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GESCHICHTE

DER EISENBAHNEN

DER ÖSTERR.- UNGAR. MONARCHIE.

III. BAND.

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GESCHICHTE

DER EISENBAHNEN

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OESTERREICHISCH - UNO ARISCHEN

MONARCHIE.

III. BAND.

WIEN TESCHEN LEIPZIG. KARL PROCHASKA

K, U. K. HOFBUCHHANDLUNQ fl. K. U. K. HOFBUCHDRUCKEREI. MDCCCXCVIII.

ZUM

FÜNFZIGJÄHRIGEN REGIERUNGS-JUBILÄUM

SEINER KAISERLICHEN UND KÖNIGLICH-

APOSTOLISCHEN MAJESTÄT

FRANZ JOSEPH I.

UNTER DEM PROTECTORATE UNTER BESONDERER FÖRDERUNO

SR. EXC. DES K. U. K. OEHEIMEN RATHES HERRN SR. EXQ. DES K. U. K. OEHEIMEN RATHES HERRN

DR. LEON RITTER v. BILIlQSKI FML EMIL RITTER v. OUTTENBERO

MINISTER A. D. ETC ETC MINISTER A. D. ETC ETC

UNTER MITWIRKUNO

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DES K. U. K. REICHSKRIEOSMINISTERIUMS

UND

HERVORRAGENDER FACHMÄNNER

HERAUSGEGEBEN VOM

OESTERREICHISCHEN EISENBAHNBEAMTEN-VEREIN.

UNTER MITWIRKUNO DER FACH REFERENTEN :

WILHELM AST, K. K. REGIERUNOSRATH, HANS KAROL, K. K. MINISTERIALRATH A. D., DR. FRANZ LIHARZIK, K. K. SECTIONSCHEF

UND DES REDACTIONS-COMITES :

FRANZ BAUER, ALFRED BIRK, THEODOR BOCK, KARL OÖLSDORF, FRANZ MÄHLINO.

JOSEF schlOsselberoer REDIOIRT

VON

HERMANN STRACH.

ALLE RECHTE, DAS GESAMMTE WERK BETREFFEND, BEHALTEN SICH DAS REDACTIONS-COMITE UND DIE VERLAGSHANDLUNG VOR.

Mechanik des Zugsverkehrs

Von

Gustav Gerstel,

k. k. General-Inspector der österreichigchen Eigenbahnen.

NACHLÄSSIG in die Polster gelehnt, verbringt der Reisende seine Zeit im Eisenbahncoupd, lässt bei sanft schaukelnder Bewegung lesend oder träu- mend die Wandelbilder der durchfahrenen Gegenden an sich vorüberziehen, wandelt in den Gängen auf und nieder, begabt sich vor Wind und Wetter geschützt dem Zuge entlang in den Speisesaal, in das Rauch- oder Conversationsz immer und lässt sich im Schlafwagen betten, um wie im eigenen Heim Nachts der Ruhe und Morgens der Toilette zu pflegen.

Wehe der Bahn, wenn er solcherart nicht sein vielleicht seitwärts der Haupt- route gelegenes Ziel ohne weitere Be- mühung zu erreichen vermag, und etwa zum Umsteigen oder Erwarten eines bal- digst eintreffenden Anschlusszuges ge- nöthigt ist. Die geringste Stockung, die kleinste Verspätung entlockt ihm Worte des Unmuths wie des Tadels, die sich steigern, wenn gute Zugsbesetzung nicht die ungeschmälerte Benützung eines Wa- genraumes gestattet.

Eisenbahnzug auf Eisenbahnzug führt Tausende von Tonnen Getreide aus den gesegneten Gefilden Ungarns und Russ- lands nach Westen, um einen geringen, durch schlechtere Ernten in Nordamerika oder Ostindien hervorgerufenen Preisauf- schlag sich nutzbar zu machen. In kürze- ster Frist ist die Bestelhmg zu effectuiren, doch unmöglich erscheint es, die erfor- derliche gewaltige Wagenzahl diesem einen Zwecke uneingeschränkt dienstbar

zu machen. Handelskammern wie Private erheben Beschwerde über Beschwerde wegen des Hemmnisses, die günstige Conjunctur bis in seine letzten Ausläufer voll und ganz ausnützen zu können.

Schwere Sorge belastet die GemUther, die Ehre des Vaterlandes heischt es, die vereinigten wohl geschulten Kräfte des- selben an die Grenzen des Reiches zu werfen, um fremder Herrschbegier mit dem Bewusstsein des Rechtes, im Ge- fühle aufflammender Begeisterung für Kaiser und Vaterland die geeinte Macht des Reiches entgegenzusetzen. Bis zur äussersten Erschöpfung für Menschen und Materiale muss das Eisenbahnwesen der gesammten Monarchie herangezogen und ausgenützt werden, um im heiligen Dienste des Vaterlandes die grossen Kriegsheere der Gegenwart zeitgerecht in den Auf- marschraum zu bringen.

Niemand aber gibt sich Rechenschaft, welch' Unsumme von technischem Wissen und Erfindungsgeist, eiserner Thatkraft, Hingebung und fieberhafter Thätigkeit bei sorgfältigster Erwägung und scharf- sinnigster Combinationsgabe dazu ge- hörte, den Betrieb der Bahnen in die gegenwärtigen geregelten Geleise zu lei- ten, die heutige Leistungsfähigkeit und Vielseitigkeit derselben zu erreichen. Und niemand mehr gedenkt, dass vor nun kaum 60 Jahren noch keine Locomotive in O esterreich- Ungarn lief; dass Reisende zu jener so nahe rückliegenden Zeit vor- erst ihr Haus bestellten, bevor sie eine

Gustav Gerstel.

Reise von Wien nach Linz [vier Eisen- bahnstunden] unternahmen ; dass das Ge- treide in Ungarn wegen Uebermass des Segens auf den Feldern verfaulen konnte, während in den Nachbarländern Hungers- noth herrschte, weil die Zufuhr mit den unzulänglichen Mitteln des Pferdege- spanns zu fast unerschwinglichen Preisen führte, auf grundlosen Wegen aber zur Unmöglichkeit wurde; dass Monate er- forderlich waren, um ein gut ausge- rüstetes, wenn auch kleines Heer an die Grenze des Reiches zu bringen.

Zauberhaft muss diese Wandlung binnen kurzen sechs Jahrzehnten genannt werden und einen vielfach längeren Zeit- raum glauben wir auch dann verflossen, wenn wir lesen, wie schüchtern und zag- haft das Eisenbahnwesen in seinen ersten Anfängen betrachtet und beurtheilt wurde, wie primitiv die ersten Einrichtungen, wie genügsam und dankbar die Reisenden waren, und wenn wir dies dem heutigen Stande der Verkehrstechnik, der noch lange keinen Abschluss bedeutet, gegen- überstellen. '

So reichhaltig aber Bibliotheken und Archive Hilfsmittel an* die Hand geben, um die stufenweise Entwicklung verschie- denster Disciplinen des Eisenbahnwesens erkennen und verfolgen zu lassen, so sehr versagen diese Quellen, sobald das leben- dige Getriebe des ausübenden Eisenbahn- dienstes erfasst werden soll.

Die Mechanik des Zugsverkehres, dies sinnreiche und sinnverwirrende Uhrwerk, das es ermöglicht, die enormen Massen der Eisenbahnzüge nach bestimmten Ge- setzen und Regeln zu bilden, und ihrer Benützung wie ihrem Ziele auf die be- quemste, rascheste, sicherste und öco- nomischeste Weise zuzuführen, erscheint fast wie das strenge gehütete Geheimnis der alten Freimaurer, das nur diesen selbst, doch auch da nur nach Massgabe der erreichten Grade sich offenbarte.

Als die ersten Bahnen entstanden und das wunderbare Schauspiel durch Dampf- kraft bewegter Eisenbahnzüge boten, war der Abstand gegen die alte Be- förderungsweise mit pferdebespannter Postkutsche ein solch fast unfassbarer und eigenartiger, dass die öffentliche Meinung im höchsten Grade erregt war,

und dem geringsten Vorkommnisse und Detail des Betriebes die grösste Auf- merksamkeit entgegenbrachte. Anderseits aber hatten die Bahnen lebhaftes Interesse, dem Publicum durch offene Darlegung aller getroffenen Einrichtungen, Vor- kehrungen und Sicherheitsmassnahmen Vertrauen zur Benützung der schier un- regierbar dünkenden Massen einzuflössen.

So entstanden Veröffentlichungen der mannigfachsten Art, vom Abdrucke aller in Gebrauch gesetzter Vorschriften bis zu Beschreibungen und Notizen in Tages- blättem, die den ursprünglichen Stand des Eisenbahnbetriebes auch heute noch in fast erschöpfender Weise vor unserem geistigen Auge erscheinen lassen.

Nach Massgabe aber, als die Oeffent- lichkeit an das neue Verkehrsmittel sich gewöhnte, und der fahrende Zug als etwas Selbstverständliches und Herge- brachtes angesehen wurde, erlahmte das Interesse und damit die Anregung zu weiteren Publicationen, während nun die Fachwissenschaft an deren Stelle trat, und sich mit Vorschlägen, Studien, Er- fahrungen u. s. w. auf dem Gebiete der verschiedenen Eisenbahndisciplinen, wie vornehmlich der Eisenbahnanlage, des Baues und der Ausrüstung der Bahn be- schäftigte.

Der Betrieb selbst war keine Wissen- schaft, die gelehrt werden konnte, sondern gestaltete sich allmählich und ausschliess- lich aus den Bedürfnissen des immer engmaschigeren Bahnnetzes und der fort- schreitenden Verdichtung des Verkehres auf praktischem Wege. Fast unscheinbar, weil aus täglich neu hinzukommenden Bedürfnissen emporwachsend, ging dieser Fortschritt vor sich, oft nur durch die Träger der einzelnen Neuerungen oder deren Schüler auf weitere Bahnlinien sich übertragend, und so ein zumeist ungeschrie- benes Gesetzbuch bildend.

Der erleichterte Verkehr, die schnelle Vermittlung durch Bahn und Telegraph, das Zusammentreten der Bahnverwaltun- gen zu Vereinen mit regelmässigen Ver- sammlungen vermittelte in weiterer Zeit den Austausch gewonnener Erfahrungen, und Hessen selbe, wenn auch bezüglich des Betriebes nur zum geringsten Theile, in Vorschriften, grundlegenden Bestim-

Mechanik des Zugsverkehn.

Gustav Gerstel.

mungen und Vereinbarungen zum Aus- drucke kommen.

Dabei. aber wuchs der Umfang dessen, was den Betrieb in seiner ganzen Aus- dehnung bildet, in so ungemessener Weise, dass die Arbeitstheilung immer mehr und mehr eintrat, und Specialisten für jeden Theil des Dienstbetriebes sich herausbilden mussten, deren Zusammen- wirken durch die stufenweise Ausge- staltung des Ganzen allein gewährleistet war.

Eben aber dieses stete, in seinen ein- zelnen Stufen sich kaum markirende Fortschreiten der Betriebsentwicklung und der Mangel jedes Ruhepunktes brachte es mit sich, dass fast niemand sich fand, der die einzelnen Phasen der Entwicklung festgelegt oder den Zusammenhang des ganzen verwickelten Eisenbahnbetriebes zu schildern unternommen hätte.

Selbst die Bahnen als solche ahnten nicht das Interesse, das einst der Schil- derung ihres allmählichen Werdens ent- gegengebracht werden könnte, und nur höchst spärlich oft nur im Privatbesitz finden sich Vorschriften, Instructionen, Beschreibungen aus den letzten Jahr- zehnten, die eine zusammenhängendere Schilderung der Entwicklung der Betriebs- durchführung ermöglichen würden.

So war das Materiale, das zur Ver- fassung des vorliegenden Gapitels benützt werden konnte, leider ein lückenhaftes, trotzdem Bibliotheken, Archive und Museen durchstöbert, und alles daraus halbwegs Benutzbare oder von alten Eisenbahn- betrieb sleuten Bewahrte emsig zu Rathe gezogen wiu"de. Gar manchmal konnte nur auf Grund mündlicher Ueberlieferung oder nach den Erinnerungen von Veteranen des Eisenbahndienstes der Zusammenhang weiter verfolgt und gefunden werden.

Gehen wir nun auf die ersten Anfänge des Eisenbahnwesens unserer Monarchie zurück, so können wir uns den Unter- schied von damals und jetzt nicht klarer vergegenwärtigen, als wenn wir uns das Bild der ersten Eisenbahnzeit vor Augen führen. Charakteristisch dafür ist schon die Anlage des ersten Bahnhofes in Oester- reich - Ungarn, des Kaiser Ferdinands- Nordbahnhofes in Wien [vergl. Abb. i6i, 164, 165 im Band I, pag. 158 bis 160],

zur Zeit der Bahn er Öffnung, dessen Plan [Abb. i] nach dem Bestände vom Jahre 1839 gegeben, während ihm der im gleichen Masstabe gezeichnete Plan nach dem Bestände vom Jahre 1896 gegenübergestellt ist.

Der Gresjunmtbahnhof bedeckte im Jahre 1839 eine Fläche von 2^2 Hectar mit 1900 tn Geleise und 7 Wechseln gegen heute 92 Hectar Fläche, 88.000 m Ge- leise und 416 Wechsel.

Und doch erschien der damalige Bahnhof im Vergleiche zu den sonst üblichen Bauten von so abnormer Grösse, dass Ingenieur Paul Stopsl in seiner vor- züglichen Abhandlung über den Bau der Nordbahn im Jahre 1839 wie folgt darüber schrieb :

»Seit dem Frühjahre des letztvergan- genen Jahres hat bekanntlich der Bau der Kaiser Ferdinands-Nordbahn begon- nen, die vorderhand zwar nur von Wien bis Brunn im Baue ist, jedoch später bis in das Innere von Galizien in einer Ausdehnung von 64 geographischen Meilen« [475 km] »verlängert und ausser- dem mit mehreren Seitenbahnen versehen werden wird. Ueberdies kann voraus- gesetzt werden, dass mit der Zeit auch noch andere Bahnen sich an dieselbe anreihen und die Verbindung mit Preussen und Russland herstellen werden. 4

»Eine solche Aussicht musste natür- lich die Unternehmer des Baues bestim- men, auf einen, sowohl für zahlreiche Reisende als häufige Waarentransporte eingerichteten Bahnhof in Wien Vorbe- dacht zu nehmen.«

»Die Anlage dieses Bahnhofes hat deshalb auch eine Ausdehnung, welche ihr Bedeutung geben und auf die Gross- artigkeit des Unternehmens schliessen lassen, das sich würdig an die gross- artigsten Eisenbahnunternehmungen Eng- lands und Nordamerikas anschliessen und jedenfalls hoch über alle jetzt be- gonnenen Eisenbahnbauten auf dem Con- tinente stellen wird, etc. etc.«

Der erste Probezug auf der Nordbahn und damit in Oesterreich-Ungam [vergl. Abb. 151 im Band I, pag. 149J ver- kehrte am 19., der zweite am 23. Novem- ber 1837 [in Ungarn verkehrte der erste von Dampflocomotiven bewegte Eisen-

Mechanik des Zugsverkehrs,

bahnzug am lo. November 1845 in der Theilstrecke Pest-Waitzen]. F. C. Weid- mann schrieb Über den vom 23. No- vember 1837 in der Wiener allgemeinen Theaterzeitting jenen, die damalige An- schauung Über die ersten schüchternen Versuche des Eisenbahnbetriebes [vergl. Abb, 2] so naiv begeistert zum Aus- drucke bringenden Artikel, welcher schon in einem früheren Abschnitte dieses Wer- kes [auf Seite 147 des I. Bandes] in seinen markantesten Stellen zur Wiedergabe gelangte.

Dreizehn Kilometer war die Probe- strecke von Floridsdorf nach Deutsch- Wagram lang, 8 Wagen mit zusammen

ohne Federn und mit hölzernen, unelasti- schen Puffern in seiner, durch die Grösse des geschichtlichen Augenblicks in höhe- ren Sphären weilenden Phantasie so treff- lich findend, »dass man sogar während der Fahrt bequem lesen kann», gewahrt er »die ausserordentliche Schnelligkeit nur an dem magischen Vorü hergleiten der an der Bahn stehenden Zuschauer, welche wie in einer Laterna magica er- scheinen und verschwinden«.

Wohl erklärt Weidmann selbst »das fuhrende Locomotive Austria« als eines der kleineren derNordbabn-Untemehmung, und es ward auch bei den heutigen Probefahrten nicht die grösste Macht der

nur 38 Tonnen Gewicht, 164 Personen fassend, wies der Zug auf, und ^^ km Geschwindigkeit wurden bei den mehr- fach wiederholten Fahrten auf der nahezu horizontalen Bahn erreicht.

Wie kurz war diese Strecke, wie leicht der Zug, wie langsam die Fahrt, und wie überschwänglich äussert sich Weidmann darüber, sicher aber nur als getreuer Interpret der allgemein herrschenden Stimmung; denn allzugewaltig war der Contrast gegen die bis dahin allein ge- kannte Postwagenfahrt auf steinigem, holperigem Wege.

Mit Sturm Windeseile flog der impo- sante Zug an ihm vorüber, ein herrliches, imposantes Schauspiel.«

Und wie er dann selbst an einer Fahrt theilnimmt, die kutschenartigen Wagen

Fähigkeit desselben in Anwendung ge- bracht<. Und dennoch findet er die voll- führte Leistung staunenswerth, da es sich um 684 Centner [38 Tonnen] handelte, welche >das Locomotive- doppelt so rasch weiterbeförderte, als ein Pferd in raschem Laufe in gleichem Zeitmasse zurückzu- legen vermag.

Und wie wichtig beschreibt er die Manipulation am Ende der Fahrt in Wagram, »wo schon eine Drehscheibe an- gebracht ist, auf welcher das Locomotive gewendet, und nun zur Rückfahrt an der entgegengesetzten Seite der Colonne be- festigt ward, so dass jener Wagen, welcher bei der Hinfahrt die Colonne schloss, nun der erste nach dem Locomotive ward*.

Zu sehr sind wir durch die sich drängenden technischen Erfindungen der

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Gustav Gerstel.

letzten Jahrzehnte abgestumpft, um uns voll in die Begeisterung, in dieses kind- liche Staunen hineindenken zu können, das damals alle Herzen erregte, alle Pulse höher schlagen liess.

Tastend und schrittweise ging man zu jener Zeit mit den so mächtigen, nun- mehr in den Dienst der Menschheit ge- knechteten neuen Gewalten vor.

Erst im April 1838 begannen die regelmässigen Fahrten zur Schulung des Personales und zur Gewinnung von Er- fahrungen, nachdem ab 6. Januar des- selben Jahres die Strecke Wien- Wagram wohl versuchsweise dem Personenverkehre übergeben, des strengen Winters wegen aber alsbald wieder gesperrt worden war.

Während dieser letzterwähnten Ver- suchszeit wurde an Wochentagen nur zweimal, an Sonn- und Feiertagen jedoch dreimal gefahren. Man bat in den be- züglichen Anzeigen das Publicum, sich eine Viertelstunde vor Abgang der »Co- lonne« am Bahnhofe einzufinden. Die zu den Fahrten ausgegebenen Billets waren mit den Nummern des Wagens und Sitz- platzes versehen, damit »jedermann sich leicht zurecht finden könne«. Den ersten abgelassenen Train begleitete stürmischer Jubel von Seite der zahlreich erschienenen Zuseher. »Der zweite Zug [vergl. Abb. 154 im Band I, pag. 151] hatte diu"ch eine Hinausschiebung über das Geleise die Entgleisung des letzten Wagens zur Folge, doch ohne weiteren Unfall.«

Am 7. Juli 1839 wurde die Linie von Wien bis Brunn, wovon nur die Strecke Wien-Gänsemdorf zweigeleisig hergestellt war, jedoch anfangs nur eingeleisig be- trieben wurde, eröffnet [vergl. Abb. 157 und 159 im Band I, pag. 155 und 157]. Darüber heisst es im Generalversamm- lungs - Berichte : »Der glänzende Erfolg der Eröffnungsfahrt von Wien bis Brunn ; die überraschend kurze Zeit von 4 Stun- den, während welcher die 4 dichtbesetzten Wagenzüge, 1200 Personen in sich fassend, diese über 19 Meilen« [144 km] »weite Reise den Aufenthalt in den Stationen mit eingerechnet zurückleg- ten, — ist gewiss allen Zeugen unvergesslich. «

»Leider aber wurde dieser festliche Tag bei der Rückfahrt nach Wien durch

die Ausserachtlassung der ertheilten In- structionen von Seite eines sonst sehr verlässlichen englischen Maschinführers, wodurch ein Zusammenstoss zweier hinter- einander gefahrener Trains am Stations-' platze zu Branowitz [vergl. Abb. 158 im Band I, pag. 156] erfolgte, getrübt, so zwar, dass die grossartigen Resultate der früheren Bemühungen in einem Momente in den Augen der Behörden, des Publi- cums und der Actionäre sich in den Schatten zu stellen schienen, und sogar eine unabsehbare Folge von Hindernissen, Beirrungen, Missdeutungen und rück- sichtslosen Bemerkungen mit sich brachten. Als sodann ein zweiter Unfall am 30. Oc- tober 1839 bei Leopoldau stattfand, der während der Nacht und eines plötzlich eingetretenen Schneegestöbers, wesentlich aus Ursache einer Nichtbeachtung der Betriebs-Instruction sich ereignete, wurde die ganze der Direction innewohnende moralische Kraft in Anspruch genommen, um sich die bei einem so schwierigen Geschäfte unerlässliche Ruhe und Beharr- lichkeit zu bewahren.«

»Man schien ganz vergessen zu haben, dass die Fahrten vom Anfange des Be- triebes bis zu dieser Zeit in Ordnung vor sich gegangen und bis dahin über 300.000 Personen ohne den geringsten Unfall befördert worden sind.«

»Die lieblosesten Urtheile, die über- triebensten und ins Unendliche ver- grösserten Unglücksberichte, welche sogar bis zu den Stufen des Allerhöchsten Thrones gelangten, veranlassten strenge Befehle und Untersuchungen, worüber die Direction in einem Allerhöchsten Ortes allerunterthänigst unterbreiteten Recurse sich vollkommen gerechtfertigt zu haben glaubt, c

»Die Direction hat inzwischen nicht einen Augenblick unterlassen, systematisch zur Vervollständigung des Angefangenen fortzuschreiten, die Vorschriften für den Betrieb nach den gemachten Erfahrungen und die Wachsamkeit des eingeschüch- terten Betriebspersonales zu verschärfen.«

»Der Betrieb hat jedoch ausser jenen Vorfällen und wenigen unbedeutenden

Mechanik des Zu^sverkehrs.

Verspätungen nicht die mindeste Störung erlitten, indem täglich die Fahrten zwischen Wien und Brunn für welche mit den Aufenthalten auf 9 Anhaltestationen ein Zeitaufwand von 572 Stunden*) von uns vorgeschrieben ist in 5Y4 bis 5V4 Stunden zurückgelegt worden sind.«

Die vorstehend erwähnten Vorschriften waren auf Basis der Betriebs-Vorschriften bereits bestehender Bahnen vornehm- lich der Liverpool - Manchester Eisen- bahn — unter Anpassung an die con- creten Verhältnisse entworfen, wobei die ebene, gerade Trace der Strecke und der schwache Verkehr wesentlich sicherheits- fördernd mitwirkten.

Doch auch die Regierung hatte damals schon die Nothwendigkeit erkannt, den Eisenbahnen gegenüber von ihrem Hoheits- rechte Gebrauch zu machen, und so möge hier der ältesten, in Oesterreich erlassenen, der Betriebs - Durchführung geltenden Vorschrift Raum gegeben werden, welche allem Anscheine nach dem schweren Unfälle bei Branowitz seine Entstehung verdankte.

Die Regierungs- Verordnung vom 15. August 1839, an die Polizei-Ober-Direction, das Kreisamt V. U. M. B. [Viertel unter dem Mannharts-Berg] und die Direction der priv. Kaiser Ferdinands - Nordbahn gerichtet, lautet:

»Um bis zum Erscheinen eines syste- matisch geordneten Eisenbahn - Polizei- Reglements jene dringend nothwendigen Vorsichtsmassregeln gleich in das Leben treten zu lassen, welche sich auf der Grundlage der bisherigen Erfahrungen und Wahrnehmungen als unverschieblich für die persönliche Sicherheit der Reisen- den gezeigt haben, wird Nachstehendes angeordnet :

1. dass, wenn mehrere Wagen- Trains denselben Tag nach einander ab- gehen, der zweite Train immer eine halbe Stunde nach dem ersten, der dritte eine halbe Stunde nach dem zweiten und so fort aus dem Bahnhof oder aus der Station abzugehen habe;

2. dass, w^enn ein Wagen-Train auf [ dem Stations-Platz steht und ein zweiter i

erwartet wird, dieses dem Maschinführer in gehöriger Entfernung durch Aufstellung eines sichtbaren Zeichens [einer Fahne] angedeutet werde;

3. dass dem Locomotive, auf welchem sich derzeit nur der Maschinführer und der Heizer befinden, noch eine dritte Person beigegeben werde, welche das Gesicht gegen den Wagen-Train und den Conducteur gerichtet halte. Endlich

4. dass auf den Stations-Plätzen die Wagen-Trains nicht länger daselbst ge- duldet werden, als zur Versehung des Trains mit Wasser und Kohlen nothwendig ist, und dass, wenn wegen eingetretenen zufälligen Umständen ein längerer Auf- enthalt unvermeidlich sein sollte, der Wagenzug weiter vorwärts zu bringen ist, wofür der auf dem Stations-Platz befindliche Expeditor verantwortlich ge- macht wird.«

Bei den wenigen Signalmitteln, die man damals kannte, war es trotzdem während der ersten Jahre im Interesse des sicheren Betriebes der nur bei Tage verkehrenden Personenzüge geboten er- schienen, die Lastzüge bei Nacht fahren zu lassen, wofür die Bewilligung der politischen Behörde wegen der angeb- lichen Gefahren, welche aus den Nacht- fahrten für das Personale und die Bahn- anwohner entstehen sollten, nur schwer zu erhalten war.

Auch die 1841 bis Wiener-Neustadt, ein Jahr darauf bis Gloggnitz eröffnete [vgl. Abb. 3], in der erstgenannten Strecke zweigeleisig angelegte und betriebene Wien-Gloggnitzer Bahn *) scheute anfangs den Nachtverkehr überhaupt und Hess zwischen 1 1 Uhr Nachts und 4 Uhr Früh keinen Zug verkehren.

Doch schon im Jahre 1844 ging auf der Kaiser Ferdinands-Nordbahn jeden Nachmittag um 2^2 Uhr ein Zug von Wien nach Brunn, der um 1 1 Uhr Nachts von dort nach Wien zurückfuhr. »Dadurch wird dem Publicum die Er- leichterung geboten, sich zweimal des Tages der Bahn bedienen und zur Fahrt von Brunn nach Wien die Nacht benützen zu können.«

*) Gegenwärtig bei 26 Anhaltestationen ♦) In den ersten Jahren zur Wien-Raaber

4 Stunden. Eisenbahn gehörig.

lO

Gustav Gerstel.

»Zur grösseren Bequemlichkeit der Reisenden haben wir auch angeordnet, Nachts die Wagen I. und IL Classe zu beleuchten.«

»Die Nachtfahrten gehen in der Regel ebenso wie die Tagtrains in der grössten Ordnung, und unsere Bahn hat das Ver- dienst, die erste gewesen zu sein, welche regelmässige Nachtfahrten auf grössere Entfernungen in Deutschland, ja so viel uns bekannt ist, auf dem Gontinente ein- geführt hat. Die seit 4 Jahren gewonnenen Erfahrungen lehrten uns, dass kein Hinder- nis zur Benützung der Bahn bei Nacht ob- waltet. «

Das damit verbundene Wagnis war dennoch kein geringes, denn erst im folgenden Jahre erhielten die Strecken- wächter in allen Bahnkrümmungen Masten mit aufziehbaren Körben und farbigen Laternen, um nothdürftig Signale geben und empfangen zu können.

Bis dahin aber bestand die gesammte Signalisirung bei der Kaiser Ferdinands- Nordbahn nur in verschiedenfarbigen Fahnen, welche die Züge sichtbar mit- führten oder die Bahnwächter anzuwenden hatten, und bei Nacht aus brennenden Pechpifannen, die vornehmlich zum Be- leuchten der Wechsel und Fahnen dienten. Nur bei Krümmungen in Einschnitten wurden bei Nacht, wenn ein Zug in die- selben eingefahren, an vorher bezeichneten Punkten brennende Laternen mit rothem Glase aufgezogen. Ausser in diesen beiden Fällen durfte der Bahnwächter kein Feuer oder Licht zeigen, ausser der Zug wäre schon dicht bei ihm. Er hatte jedoch eine Blendlaterne bei sich zu tragen, mit welcher er dem Zuge, falls dieser schneller als mit 1 5 km per Stunde in der Nacht fuhr, durch Hin- und Her- schwingen das Haltsignal zu geben hatte.

Selbst das Signalhorn des Zugführers war anfangs unbekannt und kam erst nach 1843 aus Belgien zu uns, während das wichtigste unserer Signalmittel, die Dampfpfeife des Locomotivführers, im Geburtslande der Eisenbahnen 1833, das war vier Jahre nach Eröffnung der ersten für Personenbeförderung erbauten Loco- motivbahn Liverpool-Manchester, erfunden wurde. Doch legte man anfangs letzterem Signale nicht die heutige Bedeutung bei,

wonach eine unbrauchbare Dampfpfeife die Maschine im Allgemeinen untauglich zur Weiterführung des Zuges macht, sondern ersetzte sie in Oesterreich durch die Tenderglocke, mit welcher, wie mit drehbaren Laternen an den Wagen das Signal zum Langsamfahren und Stillhalten gegeben werden durfte.

Hatte die Nordbahn auch den Vortheil eines anfangs sehr schwachen Verkehres, so empfing die Wien-Gloggnitzer Bahn ihre Feuertaufe schon im ersten Jahre ihres Bestandes, nachdem die dicht- bevölkerten und meist schön gelegenen Ortschaften bis Gloggnitz ihr sofort den für damals stärksten Verkehr unter allen europäischen Bahnen mit von Wien ab- gehenden 13 Personen- und 2 Lasttrains in den Sommermonaten zuwendete, und »die Personenzahl der zwei besuchtesten Bahnen Deutschlands, nämlich der Taunus- und Berlin-Potsdamer Bahn zusammen- genommen, ihr eben gleichkam«. So kam es, dass auf ihr im ersten Betriebsjadire schon 23.980 Personen per km befördert wurden. Der 16. Mai 1842 wies die stärkste Frequenz mit 19.613, der 12. Ja- nuar 1842 die geringste mit 617 Personen für die ganze Strecke auf.

Der General versammlungs- Bericht pro 1841/42 »lässt es hoffen, dass die Per- sonenfrequenz und Einnahmen einen noch höheren Stand erreichen werden.« [Im Jahre 1 895 wurden in der gleichen Strecke Wien-Wiener-Neustadt 203.624 Personen per km und Jahr befördert, und fand der stärkste Verkehr am 12. Juli mit 86.832 von und nach Wien gefahrenen Passa- gieren statt.]

Die graphische Darstellung [Abb. 4 und 5 auf Seite 1 3] weist den Unterschied von damals und heute bezüglich der Dichte des Zugsverkehres wohl klar nach:

Schon im ersten Jahre aber leitete die Wien-Gloggnitzer Bahn ZWg^ nach und von Baden ein, die nur L und IL Classe führten, doch auch einzelne mit drei Classen, welche trotzdem nur mit Karten I. und II. Classe benützt werden durften, so dass auch die Besetzung der III. Classe nur mit Karten II. Classe ermöglicht war.

Nicht nur die fast gänzlich mangelnde Signalisirung und Verständigung der Stationen untereinander ausser durch

Abb. 3.

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9iafb t>ordmommenen Probefahrten \>on SBien bi^ SXöblma tvhrb au4 biefer fdatn»ZM, mithin bie ganje Sitrecfr von SBirn über aRbbting, l^aben bi6 SBr. SReujIabt am Sonntage bcn 30- b.Sx. jur ^nu> $una für ba6 i^ublioim mit folgcnben ^abrten eröffnet »erben:

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JBon sagten nad) S3aben um 7 Ubr grubi 8/ 9i lOMIr f 3i ' t3i v,4i %5i 5 unb v«<j Ubr Zbtnta

S^on S^ien no^ Sä^iener 9{euflabt um 7 U()r gfrub« 11 Ubr IBormtttag«, v,3 U(^c 9{a^mittagd unb %0 Ubr '^Kbeubei.

S^om 3tattondp(aOe nä(bfl ^er(^tbo(bdborfna((»ISien um 1,5, 6 unb %7U(t Vbenbd.

aSon fWöbtmg nadj^ S&ien um 8 U^r grub» 9^ 10# lli 13i 'tS, v.4i %5f 6# s7i 7 unb '/.8U^ 2(benb6.

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JBon aXöblmt) na(b SStener Slcuflabt um •,8 U(r 8rü(, *M^, 3 unb •a7 U^c Vbenbd.

S^on :8ab€n nac^ S^ien um sd Ubr Srä(^i v,lOf v,li, %i3, ^, %3r v,0# 6f '«7 unb v.8U6r 2(benb6.

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SBon S3ab(n nac^ Sßtmer 9{eu(!abt um 8 Ubr Srü(), 13, «4 unb *;7 U(c 2(benb8.

SSon Sßtener 9{eu(labt nach I3aben, aXöblma unbSßten um >«7 U6c gnt^, v.lOU^r I69rmittag6, 2 Ubr «a^mittag« unb %0 »benb«.

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Son a&ien jum (Stationapla^e nac^fl SBerc^tt^oIbdborf fl. 36 ft. fl. 27 fc. - fl. 15 (r.

«on SBien na(S) gRöbling fl. fr. ff. 27 fr- ff- 15 fr.

»on SBicn na<b SBaben i fl. fr. ff. 45 fr. ff- 25 fr.

SBon aSten nad^ 9{euffabt 1 ff. 50 fr- Iff. 24lc. ~ ff 45 f c*

»on «WöMing na4 »aben —ff. 28fr. —ff. 20fr. ff. 12fr.

S3on «Wobling na* 9leuffabt 1 ff. 18 fr. 1 ff. f r fl. 32 fr.

»on »abf n na(^ «cuffabt —ff. 54fr. —ft 40ft ff 24fc.

8ür einen 9)(a| im (S$aIon>IBagen t>on SBien no* axöbltng 1 ff. 12 fr.

md) aSaben 2ff- fr.

unb benfelben S3etrag für bte Slücffoü^rt, nwbep jebe 9>erfon nac^ bem Unterfc^iebe ber (Slaffen 20/ 15 ober

10 $funb Okpacf frep mitnehmen fann^ menn e5 ff* unter ben ®t^ bringen Idft

X>te IBiUetd für bie ^lon« unb 1** $Skiaen«6(afre f onnen für bie |fa(rten oon flBten f(bon am ^mffagr ben 19. b. wm jfrüb 9 Ubr bi6 2Cbenbd 6 Ubr im Sentrol'ieureau, Stabt 9<{r512« erhoben »erben

8ür bie !ftiidifal)rt vom perd|tl)pl)i0)tprfirr ^tattompiaiy m bte ptUetett bloß in tDkn au erfniiten.

Hn ben oben ni*t genannten d»if*en<<Stattonen ftnbet am @r5ffhungdtage ben 20. b.ax. feine 2Cuf na^me t>on V^ffaQjitua @tatt.

iDie ateifenben »erben erfucbt, »enigftend eine Siertelflunbe ooc ber 3Cbfa(rt im )Ba(n(N>fe ju erf^ernen. unb bie geloffen harten bepm (Eintritte bem Vortiec oorAuioetfen.

iSMen bm 18- 3uniu6 1841«

^on htK Wtttttion )m k. k. pr. tUicn-i{aab(r-CKimbahn-®(ftU(cl)a{).

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Gustav Gerstel.

die Züge selbst müssen gegenüber dem heutigen Verkehre berücksichtigt werden; auch die sonstigen primitiven Einrichtungen boten Schwierigkeiten, wie beispielsweise die Wechsel, die zufolge des stumpfen Anstosses eines beweglichen Geleistheiles an seine gerade Fortsetzung oder gegen die Seitenbahn bei unrichtiger Stellung jeden Zug zum Entgleisen bringen mussten.

In ihrer jeweiligen Stellung waren sämmtliche Wechsel durch Schlösser [bei der Nordbahn nur durch Vorsteckstifte] gesperrt, deren Schlüssel in der Hand der Wächter wie der Locomotivführer war, während letzteren heute jede Ein- flussnahme auf die Wechselstellung streng- stens untersagt ist.

Die doppelgleisige Bahn nach Wiener- Neustadt war von Strecke zu Strecke auch ausserhalb derStationen durch Weichenver- bindungen [»Verbindungsbahnen«] unter- theilt, wie auch die Kaiser Ferdinands- Nordbahn streckenweise »Ausweich- bahnen« besass. Fand der Locomotiv- führer auf seiner Fahrt ein Hindernis, so durfte er den Weichenquadranten der nächsten Verbindungsbahn öffnen und das andere Geleise, soweit nothwendig, benützen; allerdings aber hatte er hiebei fortwährend die Dampfpfeife ertönen zu lassen und einen Mann zum Aufhalten eines etwa entgegenkommenden Zuges vorauszusenden.

»Damit aus einem längeren Aufent- halte in einer Station kein Nachtheil durch Zusammenstossen mit einem nach- folgenden Zuge erwachse, hat der stehende Train sich in ein Seitengeleise zu begeben.« War dies nicht thunlich, so musste der Standpunkt des Zuges bei Tage durch Fahnen, bei Nacht durch Pech- pfannen in gehöriger Entfernung be- zeichnet werden. »Der neu ankommende Zug hat sich in diesem Falle in ein anderes Geleise zu begeben. Bei der Ausfahrt aus der Station muss der Maschinführer allent- halben, wo Doppelgeleise bestehen, darauf achthaben, dass er auf das vorgeschrie- bene Geleise fahrt, widrigens er den Zug anhalten, zurückschieben, und in das ent- sprechende Geleise einfahren muss«.

Trat bei einer Maschine Räderschleifen ein, so konnte der Zug bei einem Bahn-

wächter halten, um den Sandkasten der Locomotive aus dem Vorrathe der Wächter frisch füllen zu können.

Waren zwei Maschinen an der Zug- spitze, so kuppelte gewöhnlich die vordere Maschine während der Fahrt ab, und fuhr zum Wasser- und Brennstoffeinnehmen in die nächste Station voraus, was aber schon 1846 durch ein Hofkanzleidecret verboten wurde.

Musste ein Personenzug eines Ma- schinengebrechens wegen auf der Strecke stehen bleiben, so war es auf der zwei- geleisigen Wien-Gloggnitzer Bahn [ähn- lich auch bei der Kaiser Ferdinands- Nordbahn] erlaubt, die Maschine eines nach- oder entgegenkommenden Güter- trains, nachdem die Wagen des letzteren unter gehörige Aufsicht und womöglich in einen Ausweichplatz gestellt worden waren, dem Passagiertrain vorzuspannen.

»Sollte ein früher abgegangener Train auf der Strecke stehen geblieben sein, so ist es meist am besten, beide Trains zu vereinen und sie mit der guten Maschine weiterzuführen, was leicht auf dem nächstgelegenen Ausweichplatz ge- schehen kann.«

In der späteren Maschinführer-In- struction der Kaiser Ferdinands-Nordbahn vom Jahre 1845 hiess es:

»Wenn ein Zug infolge eines an einem Wagen wahrgenommenen Ge- brechens angehalten hat, ist es öfters zu- lässig, den beschädigten Wagen bis zur nächsten Wagenübersetzung« [Wegüber- setzung?] »und dort aus der Bahn zu schaffen. «

»Bei Ueberlast ist bei Zeiten mit einem Theile des Zuges und bei entsprechender Geschwindigkeit nach der. nächsten Sta- tion zu fahren, und dieses so oft zu wiederholen, bis der ganze Zug fort- geschafft ist.«

Die Wiener Bahnhofhalle der Wien- Gloggnitzer Bahn [vgl. Abb. 175 im Band I, pag. 176] diente gewöhnlich nur zum Aufenthalt der Personen und zum Aufstellen der Wagen, während die Trains vor der Halle hielten, und die Reisenden derart in der Halle weder aus- noch ein- steigen konnten.

Stationsglocken zum Anzeigen der Zugsabfahrt gab es nur in den grösseren

Mechanik des Zugs Verkehrs.

Stationen, weshalb die Abfahrtssignale in den kleineren Stationen durch die vom Locomotivfllhrer bediente Tenderglocke gegeben wurden.

Schon 1841 hatten die Locomotiven bei der Wien - Gloggnitzer Bahn vorne eine grosse oder mehrere kleine Laternen [1844 eine weisse und eine grüne] be-

musste M. M. von Weber dem von ihm construirten sächsischen Galawagen auf jeder Seite sechs elastische Puffer in ver- schiedenen Höhen und Weiten geben, um den Durchlauf dieses Wagens ohne andere Hilfsmittel zu ermöglichen, .und selbst 1858 besassen beispielsweise die Kaiser Ferdinands - Nordbahn, Kaiserin

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festigt, während der Schlusswagen bereits eine roth leuchtende Laterne trug. Hin- gegen scheint die Kaiser Ferdinands- Nordbahn bis zum Jahre 1845 noch keine Laternen eingeführt zu haben.

Die Puffer wurden von jeder Bahn in anderer Höhe und Weite angebracht, wie Überhaupt die Wagenconstruclion sich überall einseitig entwickelte, und so beim späteren Aneinanderschlusse der Bahnen dem freien Wagendurchlaufe die grösste Schwierigkeit bot. Noch 1854

Elisabethbahn und Südbahn noch je ver- schiedene Pufferhöhen und Pufferweiten mit bis 30, bez. 100 ctn Differenz, die nur durch eingeschobene, sogenannte Pufferbretter ausgeglichen werden konnte. Erst ab October 1862 mussten sämmt- liche österreichischen Eisenbahnen mit einem von den Bah nver waltungen über Anregung des Handelsministeriums vor- her gemeinsam vereinbarten Puffer- und Nothkettensysteme ausgerüstet sein, und waren weiterhin Wagen mit nicht nor-

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Gustav Gerstel.

malen Puffern auf den Uebergangsstatio- nen unbedingt zurückzuweisen.

Perrons in den Stationen kannte man nicht; die Wagen, für die I. Classe mit Fenstern, für die IL Classe mit Stirn- wänden und Ledermänteln an den offenen Seiten, für die IIL Classe mit Dach, jedoch nach allen Seiten offen,*) für die IV. Classe endlich ohne Dach und ohne jeden seitlichen Abschluss nur zum Ste- hen eingerichtet, waren durchwegs ohne Laufbretter, und hatten, insoweit sie nicht Intercommunicationswagen waren, nur vor jeder Coup6thüre oder Seitenöffnung drei Einsteigestufen oder Eisentritte, wes- halb die Kaiser Ferdinands - Nordbahn den Conducteuren vorschrieb, darauf zu achten, »dass niemand nach dem dritten Läuten versuche, auf einen der Wagen des Trains hinaufzuklettern«. War schon das Einsteigen bei spärlichem Lichte und für ältere, kränkliche oder unbe- holfene Personen misslich, so steigerte sich dies noch mehr beim Aussteigen. Dies führte dazu, dass an jedem Per- sonenzugsgeleise, wenigstens in den grös- seren Stationen, eine Anzahl transpor- tabler Treppen bereitstand, für welche die Bedienung meist Wagenschieber anwesend sein musste, um den ab- gehenden oder ankommenden Reisenden die Treppen an die Coup6öflfnung zu stellen. Des Nachts kamen hiezu noch Träger mit Stangenlatemen, die zugleich den Conducteuren zur Fahrkartencontrole Licht zu spenden hatten. [Vgl. Abb. 6.]

Später wurden wohl allmählich Perrons eingeführt, doch glich selbst bei dersel- ben Bahn ein Perron dem anderen we- der an Höhe noch an Geleisdistanz, und betrugen die Höhenunterschiede bis zu 60 cf«, was zu vielen Unfällen Anlass bot.

Auch sonst erschien das Eisenbahn- fahren damals als grosse persönliche Gefahr, und geben [sehr abweichend von dem Berichte Weidmannes über die erste Probefahrt bei der Nordbahn] über die unruhige Bewegung der Wagen und

*) Die Wa^en IIL Classe erhielten bei den k. k. Staatsbahnen später auch »Wetter- mäntel« und in der Zeit vom October 1849 bis zum Winter 1850 zumeist schon Fen- ster. Vgl. im Uebrigen: Bd. IL, J. v. Ow ,

»Wagenbau«.

Locomotiven sowie über sonstige Gefahrs- quellen nachstehende, auszugsweise wie- dergegebene Verhaltungsmassregeln treff- lichen Aufschluss, welche M. M. v. We- ber noch 1854 »auf Grund der neuesten Erfahrungen« den Passagieren zu beher- zigen gibt:

»3. Ein sehr guter allgemeiner Grund- satz ist, seinen Platz innezubehalten, und ihn nicht eher zu verlassen, bis man am Orte seiner Bestimmung angelangt ist. Wenigstens steige man so selten wie möglich aus.«

»8. Man wähle sich seinen Platz wo möglich in einem Wagen in oder doch wenigstens so nahe als möglich an der Mitte des Zuges.«

»9. Im Wagen sitzend hüte man sich, die Beine unter die gegenüberliegenden Sitze zu stecken oder sonst ein Glied des Körpers an seiner Beweglichkeit zu hindern.«

»Erläuterung. Bei jedem raschen Geschwindigkeitswechsel kann es gesche- hen, dass der Körper nach vom oder rückwärts im Wagen geworfen wird. Dies wird meist harmlos vorübergehen, wenn er sich frei vom Platze bewegen kann, während im Gegentheile Knochen- brüche oder Quetschungen die Folge sind. «

» 10. Während der Reise halte man keine Stöcke oder Schirme vor sich im Wagen, noch weniger bringe man sie an den Mund oder stütze den Kopf darauf. «

»Erläuterung. In Folge rascher Ver- minderung der Geschwindigkeit ist andern- falls schon oft Einstossen von Zähnen, Gaumen etc. herbeigeführt worden. Ebenso ist es nicht räthlich, auf der Reise aus Pfeifen zu rauchen, die ähnliche Vorfälle herbeiführen können.«

»II. Man lehne den Kopf während der Fahrt nie gegen ein geschlossenes Fenster. «

^Erläuterung. Durch jeden seitlichen Ruck, den der Waagen erleidet, wird man sonst in die Fensterscheibe gestossen und verletzt sich das Gesicht.«

»12. Man suche beim Eisenbahnreisen immer einen solchen Platz zu gewinnen, dass man mit dem Rücken der Maschine zu sitzt, weil 85 9070 der Stösse immer in der Richtung von vom nach hinten

Mechanik des Zugsverkehrs.

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erfolgen, daher der Reisende dann nicht vom Sitze weggeschleudert, sondern viel- mehr gegen die Lehne gepresst wird.«

»13. Man meide das Fahren in Cou- pes mit blos einer Reihe von Sitzen, die den Reisenden gegenüber Glasfenster haben, damit der Reisende nicht in die Scheiben geworfen werde.«

>I4. Man bleibe nicht in einer ver- ladenen Equipage sitzen, sondern wähle lieber den Platz in einem Eisenbahnwa- gen, weil man dort doch noch sicherer ist.« [War bei der Nordbahn und Staats- bahn übrigens schon 1847 aus Sicherheits- gründen verboten worden.]

Was die Zugsbegleiter [Zugsführer und Conducteure] betrifft, so hatten diese vor der Fahrt die Wagen zu untersuchen und zu schmieren, die Passagiere zu bedienen, wiederholt die Fahrkarten zu revidiren [auf der 2 Stunden währenden Fahrt zwischen Wien und Gloggnitz durchwegs dreimal], Gepäck ein- und auszuladen, den Maschinführer in allen seinen Verrichtungen zu überwachen und vornehmlich darauf zu achten, ob und wo er B r en n m a t e r i a 1 e vom Tender werfe.

Sie hatten darauf zu sehen, dass die Passagiere die Füsse nicht auf die Sitze legen, »sich nicht über die Wagenseite hinaushalten«, sowie überhaupt »jede Ungebührlichkeit zu verhüten«.

Waren in einer Zwischenstation viele Passagiere aufzunehmen, ohne dass Re- servewagen vorhanden waren, so hatten »die Conducteure die zu vielen Passa- giere auf den nächstfolgenden Train zu ver- weisen oder sie zum Stehen einzuladen«.

Ueber das Zeichen des Locomotiv- führers, eines Conducteurs oder eines Wächters hatten »sie sogleich zur Prem- sung*) zu schreiten«.

Zur Beobachtung des Zuges und zum Geben der Signale mussten die Con- ducteure durchwegs auf den Stiegen der- selben Wagenseite stehen. Um das Signal zum Langsamfahren oder Halten geben zu können, besass bei der Wien- Gloggnitzer Eisenbahn jeder Wagen nach aussen bewegliche, mehrscheinige Later-

*) Noch in Instructionen aus dem Jahre 1852 wurde »Premsung« geschrieben.

nen, während der erste Conducteur den Locomotivführer mittels der Tenderglocke auf diese Signale aufmerksam machte, falls nicht eine eigene Tenderwache vor- handen war.

Conducteure ausser Dienst, die in eine andere Station entsendet wurden, durften nicht in den Wagen sitzen, son- dern waren verpflichtet, während der Fahrt auf den Stiegen zu stehen. Waren sie nicht zur Zugsbegleitung bestimmt, so waren sie als Handwerker, welches sie sein mussten, bei der Reparatur und Instandhaltung der Wagen zu verwenden.

So harmlos und kaum mehr verständ- lich viele der bis nun citirten Vor- schriften und Einrichtungen heute klingen, so staunenswerth ist es andererseits, mit welcher Uebersicht, Gründlichkeit und welch tiefem Verständnisse schon in den ersten Jahren gar manche andere Vor- schriften für Regelmässigkeit, Sicherheit und auch Oeconomie des Betriebes ver- fasst worden waren, so dass zahlreiche dieser Einführungen sich fast vollkommen mit den gegenwärtig in Kraft stehenden einschlägigen Bestimmungen decken.

BeiTage und günstiger Fernsicht,wenn alle Bahnwächter strenge ihren Pflichten gerecht wurden, und grössere Störungen nicht vorkamen, konnte auch mit der Gesammtheit der damaligen einfachen Mittel ein ziemlich geregelter Betrieb aufrecht erhalten werden.

Wenn aber dichter Nebel, Sturm und Schneegestöber die Femsicht vollkommen hinderten; wenn die fahrplanmässige Ankunftszeit eines erwarteten Zuges ver- strichen war, ohne Möglichkeit, über die Ursachen irgend welchen Anhaltspunkt zu gewinnen, zudem ein Gegenzug bei eingeleisiger Bahn zur Abfahrt bereit stand; wenn entgegengesetzte Signale in Folge irgend eines Fehlers auf offener Strecke sich begegneten; wenn ein Hilfssignal aus unbekannter Ferne eintraf, und in solchen Fällen je nach Umständen auf das Gera the wohl selbst bei den fürchterlichsten Wetter- verhältnissen Recognoscirungsfahrten un- ternommen werden mussten; wenn es sich darum handelte, mit den damals noch sehr unentwickelten Hilfs- und Ret- tungsmitteln einem unbekannt wo ver-

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Gustav Gerstel.

unglückten Zuge Hilfe zu bringen ; wenn bei heftigem, andauerndem Schneefalle und Sturm Schlittenexpeditionen mit den Passagieren verschneiter und für Stunden und Tage festgerannter Züge einzuleiten waren, in derlei Fällen und Verhältnissen wurden Geistesgegenwart, persönlicher Muth, Thatkraft und Umsicht der Ver- kehrsorgane in einem Masse in Anspruch genommen, welches abgesehen von Unglücksfällen, die jederzeit gleich inten- siv wirken bei den jetzt zu Gebote stehenden Hilfsmitteln jeder Art wohl kaum mehr beansprucht zu werden braucht.

Knallsignale, die eben für Fälle vor- beschriebener Art von höchstem Werthe werden, wurden zuerst in England im April 1850*) versuchsweise angewendet, und schon im Mai des darauffolgenden Jahres auf den k. k. Staatsbahnen auf Grund einer eingehenden Verordnung, welche deren Gebrauch und Behandlung regelte, endgiltig eingeführt.

Ihre grosse Wichtigkeit wurde vor- nehmlich erkannt, als während eines zwei Tage dauernden Nebels dichtester Art, der kurz nach Eröifnung der Weltaus- stellung im Jahre 1851 in London einfiel, die Expedirung vieler Extrazüge bedingt war. Die North Westem-Bahn beförderte damals täglich fast 200 ZiXge nach und von London, deren gesammter Sicher- heitsdienst auf der Strecke ausschliesslich nur durch Knallsignale besorgt wurde, ohne dass bei diesem ausserordentlichen Verkehre ein einziger Unfall vorkam.

Auch in Oesterreich kannte man da- mals schon einen Massenverkehr auf längere Strecken, wenn auch lange nicht in dem eben geschilderten Umfange, da die Bahnen auf dem Continente sich weitaus langsamer als in England entwickelten. Nach den Ereignissen des Jahres 1848 galt es, möglichst rasch eine russische Heeresabtheilung via Warschau-Wiener

*) Nach einer Notiz im Verordnungsblatte des k. k. Handelsministeriums vom Jahre 1850, während M. M. von Weber 1867 schreibt, die Knallsignale seien schon 1845 auf der London- und Birmingham-Eisenbahn angewendet wor- den, doch hätte man sich zum grossen Theile durch die Befürchtung hieven abhalten lassen, dem Personale Explosionsgegenstände in die Hand zu geben.

Bahn, Oberschlesische und Wilhelmsbahn directe nach Oderberg und von da mit der Nordbahn bis Hradisch zu befördern.

Ein directer Wagenübergang bestand noch nicht, und mussten Mannschaft, Pferde, Artillerie imd Fuhrwerk mit sämmtlichem Materiale in Oderberg auf Nordbahn wagen umgeladen werden, ohne dass es möglich gewesen wäre, diesem Zwecke angemessenere Stationseinrich- tungen, wenn auch nur als Provisorien zur Verfügung zu stellen.

Erfahrungen über kriegsmässige Mas- sentransporte von Truppen aller Waffen- gattungen standen nicht zu Gebote.

Diese Probe der Leistungsfähigkeit von Eisenbahnen für grössere Massen- transporte militärischen Charakters war eine ernste, doch wurde sie mit bestem Erfolge bestanden. Innerhalb einer Woche konnte der Transport von circa 14.000 Mann mit entsprechenden Pferden, Ge- schütz, Fahrpark und sonstigem Materiale anstandslos durchgeführt werden.

Allerdings boten diese Militärzüge ein anderes Bild als gegenwärtig, denn man musste nebst den verfügbaren ge- deckten Güterwagen zu allen Arten von offenen Wagen greifen und vornehmlich Kohlenwagen mit über die Bordwände gelegten Brettern in grösserer Zahl für die Mannschaft verwenden.

Die vollführte Leistung war um so höher anzuschlagen, als anlässlich des Krimkrieges im Frühjahre 1854 die fast durchwegs zweigeleisige Orleans- und Lyonerbahn es auch nur auf durchschnitt- lich weniger als 2000 Mann per Tag brachten, die nach Marseille und Toulon geführt werden konnten, so dass in bei- läufig zwei Monaten erst circa 40.000 Mann mit 2000 2500 Pferden in den ge- nannten Häfen eingeschifft worden waren.

Auch für friedliche Zwecke war schon bald auf die durchgehende Benützung anschliessender Bahnen in Oesterreich Be- dacht genommen worden, und wurde 1847 eine Convention der Nordbahn mit den betheiligten Bahnen geschlossen, nach welcher man den Weg Wien-Berlin in 32 [heute 13], Wien - Hamburg in 44 [heute 19] Stunden zurücklegen konnte.

So wurde ein Stein an den anderen gefügt, jedes neue Vorkommnis emsig

Mechanik des Zugsverkehrs.

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Gustav Gerstel.

verwerthet, das Personale vom Chef bis zum Bahnwärter angewiesen, ausübend zu lernen, täglich überrascht durch neue, nicht vorhergesehene Ereignisse. Er- fahrung reihte sich an Erfahrung, der die weitesten Entfernungen überwindende Verkehr erhob alle Errungenschaften zum Gemeingute Aller, und rastloses Streben, tiefeindringendes Studium machte Erfin- dungen, Künste und Wissenschaften dem Eisenbahnwesen, dieser Welt im Kleinen, dienstbar.

Doch, so einfach dem Reisenden, dem Frachter das Getriebe der Bahn sich darstellt, so verwickelt, so in tausend Fäden sich vertheilend, vereinend, durch- schlingend, ineinandergreifend ist der sinnreiche Aufbau des Ganzen, das unter dem Namen der Mechanik des Eisenbahn- verkehres sich zusammenfasst.

Wichtigen Antheil an der grossartigen Entwicklung derselben hatte der Verein deutscher Eisenbahnverwaltun- gen, der im Jahre 1896 das Fest seines 50jährigen Bestandes feierte. Aus kleinen Anfängen hervorgegangen, heute ein Netz von über 80.000 knt Eisenbahnen in ganz Mitteleuropa mit allen österr.-ungarischen Eisenbahnen umfassend, zog er im Laufe der Jahre sämmtliche Belange des Eisen- bahnwesens in seine Sphäre, grundlegende Bestimmungen, einheitliche Vorschriften für Einrichtung und Durchführung des Betriebes erlassend und sie stets wieder den neueren Erfahrungen entsprechend ausgestaltend. Den Regierungen bot er die Grundlagen für ihre einschlägigen Gesetze und wirkte anregend auf nahezu alle übrigen Länder des Continentes zur Nachahmung in den Einrichtungen und Grundsätzen, wie zum mehr oder weniger innigen Anschlüsse, so dass in nicht zu femer Zeit die wichtigsten Bestimmungen des Eisenbahnwesens übereinstimmende für fast ganz Europa sein werden.

Um ein möglichst einheitliches Vor- gehen der österreichisch-ungarischen Eisen- bahnverwaltungen bei den Berathungen des deutschen Eisenbahn- Vereines zu er- zielen, und die Ausgestaltung der vom Vereine beschlossenen grundlegenden Be- stimmungen, sowie die zahlreichen sonsti- gen, nicht in dessen Bereich fallenden Eisenbahnfragen einer gleichmässigen und

damit um so sorgsameren Behandlung zuzuführen, hatte das österreichische Handelsministerium schon im Jahre 1862 den Eisenbahn-Verwaltungen die Creirung eines österreichischen Directoren- Vereines in Vorschlag gebracht und war lebhaft für dessen Verwirklichung eingetreten.

Infolgedessen hielten diese Bahn- verwaltungen auch thatsächlich von Fall zu Fall gemeinsame Berathungen ab; doch erst 1871 constituirten sie sich als österreichische, beziehungsweise öster- reichisch-ungarische Eisenbahn-Direc- toren- Conferenz. Berathungen in strenger Regelmässigkeit ermöglichten nun immer mehr und mehr eine voll- ständige Gleichartigkeit der Einrichtun- gen und einen stetigen Fortschritt in der Ausgestaltung des gesammten Eisen- bahnwesens für den Bereich der öster- reichisch-ungarischen Monarchie.

Sind uns andere Länder auch in mancher Richtung in Ausbildung und Anwendung grundlegender Bestimmungen des Eisenbahndienstes noch voraus, so verursachen dies einzig die Verhältnisse des Reiches, die wenigen grossen Industrie- städte und Mittelpunkte des Welthandels, der geringere Reichthum, die schwierigen Bodenverhältnisse unserer so vielfach von mächtigen Gebirgen durchzogenen Heimat.

Sicherheit, Schnelligkeit, Regelmässig- keit, Bequemlichkeit, Billigkeit, diese wichtigsten Anforderungen an die Tech- nik des Eisenbahnbetriebes, sie kommen in Erwägung des eben Gesagten dennoch den österr.-ungarischen Eisenbahnen in hohem Masse zu, und gar manche Ein- richtungen und Grundsätze des Betriebes hatten ihre Wiege in Oesterreich und machten von hier aus die Runde um die Welt.

Das von Jahr zu Jahr sich weiter und weiter verzweigende Netz 'der Bahnen hatte schon frühzeitig den vom deutschen Eisenbahn -Vereine erkannten und auf- gestellten Grundsatz gereift, das Gut möglichst bis an die Endstation ohne Umladung von Bahn zu Bahn befördern zu lassen, wobei Vorsorge zu treffen war, wie die auf fremde Bahnen übergehenden Wagen zu behandeln und rückzuleiten seien, und wie die Möglichkeit zu ge-

Mechanik des Zugsverkehrs.

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winnen war, rücklaufende, fremden Bahnen angehörende Wagen nicht als todte Last ansehen zu müssen, sondern sie für die Wiederbeladung zur Verfügung stellen zu können.

Schon 1845, nach Eröffnung der k. k. Staatsbahn von Olmütz nach Prag wurde zwischen dieser und der Kaiser Ferdinands -Nordbahn ein Uebereinkom- men für den gegenseitigen Verkehr der Lastwagen beschlossen, und gingen an- fangs gegen eine gewisse Entschädigung die Staatsbahnwagen auf die Nordbahn- strecken über, nicht aber umgekehrt, weil die Construction der Nordbahn wagen einen solchen Uebergang nicht gestattete. Dieses Uebereinkommen wurde im Jahre 1851 durch ein neues zwischen der Kaiser Ferdinands-Nordbahn, der k. k. nördlichen und der südöstlichen Staatsbahn, dem bald auch die südliche Staatsbahn beitrat, er- setzt, welches schon Miethentschädigung und Verzögerungsgebühr nach der Be- nützungsfrist der Güterwagen regelte, sowie monatliche Abrechnung bedingte.

Ebenso fand bereits im Jahre 1850 eine gemeinschaftliche Benützung der Wagen der schlesisch - österreichischen und sächsisch -böhmischen Bahnen, vor- nehmlich auf Grund des im gleichen Jahre veröffentlichten »Uebereinkommens zwischen den zum Deutschen Eisenbahn- Verein gehörenden Verwaltungen über den directen Güterverkehr«, dann den fast gleichzeitig beschlossenen »Einheit- lichen Vorschriften für den durchgehenden Verkehr auf den bestehenden Vereins- Eisenbahnen« statt. Allerdings betrafen letztere meist nur die Beschaffenheit der zum Uebergange bestimmten Wagen, während die Bedingungen für die Be- nützung der freien Vereinbarung über- lassen blieben.

In der 1855 abgehaltenen General- Versammlung des Deutschen Eisenbahn- Vereins wurden die ersten »Normal- bestimmungen für die wechselseitige Wagenbenützung im Bereiche der dem Uebereinkommen über den directen Güter- verkehr beigetretenen Eisenbahn - Ver- waltungen« angenommen. Diese Bestim- mungen dienten jedoch nur als Leitfaden, nicht als Norm für die Bahnen und war deren Einführunsr dem freien Ermessen

der Bahnen überantwortet. »Ein absoluter Zwang«, hiess es in der Begründung, »ist ebenso unzulässig als unnöthig und un- zweckmässig, da in einem so weiten Bereiche, als das ist, welches der Verein umfasst, die Mannigfaltigkeit der Ver- hältnisse eine zu grosse ist, als dass eine allenthalben vollkommen gleiche Gestaltung der gegenseitigen Beziehungen einzelner oder mehrerer Verwaltungen erzielt werden dürfte. « Demgemäss schloss noch 1858 die Kaiser Ferdinands-Nord- bahn und die Staatseisenbahn-Gesellschaft [als Rechtsnachfolgerin der k. k. nördlichen und südöstlichen Staatsbahnen] für alle ihre Linien ein Wagenübereinkommen ab, das auf dem Naturalmiethausgleiche auch für Personenwagen beruhte, die Ent- sendung von Wagen über das Gebiet der eigenen Bahn hinaus, ausser auf die Heimatbahn aber gänzlich ausschloss. Die Benützungsfrist betrug von i bis 20 Meilen [8 bis i^o km] 5 Tage, für je I bis 20 Meilen mehr 2 Tage, und wurde ein Betrag für diese Benützungs- zeit, sowie einer für die durchlaufenen Meilen, endlich eine Verzögerüngsgebühr berechnet, wobei die derartig zu zahlenden Beträge sich auf höchstens 1000 fl. für Lastwagen und 500 fl, für Personen- wagen am Schlüsse des Jahres aus- gleichen mussten.

Die von der Kaiser Ferdinands-Nord- bahn im Jahre 1860 mit der Warschau- Wiener Eisenbahn - Direction, dann mit der Direction der Wilhelmsbahn und jener der Oberschlesischen Eisenbahn ab- geschlossenen Wagenbenützungsverträge setzten ebenso Zeitmiethe und Ver- zögerungsgebühr, wie Laufmiethe fest, beruhten jedoch nicht mehr auf dem Naturalausgleiche, sondern wieder auf gegenseitig unbeschränkter Ausnützung des Wagenparkes gegen vierteljährige Verrechnung.

1868 wurden die Normalbestimmungen des Deutschen Eisenbahn- Vereins einer wesentlichen Umarbeitung unterzogen, auf Personen- und Gepäckswagen aus- gedehnt, die Wagenabrechnung verein- facht und die neuen Bestimmungen als »Regulativ für die gegenseitige Wagen- benützung* erklärt, »insoweit nicht in einzelnen Verkehrsverbänden andere Be-

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Gustav Gerstel.

Stimmungen enthalten seien«. Nur über einheitliche Miethbedingungen konnte sich nicht geeinigt werden, und blieb deren Feststellung im Allgemeinen den Verein- barungen der einzelnen Verbände vor- behalten.

Vornehmlich die Kriegsjahre 1870/71 deckten mancherlei Mängel des Wagen - regulativs auf, so dass an eine neuer- liche vollständige Umarbeitung desselben geschritten, und 1 873 ein neues Regulativ verfasst und angenommen wurde, das nur »die Vereinbarung etwaiger Zusatz- und Ausnahme-Bestimmungen für den Wagen verkehr innerhalb bestimmter Bahn- bereiche« den Verwaltungen vorbehielt, als Miethbedingungen aber schon die ge- genwärtig giltigen Bestimmungen obliga- torisch machte. Dadurch trat eine seitens der österr.-ung. Eisenbahnen 1872 ver- einbarte »Dienstvorschrift über die gegen- seitige Wagenbenützung«, die sich an das nicht obligatorisch gewesene Vereins- übereinkommen angeschlossen hatte, aus- ser Kraft. Nach dieser hatte es nur Lauf- und Ladefristen gegeben, und bildeten die österr.-ung. Bahnen drei Ver- kehrsgruppen mit je verschieden be- rechneten Wagenmiethen.

Erst in der 1878 in Pressburg ab- gehaltenen österr.-ung. Eisenbahn-Direc- toren-Conferenz w^urde der Beschluss ge- fasst, auch im österr.-ung. Verkehr die Wagenmiethsätze des deutschen Vereins- Wagenregulativs anzunehmen, und die Wagenmiethen in Goldwährung zu be- gleichen, so dass von da ab die drei Ver- kehrsgruppen verschwanden und auch im österr.-ung. Verkehr, somit innerhalb des ganzen Gebietes des Deutschen Eisenbahn- Vereins nicht nur die Bestimmungen hinsichtlich der Benützung und Behand- lung der Wagen, sondern auch die Mieth- sätze einheitliche wurden. Die auch noch weiter beibehaltenen besonderen Zusatz- bestimmungen zu dem Vereins-Wagen- regulativ regeln nur gewisse Angelegen- heiten innerhalb der Monarchie, ohne den Bestimmungen des Vereins-Wagen- regulativs zuwider zu laufen.

Der rasch anwachsende Verkehr und die ausserordentliche Vergrösserung des Bahnnetzes Mitteleuropas drängten zur thunlichsten Erweiterung des Ausnützungs-

rechtes fremder Wagen. Thatsächlich wurde bei den im Laufe der Jahre an dem Uebereinkommen weiterhin vor- genommenen Aenderungen die gegen- seitige Wagenbenützung stetig entwickelt, und zwar vornehmlich nach der Richtung der weniger eingeschränkten Benützung leer rückkehrender fremder Wagen, der Minimal-Beladungsmenge, des Durchlaufes nach Nichtvereinsbahnen, der Fixirung des Uebergangspunktes für die Rückkehr über die Grenze u. s. w.

Mit dem Frühjahre 1897 trat eine neue Bearbeitung des Uebereinkommens in Kraft, das thunlichste Vereinfachung und Klarstellung der früheren, theilweise noch verwickelten und schwerer ver- ständlichen Bestimmungen anstrebte.

Das Vereins - Wagenübereinkommen bildet heute die Grundlage des mittel- europäischen Wagenverkehrs und nehmen nicht nur kleinere ausserhalb des Vereins stehende Bahnen durch Vermittlung von Vereinsbahnen daran theil, sondern auch grosse fremdländische Verwaltungen haben Wagenübereinkommen mit den deut- schen Vereins- Verwaltungen geschlossen, welche mehr oder weniger vollständig auf den Bestimmungen des Vereins-Ueberein- kommens fussen.

Die Hauptgrundsätze dieses letzteren sind : Durchlauf der ausreichend beladenen Wagen bis zur Bestimmungsstation, weit- gehende Benützungsmöglichkeit der leer rückrollenden Wagen, Festhaltung des gleichen Uebergangspunktes für den be- ladenen und den rückkehrenden Wagen, einheitliche Bedingungen für die Ueber- gangsfähigkeit derselben, Entgelt durch Leistung einer Zeit- und Laufmiethe, sowie eventuell Verzögerungsgebühr, endlich Haftung der benützenden Ver- waltung für Verluste und grössere Be- schädigungen.

Diese Schöpfung muss als eine der erfolgreichsten Leistungen des Vereins, sowie als eine Errungenschaft betrachtet werden, welche für die Entwicklung und Oeconomie des Verkehrs im Allge- meinen, sowie für die wechselseitigen Verkehrsbeziehungen der Bahnen unter einander von der weitesttragenden Bedeu- tung war. Handelte es sich doch für Oesterreich-Ungani allein um einen frei-

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Mechanik des Zugsverkehrs.

21

zügig durch fast den ganzen Continent ver- kehrenden Park von 1 50.000 den Bahnen eigenthümHchen Güterwagen, wozu für die geringer ausgerüsteten Bahnen oder selbst für Hauptbahnen bei ausnahmsweise grossem Verkehre noch der Wagenpark eigener Wagenleih-Gesellschaften hin- zutritt.

Nicht genügt es aber, den Wagen aller Art den Durchlauf bis in die fernsten Verzweigungen des Schienennetzes zu sichern, sondern auch rasch, ohne viel Auf- enthalt in Grenz- und Abzweigestationen muss dies geschehen, und vornehmlich dem Personenverkehre soll Zeitgewinn und Be- quemlichkeit geboten werden. Die Zeiten, zu denen, dann die Art und Weise, wie die Züge zu verkehren haben und wie sie zu beschleunigen seien, müssen in Ueber- einstimmung mit den Anforderungen des Welt- wie des Binnenverkehrs gebracht, und darnach die Fahrpläne verfasst werden.

Im Beginne des Eisenbahnwesens und noch 1847 rechnete man jedoch nicht nach Minuten und Zehntelminuten wie jetzt, um die Grundlage für den Fahrplan zu gewinnen, sondern erkannte es als grosse Leistung an, wenn man Abfahrt und Ankunft der ZVigQ für die wichtigeren Stationen auf Viertelstunden berechnete, den Mittelstationen überlassend, darnach die beiläufige Ankunft der Züge zu cal- culiren.

Die für das Publicum bestimmten Fahrpläne enthielten nicht wie jetzt die Stationen nach ihrer Reihenfolge mit Ankimft und Abfahrt der einzelnen Züge, sondern nur ein chronologisches Ver- zeichnis der beiläufigen Abfahrten aller einzelnen ZiXgQ von den grösseren Stationen, so dass die Ankunft in der Endstation überhaupt nicht bekannt ge- macht war. [Vgl. Abb. 7, Beilage.]

Aehnlich wurde bei den ersten Last- zügen vorgegangen, die auch Personen meist in der IV. Wagenclasse be- förderten und deren Abgangszeiten des- halb, sowie um Anhaltspunkte für die zweckmässigste Zeit der Aufgabe von Frachtsendungen zu bieten, [noch 1850] dem Publicum bekannt gegeben wurden. Bei reinen Lastzügen begnügte man sich oft nur mit der Fixirung der Fahrgeschwindig- keit, und entsendeten selbst grosse Bahnen

noch in den Sechziger-Jahren bei starkem Verkehre eine Reihe von Lastzügen nach einander ohne bestimmte Fahrordnung aus den Ausgangsstationen, anordnend, dass nach deren Eintreffen in einer be- stimmten Station die indess dort sich an- sammelnden Gegenlastzüge abgelassen werden dürfen.

Als die Bahnen Anschlüsse fanden, und die Reiselust mehr geweckt war, sendeten sich die Bahnen wohl bald gegen- seitig ihre schon besser ausgestatteten Fahrpläne, die in den verschiedenen Wartesälen affichirt wurden. Diese oft sehr umfangreichen Behelfe enthielten aber so zahlreiche Angaben in ab- weichender Anordnung, und die Formate waren so verschieden, dass der Reisende, der sich eine weitere Fahrt zusammen- stellen wollte, mit den grössten Schwierig- keiten zu kämpfen hatte.

Im Jahre 1853, sohin erst 14 Jahre nach Eröffnung der ersten Linie in Oester- reich, ging der deutsche Eisenbahn-Verein daran, auf einheitlichere, übersichtlichere Darstellung der Fahrpläne Bedacht zu nehmen. Verschiedene Versuche in dieser Richtung wurden unternommen, bis end- lich 1869 deren heute noch übliche Form und Ausstattung endgiltig angenommen war, während erst 1873 ein Muster für übersichtliche Routenfahrpläne festgestellt wurde.

Als Beispiel für die Art und Weise der in der ersten Zeit üblich gewesenen Veröffentlichung der gegenseitigen Bahn- verbindungen diene die »General-Ueber- sicht« aus dem Jahre 1846. [Abb. 8, Beilage.]

Noch länger währte es, bis eine Gleichfbrmigkeit im Beginne der Winter- und Sommerfahrordnung zustande kam, obwohl der Anschluss der Fahrpläne während den nicht übereinstimmenden Uebergangsperioden grosse Schwierig- keiten bot. Erst 1892 [in der Schweiz erst 1897] war die allgemeine Einführung des I. Mai und i. October als Beginn der Sommer-, bzw. Winterfahrordnung allseitig beschlossen, im Uebrigenum diese Termine herum aber eine gewisse Beweglichkeit gestattet worden, um den verschiedenen Landes- und climatischen Verhältnissen Rechnung tragen zu können.

22

Gustav Gerstel.

Von einem Ende des Continents zum anderen mid über den Canal la Manche nach England hinüber stehen nun die Züge in unmittelbarem Zusammenhange, und gar manche unwesentlich scheinende Aenderung eines internationalen Zuges lässt ihre Schwingungen oft auf mehr denn tausend Kilometer fühlbar werden.

Hundert und hundert Anschlüsse im weitverzweigten und sich wieder ver- einenden Netze der Bahnlinien müssen gesucht und sorgsam bewahrt, den An- forderungen des heimischen Verkehres, den vielfältigen Interessen längs jeder Bahnlinie und jedes Bahntheiles dieser Linie muss möglichst Rechnung getragen, dem Bedürfhisse der Femreisenden nach raschem Durchfliegen der Länder, wie dem des Nahverkehrs, des Sammeins der Reisenden für einen Femzug, dem Ver- theilen auf die einzelnen Zweiglinien und Zwischenstationen, nicht minder aber den öconomischen Interessen der Bahn nach- gekommen werden.

Je für die Sommer- und Winterfahr- ordnung treten nunmehr die Abgesandten nahezu aller Bahnen Europas zu einem Fahrplan- Congresse zusammen, um diesen Anforderungen auf Grund von in grossen Zügen erstellten Fahrordnungen gerecht zu werden, nachdem vorher auf schrift- lichem Wege gegenseitig Anbahnung ge- sucht, neue ZiXgt oder Zugsverbindungen oder deren Verbessemng angestrebt worden ist.

Sodann beginnt die Detailarbeit für den internen Verkehr der eigenen Bahn und die sorgfältige Ausgestaltung des Fahrplanes, der nicht nur alle regelmässig inVerkehr zu setzenden personenführenden und Güterzüge umfasst, sondern auch für weitere eventuell auftretende Anforde- rungen und Bedürfnisse vorsorgt, um in Zeiten starker Personen- oder Güter- bewegung schon vorher wohl überlegte und durchdachte Züge zur Verfügung zu haben.

Kunstvoll und als Ergebnis mühe- vollsten Studiums entwickelt sich solcher- art der Fahrplan einer verkehrsreichen Bahn. Gegründet auf den nach Leistungsfähigkeit und Schnelligkeit der zu Gebote stehenden Locomotiven, wie nach den Steigimgsverhältnissen und Sta-

tions-Entfemungen berechneten Fahr- zeiten für die verschiedenen Zugsgattungen, auf den nach Grösse und Zahl der für Maschinenpflege, nach Gattung und Be- stimmung jedes Zuges nothwendigen Auf- enthalten, berücksichtigend die auf den Conferenzen festgelegten Anschlusszeiten, wird seit Jahren der Fahrplan graphisch construirt, wie ein solcher auf der Abb. 9, Beilage, dargestellt erscheint. Sorgsam werden die nach der Erfahrung fest- stehenden Grundsätze für Kreuzen der ZWge auf eingeleisiger, für Vor- und Nachfahren auf ein- und zweigeleisiger Bahn beachtet, die Zahl der in jeder Station gleichzeitig ermöglichten und un- behindert manipulirenden Züge nach An- lage und Geleiszahl genau erwogen.

In Verbindung mit den Fahrplan - Conferenzen werden aber auch die Gurse der directen Wagen bestimmt, was mancherlei Schwierigkeiten bietet. Nicht nur die Hauptzusammensetzung und Be- lastung der auf den verschiedenen Bahnen verkehrenden directen Züge ist hiebei zu beachten, sondern die mannigfachen Abzweigungen, auf welche directe Wagen übergehen sollen, und demzufolge die Möglichkeit, den betreflTenden Wagen leicht und sicher aus der Wagenreihe heraus oder in die Wagenreihe hinein rangiren zu können, nicht minder die Geleisanlage der Abzweig- oder Grenz- stationen, die Lage von Kopfbahnhöfen, die den Zug in seiner Zusammensetzung vollkommen umkehren, die Gonstruction und Ausstattung der Wagen und Bremsen, die gehinderte oder zu fordernde Inter- communication durch den Zugstheil, und noch vieles Andere ist genau zu erwägen.

Damach und nach den localen An- forderungen für jeden einzelnen Zug bildet sich dessen Wagenreihe.

Um rechtzeitig an der Zugsausgangs- station den Zug mit möglichster Oeconomie zur Verfügung zu haben, muss Turnus und Zusammenstellung der einzelnen Wagen- gamituren anlässlich jeder neuen Fahr- ordnung bestimmt werden. Daran reiht sich der Turnus über erfahrungsgemäss regelmässige Zugs Verstärkungen fürSonn- und Feiertage, Wochenmärkte u. dgl.

Die Beleuchtung der Wagen und Zugssignale, die gegenwärtig mit Oel,

Mechanik des Zugsverkehrs.

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Gas*) oder elektrischem Lichte, in nicht femer Zeit wohl auch mit Acetylen-Gas [ehedem mit Stearinkerzen] für die innere, mit Oel imd Petroleum für die äussere Be- leuchtung erfolgt, muss auf das Gewissen- hafteste überwacht und geregelt werden, weshalb nach der Zu- und Abnahme des Tages für jeden Zug mittels eines Be- leuchtungskalenders im Vorhinein be- stimmt wird, in welcher Station Monat für Monat die Lampen anzuzünden und wo sie abzulöschen sind.

Bevor man derlei Beleuchtungskalen- der kannte, ereignete es sich gar oft, dass Züge von der Dämmerung überfallen wurden, ohne die Laternen angezündet zu haben. In solchen Fällen [noch 1852] hatte der Zug bei einem Wächterhause stehen zu bleiben, um nach vorgenom- mener Deckung auf offener Strecke be- leuchtet zu werden.

Im Einvernehmen mit der Postver- waltung ist die Benützung der ZiXge für die Postbeförderung zu bestimmen, deren Ausrüstung mit Post-Coup6s oder -Wa- gen dieser oder jener Grösse oder die Be- dienung der Post durch Bahnbedienstete. [Diesbezüglich sei erwähnt, dass die ersten zwei fahrenden Postämter am I. August 1850 auf der Linie Wien Oderberg in Wirksamkeit gesetzt wurden.]

Das Zugsbegleitungspersonale wie die Maschinen für jeden Zug müssen sicher- gestellt werden, und durch einen genauen Turnus ebenso die Gewähr für das zeit- gerechte Vorhandensein des regelmässigen Bedarfes und die Deckung von Erforder- nis- und Sonderzügen geboten, wie den aus Erfahrung und Kenntnis der mensch- lichen Natur abgeleiteten Vorschriften über die gestattete Dienstzeit, Aufenthalt ausser und Ruhezeit im Wohnorte des Personales nachgekommen, endlich auch für dessen menschenwürdige Kasernirung während seiner Aufenthaltszeit in aus- wärtigen Stationen vorgesorgt werden.

Jeder Zug muss für die Dauer seiner Fahrordnung eine Rangordnung gegen andere Züge erhalten; das Geleise muss bestimmt werden, auf welches er in jeder einzelnen Station unter normalen Ver-

*) Die Kaiserin Elisabethbahn beleuchtete schon 1861 einige Waggons versuchsweise mit Gas.

hältnissen einzufahren habe, damit jeder Bedienstete seinen Dienst exact und in Ruhe zu versehen vermag, anderseits aber auch durch eine richtige Geleiswahl den Anforderungen der Reisenden, den vor- zunehmenden Zugskreuzungen und noth- wendigen Verschub- und anderen Mani- pulationen am bequemsten und sichersten entsprochen sei.

Für das Ineinandergreifen der ZügQ^ die Sicherung des Anschlusses sind für jede Bahnabzweigung und Grenzstation die Zeiten zu vereinbaren, beziehungs- weise zu bestimmen, bis zu welchen ein Zug auf einen verspäteten Anschlusszug warten dürfe, ohne zu weitgehende Stö- rungen in der Regelmässigkeit des Be- triebes hervorzurufen.

Die Achsenzahl, mit welcher jeder Zug nach den bestehenden Verhältnissen verkehren darf, das ermöglichte Maximum seiner Belastung, die unter jeder Be- dingung zulässige untere Grenze dersel- ben, das für die vorkommenden Stei- gungen und Gefälle erforderliche Brems- Ausmass, die in Verspätungsfällen ge- stattete grösste Fahrgeschwindigkeit nach Zugsgattung, Strecken Verhältnissen und Maschinencategorie, die nach den vor- handenen Geleisbögen, dem Oberbau- svsteme und den Brückenconstructionen zulässigen grössten Radstände und Maxi- mal-Achsdrücke, endlich die Stationen, wo Reservewagen zu linden und Hilfsma- schinen in Bereitschaft gehalten werden, sind dem Personale bekanntzugeben.

Hieran reiht sich bezüglich des Güter- verkehres die Verfügung, welche Güter- züge und mit welcher Bestimmung sie regelmässig zu verkehren haben, welche Erforderniszüge in erster Linie eingeleitet werden sollen, wie, wann und welcher Art die richtige Belastung für jeden dieser Züge sicherzustellen ist, wie die Appro- visionirungsgüter, so Milch, Eier, Obst, Bier, Fleisch, Butter, lebendes Vieh, wie feuergefährliches und explodirbares Gut zu befördern kommen, wie und wann die zum Sammeln einzelner Stückgüter bestimmten Wagen zugs- und strecken- weise einzurangiren seien, und noch so manches andere.

Ein schwieriges Moment bildet noch die Bestimmung für den Uebergang von

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Gustav Gerstel.

einer zur anderen Fahrordnung mit wech- selnden Anforderungen für Grösse, Zahl, Verkehrszeit und Zusammensetzung der Züge, während, wenn selbe einmal im Rollen, vielfach nur mehr für besondere Verkehrsverhältnisse Aenderungen nöthig werden.

Ist dies Alles zeitgerecht vor jeder Fahrplanänderung fertiggestellt, so vermag das Betriebspersonale, gestützt auf die für die Durchführung des Verkehrs bestehen- den Vorschriften, nach den localen Ver- hältnissen und nach der gewonnenen Er- fahrung dem todten Buchstaben Leben einzuflössen und das wunderbare Uhrwerk des Eisenbahnbetriebes in Gang zu setzen.

Zwei, wenn auch in untrennbarem Zusammenhange stehende Hauptdienste sind hiebei zu unterscheiden : der Dienst in den Stationen und jener auf der Strecke, ersterer wieder getheilt, je nachdem es sich um personenführende oder um Güter- züge handelt.

Der Personenzug in der Ausgangs- station muss nach den Vorschriften der Sicherheit, nach Gattung und Bestimmung des Zuges, nach den Anforderungen für die Bequemlichkeit der Passagiere, nach der Anlage aller zu berührenden Ab- zweige-, Kopf-, Uebergangsstationen zu- sammengestellt werden ; directe Wagen mit ihren erklärenden Aufschriften, Speise- wagen, Schlafwagen, Salonwagen kom- men einzureihen, die Communication im ganzen Zuge für die Reisenden ist herzustellen. Stets aber von Neuem müs- sen die Wagen untersucht, gereinigt, eventuell vorgeheizt, die zur Signalisirung etc. erforderliche Zugsausrüstung, die all- mählich durch elektrische Verbindung in den Hintergrund tretende vom Bahn- witz nicht umsonst »Verspätungsleine« getaufte Zugsleine angebracht werden ; das Bremsausmass entsprechend den zu durchfahrenden Steigungen und Gefällen muss sichergestellt, die Bremsvorrich- tungen der einzelnen Wagen müssen hiefür in Stand und eventuell in Ver- bindung gebracht werden.

Nur bei den Güterwagen, die bei ent- sprechender Construction freizügig alle mit gleicher Spur ausgestatteten Bahnen Europas durchlaufen dürfen, konnte der enormen Kosten wegen bis nun noch

nicht von der Bremsung des einzelnen Wagens durch Spindelbremse allein, das ist durch Bremsung seitens des bedienenden Conducteurs abgegangen werden; nur insofeme wird dabei mit einem grösseren

doch auch bei Personenzügen vor- handenen — Sicherheitscoefficienten ge- arbeitet, als das Bremsmoment der schwe- ren Zugsmaschine sammt Tender bei Be- stimmung des Bremsausmasses nicht in Rechnung gezogen wird.

Bei den personenführenden Zügen aber findet sich diese Bremsart, welche die Sicherheit des Zuges zum grossen Theile von der Aufmerksamkeit und Ge- wissenhaftigkeit des einzelnen Conducteurs abhängig macht, und der grossen Zahl zur Bedienung noth wendigen Mannschaft wegen auch unöconomisch ist, als aus- schliessliches Mittel nur mehr verhältnis- mässig selten vor. Binnen wenigen Jahren werden auch diese letzten Reste veralteter Einrichtung verschwinden, und sämmtliche personenführende Züge mit sogenannten durchgehenden Bremsen versehen sein, die es dem Locomotiv- führer, als für die Sicherheit des Zuges in erster Richtung verantwortlichem Or- gane, ermöglichen sei es durch auf die Bremsvorrichtung wirkende gepresste Luft, sei es durch den Druck der äusseren Luft gegenüber zu erzeugendem Vacuum

den ganzen Zug mittels Eines Hand- griffes zur Bremsung, beziehungsweise zur Entbremsung zu bringen. Ein wei- terer, allmählich zur Geltung gelangen- der Fortschritt gestattet jedem einzelnen Conducteur ebenso, im Momente der Ge- fahr den gesammten Zug zur Bremsung zu bringen, so wie auch etwa sich losreis- sende Wagen durch Selbstbremsung zum Stillstande kommen. Für den Fall der Versagung von derlei Bremsen ist eine genügende Zahl Wagen gleichzeitig mit Spindelbremse ausgerüstet.

Steht der Zug, von den Bedienungs- Conduct euren übernommen, zur Abfahrt bereit, so ward dem reisenden Publicum der Zugang freigegeben, was ihm durch Ausrufen bekannt gegeben wird, früher aber ausserdem noch durch eines der ältesten, seit 1897 der Vergangenheit angehörendem Signale, durch die Sta- tionsglocke angezeigt wurde.

Mechanik des Zugsverkehrs.

Abb. 10. ZuMDinica

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Gustav Gerstel.

Es liegt in der zweckmässigen Anlage der Gassen-, Gepäcks- und Warteräume, der Verbindungswege, der Zahl und Aus- gestaltung der Perrons, der Anordnung und Wechselverbindung der Geleise, wie der Aufstellungsart des Zuges, damit die Besetzung und Abfertigung schnell aufein- anderfolgender Züge, wie umgekehrt die Entleerung und das rasche Beiseiteschieben ankommender Züge in kürzester Frist erfolgen könne.

Luxuszüge, Schnellzüge, Post-, Local-, Arbeiterzüge, gemischte und Secundär- züge mit ihren verschiedensten Anfor- derungen wechseln so in bunter Reihen- folge mit einander ab, begleitet vom Fahrberichte oder Stundenpasse, der die genaue Geschichte jedwedes Zuges seit Beginn des Eisenbahnbetriebes festlegt.

Besondere Vorkehrungen erheischt ein Massenverkehr, wie er in der Nähe volkreicher Städte an schönen Sommer- festtagen oder sonst bei besonderen An- lässen sich zu entwickeln pflegt. Die gegenüber dem stets wachsenden Ver- kehre zumeist beschränkten Raumverhält- nisse und unzureichenden Anlagen erfor- dern um so sorgfältigeres Durchdenken der zu treffenden Fahrdispositionen und exacteste Schulung des Personales. Grosses Gewicht ist hiebei auf die möglichst von einander unabhängig zu gestaltende Abwicklung des Femverkehres vom Nah- [Massen-] Verkehr zu legen, und braucht auf das weitere Erschwernis nicht be- sonders hingewiesen zu werden, wenn die Massenbewegung ebenso den Nah- ais den Fernverkehr umfasst, und todtes wie lebendes Materiale der Bahnen auf das Aeusserste ausgenützt werden muss, um der gestellten Aufgabe gerecht zu werden.

Auf den Mittelstationen wiederholt sich zum Theile derselbe Dienst wie in den Ausgangs- und Endstationen.

Als neues Moment kommt hier jedoch die Vorsorge für etwa sich kreuzende Züge, die Sorge für die richtige Leitung der Passagiere von und zu den verschiedenen Zügen und Zugsabtheilungen, das Bei- und Abstellen directer Wagen oder Zugs- theile hinzu, und muss jede Station in Anordnung, Zahl und Verbindung der Geleise, in Lage und Zugänglichkeit der

Perrons der ihr zukommenden Aufgabe entsprechend ausgestaltet sein.

Bei Beförderung von Menschen, so vielfach auch deren Wille und Verlangen, hat man es doch mit unterstützender Selbstthätigkeit zu thun, die geleitet durch zweckmässige Bestimmungen und Einrichtungen, wie durch die Unterstützung der Stations- und Zugsorgane sich selbst hilft, und den Reisenden den Weg zur Bestimmungsstation finden, Station für Station nach eigenem Willen und Bedarf zuwachsen und abfallen lässt.

Anders bei lebendem und todtem Gute, das ebenso sicher und möglichst rasch an den ihm zuerkannten Bestim- mungsort zu bringen ist. Hier muss fehlender Wille und Selbstbestimmung durch Kopf und Hand des Bahnpersonales vollkommen ersetzt, und die zu leistende Arbeit vervielfältigt werden.

Die weite Verzweigung der Bahnen von Land zu Land, von Reich zu Reich bringt es mit sich, dass für das Fracht- gut weit entferntere Absatzquellen ge- sucht werden, als dies die kühnste Phantasie zur Zeit der Entstehung der Eisenbahnen geahnt hatte.

Der Deutsche Eisenbahn- Verein war schon 1847 zur Ueberzeugung gelangt, dass Massregeln für die directe Expe- dition von Personen und Gütern auf mehrere Bahnen zu treffen seien, wohin namentlich gleichmässige Abfertigungs- formen gehören, so dass durch deren Annahme die sämmtlichen deutsch-österr.- ungarischen Bahnen dem Publicum gegen- über möglichst wie unter einer Ver- waltung stehend, erscheinen sollten.

Mit I. Juli 1850 wurde das erste Reglement für den Güterverkehr seitens des Vereins eingeführt, wie auch ein Uebereinkommen über den directen Güter- verkehr in Geltung trat. Ersteres regelte die Beziehungen der Eisenbahn - Ver- waltungen zum Publicum, das zweite das Verhältnis der Eisenbahnen unter sich hinsichtlich der aus dem Reglement entspringenden Rechte und Pflichten in einer für die damalige Zeit mustergiltigen Weise.

Das Reglement musste 1 862 dem damals ins Leben getretenen Deutschen Handels- gesetzbuche angepasst werden, während

Mechanik des Zugsverkehrs.

mjah

1872 wohl viele Bestimmungen des Regle- ments wörtlich in den je für die Bahnen Deutschlands und Oesterreich - Ungarns erlassenen staatlichen Betriebsreglements Aufnahme fanden, 1876 aber erst die verloren gegangene Einheitlichkeit durch das > Vereins-Betriebsreglement» wieder hergestellt wurde.

Als endlich im Jahre 1893 ein inter- nationales Uebereinkommen über den Eisenbahn-Frachtenverkehr zustande kam, das auch Frankreich, Italien, die Schweiz, Russland etc. umfasste, wurden auf Grund desselben das Vereins-Betriebsreglement und die Betriebsreglements Oesterreich- Ungarns und Deutschlands [Verkehrs - Ordnung] neuerlich in vollen Einklang gebracht, und erscheinen nun säramtliche aus dem Frachtgeschäfte der Eisenbahnen hervorgehenden Rechte und Pflichten aller Betheiligten nach jedweder Richtung für nahezu ganz Europa einheitlich ge- regelt.

Solcherart waren nun wohl die Be- dingungen, unter denen ein Gut zu be- fördern sei, die Rechte und Pflichten der Bahnen, wie der Verfrachter in gesetzliche Formen gebracht.

Die Art und Weise, wie mit dem Gute zu manipuliren,wie es zu verbuchen, zu übernehmen, zu bewahren, zu über- geben und auszufolgen, wie die Erhebung im Falle von Schadenansprüchen zu pflegen sei, wurde seitens der österr.- ungarischen Eisenbahn Verwaltungen 1 863 auf drei Jahre, mit stillschweigender Ver- längerung für die nicht kündenden Bah- nen auf je weitere 3 Jahre entsprechend

den damaligen Verhältnissen geregelt. Im Jahre 1881 wurde dies durch die österreichisch-ungarischeEisenbahndirec- toren-Conferenz in unkündbarer Weise einheitlich und bindend festgestellt, so zwar dass unter Anderem auch eine klare Beurtheilung der durch Beschädi- gung, Verlust, Zeit Versäumnis hervor- gerufenen Schuldfragen und ihrer Süh- nung gewonnen wurde.

Die praktische Durchführung aller dieser Vorschriften, die Massnahmen, um den Verkehr der Güter nicht nur sicher, sondern auch öc onomisch und rasch durchzuführen, blieb jeder Bahn Über- lassen und ist diese Aufgabe des Eisen- bahnverkehres wohl eine der am schwersten zu bewältigenden.

Auf so hoher Stufe der Vollkommen- heit sich nun auch die Eisen bahn beförde- rung der Menschen befindet, so viel wäre noch zu leisten, um die Güterbeförderung auf jene Höhe zu bringen, die sie theil- weise im Geburtslande der Eisenbahnen, in England, schon erreicht hat.

Für Massengut, das in ganzen Wagen- ladungen befördert wird, liegen die Ver- hältnisse einfacher. Kohle, Ziegel, Steine, Getreide, kurz sogenanntes Massengut hat oft in zahlreichen gleichzeitig auf- gegebenen Wagenladungen die gleiche Bestimmungsstation, so dass ganze Züge oder doch Zugstheile daraus zusammen- gestellt werden können, die in directen Zügen ohne viele Aufenthalte ihrem Ziele zurollen.

Einzelne Wagenladungen bieten schon die etwas grössere Schwierigkeit, dass

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Gustav Gerstel.

sie einzeln in den Zug gestellt, und am Bestimmungsorte wieder ausrangirt oder auf Abzweigungen übergehend dort in neue ZiXgQ eingereiht werden müssen.

Weitaus schwieriger wird die Mani- pulation bei einzelnem Stückgute oder bei zahlreichen gleichartigen und gleich- zeitig aufgegebenen Frachtstücken, deren jedes einem anderen Endziele zugeführt werden soll. Nicht nur bedingt dies sorgfältige Verbuch ung jedes einzelnen Collo in das den Wagen begleitende, schon im ersten Eisenbahnbetriebs-Jahre bekannt gewesene Ladeverzeichnis, son- dern Oeffnung und Wiederversicherung der mit Bleiplomben verschlossenen Wa- gen in so und so viel Stationen, um das betreffende Collo am richtigen Orte an- zubringen.

Die Wagen müssen aus vielfachen Gründen ausgenützt werden, und dies wie die meist beschränkten Verladeräume lassen das Zusammenladen von Collis für die verschiedensten Richtungen und Distanzen nur allzuoft als das Nächst- liegende erscheinen. Gehen nun Colli auf Zweigbahnen oder über mehrere nach einander folgende Abzweigungen, ja selbst nur auf eine grössere Distanz der Hauptlinie, so ist meist ein Abstellen der Wagen auf den Abzweigstationen, be- ziehungsweise auf weiter von einander- liegenden Stationen der Hauptlinie, Aus- laden der ColH oder selbst gänzHches Umladen der betreffenden Wagen und Zusammenladen solcherart angesammelter Güter bei sorgfältiger Controlle und Ver- buchung un erlässlich.

Verwechslungen, infolge dessen Ab- gänge und auch Beschädigungen, wie Verzögerungen und Ueberschreitung" der gesetzlich vorgeschriebenen Lieferzeit treten dann leicht ein, und beschäftigen in lebhafter Weise die sogenannten Re- clamationsbureaux der Bahnen, welche die Anstände aus dem Frachtenverkehre gegenüber dem Publicum zur Austragung bringen.

Der Umstand, dass die Eisenbahnen auf dem Continente nicht wie in England die Zu- und Abspedirung der Güter zum und vom Bahnhofe in eigene Regie ge- nommen haben, wie dies in den ersten Jahren auch die Wien-Gloggnitzer und

später die südliche Staatsbahn übten, bald aber, als den landesüblichen Ge- wohnheiten nicht entsprechend, aufgeben mussten, bildet einen Hauptgrund der oben erwähnten, durch die rasche Ent- wicklung des Gütergeschäftes erklär- lichen Beförderungsart.

In London holt die Bahnverwaltung selbst die Güter vom Aufgeber ab, sammelt sie an zahlreichen Sammelstellen, ordnet sie nach Bestimmungsstationen und führt das gesammelte und gesichtete Gut wagen- und zugsweise zum Bahn- hofe, wo es nach gleichartiger Bestimmung directe in kleine Güterwagen geladen und in kürzester Zeit und ohne viele Einzelausladungen auf den Zwischen- Stationen in die Bestimmungsstation ge- bracht wird.

Dies Ideal sollte auch bei uns wenigstens annähernd angestrebt werden, wenn auch die vorerwähnten einfachen Vorbedingungen wie in England und der dortige dichte Verkehr hierlands mangelt.

Wenn nicht an zahlreichen Sammel- stellen, so muss doch in der Aufnahms- station selbst das Gut durch zweck- mässige Disposition trotz beschränkten Güterraumes gesichtet und auch über den engeren Localverkehr hinaus nach aufeinanderfolgenden Bestimmungsstatio- nen kurz abgegrenzter Bahnstrecken ver- laden werden. Es darf nicht, wie dies so häufig geschieht, ohne viel Rücksicht auf die Bestimmung verladen und der Zug gebildet werden, so dass nahezu jeder Zug Sammelwagen mit Einzelgütern und ebenso Einzelwagenladungen für die ganze Strecke bis in ihre fernsten Fortsetzungen enthält. Unausweichliche Folge dieses Vorganges wird, dass auch die Wagen für die entlegensten Stationen zahllose unnöthige Aufenthalte miterleiden müssen, und grosse Gütermengen wegen einzelner Colli zurückgehalten werden, um viel später an ihre Bestimmung zu gelangen, während die Wagen verzö- gert und damit unöconomisch ihrer rascheren Wiederverwendung entzogen werden.

Nicht jeder Güterzug darf in jeder Station halten, weil er für jede Gut bringen oder von jeder Gut erhalten

Mechanik des Zugsverkehrs.

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könnte. Directe, raschere ZVige mit Durch- fahrt durch zahlreiche Stationen haben den Haupttheil des Verkehrs auch dann zu bilden, wenn sie nicht aus gleich- massiger Massenfracht mit gleicher Be- stimmung bestehen. Insoweit sie Wagen mit Gut für Zwischenstationen besitzen, haben sie dieses an den zunächst ge- legenen Knotenpimkten abzusetzen, von w^o Vertheilungszüge eingeleitet werden, die ebenso die Güteraufgabe dieser Zwischenstationen aufzunehmen und dem nächsten hiezu ausersehenen Knoten- punkte zuzuführen haben, um sie un- mittelbar oder nach zweckmässiger Um- ladung und Vertheilung der darunter befindlichen Stückgüter wieder einem directen Zuge zu überantworten.

Weitaus rascherer W^agenumsatz, schnellere und sicherere Beförderung der Güter wäre die Frucht dieses Systems, das bei dem heutigen Stande der Güter- verkehrsentwicklung allerdings nur mehr schwer imd nur nach sorgfältigster Ueber- legung und Vorbereitung allmählich und vorsichtig auf Bahnlinien mit regem Ver- kehre eingeführt werden kann.

Die Lieferzeit, wie sie heute be- steht, wird dann weit leichter einge- halten, in vielen Fällen sogar namhaft unterboten werden können, wenn auch die Frictionen des Verkehrs nicht ge- statten dürften, dies gesetzlich zum Aus- drucke zu bringen.

Ist doch durch die Scheidung der Lieferzeit für lebendes Vieh, für Fracht und Eilgut und durch die heute hiefür bestehenden Ziffemsätze auch in dieser Hinsicht ein namhafter Fortschritt gegen ehedem zu verzeichnen, wo beispielsweise ab 1850 auf den nördlichen Bahnlinien nur für den Verkehr zwischen den Haupt- stationen Wien, Brunn, Olmütz, Oderberg, Prag und Lobositz, sowie nur mit Aus- nahme roher, ordinärer Producte eine Lieferfrist dann galt, wenn kein unge- wöhnliches, zufälliges Ereignis eintrat, für welches der vom Stationsbeamten contrasignirte Stundenpass des betreffen- den Zuges beweisführend war. Unter diesen Vorbehalten war die Lieferzeit da- 1 mals für Wien- Brunn auf 4 [heute 3] Tage, , Wien-Prag auf 6 [heute 5], Wien- Lobositz ' auf 7 [heute 5] Tage festgesetzt worden. ,

Auf den übrigen Bahnen pflegte die Lie- ferzeit ab 1848 meist nur nach der Menge der eben vorhandenen Beförderungsmittel und der sich anhäufenden Waaren von acht zu acht Tagen voraus bestimmt und bekanntgemacht zu werden.

Eines der wichtigsten Erfordernisse für die leichte Manipulation in den Stationen liegt bei jedem Systeme in der richtigen und raschen Bildung des Zuges aus den für selben bestimmten Wagen. [Vgl. Abb. 10, II und 12.] Zu diesem Zwecke werden in den grossen Aus- gangsstationen, wie nach längeren durch- laufenen Strecken, nach welchen sich eine Neuordnung des Zuges als unerläss- lich erw'eist, Rangirbahnhöfe angelegt. [Vergl. Abb. 14, 15 u. 16.]

Die vorzüglichste derartige Anlage bilden zwei durch ein kurzes Zwischen- geleise verbundene Geleisebündel, an deren einem Ende ein wenigstens in einem Theile seiner Länge ansteigendes oder ausserdem mit einer kurzen Gegen- steigung [sogenannten »Eselsrücken«] ver- sehenes Auszugsgeleise, an deren anderem Ende die Aufstellungsgeleise für die fertig rangirten ZiXgQ sich anschliessen.

Die zu rangirende Wagenreihe wird auf das Auszugsgeleise gebracht, wagen- weise, sei es durch Abkuppeln auf dem Gefälle, sei es durch wagenweises Hinauf- schieben über den Gefallsbruch des » Esels- rückens« abrollen gelassen und auf dem ersten Bündel gleichsam staffelweise ver- theilt, von da ein Geleise nach dem anderen in das zweite Bündel so entleert, dass die Wagen dort Geleise für Geleise gruppenweise in richtiger Aufeinander- folge zu stehen kommen, um gleicher- weise in geschlossenen Gruppen weiter- rollend als fertiger, richtig rangirter Zug auf die Aufstellgeleise zu gelangen. Dies System erfordert vornehmlich nur richtige Anschreibung der Wagen bezüglich der Geleise in den beiden Bündeln, auf welche sie zu rollen haben, doch zugleich eine ausnehmend ausgedehnte Anlage des Rangirbahnhofes.

Von dieser Anlage durchlaufen die Rangirstationen zum einfachen, beider- seits zusammengezogenen Bündel, zum harfenähnlichen Geleiseplane, endlich zur einfachen Benützung gewöhnlicher Sta-

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Gustav Gerstel.

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Abb. 14.

tionsgeleise alle erdenklichen Formen, und erfordern stets mehr und mehr Findigkeit, doch auch meist mehr Zeit, um das gleiche Resultat zu erreichen, während die vornehmlich in England eingebürgerte und den geringsten Kaum benöthigende Methode der Zugszusammenstellung mit Drehscheiben bei uns sich nicht Bahn zu brechen vermag.

Die Methode des Abrollenlassens der Wagen, wie sie die eigens zum Rangiren erbauten Geleiseanlagen zum Beschleu-

nigen des Verfahrens zur Voraussetzung haben, stellt nachtheiligerweise grössere Ansprüche an die Festigkeit der Wagen- construction. An die Räder anzupressende Bremsknüttel,*) auf die Schienen aufzu- legende eigens construirte Bremsschuhe, [Abb. 17] endlich in neuester Zeit soge- nannte Sandgeleise - - das sind in Sand

I *) Zuerst mit Genehmigung der Aufsichts-

j behörde 1875 am Rangirbahnnofe zu Aussig

auf Grund der in Deutschland gemachten

Erfahrungen angewendet.

Mechanik des Zugsverkehrs

versenkte und dadurch grosse Reibung erzeugende Geleise dienen dazu, die Wagen in ihrem Laufe zu massigen und am richtigen Orte aufzuhalten.

Dem vorzüglich geschulten Personale der Verse hieb er, unterstützt durch die Weichen Wächter, Hegt diese Zusammen- stellung der Züge und Behandlung der einzeln abrollenden Wagen ob, während

Fahrbetriebsmittel stehen dürfen, ohne sich gegenseitig zu streifen, bei jeder Gel eise Verbindung genau eingehalten werden.

Aber nicht nur nach Bestimmungs- stationen, sondern auch nach den Er- fahrungsvorschriften über die Art des Einreihens der verschiedensten Wagen- gattungen, als da sind gedeckte und

Abb. 15. HarfengcUlieanlaes, Rangitbahnbof, Briglttcnau. [OTle<i"il-Aurna

der Wagenaufseher unter der Oberauf- sicht von Verkehrsbeamten dafür sorgt, dass alle einschlägigen Vorschriften be- folgt, die Wagen bei Rangiranlagen für die richtigen Geleise bezeichnet, und bei Verschub nach der alten Methode des Ausstossens, caleidoscop artigen Hin- und Herstell ens, Abholens, Zusammenziehens oder Zusammenschiebens der Wagen, Wagengruppen und Zugstheile die ge- ringste Zahl Verschubbewegungen aus- geführt werde. Stets jedoch muss hier- bei die Sicherheit für Person und Eigen- thum gewahrt, und so namentlich die seit circa 1850 markirte Grenze, [das so- genannte »Polizeiholz«] bis zu weicher

offene Wagen mannigfachen Inhalts, mit feuergefährlichem oder explodirbarem Gute, Klein- und Grossvieh-, Fisch- und Geflügel wagen, Bier-, Fleisch-, Obst-, Milch-, Kalk-, Erz-, G et rei des chütt wagen, Langholz-, Reservoir-, und Gastransport- wagen etc. etc., dann bezüglich der bis zur nächsten Rangiranlage oder dem Zugsziele erforderlichen Bremsenzahl ist der Zug zu ordnen. [Vergl. Abb. 18.]

Erst im Beginne der Fünfziger-Jahre kam man davon ab, als letzten Wagen einen leeren, nicht bremsbaren Wagen zu verwenden, m dem nur Schmier- requisiten und emige Reservegegenstände mitgeftthrt wurden und stellte statt dessen,

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Gustav Gerstel.

wie noch heute einen vollbeladenen, brem- senbesetzten Wagen als Signal- und Schlusswagen ein. Anderseits besassen noch zehn Jahre später die wenigsten Bah- nen eigene Sicherheits wagen [Gepäcks-, Hüttel wagen], deren Anwendung über- haupt sich bis zum Jahre 1850 zurück- verfolgen lässt, sondern stellten selbe mehrere, mindestens aber einen Fracht- oder leeren Personenwagen zum Schutze der Reisenden unmittelbar hinter die Locomoti ve, den Zugführer theils im ersten, theils im letzten Bremswagen des Zuges postirend. Die Kaiser Ferdinands-Xord- bahn wieder hatte noch bis zum Jahre 1897 bei den Personen- wie den Schnellzügen dem Zugführer in der Mitte derselben seinen Platz angewiesen.

Ebenfalls im Beginne der Fünfziger- Jahre begann man der Zahl der Bremsen, ihrem Verhältnisse zum Gewichte des Zuges und den zu durchfahrenden Nei- gungen, sowie ihrer Vertheilung volle Aufmerksamkeit zuzuwenden, doch be- stimmte man die Bremsenzahl nach der Zahl der im Zuge befindlichen Räderpaare ohne Rücksicht auf deren Belastung. Die Südbahn führte die Berechnung nach dem Gewichte des Zuges zuerst 1870 für den Semmering und Karst ein. Ihr folgte 1872 die österreichische Nordwestbahn, bis die Bremsung nach dem Zugsbrutto ab 1876 für alle österr.-ungarischen Bahnen obli- gatorisch wurde.

Die Uebersicht des so vielfach sich verzweigenden Dienstes in einer Station für das Zusammenstellen der Personen- und Güterzüge, Abholen, Einrangiren, Ausstossen einzelner Wagen, Bedienen der Gütermagazine und verschiedenen Aus- und Einladeplätze, Uebergabe be- schädigter oder untersuchungspflichtiger Wagen an die Werkstätten, Abholen reparirter Wagen, Regelung der Maschin- fahrten von und zu allen diesen Diensten, von und zu allen angekommenen und abzulassenden Zügen in sicherster Weise und kürzester Zeit ist Sache der Ver- kehrsorgane in grösseren Stationen und je nach Anlage und Bedeutung in den Mittelstationen.

Ermüdend, anstrengend und verant- wortungsreich ist dieser, kaltes Blut und ruhige Ueberlegung erfordernde Dienst,

dem sich die Sorge für die gefahrlose Ein- und Ausfahrt auf Grund der seit etwa 1850 vorgeschriebenen Wechsel- untersuchung und Wechsel- wie Geleise- controle, theil weise auch für die Sicher- heit des Zugsverkehres auf offener Strecke zwischen den Stationen anreiht. Zwölf bis 24 Stunden mit darauffolgender ent- sprechender Ruhezeit, je nach Bedeutung, Stärke des Verkehrs und den Obliegen- heiten, währt gegenwärtig ein solcher Dienst für die Organe des Verkehrs, vom Verkehrsbeamten bis zum letzten Weichen- wächter und Wagenputzer, und jeder Augenblick des Dienstes erfordert seinen ganzen Mann.

Umso sorgsamer muss erwogen werden, welche Anforderungen an täg- licher Arbeit von jeder Categorie der Eisenbahnbediensteten im einzelnen Falle gefordert werden kann, um die volle Gewähr für die sichere Betriebsdurch- führung zu gewinnen, und den berech- tigten Anforderungen des Bediensteten auf schon ungs volle Ausnützung seiner Kräfte Rechnung zu tragen, ohne anderer- seits die öconomischen Interessen der Eisenbahnen allzusehr zu schädigen.

Die ersten Jahrzehnte des Eisenbahn- betriebes wiesen bei den Bahnen so starke Verkehrslücken und nahezu gänz- lichen Entfall des Nachtdienstes auf, dass sich damals keinerlei Bedürfnis für die staatliche Regelung der Dienstzeit ergab, und im Allgemeinen eine nur zwölf- stündige Dienstzeit eingehalten werden konnte. Ausnahmen gab es allerdings auch in jener Zeit, und bestand beispiels- weise auf der nördlichen Staatsbahn Brünn-Prag vom 2. November bis zurh 2. December 1850 ein ausnehmend star- ker Militärverkehr. Das Betriebspersonale kam hiebei oft mehrere Tage nicht aus den Kleidern, den Locomotivführem konnte nach ßöstündiger Dienstzeit eine kaum vierstündige Ruhe gewährt werden, Ingenieure und Assistenten mussten Füh- rerdienste verrichten, und verliess als besonderes Beispiel ein Locomotivheizer vom 2. November bis 2. December nicht seine Maschine.

Noch in den Sechziger -Jahren ver- blieben dem Personale zwischen den ein- zelnen Dienstesverrichtungen unter nor-

Mechanik des Zugsverkehrs.

malen Verhältnissen meist so lange Ruhe- pausen, dass die Regierung unter dem 12. August 1865 anordnen konnte, es habe beim Wächterpersonale dort, wo selbes bei regelmässigem Verkehre der Züge nicht mindestens 5 Stunden ununter- brochener Ruhe geniesse, eine Ablösung desselben alle 36 Stunden stattzufinden. Im Jahre 1874 wurde vorgeschrieben, dass dort, wo die Wächter binnen

der Staatsverwaltung oder der Aufsichts- behörde dazu führte, die Dienst- und Ruhezeit den jeweiligen Verhältnissen des Betriebes anzupassen, so fehlte doch bis nun in dieser Richtung eine directe staat- liche Vorschrift, und wechseln die Dienst- und Ruhezeiten im Allgemeinen von 12 Stunden Dienst 24 Stunden frei, über 24 Stunden Dienst 24 Stunden frei, bis zu 24 Stunden Dienst 6 Stunden frei.

Abb. le. Abroltdamm der Stalloo

24 Stunden nicht ununterbrochen volle 5 Stunden der Ruhe pflegen können, eine Ablösung eintreten müsse, u. zw. nach abgelaufenen 24 Dienststunden auf min- destens 6 Stunden, nach 30 Dienststunden auf 8, nach 36 Dienststunden auf min- destens 12 Stunden, wobei letztere Dienst- leistung eine nur ausnahmsweise zulässige sei, wie auch eine Dienstzuweisung, die nur die Nächte allein absorbire, nicht platz greifen dürfe.

Wenn auch späterhin weitere Erleich- tenmgen angeordnet wurden, und das Interesse der Bahnen für Schonung ihres Personales und Wahrung der Betriebs- sicherheit sie selbst oder über Einfluss

Geichlchle der EluenbBlincn. III.

Erst in den letzten Jahren nahm die Staatsverwaltung diese so wichtige, und die vielfachsten entgegengesetzten Inter- essen tangirende Frage mit grösstem Ernste wieder auf, um sie in einer, den Anforderungen der Jetztzeit voll Rech- nung tragenden Weise filr alle Zweige des executiven Eisenbahndienstes zur Lösung zu bringen.

Dies dürfte wohl mit der vor kurzem erschienenen Regierungsverordnung in vollem Masse geglückt sein, nach welcher der 24stUndige Dienst gänzlich ver- schwinden und selbst das neue Maximum von 18 Stunden an besondere, den Dienst erleichternde Bedingungen geknüpft wird.

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Gustav Gerstel.

Eine kürzere als 24stündige Dienst- zeit bedingt eine zwei- und mehrmalige Ablösung per Tag und damit mehr Fehler- quellen, sowie schwierigere Orientirung für den Dienstübemehmenden, vornehm- lich dann, wenn der Dienstwechsel in die Nachtzeit fällt. Die kürzere Dienst- zeit erfordert demzufolge zum Theile nicht nur mehr, sondern ausserdem unerlässlich ein um so geschulteres, mit den Platzver- hältnissen wohl vertrautes Personale.

Die für die volle Einführung der neuen Dienstnormen bei den österreichischen Staatsbahnen in Aussicht genommene Zeit bis Ende 19CX) muss deshalb als eine verhältnismässig sehr kurze bezeich- net werden.

Zweifellos ist, dass das gegebene Beispiel nachwirkend bei allen übrigen österreichischen Eisenbahnen zur Geltung gelangen wird.

Kurz sei noch bemerkt, dass über die Frage des 24stündigen Dienstes insoferne nicht so ohneweiters abgeurtheilt werden kann, als ihm bei sonst nicht strenger Dienstleistung seitens des Personales nicht nur wegen der absolut grösseren Länge der Ruhezeit, sondern auch dann gerne der Vorzug gegeben zu werden pflegt, wenn bei percentuell gleichem Ver- hältnisse zwischen Dienst- und Ruhe- zeit die Ablösung andernfalls unaus- weichlich in ungünstige Nachtstunden fällt, weil die unmittelbar vorhergehende Ruhezeit nach den Lebensgewohnheiten doch auch nur zum geringeren Theil wirklich dazu verwendet zu werden pflegt.

Wird durch die vollberechtigte Rück- sichtnahme auf das Personale auch er- reicht, dass der Eisenbahn dienst stets rasch und sicher gehandhabt werde, so genügt dies allein aber noch nicht, um eine richtige Verkehrsdurchführung zu erzielen. Auch der von den Personal - kosten unabhängige Theil des Eisenbahn- verkehrsdienstes muss wirthschaftlich auf das Sorglichste bedacht werden, wollen nun die Bahnen als ein Erwerbsinstitut betrachtet, oder sollen sie im Staats- interesse zum allgemeinen Wohl und aus den Mitteln des Steuerträgers betrieben werden.

Ehedem genügte es den an die Bahnen gestellten Anforderungen, wenn die leer

in den Stationen stehenden Güterwagen in Züge zusammengestellt, die ganze Strecke durchliefen, imd jede Station sich so viel Wagen abhängen durfte, als sie für den Bedarf des nächsten Tages be- nöthigte, so dass die je fernere Station, und wäre ihr Bedarf ein noch so grosser und noch so dringender, umsoweniger er- hielt. Später verständigten sich die Stationen schriftlich und ab 1849 nach Einführung des Telegraphen auf telegraphi- schem Wege über ihren Wagenbedarf, um einen besseren, der Wagenwirthschaft zugute kommenden Ausgleich zu erzielen.

Durch die Erfahrung über die aus- schlaggebende Wichtigkeit dieses Dienstes belehrt, suchte man weiterhin die Leitung der Wagen an den richtigen Ort einheit- lich zu gestalten, und schuf Centralstellen, denen die Stationen schriftlich oder tele- graphisch zu melden haben, was sie an Wagengattungen für den nächsten Tag bedürfen, oder welche Wagen sie für ander- weitigen Gebrauch zur Disposition stellen können. Damach nun gleicht die Central- stelle, meist Wagendirigirung genannt, Stand und Bedarf gegenseitig aus, und verständigt die Stationen telegraphisch von der durchzuführenden Disposition.

Bekannt aber mit dem Anschwellen und Sinken des Bedarfes zu gewissen Zeiten und an verschiedenen Orten, wie nach Erwägung der Wichtigkeit von Anforderungen einzelner Industriezweige, Handelscentren oder für auszunützende Handelsconjuncturen ist es mit eine der wichtigsten Obliegenheiten der Wagendirigirung, die Dringlichkeit der Deckung eines Bedarfes bei etwaigem Wagenmangel mit in Berechnung zu ziehen, und die Dispositionen zugleich vordenkend so zu treff"en, dass auch für zu erwartenden kommenden Bedarf ge- sorgt sei.

Nur die entladenen fremden, wie die mit Vieh beladen gewesenen Wagen unterliegen im Allgemeinen nicht der jeweiligen Anmeldung und Dirigirung. Die ersteren sind von der Entladestation auf dem kürzesten W^ege sofort an den Einbruchspunkt des Wagens gegen die Heimat zu leiten, falls keine Wieder- beladung ermöglicht ist. Die entladenen Viehwagen hingegen müssen unverzüglich

Mechanik des Zugs Verkehrs

nach hiezu voraus bestimmten und ent- sprechend ausgestalteten Desinfections- stationen gesendet werden, um dort dem Gesetze entsprechend binnen 48 Stunden nach der Entladung mit Dampf, Carbol- säure oder durch Ausräuchern mit Chlor- kalk etc. desinficirt und wiederverwend- bar gemacht zu werden.

Das System der Wagendirigirung hatte sich selbstverständlich auch nur allmählich entwickelt, und war unter Anderem die Kaiser Ferdinands -Nord- bahn die erste Bahn in der Monarchie, die im Jahre 1851 ein Wagenevidenz- bureau errichtete und ihre Linien in drei

die Wagen wirth Schaft in feste Bahnen lenkten, ergab sich mit der Verdichtung des Verkehrs, mit der anwachsenden Güterbewegung die Noth wendigkeit, kleine Centra Istellen des Verkehrs zu schaffen, die den Zugs verkehr beweg- licher zu gestalten, zu leiten und zu überwachen hatten.

Zu solchen Stellen wurden Knoten- punkte des Verkehrs und auch Stationen gewählt, die Strecken mit wechselnden Verkehrs Verhältnissen begrenzten, wie am Fusse von Gebirgsstrecken u, dgl., und mit dem Namen von Dispositionsstationen bezeichnet. Selbe haben die zwischen

Strecken theilte, in welchen je einer Ver- theilungsstatiou' [Prerau, Lundenburg und Wien] die Wagen dirigirung zufiel, während dem »Evidenzbureau« der etwa erforder- liche Ausgleich zwischen den drei Ab- theilungen oblag. Ihr folgte als nächste die Südbahn erst im Jahre 1858 mit Er- richtung einer Wagen dirigirung in Mar- burg, und von da ab erst nahmen alle übrigen schon bestehenden oder zur Er- bauung kommenden Bahnen dies Sjstem und die Umgrenzung des Wirkungskreises der Dirigirungsstelle zur Erzielung einer richtigen Wagenverwendung an.

Mit dem Anwachsen der einzelnen grossen Bahngebiete mussten die Diri- girungsbezirke später theilweise in ein- zelne grössere Filial - Wagendirigirungs- bezirke getheilt werden, und erfolgt deren Ausgleich untereinander von einer Cen- tral -Wagendirigirungsstelle aus.

Wie die Wagendirigirungen Central- Stellen in höherem Sinne waren, welche

ihnen gelegenen Stationen über die ver- kehrenden Züge zu informiren, die regel- mässigen Züge einzuleiten, den Bedarf von Zügen im Erfordernisfalle zu calcu- liren und diese in Verkehr zu setzen, sowie für möglichst günstige Ausnützung der Maschinen kraft auf Grund der in der eigenen Station, sowie in den Stationen ihrer Strecke zum Abtransport bereit stehenden Gütermengen und Wagen Sorge zu tragen.

Wohl ist gegenwärtig, wo die vier- rädrigen Güterwagen bis 15 i Ladung nehmen, diese Ausnützung bei geringerer Wagenzahl und somit kürzerer Zugs- länge öconomischer durchführbar, als ehedem, wo selbst achträdrige, daher viel längere Wagen nur 5 / zu tragen ver- mochten. Während ausserdem gegen- wärtig genaue Tabellen Über die jeder Maschinen- und Zugsgattung zukommende Belastung für I bis 2 Maschinen an der I Spitze, wie allenfalls bei grösseren Stei-

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gungen noch für eine dritte [Schiebe-] Ma- schine am Ende des Zuges Aufschluss ge- ben und damit die einzuhaltenden Grenzen iixiren, war dies in den ersten Jahrzehnten zum grossen Theile der Kenntnis imd Be- urtheilung des leitenden Ingenieurs über- lassen, so dass noch 1850 in einem Gircular der k. k. Betriebs-Direction in Prag geklagt wird, die Lastzüge nähmen durch Zuladung auf der Strecke an Grösse so zu, dass zur Beförderung selbst fünf Maschinen an der Spitze erforderlich werden, »was der Sicherheit und Regelmässigkeit nichts weniger als förderlich ist, und daher ver- mieden werden muss«.

Diese leitenden Ingenieure und ihre Assistenten waren bei den ersten Bahnen, wie der Kaiser Ferdinands-Nordbahn und Wien-GloggnitzerBahn für den gesammten Verkehr einer gewissen Strecke und für dessen Ueberwachung im Detail verant- wortlich, hatten aber ausserdem den Ver- kehrsdienst in ihrer Station, den Bahn- erhaltungs- und Bahnaufsichtsdienst, den Locomotivdienst und theilweise selbst die Werkstätten unter sich. Nur der reine Expedits- und Gassendienst unterstand ihnen nicht.

Dies war wohl selbst zur Zeit, als nur wenige ZiXgQ verkehrten, schwer durchzuführen, und musste bald zu einer Arbeitstheilung geschritten werden, indem vor Allem der Zugförderungs- und Werk- stättendienst abgetrennt und die Strecke verkleinert, dafür aber nunmehr der Expeditsdienst hinzugefügt wurde. In solchem Stande erhielt sich die Einrichtung mit geringen Schwankungen an 25 Jahre, bis endlich der Bahnerhaltungs- und Bahn- aufsichtsdienst als besonderes Ingenieur- fach behandelt, und der Stationsvorstand auf den Dienst in seiner Station und im Falle einer Dispositionsstelle auf die er- wähnte Verkehrsdisposition für eine ge- wisse Bahnstrecke beschränkt wurde.

Allerdings war der Dienst in den Stationen anfangs ein sehr einfacher, weil der Verkehr ein geringer war, und die Verkehrsabwicklung beim Zuge vornehm- lich in der Hand des Maschinenführers und Zugführers lag.

Immerhin aber war bald erkannt worden, dass die Stationen, um selbst ihrer geringen Aufgabe gerecht zu werden,

mehrerer unter einander verbundener Ge- leise bedurften. »Um in den Bahnhöfen, wo 2, 3, 4, 5 und selbst wie z. B. im Wiener Nordbahnhofe 6 Bahnen liegen, aus der Hauptfahrbahn mit dem Wagen- zuge nach jeder beliebigen Bahn gelangen zu können, sind die Ausweichungen an- gebracht, welche auf einer senkrechten Achse, mit der die Excentric verbunden war, flache, meist in 4 Quadranten ver- schieden bemalte Scheiben trugen.« War, auf dem Hauptgeleise fahrend, die Kante dieser Scheibe sichtbar, so konnte die gerade Richtung anstandslos, doch behut- sam befahren werden. Dagegen hatte »ein Train in einem Ausweichplatze« bei Ansicht der scharfen Scheibenkante stille zu halten, »weil er sonst von den Rails ablaufen würde«. Umgekehrt galt dies, wenn die Scheibe mit der flachen Seite sichtbar war.

Bei Nebel oder in der Dunkelheit hatte der Weichenwächter neben den Wechsel eine brennende Pechpfanne zu stellen, damit die Stellung der Scheibe sichtbar werde. Später wurde ober der Scheibe »an der lothrechten Welle eine Laterne angebracht, die je nach der Stellung des Viertelkreises mittels ge- färbter Gläser grünes, weisses« [doch auch rothes] »Licht erscheinen Hess«.

Als grosse Errungenschaft, die die Runde durch fast alle Staaten machte, würde betrachtet, als der österreichische Maschineningenieur Bender der Wien- Gloggnitzer Bahn circa im Jahre 1 850 die nach ihm benannte Bender'sche Wechsel- Scheibe erfand, die durch Lampen direct beleuchtet werden konnte, und so das Scheibensignalbild auch Nachts erkennen Hess. Dies wurde im Laufe der Zeit mehr und mehr vervollkommnet, bis der heutige, den Anforderungen deutlicher Sichtbarkeit bei Tag und Nacht voll- kommen entsprechende Wechselsignal- körper entstand, während die ursprüng- lichen sicherheitsgefährlichen Wechsel [Schlepp- oder Zigeunerwechsel] den sogenannten Spitzwechseln wichen, die in keiner Endstellung ein Entgleisen der darüber fahrenden Fahrbetriebsmittel be- dingen.

Ab 1 845 begann die Kaiser Ferdinands- Nordbahn dem Locomotivführer in jenen

Mechanik des Zugs Verkehrs.

Fällen, wo die Fernsicht gehindert war, die Nähe einer Station durch besondere Signale rothe Fahnen, an Piählen bleibend befestigt - zu kennzeichnen. Selbe waren nicht beleuchtbar, weil man annahm, dass die Stationsbeleuchtung ein genügendes Merkmal für den beab- sichtigten Zweck biete. Als der regere Verkehr in den Stationen die Nothwendig- keit ergab, den Lo com otivf (Ihrer bei An- näherung an eine Station nicht nur zum Langsamerfahren, sondern auch zum

Die Kaiserin Elisabeth- Bahn war die erste, welche alle ihre Stationen, und zwar von ihrer Eröffnung ab 1858 an mit vom äussersten Weichenwächter aus stell- baren — Station sdeckungs -Signalen ver- sehen hatte, während viele Bahnen noch im Jahre 1870 solche nur zum Theile eingeführt hatten, andere aber, wie die I Kronprinz Kudolf-Bahn, noch 1869 zum I Anhalten eines Zuges vor der Station demselben Organe mit den erforderlichen j Signalmitteln entgegen senden mussten.

Abb. iB. Caicc-WaEentypcn, Babahof In MilbT,-(

schnellen Anhalten veranlassen zu können, wurden statt der Langsamfahrsignale ab 1850 vor den Stationsplätzen feststehende grosse Signallatemen mit rothem Lichte aufgestellt. Aus diesen bildeten sich die gegenwärtigen Distanz- oder Bahnhof- abschlusssignale heraus, deren Stellung mit Scheibe für den Tag, weissem, rothem und grünem Lichte bei Nacht anfangs durch dort postirte Wächter erfolgte, nun durch mechanischen Zug oder durch elektrische Bethätigung vom Aufnahms- gebäude aus, seltener mehr durch den äussersten Weichen Wächter geschieht.

Erst 1876 waren sämmtliche Stationen der Monarchie durch bewegliche Distanz- signale gedeckt.

Diese Distanzsignale haben in ihrer Halt-Stellung die Station gegen einen in der Annäherung begriffenen und nicht aufnehmbaren Zug zu decken. Schlechte Sichtbarkeit des, Signales bei ungünstigen Local- oder Witferungs - Verhältnissen machen es dem LocomotivfÜhrer des Zuges oft sehr schwer, rechtzeitig vor dem Distanzsignale stehen zu bleiben. Dies führte dazu, Vorsignale anzuwenden, welche den LocomotivfÜhrer auf die

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Gustav Gerstel.

eventuelle Haltstellung des Distanzsignales aufmerksam machen, und die binnen ver- hältnismässig wenigen Jahren obligatorisch bei sämmtlichen Distanzsignalen der Mon- archie zur Ausführung gelangen werden. Als die Kaiser Ferdinands-Nordbahn eröffnet wurde, gab es, wie schon erwähnt, weder optischen noch elektrischen Tele- graph. Keine Station wusste vom Verkehr oder Verbleib eines Zuges, bis er wirklich eingetroffen war, daher die Nordbahn die Vorschrift erlassen hatte, dass, wenn ein Zug in der Ingenieurstation eine Stimde [bei der Wien- Gloggnitzer Bahn Stun- de] nach seiner angenommenen Ankunft nicht eingetroffen sei, der Ingenieur ihm mit einer Hilfsmaschine vorsichtig ent- gegenzufahren habe, um ihn zu suchen. Das Mittel, dem Streckenpersonale wie den Stationen den Verkehr eines ausser- gewöhnlichen Zuges oder einer einzelnen Maschine in der einen oder in der an- deren Richtung zu avisiren, waren Fahnen von rother, beziehungsweise blauer Farbe am Tender, während der Wächter mit der rothen Fahne » Vorsicht !c, mit der schwar- zen Fahne »Halt!« signalisirte, ausser- dem aber noch weisse, gelbe und blaue Fahnen besass.*) Beispielsweise bedeu- tete eine blaue Fahne auf dem Tender, dass die betreffende Maschine noch am selben halben Tage zurückfahren werde; hingegen signalisirte der Bahnwächter seinem Nachbarwächter mit der blauen Fahne, dass eine Maschine in der Richtung von Wien nach der nächsten Station ab- gehen solle [mit der gelben Fahne für die Gegenrichtung] und wenn noch eine weisse Fahne daneben verwendet wurde, dass die Maschine einen Transportwagen mitzunehmen haben werde.

Auf jeder Fahne musste mit gut leser- licher Schrift die der Farbe zugehörige Bedeutung derselben kurz und bezeich- nend angedeutet sein.

In der Dunkelheit gab es für den Bahnwächter nur brennende Pechpfannen oder Pechkugeln neben oder im Geleise, mit denen statt mit den rothen und

*) Die eingehende Darstellung der histo- rischen Entwicklung des Signalwesens auf den österreichischen Eisenbahnen enthält Bd. III, L. Kohlfürst, »Signal- und Tele- graph envvesen«.

schwarzen Fahnen »Vorsicht« und »Halte signalisirt wiu'de.

Bemerkte ein Wächter, dass ein von ihm gegebenes Signal von dem betreffen- den Nachbarwächter nicht wahrgenommen wurde, so hatte er denselben durch Pfei- fen aufmerksam zu machen, und wenn dies nichts half, »sich imverzüglich und schleunigst nach diesem Wächterhause selbst zu verfügen und seinem Nachbar- wächter sich mitzutheilen«.

Die Einführung der Nachtzüge ver- anlasste die Kaiser Ferdinands-Nordbahn im Jahre 1845 zu besserer Ausgestaltung ihrer Signalisirungs-Vorschriften, wobei sie den Grundsatz aufstellte, dass die Signale überhaupt nur dann anzuwenden seien, wenn irgend ein Anstand obwalte, oder eine besondere Nachricht mitzu- theilen sei.

Die Locomotive erhielt nun vorne eine roth und eine grün leuchtende La- terne obei dem Rauchkasten, der Schluss- wagen des Zuges eine oder zwei Later- nen— je nach der Wagenconstruction mit rothem Lichte gegen den Maschin- führer und grünem Lichte nach rückwärts. Beim Zurückschieben eines Zuges mussten bei Tag zwei rothe Fahnen ausgesteckt werden.

Ein nachfolgender Zug wurde durch ein rothes Fähnchen oder rothes Licht auf dem Tender quer gegen die Bahn, ein Gegenzug durch ein blaues Fähnchen oder blaues Licht, ein nachfolgender und wieder rückkehrender Zug durch ein roth- blaues Fähnchen, beziehungsweise eine rothblau leuchtende Laterne quer am Tender signalisirt, das Verkehrtfahren einer Maschine durch eine grosse rothe Fahne und vorne rothes, rückwärts grünes Licht angezeigt.

Die Wächter besassen bereits auf- ziehbare Körbe mit ebensolchen Laternen bei allen Bahnkrümmungen, w^elche auf- gezogen und mit dem rothen Lichte gegen Wien das Fahren eines Zuges in dieser Richtung bedeuteten, so dass ein von Wien kommender Zug vom Entgegen- kommen eines Gegenzuges verständigt war, während dies für letzteren nur diu'ch eine vom Bahnwächter gehaltene rothe Fahne, Nachts durch das weisse Licht der Handlaterne erfolgte. [Es wurden

Mechanik des Zugsverkehrs.

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somit wohl alle Züge nach Wien sig- nalisirt, die Züge von Wien jedoch nur bei Zugsbegegnungen.]

Wie schwerfallig die Vorschrift für die Signalgebung war, erhellt auch aus nachstehender Bestimmung über das Her- beirufen einer Hilfsmaschine:

»Soll nämlich eine Hilfslocomotive aus der Richtung von Wien kommen, so wird der nächste Wächter, welcher deshalb, wohin um die Hilfslocomotive zu signalisiren ist, vom Locomotivführer die Weisung erhält, bei Tage die schwarze Fahne unter dem Korbe« [für die Gegen- richtung ober dem Korbe] »befestigen, bei Nacht das weisse Licht der Signal- lateme, an der das blaue Glas verdeckt wurde, in der Richtung nach Wien zei- gend, aufziehen. Der nächste Wächter, welcher sich zwischen dem zuerst ge- gebenen Signale und der Station Wien befindet, und die schwarze Fahne unter dem Korbe bemerkt, befestigt die rot he Fahne unter dem Signalkorbe, oder rich- tet, wenn es Nacht wäre, das weisse Licht der Signallaterne nach der Rich- tung gegen W^ien, das blaue Licht hin- gegen nach seinem Nachbar, von wel- chem das erste ausgegangen ist. Alle übrigen in der Richtung gegen Wien befindlichen Wächter haben das ange- zeigte Signal des zweiten Wächters zu wiederholen. «

Die Wien-Gloggnitzer Bahn hatte ihre Bahnwächter schon vom Beginne an mit weissrothen Signalscheiben, sowie mit weiss, grün und roth scheinenden Hand- laternen ausgerüstet, Mastsignale aber auch erst nach einigen Jahren eingeführt.

Das weisse, grüne und rothe Licht war immer mehr und mehr als für den Eisenbahnbetrieb zweckmässig erkannt worden; doch wurde bei den meisten Bahnen bis in die Mitte der Fünfziger- Jahre das rothe Licht als Vorsichtssignal, das grüne Licht für »augenblicklichstes Stillhalten, als Zeichen einer Gefahr«, jedoch auch das weisse ruhig gehaltene

Licht in manchen Fällen als Halt- Signal angewendet. Eigenthümlicher Weise findet sich bei der Kaiser Ferdi- nands-Nordbahn wie früher erwähnt

ab 1845 auch das blaue Licht schon als Signalmittel eingeführt. Dessen Ge-

brauch kam aber bald ab, da die Glas- technik noch nicht so weit fortgeschritten war, als dass das blaue Licht, auf grössere Entfernungen erkennbar, verlässlich hätte hergestellt werden können.

Auch die übrigen Signalmittel fanden immer ausgebreitetere Anwendung und Ausbildung, und erhielten so die Wächter und Stationen bald nach 1845 durchwegs Masten mit aufziehbaren Körben oder beweglichen Armen, Kreuz- oder Flach- scheiben, auf welche Nachts Laternen aufgezogen wurden, die die Stellung der Körbe, Arme oder Scheiben erkennen lassen sollten, oder direct als Lichtsignal in verschiedenen Farben und Combinatio- nen dienten. Nun war eine dem Zuge vorausgehende Verständigung von Station zu Station oder eine Meldung übe;r Un- fahrbarkeit der Strecke, Verunglückung eines Zuges u. dgl. vom Wächter nach der nächsten Station in verlässlicherer Weise ermöglicht. Bei einigen Bahnen wurden die Signale für .die Zugsavisirung noch durch Homsignale der Wächter unterstützt.

Doch fanden sich auch 1858 noch Mastsignale, für die es kein entsprechen- des Lichtsignal gab, wie beispielsweise bei der Südbahn für Herbeirufen von Hilfsmaschinen, so dass der Wächter für diesen Zweck eine brennende Pech- fackel hin vmd herschwingen musste, bis der nächste Wächter dies Zeichen über- nahm, worauf er die Hilfsmaschine mit der ruhig gehaltenen Fackel zu erwarten hatte.

Anderseits führten die Bahnwächter der Kaiser Ferdinands- Nordbahn bis zum Jahre 1864 neben den Korbsignalen an Masten noch immer die verschiedenfarbi- gen Fahnen, und hatten bei Nacht zum Anhalten des Zuges das Pechfeuer zwi- schen den Schienen anzuzünden. Erst ab diesem Jahre gaben sie ihre Handsignale mit Scheiben und weiss, grün oder roth scheinenden Laternen. Zu gleicher Zeit waren Bahnen im Betriebe [Pragerhof- Kanizsa,Uj-Szönyi-StuhKveissenburg u.a.], die Überhaupt noch keinerlei Signalmittel für die Wächter ausser Handscheiben und Handlaternen besassen.

Schon 1841 aber hatte man bei der Wien-Gloggnitzer Bahn begonnen, den

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Gustav Gerstel.

Verkehr aussergewöhnlicher ZiXgQ mittels vorhergehender Züge am letzten Wagen durch Scheiben und farbige Laternen, wenn auch in anderer Combination als heute, anzuzeigen, während dies die Kai- ser Ferdinands-Nordbahn noch nach dem Jahre 1850 je nachdem durch die rothe oder blaue Fahne, bzw. die roth oder blau leuchtende Laterne am Tender bewirkte.

Einen ausserordentlichen Fortschritt hatte der Eisenbahnverkehr zu verzeich- nen, als der elektromagnetische Telegraph, und zwar anfangs als Bain'scher Nadel- und gleichzeitig Glockentelegraph mit zwei imgleich gestimmten Glocken in praktische Verwendung kam. Im Jahre 1845 wurden die Nachbarstationen Wien und Florids- dorf der Kaiser Ferdinands-Nordbahn damit ausgestattet, und nachdem der Staat mit Energie sich der neuen Erfin- dung angenommen hatte, imd Telegra- phenleitungen längs den Bahnlinien baute, stets mehr und mehr Stationen in das Netz einbezogen. So schrieb die »Augs- burger Allgemeine Zeitung« im November 1847: »Bekanntlich ist seit einigenWochen die ganze Linie elektrotelegraphischer Verbindung von Wien bis Prag eröffnet [Bain's Telegraph], und so Oesterreich dasjenige Land auf dem Continente, welches geräuschlos diese wirklich ans Wunderbare grenzende Erfindung in grösster Ausdehnung praktisch zur Aus- führung brachte.«

Der heutige [Morse-] Apparat 1837 in Amerika erfunden vermochte sich lange nicht Bahn zu brechen, weil das Erlernen eines Zeichenalphabetes als durchaus unvereinbar mit dem Bildungs- grade der in Frage kommenden Beamten - categorien erklärt wurde. Erst ein Zu- fall — das Erlernen des Telegraph irens durch das Gehör seitens eines Ange- stellten — führte eine Wandlung herbei, und ab 1858 bürgerte er sich immer mehr und mehr ein. Auch mit diesem Jahre erst waren nahezu sämmtliche Sta- tionen überhaupt in telegraphischer Ver- bindung, wenige Jahre vorher erst die Hälfte.

Als die Semmeringbahn 1854 eröffnet wurde, erhielten deren Streckenwächter bereits die elektrischen Glockensiofnale.

Die nächste Bahn, welche ihr darin folgte, die Glockensignale jedoch nicht nur auf einer kurzen Theilstrecke, sondern bereits längs ihrer ganzen Linie anwendete, war die Kaiserin Elisabeth-Bahn, deren erste Theilstrecke von Wien bis Linz Ende 1858 eröffnet wurde.

Diese Bahn erregt deshalb in ihrer damaligen Ausstaltung erhöhtes Interesse, weil sie, mit ihrer Bauvollendung gleich- sam an der Schwelle einer neuen Zeit der Eisenbahnbetriebsdurchftlhrung stehend, noch die Anwendung einiger der ältesten Signalmittel neben denen des elektro- magnetischen imd des Glocken-Telegra- phen, wie der beweglichen Distanzsignale bis gegen das Jahr 1871 aufweist.

So wendete sie noch die Tenderglocke an, deren einmaliges Anschlagen mittels der daran befestigten Zugleine seitens der Zugbegleiter »Langsam«, das mehrmalige Anschlagen »Halt« bedeutete.

Ebenso standen, wie in der ersten Eisenbahnzeit, den Zugsbegleitem je zwei kleine Wagensignal- Ausschlaglatemen mi t weissem, grünem und rothem Lichte, sowie mit weiss-rother Scheibe zu Gebote. Letztere oder grünes Licht ausgeschlagen bedeutete »Langsam«, das Ausschlagen des rothen Lichtes oder eine ausge- steckte rothe Signalfahne »Halt«. Nur das rothe Licht durfte direct durch Heraus- drehen der Laterne gegeben werden, während die übrige Signalgebimg vorerst das Umstecken der Ausschlaglateme in den Hülsen erforderte.

Die Maschine zeigte nach vorne links rothes, rechts weisses Licht, der letzte Wagen zwei Laternen, nach vorne mit weissem, nach rückwärts links mit rothem, rechts mit geblendetem Lichte, doch keine sogenannte Schlusslateme in der Wagen- mitte. Ein nachfolgender Separatzug wurde durch eine Scheibe, beziehungsweise mit grünem Lichte rechts statt des geblen- deten, ein Gegenzug durch zwei Scheiben, beziehungsweise ein rothes Licht rechts [sohin zwei rothe Wagenlaternen nach rückwärts] signalisirt.

Ausser den Glockensignalwerken waren bei dieser Bahn noch optische Signale bei den Stations- und Streckenwächtem aufgestellt, aus Signalstangen mit einem roth und weiss angestrichenen beweglichen

Mechanik des Zugs Verkehrs.

Arme und entsprechender Laterne [weiss, grün, roth leuchtend] bestehend.

Während jeder, regelmässige wie unregelmässige, Zug mit dem elektrischen Glockensignale angemeldet wurde, dienten die optischen Signale nur zur Signahsi- rung fUr alle unregelmässigen Bewegungen auf der Bahn, als welche galten: Fahrt eines Separat- oder abgetheilten Zuges, von Hilfsmaschinen, zurückschiebenden Zügen, entlaufene Wagen, U eberfahren einer fahrplanmässig oder telegraphisch bestimmten »Kreuz- station« ohne Ab- warten des verspäte- ten Gegenzuges etc., so dass für diese Zwecke das optische und acustische Sig- nal zugleich gegeben wurde.

Das Freifahrtsig- nal wurde optisch mit abwärts gerichtetem Arme für Züge von Wien, mit aufwärts gerichtetem für Züge nach Wien gegeben. In der Nacht war die Zugrichtung durch weisses Licht dem Zuge entgegen, ro- ^^

thes Licht für die Ge- ^^W, „^ÄC- -

genrichtung erkenn- Ah

bar. Horizontale La- ge des Armes [das heutige »Haltt] und Abends grünes Licht [heute »Vorsicht«] bedeutete »Hilfsmaschine«, oder »Hilfs- zug solle kommen«, und musste wegen der Zweifel, für welche Fahrtrichtung selbes gelte, der Wächter in der Gegenrichtung angewiesen werden, das Signal nicht fortzupflanzen.

Schon i86i aber erhielt die Kaiserin Elisabeth -Bahn die Genehmigung, für die zu eröffnende Linie Wels-Passau unter gewissen Vorsichtsmassregeln von der Aufstellung optischer Signale gänzlich Abstand zu nehmen.

Die noth wendigsten Glockensignale waren einfachster Art, und bestanden für die gewöhnlichen Zugsanzeigen der einen Richtung nur aus einer, für die Gegen-

richtung aus zwei Gruppen von drei

Schlägen. Stand aber beispielsweise ein nach Wien fahrender Zug bei einem Wächterhause, so gab der Wächter drei- mal zwei und dann noch so viel Schläge, als das zwischen je zwei Stationen immer wieder von i an numerirte Wächterhaus Nummer hatte. Zwölf Glocken seh läge das heutige Uhrzeichen bedeutete einen Zug auf falschem Ge- leise in der Richtung von Wien, zweimal 12, also 24 Schläge, die Gegenrichtung. Uhrzeichen mit dem GJockensignale gab es nicht, son- dern der Bahnauf- seher hatte täghch seine Uhr nach der Stationsuhr, und darnach die Uhren der Bahnwächter zu richten.

EinähnlichesS)-- stem der Glockensig- nalgebung bestand auf der Semmering- strecke der Südbahn zwischen Gloggnitz und MUrzzuschJag, wie auf deren späte- ren ftlr Glockensig- 'TTv^^o natgebungeingerich-

*-fc U^^i-ö-^ j^^g^ Strecken, doch

ig. deckten sich nur die

Signale für regel- mässige Fahrten mit denen der Kaiserin Elisabeth -Bahn, während die übrigen durchwegs andere Combinationen auf- wiesen, und ein einzelner Schlag z. B. Verstanden« bedeutete, 12 Schläge aber schon das Uhrzeichen für die Wächter war. Der Vortheil der elektrischen Glocken- signal werke wurde nach diesen zwei ersten Versuchen in Oesterreich nun rasch all- seitig erkannt, und erhielt die Südbahn 1862 ebenfalls die Genehmigung, auf ihren ungarischen Linien, wie am Karst und Semmering, die optischen Signale aufzulassen, während 1865 bereits auf allen Sudbahnlinien mit Glockensignalen allein avisirt wurde.

Auch die österreichische Staatseisen- bahngesellschaft hatte 1 862 schon einzelne

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Gustav Gerstel.

Linien mit denselben ausgerüstet, und dort die optischen Signale eliminirt, während die Kaiser Ferdinands-Nordbahn erst 1867 auf einzelnen kleineren Theilstrecken mit Einfühnmg der Glockensignalleitung be- gann.

Andere Bahnen wieder, wie die im Anfange der Siebziger-Jahre eröffnete Kaiser Franz Josef-Bahn, begnügten sich bei ihrer Ausrüstung noch mit Korb- signalen allein. Die in der gleichen Zeit- periode dem Betriebe zugeführte öster- reichische Nordwestbahn besass noch 1872 theils Strecken ausschliesslich mit optischen Signalmitteln [Signalkörbe und Signallatemen], theils ausschliesslich mit acustischen [elektrische Glockensignal- werke], diverse Strecken aber mit optischen und acustischen Signalmitteln. Als Grund- satz galt hiebei, dass dort, wo beiderlei Signalmittel zur Verfügung standen, be- hufs desto sicherer Erzielung einer Ver- ständigung der zu informirenden Organe alle Signale stets nach beiden Systemen, und zwar in der Regel zunächst optisch und dann erst acustisch zu geben seien.

Ueberhaupt hatte sich das Signalwesen auf jeder Bahn verschieden entwickelt

M. M. von Weber [Abb. 19], ein vornehmlich durch seine schriftstellerische Thätigkeit für die Kenntnis und Ent- wicklung des Eisenbahnwesens in hohem Grade verdienstlich wirkender Eisenbahn- techniker, Sohn des Componisten Weber, [geboren den 25. April 1822 in Dresden, gestorben den 18. April 1881 in Berlin], der nach Absolvirung der polytechnischen Schule zu Dresden in Werkstätten ver- schiedener Bahnen, wie auch unter Ste- phenson arbeitete und 1850 Director der sächsischen Staatstelegraphen, später Finanzrath bei der Generaldirection der sächsischen Staatseisenbahnen, 1870 bis 1875 betriebstechnischer Consulent des k. k. Handelsministeriums in Wien war, schrieb im Jahre 1867 über den Zustand des Signalwesens auf den deutschen und österreichisch - ungarischen Eisenbahnen wie folgt:

»Auf den Stationen, in welchen die Ge- leise von zwei, drei und mehr Bahnen ein- mündeten, wo die Signalsysteme von ebensoviel Verwaltungen in Bezug auf die stehenden Signale galten, wo daher

des Nachts die Constellationen der Lichter in allen Farben und allen Gestalten dem einfahrenden Zugspersonale ein ebenso prächtiges als gefährliches Schauspiel boten, wo dasselbe Zeichen auf jenem Geleise dies, auf diesem jenes bedeutete, wurde das Chaos vollendet durch die Verschiedenheit der Meinung des Signales an den Maschinen und Zügen verschie- dener Verwaltungen, die gleichzeitig auf derselben Station hielten und rangirten.«

»Diese Missverständlichkeit und Un- geläufigkeit erschwerte nicht allein oft die Betriebsführung wesentlich, sondern steuerte auch einen nicht unbeträchtlichen Procentsatz zu den Ursachen der vielen Beschädigungen an Leib und Leben der Beamten und Arbeiter bei, welcher den Stationsdienst auf den deutschen« [inclu- sive österr.-ung.] »Eisenbahnen so unvor- theilhaft vor anderen Dienstbranchen kennzeichnet. So entwickelte sich die Monstrosität, dass man die wenigen Be- griffe, über die es sich durch das Eisen- bahnsignalwesen nothwendigerweise zu verständigen gilt, auf über 90 vermehren zu müssen glaubte imd diese circa 90 Begriffe in über 1000 Variationen und Formen von Signalen« [die 8 Begriffe über durchgehende Signale allein in 166 Formen] »im Bereiche der einigen und 60 deutschen« [incl. der österr.-ungar.] >Eisenbahnven\'altungen erschienen. «

Auch die Wichtigkeit der Signalisi- rung war dem Personale nicht voll zur Erkenntnis gekommen. In einem Erlasse aus dem Jahre 1852 wird bei einer grossen Bahn gerügt, dass wiederholt unterlassen wurde, an der Spitze und am Ende des Zuges die vorgeschriebenen Signallichter anzubringen.

Um die so ernste Frage der Signal- gebung einer durchgreifenden Regelung zu unterziehen, hatte die österreichische Regierung schon im Jahre 1864 alle Bahnen zur gemeinschaftlichen Beratbung einer Signalverordnung aufgefordert. Da- bei wurde für die Glockensignalisirung bereits der Grundsatz aufgestellt, dass jedes einfache Signal mindestens dreimal wiederholt werden müsse, um ein Ueber- hören hintanzuhalten. Die Vorberathungen fanden 1865 ihren Abschluss, ohne dass darüber, ob nur elektrische oder nur

Mechanik des Zugsverkehrs.

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optische oder beide Signalgattungen für die Strecke beizubehalten seien, eine Einigung erzielt wurde.

Während in den nächsten Jahren nur einzelne wenige Theile der Signalgebung durch Verordnungen fest geregelt wurden, ruhte die Gesammtlösung dieser Frage bis zum Jahre 1871, wo der indes nach Wien berufene Freiherr M. M. v. Weber Grundzüge für die einheitliche Signali- sirung schuf, und die Bahnen aufgefordert wurden, darnach eine Signal-Vorschrift auszuarbeiten.

Letztere wehrten sich gegen eine solche gleichförmige Vorschrift, worauf diese von der österreichischen und unga- rischen Regierung in Gonferenzen selbst ausgearbeitet, und den Bahnen nur zur Begutachtung hinausgegeben wurde, bis endlich mit dem i. October 1872, als Einführungstermin die endgiltige Vor- schrift als einheitliche Signalisirungsnorm für alle österreichischen und ungarischen Bahnen ins Leben treten konnte.

Dieselbe deckt sich fast vollständig mit der heute bestehenden; nur war die Zahl der Glockensignale eine geringere, und glaubte man von optischen Signalen auf der Strecke nicht ganz Umgang nehmen zu können. Die Wächter sollten deshalb bis October 1874 Signalmaste mit zwei beweglichen Armen und färbigen Lichtem [sogenannte Quittirungssignale] erhalten, mit welchen sie die Signale »Frei, Langsam, Halt« nach Ertönen der Glockensignale und zur Zugdeckung geben sollten. Wegen der mit deren Auf- stellung verbundenen sehr bedeutenden Kosten wurde aber über Einschreiten der Bahnen von dieser Einführung gänzlich abgesehen.

Im übrigen war die weitere Ver- wendung der schon im Gebrauche stehenden optischen Signale mit Körben, Flach-, Kreuz-Scheiben oder Armen auf Signalmasten noch als zulässig erklärt, die mit selben vorzunehmende Art der Signalisinmg jedoch ebenfalls einheitlich vorgeschrieben worden.

Im Jahre 1876 wurde eine Neuredi- girung der Signalvorschrift beschlossen, die sich auf reine später aber nicht consequent durchgeführte Aufzählung der Signalmittel und Kennzeichnung der

Bedeutung aller mit selben zu gebenden Zeichen beschränken sollte, während die Vorschrift über Anwendung der Signale den Bahnen überlassen blieb.

Diese Signalordnung trat mit i.Juli 1877 in Kraft, und hörten damit die bis dahin noch als zulässig erklärt ge- wesenen isolirten optischen Strecken- signale gänzlich auf.

Gegenwärtig ist selbe auf Grund der neuerlichen reichen Erfahrungen wieder in Umarbeitung begriffen. Vornehmlich strebt man an, den * Gefahrbegriff« mög- lichst einzuschränken, um das Personale umso aufmerksamer auf wirkliche Gefahr zu machen, so dass das Vorsichts - [grün] und das Gefahr - [roth] Signal nur auf jene Fälle beschränkt bleibt, in denen es auch wirklich und unbedingt »Langsam«, bezie- hungsweise »Halt« für den fahrenden Zug bedeutet, während für den Stationsdienst als neue Farbe das »blaue« Licht zur Ein- führung kommt. Zugleich wird die Art der Anwendung der Signale einheitlich für die ganze Monarchie gestaltet werden.

Aehnlich verhält es sich mit der »Verkehrsvorschrift«, welche sich mit den Vorbereitungen für den Verkehr der ZiXge^ sowie mit der Ausführung des Verkehrs, eingeschlossen die Bestimmungen für Kreuzungen, bei Verspätungen, Hilfsfahr- ten, unterbrochener telegraphischer Cor- respondenz etc. beschäftigt.

Schon im Jahre 1875 war von einer Reihe von Bahnen eine einheitliche Ver- kehrs-Vorschrift zur Genehmigung vor- gelegt worden, doch erklärten andere Bahnen, dieselbe lediglich als Anhalts- punkt benützen zu können.

Auf dies hin forderte die österreichische gleich der ungarischen Regierung die Bahnen auf, wenigstens einheitliche »Grundzüge« für die Verkehrs - Durch- führung zu entwerfen, die dann unbedingt von allen Bahnen zu befolgen sein würden.

Auch dagegen richtete sich die Ab- neigimg der Bahnen, bis die Drohung der Octroyirung sie endlich zur Aus- arbeitung der »Grundzüge« veranlasste, die sodann gleichzeitig mit der jetzigen Signalordnung ab i. Juli 1877 in Kraft traten. Darnach bauten nun die einzelnen Bahnen ihre Verkehrsvorschriften auf, bis die seither geläuterten Erfahrungen und

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Gustav Gerstel.

unabweislichen Anforderungen der ein- heitlichen Bahnbentitzung im Kriegsfalle den grossen Vortheil allgemein giltiger Vorschriften allseitig erkennen Hess.

Demgemäss ist nunmehr eine Ver- kehrsvorschrift in einheitlicher Gestalt für den Bereich der ganzen Monarchie in Ausarbeitung begriffen, um vielleicht schon mit Beginn des Jahres 1899 zugleich mit der neuen Signalordnung ins Leben gerufen zu werden.

Schwere, theuer erkaufte Erfahrungen an Gut und Blut waren erforderlich, um den jetzigen Stand aller vorgenannten und zahlloser weiterer, für jede einzelne Dienstcategorie verfasster Vorschriften zu erreichen, die allerdings weitaus von jenen Englands mit seinem uns so viel- fach übertreffenden Verkehre abweichen.

In England wird viel mehr dem eige- nen Erwägen, dem durch die eigene, fast von Kindheit an erworbene Erfah- rung — geschulten Ermessen des Ein- zelnen überlassen, und deshalb die ge- druckte Vorschrift nur auf verhältnismässig wenige lapidare Sätze beschränkt. Bei uns wie in Deutschland aber ist das System der Bevormundung, der schema- tisirende Geist des Deutschen zu sehr in Fleisch und Blut übergegangen, die Heranbildung des Personales zu sehr auf das Lernen aus dem Buche, statt auf das allerdings weitaus mehr Zeit hei- schende Lernen durch die Erfahrung und die Selbstschulung angewiesen, als dass nicht die Bahnvorschriften das gleiche Gepräge tragen, und so den Dienst bis ins Kleinste zu regeln, für jeden möglichen Fall vorzudenken, und die Mittel seiner Behandlung anzugeben versuchen sollten.

M. M. von Weber schrieb darüber schon im Jahre 1854:

»Jedenfalls musste durch dieses Nor- mensystem, wenn es nicht, wie hie und da wohl geschehen ist, mit ungemein viel Geist und Scharfblick behandelt wurde, dem Eisenbahnwesen ein Nerv seines Lebens, ein Hauptzug seines Cha- rakters genommen werden. Es wurde nämlich die freie, besonnene, muthige Thätigkeit des Beamtenstandes, die nur die Sache um jeden Preis im Auge ha- ben soll, in strenges Anhalten an das Wort des Regulativs, an den Satz der

Instruction verwandelt. Alles war gesche- hen, wenn dieser genügt war. Im Falle des geringsten Zweifels zog der Beamte es meist vor, statt zu handeln, die höhe- ren Befehle einzuholen.«

»Ein muthiges, selbständiges Perso- nale ist aber ein Hauptelement der Sicherheit des Eisenbahnbetriebes. Man erzieht es, indem man dem Vertrauens- würdigen vertraut, und nur da, wo die Praxis die unabweisbare Nothwendigkeit gezeigt hat, der freien Thätigkeit durch kurze Regulative, Instructionen etc. einen Anhalt gibt, sonst aber die Thätigkeit eines jeden ihren freien Gang gehen lässt.«

Eine radicale Aenderung und Annä- herung an das englische System ist nicht leicht abzusehen, weil die ganze Entwick- lung der Bahnen, die Gewinnung und Heranbildung deren Personales auf dem Continente unter der Herrschaft der vor- erwähnten, zum grossen Theile im Volks- charakter wurzelnden Anschauungen er- folgte. Doch wird hoffentlich die neue Verkehrsvorschrift auch in dieser Hinsicht eine Wendung zum Besseren anbahnen.

Unbestreitbar aber ist die Technik unseres Verkehrswesens heute schon auf eine hohe, vornehmlich Gewissenhaftig- keit, strenge Pflichterfüllung, Umsicht, doch auch stets noch Geistesgegenwart erheischende Stufe gebracht, und beruhigt weiss jeder Beamte, wann er Züge nach einander absenden darf; wo er bei Ver- spätung die ZiXge bei möglichster Erhal- tung und Wiederanbahnung der Regel- mässigkeit kreuzen lassen soll; wie er sich ohne jede Gefährdung der Sicherheit der ZxXgQ zu benehmen hat, wenn die telegraphische Correspondenz gestört sein, und er sich so in eine ähnliche Situation gebracht sehen sollte, wie die Ingenieure der ersten Zeit, als sie einen Zug ohne jedes Hilfsmittel ins Ungewisse hinein ablassen mussten.

Aehnlich verhält es sich mit dem Wächter wie jedem anderen Betriebs- organe, dessen Dienst strenge vorgezeich- net ist, und dessen Verlässlichkeit und Verwendbarkeit durch Schulen und zeit- weise Prüfungen erprobt wird, damit nicht nur der Dienst in der Station, sondern auch jener viel wichtigere auf der Strecke exact und sicher abgewickelt werde.

Mechanik des Zugs Verkehrs

Die Fahrt aus der Station hinaus auf die Strecke muss eben allen hiebei Be- theil igten gteichermassen das absolute Gefühl der Sicherheit geben, ob nun die Fahrt bei Tag oder Nacht, bei Unwetter oder Sonnenschein vor sich geht. Dies Gefühl kannten allerdings die ersten Bah- nen nicht, und als Wagnis wurde jede einzelne Fahrt betrachtet, weil die Ingang- setzung so gewaltiger Gewichts massen auf eisernen, oft nur flachen Schienen*) noch unbekannte Factoren zur Gel brachte, und Bewegungsmomente erzei deren furchtbare Gewalt bei Begegnui die grauenvollsten Wirkungen und fälle hervorrief. Zaghaft und mit A trauen wurden die Bahnen benützt, c halb auch die Verantwortung gescl das Leben Dritter den Fährlichk« eines nicht selbstgewählten Eisenb; transp Ortes auszusetzen.

Nur so lässt es sich erklären, wenn es im Generalversammlungs- Berichte derKaiser Ferdinands-Nord- bahn 1843 heisst:

>Es wird Ihnen nicht unbekannt sein, dass wir im Monate Mai 1842 einen Militärtransport von 850 Mann mit einer Maschine von Brunn nach Wien befördert haben. Wir hatten uns bei Ankunft desselben der Anwesenheit Seiner Majestät und der durchlauchtigsten Herren Erzherzoge zu erfreuen. Allerhöchst welche über die Art und Weise der Beförderung Ihre besondere Zufrie- denheit auszudrücken die Gnade hatten.*

Es hat sich dadurch die Aus- führbarkeit und Zweckmässigkeit der Militärtransporte auf Eisenbahnen auch hei uns constatirt, und es wurden uns seit dieser Zeit schon mehrere Militär- transporte zugewiesen und für die nächsten Monate bereits weitere angemeldet.«

Für die Fahrten auf die Strecke waren den ersten Locomotivführem nur die zwischen je zwei grösseren Stationen inclusive der Aufenthalte einzuhaltende Gesammtfahrzeit, später sämmtliche Ab-

■*) Zwischen Wr.-Neustadt und Gluggnitz bestand noch 185z Flachschienenoberbau. Vgl Bd. II, A. Birk, »Unter- und Oberbau..

fahrtszeiten und die normalen Fahrge- schwindigkeiten vorgeschrieben sowie ge- stattet, im Falle von Verspätungen jedoch nur über Auftrag des Stations- beamten oder Zugführers . bis zur Maxi- maigeschwindigkeit zu fahren.

1848 finden sich bereits bei der Wien Gloggnitzer Eisenbahn Fahrord- nungen, die von Station zu Station die

Einzelfahrzeiten und Aufenthalte auf Mi- nuten erstellt enthielten, für die Abkür- zung der Fahrzeiten im Verspätungs falle aber nur wieder auf die gestattete Maxi- malgeschwindigkeit verwiesen. Erst im Jahre 1855 erscheint bei der Kaiser Fer- dinands-Nordbahn, der nördlichen und der südöstlichen Staatsbahn, 1858 bei der südlichen Staatsbahn die von Station zu Station für den jeweiligen Zug gestattete kürzeste Fahrzeit schon in den Dienst- behelfen zum Ausdrucke gebracht, wäh- rend fast alle übrigen Bahnen bis zum

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Gustav Gerstel.

Erscheinen der * Grundzüge« im Jahre 1876 für Verspätimgsfälle noch immer nur das Fahren innerhalb der vorgeschrie- benen Maximalgeschwindigkeit unter Rücksichtnahme auf die Streckenver- hältnisse dem Maschinenführer zur Pflicht machten.

Fahrgeschwindigkeiten kannte man anfangs nur zweierlei, und zwar die eine für Personen-, die zweite für Güterzüge. Das Maximum derselben bei den einzelnen Bahnen war dem Locomotivführer vor- geschrieben, vmd »durfte den An- forderungen des Publicums zur Vermehrung der Geschwindig- keit durchaus keine Folge ge- geben werden«, eine Warnung die sich in Vorschriften verschiedener Bahnen wie der Kaiserin Elisabeth- und der Tur- nau-Kraluper Bahn noch bis zum Jahre 1870 findet.

Die erste staatliche Vorschrift über die Fahrgeschwindigkeit in Oesterreich- Ungam wurde schon im Jahre 1842 er- lassen, und enthält selbe auch noch andere »Massregeln in Bezug auf den sicheren Betrieb der Fahrten auf Eisen- bahnen«.

Das bezügliche Hof kanzlei - Decret vom 9. Juni 1 842 lautet :

»Infolge einer in Mittel liegenden Allerhöchsten Entschliessung vom 7. Ju- nius 1842 werden vor der Hand nach- stehende, auf den Betrieb der Eisen- bahnen Bezug nehmende Massregeln an- geordnet:

1. Wird von nun an der Gebrauch von vierrädrigen Locomotiven untersagt, daher den Eisenbahn-Gesellschaften zur strengsten Pflicht gemacht, blos Loco- motiven, die mit 6 Rädern versehen sind, in Anwendung zu bringen.

2. Wird der Gebrauch von zwei sechsrädrigen Locomotiven bei Einem Wagenzuge nur im Falle besonderer Terrain- oder Witterungs - Verhältnisse gestattet.

3. Wird das Nachschieben mit einem zweiten, rückwärts an dem Wagenzuge angebrachten Locomotiv an allen Orten und zu jeder Zeit untersagt.

4. Wird die Geschwindigkeit der Fahrten auf Eisenbahnen bei Personen- Wagenzügen auf 5 Meilen« [38 Ä?;w] »mit

Ausschluss des Aufenthaltes in den Zwischenstationen, und rücksichtlich 4 Meilen« [30 km] »mit Einschluss dieses Aufenthaltes für die Stunde festgestellt.

Bei Lastzügen wird die Geschwindig- keit der Fahrt auf 3 Meilen« [23 km] »für die Stunde bestimmt.

5. Um die aufder Eisenbahn Fahrenden bei einem eintretenden Unfälle in die Lage zu setzen, sich leicht selbst retten zu können, ohne erst das Oeffhen des Verschlusses abwarten zu dürfen, wie dies z. B. bei den Wagen IIL Classe der Fall ist, so wird bei den Wagen der L und IL Classe eine Einrichtung zu treff'en sein, dass die Mitfahrenden den Verschluss ohne grosse Anstrengung zu beseitigen vermögen. Bis diese Einrichtung bei den erwähnten Wagen-Classen in Wirksam- keit tritt, wird angeordnet, selbe offen zu halten.«

»Hierbei findet man aber die War- nung beizufügen, dass bei der Ankunft an dem Orte der Bestimmung oder bei Aufenthalten während der Fahrt, die durch Hindemisse welch immer einer Art her- beigeführt werden könnten, die Sorgfalt für die eigene Sicherheit und jener der Mitfahrenden jedem Reisenden die Be- obachtung der Vorsicht gebietet, den Wagen nicht früher zu verlassen, als bis der Train still steht, weil das Aussteigen nur in diesem Falle ohne Gefahr statt- finden kann.«

»Die aus der Nichtbeobachtung dieser Vorsicht entstehenden nachtheiligen Fol- gen hat jeder Reisende, sofeme sie ihn allein treffen, sich selbst zuzuschreiben, sofern aber durch jene Unvorsichtigkeit die gemeinschaftliche Sicherheit, oder jene einzelner Personen ben achtheiligt worden wäre, wird er zur Verantwortung und Strafe nach dem Strafgesetzbuche zweiter Theil gezogen werden«.

[Das unter Punkt 3 erwähnte Nach- schieben mit Locomotiven wurde erst ab 1867 ausnahmsweise gestattet, und 1870 durch die Südbahn versuchsweise am Semmering und Karst bei speciellen Last- zügen in Anwendung gebracht, bis endlich 1872 die Verwendung von Schiebemaschinen für den Bereich der ganzen Monarchie principiell genehmigt wurde.]

Mechanik des Zugsverkehrs.

Durch das Polizei ge setz*) ftlr 1 bahnen vom Jahre 1 847 das im Uel schon zahlreiche Bestimmungen gleichlautend mit der in seiner heit noch heute giltigen Betriebson vom Jahre 1851 enthieh wurd Maximum der anwendbaren F; schwindigkeit mit 6 Meilen [46 kt die Personenzüge**) und 4 Meilen [3 für die Güterzüge festgesetzt, spätei auf 7 und 5 Meilen [53 beziehungs 38 km] erhöht, während schon 1862 unter gewissen Beschränkungen eine Maximalgesch windigkeit von 10 Meilen [später auf 80 km ab- gerundet] als zulässig erklärt wurde.

Bei einer auf der Kaiser Fer- dinands-Nordbahn im Jahre 1839 vor der Betriebseröffnung vorge- nommenen »Probefahrt, an wel- cher auch Se. k. Hoheit Erzherzog Stephan theilnahm, war mit der Maschine Bucephalus übrigens schon eine Geschwindigkeit von 83 Meilen« [63 km] »in der Strecke von Gänsemdorf bis Wien erreicht worden«.

Die Kothwendigkeit, Züge von gleicher Gattung mit verschiedener *"" ^ Geschwindigkeit zu führen, ergab sich vornehmlich auf den längeren Bahn- strecken sehr bald.

Schon ab 15. Mai 1851 sollte ein Schnellzug von Brunn über Prag nach

•) Im a. u. Vortrage vom 23, April 1846, mit welchem der Entwurf dieses Polizeige- setzes der a. h. Genehmigung unterbreitet wurde, wird darauf hingewiesen, dass die Vorarbeiten für dieses Gesetz bis zum Jahre 1840 zurückgreifen. Nur das nun fallen eelassene Bestreben massgebender fie- hflrden, möglichst genaue Betriebshe Stim- mungen darin aufzunehmen, und die dem gegenüber täglich neu zutage tretenden Er- findungen, Verbesserungen und Erfahrungen hätten es verursacht, wenn das fragliche Ge- setz so spät erlassen werden könne.

••) In der Begründung hiefür heisst es, dass diese Geschwindigkeit nach den ge- wonnenen Erfahrungen umsomehr zu geneh- migen sei, >als gegenwärtig häufig die Noth- wendiskeit einträte, dass die Trains, wenn sie früher in einer Station eintreffen, so lange anhalten, bis die gesetzliche Zeit verstreicht, wodurch der beabsichtigte Zweck gewiss nicht erreicht, und die Passagiere unnöthig belästigt werden.«

Stieckeiulsnal von Matilclatdorf. [Nach OriclDtU-

Aufnahme von H. Pabst.]

Bodenbach im Anschlüsse an schon be- stehende Schnellzüge in Deutschland zur Einfuhr ung gelangen, doch beschränkte man sich schliesslich, wieder nur gewöhn- liche Personenzüge verkehren zu lassen, und nur bei einem derselben die Wagen auf die I. und II. Classe zu beschränken. Auch als ab April 1857 die Bezeichnung Courierzug« im Fahrplane der nördlichen Eisenbahnen Aufnahme fand, wurde da- mit nur die Beschränkung auf die beiden ersten Wagenclassen , nicht aber eine grössere Fahrgeschwindigkeit zum Aus- drucke gebracht.

Erst ab i. August 1857 verkehrte nachweisbar ein Schnellzug in Oesterreich, und zwar zweimal der Woche zwischen Wien und Laibach mit Wagen I. und II. Classe bei erhöhten Fahrpreisen, welcher nach Eröffnung der Linie bis Triest mit 37 km Durchschnittsgeschwindigkeit bei 24 Zwischenhaltestellen bis dahin ausge- dehnt wurde, und ab da im Sommer

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Gustav Gerstel.

dreimal, im Winter [mit Unterbrechungen] zweimal per Woche mit Wagen I. Classe und gewöhnlichen Personenzugspreisen, später bei erhöhtem Fahrtarife, ab 1 5. April 1867 aber täglich verkehrte.

Die Kaiserin Elisabeth-Bahn führte einen täglichen, nie unterbrochenen Schnellzugsverkehr sofort nach Eröffnung der letzten Theilstrecke Frankenmarkt- Salzburg ihrer Hauptlinie ab 13. August 1860 zwischen Wien und Salzburg [nach Eröffnung des Flügels nach Passau auch zwischen Wels und Passau] ein, und Hess den Zug mit I. imd II. Classe, er- höhten Gebühren und 36 km Durch- schnittsgeschwindigkeit bei 12 Zwischen- haltepunkten verkehren.

Die nach Osten verkehrenden Eisen- bahnen begannen erst ab i. April 1861 mit einem wirklichen Schnellzugsverkehre, und ging ein täghcher Schnellzug mit I. und II. Classe bei erhöhten Gebühren zwischen Wien und Pest [Durchschnitts- geschwindigkeit 45 kfft bei 9 Zwischen- haltestellen] mit wöchentlich zweimaliger Fortsetzung bis Bazias, in der Gegen- richtung jedoch nur zwischen Szegedin und Pest.

Erst im nächsten Jahre, und zwar vom I. Mai 1862 an wurden tägliche Eil-Personenzüge mit I. und II. Classe und Schnellzugspreisen auch zwischen Wien, Brunn, Prag und Bodenbach mit 45 kfft Durchschnittsgeschwindigkeit ein- geführt.

Doch schon ab i . Jänner 1 863 wurde der Schnellzugsverkehr Wien-Bodenbach und Wien-Pest wegen zu geringer Be- nützung auf nur zweimal per Woche beschränkt, und ab Pest gegen Bazias im Winter gänzlich eingestellt.

Vom I. April, bezw. i. Mai 1867 angefangen wurde endlich, nach einer durch die Kriegsereignisse hervorgerufe- nen gänzlichen, längeren Unterbrechung, ein bleibender täglicher Eilzugsverkehr zwischen W^ien und Pest, sowie zwischen Wien, Brunn und Prag aufgenommen, und in der weiteren Zeit der Schnell- zugsverkehr in ganz Oesterreich-Ungam nach Zahl und Geschwindigkeit der Züge nunmehr stetig entwickelt.

Der verhältnismässig geringeren Dich- tigkeit der Bevölkerung einerseits, der

grösseren Bodenschwierigkeit anderseits halber erreichen die Schnellzüge Oester- reich-Ungams im Durchschnitte auch heute noch nicht die im Auslande sehr häufig erzielten mittleren Geschwindig- keiten. Wohl verkehren auch bei uns gegenwärtig schon Züge mit 90 und mehr Kilometer per Stunde, doch befahren die ZügQ in England sogar Stationen mit gesicherten Weichen bereits mit 120 km^ daher zweifellos anzunehmen ist, dass hinsichtlich der Fahrgeschwindigkeit auch in Oesterreich-Ungam nach Massgabe der gegebenen Verhältnisse noch rüstig fortgeschritten werden wird.

Je rascher gefahren werden will, desto empfindlicher wirkt jeder vermeid- bare Zugsaufenthalt und desto wichtiger wird die genaueste Einhaltung der Fahr- geschwindigkeit, beziehungsweise der Fahrzeiten und Aufenthalte.

Seinerzeit waren die Abfahrtszeiten, wie schon berührt, stets nur beiläufige und wurden erst auf Grund der Bestim- mungen des Deutschen Eisenbahn-Vereins vom Jahre 1850 und der als kaiserliche Verordnung erlassenen Betriebsordnung vom Jahre 1851 genauer eingehalten. Doch beklagt noch 1852 ein Circular- erlass der k. k. Betriebs - Direction in Prag, dass Fälle vorkommen, in welchen Züge auffallend früher, ohne alle Rücksicht auf die vorgeschriebene Ab- fahrtszeit expedirt worden sind. Bei Lastzügen war übrigens ein früheres Wegfahren bis zu 40 Minuten unter bestimmten Verhältnissen manchen Bah- nen bis gegen Ende des Jahres 1869 ausdrückhch gestattet.

Die Zeit selbst wurde nach den sta- bilen Uhren der Stationen*) wie nach den Dienstuhren der Zugführer und Locomo- tivführer, die mit sperrbaren Uhren aus- gerüstet wurden, bemessen, und erstere vor Einführung des elektromagnetischen

♦) Im ersten Jahrzent des Eisenbahnbe- triebes hielt man dafür, dass Uhren wenig- stens dort vorhanden sein sollten, wo Per- sonenzüge ihre Fahrt beginnen, wo Kreu- zungen stattfinden, oder wo ein Wechsel der Transportmittel platzgreife. Hingegen em- ' pfehle sich die Anbringung von Uhren in kleineren Stationen schon deshalb nicht, um den Zug in seiner Fahrt nicht zu sehr zu beschränken.

Mechanik des Zugs Verkehrs.

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Telegraphen nach der Uhr der Haupt- station im Wege des Zugsverkehrs ge- richtet.

Später wurde allen Stationen einer Linie telegraphisch eine bestimmte Zeit zum Richten der Uhren übermittelt, und zwar theils dreimal des Tages, theils zwei- und einmal, wie letzteres heute zur ge- nauen Mittagsstunde auf Grund der von den Sternwarten Wien und Budapest vor- her übermittelten richtigen Zeit geschieht. Die solcherart für die ganze betreffende Bahnlinie giltige Bahnzeit wurde gewöhn- lich dem am meisten westlich gelegenen, von der Bahn berührten Orte entnommen. Derart rechneten die österreichisch-unga- rischen Bahnen bis 1876 nach Lindauer, Münchener, Linzer, Prager, Lemberger und Budapester Zeit. Die Differenzen, welche sich darnach gegen die Nachbar- bahnen ergaben, wurden auf den An- schlusspunkten, wo gewöhnlich grössere Aufenthalte bestanden, ausgeglichen.

Im Jahre 1873 in Oesterreich und

1875 in Ungarn wurden die Bahnen ver- anlasst, die für das Publicum bestimmten Fahrpläne sowie die den Reisenden die- nenden Stationsuhren nach der mitt- leren Zeit der einzelnen Stationsorte zu erstellen, beziehungsweise zu richten. Dies brachte aber solche Unzukömmlich- keiten für das Publicum selbst und solche Gefahren für die Sicherheit des Betriebes mit sich, dass diese Massregel bereits

1876 wieder ausser Kraft gesetzt wurde, und interne wie externe Fahrbehelfe wei- terhin nach im Ganzen drei Zeiten, der Vorarlberger, der Prager und der Buda- pester Zeit, einzurichten waren.

Endlich 1891 wurde die mitteleuro- päische Zeit nach dem 15. Längengrade östlich von Greenwich nicht nur für ganz Oesterreich - Ungarn, sondern auch für Deutschland, Italien, Schweiz, Schweden, Noru'egen, Serbien etc. als Bahnzeit ein- geführt, und sind nunmehr die Bahnzeiten ganz Europas auf nur sieben reducirt.

Damit war nicht nur für die Reisen- den, sondern vornehmlich für die Fahr- plan-Construction und den Dienst in den Anschluss-Stationen eine ausserordentliche Erleichterung und Sicherheit geschaffen.

Nur bezüglich der Bezeichnung von Tag- und Nachtzeit bestehen noch Schwie-

Geschichte der Eisenbahnen. III.

rigkeiten und sind Irrungen möglich. Es dürfte deshalb in nicht zu femer Zeit das bereits in Italien, Belgien sowie in Theilen Nordamerikas eingebürgerte System der Stundenzählung von i bis 24 auch bei uns Eingang finden.

Die genaue Bahnzeit spielt in Oester- reich-Ungarn vornehmlich bei Zugskreu- zungen eine grosse Rolle, weil hier nicht wie in Deutschland Zugskreuzungen nur bei möglicher telegraphischer Correspon- denz verlegt werden dürfen. Da aber stets mit nicht ganz richtig gehenden Uhren zu rechnen ist, so wurden anfangs Uhrendifferenzen von 10, später bis zur Gegenwart aber von 5 Minuten binnen 24 Stunden als Sicherheits-Coefficient mit in Rechnung gezogen.

Anfangs kamen Zugskreuzungen wohl nur selten vor; doch musste immerhin dafür sowie für das Nachfahren der Züge vorgesorgt werden.

Nach der Locomotivführer- Instruction derWien-Gloggnitzer Bahn vomjahre 1841 durfte »kein Train den Ausweichplatz, auf welchem er mit einem entgegen- kommenden Zuge zusammentreffen soll, früher passiren als bis er die sichere Nachricht erhalten hat, dass der erwartete Train nicht komme, und die Hauptbahn frei sei, welche er sodann sehr vorsichtig zu befahren hat«.

In den ersten. Vorschriften der Kaiser Ferdinands-Nordbahn hingegen sind kei- nerlei Bestimmungen bezüglich der Durch- führung von Zugskreuzungen enthalten. Erst im Jahre 1847 findet sich bei ihr die Vorschrift: »Ein in der Expedition nachstehender Zug darf nur in dem Falle von der Station expedirt werden, wenn seine Absendung genau in der vorge- schriebenen Zeit möglich ist, und das richtige Eintreffen in der Begegnungs- station voraussichtlich ist.«

»Verspätet sich dieser Zug aber auf der Strecke, so hat er, wenn die Fem- sicht frei, sich der Station durch ange- zündete Fackeln bei Nacht kenntlich zu machen ; andernfalls hat er stehen zu bleiben, sich zu decken, und in die Sta- tion zu senden«, von welcher sodann die Maschine des Gegenzuges ihm entgegen- gesendet werden sollte, um ihn in die Station zu holen. Damit der Maschin-

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Gustav Gerstel.

führer wisse, auf welche Distanz von der Station die Femsicht dahin frei sei, erhielt er eine Tabelle über diese Distan- zen bezüglich sämmtlicher Stationen.

In der weiteren Entwicklung der Kreuzungsbestimmungen hatte bis zur Errichtung des elektromagnetischen Tele- graphen ein Zug in seiner Kreuzungs- station so lange zu warten, bis sein Gegen- zug eingetroffen war, wie dies übrigens auch heute noch betreffs der Nachrangszüge bei unmöglicher telegraphischer Corrcspon- denz gilt. Nach Einführung des elektro- magnetischen Telegraphen, zu welchem in neuester Zeit noch dieTelephonie hinzutrat, war eine weitgehende Verbesserung des Verkehrs durch die gegenseitige rasche Verständigung der Stationen ermöglicht. Nun vermochte man auch einzelnen Zügen nach ihrer Wichtigkeit Vorschub zu leisten, und gab ihnen einen Rang, sei es nach Nummern, sei es nach Zugskategorie oder Benennung und nach Richtung. Man schuf so Vorrangszüge, die im Allgemeinen unter Berücksichtigung der möglichen Uhrendifferenz unbehindert ihre Fahrt fortsetzen dürfen, und Nachrangszüge, welche den ersteren, wie man anfangs sagte, »auszuweichen« hatten, während der Telegraph ausserdem das Mittel an die Hand gab, in besonderen Fällen ent- gegen dem Zugsrange vorzugehen.

Die Unsicherheit im Gebrauche dieser heute so einfach erscheinenden Grundsätze brachte es mit sich, dass man ehedem in den Fahrordnungsbüchern nicht nur wie heute angab, mit welchem Zuge und in welcher Station Kreuzungen normal durch- zuführen waren, sondern vom Jahre 1 849 ab auch jeweilig eine Tabelle darüber anfertigte und beiheftete, wann der be- treffende Zug frühestens weiterfahren könne, falls sich sein Gegenzug verspäten und nicht eintreffen sollte, oder wann er im Falle der eigenen Verspätung spätestens noch einem Gegenzuge entgegenfahren dürfe. Diese »frühesten« und »spätesten« Abfahrtszeiten fanden sich immer für eine ganze Reihe aufeinanderfolgender Stationen bis zu 24 angegeben, so dass für Verspätungen bis zu acht Stunden vorgesorgt schien. Stets aber fand sich im Anhange der Fahrordnung, welcher ab dem ohgenannten Zeitpunkte oftmals

den wichtigsten Theil der damaligen Ver- kehrsvorschriften enthielt [die Kaiser Fer- dinands-Nordbahn hingegen besass schon ab 1847 eine eigene Vorschrift »wie der Verkehr der Züge anzuordnen sei«], schon die Methode angegeben, wie solche früheste oder späteste Abfahrtszeiten selbst be- rechnet werden können. Diese Methode wich von der heute üblichen Berechnungs- art nur wenig ab. Ab 1858 findet sich zumeist nur mehr die letztere, aber nicht mehr das Verspätungstableau in die Fahr- ordnungsbücher aufgenommen.

