchheit Auferftehungsfeit Bekränzen Lieb’ und Freiheit den Altar, Und unter eines neuen Gottes Werde
In neuem Yenz erblüht die Erde,“
Er riefs; wie Frühroth auf der Alpen Firne Legte fih Himmelsglanz auf feine Stirne; Die Schreden ſelbſt des Weltgerichts Umfloß ein Schimmer milden Yichts,
— 346 —
Und feine Engel mit Pojaunenfchalle Und Joel und die Delphica, Die Seher und Sibyllen alle Berfündeten: der große Tag ift nah!
Neuer Weltmorgen.
Nach langer düfterer Nacht Mit reinem Sinne laß uns dich grüßen, Der dämmernd am Horizont du auffteigit, Neuer Morgen der Welt!
Hinter ung in das Dunkel verfinfe Der bange Traum der geängfteten Menjchheit, Die Vergangenheit Mit ihren Freveln und Thränen! Degraben für immer jei Eigenſucht, Haß und Furt,
Die Schlange Heuchelei
Und der düstere Irrwahn,
Der fo lange die Seele
Mit Schredgefpenftern erfüllt hat. Liegen nicht unter ung in der Erde, Berge über fie hingemälzt,
Die graufen Geburten der Urwelt Mit zermalmten Schuppenpanzern, Niefenzähnen und Klauen,
Den Waffen des ewigen Kampfes Bon Wejen mit Wefen?
Und blüht und duftet über den Gräbern Der mißgeftalteten Ungeheuer
Nicht der himmlische Frühling ?
— 347 —
Schwingt feligfingend aus feinem Grün Sich nicht die Lerche
Dem leuchtenden Tag entgegen,
Nicht ahmend all das Entjegen,
Das drunten der Abgrund birgt?
Sp über dem Grabe der dunfeln Vorzeit, Dem weiten Todtenfeld der Gejchichte, Laß, große Geiftesfonne,
Einen neuen Menjhenfrühling ſprießen! Mit deinen Strahlen
Wecke die Keime des Göttlichen,
Die in allem Sein verborgen vuhn, Und thaue in unferen Seelen
Den legten Froft der Nacht,
Daß der Liebe Odem
Sie ganz erfülle,
Und in dem warmen, treibenden Hauch Ein Himmelsleben auf Erden erblühe!
Auffer Erde.
Für Alles, Alles, was du mir gegeben,
O Erde, große Mutter, habe Dan!
Seit ich zuerft die ſüße Milch, das Yeben,
An deiner Bruft mit Kindeslippe tranf,
So voll, jo überfhmwänglich war der Segen, Der auf mein Haupt wie Frühlingsblüthenvegen Aus deinem Füllhorn niederjank.
Zu Spielgenofjen gaufelnde Libellen
Und Schmetterlinge gabjt dem Knaben du Und flüfterteft mit deinen Plauderquellen Und Bächen ſüße Melodien ihm zu,
— 345 —
Und bauteft drüber von kryſtallnem Eife Die Winterbrüde, über welche leiſe Dahin ihn trug der Flügelfchuh.
Im Kovnfeld haft du zwifchen hohen Aehren Die blauen Blumen ihm zur Luft verftedt Und tief im Thalesgrund mit Walderbbeeren Für ihn den Wiefenteppich überdedt,
Du ihn gewiegt auf Zweigen deiner Bäume Und ihm das Haupt gelullt in füge Träume, Wenn er ins duft’ge Heu fich hingeftredt.
Klomm ich empor auf fteilen Feljenpfaden
Und ſah den Wolfen nad) mit Sehnfuchtsblid Und träumte mir an fremden Weltgeftaden,
An meitentlegnen, unbefanntes Glück,
Stets mild den Irrenden aus Höhn und Pernen, Der Flügel fich gewünſcht zu andern Sternen, Zogſt du an deine Bruft zurüd.
Und bei dem Regen um mich her, dem Wimmeln Der Heinen Welt in Gras und Straud) und Moos Bald glüdlicher, al3 in geträumten Himmeln, Fühlt' ih mich in der Mutter trautem Schooß
Und fügte gern im Werden und Vergehen,
Die Yuft mit ihnen theilend wie die Wehen,
Mich in der Ephemeren Loos.
Neigt denn dereinft dem nahen Fall entgegen Mein Leben fich, wie welkes Yaub des Hains,
An deinen Bufen mic zum Schlaf zu legen,
Wie zagt’ ich nad) dem furzen Traum des Seins? Süß ifts, zu ruhn auf deinen dunfeln Pfühlen, Dich feſt an fich zu drüden und zu fühlen:
Wir werden mählig mit dir Eins,
— 349 —
Durch deine Adern hin im Werdejtrome,
Aufs Neue treibt mit mächt’gem Schlag dein Herz Dann unſres Wefens brödelnde Atome,
Daß taufendfältig fie mit Stein und Erz
Durch deiner Schahte Wundertiefen ſchießen
Und mit den Blumen deinem Schooß entjprießen Im erften milden Hauch des März.
D Glück! — wer möcht ein andres dafür taufchen — Mit dir vereint zu fein und der Natur,
Mit deinen Quellen durch den Wald zu rauchen Und, nur ein Punkt noch hoch im Yuftazur,
ALS Lerche aus der Tiederreichen Kehle
Den ganzen Frühlingsjubel deiner Seele
Zu fünden der erwachten Flur!
Die Xnadorefen.
Aus dem Wirrfal des Lebens, Des Tages raftlos braufendem ©etriebe, Sehnſuchtsvollen Blickes ſchaun wir zurüd In die ſelige Stille, Wo in der Jahrhunderte dämmernder Frühe Unter den Palmen ihr wandelt, Indiens heilige Seher! O von den Pfaden, Auf die ihr es gewieſen, Wie verirrt, ihr erſten Lehrer der Menſchheit, Hat ſich das unſelige Geſchlecht! Wie, von finſteren Trieben geſtachelt, Iſt es von Frevel zu Frevel getaumelt, Daß zwiſchen euch und uns,
— 350 —
Ein großer Strom von Blut und Thränen, Die Geſchichte fich wälzt!
Ueber den düſteren Abgrund
Wer zeigt uns zu euch den Weg,
Daß wir unter dem Dlätterdah in Waldnacht Ber Gangas Wellenraufchen
Bon euerm Munde die Weisheit jchlürfen, Die ihr im Anfang der Zeiten
Aus der Himmelsquelle gejchöpft!
Paufchen laßt uns der Yehre
Bon dem großen Geiſte, dem ewig einen,
Der Erd’ und Himmel und Menfchen und Welten In eine Wejenheit verfchlingt;
Bon der Wandrung der Seelen,
Wie der Geburten fteter Kreislauf
In Schuld und Sühne
Sie dur die Welt der Körper dahintreibt, Bis fie, befreit von des Endlichen Banden, In feliger Ruhe
Sich dem Urgeiſt einen.
In euern Kreis, göttliche Siedler, Nehmt uns auf, Wenn in thaubeperlter Dämmerung Ihr mit dem Liede der Veden Das Morgenroth grüßt! Sprengt über uns am Sühnaltar Das Naß des heiligen Stromes, Daß die ſündentilgende Fluth Die Flecken des Lebens Hinweg von uns nehme, Und wir neugeboren Aus dem Morgen der Welt Zurück in unſeren Abend kehren!
— 351 —
Da, es ift ein mächt'ges Tagen!
Ja, es iſt ein mächt’ges Tagen Auf der Welt, wie nie zuvor, Unfihtbare Schwingen tragen Lichtwärts jeden Geift empor.
Und Gedanken, nie gedacht noch, Brechen ſich auf Erden Bahn; Da ſelbſt, wo ſich tiefe Nacht noch Jüngſt gebreitet, flieht der Wahn.
Nicht am Fuße der Altäre
Kniet der Menjch mehr angftbedrängt, Seines höhern Glaubens Yehre
Hat der Tempel Dad gejprengt.
Und die Götter feiner Kindheit, Bilder feines Kleinen Sch,
Schwanden hin, wie ihm die Blindheit Nah und nad) vom Auge wid.
Aus der Urzeit finfterm Schlunde, Den kein Schimmer noch erhellt, Dringt zu ihm die Wunderfunde Einer ungeahnten Welt.
Und er fieht durch Jahr-Aeonen, Eh der Menjchheit Tag beginnt, Weſen ſchon auf Erden wohnen, Die von feinem Stamme find.
Rauh und wild und von dem dumpfen Traum der Weltnaht übermannt, Lebten noch die Geiſtesſtumpfen
Un das Dunkel ftarr gebannt.
— 3592 —
Haufend in der Höhlen Nächten, Menſch mit Menſch in ew'gem Haß, Aus der Feinde Schädeln zechten Sie der Mern blut’ges Naß.
Aber auf der Wefenleiter,
Die vom Thier zum Öotte fteigt, Ward vom Weltgeift ihnen meiter, Höher ftet3 der Pfad gezeigt.
Aus der Urmwelt Grauen drangen Sie durch Schreden, Mord und Tod Aufwärts im jahrtaufendlangen Kampf zum großen Morgenroth.
Ihre Rauheit ward zur Milde, Und, gelöjt vom finftern Bann, Sah verflärt im Kunftgebilde Sie ihr eignes Welen an.
Aber höher müßt ihr Elimmen, Steil noch ift der Weg und weit; Hört! euch rufen Geifterftimmen Hoch aus der Unendlichkeit,
Und aus fernfter Himmelsferne, Bon der Zufunft lichten Höhn, MWinfen wunderbare Sterne, Die fein Auge noch gefehn.
Auf denn, in den flaren Aether, Immer aufwärts, bis ihr fühlt, Daß er eurer niedern Väter Testen Erbfleck von euch fpült.
EEE EL
— 4
— ⸗
— 353 —
Wenn die Sonne ihr erflogen, Schon aus höhern Himmeln bricht Ueber euch in Strahlenwogen Neuer Glanzgeftirne Licht;
Und den Flug erjt dürft ihr jenfen, Wenn am Ziel, das euer harrt, Euer Wollen all und Denfen
Licht wie fie und göttlich) ward.
Fizian.
Dir bring' ich der Bewundrung Zoll, D größter von Venedigs Söhnen! Wie üppig mit dem Flor des Schönen, Der deiner Werfftatt reih und voll In ew'ger Blüthenpracht des Yenz entquoll, Haft du geſchmückt die theure Stadt! Die Könige, die Kaifer warben Um deine Gunſt, denn ohne deine Farben War ihrer Thaten Glorie matt; Dich lockte Frankreich, lodte Kon, Doch deinem Freiftaat, wie fein Flügelleu, , Erhabner Tizian, bliebft du treu, Und, ihn zu fetern, eher nicht verfiegte, Als mit dem Yeben, deines Schaffens Strom. Gleichwie, wenn Abends dich die Gondel wiegte, Du unter dir bei Mondesglanz Die Wunderftadt, die Siegrin von Byzanz, In der Yagune zitternden Kryſtallen Sich jpiegeln jahjt mit ihrem Marcusdom Und ihren Tempeln, ihren Marmorhallen, Shad, Ge. Werke IV. 25
— 354 —
So warf, was herrlich war in deiner Zeit, Sein Bild in deiner Seele Spiegel;
Du prägteſt es mit deines Geiſtes Siegel Und ſchenkteſt ihm Unſterblichkeit.
In den Paläſten, in den Dogenſälen,
Den heitern Loggien über den Canälen, An der Capellen und der Kirchen Wänden Verſchlangſt du mit der Heiligen Legenden Die Fabelwelt der Mythologen
Zum Kranz, der, leuchtend wie ein Regenbogen,
Venedig heute noch umſtrahlt. Was die Cornari, was die Loredanen Vollbrachten unter des St. Marcus Fahnen,
Den ſpätſten Enkeln bliebs durch dich gemalt,
Ein Denkmal der erhabnen Ahnen,
Das fie ermahnt, zur Thatkraft ſich zu ftählen.
Auf deinen Tafeln ewig ſchauen ſie,
Wie mit dem Meer die Dogen ſich vermählen,
Und die Piſani und die Foscari,
Geführt von Dandolo, dem ernſten Blinden, Dem hohen Weib Venezia
Ums Haupt die Siegeskränze winden.
Tief in des Menſchen Seele ſah Dein Blick das Urbild ſeines Ich; Du ſtrafteſt die Natur der Lüge, Daß ſeine falſche Maske wich, Und zeigteſt ihr die wahren Züge. — Wenn durch des Oſtmeers Purpurwogen Die Ritter, erzgepanzert, zogen, Um über fernen Königreichen Des Freiſtaats Banner aufzupflanzen, Kühn über Sterbende und Leichen Stürzten ſie ſich in die Osmanenlanzen Und zagten nicht, ihr Erdenkleid als Pfand
Bea me
Für ew'gen Ruhm dahinzugeben;
Wohl wußten fie, durc deine Hand
Erftehen würden fie zu neuem Yeben.
Sp weit das Land, fo weit das Meer
Bon Denezianerwaffen ftarrte,
Nuhte dein Auge auf dem Heer
Und ſchwebte um die flatternde Standarte, Big fie zum Sieg die Streiter trug.
Des Schlachtgefildes fliehnde Gruppen,
Die Krieger in Galeeren und Schaluppen, Wie hin und her der Sturm des Kampfs fie jhlug, Du bannteft fie mit deinem Zauberftab,
Und fieh! gefeit daftand das Schlachtgetüimmel, Die Todten fannten ferner nicht das Grab, Und zu den Siegern neigten ho) vom Himmel Die Engel palmenfchwingend fich herab.
Für immer durch Cadores Schlucht
Wälzt fi des Kaiferheeres Flucht,
Und in Yepantos Feljenbucht
Treibt fort und fort das Kampfgewitter
Die Halbmondfahnen und die Maftenfplitter In Wirbeln auf der blutgetränften Fluth.
Durd ein Jahrhundert, hoher Tizian, Sp zogſt du leuchtend deine Bahn, Der Farben zauberifche Gluth Wie ein Gewand um dein Venedig breitend. Aufſahn, an div vorüberjchreitend, Zu dir in Ehrfurdt drei Gefchledhter. Dir danften feine Söhne, feine Töchter Ein ſchönres Dafein, als dies ew’ge Werden Und Untergehn, das unſer Loos auf Erden. Und al3 auch dir des Todesengels Kuß Die Lippen nun berührt, die blafjen, Doc wollte nicht dein Genius
— 356 —
Das herrliche Venedig lafjen.
Dft no in St. Johann und Paul
Sieht dich, ummallt vom weißen LYodenhaare, Der Fremdling weilen vor dem Hochaltare,
Bon dem dein heimifches Friaul,
Aus deinem hehren Bild die Schattenfühle
Der Alpenländer niederftreut.
Im Abendlicht oft nach des Tages Schwüle, Wenn über den Canal vom Campanile
Hinwallt des Ave fterbendes Geläut,
Und nad) und nad) im Glanz der alten Zeiten Die Stadt auffteigt, dich fieht er in der Gondel gleiten, Wie deine Seele fich des Anblid3 freut.
Erft wenn die legten Prachtpaläfte
In die Lagune brödelnd janfen,
Und um vermorjchte Mauerrefte,
Die hier und da im Spiel der Wellen ſchwanken. Des Meeres Möven frächzend ftreichen,
Wirft du von der geliebten Stätte weichen.
Der Wafferfall der Tofa.
Strömft du vom Himmel nieder, Kryſtallene Fluth? Iſt es der Aether, Der in Tropfen ſilbernen Thaus Zur Erde herabrinnt? Von Felſen zu Felſen Strahlende Brücken und Bogen ſpannend, Taumeln die ſchäumenden Wogen Dem Abgrund zu, Stäuben, tauſendfach gebrochen,
— 35970 —
Mit Regenbogenſchimmer
Wieder empor ins himmlische Blau;
Und zitternd im blendenden Sonnenglanz Wetterleuchten die Yüfte .
Ueber den hüpfenden Floden des Wirbelihaumg. Zu Häupten mir hoch in der Unendlichkeit Wie Glanz gefhmwungener Fadeln
Hin zudt e8 von Gipfel zu Gipfel der Alpen, Auf ihren Eisaltären
Die Abendgluth entzündend,
Und mächtig lodert empor der Brand,
Bis ein Schleier wallenden Lichtes
Die hundert Schneehäupter umhüllt.
In das Braufen der ftürzenden Waffer, Die um mic) und oben und mir zu Füßen Sm Donnertaft rollen,
Vernher ertönt? aus Höhen und Tiefen Wie Geifterftiimmendor.
Aus ihren Angeln gehoben
Kreist und wogt die Natur,
Taumelt, vom melodifhen Sturm erfaßt, Mit den Kataraften
Subelnd von Klippe zu Klippe,
Und meine Seele taucht wie fie
In die heilige Fluth,
Sich in reinen Thau des Himmels zu löfen.
— 358 —
Der Phönix.
Seht! das goldene Schwingenpaar
Weit in die Lifte gebreitet,
Kommt er geflogen von Oſten her
Zu dem ragenden Feljen am Meer, Wo ihm der Vater den Sterbealtar Nahe den Wolfen bereitet.
—
Noch ein Tag, und das große Jahr, Das er durchlebt, iſt verronnen; Schon ermatten fühlt er den Flug, Der ihn durch alle Himmel trug; Spanne die Flügel, mächtiger Aar, Bis du den Gipfel gewonnen!
Aus der blauen unendlichen Luft Hoch ob den Wiegen und Särgen, Auf der Völker Erblühn und Vergehn Haſt du, Unſterblicher, niedergeſehn — Und nun drunten in finſterer Gruft Sollte die Tiefe dich bergen?
Nein, hellſtrahlend wie Morgenroth,
Um die erſchlaffenden Glieder
Lodre von Myrrhen und Sandelholz
Dir das heilige Feuer, und ſtolz
Schwinge verjüngt aus dem leuchtenden Tod In den Himmel dich wieder!
So auf der Sonne glühenden Herd Stürzen im jubelnden Reigen
Erden ſich und Welten hinab,
Daß ſie wieder dem lodernden Grab, Wenn die Flamme die Schlacke verzehrt, Neugeboren entſteigen.
— 359 —
Oſterfeſt.
Chriſt iſt erſtanden, ja iſt erſtanden! Erd' und Himmel im Feierchor Jauchzen ihm zu, die Meere branden Jubelnd an allen Küſten empor,
Und, ihn grüßend, den großen Befreier, Steigt ein Welttag, ein herrlicher, neuer, Durch des Morgens leuchtendes Thor.
Chriſt iſt erſtanden! da ſteht er, der Hehre, Wie auf dem Berge ſo ſanft und mild,
Als er verkündet die heilige Lehre,
Die uns ewig als Höchſtes gilt;
Wieder ihm träufen die Worte vom Munde, Denen Balſam für jede Wunde,
Troſt für alle Schmerzen entquillt.
Prüfend, hinab an die Himmelsränder, Schweift ihm der Blick im Kreis umher, Bis wo ferne die Abendländer
Dämmernd entſteigen dem weſtlichen Meer; Da, tief dunkelnd wie Wettergrauen,
Auf die Stirn und über die Brauen Legen ſich Wolken des Zorns ihm ſchwer.
„Der ich gekommen, euch zu erlöſen,
Euch vom Haß zu befrein und vom Wahn, Wurde durch mich die Welt dem Böſen Doppelt nun, dreifach unterthan?
Nein! doch ihr, die ihr Lehrer mich nanntet, Die ihr mit Lippen mich heuchelnd bekannutet, Sagt, was habt ihr mir das gethan?
— 360 —
„Laffet von mir, ihr Zöllner und Schächer, Nicht euch kennen will ich; entweicht!
In der Liebe göttlichen Becher,
Den ich allen Menfchen gereicht,
Mifchtet, ihnen den Frieden zu rauben, Ihr den giftigen Trank, den Glauben, Der durch die Seele verheerend jchleicht!
„Meine Lehre habt ihr zum Fluche
Und zur Geißel gemacht für die Welt; Nicht erfenn’ ich fie mehr in dem Buche, Das ſie für mein Vermächtniß hält,
Ob e3 mit Zwift und Glaubenshader Und mit Haß auch jegliche Ader
Der entwürdigten Menjchheit gejchwellt.
„Doch zerreißen will ich die Blätter Und zerftören des Wahnes Nacht;
Eher der Heiden heitere Götter,
Die ihr in Bann gethan und in Acht, Eher Brahma joll man verehren
Oder Zeus an der Griechen Altären, Als den Gögen, zu dem ihr mic) mad.
„Meinem Worte: „Werdet wie Kinder!
Eins nur will ich, daß ihr euch Liebt!“
Folgt ihm nicht Buddhas Jünger, der Inder, Der dem Bruder fein Yestes giebt,
Treuer al3 ihr, die mit Schwertesftreichen Auf Gefilde blutiger Yeichen
Ihr mein Evangelium jchriebt ?
„Menſch! dir wäre befjer geweſen,
Hätteft du Glauben, hättft du Gebet Nimmer gefannt und die Schrift nur geleſen, Die im Herzen gefchrieben dir fteht!
—— —
— 861. —
Denn die höchfte der Religionen ft die Liebe; hört, ihr Nationen, Hört, das redet der Paraklet!
„Nicht mehr an des Gefreuzigten Fuße
Sollt ihr fnieen entjegenspoll!
Statt der finfteren Bilder der Buße,
Denen ängſtlich eur Flehen ericholl,
Geht, euch duftende Kränze zu holen,
Daß ihr fie wählt zu des Bundes Symbolen, Der euch Alle umſchlingen jol!
„Haß für immer und Irrwahn laſſend, Leidende tröftend, herzensrein,
Alles Leben mit Liebe umfaſſend,
Stark im Dulden und mild zum Berzeihn Mögt ihr die Stätte für mich bereiten, Und bis zum legten Ende der Zeiten Wil ich in eurer Mitte fein.“
Leben.
Möge kein Morgen mir erwachen, Kein Abend auf mich herniederthauen, Daß ich das Leben nicht ſtaunend preiſe, Das unausſprechlich herrliche!
Dieſen Herzſchlag zu fühlen, Der das Blut durch die Adern treibt, Hier zu ſtehn in des Weltalls Mitte, Ewigkeit vor mir und hinter mir, Unendlichkeit ringgsum —
— 3562 —
Dit der Erde dahin durch den Aether zu vollen, Und mit der Sonne um andere Sonnen Bis zu der legten, die nirgend ift,
Welch unergründliches Wunder!
Da liegt er vor mir
Mit jeinen wogenden Wäldern und Saaten, Der Schöpfung blühender Garten!
Ueber Berge und Ströme und Meere
Der Tag und die Naht in ewigen Wechjel Ihre Lampen zündend!
Und all dieſe Stimmen! rauſchen die Wellen nicht, Lispeln nicht die Blätter,
Als wollten ſie ihr Herz mir erſchließen? D währten mir endlos, endlos die Jahre, Daß ich verftehen lernte ihre Rede,
Heben die Schleier von all den Geheimnifjen, Die hinter den taufend Geftalten der Natur Berborgen vuhen!
So furz diefe Epanne Zeit,
Um auszujchöpfen den Quell
Der fprudelnden Yebenswonnen!
Alles was ſchön und groß
In der Vorzeit gemejen,
Was noch in Wunderfülle
Um mic blüht und duftet,
Im Geift zu umfaſſen,
Die ſolls mir gelingen?
Kommen wird die dunkle Stunde,
Die hinter mir die Pforten des Lichts
Für immer jchließt,
Daß ich nie mehr gentegen kann
Der Liebe füßen Rauſch,
Der Freundſchaft hohe Entzüdung,
Nie mehr die Thräne trodnen,
Die an des Unglüds Wimper hangt.
— 3563 —
Heilig jei mir denn
Jede Sekunde des Lebens,
Heilig der leuchtende Tag
Und die mütterlich forgende Nacht, Die mich in ſüßen Träumen
Neu dem Morgen entgegen wiegt!
TH.
Aber auch ihm, dem König der Erde, Dem fanften allheilenden Tod, Laßt Kränze uns winden! Ya durch das Meeresgebraufe der Welt, Hinab in deine Stille Meinen Gruß dir fend’ ich, Milder Retter aus Sturm und Drangſal des Lebens! Wen du mit den allumfchlingenden Armen umfängft, In weicher Ruhe gebettet Schläft er drunten den träumelofen Schlaf, Entrüdt dem Strom des ewigen Werdens, Der die Menjchen beftandlos und flüchtig Wie Schatten über die Erde reißt. Nicht der Jugend heiliges Feuer Fühlt er im Froft des Alters erlöjchen, Nicht Furcht raftlofes Sinnen Ueber des Schickſals Räthfel Ihm die Stirn. D aus dem Fieber des Dafeins, Wenn Neid und Haß und Verläumdung Den giftigen Tranf uns mischen, Wenn der Sieg ruchlofer Gewalt Das Herz uns empört,
— 364 —
Wie oft ſchauten wir ſehnſuchtsvoll
Hinab in dein dunkles Reich,
Wo die ftummen efchlechter und Völker der Erde, Ein zahllofes Heer,
Sich ihr ewiges Lager bereitet!
Komm denn! mit Flöten- und Cymbelklang Di wollen wir feiern, ſüßer Tod,
Und Blumen auf den Pfad dir treuen!
Zu dem Kinde, dem fie feit lange Sramverhüllten Auges Thränen nachgeweint, Führe die Mutter hinunter,
Zu der Gattin den Öatten,
Zu dem Freunde den Freund!
Nicht einer ift von uns Allen,
Den drunten ein liebendes Herz nicht erwartet, Was zögern wir, zu ihm uns zu betten?
Ein Bollwerk, das die Leiden des Dafeins Vergebens umftürmen,
Sei das Grab für uns und unfere Theuern! Wir wiffen, auch) fie, die noch oben betäubt und hülflos Im lauten, lärmenden Leben irren,
Yeiteft dur bald, freundlicher Tod,
Zu uns herab in die jelige Stille!
Der Duell des Lichks.
Wo bift du, Quell des Lebens und des Lichts, Du himmlifcher, nad) dem die Seele ſchmachtet? Dies Dunkel, das auf Erden uns umnachtet, AH! felten nur zu matten Schimmer brichts Bor deiner Strahlen einem fi, dann wieder Sinft tiefe Finfternig auf uns hernieder.
— 3565 —
Nach dir allhin hab’ ich durchforſcht die Welt; Ich ſah von dir zerftreute Funken bligen, Wenn himmelnaher Alpen Gletſcherſpitzen Bor mir aufflanmten, abendglutherhellt,
Und jchillernd, farbenbunt der Regenbogen Sich wiegte auf des Wafferfturzes Wogen.
Ein Schein von dir wars, der im hohen Raufch Der Wonne hin durch meine Seele zückte, Wenn ich an meins geliebte Herzen drüdte; Und wenn in ſel'ger Küffe Wechjeltaufch
Mein Mund an Lippen bebte, die mir theuer, Glomm zwiſchen ihnen dein geweihtes Feuer.
Ich ahnte deine Glorie in dem Glanz,
Der fernher, aus der Menjchheit frühſtem Eden Zu uns herleuchtet in dem Yied der Veden Und fanft die Marmorftirnen Griechenlands Umjpielt und noch als untergehnde Sonne Ruht auf San Siftos himmliſcher Madonne.
Sie fah ich in des Frühlings Farbenpracht Aufdämmern und im Zitterlicht der Sterne,
Sie, wie verirrt aus weiter Weltenferne
Im Glühwurm fehweifen durch die Sommernadt; Aus Edelfteinen quoll durch Felſentrümmer
Im Erdenfchacht entgegen mir ihr Schimmer.
Und einen Strahl, der deiner Gluth entftammt, Wie Blige durch den Himmel bei Gemittern Flüchtig dahin durchs Yeben jah ich zittern, Wenn von des Geiftes höherm Trieb entflammt, Anftatt um goldnen Staub und Fürftenfronen, Um Recht und Freiheit ftritten die Nationen.
— 366 —
Doch ſchnell, ach fchnell, jo wie der Sonne Blid Durch des Novembermorgens Dämmerungen Nur flüchtig bricht, von Nebeldunft verichlungen In Dunfel wieder fanf der Glanz zurüd,
Und düfter breitete die jchwarze Schwinge
Neu über mich die große Nacht der Dinge.
D Einmal einen vollen Strahlenguß,
Nur einmal gönn’ ihn diefer niedern Erde! Daß er verflärt in deinem Lichte werde, Dürftet und ringt der Menfchheit Genius; Und finfen wir in Afche auch zufammen, Wir fterben jubelnd in den Flammen!
In den Savoyiſchen Alpen.
Verſchwunden iſt die legte Hütte Im Dunft der Tiefe meinem Blid, Und wieder in der hehren Alpen Mitte Weil’ ich auf wolfennahem Bit, Wo die Natur im Donner der Yaminen Nur mit fich jelber Zwieſprach hält. Sch fehe, wie verwitterte Auinen Bon einer eingeftürzten Welt, Felsmauern, fürchterlich gejpalten, Die, an des finftern Abgrunds Hang Hinuntergleitend, jchon jahrtaufendlang Im Todeskrampf fich feftgeflammert halten; Dann Gletſcher, Zack auf Zade aufgethürmt, Als ob die Fluth empörter Meere, Da eben fie am mildejten geſtürmt, Plöglich erftarrt im Frofte wäre —
EEE TTERUN
— 867 —
Und über den von Block zu Block geſpannten Schneebogen leuchten ſilberweiß
Mit Gipfeln von kryſtallnem Eis
Die ſternennahen Erdgiganten,
Die nie ein Menſchenauge jung geſchaut Und keins je altern ſehen wird.
Zu meinem Ohre kaum verirrt Vom Leben drunten ſich ein Laut. Das Brauſen ſelbſt der rieſ'gen Föhren, Durch deren hundertjähr'ge Aeſte Die Windsbraut ſaust und mit den mächt'gen Chören Den jungen Aar in ſeinem Neſte In Schlummer wiegt, ift hier verhallt; Im Sturz der Ströme aus der Gleticher Spalt, Wie fie die Winterfeffeln jprengen, Dem Eifesfrahen und dem Rollen Der losgelösten Gletſcherſchollen Ertönt um mich von Urmeltflängen Der Widerhall, und tief und tiefer reißt Die Strömung abwärts meinen Geift. Nicht unferer, der frühern Erde Denk' ich, wie fie, ein feur’ger Ball, Vom großen Sonnenflammenherde Hinausgejchleudert in das ALL, Im Werdefturme nach und nach erfaltet Und, einem Mantel gleich, den Dcean, Der Steine Schichten um fich faltet. Noch Hat fein Blick ſich aufgethan,, Um fie zu ſchaun; das Meer, das uferlofe, Unendliche, ſchwillt allhin mit Getofe, Doch in der Wogen wallenden Kryftallen Aufblist, von Heiner Weſen Millionen Emporgethürmt durch Jahräonen, Der Bau von jhimmernden Korallen;
— 368 —
Die mächt'gen Weltgebirge tauchen,
Bulfane, die aus lohen Sratern rauchen,
Und Klippen, Inſeln, Yänderzungen
Aus blauen Meeresdpämmerungen.
Bald wird das Chaos wirrer Felſenmaſſen Fluthend in Abgrundnacht hinabgefchlungen, Bald himmelan zu riefigen Terraffen
Auffteigts in hohen Wellenfchlägen —
Du fiehft noch von der Urwelt Regen
Den Felſen eingedrüdt die Spur;
Und nad) und nach ‘als Pfeiler, Kuppeln, Warten Daftehen die zu Stein eritarrten,
Ein riefig Bollwerk der Natur,
Das, während bei der Stürme Heulen
Sid Eis und Schnee auf feine Zinnen legt, Auf Dächern, Thürmen und granitnen Säulen Des Meeres Mufcheln in die Wolfen trägt. Her zu den Alpen ſchwimmen von den Anden, Bom Himalaya duch der Wogen Branden Auf nun verfiegten Dceanen
Duftige Roſen und Oenzianen,
Daß fie die fahlen Scheitel ſchmücken;
Und übers Meer hin baun fich Luft’ge Brüden, Darauf von einem Welttheil in den andern Die Arven und die Tannen wandern,
Die heut noch an Savoyens fteilften Schlünden Uns der verfunfnen Welten Dafein künden.
Bor diejer Emwigfeit von Stein, Die mich umftarrt auf allen Seiten, Wie jung ift unfer Menfchenfein! Mei’ ich zurüd den Strom der Zeiten, Someit die Völker ihn jeit Anbeginn In der Erinnerung bewahren, Wie ſchwindet er mit feinen Jahren,
— 369 —
Sahrtaufenden in nichts dahin! Wir ftehn noch im Beginn der Weltgeihichte, Der Schöpfung erjtgeborne Kinder; Mir ift, im erjten Erdenmorgenlichte Noch ſäh' ich Aliens Urberg vor mir liegen, Bon deſſen Höhn ſüdwärts die Inder, Nah Weiten wir herabgejtiegen. Fa, Menfch, jet deiner Jugend froh! Wie, eh du warſt, Neonen hingeſchwunden, Bis fih den Wafferihoog die Erd’ entwunden, Das Yıht den Finfterniffen, fo Vor dir auf deinem Erdenpfade Liegt Fahrmyriade auf Myriade. Ueber dem Grab der Welt, die vor dir war, Der ftarren, feelenlojen, falten, Soll leuchtend in unendlichen Geftalten Durch dich ein herrlich Yeben fich entfalten; Und, mag verrollen Platos Niejenjahr, Nicht eher von dem Ringen darfit du lafien, Bis du dein heilig Werf vollbradt; Nach dir, ſeit fie im eriten blafjen Frühicheine aus dem großen Schlaf erwacht, Aufblidte die Natur voll Hoffen. Ihr jeelenlojes dunkles Sein Sollft du mit der Erkenntniß Strahlen lichten; Ausſahn nach dir mit Augen, faum noch offen, Die Weſen all, die Reihn hier über Reihn Begraben ruhen in der Berge Schichten; Die Meere rufen dich, die Ströme, an, Daß dır ie löfeft aus dem Bann Des düftern Traumfeins, drin fie ſchmachten; Die Welt, hinab bis zu den tiefften Schadhten, Wo noch des alten Chaos Kräfte gähren, Will fich in deines Geiftes Glanz verflären. So rüfte dich mit Kraft und Stärke
Shad, Gef. Werke. IV. 24
Ser
Zu deinem großen QTagewerfe;
Wie nur ein Yand bis heute Gottes ganzes Antlig geſchaut in Fülle feines Glanzes,
Muß jedes Yand ein Hellas werden;
Nicht bleiben joll ein Pla auf Erden,
Den nicht ein göttlich Werf geweiht.
Erſt wenn die Gipfel all, die Thäler
Daftehn al3 deine Ehrenmäler,
Hinwerfen darfit du, Menjch, die Sterblichkeit Und in der Tage legtem Abendroth
Zur Raſt eingehn im fel’gen Tod!
Mag, gleich dem fliegenden Gefpinnjt der Spinnen Im Schilf der erjten Uferfeen,
Dann jeder Bau von Menfchenhand vergehn Und diefer Erdball jelbjt in Dunft zerrinnen: Ein großes Leben ſtrömt mit mächt'gen Wogen Bon Himmelsbogen hin zu Himmelsbogen
Und läßt die Nebel, die den Raum durchwallen, Die flatternden, fich neu zu Welten ballen,
Wo fi wie hier in Wiegen und auf Bahren Geburt und Sterben an einander reiht;
Doch ob auch fie den andern, die ſchon waren, Nachftürzen in das große Grab der Zeit,
Das Hohe, was dein Geiſt geboren,
Bleibt in dem Schooß des Em’gen unverloven; Hinfluthen wird es mit den Wefenfchaaren
Bon Stern zu Stern durch die Unendlichkeit.
Wann kehrft du wieder?
Wann fehrt dur wieder, Den alle Herzen erfehnen, Ale Stimmen rufen,
—— — —⸗
— tr —
Erlöfer der Welten?
Noch unvollbracht blieb das Werk,
Dem in weltumfaffender Liebe
Du dein Leben geweiht.
Wo ift das Neich des Friedens,
Das du gründen gewollt?
Haft du die Macht des Todes gebrochen ? Ah! dich felber riß der allmächtige Würger, Der König der Erde,
Hinab in den finfteren Schlund.
Deiner Verheißung,
Zu Deren Zeiten,
Die mit dir auf Erden gewandelt,
In Wolfen des Himmels werdeſt du wieder fommen, Setröfteten fich die deinen,
Aber zu Grabe ging der Lebenden Gejchlecht, Und du famft nicht;
Deiner Lehre mildes Licht
Ward zum verheerenden Feuer verwandelt, Mit deinen Worten drüdten Henfer
Das Sflavenbrandmal auf entwürdigte Völker Und geigelten fie in den Bruderfampf,
Mit deinen Worten reichten Priefter
Den Lechzenden den Schwamm voll bitterer Galle. Bergebens an deines Kreuzes Fuß
Hatte die Menfchheit gefniet,
Daß das Blut, aus deinen Todeswunden Auf ihre Stirne tropfend,
Das Kainszeichen von ihr nehme.
Fort und fort währte der alte Fluch,
Und durh Schuld und Thränen Gebrochenen Herzens wankten wir
Dem bittern Tod entgegen.
An aller Märtyrer Richtitatt,
An Arnold Holzſtoß
— 312 —
An Brunos Schheiterhaufen
Haben wir gebetet,
Daß das Himmelreich komme,
Doch ihre Aiche verwehte der Wind,
Und nur finfterer ward um uns die Nacht. Mit Dante in alle Kreiſe
Der Hölle find wir hinabgeftiegen,
Aber der Wehruf der Verdammten,
Ewig in den fchwarzen Lüften Freifend, War nur matter Widerhall
Des Erdenjammers.
Mit Herſchel dahin von Stern zu Stern Durch) die furchtbare Unenpdlichkeit
Sind wir geflogen,
Doc ftatt des geträumten Himmels
Nur wüſte Schladen,
Im ewigen Sturz durchs All hintaumelnd, Erblickten wir.
O ſprenge des Grabes Pforten, In dieſe weite, öde Nacht, Ein Lichtträger, kehre zurück, Mit Allmacht der Liebe Dein Werk zu vollführen! Palmenſchwingend entgegen Dir werden wir ziehen; Unſere Seelen lehre Nicht Ich mehr kennen noch Du, Und von der verklärten Erde Ueber alle Himmel hinaus Laß deines Geiſtes Odem wehen, Die ſtummen, blinden Welten Vom Bann des Todes zu löſen, Daß ein großes, ſeliges Leben Von Sternen zu Sternen walle!
— 373 —
Abendfeier.
Sei mir willkommen, Stunde heil'ger Feier!
Indeß der Tag im Weſten ſanft verglimmt,
Harmoniſch bebt der Schöpfung große Leier,
Als hätte ſie ein Genius geſtimmt,
Und ſanft dahin durch meiner Seele Saiten
Fühl' ich den Athemzug des Friedens gleiten.
Wohlan! zum großen, reichen Freudenfeſte
Will ich die traute Abendſtille weihn;
Das Schönſte nur, das Herrlichſte und Beſte, Was je mein Herz beglückt, ſoll um mich ſein, Ein übervoller Schatz, den, bis ich ſterbe,
Der Tag dem Tag, das Jahr dem Jahr vererbe.
Schon gleich dem Kinde, wenn es vor den Lichtern Des Weihnachtsbaumes daſteht, ſüß erſchreckt,
Und bald nach einem goldnen Apfel ſchüchtern
Die Hand, bald nach dem Perlenhalsband ſtreckt, Vor all den Freuden ſteh' ich wie geblendet,
Die mir des Lebens ſchöner Gott geſpendet.
Auſſteigen neu die hingeſunknen Sonnen,
An deren Strahlen mir ein Glück gereift, Und jede bringt die halbvergefinen Wonnen Mir wieder, die fie über mich gehäuft;
Bon Neuem fchlingen die geſchwundnen Yenze Mir um die Stirne ihre Blumenkränze.
Ich liege wieder unter duft’gen Blüthen, Ein muth’ger Knabe, in der Julinacht Und jauchze, während um den Hingefnieten Der Eichenwald im Wetterfturme kracht,
— 314 —
Und blick' in Andacht bei der Blitze Lohen Der Mutter ins Geſicht, der ew’gen, hohen.
Aufs Neue fühl! ich, wie die ſchöne Zähre
Der Freundichaft von des Jünglings Wimper tropft, Wie hoch bei Diotimas Seherlehre,
Beim Yiede des Homer das Herz ihm Elopft,
Wie feine Lippe felgen Bollgenuffes
An theuern Lippen hängt im Tauſch des Kuffes.
Der Trieb des Wiffens, der nicht andre Schranken ALS jenſeits von den legten Sternen fand,
Des Herzens fühnes Flammen beim Gedanken
An Recht und Freiheit und an Vaterland,
Noch einmal glüht mein ganzes Sein von ihnen Hoch auf, jo wie im Abendroth Ruinen.
Am Mund mir neu, daß jel’gen Raufch ich ſchlürfe, Seh’ ich den Wunderkelch der Dichtung blühn ;
Ich fühle wieder feurige Entwürfe
Und Drang nad Thaten durch die Seele jprühn; D! wurden fie auch unvollbracht begraben,
Schön nenn’ ich es, fie nur gedacht zu haben.
Wenn alle Wonnen, die ich je genofjen,
Mein Geift auf einmal neu ins Dafein vuft,
Daß einer Nofe gleich, die voll erjchlofien,
Das eben feinen ganzen Blüthenduft
Um mich verhaucht — o! kann ein Feſt auf Erden Mit dem an Seligfeit verglichen werden?
Und brennen auch dazwischen alte Wunden,
Die Schmerzen felbft, nicht miffen will ich fie, Durch fie erſt wird der Chor der Wonneftunden Zu einer großen, vollen Harmonie,
— 35 —
Die, während ſüßen Wehs die Seele blutet, Mit hohem Wogenfchlage mich umfluthet.
Sa, ruf ich fo die dunfeln Trauertage,
Die bang durchweinten Nächte mir zurüd, Zu Jubel wandelt fich mir jede Klage,
Und einft, wenn müde von des Lebens Glüd, Nur Freuden, eine überreiche Habe,
Nehm' ich als ewigen Befig zu Grabe.
Hymne.
Da bin ich, nimm mich hin, erhabne Macht! Seitdem zuerſt vor meinem Geiſte
Sich lichtete der Dinge große Nacht,
Fühlt' ich, wie deine Schwinge mich umkreiste,
Und nicht vor Graun, noch Schrecken will ich zagen; Ich weiß, ſiegreich hindurch wirſt du mich tragen.
Aus tiefen Abgrunds öder Finſterniß, Allmählig durch der Urzeit Dämmerungen Hoch, höher haſt du dich emporgerungen, Bis über dir der Weltnacht Dunkel riß, Und jubelnd ſich in feſſelloſem Drang
Das junge Licht durch alle Räume ſchwang.
Allmächtig waltete dein Lebenshauch,
Daß wuchernd in der unterird'ſchen Halle
Der Stein, das Erz aufſchoſſen zum Kryſtalle, Und dir entgegen Staude, Baum und Strauch Aus Blüthenkelchen ſüße Düfte
Entſendeten in die berauſchten Lüfte.
— 376 —
Durch dich geweckt, erſtand myriadenfach
Die Thierwelt; jeder Raum von Erd' und Himmel, Der Meerabgrund und Wald und Strom und Bach Erfüllten ſich mit fröhlichem Gewimmel
Und ſelbſt der Tropfen Thau mit unſichtbaren Millionen vielgeſtalt'ger Weſenſchaaren.
Doch noch war tiefe Geiſtesnacht; da ſchlug
Die Seele in des Menſchen Angeſichte
Das Auge auf mit wunderbarem Lichte
Und wagte zaghaft ihren erſten Flug
Auf des Gedankens Schwingen — auf den Thron Der Schöpfung hobſt du ihren Lieblingsſohn.
In ihm, der mit der wilden Thiere Brut Gehaust, dem Höhlenbären, der Hyäne, Entfachteſt du der Liebe ſchöne Gluth, Entlockteſt ihm des Mitleids heil'ge Thräne; Der Sprache Wunder lehrteſt du ihn ſtammeln Und um den Herd der Sitte ſich verſammeln.
Mehr, immer mehr ſich ſeiner ſelbſt bewußt, Die dumpfen Sinne von der höhern Flamme Ließ er durchglühn; ihn nahm die hehre Amme Hellas als Säugling an die Bruſt,
Um mit der Weisheit Milch, den Honigwaben Der Dichtkunſt ſeinen Geiſt zu laben.
Da ſang Homer ſein ew'ges Lied, da quoll, Durchathmet von des Phidias Seele,
Zu Göttern auf der Marmor von Pentele, Reich rann der Lebensquell und warm und voll, Wie die Natur von ihrem großen Herde
Ihn nimmer ſonſt geſpendet hat der Erde.
— 317 —
Wohl dedte Dunkel wiederum die Welt,
Die Freiheit barg ihr holdes Antlis jchüchtern; Allein mit hoher Geifter Himmelslichtern
Auch weiter haft du noch die Nacht erhellt
Und große Thaten, trog der Stürme Wüthen,
Der Menschheit auf den Pfad geftreut wie Blüthen.
Strahlt wie ein Morgenftern nicht Heloife
Aus finftrer Zeit hervor? Schritt ernft und groß Nicht Dante feinen Weg zum Paradiefe?
Und, wo Savonarolas Scheiterſtoß
Noch jüngst geflammt, erblühte nicht ein Yenz Des Wiffens und der Künfte in Florenz?
Und die des Chaos düjteres Gewirr
Du zum Geſetz geführt haft und zum Maaße, Die Leben ſchuf, wo Alles wüſt und dürr, Und, leuchtend wie des Himmels Sonnenftraße, Hin durch die Zeiten deinen Pfad gezogen, Wie würde, wer fi) dir vertraut, betrogen?
Empor, empor, um Höhres zu geftalten,
Durch Nahtgraun und durch Sturm geht deine Bahn: Sp magjt du denn, wie wild der Weltorfan
Auch braust, mit mir nach deinem Willen fchalten, Seis zur Vernichtung, ſeis zu neuem Leben,
Erhabner Geift, dir hab’ ich mid) ergeben!
— ——
Licht und Finſterniß.
Soll nie der Menſch an dem, was groß und ſchön, Sich vollen Zuges laben dürfen,
Nie auf des Lebens heitern Sonnenhöhn
Die reine Luft der Wahrheit ſchlürfen?
So ſtolz ſteigt er auf der Erkenntniß Bahn Empor zur Freiheit und zum Lichte; Schon ſind vor ihm die Pforten aufgethan Zu hellern Tagen der Geſchichte,
Da neu beginnt aus Nacht hervor und Grab Das alte finſtre Heer zu wimmeln
Und wirft das Netz nach ihm, um ihn herab Zu ziehn aus allen ſeinen Himmeln.
Bald hier, bald dort ſchon mit dem Crucifix Steigt aus des Mittelalters Schutte
Ein Nachtgeſell, das Auge ſcheuen Blicks Vorſchielend unter ſeiner Kutte.
Und ihrer mehr, ſtets mehr ausſpeit die Gruft, Und langen Zugs in Meßgewanden
Mit wehnden Fahnen ziehn bei Weihrauchduft Von Ort zu Ort die ſchwarzen Banden.
Ihr, deren Lippe träuft von Acht und Bann, Dürft ihr euch deſſen Schüler nennen, Ruchloſe, der den Spruch gethan: „Daran, Daß ihr euch liebt, will ich euch kennen?“
Zu ihm, von ſeines Auges ſanftem Blau Verklärt, auflächelten die Kleinen; Ihm fehlte nie der Thränen milder Thau, Um auch den Sünder zu beweinen.
— 39 —
Er brachte, al3 er in den Abgrund ftieg, Bergebung, Liebe ſelbſt Verdammten;
Doc ihr, wann feiertet ihr je den Sieg, Als wenn die Scheiterhaufen flammten ?
Haß ift die Luft, in der ihr lebt, und lud), Und von der Rechten, die zum Segen
Ihr am Altar ausftredt, quillt Blutgerud) Uns, wie von Mörderhand, entgegen.
Fa, jene feid ihr noch — das Kainsmal Seh’ ich auf eurer Stirne brennen — Die einft ihr der Waldenſer friedlich Thal Mit Mord erfüllt und die Cevenuen.
Und durch Hofiannah und durch Chorgefang Auf ich euch in das Ohr, das taube: „Der Fluch) der Erde jchon jahrtaufendlang Seid ihr und euer finftrer Glaube.“
Mir her den heil’gen Kelch, den ihr entweiht! Im Namen defjen, den ihr fchändet,
Des Göttlichen, bring’ ich ein Hoch der Zeit, Die euer Reich der Yüge endet.
Wenn aus den Augen ganz den wüſten Traum Der Nacht die Menjchheit fich gerieben,
Sit auf der Welt nicht ferner für euh Raum Ihr lehrt fie haffen, fie will Lieben.
— 380 — j
Memnon. Luxor, im Januar 1872.
Auf Leichen und auf Schutt in dieſem Thale Hält ſeinen bleichen Hof der Tod; Nur wenn die Sonne, hinter Libyens kahle Sandhügel ſinkend, ihrer Strahlen Roth Hinfluthen läßt um Thebens Trümmermale, Glühn Pyramide und Pylon Noch einmal auf bei ihrem Scheidegruße. Dann, hingeſtreckt an deinem Fuße, Geheimnißvoller Götterſohn, Traumbild der Urnacht, das, zu Stein geworden, koch an des heil'gen Stromes Borden In unfern Tag herüberragt, Auf die Nuinen, die fich allhin breiten, Laſſ' ich den Bli mit deinem Schatten gleiten. Bor mir auf der Koloffe Rieſenglieder, Die fünf Jahrtauſende zernagt, Hin ſprüht das Licht in goldnen Funken, Und aus der alten Weltnacht wieder, In die fie lang zurücgejunfen, Taucht in des Abends Purpurflore Empor die Stadt der hundert Thore. Aus Grün der Palme und der Terebinthe Aufragen ſeh' ich Häuferlabyrinthe Und Obelisfen, deren Spiten Wie Flammen von Oranit zum Himmel bligen. Bedeckt mit räthjelhaften Zeichen, Spiegeln fih Tempel in fryftallnen Teichen, Drin die geweihte Yotos blüht, Und über ihre höchften innen, Vom Weltgeheimniß dunkel überglüht, Hernieder fchaun Aegypten Wächterinnen, Die Sphinre, auf ihr heil’ges Theben.
Dar.
— 3831 —
Zu wimmeln da in allen Säulenſtraßen Beginnt es von der Völker frühem Leben, Das felbft die ältften Sagen längſt vergaßen; Doch plötzlich uberm Wüſtenſaum verglimmt Das Licht zu mattem, gelbem Streife Und ſpielt ums Haupt der höchſten Flügelgreife Mit letztem Strahl — auf Nebeln ſchwimmt Der Mond heran, und in des Sandes Wogen, Die ringsum mir zu Füßen branden,
Nur Trümmer noch von Pfeilern, Bogen Seh' ich dahingeſtreut gleich dem Skelette Von einer Stadt, die hier geſtanden — Hernieder auf die große Schädelſtätte Senkt ſich die Nacht; um die Altäre
Der Iſis ſchallen, ſtatt der Prieſterchöre, Des Habichts Schreie und der Eulen, Und zwiſchen halbgebrochnen Säulen Sucht in des Rhamſes Pfeilerſaal
Ihr Lager die Hyäne.
Mit dem Strahl Des Monds allmählig nieder wallt Der Schlummer auf mein Augenlid. Doch kurz die Ruhe; wieder bald Fühl' ich, wie es empor mich zieht Und auf den Pfaden neu, Nachtwandlern gleich, Mich hintreibt, die ich Tags durchſchweift. Zu Bergeshöhe rings gehäuft Liegt Tempelſchutt; oft wie im Todtenreich So finſter iſts um mich, dann durch die Spalten Von himmelhohen Mauern gleitet bleich Ein Schein herab auf rieſige Geſtalten, Die Wacht an einer Höhle Eingang halten, Und eine Schlange ſeh' ich, die geringelt Aus einem Königsgrabe züngelt.