•Wie schwierig es ist, dem Zugsver- kehre die heute als selbstverständlich geltende Regelraässigkeit zu wahren, er- hellt imter Anderem aus den Instructionen der Böhmischen Westbahn vom Jahre 1 86 1 , in welchen eine Verspätimg von einer Stunde bei einem 80 km weit verkehrenden Personenzuge noch als zulässig erklärt wurde.

Wie bei eingeleisigen Bahnen das Kreuzen der Ziige^ so ist vornehmlich bei doppelgleisig betriebenen Bahnen deren Nachfahren und gegenseitiges Ueberholen von ausschlaggebender Bedeutung für die Sicherheit und Raschheit des Zugs- verkehrs.

Hinsichtlich des Nachfahrens der Z\Xgc findet sich bei der Kaiser Ferdinands- Nordbahn schon im Jahre 1839 auf Grund der früher citirten Regierungs- Verordnung vom 15. August 1839 die Vorschrift, dass ZiXgQ in einer imd der- selben Richtung nur in Zwischenfristen von 30 Minuten [was später auf 15 Mi- nuten herabgesetzt wurde] nach einander abgehen dürfen. Holte trotzdem ein Zug den vorausfahrenden ein, so hatte er sich doch stets in einer Entfernung von 600, später 1000 ;;/, zu halten. Konnte ein Zug aus was immer für einem Grunde seine Fahrt nicht fortsetzen, so war die Locomotive »abzuspannen«', um aus der nächsten Reservestation Hilfe zu holen, während die Wagen auf 600 m nach beiden Seiten durch schwarze Signal- fahnen, beziehungsweise brennende Pech- pfannen zu decken waren.

Auch für die Wien-Gloggnitzer Bahn war anfangs von der Regierung eine halbe Stunde für die rascheste Aufeinanderfolge von Zügen vorgeschrieben worden, und

Mechanik des Zugsverkehrs.

wurde die Hinausgabc dieser Bestimmung | mit dem Hofkanzlei-Decrete vom 24. Sep- | tember 1841 wie folgt begründet:

»Die k. k. vereinigte Hofkanzlei hat ; unterm 14. September in Betreff der Be- | Stimmung des Zwischenraumes zwischen den einzelnen Fahrten auf der Wien- | Raaber Eisenbahn« [zu welcher, wie be- : Tcits erwähnt, ursprünglich auch die Linie Wien-Gloggnitz gehörte] »erinnert, dass, | nachdem die Gestaltung, die einzelnen Wagenziige, ohne einen Zeitzwischen- raum zu bestimmen, sich folgen zu las- sen, den Conducteuren zu viel Spiel- 1 räum zu Ausreden lassen würde, wenn ' bei Dunkelheit, Schneege- stöber und so vielen anderen, die Femsichthemmenden Um- ständen ein Unglück durch das Zusammenslossen des nachfolirenden mit dem vor- ausgegangenen Wagenzuge entstünde, eine Zeitbestim- mung in dieser Beziehung vorzüglich deshalb unerläss- lich werde, damit bei dem Vorhandensein ersterwähnter Hindernisse der Ober-Con- ducteur hinreichende Zeit habe, die Warnungszeichen fUr den nachfolgenden Train aufzustellen.'

Den Vorstellungen der ^^^ ^

Wien-Gloggnitzer Bahn ge- |Ni

lang es wohl, die Zugs- folge angesichts der einfachen, übersieht- 1 liehen Strecken Verhältnisse und geringen 1 Stationsdistanzen von einer halben Stunde | auf 10 Minuten am Tage und 15 Minuten j bei Nacht herabsetzen zu dürfen, obwohl damals noch keinerlei Signalmittel auf j der Strecke bestanden. Durch eine Polizei- 1 Verordnung aus dem Jahre 1844 wurde 1 sie aber veranlasst, diese Distanzen wie- | der auf eine Viertelstunde in den I Sommermonaten und auf eine halbe i Stunde in den Wintermonaten zu ver- [ grössern, während ohige geringere Zeit- I intervalle auch bis dahin praktisch wohl ' nie in Anwendung gekommen waren. j

Die Betriebsordnung vom Jahre 1851 | kannte noch drei Intervalle von 15, 10 ' und 5 Minuten für das Nachfahren der Zöge, bis endlich 1877, entsprechend den

heutigen Vorschriften, auch das erst- genannte Intervall eüminirt, dafür aber die Zehn mi nuten -Di stanz an gewisse Be- dingungen geknüpft wurde.

Es ist nicht uninteressant zu erwähnen, dass die Kaiserin Elisabeth -Bahn den zweiten Theil eines Zuges seinem ersten Theile bis 1870 wohl auch nur nach 10 Minuten folgen Hess, ihm aber zu- gleich im Falle einer zu gewärtigenden Kreuzung gestattete, die Fahrt so zu be- schleunigen, dass er in der »Kreuz Station« schon 5 Minuten nach dem ersten Theile eintreffe. Indem sie den Vorrangzug zum eventuellen Zuwarten durch 5 Minuten

:r OHglna

.1 J. P*b

verhielt, erreichte sie solcherart ein ver- lässliches Kreuzen desselben mit beiden Theilen des Nachrangzuges in der gleichen Station.

In Betreff des L'eherholens verschieden rasch fahrender Züge waren fUr die Vor- fahrstation nahezu von Beginn an die auch heute massgebenden Bestimmungen angewendet worden.

Anders war es bezüglich des Kechts- oder Linksfahrens auf zweigeleisigen Bahnen, in welcher Beziehung noch gegen- wärtig die verschiedenen LUnder ungleich vorgehen.

In Oesterrcich-Uiigarn wurde anfangs rechts, ab 1S44 links, iiach der Betriebs- ordnung vom Jahre. 185 1 wieder rechts gefahren. Der k. k. südlichen Staatsbahn wurde aber schon im Jahre 1853 wieder

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Gustav Gerstel.

das Linksfahren gestattet, wie auch der Kaiserin Elisabeth-Bahn vom Augenblicke ihrer Eröffnung im Jahre 1858 angefangen, während der Kaiser Ferdinands-Nord- bahn das Linksfahren im Jahre 1872 ge- nehmigt wurde. Als aber endlich im Jahre 1876 neuerlich für die ganze Monarchie das linksseitige Befahren der * Geleise vorgeschrieben wurde, war die Entwicklung der übrigen Bahnen schon so weit gediehen, dass die Durchführung dieser Bestimmung zum Theile mit sehr grossen Kosten verbunden war, und des- halb noch heute bestehende Ausnahmen für rechts zu befahrende Strecken ge- stattet wurden.

Mit der im Jahre 1854 dem Betriebe übergebenen Semmeringbahn brachte Oesterreich das bis dahin für unlöslich gehaltene Problem der Befahrung langer, steiler Gebirgsrampen zur Lösung. Selbst- verständlich wurde hiebei in den ersten Jahren mit ganz ausserordentlicher Vorsicht vorgegangen, wie beispielsweise kein Zug über den Berg mit mehr als einer Maschine geführt werden durfte, daher die Mehrzahl derselben am Fusse der Rampe getheilt, und jenseits wieder vereinigt werden musste, wobei keinerlei ZügQ sich in geringerem Intervalle als 15 Minuten ' folgen durften.

Die Vertrautheit mit »Semmerinffc- Steigungen wurde jedoch bei der Boden- configuration Oesterreich-Ungarns immer grösser, und als die Brenner- und Arlberg- 1 bahn nebst zahlreichen kleineren Ad- häsions-Bergbahnen mit Steigungen bis zu ' 38 und selbst 50^/^0 ^^^^^ ^^^ Semmering- ' Steigung von 25 %q hinzukamen, hatte sich bereits eine eigene Technik für die Befahrung derselben herausgebildet. Weitere Grundsätze mussten zur Betrieb - führung durch den io*2 km langen Arlberg- Tunnel hinzugefügt werden, deren An- deutung hier zu weit führen würde. Es ver- kehren über die Kampe des Arlberges nun anstandslos Zü^^c von 500 t Gewicht mit zwei Maschinen an der Spitze und einer an der Queue des Zuges trotz 31*4^00 Maximalgefälle der westlichen Bergseite. ;

Nur kurz sei hier der auch auf dem Arlberge zur Anwendung gelangten Aus- laufgeleise erwähnt, die dazu dienen, auf den Rampen ins Rollen gerathene Züge

oder vom Zuge getrennte Wagen in mög- lichst unschädlicher Weise zum Still- stande zu bringen.

Anderer Art waren die Hilfsmittel, welche aufgeboten werden mussten, um jene Verkehrsdichtigkeit, wie sie heute viele Strecken aufweisen, imbeschadet der etwaigen Neigungs Verhältnisse zu ermög- lichen und Züge bis zu icx) km Ge- schwndigkeit verkehren zu lassen, endlich in den Stationen selbst die Zugseinfahrten, die Verschieb- und anderen Manipulationen zweckentsprechend imd gesichert aus- führen zu können.

Das Gewirre der Wechsel und Geleise in den grösseren Stationen brachte bei regem Verkehre für den Dienst der Per- sonenzüge wie der Güterbeförderung der Gefahren zu viele, um die Sicherheit des Betriebes von der Aufmerksamkeit und Gewissenhaftigkeit des betheiligten Per- sonales allein abhängig zu machen. Man begann daher, nach einem schüchternen Versuche im Jahre 1866, ♦) ab 1876**) das schon weitaus früher in England ein- gebürgerte S\'stem der Sicherung von Weichen, Weich enstrassen und Fahr- geleisen bei uns anzuwenden, indem man die Wechsel von verschiedenen Central- stellen aus vermittels Stangen- oder Drahtleitungen und Hebel selbst auf grössere Entfernungen direct stellte und verriegelte, oder nur letzteres bei den mit der Hand an Ort und Stelle gestellten Weichen von Gen tralp unkten aus besorgte.

Um aber auch dem Locomotivführer die durch Zugsbewegung auf Nachbar- geleisen unbeirrbare Fahrt zu gewähr- leisten und ihm die Einhaltung der richtigen Fahrstrasse in die Station oder aus dieser heraus zu sichern, oder aber ihm Gefahr anzuzeigen, wurden Arm- signale aufgestellt, welche die ungefährdet zu befahrende richtige Strecke durch Lage und Zahl der sichtbaren Arme erkennen lassen, oder je nachdem >Halt« gebieten. Ein sinnreicher Mechanismus an den Centralstellen combinirt Wechsel, Arm- signale und Localsignale in der Weise,

*) Combinirung des Distanzsignales mit dem Abzweige Wechsel ohne Blockapparat in Marburu: für die Kämtnerlinie.

** ) Central - Weichenstell - Apparat am Rangirbahnhofe in Aussig mit Blockapparat.

Mechanik des Zugsverkehrs.

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dass ein Signal nur dann auf freie Fahrt gestellt werden kann, wenn alle »feind- lichen« Weichen abgelenkt, und in dieser Stellung gleich den zu durchfahrenden richtig gestellten Weichen unverrückbar verschlossen, beziehungsweise verriegelt, alle feindlichen Fahrstrassen aber durch Haltsignale gesperrt sind.

Nur unter dem Schutze von Halt- signalen gegen einen einfahrenden Zug werden die Weichen für den inneren Dienst der Station wieder frei beweglich.

Den Auftrag zur Freigabe dieser oder jener Einfahrt oder Ausfahrt erhält der Centralweichensteller seitens des Ver- kehrsbeamten von dessen Bureau aus durch Aufruf und Markirung der ge- wünschten Combination auf elektrischem Wege, während er die Stellung der Ein- und Ausfahrtssignale auf »Halt« und deren Verriegelung nach Passirung des Zuges ohne weiteren Auftrag durch- zuführen hat.

Eine weitere Vervollkommnung des Systems bildet der Fahrstrassenverschluss, bei welchem dem Centralweichensteller nur ermöglicht ist, eine genau bestimmte Fahrstrasse, und zwar nur diese für die freie Fahrt zu stellen, beziehungsweise ein Haltsignal in eines für freie Fahrt zu verwandeln, wenn der Verkehrsbeamte von einem eventuell sehr fernen Punkte aus ihm auf elektrischem Wege die betreifende Fahrstrasse freigibt, und ihm die Erlaubnis zu deren Stellung ertheilt.

Da die Drahtzüge zwischen Stellappa- rat und Wechsel eine gewisse Länge nicht überschreiten dürfen, ohne ihre Verlässlichkeit zu gefährden, ist man in ausgedehnteren Stationen bemüssigt, zwei und mehr in gegenseitige Combination gebrachte Centralstellwerke in sogenann- ten Blockbuden anzuordnen.

Die Elektrotechnik aber, diese jüngste, mit Riesenschritten sich vervollkommnende Wissenschaft ging noch weiter, machte von der Entfernung der Weichen und Signale unabhängig und ermöglichte, das gesammte Weichen- und Signalsystem eines noch so grossen Bahnhofes von einem Centralpunkte aus stellen und diri- giren zu lassen. Solcherart entlastete sie gleichzeitig den Centralhebelsteller von

seiner auf die Dauer immerhin körperlich ermüdenden Function, indem sie die Hebel zum Stellen von Weichen und Signalen durch einfache Taster und Knag- gen ersetzte, deren Druck, beziehungs- weise Verschiebung hinreicht, um mittels des elektrischen Stromes ein noch so fernes Wechselpaar oder ein Armsignal sicher, geräusch- und mühelos in die gewünschte Stellung zu bringen, wäh- rend in jüngster Zeit versucht wird, für den gleichen Zweck Druckluft neben der Elektricität in Verwendung zu nehmen.

Die Uebersicht der Weichen bei bei- den letztgenannten Systemen wird unnö- thig, weil der Central apparat selbst anzeigt, ob die Weiche von Fahrzeugen besetzt ist, oder sonst ein Hindernis die sichere Fahrt gefährdet.

Nachdem die Haltestellung der Arm- signale zur Deckung vorübergefahrener ZügQ gegen nachfahrende dem Central- steller überantwortet bleiben muss, und dadurch die im Rayon liegenden Weichen frei beweglich werden, geschah es, dass Uebereifer solche in der Fahrstrasse hin- ter dem Semaphor liegende Wechsel während der Zugsfahrt umstellte und schwere Unfälle hervorrief. So wurden denn sogenannte Schienencontacte, auch Fühlschienen oder Druckschienen in An- wendung gebracht, welche das massge- bende Armsignal auf elektrischem Wege in seiner Stellung festhalten, und erst nach Befahrung des Contactes oder der Fühlschiene, das ist nach Passirung aller gefährdenden Weichen, die Haltestellung des Armsignales und damit Freigabe der Wechsel ermöglichen.

Auch in kleineren Stationen wird nun das System der Stellung aller oder doch der den Zugsverkehr beeinflussenden Wechsel von einem Centralpunkte aus angewendet und mit Armsignalen com- binirt, um sich nicht nur von mensch- lichem Irrthum oder Leichtsinn unab- hängiger zu machen, sondern auch an Zahl der Weichenwächter sparen zu können.

Selbst bei schwachem Zugs verkehre schien es in Ausbildung des fraglichen Systemes gerathen, Geleiseabzweigungen auf offener Strecke, sei es für Industrie-

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Gustav Gerstel.

geleise oder für Zweigbahnen nicht nur durch die unverlässliche Sperrung der Abzweigewechsel mit Schlössern zu sichern, sondern dem Locomotivführer die Sicherheit der ungehinderten Fahrt da- durch zu bieten, dass man Armsignale in Verbindung mit den Wechseln bringt, und eine die freie Fahrt für die Haupt- richtung oder Abzweigung anzeigende Stellung des Armsignals nur bei zuge- höriger, mechanisch oder elektrisch ver- riegelter Stellung der Weiche ermöglicht. Hiezu kommen sinnreiche Combinationen von Wechseln und Geleisesperrbäumen, die den Schlüssel zum Oeffnen des Sperr- baumes nur bei bestimmter Stellung des Wechsels freigeben, etc. etc.

Um einen von der Zweig- oder Indu- i striebahn herankommenden Zug verlässlich ; von der für ihn nicht freigegebenen Hauptbahn abhalten zu können, werden I meist »Ablenkgeleise« angebracht, in | welche der Nachrangzug in Folge der \ combinirten Wechselstellung einlaufen | muss, falls er nicht vorher zum Still- stande kommt, wie ähnliche Ablenkgeleise auch sonst in Stationen dort Anwendung finden, wo durch Ueberfahren eines Halte- punktes sonst leicht eine Zugsstreifung j statthaben könnte. '

I

Wie für Stationen und Abzweigstellen, i war bei grosser Verkehrsdichte auch für i das sichere Fahren auf offener Strecke \ vorzusorgen.

Mit der Bestimmung, dass gleich schnell fahrende ZiXgQ sich im AUge- I meinen frühestens in zehn Minuten ' folgen dürfen, war das Maximum der Züge binnen einer Stunde selbst auf | zweigeleisiger Bahn auf circa sechs fest- gestellt.

Nachdem das Sicherheitsgefühl aber ein schwankendes werden musste, wenn man mehrere solche Züge zu gleicher Zeit zwischen zwei Nachbarstationen in Bewegung wusste, während der Ver- kehr in gar manchen Strecken noch weit grössere Zugszahlen dringend erheischte, half man sich mit Besetzung der betref- fenden Strecken durch fliegende Wächter, welche sich gegenseitig im Auge behiel- ten, und .den zwischenlieorenden Bahntheil ' sperrten, bis der Zug durch den Nachbar- wächter gedeckt war. i

Nun war nur mehr ein Schritt bis zu der in England seit Jahrzehnten mit Er- folg angewendeten bei uns aber erst im Jahre 1877*) eingeführten Unter- theilung der Linie durch fixe, gegenseitig in Abhängigkeit gebrachte Signale, für das sogenannte Raumdi stanzfahren.

Die Strecke zwischen je zwei Sta- tionen wird in Abschnitte [Blocks] ge- theilt, die durch Armsignale begrenzt sind. Diese können durch die Block- wärtereinzeln erst dann auf »Freie Fahrt« gestellt werden, wenn das in der Fahrt- richtung nächstfolgende Armsignal zur Deckung eines vorübergefahrenen Zuges auf »Halt« gestellt und elektrisch ver- riegelt wurde, während das letzte vor einer Station befindliche, die Station deckende Armsignal von eben dieser freigegeben wird. Zur Sicherung gegen zu frühe Haltstellung hinter einem Zuge dienen auch hier wieder Schienen- contacte oder »isolirte Schienen«, so dass die Haltstellung erst ermöglicht ist, wenn der Zug verlässlich in der neuen Blockstrecke sich befindet.

Weitere Bestrebungen sind darauf gerichtet, auch den Blockwärter zu eliminiren, und die gesammte Function der Streckenblock - Einrichtung automatisch zu bethätigen ; doch vermochte sich dies anderwärts schon hie und da angewen- dete System in Oesterreich nur theilweise Geltung zu verschaff"en, weil ihm noch verschiedene Mänijel anhaften. Das Gleiche gilt von zahlreichen anderen automatisch wirkenden Einrichtungen zur Anzeige verschiedenster Gefahrquellen im Zugsverkehre.

Trotz alledem war man aber nun von den fünf und zehn Minuten für die Folge der Züge unabhängig, und gibt die Zeit, die zur Durchfahrung der relativ längsten betreffenden Blockstrecke erforderlich ist, zugleich das Mass für das gänzlich gefahr- lose Intervall der Zü^rc derart, dass die Zahl der binnen einer Stunde ablass- baren Zii^Q bei beispielsweise zwei Mi- nuten längster Blockfahrt anstandslos bis auf 30 anwachsen kann.

Allerdings genügt dies nicht, um in solchem Falle auch wirklich diese

*) Blocklinie Wien-Stadlau.

Mechanik des Zugs verkehre.

30 Züge Stunde für Stunde abfertigen zu können, denn ein« grössere Zugs- zahl erheischt neben den entsprechen- den Fahrbetriebsmitteln auch sehr sorg- fältig durchdachte und benützte, meist sehr umfangreiche Stationsanlagen, um das Zusammenstellen, Umstellen, Um- kehren, Aufstellen der so zahlreichen Züge zeitgerecht bewerkstelligen zu

Dennoch wurden in Oesterreich selbst bei beschränkten derlei Anlagen bereits grosse Leistungen vollbracht, und wickelte die ab Wien zweigeleisige und mit Strecken blockirung versehene Westbahn [Kaiserin Elisabeth- Bahn] am 2S. Juni 1891 binnen 18 Stunden schon den

oder durchfahrende Züge im Rollen waren, mit welch letzteren inclusive des Civil Verkehres 40.096 Personen, 816 Pferde, 1 30 Fuhrwerke befördert wurden. Hievon entfielen auf die dichtest befahrene Strecke 64 Züge 22.191 Perso- nen, 353 Pferde, 65 Fuhrwerke binnen 24 Stunden. Dieser starke Verkehr währte nahezu 48 Stunden.

Auch bei den Eisenbahnen bewährt sich der Kreislauf der Dinge.

Nach der stürmischen Bauperiode der letzten Jahrzehnte erscheinen die Haupt- bahnen im Bereiche der österreichisch -un- garischen Monarchie zum gross ten Theile vollendet. Viele fruchtbare Gegenden, an Wald- und Bergproducten reiche Bezirke,

^IJMt^UUfJl^U.f^SUusü^.^4Ui^&4(A^ ^ 4«v tt. Si^ J3JJ.

anstandslosen Verkehr von 293 Zügen mit 101.500 Passagieren ab. [Vgl. Abb. 23]

Präcises Ineinandergreifen der Dispo- sitionen, vorzüghch geschultes, pflicht- treues Personale ermöglicht aber in .\usnahmsfällen und bei nicht zu lange anhaltender Anspannung der diesfalls bis aufs Aeusserste in Anspruch genom- menen Kräfte auch auf ein geleisiger, ungedeckter Strecke sehr grosse Leistun- gen. So dürfte die eingeleisige Kaiser Franz Josef-Bahn eine der grössten bis nun in Oesterreich -Ungarn erzielten Lei- stungen aufzuweisen haben, indem an- lässhch der Militär-Manöver im Jahre 1891 auf der, meist in i : 100 liegenden, 130 km langen Bahnstrecke Absdorf- Gmünd binnen 34 Stunden 118 theils leere, theils dort zur Besetzung gebrachte

Industrieorte u. dgl. verblieben aber seit- wärts der die kürzesten Verbindungen suchenden HauptUnien des Bahnverkehrs, und der jüngsten Zeit, wie nächsten Zu- kunft blieb- es vorbehalten, diesen ver- nachlässigten Ländertheilen die Segnun- gen des wichtigsten Verkehrsmittels un- seres Jahrhunderts zuzuwenden.

Local- und Nebenbahnen entstehen nun, erfordern aber eine entsprechende Ausgestaltung, um trotz des zu er- wartenden, schwachen Verkehrs, wenn nicht gewinnreich, so doch verlustlos betrieben werden zu können.

Aller beschwerende Ballast wird nun über Bord geworfen und man kehrt für diese jüngsten Schöpfungen unserer Zeit wieder zu den einfachen Formen der Kindheit des Eisenbahnbetriebes zurück, Telegraphie, Signaüsirung und Bewa-

Gustav Gerste).

chung, Zugskreuzungen und grossere I Nur die letzten Einführungen im

Fahrgeschwindigkeiten vermeidend, meist | Eisenbahnwesen, die Telephonie und die

mit nur einer Zugsgamitur aus leichter I Central Stellung der Weichen, finden dabei

gebauten Wagen den Verkehr bedienend, ! zur rascheren, sichereren und ökono-

und damit die Ha upterschwe misse des , mischeren Abvt'icklung des Frachten- und Betriebes fast gänzlich hintanhaltend. Zugsdienstes ausgebreitete Anwendung,

Signal- und Telegraphenwesen.

Von

Ludwig Kohlfürst,

Ober-Ingenieur a. D. der Buschtihrader Eisenbahn.

WAS für die menschliche Gesell- schaft die Sprache ist, bedeuten den Eisenbahnen die Signale und Telegraphen, und wie der cul- lurelle Aufschwung .eines Volkes mit der Vervollkommnung seiner Sprache Hand in Hand geht, eben so ist die Entwick- lung der Eisenbahnen mit jener ihres Signal- und Telegraphen wesens innig verknüpft. Indem das Letztere den Aus- lausch von Fragen und Antworten ermöglicht, ilas Geben und Em- pfangen von Aufträ- gen, Warnungen oder Befehlen vermittelt und auf jede Entfernung hin Benachrichtigun- gen über massgebende Vorkommnisse gestat- tet, bietet es, etwa ähn- lich dem sensitiven Nervensysteme, das in jedem vollkommenen

Organismus neben dem motorischen vor- handen ist, ge wisse r- massen das Remedium, dem die Aufgabe zu- fällt, die im Eisenbahn- betriebe thätigen torischen Gewalten zu lenken, die Regelung ihrer Leistungen zu erleichtern und sie des grüsstcn Theiles ihrer

Gefahren zu entkleiden. Vieles musste erdacht, erprobt, verworfen und häufig wieder aufgenommen werden und ein beträchtlicher Aufwand von Scharfsinn, Nachdenken, Arbeit und Fleiss sowie reichliche materielle Opfer waren erforder- lich, um den heutigen Stand zn erreichen. Bei diesem Ringen wurde in älteren Tagen allerdings vielfach über die eigenl- hch anzustrebenden Ziele hinausgegan- gen, namentlich was die Zahl der Signalbe- griffe und die Mannig- faltigkeit der Signal- zeichen anbelangt. •) Dieser Uebelstand ist in England, wo zufolge der raschen Ausgestal- timg von Eisenbahn-

iMeühanik desZugsver- kehrs' Seite 42. Der in- nige Zusammenhang der zwischen der Entwick- limg des Signal We- sens und jener der Mechanik des Zugs- verkehrs besteht, machte es nothwendig, dass in dem genannten Capitel vielfacfi auch die Anwendung der Signal- mitte! Bezug genommen wurde, weshalb zur Ver- meidung von Wieder- holungen auf die be- treffenden Stellen spä- terhin nur kurz ver- wiesen werden soll.

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Ludwig Kohlfürst.

netzen bald die Linien verschiedener Bahn- untemehmungen an Centralpimkten an- einander stiessen, und wo vielfach kleine Bahnen von grösseren Nachbarbahnen aufgesogen wurden, schon früh empfunden und bereits 1841 in einer Versammlung von Eisenbahntechnikern in Birmingham mit Erfolg bekämpft worden. Auf dem europäischen Festlande waren es aber weit später erst namentlich die Kriege, die den Mangel an Einheitlich- keit in den Signaldarstellungen der Eisenbahnen unliebsam zu Tage treten Hessen, und wodurch die einzelnen Staaten schon im Interesse der Wehr- kräftigkeit zur gesetzlichen Abhilfe, d. h. zur Schaffung einheitlicher Signal- ordnungen gedrängt wurden, nachdem vorher der staatliche Einfluss auf die Entwicklung des Signalwesens, wenig- stens in den ersten Jahren des Bestandes von Eisenbahnen ein ganz minimaler ge- wesen und dann noch lange Zeit hindurch in der Regel nur fallweise geübt worden war.

In Oesterreich-Ungarn finden sich die ersten auf die Signalisinmg bei Eisenbah- nen bezughabenden gesetzlichen Bestim- mungen bereits in der mit kaiserlicher Ver- ordnung vom 16. November 1851 erlasse- nen »Eisenbahnbetriebs-Ordnung für alle Kronländer«, jener Samm- lung vorzüglicher bahnpolizeilicher Vor- schriften, welche für viele andere Staaten als Muster diente. Die darin sich auf die Signalisirung beziehenden Paragraphe 45 bis 53 schreiben vor: Das Signal »Lang- sam fahren« für mangelhafte Strecken, die »Kopf- und Schlusslaternen« bei den Zügen, das *Dampfpfeifen- Signal«, »Weichensignale«, »Com- munications-Signale« zwischen Zugs- begleiter und Locomotivführer ; ferner für die Bahnwächter die Signale »Frei«, »Langsam« und »Halt«, für den Loco- motivführer die Signale »Bremsen an- ziehen« und »Bremsen loslassen« und schliesslich durchlaufende Linien- signale für die Signalbegriflfe, dass der Zug nicht abgeht, dass der Zug von der Station abgegangen sei, und dass eine Hilfs- maschine kommen soll. Alle diese Signale müssen selbst dann, wenn ein elektrischer Telegraph vorhanden ist, oder

falls derselbe gestört ist, ohne denselben gegeben werden können.

Da diese klug bemessenen Bestim- mungen lediglich die erforderlichen Signal- begjiffe und Signalgattungen normirten, ohne weitere Feststellungen über Signal- zeichen und Signalmittel mit Ausnahme der zu jener Zeit bereits allgemein ver- breiteten Dampfpfeife [vgl. Bd. III, S. 10] so ist durch die Anforderungen der Be- triebsordnung der Weiterentwicklung des Signalwesens keinerlei Hemmnis er- wachsen. Als jedoch im Verlaufe der Jahre das Anwachsen des Verkehrs und namentlich die Zunahme der Zugs- geschwindigkeiten naturgemäss mit einer äquivalenten Vermehrung der Signale und der Signal Vorrichtungen verbunden war, wurde der Möglichkeit einer weiteren Zersplittenmg im Signalwesen durch ein- gehendere gesetzliche Regelungen Schran- ken gesetzt, welche in der »Signal- ordnung« [1877] ihren dauernden Ab- schluss fanden.

In eben dieser Signalordnung, welche dem anschliessenden Abschnitte als Leit- faden dient, sind an erster Stelle die Nachfolger der optischen Telegraphen [vgl. Abb. 24, 25 und 26], nämlich die »elektrischen, durchgehenden Liniensignale« angeführt, obwohl sie keineswegs durch ihre Anciennität auf diesen Platz Anspruch besitzen. Wie ihr bereits an anderer Stelle [vgl. Bd. III, S. 40] dargelegter Entwicklungsgang ersehen lässt, sind sie aus der Unzuverlässigkeit der optischen Signalisirung hervorgegan- gen, derzufolge es dringend wünschens- werth erschien, durch ein zweites, von Nacht, Nebel und anderen, die Femsicht störenden Umständen unabhängiges Hilfs- mittel die Signal Wächter auf den erfolgten Auslauf eines optischen Signals [vgl. auch Bd. I, Abb. 277] aufmerksam machen zu können. In diesem Sinne wurden denn auch zuerst auf der Semmering- und auf der Karst-Strecke der Südbahn [1854, beziehungsweise 1855] elektrische Läute- werke neben den optischen Linien Signalen eingeführt. Dank diesem Umstände konnten die übertragenden Signalposten auf den genannten Strecken wesentlich weiter auseinander gerückt und sonach Wächter erspart werden, deren Zahl bis dahin

Signal- und Telegraphi

Qberall lediglich der optischen Signalisi- ning wegen weit über das Bedürfnis der Bahnbewachung hinausging. Eine solche Wächtererspamis hatte u. A. auch In- genieur Schnirch im Auge, als er anlässltch der Enichtung des Osterreichi- schen elektrischen Staats-Telegraphen vor- schlug [Zeitschrift d. östeir. Ingenieur- und Archit.- Vereins, 1849, S. 145], die Tele- graphenstangen als Stutzpunkte für Draht- zilge zu benutzen, mit deren Hilfe die

I. 15. Hrnttiga:

dacht gewesen, dieselben nicht blos der ursprünglichen Gepflogenheit nach zum Vormelden der Züge oder zum Absagen ausgefallener oder stark ver-

optischen Signale auf weite Entfernungen hin ertheilt werden könnten. Die gleich- zeitige Verwendung, beziehungsweise das Zusammenwirken optischer und elektri- scher Liniensignale ist bis zun) Jahre 1861 [vgl. Bd. in, S. 41] allgemein und auf einigen Bahnlinien noch viel länger aufrecht geblieben, bis die erstcren, von den letzteren vollends verdrängt, schliess- lich 1877 ganz ausser Kraft gesetzt worden sind.

Schon bei der ersten Einführung von elektrischen Läutewerks- Einrieb tun gen war man in Oesterreich-Ungarn be-

späteter Züge und zur Herbeirufung von Hilfsma seh inen auszunützen, sondern sie auch für anderweitige wichtige, ausserge- wöhnliche Vorkommnisse zu verwerthen; da die österreichischen Bahnen, welche sich zuerst mit elektrischen Läutewerken ver- sahen, neuerbaute Gebirgsbahnen waren,

Ludwig KohlfUrst

und ihrer sehr rauhen örtlichen Ver- hältnisse halber die Möglichkeit plötzlicher Felsstürze, Ueberschwemmungen, Schnee- j verwehungen u. dgl. keineswegs ausser- achtlassen durften, so lag es nahe, die I Signale >AIIe Züge aufhalten« und »Die ' Strecke ist verweht« einzufügen und be- > sondere Glockensignale schliesslich auch : für die Vormeldung der blos auf die . Strecke und von derselben in die nächste Station verkehrenden Hilfs-, Material- oder , Arbeitszüge und ebenso für die Vor- j meidung der auf der Doppelbahn aus- nahmsweise auf dem unrichtigen Ge- leise fahrenden Züge aufzustellen. Da so- wohl das Geben wie das Empfangen der oben erwähnten wichtigen Befehle und Nachrichten, wie z. B. .Alle Züge aufhalten« oder Entlaufene Wa- gen«, bei den sämml- lichen Signalposten möglich sein sollte, konnten diese Mit- theiliingen keine an- dere Form erhalten, als die von durch- laufenden Glo- ckensignalen. Hie-

durch entwickelte ' "'

sich der Unterschied

zwischen der Läutewerksausnutzung in Ocsterreich- Ungarn und jener in Deutsch- land, wo hei den St recken Wächtern keine Gloekensignale abgegeben werden, und im Ganzen nur vier Mittheilungen, nämlich zwei >Zugsabmeldesignale«, das »Ruhe- signal- und das >Gefahrsignal" in An- wendung stehen, die lediglich aus der ein-, zwei-, drei-, beziehungsweise viermaligen Reihenfolge derselben Anzahl vonGlocken- schlagengebildet sind. Alle sonstigen Nach- richten erfolgen mit Hilfe von Strecken- Telegraphen oder Fern Sprech -Einrichtun- gen. Der Umstand, dass in Oesterreich- Ungarn eben jeder Wächterposten zur Ab- gabe von Glockensignalen geeignet sein muss, rängte auch hinsichtlich der Läute- werkseinrichtungen zum »Betrieb mit-

tels Batterien«, und in der That gibt es hier nur eine einzige Bahn, nämlich die Graz-Köflacher Eisenbahn, welche apriori [1873J über Antrag und nach Angabe des Süd bahn- In Spectors Moriz Kohn*) [Abb. 27] mit Siemens'schen Magnet- Inductoren eingerichtet worden ist. Seit 1894 werden ähnliche Arbeitsstrom -Ein- richtungen allerdings auch normalmässig auf den neu einzurichtenden Strecken der k.k. Staatsbahnen in Verwendunggebracht. Bei den ursprünglichen Einführungen be- nützte man jedoch durchwegs nur die gewöhnliche Ruhe- stromschaltung, wel- che auchderzeit noch am häufigsten an- gewendet wird, und zwar in der Regel derart, dass die in den Stationen aufge- stellten, mit einem Pol an Erde gelegten Batterien gemein- schafthch ••) für alle dort einmündenden Glockenstromkreise zudienen haben; mit- unter werden wohl auch getrennte Bat- terien angewendet. An Versuchen, die

*) Ober-lnspector oiii Kohn. der Südbahn a. £>., t^e-

boren 183z zu Kostel in Mähren, wurde nach Absolvirun^ der technischen Studien in Wien zurArtilleneassentirt; später Lehrer fürMathe- matik und Geometrie an Militärschulen, trat er 1S58 als Voluntär in die Telegraphen - Bau- anstalt Schuhart & Leopolder in Wien, machte 1859 den italienischen Feldzug als OfAcier mit, mid verliess 18Ö0 den Militärdienst, um I(f6i als technischer Telegraphen- Beamter bei der Sudbahn einzutreten, in deren \'erband er als Leiter des Bureaus für Telegraphen- dienst verblieb, bis er sich nach Verlauf einer Jljjahrigen, in jeder Beziehung ausgezeich- neten und hervorragenden DienstTeistunR we^en Kriinkhchkeit in den Ruhestand zu- rückzoR.

") Die Möglichkeit der praktischen Aus- nützung einer und derselben Batterie in mehreren Stromkreisen hat schon 1852 Pro- fessor Pettina in Prag entdeckt und wissen- schaftlich erklärt, | Sitzungsbericht der Aka- demie der Wissenschaften, Wien 1853, Bd. X, Sdtt 31

Si^al- und Telegraphenwesen.

Ruhestrom schal hing, welche im Allge- meinen eine häufige Nachregulining der Elektromagnete an den Läutewerken er- fordert, zu verbessern, hat es nicht ge- fehlt. Heinrich Machaiski [Beamter der Lemberg-Czemo witzer Eisenbahn] gab beispielsweise eine Anordnung an, bei welcher der normale Ruhestrom in der Glockenlinie nur so stark gewählt zu werden braucht, als es unbedingt erforder- lich ist, um die Läutewerksanker nicht abreissen zu lassen ; bei der Signalgebung aber sollte nach der ersten, zu diesem Zwecke erfolgenden Stromunterbrechung durch automatische Zuschaltung einer Ver- stärkungsbatterie eine wesentlicheVermehrung des Normal Stromes statt- finden. Während also der schwache Dauer- strom die sonst mit der Ruhestromschaltung verbundenen Remanenz- Erscheinungen in den

Läutewerks - Elektro- magneten aufs Aeusser- ste verminderte, sicherte die während der Signal-

gebung eintretende Stromverstärkung die prompte Wiederanzie- hung der Läutewerksan- ker. Zur Durchfuhrung dieses Programms sind von Machaiski drei verschiedene Wege angegeben worden [Zeitschrift des österreichischen Ingenieur- und Architekten-Vereins, 1872, S. 356]. Verwandt damit ist eine von Ingenieur B. Castetliauf der Elektrischen Ausstel- lung in Wien 1883 zur Anschauung ge- brachte Ruhestromschaltung für Glocken- linien, bei welcher die Bekämpfung der Remanenz- Erscheinungen durch Entsen- dung von Gegenströmen geschieht, indem der zum Signalgeben dienende Taster vor jeder Unterbrechung als Com m Utator wirkt und die Stations- batterie einen Moment lang mit ver- kehrten Polen in die Linie schaltet. [Zeit- schrift für Elektrotechnik, Band 111, Seite 336 und 676.] Die völlige Emanci- pation von Ruhestrom- durch Anwen- dung von Gegenstrom-Schaltungen

hat zuerst Ferdinand Teirich*) vorge- schlagen und auf mehreren Strecken der Oesterreichisch -Ungarischen Staatseisen- bahn-Gesellschaft durchgeführt [Zeitschrift des österreichischen Ingenieur- und Archi- tekten-Vereins, 1860, S. 189]; ebenso war dieGlockenlinie Oderberg- Teschen der Ka- schau-Oderberger Eisenhahn 1869 versuchsweise mit einer Gegenstrom-Schal- tung versehen worden, wobei die Signal- gebung in den Stationen durch Umkehrung der eigenen Batterie geschah, so dass sich die beiden Gegenbatterien des Glocken- stromkreises gleichsinnig addirten und der hiedurch entstandene Arbeitsstrom die Auslösung der Läute- werke bewirkte. Bei den Wächterposten ge- schah die Signalhervor- rufungeinfach durch An- schliessungen der Erd- leitung an die Glocken- linie. Zur ausgedehnten praktischen Anwendung brach tedasGegenstrom- system Franz G a t- t i n g e r dessen erste diesfällige Versuche

•) Geboren 1822 zu Htedl in Böhmen, war Teirichnach Absolvirung der technischen Studien an nand Tcirich, der Prager Sternwarte

beschäftigt und trat lK;o unter Sieinheil bei der S ta at ste le^aphen- An statt ein. Zur Zeit der österreichischen Occupation der Moldau und Wallache! betraute ihn der österreichische Ha ndelsmi niste r mit der Errichtung der im Filrstenthume Moldau herzustellenden Tele- graphen und mit der Organisation des he- tretfenden Dienstes, wel che schwierige Mission er in befriedigender Weise durchführte. 1S55 nach Wien zurückgekehrt. Übertrug ihm die Staatseisenbahn-Gesellschaft den Posten eines Telegraphenchefs, in welcher Eigenschaft er nach Neuorganisirung des Dienstes rastlos schöpferisch tliätig blieb bis 1872, in welchem Jahre er sein Amt niederlegte, um als \'er- waltungsrath in das Executiv-Comite der Allgemeinen -Telegraphen bau - Gesellsclialt einzutreten. 1875 errichtete er eine Tele- graphen-Bauanstalt in Wien und in Uukurcst unter eigenem Namen, und widmete äich, spüterhin mit dem rühmlichst bekannten Telegraphen - Mechaniker Joh, Leopolder associirt, der geschäfthchen Thätigkeit, bis er sich [895, des vorgerückten Alters wegen, Ins Privatleben zurilckzoi;.

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Ludwig Kohlfürst

schon in die Jahre 1866 und 1869 fallen auf den älteren Linien der k. k. österr. Staatsbahnen, wo bereits seit der zweiten Hälfte der Achtziger-Jahre der grösste Theil der Glockensignal-Leitungen nach dieser Schaltungsform eingerichtet ist; doch geschieht hier die Signalgebung in den Stationen derart, dass die daselbst aufge- stellte Zinkkohlenbatterie unterbrochen und die Glockenlinie an Erde ge- legt wird, so dass ledig- lich die in der Nachbar- station befindliche Ge- genbatterie den zur Aus- lösung der Läutewerke erforderlichen Strom lie- fert.

Einen älteren Versuch mit Batterie-Arbeitsströ- men hatM.Kohn auf der Südbahnstrecke Stuhl-

weissenburg-Uj -Szöny vorgenommen, zu wel- chem Behufe auch bei denWächterposten Batte- rien, und zwar solche aus

Chromsäure-Elementen aufgestellt waren, deren für gewöhnlich ausgeho- bene Elektroden nur im Gebrauchsfalle in die Er- regungsflüssigkeit einge- senkt wurden. [Zetzsche, Handbuch der Telegra- phier Bd. IV, S. 396, 440.] Um die Vortheile des Ruhe- und des Ar- beitsstromes zu vereini- gen, schlug 1879 Franz K f i z i k damals Tele- graphen - Ingenieur der Eisenbahn Pilsen-Priesen [Komotau] vor, mit dem Laufwerke eines in der Station aufj^cstclltcn Glockenapparates einen Siemens ^schen Magnctinductoranker derart zu verbinden, dass der Inductoranker jedesmal in entr sprechend rasche Drehung versetzt wird, sobald eine Auslr»suntr des Laufwerkes erfolixt. Der Elektromao^net des letzteren trhält den bei Ruhestrombetrieb üblichen

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Abb. ao. Läutewerk auf dem Wäcbterhause

^StaatÄeiseubahn-Gescllschaft, 1S75J.

Spulenwiderstand von 60 bis 80 Ohm, wäh- rend bei allen Streckenläutewerken sowie bei den Nachbarstations - Läutewerken stärkerer Draht mit nur circa 10 Ohm für die Spulen verwendet und überdies die Abreissfeder stärker gespannt wird. Eine in die Linie geschaltete galvanische Bat- terie hat ausschliesslich den Zweck, den Anker des zuerst angeführten Stationsläutewerkes an- gezogen zu erhalten , ist aber zu schwach, die übrigen Elektromagnet- anker anzuziehen. Die Signalgebung geschieht durch Unterbrechung des Ruhestromes, jedoch nur mittelbar, indem das hie- durch ausgelöste Induc- tor-Laufwerk den In- ductor einschaltet und thätig macht; die auf diese Weise in die Linie gelangenden Inductions- ströme sind es erst, wel- che die Anker der sämmt- lichen übrigen Läute- werke anziehen und letz- tere dadurch auslösen.*) In der Regel sind an den österreichisch-unga- rischen Eisenbahnen die Glockenschlagwerke auf der Strecke im Wächter- hause, und zwar im Haus- flur oder auch im Wohn- zimmer untergebracht, während die Glocken auf dem First des Hauses Platz finden. [Vgl. Abb. 29 u. 35.] Eigene höl- zerne oder eiserne Glo- ckenbuden haben erst Anfangs der Siebziger- Jahre auf einzelnen Ge- birgsstrecken, z. B. jenen

*) Unabhängis: von KHzik hatte auch H. H a 1 1 e m e r, damals Telegraphen-Inspector der Gorlitzer Bahn, etwas früher als jener, im Juni 1S70, einen ganz ähnlichen Vorscnlag gemacht lElektrotechnische Zeitschrift 1880, S. 143] Kine verwandte Glockensignalschaltune ist IS>2 auch durch Siemens & Halskeautder Gotthard-Bahn einsrerichtet worden.

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8

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Signal- und Telegraphei

der Busch t Öhrader Eisenbahn, Anwen- dung gefunden, späterhin aber auch auf vielen Strecken der k. k. Staats- bahnen, die jetzt bei Neuanlagen für die Unterbringung der Streckenläutewerke grundsätzlich eigene eiserne Glocken- buden aufstellen. Im Allgemeinen werden nur einfache Glocken angewendet; blos dort, wo mehrere Signalposten an einer Stelle zusammenkommen, oder wo durch anderweitiges Glockengeläute Irrun- gen entstehen könnten, sind im Sinne der »Grundzüge f. d. S.t Doppelglocken oder auch dreifache Glocken vorhanden.

Für die bereits er- wähnte erste österrei- chische Glockensignal - Anlage derSemmering- bahn waren die erfor- derlichen Apparate in der k, k. Telegraphen- Werkstätte der Staats- telegraphen-Anstalt an- gefertigt worden. Die betreffenden Läutewer- . ke hatten die Dr. August Krame r'sche Anord- nung [vgl. Schellen, » Der elektr.-magnt. Te- legraph', 4. Auflage, S. 650], welche sich schon seit 1847 auf der Strecke Magdeburg- *""■ v^ J°"

Buckau bewährte und damals in verbesserter Form und in grosser Zahl auf den deutschen Bahnen bereits in Verwendung stand. Auch die nach der Semmerings trecke in Oesterreich zu- nächst eingerichtete Glockenlinie Wien- Frankenmarkt [Kaiserin Elisabeth- Bahn, 1858] wurde noch mit Kramer'- schen Läutewerken ausgestattet, die aus der Werkstätte der Wiener Firma SchuharlÄ Leopolder [vormals Eck- hngl stammten. Auf den weiteren Stre- cken der Westbahn kam dann eine ver- besserte Läutewerks - Construction von Josef Schönbach") [Abb. 30] zur An-

wendung, für welche dem Genannten am 28. December 1859 ein k. k. Privilegium verliehen worden war. Bei diesen Appa- raten hatte Schönbach die Ein- und Aus- löse-Mechanismen zu einem gemeinsamen Hebelsysteme zusammengezogen und den ursprünglich rund geformten Fangstjft des Arretirungsarmes durch ein prismatisches Stahlstück von dreieckigem Querschnitte ersetzt, wie es heute noch bei den Öster- reichisch-ungarischen Eisenbahn-Läute- werken ausnahmslos verwendet wird; auch gab er den G lockenstuhlen eine praktische Steuerung, indem er die ur- sprünglich vorhandenen spiralförmigen Ham- merfedem, die leicht rosteten und viel Rei- bung erzeugten, besei- tigte und den Hammer ledighch durch sein Ge- wicht wirken liess. Ein anderes verbessertes Läutewerk construirte im nächstenjahre [1 860] Job, Leopolder [vgl. Zeitschrift des öster- reichischen Ingenieur- und Architekten -Ver- eins, 1861, S. 232], und etwa 1868 traten auch Otto Schäffler in sohüQbach. Wien, August W e y-

rich in Budapest und Wien und B. Egger in Wien mit neuen Giockenapparaten hervor. [Vgl. Zetzsche, Handbuch der Telegraphie, Bd. IV, S. 383.] Alle diese in Oester- reich entstandenen und verwendeten Läutewerke waren mit uhrwerk artigem

•) Ober-Ingenieur a. D. der Kaiserin EU- sabeth-Bahn, geboren 1818 zu Peterswalde im Riesengebilge, machte itfso als Mechaniker den Curs für Staat stelegraphisten und wurde noch im selben Jahre als solcher angestellt. Nach vierjähriger Verwendung in den Statio-

nen Lobositz und Prag wurde er als Tele- ernphist an das Central -Telegraphenamt In Wien berufen, wo ihm 1856 ^7 auch die prak- tischen Uebungen am Staatstelegraphcn-Curse übertragen waren. Vom Herbste ISS^* bis 1860 besorgte Schdnbach, von der Staatsverwaltung gegen RUcklassung seiner Gebühren beur- laubt, die Einrichtung der Telegraphen bei der Kaiserin Eli sabeth-Bahn, in deren Dienste er 1860 als Telegraphen-Ingenieur übertrat; 1874 wurde er zum Ober-Ingenieur ernannt, und 1879 mit KUcksicht auf Alter uiidKrflnk- hchkeit in den Ruhestand versetzt. Von 1873 an war SchOnhach einige Jahre hindurch auch Lehrer am Eisenbahn curs der Wiener Handelsakademie.

r ElKnbahnco. Iir

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Ludwig Kohlfürst.

Laufwerk eingerichtet, bis Ende der Sechziger -Jahre die Telegraphenbau - Werkstätte M. Kaufmann in Prag ein von Hol üb [vgL Abb. 31] entworfenes Wächterläutewerk anfertigte, bei dem das Bodenrad direct in das Windflügeltrieb eingriff und fast ausschliesslich nur Eisen- material verwendet war, weshalb es be- sonders billig zu stehen kam. Von da an wurde mehrfach versucht, Apparate mit sogenannten Echappement- Auslösungen herzustellen, und gehören hieher u. A. von A. Weyrich in Budapest 1871 con- struirte und ausgeführte, sowie die von A. Wen seh 1872 erdachten, bei M. Kaufmann in Prag ausgeführten Läute- werke, welche jedoch gleich ähnlichen von Sickert & Lossier hergestellten Werken nur vorübergehend Anwendung fanden. Im Verlaufe der letzten 25 Jahre ist übrigens nur wenig an den alten er- probten Typen geändert worden, und es lässt sich aus jüngerer Zeit nur noch ein neues Läutewerk anführen, nämlich jenes von Czeijer & Nissl in Wien [vgl. Zei* -hrift für Elektrotechnik, 1891, S. 178], das etwa 1890 entstanden sein dürfte. Die weiteste Verbreitung hat in Oesterreich-Ungarn das Leopolder'sche [vgl. Abb. 32] Glockenschlagwerk ge- funden, das seit 1877 auch bei der Paris- Lyon-Mittelmeerbahn,*) wo Moriz Kohn von der österreichischen Südbahn als Experte die ersten Strecken einrichtete dann bei den rumänischen, serbischen und allen oberitalienischen Bahnen in Anwendung steht.

Als Perron- Läutewerke sind in Oester- reich-Ungarn dieselben Apparate in Be- nützung wie auf den Wächterposten, nur dass die Glockenstühle auf Consolen an- gebracht werden und die Cxlocken mit- unter etwas kleinere Abmessungen haben als jene der Streckenläutewerke. Die in den TelegTcfphenzimmem aufgestellten »Bureauläutewerke« sind im Wesentlichen eben nur verkleinerte, zarter gebaute Läutewerke mit Federbetrieb. Die ältesten Apparate dieser Art gingen aus der Leopolder'schen Werkstätte hervor und

♦) Im Jahre 1881 standen bei der Paris- Lyon-Mittelmeerbahn auf Ji'jH'Zkm Strecken dfeser Bahn 1384 Leopolder'sche GU)cken- signal-Apparate in Betrieb.

I -

stammen aus der ersten Hälfte der Fünfziger-Jahre; sie erfuhren zehn Jahre später eine nennenswerthe Vereinfachung und Verbesserung. Etwa 1868 wurden bei M. Kaufmann in Prag auch Zimmerläutewerke mit Echappement- Auslösung nach H o 1 u b's Entwürfen her- gestellt. Zur Hervorrufung der Glocken- zeichen wurden in den Stationen wie dies auch jetzt noch vorwiegend der Fall ist einfache, aus Messingspangen her- gestellte Drucktaster verwendet, welche in ein Fussbrett eingelassen sind, das gleichzeitig eine liegende Boassole trägt, die aber nicht nur zur gewöhnlichen laufenden Liniencontrole, sondern auch zur Durchführung der vorgeschriebenen täglichen Strommessungen dient, wes- halb die am Fussbrett angebrachten Klemmenanschlüsse gleich auch als Stöpselumschalter angeordnet sind. Diese »Tasterboussole« [vgl. Abb. 33] behauptete ihre Alleinherrschaft bis Ende der Sechziger-Jahre, wo man an- fing, automatische Taster anzuwenden, um das Abgeben der Signale weniger zeitraubend und sicherer zu gestalten. Zuerst w^urden solche spielwerkartige »Signalgeber« 1866 von J. Leopolder in Wien angefertigt und über Veran- lassung Anton Schefczik's*) [Abb. 34]

*) Geboren 1825 in Theyn bei Leipnik [Mähren], besuchte das Lyceum zu Olmütz und die Technik in Wien, trat 1845 als Ingenieur- Assistent in das technische Revi- sionsanit der Kaiser Ferdinands-Nordbahn, wurde 1847 nach Lundenburg zum Tele- graphendienst zu^etheilt und 1854 hinsichtlich der Strecken Wien-Brünn, -Pressburej und -Stückerau mit der Bewachung dieses Öienst- zweiges betraut. Vom l. Juli 1865 übernahm er als Vorstand das Wagen-Abrechnunes- und Evidenzbureau und das Bureau für Tele- graphen-Angelegenheiten, von welchen Agen- den er die ersteren bis 1893, die letzteren bis 1888 fortführte. 1879 bis zum Ober-Inspector avancirt, trat Schefczik 1893 in Pension und starb am 16. December desselben Jahres. Er hatte an der frühesten Entwicklung der elektrischen Telegraphen in Oesterreich hervorragend schöpferischen Antheil ge- nommen und war vom s. z, Handelsminister R. V. Baumgartner wiederholt aufgefordert worden, in den Staatsdienst überzutreten. Schefczik wurde seitens der Kaiser Ferdi- nands-Xordbahn zu Studienzwecken 1864 nach Deutschland, Holland, Luxemburg und Elsass, sowie 1878 nach Paris und London

Signal- und Telegraphe;

bei der KaiserFerdinands- Nordbahn grund- sätzlich eingeführt, wo man übrigens gleich bei der 1867 und 1868 begonnenen und 1870 vollendeten Neueinrichtung von Glockensignal-Anlagen auch den Bahn- . Wächtern Automattaster gab, um Signal- verstUmmelungen vorzubeugen, welche

graphen-Bauanstalt*], lieferte besondere Wächtersignalgeber - Constructionen von Ad. Pozdina [1870], dann von A. Wensch I1872J und 1873 speciell für die Buschtßhrader Eisenbahn ganz kleine, von einer Blechhaube eingeschlossene, an den Wächterh aus wänden angebrachte

umso leichter vorkommen können, wenn die Signale aus freier Hand, etwa gar unter aufregenden Umständen von Ungeübten gegeben werden müssen. Signalautomaten für Stationen, mit welchen natür- lich nur die von den Stationen zu ertheilenden Signale abgegeben werden können, wurden ausser von Leopolder auch von B. E&gc '" Wien, von Neu- hold in Budapest^ von M.Kauf- mann in Prag und Anderen ge- baut ; diese Firmen stellten auch Wächtersignalgeber her, welche der Unterbringung im Schlag- werkkasten angepasst waren und nur die bei Streck enposten zur Abgabe kommenden Signale enthielten. Kaufmann in Prag [später »Allgemeine Tele- Abb, jj Ta

entsendet. Für seine Leistungen in den Kriegsjahren schon 1859 und 1864 durch AllerhSchste Belobungen und dienstliche I Remunerationen ausgezeichnet, erhielt l8riC das goldene Verdienstkreuz mit de: Krone. Er war einer der Ersten in Oester- reich, der sich mit Photographie beschäftigti und hat hierüber sowie insbesondere übe das Telegraphen Wesen und auch über Astro- nomie zahlreiche wissenschnfiliche Abha lungen veröffentlicht'.

Ibb, ja. LeopoLdtr'a GlrjckenscWagwerk. lS«o.

Automaten, welche lediglich das Signal Entlaufene Wagen» enthielten. Anfangs der Achtziger-Jahre wurde in verschiedenen Stationen der k. k. österr. Staatsbahnen ein von A. Prasch construir- ter, bei Czeija imd Nissl in Wien ausgeführter Automat- taster eingeführt, mit welchem zwei Signale gegeben werden können, nämlich das Fahrsignal und das Signal »Alle Züge aufhalten«. [Vgl. Internat. Aus- stellungs-Zeitung, Wien 1883, Seite 281 und 368.] Ein später gleichfalls von A. Prasch etwa 1885 construirter ».Signalgeber» i-st für Bahnwächterposten be- stimmt; beide lelztgedachten Anordnungen haben den Vor- icihousMok. 2Ug, dass keinerlei Einstellungen vorauszugehen haben, wenn ein Signal gegeben werden soll, sondern dass für jedes Signal eine eigene Schnur vorhanden ist, die einfach angezogen zu werden braucht. Bei den für die Kaiser Ferdinands-Nordbahn 1867 bis 1869 gelieferten Glockensignal-Einrichtungen wurden auf Schefczik's Antrag den Streckenläutewerken eigene Registrir- werke beigefügt, die auf einem im

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Ludwig Kohlfürst.

Apparatkasten hinter einer Glastafel er- scheinenden Papierstreifen das zeitweilig zuletzt eingelaufene Glockensignal sicht- bar machten; eine Einrichtung, die einerseits dem Wächter zugute kömmt, falls er ein Signal nicht sofort klar auf- gefasst oder überhört hätte, und andern- falls für die Abwickelung der Glocken- signalisirung innerhalb der betreifenden Strecke eine gewisse Controle ermöglicht. Einige Bahnen, z. B. die Oesterr.-Ungar. Staatseisenbahn-Gesellschaft, stellen daher nur in Strecken, die controlirt werden sollen, je einen dieser Registrir- Apparate auf, welche bei J. Leopolder seit 1868 und in einer verbesserten An- ordnung seit 1877 ausgeführt werden. Die auf den Wächterposten vorhandenen Glockensignal- Apparate sind stets durch einen Schutzkasten abgeschlossen, dessen Inneres nur den betreifenden Aufsichts- organen zugängig ist; ausserdem stehen die Tastervorrichtungen imter Plomben- oder Siegelverschluss, der lediglich im Bedarfsfalle geöifnet werden darf. Seit 1883 hat die Buschtßhrader Eisenbahn an ihren Wächterapparaten die Pozdina- schen Signalgeber durch eine Zufügung derart eingerichtet, dass kein besonderer Verschluss derselben mehr erforderlich ist, weil bei jeder Gebrauchsnahme dieses Apparates sich das gegebene Signal dauernd durch ein Scheibchen kennzeichnet, das sich dabei von weiss in roth verwandelt und dessen Rück- stellung nur seitens des Aufsichtsorganes vorgenommen werden kann.

Bis zum Jahre 1858 waren von der Südbahn, der Elisabeth - Bahn und der Südnorddeutschen Verbindungsbahn zu- sammen 302 Glockenapparate in Dienst gestellt worden, die sich bis 1863 auf 996 erhöhten; im nächsten Quinquennium richteten sich auch die Aussig-Teplitzer, die Böhmische Nord- und Westbahn, dann die Galizische Carl Ludwig -Bahn und Lemberg - Czernowitzer Eisenbahn elektrische Läutewerke ein und wiesen zusammen bereits 3520 Signalposten aus, die sich bei den österreichischen Eisen- bahnen 1877 auf 12.568 und 1887 auf 14.335 vermehrten.

Eine hervorzuhebende Besonderheit unter den österreichischen Glockensi^nal-

Einrichtungen ist jene, mit welcher nach F*ranz Gattinger's Anleitungen im Sommer 1884 der Arlbergtunnel aus- gerüstet wurde. Innerhalb des Tunnels sind im Ganzen 1 2 Signalposten in Seiten- bauten, den sogenannten Rettungsnischen, aufgestellt. Die betreffenden Läutewerke haben die Anordnung der verbesserten Leopolder'schen Normalconstruction und wurden mit Rücksicht auf die üblen Ein- wirkungen der Verbrennungsgase und der im Tunnel reichlich vorhandenen Feuchtig- keit bis auf die Elektromagnetschenkel und Anker nebst den stählernen Einlösungs- theilen [Paletten und Prisma] lediglich aus Messing und Rothguss ausgeführt, am Gestelle durch starke Ebonitplatten noch besonders isolirt und in zwei Schutzkästen, einem inneren aus Zinkblech und einem äusseren aus Holz wohl verwahrt. Trotz- dem erwiesen sich diese Vorsichtsmass- regeln in Kürze, ja bei einzelnen Appa- raten schon nach wenigen Wochen als unzulänglich, da sich die Ueberspinnun- gen, obwohl sie sorgsamst lackirt waren, voll Wasser sogen und die Pa- letten und Prismen durch Rost alle Glätte verloren. Dem ersteren Uebelstande wurde durch wSpulen abgeholfen, die mit Paraffin umgössen sind, und dem zweiten, indem man die feinen Aus- lösungstheile aus einer Aluminiumlegirung anfertigen Hess. Frühere Versuche, die Stahlpaletten und das Prisma durch starke Vergoldung zu schützen, hatten sich nämlich ebensowenig bewährt als der Versuch, sie aus Hartglas herzustellen. In den §§ 64 bis 69 der offici eilen einheitlichen Signalvorschrift vom Jahre 1872 waren als obligatorische Ergänzung der elektrischen durchlaufenden Linien - Signale noch die sogenannten Quitti- rungssignale vorgeschrieben worden. An jedem Wächterposten sollte ein Mast aufgestellt sein, mit je einem Flügel für jede Zugsrichtung. Die beiden Flügel hatten normal lothrecht nach abwärts zu hängen; sobald jedoch mittels des elek- trischen Glockenapparates ein Fahrsignal einlangte, oblag es dem Wächter, wenn seine Strecke in Ordnung war und nachdem die Schranken geschlossen wurden, den be- treffenden Arm 45" schräg nach aufwärts, d. i. auf »Bahn frei« zu bringen. Nach-

Signal- und Telegraphi

dem der Zug den Posten passirt hatte, musste der Arm wagrecht, d. i. auf *Halt> gestellt werden; dieses »Halt' war durch Minuten stehen zu lassen und während der nächstfolgenden 5 Minuten durch das Signal »Langsann [der Arm 45" schräg nach abwärts] zu ersetzen. Die Quittirungs Signale sollten also zur Aus- führung der .Zugsdeckung aufZeit- ir.tervallei und zugleich als Aver- lirungs Signal für die LocomotivfÜhrer dienen. Im Principe war an dieser An- ordnung nichts Neues, da dieselbe Signali- sirung bei den Österreichisch - ungari- schen Eisenbahnen schon bis dahin geübt wurde, wenn auch nur mittels Handsignalen. Eben deshalb und In An- betracht der grossen Anschaffungs- und Un- terhaltungskosten der

Mastsignale erhoben sämmtliche Bahnen ge- gen die Einführung der Quittirungssignale am 33. December 1873 und neuerlich am 4. Januar 1875 bittliche Vorstel- lungen, denen schliess- lich auch mit Verordnung des österreichischen Han- delsministeriums im Ein- *''''■ ^*- *"' Verständnisse mit dem königlich ungarischen Communications- Minister vom 1 5. April 1 87 5 Folge gegeben wurde. Nach den Grundzügen der Vor- schriften für den Verkehrsdienst erscheint die Durchführung der in Frage stehenden Signalisirung mittels der Hand- signale statthaft; sie geschieht auch überall lediglich in dieser Weise, ausgenommen auf den wenigen Strecken, wo für die Zugsdeckung bereits von früherher Quit- tirungssignale bestanden oder wo Block- signal-Einrichtungen vorhanden sind.

Hier anschliessend haben auch noch jene Signalsysteme Erwähnung zu finden, die ihre Entstehung der Erwägung ver- danken, dass die blos hörbaren, rasch vorübergehenden Glockensignale schwe- rer aufzufassen und zu behalten seien als sichtbare, ja bei zu grosser Entfernung des Wächters, bei ungünstigen Winden u. s. w. wohl ganz überhört werden kön-

nen, weshalb sie durch ein beigeord- netes optisches Signal vervollständigt werden sollten. Die vorerwähnten Re- gistrir-Vorrichtungen halfen dem Uebel- stande nur einseitig ab, da die auf dem Papierstreifen dargestellten Signale wohl dem Wächter, nicht aber dem Fahrperso- nale wahrnehmbar sind. Schon einige Jahre vor deren Einführung äusserte sich das Be- streben, durch grössere, den Zügen direct geltende Signal- Vorrichtungen, nament- lich für cingeleisige Bahnen, eine möglichst umfassende Abhilfe zu schaffen. In dieser Absicht ward von Josef Schön bac hin den Jahren 1864/65 das Urbild seiner späterhin viel veränderten und weit verbreiteten elektrischen Wendescheibe geschaf- fen. Dieselbe sollte auf ei ngel eisigen Strecken an jeder Ausfahrt der Sta- tionen aufgestellt und so in die Glockenlinie ein- geschaltet werden, dass sie sich auf 'Halt« stellte, sobald von der Nachbarstation das Glo- ckensignal fUr einen vor- rückenden Zug erfolgte. Die Rückstellung der Ausfahrtsignalscheibe n schtfLiik. ajjf .Frei« hatte mit

der Hand erst dann zu geschehen, wenn der signalisirte Zug ein- getroffen war. Das allererste dieser Signale besass als Signalkörper noch keine Scheibe, sondern eine Kugel, da- mit der Winddruck geringer ausfallen sollte; sie drehte sich um 90* und zeigte der Station als Haltsignal das Bild einer roth- weissen Kreuzscheibe [be- ziehungsweise Ballons] und bei Nacht mit Hilfe einer in der Kugel ange- brachten Laterne roth es Licht. We- sentlich weitergehend war ein von Franz Gattinger und Sigmund Mahr aus- gearbeitetes Signalsystem, das im We- sentlichen dahin zielte, die Läute- werke bei den Wächtern durch zwei- armige Flügelsignale zu ersetzen, welche durch elektrische Auslösung das Fahr- signal für die eine oder die andere Zugs- richtung ertheilen und nach Vorbeifahrt des signalisirten Zuges vom Wächter

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Ludwig; Kohlfürst.

mit der Hand eingezogen werden sollten. Jedes optisch-elektrische Fahrsignal war vom Geläute eines Weckers begleitet, der auch zu anderem Nachrichtendienst benützt werden konnte. Das elek- trische Stellen der Armsignale blieb in der Regel den Stationen vorbehalten, durfte im Nothfalle aber auch von den Wächtern geschehen, wozu sie eigene Taster erhielten. Mit diesem Signal- svstem haben 1868 auf der Kaiserin Elisabeth - Bahn Versuche stattge- funden.

Die in der Signalordnung an zweiter Stelle angeführten »Signale des Streckenpersonales« gehören zu den ältesten, welche die Eisenbahnen kennen, und sind im Wesentlichen nur w^enigen Wandlungen unterworfen ge- wesen. Darunter war allerdings eine entscheidende, nämlich die Aenderung der Bedeutung des grünen Lichtes, das entgegen den Vereinbarungen der eng- lischen Eisenbahnen [Cod of signals recommanded to be observed on all Rail- ways; Birmingham, 1841] in Oesterreich zur Zeit der ersten Eisenbahnen als Ge- fahrsignal galt. Wenigstens heissen in der, bei Eröffnung der Wien-Gloggnitzer Bahn 1841 in Kraft getretenen Signal- vorschrift dieser Bahn die Signale der Bahnwächter wie folgt: i. »Alles in Ordnung« kein Signal oder weisses Licht; 2. »Langsam fahren« flache Handsignalscheibe oder rothes Licht, ruhig dem Zuge entgegengehalten ; 3. »Halt« Schwingen der Handsignal- scheibe, der Kappe, Arme u. s. w. ; bei Nacht Auf- und Abbewegen der rothen oder weissen Laterne; grünes Licht ist das Zeichen für augenblick- liches Aufhalten. Aliein schon in den ersten Fünfziger-Jahren galt im All- gemeinen lediglich roth für »Halt« und grün für »Langsam«, während letzteres allerdings auf allen Bahnlinien mit optischen Liniensignalen gleichzeitig auch die Bedeutung »eine Hilfsmaschine soll kommen«, besass. Beide mit grün dar- gestellten Signalzeichen unterschieden sich nur in der Grösse des Lichtes, eine Anomalie, welche auch noch in die ein- heithche Signal Vorschrift [1872] sich ein-

geschlichen hatte und erst mit dem Auf- hören der optischen Liniensignale [1877] verschwunden ist. Noch früher als die aus Blech oder Weidengeflecht herge- stellten Handsignalscheiben [vgl. Abb. 35] waren Fahnen der verschiedensten Far- ben [vgl. Bd. III, Seite 10], vorwiegend aber rot he, hie und da nebst den rothen auch grüne Signalfahnen in Gebrauch gekommen. Die Scheiben waren ur- sprünglich in Quadranten [roth-weiss], späterhin in Hälften getheilt oder ring- förmig roth-weiss bei der Süd- bahn aber auch grün-weiss bemalt. Die mit den Handsignalen der Wächter zu ertheilenden Zeichen für »Halt«, »Lang- sam« und »Freie Fahrt« haben durch die Signalordnung gegen früher nur noch eine geringfügige Abänderung erlitten, indem seither das Signal »Langsam« nicht mehr mit ausgestreckten Armen oder mit wagrecht gehaltener Fahne, sondern durch schräg nach abwärts ge- neigte Arme, beziehungsweise durch die schräg nach abwärts gehaltene Fahne darzustellen ist. Ausserdem erfolgte durch die Signalordnung eine Vermehrung der Signale des Streckenpersonals durch den Einschub des optischen Signals »Zug zerrissen« [senkrechtes Auf- und Ab- bewegen der Signalfahne, der Handsignal- lateme oder eines anderen Gegenstandes], das mit dem Rangirsignal »Vorwärts« übereinstimmt.

Völlig in Vergessenheit gerathen sind die Leuchtsignale, welche als Bahnzu- standssignale [vgl. Bd. III, Seite 38] oder auch blos als Ergänzung zu anderen Signalen, namentlich zu Weichensignalen [vgl. Bd. III, Seite 10] mittels Pech- kugeln, Pechpfannen, Feuertöpfen und später mit Fackeln dargestellt wurden, aber bereits gegen Ende der Sechziger- Jahre kaum mehr Anwendung gefun- den haben.

Die als Vorsignale zu Haltsignalen oder lediglich als letztere verwendeten Knall- kapseln [vgl. Bd. III, Seite 16] waren ursprünglich aus England bezogen, bald aber w^urden sie auch im Inlande [bei Hawranek, Sellier & Beilot u. A. m.] nach englischem Muster hergestellt. Danach bestanden sie aus einer kreisrunden Weiss- blcchkapsel, deren Inneres mit Schiess-

Signal- und Telegraphenwef

pulver ausgefüllt und mit drei auf Stiften gesteckten Zündhütchen versehen war; späterhin gab man in die Blechkapsel lediglich ein mit Knallquecksilber gefülltes Glasröhrchen. Mit Knallsignalen wurden u. A. auf der Kaiser Ferdinands- Nordbahn 1867 durch den Ingenieur Zdenko Kuttig [jetzt kaiserlicher Kath, Central-Inspector und Betriebsdirector - Stellvertreter der Kaiser Ferdinands-N'ordbahn] umfängliche Versuche vorgenommen, deren Ergebnisse der Genannte zur Herstellung wesentlich verbesserter Detonationskörper [Abb. 36] | verwerthete. Diese haben nur zwei Befest igungsfedem, und aufdem Schienen- '■ köpfe liegt entweder lediglich ein als Zünder wirkendes Metallröhrchen oder : eine kleinere Knallkapsel, während der I eigentliche Explosivkörper [Kanonen- ' schlag] neben der Schiene Platz findet i und vom Rade des Fahrzeuges nicht , getroffen wird; Kuttig, der zuerst die rationelle Befestigungsart mit elastischen Klammem eingeführt hatte, stellte auch Kapseln her, mit welchen statt des ' Kanonen Schlages rothes Licht [ben- galisches Feuer) entzündet wurde. Hie- , durch sollte die Wirksamkeit des Signals 1 auch in dem Falle sichergestellt werden, ; als die Detonation des explodirten Knall- ' Signals infolge des Zugsgeräusches vom j Personale überhört worden wäre. Die etwas kostspieligere Herstellung der- , artiger Knallkapseln verhinderte deren 1 Einführung. 1

Bereits Ende der Fünfziger -Jahre war auf einzelnen Österreichischen Eisen-

bahnen das Bedürfnis nach Distanz- signalen vor den Stationen und Bahnabzweigungen lebhaft zu Tage getreten [vgl. Bd. IH, S.37], und insbeson- dere der anwachsende Localverkehr der S Ü d b a h n war es, der diese Bahn im Jahre 1 860 veranlasste, nach französischem Muster die Stationsdeckung mittels vorge- schobener Wendescheiben durchzuführen.

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Diesem Beispiele folgte 1863 die Kaiserin Elisabeth-Bahn, 1864 die Staatseisenbahn - Gesellschaft, 1S67 die Kaiser Ferdinands-Nord- bahn und Lemberg-Czernowitzer Eisenbahn u. s. w., so dass diese Signalform Anfangs der Siebziger-Jahre so ziemhch auf sämmtlichen Vollbahnen Oesterreich-Ungams im Gebrauche stand, weshalb sie sowohl in den »Grund- zUgen füreine einheitlicheSigna- lisirung. [1871] als in der »Verein- barten Signal vorschrifti [1872] schon ganz den heute noch geltenden Anfor- derungen gemäss ^ Aufnahme gefun- den hatte. In der allerersten Zeit wur- den im Allgemeinen nur Wende- scheiben und erst wesentlich später auch einflügelige Mast- signale benützt, ebenso waren an- fänglich vorwiegend nur Signale mit mechanischen Stellvorrich- tungen in , Anwendung. Das Distanzsignal der S ü d b a h n [älteres System Robert, vgl. M. E, Brame, Etüde sur Ics signeaux, Paris 1 867, S. 30] stammt direct von der französischen S ü d b a h n und desgleichen waren die nächsten österreichi- schen Distanzsignalscheiben ver- nbaih billigte, zumeist nicht sehr ge-

B.] glückte Nachahmungen franzö-

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Ludwig Kohlfürst

sischer Vorbilder. Bei der österreichischen Südbahn galt übrigens die auf »Verbot der Einfahrt« stehende Distanzscheibe ur- sprünglich nicht als absolutes Halt- signal, sondern die Züge hatten vor der- selben — wie auf den französischen Bahnen zwar anzuhalten, dann aber, wenn der Weg zur Station nicht ver- stellt war, so weit vorzurücken, dass der letzte Wagen innerhalb des Distanz- signals zu stehen kam; die Einfahrt in die Station durfte allerdings nicht erfol- gen, bis hiezu durch Umstellung des Distanzsignals die Erlaubnis ertheilt wurde. Gleich bei den ersten mecha- nischen Wendescheiben benützte man f i X e Signallaternen für die Xachtsignale, später construirten zuerst Rothmüller & Co. in Wien Hohlscheiben, die gleich- zeitig die Lampe aufnahmen, wodurch die Signalvorrichtung vereinfacht wurde. An- dere Constructeure brachten die Lampe auch gleich an Flachscheiben an ; viel- fach kehrte man aber wieder zur fixen vierscheinigen Laterne zurück, die von der Scheibe nur abgeblendet wird, weil Fälle vorkamen, dass die mit den Schei- ben bewegten Lampen bei plötzlichen Um- stellungen verlöschten. Für die Ständer, welche die Scheibenspindeln sammt dem Bewegungs-Mechanismus tragen, wurden sowohl Holzsäulen mit Bühnen oder Leitern für den Wächter als auch eiserne Säulen mit Steigsprossen- Leitern oder dgl. benützt, seien es solche aus' Gitter werk, aus Blechröhren oder wie beispiels- weise seit 1880 bei der BuschtÖhra- der Eisenbahn aus alten Eisen- bahnschienen, die sich, mit einem Cement- fuss versehen, als unverwüstlich erwei- sen. In der Regel waren die Drahtzüge nur einfach und eine im Jahre 1870 bei Max Kaufmann in Prag erbaute, von E. Wensch entworfene Wende- scheibe, die namentlich auf der Franz Josef-Bahn viel Verwendung fand, dürfte das erste doppeldrähtige österreichische Distanzsignal gewesen sein. In der zweiten Hälfte der Siebziger-Jahre wurden auch mechanisch stellbare Flügel- signale in Verwendung genommen, allein sie blieben trotz ihrer vielfachen Vorzüire doch nur vereinzelt wie beispielsweise Semaphore der Dresdner Firma Thomas

' auf der Oesterreichischen Nordwestbahn und auf der Aussig- Teplitzer Bahn bis sich dieses Verhältnis in den Achtziger- Jahren günstiger gestaltete. Rothmüller & Co. in Wien, R. Krützner in Wien, Rösseniann & Kühnemann in Buda-

' pest, die Maschinen-Actien-Gesell- schaft vorm. Breitfeld, Dan6k& Co., in Prag u. A. m., später namentlich Siemens & Halske haben der Verbrei- tung des Flügelsignals [vgl. Bd. III, Abb. 20] Vorschub geleistet. Bei den Wende-

. Scheiben, wie bei den Flügelsignalen waren und sind die Drahtzüge durch- wegs so angeordnet, dass beim Reissen der Zugvorrichtung die selbstthätige Rück- stellung auf »Verbot der Einfahrt« erfolgt, wenn das Signal in diesem Momente auf »Erlaubte Einfahrt« stünde, wogegen andernfalls die Verbotlage unverändert bleibt. In Bezug auf die Anordnung der Drahtzüge und insbesondere hinsichtlich der Stellmotoren imd der Compensations- Vorrichtungen herrschte grosse Mannig- faltigkeit, ebenso hinsichtlich der An-

: wendungsweise. Einzelne Bahnen brach- ten die Stellvorrichtungen in die mög-

. liebste Nähe des Verkehrsbureaus der Station, andere zum äussersten Weichen-

' Wächter; die Maschinenbau-Gesell- schaft von Breitfeld, DanSk & Co. richtete beispielsweise von 1878 an fiir viele Stationen böhmischer und ungari- scher Eisenbahnen Stationsdeckungs- Signale ein, bei welchen zur Handhabung der aus Zor^-Eisen hergestellten Mast- signale zwei Stellhebel vorhanden sind, einer unmittelbar neben dem Verkehrs- bureau und der zweite beim äussersten Einfahrtsweichen- Wächter. Mit dem er- steren Hebel lassen sich beide Signal- stellungen bewerksteUigen, mit dem zwei- ten jedoch nur Umstellungen von »Er- laubte Einfahrt« in »Verbot der Einfahrt«. Zwanzig Jahre früher waren in Oester- reich-Ungam die Drahtzüge zu den Di-

, Stanzsignalen natürlich noch nicht so voll- kommen wie heute ; insbesondere bot das Uebersetzen von Strassen und Wegen Schwierigkeiten und erwiesen sich Ver- sandungen, Vereisungen u. dgl. störend, weshalb die Signaltechniker diesen Uebel-

ständen durch elektrische Stellvorrichtun- gen auszuweichen versuchten. Schon

Signal- und Telegraphenwesen.

73

1861 hatte Rier, Telegraphen-Inspector der Thüringischen Eisenbahn- Gesellschaft, für den Bahnhof Erfurt ein elektrisch betriebenes Distanzsignal erdacht und ausgeführt, das allerdings keine weitere Verbreitung gefunden hat und eigentlich erst durch die Vorführung auf der Frank-

in der Südbahnstation Graz probeweise zur Verwendung kam. Der Motor dieses Signals glich im Wesentlichen einem Leopolder'schen Läutewerk, welches, statt einen Glockenhammer zu bewegen, eine mit Laternblendem versehene Scheibe um ihre horizontale Achse drehte. Zur selben Zeit hatte auch J. Schönbach das auf Seite 69 erwähnte Scheibensignal als Distanzsignal [vgl. Abb. 37 und 38] eingerichtet, indem er die ursprüngliche mechanische Rückstellungr in eine elek- trische abänderte; dieses Signal erwies sich so verwendbar, dass die Kaiserin Elisabeth-Bahn bereits 1867 1868 hievon 16 Stück in Dienst stellte, und im Laufe der nächsten fünf Jahre bis auf 195 Stück vermehrte. Inzwischen waren auch von anderen Constructeuren in Oesterreich-Ungam elektrische Distanz-

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Abb. 37. SchÖnbach^s elektrisches Distanzsignal. [Kaiserin Elisabeth-Bahn, 1867.]

Abb. 38.

Sig^nallaterne zu Schönbach's Distanzsignal, 1H67.

furter »Elektrischen Ausstellung« 1891 bekannt geworden ist. Ohne jede An- lehnung an dieses Vorbild construirte Telegraphen-Ingenieur Veratti in Verona ein elektrisches Distanzsignai [vgl. Pariser Ausstellungsbericht des k. k. österreichi- schen Central-Comitds, 1867, V. Heft, S. 119], das von J. Leopolder in Wien ausgeführt wurde und bereits 1864

Signale geschaffen und davon namentlich die Hohenegger'schen Semaphore von 1870 an auf der Nordwestbahn in nen- nenswerther Zahl aufgestellt worden. Gegen dieses Anwachsen der elektrischen Distanzsignale erhob jedoch die staatliche Aufsichtsbehörde über Anregung des technischen Consulenten M. M. Frei- herrn V. Weber Bedenken und ein die

74

Ludwig KohlfQrst.

Stationsdeckungs-Signale betreffender Er- lass des österreichischen Handelsmini- steriums vom 26. November 1870 schrieb deshalb vor: »Zur Stellung der Stations- deckungs-Signale dürfen elektromagne- tische Leitungen im regulären Dienste nicht verwendet werden ; dort, wo sie bereits bestehen, sind dieselben durch Drahtzugleitungen mit einer Vorrichtung zur Ausgleichung der Temperaturein- flüsse auf die Drahtleitung zu ersetzen.«

Abb. 3Q. Ronimers elektrisches Distanzsigrnal. [Ung^arische Westbahn 1870 - 1890.]

Auf dagegen erhobene Vorstellungen seitens jener österreichischen Bahnen, die schon damals elektrische Distanz- signale im Betriebe hatten, und im Hin- blick auf die unter gewissen Verhältnissen solchen Signalen nicht abzusprechenden Vortheile berief die k. k. General- Inspection der österreichischen Eisenbahnen im Sommer 1871 eine von ihr selbst, der Staatstelegraphen- Vervvaltung und den meisten Eisenbahn- Verwaltungen beschickte Enquete ein, die nach eingehender Berathung, Besich- tigung verschiedener im Betriebe befind- licher elektrischer Distanzsignale und Befragung der damit hantirenden Bahn- bediensteten im October 1871 beim k. k.

Handelsministerium die Zulassung elek- trischer Distanzsignale ohne Beschrän- kung, nach freiem Ermessen der Bahn- verwaltungen, beantragte. Nachdem 1872 eine Anzahl von Bahn Verwaltungen neuerlich um Auflassung des ange- führten Verbotes petitionirt hatte, hob der österreichische Handelsminister auf Grund der bis dahin gewonnenen Er- fahrungen und im Einverständnisse mit dem ungarischen Communications-Minister durch eine Verordnung vom 9. Mai 1873, jenes unbedingte Verbot auf, stellte jedoch sämmtliche elektrische Deckungs- signale unter die besondere Aufsicht der k. k. General-Inspection und forderte : I. dass entsprechend der einheitlichen Signal Vorschrift von 1872 das Signal bei der Stellung »Verbot der Einfahrt« rothes Licht gegen den Zug. weisses gegen die Station, grünes parallel zum Geleise zeige, bei »Erlaubter Einfahrt« dagegen grünes Licht gegen den Zug und die Station, weisses gegen das Gre- leise; 2. dass das Signal bei Störungen in der Leitung sich auf »Verbot der Ein- fahrt« stelle. Infolge dieses Erlasses sind die bis dahin in Verwendung ge- wesenen elektrischen Distanzsignale, inso- weit sie etwa nicht völlig entsprachen, angemessen verbessert worden, während ausserdem mehrere neue Constructionen entstanden. Fast jedes dieser älteren wie jüngeren Systeme zeichnet sich durch irgend einen Vorzug, eine ingeniöse An- ordnung, einen geistreichen Kniff u. dgl. aus, so dass gesagt werden darf, die Entwickelung dieser Signalform habe in Oesterreich-Ungarn eine Höhe gewonnen, wie nirgends sonst, obwohl sie in der Schweiz schon früher gepflegt worden ist, und obgleich man in Frankreich seit den letzten zehn Jahren eifrig bestrebt war, Aehnliches zu schaflen. Zu den zur Anwendung gekommenen, beziehungs- weise im Gebrauche stehenden, elek- trischen Distanzsignalen österreichisch- ungarischer Herkunft zählen neben den bereits genannten Signal Vorrichtungen von Schönbach und Hohenegger, noch solche von Leopolder [in drei verschiedenen Typen], von Rommel [Abb. 39], Kleeblatt, Weyrich, Langi^, Kfizik, Schäffter, Teirich,

Signal- und Telegraph enwesen.

Banowits, Sandorf und Pollitzer. Darunter sind die elektrischen Stellvor- richtungen von Schönbach, Rommel, WejTich und Langife blos für Wende- scheiben, jene von Hohenegger und von Pollitzer ausschliesslich für Flügelsignale bestimmt, während die anderen Systeme hei geringer Abänderung für beide Signal- fomien Verwendung finden können, vor- wiegend aber auch nur zum Antriebe von Wendescheiben benützt werden. Bei allen diesen elektrischen Distanzsignalen handelt es sich lediglich um Schwach- strom-Anordnungen, bei welchen die Ar- beit der SignalgebungeinemTriebgewichte fiberantwortet ist, während der elektrische Strom blos die Auslösung eines Lauf- werkes oder eines Echappements zu ver- anlassen hat, um das Treibgewicht in Wirksamkeit treten zu lassen, welches nach gethaner Arbeit von einer Selbst- arretirung wieder angehalten wird. Hier- aus können zweierlei Störungen ent- springen, nämlich jene, die als Folge des Gewichtsablaufens oder des Reissens der Gewichtsschnur eintreten, und solche, die durch Gewitterströme in der elek- trischen Auslösung hervorgerufen werden. Zur Bekämpfung der ersteren Möglich- keit besitzen z. B. die Distanzsignale von Kfiäik, Sandorf, Pollitzer u. A. m. eigene Anordnungen, vermöge welcher beim Reissen der Gewichtsschnur das Signal, wenn es zur Zeit »Erlaubte Ein- fahrt« zeigt, sich ebenso von selbst in die Lage für »Verbot der Einfahrt« um- stellt, wie im Falle des Reissens des Lei- tungsdrahtes oder des Untauglichwerdens der Batterie. Alle mit Ruhestrom betrie- benen Systeme erzielen dies durch eine dauernde Stromunterbrechung, die das zu tief ablaufende oder in Folge Schnur- bruches niederfallende Treibgewicht her- vorruft, oder auch durch einen von der Ge- wichtsschnur abhängig gemachten Feder- contact, der unterbricht, sobald die Schnur aufhört gespannt zu sein. Um das rechtzeitige Aufziehen des Treibge- wichtes zu controliren, sind hie und da den Stell- Vorrichtungen zeitweilig oder dauernd Registrir- Vorrichtungen bei- gegeben, die auf Zifferblättern oder durch graphische Zeichen auf Bleiplatten, Pa- pierscheiben oder dgl. ersehen lassen, ob

und wie oft das Aufziehen versäumt worden ist, oder es werden, wie es bei- spielsweise Kritik anordnete, Alarm- wecker bei geschaltet, die zu läuten begin- nen, sobald das Treibgewicht seinem tiefsten Punkte naherückt. Signalfälschun- gen infolge atmosphärischer Elektricitäts- Entladungen sind bei den mit Batterie- strömen betriebenen Distanzsignalen durch die sogenannten bedingten Einlösungen,

). 40. SchSfflei'

iiB)eP>l-Ste[lwi

i [1S7S].

oder wie es Otto Schäffler in Wien 1874 besonders sinnreich gelöst bat, durch eine alternirende Auslösung [vgl. Abb. 40] in der Weise unschädlich ge- macht, dass nach jeder von Gewitterströ- men etwa herbeigeführten Signalumstel- lung der Flügel oder die Scheibe unver- züglich selbstthätig wieder in die vorher innegehabte Lage zurückkehrt. Aber auch die vorübergehenden unbeabsichtigten Signalumstellungen bleiben hintangehal- ten, sobald die Auslösung der Stellvor- richtung an eine Reihe von Wechsel- strömen gebunden wird, wie dies bei- spielsweise schon 1870 durch Bechtold bei den Hohenegyer"sclien Signalen

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Ludwig Kohl fürst.

der Nordwestbahn und durch Leopol- der, beziehungsweise durch T e i r i c h bei der Staatseisenbahn - Gesellschaft und späterhin auch durch Gattinger bei den k. k. Staatsbahnen sowie durch bandorf bei den ungarischen Staatsbahnen und anderweitig geschehen ist. Allerdings erfüllen solche Signale nicht die Bedin- gung 2 des oben angeführten Handels- ministerial-Erlasses, weshalb für sie erst jeweilig eine besondere Genehmigung der Aufsichtsbehörde erworben werden musste, die denn auch mit Rücksicht auf die sonstige erhöhte Sicherheit des In- ductionsstrom- Betriebes schon seit Jahren nicht mehr vorbehalten wurde.

Grosse Mannigfaltigkeit zeigt sich hin- sichtlich jener Anordnungen, mit deren Hilfe die gegenseitige Abhängigkeit mehrerer elektrischer Distanzsignale im Sinne des Punktes Ii6 der »Grundzüge der Vorschriften für den Verkehrsdienst c hergestellt wird. Einschlägige Anord- nungen waren, bzw. sind z. B. von Zetzsche bei der Buschtßhrader Eisen- bahn [1880], von Gattin ger auf der Westbahn [1882], von Pollitzer bei der Staatseisenbahn - Gesellschaft [1883], von Kohn bei der Südbahn [1884] in Benützmig.

Gemäss einer schon in der einheit- lichen Signalvorschrift [187 1] enthaltenen Bestimmung, müssen die vor Stationen oder Abzweigungen aufgestellten Distanz- signale mit elektrischen C o n t r o 1- Klingel werken versehen sein, die während der Signallage »Verbot der Ein- fahrt« läuten. Diese Einrichtung wurde zuerst von der österreichischen Süd- bahn 1864 auch wieder nach fran- zösischem Muster in Gebrauch genom- men, dann in der zweiten Hälfte der Sechziger-Jahre von der Oesterreichisch- Ungarischen Staatseisenbahn-Ge- sellschaft, der Galizischen Carl Ludwig-Bahn, der Kaiser Ferdi- nands-Nordbahn und andern ein- geführt, und war mit Beginn der Sieb- ziger-Jahre so ziemlich von allen damals bestandenen grösseren Bahnen bereits angenommen. Bei den ältesten und zu- gleich einfachsten Control-Einrichtungen, wie sie übrigens auch jetzt noch häufig vorkommen, steht die im Stationstele-

graphen-Zimmer befindliche Batterie*) einerseits mit der Erde, andererseits durch Vermittlung des an der Aussenw'and des Stationsgebäudes angebrachten Control- Klingel Werkes mit einer Telegraphen - draht-Leitung in Verbindung, die zum Distanzsignal geführt und hier nach Passirung eines Stromschliessers an Erde gelegt ist. Zur Thätigmachung des Klingel Werkes befindet sich an geeigneter Stelle des beweglichen Theiles der Signal- Vorrichtung [Signalspindel oder Flügel - körper] ein Arm oder Daumen, welcher den am Signalständer, beziehungsweise Sig^almast angebrachten, durch eine Gusseisenhülse oder Blechbüchse ge- schützten Federcontact in Schluss bringt, sobald und so lange das Signal die Lage für »Verbot der Einfahrt« einnimmt, ähnlich wie der Druck mit dem Finger den Läutetaster eines Haustelegraphen wirksam macht. Diese ursprünglich aus J. Leopold er's Werkstätten hervor- gegangenen Contact- Vorrichtungen haben, da sie ja doch den verschiedenen Signal- Constnictionen an gepasst werden mussten, vielerlei Abänderungen erfahren und sind bei den elektrischen Distanzsignalen mitunter gleich am Laufwerke der Stell- vorrichtung angebracht. Bei mehreren Bah- nen, z. B. auf der Kaiser Ferdinands- Nordbahn, Galizischen Carl Lud- wig-Bahn, BuschtÖhrader Eisen- bahn und andern Hess man die Control- signalleitung nicht gleich hinter der Contact -Vorrichtung beim Distanzsignal endigen, sondern führte dieselbe weiter bis zum nächsten Streckenw-ächterposten, um sie hier, erst nachdem sie ein zweites Klingel werk passirt hat, zur Erde zu führen. Diese zweite Klingel läutet mit der ersten und dadurch erhält der Bahn- wächter — auch wenn er das Distanzsignal nicht sieht davon Kenntnis, dass die Einfahrt in die Station nicht erlaubt ist ; er kann sonach gleichsam in Vertre- tung eines Vorsignals einem der Station sich nähernden Zuge mit den Handsignai- mitteln das Signal »Langsam« geben, oder falls es die Witterungfsverhältnisse

*) In der Regel Kupfer-Zink-Elemente; 1876 und iSy^H bei den k. k. Staatsbahnen probeweise Chromsäure-Elemente und seit 1879 zumeist nur Braunstein-Elemente.

Signal- und Telegraphenwesen.

erheischen, im Sinne des Punktes 1 18 der «Gnindzüge der Vorschriften für den Verkehrsdienst < Knallsignale legen. Ein- zelne Bahnen erachteten diese Dienst- leistung so wichtig, dass sie diesbezüglich eine besondere Rückmeldung anord- neten, zu welchem Zwecke ein an der Haus- wand des betreffenden Bahnwächters an- gebrachter Drucktaster in die Control- Leitung eingeschaltet wurde, mit dessen HiJfe der Wächter jedesmal, wenn zur Zeit des bevorstehenden Eintreffens eines Zuges mittels des Di stanz signales das Ver-

I mehreren Stellen Klingeln einzuschalten, ' kamen natürlich auch gewöhnliche, blos I aus einem Elektromagneten bestehende sogenannte Schleppwecker neben den ' Seihst Unterbrechern in Anwendung; An- fangs der Siebziger-Jahre begann man aber auch hie und da als Selbstausschalter I angeordnete Control- Klingel werke in Ge- ; brauch zu nehmen. Auch suchte man I das laute Gebimmel der Wecker, das 1

I

Vorrtchtung, Bortaa-Apparal [Jnneres].

bot der Einfahrt erfolgt, das Läuten der Klingelwerke mehrere Male in gleich massigen Absätzen zu unterbrechen hat. Auf der Kaiser Ferdinands-No bahn sollte diese Rückmeldung ursprüng- lich (1867) zugleich bei Nacht als Bestäti gung über das richtige Brennen der Signal- lampe gelten ; es war daher auch mit der Conta et- Vorrichtung bei der Distanzsignal' Scheibe ein R Uckmeldtaster für den Wäch- ter verbunden. Anfänglich benützte man a Control -Klingel werke nur Selbstunte brecher mit liegenden Elektromagneten, die in Blechgehäusen wohlgeschützt gebaut wurden ; späterhin, als man fing in den einzelnen Control- Leitungen an

Vorrlsblung, Penon-Appaia. lAeiHKKs).

dort, wo deren mehrere an einer Stelle zusammenkommen oder wo die Distanz- signale längere Zeit auf »Verbot der Einfahrt« stehen, sehr lästig werden kann, in ein langsames Läuten umzuwandeln. Die ersten solchen Klingelwerke sind auf Veranlassung Anton Schefczik's von Mayer & Wolf in Wien 1867 hergestellt worden, Control - Kliiigel- werke mit langsamem Schlag wurden auch schon 1 868 von W. K o b 1 i c z e k bei der Galizischen Carl Ludwig-Bahn ange- wendet, und sind späterhin namentlich durch Fr. Gattinger bei den k. k. Österreichischen Staatshahnen und ander- weitig in Aufschwung gekommen.

Ludwig Kohlfürst

Da die örtlichen Verhältnisse nicht immer so liegen, dassdie Control-Klingel- werke in den Stationen in nächster Nähe des Telegraphenzimmers angebracht werden können, von wo aus die Distanz- signale entweder direct gestellt oder wenig- stens bezüglich ihrer Handhabung dirigirt werden, so erscheint es wünsch enswerth, an dieser Stelle aussergewöhnliche Con- trol- Vorrichtungen anzuordnen. Als solche benutzt man in der Regel elektrisch- optische Zeichenapparate, nämlich Gal-

k. k. österreichischen Staatsbahnen ver- wendet.

In jenen Stationen, wo die Distanz- signale nicht von den Stationsbeamten, sondern von den Weichen Wächtern ge- stellt werden, wie dies in O esterreich ursprünglich vorwiegend der Fall war und in den gewöhnlichen Mittel- stationen mit mechanisch stellbaren Di- stanzsignalen in der Regel auch jetzt noch geschieht, ist der obligatorischen elektrischen Signal - Control - Einrichtung

vanoskope oder Elektromagnete, die in die Control-Klingel Werks- Leitung eingeschal- tet werden und durch die Ablenkung der Nadel, beziehungsweise durch die Lage des Ankerhebels die gewünschte Auskunft geben, Seit einigen Jahren hat A. Prasch grössere optische Control- Apparate construirt, die sich auch im Freien, etwa an Stelle von Stations-Con- trol - Klingehverken verwenden lassen. Diese vom Verein deutscher Eisenbahn- Verwaltungen im Jahre 1895 mit einem Preise ausgezeichneten Vorrichtungen [Abb, 41 und 42] zeigen mit Hilfe einer Lampe bei Nacht transparent die- selben Zeichen wie bei Tage, und sind namentlich auf grösseren Bahnhöfen der

zumeist noch das sogenannte Ruf- Klin- gel werk beigefügt, nämlich ein elek- trischer Wecker, der an der betreffenden Weichenwächterbude seinen Platz erhält und durch einen Leitungsdraht mit einem imTclegraphenzimmer vorhandenen Druck- taster [Stromschliesser], dann mit einer Batterie und mit der Erdleitung in Ver- bindung steht. Mit diesem Wecker werden dem Wächter durch verschiedene Läutesignale die erforderlichen Aufträge ertheilt. Gewöhnlich sind die gesammten Kuf- und Control-Klingelwerke einer Station aul eine gemeinschaftliche be- sondere Batterie geschaltet; sie könnten aber auch, wie es beispielsweise M. Koh n auf der Südbahn eingeführt hat, mit der

SifHial- und Telegraphei

- Batterie der Glockenlinie betrieben wer- den, wo letztere nicht für die Morse- Korrespondenz mitbenutzt wird. Für diese Gemeinsamkeit der Batterie hat J. Stulfi [Mährisch-Schlesische Centralbahn] 1889 eineSchaltungangegeben, vermöge welcher wesentliche Schwankungen des Stromes in der Glockensignal- Leitung hintangehal- ten bleiben. Bei elektrischen Distanz- signalen ist die Handhabung oder min- destens das Einstellen auf •Erlaubte Einfahrt« stets ausschliesslich dem Sta- tionsbeamten vorbehalten und mithin fallen Ruf-Klingelwerke dabei aus.

Für elektrische Distanzsignale wurden von mehreren Construc teuren, z. B. Tei- rich & Leopolder [1877], Ö. Schäff- ler [1878], K^i^ik, Langi&, v. Ba- novits u. A. [vgl.Zetzsche, Handbuch der Telegraphie, Bd. IV, S. 479, 492, 494, 559] Anordnungen erdacht, die es ermöglichen die Batterie der Control- Klingelwerke einer Station gleichzeitig als Eletriebsbatterie der Signal-Stellvor- richtung zu verwenden ; wieder andere, wie Rommel [Fünfkirchen 1868], Schön- bach [für die Aussig-Teplitzer Bahn 1872], Mülle rv. Müllersheim [für die Böhmische Westbahn 1870] u. s.w. trafen Vorkehrungen, die es gestatteten, für den Signalbetrieb sammt den Control-Einrich- tungen mit nur einer Leitung das Aus- langen zu finden. Auf den kleinen mit mechanischen Distanzsignalen ausgerü- steten Mittelstationen der Böhmischen Westbahn war überdies vermöge einer von Müller v. Müllersheim angege- benen sinnreichen Schaltung für die Ruf- Klingelwerke sammt den respectiven Con- trol-Klingelwerken auch nur eine einzige Leitung erforderlich und angewendet.

Es erübrigt endlich noch die Erwäh- nung, dass mechanische, mit den Di- stanz Signalen verbundene Vorrichtungen, die den Zweck haben, das sichtbare Signal >Verbot der Einfahrt' durch selbst- thätiges Auslegen von Knallsignalen zu unterstützen, Anfangs der Achtziger- Jahre wie es scheint, zuerst von Pollitzer bei der Oesterreichisch-Unga- j rischen Staatseisenbahn- Gesellschaft ^ . versucht worden sind; später wurden solche »Petarden-Automaten< auch durch A. Krüzner in Wien [jetzt Ver-

einigte Elektricitäts-Actien-Gesellschaft] geliefert.

Für Stationen oder Bahnabzweigun- gen, wo eigene Anlagen bestehen, durch welche die Signale und Weichen in strenge gegenseitige Abhängigkeit ge- bracht sind, schreibt die Signalordnung [IL Nachtrag] besondere Flügelsignale [Abb. 43] vor, wie solche unter den gleichen Verhältnissen in den Siebziger- Jahren vorwiegend auf preussischen Bahnen

[Bä

zuerst zur Anwendung kamen und seit 20. Juni 1880 in die Signalordnung für die Eisenbahnen Deutschlands aufgenommen worden waren. Gleich damals wurde bei der General-Direction der k. k. Öster- reichischen Staatsbahnen die Frage ange- regt, ob es nicht zweckmässig wäre, zu dieser Signahsirung überzugehen. In der That fanden mit Wegesignalen combinirte Abschluss-, Einfahrts- oder Ausfahrts-Sig- nale nach deutschem Muster, filr deren Ein- bürgerung insbesondere Ludwig Proske mit Wort und Schrift eintrat, in Ocster- reich bald Aufnahme, so dass sie das früher vielfach benutzte englische System der mit Wegesignalen verbundenen

Ludwig KohlfUrst

Deckungssignale verhältnismässig rasch verdrängten und in Oesterreich [Kund- machung und Verordnung dts k. k. Handels- ministeriums vom I. März 18X7, N"r. 424] wie auch in Ungarn obligat geworden sind. Die bezüglichen Signalzeichcn Xr. 56 und 57a) und b) und jene, welche die »Signal- ordnung vom 30, Juni 1892 fQr die Eisenbahnen Deutschlands. vor-

sieh eningsan lagen in Oesterreich die ersten gewesen zu sein, welche die Ab- hängigkeit zwischen Weichen imdSignalen zur Aufgabe hatten. Eine wesentlich voll- ständigere, schon in der seit 1887 gesetz- lichen Form durchgeführte Anlage wurde durch Siemens & Halske [Berlin] bei Ladowitz an der Stelle, wo die Ver- bindungsbahn Dux- Li ptitz-Dux-Lado-

schreibt, stimmen vollständig überein bis auf den Umstand, dass die österreichischen Signale bei »Erlaubte Einfahrt! für jedes dem Zuge zugewendetes grünes Licht nach rückwärts ebenfalls .grünes*, die deutschen Signale hingegen »theilweisc geblendetes weisses Lichti zeigen. Nebst di;n von Gerstel [Bd. III, S. 52] bereits erwähnten Versuchen, scheinen die von der Wiener Firma J. Rothmüller 1876 in der k. k. üstcrreichischcn Staatsbahn-Station K e k a w i n k e I und die 1877 auf der Kaiser Ferdinands - Xordbahn auf 7 Ahzwci- ;;ungen mit 14 Si[fnak>n ausf^efilhrten

witz der k. k. österreichischen Staats- bahnen die doppel geleisige Hauptstrecke der Aussig-Teplitzer Eisenbahn im Niveau durchkreuzt, am 16. August 1879 fertiggestellt. Dieselbe besteht aus \-ier Mastsignalcn, zwei Weichen Verriegelun- gen, einem bei der Kreuzung angebrachten siebenhebeligen Stellwerk nebst elek- trischen Blockapparaten und einer be- sonderen Block ei nrichlung im Stations- bureau Dux. In demselben Jahre führten Siemens & Halske auf den k. k. öster- reichischen Staatsbahnen in Wels eine ähnliche, und 5 Jahre später in Linz

Signal- und Telegraphe:

eine höchst ansehnliche damals in | Oesteireich- Ungarn beiweitem die grösste Stationssicherung aus, Letztere um- fasst 67 Weichen, 13 einarmige, 8 doppel- arm ige Maststgnale und 3 Vorsignale

waltungen, von welchen namentlich die Kaiser Ferdinands-Nordbahn schon von 1880 an sehr eifrig vorgegangen war, 1882 auch die BuschtShrader Eisenbahn und 1883 die Oester-

d Signal- Siell »eck mtl Sl»)

[Scheiben], die von 11 Stelhverken mitteis j 87 Stellhebeln bewegt und durch 52 j elektrische Blockfelder in ihren Zwan^s- stellungen festgelegt sind. Bis dahin I hatten sich den obgenannten Bahnver- |

reichische Nordwest bahn ange- schlossen; von 1885 an begann man aber auf allen grösseren Bahnen Oesterreichs Ein- und Ausfahrt Versicherungen einzu- zurichten, und allein innerhalb der drei

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Ludwig Kohlfürst

Jahre 1885 ^^^ 1887 wurde ein Betrag von 1,061.630 fl. in derartigen Anlagen investirt. Die betreffenden Einrichtungen waren von S. Rothmüller & Co. später A. Krüzner in Wien, von Stephan V. Götz & Söhne in Wien, der Ma- schinenbau-Actien- Gesellschaft vormals Breitfeld, .Danftk & Co. in Prag, Rössemann & Kühnemann in Budapest [vgl. Abb. 44], Siemens & Halske [vgl. Abb. 45 und 46] u. A, ausgeführt, wobei für die Centralisirungen die bekannten Anordnungen von Büs- sing, Henning & Schnabl, Siemens & Halske, oder Abarten davon, femer Constructionen von Krüzner, Froitz- heim, Eisner, Tausche u. A. zur An- wendung kamen, während für die Fem- verschlüsse [Blocks] theils mechanische von Henning & Schnabl, zumeist jedoch elektrische von Hattemer, Pollitzer, Schellens und namentlich von Frischen [Siemens & Halske] Benützung fanden. Die meisten dieser Systeme finden auch seither Verwendung, doch ist jenes der Siemens-Halske'schen Verschlüsse sehr in den Vordergrund getreten. Nebstdem sind einzelne neuere einschlägige Appa- rate, wie beispielsweise die Fahrstrassen- verschlüsse von Rank [erste Anlage durch Siemens & Halske ausgeführt in Wessely 1891], zu hervorragender Gel- tung gelangt.

Die vielfachen Vorzüge des elektrischen Betriebes für Femleistungen lassen es begreiflich finden, dass es schon zur Zeit, als es gelungen war, verlässliche elektrische Distanzsignale herzustellen, nicht an Bestrebungen fehlte, auf glei- chem Wege auch die Handhabung der Weichen durchzuführen. Aus nahelie- genden Gründen kam es dabei zu keinem befriedigenden Ergebnis, eine Sachlage, die sich jedoch in vielversprechender Weise änderte, als man Starkstrom- betrieb ins Auge fassen konnte. Der erste diesfällige Versuch in Oesterreich- Ungarn wurde von F. X. Bach mann 1888—1889 in Währing bei Wien aus- geführt [vgl. Elektr.-techn. Zeitschrift 1889, S. 518] und fällt der Zeit nach zusammen mit einem ähnlichen, aber schon wesentlich vollkommenen Versuch der Französischen Nordbahn. [Vgl. Revue

universelle de mines etc. Vol. XIV., 2. Trimester, S. 82.] Diese wie alle son- stigen bis zum Jahre 1891 entstandenen einschlägigen Einrichtungen waren aber noch keineswegs so ausgereift, dass sie mit den bewährten Anordnungen fttr Ge- stänge und Doppeldrahtzüge hätten ernst- lich in Wettbewerb treten können. Erst eine im genannten Jahre vom Wiener Werke der Firma Siemens & Halske in Frankfurt ausgestellte, vom Ober-Inge- nieur Karl Moderegger construirte kleine Sicherungsanlage erwies im zu- länglichen Masse die Brauchbarkeit des elektrischen Betriebes, während dies gleichzeitig zwei Weichenstellriegel des- selben Systems, die auf dem Wiener Westbahnhofe versuchsweise in Dienst gestellt worden waren, auch in praxi durch die tadelloseste Verlässlichkeit er- härteten. Eine zweite 1893 angefertigte, Rir die Weltausstellung in Chicago be- stimmte Centralanlage erfüllte bereits alle nur immer an solche Einrichtungen zu stellenden Anforderungen und gab den Anstoss, dass die Kaiser Ferdi- nands-Nordbahn, deren Baudirection dieser Sache schon vom Anfange an voll wachen Interesses und anregend nahe gestanden war, mit Siemens & Halske einen grösseren, auf der im Umbau begriffenen Hauptstation Prerau auszuführenden Versuch vereinbarte, wo- bei sich die genannte Firma bereit er- klärte, im Falle des Misslingens die finanziellen Consequenzen zu tragen. Diese Sicherungsanlage besteht aus drei Gruppen, wovon zuerst die dritte gegen Norden liegende ausgeführt und am 17. September 1894 in Betrieb genommen wurde; die Einrichtung der anderen Gruppen ist im Sommer 1896 begonnen worden. Der erste Theil der Ausführung erstreckte sich auf 11 einfache und 7 Doppelweichen, 3 Distanzsignale, 2 Ein- fahrt-, 4 Ausfahrt- und 2 Rangir-Signale, die von einem 39 Hebel umfassenden, im Weichenthurm untergebrachten Stell- werke [vgl. Abb. 48] aus gehandhabt werden, während im Dienstraume der Verkehrsbeamten ein »Stationsapparat* [vgl. Abb. 49] aufgestellt ist, welcher zur Ertheilung der Aufträge an den Stellwerkswärter dient und zugleich

Signal- und Telegraphenwesen.

die Ausführung dieser Aufträge sowie die jeweilige Lage der Signale con- trolirt. Den zur Weichen- und Signal- Umstellung erforderlichen Strom von 2 bis 3 Amperes liefert eine Tudor-Accumu- latorenbatterie von 60 Elementen; 10 weitere Elemente dienen zum Betriebe von Hilfsapparaten und zur etwaigen Verstärkung der Hauptbatterie, die in dieser Bemessung bereits fUr die ganze

Mit der Prerauer Anlage ist ftlr die Ausfuhrung der Eisenbahnbetriebs-Siche- rungen eine neue Epoche angebrochen, da bei derselben in einem Umfange wie nie vorher, alle Vortheile praktisch zu Tage treten, welche der Starkstrombetrieb vor- liegen den falls bietet, nämlich i. völlige Unabhängigkeit von der Entfernung zwi- schen StelJort und den Weichen und Signalen, 2. leichte Durchführbarkeit aller

noch fertig zu stellende Anlage ausreicht. Das Laden der Accumulatoren geschieht durch die die Stationsbeleuchtung besor- genden DjTiamomaschinen während des normalen Betriebes; die Spannung des Beleuchtungsstromes von 260 Volts wird durch eine Ausgleichsmaschine auf die für den Ladestrom erforderliche Spannung von 130 bis 150 Volts herabgemindert. [Vgl. W. Ast, Bulletins des internatio- nalen Eisenbahncongresses 1S95, Frage X-B; Organ f. d. Fortschritt d. E. 1895, Heft 8— 11; Centralblatt der Bauver- waltung 1896, S. 210 und 216.]

Abhängigkeiten , der Fahrstrassen ver- schlusse, der selbstthätigen Haltsteltung der Signale bei Wechselaufschneidungen oder sonstigen Störungen, 3. die Verhin- derung des Umstellens der Weichen unter darüberrollenden Fahrzeugen, 4. die Mög- lichkeit des Einziehens der FahrsignaJe seitens der Verkehrsbeamten, 5. die leichte und verlässhche Durchführbarkeit aller wünschenswerthen Controlen, 6. die kör- perlieh wie geistig wesentlich erleichterte Stellwerksbedienung, 7. den Wegfall aller von den Witterungs- oder den Tempera- tur Verhältnissen beeinflussten Bewegungs-

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Ludwig Kohlfürst

Uebertragungen u. s. w. Dem bahnbrechen- den Beispiel der Kaiser Ferdinands-Nord- bahn, die seither schon wieder eine zweite ihrer grossen Stationen [Oswiecim] mit einer elektrischen Siemens & Halske'schen Sicherungsanlage versehen lässt, sind denn auch sehr bald mehrere Eisenbahnen Deutschlands*) nachgefolgt.

Gelegentlich der bereits erwähnten Ausführung einer Sicherungsanlage in Linz, gelangten in Oesterreich 1883 das erstemal auch Vorsignale im engeren Sinne zur Anwendung, näm- lich mit Einfahrtssignalen direct gekup- pelte oder sonst in Abhängigkeit ge-

aus einem das Bahngeleise 200 nt vor dem Stationsdeckungs - Signal überbrücken- den Gitterwerksbogen, der eine wag- rechte Leitstange trägt, auf welcher mittels eines mit dem Hauptsignal ge- kuppelten Drahtzuges ein Auslösegestell hin- und hergeschoben wird , das bei »Verbot der Ein fahrte in der Ebene des Geleisemittels liegt, sonst aber seit- wärts gerückt ist. Jede Locomotive be- sitzt einen am Rauchfange oder sonstwie angebrachten, senkrecht nach aufwärts stehenden Knickhebel, der vermöge seiner Höhe unter dem Querbogen, beziehungs- weise unter der Gleitstange anstands-

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Abb. 48. Central weichen- und Sig^nal-Stellwerk In Prerau [1894].

brachte Distanzsignale [Scheiben, vgl. Abb. 47], deren Aufgabe es ist, das Ein- fahrtsverbot der ersteren zu unterstützen. Auch hörbare Vorsignale, die aus einem entsprechend weit vor dem zugehörigen Semaphor aufgestellten kräftigen Läute- werk bestehen, werden mitunter auch unter dem Namen »Nebelsignale« seit Anfang der Achtziger-Jahre hie und da angewendet. Die Auslösung des Läute- werkes erfolgt durch den Zug, wenn sich derselbe der Station bei »Verbot der Einfahrt« nähert, sobald er einen vor dem Läutewerke ins Geleise eingelegten Streck encontact überfährt.

Die allerneuesten Vorsignalvorrichtun- gen, welche seit 1 898 auf österreichischen Eisenbahnen [k. k. Eisenbahn-Directions- bezirk Villach] versucht werden, bestehen

*) Unter Anderen die wQrttembergischen Staatsbahnen, welche 1896 den Güterbahnhüf UntertUrkheini mit einer elektrischen An- lage versehen Hessen, welche 130 Weichen und 29 Signale umfasst.

los weggeht, wenn das vorgedachte Aus- lösegestell seitwäts steht, anderenfalls aber von demselben gefangen und um- gekippt wird. Durch dieses Umkippen erfolgt sowohl die Auslösung der Loco- motivpfeife als die Thätigmachung der Vacuumbremse, so dass der Zug selbst ohne Zuthun des Maschinenführers vor dem auf »Verbot der Einfahrt« stehenden Hauptsignal angehalten wird. Die unter Nr. 56 und 57 im II. Nach- trage der Signalordnung vorgeschriebe- nen, auf Seite 79 besprochenen fest- stehenden Signale haben auch dort An- wendung zu finden, wo die Zugsdeckung nach Raumintervallen durchgeführt ist. Für die letztgedachte Verwendungsw^eise besteht lediglich der Unterschied, dass das auf der Strecke als Blocksignal be- nützte einflügelige Mastsignal den Signal- begriflf »Erlaubte Fahrt« bei Nacht durch weisses Licht darstellt, während die bei Ein- und Ausfahrten oder bei

Abzweigungen auf der Strecke

verwen-

Signal- und Telegraphen wesen.

deten Signale dieser Gattung grUnes Licht zeigen. Es ist diese Anordnung logischer als die in anderen Staaten und auch in Deutschland gebräuchliche wo das Streckenblocksignal bei Dunkel- heit für freie Fahrt grün zeigt weil ein offener Blockposten keineswegs zu den Gefahrpunkten gerechnet werden kann, wie Stationen und Abzweigungen und die »Mahnung zur erhöhten Vorsicht«, welche das Criterium des grünen Lichtes bildet, nicht abgeschwächt werden soll. Die regelrechte, mit Hilfe von Blocksignal -Einrieb tun gen durchgeführte Zugsdeckung auf Raum- intervalle findet sich in Oesterreich- Ungam erst seit Ende der Siebziger-Jahre und nur zunächst besonders verkehrs- reicher Centren auf verhältnismässig kurzen Strecken, während diese Zugs- deckungsfonn ohne Signalanlagen als sogenannte »Einhaltung der Stationsdistanz« schon ein De- cennium frilher von vielen Bahnen angenommen war und seither allge- mein geübt wird, derart, dass auf gewissen Strecken, wo entweder die Stationen sehr nahe auf ein- ander folgen oder die Gefälls Ver- hältnisse ungünstig sind, einem vor- ausgegangenen Zuge kein zweiter nachgesendet wird, bevor nicht der erstere von der nächsten Station als eingetroffen telegraphisch rückge- meldet ist. Es fehlt im Uebrigeii auch nicht an älteren Blocksignal- Anwendungen, wenn dieselben auch nur vorübergehend bestanden oder über das Versuchsstadium kaum hin- ausgekommen sind. Ganz ei gen - thümlich war beispielsweise eine Blocksignalisirung, die auf Ver- anlassung des General-Inspectors Hofrath Eichler Ritter von Eich- kron auf einigen Strecken der Kaiser Ferdinands- Nordbahn zwi- schen Prerau und Ostrau in der ersten Hälfte der Sechziger-Jahre in Uebung stand. Es waren hiezu die optischen Liniensignale in der Weise verwendet, dass jeder Wächter, sobald ein Zug seinen Poslen pas- sirt hatte, das Fahrsignal [vgl. Abb. 50] nur halb einzog, womit

das Zeichen »Strecke besetzt« gegeben wurde, und den Korb, beziehungsweise

die Körbe erst dann völlig niederlassen durfte, nachdem der vorausliegende Nach- barwächter sein Korbsignal auf Halbtop gesenkt hatte. Nur dann war es gestattet, einem Zuge Fahrsignal zu geben, wenn der voraus!! egende Nachbarposten sein Korbsigna! weder halb noch ganz auf- gehisst hatte. Bei Nacht wurden die drei Signalzeichen dem Zuge entgegen durch weisses, rothes und grünes Licht aus- gedrückt. Zwischen 1868 und 1870 war auf der Kaiserin Elisabeth - Bahn zur Sicherung des Zugsverkehrs beim Ueber- gange vom Doppelgeleise aufs einfache in den Stationen Kirchstetten und Neu- lengbach eine Einrichtung getroffen, um die Strecke gegen nachfahrende, wie auch gegen Züge der zweiten Richtung

Ludwig KohlfQrst.

zu blockiren. Für diesen Zweck hatte Josef Schönbach auf Anrathen Gattin- ger's, zwei in kleinem Massstabe ausge- führte Abschlussscheiben seiner ältesten Constniction [vgl. Seite 69] benutzt, die auf den Telegraphentischen der beiden Stationen aufgestellt und in die Glockenlinie eingeschaltet waren.

jeder in den Tunnel einfahrende Zug durch das Wirksammachen eines Rad- tasters die vor den Tunnelmündungen angebrachten elektrischen Scheibensignale auf »Halt» stellte und bei der Ausfahrt auf gleiche Art wieder auf >Frei< zurück- brachte. Diese Signaleinrichtung wurde nach zweijähriger Dienstleistung aus-

Abb. 50. BlockiJenal mittel) optlKbet Tclcgripbeo [Kalaci

[Abb 51.] Die Auslösung, nämlich die Haltstellung dieses Signals erfolgte für jeden Zug selbstthätig durch das be- treffende elektrische Glockenfahrsignal ; die Rückstellung musste jedoch der Stationsbeamte nach erfolgtem Einlangen des betreffenden Zuges mit der Hand durch einen Druck auf eine Knopfstange vornehmen. Auf der SUdbahn und Graz- flacher Eisenbahn machte Anfangs der Siebziger-Jahre Moriz Kohn Versuche mit dem bei<annten englischen Block - Signalsystem Walker, ohne dass es damit zu einer definitiven Einführung kam. Im Jahre 1876 construirte Franz Kfiiik ein vollständiges Blockapparai- sjstem, das in den Abhängigkeiten und hinsichtlich der Verwendungs weise analog dem C. Frischen'schen [Siemens & Halske] entworfen war. Die Vorläute- und Deblockirströme wurden von einem der Gramme'schen Maschine gleichenden Magnetinductor geliefert, den bei Be- darf ein Treibgewicht in Gang setzte ; die stromerregenden Magnete trugen gleich- zeitig auch die Kerne zweier Hughes 's eher Elektromagnete, die zur Durchführung des Block verschlusses dienten. Seit Mai 1880 hatte die Kaiser Franz Josef-Bahn ihren iioo wi langen Tunnel nächst Prag mit einer von ihrem damaligen Telegra- phenvorstand Jos. Krämer construirten, bei Teirich und Leopolder in Wien aus- geführten selbstthätigen Abschlussblock- Einrichtung gedeckt, in der Weise, dass

it-Norfbabn 196^].

gewechselt, weil die hinter einem Glas- fenster spielenden Signalscheiben nicht so weit wahrnehmbar waren, als es sich späterhin, namentlich auf der gegen die neuerrichtete Frachten- und Maschinen- station Nusle zugewendeten Tunnelseite als wünsch enswerth herausstellte. Anstatt der Scheiben wurden daher weit sicht- bare, mit Hattemer'schen Verschluss-

Si^al- und Telegraph«

apparaten versehene, von der Maschinen- bau-Actien-Ge Seilschaft von Breitfeld, Danäk & Co. ausgeführte eiserne Mast- signaie aufgestellt, die normal auf >H a 1 1< standen und von den beiden Tunnel- wächtem unter gegenseitiger Zwangs- zustimmung bedient wurden. Auf der Elektricitäts-Austellung 1883 in Wien hatte die Oesterreichisch - Ungarische Staatseisen bahn- Gesell Schaft einen von Pollitzer erdachten automatischen Biocksignalapparat zur Ansicht gebracht, der gleichzeitig mit einer Vorrichtung zum Auslegen von Knallkapseln verbun- den war. Zum Stellen des optischen Signals (Scheiben] diente ein elektrisch auslösbares Pendel; praktische Anwen- dung scheint dieser Apparat, der übri- gens auch noch zur Controle der Zugs- fahrgesch windigkeit dienen sollte, nicht gefunden zu haben. Im Jahre 1883 wurden auf der Wiener Verbindungsbahn- strecke Pen zing- Hetzendorf durch längere Zeit interessante Versuche mit Punt- nam's automatischer Blocksignaleinrich- tung vorgenommen, bei welchem nach dem aus Amerika stammenden elek- trischen Signalsystem das Fahrgeleise als Stromleiter mitzuwirken hat und die optisch-akustischen Vorrichtungen zum Ertheilen der Signale »Freie Fahrt« oder »Fahrt verboten« lediglich auf der Locomotive, unmittelbar am P'ührer- stande angebracht sind. Die erste defi- nitive Streckenblockeinrichtung Hess die Oesterreichisch - Ungarische Staatseisen- bahn-Gesellschaft 1877 auf der Strecke Wien-Stadlau herstellen und 1883 bis Pressburg verlängern; im letztgenannten Jahre rüsteten auch die k. k. österrei- chischen Staatsbahnen ihre circa 12 km lange Strecke Wien-Purkersdorf und ein Jahr später die Südbabn ihre Strecke Wien-Mödling mit Blocksignalen aus. Alle diese Strecken sowie noch eine 1891 auf der 34 km langen k. k. öster- reichischen Staatsb ab ns trecke Wien-TuUn ausgeführte Blocksignalanlage sind durch Siemens& Hatske nach Frischen's System [vgl. Abb. 52J eingerichtet worden, und zwar zumeist bereits mit allen jenen Vervollkommnungen, welche das benannte System im Laufe der Zeit in Deutschland , erfahren hat. Nebst der obenerwähnten i

Blocklinie Marchegg - Pressburg ist in Ungarn auch noch die Staatsbahnstrecke Gödöllö-Aszöd, und zwar seit 1885 mit Blocksignalen nach System Hattemer [vgl- Abb. 53] ausgerüstet.

Abb. si BlockslenalpoBten [Bauart SlemcDS & Halske].

Hinsichtlich einer wesentlich anderen Form feststehender Signale auf Bahnhöfen und bei Abzweigungen, nämlich betreffs der Weichensignale [vgl. Abb. 10, 16 und 54] verlangte bereits die Betriebs- ordnung [1851], dass sie bei Tag wie bei Nacht ersehen lassen müssen, auf welches Geleise die Weiche eingestellt ist. Urspünglich waren diese Signale in Anbetracht der noch so mangelhaften Weichenconstructionen keine Wege- signale, sondern unmittelbare Halt- oder Langsamfahr-Signale. Nebst denausderBenderscheibe [vgl. Bd. 111, S. 36] hervorgegangenen, allgemein ver- breiteten Weichensignaltypen der öster-

Ludwig KohlfUrst

retchiscb-iingari sehen Eisenbahnen sind im Laufe der Jahre, insbesondere durch den Einftuss der verschiedenen deutschen Anschlussbahnen, auch noch mannig- fache andere Signalformen zur Anwen- dung gekommen, die in den Grund- zUgen für die Signal isirung als Pfeile«, >Prismen> und •vierkantige oder runde Scheiben < zusammengefasst wurden.

D I»5|.

Die Grundzüge für die Signalisirung kannten lediglich die zwei althergebrach- ten Signalbegriffe »Weiche in das Haupl- geleisea und •Weiche in die Abzweigung« ; ersteres sollte bei Tag wie bei Nacht durch ein verticals lebendes weisses Viereck, letzteres durch ein helles, schräg gestelltes Prisma oder einen Pfeil dargestellt werden. Dieselben Signale wurden in die einheit- liche Signalvorschrift [1872] auf- genommen, wobei aber das erstere eine Spaltung erfuhr, indem nur jenen Zügen, welche den Wechsel nach der Spitze befahren, ein weisses Viereck, den gegen die Weichenspitze fahrenden hin- gegen grünes Licht sichtbar sein sollte.

Diese Form verblieb den Weichensignalen schliesslich auch in der Signalordnung [1877], wo übrigens das Signal »W'eiche auf die Abzweigung« gleichfalls in zwei Theile zerlegt wurde, durch Schaffung des zuerst blos facultativen, seit 1887 aber obligaten Signals Nr. 63 »Stellung der Weiche tür die Fahrt nach der Spitze«. Neben den Bender 'sehen Weichen- signal-Vorrichtungen sind in Oesterreich auch verschiedene Anordnungen von Weicbmann [Wien], Rothmüller [Wien], FuÖikovsky [Prag] u. v. A. benutzt worden; seit 1887 fanden nament- lich die Fi llunger'schen sogenannten Universal Scheiben grössere Verbreitung. Elektrische Anordnungen, durch wel- che sich die Lage der Weichen an ent- fernten U eberwach ungsst eilen controliren lässt, sind in Oesterreich-Ungam ab- gesehen von einschlägigen, bei Central- Sicherungsan lagen vorkommenden Ein- richtungen — . nur selten anzutreffen. Anfangs der Achtziger-Jahre wurden derartige Weichencontrol -Einrichtungen durch Pollitzer auf einigen Stationen der Staatseisenbahn - Gesellschaft einge- richtet, und 1888 hatten auch die k. k. österreichischen Staatsbahnen auf der Jubiläums- Ausstellung in Wien eine solche mit Siemens-Halsk e'schem Weichen- contact versehene elektrische Anordnung ausgestellt.

Signale am Wasserkrahn stammen

schon aus der Mitte der Fünfziger-Jahre,

wo es üblich wurde, die Wasserkrahne

an die durchlaufenden Geleise zu rücken

und diejenigen, bei welchen Nachtzüge

Wasser einnahmen, mit einer Laterne zu

versehen. Letztere dienten allerdings

mitunter gleichzeitig für Beleuchtungs-

zwecke ; ihre Hauptaufgabe war es jedoch,

den LocomotivfÜhrem die richtige Stelle

des Anhaltens zu kennzeichnen, weshalb

die verwendeten Laternen in der Regel

nur klein, vierscheinig, mit vier blauen

oder mit zwei blauen und zwei rothen

' Gläsern versehen, und im letzteren Falle so

I aufgesteckt waren, dass bei der richtigen

I Ruhelage des Krahnes in der Geleis-

I richtung blaues, bei quergestelltem Aus-

I laufrohr rothes Licht erschien. Bis zum

Jahre 1870 wurden diese Laternen nicht

I eigentlich als Bahnsignale aufgefasst und

Signal- und Telegjaphi

fast ausnahmslos in die Signal- Instructionen gar nicht einbezogen; erst indenGrund- zügen für die Signale werden dieWasser- krahne ausdrücklich als Gefahrpunkte an- gesehen, und in diesem Sinne bestimmt denn auch die einheitliche Signal- vorschrift und gleichlautend die Signal- ordnung, dass sich die Krahne bei querstehendem Ausflussrohr bei Nacht durch rothes Licht als Hindernis zu signalisiren haben.

Das älteste aller Signal mittel, die Stationsglocke, ist in Oesterreich- Ungam und auf dem europäischen Fest- lande Überhaupt zuerst im Jahre 1833 in den Ausgangsstationen Budweis und Linz sowie in der Mittagsstation Hör- schlag der Linz-Budweiser Pferdebahn angewendet worden ; sie war auch bei den ersten österreichischen Dampfbahnen gleich von den Betriebseröffnungen an in Gebrauch. Eine aus dem Jahre 1845 stammende Signal-lnstruction der Kaiser Ferdinands- Nordbahn kennt bereits die drei Läutesignale >Annäherung eines Zugesi, >die Maschine hat sich an den Zug zu stellen« und >Abfahrt'. Zu Beginn der Sechziger -Jahre wurde nebst den gewöhnlichen, allgemein mit denselben Bedeutungen, wenn auch unter verschie- denen Namen angewendeten drei Glocken- zeichen häufig noch ein viertes eingeführt, nämlich ein rasches, fortgesetztes Läuten, das entweder als >Widerruf der Abfahrt» oder überhaupt als Alarmsignal bei ausser- gewöhnlichen Ereignissen [Feuersgefahr u. dgl.] galt. Nach einer 64jährigen Dienstzeit wurde die Station sglocke, nach- dem sie bereits seit Jahren in den meisten europäischen Staaten abgeschafft war, auch in O esterreich -Ungarn ausser Ge- brauch gesetzt.

Mit zu den ältesten Signalen und zu- gleich zu denjenigen, welche den reich- lichsten Wandlungen unterworfen waren, zählen die "Signale am Zuge«. In den ersten Betriebs jähren bis 1848 hatten die Züge der Kaiser Ferdinands- Nordbahn sowie der nördlichen Staatsbahnen ledig- lich eine am Rauchfang der Locomotive angebrachte grün-rothe Lampe und als Schlusssignal bei Personenzügen eine, bei Lastzügen zwei am letzten Wagen angebrachte Laternen, welche der Loco-

motive zugekehrt rothes und nach rückwärts grünes Licht zeigten. Vom 15. August 1848 an erhielten die Loco- motiven an der Brust zwei grosse, mit gewöhnlichem Glas versehene Laternen; desgleichen trugen der Tender, sowie der letzte Wagen nunmehr auch bei den Personenzügen - zwei nach vor- wärts weiss, nach rückwärts grün zeigende Signallaternen. Dieselbe Signali- sirung galt auf der einfachen, wie auf

"T^rdertMnsicht. J^ückrtfärlz^e aSnsüht.

Pf«d<=babo (18Ö1).

der Doppelbahn. Bei Tag hatten die Züge keine besonderen Kennzeichen, doch benützte man den letzten Wagen im Be- darfsfalle zur Ertheilung des Signals Telegraphenstörung«, das durch eine an der Zugsstange befestigte weiss oder weiss-roth bemalte Tafel dargestellt wurde. Die Locomotiven der Wien- Gloggnitzer Bahn hatten gleich von 1841 an nebst einer kleinen, am Rauchkasten befestigten ßrbigen Laterne zwei ge- wöhnliche Laternen am Tender; an jedem Wagen war eine Signallaterne ange- bracht, die zugleich bei Tag und Nacht als Handsignal für das Zugspersonal diente. Es konnte auch schon der Ver- kehr eines Extrazuges [ohne Richtungs- bezeiehnung] angekündigt werden, indem auf der Plattform des letzten Wagens

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im Zuge, bei Tag eine weiss-rothe Scheibe oder bei Nacht eine rothleuchtende Laterne befestigt wurde. Für denselben Zweck hatte in dieser Zeit die Kaiser Ferdinands - Nordbahn und von 1845 an auch die nördliche Staatsbahn die zwei nach- stehenden Signale im Gebrauche: »Ein Separatzug oder eine Locomo- tive folgt nach«, durch eine am Ten- der ausgesteckte rothe Fahne, beziehungs- weise roth leuchtende Laterne dargestellt und »Ein Separatzug oder eine Locomotive kehrt wieder zurück«, dargestellt durch eine am Tender aus- gesteckte halb blau, halb rothe Fahne oder eine Laterne von denselben Farben. Die Betriebsordnung [185 1] forderte von den bei den Zügen angebrachten Later- nen bereits bestimmte Eigenschaften, nämlich dass sie sowohl die Fahrrichtung des Zuges, als auch das allfällige Ab- trennen eines Zugstheiles erkennen lassen müssen; die Signalisirung von Separat- zügen oder Extrafahrten war jedoch noch nicht vorgeschrieben. Infolge der vor- gedachten Bedingung wurden die zwei Laternen am letzten Wagen der Züge durch eine dritte, knapp oberhalb des Zughakens befestigte Laterne zum »Zug- Schlusssignal« ausgebildet und hiezu fast allgemein das rothe Licht angenom- men. In der zweiten Hälfte der Fünfziger- Jahre entwickelte sich das »Signal an der Zugspitze« in der Weise, dass auf der Doppelbahn zwei weisse, auf der eingeleisigen Bahn zwei rothe Loco motivlaternen Benützung fanden und die Extrafahrten durch eine oder durch zwei roth-weiss bemalte Kreuzscheiben, bezie- hungsweise durch die Umwandlung der Farbe der linksseitigen oberen Laterne des Schlusssignals angezeigt wurden. Die an der Spitze der Züge anzubringenden Signale [Nr. 31 bis 34 der Signalordnung] finden sich ganzmitder jetzigen Anordnung übereinstimmend bereits in den Grund- zügen für die Signale [187 1] und in der einheitlichen Signal Vorschrift [1872]. In der Signalordnung selbst ist übrigens hinsichtlich der Textirung der beiden Signale, die den Verkehr ausser- gewöhnlicher ZiXgQ anzuzeigen haben, dem österreichischen Sprachgebrauche eine Concession gewährt, die bei Uebersetzun-

gen in fremde Sprachen störend zu Tage tritt. Signal Nr. 33 der Signedordnung heisst nämlich: »Schlusssignal für einen in gleicher Richtung nach- folgenden aussergewöhnlichen Zug« und wird verstanden »Schluss- signal für einen Zug, dem in gleicher Richtung ein ausserge- wöhnlicher nachfolgt.« Die für Nachschiebemaschinen vorgeschriebenen Signale sind auf Grund der Praxis, die sich namentlich auf der Brennerlinie der Südbahn und auf den Erzgebirgs- strecken der Buschtßhrader Eisenbahn 1872 1876 herausgebildet hatte, in die Signalordnung einbezogen worden und dieselbe Aufnahme fand am 19. Fe- bruar 1880 [als I. Nachtrag] das von der Oesterreichischen Nordwestbahn geschaf- fene aussergewöhnliche Signal für die Spitze solcher Z^ge^ die auf der als zweite Linie bezeichneten Strecke zweier Parallelbahnen verkehren.

An dieser Stelle sei erwähnt, dass die Locomotiv- und Schlusssignal- Laternen der ZiXge gleich den Lampen der ständigen Streckensignale und der Handsignale in Oesterreich-Ungarn bis Ende der Sech- ziger-Jahre fast ausschliesslich nur mit Rüböl gespeist worden sind, zu welcher Zeit es den Nordbahn-Ingenieuren L. Steyrer und S. Rothmüller gelang, durch Anwendung eines Hohldochtes eine brauchbare Petroleumlampe herzustellen, die sehr rasch bei der Kaiser Ferdinands- Nordbahn, bei der Oesterreichisch-Unga- rischen Staatseisenbahn-Gesellschaft, bei der Elisabeth-Bahn, der Carl Ludwig-Bahn, der Alföld-Fiumaner Bahn, der Buscht§- hrader Bahn u. s. w. eingeführt wurde. ^) Bemerkenswerth ist auch der durch Robert Wünsche, damals Ingenieur der Böhmi- schen Nordbahn, im Jahre 1878 begonnene Versuch, die färbigen Gläser der Loco- motiv- und Schlusssignal-Laternen durch Transparentscheiben zu ersetzen ; letztere waren aus Seidentaffet hergestellt, der mit schwefelsaurem Ammoniak imprägnirt und dann beiderseits mit Firnisslack über- zogen wurde. Derartige Scheiben wirken voller und auf weitere Entfernungen als

*)Vgl.Bd.II,R.Freiherrv.Gostkowski, Beheizung und Beleuchtung der Wagen.

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Gläser ; sie sind auch weniger gebrechlich und in Deutschland wie in Frankreich vielfach in Benützung. In Oesterreich haben sie kein grösseres Anwendungs- gebiet erworben, weil namentlich die Lam- penputzer sich mit der für Transparent- scheiben erforderlichen zarteren Behand- lung nicht zu befreunden vermochten.

Hier anschliessend soll/ auch der mittels Elektricität durchgeführten äusse- ren Zugsbeleuchtung gedacht werden, welche abgesehen von neueren An- ordnungen in Amerika lediglich in Oesterreich praktisch versucht worden ist. Für diesen Zweck hatte Wenzel Sedlaczek eine Locomotivlampe con- struirt, die dem Zuge mit einer Licht- stärke von 4000 Normalkerzen voran- leuchtete und durch eine Schuckert'sche, direct mit einer Abraham'schen Rotations- Dampfmaschine gekuppelten, auf der Lo- comotive angebrachten Dynamo gespeist wurde. Die ersten Probefahrten damit erfolgten 1878 auf der Rudolfbahnstrecke Leol^en-St. M i c h a e l und in den Jahren 1882 und 1883 auch auf anderen Nach- barlinien. Von i883 an war die Lampe auf der Nebenbahnlinie Wittmannsdorf- Gutenstein der k. k. österreichischen Staatsbahnen regulär in Verwendung bis zum Jahre 1889, wo diese Einrichtung insbesondere deshalb wieder aufgegeben wurde, weil der Betrieb derselben sehr viel Dampf erforderte, den die kleinen Nebenbahn- Locomotiven nur schwer zu liefern vermochten.

Mit der Dampfpfeife selbst, mit der bereits die ersten aus England nach Oesterreich gelangten Locomotiven aus- gerüstet waren, sind auch die Dampf- pfeifensignale »Achtung«, »Bremsen anziehen« und »Bremsen loslas- sen« mitgekommen, die in ihrer heute noch geltenden Darstellung gleich ursprünglich 1838] von der Kaiser Ferdinands-Nord- 5ahn in Gebrauch genommen und erst Ende der Fünfziger-Jahre um ein viertes Signal »Hilferuf« [Ruf zur Herbeiziehung des Personals mehrere langgezogene höhere und tiefere Töne] vermehrt wurden. Die Wien-Gloggnitzer Bahn führte aber gleich bei der Betriebseröff- nung nebst den drei obgenannten Haupt- signalen noch eine Zwischenstufe »Lang-

sam bremsen« ein, welches Signal späterhin [1861] wieder fallengelassen wurde, wogegen das Signal »Hilferuf« Aufnahme fand. Alle diese Locomotiv- signale bürgerten sich in gleicher Form auf sämmtlichen Bahnen ein oder erfuhren wohl auch weitere Ver- mehrungen insbesondere durch Zeichen für ein »massige^ Bremsen« oder ein »massiges Bremsenlüften«. Auch nahmen mehrere Bahnverwaltungen die vom Zug- personal mittels der Leine bewirkte Auslösung der Dampfpfeife als »Halt- signal« in ihre Signalinstruction auf. Nach den Grundzügen für die Signale sollten die Dampfpfeifensignale wieder auf die drei ersten, schon in der Betriebs- ordnimg vorgeschrieben gewesenen Be- griffe »Achtung«, »Bremsen fest« imd »Bremsen los« beschränkt werden, und thatsächlich haben in der einheit- lichen Signalvorschrift nur die ge- dachten drei Signale Aufnahme gefunden ; ausserdem geschah nur noch des vom Zugspersonal gegebenen Dampfpfeifen- signals Erwähnung, das jedoch nicht als Befehl zum Anhalten, sondern lediglich als »Wamungsruf« aufgefasst war. Mehr als doppelt so viel Dampfjpfeifensignale wurden später von der Signalordnung vorgeschrieben, welche nebst den drei Hauptsignalen auch den »Ruf zur Herbeiziehung des Personals«, femer die zwei Signale »Bremsen massig fest« und »Bremsen massig los« zuerst blos facultativ, seit 1887 aber obligatorisch aufgenommen, und überdies ein siebentes Signal »Weiter- fahrt eines auf der Strecke ange- haltenen Zuges« neu eingeführt hat.

An der Signalvorrichtung selbst wurde im Laufe der Zeiten nichts geändert, ausser dass es einzelne Bahnen zweckmässig fanden, die Locomotivpfeife für eine höhere oder tiefere Tonlage, als die gewöhnliche, anzuordnen.

W^as die Signale des Zugsbe- gleitungs-Personals anbelangt, so sind die Begriffe für »Abfahr t«^, »Halt« und »Langsam« von altersher dieselben, und auch die bezügliche Darstellung ist so ziemHch gleich geblieben ; später kam nur das Signal »Zug zerrissen« noch dazu, und zwar als hörbares schon in der

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einheitlichen Signal Vorschrift, als hör- und sichtbares aber erst in der Signalordnung. Die einschlägigen Signal- mittel, das Hörn, die Handfahne und Handlaterne haben gegen Ende der Fünfziger-Jahre einen Zuwachs durch die Mundpfeife [Schrillpfeife] erhalten, die, anfänglich nur bei wenigen Bahnen angewendet, seit Beginn der Siebziger- Jahre das Hom jedoch fast ganz verdrängt hatte, bis letzteres, namentlich durch das Beispiel der k. k. österreichischen Staatsbahnen, seit Mitte der Achtziger- Jahre im Personenzugsverkehre einen Theil der alten Herrschaft wieder zurückgewann. Als eine verhältnismässig noch junge Signalgattung dürfen die Rangirsignale gelten, welche in den Instructionen der meisten österreichisch-ungarischen Eisen- bahnen selbst bis zur Mitte der Sechziger- Jahre noch nicht besonders genannt waren. Es wurden bei den Wagen- und Zugs- verschiebungen in der Regel eben nur die sonstigen Signale des Maschinen-, Zugs- und Streckenpersonals angewendet, und die Aufträge zum Vorwärts- und zum Rückwärtsfahren durch Winken mit den Handsignaien oder auch blos durch Zurufe ertheilt. Infolge der Zunahme des Verkehrs auf einzelnen Bahnen und der hiedurch bedingten Erweiterung des Rangirdienstes, stellte sich aber auch das Bedürfnis heraus, die bezüglichen optischen Signale durch akustische zu unterstützen, wozu man nach dem Muster der deutschen Anschluss- bahnen das Hom oder häufiger noch die Mundpfeife heranzog ; auch hatten sich die bei Verschiebungen benützten optischen Zeichen für »Langsam« und »Halt« eigenartig abgeändert derart, dass man ersteres durch senkrechtes Auf- und Niederbewegen und letzteres durch Hin- und Herschwingen der Handsignalmittel darstellte. In dieser Form fanden die Rangirsignale sowohl in den Grund- zügen für die Signale als auch in der einheitlichen Signalvorschrift Auf- nahme, lediglich mit der Ausnahme, dass für »Halt« an Stelle des Hin- und Her- schwingens der Fahne oder Laterne, das »Schwingen im Kreise« gefordert wurde. Eine einschneidendere Aenderung erfolgte durch die Signalordnung, die für »Vorwärts« das senkrechte und für

»Rückwärts« das wagrechte Auf- und Nieder-, beziehungsweise Hin- und Her- bewegen der Handfahne oder Laterne vorschreibt Die akustischen Rangirsignale sind von ihrer Einführung an keinen Aenderungen mehr unterworfen gewesen. Dagegen kamen in der zweiten Hälfte der Achtziger-Jahre auf solchen Rangir- bahnhöfen, ,wo die Weichenstellung cen- tralisirt worden war, vielfach äusserst complicirte Localsignale, und zwar ins- besondere Dampfpfeifensignale in An- wendung, mit deren Hilfe den Weichen- wächtern während der Verschiebungen die Weichen oder Fahrstrassen bezeichnet wurden, welche jeweilig geöffnet werden sollten. Derartige Signale sind jedoch seitdem nur mehr dort aufrecht geblieben, wo ganz einfache Verhältnisse obwalten und mit wenigen Signalzeichen das Aus- langen gefunden werden kann; ander- weitig werden besondere Verständigungs- mittel, nämlich mechanische oder elek- trische »Auftraggeber« oder »Zeichen- geber« oder elektrische Fernsprech- einrichtungen zur Anwendung gebracht. Einer der ersten solcher »Auftrag- geber« wurde 1884 durch Stephan V. Götz & Söhne [vgl. Abb. 55] in Linz eingerichtet. Dieser Apparat besteht aus einer über Rollen geführten Kette ohne Ende, die von dem Leiter der Ver- schiebungen mittels eines Hebels für jeden Auftrag um ein bestimmtes Mass vor- oder zurückgezogen wird, welche Bewegungen sich an der Empfangsstelle durch einen Zeiger kennzeichnen. Verwandte An- ordnungen werden von Krüznerin Wien [derzeit vereinigte Elektricitäts-Actien-Ge- sellschaft], Rössemann & Kühne- mann in Budapest, Siemens & Halske in Wien, Maschinenbau-Actien-Ge- sellschaft vorm. Breitfeld, Danök & Comp, in Karolinenthal und Anderen mehr hergestellt. Siemens & Halske liefern auch elektrische, nach Art von Zeigertelegraphen eindrähtig und für In- ductorbetrieb eingerichtete, mit Wecker- glocken versehene Zeichengeber [vgl. Abb. 56], von welcher Gattung das erste Exemplar auf dem Rangirbahnhofe N u s s- dorf der k. k. österreichischen Staats- bahnen seit 1891 in Verwendung steht. Vereinzelt sind im Verlaufe des letzten

Signal- und Telegraph<

Decenniums aut grösseren mehrtheiligen Rangirbahnhöfen wohl auch ständige optische Localsignale [Arm-, Schei- ben- oder Tafel Signale, vgl. Bd. 111,5. Si, Abb. 33] in Verwendung genommen worden, mit denen zur Sicherung der Ver- schiebungen während derselben die feind- lichen Zufahrtsgeleise abgesperrt werden.

Die erste zweckdienliche Vermitt- lung zwischen Zug und Locomotive ge- schah auf der Kaiser Ferdinands-Nord- bahn 1838 nach dem Muster der Leipzig- Dresdner Eisenbahn durch die sogenannte Tenderwache. Zur Bedienung der Loco- motive gehörten mindestens ein Führer und zwei Heizer, von welchen einer der letzte-

.\m Schlüsse der Besprechung der 1 Signaleinrichtungen bleiben noch die Intercommunications- Signale in | Betracht zu ziehen, welche in die Signal- ordnung nicht eigentlich einbezogen sind, \ sondern mit derselben lediglich durch | das =AchtungssignaI' [Nr. 46] des Zugsbegleitungs- Person als 'Anziehen j der Signalleine , wodurch die Dampfpfeife in Thätigkeit gesetzt wird isn Zu- 1 ■n hange stehen.

ren fortwährend den Zug zu beobachten hatte, während die beiden anderen ihre Aufmerksamkeit ebenso unausgesetzt der Strecke zuwenden sollten. Aber schon bei den ersten Zügen der Wien-Glogg- nitzer Bahn [l 841] war die Verbindung zwischen den Wagen und der Maschine mittels einer Leine bewerkstelligt, welche von der Plattform des vordersten Wagens, wo der erste Zugsbegleiter postirt war, auf den Tender reichte und hier an eine

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kräftige Schelle, der Tenderglocke, an- schloss. Aehnliche Zugsleinen, welche jedoch bereits unmittelbar mit der Loco- motivpfeife verbunden wurden, waren von 1845 an zuerst auf der südlichen k. k. Staatsbahnstrecke Mürzzuschlag- Graz und etwa ein Jahr später auf der nördlichen k. k. Staatsbahnstrecke Olmütz-Prag und gleichzeitig auf der Kaiser Ferdinands-Nordbahn eingeführt Diese Verbindung zwischen Zugsbeglei- tungs- und Maschinenpersonal, die auch von der Betriebsordnung 1851 für alle Fälle gefordert wurde, hatte sich bis zur Mitte der Fünfziger-Jahre in der Weise herausgebildet, dass die ursprüng- liche Form nur mehr bei den Güter- und gemischten Zügen benützt, bei den Personenzügen aber allgemein eine über den ganzen Zug reichende, auf den Wa- gendächem geführte Leine angewendet wurde, von der die sämmtlichen Zugsbe- gleiter Gebrauch machen konnten. Den Rei- senden stand dieses Signalmittel nicht zur Verfügung, wohl aber wurde bereits 1852 von Professor August v. S c h m i d [vgl. Zeit- schrift des Oesterreichischen Ingenieur- und Architekten-Vereins, 1853, S. 76] unter Hinweis auf die Dringlichkeit, mit der die öffentliche Meinung in Frankreich und Eng- land nach Hilfssignalen bei den Zügen ver- langte, den österreichischen Eisenbahnen die Annahme des Intercommunications- Signals empfohlen, welches Oberingenieur Herrmann auf der Orleansbahn ein- geführt hatte. Die Eventualität einer sol- chen Einführung erfuhr erst zweiundzwan- zig Jahre später eine neuerliche, diesmal allerdings ernstlichere Erwägung, als die vereinigten österreichisch - ungarischen Eisenbahn- Verwaltungen zufolge einer Einladung der k. k. G e n e r a 1 - 1 n- spection im Jahre 1874 ein Special- comit6 mit der Prüfung dieser Frage be- trauten. Auf Grund des bezüglichen Be- richtes leitete die Directoren-Conferenz an die vorgenannte Behörde eine vom 18. März 1875 datirte Erwiderung, worin der Werth der Intercommunications- Signale mit nur geringer Wärme und unter gewissen Einschränkungen an- erkannt wurde. Trotzdem entsendeten die österreichisch - ungarischen Eisenbahn- Verwaltungen im folgenden Jahre lediglich

zum Studium der continuirlichen Bremsen und der Intercommunications-Signale vier Delegirte ins Ausland. Der diesfällige Reisebericht bezeichnete betreffs der Inter- communications-Signale neben der ge- wöhnlichen Zugsleine vorwiegend die elektrischen Anordnungen als verwendbar, ohne jedoch eines der bestehenden Systeme besonders zu empfehlen.

Nach all diesen Voreinleitungen und nachdem auch schon einige Bahnver- waltungen einzelne ihrer Züge mit Ver- suchs-Einrichtungen versehen hatten, er- ging mit Handelsministerial-Erlass vom 23. August 1880 an sämmtliche öster- reichische Eisenbahnen der Auftrag, bei allen schnellfahrenden Zügen Intercom- munications-Signale einzuführen und über die bis Ende Februar 1881 damit gemach- ten Erfahrungen Bericht zu erstatten. Die Systeme, die infolge dessen oder auch schon früher versucht wurden, waren äusserst mannigfach und noch man- nigfacher die Projecte, mit welchen es nicht einmal zu Versuchen gekommen ist. So empfahlen beispielsweise M i- chaels & Pereirer in der Zeitschrift des österr. Ingenieur- und Architekten- Vereins [1875, S. 32] ein über den ganzen Zug reichendes Schallrohr; Bo- schan. Lüders u. A. wollten Knall- signale und bengalisches Licht als Noth- zeichen anwenden; v. Löhr, R. Smolka u. A. schlugen elektrische Einrichtungen vor, bei welchen die Nothketten als Strom- leitung benützt werden sollten, u. s. w. Ernstlichere Versuche wurden 1874 auf der ungarischen Ostbahn und auf der Linie Karlstadt-Fiume mit dem optisch-aku- stischen Signal des k. k. Hauptmanns Deskovich vorgenommen. Die Südbahn hatte 1877 ihre Schnellzüge bereits mit einem elektrischen Intercommunications- Signal ausgestattet, nach Anordnung ihres Telegraphen- Vorstandes Moriz Kohn, der ein Theilnehmer und Referent der obener- wähnten Studiencommission gewesen war. Später hatten auch die ungarischen Staats- bahnen [1880] ein elektrisches System von Banovits, ferner die Oesterreichisch- Ungarische Staatseisenbahn - Gesellschaft 1880] und die Kaiser Ferdinands-Nord- 3ahn [1881] das bekannte Prudhomme- sche Signal [vgl. Brame, Etüde, Seite 148]

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in etwas vereinfachter Form angenommen, und die Oesterreichische Nordwestbahn ein von Bechtold angegebenes Signal dieser Gattung eingeführt. Viele Bahnen begnügten sich 1 880 damit, die Zugsleine, die vorher immer nur an den Wagen- dächem angebracht war, seitlich anzu- bringen, so dass sie bei geöffnetem Fenster von den Reisenden erlangt und benützt werden konnte. Auch mechanische Anordnungen in Verbindung mit der Zugs- leine fanden Anwendung, so z. B. eine von A. Prasch bei der Kaiserin Elisabeth- Bahn [1881], eine von Wildburger bei der Kaiser Ferdinands- Nordbahn [1882 bis 1 888] und bei der Kaiser Franz Josef- Bahn, eine von Gassebner bei der BuschtÖhrader Eisenbahn und eine andere Gassebner'sche bei der Kaiser Franz Josef- Bahn u. s. w. Selbstverständlich brachte die grosse Mannigfaltigkeit der Systeme Schwierigkeiten für den Wagen- übergang mit sich, weshalb 1886 die k. k. General - Direction der österreichischen Staatsbahnen in der Directoren-Conferenz den Antrag einbrachte, es möge, da die Einigung aller Verwaltungen für ein be- stimmtes Signalsystem kaum gewärtigt werden dürfe, wenigstens für die elek- trischen Anordnungen eine einheitliche Leitungskuppelung geschaffen werden. In der That erfolgte auf der Directoren-Con- ferenz vom 7. October 1889 eine Ver- ständigung, laut welcher im Sinne eines vom Maschinen-Director der Kaiser Ferdi- nands-Nordbahn, Regierungsrath Wenzel Rayl, ausgegangenen Vorschlages die Wagenkuppelungen der Vacuumbremsen, für welche bereits ein Normale bestand, zugleich als Leitungskuppelung einzu- richten seien. Daraufhin wurden die österreichischen Bahnverwaltungen mit Handelsministerial-Erlass vom 5. April 1890 aufgefordert, alle Schnellzüge spätestens bis zum l. October 1891 aus- nahmslos mit elektrischen Intercommu- nications-Signalen zu versehen und für die Uebergangs wagen die von W. Rayl [vgl. Centralblatt für Elektrotechnik, 1 889, Seite 353] erdachte Kuppelung anzu- nehmen. Gleichzeitig wird in diesem Erlasse die allmälige Einführung von Nothsignalen auch für die gewöhnlichen, auf Vollbahnen verkehrenden Personen-

züge dringend empfohlen. Einzig in seiner Art war das nach Anordnung Franz G a 1 1 i n g e r's eingerichtete tragbare elektrische Intercommunications - Signal, mit dem 1888 bis 1894 die durch den Arl- bergtunnel verkehrenden Güterzüge für diese Fahrt besonders ausgerüstet wurden.

Nebst den bereits bei den Distanz- signalen und Weichen erwähnten Control- apparaten haben jene, welche zur Nach- prüfung der Zugsgeschwindigkeit dienen, besondere Wichtigkeit, weshalb denn auch die österreichisch-ungarischen Eisenbahnen seit Jahren einschlägige Einrichtungen ver- suchen und benützen. Vorwiegend sind es die mit Schreibzeug versehenen, ent- weder direct oder durch Vermittlung von Schwungkörpern oder Pumpen mechanisch angetriebenen Tachymeter von Petrie, Pouget, Haushälter, Peyer & Favarger, Siemens & Halske, Stoudley, Pfeil, Brettmann u. A., womit die grösseren Bahnen eine grössere oder kleinere Anzahl ihrer Locomotiven versehen. Ein elektrischer Apparat wurde aber schon 1864 durch Claudius auf der Südbahn versucht. Es war dies ein von Mayer & Wolf in Wien ange- fertigter Morse- Doppelschreiber, der nebst einer Batterie unter der Sitzbank eines Wagens des zu controlirenden Zuges Platz erhielt ; der eine Schreibstift verzeichnete, von dem Contactwerke einer Uhr be- einflusst, alle Secunden einen Punkt und alle Minuten einen kurzen Strich auf dem Papierstreifen, während der zweite ver- möge eines im Achslager angebrachten Stromschliessers für jede Radumdrehung einen Punkt niederschrieb. Stabile Con- trol-Einrichtungen wurden zuerst 1879 durch V. L ö h r bei der Kaiser Ferdinands- Nordbahn ausgeführt. Die älteste dies- fällige Anordnung bestand aus einer von O. S c h ä f f 1 e r in Wien hergestellten Registriruhr mit vier elektromagnetischen Schreibzeugen, die durch je eine Strom- leitung mit ebensovielen an verschiedenen , Geleisestellen eingelegten v. L ö h r'schen ' Streckencontacten verbunden waren. Neuerer Zeit haben sich die stabilen Ein- richtungen nach der bekannten Siemens & H a 1 s k e'schen Anordnung sehr ver- breitet. Die erste Siemens'sche Regi-

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striruhr ist 1892 in der Südbahnstation Klamm [Semmering] aufgestellt worden und Ende 1 895 hatten bereits die Aussig- Teplitzer Bahn sechs Registriruhren und sechzehn Schienendurchbiege - Contacte, die Oesterreichische Nordwestbahn ebenso- viele Uhren und 75 Contacte, die Süd- bahn 15 Uhren und 108 Contacte und die BuschtShrader Eisenbahn 25 Uhren mit 214 Contacten in Benützung ge- nommen. Ausnahmsweise sind bei der Oesterreichisch-Ungarischen Staatseisen- bahn-Gesellschaft auch mit Registriruhren von Wiesenthal [Aachen] sowie mit Streckencontacten von Schellens [Köln] und von Baillehache [Paris] praktische Versuche gemacht worden.

Elektrische Control-Einrichtungen fin- den sich ganz allgemein auf Wasser- haltungs-Stationen, sobald dort die Ent- fernung zwischen Pumpwerk und Reser- voir so gross ist, dass gewöhnlich mechanische Wasserstandsanzeiger nicht mehr gut angewendet werden können. Die ersten solchen Apparate sind durch Leopolder 1 868 bei der Oesterreichisch- Ungarischen Staatseisenbahn-Gesellschaft eingerichtet worden ; es waren dies elektri- sche W^ecker, die, von zwei Schwimmer- contacten beeinflusst, den höchsten wie niedersten Wasserstand durch Läuten an- zeigten. Die Kaschau-Oderberger Bahn benützt seit 1891 eine verwandte, bei Deckert&Homolka [Wien] ausgeführte Anordnung. Einfachere, von R. Bauer angeordnete Wasserstandsanzeiger, welche blos den höchsten Wasserstand durch Weckerläuten anzeigten, nahm Mitte der Siebziger-Jahre die Kaiser Franz Josef- Bahn in Gebrauch. Control-Einrichtungen, die nebst dem niedrigsten und höchsten Wasserstande auch Zwischenpunkte der Wasserhöhe anzeigen, wurden 1870 von W. Kobliczek und 1882 von Pollitzer angegeben. Bei den ersteren dieser Apparate, die bei der Carl Ludwig-Bahn, bei der Kaiser Ferdinands-Nordbahn und auch bei verschiedenen ausländischen Bahnen Verwendung fanden, ist nebst dem Wecker ein Galvanoskop vorhanden, an welchem die Nadelablenkungen ver- grössert oder verkleinert werden, je nach- dem der Schwimmer im Reservoir mehr oder wenitrer Leitunirswiderstände in den

Stromkreis schaltet. In den Werkstätten der Kaiser Ferdinands-Nordbahn sind seit 1887 auch für stabile Dampfkessel nach der bekannten Schwarzkopf f 'sehen Anordnung elektrische Wasserstandsan- zeiger eingeführt.

Fast ausnahmslos werden seit jeher an den Centralstellen der Bahnverwaltungen sowie auf allen ausgedehnten Bahnhöfen zur Ueberwachung der Nacht- und Feuer- wächter Control -Vorrichtungen benützt, deren älteste Vertreter [1855 bis 1865] Standuhren waren, bei denen sich an Stelle der Zeiger das mit Knickstiften oder mit einer Papierscheibe versehene Zifferblatt drehte. Diese von Arerd und Anderen construirten Controluhren wurden seit Ende der Sechziger-Jahre zumeist durch tragbare Uhren von Schön- b erger [z. B. 1867 bei der Kaiser Ferdinands-Nordbahn] oder von Bürk [z. B. 1875 bei der Kaschau-Oderberger Bahn] verdrängt und ist insbesondere die letztgenannte Uhr bei den ungarischen Eisenbahnen sehr verbreitet. Elektrische Einrichtungen zum Zwecke der Wächter- controle sind verhältnismässig selten, dafür finden sich elektrische Anordnun- gen zum Schutze von Cassenlocalen gegen Einbruch ziemlich häufig.

Angelangt bei den eben besprochenen äussersten Ausläufern des heutigen Eisen- bahn-Signalwesens erscheint es nunmehr geboten, die Blicke nochmals auf einen früherem Zeitabschnitt zurückzuwenden, welcher dem Nachrichtendienste der Bah- nen neue, früher nie für erreichbar ge- haltene Ziele erschloss. Es ist dies jene Epoche, welche durch die weittragende Erfindung der elektrischen Tele- graph i e angebrochen war. Bei diesem Rückblicke ergibt sich vor Allem die bemerkenswerthe Thatsache, dass die elektrischen Einrichtungen für Eisenbahn- zw^ecke mit der ersten praktischen An- wendung der Elektricität überhaupt zu- sammenfallen ; ja die Telegraphie, die sich später so rasch zu einem der vor- nehmsten Weltverkehrsmittel entwickelt hatte, war noch nicht über das Stadium

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gelehrter Versuche hinausgelangt, als es bereits für nützlich und wünschenswerth erkannt wurde, sie den Eisenbahnen dienstbar zu machen. Dieser Gedanke trat nämlich zuerst 1835 im Verwaltungs- CoUegium der Leipzig-Dresdener Eisen- bahn zu Tage und führte zu einer Reihe hochinteressanter Verhandlungen mit Gauss und Weber, wenn auch vor- läufig noch zu keiner Verwirklichung. Es war vielmehr dem thatkräftigen und reichen England vorbehalten, mit dem von Fothergill Cooke und Charles Wheatstone 1839 an der Great We- stembahn errichteten Fünfnadel-Tele- graphen, die erste praktische Anlage ftir elektrische Nachrichtengebung zu schaffen. In Oesterreich wurde, wie die Förster'sche Allgemeine Bauzei- tung vom Jahre 1842 berichtet, auch schon zur Zeit der Betriebseröffnung des ersten Theiles der Wien-Gloggnitzer Bahn, d. i. im Sommer 1841 die Errichtung eines elektrischen Eisenbahn-Telegraphen beabsichtigt, allein zur Ausführung kam dieser Plan erst später. Oesterreich zählte zu denjenigen Staaten, welche der elektrischen Telegraphie von vorhinein ein fiscalisches Interesse entgegenbrachten und die Errichtung solcher Anlagen als Staatsvorrecht ins Auge fassten. Hierauf bezügliche Vorarbeiten technischer Rich- tung wurden dem k. k. Regierungsrath und Director der kais. Aerarial-Porzellan- Gussspiegel- und Smalte-Fabriken, Dr. A n- dreas Baumgartner, übertragen, auf dessen Vorschlag im Jahre 1845 Dr. Way- dele auf Staatskosten zum Studium der Apparatsysteme nach England ging. Infolge der Ergebnisse dieser einleiten- den Massnahmen schritt man noch im gleichen Jahre zur Herstellung einer kurzen Probelinie zwischen den beiden Nord- bahnstationen Wien und Floridsdorf *) und am 15. Februar 1846 erschien ein Hofkammer-Präsidialdecret, das hinsicht- lich der Errichtung von elektrischen Tele- graphen in Oesterreich eine eigene Kommission einsetzte, welche unter der

*) Laut einer in den Einlaufsprotokollen der Kaiser Ferdinands-Nordbahn 1845 ver- zeichneten Meldung, die Fertigstellung dieser Leitung betreffend. Das Actenstück selbst ist leider nicht mehr vorfindig. [Vgl. Seite 40 J

Leitung B a u m g a r t n e r's aus Professor Adam Ritter v. Burg, Staatseisenbahn- Inspector Adalbert Ritter v. Schmied, Staatseisenbahn-Unterinspector Friedrich Schnirch und Dr. Wayd.ele bestand. Ein nächstes Präsidialdecret vom 14. Au- gust 1846 bewilligte die Errichtung einer Telegraphenlinie Wien-Brünn [154 km]^ deren Bau am 1 4. October gleichen Jahres durch Friedrich Schnirch in Angriff genommen und am 19. December voll- endet wurde. Diese eigentlich auch nur als grössere Versuchslinie entstandene, Anfangs März 1847 in Betrieb gesetzte Anlage bewährte sich gleichfalls und er- fuhr infolge dessen noch im selben Jahre eine weitere Ausdehnung längs der Kaiser Ferdinands-Nordbahn von Lundenburg über Prerau-Olmütz und weiter über Böhm.-Trübau der nördlichen Staats- bahn entlang, bis Prag. ♦) Zugleich wurde von Gänserndorf aus noch eine nach Press- burg gehende Zweiglinie errichtet. Eben- falls im Jahre 1847 kam auch die Linie Wien-Graz**) längs der südlichen k. k. Staatsbahn zur Vollendung, so dass mit Ende dieses Jahres im Ganzen 1257 Meilen [rund 954 /jw] Telegraphenlinien in Oester- reich fertig standen. Wenige Wochen nach der Bauvollendung der Linie Wien- Brünn, nämlich schon im Januar 1847, hatte die Kaiser Ferdinands-Nordbahn hohen Ortes darum angesucht, die neue Einrichtung für den Eisenbahndienst mit- benutzen zu dürfen. Diesem Ansuchen wurde entsprochen und darüber zwischen der Staatsverwaltung und der Nordbahn- Direction ein Vertrag ddto. 7. Juli 1847 abgeschlossen, laut welchem die letztere die Befugnis erhielt, in ihren Stationen auf ihre Kosten Apparate in die Leitung einzuschalten und ihre Depeschen auf der ganzen Linie zu befördern, wobei allerdings den Staatsdepeschen der Vor- rang und den landesfürstlichen Tele- graphen-Beamten die Controle der Bahn- depeschen vorbehalten blieb. Zur Gegen- leistung verpflichtete sich die Nordbahn jährlich 1000 fl. C.-M. als Beitrag für die Leitungserhaltung zu entrichten, ferner

♦) Erbaut durch Dr. Wilhelm Gintl, späterem Telegraphen-Inspector und Direc- tionsrath.

**) Erbaut durch Friedrich Schnirch.

Geschichte der Eisenbahnen. III.

98

Ludwig Kohlfürst.

ohne Entschädigung die Aufstellung des Leitungsgestänges auf ihrem Grund und Boden zu gestatten, weiters die Ueber- wachung der Leitung und bei Be- schädigungen die provisorische Wieder- herstellung durch die Bahnwächter unent- geltlich durchführen zu lassen, den Ange- stellten der k. k. Staatstelegraphen freie Fahrt zu gewähren und schliesslich in Wien und Brunn, oder wo sonst auf Nordbahn- stationen Staatstelegraphen-Aemter einge- richtet würden, die erforderlichen Amts- räume unentgeltlich beizustellen. Noch bevor aber diese Vereinbarung erfolgt war, wurde der Kaiser Ferdinands-Nord- bahn über ein inzwischen eingebrachtes zweites Gesuch mit Beeret des Hof- kammer-Präsidenten vom 3. Februar 1847 die Erlaubnis ertheilt, zu Meldungen über den Eisgang eigene Telegraphen- Apparate auf den Stationen Floridsdorf und Lundenburg in die noch uneröffnete Staatslinie Wien-Brünn einzuschalten, zu deren Bedienung die damaligen Nordbahn- Ingenieurs- Assistenten V. Csikany und A. Schefczik bestimmt wurden. Dies war mithin die erste Anwendung des elektrischen Telegraphen für Eisenbahn- zwecke sowie überhaupt die erste prak- tische Verwerthung desselben in Oester- reich, denn die Diensteröffnung der ersten Staats telegraphen- Linie hat, wie bereits oben erwähnt, erst ein Monat später stattgefunden. Im Juli gleichen Jahres wurden seitens der Nordbahn nebst Floridsdorf und Lundenburg auch noch die Bahnstationen Gänserndorf, Dümkrut, Hohen au, Neudorf, Göding und Prerau mit Telegraphen versehen. Gleichzeitig erfolgte auf der nördlichen Staatsbahnlinie und kurz später auf der südlichen die Einbeziehung fast aller grösserer Bahn- stationen in die zugehörigen neuentstan- denen Telegraphenanlagen. Sämmtliche Leitungen waren sonach vorerst für den Staatsdepeschendienst und für den Bahn- dienst gemeinsam verwendet; erst als 1849 die Benützung der elektrischen Tele- graphen dem Publicum freigegeben wurde, begann die Staatsverwaltung für ihren Staats- und Privatdepeschendienst beson- dere Leitungen zu erbauen, während sie diebestehenden den Eisenbahnen überliess. Die Kais(?r Ferdinands-Nordbahn hatte

übrigens bereits am 6. November 1847 bei der Staatsverwaltung ein Ansuchen um Herstellung einer Telegraphenlinie Prerau- Oderberg eingebracht imd bei dieser Gelegenheit unter Hinweis auf die aus der Doppelbenützung entspringenden Schwie- rigkeiten um die Errichtung einer eigenen, nur für die Bahnzwecke bestimmten Tele- graphenleitung Wien-Brünn und Wien- Olmütz gebeten, was mit Zuschrift vom 26. Juni 1848 Genehmigung fand. Die späterhin entstandenen Eisenbahnen er- hielten immer gleich ihre eigenen Lei- tungen. Ein Handelsministerial-Erlass vom 29. Januar 1850 bestimmt, dass längs der Eisenbahnen grundsätzlich stets min- destens zwei Telegraphenleitungen vor- handen sein müssen, wovon eine lediglich für den Bahndienst vorzubehalten sei. Für die Telegraphenstationen der k. k. Staatsbahnen übernahm die Staatstelegra- phen-Verwaltung die Lieferung der Appa- rate; den Privatbahnen blieb es überlassen, diese sich selbst anzuschaffen; doch war die Wahl des Apparatsystems der Geneh- migung der Regierung unterworfen. Des- gleichen unterlagen die telegraphischen Correspondenzen der Eisenbahnen der Controle der Staatsverwaltung. Diese mehr oder minder dem angeführten Nord- bahnvertrage nachgebildeten Feststel- lungen blieben geraume Zeit in Kraft, erlitten aber dann infolge zweier wesent- licher Umstände mancherlei Abände- rungen. Der eine davon betraf die Be- nützung der Eisenbahn-Telegraphen für den Privatdepeschen -Verkehr, die vom Publicum gleich nach Einführung des öffentlichen Depeschendienstes bean- sprucht wurde, wodurch sich still- schweigend der Gebrauch herausbildete, dass die Bahnbeamten, soweit es ihre Zeit erlaubte, Privatdepeschen annahmen und beförderten, wofür die erhobenen Beför- derungs - Gebühren unter Rücklass einer Antheilquote an die Telegraphen-Verwal- tung abgeführt wurden. Der zweite Um- stand, der zu einer theilweisen Abänderung und gleichzeitigen Vervollständigung der zwischen Staatstelegraphen-Anstalt und Eisenbahnen bestehenden Abmachungen nöthigte, war der im Jahre 1855 be- gonnene Systemwechsel hinsichtlich des Weiterbaues des österreichisch - unga-

Signal- und Telegraph«

rischen Eisenbahnnetzes, Der Staat über- ' Hess bekanntlich von da ab nicht nur die I Errichtung und AusiUhrung neuer Bahnen der Privatunternehmung, sondern über- trug auch die von ihm selbst erbauten und betriebenen Bahnlinien an Actien- Gesellschaften. Die mit Rücksicht auf i diese neugestalteten Verhältnisse erforder- : lieh gewordenen Regelungen zwischen ; Staat und Eisenbahnen hatten sich natur- ^ gemäss zu erstrecken: '

a^Auf die Anwendung eines elektri- schen Telegraphen überhaupt, insoweit j hiedurch das Staatsregal berührt wurde; \

b) auf die Anbringung der Staats- leitungen längs der Bahnlinie, dann auf , die Herstellung der Bahntelegraphen- Leitungen, femer auf die Ueberwachung und Instandhaltung beiderlei Leitungen, . und schliesslich '

c) auf die Durchführung des Privat- depeschen-Dienstes und die bezügliche Abrechnung.

Davon hat das unter a) angeführte, | in Oesterreich ursprünglich ohne jeg- ' liehe gesetzliche Unterlage geübte Zu- ] geständnis eine gewisse, wenn auch nur j indirecte Festlegung lediglich durch jenen Paragraphen des Eisenbahn-Concessions- ' Gesetzes [Ministerial - Verordnung vom i 14. September 1854] erfahren, welcher sich auf das vom Staate geforderte, oben ', unter h) angeführte Recht bezieht. Der he- ' zUgliche § 10, ht. h, lautet nämlich: 'Die . Eisen bahn- Unternehmungen haben die Er- , richtung einer Staatsielegraphen- Leitung . längs der Eisenbahn auf ihrem Grund und Boden oder die Benützung ihrer allfälli- | gen eigenen Telegraphen-Einrichtungen unentgeltlich zu gestatten«, und lässt also immerhin im Rückschlüsse erkennen, dass 1 der Staat die Anlage von Bahntelegraphen I als selbstverständliche Conseqiienz des Bahnuntemehmens ansah. Klar ausge- sprochene Feststellungen für die Be- rechtigung zur Errichtung von Bahn- , telegraphen finden sich stets nur in den zwischen der Staatstelegraphen-Ver\val- ' tung und den Bahnanstalten bestehenden Verträgen, zu deren Abscblies.sung die Bahnen in der Regel durch die Con- ' cessionen verpflichtet sind. Seit 1S54 , enthalten die Concessionen für öster- reichische Vollbahnen stets auch eine

weitere Ausführung des oben citirten § 10, ht. h, des Concessions-Gesetzes.

Die ersten Ost erreich ischenTelegraph en- linien waren mit den durch Dr. Waydele 1844 aus England mitgebrachten und in Oesterreich verbesserten B a i n'schen Nadelapparaten ausgerüstet, ein System, das sich trefflich bewährte und auf eini- gen Bahnen viele Jahre hindurch z. B.

J^njland fS4^.

auf der a. pr. BuschtÖhrader Eisenbahn von 1852 bis 1870, auf der Kaiser Fer- dinands-Nordbahn von 1846 bis 1886 erhalten hat. Der Bain'sche Ori- ginal-Apparat [vgl. Abb. 57] war bereits 1841 in England patentirt und 1844 auf der South- Western bahn von den Lords der Admirahtät geprüft worden; derselbe bestand aus zwei Drahtspiralen jSole- noide], in denen sich zwei halbkreisför- mige Magnetstäbe bewegen konnten. Diese waren mit den gleichnamigen Polen einander zugekehrt und auf einer gemeinsamen Speiche befestigt, die auf einer wagrechten Drehachse festsass. 7'

Ludwig Kohl fürst.

[Orislnal-AufDahme der nocb Im BcBflie der NaidbahD b>

[Vgl. Practical-Mechanics' and Engineers Magazin 1846, S. 146.] Auf letzterer, welche durch die Vorderwand des Appa- ratkastens herausreichte, stak auf dem vorderen Ende ein Zeiger. Je nachdem ein durch die Drahtspiralen geschickter Strom positiv oder negativ gerichtet war, erfolgte eine Ablenkung der Magiiet- stäbe und sonach auch eine Abbeugung des Zeigers nach rechts oder nach links. Aus je einem bis vier solchen Zeiger- ausschlägen war das Alphabet gebildet, und zur Hervorrufung der Stromsendun- gen diente ein einziger, unten aus dem Apparatkasten vorstehender Handgriff, der rechts oder links gelegt werden musste, um die übereinstimmenden Zeiger- ahlenkungen hervorzubringen. Da die Zeichen unhörbar waren, so musste zur Erleichterung des Anrufes stets ein Wecker vorgesehen sein. Dieser bestand einfach

aus einem Klöppelarm, der mit seinem Ende auf den Zeigerstiel des Indi- cators gelegt wurde, und aus einer Glocke. Sobald nun der Zeiger die An- rufbewegungen machte, verlor der Weckerarm seine Unterlage, fiel auf die Glocke herab und brachte hjedurch einen lauttönenden Weckruf hervor. In O esterreich wurde fürs Erste der Zei- chengeber [Commutator] vom Zeichenempfänger [Indicator] getrennt, bei letzteren die Solenoide nebst den Magnet Stäben wagrecht gelegt und eine Fortsetzung der Speiche gleich als Zeiger be- nützt. Baumgart ner war CS, der dem Strom- wender die Form eines Doppeltasters gab ; dabei benützte er anfänglich statt trockener Platin- contacte Quecksilber- näpfchen, eine Neuerung, jt, scbefciik'ichem die sich jedoch nicht bewährte. Die nennens- pparae. werthestcunter dencrsten i Verbesserungen war aber die Emancipation : von dem als An ruf Vorrichtung dienenden ] Wecker [unbeschadet anderer AJarm- I Wecker für den Nachtdienst], indem man : den Zeiger als Klöppel einrichtete und I rechts und links von demselben als Be- I grenzung seines Ausschlages halbkugel- förmige Glocken*) anbrachte, die in der I reinen Quinte abgestimmt waren. Eine ' weitere, durch den Nordbahn-Ingenieur Anton Schefczik vorgeschlagene Ver- besserungergabsich durch die Anbringung 1 eines sogenannten Richtmagnetes, der das 1 Nachschwingen der Magnetstäbe ver- I hinderte. Die verbesserte Anordnung des

[ •) Nach den von Friedrich Schnirch

in der Zeitschrift des Oesterrc ich i sehen In- genieur- und Architekten- Vereins, 1849, S. 119

I undi.|5, vorgeführten Abbildungen, waren die

Wipn lind FlnriHsHni?

Signal- und Telegraphi

Zeichenempfängers ermöglichte nun auch eine Vereinfachung des Alphabets, indem die zwei Grundelemente auf vier [rechts kurz, links kurz, rechts lang, links lang] er- höht und dafür die Elemente zur Buch- stabendarstellung nur zu zwei oder fürs >strenge» Alphabet zu drei Elementen combinlrt zu werden brauchten.*) Die tele- | graphischen Zeichen wurden dadurch, wenn auch in der Gesammtheit nicht ' kürzer, so doch wesentlich einfacher und ' gleich massiger und waren leichter zu er- , lernen. Die ersten praktisch angewen- 1 deten Doppeltaster, die, wie auch der I ganze übrige Apparat mit allen seinen Neuerungen in Eklings**) mechanischer j Werkstätte,jetzt .Leopolder & Sohn., , zu Wien ausgefertigt waren, hatten zwei I doppelarmige Hebel, deren Vordertheile durch Spiralfedern hochgehoben wurden, was sich aber ebenfalls nicht besonders be- währte, weshalb die Federkraft durch kugel- oder kegelförmige Uebergewichte ersetzt wurde, die am anderen Hebelende angebracht waren. Dieser, sowie ein ähn- licher von Hermann Böhm, Telegra- 1 phen-Mechaniker der Kaiser Ferdinands- Xordbahn, ausgeführter, mit einfachen Federn versehener Doppeltaster litten aber i noch immer an dem Uebelstande, dass sie zu viele Contacte besassen. Deshalb 1 kam gegen die Mitte der Fünfziger-Jahre I ein Doppeltaster, dessen beide Taster- j hcbel ganz ähnlich wie Morsetaster für Arbeitsstromschaltung angeordnet waren, j in Gebrauch; die Anwendung dieser von | A. Schefczik schon 1847 in der Werkstätte der Kaiser Ferdinands-Nord- ! bahn in Lundenburg hergestellten Strom- 1 Wender [vgl. Abb. 58] hatte man aber bis dahin nicht für statthaft gehalten, weil in der Ruhelage beider Tasten der eine Batteriepal mit der Linie verbunden bleibt.

*) Die aus zwei Elementen gebildeten Zei- ; chen waren für einzelne Buchstaben, wie z. B. fUr b und p, g und k, h und ch u. a. gleich; deren genaue Unterscheidung war erst durch die drei elementigen Zeichen des istrengeiii , Alphabets mOglich.

**) Die ersten Bain-Apparate, welche ge- liefert wurden, gingen durchwegs aus der ' Hand Johann LeopoJder's hervor, der zu jener Zeit noch Arbciler bei Eklin^ war und , als solcher auch bei der Einrichtung der ersten Stationen mitwirkte.

Alle bis zum Jahre 1857 entstan- denen Eisenbahnen Oesterreich -Ungarns waren mit Bain "sehen Nadel apparaten versehen, die allerdings nach und nach alle von Morse -Einrichtungen verdräng! wurden. Dagegen haben Zeigerappa- rate, die bei den deutschen und fran- zösischen Bahnen zur reichen BlUthe ge- langt waren, nur in einem ganz ein zelten Falle Anwendung gefunden, nämlich auf der Mohäcs-Fünfkirch- ner Bahn, wo von der im Jahre 1858 erfolgten Eröffnung an bis 1868, in welchem

Jahre diese Linie durch den Anschluss der Fünf kirchen - Barczer Bahn ihren Charakter als locale Sackbahn abstreifte, Siemens & Halske'sche Magnet- in ductions- Zeiger werke [vgl. Abb. 59] benützt wurden.

Der Morse'sche Schreibtelegraph war, nachdem ihn bereits mehrere Staatstele- graphen-Anstalten angenommen hatten, auch auf Eisenbahnen eingerichtet worden. In Europa geschah dies zuerst durch Robinson 1847 auf den hannoverschen Staatsbahnen. Robinson war es auch, der als Vertreter Morse's*) [vgl, Abb. 60]

•) Samuel Finlev Breese Morse, am 29. April i8gi zu Charleston (Massachusetts) geboren, hatte sich ursprünglich zum Muler ausgebildet, beschäftigte sich aber nebenbei auch mit Naturwissenschaften und insbeson- dere mit elektrischen Versuchen. Die erste Idee seines Telegraphen entwarf er auf der

102

Ludwig KohlfOrst.

dieses System nach Oesterreich brachte, wo die Versuche damit seitens der Staats- telegraphen-Anstalt im August 1849 auf der Linie Wien-Olmütz begannen und schon im nächsten Jahre zum durchgreifen- den Aufgeben des Xadeltelegraphen, d. h. zur Annahme des Morse-Systems führ- ten.*) Wesentlich langsamer gestaltete sich dieser Uebergang bei den österreichi- schen Eisenbahnen. Der erste dies- fällige Vorschlag ging von Ferdinand Teirich aus, als es sich im Jahre 1856 darum handelte, die ungarische Strecke Raab-Uj-Szöny der eben erst entstandenen Staatseisenbahn-Gesellschaft mit einer Telegraphen-Einrichtung zu ver- sehen. Nach vorausgegangenem lebhaftem Kampfe wegen der Wahl des Apparat- Systems Bain'sche Nadelapparate oder französische Zeigerapparate einerseits, Morse- Apparate andererseits entschied sich die Verwaltung für den Vorschlag ihres Telegraphen- Vorstandes Teiri c h und genehmigte gleichzeitig auch seinen weite- ren Antrag, alle Hauptstrecken des gesell- schaftlichen Bahnnetzes durch directe Morselinien mit der General-Direction in Wien zu verbinden. Die Herstellung der erforderlichen Telegraphen- Leitungen, die Anschaffung der Einrichtung, die Auf- stellung der von Leopolder in Wien gelieferten Apparate und die Unterweisung

Rückreise von Europa, wohin er zum Studium der Malerakademien entsendet worden war, im Jahre 1832. Der erste brauchbare Appa- rat kam aber erst 1835 zustande und 1837 erfolge die Ausfertigung des bezüglichen amenkanischen Patentes. Die erste mit Morse-Einrichtungen versehene Telegraphen- linie wurde zwischen Washington und Balti- more am 27. Mai 1844 eröffnet. Morse über- nahm später den Posten eines Telegraphen-In- genieurs der New- York and London Telegraph Company und wurde schliesslich als Professor für Naturwissenschaften an das Yale-College in New-Haven berufen; er starb am 2. April 1872 reich geehrt von der Mitwelt, kurz nachdem ihm in New- York bereits zwei Denk- mäler gesetzt worden waren. Fast von allen europäischen Staaten besass Morse Auszeich- nungen, darunter auch das Ritterkreuz des Franz Joseph-Ordens.