— 332 —
Ich fliehe; über mir zuſammen jchlägt
Das Dunfel nochmals feine Schwingen,
Und ferneher hör’ ich ein Klingen;
Yaut, lauter wirds; der Nahtwind trägt Gemurmel, Flüche und Geftöhne
Mir an das Ohr, ein Chaos dumpfer Tüne; Matt wieder lichtet fic) die Finfternig
Und zeigt durch einen Mauerriß
Mir dichtes Bolfsgewühl; da wogts
Bon Männern, Jünglingen und Weibern, Die unter Drohn des Sflavenvogts,
Dem Geißelhieb von unbarmherz’gen Treibern, Schwerwucht'ge Quadern zu dem Bau
Bon Pyramiden fchleppen; wie mit Ihau, Die Wüſte negen fie mit ihrem Blute
Und überdeden mit gejunfnen Yeibern
Albin den Boden, doch die Eiſenruthe Zwingt fie, zu neuer Dual fi aufzuraffen. Weiter eil' ich; Abgründe Flaffen
Zur Seite mir und dumpf hinjchleicht
Durd) fie der Ton von Eteingebrödel,
Das unter meinen Tritten weicht;
In Nifchen webt um morfcher Särge Dedel Die Spinne noch ihr hangendes Gefpinnit; Kein Leben fonft; nur feuchter Grabesschauer Wallt um mich her, allgegenmwärtig grinst Der Tod aus jedem Spalt der Mauer; Dies ift fein Herrſcherſchloß, das gränzenlos Mit Kammern, Gängen, vielgewunden,
Sic hinzieht durch den Erdenſchooß. Sahrtaufende find ihm Sekunden,
Er zählt fie nicht; ob er ein Neid) Auslöſcht, ob einen Glühwurm, gilt ihm gleich; Was blieb von all den modernden Nationen ? Erſt find fie ſelbſt, dann ift ihr Staub vermest,
— 35 —
Bis ganze Wejen-Millionen
In ein Atom fich aufgelöst.
Bom legten felbft der Pharaonen
Die Mumie juch’ ich vergebens;
Die Bilder, die in Farbe oder Stein
Sich längs der düftern Wände reihn,
Nur äffen noch den Schein des Lebens;
Im Mondespämmer, wie fein gelbes Streiflicht herabrinnt durch die Spalten des Gemölbes, Ablöfen fie fih von der Wand,
Die Unterjochten und die Sieger;
Boran, das Scepter in der Hand, Sefoftris, der vom heigen Niger
Bis an den eisumftarrten Hindufufch
Mit Feindeshblut die Erde wuſch —
Kein Yand ift, wo nicht Pyramiden ragen, Die er gethürmt aus Menfchenfnochen — Und Ueberwundene in Eifenjochen
Folgen ihm nach und Sichelwagen,
Die ganze Völker niedermähten,
Und Krieger mit dem Schalle von Drommeten ; Und an Altären feiern Priefter
Mit Hymnenfang den Weltverwüſter.
Und dicht und dichter mir zu Seiten,
Wie wenn am Himmel herbftlich die geballten Sturmwolken ihre Schwingen breiten,
Reihn fi) Geftalten an Geftalten —
Das ift nicht mehr das Volk vom Nil;
In Trachten aller Völker, aller Zeiten Wälzen, .ein ew’ges Einerlei
Bon Bölfermordgetümmel, Schlachtgewühl, Der Menfchen mwechjelnde Gejchlechter
In Wirbelftrome fich vorbei.
Ich will entfliehn; da hör’ ih Hohngelächter Und einen Auf, rüdhallend an den Mauern:
— 384 —
„So wirds bis an den Schluß der Zeiten dauern! Laß, Thörichter, die Hoffnung ſchwinden
Auf Frieden und auf Menjchenglüd!” —
Und tiefer, immer tiefer winden
Die Gänge fich; nicht vorwärts kann ich, noch zurück.
Ein trüber Schleier det mein Auge. Ich ftürze hin; mir tft, als jauge An meinem Herzen ein Vampyr.
Da ftreiht ein Wind die Schläfe mir, Bon Thau fühl ih die Wange feucht Und fchau’ empor; blaß hängt am Himmelsbogen Der Mond, deß Falter Strahl an mir gejogen; Wie nächt'ge Vögel, plöglich aufgefcheucht, Entfliehn die düftern Traumgefichte, Und über mir feh’ ich mit erſtem Lichte Das Frühroth fih auf Memnons Stirne legen — Ein Zittern fchleiht, ein ahnungspolles Negen Hin dur den Stein, und von den Lippen quillt Dem Gott ein leifer Tonhauch, wie Gebet. O töne, töne, heil’ges Bild! Kind’ und das Yicht, nach dem jahrtaufendlang Gen Dften hoffend du gefpäht, Der tiefen, düſtern Weltnacht Ende! In durftgen Zügen trinft mein Herz den Klang Und grüßt den Morgen andachtsvoll, Der an des großen Weltjahrs Sonnenmwende Der Menjchheit Frieden bringen joll.
In der Krankheif.
Dem Schlummerlofen Langſam jchleichen die Stunden;
— 35 —
D führt mich hinaus
In die klare Septembernadt,
Daß ich wieder ihn jchaue,
Den Freund meiner Kindheit, den ſchönen Drion, Und feinen ftrahlenden Bruder Sirius.
In jedem Herbit, Wenn zuerft durch die Nebel des Oſtens fie ftiegen, Ihren Aufgang hab’ ich gegrüßt; Wie Genien waren fie mir, Die auf dem Ervdenpfad mich geleitet; Sie fahen mein Leben aufblühn, Und auf das welfende nun Soll fanft ihr Glanz herniederthaun.
Schwer iſts, fich loszureißen Von dem heimathlichen Stern, Der uns ſo traulich gehegt.
Doch ſollen wir ewig gebannt ſein
An den einen unter den vielen,
Die ſchweigend, leuchtend
Im unermeſſnen Raume rollen?
Hört' ich nicht oft
In ſtillen Weiheſtunden der Seele
Leishallende Tritte,
Rauſchen unſichtbarer Quellen
Und Flüſtern von Geiſterlippen
Wie Botſchaft aus andern Welten?
Von dieſem niederen Ball
Hinauf dann wollt' es mich ziehn
Zu den hohen unſterblichen Sonnen,
Dem Lichte des Lichts.
Und nun ſie zum Aufbruch mahnt,
Die große Himmelsuhr,
Die des Menſchen kurzes Leben Schack, Geſ. Werke IV. 25
— 386 —
Nur als Sekunde zählt,
Kann ich zagen vor dem Gange
In das unbekannte Land?
Mag kein Pfad dort ſein,
Keine Hand, die mich führt,
Ich weiß, vorauf mir
In ungezählten Schaaren
Sind ſie gezogen,
Die Weiſen und Guten
Der Zeit und Vorzeit,
Und feſt in meiner Seele ſteht der Pol, Der ihnen nach den Weg mir weist, Daß ich löſche den Durſt
Nach ewiger Wahrheit,
Trinke den mächtigen Odem der Liebe, Der durch das Weltall weht!
Atlantis.
Hoc von den Klippen des Felfengeftades An St. Vincent ragendem Cap
In der Brandung tojenden Hades Starr’ ich lange Stunden hinab;
Sehe mit weißen flatternden Mähnen
Sich durd die fluthenden Schlünde, die jäh Zwiſchen den Wellengebirgen gähnen, Tummeln die ſchäumenden Roſſe der See;
Trinfe die Hauche der freien atlantijchen Meerluft, wie fie flügelbefchwingt
Gleich Mänaden im wilden bacchantischen Taumel von Woge zu Woge fpringt.
* ir
— 337° —
Und auf der Brandung herüber aus Weiten, D Columbia! von deinem Strand
Wallt es wie Grüße, dem fchmerzengepreßten, Altersmüden Europa gejandt.
Duftend wie Gräfer deiner Savannen, Yeuchtend wie deine Yianenpradt,
Sugendlich rich wie am Blodhaus die Tannen In des Urmalds dämmernder Nacht,
Bon den Flüffen, den ftrömenden Meeren An der Feljengebirge Fuß,
Bon den wälderwälzenden hehren Waflerftürzen ift e8 ein Gruß.
Yand, wo groß wie Urmeltgedanfen Schlummern die nimmer durchfurchten Seen, Was der heilende Balfam dem Kranken, Sit ung von deinem Ddem ein Wehn!
Mehr, o mehr noch gieb uns zu trinfen! Wie Verſchmachtende dürften wir;
Mag im Welten die Sonne finfen,
Einft doc fommt uns der Morgen von dir.
Eine Stimme der Prophezeiung Send’ uns, die das Dunkel zerreißt Und Berjüngung, Freiheit, Erneuung Uns im Todesfampfe verheißt;
Freiheit, nicht wie der blutige Marat Sie zum Bernichtungsfeuer entfacht,
- Wie beim Donner des Niagara Wafhingtons großer Geift fie gedacht!
— 38 —
Freiheit vom Wahne, der ſchon in der Kindheit Seine düftere Binde fo dicht
Um die Augen uns legt, daß in Blindheit
Wir nicht Schauen das höhere Licht. |
Geiſt der Zufunft, der in den Andes Du mit den ftürzenden Waffern ſchäumſt, Unter den Palmen längs des Strandes Des Orinocco morgendli träumt,
Höre, wir rufen dich! müd des Bergangenen Deiner harren wir jehnjuchtsvoll,
Wie des Netter3 die armen Gefangenen, Der den Kerker erſchließen joll.
Wo der Urwald noch feinen Herren,
ALS den freifenden Adier gekannt,
In den Prairien, Savannen und Sierren Zeig uns das fünftige Vaterland!
Frei und herrlich, nicht, wie die Ahnen, Bleiher Gedanken und Sorgen Knecht, Wird in junger Kraft der Titanen Dort erwachſen ein neues Gefchledht.
Und wie die Rieſenwildniſſe drüben Am Miffiffippi, jo ftolz und fühn Werden die Völker, entrücdt den trüben Wolfen Europas, wuchern und blühn.
An den ftürzenden Katarakten,
Wenn der Sturm durch die Wipfel weht, Bei der rollenden Waſſer Takten
Lernen fie ftammeln ihr erſtes Gebet,
W
— 389 —
Und ftatt dev Tempel, wo düſtre Phantome Bon den Wänden hernieder drohn,
Wölbt fich der leuchtende Himmel zum Dome Ihrer höheren Religion.
Das neue Dahrkunderf.
Noch bevor am Himmel dämmernd deine Morgenvöthe ſteigt,
Hat ſich von der Laſt der Jahre müd' ins Grab mein Haupt geneigt;
Doch der Lerche gleich, die, eh' ſie ſich den Oſten röthen ſieht,
Schon dem Tag entgegenjubelt, flattre dir voran mein Lied,
Glorreich herrliches Jahrhundert, das im königlichen Flug
Reigenführend du dahinſchwebſt vor der Menſchheit Siegeszug!
Ja, Vollender du von Allem, was wir hoffend nur geahnt,
Dem die Weiſen und die Helden jeder Zeit den Weg
gebahnt,
Vor dem Blick mir weicht der Schleier, der noch vor der Zukunft ruht,
Und wie ferne Alpengipfel in des Frühlichts Purpurgluth
Seh' ich dich und ſeh' die andern, die dir folgen, hellbeſonnt,
Himmelauf die Scheitel heben an der Zeiten Horizont.
Weit vor mir in Segensfülle mit der Aernten wogendem Gold,
Mit den üpp'gen Rebgeländen, liegt das Erdgefild entrollt,
Und von Ueberfluß für Alle ſtrotzt der mütterliche Herd.
Längſt, des blut'gen Werkes müde, ward zur Sichel jedes Schwert,
— 3% —
Und mit flatternden Standarten auf der Freiheit Sieges- feld
Wallen rings heran die Völker zu dem Bundesfeft der Welt.
Der geweihte Born des Wiffens, der für Wen’ge ſonſt nur quoll,
Nun in breitem Strom durd alle Yänder fließt er reich und voll,
Und harmonisch alle Herzen ftimmt der Dichtung Orpheuslied
Und die Kunſt, der ew'ge Frühling, der in Farb' und Marmor blüht.
Durch geſprengte Felſen, über ſchwindlige Klüfte hin— geſpannt,
Schlingt um alle Erdenzonen ſich der ehrnen Gleiſe Band,
Drauf vom Dampf, dem ſchnaubenden Renner, den er in ſein Joch geſchirrt,
Hin von Pol zu Pol mit Sturmes Flug der Menſch getragen wird.
Er, der einſt auf Eichenpfählen, in der Seeen Grund gerammt,
Dem Geſchick, dem grauſen, fluchte, das zum Daſein ihn verdammt;
Nun der Elemente Meiſter, Herrſcher über Zeit und Raum,
Herrlich ſich erfüllen ſieht er alter Seher Wundertraum,
Segelt durch den höchſten Aether hin auf luftbeſchwingtem Kahn,
Taucht durch blauer Wogen Zwielicht in den tiefſten Ocean.
Ihm gehorcht der Blitz als Sklave; in das gränzenloje AU
Trägt den Blid ihm Frauenhofer auf den Flügeln von Kryſtall;
Durch den Sternennebel dringend, der als Lichtſtrom niederträuft,
Sieht er neue Firmamente tief im funkelnden Raum gehäuft,
— 31 —
Und hinüber und herüber auf dem ftrahlenfchnellen Weg
Mit Bewohnern fremder Welten führt er Zeichen- Zwiegeſpräch.
Aber hehrer noch als droben, wo ſich Sonn' an Sonne reiht,
Unergründlich in der Seele ruht ihm die Unendlichkeit.
Wie aus weitentlegnen Himmeln, nie durchforſcht vom Seherohr,
Steigen der Gedanken große Sternenbilder ihm empor.
Fernhin ſchweift ſein Adlerauge, jenſeits dieſes engen Jetzt,
Vom Beginn der Erdendinge bis zum dämmernden Zuletzt;
Nicht fortan im Unermeſſnen ſteht er rathlos und verwaist,
Ueber alle Räume breitet herrlich leuchtend ſich ſein Geiſt,
Und, im Leben wie im Tod ſich ſeiner Ewigkeit bewußt,
Jeglichem Geſchick entgegen trägt er frei und kühn die Bruſt.
So, wenn welk von vielen Jahren ſeines Daſeins Blüthe ſinkt,
Schreckt ihn nicht des letzten Mahners Kommen, der zur Abfahrt winkt.
Gleich dem meervertrauten Schiffer, dem das Herz voll Hoffnung ſchlägt,
Wenn hinweg zu fernen Inſeln ſeinen Kiel die Woge trägt,
Dieſer Erde Küſten läßt er, während ſanft in ſeinem Boot
Ihn dahin zu neuen Ufern führt der freundliche Pilot.
Van.
Der Alpen Gletſcherbächen gleich, die, hoch von Schnee geſchwollen, Von Klippe jäh zu Klippe fort im Wogenſturze rollen
— 32 — Und Quellen, Flüffe mit fi ziehnd, fid) in das Thal
ergießen,
Sp rauſcht und ſchwillt der Yebensitrom, voll bis zum Ueberfließen.
Den Menschen ſcheint Die Welt zu Elein, zu ftillen ihr Dedürfen;
Sp fern ift feine Hafenbucht, wo fie nicht Anfer würfen, Kein Schacht jo abgrundtief, daraus ang Yicht fie die verfohlten Urmwälder, die jahrtaufendlang begrabenen, nicht holten. Wie loht die Gluth und ſchmelzt das Gold aus glikern-
dem Geäder
Und treibt mit ihres Odems Hauch, dem Dampf, die Eifenräder
Und jagt, indeß er wirbelnd fteigt, fie Hin auf ehrnen Gleiſen,
Daß, Zeit und Raum beſiegend, ſie die Welt im Flug umkreiſen! —
Nimm hin Br ?eben, ich bin dein! Wie hoch die Fluth auch gehe,
Ich zage nicht por deinen Mühn und nicht vor deinent Wehe;
Du führft die Menjchheit an ihr Ziel durch alle Wandelungen,
Und dem nur winkt der Siegespreis, der tapfer mit— gerungen;
Doc eine Stunde jedes Tags dem drängenden Gewühle,
Das raſtlos um uns braust und tobt wie eine Riefenmühle,
Ja eine will ich ihm entfliehn, daß ich in ftiller Weihe
Der großen Hymme der Natur das Ohr voll Andacht leihe.
Seis an des Meeres Klippenftrand, ſeis hoch auf Berges- zinnen,
Beim Klang der Schöpfungsmelodien, der ew’gen, will ich finnen,
—
Die von des Himmels höchſtem Grat, den lichten Aether-
ballen,
Im Feierſchwung hinab zur Nacht des tiefften Abgrunds wallen,
Dann wieder von des Hänflings Neft, den niedern Oinfterzweigen,
Zur ftolzen Bergesceder auf, dem Horjt des Adlers, fteigen.
Da ſchweigt des Lebens wüſter Lärm; in mächtigem Afforde
Anhebt der Dcean den Palm, gepeitjcht vom wilden Norde,
Und Katarakte fallen ein, die von den Felfen braufen, Und Eichenwälder, fturmdurhmwühlt, mit ihrer Aeſte
Saufen; Nachſtammelt ihn des Südens Meer, wo unter Yor- beerbäumen Am Klippenftrande von Sorrent die Wogen wirbelnd Ihäumen;
Ihn fingt der goldne Orient am Rande der Cifternen,
Und her von Weiten hallt jein Klang aus bleichen Nebelfernen;
Er fprudelt aus der Urne vor, daraus der Morgen fluthet,
Und zittert um des Tages Grab, der abendlich ver— blutet,
Und Elangreich hin von Welt zu Welt durch alle Himmels— bogen
Schlägt wallend mit dem Strom des Lichts das Ton—
k meer feine Wogen.
D! laufhen wir mit Ohr und Geift, wie Töne von dem Rohre
Des ew’gen Pan, erjchallen uns die Klänge all im Chore;
Da wird in Yifpellauten wie in Sprache der Titanen
Uns offenbar was Keiner weiß und was doch Alle ahnen;
— 34 —
Still ftehen, vegungslos um uns des Zeitenvades Speichen,
Wir athmen in der Ewigkeit, der heil’gen, immer gleichen,
Und laſſen ihre Wogenfluth erquidend ung umfpülen,
Bis wir den Bann des engen Ich don uns genommen fühlen
Und diefen jteten Weſenſchwall, von dem nur Wellenringe
Wir felber find, verfchwinden fehn im großen Eins der Dinge.
Glücklich, wer in des Urfeins Fluth, der Klaren, hoch— begnadet
Dom dunfeln Roſt der Endlichfeit die Seele rein gebadet!
Huf dem Friedhof.
In des Oktober-Abends Späte, Wenn ic, o Friedhof, dich betrete, Was iſts, das lang an dich mich bannt? Selehnt an eine Marmorplatte, Seh’ ich das Sonnenlicht, das matte, Berglühn am gelben Himmelsrand, Indeß die Winde von den Eiben Umher die welfen Blätter treiben. Einjam entlang den Kreuzen mwallt Noch einer Betenden Geftalt, Die Kränze um ein Grab gemunden; In Dämmerung ift fie bald geſchwunden, Und, vor mir Gräber, Stein an Stein, Bin mit den Todten ich allein,
Wie manche ruhen drunten ſchon Von denen, die ich heiß geliebt; O wer ſie je mir wiedergiebt!
— 359 —
Ihr ſüßer Lebenshauch entflohn!
Wie Klang von Leiern, die zerſplittert, Verklungen ihrer Stimme Ton,
Bei dem mein Herz ſo oft gezittert; Die Lippen, mir vor allen theuer,
Die Hände, deren Druck wie Feuer Durch all mein Weſen rann — o nie Berühren mehr die meinen ſie! Einſam noch ſchreit' ich durch die Welt, Die nicht ihr Auge mehr erhellt,
Doch über meine Stirn auch bald Legt ſich der Raſen ſtumm und kalt.
O finſtrer Abgrund, welcher vor uns gähnt! Wer bliebe ſtumm, das Auge unbethränt, Wenn die Geſtalten all, die wundervollen, Des Seins und Lebens, das uns hier umfing, Und alle Freuden, dran die Seele hing, Hinſinken, wie auf unſern Sarg die Schollen? — Der Herrſcher, dem ſich Alles beugen muß, Biſt du, o Tod! Stumm neigt der Genius Das ſchöne Haupt vor deiner Mörderhippe; Die Farbe bleicht, von deinem Hauch berührt, Der Meißel ſinkt, den ſeine Hand geführt, Und der Geſang erſtirbt auf ſeiner Lippe.
Weß Auge durch die Erdendecke dränge, Er ſchaute drunten unermeßne Hallen, Die doch zu klein faft für der Todten Menge, Das Weltall derer, die in Staub zerfallen, Reſt eines Weſens jegliches Atom; Kön’ge, die einft die halbe Welt beſeſſen, Mit ihren Völkern, und wie fie vergeffen, Begraben in dem großen Trauerdom; In Schutt zerbrödelt jelbft die Ajchenkrüge,
— 396 —
Wie das Gebein der Helden und der Weifen,
Die drin geruht — wer denft3 und fann die Yüge Bon Nahruhm glauben und Unfterblichfeit ?
Seit Anbeginn, jo lang die Jahre Freien,
Stürzt Alles jäh in die Vergefjenheit.
Entflieh zu den entlegenften Geftaden,
In Urwaldnacht, wo jedes Ficht erlifcht,
Umfonft die Flucht; du eilft auf allen Pfaden
Zum ſchwarzen Schlund, wo fich dein Staub vermifcht Mit dem von ungezählten Myriaden!
Nichts alfo wäre, das noch bliebe, Nachdem der Wange Noth erblaßt? Die großen Herzen, die in Yiebe Der Menjchheit ganzes Sein umfaßt; AU Jene, die zum Seelenbunde Sich mir gelobt mit Schwur und Hand, Wenn in die fliehende Sefunde Wir eine Ewigfeit gebannt; Die Geifter, die gedanfenjchnell Der ferniten Sterne Nebelftraßen, Des Abgrunds tiefſte Nacht durchmaßen: Statt an des ew’gen Yichtes Duell Den Durft zu löfchen, follten nun Im Moder fie dort unten ruhn, AS ftumme Kläger wider den, Der fie gejchaffen zum Bergehn?
Nein! finfe, was der Staub gebar, Hin auf den weiten Yeichenader ! Was groß und hehr auf Erden war Kann nicht nach flüchtigem Geflader Erlöfchen wie ein Meteor.
Die Himmelsflamme, gottverwandt, Die in der Enpdlichfeit gebrannt,
ver, ee
Bi.
Steigt leuchtend aus der Gruft empor; Und jenen nach, die aus den Banden Der Körperwelt befreit erſtanden,
Werd' ich dereinft, vom Durft nach Willen, Dom Drang nach Licht emporgeriffen, Des dumpfen Sarges Dedel jprengen; Die Schleier alle will ich heben,
Die vor der Schöpfung Wundern hängen, Und alle fie, die mich im Yeben
Getränft mit ihres Odems Wehn,
Die hohen Geifter wiederjehn!
Mit deinen Särgen, deinen Wiegen Bleib, Heine Erde, drunten liegen! Hinauf von diefer Schädelſtäte Bi’ ich, wo ſchon die fternbefäte Allheil'ge Nacht emporgeftiegen,
Und ihre unermeßnen Hallen
Die Emigfeit erſchloſſen hat.
Wie funfelt dort des Lebens Saat, Gleich Lilien, die im Windhauc mallen! Mein Baterhaus, aus deffen Thoren Sch früh mid) in die Welt verloren, O Xetherftadt, glanzvolle Veſte,
Ihr Sternen-Tempel und Paläfte, Wie leuchten eure Lampen wieder Bon droben mild zu mir hernieder! Milchſtraßen, leicht wie Morgenthau Dahingeiprengt ins tiefe Blau,
Ein’ unermeßner Strom von Sonnen, Der dur entlegne Himmel ſchäumt, Bis wo, in blaffen Dunft zerronnen, Ein All vergeht, ein andres keimt! Das Fluthen breiter Strahlenwogen Bon Weltenftrand zu Weltenftrand!
— 38 —
Die Himmelsbogen Hinter Bogen Durch die Unendlichkeit gefpannt! Hinauf! Hinauf! zum großen Flug Will ich der Seele Schwingen rüften; Er rauſcht um mich, der Geifterzug, Der von der Schöpfung fernften Küſten Zu ihren Sonmnengipfeln zieht;
Empor mit ihm zu Lichtgeftienen,
Die nie ein irdiſch Auge fieht!
Schon wo des Weltalls höchfte Firnen Mit morgenrothem Scheitel blinten, Seh’ ich fie mir entgegenminfen,
Die hehren, ftrahlenden Geftalten,
Die vor mir her durchs Leben mwallten; Euch, die Gefchleht ihr auf Gefchlecht Erleuchtet, Seher und Propheten,
Euch Helden, deren Fahnen wehten Im Kampf für Freiheit und für Net, Und euch, die ihr durch Farb' und Töne Dort unten fhon enthält die Schöne, In der ihr nun unfterblic wohnt! Bon Polen hin zu fernern Polen Aufflieg’ ich, um euch einzuholen,
Und fort zu höhern Geifterreichen,
Wo eure Strahlen felbft erbleichen, Wie vor dem Sonnenglanz der Mond.
Der neue Vempel.
Geöffnet ift die große Andachthalle, Die unermeßne, die von der Natur Erſchaffen ward zum Gotteshaus für Alle. ;
— 399 —
Kein Tempel das, wie fie der dumpfe Glaube Der Menfchen fich gebaut; die Berge find Die Pfeiler feiner hehren Säulenlaube.
Weihrauch dampft aus der Thäler Silberjchale, Und mit des Meeres Wogendonner eint Der Stürme Hymmus fich zum Fejtchorale.
Doc welhem Gott von allen, die al3 wahre Die Menfchheit pries, die Hymnen fingen wir An dieſes ew’gen Tempels Feſtaltare?
Iſts jener, der von Sinai hernieder Aus Wetterwolfennacht zu Moſes ſprach, Und dem auf Zion ſchollen Davids Yieder ?
Iſts Er, der lichtummoben in die Krippe Bon Bethlehem als Kind herunterftieg, Des Himmels milde Yehre auf der Lippe?
Nein, den wir feiern, in dem All der Dinge Negt er, verborgen feit der Welt Beginn, Hier fanfter und dort ftärfer jeine Schwinge.
Schon durch das Dämmer-Zwielicht grauer Zeiten, Als noch im Kindheitstraum die Menfchheit lag, Ihn hören wir mit leifen Tritten jchreiten.
Ihn ſchauten früh in jeligem Gefichte Der Urmelt Seher; trüb bald und bald heil Schlang fich fein Weg dahin durch die Gefchichte.
Wenn Treue Zwei in theuern Liebeseiden,
An Lippe Yippe, Herz an Herz gepreßt, Einander ſchwören, ruht er zwifchen Beiden.
vr
Er grüßt uns hold aus Nähen und aus Fernen; Und blidt uns aus der Erde Blumen an Und droben aus des Himmels ew’gen Sternen.
Um Meer.
An deinen Strand, geliebter Ocean,
Aufnimm den Flüchtling aus dem Weltgedränge! D, al3 von fern nur dich die Augen jahn,
Als deiner Stimme altvertraute Klänge
Her von der Düne mir der Nordwind trug, Wie froh, befreit aus langer dumpfer Enge, Dir da mein Herz entgegenfchlug!
Die jel’gen Sommertage wieder nun
In Örotten, an dem hallenden Geftade
Auf meerduftfeuchtem Ginfter will ich ruhn Und hoch am Strand die jteilen Klippenpfade Hinjchweifen, jo wie ehmals, als zu jäh Kein Fels mir war der wildeften Cyflade An Aegeus' dunfelblauer See!
Slorreiches Meer, gleich hehr bift du und groß, Wenn, überjchattet von Drangenbäumen,
Du fhlummernd in den eignen Wunderfchoof Berfinkft, wie wenn, gewedt aus deinen Träumen, Du donnernd dich in Wafferbergen hebft
Und ganze Flotten mit den Wogenfhäumen,
Den ringsum wirbelnden, begräbft.
Wie leuchtend, purpurroth und blau und grün, Heran die jchaumgefrönten Wogen jchmwellen, Mit Lachen nen ins Unermeßne fliehn
— 4041 —
Und jauchzend in die Tiefe mit den jchnellen Meerftrudeln ftürzen! Ihrer Stimmen Schall Glaub’ ich zu hören aus den dämmerhellen Abgründen und den Höhlen von Kryftall.
Die ihr dem Knaben ſchon Gefpielen wart, Erzählt mir wieder num die alten Sagen, Don Argonautenzug und Ophirfahrt, Kalypjos Eiland und den Yotophagen, Und wie befränzte Schiffe, jchöngefugt, Bei Flötenfpiel und Feitlied der Choragen Ihr nach dem heil’gen Delos trugt.
Und weiter laufchen laßt mein Ohr der Mär, Die ihr erzählt mit euern taufend Zungen, Bon Urmeltftädten, Tempeln hoch und hehr, In euern jähen Schlund hinabgejchlungen, Bon der Atlantis, die, von eurer Fluth Umſpült, tief in den grünen Dämmerungen Bei ihren todten Kindern ruht;
Im Geift dort unten ſeh' ich, wie im Grab Berjunfener Fahrtaufende, die Hallen
Und Zinnen rieſ'ger Bauten, drauf hinab Schlingkraut und Moos in dunfeln Flechten wall; Und Kronen liegen, Scepter rings verftreut,
Und drüber raufht_in der Gewäſſer Wallen
Das große Todtenlied der Zeit.
Dod du, o Meer, fo jung wie beim Beginn, Dem Erdftoß trogend und den Weltorfanen, Rollſt fiegreich über Tod und Trümmer hin Und die begrabnen Werfe von Titanen,
Auf deiner Fluth, der alles Sein entjtammt, Eisberge mwälzend, oder von Bulfanen
Mit dunklem Purpur überflanmt.
Shad, Gef. Werke. IV. 26
— 4192 —
Wie blidt aus deinem leuchtenden Azur Sie, die unendliche, mit klaren Zügen
Ins Auge mir, die ewige Natur,
Aus deren Mutterſchooß wir all’ geftiegen, Die alle uns an ihren Brüften hegt
Und treu, wie die Gebornen in den Wiegen, Die Todten in den Särgen pflegt.
Sp lehre mich, glei wie mit Silberflang
Die Wellen nad) dem Sturm in dic zerfließgen, Wie jauchzend ſich zu jel’gem Untergang
Die Erdenftröme in dein Bett ergießen,
Sa Lehr’ mich fo, wenn von des Yebens Wehn Und Wonnen müd fi) meine Augen fchliegen, roh in das große Al vergehn!
»erikles.
Nicht neiden ſoll der Menſch ihr Glüd Den Anderen; und doch, ich will befennen, Hör’ ich nur deinen Namen nennen,
D Perikles, umfonft zurüd
Zu drängen uch’ ich in daS Herz den Neid, Wer hat des Lebens Herrlichkeit
So voll und veich, wie du, genofjen,
Sp göttlich wer fein Lebenswerk vollbracht ?
Als Kind, da, aus den erften Schlaf erwadt,
Dem Lichte deine Augen fich erjchloffen,
Vom Morgenglanze junger Siege,
Dem jhönften Frühling, den die Welt gekannt, Umleuchtet ſahſt du deine Wiege
— 4093 —
Und lächelteft bei der Drommete Ton,
Die hin durchs Schöne Griechenland
Die Kunde trug von Marathon.
Auf Krofusauen, am Slyfiusbett
Die erften Spiele fpielteft du als Knabe Und jagteft in den Schluchten am Hymett Den Bienen ab die ſüße Honigwabe,
Und ſahſt die großen Adler fliegen,
Und ihnen nach, wie jonnenmwärts
Sie durch den ftillen Aether ftiegen,
In hohen Schlägen Flopfte dir das Herz. Am Abend in der Halle, wenn der Kreis Der Sklaven um den Herd fich drängte, Und Kliſthenes, der ernfte Greis,
Mit Naß der Weihe den Altar beiprengte, Trunfenen Ohres von des Vaters Munde Sogſt du der Götter, der Heroen Kunde. Heran trat durch des Gartens Yorbeergang Der Freudenbringer, der Rhapſode:
Und wie er von Patroflus’ Tode,
Bom Zorn Achills zur Yeier fang, Yeuchtenden Auges ihn umftanden Alle. Mit Yaufchern füllte fich die Halle,
Und leife fchritt durch ihre Reihe
Ein Greis heran — hochwölbig, majeftätiich War feine Stirn, auf der Eleufis’ Weihe Zu ruhen ſchien, jein Blid glomm wie prophetiich; — Er nahm, der ernfte Aeſchylus,
Dich auf den Arm, ließ unter dunklen Brauen Dich in fein mweltalltiefes Auge jchauen Und ſprach: „Mit dir ift Hellas’ Genius!“
Dich traf das erſte Morgenroth Schon wad bei den Papyrusrollen, Am Duell dich labend, den aus vollen
Br pa
Trinkſchalen dir die Muſe bot.
Da fündete dir Herodot
Die Salamis- und Thermopylen-Thaten,
Da in des Akademos Yaubengängen
Mit andern Schülern bald bei Flötenflängen Yuftwandelteft, und bald dem Eleaten,
Dem Zeno, liehft das Ohr du ehrfurchtitumm. | Und als du an der Weisheit Herd : Den Geift, den dürftenden, genährt, x ALS du im Wettlauf durch das Stadium,
Im Fauft- und Ringfampf dir die Sehnen
Zu ehrner Jugendkraft gejpannt,
Trieb mit den Heeren der Hellenen
Der Thatendrang fürs heil’ge Vaterland
Hinaus dich in die Männerſchlacht. Dich jahn Hoch auf dem Schiff, das Schwert in deiner Fauſt, Die Inſeln alle, die der Dcean
Mit Purpurwogenfluth umbraust;
Und lächelnd auf dich nieder ſchauten
Die Götter von den Feljenfpigen,
Den Tempelhöhen, ihren alten Sitzen,
Wie auf der Spur der Argonauten
Durch Kolchis' ewig ſturmdurchwühltes Meer Jenſeits der Cyaneen die Fahrt du wagteſt
Und gleich dem Nordwind vor dir her
Der Feinde fliehnde Segel jagteſt.
Den Heimgekehrten in dem Ruhm Neunfachen Siegs empfing im Heiligthum Der Pallas huldigend Athen; wer war, Seitdem das Dioskurenpaar Miltiades und Ariſtides Nicht anders lebte als im Klang des Liedes, Dir aller ſeiner Söhne gleich?
Aufs Haupt dir drücken konnteſt du die Krone
— 405 —
Und jochen an dein Haus von Sohn zu Sohne, So wie Pififtratus, das Reich,
Du aber wieſeſt fort den eitlen Glanz
Und jchlangft dir um die Stirn der Freiheit Kranz. Und als nun neu des goldnen Alter Segen Durch dich der Theſeusſtadt gefommen jchien, Auf deinen Winf heran auf allen Wegen Sahjt du der Künfte Meifter ziehn. Neichprangend, wie im Yenz der Mandelhain, Sproß aus Penteles Marmorgruben
Empor ein Blüthenflor von Stein;
Wo fteil zerflüftet des Anchesmus Fels,
Des Cekrops Burg aufragt, wo flaren Quells Kallivrhoe durch Wiefen rinnt, erhuben Theater ſich, Odeen und PBaläftren,
Und zu der Dorerſäulen Majeftät
Geſellten ſich die holdern Schweftern,
Die, von Joniens milder Luft ummeht,
Zuerft der Schönheit vollen Reiz entfaltet; Die Giebel an der Tempel Thoren
Erhoben jchlanfe Kanephoren,
In Erz von Polyflet geftaltet,
Und Phidias und Myron fprühten
Die Gluth der Seele in des Marmors Adern; Yebendig wurden jelbjt der Wände Duadern Im Kampfe der Gentauren und Yapithen,
Und Hoch von ihres Heiligthumes Dad)
Sah Pallas nieder, ewig mad),
Um ihre Lieblingsftadt zu hüten.
Wenn abendlich der Meißel Schlag Berftummte, und vom hingefunfnen Tag Um Salamis die legten Strahlen glühten, D hätt’ ih, Mann der Männer, da In deine Halle treten dürfen
— 406 —
Und deines Mundes Rede jchlürfen!
Da maltete mit dir Afpafta,
Das größte Weib, das Hellas fah,
Und was geheim an herrlichen Entwürfen Du bargit, an ihrer Yiebe Sonnenjchein Ließ fies zur goldnen Frucht gedeihn.
Um euch in jenen Nächten welche Schaar Unfterblicher! Dort wie ein Yar,
Der mid vom Sonnenfluge, ruht
Der greife Pindar, tief verjenft in Schweigen, Doch mählig aus der Trauben Fluth,
Die ihm Aſpaſia bietet, fteigen
Ihm neu die Lebensgeifter. Jugendgluth Sprüht wieder hin durch feine Züge,
Und fich zu vüften fcheint, als jet die Bahn Dlympias vor ihm aufgethan,
Sein Geift für neue Fiedesflüge.
Dann des Sophillos großer Sohn,
Aus deſſen Chorgefang mit Flötenton
Die Stimmen von Kolonos’ Nachtigallen, Sehnſucht erwedend, ewig jchallen.
Seitdem er ihrer Melodie
Zuerst der Rhythmen feelenvolle Tänze
In Lied und Gegenlied entlieh,
Erblühten ihm und mwelften fechzig Yenze, Und doch finnt er auf neue Siegeskränze. An feiner Seite aber, fieh!
Um Einen, der no Knabe faft,
Um Ariftophanes, den jüngſten Gaſt,
Im Kreife find die Yaufchenden verfammelt. Leicht hat ihm bei der Rede Wechſeltauſch Sein Pieblingsgott den Sinn umftridt mit Rauſch, Und trunfnen Uebermuthes ſtammelt
Er Berfe, die vom Dionyſosfeſte
Dereinft im Flug der Anapäfte
—
— 4017 —
Von Zeit zu Zeit, von Ort zu Ort Hinflattern werden, fpätefte Gejchlechter Erquidend noch mit feligem Gelächter.
Und Allen, was in Klang und Wort, In Farben und Geftalten um dich fproßte, Du mwarft ihm was der Frühling für die Flur, Wenn von Fonien her beim Wehen milder Oſte Er kommt im leuchtenden Azur Und Knoſp' an Knoſpe die Natur Ermwedt mit feinem Strahlenfuß.
D Tag, als an dent Feft der Athenäen
Du jtandeft an des heil’gen Delbaums Fuß, Und über Parthenon und Propyläen, Gefrönt von Pallas’ Erzbild mit der Yanze, Dein Auge hin auf deine ganze
Glorreiche Schöpfung glitt!
Da leuchtete dir vom Piräus her, Gebändigt zwifchen Quadern von Granit, Das Maften-überdedte Meer;
Da dämmerte der reine Aether
Durch Wipfel von Platanen zu den hehren Denfmälern nieder, den Altären,
An denen dichtgedrängte Beter
Den Göttern dankten, daß, o großer Vater Des Volks! fie ihnen dich gefchenft.
Des Dichterwettitreit3 Site, die Theater, Rennbahnen, wo fein Noß der Jüngling lenkt, Gärten, hervorgelodt aus Feljenöden,
Und Schulen für die Citharöden,
Für Nedefunft der Agora,
Das Alles lag vor deinem Auge da,
Und diefer Blick war deines Lebens Yohn — Der große RXerxes jelbjt auf feinem Thron, Vor dem die unterjodhte Aſia
— 408 —
Endlos ſich breitete mit ihren Reichen,
Wie durft’ er fi) mit dir vergleichen?
In dir ſprach eine Stimme: mag die Zeit Auch alles Menſchenwerk zertreten,
Mag über ganzen Bölfern, Yändern, Städten Ihr Banner pflanzen die Vergefjenheit,
Dies mein Athen doc) fann fie nicht vernichten, Denn auf die Pfeiler göttliher Gedanken Hab’ ichs gebaut, die nimmer wanfen,
Und, deden Schutt und Trümmerjhichten Den legten Stein auch feiner Mauern,
Im Geift der Menfchen wird e3 ewig dauern.
Kaum war verraufcht das Athenäenfeft, Da aus dem Tartarus mit ſchwarzem Flügel Schwang ſich der Todesdämon auf, die Peit. Bom Lykabettus bis zum Nymphenhügel In langen Reihen durch die Stadt Hin wälzte fi) der Zug der Todtenbahren; Auch du bald wankteft fiebermatt;
Den legten noch, die dir geblieben waren,
Der Freunde drüdteft du die Augen zu
Und folgteft ohne Zagen, ohne Yeid
Dem Ruf ins Schattenreich; wohl wußteft du, Du trugft in dir die Ewigfeit.
Hlumenwelt.
Aus des Frühlings jchwellendem Grün Wie mit liebendem Auge
Blidt ihr zu mir empor, ihr Blumen! Dir ift, als ſchaue
0,
— 409 —
Aus eurer Kelche jedem
Der großen Mutter Seele mic an
Und ziehe mic, mit janften Schauern
In ihre Tiefe.
Ihre füßeften Träume und Gedanken, Die, nur halb mir verjtanden,
Immer neu mich zur Deutung loden, Erblid’ ich in euch.
In eurer regungslofen Stille
Nicht kennt ihr des fturmbewegten Lebens Streben und Ringen,
Noch der immer getäufchten Hoffnung Dual, Die wir Dafein nennen,
In weiche Ruhe gebettet,
Nur dem hohen Himmel
Und den ewig freifenden Lichtern droben, Die den Tag und die Nacht herauf
Für die Sterblichen führen,
Deffnet ihr euer Herz
Und zittert jelig,
Berührt von den göttlichen Strahlen.
O laßt mich vertraut in eurer Mitte ie im Kreis von Gefchwiftern weilen, Und lehrt mich, ihr Lieblingskinder der Erde, Ein reines, heiliges Yeben
Führen wie ihr!
Das kommt daher auf luftiger Bahn.
Was kommt daher auf luftiger Bahn
Zu euern Hänpten geflogen?
Was flüftert tief unten im Deean
Und fpringt wie der Blitz aus den Wogen?
— 40, —
Es ift das Wort, das geflügelte Wort;
Bon Yande zu Lande, von Drt zu Ort
Ruft es: ihr Völker, erwacht aus dem Wahn, Der euch fo lange betrogen.
Ihr theiltet der Erde Yeiden und Luſt,
Den Sonnenfchein und den Regen,
Ihr habt euch gewärmt an der Gluth des Auguft, Gelabt an des Weinmonds Segen;
Wie denn, erwachjen an einem Herd,
Zum Bruderfampfe zückt ihr das Schwert?
Und bald an derjelben Mutter Bruft
Zur Ruhe doch müßt ihr euch legen!
Im Himmel die Götter haben, wißt,
Den ewigen Frieden gejchloffen,
Satt find fie des Blutes, im fteten Zwiſt Bon Völkern mit Völkern vergofien;
Sp reicht, ihr all’ auf dem Erdenrund, Reicht alle die Hand euch zum heiligen Bund, Und Buddha höre und Jeſus Chrift
Den Schwur der Eidesgenofjen!
Sp lang ihr gehadert, dem ehrnen Gejchid Nicht konntet ihr hemmen fein Walten;
Ein Schleier hing euch um Seele und Blid Mit ſchweren düfteren Falten,
Ihr Ichrittet voll Angft mit verdumpftem Sinn Durch Qual und Yeiden zum Tode hin — Doch Yiebe [löst der Netze Geftrid,
Die euch gefangen gehalten.
Fortan fol nur ein großes Herz Im Bufen der Menjchheit jchlagen, Ein mächtiger Flügel himmelwärts Die Seelen von Allen tragen,
— 41 —
Und Alpen und Anden und Pyrenän, So viel auf Erden der Berge ftehn, Ein Denkmal, dauernder al3 von Erz, Sollen dem Bunde fie ragen.
In Ofympia.
Das bift du, Heimathitätte höhern Ruhmes, ALS jonft die Erde je gekannt?
Und faum ein Säulenfturz des Heiligthumes, Zu dem vom Phafis- und vom Bätisftrand, Bon Gades und dem Yand der Argonauten
Die Griehen al nad ihrem Pharus fchauten, Mehr fündet von der Welt, die hier verſchwand.
Wie find fie nun verftummt, des Pindar Oden! Wie ift verflungen der Epheben Chor!
Um Schutt der Weihaltäre, der Tripoden,
Im Windeshauche flüftert nur das Rohr,
Und durch Geftrüpp von Ginfter und von Miyrten Hallt ferneher Geſang der Ziegenhirten
Vom Bergeshange mir ang Dhr.
D Tag der Tage, Stolz der Olympiade,
Wenn rings, zu werben um den Delzweigkranz, Zum Ringplag an des heil’gen Stroms Gejtade Die Kämpfer zogen, und im Morgenglanz
Bon ihm aufflatterten die goldnen Aare,
Wie fchwinden alle unſre Yebensjahre
Bor einem ſolchen Tage Öriechenlands!
— 42 —
Wer fi) Helene nennt, ob Küftenwohner Des fernen Koldis, ob Siciliens Sohn, Hier fühlen Alle, Dorer und Joner,
Sich als die eine, herrliche Nation, Begrüßen froh die heimischen Penaten
Und ftählen mit den Andern fi zu Thaten Bon Salamis und Marathon.
Erft noch die Roffe von des Meles Wiefen, Bom fetten Strand des Afragas gezäumt, Dann ein Gebet vor Phidias' Marmorriefen, Bon dem als Knabe. Feder ſchon geträumt Und fi) gemahnt, wer ihn gefehn nicht habe, Der ſuche Ruhe einft umfonft im Grabe, Weil er des Lebens Herrlichites verfäumt;
Zum Kampfe dann! wenn an den Disfobolen
Die Augen Alle heften, neugier-ſtumm,
Der Fauftfampf tobt und, wie auf Flügeljohlen,
Der Läufer hinfaust durch das Stadium,
Wenn durch der Rennbahn Staub die Wagen fliegen — D! Angefihts von Hellas da zu fiegen,
Zeus gäbe jein Unfterblichjein darum!
Drauf Jubelruf und Schall von Feitpäanen, Berhallend in das heil’ge Abendroth; Frohes Gewühl im Haine der Platanen, Skolien und Becherflang beim Oaftgebot; Aeolier drängen Arm in Arm, Argeier, Athener, Sparter fih um Sapphos Yeier Und um den Meufenlefer Herodot.
Und nun? umfonft ſuch' ich die Heldenmale; Zermalmt, daß nicht Atom bleibt beim Atom, Mit Erzbild und Altar und Weihefchale Kronions Tempel fammt dem Hippodrom!
— 453 —
Der Boden felbft, darauf er ftand, vernichtet, Und durch den Moder grub, der rings gefchichtet, Ein neues Bett fich der Alpheusftrom.
Doc nein! hin auf der Zukunft Särg’ und Wiegen In Fernen, welche nie ein Auge ſah,
Schmweift mir der Geift, und deinem Schutt entjtiegen, Slorreihes Thal, von Neuem liegſt du da;
Sch jehe wunderbar im morgenfrühen
Lichtglanz den jungen Erdenlenz erblühen;
Und darf ihm fehlen fein Olympia?
Wenn in der Freiheit reinem Sonnenlichte Der dunkle Fleck der Menſchheit fich verflärt, Wenn hell ein neuer Welttag der Geſchichte Den Völkern aufgeht, und auf einem Herd Die Herzen Aller glühn mit lautrer Flamme, Dann wieder denfen fie der großen Amme, Die mit der Milch des Schönen fie genährt.
Was, wenn nicht Hellas fie erzogen hätte,
Nun wären fie? Die Seele faßt es faum;
Und neu zu grüßen die geliebte Stätte,
Wo fie geträumt der Jugend ſchönen Traum, Ziehn fie heran vom Sonnenland der Anden, Bom Thor des Morgens, Indiens Palmenftranden Und von des Nordmeers eiſ'gem Saum.
Sieh! wie verwandelt dieſes Yand der Todten! Bon Wimpeln und von Fahnen, farbenbunt, Glänzt dag Alpheus-Thal; fie nahn, die Boten Der Bölfer alle auf dem Erdenrund,
Und, wo zum Feſt font nur Hellenen famen, Bei höhrer Feier in der Menfchheit Namen Nun Schließen fie den großen Bund.
— 44 —
Heimkehr.
Wieder zu dir, Heimathlicher Herd, An dem ich als Kind In der Geſchwiſter Kreife gefeflen, Kehr' ich zurück von langer Irrfahrt! Kein Gruß von theuern Lippen Mehr tönt mir entgegen; Ausgeſchlagen haben die Herzen, Die einſt an meines geklopft; Nur die Wanduhr ſchlägt fort Und zählt mir die ſchwindenden Minuten zu, Bis auch mir der Ruf ertönt, Hinabzuſteigen ins finſtere Todtenreich.
Hätt' es nie hinaus mich geriſſen In den Taumel der Welt, Um mitzuſtreiten im Kampfgetümmel des Lebens! Lockend winkte der Siegeskranz, Mit haſtenden Schritten ſtürmt' ich Entgegen dem geträumten Ziel, Doch unerreichbar vor mir zurück Wich der grünende Zweig: Strauchelnden Fußes, mit fiebernder Stirne Sank ich zu Boden, Und mir vorbei mit Jubel und Hohngelächter In unzählbaren Schaaren Wälzte ſich der wilde Heerſchwarm, Um Schatten zu haſchen wie id).
In allen Zonen Der völferreichen Erde Hab’ ich das Glück geſucht.
— 45 —
Dem Yärm der menjchenerfüllten Städte Entfliehend, im fernen Dften,
Wo aus morgenrothem Gewölk
Der junge Tag geboren wird,
An der Duelle des Lichts und des Lebens Löſchen wollt’ ich der Seele Durft. Wiüften hinter Wüften
Thaten fi) vor mir auf,
Tage folgten den Nächten, Nächte den Tagen; Wenn ich, die Augen von feinem Thau gefühlt, Auf dem brennenden Sande geruht,
Fern über anderen Wüſten fteigend Weckte die Sonne mid
Zu neuem ange der Bein,
Und nie fam der Morgen,
Auf den ich gehofft.
Zu des Abendmeers entlegenftem Geſtade Trugen mich die vollenden Wogen.
An den großen Wafferfällen
In Urmaldfchatten,
Dacht' ich, müſſe der Friede wohnen; Doch, ob fih neue Himmel
Zu meinen Häupten jpannten,
Ueber Gram und Yeiden,
Der Sterblichen altes Erbtheil,
Sah ich die Sterne auf- und untergehn Und jchon über junger Bölfer Wiege
Die Sorge ihren Schatten breiten.
Zu spät hab’ ich erfannt: In des Menjchen Seele allein Blüht und welkt fein Frühling, Sein Glüf und fein Weh Ruhen in ihr.
— 46 —
Dante,
Du, immer du! Wohin ich trete Auf diefem Boden, den dein Fuß gemeiht, Im Weltgewühl der menjchenvollen Städte Wie in der Thäler Einjamfeit, Erblid’ ih did: in Vallombrojas Schlucht Und hinter Gubbios düftern Wällen, Und in Alvernias Klofterzellen, Wo Frieden du umfonft gefucht. Den Bergitrom, zwijchen blitgetroffnen Stämmen Sich von der Apenninen Kämmen Hinunterwälzend in den Felſenſpalt, Die Meerfluth, die um der Maremmen Schon halb verfunfne Küften ſchluchzend wallt, Haft deiner Seele Sprache du gelehrt, Und, wenn durch Pifas Friedhofhallen, Wenn dur die Schlöffer, nun zerfallen, Wo du dich in Verbannungsgram verzehrt, Der Nachtwind ftreicht, trägt er aus ihnen Ans Ohr mir deine ewigen Terzinen.
er a ee EEE
Mit Erkergaſſen, Zinnenthoren Aufjteigt vor mir die Stadt, die dich geboren. Der düftre Wall, die erzumftarrten Berließe und die Feſtungswarten — Iſt das Florenz, der blühnde Garten, In dem, veich wie auf Erden nie zupor, Die Kunft gedieh und alles Schönen Fler? — Kriegsfahnen wehn auf Thürmen und Paläften, Und durch die Straßen mwälzt, die blutgenäßten, Umleuchtet von dem rothen Schein der Flamme, Der Bürgerfampf fih hin. Bei Brudermord Und Waffenklirren, ftatt beim Lied der Amme,
— 47 —
Erwachteſt dur zum Leben dort.
Nicht Kinderluft, nicht Elternliebe waren Gefährtinnen dir in den Knabenjahren,
Bon jedem Antlitz ftarrte bla
Dich Nachbegierde an und Haß,
Und jchüchtern floh dein Herz und bang In ſich zuriick mit feinem Yiebesdrang.
Einft, da du, Jüngling nod, im Arnothal Hinwandelteft durch den Cypreſſengang, Sieh melche Helle, die, ein Himmelsſtrahl, In deines Innern Nahtgraun drang! Beatrix ſchritt, des Portinari Kind, An dir vorbei in andrer Mädchen Mitte; Leicht Lüftete der Frühlingsmind Den Schleier, den fie trug nah Jungfraun-Sitte, Und, wie der Miorgenröthe Purpurlicht, Sich jhaufelnd in der eignen Glanzesfülle, Durch thau’ge Silberwolfen quillt und bricht, So wallten durch die leichtgewobne Hülle Die Strahlen ihrer Göttlichkeit. Du ftandeft mit gejenften Blicken, Da ftreifte dich der Saum von ihrem Kleid, Und fanften Schauer rann Entzüden Durch all dein Sein. AS du, der Feitgebannte, Aufjahft, verfhwunden war fie wie ein Traum; Doch hehr zu deinen Häupten jtand Der Liebe Gott an einer Wolfe Saum Und wies ein brennend Herz dir mit der Hand Und ſprach: „das ift dein Herz, o Dante!”