*) Die ersten in Oesterreich im We»]^e der Privatindustrie erzeugten Morseapparate gingen ebenfalls aus der Ekling'schen vVerk- stiitte hervor, wo sie unter Leitung des da- maligen Werkführers J. Leopolder aus- geführt wurden.

und Einübung des Telegraphen-Personals für die Linie Raab-Uj-Szöny nahm das Jahr 1856 in Anspruch. Doch konnte mit Beginn des nächsten Jahres die Anlage bereits in regelmässigen Betrieb ge- nommen werden. Gleichzeitig wurden die Hauptstationen der anderen gesell- schaftlichen Bahnstrecken nebst ihren Bain- Apparaten auch mit Morse- Apparaten ausgerüstet derart, dass sich dieselbe Leitung je nach Bedarf -- sowohl für die Bain- als für die Morse- Correspon- denzen verwenden liess. Nach und nach wurde jedoch eine Theilkette nach der anderen vollständig mit besonderen Morse- Einrichtungen versehen und schliesslich der Nadelapparat ganz ausser Betrieb gesetzt Die Xordtiroler Linie Kufstein - Innsbruck und die Strecke Wien-Franken- markt der Kaiserin Elisabeth- Bahn waren die ersten, welche schon zur Betriebs- eröffnung [1858] Morse- Einrichtungen er- halten hatten; die betreffenden Apparate sind ersterenorts von der k. k. Telegra- phen-Werkstätte Wien der Staats- telegraphen-Anstalt und letzterenorts von Schuhart und Leopolder beigestellt worden. Alle späterhin erbauten Eisen- bahnen Oesterreich - Ungarns bekamen grundsätzlich nur mehr Morse' sehe Schreib- telegraphen. Dass sich das Wohlwollen der österreichischen Bahnen so rasch vom Nadeltelegraphen ab- und dem Morse-Telegraphen zuwandte, hatte fol- gende Gründe: Die Zeichen der ersteren verschwanden ohne sichtbare Spur und konnten somit nachträglich nicht mehr festgestellt werden; die Anzahl der Zeichen des zweiziflfrigen Bain- Alphabetes war ge- ringer, als die des sprachlichen Alphabetes. Es lag daher die Gefahr von Irrungen vor, oder es musste das zeitraubende dreiziflfrige Alphabet benützt werden. Doch kann nicht geleugnet werden, dass mit dem Bain'schen Telegraphen die gewöhnlichen, durch Abkürzungen dar- stellbaren Bahndepeschen äusserst rasch abgethan werden konnten, und dass dieses System denn auch zufolge des leichter wahrnehmbaren Anrufes und der zähen Ausdauer bei Linienstörungen selbst dem Morse-Telegraphen gegenüber seine Vor- züge besass. Auf diesem Umstände beruht zum Theile das Festhalten der englischen

Signal- und Telegraph enwesen.

Bahnen an ihren alten Nadeltelegraphen, mit welchen sie den Anforderungen ihres riesigen Verkehrs ganz gut nachkommen; auch die Zeichen dieser Nadelapparate sind ebensowenig bleibend, wie jene der auf amerikanischen Bahnen fast aus- schliesslich benützten Morseklopfer oder wie die mit Fernsprechern gegebenen Nachrichten, welche in neuerer Zeit doch auch für den Zugssi eher ungs dien st als vollwerthig und zu- lässig gelten. So hat denn in Oesterreich- Ungam der Werth, der auf einen dau- ernden Depeschen- nachweis gelegt wurde, im Laufe der Zeit eine we- sentliche Abschwä- chung erfahren ; die

Einführung des Morse-Telegraphen bleibt jedoch für alle Fälle schon des- halb ein günstiges Ereignis, weil aus Gründen, die sich von dem oben Ge- sagten leicht ab- leiten lassen, eben dieses System das einzige gewesen ist, das auf eine gleich- massige, allgemeine Annahme rechnen durfte und mit wel- chem die heutige für ■den Bahndienst im *""• ^ ,u™ p Jm,

Allgemeinen sowie

für die Wehrhaft! gkeit des Reiches noch im Besonderen so werthvoile und wich- tige Einheitlichkeit in den Eisenbahn- Telegraphen -Einrichtungen erzielt werden konnte.

Die ersten Bahntelegraphen nach Morsc'schem System waren, wie über- all, auch in Oesterreich- Ungarn durch- wegs für den Arheitsstrom mit Kelais- Schaltung eingerichtet; der mit dieser Anordnung verbundene grosse Batterie- aufwand machte sich jedoch auf den Bahnlinien sehr bald umso lebhafter fühlbar, als in der Regel eine be-

I trächthche Anzahl Stationen auf einem I Schhessungkreis hintereinander geschal-

tet waren. Deshalb fehlte >

nicht an

Bemühungen, diesem Uebel stände durch I anderweitigeSchaltungs weisen abzuhelfen, I und war es Ferdinand Teirich, der in I diesem Sinne zuerst eine Schaltung auf Gegenstrom erdachte und dieselbe in der 1 Zeitschrift des Oesterreichischen Ingenieur- ' und Architekten- Vereins 1860 zur allge- meinen Einführung vorschlug. Dieses System, welches der Arbei ts Strom - Schaltung gegen- über grosse wirth- schaftliche Vortheiie bot, wurde denn auch auf vielen Li- nien der Oesterrei- chisch - Ungarischen Staatseisenbahn-Ge- sellschaft eingeführt, und zwar 1860 in den Strecken Te- mesvär-Bazias und Pest-Czegied; 1861 auf der Strecke \Vien-Uj-Sz(>ny,und im folgenden Jahre endlich in den Strecken Czegled- Szegedin-Temesvdr, Brunn- Trübau und Innsbruck -Kuf stein. Ein anderes Gegen- strom System, das von Eduard Sedlaczek ■C„"e' Had«.*' ^'"' [Tekgraphen- Inge-

nieur der Oester- j reichisch - Ungarischen Staatseisenbahn- , Gesellschaft, später der Kaiser Ferdi- I nands-N'ordbahn] erdacht war, benützte I die Kaiser Ferdinands-Nordbahn von 1865 I bis 1867. Diese Anordnung unterteil itd sich von der Teiri ch'schen dadurch, j dass die Gegen hatte rien nicht blos m den Endstationen, sondern in jt-der einzelnen ' Station standen und sowohl m die Linie ! als in den Localschluss des Moraeschrei , bers eingeschaltet waren, ferner, dass die ! Zeicbengebung nicht durch Herstellung I einer Verbindung der Linie mit der Erde, ; sondern lediglich durch Unterbrechung

Ludwig KohlfUrst,

der Linie, wie bei einer gewöhnlichen Ruhestromschaltung geschah. Inzwischen hatte man auf mehreren Bahnen Deutsch- lands mit der einfachsten Ruh e ström - Schaltung sehr gUnstige Erfahrungen

:'m

gemacht, und insbesondere trat zu Beginn der Sechziger-Jahre Karl Frischen auf Grand derVorzüge dieser Schaltungsweise, die bei den hannoverschen Staatsbahnen festgestellt worden waren, für die allge- meine Einführung derselben ein. In derThat begann man sich zu dieser Zeit auch in O est erreich -Ungarn der Ruhestrom Schal-

tung-zuzuwenden, eine Bewegung, die so einschneidend und allgemein wurde, dass Anfangs der Siebziger-Jahre alle anderen Schaltungssysteme bereits verdrängt wa- ren. Dieser Uebergang vom Arbeitsstrom- betriebe zum einfachen Ruhe- strombetrieb für die Morselinie vollzog sich 1863 durch Moriz Kohn bei der Südbahn, 1865 durchJosef S chönbach auf der Kaiserin Elisabeth -Bahn, 1868 durchWenzel Kob 1 i cz e k auf der Galizischen Carl Ludwig-Bahn, 187 1 durch Machaiski auf der Lemberg-Czemo witzer Eisen- bahn u. s. w. Die nach 1868 neu entstandenen Eisenbahnen sind alle nur noch mit Ruhe- stromschaltungen eingerichtet worden. Es war dies durchwegs die sogenannte gewöhnliche Ruhe Strom Schaltung, während die sogenannte amerikani- sche, die sich in derselben Zeit auf amerikanischen, einigen eng- lischen und auch einigen nord- deutschen Bahnen eingebürgert hatte, in O esterreich -Ungarn nie ernstlich versucht worden ist. Dagegen hat jüngster Zeit für directe Fernlinien mit Avenigen Stationen die Arbeitsstrom sc Hal- tung wieder neue Aufnahme ge- funden und sind solche Morse- linienbeispielsweise seit 1891 von den ungarischen Staatsbahnen, von der KaiserFerdinands-Nord- bahn und anderweitig einge- richtet worden.

Als Zeichen appa rate waren gleich anfänglich und bis zu den Sechziger-Jahren ausschliesslich offene, nach dem sogenannten österreichischen Modell

[vgl. Abb. 61] ausgeführte Stift- schreiber, späterhin zumeist aber nur Apparate mit verdecktem Laufwerke [vgl. Abb. 62 und 63] in Benützung, deren Anwendung sich schliesslich nicht nur auf alle Bahnen Oesterreich-Ungams, sondern auch auf die serbischen, ramänischen und norditalienischen Eisenbahnen ausdehnte. In der Regel war nur Federantrieb an- gewendet, doch sind auch hie und da.

Signal- und Telegraphi

beispielsweise auf der Kaiser Ferdinands- Nordbahn und auf der Mährisch-Schlesi- schen Nordbahn, Morseschreiber mit Ge- wichtsantrieb zur Verwendung gekommen. Mehrfach hatte man versucht, Schreib- apparate in Dienst zu nehmen, deren Papierlaufwerk durch jede einzelne Strom- gebung selbstthälig ausgelöst wurde. Man benutzte sie auf grossen Stationen zu Controlz wecken und auf kleinen Stationen, um dem dienstthuenden Beamten, wenn er sich einige Zeit aus dem Telegraphen- zimmer entfernen musste, die Müglich- keit zu geben, nach seiner Rückkunft den

stammenden Ingenieur - Assistenten der k. k. Eisenbahnbetriebs - Inspection zu Prag, Thomas John, schon im Jahre 1853 erdacht. Ein solches für die Staats- telegraphen-Anstalt hergestelhes Muster- exemplar findet sich im k. k. Post- museum in Wien. Diese Anordnung war in England, Frankreich und Belgien patentirt und von Breguet in Paris ange- kauft worden. Weder bei der österreichi- schen Staats telegraphen- An st alt, noch bei den Eisenbahnen dachte man aber damals an die Verwendung von Farbschreibem, und als im Jahre 1863 Ingenieur Otto

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während seiner Abwesenheit erfolgten Depeschen Wechsel auf dem Papierstreifen seines Morseapparates nachzulesen. Die ältesten österreichischen Schreiber mit Selbstauslösung waren etwa l86r von Siegfried Marcus in Wien gebaut worden und ähnliche etwas einfachere Anordnungen dieser Art bezog 1S65 die Kaiser Ferdinands -Nordbahn von der Telegraphenbau - Anstalt J, L e o- polder, in welcher noch mehrere andere Formen von Selbstauslösern her- gestellt worden sind, doch ist es nie zu einer nennenswerthen Anwendung der- artiger Apparate gekommen. Dasselbe gilt im grossen Ganzen auch von den Farbschreibern, obwohl gerade diese Form in O esterreich -Ungarn ihre ursprüngliche Heimat hat. Der erste Färb seh reiber wurde nämlich von dem aus Nordböhmen

1 Elster im O es lerre ichischen Ingenieur- I und Architekten -Verein zu Wien einen I Blauschreiber von Siemens & Halske vor- 1 zeigte und zur Einführung bei den Eisen- , bahnen empfahl, weckte dieses Ansinnen I einen ziemlich allgemeinen Widerspruch. Besonders waren es die österreichischen , Eisenbahn -Telegraphen- Ingenieure selbst, die unter Hinweis auf das deutlichere, lautere Ansprechen der Stiftschreiber und das reinhchere Arbeiten mit dieser Apparat- gattung sich gegen die Benützung von Farbschreibern aussprachen. Im Verlaufe der Jahre änderten sich jedoch manche der in obiger Frage massgebenden Verhält- nisse. In den grossen Bahnstationen hat eine reichlichere Besetzung der Apparate durch ständige Telegraphenbeamte platz- gegriffen als in früheren Zeiten, und im Zu- sammenhange damit begannen denn auch

io6

Ludwig Kohlfürst.

mehrere Bahnen, wie beispielsweise die O es t er r ei chisch-Un garische Staats- eisenbahn-Gesellschaft 1866, die Kaiser Ferdinands - Nordbahn 1880, die Ungarischen Staats- bahnen 1881, die Südbahn 1891 u. s. w. auf ihren grossen Stationen, die Oesterreichische Nordwest- bahn 1891 hinsichtlich aller ihrer Stationen, vorwiegend aus hygienischen Rücksichten nämlich zur Schonung der Augen der betheiligten Beamten und Diener Farbschreiber in Ge- brauch zu nehmen. Die Bestrebungen, für den Eisenbahndienst geeignete Farb- schreiber zu construiren, traten verhält- nismässig zahlreich zu Tage. Aller- dings gingen dieselben weniger darauf hinaus, neue Schreibertypen zu schaffen, obwohl auch solche durch J. Leopolder, Otto Seh äff er, Holub u. A. gebaut worden waren, sondern sie zeigen vor- wiegend die Absicht, die vorhandenen Stiftschreiber in möglichst einfacher Weise für farbige Schrift umzugestalten. Zu den ältesten derartigen Versuchen zählen ver- schiedene Ausführungen von Hermann Böhm [1867 bis 1870], die aber zu keinem praktischen Ergebnisse führten- Im Jahre 1886 entwarfen Czeija&Nissl eine Abänderung des gewöhnlichen Leo- polder'schen Stiftschreibers, die ziemlich eingreifend war, da sie sich auf die Schreib- theile sowohl als auf die Ankeranordnung und die Papierführung erstreckte. Ver- wandte, einfachere Einrichtungen gaben Wilhelm V. Fischer, Kiss [Deckert & Homolka] u. A. an; ebenso haben sich Czeija & Nissl noch eine zweite vereinfachte Umstaltungsconstruction sogenannte Relief- Farbschreiber [vgl. Abb. 64], bei welchen für alle Fälle die Reliefschrift erscheint, wenn auch die Farbengebung aus was immer für einem Grunde, z. B. wegen Farb- mangel, aufhören würde im Jahre 1891 patentiren lassen. Eine eigenthümliche, interessante Gattung von Morseschreibern ist 1862 lediglich zu Controlz wecken ent- standen und in einzelnen Hauptstationen der Oesterreichisch-Ungarischen Staats- eisenbahn-Gesellschaft, der Kaiserin Elisa- beth-Bahn und Kronprinz Rudolf-Bahn vorübergehend in Benützung gewesen. Es

waren dies Leopolder'sche Stiftschreiber von der gewöhnlichen Einrichtung, bei welcher aber die Stelle des den Papier- streifen ziehenden Laufwerkes ein von Meier & Wolf in Wien construirter und ausgeführter Elektromotor vertrat, der selbstthätig den Morsestreifen weiter- schob, sobald der elektrische Strom die Elektromag^etspulen passirte; mit Be- ginn des Telegraphirens fing also der Streifen an abzulaufen und mit Be- endigung des Spieles hörte auch die Papierbewegung wieder auf. In alier- jüngster Zeit sind Versuche zur Her- stellung verbesserter solcher Control- apparate durch F. Gattinger bei den k. k. österreichischen Staatsbahnen wie- der frisch aufgenommen worden.

Directschreiber scheinen in den gewöhnlichen Correspondenzlinien der österreichisch -ungarischen Eisenbahnen niemals benützt worden zu sein, weil sich die Anwendung von Relais gleich mit der ersten Einführung des Morse- Telegraphen ganz allgemein eingebürgert hatte. Das Relais war in Amerika durch Morse selbst schon 1844 er- funden und demselben 1846 patentirt worden, während in Europa, ganz un- abhängig davon, gleichfalls 1844, auch Fadely für seinen Drucktelegraphen, und Kram er für seinen Zeigertelegraphen sowie Engelbert Matzenauer 1847 ^^r den Bain'schen Nadeltelegraphen ähnliche Uebertragungs -Apparate erdacht hatten. Die ersten 1846 auf dem europäischen Festlande, und zwar in Deutschland [Linie Hamburg-Kuxhaven] entstandenen Morse- linien waren mit Directschreibern für Arbeitsstrom eingerichtet und hatten also noch kein Relais, welches erst Anfangs 1849 von Robinson [vgl. Abb. 65] aus Amerika nach Deutschland gebracht wor- den war. [Zeitschrift des Deutsch-Öster- reichischen Telegraphen -Vereins, Bd. II, 1855, S. 137.] Zu Ende desselben Jahres fand das Relais auch nach Oesterreich- Ungarn seinen Weg, wo es aber seit Ende der Fünfziger -Jahre fast ausschliesslich nur in der sogenannten Schwanenhalsform Verbreitung fand, in derselben Anordnung, wie sie auch heute noch sowohl auf den Morselinien der Staatstelegraphen als auf jenen der Eisenbahnen allgemein im Ge-

Signal- und Telegraphenwesen.

brauche steht. Eine übrigens nicht sehr verbreitete Abart bildet dasWeyrich'sche Kelais, bei dem der im rechten Winkel abgehobene Ankerhebel auf einem kreis- runden Fussbrette angebracht ist; Lager- ständer, Schraubenständer und Fussplatte sind nicht aus Messing, sondern aus hämmerbarem Eisenguss hergestellt. Aus diesem Material hatte We\Tich auch Morseschreiber ausgeführt, und mit sol-

I Schaltung mitunter störend auftretenden

j Remanenz-Erscheinungen auf ein völlig unschädliches Mass herabgemindert wer-

: den sollten.

' Ganz ausnahmsweise sind an Stelle

I von Relais oder zur Unterstützung der- selben auch laut arbeitendeMorse-Klo-

I pfer in Verwendung genommen worden, wie beispielsweise in der Station St. Va-

'. lentin der Kaiserin Elisabeth-Bahn und

[Phulograpb liehe Auf.

chen, besonders billigen Apparaten wurden beispielsweise Theilstrecken der Kaschau- Oderberger Bahn 1869, der ehemaligen Tumau-Kralup- Prager und der Pilsen- , Priese n-Komotauer Bahn 1872 u. a. m. eingerichtet; doch wurden sie späterhin zumeist durch die gewöhnlichen mes- singenen Typen wieder verdrängt. Ein von S. Schort'mann 1862 erdachtes Morse- Relais stand auf der Kaiserin Ehsabcth- Bahn versuchsweise im Gebrauch ; es unterscheidet sich von dem gewöhnlichen Relais durch die ganz eigenartige Elektro- magnetform und Spulenanordnung, ver- möge deren die bei der Ruhestrom-

namentlich Anfangs der Achtziger-Jahre auf Veranlassung .Moriz Kohn"s in ein- zelnen grossen Stationen der Südbahn, wo es galt, im wirren Geräusche der vor- handenen zahlreichen Relais und Morse- schreiber den Anruf auf gewissen Linien besonders deutlich wahrnehmbar zu machen. Auch werden sie hier von den Telegraphenüberwachungs - Beamten zu den Linienuntersuchungen bei Telegra- phen-Störungen benutzt.

Was die in den gros.sen Stationen mitunter zur Anwendung kommenden Translationen anbelangt, so ist hierin die Einheitlichkeit weit weniger gewahrt.

fo8

Ludwig KohlfürsL

als in der übrigen Morse-Einrichtung. Die erste in Oesterreich - Ungarn zur Be- nützung gelangte Morse-Translation war von Engelbert Matzenauer erdacht und in den Stationen Pressburg und Neuhäusel 1850 in Betrieb gesetzt worden. [Zeitschrift des Oesterreichischen Ingenieur- und Architekten - Vereins, 1851, S. 28.] Es war dies, wie alle ältesten derartigen Vorrichtungen, eine Relais-Translation. Im Jahre 1851 hatte jedoch Steinheil die praktische Idee, die Uebertragungs - Contacte direct in den Schreibapparat zu verlegen und die im October gleichen Jahres in Wien abgehaltene Conferenz des Deutsch- österreichischen Telegraphen - Vereins setzte zu diesen SteinheiPschen Trans- latoren-Schreibern ein für das ganze Vereinsgebiet giltiges Stromlaufschema fest, nach welchem auch die ersten Tele- graphen-Uebertragsstationen der öster- reichischen Eisenbahnen, Böhmisch- Trübau und Marburg a. D., einge- richtet waren, so lange die betreifenden Linien mit Arbeitsstrom betrieben wurden. Diese Translation hatte 1862 Ferdinand Teirich für die Gegenstromschaltung, und Leopold er etwa 1864 für Ruhe- strom eingerichtet. Auf der Kaiserin Elisabeth - Bahn führte Johann Schön- bach die Clark'sche Uebertragungsform ein und vervollkommnete dieselbe durch die Beischaffung eines Doppelrelais und die Heranziehung einer besonderen sogenann- ten Ersatzbatterie. In der zweiten Hälfte der Siebziger-Jahre hat sich übrigens in Oesterreich-Ungam vielfach das Bestre- ben geltend gemacht, von Translationen ganz abzugehen und eher die vorhan- denen Telegraphen - Einrichtungen durch eine Femlinie zu erweitern, oder das Durchsprechen über Theillinien einfach durch Aufhebung des Erdabschlusses der Uebertragungsstation und durch unmittel- bares Verbinden der aneinanderstossenden Leitungen zu gestatten. Es war auf diese Weise jede Schwierigkeit hinsichtlich der denn doch ziemlich heiklen Bedienung der Translation leicht zu umgehen und man hatte bei Ruhestromschaltung nur dafür zu sorgen, dass die Stromstärken in den anstossenden Theillinien möglich gleich seien. Für diese Anordnung sind

beispielsweise Inspector Sandorf An- fangs der Achtziger-Jahre bei den könig- lich Ungarischen Staatsbahnen, und Josef Krämer bei der Franz Josef- Bahn ein- getreten. Hie und da hat man immerhin trotz der Errichtung von langen Fern- leitungen darauf Werth gelegt, wenig- stens das telegraphische Zeitzeichen von der Ausgangsstation der Bahn aus an sämmtliche Stationen des Netzes gleichzeitig ertheilen zu können. Zu diesem Zwecke sind in den Uebertra- gungs- und Abzweigestationen sogenannte Halbtranslationen aufgestellt, wie dies beispielsweise in einigen Directions- bezirken der k. k. österreichischen Staats- bahnen seit Ende der Achtziger-Jahre eingeführt wurde. Die Halbtranslation ist es handelt sich durchaus nur um Rlihestromschaltungen nichts anderes als ein Relais oder ein am Ankerhebel mit Contact versehener Morseschreiber etwa ein ausgemusterter Translator welcher Apparat durch einen Umschalter zur Zeit des Uhrzeichens in die Nachbar- oder Zweiglinie eingeschaltet wird und hier die Wirksamkeit eines selbstthätigen Morse-Tasters ausübt.

Eine Besonderheit der Eisenbahnen Deutschlands und Oesterreich-Ungarns ist es, dass sie fast allgemein die zum Be- triebe der durchgehenden Liniensignale [Läutewerke] dienenden Leitungen gleich- zeitig auch für den Depeschendienst ausnützen, wodurch sie eine zweite Sprech- linie ersparen und insbesondere eine für Hilfstelegraphenzwecke vorzüglich ge- eignete Einrichtung gewinnen. Nach der Zeitschrift des Deutsch - österreichischen Telegraphen-Vereins [Jahrgang IX, 1862], war es Karl Frieschen, der die für den Betrieb mit Inductionsströmen einge- richteten Läutewerkslinien der hannover- schen Staatseisenbahnen schon 1861 gleichzeitig vermittels Batterie - Ruhe- strömen zur Morse-Correspondenz nutz- bar machte, ein Vorgang, der sich sehr bald auch auf anderen deutschen Bahnen einbürgerte und vom Südbahn-Ingenieur M. Ramsberger 1862 auch den öster- reichischen Eisenbahnen wärmstens em- pfohlen wurde. Hier hatten aber die zum Abgeben von Einzelnschlägen geeigneten Glockenapparate und infolge dessen die

Signal- und Telegraphenwesen.

Schaltung der Signallinie auf Ruhestrom I oder Gegenstrom fast ausnahmslos Ein- gang gefunden (vgl. Seite 62], weshalb 1 denn auch zur Erreichung der angestrebten ;

t4. Cielja .

(iSgo].

Doppelbenutzung andere Wege eingeschla- gen werden mussten als in Deutschland. Ein einschlägiger Versuch gelang zu- erst auf der Westbahnstrecke Lambach- Gmunden, wo eine vorhandene Morse- Sprechlinie zum gleichzei- tigen Betriebe der später errichteten Glockensignal- anlage herangezogen werden sollte. Schönbach empfahl die betreffende, auf Arbeits- strom eingerichtete Morse- linie für Ruhestromschaltung abzuändern, um für die Er- zeugung der Glockensignal- schläge die Stromunter- brechungen zur Verfügung zu haben, während die Morse- zeichen durch blosse Strom- j^^^ ^^ j, Schwächung gegeben wer- st

den sollten, zu welchem Zwecke neben den Morse- Tastern be- sondere Rheostate aufgestellt und zwischen Axe- und Ruhecontact des Tasters ein- geschaltet wurden. Beim Niederdrücken des Tasterhebels kam also die Rheostat-

spule in die Leitung, so dass der Widerstand im Stromkreise erhöht, be- ziehungsweise der Ruhestrom geschwächt wurde. Die Abreissfedern der Auslöse- Elektromagnete an den Glocken appa- raten waren nun so gespannt, dass der Anker erst bei voller Stromunterbre- chung abfiel, wogegen die in derselben Linie aufgestellten Morse-Relais vermöge stärker gespannter Abreissfedern schon durch die oben erwähnte Strom Schwächung zum Ansprechen gebracht wurden. Die ersten Versuche mit dieser Anordnung fallen bereits in den Anfang des Jahres 1862; die erste Einführung auf den Haupt- strecken der Elisabeth-Weslbahn erfolgte hingegen erst im Jahre 1865. [Zetzsche Handbuch der Telegraphie, Bd. IV, S. 268.] In demselben Jahre hatten auch Ferdinand T ei rieh bei der O est erreich i seh -Unga- rischen Staatseisenbahn-Gesellschaft, und zwar zuerst vom 3. März 1865 an auf der Strecke Presshurg-Neudorf sowie vom 23. März gleichen Jahres an auf der Strecke Pardubitz-PfelouC, und Wenzel K o b 1 i c z e k auf mehreren Strecken der Carl Ludwig-Bahn eine ähnliche Doppel- benützung eingerichtet. F'erner hatte zu derselben Zeit R. Blaschke in Wien für den in Betracht gezogenen Zweck eine Schaltungsform aufgestellt, die für die Glockensignalisirung die Unterbre- chung des Ruhestromes, für den Betrieb

der gleichzeitig eingeschalteten Morse- Einrichtung jedoch die Vermehrung des normalen Ruhestromes in Aussicht nahm. Zu dem Ende waren zur Erzeugung der Morsezeichen gleichfalls Rheostat -Taster

HO

Ludwig Kohlfürst.

geplant, bei welchen jedoch während der Ruhelage des Tasterhebels der Wider- stand in der Linie lag und beim Nieder- drücken des Tasterhebels hingegen durch Kurzschluss ausgeschaltet wurde. Dieses System, welches gegenüber jenem der Strom Verminderung zweifellos den Vor- theil besitzt, dass eine Auslösung der Glockenapparate durch das Morsespiel bei zufällig schwach gewordenen Batte- rien nicht vorkommen kann, hat wohl nur aus wirthschaftlichen Gründen keine Verbreitung gefunden. Eine sinnreiche Schaltung für die Doppelausnützung der Glockenleitung mittels Stromvermehrung hat auch Heinrich Machaiski 1871 angegeben. [Zeitschrift des österreichischen Ingenieur- und Architekten- Vereins, 1872, S. 356.] Ganz andere Wege hatte Moriz Kohn 1865 auf der Südbahn- strecke Stuhlweissenburg-Uj-SzÖny ein- zuschlagen versucht, indem er sowohl die Morsezeichen als die Signalzeichen durch Arbeitsströme hervorrief, welche jedoch für die ersteren positiv, für die letzteren negativ gerichtet waren. [Vgl. S. 67.] Eine ziemlich allgemeine Annahme hat in Oesterreich - Ungarn lediglich die »Doppelbenützung der Glockenlinie unter Anwendung der Stromverminderungt er- langt, wenn auch die bezüglichen Ein- richtungen der verschiedenen Bahnen in den Einzelheiten kleine Abweichungen nachweisen. So hat beispielsweise die KaiserFerdinands-Nordbahn bei ihren im Jahre 1865 begonnenen Glocken- signal-Anlagen den Apparaten jeder Sta- tion für jede einzelne Bahnrichtung einen eigenen Wecker beigegeben, der sowohl zum telegraphischen Anruf als zum Mit- spielen der Glockensignale bestimmt ist und die Zimmerläutewerke [Bureau- glocken-Schlagwerke] entbehrlich macht. Dafür wird selbstverständlich das Vor- handensein von Perronläutewerken grund- sätzlich vorausgesetzt. Nach diesem Muster sind u. A. 1870 auch die Glocken- linien der Buschtßhrader Eisenbahn und 1874 durch Machaiski jene der Lem- berg-Czernowitzer Eisenbahn eingerichtet worden. F. Bechtold schaltete dagegen auf der Oesterreichischen Nordwestbahn gleich von 1872 an für jede Bahnrichtung je ein Zimmerläutewerk ein, während

nur für den Morseanruf ein Wecker vor- handen ist, der in der Regel für zwei Signalleitungen gleichzeitig seine Dienste zu leisten hat. Die Mittelstationen der Galizischen Carl Ludwig-Bahn waren ursprünglich von Wenzel Kobliczek mit nur einem Rheostat- Taster ausgerüstet worden, mit welchem jedoch nach bei- den Bahnrichtungen telegraphirt werden konnte. Zu diesem Zwecke befand sich am Taster ein kleiner Umschalter, dessen Kurbel je nach der Richtung, in welcher telegraphirt werden sollte, vorher rechts oder links umzulegen war.

Selbstverständlich fehlte es nicht an lebhaften Bemühungen, auf den Glocken- linien über das blosse Stationssprechen hinauszukommen und ein beliebig weit ausgedehntes Durchsprechen zu ermög- lichen. Allein die in dieser Absicht von Schönbach, Kobliczek, Teirich, Blaschke u. A. construirten Transla- tions - Vorrichtungen sowie eine von H. Machaiski 1 871 erdachte eigenthümliche Ruhestromschaltung, mit deren Hilfe es möglich war, über je vier Glockensignal- Stationen ohne Translation direct sprechen zu können, hatman trotz ihrer äusserst sinn* reichen Anordnung, wenn sie überhaupt zur praktischen Anwendung kam, bald wieder ausser Dienst gesetzt, um es bei dem Stationssprechen bewenden zu lassen. Schon Anfangs der Siebziger-Jahre war man in der Doppelausnützung der Glockenlinien überall wieder zur ursprünglichen Einfach- heit zurückgekehrt. Auch jene Anord- nungen, welche zur Mitbenützung von Glockenlinien dienen, die auf Gegen- ströme geschaltet sind, wie sie z. B. durch Franz Gattinger auf den k. k. Oesterreichischen Staatsbahnen eingeführt wurden [vgl. S. 63], unterscheiden sich von der gewöhnlichen Einrichtung für die Morse-Correspondenz mittels Stromver- minderung — abgesehen von der ver- kehrten Lage des Relais-Contactes lediglich durch eine kleine Abweichung des Morse- Tasters, der in diesem Falle statt der gewöhnlichen zwei Anschlüsse deren drei hat, weil beim Niederdrücken des Tasterhebels nicht nur die Widerstandsrolle in den Schliessungskreis eingeschaltet, son- dern gleichzeitig auch die eigene Stations- batterie ausgeschaltet werden muss.

Signal- und Telegraphenwesen.

III

Als Endglied dieser Reihe von Ein- richtungen, die auf eine Doppelaus- nützung der Leitungen zielen, sind noch zwei Anordnungen anzuschliessen, bei denen es sich nicht um die Heran- ziehung einer Signalleitung für Corre- spondenzzwecke, sondern umgekehrt ähnlich wie bei dem oberwähnten Schön- bach'schen Ausgangsgliede der Reihe um Leitungen handelt, die regel- mässig zum Morse-Telegraphendienst be- stimmt sind, zeitweilig aber auch zur Signalabgabe dienen sollen. Eine dieser Anordnungen, welche 1885 von A.P rasch erdacht worden ist, trägt dem Umstände Rechnung, dass es hie und da eine mit einer Telegraphenlinie versehene Secun- därbahn gibt, auf welcher sich einzelne besonders wichtige und deshalb von Bahnwächtem besetzte Ueberwege belin- den, welche Posten von dem Heran- nahen der Züge durch Glockensignale be- nachrichtigt werden sollen. Diese Signal- apparate sind in die Morseleitung der- art eingeschaltet, dass das Telegraphiren wie bei einer gewöhnlichen Ruhestrom- schaltung durch Unterbrechung des Ruhe- stromes, die Signalgebung hingegen durch Verstärkung des Ruhestromes erfolgt. Die zweitgedachte Anordnung findet sich einzig nur auf der Kremsthalbahn und hat den Zweck, die Herbeirufung von Hilfsmaschinen zu ermöglichen. Die Stationen dieser Nebenbahn sind nur mit je einem Beamten besetzt, der sich nicht immer im Telegraphenbureau aufhal- ten kann. Es sind deshalb in den Maschinenstationen B a d H a 1 1 und Klaus eigene Elektromagnete mit Abfallscheiben in die Morselinie eingeschaltet, die der normale Ruhestrom nicht beeinflusst, während sie durch einen kräftigen In- ductionsstrom ausgelöst werden können. Fällt die Klappe ab, so schliesst sie den Ortsstrom zweier Alarmwecker, wovon der eine sich in der Wohnung des Stationsbeamten, der andere beim Bahn- wächter befindet und welche Wecker so lange läuten, bis die Klappscheibe im Telegraphenbureau wieder hochgehoben wird. Das Ertönen dieser Wecker be- deutet »Eine Hilfsmaschine soll kommen«. Zur Ertheilung dieses Signals sind in zwei günstig gelegenen Zvvischenstationen,

nämlich in Kirchdorf und in Krems- münster, je ein Siemens'scher Läute- inductor nebst Doppeltaster aufgestellt ; dorthin hat sich ein Zugbegleiter des hilfsbedürftigen Zuges zu begeben und unter Anwendung des betreffenden Tasters den hiductor durch Kurbeldrehung in Wirksamkeit zu setzen.

Infolo^e des Umstandes, dass sich in Oesterreich - Ungarn die elektrischen Glockensignale nicht nur als »Annähe- rungssignale«, sondern gleichzeitig als »Hilfssignale von der Strecke« entwickelt hatten [vgl. Seite 61], ist hier das Bedürfnis nach Streckentele- graphen weniger lebhaft zu Tage ge- treten als anderweitig. Bis auf die neueste Zeit, wo das Telephon sich für den Zweck der Nachrichtengebung bei Bahnunfällen so bequem, billig und zweckdienlich heranziehen lässt, sind die Streckentelegraphen keineswegs in her- vorragendem Masse oder allgemein an- gewendet worden, wenn auch die grösse- ren Bahnanstalten in der Regel minde- stens für die Hofzüge mit tragbaren Hilf Stelegraphen versehen sind. Die Idee tragbarer Hilfstelegraphen ist durch William F. G o o k e in Eng- land bereits 1835 entstanden, aber entgegengesetzt dem Entwicklungsgange der elektrischen Telegraphie erst zehn Jahre später in Deutschland, und zwar durch Fadely auf der Taunusbahn zur praktischen Anwendung gelangt. Im selben Jahre noch [1845] erfand E. St Öhr er einen ähnlichen Strecken- apparat, der später auch in Oesterreich versucht wurde. Hier hatte Dr. W^ilhelm G i n 1 1 bereits einen nach seinen Angaben bei E k 1 i n g in Wien ausgeführten Bain- schen Apparatsatz als tragbare Station eingerichtet und im März 1849 auf der nördlichen Staatsbahnlinie mit bestem Er- folge in Betrieb genommen. Fast gleich- zeitig mit Gintl brachte Friedrich Sehn irch in der Zeitschrift des Oesterreichischen In- genieur-Vereins 1849 eine ganz ähnliche Einrichtung in Vorschlag. Auch er hatte die erste Bainform ins Auge gefasst, und der etwas umgestaltete Indicator sollte sammt Stromwender und Batterie in einem Kästchen, nicht grösser als ^o Cubikfuss, untergebracht werden. Weder

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die eine noch die andere Vorrichtung ist zu einer dauernden praktischen Anwen- dung gelangt. Es fehlte sogar in den nächsten Jahren an weiteren einschlägigen Projecten, bis 1863 der Südbahn-Ingenieur Ramsberger bei einem Vortrage im Oesterreichischen Ingenieur- und Archi- tekten-Vereine vorschlug, nach dem Bei- spiel der Braunschweigischen Staatsbahn ein jedes Wächterhaus auf der Strecke mit der auf Ruhestrom geschalteten oder zu schaltenden Morse-Sprechlinie zu ver- binden, und in diese einen unter Siegel- verschluss stehenden Automaten einzu- fügen. Letzterer hätte eine Anzahl Depeschenräder zu erhalten, welche in jedem einzelnen Falle nach dem jeweiligen Bedarf ausgewählt, nach Aufziehung eines Uhrwerkes durch das Niederdrücken eines entsprechend bezeichneten Knopfes oder Bügels in Thätigkeit gesetzt werden sollten. Dieser Vorschlag hat aller- dings in anderer Form, nämlich blos für Signalisirungszwecke [vgl. Seite 67] wenige Jahre später auf vielen öster- reichisch-ungarischen Eisenbahnen Ver- wirklichung gefunden. Wahrscheinlich die ersten tragbaren Telegraphen Morse- schen Systems sind in Oesterreich-Ungarn 1865 von Ferdinand Teirich auf ver- schiedenen Strecken der Oesterreichisch- Ungarischen Staatseisenbahn-Gesellschaft versucht worden ; sie waren bestimmt, in die Glockenlinie eingeschaltet und mit Stromverminderung betrieben zu werden. Im Jahre 1 880 hatte Franz Gattinger für die Kronprinz Rudolfs-Bahn zum Dienste bei Hofzügen oder zur Improvisation einer »Hilfsstation auf der Strecke« eine tragbare Morse-Station eingerichtet, die in einem kleinen Handkoffer unter- gebracht war. Aehnliche Einrichtungen besassen wie bereits früher erwähnt wurde die meisten grösseren Bahnen Oesterreich-Ungarns. Darunter zeichnet sich beispielsweise der von Bechtold für die Nordwestbahn angeordnete Appa- ratsatz dadurch aus, dass einfach ein Morsefarbschreiber ohne Relais verwendet ist, weshalb also auch keine Batterie mitgeführt zu werden braucht. Ebenfalls eigenthümlich ist ein von Moriz Kohn 1878 für die Südbahn eingerichteter trag- barer Apparatsatz, bei welchem das Relais

nur eine Elektromagnetspule hat und demzufolge äusserst wenig Raum er- fordert Der Morseschreiber ist ein ge- wöhnlicher, imd als Ortsbatterie dienen zwei Trockenelemente.

Ständige Strecken- oder Bahnwächter- Telegraphen sind aus dem schon oben angedeuteten Grunde auf österreichisch- ungarischen Eisenbahnen nirgends ein- geführt worden ; doch findet sich hie und da, beispielsweise auf der Kaiser Ferdi- nands-Nordbahn, der Buschtöhrader Eisen - bahn und anderweitig gewissermassen als Ersatz dafür eine eigenthümliche Aus- nützung der Glockenlinien. Diese, zuerst von Anton Schefczik 1 865 getroffene Anordnung besteht im Wesentlichen lediglich aus einem im Kasten jedes Wächterläutewerkes eingebauten Morse- Rheostattaster, der nur durch eine für gewöhnlich versiegelte oder plombirte Thür oder Klappe zugängig ist Mit Hilfe dieses Tasters lassen sich von jedem Strecken Wächterposten aus alle beliebigen Nachrichten an die anstos- senden Stationen telegraphiren ; dagegen ist für den Empfang von Depeschen keine weitere Vorkehrung getroffen, son- dern die richtig erfolgte Uebermittlung der Streckendepesche wird seitens der empfangenden Station blos durch einen Glockenschlag quittirt Eine ähnliche aber etwas weitergehende Einrichtung hatte Moriz Kohn vorübergehend auf der Südbahnstrecke Stuhlweissenburg-Uj- Szöny angewendet, als er daselbst die Doppelbenützung der Glockenlinie mittels ungleich gerichteter Arbeitsströme ver- suchte. [Vgl. Seite 64.]

Der relative Mangel an Streckentele- graphen ist jüngerer Zeit durch die Ver- breitung des elektrischen Tele- phons, das sehr bald nach seinem Auf- tauchen auch seitens der österreichisch- ungarischen Eisenbahnen für den Nach- richtendienst herangezogen wurde, reich- lich wett gemacht

Von den Ungarischen Staatsbahnen im Jahre 1878 mit Bell'schen Telephonen eingeleitete Versuche scheinen die ersten dieser Art gewesen zu sein. Aus einem Berichte, den der Telegraphen- Vorstand der Südbahn, Herr M. Kohn, 1880 in der Gonferenz österreichisch- ungarischer

Signal- und Telegraphenwesen.

Eisenbahnen zu Budapest erstattete, geht femerhervor.dass die Südbahn seit 14. No- vember 1879 eine Femsprechanlage zwischen dem Stationsbureau und dem Heizhause am Bahnhofe Wien versuchs- weise eingerichtet hatte. Hiezu war die alte Drahtleitung der bis zu diesem Zeit- punkte daselbst bestandenen Morse-Tele- graphen -Verbindung benutzt und die beiden Sprechstellen mit einer bei Teirich & Leopolder in Dosenform aus- geführten Abart des Gover-Bell- Telephons ausgerüstet worden. Die Verwendung der Erde als R Uckleitung erwies sich natürlich nicht günstig und machten sich insbesondere die KHngel werke der an gleicher Erde liegenden Signal control- Lei- tungen störend bemerkbar. Eine verwandte Einrichtung hatte die Aussig -Teplitzer Eisenbahn auf dem Rangirbahnhofe in Aussig zwischen ihrem dortigen Filial- Teiegraphenbureau und einer W eichen - wächterhUtte zu Diensten des die Verschie- bungen leitenden Verkehrsbeamten im De- cember 1 88 1 herstellen lassen. Aehnlichen Versuchen folgten sehr bald erweiterte Anwendungen, und bereits auf der Elek- trischen Ausstellung in Wien 1883 konnten mehrere Bahnanstalten, wie die Oesterrei- chisch-üngarischeStaatseisenbahn-Gesell- Schaft, die SUdbahn, die Oesterreichische Xordwestbahn und Andere die graphische Darstellung sowie Einzelbeispiele ganz nennenswerther Haus- und Bahnhofs- Telephonnetze zur Anschauung bringen. Zu dieser Zeit umfassten die Eisen- bahn-Telephonanlagen auf der Aussig- Teplitzer Bahn 8, auf der Kaiser Ferdi- nands-Nordbahn 16, auf den k. ki öster- reichischen Staatsbahnen 8, auf der Lem- berg-Czemo witzer Eisenbahn 13, auf der Oesterreichischen Nordweslbahn 16, auf den Linien der Oesterreichisch-Ungarischen Staatseisenbahn - Gesellschaft 30 und auf derSüdbahn 33 Sprechstellen u. s.w., welche allerdings vorwiegend nur zur Vermittlung einer Verständigung zwischen den ver- schiedenen Geschäftsabtheilungen an Cen- tralstellen, oder zwischen den verschie- denen Dienststellen auf grossen Bahn- höfen dienten. Doch gab es selbst unter den erstenEinrichtungen auch solche, deren Ausnützung in das engere Gebiet des Verkehrsdienstes fallen, sei es, dass

GEKhlchlB dei Elicnbahncn. III.

sie, wie beispielsweise auf der SUdbahn, auf den Ungarischen Staatsbahnen, bei der Oesterreichisch-Ungarischen Staats- eisenbahn - Gesellschaft, als Verständi- gungsmittel zwischen Stationsbeamten und Central weichen- Wächter, oder wie auf mehreren Stationen und Strecken der Kaiser Ferdinands - Nordbahn, der Aussig-Teplitzer Eisenbahn u. s. f. zum Nachrichtenaustausch zwischen Stations- beamten und den weltentfemten Wächter- posten der Bahnhof sein fahrt zu dienen

haben.' Auf der erstgenannten Bahn benützte man Telephone in den Stationen Ostrau und Schönbrunn sowie bei dem zwischen diesen beiden Stationen befind- lichen, die Functionen eines Blockpostens verrichtenden Strecken Wächter Nr. 185 zum Vor- und Kückmelden .der Züge. Mehrere Telegraphen Ingenieure öster- reichisch-ungarischer Eisenbahnen haben auch durch die Construction neuer Appa- ratformen an der Entwicklung des F"em- sprechens directen Antheil genommen. Heinrich Machaiski erdachte l88p ein lautsprechendes Mikrophon, welches bei der im nächsten Jahre abgehaltenen Internationalen elektrischen Aussteilung in Paris und ebenso 1883 in Wien lebhaftes Interesse erweckte. Einen mit Kohlen- walzen - Contacten versehenen Mikro- phonsender, der auf einem Ständer mit

Ludwig Kohlfürst.

Kugelgelenken angebracht wird, um dem Sprechenden gleichzeitig das Empfangen von Depeschen und das Niederschreiben des einlaufenden Textes zu ermöglichen, hat Moriz Kohn [vgl. Abb. 66] fUr die Südbahn construirt, Aehnliche zweck- mässig einstellbare Hörtelephone, welche durch wagrechte und senkrechte Ver- schiebungen auf einer Stange genau ans Ohr des Schreibenden gebracht werden konnten, ohne dass sie erst mit der Hand gehalten zu werden brauchten, hatte

in Wien ausgeführter Linienwähler. Nicht selten werden Telephon -Verbindun- gen auch auf Rangirbahnhöfen für den Nachrichtenaustausch zwischen den Wa- genmeistern oder Vorarbeitern, welche Verschiebungen leiten, sowie den Cen- tralweichenstellem benützt ; in diesen Phal- len sind wohl auch wie z. B. 1881 auf einigen Hauptstationen der Ungarischen Staatsbahnen sogenannte Helmtele- phone, nämlich zwei durch einen Bügel verbundene Hörtelephone, welche der

Moriz Kohn schon ein paar Jahre früher zur Erleichterung des Uebertragungs- dienstes angegeben. In den allerersten Jahren der Verwendung von Telephonen bildete nämlich an Centralsiellen in der Regel das Telegraphenbureau der Direc- tion oder auf den grossen Bahnhöfen das Stationsbureau den Knotenpunkt des be- treffenden Fernsprechnetzes, von wo die eingegangenen Depeschen übertelephonirt, allenfalls auch mittels des Telegraphen an die Adressstellen weiterbefördert wur- den. Später sind kleine Central Umschalter in Gebrauch gekommen, wie beispiels- weise 1888 bei den k. k. österreichi- schen Staatsbahnen, ein von Richard Bauer erdachter, durch Czeija & Nissl

Central weichen- Wächter in entsprechender Lage über seinen Kopf klemmte, vorüber- gehend in Versuch gestanden. Als Ersatz für Betriebs telegraphen haben die Fem- sprecher bekanntlich auf den Secundär- bahnen ein wichtiges Gebiet gewonnen, und derartige Anlagen, bei welchen eine grössere Anzahl Stationen hinterein- ander auf eine Linie geschaltet werden, wurden in Oesterreich- Ungarn zuerst 1882 1883 auf der Linie Caslau-2leb und Chodau - Neudek der Oesterreichi- schen Local-Eisenbahn-Gesellschaft durch La im er eingerichtet. Die genannte Gesellschaft besass im Jahre 1883 be- reits 65 nach dieser Art angeordnete Fernsprechstellen.

Signal- und Telegraphi

Die Femsprecher fanden in Oester- ' reich-Ungam auch als tragbare Hilfssta- | tionen, die den Zügen beigegeben werden, | Anwendung, und da man für diese doch 1 nur zeitweilig eintretende Benutzung des , Telephons keine besonderen Leitungen erbauen mochte, so bestrebte man sich, die betreffenden Apparatsätze so einzurichten, dass sie im Be- darfsfalle in eine der vor- handenen Telegraphen- oder Signalleitungen geschaltet werden konnten, ohne dass auf diesen der normale Be- trieb hiedurch gestört wird. Versuche Über die Ausnütz- barkeit von Telegraphen und Sign all eitun gen wurden u. A. von der k. k. Geniedirection in Prag bereits im Jahre 1882 auf den M orse- Betriebs - Telegraph enlinien und den für die Morse-Correspon- denz mitbenutzten Glocken- linien der a. pr. BuschtS- hrader Eisenbahn mit Sie- mens'schen und Naglo- schen Telephonen [mit Trom- peten-Anrufer] ohne Mikro- phon und ohne Condensa- tor vorgenommen. Dabei hatte sich selbstverständlich ergeben, dass der normale Betrieb der benützten Lei- tungen durch die Einschal- tung der Femsprecher aller- dings nicht die geringste Störung erlitt; dagegen voll- zogen sich die Gesprächs- wechsel nur in der Zeit völ- lig ungestört, in welcher nicht telegraphirt,beziehungs weise signalisirt wurde. Es zeigte sich insbesondere auf den Glockenlinien in auffälliger Weise, dass für die Lautwir- kung der Telephone nicht blos der Gesammtwiderstand des Schliessungskreises, son- dern in erhöhtem Masse jener Lei tungs widerstand massge- bend ist, der sich zwischen Abb.wi. Ltuungs, den beiden Sprechstellen be- """iilgbirem

findet. [Vgl. Elektrotechnische Zeitschrift, 1882, S. 244.] Seit einigen Jahren haben einzelne österreichisch-ungarische Eisen- bahnen ihre Stationen mit je einem Telephonsatz versehen, der von dem dienstthuenden Beamten in die Glockenlinie einzuschal- ten ist, sobald von der Strecke ein Glockensignal einläuft, welches das Liegen- bleiben eines Zuges anzeigt, beziehungsweise eine Hilfs- maschine verlangt ; denn auch der Zugführer des betreffen- den Zuges ist angewiesen, nach Abgabe der Signale den als Zugsausrüstung mitge- führten oder einen beim Wächterposten vorhandenen Telephonsatz in die soeben benützte Glockenlinie einzu- schalten und mit Hilfe des- selben nähere Meldung über den Vorfall nach der Station gelangen zu lassen. Um die von den Zügen mitgeführten Telephone möglichst leicht in Dienst stellen zu können, sind in den Wächterhäusem an den Läutewerken beson- dere Einschalt - Vorrichtun- gen vorgesehen. Solche An- ordnungen werden beispiels- weise seit i88g von Decken & Homolka, Wien, ausge- führt. Bei den k. k. österrei- chischen Staatsbahnen wur- den aber schon in der zwei- ten Hälfte der Achtziger- [ahre durch J. Krämer nach der Van Rysselbergh 'sehen Idee Versuche angestellt, vor- handene Telegraphen- oder Signalleitungen zum Fern- sprechen derart mitzube- nutzen, dass weder auf den gewöhnlichen Telegraphen- oder Signalbetrieb eine nach- theilige Rückwirkung geübt, noch dass umgekehrt die telephoniscbe Verständigung durch gleichzeitiges Telegra- nsciiiuM In Dam- phircu odcr Signahsiren ge- [■"icphcn."" * stört werde. Aehnliche aus

ii6

Ludwijr Kohlfürst.

derselben Zeit stammende Bestrebungen F. Gattinger's schlössen bereits 1890 mit so vorzüglichen Ergebnissen ab, dass mit der Einführung tragbarer Hilfstele- phone [vgl. Abb. 67 und 68] bei den Zü- gen der Hauptlinien der österreichischen Staatsbahnen begonnen werden konnte. Diese Gattinger'schen Apparate werden selbstverständlich nicht unmittelbar, son- dern durch Vermittlung eines Conden- sators an die Leitung geschlossen, so dass die telephonische Zeichengebung zwischen zwei derartigen Sprechstellen in bekannter Weise mit Zuhilfenahme von Ladeströmen bewirkt wird.

Sämmtliche Theile eines solchen Apparatsatzes, bestehend aus einem Mikro- phon nebst einem kleinen Ruhmkorff- schen Inductor mit Neff schem Hammer, einem Ruftaster und zwei Hörtelephoiien, von denen das eine gleichzeitig als Anruf- telephon dient, befindet sich im vor- deren Theile eines an Schulterriemen leicht tragbaren Holzkästchens, in dessen übrigem Räume nur noch die aus drei oder vier Trockenelementen bestehende Mikrophonbatterie unterbracht ist. [Vgl. H. Witz, Elektrotechnische Zeitschrift 1893.] Derlei Gattinger'sche Telephon- Einrichtungen sind an Stelle von Stre- ckentelegraphen und tragbaren Hilfstele- graphen bei den k. k. österreichischen Staatsbahnen, ferner seit 1892 auch bei der Oesterreichisch-Ungarischen Staats- eisenbahn-Gesellschaft und der Kaschau- Oderberger Bahn, seit 1 893 auf der Kaiser Ferdinands-Nordbahn, seit 1894 auf den Ungarischen Staatsbahnen u. s. w. ein- geführt. Uebrigens haben sich auch ständige Strecken-Telephonanlagen viel- fach eingebürgert. In dieser Richtung machte H. Machaiski schon gele- gentlich eines am 20. Mai 1880 im Lem- berger polytechnischen Verein gehaltenen Vortrages den Vorschlag, die öster- reichisch-ungarischen Eisenbahnen sollten die Glockensignale auf drei oder vier vermindern und die sonstigen von der Strecke an die Stationen abzugebenden Mittheilungen mittels Telephon durch- führen. Zu einer solchen Signalreduc- tion ist es allerdings nicht gekommen, doch ist die Errichtung von ständigen Streckentelephonen seitens mehrerer

Bahnen grundsätzlich angenommen wor- den, wie beispielsweise von der Aussig- Teplitzer Eisenbahn, die 39 solche Tele- phonlinien besitzt, in welchen i'34 Sprechstellen im Betriebe stehen. Die interessanteste aller in Oesterreich-Ungarn bestehender solcher Femsprechanlagen ist jedoch jene, welche den bis zu einer Seehöhe von 13 12 tn ansteigen- den, 10.240 tn langen Arlberg-Tunnel durchzieht und daselbst die beiden angrenzenden Stationen Langen und St. Anton mit den beiden Portal- wächtem sowie mit neun in Tunnelnischen aufgestellten Femsprechposten verbindet. Die Instandhaltung dieser am 7. Januar 1888 in Dienst gestellten Einrichtung bie- tet in Anbetracht der mannigfachen zer- störenden Einflüsse, denen sie im Tunnel ausgesetzt ist, ausserordentliche Schwierig- keiten, und man hatte deshalb eine ganz ausserge wohnliche Vorsicht bei der Wahl des Materials und hinsichtlich der Aus- führung der Apparate aufwenden müssen. Obwohl in dieser Richtung, soweit die Erfahrungen damals reichten, Alles aufgeboten war, machten sich nach fünf Jahren die örtlichen Verhältnisse doch schon lebhaft geltend, so dass zu einer Auswechslung der Apparate ge- schritten wurde, wobei die bis dahin an Ort und Stelle gewonnenen Erfahrungen sorglichste Verwerthung fanden. [Vgl. O. Wehr, Oesterreichische Eisenbahn- zeitung vom 15. April 1895.] Diese für den Tunnel verkehr äusserst zweckdien- liche Einrichtung erweist sich, seitdem auch im Jahre 1894 die ursprünglich frei- liegenden, vom Sickerwasser und durch Vereisungen stark mitgenommenen Blei- kabelleitungen gegen eisengepanzerte , versenkte Bleikabel ausgewechselt wur- den, als vollständig tadellos und ange- messen widerstandskräftig.

So ergab sich denn im Gebiete des Signal- und Telegraphenwesens imserer Eisenbahnen aus äusserst bescheidenen Anfängen heraus im Verlaufe eines hal- ben Jahrhunderts eine stete, reiche Ent- wickelung, die einerseits der Erstarkung

Signal- und Telegraphenwesen.

des Verkehrs als natürliches Aequivalent j entsprang, andererseits durch eine Fülle ' von Hilfsmitteln Förderung fand, die i immer und zur rechten Zeit entdeckt oder erdacht wurden, wenn es galt, den von j der Verkehrs Steigerung geschaffenen Be- dürfnissen Rechnung zu tragen. Diese Fortbildung ist noch im vollen Zuge und 1 erst in den allerjüngsten Tagen gewisser- | massen wieder in eine neue Phase ge- 1 treten, indem das österreichische Eisen- : bahn- Ministerium sich im März 1898 für ' die grundsätzliche Einführung der Zugs- ]

deckung nach Raumintervallen [vgl. Seite 85] entschieden und ange- ordnet hat, dass dieses System auf den verkehrsreichsten Linien des österreichi- schen Staatsbahnnetzes vom i, Mai 1898 an und auf den übrigen Staatshahn- strecken spätestens vom I. Mai 1899 an obligatorisch durchgeführt werde. Zu- gleich wurde dieses System der Zugs- folge auch den Österreichischen Privat- hahnen zur Einführung empfohlen und denselben die eheste Beschlussfassung hierüber zur Pflicht gemacht.

Tarif Wesen.

A. Personen-Tarife.

Von

Theodor Englisch,

Ober^Inspector der österreichischen Staatsbahnen im k. k. Eisenbahn-Ministerium.

■*- ' wo]

?) wohl, Freunde, Ihr werdet die Zeit noch erleben was mir wohl kaum beschieden ist wann die Eisenbahnen in diesem Lande den Sieg über die anderen Beförderungs- mittel davontragen werden, wann die Post auf Eisenbahnen angewiesen ist und die Schienen die grosse Heeresstrasse für Könige wie Unterthanen sein werden. Ich sehe die Zeit kommen, in welcher der Arbeiter bilhger mit der Bahn als zu Fusse reist. Ich weiss, dass noch grosse Schwierigkeiten zu überwinden sind, aber sie werden beseitigt, so wahr Ihr lebt. Gerne möchte auch ich diese Zeit noch erleben, aber das wage ich kaum zu hoffen, denn ich weiss, wie langsam alle menschlichen Fort- schritte stattfinden und mit welchen Schwierigkeiten ich zu kämpfen hatte, die Locomotive zur Anerkennung zu bringen, trotz zehnjähriger erfolgreicher Versuche in Killingworth.» Diese prophetischen Worte Georg Stephenson's scheinen geeignet, an die Spitze eines die Entwicklung des Personen- Tarif wesens behandelnden Ab- schnittes gestellt zu werden.

Weit zurück hinter das Datum des ersten Spatenstiches für den ersten Eisen- schienenweg in O esterreich -Ungarn, die Linz-Bud weiser Pferdebahn , deren Er- bauung in die Jahre 1825 1S32 fällt, datirt die Frage des Tarifes für die Per- sonen-Beförderung. Der erste für die Öffent- liche Personen - Beförderung bestimmte

Miethwagen hat wohl Veranlassung dazu gegeben, und mit dem Wachsen der Zahl und der Verbesserung dieser Be- förderungsmitte! hat auch schon der Tarifkampf, die Concurrenz, begonnen, und dieser spinnt sich im Strassenver- kehr ebenso fort wie im Eisenbahnver- kehr, welch letzterer dem ersteren gegen- über als der Grossverkehr zu betrachten ist. Es wäre müssig, die Tariffrage bis zu dem erwähnten Zeitpunkte zurück auf- rollen zu wollen, gleichwohl scheint es aber angezeigt, bei den Verkehrs Verhältnissen etwas zu verweilen, welche in der der Eisen bahnzeit j üngstvorangegangenen Zeit bestanden, weil bei unseren Betrachtun- gen nicht unberücksichtigt bleiben kann, dass die früheren Beförderungsmittel, Postwagen und Dampfschiffe, noch heuti- gen Tages in manchen Relationen mit und neben den Eisenbahnen den Verkehr bedienen. Es drängt auch zu einem Rückblick in die noch eisenbahnlose Zeit umsomehr, als die österreichischen Eisen- bahnen zu den ersten des Continentes gehören, daher andere Anlehnungspunkte für ihre Tarifstellung, als die in den von ihren Linien durchzogenen Gebieten bestehenden VerkehrsverJiältnisse nicht gefunden werden konnten. Dieser Rück- bhck zeigt sowohl in Oesterreich-Ungarn als auch ausserhalb dessen Grenzen einen gut organisirten und weitverzweigten Post- wagen verkehr sowie auch einen ziem- lich ausgebildeten P er sonen- Betbrd erungs- dienst auf einigen Flüssen, namentlich

122

Theodor Englisch.

der Donau und der Elbe, welch erstere unterhalb Wiens schon im Anfang der Dreissiger-Jahre mit Dampfschiifen be- fahren wurde.

Es ist umso näherliegend, dass die ersten Eisenbahn-Unternehmungen, und zwar sowohl die Pferde-Eisenbahnen, wie auch die Dampfbahnen, bei Erstellung ihrer Tarife die Tarife der bestehenden Be- förderungsmittel zum Vorbild nahmen, als bei Ertheilung der Concessionen, be- ziehungsweise Privilegien für diese Bahnen die vollste Tariffreiheit gewahrt wurde. Eine Vergegenwärtigung der früheren Per- sonen-Beförderungs-Verhältnisse ist aber auch geeignet, die Errungenschaften des

modernen Transportwesens in ihrer gan- zen Grossartigkeit zu zeigen und vor Augen zu führen, welche Schwierigkeiten die Frage der Tarifbildung den vor ganz neuen Verhältnissen stehenden Unter- nehmern der ersten Schienenstränge be- reitet haben mag.

Um nun einen Vergleich zwischen den gegenwärtigen und den früheren Tarif- und Verkehrsverhältnissen zu er- möglichen, seien nachstehende, dem »All- gemeinen österreichischen oder neuesten Wiener Secretär vom Jahre 1829c ent- nommene Posttarifsät?:e und Postverbin- dungen nebst einigen der wichtigsten Tarif bestimmungen angeführt :

Post-Tarif für Reisende.

Gegenstände

Betrag

C.-M.*)

i fl. kr.

genstände

Betrag

C.-M.»j

fl. kr.

Reisende, welche sich des k. k.

ordinären Postwagens bedienen,

haben zu bezahlen, und zwar für

eine einfache Station

/. In Niederösterreich, Oesterreich ob der Enns, Böhmen^ Mähren und Schlesien, Steiermark, htrien:

a) für einen Sitz im Innern des Wagens

b) für einen Sitz am Vordertheile des Wagens

c) für ein Kind, welches zwischen zweiPersonen Raum zum Sitzen findet

d) für ein Kind, welches auf den Schoss genommen wird . . .

//. In Ungarn und Siebenbürgen :

a) für einen Sitz im Innern des Wagens

b) für einen Sitz am Vordertheile des Wagens

c) für ein Kind, welches zwischen zweiPersonen Raum zum Sitzen findet

d) für ein Kind, welches auf den Schoss genommen wird . . .

///. In Tirol:

a) für einen Sitz im Innern des Wagens

37 28

IG

8

30 25

8 6

40

b) für einen Sitz am Vordertheile des Wagens

c) für ein Kind, welches zwischen zwei Personen Raum zum Sitzen findet

d) für ein Kind, welches auf den Schoss genommen wird . . .

IV, Im Küstenland:

a) für einen Sitz im Innern des Wagens

b) für einen Sitz am Vordertheile des Wagens

c) für ein Kind, welches zwischen zwei Personen Raum zum Sitzen findet

d) für ein Kind, welches auf den Schoss genommen wird . . .

V. Bei den Postwagenfahrten von Lemberg nach Brody:

a) für einen Sitz im Innern des Wagens

b) für einen Sitz am Vordertheil des Waeens

c) für ein Kind, welches zwischen zwei Personen Raum zum Sitzen findet

d) für ein Kind, welches auf den Schoss genommen wird . . .

30

10

8

32 I 24

I

' 8 7

24 18

6

5

*) I Gulden C.-M. ist gleich 105 Kreuzer österreichischer Währung.

Personen-Tarife.

123

Besondere Anmerkungen:

Wenn Reisende mit dem Brancard- Wagen befördert werden, so haben sie die für einen äusseren Sitz des Postwagens festgesetzte Gebühr zu entrichten.

Die mit dem gewöhnlichen Postwagen Reisenden haben in allen Provinzen, ohne Unterschied, dem Postillon für jede ein- fache Station als Trinkgeld 3 Kreuzer auf die Hand zu bezahlen.

Bei den Eil- und deren Separat- fahrten ist bei Bestellung eines Platzes zu entrichten:

1

Von Wien nach

cd rt 0

•5 ^U

für einen

unbedeckten

Platz

im Separat- Wagen

1 i

1

Betrag in Conventionsmünze

fl. kr

fl. kr.'

1

fl^ kr.

1 Prag, und zwar sowohl auf der

1

!

1

1 Route über Iglau

L 1

als auch über

.

Wittingau, Wes- sely und Taboi

17

1 55

9

1 12

20

Brunn ....

7

46

3

58

9

2

1 Lemberg

. 42

58

46

52

j Graz

II

IG

13

Triest .

. 30

14

33

32

[ Ofen .

. 13

52

14 1 47 1

Salzburg .

17

34

München

. 25

211

Venedig .

. 35

56|

1

40

17

Bestimmungen :

»Reisende, die sich des gewöhnlichen k. k. Postwagens oder der Eilwägen bedienen, haben sich mit einem Erlaubnis- scheine von der k. k. Polizei-Oberdirection zu versehen und einige Tage vor der Abfahrt des Wagens bei der Expedition der k. k. fahrenden Post zu melden, wonach sie gegen die Entrichtung der tarifmässi- gen Gebühren aufgenommen werden und einen gedruckten Vormerkschein erhalten, den sie wohl aufzubewahren haben, nach- dem ihnen nach vollendeter Reise nur gegen Rückgabe desselben die mitge- führte und hierauf specificirte Bagage ausgefolgt werden könnte. Uebrigens

müssen alle Stücke, welche zur Bagage gehören, mit einer Adresse versehen sein und in der bestimmten Zeit zur Aufgabe in das Amt geschafft werden.

Reisende, die sich der fahrenden Post bedienen, haben für die Sicherheit ihrer Bagage selbst zu wachen, ausgenommen, wenn sie dieselbe wie andere Sendungen aufgeben und das Porto dafür bezahlen. «

Anmerkung:

»Es besteht bei den Eilpostämtem die Einrichtung, dass, wenn sich Jemand zur Reise mittels des Eilwagens meldet und im Hauptwagen kein Platz mehr vor- handen wäre, der Passagier für eine Bei- Calesche oder einen Separatwagen in Vormerkung genommen oder auch gleich eingeschrieben wird, wenn er die Gebühr für den ganzen Wagen erlegt [im Falle nämlich nicht schon mehrere Passagiere vorgemerkt sein sollten und bezahlt hätten]. Ergibt sich nun eine Separatfahrt, zu welcher die eigentliche Anzahl der Passa- giere nicht vorhanden ist, so müssen die Reisenden, wenn die Fahrt vor sich gehen soll, die darnach entfallende höhere Gebühr entrichten oder sich dieserwegen unter- einander ausgleichen.«

»Für Extraposten kommt zu be- rechnen in Gestenreich ob und unter der Enns, Böhmen, Mähren, Schlesien und Steiermark :

an Rittgeld . 56 kr. C.-M. pro Meile

» Trinkgeld 12 » »

für eine halbge- deckte Post- Chaise . . 28 » » » Schmiergeld 8 » » »

und an Wartegeld pro Pferd und Tag 28 kr. C.-M.«

Die Tarifsätze für Extrafahrten vari- irten analog den Einzelfahrpreisen in den verschiedenen Kronländern.

Neben der Post hatte sich auch eine Personen-Beförderung mit Stell- und Ge- sellschaftswagen herausgebildet, indem die Stellwageninhaber mehrerer Provinzen eine gegenseitige ununterbrochene Ver- bindung eingingen und regelmässige Fahrten mit einer der Eilpost gleichkom- menden Schnelligkeit einleiteten.

124

Theodor Englisch.

Für die diese Wagen benützenden Personen galten die gleichen Passvor- schriften wie für die Post.

Ueber den Verkehr der Eilwagen und die Zeitdauer gibt nachstehende Tabelle Aufschluss.

Auf der Donau verkehrten schon in der ersten Hälfte des achtzehnten Jahr- hunderts regelmässig Schüfe von Ulm nach Wien, für Passagiere und Waaren, welche die circa loo Meilen in acht bis zehn Tagen zurücklegten.. Reiche Leute bedienten sich sogenannter Extraschüfe, welche die Reise von Ulm nach Wien in sechs Tagen zu Ende brachten, weil sie nicht so oft anlegten wie die Ordinari- Schiffe dies zu thun gezwimgen waren.

In das Jahr 1830 fällt die erste Dampf- schiffahrt zwischen Wien und Budapest, welche 14Y2 Stunden in Anspruch nahm. 1837 wurde die Dampfschiffahrt auf der oberen Donau zwischen Wien und Linz, dann das folgende Jahr zwischen Linz und Regensburg eröffnet. 1838 wurde

das erste Mal die Donaumündung mit Con- stantinopel in Verbindung gesetzt und hatte auch in diesem Jahre zum ersten Male ein Donaudampfer die »fbrdersame Ehre« , einen türkischen Kaiser unter seinen Passagieren zu zählen. Sultan Mahmud reiste auf der unteren Donau.

Für directe Verbindungen bis nach Cons tantin opel vereinigten sich dieDonau- Dampfschüfahrts - Gesellschaft mit dem österreichischen Lloyd. 1846 war das Jahr, in dem zum ersten Male die Dampfschiffe glücklich über das seit uralten Zeiten so gefürchtete Eiserne Thor unterhalb Orsova hinausgingen.

Dass bei Erschwernissen, wie sie in den vorstehenden Bestimmungen hinsichtlich der Erlangung eines Postfahrscheines, be- ziehungsweise eines Postwagenplatzes ent- haltenwaren, dann bei der äusserst strengen Handhabung der damaligen complicirten Passvorschriften das Reisen auf das AUer- nothwendigste sich beschränkte, bedarf kaum einer Erwähnung. Bedurfte man

Abfahrt und Zuriickkunft der Eilwagen in Wien.

Der Eil wagen

fährt ab von

kommt an in

Dauer

der Reise- Stunden

Wien nach Brunn am Dienstag\ ^ , , ,„

. Samstag] ^'^'^ ^ "''^ Brunn nach Wien am Dienstag\ ^ , , ^„ . Freitag ) ^"^^ ^ Uhr

Wien nach Lemberg am Mittwoch Abends um 9*/« Uhr

Lemberg nach Wien am Freitag Abends um 7 Uhr

Wien nach Venedig am Dienstag Abends um 10 Uhr

Wien nach Prag über Iglau Samstag Abends um 10 Uhr

Prag nach Dresden Montag Abends um 6 Uhr

Dresden nach Berlin Dienstag Abends um 6 Uhr

Wien nach Berlin Samstag Abends um 10 Uhr

Brunn am nämlichen Tage längstens um 9 Uhr Abends

Wien am nämlichen Tage längstens um 9 Uhr Abends

Lemberg am Sonntag Abends um 10— II Uhr

Wien am Mittwoch Früh um 6—7 Uhr

Venedig am Samstag Früh um 7—8 Uhr

Prag am Montag Früh um II 12 Uhr

Dresden am Dienstag Nachmittags um 2—3 Uhr

Berlin am Mittwoch Abends um 8—9 Uhr

Berlin am Mittwoch Abends um 8—9 Uhr

14-15

96-97

84-85

37-38 20—21 25-26

94—95

Personen «Tarife.

125

doch zu einer Reise von Wien nach Brunn zweier Pässe, von denen der eine, der Linienpass, die Passirung des städti- schen Steuerrayons ermöglichte, der andere als weiteres Reisedocument diente. Aber abgesehen davon war das Reisen auch äusserst zeitraubend imd kostspielig; musste man doch z. B. bei einer Reise von Wien nach Lemberg dreimal über- nachten. Da nun speciell eine Aenderung der die Reiselust hemmenden Passvor- schriften zu Anfang der Eisenbahnära nicht in sichere Aussicht genommen werden konnte, war an eine bedeutende Entwick- lung des Personenverkehrs nicht wohl zu denken. EineErleichtenmg in den Pass Vor- schriften ist auch erst gegen Ende des Jahres 1 84 1 in der Richtung zu verzeichnen, dass zu Reisen nach Stockerau und Wiener- Neustadt Passirscheine nicht mehr er- forderlich waren, und dass zur Bequem- lichkeit des Publicums von Wien bei Reisen über die genannten zwei Stationen hinaus Passirscheine für die Hin- und Rückfahrt mit achttägiger Giltigkeit ausgefolgt wurden. Das Jahr 1857 brachte endlich die Aufhebung des Passzwanges im Innern des Reiches und die Beschränkung des- selben auf Reisen über die Grenze, für welch letztere Reisen dann im Jahre 1865 der Passzwang fiel.

Immerhin durfte zwar erwartet werden, dass die schnellere Bahnbeförderung zu vermehrten Reisen Anlass gebe, aber es fehlten alle Anhaltspunkte für eine an- nähernde Bezifferung des zu erhoffenden Verkehres. Diese Unkenntnis des Kom- menden erklärt wohl am deutlichsten die nachstehende, der anlässlich des 50jährigen Jubiläums der Kaiser Ferdinands-Nord- bahn herausgegebenen Jubiläumsschrift entnommene, den Personentransport be- treffende Stelle. Dieselbe lautet:

»Was den Personentransport anbe- langt, so wurde nur auf eine als ein Minimum angesehene Frequenzziffer von 40.ocx> Reisenden jährlich in beiden Richtungen gerechnet, jedoch von der bei den ersten Bahnanlagen anderer Länder zu Tage getretenen, förmlich als volkswirthschaftliches Gesetz aufge- fassten Thatsache ausgehend, dass auf Eisenbahnen zwischen volksreichen Städten jährlich soviele Passagiere reisen.

als die anwohnende Bevölkerung Seelen nachweist, ein weit lebhaftererAufschwung des Verkehres in Aussicht genommen. Der Prospect spricht bezüglich des zu erhoffenden Personentransportes die da- mals in den Westländem Europas allge- mein verbreitete Ansicht aus, dass die Personen-Beförderung voraussichtlich der wichtigste und erträgnisreichste Gegen- stand des Bahngeschäftes werden dürfte, eine Täuschung insofeme, als eben der Frachtentransport sich in einer nicht vorauszusehenden Weise entwickelte und wenigstens bei uns in Oesterreich- Ungam bis heute das ausschlaggebende Moment im Eisenbahngeschäfte geblieben ist.«

Die in dieser Ausführung zum Aus- druck gebrachte Ansicht, dass der Per- sonenverkehr der wichtigste und erträgnis- reichste Theil des Bahngeschäftes werden dürfte, hat sich wohl in den ersten Jahren des Eisenbahnwesens, und zwar nicht nur bei der Kaiser Ferdinands-Nordbahn, sondern auch hinsichtlich anderer Bahnen bestätigt, und zwar insolange, als für den Frachtentransport nicht grosse Transport- strecken eröffnet waren. Als Beleg hiefÜr mögen die nachstehenden, dem Werke »Die Eisenbahnen Deutschlands, von Frei- herm Friedrich Wilhelm von Reden, 1846«, entnommenen Daten dienen.

Das Studium der Entwicklung des Personen-Tarifwesens in Oesterreich zeigt sofort zwei streng begrenzte Perioden. Die erste umfasst die Zeit vom Beginn des Eisenbahnwesens bis zum Erscheinen des Eisenbahn-Concessions-Gesetzes vom Jahre 1854; die zweite Periode umfasst die spätere Zeit bis in die Gegenwart. In letzterem Zeitabschnitte sind jedoch wieder prägnant hervortretende Wand- lungen im Tarifwesen erkennbar, die mehr oder weniger mit dem Verwaltungssystem der Bahnen [Staats- oder Privatbetrieb] zusammenhängen und in den folgenden Ausführungen näher beleuchtet werden.

Nach den bis zum Jahre 1841 er- lassenen Vorschriften für die Eisenbahnen in Oesterreich war bezüglich derTarifirung bestimmt :

»Die Unternehmung erhält das aus- schliessende Recht, auf ihrer Bahn Per- sonen und Sachen aller Art mit Zugvieh

126

Theodor Englisch.

Vergleichung der Einnahmen aus

0)

aus den Einnahmen entfielen II

•g

auf

öS

"'

1 u

1

4-*

1

1

Bezeichnung der Bahn und Zeitangabe

Länge ^ifneten ,

:n-Verke

haier

Gesamm ahmen*)

Liter-,

Equipage

rkehr

haier

Gesamm ahmen*)

0)

0

öl

Ö-;JH

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0)

'^W

km

0)

>

0

0

/. Kaiser Ferdinands- Nordbahn

vom I. November 1839 bis 30. October 1840

151

282.185

68-5

126.087

306

vom I. November 1840 bis 30. October 1841

227

350.539

600

223.141

38-2

vom I. November 1841 bis 30. October 1842

318

601.039

59*6

401.737

396

1843

318

; 582,782

537

494.567

45*6

1844

318

1

610.191

52-5

5173"

44*4

2. Wien-Gloggnitzer Eisenbahn

1 1

1

vom 16. Mai 1841 bis 30. Juni 1842

45

1 445.859

89-5

35.125

7-6

vom I. Juli 1842 bis 31. December 1842

45

; 249.392

810

49.302

161

1843

45

434.594

726

131 630

220

1844

45

448.900

70-9

151.937

240

5. Berlin- Potsdamer Eisenbahn,

1839

26

178.108

941

4.603

24

1840

26

175-630

92

12.467

6-5

1841

26

1

157.958

903

13.092

7-5

1842

26

145.502

890

12.865

7.9

1843

; 26 ,

156.386

87-3

17.750

99

1844

26

1

163.654

85'9

17.823

9*4

4. Berlin- Anhalter Eisenbahn.

1842

151

378.452

69-5

151.278

27-8

1843

151

! 422973

60-9

261.009

376

1844

151

1

462.249

1

67-9

211.304

310

5. Magdeburg-Leipziger Eisenbahn.

1

1

1

1841

113

272.161

64-3

140.340

33-2

1842

113

314.529

600

204686

391

1843

113

355.486

531

303851

447

1844

113

365.160

537

299.270

440

6. Magdeburg-Halberstädter Eisenbahn

vom 16. Juli 1843 bis 31. December 1843

59

45.834

82-0

9.861

17-6

1844

59

92.786

68-1

40.435

302

7. Berlin- Frankfurter Eisenbahn

vom 23. October 1842 bis 31. December 1843

75

253262

744

79.471

23-9

1844

75 sonstij

215.201

ye Einnah

70-4 men.

84967

278

*) Die zu 100 fehlenden Procente kamen auf

Personen-Taril

fe.

.

127

dem Personen- und Güter -Verkehr,

0

aus den Einnahmen entfielen 1 auf 1

Bezeichnung der Bahn und Zeitangabe

^ Länge dei s eröffneten Str

1 1

Personen- Verkehr

Thaler

1 6s-

cd (U

Vi c

»- 5 0^

Güter-,

; Vieh-, Eauipagen-

Verkenr

' Thaler

1

*•*

CO V

SS

^ s

0 0^

8. Düsseldorf-Eiberfelder Eisenhahn,

1

r 1

1842

26

99.471

750

23751

17-9

1843

26

93.159

608

52959

34*6

1844

26

94.344

57-3

62.332

37-8

p. Rheinische Eisenhahn.

1842

68

' 216.149

8o-6

49-945

188

1843

87

1 216.525

66-4

108232

331

1844

87

1

284.678

52*5

245.235

45-2

10. Leipzig-Dresdener Eisenhahn,

1840

117

303 739

639

141.849

294

1841

117

; 314899

606

165.941

32-0

1842

117

322.471

58-2

191.277

34-5

1843

117

1 338.463

560

201.365

333

1844

117

354.001

577

201.835

329

//. Sächsisch-Bayerische Eisenhahn

1

1

vom 19. September bis 31. December 1842

39

22.858

906

2.381

94

1843

39

87.684

72-3

33257

27-2

1844

68

1

116.634

675

54017

31*3

12. Hamburg- Bergedorf er Eisenbahn

1

1

1

vom 16. Mai bis 31. December 1842

16

36898

98-6

79

0*2

1843

16

44.033

! 930

2.141

4'5

1844

1 16

38.547

89-6

3.492

81

75. Taunus -Eisenbahn,

1

1

1843

44

, 226.491

920

15.350

6-2

1844

44

1

228.512

i

910

1

17.526

71

1 14. München- Augsburger Eisenbahn

i

U vom I. October 1840 bis 30. September 1841

1 61

126.098

, 819

19.761

12-8

1 vom I. October 1841 bis 30. September 1842

61

113 887

736

32.504

21-0

II vom I. October 1842 bis 30. September 1843

61

119.846

i 68-2

51-508

293

H vom 1. October 1843 bis 30 September 1844

, 61

n6 459

722

1

36430

22-6

•) Die zu IOC fehlenden Procente kamen aui

' sonst]

ige Einnal

imen.

128

Theodor Englisch.

oder anderer Kraft zu transportiren und die Preise nach Umständen festzusetzen, doch ist der diesfällige Preistarif öffentlich kund zu machen, und es bleibt der Staats- verwaltung vorbehalten, dann, wenn die reinen Erträgnisse 15^0 der Einlagen überschreiten, auf eine billige Herab- setzung der Preise einzuwirken.«

Dieses freie Tarifirungsrecht war auch hinsichtlich der Militärtransporte den Ver- waltungen voll gewahrt, es war bezüg- lich dieser Transporte nur bestimmt:

»Wenn die Militärverwaltung zur Be- förderung von Truppen oder Militäreffecten von der Eisenbahn Gebrauch zu machen wünscht, so sind die Unternehmer ver- pflichtet, derselben hiezu alle zum Trans- porte dienlichen Mittel gegen Vergütung der sonst allgemein für Private bestehen- den Tarifpreise sogleich zur Verfügung zu stellen.«

Personentarife,

Der erste Eisenbahn-Personentarif in Oesterreich- Ungarn ist derjenige der im Jahre 1828 von Budweis bis Kerschbaum und 1832 von Kerschbaum bis Linz er- öffneten Linz-Budweiser Pferde- bahn.

Auszugsweise sind nachstehend der Personentarif dieser Bahn und der im

Jahre 1836 eröffneten Linz-Gmundener Pferdebahn [umgerechnet in österreichi- sche Währung] nebst den Fahrzeiten angegeben. Gleichzeitig erscheinen die auf diesen nunmehr für den Locomotiv- betrieb umgewandelten Bahnen im Jahre 1897 giltigen Fahrpreise und die in Be- tracht kommenden durchschnittlichen Fahr- zeiten gegenübergestellt.

Die Grundtaxen auf den beiden Pferde- bahnen Budweis-Linz und Linz-Gmunden, welche den Fahrpreisen zur Basis dienten, waren sehr verschieden, auf ersterer 7 und auf letzterer 5 Yg Kreuzer C.-M. pro Meile, circa i*6, beziehungsweise 1*3 Kreuzer ö. W. pro Kilometer II. Classe und das I Ysfache für I. Classe. Die III. Classe war circa um ein Drittel billiger als die II. Classe. Fahrkarten III. Classe gelangten nur bei bestimmten Localzügen in der Strecke Linz - Lest [40 km] zur Ausgabe. Kinder unter zehn Jahren zahlten die halbe Ge- bühr.

Mit dem Zeitpunkte der Eröffnung der Anschlussstrecken der Kaiserin Elisabeth- Bahn [1861] gelangten auf der Budweis- Linzer und Linz-Gmundener Pferdebahn die Personentarife der Kaiserin Elisabeth- Bahn zur Anwendung.

Wenn auch die Linz-Budweiser und Linz-Gmundener Pferdebahnen für die Be- völkerung nicht die rasche Beförderung

Tarif für den Personentransport.

1836

1897

1

1

c

3

Pferdebahn

Locomotivbahn 1

Preise der

I

II

in.

Stationen i

1

entfern

Dauer

der Fahrt

Plätze im Stellwapen

Dauer

der Fahrt

Classe

I. 1 II.

1

Cl

asse

1

Std. Min.

Guldenö.W.!

Std.

|Min.

Gulden ö.

W.

1 via Budweis— Kerschbaum

64

7

15

158

ro5

M^M*

1 1

1

1

» » —Lest

1

87

9

45

210

1-40

2

20

1

306

1-84 I 02 1

» » —Linz !

127

13

50

3-15

2 10

4

IG

4-27

298

1-66

i * Linz— Wels

30

2

30

053

0-35

45

115

069

038

» » Lambach

44 '

3

45

0-49 : 0"53 '

I

15

1-53 092

051

» » Ginunden 1

1

69

5 30 1

1

1-40 1 0-88

1

^

1

2-68 1 i-6i

1 1

089

Personen-Tarife.

129

einer Locomotiv - Eisenbahn brachten, boten sie doch gegenüber den anderen Fuhrwerken schon eine wesentliche Ver- besserung, die Frequenz hob sich auch von Jahr zu Jahr und betrug beispiels- weise im Jahre 1836 auf der Budweiser Bahn 3968, auf der Gmundener Bahn 74.759 und im Jahre 1844 15-773, beziehungsweise 133.977 Personen.

Kaiser Ferdinands-Nordbahn, Am Dreikönigstage [6. Januar] 1838 verkehrte der erste Personenzug mit Dampfbetrieb auf österreichischem Boden in der Strecke Wien-Wagram.

Die diesbezüglich erschienene, den Per- sonenverkehr betreifende Kundmachung der Kaiser Ferdinands - Nordbahn vom 29. December 1837 lautete wie folgt:

T^Ausschliess, priviL Kaiser Ferdinands-Nordbahn,^

»Bis auf weitere Verfügung werden vom 6. Januar 1838 angefangen auf der

bereits fahrbaren Strecke der Eisenbahn von ungefähr 2^1^ deutschen Meilen unter

folgenden Bestimmungen Lustfahrten vom Prater bis Deutschwagram Statt finden.

An Wochentagen werden täglich zwei Fahrten hin und zurück gemacht, und zwar:

I. Vormittag um 11 Uhr von Wien nach Wagram um 12^/2 Uhr Mittag von

Wagram nach Wien. II. Nachmittag um 1^2 Uhr von Wien nach Wagram um 3 Uhr Nachmittag von Wagram nach Wien. An Sonn- und Feyertagen werden immer drei Fahrten Statt finden, und zwar: I. Vormittag um 9V2 Uhr von Wien nach Wagram um 11 Uhr Vormittag von

Wagram nach Wien. II. Mittag um 12 Uhr von Wien nach Wagram um 1^2 Uhr Nachmittag von

Wagram nach Wien. IIL Nachmittag um 2Y3 Uhr von Wien nach Wagram um 4 Uhr Nachmittag von Wagram nach Wien. Man behält sich vor, bei ungünstiger Witterung diese Lustfahrten einzustellen, welches jedesmal mittelst Anschlagzettel zeitlich Früh bekannt gemacht werden wird. «

Preise der Plätze,

»Für die erste Classe in einer ganz geschlossenen iSsitzigen Berline für die Person nach Wagram 50 kr. G.-M., zurück eben so viel.

Für die zweite Classe in einem 24sitzigen Gesellschaftswagen für die Person nach Wagram 30 kr. C.-M., zurück eben so viel.

Für die dritte Classe in einem 32sitzigen offenen Personenwagen für die Person nach Wagram 15 kr. C.-M., zurück eben so viel.

Die Plätze können 3 Tage vorher genommen werden.

So lange die Fahrten sich nicht über Wagram ausdehnen, kann bei jedem Fahrbillete dahin hier auch gleich jenes für die nächste Statt findende Rückfahrt nach Wien gelöset werden, widrigens der Platz zur Rückfahrt nicht zugesichert werden kann. In Wagram werden nur dann Billets für die Rückfahrt ausgegeben, wenn in Wien nicht alle vergriffen wurden.

Während der Stunde, die jeder Abfahrt vorangeht, werden für die nächste Fahrt, in der Stadt, keine Billets mehr ausgegeben. Die übrig bleibenden können eine halbe Stunde vor jeder Fahrt vor dem Stationsgebäude in der Taborallee an der Casse gelöst werden. Die Billets sind nur für die bezeichnete Fahrt und Wagenclasse gültig.

Bei eingestellten Fahrten sind Billets, welche vorhinein genommen wurden, im Aufnahmsbüreau gegen Rückerstattung des Fahrlohnes zurückzugeben, oder gegen andere für spätere Fahrten auszuwechseln.

Die Herren Passagiere sind gehalten, sich in jenen Wagen zu setzen, welcher auf dem Billete angezeigt ist, auch können sie keine anderen Plätze an einer hö- heren oder niederen Wagenclasse ansprechen, als das gelöste Billet bc-^eichnet.«

Geschichte der Eisenbahnen. III 9

I30

Theodor Englisch.

»Die Conducteure, welche beauftragt sind, die Transporte zu überwachen, und die Billets abzufordern, werden jedermann die Plätze anweisen. Man ersucht, jede etwaige Beschwerde über diese Gonducteurs an den auf dem Stationsplatze gegenwärtigen Expeditor zu richten. Das Tabakrauchen in den Wagen erster Classe kann nicht gestattet werden, in denen zweyter und dritter Classe ist es nur dann erlaubt, wenn keine in derselben Wagenabtheilung befindliche Person da- gegen etwas einwendet.

Man ersucht jedoch, dafür Sorge zu tragen, dass die Wagen hiedurch nicht beschädigt oder beschmutzt werden.

Den Conducteuren, sowie allen Angestellten, ist die Annahme von Ge- schenken auf's Strengste verbothen.

Es wird auf das Nachdrücklichste jedem der Herren Passagiere empfohlen, sich während der Fahrt nicht aus dem Wagen zu legen, den Wagen nicht eher zu verlassen, bis der Conducteur denselben öffnet, und die Bahn selbst, sowie die Räume, in welchen sich die Locomotiv-Maschinen, Werkstätten oder andere Vor- richtungen befinden, nicht zu betreten, Massregeln, welche notwendig sind, um zufälligen Ereignissen zu begegnen.

l3ie Herren Passagiere w^erden ersucht, sich wenigstens eine Viertelstunde vor der bestimmten Abfahrtszeit am Bahnhofe einzufinden, das gelöste Billet bey Eintritt in denselben vorzuweisen, da ohne dasselbe Niemand eingelassen wird; mit dem ersten Glockenzeichen sich auf die bestimmten Plätze zu begeben, nach dem zweyten die Billets bereit zu halten, um sie dem abfordernden Conducteur einzuhändigen, wonach Niemanden mehr gestattet werden kann, in einen Wagen einzusteigen. Bey dem dritten Glockenzeichen setzt sich der Train in Bewegung. Die Billets für die Rückfahrt werden in Wagram bey dem zweyten Glocken- zeichen abgefordert.

Die Herren Passagiere werden darauf aufmerksam gemacht, sich in Zollgefall- sachen genau nach den Landesgesetzen zu benehmen.

Das Aufnahmsbüreau in Wien ist in der Stadt, Wollzeile, Zwettelhof nächst der k. k. Post, und ist von 8 Uhr Früh bis 3 Uhr Nachmittag offen. Jenes in Wagram befindet sich im Stationsgebäude.

Zur Bequemlichkeit des Publicums hat die Direction vorläufig einem Fiaker- Verein, welcher einige Gesellschaftswagen auf dem St. Stephansplatze, zwischen dem erzbischöflichen Palais und der Kirche aufstellen wird, die Beförderung der Personen nach dem Bahnhofe im Prater überlassen.

Diese Wagen werden drey Viertelstunden vor jeder Abfahrt die Person um 6 kr. C.-M. auf den .Stationsplatz bringen, und nach Ankunft der Trains um den- selben Preis von 6 kr. C.-M. vom Prater auf den St. Stephansplatz zurückführen.

Wien, den 29. Dezember 1837.

Die Direction der ausschl. priv. Kaiser Ferdinands-Nordbalin.«

Im August 1838 wurde der Verkehr bis Gänsemdorf ausgedehnt. In der Regel wurden an Wochentagen zwei Fahrten, an Sonntagen die doppelte Zahl derselben veranstaltet. Die Fahrpreise waren fest- gesetzt für I. IL III. Classe Wien- Wagram 50 30 15 kr. C.-M.

= 88 52 26 > ö. W.

Wien-Gänserndorf i fl. 12 48 24 » C.-M.

= I » 26 84 42 » ö. W.

Nachdem die Züge Wien-Gänsern- dorf anfanglich nur Wagen I., II. und

III. Classe führten, kam mit der Eröff- nung der Strecke bis Brunn [7. Juli 1839] auch die IV. Classe [Stehwagen] hinzu, die jedoch nur in Güterzügen mit Personen- Beförderung eingestellt wurde. Die Fahrpreise für die Relationen der Strecke Wien-Brünn waren auf Basis der Grundtaxen

von 18 Kreuzer C.-M. I. Cl. 12 » » IL »

9 » > III. »

»

IV.

Personen-Tarife.

131

pro AI eile berechnet und betrugen für Wien-Brünn, 20 Meilen, I. Classe 6, II. Classe 4, III. Classe 3 und IV. Classe 2 fl. C.-M., entsprechend 6 fl. 30, 4 fl. 20, 3 fi. 15 und 2 fl. 10 kr. ö. W.

Die Führung von Wagen IV. Classe [offene Stehwagen] bei den Güterzügen wurde in der Wintersaison 1839 ^^s Sanitätsrücksichten eingestellt. Eine be- greifliche Massnahme, wenn berück- sichtigt wird, dass die Personenzüge mit 4 Meilen [30 km] und die Güterzüge mit Personen-Beförderung nur mit 2 Meilen [15 km] Geschwindigkeit pro Stunde verkehrten.

Schon im Jahre 1841 trat durch Normirung verschiedener Grundtaxen für Personenzüge und für Güterzüge mit Personen-Beförderung [Gemischte Züge] eine Tarifanderung ein. Diese brachte eine bedeutende Erhöhung bei den Personen- zügen und eine Ermässigung bei den ge- mischten Zügen. Die Berechnung der Fahr- preise erfolgte nun mit den Grundtaxen :

von 24 Kreuzer C.-M. I. Cl. t 15 » » II. »

» 10 » » III. »

pro Meile bei Personenzügen, dann

von 15 Kreuzer C.-M. I. Cl.

> IG > » II. »

> 6 » » III. »

pro Meile bei Güterzügen mit Personen- Beförderung. Sie entsprechen in öster- reichischer Währung den kilometri- schen Grundlagen von 5*53, 3*46 und 2*3 Kreuzern, beziehungsweise 3*46, 2*3 und 1*4 Kreuzern. Diese Grundtaxen fanden auch auf den später zur Eröffnung gekommenen Linien der Kaiser Ferdinands- Nordbahn Anwendung, und zwar bis zum Jahre 1 848, in welchem Jahre die Grund- taxe der I. Classe bei Personenzügen eine Ermässigung auf 20 Kreuzer C.-M. pro Meile, beziehungsweise 4*6 1 Kreuzer ö. W. pro Kilometer erfuhr.

Zu der Ermässigung der Fahrpreise I. Classe dürfte sich die Verwaltung der Kaiser Ferdinands-Nordbahn mit Rück- sicht auf die geringe Frequenz in dieser Classe veranlasst gesehen haben. Nach dem Rechnungsabschlüsse des Jahres 1840/41 wurden innerhalb der Strecken Wien - Brunn , Lundenburg - Hradisch- Prerau - Olmütz und Wien - Stockerau 334.433 Personen befördert, wovon ent- fielen auf

I.

Classe

10.309

3-i''/o

II.

»

67-931

20-37o

III.

t

182.605

54-6<»,o

IV.

t

73.588

22-0''/o

Die nachstehende Tabelle gibt einen Vergleich der Fahrpreise des Jahres 1 848 mit den Personenzugs - Preisen des Jahres 1897.

Von oder nach Wien

1848

1897

I.

II. III. I IV.

I.

IL I 111 I IV.

I.

IL I III.

C 1

Conventions-Münze

Oesterr. Währung

fl. krJ fl. Ikr.i fl. ikr| fl. |kr.ll fl. Ikr.j fl. |kr.| fl. jkr.j fl. krM |kr.i fl. kr, fl. |kr

120 I, I|20

Floridsdorf ....

Wagram

Gänserndorf . . . Lundenburg . . . . | 3140

Brunn ! 6 10

Prerau ' 8 20

Olmütz i 9'20

Pardubitz ;i5l 2

Kolin 16 41

T5

10,—

I

2

5 6

38I-I25 - 40:-

45

Prag

I

- 3 I5i 4

7,-; 4

10 29 7

ii'3o' 7 19,14 13; 3 9

501 I 20 j 2 10 2 40 2 12 561- 4 -

6, -

I5'i-

24I I

6|! 3

\ 6 8

9

-|'i5

20

35 -

88'-

40 I

30

481

!75

:8o

2

5

6

7

79 II 52 12

20 13

|26

I67

I 5

;89 '25

!57

.35 I

: 8 70

i8-;ii

- 44,-126

-[70!— 142 I 93] 1I16

3I50I 2|I0

4!38| 2 63 4|90 2. 94

7,56'-:-

8I33'- - 9' 52 - -

"ifr

I

3 4

6

20 2 50

20 40' _ 8d - I

3

4

5 6

ii|55' 7 13:10 7

10 20 40

50

50

10 20

2 -' 250 80, 340

70 3;85 76 4 19

132

Theodor Englisch.

Erläuterung.

Die vorstehenden Preise verstehen sich für Personenzüge ; bei Güterzügen mit Personen- Beförderung gelangten nach dem Tarife des Jahres 1848 für die I. Classe die Fahrpreise II. Classe, für die II. Classe die Fahrpreise III. Classe und für die III. Classe die Fahrpreise IV. Classe zur Einhebung. Uniformirte Militärmannschaft vom Unterofficier abwärts, diese mitbegriffen, zahlte bei allen Zügen in der III. Classe nur die Gebühr IV. Classe.

Die Führung der IV. Classe, die mit dem Zeitpunkte der 1841er Tarifönderung eingestellt war, wurde 1848 in der Strecke Wien-Olmütz wieder aufgenom- men unter Berechnung der Fahrpreise auf Basis der Grundtaxe von 6 Kreuzer C.-M. pro Meile =1*4 Kreuzer ö. W. pro Kilometer.

Kinder bis zwei Jahre wurden ge- bührenfrei und solche im Alter von zwei bis zehn Jahren zum halben Fahrpreis befördert.

Wien-Gloggnitzer Bahn.

Die Wien-Gloggnitzer Bahn, mit der Gesammtstrecke Wien-Gloggnitz am 5. Mai 1842 eröffnet, begann mit den Grundtaxen :

I. Classe 15 Kreuzer C.-M. IL » 12 » »

III. > 8 » »

für die Person und eine Meile, oder 3*46, 2768 und 1*846 Kreuzer ö. W. für eine Person und einen Kilometer.

Ausser den Fahrkarten für die ge- nannten drei Classen wurden auch solche für Salonwagen-Plätze zum doppelten Preise der I. Classe ausgegeben.

Schon im Jahre 1843 gelangten auf der Wien-Gloggnitzer Bahn verschiedene Arten von Fahrpreis-Begünstigungen zur Einführung. In Wien, Mödling, Baden und Neustadt waren Gesellschaftswagen nach Gloggnitz und zurück zu bekom- men, bei deren Benützung für mindestens vier Personen Tour- und Retourkarten zu lösen waren. Dieselben kosteten für Wien-Gloggnitz und zurück:

I. Cl. 3 fl. 45 kr., II. Gl. 3 fi. kr. C.-M. = 3 94 » 3 t 15 » ö. W.

Mödling-Gloggnitz und zurück : I. Cl. 3 fl. kr., II. Cl. 2 fl. 24 kr. C.-M.

= 3 > 15 » 2 » 52 » ö. W.

Baden- Gloggnitz und zurück:

I. Cl. 2 fl. 30 kr., II. CL 2 fl. kr. C.-M. = 2 t 63 » 2 t 10 > ö. W.

Neustadt-Gloggnitz und zurück:

I. Cl. I fl. 30 kr., II. Cl. I fl. 12 kr. C.-M. = I » 58 » I fi. 26 » ö. W.

Hiebei war gestattet auf zwei Per- sonen ein Kind unter zehn Jahren un- entgeltlich mitzunehmen.

Für geschlossene Gesellschaften wur- den Separatcoup^s I. Classe, in welchen acht Personen und höchstens vier Kinder Platz nehmen durften, zur Verfügung gestellt und waren für ein solches von Wien bis Gloggnitz 15 fl. C.-M. zu be- zahlen, entsprechend dem Fahrpreis für vier Personen I. Classe.

Abonnementskarten für Fahrten von Wien nach Mödling, Baden, Vöslau und Neustadt oder retour gelangten in der Weise zur Ausgabe, dass bei Abnahme von zwölf Karten I. Classe blos der Fahr- preis für zehn Stücke zu bezahlen war. Diese Karten konnten einzeln oder meh- rere zusammen benützt werden, jedoch nur in der Zeit vom i. Mai bis Ende September.

Für Sonderzüge wurde berechnet:

von Wien nach Baden 50 fl. kr. C.-M.

= 52 » 50 > ö. W. von Wien nach Neustadt 70 » » C.-M.

= 73 » 50 t ö. W. von Wien nach Gloggnitz 100 fl. C.-M.

= 105 » ö. W.

Wenn die Rückfahrt am nämlichen Tage stattfand, so war für diese nur die Hälfte zu bezahlen. Die genannten Tarifsätze galten jedoch nur insolange, als für die zu befördernden Equipagen, Gepäck etc. eine höhere Gebühr sich nicht ergab, im anderen Falle hatte die Zahlung nach dem gewöhnlichen Tarife einzu- treten.

Personen-Tarife.

133

Bei bestimmten Lastzügen [Markt- zügen] gelangten in der Strecke Neustadt- Wien auch Fahrkarten IV. Classe zur Ausgabe, die Fahrt Neustadt-Wien kostete in dieser Classe 36 Kreuzer C.-M. = 63 Kreuzer ö. W.

Für Kinder im Alter bis sieben Jahre bestand eine Begünstigung in der Weise, dass für ein oder zwei Kinder ein Billet für einen Platz, für drei oder vier Kinder zwei Billets für zwei Plätze zu bezahlen waren.

Im Jahre 1844 trat auf der Wien- Gloggnitzer Bahn eine Tariferhöhung ein, indem die Grundtaxen ftir die I. Classe mit 20, II. Classe mit 15, und III. Classe mit 10 kr. C.-M. für die Person und eine Meile, entsprechend 4'6i, 3*46 und 2*3 kr.

ö. W. für die Person und einen Kilometer, festgesetzt wurden.

Die Begünstigung für Kinder erfuhr eine Aenderung dahin, dass nunmehr die Kinder im Alter von zwei bis zehn Jahren den halben Fahrpreis zu bezahlen hatten und jüngere Kinder gebührenfrei befördert wurden.

Für Milit^rpersonen in Uniform vom Unterofficier abwärts wurde die Begün- stigung eingeräumt, in der III. Wagen- classe gegen Bezahlung des halben Preises dieser Classe fahren zu dürfen.

Die Fahrpreise stellten sich auf Grund der obbezeichneten Meilentaxen gegen- über den Fahrpreisen des Jahres 1897 wie folgt:

Von oder nach Wien

I

1844

1897

II. III. 1' I. II. 1 III.

I. II. ' III.

Classe 1

Conventions-Münze

Oesterr. Währung

fl. Ikr.'fl. krJfl. Ikr.

fl. kr.ifl. kr. ' fl. 1 kr. ^fl. krlfl. ^kr. fl. kr.

Hetzendorf

1

1

20 —115 10

, 1 1 1 1 :

- 35 26 - 18,1- 35I-125,-

10

Liesing

25 ' 1 20 15

-:44|— 35

-I26!- 45 - 35 -'25

Mödling

1

40 ' 30 20

- 70 , - 53 , 35 ' - 70 ! - 55 -

35

Baden

1

' I

6-48-33

1I16 - 84,-;58;i I 25 -,75 -

65

Wr. -Neustadt '

2

' I 30. I

2 ; 10

I 58! I 5

2;35i i;75' I

20

Gloggnitz

3

20 2 30 j I ; 40

3 50

2 63 ii75| 3 65 2 70t i| 80 II

K, k. Staatsbahnen.

Am 21. October 1843 gelangte Mürz- zuschlag-Graz, die erste Theilstrecke der südlichen Staatsbahnen, zur Eröffnung.

Die Fahrpreise wurden berechnet mit den Grundtaxen :

I. Cl. 18 kr. C.-M. [31-5 kr. ö. W.] pro

Meile [4*15 kr. ö. W. pro km],

II. Cl. II kr. C.-M. [1925 kr. ö. W.] pro Meile [2*54 kr. ö. W. pro kni],

III. CL 8 kr. C.-M. [14*0 kr. ö. W.] pro Meile [1*84 kr. ö. W. pro kyn].

Die gleichen Grundtaxen fanden An- wendung auf den später bis zum Jahre 1851 eröffneten südlichen und nördlichen Staatsbahnstrecken Graz-Cilli [i 846], Cilli- Laibach [1849], Olmütz-Prag [1845], Brünn-Böhm.-Trübau [1849] und Prag- Bodenbach [1850— 1851].

Alsbald nach Eröffnung der Staats- bahnstrecke Mürzzuschlag-Graz wurde zwischen der Verwaltung der Wien-Glogg- nitzer Bahn, welcher der Betrieb auf den südlichen Staatsbahnen auf fünf Jahre ver- pachtet war, und der k. k. Post Verwaltung eine Vereinbarung wegen directer Per- sonen-Beförderung über den Semmering getroffen, wonach einerseits bei der k. k. Eilpost-Expedition in Wien neben den Postscheinen für die Strecke Gloggnitz- Mürzzuschlag auch Anweisungen auf die Eisenbahnfahrten von Wien nach Glogg- nitz und von Mürzzuschlag nach Graz u. s. w. ausgefolgt wurden und anderer- seits bei den Bahncassen Scheine für die Poststrecke Gloggnitz-Mürzzuschlag ge- löst werden konnten. Für die Fahrt mit der Eilpost von Gloggnitz nach Mürzzu- schlag war eine Gebühr von i fl. 55 kr. C.-M. zu entrichten. Später wurden auch

134

Theodor Englisch.

mit Privatunternehmern Vereinbarungen wegen Beförderung der Reisenden über den Semmering getroifen; es war rück- sichtlich der Strecke Gloggnitz-Mürzzu- schlag ftir eine viersitzige Kalesche 5 fl. 40 kr., für einen Platz in geschlosse- nen Wagen i fl. 30 kr. und für einen Platz in offenen Wagen i fl. zu bezahlen. Kinder bezahlten die Hälfte. 40 Pfund Gepäck waren frei.

Analoge Einrichtungen wurden später- hin auch von anderen Bahnverwaltungen zur Herstellung directer Abfertigungen zwi- schen noch nicht zusammenhängenden Bahnstrecken und zur Verbindung der Bahn mit wichtigeren Orten getroff"en, beispiels- weise zwischen Wien und Ischl via Lam- bach-Gmunden, wobei die Kaiserin Elisa- beth-Bahn, die Lambach-GmundenerBahn, die Dampfschiffahrt auf dem Gmundener See und die Post betheiligt waren. Ueber- haupt wurde sehr bald die Nothwendigkeit directer Abfertigung als im Interesse der Bequemlichkeit der Reisenden und der He- bung des Personenverkehrs gelegen er- kannt Mit der Schaffung einheitlicher Ab- fertigungs-Bestimmungen im Personen- verkehr hat sich der Verein deutscher Eisen- bahn-Verwaltungen schon im Jahre 1874 beschäftigt, dessen Bestreben auch heute noch auf die Erzielung thunlichst gleich- massiger Bestimmungen für alle Eisen- bahnen gerichtet ist.

Im Jahre 1852 trat eine Erhöhung der Personenfahrpreise auf sämmtlichen Strecken der k. k. Staatsbahnen ein, es fanden von da ab die Grundtaxen:

I. Gl. 20 kr. C.-M. [35 kr. ö. W.] pro Meile [4-61 kr. ö. W. pro Äw],

II. Gl. 12 kr. C.-M. [21 kr. ö. W.] pro Meile [277 kr. ö. W. pro km],

III. Gl. 9 kr. G.-M. [1575 kr. ö. W.] pro Meile [2*07 kr. ö. W. pro km]

Anwendung.

Kinder unter zwei Jahren, die auf dem Schosse gehalten wurden, w^aren frei; Kinder von zwei bis zehn Jahren zahlten den halben Fahrpreis.

Uniformirte Militärmannschaft vom Unterofficier abwärts, diese inbegriffen, hatten in der III. Glasse die halbe Ge- bühr der II. Glasse zu bezahlen.

Eine neuerliche Tarifandenmg trat schon im Jahre 1855 hinsichtlich der nördlichen Staatsbahnlinien gelegentlich der Uebergabe dieser Linien in den Besitz der k. k. priv. Oesterreichischen Staatseisenbahn-Gesellschaft ein.

Die auf Grund des Eisenbahn-Con- cessions-Gesetzes vom 14. September 1854 der k. k. priv. Oesterreichischen Staats- eisenbahn-Gesellschaft ertheilte Conces- sions-Urkunde vom i. Januar 1855, mittels welcher dieser Gesellschaft die nördlichen Staatsbahnlinien von Boden- bach nach Brunn und nach Olmütz käuf- lich überlassen wurden, enthält in Bezug auf die Personentarife folgende Bestim- mungen :

»Art. 8. Die Maximalhöhe der Fahr- und Frachtpreise, welche die Gesellschaft einheben darf, wird folgenden Begren- zungen unterworfen:

Maximaltarif pro österreichische Meile ; in Gold- oder Silbermünze, aber stets nach dem jeweiligen Werthe derselben, in der Landeswährung zu erheben:

Bei Reisenden die Person

I. Glasse 20 kr. C.-M. II. » 15 » » > III. » 10 » » ^

Bei Schnellzügen, welche nur Wagen der I. und IL Glasse zu führen haben, dürfen diese Tarife um 20 Procent erhöht werden, unter der Bedingung jedoch, dass deren Schnelligkeit nicht geringer sein darf, als die der Schnellzüge auf den durch den Staat selbst betriebenen Bahnen, «

Endlich wurden noch folgende Be- stimmungen getroffen:

»Kinder unter zwei Jahren, die auf dem Schosse gehalten werden, sind frei, Kinder von zwei bis zehn Jahren zahlen die Hälfte der Tarifgebühr.«

»Die uniformirte k. k. Hofburgwache, die k. k. Militär-, Gendarmerie- und Polizeiwachmannschaft, vom Unterofficier abwärts, diesen mitbegriffen, zahlen die halbe Gebühr der II. Glasse. Diese Be- günstigung findet nicht statt, wenn die- selben in einer höheren Wagenclasse fahren wollen.«

»Die geringste Gebühr ist der Tarifsatz für eine Meile.«

Personen-Tarife.

135

> Beim Uebertritt in eine höhere Wagen- classe kann die gelöste Fahrkarte aus- getauscht werden, wenn sie noch mit dem Coupon versehen ist ; ist dieser schon abgerissen, so ist noch eine zweite Karte zu lösen, und zwar: für den Uebertritt von der II. Classe in die I. Classe eine Karte III. Classe, von der III. in die I. eine Karte II. Classe, von der III. in die IL eine halbe Karte III. Classe. c

»Schosshunde, sofeme sie auf dem Schosse gehalten werden und wenn keiner der Mitfahrenden dagegen Ein- wendung macht, sind frei. Für das Mit- fahren der Hunde in den dafür bestimmten Behältern ist die Gebühr von 3 kr. C.-M. pro Stück und Meile, und wenn die ent- fallende Gebühr unter 10 kr. entfallen würde, sind 10 kr. für jedes Stück zu entrichten.«

»Bei Separatzügen sind

30 fl. C.-M. für die erste Meile, 14 » » » » jede folgende zu

entrichten. Wenn die allfällige Rückfahrt binnen zwölf Stunden nach dem Ein- treffen in dem Bestimmungsorte erfolgt, so sind für jede Meile Rückfahrt 10 fl. C.-M. zu entrichten. Wenn jedoch die zu bezahlende Gebühr für die Anzahl der Mitfahrenden, für das Reisegepäck und für die mitzunehmeAden Equipagen, Pferde und Hunde nach dem Tarif sich höher als nach obigem Preise berechnet, so tritt für solche Separatzüge die Zahlung nach dem gewöhnlichen Tarife ein. Das Wartegeld beträgt für jede halbe Stunde 40 fl.«

Auf den südlichen Staatsbahnen, deren Betrieb anfangs der Wien-Glogg- 1 nitzer Bahn übertragen war, ab 2. Juni , 1851 aber vom Staate selbst geführt ' wurde und welche durch die im Jahre 1853 durchgeführte Verstaatlichung der Wien- Gloggnitzer Bahn, die ganze Strecke Wien-Triest in sich schlössen, wurden gelegentlich der Uebergabe derselben in , den Besitz der k. k. priv. Südbahn- Gesellschaft durch die Concessions- ' Urkunde vom 23, September 1858 die Personentarife einer Regelung unter- j zogen. Im § 41 dieser Urkunde er- scheint bezüglich der betreff"enden Linien, ' imd zwar: I

1 . der k. k. südlichen Staatsbahn, welche die Eisenbahn von Wien nach Triest sammt ihren Zweigbahnen von Mödling nach Laxenburg, und von Wr.-Neustadt nach Oedenburg in sich begreift;

2. der Eisenbahn von Marburg nach Klagenfurt, mit der Verlängerung bis Villach;

3. der Eisenbahn von Steinbrück über Agram nach Sissek, mit einer Zweig- bahn nach Karlstadt;

4. der Tiroler Eisenbahn von Verona bis Kufstein über Bozen, Brixen und Innsbruck festgestellt:

»Die Concessionäre sind berechtigt, in österreichischer Währung und pro öster- reichische Meile zu erheben:

I. Für Reisende

in der I. Classe .

. . fl. —•36

» » IL »

. . » -27

» » IIL

. . » —-18

und bei den Schnellzügen, welche nur Wagen der I. oder der I. und IL Classe führen, und welche mindestens fünf öster- reichische Meilen mit Inbegriff" der Auf- enthalte in einer Stimde durchlaufen, eine um 20 Procent erhöhte Gebühr.«

Nach dem Erlasse des k. k. Handels- ministeriums vom 4. September 1859, 2- 339 i/H. M., hat Se, k. k. Apostolische Majestät mit Allerhöchster Entschliessung vom 29. August 1859 nachstehende, von der Südbahn-Gesellschaft beantragte Fas- sung der die Person entarife betreffenden Bestimmungen des § 41 genehmigt:

»Die Maximalhöhe der Fahrpreise, welche die Concessionäre erheben dürfen, wird folgenden Begrenzungen unter- worfen :

Maximaltarif pro österreichische Meile in Gold- oder Silbermünze, nach dem jeweiligen Werthe derselben in der Landes- währung zu erheben.

I. Reisende, die Person: in der I. Classe . . . fl. '36

> » IL » ... * -27

> * III. » ...» 18 u. s. w.

Hiedurch erscheint die Uebereinstim- mung mit der einschlägigen Bestimmung der Concessions-Urkunde der k. k. priv. Oesterreichischen Staatseisenbahn-Gesell- schaft hergestellt.

136

Theodor Englisch.

Für Separatzüge mit Personenzugs- Geschwindigkeit ist normirt:

für die erste Meile . . . fl. '32 > » zweite > ... * '15

* Für die Rückfahrt, wenn dieselbe innerhalb zwölf Stunden nach dem Ein- treffen stattfindet, pro österreichische Meile 11 fl.

Nachdem in Oesterreich - Ungarn zu- folge des Gesetzes vom 19. September 1857 mit I. November 1858 an die Stelle der Conventions-Münze die österreichische Währung trat, waren bis zum i. Januar 1859 alle Tarife, soweit sie nicht, wie bei

der Südbahn, bereits in österreichischer Wähnmg normirt waren, in dieser Wäh- rung zu erstellen und erfolgte die Um- rechnung mit Allerhöchster Genehmigung auf Grund des Erlasses des k. k. Handels- ministeriums vom 23. October 1858, Z. 21 176/21 75. Zur gleichen Zeit erfolgte auch die Einführung des Zollcentners als Gewichtseinheit in die Eisenbahntarife. Nach dieser Umrechnung waren auf den am i. November 1859 im Betrieb gestandenen Eisenbahnen und aus den bis dahin verliehenen Concessions-Urkunden folgende Personentarif - Grundlagen zu constatiren :

Bahn

Civil- Personen

Sonder-Personenztige

♦♦Hunde pro Stück 11 und Meile ||

•♦Reise- Gepäck

!

1

1

Anmerkung

1

mit Personen- zügen

wenn Rück- fahrt innerhalb 12 Stunden

warten über die be- stimmte Abfahrts- zeit pro Vi Stunde

je 20 Pfund des 1 Uebergewichts |

Frei gewicht

L j IL

III.'

1 Classe

OrO Person

un kr

d Meile

Meile

Oesterreichische Wäh

Hing

Pfund

kr.

kr.

fl.

fl. fl.

fl.

kr.

kr.

Kaiser Ferdinands- Nordbahn . . .

1

i

1

36

27

18

42

15-75

525

42

5-3

rS

50

H.-M-Erl. v. 23. Oct 1858

Südbahn. . . .

Staatsbahn-Ge- sellschaft . . .

K aiserin Elisabeth- Bahn ....

*36 *36

♦36

27 27 27

18

ti8

18

32

1

1

31-50 3150

15 1470

1470

II 1050

1050

42 42 42

1 60

53 5-3

i 1-5

1 1-5

1-5

1

50 50 50

C-Urk. V. 23 Sept. 1858

H-M.-Erl. V. 23 Oct. 1858

H-M-Erl. V. 23 Oct. 1858

Carl Ludwig-Bahn

*36

27

18

42

1575

525

42

5-3 15

50

dtto.

Brunn - Rossitzer

Bahn ....

1

35

21 14

5-3

i 1-5

50

dtto.

Süd-norddeutsche ,

Verbindungsbahn |

*36

1 1

27

18

; 31-50

1

14-70

1050 42

1

5'3

15

50;

dtto.

* Bei Schnellzügen 20^0 höher.

** Bei Reisegepäck und Hunden ist eine Versicherungsgebühr von 7 Kreuzer pro Expedition festgesetzt.

t Gelegentlich der Concessionirung der Fortsetzungslinie von Lemberg nach Brodv und über Tarnopol an die russische Grenze [Concessions-Urkunde vom 15. Mai 1897] wurde die Grundtaxe III. Classe gleichwie für die neuen Linien auch für die bestehenden Linien der Carl Ludwig-Bahn mit 14 kr. pro Meile festgesetzt.

1

Personen-Tari f e.

137

Mit geringen Abweichungen erscheinen nach dieser Zusammenstellung zu Beginn des Jahres 1859 die Tarife für den Per- sonenverkehr auf den im Betriebe ge- standenen Bahnen übereinstimmend. Die IV. Classe ist auf allen Bahnen beseitigt und auch die von der Verwaltung der Wien-Gloggnitzer Bahn eingeführten Be- günstigungen sind aus den Publicationen der Südbahn weggeblieben.

Alle Einzelheiten des bisherigen Ent- wicklungsganges der Personentarife lassen die privatwirthschaftliche Tendenz nach möglichst hohen Preisen und Einnahme- Vermehrungen deutlich erkennen. Auch die nächsten Jahre brachten in dieser Beziehung keine Aenderung.

Da die Bahnverwaltungen theils be- rechtigt waren, die Fahrpreise selbst zu be- stimmen, und theils durch die Bestimmun- gen der Concessions-Urkunden zur Bemes- sung der Gebühren in Gold- oder Silber- münzen die Berechtigung hatten, nahmen sie die zu Tage getretenen bedeutenden Fluctuationen im Werthe der österreichi- schen Währung zur Veranlassung, zu den Fahrpreisen Agiozuschläge bis zu 40% zu erheben. Die einzelnen Bahn Verwaltungen gingen in Bezug auf die Feststellung des Agiozuschlages selbstständig vor, bis infolge des Erlasses des k. k. Handels- ministeriums vom 30. December 1870, Z. 2048 4349, allgemein giltige Normen für die Bemessung des zu den Tarif- gebühren jeweilig einzuhebenden Agiozu- schlages festgestellt wurden.

Die Kaiserin Elisabeth-Bahn publicirte beispielsweise die Erhebung des Agio- zuschlages

ab I. November 1860 mit 15 ®'

* I. Januar 1861

* 10. November 1861

/o

30% 40%

Der Agiozuschlag wurde jedoch nicht bei allen Fahrgebühren gleichmässig er- hoben ; so waren bei der Kaiserin Elisa- beth-Bahn die Schnellzugs-Gebühren an- fänglich hievon befreit, und erst bei Fest- stellung des Zuschlages in einem die normale 20*/oige Differenz zwischen den Schnell- und Personenzugs-Gebühren über- steigenden Ausmasse wurde ein solcher zu den Schnellzugs-Gebühren erhoben. Die

Militärtarif - Gebühren waren entweder ganz vom Agiozuschlage befreit oder war zu denselben ein geringerer als zu den sonstigen Gebühren zu erheben.

Obwohl erkennend, dass durch diese Fahrpreiserhöhungen die Personenfrequenz bedeutend leide, konnten sich die Bahn- verwaltungen doch nicht entschliessen, eine generelle und gleichmässige Herab- setzung der regelmässigen Fahrpreise durchzuführen, sondern beschränkten sich auf Ermässigungen von Fall zu Fall in Form von Ausnahmetarifen verschiedener Art da, wo Tarif-Begünstigungen Ver- kehrs- und Einnahme- Vermehrungen er- warten Hessen. Die beliebteste Art der Gewährung von Ermässigungen bestand in der Einführung von Tour- und Retour- karten, wodurch denjenigen, welche inner- halb einer bestimmten Frist dieselbe Eisenbahnstrecke hin- und zurück befahren, eine Preisreduction gewährt wird. Auf den meisten Bahnen gelangten solche Karten für mehr oder weniger Relationen, in der Regel aber nur für kurze Strecken und für den Verkehr von und nach den grösseren und wichtigeren Stationen zur Einführung. Die Ausgabe der Tour- und Retourkarten war überdies den verschiedensten Be- schränkungen unterworfen. Auf der einen Strecke erfolgte sie nur an Sonn- und Feiertagen, auf der anderen nur bei be- stimmten Zügen, auf der dritten nur während bestimmter Jahreszeiten u. s. f. Ebenso verschieden waren auch die Be- stimmungen hinsichtlich der Zeit, inner- halb welcher die Rückfahrt erfolgen musste. Anfangs war zumeist bestimmt, dass die Rückfahrt am Tage der Hinfahrt zu erfolgen habe; nur hinsichtlich der an einem Sonn- oder Festtage, dann am Samstage oder dem einem Festtage voran- gehenden Tage gelösten Retourkarten war zugegeben, dass die Rückfahrt auch noch am Montage oder an dem, einem Festtage folgenden Tage stattfinden konnte. Später wurde die Giltigkeits- dauer auf längere Termine erstreckt, vielfach nach einer bestimmten Scala, wachsend mit den Entfernungen der Relationen, für welche die Karten lau- teten.

Die für Hin- und Rückfahrkarten gegenüber den regelmässigen Fahrpreisen

138

Theodor Englisch.

bewilligten Nachlässe waren sehr ver- schieden [lO 40^/0]. Bei speciellen Ver- gnügungszügen wurden für Hin- und Rückfahrten Nachlässe von 50 und mehr Procent gewährt. Solche Vergnügungs- züge wurden in den ersten Sechziger- Jahren auf verschiedenen Strecken, wo sich ein lebhafter Ausflugsverkehr zeigte, für Sonn- und Feiertags-Vergnügungs- fahrten eingeführt, z. B. von Prag nach Rostok, Brunn nach Blansko^ dann auch

auf grössere Entfernungen, wie z. B. an Feiertagen wie Pfingsten, Peter und Paul von Wien [Westbahnhof] nach Gmunden und Salzburg, und von Wien [Südbahn] nach Adelsberg.

Während der Sommersaison 1861 waren für den Verkehr auf den Wiener Localstrecken der Kaiserin Elisabeth- Bahn und der Südbahn-Gesellschaft für Personenzüge giltige Tour- und Retour- karten zu folgenden Preisen eingeführt:

Kaiserin Elisal

jeth-Ba I.

ihn

sudbahn |

Wien nach und zurück |

: IL III.

Wien

nach

und zurück

I.

II.

III. 1

Classe

Classe

Gulden ö.

W. 036 :

Gulden ö. W.

1 070 0 50 j 034

1

1

Hütteldorf ,

072

054

Hetzendorf, Atzgersdorf

Weidlingau

ro8 081 ' 0-54

Brunn, Mödling

1-40

rio

070

Purkersdorf

1-44

ro8

072 ,

Laxenburg

180

130

090

Pressbaum

2-04

1-63 ro2

Baden

220

170 I 10

Rekawinkel

I

238

179 1 119

Vöslau

240

I-80 ; 120

Neulengbach

1

352

264

I 76

1

1

i

Payerbach

1 6 30 470

1

320

Den Tour- und Retourkarten reihte sich die Einführung von Abonnements- karten an. Solche gelangten auf der Südbahn in Form von persönlichen, auf Namen lautenden Fahrlegitimationen mit Giltigkeit für einen oder mehrere Monate im Jahre 1860 während der Sommer- saison zwischen W^ien und den Stationen bis Vöslau zur Ausgabe. Die am 15. Juni 1860 für I. und II. Wagenclasse einge- führten Abonnementskarten kosteten z. B. für Wien-Vöslau

für einen Monat: I. Q. fl. 75.—, II. Gl. fl. 55.— ;

für zwei Monate : I. Gl. fl. 138.—, IL Gl. fl. 103.— ;

für jeden weiteren Monat erhöhte sich der Preis in der I. Classe um fl. 64. und in der II. Classe um fl. 48. . Schon im Juli desselben Jahres erscheint jedoch eine Ermässigung dieser Abonnementspreise

publicirt, wonach für einen Monat in der I. Classe fl. 64. , II. Classe fl. 48. und für mehrere Monate das Vielfache dieser Beträge festgesetzt wurde. Für die Saison 1863 erschienen bedeutend er- mässigte Abonnementspreise eingeführt, wobei auch die III. Classe Berück- sichtigung fand. [Vgl. Tabelle auf Seite 139.]

Der Südbahn folgten auch andere Bahnen mit der Einführung von Abon- nementskarten, wenn auch nicht durch- aus in gleicher Form. Theils fanden Couponhefte, theils Kartenpackete mit Coupons, beziehungsweise Karten für 10, 20, 40, 60 und 80 Fahrten innerhalb einer bestimmten Strecke lautend, An- wendung. Jeder einzelne Coupon oder jede einzelne Karte berechtigte zu einer Fahrt in der einen oder anderen Richtung während einer bestimmten Zeit.

Als specielle Art von Abonnements- karten gelangten zur Erleichterung des

Personen-Tarife.

139

Abonnementskarten der Südbahn für die Sominerperiode 186 J.

Giltig zur Fahrt zwischen Wien und

I Monat

I.

II. III.

3 Monate

4 Monate

I.

IL

III.

I.

II. ; III.

C 1

s

Gulden österr. Währung:

Hetzendorf, Atzgersdorf . Brunn, Mödling ....

Laxenburg

Baden

V^öslau

16

32 38 51

55

12 24 29 34 41

8 16

19

25 28

45 90

108

33 68 81

145 ; H2 158 119

23 45 54 73 79

57

115

138

185 202

43 86

104

143 151

29 58 69 92

lOI

Diese Abonnementskarten wurden auf Namen lautend ausgestellt.

Schulbesuches bei den meisten Bahnen sehr ermässigte Monats-Schülerkarten zur Einführung. Die Begünstigung wurde verschieden berechnet, je nachdem die Karte für einzelne oder für mehrere Kinder einer Familie zu gelten hatte. Die Kaiserin Elisabeth- Bahn berechnete im Jahre 1868 die Preise der Schüler- Monatskarten auf folgender Grundlage:

II. Gl. pro Meile und Monat 3 fl. 50 kr. XII. 1 » •» » » 2 » 50 ^

für einen Schüler;

II. Gl. pro Meile und Monat 5 fl. kr. III. » » »3* »

für zwei Schüler.

Es würde zu weit führen, alle Arten von Karten zu ermässigten Preisen bei den einzelnen Bahnen besonders zu behandeln und deshalb werden auch später nur die wichtigeren und allge- meinen Einführungen Erwähnung finden können.

Nicht unerwähnt können jedoch die von einem Drittel bis zur Hälfte der Fahr- preise betragenden Ermässigungen blei- ben, die schon in den ersten Sechziger- Jahren bei corporativen Fahrten von Wall- fahrern oder bei Fahrten von Vereinen und Corporationen zu ihren Festen und Versammlungen von Fall zu Fall gewährt wurden.

Ebenso erwähnenswerth sind die in dieser Zeit zur Einführung gelangten 50®/^ der regelmässigen Fahrpreise be- tragenden Ermässigungen für arbeit-

suchende Handwerksburschen, Dienstboten und Taglöhner; dann die aus humani- tären Rücksichten in gleichem Ausmasse zugestandenen Begünstigungen für Pfründ- ner, Weiber mit Findlingen, Schüblinge und Civilarrestanten sowie Sträflinge, welche aus den Strafanstalten entlassen wurden.

Im Jahre 1865 machte die Kaiserin Elisabeth-Bahn einen Versuch mit der Einführung der IV. Wagenclasse [Steh- wagen] mit der Grundtaxe von 12 kr. ö. W. pro Meile [1*58 kr. pro km\ hob die- selbe jedoch schon im Jahre 1866 wieder auf. Eine darauf bezügliche, im Ge- schäftsberichte dieser Verwaltung vom Jahre 1866 enthaltene Ausführung besagt:

»Im Ganzen genommen hat die IV., sogenannte Stehwagenclasse keinen an- gemessenen Zuspruch von Seite des Publicums gefunden. Diese geringe Be- theiligung, dann aber auch der wahr- genommene Entgang bei der III. Wagen- classe sowie die vermehrten Betriebsaus- lagen haben uns bestimmt, die in Rede stehende Einrichtung vom i. April 1866 wieder aufzuheben.«

Hier sei erwähnt, dass das Jahr 1 863 durch die mit Gesetz vom 13. December 1862 zur Einführung gelangte Stempel- gebühr für Personenfahrkarten eine kleine Vertheuerung der Personenfahr- preise brachte. Die einschlägigen gesetz- lichen Bestimmungen haben folgenden Wortlaut :

»Gesetz vom 13. December 1862, R.- G.-Bl. Nr. 89, Tarifpost 47^: Empfangs-

I40

Theodor Englisch.

und Aufnahmsscheine der Eisenbahn- und Dampfschifffahrts-Untemehmungen über die Uebemahme von Personen zum Trans- porte [Personenkarten] unterliegen einer Gebühr: a) bei einem Fahrpreise bis 50 kr. von jedem Stück i kr.; b) bei einem höheren Preise aber so oftmal i kr. als 50 kr. in dem Fahrpreise enthalten sind. Jeder Rest unter 50 kr. ist voll anzunehmen und die Gebühr nie höher als mit 15 kr. das Stück zu bemessen.« Die letztere Gebühr wurde durch das Gesetz vom II. Mai 1871 auf 25 kr. erhöht.

Diese Stempelgebühr wird von den Bahn Verwaltungen neben den behördlich genehmigten Fahrpreisen eingehoben.

Während nun die ersten Concessions- Urkunden, beziehungsweise Privilegiums- Urkunden den Bahnuntemehmungen die weitestgehende Tarifautonomie wahrten, insofeme in dieselben keinerlei Bestimmun- gen über Tarife Aufnahme fanden, und in den nach dem Erscheinen des Eisenbahn- Concessions-Gesetzes vom 14. September 1854 verliehenen Eisenbahn-Concessionen 1 die Maximaltarife für die Beförderung \ von Personen auf Basis der bis dahin eingeführten höchsten Tarife, d. i. in Personenzügen pro Person und Meile

für I. Classe mit 36 kr. ö. W. » II. > » 27 » » >

> III. » > 18 > » »

festgestellt wurden und überdies bei Schnellzügen ein Zuschlag von 20% zu- gelassen wurde, trat mit dem Jahre 1 868 eine neue Strömung in der Auffassung des Eisenbahnwesens zu Tage. Man setzte sanguinische Hoffnungen auf das Erwachen der Concurrenz unter den Eisenbahnen, und glaubte die Erfüllung dieser Hoffnimgen durch die Festsetzung niedrigerer Tarife anticipiren zu können. So fanden neue Maximaltarife in eine Anzahl von Eisenbahn - Concessions- Gesetzen Eingang. Diese neuen Maximai- Grundtaxen bezifferten sich für Personen- züge zumeist mit:

30 kr. ö. W. pro Person u. Meile für die I.

25*** * » * » »» II. 15*»» » » » » »» III.

Classe, d. i. 3*955, beziehungsweise 3*296, beziehungsweise 1*977 kr. pro Person

und Kilometer. Ueberdies wurde noch ein Maximaltarif für die IV. Classe [Stehwagen] vorgesehen. Eine gleichmäs- sige Behandlung aller Bahnen fand jedoch nicht statt, es traten Abweichungen nach verschiedenen Richtungen ein. Z u A n f a n g der Siebziger -Jahre bestanden infolgedessen nicht nur verschiedene Maximaltarife bei den einzelnen Bahn- verwaltungen, sondern auch Verschieden- heiten hinsichtlich der im Betriebe einer und derselben Verwaltung stehenden Linien, endlich auch Abweichungen im Verhältnisse der einzelnen Classensätze zu einander.

Die damals bestandenen Tarife lassen sich wie folgt gruppiren:

/. Gruppe,

I. II.

III. 11

Classe

Kreuzer

In Conventions-Münze pro Person ü. Meile

In österr. Währung pro Person und Meile . d i. österr. Wäh- rung pro Person und Kilometer ....

Unter Vorbehalt der ge- nauen Umrechnung mit H. - M. - E. vom 23. October 1858, Z 20176/2175, festge- setzt in österr. Wäh- rung pro Person und Meile

d. i. in österr. Wäh- rung pro Person und Kilometer ....

1 20

35 4-614

1

1 36

4746

15 2625

3-460

1 27

3559

10 17-50

2306

18 2-373

Zu dieser Gruppe gehören:

Die Kaiser Ferdinands-Nordbahn mit den alten Linien, für welche jedoch die Constituti v-Urkunden keine Bestimmungen über Personentarife enthalten ; die Oester- reichische Staatseisenbahn - Gesellschaft, altes Netz; die Kaiserin Elisabeth-Bahn, altes Netz ; ferner die Linz- und St. Valentin- Budweiser Linie, endlich die Süd-nord- deutsche Verbindungsbahn, alte Linien

Personen-Tarife.

141

//.

Gruppe,

I. IL

III.

IV. 1

C 1 a s s e

Kreuzer österr. Währ.

pro Person und Meile . . .

d. i. pro Person und Kilometer

36 4746

27 3-559

18 2-373

Hieher gehören:

Die Mährisch-schlesische Nordbahn, Er- gänzungsnetz der Oesterreichischen Staats- eisenbahn-Gesellschaft, Südbahn-Gesell- schaft, Leoben- Vordemberger Bahn, Wien- [und Gramat-Neusiedl-] Pottendorf-Wiener- Neustädter Bahn ; Kaiserin Elisabeth-Bahn rücksichtlich der Neumarkt- Braunauer Linie und Salzburg-Tiroler Linie, die Braunau-Strasswalchener Bahn, die Kaiser Franz Josef-Bahn, Kronprinz Rudolf-Bahn [exclusive Villach- Laibach], die Salz- kammergutbahn, die Böhmische West- bahn, das nichtgarantirte Netz der Oester- reichischen Nordwestbahn, die Mährische Grenzbahn, Linie Hohenstadt - Zöptau, die Lundenburg-Nikolsburg-Grussbacher Eisenbahn, Linie Zellerndorf-Laa-Neu- siedl, die Mährisch-Schlesische Central- bahn rücksichtlich der I. Classe [rück- sichtlich der II. und III. Classe, siehe Gruppe VI], die Aussig-Teplitzer Bahn, Linie Aussig-Komotau, die Tumau-Kralup- Prager Eisenbahn, die Böhmische Nord- bahn, die Kaschau-Oderberger Bahn, die Erste ungarisch-galizische Eisenbahn, die Dniester-Bahn, die Erzherzog Albrecht- Bahn, die Ungarische Westbahn, die Vorarlberger Bahn und die Leobersdorf- St. Pöltener Eisenbahn.

///. Gruppe,

IV. Gruppe,

I. IL III. Classe

IV.

Kreuzer österr. Währ. 1

pro Person und Meile ....

d. i. pro Person und Kilometer '

1

36

4746

1

27

3559

14 1846

Galizische Carl Ludwig-Bahn und Lemberg-Czernowitz-Jassy-Eisenbahn.

I.

IL III. IV

Classe

Kreuzer österr. Währ.

pro Person und Meile ....

d. i. pro Person und Kilometer

35 4638

21

2768

14 1846

Brünn-Rossitzer Eisenbahn. V. Gruppe.

;

I. IL

III. IV. IJ

Classe

Kreuzer österr. Währ.

pro Person und Meile . . . . 1

d. i. pro Person und Kilometer

32

4218

24 3164

16 2-109

Graz-Köflacher Eisenbahn. VI. Gruppe,

i

I. IL

IIL IV. 1

Classe

Kreuzer österr. Währ.

1

pro Person und Meile . . . . '

d. i. pro Person und Kilometer

30 3955

25 3296

15 1-977

Kronprinz Rudolf - Bahn bezüglich der Linien Laibach-Tarvis, Oesterreichi- sche Nordwestbahn [garantirtes Netz], Mährische Grenzbahn, Linie Stemberg- Grulich, Lundenburg - Nikolsburg - Gruss- bacher Eisenbahn bezüglich der Linie Lundenburg - Grussbach, Ostrau - Fried- länder Bahn, Buschtehrader Eisenbahn, Aussig-Teplitzer Bahn bezüglich der Biela- thallinie, Dux-Bodenbacher Bahn, Pilsen- Priesen [Komotau-]Eisenbahn, Prag-Duxer Bahn, Mährisch-Schlesische Centralbahn rücksichtlich der IL und IIL Classe [be- züglich I. Classe siehe Gruppe II].

Für Schnellzüge, die nur Wagen I. und IL Classe zu führen hatten, war allgemein ein 2o"/oiger Zuschlag zuge- standen.

142

Theodor Englisch.

Rücksichtlich der Mehrzahl der nach dem Jahre 1868 concessionirten Bahnen ist in den Concessions-Urkunden auch die Führung der IV. Classe [Stehwagen] obligatorisch vorgesehen und wurde dort, wo das Bedürfnis hiefür unzweifelhaft feststand, wie in Industriebezirken, ins- besondere in den nordwestlichen Theilen Böhmens, auch auf der factischen Ein- führung dieser Wagenclasse bestanden, doch sah sich die Regierung durch die Verhältnisse veranlasst, auch Ausnahmen zuzugestehen. So wurde z. B. die Vor- arlberger Bahn und die Braunau-Strass- walchener Bahn von der Führung der IV. Classe ganz enthoben.

Die für die IV. Classe festgesetzten Maximaltaxen bewegten sich zwischen 9 und 12 Kreuzern ö. W. pro Person und Meile, d. i. i -186 und 1*582 Kreuzer pro Person und Kilometer.

Die Erste Ungarisch-Galizische Eisen- bahn, auf welcher im Jahre 1872 nicht weniger als 61*3% sämmtlicher auf der Bahn beförderten Personen sich der IV. Wagenclasse bedienten und mehr als die Hälfte der Gesammteinnahmen für die Personen-Beförderung auf die IV. Classe entfielen, erhöhte nach einer versuchs- weisen gänzlichen Einstellung der IV. Classe, welche sich jedoch ungünstig erwies, die Grundtaxe dieser Classe im Jahre 1 874 von 9 auf 1 2 Kreuzer ö. W. pro Person und Meile, d. i. 1*582 Kreuzer pro Person und Kilometer.

Im Jahre 1873 betrug die Frequenz der IV. Wagenclasse auf der Erzherzog Albrecht-Bahn . Kaschau-Oderberger Bahn . Kronprinz Rudolf- Bahn . . Ungarischen Westbahn . . Ersten Ungarisch-Galizischen

Eisenbahn

Süd-norddeutschen Verbindungs- bahn

Mährischen Grenzbahn . . Kaiser Franz Josef-Bahn Oesterreichischen Nordwestbahn Böhmischen Nordbahn . . Tumau-Kralup-Prager Bahn Prag-Dux€r Bahn .... Graz-Köflacher Bahn . . Pilsen-Priesener Bahn . . der Gesammtfrequenz.

67'5o7o 62*94 »

58*24 >

54*28 »

53-12 »

3609 » 35 62 . 30*18 >

3475 » 3864 »

34*03 » 27*92 »

24*40 »

21*11 »

Angesichts der erwähnten Verschie- denheit der Tarife traten nicht nur im Publicum, sondern auch bei den Bahn- verwaltungen selbst, die Forderungen nach einer Reform derselben zu Tage. Bahnseitig wurde dieses Verlangen ins- besondere von den jüngeren Bahnen unterstützt und damit begründet, dass zumeist diejenigen Bahnen, welche am wenigsten rentabel sich erweisen, die nie- drigsten Fahrpreise haben. Da nun diese Bahnen zu den vom Staate subventionir- ten, beziehungsweise mit Zinsengarantie gebauten Linien gehörten, war auch die Regierung nicht abgeneigt, einer Tarif- reform zuzustimmen, die eine Aufbesse- rung der Tarifsätze der schwächeren Bahnen mit sich brächte.

Als geeignetster Zeitpunkt für die Durchführung einer Tarifreform bot sich die Einführung einer neuen Mass- und Gewichtsordnung dar, weil bei diesem Anlasse ohnehin eine entsprechende Vor- kehrung in Bezug auf die Bemessimg der Tarife der Eisenbahnen nothwendig wurde, da eine einfache Umrechnung der bestehenden Einheitssätze von Meile auf Kilometer wegen der hieraus resultirenden, die Berechnung der Transportpreise sowie die Manipulation erschwerenden Bruch- theile nicht als zweckmässig erkannt werden konnte. Bald nach dem Er- scheinen des Gesetzes vom 23. Juli 1871, das die Anwendung der neuen, dem Metersysteme angehörigen Masse und Gewichte im öffentlichen Verkehre vom I. Januar 1876 vorschreibt, wurden auch die Bahnverwaltungen vom k. k. Handels- ministerium aufgefordert, sich wegen eines einheitlichen Tarifsystems ins Ein- vernehmen zu setzen und die Vorbe- reitungen für eine gesetzliche Regelung zu treffen.

Ein bereits am 8. März 1875 ein- gebrachter bezüglicher Gesetzentwurf konnte aber in der betreffenden Session des Reichsrathes nicht mehr in Be- rathung gezogen werden und musste des- halb, um der oben berührten Bestim- mung des Gesetzes vom 23. Juli 1871 auch hinsichtlich der Eisenbahnen nach- zukommen, ein Provisorium geschaffen werden, dadurch, dass den Bahnverwal- tungen mit dem Handelsministerial-Erlasse

Personen-Tarife.

143

vom 29. Juli 1875 gestattet wurde, die bestehenden Eisenbahntarife nach dem I.Januar 1876 insolange beizubehalten, bis über die Modalität der endgiltigen Um- rechnung der bisherigen Personen-Tarife und der damit in Aussicht genommenen einheitlichen Tarifreform, die definitive Entscheidung erfolgt sein werde.

Diese endgiltige Regelung wurde durch das Gesetz vom 15. Juli 1877, betreffend die Maximaltarife für Personen-Beförderung auf den Eisenbahnen, herbeigeführt. Hiedurch wurden auf den innerhalb des Gebietes der im Reichsrathe vertretenen König- reiche und Länder befindlichen Eisen- bahnen als Maximaltarif für den Personen- transport die Grundtaxen festgesetzt:

Für die I. Classe pro Person und Kilometer mit 5*0 Kreuzer,

für die II. Classe pro Person und Kilometer mit 3*6 Kreuzer,

für die III. Classe pro Person und Kilometer mit 2*4 Kreuzer

ö. W. Silber.

Weiters wurden in diesem Gesetze folgende grundsätzliche Bestimmungen getroffen :

>Bei Eilzügen dürfen diese Tarifsätze um 20®/q erhöht werden, wenn dieselben nicht blos Waggons I. Classe führen und wofeme die durchschnittliche Geschwin- digkeit der ZiXge [einschliesslich der Auf- enthalte in den Stationen] auf jenen Strecken, wo keine Steigungen von iS^oq und darüber vorkommen, mindestens Strecken mit Steigungen von i57oo ^^^ 37 ktn^ auf den exclusive 25^/qq aber mindestens 24 km pro Zeitstunde be- trägt. Auf Strecken mit noch stärkeren Steigungen ist die Geschwindigkeit der Schnellzüge von dem Handelsminister zu bestimmen. «

»Für gemischte ZügQ sind obige Tarife um 20^/q zu ermässigen. Der Handels- minister ist jedoch ermächtigt, diese Ermässigung für Bahnlinien, auf welchen nur gemischte ZiXgQ verkehren, nach Massgabe der Verkehrs- und sonstigen Verhältnisse der betreffenden Bahnunter- nehmung ausser Kraft zu setzen.«

»Sollte sich das Bedürfnis nach weiter- gehenden Ermässigungen herausstellen

und sollten in diesem Falle die Bahn- unternehmungen nicht in der Lage sein, entsprechende Erleichterungen in der III. Wagenclasse zu gewähren, so sind dieselben gehalten, über Aufforderung des Handelsministers auf der von demselben bezeichneten Strecke eine IV. Classe [Steh wagen] mit dem Tarifsatze von i'5 Kreuzer ö. W. in Silber pro Person und Kilometer einzuführen.«

»Für jedes ganze Fahrbillet wird ein Freigewicht von 25 kg- und für jedes halbe Billet ein solches von 12 kg fest- gesetzt. «

»Auf Bahnen mit Steigungs Verhält- nissen von 15^00 ^"^ darüber darf bei Berechnung der Tarifgebühren die iV«- fache Länge der fraglichen starken Stei- gungen und Gefälle zugrunde gelegt werden. «

Die Vergleichung der gesetzlich fest- gestellten Grundtaxen mit den früher für die einzelnen Bahnen erwähnten Grund- taxen zeigt bei mehreren derselben eine nicht unbedeutende Erhöhung, sie kam jedoch zumeist nur solchen Bahnunter- nehmungen zugute, die entweder die Staatsgarantie in bedeutendem Masse in Anspruch nahmen oder, einer solchen nicht theilhaftig, sich in misslichen finanziellen Verhältnissen befanden, bei denen daher eine Aufbesserung ihrer Einnahmen erstrebenswerth erschien.

Mit der Festsetzung einer Minimai- Geschwindigkeit für Eilzüge wurde eine genaue Präcisirung derjenigen Züge ge- geben, bei welchen der 20^/Qige Zu- schlag zulässig ist.

Die Verpflichtung der Bahnen zur Ermässigung der Fahrpreise bei ge- mischten Zügen ist ohne Rücksicht auf die Fahrgeschwindigkeit dieser ZiXgQ festgesetzt, weil es nicht angezeigt er- schien, die Geschwindigkeit eventuell zum Nachtheile des fahrenden Publicums ohne Bedürfnis zu verringern.

Die IV. Wagenclasse wurde als obli- gatorische Wagenclasse eliminirt mit Rücksicht auf die Betriebsöconomie, in- dem eine Vervielfältigung der Wagen- classen eine mit dem Verkehre nicht im Verhältnisse stehende Vermehrung des Wagenstandes bedingt und die W^agendispositionen erschwert, welche

144

Theodor Englisch.

Erschwernisse auf die betreffenden Bahn- verwaltungen nachtheilig einzuwirken ver- mögen. Es blieb zwar der Aufsichts- behörde vorbehalten, die Führung der IV. Wagenclasse dort zu verlangen, wo ein Bedürfnis hiefür sich zeigt, aber es ist auch den Bahnverwaltungen an die Hand gegeben, durch entsprechende Erleichterungen in der Benützung der III. Wagenclasse diesem Bedürfnisse entgegenzukommen. Thatsächlich ist auch von manchen Bahnverwaltungen zur Be- friedigung specieller localer Bedürfnisse mit der Einführung besonders ermässigter Arbeiterkarten [Tour- und Retourkarten und Wochenkarten], giltig zur Benützung der III. Wagenclasse, vorgegangen worden.

Die Thatsache, dass in Gebirgs- gegenden wegen der Terrainschwierig- keiten in der Regel höhere Baukosten aufgelaufen sind, sowie die andere That- sache, dass die grössere Schwierigkeit des Betriebes in Gebirgsgegenden und die damit verbundene Höherstellung der Regiespesen naturgemäss auf die Fest- setzung der Tarife nicht ohne Einfluss bleiben kann, dann endlich der Um- stand, dass es zur Vermeidung von Complicationen in der Tarifberechnung nicht angeht, für die fraglichen Strecken besondere höhere Einheitssätze aufzu- stellen, führte zu der Normirung von Längenzuschlägen für Strecken mit Stei- gungen von i57oo ""^ darüber. Anfäng- lich war es gebräuchlich, die Gesammt- entfemung solcher Stationen, zwischen welchen aussergewöhnliche Betriebs- schwierigkeiten vorkommen, entsprechend höher zu halten, wie z. B. rücksichtlich der Semmeringstrecke.

Da nun weder das Eisenbahn-Con- cessions-Gesetz vom 14. September 1854 noch das Personentarif - Gesetz vom 15. Juli 1877 eine Rückwirkungsclausel enthält, in letzterem vielmehr ausdrück- lich auf die besonderen Rechte einzelner Bahnunternehmungen hingewiesen wird, konnte die allseitige und gleichzeitige Durchführung der Tarifreform nicht er- folgen und mussten vielmehr erst im Wege protokollarischer Neben-Uebereinkommen die erforderlichen Aenderungen der be- züglichen Concessions-Bestimmungen an- gestrebt werden. Nicht alle Bahnver-

waltungen haben sich einer formellen Regelung imterworfen, mehrere derselben haben ihre Tarife zwar entsprechend den gesetzlichen Grundbestinunungen regulirt, sich jedoch die durch ihre Privilegien und Concessions-Urkunden zugesicherten Rechte gewahrt. Hiebei kam insbesondere in Betracht, dass in mehreren Concessions- Urkunden die Bewilligung aufgenommen ist, die festgesetzten Tarife in Gold oder Silber, jedoch stets nach dem jeweiligen Werthe derselben in der Landeswährung einzuheben, wogegen das Personentarif- Gesetz die Preise nur in österreichischer Währung Silber feststellt.

Uebrigens wurde schon durch das Gesetz vom 25. Mai 1880, betreffend die Zugeständnisse und Begünstigungen für Localbahnen, die Regierung ermächtigt, bei Festsetzung der Concessionstarife für Localbahnen Ausnahmen von den Be- stimmungen des Personentarif- Gesetzes zu gewähren, von welcher Ermächtigung im Interesse des Zustandekommens von Localbahnen auch factisch Gebrauch ge- macht und hiedurch die Einheitlichkeit wieder gestört wurde. Für die Local- bahnen wurden in vielen Fällen etwas höhere Grundtaxen und überdies die Ein- schränkung der Wagenclassen auf zwei zugestanden, aber auch ausdrücklich ver- fügt, dass die einzuhebenden Gebühren nur in der jeweiligen Landeswährung ohne Agiozuschlag zu berechnen seien.

Da nun durch das Personentarif-Gesetz vom 15. Juli 1877 eine Regelung nur hinsichtlich der Maximaltarifsätze statt- fand, war hiedurch und w^egen der in vielen Fällen eingetretenen, die Frequenz ungtinstig beeinflussenden Erhöhungen, eine Beseitigung der früher bestandenen Begünstigungen, als Tour- imd Retour- karten, Abonnementskarten u. dgl., nicht möglich ; die einschlägigen Preise wurden lediglich einer Anpassung an die Grund- taxen unterzogen und, soweit die Ver- hältnisse der einzelnen Verwaltungen dies als nothwendig erkennen Hessen, noch weitere Arten von Fahrbegünstigungen eingeführt.

So sah sich die Kaiserin Elisabeth- Bahn im Jahre 1877 veranlasst, Rund- reisebillets für eine Anzahl Touren in das Salzkammergut zur Einführung zu

Personen-Tarife.

145

bringen, unter Einbeziehung der mit Dampfschiffen befahrenen Seen des Salz- kammergutes und der die Verbindung zwischen denselben herstellenden Post- und Omnibus-Unternehmungen. Die Er- mässigungen, welche hiebei gewährt wurden, betrugen 20 25^/^, der ge- wöhnlichen Fahrpreise. Da aber die bahnseitig festgestellten Touren den Reisenden vielfach nicht entsprachen und immer Wünsche nach neuen Touren laut wurden, beschlossen im Jahre 1878 über Antrag der Kaiserin Elisabeth-Bahn die Verwaltimgen dieser Bahn, der öster- reichischen Südbahn-Gesellschaft und der Kronprinz Rudolf-Bahn, die Einführung »combinirbarer Rundreise -Bil- lets«, d. i. eines Billetsystems, welches den Reisenden die Möglichkeit bietet, auf Grund entworfener Reisepläne ihre Billets für die ganze Tour lösen, beziehungsweise zusammenstellen lassen zu können. Zu diesem Zwecke wurden in bestimmten Debit-Stationen lose Strecken-Fahrscheine sowie Umschlagblätter aufgelegt, in welch letztere die gewählten Scheine eingeheftet wurden. Die Umschlagblätter sind mit den Bestimmungen betreffend die Giltig- keitsdauer, Fahrtunterbrechung, Fahr- scheinabnahme u. s. w. bedruckt. Die wesentlichste Bestimmung für die Zu- sammenstellung der combinirbaren Rund- reisebillets bestand darin, dass die ganze Tour eine Rundtour von mindestens 3CX) ktn enthalten und die Ausgangs- station auch Endstation der Tour sein musste. In das Belieben der Reisenden war es jedoch gegeben, anschliessend an die wirkliche Rundtour Seitenausflüge in unbeschränkter Ausdehnung zu machen. Speciell im Interesse der Touristen war auch die Zusammenstellung von Sprung- touren, d. i. Touren mit Unterbrechung der Bahnroute und Einbeziehung einer Gebirgstour gestattet; so z. B. wurde zugegeben eine Tour : Wien-Linz-Salz- burg-Zell am See mit Einbeziehung der Gebirgstour über die Tauern und Wieder- aufnahme der Bahnfahrt in Toblach nach Villach-Leoben-Wien.

Die Anerkennung der Concessionen, welche durch dieses System der freien Bewegung der Reisenden im Rundreise- verkehr gegenüber dem bisherigen System

Geschichte der Eisenbahnen. III.

der festgesetzten Rundreisebillets gemacht wurde, fand in den Frequenzziffem be- redten Ausdruck. Für den Bereich der Linien der Kaiserin Elisabeth-Bahn, der Kronprinz Rudolf-Bahn und der Oester- reichischen Südbahn- Gesellschaft gelang- ten in Wien allein

im Jahre 1879 schon 1130 Billets für 190 » » 1880 1800 » » 220

diverse Combinationen zur Ausgabe, trotz- dem die für diese Bahnen schon früher für 17 der frequentesten Routen einge- führten festen Rundreisebillets unbe- schränkt fortbestanden.

Die Giltigkeitsdauer der combinirbaren Rundreisebillets wurde für alle Touren, gross oder klein, mit 40 Tagen festgesetzt. Im Jahre 1881 fand der Verkehr mit combinirbaren Rundreisebillets eine Aus- dehnung auf Theilstrecken der königlich ungarischen Staatsbahnen, die Ungarische Westbahn, sowie auf die Dampfschiffahrts- und Omnibus-Unternehmungen des Salz- kammerg^tes.

Auch ausserhalb der österreichischen Grenzen fand das System der combinir- baren Rundreisebillets Anklang, da die schweizerischen Bahnverwaltungen das- selbe bereits im Jahre 1879 für ihre Linien acceptirten und mit Einschluss der Post- und Dampfschiffahrts -Verbindungen für die ganze Schweiz einführten.

Die immer wachsenden Erfolge, deren sich das System der combinirbaren Rund- reisebillets zu erfreuen hatte, einerseits, dann die unzähligen Wünsche nach Schaffung von Rundreisebillets für den Verkehr mit ausländischen Bahnen, ver- anlassten im Jahre 1882 die k. k. Direction für Staatseisenbahn-Betrieb in Wien zu dem Antrage auf Ausdehnung des Systems auf die Linien der dem Vereine deutscher Eisenbahn -Verwaltungen angehörenden Verwaltungen. Dieser Antrag wurde, nachdem die einschlägigen Bestimmungen in mehreren Ausschusssitzungen festge- stellt waren, in der Generalversammlung des Vereines im August 1882 zum Be- schlüsse erhoben und die Einführung mit I. Mai 1884 innerhalb des ganzen Ver- einsgebietes veranlasst.

Mit diesem Zeitpunkte erstreckte sich die Möglichkeit der Combination von

IG

146

Theodor Englisch.

Rundreisebillets über die Linien von 59 Vereinsbahnen mit einer Gesammt- länge von 45.5 16 km. Der Mindestumfang einer Rundtour wurde mit 600 km, und die Giltigkeitsdauer der Billets mit 45 Tagen festgesetzt. Die Ausgabe der combinirbaren Vereins - Fahrscheinhefte, anfangs auf die Sommersaison beschränkt, wurde schon im Jahre 1886 während des ganzen Jahres diu"chgeführt.

Weitere Ausdehnung fand das System im Laufe der nächsten Jahre durch den Beitritt der schweizerischen, der bel- gischen, dänischen und schwedischen Bahnen, und haben die Linien, für welche im Jahre 1 895 combinirbare Fahrscheinhefte zur Ausgabe gelangen konnten, einen Um- fang von 87.828 km. Mit der Ausdehnung^ des Netzes und der dadurch möglichen Erweiterung der Touren trat die Noth- wendigkeit der Verlängerung der Giltig- keitsdauer zu Tage und wurde diese im Jahre 1887 derart festgesetzt, dass Touren bis zu 2000 hn Umfang 45 Tage und grössere Touren 60 Tage Giltigkeit er- hielten; auch wurden in Beziehung auf die Combination der Touren Erleichte- rungen dahin eingeführt, dass von der Forderung einer Rundtour Umgang ge- nommen wurde und Fahrscheinhefte für Hin- imd Rückfahrten zusammengestellt werden können. Ebenso sind Erleichte- rungen für den Verkehr nach ausserhalb des Vereinsgebietes gelegenen Linien zugelassen, und zwar derart, dass Fahr- scheinhefte für Touren zusammengestellt werden können, bei denen das Vereins- Verkehrsgebiet an einem Punkte verlassen und an einem anderen Punkte wieder betreten wird.

An dem Vereinsreiseverkehr sind neben der Eisenbahn alle Arten der öffent- lichen Personen-Beförderungsmittel be- theiligt, die See- und Flussschiffahrt, die Post und andere Strassenfuhrwerke. Die Flussschiffahrt, wie z. B. auf der Donau und dem Rhein, zumeist in der Weise, dass die Fahrscheine nach Be- lieben der Reisenden entweder auf der Bahn oder auf dem Schiff ausgenützt werden können.

Wegen der Erweiterung des Vereins- reiseverkehres auf die französischen, ita- lienischen und russischen Bahnen waren

wiederholt Verhandlungen eingeleitet worden, doch haben dieselben bis mm zu keinem endgiltigen Beschlüsse geführt.

Indirect ist der Vereinsreiseverkehr schon über die Grenzen Europas aus- gedehnt, da im Anschlüsse an die nach den serbischen, bulgarischen und rumäni- schen Uebergangspunkten, beziehimgs- weise nach den Hafenplätzen Triest und Fiume combinirten Vereins- Fahrschein- hefte besondere Fahrscheinhefte über Serbien, Bulgarien und die Türkei nach Griechenland und Egypten per Bahn und See zusammengestellt werden können.

Die nachstehenden statistischen Daten mögen die Wichtigkeit des Vereinsreise- verkehres sowie die Zunahme der Fre- quenz mit Vereins-Fahrscheinheften illu- striren.

Verausgabt wurden im Jahre 1884 61.590 Fahrscheinhefte mit 1,209.118 Fahrscheinen, im Jahre 1895 717.127 Fahrscheinhefte mit 10,018.317 Fahr- scheinen und beliefen sich die Einnahmen aus diesem Verkehre

im Jahre 1884 auf 3,332.165 Mark » » 1895 » 35,449.211 »

Die auf Vereins-Fahrscheinhefte gefah- renen Personen-Kilometer berechneten sich

im Jahre 1884 auf 76,947.830 » p 1895 * 844,328.718,

und zwar im letztgenannten Jahre

mit 49,412.416 km in I. Gl., d. i. 5*97o

» 431,753407 » » IL * > » 5i'i » » 363,162.894 » » III. » > » 43*0 »

An den Einnahmen des Jahres 1895 betheiligten sich:

die I. Classe mit 8*9 % » IL > » 58*4 >

IIL

* 327 »

Neben den für den Reiseverkehr durch die zusammenstellbaren Fahrscheinhefte gebotenen Erleichterungen wurde aber auch der Einführung directer Personen- und Gepäcksabfertigung über weite Bahn- gebiete besondere Aufmerksamkeit ge- widmet.

Welchen Umfang die directe Ab- fertigung im Laufe der Jahre angenom-

Personen-Tarife.

147

men hat, mag aus der Thatsache ent- nommen werden, dass am i. Januar 1895 auf den österreichischen Bahnen 49 Tarife für den österreichisch - ungarischen An- schlussverkehr und 79 Tarife für den directen Vekehr mit ausländischen Bahnen bestanden.

In den Personencassen der Wiener Bahnhöfe werden nach mehr als 400 ausländischen Stationen directe Fahr- karten ausgegeben, und zwar:

in Wien [Westbahnhof] nach 173

» » [Südbahnhof] > 35

* » [Nordbahnhof] » 112

> » [Nordwestbahnhof] » 32

» » [Kaiser Franz Josef-Bahnh.] 25

» > [Staatsbahnhof] nach 70

Für viele Relationen liegen Fahrkarten über mehrere Routen auf, auch gelten die directen Karten oft zur beliebigen Benützung verschiedener Routen.

Als im Jahre 1882 die Direction für Staatseisenbahn-Betrieb in Wien er- richtet und deren Leitung die Linien der bis dahin verstaatlichten Kaiserin Elisabeth- Bahn, Kronprinz Rudolf-Bahn, Braunau- Strasswalchener Bahn und der Nieder- österreichischen Staatsbahnen übertragen worden war, sah sich die genannte Direction in der Erkenntnis der volks- wirthschaftlichen Bedeutung der Bahnen und im Interesse der Hebung des Reise- verkehres zu einer allgemeinen, mit Ver- billigung der Fahrpreise verbundenen Reform der Personentarife veranlasst.

Der für die oben genannten Bahnen giltige neue Tarif gelangte mit i.Juli 1882 zur Einführung und basirte auf folgenden Grundtaxen :

Personenzug: Gemischter Zug:

L IL III. Gl. I. II. III. Gl.

4*0 3*0 20 30 225 1*5

Kreuzer österreichische Währung.

Für Schnellzüge wurde ein für alle Glassen gleichmässiger Zuschlag zu den Personenzugstaxen mit einem Kreuzer pro Kilometer festgesetzt ; jedoch für die III. Glasse schon im folgenden Jahre auf 0*5 Kreuzer pro Kilometer ermässigt. Bei Tour- und Retourkarten sowie Abon- nementskarten erfuhren die Personen-

zugstaxen eine weitere Ermässigung um 25 ®/q, wogegen eine Reducirung des Schnellzugszuschlages weder bei Tour- und Retour- noch bei Abonnementskarten zugestanden wurde. Eine specielle Be- rücksichtigung erfuhr bei dieser Tarif- reform der engste Local verkehr dadurch, dass statt der bisherigen Berechnung der Mindestgebühren für 8 km diese nun- mehr für 5 km vorgenommen wurde, wo- durch sich die Mindestgebühren für ein- fache Fahrt ergaben in

I. Glasse mit 20 kr. gegen früher 36 kr.

II. » > 15 * * * 27 *

III. » » 10 » » » 18 >

dann für Hin- und Rückfahrt

I. Glasse mit 30 kr. II. » » 20 *

III. » » 15 »

Gleichzeitig gelangten auch für das ganze Staatsbahnnetz giltige Jahres- karten zu den Pauschalbeträgen von 300 fl. I., 225 fl. IL und 150 fi. III. Glasse zur Einführung.

Die Erfolge dieser auf den Staats- bahnen getroffenen Tarifmassnahmen konnten bald als äusserst befriedigend bezeichnet werden. Der auf Grundlage der Frequenzziffern des Jahres 1881 mit mehr als i Million Gulden berechnete Einnahmen ausfall trat nicht nur nicht ein, es ergab sich vielmehr schon im Jahre 1883 bei einer Mehrfrequenz von 3,385.905 Personen gegen 1881 eine nennenswerthe Mehreinnahme.

Der Geschäftsbericht der Direction für Staatseisenbahn-Betrieb vom Jahre 1883 enthält die nachstehende beachtens- werthe Stelle:

»Was speciell den Personenverkehr betrifft, so hat die Gesammtzahl der be- förderten Personen 9,457.361 gegen 7>562.533 im Jahre 1882 und 6,071.456 im Jahre 1881 betragen, hat daher ge- I gen das Jahr 1882 um 1,894.828, also I um mehr als ein Viertel und gegen das I Jahr 1881 um 3,385.905, also um mehr I als die Hälfte zugenommen.« , »An der Vermehrung der Frequenz

[ participiren die :

Kaiserin Elisabeth-Bahn mit 1,017.570 Personen, d. i. 5374 ^o»

IG*

148

Theodor Englisch.

Kronprinz Rudolf- Bahn mit 469.742 Per- sonen, d. i. 24*80%, Staatsbahnen mit 222.602 Personen, d. i.

Vorarlberger Bahn mit 184.914 Personen, d. i. 978 %

Die Anzahl der auf der Arlberg- bahnstrecke Innsbruck- Landeck beför- derten Personen beträgt 186.002.«

»Die Erhöhung der Personenfrequenz und der Einnahmen aus dem Personen- verkehre entfällt zum weitaus grössten Theile auf den engeren Localverkehr, welcher sich um Wien, Linz, Salzburg, Steyr, Villach und andere bedeutendere Orte des vereinigten Netzes gruppirt, wogegen der inländische Anschlussver- kehr im Jahre 1883 zwar eine grössere Frequenz, jedoch eine geringere Ein- nahme aufweist und der externe Per- sonenverkehr in der Frequenz stabil geblieben, in den Einnahmen zurückge- gangen ist. Dieses Ergebnis des Per- sonenverkehres im Jahre 1883 hat somit die im vorjährigen Geschäftsberichte, ge- legentlich der Besprechung der Fahr- preisreduction zum Ausdrucke gelangte Anschauung als richtig erwiesen, dass von der Preisherabsetzung ein rascher, finanziell günstiger Erfolg lediglich bei dem nach Wien und anderen Verkehrs- centren gravitirenden Localverkehre, nicht aber auch bei dem Verkehre inner- halb weiter Distanzen erwartet werden kann. Gleichwohl muss an der im vo- rigen Jahre ausgesprochenen Meinung fest- gehalten werden, dass die Herabsetzimg der Fahrpreise aus volkswirthschaftlichen Gründen und wegen des Ineinander- greifens des localen und durchgehenden Verkehres nach den gleichen Einheits- sätzen, d. h. generell erfolgen solle, und liegt, ungeachtet damit für das Bahnunter- nehmen kein besonderer Einnahmen- Aus- fall verbunden wäre, kein Grund vor, auf das System der Herabsetzung der Preise für weitere Fahrten [Einführung des Zonensystems auf dem Gebiete des Personen-Tarifes] überzugehen, nachdem die Erfahrungen zeigen, dass die Ver- minderung der Fahrkosten nur dort in- tensiv wirkt, wo letztere einen verhält- nismässig grossen Theil der Reisekosten

absorbiren. Im Uebrigen muss behufs richtiger Beurtheilung des bisherigen zu- friedenstellenden Erfolges der getroffenen Massregel bemerkt werden, dass die wesentlich grössere Frequenz eine rei- chere Fahrordnung bedingte, welche namhafte Mehrauslagen mit sich brachte. Wenn man die ganze im Jahre 1883 gegenüber dem Vorjahre eingetretene, 215.352 fl. 9 kr. betragende Erhöhung der ; Ausgaben des Verkehrs- und commer- ziellen Dienstes sowie des Zugsförde- rungs- und Werkstättendienstes auf die Vermehrung der Personenzüge zurück- führt und von dem Erträgnis des Per- sonenverkehres in Abschlag bringt, so er- übrigt noch immer gegenüber dem Vorjahre eine Mehreinnahme von 47.669 fl. 47 kr. Einem bedeutenderen absoluten Gewinne kann der seinerzeit ausgesprochenen Er- wartung gemäss erst dann entgegen- gesehen werden, wenn die eingeleitete grössere Zahl von Zügen eine gesteigerte Ausnützung erfahren wird.«

Als die Hebung des Personenver- kehres wesentlich mitbeeinflussend muss hier einer Massnahme auf fahrplantech- nischem Gebiete gedacht werden; es ist dies der Uebergang von dem System der wenig beliebten gemischten Züge [Güterzüge mit Personen-Beförderung] zu reinen Personenzügen und der Einftihrung leichter, nur Wagen IL und IIL Classe führender Secundärzüge, bestimmt in ge- wissen engbegrenzten Verkehrscentren besser als dies die für lange Strecken oder für den Fernverkehr vorgesehenen ZiXge vermögen, den engeren Local- verkehr zu bedienen. Ein diesbezügli- cher befriedigender Versuch wurde ins- besonders in der Strecke Wien Salz- burg gemacht, indem diese Strecke unter Berücksichtigung der statistischen Ver- kehrsziff'em, der Sitze der politischen Behörden, der Marktplätze etc. in Ver- kehrscentren eingetheilt wurde, innerhalb welcher die Secundärzüge so gelegt wurden, wie es die politischen und wirth- schaftlichen Verhältnisse sowie die Er- möglichung in kurzer Zeit hin- und zu- rückzukommen, erforderten. Es ist ein- leuchtend, welche Vortheile eine solche Fahrplan-Construction für die betreffende

Personen-Tarife.

149

Bevölkerung mit sich bringt, wie viel Zeit erspart werden kann, wenn es mög- lich ist, den Vorladungen zu den Behör- den innerhalb weniger Stunden zu ent- sprechen und welcher Werth für die Landbevölkerung darin liegt, wenn ihr Gelegenheit geboten ist, ihre Producte rechtzeitig und ohne grosse Opfer an Zeit und Geld selbst auf den Markt zu bringen. Weiters ist der bedeutenden Vermehrung der Personenhaltestellen zu erwähnen. Solche Haltestellen wurden in grosser Anzahl dort angelegt, wo die Entfernungen der Stationen von den Ort- schaften die Benützung der Eisenbahn erschwerten. Zeit ist Geld, und deshalb darf mit Recht gesagt werden, dass die Ermöglichung der Zeitersparnis, nament- lich im engeren Localverkehre, in vielen Fällen einer Tarifbegünstigung gleich zu achten ist.

Der ermässigte Tarif der Staats- bahnen konnte in seinen Wirkungen nicht auf diese Bahnen beschränkt blei- ben. Abgesehen von den Regulirungen, die er hinsichtlich der Routen der Privatbahnen, die mit den Staats- bahnen gleiche Relationen bedienen, be- wirkte, sind im Jahre 1883 auf der Aussig-Teplitzer Bahn und im Jahre 1886 auf der Kaiser Ferdinands- Nordbahn Tarife mit den gleichen Grundtaxen eingeführt worden.

Eine weitere Ausgestaltung der Staatsbahntarife erfolgte im Jahre 1886 durch die Einführung von Ar- beiter-Wochenkarten für Entfer- nungen b i s 50 knty und Arbeite r-T o ur- und Retourkarten für Entfernungen über 50 km bestimmt, die Ansiedlung der Arbeiter ausserhalb der Hauptstädte und Fabriksorte und in den nahe der- selben gelegenen Stationen zu begünsti- gen. Die Berechnung der Preise der Arbeiter-Wochenkarten fand unter Berück- sichtigung einer Grundtaxe von 12 Kreuzer pro Wochenkarte und einer kilometri- schen Grundtaxe von 0*4 Kreuzer pro Fahrt statt; bei Arbeiter-Tour- und Re- tourkarten war eine 50 ^/q ige Ermässi- gung von den Personenzugs-Fahrpreisen III. Gl. gewährt. Für Arbeitertransporte auf grössere Entfernungen wurde eine Begünstigung in der Weise zugestanden.

dass Arbeitertrupps von mindestens zehn Personen auf Entfernungen über 300 km gegen Zahlung des halben Fahrpreises in der III. Classe fahren konnten.

Der im Interesse der Hebung des engeren Localverkehres gelegenen Ein- führung der Arbeiter-Wochenkarten folgte im Jahre 1888 die Einführung von Werthmarken-Abonnements zur Erleichterung des Femverkehres. Das Werthmarken-Abonnement bestand darin, dass einem Abonnenten Hefte mit Werth- marken im Nominal werthe von 75 fl. zum Preise von 60 fl., dann als erste Zusatzhefte solche in gleichem Betrage wieder mit 75 fl. Marken und weitere Zusatzhefte im Nominalwerthe von 30 fl. gegen 18 fl. ausgefolgt wurden. Bei Lösung der für die auszuführenden Fahrten erforderlichen Fahrkarten wurden die Marken zu ihrem Nominalwerthe anerkannt und in dieser Weise die Er- mässigung zum Ausdruck gebracht, welche sich mit dem gesteigerten Verbrauche von Marken-Zusatzheften innerhalb einer Abonnements-Periode erhöhte.

Die Ermässigung bei den Stamm - und ersten Zusatzheften ä 75 fl. betrug 20^/q und die bei den ferneren Zusatz- heften ä 30 fl. 40^0-

Ein ähnliches Abonnements-System war auch auf den Linien der Oesterreichisch- Ungarischen Staatseisenbahn-Gesellschaft und auf den königlich ungarischen Staats- bahnen eingeführt, jedoch gelangten bei diesen beiden Bahnen nicht Werthmarken, sondern Kilometer marken zur An- wendung.

Der wesentlichste Unterschied dieser beiden Systeme bestand darin, dass das Kilometermarken-System mit Rücksicht auf die verschiedenen kilometrischen Grundtaxen der einzelnen Wagenclassen auch verschiedene Kilometermarken-Hefte erforderte, wogegen bei dem Werthmarken- System den Reisenden freistand, sich Karten jeder beliebigen Classe und Zucrs- gattung gegen die Marken ihres Abonne- mentsheftes zu lösen.

Nachstehend sind die den Marken- heften vorgedruckt gewesenen Bestim- mungen angeführt :

»Werthmarken -Hefte werden unter der Bedingung zur Ausgabe gebracht, dass

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150

Theodor Englisch.

während eines Jahres, vom Tage der Lösung an gerechnet, auf den der k. k. GeneraP Direction der österreichischen Staatsbahnen unterstehenden Linien von einem Abonnenten mindestens auf den Gesammtbetrag von 75 fl. lautende Marken für Bahnfahrten Ver- wendung finden.

Die Markenhefte enthalten verschieden- farbige Marken ä 5 fl., i fl., 10 kr. und 5 kr. mit dem Gesammtbetrage von 75 fl.

Reisende, welche die gelösten Marken vor Ablauf des Giltigkeitsjahres aufgebraucht haben, können unter Vorzeigung ihres Stamm- heftes nach Bedarf Zusatz-Markenhefte, und zwar als erstes ein solches auf 75 fl. Marken lautend zum Betrage von 60 fl., und dann solche zu 30 fl. Werthmarken gegen Zahlung von l8 fl. lösen.

Die Werthmarken selbst berechtigen nicht zur Fahrt Vor Antritt der Reise nat der Inhaber des Markenheftes unter Vor- zeigung desselben von der betreffenden Per- sonen-Casse die Ausfolg^ung einer für den zu* benützenden Zug giltigen, auf eine ein- fache Fahrt lautenden Fahrkarte zu ver- langen, welche ihm gegen Entnahme des dem Billetpreise entsprechenden Werth- marken-Be träges verabfolgt wird.

Das Abtrennen der Marken aus den Heften haben die Personen-Cassiere zu be- sorgen. Aus dem Hefte losgetrennte Marken werden als ungiltig betrachtet und an Zahlungsstatt nicht angenommen.

In Haltestellen werden auf Werthmarken Fahrkarten nicht verabfolgt.

In Bezug auf Giltigkeitsdauer, Fahrtunterbrechungen, Uebertritt in höhere Wagenclassen oder Züge höheren Ranges, sowie in Bezug auf Freigepäck gelten für die auf Werthmarken gelösten Fahrkarten die für gewöhnliche einfache Fahrkarten bestehenden Bestimmungen.

Auf das Werthmarken-Heft werden nur derjenigen Person Fahrkarten erfolgt, auf deren Namen es lautet und mit deren Photo- graphie es versehen ist ; es ist aber dem Be- sitzer des Werthmarken-Heftes gestattet, auch für die in seiner Begleitung reisenden Familienangehörigen und Hausgenossen Fahr- karten auf Grund von Werthmarken, jedoch nur nach derselben Bestimmungsstation und für dieselbe Wagenclasse zu lösen. Vor der Benützung ist das Heft an der hiefür be- stimmten Stelle mit Tinte eigenhändig zu unterfertigen.

JDie mit der Controle betrauten Organe sind befugt, behufs Prüfung der Persönlich- keit des Inhabers dessen Unterschrift zu verlangen.

Wird ein Werthmarkenheft von einer anderen Person benützt, als von jener, für welche es ausgestellt ist, so wird das Heft dem unrechtmässigen Besitzer abgenommen und derselbe im Smne des § 14 des Betriebs- Reglements, als ohne Karte betroffen ange- sehen und behandelt Der für das Marken- heft bezahlte Betrag ist in einem solchen Falle

verfallen und behält sich die Verwaltung über- dies weitere gerichtliche Schritte vor.

Der Inhaber eines Werthmarken-Heftes ist verpflichtet, bei den Fahrkarten-Revisionen ausser der gelösten Fahrkarte auch das Markenheft vorzuweisen, ohne welches das erstere keine Giltigkeit besitzt. Kann zu einer Fahrkarte aus irgend einem Grunde das zugehörige Markenheft nicht vorgewiesen werden, so wird der betreffende Reisende als ohne giltige Fahrkarte getroffen angesehen und im Smne des Betnebs-Reglements zur Strafzahlung verhalten. Nach vollendeter Fahrt sind die Fahrkarten abzugeben.

Die Giltigkeit des Werthmarken-Heftes erlischt in allen Fällen nach Ablauf eines Jahres vom Tage der Ausstellung an ge- rechnet und ist eine Vergütung für nicht benützte Marken unbedingt ausgeschlossen. Auch begründet eine zeitweilige Ein- stellung des Verkehres oder sonstige Ver- kehrs-Hindemisse keinen Anspruch au? irgend eine Entschädigung oder auf Verlängerung der Giltigkeitsdauer des Werthmarken-Heftes.

Die Ausgabe, beziehungsweise Aus- fertigung der Werthmarken-Hefte erfolgt wäh- rend des ganzen Jahres bei den k. k. Eisen- bahnbetriebs-Directionen gegen Erlag, resp. Einsendung des entfallenden Betrages nebst Photographie (Visitkartenformat) des Be- stellers. Die Bestellung kann auch durch Vennittlung der Stationen erfolgen.

Die Ausfolgung der Werthmarken-Hefte kann am Ausstellungsorte binnen 48 Stunden, bei auswärtigen Bestellungen erst binnen fünf Tagen nach der Bestellung erfolgen.

Die Zusatz-Werthmarkenhefte sind unter Vorlage, beziehungsweise Einsendung des Werthmarken-Heftes stets bei derjenigen Stelle zuzukaufen, welche das letztere ausgefertigt hat.«

Die Abb. 69—72 auf der folgenden Tafel stellen Muster der bestandenen Werth- marken dar.

Mit dem Jahre 1889 beginnt in Oester- reich eine neue Aera in Bezug auf das Personen-Tarifwesen,

Das durch die Einführung neuer Arten von Fahrbegünstigungen von Jahr zu Jahr complicirter werdende Tarif- und Fahr- kartenwesen musste endlich zu dem Be- streben nach Vereinfachung führen.

Die Rechenschaftsberichte mancher Bahnen zeigten kaum mehr als 30®/q zu nor- malen Tarifen verausgabter Fahrkarten. Auf den im österreichischen Staatsbetriebe stehenden Eisenbahnen, die zu einem Netze von mehr als 6ocx) km herangewachsen waren, waren nicht weniger als 30 Sor- ten verschiedener Fahrkarten-Gattungen nachzuweisen, die zumeist für drei Wagen- classen in Vorrath gehalten werden

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Personen-Tarife.

151

mussten, und die gegenüber dem gewöhn- lichen Tarife mit um 20 50 ^q ermässig- ten Preisen zur Ausgabe gelangten. Der Rechenschaftsbericht der k. k. Staatsbahnen vom Jahre 1888 weist 61-82 ^o Abferti- gungen auf begünstigte Fahrkarten nach. Diese Mannigfaltigkeit der Fahrkarten entsprang dem Bestreben der Bahnverwal-

tungen, den Reiseverkehr zu heben und den jeweilig auftretenden Wünschen und Bedürfnissen gerecht zu werden. Es muss auch zugegeben werden, dass manche der geschaffenen Einrichtungen von günstigen Erfolgen begleitet waren und im Publi- cum sich einer gewissen Beliebtheit er- freuten, so insbesondere die Tour- und

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Die Fahrkarten, welche für je eine Fahrt in der einen oder anderen Richtung ig^elten, können, unab- hängig^ von den betreffenden abgehenden Zügen, an den Persouen-Cassen der genannten Stationen gelöst werden.

Die Karten sind im Gegensatze zu den bisherigen Kartengattungen an eine Giltigkeitsdauer nicht gebunden ; insolange dieselben nicht markirt sind, können sie zu beliebiger Zeit bei allen Local- und Personen- zügen [excluslve Schnellzügen] benützt werden.

Für Kinder unter lo Jahren genügt eine halbe Fahrkarte der betreffenden Classe und Strecke, beziehungs- weise können je zwei solcher Kinder auf eine ganze Karte fahren.

Eine erwachsene Person mit einem Kinde kann die 111. Classs mit einem Billet ü. Classe und die II. Classe mit einem Billet 1. Classe benutzen.

Da die Markirung der Karten erst bei deren Benützung erfolgt, können dieselben zur Vermeidung der Kartenlösung bei jeder lahrt in beliebiger Anzahl gelöst werden.

Für Hin- und Rückfahrten sind jeweils 3 Karten der betreffenden Classe und Strecke zu lösen.

Wien, am 15. Juni 1889. Die k. k. General-Direction.

152

Theodor Englisch.

Retourkarten, die Abonnementskarten, Rundreisebillets, die Werthmarken-Abon- nements- und Arbeiterkarten. Da aber die Benützung der ermässigten Fahr- karten immer an gewisse Bedingungen gebimden werden musste, so hörten die Klagen und Wünsche nicht auf.

Der Ruf »billiger und schneller« er- scholl von allen Seiten und nebstbei das Verlangen nach Vereinfachung der Tarife. Insbesondere beschäftigte sich die Literatur wieder mit einer bereits 25 Jahre früher propagirten Idee der Reform der Per- sonen-Tarife nach dem Posttarife, d. i. mit der Festsetzung eines für alle Entfernungen geltenden einstufigen Tarifes oder wenig- stens eines Tarifes mit nur wenigen Ent- femungsstufen, beziehungsweise Fahr- preisen.

Da nun die im Jahre 1882 auf den österreichischen Staatsbahnen, im Jahre 1883 auf den Linien der Aussig-Teplitzer Bahn und im Jahre 1886 auf den Linien der Kaiser Ferdinands-Nordbahn durch- geführte generelle Tarifreduction zufrieden- stellende Resultate geliefert hatte, glaubte die Verwaltung der k. k. Staatsbahnen, den Versuch mit einem vereinfachten Personen- Tarif machen zu sollen, und beschloss, mit I.Juli 1889 die Einführung eines vorerst auf die Wiener Localstrecken Wien- Neulengbach, Wien- Kaiser-Ebersdorf und Wien-Tulln beschränkten, auf den er- mässigten Preisen der Abonnements- karten basirenden Stationsgruppe n- tarifes [vgl. Tabelle auf Seite 151J unter gleichzeitiger Aufhebung der Tour- und Retourkarten sowie der Abonnements- karten.

Durch die Aufhebung der genannten Karten sowie durch die Zusammen- legimg mehrerer Stationen und Halte- stellen zu einer Preisgruppe wurden die Fahrkartenbestände bedeutend verringert. Statt der vorher für 25 Relationen be- standenen verschiedenen Preise bestanden nur mehr sieben Preisgruppen.

Die Manipulation an den Personen- cassen sowie die Lösung der Fahrkarten wurde überdies wesentlich dadurch er- leichtert, dass die Fahrkarten wie Brief- marken in beliebiger Anzahl, nicht nur an den Personencassen der Bahnhöfe, sondern auch an vielen Verkaufsstellen

in der Stadt, insbesondere in den Tabak- trafiken im Vorkauf erhältlich waren. Diese Vortheile traten noch mehr dadurch hervor, dass die Karten für mehrere Stationen giltig sowie für Fahrten in der einen oder anderen Richtung benutzbar aufgelegt waren und erst beim Antritt der Reise durch die Thürsteher oder Gonducteure markirt wurden.

Die Ergebnisse dieser Tarifreform konnten schon im ersten Jahre als be- friedigend bezeichnet werden, insofeme die Frequenz auf den genannten Local- strecken

von 3,685.065 Personen im Jahre 1 888 auf 3,830.562 » » » 1889

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innerhalb sechs Monaten des Bestandes des neuen Tarifes gestiegen ist. I Die zufriedenstellenden Erfolge des j Stationsgruppentarifes veranlassten die I Verwaltung der österreichischen Staats - bahnen,, das Zonentarif-System weiter auszubauen, und über deren Antrag wurde von der Regierung bereits im März 1890 ein auf Abänderung des die Fahr- preisberechnung nach Kilometern be- stimmenden Personentarif-Gesetzes vom 15. Juli 1877 abzielender und die Be- rechnung nach Zonen regelnder Gesetz- entwurf im Abgeordnetenhause einge- bracht, welcher auch im Mai desselben Jahres Gesetzeskraft erlangte. Durch dieses Gesetz wurde die k. k. Regie- rung ermächtigt:

1. in Abänderung der entgegen- stehenden Bestimmungen des Gesetzes vom 15. Juli 1877 auf den k. k. Staats- bahnen einen auf ermässigten Ein- heitstaxen beruhenden Personentarif [Kreuzer-Zonentarif] mit einer Zonen- eintheilung zur Einführung zu bringen;

2. den bei den Schnellzügen nach Massgabe des genannten Gesetzes ein- zuhebenden Zuschlag von 20% auf höchstens 50% der neuen Personenzugs- preise zu erhöhen, von der im Gesetze vom 15. Juli 1877 angeordneten Tarif- ermässigung für gemischte Züge abzu- sehen und das bisher festgesetzte Frei- gewicht für Reisegepäck aufzulassen.