Ein neues Leben, wie im Reich des Lichts, Hub für dic an, bejeligt jede Stunde; Shad, Ge. Werke IV. 27
— 48 —
Nur hie und da von Beatricens Munde
Ein Wort, ſonſt heifchteft du vom Yeben nichts; Verklärt ſchien dir die Erde und geweiht, Zurücgefunfen Raum und Zeit,
Und Ewigkeit die ſchwindende Minute,
Wenn flüchtig nur ihr Antlig auf dir ruhte.
Doch furz das Glück; einft dur) das Thor Des Domes tratjt du ein zum Beten, AS Myrrhendüfte div entgegen mwehten; Das Miferere Scholl dir dumpf ans Ohr, Und Jungfraun fahft du fnien um einen Sarg. Sie winften dir, heranzutreten, Es fiel der Dedel, der die Leiche barg, Und o! fie wars, die wie ein heil’ger Tag Am Himmel deines Yebens aufgegangen; Wie Thau auf welfen Yilien, fo lag Der legte Schlaf auf ihren bleihen Wangen. Yautjammernd ſankſt du auf den Schrein Und riefſt: „O Tod! auch mich nun nimm hinab! Was gilt mir noch die Welt und alles Eein? Mein Weltall finft mit diefem Weib ing Grab.“ — Und nieder mit der theuern Yeiche Stieg deine Seele zu dem dunfeln Reiche, Den weiten, vielgemundnen Hallen, Wo auf Gebeinen, die in Staub zerfallen, Der Herriher Tod in Allmacht thront. Yang hat fie tief in unterivd’scher Kammer Bei der Geliebten Staub in ftummenm Jammer Und fternenlofer Nacht gewohnt Und wurde mit dem Weh vertraut, Das, ſeit der Erdentag gegraut, Die wechjelnden Gefchlechter, dort begraben, Mit fi hinabgenommen haben.
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Gern hättft du Beatricens Grabesftätte Auch dir zum ew’gen Ruhebette Gewählt, allein, bedrängt von wilden Banden, Rief dich die Vaterftadt, die theure, Daß durch der hochgeſchwollnen Wogen Branden Sie deine ftarfe Rechte fteure; Und ziemte dir, dem Sohn, ein Nein? Kühn durch den Hader der Partein Mit dem Panier, das dir die Republik verlieh, Schrittſt du in den Palaft der Signorie Und bald, der Meute und des Haders fatt, Durch dich, der Ordnung und der Freiheit Wächter, Freier aufathmete die Stadt; Gebändigt fehien der Zwieſpalt der Geſchlechter — Jedoch das Haupt der Viper zu zertreten, Ein Gott allein hätt’ es vermodt; Im Grimm, der fruchtlos lang gekocht, Bereinten mit den nahen Städten Zu einem Bund die Schwarzen fih und Weißen, Did in den Untergang zu reißen. Her vom Bargello tönt dag Sturmfignal, Der Aufruhr ſchwelgt, indeß dem Flammenzifchen Schwertichlag und Mordgeheul fich mifchen, Sich jatt an der Zerſtörung Mahl, Und fiegreich, als verrast des Kampfes Sturm, Weht über halbzerftörte Gaffen Der Feinde Banner hoch vom Stadthausthurm. Einfam ftehft du, vom feigen Volk verlafjen, Das Haus der Alighieri deckt Als Haufe Schutt, dran noch die Flamme ledt, Bor dir den Boden, und dir in das Herz Dringt wie ein Pfeil von glühndem Erz Der Spruch: „Dante ift aus Florenz verbannt.“
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Hinweg zogft du, die Seele nachtumflort, Und jchweifteft ruhelos mit ſchwanken Schritten Bon Ort zu Det, den Leib vom Froft zerjchnitten, Bom Sommerjonnenpfeil durchbohrt;
Did, den Geächteten, den Flüchtling Jah Der Apennin in jenen Schluhtgewirren Dom Mittelmeer bis an die Adria
Mit wundem Fuße hin und wieder irren.
D bitter iſts, ein ungebetner Gaft
Die fremden Treppen auf und niederfteigen, Zum frehen Hohn des Höflings fchweigen, Der nicht den Adlergeift des Dichters faßt! Doch in Florenz harrt dein der Scheiterftoß; Was bleibt, als wandern, wandern ohne Raft? So, auf der Erde heimathlos,
Berftogen von den Menfchen und der Zeit, Fort triebs dic in die dunfle Ewigfeit, Ins Reich der Nacht, das niegefehne Yand. Der Abgrund that ſich auf zu deinen Füßen, Wo die Verdammten ihre Frevel büßen,
Und Sündenfreife, Ringe hinter Ringen
Bis in das Erdenherz hinabgejpannt,
Sich ins Unendliche verfchlingen.
Abwärts, der Erfte du der Staubgebornen, Stiegft du zur Stadt des ew’gen Wehs; Du jahft die Qualen der Berlornen
Im glühnden Wogenjchwall des Schwefelfees, In eisumftarrten Feljenflüften;
Und beim Geheul, das in den ſchwarzen Yüften, Den fonnenlofen, ewig freist,
Zu immer graufern Finfterniffen
Bom Wirbelfturm hinabgerifjen,
Ins Unermeßliche verfinfen wollte,
Erfaßt vom Schwindel, div der Geift,
Als noch aus tiefen, tiefern Spalten
— 2 —
Verzmweiflungsruf wie ferner Donner grollte, Und Schlag von Fäuften, die fich ballten, Und das Geächz von unzählbaren
Bom Reich des Lichts verftoßnen Schaaren Im graufen Chore dir entgegenhallten.
Da durch der Höllenſtröme Tofen
Dringt janfter Klang; die Melodie
Der Stimme, o wohl fennft dır fie,
Die fernher aus dem Gränzenlofen Leiszitternd wallt. Geſenkten Angefichts Stehſt du, indeffen Ströme Yichts, Ertragbar faum den Menjchenfinnen,
Zur Abgrundtiefe niederrinnen.
Zu Häupten dir, noch weltenfern,
Dann nah und näher, lichtummallt, Schwebt eine himmlische Geſtalt.
Sie ift es, deines Lebens Morgenftern, Beatrix, num von Erdenftaub und Grab Zu Höhn, wohin fein Adler fliegt, erhoben. Sie deutet mit dem Lilienſtab,
Den ihre Rechte jchwingt, nach oben;
Es weit das Graun, das Neich der Nacht verfinkt, Du folgft der Göttlichen, wohin fie winft, Zu höherm, immer höherm Glanze;
Und, fie voran dir mit dem Sternenfranze, Auffteigt ihr, Kreife hinter Kreifen,
Zur Glorie defjen, den die Himmel preijen!
D fer mit uns, du Erfter in der Reihe Unfterblicher, die durch die Zeiten Bor uns daher als Fadelträger jchreiten! Und fie auch, die aus deinem göttlichen Gedichte Als hoher Angelftern auf uns herniederjcheint, Beatrir leg’ aufs Haupt uns ihre Weihe! Wie nieder zu des Weltalls tiefiten Schlünden
— 412 —
Und aufwärts dir ins Paradies
Den Weg des Portinari Tochter wies,
Zeigt fo ihr Beiden uns vereint
Aus diefer Nacht des Jammers und der Sünden Den Pfad empor zum ew'gen Lichte!
Stexnennacht.
Jene lichtgewebten Globen,
Sind es Bilder eines Traums? Allumher dies Wogen, Wimmeln In den Himmeln über Himmeln! Wo iſt unten, wo iſt oben
In der Nacht des ew'gen Raums?
Wie mit Wirbeln und mit Gähren Alles wallt und wogt und kreist,
Wie mit den Saturnusringen
Erden ſich um Sonnen ſchwingen,
Und der Umſchwung mächt'ger Sphären Sie um neue Sonnen reißt!
Was dort, leicht wie Sommerfäden, Schwebt, der Nebel weißer Schwall — Trägt das klare Rohr der Seher
Den beſchwingten Blick dir näher, Löſen ſiehſt du ihrer jeden
Sich zu einem neuen All,
Siehſt zu flatternden Kometen Wachſen, was ein Punkt nur war,
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Siehft gleich taumelnden Mänaden Eie zu neuen Weltgejtaden Stürzen mit dem fturmvermwehten Flammenhellen Yodenhaar.
D um diefen ungeheuern, Uferlojen Dcean!
Kann die Seele ohne Grauen Seine Wogenbrandung ſchauen? Findet, um hindurchzuftenern, Selbft der Kühnfte je die Bahn?
Fa! empor aus deinem Zagen! Sohn der Erde, werde ſtark! Jenſeits jelbft der Nebelfleden Im Drion ohne Schreden
Darf ſich dein Gedanfe wagen Zu der Schöpfung fernfter Mark!
Jene ftarren Schladenmaffen, Die des Geiftes Strahlen nie Mit dem höhern Licht erhellten! Dede, jeelenloje Welten —
Du, der alle kannſt umfaſſen, Fühle größer dich als fie!
Wie im Schadhte die Kryſtalle,
Wenn ein Strahl durchs Dunkel bricht, So die wüſten Sternenrunde
In des Raumes Riefenchlunde;
Höher ftrahlen werden alle
Erft in deines Geiſtes Licht.
Und, beraufcht von jeinem lange, Bon dem dumpfen Drud befreit,
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Der fie im äonenlangen
Bann der Körperwelt befangen, Eilen fie im frohern Tanze Weiter durch die Ewigkeit.
Neujahr.
Komm, erſter Tag im neuen Erdenjahr, Du herrlicher, wie keiner noch geweſen, Wir harren dein am feſtlichen Altar!
Weß Geiſt den trüben Schleier je zerriß, Der unſer Auge deckt, er ſah von ferne Dich dämmern durch der Zeiten Finſterniß.
Dich rief, wenn in der Schlacht ihm blutig roth Die Wunde klaffte, noch der Held im Sterben Und ſchloß die Augen ruhiger im Tod.
Gegrüßt hat dich, ſeit es zuerſt erklang, Der Tonkunſt andachtsvolles Saitenbeben Und dich der Dichtung ahnender Geſang.
Und wenn in hellerm Glanze die Natur Aufleuchtete aus ihrer dunkeln Hülle, Ein Schimmer deines Lichtes war es nur.
O fomm! wir ſtreun dir Palmen auf den Pfad, Dir jauchzt die Welt, es wogt in höhern Wellen Entgegen dir des Lebens frische Saat.
Die Völker all’, beglüct durch dich und frei, Geeinigt durch der Liebe fanfte Bande, Wirſt du umblühn in ew'gem Erdenmai.
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Allein in unſerm dumpfen Yebenstraum Bergebens, deinen Aufgang zu gewahren, Die Blide richten wir zum Himmelsſaum;
Nicht aus dem Meere durch des Oſtens Thor, Aus unfrer Herzenstiefe einzig fteigjt du, Wenn ganz die Liebe fie erfüllt, empor.
Die Hibnlle von Tibur.
Der auf Tiburs lachenden Hügeln Unter Myrtengebüſch und Weinlaubranfen Du des Lebens Wonnen gefchlürft, Hinter dir, o Wanderer, laß Der Tamburine Geflirr,
Der Winzer Jubel verhallen, Und ernjt, wie zur Tempelfeier, Betritt die düſtere Grotte,
Wo zu des Anio Wogendonner Das Eeherwort der Sibylle tönt.
In grauer Vorzeit, al3 weithin Des Stroms wildzadige Ufer Noch mwuchernder Urwald dedte, Nahte am braufenden Wellenfturze dort Apoll der blühenden Jungfrau, Und wie des Gottes jonniges Antlit Sich ftrahlend zu ihr neigte, Schmolz ihr in Liebe das Herz. Unter des Lorbeers Schattenfühle Schwanden felige Stunden dem Paar. „Du, die mir Wonnen gejchenkt, Wie nie der Olymp mir geboten,
— 426 —
Welchen Wunſch im Herzen du hegit, verkünd' ihn! MWillft du mit mir auf dem Sonnenmwagen
Dahin durch den Himmel braufen,
Dver, hinab in den Orkus dich jenfend,
Der alten Nacht Geheimmiffe fchaun ?
Was du auch wählft — beim Styr geſchworen ſei es — Ich mill es gewähren.“ —
Sinnenden Zweifels blidte Sibylle
In den tofenden Strom:
„Nicht euch gleich, ihr Olympier, zu fein begehr’ ich, Aber, o Pythiſcher Gott,
Des Geiftes Sehkraft,
Um das verhüllte Geſchick zu ſchaun,
Das über den Staubgebornen waltet,
Und der Jahre jo viele gieb mir,
Wie Tropfen dort in den Abgrund ftieben!“ „Unglücjelige!“ — rief Apollon —
„Doc ich ſchwur es beim Styr;
Unfterblich felbft uns Götter
Ueberlebjt du, aber tief,
Wie dort die zeitverwitterten Felfenhäupter,
Wird das Alter die Stirne dir furchen.“
Allein an dem wirbelnden Strom Zurück blieb die Jungfrau; Dom Auge glitt ihr der Schleier, Der des Sterblichen Blick bededt, Und im Sturme der Zeiten einſam Zwiſchen den bligzerflüfteten Gipfeln mweilend, Biel der Geſchicke ſah fie, viel der Gefchlechter Ihrem Blick vorübergleiten, Reiche an Reichen, aufblühnd und vergehend, Mit Todtenmalen die Erde bedecken.
— 421 —
Sahrtaufende Schon Hatten die Locken ihr gebleicht, Sealtert war die Welt, In Trümmer fanfen ihre Tempel, Und gähnend that ſich der Abgrund auf, Um mit den Göttern Die Völker zu verjchlingen, Die zu ihnen gebetet. Auf Blätter da, ringshin vom Winde verweht, Tiefernfte Worte ſchrieb die Sibylle: „sm Sterben liegt der große Pan; Sie ftürzen von ihren goldenen Stühlen, AM die Olympier! Irr durch die Aetherwüſte Taumeln, ihres Führers beraubt, Die Sonnenroſſe, Zurück in die alte Nacht ſinkt Alles. Aber hoffend, ihr Völker, Blickt gen Oſten! Blaſſe Streifen dämmern am Himmel, Einen neuen Welttag kündend; Er naht, er naht, der junge Lichtgott, Von dem Apoll ein ſchwaches Bild nur geweſen.“
Und das verheißne Geſtirn ging auf. Im Morgenlande unter den Hirten Erwuchs der Wunderknabe; Von ſeinem Munde die milde Lehre Labte wie Morgenthau die müde Menſchheit, Und ſiegreich zog der neue Glaube Ins Haus des Donnerers auf dem Capitol.
Jahrhunderte kamen und gingen, Und wieder dunkel wards auf Erden; Gefälſcht das heilige Wort der Liebe,
— 4283 —
Die lautere Himmelsflamme
Zu düſterer Gluth des Wahns verwandelt. Bange ſchwere Träume Träumten die Völker —
Und nun ſie erwacht, Glaubensleeren Herzens ſtehn ſie Inmitten zerfallender Tempel, Hinſinkender Heiligenbilder. Während auf nachtumdunkeltem Pfade 4 Nach dem Pole ſie ſpähen, dem Angelſtern,
Der durch das Leben ſie leite,
Erhebt der Urwelt Seherin
Von Neuem ihr Haupt.
Das dunkle Auge von Himmelslicht ſtrahlend,
In ernten Feierklängen
Ihr letztes Prophetenwort verkündet ſie:
„Aufgehn wird die große Sonne,
Die ſchon im Morgen der Welt
Durch die Nebel der Fabel gedämmert.
Gereinigten Herzens, ihr Völker,
Empfangt den neuen Gott,
Den alle Geſchlechter erſehnt!
Was auf dem Olymp in göttlicher Schönheit geblüht, Was unter Indiens Palmen
Wundervolles die Menſchenjugend geträumt,
War nur ein Gleichniß von ihm.
Ein rieſiger Tempeldom
Wird ihm der Himmel ſich wölben,
Aller Zeiten Weiſe die Prieſter darin!
Die große Zeit, die alte goldne,
Bringt er zurück,
Daß verklärt die Erde fortan,
Bon allen Gefchwifterfternen beneidet,
Wie auf Seraphsflügeln
Die himmlische Bahn dahinwallt.“
— 29 —
Amerika.
1865.
Bis her zu ung, die dieſſeits wir der großen Waſſer wohnen,
Wie prächtig flammt dein Lichtftrahl nun, o Pharus der Nationen,
Leitjtern, der den DBerirrten du auf ödem Meerespfade
Den Weg durd Sturm und Klippen zeigft zum vetten- den Geſtade!
Auf allen Wellen, die von dir herüber leuchtend wogen,
Kommt neue Jubelkunde num mit Donnerkflang gezogen!
Wie dich der Weije Griechenlands gefchaut im Seher- traume,
Wie vor Colombos Geifte du entjtiegft dem Meeres- ſchaume,
Neu ſo, der Menſchheit ein Aſyl, ein Pol dem Welt— geſchicke,
Atlantis, langverlornes Land, auftauchſt du unſerm Blicke.
Nicht mehr, wenn fie dich preifen will, muß zitternd und reden
Als ob auf einer Schuld ertappt, die Stimme plöglich ſtocken.
Das Ende jedes Sklavenfrohns, ein gleich Geſetz für Alle,
Kaum noch gelobteſt dus, ſo weit dein Sternen-Banner walle,
und wie in deiner Wälder Nacht der Funke ſchnell als Flamme
Aufſprühend durch die Wipfel hin von Stamme ſpringt zu Stamme,
Von Herzen ſo zu Herzen flog das Wort, das du verkündet,
Bis alle hochauf loderten, in reiner Gluth entzündet.
— 430 —
Bon wo zur Hudſons-Bai hinab die letjcherberge ichmelzen,
Wo fich in den Ontario des Erie Fluthen wälzen,
Bis wo die üppigen Prairien am Miffiffippi grünen,
Erhoben deine Söhne fi, die alte Schuld zu fühnen;
Auf Brücden von Lianen, die fi) über Ströme fpannen,
Hoch über Adlerberge Hin, durh Schluchten und Sa— vannen
Ging ſiegreich deines Heeres Zug, das Bollwerk zu zerſchmettern,
Das noch der Sklaven Elend barg vor den erſehnten Rettern;
Und Hunderttauſende, befreit vom Joche ihrer Treiber,
Wie jauchzten ſie den Tapfern Dank, die Männer, Kinder, Weiber!
Wie, Menſchen unter Menſchen nun, ſtatt grimmer Pflanzer Knechte,
Entgegen ihnen ſtreckten ſie die kettenwunde Rechte!
Zum Segen aller Fluch, und du im Süden wie im Norden
Des Friedens und der Freiheit Sitz, Columbia, geworden,
Auf deinen Bergen und Prairien bereite du die Stätten,
Drauf, wenn die alte Welt verſinkt, wir uns im Schiff— bruch retten!
Ja müde des Vergangenen und ſeiner Qualen rüſten Die Völker alle ſich zur Fahrt weſtwärts an deine Küſten.
Im Sturme hinter ihnen mag Europas Weh verhallen, Wie ſeine Reiche untergehn, wie ſeine Tempel fallen! Sie ſehn vor ſich den jungen Tag der kommenden
Geſchichte Um deine Aetherhöhen glühn mit morgenrothem Lichte, Und in der Rieſenſtröme Fluth, vom Felſen nieder— brauſend, Lallt ihnen ſeinen Kindesgruß ein werdendes Jahrtauſend.
— 41 —
Wo, von des Menjchen Odem nie durchweht, des forgen- matten,
Die erftgebornen Wälder ftehn mit unentweihten Schatten,
Wird heil’ge Sabbathruhe janft auf fie herniederthauen
Und Palmen gleich der Hütten Dach umfäufeln, die fie bauen.
Dort in der großen Mutter Arm, an ihrem Bufen hangend,
Blüht auf Geſchlecht Geſchlecht empor, in reinrer Schön— heit prangend.
An deiner Waſſerſtürze Bett, an deinen Urwelt-Seen
Wird eine junge Menſchheit, groß und frei wie ſie, erſtehen
Und in dem Bade der Natur, der heil'gen, ewig treuen,
Das jeden Flecken von ihr nimmt, unſterblich ſich erneuen.
Ihr bieten Wald und Flur und Schlucht, Gebirge ihr und Thale
Den Trank, draus ſie Begeiſtrung ſchöpft, in immer voller Schale,
Und mit der Wunderwelt umher, wo Ranke ſich an Ranke
Auf zu den Baumgiganten ſchlingt, erhebt ſich ihr Gedanke
Und wuchert mit dem Wald und wiegt im Sturm der Tropenzonen,
Wenn Donner durch die Zweige hallt, ſich in den Wipfelkronen.
Hinab, wo Rieſenſtämme ſich vorüber an gezackten
Felsklippen wälzen, ſtürzt ihr Geiſt ſich mit den Katarakten
Und überfliegt der Anden Haupt, daß er aus fernſtem
Blaue,
Wo ſonnennah der Condor ſchwebt, den Erdball überſchaue.
So, wenn ſchon längſt jenſeits des Meers durch öder Schlöſſer Mauern,
Durch eingeſunkner Dome Dach des Herbſtes Stürme ſchauern,
— 42 —
Erſchließeſt du, Amerifa, die mächt'gen Tempelhallen,
Wo fort und fort im Feierchor der Bölfer Hymmen Ichallen,
Und bei der Menjchheit Siegesfeft auf deinen Cordilleren
Der Opferbrand gen Himmel fteigt hoch von den Eis- altären.
Römiſche Feſte.
Rom 1864.
Weitſtrahlend vom Capitole bis zum Salarathor Sprüht nun die Girandole in Flammengarben empor, Und, wie gleich Meteoren ihr Schimmer die Nacht erhellt, Aufleuchtet mit ſeiner Foren verlaßnem Trümmerfeld, Mit Tempeln und Aquädukten und Peters Rieſendom In breiten, lichtumzuckten Maſſen das ewige Rom.
Allein, ob Feſte an Feſte die heilige Stadt auch reiht, Es ſind nur welke Reſte vergangener Herrlichkeit; Wohl wallt nach Sitte der Väter vom Meere zum Apennin Das Volk noch zum St. Peter, am Bilde des Heil'gen
zu knien, Es ſieht das Schaugepränge, es hört den Feierchor, Doch leer hal Bilder und Klänge vorüber an Aug’ und Ohr, Erftorben ift der Glaube, erlofchen für immerdar, Bon der Jahrhunderte Staube begraben fein Altar; Ihn hat der Geift der Welten getroffen mit ſchwerem lud, Nur als Gejpenft noch jelten entfteigt er dem Leichentuch Und feiert in dunfeln Seelen jein Auferjtehungsfeft Und baut in finfteren Höhlen bei Spinnen und Eulen fein Neft.
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Da klagt er, wie tief erblichen fein Glanz auf Erden fei, Und vuft mit Formeln und Sprüchen die Geijter der Nacht herbei — — Und horch! aus Rise und Spalte ihm jchwören fie den Eid, Zurüdzuführen die alte, die nächtlich dunkle Zeit, Und, hoffend auf der erfehnten Glüdstage Wiederkehr, Begierig nach Pfründen und Zehnten, naht wimmelnd das jchwarze Heer; Sie alle, gejhoren die Schädel, mit Kreuz und Scapulier, Rauchfaß und Weihewedel, ſchwingen das Glaubenspanier, Und Priefter und Mönch und Nonne falten die Hände fromm Und rufen: „Erliſch, o Sonne! komm, Reich der Finſterniß, komm!“ —
Doch ſeit in des Lichtes Quelle die Menſchheit getaucht
den Blick,
Wie kehrte ſie aus der Helle je in das Dunkel zurück?
Nicht ſehnt ſich nach ſeiner Blindheit, wem das Auge genas,
Noch ſie nach ihrer Kindheit, als fromm ſie im Meß— buch las,
Nur mit Entſetzensſchauern denkt ſie zurück an die Nacht
Der dumpfen Tempelmauern, drin einſt ſie die Tage verbracht;
Dort gleiten Gemordeter Schatten durch die Gänge in langem Zug,
Dort ſteigt von den ſteinernen Platten empor ein Blut— geruch,
Und durch der Orgel Schallen, durch Meſſe und Litanei
Tönt in den Bogenhallen Gemarterter Wehgeſchrei.
Was lallen denn hochgeſchwungen die Glocken jahraus, jahrein Mit den metallenen Zungen die alten Litanein, Schack, Gef. Werke, IV. a8
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Als breite fich über die Yande der Schleiev noch, der fie umfing,
Da an der Hildebrande DBannflüchen ihr Schidfal hing?
Nein, hebt zu der Sonne die Blide, die ftrahlend anı Hinmel fteigt
Und empor zu beſſerm Geſchicke die Pfade den Sterb- lichen zeigt!
Die Stirne, die Seele badet in des Yichtes himmlischen Strom,
Seht, heller und heller entladet fein Olanz fich über Rom!
Aus ift der Schlummer, der bleiern lang über der Erde lag,
Und wollt ihr Feſte feiern, fo ſei es der große Tag,
ALS gleich) den Marmorgeftalten, die drunten der Schutt begrub,
Wieder die Welt der Alten aus der Gruft ſich erhub,
Und über das Meer, in den greifen Locken den Yorbeerfranz,
Die Dichter der Griechen, die Weifen herzogen von Byzanz.
Das Feft der Auferftehung aus Glaubenswahn und Haß,
Der wahren Öeiftausgehung heiliger Tag ift das.
Die Söffer.
Euch ruf' ich, die, von Liebe leer das Herz,
Wie die Mofchee von Bildern und Figuren,
Fünfmal am Tag beim Beten eurer Suren Das Haupt ihr wendet meffawärts;
Euch, die den Rächergott vom Sinai
Ihr noch anfleht in euern Synagogen,
Und euch, die büßend an der Ganga Wogen Ihr kniet in frommer Agonie;
— 45 —
Und euch zulegt, die thränentrüben Blicks
Im Dom der Byzantiner oder Gothen
Ihr aufftarrt zu dem Bild des heil’gen Todten, Der vor euch hängt am Crucifix;
Ja Alle ruf' ich euch, die noch ihr glaubt
Was vor FJahrtaufenden die Aelterväter;
Blickt auf und ſeht: es wölbt ein reinrer Aether Sich) ftrahlend über euerm Haupt!
Sie all’, in deren Dienft ihr durchs Scaffot,
Durchs Schwert das Blut verjtrömt von Millionen,
Umfonft noch jucht ihr fie auf ihren Thronen, Jehova, Allah, Brahma, Gott.
Gefiegt hat über fie ein höhrer Geift,
Der nicht von Haß weiß noch von Anathemen
Und mit den Sonnen, Erden, Weltſyſtemen Sie durch den Himmelsabgrund reißt.
Zu feinem Dienfte, ihr Nationen, fommt,
Doc läutert euch zuvor vom Ervenftaube;
Gebete nicht und nicht das Wahnbild Glaube, Kur Yiebe ifts, was vor ihm frommt,
Columbus.
Geendet nun das blut'ge Würfelſpiel, Das Spanien ſeit dem Sturz der Gothen Vom Ebro bis zum Meer und zum Genil Mit Sterbenden bedeckt und Todten.
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Umſchloſſen hält von Thor zu Thoren
Das Chriftenheer die legte Stadt der Mohren, Erlöfchend blinkt der Halbmond des Propheten Auf ihren Dächern, ihren Minareten.
Und unheilfündend irren Muezzin
Zerrignen Kleides durch den Zacatin.
Im Chriftenlager unterdeß wie wallt Und wogt und fluthet frohes Yeben! Bon Munde hin zu Munde hallt Der Auf: „Die Stadt hat fich ergeben!“ Und Mönche ziehn umher mit Kreuzpanieren, Und Jubel hallt in taufendftimm’gen Chor.
Dort vor dem Zelt, bewacht von Hellbardieren, Wer ift der wunderbare Greis, Der mit dem weißen Yodenhaar hervor Ragt aus der Ritter und der Knappen Kreis? Wie droben auf der Sierra Pik Die fliehnden Wolfen ihren Schatten breiten, So über feine Stirne gleiten Gedanken auf Gedanken; ernjt jein Blick, ALS hing’ an diefer Stunde fein Gejdid. Ein Edelfnecht tritt durch die Zeltwand vor: „Die Herrin Iſabel leiht Euch ihr Ohr.“ Er folgt; die andern Ritter bleiben Und flüftern unter fih: „Der Thor! Er wähnt, Gaftilien werd’ ihn unterjchreiben, Den tollen, hirnverbrannten Plan, Mit dem er England, Portugal, Burgund Vergebens heimgefucht: die Erde rund! Und Yänder drüben überm Dcean, Die er mit feinem VBollmachtsbriefe Bald als Gebieter zu betreten glaubt! Ei! ſtürzen in die fteile Tiefe,
— 457 —
Zerfchmettern wird er fic) das Haupt,
Der König der geträumten Antipoden!“
Roc höhnen fie; da tönt von Edelfnechten Der Ruf: „Pla für den Admiral!”
Und, hoch ein Pergament in feiner Rechten, VBortritt Columbus. Wie im Strahl
Bon Sonnen, die fein Menfchenblik noch fah, Das Auge leuchtend fteht er da;
Sp mocht' Elias auf den Feuerwagen, Ezechiel jo Shaun, als Cherubim
Im Sturm vor Gottes Antlig ihn getragen. Erfüllt, erfüllt nun Alles ihm,
Was ihm der Genius verhieß,
Der lächelnd bei Orkan und Wetterfrachen Schon bei den Jüngling ftand im ſchwanken Nachen Und mit der Hand nad) Weften wies; Erreicht, um was der Mann geworben,
Was noch den Greis nicht fterben ließ
Und aus dem Grab, wär’ er geftorben,
Ihn neu emporgeriffen hätte!
In Hohn und Echmad, die er erlitt,
In allem Yeiden, das wie eine Kette
Durch vierzig Jahr’ auf jedem Schritt
Ihm Wunden riß in Herz und Glieder,
Hat ein Gedanfe Muth ihm, Kraft geliehn: Entfteigen joll dem Wogenſchooß durch ihn Die früh verlorene Atlantis wieder.
Auf ihr, wenn ihm der Yebensmuth
Im Sinfen war, und tödtliches Ermatten Durch) feine Glieder ſchlich, im Palmenfchatten Hat jeine Seele oft geruht;
Zu ihr ſeit lang, wenn einer nur der Schiffer Sich ihm gefellt, hätt’ ev gewagt die Fahrt; Da drüben liegt fie; klar in Zahl und Ziffer Bon den Quadranten wards ihm offenbart;
— 4383 —
Und wollte, weil verdammt von Petri Stuhle, Berhöhnt von Salamancas hoher Schule,
In Zagen er zufammenbrechen,
Bald wieder hört’ er eine Stimme ſprechen: „Nicht ift der Yänder letztes Thule!“
Und bunte Bögel braten, fturmverjchlagen, Und Palmenſtämme, von der Fluth getragen, Ihm Botſchaft von dem fremden Weltenjtrand.
Yang noch, die Rolle in der. Hand, Dafteht Columbus ſchweigend, wie gebannt; Der Augenblid, wo er fein Ziel errungen, Hat alles fonft für ihn verfchlungen.
Erſt al3 des Herolds Ruf ertönt:
„Für Iſabelle Plat und Ferdinand!“
Zur Seite nimmt er feinen Stand.
Da wirbeln Trommeln; hin durchs Yager dröhnt Signalruf; allum wogt3 von Partijanen, Helmbüfchen, Mänteln von St. Jago-Rittern Und Speeren, die im Sturm des Marjches zittern; Und unter wehnden Kreuzesfahnen
Tritt aus dem Zelt das Königspaar — Umher gereiht im purpurnen Talar
Des Neihes Große — oftwärts blicken Alle, Wo hinter ihrer Mauern Zadenmwalle
Die Mohrenftadt, des Weſtens Sultanin, Aufragt aus ihrer Vega üpp’gem Garten. Noch auf Alhambra, Albaicin,
Den Tempeln, Zinnen, Andachhtwarten,
Sehn fie die halben Monde blinken;
Da hallt ein Schmetterftoß der Zinken,
Und von den Thürmen der Mofcheen ſinken Des Islams Zeichen; hell im Sonnenftrahl Funkelt vom höchſten Minarete
Das heil'ge Kreuz hinab ing Thal;
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Te Deum! tönts; fein Feind in Spanien mehr! Und Königin und Volf und Heer Knieen in Andacht nieder zum Gebete.
Trauernd indeffen zieht der Mohren Unſel'ger legter König Boabdil Fern von dem vaufchenden Genil, Bon Reich und Thron, die er verloren, Ins öde Afrifa hinweg; ein Grab Selbft gönnt ihm nicht das Yand, das ihn geboren — In langen Reihen jhon hat ſich hinab Am Hügel von Padul der Zug gewunden Und fchwindet fern am Himmelsfaum; Es ift, mit ihm fei wie ein Traum Ein ganzes Menfchenalter Hingefhmwunden.
Columbus fehaute deſſen nichts; Berfunfen war um ihn mit Heer und Zelten Das Yager; unverwandten Angefichts Nah Weiten blickt er, während neue Welten Bor ihm erftehen, morgenlichtbeglängt; Zu eng ward für die Menjchheit dieſe; Da drüben juht ev Himmel, unbegrängt, Und neue Erdenparadiefe, Wo feines Geiftesdrudes Schwere Schon früh der Seele Flügel fnidt, Und Sagung nicht, noch Glaubenstehre Des Herzens reinen Yaut erftict. Zu Wildniffen, zu Thälern dort, den Wiegen Einftiger Bölfer will er ziehn, Auf Riefengipfeln, nie erftiegen, Mit kommenden Gefchlechtern fnien. Schon fieht er über feines Schiffes Maſt Gejtirne, die er nie gefehn, Mit fremden Vichtglanz auf- und untergehn,
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Indeß Europa hinter ihm verblaßt.
Laß zittern unter ihm die Planfen,
Yaß felbft den Pol des Himmels ſchwanken, Die Küfte wird dem Drean enttauchen! Um feine Stirn mit ſanftem Hauchen Schon fühlt er ihren Odem wehn.
Aekna.
Der Sturm trieb Wolken ringsumher zuſammen Ums Haupt des Donnerberges, drauf ich ſtand. Noch tiefe Nacht; zu Füßen mir verſchwammen Im jähen Abgrund Inſel, Meer und Land;
Ein Widerſchein von unterird'ſchen Flammen Umſpielte nur den ſchwarzen Kraterrand
Und wogte zitternd auf den dichtgeballten Rauchwirbeln, die dem finſtern Schlund entwallten.
Hin durch die Tiefe ſchlich ein dumpfes Dröhnen, Die Schluchten hallten ihm, die Thäler nach, Und Weheruf dazwiſchen hört' ich tönen,
Halb übertäubt von donnerndem Gekrach;
Der Mutter Erde Klage ob den Söhnen Erkannt' ich wohl und der Giganten Ach,
Wie, Aetnas Felswucht über ſeinem Haupte,
Im Abgrund Typhon mit den Brüdern ſchnaubte.
Und rückwärts durch die Dämmrung heil'ger Sagen Blickt' ich in grauende Vergangenheit,
Bevor dort unten ſie gefeſſelt lagen
Und Kampf die junge Erde noch entweiht:
re NEN N
— Mi —
Mir war, die goldne Eonne ſäh' ich tagen
Am Morgenhimmel jener frühen Zeit,
Und wie dem Licht, das durch die Weltnacht glühte, Das Yeben jugendlich entgegenblühte.
Noch ungebeugt von dunfeln Schiejalsmächten, Hob da der Menſch die Stirne fühn und frei; Mit milden Tagen, lauen Sternennächten Umfing auf Erden ihn ein ew’ger Mai;
Er wußte nichts von Herren und von Knechten, Nicht was die Yeidenfchaft, die Zwietracht jei, Nur Viebe war Geſetz und immer gleiche Gerechtigkeit in Kronos' altem Reiche.
Doch ad)! vor Zeus, dem Herrjchbegier-Entbrannten, Entfloh der milde Gott zum Erdenjaum,
Und Glüd und Frieden ſchwand mit den VBerbannten; Der Menfchen Yeben ward ein wüfter Traum;
Im Kampf für fie aufthürmten die Giganten
Die Weltgebirge durch den Himmelsraum,
Dann, hingejchmettert, ftürzten in den offnen Erdichlund die von des Donners Blitz Öetroffien.
Dft noch, die Stirn gefurcht von Wetterjtrahlen,
In FSlammengluth, die zu den Wolfen ledt, Aushauchen fie dort unten ihre Qualen,
Indeſſen tief erniedert, jchuldbefledt
Das fterbliche Gefchleht mit Todtenmalen
Der Erde große Schäbelftatt bedeckt,
Und mwechjelnd Reich auf Reich und Glaub’ auf Glaube Begraben wird im allgemeinen Staube.
Allein von der Gefefjelten Befreiung Und von des Welttyrannen legtem Fall Ertönt uralter Eeher Prophezeiung Dur die Jahrtaufende mit Fubelihall,
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Wie einft der Fluch fich löſe, die Entzwetung, Und herrlich wieder durchs verjüngte AU Der Mensch in ew’ger Jugend der Titanen Hinjchreiten werde feine hohen Bahnen.
Dann flamnt, wie Fadel fih an Tadel zündet, Bon Herz zu Herzen eine heil’ge Gluth;
Der Born der Liebe, der, noch unergründet, Berborgen in der Wejen Tiefe ruht,
Quillt hoch empor, und brüderlich verbündet Taucht Bolf auf Volk fi in die lautre Flut), Nah Schuld und Elend, dem jahrtaufendlangen, Des reinern Dafeins Weihe zu empfangen.
Komm denn, nicht du, die aus Siciliens Meere Dort leuchtend fteigt in jugendlicher Pracht, Komm, große Öeifterfonne, in der Hehre,
Wie du zuerſt zertheilt des Chaos Nacht!
Mit deinem Licht jedwedes Dunkel fläre!
Laß es hinab zum tiefjten Erdenſchacht
Und in der Seelen tiefen Abgrund dringen, Daß fie erlöst zu dir empor fich ſchwingen!
Ich rief es, überftrömt vom Strahlenregen,
Der über Berg und Meer und Inſeln quoll,
Und, hingefniet, dem großen Tag entgegen
Stredt’ ich die Arme andadhtvoll,
Indeſſen Donner in gebrochnen Schlägen
Prophetiih aus dem Aetnafvater Scholl,
Und dur den Purpurdampf, der um mich vauchte, - Das Weltall glorreih aus dem Dunfel tauchte.
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Frühlingswonne.
Geftredt in duftende Gräfer, Blühende Stauden über mir nidend, Aufſchau' ich trunfenen Blids Sn den leuchtenden Frühling,
Der jauchzend durch alle Räume zieht, Droben auf goldenen Wolfen ſich wiegt Und unten den tiefften Abgrund
Mit feinem Athen erfüllt.
Wie e8 mid umftridt, Das quellende, puljende Leben, Und in warmen Tropfen Auf meine Stirne thaut! Wie es fprudelnd aus der Tiefe Zu den Wipfeln der Bäume, Den Bergeshängen emporjchwillt Und wieder in Slataraften Sn die Thäler ftürzt! Und all dieſes Wimmeln und Regen Um nich, über mir! In der treibenden Schwüle des Werdens Das Sprießen und Wuchern und Ranfen! Ein fanfter, jeliger Geift, Sorgend und hütend, Daß fein rauher Windftoß Den brütenden Vogel in feinem ftillen Werke jtöre, MWandelt hin durch die Welt, Und das Fächeln der lauen Lüfte, Die Schauer warmen Yichte, Fort und fort vom Himmel niederwallend, Löſen den legten Froſt des Winters In meiner Bruft.
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Zu dir ausbreit’ ich die Arme, Emige Mutter, Die du den Adler in jeinem Alpenhorjt Mit Morgenluft tränfft Und der Biene im Thal Den Blumenfelh mit Honig füllt, Weite die Bruft mir aus, Daß der große Geiſt des Alls Sie ganz erfülle! Arm und flüchtig, Ein Blatt, vom nächſten Winde verweht, Iſt unfer Yeben, Sp lange in fich beichloffen, Aber reich und groß und unfterblich, Wenn wir in Liebe Alle Wefen umfaffen.
Der Tod des Xpoflels.
An des Abendmeeres fernem Saume Ragt aus blauer Fluth ein Felfeneiland, Haldenreich, durchrauſcht von Sprudelbächen, Ueber denen ſich der Eichenwälder Wipfelkronen fanft im Meerhauch wiegen Und den langen Schatten auf die fliehnden Wellen niederftreuen. Auf den Berghöhn Spielen Rebe, fchlanfe Antilopen, Ungefährdet von der Menfchen Mordgier; Denn nichts wiffen von des Jagens graufer Luft die Hirten, die nach Väterfitte Ueber ihrer Inſel Klippenhänge
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Hin von Trift zu Trift, von Thal zu Thale Mit den Heerden ziehn.
In Morgenfrühe Klimmt ein junges Weib vom höchſten Feljen, Der vom Ufer fteil ins Meer hinausvagt, Mit den Kindern an den Strand hinunter. Droben hat fie an dem Steinaltare Nach der frühen Menjchen Brauc der Sonne Bon der Heerden befter Milch ein Opfer Dargebracht und im Gebet der hohen Tageskönigin gedanft, daß wieder Nach der langen, wetterjturmdurchtobten Neumondnacht fie ihres Lichtes Segen Auf die Erde ausftrömt. Fernhin fliehen Die zerrißnen Wolfen nun, ermattet Ruhn der Winde Flügel, aber hod) nod) Mit beihäumten Wogenfänmen brandet Uferwärts die Meerfluth.
Ihrer Hütte Schon, zu deren Pforten faft die Wellen Ihr den Eingang wehren, naht das Weib fich, Da vernimmt fie ihres ältjten Sohnes Stimme: „Mutter, hilf!“ Sie folgt dem Rufe, Und, um eines Riffes Ede biegend, Wird des Knaben fie gewahr, der eben Zwiſchen Planfen, die das Meer beveden, Eine Laſt emporzuziehn ſich abmüht. Hoch au feiner Bruft aufjchlägt die Brandung, Und die Kraft entweicht ihm ſchon; doch eilends Kommt ihm beizuftehn die Mutter: nun exit Faßt fie, was den Fluthen abzuringen Er verjuht — em Mann ifts, der mit leßter Macht der Arme fih um einen Maftbaum
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Klammert. Was der Knabe nicht vermochte, Der vereinten Kraft gelingts. Die Beiden Ziehn den Todtenbleihen an das Ufer,
Auch die andern Kinder wollen helfen;
In die Hütte wird der Gaft getragen
Und auf weiches Seegra3 hingebettet.
Alle reihn fich jorgend um das Yager, Drauf befinnungslos er ruht. Die Kleinen Irodnen aus den Yoden ihm die Salzfluth, Suchen mit des Mundes warmen Hauchen Ihm die ftarren Hände neu zu wärmen, Und, zu prüfen ob fein Herz noch Elopfe, Yegt die Mutter auf die Bruft die Hand ihm; Sit fein Lebensgeiſt entflohen, oder
In die tiefften Tiefen nur verfunfen?
Keine Negung mehr in feinen Adern, Keinen Athemzug mehr fann fie jpüren.
Bon der Trift da fehrt, am ſchwülen Mittag Auszuruhn, ihr Gatte zu der Hütte
Und vereint mit ihrer feine Mühe,
Den Geftrandeten zu retten. Endlich
Regt er fih: um jeine Augenlider
Spielt ein Zuden, halb das Haupt erhebt er, Aber finft von Neuem hin entfräftet.
Süße Milch ihm bietend, mahnt vergebens Ihn das Weib, mit einem Yabetrunfe
Sich zu ftärfen. Da zulegt wie frampfhaft Fährt er auf, das blafje, tiefgefurchte Angefiht vom greifen Yodenhaare
Wirr ummogt; ins Yeere ftarrt fein Auge, . Und ihm von den Lippen ringen mühſam Dumpfe Töne fi), gebrochne Yaute,
Die fih nah und nad in Worte ſammeln: „Unbarmherz’ges Meer! wirfjt dur mich mieder An des Lebens Küften? AU die Andern,
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Ale Haft du mit den Wogenarmen
In dein jtilles Reich hinabgezogen;
Ich nur — nicht den reinen Schooß befleden Sollt' ih dir — ward von dir ausgeftoßen! D daß ich mich jelber nicht mehr fennen,
Aus der Welt für immer fchwinden dürfte! Feige Seele, was gehorchten fnechtifch,
As das Grab mir aus dem feuchten Abgrund Drunten winfte, dir die matten Arme,
Um das ſchwanke Holz fich klammernd? Tief dort In des Oceans geheimjten Schlünden,
In der ew’gen Finfterniß, vielleicht mich Konnt’ ich vor dem eignen Dafein bergen; Nun in dies mein Selbjt zurücdgetrieben, Nirgend auf der weiten Erde find’ ich
Einen Platz jo fern dem Tageslichte,
Daß ih“ — —
Und mit den gefreuzten Armen Seine Augen dedend, auf das Yager Sinft zurück der Fremdling; feiner Worte Sinn zu faſſen wiſſen nicht die Hirten, Doch der tiefbewegten Seele Sprache Rührt auch in den unverftandnen Yauten Sie zum Mitleid. Frifche Rebenblätter, Um die Gluth des Fiebers ihm zu ftillen, Auf die Stirn ihm legen fie, indejjen Nur das hohe Klopfen feiner Pulſe Noch verfündet, daß er lebt, Dann wieder Fährt ex. auf, vor feinen irren Blicken Fliehn zur Seite die erjchredten Kinder; Und erft leife wallt, dann laut und lauter, Wie des Bergftroms Braufen, der durch Klippen Bahn fich bricht, von feinem Mund die Rede: „Sort und fort nod) dieſes Volfsgetiimmel?
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Her vom Palatin, vom Quirinale
Wälzen fi) die jchaubegier'gen Schaaren Nach des Nero Gärten in den Circus. Nur heran! die Opfer bluten zahllos.
Zu den Wolfen jteigt der tauſendſtimm'ge Jubelruf, dazwiſchen Waffenklivren! Gladiatorenheere, ſich zerfleiſchend, Löſchen der Arena Staub mit Strömen
Blutes — nun hinweggeſchleift die Leichen! Noch ein größres Feſtſpiel iſt bereitet. Wilden Sprunges aus dem offnen Zwinger Stürzt ein wüth'ger Stier; das bleiche Mädchen, Das an ſeine Hörner mit den Haaren Feſtgebunden, hochauf in die Lüfte
Schleudert er, und, auf der Rennbahn Steine Hingeſchmettert, zuckt im Sterbenskrampfe
Die zerſchellte Märtyrin — nur eine?
Nein, Geduld! mitleidig iſt der Cäſar,
Noch Gefährten auf dem Todeswege
Sendet er ihr nach; horch! Wuthgebrülle
Von Numidiens Löwen, heiſres Lachen
Von Hyänen! An den Eiſenſtangen Mordbegierig wetzen ſie die Zähne.
Nun die Gitter auf! all ihre Schrecken
Speien Libyens Wüſten aus, und Rufe
Des Entſetzens hallen durch die Sitzreihn,
Und dazwiſchen feierlichen Klanges
Tönt Geſang — die Nazarener find es,
Die zum Tod in Andacht ſich bereiten.
Langen Zuges treten Männer, Weiber, Jungfraun, Greiſe vor die Ungethüme,
Noch im Sterben Den im Loblied preiſend Deſſen reinen Namen meine Lippen
Nicht mehr nennen dürfen —
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„Sagt, ihr Freunde, Simeon, Timotheus! warum nicht Ließt ihr mich, wie fie, zum Tode gehen? Als mir Fiebergluth die Sinne vaubte, Wider Willen aus dem Kerker ward ich, Schon zum Kreuz verdammt, von euch gerettet. Aber nein! ich war nicht würdig, Zeugniß Für Ihn abzulegen. Jene dürfen Nun fein himmliſch mildes Antlig fchauen — Wär’ ich vor ihn hingetreten, zornig Hätt’ er vor mir abgewandt das Antlig: un Weich von mir! ich fenne dich nicht, Paulus!““ Weh mir, weh! von je auf meinem Haupte Hat ein Bann gelegen. Früh verwaist ſchon, Einſam fchritt ich Durch das öde Yeben; Niemals, Liebe gebend und empfangend, Hat ein Herz an meins gejchlagen, niemals Spielten auf den Knien mir holde Kinder, Ein verzehrend Feuer glüht’ und raste In den Adern mir und trieb mich raftlos Dur die Welt dahin, den Sinnverftörten, Der ich für der Juden ftarren Glauben Erft in blindem Eifer ftritt, in blinderm Dann fir meines eignen Geiftes Irrwahn. Ah! warum nicht früher jchon nach Patmos Führten nich die Sterne? Nicht jo lange Hätten Schleier düftrer Hirngefpinnfte Dann das Bild des Göttlichen, des Keinen Mir verhüllt! Durch feinen liebften Jünger, Der ihm in dag tiefe blaue Auge Oft gefchaut, wie anders num im flaren Sonnenlicht mir vor der Seele fteht er! Allen Menfchen Freund, im Leid ihr Tröſter, Ihre Sorgen, ihre Freuden theilend, Hin durch Galiläas grüne Thäler Schack, Geſ. Werke. IV. 239
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Wandeln ſeh' ich ihn; ein fel’ger Friede Dreitet, mo er naht, fi) auf die Erde; Und die Kinder heißt er zu ihm kommen, Und fie bliden lächelnd in fein janftes Angefiht — am See, auf Bergeshöhen Drängen fi die Armen, die Bedrüdten Um ihn her; daß er fie jegne, heben Mütter ihre Kleinen ihm entgegen,
Und im Kreiſe laufcht das Volk der Rede, Die, aus jeinem großen Herzen ftrömend, Ihm vom Munde quillt: daß ein Gefeg nur, Ein erhabnes, heiliges, die Yiebe,
Auf der Erde wie im Himmel walten Solle, fündet er, und Freudenthränen Zittern an der Hörer Wimpern, freier Athmen bei dem Wort die Mühbeladnen, Und fie jehen durch der Liebe Allmacht, Die um alle Weſen ihre fanften
Bande jchlingt, den alten Fluch der Sünde Bon der Erde ſchon hinweggenommen. Hoher Meifter! o wenn deine Yehre Wahrheit ward, verflärt in ihrem Yichte, Wie im Morgenroth die trübe Wolke, Hätte fih Natur und Welt und Yeben! Doch ich Frevler! Alles dir verwüſtet, Dich um deines Lebens Frucht betrogen Und die Menſchheit um die goldne Zukunft Hab' ich, deren Pforten du geöffnet!