Femer wurde die Regierung er- mächtigt, jenen Privatbahnen, welche

Personen-Tarife.

153

die bezüglich ihrer Haupth'nien einzu- hebenden Personentarife mindestens an- nähernd auf das Ausmass des auf den Staatsbahnen zur Einführung gelangenden Kreuzer-Zonentarifes herabsetzen, auf die Dauer der Einhebung dieser herabgesetzten Fahrpreise die Durchführung der vor- stehend unter 2. genannten Bestimmungen zu gestatten. Endlich bestimmt das Gesetz bezüglich jener Privatbahnen, welche in Gemässheit ihrer Concessions- Bestimmun- gen gehalten sind, sich einer gesetzlichen Regelung ihrer Tarife zu unterwerfen, dass sie auf ihren Linien, insoweit die- selben als Hauptbahnen betrieben werden, die neuen Beförderungs - Bestimmungen und herabgesetzten Tarife zu einem vom Handelsministerium zu bestimmenden Zeitpunkte zur Einführung zu bringen haben.

Zufolge dieses Gesetzes ist sodann mit Giltigkeit vom 16. Juni 1890 der auf den kilometrischen Grundtaxen von

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beruhende Kreuzer-Zonentarif zur Einführung gelangt.

Die Grundtaxe der III. Classe Per- sonenzug [auch gemischter Zug], i Kreuzer pro Kilometer, bildet demnach die Basis für die Tarif bildung ; die Grundtaxe für die IL Classe beträgt das Doppelte, für die I. Classe das Dreifache, bei Schnell- zügen tritt ein SO^j^iger Zuschlag ein.

Die bis dahin bestandenen Grundtaxen für Personenzüge : für Schnellzüge : Classe III II I III II I

Kreuzer 2*0 3*0 475 2*5 4*0 575

erfuhren durch den neuen Tarif Ermäs- sigungen um

50 33 36 40 25 20%.

Bei diesen Ermässigungen trat das Be- streben zu Tage, die wenigst bemittelten Classen der Bevölkerung, welche die III. Classe benützen, in erster Linie zu begünstigen, denselben die Benützung des modernen Transportmittels zu ermöglichen,

Schnell- zug

und damit der socialen Forderung, die an den Personen-Tarif gestellt wird, gerecht zu werden.

An Stelle der bisher als Rechnungs- grundlage dienenden Wege-Einheit, das Kilometer, sind mit der Entfernung wachsende Wege-Einheiten gesetzt, und zwar hinsichtlich des engsten Localver- kehres bis 50 km Zonen mit i Myriameter, für die Entfernung von 5 1 bis 80 km mit i'5 Myriameter, weiter bis 100 km mit 2 Myriameter, über 100 bis 200 km mit 2 '5 Myriameter, und endlich für die weiteren Entfernungen mit 5 Myriameter.

Die auf dieser Grundlage auf den k. k. Staatsbahnen und den vom Staate be- triebenen Privatbahnen [mit Ausnahme einiger Privatlocalbahnen] zur Einführung gebrachten Fahrpreise, welchen die ärarische Stempelgebühr, als in den Grundtaxen enthalten, nicht besonders zugerechnet wurde, sind der Tabelle auf Seite 154 zu entnehmen.

Das complicirte Fahrkartenwesen er- fuhr eine durchgreifende Vereinfachung, einerseits durch den Wegfall der Mehr- zahl der bis dahin bestandenen zahl- reichen tarifmässigen Fahrpreis- Begünsti- gungen und andererseits dadurch, dass Karten nur für Zonen und nicht nach den einzelnen Stationen aufzulegen waren. Die Zonenkarten wurden nach dem Cartonsystem [Edmonson 'sehen System] hergestellt, jedoch für weniger frequen- tirte Relationen auch ein Bianco-Zonen- karten-System in Anwendung gebracht. Die Abb. 73, 74 und 75 auf der beige- gebenen Tafel stellen Muster der Carton- Zonenkarten, Abb. 76 eine Bianco-Zonen- karte dar. Nach diesem letzteren Muster gelangten je besondere Blocks für Schnell- und für Personenzüge zur Verwendung. Bei der Ausgabe wurden diese Bianco- karten, wie in dem Muster durch punk- tirte Linien markirter scheint, für die be- treffende Zone und Classe zugeschnitten.

Mit dem Zeitpunkte der Einführung des ermässigten Zonen-Tarifes wurden alle tarifmässigen Special-Ermässigungen auf- gehoben mit Ausnahme der Begünstigung für Kinder im Alter von vier bis zehn Jahren, welche auch nach dem neuen Tarife nur die halbe Gebühr zu bezahlen hatten, und der Jahreskarten für Theilstrecken

154

Theodor Englisch.

I

1

9i 1

u 1)

6J

Eine Person

(U

4>

Eine Person 1

Personen- u.

1

Schnellzug

Personen- und

Schnellzug

Zon

B

gem. Züge

c 0

1

S 1

1

gemischte Züge

1

III.

II. I. III. II.

1 1 1

I

III. ' II.

I.

III.

1

II I. 1

Kreuzer Ö.W. incl. Stempel

Kreuzer ö. W. inclusive Stempel 1

1 I

1 1

I 10

10

20

30

15

30 45

15

301 - 350

350

700

1050

1 525 1050

1575

2

II 20 ,

20

40

60

30

60

90

16

351-400

400

800

1200

600

1200

1800

3'

21 30

30

60

90;

45 90

135;

17

401 450

; 450

900

1350

675

1350 2025 i

4f

31-40

40

80

120'

60 120

1801

18

451 - 500

500

1000

1500

750

1500 1 2250

51

41 50

50

100

150,

75 ' 150

225;

19

501 - 550

550

IIOO

1650

825

1650 2475

6

51-05

65

130

195

98 195

293

20

551—600

600

1200

1800

900

1800

2700

7

66-80

80

160

240)

120 240

360

21

601 650

650

1300

1950

975

1950 2925

8

81—100

100

200

3001

150 300

450

22

651 700

700

1400

2100

1050

2100 '3150

9

loi— 125

125

250

375

188 375

563

23

701 750

750

1500

2250

1125

2250 1 3375

10

126—150

150

300

450

225

450 1 675;

24

751 800

800

1600

2400

1200

2400 3600

II

151-175

175

350

525

263

525

788

25

801 850

850

1700

2550

1275

2550

3825

12;

176—200

200

400 1 600

I300

600

900

26;! 851 —900

1

900

1800

2700

1350

2700

4050

13

201—250

250

500

750

375

750

1125

27

'901 950

950

1900

2850

1425

2850 , 4275 1

14

251—300

300

600 900

450

900

1350

28

951—1000

1000

2000

3000

1500

3000

45001

sowie der Jahreskarten für das ganze, 611 5 km umfassende im Staatsbetriebe befindliche Bahnnetz. Die Preise dieser letzteren Karten erfuhren eine Ermässigung

von 450 fl. L Gl. 300 fl. IL Gl. 175 fl. III. Gl. auf 300 » I. > 200 » II. » 100 » III. »

Die Arbeiter, welche bis dahin mit Arbeiter - Wochenkarten oder Arbeiter- Tour- und Retourkarten abgefertigt worden waren, korinten von nun ab mit der Beschränkung auf Entfernungen bis 50 km und gegen entsprechende Legitimation zwischen der Station ihres Wohnortes und der Station des Arbeitsortes zum halben Fahrpreis fahren. Die gleiche Begünstigung wurde an Stelle der bis- herigen Schüler-Monatskarten für Schüler ohne Unterschied des Alters eingeräumt und aus humanitären Rücksichten auch für Schüblinge, Gorrigenden von Zwangs- anstalten, Givilarrestanten, Sträflinge und deren Escorte im Tarife vorgesehen.

Die Einführung des Zonen-Tarifes auf der Grundlage des Tarifes der k. k. öster- reichischen Staatsbahnen erfolgte mit I. October 1890 auf den Linien der Aussig-Teplitzer Bahn, derBusch- töhrader Eisenbahn und der Böh-

mischen Nordbahn, dann mit I. April 1891 auf den Linien der Kaiser Fer- dinands-Nord bahn imd mit i. August 1891 auf den Linien der Wien- Aspangbahn.

Mit etwas erhöhten Grundtaxen, und zwar 125 kr. III., 2*50 kr. IL und 375 kr. I. Gl. pro Kilometer bei Personenzügen, dann 175 kr. III. Gl., 350 kr. IL GL und 5*25 kr. I. Gl. pro Kilometer bei Schnellzügen, jedoch unter Aufrecht- haltung der sonstigen Bestimmungen, gelangten mit i. Juni 1891 Zonentarife auf den Linien der Oesterreichi sehen Nordwestbahn und Süd - nord- deutschen Verbindungsbahn, dann mit I. Februar 1892 auf den Linien der Oesterreichisch-Ungarischen Staatseisenbahn -Gesellschaft zur Einführung. Bei gemischten und beson- ders bezeichneten Personenzügen brachten jedoch auch diese Bahnen den Kreuzer- Zonentarif zur Anwendung.

Hienach erscheint mit dem Jahre 1892, die österreichischen Linien der Kaschau- Oderberger Bahn und der k. k. priv. Süd- bahn - Gesellschaft ausgenommen, das Zonentarif - System auf sämmtlichen Hauptbahnen Oesterreichs eingeführt.

Personen-Tarife.

155

Fiscalische Rücksichten veranlassten jedoch schon im Jahre 1892 die Ver- waltung der ÖS t er reichisch enStaa ts- b ahnen zu einer kleinen Correctur der Zonenfahrpreise durch Zurechnung der im Jahre 1890 unberücksichtigt geblie- benen ärarischen Stempelgebühr, welchem Vorgange, mit Ausnahme der Kaiser Fer- dinands-Nordbahn, alsbald die anderen Bahnverwaltungen, auf deren Linien der Zonentarif eingeführt war, folgten.

Fiscalische Erwägungen waren es auch, welche die am i. September 1895 erfolgte Einführung eines neuen, etwas erhöhten Personen-Tarifes auf den der Ver- waltung der österreichischen Staatsbah- nen unterstehenden Linien, für welche der Zonentarif galt, veranlasst hatten.

Dieser neue Personen-Tarif weicht von dem Zonen-Tarif des Jahres 1890 darin ab, dass an Stelle der bis nun für alle

Entfernungen einheitlichen Grundtaxen, scalamässig gebildete, mit der Entfer- nung sich ermässigende Grundtaxen traten und dass statt der Gebührenberech- nung nach Zonen verschiedener Länge eine gleichmässige Berechnung nach Myriametem eingeführt wurde. Auch wurde bei dieser Tarifreform wieder auf das im Jahre 1882 aufgegebene System der Berechnung virtueller Längenzu- schläge im Sinne des Gesetzes vom 15. Juli 1877, betreffend die Maximal- tarife für Personen-Beförderung auf den Eisenbahnen zurückgegriffen, wodurch für manche Relationen nicht unbedeutende Erhöhungen eintraten, die hinsichtlich der ersten drei M5rriameter -Zonen später zu vielfachen Zonen-Rückversetzimgen führten.

Die Grundlagen dieses neuen Tarifes sind:

Einheitssätze

für die Person und das Kilometer in

Kreuzern österr. Währung

Personen- u. Gemischte Züge

III.

II.

I.

C 1 a s s e

Kreuzer österr. Währung excl. Stempel

Bei Entfernungen von l bis 150 km . Bei Entfernungen von 151 bis 300 km

für jedes km über 150 kftt

Bei Entfernungen von 301—600 kfn

für jedes km^ über 300 km

Bei Entfernungen über 600 km

für jedes km^ über 600 km

1-25

115

i-oo

080

225

215

200

180

375

3-65

350

330

Im Sinne des bestehenden Stempelgesetzes wird ausserdem zu Gunsten der Staats- verwaltung eine Gebühr erhoben, welche l Kreuzer für je angefangene 50 Kreuzer des Fahrpreises mit einem Höchstbetrage von 25 kr. pro Fahrkarte beträgt.

Die Berechnung der Fahrpreise erfolgt nach Zonen k 10 km und werden ange- fangene 10 km voll gerechnet.

Die Schnellzugspreise der III. Classe ergeben sich durch Zuschlag von 05 Kreuzer pro Kilometer zu den Personenzugs-Fahrpreisen III. Classe unter Einrechnung der Stempel- gebühr. Die Schnellzugspreise II. Classe sind durch Verdoppelung und jene der I. Classe durch Verdreifachung der Differenz zwischen den Personen- und Schnellzugspreisen III. Classe und Zurechnung der entfallenden Beträge zu den Personenzugspreisen IL, beziehungsweise I. Qasse gebildet. Bei den Schnellzugs-Fahrpreisen für Entfernungen von 851 km an, ergeben sich gegenüber der obigen Entwicklung der Schnellzugspreise geringfügige Abweichungen wegen Einhaltung der zulässigen 50%igen Maximaldiiferenz zwischen den Personen- und Schnellzugsprei se n .

156

Theodor Englisch.

Am I . Januar 1 896 gelangten statt der bestandenen Jahreskarten für das Ge- sammtnetz neue Jahreskarten, berechnet für die einzelnen Staatsbahn-Directions- Bezirke, zur Einführung, welche in be- liebigen Combinationen zusammengefasst werden können.

Die Preise für die einzelnen Slaats- bahn-Directions-Bezirke sind folgende :

Für den Bereich der k. k. Staatsbahn-Direction

I. II. III.

Classe

Gulden ö. W.

Wien "1051

Linz ' i2o|

Innsbruck '• 90'

Villach 120

Triest 60

Pilsen ,135

Prag 150

Olmütz I 60

Krakau 1 150J

Lemberg 150

Stanislau 150

65135 70 40

55 70

35 80

30 40 20

45

90150 35 20 90,50 901 50

70 40

Die Minimalgebühr für eine Karte beträgt 130 fl. für die III., 235 fl. für die II. und 390 fl. für die I. Classe. Bei Combinationen von mehr als drei Staatsbahn - Directions- Bezirken treten gegenüber der Summe der auf die ein- zelnen Staatsbahn-Directions-Bezirke ent- fallenden Gebühren percentuelle Preis- nachlässe zwischen 5 und 35^0 ^i"- An Stelle der bestandenen Jahreskarten für Theilstrecken sind Streckenkarten mit Giltigkeit von i bis 6 und 12 Monaten auf Entfernungen von 10, 20, 30 und 40 km eingeführt worden; überdies ge- langten Abonnementskarten [Legitimatio- nen] zum Preise von 35 fl. für die III., 60 fl. für die II. und 100 fl. für die I. Classe pro Jahr zur Einführung, auf Grund deren die Fahrt zum halben Fahrpreise gestattet ist.

Die Südbahn-Gesellschaft, welche während einer Reihe von Jahren die concessionsmässig festgesetzten Grund- taxen mit einem is^/^igen Agiozuschlag zur Einhebung brachte, nebstbei aber und insbesondere für den Verkehr Wien-

Kämten und Tirol in Form von Tour- und Retourkarten, Rundreise- und Saison- karten weitgehende Fahrpreis-Begünsti- gungen gewährte, konnte sich zur Ein- führung des Kreuzer-Zonentarifes für ihre Linien nicht entschliessen, sie nahm aber gleichwohl eine generelleTarifreform durch Einführung eines vom i. September 1890 giltigen Staffeltarifes vor, wobei an Stelle der bis dahin der Fahrpreisberechnung inclusive des I5%igen Agiozuschlages zugruftde gelegten kilometrischen Ein- heitssätze

bei

Scbnell-

Personen-

Gemisch

züg^en

zügen

ZagcD

von I. Cl.

652

5-46

IL >

4-85

4-10

356

in. »

3*34

273

1-58

Kreuzer österr. Währ. Noten die nach- stehenden, mit dem Wachsen der Entfer- nungen sich ermässigenden Grundtaxen traten, und zwar:

bei Schnell- zügen

Für Strecken | J-C^-570 , IL » 4-27 von I 300 kmi TTT o

•^ j in. » 284

Für Entfernun- gen über 3CX) km I. Cl. 4*56 bis 450 km fürj IL » 3*42 die Plusdistanz I III. » 2'28

über 300 km ) Für Entfernun- j ^.j gen über 450/? w -0 4

für jedes km

über 450 km

Gem.

Per- sonen- 9,, Zügen ^^S^""

475

3-56

2-37

250

1-58

IL III.

220 1*62

3-8o 2-85 190

270

2-00

1*35

2 00 1*30

150

I'OO

Kreuzer österr. Währ, für das Kilometer. Die bei diesen Preisabstufungen gegen- über den früheren Grundtaxen gewährten Ermässigungen beziffern sich hinsichtlich der Personenzugssätze für die erste Distanzstaffel, d. i. für Strecken bis 300 km mit 15%, entsprechend der Auf- lassung des bisherigen Agiozuschlages, für die zweite Distanzstaffel, d. i. für Strecken über 300 450 km mit 20*/q und für die dritte Distanzstaffel, Strecken

über 450 hn mit 4272^0 ^'^^ ^^^ ^^r die erste Distanzstaffel fixirten Grund- taxen.

Die Fahrpreise bei den Schnellzügen sind in allen drei Classen und in allen Ent-

Personen-Tarife.

157

femungsstufen gleichmässig 20^/0 höher, dagegen die Preise bei den gemischten Zügen hinsichtlich der IL und III. Classe uni 33V3V0 niedriger als die Personen- zugspreise.

Als Grundlage für die Berechnung der Fahrpreise wurde das Myriameter angenommen, mit Ausnahme der Strecken des Wiener Localverkehres bis 130 km^ innerhalb welcher die Berechnung nach Kilometern beibehalten blieb.

Obwohl durch die eben besprochenen Tarifgestaltungen die Fahrpreise für ein- fache Fahrten bedeutende Ermässigungen, namentlich für grosse Entfernungen, er- fahren hatten, wurden doch noch weiter ermässigte Tour- und Retourkarten auf dem ganzen österreichischen Netze der Südbahn-Gesellschaft eingeführt und auch diQ früher bestandenen Abonnements- karten mit entsprechenden Modificationen der Preise beibehalten. Ganz besonders billige Preise gelangten für Tour- und Retourfahrten zwischen Wien und den Stationen in Kärnten und Tirol zur Ein-

führung. Beispielsweise betragen die Preise der für Schnellzüge giltigen Tour- und Retourkarten für die . Relationen :

L II. III. Gl.

Wien- Villach . . 28. 21. 14. fl. Wien- Franzensfeste 36. 27. 18. » Wien-Bozen . . . 39.80 29.80 19.90 »

Die Giltigkeit dieser Tour- und Retourkarten wurde im Allgemeinen mit 60 Tagen festgesetzt, wird aber für die in den Sommermonaten gelösten Karten, ohne Rücksicht auf den Lösungstag, bis Ende October verlängert.

Mit Giltigkeit vom i . Januar 1 898 ist für die Linien der Südbahn-Gesell- schaft eine neuerliche, mit wesentlicher Verbilligung der Fahrpreise verbundene Tarifreform eingetreten. Der neue Tarif, mit de.ssen Einführung die Gewährung von Freigepäck aufgehoben wurde, hat für die einzelnen Zugsgattungen und Glassen folgende Einheitssätze zur Grund- lage:

Für jedes Kilometer

S< I.

Rückfahrkarten für ||

Personen- 1 zug

chnell- zug

Gemischter Zug

1

Personen- züge

Schnell- züge

I-

IL

IIL|

IL 1 III. IL

III. i

I.

II IIIL

I.

IL III.

Heller |

Bei Entfernungen j von 1—600 km .

Bei Entfernungen über 600 km . .

r 700 600

5-25 450

1 350

3-00

T

910 7-80

6825

5-85

4*55 390

3*9375 3375

1 1 2625

2-25

1 1

560 4-80

420 3'6o

280

2'40

7-28 624

546 468

1

364 3*12

Die Berechnung der Gebühren er- folgt nach Zonen ä 5 km bis zu der Entfernung von 30 /?w, von 31 i^o hn nach Zonen ä 10 knty dann folgen eine Zone mit 20 ktn^ zwei Zonen mit 25 km und ab 200 km Zonen mit 50 km.

Die Kaschau-OderbergerBahn, die auf ihren ungarischen Strecken bereits im Jahre 1889 den ungarischen Zonen- Tarif einführte, hat sich infolge Auf- forderung des k. k. Eisenbahn-Ministeriums entschlossen, mit i. Januar 1898 auch auf ihren österreichischen Strecken einen

Zonen-Tarif anzuwenden. Dieser Tarif beruht auf folgenden ermässigten kilo- metrischen Grundtaxen :

III. Classe 2*30 Heller IL » 4*oo »

I.

600

bei Personenzügen. Die Schnellzugs- preise werden mit einen Zuschlage von I Heller in IIL, 2 Heller in II. und 3 Heller in I. Classe pro Kilometer be- rechnet. Die Berechnung der Fahrpreise erfolgt nach der dem Zonen- Tarife der öster- reichischen Staatsbahnen vom Jahre 1890 zugrunde gelegenen Zonen- Eintheilung.

158

Theodor Englisch.

Mit der Einführung dieses Zonen- Tarifes wurde auf der Kaschau - Oder- berger Bahn die IV. Wagenclasse be- seitigt; zur Vermeidung von Tarif- erhöhungen gegenüber dem bestandenen mit der Grundtaxe von 1*19 Kreuzern pro Kilometer berechneten Fahrpreise dieser Classe aber bei bestimmten Localzügen ermässigte Fahrpreise III. Classe mit der Grundtaxe von 2*38 Heller pro Kilometer eingeführt und für diese Fahrpreise die Berechnung nach den thatsächlichen Kilomet er -Entfernungen beibehalten.

Auf den Bahnen niederer Ord- nung [Localbahnen, Secundärbahnen, Vicinalbahnen, Kleinbahnen u. dgl.] findet, abgesehen von einigen verstaatlichten oder im Betriebe der k. k. Staatsbahnen und der Kaiser Ferdinands-Nordbahn befindlichen Localbahnen, die Gebührenberechnung nach Kilometern statt.

Diese Bahnen führen vielfach nur zwei Wagenclassen, erste und dritte oder zweite und dritte. Die Fahrpreisberechnung er- folgt nach den verschiedensten, sich zwischen i'5 und 5 Kreuzern für die III. Classe und das Kilometer bewegen- den Grundtaxen; für die IL, beziehungs- weise I. Classe gilt in der Regel der einundeinhalb-, beziehungsweise zwei- fache Betrag. Ausser Tour- und Retour- karten und Kinderkarten werden auf den Local- und Kleinbahnen zumeist Fahr- karten zu ermässigten Preisen nicht aus- gegeben.

Die erwähnte Verschiedenheit findet ihre Erklärung in den bestehenden ge- setzlichen Bestimmungen, wonach bei Feststellung der Tarife auf thunlichste Rentabilität der Localbahnen Rücksicht zu nehmen, und bei den Kleinbahnen die Festsetzimg der Tarife unter der Voraus- setzung einer vollkommen gleichmässigen Behandlung aller die Bahn benützenden Reisenden ganz dem Ermessen der Unter- nehmungen vorbehalten ist.

Interessant ist auch noch zu con- statiren, dass das Verhältnis der Preise der einzelnen Wagenclassen zu einander im Laufe der Zeit beachtenswerthe Wandlungen erfahren hat und dass das bei den ersten Preisbestimmungen der

Kaiser Ferdinands-Nordbahn, in der Re- lation Wien-Gänsemdorf gewählte Preis- verhältnis 1:2:3 beim Kreuzer-Zonentarif wieder zum Ausdrucke kam. Da nun in dem Preisverhältnis der einzelnen Wagen- classen zu einander insofeme, als es den Reisenden freigestellt ist, die zu benützende Wagenclasse selbst zu wählen, sich selbst einzuschätzen, zweifellos ein die Glassen- benützung und die Personeneinnahmen wesentlich beeinflussendes Moment der Tarifbildung zu erkennen ist, mögen die bezüglichen Verhältniszahlen rücksichtlich der in den vorstehenden Ausführungen erwähnten Gebühren in nachstehender Tabelle Ausdruck finden.

Die Preisverhältnisse der normalen Personenzugs-Gebühren übertrugen sich zumeist auch auf die Schnellzugsclassen und die ermässigten Fahrpreise ; nur })ei dem 1882er Tarife für den Geltungs- bereich der im Staatsbetriebe befindlichen Bahnen ist diesbezüglich eine erwähnens- werthe Abweichung constatirbar, da der Schnellzugszuschlag nicht percentuell, sondern in für alle Classen gleichen Beträgen festgesetzt wurde. In diesem Falle ergab sich bei den Schnellzugs- preisen das Verhältnis i : 1*33 : i'66, später nach Herabsetzung des Zu- schlages für die III. Classe auf die Hälfte mit i : 1*6 : 2 [vgl. Seite 147]. In allen Fällen blieb aber das Preisver- hältnis für den Nah- und Femverkehr unverändert. Bei dem Tarife der k. k. Staatsbahnen vom Jahre 1895 [vgl. Seite 155] variirt das Preis Verhältnis in den einzelnen Preisstafi"eln und ist insbe- sondere in den Anfangsentfemungen das Verhältnis der II. Classe zur III. Classe günstiger als in den grösseren Entfernun- gen. Die Grundtaxen dieses Tarifes stehen in folgendem Verhältnis zu einander :

beim Personenzug: beim Schnellzug:

l iSokm I : 108 : 3 00 l : rSS : 300

151—300 > 1:187:317 1:1-91: 312

301—600 » 1 : 200 : 3-05 I : 2 00 : 333

über 600 > 1:2-25: 412 1:2*13: 3-69

Die Bequemlichkeit und der Comfort, welche die höheren Classen gegenüber der III. Classe bieten, gewinnen mit der Zunahme der Länge der Reise entschieden an Werth und es mag deshalb gerecht- fertigt erscheinen, diesesWerthmoment,wie

Personen-Tarife.

159

Bei den drei Personenzugsciassen zeigen sich die folgenden Preisverhältnisse

Vgl. Seite

1

Fahrpreise, ^ . , , . bezw. Grundtaxen Preis Verhältnis

Bahn

Jahr

111. , IL L III. :

IL : I.

Classe

Classe

Kreuzer

Kaiser Ferdinands-Nordbahn

1

[Wien -Wagram] . . .

1838

130

26

52

88 I

2

338

[Wien-Gänserndorf] . .

1839

130

42

84

126 I

2

3

1839

131

9

12

18 I :

1*33

2

I84I

131

10

15

24 I :

1*5

24

1848

131

IG

15

20 I

: 1-5

; 2

Wien-Gloggnitzer-Bahn . .

1842

132

8

12

1

15 I

: 1-5 .

r87

1844

133

10

15

20 I

1-5 :

2

K. k. Staatsbahnen ....

1843

133

8

II

18 : I

1-37

: 2'25

1852

134

9

12

20 I

133

: 2*22

1855

134

10

15

20 I

: 1*5

: 2

Südbahn

1858

135

18

27

36 I

: 1*5

: 2

Gruppe III

141

14

27

36 I

: 1-93

: 2-57

» IV

141

14

21

35 I

: 15

: 2-5

* V

141

16

24

32 I

1-5

: 2

> VI

141

15.

25

30 I

1-66 .

; 2

Gesetz vom 15. Juli . . .

1877

143

2-4

3-6

50 I

: 1*5

: 2-o8

Staatseisenbahnbetrieb . . .

1882

147

2

3

4 I

: 1-5

: 2

1886

2

3

475 I

: 1*5

: 2-37

Zonentarif

1890

153

I

2

3 I

: 2

3

I89I

154

1-25

2-5

375 I

: 2

3

Südbahn

1890 1

156

Staffeltarif i

1-5

2

1898

157

I '

1-5

2

Kaschau-Oderberger Bahn .

1898

157

i 115' 2

1

3 I :

1

174 .

260

es bei den k. k. Staatsbahnen geschehen, bei der Tarifstellung zu berücksichtigen, und zwar umsomehr, als die Bahnver- waltungen einerseits der minder bemittel- ten Bevölkerung durch Verbilligung der Tarife für die niederste Classe die Mög- lichkeit der Bahnbenützung geben sollen, ohne verhindern zu können, dass auch Bemittelte die billige Wagenclasse be- nützen, und andererseits angewiesen sind, eine entsprechende Verzinsung des in die Bahnen investirten Capitals zu erzielen.

Die Darstellung der Fahrpreise III. Classe [einfache Fahrt], auf Seite 160 zeigt im Wesentlichen die Aenderungen, welche hinsichtlich dieser Preise vom Jahre 1840 bis 1896 auf den österreichi- schen Eisenbahnen vor sich gegangen sind.

Infolge der durch das Gesetz vom 2. August 1892 [R.-G.-Bl. Nr. 126] ein- geführten Kronenwährung hat das k. k. Eisenbahn-Ministerium die Bahnverwal- tungen eingeladen, vom Jahre 1898 ab diese Währung bei den Tarifen in An- wendung zu bringen. Da die Neuberech- nung der Tarife lediglich auf Grundlage des gesetzlich festgestellten Werthverhält- nisses, ein Kreuzer österreichischer Wäh- rung gleich zwei Heller, zu erfolgen hatte, trat hiedurch im Allgemeinen eine Aen- derung in der Höhe der bis dahin bestan- denen Fahrpreise nicht ein. Den mit I. Januar 1898 in Kronen Währung zur Einführung gebrachten Personen-Tarifen liegen die in den Tabellen Seite 161 163 angeführten kilometrischen Einheitssätze und Berechnungsarten zugrunde.

i6o

Theodor Englisch.

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Personen-Tarife.

l6l

I

Grund taxe für ein Kilometer

Personen- Zug«)

Schnellzug**) Gem. Zug

§e

V«iH

c b3

III. : IL I. III.

IL

L III.

IL

I.

C 1 a

Hell

Oesterreichische Eisen- bahnen,

I. Staatsbetrieb.

a) K. k. Staatsbahnen und

vom Staate für eigene

Rechnung betriebene

Bahnen.***)

h) Privatlocalbahnen.

Asch-Rossbach .... Beneschau-Wlaschim . . Borki wielkie-Grzymalöw Bukowinaer Localbahnen Neue Bukownnaer Localbahnen rercan-Modran . . Dolina-Wygoda . . Fehring-Fürstenfeld . Friauler Bahn . . . Fürstenfeld-Hartberg [Neudau]

Gailthal-Bahn

Gleisdorf-Weiz

Göpfritz-Gross-Siegharts Kolomeaer Localbahnen . . Lemberg-Belzec [Tomaszöw] Lemberg [Kleparowj-Janöw . Mähr.-Buawitz-Jamnitz . . Mährische Westbahn . . . Mösel-Hüttenberg ....

Murthal-Bahn

NakH-Netolitz-Netolitz Stadt Pinzgauer Localbahn . . .

Plan-Tachau

Postelberg-Laun

Potscherad-Wurzmes . . . Rakonitz-Pladen-Petschau Schlackenwerth- Joachimsthal Schwarzenau-Waidhofen a./Th Schwarzen au-Zwettl Strakonitz-Winterberg Unterkrainer Bahnen Valsugana-Bahn . . Vöcklabruck-Kammer

1-1501 2-50 4-50 i5i-30(^'2-30 14-30 301-6001 2*00 I 400 über 600 r6o 360

7*50 730 700

3*50 330 300

660 2-6o

3 ' 6

3 6

3-6 I 5-4

36 I 54

3 6 2*5 I 4'5 2-5 ' 4'5 3-5 6 2-5 4*5

4 8 2-5 ' 4-5

4 6

5 8 3*6 7*2 3 6

3 6

4 6 2-5 4-5

5 10 3 6

3 6

4 , 8

3 6 , 25 4*5 ' 3 I 6

I 3 6

4 , 6 3 6 3 6

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4 6-8

i 6

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10

10

650 10-50 630 1 1030 6 00 1 10-00 560 , 9'6o

7'5

9

7'5

75

10 9

95

7-5

9

9

9 10-8

Berech- nungsart

Myria- meter- Zonen

Myr.-Zonen kilometr.

» >

Myr.-Zonen »

kilometr. Myr.-Zonen

kilometr.

» >

Myr.-Zonen kilometr.

»

Myr.-Zonen kilometr.

>

*) Soweit für gemischte Zü^e nicht besondere Taxen eingestellt sind, kommen die Per- sonenzugstaxen auch bei diesen Zügen zur Anwendung.

**) Bei gewissen, nur die erste Classe führenden Luxuszügen, Paris-Wien-Constantinope), Ostende-Wien-Constantinopel, Wien-Triest, Wien-Bozen-Meran, Wien-Marienbad-Karlsbad, erfahren die Schnellzugspreise I. Classe einen circa 20'/oigen Zuschlag.

***) Hieher gehören folgende Bahnen: Arlbergbahn, Böhmisch-Mährische Transversalbahn, Böhmische Westbahn, Braunau-Strasswalchener Bahn, Dalmatiner Staatsbahnen, Dniester-Bahn,

Geschichte der Eisenbahnen. III.

II

l62

Theodor Englisch.

Welser Localbahn

Wittmannsdorf - [Leobersdorf] -

Ebenfurth

Wodnian-Prachatitz

Wotic-Selöan

Ybbsthal-Bahn

Zeltweg-Fohnsdorf

Zwittau-Poliöka

II. Privatbetrieb.

Aussig-Teplitzer Eisenbahn. . Böhmische Commerzialbahnen Böhmische Nordbahn . . Bozen-Meraner Bahn . . Buschtährader Eisenbahn

Cilli-Wöllau

Deutschbrod-Humpoletz . Graz-Köflacher Eisenb. u B. G Gr.-Priesen-Wernstadt-Auscha Kaiser Ferd.-Nordb., Hauptnetz

Localbahnen

Kaschau - Oderberger Eisenb [österr. Strecke] ....

Kremsthal-Bahn

Leoben-Vordemberger Bahn Liesing-Kaltenleutgeben . .

Melnik-MSeno

MSeno-Unter-Cetno .... Mori-Arco-Riva a/G. . . .

Mühlkreis-Bahn

Oesterr. Nordwestb. und Süd- norddeutsche Verbindungsb Oesterr.-Ung. Staatseisenb.-G Ostrau-Friedländer Eisenbahn Radkersburg-Luttenberg. Lb. Reichenau aTK.-Solnitz. Localb Reichenbg.-Gablonz-Tannwald Saitz-Göding. Localbahn. . Spielfeld-Radkersburg . . Stramberg-Wernsdorf . . . Südbahn - Gesellschaft [österr Linien]

Grundtaxe für ein Kilometer

1-600 über 600

2-5 3 3 3

2 2-5

2

6

2 48

4

2-5

6

2

4-8

23

6

4-8

48

5

5 6

6

25 2-5 396

474 6

6

4

474

5*4

3*5

3

Personen- ' o^K«^n,„^ Zug ' Schnellzug

Gem. Zug

III.

IL I. IIL

IL

L

III.

11.

I.

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1 1

4*5 6

6

6

95

7-5 9

2-5 4*5

4 5 4

4

72

8

5 10

4 7*2

4 10 72

7*2

7-5 7-5

10

3 3

6 6

6

7*5 6

IG

6 96

7'5 6

6 3*3 |6

9 9 9

96 96

12

5 I 7*5 |3'5 7 10502

5^ I 75 3*5 17 10502 600 790' I

7-i2i 9-5 15-688 8-514 11-4 10 10

8

7*12 9*5 ,5688:8-544 11-4

8-2

4 4

5-25 4*5

7 6

4 55 ,6-825i 91 39 ;5-85 78

|2'625'3'

2-25 I3"

937

375

Berech- nungsart

I kilometr.

Myr.-Zonen I kilometr.

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I Myr.-Zonen

kilometr.

Zonentarif

kilometr.

Zonentarif

kilometr.

»

Zonentarif

kilometr

Zonentarif

MjT. -Zonen

Zonentarif kilometr.

> »

»

»

Zonentarif

»

kilometr.

»

Zonentarif

Dux-Bodenbacher Eisenbahn, Erste ungarisch-galizische Eisenbahn [österr. Strecke], Erzherzog Albrecht-Bahn, Galizische Carl Ludwig-Bahn, Galizische Transversalbahn einschl. der Linien Jaslo-Rzeszöw und Stryj -Landesgrenze bei Beskid, Istrianer Staatsbahnen, Kaiser Franz Josef-Bahn, Kaiserin Elisabeth-Bahn, Kronprinz Rudolf-Bahn, Lemberg-Czernowitz-Jassy-Eisen- bahn, Localbahn Dembica-Rozwadöw una Jaroslau-Sokal, Niederösterreichische Staatsbahnen, österreichische Theilstrecke der ÜB^arischen Westbahn [Graz- Fehring- Landesgrenze], Mährische Grenzbahn, Mährisch-Schlesische Centralbahn, Pilsen-Priesener Eisenbahn, Prag-

Personen-Tarife.

163

s

Grundtaxe für ein Kilometer

Personen- Zug

E

Schnellzug III

Gem. Zug

II.

I.

III. II.

C 1

H

1 1

Berech- nungsart

Steiermärkische Landesbahnen Welchau -Wickwitz - Giesshübl-

Sauerbrunn

Wien-Aspang-Bahn .... Wien - Pottendorf -Wiener-Neu- .

Städter Bahn

1

;48

1 1

1 96

1

1

4

2 1

6

4

6

1

1

414

!

712

95

5688 8544

II-4

kilometr.

kilometr. Zonentarif ,

kilometr.

Duxer Eisenbahn [einschl. der Linie Klostergrab-Moldau], Rakonitz-Protiviner Bahn, Staats- bahnen: Erbersdon- Würbenthai, Kriegsdorf-Römerstadt, Mürzzuschlag-Neuberg, Unter-Drau- buig- Wolfsberg, Vorarlberger Bahn und Tarnöw-Leluchöwer Staatsbahn; femer die Local- bahnen: Böhm -Leipa-Niemes, Budweis-Salnau, Chodau-Neudek, Halicz-Oströw-Berezowica, Hannsdorf-Ziegenhais einschliesslich derZweielinienBarzdorf-Jauernig und Haugsdorf-Weidenau- Stadt WeidenaUj Hohenstadt-Zöptau, Kascnitz-Schönhof-Radonitz, Laibach-Stein, Neusattel- Elbogen, Niederhndewiese-Barzdorf Reichss^renze [-Heinersdorf], Niklasdorf-Zuckmantel, Nusle- Modtan, Olmütz-Oellechowitz, Potscherad-Wurzmes, Sigmundsherberg-Horn-Hadersdorf L. B , Krems-Herzogenburg, Tarnopol-KopyczyAce, TuUn-St. rölten, Zlonitz-Hospozin und Zuczka- Nowosielitza.

Auf den im Laufe des Jahres 1898 mit den Theilstrecken Hütteldorf- Hacking- Meidlinger Hauptstrasse [Obere Wienthal- linie], Meidlinger Hauptstrasse-Heiligen- stadt [Gürtellinie] und Penzing-Heiligen- stadt [Vorortelinie] zur Eröffnung ge- langenden Wiener Stadtbahnen, auf welchen die Züge nur Wagen II. und III. Classe führen werden, sind für den

Personenverkehr folgende Fahrpreise zur Einführung beschlossen:

Die für eine Fahrt giltigen Fahr- karten werden nicht für eine bestimmte Relation lautend ausgegeben, sondern können von jeder beliebigen Stadtbahn- station nach einer anderen in die be- treffende Preiszone fallenden Station be- nützt werden.

Für Entfernungen

eine Fahrt Monatskarten

1 Seh Monat

11.

üler- skarten

Arbeiter-. Wochen- karten

II. 1 III. II. III.

1

IIL 1

1 III.

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s e e n

Krön

bis 3 km .... über 3 bis 8 km . über 8 km . . .

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030 0-20 1500

1

045 030 22-50

500 ;

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1000

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375 7-50

11-25

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250

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1-20

180 '

1 1

Ausser den Fahrpreisen für einzelne Plätze enthalten die Personen-Tarife noch

Bestimmungen für die Benützung von Sonder-Personenzügen, Salon-, Personen-

II"

l64

Theodor Englisch.

und Krankenwagen, ganzer Wagenab- theilungen sowie für die Beförderung von Reisegepäck und Hunden.

Die bezüglichen tarifarischen und reglementarischen Bestimmungen, die sich im Laufe der Jahre im Allgemeinen wenig geändert haben, sind, abgesehen von geringen Abweichungen, bei den österreichischen Bahnverwaltungen die folgenden :

Sonder-Personenzüge,

Für Sonderzüge wird nach der that- sächlichen Kilometer-Entfernung erhoben, und zwar: für die Locomotive 120 Heller für das Kilometer ; für jede Achse eines auf Verlangen beigestellten Salon- oder Personenwagens 40 Heller für das Kilometer, und für jede Achse eines an- deren auf Verlangen oder zufolge bahn- polizeilicher Bestimmung beigestellten Wagens 20 Heller für das Kilometer.

Als Wartegebühr über die bestimmte Abfahrtszeit werden für jede halbe Stunde 80 Kronen erhoben.

Als Mindestgebühr werden 4 Kronen für das Kilometer eingehoben. Stellt sich jedoch die Gesammtgebühr für einen Sonderzug niedriger als 90 Kronen, so werden als Mindestgebühr 90 Kro- nen eingehoben.

Werden auf ausdrücklichen Wunsch des Bestellers besonders bezeichnete Wagen gestellt, so sind die Beförde- rungskosten der Wagen auf Strecken, welche der Sonderzug nicht befährt, so- wohl für die Hin- als auch für die Rückbeförderung mit 8 Hellern für die Achse und das Tarifkilometer zu er- statten.

Für den Rücktransport der leeren Wagen wird nichts berechnet.

Werden Sonderzüge für die Nacht- zeit auf Bahnstrecken, auf welchen ein regelmässiger Nachtdienst nicht einge- richtet ist, zugelassen, so sind die Kosten für die Bewachung der Bahn ausserhalb der gewöhnlichen Dienstzeit mit 2 Kronen für das Kilometer besonders zu vergüten.

Wenn die zu zahlende Gesammt- gebühr für die mit einem Sonderzuge zu befördernde Anzahl von Personen, Thieren

und sonstigen Beförderungs-Gegenstän- den nach dem allgemeinen Tarife sich höher stellen sollte, als nach obi- gen Preisen berechnet, so tritt in diesem Falle die Zahlung nach dem all- gemeinen Tarife ein, wobei ohne Rücksicht auf die Fahrgeschwindigkeit des betreffenden Sonderzuges stets die Fahrpreise für Personenzüge, beziehungs- weise die Gepäck- und Eilguttaxen in Betracht zu ziehen sind.

Besondere Wagenabtheilungen,

Reisende, welche ganze Wagenabthei- lungen in Anspruch nehmen, haben Fahr- karten der betreffenden Classe und Zugs- gattung für diejenigen Personen, welche die Wagenabtheilungen benützen, min- destens aber für eine ganze Wagen- abtheilung I. Classe 4, für eine ganze Wagenabtheilung II. Classe 6, für eine ganze Wagenabtheilung II I. Classe 8; dann für eine halbe Wagenabtheilung I. Classe 2, für eine halbe Wagen- abtheilung II. Classe 3 und für eine halbe Wagenabtheilung III. Classe 4 Fahrkarten zu lösen.

Kinder unter vier Jahren, deren Be- förderung gebührenfrei erfolgt, sind gar nicht, Kinder zwischen vier und zehn Jahren als halbe Person in Anschlag zu bringen.

Besonders beigestellte Wagen (Salon-, Schlaf 'y Personen- und Krankenwagen).

Für die Benützung von Salon-, Schlaf- oder Personenwagen sind Fahrkarten I. Classe der betreffenden Zugsgattung für diejenigen Personen, welche den Waagen benützen, mindestens jedoch 12 Fahrkarten für einen zwei- oder drei- achsigen und 18 Fahrkarten für einen vier- oder mehrachsigen Wagen zu lösen.

Für die als Krankenwagren verwendeten Gepäck- oder Güterwagen sind die für 6 Fahrkarten I. Classe entfallenden Gebühren zu entrichten. Zwei Begleiter werden in dem Krankenwagen unent- gjeltlich befördert; für jeden weiteren

Personen-Tarife.

i6s

Begleiter ist eine Fahrkarte II I. Classe zu lösen.

Reisegepäck.

Hinsichtlich der Tarifsätze für Reise- gepäck sind im Allgemeinen nur geringe Aenderungen eingetreten und diese fallen in die jüngste Zeit. Die Gewährung oder Nichtgewährung eines Freigewichtes auf das nicht unter Aufsicht der Reisenden mitgeführte, zur Beförderung übergebene Reisegepäck bildete lange Zeit eine viel- umstrittene Frage. Gelegentlich der Ein- führung des Zonentarifes auf den öster- reichischen Staatsbahnen im Jahre 1890 wurde sie durch die Aufhebung des Freigewichtes entschieden.

Die Entwickelungs-Geschichte des Ge- päcktarifes ergibt sich aus den nach- stehenden Darstellungen.

Die Budweis-Linzer und Linz- Gmundener Pferdebahn berechneten ohne Rücksicht auf die Länge der Be- förderungsstrecke das Gepäck - Ueber- gewicht pro 10 Pfund [S'^kg\ und zwar erstere mit 26 und letztere mit 1 8 Kreuzer ö. W. An Freigewicht bewilligte die Budweis-Linzer Bahn den Reisenden I. und II. Classe 20 Pfund, die Linz-Gmun- dener Bahn dagegen den Reisenden I. Classe 20 und denjenigen II. Classe 10 Pfund.

Die Kaiser Ferdinands-Nord- b a h n beförderte anfänglich jedem Reisen- den 40 Pfund [22*4 kg] leicht unterzubrin- gendes Gepäck, auf welches er jedoch selbst zu achten hatte, gebührenfrei. Für Reisegepäck, welches das Gewicht von 40 Pfund nicht überstieg, wegen seines Volumens aber auf den Packwagen ge- laden werden musste, sowie auch für solches Gepäck, für welches die Haft- verbindlichkeit verlangt wurde, war gegen Empfangnahme eines Recepisses pro Meile i Kreuzer C.-M. zu bezahlen, wo- gegen für das Mehrgewicht pro 20 Pfund [ii*2 kg] und Meile i Kreuzer C,-M. [1*75 Kreuzern ö. W.] erhoben wurde.

Im Jahre 1848 trat eine Aenderung dahin ein, dass für das zur Aufgabe ge- langte Gepäck im Gewichte bis 40 Pfund eine Gebührenberechnung nicht stattfand.

sondern nur eine Aufsichtsgebühr von 3 Kreuzern C.-M. zur Erhebung gelangte.

Die so geänderten Gepäckbestim- mungen fanden auch auf den öster- reichischen Staatsbahnlinien An- wendung mit der einzigen Abweichung, dass für das zur Aufgabe gebrachte Ge- päck im Gewichte bis 40 Pfund eine Aufsichtsgebühr von 4 Kreuzern C.-M. erhoben wurde. Im Jahre 1852 wurde auf den k. k. Staatsbahnen die Gepäck- fracht insoferne ermässigt, das statt für 20 Pfund für 25 Pfund die Gebühr pro Meile mit I Kreuzer C.-M. zu erheben kam.

Auf der Wien-Gloggnitzer Bahn konnte anfänglich jeder Reisende I. Classe 20, II. Classe 15 und III. Classe 10 Pfund Reisegepäck unter seiner eigenen Aufsicht gebührenfrei in den Personen- wagen mitnehmen, wenn dieses ohne Anstand unter den Sitz sich legen Hess. Das Zusammenpacken des Passagiergutes für mehrere Personen in ein Collo be- gründete keinen Anspruch auf mehr als 20, 15 oder 10 Pfund Freigewicht für das Ganze. Das Ueberge wicht wurde pro 20 Pfund und i Meile mit i Kreuzer C.-M. berechnet, Mindestgebühr 10 Kreu- zer C.-M. Im Jahre 1844 wurde das Frei- gewicht für alle Classen mit 20 Pfund festgesetzt.

Die im Vorstehenden für die k. k. Staats- bahnen erwähnten Bestimmungen über Freigepäck und Gepäckfrachtberechnung gingen im Jahre 1855 in die Concessions- ürkunde der k. k. priv. Oesterreichi- schen Staatseisenbahn-Gesell- schaft mit der Ergänzung über, dass für voluminöses Reisegepäck die doppelte Gebühr berechnet werden konnte.

Für die südlichen Staatsbahnen wurden hinsichtlich der Taritirung des Reise- gepäckes in einem Protokoll vom 8. De- cember 1858 folgende Bestimmungen fest- gesetzt :

»Jedem Reisenden gebührt ein Frei- gewicht von 50 Zollpfunden des Reise- gepäckes, insoferne derselbe einen ganzen, und die Hälfte des Freigewichtes, in- soferne er nur einen halben Platz be- zahlt hat.*

»Für das Reisegepäck - Uebergewicht ist pro österreichische Meile und für jede durch 20 Zollpfunde untheilbare Fraction

i66

Theodor Englisch.

eine Gebühr von i'5 Kreuzer zu ent- richten. Die Gebühr ist doppelt zu ent- richten für Gegenstände, welche bei einem Umfang von i Cubikfuss weniger als 1 5 Zollpfunde wiegen. Jede Sendung von Reisegepäck unterliegt der allgemeinen Versicherungsgebühr von 7 Kreuzer pro Person ohne Unterschied, ob letztere die ganze oder eine ermässigte Fahrgebühr bezahlt hat.«

Diese Bestimmungen bildeten nicht nur anlässlich der Einführung der öster- reichischen Währung und des Zoll- gewichtes im Jahre 1859 die Grund- lage für die Gepäcktarife der damals im Betriebe befindlichen österreichischen Bahnen, sondern auch für die einschlägigen Concessions- Bedingungen der neuen Bah- nen bis unter Berücksichtigung der metri- schen Masse und Gewichte durch das Ge- setz vom 15. Juli 1877, betreffend die Maxi- maltarife für Personen -Beförderung, die Gebühr für die Beförderung von Reise- gepäck mit o*2 Kreuzer ö. W. pro 10 kg und I kttty dann das Freigepäck mit 25 ^^ für die ganze und 12^"/^ für die halbe Fahrkarte festgesetzt wurde. Eine Be- stimmung über die Gebührenberechnung für voluminöse, aber leichte [sperrige] Gepäckstücke ist in dem eben genannten Gesetze nicht enthalten.

Gelegentlich der in Ausführung des Gesetzes vom 25. Mai 1890 am i6.Junii890 erfolgten Einführung des Kreuzer-Zonen- tarifes wurde auf den k. k. Staats- bahnen die Gewährung eines Frei- gewichtes beim Reisegepäck aufgehoben, gleichzeitig aber auch die Erhebung der allgemeinen Versicherungsgebühr nach- gesehen.

Die Aufhebung des Freigepäckes fand ihre Begründung einerseits in der bedeu- tenden Herabsetzung der Personenfahr- preise und andererseits in dem Bestreben, eine gleichmässige Behandlung aller Reisenden herbeizuführen. Statistischen Daten entsprechend, ist die Gewährung des Freigepäcks für 95^/0 der Reisenden werthlos und nur 5^/^ derselben ge- niessen daraus bei Bezahlung der gleichen Fahrpreise einen Vortheil.

Im Uebrigen wurden für die Be- förderung des Reisegepäcks folgende Tarifbestimmungen festgesetzt :

Kleine, leicht tragbare Gegenstände [Handgepäck] können, wenn die Mit- reisenden dadurch nicht belästigt werden, nach Massgabe des Verhältnisses der gezahlten Plätze zu dem in den Gepäck- hältern verfügbaren Räume von den Reisenden im Wagen mitgeführt werden, soferne Zoll- und Steuervorschriften solches gestatten. Solche in den Wagen mitgenommene Gegenstände sind von den Reisenden selbst zu beaufsichtigen und von der Zahlung einer Gebühr befreit.

Alles andere Gepäck wird nur gegen Gebührenberechnung auf Grund der nachfolgenden Tarifsätze zur Beförderung übernommen.

Für je 10 kfr Gepäck und für jedes Kilometer sind 0*2 Kreuzer zu entrichten. Für jeden Gepäckschein, auf Grund dessen eine Transportgebühr oder auch nur ein Zuschlag für Declaration des Interesses an der Lieferung berechnet wird, gelangt eine Stempelgebühr von 5 Kreuzern zur Einhebung. Als geringste Gepäckgebtthr werden einschliesslich der Gepäckschein-Stempelgebühr 10 Kreuzer [5 Kreuzer Beförderungs- und 5 Kreuzer Stempelgebühr] eingehoben.

Fahrräder [VelocipMes, Bicycles, Tri- cycles), welche als Reisegepäck zur Be- förderung gelangen, werden mit nach- stehenden Normalgewichten für das Stück berechnet :

Einsitzige Zweiräder mit 20 kg Zweisitzige Zweiräder » 30 » Einsitzige Dreiräder > 40 » Zweisitzige Dreiräder » 50 »

Als Reisegepäck wird nur, was der Reisende zu seinem und seiner Ange- hörigen Reisebedürfnisse mit sich führt, namentlich Koffer, Mantel- und Reise- säcke, Hutschachteln, kleine Kisten u. dgl. befördert.

Nach Massgabe der Einfühnmg des Zonentarif-Systems gelangten diese Bestim- mungen auch auf den anderen öster- reichischen Bahnen zur Anwendung.

Mit I.September 1895, gelegentlich der Aenderung des Personen-Tarifes, wurde auf den k. k. Staatsbahnen in Ueber- einstimmung mit der Berechnung der Fahrpreise auch für das Reisegepäck

Personen-Tarife.

167

statt der Berechnung nach Kilometern die Berechnung nach Myriametern unter Anwendung eines Staffeltarifes mit den Grundtaxen pro lo kg und 1 km von 03 Kreuzern bei Entfernungen bis 300 km und von o'i5 Kreuzern bei Entfernungen über 300 km eingeführt. Dieses Gepäck- tarif-System hat anlässlich der Einführung eines ermässigten Personentarif es ab

aufgegebenen Musterkoffer die Gebühr mit O'i Kreuzer pro 10 kg und i km berechnet wird. Die Südbahn- Gesellschaft bewilligt in diesem Falle die Berechnung nach dem Eilguttarif. Die diese Begünsti- gungen in Anspruch nehmenden Reisen- den haben sich durch entsprechende, von den Handels- und Gewerbekammem aus- gestellte Legitimationen auszuweisen.

Abb. 7S- GrKpfaKche DanteUnnE der Zahl der

I. Januar 1898 auch die Südbahn j acceptirt und gleichzeitig das Freigepäck aufgehoben, so dass, abgesehen von I einigen Local bahnen, auf den öster- reichischen Bahnen ein Reisegepäck-Frei- gewicht nicht mehr gewährt wird.

Eine Begünstigung im Gepäckver- kehr besteht auf den österreichischen Staatsbahnen, dann auf denjenigen Privat- bahnen, welche den Zonentarif einge- führt haben, für Handlungsreisende in der Weise, dass für die als Reisegepäck

Hunde.

Für die Beförderung von Hunden, deren Begleiter mit dem betreffenden Zuge mitfährt, werden für das Kilometer 07 Kreuzer erhoben.

Für jeden Beförderungsschein, auf Grund dessen eine Transportgebühr be- rechnet wird, gelangt eine Stempelgebühr von 5 Kreuzern zur Einhebung.

Die Geh Uhrenberechnung für Hunde erfolgt mit Ausnahme der k, k. Staats-

i68

Theodor Englisch.

bahnen und der Südbahn-Gesellschaft, welche nach Zonen ä lO km rechnen, kilometrisch.

Die graphischen Darstellungen der Frequenz- und Einnahmeverhältnisse [Abb. 78 80] zeigen die Wirkungen der in den letzten 15 Jahren durchgeführten Tarifreductionen :

Der Darstellung Abb. 78 ist zu entneh- men, dass, nachdem die die Personen- anzahl und die Einnahmen darstellenden Linien bis zum Jahre 1882 sich nahezu parallel bewegten, von da ab die Per- sonenfrequenz wesentlich rascher stieg als die Einnahmen. Es ist dies neben der Consequenz der eingetretenen allge- meinen Tarifermässigungen zweifellos eine Folge der Reduction der Mindest- gebühren, wodurch im engsten Nahver- kehr eine bedeutende Frequenzsteigerung eintrat. Es findet dies auch in den Durchschnitts-Einnahmeziffern pro Person Ausdruck, welche z. B. auf den k. k. Staatsbahnen betrugen:

im Jahre 1880 1-055 fl.

» » 1885 0*649 »

im Jahre 1890 0*594 A-

» » 1895 0570 *

Die Personen-Frequenzziffer des Jahres

1895 weist gegenüber derjenigen des

Jahres 1880 eine Steigerung um 237%,

und diejenige der Einnahmen eine solche

um 745% aus.

Die Personen - Frequenzziffern sind übrigens von vielen Zufälligkeiten ab- hängig, die mit der Tarifstellung nichts zu thun haben. So werden z. B. die Personen, je nachdem sie bei ihren Fahrten Strecken einer oder mehrerer Bahn Ver- waltungen berühren, statistisch so vielmal verzeichnet, als bei der Fahrt Strecken verschiedener Verwaltungen in Betracht kommen; ein Reisender von Prag nach Steyr wurde beispielsweise vor der Ver- staatlichung der Kaiserin Elisabeth-Bahn, der Kronprinz Rudolf-Bahn und der Kaiser Franz Josef-Bahn dreimal verzeichnet, während er seit der Zusammenlegung dieser Bahnen nur einmal gerechnet wird. Mit Rücksicht hierauf sind der graphi- schen Darstellung [Abb. 79] die Ziffern des absoluten Verkehrs, der Personen- Kilometerleistung, zugrunde gelegt.

Die graphische Darstellung [Abb. 79] zeigt bei der

K. F.-N.-D,

1880 230.555 1885 272.048

1890 259.535 1895 462.215

Südbahn

204.810 226.047

258.439 379-445

Auss.-T. B.

164725 187.548 245716

409.572

St.-E.-G.

145756 159794

175.859 296349

Oe. N.-W.-B. K. k. St.-B.

1 19.640 88.480

143.883 126.351

149.428 165 651

240.477 217.746

Personen-Kilometer pro Betriebskilometer, d. i. 1895 gegen das Jahr 1880 eine Steigerung um

104

0/

/o

857c

148%

103%

101

0/

146%

Die Wandlungen der Einnahmen pro Betriebskilometer aus dem Personen- verkehr sind in der graphischen Darstellung [Abb. 80] ersichtlich gemacht.

Diese Einnahmen betrugen bei der

K. F.-N.-B. Südbahn Auss.-T. B.

4908 3132 5510 3434

5995 3834 7046 4998

1880

5221

1885

5701

1890

5053

1895

5915

St.-E.-G. 3681

3693

3697

4208

Oe N.-W.-B. K. k. St.-B.

2783 2156 fl. ö. W. 2937 2275 » » » 3163 2529 » * »

3660 3003 » X »

I3'3° 0

d. i. 1895 gegen 1880 mehr: 43-5% 59-5% 143% 3i'S\

39-2°/c

169

Die letzte Tafel [Abb. 81] bietet ein Bild des Anwachsens des Fremden- verkehrs in der Reichshaupt- und Re- sidenzstadt Wien auf Grundlage der Zahl der in den Jahren 1874—1895 in Wien angekommenen Hotel-Fremden.*)

barungen zwischen dem k. und k. Reichs- Kriegsministerium, dem k. k. Ministerium

für Landesvertheidigung und den Bahn- verwaltungen besondere in einem eigenen Tarife zum Ausdrucke gebrachte Be- günstigungen für Militär- Personen trans-

Abb. TQ. GiapbUcliD Daci

ückKelegten Penonen- Kilon

Militätiarif.

Auf den österreichischen Bahnen bestehen zufolge concessionsmässiger Bestimmungen und specieller Verein-

•) Nach Veröffentlichungen des Verein für Stadtinteressen und Fremdenverkehr Wien.

! porte, über deren Entwicklung in \ach-

I stehendem das Wesentlichste iirwähnung

I findet.

I Nachdem anfangs auf den Eisen-

I bahnen für Militärtransporte keinerlei

j tarifarische Begünstigung seitens der Mili-

I tärverwaltung in Anspruch genommen wor-

1 den war und fllrdie Bahn Verwaltungen nur

] die Verpflichtung unbedingter und bevor-

I70

Theodor Englisch.

zugter Beförderung der Militärtransporte bestand, führten alsbald nach der Er- öffnung der betreffenden Strecken die k. k. Staatsbahnen und die Wien-Gloggnitzer Bahn für Militärpersonen vom Feldwebel abwärts die Begünstigung ein, dass diese Personen bei Reisen in Uniform in der III. Wagen classe gegen Zahlung des halben Preises dieser Classe fahren konnten. Später wurde diese Begünstigung auch auf den Strecken der Kaiser Ferdi- nands-Nordbahn zugestanden.

Der die Militärtransporte betreffende § 69 der Eisenbahnbetriebs-Ordnung vom 16. November 1851 lautet:

»Wenn zur Beförderung von Truppen oder Militäreflfecten von der Eisenbahn Gebrauch gemacht werden will, so ist auf Anordnung eines Militärlandes-, eines Armeecorps- oder noch höheren Militär- commandos, oder des k. k. Kriegsministe- riums, die Unternehmung verpflichtet, der Militärverwaltung hiezu alle dienlichen Betriebsmittel gegen eine angemessene, im wechselseitigen Einverständnisse fest- zusetzende Vergütung [w^elche jedoch die gewöhnlichen Tarifpreise niemals über- steigen darf] sogleich und mit Bevor- zugung vor jedem anderweitigen Trans- porte, zur Verfügung zu stellen.«

Während nach dieser Bestimmung es den Bahnuntemehmungen freistand, inner- halb ihrer allgemeinen Tarife die Be- förderungs-Gebühren zu bestimmen, er- scheint durch den § 10 des Eisenbahn- Concessions-Gesetzes vom 14. September 1854 in dieser Richtung eine Grenze gezogen. Dieser Paragraph bestimmt im Punkte f) :

»Wenn die Militärverwaltung zur Be- förderung von Truppen oder Militäreifecten von den Eisenbahnen Gebrauch zu machen wünscht, sind die Unternehmer verpflichtet, derselben hiezu alle zum Transporte dien- lichen Mittel gegen Vergütung nach den- selben Tarifsätzen zur Verfügung zu stellen, welche für diese Beförderung in dem jeweiligen Tarife der Staatseisen- bahnen festgesetzt sind.«

Da nun die k. k. Staatsbahnen in ihrem Tarife Begünstigungen für Militär- transporte vorgesehen hatten, waren solche auch auf allen nach Erlassung des vorge- nannten Gesetzes concessionirten Bahnen

zu gewähren, und wurden dementspre- chende Bestimmungen in die Concessions- Urkunden aufgenommen. Die Concessions- Urkunde der k. k. priv. Oesterreichischen Staatseisenbahn-Gesellschaft vom i. Ja- nuar 1855, Art. 9, bestimmt hinsichtlich des Transportes von Militärpersonen Folgendes :

» Die Militärtransporte müssen von der Gesellschaft nach herabgesetzten Tarif- preisen besorgt werden, welche für Mili- tärs, einzeln oder in Körpern, ein Drittel, für Pferde, Gepäck u. s. w. die Hälfte der gewöhnlichen Gebühr betragen.«

Um die Differenzen, welche sich über die Auslegung der den Eisenbahn-Gesell- schaften nach ihren Concessions-Urkun- den zustehenden Verpflichtungen bei Mi- litärtransporten ergeben haben, für die Zukunft zu beseitigen, und die Bestim- mungen über Transporte von Militärs und Militärgütern auf einfache, klare und jeden Zweifel ausschliessende Weise zu ordnen, hat das k. k. Kriegsministerium mit den sechs grösseren concessionirten Eisenbahn-Gesellschaften unterm 10. De- cember 1860 mit Giltigkeit vom i. Januar 1861 ein Uebereinkommen abgeschlossen.

Dieses Uebereinkommen, welches vor- läufig auf den Linien der

k. k. priv. Oesterreichischen Staatseisen- bahn-Gesellschaft ;

k. k. priv. südlichen Staats-, lombardisch- venetianischen und centralitalieni- schen Eisenbahn-Gesellschaft ;

k. k. priv. Kaiserin Elisabeth-Bahn;

k. k. priv. Galizischen Carl Ludwig- Bahn ;

k. k. priv. Theissbahn-Gesellschaft und

k. k. priv. Süd-norddeutschen Verbin- dungsbahn

Anwendung zu linden hatte, enthielt bezüglich der im Dienste reisenden Militärpersonen nachstehende Bestim- mungen :

» Für die Beförderung von Militär- und Marine-Individuen, welche mit den zur regelmässigen Personen-Beförderung be- stimmten Zügen, das ist den gewöhn- lichen Personen- und gemischten Zügen [Schnellzüge ausgenommen] expedirt wer- den, hat das Militär-, respective das

Personen-Tarife.

Marineärar die nachstehenden Gebühren zu bezahlen:

a) bei Einzel reisenden und bei Trans- porten von weniger als 25 Mann für jede Person und Meile:

Militärpersonen nur der für die III. Ctasse entfallende Tarif von 6 Kreuzer ö. W. zu zahlen; sie sind jedoch berechtigt, zur Fahrt jene höhere Wagenciasse zu benutzen, welche ihnen nach dem

in der I. Classe 12 Kreuzer ö. W.

Bei Transporten, die 25 Mann oder mehr betragen, ist für die Officiere und

Armee- oder Marine-Gebührenreglement zusteht.«

Die gleichen Gebühren waren auch zu bezahlen bei Beförderung mit den gewöhnhchen oder Separat - Lastzügen oder eigenen Separat- Militärzügen.

Theodor Englisch.

Bei Benützung der Schnellzüge gal- ten die allgemeinen Tarifbestimniungen.

Dem Uebereinkommen vom lO. De- cember 1860 sind im Laufe der nächsten Jahre sämmtliche österreichischen Bahnen beigetreten, und zwar theib durch rechtskräftige Erklärungen, theils durch

finden, auch auf die Familien gl ieder, das ist die Ehegattin und die Kinder, dann die reglementmässig gestatteten Dienstpersonen des Übersiedelnden k. k. Militär- oder Marine- Individuums volle Anwendung zu finden hatten ;

2. dass die in Uniform reisenden

Abb. 81. Giaphltche DarstclLuuB der 1

den Abschluss besonderer Ueberein- kommen.

Schon im Jahre i866 erfuhren die Begünstigungen für Militär-Personen- transporte wesentliche Erweiterungen, darin bestehend :

I. dass die im Uebereinkommen vom lo. December 1860 festgesetzten Tarif- sätze bei Uebersiedlungen, welche für Rechnung des k. k. Militärärars statt-

k. k. Generale, Stabs- und Oberofficiere, die mit militärischen Abzeichen verse- hene Militär-Geistlichkeit und die in Uni- form reisenden übrigen Militärparteien bei ausserdienst liehen Reisen mit den zur regelmässigen Personen -Beförderung be- stimmten Zügen [Schnellzüge ausgenom- men] in der I. Classe gegen Lösung einer Civilfahrkarte der II. Wagen- classe, in der IL Wagenciasse gegen

Personen-Tarife.

173

Lösung einer Civilfahrkarte III. Classe befördert wurden ;

3. dass Militär-Urlauber, welche durch Vorweisung des Urlaubspasses constati- ren, dass sie sich direct von ihrem Trup- penkörper in den Urlaubsort begeben oder von da zu ihrem Truppenkörper einrücken, in der III. Classe gegen Ent- richtung des halben jeweilig giltigen Civiltarifsatzes befördert wurden und

4. dass Zöghnge der Militär-Erzie- hungsanstalten bei ihren Urlaubsreisen aus der Anstalt in den Urlaubsort und zurück in der II. und III. Wagenclasse nur den halben Fahrpreis der betreffen- den Classe zu bezahlen hatten.

Im Jahre 1882 wurde -das bis dahin in Geltung gewesene Uebereinkommen vom 10. December 1860 einer Revision unterzogen und an Stelle desselben das Uebereinkommen vom Jahre 1884 gesetzt, welches für alle österreichischen Bahn- verwaltungen Geltung hatte. Durch dieses Uebereinkommen wurden die für Militär- personen im Dienste zu zahlenden kilo- metrischen Taxen festgesetzt mit o'8 kr. III. Classe, i'2 kr. II. Classe und i'6 kr.

I. Classe.

Im Uebrigen bHeben für die Anwen- dung dieser Preise die früheren Bestim- mungen unverändert.

Letztmals wurde das Uebereinkommen zum Militärtarif im Jahre 1892 erneuert, bei welcher Gelegenheit die Taxen eine Reduction auf 06 kr. III. Classe, 09 kr.

II. Classe, 1*2 kr. I. Classe pro Kilo- meter erfuhren; als Berechnungseinheit trat an Stelle des Kilometers das Myria- meter.

Wenn die bisherige Entwicklung und Gestaltung des Personen-Tarifwesens die an die Spitze dieser Betrachtungen ge- stellten prophetischen Worte Stephenson's noch nicht als voll in Erfüllung gegangen erkennen lassen, so darf doch mit grosser Befriedigung constatirt werden, dass speciell in Oesterreich und insbesondere

während des letzten Decenniums, eine ganz bedeutende Verbilligung der Fahrpreise eingetreten ist, die auch der minder- bemittelten Classe der Bevölkenmg die Benützung des modernen Verkehrsmittels ermöglicht. Den deutlichsten Ausdnick findet die eingetretene Fahrpreis- Reduction in dem Vergleiche der von den Bahn- verwaltungen erzielten Durchschnitts- einnahme für die Person und das Kilo- meter.

Diese Einnahme betrug in Kreuzern österr. Währ, bei der

K.

Südb.

F.-N.-B.

1880 2*34 2*48

1885 2-12 2*45

1890 i'95 2-42

1895 1-28 1-93

das ist in Procenten weniger :

Auss.- T B.

1-88 1-83 1-54

I*20

St.-E.- Oe K. k.

G. N.-W.-B. St..B.

2-56 232 2-IO 1*46

2-31 203 2'IO

1-53

2-44 r8o 1-52 1-38

46

22

1895 gegen 1880 36 43 33 43 Vo

Die volle Würdigung können die im Personen-Tarif wesen bis jetzt eingetre- tenen, noch nicht als abgeschlossen zu betrachtenden Reformen erst bei gleich- zeitiger Berücksichtigung der von Jahr zu Jahr sich zeigenden rascheren, be- quemeren und luxuriöseren Beförderungs- art finden.

Es sei in dieser Hinsicht nur der Stei- gerung der Geschwindigkeit bei den Schnellzügen auf 90 und mehr Kilometer pro Stunde, der Führung von Schlaf- imd Speisewagen in diesen Zügen, dann der comfortabel eingerichteten Luxuszüge Erwähnung gethan.

Hand in Hand mit dem Streben der Technik auf Verbesserung der Verkehrs- mittel und Beschleunigung des Personen- verkehres, um die Hindemisse von Raum und Zeit im Interesse gegenseitiger An- näherung und Verständigung der Völker zu vermindern, geht auch das Bestreben, durch Zugeständnisse in den Bcfürde- rungs-Gebühren das Reisen überhaupt, den Besuch schöner Gegenden, von Curorten u. s. w. zu erleichtern.

Tarif Wesen.

B. Frachten-Tarife.

Von

Albert Pauer,

Ober-Inspector der österreichischen Staatsbahnen im k. k. Eisenbahn-Ministerium.

Einleitung.

EIN fertiges Bild zu entwerfen von den Wirkungen, welche in einem Zeiträume von mehr als 60 Jahren das Eisenbahn- Tarif wesen in wirthschaft- 1 icher und cultureller Beziehung zur Folge gehabt hat, würde weil den Rahmen überschreiten, der für die Be- handlung des Gütertarif Wesens vorge- zeichnet wurde.

Denn, wollte man diesen hochwich- tigen, für Theorie und Praxis gleich inter- essanten Gegenstand in seinen mannig- faltigen Beziehungen zur Gesammtheit aller wirthschaftlichen Functionen des modernen Lebens zur Darstellung bringen, so würde es sich wohl verlohnen, eine Speci algeschichte des Gütertarifwesens zu schreiben.

Haben die Eisenbahnen durch die weitaus grössere Regelmässigkeit, Schnel- ligkeit und Sicherheit des Transportes gegenüber allen anderen Verkehrsmitteln eine vollständige Umwandlung des ge- sammten inneren und äusseren Verkehrs hervorgerufen, so wird diese epochale Erscheinung erst durch das Auftreten des wichtigsten hiebe! in Betracht kom- menden Momentes, der Billigkeit der Transport! ei stung, erklärlich.

Der Transportpreis bildet im Beson- deren, und mit ihm das Tarifwesen der Eisenbahnen im Allgemeinen, den vornehmsten Factor des gcsammtcn commerziellen Lebens.

Die Spuren seiner befruchtenden Thätigkeit lassen sich auf allen Gebieten

des wirthschafthchen und socialen Lebens verfolgen, seinem kräftigen Impulse dan- ken ungezählte Industrieen Dasein und Blüthe.

Denn nicht nur todte Waaren sind CS, welche der Verkehr zum Austausche zwischen den Völkern bringt, sondern an diese Waaren knüpfen sich An- regungen, Gedanken und Ideen, und es entsteht jene Wechselwirkung, durch die sich Handel und Cultur gegenseitig er- gänzen und in ihren Fortschritten unter- stützen.

In den Bezugs- und Absatz Verhält- nissen, in der Güter- Erzeugung und im Güter verbrauche haben die Gütertarife eine vollständige Umwälzung hervor- gerufen.

Vor Allem in den Nahrungsmitteln: Getreide und Mehl, Fleisch, Zucker, Bier und Wein; in den Roh- und Hilfs- stoffen der (irossindustrie: Kohle, Erze, Holz und Eisen, Brenn- und Leuchtstoffe, die früher am Erzeugungsorte selbst ver- braucht wurden oder blos in eng be- nachbarten Gebieten Absatz fanden, und nun. Dank der Unterstützung der über ganz Europa und darüber hinaus sicli verzweigenden directen Tarife, in hundert- tausenden von Wagenladungen nach den fernsten Ländern gehen.

In den Thälern unserer Alpen wird heutzutage Brot aus Korn und Weizen bereitet, die der ungarischen Tiefebene, der schwarzen Erde Bessarabiens und ■ntstammen.

178

Albert Pauer.

Braun- und Steinkohle, Erze, Holz und Eisen aus Böhmen, Mähren und Schlesien, Kärnten, der Steiermark und der Bukowina sind gesucht und begehrt in den Industriebezirken des Auslandes; siegreich besteht galizisches Petroleum den Wettkampf auf den europäischen Märkten mit russischen und amerikani- schen Oelen.

Erzeugnisse des österreichischen Kunst- und Gewerbefleisses finden lohnenden Ab- satz in der ganzen civilisirten Welt.

Producte und Waaren, die in früherer Zeit kaum dem Namen nach bekannt und nur für den Bemittelten zu erlangen waren, sind infolge der Verbilligung der Transportpreise Gemeingut aller Be- völkerungsclassen geworden.

Die Schranken örtlicher Gebundenheit sind gefallen, frei und friedlich vollzieht sich der Güteraustausch zwischen allen Staaten und Ländern.

Die Erkenntnis von dieser, dem Tarif- wesen zukommenden Bedeutung dringt auch in immer weitere Schichten der Bevölkerung, und begreiflicherweise ist es vor Allem der Transportpreis der Eisenbahnen, welcher zu den Erfolgen und Fortschritten der Weltwirthschaft wesentlich beigetragen hat.

Kaum den zwanzigsten Theil der vor der* Eisenbahnzeit auf der Land- strasse eingehobenen Frachtsätze be- tragen die heutigen Tarife.

In der Billigkeit und Schnelligkeit der Güterbeförderung liegt sonach das Geheimnis der gegenwärtigen Massen- bewegung der Eisenbahnen.

Kaum gibt es mehr einen auf dem Schienenwege erreichbaren, wichtigen Consumtions- oder Productionsort, dem die Vortheile directer Tarife nicht zugute kämen.

Die Anzahl der Gütertarife eines Landes gibt ebenso sehr Zeugnis von der commerziellen Reife seiner Eisen- bahnen, als sie auch einen untrüglichen Gradmesser liefert für die Entwicklung seines in- und ausländischen Handels.

Eine weise Tarifgesetzgebung sorgt für eine gerechte und gleichmässige An- wendung der Tarife ; auf breitester Grund- lage ruht die Oeflfentlichkeit der Tarife; die Bevorzugung einzelner Frachtgeber gehört der Vergangenheit an, die Tarife sind Gemeingut Aller geworden.

Wie in der Zeiten Wandel das vater- ländische Gütertarif wesen von seiner ursprünglichsten Form bis zu seiner heu- tigen Gestaltung gelangt ist, wie aus den einfachen, blos localen Verkehrs- bedürfnissen dienenden Localtarifen her- aus sich nach und nach die umfang- reichen Tarifverbände für das In- und Ausland entwickelt haben und zu einem der Hauptträger des modernen Transport- wesens geworden sind, soll im Nachfolgen- den in grossen Zügen vorgeführt werden.

I. Tarifgesetzgebung.

Auf die Bildung und Gestaltung der ersten Eisenbahn- Tarife hat, wie in allen übrigen europäischen Staaten, auch in unserem Vaterlande die Regierung keinen unmittelbaren Einfluss genommen.

Weder in den Privilegiums-Urkunden der Linz-Budweiser und der Linz-Gmun- dener Eisenbahn aus den Jahren 1824 und 1832, noch in der der Kaiser Fer- dinands-Nordbahn ertheilten Privilegiums- Urkunde vom Jahre 1836 findet sich eine auf die Festsetzung der Tarife bezug- nehmende Bestimmung.

Lediglich wird nach Artikel 7 der

Privilegien den Unternehmungen der zu bauenden Eisenbahnen die Berechtigung eingeräumt, alle Arten Güter und Waaren mit eigenen Wagen zu verführen und auch diese Befugnis an Andere zu übertragen. Dieselbe Bestimmung ist auch in die Privilegiums- Urkunde der Kaiser Ferdi- nands-Nordbahn übergegangen, jedoch schon hier mit dem Zusätze, dass die Beförderung der Personen und Güter ' auch mit Dampfkraft erfolgen könne, I und ferner, dass dem Postregale durch I die erth eilte Transportbefugnis kein Nach- 1 theil erwachsen dürfe.

Frachten-Tarife.

179

Eisenbahn- Co7icessions-Systeni vom

Jahre iSyj,

Ein mittelbarer Einfluss der Regie- rungsgewalt auf das Eisenbahn - Tarif- wesen zeigt sich erst im § 8 des mit Allerhöchster Entschliessung vom 29. De- cember 1837 erflossenen Eisenbahn- Concessions-Systems, wonach den Eisen- bahn-Unternehmungen die Verpflichtung auferlegt wird, ihre Tarife zu veröffent- lichen und eine billige Herabsetzung der Preise dann eintreten zu lassen, wenn die Reinerträgnisse der Bahn iS^/q der Einlagen überschreiten.

Vom Jahre 1838 bis 1851 ist ein völliger Stillstand in der Eisenbahn-Gesetz- gebung eingetreten.

Eisenbahn-Betriebsordn ung.

Als jedoch mit der wachsenden Aus- dehnung des österreichischen Eisenbahn- netzes der Mangel an gesetzlichen, das Tarif wesen betreffenden Vorschriften immer fühlbarer wurde, beschloss die Regierung, durch das Beispiel anderer Staaten an- geregt, eine eigene Eisenbahnbetriebs- Ordnung zu erlassen.*)

Dieselbe erschien am i. Januar 1852 und behandelt in den §§ 4 7, 64 67, 77 und 91 die Vorschriften, welche die Eisenbahn-Unternehmungen in Bezug auf die Veröffentlichung, Handhabung, Ab- änderung, Ergänzung und Aufhebung der Tarife für den Personen- und Güter- j transport zu erfüllen hatten.

Eisenbah n- Concessions- Gesetz vom Jahre 18^4.

Auf die Eisenbahnbetriebs- Ordnung folgte im Jahre 1854 die Ausgabe eines besonderen Eisenbahn-Concessions-Ge- setzes, worin mit den §§ 9 und 10 den j Eisenbahn-Gesellschaften die Verpflichtung 1 auferlegt wurde, die von ihnen festge- | setzten Tarife der Regierung zur Geneh- migung vorzulegen.

Mit dem Genehmigungsrecht hatte sich die Staatsverwaltung auch das

•) Vgl. Bd. I, 2. Theil, Dr. V. Roll, Ent- wicklung der Eisenbahn-Gesetzgebung.

Revisionsrecht der Tarife von drei zu drei Jahren vorbehalten, und im Allge- meinen sich die Oberaufsicht über das Tarif wesen gewahrt.

Maximaltarife,

Dieses Tarifhoheitsrecht gelangte in allen folgenden an Privatgesellschaften ertheilten Concessionen zum Ausdrucke, und fand eine weitere Ausgestaltung in der Festsetzung von Maximaltarifen, deren Aenderung der Genehmigung der Regie- rung unterworfen blieb.

Die Regierung hatte sich auch vor- behalten eine Herabsetzung der Maximal- tarife anzuordnen, wenn entweder das Reinerträgnis einen bestimmten Procent- satz überschreiten, oder wenn aus allge- meinen volkswirthschaftlichen Interessen sowie in Zeiten der Theuerung eine Er- mässigung der Eisenbahntarife von ihr als noth wendig erkannt werden sollte.

Veröffentlichung der Tarife,

Tarif begilnstigtingen.

Als oberster Grundsatz wurde schon im Anfang der Eisenbahnzeit die Ver- öffentlichung der Tarife aufgestellt, ebenso in der Folge den Eisenbahn-Gesellschaften zur Pflicht gemacht, eine Bevorzugung ein- zelner Versender gegenüber der Gesammt- heit nicht eintreten zu lassen und die einem Verfrachter gemachten Tarifzuge- ständnisse auch allen übrigen zu gewähren.

Handelsverträge.

Neben diesen gesetzlichen und con- cessionsmässigen Bestimmungen, welche sich der Hauptsache nach auf die Fest- setzung, Abänderung, Veröffentlichung und ebenmässige Anwendung der Tarife beziehen, hat die Regierung in Ansehung der hohen volkswirthschaftlichen Bedeu- tung des Tarifwesens Bedacht genommen, in den mit fremden Staaten abgeschlosse- nen Handelsbündnissen und Verträgen die Clausel der Meistbegünstigung be- züglich der gleichartigen Behandlung der Bewohner der vertragschliessenden Theile in Anwendung der Eisenbahntarife sicher zu stellen.

12*

i8o

Albert Pauer.

Eisenbahnrath,

In der Schaifung eines Eisenbahn- rathes im Jahre 1884 und dessen Heran- ziehung zur Berathung und Mitwirkung in Eisenbahn-Tariffragen ist gleichfalls das hohe Interesse zu erkennen, welches die Regierung für die tarifaren Bedürfnisse des Handels und Verkehres jederzeit be- thätigt hat, wie ferner auch ihre Für-

sorge unablässig darauf gerichtet war, sich durch eine grosse Anzahl von An- ordnungen und meritorischen Vorschriften den Einfluss auf die Tarifpolitik der Eisenbahnen zu wahren und so im Ver- waltungswege die im Interesse der Land- wirthschaft, der Industrie, des Handels und des Bergbaues gebotene Ordnung im Eisenbahn-Tarifwesen aufrecht zu er- halten.

II. Die Entwicklung des österreichischen

Eisenbahn-Tarifwesens.

/. Localtarife,

Tarifsysteme, Tarifschemas, Waarenclassification.

Als die ersten Bahnen dem allge- meinen Verkehre dienstbar gemacht wurden, waren die einzelnen Tarife nicht nach einem voraus bestimmten System festgestellt, sondern im Allgemeinen den bei der Post, dem Frachtfuhrwerk und den Wassertransporten bestehenden Ta- rifen nachgebildet. Als oberster Grund- satz galt: Je werthvoller ein Gut ist, einen desto höheren Transportpreis könne es vertragen. Hieraus entwickelte sich das Werthtarifirungs-System, wonach die Güter je nach ihrem Handelswerthe in verschiedene Classen eingereiht wurden. Die Werthbemessung der Güter erfolgte in der Weise, dass eine Anzahl Classen gebildet wurden, in welche die unter- einander ziemlich gleichwerthigen und gleichartigen Güter je nach ihrer Eigen- schaft als Robproduct, Halbfabrikate und Ganzfabrikate eingereiht wurden.

Tarifschema der Linz-Biidweiser Eisen- bahn vom Jahre 1828,

Die einfachste Tarifirung nach dem Werthe hatte wohl die im Jahre 1828 zur Eröffnung gelangte Eisenbahn von Bud- weis nach Linz.

Dieser Tarif enthielt drei Güterclassen :

die I. Classe für Getreide und Mehl, »II. » » Wein, und

» III. >> * Waaren aller Art.

Tarifschema der Kaiser Ferdinands- Nordbahn vofn Jahre 1840.

Der mit der Aufnahme des Güter- verkehres auf der Kaiser Ferdinands- Nordbahn am 2. März 1840 eingeführte Tarif enthielt eine Classe für Commerzial- waaren aller Art ohne Rücksicht auf Be- schaffenheit und Menge, und sogenannte Ausnahmeclassen für einzelne besonders benannte Artikel, wie Getreide, Kohle und Salz.

Mit dem Ausbaue der Kaiser Ferdi- nands-Nordbahn von Brunn bis Olmütz und von Lundenburg bis Prerau, konnte mit dem ursprünglichen einfachen Tarif- schema das Auslangen nicht mehr ge- funden werden, und es gelangte ein neuer Tarif zur Ausgabe, der bereits alle Merk- male der Classification nach dem Werthe an sich trug, nach dem die Güter ent- sprechend • ihrem Verkehrswerth oder Tauschwerth in vier verschiedene Classen eingetheilt und darnach tarifirt wurden.

In die I. Classe waren eingereiht gering bewerthete Artikel, wie: Bau- materialien, Eisen und Stahl, Getreide, Kohlen, Mineralien, Salz sowie leer retourgehende Gebinde.

In die II. Classe gehörten höher be- werthete Artikel, wie: Nahrungsmittel, Eisen-, Colonial- und Leinenwaaren, Zucker u. s. w.

In die III. Classe fielen hoch bewerthete Artikel, wie: Baumwolle, Bücher, Effecten, Glas und Glaswaaren, Bier, Wein u. s. w.

Frachten-Tarife.

I8l

Einheitliches Tarifschema auf de7i Staats- und Privatbahnen.

Als der Staat im Jahre 1845 den Be- trieb der von ihm erbauten Linie von Olmütz nach Prag an die Kaiser Ferdi- nands-Nordbahn, und die Linie Mürz- zuschlag-Graz-Cilli an die Wien-Glog^- nitzer Eisenbahn-Gesellschaft pachtweise überliess, war es in der Absicht der Regierung gelegen, auf den Staats- und Privatbahnen ein einheitliches Tarifsystem

In die IV. Classe zählten die im Ver- hältnisse zu ihrem Gewichte viel Raum einnehmenden Gegenstände sowie hoch bewerthete Artikel, wie: Gold- und Por- zellanwaaren, Seide und Manufactur- waaren.

Tarifschema der Wien-Gloggnitzer Eisenbahn vom Jahre 1841.

Der Tarif der Wien-Gloggnitzer Eisen- bahn-Gesellschaft, der im Jahre 1841 zur Ausgabe gelangte, machte bereits einen Unterschied zwischen eilgutmässiger und frachtgutmässiger Beförderung.

Er enthielt eine Eilgutclasse und zwei Classen für Frachtgut.

In die I. Classe gehörten Producte aller Art, wie : Getreide, Nutzsalz, Eisen und Eisen waaren etc., dann auch leere Behältnisse als Rückfracht.

In die IL Classe waren höher be- werthete Artikel eingereiht, w4e: Kauf- mannsgüter, Manufacturwaaren, Glas, Porzellan, Seide und Schafwolle.

Tarifschema der Kaiser Ferdi^tands- Nordbahn vom Jahre 1844,

Im Jahre 1844 erschien der dritte Tarif der Kaiser Ferdinands-Nordbahn, ' welcher in der Eintheilung der Classen j sich an den Tarif der Wien-Gloggnitzer I Eisenbahn vom Jahre 1841 anlehnte.

Neben einer Eilgutclasse bestanden zwei Güterclassen, I. Classe und II. Classe, sowie ein Ausnahms-Tarif.

Die Waarenclassification war auf beiden Bahnen eine einheitliche.

einzuführen. Die zwischen den Eisenbahn- Gesellschaften unter Mitwirkung der Re- gierung eingeleitetenVerhandlungen waren insofern e von Erfolg begleitet, als auf den damals bestandenen Staats- und Privat- eisenbahnen das Tarifschema der Wien- Gloggnitzer Eisenbahn mit einer Eilgut- classe und zwei Güterclassen nebst der einschlägigen W^aarenclassification an- genommen wurde.

Eine weitere Ausgestaltung hat das Tarifschema in den im Jähre 1848 er- schienenen Tarifen der Staats- und Privat- bahnen durch Vermehrung der bisherigen zwei Classen um eine dritte Classe er- fahren. In diese Classe wurden, den steigen- den Bedürfnissen des Verkehres Rechnung tragend, hochbewerthete und voluminöse Artikel eingereiht.

Tarifschema der Staatsbahnen vom

Jahre 18^2.

Nach der Auflösung des mit der Kaiser Ferdinands-Nordbahn und mit der Wien-Gloggnitzer Eisenbahn geschlosse- nen Betriebs Vertrages 1849, beziehungs- weise 1851, beauftragte die Regierung die in Graz und Pest errichteten k. k. Be- triebs - Directionen mit der Aufstellung neuer Localtarife für die ihnen unterstellten Eisenbahnlinien. In diesen im Frühjahr 1852 erschienenen Staatsbahntarifen war die bisherige Classeneintheilung der Frachtgüter beibehalten, dagegen bei Eilgut eine zweite Classe für die Beför- derung von Lebensmitteln und leer retour- gehenden Geschirren hinzugefügt worden.

Waa renclassification .

Die Waarenclassification erfuhr eine durch die fortschreitende Entwicklung der Industrie bedingte Erweiterung und I waren in der I. Classe 49, in der II. Classe 80 und in der III. Classe 19 Hauptartikel^ nebst einer Reihe verwandter Artikel auf- genommen.

Diejenigen Artikel, welche in der Classification nicht namentlich angeführt erschienen, unterlagen der Frachtberech- nung nach der II. Classe.

l82

Albert Pauer.

Sammelladungen. Separatlastzüge.

Die Verfrachtung von Gütern aller Art in ganzen und halben Wagenladungen war bei Entrichtung der Gebühr nach der Classe I für das halbe oder ganze Lade- gewicht des verwendeten Wagens als zulässig erklärt, desgleichen die Einleitung von Separatlastzügen bei Auflieferung eines Minimalquantums von 1 20oCentnem und Zahlung der Fracht nach der Classe I vorgesehen worden.

Tarifschema der österreichischen Staats- eisenbahn-Gescllschaft vom Jahre i8^$.

Bei dem Uebergange der Staatsbahnen in den Privatbesitz [1855 1859] wurde das Schema der Staatsbahntarife vom Jahre 1852 von der k. k. priv. Oesterrei- chisch-Ungarischen Staatseisenbahn-Ge- sellschaft als Concessionstarif unverän- dert übernommen. Dasselbe hat auch insofeme historische Bedeutung erlangt, als es in allen Concessionen, welche bis Ende der Sechziger-Jahre an Eisen- bahn-Unternehmungen ertheilt wurden, Aufnahme gefunden hat.

Sämmtliche Local- Gütertarife der in den Fünfziger - Jahren concessionirten Eisenbahnen, wie der Kaiserin Elisabeth- Bahn, GalizischenCarl Ludwig-Bahn, Süd- norddeutschen Verbindungsbahn, Buschtß- hrader Eisenbahn, Brunn- Rossitzer Eisen- bahn, waren in Bezug auf das Tarif- schema und die Waarenclassification eine getreue Nachbildung der im Jahre 1852 eingeführten Staatsbahn tarife.

Tarifschema der südlichen Staats- Lombardisch- Vcnetianischen Eisen- bahn vom Jahre /S59.

Eine Abweichung von den Local- tarifen der übrigen österreichischen Eisen- bahnen zeigte in Bezug auf die Ein- theilung das Schema des von der k. k. priv. südlichen Staats-Lombardisch-Vene- tianischen Eisenbahn - Gesellschaft am I. Januar 1859 ausgegebenen ersten Gütertarifes.

In demselben ist die Werthclassifi- cation schon eine ausgebildetere und ent-

hält das Tarifschema neben der Eilgut- classe und den drei Frachtgutclassen noch eine besondere Classe für Pretiosen und Baarschaften sowie weitere zehn Classen für besonders benannte Waaren- gruppen, welche erhöhte Bedeutung für den Verkehr mit Triest hatten, wie:

1 . Kohle, Getreide, Kartoffel und Hülsen- früchte ;

2. Eisenbahn - Fahrbetriebsmittel auf eigenen Rädern laufend;

3. Roheisen und Flossen, dann Bau- und Werkholz;

4. Zwilch und Segeltuch;

5. Oele und Hadern;

6. Blau-, Gelb- und Rothholz;

7. Flachs, Hanf und Werg;

8. Arznei- und Parfumeriewaaren ;

9. Baumwollwaaren und Baumwolle- abfälle ;

10. Cacaobohnen, Indigo, Kaffee, Schaf- woll-Loden, Carroben und Ochsen- häute.

Tarifschema der Wiener Verbindungs- bahn vom Jahre 185g.

Der von dem Consortium der Wiener Verbindungsbahn im Jahre 1859 ausge- gebene Tarif weicht in seinem schema- tischen Aufbau von den übrigen Local- tarifen der österreichischen Eisenbahnen wesentlich ab.

Bei demselben wurde von jeder Classeneintheilung abgesehen und ent- hält derselbe blos Durchfuhrs-, beziehungs- weise Ueberfuhrstaxen für Eil- und Fracht- güter sowie für die mit denselben im Zusammenhange stehenden anderen Trans- portgegenstände.

Erweiterung des Tarifschemas vom

Jahre i8$2.

Eine gewisse Erweiterung erfuhr das Tarifschema vom Jahre 1852 erst mit der in den Sechziger-Jahren erfolgten Concessionirung der Kaiser Franz Josef-

1 Bahn, der Oesterreichischen Nordwest- bahn, der Kronprinz Rudolf-Bahn, der

j Lemberg-Czerno witzer Eisenbahn und mehrerer anderer in Galizien imd Böh-

. men concessionirten Eisenbahnen, indem

Frachten-Tarife.

183

neben den Normalclassen I, II und III besondere Preisabtheilungen für Getreide, Brenn- und Schnittholz, Erze, Eisenflossen, Bausteine und Kohle vorgesehen wurden. Im Uebrigen aber lehnte sich das Tarif- schema dieser Eisenbahnen an das be- stehende an.

Tarifschema der Südbahn- Gesellschaft vom Jahre 1867,

Dagegen traten in den im Jahre 1 867 auf den Linien der Südbahn-Gesellschaft eingeführten Localtarifen in Bezug auf die Eintheilung der Classen wesentliche Unterschiede gegenüber den Tarifschemas der übrigen österreichischen Eisenbah- nen auf.

Infolge von Verhandlungen, welche zwischen der Regierung und der Ver- waltimg der Südbahn stattgefunden hatten, wurde ein neues Tarifschema construirt, welches neben dem Eilgut und den Güterclassen I, II und III noch zehn Serien enthielt.

In diese zehn Serien wurden unge- fähr 64 verschiedene Artikel, die für den Verkehr von und nach Triest von Bedeutung waren, aufgetheilt.

Mit diesem Tarifschema wurde das reine Werthclassifications-System auf den Linien der Südbahn eingebürgert, während die übrigen österreichischen Eisenbahnen daran gingen, die Werthclassification in ihrer bisherigen Reinheit aufzugeben, und Vorbereitungen trafen, sich dem gemisch- ten Tarifsystem zu nähern. Den Anstoss hiezu gaben die allgemeinen Klagen über den Mangel eines einheitlichen Tarif- schemas, welche das k. k. Handels- ministerium im Jahre 1868 bestimmten, eine Reform des Tarifwesens auf gesetz- lichem Wege herbeizuführen.

Anfänge des gemischten Tarifsystems,

Danach sollten die enggezogenen Grenzen der Werthclassification fallen und das Wagenraumsystem insoweit Be- rücksichtigung finden, als bei Aufgabe von Gütern in Mengen von 5 und 10 Tonnen pro Frachtbrief und Wagen eine

billigere Festsetzung der Tarife einzu- treten hätte.

Das Tarifschema sollte enthalten:

Eilgut,

Normalclasse,

Ermässigte Stückgutclasse,

Wagenladungsciasse A, » » B,

» » C.

Zur Normalclasse gehörten alle nicht benannten Güter. Güter der ermässigten Stückgutclasse und der Wagenladungs- classen waren besonders bezeichnet.

Dieses Tarifschema wurde vom Ab- geordnetenhause in der Sitzung vom 27. Mai 1868 angenommen. Die Ein- führung desselben auf den Eisenbahnen der im Reichsrathe vertretenen König- reiche und Länder scheiterte jedoch einer- seits an dem Widerstände der sich auf ihre Concessionen stützenden Privat- bahnen und andererseits an der Ablehnung der betreffenden Gesetzvorlage durch das Herrenhaus.

War es sonach nicht gelungen, auf gesetzlichem Wege eine Regelung des Tarifwesens zu erzielen, so hatten die mit vielem Aufwand an Fleiss und Mühe geführten Verhandlungen wenigstens den einen Erfolg für sich, dass sie eine Klärung der Verhältnisse herbeigeführt und den Boden vorbereitet hatten, auf dem unter günstigeren Aussichten weiter gebaut werden konnte.

Schon im Jahre 1869 sind die Eisen- bahn-Verwaltungen in voller Thätigkeit, um aus eigener Kraft eine befriedigende Lösung der Tariffrage herbeizuführen.

Die Erfolge dieser reformatorischen Thätigkeit traten bereits in den im Jahre 1870 und 1871 seitens der Österreichischen Eisenbahnen zur Ausgabe gebrachten Tarifen hervor.

Tarifschema der österreichisch- ungarischen Eisenbahnen vom Jahre

1870I71.

Die Eilgüter waren eingetheilt in ge- wöhnliche und ermässigte.

Für die Frachtgüter wurden neben den bisherigen drei Classen drei weitere ermässigte Classen mit der Bezeichnung A, B und C geschaffen.

i84

Albert Pauer.

Mit dieser Erweiterung der Classen- eintheilung des Tarifschemas ist es den Bahnverwaltungen möglich geworden, die grosse Menge von Special- und Ausnahme- tarifen, die in den einzelnen Localtarifen enthalten waren, aufzulassen, und die unter das Regime der Ausnahmetarife fallenden Artikel in die ermässigten Classen A, B und C einzureihen.

Nach den einschlägigen Tarifbestim- mungen war die ermässigte Classe A gleich den Normalclassen I, II und III an kein Minimalquantum gebunden, bei Gütern der Classe B eine Aufgabsmenge von loo Zoll- Centnern, bei der Classe C eine solche von 2CX) Zoll- Centnern be- dungen.

Wenn sich auch bei der Mehrzahl der österreichischen Eisenbahnen ein in formeller Beziehung gleichartiges Tarif- system seit 1870 eingebürgert hatte, so traten doch im Laufe der Jahre mannig- fache Abweichungen in den Waaren- classificationen der einzelnen Bahnver- waltungen ein, wodurch die schwer er- rungene Einheitlichkeit des Tarifschemas wieder beeinträchtigt wurde.

Bestrebungen der Regienmg nach weiterer Ausgestaltung der Tarif einheit.

Mit der Einführung des Gesetzes, be- treffend die ausschliessliche Anwendung der neuen dem Metersysteme angehörigen Masse und Gewichte im öffentlichen Ver- kehre, erging seitens der Regierung abermals die Aufforderung an die Bahn- verwaltungen, diese Gelegenheit wahr- zunehmen, um ein einheitliches, auf sämmtlichen Eisenbahnen Oesterreichs geltendes Tarifsystem herbeizuführen.

Die Bahnverwaltungen kamen der ergangenen Einladung bereitwilligst nach und bestellten alsbald ein eigenes Comit^, das mit der Aufgabe betraut ward, die Frage wegen Einführung eines einheit- lichen Gütertariföystems, einer gleichlau- tenden Waaren Classification und gleichen Tarifbestimmungen zu studiren.

Bei den wechselseitigen Verkehrs- beziehungen und dem grossen Complexe gemeinsamer Bahnen ergab sich die Noth- wendigkeit, die geplante Reform auch auf

die ungarischen Eisenbahnen auszudehnen. Hiedurch wurde die Lösung der Frage insofeme verwickelter imd schwieriger, als bei der Wahl des anzunehmenden Gütertarifsystems nicht allein die Inter- essen des Handels und der Industrie Oesterreichs, sondern auch Ungarns be- rücksichtigt werden mussten, und ausser- dem auch auf die concessionsmässigen Rechte der einzelnen Bahnuntemehmungen gehörige Rücksicht zu nehmen war.

Nebenher sollte auch auf die im Deutschen Reiche bezüglich der Her- stellung der formellen Tarifeinheit ge- führten Verhandlungen Bedacht genommen werden, da seitens der Regierung ein be- sonderer Werth darauf gelegt wurde, ein dem deutschen Tarifs vstem verwandtes System auch auf den österreichischen Eisenbahnen einzuführen.

Längere Zeit nahmen die Berathungen der Bahn Verwaltungen über die Wahl eines geeigneten Tarifsystems in Anspruch und endeten im März des Jahres 1875 mit der Ueberreichung eines Tarifentwurfes an das Handelsministerium. Dieser Ent- wurf, welcher ein einheitliches Tarif- schema nebst einheitlicher Waarenclas- sification enthielt, bildete das Substrat zur Fortsetzung weiterer Verhandlungen zwischen der Regierung imd den Bahn- verwaltungen.

Die angestrebte Herbeiführung einer materiellen Tarifeinheit musste jedoch fallen gelassen werden, nachdem man zur Ueberzeugung gelangte, dass weder die Regierung noch die Legislative den bestehenden Verhältnissen nach in der Lage gewesen wäre, die Eisenbahn-Ge- sellschaften zur Annahme einheitlicher Grundtaxen für alle Classen des Tarif- schemas zu verhalten. Es waren daher die Bestrebungen blos auf die Er^veite- rung der bereits in vielen Stücken erreichten formellen Tarifeinheit, d. i. ein einheitliches Tarit^chema mit gleicher Waaren Classification und gleichen Tarif- bestimmungen, gerichtet.

Tarifschema vom fahre i8j6.

So sollte die seit 1870 eingeführte naturgemässe Haupteintheilung in Eilgut und Frachtgut beibehalten, ebenso die

Frachten-Tarife.

185

Untertheilung der Eilgüter in gewöhn- liches und ermässigtes Eilgut aufrecht bleiben. Was hingegen die Untertheilung der Frachtgüter betraf, so wurde an Stelle der bisherigen Bezeichnung der Normal- classe I, II, III und der ermässigten Classen A, B und C eine den volks- wirthschaftlichen Grundsätzen der Ge- bührenbemessung entsprechendere Unter- scheidung nach Stückgutclassen und Wagenladungsclassen gewählt, und hiebei auf die grössere und geringere Aus- nützung der verwendeten Wagen Rück- sicht genommen.

So wurden für Stückgüter zwei Classen vorgesehen. Von diesen Classen erscheint die Classe I als die eigentliche Normal- classe, in welche alle jene Artikel als stillschweigend eingereiht zu betrachten waren, welche nicht ausdrücklich in eine andere Classe aufgenommen erschienen. Die Classe II begriff diejenigen Fracht- artikel in sich, welche ohne Rücksicht auf die zur Aufgabe gebrachten Quanti- täten im Allgemeinen zu billigeren Sätzen als zu denjenigen der Normalclasse I zu befördern waren, und enthielt auch jene Artikel, welche in grösseren Quantitäten nach einer der Wagenladungsclassen tarifir- ten, und welche in dem Falle einer die An- wendung einer solchen Wagenladungs- classe nicht gestattenden geringeren Beförderungsmenge ebenfalls als er- mässigtes Stückgut zu behandeln waren.

An Stelle der Classe III sollte für ge- wisse Güter, welche einen im Verhält- nisse zu ihrem Gewichte ungewöhnlich grossen Umfang haben [Sperrige Güter], die Tarifberechnung nach der 1Y2 dachen Gebühr der Normalclasse I treten.

Was die Wagenladungsclassen be- trifft, so sollte die Classe A in conse- quenter Durchführung des derselben zu- grunde liegenden Begriffes für Güter bei Aufgabe von mindestens 5000 kg Gel- tung haben und ausserdem noch auf diejenigen Artikel ausgedehnt werden, welche an sich in die Wagenladungs- classen gehören, aber wegen Nichtaus- nützung der Tragfähigkeit der Wagen nicht nach Tarifsätzen dieser niedrigen Classen befördert werden können.

Endlich waren in der vereinbarten Waarenclassification eine Anzahl von

solchen Verkehrsartikeln eingereiht, deren Ermässigung theils im Interesse der Industrie und des Handels, theils mit Rücksicht auf die Approvisionirung wünschenswerth erschien.

Die Frachtsätze der Wagenladungs- classen B und C sollten gleichmässig und bei Ausnützung, beziehungsweise Bezahlung der Tragfähigkeit des ver- wendeten Wagens zur Anwendung ge- langen.

Die Anwendung sämmtlicher drei Wagenladungsclassen A, B und C war übrigens noch dadurch bedingt, dass die für dieselben geforderten Quantitäten aus gleichartigen Artikeln, das ist aus solchen Artikeln zu bestehen haben, welche unter einem Namen begriffen werden können und auch in der W^aaren- classification des Tarifes selbst in einer und derselben Position zusammengefasst wurden.

Der vorgeschilderte Tarifentwurf wurde von Seite sämmtlicher öster- reichischen und ungarischen Eisenbahnen mit Ausnahme der Südbahn-Gesellschaft angenommen und gelangte in den Jahren 1876/77 in den Localgütertarifen der einzelnen Bahnverwaltungen, in einem besonderen Abschnitt I zusammengefasst, unter der allgemeinen Bezeichnung »Reformtarif« zur Einführung.

Das einheitliche Tarifschema nebst den einschlägigen Tarifbestimmungen und der Waarenclassitication ist später aus den Localtarifen der einzelnen Bahnver- waltungen ausgeschieden worden, und in einem besonderen Hefte unter dem Titel Tarif-Theil I [Tarifbestimmungen für den Transport von Ejl- und Fracht- gütern, dann lebenden Thieren, Equi- pagen und Leichen], giltig zu den Ge- bührentarifen der österreichisch-ungari- schen Bahnen, am 15. September 1881 zur Ausgabe gelangt.

Sclbstständiger Tarif-Thcil I vom

Jahre 1881.

Die Hauptbestimmungen des Tarif- Theiles I beziehen sich auf die Classen- eintheilung der Eilgüter und Frachtgüter, und zwar :

i86

Albert Pauer.

/. Eilgut,

a) Gewöhnliches Eilgut;

b) ermässigtes Eilgut ;

c) besonders ermässigtes Eilgut

//. Frachtgut,

I. Classe [Normalclasse], II. Classe.

Ermässigte Wagenladungsclassen A, B und C.

Specialtarif i für Getreide. Specialtarif 2 für Holz.

Eine weitere Ausgestaltung erfuhr das Tarifschema mit der am i. Mai 1889 erfolgten Einführung eines Special- t^ifes 3 für Baumaterialien, Düngemittel und Erze aller Art.

Um eine einheitliche Regelung der Tarife der Localbahnen herbeizuführen, hat das k. k. Handelsministerium auch die Verwaltungen der Localbahnen zur Annahme des Tarif-Theiles I verhalten, beziehungsweise denselben in den ein- schlägigen Concessionen vorgeschrieben.

Es war somit auf den österreichischen Eisenbahnen, mit Ausnahme der Südbahn, eine formelle Tarifeinheit erreicht.

Für die einheitliche Ausgestaltung desselben sorgt ein ständiges Tarif- comit6, das mit der Aufgabe betraut ist, alle das einheitliche Tarifschema, die Waarenclassification, die Tarifbestim- mungen betreffenden Anträge, wie sie aus der Initiative der einzelnen Eisen- bahn-Verwaltungen selbst oder aus den Interessentenkreisen hervorgehen, in ge- schäftliche Behandlung zu nehmen, die- selben einer eingehenden Prüfung zu unterziehen.

Dank dieser reformatorischen Thätig- keit des Tarifcomit6s haben die tarifa- rischen Bestimmungen zahlreiche Aende- rungen zum Vortheile des allgemeinen Verkehres erfahren. So wurden durch mannigfache Aenderungen der Ver- zeichnisse der sperrigen und der deckungsbedürftigen Güter sowie durch allgemeine Erleichterungen für die Be- förderung von Fischen, frischem Fleisch, Langholz, Langeisen, Flüssigkeiten in Kesselwagen u. s. w. wesentliche Ver- besserungen im Interesse des verfrach- tenden Publicums vorgenommen. Durch

Verschiebungen in der Gruppirung der Güter der einzelnen Classen sowie durch Herabsetzung zahlreicher Ar- tikel aus höheren in niedrigere Classen sind Frachterleichterungen geschaffen worden, welche namentlich der Land-, und Forstwirthschaft, der Eisenindustrie und anderen gewerblichen Zweigen zu- gute kamen.

Gemischtes Tarif System.

War mit der allgemeinen Einführung des Tarif-Theiles I das Werthclassifica- tions-System auch das herrschende geblie- ben, so sind doch in demselben einige Grund- sätze des Wagenraumsystems berück- sichtigt, und es ist damit der Uebergang vom reinen Werthclassifications-System zum gemischten Tarifsystem vollzogen worden.

Insbesondere drückt sich dies aus in der Forderung der Aufgabe von 10.000 kg für einen Frachtbrief und Wagen bei den Wagenladungsclassen B und C und Specialtarifen sowie durch die Möglich- keit des Zusammenladens verschiedener Wagenladungsclassen.

Tarifschema der k. k. österreichischen Staatsbahnen vom Jahre i8gi.

Eine weitere Anlehnung an das Wagen- raumsystem zeigt der mit i. Juli 1891 zur Einführung gelangte Local- Gütertarif auf den k. k. österreichischen Staatsbahnen.

Das den österreichisch - ungarischen Eisenbahnen gemeinsame Werthclassi- fications-, beziehungsweise gemischte System wurde wohl im Allgemeinen bei- behalten, dagegen ergaben sich einige Abweichungen des Tarifschemas in fol- genden Punkten:

Für Eilgüter wurden Tarifclassen für Sendungen unter 5000 kg, von 5000 kg und von lo.ooo kg vorgesehen und da- durch die bis dahin in Oesterreich unbe- kannt gewesene Einrichtung derTarifirung von Eilgutsendungen in ganzen und halben W^agenladungen geschaffen.

Bei den Frachtgütern ergab sich die wichtigste Aenderung in der Bildung

Frachten-Tarife.

187

eines Tarifes für Stückgüter bei Aufgabe von 5CXX) kgr und 10.000 kg.

Femer ist noch der Tarif für Leicht- güter zu erwähnen, weil er kein Werth- tarif, sondern ein Raumtarif ist, der nach dem Quadratmeter der Bodenfläche des verwendeten Wagens berechnet wird.

Tarifschema der Südbahn vom April

iSgß.

Mit der am i. April 1893 erfolgten Annähme des Tarif-Theiles I seitens der Südbahn-Gesellschaft besteht auf sämmt- lichen österreichisch-ungarischen Eisen- bahnen ein einheitliches Tarifschema nebst einheitlichen Tarif bestimmungen und einer einheitlichen Güterclassificati on .

Damit ist der Schlussstein zur Her- stellung der formalen Tarifeinheit auf den

Eisenbahnen Oesterreich-Ungams gelegt worden.

Tarif 'Theil I vom Jahre i8g8.

Der mit i. Januar 1898 eingeführte Tarif-Theil I hat in Bezug auf seine äussere Gestalt eine Aenderung nach der Richtung erfahren, dass derselbe, dem Beispiele des deutschen Tarif-Theiles I folgend, inhaltlich in zwei Hefte zerfällt. Das Heft A ent- hält die reglementarischen Bestimmungen, das Heft B die allgemeinen Bestim- mungen für die Beförderung von Leichen, lebenden Thieren und Gütern.

Die Wandlungen, welche das Tarif- schema, beziehungsweise das Tarifsystem auf den österreichischen Eisenbahnen vom Anfang der Eisenbahnzeit bis in unsere Tage erfahren hat, sind aus der nach- folgenden Tabelle zu entnehmen:

Jahr

1828

1840

1841

1844

* •'

1848

Bahnen

Linz-Budweiser Eisenbahn

Kaiser Ferdinands- Nordbahn

Kaiser Ferdinands- Nordbahn

Kaiser Ferdinands- Nordbahn

Staatsbahnen und Privatbahnen

Tarif schema

I. Classe

für Getreide und Mehl

II. Classe

für I Eimer Wein

III. Classe

für Waaren aller Art

Classe für

Commerzial-

waaren

Ausnahme-Classen für

Getreide

Kohle

Salz

I. Classe

II. Classe III. Classe

IV. Classe

j Wien-Gloggnitzer | ^ *^ ' Eisenbahn-Gesellschaft 1

Frachtgüter

Eilgüter

L

L Classe

II. Classe

Eilgüter

Frachtgüter

I. Classe

II. Classe

Ausnahme- Tarif

Frachtgüter

Eilgüter

I. Classe

II. Classe

III. Classe

I88

Albert Pauer.

Jahri. Bahnen

Tarif schema

1852

Staatsbahnen

Eilgüter

Frachtgüter

ge- wöhn- liche

1855 bis

1858

K. k. priv. Oesterr.-Ungar. Staatseisenbahn-Gesell- schaf t, Kaiserin EHsabeth- ! Bahn, Galiz. Carl Ludwig- Bahn, Süd-norddeutsche

Eilgüter

IL Classe III. Classe

Frachtgüter

ge-

Verbindungsb., Buschtß- °', hrader Eisenbahn, Brunn- ^^"""

Rossitzer Eisenbahn

liehe

er- ' mäs- sigte

L Classe

IL Classe > II L Classe

1859

K. k. priv. südl. Staats- Lombardisch-Venetiani- sche Eisenbahn-Gesell- schaft

Eilgüter

Frachtgüter

I.

IL

m.

Classe ' Classe ' Classe

i-i I 10 Classen " Classe für , ^^^ ^^^^^

Pretiosen ders be-

und Baar- nannte

Schäften Waaren- gruppen

Wiener Verbindungsbahn

Eilgüter

Frachtgüter

_ I

1867

Südbahn- Gesellschaft

Eilgüter

Frachtgüter

I. Classe

IL Classe

III. Classe , IG Serien

Oesterr. Eisenbahnen

Eilgüter

Frachtgüter

Normal Classen

Ermässigte Classen

gewöhn- liche

er-

I.

IL

mässigte Classe Classe

III

Classe

B

; Oesterr.-ungar. 1876 I Eisenbahnen bis I mit Ausnahme

1877 i

der Südbahn- Gesellschaft

Eilgüter

Frachtgüter

c*i 1*1-1 ' Ermässigte

Stdckgut-Classen Wagenladungs-Classen

gewöhn-

er-

liche I mässigte

I Classe

IL Classe

B

\ Oesterr.-ungar.

Eisenbahnen

exclusive

Südbahn

Eilgüter

beson- ders

Frachtgüter

I.

Classe Normal-

11.

Classe

Ermässigte Wagen- ladungs-Classen

ermäs- Qasse

sigte

B ; c

Special- Tarife

Frachten-Tarife.

189

Jahr

Bahnen

T

arifschema

1 1

1

1

1

1

I

7;i^<t4.^«

Frachtgüter

[1 '

1

1 Oesterr.-ungar.

I:«ii^ULd

I.

Classe Nor- mal-

Classe

II. Classe

Ermässigte Wagen- ladungs-Classe

Special- 1 Tarife H

1889

jctisciiuaiiucii

exclusive Südbahn

ge- wöhn- liche

er- mäs- sigte

beson- ders er- mäs- sigte

A

B

C

I

2

3

bei 1 0.000 Ar^

bei 1 10.000 kg 1

'

1 , 1

Eilgüter

Frachtgüter

1

1

1 Iv. &•

1891 1; österreichische ' Staatsbahnen

ge- wöhn- liche

er- mäs- sigte

beson- ders

ermäs- sigte

I. Classe und II. Classe

Ermässigte Wagen- ladungs-Classe

Special- Tarife

unter 5000

kg

bei 5000

kg

bei 10000

kg

un- ter 5000

kg

bei

bei 10.000

kg

A

B

C

I

2

'

5000 kg

bei

5000

kg

bei 10.000

kg

bei

10.000

kg

bei

10.000

kg

2. Beförderungspreise,

Einheitstaxen, Währung, Ge- wichts- und Längeneinheit.

Weit mannigfaltiger und wechslungs- reicher als bei den Tarifschemas und den Waarenclassificationen sind die Wandlungen, welche die Tarifeinheits- sätze seit dem Erscheinen der ersten Eisenbahntarife bis in unsere Zeit er- fahren haben.

Die Festsetzung der Taxeinheiten er- folgte im Anfang für den Wiener-Cent- ner als Gewichtseinheit, und zwar von Station zu Station, später für den Zoll- Centner und die deutsche Meile.

Theils waren die Einheitstaxen im Winter höhere .als im Sommer, theils wieder stuften sie sich mit der Länge der zu durchfahrenden Strecken ab [Staffel- tarife], theils blieben sie für die erste Aleile und für jede folgende in der Einheit unverändert. Die grcisste Mannigfaltig- keit herrschte in der Höhe der Einheits- sätze für die verschiedenen Tarifclassen.

Die Festsetzung der Einheitssätze für die einzelnen Classen oder Preisabthei-

lungen war zumeist zufälligen Erwä- gungen der einzelnen Verwaltungen ent- sprungen, oder sie war dictirt durch die vorhandene Concurrenz der Land- und Wasserwege.

In erster Linie gab jedoch stets der Erwerbsgrundsatz für die Tarifgestaltung den Ausschlag und den wirthschaftlichen Bedürfnissen des von der Bahn durch- zogenen Verkehrsgebietes wurde nur so- w^eit Rechnung getragen, als die in ihrer Eigenschaft als öffentliche Unternehmun- gen concessionirten Eisenbahnen hiezu durch Gesetze oder durch Concessions- Bestimmungen verhalten waren.

Die Anfänge einer gemeinwirthschaft- lichen Tarifgestaltung datiren erst vom Zeitpunkte der Verstaiitlichung des Eisen- bahnwesens [1883].

Hier wurde dem reinen Erwerbsinter- esse die Pflege, Förderung und Unter- stützung der Landwirthschaft, des Handels und der Industrie vorangestellt.

In der nachfolgenden Darstellung soll gezeigt werden, wie die Tarifeinheits- sätze auf den verschiedenen Eisenbahnen gebildet, beziehungsweise welchen Ent-

190

Albert Pauer.

w'icklungsgang dieselben im Laufe der Jahre genommen haben.

Tarifbildung der Linz-Budweiser Eisenbahn,

Auf der Linz-Budweiser Eisenbahn waren bei Eröffnung derselben [1828] keine Einheitssätze festgesetzt. Die

Frachtberechnung geschah von Station zu Station unter Zugrundelegung des Wiener Centners als Gewichts- und der Conventions-Währung als Münzeinheit. Die Tarifirung beschränkte sich blos auf drei Güterarten, wie Getreide und Mehl, einen Eimer Wein und Waaren überhaupt. Seiner Originalität wegen soll der erste Eisenbahntarif in Oesterreich hier seinen Platz finden.

Tarif für den Transport von Waaren und Producten.

J828.

Frachtsätze in Kreuzer C.-M. pro Sporco-Centner von und nach

Budweis

Linz

Wels Lambach ' Gmunden

2 ö

C

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4>

CO

I

I I I

Budweis —'12

Linz 24 32 30

Wels 30 37 6

Lambach 32 39 8

Gmunden ' 44 -

16 17

D

' 9 3

- 22 19 25 8 6 7 10 9

3 —I 4

- 4

- 8 6

20 29

8 15 113

6!-! 9

-' 6

I

1

Tarif bildung der Kaiser Ferdinands-

Nordbahn.

Der mit der Aufnahme des Güter- verkehres am 2. März 1840 auf der Kaiser Ferdinands-Nordbahn ausgegebene Tarif für den Waarentransport enthielt bereits die Befbrderungspreise nach Sporco-Centner und Meile berechnet.

Bezahlt wurden für Kaufmannsgüter aller Art 2 2V2 Kreuzer C.-M. pro Cent- ner und Meile. Für die Artikel Getreide und Salz bestanden Ausnahmefrachtsätze und wurde hiefür ein Frachtsatz von i ^ \ Kreu- zer C.-M. pro Sporco-Centner und Meile bezahlt. Mit dem Ausbaue der Kaiser Ferdinands-Nordbahn von Brttnn nach Olmütz kam [1841] der erste Classifica- tionstarif zur Ausprabe und betrugen die Frachtsätze für die

Cl. I . . I Yi kr. C.-M. pro Spor.-Ctr. U.Meile » 2 , , 1^1^ » « * * »»

> 3 . . 2 > ». V ».Vi

* 4 . .272 ^ - .

Der im Spätherbste desselben Jahres j von der Wien-Gloggnitzer Eisenbahn- Gesellschaft eingeführte Tarif hatte ; für die

L Cl. I kr. C.-M. pro Sporco-Ctr. u. Meile II. > 1Y2 * * » » »

festgesetzt.

Für voluminöse Gegenstände war der doppelte Satz der I. Classe zu bezahlen.

Tarifbildung der Kaiser Ferdinands- Nordbahn im Jahre 1844,

I

Der im Jahre 1844. auf den Linien der Kaiser Ferdinands-Nordbahn in Gel- I tung gestandene Tarif weist folgende Frachtsätze auf: Eilgut, doppelte Ge- päcktaxe.

I. Cl. I \'4 kr. C.-M. pro Sporco-Ctr, u. Meile II. » I '/^ * * * * » » »

Für volumini'jse Waaren war der . doppelte Preis der I. Classe zu bezahlen.

Frachten-Tarife.

191

Tarif bildung der österreichischen Eisen- bahnen im Jahre 1848,

Im Jahre 1848 wurden bei allen im Betriebe gestandenen österreichischen Eisenbahnen die bisher für zwei Güter- Classen vorgesehenen Einheitstaxen um eine dritte Classe vermehrt, und hiefür folgende Beförderungspreise festgestellt:

pro Sporco-Ctr. und Meile

Kaiser Ferdinands-Nordbahn. . . 2*/« kr. C.-M.

Nördliche und südliche Staats- bahnen I*/4 > »

Wien-Gloggnitzer und Wien- Bnick-Raaber Eisenbahn .... 2 » »

Tarifbildung im Jahre 18^2.

Mit dem am i. März 1852 erschienenen Staatsbahn-Tarif erfuhren die Tarife eine weitere Ausgestaltung und es betrugen nunmehr die Sätze: a) Eilgut.

Tarifsatz pro Meile:

Von I Von 51-75 76-100

Pfund Wiener Gewichts, Kreuzer C.-M.

Für voluminöse Eilgüter gelangte die doppelte Gebühr zur Einhebung.

Für Lebensmittel und leer retour- gehende Gebinde als Eilfracht [ermässigte Eilgüter] wurde die Gebühr der IIL, be- ziehungsweise der II. Frachten-Classe be- zahlt.

b) Frachtgüter.

Tarifsatz für den Sporco-Ctr. Wiener Gewichts auf die Meile

I Classe II. Classe !

III. Classe

Kreuzer C.

-M.

, ''/* 1

2

Einheitssätze der Oesterreichischen Staatseisoibahn- Gesellschaft.

Mit dem Uebergange der Staatsbahnen in den Privatbesitz ist eine Aen-

derung in 3en Beförderungspreisen nur insoweit eingetreten, als der k. k. priv. österreichischen Staatseisenbahn - Gesell- schaft nach Artikel 8 der Concession das Recht eingeräumt wurde, die obigen als Maximaltarife anzusehenden Einheits- taxen des Staatsbahn-Tarifes vom Jahre 1852 in Gold- und Silbermünze zu er- heben, beziehungsweise die Gebühren entsprechend dem jeweiligen W^erth Ver- hältnisse zwischen der Gold- und der Landeswährung um einen Agiozuschlag zu erhöhen.

Eine Herabsetzung der Maximaltarife war dem freien Ermessen der Gesell- schaft überlassen, ebenso ihr anheimge- geben, nach Massgabe der Verkehrsver- hältnisse einen Tarif mit fallenden Ein- heitssätzen bei grösseren Transportent- femungen zu construiren.

Auf diese Facultät gründet sich der später auf den österreichischen Eisen- bahnen allgemein zur Anwendung ge- langte Staffeltarif.

Concessionsmässige Maximaltarife der übrigen öslerreichischen Eisenbahnen,

Die im Artikel 8 der Concessions- Urkunde der Oesterreichischen Staatseisen- bahn - Gesellschaft enthaltenen Bestim- mungen, bezüglich der Einhebung der Tarife in Gold- und Silbermünze, sind mutatis mutandis auf alle, Mitte und Ende der Fünfziger-Jahre concessionirten Eisen- bahnen, wie: Kaiserin Elisabeth-Bahn, Galizische Carl Ludwig-Bahn, Süd-nord- deutsche Verbindungsbahn , Buschtfe- hrader Eisenbahn und Brunn - Rossitzer Eisenbahn übergegangen.

Eine Abweichung bestand nur in der Höhe der den einzelnen Gesellschaften vorgeschriebenen Maximaltarifen.

Einheitstaxen der österreichischen Eisenbahnen im Jahre iSßg,

Im Jahre 1859 erfolgte mit der Ein- führung des Zoll-Centners und der neuen ' österreichischen Währung die Umrech- nung sämmtlicher Gütertarife der öster- I reichischen Eisenbahnen unter Zugrunde- I legung der concessionsmässigen Ein-

192

Albert Pauer.

heitssätze und sind die auf den grösseren Eisenbahnen im Jahre 1859 bestandenen

Tarifsätze in der nachfolgenden ver- gleichenden Tabelle enthalten.

Einheitstaxen in Kreuzern ö. W.

Name der Bahn

Eilgut

I. Gl. IL Gl.

I pro 20 ZoU.-Pfd.

pro Zoll-

Ctr. und

Meile

pjro Zoll' I pro Zoll- Gtr. und

Gtr. und Meile

Kaiser Ferdinands-Nordbahn

Oesterreichische Staatseisenbahn-Gesellschaft Sudliche Staatseisenbahn [Sudbahn]

Kaiserin Elisabeth-Bahn

Galizische Garl Ludwig-Bahn . . . Süd-norddeutsche Verbindungsbahn Aussig-Teplitzer Eisenbahn . . . Buschtöhrader Eisenbahn .... Nordtirol^r Staatseisenbahn . . .

250 1-50 1-50 1*50

1-50 150

ISO

150 1-50

1*95 156 170

1-95

1*95

1-95

234 312

170

2-34

2*34 260

273 234

293 312 312 260

Tarif der Wiener Verbindungsbahn vom Jahre 1860.

Für die Wiener Verbindungsbahn ge- langte mit I, Januar 1860 ein Tarif zur Ausgabe, welcher fixe Frachtsätze für die Ueberfuhr von Gütern zwischen dem Nordbahnhofe und dem Südbahnhofe ent- hielt.

Berechnet wurden :

1. Für gewöhnliche Frachten ohne Unterschied der Gattung pro Zoll-Centner auf der Strecke vom Nord- oder Süd- bahnhofe zum Hauptzollamte oder um- gekehrt fl. .040. W.

Für gewöhnliche Durch- zugsgüter ohneUnterschied der Gattung vom Nord- zum Südbahnhofe oder umgekehrt > .06 * *

2. Für Eilgüter entfällt das Doppelte der unter i. festgesetzten Gebühren.

3. Für den Transport lebender Thiere auf der ganzen Verbindungsbahn- strecke, als für ein einzel- nes Pferd « —.50 >

Werden mehr als ein Stück Pferde aufgegeben, pro Stück - .25 » >

Für Ochsen, Stiere, Kühe, Maulthiere:

Für I Stück . . . . fl. » 2

» 3 . 4

5 » 6

Werden mehr als 6 Stück aufgegeben , pro Stück

Für Kälber, gemästete Schweine, Esel, pro Stück »

Für Schöpse, Lämmer, Ziegen, Schafe und un ge- mästete Schweine, pro Stück »

4. Für den Transport einer Leiche auf der gan- zen Verbindungsbahn . . »

—.40 ö. W.

.60 >

—.75 > * .90 » >

1.05 »

1.20 *

» .12

.06

•03

4-

Concessionsviüssig festgesetzte Ein- heitstaxen für Massenartikel.

In den Concessions-Urkunden der Mitte der Siebziger-Jahre concessionirten Eisenbahnen haben die Maximaltarife eine Erweiterung nach der Richtung er- fahren, dass neben den Beförderungs- preisen für die gewöhnlichen Fracht- güter auch solche für Massenartikel, wie : Getreide, Holz, mineralische Kohle, Erze und Bausteine in vollen Wagenladun- gen, wie die nachstehende Tabelle zeigt, vorgeschrieben wurden.

Frachten-Tarife.

193

Name der Bahn

I.

IL

III.

Frachtsätze pro Zoll-Centner und Meile

Getreide, Brenn-

und Schnittholz,

Erze, Eisenflossen

und Bausteine

Kohle

Kaiser Franz Josef-Bahn

2 12V4

3V>

für die ersten 10 Meilen 9 » zweiten 10 > » weitere Entfernungen

r6 1-4

1*2

09

0-8 07

Oesterreichische Nordwestbahn

Getreide, Salz

2V.

für die ersten 10 Meilen » » zweiten 10 » » » dritten 10 > » weitere Entfernungen

15

1*4 12

IG

Brenn- und Schnittholz

Mineralkohle,

Eisenflossen,

Kalk, Bausteine

1-2

IG

09 07

IG

G-8 G-6 0*5

Getreide, Brenn-

und Schnittholz,

Erze, Eisenflossen

und Bausteine

Kohle

Kronprinz Rudolf- Bahn

2V4

3V2

für die ersten IG Meilen » » zweiten ig » » weitere Entfernungen

16 1-4

1-2

09

G-8

07

Sind die Einheitssätze für die Normal- classen i, 2 und 3 Meilentarife geblieben, so tragen die für die Massenartikel fest- gesetzten Tarifsätze bereits den Stempel von Staffeltarifen und bereiten gleichsam den Uebergang vom Meilentarif zum Staffeltarif vor.

Staffeltarife der Süd bahn vom Jahre

1867,

In dem im Jahre 1867 von der Südbahn- Gesellschaft eingeführten Tarif sind die Frachtsätze für die 10 Serien bereits nach dem Staffelsystem gebildet. Die Ein- theilung der Entfernungszonen sowohl, als auch die hiefür festgesetzten Taxen waren jedoch bei den einzelnen Serien verschieden.

Geschichte der Eisenbahnen. 111.

Für 12 Artikel, wie: Bier, Blech- waaren, Wein, Eisenwaaren, Farbstoffe, Papier, Südfrüchte, Spiritus etc. wurden berechnet :

Bis 40 Meilen 17 kr. pro Zoll-Centner

und Meile, über 40 Meilen i"5 kr. pro Zoll-Centner

und Meile. Für den Export- Verkehr galt ein Satz von 1*25 kr. pro Zoll-Centner und Meile bis 40 Meilen, und i kr. pro Zoll-Cent- ner und Meile über 40 Meilen.

Für Baumwolle, Fische, Petroleum, Zwetschken wurden im Local-Verkehre bis 20 Meilen 170 kr. pro Zoll-Centner

und xMeile, von 20—40 Meilen i'SO kr. pro Zoll- Centner und Meile, über 40 Meilen 1*25 kr. pro Zoll-Centner und Meile berechnet.

13

194

Albert Pauer.

Für Mahlproducte, Reis, Salz, Zucker- rüben gelangten

bis 15 Meilen 1-50 kr. pro Zoll-Centner

und Meile, von 15 30 Meilen i kr. pro Zoll-Centner

und Meile, über 30 Meilen 075 kr. pro Zoll-Centner

und Meile;

für Baumaterialien, Brennholz, Steine, Braunkohle, Dungsalze bis 10 Meilen 1*25 kr. pro Zoll-Centner

und Meile, von 10 20 Meilen i kr. pro Zoll-Centner

und Meile, über 20 Meilen 075 kr. pro Zoll-Centner

und Meile,

dann für Getreide in Wagenladungen 075 kr. pro Zoll-Centner und Meile zur Berechnung.

Tarifentwwf der parlavicntariiitlien Enquitc-Covimission vctn Jahre 186S.

Eine weitere Ausgestaltung war dem Staffeltarif in dem Tarifen t würfe zuge- dacht, welcher im Jahre 1868 von der parlamentarischen Enquete-Commission ausgearbeitet wurde.

Derselbe sollte folgende Eintheilung erhalten :

1

1

A B C

1

1

Für 10 Meilen

1

»20 *

7> 30

p 50 »

Kreuzer ö. \V. pro Centner und Meile

14

1

10

09 0-8 07

10 09 0-8 07 06

09 08 07 06 0'5

Nach diesem Tarifentwurfe sollte für die Wagenladungs-Classen A, B und C der Tarif nach fallender Scala in der Weise bemessen werden, dass mindestens von 10 zu 10 Meilen der Einheitssatz pro Meile abnehme, und dass bei einer Entfernung von 50 Meilen der niedrit^ste

gesetzmässige Einheitssatz zur Anwen- dung zu kommen und bei Entfernungen über 50 Meilen unverändert fortzuwirken habe.

Preisbildung nach fallender Scala,

Die in den Jahren 1870 und 1871 auf den österreichischen Eisenbahnen einge- führten Tarife haben, soweit die Tarifsätze der Normalclassen i, 2 und 3 in Frage kamen, den Meilentarif beibehalten, da- gegen hinsichtlich der ermässigten Classen A, B und C die Preisbildung nach der Staffelart vorgenommen.

Die Eintheilung der Staffeln sowie die hiefür festgesetzten Einheitstaxen, waren jedoch l3ei den verschiedenen Bahnen verschieden.

So waren beispielsweise auf den Linien der Oesterreichischen Staatseisen- bahn-Gesellschaft folgende Grundtaxen festgesetzt :

Ermässigte Classe A:

pro Zoll-Ctr. pro 100 */

u. Meile o. I im

Kreuzer ö. W.

für die ersten lo Meilen 1-5 0*40

» » zweiten 10 » 1*3 0*34

p » dritten 10 » l'2 0*32

und darüber I'O 0*26

Ermässigte Classe B:

pro Zoll-Ctr. pro loo i\(

u. Meile u. i Jdm

Kreuzer 6. W.

für die ersten 5 Meilen i'5 0*40

» ersten 10 » 1*3 0-34

Ä » zweiten 10 » l'2 0*32

» * dritten 10 > l'O 0*26

* vierten 10 » 0*9 0*24

und darüber 0'8 0*2 1

Ermässigte Classe C:

pro Zoll-Ctr. pro loo ig

u, Meile u. i k/»

Kreuzer ö. W.

für die ersten 5 Meilen i'O

» * ersten 10 > 0*9

» » zweiten 10 » 08

» » dritten 10 0*7

und darüber o*6

0*26 0*24

0'2I

o-i8 016

Frachten-Tarife.

195

Die Berechnung der Transportpreise erfolgte gegenüber der heutigen Uebung in der Art, dass von der festgesetzten Entfernung ab der ermässigte Einheitssatz für die ganze Transportstrecke durch- gerechnet wurde, so dass beispielsweise bei einer Entfernung von 30 Meilen für ein Gut der ermässigten Classe A der Satz von i*2 kr. pro Zoll-Centner und Meile schon von der ersten Meile ab zur Anwendung gelangte. Die natur- gemäss hiedurch eintretenden Fracht- disparitäten wurden in der Weise aus- geglichen, dass die nach den vorher- gehenden Staffeln resultirenden höheren Frachtsätze so lange auf weitere Ent- fernungen übertragen wurden, bis die normale Tarifbildung billigere Fracht- sätze ergab.

Die obligatorische Anwendung der neuen dem Metersysteme angehörigen Masse und Gewichte im öffentlichen Ver- kehre ab I. Januar 1876 gab abermals den Anstoss, die materielle Tarifeinheit auf den österreichischen Eisenbahnen herbeizuführen.

Der von den Eisenbahn- Verwaltungen im Jahre 1875 angenommenen neuen Classeneintheilung entsprechend, sollten nach dem von der Regienmg einge- brachten Gesetzentwurfe folgende Ma- ximal-Einheitssätze an Stelle der bis dahin geltenden treten:

A. Eilgüter:

pro 100 kg und l km

i) Für gewöhnliches Eilgut . . i"6o kr. 2) » ermässigtes Eilgut . 0'8o >

B. Frachtgüter:

i) Stückgüter Classe I . . . 0*65 kr. » » II . . . o*55 »

Sperrige Güter 097 5 »

2) Wagenladungen:

Classe A

Für die ersten 100 km . » » zweiten 100 » . > weitere Entfernungen

. 0*50 kr. . 0-45 » 0-35

Classe B:

Für die ersten 100 km . » » zweiten 100 > . » weitere Entfernungen

Classe C:

Für die ersten 100 km . > » zweiten 100 » . » weitere Entfernungen

. 0'40 kr.

0'35 » . 0-25 »

. 0-35 kr. . 0-25 » . 0-15 >

Mineralische Kohle und Cokes:

Für die ersten 100 km . . . 0*25 kr. » » zweiten 100 » . . . 0'20 » » weitere Entfernungen . .0*15 »

Die materielle Tarifeinheit blieb ein unerfüllter Wunsch.

Wie die nachstehende Darstellung auf Seite 196 und 197 zeigt, hatte jede Bahn ihre eigenen, von denen der anderen Bahnen verschiedenen Sätze eingerechnet, ebenso folgte bei Bildung der Staffeln jede Bahn ihren besonderen Ansichten und Interessen.

So weitgehende Frachtunterschiede mussten auf die Entwicklung der wirth- schaftlichen Verhältnisse von nachtheili- gem Einflüsse sein.

Aus diesen Einheitstaxen kann heraus- gelesen werden, welche Macht in die Hand der Eisenbahnen gelegt war, wie das wirthschaftliche Gedeihen der von ihnen durchzogenen Gebiete von ihren Tarifen abhängig wurde.

Es geht aber auch daraus hervor, dass eine Production, die für ihre Er- zeugnisse oft das Doppelte an Fracht von dem zahlen musste, was für den gleichen Artikel von einer zweiten Bahn erhoben wurde, im Wettbewerb mit einer gleichartigen Production an der anderen Bahn nicht aufkommen konnte.

Diese nachtheiligen Einflüsse wurden, wenn auch nicht ganz beseitigt, so doch gemildert durch die Wiedereinführung des Staatsbetriebes.

13*

196

Darstellung der Einheitstaxen der

1

E i n h e i

t s t a X e

n pro 100 Kilogramm und

Aussig- Teplitzer Bahn [Haupt- linien]

Böhm.

Böhm.

Buschtö-

Erste unearisch- gaiizische Eisenbahn

Galizische

Carl Ludwig- Bahn

1

Kaiser

Kaiser

Classe

Nord- bahn

West- bahn

hrader Bahn

Ferdinands- Nordbahn

Franz Josef- Bahn

I.

059

075

0-73

059' 0-59

1

062 062

059

IL

0-53

055

0-53

053 053

1

052 051

053

kni

km

km

km

km

1

km

km

A.

1

1-300-45

I— 50 050!

I— 76

050

I- 75047

I— 75048 I— 750-47| I— 760-50'

+ 300-40

51—100 045

0-46

77-152

0-45

76-1500-45

76—1500-45 76—1500-35; 77—1520-40

+ 100 040

+ 152

040

151—225042

151 -225 043 151—300 0-33; 153—228 0-35 1

1

t i

+ 225040

+ 225 0 40

+ 300030 + 228030

km

km

km

km

km

km

km

1—300-40

I— 50 045

I— 76

0-40; I— 75045

1— 750-45' I— 40042

^•^

+ 300-3251 100 040

0-40

77-152

0*37 76—^500-42

76-1500-43

41— 800-35

I— 76040

B.

1

+ 100 035

+ 152

0-32 151—2250-40.151-225040

81—225030

77—152 0-35'

+ 225 0 37

+ 225 0-37 256—300 o-26| 153— 228 0-30!

+ 300020

+ 2280-25'

1 1

km

km

1

1 km

km

1

km km

km

1—300-32

1—75 0-40

I— 76

026 1— 75040J I— 75040 I— 400-34

C. +30 0-21

+ 75 0-26

02677—152

0*21

76-1500-34

76— 1500-35 41— 800-26

I- 76035

1

+ 152

016 151— 2250-321151—225 0*32! 81—1500-24

77-1520-25

1

+ 2250-26' + 225027 151-225020

153—228020

1

1

+ 2250-18

1

-- 228 015

1

Spe- !

km

km

km

km

km

km

km

1 km '

cial- Tarif

T

1—300-45

I- 50 050

1-75

040

1-76

040

I- 750-4D

I— 75032

1-75 047

I— 76042

+300-3251—100 o-4o|+ 75

04077—152

037

76-1500-37

76—1500-29

+ 75 0 30

77-1520-37

+ 100 0-35

+ 152

032 151— 2250-32,151— 2250*27

153-2280-32

[Ge-

1

+ 225 026; 226— 300024

+ 228 025

treide]

+ 300019

Spe- ,

km

km

km

km

km

km

km

km

cial-

1—300-40

i_ 50 045 1-75

0-40, I— 76

0-32

I— 750-32

1-75035 1-400-34

Tarif + 30 o-26|

51-100 035+ 75

0-2677—152

026

76—1500-26

76—1500-29 41— 80026

I- 76035

IL

+ 100 o-3o|

+ 152

024

151— 225012

151—2250-24 81—150024

77-152025

[Holz]

i

+ 225010

-- 225022 151—2250-20

153—228 0-20

i

1 1

1

+ 2250-18

+ 2280-15

1

österreichischen Hauptbahnen im Jahre 1876.

197

I Kilometer in Kreuzern österr. Währ.

Kaiserin Elisabeth-Bahn

Haupt- linie

Salzburg- Tiroler Bahn

Kronprinz Rudolf- Bahn

Lemberg-

Czerno-

witzer Bahn

Oesterr. Nordwest- Bahn

Oesterr. Staatseisen- bahn-Gesell- schaft

Serie

Südbahn- Gesellschaft

072

072

059

0-59

0-59

0*62

05I1

0-51

053

052

0-51

041

033

033

km

i— 75 o 53

76—150 040

+ 150 0 26

026

026

km

I— 75 0-53

km

I- 75 0-47

76—150 040

+ 150 0-33

km

I— 75 040

76—150 0-3376-150 033

km

I— 50 050

51—200 040

+ 200 0-30

km

I— 75 040

76—1500-34

151—225032

+ 225026

+ 150 0-20

km

I- 380-45

39—1520-37

153—2280-32

+ 150 0-27! + 228026

km

1— 40040

41— 800-34

81-1550-32

156—2300-26

231-3050-24

+ 3050-21

km

I— 40026

41— 800-24

81 120 0-21

121 1600 16

+ 1600-13

km

0-26; 1—40 0-42 024' 41—80 024 0-21, 0-16,

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km

km

81—1550-21

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km

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km

km

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+ 2250-19 -f- 2280-26

km

1-75

+ 75

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km

1-40 0-26

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km

I— 75032

km

I— 75 0-42

76—150026176—150 026 151—2250-24 + 150 0-20

4- 2250-18

km

I— 500-32 51 100026

km

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4- 155 016

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km

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+ 152

km 1-304

+ 304

km

1—152

153—304

+ 304

km

I— 114 115—228

4- 228

I km

I I— 76 ' 77-152 ! + 152

km

1— 76

77-152

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0-395

0329

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0-395 0-329

0264

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0-448

0395 0-329

0395 0-329

0264

0-329 0264 0-198

0329 0264 0-198 0158

198

Albert Pauer.

Localtarif der k. k. Staatsbahnen vom

Jahre iSSß.

Dieser Gütertarif ist auf Grund gleicher Einheitssätze nach fallender Scala für sämmtliche verstaatlichte Eisen- bahnen aufgestellt, und es sind er- hebliche Ermässigungen in den Tarif- sätzen gegenüber den Privatbahnen ein- getreten.

Die Tarifeinheiten betrugen pro kg und I km für:

I. Eilgüter:

kr. ö. w.

a) gewöhnliche 1*60

bj ermässigte und besonders er-

mässigte 0*59

2. Frachtgüter:

kr. ö. w.

Classe I 0'59

» II von I 300 km . . . 050 Für jedes weitere km .... 030

Wagenladungs-Classe A:

kr. ö. w.

Von I 100 km 0*36

101—200 » 034

» 201 300 » o'32

> 301—400 » 0*26

Für jedes weitere km über 400 km 0'20

Wagenladungs-Classe B:

kr. ö. w.

Von I 100 km 0*28

» loi 200 > 026

> 201 300 » 0*24

* 301 400 » 0-20

Für jedes weitere Kilometer über

400 km 016

Wagenladungs-Classe C:

kr. ö. w.

Von I 50 km 0-26

» 51 100 » . ... 016

101—200 ^ 012

Für jedes weitere Kilometer über

200 km 010

Special-Tarif I für Getreide

etc.

kr. ö. W.

Von I 100 km 0-32

» loi 200 » 0*28

» 201 300 * 0*24

* 301—400 -> 020

Für jedes weitere Kilometer über

400 km o*i6

Special-Tarif II für Holz:

kr. ö. W

Von I— 50 km 0'26

» 51 100 » 0-20

» loi 200 » 0"i6

Für jedes weitere Kilometer über

200 km 0*12

Ausnahme-Tarif I für Kohle,

Erze, etc.

kr. ö. w.

Von 1—50 km 0'22

> 51 100 » 014

^ 101—200 » 012

Für jedes weitere Kilometer über

200 km 0'o8

Die Tarifeinheitssätze der österreichi- schen Staatsbahnen wurden von der Kaiser Ferdinands-Nordbahn am 1 5. Sep- tember 1884, von der Lemberg- Czernowitz-Jassy-Eisenbahn am i. Januar 1885, später von der Buschtßhrader und der Aussig-Teplitzer Bahn angenommen, wodurch der Geltungsbereich dieses Tarifes sich auf ein Netz von über ; 5000 km Ende der Achtziger -Jahre erstreckte.

Die materielle Tarifeinheit hatte so- mit einen bedeutenden Schritt nach vor- wärts gemacht.

Localtarif der Staatsbahnen vom Jahre l8()l.

Die unausgesetzten Bestrebungen der österreichischen Kep:ierung auf Verein- fachung und Verbilligung der Güter- tarife zeitigten den am i. Juli 1891 erschienenen Local- Gütertarif der öster- reichischen Staatsbahnen.

Frachten-Tarife.

199

Die Grundzüge des Systemes waren die folgenden:

Die Berechnung der Tarife geschah nicht wie bisher von Kilometer zu Kilometer, sondern nach Zonen von 10 kfn in der Weise, dass der bei einer kilometrischen Berechnung für die Mitte der betreffenden Zone ent- fallende Frachtsatz für die ganze Zone zu gelten hatte.

Die Einheitssätze fiir die einzelnen Classen wurden nach Staffeln von

I 50 km 51 150 > 151-300 ^

und über 300 km abgestuft und dadurch in die Staffelbildung eine bisher bei den

österreichischen Eisenbahnen vermisste Gleichmässigkeit gebracht.

Wie schon mit der Einführung des Staatsbahn-Tarifes vom Jahre 1883 eine Ermässigung der Privatbahn -Ta- rife verbunden war, so hat die Tarif- reform des Jahres 1891 eine weitere Verbilligung der Frachtsätze mit sich gebracht.

In gleicher Weise wurden fast ohne Ausnahme die billigeren Staatsbahntaxen auf die inzwischen neu erworbenen Bahnen übertragen und weitere erheb- liche Frachtermässigungen mit der all- gemeinen Ausdehnung der directen Frachtsätze zwischen allen Stationen innerhalb des ganzen Staatsbahngebietes geschaffen.

Die Einheitssätze betrugen:

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Frachtgüter

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Reguliruvg der Grundtaxen des Tarif es vom Jahre i8gi.

Das Bestreben, die Ertragsfähigkeit der Staatsbahnen in staatsfinanziellem und socialpolitischem Interesse zu er- höhen und einen grösseren Ueberschuss der Einnahmen über die Ausgaben zu erzielen, führte zu einer partiellen Re- gulirung des Gütertarifes vom i. Juli 1891.

Mit dem am 15. Juli 1892 zur Aus- gabe gelangten Local-Gütertarif wurde diesen Bestrebungen Rechnung getragen

und die Einheitssätze, soweit dies mit den allgemeinen wirthschaftlichen Inter- essen verträglich war, auf ein höheres Niveau gebracht.

Von den Erhöhungen waren be- troffen die Wagenclassen A, B und C sowie einige Ausnahme-Tarife, wäh- rend die Normalclassen unberührt blie- ben.

Die nachstehende Zusammenstelluncr [auf Seite 200] gibt uns ein Bild der Einheitssätze der normalen Tarifclassen nach der erfolgten Regulirung im Jahre 1891.

200

Albert Pauer.

Einheitssätze der normalen Tarifclassen,

Kilometer

1 Eilgut Frachtgut |

gewöhnliches

1

1

ennässigtes

und besonders

Classen |

I

1

II

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061

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002

51-150

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0-44

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058 0 60

0-02

058

, 0 60

002

046

050

004

151—300

, 112

1-58

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056

0-59

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Frachtgut

Ermässigte Wagenladungs-Classen

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Special-Tarife 1

Kilometer

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028

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022

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Localtarif der Südbahn vom i, Januar iSgß in Kronen- Währung,

Mit I. Januar 1893 trat auf den Linien der Südbahn-Gesellschaft der erste in Kronen - Währung erstellte Local- Gütertarif in Kraft. Dieser Tarif verdankt seine Entstehung der Annahme, bezie- hungsweise Einführung des Tariftheiles I auf den Linien der Südbahn-Gesellschaft. Die in den neuen Tarif für die einzelnen Classen des Tarifschemas eingerechneten Grundtaxen sind aus der auf Seite 204 befindlichen Tabelle zu entnehmen.

Am I. Januar 1896 trat auf den österreichischen Staatsbahnen ein neuer Local-Gütertarif in Wirksamkeit, welcher abermals eine Erhöhung der Beförderungs- preise in einigen Classen mit sich brachte. In welchem Ausmasse eine Erhöhung der Frachtsätze durch den neuen Local-

Gütertarif platzgegriffen hat, ergibt sich aus einem Vergleiche der auf Seite 199 und 201 befindlichen Tabellen.

Localtarif der Kaiser Ferdinands- Nordhahn vom Jahre 18 g6.

Auf den Linien der Kaiser Ferdinands- Nordbahn kam am i. Januar 1896 ein neuer Localtarif zur Ausgabe, welcher bei dem Umstände, als das Ertr3.gnis der letzten Jahre 100 fl. pro Actie über- schritt, Tarifherabsetzungen brachte.

Tarif einheitssätze am Ende des Jahres

1897.

Die mit Schluss des Jahres 1897 auf den österreichischen Eisenbahnen be- stehenden Tarifeinheitssätze sind aus den folgenden Zusammenstellungen auf Seite 201 204 zu entnehmen :

Frachten-Tarife.

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1

über 305 Kilometer ....

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Manipulations-Gebühren .

100*5- ^0

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4

1

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3

Südbahn-Gesellschaft.

1

j Von 1—50 Kilometer. .

Heller Kronen-Währung

, 1

2-20 220220 1.80 1-20 roo 080 0*66

1

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Manipulations-Gebühren .

100 kir 16 ; 16 1 16 12 1 8 . 8 8 8

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1

8

6

Frachten-Tarife.

205

}, Special' und Ausnahme-Tarife,

Neben den regelrechten Frachtclassen des Tarifschemas haben sich, dem Be- dürfhisse des Handels und Verkehres folgend, nach und nach für einzelne in grösseren Mengen zur Verfrachtung kommende Producte Special- und Aus- nahme-Tarife herausgebildet.

Der erste unter der Bezeichnung Ausnahme-Tarif auftretende Tarif ist in dem Local-Gtitertarife der Kaiser Fer- dinands-Nordbahn vom Jahre 1841 ent- halten, welcher zur Bekämpfung der in der Richtung von Wien nach Prerau, Brunn und Olmtitz herrschenden Achs- Concurrenz erstellt wurde.

Dieser Ausnahme- Tarif enthielt ab Wien nach den concurrenzirten Relationen folgende in österreichischer Währung und pro 100 kg umgerechnete Frachtsätze:

1

Volumi-

Frachtsätze in

Kreuzern. ö.W.

pro 100 Ä-^

I. Gl.

IL Gl

1

nöse Gegen- stände

1841

18971

1841 l897iji84i 1897

Von nach

Wien Brunn

65

68

81

89

128 132

jWien Prerau

81

96

106

113

159

169

1

Wien Olmütz

90

107

1

112

1261

178

188

Die Gegenüberstellung der heutigen Frachtsätze zeigt den mächtigen Einfluss, w^elchen in der ersten Zeit des Eisen- bahnwesens die Achsverfrachtung auf die Bildung der Tarife genommen hat.

Den Wirkungen der Achsconcurrenz ist es auch zuzuschreiben, dass in den Local-Gütertarifen der Vierziger- und Fünfziger-Jahre bereits Sammel -Tarife vor- gesehen waren, nach welchen gegen Bezahlung der Gebühren für das auf- gegebene Gewicht nach Classe i Wagen für ganze und halbe Ladungen vermiethet wurden. Im Uebrigen jedoch wurden dort, wo weder die Wasser- noch Achsconcurrenz einwirkte, Massenartikel nach den Nor- maltarifen berechnet. Eine Ausnahme bildeten die zwei Artikel: Getreide und Salz, für welche auf der Kaiser Ferdi-

nands - Nordbahn der Ausnahmesatz von 1 7^ kr. C.-M. pro Sporco-Centner und Meile berechnet wurde. Dagegen erwies sich das starre Festhalten an den Nor- maltarifen bei dem Transporte von Kohlen, welche nach den Frachtsätzen der Classe I berechnet wurden, besonders drückend.

Endlos waren die Klagen und Be- schwerden der Industriellen über die hohen Kohlen-Frachtsätze.

Endlich obsiegte das Bedürfnis über das Princip, und es gelangte am i. No- vember 1851, vorerst versuchsweise, ein Kohlen-Ausnahme-Tarif auf den nörd- lichen, südlichen und südöstlichen Staats- bahnen auf Basis eines Einheitssatzes von ^2 ^^' C.-M. pro Sporco-Centner und Meile zur Einführung. Bedungen war die Auflieferung in vollen Wagen- ladungen.

Die Beförderung selbst war aber von den vorhandenen geeigneten Betriebs- mitteln abhängig gemacht, und an die Bedingung geknüpft, dass der regelmässige Verkehr durch den Kohlen-Transport nicht beeinträchtigt werden dürfe.

Diese beschränkenden Transport-Be- stimmungen sind im Jahre 1853 gefallen, sie mussten jedoch von den Versendern mit einer Vertheuerung der Kohlen-Tarife bezahlt werden, indem auf Entfernungen von 15 Meilen der Satz von i kr. C.-M. pro Sporco-Centner und Meile, und über 15 Meilen ^/^ kr. C.-M. pro Sporco-Centner und Meile zur Einhebung kamen.

Eine Verbilligung der Grundtaxen für Kohlen-Transporte trat im Jahre 1854 ein, wo ohne Rücksicht auf den Durchlauf der Satz von ^/^ kr. C.-M. pro Sporco-Centner ' und Meile zur Berechnung gelangte. , Ausser den Ausnahme-Tarifen für Kohle, I welche auf sämmtlichen Eisenbahnen zur I Einführung gelangten, entstanden nach I und nach weitere Ausnahme-Tarife, wie I für Getreide, Nutzholz, Eisen etc., welche I jedoch nicht in den Local-Gütertarifen I enthalten waren, sondern, den Charakter I von temporären Tarif-Massnahmen tra- I gend, mittels besonderer Kundmachungen zur Kenntnis der Versender gebracht wurden.

Eine solche Tarif-Kundmachung, die Einführung von Kohlen-Tarifen auf den

206

Albert Pauer.

K. K. priv, Osterr, Staats-EiseßiiaM

Knndmachnng.

^ir @rnrral'!Dirrction brr f. f. priv. dftm. Sraar^-difenbalin- @efrOf(^aft brrdrt fic^, bir Srftinunungrn br« eft0^1rtttarifrd auf 6rr ndrMic^rn Sinie, uir folgt ^ur ^rnnftiit 6rd ^ublifmn^ $u bringen:

t) Som L S^iittMr 1850 ab treten aUc b(ju#(t^ M Sron^porte« t^on 0tdiM imt SrMiif#|lai

auf b(T norMict^cn Sinie ber 1. 1. pr. öflen. 6taatd(!iff nlNt()n'®fff OfctKift Wer e rlaffenen SefHimniinfleii aulcr jfraft.

2) @t(in- unb Sraun-ftoblm aOer ©ottuns itf^bxtn in Mr 1* VMKt M Sarifc«, unb fbtt auf btr nörMicben im w bem greife t)on fL 0,0156 öflen. Bit^vmi pr. SoO-ßentner un» aRette ridnfit^ btr 91uf' unb 3(blal)f '®(büDT unb ticr aüAcmfinrn 9fffatran) ju bfre ebnen, fluf unb !Ulabe'<ikbü(^r betrigt f[. 0,016 pT. ßentner unb bie aOsemeine 9ffeairani(ebfi^r fL 0,008.

3) (Sine ^ludnabme t^on biefer Stegel finbet nur bei flonjen SBagenlobunflen auf nacbflebenb bejeiibneten 6tTe(ten ftatt, für meiere bie baneben ansefubrten greife einfle(»oben merben:

Son Inhp nacb ber Station

tu »im. Siki. »rbniyW»OT

Libüc Bostok

BiibMrf

Pr««

BteboWii

Auwal

D. Drofl .«.««■••

Podtbrad

KoUn

Elbe-TriwU

kladrnb

Pfcloa«

Pardubiti

Morawan

l'bersk«

7<ainrsL

Cliolien

Bramlei»

Wildensdiwerl

B. TrAban

f^üT Mt Mn KraloD m4 bni ttCT B.Trtb«u in Ux Sttcfcning n«9 Brfln not OIbA^ m- Irjlfnrn 'Stativnrn (p«Mrtea AoWni mrb H'u.OOd rr.QfiinifT unb 3RHk. fjdu^ aOn

Wellriu

V. B«tk«wits

HVMtadtL

BaudniU

ThrresieiMladl

Lobosüa

Zal«sl

AuMi«

NeatHic

Uodrnbacb

0

0

0

0

0

0

0

0

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U

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

"üT" 045 05 055 07 OS 00 12 14 15 18 10 19 30 21 22 23 23 2ft 26

Son Aiwg nacb ber Station

9t. 3eQ'(>nitwr in 9tm. S^ti (ttifAlirllufr alltT

•iDn fttfmän

0 0 0 0 0 0 0 0 0 0

03

035

06

07

OH

09

II

13

14

16

TkervnMwtadl Raudada . . WecatAdtl U. B«*kowiU . WeltrM Knlmm . . Libüc . . Ractok . . BvbcBl .

BtcEawtls Aswal . . B.Br«d . . Pod«brMl KoUa . . . ClbcTdaits . kladrab . . Pleiwri . .

Ux SII^H m4 Brftu vib ObaatB Mk'

0 0

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0

0

0 0 6 0

0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0

03

035

05

06

07

09

12

13

14

15

16

15

17

18

19

21

13

24

25

26

BMlenbach

0 0

03 05

nun, m 15. 3ior>tmbcr 1858. ^M der «eieril-Directiu

der k. k. priv. dslerr. SUils-Eiseibüi-GesellscIifl.

Frachten-Tarife.

207

Linien der österreichischen Staatseisen- bahn - Gesellschaft betreffend, erscheint auf Seite 206 reproducirt.

Ausgestaltung der Ausnahme -Tarife,

Mit der Aufnahme von Ausnahme- Tarifen hat die Südbahn-Gesellschaft mit dem am i. Januar 1859 ausgegebenen Local-Gütertarif begonnen und enthält derselbe bereits Ausnahme- Frachtsätze für 10 verschiedene Waarengruppen, wie:

1. Kohle, Getreide, Kartoffel und Hülsen- ft-üchte ;

2. Eisenbahn-Fahrbetriebsmittel, welche auf eigenen Rädern laufen;

3. Roheisen und Flossen, dann Bau- und Werkholz ;

4. Zwilch und Segeltuch;

5. Oele und Hadern;

6. Blau-, Gelb- und Rothholz;

7. Flachs, Hanf und Werg;

8. Arznei und Parfumeriewaaren ;

9. BaumwoUwaaren ;

10. Cacaobohnen, Indigo, Kaffee, Schaf- wolle, Loden, Carroben und Ochsen- häute.

Aufstellung von Ausnahme- Tarifen für Massenafiikel.

In den Sechziger-Jahren folgten dem Beispiele der Südbahn theils aus eigener Initiative, theiU über Anordnung der Regierung, die übrigen Eisenbahnen, und es erschienen in den Localtarifen der- selben neben den Normalclassen die Ausnahme-Tarife für Getreide, Holz, mineralische Kohle, Erze und Bausteine etc., bei Aufgabe in vollen Wagen- ladungen.

Die Einheitssätze waren zumeist staffei- förmig festgesetzt und betrugen beispiels- weise durchschnittlich für Getreide, Nutz- holz, Erze, Eisenflossen und Bausteine

pro ZoU-Ctr. u. Meile

» »

für die ersten 10 Meilen » zweiten 10 » weitere Entfernungen Für Kohle: für die ersten 10 Meilen » » zweiten 10 » » weitere Entfernungen

1*6 kr. 1-4

1*2

. o*9 kr.

. 6-8 > . 07 *

Infolge der beschränkten Güter-Classi- fication wuchs mit dem Aufschwung des Verkehres die Zahl der Special- und Aus- nahme-Tarife immer mehr an, so dass durch die grosse Menge derselben die Ueber- sichtlichkeit der Tarife beeinträchtigt wurde.

Einschränkung der Ausnahme-Tarife,

Mit der im Jahre 1870 erfolgten Ein- führung der Wagenladungs-Classen ist es möglich geworden, die in den einzelnen Localtarifen enthaltene lange Reihe von Special- und Ausnahme-Tarifen durch Ein- reihung der betreffenden Artikel in die ermässigten Classen A, B und C zu be- seitigen.

Einführung von Special- Tarifen.

Mit der im Jahre 1875 eingetretenen Ausdehnung des Tarifschemas durch Schaffung eines allgemeinen Special- Tarifes i für Getreide und eines Special- Tarifes 2 für Nutzholz sowie durch die im Jahre 1889 erfolgte allgemeine Ein- führung eines Special-Tarifes 3 für Erze aller Art, Eisenflossen, Bruch- und Bau- steine, Schotter, Kalksteine und Schiefer, femer für Düngstoffe aller Art, hat die Zahl der Ausnahme-Tarife eine weitere Einschränkung erfahren.

Einführungvon Ausnahme- Tarifcnfür den Sammelgutverkchr,

Namentlich aber auf den öster- reichischen Staatsbahnen haben die Aus- nahme-Tarife im Jahre 1891 eine Be- schränkung durch die Erstellung der Ausnahme-Tarife IVa und IV b erfahren. Unter das Regime dieser auf Basis des Wagenraum - Systemes gebildeten Aus- nahme-Tarife fallen alle Artikel der Normalclassen I und II, welche in Mengen von halben und ganzen Wagenladungen versendet werden.

Ein weiterer auf die Wagenausntitzung sich gründender Ausnahme- Tarif ist der, wo die Fracht nach dem Quadratmeter der Bodenfläche berechnet wird. Diese Wagenraum-Tarife haben auf den öster- reichischen Privatbahnen zumeist bei Thiertransporten nicht Eingang gefunden.

208

Albert Paucr.

Um zu zeigen, in welcher Weise die ' zwischen Wien-Triest sich ermässigt Tarife seit dem Jahre 1859 für eine haben, ist aus folgender Tabelle zu Reihe von Massen- Artikeln im Verkehre entnehmen:

Wien-Tricst.

1 I

c *

N

V

Im

es

1) I

(2

N

iS

km

*

G ^

1 ü-p

c

V

00

CO

5

'El

CS &4

3

u o

Frachtsätze für loo Kilogramm in Kreuzer österr. Währ.

1859 596; 121-2 1795

1867 596 I2I-2

11870 596 II8-8 [1893 596 86-5

179-5

165-5 119-5

172 117-75

1 1475

ii8-5

13275 132-75

12975

85-5

1795 1795 165-5 1525

179-5 121*2

118-8

118

157 157 153 158

196-25 251-5

19^25

2515

191-25 2455

178

178

196 25 224-25

196-25 22425

191 25 157

178 140

266-9 196-25 224-25

270 19625 224 25

I 260-1 191-25 21925

118 178 '114

-/. Tarif für Fahrzeuge, lebende Thiere und Separatzüge,

Die ersten Tarife für Thiertransporte reichen bis in das Jahr 1841 zurück.

In dem in diesem Jahre erschienenen Localtarife der Kaiser Ferdinands-Xord- bahn treten zuerst Tarife für lebende Thiere auf, welche in vier Classen nach bestimmten Xormalgewichten eingetheilt waren :

I. Classe 2 Stück Spanferkel =^

IL > I * Ochs oder

Kuh =

III. -> Schafe, Widder oder

Schweine, i Stück =

IV. > I Stück Mutterkalb =

I Stück Pferd . =

Massgebend für die Gebührenberech- nung waren die Taxen der Güterclassen I, II, III und IV.

Ausser diesem Stücktarife waren auch Wagenladungs -Tarife für Thiertransporte vorgesehen, nach welchen ohne Unter- schied der zur Verladung gelangten Thiergattung ein Frachtsatz von i fl. 30 kr. C.-M. pro Wagen und Meile bei einer zulässigen Maximalbelastung von 60 Centner berechnet wurde.

Auf der Wien-Gloggnitzer Eisenbahn [1841] erfolgte die Berechnung der Thier-

transporte nicht nach Normalgewichten, sondern pro Stück und Meile, und wurden beispielsweise für ein oder zwei Pferde I fl. C.-M. pro Meile, für drei oder vier Pferde 2 fl. C.-M. pro Meile berechnet.

Dieser Tarif hatte bereits auch Taxen ftir die Beförderung von Equipagen vor- gesehen.

Dieselben waren je nach Gattung und Verwendung in vier Classen geschie- den und wurde bezahlt :

I L-tr.

'

pro Stück und Meile

Für

die I. Classe i fl. kr. C.-M»

6 *

»II. » I»I5»>»

>

III. » I » 30 » » »

I »

»

> IV. 2 » r > »

I »

1

12 »

Die Kaiser Ferdinands - Nordbahn

führte im Jahre 1844 Tarife für Fahr- zeuge ein und berechnete für Equipagen, Güterwagen und Feuerspritzen nach Normalgewichten, und zwar 25 Centner für leichtere Wagen und 50 Centner für schwerere Wagen bei Anwendung der Sätze der Classe II.

Die im Jahre 1848 ausgegebenen Lo- caltarife enthalten sowohl für den Trans- port von Fahrzeugen, als auch von leben- den Thieren einheitliche Xormalgewichte.

Die Gebührenberechnung erfolgte bei Thiertransporten nach der I. Classe, bei Fahrzeugen nach der IL Classe.

Frachten-Tarife.

209

Auch trat in demselben Jahre zum ersten Male ein Tarif für Separatzüge auf, der die Auflieferung eines Minimalge- wichtes von 1200 Centner und Bezahlung der Gebühren nach den Frachtsätzen der I. Classe bedingte.

Die im Jahre 1852 erschienenen Tarife haben die Normalgewichte bei Thiertransporten beibehalten, dagegen war für Fahrzeuge auch die Beförderung mit eilgutmässiger Lieferzeit vorgesehen und wurde pro Stück bezahlt.

I. Classe ll II. Classe

III. Classe I IV. Classe

pro Meile und Stück C. M.

fl.

kr. 1 fl.

kr.

fl.

kr.

- : 48

fl.

kr.

I I

12

24

Stcyrer,

leichte

Jagd« und

Wunt-wa-

gen, dann

unbepackte

zweispän*

nige Kaie-

sehen und

Prittchken

Zwei- spännige Stadt- ' Schwimmer, dann zwei- sitzige bepackte Kaleschen

und Pritschken

Bepackte viersitzige

Kaleschen und Pritsch- ken, dann zwei-

spännige Reise- schwimmer

und Cou- rier-Coupes

Zwei- und vier- spännige, bepackte Keise- Schwimmer, Landauer

und Fourgons

Bei frachtgutmässiger Beförderung waren die Normalgewichte beibehalten worden.

Geringe Abweichungen ausgenommen, hatte die Frachtberechnung von Fahr- zeugen und lebenden Thieren pro Stück oder nach bestimmten Normalge wich ten, sei es bei eilgutmässiger, sei es bei frachtgutmässiger Beförderung in allen Local- Gütertarifen der österreichischen Eisenbahnen bis zum Jahre 1875 Ein- gang gefunden.

Reform der Tarife für Fahrzeuge und

lebende Thiere.

Mit der selbstständigen Ausgabe eines Tarif- Theiles I 1881 sind die Bestimmungen über die Beförderung von lebenden Thieren und Fahrzeugen aus den Local -Gütertarifen, Theil II, der einzelnen Bahnen ausgeschieden worden.

Nach den gemeinsamen Bestim- mungen des Tarif- Theiles I werden berechnet nach der Eilgut-Classe : Le-

Geschichte der Eisenbahnen. III.

bende Thiere pro Stück; Equipagen und Fahrzeuge auf Grund des Effectiv- gewichtes.

Als Frachtgut nach der Classe II: Lebende Thiere nach festgesetzten Nor- malgewichten, Equipagen und Fahrzeuge nach dem EfFectivgewichte in minimo für die Serie I mit 2500 kg und fiir die Serie II mit 1500 kg.

Ausser den Normal-Tarifen bestehen zur Hebung der Viehzucht und zum Zwecke der leichteren Approvisionirung grosser Städte für Thiertransporte Aus- nahme-Tarife.

Die Gebührenberechnung erfolgt zu- meist pro Kilometer und Quadratmeter der Bodenfläche der verwendeten Wagen.

Der Tarif für Einzelsendungen wird durch die einheitliche und auf möglichste Wagenausnützung gerichtete Tariffest- setzung immer mehr verdrängt, und findet im Allgemeinen die Gebühren- berechnung nach der Stückzahl nur mehr bei eilgutmässiger Beförderung statt.

Für die successive Herabsetzung der Hornvieh-Tarife aus Galizien nach Wien möge nachfolgende Tabelle sprechen :

m

Transportpreis für einen Wagen Hornvieh in Gulden nach Wien- St.-Marx in der Zeit vo n

Aufgabs- stationen

1

IG. Februar

1877

bis 10. Sept.

1881

IG. Sept.

1881

bis 3G. Juni

1884

I. Juli 1884 bis heute

Krakau . .

80

59

46

Jaroslau . . '

117

84

68

Ztoczöw . . 1

153

109

92

Czernowitz . >

1 '^7

132

IIO

Suczawa . .

202

1

143

119

5. Nebengebühren.

Die von den Eisenbahnen für beson- dere Leistungen unter der Bezeichnung »Nebengebühren« eingehobenen Beträge reichen in die Zeit der ersten Eisenbahn- Tarife zurück.

So enthielt der Tarif der Kaiser Ferdinands -Xordbahn vom Jahre 1841 Nebengebühren für folgende bahnseitige Leistungen :

M

2IO

Albert Pauer.

a) Für das Auf- und Abladen der Güter, wofür je eine Gebühr von i kr. C.-M. pro Sporco-Centner zu entrichten war;

b) für die Assecuranz der Waaren, wofür für je loo fl. 3 kr. C.-M. ein- gehoben wurden;

c) für Lagerzins, der nach Ablauf einer lagerzinsfreien Zeit von 3 Tagen 7t kr. C.-M. pro Sporco-Centner und Tag zur Einhebung gelangte;

d) für Nachnahmen waren q des nachgenommenen Betrages zu entrichten.

In dem Tarife der Wien-Gloggnitzer Eisenbahn war neben den vorbezeichneten Nebengebühren auch eine Gebühr für die Zustreifung und Abholung der Güter vom und zum Bahnhofe vorgesehen und für Sendungen im Stadtbereiche ein Fuhrlohn von 2 kr. C.-M. pro Sporco-Centner, für die entfernteren Vorstädte und zur Nord- bahn 3 kr. C.-M. pro Sporco-Centner zu bezahlen.

Bereits im Jahre 1848 wurden die Nebengebühren für das Auf- und Abladen der Güter, für Lagerzins, Aufnahms- scheine, dann für Assecuranz und Spesen im Vorhinein und Nacheingang einheitlich gestaltet.

Im Jahre 1852 ist eine Reform der Neben gebühren zu verzeichnen. Die Lagerfreiheit wurde ~ für geringwerthige Massenartikel ausgedehnt und die Ge- bühren hiefür ermässigt. Die Lager zins- pflicht begann bei Brennholz und Eisen- fiossen etc. mit dem neunten, bei allen übrigen Frachten mit dem vierten Tage nach erfolgter Einlagerung.

Zu entrichten kam :

für gewöhnliche Güter . . Y2 ^^* C.-M. für Massenartikel, wie Bau- materialien \'iO * *

pro Sporco-Centner und Tag.

Für Eilgüter wurden nach Ablauf von 48 Stunden 3 kr. C.-M. pro Collo und Tag berechnet.

Waggcbülir.

Als eine neue Nebentrebühr trat die Waggebühr auf, welche bei bahnscitig vollzogener Abwäge für gewöhnliche Güter I kr. C.-M. pro Sporco-Centner,

für Massengüter '/^ kr. C.-M. pro Sporco- Centner betrug.

Assecttranzgebühr für rechtzeitige

Lieferung.

Femer die Assecuranzgebühr. Zu entrichten waren:

Für eine versicherte Befördeningszeit von 5 Tagen auf der eigenen Bahn für 100 fl. Werth 3 kr. C.-M.

Für eine versicherte Befördeningszeit von 8 Tagen bei U ebergang des Gutes auf die Kaiser Ferdinands-Nordbahn für 100 fl. Werth 4 kr. C.-M.

Für eine versicherte Befbrderung:szeit von 10 Tagen von der südöstlichen Staats- eisenbahn auf die nördliche Staatseisen- bahn für ICX) fl. Werth 5 kr. C.-M.

Parteien, die ihr Gut in den Magazinen oder auf den Lagerplätzen der Bahn auf eine weitere, fünf, beziehungsweise acht und zehn Tage überschreitende Zeit zu ver- sichern wünschten, hatten zu entrichten: Für Versicherung eines Werthes von icx)fl.

tur I Tag die Prämie von Y* ^•

» 2—7 Tage ^ » » Vs

» 8 14 » > * » I »

> 15 21 » » » > i*/^ »

> 22 30 » » * 3 >

Proiisionsgebühren.

An Provision für nachzunehmende Spesen, wenn selbe im Vorhinein ausbe- zahlt wurde, kamen 2'/^, und für das Incasso, wenn der Betrag erst nach Ein- gang der Spesen zur Auszahlung gelangte, ViV^j ^^^ Einhebung.

Sackmiethe.

Ferner bestand die Einrichtung der Sackmiethe für unverpackt zur Aufgabe gelangendes Getreide und Knoppem.

An Leihgeld wurde berechnet:

a) Für die Beförderung von und nach einer Station der südöstlichen Staatseisen- bahn pro Sack I kr. ;

b) von einer Station der südöstlichen Staatseisenbahn nach einer der Nordbahn pro Sack 2 kr.;

c) von einer Station der südöstlichen Staatseisenbahn nach einer der nördlichen Staats eisenb ahn pro Sack 3 kr.

Frachten-Tarife.

211

Rollfuhrdienst,

In den Sechziger-Jahren wurde eine besondere Obsorge dem Zu- und Ab-

streifungsdienst für Eil- und Frachtgüter zugewendet.

Im Besonderen w^ar dieser Rollfuhr- dienst in den Hauptstationen der öster-

Zii' und Abstreifungsdienst für Eilgüter, Wien,

Ord-

nungs-

Nr.

Aufgabs- oder Bestimmungsort

Einzuhebende Gebühr nach dem Gewichte

in Zoll-Pfunden

I bis 20 Pfd.

Vom Stadt-Bureau zum Wien-Neu- Szönyer Bahnhofe, und vice versa

Vom Wien-Neu-Szönyer Bahnhofe in die Vorstädte Rennweg bis zur Eisenbahnbrticke, Hundsthurm, Reinprechtsdorf, Margarethen und vice versa

Vom Wien-Neu-Szönyer Bahnhofe in die Vorstädte Wieden, Schaum- burgergrund, Hungelbrunn, Ni- kolsdorf, Laurenzigrund, Matz- leinsdorf und vice versa ....

Vom Wien-Neu-Szönyer Bahnhofe in die Vorstädte Laimgrube, Windmühle, Gumpendorf, Maria- hilf, Magdalenengrund, Land- strasse, dann in die ausserhalb der Eisenbahnbrücke liegenden Theile des Rennweges und vice versa

Vom Wien-Neu-Szönyer Bahnhofe in dieVorstädte Spittelberg,Weiss- gärber, Leopoldstadt, Jägerzeile, Neubau, Neustift, St. Ulrich, Schottenfeld, Strozzischer Grund, Erdberg und vice versa ....

Vom Wien-Neu-Szönyer Bahnhofe in die Vorstädte Alservorstadt, Josefstadt, Altlerchenfeld, Brei- tenfeld, Rossau, Liechtenthal, Thury, Michelbeuern, dann Him- melpfortgrund, zum Nord- und Westbahnhofe und vice versa .

10

II

M

i6

i8

21 bis 40 Pfd.

41 bis 6o Pfd.

6i bis 8o Pfd.

8r bis 100 Pfd.

Kreuzer

15

l6

M

17

i8

20

17

i8

i6

19

23

24

8

19

17

21

26

28

19

21

i8

25

30

32

über

100 Pfd.

von je

V, Ctr.

4-5

45

Anmerkupg. Bei Sendungen über loo Zollpfunde werden die Gebühren nach '/j Centnern und nach den in der letzten Colonne angeführten' Sätzen berechnet.

14*

212

Albert Pauer.

Z«- und Abstreifungsdienst für Frachtgüter. Wien.

Ord-

nungs-

I Nr.

I

I

3

4

5 6

7 8

10

II

12

13

Aufgabs- oder Bestimmungsort

Von der Leopoldstadt, Jägerzeile und denWeiss- gärbern zum Nordbahnhofe, und vice versa, mit Inbegriff des Anhaltens und Abiadens in den Magazinen der Gesellschaft

Von der Stadt und den übrigen Vorstädten inner den Linien zum Nordbahnhofe und vice versa, mit Inbegriff etc

Von der alten und neuen Wieden zum Wien- Neu-Szönyer Bahnhofe und vice versa . . .

Von der Stadt und den übrigen Vorstädten zum Wien-Neu-Szönyer Bahnhofe und vice versa

Vom Wien-Neu-Szönyer Bahnhofe zum Nord- bahnhofe und vice versa, mit Inbegriff etc.

Von irgend einem Punkte ausserhalb der Linie, im Umkreise der Favoriten- und Belveder-Linie zum Wien-Neu-Szönyer Bahnhofe u. vice versa

Von irgend einem Punkte ausserhalb der Linie zum Nordbahn- und Wien-Neu-Szönyer Bahnhofe

Von der Stadt und den Vorstädten zum Nord- bahn- oder Wien-Neu-Szönyer Bahnhofe und vice versa, mit Inbegriff des Ueberganges zu dem Magazine oder dem Stadtbureau der Gesellschaft und des Anhaltens und Ab- iadens im Hauptzollamte

Von irgend einem Punkte ausserhalb der Linie zum Nordbahn- oder Wien-Neu-Szönyer Bahn- hofe und vice versa, mit Inbegriff des Ueber- ganges etc

Vom Wien-Neu-Szönver Bahnhofe zum West-

, , , - , . { für Waaren . . .

bahnhofe und vice versa { - , ^ ^ . .

l für Getreide . .

Vom Nordbahnhofe zum Westbahnhofe und

( für Waaren

v.ce versa I ^^^ ^^^^^.^^

Vom Hauptzollamte zum Westbahnhofe und vice versa

Vom Wien-Neu-Szr>nyer Bahnhofe in die Stadt und in alle Vorstädte Wiens, für Bausteine

Einzuhebende Gebühr nach dem Gewichte in ZoU-Pfunden

I bis 100 Pfd.

lOl bis 200 Pfd.

9-5

II

95 II

14

9-5 «4

14

17

14

14 II

201 bis Aber 300

300 Pfd.

Pfd.

Kreuzer

14

155

14

15*5

205

M 205

205

25 18

18

1*55

25

33 21

21

17

155

i

I5'5

I 17 !

25 .

I

155 I 25

55 4

5-5

7 i

8-5

IG i

13*5

7

5

7*5 6-5

5-5 4*5

Anmerkung. Ueber 300 Pfund wird jeder angefangene Centner als ein voller Centner gerechnet.

Unter »ausserhalb der Linie c wird die Strecke zwischen den Linien und den ersten Ortschaften ausserhalb Wien verstanden.

Frachten-Tarife.

213

reichischen Staatseisenbahn-Gesellschaft gut organisirt, und hiefür eigene Tarife aufgestellt, von denen der für den Wiener Zu- und Abstreifungsdienst bestandene vorstehend reproducirt wird.

Vermehrung der Nebengebühren.

Mit der fortschreitenden Entwicklung der Güter-Tarife haben sich im Laufe der Jahre auch die Nebengebühren vermehrt, welche die Eisenbahnen für verschiedene von denselben besorgte Leistungen fest- gesetzt hatten.

ManipulationS' Gebiih r.

Mit dem Erscheinen der neuen Local- Gütertarife im Jahre 1870/71 ist neben den Transportgebühren eine Nebengebühr unter der Bezeichnung Manipulations- Gebühr zur Einhebung gelangt.

Berechnet wurden im Allgemeinen:

pro Ctr.

Für Eilgut 5 kr.

für die Classen I, II, III,

A und B 2 »

für die Classe C i'S »

Die Be- imd Entladung der Eisen- bahnwagen mit Gütern der Classe I, II, III, A und B war Sache der Eisen- bahn.

Die Verladung der Güter der Classe C oblag den Versendern.

Auf' und Ablege-Gebühr,

Gleichzeitig mit der Manipulations- Gebühr kam die Auf- und Ablege-Gebühr von Frachtgütern auf die Strassenfuhr- werke sowie für das Ablegen von den- selben zur Einführung.

Für je eine dieser Leistungen wurde eine Gebühr von 0*5 kr. pro Centner eingehoben.

Weitere Vereinheitlichung der Neben-

gebühren.

Im Jahre 1876 ist eine theil weise Unificirung der Manipulations- und son- stigen Nebengebühren auf den österrei- chischen Eisenbahnen eingetreten, und wurde zumeist berechnet:

Für Eilgut, gewöhnliches,

> » ermässigtes für Classe I, II, A, B,

Special-Tarif i und 2 für Classe C . . . .

pro IQO kg 10 kr.

4 » 3*5 *

Bestimmt wurde, dass die Aufladung der Güter der Classen I, II und A sowie des Special-Tarifes i durch die Bahnanstalt, das Aufladen von Gütern der Classen B, C und Special-Tarif 2 von den Par- teien zu besorgen sei.

Die Abladung dagegen oblag bei Gütern aller Classen der Bahnanstalt.

Regelung der Manipulations- und Nebengebühren im Jahre j88ß.

Eine Reform der Manipulations- imd sonstigen Nebengebühren wurde im Jahre 1883 durchgeführt.

Die Manipulations-Gebühr wurde aus den Nebengebühren ausgeschieden, be- ziehungsweise den Transportgebühren zu- geschlagen.

Sie betrug:

I. Eilgut.

a) Für gewöhnliche Eilgüter 10 kr.

b) » ermässigte und beson- ders ermässigte Eilgüter . . 4 »

pro 100 kg und Bahn;

c) für Pferde, Fohlen und Maul- thiere 7 »

dj für Equipagen und sonstige

Strassenfahrzeuge .... 7 » pro Stück und Bahn.^

II. Frachtgut. aj Für Güter der Classen I, II

und für sperrige Güter . . 4 kr. bj für Güter der Wagenladungs-

Classen A und B . . . . 4 » cj für Güter der Wagenladungs-

Classe C 3*5 »

dJ für die Special-Tarife i und 24» e) für den Special-Tarif 3 > . 3 » pro 100 kg und Bahn.

Vereinbart wurde, dass in der Regel in die directen Tarife die Manipulations- Gebühren zur Hälfte für die Auf- und Abgabebahn einzurechnen seien und die Transitbahnen sich blos mit den reinen Transport-Gebühren begnügen sollen.

In die Reform der Nebengebühren war auch die Auf- und Ablege-Gebühr,

214

Albert Pauer.

dann die Auf- und Abladegebühr, das Lagergeld, femer die Waggebühr, und die Standgelder für Fahrzeuge und lebende Thiere einbezogen.

Als neue Nebengebühren wurden femer festgesetzt:

Die Ueberladegebühr, > Hebekrahngebtihr, » Zählgebühr für Holzsendungen,

Deckenmiethe, » Desinfections-Gebühren, » Wagenverzögemngs-Gebühren u.s.w.

Die Einheitlichkeit der Nebengebühren in formeller und materieller Beziehung hat im Laufe der Jahre weitere Fort- schritte gemacht, und es haben die Neben- gebühren im allgemeinen Tarif-Theil I Aufnahme gefunden.

6. Agiozuschläge.

Die Einhebung von Agiozuschlägen bei den Tarifen für die Personen- und Güterbeförderung gründet sich auf Ar- tikel 8 der der Staatseisenbahn-Gesell- schaft verliehenen Concession, wonach derselben das Recht eingeräumt wurde, die als Maximaltarife geltenden Fracht- sätze in Gold- und Silbermünze zu er- heben, beziehungsweise die Gebühren entsprechend dem jeweiligen Werthver- hältnisse zwischen der Gold- und der Lan- deswährung um einen Agiozuschlag zu erhöhen. Das Recht, Agiozuschläge ein- zuheben, wurde später auch den übrigen österreichischen Eisenbahnen concessions- mässig eingeräumt.

Im richtig verstandenen eigenen Interesse sowie um den berechtigten

Wünschen der Frachtgeber zu entsprechen, haben jedoch die Eisenbahn- Verwaltungen auf die Einhebung des Agiozuschlages bei einer Reihe von Rohstofifen verzichtet. Immerhin war der allgemeine Verkehr durch die, fortwährenden Schwankungen unterworfenen Zuschläge empfindlich ge- troffen und die Klagen der Geschäftswelt gegen die Härten der Agiozuschläge im Personen- und Güterverkehr wollten nicht verstummen.

Um den sprunghaften, oft in kurzen Zeitintervallen eintretenden Aenderungen

; der Agiozuschläge ein Ziel zu setzen und die Bahnver waltun gen zu einem gleich- massigen Vorgange bei Veröffentlichung der Agiozuschläge zu verhalten, hatte die Regierung die Anordnung getroffen, dass der Agiozuschlag von Monat zu Monat, und zwar für den jeweilig folgenden Monat nach dem Durchschnitte der in der »Wiener Zeitung« notirten Silbergeld- Curse der Wiener Börse festgesetzt werde. Bei bedeutenden Schwankungen des Valuta - Curses, wie sie namentlich in politisch bewegten und in kriegerischen Zeiten eintraten, wurde für solche Aus- nahmsfälle den Eisenbahn-Unternehmun- gen das Recht zugestanden, den Agio- zuschlag halbmonatlich zu reguliren.

Die grössten Schwankungen des Silber- Agio verzeichnen die Kriegsjahre 1859, 1866 und 1871, wo dasselbe bis zu einer

. Höhe von 35% emporschnellte.

I Mit der fortschreitenden Besserung der österreichischen Valuta- Verhältnisse

' sank das Agio immer tiefer und tiefer,

. bis es Ende der Siebziger-Jahre, hoffent- lich für immer, aus den Tarifen ver- schwand.

IIL

Aeussere Form der Güter-Tarife.

Da man bei den ersten Bahnen nicht im Entferntesten daran dachte, dass sie in einem so gewaltigen Umfange berufen sein werden, zur Beförderung von Massen- gütern auf weite Strecken zu dienen, so waren auch die ersten Güter-Tarife der österreichischen Eisenbahnen äusserst ein- fach eingerichtet.

Auf die Bestimmungen und Tarife für den als die Hauptsache geltenden Per- sonen-Verkehr folgten die Tarifsätze für die wenigen Güter-Classen, zumeist schon in der Form von ausgerechneten Stations- Tarifen, oder es waren Gebührenberech- nungs-Tabellen nebst Meilenzeiger vor- handen, nach welchen die Frachtsätze

Frachten-Tarife .

215

für die einzelnen Stationsverbindungen ermittelt werden konnten. Denselben folgten einige Worte über Beförderungs- Bedingungen, ferner Bestimmungen über einzuhebende Nebengebühren, eine kurz gefasste Waarenclassification. Das Avar der bescheidene Inhalt der Eisen- bahn-Tarife bis Anfang der Fünfziger- Jahre.

Der am i. März 1852 von der k. k. Betriebs-Direction der südöstlichen Staats- eisenbahn herausgegebene, in der Beilage reproducirte Gebühren-Tarif galt als das bewährte Muster, nach welchem alle später erschienenen Gebühren-Tarife der österreichischen Eisenbahnen nachgebildet wurden.

Eine Aenderung in der Darstellung der Gebühren-Tarife Hess im Jahre 1859 die österreichische Staatseisenbahn - Ge- sellschaft nach der Richtung eintreten, dass sie die Gebühren für den Güter- verkehr getrennt von denen des Personen-, Gepäck- und Eilgut-Verkehres, jedoch unter Beibehaltung der Placatform, ver- öffentlichte.

Ihrem Beispiele folgten mehrere der grösseren Eisenbahnen, mit Ausnahme der k. k. priv. südlichen Staats-, Lom- bardisch-Venetianischen und Central-Ita- lienischen Eisenbahn-Gesellschaft, welche am I. Januar 1859 einen Tarif herausgab, der mannigfache Abweichungen von den Tarifen der übrigen österreichischen Eisen- bahnen in Bezug auf seine Eintheilung enthielt.

Mit der fortschreitenden Ausgestaltung der Güter-Tarife erwies sich der Rahmen der allgemeinen Placatform als unzu- länglich, und die Südbahn-Gesellschaft oder mit ihrem vollen Titel die »Südliche Staats-, Lombardisch-Venetianische und Central - Italienische Eisenbahn - Gesell- schaft« sah sich im Jahre 1860 veran- lasst, ihre Tarife in Buchform erscheinen zu lassen.

Das gesammte Tarifmaterial für den Personen- und Sachentransport für ein Netz von mehr als 1800 kvi findet sich da in einem schmalen Bändchen auf 128 Seiten Klein-Format zusammengedrängt. Neben den Local-Tarifen waren in demselben auch die für den Anschluss- verkehr mit fremden Bahn Verwaltungen

vorgesehenen Tarife, allerdings in einer den damaligen Verhältnissen entsprechen- den beschränkten Anzahl berücksichtigt.

Im Jahre 1862 folgte die Oester- reichische Staatseisenbahn - Gesellschaft mit ihrem ersten Tarif in Buchform. Derselbe umfasste gleich den Südbahn- Tarifen neben den Local-Tarifen für den Personen- und Güterverkehr auch die für die in- und ausländischen Anschlussver- kehre sowie für Militär-Transporte gel- tenden Tarife. Er enthielt sonach das gesammte auf den Linien der Oester- reichischen Staatseisenbahn-Gesellschaft bestandene Tarifmaterial.

Die übrigen österreichischen Eisen- bahn-Verwaltungen verstanden sich erst nach und nach zur 'Ausgabe ihrer Local-Tarife in Buchform, und Hessen eine Aenderung in der bisherigen Form in- sofeme eintreten, als sie gesonderte Placate für den Personen-, Gepäck- und Eilgüter-Verkehr, für den Frachtgüter- Verkehr und für den Militär verkehr zur Ausgabe brachten.

In den Jahren 1870 und 1871 ver- schwanden die Placat-Tarife, und es wurde an deren Stelle allgemein die Buchform angenommen.

Trennung der Perso^ien- Tarife vo7i den

Güter- Tarifen.

I Die grösseren Eisenbahn- Verwaltungen

] veranstalteten getrennte Ausgaben der

( Tarife für den Personen- und Gepäck-

I verkehr und für den Eilgut- und Fracht-

I gut- Verkehr. Die neuen Tarife zeichneten

i sich vortheilhaft gegenüber den früheren

j Tarifen durch eine besondere Einfachheit,

Uebersichtlichkeit und Klarheit in der

I Darstellung des Stoffes aus.

I Die Güter-Tarife zerfielen in zwei

' Abschnitte, wovon der erste Abschnitt

j die Gebühren-Tarife für Eilgüter, der

zweite Abschnitt die Gebühren-Tarife für

Frachten mit den einschlägigen Tarif-

I bestimmungen und den zur Einhebung

j gelangenden Nebengebühren enthielt.

' An Stelle der Gebührenberechnungs-

Tabellen waren durchwegs Stations-Tarife

I getreten, aus welchen von jeder Station

nach allen Stationen einer und derselben

Bahnanstalt die Entfernung und die Trans-

2l6

Albert Pauer.

portpreise für die einzelnen Classen ent- nommen werden konnten.

In den Jahren 1876/77 haben die öster- reichischen Eisenbahnen anlässlich der obligatorischen Einführung der Meter- masse im öffentlichen Verkehr ihre Local- Tarife einer Neuberechnung unterzogen. Diese Gelegenheit wurde benützt, in dieselben die zwischen den Eisenbahn- Verwaltungen vereinbarten einheitlichen Tarif bestimmungen, die Waaren-Glassi- fication sowie die Nebengebühren auf- zunehmen, und dieselben in einem be- sonderen Abschnitt I zusammenzufassen.

Als Abschnitt II folgten die eigent- lichen Gebühren- Tarife für die Normal - und Wagenladungs-Classen, Special- und Ausnahme-Tarife.

Ausgabe eines separaten Tarif'Theiles L

Dieser Zustand währte bis zum Jahre 1881, von da ab trat mit der am 15. Sep- tember erfolgten separaten Ausgabe eines Tarif-Theiles I der gemeinsamen Tarifbe- stimmungen für den Transport von Eil- und Frachtgütern eine abermalige Aenderung in der äusseren und inneren Gestaltung der Local-Tarife ein, indem die bisher in denselben enthaltenen gemeinsamen Bestimmungen ausg:eschieden wurden.

Der Tarif-Theil I hat trotz vielfacher, durch die geänderten Verkehrsverhältnisse bedingten Abänderungen der tarifaren Be- stimmungen, der Nebengebühren und der Waarenclassification, sowie durch den Hinzutritt von besonderen Anhängen, wie :

die Bestimmungen für den Transport von lebenden Thieren;

die Bestellung von Wagen zur Ver- ladung von Gütern und lebenden Thieren ;

der Verordnung, betreffend die Re- gelung des Transportes explodirbarer Artikel, etc.,

seine ursprüngliche Gestalt bis auf den heutigen Tag bewahrt, und nur in Bezug auf seinen Inhalt ist er reichhaltiger ge- worden.

Ausgabe des Tarif-Theiles IL

Die zur Befriedigung des Verkehrs - bedürfnisses der eigenen Stationen von jeder Bahn Verwaltung mit der Bezeichnung Tarif-Theil II seit dem Jahre 1883 aus- gegebenen Local- Gütertarife beziehen sich inhaltlich auf die zur Einhebung gelangenden Gebühren, beziehungsweise auf die für die einzelnen Classen [Special- und Ausnahme- Tarife] einzurechnenden Grundtaxen [Barenie], sowie auf die Frachtsätze für die in Frage kommenden Stations-Entfemungen, welche in der Form von Stations-Tarifen oder Gebühren- berechnungs - Tabellen je nach dem grösseren oder kleineren Umfange des Bahnnetzes zur Darstellung gelangen.

Mit I. Januar 1898 sind anlässlich der Einführung der Kronen -Währung von sämmtlichen österreichischen Eisenbahnen neue Local - Gütertarife ausgegeben worden. Ebenso wurde aus gleichem Anlasse eine neue Ausgabe des Tarif- Theiles I veranstaltet. Ausser der Um- rechnung der . Gebühren in die neue Währung ist sonst eine meritorische Aenderung in der äusseren Form und Gestalt der Tarif- Theile I und II nicht eingetreten.

IV.

Directe In- und Auslands-Tarife und Tarif-Cartelle.

Mit dem Ausbaue der österreichischen Eisenbahnen und der Herstellung von Anschlüssen an die ausländischen Bahnen nahm ebenso wie der inländische auch der Wechselverkehr mit dem Auslande zu.

Mit dieser Vermehrung und Er- weiterung des Güterverkehres stellte sich das Bedürfnis ein, Waarensendungen nicht nur über die Grenzen der einzelnen

Bahngebiete hinaus, sondern auch nach dem Auslande zu verfrachten, und die Nachtheile zu beseitigen, welche die ge- brochene Weiterbeförderung von Bahn zu Bahn verursachte.

Vorerst wurde der Versuch mit der directen Kartirung und Abfertigung der Gütersendungen im unmittelbaren Wech- sel- oder Nachbar- Verkehr gemacht.

Frachten-Tarife.

217

Diese Tarife waren in ihrer Ursprüng- lichkeit nichts anderes, als eine Zusam- menstellung der localen Tarifsätze zwi- schen den Stationen und den gemein- schaftlichen Uebergangs-Stationen. Diese Form der Darstellung directer Tarife findet sich sowohl im inländischen, als auch im ausländischen Güterverkehre bis Ende der Sechziger-Jahre vor.

Als der älteste directe Tarif dieser Art mit dem Auslande kann der im Jahre 1851 erschienene Tarif für Eilgutsendun- gen von Wien, Brunn, Olmütz, Pardubitz, und Prag nach Berlin und anderen deutschen Städten angesehen werden, welcher in einem Frachtsatz den Beför- derungspreis von der Empfangs- bis zur Bestimmungs-Station ausgedrückt enthielt.

Einige Jahre verstrichen, bis diesem ersten directen Eilgut-Tarife solche für Frachtgüter folgten.

Vereinsgüter' Verkehr.

Im Jahre 1859 Hess die Kaiser Ferdi- nands-Nordbahn mehrere Tarife unter dem Titel: »Vereinsgüter- Verkehr« erscheinen. So z. B. einen Vereinsgüter-Tarif von Wien, Gänserndorf, Brunn und Olmütz einerseits und dem Ostseehafen Stettin andererseits.

Derselbe enthielt folgende Classifi- cation :

1 Normal-Classe,

2 ermässigte Classen mit der Be- zeichnung A und B, und

2 Mittel-Classen A und B.

In die Normal-Classe gehörten alle Güter, welche in den ermässigten und Mittel-Classen nicht namentlich angeführt waren. In die ermässigte Classe A war unter Anderem eingereiht: Asphalt, Spiritus, Zucker; in die ermässigte Classe B: Abfälle aller Art, Eisen, Häringe, Rohtabak etc. In die Mittel- Classe A waren Eisenbahn-Fahrzeuge und Eisenbahn-Brückentheile, und in die Mittel- Classe B Getreide, Mehl und Hülsenfrüchte subsummirt. Lebende Thiere, Equipagen und Fuhrwerke waren von der Beförderung im directen Verkehre ausgeschlossen.

DieTarifsätze der Normal-, ermässigten und der Mittel-Classen kamen ohne Rück- sicht auf das zu befördernde Quantum sonach in jedem Gewichte zur Anwendung.

Wie aus dem nachstehend reprodu- cirten Tarife hervorgeht, erfolgte die Ge- bührenberechnung bis zur österreichischen Grenzstation [Oderberg] in österreichischer Währung, von da ab auf preussischem Gebiete in Preussisch-Courant.

Normal-

1 1 Ermässigte

Classe 1

Ermässigte ' Mittel- Classe Classe

, Mittel- 1 Classe 1

1

Classe

1

A

B ! A

1

B

u \ A

1 u

1

u

' js 's, ' jC

1

1 r"

TZ 1 y

^

Vi

US

1 JZ 1

1 -r *J

! 'X c

Für die Strecke

2' =5

=5

■? Ig',^. 1I -is

1^

G 1 3

1

1 -M S 3

■♦-• Vi

1 V

3 c

u 0

P 3 5

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. X

1,"

für (

Jen

Zoll-Centner

. Von Wien nach Stettin

1 1

'

1

1 1

,1 1 1 1

1 1

1 I

1

j und umgekehrt .

77 ' » 25

3 77

» 19 1

177

. » 13 I 77 i » 15

665

» 15 6

1 Von Gänserndorf

nach

i

1

1

11 1 1 ' ' 1

1

1 1 1 1 1

1 Stettin und umgekehrt

66 5 » 25

3 66-5

» 19 I

,66-1

3 > 13 1 66-5 *;I5

, 53

' . 15' 6

1 1 1

Von Brunn nach Stettin

' ' '

1

1 1 1

1 1

i ' ' : ' ! '

1

und umgekehrt .

' 52 5' -> 25

1

3 52-5

* 19 1

'52.

? » 13 1 52-5 » 15 -

1

1

1 ^^"

,'-^-'

VonOlmütznachSti

e 1 1 i n

1

1

1 1

' ' 1 1 1

1,

! 1

1 und umgekehrt .

. . .

28 .25

328

» 19 i

28

> 13 1 28 » 15 -

1 1

»,

2l8

Albert Pauer.

Bildung weiterer dircder Tarife mit

dem Alislande,

Im Jahre 1861 erfuhr die Zahl der directen Verkehre eine erhebliche Ver- mehrung. Die Thätigkeit der Eisenbahn- Verwaltungen bewegte sich jedoch noch immer in sehr enggezogenen Grenzen.

Auf der Kaiserin Elisabeth-Bahn war ein directer Tarif für Eilgüter und ge- wöhnliche Güter der L und IL Classe nach bayerischen, badischen und württem- bergischen Stationen in Kraft getreten, femer für Güter der vorbezeichneten Classe ein Tarif mit directen Fracht- sätzen von Salzburg nach Stationen der französischen Ostbahn und nach Paris eingeführt worden. Auf der genannten Bahn bestand ein Special-Tarif im Ver- kehre mit der südlichen Staats- und

Lombardisch - Venetianischen Eisenbahn- Gesellschaft, nach welchem für Fracht- güter aller Tarif-Classen pro Zoll-Centner bezahlt wurde:

Salzburg-Triest i fl. 23 kr. öst. W., Salzburg- Venedig i » 48 » » »

Diese Tarife gelangten zumeist in Form von Blatt -Tarifen zur Ausgabe, theils waren sie in den einzelnen Local- Tarifen enthalten, theils mittels Kund- machungen zur allgemeinen Kenntnis gebracht. Für die Abfertigung der Güter waren die Tarif-Vorschriften jener Eisen- bahnen massgebend, über welche der Transport zur Beförderung gelangte.

Der nachstehend reproducirte Tarif gibt ein Bild der allgemein verbreiteten Tarifform jener Zeit.

Gebühren-Tabelle für den directen Güter -Verkehr mit Hamburg,

Frachtsätze pro Centner, für die ausländischen Bahnen, für die nördliche Linie, K. F. Nordbabn und südöstliche Linie, von Hamburg via Bodenbach nach den nach- benannten Stationen und umgekehrt, inclusive der allgemeinen Assecuranz. [Die Frachtantheile der Oesterr. Staats -Eisenbahn -Gesellschaft sind dem Agio- Zuschläge nicht unterworfen.]

Antheile nach Strecken

Für das ganze Jahr

I Vom I, März |i Vom I. November I bis Ende October bis Ende Februar

von und nach

6

O

^ bX)

c/}

Pu,

CA

N

Cd

PL.

Ausländische Bahnen

in Silbergr

Nördliche Linie in

Gulden

K. F. Nordbahn in

Gulden

Südöstliche Linien in

Gulden

Totale f. d. inländ.

Bahnen in Gulden

Normal-Classe

i 22-4

22*4

22*4

22*4

22*4

224

092

0-92

092

092

1

092

092

1

.

0-42

039

0*39

0-39

0*09

074

i"43

0*92

092

1-34

1 1-40

205

274

24

1

22'4

224

092

0-92

092

0-39

039

0-39

174

0-85

1*93

305

2'l6

3-24

224 0-92

039

2*34 365

Ermässigte Classe A

19-8 19-8 198 198 19-8 19-8 19-8

074 i 074 042

074 ! 074

Ausländische Bahnen

in Silbergr 198

Nördliche Linie in

Gulden 074

K. F. Nordbahn in j

Gulden

Südöstliche Linie in

Gulden '

Totale f. d. inländ.

Bahnen in Gulden 0741 074 l-i6 r2i 1-63 2*26 2411I 170

0 74 074 074 039 0'39 0'39

0-39

008 I 050 1*13; 1 28

039 0':7

Frachten-Tarife.

219

I

Antheile nach Strecken

Für das ganze Jahr

|i Vom I. März I bis Ende October

Vom I. November bis Fnde Februar

von und nach

4-1

P

a

G

u

DP

(U wj vT cn

PQ

Vi

PL.

! H

CO

PQ

Emiässierte Classe B

Ausländische Bahnen

in Silbergr

Nördliche Linie in '

Gulden '

K. F. -Nordbahn in

Gulden

Südöstliche Linie in ,

Gulden ,

Totale f. d. inländ. ,

Bahnen in Gulden :

17-5 I ns

054

0*54

0 54 I 054

17-5

0*54 0-42

096

'1

17-5 '.

II

17-5

17-5

054 '

,1

054

054

0*39

1

039

039

008

0-50

113

1

lOI 1

1-43

2 -06

17-5 , 17*5

0-54

0-54

039 ' 0*39

1-28 0*57

I

2-21 1 1'50

175

0-54 0-39

175 054 039

P301 1-57

2-23

2-50

Getreide

Ausländische Bahnen

in Silbergr

Nördliche Linie in

Gulden

K. F. -Nordbahn in

Gulden

Südöstliche Linie in

Gulden

Totale f. d. inländ.

Bahnen in Gulden

145 , I4'5

I

0 63 I 063

14-5 ,14-5 114-5

0596

0592 0616

0418' 0-3841! 0384

II

o*o6 I 0*36 0-63! 063 roi I 106 'I 134

14'5

1 . 1- 14-5

14-5 1 .

0596

. r 0'596

0-596, .

0384

. l'i 0 384

0-384 .

070

. ji 0 36 0 70 1 .

,1

1-68

|| . I, 1-34

1 1-68

Die im Verkehre nach oder von Hamburg noch bestehenden Mecklenburgischen, Lauenburgischen und beiderstädtischen TransitozöUe sind:

a) in den Frachtsätzen der Normal-Classe bereits mit enthalten;

b) für Güter der ermässigten Classen II, A und B oder für Getreide, aber ausser den vorbezeichneten Frachtsätzen, noch besonders zu bezahlen.

Diese Zölle sind bei Frankaturen der Fracht gleich mitzuberichtigen.

Bei Transporten über Wien hinaus von oder nach südlich gelegenen Stationen, wird rücksichtlich der Strecken bis oder ab Wien der allgemeine Tarif der betreffenden Bahn angenommen.

Dieser Tarif trägt auch gleichzeitig den Charakter eines Saisontarifes, indem derselbe je nach den Schiffahrts Verhält- nissen auf der Donau verschiedene Fracht- sätze enthält.

Ein weiterer directer Tarif bestand im Verkehre von Krakau und von Rze- szöw nach Breslau und umgekehrt. Dieser Tarif kennzeichnet sich bereits durch ein ausgebildeteres Classitications-Schema.

Es waren vorgesehen :

I Classe für Eilgüter.

I Normal-Classe,

I ermässigte Classe A mit Unterabthei- lungen für Einzelgut und in Waj^en- ladungen von 80 Centner,

I ermässigte Classe B für Einzelgut und in Wagenladungen von 80 Centner, und I Mittel-Classe für Getreide und Hülsen- früchte in Wagenladungen von ICXD Centner.

Rücksichtlich der österreichischen Transportstrecken war in der Gebühren- festsetzung ein Unterschied zwischen Einzelgut und Wagenladungsgüter nicht gemacht, während ein solcher auf den preussischen Bahnen in Bezug auf die Höhe der Frachtsätze zwischen Einzel- gut und Wagenladungen bestand.

W^eitere directe Tarife auf gleicher und verwandter Grundlage waren vor- gesehen von Wien, Gänserndorf, Brunn und Olmütz nach Breslau und umgekehrt

220

Albert Pauer.

Es bestand ferner ein Tarif von Wien und Krakau nach Warschau mit Fracht- sätzen in Doppelwährung, d. i. bis zur Grenze in österreichischer, ab der Grenze in russischer Währung.

Aufstellung directer Tarife für den Inlandsverkehr,

Mit der Bildung directer Frachtsätze nach ausländischen Handelsplätzen fallt der erste Versuch, directe Tarife für den inländischen Ans chluss verkehr aufzu- stellen, zusammen.

Diese Tarife waren gleich den Ta- rifen mit ausländischen Stationen nicht in einer Zahl ausgedrückt, sondern sie enthielten die Frachtsätze für jede an dem Transport betheiligte Bahn ausge- wiesen.

Der Gesammtfrachtsatz musste erst durch Addition der einzelnen Fracht- antheile ermittelt werden.

Eine Ausnahme von dieser Regel bildete ein Ausnahme-Tarif für Getreide- transporte von ungarischen Stationen nach Stationen der Kaiserin Elisabeth- Bahn, in welchen für den gesammten Durchlauf ein cumulativer Satz einge- stellt war.

So wurde beispielsweise bezahlt im Jahre 1861 :

Von Pest . .

Nach II

St. Polten

1

1

Linz Wels

Salz- Pas- burg sau

pro 100 kg in Kreuzern Ost. W.

t 1 124 158 ; 164 . 190 186

1 . : ;

Erweiterung der Auslandsverkehre, (Süddeutscher Eisenbahn - Verband.)

In der Folgezeit gewann die Auf- 1 Stellung von Tarifen mit cumulativen Frachtsätzen, namentlich in den Auslands- verkehren immer mehr und mehr an Verbreitung, und am 15. Januar 1864 erschien für den Süddeutschen Eisenbahn- Verband für den Transport von Gütern, Fahrzeugen, aussergewöhnlichen Gegen- ständen und Leichen der erste Verbandtarif.

Der Süddeutsche Verband, aus wel- chem später der Süddeutsch-französische

Verband hervorging, hatte den Zweck, den directen Güterverkehr zwischen Oesterreich-Ungarn und Süddeutschland auf Grundlage gleichmässiger tarifarischer und reglementarischer Einrichtungen, insbesondere einer übereinstimmenden Tarif-Classification zu vermitteln.

Ueber die Rechte und Pflichten der Verbandsmitglieder wurde in den Ver- bands-Statuten das Nähere bestimmt, und in Verbands- Conferenzen über die gemeinsamen Angelegenheiten berathen und beschlossen. Die Besorgung der laufenden Geschäfte dieses Verbandes wurde der General - Direction der Bayerischen Verkehrsanstalten übertragen, und ein eigenes Verbands-Abrechnungs- Bureau zur Abrechnung und Ausgleichung der Verbandseinnahmen und Ausgaben gegründet.

Was die Festsetzung der Frachtsätze betraf, so hatte der Süddeutsche Eisen- bahn-Verband keine gleichen Einheits- sätze, sondern überliess es vielmehr jeder Bahn, die ihr passenden Einheitssätze in den Verbandstarif einzurechnen.

Nach einheitüchen Grundsätzen waren blos aufgestellt:

das Reglement, das Tarifschema,

die Waarenclassification und die Währung des Tarif- Verbandes.

Das Tarifschema war folgendes:

A) Einzelgüter, und zwar

a) Eilgüter,

b) Güter in gewöhnhcher Fracht, und zwar:

1. Güter der Normal-Classe, wo- hin alle Güter gerechnet wurden, welche nicht durch das Waaren- Verzeichnis vom Verbandsver- kehre oder in eine andere Fracht- Classe verwiesen waren, Tarif- Classe I,

2. Güter zu einem ermässigten Frachtsatze, Tarif-Classe II,

B) Wagenladungs - Güter der Classen A, B und C.

In den Tarifsätzen waren die Expe- ditions-Gebühren inbegriffen.

Die nachstehende Tabelle enthält die be- standenen Frachtsätze in der RelationWien nach den süddeutschen Verbandsstationen.

Frachten-Tarife.

221

Wien.

g Transportgebühr pro ZoU-Ctr. für

Von oder nach

via

s .s

bX)

G

d

G u

u:

\\ gewöhnl. I Wagenladungs-

3

]2

Güter

Liefer- zeit für

I.

II.

B

I ua o

Classe

Kreuzer süddeutscher Währung

Aalen . . Baden . . Basel . . Bensheim

Bruchsal . Canstatt . Carlsruhe Darmstadt

Dinglingen Edenkoben Esslingen Frankenthal Frankfurt a. M

Freiburg i. Breisgau ' Friedrichshafen . . ;

Gmünd '!

Goldshöfe . . . . i' Gustavsburg . . . '

Hanau

Heidelberg .... Heilbronn . . . . ' Homburg i. d. Pfalz Kaiserslautern . . .

Kehl

Lahr

Lam brecht ....

Landau

Lörrach

Ludwigshafen a. Rh.

Mainz

Mannheim Bahnh. . Mannheim Rhein- und'

Neckarhafen . . Metzingen ....

Mosbach

Mühlacker (Bad, B.) Neustadt a d. Haardt Nördlingen ....

Salzburg-Nördl. Ulm

Passau- Aschaif. Salzburg-Ulm

Passau -Aschaff. Salzburg-Ulm

»

»

»

Passau-AschaiT. Salzburg-Ulm » >

> * Salzburg-Nördl.

> » Passau -Aschaff. Passau . . . Salzburg-Ulm

»

»

* »

Passau Salzburg-Ulm

»

86-3

II2'6

1343 115-88

117-62

1061

95-1 Ii 1077

'114-691

|ii8-82(

.1199

,; 12009

937 1 1645

II455J 12242)

125-9

970

897

85-4

1875

12-37

10-6

027

28-21

2345 i8-2

209

1978

2145

35-5

150

20-25

13-1

135 960

17-8

018

18-95

211 0 2800 3380

2725

2600

232-5 2680:'

263 5

298-5^

2925 229*0 1'

2835 I I 2630

3135 2370 ,

2195 208-51

2760 1

258-5' 273-0

25i"5i 3130 3010' 294-0

3035

291-5 2960

3405 275-0

2760

2730

Salzburg

8ro

273 0 ;

2345 1 29 ro

251-5 289-5 ' i960

33*5

695 2005

74*5

585 45*0

635

715

790

595 430

545 510

865 470

37-5 320

52-5 680

660

545 700

640

765 820

590

6r5 2020

50-5 52-5 495

495 460

750

545 580

250

91 0 200 45-0

205 HO

00-0

15*0 i6o

275

270

985 23-0

t6-o

335 oi'S

94*5 i 900'

21-5!

135 j 170

07-5 j 350 300 1

25'5;

305 265

280

45 5

19-5 215

i8-5

i8-5 00*5

24-5 075

255 840

70-2

93-8 III-3

94-1

86-3

773 898

899

1003

884

758 84-8

89-8

105-3

783

727

697 840

880

923

833

955

913 98-8

1033 88-1 896

1140

82-0

840 810

81-0

77*3

537 722

85-2

68-6

672 592 692

649

77-2 708 58-2 682

648

807 6o-2

557 527 677 637 717 64-2 76-1 730

757 8o-2

705 717

87-2

657 677

647

52-2

687 807

67-4

63-2

57*2 657;

649

73*2

704 56-2

68-1 648

762'

577 i

54-2!

517

677

637 67-2

61 -2

745

72-1

717 762

702 71-1 82-7

657 67-7

647

647 I 64 7 592 ! 57*2

97-8,75 7 i 71-2 83-3 642 I 61 2 874 1 70 0 69 8

637 477 477

Güter

Tage

o

4 5

5

I I

3

4

4

5 I

5

4 I

0

0

5

4

3 I

6

6

4

6 5

5

5

3 I

4 I

5

2

6 7

3 3

5

8

6

7 3 7

8

6

3

2

2

9

8

5

3 8

8

6

7 8

7 7

7 9 5

3 6

3

7 0

_]

222

Albert Pauer.

Wien.

1

len

1

Transportgebühr pro ZoU-Ctr. für

Liefer-

Von oder nach

1

via

•nung in Mei

1 1 i 1 1

gewöhnl. jWagenladungs-

; zeit für

1

Güter

1-5 &2

U 1

I. II. 1 A B ; C

►2-5 1

.

IC

Kreu

Classe

Güter Tage

zer süddeutscher Währung

Oflfenburg ....

1 1 Salzburg-Ulm

117*5

292-5

1 1 1

1760 1 1250,' 978 75*2

712;

14 16

Pforzheim . . .

» »

103*5

257*5

158-5

II 10 86 8

66-7 ' 637

13

15

Rastatt ....

» 9

II0-9

2760

167-5 118 5 93 3 71*7, 68-2!

13

15 1

Reutlingen . . .

» >

971

2375

147-5 102 0

793 1 60 7 582

II

13

Schaidt ....

d »

123-98

302'0

164-5' 1310

918 733

723

15

17

Schopfheim . .

» »

' 137*3

346-5 : 2040 ^ 1465

115*0

877 ' 83-2

15

17

Speyer ....

9 »

117-8^

287-0;, 157*0! 124-5

86-4

69 3 692

. 15

17

Stuttgart . . .

» »

93*6

233*5

1455 100 51

773

59*2 ' 57*2

, II

13

Tübingen . . .

» »

990

2420 '

149 5 ! 103 5

79-8

617.587

II

13

Ulm (W. B.) . .

Salzburg

830

2005

128-0' 860

653

487 487

8

10

Waldshut . . .

Salzburg-Ulm

141-8

353*0

; 2o6-o ; 149 0

ii7'3

897 ; 84*7

15 ' 17

Weinheim . .

» »

113*9]

1

1

1

1

1 Passau

1 ^ x \ j 119-61

; 277*5

1720 1220

1

95*8

701

«54

15 17

Weissenburg .

! Salzburg-Ulm

125-27

: 305-5

166 0 132 0

, 930

74-2

73*0

' 15 17

Worms . .

» »

117*95

. 2875

157-5 1255

867 700

700

; 15 17

Zweibrücken .

1

12969

3165

171*5

I36;5

: 968

770

75-3

1

1

16

1 18 1

Der süddeutsche Tarif, neben welchem verschiedene Tarife für den nachbarlichen Verkehr, beziehungsweise für den Ver- kehr in engeren Grenzen bestanden, bildete mit der weiteren Aasdehnung der österreichischen und fremdländischen Eisenbahnen das Vorbild für eine Menge anderer Verbände, welche theils in Wett- bewerb gegen schon bestehende Ver- bände, theils zur Vermittlung des inter- nationalen Verkehres ins Leben gerufen wurden.

So bestanden Ende der Sechziger- Jahre unter Anderem der Norddeutsch- österreichische, der Rheinisch - öster- reichische, der Mitteldeutsch-schlesische, der Thüringische, dann der Oesterreichisch- russische und der Oesterreichisch-italie- nische Tarif-Verband.

Die Entwicklung des Verbands- wesens vollzog sich jedoch nicht nach einheitlich geltenden Grundsätzen, son- dern jeder Verband hatte seine von

allen übrigen abweichende Reglements, verschiedene Einheitssätze und ab- weichende Classificationen.

Diese Verschiedenartigkeiten in den Tarifgrundlagen ergaben mannigfache Uebelstände und führten zu Beschwerden der österreichischen Verkehrstreibenden, die sich namentlich über die difFerentielle Behandlung der Auslands-Tarife zum Nachtheile der Inlands-Tarife beklagten.

Als besonders nachtheilig für den inländischen Handel wurde die That- sache empfunden, dass directe Tarif- verbände mit allen europäischen Eisen- bahnen bestanden, mit directen Fracht- sätzen nach Petersburg, Moskau, Berlin, Amsterdam, Paris, ja nach überseeischen Häfen wie Bombay und Calcutta ge- rechnet werden konnte, während in Oesterreich selbst die directen Tarife noch in ihrer ersten Entwicklungsstufe verharrten, und es noch immer nicht möglich war, eine Sendung von Mödling

Frachten-Tarife.

223

nach Prag oder von Stockerau nach Schwechat direct abzufertigen, ohne zur Ermittlung der Frachtspesen zwei oder mehr Tarife in die Hand nehmen zu müssen.

Mit den unter den Namen Anschluss- und Zirkel-Tarife für beschränkte Ver- kehrsgebiete bestandenen Tarifen konnte den wachsenden Verkehrsbedürfhissen nicht mehr genügt werden und die österreichischen Eisenbahn- Verwaltungen gingen daran Abhilfe zu schaffen, indem sie der Erweiterung der inländischen Verkehrsbeziehungen eine erhöhte Auf- merksamkeit zuwendeten.

Vereinbarung fester Grundlagen ztcr Bildung von directen Inlands-Tarifen.

In einer am 2. Februar 1871 abge- haltenen Conferenz beschlossen die österreichischen Eisenbahn - Verwaltun- gen, auf Grund der für die Local- verkehre geschaffenen und allgemein eingeführten, einheitlichen Tarifschemas directe Tarife durch Zusammenstoss der Streckensätze der einzelnen betheiligten Bahnen zu bilden. Bezüglich jener Artikel, welche bei den einzelnen Verwaltungen in die ermässigten Classen A, B und C nicht eingereiht waren, sollten Ausnahme- und Special-Tarife erstellt werden.

Um aber auch den gegen die Aus- lands-Tarife gerichteten Beschwerden des Publicums zu begegnen, wurde als noth- wendig erkannt, die für die inländischen Tarife angenommene Güter-Classification, beziehungsweise die in den einzelnen Classen eingerechneten Streckensätze auch auf die Verkehre mit dem Auslande an- zuwenden.

Hand in Hand mit diesen Massnahmen ging das Bestreben, eine Regelung der Concurrenz -Verhältnisse zwischen den Eisenbahn- Verwaltungen herbeizuführen.

Tarif'Cartelle.

War bei den bisher greltenden An- schluss- und Zirkel-Tarifen für die Tarif- bildung sowie für die Leitung der Trans- porte immer die kürzeste Route mass- gebend, so konnte mit der Erweiterung imd Verdichtung des Bahnverkehres und

der wachsenden Concurrenz in den Knotenpunkten mit einer Verkehrsroute das Auslangen nicht mehr gefunden werden, und es musste zum Schutze der Verkehrsinteressen der einzelnen Bahn- verwaltungen auf Massnahmen Bedacht genommen werden, um jeder Concurrenz, beziehungsweise transportberechtigten Eisenbahnlinie die ihr zufallende Ver- kehrsquote zu sichern.

Eine gedeihliche Lösung dieser Auf- gabe war bei dem mit aller Schärfe ge- führten Wettbewerb eine ebenso schwie- rige als langwierige Arbeit.

Zur Illustration des Concurrenz- kampfes, wie er sich im Anfange der Sechziger-Jahre abspielte, möge folgen- des Situationsbild eine leise Vorstellung geben :

Der Wettbewerb entbrannte vorerst in den Knotenstationen, wenn nur zwei Bahnen sich bekriegten; er gewann aber immer grössere Ausdehnung und zog weitere Kreise, wenn die strittigen Punkte sich durch den Hinzutritt einer Reihe von Bahnen vermehrten, und schliesslich ganze Verkehrsgebiete davon betroffen waren.

Als erstes Kampfmittel galt die Herabsetzung der Transportpreise, und zwar im Wege des officiellen Tarifes, oder was gewöhnlicher war, im Wege der Rückvergütung [Bonification].

Die durch die Tarifreduction bedrohte Transportstrecke folgte der Herausfor- derung entweder sofort, wie sie ihre Localstrecke berührte und ihre Einrich- tungen dies zuliessen, oder in einem möglichst kurzen Intervall, wenn es einen Anschluss- oder Verband-Verkehr betraf, in welchem Falle die Zustimmung aller betheiligten Bahnen erforderlich war.

Die gegenseitigen Unterbietungen in den Transportpreisen folgten sich Schritt für Schritt, bis die Bahnen zu Fracht- preisen gelangten, die mit ihren Selbst- kosten nicht mehr in Einklangr standen.

Die Anzahl der in Betracht kommen- den Knotenpunkte und die Rückwirkung der für dieselben gewährten Tarifzuge- ständnisse auf die vor- und hintergelegenen Stationen führte oft, ohne genügende Gründe, zu Tarifanomalien und Preis- reductionen, welche die Einnahmen der

224

Albert Pauer.

Eisenbahnen nachtheilig beeinfiussten und doch in eben demselben Masse ganze Länderstrecken in ihrer naturgemässen Entwicklung bedrohten.

Die Bahnen trachteten nun, des Kampfes müde, zu einer Verständigung zu gelangen, da man, durch die Erfah- rungen belehrt, zur Ueberzeugung kam, dass eine Eisenbahn-Concurrenz fdr die Dauer gar nicht bestehen könne, ohne Gefahr, einen Theil des Nationalver- mögens, welches in den Eisenbahnen angelegt ist, aufs Spiel zu setzen.

So entstanden aus kleinen Anfängen heraus die ersten Tarif-Cartelle, welche sich nach und nach auf grössere Ver- kehrsgebiete erstreckten und in ihrer heutigen Gestalt die Regelung der Ver- kehrsbeziehungen mehrerer Staatengebiete umfassen.

Schon in der zweiten Hälfte der Sechziger-Jahre regelte die österreichische Staatseisenbahn- Gesellschaft in Gemein- schaft mit der Süd-norddeutschen Ver- bindungsbahn und der Tumau-Kralup- Prager Eisenbahn den Concurrenzverkehr in den Knotenpunkten in der Weise, dass sie gegenseitig die Verpflichtung eingingen, weder directe noch indirecte Massnahmen zu treffen, um Transporte aus dem Gebiete einer Verwaltung zu Gunsten der eigenen oder einer dritten Verwaltung abzulenken.

Später folgten Vereinbarungen wegen Erstellung gleicher Frachtsätze nach den concurrenzirten Relationen und Abma- chungen über die Leitung der Trans- porte.

In letzterer Beziehung war vereinbart, dass der Verkehr in concurrenzirten Rela- tionen abwechseln solle, und zwar in der Richtung von Station A nach Station B über eine Route und in der Richtung von Station B nach A über die zweite Route ungetheilt geleitet werde.

War, was häufig vorkam, die beiden Routen im gleichen Masse zugedachte Verkehrsquote nicht erreicht, so trat für die im Nachtheile befindliche Route als Entschädigung der Geldausgleich ein.

Mit der im Jahre 1871 erfolgten Ein- führung des Tarifschemas der österrei- chischen Staatseisenbahn-Gesellschaft auf allen übrigen österreichischen Eisen-

bahnen war ein kräftiger Schritt nach vorwärts gethan, um die bisher auf die unmittelbaren Nachbarverkehre be- schränkte Regelung der Concurrenz- Ver- hältnisse auf grössere Gebiete auszu- dehnen.

In einer am 21. und 22. Februar 1871 in Wien abgehaltenen Tarif-Conferenz, in welcher die Bildung eines Oesterreichisch- ungarischen Eisenbahn - Verbandes be- schlossen wurde, sind auch die allge- meinen Grundzüge festgelegt worden, welche rücksichtlich der Regelung der Concurenz- Verhältnisse in dem genannten Verkehrsgebiete Geltung erlangen sollten.

Diese Grundzüge blieben für alle späteren Cartell-Vereinbarungen bis auf die Gegenwart richtunggebend, und ihres historischen Interesses wegen sollen sie hier im Auszuge Platz finden.

Nach Punkt i der Vereinbarungen hatte als Regel zu gelten, dass der Tarif blos auf der kürzesten Route erstellt und dieser Route auch die ausschliessliche Bedienung des Verkehres zufallen sollte. Insoferne jedoch seitens der Versender ein anderer Transportweg vorgesehen werden sollte, hatte die Abfertigung des Transpor- tes von Bahn zu Bahn zu erfolgen. Keiner Route war es gestattet, Fracht- nachlässe zu bewilligen, wodurch der Frachtsatz der Tarifroute unterboten werden konnte.

Der Punkt 2 regelte die Tarifbildung und es war vereinbart, dass ftlr die kürzeste Route auch der billigste Frachtsatz fest- zusetzen sei.

Ergab sich bei der Verschiedenheit der Local- Tarife der auf dieser Route betheiligten Bahnen ein höherer Fracht- satz, wie auf der längeren Route, so wurde der Frachtantheil jener Bahn, welche höhere Einheitssätze hatte, derart gekürzt, dass derselbe den Einheitssätzen der nächst billigeren Bahn gleichkam.

Reichte diese Verkürzung nicht aus, so wurde auf die Einheitssätze der nächst billigeren Bahn herabgegangen, und falls auch damit die Frachtparität mit der längeren Route nicht erreicht werden konnte, einfach der Frachtsatz pro rata der Kilometer unter Vorabzug der Manipu- lations-Gebühren auf die Gesammtstrecke der fahrberechtigten Route aufgetheilt«

Frachten-Tarife.

225

Die Punkte 3 und 4 behandelten die Verbands-Classification und den Agio- zuschlag, und wurde diesbezüglich ver- einbart, dass für den Verband die zur Zeit bestandene Classification der Oester- reichischen Staatseisenbahn-Gesellschaft allgemein angenommen werde, mit der Bestimmung, dass die in Banknoten aus- gedrückten Frachtsätze unter Annahme eines Disagio von i57o ^^^ Silbersätze reducirt wurden, welche dann um den jeweiligen Agiozuschlag erhöht, in die Tarife einzurechnen seien.

In den Punkten 5, 6 und 7 wurde jener Verkehr geregelt, auf welchen das Princip der kürzesten Route keine An- wendung fand, und der eigentlich den Gegenstand der Theilung unter den Con- currenzen bildete.

Als concurrenzberechtigt sollte in der Regel jene Route angesehen werden, deren Distanzunterschied gegenüber der kürzesten Route circa 15^/^ betrug.

Ausgesprochen wurde die Aufstellung von Tarifen mit gleichen Frachtsätzen über alle als concurrenz- und fahrberechtigt anerkannten Routen.

Die einseitige Gewährung von Fracht- zugeständnissen seitens einer der bethei- ligten Routen wurde als unzulässig erklärt.

Nach Massgabe der Längenunter- schiede wurden den einzelnen Routen

Quoten von SSVs'/o. 50% und öeV^/o vom Gesammtverkehr zur Bedienung zu- gewiesen.

Weitere Punkte behandelten den Geld- ausgleich bei Ueberschreitungen der Ver- kehrsquoten, die Festsetzung der Regie- kosten, wofür der Satz von 0*5 kr. pro Zoll-Centner und Meile für die einzelnen Güter-Classen angenommen wurde.

Ferner war die Aufstellung von directen Tarifen sowohl für Eilgüter als auch für Frachtgüter vereinbart. Kohlen-Transporte sollten ausgeschlossenbleiben, beziehungs- weise nicht Gegenstand einer Verkehrs- theilung sein.

Die Revision der Tarife und der Theilungsquoten sowie der Vereinbarun- gen sollte bei Hinzutreten neuer Strecken vorgenommen werden.

Das Kündigungsrecht mit einer Frist von drei Monaten war jeder betheiligten Verwaltung gewahrt.

Geschichte der Eisenbahnen. III.

Diesen Vereinbarungen traten später alle übrigen österreichischen Eisenbahnen bei, so dass die cartellirten Gebiete sich in kurzer Zeit über das ganze nördlich der Donau gelegene Eisenbahnnetz mit Ausnahme von Galizien erstreckten.

Der erste österreichisch-ungarische Gemeinschaf tS' Tarif,

Auf Grundlage dieser Vereinbarungen wurde der im Jahre 1873 erschienene erste Gemeinschafts-Tarif für den Oester- reichisch-ungarischen Eisenbahn- Verband gebildet, welcher nebst einheit- lichen Tarif-Bestimmungen für die Be- förderung von Eil- und Frachtgütern, femer für Separatzüge, Leichen, Equipagen und sonstige Fahrzeuge sowie lebende Thiere directe Frachtsätze enthielt.

Das Tarifschema war allen öster- reichischen Eisenbahnen gemeinsam, und enthielt :

Eilgüter:

a) Gewöhnliche,

b) ermässigte,

c) besonders ermässigte.

Frachtgüter.

Classe I, II, III, A, B, G sowie einen Special-Tarif für Getreide und mehrere Ausnahme-Tarife.

Eine dem Tarife beigegebene Waaren- Classification liess entnehmen, in welche Classen die einzelnen Artikel eingereiht

I waren. Die Frachtsätze waren in Form

I von Stations-Tarifen dargestellt. In jeder Stations-Verbindung war in einer be-

I sonderen Rubrik die Instradirungs-Route

j bezeichnet.

Alle später erschienenen Gemein- schafts-Tarife für die inländischen Ver- bands-Verkehre waren dem vorgeschil- derten Tarif- Verbände mit geringen Ab- weichungen nachgebildet, wie:

der Böhmisch-österreichische und Böh- misch-Tiroler Verband,

die Verbands-Tarife zwischen den böh- mischen Bahnen,

der Galizisch-Wiener Gtmeinschäfts- Verkehr,

15

226

Albert Pauer.

der Galizisch - ungarische Gemein- schafts-Verkehr,

die Verband-Tarife mit der Oester- reichischen Staatseisenbahn-Gesellschaft, der Kaiser Ferdinands-Nordbahn, der Kaiserin Elisabeth-Bahn und viele an- dere,

welche bis zum Jahre 1883 zur Ausgabe gelangten.

Im Laufe der Zeit sind in der Dar- stellung der directen Tarifsätze manche Vereinfachungen eingetreten:

Neben den gewöhnlichen Stations- Tarif- Tabellen finden sich bereits auch Tarife in Schnittform vor, auch gelangten in mehreren Tarifen Anstosstaxen zur Ermittlung des directen Frachtsatzes zur Anwendung.

Instradiruns[S-Vorschriften und An- iheilS'Tabellen,

Als infolge der Verdichtung des Eisenbahnnetzes die transportberechtigten Routen in den einzelnen Tarif-Verbänden immer mehr und mehr anwuchsen und das Auslangen mit der Bezeichnung der Fahrroute in den Tarifen selbst nicht mehr gefunden werden konnte, ergab sich die Nothwendigkeit, eigene Instra- dirungs-Vorschriften zu den einzelnen Verbands-Tarifen herauszugeben.

Die ersten Instradirungs -Vorschriften waren sehr einfach gestaltet, sie enthielten blos die Angabe der Routen, über welche die Sendungen zu leiten waren. Gewöhn- lich erfolgte die Instradirung in der Weise, dass z. B. die Transporte von Stationen der Kaiser Ferdinands-Nordbahn nach Stationen der Oesterreichischen Nordwest- bahn zu 1 00^/0 über die Route A und umgekehrt von Stationen der Oester- reichischen Nordwestbahn nach Stationen der Kaiser Ferdinands-Nordbahn zu lOO^/^ über die Route B geleitet wurden.

Mit der Vermehrung der transport- berechtigten Routen und der procentualen Auftheilung des Verkehres mussten zur Einhaltung der zugewiesenen Verkehrs- quoten den Instradirungs -Vorschriften »Kaiendarien« beigegeben werden, wo- nach die Leitung der Transporte ent- weder monats-, dekaden- oder wochen-

weise wechselnd über die verschiedenen Routen zu vollziehen war.

Desgleichen gelangten für die Zwecke der Abrechnung besondere Tabellen zur Aufstellung, in welchen der Antheil jeder einzelnen am Transporte betheiligten Bahn ziffermässig ausgewiesen wurde.

Tarif 'Cofnntissionen.

Tarif - Gommissionen, in welchen sämmtliche zu einem Verbände vereinig- ten Bahn Verwaltungen vertreten waren, fiel die Aufgabe zu, die Tarife, Instra- dirungs-Vorschriften und Antheils- Tabel- len nach den Beschlüssen der Tarif-Con- ferenzen auszuarbeiten.

Die nachstehenden Auszüge auf Seite 227 und 228 zeigen eine Instradirungs- Vorschrift und eine Antheils-Tabelle, wie sie in den Siebziger- un^ Anfangs der Achtziger-Jahre in Verwendung standen.

Die Führung der Geschäfte der Oester- reichisch - ungarischen Eisenbahn - Ver- bände lag in den Händen der Haupt- bahnen.

Für die Abrechnung der in den Ge- meinschafts - Verkehren erzielten Ein- nahmen wurde eine eigene Abrechnungs- stelle mit dem Sitze in Wien bestellt.

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War es den vereinten Anstrengungen der Eisenbahn - Verwaltungen gelungen, . in die directen Verbandsverkehre mit , dem Inlande die gewünschte Ordnung j zu bringen, so Hessen die in den directen Tarifen mit dem Auslande herrschenden Zustände noch Vieles zu wünschen übrig. Um die gewünschte Ordnung herbei- zuführen, sollte vor Allem eine Revision . der directen Auslands-Tarife angebahnt und namentlich eine Remedur nach der Richtung geschaflfen werden, dass die im Verkehre mit dem Auslande für eine Reihe von Transport- Artikel bestehenden I billigen Tarife erhöht, beziehungsweise die Parität mit den in die Inlands-Tarife eingerechneten Frachtantheilen hergestellt und Hand in Hand damit gleichwie für die directen Inlands-Tarife auch im Ver- kehre mit dem Auslande ein einheit- liches Tarifschema geschaflfen werden.

Frachten-Tarife.

227

Instradirungs-Vorschrift

für den directen Frachtenverkehr zwischen den Südbahn-Stationen Triest, Fiume und Cormons loco und transit einerseits und Stationen der galizischen Bahnen

andererseits.

Giltig vom i. December iSgj.

Im Verkehre von und nach Fiume sind Frachtgut -Transporte nachfolgend zu

instradiren :

Von oder nach

Nach oder von

Die Transporte gehen über die Route via

An nachbenannten

Tagen eines jeden

Monates

Tarnöw und Rzeszöw

a) Wien-Krakau

b) St. Peter-Pragerhof-Budapest-Kelenföld-Miskolcz- Forrö-Encs-Kaschau-Orlö-Tamöw

c) Karlstadt-Zäkäny-Budapest-Kelenföld-Miskolcz- Forrö-Encs-Kaschau-Orlö-Tarnöw

I. 2.3.677.8.11.12. 13. 16. 17. 18.21.22. 23. 26. 27. 28. 31.

4. 9. 14. 19. 24. 25. 30.

5. 10. 15. 20. 29.

PrzemyÄl

und Jaroslau

Chyröw,

Drohobycz,

Boryslaw

Stryj

Lemberg,

Zloczöw und

Tarnopol

a) Wien-Krakau-Tarnöw

h) St. Peter-Pragerhof-Budapest-Kelenföld- Miskolcz-Szerencs-Lupköw-Przemyfil

An jedem geraden Tage

I. 5. 7. II. 15. 17. 21. 25. 27. 31.

c) Karlstadt-Zäkäny-Budapest-Kelenföld-Miskolcz- Szerencs-liUpköw-PrzemyÄl

3. 9. 13. 19. 23. 29.

a) \Vien-Krakau-Przemy6l-Ch3ro\v

b) St. Peter-Pragerhof-Budapest-Kelenföld- Miskolcz-Szerencs-Lupk6w-Chyr6\v

4.5.9.10 14. 15- 19- 20. 24. 25. 29. 30.

I. 3. 6.8. II. 13. 17. 21. 23. 26. 28.

c) Karlstadt-Zäkäny-Budapcst-Kelenföld-Miskülcz- 2. 7. 12. 16. 18. 22. Szerencs-Lupköw-Chyröw | 27. 31.

a) Wien-Krakau-Lemberg

b) Wien-Krakau-Przemysl-Chvröw

4. 5. 14. 15. 24. 25. 9. 10. 19. 20. 29. 30.

c) St. Peter-Pragerhof-Budapest-Kelenföld- Miskolcz-Szerencs-Lupk6w-Chyröw

1.3 6. 8. II. 13 17,' 21. 13. 26. 28.

d) Karlstadt-Zäkäny-Budapest-Kelenföld-Miskolcz- ' 2. 7. 12. 16. 18. 22.

Szerencs-Lupköw-Chyröw a) Wien-Krakau-Lemberg

_ 27. 31.

1.^2. 5~6. 9. 10. 13

14 17. 18. 21. 22

25. 26. 29.

b) St Peter-Pragerhof-Budapest-Kelenföld- Miskulcz-Szerencs-PrzemyÄl-Lemberg

3. 7. II. 15. 19 23

27. 30.

c) St. Peter-Pragerhof-Budapest-Kelenföld- Miskolcz-Szerencs-Chyröw-Stryj-Lemberg

d) Karlstadt-Zakany-Budapest-Kelenföld-Miskolcz- Szerencs-Chyr6\v-Stryj-Lemberg

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4 8. 12. 20. 24. 28

15^

228

Albert Pauer.

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Frachten-Tarife.

229

Da es femer den wirthschaftlichen Zwecken des eigenen Handels nicht dien- lich sein konnte, dass bei der Bildung von directen Tarif- Verbänden jeder Ver- band für sich unbekümmert um die übri- gen geographisch gleichlaufenden Tarif- Verbände seine eigenen Wege ging, und jeder für sich sein eigenes Verbandschema, seine eigene Waaren-Classification, sein eigenes Statut hatte, so musste auch hier reformatorisch eingegriffen und Wandel geschaffen werden.

So bestanden im Jahre 1876 für die directen Verkehre zwischen Oester- reich - Ungarn und Norddeutschland mehrere von einander abweichende Tarif- schemas.

Das verbreitetste hatte folgende Ein- theilung :

Eilgut Classe.

Frachtgut - Classe I, oder Normal- Classe.

Frachtgut- Classe II, A, B, Stückgut- Classe.

Wagenladungs-Classe C und D.

Special-Tarife I, II und III mit der Untertheilung für Mengen von 100, be- ziehungsweise 200 Zoll- Centner.

Im Verkehre zwischen Oesterreich- Ungam und Süddeutschland hatte sich das Tarifschema vom Jahre 1864 unver- ändert erhalten, dagegen zählte der Oesterreichisch - ungarische und Süd- deutsch-französische Eisenbahn- Verband :

1. Eilgut.

2. Stückgut-Classe I und II.

3. Wagenladungs-Classen Aj, B, C^, und C.2.

4. Special-Tarife A^, I, II und III.

Der böhmisch - bayerisch - schweize- rische Verkehr dagegen unterschied:

A. Einzelgüter, und zwar:

1. Eilgüter.

2. Güter in gewöhnlicher Fracht Tarif-Classe I und IL

B. Wagenladungs- Güter der Classen A, B, C, D, E, F und G, dann sieben Special-Tarife.

Im Verkehre mit Russland standen gleichfalls verschiedene von einander ab- weichende Tarifschemas in Anwendung.

Im Verkehre mit Italien war sogar ein Schema in Geltung, das mehr als 60 Tarif-Classen umfasste.

Diese Verschiedenartigkeit in der Classeneintheilung führte zu Tarifanoma- lien, welche hemmend auf die gesammten Verkehrsbeziehungen mit dem Aus- lande einwirkten und dringend Abhilfe heischten.

In Deutschland war es inzwischen nach langwierigen Kämpfen gelungen, im Jahre 1876 ein einheitliches Tarif- System für das Verkehrsgebiet der deutschen Eisenbahnen unter einander zu vereinbaren.

Die Einführung desselben wurde benützt, um die bis dahin fruchtlos gebliebenen Verhandlungen zwischen den deutschen und österreichisch-unga- rischen Eisenbahnen wegen Vereinbarung eines einheitlichen Tarifschemas für die gegenseitigen Verkehre wieder auf- zunehmen.

Von beiden Seiten wurde nach den gesammelten Erfahrungen mit der Ueber- zeugung in die Verhandlung eingetreten, dass die ursprünglichen Bestrebungen, ein für beide Reiche einheitliches Tarif- System zu schaffen, vorderhand aufge- geben werden müssen und dass ein Ausgleich der bestehenden Differenzen zwischen dem österreichischen und deut- schen Reformtanf nur auf dem Wege eines Compromisses erreicht werden könne.

Deutsch-österreichisches Tarif Schema,

In einer am 26. März 1881 zu Berlin abgehaltenen General-Conferenz, an wel- cher sich ausser den deutschen und österreichischen auch holländische, bel- gische und rumänische Verwaltungen betheiligten, wurde nach den Vorschlägen der einzelnen Verkehrsgruppen ein ein- heitliches Tarifschema mit einheitlichen Tarifbestimmungen und gleichlautender Waaren-Classification mit bindender Kraft für alle directen Verbands-Tarife im Verkehre mit dem deutschen Reiche vereinbart.

Die Combination des österreichischen und deutschen Reformtarifes ergab fol- gendes Tarifschema:

230

Albert Pauer.

Aus dem

Schema

Die Classen des deutsch-österreichischen

1

des deutschen Tarifes

des österreichischen Tarifes

Tarifes

Eilgut

1 Eilgut

Eilgut

Stückgut

Classe I

Stückgut I

Stückgut

» II

II

Wagenladungs-Classe Ai

Wagenladungs - Classe A

Wagenladungs-Classe A,

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Classe II

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Special-Tarif Ag ....

Wagenladungs - Classe A

Special-Tarif A,

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1

» III

Femer wurde gebildet aus dem öster- reichischen Special-Tarif I für Getreide und Mehl und dem deutschen Special- Tarif II für Nutzsalz mit den deutschen Special-Tarifen II und III je ein Aus- nahme-Tarif.

Welche Güter nach den Classen des deutsch-österreichischen Tarifes befördert werden, war in einer Waaren-Classification enthalten. Die Wagenladungs-Classen A^ , Cj und der Special-Tarif Ag sollten bei Aufgabe von mindestens 5000 kg^ die Wagenladungs-Classen B und Cg sowie die Special - Tarife I, II und III und die Ausnahme-Tarife bei Aufgabe von 10.000 kg- Anwendung finden.

Mit dem unter der Bezeichnung Theil I, Güterverkehr zwischenOesterreich-Ungarn einerseits und Deutschland andererseits, erschienenen Tarife war die Grundlage ge- geben, sämmtliche Güter-Tarife zwischen Oesterreich-Ungam und Deutschland so- wie später mit den Niederlanden und Belgien einheitlich zu gestalten.

Gemeinsam war allen Tarif- Verbänden der Theil I, neben dem für die einzelnen Verbände dieTarif-Theile II folgten, welche je nach dem Verkehrsbedürfnisse in einem oder mehreren Heften zur Aufstellung ge- langten.

Die directen Verkehrsbeziehungen mit dem Deutschen Reiche gewannen mit jedem Jahre an Ausdehnung.

Wenn Interessen - Gegensätze, wie solche in grossen Verkehrsgebieten un-

vermeidlich sind, die freundnachbarlichen Beziehungen hie und da trübten, so war dies nie von langer Dauer, da stets Mittel und Wege gefunden wurden, um diese Gegensätze auszugleichen.

So wurde der im Jahre 1882/83 ent- brannte österreichisch -preussische Tarif- conflict wegen einseitiger Begünstigung der Wasserumschlagplätze in der Weise beigelegt, dass die paritätische Behandlung der Wasserstrassen und der Eisenbahn- strassen preussischerseits anerkannt und zum Verbandsprincip erhoben wurde.

Die von Oesterreich im Jahre 1884 veranlasste Kündigung des deutsch-öster- reichisch-rumänischenTarifes wegen seiner den österreichischen Handel schädigenden differenziellen Tarifbildung war wohl auf deutscher und rumänischer Seite auf Widerstand gestossen, doch musste die Forderung der österreichischen Verwal- tungen, dass keine deutsche Station nach einer rumänischen Station einen billigeren Tarif erhalten dürfe, als die auf derselben Route gelegene österreichische Station, als berechtigt anerkannt und die Um- arbeitung des Tarifverbandes nach diesem Grundsatze vollzogen werden.

Diese und andere kleine Zwischenfälle bildeten vorübergehende Episoden in der fortschreitenden Entwicklung der deutsch- österreichischen Tarif- Verbände, welche heute in der stattlichen Anzahl von 29 Verbänden mit 65 Heften dem deutschen und österreichischen Handel zur Verfügung

Frachten-Tarife.

231

stehen, und die es ermöglichen, Güter- sendungen von der Versandt- bis zur Be- stimmungsstation unter Berechnung fest- stehender einheitlicher Frachten direct

abzufertigen.

Tarif 'Vereinbannigen mit anderen europäischen Staaten.

Die Bestrebungen der österreichischen und deutschen Eisenbahn-Verwaltungen, das deutsch-österreichische Tarifschema auch auf den Verkehr mit der Schweiz, den Balkanstaaten und Rumänien zu übertragen, blieben erfolglos; es ent- wickelte sich unabhängig von Deutsch- land, zwischen Oesterreich-Ungarn und den vorbezeichneten Staaten ein eigenes

Tarifschema, das durch Verschmelzung der beiderseitigen Classificationen gebildet wurde.

Eine Ausnahme bildet Russland, wo eine getrennte Behandlung in Bezug auf die Classification nach und von dem Grenzübergangspunkte erfolgt, sowie Frankreich und Italien, wo im directen Verkehr eine besondere österreichische, beziehungsweise österreichisch - deutsche Classification auf der einen Seite und eine italienische, beziehungsweise fran- zösische Classification auf der anderen Seite in Betracht kommt.

Die in den Achtziger-Jahren mit den wichtigsten fremdländischen Eisenbahn- Verwaltungen vereinbarten Tarifschemas hatten folgende Eintheilung:

1

Fra7ikreich. Ausserfranzösische Strecken.

Schnittfrachtsätze nach und von

Eil- gut

Frachtgut

Classen

Stückgut- . Wagenladungs-

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Special-Tarife

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II

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Französische Strecken.

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Schnittfrachtsätze in Francs Gold von Bahnhof zu Bahnhof, Auf- und Abladekosten inbegriffen.

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Schnitt- punkte

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232

Albert Pauer.

Schweiz,

Schema für den directen Verkehr

Eil- gut

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Stückgut- Wagenladungs- j Classen Classen

Special-Tarife

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Schema für den

Eilgut

Stückgut- Classen

VVagenladungs- Classen

Qirecten verKenr

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A B C

Internationales Tarif- Comite,

Zum Zwecke der einheitlichen Aus- gestaltung der internationalen Tarif-Ver- bände im Allgemeinen und im Besonderen der Tarif- Theile I wurde ein »Inter- nationales Tarif-Comit6« eingesetzt.

Dasselbe hat seit seinem kurzen Be- stände eine segensreiche Thätigkeit ent- faltet, und so manche auf die Verein- heitlichung der Tarifbestimmungen und der Vl^aaren-Classification abzielende An- träge danken ihre Verwirklichung den fachmännischen Berathungen dieser Kör- perschaft.

Mit dem auf der Brüsseler Conferenz

im Jahre 1895 gefassten Beschlüsse, eine Verschmelzung des österreichisch-unga- rischen Tarif- Theiles I mit jenem der deutschen Eisenbahnen, beziehungsweise eine einheitliche Nomenclatur herbei- zuführen, ist der erste Schritt gethan, um eine formelle Tarifeinheit vorerst zwischen Oesterreich-Ungarn und Deutschland zu schaffen, die nach und nach durch den Beitritt der übrigen Staaten über ganz Mitteleuropa sich erstrecken soll.

Diese für das internationale Verkehrs- leben so wichtige Institution ist eine Errungenschaft der österreichischen Eisenbahnen, über deren Initiative sie ins Leben gerufen wurde.

V.

Tarif-Enqueten.

Tarif-Enquete- Com tnission 1864,

Die ungleichmässige Festsetzung und die verschiedene Anwendung der Tarife auf den einzelnen österreichischen Bahnen, die rein persönlichen und geheimen Frachtbegünstigungen, der Mangel an Wagenladungs-Classen für Güter der Classen i, 2 und 3, die verschiedene Rechnung der Agiozuschläge und die viel- fach vorgekommenen Ueberschreitungen der Lieferfristen, gaben dem Publicum reichen Anlass zu Klagen.

Zur Prüfung dieser Beschwerdepunkte wurde über Anordnung des k. k. Handels- ministeriums eine Enquete-Commission

aus Vertretern des Abgeordnetenhauses, der Eisenbahn - Verwaltungen und aus Delegirten der Handelskammern einbe- rufen, welche ihre Berathungen im De- cember 1864 begann.

Die im Jahre 1 865 fortgesetzten Ver- handlungen vermochten jedoch, trotz des allseitig an den Tag gelegten guten Willens, eine Aenderung in den damaligen Tarif Verhältnissen nicht herbeizuführen.

Bei den sich kreuzenden Interessen der Eisenbahn - Verwaltungen und ihrer monopolistischen Stellung war eine Eini- gung nicht zu erzielen und da es der Regierung an den nöthigen Zwangs- mitteln gebrach, die Bahn- Verwaltungen

Frachten-Tarife.

233

zu Reformen zu verhalten, verliefen die Verhandlungen resultatlos.

Mit der Concessionirung und dem Baue der Kaiser Franz Josef-Bahn, der Kronprinz Rudolf-Bahn, der Oesterreichi- schen Nordwestbahn sowie mehrerer Bahnen in Galizien und der Bukowina, sollte die verkehrsbeherrschende Stellung der alten Bahnen geschwächt und die- selben angesichts der Linien-Concurrenz für die Einführung von Reformen auf tarifarem Gebiete gefügiger gemacht werden.

Aber auch diese Hoffnung hat sich nicht erfüllt und das k. k. Handels- ministerium übertrug die Untersuchung der allgemeinen Klagen über die im Tarif wesen herrschenden Uebelstände einer parlamen- tarischen Enquete- Commission.

In dem von der Commission aus- gearbeiteten umfangreichen Elaborate wurde als einer der Hauptübelstände die Verschiedenheit der Concessions- Tarife bezeichnet und eine Reform des Tarifwesens theils auf gesetzlichem, theils auf administrativem Wege in Vorschlag gebracht. Es war aber weder geglückt, eine Regelung des Tarifwesens auf gesetzlichem, noch auf administrativem Wege zu erzielen. Die mit vielem Auf- wände an Fleiss und Mühe geführten Verhandlungen hatten nur den Erfolg, dass sie eine Klärung der Verhältnisse herbeigeführt und den Boden vorbereitet haben, auf welchem die Eisenbahn- Ver- waltungen das angeregte Reformwerk weiter bauen konnten.

Wiewohl auf der Mehrzahl der österreichischen Eisenbahnen ein gleich- artiges Tarifschema seit 1870 zur Ein- ftihnmg gelangte, so haben sich doch im Laufe der Jahre mannigfache Ab- weichungen in der Waaren-Classification und in den Nebenbestimmungen heraus- gebildet.

Hiezu trat noch das Ueberhandnehmen des Refactiewesens, die Verschiedenheit der Einheitssätze bei den einzelnen j Bahnen, die ungleiche StaiTelbildung in den Grundtaxen der einzelnen Bahnen, worauf sich vornehmlich die Klagen der Handels weit vereinigten.

Am 20. September 1880 lud das k. k. Handelsministerium zur fachmännischen

Prüfung der beregten Uebelstände die Handels- und Gewerbekammem des Reiches zur Abgabe eines Gutachtens ein.

Die mit grossem Eifer und Sach- kenntnis abgefassten Berichte bildeten das Substrat der eigentlichen Enquäte- Verhandlungen, welche stofflich getrennt in neun Interessen- Gruppen zur Be- rathung gelangten.

Der neunten Gruppe war es vor- behalten, sich mit den Fragen allgemeiner Natur zu beschäftigen, und zwar:

1. Das Tarifsystem,

2. die Classification der Waaren,

3. das Refactiewesen,

4. das Betriebs-Reglement,

5. der Vergleich der Inlands-Tarife mit den Auslands-Tarifen,

6. das Cartellwesen,

7. die Schiffahrts-Tarife.

Bezüglich sämmtlicher Berathungs- punkte sowie betreffs vieler allgemeiner Transportfragen kam eine sehr grosse Anzahl von Wünschen zum Ausdrucke, welche vom k. k. Handelsministerium gesammelt in zwei umfangreichen Gelb- büchem: »Ergebnisse der Tarif-Enquete 1882/ 1883« publicirt wurden.

Die Berichte der Tarif-EnquSte wurden den Eisenbahn- Verwaltungen in einer Reihe von Erlässen des k. k. Handels- ministeriums mit der Aufforderung in- timirt, denselben »thunlichste Berück- sichtigung zu schenken«.

Die Anträge und Wünsche der Eisen- bahntarif-Enquete wurden im Schosse der Directoren-Conferenzen einer ein- gehenden und gründlichen Erwägung unterzogen, und es fand eine grosse Anzahl von Anträgen, welche auf die Abänderung der Waaren-Classification, auf die Herabsetzung der Tarifsätze für bestimmte Artikel, auf die Ermässigung der Nebengebühren in den Anschluss- und directen Verkehren sich bezogen, Berücksi ch ti gung.

Wenn die weiteren auf ein einheit- liches Tarifsystem mit einheitlichen Grundtaxen, dann die auf die Beseiti- gung des Refactiewesens und auf die Reform der Auslands- Tarife gerichteten Bestrebungen sich auch nicht im vollen

234

Albert Pauer.

Umfange verwirklicht haben, so hat die Thätigkeit der Tarif - Enquete doch immerhin eine nachhaltige Wirkung auf die weitere Entwicklung des Tarif wesens ausgeübt. Unbestritten bleibt ihr das Verdienst, ein reiches Material zu Tage gefördert und eine Klärung vieler Tarif- fragen herbeigeführt zu haben.

Ueber einen Beschluss des Staats- eisenbahnrathes berief die Regierung zur Untersuchung der von verschiedenen Mühlen-Industriellen vorgebrachten Be- schwerden, betreifend die Tarifirung von Mehl und Getreide in den Local- und in den österreichisch-ungarischen Ver- kehren, eine Enquete von Fachmännern aus allen jenen Kronländern, in welchen diese Industrie betrieben wird, ein.

Die Hoffnungen, welche seitens der Handelskammern und der Mühlen-Indu- striellen an die Ergebnisse dieser Enquete geknüpft wurden, sind. Dank dem bereit- willigen Entgegenkommen der Österrei- chischen Transport- Anstalten, zum gröss- ten Theile erfüllt worden.

Die für den Transport von Getreide und Mahlproducten gewährten Fracht- erleichterungen im Tarif- und Rückver- gütungswege sowie die Zugeständnisse von Reexpeditions- Begünstigungen hoben die Concurrenzkraft der österreichischen Mühlen-Etablissements und setzten sie in den Stand, das Absatzgebiet ihrer Mahlproducte gegenüber fremdländischen Mühlen - Etablissements zu behaupten und zu er weitem.

VI.

Allgemeine Tarif-Massnahmen der Eisenbahnen zur Hebung

und Belebung des Güterverkehres.

Zahllos sind die Massnahmen, welche die Eisenbahn - Verwaltungen auf tari- farem Gebiete theils über Einwirkung der Regierung, theils aus eigener Initiative zur Unterstützung des vaterländischen Handelsverkehres im Laufe der ver- flossenen Jahrzehnte getroffen haben.

Diesbezüglich bedarf es nur des Hin- weises auf die in Zeiten wirthschaftlicher Nothlage gewährten Tarifbegünstigungen bis zur Grenze der Selbstkosten, des Hin- weises auf das allgemeine Streben, durch eine weit ausblickende Tarifpolitik den wirthschaftlichen Interessen des Reiches, des Landes oder einzelner Landestheile zu dienen.

Die wohlthätigen Wirkungen dieser Tarifpolitik äussern sich in hervorragen- dem Masse in der Blüthe von Handel und Gewerbe.

Die weitgehenden Tarifnachlässe, die Möglichkeit einer directen Abfertigung der Güter nicht nur nach allen österrei- chischen Stationen, sondern auch nach den meisten ausländischen Stationen, förderten wesentlich die Kaufkraft und den Unternehmungsgeist.

Mit der Errichtung von Lagerhäusern und den damit im Zusammenhange ste-

henden Reexpeditions - Begünstigungen vorerst für Getreide, später auf alle wichtigen Consumartikel ausgedehnt, wurde dem Zwischenhandel ein unschätz- barer Dienst geleistet.

Die Zulassung der Verladung von Getreide etc. in loser Schüttung, die Beförderung von Flüssigkeiten in Cister- nenwagen verliehen dem Getreideverkehre und dem Absätze von Spiritus und Petro- leum einen neuen Aufschwung.

An diese Massnahmen schliesst sich würdig eine lange Reihe von Tarif-Be- günstigungen an, wie die Einführung von Export -Tarifen nach den Hafen- plätzen der Levante, die Begünstigungen für den Triester Hafen, die Ermässigung der Malztarife im Exportverkehr, die Einführung von Sammelgut-Tarifen auf den österreichischen Staatsbahnen, die weit- gehenden Ermässigungen für österreichi- schen Zucker, für Glaswaaren, galizisches Petroleum, Spiritus und Nutzholz.

Die Grösse der für sämmtliche Waa- ren- Artikel gewährten Tarifnachlässe lässt sich am besten aus dem constanten Sinken des Durchschnitts-Ertrages pro Tonne und Kilometer ermessen, welches die nachstehende Tabelle zeigt:

Frachten-Tarife.

Die durchschnittliche Hölie der Frachten-Tarife auf den österreichisch- ungarischen Eisenbahnen vom fahre 1861 i8g^.

1

Einnahmen

Einnahmen |

LBnee Hllcr Bahn ED

Jahr

bhoeo

im

G.'"„.

otmtn.

Jal>r

gelegte

im

ToS^u. im

In*«

IMill.)

"^M^

4786

1879

18.279

[M.n., 4928-2

.Mill.Guld

- _

157 5

3 112

,86.

S.488

1128-3

1862

5-749

10848

505

4654

1880

18,196

5126 I

i6i'5

3-065

1863

5-867

1035 5 1

461

4-453

1881

1828z

56218

168-4

2997

1864

5 920

12636

542

4288

1882

18.640

6412-8

i8l'8

2766

1865

6.094

1440-9

55-4

3-844

1883

19.325

6821-2

1890

2-720

1866

5.888

14496

59'3

4-089

1884

20.409

67905

185- 1

2674

1867

6.215

1950 7 ',

75-1

3-849

1885

21-973

70600

1824

2583

1868

6,905

2556-3

93 7

3-666

1886

22,404

7-36 0

180-0

2-522

1869

7.904

26489

974

3677

18S7

23.583

7592-0

186-2

2452

1870

9.205

2526-5

980

3-878

1888

24737

85398

202-8

2-355

1871

II 764

3358-1 1

117 6

3-582

I88,j

25.649

8804-5

2128

2400

1873

13722

3257-0

116-1

3-565

,8g.

26.013

9454-9

224-1

2350

1873

15559

3600-5

132-2

3-672

1891

26,915

100845

2286

2250

187-I

16.333

36720

129-6

3-530

1892

27.18c,

98145

2242

2284

1875

16770

4322-8 1

133-9

3'094

1893

27,690

10667-2

2435

, 2-284

1876

17.473

40826

143-6

3517

1894

28 482

11335-4

256-9

2266

1877

17.466

48557

1666

3431

1895

29371

11452-1

258-5

2-257

1878

17.964

49370

i5«-7

3137

Und so vollzieht sich mit historischer |

. Nothwendigkeit auch im Eisenbahnwesen 1

derjenige Uebergang, wie ihn die Cultur-

geschichte der Völker bei anderen wirth- '

schaftlichen Entwicklungen erlebt hat. I

Neue wirth Schaft liehe Erscheinungen I haben sich, zunächst ohne die staatliche | Einwirkung, entwickelt und fortgebildet. '

Allmählich ist aber das Interesse an | denselben und an den sie begleitenden ; Eisen bahn -Tarifen so gross und allgemein geworden, dass die fernere Regelung nicht

mehr den Sonderinteressen überlassen werden konnte, vielmehr nach den Inter- essen der Allgemeinheit erfolgen musste. Miigen daher Alle, welche berufen sind, an den Tarifen werkthätig mitzU' schaffen, sich stets dessen bewusst sein, dass ein mächtiger Hebel zur Förderung des Wohlstandes des Einzelnen und der itheit in ihrer Hand ruhe, dass in hervorragender Weise beiheiligt , die Culturmission der Eisenbahn ■rmöglichen und zu verwirklichen.

Verrechnung und Abrechnung

der

Transport-Einnahmen.

Von

Franz Bauer.

DIE Verrechnung der Betriebs-Ein- nahmen der Eisen bahn- Unterneh- mungen, die Controle der Ge- bührenberechnung und der Rechnungs- legung der Stationen sowie die mit dem directen Verkehre zwischen Linien zweier und mehrerer Eisenbahnen im Zusammenhange stehende directe Ab- rechnung umfasst einen so bedeutenden Theil des executiven und administrativen - Eisenbahndienstes, dass wir in diesem Abschnitte nur in Kürze den systemati- schen Entwicklungsgang von seiner Ein- fachheit an bis zur heutigen weitver- ' zweigten Mannigfaltigkeit verfolgen wol- len. Hiebei werden wir auf die histori- sche Fortbildung des Grundlegenden und .Wesentlichen unser Augenmerk richten _und auf die Abfertigung, beziehungsweise au( die Verrechnungs- Unterlagen nur so weit eingehen können, als dies mit Rück- sicht 'auf "eine übersichtliche und allge- mein verständliche Darstellung des eigent- lichen Gegenstandes nöthig und in An- betracht des Rahmens dieses Capitels möglich erscheint.

Die Gliederung des Stoffes ist einer- seits durch den Umfang des Verkehrs- gebietes, auf das die Verrechnung im Personen- und Güterverkehr sich erstreckt sowie durch die Art der angewendeten Tarife, andererseits durch die Art der Ab- fertigung und Form der Verrechnung gegeben. Die Ausdehnung des Verkehrs- gebietes betreffend, unterscheidet man zunächst den Verkehr, der nur auf den

Linien einer Bahn Verwaltung sich bewegt, ohne solche einer anderen in Anspruch zu nehmen: den Local-Verkehr [eigenen Verkehr] ; femer den Verkehr, der auch auf Linien fremder Bahn Verwaltungen sich erstreckt: den directen Verkehr. Der directe Verkehr im allgemeinen Sinn des Wortes kann bestehen im Wagen- verkehr, in der Abfertigung, in der Tarif- erstellung oder in der Kartirung und Verrechnung der Transporte. Häufig treffen mehrere, nicht selten alle diese Factoren eines directen Verkehrs zu. Bei unseren Erörterungen beschäftigt uns der directe Verkehr zunächst nur, insoweit er auf dem letztgenannten Factor beruht, in der Folge aber auch insoferne er mit dem directen Tarife in Verbindung steht. Hin- sichtlich der directen Kartirung und Verrechnung entwickelte sich derselbe in ursprünglicher Form als Anschluss- Verkehr, während er in seinem Zu- sammenhange mit einem durch mehrere Eisenbahn-Verwaltungen vereinbarten, in allen Verkehrsbezi ehnngen geregelten directen Tarife als G e mei n s c ha ft s- oder Verband-Verkehr bezeichnet wird. Die als Nachbar-, Wechsel- oder auch künstliche Verband-Verkehre bezeichneten sind theils nur was Form der Kartirung und Verrechnung anbelangt, theils aber auch dem ganzen Wesen nach Verband -Verkehre ; letzteres trifft dann zu, wenn die hiebei in Frage kommenden Stationsbezichungen "geregelt' sind, d. h. den Verband-Vereinbarungen unterliegen.

240

Franz Bauer.

Nach Art der Abfertigung und Ver- rechnung unterscheidet man seit je her drei Haupt -Verkehrszweige : Personen-, Gepäck- und Güter-Verkehr.

Wenn auch die Form der Stations- verrechnung namentlich in den Local- Verkehren der einzelnen Bahnen eine sehr abweichende war und ist, so beruhte sie doch auf bestimmten, im Laufe der Zeit wechselnden Systemen, die mehr in ihrer Art als in dem Zeitpunkte der Einführung seitens der Eisenbahn- Verwaltungen be- grenzt erscheinen.

Wir werden dieselben schon bei Be- sprechung des Local -Verkehres bis in die neueste Zeit verfolgen, um bei den Ausführungen über die directe Verrechnung das Systematische als bekannt voraussetzen und den Zusammenhang übersichtlicher gestalten zu können.

Wie in allen Zweigen des Eisenbahn- wesens, in bau- und betriebstechnischer, in eisenbahnrechtlicher [reglementarer] und tarifarer Hinsicht auf Erreichung einer Gleichförmigkeit und Einheitlichkeit hingearbeitet wurde, um Erleichterungen im gegenseitigen Verkehre und gegenüber dem die Eisenbahn- Anstalten benützenden Publicum zu schaffen, so wurde auch hinsichtlich der Verrechnung und Ab-

rechnung der directen Verkehre in gleichem Masse als derselbe zunahm und in anderen Richtungen hiefür Möglichkeit geschaffen war, dasselbe Ziel verfolgt Die einheitliche Gestaltung, Vereinfachung und Beschleuni- gung im Geschäftsgange und eine grössere Zuverlässlichkeit der Abrechnungen wur- den durch Centralisation der einschlägigen Agenden aller Bahnverwaltungen zu er- reichen versucht und hiezu verschieden- artige Institutionen geschaffen, als: »Ge- meinschaftliches Control-Bureau der öster- reichischen und ungarischen Eisenbahnen« , »Special-Abrechnungs-Bureau für die Gemeinschafts-Verkehre«, »Ei- senbahn-Gen tral-Abrech nun gs-Bu- reaux«, »Abrechnungsstelle des Vereines Deutscher Eisenbahn- Verwaltungen«.

Die den genannten Institutionen zu- grunde gelegten Abrechnungs-Systeme die wohl in dem Clearing-Systeme der englischen Eisenbahnen ihr Ideal finden müssten, wenn in Oesterreich und Deutsch- land die ähnlichen nothwendigen Vor- bedingungen vom Ursprünge an wie dort oder überhaupt gegeben wären werden in deren Fortbildung und Entwicklung gleichzeitig mit jener der Institutionen selbst eingehende Würdigung finden.

Systeme der Rechnungslegung.

Wie wir zur Zeit des Betriebes der Linz-Budweiser Bahn durch Pferdekraft den Uebergang vom Post- zum Eisen- bahnwesen in aller äusseren Form er- kennen, so finden wir dort auch den Anknüpfungspunkt und Anfang für die administrativen Einrichtungen. Passa- giere und Gepäck wurden gleichzeitig mit der Fahrkarte abgefertigt, indem ein Zettelbillet : »Karte zur Fahrt mit dem Eisenbahnstell wagen« ausgegeben wurde, das durch Einschreibung der Ausgangs- und Endstation, der Abfahrtszeit, des bezahlten Preises für die Fahrt und für das Uebergewicht des Reisegepäcks von Fall zu Fall auszustellen war. An der Ecke links war die Wagenclasse, rechts die Einschreibnummer anzusetzen. Passa-

giere und Gepäck wurden auch unter fortlaufenden Post- [»Einschreib«-] Num- mern in ein bei jeder Station aufliegen- des Buch [Journal] eingetragen und ebenso die mit dem »Frachtbriefe« zur Beförderung aufgegebenen Waaren. Der »Frachtbrief« hat allerdings auf seiner Wanderung vom Strassenfuhrmanne bis zum »Expeditor« manche Wandlung seines Wesens vollzogen, indem er aus einer primitiven Factura nebst einem j Briefe, von dem diese gewöhnlich be- ' gleitet war [daher der Name Frachtbrief], bald zu einem »officiellen« wurde, mit dem geläufigen: »Sie empfangen . . . . auf Grund der Bestimmungen der be- züglichen Kundmachungen.« Auch dieser wurde unter einer fortlaufenden »Post-

Verrechnung und Abrechnung.

Nummer« eingetragen, die uns nicht selten auch heute noch als Bezeichnung für die Frachtbrief- Nummern begegnet. Für den Sachen transport mit Personen- oder Güterzügen werden durch die Stations-Expedite Begleitkarten auf den hiezu entsprechend eingerichteten For- mularien ausgestellt, die früher bei allen Bahnen streng verrechenbar waren und theilweise noch sind. Fahrbillette

diesem Verkehrszweige der Billetten-Ge-

barungsausweis [Scontro] als Grundlage für die Rechnungslegung.

Als erstes Stadium der S3'stema tischen Entwicklung kann die auf Grund der Journalisirung eingerichtete tägliche Rechnungslegung der Stationen bezeichnet werden, während der Ueber- gang zur monatlichen Rech- nungslegung im Allgemeinen als

und Begleitkarten bilden einerseits die Grundlage für die Stations-E.xpedite und fiir die ersten Aufschreibungen in den Geschäftsbüchern [Protokollen, Journalen], andererseits für die Rechnungslegung und deren Controle.

Bald nahm man von der fall weisen Aus- stellung der Eisen bahn- Fahrkarten [vgl, Abb]. 82 sowie deren Eintragung in ein Pro- tokoll Umgang und legte mit dem Stations- namen bedruckte Zettelbilletle auf, die den Personenexpediten nach Bedarf gegen Verrechnung zugewiesen wurden. An Stelle des Protokolls trat mithin in

zweites Stadium anzusehen ist. Bald nach der Einführung des letzteren Sj'Stems begann man nach Mitte der Sechziger- Jahre die Journalführung theilweise auf- zulassen und das Copir verfahren als Unterlage für die Geschäflsgebarung der Stationen einzuführen.

Das Controlwesen hatte gleichzeitig mit dem Werden dieses Systems eine Erweiterung und eine der heutigen im Wesentlichen ähnliche Einrichtung er- halten.

In formeller Hinsicht müssen wir noch die Rechnungslegung im A n- 16

242

Franz Bauer.

Schluss verkehre, die mit dem Jahre 1853 eintrat, sowie jene im Verband- verkehre hervorheben. Letztere kam für den ausländischen Verkehr im Jahre 1864, für den inländischen im Jahre 1871, und zwar bezüglich des Versandt- verkehres als stations- und routenweise Rechnungslegung zur Einführung. Erst nach vielen Bemühungen gelang es im Jahre 1881 eine, auf Grund gleich-

artiger Rechnungsformularien bei allen Österreichischen und ungarischen Eisen- bahnen conforme bei der Versandt- und Empfangsbahn stationsweise gruppirte einheitliche Verrechnung zu erzielen. Die Scheidung der Verrechnung von Civil- und Militärgütem wurde gleich- zeitig allgemein durchgeführt, nachdem schon früher jene zwischen Eil- und Frachtgütern bewirkt war.

Organisation des Rechnungsdienstes im Allgemeinen.

Bevor wir auf die Verrechnung im Localverkehre der einzelnen Bahnen eingehen, haben wir noch über die bezüglichen Dienstesvorschriften und In- structionen sowie über die Organisation des Rechnungsdienstes Einiges voraus- zuschicken.

Die Verfügungen betreffs der Mani- pulation, Rechnungslegung und Gassa- gebarung in den Stationen der a. priv. Kaiser Ferdinands - Nordbahn wurden seitens der Direction mit Circularien und Dienstvorschriften erlassen ; mit den Durch- führungs-Bestimmungen sowie mit der Ueberwachung der Durchführung waren die Haupt- und Oberexpedite betraut. Nach Uebernahme des Betriebes der nördlichen k. k. Staatsbahnen wurden diese Verfügungen nebst jenen für andere Dienstzweige im Jahre 1846, einheitlich formulirt, als Instruction herausgegeben, die im Wortlaute auch für die eigenen Linien giltig und noch im Jahre 1854 in Wirksamkeit war.*) Den Bestim- mungen derselben entsprechend, waren die täglichen Abschlüsse für die Stations- rechnungs - Gebarung sowie die täglich eingegangenen Geldbeträge an die Ober- expedite einzusenden, denen auch die Dotation der Stationen mit Fahrkarten und streng verrech enbaren Drucksorten, die Controle der richtigen Verwendung und Gebarung sowie der richtigen Ge-

*) Instruction der a. priv. Kaiser Ferdi- nands-Nordbahn als Betriebs-Unternehmung der nördlichen k. k. Staatsbahn, Wien, 31. März 1846. Amtsunterricht der k. k. Be- triebs-Direction der nördlichen k. k. Staats- bahn vom Jahre 1850; Instruction der a. priv. Kaiser Ferdinands-Nordbahn vom Jahre 1854.

bührenbemessung und Rechnungslegung, endlich auch die Gebarungsnachweisung gegenüber den Hauptexpediten oblag.

Bei der Wien-Gloggnitzer Bahn er- gingen die bezüglichen Verfügungen im Wege der hiezu berufenen Directions- Abtheilung an die Stationen. Bei Ueber- nahme des Betriebes der Linie Mürz- zuschlag-Graz der k. k. südlichen^ Staats- eisenbahnen wurde in Graz eine Direc- tions- Abtheilung mit gleichem Wirkungs- kreise bestellt, bis mit l. Januar 1852 die Betriebsführung durch den Staat und die Einsetzung einer Betriebs-Direction erfolgte.

Betreffs der aus dem Staatseisenbahn - Betriebe sich ergebenden Rechnungs- gebarung wurde mit Erlass des Handels- ministeriums vom 17. April 1850, Zahl 1268, eine »Geschäftsvorschrift für die der k. k. General-Direction für Communicatio- nen zur Seite stehenden administrativen Abtheilungen des Rechnungs - Departe- ments des k. k. Ministeriums für Handel, Gewerbe und öffentliche Bauten« gegeben, die [im Abschnitte IV, § 19] anordnete, dass über die Gebarung bei den Be- triebs - Directionen*) folgende Ausweise vorzulegen sind:

1. Monatsjournale der Betriebs-Direc- tions-Gassen.

2. Detail-Rechnungen der einzelnen Eisenbahn-Stationen über : Personen- und Fr achten verkehr nach allen Stationen nebst den durch die Rechnungsabtheilung der Betriebs-Direction zu liefernden Zu-

*) Zunächst war mit Erlass, Zahl 1244, vom 24. April 1850 jene zu Prag am l. Mai 1850 eingesetzt worden.

Verrechnung und Abrechnung.

243

sammenstellungen für alle Stationen in eine Hauptübersicht.

3. Jährliche Verwendungsausweise über Fahrkarten und Controlpapiere sowie über deren Verbrauch und Vor- rath sowohl bei den Stationen als bei den Betriebs-Directionen.

Die auf solche Weise verfassten, an die vorbezeichneten Rechnungsabthei- lungen gelieferten und geprüften Ge- barungsausweise waren der Cameral- Hauptbuchhaltung als letzter Instanz ein- zusenden.

Im Sinne des § 8 eines für die Eisen- bahn-Betriebs-Direction in Prag erlassenen »provisorischen Amtsunterrichtes«*) über die Gebarung im Stationsrechnungs- und Cassendienste hatte diese über die richtige Einhebung, Verrechnung und Abfuhr der Einnahmen, über gehörige Bestreitung und Verrechnung der Aus- gaben unter Anwendung der vorge- schriebenen Controle zu wachen. Monat- lich war am 15. eine Uebersicht über die Einnahmen und Ausgaben des letzt- verflossenen Monates an die k. k. General- Direction für Communicationen einzusenden und hiezu

•) Handelsministerial-Erlass, Zahl 1179, vom 17. April 1850.

1. ein Hauptjoumal fiir Cassagebarung,

2. ein Fahrkarten-Hauptbuch,

3. ein Hauptbuch über streng verrechen- bare Controlpapiere zu führen.

Die Betriebs - Directions - Cassa hatte alle Geldabfuhren der Stations-Cassen entgegen zu nehmen ; die Tagesrechnun- gen der Stationen waren jedoch an die, der administrativen Rechnungsabtheilung der k. k. General-Direction direct unter- stellte Betriebs-Directions-Rechnungsab- theilungen einzusenden, insolange nicht die »Central-Buchhaltung« [mit i. Januar 1853] geschaffen war.*)

Die interne Gebarung der Stationen im Manipulations- und Verrechnungs- dienste wurde im Uebrigen so aufrecht belassen, wie es die Instructionen der a. priv. Kaiser Ferdinands-Nordbahn bis- her vorgeschrieben hatten.

Bei den übrigen Bahnverwaltungen wurden ebenfalls Rechnungsabtheilungen [Controlbureau, Betriebseinnahmen-Con- trole] zur Prüfung der Transportgebühren und der Stations-Rechnungslegung ein- gerichtet. Die Abfuhren der Einnahmen wurden theils direct an die Haupt- oder Betriebscassen, theils durch die Stations- cassen an letztere bewirkt.

•) S. Seite 249.

I. Local-Verkehr.

/. Tägliche Stations-Rechntmgs-

legung.

Die Abfertigung der Passagiere er- folgte mit Zettelbilletten, die bis zum Jahre 1860 fast ausschliesslich im Ge- brauch standen. Sie wurden meist in ganzen Bogen verabfolgt, theils auch in Päckchen zu 100 Stück; die Fahrkarten waren vor Verabfolgung an die Passa- giere mit einem feuchten Zugstempel, der Datum, Zugnummer und einen ge- wöhnlich täglich wechselnden Control- Buchstaben enthielt, abzustempeln. Bald wurden auch Karten für gemischte Züge [Lastzüge mit Personenwagen] sowie für Schnellzüge und durch Coupons oder ent- sprechenden Druck für Tour- und Retour-

Fahrten eingeführt. Obwohl bei meh- reren Bahnen in Deutschland schon vor dem Jahre 1848 die in England ziemlich allgemein im Gebrauche stehenden Edmon- son'schen Cartonbillette in Verwendung waren und der Generalversammlung des Vereins deutscher Eisenbahn-Verwaltun- gen zu Wien 1849 schon der Antrag auf allgemeine Einführung solcher Fahrkarten bei allen Vereinsbahnen vorlag [der An- trag wurde abgelehnt], vollzog sich der Uebergang von den Zettel- zu den Carton- Billetten so langsam und allmählich, dass die ersten Sechziger-Jahre nur im Allge- meinen als Grenze bezeichnet werden können.

Schon in den Vierziger-Jahren be- standen manche Einführungen zur Be-

16*

244

Franz Bauer.

quemlichkeit des Publicums. So konnten in den Stationen Wien, Baden und Glogg- nitz gegen vorhergegangene Anmeldung und Vorausbezahlung von wenigstens acht Billetten I. Classe Coup6s bestellt werden, wobei jedoch die Anzahl der Reisenden jene der bezahlten Plätze nicht übersteigen durfte. Femer war ausser dem in Wien [Riemerstrasse] bestandenen Speditions- bureau ein Stadtbureau [Wollzeile, Dom- herrenhof] für die Passagier-Aufnahme eingerichtet, wo am Tage vor der Reise Fahrbillette zu erhalten waren; unter Anderen direct nach Krakau, Ratibor, Kosel und Breslau. Hier konnten auch Coupes und Salonwagen für die Strecken der Kaiser Ferdinands-Nordbahn und nörd- lichen k. k. Staatseisenbahn bestellt wer- den; für ganze Coupes mussten bei der Kaiser Ferdinands-Nordbahn sämmtliche, bei der k. k. Staatsbahn nur dreiviertel der Plätze bezahlt werden, während für Salonwagen bis zu einer Entfernung von vier Meilen mindestens i8 und bei grösseren Entfernungen mindestens 12 Fahrkarten erster Classe zu lösen waren.

Für die Verbindung zwischen Glogg- nitz und Mürzzuschlag war ein Lohn- wagendienst unter Aufrechthaltung der Zugsanschlüsse in Gloggnitz und Mürz- zuschlag eingerichtet; die Gebühren für die Lohnfuhr über den Semmering konnten in allen grösseren- Stationen der Wien- Gloggnitzer und der südlichen Staats- bahnen entrichtet werden. Kleine Ge- päcksstücke zusammen im Maximal- gewichte von 40 Pfund durften unter eigener Aufsicht mitgenommen werden, während etwaiges sonstiges Reisegepäck als solches bei den Gepäcks-Expediten aufzugeben war. Die abfertigenden Eisen- bahn-Stationen gaben für die Beförderung per Achse über den Semmering die ent- sprechenden mit der Bahnfirma und Aus- gabestation bedruckten Fahr- und Gepäck- Anweisungen aus, die von der Lohnfuhr- Unternehmung eingezogen wurden und als Abrechnungsbeleg gegenüber der Eisenbahn-Unternehmung dienten. Auf gleiche Weise konnte seitens der Eisen- bahn-Expedite die Abfertigung über den Semmering mit der k. k. Post erfolgen. Dagegen war auch die k. k. Eilpost-

Expedition in Wien ermächtigt, unter Anderem für die Eisenbahn-Strecken Wien- Gloggnitz und später Mürzzuschlag-Graz- Cilli, Reisende gegen Erlag ein^ Ein- schreibegebühr von 10 kr. C.-M. und der für die zu benützenden Eisenbahn-Strecken und Wagenclassen entfallenden Gebühren aufzunehmen, wofür der Reisende einen ent- sprechend ausgefertigten »Postaufnahme- Schein« erhielt, der beim Eisenbahn- Expedite gegen Ausfolgung der Fahr- karten abzugeben war und hier wieder der Abrechnung des Eisenbahn-Expedites mit der zuständigen Verwaltung, be- ziehungsweise mit dem k. k. Postärar als Grundlage diente.

Die Evidenzführung und Verrechnung der Fahrbillette erfolgte auf Grund der hiezu bestimmten Gebarungs-Aus- weise und der für die Rechnungs- legung als Unterlage dienenden Scontro- Bücher. In einem Hilfs-Scontro war die Nach Weisung der verkauften Billette nach Abfahrt eines Zuges nebst dem Erlöse auszuweisen und nach Abgang des letzten Zuges der Tagesabschluss zu machen, der einerseits in das Monats-Journal, an- dererseits in die Stations-Tagesrechnung summarisch übertragen wurde. Mit dem ersten Zuge des nächsten Tages wurde die Tagesrechnung nebst den eingegangenen Geldbeträgen an das Oberexpedit und später unter dem Staatsbetriebe an die Betriebs - Directions - Rechnungs - Abthei- lung, beziehungsweise an die Betriebs- Directions-Cassa übermittelt. Mit Ende des Monats war das Monats-Joumal ab- zuschliessen, aus dem Billetten-Scontro stationsweise ein Summarium, ferner ein Billetten-Gebarungs- Ausweis zu ver- fassen und sämmtliche Documente an die vorbezeichneten Dienststellen ein- zusenden.

Die Rechnungsunterlage für die Ver- rechnung von Reisegepäck, Equi- pagen, Pferden und Hunden war das Ciepäcks-Registcr; es bestand aus einer Anzahl von Juxten und den zuge- hörigen Recepissen, die mit Control- Nummern versehen waren. Sobald das Gepäck abgewogen war, mussten die Transport- und Assecuranz-Gebühren mit der forllaufenden Post-Nummer, sowohl in das Aufgabs- Protokoll und Gepäcks-

Verrechnung und Abrechnung.

245

Register, als auch in das der Partei auszufolgende Recepisse eingetragen werden.

Die Absender von Equipagen, Pferden und Hunden waren mit Namen einzu- tragen. Gepäck, Hunde, Pferde und Equi- pagen wurden mit Gepäckskarten abge- fertigt und auf Gnmd dieser Rechnungs- belege dem Gepäcks - Conducteur über- geben, der seinerseits das Gepäcks- Protokoll zu unterfertigen hatte.

Für die vorgenannten Sendungen mussten die Gebühren bei den Aufgabs-

werden. Das war mit Ta-

Expediten erlegt [frankirt Gepäck- Aufgabe-Protokol gesschluss gleichwie das Billetten-Scon- tro-Buch abzuschliessen, das Ergebnis unter jenes für Personen in die Tages- rechnung einzustellen und diese an die Controlstelle einzusenden. Gleichzeitig hatte auch die Geldabfuhr wde jene für den Personen- Verkehr zu erfolgen. Die Uebergabe der mit Personenzügen ab- gefertigten Sachentransporte und der be- treffenden Documente hatte in der Be- stimmungsstation durch den Gepäcks- Conducteur an den Expedit-Beamten statt- zufinden, dem es oblag, die Richtigkeit genau zu prüfen, die Uebemahme in der Gepäckskarte zu bestätigen und allfällige Abgänge oder Beschädigungen daselbst anzumerken.

Das gegen Recepisse ausgefolgte Ge- päck war in das Abgabs- Protokoll einzu- tragen und die Gepäckskarte der Tages- rechnung anzuschliessen.

Die Eilgüter Abfertigung und Beför- derung erfolgte vom Beginne des Eisen- bahn-Betriebes an au3schliesslich nur mit Personen-, später mit gemischten, Eil- fracht- und Eilgüter-Zügen; dement- sprechend sind die einschlägigen Vor- schriften stets im Zusammenhang mit jenen über Personen- und Gepäck- Abfertigung und -Verrechnung gegeben.

Was die formelle Abfertigung mit Eilgut - Frachtbriefen und Eilgut - Karten betrifft, erschien es zweckmässig, dieselbe mit der conformen Abfertigungsart im Frachtgüter-Verkehre gleichzeitig zu besprechen.

Die bis zum Jahre 1860 im Wesent- lichen massgebenden bezüglichen Vor- schriften über die Manipulation und

Verrechnung der Einnahmen für den Personen- und Waaren-Verkehr enthalten folgende wesentliche Bestimmungen :

Die Aufnahme der Eilgüter hatte spätestens eine Stunde, jene der Fracht- güter spätestens zwei Stunden vor , Abgang des Zuges zu erfolgen, mit dem die Beförderung bewirkt werden sollte. In beiden Fällen mussten Frachtbriefe beigebracht werden, welche die in den jeweilig giltigen Kundmachungen ge- forderten Angaben [Clausel] ausdrücklich zu enthalten und auch der allgemein geforderten Form [die später officiell aufgelegt wurde] zu entsprechen hatten. Nachdem etwa nöthig erachtete Er- klärungen der Partei hinsichtlich mangel- hafter Verpackung oder Uebergabe zum Transporte auf eigene Gefahr veranlasst und seitens des Aufgebers handschriftlich diu-chgeführt waren, wurde im Frachtbriefe die Classification der Waaren [bei Eilgut die Angabe ob voluminös] und die Be- rechnung der Transport- und Assecuranz-, eventuell auch der Neben-Gebühren vor- genommen und specificirt eingetragen. Sodann war der Partei ein Aufnahms- schein, und zwar, wenn die Gebühren für die Sendungen frankirt wurden, auf roth- gedruckten, wenn Überwiesen, auf schwarz- gedruckten Formularien einzuhändigen ; die Angaben sowie die Gebühren waren aus dem Frachtbriefe in das monatlich mit Post-Nummer i beginnende Aufgabs- Protokoll [Journal] nach Massgabe der vorgesehenen Rubriken einzutragen. Die Protokoll-Nummer war im Frachtbriefe an- zusetzen. Auf Grund des letzteren w-aren Begleitkarten auszufertigen, die nebst Frachtbrief und anderen auf diesen ver- merkten Documenten dem Zugsmani- pulanten gegen Bestätigung im Protokolle übergeben wurden.

Eingehobene Fracht- und andere Ge- bühren wurden, im Falle die Partei das Gut zurücknehmen wollte, nicht zurück- erstattet, ausgenommen den Fall, dass die Beförderung seitens der Bahn nicht ausführbar gewesen wäre.

In der Abgabsstation war zunächst bei Uebernahme der gehörige Zustand der Güter, deren Vollzähligkeit und Ueber- einstimmung mit den Begleit-Documenten zu prüfen, sonach der Befund in die

246

Franz Bauer.

Frachtkarte einzutragen. Nun erfolgte auch die Verrechnung bei der Abgabs- station durch Eintragung in das Eilgüter-, beziehungsweise Frachtgüter - Protokoll [Journal], wobei besonders darauf Rück- sicht zu nehmen war, ob die Gebühren frankirt [und in welchem Betrage frankirt] oder überwiesen waren. Die Adressaten mussten durch Zusendung der Frachtbriefe,

falls eine zollämtliche Amtshandlung nöthig war, durch ein schriftliches Aviso,

vom Anlangen der Sendungen ver- ständigt werden.

Die Waaren durften nur gegen einen bestätigten Abgabsschein und allenfalls erst nach Durchführung der Verzollung aus den Magazinen ausgefolgt werden. Als Abgabsscheine waren bei frankirten Frachtgebühren solche mit rothem, bei [auch nur theilweise] überwiesenen Ge- bühren solche mit schwarzem Drucke zu verwenden.

Wurden Eilgüter binnen zwei Tagen, Frachtgüter binnen fünf Tagen nicht be- zogen, so war für die weitere Zeit der Lagerung der tarifmässige Lagerzins zu entrichten.

Jedes Stations-Expedit hatte die mit Frachtkarten belegte Tagesrechnung und die als Frankaturen oder sonst als be- sondere Gebühren bei der Güter- Aufgabe eingehobenen Beträge, ebenso die ange- wiesenen Gebühren und sonst im Güter- Empfänge eingegangenen Beträge eben- falls mit der Tagesrechnung an das Oberexpedit [Rechnungs-Abtheilung, be- ziehungsweise Betriebs-Directions-Cassa] einzusenden. Die Aufgabs- und Abgabs- Tagesrechnungen bestanden aus einer Nach Weisung der ausgefertigten und der eingelangten Güterkarten unter Angabe von : Nummer, Datum, Gewicht, ver- rechneter Frankatur, Nachnahme im Vor- hinein und nach Eingang, endlich Ueber- weisung und Abgabs - Nebengebühren. Beim Abgabs- Expedite für lagernde Güter nachträglich eingegangene Gebühren waren am Tage der Einhebung in die Tagesrechnung einzubeziehen. Die in den Protokollen [Journalen] der Aufgabs- Expedite ausgewiesenen Beträge an Fran- katuren [Belastung], Nachnahmen im Vor- hinein [Entlastung], femer die in jenen der Abgabs-Expedite verrechneten Gesammt-

Ueberweisungen [Belastung] mussten mit den bezüglichen Summen der Tages- rechnungen übereinstimmen. In Abfuhr gebrachte Geldbeträge waren in einer Consignation für den Gebrauch des Expe- dites vorzumerken.

2. Monatliche Stafions-Rechnungs-

legung.

Der Uebergang von der täglichen zur monatlichen Rechnungslegung vollzog sich allmählich bis gegen die Mitte des sechsten Decenniums. Die Eisenbahn- Verwaltungen sahen sich vom praktischen Standpunkte der Controlmassnahmen veranlasst, von der täglichen Einsendung der Stations- Rechnungen [Tagesausweise] sowie der CassenbeständeUmgang zu nehmen und an- zuordnen, dass die Billetten-Gebarung und die eingegangenen Fahrgebühren in einem entsprechend eingerichteten, neben dem Billetten-Haupt-Scontro zu führenden Billetten-Hilfs-Scontro täglich nachge- wiesen und summarisch hinsichtlich Ge- sammtzahl der verkauften Billette und der eingehobenen Beträge in ein Monats- Protokoll [-Journal], und gleichzeitig auch, bezüglich der eingegangenen Beträge, in einen Cassagebarungs- Aus weis [Stations- Cassa-Journal, Belastungs- und Ab- stattungs-Ausweis] übertragen werden. Mit Monatsschluss war aus dem Billetten- Scontro ein nach Stationen, Zugsgattungen und Classen gesondertes Summarium zu verfassen, das den Vorrath vom Vormonate, den Verbrauch während des Monates an ganzen, halben und verdorbenen Fahr- karten nebst den hiefür zu verrechnenden Geldbeträgen, ferner den für den nächsten Monat verbleibenden Vorrath nachzu- weisen hatte. Nachdem sich der Rech- nungsleger die Ueberzeugung verschafftfe, dass die im Monats - Protokolle im Cassagebarungs-Ausweise und im Sum- marium ausgewiesenen Geldbeträge über- einstimmen, waren die bezeichneten Rechnungs - Documente als Monatsrech- nung unter Anschluss der verbliebenen halben und verdorbenen Billette an die Controlstelle einzusenden.

Die hinsichtlich der ausgefertigten Gepäck-, Eilgüter- und Fracht-

Verrechnung und Abrechnung.

247

güter-Karten geführten Protokolle [Journale] waren ebenfalls täglich abzu- schliessen; nachdem auf Grund der Protokolle die Eintragungen in die Mo- natsrechnungen gemacht waren, mussten die Tagessummen ermittelt und nach deren gegenseitiger Uebereinstimmung in eine Recapitulation übertragen werden. Die für Gepäck u. s. w. eingehobenen Gebühren, beziehungsweise die im Eil- und Frachtgüter-Verkehre als Franka- turen ermittelten Summen, waren nach Tagesrechnungsschluss in die Cassen- gebarungs-Ausweise für die betreffen- den Verkehrszweige als Belastung und die ausbezahlten »Spesen im Vorhinein« als Entlastung [Abstattung] einzustellen. Bezüglich der im Eil- und Frachtgüter- Empfangs-Verkehr in den Abgabs-Pro- tokollen [Journalen] ausgewiesenen ange- kommenen Güter waren ebenfalls die täglichen Eintragungen in die bezüg- lichen Monats - Rechnungen und Re- capitulationen sowie in die Cassage- barungs-Ausweise zu machen. In diese war die Summe der nicht frankirten Fracht-Gebühren, der Nachnahmen im Vorhinein und nach Eingang sowie der in den Karten verrechneten Ab- gabs-Nebengebühren als Belastung ein- zustellen.

Die in den Güterkarten nicht ver- rechneten und in der Abgabsstation nach- träglich eingehobenen Nebengebühren [Waaggebühr, Lagerzins] waren am Tage der Einhebung derselben in die Proto- kolle, Monats- und Cassengebarungs- Ausweise einzustellen. Bei richtiger Rech- nungs- und Gassen gebarung mussten die Endsummen der Recapitulation und des Cassengebarungs-Ausweises in den Ru- briken Ueberweisung und Belastung voll- kommen übereinstimmen.

In die letztgenannten Ausweise waren auch Gebarungen aus anderem Titel, [Cassaverläge, Mängelsbeträge] entspre- chend als Belastung oder Entlastung einzustellen. Die Geldabfuhren waren nach den durch die Directionen ge- gebenen Vorschriften zu bewirken und die in Abfuhr gebrachten Beträge von Fall zu Fall in die Geldgebarungs- Aus weise als Entlastung [Abstattung] ein- zustellen. Mit Ende des Monates waren

dieselben in allen Th eilen abzuschliessen und der verbleibende Cassarest in die Ausweise für den nächsten Monat als abzuführender Cassarest in die Rubrik Abfuhren aufzunehmen und mit in Abfuhr zu bringen.

Gegen Ende der Fünfziger-Jahre war in der Kartirung eine Vereinfachung dadurch erzielt, dass die Güterkarten mit mehreren [10 12] Horizontalzeilen ausgestattet wurden, wodurch die Ein- tragung mehrerer Sendungen die zur Beförderung mit dem gleichen Zuge nach derselben Station bestimmt waren, in eine Karte ermöglicht wurde. Doch mussten auch hiebei die Daten posten- weise nach den Frachtbriefen in das Aufgabs-Protokoll [Journal, Copirbuch] eingetragen werden, und lag in dieser Richtung ein Vortheil gegen früher wohl darin, dass nur die Endsumme nicht aber die einzelnen Posten [Briefe] der Güterkarten in die Rechnungen zu über- tragen waren.

). Einführung von Gopten der

RechnungS' Unterlagen und Auflassung

der Protokolle [Journale],

Die Manipulation der Stations-Expe- dienten war eine ziemlich langwierige und verzögerte namentlich in grösseren Stationen bei Zunahme des Güterver- kehres durch die vor Abgang des Zuges bedingte Eintragung der Frachtbriefe in die Protokolle, beziehungsweise der Be- gleitkarten in die Güterversandt-Rech- nung nicht selten die Expedition. Um diesem Uebelstande abzuhelfen, wurde gegen Mitte der Sechziger - Jahre zu- nächst in grösseren Stationen zu dem Auskunftsmittel gegriffen, die Güter- karten mit Copirtinte zu schreiben und hievon eine Gopie als Rechnungs-Unter- lage zunächst für die Aufgabs-Station, später je eine Gopie für die Aufgabs- und Abgabs- Station anzufertigen. Hie- durch war die Eintragung in die Proto- j kolle [Journale] ganz entbehrlich und die Auflassung dieses Systems ermöglicht, da die Karten-Copie als Unterlage für die Stations-Rechnung dienen konnte. Die

248

Franz Bauer.

Original- Frachtkarte und eine Güter- karten-Copie begleiteten das Gut und wurden nebst dem Frachtbriefe gleich - massig abgestempelt. Seitens der Em- pfangs-Station waren im Falle von Be- richtigungen des Frachtbriefes sowohl die Originalkarte als Copie überein- stimmend richtig zu stellen. Während die Originalkarte an die Controlstelle eingesendet wurde, verblieb die Copie als Beleg an Stelle des Abgabs-Proto- koUs in der Station.

Wenn auch dieses Verfahren als vortheilhaft sich erwies, war doch die Aus- fertigung des Aufnahmsscheines [Aufgabs- Recepisses] für sich eine Arbeitserschwer- nis, die zunächst bei der Gepäcks- Abfer- tigung dadurch beseitigt wurde, dass die Gepäck-Scheine in- zwei übereinander- liegenden, im Drucke sich vollständig deckenden Blättern aus dünnem Papiere aufgelegt wurden. Durch dazwischen gelegtes Indigopapier erhielt man bei der Ausfertigung gleichzeitig eine Copie, ein Vorgang, der bekanntlich noch heute in Uebung ist. Das eine diagonal durchstri- chene Blatt dient als Abrechnungs- Unter- lage, das andere ist dem Passagier gegen Erlag der Gebühren einzuhändigen. In ähnlicher Weise werden für Thierbegleiter- Certificate zwei Blätter, für Civil-Trans- porte vier Blätter: Anmeldung, Bestäti- gung, Begleitschein und Abgabsschein; für Militär- Transporte : Anmeldung, Be- stätigung, Begleitschein und Transport- * schein, endlich für Eil- und Frachtgüter- Karten ebenfalls vier Blätter aufgelegt : das erste als Verrechnungs-Unterlage für die Versandt-Station, das zweite als Original- Begleitkarte, das dritte als Karten-Copie für die Abgabs-Station, das vierte als Aufnahmsschein zur Einhändigung an die Partei.

Im Local-Güterverkehre wurden ur- sprünglich seitens jeder Versandt-Station alle Empfangs-Stationen, ebenso seitens jeder Empfangs-Station alle Versandt- Stationen nur in eine Monatsrechnung aufgenommen. Als mit der Zunahme des Verkehrs und insbesondere, wenn eine grosse Anzahl von Stationen in gegenseitige Verrechnung trat, immer mehr Schwierigkeiten bei der Rechnungs- Controle und bei Herstellung der Ueber-

einstimmung zwischen den Gesammt- summen des Versandt- und Empfangs- Verkehrs sich einstellten, theilte man die Stationen in Gruppen ein, zwischen welchen die Rechnungen gesondert zu führen waren. In der Folge wurde bei den meisten Eisenbahn - Verwaltungen auch im Local- Verkehre die stationsweise Rechnungslegung sowohl im Güter- Versandt- als im Güter-Empfangs- Ver- kehre eingeführt.

Wir betonen nochmals, dass wir hier nur das typisch gewordene in der Stations- Rechnungslegung besprochen und auf die vielen Einzelnheiten und Abarten nicht eingehen konnten, weil bei dem Umstände, dass selbst die Uebergänge von System zu System in langen Zeiträumen sich vollzogen, ein weiteres Eingehen das ohnehin schwer festzuhaltende Bild der Entwicklung des Verrechnungswesens nur verwirrt hätte.

Eine weitergehende Ausnahme von dem zuletzt ausgebildeten Systeme der Stations-Rechnungslegung zeigt sich bei der k. k. priv. Südbahn - Gesellschaft, wo im Jahre 1860 von der monatlichen Rechnungslegung zur täglichen über- gegangen wurde,*) die auch bis jetzt bei- behalten blieb. Femer besteht im Local- Güterverkehr der k. k. priv. Oester- reichischen Nordwestbahn ein ganz ab- weichendes Kartirungs verfahren.**)

Die Prüfung der Rechnungslegung der Expedite seitens der hiemit betrauten Controlstellen erfolgt durch Vergleich der laut Gassen - Gebarungs - Ausweisen in Empfang gestellten, beziehungsweise in Abfuhr gebrachten Gelder und Werth- papiere mit den auf Grund der revidirten, beziehungsweise richtiggestellten Stations- Rechnungsunterlagen und Rechnungen sich ergebenden Summen an Belastung und Entlastung. Hiebei entdeckte Diffe- renzen sind entweder durch Gebühren- Berechnungs- oder durch Rechnungs- mängel zum Ausgleiche zu bringen. [Ersatz- oder Guthabenmängel.]

♦) Circulare Zahl 7856 vom 20. Juni 1860.

**) Näheres darüber enthält j^Der ver- einfachte Eisenbahndienst«, vonM. A. R eit- ler, Betriebsdirector- Stellvertreter der k. k. priv. österreichischen Nordwestbahn. Wien, 1878. Lehmann und Wentzel

Verrechnung und Abrechnung.

249

IL Der Anschluss -Verkehr.

/. Reclmungslegmig.

Wie bei der Personen -Gepäck- und Güterbeförderung eine Vereinfachung darin gefunden wurde, dass das Umsteigen, beziehungsweise Umladen in den Ueber- gangsstationen von Linien einer Bahn- verwaltung auf die einer zweiten, dritten u. s. w. durch die Ermöglichung des directen Verkehrs der Wagen vermieden wurde, so suchte und fand man auch Mittel, die Verrechnung durch Ausgabe directer Billette und durch directe Kar- tirung von Gepäck-, Eil- und Fracht- Sendungen zu ermöglichen. Zunächst wurden zwei Begleitkarten ausgefertigt, deren eine in der Uebergangsstation ein- gezogen wurde, während die zweite das Gut bis zur Endstation begleitete; hier- über konnte in ganz einfacher Weise mit der anschliessenden Bahn Verwaltung ab- gerechnet werden. Im Jahre 1853 trat in der Abfertigung mit Begleitkarten und gleichzeitig in der Einrichtung für die gegenseitige directe Abrechnung eine Vereinfachung ein.

Auf Grund eines vom i. Januar 1853 in Wirksamkeit getretenen Erlasses des österreichischen Handelsministeriums [Zahl 21 17 H.-M., Communicationen] vom 14. November 1852 wurde die Cen- sur der in den verschiedenen Zweigen der Staats-Communications- Anstalten zu legenden Rechnungen bei einer Central- Buchhaltung vereinigt und dieser die gegenseitige Abrechnung zwischen den verschiedenen österreichischen Staats - eisenbahnen untereinander und zwischen diesen und den mit ihnen im Verkehre stehenden fremden [Privat-] Bahnen über- tragen. Die bisher übliche Zurechnung der Bahnämter an die Directions-Cassen wurden eingestellt und den Staatseisen- bahn-Aemtern die selbständige Rech- nungslegung nach den Bestimmungen einer gleichzeitig ausgegebenen Cassa- Instruction übertragen; hiefür wurde ein Gebarungs - Ausweis formulirt, dessen letzter Theil.die »Gebarung der Mani- pulations- Abtheilungen« [Personen, Ge- päck, Eilgüter, Frachten] umfasste und

auch die für die einzelnen Linien der k. k. Staatsbahnen und der Privat- bahnen eingehobenen, beziehungsweise in Anrechnung gebrachten Gebühren auszuweisen hatte. Gleichzeitig wurde an- geordnet, dass bei Versendung von Ge- päck, Eilgütern und Frachten an Stelle zweier in Hinkunft immer nur eine Karte auszufertigen sei, deren Formulare für die verschiedenen Arten der Abfertigung festgestellt wurden. In den Journalen, Begleitkarten, Tagesrechnungen u. s. w. waren die für die fremden Bahnlinien [Bahnverwaltungen] eingehobenen oder einzuhebenden Gebühren, der neuen Verrechnungsart entsprechend, nachzu- weisen.

Hiemit war die eigentliche Grund- form der directen Kartirung und Ver- rechnung, der Anschluss-Verkehr, gegeben sowie die directe Abrechnung angebahnt, wenn auch vorerst in der einfachsten Weise, da nur die Linien der k. k. österreichischen Staatsbahnen und jene der Kaiser Ferdinands-Nord- bahn in Frage kamen. Betreffs der Ver- rechnung in den Auf- und Abgabs-Pro- tokollen [-Journalen] trat, ausgenommen die formelle Anordnung der Druck- formularien, zunächst eine wesentliche Aenderung nicht ein. Nach Monats- abschluss waren aus dem Billett en-Scontro und dem Aufgabs-, beziehungsweise Ab- gabs-Protokolle für den Verkehr zwischen je einer Aufgabs- und Abgabsbahn routenweise Summarien zu verfassen und in Recapitulationen*) zu übertragen, deren Endergebnisse in die v Gebarung der Manipulations-Abtheilungen der Stations- ämter« übertragen wurden.

2. Controle und Abrechnung.

Hinsichtlich der Abrechnung trat im Creditverhältnisse zwischen Aufgabs-, Abgabs-Station und deren Verwaltung gegenüber jenem im Local-Verkehre eine

*) Die Tages-Recapitulationen bildeten für die Expedite nur eine Hilfs- und Rechnungs- Unterlage zur Ermittlung der täglichen Be- lastung.

250

Franz Bauer.

Aenderung nicht ein, dagegen entstand zwischen allen am Verkehre [beziehungs- weise nur an der Verrechnung, sei es als Aufgabs- oder als Abgabs- Bahn] betheilig- ten Linien [Verwaltungen] ein neues Cre- dit-Verhältnis, das ausser den Agenden der Gebühren- und Rechnungs-Controle noch eine gegenseitige Abrechnung und den Geldausgleich bedingte.

Das Control- und Abrechnungs- System im Anschluss- Verkehre beruhte darauf, dass jede am Transporte und der directen Verrechnung betheiligte Verwal- tung in der Lage sein musste, in allen, auch den fremden Verrechnungs- und Abrechnungs-Unterlagen die eigenen »Be- treffnisse« bis zur abzurechnenden Ge- sammtziifer prüfen und verfolgen zu können.

Hiezu waren, wie oben erwähnt, die den einzelnen Bahnen zukommenden Transportgebühren sowohl in den stations- weise verfassten Monats-Summarien über verkaufte Fahrkarten als auch in den Gepäck- und Güter-Begleitkarten, ebenso in den Aufgabs- und Abgabs-Journalen entsprechend auszuweisen und in die Tagesrechnungen, Monats-Summarien und Recapitulationen aufzunehmen. Der Con- trole jeder Bahn [Linie] oblag die Prü- fung der in den Begleitkarten angerech- neten Gebühren sowie der Vergleich derselben mit den für jede Bahn ver- fassten Monats-Summarien, beziehungs- weise mit den Recapitulationen. Dies erfolgte durch monatliche Zusendung des hiezu benöthigten Rechnungsmaterials seitens der Versandt-Bahn an die be- theiligten Bahnen, Die auf Grund der geprüften vorgenannten Rechnungsunter- lagen gebildeten Gesammtsummen mussten pro Monat übereinstimmen mit den Ge- sammtsummen der einschlägigen Betreff- nisse aus den monatlichen Gebarungs- Ausweisen der Stations- Expedite [be- ziehungsweise aus den Monats-Gebarun- gen der Stationsämter].

Auf Grund der solcherart im Mo- nats-Rechnungs - Abschluss festgestellten Endresultate besorgte die Versandt-Bahn den Ausgleich, indem sie die für ab- gefertigte Personen, Gepäck u. s. w. aus- gewiesenen Gesammt-Einnahmen im Ver- kehre nach jeder Bahn zu eigenen

Lasten und die [aus den für jede Bahn aufgelegten Monats- Recapitulationen für die betreffende Empfangs-Bahn sich er- gebenden] überwiesenen Gebühren für Eil- und Fracht-Güter zu Lasten der betreffenden Empfangs-Bahnen, da- gegen die aus jedem Verkehrszweige für die betheiligten Bahnverwaltungen nach- gewiesenen Antheilssummen zu Gun- sten dieser in Abrechnung brachte.

War eino derartig »wandernde« Ab- rechnung in jeder Hinsicht schon zwischen drei Bahnen eine sehr zeitraubende und umständliche, da auch zweimaliges Um- rangiren der Güterkarten damit verbun- den war, so lässt sich wohl leicht er- messen, welchen Umfang diese Arbeiten annahmen, als späterhin die directen Verkehre mit vier, fünf und noch mehr Anschlussbahnen abzuwickeln waren. Es trat dann auch die Frage des Geld- ausgleiches hinzu, für welchen die Saldo- posten pro Monat und Jahr immer mehr zunahmen.

So war es speciell in Oesterreich im ersten Stadium der Entwicklung des directen Abrechnungswesens bestellt.

ß. Gemeinschaftliches Controlbureau der österreichischen und ungarischen

Eisenbahnen.

Um zunächst in der Manipulation selbst einige Abhilfe zu schaffen, wurden für derartige Abrechnungen nach gegen- seitigem Einvernehmen der damaligen österreichischen und ungarischen Eisen- bahn-Verwaltungen im Jahre 1855 » Con- trol-Exposituren« bestellt und in gemein- samen Localitäten vereinigt. Hiedurch wurde die lästige und zeitraubende Manipulation der gegenseitigen Zusendung des Rechnungsmateriales bedeutend ver- einfacht und im Falle von Abrechnungs- Anständen oder Differenzen eine Aus- tragung in schnellster Weise ermög- licht. Jede der Exposituren hatte ihren eigenen Leiter, der nur seiner Verwaltung unterstellt war, obwohl das Ganze als > Gemeinschaftliches Controlbureau der österreichisch-ungarischen Eisenbahnen« aus Vertretungen fast aller Bahnverwal- tungen der Monarchie bestand.

Verrechnung und Abrechnung.

2!;i

Trotzdem reichte auch diese Ein- richtung bei der fortwährend zuneh- menden Ausdehnung des Eisenbahnnetzes nicht mehr hin, um den Anforderungen zu entsprechen; die Termine für die Fertig- stellung der Monatsabrechnungen konnten bei dieser Art der Arbeitstheilung auf nicht selten fünf bis sechs Exposituren

ohne einheitliche Leitung nie in bestimmte Aussicht gestellt werden und wurden oft erst drei bis vier Monate nach Ablauf des Rechnungsmonates fertiggestellt. Der Geldausgleich war ein möglich schwer- fälliger, weil jede Verwaltung mit ebenso- vielen anderen auszugleichen hatte, als mit ihr im Verkehre standen.

III. Gemeinschafts-Verkehr.

/. Gemeinschaßs-Systeme.

Man konnte sich aber auch von einer Reorganisation des gemeinschaftlichen Controlbureaus an und für sich einen besonderen Erfolg nicht versprechen, sondern erkannte im Gegentheile, dass durch den so sehr erweiterten Verkehrs- Umfang und die Verkehrs -Verhältnisse selbst das bisherige System haltlos ge- worden und ein richtiger Erfolg nur durch gemeinschaftlicne Erstellung von Tarifen mit directen Frachtsätzen zu erzielen sei. Dadurch war einerseits eine bedeutende Vereinfachung und Förderung der Sicher- heit in der Fracht-Galculation und Ver- rechnung seitens der Stationen, anderer- seits ein abgekürztes Verfahren bei den Controlstellen zu erzielen, indem nur eine, sei es jene der Versandt- oder jene der Empfangsbahn, die Richtigkeit der be- rechneten Gesammt-Frachtgebühren für alle am Transport betheiligten Verwaltun- gen mit einem Ansätze zu prüfen in der Lage war. Die in den directen Tarifen für die einzelnen Bahn Verwaltungen ein- gerechneten Frachtgebühren - Antheile konnten sodann für alle zwischen je zwei Stationen im ganzen Rechnungs- monate abgefertigten Personen- und Güter- Transporte classenweise ebenfalls mit je einer Rechnungspost ermittelt werden. Die Hauptbedingungen hiefür waren einheitliche Abfertigungs- und Verrechnungs- Bestimmungen, eine ein- heitliche Güter-Glassification und einheit- liche Rechnungslegung.

Nach eingehenden Studien in der eben angegebenen Richtung gelangte man zur Ueberzeugung, dass ein solches System der Vereinigung vollständig aufgebaut wer- den müsse, dass der richtige Erfolg nur in

der Uebereinstimmung sämmtlicher öster- reichischer und ungarischer Eisenbahn- Verwaltungen gelegen wäre, und dass die Centralisation der mit der bisherigen Art der directen [»Anschluss«-] Ab- rechnung beauftragten Control- Abtheilun- gen und der mit einer schon geplanten neuen Art der directen [»Gemeinschafts-« oder »Verband-«] Abrechnung zu betrau- enden Stelle ganz durchgeführt werden müsse, um den allmählichen Uebergang von der Anschluss- auf die Verband- Ab- rechnung in der leichtesten .Weise zu er- möglichen. Es war demnach eine gemein- same und einheitliche Verrechnung und Ab- rechnung zu schaffen, und für die Controle der Transport-Gebühren, deren Verrech- nung und Abrechnung eine gemeinsame Abrechnungsstelle zu errichten, die in der Abrechnung nach dem Gemeinschafts- Systeme für Oesterreich und Ungarn in vielleicht nur kleinerem Umfange, aber im ganzen Wesen das werden sollte und konnte, was das Railway Clearing House für das Clearing-System in England ge- worden ist.

Nachdem im Clearing House das System der centralisirten gemeinsamen Abrechnung und Saldirung für die Eisen- bahn-Gesellschaften Englands [theilweise auch Irlands] in weitestgehender Weise ausgebildet ist und geradezu als typisch bezeichnet werden muss, nachdem femer auch ein ähnliches S3'stem für die in Oesterreich zu gründende gemein- schaftliche Abrechnungsstelle, die wir 1 später besprechen werden, in Aussicht genommen war, mithin für dasselbe nicht nur ein allgemeines, sondern durch manche Vergleichungspunkte mit dem Gemeinschafts - Systeme in Oesterreich ein specielles Interesse zur Geltung

252

Franz Bauer.

kommt, sei uns gestattet, an dieser Stelle das Wesen des Clearing-Systems kurz zu kennzeichnen.

In England wurde schon nach Fertig- stellung der Eisenbahn-Verbindung von London nach Liverpool [1838], an der mehrere Unternehmungen betheiligt waren, ein oftmaliger Wagenwechsel beim Ueber- gang von Linien der einen auf jene der anderen Eisenbahn-Gesellschaft zunächst von Seite des Publicums als höchst lästig aber auch im Frachten- Verkehre als sehr erschwerend und verzögernd empfunden, so dass viele Klagen über diese Un- zukömmlichkeiten laut wurden. Be- rathungen zwischen den Eisenbahn-Ver- waltungen über die directe Beförderung von Personen und Gütern, soweit dies in betriebstechnischer Beziehung möglich war, führten wohl zu bezüglichen Verein- barungen, die jedoch häufig nicht ein- gehalten wurden; Verspätungen in der Rückstellung der Wagen und Unregel- mässigkeiten in der gegenseitigen Ab- rechnung führten zu vielen Misshellig- keiten der Bahn - Verwaltungen unter- einander. Zum grossen Theile war die verschiedenartige Rechnungsführung der Bahnen Ursache der Unregelmässigkeiten im Geldausgleiche und des Mangels einer genaueren Uebersichtlichkeit für die Wagen-Bewegung.

Während Berathungen zur Schaffung einer Abhilfe gepflogen wurden, fasste der damalige Rechnungsführer der London- Birmingham-Bahn, Kenneth Morison, im Verein mit Robert Stephenson den Ge- danken, die Abrechnung der Bahnen auf Grund eines »Clearing-Systems* durch- zuführen.*) Der Vorgang beim Ausgleiche zwischen den grossen Kaufleuten auf den Messen zu Lyon im 18. Jahrhunderte hatte einige englische Bankiers schon 1781 veranlasst, nach diesem Ausgleich- Systeme eine gegenseitige Abrechnung einzurichten, an der sich später im »London Clearing House« fast sämmt- liche Banken Londons betheiligten ; so kam durch dasselbe schon im Jahre 1840 eine Gesammtsumme von 974,401.000 & durch einen Baarausirleich von nur

66,275.000 £ zur gegenseitigen Ab- rechnung.

Morison legte seinen hierauf begrün- deten, wohldurchdachten Plan über die Anwendung des Clearing-Systems auf die gegenseitige Abrechnung des directen Verkehrs der Eisenbahnen untereinander dem Präsidenten der London-Birmingham- Bahn George Carr Glyn [nachmaligen Lord Wolverton] vor, der, den Vortheil dieser Einrichtung würdigend, bald zu den eifrigsten Förderern derselben zählte.

Mit nur vier Mann begann K. Morison am 2. Januar 1842 das »Clearing-System« einzurichten, dem sämmtliche neun, die Linien von London bis Darlington in der einen und von Manchester bis Hüll in der anderen Richtung repräsentirenden Eisenbahn- Verwaltungen beitraten.

Die unter dem Namen »The Clearing S3'Stem< constituirte Vereinigung der englischen Eisenbahnen erhielt im Jahre 1850 die gesetzliche Genehmigung und die Rechte einer Corporation,*) die den ausgesprochenen Zweck verfolgt, für den durchgehenden Verkehr dieselben Erleich- terungen zu schaffen, als ob alle Eisen- bahnen nur Linien einer und derselben Gesellschaft wären. Das ganze Railway- Clearing-System wurde denn auch auf die Einrichtungen zur Erleichterung des directen Verkehrs ausgedehnt und dem- entsprechend als »The Railway Clearing House« organisirt. Zur Einleitung der nöthigen Berathungen sind die Con- ferenzen der Güter- Directoren [Goods Managers], der Betriebs-Directoren [Su-

perin tendents Accountants

und der Oberbuchhalter berufen.

Die von ihnen vorberathenen Anträge, hinsichtlich bautechnischer, betriebstech- nischer, tarifarischer und administrativer Massnahmen, werden in den Conferenzen der General-Directoren [»General Mana- gers«] durchberathen und falls diese die Anträge billigen, an den geschäftsführen- den Ausschuss [Clearing House Committee] zur Beschlussfassung weitergeleitet. Dieser Ausschuss wird aus den an dem Clearing House betheiligten Eisenbahn- Verwaltun- deren jede durch einen Delegirten

gen

I

* The Railway Clearing House, its Ori- n, Ohject, Work and Kesults. London, IcCorqüodale & Co. Limited, 181X4.

*) Acte vom 25. Juni 185O; 13., 14. Vict., Cap. 33.

Verrechnung und Abrechnung.

253

vertreten ist, gewählt. Die Verhandlungen werden auf Grund einer Geschäftsordnung [Rules for the Guidance of the Con- ference] durch einen gewählten Vor- sitzenden [Ghairman] geleitet. Ausser- dem wählen ge wisser massen als Schieds- richter die Goods Managers unter sich 12 Mitglieder für das »Claims Arbitration Committee«, welches über die von den Goods Managers nicht ausgeglichenen Differenzen bei unrichtigen Fracht- und Beschädigungs-Berechnungen selbständig und endgiltig entscheidet. In gleicher Weise wählen die Superintendents ein aus 12 Mitgliedern bestehendes Comit6, das ^Superitendents Claim Arbitration Com- mittee« für Entscheidungen bei Schäden an dem Betriebsmateriale über Kosten und Tragung derselben, soweit hierüber seitens der Superintendents eine Einigung nicht erzielt und eine Entscheidung an- gerufen wurde. Die vom Clearing House Committee genehmigten Bestimmungen für den directen Verkehr werden unter Be- rücksichtigung allfälliger Abänderungen und Ergänzungen alljährig nebst dem Tarifschema [s. S. 254] und den Instruc- tionen für das Clearing House in Neu- ausgaben unter dem Titel: »Regulations of the Railway Clearing House« den Bahnen bekannt gemacht. Die Ausführung aller, auf die Abrechnung bezug- nehmenden Geschäfte im Sinne dieser Bestimmungen obliegt dem Clearing House selbst und wird durch einen Secretär [Secretary] überwacht, dem für die Besorgung der Geldgebarung und Saldirung ein Schatzmeister [Treasurer] zur Seite steht. Alle zwischen den theil- nehmenden Eisenbahn- Verwaltungen aus den directen Verkehren und aus welchem Anlasse sonst auch immer sich ergeben- den gegenseitigen Abrechnungen werden durch das Railway Clearing House besorgt und saldirt.

Zu diesem Zwecke ist dasselbe in vier Haupt- Abtheilungen eingetheilt, deren grösste die für den Güterverkehr [»The Merchandise Department*] ist; daselbst sind über 700 Beamte beschäftigt, denen es obliegt, zunächst die Rechnungen der Auf- und Abgabs - Stationen in ziffer- mässigen Einklang zu bringen, dann bei jeder derselben die Gebühren-Antheile

der betheiligten Bahnen nach Massgabe der bezüglichen Bestimmungen auszu- scheiden. Die nächst umfangreiche Ab- theilung ist die für den mit Personen- zügen abgefertigten Verkehr [Coaching Department] ; hier sind die Rechnungen für den Personenverkehr [Passengers] und für solche Güter, die mit Personenzügen befördert werden, sei es als Einzelgüter Parcels] oder in ganzen Wagenladungen Fleisch, Fische, Eier, Gemüse, Equipagen, Pferde u. s. w.] zu prüfen und die Bahn- antheile auszuweisen. Diese Abtheilung beschäftigt circa 500 Beamte.

Die dritte Abtheilung ist für die Wagen- Abrechnung eingerichtet [Mileage Department] ; durch mehr als 300 Beamte werden hier auf Grund der von circa 500 Wagenschreibem [Numbermen, Num- bertakers, die auf den Uebergangs-Statio- nen vertheilt sind] zu liefernden Wagenlauf- Rapporte die für gegenseitige Wagen- benützung,* Verzögerung, Reparatur u. s. w. entfallenden Schuld- und Forderungs- beträge ermittelt.

Der vierten Abtheilung obliegt die Evidenzhaltung gefundener oder ver- lorener Gegenstände [The lost or missing luggage Department] ; sie weist in man- chen Monaten über 70.000 Posten nach.

Der Wirkungskreis des Railway Clea- ring House war in den ersten fünf Jahren auf die Ermittlung und Abrechnung der Bahnantheile aus den Personenverkehren, ferner auf die Evidenthaltung und Ab- rechnung der gegenseitigen Schuld und Forderung für die Benützung des frem- den, rollenden Materials beschränkt, da im Frachtenverkehre nicht auf Grund der Transportgebühren für die Frachten selbst, sondern nach Massgabe der zur Beförderung aufgegebenen W^agen abge- rechnet wurde, indem die Bahnanstalten bis zum Jahre 1847 fast ausschliesslich nur die »Traction« besorgten. V'om Jahre 1847 an, wurde seitens der englischen Eisenbahn- Gesellschaften auch die Expedition und für manche [Stück-] Güter auch die Spedition in grösserem und immer wachsendem Um- fange in die Hand genommen. Naturgemäss rechnete man für solche Güter noch eine Expeditionsr, beziehungsweise auch eine Speditions-Gebühr, sowohl bei der Auf- gabe als bei der Abgabe der Güter ein.

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Franz Bauer.

Darin und in der Menge der Auf- lieferung, beziehungsweise Ausnützung des Wagens liegt auch das Hauptprincip für die Eintheilung der Güter in Classen, die sich nach dem in England allge- mein giltigen Tarifschema in folgender Weise gruppiren :

1. Mineralien-Classe [Mineral Class]. Die Güter werden nur »von Station zu Station« befördert; das Zuführen, Ab- führen sowie Beladen und Entladen muss durch die Partei geschehen. Für die Beladung und Entladung sind 24 Stunden Frist gegeben. Die Beförderung erfolgt auf Gefahr des Eigenthümers und nur bei Aufgabe, beziehungsweise Zahlung der Fracht für 4000 kg.

2. Special-Classe [Special Class]. Auch die Güter dieser Classe werden nur »von Station zu Station« befördert und ist hie- für die Aufgabe oder Frachtzahlung für wenigstens 2000 Ätg^ bedungen [Not Carted Goods]. In diese Classe zählen: Eisen, Blei, vorgearbeitete Steine, Getreide, Malz u. s. w.

3. Classe I— V, für welche die Zu- fuhr von der Partei zur Bahn und Ab- fuhr von der Bahn zur Partei [Bestätte- rung] seitens der Bahnanstalten besorgt wird. In diese Gruppe [Carted Goods] rangiren alle anderen Güter, bei deren Tarifirung von den einzelnen Bahnver- waltungen die verschiedenartigsten Unter- schiede gemacht werden. Auch werden gewisse Güter, wenn sie auf Gefahr des Eigenthümers [»at owner's risk«] oder bei Haftung des Versenders für Rost und Bruch bei Eisen, Blech etc. [»unda- mageable«] aufgegeben sind, in eine niedrigere Classe, und in umgekehrten Fällen manche Güter auch in eine höhere Classe eingereiht.

Das Tarifschema wird den Stationen und Bahn Verwaltungen, wie schon be- merkt, mit den »Regulations of the Railway Clearing House« zur allgemeinen Directive für die Tarifirung bekannt- gegeben. Trotzdem im englischen Tarif- system in der einen Richtung volle Frei- heit herrscht und von einer einheitlichen Classification am wenigsten zu finden ist, sind für die Ausscheidung der An- theile der am Transporte betheiligten Bahnverwaltungen auf Grund des be-

züglichen Uebereinkommens , dennoch nur diese drei Classen bestimmend, die denn auch bei der für alle Clearing House-Bahnen im Local- und directen Verkehre gleichartigen Verrechnung nur allein in Betracht kommen.

Die Ueberschriften in den Rechnun- gen : » Carted Goods « , » Not carted Goods « und »Minerals« genügen vollständig als Basis für die Gebühren- Vertheilung, indem die für die Güter der einzelnen drei Classen an die Aufgabs- und Abgabs- bahn zu vergütenden^ vereinbarten Ex- peditions-Gebühren, beziehungsweise auch die Bestätterungs - Gebühren aus dem Frachtsatze vorweg zu Gunsten der Auf- und Abgabsbahn in Abzug ge- bracht und die restlichen Frachtge- bühren auf Grund der Kilometerlängen der benützten Strecken unter den be- theiligten Eisenbahn- Verwaltungen auf- getheilt werden.

Die hiefür massgebende Route ist aus dem Versandt- Rapporte zu ersehen; dieselbe soll mit dem thatsächlichen Laufe des Gutes übereinstimmen. Zur Ermögli- chung einer Controle in dieser Richtung, dienen einerseits die in den Versandt- Rapporten angegebenen Wagennummem, andererseits die an das Clearing House durch die Numbertaker eingesendeten Wagenlauf- Rapporte.

Im Falle sich beim Vergleiche Diffe- renzen zwischen Versandt- und Wagen- Rapporten ergeben, gelten letztere als richtig.

Im Personen- und Gepäcks -Verkehre, wo die expedirende Bahn sämmtliche Gebühren einhebt, wird der normale Antheil vorweg für diese in Abzug gebracht und der Rest auf die übri- gen betheiligten Bahnen nach Massgabe der Route, die die Passagiere nahmen, vertheilt. Diese wird auf Grund der eingezogenen Billette und der darauf er- sichtlichen conventioneilen Coupirungs- Merkmale festgestellt ; deckt sie sich mit der tarifbildenden Route, so erhält jede Bahnverwaltung ihren normalen Antheil, sonst den kilometrischen, der nie ein höherer sein darf, als der auf Grund des Localsatzes entfallende. Bei Ermässi- gungen wird die Gesammtgebühr unter den betheiligten Bahnen im Verhältnisse

Verrechnung und Abrechnung.

255

der Länge der durchfahrenen Strecken aufgetheilt.

Wenn auch manche Ausnahmen und Special-Bestimmungen für einige Fälle neben dieser Einfachheit und Allgemein- heit bestehen, z. B. Einrechnung ge- wisser Minimallängen für einige kurze Strecken, specielle Vereinbarungen [special settlement] über die Vertheilung mancher Verkehre u. s. w. so kommen doch andererseits wieder Erleichterungen in Betracht, z. B. ist bei Transporten, deren Gebühren festgesetzte Minimalbeträge nicht erreichen, ein halbjähriger, summa- rischer Ausgleich pro rata der Einnahmen aus dem Gesammtverkehre pro Semester angeordnet.

Es würde zu weit führen, dieses System und die damit zusammenhän- genden Einrichtungen noch näher zu besprechen ; soweit dies nöthig ist, um eine Parallele mit dem einschlägigen Abrechnungssysteme in Oesterreich zu ziehen, mag das Angeführte wohl ge- nügen.

Das Clearing - System dürfte den Fachmännern in Oesterreich wohl vor- geschwebt haben, als sie in Betracht der oben geschilderten Zustände im Ab- rechnungswesen für die directen Ver- kehre der österreichischen und un- garischen Eisenbahnen, zu Ende des siebenten Jahrzehntes im Streben nach Herstellung von Tarifen mit directen Frachtsätzen auf Grund einer einheitlichen Waaren- Classification sich begegneten und die Einrichtung eines gemeinschaft- lichen Abrechnungs - Bureaus für derart geschaffene Gemeinschafts- Verkehre ins Auge fassten.

2. Wesen des österreichisch-ungarischen Gemeinschafts - Systems and Grund- lagen für die Abrechnung.

Erst das Protokoll einer Tarifconferenz vom 12. Januar 187 1, bei welcher die k. k. priv. Südbahn-Gesellschaft, die a. priv. Kaiser Ferdinands-Nordbahn, die k. k. priv. Kaiserin Elisabeth-Bahn und die k. k. priv. österreichische Staatseisenbahn- Gesellschaft vertreten waren, hatte die »Aufstellung directer Tarife mit einheit-

licher Waaren-CIassification« zum Gegen- stande. In dieser Conferenz wurde denn auch auf Grundlage der im Staatsbahn- Tarife vom October 1870 enthaltenen Waaren - Classification der sogenannte Zirkel-Tarif [Oesterreichischer Eisenbahn - Verband-Tarif] zwischen den genannten Bahnen vereinbart. Gleichzeitig wurde auch beschlossen, für den Verkehr zwischen Triest und den Hauptstationen des öster- reichischen Verkehrsgebietes einen directen Tarif aufzustellen, »auf den schon wieder- holt sowohl von Seite des Handels- ministeriums als auch des Handelsstandes hingewiesen wurde«. Dieser wurde über Antrag der Südbahn als »Artikel-Tarif« auf Grund eines ihrerseits vorgelegten Verzeichnisses der meistverfrachteten Waaren vereinbart und zur Ausgabe ge- bracht.

Der mit i. August 1871 in Kraft getretene Zirkel- Tarif umfasste die für den Verkehr zwischen den vier betheiligten Verwaltungen wichtigsten Stationen des österreichischen Verkehrsgebietes. Bald traten auch alle anderen Verwaltungen der in diesem Gebiete gelegenen oder eröffneten Eisenbahnlinien bei, die Oester- reichische Nordwestbahn, die Böhmische Nord-, Turnau-Kralup- Prager-, Aussig- Teplitzer-, Buschtöhrader-, Böhmische West-, Kaiser Franz Josef-Bahn u. s. w.

Hiemit war der Anfang zur Einführung des »Gemeinschafts- Verkehrs- [Verband-] Systems« in Oesterreich-Ungarn, und der Gemeinschafts-Abrechnung gemacht. Be- vor wir auf die letztere und auf die hiefür geschaffene Institution eingehen, haben wir das System zu erörtern.

Durch die rasche Entwicklung des Eisenbahnnetzes in Oesterreich-Ungarn, namentlich vom Jahre 1868 an, durch die vielseitig entstandenen Anschlüsse und Verbindungen der Linien untereinander, trat bald die Eisenbahn-Concurrenz in allen Arten und Unarten auf die Bild- fläche. Hier waren Tarif unterbietungen, dort Refactien die Kampfmittel, hier Refactien, dort Tarifunterbietungen die Gegenwaffen ; fortgesetzte Tarifänderun- gen und Verschiebungen der Verkehrs- Verhältnisse waren die Folge. Um diesen in jeder Beziehung misslichen Verhältnissen zu steuern, traten mehrere

Ä

256

Franz Bauer.

in einem Verkehrs-Gebiete hauptsächlich betheiligte Eisenbahn -Verwaltungen zu einer »Gemeinschaft« [»Verband«], be- hufs einvemehmlicher Feststellung der Tarife und Regelung der Verkehrs- Ver- hältnisse zusammen. Die hiezu delegirten »Tarif-[Verband-]Conferenzen« setzten die Grenzen des Verband-Gebietes fest, ver- einbarten die Frachtsätze in den con- currenzirten Verkehrs-Beziehungen [-Re- lationen], die für die einzeln betheiligten Bahnstrecken einzurechnenden Antheils- sätze sowie die Theilung des Verkehres. Mit der Ausführung dieser Vereinbarungen, beziehungsweise mit der ziffernmässigen Festsetzung der directen Frachtsätze, der Einzeln - Antheilssätze und der turnus- mässigen Verkehrs-Theilung [Instradi- rung], wurde in jedem Verbände eine »Tarif-Commission« betraut, die aus Be- amten aller am Verbände theilnehmenden Verwaltungen zusammengesetzt wurde.

Ueber die Tarif-Concurrenz und die hiebei leitenden Momente wurde bereits an anderer Stelle ausführlich gesprochen*) ; auch bestehen Specialwerke, die diesen Theil des Tarifwesens ebenso eingehend als gründlich behandeln.**) Wir müssen uns in diesem Capitel darauf beschränken, nur einige Grundbestimmungen zu er- wähnen, die bei Besprechung der Verkehrs- Theilung Berücksichtigung finden.

Die Regelung des Verkehres ist durch die Verkehrs - Leitung und Verkehrs- Theilung bedingt.

Die Verkehrs- Leitung hängt nicht in erster Linie, auch nicht in allen Fällen von den Eisenbahn-Verwaltungen ab ; sie kommt bei der Personen- und Gepäck- Abfertigung überhaupt nicht in Frage, weil hier das Publicum ganz selbst- bestimmend ist. Beim Eil- und Fracht- güter-Verkehr ist dies im Principe wohl auch der Fall; wenn die Versender in gewissen Fällen, wo sie einen Vortheil zu linden vermeinen oder finden, den Eisenbahnweg für die Abfertigung be- stimmen, so ist die Bahnanstalt verpflichtet, den vorgeschriebenen Weg einzuhalten,

♦) Vgl. Bd. III, Albert Pau er, Frachten- tari.fe, S. 232 u. If.

**) »Grundsätze für den Abschluss von Eisenbahn-Cartellen^, von Emil Rank. Wien, 1S90.

aber auch berechtigt, die normal er- wachsenden Frachtgebühren ohne Rück- sicht auf etwa bestehende directe und billigere Frachtsätze einzuheben. Von der seitens des Versenders vorgeschriebenen Route kann die Bahn anst alt in drei be- stimmten Fällen und bei Einhaltung gewisser Bedingungen nur im inter- nationalen Verkehre abweichen. Des oben angeführten Umstandes wegen schreiben die Versender Routenvorschriften in den Frachtbriefen meistens nicht vor, über- lassen mithin die Verkehrs - Leitung der Bahnverwaltung. Solche Sendungen werden den Bestimmungen der Bahn- verwaltungen und in zutreffenden Fällen den Vereinbarungen über die Verkehrs- Theilung entsprechend abgefertigt.

Die Verkehrs-Theilung tritt dann ein, wenn bei den Vereinbarungen über den Goncurrenz- Ausgleich zwei oder mehrere Bahnen zur Bedienung des Verkehres zwischen den Concurrenz-Strecken oder über die Concurrenz-Strecken hinaus herangezogen werden.

Die Concurrenz-Zulassung und even- tuelle Menge der von den betheiligten Bahnstrecken zu befördernden Güter hängt von der Grösse des Einflusses ab, der auf die Bildung des Fracht- satzes genommen werden kann, und wird [theoretisch genommen] diese Menge umso grösser, je mehr eine betheiligte Verwaltung in der Lage wäre, einen billigeren Frachtsatz zu übernehmen. Im Allgemeinen lassen sich folgende An- haltspunkte für eine Schätzung dieses Einflusses anführen:

1. Die Länge der concurrirenden Strecken, mit der die Eigenkosten in Vergleich treten [horizontale Umwege];

2. Steigungs- Verhältnisse, mit denen die an und für sich erhöhten Betriebs- kosten in Beziehung zu bringen sind [virtuelle Längen, verticale Umwege];

3. die Zeitdauer der Beförderung, die z. B. beim Transport von lebenden Thieren oft allein schon ausschlaggebend wirkt für die Wahl einer selbst theuereren Route seitens des Aufgebers ;

4. die Betriebsfähigkeit [Einrichtung mit rollendem Materiale, Bahnhof- Anlagen, Doppelgeleise und Verkehrsdichte].

Verrechnung und Abrechnung.

257

Die Beurtheilung dieser Umstände ist wohl meist dem erfahrenen Fachmanne anheimgestellt.

Nach Massgabe der über die Ver- kehrs-TheilunggetroffenenVereinbarungen werden die Verkehrs- Leitungs- [Instra- dirungs-] Vorschriften aufgestellt, die nebst der Angabe der in den einzelnen oder in ganzen Gruppen von Verkehrs- relationen »fahrberechtigten Routen« einen sogenannten Instradirungs-Kalender zur Richtschnur für die Abfertigung an be- stimmten Tagen, Wochen oder Monaten enthalten.

J, Cartell' [Special-] Abrechnung.

Die Transport- [Gewichts-] Mengen werden den einzelnen Routen je nach ihrer »Verkehrsberechtigung« in Pro- centtheilen der Gesammt - Transport- mengen zugewiesen. Diese Mengen können nicht immer der vorgeschrie- benen Verkehrsleitung entsprechend ein- gehalten werden. Die Unterschiede zwi- schen den quotisirten und beförderten Gütermengen werden durch die Spe- cial - Abrechnung festgestellt und aus- geglichen. Der Ausgleich kann ent- weder in natura [Natural - Ausgleich] oder in Geld [Geld-Ausgleich] durch- geführt werden.

Der Natural- Ausgleich wurde auf Grund der Transportleistungen selbst ge- pflogen, indem man den unter der zuge- wiesenen Quote gebliebenen Routen in der nächstfolgenden Zeitperiode inso- lange die Transporte überliess, bis sie ihre normalen, d. i. die percentuell zu- gewiesenen Transportmengen erreicht hatten.

Von diesem Verfahren ging man wegen Schwierigkeiten in der prak- tischen Durchführung bei der fort- gesetzten Zunahme des Verkehrs und besonders des Verband- Verkehrs immer mehr auf das System des Geld-Aus- gleiches über.

Hiebei haben jene Routen, welche mehr als die zugedachten [quotenmässi- gen] Transportmengen als Leistung aufweisen, für das höhere Quantum

Geschichte der Eisenbahnen. III.

nur die im Verbände festgesetzten Regiespesen, Manipulations - Gebühren, Ueberfuhrs - Gebühren, neutrale Antheile u. s. w. [Praecipua] zu erhalten; die nach Abzug dieser von den Fracht- gebühren verbleibenden Reste werden als »Reingewinne« zwischen den in der Leistung unter der Normalquote gebliebenen Routen nach Massgabe der einschlägigen Bestimmungen verhältnis- mässig nach Güterclassen bahnweise auf- getheilt.

Die Durchführung des Cartell-Aus- gleiches war in jenen Fällen, wo sehr viele Routen in Frage kamen, mit zu grosser Umständlichkeit verbunden, weshalb man bald von einer detaillir- ten Durchführung derselben Umgang nahm, den Gesammt - Reingewinn aus den Routen mit Mehrleistungen auf jene mit Minderleistungen nach Ver- hältnis ihrer Quotisirung auftheilte und diese Beträge den einzelnen Bahnen im Verhältnis der Längen ihrer betheiligten Strecken innerhalb der Routen zuwies.

Von der monatlichen Durchführung des Ausgleiches ging man zu sechs- monatlichen und zu jährlichen Ausgleichs- perioden über, um die hohen Kosten der Abrechnung zu vermindern.

Nach Darstellung des österreichischen Verband - Systems gehen wir auf das Wesen der Verband -Verrechnung und Abrechnung über.

4. Gemeinschafts-Abrechming auf

Grund der geprüften Rechnungslegung

der Aufnahmsbahnen. [iSji.J

Auch nach Einführung der Ver- band - Verkehre erfolgte, wie in den Anschluss - Verkehren bis inclusive des Rechnungsmonates Februar 1887, die Abrechnung auf Grund der Rech- nungslegung der Aufnahmsbahnen. Seit März 1887 wird die Abrechnung hinsichtlich des mit Güterkarten abge- fertigten Verkehrs auf Grund der Rech- nungslegung der Empfangsbahnen durch- geführt.

17

258

Franz Bauer.

Im Gepäck - Verkehre wurde die bahnweise Verrechnung der Gebühren bis zum Jahre i88i beibehalten und mit Einführung der Zonentarife wieder aufgenommen. Die Fahrbillette, die Transportmengen sowie die Trans- port - Gebühren für die Gesammtstrecke wurden classenweise in die Rech- nungen der Aufnahmsbahn eingestellt. Während die Güter - Versandt - Rech- nungen je für eine Empfangs - Station und Route zu legen waren, konnten die Empfangs-Stationen sämmtliche von Stationen einer Versandtbahn ange- kommene Güter in dieselbe Rechnung aufnehmen, insolange nicht auch für diese die stationsweise Rechnungslegung an- geordnet war.

Die Versandt-Rechnungen waren im Güter verkehre mit Colonnen zur Angabe der Beförderungsmengen nach Güter- classen, ebenso zur Nachweisung der für jede Gewichtsmenge und Classe einge- hobenen Gebühren, weiters mit allen Geldcolonnen conform mit den Güter- karten ausgestattet, dagegen enthielten die Güter-Empfangsrechnungen als für die Abrechnung mit den fremden Bahnen massgebende Geldcolonnen nur jene für Frankaturen und Ueberweisungen.

Nach Prüfung der Fahrbilletten-Rech- nungen mit Rücksicht auf Vorrath und Verkauf sowie der Gesammteinnahmen und deren Uebereinstimmung mit der Monats- Recapitulation einerseits und dem Belastungs- Ausweise andererseits, wurden die cumulativen Gebühren nach Mass- gabe der hiefür aufgestellten Antheils- Tabellen als Gebühren-Antheile der am Transporte betheiligten Verwaltungen in den einzelnen Verkehrs - Relationen ausgeschieden und für jeden Verkehr in einer Zusammenstellung, nach Routen geordnet, nachgewiesen. Durch Auf- nahme der hiemit verkehrsweise erhal- tenen Endsummen in eine Uebersicht erhielt man die Gesammtsumme der Einnahmen und die Antheilssumnien der einzelnen betheiligten Bahnverwal- tungen pro Monat. Das Gleiche ergab sich nach Prüfung der Gebühren in den Gepäcks - Recepissen und Rech- nungen durch verkehrsweise Aufstellung der Gebührensummen und Antheile so-

wie durch Aufrollen derselben in der Gepäcks-Uebersicht.

Im Güterverkehre war zimächst in den Begleitkarten Tarifirung und Fracht- berechnung, sodann die richtige Ueber- tragung in die Versandt-Rechnung in allen Theilen zu prüfen. Femer wurden die in den Rechnungen richtig befundenen, beziehungsweise berichtigten Summen in die Summarien und von hier in eine für den Verkehr mit jeder einzelnen Em- pfangsbahn aufzulegende Zusammen- stellung übertragen. Nachdem auch die Abgabs-Rechnungen in allen Eintragungen durch Vergleichung mit den Güterkarten geprüft, beziehungsweise berichtigt und in eine Zusammenstellung der Ergeb- nisse der Abgabs-Rechnungen eingetragen waren, musste die Uebereinstimmung der Frankatur- und Ueberweisungs-Summen zwischen Auf- und Abgabs-Zusammen- stellungen festgestellt, eine allfällige Diffe- renz behoben, sonach die Aufgabs-Zu- sammenstellung als »richtig anerkannt« werden.

Nach Feststellung der Richtigkeit der Aufgabs-Rechnungen wurden die cumu- lativen Frachtgebühren relations- und classenweise auf Grund der Antheils- Tabellen für die betheiligten Bahnver- waltungen vertheilt und in gleicher Weise wie beim Personen- und Gepäck -Ver- kehre aufgerollt.

Um eine Gegenprobe für die Richtig- keit der so entwickelten Hauptsummen der Bahnantheile zu erhalten, wurden die Antheile bei Prüfung der Recapitu- lationen auch in diese mit übertragen, so dass nach Ermittlung der Hauptsumme aller Recapitulations- Ergebnisse die Ge- sammtantheile jeder Bahn Verwaltung mit den aus den Zusammenstellungen resul- tirenden Endsummen der Verkehrs-Ueber- sicht übereinstimmen mussten.

Bei directer Abrechnung durch die Versandtbahn stellte dieselbe jeder im Verkehre betheiligten Verwaltung die Ueberweisungen als Schuld und die Ge- bühren-Antheile aus jedem Verkehrszweige als Forderung in Rechnung. Bei cen- tralisirtem Abrechnungsdienste erfolgte die Aufstellung einer General - Abrech- nung, die wir später noch eingehender besprechen.

Verrechnung und Abrechnung.

259

IV. Einrichtungen für die Gemeinschafts- Abrechnung.

/. Provisorisches Abrechmoigs- Bureau ;

Special' Abrechnungs ' Bureau für die

Gemeiftschafts- Verkehre. [187 1.]

Seitens der k. k. priv. österreichischen Staatseisenbahn- Gesellschaft war, nament- lich durch eifrige F'örderung des damaligen General- Directors der Gesellschaft, Emil Kopp, ein Organisations-Entwurf für die Errichtung eines Eisenba hn-Centra 1- Abrechnungs-Bureaus zur Abrech- nung der directen, insbesondere der Verband- Verkehre ausgearbeitet und zu Beginn des Jahres 1871 allen österreichi- schen und ungarischen Eisenbahn-Ver- waltungen zur Kenntnis gebracht worden.

Die allseits beifällige Aufnahme hatte zur Folge, dass noch im Juni desselben Jahres der Grund für eine gemeinschaft- liche Abrechnung gelegt wurde durch Errichtung des »Provisorischen Ab- rechnungs-Bureaus« sekens der an den bisher erstellten directen Tarifen betheiligten Verwaltungen. Das »Gemein- schaftliche Control-Bureau der öster- reichisch-ungarischen Eisenbahnen« be- stand neben diesem örtlich ver- einigt weiter.

Infolge der für den Gemeinschafts- tarif vom I. August 1871 getroffenen Ver- einbarungen über die Verkehrs -Theilung und Quotisirung der auf jeder Route zu befördernden Gütermengen war die schon näher erörterte Cartell-Abrechnung bedingt. Für die rechnungsmässige Durch- führung derselben wurde noch in dem- selben Jahre eine Commission unter dem Titel : »Special-Abrechnungs- Bureau für die Gemeinschafts- Verkehre« errichtet, die ihre Thätig- keit mit drei Kräften begann, jedoch mit dem Anwachsen der Gemeinschafts- Verkehre sich allmählich bis zu einem Personalstande von 42 Köpfen ver- grösserte ; unter einheitlicher Leitung eines Vorstandes wurde sie der k. k. priv. österreichischen Staatseisenbahn- Gesell- schaft als der »Aufsichtführenden Verwaltung des Special-Abrech- nungs-Bureaus für die Gemein- schafts-Verkehre« unterstellt.

Die letztgenannte Verwaltung über- nahm die Aufstellung der General-Ab- rechnungen und die Saldirung bezüglich aller durch die drei vorgenannten Ab- rechnungsstellen bewirkten Abrechnun- gen, bis zu dem Zeitpunkte, wo das Eisenbahn - Central - Abrechnungs - Bureau organisirt sein würde. Hiedurch trat der besondere Vortheil des ganzen Systems in dieser Richtung schon hervor, ehe noch das geplante Bureau in Thätigkeit gesetzt war.

2, Eisenbahn-Central-Abrechnungs- Bureau der österreichischen und unga- rischen Eisenbahnen. [iSjjJ

In gleichem Masse mit der Erstellung directer Tarife mussten auch in Hinkunft die Geschäfts- Agenden des provisorischen Abrechnungs - Bureaus zunehmen, da- gegen jene der Control-Exposituren stetig sich verringern. Um nicht die voraus- zusehende, allmähliche Auflösung der Control-Exposituren abwarten zu müssen, bis das beabsichtigte Central - Abrech- nungs-Bureau sich von selbst bilde, wurde seitens mehrerer Verwaltun- gen beantragt, die Exposituren als solche aufzuheben und die Geschäfts- Agenden derselben nebst dem Personale dem Central - Abrechnungs - Bureau zu überweisen. Infolgedessen begann man mit der Organisation dieses Bureaus nach den Bestimmungen des schon er- wähnten, von sämmtlichen österreichisch- ungarischen Eisenbahn-Verwaltungen ge- nehmigten Organisations-Statutes.

Die Organisation bestand:

I. in der gemeinschaftlichen Directoren-Conferenz, der unter Anderm die Genehmigung [beziehungs- weise Abänderung] des Statutes und der Instruction, femer der Kosten des Bureaus und die Ernennung des Verwaltungs^Aus- schusses vorbehalten war;

II. in dem lieber wachung s- Ausschusse, aus fünf [später aus neun] Verwaltungen bestehend, die von

17*

26o

Franz Bauer.

den Theilnehmem unter sich gewählt wurden. Ihm oblag die Budgetirung der Kosten, die Leitung der Geschäfte im Allgemeinen, die Aufstellung der Bureau- Eintheilung und des Personalstandes, die Genehmigung der Vorrückungen und aussergewöhnlichen Remunerationen so- wie die alljährige Berichterstattung über die Geschäftsführung. Weiters stand ihm das Recht zu, den Chef des Bureaus und seine Stellvertreter zu wählen sowie die vom Chef in Vorschlag gebrachten Abtheilungsvorstände zu bestätigen. Der Ueberwachungs-Ausschuss wählte unter sich

III. die aufsichtführende Ver- waltung zur unmittelbaren Besorgung seiner Geschäfte in dringenden Fällen gegen nachträgliche Genehmigung. Dieser oblag es auch, alle den Verwaltungs- Ausschuss betreffenden und dessen Beschlussfassung zu unterziehenden Eingaben und Geschäftsstücke vorzu- bereiten.

Am 26. September 1872 wurde in der zu Pest abgehaltenen Directoren- Conferenz der österreichisch-ungarischen Eisenbahn- Verwaltungen auf Grund des genannten Statutes der aus fünf Ver- waltungen bestehende Ueberwachungs- Ausschuss mit der Functionsdauer von drei Jahren und in der ersten Sitzung dieses Ausschusses am 17. October 1872 die Oesterreichisch- ungarische Staats- eisenbahn - Gesellschaft als »Aufsicht- führende Verwaltung« gewählt; hiedurch war diese mit dem Vorsitze im Ueber- wachungs-Ausschusse sowie weiterhin mit der Central- Saldirung betraut. Gleich- zeitig erfolgte die Wahl des ersten Chefs und dessen Stellvertreters.

In den nächsten Sitzungen wurde die weitere Organisation betreffs der Per- sonalien und Geschäftsführung berathen. Der am 8. Januar 1873 abgehaltenen Ausschuss-Sitzung lag ein Ausweis über den Stand des Bureaus vor, dem wir entnehmen, dass bis dahin 20 Eisenbahn- Verwaltungen beigetreten und 147 Beamte, 57 Diurnisten und 27 Diener beschäftigt waren.

Bis Ende 1873 hatten weitere neun Verwaltungen ihre Expositur- Agenden nebst dem Personale dem Central-Ab-

rechnungs-Bureau überwiesen, womit die Anzahl der Theilnehmer auf 29 und der Personalstand auf 291 Personen anwuchs.

Das dem Bureau zugewiesene Per- sonale wurde für die Dauer der Ver- wendung in demselben bei der eigenen Verwaltung beurlaubt und verblieb hin- sichtlich der Ansprüche auf den Pensions-, beziehungsweise Provisions-Fonds auch fernerhin in gleichem Verhältnisse zur Heimatsbahn. Die nach ungleichen Nor- men fixirten Bezüge der Bediensteten wurden successive n^ich Massgabe der Normen der Staatseisenbahn-Gesellschaft einheitlich geregelt, ohne Präjudiz für die Stammbahn wegen eventueller Auf- zahlung während der Verwendung im Central-Abrechnungs-Bureau, oder einer eventuellen Regulirung der Bezüge bei Rückübernahme der Bediensteten.

Durch die umsichtige und zielbe- wusste Leitung des ersten Chefs des Bureaus wurde bald auch die innere Or- ganisation des Dienstes in die richtigen Bahnen gelenkt. Von den zwölf am Schlüsse des Jahres 1873 bestehenden Ab- theilungen waren neun mit den eigentlichen Revisionsarbeiten des Anschluss- und Verband-Verkehres betraut. Als sehr vor- theilhaft erwiesen sich unter den damaligen Verhältnissen die über den Vorgang bei Porto-Rückvergütungen und Mängel-Auf- lassungen aufgestellten Bestimmungen ; die Vortheile der hiemit im Zusammen- hange stehenden, neu eingeführten An- erkennungs - Avisi fanden erst später all- gemeinen Beifall.

Die Wichtigkeit eines gleichartigen Vorgehens bei Verrechnung seitens der Stationen und bei Ausübung der Geschäfte für die Prüfung der Rechnungen und Auf- stellung der Abrechnungen, erheischte die Ausgabe einer bezüglichen Instruction, die unter Benützung der inzwischen gesam- melten Erfahrungen im Entwürfe bald fertiggestellt wurde; die Vorlage konnte den Verwaltungen bereits bei Erstattung des Rechenschaftsberichtes über das Jahr 1873 für die nächste Zeit in Aussicht ge- stellt werden. Diese der Einführung einer einheitlichen Rechnungslegung, die ein Grundelement des Central-Abrechnungs- dienstes darstellt, höchst förderliche

Verrechnung und Abrechnung.

261

> Instruction für die Verrechnung und Abrechnung in den directen Transport- Verkehren der österreichisch-ungarischen Bahnen untereinander« gelangte nach allseitiger Genehmigung mit i.Juli 1874 zur Einführung.

Durch den Beitritt weiterer Verwal- tungen erhöhte sich im Jahre 1874 die Zahl der Theilnehmer auf 42 und der Personalstand auf 186 Beamte, 84 Diur- nisten und 36 Diener.

Nachdem nun sämmtliche öster- reichisch-ungarische Eisenbahn- Verwal- tungen, mit Ausnahme der Vorarlberger und der Waagthal-Bahn beigetreten waren, erfolgte seitens der am 23. September 1874 abgehaltenen gemeinschaftlichen Direc- toren-Conferenz die Ernennung von wei- teren vier Verwaltungen in den Ueber- wachungs-Ausschuss.

Den bestandenen zwölf Abtheilungen wurde noch eine dreizehnte für Porto- Rückvergütungen angereiht. Das Wesent- lichste für ein gedeihliches Wirken des Bureaus, die Erstellung von Gemein- schafts-Tarifen, war leider weder in diesem, noch in den nächstfolgenden zwei Jahren sehr weit gediehen ; die Abfertigungen im Anschluss- Verkehre waren immer noch vorwiegend gegen jene im Verband-Ver- kehre. Erst nachdem im Jahre 1876 die Tarifreform in den neuaufgestellten Local- Tarifen der österreichisch - ungarischen Eisenbahn- Verwaltungen und im Laufe des Jahres 1877 auch in den Neuauflagen der früher schon bestandenen sowie in den Ausgaben von nunmehr erst ver- einbarten Verband-Tarifen zum Ausdrucke gelangt war, konnte festgestellt werden, dass die Abfertigungen im Verband- Ver- kehre überwiegend geworden.

Eine für den verbandmässig abge- fertigten Personen- und Güterverkehr schon im Laufe des Jahres 1878 erprobte Neuerung in der Antheilsausscheidung ge- langte im nächsten Jahre zur Durchführung, indem die bei den einzelnen Verkehrs- Relationen in den Rechnungen classen- weise ermittelten Summen der Billette, beziehungsweise der Gütermengen in entsprechend eingerichtete Rechnungs- Formulare übertragen wurden, worin die Antheilssätze der betheiligten Bahnen abgesondert von den bezüglichen Rech-

nungen vorzuschreiben, zu berechnen, sodann in Summa mit den in der Rech- nung ausgewiesenen Transport- Gebühren unter Richtigstellung, beziehungsweise Ausgleichung der bestehenden Differenzen in Uebereinstimmung zu bringen waren.

Wenn auch dieser Vorgang gegen- über dem früheren eine Mehrarbeit be- deutete, so hatte er andererseits den Vor- theil der Sicherheit für sich, die umso- mehr zu fördern war, als in anderer Richtung eine Vereinfachung der Güter- karten-Calculation eintrat. Die Verband- Güterkarten wurden nur hinsichtlich der Richtigkeit der Nebengebühren und der Classification des Artikels [rechnungs- mässig nur im Falle einer nöthigen Be- richtigung des letzteren] geprüft, während die eigentliche Prüfung der Richtigkeit der Transport-Gebühren für alle in einer Rechnung aufgenommenen Sendungen cumulativ auf Grund der Gewichtssummen erfolgte.

Im Anschluss- Verkehre wurden die Transport-Gebühren für jede Bahn von einem anderen Organe in den Güter- karten selbst geprüft, während die Rech- nungsrevision und Einstellung der Bahn- antheile nur mehr durch ein Revi- sionsorgan zu besorgen war. Dagegen wurde zur grösseren Sicherheit der Ab- rechnung der in die Aufgabs-Rechnungen für den Anschluss- Verkehr eingestellten und weiter zu Hauptsummen aufgerollten Bahnantheile, ein hievon unabhängig aufzustellender Probe-Ausweis ebenfalls bis zu den Hauptsummen entwickelt, wodurch die Uebereinstimmung der An- theilssummen für jede Bahn gegeben sein sollte oder durch Aufsuchen allfälliger Differenzen hergestellt werden musste.

Die Klagen, dass die Gleichartigkeit der Verrechnungs weise noch immer nicht hergestellt sei, ist in den Rechenschafts- Berichten schon eine »stehende Rubrik« geworden, wie jener vom Jahre 1880 sagt.

Ein vorgeschlagener Modus, die Ab- rechnung im Anschluss-Verkehre dort, wo die Güter- Classification für die ganze Transportstrecke eine einheitliche ist was nun in den meisten Fällen schon zutraf dadurch aufzuheben, dass seitens der Stationen die Localsätze der an den

202

Franz Bauer.

Transporten betheiligten Bahnen zu einem Gesammt- Frachtsatze, als einem »künst- lichen Verbandsatze« vereinigt und zur verbandmässigen Berechnung und Ver- rechnung der Transport- Gebühren ange- wendet würden, kam lange nicht zur Durchführung, obschon sich noch am Ende desselben Jahres [1880] bei der obligatorisch gewordenen directen Reise- Gepäcks - Abfertigung zeigte, dass in diesem System für die Stations - Expe- dienten ein Vortheil gesucht und ge- funden wurde. Ein weiterer Beweis für die schon damals mögliche Durchführ- barkeit dieser Abfertigungs weise im Güter- verkehre musste wieder durch eine höhere Gewalt die Abkürzung der Liefer- zeiten mit I. October 1884 erbracht werden; hiedurch war eine schnellere Abfertigung unter Vermeidung von Um- kartirungen nothwendig und damit auch die allseitige Anwendung der Kartirung im künstlichen Verband- Verkehr möglich! Erst im Jahre 1882 waren die Anschluss- Kartirungen soweit reducirt, dass von einer separaten Aufstellung eines Rech- nungs - Abschlusses hiefür abgesehen werden und das Ergebnis in den Ab- schluss für die Verband-Verkehre ein- bezogen werden konnte. Ein weiterer Vortheil wurde für die Abrechnung da- durch geschaffen, dass nun auch die Abgabs-Rechnungen stations- und routen- weise gelegt werden mussten.

Wenn viele Umstände geeignet waren, die Arbeiten des Bureaus zu erschweren, ja dessen Fortbestehen wegen der immer steigenden Kosten zu gefährden, so war eines der wichtigsten Erschwernisse, dass häufig Verband-Tarife ohne An- theils - Tabellen ausgegeben wurden; die für solche Fälle angeordnete »provi- sorische Abrechnung« auf Grund der Kilometerlängen der betheiligten Bahn- strecken bedingte nicht nur an und für sich schon eine Mehrarbeit, sondern machte eine nochmahge häufig erst nach Jahren und unter sehr erschwe- renden Umständen mögliche endgiltige Durchführung der Gebühren -Vertheilung [definitive Abrechnung] nöthig.

In Hinkunft bilden die Klagen über fehlende Antheils-Tabellen eine weitere »stehende Rubrik« in den

Rechenschafts-Berichten des Eisenbahn- Central-Abrechnungs-Bureaus.

Tarife und Tarifnachträge traten häufig in der Mitte der Monate in Kraft, wodurch eine zweimalige Aufstellung der Gebühren-Vertheilung bedingt war. Häufige Eröffnungen neuer Bahnlinien, Aenderungen der gegenseitigen Beziehun- gen der Bahnen, viele Special- Vereinba- rungen der Bahnverwaltungen unter ein- ander über die Gebühren-Vertheilung, die fortgesetzten Aenderungen .der inneren Organisation sowie der Abrechnungs- form hatten eine grosse Zahl von intern gegebenen Dienstvorschriften, Circularen und Erlässen im Gefolge, deren im Jahre 1883 nicht weniger als 1070 zu verzeich- nen waren.

So standen die Angelegenheiten des Bureaus, als schon über Drängen der ungarischen Eisenbahn-Verwaltungen betreffs Theilung desselben in ein öster- reichisches und ungarisches, Berathun- gen gepflogen wurden, deren Ergebnis die Durchführung der Zweitheilung mit I. Mai 1884 war.

J. Theilung des Eisenbahn-Centra/- AbrechnnngS'Biireaus, [1884.]

Den Vereinbarungen entsprechend wurden sämmtliche, bisher dem Ressort des Wiener Central- Abrechnungs- Bureaus angehörenden Geschäfte in jenes des Budapester übernommen, insoferne sie Bezug hatten auf:

1. den gesamraten Verkehr der un- garischen Bahnen unter einander;

2. den gesammten Verkehr der un- garischen Bahnen mit den österreichi- schen Linien der Kaschau - Oderberger Bahn und der Ungarischen Westbahn, mit den k. u. k. Bahnen in Bosnien sowie mit den Hafenstationen Triest und Fiume ;

3. den Personen-, Gepäcks- und Militärverkehr von ungarischen nach österreichischen Stationen.

Eine Verminderung der Agenden des Wiener Central - Abrechnungs - Bureaus wurde weiters dadurch herbeigeführt, dass seitens der Oesterreichisch-Unga-

Verrechnung und Abrechnung

263

rischen Staatseisenbahn-Gesellschaft der gegenseitige Verkehr zwischen ihren ungarischen und österreichischen Statio- nen — ferner seitens der k. k. österreichi- schen Staatsbahnen die Verkehre mit den unmittelbar anschliessenden Nachbar- bahnen [Wechsel- Verkehre] in den Wir- kungskreis der eigenen Einnahmen -Con- trolen übernommen wurden.

Es ist daher mit Ende April des Jahres 1883 der erste Abschnitt in der Geschichte des Eisenbahn -Central-Ab- rechnungs - Bureaus und auch in der gedeihlichen Entwicklung des centrali- sirten Abrechnungswesens gekennzeich- net.

Im Wesen der Gesammt-Organisation sowie der Abrechnung selbst trat hiemit eine Aenderung nur insofeme ein, als die von beiden Bureaux aufgestellten monatlichen General-Abrechnungen, be- ziehungsweise die ausgewiesenen Saldi zu einem Hauptsaldo vereinigt, in der bisheri- gen Weise zum Ausgleich gelangten.

Manche seit 1874 eingetretene, im Vorhergehenden besprochene Aenderun- gen in der Stations-Rechnungslegung und viele die bisher giltige Instruction ändernde oder ergänzende Bestimmungen, nicht minder neue Vorschriften über die Aus- übung des internen Dienstes, Hessen die Neuautlage einer Instruction nöthig erschei- nen, deren Entwurf in der gemeinschaft- lichen Directoren-Conferenz am 10. Januar 1884 genehmigt wurde und unter dem Titel: »Bestimmungen für die Verrechnung und Abrechnung der Gebühren aus den imCentral- Abrechnungs-Bureau in Wien zu behandelnden directen Verkehren

der österreichisch- ungarischen Eisenbahnen«, mit Giltigkeit vom I. Mai 1884 zur Ausgabe gelangte.

Für das Central- Abrechnungs- Bureau der österreichisch - ungarischen Eisen- bahnen in Wien, war der bereits er- wähnte Umstand, dass mit i. October 1884 abgekürzte Lieferfristen und hie- mit im Zusammenhange die directen Kartirungen zwischen zwei unmittelbar anschliessenden Nachbarbahnen allgemein eingeführt wurden,*) hinsichtlich eines, allerdings bald vorübergehenden , erweiter- ten Geschäftsumfanges von Wichtigkeit.

Die Anwendung dieser Kartirungsart für drei Bahnen oder auf Grund von Local- Frachtsätzen in Relationen, wo Verband-Tarifsätze gegeben, aber durch Localsätze bereits unterboten waren, end- lich für Verkehrs-Relationen, in welchen Verbandsätze mit Localsätzen in Frage kamen, wirkte späterhin auf die Ge- schäfte des Bureaus allerdings sehr er- schwerend ein.

Bemerkensw-erth ist die Errichtung einer zur Rückrechnung der ursprüng- lich vorläufig abgerechneten Verkehre nothwendig gewordenen eigenen Dienst- abtheilung, deren Kosten jedoch nicht auf allgemeines Conto, sondern auf Grund eines am 8. Mai 1884 gefassten Directoren-Conferenz-Beschlusses auf das Kosten-Conto der an den Rückrechnungen fallweise betheiligten Verwaltungen im Verhältnisse der ihnen aus der definitiven Abrechnung zugerechneten Brutto-An- theile zu stellen waren.

*) Beschluss der Directoren-Conferenz vom 13. November 1884.

V. Reorganisation des Abrechnungs-Dienstes.

/. Gebühren- Veriheilting und Abrech- nung im Gütcnxrkehre auf Grund der Rechnungslegung der Empfangs- bahnen, Uebernahme der Rechnungs- revision in den eigenen Wirkungs- kreis der Eisenbahn- Verwaltungen.

[1887.J

Im Jahre 1886 schritt das Eisenbahn- Central - Abrechnungs - Bureau neuerlich

einem wichtigen Ereignisse entgegen, das den zweiten Abschnitt seines Bestandes und den Anfang vom Ende bedeutete. Am 19. Juni dieses Jahres erfolgte nämlich seitens der k. k. General-Direc- tion der österreichischen Staatsbahnen die Kündigung ihrer Theilnehmerschaft an den Eisenbahn-Central-Abrechnungs- Bureaux in Wien und Budapest sowie an den Vereinbarungen über die Ver-

204

Franz Bauer.

rechnung und Saldirung hinsichtlich der directen Verkehre der österreichischen, ungarischen und bosnisch-herzegowini- schen Eisenbahnen unter einander; gleichzeitig erklärte sie aber ihre Be- reitwilligkeit zu Verhandlungen über die Neugestaltung dieses Abrechnungs- dienstes.

Noch am 29. November 1886 wurden in einer gemeinsamen Directoren-Con- ferenz ein neues Statut für die beiden Eisenbahn-Central - Abrechnungs-Bureaux und Grundsätze für die künftige Ein- richtung des gemeinsamen Dienstes ver- einbart; die Neueinrichtung, beziehungs- weise Reorganisation der beiden Bureaux wurde mit Rechnungsmonat März 1887 festgesetzt.

Inzwischen waren die meisten Ver- waltungen dem Beispiele der k. k. öster- reichischen Staatsbahnen gefolgt, indem sie alle Agenden betreffs ihrer directen Verkehre mit den unmittelbar anschliessen- den Nachbarbahnen [Wechsel- oder Nachbar- Verkehre] der Thätigkeit des Central - Abrechnungs - Bureaus entzogen und mit i. November 1886 in den Wirkungskreis der eigenen Einnahmen- Controlen übernahmen. Hiedurch wurde gerade ein beträchtlicher Theil jener Arbeiten, deren Besorgung unter den geringsten Complicationen und am glatte- sten vor sich ging, dem Bureau ent- nommen, während die verbliebenen Agen- den — durch fortgesetzte Aenderungen und Ergänzungen der Tarife durch immer sich steigernde Schwierigkeiten bei Be- nützung der AntheilS'Tabellen oder beim Mangel an solchen endlich auch durch eine schwer zu überblickende Zahl von Special- Vorschriften für die Gebühren- Vertheilung stets an Umfang und Art anwuchsen und mehr denn je eine constante, consolidirte, interne Geschäfts- führung und einen Personalstand von eingeübten und permanent im gleichen Dienste stehenden Beamten erfordert hätten.

Der neuerliche Uebergang in eine andere Organisation und ausserdem zu einer anderen Abrechnungsmethode hatte denn auch, mit Rücksicht auf den jahre- lang fortgesetzten häufigen Personal- wechsel und den hiedurch verursachten

Mangel einer entsprechenden Anzahl tüchtiger imd allseitig versirter Bedienste- ter Störungen im regelmässigen Gange der Arbeiten und nicht unbedeutende Rückstände im Gefolge.

Die am i. Mai 1887 in Thätigkeit ge- tretenen Eisenbahn -Central- Abrechnungs- Bureaux erhielten ihre Organisation mit nachstehenden Grundsätzen :

Die allgemeinen Angelegenheiten, als : Abänderung des Statuts, Festsetzung und Abänderung der Instructionen, Ent- scheidung über die Vertheilung der Kosten der gemeinsamen Saldirung waren einer »General-Conferenz« aller Theilnehmer an beiden Bureaux vorbehalten.