Wäre nimmer — wohl von einem Dämon Wars die Stimme — vor Damascus' Thoren Mir zu Häupten jener Ruf erſchollen! Schlimmer nun, als da ich deine Jünger Marterte, zur Steinigung verdammte, Hab' ich dich verfolgt — die ſchlichte Einfalt Deines Wortes, faßlich ſelbſt für Kinder
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Und doch unergründlich für den Weifen, Wie durch meines mwüften Geiftes Träume Wurde fie getrübt! Das Unkraut, das ic) Zwiſchen deine Saat geftreut, ſchon ſeh' ich Wuchernd ſprießen — —
„Höre mich, Philippus, Höre, Titus, meinen legten Willen! Schliegt die Schulen meiner falſchen Weisheit, Und wenn je auf enern Mund fi) eines Meiner Worte jchleichen will, den Pippen Gönnt den Athem nicht, es auszufprechen! Aber nein! vergebens! Wenn in Flammen Alles auch, was meine Hand gefchrieben, Loderte, mit ihm erftidt nicht würde Meine Lehre; jhon von Yand zu Yande Wird der gift'ge Samen hingetragen, Und wie Taumelloh in allen Seelen Schießt er auf, des Herzens reine Triebe In noch ungeborenen Gejchlechtern Schon im Keim ertödtend, und in Zmwietracht Und in Haß erfüllt fich die Verheißung Bon der Liebe neuem Gottesreiche. Schon — das ift mein Werf — die dumpfen Tempel, Die fie ihrem düftern Glauben bauen, Hör’ ich von dem Streit der Nazarener Widerhallen. Hader über leere Wahngebilde drüdt das Schwert des Mordes In der Frepler Hand und läßt des Mitleids Sanfte Regungen zu Eis erjtarren. Hoher Fürft des Friedens, der du jpradeit: „„Lernt von mir, ich bin die Sanftmuth!“ Dieje Nennen deine Schüler fih und fnieen Demuth heuchelnd vor dich hin, indeR fie Did von Neuem freuz’gen. Ja dur Fahre,
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Durch Fahrhunderte mit Galle, bittrer Als auf Golgatha, dic tränfen werden Die Nationen. Noch in Sprachen, die erſt Auf den Lippen jpäter Menfchenalter
Leben werden, wird mein falfches Zeugniß Ueber dich, von Mund zu Munde gehend, Mich bei dir verklagen, wenn Gemaltthat, Sleifnerei und Wahnfinn dic) zum Götzen Machen und in deinem Namen frevelnd Früh die Seele um ihr fchönftes Kleinod, Um die heil’ge Himmel3-Mitgift Liebe Schon betrügen, bis des Herzens Stimme In des Kindes zarter Bruft erftict ift Und dein Ebenbild dich nur noch höhnend Mit verzerrten Zügen aus ihm anftarrt. Doc erſt im Beginnen ift das Unheil; Mit den Fahren, wenn die Sohnesjöhne Derer, die heut leben, zu Miyriaden Angewachſen, wird dem Staube gleich jich Weh zu Weh, zu Sammer Jammer häufen, Und der Strom von Blut und Thränen jchwellen, Der zu deiner Ehre fließt. In deinem Namen werden Kerfer, Marterfammern Bon Geächz Gequälter widerhallen,
Wird der Menfch den Menjchen Enechten, pein’gen, Würgen; bis zu fernen Weltgeftaden,
Die der Schooß des Meeres unfern Bliden Noch verbirgt, jelbft fehlägt des Unheils Flamme, Die bethört zuerft mit meinem Haud) ic) Angefacht, und Priefter mit dem Kreuze, Dich mit ihren Palmen läfternd, ſtürmen Bor entmenfchten NRotten, um der Gnade Zeichen über Schutt und Peichenhaufen, Eines ganzen Welttheils Schädelftätte, Aufzupflanzen — —
EDLER
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„Schauer der Berftörung Schütteln mein Gebein; er fommt; nah, näher Schleicht der Tod heran, vor deinen Nichtftuhl Mich zu fchleppen. Herr, Vergebung! Gnade! Nein, umfonft mein Flehen! Wohl dem Kriegsfnecht, Der den Speer in deine Seite bohrte, Dem Iſchariot kannt du vergeben, immer mir. Nicht zu dir aufzubliden Wag' ih. Auf dem Mund dir, der für Alle Sich zum Segnen aufthut, ſchwebt für mich nur, Mich allein ein Fluch. Wohin entrinnen? Deffne, dunfle Erde, mir das tieffte, Schwärzefte der Gräber, daß fein Blick mich Mehr erreiche und zu Staub ich jedes Theilhen meines Weſens löſe!“
Alſo Der Apoſtel; Schweigen deckt die Stimme, Nur ein Zucken giebt in ſeinen Zügen Kunde noch von ſeines Herzens Stürmen. Mit geſchloßnen Augen liegt er lange, Und daß ihm die letzte Stunde nahe, Ahnen ſeine Pfleger. Da noch einmal Halb erhebt er ſich; der Abendröthe Milder Schein ſpielt um ſein bleiches Antlitz. Ueber ihn, um Troſt ihm zuzuſprechen, Iſt das Weib gebeugt; ums Lager drängen Bang die Kleinen ſich; mit mildem Strahle, Wie das Sonnenlicht durch Wetterwolken, Dann allmählig klar und klarer leuchtet Seine Seele durch der Augen Nachtflor, Und es iſt, als breite nach dem Sturme Der Verzweiflung noch ein Stern der Hoffnung Blaſſen Schimmer auf ſein fliehndes Leben. Sanft an ſeine Bruſt die Kinder zieht er
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Mit der matten Rechten, läßt im langen Kuß auf ihren Stirnen feine Lippen Nuhen und verhaucht den legten Odem.
Volfram von Sſchenbach.
Wolfram! Wolfram! Sängerkönig! Deutſchlands Ehren— ſchmuck und Stolz,
Deſſen Weiſe, tauſendtönig, bald in ſanfte Wehmuth ſchmolz,
Bald wie Läuten von metallnen Glocken in den Himmel drang,
Bald zum Abgrund der Gefallnen ſich als Seraph niederſchwang!
Starker du, gleich Deutſchlands Forſten, zarter ſo wie Deutſchlands Fraun,
Iſt dein altes Grab geborſten, und der Enkel darf dich ſchaun?
Ja du biſts, du biſts, Erlauchter! durch der Jahre Wolkenflor
Quillt und bricht wie ſanftgehauchter Flötenton dein Lied hervor!
Und ein Bild von langverſchwundnen Tagen ſteigt herauf mit dir —
Sieh! ein Saal mit kranzumwundnen Säulen voll von Pracht und Zier,
Und der Landgraf mit dem Hofe, und umher der Sänger— kreis,
Der in Stolle und in Strophe ſtreitet um des Liedes Preis!
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Reimar und der Dfterdinger kämpfen dort und Andre viel,
Heldendichter, Minnefinger, mit Geſang und Saiten—
i ſpiel;
Doch dein Lied, mein Eſchenbacher, tönt vor allen ſtark und vol,
Neben ihm ift Alles Schwacher Windhaud neben Sturm— geroll.
Gleih dem Meer, das hin- und herrollt, wogt der Jubel, der dic) preist,
Schon drommetend will der Herold fünden, daß du Sieger jeift;
Da, jo wie die Föhrentangeln in der Wetternacht Getos,
Bebt die Menge; aus den Angeln reißt das Thor ein Windesitoß.
Rings, als ob die Hölle Klaffte, flammt ein Yichtglanz, gelb und fahl, Sieh! und eine riefenhafte Nachtgeftalt tritt in den
Saal,
Um den Gang des Gaſtes rauſcht es wie von Geifter- flügelfchlag,
Faltig wallt ein aufgebaufchtes Purpurfleid ihm meit- hin nad).
Schwarz das Bruſtwamms, ringelmaſchig, filberweiß das Yodenhaar;
Aus dem Antlig, falb und aſchig, leuchtet matt das Augenpaar;
In dem Arm ihm, aufgefchlagen, ruht ein pergamentnes Bud,
Dod die Rechte, e8 zu tragen, zittert wie von Gottes Fluch.
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Klinfor iſts, der mächt’ge Meifter aus dem fernen Ungarland,
Der dur) Sprüche nächt'ge Geifter aus dem Höllen- abgrund bannt;
Div mit gift’gem Haß VBerdammter, Wolfram, neidet er den Sieg,
Rüfte denn, du Öottentflammter, rüfte dich zum großen Krieg!
Alles flieht; von dicht fich breitenden Wolfen wird der Saal erfüllt;
Einjam ftehen fi) die Streitenden gegenüber, nacht— umhüllt,
Bläulich glimmen einzle Funken durch den Nebelqualm und Dampf,
Und die Erde ſcheint verſunken vor dem Himmels— Höllen-Kampf.
Matt zuerſt hallt Klinſors Harfe, doch bei jedem Saiten— ſchwung
Taucht mit Lachen Larv' an Larve grinſend aus der Dämmerung;
Dumpf und ſchwer wie aus den Trümmern einer ein— geſtürzten Welt,
Tönt gefallner Engel Wimmern von der Teufel Hohn durchgellt.
Dann in immer ſtärkrer Schwingung bebt die Harfe; wilder ſtets Wogts in ſeltſamer Verſchlingung, wirbelnd ſich im. Kreiſe drehts; Hell und heller zucken fliegende Blitze durch der Wolken Riß, Lodernd taucht die unten liegende Hölle aus der
Finſterniß.
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Rothe Flammenzungen lecken durch den Rauch, der dicht fi ballt;
Aufwärts fteigen bleihe Schreden, Spufgeftalt an Spuf- geftalt;
Bald den Weheruf von Jammernden hört man, bald ein Jubelſchrein,
Wie die paarweis fi Umflammernden tauchen aus den Schlund der Bein.
Born, jein vothes Banner pflanzend, fampfgerüftet Yu- cifer;
Teufel um ihn hüpfend, tanzend, rufend: „Du bift Gott und Herr!“
Furien dann, die Geißel ſchwingend, Sünder mit dem Slammenmal,
Und Berlorne, händeringend in dem Wahnfinn em’ger Dual.
Nah und näher ziehn die Rafenden unter Hohn und wüſtem Gräul;
Braust der Yärm der Zinfenblafenden, das Gelächter und Geheul;
Bald wie Donner tönts, wie gellender Angjtruf bald und Windespfiff,
Da die Saiten immer fehwellender rauſchen unter Klin- ſors Griff.
Und zı Wolfram rufts: „Betrogner Narr des Himmelz, der du bift,
Yaß das Breifen von erlogner Seligfeit, die nirgend ift!
Slaubft du denn, von Gott gedungener Schranze, daß er Wort dir hält,
Deſſen Engelchorzumfungener Herriherfig in Trümmer fallt?
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„Sieh die Hölle in Empörung und den Himmel fchredens- blag! Unfer Wirken ift Berftörung, unfre Liebe ift der Haß; Schon da wir zum Streit ung waffnen, ftürzt dein Mäch- tiger vom Thron, Sud’ im Grab denn des Erfchaffnen und des Schöpfers deinen Lohn!“
Alfo ſie, und finnbetäubender Jubelruf durchhallt den Sturm:
„Komm mit ung, dich fruchtlos fträubender, gottverlaßner Menjchenwurm!“
Fernher, wo vor dicht ſich Rottenden auch das legte Licht erliſcht,
Hört man durd den Yärm der Spottenden, wie die alte Schlange ziicht.
Aber du, mein Himmelsftreiter, feſt mit ungebeugten
Haupt,
Blickſt nach oben friedensheiter, da die Hölle unten ſchnaubt;
Ob zu Füßen dir der wankende Weltbau auch in Trüm— mer bricht,
Deine feſt um Gott ſich rankende Seele zagt und zittert nicht.
Mit der Hand die Saiten ſtreifſt du; leiſe flüſternd beben ſie;
Tiefer dann und ſtärker greifſt du in den Born der Harmonie;
Lauter ſtets in weithin kreiſender Strömung wogt dein Harfenklang,
Und dazu dein Himmel-preiſender, Gott-verkündender Geſang.
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Strahlengüffe, Flammenjchwerter brechen in das Dunkel ein,
Und dur ftehft, ein Glanzverflärter, um das Haupt den Heil’genjchein,
Während nur von fern der Klagenden Wehruf aus der Tiefe dringt,
Und der Yärm der Flügelfchlagenden, die die alte Nacht verſchlingt.
Klinſors Harfe iſt zerſprungen, wankend flieht er aus dem Saal,
Und um dich von tauſend Zungen wallt und fluthet der Choral:
„Held der Liebe, Held der Dichtung, wer, der dich befehden mag,
Nun die Hölle in Vernichtung unter dir zuſammenbrach!“
Lang ſchon iſt die Zeit geſchwunden, da du jenen Kampf gekämpft,
Halb verhallt ſind ihre Kunden, ihre Stimmen ſind gedämpft;
Doch durch Jahre und Jahrtauſende, Wolfram, mit gewalt'gem Schall,
Tönt dein Siegeslied, das brauſende, fort in deinem Parzival!
Arania.
Nacht waltete, ſchweigende Nacht allum Im unermeßlichen Raume. Wüſt, reglos, wie vom Tode gebannt, Meer durcheinander gewirrt und Land, Dalag noch die Welt, und blind und ſtumm Im mitternächtlichen Traume.
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Sahrhunderttaufende waren geflohn Im Schlafe, dem dumpfen, trägen; Durch den Nebel, der allhin, gränzenlos Die Höhen erfüllt und des Abgrunds Schooß, Drang zitternd da von oben ein Ton, Und das Chaos begann fi zu vegen.
Ton folgt dem Ton, erft leife nur, leis, Dann voller und voller erflingend;
Die erften Yaute im ftummen All,
Wie ift jo ſüß, jo mächtig ihr Schall!
Die Nebel zerreißen und mogen, im Kreis Bei jedem der Klänge fich fchwingend.
Und wo fie gewichen, im weißen Gewand
Auf wallenden Wolfen ſchwebt fie, Die Tochter des Himmels; hinter ihr bricht Und ftrömt dur) das Dunkel ein feliges Yicht; Ihr Auge leuchtet, hoch in der Hand
Die goldene Yeier erhebt fie.
Bei ihrer Saiten füßem Oetön In die gähnenden Schlünde triefen Die Nebel hinab; es jcheidet und trennt Sich Element von dem Element, Die Lüfte juchen des Aethers Höhn, Die Wafjer des Abgrunds Tiefen.
Empor fteigt auf der himmlischen Bahn Die Sonne, den Klängen laufchend,
Einftimmen auf ihrem Feiergang
In fie die Sterne mit Sphärengefang,
Und es braust aus den Ufern der Ocean, In Harmonie fich beraufchend.
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O Mufe, die du aus Chaos und Nacht Dahin auf ftrahlenden Gleiſen Die Sterne geführt und das Dunkel erhellt, Mann wird auc des Geiftes nächtliche Welt Durch did in Einklang — dein ift die Macht — Mit Sternen und Sonnen freifen?
Boroafter.
In früher Zeiten Dämmerferne, Zum erften Morgen der Gefchichte Schmweift rückwärts mir der Blid. Mit matten Yichte Am Himmel blinfen noch die Sterne Der großen Weltnaht durch den Wolkenriß, Und unten auf den Erdenthalen Gebreitet liegt die alte Finfterniß; Doch hochauf leuchtet in des Frühroths Strahlen, Noch weiß vom Schnee der erften Echöpfungstage, Der Götterberg der ältften Menjchenfage.
Gegrüßt mit meines Herzens beftem Gruße Sei mir das Hochland an des Berges Fuße, Wo unfres Volkes Wiege ftand;
Dort am Altare, der vom Brand
Der reinen Opferflamme raucht,
Sei du gegrüßt mir, finnender Prophet!
Das Yodenhaupt vom Morgenwind umhaucht, Wie voll Begeiftrung in die goldne Helle Schauft du empor und preifeft im Gebet
Die hohe Tageskönigin,
Des Lichtes und des Lebens Duelle!
Mag unten in den Thälern, in den Schlünden, Die düfter ihm zu Füßen gähnen,
— 462 .—
Bis zu des Nordens eif’gen Deden hin Das nächtlich finftre Reich fich dehnen, Wo Ahriman, der Firft der Sünden, In wilden Haß die VBölferhorden Zum Raub aufgeißelt und zum Morden, Dich jchredt jein Dunkel nicht, erhabner Seher, Den Vichtgeift fiehft du hoch und höher Empor am Himmelsdach ſich ſchwingen Und tödtend in das Herz der Nacht Die Pfeile ſeiner Strahlen dringen. Tief, tiefer in der Erde Schacht Sucht Ahriman mit ſeinen Schergen Vor dem verhaßten Lichte ſich zu bergen, Und jubelnd kündeſt du, indeß zur fernſten Mark Der Zukunft dir das Auge gleitet, Des Gottes Heldengang, der jugendſtark Von Siegen hin zu Siegen ſchreitet. Ein Welterlöſungsodem wallt und quillt Von ihm herab und löst allmächtig Den Nachtfroſt der erſtarrten Seelen; Bis in des Abgrunds tiefſte Höhlen Und zum beeisten Pol, wo mitternächtig Die Finfterniß, von Graun erfüllt, Bor ihren eignen Schreden ſich verhiüllt, Schwingt er fich mit dem Licht; nicht Zuflucht mehr Auf Erden bleibt dem dunfeln Heer; Aus allen Kiffen, allen Spalten Wimmeln hervor die Nadhtgeftalten; Ein Frühlingshaud, ein mildes Thauen Dringt felbft ins Herz des Ahriman, - Und, aufwärts blickend, ſchweben durch die blauen Lichträume die Verklärten himmelan. R
Seit alfo, hoher Ormuzd-Bote, Du in der Zeiten Morgenrothe
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Des Lichtes großen Sieg verfündet,
Zu Boden fanfen die Altäre,
Darauf die reinen Feuer du gezündet,
Weit that mit neuen Völkern, neuen Yändern Die Welt fih auf, die enge dich umfing,
Und jenfeit3 von den Himmel3rändern,
Wo dir die Sonne auf- und unterging,
Zog auf beſchäumten Wogenpfaden
Der Menſch zu neuen Erdgeſtaden.
Allein wie weit durch die Unendlichkeit
Der Blick uns jchmweifen mag, des Lichtes Sieg Noch jehn wir nirgend, den du prophezeit.
Ein Weltreih um das andre ftieg
Durch Mord und Blut und Schlahtgetümmel Zur Herrihaft auf und janf zurück zum Staube, Und neue, immer neue Götterhimmel
Erbaute fich der Menjchen Glaube.
Geftürzt nun nad) einander find fie alle,
Und in der legten Tempelhalle
Stirbt auf dem legten Opferherde
Die heil’ge Gluth, in Qualm erftidt und Dampf, Do auf der götterlofen Erde
Fort rast um ung der alte Kampf.
D laß, wenn Alles um uns düfter,
Zum Land, aus welchem unfre Väter ftammen, Zurüd laß, ernfter Ormuzd-Priefter,
Uns fehren in die Erdenfrühe,
Daß an des heil’gen Feuer Flammen
In Siegsvertraun.neu unfer Herz erglühe, Und fih zum Kampf fürs Lichtreich unfre Seelen Wie Frans Sonnenhelden ftählen !
Ode.
Die ihr im ewigen Wandel allein
Unverſehrt vom Wirbel der Zeit,
Ueber der Reiche Gräber dahin Durch die Jahrtauſende ſchreitet:
Väter von Allem was groß und hehr,
Die mit hohen Gedanken ihr,
Hohen Thaten die Völker entflammt, Helden und Dichter und Weiſe!
Oft, wenn ſchlummerlos mir der Geiſt
Ueber des Lebens Irrſal ſinnt,
Durch die ſchweigende Mitternacht Eure Tritte vernehm' ich.
Und aus dämmerndem Nebelgewölk
Glorreich in der Unſterblichen Glanz
Seh' ich euch nahen, wie ihr gelebt, Wie ihr gekämpft und gelitten.
Hoch entgegen euch ſchlägt mein Herz,
Und mein kleiner Kummer verſtummt —
O wer bin ich, auch nur im Staub Eurer Füße zu liegen?
Schwer von Wucht der Leiden gedrückt, Doch nicht wankend im Schickſalsſturm, Unvergängliches ſchufet ihr,
Wenn ich kleinlich verzagte.
Richtet, ihr Herrlichen, richtet mich auf, Lehrt mich, tapfer wie ihr und ſtark Ueber des Lebens Wettergewölk
Hoch die Stirn zu erheben,
— 45 —
Daß dereinft, den brechenden Blid
Feft auf euch geheftet, ich euch
Nur als Legter in euern Reihn Durch die Unendlichkeit folge.
Neue Geneſis.
Wo der Ocean tief unten aus dem Erdenabgrund quillt
Und die Weltnacht in ihr eignes Dunkel träumend ſich verhüllt,
In des Meers verborgnen Gründen regte ſchweigend, allgeheim
Sich im Anbeginn das Leben, aller Weſen erſter Keim,
Brütete durch Jahr-Aeonen bei der Wogenfluth Geroll,
Deſſen ewig gleicher Donner dumpf in ſeine Träume ſcholl;
Da allmählig ragten Klippen, Inſeln aus der Waſſer Schooß,
Und zu wimmeln, ſich zu regen hub es an in Kraut und Moos;
Von den Weſen-Myriaden, die ein Tropfen Thau umſchloß,
Bis zum Rieſenungethüme, zum gigantiſchen Koloß
Tauchten neue, immer neue Formen in der Zeiten Lauf
Aus der großen Lebensquelle nie erſchöpftem Brunnen auf.
Während bald das Meer emporſchwoll zu der Alpen Gipfelrand,
Bald das Eis des Poles ſtarrte, wo ſonſt Tropengluth gebrannt, Wechſelnd ſtieg der Leviathan, ſtieg das grauſe Maſtodon, Eines übers Grab des andern, auf der Schöpfung
Herrſcherthron; Weſen- über Weſenreihen ſchleuderte ing Nichts der Tod, In des Waffers Abgrundhöhlen taumelte der Behemoth Shad, Ge. Werke. IV. 30
— 46 —
Und im Wirbel der Zerſtörung, der die Schöpfung- Säulen brad), Wie im Sturze der Titanen folgten ihm die andern nad).
Sp, bedeckt mit Schicht auf Schiehte, eingefargt ins
große Nichts
Drunten lag die alte Schöpfung; da im Glanz des jungen Lichts,
Den ein andrer Welttag jandte, öffneteft du, Menſch, den Blid,
Zu der neuen Erdenherrſchaft auserforen vom Geſchick!
Yangjam, langjam war dein Wahsthum; doch, indeß in graufem Krampf
Erd’ und Himmel um dich tobten bei der Elemente Kampf,
Stuf an Stufe aus der Wildheit rangft du höher dich empor,
Schrittft aus Nacht und Geiftespumpfheit auf durch der Erfenntnig Thor,
Bis die Dämmrung Lichtglanz wurde und dich jonnen- heil umfloß
Und der Himmel feine ganze Wunderfülle div erichloß
Und der rollenden Geftirne Aetherbahnen Newton maß
Und des Weltall tiefgeheimfte Hieroglyphen Darwin las.
Füngftgeborener der Schöpfung! weit noch vor dir auf- gethan
Sit nad) ferner Zielen, immer fernern div des Ningens Bahn;
Werke, Menſch, noch ſollſt du fchaffen, die fein Sinn von heute faßt, -
Leuchtend, daß vor ihrem Glanze unſer Herrlichites erblaßt ;
Aber, der gebannt du zwiſchen eine Doppel-Ewigfeit
Bon Vergangenheit und Zufunft ftehft in diefer Spanne Zeit,
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Wie vor dir von ihren Thronen ganze Erdenherrſcher— Reihn
Schon geſunken, alſo wird auch deine Herrſchaft endlich ſein;
Weichen wirſt du andern Weſen, die an Weisheit dich und Macht
Ueberragen, wie du jene, die nun deckt des Abgrunds Nacht;
Herrlich über alles Ahnen ſteigt ein neues Morgenroth
Dann durch ſie empor auf Erden; klage nicht um deinen
Tod,
Nein, ſei ſtolz, Menſch, daß ein größrer noch gekommen iſt als du,
Und nach wohlvollbrachtem Tagwerk ſchließe froh die Augen zu!
Das geſprengte Grab.
In düſteren Stunden, Wenn die Nacht der Seele Kein Stern erhellt, Unter mir, ein großes Grab, Seh' ich die Erde liegen. Schwarzen Flügels, Der über Länder und Meere Den Schatten breitet, Schwebt mir zu Häupten der Todesengel Durch den Himmelsbogen Und legt die Hände auf die Sterne, Wie auf die Taſten einer Rieſenorgel, Und mit dumpfen, langhinrollenden Klängen Hinter dem Trauerſchleier, der ſie verhüllt,
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Beginnen die Sonnen zu tönen.
Fernher aus der Unermeßlichkeit
Hallt die Todtenflage zurüd,
Und fchluchzend unten fallen die Wogen,
Die am Geftade fich brechen,
Die fturmgepeitichten Wälder,
In das Nequiem ein.
Ja, begraben liegt
Im Schöpfungsreich ein Gott,
Vom dumpfen Stoffe gefangen.
In finfterer Mitternächte
Starrem Winterfroft
Bis ans Herz fchleiht ihm der Tod;
Aber ganz nicht verfiegt
Sit der Lebensquell feiner Adern;
Wenn glorreih durchs Dunfel die Sonne bricht Und des Frühlings laue Lüfte fehren,
Neu beginnen jeine Pulſe zu Elopfen.
Dann jauchzend dahın
Durch grünende Fluren
Braufen die Erdenftröme, r Und es fchauern die Wälder vor Luft. M Im Spiegel der klaren Seen,
In den Blüthen der Flur
Schlägt der Gott die Augen auf;
Und jein Odem thaut
In den Seelen der Menſchen den Todesfroft, Und der Begeifterung Yohe
Bricht hervor aus ihren Tiefen.
Himmliſche Boten
Mandeln über die Erde,
Mit feurigen Zungen
Sein nahes Auferftehen zu fünden;
Und mächtiger fich regt er und ringt,
Bon der Bruft hinweg
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Die drüdende Wucht zu wälzen;
Allhin zittert die Erde,
Und es ftürzt, was Jahrtaufende lang geftanden, Und neues Dafein entfteigt der Gruft.
Auf, ihr des Genius Söhne, Raſtet nicht in dem Werke! Mit Flammenſchwertern Schreitet dahin durd die Yande, Dem Begrabnen die legten Bande zu löſen, Und lehrt die Völfer Mit des Geiftes Licht Die Erde ſchmücken, Daß ſie würdig ſei, Den Gott zu empfangen!
Der erſte Mai.
Geh auf, o Tag, du herrlichiter im Fahr,
In Frühlingsſturm und Wetternacht geboren! Schon flammt im erften Roth der Bergaltar,
Und Purpurglanz ftrömt aus des Oſtens Thoren; Dich grüßt, aufjubelnd aus der grünen Saat, Die Lerche, hoch ins goldne Licht verloren,
Und Blüthenweihrauh dampft auf deinem Pfad.
Dem Knaben gleich, wenn vor dem Namenzfeft
Ihn Ungeduld, die Herrlichkeit zu Schauen,
Die feiner wartet, Schlaf nicht finden läßt,
Harrt’ ich auf dich fchon vor dem Morgengrauen
Und mweihte mich, indeß noch heil Arctur
Am Himmel glomm, mit Wald und Strom und Auen In Andacht für das Hochfeft der Natur.
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Wie jprudelt ſchwül vom großen Erdenherd
Die Lebenzfluth empor in taufend Quellen! Ningsum ein mächt'ges Werden; wie es gährt
Und feimt und wimmelt in den heißen Bellen, Dann los fich ringt und wuchernd ranft und fprießt Und mit den hochbeſchäumten Waflerfällen
Bon Shludt zu Schludht in grünen Wogen fließt!
In laub’gen Wipfeln wiegt der Windeshaud)
Die Vögel auf dem Neft voll warmer Eier
Und theilt am Felshang, wo der Ginfterftrauch Sn Goldglanz prangt, den duft’gen Morgenfchleier, Indeſſen oben durch die Nebelichicht,
Wie Fadeln für des Frühlings Hochzeitfeier,
Das Flammenroth der Fichtenfproffen bricht.
Und ftrahlend jteigt empor der Sonnenball!
Welch Summen rings und Schwirren und Bewegen! Libellen, Käfer und die Sänger all
Des Waldes ftürzen fi dem Licht entgegen,
Und in dem Thau, der alle Kelche füllt
Und bligend niederftäubt al goldner Regen,
Bricht taufendfältig fich der Sonne Bild.
D Frühling! Götterfind! du Jugendrauſch, In dem bejeligt Himmel ſich und Erde Bermählen bei der Küffe heißem Tauſch,
Sei Zeuge! treu gelibt hab’ ich am Herde, Dem heil’gen, der Natur mein Priejteramt; Im Weftwindfäufeln lauſcht' ich deinem Werde, Wie wenn in Wettern du herabgeflammt.
Ich fpürte deiner Schritte jedem nad
Und deiner Kräfte tiefgeheimem Walten; Im Laubgrün all der Heinen Herzen Schlag, AU deiner Blumen Knofpen und Entfalten
- ut
PS»
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Hab’ ich gefühlt und ließ die Melodien, Die holden, die durch Berg’ und Thäler halten, Geflügelt hin durch meine Seele ziehn.
Sei denn, der du mit deinem Hauch, o Mai, Genährt mich haft feit erſter Jugendfrühe,
Ein hoher Lehrer mir und Meifter fei,
Daß Ihaffend ich wie du durchs Leben ziehe Und gleich den Fluren, die dein Thau beiprengt, Die Erde unter meinem Tritte blühe,
Knoſpe an Knoſpe, Keim an Keim gedrängt.
So in dem Segen, den ich um mich fchuf,
Yaß mich dur Frühling hin und Sommer wallen! Und, fommt mein Herbft, hör’ ich des Mahners Auf, Der allen Staubgebornen tönt, mir fchallen,
Auf meiner Ernte noch im Abendlicht,
Indeſſen reife Früchte um mich fallen,
Mag mir das Auge ruhen, wenn e3 bricht.
Honnenanfgang.
Früh, wenn noch Dunfel auf Erden ruht, Treibt3 mich auf ſchwankenden Stegen Ueber des Sturzbachs ſchäumende Fluth Dem kommenden Morgen entgegen.
Schon unter mir liegt der Tannenwald;
Der Hirten rufende Stimmen,
Der Heerden Geläut von Spalt zu Spalt, Wie zu höherer Alpe fie klimmen,
Sind nach) und nach in der Tiefe verhallt — Noch über Klippen ein fteiler Pfad —
Da ſteh' ich auf vagendem Bergesgrat.
N
Ein Schimmer von ferner Dämmerung wallt Um die Ränder des Himmels, noch bleich und falt; Schlaftrunfen jchütteln im jchweren Traum Die Mächte des Dunkels ihr Haupt, wie das Licht Sich mählig erhebt am Erdenſaum Und die Naht in Schatten zufammenbridt.
Oben in zitternden Yüften fteht
Der Stern der Liebe, des Tages Prophet, Und mie er mit filberner Strahlenhand
Den Vorhang hebt von des Dftens Rand, Schießt feuriger Schein am Himmel empor Und leuchtet und fprüht durch der Wolfen Flor- Ueber die Yänder, die Ströme, das Meer, Schreitet der Lichtgott herrlich daher;
Ein Funfeln, ein Flammen, ein Bligen
Geht durch der Yüfte Haren Kryftall,
Das die Schlünde zulest und die Höhen all, Der Berge eifige Spiten
Und die Perche, die drüber im Aether ſchwebt, In breite Wogen des Lichtes begräbt.
Du, dem die Erde und Erz und Stein In freudigen Pfalmen erklingen, Der du im Graſe den Tropfen Thau Bergoldeft und hoc) in des Himmels Blau Des Adler wallende Schwingen, In unfere Seelen auch, Morgen, zieh ein, Auf daß dein Hauch die Geifter der Nacht, Die düftern, in ihnen verzehre, Und bis zu des Lebens geheimften Schadt, Der Gedanken verborgenftem Quell, AU unfer Weſen ſich fonnenhell In dem heiligen Lichte verfläre!
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Die Märkyrer.
Rom 1864,
Es ift der Tag der Märtyrer; im wogenden Gedränge Zu Kirchen und Kapellen wallt die andachtvolle Menge, Mit Kränzen reich ummunden find der Glaubenzzeugen
Grüfte, Die Orgel ſchluchzt ihr tiefftes Weh, es wirbeln Weih- rauchdüfte, Und vor dem heil'gen Vater knien im Rieſendom St. Peter Beim Kerzenglanz des Todtenamts die dichtgedrängten
Beter. Ihr theuern Opfer blinder Wuth! an euerm Todten— feſte Wie trät' auch ich nicht zum Altar und grüßte eure Reſte? — Aechzend danieder lag die Welt vom Hiebe der Scorpionen,
Mit denen lang das Römerreich gegeißelt die Nationen. Der Ströme Blutes ſatt, durch die es von der Inder
Gränze
Bis an der Rugier Bernſteinſtrand erkauft die Sieges— fränze,
Nach einem Stern der Nettung fahn die Völfer mit Berlangen;
Und fieh! die junge Sonne war am Jordan aufgegangen.
Im PBalmenfchatten wandelte, umringt vom Kreis der Jünger,
Der Menfchheit großer Lehrer dort, der Heil- und Friedensbringer.
Warm quoll wie Welterlöſungshauch die Rede ihm vom Munde,
Und der Gedrückten Herz hub hoch ſich bei der Freuden— kunde,
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Frei ſollten alle Menfchen fein von ftarrer Satzung Enge,
Geeinigt durch der Liebe Band, die alle fie umfchlänge.
Der neuen Heileslehre da als freudige Befenner
Todmuth’gen Sinns erftandet ihr, Jünglinge, Jung- fraun, Männer,
Und wandtet, unerjchredt vom Bann tobjüchtiger Cäjaren,
Euch von den Gögen ihres Wahns zum Gott, dem einen, wahren,
Der Throne und Altäre ftürzt, Reiche und Religionen,
Bis Freiheit und Gerechtigkeit und Licht auf Erden wohnen.
Euch ſchreckte Marter nicht noch Tod; des Henferbeiles Schlägen,
Dem lohen Holzftoß fehrittet ihr mit freud’gen Muth entgegen,
Und brechend ftrahlte noch eur Blick in Hoffnung auf, num werde
Der Liebe und des Friedens Reich einfehren auf der Erde. —
Da über euerm Grabe ſank die alte Welt zuſammen, Wüſt ward das Haus des Donnerers, und aus dem Schutt, den Flammen Erhob das Kreuz im Siegesglanz fi) auf der Herr- Schaft Zinnen. Doch ah! der ſchone Hoffnungstraum wie bald mußt' er zerrinnen! Von Trug und Lüge wie entſtellt ward eures Meiſters Lehre! Neu hoben ſich dem Götzendienſt, der Tyrannei Altäre, Und zitternd beugte ſich der Menſch vor düſtern Hirn— geſpinnſten, Daraus die eignen Züge ihm verzerrt entgegen grinsten. Von lohem Scheiterhaufen bald aufſtieg der Rauch mit Qualmen,
— 45 —
Und um den Holzitoß fang das Volk zu Gottes Ehre Palmen. —
O Geiſt des Abgrunds, dunkle Macht, die frevelhaften Hohnes
Den Namen Ehrifti dur mißbraucht, des lichten Himmel3- johnes,
Tür jedes Opfer, das der Wuth des Heidenvolf3 gefunfen,
Haft Taufende du hingewürgt, von milder Blutgier
trunfen! Drum dent ich heut nicht deren mehr, um deren Todtenbeine In Katakombennacht das Volk ſich drängt bei Fackel— ſcheine,
Ich rufe jene Märtyrer, auf deren bleichen Knochen
Du ruchlos dir den Thron gebaut; noch ſind ſie un— gerochen.
Die Albigenſer, deren Blut, von frommen Kannibalen
Vergoſſen, noch um Rache ſchreit in den Provencer Thalen,
Und ſie, die Spanien ſterben ließ, um bei den Glaubensfeſten
Mit Leibern, wie mit dürrem Holz, die Flammengluth zu mäſten.
Ich rufe Galilei, der zuerſt mit Geiſtertritten
Bis zu des fernſten Himmelsraums Sternnebeln hin— geſchritten,
Und Bruno, Campanella, die mit leuchtenden Gedanken
Dem Weltengeiſt auf ſeinem Zug geſprengt die Erden— ſchranken.
Erwählt im Zorne hat fie Gott zu feiner Acht Voll— jtredern;
So weit die Erde du erfüllt mit blut’gen Todtenädern,
Aus Folterfammer, Kerkernacht, von Nichtfeld und Schaffotte
Aufſteigen ſie zum Kampf mit dir und deiner finſtern Rotte
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Und ziehn heran, ein glorreich Heer, mit Schwertern | und mit Yanzen, Auf deiner legten Zwingburg Schutt ihr Banner auf-
zupflangen.
Gruß an das Morgenland.
Brich an! Erſchließ vor mir das Strahlenthor Zu deinem Wunderreiche, hehrer Morgen!
In Dunkel liegt das Ufer noch) verborgen, Kur dämmernd jteigt ein Feljenhaupt empor Und wirft das erſte bleiche Sonnengold
Aufs Meer, das wogend mir zu Füßen rollt.
Und klar und flarer, Firnen neben Firnen, Erheben Ajiens Berge filberweiß
Wie Bormeltriefen ihre Gletſcherſtirnen, Und jprudelnd ftürzen aus dem em’gen Eis Kryſtallne Bäche, hell im Meorgenjcheine, Dahin durch taufendjähr’ge Cedernhaine.
Sei mir gegrüßt! Mit Freudenthränen fliege Ich dir, jo wie das Kind der Mutter, zu,
D Morgenland, der Menjchen große Wiege Und ihrer Jugend heitrer Spielplag du,
Wo auf den Fluren, friſch mit Thau beiprengt, Die Götter fih in ihre Reihn gemengt.
Im Geifte, o wie oft, zu dir entrüdt,
Hab’ ich bei Nacht geruht an der Eifterne Und zu dem erftgebornen Heer der Sterne Wie Jemen: Wanderhirt emporgeblidt, Indeß mein Herz, das in Gebet verjenkte, Sich in der Urmelt hehrem Glauben tränfte.
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— M —
Auf Alburs' Höhn, eh fih nah Weit und Süd Die Zweige von dem einen Völkerſtamme Geſchieden, trat ih Morgenroth-umglüht
Mit unfern Vätern um die Opferflanme
Und grüßte, vor den Altar hingefniet,
Die Sonne mit der Veden heil’gem Lied.
Ich wanderte in langverjunfnen Reichen
Mit Völkern, deren Name jelbit veriholl,
Und ftritt ihn mit, den Kampf, bei dem von Yeichen Und Blut Fahrhundert-lang der Oxus ſchwoll, Wenn Frans Sonnenhelden mit den düſtern Turaniern fämpften, jenen Weltverwüftern.
Inmitten deiner Trümmer, mächt'ge Glieder Zerbrochner Marmorbilder um mich her, Weckt' ih die Sphinre, deren Augenlider Vom Schlafe von dreitaufend Jahren Schwer, Und ftammelnd thaten mit granitnem Mund Sie mir der grauen Vorzeit Wunder fund.
Land, göttliches! nun dich mein Fuß betritt, Schallt es um mich gleich Riefenharfenklängen, Und alle deine Ströme rauchen mit
Zu des Valmiki ewigen Gefängen
Und des Firdufi, und wie Urmeltpjalmen Hinbraust e3 durch die Wipfel deiner Palmen.
Weithin erblid’ ich deine Bergeszüge,
ALS ob ein ungeheurer Säulengang,
Ins Gränzenloſe führend, vor mir liege, Als wink' es mir von ferne, ihn entlang Bis an den dämmernden Beginn der Zeiten, Den Morgen der Jahrhunderte zu jchreiten.
In deine Hallen, heil’ger Drient, Nimm mich denn auf! der großen Sonne näher,
— AS —
Die ewig wolfenlos dort oben brennt, Laß mich wie deine MWeifen, deine Seher Durch deiner Götterbilder lange Reihen Eingehen zu der legten deiner Weihen.
Die feßfe Hunde.
Wenn du mir nahn jollft, du, der Alle fchredt
Und mit dem Schleier dunkler Trauer
Bor ihrem Blick die Welt bevdedt,
Bei Blätterfall nicht in des Herbites Schauer Und nicht bei Nacht ein graufiges Skelett, Tritt, mic) zu laden, an mein Bett!
Zur Maienzeit, wenn vor dem fchönen Tage Am Himmel leuchtend fteigt das Morgenroth, Ber Rofenduft und Nachtigallenjchlage Erwarten will ich dich, o Tod!
Hab’ ich nicht oftmal3 dir vertraut, Freundlicher Gott, ins Angeficht gejchaut ? Der Stätten jede auf dem Yebenspfade Sei heilig mir, wo ich dich traf. Allnächtlih, wenn dein Bruder Schlaf Bis an der Nacht entlegenftes Geftade Dich wiegte auf den Murmelmogen,
Haft du mic ſanft an deine Bruft gezogen, Und regungslos, im Vorgefühl
Des Schlummers auf den legten Pfühl, Ruht' ich von allen Sorgen, aller Mühe, Dis neu geftärkt ich in der Frühe Emporftieg an des Lebens Sonnenjtrand.
Wie troftreich dann, wenn mir im Drange Des Tagwerks fieberte die Wange, Mir zeigteft dur dein Priedensland,
ir Mc
— MI
Gefrönt von unzählbaren blaffen Sternen, Und vor mir bis in grängenloje Fernen Sah ich mit ihren Friedhoffrängen
Die meißen Yeichenfteine glänzen.
Doch o! noch mächt'ger fühlt’ ich, ala im Wehe, Im Raufche des Entzüdens deine Nähe. Nicht Jener mehr, der ung im dunfeln Nichts Zu ew’ger weicher Ruhe bettet, Ein Cherub warft du, der zu Weichen neuen Lichts, Die Gräber fprengend, uns hinüber rettet. Wenn jeines Geiftes ſchöpferiſche Gluth Der ſchöne Gott in meine Seele hauchte Und eine Welt, die ftumm in ihr geruht, Klangvoll empor aus ihrer Tiefe tauchte, Dft plötlich bebten meiner Yeier Saiten, Dein Ddem, ahnt’ ich wohl, war das! Und wenn im Arm ich der Geliebten lag Und unjrer Pulfe wonneſchwerer Schlag Des Glüdes ſchwindende Minuten maß, Did jah ih uns vorübergleiten, Und durch die Seele 309 mir leifen Bebens Die Ahnung, alles Herrlichite des Yebens Erblüh’ in deinem Hauche nur. Giltſt dem Profanen du als Weltverwüſter, Ich weiß: wohl einen Augenblid legt düſter Dein Schatten ſich auf die Natur Und Alles hin was Athem holt, Doch ſchwindet in den nie erichöpften Strom Des Lebens wieder bald wie ein Atom. Selbft das Bergehen ift ein Werden; Kaum daß ein Brand zu Ajche hier verfohlt, Dort flammt er neu empor auf taufend Herden, Und, wie in des Novemberfturmes Wüthen Die Blätter niederichauern und die Blüthen,
— 480° —
Um neu im Frühling zu erftehn, Dermelfen in der Winterftürme Hauch, Die dur die Himmelsräume wehn,
Die Sonnen, Erden, Monde aud,
Doc blühen auf im neuen Mai.
Drum, dürfen wir das Schidjal jchelten, Daß wir den großen Gang der Welten Durchs Grab zu jungem Leben gehn? Nein! fällt auch) mir das Loos, es fei! Und, wenn die ernfte Stunde naht,
Im Feſtſchmuck will ich dich, o Tod, empfangen, Und alles Herrliche fol um mich prangen, Was leuchtend mich umftrahlt auf Erden hat. Der Jugend hohe Träume und Gefichte, Der erften Liebe göttliches Gefühl,
So friſch wie in des Lebens Morgenlichte, Umblühn mir follen fie den Sterbepfühl, Indeſſen von der Zufunft Thore
Vor mir zurüd der Schleier wallt
Und janft von fernem Geifterchore
Zu meinem Ohr das Rufen fallt.
Mir jchweift der Blik in Dämmermeiten Bu unbefannten Himmelsräumen,
Und bei dem Schein verhüllter Sonnen Seh’ ich fi) blaffe Meere breiten,
Die, in der Ferne Dunft zerronnen,
Um neue Weltgejtade ſchäumen;
Hinüber denn! die Küfte winkt!
In bangen, zitternden Minuten
Hoch gehen zwischen hier und dort die Fluthen, - Doc, ob fie über mir zufammenfchlagen, Ich zage nicht; um ewige Gedanken
Felt joll ſich meine Seele ranfen,
Damit fie mich ang andre Ufer tragen, Wenn diefes hinter mir verfinkt.
Nachwort zum vierten Bande.
Die Plejaden.
Bei dem Metrum, in welchem dieſes Gedicht ge- jhrieben ift und welches gewöhnlich als das der jer- bifchen Heldenlieder bezeichnet wird, glauben manche Dichter eine Paufe am Ende eines jeden Verſes ein- treten lafjen zu müffen, obgleich ſchon Platen fi von diefer Regel, als einer zur Monotonie führenden, frei gemacht hat. In feinen Abbaffiven fteht jehr häufig das Adjektiv am Schluffe des einen Verſes und das dazu gehörende Hauptwort am Anfange des folgenden, und auch noch auf andere Weife findet oft ein Hinüber— greifen des Sinnes von einer Zeile in die andere ftatt. Nach meiner Meinung gewinnt dag Metrum hierdurd) außerordentlich, ja erhält erft jo Leben und Bewegung, und ich habe daher hiervon Gewinn zu ziehen geſucht. Eine weitere jehr glücliche Veränderung hat der ge- nannte große Meifter dadurd in dies Versmaß gebracht, daß er daftylifche Füße zwiſchen die trochäifchen, gleich- viel an welcher Stelle, einmifcht. Auch hierin bin ich
Schal, Geſ. Werke. IV. 31
— AB
ihm gefolgt; ich muß aber einräumen, daß meine Fünf- füßler in diefer Hinficht Hinter den feinen zurückſtehen. Da Platen die Gefege der antifen Metrik auf das moderne Maß anmandte, geben fich jeine Daftylen auch ſtets ſofort als jolche fund. Bei mir jedoch, der ic) mic mit minderer Strenge an die Quantität gebunden habe, wird dafjelbe Wort ein Mal _ vv, ein anderes Mal dagegen _ — fcandirt. Man fann daher bis- weilen vielleicht zweifeln, ob man einen Daftylus oder einen Creticus vor ſich habe; allein ich halte dieſen Uebeljtand für feinen großen und glaube, daß ein einiger- maßen geübter Vorleſer ſehr bald wiſſen wird, wie das Wort zu fcandiren ei.
Ich habe irgendwo in Bezug auf die Plejaden die Bemerkung gehört, ein Kenner des Alterthums müſſe daran Anftoß nehmen, daß hier eine romantifche Liebe in das antife Öriechenland hineingetragen werde. Wenn das Wort „romantische Yiebe* einen Sinn haben foll, jo muß darunter die Öalanterie und ritterlihe Minne des Mittelalters verftanden werden. Hiervon num tft in der Liebe des Kalliag und der Arete ficher feine Spur. Daß aber Liebe, wahre innige Herzensliebe den Griechen fremd geweſen fei, wird Seiner zugeben, der mit dem Altertum vertraut ift. Wenn Hämon in der Antigone des Sophofles fih aus Verzweiflung über den Tod der Öeliebten umbringt, muß er doch wohl wahre Liebe empfunden haben. Wären nicht die meiften Werke der alten Tragiker untergegangen, jo würden wir im ihmen noch manche andere ähnliche Fälle finden. Einen nur fpärlichen Erſatz dafür bieten die Yiebes- geichichten, die Parthenius aus griechiichen Yogographen und Dichtern gezogen hat; aber fie zeigen, welche große Rolle die Yiebe bei den alten Hellenen ſpielte. Wenn übrigens wirklich die Yiebe bei den Griechen eine von wahrer Herzensneigung entblößte, eine nur finnliche ge—
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wejen wäre, was dreimal geläugnet werden muß, fo würde der Dichter nicht nur berechtigt, ſondern auch verpflichtet jein, fie bei den Geftalten, die er vorführt, durch die höheren Gefühle einer jpäteren Zeit zu adeln.
Noch über ein anderes mir zu Ohren gefommenes Urtheil will ich mich furz ausſprechen. Man hat ge- jagt, die Figuren meines Gedichtes ſeien Fdealgeftalten Winckelmanns, nicht wirkliche Griechen, und man fünne deshalb nicht an fie glauben. Wer weiß nicht, daß jelbft die jhönften Epochen der Gejhichte, mit dem falten Blicke des Hiftorifers betrachtet, viel von ihrem zaube- riſchen Glanze einbüßen! Aber der Dichter, der dieſen idealen Glanz zerftörte, würde einen Frevel begehen, wie ihn die Maler der BVerfallzeit, die Caravaggio und Spagnoletto verübten, als fie in die Darftellungen ver alt= und neutejtamentlichen Vorgänge, welche die großen Künftler mehr mit dem Lichte der Schönheit umfleidet, al3 mit ſcharf harakteriftifchen Zügen ausgeftattet hatten, Räuber» und Schinderphyfiognomien einführten. Die Geſchichte hat genug Perioden, die in realiftiicher Weife gefchildert werden fünnen; die griehifche Welt verjchone man mit folchen Experimenten. Der wahre Dichter wird ihr den „goldenen Schein der Morgendämmerung “ bewahren, in dem fie von früh an in unjeren Seelen (ebt, und auch) ihren Geftalten nicht die harten Umriſſe der gemeinen Wirklichkeit leihen. Der Profaifer, der ſich beſſer von aller Poefie fern halten jollte, für deſſen maftige Phantafie nur Figuren, wie fie Jedermann mit leichter Mühe nach) dem Leben copiren kann, Nealität haben, mag nicht an ſolche Geſtalten glauben, der poetifch Gejtimmte wird es gewiß.
— 44 —
Weihgefänge.
Dem Gedichte „der Tod des Apoftel3” füge ich Folgendes als Erläuterung bet.
Mehrere alte Berichte, namentlich der Kanon des Muratori, führen eine Reife nad) Weiten, die Baulus von Rom aus unternommen, als deſſen legten Lebens— aft an, und es ift durchaus nicht unwahrſcheinlich, dag er auf den Balearifchen Inſeln oder in Spanien fein Ende gefunden. Da meinem Gedichte der Vorwurf ge- macht worden ift, es enthalte eine Entjtellung des Wirfens und der Yehre dieſes Apoftels, fo führe ich bier die Worte an, welche der große Kenner des hrift- lichen Alterthums, Paul de Yagarde, in diefer Beziehung geſprochen hat:
„Nur daraus, daß die von Jeſu ſelbſt erwählten Fünger, Dank zu gleicher Zeit dem niedrigen, ver— fommenen Zuftande des Volkes, aus dem fie hervor- gegangen, und der Erhabenheit ihres Meifters, nicht im Stande waren, anders al3 nur höchft fümmerlich, ein- jeitig, carifivend das große Bild aufzufaffen, das vor ihnen geftanden hatte, nur daraus ift es zu erklären, daß ein völlig Unberufener Einfluß auf die Kirche er- hielt. Paulus — denn er ift diefer Unberufene — der vihtige Nahfomme Abrahams, und auch nach jeinem Uebertritte Pharifäer vom Scheitel bis zur Sohle, hat acht bis zehn Jahre nach Jeſu Tode, nachdem er die Kazarener eine Zeitlang nach Kräften verfolgt hatte, durch eine PVifion auf der Neife nah Damasfus die Ueberzeugung gewonnen, daß er in Jeſu Lehre die Wahrheit verfolge. Man kann das piychologijch denk— bar finden, und ich bezweifle nicht im Mindeſten, daß ein fo fanatifcher Kopf ın Folge einer Hallucination in das Gegentheil von dem umſchlug, was er bislang ge-
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wejen war. Unerhört aber ift, daß hiftorifch gebilvete Männer auf diefen Paulus irgend welches Gewicht legen. Im erjten Kapitel der Apoftelgefchichte wird als jelbft- verftändlich angejehen, daß, wer Apoftel werden wolle, mit Jeſu gelebt habe, um jo Zeuge von Jeſu fein zu fünnen. Paulus hat Jefum nie gefehen, gefchweige daß er mit ihm umgegangen wäre: feine Beziehungen zu Jeſus find durch feinen Haß gegen Jeſu Jünger und danach durch eine Vifion, gewiß die fchlechteften Quellen hiftorifcher Erfenntniß, die e8 giebt, vermittelt worden ..... Alles, was Paulus von Jeſu und dem Evangelium jagt, hat gar feine Gewähr der Zuerläffigfeit. Denke man fich, irgend Jemand, der Gottfrieds von Bouillon Leben und Wirken ſchildern und Gottfried politische Thätigfeit fortfegen wollte, wäre ähnlich verfahren und hätte mit derfelben Offenheit eingeftanden, daß er Gott- fried nie gefannt habe, allen Freunden Gottfrieds ge- fliffentlich aus dem Wege gegangen fei, und was er von Gottfried wiſſe, einer in möglichiter Unabhängigkeit von Gottfrieds Genoſſen ausgejponnenen himmlijchen Er- Icheinung verdanfe, fo wirde von einem folchen Menjchen in irgend einer hiftorifchen Schrift gar nicht die Rede jein: er wäre unrettbar der Piychologie verfallen... Paulus hat uns das alte Teftament in die Kirche ge- bracht, an deſſen Einfluffe das Evangelium, joweit dies möglich, zu Grunde gegangen ift: Paulus hat ung mit der pharifäifchen Exegeſe beglüdt, die Alles aus Allem bemeift, ven Inhalt, der im Terte gefunden werden fol, fertig in der Taſche mitbringt und dann ſich vühmt, nur dem Worte zu folgen: Paulus hat uns die jüdische Dpfertheorie und Alles, was daran hängt, in das Haus getragen: die ganze jüdische Anficht von der Gefchichte ft und von ihm aufgebunden. Er hat das gethan unter den: lebhaften Widerfpruche der Urgemeinde, die, jo jitdifch fie war, weniger jüdifch dachte als Paulus,
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die mwenigftens nicht raffinirten Israelitismus für ein von Gott gefandtes Evangelium hielt... Es ift Theo- logenlogik zu fagen, obwohl die eigentliche Gemeinde des Evangeliums den Paulus als Verderber hapte, ift dennoch Paulus der wahre Vertreter des Evangeliums. Wenn irgend welche Kirche dieſe Art Yogif weiter treiben will, mag fie es thun: Jeder, der von Wilfenjchaft das Mindefte weiß, verbittet ſich fie und alle die, welche ihr huldigen.“ (Deutſche Schriften von Paul de Yagarde, Göttingen 1878, Seite 29 und folgende.)
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