Die innerhalb des bezeichneten Wir- kungskreises für jedes der beiden Bureaux zu regelnden Angelegenheiten wurden je einer » Special- Conf erenz « der Theilnehmer an dem betreffenden Bureau zugewiesen ; insbesondere: Bestimmung des Amts- sitzes; Bewilligung der Kosten; Ent- scheidung über die Art der Vertheilung der allgemeinen Kosten an die Theil- nehmer ; Feststellung einer Dienstordnung und des Gebühren-Schemas; Ernennun- gen, Beförderungen, Enthebungen des Vorstandes und des Personals; Ange- legenheiten principieller Natur, insofeme dauernde Verpflichtungen für das Bureau hieraus entstanden; endlich die Be- stimmung der Zahl [5 9] der Ver- waltungs - Ausschuss - Mitglieder und die Wahl des Verwaltungs - Ausschusses, der eine Verwaltung als »Vorsitzende« wählte und auch den Wirkungs- kreis des Vorstandes des Eisenbahn- Central- Abrechnungs-Bureaus feststellte. Das Personale der Bureaux bestand in den aus dem Stande der Theilnehmer zugewiesenen und in den eigenen Bediensteten. Den ersteren waren ihre Ansprüche als Mitglieder der Pensions- institute ihrer Heimatsbahnen gewahrt, und bestimmte das Statut noch Folgendes : » Die Bezüge der zugewiesenen Beamten werden vom Verwaltungs-Ausschusse mit dem Zeitpunkte ihrer definitiven Ueber- nahme in den Stand eines Eisenbahn- Central-Abrechnungs-Bureaus nach Mass- gabe des für dieses Bureau festgesetzten Gebühren-Schemas bemessen, jedoch sollen diese Bezüge nicht geringer sein als jene.

Verrechnung und Abrechnung.

265

in deren Genuss diese Beamten bei ihren Verwaltungen standen.«

Den inneren Dienst und dessen Organisation betreffend haben wir zu- nächst die schon erwähnte Abänderung des Abrechnungs-Sj'stems aufdie heute bestehende Form zu besprechen.

Während bisher die Verband- Abrech- nung und Verth eilung der Transport-Ge- bühren auf Grund der Aufgabs- Rechnungen durchgeführt wurde, erfolgt dies vom Rech- nungsmonat März 1887 angefangen für die mit Güterkarten abgefertigten Transporte auf Grund der Abgabs-Rechnungen, welche dementsprechend mit allen jenen Rubriken ausgestattet sind, die früher in den Auf- gabs-Rechnungen gegeben waren [s. S. 258]. In die Aufgabs-Rechnungen selbst gelangen nur zur Eintragung: Anzahl der Expeditionen, summarisches Gewicht laut Güterkarten, frankirte Gebühren, Baar Vorschüsse und Nachnahmen nach Eingang. DieUeberweisungen einzustellen, wird behufs Erleichterung der Rechnungs- legung und Controle unterlassen, da dieselbe vielen Aendenmgen ausgesetzt und diesfalls allerdings zeitraubenden Durchführungen zu unterziehen ist. Die Versandt- Rechnungen sind nebst den hiefür auszufertigenden Zusammenstellungen an die betreffende Control- [Abrechnungs-] Stelle der Empfangsbahn zu senden, der nach durchgeführter Karten- und Rech- nungsrevision bezüglich der Abgabe auch jene der Aufgabe, und nach Durchführung derselben und Anerkennung der abzu- rechnenden Frankatur-, Baarvorschüsse- und Nachnahmen-Summen die Rück- sendung an die Versandtbahn zukommt. Darin liegt ohne Zweifel der Vortheil, dass jeder Empfangsbahn, mehr unab- hängig von anderen, die Fertigstellung der monatlichen Abrechnung des eigenen Verkehrs in die Hand gegeben war, und dass die Gebühren-Vertheilung sowie die weiteren hiemit im Zusammenhange stehenden Geschäfte beliebig durch eine Abrechnungsstelle oder im eigenen Wir- kungskreise besorgt -werden können.

Die Prüfung der Transport- Gebühren für Personen-, Gepäck-, Civil- und Militär- Transporte sowie für die mit Güterkarten abgefertigten Gütersendungen, ferner die Prüfung der Stations-Rechnungslegung

und Cassagebarung wurde ab Rechnungs- monat März 1887 nebst allen damit im Zusammenhange stehenden Agenden in das Ressort der Einnahmen-Controlen der Eisenbahn- Verwaltungen übernommen.

Den beiden Eisenbahn-Central-Ab- rechnungs-Bureaux wurden nur folgende Geschäfte zugewiesen:

1. Die Vertheilung der Transport- Gebühren für die seitens der Controlen der Theilnehmer geprüften und zu genanntem Zwecke an die Bureaux übermittelten Stations - Rechnungen, beziehungsweise Summarien für abgefertigte Civil- Per- sonen und -Transporte; für Gepäck- und Militär-Transporte; ferner für ange- kommene, mit Güterkarten abgefertigte Eil- und Frachtgüter.

2. Die monatliche Ermittlung der Gesammtsummen an Schuld und Forde- rung für die an diesen directen Verkehren betheiligten Verwaltungen auf Grund der Ergebnisse der bezüglichen Zusammen- stellungen und der Haupt- Recapitulation der Gebühren- Antheile aus sämmtlichen Verkehren.

3. Ausgleich der Gebühren für Güter- verschleppungen, Reexpeditionen, Porto- Rückvergütimgen und

4. die Cartell-Abrechnung für sämmt- liche in das Ressort des betreffenden Eisenbahn - Central- Abrechnungs-Bureaus fallenden Verband-Verkehre.

Dem Eisenbahn-Central- Abrechnungs- Bureau in Wien oblag auch die Veran- lassung des Geldausgleiches hinsichtlich der Ergebnisse der monatlichen Abrech- nungen beider Bureaux [Saldirung].

Bis I. Juli 1887 war die Cartell-Ab- rechnung unter einheitlicher Leitung eines Vorstandes der k. k. priv. österreichi- schen Staatseisenbahn - Gesellschaft als »Aufsicht führenden Verwaltung des Spe- cial-Abrechnungs-Bureaus für die Ge- meinschafts-Verkehre <f unterstellt, be- wahrte aber betreffs Personalien und in disciplinarer Hinsicht ganz das selbständige Wesen von central isirten Commissionen, die seitens der betheiligten Verwaltungen nach Massgabe des Geschäftsumfanges beschickt wurden, um auf Grund der durch das Eisenbahn - Central- Abrech- nungs-Bureau beizustellenden Gemein- schafts-Abrechnungs-Unterlagen den be-

266

Franz Bauer.

züglichen Cartell-Ausgleich im gegen- seitigen Einvernehmen zu bewirken. Hatte das auf solche Weise organisirte Bureau eine leichte Beweglichkeit des Personalstandes bei zunehmendem Ge- schäftsumfange für sich, so war anderer- seits durch das im Wege der Aufsicht führenden Verwaltung ehestens herzu- stellende Einvernehmen über die im Cartellwesen häufig auftretenden specia- len Fragen ein wesentlicher Vortheil für eine beschleunigte Geschäftsabwicklung geboten, lieber die Thätigkeit dieser Dienstesstelle haben wir bereits bei Er- örterung des Gemeinschafts-Systems ge- sprochen.

Mit Rücksicht auf die ziemlich weit- greifenden Aenderungen im Abrechnungs- dienste der Einnahmen-Controlen sowohl, wie der Abrechnungsstellen, gestaltete sich der Dienst während der Ueber- gangsperiode im ersten Halbjahre ziem- lich schwierig; viele Verwechslungen bei Zusendung der Abrechnungsunter- lagen an die Abrechnungsstellen, nicht sogleich zu behebende Unrichtigkeiten der Unterlagen [Summarien] für die Gebühren- Vertheilung, endlich der Umstand, dass in vielen, nicht verbandmässigen Ver- kehrs-Relationen auf Grund directer [aus Localsätzen oder aus Verbandsätzen unter Anstoss von Localsätzen gebildeter] soge- nannter künstlicher Verband-Frachtsätze abgefertigt wurde, deren Erhebung bei der nun durch einen zweiten [hierüber in Unkenntnis sich befindenden] Beamten vorzunehmenden Gebühren - Vertheilung sehr zeitraubend war, mussten auf die Abrechnung erschwerend einwirken, was durch viele Verschiebungen der Arbeits- kräfte und Zuweisung von Agenden, mit denen manche wenig vertraut waren, nur noch verschärft wurde.

Mit dem Rechnungsmonat August 1888 wurde von der seit März monatlich zweimal durchgeführten Saldirung auf Grund eines in der General-Conferenz am 13. April 1889 gefassten Beschlusses Abstand genommen. Die beim neuen Abrechnungs - System gemachten Ein- führungen wurden Ende 1888 in den Ent- wurf einer Neuauflage der Verrechnungs- und Abrechnungs-Instruction aufgenom- men und der genehmigte Entwurf als

Instruction mit l. Mai 1889 zur Ein- führung gebracht; mit i. Mai 1892 wurde diese durch eine andere Neu- auflage ersetzt.

Besonders vortheilhaft für die Auf- stellung der Gebühren-Antheile erwiesen sich die schon auf Grund der Instruction vom I. Mai 1889 mit gleichem Tage eingeführten Gebühren- Abrechnungshefte, durch deren auf lithographischem Wege hergestellte Vervielfältigung für alle in einem Empfangs-Verkehre betheiligten Bahnverwaltungen eine deutliche und übersichtliche Abrechnungs-Unterlage ge- schaffen wurde. Andererseits wurde auch für die Rückrechnung vorläufig ab- gerechneter Verkehre ein abgekürztes Verfahren eingeführt, indem dieselbe nicht mehr nach Monatsperioden geschah, sondern für die ganze Dauer der vor- läufigen Vertheilung zu den ohne An- theils-Tabellen verbliebenen Tarifen. Die monatsweisen Gewichtsergebnisse wurden [nach Relationen, Classen und Routen geschieden] nebst den vorläufig abgerech- neten Gebühren- Antheilen in eine Zusam- menstellung aufgerollt und konnte nach Herausgabe der Antheils-Tabellen unter einem für den ganzen Zeitabschnitt die de- finitive Abrechnung durchgeführt werden.

Einen nicht unbedeutenden Arbeits- zuwachs erhielt das Eisenbahn-Central- Abrechnungs-Bureau in Wien durch die Zuweisung der nach dem »Combinirten Systeme«*) zu vertheilenden Transport- Gebühren aus den Local- und Nachbar- Verkehren einzelner österreichischer Eisen- bahn-Verwaltungen.

Das Cartell-Abrechnungswesen hatte zunächst eine bedeutende Ausdehnung durch die Zuweisung des Gartell-Aus- gleiches aus Umkartirungen genommen und weiterhin durch die im Jahre 1893 erfolgte Uebertragung der Prüfung der richtigen Instradirung in den 100 böigen und nach dem Princip der kürzesten Route geregelten Relationen des öster- reichischen und nordwest - böhmischen Verband- Verkehrs.

*) Dieses Sj^stem bedeutet eine gleichzei- tige Durchführung der Cartell-Abrechnung und Gebühren- Vertheilung ; vgl. E.Rank, die Tarif- Cartelle der österr -ungar. Eisenbahnen, Wien 1886. Commissions Verlag >SteyrermühU.

Verrechnung und Abrechnung.

267

2. Uebernahme des gesammten Ab-

rechnungS'Dienstes in den eigenen

Wirkungskreis der Eisenbahn- Venval-

tungen. [i8g6J

In der V. General - Conferenz am 26. October 1895 wurde die Gemein- samkeit des Statutes vom Jahre 1887 [beziehungsweise i8gi] des österreichi- schen und des ungarischen Eisenbahn- Gen tral- Abrechnungs-Bureaus aufgehoben, somit auch die Institution der General- Conferenz selbst; an deren Stelle traten die Special- Conferenzen ; jene für das Eisenbahn - Central - Abrechnungs - Bureau in Oesterreich führte ein neues Statut nebst Dienstordnung mit Giltigkeit vom I. Januar 1896 ein.

Die mit gleichem Tage eingeführte Instruction über die Verrechnung, Ab- rechnung und Saldirung der Gebühren wurde grundsätzlich als eine einheitliche erklärt und musste dem gemäss durch die gemeinsame Directoren - Conferenz der österreichisch-ungarischen und bosnisch- herzegowinischen Eisenbahnen genehmigt werden. Die regelmässigen Geschäfte des Eisenbahn - Central- Abrechnungs-Bureaus für Oesterreich bestehen nunmehr in der :

1. cartellmässigen Abrechnung der einer Verkehrs-Theilung unterliegenden Transporte, soweit diese Abrechnung dem Bureau zur Behandlung zugewiesen wird ;

2. Ermittlung von Zinsen, welche die Theilnehmer vereinbarungsmässig für die gegenseitigen, im Eisenbahn-Central- Abrechnungs - Bureau zum Ausgleiche gelangenden Schuldbeträge zu zahlen haben ;

3. periodischen Ausgleichung der vom Bureau selbst sowie der von dem Eisen- bahn - Central - Abrechnungs - Bureau in Ungarn aufgestellten Abrechnungs-Ergeb- nisse und anderweitiger, zwischen den Theilnehmern an diesen Bureaux ent- stehenden und angemeldeten Forderungen.

Ferner war dem Bureau die Erledi- gung aller bis Ende Februar 1896 noch einlaufender Geschäftsstücke betreffs Güter- Verschleppungen, Mängel-Erläute- rungen, Frachterstattungs - Ansprüchen und Abrechnungs- Anständen sowie die Aufarbeitung sämmtlicher bezüglicher

Rückstände und die Durchführung der definitiven Rückrechnung aller bis Ende des Rechnungsjahres 1895 vorläufig ab- gerechneter Verkehre übertragen.

Die Verwaltung des Eisenbahn-Central- Abrechnungs-Bureaus für Oesterreich be- steht seit I . Januar 1 896 in :

1. der Theilnehmer - Conferenz sämmtlicher Verwaltungen, der im Wesent- lichen ein Wirkungskreis zukommt, wie er früher für die Theilnehmer - Conferenz beider Eisenbahn - Central - Abrechnungs- Bureaux festgesetzt war;

2. dem Verwaltungs-Ausschuss aus mindestens fünf, höchstens neun, in der Theilnehmer- Conferenz zu wählenden Verwaltungen ;

3. der Vorsitzenden-Verwaltung, die auch in den Theilnehmer-Conferenzen den Vorsitz führt; den beiden letzteren kommt ein gleicher Wirkungskreis zu, wie auf Grund des Statutes vom Jahre 1887.

Der Personalstatus wird gebildet:

1 . durch Zuweisung geeigneter Beam- ten-Aspiranten, Unterbeamten, Diurnisten und Dienern aus dem Personalstande der Theilnehmer;

2. durch die früher im Dienste des Eisenbahn - Central -Abrechnungs-Bureaus gestandenen, von den Theilnehmern nicht in deren Status aufgenommenen Diur- nisten ;

3. durch Aufnahme eigener Diur- nisten für vorübergehende Arbeiten und für kurze Zeitdauer;

4. durch im Taglohne stehende Be- dienstete.

Aus der, dem Bureau laut Punkt I 3 verbliebenen Geschäfts-Zuweisung ist zu erkennen, dass es ganz aufgehört hat, ein Eisenbahn-Central-Abrechnungs- Bureau zu sein. Es ist ein Torso geworden, dem das gewesene Ganze nur noch den Namen leiht.

Mit I. Januar 1896 ging somit auch die Vertheilung der Transport-Gebühren in den Wirkungskreis der Einnahmen- Controlen der Eisenbahn -Verwaltungen über, wo die Abrechnung für den Per- sonen-, Gepäck- und für den mit Transport- Anweisungen abgefertigten Verkehr auf Grund der geprüften Rechnungen der Aufnahme-Stationen, und jene für den

268

Franz Bauer.

mit Güterkarten abgefertigten, auf Grund der Rechnungen der Empfangs-Stationen nach den bisherigen Grundsätzen zur Durchführung gelangt.

Für jede am Verkehr betheiligte Ver- waltung, somit auch für die eigene, stellt die abrechnende Controlstelle eine Nach- weisung über Schuld und Forderung auf, die für jeden Verkehrszweig ersehen lässt: A) als Schuld die eingehobenen Ge- bühren für Personen, Gepäck und Trans- porte, Frankaturen für abgesendete und Ueberweisungen für angekommene Güter;

B) als Forderung die Gebühren- Antheile aus den einzelnen Verkehrszweigen sowie Baarvorschüsse und Nachnahmen für ab- gesendete Güter; ferner den aus Schuld und Forderung resultirenden Saldo zu Lasten oder zu Gunsten.

Die für jede Verwaltung ausgewiese- nen Saldi sind in eine Ausgleichungs-An- meldung aufzunehmen, die in den Summen an Schuld und Forderung zu bilanziren hat und der gemeinsamen Saldirungsstelle als Unterlage für die Saldirun g einzu- senden ist.

VI. Verrechnung und Abrechnung im directen Verkehre

mit dem Auslande.

Die Verrechnung der Transport-Ein- nahmen aus dem Verkehre mit dem Aus- lande entwickelte sich fast gleichzeitig und in gleichen Formen, wie wir sie im directen inländischen Verkehre kennen lernten, wobei wir nur bemerken, dass die Verrechnung und Abrechnung im Verband- Verkehre mit dem Auslande schon im Jahre 1864 durch den Süddeutschen Eisenbahn-Verband eingeführt erscheint, während dieselbe in Oesterreich selbst erst mit dem Jahre 1871 durch den Oesterreichi- schen Eisenbahn-Verband Eingang fand.

Die ersten directen Verkehre mit dem Auslande wurden wie jene im Inlande in der Form . des Anschluss - Verkehrs abgefertigt und verrechnet, indem die für ausländische Bahnen eingerechneten Transport-Gebühren in den Begleitkarten cumulativ auszuweisen waren. Die Kar- tirung wurde ursprünglich ebenfalls mit zwei Frachtkarten durchgeführt, deren eine in der Grenzstation von der über- gebenden Bahn, die andere in der Be- stimmungsstation von der Empfangsbahn eingezogen wurde. Beide dienten als Abrechnungs-Unterlagen für die gegen- seitige Verrechnung und Abrechnung, die häufig durch Commissionen besorgt wurde.

Eine andere Art der gegenseitigen Abrechnung bestand darin, dass die in der Grenzstation übergebende Bahn die Forderung oder Schuld der die Tran- sporte übernehmenden Bahn, nach Prü- fung der Begleitkarten und Documente

genau ermittelte und in Verzeichnisse aufnahm, welche als Abrechnungs-Unter- lage für die beiden Bahnen unter- einander dienten und von den hiezu berufenen Organen bei Uebemahme hin- sichtlich deren Richtigkeit zu bestätigen waren. Wenn in solchem Falle bis oder ab der Grenze ausser den beiden abrechnenden Bahnen auch andere Ver- waltungen am Transporte betheiligt waren, so ergab sich allenfalls die Noth wendigkeit einer Abrechnung zwischen den inlän- dischen Bahnen untereinander einerseits und den ausländischen Bahnen unter- einander andererseits.

Ein Blick auf die im Jahre 1863 erstellten einschlägigen Tarife, insbe- sondere ein Vergleich mit der auf Seite 218 enthaltenen Tariftabelle mag als bester Commentar für das Vorbespro- chene dienen. Die derzeitige Verrech- nung und Abrechnung im Verkehre mit Belgien wickelt sich in ähnlicher Art ab, indem die Antheile der belgischen Bahnen vorweg ausgeschieden, Schuld und For- derung derselben ermittelt werden, so dass der Saldo für die belgischen Bahnen festgestellt ist. Hinsichtlich der übrigen Transportstrecken, beziehungsweise Bah- nen, pflegt man sodann die Gemein- schafts-Abrechnung.

Gleichzeitig mit der Einführung direc- ter Verband-Tarife für den Verkehr mit dem Auslande nahm Oesterreich auch an den Einrichtungen der Verbände selbst theil.

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Verrechnung und Abrechnung.

269

Die ausländischen Verbände und mit ihnen auch die betheiligten österreichi- schen und ungarischen Eisenbahn -Ver- waltungen, bilden eine für jeden Ver- band in sich geschlossene Gruppe, die , sämmtliche gemeinsame Verbands-An- gelegenheiten, auch die Gebühren-Ver- theilung, Abrechnung und General- Ab- rechnung als Ganzes für sich regelt ; darin liegt ein wesenthcher Unterschied gegen- über dem seit jeher bestehenden Ab- rechnungsmodus in Oesterreich, wo alle Verbände unter Einem zur Abrechnung gelangten und seit dem Jahre 1896 hin- sichtlich des mit GUterkarten abgefertig- ten Verkehrs vollständig seitens der Empfangsbahnen zur Abrechnung ge- bracht werden. Die Rechnungslegung im Verband -Verkehre mit ausländischen Bahnen wird stations- und routenweise sowohl durch die Versandt- als auch durch die Empfangs-Stationen, und zwar in allen Rubriken[nach Gewichts-Classen, Transport-Gebuhren, Frankaturen, Baar- vorschÜBsen, Nachnahmen und Ueber- weisungs- Summen] ganz conform durch- geführt.

Als wichtigste Formen für die Ab- rechnung der Verkehre mit dem Aus- lande gelten:

1. Die Grenz- Abrechnung;

2. die Abrechnung durch die End- bahnen ;

3. die Abrechnung auf Grund von Versandt- und Empfangs- Rechnungen [Rapporten].

1. Die Grenz-Abrechnung ist wohl als die älteste Form zu bezeichnen ; sie bedeutet im Principe eine directe Abfertigung im Anschluss-Verkehre, wie wir sie kurz vorher als erste Form des An seh luss- Verkehrs mit dem Auslande dargestellt haben.

Eine Aenderung im Wesen liegt darin, dass die Verkehrsgebiete, auf die sich eine Abrechnung in diesen Sinne erstreckt, weit ausgedehnte, oft mehrere Verbands-Gebiete umfassende sind. In der zur Abrechnung bestimmten Grenz- station übergibt die am Transporte vor der Grenzstation letztbetheiligte Verwal- tung die Transporte gegen Uebergangs- Verzeichnisse [Creditaus weise, Borderaux], in denen der schon oben bezeichnete

Ausgleich durchgeführt und von der übernehmenden Bahn als richtig bestätigt wird. Hiedurch tritt die übergebende Bahn zur Aufnahmsbahn in das Credit- verhältnis als Abgabsbahn hingegen die übernehmende als [neue] Aufnahmsbahn in das Credit Verhältnis zur eigentlichen Empfangsbahn. Infolgedessen kommt eine Abrechnung bis zur Grenze und eine zweite von der Grenze bis zur B est immungs- Station zur Durchführung, deren jede in dem Ue bergan gs- Verzeich- nisse, beziehungsweise in den Aufgabs- und Abgabs- Rechnungen der Grenzstation ihre Grundlage findet. Diese Abrechnung wird im Verkehre mit Italien, Russland und mit Belgien durchgelührt.

2. Die Abrechnung durch die Endbahnen pflegt aus Gründen der Zweckmässigkeit bezüglich des Personen- und Gepäcks - Verkehrs von der Aus- gangs-, bezüglich des mit Güterkarten abgefertigten Verkehres von der Empfangs- bahn durchgeführt zu werden. Die ge- prüften Rechnungs- Unterlagen der die Verrechnung führenden Endbahn sind seitens der anderen Endbahn auf Grund der eingezogenen Billette, Gepäcksscheine und auf Grund der GUterkarten zu prü- fen und mit den Aufgabs-Rechnungen in Uebe rein Stimmung zu bringen. Ueber die durch die Rechnung führende End- bahn auszuweisenden Transport-Gebühren für die betheiligten Transitbahnen sind Rechnungsauszüge aufzulegen, die alle zur Controle der Richtigkeit ihrer An- theile nöthigen Daten zu enthalten haben und von der prüfenden Bahn als richtig anzuerkennen sind. Dieses Abrechnungs- System findet im Verkehre mit England und Nordfrankreich Anwendung; vielfach wird auch der Personen- und Gepäcks- Verkehr mit deutschen Bahnen in dieser Weise abgerechnet.

3. Die Abrechnung auf Grund von Versandt- und Empfangs- Rechnungen [-Rapportenl.

Die Empfangs- Rech nur für den mit Güterkarter Verkehr werden von der hinsichthch der richtiger der Güterkarten nach Pri fälliger Berichtigung der i rechneten Tran Sport -Geh

270

Franz Bauer.

und die erhaltenen Summen an Gewichts- und Geldbeträgen relations- und routen- weise nach Massgabe der vorgedruckten Rubriken für jeden Versandt -Verkehr in Zusammenstellungen übertragen. Die be- treffenden Versandtbahnen übermittelten inzwischen ihrerseits die aus den Rechnun- gen [Rapporten] conform verfassten Ver- sandt-Zusammenstellungen, deren einzelne Posten in allen Theilen der Eintragung mit jenen der bezüglichen Abgabsposten zu vergleichen und bei all fälligen Diffe- renzen entsprechend richtig zu stellen sind. Nachdem auf solche Weise die Gesammt-Betreffnisse der Aufgabs- mit jenen der Abgabs-Zusammenstellungen in IJebereinstimmung gebracht sind, werden sämmtliche für den gleichen Verband- Verkehr nach einer Bahn ausgefertigten Aufgabs - Zusammenstellungen in eine Uebersicht aufgerollt, die nebst den Zu- sammenstellungen an die Abrechnungs- stelle des betreffenden Verbandes [ge- wöhnlich die geschäftsführende Verwal- tung] behufs Ausscheidung der Gebühren- Antheile, Aufstellung der General-Ab- rechnung und Veranlassung der Saldirung zu übermitteln ist. Durch Vervielfältigung der Gebühren- Antheils- Aufstellungen so- wie der General-Abrechnungen und Zu- sendung von Copien derselben an die betheiligten Bahnen, sind diese in der Lage, die Richtigkeit der Antheils-Be- rechnung und -Zurechnung zu prüfen. Diese Form der Verbands-Abrechnung ist derzeit im Verkehre zwischen öster- reichischen, ungarischen und deutschen Bahnen meistentheils in Anwendung.

Für mehrere grössere cartellirte Ausland-Verbands- Verkehre erfolgte die Durchführung der Abrechnung fast 25 Jahre hindurch seitens hiezu berufener

Beamten-Commissionen, denen auch die gleichzeitige Besorgung der Cartell- Abrechnung und sonstiger mit der Ver- bands-Abrechnung im Zusammenhange stehender Agenden oblag.

Obschon dieser Abrechnungsmodus den Vorzug einer beschleunigten und sicheren Durchführung für sich hatte, nahm man hievon nach Einführung des Systems der combinirten Abrechnung für diese Verbände des Ausfalles der Cartell- Abrechnung und der grösseren Kosten wegen Umgang.

Wie in den meisten übrigen Verbänden übertrug man sodann die Durchführung der Abrechnung [Gebühren-Vertheilung und Aufstellung der General-Abrechnung] auch hier in jedem Verbände der mit der Geschäftsführung betrauten Verwaltung, als der Verbands - Abrechnungsstelle. Ausser diesen bestehen im Auslande auch für grössere Gruppen von Eisenbahn -Ver- bänden Abrechnungs-Bureaux, so:

das Central-Abrechnungs-Bureau für den Süddeutschen Eisenbahn- Verband *) zu München. Daselbst gelangen auch die deutsch- und böhmisch-italienischen Verbands- Verkehre zur Abrechnung;

das Central-Abrechnungs-Bureau der königlich preussischen Staatsbahnen in Hannover ;

das Central-Abrechnungs-Bureau für den süddeutsch-französischen und den süddeutsch-italienischen Verkehr via St. Gotthard in Strassburg;

das Eisenbahn-Central- Abrechnungs- Bureau für den Verkehr mit den Orient- Bahnen, mit Serbien, Bulgarien, Rumänien und der Türkei zu Belgrad.

*) Im Jahre 1864 als Verband-Abrech- nungs-Bureau gegründet.

VII. Haupt-Rechnungs-Abschluss, General-Abrechnung und

Saldirung.

Bei centralisirtem Abrechnunjjsdienste ! erfolgt die Aufstellung einer Gesammt- I Abrechnung für alle an der gemeinsamen ' Abrechnungsstelle betheiligten Verwaltun- 1 gen. Zu diesem Zwecke werden zunächst die aus sämmtlichen Verkehren bahnweise !

sich ergebenden Gebühren-Antheile durch Aufnahme in Haupt-Zusammenstellungen oder -Recapitulationen zu Hauptsummen vereinigt, die in einer für sämmtliche Bahnen aufgelegten Nach Weisung über Schuld und Forderung auf der Seite

Verrechnung und Abrechnung.

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Forderung« für jede Bahn ausgewiesen werden. Ferner sind auf dieser Seite lie von jeder Bahnverwaltung ausgewie- |enen Forderungen an Baarvorschüssen ind Nachnahmen einzutragen. Dagegen ^ommen auf die »Schuldseite« die feitens jeder Bahn eingehobenen Ge- bühren für Beförderung von Personen, repäck und Gütern sowie die für an- fgekommene Güter eingehobenen Ueber- Weisungen. Die sonach auf der » Schuld «- und »Forderung «-Seite ermittelten Total- summen müssen bilanziren. Als Ab- rechnung erhält jede betheiligte Bahn- verwaltung eine Nachweisung über Schuld und Forderung, die einen Auszug ihrer Ergebnisse aus der besprochenen Hauptnachweisung darstellt und den Saldo an Schuld oder Forderung nachweist. Alle hierauf bezüglichen Unterlagen sind in den Originalen, beziehungsweise in Copien beizuschliessen.

Der ausgewiesene Saldo bildet neben anderen vereinbarungsgemäss speciell nachzuweisenden Abrechnungs - Ergeb- nissen eine Post in der General - Ab- rechnung.

Die aus den Abrechnungen, beziehungs- weise aus den General - Abrechnungen resultirenden Saldi werden in eine Aus- gleichungs-Anmeldung oder in eine Bilanz aufgenommen, welche den Saldirungs- stellen als Unterlagen zu dienen haben und ihnen kostenfrei einzusenden sind. Sämmtliche seitens der Theilnehmer einer gemeinsamen Saldi rungsstelle über- mittelte Saldirungs-Unterlagen sind in das für jeden Theilnehmer zu führende Conto- corrente, oder vorerst in Conto-corrente- Beilagen und dann summarisch in jenes zu übertragen. Nach Ablauf des für die periodische [halbmonatliche oder monat- liche] Saldirung festgesetzten Termines ist das Conto-corrente jeder Verwaltung abzuschliessen, der Saldo an vSchuld oder Forderung zu ermitteln und über diese Saldi zur Prüfung der Richtigkeit eine General-Bilanz aufzustellen. Jede Bahn- verwaltung erhält sodann eine Abschrift ihres Conto-corrente mit allen zur Prüfung der Gesammtziffer nöthigen, eventuell zum Zwecke des Beischlusses vervielfältigten Saldirungs-Unterlagen.

Erfolgt der Baarausgleich durch die

Saldirungsstelle selbst, so haben sämmt- liche schuldende Theilnehmer die Schuld- beträge zum festgesetzten Termine dort einzuzahlen, während die Forderungsbe- träge von ebendort gewöhnlich einen Tag später zur Auszahlung zu bringen sind.

Bei Baarausgleich von Theilnehmer zu Theilnehmer hat die Saldirungsstelle eine Saldirungs-Uebersicht und für jeden Theilnehmer einen Auszug [Saldirungs- Antrag] aus dieser Uebersicht aufzulegen, der die Theilbeträge und Theilnehmer ausweist, denen er behufs Durchführung der Baarzahlung gegenübersteht.

Ausser der für die Saldirung aus directen Abrechnungen zwischen öster- reichischen, ungarischen und bosnisch- herzegowinischen Eisenbahnen in Wien bestehenden Abrechnungs- und Saldi- rungsstelle, die wir bereits ausführ- licher besprochen haben, sind noch zu erwähnen :

Die Abrechnungsstelle des Vereins Deutscher Eisenbahn - Verwaltungen zu Berlin und das Central-Saldirungs-Bureau in Brüssel. Letzteres wurde mit i . Januar 1886 zum Zwecke des Abrechnungs- Ausgleiches für den internationalen Verkehr zwischen Oesterreich, Ungarn, Deutschland, Italien, Schweiz, Frank- reich, Belgien, Holland und England gegründet.

Die Abrechnungsstelle des Vereins Deutscher Eisenbahn- Verwaltungen wurde am I. October 1871 als »General-Saldi- rungsstelle« von einer Anzahl deutscher Vereins-Verwaltungen geschaffen, um die aus der gegenseitigen Abrechnung der Verkehre sowie aus sonstigem Titel entspringenden gegenseitigen Zahlungs- Verbindlichkeiten periodisch für alle in Summa und für jeden einzelnen Theil- nehmer im Saldo ermitteln, und so in kürzester Weise zum Baarausgleiche bringen zu können.

Die Generalversammlung des Vereines zu Breslau [1882] beschloss, diese Sal- dirungsstelle zur Vereins-Einrichtung zu machen und gab derselben eine zu Frank- furt [1884] abgehaltene Generalversamm- lung den Titel: Abrechnungsstelle des Vereins der Deutschen Eisenbahn- Ver- waltungen. Sie besteht unter der Leitung

und am Sitze der geschäftsfUhrenden Direction des Vereines selbst.

Zum Schlüsse sei noch in Bezug auf Tarif und Abrechnung auf die vielfache Verzweigung in Verband-Gruppen, sowohl im directen Verkehre mit dem Auslande, als in jenem zwischen österreichischen, ungarischen und bosnisch-herzegowini- schen Eisenbahnen, hingewiesen. Das steht allerdings mit der Art, Verband- Tarife zu vereinbaren und mit der hie- durch bedingten Verkehrstheilung in un- mittelbarem Zusammenhange, hat aber andererseits eine [durch viele Routen und Guterclassen, durch die per Route und Classe für jede Bahn ziffermässig fest- zustellenden Antheilssätze, endlich durch die Special- Abrechnung über die Routen- Quotisirung] buchst weitläufige, er- schwerte und kostspielige Verb and -Ab- rechnung selbst dann zur Folge, wenn die Antheilssätze [An theiistab eilen) zur Zeit der Abrechnung stets schon gegeben wären.

Wenn wir hiemit in der Darstellung der Entwicklung des Abrechnungswesens hinsichtlich der Transport- Einnahmen der Eisenbahnen bei der Gegenwart ange- langt sind, können wir wohl der Ueber- zeui^ung Ausdruck geben, dass dieses Stadium noch nicht das letzte in der Entwicklung bleiben wird.

Das Streben nach Vervollkommnung und einer einheitlichen Ausgestaltung in anderen Zweigen des Eisenbahnwesens, hat dort schon näher zum Ziele geführt und wird deshalb auch hier nicht ruhen.

Was für die technische, was für die frachtrechtliche [reglementare] Einheit im Eisenbahnwesen durch die internationalen Verträge zu Bern [vom i. April 1887, beziehungsweise vom 14. October 1890] geleistet wurde, ist auf dem Gebiete des Tarif- und Abrechnungs -Wesens noch lange nicht erreicht. Die Einheit lässt sich hier nicht mit dem Massstabe des Technikers, nicht an der Richtschnur von Gesetzes- Paragraphen herstellen.

Organe des Betriebes.

Von

Franz Mähling,

Adjunct der k. k. prlviles^irten SUdbahn-GeselUchaft.

So reichlich die Quellen der Eisen- bahn - Geschichte Oesterreich - Un- garns sonst fiiessen mögen, hin- sichtlich der allgemeinen und besonderen Verhältnisse des Eisenbahn- Personales der Betriebs-Organe im weitesten Sinne des Wortes versagen sie zu Zeiten fast gänz- lich, insbesondere in den Kinderjahren un- seres Eisenbahnwesens. Die zeitgenös- sische Fachliteratur, soweit man von einer solchen sprechen kann, enthält darüber nichts oder nur dürftige Andeutungen. Will man sich also über die Qualität, die Rechts- und Entlohn ungs- Verhältnisse, die dienst- hche und gesellschaftliche Stellung, kurz Über die gesammten Lebensbedingungen der österreichischen Eisenbahn- Bedienste- ten in der ältesten Zeit unseres Eisenbahn- wesens Klarheit schaffen, so ist man ge- zwungen, nicht selten zu Vermuthungen Zuflucht zu nehmen, wie sie sich aus den ersten gesetzlichen Bestimmungen und Dienstvorschriften ergeben, und auf die Tagesliteratur, Streitschriften und Schilderungen zurückzugreifen, in welchen sich, wenn auch in lückenhaften, mit- unter selbst verzerrten Umrissen, das Bild der dienstlichen und sonstigen Ver- hältnisse des Eisenbahn -Personales jener ersten Zeit wiederspiegelt.

So wie die berühmten siage-coaches Englands, in Oesterreich die für ihre Zeit ebenso vortrefflichen Eil- und Extra- posten nicht nur die unmittelbaren Vor-

läufer, sondern in mehr als einer Hinsicht auch das Vorbild für die ersten Eisen- bahnen bildeten, so ist auch der Schwager« Postillon der Urahne des heutigen Betriebs- Personales.

Der Postillon war der im Lohnver- hältnisse stehende Bedienstete eines Posthalters oder Bespannungspächters und unterschied sich sonach in seiner rechtlichen Stellung in nichts von dem übrigen Gesinde, Trotzdem würde man sehr irren, wenn man in ihm einen ein- fachen Fuhrknecht, nichts als den Rosse- lenker, oder bei Eil- und Extraposten den verwegenen Vorreiter sehen wollte, der, wenn ihm klingender Dank in Aussicht stand, sein Gespann im sausenden Galop über Stock und Stein dahintrieb. Er war auch, wieschon sein Epitheton »Schwager« bezeugt, der allen Vertraute, der Wege- kundige, der Vermittler der Neuigkeiten, die er von Wirthshaus zu Wirthshaus auf- sammelte.

Höher stieg sein Ansehen, als im Jahre 1750 die ein Jahr vorher von Frei- herrn von der Lilien gegründeten Dih- gencen nach dem Deutschen Reiche von der k. k. Cameral-Direction übernommen und alsbald auf die wichtigsten Relationen Innerösterreichs ausgedehnt wurden.

Dadurch wurde er, wenn schon nicht rechtlich denn sein Dienstverhältnis blieb das frühere so doch der öffent- lichen Meinung nach kaiserhcher Be- diensteter; dadurch entfiel auf ihn ein Theil der Prärogative der staatlichen

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Franz Mähling.

Verkehrsanstalt. Und wenn er, im Be- wusstsein seiner Würde, angethan mit den hohen Reiterstiefeln, den weissen Leder- hosen, dem kurzen, dunklen, in Gala jedoch rothen Frack, die Binde mit dem Doppeladler am linken Arme, am Kopfe den mächtigen goldbetressten Zweispitz mit dem Federbusche und in der be- handschuhten Faust die lange Peitsche schwingend, dahinstolzirte, durfte er an- nehmen, dass ihm die allgemeine Werth- schätzung nicht versagt bleibe. Dass er dabei nicht selten eine allzeit durstige Seele und vor Allem ein jederzeit trink- geldlüstemer Patron war, darf bei seinem Metier, das ihn zu anhaltender Bewegung in freier Luft und zu stetem Verkehre mit dem, so einst wie heute, tausenderlei Gefälligkeiten beanspruchenden Publicum zwang, nicht wundernehmen.

Wahrscheinlich um dieser Trinkgelder- wirthschaft einigermassen zu steuern und dem Postillon, ähnlich den Fahrgebühren des heutigen Maschinen- und Zugsper- sonales, eine entsprechende Entschädigung für die Reiseauslagen zu sichern, war in die Tarif bestimmungen der k. k. Post zu Anfang unseres Jahrhunderts die Vor- schrift aufgenommen worden, dass die mit den gewöhnlichen Postwagen Reisenden in allen Provinzen, ohne unter- schied, dem Postillon für jede einfache Station als Trinkgeld 5 kr. C.-M. auf die Hand zu zahlen haben. Für Extrapost musste tarifmässig 56 kr. C.-M. Ritt- geld und 12 kr. C.-M. Trinkgeld pro Meile bezahlt werden.

Heute fristet der Postillon, seiner einstigen Herrlichkeit grösstentheils ent- kleidet, ein bescheidenes Dasein nur mehr in den von der Eisenbahn abgelegenen Gegenden.

Sein nächster Nachfolger in der Ahnenreihe der Eisenbahnbetriebs-Organe und eine Zeitlang sein mit sehr scheelen Augen betrachteter Concurrent, ist der Rosselenker der Holz- und Eisenbahn Budweis-Linz-Gmunden ; denn die Pferde- Eisenbahn von Prag bis Lana kann in ihrer beständigen Beschränkung auf einen kümmerlichen Frachtenverkehr fütrlich ausser Betracht bleiben.

Mit den Holz- und Eisenbahnen trat ein neues, nicht nur für den Betrieb dieser,

sondern der Eisenbahnen überhaupt be- stimmendes und charakteristisches Moment in den Vordergrund: die unverrückbare Fahrbahn, von welcher das Fuhrwerk nun nicht mehr beliebig abweichen und ausweichen konnte. Ausserdem hatte man es im Interesse möglichster Leistungs- fähigkeit und Sicherheit des neuen Ver- kehrsmittels als noth wendig erachtet, demselben einen eigenen Strassenkörper aitrülegen. Und diese beiden Umstände bedingten bereits eine weitergehende Arbeitstheilung, als sie der Postbetrieb noth wendig machte.

Der Executivdienst bei der »K. k. priv. Ersten Oesterreichischen Eisenbahn-Ge- sellschaft« zerfiel sonach in zwei Theile : *) Die Bahnerhaltung, welche von der Ge- sellschaft von allem Anfange selbst mit eigenen Organen besorgt wurde, und den Betrieb im engeren Sinne, einschliesslich Beistellung der Zugkraft.

Dieser letztere Dienstzweig war in den ersten Jahren an sogenannte »Bespan- nungspächter* überlassen worden, wel- chen die Bahneigenthümerin nur das rollende Materiale und die zur Unter- bringung des Betriebspersonales sowie der Bespannung nöthigen Baulichkeiten beistellte. Erst in späteren Jahren über- nahm die Gesellschaft auch den Betrieb in eigene Verwaltung.

An Betriebsorganen kamen also bei der Budweis-Linz-Gmundener Bahn in Betracht :

a) Bei der Bahnerhaltung : Der Inge- nieur, welcher nicht nur den Zustand der Bahn, der Baulichkeiten, imd Betriebs- mittel im Grossen zu überwachen hatte, sondern dem auch die Aufsicht über die richtige Handhabung der Betriebsvor- schrift überwiesen war. Ihm unterstanden einerseits der »Streckenaufseher« [Bahn- meister], dem die Instandhaltung der ihm zugewiesenen Strecke im Detail ob- lag, andererseits der »Werkführer«, dessen Ptiicht es war, für den guten Zustand

*; Auf die Organisation der einzelnen Verwaltungen, beziehungsweise der einzelnen Dienstzweige kann hier und in der Folge nicht eingegangen werden, da dies einem eigenen Abschnitte des Werkes vorbehalten blieb. [Vgl. Bd. I, 2. Theil, Dr Alfred Freiherr V. B u s c h m a n, Verwaltungsgeschichte der österreichischen Eisenbahnen.]

Organe des Betriebes.

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der Personen- und Frachtwagen zu sor- gen, und in der Reparaturwerkstätte die Oberaufsicht zu führen, und endlich die Sattler und Schmiede, die bei der um jene Zeit üblichen Art der »Zugförderung« auch den Huf beschlag als ihre wichtigste Function zu versehen hatten.

Dem Streckenaufseher unterstanden die »Bahn Wächter«, deren es auf der 131 km langen Linie Linz-Budweis 46 ^ab. Diesen oblag nicht nur die un- mittelbare LIeberwachung des zugewiese- nen Rayons und die Vornahme kleinerer Reparaturen am Bahnkörper, sie hatten auch, wenn das von ihnen bewohnte Wächterhaus zum »Aufsitzplatze« erklärt wurde, die Vermittlung der Passagier- Aufnahme zu besorgen.

Wie man sieht, enthielt die damalige Organisation des Bahnerhaltungs- und AuJFsichtsdienstes bereits vollständig die Grundlinien der noch heute, selbst für die grössten Bahnen bestehenden.

b) Beim Betriebe : Auf den Stationen, deren sich auf der alten Linz-Budweiser Linie zehn mit eigenen Aufnahmsgebäuden vorfanden, leitete den Dienst der »Expe- ditor«. Gleich seinen Collegen von heute hatte er dafür zu sorgen, dass die Ord- nung auf dem Stationsplatze aufrecht er- halten bleibe, dass der Betrieb sich an- standslos entwickle, die Kreuzungen ein- gehalten werden, die Wagen rechtzeitig abgingen. Er hatte die Fahrbescheini- gungen auszugeben, die Gepäcks^ und Frachtstücke zu übernehmen und für deren Beförderung zu sorgen.

Hatte in seiner Station regelmässig Bespannungswechsel einzutreten, so stand ihm der »Stallmeister^ zur Seite, dem die Stallwirthschaft überantwortet war und der auch zugleich als Vorgesetzter der »Kutscher« fungirte.

Ausser diesen Stationen gab es noch die erwähnten »Aufsitzplätze«, häufig ein Strassenwirthshaus, ein Kaufmanns- geschäft oder ein sonstiger geeigneter Punkt an der Bahnlinie, wo der Wirth oder Geschäftsbesitzer als vermittehides Organ für die Passagier- und, in be- schränktem Umfange, die Güteraufnahme thätig waren.

Diese letztgenannten subsidiären Be- triebsorgane sehen wir auch heute wieder

durch das Local- und Secundär-Bahn- wesen in den Kreis der Erscheinungen treten, der damit zu seinen Anfügen zurückkehrt. Nur wusste man zu jener Zeit der Holz- und Eisenbahnen noch nichts von einer, in den amtlichen Er- lässen als Ehrenkleid bezeichneten Uni- form der Eisenbahn-Bediensteten; wäh- rend man heute hier und dort auf Local- bahnen das insbesondere für einen Eisen- bahnmann, der mit den äusseren Kenn- zeichen seines Standes gerne den Begriff und die Achtung einer öffentlichen Rang- stellung verbunden sehen möchte, sehr zweifelhafte Schauspiel geniessen kann, dass in kleinen Stationen und Haltestellen der die Abfertigung besorgende Wirth oder Kaufmann, den man aus öffentlichen Rücksichten zum Tragen eines Uniform- stückes, der Eisenbahnmütze öder Blouse verhält, oder der sich dieselbe aus eigener Liebhaberei beschafft hat, nach Abgang des Zuges mit eben diesen Kennzeichen einer öffentlichen Function seine Kunden bedient oder sich mit seinen Gästen herumzankt.

Alle die vorgenannten Betriebsorgane der Budweis-Linz-Gmundener Bahn stan- den zu ihrer Dienstverwaltung in einem sehr losen Verhältnisse. Der Ingenieur war mittels Dienstvertrag angestellt, der beiderseits nach den handelsgesetzlich bestimmten Kündigungsterminen gelöst werden konnte, die übrigen Bediensteten, wie Streckenaufseher, Werkführer, Expe- ditoren und Bahnwächter u. s. w. standen im Tag- und Wochenlohne; die Stall- meister und Kutscher waren überdies Angestellte des Privatpächters.

Pensions-, Kranken- oder Unter- stützungscassen gab es natürlich keine, der ortsübliche Tag- und Wochenlohn, der der Unsicherheit des Erfolges und der herrschenden Geldknappheit halber mit Vorliebe an der Minimalgrenze ge- halten wurde, und wenn es hoch kam für das Stations- und Wächterpersonale eine Dienstwohnung, bildeten die einzige * Entschädigung für die Dienstleistung. Demgemäss war die Stellung der Be- diensteten der Ersten Oesterreichischen Eisenbahn-Gesellschaft überhaupt eine höchst bescheidene. Für den Bahnauf- sichts- und Bespannungsdienst verwendete

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Franz Mähling.

man des Faches kundige Leute, Hand- werker, Bauarbeiter, Kutscher, die, da das Handwerk damals noch seinen gol- denen Boden hatte, diese Stellung infolge der geringen Entlohnung nur als einen Uebergang betrachteten, bis sich in ihrem eigentlichen Metier eine bessere Gelegen- heit bot; die Expeditoren waren nicht selten Leute, die mit Allem vorlieb nehmen mussten, was ihnen Lebens- unterhalt bot. Einen Beamtenstand im heutigen Sinne des Wortes gab es da- mals und gab es lange Jahre nachher noch nicht. Selbst für den Posten eines »Inge- nieurs« verwendete man, der Billigkeit halber, mit Vorliebe bessere, aus dem Arbeiterstande hervorgegangene Fach- leute.

Zudem wurde die Holz- und Eisen- bahn durch die in ihren Leistungen glänzende, ein viel grösseres Wirkungs- gebiet umspannende kaiserliche Post mit ihren Organen weit in den Schatten gestellt.

Anders gestalteten sich die Ver- hältnisse erst mit dem Inslebentreten der Dampf bahnen. Durch sie wurde der Eisenbahnbetrieb aus einem Fuhrwerks- Untemehmen zu einer grossen öffentlichen Verkehrsanstalt.

Bei den ersten englischen Eisenbahnen waren und blieben die Eisenbahn-Be- diensteten Handelsangestellte, Industrie- arbeiter mit allen dieser Stellung in gesellschaftlicher und rechtlicher Be- ziehung anhaftenden Vortheilen und Schwächen. Man vindicirte ihnen nicht von Staatswegen die öffentliche Stellung von Gesetzes Vertretern und subsidiären Polizeiorganen; man gab ihnen nicht die äusseren Kennzeichen von Staatspersonen ohne deren gesellschaftliche Prärogative einer entsprechend gesicherten recht- lichen und materiellen Stellung; man schuf ihnen endlich auch keine Altersversor- gung.

Dafür fühlte sich der englische Eisen- * bahnmann, da er durch seine Dienst- stellung keinerlei vermeintliche oder wirk- liche Vorrechte gegenüber den anderen Handelsangestellten oder Industriearbei- tern errang, seit jeher seinem Arbeitgeber gegenüber gleich diesem als freier Com- paciscent. Er wie sein Dienstherr konnten

den Arbeitsvertrag jederzeit »ohne Angabe von Gründen« lösen, und sich anderswo ein Unterkommen, beziehungsweise eine Arbeitskraft suchen. Dafür aber blieb beiden Theilen die uneingeschränkteste Coalitionsfreiheit und das dieser inne- wohnende Recht, sich innerhalb der vom Gesetze gezogenen Schranken die günstigsten Vertragsbedingungen unter Umständen selbst im wirthschaftlichen Kampfe abzuringen.

Bekanntlich hatten unsere ersten Eisenbahn-Functionäre sich zum Studium der einschlägigen Verhältnisse nach Eng- land begeben, von dort die ersten Be- triebsorgane bezogen, die Betriebsein- richtungen ursprünglich übernommen, und somit sind auch die englischen Personal- Verhältnisse als eine Art Vorstufe unserer ersten heimischen zu betrachten, und unverkennbar trat dieser Einfluss auch beim Personale der ersten österreichischen Eisenbahnen zu Tage.

Die Betriebsorgane der ältesten öster- reichischen Eisenbahnen wurden in den ersten Jahren unserer Eisenbahn-Aera auch bei uns als Handelsangestellte, als Industriearbeiter betrachtet. Doch wesent- lich anders als wie in England ent- wickelte sich ihre Stellung in der Gesell- schaft, bedingt durch andere sociale und wirthschaftliche Verhältnisse.

Von einem allseitigen, bis in die unteren Volksschichten dringenden Be- dürfnisse nach Befiügelung des allge- meinen Verkehres wie in England, konnte zur Zeit der ersten Eisenbahnen in unserem Vaterlande keine Rede sein. Hier gab es keinen ungestümen Drang in die Feme, weil hiezu das Agens, die intensive Industrie- und Handel sthätigkeit fehlte, weil dem Volke die nöthige geistige und körperliche Freizügigkeit mangelte.

Zu dem kam noch, dass der Stand der allgemeinen Volksbildung um jene Zeit, nicht nur von Kronland zu Kron- land infolge der Verschiedenheit der Nationalität ein sehr ungleicher, sondern im Allgemeinen auch ein ziemlich niedriger war. Schulpflicht gab es keine, die Volks- schulen selbst waren sehr spärlich gesäet, auch hielt man von denselben gefiiessent- lich alle »überflüssige« Naturwissenschaft- lichkeit und die Kenntnis fremder Cultur-

Organe des Betriebes.

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und Rechtszustände ferne, um in die Köpfe nicht unnöthige »Freigeisterei« zu verpflanzen.

Was Wunder also, dass die grosse Masse des Volkes dem neuen Verkehrs- mittel der Eisenbahnen verständnislos, häufig sogar feindselig gegenüberstand und Jeden, der sich in den Dienst dieser »amerikanischen« Erfindung stellte, miss- trauisch als einen Abenteurer betrachtete.

Alle die Freudenrufe, welche allent- halben die Ankunft der ersten »Dampf- wagen« begrüssten, alle die Polier, die dabei abgebrannt wurden, sie waren zum grössten Theile der lärmende Ausdruck des Staunens über den nie gesehenen Anblick des eine ganze Wagenreihe dahinziehenden, rauchenden und pustenden eisernen Ungethüms, oder der patriotischen Freude über die Gegenwart des Monarchen und der sonstigen hohen Herrschaften, nicht aber Zeichen der allgemeinen Er- kenntnis, welch gewaltiger Gulturfactor erstanden sei, und dass mit ihm eine neue Culturepoche ihren Anfang ge- nommen habe.

Diese mangelnde Erkenntnis aber war dem Volke umsoweniger zu verübeln, als bekanntlich auch die grelehrte Welt und selbst die sogenannten besseren Stände bis in ihre höchsten Schichten hinauf sich gegen das neue Verkehrsmittel noch jahrelang ablehnend verhielten und viel- fach von der Ueberzeugung durchdrungen waren, dass sich so etwas nicht halten könne.*) Gerade die »besseren Stände«, bisher gewohnt, dass alles Ereignisvolle von ihnen ausgehe, ahnten in der neuen Institution den Untergang ihrer alten Prärogative und suchten sie als die Idee ! eines ungebildeten Menschen zu discredi- , tiren ; der engherzige Bureaukrat dagegen fürchtete, dass durch die Eisenbahnen die alte Sesshaftigkeit der Bewohner aufge-

*) Im wohlthuenden Gegensatze zu solchen Anschauungen stand, wie Dr. Alfred Freiherr V. Buschman nachweist, die weit- gehende Erkenntnis, welche die obersten Re- gierungskreise Oesterreichs von der Bedeu- tung der Eisenbahnen schon erlang hatten, als sie sich mit den allerersten Eisenbahn- Projecten zu beschäftigen hatten. [Vgl. Bd. I, 2. Theil, Dr. Alfred Freiherr v. Buschman, Verwaltungsgeschichte der österreichischen Eisenbahnen.]

hoben und deren geistige Abgeschlossen- heit durchbrochen würde. Der Gewerbs- mann, der Bauer hinwiederum fühlten, dass ihnen das unheimliche, feuerspeiend dahinsausende Ungethüm Concurrenten in das bisher sichere Absatzgebiet bringen könne, und da sie überdies in den Flug- blättern und am Wirthshaustische von den Gefahren des Eisenbahnbetriebes und den bereits vorgefallenen ersten Unfällen lasen und hörten, begannen sie für Eigen- thum und Leben besorgt zu sein. Alle zusammen aber erblickten in den Eisen- bahnen, namentlich als die Ergebnisse der ersten Betriebsjahre hinter den in den Subscriptions-Einladungen gegebenen Versprechen beträchtlich zurückblieben, und sich nicht nur zahlreiche speculative Erwartungen enttäuscht sahen, sondern selbst das eingezahlte Capital in seinem Bestände derart bedroht erschien, dass der Staat mit seinem Credite zu Hilfe kommen musste, in letzter Linie nichts als eine waghalsige capitalistische Spe- culation, deren Kosten sie schliesslich mit ihrem Vermögen oder mit erhöhten Steuern zu bezahlen hätten. Hiezu kam noch, dass auch hier die Geldknappheit der ersten Betriebsjahre und die Unsicher- heit des Erfolges die Eisenbahn-Unter- nehmungen zur grössten Sparsamkeit auch hinsichtlich der Bezüge ihres Per- sonales nöthigte.

So lagen also die wirthschaftlichen und socialen Verhältnisse bei Beginn der vaterländischen Eisenbahn- Aera für unsere Vorfahren im Dienste des Flügelrades. All der Hass und all die Missgunst, die sich in den Anfangsjahren des Eisen- bahnwesens, als sich dessen Segnungen noch nicht allgemein zeigten, dafür aber dessen Nachtheile für den Einzelnen, wie Geschäftsstörung, Verschiebung der Marktverhältnisse, Bodenzerstückelung u. A. m. umso nachhaltiger fühlbar machten, aus dem Volke heraus gegen die Insti- tution als solche richteten, sie wurden auf den örtlichen Repräsentanten der Eisenbahn, den Bediensteten, als Ab- neigung übertragen und infolge der ge- ringen Bezahlung als Geringschätzung seitens der wohlhabenderen oder gesell- schaftlich bessergestellten Schichten zum Ausdrucke gebracht.

28o

Franz Mähling

Unter diesen unverkennbaren Ein- flüssen stand die Entwicklung der Per- sonal-Verhältnisse der ersten Eisenbahn- betriebs-Organe in Oesterreich.

In der Geschichte des Eisenbahn- Personales spielen zwei Ereignisse eine hervorragende Rolle. Es sind dies: Das Erscheinen der »kaiserlichen Verordnung vom i6. November 1851, mit welcher eine Eisenbahnbetriebs- Ordnung für alle Kronländer erlassen wurde«, nebst ihrem Vorläufer, dem »Polizeigesetze für Eisen- bahnen« vom 14. März 1847 und die Gründung der Direction für Staatseisen- bahn-Betrieb im Jahre 1882, welche im weiteren Verlaufe endlich zur Schaffung eines Eisenbahn-Ministeriums führte. Durch diese beiden Ereignisse, welche auf die Stellung des Eisenbahn-Personales be- stimmenden und nachhaltigen Einfluss aus- übten, ist das Gebiet unserer Betrachtung gleichsam in drei Abschnitte getheilt.

Im ersten Jahrzehnt bis zum Er- scheinen des vorerwähnten Polizeigesetzes und der ihm vier Jahre später nach- folgenden Eisenbahnbetriebs-Ordnung war die dienstliche Stellung der Eisen- bahn-Organe nach dem englischen Vor- bilde jene reiner Handelsangestellter, so- weit sie die Beamten, und gewerblicher Hilfs- oder Industriearbeiter, soweit sie die im Dienerrange stehenden Personen be- trifft. Hienach stand es beiden, den Dienst- vertrag schliessenden Theilen jederzeit frei, das Dienstverhältnis ohne Angabe von Gründen zu lösen und der Arbeit- nehmer hatte an seinen Dienstgeber keinen anderen Anspruch, als auf den bedungenen Gehalt oder Lohn und die Einhaltung der gesetzlich vorgeschriebenen Kündi- guntrsfrist.

Wie jeder neu sich erschliessende Beruf musste das Eisenbahnwesen in den ersten Jahrzehnten im Allgemeinen mit jenem Ueberschusse an geistigen und physischen Kräften vorlieb nehmen, der in den alten Berufszweiiren aus irofend einer Ursache keine Verwendung finden konnte, ziel- und aussichtslos am Rande des Gesellschaftsstromes dahintrieb und daher jede sich darbietende Gelegenheit wahrnehmen musste, um sich vor dem Untergange zu bewahren.

Eine Ausnahme in dieser Hinsicht bildete nur das höhere technische Per- sonale, dem ja auch bekanntlich die Führung in den ersten Jahrzehnten zu- fiel.

Der Staat stellte dem Eisenbahnbaue sein wohlbewährtes Corps von Strassen- bau-Ingenieuren bereitwilligst zur Ver- fügung und ebenso fanden sich ver- schiedene, zumeist italienische Bauunter- nehmungen vor, denen die Ausführung des Bahnkörpers, der Hoch- und Kunst- bauten anstandslos übertragen werden konnte. Aber für die Herstellung der Schienen, die zweckgemässe Bettung, Verlegung und Befestigung der Geleise- stränge, für Bau, Betrieb und Instand- haltung der Locomotiven, die Construction der verschiedenen Wagentypen, wie end- lich für die Abwicklung und Sicherung des Zugsverkehrs selbst fanden sich hierzulande weder entsprechend ein- gerichtete Etablissements, noch auch die fachkundigen Organe.

Es wurden also zunächst die für leitende Stellungen bestimmten Männer zum Studium in das im Eisenbahnwesen vorgeschrittenere Ausland entsendet, zur Schulung des untergeordneten heimischen Betriebspersonales englische und deutsche Oberbauverleger, Maschinenführer und Betriebsleute herangezogen und die in- ländischen Industrie-Unternehmungen zur Schienenerzeugung, wie zum Wagen- und Maschinenbau angespornt. Oder aber die Eisenbahn-Verwaltungen gingen selbst daran, sich die zur Erzeugung ihrer Betriebserfordernisse nöthigen Fabriks- stätten zur gfünden. Die vom Auslande heimgekehrten Functionäre entwarfen sodann die ersten Betriebs-Instructionen, und die Zeit vor Uebergabe der im Bau begriffenen Eisenbahnlinien an den Öffent- lichen Verkehr wurde dazu benützt, um das Personale unter Beaufsichtigung und Unterweisung der beigegebenen aus- ländischen Fachleute auf den bereits fertiggestellten Strecken im Maschinen- und Zugsdienste praktisch einzuführen. So gelang es unter mancherlei Mühen, sich die ersten Betriebsorgane nothdürftig heranzubilden.

Kurze Zeit vor dem Entstehen der Eisenbahnen waren auch die polytechni-

Organe des Betriebes.

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sehen Schulen entstanden.*) Diese Schulen lieferten das entsprechend vorgebildete technische Personale; hier war also bereits eine organische Wechselbeziehung zwischen Schule und Beruf gegeben.

Schwieriger gestaltete sich die Per- sonalbeschaffung hinsichtlich des com- merziellen Dienstes, insbesondere aber, als mit der Entwicklung des Schienennetzes die volkswirthschaftlichen Einflüsse des Eisenbahnwesens immer mehr hervor- traten, der Verkehrsdienst sich allmählich zu einem selbständigen Dienstzweige herausbildete und der Wirkungskreis der technisch gebildeten Beamten nach und nach ausschliesslich auf die technischen Agenden beschränkt wurde. Da man sich der Erkenntnis nicht verschliessen konnte, dass für den Stations- und commerziellen Dienst, der bei der Isolirtheit der einzelnen Organe, bei dem fortwährenden Eingreifen in die wirthschaftlichen Verhältnisse der von der Bahn durchzogenen Gegenden und der Gefährlichkeit des Betriebes immerhin ein volles Mass von Energie und Selbst- ständigkeit im Handeln erforderte, nicht Personen ohne jede Bildung verwendet werden könnten, sah man sich für diesen Dienstzweig auf das Angebot von Be- werbern »höherer Intelligenz« angewiesen. Diese Kreise "sahen sich damals jedoch wenig veranlasst, für ein, zudem unsiche- res Minimaleinkommen, in den Executiv- dienst einer Eisenbahn einzutreten.

Das Einkommen im Staatsdienste als Beamter oder Officier, welchen Berufs - zweigen sich jene Kreise vorwiegehd zu- wandten, war um jene Zeit zwar auch nicht wesentlich höher als das den Eisen- bahnbeamten gebotene; aber der Staats- dienst gewährte Altersversorgung und den verlockenden Glanz einer bevorrechteten öffentlichen Stellung, Dinge, die im Eisen- bahndienste damals nicht zu holen waren. Unter solchen Umständen darf es wahrlich nicht wundernehmen, wenn sich Jahr- zehnte hindurch der Spottvers im Schwange erhalten konnte: »Wer nichts

•) Die erste derartige Lehranstalt in Oesterreich, das technische Institut in Prag, war am 25. November 1801 von Franz Josef R. V. Gerstner ins Leben gerufen worden. [Vgl. Bd. I, I. Theil, H. Strach, Geschichte der Eisenbahnen, S. 89].

ist und wer nichts kann geht zur Post oder Eisenbahn.«

Die Eisenbahn-Beamtenschaft stellte sich demnach ursprünglich vielfach als ein aus den verschiedensten Berufszweigen zusammengeströmtes Conglomerat 'dar, dem jede Einheitlichkeit, jeder Corpsgeist fehlte. Der Schiffbrüchige im Sturme des Lebens, die problematische Existenz, die sich dem hingab, was ihr der Tag brachte ; Leute, aus mit Glücksgütem wenig ge- siegneten Gesellschaftsschichten stammend, die ihrem Hange zum Studium oder dem Drängen der Eltern, aus ihrem Sohne etwas »Besseres« zu machen, gefolgt waren und denen es nun an Verbin- dungen fehlte, eine ihrer Bildung ent- sprechende Stellung zu erlangen ; endlich ehemalige Soldaten sowie Diener und Günstlinge einflussreicher Herren sassen hier gleichmässig im selben Berufe. Verschieden an Bildung und Sinnesart, infolge des geringen Verkehrs ohne Fühlung miteinander, hausten sie auf ihren Stationen, häufig mit Entbehrung kämpfend und nicht selten im Herzen, nachdem die erste Freude über die ge- fundene Existenz verflogen war, das nagende Gefühl des Unbefriedigtseins in einem Berufe, dem sie infolge der flüchtigen Einschulung beinahe fremd gegenüberstanden.

Bei der Bevölkerung hingegen rang sich, trotz des anfänglichen Bestrebens, sich die Eisenbahnen mit Allem, was daran hing, möglichst vom Leibe zu halten, schon bald nach dem Bestände des neuen Ver- kehrsmittels die Erkenntnis durch, wie wichtig dieses für ihren Vortheil sei, wie es den persönlichen Verkehr, den Nachrichtendienst beschleunige, den Er- zeugnissen aller Art bessere Märkte er- schlösse und die Gebrauchsstoffe aus der Ferne leicht und selbst billiger und besser herbeibrächte, und so wurde der Eisenbahnbeamte bald ein gesuchter Rathgeber und Gewährsmann. Er kam zumeist aus fremder Gegend, hatte ein Stück Welt gesehen und war daher dem heimischen Vonirtheile entrückt; er er- schien als Vertreter einer Einrichtung, die der Mehrzahl fremd war, die zahlreiche Eigenthümlichkeiten aufwies, mit denen man sich vertraut machen musste, um sich

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des neuen Vehikels mit Vortheil bedienen zu können. Und da er zugleich der Ver- wahrer und ßeförderungsvermittler der zum Transporte bestimmten Gewerbe- Erzeugnisse war, rückte er von selbst in den 'Kreis der Amtspersonen, der Hono- ratioren, ein. Aber diese kaum errungene Position wurde wieder zunichte gemacht durch die vielfachen Misslichkeiten, die sich, wie bei einem so bunt zusammen- gewürfelten Personale kaum anders zu erwarten stand, allerorten ergaben, durch die mannigfachen Härten in der Ge- schäftsgebarung der fast souveränen ersten Eisenbahn-Unternehmungen, für welche Härten man im Publicum oft den Eisenbahn-Bediensteten dieVerantwortung auflud, vor Allem aber durch deren ge- ringes Einkommen, welches sie zwang, sich der besseren Gesellschaft fern zu halten, wenn sie sich nicht in Schulden stürzen wollten, oder ihr Einkommen in einer' Weise zu ergänzen, die sie nicht selten in directe Abhängigkeit von der Bewohnerschaft brachte. Das dem Sess- haften gegenüber dem »Zugereisten« ein- gewurzelte Misstrauen that ein Uebriges und so sah sich der Eisenbahnbeamte als- bald wieder in eine zweifelhafte gesell- schaftliche Stellung gedrängt.

In dieser Schilderung der allgemeinen Verhältnisse des ehemaligen österreichi- schen Eisenbahn-Personales sind unbe- schönigt die traurigen Verhältnisse jener ersten Jahrzehnte festgehalten. Gerechter- weise muss jedoch anerkannt werden, dass das Betriebspersonale jener Zeit unter den schwierigsten Verhältnissen den Dienst als solchen pflichtgetreu und nicht selten geradezu aufopferungsvoll versah und die Beispiele besonders tüch- tiger Betriebsbeamter zählen keineswegs zu den Seltenheiten.

Nicht sehr verschieden von den Be- amten-Verhältnissen lagen die Dinge in den Diener-Categorien. Da es bei der Eisenbahn ständigen, von den Gewerbs- und Marktschwankungen unabhängigen, wenn auch bescheidenen Verdienst gab, meldeten sich zahlreiche, den verschieden- sten Berufen angehörige Personen um Aufnahme in den Eisenbahndienst. Die Zusammensetzung des Dienerpersonales war also nicht weniger bunt, als jene der

Beamtenschaft. Man nahm in den Bahn- erhaltungs-, Maschinen- und Zugsdienst vorerst zumeist nur handwerkskundige Leute auf. Da aber deren besseres Ele- ment, welches sein ursprüngliches Hand- werk nur wegen augenblicklich mangeln- den Verdienstes daselbst verlassen hatte, alsbald wieder aus dem Eisenbahndienste schied, wenn sich anderwärts günstigere Erwerbsbedingungen ergaben, sah man sich wie beim Beamten-, so auch beim Dienerpersonale ständigen Fluctuationen gegenüber, welche die Bahnen nicht nur um die Einschulungskosten der Ausschei- denden brachten, sondern auch der stetigen Entwickelung des Eisenbahnbetriebes, wie der Schaffung eines bewährten und ge- schulten Personalstockes hinderlich ent- gegen standen.

Die Staatsverwaltung hatte zwar mit dem Cabinetsschreiben vom 25. November 1837 den Eisenbahnbau und -Betrieb als eine ihrer Prärogative erklärt, von der sie nur »dermalen« keinen Gebrauch mache; aber trotzdem dadurch der Eisenbahn- betrieb eigentlich zu einer staatlichen Function geworden war, nahm sie zu- nächst keinerlei Einfluss auf die Quali- fication und das Dienstverhältnis der Eisenbahnorgane und beschränkte sich angesichts der bald nach £röffnung der Kaiser Ferdinands - Nordbahn erfolgten ersten Eisenbahnunfälle, welche im Publi- cum grosse Erregung hervorgerufen hatten, darauf, durch die zuständigen Behörden einige Verschärfungen der Betriebsvor- schriften verordnen zu lassen. Indessen Hess sie nach Gründung der General- Direction der k. k. Staatsbahnen im Jahre 1842 deren sämmtliche Bau- und Betriebs- beamten, wie das sonstige zur selbstän- digen Dienstesausübung berufene Perso- nale vor Entsendung auf die Strecke am 26. März 1842 in Eid nehmen. Durch diese Beeidigung war aber zum ersten Male gekennzeichnet, dass man in mass- gebenden Kreisen die Stellung der Eisen- bahnorgane nicht mehr als jene ausschliess- licher Privatangestellter zu betrachten begann.

Jenes glänzende Corps von Inge- nieuren, welches sich der österreichische Staat durch seine ausgedehnten und in technischer Hinsicht heute noch angestaun-

Organe des Betriebes.

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ten Strassenbauten in den letzten Jahrzehn- ten des vorigen und zu Anfang dieses Jahrhunderts herangezogen hatte wir nennen hier nur Männer wie Francesconi, Ghega, Brettschneider u. A. gab allein der Staatsverwaltung die Möglichkeit, so rasch zur praktischen Bethätigung des Eisenbahnregals, zum Staatsbahnbau, über- zugehen. Dieses Corps, das sich seine reichen Erfahrungen im Strassenbau sowohl in den Niederungen des unga- rischen Flachlandes und der lombardisch- venetianischen Ebene, als auch an den schwindelnden Abhängen des Hoch- gebirges vorbei bis weit in die einsamen Regionen des ewigen Schnees hinein geholt hatte, repräsentirte die geistige Schwungkraft der staatlichen Eisenbahn- Verwaltung und verwirklichte nicht nur in verhältnismässig kurzer Zeit den grossartigen Eisenbahnplan Rieprs, es machte auch das österreichische Eisen- bahnwesen zu einem in technischer Hin- sicht bahnbrechenden überhaupt.

Mit Bewunderung blickten die Zeit- genossen auf diese Grossthaten des heimat- lichen technischen Genius, wie sie nament- lich die südlichen Staatsbahnen in der Ueberschienung des Semmering, des Karstes, der Trockenlegung des Laibacher Moores u. A. m. so reichlich aufzuweisen hatten, und es ist begreiflich, wenn sich die Technik sowohl in der öffentlichen Meinung, als auch im Dienstgetriebe selbst für lange Jahre zu einer unbe- strittenen Vorherrschaft im Eisenbahn- wesen aufschwang.

Aber nicht die Technik des Eisen- bahnbaues allein, auch alle anderen technischen Disciplinen, die sich bisher von den alten humanistischen Wissen- schaften als Aschenbrödel behandelt sahen, wenn ihnen von denselben über- haupt der Rang einer Wissenschaft zu- erkannt wurde, fühlten fast instinctiv, dass sich in dem Eisenbahnwesen, das in unserem Vaterlande zuerst in den Köpfen von Männern der Technik seine Wurzeln fasste, für sie ein weites, schier unbegrenztes Feld der Bethätigung und der Raum darböte, um auf demselben das Piedestal für die künftige Grösse aufzurichten. Wie ein Brennpunkt zog das neue Verkehrsmittel das bisher zum

Theile brach gelegene technische Können an sich. Je weiter es selbst vorwärts schritt in seiner Vervollkommnung, desto verschiedenartigere, zur Lösung anrei- zende Fragen stiegen auf, desto weitere Kreise zog die Bewegung, desto viel- fältiger wurde der technische Geistes- kampf. Es galt, auf diesem als ureigent- lich technisch betrachteten Gebiete, in dessen Gemarkungen sich allmählich bei der täglich fortschreitenden Erkennt- nis von der culturellen Bedeutung der Eisenbahnen, auch die anderen Wissen- schaften hineingezogen fühlten, nicht nur die Vorherrschaft zu behaupten, sondern auch den Beweis der eigenen Wissen- schaftlichkeit zu erbringen.

Gleichzeitig wurde jedoch versucht, die Bedeutung der Executivorgane des Betriebes herabzudrücken. So wird es be- greiflich, dass man bald alle nicht rein mechanischen Hilfskräfte, deren man sich bei Ausübung des Eisenbahnbetriebes bedienen musste, als etwas Nebensäch- liches betrachtete und es als Ziel hin- stellte, über kurz oder lang den Eisen- bahnbetrieb vollständig mechanisch, mit einer auf das äusserste reducirten Anzahl von Menschenkräften abwickeln zu können.

Bei den ersten österreichischen Eisen- bahnen, der Kaiser Ferdinands-Nordbahn und der Wien-Raaber [später Wien-Glogg- nitzer] Eisenbahn, bestanden ursprünglich, ausser für den finanziellen Dienst, der aus- schliesslich von den finanzirenden Bank- häusern besorgt wurde, zwei oberste Dienststellen: ein Central-[oder Verwal- tungs-]bureau, dem das Verwaltungs- geschäft, und ein Baubureau, dem die Bauausführung oblag. Aus den Organen dieser letzteren Dienststelle wurden dann nach Vollendung des Baues der einzelnen Strecken die Betriebs-Functionäre ausge- wählt. Als Betriebsleiter wurde ein bereits beim Bau beschäftigt gewesener und durch Reisen im Auslande geschulter höherer Ingenieur bestellt, welchem sämmtliche Betriebszweige, zumeist mit I Ausnahme des Werkstättendienstes, unter- I stellt waren. Ihm zur Seite standen als ausführende Organe eine Reihe ebenfalls dem Baubureau entnommener Ingenieure, , welche als Stations vorstände der grösseren

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Stationen [der nachmals so benannten Dispositions - Stationen] fungirten, und denen gleichzeitig die Anordnung und üeberwachung des Bahnerhaltungs-, des Zugs- und Maschinendienstes in einer bestimmten, sich bis zur nächsten In- genieurstation ausdehnenden Strecke über- tragen war. Für die rein commerziellen Agenden des Personen- und Waaren- tr an Sportes ihrer Station erhielten sie eigene, im Verrechnungsgeschäfte ge- schulte Organe zugewiesen. Ausserdem waren ihrer Leitung unterstellt: Das Personale des Verschub-, Maschinen- wartungs- und des Zugbegleitungsdienstes, welches sämmtHch des Schlosserhand- werkes kundig sein musste und daher mit Vorliebe dem Stande der Werkstätten- arbeiter entnommen wurde, für die Details des Bahnaufsichts- und -Erhaltungsdienstes dagegen die ihnen bei grösseren oder schwierigeren Strecken zugetheilten eige- nen Strecken-Ingenieure, sonst aber die Bahnaufseher [auch Streckenmeister ge- nannt], welchen wiederum zur Bahn- bewachung und kleinen Ausbesserungen am Bahnkörper die Bahnwächter, für um- fangreichere Arbeiten an der Bahn eine Anzahl Arbeiterpartien unterstellt waren. Endlich oblag den Vorständen der Ingenieur-Stationen noch die Üeber- wachung des Dienstes auf den kleineren Zwischenstationen. Sämmtliche Stationen waren nämlich bei den ersten Privat- bahnen in drei, später auf den Staats- bahnlinien je nach dem Geschäftsumfange sogar in fünf -Categorien eingetheilt. Nur die erste, beziehungsweise die ersten beiden dieser Categorien- waren, wie erwähnt, mit Ingenieuren als Vorständen besetzt und hatten volle Dispositions- fähigkeit hinsichtlich sämmtlicher Be- triebszweige, während die niederen Cate- gorien, welche sich dem Range nach in Bahnhöfe mit vollem Personen- und be- schränktem Güterdienste, in solche mit ausschliesslicher Personenabfertigung und Aufnahme einzelner Waarencollis, und endlich in einfache Haltestellen abstuften, mit commerziell ausgebildeten Be- diensteten besetzt waren und die ge- ringen Geschäfte der Haltestellen häutig, wie bei unseren heutigen Secundär- und Vicinalbahnen, zu Anfang wenigstens, von

nahe der Bahn ansässigen Wirthen, Kaut- leuten u. s. w. versehen wurden.

Die Darstellung der weiteren Aus- bildung der Organisation findet sich wie erwähnt in dem Abschnitte »Ver- waltungsgeschichte der österreichischen Eisenbahnen« von Dr. Alfred Freiherm V. Busch man, im Band I, 2. Theil, dieses Werkes, kann also hier über- gangen werden.

Durch die Schaffung der ersten staat- lichen Eisenbahnen blieben die den Betrieb und die Bahnpolizei ausübenden Eisen- bahn-Bediensteten nun nicht mehr blos Handelsangestellte und Industriearbeiter; sie wurden dadurch, wenigstens der Function nach. Öffentliche Organe, Vertreter des staatlichen Eisenbahn- Hoheitsrechtes.

Es ist begreiflich, dass die mass- gebenden Behörden, welche in den Sturm- und Drangjahren der ersten Staatsbahn- Periode mit technischen, ver- waltungsrechtlichen und finanziellen Eisen- bahnfragen vollauf in Anspruch genom- men waren, der Ausgestaltung der ver- tragsrechtlichen Verhältnisse des noch wenig zahlreichen und bei dem damaligen spärlichen Verkehre nur ziemlich einfache Functionen ausübenden Betriebspersonales nur sehr wenig Aufmerksamkeit widmen konnten. Zudem war Socialpolitik für die leitenden Staatsmänner jener Zeit ein sehr spärlich gepflegtes Gebiet, und konnte sich auch das mit der nachmaligen Ent Wickelung des Verkehrswesens Hand in Hand gehende colossale Anwachsen des Eisenbahnheeres bis zu seinem heutijjen .Umfangre nicht voraussehen lassen.

Man begnügte sich also staatlicher- seits zunächst damit, die rein dienstlichen Agenden der Betriebsorgane festzulegen, Disciplinarstrafen für Pflichtverletzungen zu bestimmen und die staatliche Ingerenz hinsichtlich der Betriebsüberwachung so- wohl der Staats- als der Privatbahnen zu umgrenzen.

An eine Einreihung der staatlichen Betriebsorgane, obschon sie sowohl ihrer Stellung als ihrer Function nach bereits facti seh Diener des Staates waren, in den Kanjr von wirklichen Staatsbeamten oder -dienern mit den diesen zukommenden

Organe des Betriebes.

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Rechten und Beneficien dachte man damals noch nicht. Auch hätte eine solche Mässregel bei der um jene Zeit vielfach noch sehr hinterwäldlerischen Zusammengewürfeltheit des Eisenbahn- Personales und seines geringen Ansehens offenbar einen Sturm der Entrüstung in der hiedurch in ihren Vorrechten ver- letzten und damals noch in weit höherer allgemeiner Werthschätzung stehenden Staatsbeamten- und -Dienerschaft hervor- gerufen.

Da man sich aber gezwungen sah, den Betriebsorganen im Interesse einer geordneten Abwickelung des Betriebes ein Merkmal ihrer Function und eine für Jedermann erkennbare Beglaubigung ihrer eventuell geltend zu machenden Autorität zu geben, beschränkte man sich darauf, und selbst dies nicht ohne Widerspruch, diesen Angestellten blos das äusserliche Kennzeichen öffentlicher Organe, die Uniform, zu verleihen, die überdies, um die Empfindlichkeit der übrigen öffentlichen Stände zu schonen, nur silberne statt goldener Distinctionen und nur wenige Rangsabstufungen aufwies.

Ihrer rechtlichen Stellung nach blieben die Eisenbahnorgane jedoch Handelsangestellte wie früher, die auch fernerhin jederzeit ohneweiters aus dem Dienste entlassen werden konnten, und damit war die Grundlage zu jener wenig erspriesslichen Zwitterstellung öffentlicher Organe im Privat-Dienstverhältnisse ge- geben, die noch heute ihren nichts weniger als günstigen Einfluss auf die Entwickelung des Eisenbahndienstes selbst, wie des Eisenbahnstandes ausübt.

Trotz alledem hätte die wachsende Bedeutung der Eisenbahnen für die ge- sammte Staatswirthschaft bald zu einer endgiltigen Regelung dieser in mehr als einer Hinsicht schiefen öffentlichen Stellung gedrängt, wenn anders der Staat die ein- geschlagene Eisenbahnpolitik consequent hätte weiter führen können.

Der durch die politischen und Finanz- verhältnisse erzwungene Zusammenbruch des Staatsbahn-Systemes in den Jahren 1854 1859 bedeutete indes auch für die Eisenbahn-Bediensteten hinsichtlich der rechtlichen und materiellen Ausge- staltung ihres Standes eine Catastrophe.

Die bisherigen Staatsbahnlinien gingen nun zumeist an ausländische Finanz- consortien über, die oberste Leitung und die besser dotirten Stellen wurden mit Ausländern besetzt, für welche die öster- reichischen Eisenbahnen fast ausschliess- lich Erwerbsobjecte bildeten und deren Interesse für das materielle Wohl des ihnen auch national fremden Eisenbahn- Personales, bei dem überdies einzig aus- schlaggebenden Bestreben nach einer möglichst hohen Actiendividende und nach günstigsten Cursnotirungen, natur- gemäss ein ziemlich geringes war. Zu- dem hatte sich der Staat bei der Con- cessions- Verleihung an diese ausländischen Finanzconsortien durch sehr weitgehende Zugeständnisse die Hände in rechtlicher Beziehung derart gebunden, dass ihm auch hinsichtlich des Personales ein kaum nennenswerther Einfluss blieb. Dadurch konnte es auch kommen, dass der in den letzten Jahrzehnten inaugurirte staatliche Arbeiterschutz bis vor wenigen Jahren an den Eisenbahn-Bediensteten fast spur- los vorüberging. In wirthschaftlicher Hinsicht mag der fremde Einfluss die Verhältnisse wohl ein wenig gebessert haben. Die un verhältnismässig niedrige Entlohnung der Eisenbahn -Angestellten bestimmte beispielsweise die neugegrün- dete Verwaltung der Oesterreichischen Staatseisenbahn-Gesellschaft, die Bezüge ihrer Angestellten etwas höher zu stellen, als es bis dahin der Fall war, und ihnen auch entsprechende Titel zuzugestehen, welches Vorgehen die Kaiser Ferdinands- Nordbahn wie aus den im Garantie- streite gewechselten Schriften zu entneh- men ist gewissermassen als eine Provo- cation auffasste, geeignet, die Unzufrieden- heit unter den Angestellten der übrigen Bahnen wachzurufen. Der Umstand, dass tüchtigere Beamte ihre bisherigen Posten verliessen, um bei der neuen Verwaltung mit höheren Gehalten einzutreten, mag damals viel zur Verstimmung der Nord- bahn beigetragen haben. Ueberhaupt war es wie es zahlreiche Biographien unserer höheren Eisenbahn-Functionäre beweisen oft der einzige Weg, um vorwärts zu kommen, von einem Unter- nehmen zum anderen überzutreten. Selbst- . redend war aber dieser Weg nur be-

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sonders Begünstigten offen, die grosse Masse der Eisenbahn-Angestellten war auf den Dornenweg angewiesen, den eine entweder gar nicht oder nur un- genügend geregelte Beförderungsart bei der eigenen Anstalt zuliess.

Mit dem Verkaufe der vormaligen Staatsbahnlinien und dem Uebergange zum reinen Privatbahn-Systeme hatte in der Mitte der Fünfziger-Jahre jene düstere 30jährige Epoche begonnen, welche das Eisenbahn- Personale in rechtlicher Hinsicht um keinen Schritt vorwärts, dafür aber in wirthschaft- licher Beziehung nicht selten in eine äusserst missliche Lage brachte.

Verstreut über weit ausgedehnte Strecken, festgehalten an einsamen Sta- tionsorten, von der Bevölkerung noch immer vielfach mit scheelem Auge als Fremdling, als »verunglückte Existenz« be- trachtet, konnte sich auch nun unter der gesteigerten materiellen Depression in der aus den verschiedensten Berufskreisen zu- sammengeworbenen Schaar der Eisenbahn- Bediensteten kein Bewusstsein der Zusam- mengehörigkeit, kein Standesgefühl ent- wickeln, dem man nicht selten, wo es sich etwa in einzelnen Kreisen oder Gruppen zeigen wollte, von den leitenden Dienst- stellen aus, als einer Beeinträchtigung der eigenen Autorität, entgegenzuwirken suchte.

Vereine von Eisenbahn- Bediensteten, als Sammel- und zugleich Läuterungs- punkte für Standesanschauungen und -Bedürfnisse, wurden als etwas Revolutio- näres, die Zugehörigkeit zu einem solchen Verein als eine Illoyalität gegen den Dienst- geber betrachtet. Da sich nach alledem im Eisenbahnstande selbst weder eine bestimmt ausgesprochene Meinung, noch in der Oeffentlichkeit ein mit Nachdruck zur Geltung gebrachtes allgemeines Be- dürfnis desselben nach Reformen geltend machte, so ging auch die Regierung, später das Parlament über die Eisenbahn-Bedien- steten lange Zeit stillschweigend zur Tagesordnung über. Und sie konnten dies mit umso ruhigerem Gewissen thun, als bis vor wenigen Jahren das öffent- liche Interesse an den heimischen Eisen- bahnen neben staatswirthschaftlichen und commerziellen fast ausschliesslich nur ein technisches war.

Das Betriebs-Personale war also da- durch nicht nur rechtlich und materiell in den Hintergrund geschoben, auch seine Functionen wurden aus den früher er- wähnten Gründen in den leitenden techni- schen Kreisen und auch in der Oeffent- lichkeit nur gering geachtet. Dass der verantwortungsreiche Eisenbahnbetriebs- Dienst, abgesehen von der schulmässigen Vorbildung, auch eine besondere mora- lische und geistige Qualification verlange, kam nur Wenigen in den Sinn, und diese Wenigen, welche wie M. M. v. Weber jene Qualification einem besonderen Stu- dium unterzogen und in ihrem Mangel eine Gefährdung der Verkehrssicherheit erblickten, wurden als Phantasten ver- lacht.

Jeder, der des Lesens, Schreibens und Rechnens kundig war und sonach seine Instructionen auswendige zu lernen und seinen bis in alle Einzelheiten von oben herab vorgezeichneten Dienst mechanisch auszuüben vermochte, hatte auch die Be- fähigung für den Eisenbahnbetriebs-Dienst, und nicht nur in seinen untergeordneten Functionen, erbracht galt er doch im Geiste der leitenden Männer häufig nur als der Vorläufer einer Maschinerie. Wenn dann im Betriebe Manches nicht klappte, was allerdings bei der verhältnismässig geringen Dichte des Eisenbahnnetzes und -Verkehres damals noch seltener vor- kam, dann war die Indolenz des ein- zelnen Bediensteten Schuld daran, und dieser musste unnachsichtlich aus dem Dienstverbande entfernt werden.

Zu dieser Ueberzeugung von der Minderwerthigkeit des Betriebsdienstes kam noch der grosse Personalbedarf, der durch das rasche Erstehen neuer Eisenbahnlinien in den Jahren des »wirth- schaftlichen Aufschwunges« hervorgerufen wurde.

Was sich nur darbot an halbwegs verwendbaren Kräften, gleichviel woher es kam und welche Vergangenheit es hinter sich hatte, wurde willig aufge- nommen und in den Dienst gestellt. Der Personalmangel bei den österrei- chischen Eisenbahnen machte sich eine Zeitlang derart fühlbar, dass die neu- eintretenden Bediensteten von ihrer Ver- waltung nicht nur gegen eine namhafte

Organe des Betriebes.

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Geldbusse verpflichtet wurden, in ihrem Dienste eine Anzahl Jahre auszuharren, die österreichischen Eisenbahn- Verwal- tungen schlössen sogar untereinander, um dem gegenseitigen Sichabjagen be- reits geschulter Kräfte ein Ziel zu setzen, eine Vereinbarung, wonach kein Be- diensteter, der den Dienst einer Bahn verliess, von einer anderen Bahnverwal- tung aufgenommen werden durfte.

In den hochfliegenden Plänen der Technik, den ganzen Eisenbahnbetrieb mechanisch zu gestalten und dadurch die Verwendung der immerhin unverläss- lichen menschlichen Körper- und Geistes- kräfte auf das geringste Mass herab- zusetzen, übersah und übersieht man wohl hier und dort auch heute noch nur das Eine, dass, so lange diese Mechani- sirung nicht thatsächlich vollständig durchgeführt ist, es in letzter Linie immer wieder der Mensch bleiben wird, der mit seinem an und für sich nicht gleich den Maschinen fast unbegrenzten, durch Uebermüdung aber umso schneller sich verbrauchenden geistigen und körper- lichen Arbeitsvermögen diese ganze Betriebsmaschinerie im Gange und in richtiger Function erhalten muss.

Ausserdem beschränkt das Anwachsen der Mechanismen im Betriebsdienste die Anzahl der in ihm verwendeten Menschenkräfte immer mehr; denn dies ist ja der beabsichtigte Zweck des Mechanismus, die Sicherheit des Be- triebes von der unverlässlichen Menschen- kraft unabhängig zu machen. Damit und mit dem immer steigenden Verkehre fällt aber dem einzelnen Betriebsorgane eine immer grössere und verwickeitere Aufgabe zu und werden immer höher gespannte Anforderungen an dessen Um- sicht, Fachkenntnis und Geistesgegenwart gestellt.

Nur eine sorgfältige Auswahl bei entsprechender materieller Stellung und vor Allem fachgemässer Schulung könnte die Betriebsorgane befähigen, den an sie herantretenden Anforderungen des mehr und mehr anwachsenden und sich compli- cirenden Eisenbahnbetriebes auch that- sächlich gerecht zu werden. Darauf war aber das Augenmerk der in technischen oder aber vorzugsweise in finanziellen

Problemen sich ergehenden leitenden Eisenbahnmänner der reinen Privatbahn- Aera nur wenig gerichtet. Während der Bahnbau, das Maschinen-, Signal- und Verrechnungswesen, die Tariftechnik u. A. m. gewaltige Fortschritte aufwiesen, hinkte der Betrieb, Dank der scrupellosen Aufnahme der für denselben bestimmten Kräfte und deren völlig unzulänglichen fachmännischen Schulung, welche voll- ständig auf den Standpunkt der uranfäng- lichen Einpaukungsmethode stehen ge- blieben war, fast um Jahrzehnte nach. Und dieser Uebelstand rächt sich auch heute noch schwer an unserem Eisenbahn- wesen, das trotz seiner hohen technischen Vollendung an innerer Unvollkommenheit krankt. Unsicheres Tasten, waghalsiges Versuchen ist vielenorts an die Stelle sachgemässen und zielbewussten Handelns getreten; Instruction häuft sich auf Instruction, aber es zeigt sich keine Ariadne, die in diesem, sehr häufig auch stilistischen Labyrinth den leitenden Faden darböte, um dem, wenn auch unterge- ordneten, so doch in der grossen Maschinerie nicht unwichtigen einzelnen Betriebsorgane den klaren fachmännischen Weg zu weisen.

Hiezu kommt noch ein weiterer Umstand. Der erfindende Ingenieur, der Tarif- und Verwaltungsfachmann ist in verhältnismässig seltenen Fällen auch Betriebsmann. Nun bedarf aber jede Erfindung, jede tarifarische und ver- waltungstechnische Massregel auch die genialste ihrer praktischen Erprobung, insbesondere bei einer Institution, die, wie das Eisenbahnwesen, auf hunderterlei Factoren Rücksicht zu nehmen hat und nicht nur in den Kreis der staatlichen, son- dern auch der Einzelnwirthschaft, bis selbst in das Familienleben hinein eingreift.

Nun standen aber die Betriebsorgane, welche täglich und stündlich innerhalb der getroffenen Verfügungen zu amtiren, mit den ihnen zu Gebote gestellten tech- nischen Mitteln zu hantiren hatten und die deren Vor- und Nachtheile nicht nur am eigenen Leibe zu fühlen bekamen, sondern auch durch beständigen unmittel- baren Verkehr das Urtheil des Publicums kannten, wie erwähnt, in der Achtung der leitenden Kreise nicht so hoch, als

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dass man sie ernstlich um ihre Meinung befragt hätte. Auch war gerade von jenen Stellen wenig oder nichts geschehen, um das Betriebspersonale zu einem richtigen und klaren Urtheile in Fachfragen zu befähigen. Wurden von diesem Personale also wirklich ausnahmsweise Urtheile über ergangene Verfügungen oder in Aussicht genommene Neueinrichtungen verlangt, so liefen dieselben bei der Centralstelle nicht selten so widersprechend, so mangel- haft ein, dass man dadurch in der Ueber- zeugung von der eigenen allein richtigen Einsicht nur noch mehr Bestärkung erhielt.

Dadurch aber wurde die allein ge- sunde geistige Wechselbeziehung zwischen Leitung und Executive fast vollständig zerrissen. Dem Eisenbahnwesen, so hoch hinauf es auch seine Wipfeln streckte und soweit es seine Krone, die gesammte Volks- und Staats wirthschaft überschat- tend, dehnte, fehlte die kräftige Wurzel, um damit aus der breiten Schichte des Betriebspersonales und durch dieses aus dem Publicum die praktische Erfahrung an sich zu ziehen und zu neuer Entfal- tung zu verwerthen.

Die UnZweckmässigkeit mancher Ein- richtungen musste, allen Klagen des Per- sonales zum Trotze, erst durch kost- spielige Betriebsunfälle oder zahlreiche, das Ansehen der Bahnen nicht gerade erhöhende Beschwerden des Publicums er- wiesen werden.

Am Besten kamen über diese Klippe noch die rein technischen Fächer des Eisenbahndienstes : die Bahnerhaltung und Zugförderung hinweg, weil sie die strenge Gliederung des in einem engeren Kreise sich abwickelnden Dienstes zwang, mit ihren Unterorganen, den Bahnmeistern und Partieführern, den Locomotivführem und Heizern schon aus betriebsöconomi- schen Rücksichten in beständiger geistiger Fühlung zu bleiben.

Und von dieser Seite wurde denn in neuester Zeit die Brücke geschla- gen, die auch in rein betriebstech- nischer Hinsicht wieder die anfängliche gesunde Wechselbeziehung zwischen Leitung und Ausübung herbeizuführen geeignet ist.

Der Baudirector der Kaiser Ferdi- nands-Nordbahn, Regierungsrath W. Ast,

schloss seinen in Berlin am 29. Juli 1896 zur 50jährigen Jubelfeier des Vereines deutscher Eisenbahn- Verwaltungen gehal- tenen Vortrag über die Entwickelung des Geleisebaues mit folgenden, bedeutungs- vollen Worten:

»Wir werden hinsichtlich des Geleisebaues vor immer neue Auf- gaben gestellt, welche der Geleisetech- niker und der Maschinen-Ingenieur allein nicht zu lösen im Stande sind, welche die Mitwirkung des Betriebstechnikers erheischen und dieser sei für die Zukunft, erlaubt mir die Bitte, in unserem Bunde der Dritte.

Der Betriebstechniker aber, der hier von der Geleise- und Maschinentechnik in der richtigen Empfindung, dass in der geistigen Organisation des Eisenbahnwesens bisher eine Lücke klaifte, zur künftigen Mit- wirkung aufgerufen wird, ist im weitesten Begriffe niemand Anderer, als das Corps der Betriebsorgane in seiner besten Aus- lese, mit den tausendfältigen, in der Ebene wie im Hochgebirge, im einsamen Stationsorte wie im Diensttrubel der grossen Eisenbahn-Knotenpunkte, bei den verschiedensten Witterungsverhältnissen und im steten Verkehre mit all«n Schichten der Bevölkerung gesammelten und nicht selten mit der Freiheit und dem eigenen Blute bezahlten Erfahrungen.

Und so scheint denn das langjährige Vorurtheil von der Minderwerthigkeit des Eisenbahnbetriebs- Personales allmählich im Schwinden begriffen.

Schon sehen wir im Eisenbahn-Per- sonale selbst das Standesbewusstsein erwachen, sehen dieses Personale in seinen verschiedenen Vereinigungen nach innerer Consolidation ringen, um dadurch auch nach aussen hin in der öffentlichen Achtung jene Stellung einzunehmen, die ihm von Berufswegen gebührt und die ihm auch für die Zukunft den Anspruch auf eine entsprechende rechtliche und materielle Ausstattung sichert.

Betriebsleitung,

Die Untersuchung, welchen Männern oder, besser gesagt, welchem Fachbildungs- kreise in den einzelnen Phasen der Ent-

Organe des Betriebes.

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wicklungs-Geschichte unseres Eisenbahn- wesens jeweilig die Oberleitung im Eisen- bahnbetriebe anvertraut war, ist in mehr- facher Hinsicht äusserst interessant. Nicht nur, dass damit manche Schwäche, an wel- cher unser vornehmstes Verkehrsmittel heute zweifellos noch krankt, ihre nach dem Grundsatze: tout comprendre c'est tout pardonner geschichtliche Erklärung findet, diese Untersuchung liefert auch den Fingerzeig dafür, welchen Händen in Zu- kunft der Betrieb unserer Eisenbahnen an- vertraut werden muss, soll er die ihm noch anhaftenden Schlacken abstreifen imd sich sachgemäss zu der wichtigsten Stütze des Handels- nnd öffentlichen Verkehrs, kurzum der gesammten Staats- und Volkswirthschaft entwickeln, die die Eisenbahnen ihrer Bestimmung nach sein sollen.

Wenn nun auch die Maschinentechnik * zweifellos die Vaterschaft am Eisen- bahnwesen für sich in Anspruch nehmen darf, so fiel ihr, von ihren eigenen un- unterbrochenen rüstigen Fortschritten ab- gesehen, weder zu Anfang noch später eine dieser Urheberschaft entsprechende hervorragende Rolle im . Betriebe oder in der Verwaltung der Eisenbahnen zu. Diese ging vielmehr sowohl in Deutsch- land als in Oesterreich zunächst an den Erbauer der Eisenbahn -Anlage, den Bautechniker, über, wobei, wie bereits früher erwähnt, von besonderem Einflüsse war, dass Oesterreich schon zu Anfang dieses Jahrhunderts über ein unter den schwierigsten Verhältnissen erprobtes, glänzend geschultes staatliches Corps von Strassen- Bautechnikem ver- fügen konnte und hie von zu Gunsten der entstehenden Eisenbahnen den selbst- losesten Gebrauch machte.

In den ersten Jahren der Eisenbahn- Aera gestaltete sich die Frage nach einer geeigneten Betriebsleitung noch verhältnis- mässig einfach. Es galt zunächst, die sich dem Eisenbahnbetriebe entgegen- stellenden technischen Schwierigkeiten zu überwinden, hierin die nöthigen Er- fahrungen zu sammeln, um die zur Sicherung des Verkehrs und zu dessen anstandsloser Abwicklung geeigneten Einrichtungen treffen zu können. Der geeignetste Mann hiezu war demnach

Geschichte der Eisenbahnen. III.

zweifellos der Ingenieur, der bereits an der Bauleitung der betreffenden Eisen- bahqstrecke mitgewirkt hatte und diese daher in allen ihren Theilen und Ver- hältnissen genau kannte. Eine Studien- reise ins Ausland vollendete die bereits beim Bau erworbene Eisenbahnfach- kenntnis.

Auch bei der Staatsverwaltung wurde dieser Ausbildungsmodus eingehalten, als sie sich im Jahre 1842 zum Staats- eisenbahnbau und später, im Jahre 1 850, zur Aufnahme des Eisenbahnbetriebes in eigener Regie entschloss. Und so sehen wir denn die 1842 gegründete G e n e- ral-Direction der Staatsbahnen, der Hof baurath Francesconi als General-Director, N e g r e 1 1 i als In- spector und Bauleiter für die nörd- lichen Linien, G h e g a in der glei- chen Eigenschaft für die südlichen Linien, und Adalbert Schmid als Be- triebs-Inspector sämmtlicher Linien vor- stand, durchwegs aus Männern zusammen- gesetzt, die seit einer Reihe von Jahren hervorragend im Eisenbahnbaue thätig gewesen waren und sich ihre Betriebs- erfahrungen durch Reisen im Auslande, in England, Belgien, Deutschland und Frankreich erworben hatten. Trotz alledem hielt es der weitblickende Staatsmann, Freiherr von K ü b e c k, dessen Initiative bekanntlich die Er- richtung der General - Direction der Staatsbahnen und damit der Inaugu- ration der ersten Staatsbahn- Aera Oester- reichs entsprang, für . noth wendig, dem gewiss als einen Eisenbahnfachmann ersten Ranges zu bezeichnenden Ge- neral-Director Francesconi den Nationalöconomen v. Hock als com- merziellen Berather zur Seite zu stellen, weil er schon damals erkannte, dass die an den Leiter eines ausgedehnten Eisenbahnnetzes zu stellenden Anfor- derungen auch durch die hervorragend- sten technischen Fähigkeiten nicht er- schöpft sein könnten.

Der Mangel an commerzieller Schulung, die nach Dr. Emil Sax »eine den tech- nischen Wissenschaften völlig gleich- werthiges Element in der Berufsbildung des Technikers ausmachen soll, da sich ihm bei jedem Schritte, den er im prak-

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tischen Leben thut, eine Masse wirth- schaftlicher Erwägungen aufdrängen«, war es denn auch, der dem Bautechniker bei der fortschreitenden Entwicklung des Eisenbahnwesens und insbesondere nach dem Verkaufe der Staatsbahnlinien in den Jahren 1854 1859 an vorwiegend speculative Finanzconsortien die Zügel der Leitung entgleiten machte. Die sie aufnahmen, waren indessen Männer von nicht minder einseitiger, nämlich aus- schliesslich commerzieller Bildung.

Bethätigung mehr kaufmännischer Principien bei Leitung des Eisenbahn- wesens war die Devise geworden, nicht nur um die nicht eben günstigen Ver- waltungsergebnisse der ersten Staatsbahn- periode wieder wett zu machen, sondern mehr noch, um dem Reiche endlich das vielbegehrte Eisenbahnnetz zu schaffen, zu dessen Ausgestaltung die Mittel des Staates nicht mehr ausreichten.

Die Staatsverwaltung hatte sich aber durch weitgehende Concessions-Bedingun- gen an die aus den ehemaligen Staatsbahn- linien entstandenen grossen Privatbahn- Gesellschaften und durch Ertragsgarantien, denen nicht, wie beispielsweise in Preussen, das Recht gegenüberstand, ein Mitglied des Verwaltungsrathes zu er- nennen, sich die Bestätigung des ersten Administrativ- Beamten und namentlich des technischen Leiters vorzubehalten sowie endlich die Administration der Bahn und des Betriebes selbst zu übernehmen, wenn der Staat durch eine bestimmte Anzahl aufeinanderfolgender Jahre gewisse Er- tragszuschüsse zu leisten hätte die Hände derart gebunden, dass sie dieser rein privat- wirthscliaftlichen Entwicklung nahezu unthätig zusehen musste, wenn sie nicht noch tiefer in den Staatssäckel greifen wollte, als dies nach den finanziellen Ergebnissen vieler Privatbahnen ohnehin der Fall war.

Dass aber diese Epoche des reinen Privatbahn-Systems die erhoffte fachge- mässe Eisenbahn- Verwaltung und Betriebs- leitung nicht brachte, das lehrt nicht nur die ganz bedeutende Inanspruchnahme der staatlichen Zinsengarantie seitens vieler in der Zeit von 1854 1872 ent- standenen Privatbahnen, das geht nament- lich auch aus dem geradezu vernichten-

den Urtheile hervor, das ein Fachmann, wie M. M. V. Weber*) Mitte der Sieb- ziger-Jahre, also am Ausgange der neuen Privatbahn-Aera Oesterreichs, über ver- schiedene Eisenbahnleitungen jener Zeit fällte: »Es ist ein bedauerliches, aber un- leugbares Factum, dass die moralische Tüchtigkeit der Eisenbahn - Functionäre und besonders der höheren, in letzterer Zeit keine Fortschritte gemacht hat. Die Schwindelperiode des Eisenbahnwesens und noch mehr die gerade jetzt herrschende Epoche der Liquidationen und Fusionen, mit ihren so häufig unreinen Mitteln und Zwecken, haben auch in dieser Sphäre ihren demoralisirenden, kaum jemals wieder ganz zu heilenden Einfiuss ge- äussert Besonders bei den Privatbahnen speculativer Gründung und sonst zweifel- haft beeinflusster Provenienz sind in dieser Beziehung beklagenswerthe, krank- hafte Erscheinungen zu Tage getreten, die nicht verfehlt haben, ihren Ansteckungs- stoff auf weite Kreise zu verbreiten. Doppelt anerkennenswerth ist es daher, wenn fast sämmtliche Staatsbahnen und die älteren, auf solider Basis in das Leben gerufenen Privatbahnen sich von diesen Influenzen fast ganz freigehalten haben.«

»Wir haben Leiter von Eisenbahnen gekannt, die, ehe sie ihre hochwichtige Stellung antraten, sich weder theoretisch noch praktisch mit dem Eisenbahnwesen beschäftigt hatten, und auch später die ihnen anvertraute Bahn nie in ihrem technischen, administrativen und Per- sonenstande, ihren Einrichtungen u. s. w. eingehend in Loco studirten, sondern nur ihr Aeusseres aus den Acten und Berichten, von den Stationen oder vom wScbnellzugcoupe erster Classe aus, kennen lernten. «

Dass seitens der Finanzconsortien, welche die ehemaligen Staatsbahnlinien übernommen oder die jüngeren Bahnen gebaut hatten, die Ausgestaltung des Betriebes erst in zweiter Linie und nur insoweit in Rechnung gezogen wurde, als sie geeignet schien, das Erträgnis

I *) M. M, v. Weber: »Die Praxis der

I Sicherunp: des Eisenbahnbetriebes^, Wien, I 1876, Seite 60 und ff.

Organe des Betriebes,

291

günstig zu beeinflussen oder wenigstens nicht zu beschneiden, erscheint selbstver- ständlich. Und die zweifellosen Versäum- nisse jener Jahre in Bezug auf die dem immer mehr anwachsenden Verkehre und den Fortschritten der Technik ent- sprechenden Nachschaffungen und Neu- gestaltungen der Betriebserfordemisse, wie auch die sorglose Auswahl des Be- triebs-Personales und die mangelhafte fachmännische Schulung desselben, geben heute noch unseren Eisenbahnen in mancher Hinsicht jenes Gepräge inner- licher Unfertigkeit, die gelegentlich, wie in der Unfallsperiode des Sommers und Herbstes 1897, plötzlich unverkennbar und erschreckend zu Tage tritt, und die unter den gegenwärtigen Verhältnissen nur mehr mit einem Aufwände vieler Millionen und unter Entfaltung von be- deutender Energie und minutiöser Sach- kenntnis allmählich hinweggetilgt werden kann.

Der Periode des reinen Pivatbahn- Systems folgte jene des gemischten Systems, die bis in die Gegenwart dauert und allmählich in die Epoche des überwie- genden Staatseisenbahn-Betriebes über- zugehen beginnt.

In dem Masse als die Verstaatlichung des Eisenbahnwesens fortschritt, trat das juristisch gebildete Element in der Ober- leitung und allmählich auch im Betriebe immer mehr in den Vordergrund. Die Staatseisenbahnen konnten und durften nun nicht mehr nach den Grundsätzen reiner Erwerbswirthschaften geleitet wer- den; sie waren ein, und zwar sehr aus- schlaggebender Theil der Staatswirth- schaft geworden, und diese total ver- änderte Stellung bedingte eine Verwal- tung und Leitung derselben aus wesent- lich anderen Gesichtspunkten, als dies bei den bisherigen Privatbahnen der Fall war.

Dadurch war aber auch die Nothwen- digkeit gegeben, die Directive in die Hände geeigneter Verwaltungsmänner zu legen. Da solche, besonders für das Eisenbahnfach vorgebildete, aber nicht vorhanden waren, blieb nichts Anderes übrig, als dazu die Kräfte aus den an- deren Verwaltungsgebieten, insbesondere des Handelsministeriums, welchem das

I Eisenbahnwesen unterstellt war, heran- zuziehen und soweit diese nicht reichten, aus dem juristischen Stande zu ergänzen. In Anerkennung der Untrennbarkeit der Bau-, und Maschinentechnik von dem Eisenbahnwesen und der Eisenbahnleitung wurden der neubegründeten k. k. General- Direction der Österreichischen Eisen- bahnen für technische und Betriebs- zwecke Ingenieure als gleichwerthige Mitglieder einverleibt; diese bildeten aber nach dem Verhältnis der Bedeut- samkeit der Technik in der Verwaltungs- thätigkeit die Minderzahl im CoUegium. Und so entstand der Gebrauch, den juristisch Gebildeten gleichwie auf den anderen Gebieten staatlicher Verwal- tungsthätigkeit auch im Staatseisenbahn- wesen als den prädestinirten Leiter zu betrachten.

Dennoch verstummten aber auch unter

! seiner Leitung die ständigen Klagen über UnZweckmässigkeiten in den Einrich- tungen und dem Betriebe unserer Eisen- bahnen nicht. Und dies mit Recht. Es hiesse geradezu ein Unrecht be- gehen, wollte man die gewaltige und erfolgreiche organisatorische Arbeit ver- kennen, die unsere auf dem Eisenbahn- gebiet thätigen Juristen und Verwaltungs- männer seit der Inauguration der zweiten Verstaatlichungs-Aera Oesterreichs voll- bracht haben, und die uns in der heutigen Organisation der Staatseisenbahn -Ver- waltung, wie des österreichischen Eisen- bahnwesens überhaupt, entgegentritt ; eine Thätigkeit, die sich unter den schwierigsten politischen und finanziellen Verhältnissen entfaltete und bei Eingliederung immer neuer Eisenbahnlinien in den Staatsbahn- körper mit den heterogensten Rechts-, Betriebs- und Personal- Verhältnissen zu kämpfen hatte. Trotz alledem krankt die rein juristische Vorbildung, ganz abge- sehen von der Neigung zum starren Formalismus, die ihr schon vermöge ihres Bildungsganges innewohnt, gegenüber der Vielgestaltigkeit des Eisenbahnwesens an derselben Einseitigkeit, die auch dem ausschliesslich technisch Gebildeten, wie dem Finanzmanne anhaftet. Während der zünftige Techniker in einer Eisen- bahn gerne nur ein vorwiegend tech- nisches Object erblickte, der Finanzmann

19*

292

Franz Mähling.

nur die investirten Millionen und deren lucrative Verzinsung vor Augen hatte, brachte der Jurist in der Eisenbahn- leitung den Bureaukratismus, die schema- tische Herrschaft »am grünen Tische«, zu Ehren.

Die höchste Eisenbahn-Behörde des Deutschen Reiches, das Reichseisenbahn- Amt, erklärte in den dem ersten Entwürfe eines Reichseisenbahn - Gesetzes beige- fügten Motiven [§§ 8 und 9] hinsichtlich der obersten Eisenbahnleitung wörtlich Folgendes: »Eine fertige und gehörig ausgerüstete Bahn, wenn sie auch fort- dauernder technischer Hilfe nicht ent- behren kann, bedarf zu ihrer Leitung vorwiegend Personen, welche commer- zielle Kenntnisse besitzen, Ordnung 'und Disciplin zu handhaben wissen, daneben solche, welche juristisch gebildet sind« u. s. w.

Den vorerwähnten drei ßerufskate- gorien aber, den Technikern, Finanz- männem und Juristen, fehlte zur völlig fachgemässen obersten Leitung im Eisen- bahnwesen nicht nur sehr häu6g dieser nothwendige commerzielle Einschlag, es fehlte und fehlt ihnen bisher immer noch die eigentliche eisenbahnfachmän- nische Ausbildung, die nicht durch, wie bisher, grösstentheils wahllos und zufslllig zusammengescharrte praktische Kenntnisse einzelner Theile des Eisenbahn- wesens, sondern umfassend nur auf dem Wege einer planmässig und im ander- weitigen Zusammenhange gelehrten Be- rufswissenschaft erlangt werden kann. Dieser Mangel einer umfassenden, har- monischen Berufsausbildung, der heute bei unseren Eisenbahn-Organen in allen Schichten sich fühlbar macht, kann in- dessen keinem dieser Organe zum Vor- wurf gemacht werden, denn es fehlte hiefür bisher, trotz aller Bemühungen von verschiedenster Seite, an der geeigneten Lehranstalt, die durch Specialcurse an unseren Hochschulen oder durch die Fortbildungsschule für Eisenbahnbeamte, wie eine solche beim »Club österreichi- scher Eisenbahnbeamten« in Wien besteht, keineswegs ersetzt werden kann. Wir werden auf diese wichtige, mit der beruf- lichen Ausbildung der Eisenbahnbetriebs- Organe im innigsten Zusammenhange

stehende Frage später noch eingehender zurückkommen.*)

Die durch die zweite Staatsbahn- Aera in Oesterreich herbeigeführte Präponderanz der juristischen Bildung in der Oberleitung der Eisenbahnen wäre als ein aus den obangeführten Gründen unausweichliches Uebergangsstadium hinzunehmen und sogar als die unter den gegebenen Ver- hältnissen zweckentsprechendste Lösung der heiklen Frage der Eisenbahnleitung zu begrüssen gewesen, wenn der juridische Einfluss auf die Verwaltungs- und Rechts- sowie eventuell noch auf die commerziellen Angelegenheiten beschränkt geblieben wäre. Jedoch dieser Einfluss zeitigte jene sich auch auf das Detail erstreckende Reglementirsucht, die dem, trotz strammer Festlegung in den Hauptzügen und den Sicherungsgrundsätzen, vor Allem freie Beweglichkeit in der Ausführung er- heischenden Eisenbahnbetriebs - Dienste keineswegs als besonders zuträglich be- zeichnet werden muss. Zudem nahm das juristische Element, infolge der Bildungs- verwandtschaft von den leitenden Stellen begünstigt, bei den k. k. Oesterreichischen Staatsbahnen auch in dem seinem Bildungs- kreise völlig fremden Eisenbahnbetriebs- Dienste derart überhand und stieg, zufolge der Bestimmung, dass Betriebsbeamte mit Hochschulbildung trotz gleicher dienst- licher Verwendung und Qualification in um die Hälfte kürzeren Avanceraent- terminen vorzurücken hätten, über die Köpfe der übrigen Betriebsbeamten derart rasch hinweg, dass es diesen Letzteren die Aussicht, jemals in höhere Rangs- classen zu gelangen, gänzlich zu ver- stellen drohte. Dadurch war neben der unausbleiblichen Verstimmung einer grossen Masse des Betriebs-Personales, die keineswegs der Entwicklung des Eisenbahndienstes förderlich sein konnte, auch bei uns der Keim zu jenem uner- quicklichen Streite der juristisch, technisch und commerziell gebildeten Eisenbahn- Organe um die Vorherrschaft auf dem Eisenbahngebiete in das Personale ge- tragen, der in Deutschland so wunderliche Blüthen gezeitigt und bereits eine ganze

♦) Vpl. darüber »Ausbildung des Betriebs- Personales«, Seite 312 und ü.

Organe des Betriebes.

293

Literatur sich gegenseitig in heftigster Weise bekämpfender Broschüren und Zeitungsartikel hervorgerufen hat.

Das österreichische Eisenbahn-Mini- sterium Hess zu Ende des Jahres 1897 verlautbaren: der Bedarf an juristisch gebildeten Beamten im Eisenbahn-Mini- sterium sowohl, als bei der Staatsbahn- Verwaltung überhaupt sei bereits auf lange Jahre hinaus gedeckt und etwa sich meldende rechtskundige Bewerber könnten künftig ausschliesslich mu- mehr im Betriebsdienste Verwendung finden. Hiedurch erscheint dieser Streitfrage zum grossen Theile die Spitze abgebrochen.

Die mit Erlass vom 7. April 1898 hinausgegebene neue Dienstordnung für das Personale der k. k. Staatsbahnen ent- hält im § 64 die Bestimmung, dass absol- virte Juristen und Techniker nur in der X. und IX. Dienstclasse [500 800 fl., beziehungsweise 900 1200 fl. Gehalt] und auch dort nur im Falle einer beson- ders vorzüglichen Dienstleistung schon nach Ablauf der halben festgesetzten Avancementtermine vorrücken können.

Wir haben die Entwicklungs- Ge- schichte der obersten Eisenbahnbetriebs- Organe in kurzen Zügen gekenn- zeichnet. Ihr künftiger weiterer Verlauf muss mit Natumoth wendigkeit zur fach- wissenschaftlichen Ausbildung namentlich der zur Leitung berufenen Eisenbahn- Functionäre führen, zu der auch zahlreiche andere Verhältnisse des mit ungeahnter Raschheit sich entwickelnden Eisenbahn- Verkehres immer ungestümer drängen.

Solange aber die zu dieser Ausbildung erforderlichen staatlichen Lehranstalten nicht bestehen, scheint uns der Stand- punkt, den Julius Steinbach in seiner jüngst erschienenen Broschüre »Vorwärts oder Rückwärts?« einnimmt, der richtigste, dass, »solange es eine eigentliche höhere Eisenbahn-Carri^re in dem oberwähnten Sinne nicht gibt, es gleichgiltig sein kann, ob an der Spitze unseres Eisen- bahnwesens ein Jurist, ein Techniker oder vielleicht ein General steht. Wer es versteht, den Wünschen der Allgemeinheit Rechnung zu tragen, der muss uns, wie die Verhältnisse eben liegen, als Leiter imsefes wichtigsten

Verkehrsinstitutes willkommen sein. Ein weiter Blick für die Verkehrsbedürf- nisse und femer ein tiefes Verständnis für die an das Betriebs-Personale zu stellenden dienstlichen Anforderungen, das sind nun einmal die imerlässlichen Eigenschaften jedes höheren Eisenbahn- beamten.«

Wir möchten nicht gerne von diesem Punkte unserer Darstellung Abschied nehmen, ohne hierüber, schon des histo- rischen Interesses halber, dem Altmeister in der spärlichen Literatur über die Eisen- bahn-Organe, M. M. V. Weber, das Wort zu ertheilen. Er schreibt [a. a. O. .S. 64] : «Ein Eisenbahnchef kann und braucht nicht alle Details seines Ressorts selbst zu verstehen, ebensowenig wie es nöthig ist, dass ein Capellmeister alle Instrumente seines Orchesters selbst spielen könne. Aber wie dieser Natur imd Klangfarbe und Leistungssphäre aller Instrumente genug kennen muss, um fähig zu sein, ihre Wirkung zu leiten, so muss der Eisenbahnchef tief und praktisch genug in alle Branchen des Faches eingeweiht sein, um beurtheilen zu können, ob Andere ihre Sache verstehen. Er braucht auch die Marter des Kälte - Schlafes der Schaffner und Locomotiv- führer, das Traumwachen überbürdeter Weichensteller und Wächter, nicht selbst empfunden zu haben; aber er muss wissen, dass solches existirt und in seinem warmen Bureau respectiren. Das ist das Minimalmass fachlicher Befähi- gung, das jedem Vorstande einer Dienst- branche beiwohnen sollte, aber immerhin nur mit ernstem Wollen und auch dann nicht in Wochen und Monaten, eigentlich und gründlich aber nur durch praktischen Dienst im Eisenbahnwesen von unten auf, zu erwerben ist.«

Wirthschaftliche Verhältnisse.

Die wirthschaftlich en Ver- hältnisse der Eisenbahn-Bediensteten, hielten sich von allem Anfange an bei den unteren Kategorien der Beamten und bei sämmtlichen übrigen Bediensteten an der Grenze des absoluten Existenz- minimums und sanken allmählich, nament-

294

Franz Mähling;.

lieh aber in den untersten Schichten dieses Personales sogar unter diese Mini- malgrenze.

Dass die wirthschaftliche Lage des Eisenbahn-Personales keine gute ist, be- weisen nachfolgende, einer statistischen Skizze »Das Eisenbahn-Personale Oester- reich-Ungarns« von Dr. Friedrich Feld- scharekim Jahrbuche des Oesterreichi- schen Eisenbahnbeamten-Vereines pro 1897 entnommenen Ziffern.

Die Einkünfte der Bediensteten [An- gestellte und Arbeiter] aller Bahnen unserer Monarchie betragen nach den statistischen Nachrichten des Vereines deutscher Eisenbahn - Ven\'altungen pro 1894 zusammengenommen 184,077.964 Mark, gleich 108,281.155 fl. Hiernach beträgt der auf eine Person entfallende durchschnittliche Jahres verdienst an »Be- soldung, Lohn und anderen Bezügen t 514 fl. Bei den einzelnen grösseren Bahnen stellt sich der Jahresbezug wie folgt :

Bei den k. k. Staatsbahnen auf fl. 451.

» » königl. Ungar. Staats- bahnen auf » 488.

» der Nordwestbahn auf . » 568.

» » Südbahn auf ...» 591.

» > Staatseisenbahn-Gesell- schaft auf » 601.

» der Nordbahn auf ...» 642.

»

Die Entlohnung ist demnach bei den beiden Gruppen der Staatsbahnen unter dem allgemeinen Durchschnitte, bei den angeführten Privatbahnen über dem- selben.*)

Den durchschnittlichen Jahresverdienst bei den einzelnen Dienstzweigen veran- schaulicht folgende Tabelle:

♦) Die Durch Schnittsziffer bei den k. k. Staatsbahnen erscheint wesentlich dadurch ungünstig beeinflusst, dass die stabilisirten Arbeiter mit in Rechnung gezogen sind. Uebrigens sind bei einzelnen Kategorien, wie z. B. bei Bahnwächtern etc., die Natural- quartiere und Nutzniessungen in Betracht zu ziehen, wodurch die allgemeine wirth- schaftliche Lage dieser Becliensteten sich wesentlich besser stellt. Da eine Hewerthung dieser Zugeständnisse nicht durchführbar er- scheint, können die gegebenen Ziffern nur als annäherungsweise gelten. Es ist z. B. Thatsache, dass die Bahnwächter der k. k. Staatsbahnen wirth schaftlich besser stehen, als beispielsweise jene der Südbahn u. A. m.

Dienstzweige

Bexelctanung^ der Bahnen

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fl.

K.k.Oestcrr .Staats- bahnen . . . .

Südbahn

Nordbahn . . . .

Staatseisenbahn- Gesellschaft

Xordwestbahn . .

bei allen Bahnen der Monarchie .

I

1

1084

1243 1645

1672 1840

resp. 1295*)

fl.

320

377 339

396 371

fl.

493 57

651 708

620 601

571

703 886

768 761

328 573! 665

*) Die königlich ungarischen Staats- bahnen zählten nach den citirten stati- stischen Nachrichten 417 Beamte und 600 Arbeiter der Material Verwaltung und Inventargebarung bei dem Dienstzwei^e »Allgemeuie Verwaltung« mit. Werden diese mit ihrem Jahresverdienste von 992.676 Mark bei der Durchschnittsberech- nun^ ausgeschieden, so ergibt sich die zweitangeführte Zahl.

mitgezählten

obwohl die

im Bereiche

Werkstätten-

Es zeigt sich somit, dass der Verdienst in den einzelnen Dienstzweigen sehr ver- schieden, am höchsten bei der allge- meinen Verwaltung ist ; die Durchschnitts- ziffer wird in den Rubriken II, III und IV offenbar durch die zahlreichen, in diesen Dienstzweigen Arbeiter gedrückt. Allein Verwendung der Arbeiter des Zugförderungs- und dienstes um nicht viel geringer ist, als bei der Bahnaufsicht und Bahnerhaltung, stellt sich der Verdienst der ersterwähnten Kategorie ungefähr auf das Doppelte des Verdienstes der letzteren. Hieraus lässt sich mit ziemlicher Sicherheit auf die bessere Entlohnung der Arbeiter bei der Zugförderung und in den Werkstätten schli essen. Diese höheren Löhne finden darin ihre Erklärung, dass die Arbeit in den Heizhäusern und Werkstätten eine qualilicirte zu nennen ist und diese Arbeitsorte sich häufig in grösseren Be-

Organe des Betriebes.

295

völkerungscentren befinden, während die Arbeiter der Bahnerhaltung zumeist nur einfache Handlanger sind und in kleinen, an der Strecke gelegenen Orten wohnen.

Scheidet man, um über die Einkom- mensverhältnisse des definitiven Perso- nales ein genaueres Bild zu gewinnen, die Arbeiter von der Berechnung aus, so ergibt sich nach der officiellen öster- reichischen Statistik des Jahres 1896 das Durchschnittseinkommen eines Eisenbahn- Bediensteten mit 750 fl. oder, nach Ab- zug der auf die allgemeine Verwaltung und die höheren Functionäre entfallen- den Quote, mit 720 fl. pro Kopf, also nicht ganz 2 fl. pro Tag, von welchem Betrage die gesammten, bei den An- strengungen des Eisenbahndienstes zwei- fellos erhöhten Lebensbedürfnisse zu be- streiten sind. Diese Thatsache lässt auch die ausserordentliche Verschuldung des Standes begreiflich erscheinen, deren Höhe sich aus den im nachfolgenden Ab- schnitte dieses Werkes*) enthaltenen Zusammenstellungen ergibt. Hoffentlich bringt auch hier die in Aussicht stehende Regulirung der Bezüge conform jener der für die Staatsbediensteten geplanten, die langersehnte baldige Verbesserung.

Aus welcher Ursache sich die wirth- schaftlichen Verhältnisse des Eisen- bahn-Personales bis zu diesem, für das heimische Verkehrswesen nicht eben erfreulichen Punkte entwickelten, ist im Frühererwähnten bereits theil weise be- gründet worden. In den ersten Jahren war es die Knappheit der finanziellen Grundlage, die Unsicherheit des Erfolges und die wiederholten Finanzkrisen ; in der reinen Privatbahn-Aera das Dividenden- bedürfnis und die zunehmende Belastung einzelner Bahnen mit festverzinslichen Papieren sowie in den Jahren des soge- nannten wirthschaftlichen Aufschwunges der Bau zahlreicher Eisenbahnlinien aus vorwiegend speculativen Absichten, die bekannten Gründungssünden bei vielen Unternehmungen, die schon im Vorhinein die Prosperität der betreffenden Bahn untergruben, sowie die Nachwirkungen der Krise von 1873; in der Wiederver-

♦) Vgl. Bd, III, E. Engelsberp, *\Vohl- fahrts - Einrichtungen der österreichischen Eisenbahnen^.

staatlichungs-Periode endlich die Folgen der staatlicherseits gewährten, weitge- henden Zinsengarantie sowie die Unter- lassungssünden der vorhergegangenen Jahrzehnte hinsichtlich einer dem anwach- senden Verkehre entsprechenden Ausge- staltung der Betriebserfordernisse. AU diese Momente beeinflussten jeweilig das Ausgabenbudget der Bahnen derart, dass diese den wirthschaftlichen Verhältnissen ihres Personales, trotz mannigfacher dan- kenswerther Wohlfahrts - Einrichtungen nicht jenen Aufwand zuwenden konnten, wie es wahrscheinlich in ihrer Absicht stand und der innerlichen Festigung un- seres Verkehrswesens angemessen ge- wesen wäre.

Auf die mannigfachen und überdies einem steten Wechsel unterworfenen Ge- haltsschemas und sonstigen Dienstbezüge des Personales der verschiedenen Bahnen des Näheren einzugehen, fehlt es hier an Raum. Nur so viel sei in Kürze erwähnt :

Die Taggelder der Beamten- Aspi- ranten betrugen in den ersten Jahren 60 kr. bis I fl., heute sind sie bei den Privat- bahnen auf I fl. 20 kr. bis i fl. 50 kr. gestiegen ; die Staatsbahn - Verwaltung gewährt ein monatliches Adjutum von 50 fl. Die Zeit bis zur definitiven .An- stellung, welche natürlich vor Gründung des Pensionsfonds überhaupt nicht vor- gesehen war, ist verschieden bemessen. Sie beträgt in der Regel ein bis zwei Jahre, während welcher der betreffende Aspi- rant für den executiven Eisenbahndienst die vorgeschriebenen Prüfungen aus dem Telegraphen-, Verkehrs- und Transport- dienst abgelegt haben muss. Bei man- chen Bahnen währte sie auch beträcht- lich länger; so z. B. bei der k. k. priv. Südbahn-Gesellschaft, welche seit den Achtziger-Jahren bis zum Jahre 1897 ausser der Aspirantenzeit noch drei später zwei-, ein- bis ein und einhalb- jährige Elevenclassen mit den Adjuten von 50 fl., 55 fl. und 60 fl. vorgesehen hatte und bei welcher also der junge Beamte vier bis fünfeinhalb Jahre brauchte, um zur definitiven Anstellung mit 600 fl. Gehalt zu gelangen.

Das Gehaltsschema für die defini- tiven Beamten begann ursprünglich mit . 360 ji. oder 420 fl. Die Vorrückungen

296

Franz Mäbling.

von einer Gehaltsstufe zur nächsten, für welche anfangs überhaupt keine und bei den österreichischen Privatbahnen, mit Ausnahme der Kaiser Ferdinands-Nord- bahn, auch bis zum heutigen Tage keine festgesetzten Zeitnormen bestehen, son- dern die man zumeist von Fall zu Fall nach Verdienst oder den Budgetverhält- nissen hatte eintreten lassen, betrugen bei einzelnen Bahnen 60 fl., bei an- deren 120 fl., gegenwärtig conform dem Staatsbahnschema zumeist 100 fl., von welchem Betrage überdies 25 go^o für den Pensionsfonds zurückzulassen sind.*)

Gegenwärtig beginnt das Gehalts- Schema der meisten Bahnen mit 500 fl. oder 600 fl., absolvirte Techniker und Juristen werden nach abgelegtem Probe- jahre indessen zumeist mit ycx) fl. oder 800 fl., die ersteren sogar in neuester Zeit bei den k. k. Staatsbahnen mit 900 fl. angestellt. Die Privatbahn-Beamten rücken durchschnittlich während der vor- geschriebenen, vom Tage der definitiven Anstellung zu bemessenden 35jährigen Activdienstzeit auf den Gehalt von 1600 fl. bis 2000 fl. vor. Anders liegen die Verhält- nisse leider für das Gros der Staatsbahn- Beamten infolge der mit der Gründung der Direction für Staatseisenbahn-Betrieb im Jahre 1882 eingeführten Stellensyste- misirung. Da die Erreichung der Ge- haltsstufe von 1300 fl., wie der höheren Ränge, nicht wie bei den Privatbahnen von einer bestimmten Dienstzeit, sondern von der Verleihung eines bestimmten, mit diesem Gehalte systemisirten Postens abhängig gemacht ist, derartige Dienst- posten, wie Stations-Chef, selbständige Cassierstellen in grösseren Stationen u. s.w., im Verhältnis zur Gesammtzahl der Be- amten nur spärlich vorhanden sind, so drängt sich die grosse Masse der Be- amtenschaft, so günstig die Avancement- Verhältnisse in den unteren Gehalts- stufen auch sein mögen, nach und nach in der IX. Dienstclasse zusammen und kann trotz jahrelangen Wartens mangels freiwerdender, entsprechend systemi-

*) Vom ersten definitiven Gehalte sind 25**/o in 36 Monatsraten, von jeder Vorrückung 50°/o in 24 Monatsraten an den Pensionsfonds zu entrichten.

sirter Stellen die VIII. Dienstclasse nicht erreichen. Aus diesen Verhältnissen entstanden die Schmerzenskinder der Eisenbahn-Beamtenschaft, die sogenann- ten »altgedienten Adjunctenc, welche nach einer 25 bis 30jährigen Dienst- zeit noch immer in der IX. Dienst- classe stehen und welchen, wie zu hoffen ist, eine Erweiterung der Systemisirung oder eine gänzliche Aufhebung derselben die endliche Erlösung aus ihrer mora- lischen und finanziellen Bedrängnis brin- gen wird. Sowohl die bestandene k. k. General- Direction der k. k. Staatsbahnen wie insbesondere das k. k. Eisenbahn- Ministerium haben in steigendem Masse durch umfangreiche Beförderung zur Sanirung dieser Verhältnisse beigetragen und bedeutet namentlich die Berück- sichtigung der länger dienenden Ad- juncten beim Juli- Avancement 1898 einen erfreulichen Fortschritt.

Neben dem Gehalte beziehen die Beamten ein den einzelnen Gehaltsclassen entsprechendes Quartiergeld von 300 bis 1000 fl. in Wien, welches in der Provinz, den billigeren Wohnungsverhältnissen angemessen, niederer ist. Falls der Be- amte eine Naturalwohnung zuge'wdesen erhält, wird der Quartiergeldbezug ent- weder gänzlich eingestellt oder aber ein der Bewerthung der betreffenden Woh- nung entsprechender Theil des Quartier- geldes abgezogen.

Ausserdem erhalten die im Executiv- dienste stehenden Beamten der k. k. Staats- bahnen und einzelner grosser Privatbahn- Stationen für jede im Dienste verbrachte Nacht eine Nachtdienst-Zulage im Betrage von 50 kr.. Schreib- [Kanzlei-] Pauschalien zur Anschaffung der Schreibrequisiten von I fl. bis 15 kr.; bei auswärtiger substi- tutionsweiser Verwendung sowie bei Dienstreisen, Diäten oder auch Reise- pauschalien; bei Uebersiedlungen von Diensteswegen Uebersiedlungs-Gebühren ; in Accordstationen, in Heizhäusern, Werk- stätten, bei der Bahnerhaltung Ersparnis* prämien; bei besonderen Anlässen oder für vorzügliche Dienstleistungen auch Remunerationen u. A. m.*)

*) Es dürfte vielleicht nicht ohne Interesse sein, hier die Schilderung einzufl echten, welche der gegenwärtige Finanzminister Dr. Kaizl

Organe des Betriebes.

297

Aehnlich gestalteten sich die Ver- hältnisse des Unterbeamten- und Diener- Personales.

Die Unterbeamten-Kategorie ist eine Schöpfung, die der Wiederverstaat- lichungs-Epoche seit 1882 ihre Entstehung verdankt.

Die Nöthigung, zahlreiche in finanzielle Nöthen gerathene oder bereits sequestrirte Eisenbahnlinien in den Staatsbetrieb über- nehmen zu müssen, zwang die staatliche Eisenbahn-Verwaltung zur grössten Spar- samkeit in den Verwaltungs- und Betriebs- auslagen. Hiebei verfielen die leitenden Kreise auf das Auskunftsmittel, an Stelle der immerhin theueren, ihrer Vorbildung nach vollgiltigen Beamtenkräfte in den mittleren und kleineren Stationen soge- nannte Stations - Expedienten zu verwenden, die zwar zur Einreihung in den Beamtenrang nicht die vorge- schriebenen Vorstudien [Maturitätsprüfung an einer Mittelschule oder gleichwerthigen öffentlichen Lehranstalt] besassen, jedoch eine bessere Bildungsqualification auf- weisen konnten, als man sie für Diener- posten verlangte. Es war also ein Mittel- ding zwischen Beamten und Dienern geschaffen und bestimmt, die bisher von Beamten verrichtete Arbeit fast um die Hälfte billiger zu machen.

Die Stellung dieser Stations-Expe- dienten war wirthschaftlich wie dienstlich seit jeher eine gleich schiefe.

Als Anfangsgehalt gab man ihnen nach ein- bis zweijähriger Wartezeit 420 fl., und liess sie in Intervallen von

in der Budgetdebatte des Jahres 1 891 im öster- reichischen Abgeordnetenhause von den Ver- hältnissen der Eisenbahnbeamten entwarf. Er sagte: »Ich habe noch eine Angelegenheit, die Verwaltung betreffend, am Herzen; das ist die Stellung der Eisenbahnbeamten. Wer in den Dienst beim Staatseisenbahn-Betrieb gelangen wiU, muss zunächst zwei bis drei Jahre als Diurnist dienen, dann seine Prü- fungen machen, dann wird er Aspirant mit monatlich 50 fl. und bleibt es ein bis zwei Jahre ; nach diesen vier bis fünf Jahren wird er Beamter mit einem Jahresgehalt von 500 fi. Von diesen 500 fl. werden ihm aber zunächst 125 fl. in 36 Monatsraten abgezogen und er bekommt in den kleineren Stationen und dies ist die Mehrzahl ein Quartiergeld von 120 fl., wenn er nicht, was in sehr vielen Fällen geschieht, ein Naturalquartier ange- wiesen bekommt. Er muss dann mit diesem

vier und fünf Jahren um 60 fl. pro Jahr vorrücken, so dass sie bestenfalls am Ende ihrer Dienstzeit 960 fl. Gehalt er- reichen konnten. Da sie vorzugsweise in kleineren Stationen den Dienst ver- sahen, entfielen für sie, mit Ausnahme des Quartiergeldes, beziehungsweise der Naturalwohnung und jder Dienstuniform, auch alle Nebenbezüge, so dass ihre wirthschaftliche Lage, zumal wenn sie, wie nicht selten, eine zahlreiche Familie zu erhalten hatten, eine sehr precäre war.

Aber auch in dienstlicher Hinsicht hatten sie schwierigen Stand. Das ihnen untergeordnete Diener-, namentlich das Zugspersonale vermochte in ihnen nicht dieselbe Autorität zu erkennen, wie in dem Beamten, war ihnen zudem an Einkünften und daher an Selbstbewusstsein nicht selten überlegen; gegenseitige Reibereien standen deshalb auf der Tagesordnung.

Kaum hatten die schon aus Erträgnis- und Dividendenrücksichten nicht weniger sparbedürftigen Privatbahnen von dieser Ersparungsmassregel derk.k. Staatsbahnen Kenntnis erlangt, als auch bei ihnen, wo bisher nur vereinzelt auf Local- und Seitenbahnen und in den Haltestellen der Hauptstrecken dem Dienerrange ange- hörige sogenannte Stationsaufseher in Ver- wendung standen, das Stations-Expedien- tenwesen derart üppig in die Halme zu schiessen begann, dass auf vielen Bahnen die Beamten allmählich in die Minder- zahl geriethen, und nicht nur zahlreiche Stationschef- und Verkehrsbeamten- Stellen, sondern selbst in grossen

Gehalt von 500 fl. leben, avancirt mit je 100 fl. alle fünf Jahre und bringt es so in 15 bis 18 Jahren zu einem Jahresgehalt von 800 fl. Dieses Gehalt ist eine wichtige Ziffer im Leben des Staatsbahn-Beamten. Von der Erreichung dieses Gehaltes hän^t es nämlich ab, ob er heiraten darf oder nicht, und die Beamten klagen allgemein darüber, dass ihnen infolge der niederen Gehalte und des lang- samen Avancements kaum die Möglichkeit gegeben ist, vor dem 35. bis 38. Lebensjahr einen selbständigen Familienstand zu be- gründen.« — Dies das Situationsbild vom Jahre 1891. Heute hat sich allerdings bei den k. k. Staatsbahnen Manches zum Besseren gewendet, die Avancementterroine wurden in den unteren Kategorien auf drei und zwei Jahre verkürzt, die Heiratsbeschränkung mit der Dienstordnung vom 9. April 1898 gänzlich aufgehoben.

298

Franz Mähling.

Stationen Posten mit bedeutender Geld- verantwortlichkeit von gering besoldeten Unterbeamten eingenommen wurden.

Wie wenig die in dieser Massregel zum Ausdrucke kommende Entwerthung und Disqualification der bisher von Beamten versehenen Functionen und das abwechselnde Durcheinandermengen von Beamten und Unterbeamten in den gleichen Verrichtungen zum Vortheile des Dienstes und des Ansehens des Eisenbahnstandes ausschlug, trotzdem man den Stations- Expedienten in der Uniformvorschrift vom Jahre 1886 zur Erhöhung ihrer Autorität ein der Beamtenuniform ähnliches Dienst- kleid verlieh, ist zu bekannt, als dass es hier der Erläuterung bedürfte.

Deshalb sah sich auch der vormalige verdienstvolle Präsident der k. k. General- Direction der Staatsbahnen, Dr. Leon Ritter v. B i 1 i n s k i, veranlasst, die Institution der Stations-Expedienten bei den k. k. Staatsbahnen nach kaum zehn- jährigem Bestände wieder aufzuheben, indem er sämmtlichen Stations-Expedien- ten des ihm unterstehenden Personal- körpers einen Termin setzen liess, binnen welchem diese eine Qualifications- [In- telligenz-] Prüfung abzulegen hatten. Die- jenigen, welche diese Prüfung mit Erfolg bestanden, wurden in den Beamtenstatus eingereiht; die übrigen, welche sich zur Prüfung entweder überhaupt nicht meldeten oder aber sie nicht bestanden, in den Rang der ehemaligen Stationsaufseher dauernd versetzt. Ausserdem wurden solche Stations-Expedienten nach einer Dienstzeit von mindestens zehn Jahren, wenn sie die nöthige Vorbildung eines

Unterbeamten einer Mittelschu

absolvirte untere Classen e] besassen und mindestens 35 Jahre alt waren, zu Beamten ernannt. Schon unter dem Gzedik'schen Re- gime wurde, als Ansporn zu einer tadellosen Dienstleistung und um schon bei der Aufnahme auf ein besseres Materiale greifen zu können, der Unter- beamtenrang dem Dienerpersonale eröffnet, indem man durch eine gewisse Dienst- zeit bewährte Bahn-, Telegraphen- und Magazinsmeister, Zugführer u. s. w. in den Unterbeamtenstatus, der dadurch wenigstens bei den k, k. Staatsbahnen eine völlig neue und zweckentsprechendere

Stellung bekam, einreihte. Unter Dr. Ritter V. B i 1 i u s k i wurde diese Massregel noch weiter ausgestaltet.

So schnell manche Privatbahnen dem Beispiele der Staatsbahn- Verwaltung bei Einführung der Stations - Expedienten- Kategorie gefolgt waren, so zögernd thun sie dies nun hinsichtlich deren Abschaffung. Bisher hat sich noch keine dieser Privat- bahnen hiezu entschliessen können, wie- wohl die dienstliche Stellung ihrer Stations- Expedienten durch Einschiebung der vor- erwähnten ehemaligen Dienerkategorien in den Unterbeamtenstatus eine wo- möglich noch schiefere geworden ist. Rechnet man hiezu noch, dass durch die mit der Eisenbahnministerial- Verord- nung vom 16. Juli 1897 eingeführte Silberdistinction der Unterbeamten- Dienst- kleidung auch die Fiction des Beamten- thums gegenüber dem Publicum zerstört wurde, so gelangt man zu dem Schlüsse, dass die Institution der Stations-Expe- dienten in ihrer heutigen Form auch bei den Privatbahnen auf die Dauer nicht mehr haltbar ist.

Um hier, wenn man schon aus finan- ziellen Gründen gleich den k. k. Staats- bahnen an die Aufhebung nicht schreiten wollte, dennoch in irgend einer Rich- tung Abhilfe zu schaffen, hat man bei einzelnen Privatbahnen zu dem Palliativ- mittel gegriffen, die Stations-Expedienten nach einer zehnjährigen definitiven und anstandslosen Dienstleistung zur Beamten- prüfung zuzulassen und nach bestandener Prüfung in den Beamtenstatus mit dem niedersten Gehalte, d. i. 600 fl., einzu- reihen. Dass hiebei auch der doppelte Zweck verfolgt wurde, sich ein billiges Beamtenmateriale zu verschaffen, das erst nach zehnjähriger Dienstzeit nur 600 fl. Gehalt beanspruchen konnte, und zugleich die Stations-Expedienten- Kate- gorie zu einem unerschöpflichen und be- quemen Reservoir für diese Art Beamte zu machen, ist klar.

Was endlich die wirth schaftlichen Ver- hältnisse des Dienerpersonales be- trifft, so betrugen dessen Taglöhne anfange 40 bis 80 kr. Die wesentlich höheren Tag- löhne sind heute je nach den localen und socialen Verhältnissen der einzelnen Länder und Gegenden verschieden.

Organe des Betriebes.

299

Das Gehaltsschema begann in den ersten Jahren mit 200 fl. bis 250 fl. ; heute sind die niedersten Gehaltsstufen 300 fl. oder 360 fl., zu welchen sich ein Quartiergeld von 60 fl. bis 120 fl., be- ziehungsweise Naturalwohnung und Dienstkleiderbezug gesellt. Die höchst- erreichbaren Gehaltsstufen dieses Per- sonales, soweit es nicht nach der Dienst- zeit in den Unterbeamtenrang vorrückt, sind: für Weichenwächter 420 fl., für Conducteure 550 fl., für Portiere 600 fl. u. s. w.

Ausser diesen ständigen Bezügen er- hält das Fahrpersonale Zehrgelder und

Fahrgebühren, das M aschin enpersonale ausser den Fahrgebühren auch Material- ersparnis- und Kohlenprämien, die Bahn- erhai tungs- Organe ebenfalls Erspamis- prämien und Reisepauschalien, das Ver- schubpersonale Verschubprämien, Stiefel- gelder u. A. m.

Zur besseren Beurtheilung der wirth- schaftlichen Lage der Eisenbahn-Bedien- steten sei hier das gegenwärtig in Kraft stehende Gehalts- und Quartiergeld- Schema des Personales der k. k. Staats- bahnen, also der grösseren Hälfte des österreichischen Eisenbahn - Personales, beigegeben.

Gehalts- und Quartiergeld-Schema für die Beamten .

und Beamten- Aspiranten,

t

Dienstliche Benennung

Dienst- classe

Gehalt

Quartier- geld in Wien

Jahresbetrag in Gulden

Central-Inspector

IV

4500 4000

1000

Ober-Inspector

V

1

3600 3300 3000

2600 2400 2200

2000 1800 1600

900

Inspector

m

1

VI

700 ,

1

Secretär I. Classe, Ober-Ingenieur, Ober-Revident,

Ober-Official

VII

600

1

Secretär II. Classe, Ingenieur, Revident, Official

VIII

1500 1400 1300

! 1200

IIOO 1000

900

500

Concipist, Ingenieur- Adjunct, Adjunct

IX X

»

1 1

400

1

1 300 1

Concipient, Ingenieur-Assistent, Assistent

1

800

700 600 500

monatl. 50

►ahn-Minis

1

Aspirant

Die Dienstclassen I, II und III entfielen infolge Errichtung <

XI

des Eisenb

1 teriums.

300

Franz Mähling.

Gehalts-' und Quartiergeld-Schema für die Unterbeamten.

1 1

Dienstliche Benennung

r

Kate- gorie

Gehalt

Quartier-

geld in \\'^ien

Jahresbetrag in Gulden

' 1

1

Werkmeister in den Werkstätten und Heizhäusern

1

I

1

1

1200 IIOO

400

1

Werkmeister in Beleuchtungs-, elektrischen und Imprägnir- Anstalten, Locomotivführer, Werkmeister in den Werk- stätten und Heizhäusern, Stationsmeister, Schiffsmaschinist,

Kanzlist

1

'i

1, 900

r

1 1 1

350

Bahn-, Gebäude-, Block-, BrUckenmeister, Werkmeister in Beleuchtungs-, elektrischen und Imprägnir- Anstalten, Loco- . motivführer, Werkmeister in den Werkstätten und Heiz- häusern, Stationsmeister, Wagenrevisor, Oberconducteur, Zugsrevisor, Magazins- und Wagenmeister, Dolmetsch, Telegraphenmeister, Scottist, Steuermann, Schiffsmaschinist,

Kanzlist

•m

1

1

1

850

800

1 1

1

1 1

300

r

r

Bahn-, Gebäude-, Block-, BrUckenmeister, Werkmeister in Beleuchtungs-, elektrischen und Imprägnir- Anstalten, Loco- motivf (ihrer, Werkmeister in den Werkstätten und Heiz- häusern, Stationsmeister, Wagenrevisor, Oberconducteur, Zugsrevisor, Magazins- und Wagenmeister, Dolmetsch, Telegraphenmeister, Scottist, Steuermann, Schiffsmaschinist,

Kanzlist

1

.IV :

1

1

; 750 700

1

300 1

1

1 Bahn-, Gebäude-, Block-, Brückenmeister, Werkmeister in Beleuchtungs-, elektrischen und Imprägnir-Anstalten, Lo- comotivführer-, Werkmeister in den Werkstätten und Heiz- häusern, Stationsmeister, Wagenrevisor, Oberconducteur, Zugsrevisor, Magazins- und Wagenmeister, Dolmetsch, Telegraphenmeister, Scottist, Untersteuermann, Schiffs- maschinist, Kanzlist

1

•V

1

1

1

650 600

250 1

1

Bahn-, Gebäude-, Block-, Brückenmeister, Locomotiv- führer, Stationsmeister, Wagenrevisor, Oberconducteur, Zugsrevisor, Magazins- und Wagenmeister, Dolmetsch, Telegraphenmeister, Scottist, Untersteuermann, Schiffs- maschinist, Kanzlist

1 1 1

*VI

550 500

200 '

*) Ausserdem auch noch Stations-Expedienten, beziehun lange diese Gattung von Bediensteten besteht.

igsweise S

tationsleit<

er, inso- ]

1

Organe des Betriebes.

301

Gehalts- und Quartiergeld-Schema für die Diener.

Dienstliche Benennung

Oberwerkmann, Stationsaufseher

Oberwerkmann, Locomotivführer-Stellvertreter, Oberheizer, Pumpen-, Maschinen- und Wagenwärter, Stationsaufseher,

Wagenaufseher

Wächtercontrolor, Blocksignaldiener, Werkgehilfe, Werk- mann, Locomotivheizer, Locomotivführer - Stellvertreter, Oberheizer, Stabilkesselheizer, Pumpen-, Maschinen- und Wagenwärter, Conducteur, Güter - ZugsfQhrer, Stations- gehilfe, Stationsaufseher, Magazinsgehilfe, Magazins- aufseher, Oberverschieber, Wagenaufseher, Beleuchtungs- aufseher, Wagenschreiber, Schiflfsheizer, Matrose, Tele- graphen-Laborant, Drucker, Kanzleigehilfe, Kanzleidiener, Portier, ThÜrsteher, Hausaufseher

Bahnrichter, Wächtercontrolor, Blocksignaldiener, Werk- gehilfe, Werkmann, Locomotivheizer, Locomotivführer- Stellvertreter, Oberheizer, Stabilkesselheizer, Pumpen-, Maschinen- und Wagenwärter, Conducteur, Güter-Zugs- fUhrer, Stationsdiener, Stationsgehilfe, Stationsaufseher, Ladescheinschreiber, Magazinsdiener, Magazinsgehilfe, Magazinsaufseher, Verschieber, Oberverschieber, Wagen- aufseher, Lampist, Beleuchtungsaufseher, Wagenschreiber, Wagenputzer, Schiffsheizer, Matrose, Telegraphen-Laborant, Drucker, Kanzleigehilfe, Kanzleidiener, Portier, ThÜrsteher,

Hausaufseher

Bahnrichter, Werkgehilfe, Werkmann, Locomotivheizer, Stabilkesselheizer, Conducteur,*) Stationsdiener, Ladeschein- schreiber, Magazinsdiener, Magazinsgehilfe, Verschieber, Ober- Verschieber, Lampist, Wagenschreiber, Wagenputzer, Schiffsheizer, Matrose, Telegraphen-Laborant, Drucker, Kanzleigehilfe, Kanzleidiener, Portier, ThÜrsteher, Haus- aufseher

Bahn-, Uebersetzungs-, Block-, Weichen-, Weg-, Thor-

und Nachtwächter

Kate- gorie

I

II

III

IV

♦#V

VI

Gehalt

Quartier- geld in Wien

Jahresbetrag in Gulden

750 700

650 600

550 500

450 400

350 300

Monats- lohn

30

27

24

300

250

200

150

120

100

♦) Conducteure werden mit 350 fl, angestellt. **) Ausserdem können mit Rücksicht auf die üblichen Lohn Verhältnisse als Ueber- gang zum Jahresgehalte auch Einreihungen in den Monatslohn von 21 fl., beziehungs- weise 24 fl. [nebst 100 fi. Quartiergeld in Wien] stattfinden.

302

Franz Mähiing.

Rechtsverhältnisse.

Fast gleichzeitig mit der Begründung einer Altersversorgung für das Personale,*) erliess die Kaiser Ferdinands-Nordbahn 1847 die erste Dienstordnung zur Regelung der Beziehungen zwischen Per- sonale und Verwaltung.

Mit der Herausgabe dieser Dienst- ordnung war wohl weniger eine Weiter- bildung des Dienstvertrags-Rechtes etwa in dem Sinne bezweckt, dass man den Bediensteten rechtlich eine bessere Stel- lung einzuräumen gedachte, als ihnen nach den allgemeinen handelsgesetzlichen Normen zukam ; für die Kaiser Ferdinands- Nordbahn handelte es sich hiebei wesent- lich darum, ihre Dienstvertrag-Bedingnisse ein- für allemal und für alle Kategorien von Bediensteten von vorneherein fest- zulegen sowie sich Handhaben zu schaffen, um ihr vielköpfiges, grosse Verschiedenheiten aufweisendes und zu- dem über weite Strecken verstreutes Personale in Disciplin und Ordnung er- halten zu können. Deshalb wurde in dieser Dienstordnung den Pflicht- und Disciplinar-ßestimmungen der breiteste Raum gewährt und die Möglichkeit offen gelassen, das Dienstverhältnis jederzeit ohne Angabe von Gründen lösen zu kön- nen, wiewohl dies mit der eben gegründeten Altersversorgung und der Berechnungs- basis der Pensionsfonds-Bedeckung in ziemlichem Widerspruche stand.

Diese erste Eisenbahn-Dienstordnung blieb bei der Kaiser Ferdinands-Nord- bahn, mit den durch die Eisenbahn- betriebs-Ordnung vom Jahre 1851 be- dingten und den sonstigen, im Laufe der Zeit eingetretenen Abänderungen, bis zur Gegenwart in Kraft. Da sie aber für die nachmals entstandenen österreichi- schen Privatbahnen lange Jahre als Muster gedient hat, so bildete sich der selt- same Widerspruch heraus, dass öffentliche, zur Wahrung der Gesetze und Aufrechthal- tung der Ordnung auf öffentlichen Ver- kehrsstrassen berufene Organe jederzeit

*) Der durch Beschluss der Nordbahn vom 30. Mürz 1844 begründete Pensionsfonds tratrnit 31. Milrz 1846 ins Leben. Vgl Bd. III, K. E n ^ el s b e r p, » Wohlfahrts-Einnchtungen der österreichischen Eisenbahnen«.

ohne Disciplinarverfahren, selbst ohne nachweisbares Verschulden, gleich Hand- lungsgehilfen und Taglöhnem, aus ihrem Dienste entlassen werden konnten.

Diese keinerlei Gewähr gegen Will- kOrlichkeiten bietende Einrichtung feierte in der Zeit nach der Finanzkrise 1873, als man bei den Privatbahnen allerorten daran ging, aus Erspamisrücksich- ten Personal-Reductionen vorzunehmen, wahre Orgien und zahlreiche vernich- tete Existenzen bildeten das Opfer jener unerfreulichen Verhältnisse. Diese sind denn auch vorwiegend die Ursache ge- worden, dass der Eisenbahnbeamtenstand sich bis zum heutigen Tage nicht jene öffentHche Stellung zu erringen ver- mochte, die ihm kraft der gesetzlichen Bestimmungen und der Wichtigkeit seines Berufes gebührt.*)

Eine durchgreifende Veränderung er- fuhr die ÖffentHche Stellung der Eisenbahn- betriebs-Organe erst durch die Eisen- bahnbetriebs-Ordnung vom 16. No- vember 1851, welche bis zum heutigen Tage die Grundlage unseres Eisenbahn- betriebes bildet.

Zwar verfügte schon das Polizei- gesetz für Eisenbahnen vom 14. März 1847 im § 16, dass »diejenigen, welche die Bahn zur Reise oder zur Versendung . von Sachen benützen, sich den Weisungen, welche etwa das Aufsichts- und Zug- begleitungs - Personale hinsichtlich der Aufrechthaltung der Ordnung, Regel- mässigkeit und Sicherheit des Betriebes zu ertheilen für nöthig findet, willige Folge zu leisten haben c. Weiters be- stimmte § 25 dieses Gesetzes, »dass die Betriebsorgane verpflichtet sind, Ueber- treter der Bahnvorschriften anzuhalten und an die Ortsobrigkeit oder an die benachbarte politische Behörde oder den nächsten zur Ueberwachung des Betriebes aufgestellten Beamten zur Ein- leitung der Untersuchung abzuliefern«.

*) Wir verweisen in dieser Hinsicht bei- spielsweise nur darauf, dass der Eisenbahn- beamte nach der Wahlordnung der Reichs- hauptstadt Wien, wenn er nicht vermöge seiner Steuerleistung in eine höhere Wählerclasse rangirt, gleich den Handlungsgehilfen dem III. Wahlkörper angehört, während Staats- beamte, Lehrer u. s. w. schon zufolge ihres Amtes zum IL Wahlkörper zählen.

Organe des- Betriebes.

303

Die Eisenbahnbetriebs - Ordnung g^ng indessen noch einen Schritt weiter, in- dem sie im § 102 bestimmte, dass »die- jenigen Bahnbeamten und Diener, welchen nach den Localverhältnissen die Aufsicht über die Bahn, die hiezu gehörigen An- stalten und das die Bahn benützende Publicum zusteht, auch auf Privatbahnen von der Staatsverwaltung in Eid ge- nommen werden c und dass »die auf solche Weise beeideten Bahnbeamten und Diener rücksichtlich ihrer Dienstes- verrichtungen gegenüber dem Publicum auch auf Privatbahnen den gesetzlichen Schutz gleich anderen öffent- lichen Verwaltungsbeamten ge- niessent.

Die hiedurch begründete öffentliche Stellung der Eisenbahnbetriebs-Organe fand ihre weitere Festigung darin, dass diese durch das Strafgesetz vom 27. Mai 1852, R.-G.-Bl. Nr. 117, in strafrecht- licher Beziehung des gleichen Schutzes theilhaftig wurden, wie andere öffentliche Beamte und Diener.

Ausserdem erscheinen in verschiedene Gesetze Bestimmungen aufgenommen, durch welche die besondere Stellung des Eisenbahn - Personales zum Ausdrucke gelangt.

So im § 158 der Strafprocess-Ordnung vom 23. Mai 1873, R.-G.-BI. Nr. 119, wonach gerichtliche Vorladungen an Eisenbahn- Bedienstete, für welche zur Wahrung der öffentlichen Sicherheit oder anderer öffentlicher Interessen eine Stell- vertretung während ihrer Verhinderung eintreten muss, nur im Wege der vorgesetz- 1 ten Dienststelle zugestellt werden können. I Der gleiche Vorgang ist zufolge Handels- ministerial-Erlass vom 21. December 1852, Z. 2801, auch bei Vorladungen durch die Militärbehörde einzuhalten. Des Weiteren sind nach § 103 der citirten Strafprocess- Ordnung die bei der Eisenbahn beschäf- tigten Personen von der Verpflichtung be- freit, sich bei Untersuchungs-Handlungen als Gerichtszeugen verwenden zu lassen, und sind nach § 3 des Gesetzes vom 23. Mai 1883, R.-G.-Bl. Nr. 121, be- treffend die Bildungder Geschwor- nen listen, diese Personen zu dem Geschwornenamte im Allgemeinen nicht berufen.

Endlich trifft der § 26 des Wehr- gesetzes vom 5. December 1868, R.-G.- Bl. Nr. 151, die Anordnung, dass die im Verbände des stehenden Heeres [Kriegs- marine] oder der Landwehr stehenden Angestellten des Eisenbahndienstes im Falle eines Krieges entweder dauernd oder bis zur Beendigung der Mobilisirung [26. Mobilisirungstag] in ihren Anstellun- gen belassen werden, insoweit sie für die Aufrechterhaltung des Betriebes unent- behrlich sind. Auch wurde den Verwal- tungen in mehreren Handelsministerial- Erlässen aufgetragen, womöglich nur solche Personen in den Dienst zu nehmen, welche ihrer Militärpräsenz -Dienstpflicht berfeits genügt haben.

Von der Landsturmpflicht sind die Eisen- bahn-Executivorgane gänzlich befreit.

Auch liegen den Eisenbahn-Organen besondere Verpflichtungen im Falle von öffentlichen Unruhen und Aufständen, bei Seuchengefahr, hinsichtlich der ersten Hilfeleistung bei Erkrankungen und Un- fällen sowie endlich in Bezug auf feuer- gefährliche und explodirbare Gegen- stände ob.

In schroffem Widerspruche mit der Stellung der Eisenbahn-Bediensteten als öffentliche Organe steht die Einrichtung der Beschwerdebücher. Diese aus der Zeit des Postwagens stammende Ein- richtung, welche damals wohl nur den Zweck verfolgte, dem Publicum in Be- schwerdefällen das theuere Postporto zu ersparen, hat sich gleichwohl, sanctionirt durch die verschiedenen Betriebsordnun- gen, bis in das Zeitalter des Telegraphen, des Telephons und des Weltpostvereines hinübergerettet. Hoffentlich bricht sich auch hier bald die Erkenntnis Bahn, dass dieses veraltete Ueberkommnis einer längst vergangenen Zeit reif ist, über Bord geworfen zu werden.

Durch die Eisenbahnbetriebs-Ordnung vom Jahre 1851 wurde auch die Aufsicht und Controle sowohl der Staatsbehörden über die Staats- und Privatbahnen, als auch dieser letzteren über das ihnen unterstellte Personale geregelt. Die be- züglichen Bestimmungen finden sich in den §§ 7 1 bis 92 des erwähnten Gesetzes.

Hienach steht die unmittelbare Auf- sicht über die Bahnbeamten und Diener

304

Franz Mähling.

hinsichtlich der genauen Pflichterfüllung und Beobachtung der zur Sicherheit und Ordnung des Betriebes erlassenen gesetz- lichen Vorschriften der betreifenden Bahn- direction zu, die für die Erfüllung der- selben verantwortlich ist und wegen deren Nichterfüllung von der staatlichen Aufsichtsbehörde bestraft werden kann.

Als staatliche Aufsichtsbehörde über sämmtliche österreichischen Eisenbahnen fungirt die k. k. General-Inspection der österreichischen Eisenbahnen. Ihr ist hinsichtlich des Privatbahn-Per- sonales die Befugnis eingeräumt, säumige Betriebsorgane nach Massgabe des Ge- setzes oder der sonstigen Vorschriften strenge zur Verantwortung zu ziehen, oder nach Beschaffenheit des Falles dem competenten Strafgerichte zur Bestrafung anzuzeigen. Gegentiber den Organen der Staatsbahn-Verwaltung steht ihr nur das Recht der Dienstessuspension in dringenden Fällen, sonst aber der Anzeige an die competente Dienststelle zu. Die Privat- bahn-Verwaltungen sind gehalten, Disci- plinar- Verfügungen der General-Inspection an dem betreffenden Organe in Vollzug zu setzen. Diesem hinwiederum steht gegen solche Verfügungen binnen 14 Tagen das Beschwerderecht an das Eisenbahn-Ministerium zu.

Zur Erfüllung der ihnen obliegenden Verpflichtung, für die Aufrechthaltung der Ordnung und Betriebssicherheit in ihrem Verwaltungsgebiete zu sorgen, sind die Eisenbahn-Directionen berechtigt, gegen die ihre Pflicht verletzenden Beamten und Diener nach Massgabe der dies- fälligen Dienstesvorschriften und Instructionen Ordnungs- und Disciplinarstrafen zu verhängen.

Als Ordnungsstrafen sind festgesetzt : a) die Mahnung, b) die Rüge; als Disci- plinarstrafen : a) der Verweis, b) Geld- strafen bis zu dem Betrage eines Monats- gehaltes oder Lohnes, c) die Dienstes- suspension für die Dauer einer anhängigen Disciplinar- oder strafgerichtlichen Unter- suchung, (ij die Entfernung vom Dienste, diese entweder zeitlich oder dauernd, und zwar allgemein oder für specielle Ge- schäftszweige.

Ein durch ein rechtskräftiges Erkennt- nis entlassenes Individuum darf, nach

§ 84 der Eisenbahn-Ordnung, bei keiner österreichischen Eisenbahn zu dem Ge- schäfte, auf welches das Urtheil sich bezieht, ohne ministerielle Bewilligung mehr verwendet werden.

Die Wiederaufnahme der Eisenbahn- Verstaatlichung und des Staatsbetriebes in den Jahren seit 1882 bis zur Gegen- wart brachte endlich die Anbahnung^ der längst vermissten Einheitlichkeit in den vielfältigen Personal- Verhältnissen der österreichischen Bahnen.

Der ursprünglich mehr beispielge- bende Einfluss der k. k. Staatsbahnen in personeller Hinsicht hat sich mit der Erweiterung des Staatsbahnnetzes natur- gemäss immer mehr gesteigert, und ist heute, wo sich die Hälfte der österrei- chischen Eisenbahnlinien und des Per- sonales unter staatlicher Leitung be- findet, insbesondere seit Errichtung des Eisenbahn-Ministeriums direct richtung- gebend und, nach dem wirthschaftlichen Gesetze der Concurrenz, zwingend ge- worden.

Kurz nach Einsetzung der k. k. Direction für Staatseisenbahn-Betrieb, der späteren General-Direction der k. k. Staatsbahnen, wurde für das Personal eine einheitliche Dienstordnung [Dienstpragmatik] erlassen [1884], welche sich, von Zeit zu Zeit den geänderten Verhältnissen und Anschau- ungen angepasst, bis Anfangs 1898 er- halten hat. Sie unterscheidet sich von den bei den Privatbahn -Verwaltungen bestehenden vor Allem dadurch, dass in ihr die Dienstesentlassung ohne Disci- plinarverfahren bereits auf ganz be- stimmte Fälle beschränkt wurde, nämlich : oj wenn ein Bediensteter wegen eines Verbrechens oder wegen der Uebertre- tung des Diebstahls, der Veruntreuung, des Betruges und der Theilnahme an denselben verurtheilt wurde ; bj wenn ein Bediensteter in Concurs verfallen und bei der hierüber durchgeführten gerichtlichen Untersuchung nicht schuldlos befunden wurde ; cj wenn ein Bediensteter wegen Verschwendung unter Curatel kam.

Sonst konnte die Entlassung nur nach durchgeführtem Disciplinarverfahren ver- fügt werden.

Zur Durchführung des Disciplinar- verfahrens wurden am Sitze jeder Be-

Organe des Betriebes.

305

triebs-Direction, beziehungsweise Staats- bahn-Direction und beim Eisenbahn- Ministerium D iscipl in ar- Commissi o- nen eingesetzt, welche aus einem Vor- sitzenden, vier stimmführenden Mitgliedern und drei Ersatzmännern bestanden, die sämmtlich aus dem Stande der Beamten des betreffenden Amtsbezirkes von der General-Direction und später vom k. k. Eisenbahn-Ministerium ernannt wurden.

Jedoch war der betreifende Betriebs- oder Staatseisenbahn-Director an das Votum dieser Commission nicht ge- bunden, konnte Milderungen oder Ver- schärfungen der vorgeschlagenen Strafen eintreten lassen oder auch selbständige Verfügungen treffen. Trotz dieses schwer- wiegenden Mangels bot die Einrichtung der Disciplinar-Commissionen gegen die bei den Privatbahnen herrschenden Ver- hältnisse den Vortheil, dass überhaupt ein geregeltes mündliches Strafverfahren fest- gesetzt war und das Votum coUegial be- schlossen wurde.

Ausserdem ordnete die Dienstordnung der k. k. Staatsbahnen die Aufnahms- beding^ngen für die verschiedenen Kate- gorien des Eisenbahn-Personales sowie die Prüfungs Vorschriften für jede dieser Kategorien ; regelte die Bezugsverhältnisse im Activdienste, im Krankenstande und während der Militärdienstleistung ; führte zum ersten Male den Begriff des alljähr- lichen Erholungsurlaubes ein u. A. m.

Diese Dienstordnung, welche gegen die bis dahin für das Eisenbahn-Personale in Geltung gestandenen, einen wesent- lichen Fortschritt bedeutete, blieb indes auf die Privatbahn- Verwaltungen zunächst ohne merklichen Einfluss.

Wie bereits erwähnt, sind die Privat- bahn-Verwaltungen nach den Bestim- mungen der Eisenbahnbetriebs-Ordnung berechtigt, über ihr Personale die Disci- plinar-Gerichtsbarkeit auszuüben und die bezüglichen Vorschriften im eigenen Wir- kungskreise zu erlassen. Diese Vor- schriften bedürfen jedoch vor ihrem Inkraft- treten der Genehmigung der staatlichen Aufsichtsbehörde.

Nun haben aber von dieser Befugnis bisher die wenigsten Privatbahnen Ge- brauch gemacht. Das Disciplinar-Ver- fahren beruht bei diesen zumeist nur

Geschichte der Eisenbahnen. III.

auf einer Art Tradition, wonach in Disci- plinar-Fällen entweder der unmittelbare Dienstvorstand oder ein Organ der Ver- kehrs-Inspection, oder auch der Direction, beauftragt wird, die Untersuchung über den Vorfall unter eventueller Beiziehung von Beamten der anderen hieran be- theiligten Dienstesabtheilungen zu pfle- gen, die protokollarische Einvernahme der Beschuldigten und Zeugen vorzu- nehmen und das gesammte Elaborat mit einem Einbegleitungs- Berichte ver- sehen, entweder der vorgesetzten Direction zur weiteren Entscheidung vorzulegen, oder aber auf Grund des Erhebungs- resultates selbst die Bestrafung auszu- sprechen. Die Direction hingegen urtheilt auf Grund des vorgelegten Elaborates ab, zumeist ohne den Beschuldigten einer weiteren Einvernahme zu unter- ziehen. Dass durch ein solches Disci- plinar- Verfahren, welches vielleicht für leichtere Disciplinar- Fälle genügen mag, der Gefahr, schwerwiegende Urtheile auf Grund einseitiger Darstellung oder unter dem Einflüsse eines vielleicht unbewussten persönlichen Wohl- oder Uebelwollens zu fällen, nicht vorgebeugt erscheint, und dass diese Procedur den modernen An- sichten über die Oeffentlichkeit und Münd- lichkeit der Strafprocesse nur mehr wenig entspricht, bedarf keiner Erhärtung. Dies mochte man auch eingesehen haben, und so wurden bei einzelnen Eisenbahn- Ver- waltungen ständige >Unfall-Comit6s« ein- gesetzt, welche aus je einem Mitgliede des Verkehres, der Bahnerhaltung und der Zugförderung sowie den nöthigen Schreibkräften gebildet sind, und bei grösseren Eisenbahn-Unfällen collegial das Urtheil in disciplinarer Hinsicht zu fällen haben.

Einen weiteren Fortschritt hinsichtlich des Disciplinar- Verfahrens der Privat- bahnen stellt die im Jahre 1894 bei der k. k. priv. Südbahn eingeführte Persona 1- Commission dar. Sie zerfällt in zwei Sectionen : a) für Beamte, b) für Diener. Der Vorsitzende sowie die Hälfte der Mitglieder jeder Section wird von der Direction ernannt, die andere Hälfte von den Bediensteten im Wege geheimer, schriftlicher Abstimmung gewählt. Ihre Aufgabe ist es, in Disciplinar-Fällen, bei

20

3o6

Franz Mählin^.

welchen Degradirung oder strafweise Ent- lassung in Frage kommt, ihr Votum abzu- geben, welches jedoch nur berathender Natur ist, weil die, das endgiltige Urtheil fällende General -Direction an dasselbe nicht gebunden ist. Immerhin ist dadurch, dass der Beschuldigte vor dieser Commission selbst erscheinen und seine Sache ver- treten sowie auch Entlastungszeugen beibringen kann, und dass das Verfahren ein mündliches ist, bessere Gewähr für ein angemessenes Urtheil geboten.

Ausserdem steht der Personal-Com- mission der Südbahn das Recht zu, in allgemeinen, das Personale betreifenden Angelegenheiten an die Dienstverwaltung mittels Promemorias heranzutreten.

Diese Institution der Personal-Com- mission fand auch Aufnahme in die Dienstpragmatik der Kaiser Ferdinands- Nordbahn vom l. März 1898. Nur dass deren sämmtliche Mitglieder dort von der Verwaltung ernannt werden, dass es dem Ermessen der Verwaltung frei steht, ob sie die einzelnen Disciplinar-Fälle vor diese Commission bringen oder aber selbst aburtheilen will, und dass endlich dieser Commission nur ausschliesslich discipli- nare Befugnisse zustehen.

Berufungsinstanzen gegen Disciplinar- Erkenntnisse gibt es für die Privatbahn- Bediensteten nicht. Gegen eine von einer untergeordneten Dienststelle ver- hängte Strafe, die dann eben nur leichte- ren Grades ist, kann die Beschwerde an die Direction ergriffen werden; »zur Entscheidung über die Giltigkeit des von der Direction einer Privatbahn auf Grund der Eisenbahnbetriebs - Ordnung gegen einen Bediensteten derselben gefällten Disciplinar-Erkenntnisses aber sind nur die Gerichte competent«, wie ein am 18. April 1898 vom k. k. Reichsgerichte gefälltes Erkenntnis lautet. Der Weg des Civilprocesses aber ist weit und kostspielig, so dass die Rechtslage des Privatbahn-Personales, im Zusammen- halte mit der Diensteskündigung ohne Angabe von Gründen, noch immer als eine ziemlich precäre bezeichnet werden muss.

Die seit Erscheinen der Eisenbahnbe- triebs'Ordnung vom Jahre 1851 iniExecutiv- dienste gewonnenen P2rfahrungen, welche zum Theile schon in den Betriebsreirle-

ments vom 30. Juni 1863, vom i. Juli 1872 und vom 10. Juni 1874 Aufnahme ge- funden hatten, wurden in den mit Handels- ministerial-Erlass vom 18. October 1876, Nr. 30.084, hinausgegebenen »Grund- zügen der Vorschriften für den Verkehrsdienst auf Eisenbahnen« mit Giltigkeit für sämmtliche österreichi- sche Eisenbahnen niedergelegt.

Diese Grundzüge verfügen im Arti- kel I, Absatz 4, dass »Personen, die wegen Kurzsichtigkeit oder Farbenblindheit zur Wahrnehmung der Signale ungeeignet, oder die schwerhörig sind, beim exe- cutiven Dienste nicht in Verwendung genommen, dem Trünke ergebene nicht im Dienste belassen werden dürfen«. Die infolge dieser Verfügung vorgenom- mene ärztliche Untersuchung zahlreicher Personen auf ihr Gehör- und Sehver- mögen hat eigentlich erst zur näheren Kenntnis einer Reihe von Gehördefecten und der Art. und Verbreitung der Farben- blindheit geführt.

Einen, wenn auch nur schwachen An- lauf zur Regelung der Dienstzeit im Eisenbahn-Executivdienste unternahmen die Grundzüge im Artikel i, Absatz 5, indem dort festgesetzt wurde, dass »bei der Diensteintheilung unter Beobachtung der diesfalls giltigen Normen darauf Rücksicht zu nehmen ist, dass jedem Einzelnen die zur Erholung nothwendige dienstfreie Zeit verbleibe« -*- allerdings eine sehr dehnbare Bestimmung. An den hierin bezogenen »diesfalls giltigen Nor- men« bestanden nur die Bestimmungen der Eisenbahnbetriebs-Ordnung, § 2, lit. c, wonach zum Behufe der Eröffnung einer Bahn nachgewiesen werden müsse, dass diese Bahn mit dem zu einem geordneten Betriebe nöthigen, gehörig qualificirten Angestellten [Beamten und Diener] ver- sehen sei, welche nach § 3, al, 3 des- selben Gesetzes stets in gehöriger Anzahl vorhanden, mit den erforderlichen Eigen- schaften versehen sein und mit den Dienst- vorschriften bekannt erhalten werden müssen.

Ausserdem hatte der Handelsmini- sterial-Erlass vom 8. Juni 1874, Z. 42.158, betreffend die Ablösung der Bahn- und Weichen Wächter die Anord- nung getroffen, dass i. dort, wo die

Organe des Betriebes.

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Betriebsintensität eine so starke ist, dass die Bahn- und Weichenwächter innerhalb je 24 Stunden nicht volle fünf Stunden ununterbrochen der Ruhe pflegen können, eine Ablösung, und zwar nach abgelau- fenen 24 Stunden auf mindestens sechs Stunden, nach abgelaufenen 30 Stunden auf mindestens acht Stunden u. s. w. eintreten muss; 2. dass eine längere Dienst- dauer als 36 Stunden ohne eine solche Unterbrechung überhaupt nicht vor- kommen darf; 3. dass eine Dienstzu- weisung, welche alle Nächte absorbirt, selbst dann nicht platzgreifen darf, wenn das betreffende Individuum auch stets bei Tage frei wäre.

Für die Dienstdauer der übrigen Betriebsorgane bestand lange Zeit über- haupt keine gesetzliche Norm. Dass man diese Dienstdauer aus Ersparnisrücksichten nach Möglichkeit in die Länge zog, geht schon daraus hervor, dass der obange- führte Handelsministerial-Erlass selbst die, wenn auch ausnahmsweise Zulässigkeit eines 36stündigen Dienstes in Betracht zieht. Das Fahrpersonale des Maschinen- und Zugsdienstes trachtete ohnehin, so viel als nur möglich zu fahren, um sein bescheidenes Fixum durch Fahr- gebühren zu ergänzen, beim Stations- Personale hingegen war die 24stündige Dienstleistung mit darauffolgender 12- bis 24stündiger dienstfreier Zeit die Regel.

Da sich^ie Fälle immer mehr hädften, dass der Mitschuld an einem Eisenbahn- unfall e angeklagte Betriebsorgane von den Gerichten wegen dienstlicher Ueberbürdung freigesprochen wurden, richtete das Handelsministerium am 6. December 1894 einen Circular-Erlass an sämmtliche Eisenbahn- Verwaltungen [exclusive Localbahnen und Dampftram- ways], in welchem »Grundsätzliche Bestimmungen zurRegelung der Minimal-Ruhezeit und Maximai- Dienstdauer des Personales der Oesterreichischen Eisenbahnen, welchem die Durchführung des technischen Verkehrsdienstes obliegt«, festgesetzt wurden. Hiernach war die ununterbrochene Ruhezeit inner- halb 24 Stunden im Stationsdienste zu bemessen : o) bei den Beamten und Unter- beamten mit zwölf Stunden, b) beim

Diener- und Arbeiter- Personale mit acht Stunden. Die längste Dienstdauer durfte 24 Stunden nicht übersteigen. Beim Loco- motiv- und Zugbegleitungs - Personale musste die Ruhezeit innerhalb je 72 Stunden mindestens 37 Stunden betragen. Die längste Fahrtdauer für diese Personale war bei Personenzügen zur Tageszeit mit 13, zur Nachtzeit mit ii Stunden, bei Lastzügen in beiden Fällen auf 20 Stunden bemessen. Für die Bahn- wächter auf geringer frequentirten Strecken konnte die für das Stations - Personale innerhalb 24 Stunden festgesetzte Minimal- Ruhezeit auf sechs Stunden herabge- mindert werden, auch durfte die von diesen Wächtern innerhalb 24 Stunden behufs Streckenrevision, Avisobeförde- rung u. s. w. zurückzulegende Weg- strecke 1 5 bis 1 8 km nicht überschreiten. Endlich durfte für sämmtliche Bedienstete eine Dienstzuweisung, durch welche mehr als zwei aufeinanderfolgende Nächte ab- sorbirt werden, unter keinen Umständen platzgreifen.

Von der Festsetzung eines Termines für die Verwirklichung dieser Normen wurde mit Rücksicht auf die hiedurch noth wendige Personal Vermehrung vor- läufig abgesehen und den Bahnverwaltun- gen nur die Zeit bis i. Januar 1895 zur gutachtlichen Aeusserung hierüber vor- geschrieben. Daher kamen nicht selten Ueberschreitungen dieser Dienstdauer- Normirung vor.

Die Unfallsperiode des Sommers und Herbstes 1897 hat dem Eisenbahn-Ministe- rium endlich Veranlassung gegeben, mit Erlass vom 14. Februar 1898, Zahl 2725, an sämmtliche k. k. Staatsbahn-Directionen »Vorschriften, betreffend die Be- messung der Dienst- und Ruhe- zeit im executiven Betriebs- dienste der k. k. Oesterreichischen Staatsbahnen« hinauszugeben, für deren volle Activirung der Zeitraum bis Ende des Jahres 1900 festgesetzt wurde. Für die Privatbahnen sind diese Vor- schriften nicht bindend, sondern sie werden ihnen nur zur Nachahmung empfohlen. Durch diese Neunormirung erscheint die 24stündige Dienst dauer gänzlich abge- schafft und hat an deren Stelle eine i6stünditre Maximaldienstzeit zu treten.

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Franz Mähling.

Auch muss zwischen zwei aufeinanderfol- genden Diensttouren immer ein völlig dienstfreier Zeitabschnitt zu liegen kommen. Die Wirkung dieser neuen Vorschriften auf das Eisenbahn-Personale wurde be- reits von der berufenen Feder des k. k. General-Inspectors der österreichischen Eisenbahnen, Gustav Gerstel, in dem Capitel t Mechanik des Zugs verkehrest dieses Werkes besprochen.

Den Zeitverhältnissen Rechnung tra- gend, entschlossen sich verschiedene Privatbahn- Verwaltungen in jüngster Zeit, ihre veralteten Dienstordnungen durch neue zu ersetzen. Als erste trat abermals die Kaiser Ferdinands-Nordbahn mit ihrer Dienstpragmatik vom i. März 1898 auf den Plan. Dass deren Bestimmungen, wenn sie auch, wie bereits erwähnt, hin- sichtlich des Disciplinar-Verfahrens einige Verbesserungen brachten, den gehegten En\'artungen nicht entsprachen, beweist am besten die bekannte Antwort, welche der Eisenbahn-Minister Dr. R. v. Wi ttek in der Sitzung des österreichischen Ab- geordnetenhauses vom 5. Mai 1898 auf eine bezügliche, aus Abgeordnetenkreisen an ihn gestellte Anfrage gab.

Dieser Misserfolg bewog die übrigen Privatbahnen, ihre zum Theile bereits ausgearbeiteten neuen Dienstordnungen wieder zurückzuziehen und es beim Alten bewenden zu lassen.

Vor Kurzem wurden auch die der Dienstordnung der k. k. Staatsbahnen vom Jahre 1884 noch anhaftenden Män- gel, durch die mit dem Erlasse des k. k. Eisenbahn - Ministeriums vom 7. April 1898, Zahl 16.366, verlautbarte neue Dienstordnung [Dienstprag- matik] für die Bediensteten der k. k. Oes terreichischen Staats- bahnen grösstentheils beseitigt. »Die Staatseisenbahn- Verwaltung legte hiebeit, wie die amtliche »Wiener Zeitung« in der Nummer vom 9. April 1898 berichtete, »hauptsächlich darauf Werth, einerseits den öffentlich-rechtlichen Cha- rakter des Staatseisenbahn- Dienstes mehr als bisher hervortreten zu lassen, andererseits unbeschadet der im Eisenbahndienste aus Sicherheits- rücksichten unerlässlichen strengen Ord- nung und Disciplin den ihr bekannten

' begründeten Wünschen des Personals nach Festigung seiner Stellung und Verstärkung der dieselbe um- gebenden rechtlichen Garantien entgegenzukommen.« Dies ist denn auch in ausgiebiger Weise geschehen.

Unter den gewährleisteten, also auch im Falle einer Abänderung der Dienstpragmatik verbleibenden Rechten sind hier zu nennen: Das Recht der Be- diensteten auf den Verbleib in jener Kategorie, der sie angehören; die Un- verkürzbarkeit der hiemach gebührenden Bezüge; die besondere Vergütung der Reise- und Uebersiedlungsauslagen sowie solcher bei auswärtiger Verwendung; der zeitweilige Fortbezug der vollen ständigen Bezüge im Falle der Krank- heit oder Contumaz sowie die Begünsti- gungen während der Erfüllung der Mili- tärpflicht; die Anweisung des nächst- fälligen Quartiergeldes bei Versetzung in den Ruhestand oder im Todesfalle ; das Sterbequartal für die Hinterbliebenen ; die regelmässige Vorrückung; das Recht der Einsichtnahme in die Qualifications- tabelle; die Unzulässigkeit der straf- weisen Entfernung vom Amte, ausser im Wege des ordentlichen Disciplinar-Ver- fahrens ; die dauernde Anstellung nach Massgabe der Normen über die Ver- setzung in den Ruhestand ; endlich rück- sichtlich der Beamten der bestimmte Dienstrang, rücksichtlich der Unter- beamten und Diener die Betheilung mit Uniform, soweit eine Verpflichtung zum Tragen derselben besteht.

Neben den gewährleisteten Rechten ist allen Bediensteten nach Zulass der dienstlichen Verhältnisse und nach einem aufzustellenden Turnus jährlich ein Er- holungsurlaub zugesichert, dessen Dauer je nach der Dienstzeit von unter IG, IG bis 20 und über 20 Jahren für Beamte vierzehn Tage, drei und vier Wochen, für Unterbeamte und Diener acht, zehn und vierzehn Tage beträgt. Für die Unterbeamten und Diener bildet dieses pragmatische Recht auf Urlaub ge- genüber dem früheren Zustande überhaupt ein Xovum.

Die Fristen für die Vorrückung in die höheren Gehaltsstufen sind für jede ein- zelne Beamten- und Dienerkategorie genau

Organe des Betriebes.

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bestimmt; eine directe oder indirecte Einschränkung des Rechtes zur Ehe- schliessung ist, der bei den k. k. Staatsbahnen seit 1896 bestehenden Ein- richtung gemäss, auch in der neuen Dienstordnung nicht enthalten, während die Privatbahnen von ihren Beamten bei Eingehung einer Ehe vor erreichter Pensionsfähigkeit den Abschluss einer Witwenrenten- Versicherung fordern.

Des Weiteren ist in der neuen Dienst- ordnung die bisher der vorgesetzten Be- hörde vorbehaltene Genehmigung zur Uebernahme von Mandaten in öffent- lichen Vertretungskörpern in Wegfall gekommen. Die Versetzung in den Ruhestand, die bisher mitunter zu allerlei Willkürlichkeiten Anlass bot, ist, ent- sprechend dem öffentlich-rechtlichen Cha- rakter des Eisenbahn-Personales, ent- weder von ganz bestimmten Thatsachen oder einer zwingenden dienstlichen Noth- wendigkeit abhängig gemacht; die Dienstesentlassung ohne Disciplinar-Ver- fahren wurde auf .die bereits früher ange- führten bestimmten Fälle beschränkt.

Die einschneidendsten und dankes- werthesten Bestimmungen der neuen Dienstordnung betreffen jedoch das D i s c i- plinar-Verfahren. Bei diesen diente das gerichtliche Verfahren, mit den die Eigenart der Eisenbahn -Verhältnisse be- rücksichtigenden Modificationen zum Vorbilde.

Während die Mitglieder der früheren Disciplinar-Commissionen ausschliesslich dem Stande der Beamten entnommen und vom Ministerium ernannt waren, die Disciplinar-Commissionen nur berathende Stimmen hatten und das unbeschränkte Entscheidungsrecht dem Staatsbahn- Director zustand, bestehen die nach der neuen Dienstordnung eingeführten D i s c i- plinar-Ausschüsse zur Hälfte aus Berufsgenossen des Beschuldigten, welche durch das Loos bestimmt werden. Diese Ausschüsse fällen nach durchge- führter mündlicher Verhandlung, bei welcher der Verantwortung des Beschul- digten der weiteste Spielraum eingeräumt und im Bedarfsfalle die Beigabe eines Berufscollegen als Vertreter von amts wegen vorgesehen ist, selbständig das Erkenntnis. Dieses kann vom Staatsbahn - Director

nur bestätigt oder im Strafausmasse- ge- mildert, nicht aber verschärft werden. Wenn daher der Director das Erkenntnis des Ausschusses in der Schuldfrage für verfehlt oder im Strafausmasse für zu mild erachtet, so kann er nur die Bestätigung versagen, in welchem Falle die Strafsache vor dem beim Eisenbahn- Ministerium bestellten Disciplinarhof neuerlich zur Verhandlung kommt.

Dieser aus einem Sectionschef als Vorsitzenden und aus Oberbeamten als Mitglieder bestehende Disciplinarhof entscheidet zugleich in zweiter Instanz Über Berufungen, welche der Beschuldigte gegen ein bestätigtes Disciplinar-Erkennt- nis ergreift.

Um diese Disciplinar - Institution zu einer vollständig unanfechtbaren zu machen, fehlte nur, dass die Hälfte der Disciplinarausschuss - Mitglieder, gleich jenen der Personal-Commission der Süd- bahn, aus den Reihen der betreffenden Bediensteten im Wege geheimer, schrift- licher Abstimmung gewählt, und dass den Disciplinar-Ausschüssen, wie dem Disci- plinarhofe richterliche Beamte als Vor- sitzende beigegeben würden.

Wenn den Staatseisenbahn-Bedienste- ten auch bisher noch nicht der Charakter wirklicher Staatsbediensteter zukommt und auf sie sohin die Bestimmungen des Gesetzes vom 15. April 1873, R.-G.-Bl. Nr. 47, keine Anwendung finden, so sind sie doch, namentlich seit ihr Berufs- zweig durch den Eisenbahn-Minister auch im Ministerrathe Vertretung gefunden hat, diesen in ihrer Stellung ziemlich nahe gerückt. Der Einfluss, den diese veränderte Stellung auf das öffentliche Ansehen und Emporkommen des Eisen- bahnstandes, wie auf die Ausgestaltung der Verhältnisse der Privatbahn - Be- diensteten genommen hat, ist ein unver- kennbarer und wird sich mit dem Fort- schreiten der Verstaatlichung naturgemäss immer mehr steigern.

Zum Schlüsse sei auch noch der be- reits mit Handelsministerial-Erlass vom 26. Mai 1890, Z. 3081, ins Auge ge- fassten und mit i. Mai 1898 auf allen österreichischen Bahnen eingeführten Sonntagsruhe im Frachtenver- kehre gedacht, welche bei den meisten

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Franz Mähling.

Bahnen auch zur Sonntagsruhe im Bureau- dienste geführt hat.*)

Dienstkleidung.

Da sich gleich zu Beginn des Eisen- bahnbetriebes die Nothwendigkeit er- gab, jene Organe, welche die Revision der Fahrt- und Reiselegitimationen, die Auskunftsertheilung, das Oeffnen und Schliessen der Wagenschiäge, das An- weisen der Plätze, Ausrufen der Stationen, und die Ordnung beim rollenden Zuge, wie im Bahnbereiche überhaupt zu be- sorgen und namentlich auf der Strecke die Signale zu geben hatten, Jedermann besonders kenntlich zu machen, schritten schon die ersten Eisenbahnen daran, diese Bediensteten mit einem D i e n s t a b- z eichen zu versehen. Eine staatliche Vorschrift über die Eisenbahn-Dienst- kleidung bestand, trotz der Bestimmung des § 15 der Eisenbahnbetriebs-Ordnung vom Jahre 185 1, dass jenes Personale, welches zur Bewachung der Bahn be- rufen ist oder mit dem Publicum zu ver- kehren hat, den Dienst jederzeit in der Dienstkleidung oder mit einem besonderen Dienstabzeichen versehen zu verrichten hat, bis zu der mit Handelsministerial- Erlass vom 3. April 1857, Z. 978, hin- ausgegebenen Uniformirungs - Vorschrift nicht. Jede Bahnverwaltung schrieb daher in den ersten Jahren mit Genehmigung der staatlichen Aufsichtsbehörde die Dienst- kleidung für ihr Personale selbständig vor.

Complete Uniform besassen ursprüng- lich nur die mit dem Publicum stets in unmittelbarer Berührung stehenden Zug- begleiter. Diese Uniform war bei allen Bahnen ziemlich gleichmässsig und jener mit der Uniform- Vorschrift vom Jahre 1857 für alle österreichischen Bahnen eingeführten, für das Dienerpersonale bis zum Jahre 1891 bestandenen, sehr ähnlich. Ihre Farbe war, gleich der heutigen, kornblumenblau. Im Uebrigen bestand

*) Die Verkehrsverhältnisse zwangen indes das Eisenbahn - Ministerium, die Sonntagsruhe im Frachtenverkehre nach kaum sechswöchenthchem Bestände am 26. Juni 1898 für die Mehrzahl der Bahnen wieder aufzuheben.

sie aus einer Tellermütze mit Flugrad und Schirm, aus einem Schossrock mit Knöpfen aus weissem Metalle und Bein- kleidern aus blauem Stoffe; sämmtlicbe Uniformstücke waren mit Einfassungen aus färbigem, zumeist orangerothem Tuche versehen.

Das Bahnüberwachungs-Personale trug entweder Mützen, ähnlich jenen der Con- ducteure, oder Armbinden mit Flügel- rädern, bei manchen Bahnen auch Blousen.

Die Stationsorgane hatten lange Zeit überhaupt nur die Mütze als Dienst- abzeichen, die für die Beamten mit breiten silbernen Borten versehen waren; das Maschinen-Personale trug meistentheils kein Dienstabzeichen.

Die höheren Functionäre erschienen bei öffentlichen Anlässen ausschliesslich in Civilkleidung mit verschiedenen Ab- zeichen, als Cocarden, Schleifen oder, wie bei Eröffnung der Ungarischen Cen- tralbahn, mit kleinen Silberquasten ver- sehen.

Die Dienstkleidung wurde von Anbe- ginn dem gesammten Dienerpersonale und der nachmals geschaffenen Unterbeamten- Kategorie auf Kosten der betreffenden Eisenbahn -Verwaltung verabfolgt. Bei einigen Bahnen war es Gebrauch, auch den Stationsbeamten, den »Expeditoren«, die Dienstmütze unentgeltlich beizustellen, und so hat sich z. B. bei der k, k. priv. Aussig - Teplitzer Eisenbahn bis zum heutigen Tage der Gebrauch erhalten, die Beamten alljährlich mit einer rothen Dienst- mütze auf Gesellschaftskosten zu betheilen. Bei den meisten Bahnanstalten abermusste und muss heute noch die ganze Dienst- uniform von den Beamten aus Eigenem bestritten werden. Einzelne Bahnen ge- währen zur Anschaffung der ersten Uni- form einen Theil der Kosten als Uniform- beitrag. Durch die Gründung eigener Uniformeassen bei den k. k. Staatsbahnen versuchte man den Betriebsbeamten die kostspieligen Anschaffungen zu erleichtem. Diese Gassen scheinen sich indessen, entgegen den in anderen Ländern ge- machten Erfahrungen, hierzulande nicht be- währt zu haben und mussten in den letzten Jahren zumeist wieder aufgelöst werden.

Die Uniform bildete überhaupt, nicht sowohl dem Kostenpunkte, als vielmehr

Organe des Betriebes.

der Dtstinction wegen, lange Jahre das Schmerzenskind der OsterreichischenEJsen- bahnbeamten.

Die erste staatliche Uniform Vorschrift war, wie erwähnt, mit Z. 978, H,-M., vom 3, April 1847, erlassen worden, um »dem Eisen bahn -Personale in Ueberein- stimmung der ihm nach § 93 der Eisenbahn- betriebs-Ordnung eingeräumten Stellung und zur Erleichterung in der Er- füllung der demselben obliegenden Pflichten, endlich zur Wahrung des Anstandes und der Erzielung der er- forderlichen Gleichmässigkeit« ein ent- sprechendes Dienstkleid zu geben, das bei feierlicher Gelegenheit als Ehren- kleid' zu tragen gestattet war. Die Be- amten erhielten durch diese Vorschrift, welche für sämmtliche österreichischen Bahnen galt, übrigens nur eine Parade- uniform, welche aus Hut, Schossrock und Beinkleidern, die beiden letzteren Klei- dungsstücke aus dunkelblauem Tuche' einem Degen mit silbernem Gritf und Beschläge, und aus einem ebenfalls dunkel- blauen Paletot mit silbernen Knöpfen bestand. Die Distinction bildeten Silber- stickereien am Rockkragen und Silber- borden an den Beinkleidern. Für den gewöhnlichen Dienst war nur eine Teller- mütze aus blauem Tuche, mit einer breiten Silberborde umspannt, bestimmt, zu welcher Civilkleidung getragen wurde.

Für das Dienerpersonale wurde die bereits früher beschriebene Uniform ein- geführt, und erhielt das gesammte Diener- personale complete Uniform nach fünf Distinctionsclassen geschieden. Diese Distinction bestand je nach dem Range aus drei, zwei oder einer Silberlitze am Kragen und auf den Aufschlägen des Dienstrockes, sowie aus der gleichen Anzahl Silberborden an der Kappe. Die IV. Distinctionsciasse hatte keine Litzen oder Borden, die hieher gehörigen Weichen- wächterund Gepäcksträger trugen vielmehr auf den Mützen unterhalb des Flügelrades die Nummer ihres Wächterhauses oder die fortlaufende Nummer ihrer Körperschaft. Der V, Uniformclasse war statt des Dienstrockes eine Blouse aus braunem oder blau gestreiftem Stoffe und ein schwarz ledern er Leibgürtel mit weiss- metallener Schnalle gegeben worden.

Die Beiheilung des Personales mit Winterkleidern, wie Pelz, Filzstiefel und

Pelzmütze, war jeder Bahnverwaltung freigestellt, wurde jedoch von diesen von allem Anfang an dem betreffenden Per- sonate zugestanden.

Diese Uniform blieb, wie erwähnt, für das Dienerpersonal bis zum Jahre 1891 bestehen.

Für die dienstthuenden Platzbeamten wurde mit H an deismin isterial-Erlass vom 5. December 1870 ein besonderes Dienst* abzeichen, die rothe Mütze, die übrigens theilweise auch schon früher, und zwar auf verschiedenen Bahnen als Abzeichen für den Stations- Vorstand getragen worden war, obligatorisch eingeführt. Mit Hän- de Ismini st erial- Erlas s vom 5. Juni 1874, C. -Bl. 67, erhielten die_ Betriebs- beamten für den gewöhnlichen Dienst eine Commodeuniform zuerkannt, bestehend aus einer Blouse aus dunkel- blauem Stoffe mit silbernen Flugrädern am Kragen, dunkelgrauen Beinkleidern ohne orangegelbe Einfassung, einer dunkel- blauen Kappe mit Schirm und schwarz-

I sammtenen Borden, an den Nähten und Üordenrändem orangegelb eingefasst, und aus einem Winterrocke aus dunkelblauem

I Loden ohne Einfassung. Die Galauniform

i blieb dieselbe wie bisher.

Die Commodeuniform für Beamte wurde im Jahre 1886 dahin abgeändert,

I dass an Stelle der Blouse, welche seither als das für den freie körperliche Beweg-

; lichkeit fordernden und in Wind, Wetter

j und Rauch zu versehenden Betriebsdienst praktischeste Dienstkleid von den Betriebs- beamten unablässig, wiewohl vergeblich, wieder herbeigesehnt wurde, der Flotten- rock trat. Es wurde zwar auch eine Jacke [Sacco] für Beamte eingeführt, diese durfte jedoch nur beim inneren [Bureau-] Dienste getragen werden. Die Kappe er-

I hielt die Form jener der Marin eoffi eiere, und, wie bei diesen, bestand die Di- stinction aus Silberborden am Aermel

! und auf den Moirebändern der Mütze.

! Für die mittlerweile neugeschaffene

1 Unterbeamten-Kafegorii

. Beamten uniform ähnlic zur Einführung, nur best

' anstatt aus silbernen : Borden.

312

Franz Mähling.

Eine wesentliche Umgestaltung erfahr die Dienstkleidung des gesammten Eisen- bahn-Personales durch den Handels- ministerial-Erlass vom 30. September 1891, Nr. 40.238, »betreifend eine neue Uniformvorschrift für die Beamten, die Unterbeamten und Diener der Staats- und Privatbahnen«. Sie verdankt ihre Entstehung vorwiegend auch dem mit der fortschreitenden Verstaatlichung immer intensiver und unabweislicher auftretenden Bestreben der Eisenbahnbeamten, aus der namentlich bei commissionellem Zusam- menwirken mit anderen öffentlichen Be- amten, wie im Verkehre mit dem Publicimi schmerzlich gefühlten, die dienstliche Autorität der Eisenbahn-Functionäre be- einflussenden Zurücksetzung herauszu- kommen, v'elche darin lag, dass der Eisenbahnbeamte mit seinen silbernen Distinctionen gegenüber den goldenen der übrigen öffentlichen Organe natur- gemäss in eine mehr subalterne Rolle gedrängt wurde. Diese neue Uniform ist zu bekannt, als dass hier des Näheren darauf eingegangen zu werden brauchte. An Stelle der bisherigen Teller- und Marinemütze trat die noch gegenwärtig im Gebrauch stehende, in der Form den Officiersmützen ähnliche Kopfbedeckung ; die weissmetallenen Distinctionslitzen des Dienerpersonales wurden durch gelbseidene Rosetten an den Kragen der Uniform- stticke ersetzt, an Stelle der weissen traten gelbe Knöpfe; die bisherige Distinction der Uniform der Unter- beamten und Beamten wurde in Achsel- klappen mit gelbseidener, beziehungs- weise goldener Umbördelung mit einer dem Range entsprechenden Anzahl Seiden- oder Goldrosetten umgewandelt. Der Paletot erhielt orangegelbe Egalisirung und Goldknöpfe.

Diese Uniform erfuhr durch die Ver- ordnung des k. k. Eisenbahn-Ministeriums vom 16. Juli 1897 eine neuerliche Ab- änderung, die gegenwärtig eben in Durch- führung begriffen ist. Diese beschränkt sich zunächst auf einige unwesentliche Modificationen an den Dienstmützen sämmtlicher Bediensteter und an den Achselklappen der Beamten. Ihr Schwer- punkt liegt darin, dass für das Unter- beamten- und Dienerpersonale an Stelle

der gelbseidenen, wieder weissmetallene Distinctionen und Knöpfe eingeführt wurden. Die von den Betriebsbeamten sehnlich erwartete Bewilligung der Blouse ist leider ausgeblieben.

Im Anschlüsse an diese neueste Uniformvorschrift wurde der zwischen den Distinctionen der Staatsbeamten und der Eisenbahnbeamten bisher zum Nach- theile der letzteren bestandene Unterschied, dass den Staatsbeamten der Oberbeamten- rang [goldener Kragen] schon von der Gehaltsstufe von 1300 fl. aufwärts, den Eisenbahnbeamten dagegen erst von einem Gehalte von 2200 fl. aufwärts zukam, wenigstens theilweise dadurch beseitigt, dass das Eisenbahn-Ministerium den Eisenbahnbeamten bereits bei einem Gehalte von 1600 fl. die Distinction des Goldkragens, beziehungsweise der golde- nen Achselklappe zuerkannte. Ganz dürfte dieser Unterschied erst bei Durchführung der für beide Beamtenkategorien in Aus- sicht stehenden Regulirung der Dienst- bezüge verschwinden.

Endlich wurde mit Erlass des k. k. : Eisenbahn-Ministeriums vom 16. Juni 1 1897, Z. 9556, angeordnet, dass die I Zugführer der Personenzüge aller öster- I reichischen Bahnen mit einer Diensttasche j aus rothem Leder, vorne mit einem grossen , versilberten Flügelrade versehen, ausge- ' rüstet sein müssen.

Ausbildung des Ektriebs- Personales,

Die im Jahre 1876 erlassenen »Grund- züge der Vorschriften für den Verkehrs- dienst auf Eisenbahnen« enthalten zum ersten Male, wenn auch nur in allge- meinen Zügen, Bestimmimgen über die Schulung des Betriebs-Personales.

Die bezüglichen Absätze des Artikel i lauten : »Zum executiven Dienste darf Niemand verwendet werden, der sich nicht vorher über die seine Dienstesverrichtung betreffenden Bestimmungen und Vor- schriften genaue Kenntnis verschafft und dieselben durch Prüfung und Probe- praxis nachgewiesen hat.« »Das gesammte Diener- und Arbeiter- Personale muss zeitweise eingehend über die einschlä- gigen Vorschriften belehrt und nachgeprüft

Organe des Betriebes.

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werden, worüber Aufschreibungen zu führen sind.« »Alle jene Bedien- stete, welche bei einer Nachprüfung einen Rückschritt in der ursprünglich docu- mentirten unerlässlichen Befähigung beurkunden, sind sofort vom executiven Dienste abzuziehen und können zu dem- selben erst nach einer neuerlichen, ge- nügend bestandenen Prüfung wieder zu- gelassen werden.«

Hiemach wurde bei allen Bahnen für das Dienerpersonale die Einrichtung ge- troffen, dass der neueintretende Bedien- stete sich vorerst einer Prüfung über seine allgemeine Vorbildung, hinsichtlich welcher zumeist nur die Kenntnis des Lesens, Schreibens und Rechnens, für die technischen Organe aber die Erler- nung des einschlägigen Handwerkes ge- fordert wird, unterziehen muss.

Sodann hat der Aspirant für den niederen Eisenbahndienst eine gewöhn- lich ein- bis zweijährige Dienstzeit im Taglohne zurückzulegen, während welcher er sich mit den auf seinen Dienstzweig bezüglichen Vorschriften vertraut gemacht, die Prüfung hieraus abgelegt und durch eine Probepraxis seine Befähigung er- wiesen haben muss, worauf er in defini- tiver Eigenschaft in Anstellung genommen wird. Zweimal im Jahre findet eine Nachprüfung aus den Dienstvorschriften statt, über deren Ergebnis eigene Proto- kolle geführt werden. Diese Nachprüfung wird in grösseren Stationen von eigens hiezu bestimmten Beamten, in kleineren aber von dem Dienstvorstande vorge- nommen.

Diese Art der Einschulung wäre, bei dem Umstände, als die im niederen Exe- cutivdienste dauernd verwendeten Organe zumeist schon vorher einige Jahre als Werkstätten-, Magazins- oder Bahn- erhaltungs- Arbeiter, Wagenkuppler u. s. w. im Eisenbahndienste verbracht und sich mit dessen Eigenthümlichkeiten vertraut ge- macht haben, als völlig zweckentsprechend zu bezeichnen, wenn die hierüber be- stehenden Anordnungen auch strenge befolgt werden könnten. Der allerorten herrschende Personalmangel verhindert dies aber. Da an Neuaufnahmen zu- meist erst dann geschritten wird, wenn der anwachsende Verkehr eine Personal-

vermehrung bereits unumgänglich ge- macht hat, ist man gezwungen, die Ein- schulung der Neulinge mit grösster Hast zu betreiben, mangelhaften Kenntnissen gegenüber ein Auge zuzudrücken, um nur ja keine Betriebsstörungen eintreten zu lassen. Was der einzelne Mann aber am Beginne seiner Laufbahn nicht ge- lernt hat, holt er später nur selten mehr oder nur dürftig nach, da es ihm bei der bisher sehr knapp bemessenen Ruhe- zeit zwischen anstrengenden Diensttouren an geistiger Frische und wohl auch an Müsse gebricht, zur Erholung Instructio- nen nachzulesen, die zudem meist in einem seinem Fassungsvermögen wenig angepassten Stile gehalten sind. Auch werden die Verkehrseinrichtungen von Jahr zu Jahr complicirter und wachsen die Instructionen allmählich zu Biblio- theken an.

Auch die alljährlichen periodischen Nachprüfungen sind häufig zur blossen Formalität herabgesunken. Der damit betraute Stationsvorstand oder Beamte ist mit anderen Berufsgeschäften überhäuft; er muss die zu prüfenden Organe, will er sie nicht um ihre ohnehin kärgliche Ruhezeit bringen, entweder möglichst rasch abfertigen oder während der Dienst- pausen aus dem Dienste zusammenrufen lassen. An eine gründliche Schulung, an eine eingehende Besprechung eingetre- tener Neuerungen, an eine sich zu ver- schaffende Ueberzeugung, dass der Mann seine Instructionen wirklich beherrscht, ist unter diesen Verhältnissen schwer zu denken. Lückenhaftes Wissen, Unbeholfen- heit in entscheidenden Augenblicken sind die Folge davon und diese tritt nament- lich bei Betriebs-Complicationen oft grell zutage.

Dies hat die Staatsbahn- Verwaltung und einige Privatbahnen, wie beispiels- weise die Kaiser Frdinands-Nordbahn auch bewogen, eigene Prüfungs-Commissäre auf zustellen, deren ausschliessliche dienst- liche Aufgabe es ist, von Station zu Station zu reisen und die Personalprüfungen vor- zunehmen. Eine solche Einrichtung bringt vor allem den Vortheil mit sich, dass der Prüfungsbeamte die Qualification der einzelnen Bediensteten genau kennen lernt und sich in pädagogischer Hin-

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Franz Mähling.

sieht eingehende und im Interesse des Dienstes wohlzuverwerthende Kenntnisse erwirbt.

Mehrfache, sowohl im Reichsrathe, als auch im Staatseisenbahnrathe ge- stellte Anträge und Interpellationen haben das Eisenbahn-Ministerium veranlasst, in jüngster Zeit mit dem Erlasse vom 17. Mai 1898 den k. k. Staatsbahn- Directionen neuerlich die Wichtigkeit eines zweck- entsprechenden Personalunterrichtes vor Augen zu führen und einige Neuan- ordnungen zu treffen, in welchen der Anschauungsunterricht für das Personale des niederen Eisenbahndienstes einen hoffentlich von nachhaltigem Erfolge be- gleiteten Raum einnimmt. Ganz kann dieser Erfolg allerdings erst dann zur Geltung kommen, wenn dem alles be- drückenden Personalmangel und der dem- zufolge noch immer theilweise bestehen- den dienstlichen Ueberbürdung abgeholfen sein wird.

Beim Beamten-Personale machen sich ebenfalls seit längerer Zeit Anzeichen be- merkbar, welche auf eine den sich immer weiter spannenden Anforderungen des modernen Eisenbahnbetriebes nicht mehr entsprechende Fachschulung schliessen lassen.

Für die technischen und juridischen Agenden ist diese Frage zwar insofeme, wenn auch nur nothdürftig, gelöst, als zu diesen Geschäftszweigen nur mehr ab- solvirte Hochschüler in Verwendung ge- nommen und an den verschiedenen techni- schen Hochschulen eigene Lehrkanzeln für die Eisenbahn - Ingenieur - Wissen - Schäften errichtet werden.

Anders liegt dies jedoch für die Be- amten des mittleren commerziellen und Executivdienstes. Für diese ist als Vor- bildung die Absolvirung einer Mittel- schule oder gleichwerthigen öffentlichen Lehranstalt vorgeschrieben. Bevor sie zur selbständigen Ausübung des Dienstes herangezogen werden dürfen, haben sie eine Prüfung aus dem Telegraphendienste, eine ebensolche aus dem Verkehrsdienste und endlich ein Examen aus den Trans- ports- und den . einschlägigen Militär- Vorschriften abzulegen, sowie sich hier- auf einer mehr wöchentlichen Probepraxis, womöglich auf einer eingeleisigen Strecke,

zu unterziehen. Zur- Vorbereitung für die einzelnen Prüfimgen ist ein Zeitraum von drei Monaten bis zu einem halben Jahre festgesetzt.

Die Mittelschule gibt zwar dem Eisen- bahn-Aspiranten eine Fülle schätzens- werthen Wissens mit auf den Lebensweg, für seinen künftigen Eisenbahnberuf bietet sie ihm aber, ausser etwa geographischer Kenntnisse, nichts. Der junge Eisenbahn- beamte steht also bei seinem Dienst- antritte völlig neuen und sich zudem in geradezu verwirrender Mannigfaltigkeit vor seinen Augen aufthuenden Verhält- nissen gegenüber. Als Führer in diesem Labyrinthe erhält er eine ganze Reihe dickleibiger Instructionen und den wohl- meinenden Rath, sich sobald als möglich den vorgeschriebenen Prüfungen zu unter- ziehen, weil davon der Zeitpunkt seiner definitiven Anstellung abhängig ist. Die Station, der er zugewiesen wird, erwartet ihn zumeist schon mit Sehnsucht, als eine neue Kraft, die dem Einzelnen einen Theil seiner Arbeitsbürde abnimmt. Kaum eingelebt, wird er zu leichteren Verrich- tungen herangezogen, die einen grossen Theil seiner Zeit in Anspruch nehmen. Der Dienstvorstand, dem er zur Ausbil- dung beigegeben ist, hat, selbst wenn er das nöthige pädagogische Talent be- sitzt, zumeist über den Dienstgeschäften nur wenige Stunden übrig, die er der Ausbildung des Aspiranten widmen kann, trotz der Aspiranten-Prämien, die einzelne Bahnverwaltungen den Vor- ständen sogenannter Schulstationen für die erfolgreiche Instruirung junger Be- amter gewähren. Vielfach also ohne systematische Anleitung, arbeitet sich der Aspirant durch den Wust seiner In- structionen, mit aller Hast, um der win- kenden Anstellung möglichst bald theil- haftig zu werden, und nach den abgelegten Prüfungen besteht sein Eisenbahnwissen und -Können in der Kenntnis halbver- standener Dienstvorschriften und einiger Handgriffe, welche ihm seine CoUegen für die Zugsabfertigung beigebracht haben. Von einem, wenn auch nur all- gemeinen Ueberblick über das viel- gestaltige Eisenbahngetriebe, von einem Verständnis für das Ineinandergreifen der einzelnen Dienstzweige ist kaum die

Organe des Betriebes.

315

Rede. Was über seinen Stationsort hinausliegt, befindet sich für ihn in ahnungsvoller Dämmerung, die sich erst oft nach Jahren und nicht selten auf dem Wege sehr empfindlicher Erfah- rungen zu wirklichem Erkennen ver- dichtet; jeder neue Zwischenfall versetzt ihn nicht selten in Rathlosigkeit oder verweist ihn einzig auf seinen natürlichen Verstand.

Dass diese Art der Schulung, welche der Mehrzahl nach schablonenhafte Rou- tiniers mit löcherigem Wissen heran- bildet, unserem heutigen umfassenden Eisenbahnbetriebe nicht mehr congenial sein kann, ist nicht zu bezweifeln.

Dies hat man auch in massgebenden Kreisen bereits seit Langem gefühlt.

Man schritt deshalb bereits im Jahre 1871 an die Errichtung eines einjährigen Eisenbahneurses an der Wiener HandeFsakademie, dem sich 1873 noch etn zweiter höherer Jahrgang zugesellte. Trotzdem das Handelsministerium mit dem Erlasse vom 18. December 1871 die Bahnverwaltungen einlud, ihrerseits auf einen zahlreichen Besuch der betrefi*en- den Vorlesungen einzuwirken und bei Aufnahme von Aspiranten auf absolvirte Hörer dieses Curses besondere Rücksicht zu nehmen, ging derselbe schon 1877 wegen mangelnden Besuches ein. Die Hauptursache dieses Misserfolges war, dass den Hörern keinerlei Gewähr für ein thatsächliches Unterkommen im Eisen- bahndienste geboten wurde und die Bahnverwaltungen nach der Finanz- krise von 1873 die Neuaufnahme von Beamten so viel als nur möglich ein- schränkten.

. Das gleiche Schicksal ereilte die ebenfalls Anfangs der Siebziger-Jahre in Prag errichtete Fachschule für Post-, Eisenbahn- und Telegraphen- wesen. Sie musste 1884 wieder auf- gehoben werden.

Um deiT bereits im Dienste stehenden strebsamen Eisenbahnbeamten die Mög- lichkeit zu verschaffen, sich eine höhere fachmännische Ausbildung anzueignen, wurde von den österreichischen Eisen- bahn-Verwaltungen über Anregung des damaligen Präsidenten der General-Direc- tion der k. k. Staatsbahnen, Freiherm

V. Czedik,*) im Jahre 1882 beim Club österreichischer Eisenbahnbeamten in Wien eine zweijährige Fortbil- dungsschule für Eisenbahn- beamte ins Leben gerufen.

Als Lehrer fungiren theils im prak- tischen Berufe stehende Eisenbahnfach- männer, theils Professoren der Wiener Handelsakademie.

Obwohl sich diese Schule einer zu- nehmenden Frequenz erfreut [bis inclu- sive des Schuljahres 1896/97 war der höhere Curs von 392, der niedere von 794 Hörern besucht] und auf zahlreiche schöne Resultate zu verweisen vermag, ist deren Bedeutung für die allgemeine berufliche Vorbildung der Eisenbahn- beamten doch nur eine secundäre.

Zunächst, weil sie nur den in Wien stationirten und bereits seit längerer Zeit im Dienste stehenden Eisenbahnbeamten zugänglich ist, zum zweiten, weil sich die praktische Errungenschaft für den Absol- venten nach erfolgreich abgelegter Schluss- prüfung bei der Mehrzahl der Bahnen lange Zeit auf die theoretische Anerken- nung seiner Strebsamkeit beschränkte. Die Fortbildungsschule wird daher heute zum überwiegenden Theile von den nicht die volle Beamtenqualification besitzenden Kanzlei- und Hilfsbeamten frequentirt, um sich durch sie die Anwartschaft auf An- stellung als vollgiltige Beamte zu erringen.

Der gegenwärtige Eisenbahn-Minister Dr. Ritter v. Wittek hat sich als seiner- zeitiger Sectionschef und Regierungs- vertreter im österreichischen Abgeordne- tenhause zu Ende März 1893 auf eine Anfrage des Abgeordneten Kaftan über die berufsmässige Ausbildung der aller- dings der höheren Eisenbahnbeamten folgendermassen geäussert: »Die Schwie- rigkeit der Lösung dieser Frage liegt darin, dass es sich darum handelt, eine gemeinsame höhere Ausbildung Functio- nären zu ertheilen, welche nach ihrer Fachbildung vollständig verschieden sind.

♦) Anlass hiezu gaben der im Tahre 1878 von Professor Lorenz Stein gehaltene Vor- trag »Ueber das Bildungswesen der Eisen- bahnenc und insbesondere der an der glei- chen Stätte vom Hofrath J. Konta am 18. Januar 1881 gehaltene Vortrag «Ueber die Fortbildung der Eisenbahnbeamten^.

3i6

Franz Mähling.

Im Eisenbahndienste haben wir ausser den Technikern auch Juristen, commer- ziell Gebildete, Buchhaltungsbeamte, Cassabeamte, das sind alles Elemente, denen die Grundlage einer gemeinsamen Vorbildung fehlt, weil jede dieser Bil- dungsarten eine ganz specitische ist. Daher ist die Aufgabe und damit bemüht man sich redlich in der Fach- literatur — die Formen zu linden, durch welche in gleichmässiger Weise die Lücken der speciellen ßildungsarten des Personals ausgefüllt werden können. Ob es gelingen wird, das Ziel in der Weise zu erreichen, wenn man absolvirte Ju- risten, absolvirte Techniker, absolvirte Handelsschüler und absolvirte Rechnungs- beamte in einer gemeinsamen Anstalt mit den Disciplinen des höheren Eisen- bahnwesens vertraut macht, das möchte ich sehr bezweifeln.« Und Dr. Ritter V. W ittek schloss mit folgenden Worten : »Die Staatsbahnen sind dasjenige Feld, auf welchem derzeit die Verbesserung der scientifischen und sachlichen Bildung von Seite der Staatsverwaltung frei und ohne durch entgegenstehende Rechte autonomer Körperschaften, desgleichen privater Gesellschaften beirrt zu sein, stattfinden kann. Das Handelsministerium bittet also in dieser Beziehung abzuwar- ten, wie sich die Lösung der Frage ge- stalten wird.«

Angeregt durch die Erfolge, die das k. ungarische Handelsministerium mit dem im Jahre 1887 in Budapest begrün- deten »Eisenbahnlehrcurse« errang, hat sich der Ober-Inspector im k. k. Eisenbahn-Ministerium, Albert P a u e r, mit einem im Club österreichischer Eisenbahnbeamten am 26. März 1895 gehaltenen Vortrage in sehr verdienst- und temperamentvoller Weise bemüht, die wichtige Frage »der berufsmässigen Ausbildung der Eisenbahnbeamten« auch in Oesterreich in Fluss zu bringen.

In diesem seinem Vortrage findet sich nachfolgende vortreffliche Stelle: »Wenn man die Entwicklungsgeschichte des Eisenbahnwesens verfolgt, so erfüllt es uns mit Erstaunen und Bewundenmg, dass in dem verschwindend kleinen Zeit- räume von 50 Jahren ein so grossartiger, mit hundertfach verschlungenem Räder-

gewirre fungirender, von so unzähligen sachlichen und persönlichen Existenz- bedingungen abhängiger Organismus sich zur heutigen Vollkommenheit ausgestalten konnte. Dieses Erstaunen und Bewundem wächst noch mehr, wenn man bedenkt, dass all die Errungenschaften der moder- nen Verkehrsmittel, eigentlich ohne fach wissenschaftliche Vorbil- dung, sondern zumeist auf dem empirischen und autodidakti- schen Wege erreicht worden sind. Und dennoch darf man sich durch diese anerkennenswerten Erfolge, auf welche die grosse Schaar von Prak- tikern und Routiniers mit berechtigtem Stolze hinweist, in seiner Ueberzeu- gung nicht wankend machen lassen und die Frage wagen: Zu welcher hohen Blüte und Vollkommenheit wäre das Eisenbahnwesen gelangt, wenn den ausübenden Kräften die- ser mächtigsten Institution des Jahrhunderts das Glück einer gründlichen fachwissenschaft- lichen Vorbildung zu Theil ge- worden wäre? Denn, dass die all- gemeine Durchschnittsbildung der im mittleren Verwaltungs- und Betriebsdienste verwendeten Beamten noch gerade mit knapper Noth ausreicht, um den täglich wachsenden Anforderungen des Verkehrs- lebens zu genügen, ist eine Thatsache, worüber sich selbst die wärmsten Ver- ehrer und Freunde der Beamtenschaft wohl keiner Täuschung hingeben dürf- ten. — Jeder schrille Pfiff der Loco- motive, jedes Glockensignal soll für uns ein dringender Mahnruf sein, die von allen Fachautoritäten begehrte und in Wort und Schrift vertretene Reform einer schulmässigen Ausbildung des Eisenbahn- Personales ins Werk zu setzen, ehe es zu spät ist.«

Pauer schliesst seinen Vortrag mit folgenden Worten: »Und ich sehe vor meinem Auge ein monumentales Gebäude erstehen, das im stolz aufstrebenden Giebelfelde die Aufschrift trägt: K. k. Eisenbahn- Akademie, gegrün- det 1898, dem Jubiläumsjahre unseres allgeliebten Kaisers, des obersten Schutzherrn der öster- reichischen Eisenbahnen.«

Organe des Betriebes.

317

Das Jubiläumsjahr ist zur Hälfte ver- strichen; ob es uns wohl die Verwirk- lichung dieses dringenden Wunsches bringen wird?

Vereinswesen.

Die Darstellung der Geschichte der Betriebsorgane würde nicht vollständig sein, wenn wir ihr nicht einige Daten über das Vereinswesen der Eisenbahn- Bediensteten anschlössen. *)

Wenn die Vereinsthätigkeit, nach einem bekannten Ausspruche, ein Kri- terium für die geistige Regsamkeit eines Standes und das Vereinswesen ein Stück Culturgeschichte ist, so fällt auf die öster- reichischen Eisenbahn - Bediensteten in dieser Hinsicht nicht nur das schönste Licht, sondern sie haben auch an der zeitgenössischen Culturarbeit im eigenen Kreise wacker mitgeholfen.

In Oesterreich bestanden im Jahre 1896 mehr als 100 selbständige Eisen- bahn-Vereine und Genossenschaften mit einer Mitgliederzahl von über 72.000 Eisenbahn-Bediensteten. Wenn davon ab- gesehen wird, dass unter diesen 72.000 Vereinsmitgliedern auch solche mitzählen, welche mehreren Vereinen angehören, so würde die Betheiligung an Eisenbahn- Vereinen durchschnittlich 50^/0 des Ge- sammtstandes der Eisenbahn-Bediensteten ergeben.

Der älteste der grossen Eisenbahn- Bediensteten - Vereinigungen ist der 1870 gegründete »Unterstützung s- und Rechtsschutz -Verein österrei- chischer und ungarischer Loco- motivführer<f mit einem Mitglieder- stande [Ende 1897] von 4353 und einem Ver- mögen von 108.853 fl. 60 kr.

Ihm folgte 1873 der »Conducteur- Unterstützungs- und Rechts- schutz-Verein der österreichi- schen und ungarischen Eisen- bahnen« mit [Ende 1897] 7020 Mit- gliedern und einem Vermögen von 471.846 fl. 64 kr.

♦) Wir entnehmen die folgenden Ziffern einem Vortrage, welchen der Inspector der Oesterreichischen Nordwestbahn, Sigismund Weil], am 10. November 1896 im Club öster- reichischer Eisenbahnbeamten gehalten hat

Im Jahre 1877 wurde der »Cluböster- reichischer Eisenbahnbeamten« in Wien gegründet, der 1896 vier cor- respondirende, 35 unterstützende und 623 wirkliche Mitglieder und einen Vermögens- stand von 1837 fl. 26 kr. zählte. Der Club, der auch die vorhin erw'ähnte Fortbildungs- schule für Eisenbahnbeamte gegründet hat, gibt als sein Organ die »Oes t erreich i- sche Eisenbahn-Zeitung« heraus.

Der »Oesterr eichische Eisen- bahnbeamten-Verein« in Wien trat 1885 zuerst als »Unterstützungs- Verein für österreichische Eisen- ba h n b e a m t ins Leben. Er hat gegen- wärtig 30 Local-Comit6s in allen wich- tigeren Städten der österreichischen Reichshälfte und zwei Mitgliedergruppen in Bosnien und der Herzegowina und zählt gegen 4500 Mitglieder. Sein Vermögen beträgt gegenwärtig 32.1590. Er erhält eine Pensions - Zuschuss-, sowie eine Sterbegeld-Abtheilung und gibt die Zeit- schrift »Bahn frei« heraus. Ausserdem ist er im Begriff'e, eine Curanstalt für erkrankte Eisenbahnbeamte ins Leben zu rufen, der das Reinerträgnis des vor- liegenden Geschichtswerkes gewidmet ist.

Im Jahre 1894 entstand der »Ver- band der Beamten, Hilfs- und Unterbeamten« [vormals Verband der Unterbeamten], der Ende 1895 1936 Mitglieder zählte, die Zeitschrift »Das Flugrad« herausgab, 1897 jedoch Ueber- griffe halber auf politisches Gebiet be- hördlich aufgelöst wurde.

Das gleiche Schicksal ereilte den im Jahre 1893 im Rahmen der Arbeiter- Organisation gegründeten »Verband der Gewerkschafts-, Fach- und Unterstützungs-Vereine der Eisen- bahner und verwandten Berufe Oesterreich s«. Er bestand Ende 1895 aus dem »Fach vereine der Verkehrs-Be- diensteten Oesterreichs« mit 26 Orts- gruppen und 6000 Mitgliedern, dem »Fach- und Unterstützungs - Verein der Bediensteten der österreichischen Staats- bahn-Betriebe« mit 45 Ortsgruppen und 7000 Mitgliedern, den Fach- und Unter- stützungs-Vereinen der Staats-Eisenbahn- Gesellschaft, der Südbahn, der Kaiser Ferdinands-Nordbahn und der Oesterreichi- schen Nordwestbahn mit zusammen 23

3i8

Franz Mähling.

Ortsgruppen und 4350 Mitgliedern, im Ganzen also 94 Ortsgruppen mit 17.350 Mitgliedern. Verbandsorgane waren »Der Eis e nb a hne rc, »Delavecc und

ZelezniCni z ffzenec«, welche seit Auflösung des Fachvereines im Jahre 1897 als selbständige Zeitschriften weiter erscheinen.

Für Zwecke der gegenseitigen Aus- hilfe, Krankenunterstützung, sowie als Leichenbestattungs- und Sterbecassen- Vereine gibt es 53 Vereinigungen von Eisenbahn-Bediensteten.

An Wirthschafts - Genossenschaften, Spar- und Vorschussconsortien und Con- sum vereinen existiren 12, ausserdem zählt man einen Veteranenverein in Gmünd, 15 Los vereine, 7 Geselligkeits vereine, 4 Gesangvereine u. A. m.

Für die stete Zunahme der Eisenbahn- bediensteten-Vereine spricht dieThatsache, dass in den fünf Jahren von 1891 bis ein- schliesslich 1895 40 Eisenbahn -Vereine und -Genossenschaften gegründet wurden.

»Bei einem allgemeinen Ueberblicke über die gesammten Eisenbahnbedien- steten-Vereine«, schliesst Inspector W e il 1 seine Betrachtungen in dem erwähnten Vortrage, »ist zu constatiren, dass die Vereinigung der Bediensteten zumeist nach Diensteskategorien erfolgt, weiters, dass die kleineren Vereine von der Bildfläche allmählich verschwinden und als Orts- •gruppen in die Organisation der grossen Central vereine einbezogen werden, die Organisirung der Eisenbahn-Bediensteten in grossen Verbänden fortschreitet, sowie dass die Mitgliederzahl insbesondere jener Vereine beständig wächst, deren Tendenz sich in materieller Richtung bewegt. Auf- fallend ist die starke Betheiligung des Maschinen- und Zugspersonales an der Gründung besonderer Vereine.« Der ob- geschilderte Werdegang hat allerdings durch die behördliche Auflösung der beiden grossen früher erwähnten Ver- bände augenblicklich eine Unterbrechung erfahren.

Was das Vereinsleben für Hebung und Belebung des Standesbewusstseins und des kameradschaftlichen Sinnes be- deutet, braucht in einer Zeit, wo Alles nach Concentration ruft, nicht des Näheren auseinandergesetzt zu werden.

Statistik.

Den Schluss unserer Darstellung mögen einige statistische Daten über das Eisen- bahn-Personale bilden.

Nach der mehrfach citirten Statistik des Vereines deutscher Eisenbahn-Verwaltun- gen pro 1894 zählte die österreichisch- ungarische Monarchie [einschliesslich Bosnien und Herzegowina

Eisenbahn- Angestellte : männliche 91.077

weibliche 1.327 Arbeiter 1 18.417

Bedienstete.

zusammen 210.721

In der auf Seite 319 angeführten Tabelle, deren Daten dem von der k. k. statistischen Central commission heraus- gegebenen statistischen Jahrbuche pro 1896 entnommen wurden, sind die auf die österreichische -Reichshälfte bezüg- lichen Angaben enthalten.

Wie in allen Berufszweigen, beginnt die Frauenarbeit auch im Eisenbahn- dienste immer mehr an Bedeutung zu gewinnen. Ihr seien daher einige Worte gewidmet.

Für die dienstliche Inanspruchnahme der Frauen bestehen keine allgemein giltigen Normen. Die Staatsverwaltung hat gegen deren Verwendung zu leichteren Manipulationsdiensten niemals Anstand erhoben. Dieser Umstand wurde benüt;rt, um mittellose Witwen ' nach Eisenbahn- beamten, oder weibliche Familienmit- glieder der Bediensteten überhaupt zum Telegraphen-, Telephon- und Cassadienste bei kleineren Expediten, sowie zu einfachen Manipulationen bei den Controlen und in den Registraturen der Directionen, Frauen von Bahn- und Weichen Wächtern endlich substitutionsweise zum Bahnschranken- dienste zu verwenden, und ihnen so Er- werb, beziehungsweise den Gatten und Vätern ein leichteres Auskommen zu schaffen.

Als Entlohnung erhallen die Beam- tinnen und Manipulantinnen zwischen 25 und 60 fl. monatlich, die Schrankenwär- terinnen zwischen 5 und 10 fl. monatlich.

Den Pensionsinstituten gehören sie nicht an. Hingegen wurden ihnen bei den k. k. Staatsbahnen und verschiedenen Privatbahnen Provisions- und Sparfonds

Organe des Betriebes.

319

Bahngruppen

Anzahl der Bahnbedien- steten

Davon

Zugs-Per-

sonale*)

Bahnbedienstete |

auf 1000 Passagiere

auf 1000 Güter- tonnen

I. Bahnen in Verwaltung der k. k. Oesterreichischen Staatsbahnen:

a) K. k. Staatsbahnen [Haupt- und Localbahnen und vom Staate auf eigene Rechnung betriebene fremde Hauptbahnen]

h) Localbahnen auf Rechnung der Eigenthümer**)

II. K. k. Staatsbahnen im Privat-

betriebe.

III. Privatbahnen im Privatbetriebe: a) HauDtbahnen

1

33-993 56

31187

654 68

9074 9

4804

120

26

0-8 1 002

054 021

024

128 002

1

056 030 6-28

b) Selbständige Localbahnen ....

c) Zahnradbahnen

1

Summa Damof-Tramwavs

65958 743

14033 88

062 009

070 2-46

1 '

1 *) Inclusive Werkstätten-Personale.

**) Hier erscheint nur das von den Localbahnen entlohnte Personale ausgewiesen. Das Personale für den Executivdienst stellen die k. k. Staatsbahnen bei.

geschaffen,*) in welche sie einen be- stimmten Procentsatz ihres Jahresein- kommens hinterlegen müssen, und aus welchen ihnen im Falle der Dienstunfähig- keit eine nach den Dienstjahren abgestufte jährliche Provision oder der angesammelte Sparbetrag sammt Zinsen ausbezahlt wird. Die Südbahn-Verwaltung z. B. hat ihren Beamtinnen, .welche nur an einem Spar- fonds Antheil haben, für den Fall der Dienstunfähigkeit fortlaufende jährliche Gnadengaben in Aussicht gestellt.

Die Anzahl der in Oesterreich-Ungam im Eisenbahndienste verwendeten weib- lichen Angestellten betrug nach der Statistik des Vereines deutscher Eisen- bahn-Verwaltungen 1227.

Hievon entfallen auf die

k. k. Staatsbahnen 123

k. ung. Staatsbahnen 230

♦) Vgl. auch Bd, III, E. Engelsberg, »Wohlfahrts- Einrichtungen der österreichi- schen Eisenbahnen».

Südbahn 79

Nordbahn 241

Staatseisenbahn-Gesellschaft .... 24

Nordwestbahn 346

Die absolut grösste Zahl weiblicher Arbeitskräfte weist hiemach die Nord- westbahn auf.

Unter 1 000 Angestellten sind weiblich :

Bei den k. k. Staatsbahnen ...... 4

» » kön. ung. Staatsbahnen ... 8

> der Südbahn 9

» » Nordbahn [unter Einschluss der Bediensteten der Mate- rialverwaltung] 35

» » Staatseisenbahn -Gesellschaft 4 » » Nordwestbahn 83

im Durchschnitte bei allen Vollbahnen der Monarchie 13

Ueber die Vertheilung der weiblichen Kräfte auf die verschiedenen Dienst- zweige gibt nachfolgende Tabelle Auf- schluss :

Bezeichnung der Bahn

Alig.Ver-| Bahn- i Verkehr i ^"BiÖr- ' waltunp: aufsieht _"*^' derung^ ,1

K. k. Staatsbahnen

Kfin. ung. Staatsbahnen

Südbahn

Nordbahn

Slaatseisen bah n-G eselisch aft . . .

Nordwestbahn

Bei allen Bahnen der Monarchie .

135

415

i 34Ö

I2Z7

Nach der Volkszählung pro 1890 waren rund 1 50.000 Personen im Eisen- bahnbetriebe beschäftigt, von deren Ver- dienst beiläufig 400.000 Personen er- nährt wurden.

Bis zum Jahre 1896 ist die Zahl der Eisenbahn- Bediensteten, wie früher nach- gewiesen, bereits auf rund 212.000 an- gewachsen und diese repräsentiren mit ihren Familien die imposante Ziffer von beiläufig 600.000 Köpfen, so dass bei einem Bevölkerungsstande der Monarchie von nahezu 44 Millionen die dem Eisen- bahnwesen Dienenden oder von ihm den Unterhalt Beziehenden mehr als '/7J ''■s'' Gesammtbevölkerung ausmachen. An- gesichts dieser Ziffer, weiche sich zudem Über alle Gesellschaftsschichten verthellt, kann man wohl behaupten, dass es nur mehr wenige Familien gibt, die nicht den einen oder anderen Angehörigen im Eisen- bahndienste stehen hätten und daher an der Entwicklung und Wohlfahrt unseres Ver- kehrswesens auch in persönlicher Hinsicht nicht mitinteressirt wären. So sind die Eisenbahnen nicht nur ein gewaltiger Staats- und volkswirthschaftliclier Factor geworden, sondern auch ihre socialpoli- tische Bedeutung hat sich zu einem gerade- zuausschlaggebenden emporgeschwungen.

I Wenn wir auch, die einzelnen Phasen der Entwicklungsgeschichte des Eisen- , bahn -Personal es durcheilend, nicht immer 1 freundliche Bilder zu entrollen ver- I mochten und wenn sich hiebei des Oef- teren der schon früher ausgesprochene Gedanke bewahrheilet hat, dass die I Personalge schichte unserer Bahnen in j vieler Hinsicht zugleich eine Leidens- I geschichte ist so steht dem doch , heute die erhebende Erkenntnis gegen- über, dass unser Verkehrswesen die I Sturmjahre hinter sich hat und seit I einem Jahrzehnte bereits auf festen und ; ziel gerechteren Bahnen seiner Vollendung ' entgegen seh reitet. Dass diese Vollendung I die langersehnte, dem Eisenbahnberufe j angemessene Stellung des Personales in I rechtlicher, socialer und wirth schaftlich er 1 Hinsicht in sich schliessen müsse, er- I scheint ausser Frage. Und so steht I denn zu hoffen, dass in nicht allzufemer I Zeit, nicht nur wie bisher im Wirken ' nach aussen und für Andere, sondern I ebensosehr in der inneren socialen und wirth schaftlichen Entwicklung des Eisen- I bahnstandes das Wort Bismarck's zur I Wahrheit werde: »Die Eisenbahnen, ! ihre Leiter und Beamten sind die eigent- lichen Träger der Cuitur..

Wohlfahrts-Einrichtungen.

Von

Emil Engelsberg,

Ober-Inspector der k. k. Oesterreichischen Staatsbahnen.

i

T Gcsellscbaft li

GEWISS gibt es kein treffenderes Motto, das an die Spitze des Capitels über die W o h 1 f a h r t s- Einrichtungen der Eisenbahnen zu setzen wäre, als obige Worte aus er- lauchtem, leider so früh und für immer geschlossenem Munde,

Den Arbeiter, und zwar sowohl jenen, der seine physischen, als auch insbeson- ders jenen, der seine geistigen Kräfte einem Unternehmen widmet, zu erhalten- und an die Arbeitsstätte zu fesseln, dies ist seit Beginn der Civilisation das Be- streben aller humanen Arbeitsgeber. »Aber das Recht auf Arbeit, die Arbeit und der Erwerb durch dieselbe stellt den Arbeiternoch immer nicht sicher.« Diesen Satz sprach schon Thiers am 15. Sep- tember 1848 in der französischen Kammer. Die Arbeit ist nur die Verwen- dung der menschlichen Lebenskraft zur Erlangung der Mittel, um zu leben. Je grösser die Bildungsstufe eines Indi- viduums ist, umsomehr ist unter Leben nicht nur das reine Geschütztsein vor Hunger verstanden, sondern auch der Trieb, sich zu entwickeln, zu erhalten, zu erheitern und neues Leben zu geben. Je mehr das einzelne Individuum sich entwickeln und erheitern kann, je mehr dessen Wohlstand verhältnismässig steigt oder sinkt, desto mehr steigt oder sinkt dessen Productions kraft.

Die österreichischen Eisenbahn-Ver- waltungen haben daher auch schon früh-

welJ KTOHprioI ßudalf.

zeitig daran gedacht, ihr Personale, so- weit es nur thunlich, in ein festes Dienst- verhältnis zu bringen und Institutionen zu schaffen, die allen Bediensteten zum Nutzen gereichen und daher geeignet sind, die Pflichttreue, Anhänglichkeit und Verlässlichkeit der Bediensteten zu fördern.

Wenn bei irgend einem Berufe die Anspannung aller Kräfte des einzelnen Mitarbeiters nöthig ist und ebenso eine stramme Disciplin geboten erscheint, so ist dies im grössten Masse bei dem Eisenbahndienste der Fall. Ebenso muss aber jeder Einsichtige zugeben, dass alle diese Momente bei einem zufriedenen Personale am ehesten zutreffen und am sichersten gefordert werden können. Wie schon bemerkt, haben die österreichischen Eisenbahnen lange, bevor in dieser Rich- tung gesetzliche Bestimmungen getroffen wurden, für das Wohl ihrer Bediensteten vorgesorgt und allen Neuerungen auf dem Gebiete der Wohlfahrts-Einrichtungen und der Hygiene stets fördernde Pflege zQtheil werden lassen. Aus diesem Grunde nehmen auch die bei den österreichischen Eisenbahnen besiehenden W oh Ifahrts- Ein- richtungen unter allen derartigen Institu- tionen, sei es solchen von Gemeinden, Ländern u. s. w, einen hervorragenden Rang ein.

Die Literatur 'über die Wohlfahrts- Einrichtungen der heimischen Eisenbahnen ist jedoch eine, sehr spärliche und selbst

324

Emil Engelsberg.

in anerkannt vorzüglichen Werken über die Entwicklung und Gestaltung unseres Eisenbahnwesens sind die Wohl- fahrts-Einrichtungen desselben [Pensions- fonds, Krankencassen etc.] nur ganz vor- übergehend gestreift. Bezüglich der Pen- sionsfonds sind hervorzuheben die Ab- handlungen von Kaan, Dr. Rachel, Dr. Wiegand u. A.

Die Wohlfahrts - Einrichtungen der österreichischen Eisenbahnen umfassen : a) Die Obsorge für das physische, ma- terielle und geistige Wohl der activen Be- diensteten und ihrer Familien ; b) die Ob- sorge für die in den Ruhestand tretenden, beziehungsweise durch einen Unfall gänz- lich erwerbsunfähig oder minder erwerbs- fähig gewordenen Bediensteten und end- lich c) im Falle des Ablebens eines Be- diensteten die Obsorge für dessen Hinter- bliebene.

Im ersteren Falle wird diese Obsorge ausgeübt durch die Kranken- und Unter- stützungscassen. Spar- und Vorschuss- vereine, Lebensmittel-Magazine, Schulen, Colonien u. s. w., im zweiten und dritten Falle aber durch die Pensions- und Pro visions- Institute, die Unfall-Versiche- rung etc. Demgemäss theilen wir auch das verzweigte Thema der bestehenden Wohlfahrts - Einrichtungen in folgende Gruppen ein:

1. Pensions- und Provisions-Institute.

2. Krankencassen.

3. Unterstützungscassen.

4. Unfall-Versicherung.

5. Spar- und Vorschusscassen, be- ziehungsweise -Vereine.

6. Lebensmittel-Magazine und Equipi- rungscassen.

7. Arbeiter- und Beamten-Colonien, beziehungsweise W^ohnhäuser.

8. Schulen [Studienstipendien].

9. Stiftungen.

Die Bahnen des Occupations-Gebietes werden in dem vorliegenden Werke in einem besonderen Abschnitte behandelt. Der Uebersichtlichkeit wegen fügen wir jedoch die Daten, bezüglich der bei den- selben bestehenden Wohlfahrts-Einrich- tungen, diesem Capitel anmerkungs- weise bei.

/. Pensions- und Provisions- Institute^

Die Pensions- und Provisions-Institute nehmen unter den zur Förderung und Sicherung des materiellen Wohles der Eisenbahn-Bediensteten bestehenden Insti- tutionen unstreitig den ersten Rang ein. Mag man nun dieselben als rein huma- nitäre Schöpfungen ansehen, oder ihnen, wie dies viele Fachmänner thun, eine Mittelstellungzwischen einer gegenseitigen Versicherungs-Anstalt und einer Wohl- fahrts-Institution anweisen, immer bilden diese Institute das feste Band, welches die Bediensteten mit ihrem Arbeitgeber [der Eisenbahn- Verwaltung] enger ver- knüpft.

Diese, den Pensions- und Provisions- Instituten anhaftende ganz eigenartige Signatur ist es auch, welche die Be- trachtung derselben innerhalb des Rahmens dieses Capitels vom rein versicherungs- technischen Standpunkte aus nicht zu- lässt. Die Pension, beziehungsweise Pro- vision repräsentirt ja nicht, wie dies bei Versicherung eines Individuums auf den Invaliditätsfall angenommen wird, eine erworbene Rente allein, es soll vielmehr in dem Ausmasse des Versorgungs- genusses auch die Anerkennung des Dienst- gebers für die geleisteten Dienste ihren Ausdruck finden.

Selbstverständlich wird hier nicht be- absichtigt, in die zumeist verschieden- artigen Detailbestimmungen der Statuten dieser Fonds einzugehen, da dies, ganz abgesehen von dem versicherungstech- nischen Standpunkte, auch in rein admi- nistrativer Beziehung ein dickleibiges allerdings, nicht uninteressantes Buch für sich allein erfordern würde.

Ueber die historische Entwicklung der Pensionsfonds der österreichischen Eisen- bahnen stehen uns nur wenig Daten zur Verfügung. Das erste Pensions- Institut eines Eisenbahn-Unternehmens war in Oesterreich jenes der Kaiser Ferdi- nands-Nordbahn. Da die Entwick- lungs-Geschichte desselben in mannig- facher Beziehung, insbesonders rücksicht- lich der finanziellen Consolidirung äusserst instructiv ist, so wollen wir hierauf des Näheren eingehen.

Wohlfahrts-Einrichtungen.

325

Als besonders interessant selbst für die heutigen Zeitverhältnisse ist die Rede, mit welcher in der 12. Generalversamm- lung am 30. März 1844*) der damalige Präses der Direction, k. k. Hofrath Andreas Baumgartner, die Errichtung dieses Institutes anregte und begründete und welche folgendermassen lautete: »Schon die gegenwärtigen Resultate haben nur durch eifriges Zusammenwirken aller Organe der Gesellschaft erzielt werden können und bei der bevorstehenden grösseren Ausdehnung der Geschäfte wird ein solches nicht weniger nothwen- dig sein. Wir halten uns verpflichtet, der bei weitem grösseren Mehrzahl der Beamten unserer Unternehmung das ehrenvolle Zeugnis zu geben, dass sie redlich ihre Pflicht gethan, ja dass mehrere derselben sich mit wahrer Hin- gebung ihrem Dienste gewidmet haben; allein dieses öff'entliche Zeugnis, so ehrenvoll es für die betreff'enden Beamten ist, kann nicht genügen und nicht hin- reichender Sporn sein, für die Fortsetzung angestrengter Thätigkeit, wie sie die Unternehmung braucht, wenn nicht da- mit eine Einrichtung in Verbindung ge- setzt wird, die ihre [der Beamten] Zu- kunft wenigstens einigermassen sichert. Zu diesem Ende haben wir beschlossen, Ihnen, meine Herren, die Errichtung eines Pensionsfonds für die Beamten und Diener der Unternehmung dringend an- zuempfehlen. Nach einer Ausarbeitung, die wir dem Herrn Professor Salomon verdanken, würde zur Gründung und zum Fortbestande eines solchen Institutes nebst den entfallenden monatlichen Bei- trägen der dabei betheiligten Beamten und Diener, von Seite der Unternehmung eine jährliche Summe von circa 4000 fl. C.-M. bis zu der Zeit, wo der Fonds zu der angemessenen Höhe angewachsen sein wird, erforderlich sein. Wenn Sie den Zweck berücksichtigen, der dadurch erreicht wird und die Rückwirkung in Anschlag bringen, welche die gesicherte Zukunft unserer Beamten und Diener auf deren eifrige und getreue Pflicht- erfüllung haben muss, so werden Sie

♦) Vgl. Bd. I, I. Theil, H. St räch: Die ersten Privatbahnen, S. 203

wohl finden, dass dieser Beitrag gewiss nicht unverhältnismässig sei und der da- durch zu erreichende Vortheil leicht grösser ausfallen kann, als das Mittel, wodurch er erzielt wird, abgesehen davon, dass schon das Bewusstsein, eine Pflicht der Humanität erfüllt zu haben, für jeden Edeldenkenden ein Aequivalent für ein materielles Opfer sein müsse.« Nach einer kurzen Debatte wurde die Direction einstimmig ermächtigt, den Pensionsfonds auf Grundlage des vom Professor Salomon gemachten Entwurfes zu schaff'en und den- selben mit einem jährlichen Beitrage von 4000 fl. C.-M. aus den Betriebs-Einnahmen zu dotiren.

In der 14. Generalversammlung am 31. März 1846 wurde das Pensions- normale definitiv genehmigt. Das Aus- mass der Pensionen war für die .Be- diensteten wie folgt festgesetzt:

Bei einer Dienstzeit von 10 und weniger als 15 Jahren ein Viertel,

bei einer solchen von mehr als

1 5 und weniger als 20 Jahren ein Drittel, 20 » » 3 25 > die Hälfte,

25 Jahren zwei Drittel

des zuletzt bezogenen Jahresgehaltes.

Die Pension einer Witwe war mit der Hälfte der eventuellen Pension des Gatten [im Maximum mit 500 fl. C.-M. festge- setzt]. Die Einzahlungen der Bediensteten beliefen sich, wie zumeist die heutigen Beiträge bei derartigen Fonds, auf: 25% vom ersten Gehalte, 50% von jeder Ge- haltsvermehrung und 3^/q von den laufen- den Gehalten. Der Fonds wurde von einigen Oberbeamten d.er Kaiser Ferdi- nands-Nordbahn unter dem Vorsitze eines Directors verwaltet.

In der 20. Generalversammlung am 19. Mai 1851 wurde bereits, nachdem die Erfahrung gezeigt hatte, dass das Ausmass der Pensionen nicht in allen Fällen ausreichend war und die Unter- nehmung sehr oft eine Erhöhung aus eigenen Mitteln vornehmen musste, über Antrag der Direction beschlossen, den damaligen Bestand des Fonds von 235.862 fl. 45 kr. in das Eigenthum der Kaiser Ferdinands-Nordbahn zu über- nehmen, wogegen sich die Gesellschaft

326

Emil Engelsberg.

bereit erklärte, die Verpflichtungen der Pensionscasse selbst zu tragen, d. h. fortab die Pensionen aus dem bahn- gesellschaftlichen Vermögen zu bezahlen. Weiters wurde infolge einer neuerlich vorgenommenen Revision des Fonds beschlossen, den jährlichen gesellschaft- lichen Beitrag, und zwar zunächst für drei Jahre auf lO.ooo fl. C.-M. pro Jahr zu erhöhen und nach Ablauf dieser Zeit abermals eine Revision des Fonds vor- zunehmen. Zugleich wurde ein neues, nach den bisherigen Erfahrungen er- gänztes Pensionsstatut eingeführt.

Die Pension für die Bediensteten be- gann in diesem neuen Statute, wie in dem früheren Staats-Pensionsnormale, mit vier Zehntel nach zehnjähriger Dienstzeit und stieg von je fünf zu fünf Jahren um ein Zehntel, so dass nach 40jähriger Dienstzeit der ganz6 Betrag des zuletzt bezogenen Gehaltes als Pension ge- währt wurde. Die Witwe erhielt ein Drittel des von ihrem Gatten zuletzt be- zogenen Gehaltes. Erziehungsbeiträge für Kinder waren nicht stipulirt, sondern es war bemerkt, dass die Bewilligung dersel- ben in besonders berücksichtigenswerthen Fällen dem Ermessen der Direction über- lassen sei. Nach Ablauf der vorerwähnten drei Jahre wurde die neuerliche Revision der Solvenz des Fonds vorgenommen, und in der 25. Generalversammlung im Jahre 1854 berichtete die Direction, dass nach einer Berechnung des Professors Salomon mit dem jährlichen Beitrage von 10.000 fl. C.-M. die statutenmässigen Pensionen vollkommen gedeckt erscheinen. Jedoch schon im Jahre. 1 860 musste dieser Beitrag auf jährlich' 25.000 fl. ö. W. er- höht werden, während nach weiteren sieben Jahren die Professoren H a r t n e r, H e s s 1 e r und Spitzer durch eine fachmännische Prüfung des Fonds con- statirten, dass zur Deckung der gesell- schaftlichen Verpflichtungen der jährliche Beitrag um weitere 10.000 fl. zu erhöhen sei. Diesem Gutachten entsprechend, beschloss die 43. Generalversammlung im Jahre 1868 die Erhöhung des Beitrages auf jährlich 35.000 ft., und votirte weiters dem Fonds einen Capitalbetrag von 100.000 fl., um wie es in dem Berichte heisst »einer weiteren Erhöhung

des Jahresbeitrages in Zukunft vorzubeugen«. Allein schon die 46. Generalversammlung im Jahre 1870 musste eine neuerliche Dotirung des Fonds mit 100.000 fl. und die Erhöhung der Jahressubvention von 35.000 fl. auf 48.000 fl. beschliessen, nachdem ein be- deutendes Capitaldeflcit constatirt worden war.

Das Jahr 1873 brachte eine neuerliche wesentliche Verbesserung des Pensions- normales. Die Witwen-Pensionen wurden von 33V8% auf 40% und zugleich das Maximum auf 1 500 fl. erhöht ; femer die Pensionirung im Falle der Verunglückun- gen eingeführt etc. Alle diese Mass- nahmen machten eine abermalige Er- höhung der Jahressubvention erforderlich, welche in der 51. Generalversammlung im Jahre 1875 von 48.000 fl. auf 65.000 fl. erfolgte. Immer wieder wurden jedoch ausserordentliche Dotirungen des Fonds nöthig, und zwar im Jahre 1881 mit 100.000 fl., im Jahre 1882 mit 200.000 fl., und endlich wurde in der 60. General- versammlung im Jahre 1 883 unter gleich- zeitiger Herabsetzung der Dienstzeit von 40 auf 35 Jahre und Einführung einer von Jahr zu Jahr statt in Quinquennien steigenden Pensionsscala dem Fonds eine Subvention von 300.000 fl. zugeführt und zugleich beschlossen, demselben seitens der Gesellschaft jährliche Beiträge in der Höhe der Einzahlungen der Bediensteten zuzuführen. Aber auch diese Massregeln waren nicht ausreichend, und vom Jahre 1887 bis 1892 ergaben sich wieder Ge- barungsausfälle des Fonds, welche mit zusammen 406.402 fl. von der Gesellschaft gedeckt wurden. Um sohin die Ver- pflichtung der Gesellschaft nach den Grundsätzen der Versicherungstechnik dauernd festzustellen, wurde in der am 30. Mai 1892 abgehaltenen 72. ordent- lichen Generalversammlung beschlossen, zwei Abtheilungen des Pensionsfonds zu schaff'en, und zwar die Abtheilung A, deren jeweilige Vermögensbestände zum Zwecke der Sicherstellung der Ver- ' pflichtungen gegenüber jenen Bediensteten, I deren Witwen und Waisen dienen, welche ' vor dem i. Januar 1893 dem Fonds ' beigetreten waren, und die Abthei- i^lung B, welche die Sicherstellung der

Wohlfahrts-Einrichtungen.

327

Ansprüche der nach dem i. Januar 1893 beigetretenen Mitglieder umfasst. Bei der Abtheilung A wurde im Hinblicke auf die von diesen Be- diensteten wohlerworbenen Rechte jede Erhöhung der Einlagen der Bediensteten ausgeschlossen, und nur eine fallweise Erhöhung der gesellschaftlichen Jahres- beiträge zur Herstellung des Gleich- gewichtes vorgesehen. Hinsichtlich der Abtheilung B wurden jedoch die Ein- zahlungen der Mitglieder .derart erhöht [von 3^0 auf 7^/0 unter Wegfall der 50% Einzahlungen], dass die Einzahlungen in Verbindung mit gleichen Leistungen der Gesellschaft stets genügen, um den auf die betreffenden Bediensteten sich be- ziehenden Lasten des Pensiolisfonds gerecht zu werden.

Diese Aenderungen, mit welchen zu- gleich einige weitere Verbesserungen des Pensionsnormales, und zwar bezüglich des Ausmasses der Erziehungsbeiträge und der Witwenpensionen in Verbindung gebracht wurden, traten mit i. Januar 1893 in Kraft.

Verfolgen wir die Zunahme des Pen- sionsfonds der Kaiser Ferdinands- Nordbahn, so sehen wir Folgendes:

Vermögen Ende 1844 15.527 fl. C.-M.

1854 442.575 » *. »

1864 1,431.782 » ö. W.

1874 3>905-2i6 » » »

1884 6,260.648 » » »

1894 7,123.843 » » »

1895 7,205.325 . » »

Der Pensionsfonds der priv. Oester- reichisch-Ungarischen Staats- eisenbahn-Gesellschaft wurde im. Jahre 1856 für die Beamten des Bahn- untemehmens imd der Domänen ge- meinsam gegründet. Demselben wurden späterhin der Pensionsfonds der bestan- denen Wien-Raaber Bahn und jener der Brunn - Rossitzer Bahn einverleibt. Im Jahre 1891 wurde im Sinne des mit der königlich ungarischen Regierung abge- schlossenen Vertrages über die Einlösung des ungarischen Netzes von den mit Ende 1890 liquidirten Pensionen ein SO^j^iger Antheil von Ungarn übernommen, wo- gegen dem Pensionsfonds der königlich Ungarischen Staatseisenbahnen eine Quote

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»

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von 40®/q des mobilen Pensionsfonds- Vermögens überwiesen wurde. In der gleichen Weise wurde der im Jahre 1860 gegründete Provisions- und Unterstützimgs- fonds für Diener imd Arbeiter welcher gleichfalls für das Personale des Bahn- untemehmens und der Domänen ge- meinsam war aufgetheilt.

Das Pensions-, beziehungs- weise Provisions - Institut der k. k. Oesterreichischen Staats- bahnen entstand aus den gleichnamigen Instituten der Kaiserin Elisabeth-Bahn [deren Pensionsfonds 1857 und deren Pro Visionsfonds 1873 ins Leben gerufen wurde], welchen späterhin die gleich- artigen Institute der zur Verstaatlichung gelangten Bahnen angegliedert wurden, vmd zwar jenes der Kronprinz Rudolf- Bahn [gegründet 1868], der Vorarlberger Bahn [gegründet 1872] u. s. w., ebenso die bestandenen Pro visions- Institute der Dniester-, Tamöw-Leluchö wer Staatsbahn, der Erzherzog Albrecht-Bahn etc. etc.

Der Pensionsfonds der Südbahn [für Beamte] wurde im Jahre 1861 ge- gründet. Hiebei jedoch die Theilnahms- zeiten und Einzahlungen rückdatirt ab I. Januar 1859. Ab i. Januar 1867 wurde der Antheil für die venetianischen Linien ausgeschieden, und zwar nach dem Ver- hältnisse der Einzahlungen, Von dem Vermögen, welches inzwischen auf 1,250.000 fl. angewachsen war, entfielen 77*2®/o auf Oesterreich-Ungarn und 27*8^/^ auf die venetianischen Linien. Selbstver- ständlich übernahmen die italienischen Linien durch diese [am 31. October 1867] factisch durchgeführte Theilung auch die Zahlung aller bis dahin auf diesen Linien flüssig gestellten Pensionen.

In der nachstehenden Tabelle [S. 328] sind die Pensions fonds der einzelnen Bahnverwaltungen chronologisch nach ihrer Gründung verzeichnet, und zugleich deren Mitgliederzahl und Vermögen mit Ende 1895 sowie der Betrag der Leistun- gen an die Mitglieder im Decennium 1886 bis inclusive 1895 angegeben. Nach dieser Zusammenstellung besassen die Pensions- und Provisions fonds der österreichischen Eisenbahnen mit Ende 1895 ein Vermögen von rund 49 Millionen Gulden.

328

Emil Engelsberg.

PensionS' und Provisions-Institute für Bedienstete der österreichischen

Eisenbahnen mit Ende des Jahres i8g^.

«0

bfl I

'S ^

9

Bezeichnung des Pensions-, beziehungsweise Provisions-Institutes

Ü

Mit- Vcr-

glicder- ! mÖs^CDs- Ansahl Bestand

Ende 1895

LeUtungrn

des Insti-

, tutes an die

I Mitglieder

im Decen-

nJum 18%

bisuicl.lHQ5

1844

1855 '

1856 I

I

1858 !

I

1858 ,

I

1860 '

1861 I

1862 '

1866 I

1867 I 1870

1870

1876J

1882

1882

1882

1885

1886 1892 1889

1891*!

Pensionsfonds der Kaiser Ferdinands-Nordbahn

seit 1873 Abth. A

Abth. B

Pensionstbnds für Beamte und Diener der Buschtö- hrader Bahn

Pensionsfonds für Beamte der Staatseisenbahn- Gesellschaft [gemeinsam für Beamte der Bahn und der Domänen]

Pensions-Institut für Beamte und Diener der Aussig-Teplitzer Bahn

Pensions-Institut für definitive Bedienstete der Süd-norddeutschen Verbindungsbahn

Provisionsfonds für Diener und Arbeiter der Staats- eisenbahn-Gesellschaft [gemeinsam für die Bahn und die Domänen] Mitgliederzahl bei Bahn und Domänen 22.553**)

Pensions-Institut für Beamte der Südbahn . . .

Pensions-Institut für Beamte und Diener der Graz- Köflacher Bahn

Pensions-Institut für Beamte und Diener der Böhmischen Nordbahn

Pensionsfonds für Diener der Südbahn

Pensions-Institut für definitive Bedienstete der Oesterreichischen Nordwestbahn

Pensions-Institut für Beamte, Unterbeamte und Diener der Kaschau-Oderberger Bahn ....

Pensions-Institut für Beamte und Unterbeamte der k. k. Oesterreichischen Staatsbahnen

Pro\asions-Institut für Diener und Arbeiter der k. k. Oesterreichischen Staatsbahnen

Pensionsfonds für Bedienstete der Neutitscheiner Localbahn

Pensions-Institut für Beamte und Diener der Eisenbahn VVien-Aspang

Pensionsfonds für Bedienstete der Bozen-Meraner Bahn

Provisions- und Unterstützungsfonds für das Werk- stätten-Personale der Buschtehrader Bahn. . .

Pensionsfonds für Bedienstete der Stevrthalbahn

iSli 7,205.3251 7,327.102

1-675

1,598.440 . 761.788

1.754 j 4,185.933 7,480.180

944 ; 1,533.942

504852

-*)

»\ I

300.227 1,187.814

I

5646 1.810

171

947

5-553

1,448.672 4,294.399

1,943-897

5,823.724

I

199-527 285.433

727.112

532.433

4.242

I

' 1.369

I

I

I

i 12 205

3,661.769 , 4,410.923

3,628.979 1,503.233

1,345.824 i 507.876

13,823.642

23.251 4,760.545

13 170

51

296 36

12,427.854 654.772

7.486

80.600

15.611

42.884

189.724 8.534

32.361 1546

Hie von entfallen auf: Oesterreichische Eisenbahnen Gemeinsame Bahnen

57.515 39,741.572 34,65^876 8.732 I 9,301 992 10,742.523

Zusammen .

66.247 I 49,043 564 I 45,401.399 i

Wohlfahrts-Einrichtungen.

329

Erläuterungen.

♦) Die Mitgliederzahl ist bei jener der Oesterreichischen Nordwestbahn cumulativ angegeben.

**) Der Vermögensbestand und die Leistungen sind bei der Staatseise nbahn-Gesell- schaft für die Bahn, die Maschinenfabrik und die Domänen gemeinsam angegeben. Im Jahre 1860 wurde dieser Fonds als Provisions- [Altersversorgung] und Unterstützungsfonds [Kranken Unterstützung] gegründet. Durch die gesetzliche Einführung der Krankenversicherung und der Bruderladen, wie auch durch Uebergabe des Vermögensantheils für die an die ungarische Regierung abgetretenen ungarischen Eisenbahnlinien, wurden Theilnehmer- und Vermögensquoten ausgeschieden, so dass hier pro Ende 1895 nur die Daten über den Pro- visionsfonds als solchen angegeben sind, welcher umfasst: das Personale [Diener und Arbeiter] des in Oesterreich gelegenen Eisenbahnnetzes, der Wiener Maschinenfabrik, der Centrale in Wien, der Budapester Domänen-Direction und der Banater Domänen [für letztere wurde 1896 ebenfalls eine Bruderlade errichtet].

Zurückgreifend bis zum Jahre 1848 liegen uns nur Daten für die österreichi- schen und gemeinsamen Bahnen vor.*) Der Stand dieser Fonds betrug:

1848

137.942 fl.

1858

832.416 »

1868

7,065.149 »

1878

24,345.090 »

1887

43.333-196 *

1895

49,043.564 *

wobei zu bemerken ist, dass die Ziffer des Jahres 1887 deshalb gewählt wurde, weil sie in dem Tableau enthalten ist, welches die Bahn Verwaltungen in der Jubiläums-Gewerbeausstellung zu Wien im Jahre 1888 zur Ausstellung brachten, während bei der Ziffer des Jahres 1895 zu berücksichtigen ist, dass, wie erwähnt, im Jahre 1891 der auf die ungarischen Linien der priv. österreichisch-ungarischen Staatseisenbahn - Gesellschaft entfallende Antheil an dem Vermögen des Pensions- und Provision sfonds für Bedienstete der genannten Bahn ausgeschieden, und an die königlich Ungarischen Staatseisen- bahnen, beziehungsweise an deren Pen- sionsinstitut überwiesen wurde.

Was die Leistungen dieser Fonds seit ihrem Bestände betrifft, so geben wir dieselben nicht rücksichtlich aller Fonds an, weil deren Ausgestaltung eine

*) Bei den Bahnen des Occupations-Ge- bietes bestehen zwei Pensionsfonds; einer für die Bediensteten der Bosnisch-Herzego- winischen Staatsbahnen [Ende 1895 Mit- glieder: 409, Vermögen: 299.328 fl.], einer für die Bediensteten der k. u. k. Militärbahn Banialuka-Doberlin [Ende 1895 Mitglieder: 95, Vermögen 49631 fl.]

äusserst verschiedenartige gewesen. Dass jedoch die Gesammtsumme dieser Lei- stungen eine sehr bedeutende war, ergibt sich aus der eingehend erörterten Ent- wicklungs-Geschichte des Pensionsfonds der Kaiser Ferdinands-Nordbahn ; wir führen nur die Leistungsziffern einiger der übrigen grösseren und älteren Fonds an.

Seit ihrem Bestände haben an die Mitglieder, beziehungsweise deren Hinter- bliebene geleistet:

Der Pensionsfonds der Staatseisenbahn- Gesellschaft 12,358.599 fl.

der Provisionsfonds der Staatseisenbahn- Gesellsch. 1 2,763.048 »

der Pensionsfonds für Be- amte der Südbahn . . . 7,640.975 » [ab 1866, seit dem Aus- scheiden der Beamten der venetianischen Linien]

der Pensionsfonds für Diener

der Südbahn 5,370.284 »

der Pensionsfonds der Süd-norddeutschen Ver- bindungsbahn und der Oesterreichischen Nord- westbahn 3,694.024 »

Wie bekannt, steigen ja diese Leistun- gen in enormer Weise. Im Decennium 1848 1858 betrugen die Ausgaben der Pehsionsfonds blos 83.805 fl., in De- cennium 1886 bis inclusive 1895 bereits 45*45 Millionen Gulden!

Bezüglich der gegenwärtigen Orga- nisation dieser Versorgungs-Institute sei hier nur das Wichtigste hervorgehoben.

330

Emil Engelsberg.

Das Recht auf einen Versorgungs- genuss beginnt für die Theilnehmer bei den meisten Pensions-, beziehungsweise Pro- visionsfonds der österreichischen Eisen- bahn-Verwaltungen nach Ablauf einer zehn- jährigen Carenzzeit, und zwar mit 40°/^ des Jahresgehaltes, derart steigend, dass nach Ablauf einer 35jährigen Dienstzeit der volle Gehalt als Pension gewährt wird. Bei dem Pensionsfonds der ge- meinsamen Kaschau-Oderberger Eisen- bahn, wie überhaupt bei den Fonds der auf dem Gebiete der königlich ungarischen Krone gelegenen Bahnen, welche in einem speciellen Capitel zur Bespre- chung gelangen,*) beginnt schon nach achtjähriger Carenzzeit die Pensions- fähigkeit mit 35^0 des Jahresgehaltes, derart steigend, dass nach Ablauf des 35., beziehungsweise 36. Dienstjahres der volle Gehalt als Pension gilt. Bei einigen wenigen Bahnen [z. B. Aussig- TepUtzer Bahn, Buschtßhrader Bahn] be- ginnt der Pensionsbezug für einzelne Kategorien der Bediensteten schon nach fünfjähriger Dienstzeit. Bei einigen Fonds wird für bestimmte Kategorien des exe- cutiven Dienstes die Dienstzeit für den Pensionsbezug iVafach in Anrechnung gebracht. Bei dem Pensionsfonds für Beamte der Südbahn, bei jenem der Aussig-Teplitzer Bahn [für jene Beamten und Diener, die am l. Mai 1883 bereits definitiv angestellt waren] und der Graz- Köflacher Eisenbahn wird ein Theil des Quartiergeldes [Localzulage] für die Pen- sionsbezüge in Anrechnung gebracht.

Bezüglich der Provisions fonds ist zu bemerken, dass bei einigen der- selben das Höchstausmass der Provision des Theilnehmers 70^0 ^^s Gehaltes, be- ziehungsweise Lohnes beträgt.

Die Versorgungsbezüge der Witwen werden entweder in Quoten des vom Manne zuletzt bezogenen Gehaltes [vari- irend von einem Drittel bis zur Hälfte, so z. B. bei den k. k. Oesterreichischen Staatsbahnen ein Drittel, bei der Kaiser Ferdinands-Nordbahn 40V0J oder in Quoten der dem Manne gebührenden Pension, beziehungsweise Provision bemessen. So

*) Vgl. Bd. III, Das Eisenbahnwesen in Ungarn seit 1867.

u. A. bei der Oesterreichischen Nord- westbahn 66'6^/q derselben.

Die Erziehungsbeiträge der Kinder betragen fast bei allen der gegen- ständlichen Fonds 10% der Vaterspension, beziehungsweise Provision; bei einigen Provisionsfonds sind dieselben procentuell nicht bestimmt, sondern werden fall- weise nach einem in dem betreffenden Statute enthaltenen Schema flüssig ge- macht.

Die Einzahlungen der Mitglieder zerfallen bei den Pensionsfonds in a) Ein- trittsgelder [variirend zwischen 10% und :i?7o ^^^ ersten Jahresbesoldung], b) laufende Beiträge [zumeist variirend zwischen 3^/^ und 6% des Jahresgehaltes] und c^ Beiträge von den Gehaltserhöhungen [zumeist 50% von der Erhöhung] ; bei den Pro Visionsfonds wird nur ein laufender Bei- trag vom Gehalte oder Lohne eingehoben. [Bei der Buschtöhrader Bahn 2-87o> den k. k. Staatsbahnen 4%, der Staatseisen- bahn-Gesellschaft 6O/0.]

Wenn auch die Statuten vom wohl- wollendsten Geiste durchweht sind, so ist doch nicht zu leugnen, dass die zu- meist schoa seit Jahrzehnten bestehen- den Bestimmungen bei den Pensions-, beziehungsweise Provisionsfonds einer zeitgemässen Reform bedürfen, und zwar insbesonders bezüglich des Ausmasses, respective der Minimal- und Maximal- grenzen der Witwen- und Waisenbezüge, welche den heutigen Zeit Verhältnissen wohl nicht mehr ganz entsprechen.

Es ist daher freudigst zu begrüssen, dass in all erjüngster Zeit das k. k. Eisen- bahn-Ministerium den Privatbahnen mit gutem Beispiel vorangegangen ist, und zwar hat dasselbe ab i. Juli 1898 eine Regelung der Ruheversorgungs-Genüsse für das Personale der österreichischen Staatsbahnen eingeführt. Als wesentlichste und dankenswertheste Neuerung ist die Schaffung von Minimal-Pensionen zu bezeichnen, die einen beträchtlichen Fortschritt bedeuten und namentlich die mit Kindern reichlich gesegneten Witwen nach Eisenbahn-Bediensteten vor dem nackten Elende schützen. Des Weiteren wird den derzeitigen Witwen mit Ruhe- genüssen, \velche das nunmehr normirte Minimum nicht erreichen, eine Aufbes-

Wohlfahrts-Einrichtungen.

331

serung von 25^0 ui^d den Hinterblie- benen eines im Ruhestande verstor- benen Bediensteten die Aus- zahlung eines Sterbequartals in der Höhe des dreifachen Monats- betrages der Pension bewilligt. Mit der weiteren Verfügung, dass den Bediensteten in allen Fällen, also auch im Falle einer strafweisen Entlassung die für die Ruhever- sorgung geleisteten Einzahlungen künftig- hin ausnahmslos zurückzuerstatten sind und dass über Ansuchen an Stelle der rückzuerstattenden Einzahlungen eine fort- laufende Gnadengabe vou entsprechender Höhe bewilligt werden kann, erscheint nicht nur einem langgehegten Wunsche des Personales, sondern auch einem in den Pen- sionsstatuten lang vermissten Gebote der Gerechtigkeit Rechnung getragen. In Hin- kunft wird sohin den betreffenden Bedien- steten im Falle straf weiser Entlassung nicht ausser der ohnehin harten Busse des Existenzverlustes auch noch der Verlust seiner mit den kargen Bezügen schwer- und wohlerworbenen Vermögensrechte treffen.

Wenn wir an die genannte Tabelle weiters anknüpfen, so sehen wir, dass die Versorgungs- Institute der^österreichi- schen und der gemeinsamen Bahn Verwal- tungen 1895 66.247 Theilnehmer zähl- ten, sohin für die Alters-, beziehungs- weise Invaliditäts-Versorgung dieser Per- sonen Vorsorge getroffen ist. Ausser- dem bestehen bei einzelnen Bahnen Institutionen, welche zwar nicht direct zu den Pensions- und Provisions-Institu- tionen zählen, aber dennoch die Er- reichung einer wenigstens theil- weise ausreichenden Alters- versorgung zum Ziele haben.

Bei der d b a h n bestehen für jenes Personale, welches statutengemäss nicht den genannten Fonds angehören kann, zwei Sparfonds, und zwar jener für Hilfs- beamte und jener für Beamtinnen. Beide Fonds erhielten Stammcapitalien von der Südbahn. Zweck derselben ist, den Mit- gliedern bei ihrem Austritte ein kleines Capital zu sichern. Bei jedem dieser Fonds zahlen die Mitglieder 5^0 ihrer Bezüge [exclusive Zulage] und bei dem Sparfonds für Beamtinnen leistet die Süd- bahn einen gleich hohen Betrag. Eine ähnliche Institution besteht bei der

Stauding- Stramberger Local- bahn,*) deren »Personalfonds« von den Bediensteten 6®/Qige Beiträge einhebt, während der Concessionär 14% der Ge- halte fortlaufend einzahlt. Hiedurch wird den Bediensteten beim Austritte, beziehungsweise beim Ableben deren Erben ein Capital gesichert. Die Neue Wiener Tram way-Gesellschaft*) hat seit dem Jahre 1 892 ihrem gesamm- ten Personale durch Vereinbarung mit einer Versicherungs - Gesellschaft eine Altersversorgung in Form einer Rente zugesichert.

Bei der Kremsthalbahn wurde mit I. Januar 1896 ein Pensionsfonds activirt. Bei den Böhmischen Commerzialbahnen haben sämmt- liche definitiven Beamten, Unterbeamten und Diener sowie deren Relicten An- spruch auf Versorgungsgenüsse, ohne dass ein besonderer Fonds besteht, nach- dem diese sämmtlichen Bediensteten auf Grund besonderer Vereinbarungen dem Pensions-, beziehungsweise Provisions- institute der Oesterreichisch -Ungarischen Staatseisenbahn- Gesellschaft angehören.

In Berücksichtigung dieser verschie- denartigen Vorsorgungen für den Alters- und Invaliditätsfall ergibt sich, dass bei den österreichischen und gemeinsamen Eisenbahnen für rund 67.000 Personen Altersversorgungen bestehen. Nach den vom statistischen Departement des Eisen- bahn - Ministeriums publicirten »Haupt- ergebnissender österreichischen Eisenbahn-Statistik« waren Ende 1 895 auf den gemeinsamen und österrei- chischen Bahnen beschäftigt: 22.945 Beamte, 1265 weibliche Bedienstete und 45.004 Diener, zusammen 69.214 Ange- stellte. Wenn man davon absieht, dass dem Pensionsfonds der Staatseisenbahn- Gesellschaft, wie erwähnt, auch die Beamten der Domänen angehören, so war für rund 96' 5% der Bediensteten Vorsorge für den Alters- und Invaliditäts- fall getroffen. Zieht man jedoch auch die Zahl der Arbeiter in Betracht, welche im Jahresdurchschnitte pro 1895, 92.183

*) Siehe die später folpjenden Aus- führungen über das »Fensions-Institut derOesterreichischenLocalbahnen«, Seite 332.

332

Emil Engelsberg.

beträgt, so ergibt sich eine Gesammtzahl von 161.397 Bediensteten und es zeigt sich, dass kaum die Hälfte der im Eisen- bahndienste verwendeten Personen An- spruch auf eine Altersversorgung besass. Als ein besonders bedauerlicher Man- gel musste es lange Zeit empfunden werden, dass bei dem grössten Theile unserer selbständig betriebenen Local- und Kleinbahnen dem in Verwendung stehenden Personale keine Institutionen für die Altersversorgung zu Gebote stan- den. Die österreichische Regierung hat schon vor Jahren diesem Umstände ihre Aufmerksamkeit zugewandt und das Handelsministerium bereits in einem Circularerlasse vom 7. Mai 1891 die Schaffung einer gemeinsamen Versiche- rungsanstalt für das den Pensions- und und Provisionsfonds nicht angehörige Personale der Eisenbahnen, beziehungs- weise von Eisenbahnen, wo keine der- artijj^en Fonds bestehen, angeregt. Der Verband der Oesterreichischen Local- bahnen erfasste diese Anregung und Dank der eisernen Consequenz und Zähigkeit in Verfolgung des Zieles ist es dem Verbände gelungen, nach lang- jährigen Berathungen die grossen Schwie- rigkeiten, die sich während der Berathun- gen erst recht deutlich zeigten, zu be- seitigen. Im Sommer des Jahres 1897 war man bereits zu dem erfreulichen Resultate gelangt, dass der Entwurf des Statutes vorlag und wurde dasselbe am 26. December 1897 vom Eisenbahn- Ministerium genehmigt. Das »Statut des Pension s-Institutes des Ver- bandes der österreichischen Lo- calbahnen für ihre Bediensteten, deren Witwen und Waisen« fordert von seinen Mitgliedern [den Bediensteten der Localbahnen] vom Tage der Aufnahme in das Pensionsinstitut bis zum Zeit- punkte des Beginnes des Pensionsbezuges als laufende Beiträge sieben Procent ihres Diensteinkommens und von da ab drei Procent ihrer Pension.

Diese letztere Art von Beitrags- leistung, nämlich jene von Pensionisten, kommt bei den Pensionsfonds der Eisenbahnen sonst nicht vor und wurde hier aus versicherungstechnischen Grün- den anpjenommen. Der Beitra^r von der

Pension entfällt aber auch hier, wenn der Bedienstete im Zeitpunkte seiner Pensionirung unverheiratet oder ver- witwet ist und keine Kinder hat, welche auf ein Waisengeld anspruchsberechtig^ sind. Ausser diesen sieben-, beziehungs- weise dreiprocentigen Beiträgen hat jedes Mitglied den zwölften Theil seines Dienst- einkommens als Eintrittsgeld [eventuell in 24 Monatsraten] zu leisten und 50 Procent von eventuellen Gehaltser- höhungen.

Die Localbahn-Verwaltungen haben an Beiträgen zu leisten: i. als ein- malige Widmungen 20 fl. für jedes Kilo- meter Bahnlänge [exclusive Schlepp- und Industriegeleisen], 2. den gleichen laufen- den Beitrag wie die Mitglieder [77o] ""^ 3. eventuelle ausserordentliche Zuschüsse, wenn die mindestens alle fünf Jahre vor- zunehmende versicherungstechnische Prü- fung einen Fehlbetrag ergeben sollte. Diese ausserordentlichen Zuschüsse sind bis zur Wiederherstellung des Gleich- gewichtes zwischen Leistung und Gegen- leistung zu entrichten.

Im Uebrigen sind die Bestimmungen über den J3eginn des Anspruches auf Pension, die Höhe derselben, das Wit- wengeld u. s. w. gleich mit den da- maligen Bestimmungen der Pensions- fonds bei den grossen Eisenbahnen.

Das Witwengeld beträgt ein Drittel des zuletzt von dem Mitgliede bezoge- nen festen Diensteinkommens, das Waisen- geld für Kinder, deren Mutter lebt, ein Fünftel des Witwengeldes, für ganz ver- waiste Kinder ein Drittel -des Witwen- geldes.

Grosses Verdienst um das Zustande- kommen dieser auf die versicherungs- technischen Berechnungen des Professors Dr. Karl Rosenberg aufgebauten In- stitution haben sich insbesonders Director Wilhelm H a 1 1 a m a [Dampftramway vor- mals Krauss & Cie.] und Arthur Mayer [Verwaltungsrath der Neuen Wiener Tramway] erworben.

Bei den k. k. Oesterreichischen Staats- bahnen wurde auf Initiative des seiner- zeitigen Präsidenten Dr. Leon Ritter von B i 1 i 11 s k i die Einbeziehung gewisser Arbeiter-Kategorien in das Statuten massig eingereihte Personale energisch in An-

Wohlfahrts-Einrichtungen.

333

gjifF genommen und mit Erfolg durch- geführt. Hiedurch ist diesem Personale Gelegenheit geboten, dem Provisions- fonds beizutreten und sohin einer Alters- versorgung theilhaftig zu werden. Im Jahre 1895 allein wurden bei den Oester- reichischen Staatsbahnen 6710 Arbeiter stabilisirt und wird diese Stabilisirung stetig fortgesetzt, was am Besten da- durch illustrirt wird, dass der Provisions- fonds der Oesterreichischen Staatsbahnen, welcher Ende 1894 20.427 Mitglieder hatte, Ende 1895 23.251 und Ende 1896 32.189 Fondstheilnehmer zählte. Auch die Privatbahnen haben seit eini- gen Jahren mit der Stabilisirung gewisser Kategorien von Arbeitern begonnen.

2, Krankencassen,

Nächst den Pensions- und Provisions- Instituten verdienen die Krankencassen die meiste Aufmerksamkeit unter den bestehenden Wohlfahrts-Einrichtungen.

Schon beim Entstehen der grösseren Bahnnetze zeigt sich das Bedürfnis, für den Erkrankungsfall der Bediensteten Vorsorge zu treffen. Dies geschah theils durch Errichtung von Krankenunter- stützungs-Cassen, die jedoch zumeist nur auf die Beiträge der Mitglieder und fall- wxise Zuwendungen seitens der Bahn- verwaltungen angewiesen waren, theils dadurch, dass manche Bahnverwaltungen die Kosten für Aerzte, Behandlung des Mitgliedes und Subsistenz desselben während der Krankheit aus Eigenem bestritten. Bei einzelnen Verwaltungen bestanden von den Bediensteten selbst- gegründete Krankenvereine, welche in der Regel jeder Ingerenz der Bahnver- waltung entrückt waren.

Die Kaiser Ferdinands-Nord- bahn führte die Handhabung der Kran- kenpflege für ihre Bediensteten in der Weise durch, dass jede Beitragsleistung der Bediensteten ausgeschlossen war. Für die Bediensteten der ehemaligen k. k. Staatseisenbahnen wurden in den grösseren Verkehrscentren eigene Krankenunterst ützungs- Gassen errichtet und für die Verwaltung dieser Gassen im Jahre 1853 von der Staatsverwaltung

specielle Bestimmungen hinausgegeben. Diese Krankencassen, und zwar jene für die nördliche Linie in Prag, dann jene für die südöstliche Linie in Pest übergingen am I. Januar 1855 an die Staatseisen- bahn-Gesellschaft, .jene für die südlichen Linien an die Südbahn. Vom Beginne an betrug der Beitrag der Mitglieder einen Kreuzer G.-M. von jedem Gulden des Gehaltes, beziehungsweise des Jahres-, Wochen- oder Taglohnes. Anlässlich der I Einführung der österreichischen Währung \ wurde dieser Beitrag vom i. November 1858 angefangen mit zwei Neukreuzer von jedem Gulden österr. Währ, festgestellt. Diese Beitragsleistung blieb seither die allgemein übliche. Inzwischen wurde in Oesterreich die socialpolitische Gesetz- gebung in Angriff genommen und die Krankenversicherung durch das Gesetz vom 30. März 1888, R.-G.-Bl. Nr. 33, obligatorisch eingeführt.

Die Krankenunterstützung wird im Erkrankungsfalle durch 20 Wochen ge- währt.*)

Das höchste zulässige Ausmass der Unterstützungen ist im Gesetze wie folgt bestimmt :

Krankengeldhöhe : 75^0 ;

Längster Bezug der Unterstützungen : ein

Jahr ; Maximalhöhe der Beerdigungskosten :

50 Gulden.

Diese Maximalgrenzen, wie auch ver- schiedene andere Bestimmungen bezüg- lich der Beitragsleistungen u. s. w. gel- ten jedoch gemäss § 53 des erwähnten Gesetzes für die österreichischen Staats- bahnen nicht; für die Bediensteten der- selben wurde vom k. k. Eisenbahn- Ministerium im ersten Halbjahre 1898 ein neues Krankencassen-Statut hinaus- gegeben, welches bezüglich der Kranken-

*) Für die Bahnen des Occupations- Gebietes bestehen ebenfalls Kranken- und Unterstützungsfonds, welche ihren Mitglie- dern [Bediensteten und Civilarbeitern] fast die gleichen Leistungen gewähren, wie die Krankencassen der österreichischen Eisen- bahnen. Die Mitglieder zahlen bei denselben 2°/o vom Gehalte, beziehungsweise Lohne, während die Bahnverwaltungen einen Betrag in der Hrthe von 20^0 der von den Mit- gliedern geleisteten Einzahlungen beisteuern.

334

Emil Engelsberg.

geldhöhe und des Ausmasses der Beerdi- gungskosten - Beiträge äusserst weit- gehende Beneficien für die Cassenmit- glieder festsetzt.

Bezüglich Umgestaltung der bei den Verkehrs-Untemehmungen bestandenen Krankencassen irt nach dem Gesetze eingerichtete Betriebs- Krankencassen ent- halten die §§ 52 und 53 des Kranken- versicherungs-Gesetzes die einschlägigen Bestimmungen und der Motivenbericht der Regierung zu diesem Gesetze hob ausdrücklich hervor, dass die Regierung Werth darauf lege, die bewährten ausgezeichneten Unterst ützungs- cassen der Eisenbahn- und Schiff- fahrtsbetriebe zu erhalten.

Die Eisenbahnbetriebs-Krankencassen in Oesterreich weisen mit Ende des Jahres 1895 134.288 Mitglieder mit einem Jahresbeiträge von 1,016.573 fl. ^ aus, während die Leistungen dieser Gassen an die Mitglieder in dem bezeichneten Jahre sich auf 1,492.386 fl. beliefen. Der Vermögensstand der bei den k. k. Staatsbahnen und den Privateisenbahnen Ende 1895 bestandenen 28 Betriebs- Krankencassen betrug am 31. December

1^95 i?3 15-495 A- [Ende 1896, bei 140.734 Mitgliedern, Vermögensstand

1,513.713 fl-]

Seit dem Bestände dieser Gassen, d. i.

vom Jahre 1889 bis inclusive 1896 wurde von den Mitgliedern an Beiträgen einge- zahlt: 6,912.397 fi.

dagegen beliefen sich im gleichen Zeiträume die den Mitgliedern gewährten Lei- stungen der Gassen auf: 9,579.940 fl.

sühin erhielten die Mitglieder 2,667.543 fl. mehr, als ihre Einzahlungen sich beliefen.

Ausserdem wurden bis Ende 1896 Reserven in der namhaften Höhe von 1,513.713 fl. angesammelt. Diese Ver- mögensansammlung ist sehr bedeutend, wenn man bedenkt, dass die alten Krankenunterstützungs-Gassen der öster- reichischen Eisenbahnen in dem Zeit- räume vom Jahre 1858 bis inclusive 1887, also innerhalb 30 Jahren blos C!apitalien im Betrag von 2,055.295 fl. an- sammeln konnten, wobei die Leistungen an

die Mitglieder vom Decenniumi878 bis inclusive 1887 rund 9 Millionen Gulden betrugen, wogegen selbe bei den neuen Krankencassen in kaum mehr als sieben Jahren sich auf rund 9,600.000 fl. be- laufen. Dieses überaus günstige Resul- tat muss noch durch zwei Momente be- sonders beleuchtet werden. Erstens ge- währen alle Betriebs- Krankencassen der österreichischen Eisenbahnen Leistungen, welche weit über das gesetzliche Mindest- ausmass [§§ 6 8 des Krankenversiche- rungs-Gesetzes] hinausgehen und bieten überdies auch für die Angehörigen der Mitglieder erhebliche Bene- ficien, was bei den Bezirks-Kranken- cassen nicht geschieht, und welche Beneflcien bei manchen Krankencassen insbesonders für Medicamente und Heil- mittel oft einen sehr bedeutenden, mit- unter sogar einen selbst die Leistung an die Mitglieder übersteigenden Auf- wand erfordern; zweitens tragen die Bahnverwaltungen, abgesehen von der ziemlich erheblichen und gewiss gerecht- fertigten Parti cipation an den Kosten des ärztlichen Dienstes, zumeist auch alle Verwaltungskosten, selbst jene, welche gesetzlich den Krankencassen zur Selbst- zahlung zufallen würden. Es soll hier nicht verschwiegen werden, dass die Betriebs -Krankencassen überhaupt und speciell auch jene der österreichischen Eisenbahnen, Gegenstand so mancher Angriff'e sind, allein wer offen und rück- haltlos, ferne von irgend einem politi- schen Schlagworte, die Betriebs -Kranken- cassen der Eisenbahnen von dem Standpunkte ihrer Leistungen und. Ergebnisse beurtheilt und dies scheint wohl das Richtigste zu sein der muss zugeben, dass diese Gassen, ebenso wie die früheren Krankenunter- stützungs-Gassen sich vorzüglich be- währen und mustergiltig organisirt sind. Die angegebenen wenigen Ziffern über die Resultate der Eisenbahnbetriebs-Kranken- cassen seit ihrem Bestände, sagen wohl mehr, als stundenlange Reden oder bo- genstarke Broschüren über die Schädlich- keit der Betriebs-Krankencassen. Dass das Krankenversicherungs-Gesetz Mängel hat, wie jedes Menschenwerk, dass die aus dessen bisheriger Handhabung ge-

Wohlfahrts-Einrichtungen.

335

wonnenen Erfahrungen Anlass zu weiter- gehenden Verbesserungen bieten, dies verkennt gewiss Niemand und die vom Ministerium des Innern einberufene En- quete, welche vom 19. März bis 21. Mai 1897 währte, hat hierüber ein äusserst interessantes Material geboten, welches in einem stattlichen Bande [im Verlage der Hof- und Staatsdruckerei] pubücirt wurde.

Nachdem das Krankenversicherungs- Gesetz die bereits erwähnten Maximal- grenzen über die Höhe des Kranken- geldes, der Beerdigungskosten u. s. w. enthält, bildete sich eine Reihe von selbständigen Vereinen, beziehungsweise blieben die bereits bestehenden derartigen Vereine weiter in Action. Dieselben be- zwecken, ihren Mitgliedern [Eisenbahn- Bediensteten] ausser den Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherungen und den Mehrleistungen der Eisenbahnbetriebs- Krankencassen, noch weitere Kranken- unterstützungen, Sterbegelder u. s. w. zu gewähren. Da wir hier blos die Wohl- fahrts-Einrichtungen der Eisenbahnen be- sprechen, können wir nicht auch die von den Bediensteten selbst gebildeten Ver-^ eine näher ins Auge fassen. Wir wollen nur in Kürze aus einem trefflichen, im Club der österreichischen Eisenbahn- beamten am 10. Noveijiber 1896 gehal- tenen Vortrage des Inspectors S. Weill der Oesterreichischen Nordwestbahn er- wähnen, dass Ende 1895 in Oesterreich für Zwecke der Eisenbahn-Bediensteten mehr als 50 Krankenunterstützungs- und Sterbecassen-Vereine mit einem Ver- mögen von über 2 Millionen Gulden be- standen.

^. Unterstützungscassen.

Viele der vor Einführung der gesetz- lichen Krankenversicherung bestandenen Kranken- undUnterstützungs-Cassen haben bei der Umbildung in, nach dem Ge- setze eingerichtete Betriebs - Kranken- cassen die Vermögensstände diesen neuen Gassen überwiesen, und zwar insbesondere im Hinblicke auf die grossen M e h rleistun- gen, welche die neuen Gassen gegenüber den in den Gesetzen fixirten Mindest-

leistungen übernommen haben. Bei man- chen Bahnverwaltungen wurden jedoch über Wunsch der Mitglieder aus diesen Ver- mögensbeständen eigene Unterstützungs- ^cassen gebildet, beziehungsweise wer- den diese Bestände weiterhin zur Ge- währung solcher Unterstützungen ver- wendet, welche in den Krankencassen- Statuten nicht vorgesehen sind. Diese Gassen gewähren insbesonders Unter- stützungen bei durch Krankheit oder Todesfälle entstandener Nothlage, einige derselben Abfertigungen an Hinterblie- bene nicht pensions-, beziehungsweise provisionsfähiger Bediensteter, Beerdi- gungskosten für Familienangehörige, Er- höhungen der im Krankencassen- Statute vorgesehenen, oft nicht ausreichenden Beerdigungskosten, weiters in einzelnen Fällen unverzinsliche oder ganz gering verzinsliche Vorschüsse u. s. w. Die Details über diese Unterstützungscassen sind in der nachstehenden Tabelle [Seite 336] enthalten.

Der Unterstützungsfonds der bestan- denen [verstaatlichten] Böhmischen Westbahn gewährt Unterstützungen an Arbeiter und Bedienstete, welche bei dieser Bahn gedient haben, erwerbs- unfähig geworden sind- und auf Ruhe- bezüge [Pension, Provision] keinen An- spruch haben.

Eine ähnliche Institution ist der mit I. Januar 1897 activirte Unterstützungs- verein der Kaschau-Oderberger Eisenbahn, wie auch der bei der Auss ig -Tep litzer Bahn bestehende Unterstützungsfonds.

Bei den Oesterreichischen Staatsbahnen besteht seit dem Jahre 1893 der »Aerzte- Unterstützungs- fonds der Krankencasse«, welcher an dienstunfähig gewordene, hilfsbedürftige und nicht pensionsfähige Bahnärzte sowie an deren Hinterbliebene einmalige oder fortlaufende Gnadenpensionen, be- ziehungsweise Gnadengaben gewährt. Ein Fonds mit der gleichen Bestimmung besteht [seit 1886] auch bei der Süd- bahn.

Im Uebrigen sei hier auf die nach- stehende Tabelle [Seite 336] und auf den später folgenden Abschnitt über »Stiftun- gen« hingewiesen.

336

Emil Engelsberg.

Unterstütztings-Cassen bei den österreichischen Eisenbahnen.

Be- stehend seit

1889

1890

X893

1886

1889

1876

1889

1890

1889

1874

Leistung seit demfie-

Stande in fl. ö. W.

Vermögen Ende 1895 in fl. ö. \V.

K, k, Oesterreichische Staatsbahnen.

UnterstUtzungsfonds der bestandenen Böhmischen Westbahn [aus dem Vermögen der bestan- denen KrankenunterstÜtzungs-Casse] gebildet .

UnterstUtzungsfonds der Krankencasse [aus dem bis August 1889 herrührenden Vermögen der Kranken-Unterstützungsvereine]

Aerzte-Unterstützungsfonds der Krankencasse .

Fonds- »Widmungen für Unterstützungen! ♦) [seit einigen Jahren gebildet aus Erträgnissen des Almanach, Neujahrs-Enthebungen etc.] . . .

Südbahn. Aerzte-Unterstützungsfonds .

it

Aussig- Teplitzer Eisenbah n,

Unterstützungsfonds für Diener und Arbeiter in Krankheitsfällen, wo die Betriebs-Krankencasse keine Unterstützung mehr gewähren kann [aus dem Vermögen der alten Krankencasse gebildet]

Unterstützungsfonds für Bedienstete, welche in Nothlagen und Unglücksfällen weder aus dem Pensions- noch Krankenfonds Unterstützungen beanspruchen können

Böh m ische No rdbah n,

Krankenunterstützungs-Fonds [aus dem Vermögen des alten Krankenunterstützungs-Fonds gebildet]

Unterstützungsfonds vornehmlich zur Unter- stützung solcher Witwen und Waisen, welche keine Pension beziehen

Busch tch rader Eisen ba h n .

Unterstützungsfonds [aus dem Vermögen der alten Krankencasse gebildet]

Kahlenberg' Eisen bah n .

i

Kranken-Hilfsfonds

*) Leistung im Jahre 1895 = 5628 fl.

23.122

120.708 5.940

9.830

10.278

12.727

13-408

8.088

25.332

3247

133-664

446.760 22350

2.003

5.170

153-030

16.592

40.043

27065

194.949

2.980

Wohlfahrts-Einrichtungen.

337

Be-

steheod

seit

1876

1889

1889

Oesterreichische Nordwesthahn und Süd -nord- deutsche Verbindungshahn.

Unterstützungsfonds gebildet aus den Enthe- bungen von der Neujahrs - Gratulation und diversen Zuwendungen

Unterstützungsfonds [aus dem Vermögen des bis I. Juni 1896 bestandenen Krankenunterstützungs- instituts gebildet]*)

Eisenbahn Wien-Aspang.

Untersttitzungsfonds [aus dem Vermögen des bis ' I. Juni 1889 bestandenen Kranken - Institutes , gebildet]

seit^dem^Be- ' Vermögen

stanze ^^^\'^^-

in fl. ö. W. ^" ^- ^- ^'

Summa

20449

94.564

2.431

350.124

1.534

331.441

9.586

1,387.167

Rate n.

*) Gewährt auch Vorschüsse gegen 5% Zinsen und Abstattung in ganz kleinen

Von selbständigen Vereinen sei hier als einer der grössten der im Jahre 1 864 von Wenzel de Laglio, General-Inspector der priv. Oesterreichisch - Ungarischen Staatseisenbahn-Gesellschaft, gegründete Unterstützungs verein speciell erwähnt. Derselbe hat seit seinem Bestände an die Hinterbliebenen von 2706 Mitgliedern 2,039.129 fl. ausbezahlt. Ende 1895 zählte dieser Verein 6655 Mitglieder, welche ein Capital von 5,319.000 fl. versichert hatten. Inzwischen hat sich dieser Verein im Sinne des Assecuranz- Regulativs vom 5. März 1896 in den > Lebens versicherungs- Verein von Eisen- bahn-Bediensteten« [also für Bedienstete aller Bahn Verwaltungen] umgestaltet.

4. Unfall- Versicherung.

Schon vor Einführung der gesetz- lichen Unfall- Versicherung bestanden bei den k. k. Oesterreichischen Staats- bahnen und bei der Südbahn eigene Unfallscassen, welche bei Verletzungen, die in Ausübung des Dienstes herbeigeführt waren, Versicherungs - Capitalien ge- ;

Geschichte der Eisenbahnen. III.

währten. Die Unfallscasse der k. k. Staats- bahnen wurde im Hinblicke auf die erfolgte Ausdehnung der Unfall - Versicherung auf das gesammte Eisenbahn-Personale Ende Juni 1895 aufgelöst und die Ein- zahlungen den vorhandenen Mitgliedern rückgezahlt. Der Unfallversicherungs- Fonds der Südbahn nimmt mit Rücksicht auf die erwähnte Ausdehnung des österreichi- schen Unfallversicherungs-Gesetzes seit I. Januar 1895 die auf der österreichi- schen Strecke verwendeten Bediensteten nicht mehr als Mitglieder auf und wurde bestimmt, dass nach Gründung der unga- rischen Unfall - Versicherung und nach Deckung sämmtlicher Verpflichtungen, der verbleibende Vermögensrest zwischen den beiden Krankencassen und dem Pensions- fonds für Diener zu vertheilen ist. Gegen- wärtig besteht also der Fonds noch für die ungarischen Linien und hatte der- selbe Ende 1895 ein Vermögen von 109.482 fl., welches Ende des Jahres 1896, soweit es nicht für die ungari- schen Linien als Stammfonds nöthig war, der österreichischen und der unga- rischen Krankencasse und dem Pensions- fonds für Diener zugewendet wurde.

22

338

Emil Engelsberg.

Was die gesetzliche Unfall- Versiche- rung anbetrifft, so haben sich im Sinne des § 58 des österreichischen Unfallver- sicherungs-Gesetzes vom 28. December 1887, R.-G.-Bl. Nr. I ex 1888, die öster- reichischen Eisenbahn-Gesellschaften ver- einigt, um die vorgeschriebene Unfall- Versicherung der von ihnen in versiche- rungspflichtigen Betrieben beschäftigten Arbeiter und Betriebsbeamten durch Er- richtung einer besonderen Unfallver- sicherungs-Anstalt selbst zu bewirken. Diese am i. November 1889 activirte Anstalt führt die Firma: »Berufs- genossenschaftliche Unfallver- sicherungs-Anstalt der öster- reichischen Eisenbahnen« und hat ihren Sitz in Wien.

Nach dem vorbezeichneten und dem Gesetze vom 20. Juli 1894, Artikel VII, womit die Versicherung auf alle Eisen- bahn - Bediensteten ausgedehnt wurde, wird dem verletzten Theilhaber, vom Beginne der fünften Woche nach Eintritt des Unfalles an gerechnet, für die Dauer der Erwerbsunfähigkeit eine Rente ge- währt, welche im Falle gänzlicher Er- werbsunfähigkeit und für die Dauer der- selben 6o^/(^, beziehungsweise 90 bis I20*/o des vollen Jahres- Arbeitsverdienstes und im Falle theilweiser Erwerbsunfähig- keit und für die Dauer derselben einen Bruchtheil dieser Rente beträgt, welcher nach dem Masse der verbliebenen Er- werbsunfähigkeit zu bemessen ist, jedoch nicht über 50^/0, beziehungsweise 75^0 des Jahres-Arbeitsverdienstes betragen darf.

Erfolgt der Tod aus dem Betriebs- unfälle, so wird gewährt:

1 . Ein Beerdigungskosten - Beitrag, jedoch mit dem Höchstbetrage von 25 fl.

2. Den Hinterbliebenen des Getödteten vom Todestage angefangen eine Rente, und zwar: der Witwe bis zu deren Tode oder Wiederverheiratung 20%, be- ziehungsweise SsVaVo ^^s oben bezeich- neten Jahres-Arbeitsverdienstes, für den Witwer, insolange er erwerbsunfähig ist, 20%, beziehungsweise 33V3^/o ""^ ^^^ jedes hinterbliebene eheliche Kind bis zum zurückgelegten 15. Jahre desselben 15%, be- ziehungsweise 25%, wenn es auch den zweiten Elterntheil verliert, 20 "/^,, be-

ziehungsweise 3378%) femer für jedes hinterbliebene uneheliche Kind lo^o» be- ziehungsweise lö^/j^o bis zum zurück- gelegten 15. Jahre. Die Renten der Witwe, beziehungsweise des Witwers und der Kinder können zusammen 50%, beziehungsweise 8373% ^^ Jahres- Arbeitsverdienstes nicht übersteigen.

3. Für Ascendenten des Verstorbenen, wenn dieser ihr einziger Ernährer war, bis zu dem Tode oder bis zum Wegfall ihrer Bedürftigkeit 20%, beziehungsweise 33 Vs^ ^^s Jahres-Arbeitsverdienstes.

Wir wollen hier die wichtigsten Daten über die seitherige Geschäftsperiode [vom I. November 1889 bis 31. December 1 895] der benrfsgenossenschaftlichen Unfall versicherungs- Anstalt anfügen. Im Jahre 1890 waren bei derselben 28.603 Personen mit einer Lohnsumme von 12,071.020 fl. versichert, während durch die erwähnte Ausdehnung des Unfall- versicherungs - Gesetzes auf alle Be- diensteten, beziehungsweise alle im Bahn- dienste Beschäftigten diese Ziffern im Jahre 1895 eine enorme Steigerung er- fuhren, und zwar waren Ende dieses letztgenannten Jahres versichert: 168.633 Personen mit einer Lohnsumme von 87,674.6190. Die Versicherungsbeiträge, welche auf Grund des vom Ministerium des Innern hinausgegebenen Beitrags- tarifes, beziehungsweise nach den ein- schlägigen statutarischen Bestimmungen ermittelt werden, trägt laut Artikel VII, Absatz 3, des Gesetzes vom 20. Juni 1894 der Betriebs-Untemehmer [das sind die Bahn Verwaltungen] allein. Die Ge- sammt - Ergebnisse der Gebarung der »berufsgenossenschaftlichen Unfallver- sicherungs-Anstalt der österreichischen Eisenbahnen« seit ihrem Bestände, sind in nebenstehender Tabelle [Seite 339] zur übersichtlichen Darstellung gebracht.

5. Spar- und Vorschusscasseit,

Nicht Jedermann, der auf ein be- stimmtes Einkommen angewiesen ist, versteht klug hauszuhalten anderer- seits wieder bringt das Leben oft dem gewissenhaftesten Menschen Unfälle aller Art. Kurz gesagt, für Krankheit, körper-

Wohlfahrts-Einrichtungen.

339

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340

Emil Engelsberg.

liehe Unfälle, Todesfall, ist dem Eisen- bahn-Bediensteten und seinen Ange- hörigen in mannigfachster Weise Unter- stützung geboten, für die vielen anderen Nothlagen jedoch, welche die dahin- stürmenden Wogen des Lebens bringen, bedarf derselbe gar oft einer weiteren Beihilfe und diese Lücken sollen im Vereine mit den Unterstützungs-Cassen die Spar- und Vorschusscassen aus- füllen.

Die meisten grossen Bahnverwaltungen haben dies durch Errichtung oder För- derung der Errichtung solcher Cassen anerkannt. Bei der grossen Zahl der Eisenbahn-Bediensteten konnte jedoch die Zahl dieser Cassen nicht vollends genügen, und abgesehen von diesen unter bahngesellschaftlicher Aegide stehenden Cassen, hat sich auf Grund des Ge- nossenschafts-Gesetzes eine grosse Zahl von Consortien gebildet. Die Auf- zählung aller dieser Vereine würde zu weit führen und überdies rangiren die- selben als Erwerbs - Genossenschaften strenge genommen auch nicht zu den Wohlfahrts-Einrichtungen. Wir werden daher nur die wichtigsten Daten, und zwar nur bezüglich der grössten der- artigen Cassen, beziehungsweise Con- sortien anführen.

Von den Bahnverwaltungen errichtete Spar- und Vorschusscassen bestehen bei den Oesterreichischen Staatsbahnen und bei der Südbahn :

Die Spar- und Vorschusscasse der Süd bahn wurde im Jahre 1868 ge- gründet, jene der Oesterreichischen Staats bahnen ist aus der im Jahre 1877 von der Kaiserin Elisabeth-Bahn gegründeten Casse hervorgegangen. Diese Spar- und Vorschuss-Casse hat in der Zeit vom Jahre 1882 bis Ende 1896 an Vorschüssen rund 2^2 Millionen Gulden ertheilt und erhält zu diesem Zwecke auch von der Staatseisenbahn- Vervvaltung theils unverzinsliche, theils verzinsliche Vorschüsse. Die Einlagen der Bediensteten betrugen Ende 1895 214.417 fl.

Grossen Umfang haben auch die vorerwähnten Spar- und Vorschuss- Consortien ; die bedeutendsten derselben sind :

1

, Bestehend 1

Um 5

1

Spar- und Vor- \

schuss-Consortium

derOesterreichi-

schenNordwest-

1 bahn

1874

1448

257.077

Spar- und Vor-

schuss-Consortium

»N 0 r d b a h n- '

bundc 1

1

1889

2555

63.222

Im letzten Decennium gewährten an Vorschüssen :

Die Spar- und Vorschuss- casse der k. k. Staats- bahnen fl. 1,674.300

Die Spar- und Vorschuss- casse der Südbahn ...» 1,399-378

Das Spar- und Vorschuss- Consortium der Süd-nord- deutschen Verbindungs- bahn und Nordwestbahn » 1,723.759

Das Spar- und Vorschuss- Consortium »Nordbahn- bund« [seit 1889] . . . > 1,581.958

Ferner bestehen grössere Spar- und Vorschuss-Consortien bei der Staats- eisenbahn-Gesellschaft, der Süd- bahn etc. und ist auch bei dem Oester- reichischen Eisenbahnbeamten-Verein eine eigene Spar- und Vorschuss-Abtheilung activirt, deren Vereinigung mit einem an- deren Consortium jedoch bereits im Zuge ist. Auf Vollständigkeit kann diese Aufzählung keinen Anspruch machen, da fast alljährlich neue Consortien von Eisenbahn-Bediensteten gegründet werden.

Interessant sind die Details über die seit I. August 1878 bestehende Kinder- Sparcasse für Angestellte und stän- dige Arbeiter der Kaiser F erdin an ds- Nordbahn. Dieselbe hat den Zweck, den Kindern durch Ansammlung kleiner Geldbeträge und zinsbare Anlegung der- selben bis zum vollendeten 16. Lebens- jahre ein kleines Capital zu verschaffen.

Wohlfahrts-Einrichtungen.

341

um ihnen beim Eintritte ins Leben das weitere Fortkommen zu erleichtem. Ende 1895 hatten bei dieser Kinder-Sparcasse 2397 Sparer ein Guthaben von 251.243 fl. Für die grosse Anzahl der öster- reichischen Eisenbahnbeamten ist die Zahl der Spar- und Vorschuss- Vereine eine gewiss nicht genügende, denn es ist ja leider nur zu bekannt, dass von jenem traurigen Materiale, welches dem professionsmässigen Geldverleiher als Beute zufällt, die Eisenbahn-Bediensteten einen sehr bedeutenden Theil bilden. Nach der officiellen Eisenbahn-Statistik beträgt das Jahres -Einkommen eines Eisenbahn-Bediensteten in Oesterreich*) durchschnittlich 750 fl. und wenn man die allgemeine Verwaltung ausser Be- tracht lässt, welche die höheren Functio- näre umfasst, 720 fl. Hält man dem entgegen, dass bei den Spar- und Vor- schuss-Vereinen für Eisenbahn-Bedienstete im Durchschnitt fast tiberall mehr als die Hälfte der Mitglieder als Schuldner figuriren und dass bei einzelnen dieser Gassen 25 ^/^ der Bediensteten tiberhaupt mit Vorschüssen belastet erscheinen, so ist wohl erwiesen, wie oft die Noth an den Eisenbahn-Bediensteten herantritt und wie oft es ihm nicht möglich ist, den Bedürfnissen des täglichen Lebens für sich und die Seinen aus seinem Berufs- einkommen zu genügen.

6. Lebensmittel' Magazine^ EquipU rungS'Cassen,

Zu den Wohlfahrts-Einrichtungen müs- sen jedenfalls auch die Lebensmittel- Magazine und Equipirungs- Gassen gezählt werden, welche dem Zwecke dienen, den Bahnbediensteten die nothwendigsten Le- bensmittel und Kleider in guter Qualität zu den erreichbar billigsten Preisen und, wenn möglich, unter den leichtesten Zahlungsbedingungen zu verschaffen.

Die Lebensmittel-Magazine gemessen durchwegs seitens der Bahn Verwaltungen namhafte Beneficien, sei es nun durch Gewährung von unverzinslichen Vor-

*) Vgl. Näheres Bd. III, F. Mähling: Organe des Betriebes.

Schüssen oder durch unentgeltliche Bei- stellung der nöthigen Locali täten sowie durch Gewährung von grösseren Fracht- Begünstigungen u. s. w. Die grössten derartigen Magazine besitzen:

Die Aussig- Teplitzer Bahn, das seit dem Jahre 1875 bestehende Magazin, an welchem 939 Mitglieder betheiligt sind.

Die Oesterreichisch-Ungarische Staatseisenbahn-Gesellschaft hat die Lebensmittel-Magazine gleich- falls selbst errichtet und eingerichtet, und zwar das erste Magazin im Jahre 1864 in Böhmisch-Trübau. Hierauf er- folgte die Errichtung von Magazinen in Prag, Stadlau, Marchegg, Wien [am Bahnhofe und Filiale in der inneren Stadt], Simmering, Halbstadt, Brunn, Bodenbach und Wessely a. M. Diese zehn Lebensmittel-Magazine hatten in den letzten zehn Jahren einen durch- schnittlichen Umsatz von 888.150 fl. Die Zahl der Mitglieder beträgt im Durch- schnitte 9000 10.000.

Die Kaiser Ferdinands - Nord- bahn besitzt, ebenfalls als eine gesell- schaftliche Institution, ein im Jahre 1871 errichtetes Lebensmittel-Magazin in Wien nebst Filialen in Floridsdorf und Mähr.- Ostrau. Der Umsatz dieser Magazine betrug im Jahre 1895 1,159.326 fl. Die Zahl der Theilnehmer 8333. Der Be- triebs-Reservefonds, der Ende 1895 eine Höhe von 69.553 fl. erreichte, ist Eigen- thum der Bahnverwaltung.

Auf den Linien der Südbahn be- stehen Approvisionirungs- Magazine in Wien [errichtet im Jahre 1868], Marburg [gehörig zu der dortigen Arbeiter- Golonie und errichtet 1874] und Innsbruck [er- richtet 1888].

Der durchschnittliche Jahresumsatz dieser drei Magazine beträgt bei einer Abnehmerzahl von circa 6000 Bedienste- ten rund eine Million Gulden.

DieOe st er reich i sehe Nordwest- bahn und Süd-norddeutsche Ver- bindungsbahn besitzt ein im Jahre 1 880 errichtetes Lebensmittel-Magazin in Wien nebst Filialen in Reichenberg, Nimburg und Jedlesee. Der Waarenumsatz betrug im Jahre 1895 481.850 fl., im De- cennium 1886 1895 4,018.733 fl.

342

Emil Engelsberg.

Bei den k. k. Oesterr eichischen Staatsbahnen bestanden bis zum Jahre 1893 in sechs Hauptstationen Lebens- mittel-Magazine, welche gegen 12.000 Mitglieder zählten und einen durchschnitt- lichen Jahresumsatz von 1,450.000 fl. hatten. Im bezeichneten Jahre haben sich diese Magazine in Consum vereine als registrirte Genossenschaften mit be- schränkter Haftung umgestaltet, welche demgemäss auch völlig autonom und unabhängig von der Staatseisenbahn- Verwaltung geleitet werden.

Im Decennium 1886 bis 1895 betrug der Umsatz bei den nachbenännten Maga- zinen die nachstehend angegebene Höhe :

fl. 5,509.958

» 208.000

» 2,956.070

» 2,852.000

> 222.000

Wien

Linz [creirt 1894] . . Salzburg . . . . Knittelfeld [creirt 1887] Lemberg [creirt 1893]

Bei der Kaschau-Oderberger Eisenbahn wurde im Laufe des Jahres 1 896 gleichfalls einConsumverein activirt.*)

Bei einzelnen grösseren Verwaltungen [k. k. Oesterreichische Staatsbahnen, Staatseisenbahn-Gesellschaft, Kaiser Ferdi- nands-Nordbahn u. s. w.] bestehen auch Speise- Anstalten und bei einigen Ver- waltungen wird dem Fahrpersonale in der Winterszeit schwarzer Kaffee oder Thee auf Kosten der Bahn verabreicht.

Was die Equipirungs-Cassen betrifft, so haben dieselben bisher keine besonderen Erfolge zu verzeichnen. Bei den k. k. Oesterreichischen Staatsbahnen wurde im Jahre 1886 eine derartige Gasse errichtet und im Jahre 1891 in eine Uniformirungs- Gasse umgewandelt, welche letztere jedoch im Jahre 1894 bereits aufgelassen wurde.

Eine bemerkenswerthe Ausnahme

*) Bei den Bosnisch -Herze^owinischen Staatsbahnen besteht seit 1894 gleichfalls ein Lebensmittel-Mat^azin in Sarajewo, welches einen Jahresumsatz von rund 75.000 fi. aus- weist und seit 1889 eine Eq^uipirungs-Casse. Für die Bediensteten der Militärbahn Banjaluka- Doberlin hat das k. u. k. Reichs-Krieji;smini- sterium im Jahre 1894 in Banjaluka ein Lebens- mittel-Magazin errichtet, welches trotz der verhältnismässig geringen Anzahl der Be- diensteten [300 400], einen Jahresumsatz von 30.000 11. hat.

macht die seit dem Jahre 1889 bestehende Equipirungs- und Ausstattungs-Gasse für Bedienstete derpriv. O est erre ichisch- Ungarischen Staatseis enbahn- Gesellschaft [eine registrirte Ge- nossenschaft mit beschränkter Haftung], welche sohin von der bahngesellschaft- lichen Ingerenz abseits steht und eben- falls nicht zu den eigentHchen Wohl- fahrts-Einrichtungen gezählt werden kann. Wir erwähnen diese Gasse deshalb, weil dieselbe, unter der tüchtigen Leitung des Hauptcassen-Gontrolors Karl F i c h n a stehend, eine der wenigen derartigen Gassen ist, welche eine erfolgreiche Ge- barung hat und ihren Mitgliedern, von welchen sie überdies auch Spareinlagen entgegennimmt, verhältnismässig bedeu- tende Vortheile beim Waareneinkaufe bietet.

Eine eigene Uniformirungs-Gasse für Beamte und Unterbeamte be- sitzt seit dem Jahre 1892 auch die Neue Wiener Tramway-Gesell- schaft. Bei dieser Gasse leistet die Gesellschaft für jeden im Executiv- dienste stehenden Beamten und Unter- beamten einen jährlichen Zuschuss von 36 fl. und für jene Bureaubeamte, welche nur im Bedarfsfalle für den Executiv- dienst herangezogen werden, einen Jahres- zuschuss von 18 fl.

Ausserdem gewährt eine grössere Reihe von österreichischen Bahnverwal- tungen dem Beamtenpersonale theils ein- malige, theils jährliche Uniformirungs- Beiträge, ohne dass eigene Uniformirungs- Gassen bestehen.

7. Arbeiter- Colonien und - Wohnhäuser,

Der grosse englische Philanthrop Richard Owen und nach ihm viele edle Menschenfreunde haben wiederholt dar- gelegt, dass ein halbwegs auskömmlicher Verdienst eine Arbeiterfamilie nicht allein I zufrieden macht. Die Freude an einem ! geordneten und behaglichen, wenn auch noch so bescheidenen Heim, das ist der gute Geist, welcher den Arbeiter in seinen freien Stunden an sein Heim und seine Familie fesselt.

Wohlfahrts-Einrichtungen.

343

Im Jahre 1888 veröffentlichte die Oesterreichisch-Ungarische Staatseisenbahn - Gesellschaft eine Broschüre über ihre bei den Berg- und Hüttenwerken und Domänen be- stehenden Wohlfahrts - Einrichtungen, welche allerdings dem Eisenbahn- Perso- nale nur in ganz beschränktem Masse dienen, und demnach hier, wo nur das Eisenbahnwesen behandelt wird, nicht eingehend besprochen werden können; aber erwähnen wollen wir nur den Schluss- satz dieser interessanten Schrift, welcher lautet: »Das geistige und materielle Wohl des Personales in jeder Weise zu fördern und zu unterstützen, ist das wahre Ziel, der mächtigste Hebel der modernen Industrie. «

Diesen Satz muss jeder Menschen- freund unterschreiben, und es haben auch die meisten grösseren Eisenbahn -Ver- waltungen Oesterreichs theils aus gesell- schaftlichen Mitteln, theils aus dem Ver- mögen der Humanitätsfonds Beamten- und Arbeiter -Wohnhäuser erbaut, wie auch ganze Colonien angelegt. Was in dieser Beziehung von den Bahnver- waltungen geschaffen wurde, kann Allen, die sich für Hygiene interessiren, als Muster und Massstab dienen.

Bei dem grossen Umfange aller dieser Herstellungen kann natürlich hier nur der grössten Anlagen gedacht werden.

Bei den k. k. Oesterreichischen Staatsbahnen wurde durch Erbauung von 280 Beamten- und Diener -Wohnge- bäuden und 134 Arbeiterhäusem, letztere mit 537 Wohnungen, für die möglichst be- queme und billige Bequartierung des Per- sonales Sorge getragen. Hiebei wurden insbesondere solche Stationen gewählt, welche entweder von den nächsten An- siedlungen weit entfernt liegen, oder in deren Umgebung Wohnungsnoth herrscht. Die grössten dieser Colonien-Anlagen sind in Gmünd mit vier einstöckigen Wohnhäusern, ferner in Neu-Sandec mit 96 Arbeiter- und 6 Beamten- Wohn- häusern, in Zagörz mit 12 und in Lem- berg mit 11 Arbeiter- W^ohnhäusem. Die Colonie in Neu-Sandec besitzt über- dies eine schöne Kirche und seit dem Jahre 1897 eine vierclassige Volks- schule. Die Kosten dieser letzteren Colonie

haben sich, inclusive der Kirche, auf Y2 Millionen Gulden belaufen. In 30 Stationen der k. k. Oesterreichischen Staatsbahnen bestehen Badeanstalten und andere für das leibliche und geistige Wohl der Bediensteten bestimmte In- stitutionen. Die grössten, allen Anfor- derungen der Hygiene entsprechenden Badeanstalten, versehen mit Douchen, Dampfbädern u. s. w., wurden in Knittel- feld, Landeck, Saalfelden und Stanislau eingerichtet. Dieselben werden im Jahre durchschnittlich von je 1000 Personen frequentirt.

Die Oesterreichisch-Ungarische Staatseisenbahn - Gesellschaft hat für ihre Bediensteten des Montan- besitzes und der Bahn [in Brandeisl- Kladno, Reschitza, Anina - Steyerdorf, Prag u. s. w.] zahlreiche Colonien mit Kirchen, Schulen, Wohnhäusern, Spitä- lern, Badeanstalten u. s. w., errichtet, deren wir schon in Kürze erwähnt haben.

Die Aussig-Teplitzer Eisenbahn besitzt in Aussig fünf Arbeiterhäuser mit zusammen 50 Wohnungen. Gegen den billigen Zins von jährlich 60 fi. erhält jede Partei eine Wohnung, bestehend aus Zimmer, Küche, Keller und Gärtchen.

Die Südbahn- Colonie in Marburg wurde im Jahre 1866 errichtet. Dieselbe besteht derzeit aus 41 Häusern mit 325 Wohnungen sammt Garten, einem Schul- hause, einem Asylhause und einem Appro- visionirungs-Magazine. Die Kosten der Anlagen beliefen sich Ende 1895 auf 517.OCX) fi. und die Kosten der Erhaltung betragen jährlich rund 3700 fi.

Gleichfalls ausgedehnte Colonien be- sitzt die Oesterr eichische Nord- westbahn, und zwar in den Stationen Jedlesee, Nimburg, Tetschen und ein Wohnhaus in Znaim. Die Colonie in Jedlesee besteht aus drei Beamten- und acht Arbeiterhäusem und einem Restau- rations-Gebäude mit zusammen 173 Woh- nungen.

Die Nimburger Colonie umfasst acht Beamten- und zwölf Zugsbegleitungs- Wohngebäude, 20 Arbeiterhäuser mit zahlreichen Nebengebäuden [mit zusam- I men 157 Wohnungen], die Schule, auf I welche wir späterhin zurückkommen, I Turnplatz, Kegelbahnen u. s. w.

344

Emil Engelsberg.

Die (Kolonie in Tetschen besteht aus fünf Wohnhäusern nebst Neben- gebäuden [mit 43 Wohngebäuden]. In allen diesen Anlagen ist ein Capital von 1,406.673 fl. investirt, welches sich, in Anbetracht des Zweckes, den Bedienste- ten billige und bequeme Wohnungen abzugeben, nur gering [im Jahre 1895 mit 2*3%] verzinst.

Die Kaschau-Oderb erger Bahn besitzt auf ihrer österreichischen Strecke zwölf Wohnhäuser für Bedienstete.

Nachdem mit dem »Heim« des Be- diensteten auch alle Einrichtungen für dessen Familie im engsten Zusammen- hange stehen, wollen wir hier auch der Ferien-Colonien für kränkliche Kinder, der Weihnachtsbetheilungen und Spitals- einrichtungen [Bettstiftungen] gedenken, und behandeln nur die »Schulen«, ob der Wichtigkeit des Gegenstandes, später- hin separat.

Ferien- C ^olon ien .

Die für die Entwicklung und Ge- sundung schwächlicher und kränklicher Kinder so überaus wichtige Institution der Ferien-Colonien hat bei den Bahnen er- freulicherweise bereits Eingang gefunden.

Bei den k. k. Oesterreichischen Staats- bahnen besteht seit 18S8 ein Weihnachts- bescherungs- und Feriencolonie -Verein. Dieser Verein hatte bis Ende 1895 für Weihnachtsbescherungen 117.7941!. [be- theilt 32.679 Kinder) und für Colonie- zwecke 20.736 fl. [für 953 Kinder] auf- gewendet.

Ferien-Colonien für solche Kinder werden in den Sommermonaten activirt in Schärding, Zdmost, Zetemianka, Rabka und auch an anderen Orten der galizi- schen Linien. In den beiden erstgenannten Colonien wurden im Jahre 1895 in zwei je einmonatlichen Perioden 88 Kinder, in den letzteren 32 Kinder untergebracht.

Die Oesterreichisc he Nordwest- bahn und Süd-norddeutsche Ver- bindungsbahn hat seit dem Jahre 1892 eine Ferien- Colon ie in Fal<rendorf activirt für Kinder mittelloser Kranken- cassen-Mitglieder. Von 1892 bis inclusive 1895 waren in dieser Colonic 219 Kinder untergebracht, und zwar im Jahre 1894

und 1895 je 70. Die Kinder werden alljährlich in zwei Partien in die Colonie gebracht und verbleiben je vier Wochen in derselben. Nach Zulass der Mittel, welche zum Theile auch durch Sammlung unter den Bediensteten aufgebracht werden, erhalten die Kinder auch die nöthige Bekleidung und Wäsche.

Schliesslich sei bemerkt, dass Weih- nachtsbescherungen von Kindern dürf- tiger Bediensteter mit Winterkleidern, Schulrequisiten, Spielwaren u. s. w. auch bei einigen anderen Bahnverwaltungen stattfinden.

Bettstiftufigen.

Die k. k. Staatseisenbah n-Ver- walt ung besitztals Rechtsnachfolgerinder Galizischen Carl Ludwig-Bahn den von derselben im Jahre 1889 mit einem Capi- tale von 10.000 fl. gegründeten Freiplatz im Rudolfinerhause in Döbling für er- krankte Bedienstete, beziehungsweise Angehörige der letzteren.

Die Kaiser Ferdinands-Nord- bahn hat anlässlich des vierzigjährigen Kegierungs-Jubiläums Sr. Majestät des Kaisers im Jahre 1888 ebenfalls eine solche Bettstiftung im Rudolfinerhause mit dem Capitale von 10.000 fl. errichtet und aus gleichem feierlichen Anlasse die »Bettstif- tung in den beiden Leopoldstädter Krippen des Wiener Central- Vereines für Krippen« mit einem Capitale von 5000 A* activirt. Hiefür stehen in diesen beiden Krippen zehn Plätze für noch nicht schulpflichtige Kinder der Bediensteten zur Verfügung. Ausserdem subventionirt die Kaiser Fer- dinands - Nordbahn die Curanstalt in Pistyan, wogegen ihr seitens der Bade- verwaltung in dem dortigen Arbeiter- Pensionate während der ganzen Bade- saison sechs bis acht Betten zur Ver- fügung gestellt werden.

Bei der Oesterreichischen Nord- westbahn undSüd-norddeutschen Verbindunjrsbahn werden von der Krankencasse den Mitgliedern Freiplätze in Teplitz, Karlsbad u. s. w. gewährt. Die Staatseisenbahn-Gesellschaft besitzt, wie schon vorbemerkt wurde, auf ihren Domänen Werksspitäler.

Wohlfahrts-Einrichtungen.

345

Es soll nicht geleugnet werden, dass hier ein Feld ist, wo sich für unsere Standescollegen noch Vieles schaffen Hesse. Schon vor Jahren wurde im Club österreichischer Eisenbahnbeamten [vom Chefarzte der Nordwestbahn Dr. Gross- mann] die Gründung eines Eisenbahn- Hospitales angeregt, auch eingehend be- rathen, aber leider kam die schöne Idee, da ihr grosse Schwierigkeiten finanzieller Natur entgegenstanden, nicht zur Durch- führung. Ebenso wichtig wäre die Errich- tung von Curhäusern für erkrankte Eisen- bahn-Angestellte.

In den letzten Jahren hat der Oester- reichische Eisenbahnbeamten- Verein auf Anregung des Nordwest- bahn-Beamten Barth. Y o u n g die Frage der Errichtung eines solchen Curhauses aufgenommen. Vorläufig erscheint bereits ein Fonds für diesen Zweck gesichert, dem, wie bekannt, auch das Reinerträgnis des vorliegenden Werkes gewidmet ist. Gebe Gott, dass dieser Fonds bald ein so reicher sei, dass binnen Kurzem eine ganze Reihe von Curhäusern entstehen könnte, in welchen unsere nimmermüden, so oft in treuer Pflichterfüllung erkrankten Be- rufsgenossen Linderung und gänzliche Heilung ihrer Leiden suchen und finden möchten.

8. Schulen,

Hier kommen in erster Reihe jene Schulen in Betracht, welche die einzelnen Bahnverwaltunjjen an solchen Orten er- richtet haben, welche von öffentlichen Schulen w^eit entfernt sind und wo eine grössere Anzahl von Bediensteten statio- nirt ist. Ausserdem gewährt eine grössere Zahl von Bahnverwaltungen den an ihren Linien liegenden öffentlichen Schulen Subventionen, oder sie haben sich das Recht zur Verleihung von Freiplätzen an höheren Schulen erworben. Ausserdem bestehen einzelne Vereine zum Zwecke der Verleihung von Studienbeiträgen an Söhne der Bediensteten.

Eigene, von den Bahn Verwaltungen gegründete und erhaltene Schulen, be- stehen in folgenden Orten :

Bei den k. k. Oesterreichischen Staatsbahnen: In Lemberg die von

der Galizischen Carl Ludwig-Bahn im Jahre 1870 mit einem Kostenaufwande von 3i.ooofl. gegründete Bahnhofschule mit deutscher Unterrichtssprache. Die- selbe ist eine fünfclassige mit sechs- jährigem Cursus versehene Volksschule, welche jährlich durchschnittlich von 200 bis 250 Kindern von Bahnbediensteten frequentirt wird. [Im Schuljahre 1896/97 von 180 Knaben und 103 Mädchen.] Die Südbahn besitzt eine einclassige mit Oeffentlichkeitsrecht ausgestattete Privat- Volksschule in Breitenstein [auf dem Semmering], welche im Jahre 1895 von 87 Kindern besucht war. In Marburg hat die Südbahn eine vierclassige, gleichfalls mit dem Oeffentlichkeitsrechte ausge- stattete Privat- Volksschule für Kinder von Arbeitern errichtet, welche von mehr als 200 Kindern [1895 : 227] besucht wird.

Ausserdem besitzt die Südbahn in Meidling [Wien, XII. Bezirk] und in Marburg Kinderasyle, in welchen die Kinder im Alter von zwei bis sechs Jahren während des Tages untergebracht sind und die Mädchen in weiblichen Hand- arbeiten unterrichtet werden. Diese beiden Kinderasyle können für 5CX) 600 Kinder benützt werden und stehen unter der Auf- sicht von Schulschwestern.

Die Oesterr eichische Nord- westbahn besitzt in Nimburg die am 4. October 1880, als am Namensfeste Sr. Majestät des Kaisers eröffnete deutsche Volksschule, welche aus vier Classen besteht und seit Anfang des Jahres 1 88 1 das Oeffentlichkeitsrecht besitzt. Die Schule ist mit einem Kindergarten, mit Spiel- und Arbeitszimmern, wie auch mit einem Turnplatze ausgestattet und besitzt seit Januar 1882 ein eigenes Heim. Das stete Anwachsen der Schülerzahl - selbe betrug bereits im Jahre 1884 250 [132 Knaben, 118 Mädchen] - und die sich jährlich mehrenden Gesuche um Auf- nahme von Kindern sind deutliche Be- weise der Nothwendigkeit und des Ge- deihens der Schule.

Zahlreiche Subventionen gewährt an deutsche und polnische Schüler die Kaiser Ferdinands -Kordbahn. Dieselbe hat überdies eine Anzahl von Schulhäusern auf ihre Kosten gebaut I und den Schülern unentgeltlich überlassen,

346

Emil Engelsberg.

so für die deutschen Volksschulen in Pfivoz, Michalkowitz und in Oderberg. [Im letzteren Orte 'gemeinsam mit der Kaschau-Oderberger Eisenbahn.] Femer wurden Schullocalitäten in Nordbahn- häusem unentgeltlich eingeräumt der deutschen Volksschule in Marchegg ge- meinsam mit der Staatseisenbahn- Gesell- schaft und den Kindergärten in PHvoz und Oderberg-Schönichel.

Was die höheren Schulen anbe- trifft, so gewähren für den Besuch der- selben die grösseren Bahn Verwaltungen, beziehungsweise die hiefür bei denselben bestehenden Fonds Stipendien.*)

Freiplätze an der Wiener Handels- akademie besitzen: Die Kaiser Ferdi- nands-Nordbahn [2], die k. k. Oesterreichi- schen Staatsbahnen [l als Rechtsnach- folgerin der Galizischen Carl Ludwig- Bahn] etc. Bei den k. k. Oesterr ei- chischen Staatsbahnen besteht der von der Kaiserin Elisabeth-Bahn im Jahre 1877 ins Leben gerufene Schul- fonds-Verein, welcher seit 1882 seine Wirksamkeit auf alle verstaatlichten Bahnen erstreckt und im Jahre 1887 mit dem bis dahin bestandenen Schulfonds- Vereine der Erzherzog Albrecht-Bahn vereinigt wurde. Dieser Verein gewährt Stipendien für den Besuch von Mittel- schulen und hat seit seinem Bestände [vom Jahre 1882 ab] bis 1896 1064 Stipendien im Gesammtbetrage von 106.350 fl. gewährt, wovon auf das De- cennium 1886—189581.92011. entfallen. Im Jahre 1895 wurden 145 Stipendien zu je 100 fl. verliehen und verfügte der Verein Ende 1895 über ein Vermögen von 177.374 fl. Ausserdem wurden bei den k. k. Oester reichischen Staats- bahnen im Jahre 1895 wie auch in den Vorjahren eine grössere Anzahl von Unterrichtsbeiträgen aus Betriebsmitteln bewilligt, und zwar im genannten Jahre 130 zu je 100 fl.

Aus Betriebsmitteln gewähren auch viele Privatbahnen, die Kaiser Ferdinands- Nordbahn, die Aussig-Teplitzer Bahn u. A., Unterrichtsbeiträge.

*) Ueber die im Jahre 1882 gegründete »Fortbildungsschule für Eisenbahn- beamte« vgl. Bd. III, F. Mähling: Organe des Betriebes.

p. Stiftungen,

Behufs leichterer Uebersichtlichkeit thei- len wir die Stiftungen in zwei Kategorien ein, in solche für Eisenbahn- Bedienstete überhaupt, und in solche für Bedienstete einer speciellen Bahnverwaltung.

Die zur ersten Kategorie gehörigen Stiftungen sind folgende:

I. Die Jonas Freiherr von Königswarter-Stiftung. Dieselbe besteht seit 20. Juni 1872, und bezweckt die Unterstützung hilfsbedürftiger Witwen und Waisen von Bediensteten solcher öffentlicher Communications- und Bank- Institute, welche ihren Sitz in Wien haben, eventuell auch die Unterstützung der durch Siechthum erwerbsunfähig ge- wordenen Bediensteten solcher Institute. Das ursprüngliche Stiftungscapital betrug 50.000 fl.,derVermögensbestand Ende 1895 75.300 fl., und der Gesammtbetrag der bis dahin ertheilten Unterstützungen 71.217 fl.

2. Der vomComit6 des Eisenbahn-Balles im Jahre 1 874 gegründete Oesterreichi- scheEisenbahn-Unterstützungs- fonds. Derselbe dient, laut Stiftsbrief vom 31. October 1874 und Nachtrag hiezu vom 14. November 1894, zur Unter- stützung solcher hilfsbedürftiger und dienst- untauglicher Bediensteten der österreichi- schen Eisenbahnen [beziehungsweise deren Witwen und Waisen], welche keine Pen- sion, respective Provision beziehen. Dieser Fonds, welcher Ende 1895 ein Vermögen von 220.073 fl. [Ende 1896 228.603 fl.] hatte, ist zum grössten Theile aus den Er- trägnissen des Eisenbahn-Balles gebildet. Seit seinem Bestände wurden stiftsbrief- gemäss vertheilt : Bis Ende 1895 iii.573fl., bis Ende 1896 I25.i42fl., und zwar wurden 8219 Gesuche eingebracht und hierüber 6580 Personen betheilt, und zwar 577 Männer, 5687 Witwen und 316 Waisen.

3. Die im Jahre 1883 mit einem Capi- tale von 100.000 fl. activirte Mathias Ritter von Schönerer- Stiftung, deren Reinerträgnisse alljährlich in erster Linie zur Unterstützung von nicht pen- sionsfähigen, hilfsbedürftigen Beamten und Dienern der Südbahn, Kaiser Franz Josef- und Kaiserin Elisabeth-Bahn, in zweiter Linie zu Aushilfen für zwar pensionirte oder provisionirte, aber trotzdem unter-

Wohlfahrts-Einrichtungen.

347

stützungsbedürftige Bedienstete der be- zeichneten Bahnen verwendet werden.

4. Die von dem gewesenen Präsidenten der k. k. Oesterreichischen Staatsbahnen, Sectionschef Alois Freiherm von C z e d i k, im Jahre 1892 mit einem Capitale von 20.000 fl. errichtete Stiftung für österreichische Eisenbahn- Invaliden. Die Interessen dieser Stiftung dienen zur Unterstützung der im Dienste durch eigenes Verschulden ver- unglückten und hiedurch in ihrer Erwerbs- fähigkeit geschädigten Eisenbahn - Be- diensteten. Der Vermögensstand dieser Stiftung betrug Ende 1895 66.048 fl. und derGesammtbetrag der seit dem Bestände vertheilten Unterstützungen 7870 fl.

Die Stiftung für Eisenbahn- Invaliden, die Königswarter-Stiftung, der Eisenbahn- Unterstützungsfonds und die Schönerer- Stiftung werden von eigenen Curatorien verwaltet.

Hier sei noch weiters der allerdings nicht direct für Zwecke der Eisenbahn-

Bediensteten dienenden, jedoch zu Ehren des berühmten Eisenbahn-Fachmannes Ritter von Ghega im Jahre 1869 vom Oesterreichischen Ingenieur- und Architekten-Verein errichteten »Ghega-Stiftung€ gedacht.

Dieselbe gewährt : a) ein Reisestipen- dium von jährlich 1500 fl. ö. W. in Gold durch zwei aufeinanderfolgende Jahre für absolvirte, diplomirte Hörer des polytech- nischen Institutes in Wien ; b) alljährlich vier Studienstipendien von je 300 fl. ö. W. an noch studirende Hörer dieser Hoch- schule, und c) Unterstützungen [derzeit 500 fl.] an würdige dürftige Hörer dieser Hochschule zu dem speciellen Zwecke der Theilnahme an den wissenschaftlichen Excursionen. Das Vermögen dieser Stif- tung belief sich Ende 1895 auf 101.547 fl.

Die bei den einzelnen Eisenbahnen für deren Bedienstete speciell bestehenden Stiftungen sind der grossen Zahl und der Verschiedenheit ihres Zweckes wegen in der untenstehenden Tabelle angeführt.

Ausweis über die verschiedenen bei den österreichischen Eisenbahnen

bestehenden Stiftungen.

Name der

%.T

Grün-

Ver-

Ver- wendete

Bahn-

r*ame

düng der-

Zweck derselben

mögen

Beträge

Verwaltung

der Stiftung

selben

laut Stiftbrief

seit dem Bestände

Kaiser

Sichrovsky-

1863

Alljährlich erhalten am

Ferdinands-

Stiftung

12. Juli, dem Namens-

Nordbahn

tage des Stifters Hein- rich von Sichrovsl^, fünf

Bahn-, respective Wei-

7.200

10.065

chenwächter nach zehn-

1

jähriger tadelloser Dienst-

1 i

zeit Unterstützungen.

.

Winterstein-

1 22. Oc-

Unterstützungen an pen-

2.000

2.659

Stiftung

toberi863

sionirteNordbahnbeamte.

Anselm Frei-

15. Oc-

Alljährlich am 4. März, als

herr von

1 tober

dem Tage, an welchem im

Rothschild-

1870

Jahre 1836 dem Hause

1

Stiftung

1

p

Rothschild das Privile- gium zum Baue und Be-

1

t

triebe der Kaiser Ferdi-

10.000

10.076

t

i

nands-Nordbahn ertheilt

1

wurde, werden die Zinsen

an acht verdiente Zugs-

begleiter zu gleichen

1 t

Theilen vertheilt.

1

1

}

348

Emil Engelsberg.

Name der

Bahn- Verwaltung

Kaiser

Ferdinands- Nordbahn

Name der Stiftung

Grün- dung der- selben

Zweck derselben

Ver- Ver-

«*Ä^^« wendete

^^S«'^ Betrage

laut j seit jjenj

Stiftbrief Bestände

I

Nordbahn-Jubi- läumsfonds [er- richtet anlässlich des 50jährigen Bestandes der Kaiser Ferdi- nands-Nord- bahn]

25. Juni 1886

Gewährung ausseror- dentlicher Aushilfen an Bedienstete und deren Witwen [mit Ausschluss der Beamten].

20.0000 I 87.875

I

Kaiser-Jubi- läums-Stiftung [errichtet an- lässHch des 40jährigen Re- gierungs-Jubi- läums Sr. Maje- stät des Kaisers Franz Joseph I]

24. No- vember

i8«8

Alljährlich am 2. Decem- ber werden 12 000 fl. an verheiratete oder verwit- wete Beamte bis zur Ge-

haltsclasse von ein- schliesslich 1000 fl., welche eheliche Kinder haben und würdig einer Unter- stützung sind, vertheilt.

209.000 96.000

K. k. Oester- 1

reichische '

Staats- '

bahnen I

Keissler-Stif- tung [errichtet von dem k. k.

Hofrathe und

General-Direc-

tor der Kaiserin

Elisabeth -Bahn

Karl Ritter von

K ei ssler]

Alois von Czedik'sche Ausstattungs- Stiftung

1875

7.200*) ; 3.125**)

I

1883

I

Alljährlich werden die Interessen zur Unterstü- tzung von unverschuldet in Noth gerathenen Be- amten und Dienern, resp. von deren Witwen und

Waisen verwendet Seit 1888 ist diese Stif- tung in Verwaltung der niederösterr.Statthalterei.

Die Interessen dienen zu Heiratsausstattungen für Töchter von solchen Be- diensteten der k. k. Oesterreichischen Staats- balinen, welche keinen höheren Jahresgehalt als 1200 fl. beziehen, oder bis zu ihrem Tode, be- ziehungsweise ihrer Ver- setzung in den Ruhestand bezogen haben und kein I i Vermögen besitzen,

I I I resp. hinterlassen haben.

I ' , '

*) Hier sind die Vermögensbestände mit Ende des Jahres 1895 angegeben. *) Die Ausgabe umfasst das Decennium 1886 bis inclusive 1895.

14 -794*)

3.978**)

Wohlfahrts-Einrichtungen.

349

Name der

•%.T

Grün-

Ver-

Ver- wendete

Bahn-

Name

dung der-

Zweck derselben

mögen

Beträge

Verwaltung

der Stiftung

selben

1

laut Stiftbrief

seit dem Bestände

K. k. Oester-

Julius Lott-

1887

Alljährlich werden vier

3.137

887

reichische

Stiftung

Fünftel der Interessen

Staats-

[errichtet aus

für unterstützungsbe-

bahnen

dem nach Voll- endung des Lott-Denkmales erübrigten Ca- pitalsbetrage]

dürftige Witwen von Beamten der k. k. Oester- reichischen Staatsbahnen verwendet, während das restliche Fünftel der mit der Obsorge des Lott- Denkmals in St. Anton betraute Bahnaufseher

1

als Remuneration erhält

Südbahn-

Gottschalk-

1878

Das Erträgnis dient zur

Gesellschaft

Stiftung

Erhaltung der Colonie in Marburg.

16.000

8.300*)

Elisabeth Korn-

1873

heisl-Stiftung

600

252*)

Basil Kottur-

1878

Stiftung

Die Erträgnisse dienen

800

336*)

S. Hahn-

i88x

zur Unterstützung von

'v ^\^>/^

840-)

Stiftung

Witwen und Waisen.

2.000

Ferdinand

1881

2.000

840*)

Linder-Stiftung

'

Demes-Stiftung

1883

I.IOO

441»)

1 Johann Sochor-

1875

Das Erträgnis dient zur

Stiftung

1

Betheilung von Witwen

und Waisen des Fahr-

500

420

und Heizerpersonales der

ungarischen Linien.

*) Die Ausgabe umfasst

1

das Decen

nium 1886 bis inclusive i8(

)5.

1

350

Emil Engelsberg.

Name der

Bahn- Verwaltung

Name der Stiftung

Grün- düng der- selben

1

Ver-

Zweck derselben , '",^Sen

laut

Stiftbrief

Ver- wendete Beträge seit dem Bestände

Südbahn- Gesellschaft

1 1

Johann Sochor- Stiftung

Friedrich

August Birk-

Stiftung

Josef Noos- Stiftung

1885 1891

1895

Das Erträgnis dient zu Unterstützungen für das Personale des Südbahn- Heizhauses in Wien.

Für Unterstützung an Wächter und deren An- gehörige der Bahn-In- spection Wien-Bruck.

Zur Ausschmückung des Christbaumes für Kinder

der Bediensteten der Marburger Werkstätte.

I.OOO

500

I.OOO

420

1

105

1 42

' Oesterrei- chisch- Ungarische

Staats- eisenbahn- Gesellschaft

1 1

Maniel-Stiftung

Jubiläums-Sdf- tung [errichtet . anlässlich des 40jährigen Re- gierungs- Jubiläums Sr. Majestät des Kaisers Franz Joseph L]

1872 1888

Das Erträgnis dient zur Unterstützung von Wit- wen ohne oder mit un- zureichender Pension, be- sonders solcher Beamten, welche unter dem Gene- ral-Director Jacques Ma- niel gedient haben.

Die Jahreszinsen dienen zur Unterstützung mittel- loser Witwen und Waisen nicht pensioDsfähig ge- wesener Beamten.

Frcs. 31.000

Frcs. 41.000

1 Seit dem Bestände '

wurden

all-

jährhch . dieZinsen vertheilt

Seit dem] Bestände wurden |

all- jährlich dieZinsen vertheilt

Oesterrei-

chische Nordwest- bahn

Dr. Michael Grossmann- Stiftung

Achilles

Thomen-

Stiftung

1884 1894

Dient zur Unterstützung

weiblicher Angehöriger

von activ dienenden

Bediensteten.

Das Erträgnis wird zu gleichen Theilen zur Un- terstützung von zwei nothleidenden Familien des Dienerstandes ver- wendet.

1.050

I.OOO

576 120 1

Wohlfahrts-Einrichtungen.

351

Aus dieser Tabelle ist zu entnehmen, dass am Ende des Jahres 1 895 an solchen Stiftungen bestanden:

Bei den k. k. Oesterreichischen Staats- bahnen drei mit einem Capital von 24.838 fl., bei der Kaiser Ferdinands-Nordbahn fünf mit einem Capital von 428.233 fl., bei der SCldbahn zehn mit einem Capital von 25.600 fl., bei der Oesterreichisch-Ungari- schen Staatseisenbahn zwei mit einem Capital von 28.800 fl., bei der Oester- reichischen Nordwestbahn zwei mit einem Capital von 2050 fl., zusammen Stiftun- gen speciell für einzelne Bahn- verwaltungen 22 mit einem Capital pro Ende 1895 von 509.421 fl.

Hiezu kommen die erwähnten allge- meinen Stiftungen [siehe Seite 346] im Gesammtbetrage von 562.968 fl. Daher besassen diese 27 Stiftungen zu Ende des Jahres 1895 ein Capital von 1,072.389 fl.

So gross die Zahl dieser Stiftungen ist und so namhaft die alljährlich aus denselben erfolgenden Betheilungen sind, so kann doch leider mit diesen Summen noch immer nicht das Auslangen gefunden werden, da die Zahl der wirklich bedürfti- gen Petenten aus den Kreisen der Bahn- bediensteten und deren Hinterbliebenen stetig in einem riesigen Masse zu- nimmt. Darum tritt auch an die Bahnver- waltungen gar oft die Nothwendigkeit heran, aus anderen Mitteln zu schöpfen, um helfend eingreifen zu können, und zwar hauptsächlich durch Entnahme von Be- triebsgeldem für Untersttitzungszwecke. Wie gross dieses Bedürfnis ist, sei durch einige Ziff'em illustrirt.

Die k. k. Oesterreichischen Staatsbahnen haben für Unter- stützungszwecke [einmalige Unterstützun- gen und fortlaufende Gnaden gaben] aus Betriebsgeldern im Jahre 1895 205.963 fl. verausgabt. Die KaiserFerdinands- Nordbahn hat im Jahre 1895 an der- artigen Unterstützungen für das active Personale, wie auch für Invaliden, Witwen und Waisen von Bediensteten 29.596 fl. verwendet. Die seitens der Kaiser Fer- dinands-Nordbahn an die nichtpensions- berechtigten Beamten, deren Witwen und Waisen bezahlten Gnadengehalte er- reichten mit Ende 1895 die Jahreshöhe von 198.808 fl. Bei der Oesterreichi-

schen Nordwestbahn und Süd-nord- deutschen Verbindungsbahn waren Ende 1895 213 Personen im Bezüge von Gnadengaben [Invalidenlöhnen], wozu im genannten Jahre 26.081 fl. erforderlich waren.

Die bezüglichen Leistungen aller Eisenbahnen hier anzuführen, würde zu viel Raum erfordern; diese kurzen An- gaben genügen schon, um zu zeigen, dass dort, wo ein gerechtfertigtes Be- dürfnis vorliegt, die Eisenbahn- Verwal- tungen — ob es nun grosse oder kleinere Unternehmungen sind sich bemühen, zu helfen und ihren Bediensteten den harten Kampf ums Dasein zu er leichtem.

So hätten wir denn in gedrängter Kürze die wichtigsten Wohlfahrts- Ein- richtungen der österreichischen und ge- meinsamen Eisenbahnen besprochen. Es wurde uns seitens der Bahnverwaltungen ein so reiches, so instructives Materiale zur Verfügung gestellt, dass wir dieses dankend erwähnend nur doppelt be- dauern müssen, diesem Thema hier nicht mehr Raum widmen zu können.

Grosse Summen wurden aufgewendet, bedeutende Capitalien wurden ange- sammelt, um den Eisenbahn - Bedien- steten und ihren Familien Versorgungs- genüsse gewähren zu können, ihnen sammt Frauen und Kindern im Erkran- kungsfalle Hilfe zu bieten und ihnen auch in anderen Wechselfällen des Lebens hilfreich zur Seite zu stehen.

Am Schlüsse des Jahres 1895 waren in jenen Institutionen, welche nur den Krank- heitsfall, die vorübergehenden Unter- stützungen und die dauernde Altersversor- gung betrefi"en, also in den Pensions-, be- ziehungsweise Provisionsfonds, Kranken- und Unterstützungs-Cassen und Stiftungen für die Bediensteten der österreichischen Eisenbahnen [inclusive der gemeinsamen Bahnen] rund 53 Millionen Gulden an- gesammelt und welch grosse Capitalien sind in den Unfallscassen, Spar- und Vor- schuss -Vereinen, Arbeiter-Colonien und all den anderen Wohlfahrts-Einrichtungen für Eisenbahn-Bedienstete fundirt!

Wie enorm der Aufschwung auch auf diesem Gebiete in den letzten fünf Decennien war, zeigt folgende Zusam- menstellung :

Pensions- und Pro- visionsfonds . . Anderweitige Ver- sorgungsfonds . Krankencassen , . Unterstützungs- Stiftungen . .

i- .

. Ende l«95

r—

j 49,043 564

106.457 1,315.495

1,387.167

I,ofi8.^o6

Vermöge Ende 1N87

43,333.196

6.000

2,055195

574.094

in Gulden Ende 1878

österr. Währung Ende 1868' Endei85« Endei848

24,345.090

1,643.141 295-000

7,065.146

355.199 209.000

832.416 137-942

1 349. -

Summa

52,920.989

45,968.585

26,283.231

7,629.345

832.763 i 137-912

Wir nehmen in ohiger Zusammen- stellung statt des Jahres 1888 das Jahr 1887, weil hier die anlässlich des vierzig- jährigen RegierungB-Jubiläums Sr. Maje- stät des Kaisers in der Eiscnbahn-Ab- theihmg der Jub ilä ums -t'.e wer he -Ausstel-

lung [Frühjahr 1888] bahnen publicirten Daten

den Eisen- ange[,'eben

Vieles wurde, wie wir gesehen haben, bereits geschaffen und den- noch gibt es noch immer so Vieles zu schaffen auf dem Gebiete der Wohl- fahrts-Einrichtungen, wenn die folgenden

schönen Dichterworte zur Wahrheit werden sollen:

•Das ist der gross! eVorth eil fürdie Menschheit, Dass Jeder fUr den Andern Alles thue Und Jeder von den Allen es empfange. Wie wenig bringt der Einzelne dem Ganzen

Wie viel empfängt der Einzelne von Allen.»

Den Kern dieser Worte enthält der Wahlspruch unseres erhabenen Mon- archen: »Viribus unitis!< in Kürze und dennoch so umfassend. Möge dieser Wahlspruch auch die weitere Ausgestal- tung unserer W oh Ifahrts- Einrichtungen beseelen das walte Gott!

Anhang.

Das Eisenbahnwesen in Ungarn.

Vom Jahre 1 867 bis zur Gegenwart.

Bearbeitet von

Cajetan V. Banovits, k. ung. Ministerialrath; Alexander Ritter v. Dobieczky, Betriebs- leiter der k. ung. Saatsbahnen ; Adolf Forcher, Ober-Inspector der k. ung. Staatsbahnen ; Josef Gonda, »Controlor der k. ung. Staatsbahnen; Ludwig Jellinek, Inspector der k. ung. Staatsbahnen; Johann v. Marx, Director der k. ung. Staatsbahnen; Karl v. Neu- mann, Ministerial-Secretär im k. ung. Handelsministerium; Emerich Novell y, Ober- Inspector der k. ung. Staatsbahnen; Julius Ferner, Ober-Inspector der k. ung. Staats- bahnen ; Karl Riedl, Inspector der k. ung. Staatsbahnen ; Alexander v. Robitsek, k. ung. Ministerialrath; Felix Speidl, Inspector der k. ung. Staatsbahnen und Ernst SzlaBey,

Ober-Inspector der k. ung. Staatsbahnen.

Ml

I. Geschichte der Eisenbahnen in Ungarn.

Vom Jahre 1867 bis zur Gegenwart. Von Josef Gonda.

I IT der staatsrechtlichen Trennung der Länder der ungarischen Krone von westlichen Reichshälfte im Jahre 1867 erlangte auch das Eisenhahn- wesen Ungarns seine vollkommene Selbständigkeit und nahm, bedingt durch die vielfachen Unterschiede, die sich in Staats- und volkswirthschaftlicher Beziehung ergaben, einen unabhängigen Entwicklungsgang, dessen Erfolge in der raschen Ausbildung des ungarischen Verkehrswesens und in dessen glücklicher Rück- wirkung auf Handel und Industrie mit unverkennbarer Klarheit zu Tage treten.

Trotzdem das Eisenbahnwesen Ungarns also keineswegs zu den gemeinsamen Angelegenheiten der Monarchie zählt, erschien dennoch bei den vielfachen Be- ziehungen, die gerade auf diesem Gebiete zwischen beiden Staaten sich ergaben, die Aufnahme dieses wichtigen Theiles der jüngsten Culturgeschichte Ungarns in diesem Werke geboten.

Manche Phase der Entwicklung des Verkehrswesens in beiden Reichshälften wird nur dann verständlich, wenn die Verhältnisse, sowohl diesseits als auch jen- seits der Leitha, in Berücksichtigung gezogen werden. Vorwiegend der Zweck, eine objective Darstellung der ungarischen Eisenbahn -Geschichte in einem Werke zu ermöghchen, das durch dessen Widmung für den Monarchen auch für den seines Königs dankbar gedenkenden Ungar Bedeutung hat, wenn auch die veran- lassende Ursache der Herausgabe dieses Werkes die österreichische Reichshälfte betrifft, war für die nachfolgenden Beiträge richtunggebend. Mitbestimmend musste es für die ungarischen Mitarbeiter sein, ein Werk zu unterstützen, das, von Collegen ins Leben gerufen, in erster Reihe sich die Aufgabe stellt, endlich ein wahres Bild der grossartigen Entfaltung des Eisenbahnwesens in Oesterreich und in Ungarn zu bieten, ein Werk, das neben eminent fach wissenschaftlichen, auch humanitären Zielen dient und daher in jeder Hinsicht als ein Denkmal kameradschaftlichen Zusammen- wirkens unseres Standes für wahrhaft edle Zwecke gelten soll.

Die Vorzeichen der wirthschaft liehen I einige Jahre früher in vielverheissender Sturm- und Drangperiode Ungarns, die auch . Weise bemerkbar.

auf dem Gebiete des Communications-, ' Zu Anfang der Sechziger-Jahre begann

hauptsächlich aber des Eisenbahnwesens das seit 1849 erstarrt gewesene politische sozusagenmitdemerstenTagederWieder- I und Volkswirt hschaft liehe Leben Ungarns geburt der staatlichen Selbständigkeit im 1 zu pulsiren. Wenn sich dasselbe auch Jahre 1867 eintrat, machten sich schon | zufolge des neu geschaffenen, im Lande

356

Das Eisenbahnwesen in Ungarn seit 1867.

nur als Uebergangsstadium betrachteten Regierungssystems in Thaten zu äussern noch nicht vermochte, bewiesen doch die seitens seiner Bevölkerung geäusserten Wünsche, dass Ungarn gesunden Zielen entgegenstrebte.

Dem edlen, für das Wohlergehen seiner Völker besorgten Herrscher bot das dem Jahre 1867 vorangegangene Lustrum in volkswirthschaftlicher Hinsicht manche erfreuliche Erfahrungen, die geeignet waren, das »Vertrauen in die avitische Tugend« der ungarischen Nation zu wecken. Und dieses allmählich wachsende Vertrauen sollte gar bald der unerschöpf- liche Quell der väterlichen Liebe des ge- krönten Königs zu seinen von uner- schütterlicher Treue beseelten Ungarn werden.

Auch in der Entwicklung des Eisen- bahnwesens Ungarns zur Zeit als die heilige Stephanskrone das gesalbte Haupt noch nicht berührt hatte, finden wir Be- weise der gütigen königlichen Fürsorge für ungarische Interessen.

Die a. h. Signatur brachte manche mit Eisenbahnfragen zusammenhängende Angelegenheit in rascheren Gang, wenn die Schwerfälligkeit des amtlichen Appa- rates derselben hemmend in den Weg getreten war. Diesem günstigen Umstände kann es zugeschrieben werden, dass für die Schaffung einiger sehr wichtiger ungarischer Eisenbahnen, deren Con- cessionirung oder Vollendung erst in der constitutionellen Aera erfolgte, bereits seit Anfang der Sechziger-Jahre eifrig vor- gearbeitet war.

Um ein klares und vollständiges Bild der Entwicklung des Eisenbahnwesens in Ungarn nach dem Jahre 1867 entwerfen zu können, müssen wur auf die oben an- gedeuteten und wenig bekannten, zumeist nur in Archivacten bewahrten Momente zurückgreifen.

Nach Wiederherstellung des königlich ungarischen Statthaltereirathes in Ofen und der königlich ungarischen Hofkanzlei in Wien, ward diesen Aemtem wiederholt Gelegenheit geboten, sich mit Eisenbahn- fragen zu befassen ; Privatunternehmer, Geldinstitute und Vereine, Stadtgemeinde- und Comitats -Vertretungen unterbreiteten Projecte für einzelne Eisenbahnstrecken

und gan^e Netze. Diesen Projecten war die Befürwortung des Statthaltereirathes grösstentheils schon im Vorhinein ge- sichert, hatte doch diese Landesstelle ein richtiges Verständnis für die grosse volks- wirthschaftliche Tragweite der Eisen- bahnen ; beschäftigten sich doch mehrere Räthe der Statthalterei selbst, wenn auch indirect, mit Eisenbahn-Projecten. Das Memorandum, welches der Landes- Agriculturverein im Jahre 1862 »in An- gelegenheit der ungarischen Eisenbahnen« ausgearbeitet hatte, kann mit Berück- sichtigung des Umstandes, dass die meisten Beisitzer des Statthaltereirathes auch bei diesem Vereine leitende Stellen inne hatten, füglich auch als Werk dieser Landesbehörde betrachtet werden.

Auch war es sicherlich kein Zufall, dass an der Spitze der Männer, die sich um die Concession der Pest-Losoncz- Neusohler Eisenbahn jenes Unter- nehmens, welches seinerzeit so viel von sich reden machte beworben hatten, das Mitglied des Statthaltereirathes, k. k. Hofrath Josef von Havas, stand.

Die Geschichte der Entstehung dieser Eisenbahn, welche kurz nach ihrer Fertig- stellung in den Besitz des ungarischen Staates überging und derart der Ansatz des mächtigen Netzes der Königlich Ungarischen Staatseisenbahnen wnirde, bietet ein solch interessantes Bild der auf das Eisenbahnwesen und das volks- wirthschaftliche Leben jener Zeit über- haupt Einfiuss übenden Verhältnisse, dass wir es keinesfalls unterlassen können, uns mit derselben sowie mit der gleich- zeitigen Vorgeschichte einiger anderen Bahnen, anschliessend an die Ausführun- gen im ersten Theile dieses Werkes, *) hier eingehender zu befassen.

Rückblick auf die Zeit 1860 1867.

Die im Jahre 1860 gegründete »Szent- Istvän Steinkohlenbergbau- Actien-Gesell- schaft« [*Salgö - tarjäni Szent - Istvän köszenbanya reszv^ny tärsulat«] hatte sich unter Anderem auch zur Aufgabe

*) V^rirnd. I, I. Theil, H. Strach: Ge- schichte der Eisenbahnen Oesterreich-Ungams von den ersten Anfängen bis zur Gegenwart.

Josef Gonda, Geschichte etc.

357

gestellt, »eine zur Donau führende, den Umständen entsprechend mit Dampf- oder Pferdekraft zu betreibende Eisenbahn zu erbauen, sobald der Steinkohlenhandel eine solche Ausdehnung erreicht haben würde, dass derselbe mit gewöhnlicher Achsfracht nicht befriedigt werden könnte, oder aber, wenn die Eisenbahn einen viel grösseren Nutzen versprechen würde«. Demgemäss hatte die Gesellschaft bereits in der zu Pest am 20. September 1861 abgehaltenen Generalversammlung die Noth wendigkeit dieser Bahn anerkannt, und ein Comit^ mit der Aufgabe betraut, »nach vorheriger Orientirung die nöthigen Schritte behufs ehebaldigen Zustande- kommens der Bahn zu unternehmen«.

Das Comit6, bestehend aus Baron Albert Prönay, Director der Anlehens- geschäfte der ungarischen Boden-Credit- Anstalt, den Statthaltereiräthen Ladislaus V. Korizmics und Josef v. Havas, dem Richter der Septem viral tafel Eduard Fluck, dem Banquier Jakob Kohen, und dem Ingenieur Johann Breilich, reichte noch im Jahre 1861 ein Con- cessions-Gesuch beim Statthai tereirathe ein, in welchem hervorgehoben wurde, dass die Szent-Istvän Bergbau-Gesell- schaft die von ihrer zu Salgö-Tarjän im Neogräder Comitate gelegenen Gewerk- schaft einerseits über Päsztö, Hatvari, Aszöd, Issaszeg durch das Zagyva- und Räkosthai nach Pest und andererseits über Fülek bis Losoncz geplante Eisen- bahn nicht nur zur Verfrachtung der eigenen Erzeugnisse, sondern auch für den öffentlichen Verkehr zu erbauen wünsche. Die Gesuchsteller wiesen auf den Umstand hin, dass das Zustande- kommen dieser Unternehmung nicht nur im Interesse der Bergbau - Gesellschaft läge, welche in die Lage versetzt würde, die Ausbeute ihrer umfangreichen Bergwerke von 100.000 Centner jährlich auf zwei bis drei Millionen Centner zu erhöhen,*) sondern dass dadurch auch dem allge- meinen Wohle unberechenbare Vortheile erwachsen würden. Denn abgesehen davon, dass die Salgö-Tarjäner Kohle durch den beabsichtigten leichteren Ver-

*) Heute beträgt die jährliche Ausbeute ungefähr zehn MilUonen Meter-Centner.

kehr dem Publicum um einen billigeren Preis zugänglich gemacht werden könnte, so zwar, dass die infolge der theuem Fracht bis Pest pro Centner nur um 85 90 kr. lieferbare Kohle fortan blos 55 60 kr. kosten dürfte und auch Wien statt der mit i fl. 30 kr. bezahlten preussi- schen Louisen-Kohle mit Salgö-Tarjäner zum Preise von 90 kr. versehen werden könnte, würde überdies der erweiterte Betrieb der Kohlen- Bergwerke den Erwerb der dortigen armen Bevölkerung vermeh- ren und sichern. Die Eisenbahn, welche mit der Zeit auch bis in die Berg- städte fortgesetzt werden könnte, würde Handel und Industrie heben und den Wohlstand des Landes fördern.

Die Baukosten waren mit 10,080.000 fl. präliminirt. Die Kohlenbergbau-Gesell- schaft sollte unter Modificirung ihrer Statuten zu einer »Steinkohlen-Bergwerks- und Eisenbahn- Actien- Gesellschaft« um- gestaltet werden.

Der Statthaltereirath unterbreitete im Wege der königlich ungarischen Hof- kanzlei das Gesuch in einem befürworten- den Vortrage an die a. h. Stelle. Die k. k. Hofkanzlei ihrerseits sah sich ver- anlasst, die Bitte der Gesuchsteller aut das Wärmste zu unterstützen und von ihrem Standpunkte sich für die Bewilli- gung der nachgesuchten Eisenbahn-Con- cession im Principe auszusprechen, »um- somehr, als die Garantie für das Zustande- kommen des Unternehmens nicht nur in den der Gesellschaft angehörigen Persön- lichkeiten, sondern auch in dem Vereins- vermögen, welches ausser dem Betriebs- Capital in einem liegenden Besitz von mehr als 14.000 Joch besteht, zu finden sei«. [Vgl. Abb. 84.]

Obzwar die Eingabe den Anforde- rungen des Eisenbahn-Concessions- Ge- setzes vom 14. September 1854 nicht entsprach, nach welchen vorerst die Be- willigung der Vorarbeiten hätte eingeholt werden sollen, das Gesuch aber schon mit dem gehörig ausgearbeiteten Bauplan und dem Kostenüberschlage versehen war, hatte die Hofkanzlei dasselbe doch an das k. k. Kriegsministerium und das k. k. Handelsministerium behufs Ein- holung des Gutachtens dieser beiden Regierungsstellen weitergeleitet.

358

Das Eisenbahnwesen in Ungarn seit 1867.

Auf die bezügliche Zuschrift vom 12. April 1862 erklärte das Handelsmini- sterium bereits am 6. Mai 1862 im Ein- verständnisse mit dem Kriegsministerium, dass gegen die Herstellung der projectirten Locomotiv-Eisenbahn weder vom mili- tärischen noch vom nationalöconomischen Standpunkte ein Anstand obwalte.

Welche Wichtigkeit die österreichische Regierung diesem Unternehmen beige- messen hatte, geht aus dem Umstände hervor, dass das Handelsministerium die Szent-Istvan Bergbau-Gesellschaft durch die königlich ungarische Hofkanzlei auf- fordern Hess, die vorbereitenden Mass- regeln und insbesondere die technischen Vorarbeiten mit »thunlichster Be- schleunigung« in Vollzug zu setzen, um die a. h. Concession zum Bau und Betrieb der Bahn erwirken zu können.

Bei der Concessionirung musste jedoch ein Umstand besonders berücksichtigt werden. Der Theiss-Eisenbahn-Gesellschaft war nämlich in ihrer Concessions-Ur- kunde das Vorrecht zum Ausbau einer von Pest nach Miskolcz führenden Eisen- bahn zugesichert*) und die Gesellschaft hatte sogar die Verpflichtung, diese Bahnstrecke bis Ende 1862 zu vollenden. Durch a. h. Entschliessung vom 31. Januar 1859 wurde die Theissbahn bekanntlich von der Verpflichtung der Einhaltung dieses Termines enthoben, und zwar ge- schah dies, wie das Handelsministerium berichtet, »in Anbetracht des Umstandes, dass die Linie Pest-Miskolcz nicht nur dem Erträgnisse der übrigen Theissbahn- Linien, insbesondere jenem der Linie Miskolcz-Debreczin-Czegl6d sehr abträg- lich, sondern auch für den Staatsschatz mit Rücksicht auf die der Gesellschaft gewährte Garantie für ein sVöX^&^s Erträgnis des Anlage- Capitals nachtheilig wäre«.

Noch im Jahre 1 862 hielt man es mehr im Interesse der Theissbahn gelegen, An- schlüsse an die seinerzeit bereits projectirte Siebenbürgische Eisenbahn sowie an die mährischen und galizischen Linien, als mit der Hauptstadt Pest zu erlangen, und auch einer kürzeren Verbindung zwischen

*) y0, Bd. I, I. Theil, H. Strach: Ver- kauf der Staatsbahnen, Seite 349.

Kaschau und Pest mass man eine gerin- gere Bedeutung bei.

Es wurde der Szent-Istvän Bergbau- Gesellschaft nahegelegt, sich zu verpflich- ten, im Falle der Erlangung der Con- cession die Bahnstrecke Pest-Hatvan gegen angemessene Entschädigung an die Theissbahn-Gesellschaft abzutreten, sobald diese Letztere die Bahnstrecke von Hatvan bis Miskolcz ausbauen würde.

Schon am 22. December 1862 war die ungarische Hofkanzlei in der Lage, das ihr seitens der Statthalterei behufs Vorlage an die a. h. Stelle übermittelte, entsprechend ausgestattete Concessions- Gesuch zur weiteren Verhandlung dem Ministerium für Handel und Volkswirth- schaft mitzuth eilen.

Unterdessen hatte sich den Con- cessions-Bewerbern der Prinz August von Coburg-Gotha, der königlich unga- rische Hof kanzler Graf Anton F o r g äc h und Graf Josef F o r g ä c h, Baron Simon Sina, Graf Franz Czebriän, Baron Hermann Podmaniczky und die Erben des weiland Paul von Gyürky ange- schlossen.

Nach den Vorlagen war die Bahn in einer Länge von etwa 2i Meilen [157 knt] mit 14 Stationen projectirt; darunter die Station »an der Donau bei der Soroksärer Linie zu Pest«, die allerdings seinerzeit nicht zur Ausführung kam.

Die Baukosten waren pro Meile mit 692.915 fl. 57 kr., für die ganze Strecke zusammen mit 1 8,000.000 fl. veranschlagt.

Unter den projectirt gewesenen Bau- objecten verdient besonders »der Donau- quai in der Nähe des sogenannten Lager- spitals an der Pester Donau-Station«, dann der 360® {682 '5 m] lange Tunnel bei Somos - Ujfalu hervorgehoben zu werden.

Die Beschaffung der erforderlichen Geldmittel war durch Ausgabe von 60.000 Stück Actien ä 200 fl. im Ge- sammt-Nominalwerthe von 12,000.000 fl. und von sVsVoigen, theils Hypothekar-, theils Prioritäts-Obligationen ä looo fl., 500 fl., 200 fl. und 100 fl. im Betrage von 6,000.000 fl. beabsichtigt.

Die sich ganz an das Einbegleitungs- schreiben der Statthalterei lehnende, an das Handelsministerium gerichtete Zu-

Josef Gonda, Geschichte e

Schrift der ungarischen Hof kanzlei befür- wortete diesmal das Ansuchen der Con- cessions Werber wo möglich noch wärmer, In dem interessanten Schriftstücke spricht die Hof kanzlei unter Anderem die begründete Hoffnung aus, dass die projec- tirte Bahn, vom Mittelpunkte des Landes ausgehend, als Waarentransportmittel,

Um daher das Zustandekommen des neuen Unternehmens nicht unmöglich zu machen, hatte das k. k. Handelsministerium von der Bedingung abgesehen, auf Grund welcher die Pest-Losonczer Eisenbahn auf Verlangen der Theissbahn dieser die Strecke bis Hatvan abzutreten gehabt hätte.

nicht minder aber durch die Personenbeför- derung eine derartige Zukunft vor sich habe, dass die, seitens der Gesuchsteller, mit iiVs\ berechnete Rentabilität des Unternehmens gewiss zur Wahrheit wer- den wird.

Von Seite der Concessions- Bewerber mit der Theissbahn-Gesellschaft einge- 1 leitete Verhaiidlungen bezüglich der Pest- ' Hatvaner Linie scheiterten jedoch an dem i schroffen Standpunkt, den die Theissbahn | dem Projecte gegenüber einnahm.

In der am S. Januar 1863 unter Zu- ziehung des Vertreters der königlich unga- rischen Hofkanzlei im k. k. Handels- ministerium abgehaltenen Sitzung wur- den die Concessions- Bedingungen end- giltig festgesetzt und schon 1 4 Tage später war das Handelsministerium in der Lage die Mittheilung zu machen, dass Seine Majestät mit a. h. Ent- schliessung vom 19. Januar den bevoll- miichtigten Repräsentanten der Szent- Istv.'in Steinkohlenbergbau - Actien- Ge-

36o

Das Eisenbahnwesen in Ungarn seit 1867.

Seilschaft und den sich ihnen angeschlosse- nen Mitgründem die angesuchte Con- cession zum Bau und Betrieb einer Locomotiv-Eisenbahn von Pest nach Neu so hl verliehen und den Entwurf der bezüglichen Concessions - Urkunde genehmigt habe.

Mit Bewilligung des Handels- und Finanzministeriums änderte die Gesell- schaft noch vor Genehmigung der Sta- tuten ihre Firma und hiess von da ab : »K. k. priv. Pest-Losoncz-Neu- sohler Eisenbahn und Szent- Istvän Steinkohlenbergbau- Gesellschaft« [Cs. kir. szab. Pest- Losoncz-beszterczebänyai vasut 6s Szent- Istvän kösz^nbänya tärsulat].

Wie die eben besprochenen Einzel- heiten beweisen, hatte eine Eisenbahn- Concessions-Bewerbung in Ungarn seiner- zeit lange amtliche Wege zu passiren und zogen sich die Verhandlungen Jahre hindurch, was nicht dazu beitrug, die Unternehmungslust zu fördern.

Ein an und für siöh trauriger Umstand sollte jedoch den Concessions werbem gar bald sehr zu statten kommen.

Zur Beschleunigung der Angelegen- heit der Pest-Losoncz-Neusohler Eisen- bahn hatte nämlich der in Ungarn im Jahre 1863 eingetretene Nothstand viel beigetragen. Mit Rücksicht auf diese Landescalamität wurde die Begehung der Trace schon für den 30. Juni fest- gestellt. Am 24. Juni richtete die ungarische Hofkanzlei eine Note an das Finanzministerium, in welcher die von Seite des Staates zur Behebung oder doch theilweisen Linderung der Hungersnoth anzuwendenden Mittel aufgezählt werden und betont wird, dass dieser sich zu bedienen nicht nur »Gesetz der Mensch- lichkeit« sei, sondern insbesondere durch die obwaltenden politischen Momente der Regierung zur Pflicht gemacht werde.

Als das geeignetste Mittel wurde jenes bezeichnet, durch welches den Hilfs- bedürftigen die Möglichkeit geboten wird, sich durch Arbeit das tägliche Brot zu erwerben.

Der Hofkanzler lenkte daher die Aufmerksamkeit des Finanzministeriums auf die Pest-Losonczer Eisenbahn, deren Angelegenheiten sich in einem Stadium

befanden, dass die Unternehmung »mit einiger Unterstützung von Seite des Staates die Arbeiten nicht nur von Pest bis Losoncz, sondern auch auf der für weitere vier Jahre vorbehaltenen Strecke von Losoncz bis Neusohl, in das Herz der oberungarischen Cameral- und Mon- tanherrschaften, nach der für den 30. Juni festgesetzten commissionellen Begehung der fertigen Trace unverweilt beginnen und nachhaltig durchführen« könnte.

»Hiedurch würden« so setzt der Hofkanzler fort »nicht nur die Hilfs- bedürftigen auch der unteren Gegend von Pest bis Hatvan, sondern auch die Bevölkerung der oberen Comitate, welche diesen Sommer ohne Erwerb geblieben, dem Winter mit Angst und Kummer ent- gegensieht, hinlänglich Beschäftigung und ausreichenden Erwerb finden. Es käme aber auch dem Aerar durch die Verbindung der Bergstädte und der dortigen ärarischen Domäne und Ge werke mit der Landeshauptstadt und der Staats- eisenbahn ein namhafter Vortheil zugute, abgesehen von dem nicht zu unter- schätzenden Gewinn, welcher aus dem umfangreichen Absatz der Eisenbahn- schienen aus den ärarischen Gewerken gegen prompte Bezahlung resultiren würde, welche aber die Gesellschaft nur dann leisten kann, wenn ihre Prioritäts-Obli- gationen schnell und vortheilhaft ver- werthet werden können.«

Zu bemerken ist, dass die Eisen- bahn- und Bergbau - Gesellschaft nach ihrer Ansicht eigentlich keine mate- riellen Opfer, sondern wie sie be- hauptete — nur eine moralische Unter- stützung der Staatsverwaltung wünschte, und zwar die staatliche Garantie der Interessen der zu emittirenden Prioritäts- Obligationen. Unter dieser Bedingung wurde nämlich der Gesellschaft die Reali- sirung ihrer Werthe von mehreren Bank- häusern in Aussicht gestellt.

Die Gesellschaft dachte die Uebeniahme dieser Zinsengarantie seitens des Staates nur als reine Formsache darstellen zu dür- fen, musste doch ihrer Berechnung nach das Erträgnis der Eisenbahn und der Bergwerke die garantifte Summe ^^eit überschreiten. Diese Ansicht theilte der königlich ungarische Statthaltereirath und

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die ungarische Hofkanzlei im vollen Masse.

In Angelegenheit dieser Zinsengarantie wurde am 3. Juli in der königlich ungarischen Hofkanzlei unter dem Vor- sitze des Hofkanzlers Grafen Anton Forgäch eine Besprechung abgehalten, an welcher sich das k. k. Finanzministe- rium betheiligte, und zu der auch die Vertreter der Eisenbahn- Gesellschaft zu- gezogen wurden.

Die principielle Frage, ob eine Unter- stützung seitens der Regierung für die Privatuntemehmung überhaupt zu er- möglichen wäre und ob eine solche Unter- stützung zur Linderung des Nothstandes wesentlich beitragen würde, ward in erster Reihe behandelt.

Im Laufe der Besprechung wies der Vorsitzende auch auf den Umstand hin, dass anlässlich der im besten Zuge stehenden Actien-Subscription verschie- dene Beweggründe Verdächtigungen des Unternehmens hervorgerufen haben, ins- besondere weil an der Spitze desselben auf dem Felde derartiger Unternehmun- gen minder bekannte Persönlichkeiten stehen, und dass es dem Unternehmen an einer hinreichend soliden Grundlage gebreche.

Die nächste Folge dieser Besprechung war, dass das k. k. Finanzministerium schon drei Tage später einen im Kohlen- wesen bewährten Fachmann zur Be- fahrung und Erhebung der geognostisch- bergmännischen Verhältnisse der Szent- Istvän Steinkohlen-Bergwerke entsandte.

Auf Grund des fachmännischen Gut- achtens erklärte der Finanzminister dem Hofkanzler, dass obwohl nach den neuerlichen Erhebungen die Ertragsfähig- keit der Szent-Istvän Kohlenwerke und der Pest-Losoncz-Neusohler Bahn mit Wahrscheinlichkeit nicht in dem von den Gründern angenommenen Masse ver- anschlagt werden könne, er in An- betracht der seitens des Hofkanzlers aus- einandergesetzten Gründe dennoch ge- neigt sei, die Uebernahme der Staats- gewähr für Verzinsung und Tilgung der Hälfte des aufzunehmenden Prioritäts- Anlehens, nämlich von 4,5CX>.ooo fl. zu befürworten, wenn dadurch die baldige gleichzeitige Inangriffnahme der Eisen-

bahn-Arbeiten an mehreren Strecken auch in der Richtung Losoncz - Neusohl und eine frühere Vollendung der ganzen Eisen- bahn Pest-Neusohl ermöglicht würde. Bei den weiteren Verhandlungen beharrte jedoch der Finanzminister dabei, dass er erst dann in der Lage sein könnte, die a. h. Ermächtigung zur Einbringung einer die Staatsgarantie betreffenden Vorlage zu erbitten, wenn die constituirende Ver- sammlung der Actionäre der Pest-Losoncz- Neusohler Eisenbahn bereits stattgefunden

' habe und der Statuten-Entwurf der neuen Gesellschaft zur Genehmigung vorliege. Es entspannen sich sehr langwierige schriftliche Unterhandlungen zwischen dem Finanzministerium und der unga- rischen Hofkanzlei, wobei das Erstere an seinem Standpunkte festhielt, während die Letztere für die Sache der Gesell- schaft eintrat. Die Hofkanzlei trachtete zu beweisen, dass, wenn die Verhand- lungen bezüglich der zu leistenden Staats- garantie erst nach der Constituirung der Eisenbahn - Gesellschaft welche für Mitte September in Aussicht genommen war und nach Vorlage der Statuten in Angriff genommen und durchgeführt werden sollten, sich die Absicht, dem Nothstande durch den Bau abzuhelfen, als illusorisch darstellen würde, da unter solchen Umständen die Arbeiten im besten Falle erst im November oder gar erst im nächsten Frühjahr beginnen könnten.

Als die Bemühungen der ungarischen Hofkanzlei, das Finanzministerium für ihre Ansicht zu gewinnen erfolglos blieben, schlug die Gesellschaft ein neues Auskunftsmittel vor, und zwar sollte der Unternehmung aus dem für das Königreich Ungarn zur Linderung des Nothstandes zu bewilligenden Reserve- fonds von fünf Millionen Gulden eine Million unter der Bedingung zur Ver- fügung gestellt werden, dass die Gesell- schaft sich verpflichte, diesen Betrag bei Realisirung ihrer Prioritäts-Obligationen unverweilt zurückzuzahlen. Hiedurch wäre die Eisenbahn-Gesellschaft mit Zu-

j rechnung der ihr zu Gebote gestandenen eigenen Geldmittel in die Lage gesetzt worden, den Bau der Pest-Salgo-Tar- jäner Strecke unverweilt zu beginnen und während der ganzen Bauzeit fortzusetzen.

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Das Eisenbahnwesen in Ungarn seit 1867.

Die Hofkanzlei, wie auch das Finanz- ministerium waren bereit, auch diesem neueren Ansuchen der Unternehmung zu entsprechen. £s gelang jedoch auch diesmal nicht, die Angelegenheit so rasch zu erledigen, als es im Interesse aller obwaltenden Umstände gelegen war. Der Grund der neuen Verzögerung war die Auifassung des Finanzministers Freiherm von Plener, der die Lösung der Sub- ventionsfrage nach a. h. Zustimmung dem Beschlüsse des Reichsrathes zuge- führt wissen wollte.

Unterdessen hatte die »Pest-Losoncz- Neusohler Eisenbahn und Szent-Istvän Steinkohlenbergbau - Gesellschaft« ihre constituirende Generalversammlung am 15., 17. und 18. September abgehalten, die umgeänderten Statuten dem könig- lich ungarischen Statthaltereirathe vor- gelegt, und in der am 2. October abge- haltenen Sitzung des Eisenbahn-Comit^s konnte der leitende Director desselben, Hofrath Josef von Havas, melden, dass am 5. October mit den Arbeiten auf der Hatvan-Salgö-Tarjäner Strecke aus eige- nen Mitteln der Gesellschaft begonnen werden wird.

Die Folgen der Langwierigkeit der resultatlosen Unterhandlungen blieben nicht aus. Wie es die mit den dama- ligen ungarischen Verhältnissen vertrau- ten massgebenden Kreise, in erster Reihe die königlich ungarische Hofkanzlei vor- ausgesehen hatte, drängten sich die vom Hunger gepeinigten Arbeitsuchenden zum Bau der Hatvan-Kis-Terenneer Strecke in solchen Mengen, dass die vorhande- nen Geldmittel der Gesellschaft bald er- schöpft und Arbeiterunruhen bei der in Aussicht genommenen Einstellung des Baues zu befürchten waren.

Um dieser drohenden Gefahr vorzu- beugen, ertheilte der Hofkanzler im eigenen Wirkungskreise dem ungarischen Statthaltereirathe am 4. November die telegraphische Weisung, der Gesellschaft einen Vorschuss aus dem Landesfonds zu gewähren, damit dieselbe nicht in die Zwangslage versetzt werde, die Arbeiten einstellen zu müssen; gleichzeitig wandte er sich aber direct an die Krone.

Seine Majestät nahm den Inhalt des von Erzherzog Rainer vidimirten, die

Bitte um a. h. Genehmigung der »aus höheren politischen als auch polizeilichen Rücksichten c erfolgten obenerwähnten Verfügung des Hofkanzlers enthaltenden Vortrages mit a. h. Entschliessung vom 19. November genehmigend zur Kenntnis.

Dadurch kam der Hofkanzler in die angenehme Lage, auch bis zur erfolgten Sanctionirung des Gesetzes über die aus Anlass des Nothstandes in Ungarn zu gewährende Aushilfe vielen Nothleidenden einen Erwerb, den genannten Eisenbahnen aber zur Fortsetzung der begonnenen Arbeiten Hilfe in Form von Vorschüssen nach Massgabe des dringendsten Be- darfes zu bieten.

So ward es möglich, der Gesellschaft zur Fortsetzung der Erdarbeiten schon in den Monaten November und December 1863 in wöchentlichen Raten von 6000 fl. zusammen 24.000 fl. Vorschuss zukommen zu lassen und weitere Vorschüsse bis zum Betrage von 400.000 fl. ö. W. zu be- willigen, welche Summen auf das Ver- mögen der Gesellschaft, namentlich aber auf deren Salgö -Tarjäner Kohlenberg- werke sichergestellt wurden. Bezüglich der Verzinsung und der Rückzahlung erklärten sich die Schuldner mit den von a. h. Stelle zu stellenden Bedingungen im Vorhinein einverstanden.

Unterdessen zogen sich die Verhand- lungen bezüglich der Statuten der Ge- sellschaft zwischen der königlich unga- rischen Hofkanzlei, dem Handels- sowie dem Finanzministerium und dem Ver- treter der Eisenbahn-Gesellschaft in der schleppendsten Weise in die Länge, bis endlich am 29. Februar 1864 gleich den obigen Regierungsstellen auch noch das k. k. Polizeiministerium erklärte, dass es gegen die Fassung der während der Verhandlungen wiederholt abgeänderten Statuten nichts einzuwenden habe.

Die mit a. h. Entschliessung vom 23. März mit den seitens der königlich ungarischen Hofkanzlei vorgeschlagenen Aenderungen genehmigten Statuten . er- wiesen sich aber nur zu bald als nicht geeignet, die missliche finanzielle Lage der ohne Zinsengarantie concessionirten Eisenbahn zu bessern; im Gegentheil, es erschwerte der Wortlaut derselben die Aufnahme eines sich dem Unternehmen

Josef Gonda, Geschichte etc.

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bietenden Prioritäts-Anlehens, das zur Fortsetzung der Arbeiten und Aufrecht- erhaltung der Gesellschaft selbst unbe- dingt erforderlich war.

Mit a. h. EntSchliessung vom 29. Juni, respective 28. Juli 1864 wurde schliesslich die Gesellschaft ermächtigt, zur An- schaifung des Baucapitals auf den In- haber lautendeTheilschuldverschreibungen bis zur Höhe des eingezahlten Actien- capitals auszugeben, und gleichzeitig ein 6%iges, in den Jahren 1871 bis 1876 rückzahlbares Prioritäts - Anlehen von 5,400.000 fl. ö. W. Silber, ebenfalls gegen Ausgabe von auf den Inhaber lautenden Theilschuldverschreibungen aufzunehmen. Die Wiener Bankhäuser, mit welchen die Gesellschaft in Verbindung trat, machten jedoch die Finanzirung davon abhängig, dass der Sitz und die gerichtliche Com- petenz der Gesellschaft nach Wien ver- legt und die Geschäftsführung nach den Bestimmungen des österreichischen Han- delsgesetzes eingerichtet werde. Dies erforderte eine abermalige Abänderung der Statuten.

Die a. h. Genehmigung erfolgte am 28. November 1864 mit der Bestimmung, dass die Angelegenheit zur weiteren Be- handlung dem k. k. Staatsministerium zuzuleiten sei. Damit wurde der ohnehin unbedeutende Einfluss, welchen die unga- rischen Landesstellen auf die projectirte rein ungarische Eisenbahn zu üben ver- mochten, nur noch mehr geschwächt.

Die in Aussicht genommene Finanz- operation missglückte jedoch vollkommen, was zur Folge hatte, dass am 11. Juli 1865 über das Unternehmen der Concurs verhängt werden musste.

Ueber die Ursachen dieser Katastrophe wirft jener Vortrag einiges Licht, welchen die königlich ungarische Hofkanzlei am 5. Juli 1866 in Angelegenheit der Sanirung der traurigen Zustände der Eisenbahn an a. h. Stelle unterbreitete.

Dem vorzüglichen Elaborate des Re- ferenten der Angelegenheit bei der könig- lich ungarischen Hofkanzlei, Hofrath Johann von Barthos, entnehmen wir folgende Stellen :

»Die Abgeordneten und die provi- sorische Massaverwaltung der in Concurs gerathenen Pest-Losonczer Eisenbahn-

Gesellschaft sind mit dem Gesuche um die Einleitung geeigneter Massnahmen eingeschritten, durch welche der voll- ständige Ausbau der grösstentheils bereits beendeten Bahn, die Beendigung des anhängigen Concurs Verfahrens und die Tilgung aller für den bisherigen Bau geleisteten Vorschüsse würde ermöglicht werden. «

»In diesem Gesuche wird die missliche Lage, in welche das Unternehmen gerieth, dadurch zu rechtfertigen gesucht, dass der Gesellschaft, ungeachtet der ihr von Seite des Finanzministeriums im Jahre

1863 ertheilten Zusicherungen, die in Aussicht gestellte staatliche Zinsen- garantie, auf welche hin der Bau ohne hinreichende Geldmittel begonnen wurde, nachträglich verweigert, und selbst von dem, aus dem Nothstandsdarlehen be- willigten Anlehen von 1,000.000 fl. nur der Theilbetrag von 400.000 fl. aus dem ungarischen Landesfonds verabfolgt worden sei.c

»Da aber trotz des Entganges dieser, das Zustandekommen der Bahn wesent- lich bedingenden staatlichen Unterstützung die begonnenen Arbeiten ohne Gefährdung des ganzen Unternehmens nicht unter- brochen werden durften, so nahm die Gesellschaft in dieser bedrängten Lage ihre Zuflucht zu einem anscheinend viel versprechenden Auskunftsmittel, indem sie ihre Prioritäts - Obligationen dem Wiener Bankhause Schuller & Comp, zur Verwerthung übergab, und von diesem auch noch in der am 30. Mai

1864 abgehaltenen Generalversammlung die Mittheilung erhielt, dass die Ver- äusserung der oberwähnten Actien als gesichert zu betrachten sei. Bald darauf meldete aber die genannte Firma die Ein- stellung ihrer Zahlungen an, und da es sich hiebei ergab, dass die Prioritäten der Pest-Losonczer Eisenbahn-Gesellschaft unveräussert geblieben waren, die Gesell- schaft daher über keine weiteren Geld- mittel zu verfügen hatte, war sie eben- falls genöthigt, den Concurs bei dem Pester Stadtgerichte anzumelden und den Weiterbau der Bahn sofort einzustellen. Nach dem von der Massaverwaltung zu- sammengestellten, dem Gesuch beiliegen- den Ausweise erreichen die Activen die

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Das Eisenbahnwesen in Ungarn seit 1867.

Höhe von 6,808.251 fl. 21 kr., während die Passiven, ohne Hinzurechnung der noch nicht ermittelten Beträge für die ex- propriirten Gründe, beiläufig 3,5CX>.ooo fl. betragen, c

»D'iQ Gesuchsteller sind daher der Ueberzeugung, dass, wenn durch irgend ein entsprechendes Mittel, namentlich durch die a. h. Ertheilung der für die Prioritäts- Obligationen bereits in Aussicht gestell- ten Zinsengarantie, die Verwerthung dieser Papiere, ferner durch die vor- schussweise Bewilligung des nach dem Bauberichte zum gänzlichen Ausbau der Bahn noch erforderlichen Betrages von 785.700 fl. und durch die Lieferung von Schienen aus Aerarial-Eisenwerken unter angemessenen Zahlungsfristen der Aus- bau ermöglicht werden würde, nicht nur die gefährdete Unternehmung gerettet, sondern auch der geleistete Vorschuss pünktlich abgetragen werden könnte, wogegen im Falle des gerichtlichen Ver- kaufes der Bahn nicht nur die Unter- nehmer ihr Capital verlieren, sondern auch die, lediglich durch Prioritäten be- deckten Forderungen des Aerars und des ungarischen Landesfonds, uneinbringlich werden dürften, t

Fem er wird in diesem Vortrage über die seitens des Finanzministeriums mit der Gesellschaft gepflogenen Verhand- lungen berichtet, welche aber nicht zum Ziele führen konnten, da das Ministerium solche Bedingungen stellte, welche die •Staatshilfe illusorisch gemacht hätten. Von diesen Bedingungen sei nur jene erwähnt, welche bestimmte, dass die Bahn in den ersten Jahren nicht in eigener Regie geführt, sondern »an eine durch ihre topographische Lage zur pacht- weisen Uebemahme des Betriebes ge- eignete grössere Eisenbahn - Unterneh- mung« zu überlassen sei.

Die Hofkanzlei berichtete weiter, dass mit Intervention des ungarischen Statt- hai tereirathes die Punctationen eines ab- zuschliessenden Uebereinkommens fest- gestellt worden seien, welche auch seitens der Gläubiger der Eisenbahn-Gesellschaft als annehmbar anerkannt wurden. Da jedoch die Realisirung des Ueberein- kommens Geldmittel erforderte, über- liess das Finanzministerium die Initiative

der Durchführung der Hofkanzlei umso- mehr, »als es sich hiebei eigentlich um eine specifisch ungarische Angelegenheit« handelte.

»Bei der Sachlage so fährt der Vortrag fort wo ein Unternehmen in Frage steht, das ohne die Zusicherung der Staatsgarantie vielleicht niemals zu- stande gekommen wäre, darf man es wohl eine Ehrenpflicht der Regierung nennen, dass dasselbe nicht fallen ge- lassen, das Interesse Jener, die im guten Glauben dem Unternehmen Opfer gebracht, geschützt und dafür Sorge getragen werde, dass die im Unternehmen bereits verwendeten Summen nicht durch eine gewinnsüchtige und eigennützige Agio- tage ausgebeutet werden. Diese Rück- sichten wären auch dann massgebend, wenn sich gegen die Anschauung des k. k. Finanzministeriums, wonach sich an diese Bahn nur ein specifisch unga- risches Interesse knüpft, nichts erinnern liesse. Allein diese Ansicht würde nur dann den Anschein der Gründlichkeit für sich haben, wenn bei dem Bau der Bahn lediglich die bereits bewilligte Strecke Pest-Losoncz-Neusohl in Aussicht ge- nommen wird, obschon sie auch in die- sem Falle zur Hebung der ärarischen Eisenindustrie und des Holzhandels wesentlich beitragen würde. Bekanntlich ist aber diese Bahn bestimmt, sich später über Szucsän an die Oderberger Bahn anzu- schliessen, wodurch sie eine hervorragende Bedeutung für die ganze Monarchie aus dem Grunde gewänne, weil sie auf diese Weise ein Glied jenes europäischen Eisen- bahnnetzes bilden würde, welches den Nordosten Deutschlands und den Norden Oesterreichs mit den südlichen Gegenden Ungarns verbindet und den kürzesten Schienenweg zwischen der Ostsee und dem Schwarzen Meere herstellte

»Aber abgesehen von diesem wei- terliegenden Momente sprechen auch schwerwiegende politische und volks- wirthschaftliche Gründe für die Gewäh- rung der in Rede stehenden Staatssub- vention. Die fortdauernde Verarmung Ungarns, dieses an Urproducten so reich gesegneten Landes, ist leider eine nur zu gut bekannte Thatsache und eine der wichtigsten Ursachen dieser Erscheinung

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muss in dem Mangel genügender Com- municationsmittel gesucht werden. Wäh- rend nämlich allseitig das eifrigste Be- streben thätig war, durch Herstellung zweckmässiger Eisenbahnnetze den Natur- und Industrie- Erzeugnissen den reichlich- sten Absatz zu sichern, besitzt Ungarn verhältnismässig nur wenige Bahnen, deren Frachtpreise so hoch sind, dass den Rohproducten des Landes durch diese Bahnen nicht nur keine neuen Marktplätze eröifnet wurden, sondern dasselbe sogar von bereits innegehabten Märkten infolge der entstandenen Gon- currenz mit günstiger situirten Ländern, insbesondere mit den WoUproducten und dem Getreide verdrängt worden ist.«

»Wenn man aber auch nur das in- ländische Bahnnetz ausserhalb Ungarns mit den ungarischen Bahnen vergleicht, so zeigt es sich, dass Ungarn gegenüber die Länder diesseits der Leitha in einer weit günstigeren Lage sich be- finden, denn während in der gesammten Monarchie auf 100 Q Meilen acht Bahn- meilen entfallen, ist Ungarn in je icx> □Meilen mit nur vier Bahnmeilen bedacht und selbst von den in der jüngsten Reichsrathssession in Ver- handlung genommenen 200 Bahnmeilen, welchen die Staatsgarantie ertheilt wurde, werden auf Ungarn nur 45 Meilen ent- fallen. Hiezu kommt noch, dass sich unter den garantirten Bahnen auch solche Linien befinden, welche nur eine princi- pielle Bedeutung haben und zu deren staatlicher Subventionirung auch Ungarn beitragen musste, ohne aus deren Be- triebe einen materiellen Nutzen zu ziehen.«

»Es wäre daher nur in der Gerechtig- keit und Billigkeit begründet, dass die gleiche staatliche Unterstützung auch ungarischen Bahnen selbst dann zutheil werde, wenn es sich lediglich um eine ungarische Landesbahn handeln würde, umso gerechter erscheint demnach der Anspruch auf Staatssubvention im vor- liegenden Falle, wo das Interesse des ganzen Reiches unleugbar betheiligt ist und selbst die Sicherheit der bereits ge- leisteten Unterstützungs-Summen in Frage steht . . .<

Aut Grund dieses Vortrages geneh-

migte Se. Majestät mit a.h. Entschliessung vom 7. September 1866 den Entwurf des Uebereinkommens zwischen der Staatsver- waltung und der Gesellschaft und gestattete, dass zum Ausbau der Bahn die Summe von 1,800.000 fl. ö. W., femer zur Deckung des erstfälligen Coupons des neu zu emittirenden Prioritäts-Anlehens die Summe von 200.000 fl. aus dem Staatsschatze vorgestreckt, endlich die zum Bau erforderlichen Schienen und Eisenbestandtheile im beiläufigen Werthe von 1,000.000 fl. zur Verfügung ge- stellt und hiefür sowie zur Deckung der früheren Forderungen des Aerars von 800.000 fl. für Schienen und des ungarischen Landesfonds im Betrage von 400.000 fl. in Baarem, Obligationen des neuen Prioritäts-Darlehens in gleicher Höhe zum vollen Nennwerthe im Um- tausche gegen die alten Obligationen übernommen werden.

Die Gesellschaft verpflichtete sich im Uebereinkommen, die Staatsunterstützung ausschliesslich zur Fertigstellung und Inbetriebsetzung der Bahn zu verwenden. Die Controle hatte ein direct hiezu er- nannter königlicher Commissär, Karl von Huszär, zu üben, dem zu diesem Be- hufe ein technisches Organ, der spätere Director- Stellvertreter der Pest-Losonczer Bahn, Ober-Ingenieur Franz N eis er, zur Verfügung gestellt wurde.

Die Gesellschaft hatte die alten Priori- täts-Obligationen einzuziehen. Der Staats- verwaltung stand das Recht zu, bis zur Begleichung des neuen Prioritäts-An- lehens zwei Verwaltungsräthe zu er- nennen ; die Wahl fiel auf den kaiser- lichen Rath Albert v. Wodianer und den Grafen B61a Festetics.

Dank der der Gesellschaft gewordenen Unterstützung willigten die Gläubiger in die Aufhebung des Concurses, die am 6. October erfolgte.

In der am 3. November in Pest ab- gehaltenen Generalversammlung wurde der Beschluss gefasst, die Firma »König- lich privilegirte ungarische Nordbahn« anzunehmen.

Auf Vortrag der königlich ungarischen Hof kanzlei geruhte Seine Majestät mittels a. h. Entschliessung vom 5. Februar 1867 zu bewilligen, dass die Gesellschaft noch

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Das Eisenbahnwesen in Ungarn seit 1867.

vor Abänderung der Statuten die Firma »Kaiserlich - königlich privile- girte ungarische Nordbahn« [Cs. kir. szab. magyar 6jszaki vasut] annehme.

Nach Aufhebung des Concurses wurden die Bauarbeiten der Eisenbahn eifrigst fortgesetzt, so zwar, dass die Strecke Pest-Hatvan am 2. April, die Strecke Hat van-Salgö-Tarj an am 19. Mai 1867 dem Betriebe übergeben werden konnte.

Die weiteren Schicksale dieser so schwer zustande gekommenen Eisenbahn behandelt ein späteres Capitel, hier wollen wir nur noch des Umstandes ge- denken, dass schon in der am i. Juli 1864 im k. k. Handelsministerium ab- gehaltenen >Comit6-Sitzung in Eisen- bahn-Angelegenheiten« der Gesellschaft die Bewilligung zur Vornahme der Vor- arbeiten für die Linien; Hatvan-Szol- nok, Fülek-Miskolcz und Neusohl- Sillein-Oderberg [Beszterczebänya- Zsolna - Oderberg] ertheilt ward, wo- bei das Handelsministerium es den Con- cessionswerbem nahegelegt hatte, »in Erwägung zu ziehen, ob nicht statt der Linie Hatvan-Szolnok jene von Hatvan nach Gzegled ins Auge zu fassen wäre, weil dadurch der Weg der Verbindung der Losonczer Bahn mit der Theiss- Eisenbahn und beziehungsweise mit der siebenbürgischen Bahn nur unerheblich verlängert, dagegen aber die geradeste Verbindung mit der südöstlichen Staats- bahn in der Richtung nach Szegedin hergestellt werden würde«.

Wahrlich ein untrüglicher Beweis der hohen Gunst, welcher sich die priv. Staatseisenbahn-Gesellschaft seitens des k. k. Handelsministeriums erfreute. Als Zeichen dieses besonderen Wohl- wollens ist übrigens unter vielen anderen auch jener von uns bereits erwähnte Umstand anzusehen, wonach das Handels- ministerium bei einer anderen Gelegen- heit die staatliche Sanirung der Verhält- nisse der bedrängten Pest-Losonczer Bahn an die Bedingung knüpfen wollte, dass der Betrieb dieser Bahn »der Direction einer in Pest bereits einmündenden Eisenbahn«, das heisst mit anderen Worten : der Staatseisenbahn-Gesellschaft übertragen werde.

Fast zur selben Zeit, als die Pest- Losoncz-Neusohler Bahn auf der Tages- ordnung stand, beschäftigte auch ein zweites, sehr wichtiges Eisenbahn-Project die massgebenden Kreise diesseits und jenseits der Leitha.

Am 23. Juli 1862 hatte nämhch die ungarische Hofkanzlei das durch den Statthaltereirath in Ofen unterbreitete Gesuch des Baron B^la Wenkheim, Baron Josef E ö t v ö s, August v. T r e f o r t und Graf Alexander Kärolyi zur weiteren Verhandlung an das Kriegs- und Handelsministerium geleitet, in wel- chem Gesuche die Genannten um die Bewilligung der Vorarbeiten zum Bau einer Flügelbahn von M e z e t ü r oder Gyoma über Oroshäza bis an die Theiss »zur zweckmässigen Ver- bindung der Gomitate Csongräd und B6k6s mit der Theissbahn« einschritten. Einige Tage später, am 10. August 1862, wurde die angesuchte Bewilligung er- theilt. Mit Berücksichtigung des Um- Standes, dass die seitens des Statthalterei- rathes im Begleitschreiben des Gesuches ausgesprochene Meinung, wonach sie es für zweckmässiger hielt, die projectirte Flügelbahn statt in der angedeuteten Richtung lieber von Endröd nach Szarvas und von Gsaba bis an die Theiss zu führen, auch von den übrigen Behörden gutgeheissen wurde lautete die Be- willigung für beide Alternativen.

Das war also der erste Schritt zur Ver- wirklichung der Idee, welche bezüglich einer von dem ungarischen AlfÖld nach Fiume zu erbauenden Eisenbahn im unga- rischen Reichstage schon im Jahre 1843 aufgeworfen wurde und sich in der Form einer von Szegedin über Maria-Theresiopel [Szabadka] nach Essegg zu führenden Linie auch in dem im Jahre 1854 aus- gearbeiteten Projecte eines Eisenbahn- netzes für Oesterreich vorfindet.*)

Die Concessionswerber, denen sich auch Graf Georg Kärolyi angeschlossen hatte, beriefen für den 23. November 1 862 die Interessenten zu einer Berathung nach Pest, wo beschlossen wurde, dass die Eisenbahn von Grosswardein [Nagy-

*) Vgl. Bd. I, I. Theil, H. Strach: Die ersten Staatsbahnen, Seite 316.

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värad] ausgehend Über Gyula, Csaba, Oroshäza, Hödmezö- Väsärhely nach Szege- din und von da über Szabadka und das Bäcs-Bodroger Comitat an die Donau an einen noch zu ermittelnden Punkt zwischen Baja und Dälja auszubauen wäre ; ausser- dem sollten die Städte Zorabor und Baja und die Gemeinden Szarvas und Szentes durch Zweigbahnen verbunden werden.

Dem Interessenten-Consortium waren unterdessen noch beigetreten: Paul von A 1 m ä s s y, Graf Georg A p p o n y i, Graf G^za Batthyänyi, Anton v. C sen- ge ry, Graf Emil Dessewffy, Anton Fellmayer, Franz Fröhlich, Graf Alexander Ha 11 er, Ernst v. H oll an, Franz Kopp^ly, Heinrich v. L6vay, Melchior v. L ö n y a y, Georg v. M a j 1 ä t h, Graf Alfons Pallavicini, Sigmund Schossberge r, Baron Ludwig Si- monyi, Karl v. Sutics, Graf Anton S z a p ä r y, Koloman v. T i s z a und Graf Franz Zichy, Männer, die im öffent- lichen Leben Ungarns, hervorragende, zum Theile leitende Stellungen bekleideten. Diese erwählten aus ihrer Mitte zu Be- vollmächtigten des Consortiums: Baron Josef Eötvös, August v. Trefort, Baron B61a Wenkheim, Melchior v. Lönyay, Sigmund Schossberger und die Grafen Georg und Alexander Kärolyi.

Die Bevollmächtigten schritten vorerst um die Ausdehnung der Bewilligung der Vorarbeiten ein. Im Gesuche wird hervor- gehoben, dass das Zustandekommen dieser »Alfölder Eisenbahn« für die meist interessirte weite Gegend deshalb eine wahre Lebensfrage sei, weil durch die- selbe die ungarische Tiefebene mit dem weniger productiven, jedoch industriell entwickelteren Ober-Ungarn und unmittel- bar auch mit dem Meere in Verbindung gebracht und somit einer grossen Menge von Rohproducten ein ständiges Absatzgebiet auch im Auslande er- öffnet, die Rückfracht aber in der Einfuhr von Industrie- Artikeln sowie von Mineralkohle nach dem industrie-, holz- und kohlenarmen Alföld gesichert w^äre. Da auch der Umstand schwer in die Wagschale fiel, dass eben dieser gesegnete Theil des Landes die Wohl- thaten einer leichten und schnellen Com- munication am empfindlichsten entbehrte,

was zur Folge hatte, dass die Bewohner bei reicher Ernte fast nicht wussten, was sie mit den Schätzen von Boden- producten beginnen sollten, bei einer Missemte aber nur an den Früchten der guten Jahre zehrten, war die Bewilligung zu den Vorarbeiten für die Dauer von zwei Jahren bald ertheilt.

Die bezügliche Erledigung des Han- delsministeriums enthielt die auf das Gutachten des Kriegsministeriums sich stützende, bemerkenswerthe Eröffnung, dass die projectirte Bahn für militärische Zwecke erst dann werthvoU werden könnte, »wenn sie mittels eines Donau- überganges nach Essegg fortgesetzt und daselbst mit den dahin projectirten Bahnen in Verbindung gebracht würde«.

Es war nämlich dem Prinzen Wil- helm zu Schaumburg-Lippe und Genossen schon im December 1862 die Bewilligung zu den Vorarbeiten für eine Eisenbahn zwischen den südöstlichen Staatseisenbahnen im Banate und der croa tischen Linie der Südbahn-Gesell- schaft mit einer Zweigbahn zum An- schlüsse an die Ofen-Pragerhofer Linie, ferner für eine Eisenbahn von Essegg nach Semlin, zum Anschlüsse an die im Fürstenthume Serbien projectirten Eisen- bahnen ertheilt worden. Auch wurde schon seit Jahren das Project einer Eisenbahn von Semlin über Sissek und Karlstadt nach Fiume mit Abzweigungen nach Essegg, Brod und Zengg betrieben, welches zu jener Zeit besonders die cro- atisch-slavonische Hofkanzlei favorisirte.

Die Verbindung mit diesen Eisen- bahnen war schon deshalb geboten, weil dadurch die Herstellung eines Donau- überganges erleichtert worden wäre.

Hierüber lesen wir in dem Schrift- stücke des Handelsministeriums, durch welches die Bewilligung zur Vornahme der Vorarbeiten für die Alföldbahn ertheilt wurde, die nachfolgende Bemerkung:

»Möglicherweise könnten für die Unternehmer sich die Baukosten für die Donaubrücke durch eine Vereinbarung mit dem Prinzen Schaumburg-Lippe und Genossen auf die Hälfte herabmindern, da dieselben hinsichtlich der Bahnstrecke Essegg-Xeusatz gleichfalls eine Donau- brücke zu bauen hätten«.

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Das Eisenbahnwesen in Ungarn seit 1867.

»Ein weiteres Auskunftsmittel zur Theilung der Kosten für die Donau- brücke liegt in einer Verpflichtung der Südbahn-Gesellschaft, da dieselbe ge- halten ist, nach Vollendung der Linie Oedenburg-Kanizsa, in dem Falle, als von den Eisenbahnen im Banate eine Zweigbahn bis an einen Punkt des linken Donauufers zwischen Essegg und Vukovär geführt werden würde, auch eine Eisenbahn von Kanizsa über Essegg zu dem gedachten Punkte zu führen und die Hälfte der Kosten für eine Brücke daselbst zu tragen. Die Südbahn- Gesellschaft wäre vielleicht geneigt, diese Verpflichtung auf die Linie Baja-Dälja auszudehnen, da die projectirte Gross- wardein - Szegedin - Donaubahn jedenfalls oberhalb der Linie Essegg- Vukovär die Donau zu überschreiten hätte. Das Kriegs- ministerium hat übrigens als die dem militärischen Interesse am meisten zu- sagenden Uebergangspunkte vorläufig nur Bezdän und Apatin bezeichnet. Die Con- cessionswerber wären auf die ange- deutete Fortsetzung der von ihnen pro- jectirten Hauptbahn mit dem Beifügen aufmerksam zu machen, dass dieser Gegenstand bei der Verleihung der definitiven Concession jedenfalls zur Er- örterung kommen wird.«

Die Vorarbeiten waren im Zuge, als der im Jahre 1863 eingetretene, bereits oben erwähnte Nothstand der Angelegen- heit eine neue Wendung gab.

Am 26. Juli erging an den königlich ungarischen Hofkanzler ein a. h. Cabinets- schreiben folgenden Inhaltes:

» Lieber Graf Forgäch !

In der Anlage übersende Ich Ihnen ein Gesuch der Bevollmächtigten der Gemeinde Oroshäza, worin dieselben aus Anlass des herrschenden Nothstandes um Einleitung der Erdarbeiten für die Eisenbahn von Szegedin nach Maria- Theresiopel und um Anweisung der hiezu nöthigen Fonds aus Landesmitteln bitten, mit dem Auftrage, Mir hierüber sogleich Bericht zu erstatten.

Wien, am 23. Juli 1863.

Franz Joseph, nu p.

Gesehen, 25. Juli.

Erzherzog Rainer, in, />.«

In dem hierauf der Krone unter- breiteten Vortrage berichtet der Hof- kanzler vorerst über die bereits ertheilten Bewilligungen zur Vornahme der Vor- arbeiten und setzt dann fort: »Ob nun die genehmigten Vorarbeiten schon so weit gediehen sind, dass auf Grundlage derselben ein der Bitte der Gesuchsteller entsprechender weiterer Vorgang zu- lässig erscheinen würde, ist mir nicht bekannt, auch bin ich nicht in der Lage, über die sonstigen Verhältnisse dieser im Entstehen begriff'enen Eisenbahn- Unternehmung nähere Aufschlüsse zu geben. Eure Majestät haben bereits früher die gleiche Bitte der Landwirthschafts- Gesellschaft im Heveser Comitate, welche durch die Grafen Georg Apponyi und Freiherm B61a Wenkheim Allerhöchsten Ortes eigereicht wurden, der AUer- gnädigsten Bezeichnung gewürdigt und die königlich ungarische Statthalterei wurde schon damals angewiesen, sowohl über die übrigen in der Bittschrift be- züglich des Nothstandes enthaltenen Fragen, als auch rücksichtlich der be- zeichneten Eisenbahn genauen Bericht zu erstatten«.

»Um nun der neuerdings bezeichneten AUergnädigsten Absicht Eurer Majestät nach Möglichkeit zu entsprechen, habe ich die Einleitung getroffen, dass die auf diesen Gegenstand bezüglichen Daten von den Concessionswerbem mit thun- lichster Beschleunigung und unmittelbar hieher vorgelegt werden, wodann ich mir die ehrfurchtsvolle Freiheit nehmen werde. Eurer Majestät auf Grundlage derselben sowie nach gepflogener Rück- sprache mit dem Ministerium für Handel und Volkswirthschaft, den Stand der Sache mit meinen allerunterthänigsten Anträgen in tiefster Ehrfurcht zu unterbreiten.«

Der aus diesem Anlasse vom Hof- kanzler einberufene Bevollmächtigte der Concessionswerber, August v. Trefort, ertheilte diesem die mündliche Aufklärung, dass die Alfölder Bahn von Gsaba bis Maria-Theresiopel insoweit tracirt sei, dass die auf 684.913 fl. 39 kr. veran- schlagten Erdarbeiten nach der gleich- zeitig schriftlich angesuchten Begehung der Trace unverw^eilt in Angriff genom- men werden könnten.

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Josef Gonda, Geschichte etc.

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Da es sich in diesem Falle nicht nur um das Zustandekommen eines Unternehmens handelte dessen Zweck- mässigkeit imd Nothwendigkeit im Uebrigen ausser allen Zweifel gestellt war sondern das Hauptgewicht auf die Linderung des herrschenden Noth- standes gesetzt wurde, fand die Be- gehung der Trace noch im Monate August statt. Nachdem jedoch für die Eisenbahn noch keine Goncession vor- handen war, musste die Ermächtigung zur Inangriffnahme der Erdarbeiten von a. h. Stelle ausgehen. Auf Vortrag der ungarischen Hofkanzlei vom 24. Sep- tember 1863 erfolgte noch am selben Tage die a. h. Entschliessung, die »aus- nahmsweise« gestattete, dass die Erd- arbeiten vorgenommen und die hiezu er- forderlichen Geldmittel aus den für öffent- liche Arbeiten anlässlich des Nothstandes bestimmten Geldern als Darlehen bei- gestellt werden.

Wenn auch bezüglich der Sicher- stellung des zu gewährenden Darlehens zwischen der ungarischen Hofkanzlei und dem Finanzministerium Meinungsver- schiedenheiten obwalteten, wurden die Erdarbeiten dennoch in Angriff genommen, als am 11. November 1863 der Hof- kanzler Graf Forgäch die Auszahlung eines Vorschusses von 100.000 fi. aus dem Landesfonds anwies.

Seine Majestät geruhte zwar die Re- gierungsvorlage betreffs Beistellung der zur Linderung des Nothstandes in Ungarn erforderlichen 30,000.000 fl., von welchen 750.000 fl. auf die Alfölder, 1,000.000 fi. aber auf die Pest - Losonczer Eisenbahn als verzinslicher Vorschuss verwendet werden sollten, zu genehmigen, nachdem jedoch das bezügliche Gesetz von 17. No- vember 1863 den angesprochenen Credit auf 20,000.000 fi. herabsetzte und die Eisenbahnen von jeder Betheiligung ausge- schlossen hatte, war es auch ferner un- möglich, die nöthig erscheinenden Unter- stützungen aus Staatsmitteln zu gewähren. Um dies dennoch zu ermöglichen, unter- breitete der Hofkanzler auf Intervention des Statthaltereirathes am 10. Januar 1864 einen, auf Abhilfe zielenden Vortrag. In demselben ward wieder betont, dass die Fortsetzung der Eisenbahn - Arbeiten die

Geschichte der Eisenbahnen. III.

beste Gelegenheit zur Linderung des Noth- standes biete. »Da Euer Majestät« hiess es in der Vorlage weiter »Deputa- tionen mehrerer Gemeinden, welche ihre Bitte um Vornahme der Erdarbeiten bei der Alfölder Eisenbahn und um Be- willigung der hiezu erforderlichen Geld- mittel zu den Füssen des a. h. Thrones auch mündlich niederzulegen wagten, die Zusicherung der Gewährung ihrer Bitten huldreichst zu ertheilen sowie dieser a. h. Gnade auch mit der a. h. Ent- schliessung vom 24. September 1863 Aus- druck zu geben geruhten, und es wohl nicht zulässig erscheinen dürfte, dass das a. h. Wort, welches von den bezüglichen Gemeinden mit innigster Freude und tiefstgefühlter Dankbarkeit vernommen wurde, imerfüUt bleibe, erübrigt nichts, als die zu diesem Zwecke erforderlichen Vorschüsse aus dem Landesfonds zu ent- lehnen, welcher hiezu die Mittel besitzt, und unter den obwaltenden Verhältnissen auch zunächst berufen ist.« Schliesslich wurde der der Alfölder Bahn zu ge- währende Vorschuss mit Hinzurechnung der bereits flüssig gemachten 11 0.000 fl. mit 600.000 fl. beziffert, und wie be- reits erwähnt für die Pest- Losonczer Bahn ein Vorschuss von 400.000 fi. vor- geschlagen.

Die a. h. Genehmigung dieser Anträge erfolgte schon am 16. Januar 1864.

Die Erdarbeiten der Alfölder Bahn wurden sodann fortgesetzt, aber vorläufig nur so lange, als das aus dem Landes- fonds bestrittene Anlehen nicht erschöpft war.

Erst im Jahre 1867, als mit a. h. Ent- schliessung vom 19. December 1866 zur Wiederaufnahme der Arbeiten und Deckung der Expropriationskosten dem Unternehmen ein Staatsvorschuss von 800.000 fi. bewilligt wurde, machte man sich wieder an die Erdarbeiten, mit deren Ueberwachung der als königlicher Com- missär gleichzeitig entsendete August V. Trefort betraut ward.

Das Consortium der Alföldbahn be- gnügte sich aber nicht mit der Fort- setzung der bereits begonnenen Arbeiten, sondern es war auch bestrebt, das Netz der Eisenbahn möglichst zu erweitern. Auf Ansuchen des bevollmächtigten

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370

Das Eisenbahnwesen in Ungarn seit 1867.

Comit^s wurde demselben die Bewilligung zu den Vorarbeiten für die Fortsetzung der Bahn von Maria-Theresiopel nach ^sse gg auf die Dauer eines Jahres und für die Strecke von E s s e g g über Sissek und Karlstadt nach Fiume auf die Dauer von zwei Jahren ertheilt. Hiebei wurde das Comit6 welches für das Project eine englische Finanzgruppe gewonnen hatte darauf aufmerksam gemacht, dass die Strecke Essegg-Fiume mit den Linien der Süd- bahn bei Sissek und bei Karlstadt in Verbindung gebracht werden müsste, femer dass bei den Verhandlungen wegen Verleihung der definitiven Concession die Linie Essegg-Semlin zur Spräche kommen werde, »wenn der Bau derselben nicht etwa mittlerweile sichergestellt werden * solltet, schliesslich, dass die Con- cessions - Urkunde der Südbahn dieser für den Ausbau der angeregten Linien das Vorrecht einräume.

Die Alfbldbahn hatte also in ihren Fortentwicklungs-Bestrebungen schon im Vorhinein vielseitige Concurrenzen zu bekämpfen, darunter die der seinerzeit projectirten Semlin-Fiumaner Eisenbahn.

Mit a. h. EntSchliessung vom 13. April 1863 war nämlich die croatisch-slavoni- sche Hofkanzlei beauftragt worden, »mit Rücksicht auf die für den Handelsverkehr des Reiches im Allgemeinen anzuhoffenden Vortheile und auf die Nothwendigkeit und Dringlichkeit einer Abhilfe für die, durch die dermalige Gestaltung der Handelsverkehrs - Verhältnisse bedrängte Bevölkerung Croatiens insbesondere« [war doch durch die im Jahre 1862 er- folgte Eröffnung der Sissek- Steinbrücker Strecke der Südbahn der ganze Verkehr von Sissek über Steinbrück nach Triest abgelenkt worden] die erforderlichen Vorarbeiten für die von Semlin nach Fiume projectirte Eisenbahn im Ein- vernehmen mit den betreffenden Central- stellen alsbald zu veranlassen.

Es gelang auch eine vom Grafen Villermont in Brüssel repräsentirte Gesellschaft zu finden, welche diese Eisen- bahn-Vorarbeiten auf eigene Kosten sofort im Angriff nahm.

Am 29. Juli 1864 antwortete Seine Majestät einer Deputation der Stadt Fiume,

die in Angelegenheit der Eisenbahnen Semlin-Fiume und St. Peter -Fiume in a. h. Audienz empfangen wurde: »Ich war angelegentlich bestrebt, zu bewirken, dass die Eisenbahn von Agram nach Karlstadt je eher zustandekomme; dass die Vorarbeiten für die grosse Semlin- Fiumaner Eisenbahn, welche bestimmt ist, die letztere Stadt mit ihrem Mutter- lande und mit den an Rohproducten reichen Hinterländern in kürzere Ver- bindung zu bringen, mit Beschleunigung zu Ende geführt werden; und endlich, dass die Verhandlungen mit der Süd- bahn-Gesellschaftbezüglich einer Schienen- verbindung von St. Peter mit dem Hafen von Fiume mit allem Eifer begonnen werden. Infolge dieser von Mir ge- troffenen Massregeln wird die Flügelbahn von Agram nach Karlstadt noch im Laufe dieses Jahres zu Ende geführt und dem Verkehre übergeben werden; und Ich nehme mit Befriedigung Ihre Bestätigung über das rege Fortschreiten der Vor- arbeiten für die Semlin-Fiumaner Eisen- bahn entgegen.«

»Seien Sie im Uebrigen überzeugt, meine Herren, dass Ich nicht tmterlassen werde, den gegenwärtigen Stand der Frage dieser beiden von Ihnen befür- worteten Eisenbahnen gründlich zu Studiren und ohne Verzug die Anstalten zu treffen, damit diese wichtigen Unter- nehmungen je eher der Berathung des Reichsrathes unterzogen werden.«

Wie wir aber aus einer seitens des croatisch-slavonischen Hof kanzlers M a- z u r a n i <5 an den ungarischen Hof kanzler Hermann Grafen von Zichy am 16. Sep- tember 1864 unter Präs.-Zahl 343 ge- richteten Zuschrift entnehmen, hatte der Handelsminister Anträge gestellt, welche geeignet waren, die Unterhandlungen be- treffs der definitiven Bauconcession der Bahn »auf ungewisse Zeit hinauszu- schieben « .

Hinweisend auf die seitens August V. T r e f o r t's und Genossen erlangte Be- willigung zu den Vorarbeiten für die Essegg - Fiumaner und Essegg - Semliner Eisenbahnlinien sagt der croatisch-slavo- nische Hof kanzler: »Euer Excellenz [der ungarische Hof kanzler] werden gewiss sammt mir der Ansicht sein, dass es nur

Josef Gonda, Geschichte etc.

371

äusserst bedauerlich und vielleicht höchst verhängnisvoll sein würde, wenn auf diese noch nicht begonnene und mindestens zwei Jahre in Anspruch nehmende Tra- cirung gewartet werden, und nicht alles Mögliche geschehen würde, um die bereits durch die belgische Gesellschaft nun bald zustande gebracht werdende Tracirung zu verwerthen, auf deren Grundlage schon im nächsten Frühjahre die Semlin- und Essegg-Fiumaner Bahn in Angriff ge- nommen werden kann.c *

Der Hofkanzler spricht sodann von dem Projecte des grossen Eisenbahn- netzes mit den Endpunkten Stuhlweissen- burg, Grosswardein, Gross-Kikinda, Sem- lin, Essegg und Fiume, welches das Handelsministerium gegen das ungarische und das croatische Project ins Treffen zog, glaubt aber, dass, nachdem das grosse Netz mehrere hundert Millionen erfordere und viele Jahre in Anspruch nehmen würde, es den Interessen Ungarns und Croatiens besser entsprechen würde,- eine selbständige Concurrenzbahn von der Donau nach Fiume sofort auszubauen. Er meint, dass zu diesem Behufe eine Fusion der Semlin-Essegg-Fiumaner Bahn mit der Alföld-Stuhlweissenburg-Essegger Linie im Wege eines freiwilligen Ueber- einkommens der. belgischen Gesellschaft mit derjenigen, welche sich in Ungarn bildet, anzustreben wäre, damit keine Zeit verloren gehe und die Bahn nach Fiume zustande kommen könne »denn es erscheint viel klüger, etwas Wenigeres, aber dieses schnell zu erreichen, als in der zweifelhaften Hoffnung auf Realisinmg grosser Projecte in einer ferneren Zeit, das in nächster Zeitfolge schon Erreich- bare aufzugeben«.

Im April 1865 kam mit Intervention des Handelsministeriums, der ungarischen und der croatisch-slavonischen Hofkanzlei die Fusion des belgischen und englisch- ungarischen Consortiums zustande. Das projectirte ungarisch-croalisch-slavonische Eisenbahnnetz mit dem Knotenpunkte in Essegg sollte nun zur gemeinschaftlichen Ausführung gelangen.

Beide Hofkanzleien waren sodann redlich bemüht, diese Eisenbahnbau- Angelegenheit endlich einem Abschlüsse zuzuführen; zufolge der herrschenden

Verhältnisse blieb es jedoch der con- stitutionellen ungarischen Regierung vor- behalten, dieses, wie so manches andere Eisenbahn-Project jener Jahre, zu ver- wirklichen.

Auch der östliche Theil Ungarns, Siebenbürgen, konnte sich erst spät der Segnungen des Schienenweges erfreuen. Die schon vom Grafen Stefan Sz6ch6nyi [vgl. Bd. I, I. Theil, Abb. 131, S. 121] angeregte Idee, von Arad eine Eisenbahn nach Siebenbürgen zu führen, hatte sich auch die österreichische Regierung zu eigen gemacht, und es blieb auch vom Jahre 1851 an, als das k. k. Handels- ministerium ein Eisenbahnnetz »für die östlichen Länder der Monarchie« ent- werfen Hess, die Frage immer auf der Tagesordnung, wenn von Eisenbahn- fragen in Oesterreich überhaupt die Rede war.

Die Entstehungs-Geschichte der Sieben- bürger Eisenbahnen hat nach vielen Rich- tungen manche Aehnlichkeit mit jener der Alföld-Fiumaner Bahn, nur dass bei jenen noch grössere Meinungsverschiedenheiten bezüglich der zu befolgenden Richtungen geherrscht haben, und dass sich um die Goncession derselben eine ganze Legion von Unternehmern aus allen Ländern Europas bewarb.*) Die grösste Aehn- lichkeit bestand aber darin, dass im Jahre 1864 auch in Siebenbürgen, und zwar auf der Strecke Arad-Karlsburg, die Erd- arbeiten als Nothstandsarbeiten auf Staats- kosten in Angriff genommen wurden.

Am 18. August 1866 hatten schliess- lich Max Egon Fürst zu Fürstenberg, Emil Fürst Fürstenberg, Otto Graf Chotek und Louis von Haber die Goncession für die Linie Arad-Karls- burg [Gyula-Feh6rvär] und eine Zweigbahn von Piski bis Petrozs6ny im Zsil- thale erhalten, und gründeten eine Ge- sellschaft mit der Firma »K. k. priv. Erste Siebenbürger Eisenbahn« [Cs. kir. szab. elsö erd^lyi vasut].

Das Anlage-Gapital der Bahn war aut 35,000.000 fl. ö. W. in Silber, und zwar das Actiencapital auf 14,000.000 ff. und

•) Vgl. Bd, L I. Theil, H. Strach: Eisenbahnen mit ^insengarantie, Seite 486.

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372

Das Eisenbahnwesen in Ungarn seit 1867.

der Betrag der auszugebenden Prioritäts- Obligationen auf 21,000.000 fl. festgesetzt.

Die Concessions-Urkunde garantirte dem Unternehmen ein jährliches 5%iges Reinerträgnis vom Anlage-Capital nebst der entsprechenden Amortisationsquote, und gewährte eine vierjährige Steuer- und Stempelfreiheit. Die seitens der Staats- verwaltung für die Herstellung der bis dahin fertigen Arbeiten verausgabten Summen sollten mit 4% verzinst und in Prioritäts-Obligationen vergütet werden.

Da jedoch andere Eisenbahn-Unter- nehmungen seinerzeit grössere Begünsti- gungen erhalten hatten, konnten die Con- cessionäre dieser Bahn die Finanzirung mit Erfolg nicht durchführen. Die Re- gierung erweiterte daher die Begünsti- gungen durch das Additional-Ueberein- kommen vom 17. Februar 1867. Laut diesem übernahm die Staatsverwaltung die Verpflichtung, die auf den Bau bereits ver- wendeten Summen durch Baarvorschüsse bis auf 4,000.000 fl. zu ergänzen, den Vorschuss bis zur Eröffnung der Bahn unverzinslich zu belassen und sodann für ihre Förderung Actien al pari in Zahlung zu übernehmen. Femer wurde das garantirte jährliche Reinerträgnis mit 1,771.000 fl. ö. W. in Silber festgesetzt, die Befreiung von der Einkommensteuer | und den Stempelgebühren von vier auf neun Jahre erstreckt.

Gleichzeitig mit der hierauf erfolgten Finanzirung des Unternehmens wurde der Bau an die Unternehmung Gebrüder Klein & Sepper vergeben. Die General-Unter- nehmung verpflichtete sich, die Hauptbahn innerhalb zwei, die Zweigbahn binnen drei Jahren vollständig herzustellen und einzurichten, bis zur Eröff^nung des Be- triebes die Verzinsung der Actien und Obligationen zu leisten sowie die Regie- und Betriebs -Vorauslagen und die An- schafi'ung von Verbrauchsmaterialien zu bestreiten. Für alle diese Leistungen hatte die Gesellschaft den Unternehmern Actien und Obligationen im Betrage von nom. 3 1,000.000 fl. an Zahlungsstatt auszufolgen.

Die Entstehung der als Ungarische Ostbahn gebauten Linie Grosswar- 1 dein - Klausenburg - Kronstadt [Nagyvärad-Kolozsvar-Brassö] fällt schon in die constitutionelle Aera ; wir wollen |

uns mit dieser Bahn an anderer Stelle befassen.

Zur Vornahme der Vorarbeiten für eine nach dem Nordosten Ungarns von Debreczin nach Märamaros-Sziget führende Eisenbahn hatten im September 1 864 Graf Anton Forgäch in Gemein- schaft mit Ludwig von Koväch und die königlichen Freistädte Debreczin und S z a t m ä r ^die Bewilligung erhalten. Im December desselben Jahres wurde dem Bukowinaer Grundbesitzer Michael Ritter von P o p o w i c z dieselbe Bewilligung für die Eisenbahn von Tokaj über Näm^ny nach Märamaros-Sziget ertheilt, nach- dem derselbe Goncessionswerber schon früher im August 1863 die Be- willigung zu den Vorarbeiten einer Bahn von Märamaros-Sziget bis zu der an der Grenze der Bukowina und der Moldau gelegenen Stadt Kornoluncze zum An- schlüsse an die moldauische Bahn erhalten hatte. Gegen die Ertheilung letztgenannter Bewilligung konnte deshalb keine Ein- wendung erhoben werden, weil die Theiss- bahn zu jener Zeit zimi Ausbau einer Eisenbahn von Nyiregyhäza nach Sziget im Princip verpflichtet, sich aber dieser Verpflichtung zu entziehen bemüht war, indem sie von einer Verlängerung ihres Netzes nach Siebenbürgen eine grössere Rentabilität erhoffte und sich daher um die Concession der Siebenbürger Bahn ernst beworben hatte.

Sofort nach Ertheilung der BewiUigung an den Grafen Forgäch und Genossen kamen von Seiten der interessirten Comi- tate, Städte und Corporationen Gesuche an die Regierung, in welchen auf die Dringlichkeit der Realisirung des Pro- jectes der Eisenbahn von Debreczin nach Märamaros-Sziget hingewiesen w^urde. Im Februar 1865 wurde eine vom Grafen Forgäch geführte Deputation desSzatmärer Comitates in a. h. Audienz empfangen. Das bei dieser Gelegenheit unterbreitete Gesuch führt über die Noth wendigkeit und den Zweck dieser Bahn, über sämrat- liche hiebei in Betracht gezogenen Ver- hältnisse eine solche Fülle interessanter Daten an, dass wir es für angezeigt halten, dasselbe dem vollen Wortlaute nach wiederzugeben.

Josef Gonda, Geschichte etc.

373

Erhabenster Kaiser und Apostolischer

König !

Unser allergnädigster Herr!

Mit tiefer Unterthanentreue und uner- schütterlichem Vertrauen wagen wir es, an den Stufen des Thrones Eurer k. k. Majestät die heissesten Wünsche, die innigsten Bitten unserer Gegend niederzulegen:

Die göttliche Vorsehung hat das Land, welches wir bewohnen, mit ihrem Segen überschüttet, wir haben fruchtbare Aecker und eine seltene Mannigfaltigkeit von Urproducten und bei allem dem gibt es kaum eine Gegend im weiten Ungarn, welche verlassener und gedrückter wäre. Der einzige Grund dieser Erscheinung ist der Mangel an Communication. Dieses wäre ganz natürlich, wenn die Lage unserer Gegend ungünstig und isolirt wäre. Dem ist aber nicht so, denn wenn man die Hauptstadt des Landes als den Mittelpunkt annimmt, so geht eben durch unser Comitat die gerade Linie nach den zum nördlichen Sieben- bürgen und zu Galizien gehörigen Landstrecken, desgleichen auch der Bukowina und von dort in die Moldau und Walachei.

Aus diesem Grunde hat auch die Landesregierung, als sie einst die Hauptzüge der ungarischen Eisenbahnen entworfen, als eine der sechs Haupt- linien jene von Pest über Debreczin, Szatmär nach Sziget bezeichnet.

Von den sechs Endpunkten sind Pressburg, Kanizsa, Arad, Grosswardein und Kaschau bereits mit Pest verbun- den, Sziget ist der einzige Hauptpunkt, welcher noch übrig geblieben ist. Es wurde damit gerade jene Linie ver- nachlässigt, welche im Interesse der Staatsfinanzen als die günstigste, be- züglich der Einnahmen als die ein- ladendste bezeichnet werden muss und welche durch die Verbindung der reichsten Salzgruben mit allen Punkten des Landes so viele Interessen be- friedigen würde.

Es wäre unnöthig, wenn wir die Vor- theile der von uns angestrebten Eisen- bahnlinie Debreczin - Szatmär - Sziget

auseinandersetzen wollten; die Reichs- regierung Eurer k. k. Majestät kennt hinlänglich die Wichtigkeit und die Dringlichkeit derselben ; da sie bei der Entwerfung des Reichs-Eisenbahnnetzes die obgedachte Linie nicht nur her vorhob, sondern auch dieselbe in die erste Reihe der zu erbauenden Eisenbahnen setzte.

Mit Bedauern erlauben wir uns Euer Majestät gegenwärtig zu halten, was wir als eine traurige Thatsache nicht verschweigen können, dass im ganzen Lande und insbesondere in unserer Gegend das Elend beängstigend zunimmt, die Wohlhabenheit furchtbar sinkt, die Steuerfähigkeit vollkommen gebrochen ist. Bei diesem Stande der Dinge könnten nur energisch und schnell angewendete Mittel helfen, von denen der angesuchte Eisenbahnbau das erste sein sollte.

Im Vertrauen auf die hohe Gnade Eurer k. k. Majestät hat sich provi- sorisch eine Gesellschaft gebildet, welche die Concession zur Vornahme der Vor- arbeiten erhielt, dieselben noch im vorigen Jahre zu Ende brachte und die Resultate schon dem Ministerium be- hufs der weiteren Verhandlung vorlegte.

Die Unternehmung hat auch die Geldmittel, den Bau unter den ge- wöhnlichen Garantie- Bedingungen aus- zuführen. Es hängt einzig von der allerhöchsten Gnade Eurer Majestät ab, dass der heisseste Wunsch imserer Gegend, das einzige Mittel unserer. Rettung, die einzige Bedingung zur Hebung unseres Wohlstandes, die Eisenbahn zustande komme.

Die von uns angesuchte Eisenbahn- linie wurde schon von Euer Majestät im Monate März 1860 mit einer Ab- änderung der Endpunkte allergnädigst concessionirt ; ob Debreczin oder Nyi- regyhäza den Ausgangspunkt bilden soll, das würde in dem Wesen der a. h. Concession wohl keinen Unter- schied machen, wenn jedoch die hohe Regierung Eurer k. k. Majestät dafür halten sollte, dass die Frage neuerdings zur Verhandlung des Reichs- rathes gehört, so könnte es die a. h. Gnade Eurer k. k. Majestät vermitteln.

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Das Eisenbahnwesen in Ungarn seit 1867.

dass der Gegenstand noch in der gegen- wärtigen Session eingebracht und günstig erledigt werde.«

Obzwar dies Gesuch die a. h. Signa- tur erhalten und das Handelsministerium in Anbetracht der unverkennbaren Wich- tigkeit der projectirten Eisenbahnlinie, insbesondere auch für die ärarischen Salinen, die ausgedehnten Staatsforste des Märamaroser Comitates und das Eisenwerk in Kabola-Pojana schon einen Gesetzentwurf ausgearbeitet hatte, mussten die Unterhandlungen bezüglich der Er- theilung der definitiven Concession doch scheitern, da das Finanzministerium die Zustimmung zur Gewährung der Staats- garantie verweigerte.

Nachdem überdies auch noch ein neues, auf ein grösseres Eisenbahnnetz bezügliches Project eingelangt war, wurde der erwähnte Gesetzentwurf ad acta ge- legt. Wir finden hierüber in der Vorlage des Handelsministers vom 23. Juli 1865 die folgende, nicht uninteressante Stelle : »Da zudem nämlich der ablehnen- den Haltung des Finanzministeriums nach neuem, mir seitens des Grafen Stuart d'Albanie zugekommenen Mit- theilungen die Bildung eines englischen Consortiums in Aussicht steht, welches die Realisirung einer Bahn von Nyiregy- häza über Sziget bis zur moldauischen Grenze bei Folticeni und von da über Jassy bis Odessa beabsichtigt, so glaube ich von dem allerunterthänigsten Antrage auf die a. h. Genehmigung der sofortigen Einbringung des vorliegenden Gesetz- entwurfes im Reichsrath auch meinerseits abgehen und ehrerbietigst bitten zu sollen: Euer Majestät geruhen den gegenwärtigen Stand der Verhandlungen allergnädigst zur Kenntnis zu nehmen und mir die Erledigung des vorgelegten a. h. signir- ten Majestäts-Gesuches der Szatmärer Deputation, sowie auch der anruhenden Concessions - Gesuche allergnädigst zu überlassen. «

Damit war das Los dieser Bahn wenigstens für einige Jahre entschieden. Ebenso blieb ^ie Verwirklichung des seitens des Grafen Johann W a 1 d s t e i n in Gemeinschaft mit dem Grafen Erwin Schönbor n-B u c h h e i m eingebrachten

I. Projectes eines Eisenbahnnetzes mit dem I Knotenpunkte in Munkäcs und den Anfangs- und Endpunkten in Kaschau, Nyiregyhäza, Nagy-Szölös und Stryj späteren Jahren vorbehalten.

Bezüglich der für den Norden Ungarns hochwichtigen, in beiden Theilen der Monarchie gelegenen K aschau-O der- ber ger Eisenbahn sind an anderer Stelle dieses Werkes nähere historische Daten enthalten;*) wir finden es jedoch für angemessen, hier jenen Standpunkt zu beleuchten, welchen dem Projecte dieser Bahn gegenüber die ungarischen Kreise eingenommen haben.

Zunächst sei daran erinnert, dass schon im Jahre 1862 der bevollmächtigte Director und Mitbesitzer der Herrschaft Wsetin, Emil R a i k e m, die Bewilligung zu den Vorarbeiten für eine Eisenbahn von Mähr.-Weisskirchen bis an den Waagfluss in Ungarn, mit der Fortsetzung aufwärts der Waag und weiters durch das Hemädthal zum Anschlüsse an die Theissbahn der Geheimrath Freiherr V. Thierry aber in Verbindung mit einem englischen Consortium für eine Ver- bindung der Theissbahn und der Kaiser Ferdinands-Nordbahn von Kaschau bis S i 1 1 e i n und von da einerseits bis Oder- berg, andererseits nach Ungarisch- Hradisch der Landwirthschafts- Verein des Barser Comitates in Gemein- schaft mit mehreren Würdenträgern, darunter der Fürstprimas von Ungarn, für eine Eisenbahn von Gran-Näna durch das Granthal und die Gegend der Berg- städte nach Oderberg erhalten hatten.**)

Diese Concessions werber mussten aber gar bald dem Consortium, an dessen Spitze die belgischen Unternehmer Ge- brüder Riche standen, weichen.

Die Unterhandlungen mit diesem Con- sortium zogen sich auch dann noch sehr in die Länge, als in der unter der Leitung des Handelsministeriums am 23. Novem- ber 1864 abgehaltenen Sitzung constatirt wurde, dass dem Zustandekommen der

*) Vgl. Bd. I, 2. Theil, L Konta: Ge- schichte der Eisenbahnen von 1867 bis zur Gegenwart.

**) Vgl. Bd. I, I. Theil, H. Strach: Ge- schichte der Ei senbahnenOesterreich-Ungarns.

Josef Gonda, Geschichte etc.

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Kaschau-Oderberger Eisenbahn mit einer Plügelbahn nach E p e r i e s keine be- sonderen Hindemisse mehr im Wege stehen. Bei dieser Gelegenheit hatte sich der Vertreter der ungarischen Hofkanzlei dahin geäussert, dass die nächste Folge das Inslebentreten der Verbindung dieser Bahn einerseits mit Przemyil, andererseits mit Diöszeg sein werde.

Da die gedachten Bahnlinien eben die industriereichsten oberungarischen Gomitate, welche bis dahin den Mangel jeder Eisenbahn- Verbindung schmerzlich empfunden hatten, namentlich aber die bedeutende oberungarische Eisen- und Kupferindustrie mit den ausgedehnten mährisch-schlesischen Steinkohlenwerken in unmittelbare Verbindung zu bringen berufen waren, hatte sich sowohl der ungarische Statthaltereirath als auch die Hof kanzlei veranlasst gefühlt, deren Ver- wirklichung nach Kräften zu fördern. Am 26. November schreibt die königlich ungarische Hof kanzlei dem Handelsmini- sterium : »Seiner Majestät väterliche Ab- sichten, welche der gleichmässigen För- derung des Wohles aller seiner Unter- thanen unablässig zugewendet sind, geben keinem Zweifel darüber Raum, dass das in Rede stehende, auch in strategischer Beziehung anerkannt zweckdienliche, ja gewissermassen unentbehrliche grossartige Unternehmen sich des a. h. Schutzes zu- versichtlich zu erfreuen haben wird; ebensowenig bezweifelt diese Hofkanzlei die Bereitwilligkeit der thätigsten Mit- wirkung des Reichsrathes, dem die ob- erwähnte allseitige hohe Wichtigkeit des Unternehmens ebenso bekannt ist, wie der Umstand, dass die ohnehin nur auf die Linie Kaschau-Oderberg beschränkte Staatsgarantie vermöge der voraussicht- lichen Rentabilität dieser Linie mehr eine ideelle ist, zumal die namhafte Ver- mehrung der directen und indirecten Ab- gaben, dann die bedeutende Erhöhung des Post- und Telegraphen-Gefälles so- wie die wesentlichen Nachlässe an Ge- bühren für Truppentransporte, welche sämmtlich durch die den Unternehmern zu ertheilende Concession dem Staate bleibend gesichert werden, nicht ausser. Acht gelassen werden können, vielmehr die Vortheile der etwa anzustrebenden

geringen Nachlässe in dem zu garan- tirenden Betrage, selbst wenn diese wirk- lich zu erreichen wäre, bei weitem Über- wiegen.«

»Die sehr wünschen swerthe Beschleu- nigung des Zustandekommens der frag- lichen Eisenbahnlinien hängt daher wesent- lich von der baldigen Austragung des Gegenstandes bei dem löblichen Handels- ministerium ab, und eben deshalb erlaubt man sich die gefällige Einwirkung in dieser Richtung dringend in Anspruch zu nehmen.«

Auch hieraus ist ersichtlich, dass nicht die massgebenden ungarischen Factoren daran Schuld getragen haben, dass die Kaschau-Oderberger Eisenbahn erst am 26. Juni 1866 die definitive Bauconcession erlangt hatte.

Schliesslich wollen wir noch des Um- standes gedenken, dass im Jahre 1863 Georg von Majläth, Baron Victor Wenkheim, Franz Czetkovits und Simon und Gustav Biedermann die Bewilligung zur Vornahme der Vorarbeiten für eine Eisenbahn von Fünfkirchen bis Kanizsa erhalten hatten, was wesentlich dazu beitrug, dass der Verwaltungsrath der Südbahn-Gesellschaft Ende desselben Jahres dem Handelsministerium die An- zeige erstattete, dass diese Gesellschaft die Vorarbeiten für die in ihrer Concessions- Urkunde vorgesehene Eisenbahnstrecke von Kanizsa nach Essegg mit einer Zweigbahn nach Fünfkirchen werde vornehmen lassen. Infolge dieser Inter- essen-Divergenz konnte die Concession für die Barcs-Fünfkirchner Bahn erst im Mai 1867 ertheilt werden.

Privatbahnen mit Staatsgarantie.

Die Eingangs als Sturm- und Drang- periode des Eisenbahnwesens in Ungarn bezeichneten, mit der Ernennung des verantwortlichen parlamentarischen Mini- steriums beginnenden Schöpfungsjahre 1867 1874 charakterisirt Ludwig von [ Mändy in seiner in diesem Werke be- I reits wiederholt gewürdigten Abhandlung mit solch meisterhaften, kräftigen Zügen, dass es unmöglich war, der Versuchung zu widerstehen, die Hauptmomente dieser

376

Das Eisenbahnwesen in Ungarn seit 1867.

classischen Schilderung gleichsam als Leitmotiv unserer ferneren Betrachtungen hier festzuhalten.

Als eine der Hauptaufgaben, deren Lösung im Jahre 1867 dem ungarischen Parlamente und der Regierung in volks- wirthschaftlicher Beziehung zufiel, be- zeichnet Mändy die Wahl des Systems, auf welchem das zu regelnde und weiter zu entwickelnde ungarische Eisenbahn- netz beruhen sollte.

»Die constitutionelle Aera« sagt er »hat, was das Eisenbahn-System an- belangt, vollendete Thatsachen vorge- funden, an welchen selbst wenn man es gewollt hätte nichts zu ändern war. Der neuen Regierung bot sich das auf Staatsgarantie beruhende Privateisenbahn- System in seiner vollen Blüthe dar. Alle Umstände haben die Regierung zur Auf- rechthaltung, ja sogar zu der bis an Entartung streifenden Fortentwicklung dieses Systems mit elementarer Macht gedrängt. Jede Gegend des Landes, alle seine äusserungsfähigen Interessen schrien nach Eisenbahnen ; den auf ihre eigene Kraft angewiesenen Privatuntemehmun- gen bot die wirthschaftliche Lage wenig Verlockendes; der von allen Seiten be- stürmte Geldmarkt bedurfte der Reiz- mittel ; der Staat selbst entbehrte in seinem soeben angelegten Haushalte die nöthigen Hilfsquellen, mit welchen er die in allen Theilen des Landes laut ge- wordenen Wünsche zu befriedigen ver- mocht hätte: all dies waren Umstände, welche es unmöglich machten, dem Zinsen- garantie-System zu entgehen. Das Land benöthigte zu seinen Investitionen aus- ländisches Capital, dessen Werth umso höher veranschlagt wurde, je grössere Dimensionen die Nachfrage annahm.«

» Es hätte wahrlich einer grossen Selbst- verleugnung, strenge festgestellter und consequent festgehaltener Principien be- durft, um die Strömung in ein geregeltes Bett leiten zu können, aber das Fieber riss Jedermann unwiderstehlich mit sich fort, die Nation sowohl, wie die Gesetz- gebung und die Regierung. Man über- schätzte den wirthschaftlichen Wohlstand des Landes; die wirkliche Rentabilität der Eisenbahnen war noch unbekannt; die Hauptrichtungen des Handelsverkehrs

waren noch nicht in dem Masse ent- wickelt, dass sie bei Feststellung der zu erbauenden Eisenbahnlinien als Richt- schnur hätten dienen können, c

»Unter solchen Verhältnissen kam das Zinsengarantie-System zur vollen Geltung.«

Zufolge des am 18. März 1867 seitens des ungarischen Reichsrathes gefassten Beschlusses arbeitete der königlich ungari- sche Minister für öffentliche Arbeiten und Communication, Graf Emerich M i k ö [vgl. Abb. 85], den Entwurf eines unga- rischen Eisenbahnnetzes aus, welcher nicht nur dem Reichstage unterbreitet, sondern auch allen bedeutenden Vereinen und Corporationen, so auch den Handels- und Gewerbekammem zum Studium zu- gesandt wurde.

Zur Beachtung dieses Vorganges hatte den Minister jener Umstand bewo- gen, dass bis dahin beim Projectiren der Eisenbahnen die Wahl der Linien ganz den Concessionswerbem überlassen war, und der Einfluss des Staates sich in der Regel nur auf die Wahrung des obersten Aufsichtsrechtes beschränkt hatte. So müsste es kommen, dass bei der Vor- nahme der Vorarbeiten mancher Eisen- bahnen die seitens der Unternehmungen vertretenen Interessen mit den allge- meinen Landesinteressen nicht immer im Einklang standen.

Der Mikö'sche Entwurf umfasste 25 Linien mit zusammen 63575 Meilen [4820 km]y und zwar [vgl. Karte, Beilage nach Seite 368]: i. Die Ofen-Fiumaner Linie mit den Strecken Zäkäny- Agram und Karlstadt- Fiume und den Zweigbahnen nach Zengg und Spalato ; 2. die Sieben- bürger Linie Grosswardein-Klausenbiu-g- Kronstadt-Bodzapass [Nagyvärad-Kolozs- vär-Brass6-Bodzaszoros] mit der Ausästung Kocsärd-Karlsburg ; 3. auf der Verbin- dungslinie mit Galizien die Strecken Hat- van-Miskolcz und Eperies- Landesgrenze mit der Richtung gegen Przem3'8l ; 4. die Linie Szerencs - Csap-Nagy-Szölös-Mara- maros-Sziget ; 5. die Linie Debreczin-Szat- mär-Tekehäza ; 6. die Kaschau-Oderberger Linie bis zur Landesgrenze mit der Zweigbahn nach Eperies; 7. auf der Pest-Oderberger Linie die Strecke Salgö- Tarjän-Losoncz-Alt-Sohl-Szucsän; 8. die Linie Neuhäusel - Neutra - Trencs^n bis

a Lajo«. 1871-1971,

Gofowc I«lvAn, 1870—1871.

Graf ZIchy JAuef. 1

Graf MIk» Imre. 1W7— 1^0.

TOn Keminy Gaboi

SC

P«hy Tainis. 1S75-

rdudj- PAI. iS^-lSSl.

378

Das Eisenbahnwesen in Ungarn seit 1867.

Sillein [fersekuj vär-Nyitra-Trencs6n-Zsol- na] ; 9. die Linie Neuhäusel- Komom [fersek- ujvär-Komärom] ; 10. die Gömörer Linie Miskolcz-Putnok-Rozsnyö ; ii. auf der Raab-Grazer Linie die Strecke Raab-Päpa- Körmend - Landesgrenze ; 12. die Linien Kanizsa-Barcs und Bares- Fünf kirchen- Üszög; 13. auf der Linie Stuhl weissen- burg- Fünfkirchen die Strecke Stuhl- weissenburg-Szt Lörincz; 14. die Villäny- Es segger Linie gegen Baranyavär mit der Zweigbahn Baranyavär - Bezdän ;

15. die Gross wardein-Bezdan-Alföldbahn ;

1 6. die slavonisch-croatische Linie Essegg- Sissek mit der Ausästung Plettemica- BrodJ 17. auf der Pest-Pancsovaer Linie die Strecke Gross-Kikinda-Pancsova;

18. die Linie Porlass - Neusatz - Zombor ;

19. die Arad-Temesvärer Linie; 20. die Linie Temesvär-Orsova ; 21. die Linie Arad-Karlsburg [Alvincz] mit der Zweig- bahn Piski-Petrozs^ny ; 22. die Zweig- bahn Kapus-Hermannstadt ; 23. Kron- stadt-Csik-S?ereda-Gyergyö-Szt. -Miklös ; 24. eine Zweigbahn nach Marosväsär- hely und schliesslich 2$, die Linie Klausenburg- Bistritz.

Diese Linien deren einige übrigens schon concessionirt, ja selbst in Bau be- griffen waren bezeichnete der Ent- wurf als solche, welche zunächst ausge- baut werden müssen, damit Ungarn »im europäischen Staatensystem jene Stelle ausfüllen könne, zu welchen es infolge der ihm innewohnenden Kraft und seiner geographischen Lage berufen ist«. Als abgeschlossenes Ganzes wollte der Mini- ster das entworfene Netz nicht hingestellt wissen, dasselbe sollte vielmehr den Be- dürfnissen des Verkehrs entsprechend er- gänzt, in manchen Theilen auch abge- ändert werden.

»Bei der Feststellung des Netzes diente jenes volkswirthschaftliche Princip zur Richtschnur, dass das Eisenbahnnetz ein Centrum besitze, aus welchem aus- gehend die Linien strahlenförmig nach jeder Richtung bis an die Landesgrenzen sich erstrecken.«

»Alles, was dem Verkehre Leben gibt : Das Geld, der Handel, die Gross- und Kleinindustrie hat naturgemäss den Hanjj^, sich zu concentriren, und sie schaffen sich einen solchen Mittelpunkt,

wenn derselbe nicht vorhanden wäre ; und da diese Factoren mit den Verkehrs- mitteln in gegenseitiger Wechselwirkung stehen, ja der eine Factor geradezu die Lebensbedingung des anderen bildet, kann einer ohne den anderen nicht einmal be- stehen. Diese Gegenseitigkeit herrscht auch im Verhältnisse des Landes zu seiner Hauptstadt, so dass das Aufblühen des einen Factors den anderen zum Auf- schwung bringt. Ein solcher Mittelpunkt kann nicht künstlich erzeugt werden, dieser bildet sich von selbst, und das ist eben der Beweis seiner Natürlichkeit. Unsere Hauptstadt besitzt diese Eigen- schaft in vollem Masse, und dass diese natürlich ist, ersieht man nicht nur aus ihrer Lage, sondern dafür spricht auch die Thatsache, dass sie sich trotz der erduldeten absichtlichen Vernachlässigung selbst inmitten der grössten Stürme, als Mittelpunkt des vaterländischen Ver- kehrs und Handels erhalten konnte. Eine solche Eigenschaft kann nicht ungestraft ausser Acht gelassen werden. Diese Auf- fassung bestimmte Budapest zum Mittel- punkte des Eisenbahnnetzes umsomehr, als auch die Eisenbahn-Gesetze von den Jahren 1836 und 1848 Budapest als jenen Punkt bezeichnen, von welchem die Hauptlinien auszugehen haben.«

Bei der Ausführung dieses Pro- grammes wollte sich die Regierung weder ausschliesslich an das Staatsbahn- noch an das Privatbahn-System binden. Das Hauptbestreben war, Ungarn in der kürzesten Zeit mit möglichst vielen Eisen- bahnen auszustatten.

Hiebei war aber die Regierung von der festen Absicht erfüllt, mit Berück- sichtigung der materiellen Kräfte des Landes Sparsamkeit walten zu lassen, denn wenn auch einerseits die Rohpro- ducte Ungarns die theure Fracht nicht vertragen konnten, so durften andererseits die Staatsfinanzen nicht durch übergrosse Lasten geschwächt werden. Deshalb be- zeichnete der Minister das System, wel- ches er anzuwenden gesonnen war, als »das System der billigen Eisen- bahnen«.

Graf Mikö, der in seinem Staats- secrctär, Ernst von Hollän [Abb. 86], einen von patriotischer Schaffenskraft

Josef Gonda, Geschichte etc.

beseelten Mitarbeiter gefunden hatte, begnügte sich jedoch nicht mit akade- mischen Abhandlungen, sondern er schritt auch ungesäumt zur That. Aber leider ist es weder ihm, noch seinen Nachfolgern gelungen, »das System des billigen Eisen- bahnbaues' in Ungarn einzubürgern.

Die erste Eisenbahn, welcher der selbständige ungarische Staat die Zinsen- garantie zugesichert hatte, war die Eisen- bahn von F Un f k i r c h e n [P6cs] bis Bares. Die am 2. Mai 1S67 dieser Bahn ertheilte Concessions- Urkunde führt be- reits die' Unterschrift des ungarischen Mi- nisterpräsidenten Grafen Julius Andrdssy und Communications - Mini- sters Mikö, jedoch nebst der Unterschrift des österreichischen Mi- nisteriums.

Als Concessionäre waren die k. k. priv. I. Donau-Dampf- Schiffahrts-Gesell- schaft, die Bank für Handel und Indu- strie in Darmsta-dt und die Bauunterneh- mung Th. Cramer- Klelt in Nürnberg ge- nannt. Die gewährte Staatsgarantie betrugein jährliches Reinerträgnis von 350.000 fl. ö. W, in Silber für die ganze Abb so

Strecke von Fünfkir- chen über Szigetvär nach Bares und erhielt das Unternehmen eine zehn- jährige Steuerfreiheit.

Trotzdem die Baufrist in der Con- cessions-Urkunde auf 15 Monate ange- setzt war, gelang es dem bewährten Baudirector Julius Herz, die 69 km lange Strecke innerhalb neun Monaten fertig- zustellen, so dass die feierliche Eröffnung schon am 4. und 5. Mai 1868- erfolgen konnte.

Die Concessionäre, denen sich später als Gründer auch die Oesterrei- chische Creditanstalt und das Bankhaus S. M. Rothschild ange- schlossen hatten, bildeten nach Geneh- migung der Statuten eine Actien- Gesell-

schaft unter der Firma »Kgl, priv. Fünfkirchen-Barcser Eisen- bahn« [kir. szabadalmazott P6cs-barcsi vasut] mit einem Anlage-Capital ' von 6,913.200 fl. ö. W. in Silber. Dasselbe vertheilte sich auf ein Stamm actien- Capi- tal von 3,464.200 fl, und auf ein Prio- ritäts-Anlehen von 3,449.000 fl.

Der erste Verwaltungsrath bestand aus dem Präsidenten Georg v, Majläth, dem gewesenen königlich ungarischen Hofkanzler, dem Vicepräsidenten Ladis- laus V. Korizmics und den Räthen Friedrich v, Harkänyi, Anselm Frei- herr v. Rothschild, Moriz Freiherr v. Wo- dianer, Martin Ritter V. C a s s i a n, Simson V. Bänffay, Julius Herz, Friedrich Sem- ler und Albert Ho 11. Der Sitz der Gesell- schaft war Budapest, wie überhaupt die Directio- nen der von da an für Ungarn concessionirten Eisenbahnen, mit Aus- nahme der gemeinsamen Bahnen, ihren Sitz in Ungarn und vorwiegend in der Hauptstadt haben mussten.*)

Die Gesellschaft hielt ihre erste ordentliche Generalversammlung am oiun Erno. 3- Mai 1869 ab und er-

mächtigte den Verwal- tungsrath, für die Erbauung zweier Flügelbahnen von Üszög einerseits nach Szabolcs, andererseits nach Vasas die Concession mit der Begünstigung einer Staatsgarantie zu erwirken und das auf eine Million Gulden veran- schlagte Baucapital durch Emission von Actien oder Obligationen zu beschaffen. Das Interesse des Fünfkirchner Kohlen- gebietes erforderte den möglichst raschen Ausbau dieser Zweigbahnen ; es war aber auch im Interesse der Fünfkirchen- Barcser Bahn gelegen, ihren Verkehr, welcher erst am i. September l868, dem

•) Vgl. BJ. I, 2. Theil, I. Konta; Ge- schichte der Eisenbahnen von 1867 bis zur Geijenwart, Seite 3Ö.

38o

Das Eisenbahnwesen in Ungarn seit 1867.

Eröffnungstage des Anschlusses an die Südbahn durch deren Strecke Barcs- Kanizsa einen Aufschwung genommen hatte, mit dem Transport der Producte jener reichen Kohlen werke noch mehr zu heben.

Die Concessions- Verhandlungen zogen sich mehrere Jahre hinaus, konnten jedoch zu keinem Erfolge führen. Schliess- lich baute die Donau-Dampfschiffahrts- Gesellschaft die Üszög-Szabolcser Linie als Flügelbahn der Mohäcs-Fünfkirchner Eisenbahn aus Eigenem und übergab sie am 16. August 1873 dem öffent- lichen Verkehre.

Durch die Bestimmung des Gesetz- artikels XIV vom Jahre 1883, wonach die Donau-Dampfschiffahrts-Gesellschaft verpflichtet wurde, vom Tage der Er- öffnung der Cszög-Szabolcser Zweigbahn der Fünf kirchen - Barcser Bahn einen jährlichen Steinkohlen-Transport von 1*5 Millionen Centner zu sichern und für den Entgang sechs Kreuzer Reinertrag pro Centner zu bezahlen, erhielt letztere Bahn eine genügende Entschädigung für die Bemühungen um das Zustandekommen der genannten Zweigbahnen.

In erfreulichem Masse hatte Übrigens die Rentabilität der Fünfkirchen- Barcser Bahn auch schon früher durch die am 20. December 1870 erfolgte Eröffnung der Essegg-Villänyer Strecke der Alföld- bahn zugenommen.

Die langen Unterhandlungen bezüglich der Alföld - Fiumaner Eisenbahn wurden durch die auf Grund des Gesetzartikels VIII vom Jahre 1868 am 12. December desselben Jahres ertheilte Concessions- Urkunde zu einem befriedigenden Ab- schlüsse gebracht.

Wir haben bereits gesehen, wie viele Unternehmer sich um die Concession dieser Bahn, schon seit Jahren beworben hatten. Die seitens der constitutionellen ungarischen Regierung mit den ersten Bewerbern für die Linie Grosswardein- Essegg wieder aufgenommenen Verhand- lungen beirrten besonders die concurriren- den Bestrebungen zweier Consortien, an deren Spitze einerseits die Grafen Lan- grand-Dumonceau, andererseits die weiter unten benannten Creditinstitute

und erste Wiener Bankhäuser standen. Die Concessions- Verhandlungen ergaben erst dann ein günstiges Resultat, als auf Initiative der Regierung die ursprüng- lichen Bewerber mit dem letztgenannten Consortium sich fusionirten. Am 13. No- vember 1867 wurde schliesslich zwischen der ungarischen Regierung und den ver- einigten Concessionswerbem der Vertrag unterzeichnet, welcher dem obenerwähn- ten Gesetzartikel zur Grundlage ge- dient hatte.

Laut der Concessions- Urkunde, welche kraft dieses Gesetzes der Ungarischen allgemeinen Creditbank, der k. k. priv. österreichischen Credit- Anstalt, der Bank für Handel und Industrie in Darmstadt, Samuel Haber, den Grafen Georg und Alexander Karolyi, Moriz Königswarte r, An- selm Freiherm v. Rothschild, Friedrich Schey, Ritter v. Koromla, Anton Schnapper, S. W. Schossberger und Söhne, Simon Freiherm v. S i n a, Hermann Todes co's Söhne, August V. Trefort, Albert und Moriz von Wo dianer ertheilt wurde, erhielten die Genannten die Concession für die Eisenbahn von Gross wardein nach Es s egg mit der Zweigbahn von Es s egg nach Villäny.

Die Bahnlinien waren binnen drei Jahren zu vollenden und dem Betriebe zu übergeben.

Jene Ausgaben des Staates, welche bei der Herstellung der Erdarbeiten auf der Strecke von Csaba bis Szabadka [Maria-Theresiopel] bis zum Tage der Uebergabe an das Unternehmen erwach- sen waren, verpflichteten sich die Con- cessionäre mittels Gesellschafts -Actien al pari im Maximalbetrage von 1,000.600 fl. zu begleichen. In dieser Summe waren die Kosten der Vorarbeiten auch mit inbegriffen.

Der Staat übernahm die Garantie für ein jährliches Erträgnis von 36.500 fl. ö. W. in Silber für die Bahnmeile vom Tag.e der Eröffnung der betreffenden Linien gerechnet.

Der Anschaffungswerth der Verkehrs- mittel war mit 55.000 fl. pro Meile, das ganze Anlage-Capital mit 37,000.000 fl. veranschlagt, wovon 18,000.000 fl. durch

Josef Goiida, Geschichte e

Actien, 19,000.000 fl. durch Prioritäts- Obligationen zu beschaffen waren.

Welches Vertrauen das Capital die- sem Unternehmen entgegengebracht hatte, geht aus dem Umstände hervor, dass bei der Emission 19.207 Parteien 6,011.713 Stück Actien zeichneten, wäh- rend die Anzahl der Actien blos 45.000 Stück betrug. Der Emissionspreis der Actie von 200 fl. Nominalwerth war 145 fl. ß. W.

Schon im August des Jahres 1868 wurden die Bauarbeiten mit voller Energie in Angriff genommen, um die in der Concessions- Urkunde festgesetzten Fertig- stellungs-Termine, und zwar : den 12, De- cember 1869 filr die Strecke Szeged-

schliesslich die von Zombor-Essegg- Villäny erfolgen konnte. Der Verkehr über die Donau wurde bis zum 23. Mai 1871 mittels Dampf schitTen abgewickelt; erst an diesem Tage war das Traject zwischen Combos und Erdöd in Betrieb gesetzt [vgl. Abb. 87]. Am 14. Sep- tember 1871 wurde schliesslich auch die Strecke Grosswardein-Csaba dem öffent- lichen Verkehre übergeben.

Unterdessen constituirte sich am 17. Januar 1870, nachdem die Statuten am 3. November 1869 genehmigt waren, die Gesellschaft als »Actien -Gesell- schaft für die Gross w ard e i n- Es segger Strecke der Alföld- Fiumaner Bahn* [Az alfold Fiume

Zombor, den 1 2. December 1 870 für die Strecken Csaba-Szeged und Zombor- Essegg einhalten zu können. Die com- missionelle Begehung der Strecke erfolgte am $. October 1868, bei welcher Ge- legenheit seitens der ungarischen Regie- rung die als Noths tan ds arbeit fertig- gestellten Erdarbeiten den Concessionären übergeben wurden. Am 7. December 1868 emittirte die Gesellschaft 30.000 Stück Priori täts- Obligationen ä 300 fl. ö. W. in Silber zum Emissi onscurse von 164 fl. ö, W., wobei eine 28fache Ueberzeich- nung stattfand.

Die Arbeiten nahmen einen raschen Verlauf, so dass am 11, September 1869 die Eröffnung der Strecke S z e g e d- Zombor, am 16. Juli, 16. November und 30. December 1870 die Eröffnung der Strecken Csaba-Hödmezö-Vä- särhely, respective von da bis Szeged,

vasut Nagyvärad-esziiki r^szänek r^szvi5ny

tärsulata].

Dem Gesetzartikel XIII vom Jahre 1868 verdankte die Ungarische Nord- ostbahn [Magyar ejszakkeleti vasutj ihr Entstehen.

Wie weit die Vorarbeiten für diese Eisenbahn bis zum Jahre 1867 gediehen waren, hatten wir Gelegenheit an anderer Stelle nachzuweisen. [Siehe S. 372.]

Die ungarische Regierung, der die endgiltige Lösung dieser Frage zugefallen war, ging von der Ansicht aus, dass es im volkswirth schaftlichen Interesse des Landes gelegen sei, solche Eisenbahn- Unternehmungen zu schaffen, die über ausgedehntere Netze verfügen. Deshalb hatte sie es den Concessionswerbem für die Debreczin-Mdramaros-Szigeter Eisen- bahn nahegelegt, mit jenem Consortium

382

Das Eisenbahnwesen in Ungarn seit 1867.

zu fusioniren, welches sich den Ausbau der Eisenbahn mit dem Knotenpunkte Munkäcs und den Endpunkten Kaschau, Nyireg^'häza, Nagy-Szölös und Strj'j zur Aufgabe gemacht hatte.

Das im November 1867 zwischen den beiden Consortien getroffene Ueber- einkommen war für die weiteren Concessions - Verhandlungen ausschlag- gebend. Das Resultat dieser Verhand- lungen ist in dem am i.Juli 1868 mit der a. h. Sanction versehenen Gesetz- artikel XIII niedergelegt, auf Grund dessen Paul Freiherr von Sennye}', Koloman von Tisza, Erwin Graf Schön- born-Buchheim, Johann von Lönyay, Gabriel von V ä r a d y, Ludwig von K i s s, Valentin von B o r o s s, Dr. Eduard C h o r- nitzer, Severin Graf Dunin-Bor- kowsky, Dr. Florian Ziemialkowski, Heinrich von L6vay, Karl Ritter von Rogawski, Adolf S e i d 1 e r und Rafael . Mayer von Alsö-Russbach die defini- tive Concession für den Bau und den Betrieb der »Ungarischen Nordost- bahn« erhalten haben.

Mit einigen, schon in der Concessions- Urkunde vorgesehenen Abweichungen von den daselbst festgesetzten Richtungen umfasste diese Eisenbahn die Strecken:

a) Debreczln-Szatmär-Kiräly- häza-Märamaros-Sziget;

b) Kirälyhäza-Csap-Kaschau;

c) eine Ausästung von der Strecke sub b) über S. A. Ujhely bis Szerencs;

d) eine gleichfalls von der Strecke sub b) ausgehende Zweigbahn bis Munkäcs.

Der Staat übernahm vom Tage der Eröffnung dieser Strecken auf die Con- cessionsdauer von 90 Jahren die Garantie für ein jährhches Reinerträgnis von 36.000 ff. und einem Amortisationsbetrag von iioofl., daher zusammen 37. loofl. ö. W. in Silber pro Meile. Bis zur Zeit, als die Bahn das garantirte Reinerträgnis nicht erreichen sollte, also insolange die Staatsgarantie in Anspnich zu nehmen war, genoss die Gesellschaft eine voll- kommene Steuerfreiheit sowie auch die den übrigen Staatsgarantie geniessenden Bahnen bewilligten Begünstigungen.

Für den Fall des Ausbaues der Munkäcs- Beskider Bahn wurde der Ungarischen Nordostbahn auf die Strecke von Munkäcs bis zur Landesgrenze das Vorrecht ein- geräumt.

Das Anlage - Capital war mit 47,214.000 fl. ö. W. in Silber festgesetzt, und zwar in 18,885.600 fl. Actiencapital und 28,328.400 fl. Prioritäts-Anleihe.

Nachdem die Concessionäre den im Gesetze vorgesehenen Verpflichtungen nachgekommen, die zur Sicherstellung der Einhaltung der Bautermine bestimmte Caution von einer halben Million Gulden deponirt und nachgewiesen hatten, dass die Einzahlung von 30% des Actien- capitals gesichert sei, constituirte sich die Actien-Gesellschaft. Mit Genehmigimg der Regierung wurde der aus 16 Mit- gliedern bestehende Verwaltungsrath, mit dem Präsidenten Paul Freiherm von Sennyey an der Spitze, damit betraut, die Agenden der Gesellschaft bis zur ersten ordentlichen Generalversammlung, die nach Fertigstellung und Inbetriebsetzung der Eisenbahn abzuhalten war, zu leiten.

An die Spitze der leitenden Direction wurde der Reichstags-Abgeordnete Eme- rich von I V ä n k a ♦) [Abb. 88] berufen, der diese Stelle zuerst in der Eigenschaft als General-Secretär, bald aber als Ge- neral-Director bis zur Zeit der Ver- staatlichung der Ungarischen Nordost- bahn ausfüllte.

Nach Erlangung der definitiven Con- cession der Nordostbahn wurde am

*) Ivänka, das Prototyp jenes ungari- schen Edelmannes der zweiten Hälfte dieses Jahrhundertes, der im Besitze einer höheren allgemeinen Bildung sein Wissen und Können in rastloser Arbeit ganz dem öffentlichen Wohle seines Vaterlandes, in erster Reihe aber mit patriotischer Hingebung dem Unter- nehmen w^idmete, an dessen Spitze er getreten war, hatte sich im Laufe der Jahre um das ungarische Eisenbahnwesen manche hervor- ragende Verdienste erworben. Gleich zu Beginn seiner Thätigkeit war er bemüht, ein Beamtencorps von patriotisch gesinnten ungarischen Elementen um sich zu schaaren, was ihip in erfreulichem Masse gelang.

Die Erfolge, welche Ivänka aufzuweisen hatte, fanden auch allerhöchsten Ortes wieder- holt Anerkennung. Als wirklicher geheimer Kath Seiner Majestät und als ernanntes Mitglied des ungarischen Oberhauses be- schloss er seinen wirkungsvollen Lebenslauf.

Josef Gonda, Geschichte etc.

383

25. Juli 1868 mit dem Berliner Unter- nehmer Dr. Strousberg ein Bau- vertrag abgeschlossen, laut welchem dieser die Verpflichtung übernahm, das ganze . concessionirte Netz als General- Unternehmer auszubauen, vollkommen ausz Urlisten und dem öffentlichen Ver- kehre zu übergeben. Die Verpflichtung erstreckte sich auch auf die Zahlung der zur Grundenleignung, zur Anschaffung der Betriebs- und Beförderungsmittel sowie zu den Interimszinsen nöthigen Beträge. Selbst die Directions-Aus lagen während der Bauzeit .hatte der General- Unternehmer aus Eigenem zu tragen.

Für alle diese Lei- stungen hatte die Ge- sellschaft der General- Unternehmung den auf Grund der Garantie- summe berechneten Be- trag von 732.000 fl. ö. W. in Silber für die Baumeile zu bezahlen.

Sämmtliche Bauar* beiten wurden im Con- cnrrenzwege an Sub- unternehmer vergeben.

Eine Hauptsorge der General - Unternehmung war, das für die Bahn

nöthige Baumaterial rechtzeitig anzuschaffen. Die in Ungarn sowohl, als auch In Oesterreich zu jener Zeit herrschende

Eisenbahnbau-Thätig- ^^b. ss. 1

keit erschwerte diese An- Schaffung erheblich. Zur Lieferung der Schienen im Gewichte von dreiviertel Millionen Centner konnten die mit Arbeit überhäuften inländischen Fabriken nicht mehr herangezogen werden, so dass das gesammte Schienen material in Belgien angeschafft werden musste.

Die miss liehen finanziellen Verhält- nisse Strousberg's hätten aber beinahe ver- hängnisvoll für die Ungarische Nordost- bahn werden können. Die Subunternehmer entzogen sich nach und nach ihren verlust- bringenden Verpflichtungen. Strousberg selbst, der dann die Arbeiten in eigener Regie weiterführen Hess, ward* das Opfer seiner leichtsinnigen Fehlspeculationen.

Infolge der eirtgetretenen Zahlungsunfähig- keit der General- Unternehmung wurde der Bauvertrag mit derselben gelöst und ein neuer Vertrag mit der Wiener Union- bank als General- Unternehmung abge- schlossen.

Unter solchen Umständen konnten weder die concessionsmässig festgestellten. noch die nachträglich mit Zustimmung der Regierung vereinbarten Fertigstellungs- Termine eingehalten werden. Die besseren . technischen Arbeitskräfte, welche Strous- berg zumeist aus Deutsdiland mitge- bracht hatte, rief theils der deutsch-fran- zösische Krieg zu den Waffen, theils trieb dieselben die Miss- wirt h seh aft der früheren Unternehmung von dan- nen. Die Unionbank musste daher in erster Reihe für neue Arbeits- kräfte sorgen und es bedurfte einer geraumen Zeit, bis diese sich mit allen Einzelheiten des Unternehmens vertraut machten.

Unterdessen wurde das Netz der Ungari- schen Nordostbahn noch um eine neue Linie be- reicheti.

Schon in den Fünf- ziger-Jahren sah man die Not h wendigkeit ein, die reichen Aeraria!- inka imro. Waldungen der Umge-

bung von Ungvdr mit dem holzarmen Alföld durch eine Eisen- bahn zu verbinden, welche auch einen Export des daselbst gewonnenen Holzes nach dem Auslande zu eröffnen be- rufen wäre.

Da sich jedoch für eine von Ungvär ausgehende, bis zu einem Punkte der bestehenden ^Bahnen führende Eisenbahn eine Privat- Unternehmung nicht vorfand, an das Bauen von Eisenbahnen aus Staatsmitteln aber seinerzeit noCh nicht zu denken war, wurde das Project fallen gelassen. Die constitutionelle ungarische Regierung hatte sich jedoch dieses Pro- jectes, in Anbetracht der grossen Wich- tigkeit einer solchen Eisenbahnlinie, an-

384

Das Eisenbahnwesen in Ungarn seit 1867.

genommen und der Gesetzartikel XLIX vom Jahre 1 868, spricht sich im Princip für den Bau einer von U n g v ä r bis Ny ir- e g y h ä z a führenden Bahn aus, welcher gleichzeitig eine Staatsgarantie zuge- sichert ward.

Auf Grund dessen erhielt noch im selben Jahre ein Consortium, an dessen Spitze S. V. Bernäth, Baron v. V^csey u. A. m. standen, die Bewilligung zu den Vorarbeiten. Nachdem aber die ungarische Regierung die angeregte Eisenbahn- Ver- bindung als eine Frage betrachtete, von welcher die Erträgnisfähigkeit der Ung- värer Staatsdomäne in erster Reihe ab- hing, wollte sie das Zustandekommen der Eisenbahn dadurch sichern, dass sie bezüglich des Ausbaues auch mit anderen Concurrenten in Unterhandlungen trat.

Es meldeten sich auch gar bald zwei Concurrenten, welche durch Erlangung der Concession die Interessen der Unga- rischen Nordostbahn hätten schädigen können : der eine Concurrent, die Theiss- bahn, hätte im Besitze der Ungvär- Nyiregyhäzaer Linie leicht den Verkehr eines ansehnlichen Gebietes der Nordost- bahn an sich reissen können ; der andere Concurrent, Dr. Strousberg, wäre als General - Unternehmer der Nordostbahn durch die Concession der Ungvär-Nyir- egyhäzaer Bahn in den Besitz einer Waffe gelangt, welche er gegen die Actionäre der erster en Bahn mit Erfolg hätte ge- brauchen können.

Ein grosser Theil der Directionsräthe der Nordostbahn hielt es daher für an- gezeigt, sich mit dem Consortium des Baron V6csey ins Einvernehmen zu setzen, was dann dazu führte, dass die Unga- rische Nordostbahn als solche die Con- cession für die Eisenbahn zweiter Ord- nung: Ungvär-Csap- Nyiregyhäza mit einer Zinsengarantie von 20.000 fl. in Silber für die Bahnmeile erhielt.

DasAnlage-Capitalwarmit4,96o.ooofl., das ist 400.000 fl. pro Bahnmeile veran- schlagt, wovon 1,984.0000. durch Stamm- actien, 2,976.000 fl. durch Prioritäts-Obli- gationen beschafft wurden. Die Finan- zirung hatte die Anglo-Oesterreichische Bank zum Curse von 7872% übernommen. Der Bau wurde einem General-Unterneh- mer zum Pauschalbetrage von 230.000 fl.

[inclusive Expropriation, Ausrüstung etc.] für die Bahnmeile übertragen.

Auch den Bau dieser Bahn hatten finanzielle Calamitäten des Unternehmers, die zum Concurse desselben führten, ungünstig beeinflusst, so zwar, dass so- wohl die einzelnen Strecken der Unga- rischen Nordostbahn, als auch die Strecke zweiter Ordnung von Ungvär bis Nyir- egyhäza später dem Verkehre übergeben werden konnten, als dies in den Con- cessions- Urkunden bestimmt war.

Es wurde nämlich eröffnet : im Jahre 1871, und zwar am 25. Juni die Strecke Debreczen-Nagy-Käroly, am 25. Sep- tember Nagy-Käroly-Sza tmär, am 24. October Szerencs-S.-A.-Ujhely; im Jahre 1872, und zwar am 7. Januar die Strecke S. -A.-Ujhel y-L e g e n y e- Mihälyi, am 16. Juni Szatmär-Bus- tyahäza, am 25. August S.-A.-Ujhely- Csap und Csap-Ungvär, am 24. Oc- tober Csap-Kirälyhäza, am 4. Decem- ber die Strecken Bustyahäza-Mära- m a r o s-S ziget, Bäty u-M u n k ä c s und die Verbindungs-Curve in S-.A.-Ujhely; schliesslich im Jahre 1873, und zwar am 4. Februar die Strecke K i s- V ä r d a- Gsap, am 30. März das Fludergeleise in Ungvär und am 22. October die zuletzt fertiggestellte Strecke des ganzen Netzes der Ungarischen Nordostbahn, die von Legenye-Mihälyi bis K aschau.

Die Bahn hatte Anschlüsse an die Theissbahn: in Szerencs, Nyiregyhäza, Debreczin und Kaschau, in der letz- teren Station zugleich an die Kaschau- Oderberger Bahn, schliesslich in Legenye- Mihälyi an die Erste Ungarisch-Galizische Eisenbahn. Auf die weiteren Schicksale der Ungarischen Nordostbahn werden wir später noch zurückkommen.

Schon im Jahre 1864 hatten die Temesvärer Ingenieure Heinrich Reib er und Zacharias Hermann die Bewilli- gung zur Vornahme der Vorarbeiten für eine Verbindungsbahn von Arad bis Temesvär erhalten. Dieselben bereits erwähnten Verhältnisse, welche der Ent- wicklung des Eisenbahnwesens in Ungarn zu jener Zeit hemmend im Wege stan- den, brachten jedoch auch dieses Project zum Scheitern.

Josef Gonda, Geschichte etc.

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In dem Projecte der Siebenbürger Bahn, die von Temesvär ausgehen sollte, war die Verbindung der Städte Temesvär und Arad wieder in Aussicht genommen ; nachdem jedoch auch diese Combination fallen gelassen wurde, schien es, als ob die reiche Gegend zwischen der Maros und dem Temesflusse noch länger ohne Eisenbahn -Verbindung bleiben sollte.

Sowohl wirthschaftliche als strategische Interessen nöthigten die ungarische Re- gierung dazu, das Entstehen dieser Ver- bindungslinie zu fördern. Ditts führte zum gewünschten Erfolg; denn wie Ignaz Konta im III. Jahrgange seines treff- lichen »Eisenbahn-Jahrbuches« berichtet es strebte nun, auf die Initiative der Regierung gestützt [im Mikö'schen Ent- würfe des Eisenbahnnetzes war diese Linie auch aufgenommen], und um die Interessen seiner engeren Landsleute, der Banater, welche ihn zum Abgeord- neten erwählt hatten, zu fördern, der nach iSjähriger Abwesenheit in sein Vaterland zurückgekehrte General Georg Klapka dahin, das Project der Eisen- bahn-Verbindung zwischen Arad und Temesvär zur Ausführung zu bringen. Er erwarb die Bewilligung zu den Vor- arbeiten im November 1867, und auf Grund des am 3. December 1868 mit a. h. Sanction versehenen Gesetzartikels XXXVII vom Jahre 1868 wurde sodann der Bank für Handel und Industrie in Darmstadt, den Gebrüdern Sulz- bach in Frankfurt a. M., Georg Klapka und Theodor von Gramer -Klett in Nürnberg die definitive Goncession zum Baue und Betriebe der Locomotiv- Eisenbahn, welche die Theissbahn mit der Oesterreichischen Staatseisenbahn zwischen Arad und Temesvär ver- binden sollte, ertheilt.

Das Anlage-Gapital der 7*3 Meilen langen Strecke ward mit 5,703.200 fl. ö. W. in Silber festgesetzt, wovon 2,281.200 fl. auf Stammactien und 3,422.000 fl. auf Prioritäts-Obligationen anzuschaflen waren.

Ausser den üblichen Begünstigungen wurde der Bahn seitens des Staates ein jährliches Reinerträgnis von 39.500 fl. ö. W. in Silber für die Meile garantirt.

Nach den Bestimmungen der Con-

Gcschichte der Eisenbahnen. III.

cessions- Urkunde hätte die Bahn inner- halb iYj Jahren vollendet und dem Be- triebe übergeben werden sollen. Infolge der aus fortiflcatorischen Rücksichten ent- standenen Hindemisse wurde jedoch der Fertigstellungstermin um elf Monate Über- schritten, so dass die Uebergabe an den öffentlichen Verkehr erst am 6. April 1871 erfolgen konnte.

Nebst den Schwierigkeiten beim Baue mussten auch noch andere besiegt werden.

Die geringe Länge der Bahn sowie ihre Lage zwischen Linien grosser Eisen- bahn - Unternehmungen Hessen es von vornherein erkennen, dass der selbständige Betrieb derselben weder in finanzieller noch in technischer Beziehung erspriess- lich sein könne, weshalb auch die Re- gierung den Concessionären schon in der Goncessions -Urkunde die Verpflichtung auferlegt hatte, wegen Vergebung des Betriebes der Strecke an eine an- schliessende Eisenbahn-Gesellschaft in Unterhandlungen zu treten ; die Ge- nehmigung des betreff'enden Ueberein- kommens war der Regierung vorbe- halten.

Die Staatseisenbahn-Gesellschaft hatte sich auch beeilt, mit den Goncessionären ein Uebereinkommen abzuschliessen, nach welchem die Arad-Temesvärer Bahn in das grosse Netz jener Gesellschaft ein- verleibt worden wäre. Es war jedoch nur sehr natürlich, dass das ungarische Ministerium Alles vermeiden 'wollte, was den seinerzeit zu sehr in monopolisirende Macht ausartenden Einfluss der Oester- reichischen Staatseisenbahn - Gesellschaft auf ungarische Verkehrsverhältnisse för- dern konnte. Diesem Umstände ist es zuzuschreiben, dass die Uebertragung der Goncession an die Staatseisenbahn ent- schieden verweigert wurde, und dass die Regierung selbst das nicht zugab, dass dieser Gesellschaft, als selbe sämmtliche Stamm- und Prioritäts-Actien der Arad- Temesvärer Bahn angekauft hatte, der Betrieb übertragen werde. Infolge Inter- vention des Ministeriums übernahm so- dann den Betrieb provisorisch die Alföld- bahn, doch bald darauf vertragsmässig in definitiver Weise die Theissbahn.

Die Eröffnung der Linie erfolgte sodann am 6. April 1871.

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Das Eisenbahnwesen in Ungarn seit 1867.

Auf Grund des Gesetzartikels XLV vom Jahre 1868 wurde die Ungarische Ostbahn [Magj^ar keleti vasut] con- cessionirt.

Die Vorgänge bei diesem Unternehmen bilden das unerquicklichste Capitel der Entwicklungs-Geschichte der ungarischen Eisenbahnen; die Fülle der interessanten Daten derselben gebietet uns aber deren Behandlung umsomehr, als darin auch ein Grund zu suchen ist, welcher die ungarische Regierung frühzeitig zur Be- vorzugimg des Staatseisenbahn-Systems bestimmen musste.

Ursprünglich mit der »Ersten Sieben- bürger Eisenbahn« zusammen projectirt, verzögerte die Unentschiedenheit bezüg- lich der Wahl der in erster Reihe zu erbauenden Linie Arad - Hermannstadt- Kronstadt-Bodzapass oder Grosswardein- Klausenburg-Hermannstadt-Bodzapassdas Zustandekommen beider Bahnen. Und obzwar selbst der geniale Erbauer der Semmeringbahn, Ministerialrath v.G h e g a, nach eingehenden Studien im Jahre 1860 sein Gutachten dahin ausgesprochen hatte, dass, »wenn Siebenbürgen nur eine Bahn erhalten sollte, die Linie Gross- wardein-Klausenburg- Kron- stadt-Bodzapass den Interessen des Landes am meisten entsprechen würde«, gelangte doch zuerst dasProject der Arad- Karlsburger Eisenbahn zur Ausführung.*)

Die Wichtigkeit der Eisenbahn -Ver- bindung mit Klausenburg war aber zu sehr ins Auge fallend, das Project der Linie von Grosswardein über Klausenburg bis an die Landesgrenze, für dessen Ver- wirklichung die landwirthschaftlichen Landesvereine Ungarns und Sieben- bürgens schon seit Jahren und insbe- sondere seit 1863 unausgesetzt* thätig waren, bildete zu sehr den Gegenstand des allgemeinen Interesses, als dass man dasselbe ganz umgehen hätte können. Schon die österreichische Regierung be- traute daher im Jahre 1866 die k. k. General-Inspection für Eisenbahn- und Dampschiffahrt mit der Tracirung der Linie Grosswardein - Klausenburg - Kron- stadt.

*) Vgl. Bd. I, I. Theil, H. Strach: Eisen- bahnen mit Zinsengarantie, Seite 487, und Bd. III, Anhang, Seite 377 und ff.

Da trat im Jahre 1867 die con- stitutionelle Aera in Ungarn ein. Die Union Ungarns mit Siebenbürgen ward gesetzlich vollzogen. Die Regierung und die Legislative erkannte es als eine ihrer dringendsten Aufgaben, in Angelegenheit dieser Eisenbahn die nöthigen Verfügungen zu treffen, was auch aus politischen Grün- den geboten erschien, damit die Union mit Siebenbürgen auch ein materielles Band erhalte, welches die Interessen der beiden Landestheile desto inniger anein- ander schliesse.

Mit Beschluss des Reichstages vom 2. Juli 1867 ward das Ministerium an- gewiesen, mit denen anderer Linien zugleich die Vorarbeiten zur Gross- wardein-Klausenburger Linie ausfahren zu lassen.

Für das ungarische Communications- Ministerium war es keine kleine Aufgabe, den Kampf mit den unverkennbaren Schwierigkeiten aufzunehmen, um derart einerseits den politischen Intentionen der Regierung, andererseits dem Verlangen der öffentlichen Meinung zu entsprechen. Das Ministerium, durchwegs aus Neu- lingen gebildet, hatte keine genügenden Kräfte zur Verfügung, an Material zur Gebrauchsnahme aber existirte weiter nichts, als das auf die Linie Gross- wardein-Klausenburg bezügliche Elaborat der k. k. General-Inspection, welches das ungarische Communications-Ministerium vom k. k. Handelsministerium über- nommen hatte.

Auf Grund dieser Pläne wurden die Vorarbeiten beendet, die Kosten der Strecke neuerdings berechnet, und nach- dem der Gesetzartikel XIII vom Jahre 1867 auf den wir im nächsten Ab- schnitte eingehender zurückkommen [Siehe Seite 393] die nöthigen Geldsummen auch für diese Strecke dem Ministerium zur Verfügung gestellt hatte, wurde zur Ausführung des Baues auf Staatskosten ein öffentlicher Concurs ausgeschrieben.

Allein die Thatsache an sich, dass blos die Linie Grosswardein-Klausenburg seitens des Staates ausgebaut werden sollte, hatte keine allgemeine Befriedigung hervorrufen können; der Wunsch, den Ausbau des ganzen Netzes zu sichern, wurde immer lauter.

Josef Gonda, Geschichte etc.

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Um nach Möglichkeit auch diesem Wunsche Genüge zu leisten, und in An- betracht dessen, dass mittlerweile von mehreren Seiten die Concessionirung der Linie Grosswardein - Klausenburg mit Zinsengarantie verlangt wurde, fasste das Communications-Ministerium den Ent- schluss, für den Ausbau der genannten Linie auf Staatskosten einen besonderen Concurs auszuschreiben, gleichzeitig aber bezüglich dieser Linie auch die Con- cessions- Verhandlungen auf Grundlage einer Zinsengarantie zu beginnen, wobei die Bedingung ausgesprochen wurde, dass derjenige, der die Concession für die Linie Grosswardein-Klausenburg er- halten würde, verpflichtet sein werde, bis zum I. Mai 1869 die Vorarbeiten be- züglich des ganzen Netzes auszuführen und der Regierung zur freien Gebrauchs- nahme zu überlassen.

Am 16. August 1868 wurden die auf die Linie Grosswardein-Klausenburg be- züglichen BauofFerte verhandelt; unter denselben erschien das Oifert der Firma Waring Brothers & Eckersley als das Vortheilhafteste. Das Ministerium schloss daher, damit der Bau während des Verlaufes der Concessions- Verhand- lungen beginnen könne, am 21. August 1868 den Bauvertrag mit der genannten Firma ab, traf die zur Inangriühahme der Arbeiten nöthigen Massregeln, bezüg- lich der Möglichkeit aber, dass dieselbe Linie noch während des Baues unter Zinsengarantie zustande kommen könne, behielt es sich sein freies Verfügungs- recht vor.

Wegen Concessionirung dieser Linie auf Grund einer Zinsengarantie langten drei Offerte ein. Es beanspruchten Graf Nikolaus Bänffy und Consorten 53.000 fl., Baron Szentkereszty und Consorten 56.000 fl., schliesslich die Firma Waring Brothers & Eckersley 39.800 fl. alsgaran- tirtes jährliches Reineinkommen pro Meile.

Das letztere Offert war gegenüber den beiden anderen so günstig, dass hinsichtlich der Wahl umsoweniger ein Zweifel obwalten konnte, als nach den Informationen, die der Finanzminister aus London erhielt, gegen die Vertrauens- würdigkeit dieser Firma zu keiner Be- sorgnis Veranlassung war. Wer sich zu

jener Zeit mit Eisenbahn-Angelegenheiten befasste, oder die Eisenbahn- Literatiu: kannte, der kannte auch Waring, dessen Namen mit zahlreichen bedeu- tenden Bauuntemehmungen in Verbin- bindung stand. Schon sein Vater war ein berühmter Unternehmer in England gewesen ; seine Söhne erfreuten sich einer gewissen Achtung in England, wo sie theils selbst, theils mit dem allge- mein bekannten Bauunternehmer Brassey mehrere grosse Werke ausgeführt hatten. Diesem Umstände ist es auch zuzu- schreiben, dass Karl Waring, der auch Mitglied des englischen Parlamentes war, als willkommener Mann in Ungarn be- grüsst wurde, und in Regierungskreisen herrschte allgemein die Ueberzeugung, dass man durch die contractliche Ver- bindung mit einer solchen Persönlichkeit eine sehr gute Acquisition gemacht habe.

Mit Rücksicht auf diese Umstände ordnete das Ministerium an, dass die Concessions-Urkunde nach dem Offerte Waring's und seiner Genossen verfasst werde.

Kurze Zeit darauf meldete Waring, dass die Vorarbeiten für das ganze Siebenbürger Eisenbahnnetz bei ihm fertig erliegen, und erklärte sich bereit, sich auf Grund dieser Pläne in Concessions- Verhandlungen einzulassen. Es waren dies jene Pläne, welche der Brüsseler Banquier Bischoffsheim durch den Ober- Ingenieur Julius Herz im Auftrage des ungarischen Landes - Agriculturvereines im Jahre 1863 anfertigen Hess, und welche Waring erworben hatte.

Nachdem die Reichsrathssession be- reits ihrem Ende nahte und die Regie- rung der Ueberzeugung war, dem allge- meinen Interesse sowohl, als auch dem Wunsche der öffentlichen Meinung besser zu entsprechen, wenn sie mit Umgehung einer neuen Concursausschreibung die noch übrige Zeit zur Ueberprüfung der Pläne und Durchführung der Berech^ nungen verwendete, forderte sie die Firma Waring Brothers auf, ein Offert hinsichtlich des ganzen Sieben- bürger Netzes einzureichen. Die Regfie- rung hatte sich hiezu umso beruhigter entschlossen, als sich schon bei dem

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Das Eisenbahnwesen in Ungarn seit 1867.

rungen der Bauausführung, dass der Fort- schritt der Bauarbeiten im Allgemeinen nicht jener sein konnte, welcher mit Rücksicht auf das Interesse, welches Staat, Gesellschaft und Bauuntemeh- mung an das frühe Zustandekommen der Bahn knüpften, gewünscht werden musste.

So kam es, dass selbst die Strecke Grosswardein-Klausenburg erst am 7. September 1870 eröffnet werden konnte.

Bald darauf zeigten sich aber auch die finanziellen Uebelstände der Ostbahn- Gesellschaft. Als der General -Unternehmer den Verdienstausweis über den Be- trag von 2,500.000 fl. für October dem Verwaltungsrathe vorgelegt hatte, wurde nur 1,000.000 fi. flüssig ge- macht mit dem Bemerken, dass der Rest nach erfolgter Controle der Leistun- gen ausgefolgt werden würde. Es war nämlich der controlirende Ober- Ingenieur der Gesellschaft seinerzeit entlassen worden und ein, den Herren Waring passender Nachfolger konnte nicht so leicht ausfindig gemacht werden.

Da begann Waring sich in seinem wirklichen Lichte zu zeigen, indem er zunächst Anstalten traf, die Arbeiten einzustellen. Als der Verwaltungsrath schliesslich nach Prüfung der Arbeits- leistung des Unternehmers auch die zurückgehaltene Verdienstsumme ange- wiesen hatte, verpflichtete sich zwar Waring protokollarisch, die Bahn unter allen Umständen auszubauen, betrieb aber die Arbeiten so lässig, dass die Regierung im Februar 1871 Veranlassung nahm, die Gesellschaft anzuweisen, dass sie als Rechtsnachfolgerin und Eigenthümerin der Concessions-Urkunde ihren Verpflich- tungen nachkomme und Verfügungen treffe, damit die Arbeiten unter Mit- wirkung des Hauptunternehmers, oder auch ohne solche energisch in Angriff genommen und fortgesetzt werden.

Die General - Unternehmung wurde nun seitens des Verwaltungsrath es zur Einhaltung der übernommenen Verpflich- tungen mit dem Bedeuten aufgefordert, dass sich die Gesellschaft widrigenfalls genöthigt sehen würde, den Bau zum Schaden und auf Kosten der Unter-

nehmung durch eine andere fortsetzen zu lassen.

Das weitere Verhalten Waring's führte auch dahin, dass er contractbrüchig er- klärt wurde; um jedoch einen lang- wierigen Process zu vermeiden, der unbedingt zur* unabsehbaren Schädigung der fertigen Eisenbahnstrecken selbst so- wie zur Schädigung des Gesellschafts Ver- mögens geführt hätte, entschloss sich der Verwaltungsrath zu einem Ausgleich mit Waring, der definitiv im Juni 1871 zustande kam und jedes bis dahin zwischen der Gesellschaft und dem Hauptunternehmer bestandene Rechtsverhältnis aufhob.

Die Brüder Waring entgingen mithin ihrem Schicksale, welches für sie im Falle Eingreifens der Gerichte verhängnisvoll hätte werden können. Nachdem diese Herren von dannen zogen, blieb die Sorge um die Zukunft des durch die- selben geschädigten Unternehmens dem Verwaltungsrathe und den Actionären, in letzter Reihe aber auch der ungari- schen Regierung überlassen.

Das weitere Loos der Ungarischen Ostbahn - Gesellschaft war dann eine lange Reihenfolge der traurigsten finan- ziellen Complicationen, wobei die Regie- rung wiederholt Staatshilfe bieten musste, um den vollständigen Ruin des Unter- nehmens zu verhüten.

Bis 14. August 1873 wurden zwar successive sämmtliche Linien der Bahn dem Verkehre übergeben,*) die durch die ungarnfeindliche Presse gereizte Öft'ent- liche Meinung des Auslandes hatte aber bereits alles Vertrauen zu diesem Unter- nehmen verloren und die ausländischen Actionäre wandten sich mit Petitionen um Schutz ihrer Interessen an den unga- rischen Reichstag.

Die Regierung, von der Ueberzeugung durchdrungen, dass den Anfeindungen,

*) Am 7. September 1870 die Strecke Nag vvärad-Kolozsvär, am 20. November 1871 die Strecke Gyula-Feh 6 rvär-Kocsärd, am 20. November 1871 die Strecke Kocsärd- Maros-Väsärhely, am 8. Mai 1872 die Strecke Tövis-Medgyes, am 18. Juli 1872 die Strecke Medgyes-Segesvär, am 11. October 1872 die Strecke K i s-K a p u s - N a g y- s z e b e n, am l. Juni 1873 die Strecke Segesvär-Brassö, am 14. August 1873 die Strecke Kolozsvär-Kocsärd.

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welche in Zeitungsartikeln und Broschüren nicht nur gegen die Ungarische Ostbahn und gegen die vom ungarischen Staate garantirten Unternehmungen allein, son- dern gegen den ungarischen Staatscredit überhaupt gerichtet waren, entgegenge- steuert werden müsse, gab am 1 2. Februar 1873 in der Sitzung des Abgeordneten- hauses die Erklärung ab, dass sie die Ostbahn- Angelegenheit der Legislative vorlegen wolle. Mit Beschluss des Ab- geordnetenhauses wurde die Eisenbahn- und Finanz-Commission mit der Unter- suchung betraut.

Während der Zeit der mit grosser Umsicht in öffentlichen Sitzungen fort- gesetzten Untersuchung hatte die Re- gierung das wankende Unternehmen stets mit Staatsmitteln vor dem Zu- sammensturz zu schützen gehabt, was Schritt für Schritt zur späteren Ver- staatlichung der Ungarischen Ostbahn führen musste.

Die mit der Untersuchung betraute Commission hatte nämlich ihre Arbeiten beendet und dem Abgeordnetenhause vor- gelegt, welch letzteres die Acten zur weiteren Amtshandlung der Regierung zuwies. Die Regierung ihrerseits folgte das reiche Material der Untersuchung dem Oberstaatsanwalt aus, damit con- statirt werde, ob und gegen wen eine Strafuntersuchung in Angelegenheit der Ostbahn eingeleitet werden müsste. Das Studium der Acte erforderte ein halbes Jahr. Das gründliche, jede einzelne Phase der commissionellen Untersuchung ein- gehend prüfende Elaborat des Oberstaats- anwaltes culminirte in folgendem Rechts- gutachten : »Hätte man Waring und seinen Bevollmächtigten zur Zeit, als selbe mit Einstellung der Arbeiten drohten, in Haft genommen und gleichzeitig eine strenge Strafuntersuchung eingeleitet, wäre der Status quo des Baues zur Zeit der Arbeitseinstellung festgesetzt worden, dann wäre es auch möglich gewesen, sämmtliche Daten zur Beleuchtung eines jeden Details der Angelegenheit herbeizu- schaffen; — seit jener Zeit sind jedoch die Hauptpersonen frei einhergegangen und die einzelnen Fäden der Begeben- heiten wurden so verwirrt, dass sich dem Untersuchungsrichter nur ein in Dunkel

gehülltes Conglomerat darbietet, aus welchem bezüglich der einen oder der anderen Begebenheit zwar Verdacht ge- schöpft werden kann; eine erhobene Anklage jedoch würde an Mangel ge- nügender Beweise scheitern und nur zu einer schwer zu beschwichtigenden Auf- regung führen.«

Infolge dieses Gutachtens wurde von dem Strafverfahren Umgang genommen und die Regierung wandte fortan ihr Augenmerk ausschliesslich auf die Sanirung der finanziellen Lage der Ostbahn.

Bevor wir diesen Abschnitt schliessen, wollen wir das in Ungarn seinerzeit be- folgte, bei Behandlung der Angelegen- heiten der Ostbahn nur flüchtig erwähnte Princip der Zinsengarantie vom allge- meinen Standpunkte aus betrachten.

Es ist bekannt, dass in Oesterreich, nachdem die Staatseisenbahnen im Jahre 1855 theilweise in Privatbesitz über- gangen waren, der Staat den Privat- gesellschaften ein gewisses Jahresein- kommen sicherte. Die Modalitäten, unter welchen diese Garantie zu leisten sei, waren anfänglich nicht festgesetzt. Namentlich bezüglich der Höhe des Anlage-Capitals, dessen Zinsen und Til- gung der Staat garantirte, waren in den seinerzeit herausgegebenen Concessions- Urkunden verschiedene Bestimmungen aufgenommen worden. Bei manchen Eisehbahnen wurde das Anlage-Capital ziffermässig festgestellt, und bestimmt, dass sich die Garantie über den fest- gestellten Betrag hinaus in keinem Falle erstrecken könne. Bei anderen Bahnen wurde die Berechnung des Anlage- Capitals und die auf Grund desselben festzustellende Höhe der vom Staate zu leistenden Garantie jenem Zeitpunkte vor- behalten, wo die Privatgesellschaft schon in der Lage war, das für Bau und Aus- rüstung der Bahn aufgebrauchte Capital mit detaillirten Rechnungen nachweisen zu können. Wohin diese Modalität bei nach- träglichen, zwischen Staat und Privat- gesellschaft auftauch enden Differenzen zu führen vermochte, bewies die Zinsen- garantie-Angelegenheit der Kaiserin Eli- sabeth-Bahn zur Genüge, wo die Differenzen

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Das Eisenbahnwesen in Ungarn seit 1867.

zum Schaden der Eisenbahn-Gesellschaft, | ja zum nicht geringen Nachtheile des I Eisenbahnwesens Oesterreichs Überhaupt Jahre lang nicht beigelegt werden konnten.*)

Dieses abschreckende Beispiel an und für sich musste schon die ungarische Regie- rung dazu bestimmen, die in der anderen Hälfte der Monarchie befolgte Art der Aus- übung des Garantie-Systems unbeachtet zu lassen und für eine neue Form desselben zu sorgen. Ausschlaggebend hiefür war aber der Umstand, dass bei dem österreichischen Garantie- System die ungehörige Erhöhung des Baucapitals nur dadurch hätte ver- hindert werden können, wenn die Re- gierung die Controle des Eisenbahnbaues in einem Masse ausgeübt hätte, als ob der Staat thatsächlich für sich selber bauen würde. Zu einer derartigen Auf- sicht über die in den Jahren 1868/69 neu zu concessionirenden Eisenbahnen fehlten aber dem soeben organisirten ungarischen Communications-M inisterium die nöthigen Mittel und die geschulten Arbeitskräfte, umsomehr, als auch Staats- eisenbahn-Bauten in Aussicht genommen waren, welche den vorhandenen Beamten- körper vollauf beschäftigten.

In Berücksichtigung dieser Umstände, hatte die ungarische Legislative auf Vor- schlag des Ministeriums jenes System an- genommen, nach welchem die vt)m Staate zu leistende Zinsengarantie in einer Pauschalsumme normirt wurde, wo- gegen die Erfordeniisse der zu bauenden Bahn detaillirt festgestellt waren. Diese be- schränkte Garantie kam, wie wir es ge- sehen haben, seit 1867 in Ungarn bei jeder garantirten Eisenbahn zur An- wendung.

Der Fall der Ungarischen Ostbahn drängte aber dazu, dass die ungarische Regierung in Erwägung zog, ob es nicht richtiger wäre, wenn der Staat selber bauen und das hiezu nöthige Geld durch Anleihen aufbringen würde. Das Resultat dieser Erwägung kam in der ferneren Entwicklung des ungarischen Eisenbahn- wesens in unverkennbarer Weise zum Ausdruck.

*) Vgl. Bd. I, 2. Theil, I. K o n t a : Geschichte der Eisenbahnen Oesterreichs vom Jahre 1867 bis zur Gegenwart.

Gemischtes Eisenbahn-System.

Einen Wendepunkt in der Entwicklung des Eisenbahnwesens in Ungarn bildete der Zufall, welcher den Staat selbst zum Besitzer einer Eisenbahnlinie machte.

Die Ungarische Nordbahn, welche wie aus einem früheren Capitel ersichtlich [siehe Seite 362 und flf.] seit ihrem Entstehen mit finanziellen Cala- mitäten zu kämpfen hatte, war Ende 1S67 wieder in Geldverlegenheit gerathen. Zur Deckung der Zinsen für die Prioritäts- Obhgationen, der aus der Bauzeit her- rührenden Passiven sowie des Erforder- nisses zur Ausrüstung der Bahn war ein Betrag von 760.000 fl. erforderlich. Die Gesellschaft liess keinen Schritt zur Be- schaffung des Geldes unversucht; das Misstrauen der Finanz weit dem Bahnunter- nehmen gegenüber war jedoch so intensiv, dass alle Versuche scheiterten.

Dem Staate, als dem Hauptgläubiger der Eisenbahn - Gesellschaft durfte die missliche Lage des Unternehmens keines- falls gleichgiltig sein. Die allgemeinen wirthschaftlichen Verhältnisse drängten den soeben zur Selbständigkeit gelangten Staat dazu, dem Unternehmen kräftig beizustehen und die Consolidirung einer, für die Handelsinteressen Ungarns so wichtigen Eisenbahnlinie mit allen Mitteln zu ermöglichen.

Die ungarische Regierung stellte da- her der Gesellschaft schon im Februar 1868 den Antrag, das Unternehmen dem Staate abzutreten, so zwar, dass das Salgö- Tarjaner Kohlenbergwerk auch weiter im Besitze der Gesellschaft verbleibe.

Es bedurfte jedoch langer Unter- handlungen und der Drohung der Regie- rung, dass sie die Gesellschaft für con- cessionsverlustig erklären würde, wenn selbe tien Verpflichtungen bezüglich In- standhaltung und Fortsetzung der Bahn nicht ungesäumt nachkomme, bis die Actionäre ihre Einwilligung zum Ver- kaufe der Eisenbahn gaben.

Am 30. Juni 1868 wurde endlich der Einlösungs-Vertrag unterzeichnet, durch welchen die Regierung am i. Juli 1868 die von Pest bis Salgö-Tarjän und von dort zum Josefstollen führende Eisen- bahn schuldenfrei gegen einen Kau^reis

Josef Gonda, Geschichte etc.

von 7,500.000 fl. übernahm. Als Abschlag auf diesen Beirag wurde das Prioritäts-An- lehen von 7,200.000 fl, in eigene Zahlungs- verbindlichkeit des Staates übertragen. Die restlichen 300.000 fl. wurden zu Gunsten der Gesellschaft verzinslich angelegt.

Den im Besitze der Gesellschaft ver- bliebenen Bergwerken sicherte der Vertrag manche Begünstigungen, von welchen die für ihre Kohlensendungen erstellten hilligen Tarifsätze die erwähn enswerthesten sind.

Durch diesen Ankauf wurde der an Stelle des ursprünglich an der Donau pro-

Zinsengarantie geniessenden Privatbahn- System zusammengesetzte gemischte Ejsenbahn-System ein.

Die Mittel zur Fortentwicklung des ungarischen Eisenbahnnetzes bot der Gesetzartikel XIII vom Jahre 1867 das erste Gesetz, welches nach der Krönung des fortan Constitutionen regierenden Königs geschafi"en wurde, und zwar in Forin der Bewilligung eines Credites von 60,000.000 fl. in Silber. Dieser Credit war mit einer fünfzigjährigen Rente von 4,650.000 fl. in Silber zu

Abb. 8«. EhsnuiLlger iLoio

jectirten Bahnhofes von der Ungarischen Nordhahn errichtete sogenannte »Loson- czer Bahnhof.*) [vgl. Abb. 89] zum ersten Bahnhofe der nördlichen Li- nien der Königlich Ungarischen Staats- bahnen in Budapest.

Damit war die Alleinherrschaft des auf Zinsengarantie des Staates beruhen- den Privateisen bah n-Sj*stems in Ungarn gebrochen und aus einem ganz unbe- deutend scheinenden Kern wuchs gar bald neben den l'rivat-Eisenbahnen das Staatseisenbahn netz zu einer Macht empor, welche berufen war, eine wich- tige Stütze der Staatsgewalt bei deren auf das wirth schaftliche Wohl des Landes gerichteten Bestrebungen zu werden.

Auf diese Weise bürgerte sich in Ungarn das aus dem Staatsbahn- und dem

■) .-Xii Jerselhen Stelle befindet sich der- zeit der niicli wtnii; verlinderte IJudiipcst- Josefslädter Bahnhof der M. A. V.

tilgen. Nach endgiltiger Finanzirung des Anlehens standen der ungarischen Re- gierunti zu Eisenbahnzwecken die Summe von 58,365.588 fl. 73 kr. in Silber, d. i. nahezu 60,000.000 H. ö. W. zur Ver- fügung.

Laut Gesetzartikel XLIX vom Jahre 1868 wurde diese Summe verwendet ; I. zum Bau der Linien Hatvan-Mis- kolcz und ZdkinyAgram; 2. zur vollen Inbetriebsetzung der vom Staate angekauften Pest-Hatva n-Sa I g (i-Ta r- jäner Eisenbahn; 3. zur Fortsetzung der auf der Strecke Karlstadt-Fiume der Alföld-Fiumaner Bahn auf Staats- kosten begonnenen Arbeiten ; 4. zur Fort- setzung der nördlichen Linien der Unga- rischen Slaatseisenbahnen einerseits von Salgi'i-Tarj.-in über Losoncz und Zölyom [Altsohll bis zur Kaschau- Odcrberger Bahn, andererseits von Hat- V a n über J ;i s z - B e r e n y bis S z o I n o k ;

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Das Eisenbahnwesen in Ungarn seit 1867.

und schliesslich 5. zum Bau einer Eisen- bahnlinie von M i s k o 1 c z in der Richtung über Putnok bis zu einer Stelle, wo die Thäler der Gömerer Bergwerks- Gebiete einmünden. [Vgl. die Karte am Schlüsse dieses Anhangs.]

Wir sehen somit, dass der Staat, als Rechtsnachfolger der Ungarischen Nord- bahn, sich die Idee derselben zu eigen machte und die Hoffnung auf eine bessere Rentabilität ebenfalls auf die Verlängerung der angekauften Linie stützte. Die Regierung erachtete jedoch den Anschluss an die Kaschau-Oder- berger Bahn allein für nicht genügend, richtete vielmehr gleich beim Entstehen der Staatsbahnlinien ihr Augenmerk darauf, dass im Interesse der Hebung der seinerzeit darniederliegenden Industrie des erzreichen Comitates Gömör einerseits, und zur Förderung der volkswirthschaft- lichen Interessen des fruchtreichen Alföld andererseits, aber auch zur Hebung der Rentabilität der Hauptlinie selbst, alimen- tirende Nebenlinien auf Staatskosten gebaut werden.

Der ungarische Staat hatte sich da- durch einen gewissen Einfluss auf den Exportweg nach dem Norden gesichert, es entging ihm aber auch nicht die Wichtigkeit des südlichen Exportweges über Fiume. Doch alles, was die Regie- rung im Interesse dieser Linie mit den ihr zu Gebote gestandenen Mitteln damals thun konnte, war die Inangriffnahme des Baues der Eisenbahnlinien Zäkäny- Agram und Karlstadt-Fiume.

So entstanden an den beiden entgegen- gesetzten Theilen des Landes die Kö- niglich Ungarischen Staatseisen- bahnen, als nördliche und süd- liche Linien, in unzusammenhängen- den Stücken, zum Theile zwischen Linien von Privatbahnen eingekeilt. Aber mit diesen verhältnismässig kurzen Strecken waren die festen Grundlagen einer selb- ständigen ungarischen Eisenbahn-Politik gelegt, durch den in Angriff genommenen Bau der Ruttkaer und Fiumaner Routen begann das kaum entstandene Staats- eisenbahnnetz seine Formen zu ent- falten.

Das Privatcapital begann zu Anfang der constitutionellen Aera ein lebhafteres

Interesse an den Eisenbahnplänen Ungarns zu nehmen.

Das Interesse schien zwar zu sinken, als im Jahre 1870 die Ereignisse des deutsch-französischen Krieges den Geld- markt beengten und jede Thätigkeit auf volkswirthschaftlichem Gebiete zu hemmen bedrohten; auch hatte die Misswirth Schaft der Unternehmer bei den in Bau stehenden Bahnen [siehe Fall Waring und Strousberg] zur Kräf- tigung des Vertrauens zu den ungarischen Bahnunternehmungen nicht viel beige- tragen. Aber trotzdem diese Uebelstände Misshelligkerten und Anfeindungen her- vorgerufen hatten und rasch aufeinander- folgende Aenderungen in der Leitung des Communications-Ministeriums verursach- ten, nahm die Fortentwicklung des unga- rischen Eisenbahnwesens in Sturm und Drang ihren weiteren, verblüffenden Lauf.

Unter den Communications- Ministem GrafMikö [1867— 1870], Stefan v. Go- rove [1870— 1871], Ludwig V. Tisza 1871 1873], Graf Josef Z i c h y [1873 3is 1875] [siehe Abb. 85] wurden Eisen- bahnen concessionirt, welche auch rasch fertiggestellt dem Verkehr mancher, früher jeder Communications-Mittel entbehrender Gegenden gar bald einen kaum geahnten Aufschwung verliehen; andere Con- cessionen blieben aber auch nur am Papier, während einige Bahnen, schon im Entstehen mit Schwierigkeiten kämpfend, erst in späteren Jahren zur Vollendung gebracht werden konnten. ,

Die Ungarische Westbahn, die Erste U n g a r i s c h-G al i z i s c h e Bahn, beide gemeinsame, d, h. solche Bahnen, deren Linien sich auf beide Reichshälften der Monarchie erstreckten, ferner die Secundärlinien der Staats- eisenbahn-Gesellschaft von Valkäny nachPerjämos und Vojtek-N^met- Bogsän, sowie die Strecke des Haupt- netzes dieser Bahn von Temesvär bis Orsova, die Secundärbahn Nyireg}'- häza-Ungvär, von welcher bereits die Rede war [siehe Seite 384], die Gömörer Industriebahnen, die Bahn Bänr^ve-Nädasd, die Donau-Drau- Bahn Bättasz6k-Dombovär-Zä- kany, die Strecke Szent-Peter-Fiume der Südbahn, die projectirte, jedoch nicht

Josef Gonda, Geschichte etc.

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ausgeführte Ungarische Nordwest- bahn mit den Strecken Neuhäusel- K o m o r n und Neutra-Trencsin, die Eperjes-Tarnöwer und die Raab- Oedenburg - Ebenfurter Bahn, schliesslich die als solche nicht aus- geführte Oedenburg - Pressburg- Lundenburg-Waagthalbahn er- hielten in den Jahren 1869 bis 1874 ihre Concessions- Urkunden.

Das Project einer Eisenbahn - Ver- bindung der Flussgebiete der Donau und Mur war schon zu Anfang der Sechziger- Jahre aufgetaucht, es musste jedoch das Schicksal so manch anderer ungarischer Eisenbahn-Projecte jener Zeit theilen, deren Ausführung späteren Jahren vor- behalten blieb. Der Mikö'sche Entwurf eines ungarischen Eisenbahnnetzes brachte jedoch im Jahre 1867 die Linie Raab- Graz wieder auf die Tagesordnung. Dem Programme entsprechend, dass die neu zu concessionirenden Eisenbahnlinien mit der Hauptstadt Budapest in Ver- bindung gebracht werden, verhandelte das Communications-Ministerium mit den Concessionswerbem gleich von Beginn an bezüglich der Linien Stuhl weisse n- burg-[Sz6kes-Feh6rvär-] Veszpr^m- Kis-Czell-Steierische Grenze und Kis-Czell-Raab [Györ].

Die mit der Ungarischen allge- meinen Creditbank und dem Hause M. H. Weikersheim& Comp in Wien gepflogenen Verhandlungen führten auch zum Ziele. Mit Beschluss beider Häuser des ungarischen Reichstages wurde das Ministerium im December 1868 er- mächtigt, mit dem obgenannten Consor- tium den Concessions- Vertrag bezüglich des Baues der Ungarischen West- bahn [Magyar nyugotivasut] end- giltig abzuschliessen, welcher Vertrag sodann in den Gesetzartikel V vom Jahre 1869 inarticulirt wurde.

Die Concession lautete für die Haupt- bahn S z 6 k e s-F eh^rvär-Veszprem- Kis-Czell- Landesgrenze, mit der Zweigbahn von Kis-Czell nachGy ö r. Ausser den üblichen Begünstigungen an Stempel-, Gebühren- und Steuerfreiheit wurde den concessionirten Bahnlinien die

staatliche Garantie eines jährlichen Rein- erträgnisses von 36.400 fl. für die Meile und überdies eine entsprechende Tilgungs- quote in Silber gewährleistet.

Das Anlage-Capital der 40*5 Meilen langen Linien wurde auf 29,889.000 fl., d. i. 738.000 fl. für die Meile, veranschlaget.

Die Concession und Entwicklung der österreichischen Strecke dieser Bahn be- handelt ein anderes Capitel, *) wir be- schränken uns daher hier nur noch auf die Constatirung des Umstandes, dass der Bau sofort nach Ausfolgung der Concessions-Urkunde energisch in Angriff genommen wurde, so dass am i. October 1871 die Strecke Györ-Szombathely- [Raab-Steinamanger], am 9. August 1872 die Strecke Sz6kes-Feh6rvär- Vesz- pr^m [Stuhlweissenburg - Vesprim], am I. September 1872 die Strecke Szomba t- hely-Landesgrenze und am 3. Oc- tober desselben Jahres auch die letzte Strecke der ungarischen Linie Vesz- pr^m-Kis-Czell eröffnet werden konnten.

Eine nördliche Eisenbahn-Verbindung Ungarns mit der österreichischen Reichs- hälfte, namentlich mit Galizien, konnte auch erst in der constitutionellen Aera durch den Ausbau der Ersten Ungarisch - Galizischen Eisen- bahn [Elsö magyar-gäcsorszägi vasut] geschaffen werden. Die Vor- geschichte dieser Karpathenbahn bildet Gegenstand des die österreichischen Eisenbahnen behandelnden Theiles dieses Werkes. *) Hier sei nur in Kürze erwähnt, dass die ungarische Regierung die Wich- tigkeit dieser Eisenbahnlinie, welche be- rufen war, sowohl den Binnenverkehr der beiden Nachbarländer zu fördern, als auch als Transitbahn für den Weltverkehr von der nordöstlichen Grenze Galiziens und selbst von Russland nach Fiuine zu dienen, wohl einsah, und bereit war, das Zu- standekommen des Unternehmens durch Gewährung einer bedeutenden Staats- garantie zu sichern.

Auf Grund des Gesetzartikels VI vom Jahre 1869 wurde den Grafen Adam Potocki und Aladär Andrässy die

♦) Vgl. Bd. 1, 2. Theil, L K o n t a : Geschichte der Eisenbahnen Oesterreichs vom Jahre 1867 bis zur Gegenwart.

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Das Eisenbahnwesen in Ungarn seit 1867.

Goncession für die Strecke Legenyi- Mihälyi bis zur ungarisch-galizischen Landesgrenze bei Lupköw ertheilt, die Staatsgarantie mit 40.000 fl. für die Meile nebst der entsprechenden Tilgungsquote festgesetzt. Das veranschlagte Anlage- Capital für die ganze Bahn, und zwar 19*6 Meilen galizische und 16*4 Meilen ungarische Strecke, war 31,500.000 fl. ö. W. in Silber, wovon 12,500.000 fl. auf Stammactien und 19,000.000 fl. auf Priori- täts-Obligationen aufgebracht wurden.

Der am 12. März 1870 unter grossen Feierlichkeiten in Angriff genommene Bau der ungarischen Strecke konnte nur nach Ueberwindung vieler Schwierigkeiten fortgesetzt werden. Schon der im Ge- setzartikel XXXVIII vom Jahre 1871 festgesetzte erste Fertigstellungs-Termin der Strecke Legen ye-Mihälyi- H o m o n n a erlitt eine Verschiebung von nahezu drei Monaten. Die Eröffnung er- folgte nämlich erst am 25. December statt am I. October 1871.

Bald zu Beginn der Arbeiten Sah sieb die Eisenbahn-Gesellschaft veranlasst, die Regierung um die Bewilligung von Bau- erleichterungen anzugehen.

Für die Strecke Mezö-Laborcz- Landes- grenze war nämlich eine Maximalsteigung von I : 60 festgesetzt. Nur nach Ueber- nahme grosser materieller Verpflichtungen konnte die Gesellschaft erreichen, dass die Anwendung eines Steigungsverhält- nisses von 1 : 40 gestattet wurde. Rück- sichten strategischer Natur leiteten die Regierung, als dieselbe die Gesell- schaft gesetzlich verpflichtete, auf der genannten Strecke den Unterbau für zwei Geleise anzulegen und die Kosten des Oberbaues für das zweite Geleise in der Weise sicherzustellen, dass die Re- gierung die Legung desselben jederzeit anordnen könne. Diesen Verpflichtungen gegenüber erscheint jene rein finanzieller Natur, wonach dem Staate, als Aequivalent für die voraussichtliche Erhöhung: der Betriebskosten infolge der Anwendung des nachträglich bewilligten Steigungs- verhältnisses von 1 : 40, Actien im Nominal- werthe von 180.000 fl. auszufolgen waren, von untergeordneter Bedeutung.

Unter finanziellen Calamitäten mannig- facher Art wurde der Bau fortgesetzt und

schon im August 1872 war die Strecke von H o m o n n a bis zum Tunnel an der Ländesgrenze fertig, die Eröffnung konnte jedoch nicht erfolgen, da die Zinsen- garantie erst nach Vollendung des Tunnels in Wirksamkeit treten sollte. Nachdem durch den Gesetzartikel XXIII vom Jahre 1873 auch diese Schwierigkeit zu Gunsten der Bahn behoben war, wurde die Strecke am 12. Juni 1873 dem allgemeinen Ver- kehre übergeben ; für die Verbindung der ungarischen mit der bereits früher er- öffneten galizischen Strecke musste ein Messageriedienst eingerichtet werden, welcher den Personen- und Frachten- verkehr über die Karpathen vermittelte.

Unterdessen wuchs die schwebende Schuld der Gesellschaft schon bis zum October 1872 bis auf 4,500.000 fl., was der Verwaltungsrath mit den Ausgaben begründete, welche die Mehrarbeiten in- folge eingetretenerElementarereignisse und Terrainschwierigkeiten erforderten. Wegen der letzteren beanspruchte die Gesell- schaft von der ungarischen Regierung einen Schadenersatz im Betrage von mehr als 4,000.000 fl. Zum Ausweis der Mehrkosten aufgefordert, hatte die Gesellschaft eine Abrechnung vorgelegt, laut welcher die 15 km lange Strecke Mezö-Laborcz- Landesgrenze statt der veranschlagten Summe von 2,759.000 fl., inclusive des ungarischen Theiles des Tunnels, 7,482.000 fl. Baukosten erforderte.

Diese Summen mögen einen Bew*eis dafür liefern, dass es der selbst mit finan- ziellen Sorgen kämpfenden Regierung kein Leichtes war, zur Sanirung der kritischen Lage der Eisenbahn mit Geld- opfern thatkräftig beizutragen. Mit schwe- benden Schulden musste der Bau fort- gesetzt werden, bis endlich auch der Tunnel am 3 1 . Mai 1874 eröffnet wurde, nachdem derselbe seine Einweihung be- reits am 14. Mai gewissermassen dadurch erhalten hatte, dass Erzherzog Wilhelm bei seiner Reise von Ungarn nach Gali- zien durch den Tunnel gefahren war.

Die Regelung der finanziellen Lage der Gesellschaft war den folgenden Jahren vorbehalten.

Die ungarischen Linien der k. k. priv. OesterreichischenStaatseisen-

Josef Gonda, Geschichte etc.

397

bahn-Gesellschaft hatten zu jener Zeit einen Zuwachs durch die neu con- cessionirten Secundärbahnen Valkäny- Perjämos und Vojtek-N6met- Bogsän gewonnen.

Für die erstere Bahn erhielten auf Grund des Gesetzartikels XXVII vom Jahre 1870 Graf Koloman von Näkö und Consorten die Concession; sie traten jedoch dieselbe kostenfrei der Staats- eisenbahn-Gesellschaft ab, welch letztere die Bahn aus eigenen Kosten erbaute, was umso leichter war, als die Grund- besitzer jener Gegend den nöthigen Boden umsonst überlassen hatten, einige der inter- essirten Besitzer und Industriellen aber überdies auch noch einen freiwilligen Beitrag von 20.000 fl. zu den Baukosten leisteten.

Auf diese Weise konnte die Strecke von Valkäny bis Szent-Miklös schon am 16. September und die von Szent-Miklös bis Perjämos am 16. October des Jahres 1870 dem öffent- lichen Verkehre übergeben werden.

Die Concession für die Secundärlinie Vojtek N^met-Bogsän erhielt die Gesellschaft auf Grund des Gesetzartikels XXVII vom Jahre 1872, und wurde diese Strecke am 5. September 1874 er- öffnet.

Schon früher, am 20. October 1869, hatte die Staatseisenbahn-Gesellschaft die anfangs blos für ihre eigene Bergwerke erbaute Bahnstrecke Oravicza-Steyer- dorf, am 15. Januar 1874, die an- gekaufte Industriebahn Töt-Megyer- Nagy-Suräny dem öffentlichen Ver- kehr übergeben.

Im Jahre 1874 ging auch ein lang gehegter Wunsch der Gesellschaft in Er- füllung.

Die Nothwendigkeit einer Eisenbahn- Verbindung Ungarns mit den Balkan- ländern machte sich schon lange vorher fühlbar, die ungarische Regierung jedoch widerstand dem wiederholten Drängen der Oesterreichischen Staatseisenbahn- Gesellschaft, welche die Concession für die Verlängerung ihrer Linie von T e m e s- vär bisOrsova anstrebte. Die Ge- sellschaft hatte bis dahin zu wenig die allgemeinen volkswirthschaftlichen Inter- essen Ungarns berücksichtigt, als dass

die Regierung sich leicht hätte ent- schliessen können, eine ins Ausland führende Eisenbahnlinie von solch emi- nenter Wichtigkeit diesem Unternehmen zu überliefern.

Erst als am 21. Mai 1874 der Ver- trag zwischen Ungarn und Rumänien ab- geschlossen wurde, laut welchem Rumä- nien sich verpflichtet hatte, die Verbin- dung der rumänischen Eisenbahnen bei Verciorova an die Oesterreichische Staats- eisenbahn-Gesellschaft und Predeal an die Verlängerung der Ungarischen Ostbahn gleichzeitig herzustellen, wurde der Staats- eisenbahn-Gesellschaft im selben Jahre die Concession für die Strecke Temes- V ä r-O r s o V a ertheilt. Die Concessions- Urkunde wälzte zwar gewisse, im Interesse der ungarischen Volkswirthschaft ge- legene Verpflichtungen tarifarischer Natur auf die Gesellschaft, dem Staate erwuchs aber dadurch die Verpflichtung einer weiteren jährlichen Zinsengarantie von 1,000.000 fl.

Die Concession, die mit dem Gesetz- artikel XXXI vom Jahre U870 zum Bau derGömörer Industriebahnen dem Consortium Pulszky-Strousberg er- theilt wurde, musste gar bald für erloschen erklärt werden, nachdem inzwischen das Vertrauen in Strousberg arg ins Wanken gerathen war. Die Interessenten bestanden jedoch darauf, dass diese wichtigen Eisen- bahnstrecken ausgebaut würden. Die mit der Regierung gepflogenen Verhandlungen führten schliesslich zu dem Resultate, dass durch den Gesetzartikel XXXVII vom Jahre 1871 der Bau und Betrieb dieser Bahn dem Staate übertragen wurde, wo- gegen die Interessenten dem Staate gegenüber sich zur Tragung einer Zinsengarantie von 4000 fl. in Silber pro Jahr und Meile auf zehn Jahre hinaus verpflichteten. Diese in ihrer Art gewiss seltene Zinsengarantie betrug für die 21 Meilen lange Strecke jährlich 100.800 fl. ö. W. und wurde zu Gunsten des Staates grundbücherlich intabulirt.

Der Bau nahm, trotz der vielen Schwie- rigkeiten, die der Bau dieser Gebirgsbahn bot, einen ziemlich raschen Verlauf, so dass am 10. September 1873 die 45 km lange Strecke Bänr^ve-Fülek, bis zum

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Das Eisenbahnwesen in Ungarn seit 1867.

20. Juli 1874 die ganze 697 km lange Strecke Bän.r6ve-Dobsina, am 5. Sep- tember 1874 die Strecke Feled-Tiszolcz [49*3 km] in Betrieb gesetzt werden konnte.

Die mit einem Stammcapital von 4,636.200 fl. u. Prioritäten von 6,954.200 fl. erbaute Bättasz6k-Dombovär-Zä- känyer Bahn [Donau- Drau-Bahn] ver- dankt den Interessenten der Comitate Tolna und Somogy ihr Entstehen, welche die Wichtigkeit einer Verbindung dieser Comitate mit der Fiumaner Route er- kennend, die Regierung für das Project gewonnen hatten. Auf Grund des Gesetz- artikels XXXIII vom Jahre 1870 wurde die Concession für die etwa 165 km lange Bahn ertheilt. Der Staat übernahm eine Zinsengarantie von 22.450 fl. pro Meile.

Am 14. August 1872 erfolgte die Eröffnung der Zäkäny-Dombovärer, am 20. Juli 1873 die derDombovär- Battasz^ker Strecke.

Die zweite Eisenbahn - Verbindung Ungarns mit Galizien erfolgte durch den Ausbau der Eperies-Tarnöwer Bahn. Die im Gesetzartikel XIV vom Jahre 1 87 1 inarticulirte Concessions - Urkunde* wurde der Wiener Unionbank ertheilt. Der Staat übernahm für die ungarische Linie eine jährliche Zinsengarantie von 45.900 Silbergulden pro Meile, sicherte sich jedoch einen ausschlaggebenden Einfluss auf die Tarifbildung der Bahn.

Die Concessionärin gründete die Actien- Gesellschaft der »Ungarischen Linie der Eperies-Tarnöwer Bahn« [Eperjes - tarnowi vasut magyarorszägi r^sze]. Der Bau nahm einen verhältnis- mässig raschen Gang, so dass die Strecke bis Orlö schon am i. Mai 1873 eröffnet werden konnte. Da der Ausbau der galizischen Strecke zur Zeit der Er- öffnung dieser Linie noch nicht gesichert war, musste die Fertigstellung der Linie bis zur Landesgrenze auf einen späteren Zeitpunkt verschoben werden.*)

In dieser Zeitperiode wurden nur zwei Bahnen ohne staatliche Zinsengarantie

♦) Vgl. Bd. I, 2. Theil, L Konta: Ge- schichte der Eisenbahnen Oesterreichs vom Jahre 1867 bis zur Gegenwart.

concessionirt : die »Raab-Oedenburg- Ebenfurhter Bahne [»Györ-Sopron- 6benfurti vasut c] und die sogenannte » Wa agthalbahnc Vägvölgyi vasut«]. Die Raab-Oedenburg-Ebenfurther Bahn besteht noch heute als selbständiges Unternehmen.

Dem Concessionär derselben, Victor Freiherrn von E r 1 a n g e r, gelang es unter den finanziellen Wirren des Jahres 1873 nicht, eine Actien-Gesellschaft zu grün- den, er musste daher den Bau mit eige- nen Mitteln beginnen. Erst anfangs des Jahres 1875 kam die Actien-Gesellschaft zustande, welche die Strecke Györ- S o p r o n [Raab-Oedenburg] am 3. Januar 1876 dem öffentlichen Verkehre übergab.

Durch diese Linie gelangten zwei wichtige Handelsplätze Westungams in unmittelbare Schienenverbindung ; diese konnte jedoch erst dann eine grössere Bedeutung für die volkswirthschaftlichen Verhältnisse gewinnen, bis durch einen Anschluss an die österreichischen Bahnen ein Exportweg für die ungarischen Landes- producte nach Westen geschaffen war, was noch einige Jahre auf sich warten Hess. Auf die Entstehungs-Geschichte der Waagthal- bahn kommen wir an anderer Stelle gele- gentlich ihrer Verstaatlichung zu sprechen.

Die in den Jahren 1867 bis 1874 ertheilten Concessionen wälzten schwere Lasten auf den von allen Seiten stark in Anspruch genommenen Staatshaushalt Ungarns, so zwar, dass der Staat an bewilligten und thatsächlich in Anspruch genommenen Zinsengarantieen und an Zinsen für die in die Staatseisenbahnen investirten Summen im Jahre 1874 schon 21*3 Millionen Gulden bezahlen musste.

Dagegen wurden in diesen wenigen Jahren Eisenbahnen in der Läge von zusammen 3757 km dem öffentlichen Verkehre übergeben, was nahezu 59% des mit Schluss des Jahres 1874 im Be- triebe gestandenen 6388 km langen unga- rischen Eisenbahnnetzes betragen hat.

Dass diese Zunahme der Eisenbahnen dem Handelsverkehre Ungarns einen be- deutenden Aufschwung verlieh, ist selbst- verständlich. Daher kam es auch, dass, als nach dem traurigen Jahre 1873 mit

Josef Gonda, Geschichte etc.

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der eingetretenen allgemeinen finanziellen Katastrophe auch im ungarischen Staats- haushalte eine bedenkliche Krise eintrat und die öffentliche Meinung den Grund dieser Krise vorwiegend dem Umstände zuschrieb, dass die Eisenbahnen immense Summen verschlangen der Scharfblick ernster Politiker hiedurch sich doch nicht irre führen Hess. Die Auffassung, welcher Benjamin Kdllay in seiner Broschüre »Billige Vicinal-Eisenbahnen in Ungarn* im Jahre 1880 Worte verlieh: »wenn man im Stande wäre, die Vortheile der Eisen- bahnen derart in Ziffern auszudrücken, wie die gebrachten Opfer berechnet wer- den können, müsste man zu dem Resultate gelangen, dass der im Laufe der Jahre aus dem Eisenbahn- Verkehre stammende, dem allgemeinen Wohlstande entfallende Nutzen eine grössere Summe beträgt, als jene Staatsausgaben, welche die Eisen- bahnen an Garantieen und Zinsen bean- spruchen«, hat schon in den Jahren der finanziellen Erschütterung Anhänger ge- habt. Daher kam es, dass das sogenannte IXer Subcomit6, des seitens des ungari- schen Reichstages am 22. December 1873 zur Prüfung der Lage des Staathaushaltes und zur Berathung der zur Sanirung nöthigen Mittel entsendeten XXIer Com- mission unter Anderem als unumgänglich nöthig empfahl: dass die zerfahrenen finanziellen Verhältnisse der die Staats- garantie geniessenden Eisenbahnen ge- regelt und sowohl diesen, als auch den Staatseisenbahnen zum Zwecke der He- bung ihrer Rentabilität neue Investirungen ermöglicht werden ; dass der Betrieb der unter dem Einflüsse des Staates stehen- den Eisenbahnen entwickelt, geregelt und verbessert und dass das ungarische Eisenbahnnetz in erster Reihe aber das Staatseisenbahnnetz durch neue Linien ergänzt werde.

Statt in Erspanmgen suchten demnach die massgebenden Kreise die Abhilfe der krankenden Zustände in bedeutenden, freilich aber wohlanzulegenden neuen Geldopfern.

Die in der Öffentlichen Meinung gegenüber dem ungarischen Eisenbahn- wesen nach Ablauf der Sturm- und Drangperiode herrschende Verstimmung wurde derart durch die seitens berufener

Factoren angestimmten Schlussaccorde gemildert und die Folgen der Ernüchte- rung gaben sich nicht in kleinmüthiger Entsagung, sondern in ernstem, ziel- bewusstem Suchen nach Mitteln zur Heilung der Uebelstände kund.

Mit Recht kann demnach die nun folgende Periode in der Entwicklung des Eisenbahnwesens Ungarns als die der vorsichtigen, wohlbedachten Arbeit bezeichnet werden.

Die Richtung des Sanirungsprocesses, die Inaugurirung einer zielbewussten, an Stelle der durch den Schaffenstrieb der letzten Jahre irregeleiteten Eisenbahn- Politik, war nun gegeben.

Das Bestreben der Regierung, in erster Reihe die Einnahmen der Staatseisen- bahnen und garantirten Bahnen nach Möglichkeit zu heben, darf nicht als eine vom rein fiscalischen Standpunkte dictirte Action aufgefasst werden. War doch die ungarische Verkehrspolitik durch den seitens der Staatseisenbahn- Gesell- schaft, der Süd- und der Theissbahn, gegen die Ungarischen Staatsbahnen und garantirten Privatbahnen erklärten und mit Waffen mannigfachster Art offen und im Geheimen »bis auf den letzten Blutstropfen« geführten Concurrenz- kampf gefährdet. Der Staat musste die Kosten dieses Krieges in der vollsten Ueberzeugung tragen, dass die dabei verloren gegangenen Unsummen den allgemeinen wirthschaftlichen Interessen keinesfalls zugute kamen.

Von der ins Leben gerufenen Trans- portsteuer*) konnten hohe Einnahmen nicht erhofft werden. Es galt daher, durch Hebung der Concurrenzfähigkeit der Staats- und der vom Staate ab- hängigen Privatbahnen die Einnahmen besser zu gestalten, ohne dass darunter der Handelsverkehr zu leiden hätte.

Das unzureichende Betriebsmaterial, die mangelhaften Einrichtungen der meisten garantirten Bahnen überhaupt, trotzdem Mehrleistungen beim Bau die finanzielle Lage fast jeder Bahn schon im Vorhinein ungünstig gestaltet und zur Aufnahme schwebender Schulden

♦) Vgl. Band III, L. Jellinek: Tarif- wesen der ungarischen Eisenbahnen.

400

Das Eisenbahnwesen in Ungarn seit 1867.

gedrängt hatten, trugen mit daran Schuld, dass die Rentabilität dieser Unterneh- mungen in gar keinem Verhältnisse zu den grossen investirten Capitalien stand.

Diesem Uebel sollten die Gesetze X LI vom Jahre 1875, respective XI vom Jahre 1876 abhelfen. Der erstere Gesetz- artikel ermächtigte die Regierung zur Aufnahme eines Eisenbahn- Investitions- anlehens, bis zum Betrage, dessen Verzinsung und Tilgung jährlich mit 700.000 fl. festgestellt war. Auf Grund des Gesetzartikels XI vom Jahre 1876 wurde mit den betreffenden Verwaltungen eine Vereinbarung getroffen, welche die Beträge festsetzte, die den einzelnen Bahnen zu Investitionszwecken in Baarem zugeführt werden sollten. Die Rück- zahlung seitens der Bahnen hatte mit binnen 50 Jahren zu tilgenden Prioritäts- Obligationen zu erfolgen.

Der durch diese Action erreichte Er- folg war ein doppelter; denn durch die Abschaffung der Änanziellen Miseren der Privatbahnen ward deren schädlicher Einfluss auf den Staatscredit behoben, anderestheils aber ergriff die Regierung diese günstige Gelegenheit, um den un- mittelbaren Einfluss des Staates auf die garantirten Bahnen zu erweitern und zu festigen. Fortan konnte die Regierung die Verkehrspolitik dieser Bahnen un- mittelbar leiten und den wirthschaftlichen Anforderungen Ungarns anpassen.

Die auf die Geschäftsgebarung dieser Eisenbahnen von jenem Zeitpunkte an geübte strengere Staatscontrole hatte aber auch zur Folge, dass das Budget der einzelnen Eisenbahn- Gesellschaften sich mit der Zeit allmählich günstiger gestaltete.

Auf solche Weise sicherte sich der Staat die leitende Rolle in Eisenbahn- Angelegenheiten, und die Regierung machte sich daran, die ihr zu Gebote stehenden Mittel gehörig auszunützen.

Zunächst galt es, dem verderbenden Tarifkriege ein Ende zu machen. Das gelang der Regierung theilweise durch das Zustandebringen der Eisenbahn-Car- telle, welche sich auch in Deutschland und Oesterreich bewährt hatten. Hiebei richtete die Regierung ihr Augenmerk hauptsächlich darauf, dass die Cartell-

Uebereinkommen die allgemeinen Ver- kehrsinteressen Ungarns nicht schädigen, wenn dieselben sich auch für die bethei- ligten Bahnen nutzbringend gestalteten.

Die Staatseisenbahn-Gesellschaft und die Südbahn stützten sich jedoch gar zu sehr auf den Wortlaut ihrer Con- cessions-Urkunden, als dass es der Re- gierung hätte gelingen können, dieselben den ungarischen Interessen in dem Masse dienlich zu machen, wie es die Verhält- nisse erforderten. Es gab schon einen harten Kampf, als es sich darum handelte, der mag}'arischen Sprache im Geschäfts- gebaren der genannten Gesellschaften Geltung zu verschaffen.

Durch zweckentsprechende Gruppi- rungen der vom Staate abhängigen Privatbahnen eines theils, anderestheils aber durch Verstaatlichungen von Privat- bahnen und Ergänzung des Staatseisen- bahnnetzes durch Concurrenzlinien für den Export- und Binnenverkehr trachtete nun die Regierung die im Eisenbahn- Verkehre gewonnene Macht der im Dienste fremden Capitals stehenden Eisenbahn- Gesellschaften zu brechen.

Die Misswirjhschaft, welche bei der Ungarischen Ostbahn geherrscht hatte, bot die directe Veranlassung dazu, dass im Jahre 1876 zuerst diese, an den Rand des Abgrundes gerathene Eisenbahn auf Grund des Gesetzartikels L vom Jahre 1876 in den Besitz des Staates überging. Dies erfolgte im Wege des Kaufes um den Betrag von nahezu zehn Millionen Gulden. Nachdem noch der Staat aus eigenen Mitteln die Strecke von Kron- stadt [Brassö] bis zum Tömöspass bei Predeal ausgebaut hatte [Gesetz- artikel XXXIV vom Jahre 1876], ver- fügte derselbe Über die östlichen Linien bis an die rumänische Grenze. Es er- übrigte nunmehr noch den Anschluss an die rumänischen Bahnen herzustellen. Dafür hatte zwar der bereits erwähnte, zwischen Ungarn und Rumänien am 21. Mai 1874 abgeschlossene Vertrag vorgesorgt; bis 1878 war jedoch blos der eine Anschluss bei Verciorova voll- endet, so dass es des energischen Ein- greifens der ungarischen Regierung be- durfte, welche die Eröffnung dieses An- schlusses verboten, bis endlich am 10. Juni

Josef Gonda, Geschichte etc.

1879 beide Anschlüsse vertragsmässig ' tjleichzeitig dem Verkehre übergeben werden konnten.

Von Grosswardein bis Predeal ver- fügte somit der Staat Über eine wichtige eigene Linie [vgl, Abb. go und 91*), doch fehlte noch der directe Anschluss nicht nur an die Hauptstadt Budapest, sondern an die Ungarischen Staatsbahnen überhaupt.

Um die Verbindung Budapests mit Rumänien den allgemeinen volkswirth- schaftlichen und Staatsinteressen Ungarns : im gehörigen Masse nützlich machen zu können, musste vorerst noch die Strecke | Szolnok- Gross wardein dem Netze der Staatsbahnen einverleibt werden. ]

Schaft bekämpft werden, was nur durch den Ausbau einer Strecke Käkos- Ujszäz zu erreichen war. Der Gesetz- artikel XXIV vom Jahre 1881, welchem diese letztgenannte, am 11. März 1882 eröffnete Strecke von 76 km Länge ihr Entstehen verdankt, kann somit als Schlussstein jener Action angesehen werden, durch welche Ungarn seinen ausschlaggebenden Kinfluss in der Ver- kehrspolitik nach der südöstlichen Richtung im Anschluss an Rumänien erlangt hatte.

Gegen Norden hatten die Un- garischen Staatsbahnen durch den Ausbau

Abb. «a. KKnlelleb Cagdrl^be Si (S<.«kc Nag,

Dies führte im Jahre 1880 zur Ein- lösung der Theissbahn. (Gesetz- artikei XXXVIII vom Jahre 1880.]

Mit Szolnok selbst war zwar Budapest ausser durch die Linie der Staatseisenbahn- Gesellschaft auch durch die Ungarischen Staatsbahnen über Hatvan verbunden, eine solche Einmündung einer Haupl- linie in die Hauptstadt auf Umwegen konnte jedoch schon aus Verkehrsrück- sichten nicht angehen; überdies sollte aber auch die Concurrenz der Privat- bahnstrecke der Staatseisenbahn-Gesell-

*) Die im Abschnitte über Unirarns Eisenbahnwesen enthaltenen lUustratiunen der Ungaristhen Staatsbahnen sind Rc- productionen von photographischen Original- Aufnahmen des Beamten B. Väf'i'i, die derselbe im Auftrage der genannten Ver- waltung für dieses Werk herstellte.

irad-Pttdcfll.)

der Strecke Losoncz-Ruttka in Verbin- dung mit der Kascbau-Oderberger Eisen- bahn bereits seit 1872 einen mächtigen Einfluss auf den nach Deutschland gravi- tirenden Verkehr gewonnen. Mit Hilfe der preussischen Eisenbahnen war es gelungen, die Concurrenz mit der Staats- eisenbahn-Gesellschaft, welche bis dahin den Verkehr Ungarns mit Deutschland über Bodenbach monopolisirte, aufzu- nehmen. Der Kampf endete mit dem Siege der Ruttkaer Route, was zum Ab- schluss des bereits erwähnten Cartell- übereinkommens führte.

Diese Route nahm an Bedeutung zu, als Deutschlands Zollpolitik Ungarns Export vollkommen zu unterbinden drohte. Da konnte Ungarn es unmöglich zugeben, dass der auf der Tarifpolitik beruhende Einfluss der Regierung angegriffen werde, 26

402

Das Eisenbahnwesen in Ungarn seit 1867.

was nahe bevorg^estanden war, als die Kaschau-Oderberger Eisenbahn in der zweiten Hälfte der Siebziger -Jahre in missliche finanzielle Verhältnisse ge- rieth.*) Im Einvernehmen mit der öster- reichischen Regierung gelang es jedoch, .die Angelegenheiten der bedrängten Eisen- bahn-Gesellschaft zu ordnen, wodurch die Gefahr, welche diese nördliche Exportroute bedrohte, behoben war.

Zur Kräftigung dieser Route hatte auch die Fusion der ungarischen Strecke der Eperies-Tarnöwer Eisenbahn mit der Kaschau-Oderberger Bahn beigetragen, welche gleichzeitig mit der Sanirung der finanziellen Uebelstände im Jahre 1876 erfolgt war, aber erst mit dem Gesetz- artikel XXXVIII vom Jahre 1879 finali- sirt wurde.

Die dritte Route, welche die Regie- rung dem Einflüsse der Ungarischen Staatsbahnen zu unterstellen wusste, war der Weg nach Fiume. Es war ein hartes Stück Arbeit, diese schon seitens Sz^ch^nyi als eine der wich- tigsten bezeichnete Route der Macht- sphäre der Südbahn, wenn auch nur theil- w^eise, zu entreissen.

Der Ausbau der Staatsbahnstrecken Zäkäny-Agram [eröffnet am 5. Januar 1870] und Ka rlstadt-Fiume [eröff- net am 23. October 1873], [vgl. Abb. 92] kann als bescheidener erster Versuch nach dieser Richtung angesehen werden, der jedoch von keinem Erfolge gekrönt war,

*) Der Gnmd dieser Geldverlegenheiten der K aschau - Oderberger Bahn war zum Theile darin zu suchen, dass die beiden Regierungen, die ungarische und die öster- reichische, bezüglich der Vertheilung der zu zahlenden Garantiesumme nicht ins Keine kommen konnten. Die Regelung erfolgte sodann in der Weise, dass die österreichische Regierung von der jährlichen Garantiesumme im Betrage von 2,948.000 fl., statt der ihr zufallenden 511.600 fl., 540.000 fl. übernahm, wogegen sich die ungarische Regierung ver-

ßflichtete, mit der Begleichung der von der iauunternehmung erhobenen Ersatzansprüche die ungarische Strecke zu belasten. Auf die Geschichte der Kaschau-Oderberger Bahn kommen wir im weiteren Verlaufe dieser Abhandlung noch zu sprechen. Näheres vgl. auch Bd. I, 2. Theil, I. Konta: Geschichte der Eisenbahnen Oesterreichs seit 1867 bis zur Gegenwart.

hauptsächlich infolge des Umstandes, dass zwischen die beiden Strecken die Linie Agram-Karlstadt der Südbahn eingekeilt war, welche Gesellschaft ihre ungarischen Linien seit dem Jahre 1867 mit den neuen Strecken Mura -Keresztür- Bares [76 /rw, eröffnet am 1 . September 1 868] und Fiume-Landesgrenze in der Richtung nach St. Peter [2*4 /ri«, eröffnet am 25. Juni 1873] erweitert hatte.

Auch die Uebernahme des Betriebes der Donau- Draubahn durch die Ungari- schen Staatsbahnen übte keine sichtliche Wirkung auf die zu Gunsten Triests entfalteten Leistungen der Südbahn.

Mit Recht konnte daher jene glückliche Action der ungarischen Regierung, welche am II. März 1880 zum Abschluss des im Gesetzartikel XLIV vom Jahre 1880 inarticulirten Kaufvertrages bezilglich der Strecke A g r a m-K a r 1 s t a d t führte, als Inaugurirung der Fiumaner Route der Ungarischen Staatsbahnen begrüsst werden.

Die Macht, welche die Südbahn auf den nach dem Adriatischen Meere ge- richteten Handelsverkehr ausübte, konnte jedoch erst dann paralysirt werden, als mit dem Gesetzartikel XL VI vom Jahre 1881 die direct als Concurrenzbahn der Südbahn geplante Budapest-Fünf - kirchner Bahn [Budapest-p6csi vasut] concessionirt, mit Gesetzartikel XXX vom Jahre 1884 die Verstaatlichung der Donau-D raub ahn, schliesslich mit Gesetzartikel XXXIX vom Jahre 1884 die Verstaatlichung der Alföld- Fiu- maner Bahn perfect wurde.

Die Budapest - Fünfkirchner Eisenbahn sollte ursprünglich einen Theil der am rechten Donauufer pro- jectirten Eisenbahn- Verbindung Buda- pest-Zimony [Semlin] bilden. Nachdem jedoch diese Bahn durch das Anschluss- Uebereinkommen mit Serbien [Siehe Seite 404] als Staatsbahnstrecke am linken Donauufer zustande kam, ver- folgten die Concessionäre der Linie Budapest-Fünfkirchen, die k. k. priv. Cr edit-An statt für Handel und Gewerbe in Wien und die Unga- rische Allgemeine Creditbank den Zweck, eine directe Verbindung mit dem Hafen von Fiume herzustellen.

Josef Gonda, Geschichte etc.

Abb. Ol. Königlich UnearlKhc Staatiba [Slrecl», Nag)

Den genannten Concessionären schloss sich die Donau-Dampfschiffahrts- Gese lisch aft an, der durch den Aus- bau dieser Bahn für ihre Fünfkirchner Kohle neue Absatzgebiete eröffnet werden sollten. Auch die Bankhäuser Wiener und Wodianer waren dem Consortium beigetreten. Diese Theilnehmer erbauten die Bahn aus eigenen Mitteln ohne Zinsengarantie, lediglich nur mit der Begünstigung einer dreissigjährigen Steuerfreiheit. Die Donau-Dampfschiff- fahrts-Gesellschaft betheiligte sich an den Baukosten mit lo"/,, und sicherte der Bahn vertragsmässig die jährliche Fracht eines bestimmten Kohlenquantums.

Die Eröffnung der Strecke Budapest- Kelenföld Oj-Dombovär Szt. LÖrincz [206 km] und der Verbindungs- linie Üj-Dombovär Ö-Dombovär erfolgte am 16. November 1882.

Nach den günstigen Erfolgen des ersten Betriebsjahres, und nachdem auch die Zweiglinie R^tszilas-Szegzdrd [55-4 km] ausgebaut und am 2. December IÖ83 eröffnet war, bildeten die Eigen- thUmer der Bahn Ende 1883 eine Actien- Gesellschaft mit einem Anlage-Capital inj Betrage von 15-7 Millionen Gulden.

Durch die in jenen Jahren befolgte, von den Communications- Mi nistern Thomas v.Pßchy [1875— 1880], Paul v. Ordödy [1880—1882] und Baron Gabriel v. Ke- mdny [1882— 1886] [vgl. Abb. 85] ver- tretene Eisenbahn- Politik gelangte der

iiad-Piedcal.]

Staat in verhältnismässig kurzer Zeit in den Besitz von drei wichtigen Exportlinien ; er unterwarf seiner Macht die bis dahin garantirten Bahnen; als Rechtsnachfolger der Theissbahn nahm er die Arad> Temesvärer Bahn, deren alleiniger Besitzer die Staats eisen bahn -Gesellschaft war, in Betrieb, und im Jahre 1879 [Gesetz- artike! XXVIl] kaufte er die Waag thal- bahn an.

Diese, ursprünglich als O e d e n b u r g- Pressburg- Lundenburg- Waag- thalbahn auf Grund des Gesetzartikels XXIX vom Jahre 1872 concessionirte Eisenbahn verdankt ihr Entstehen jenem Consortium, welches im Jahre 1871 die Pressburg- Ty mau er Pferde -Eisenbahn') zu dem Behufe angekauft hatte, um selbe in eine Locomotivbahn umzubauen und durch eine bedeutende Ergänzung zu einem rentablen Unternehmen umzuge- stalten. Die Bahn sollte die Hauptlinie Oedenburg - Pressburg - Tymau -Trencsin- Sillein [Sopron-Fozsony-Nagy-Szombat- Trencs^n-Zsolna] nebst mehreren Zweig- bahnen, darunter auch die von Tymau nach Lundenburg, umfassen. Am 8. Januar 1873 bildete sich zwar die Actien -Gesell- schaft unter der Firma Waagthalbahn [Vdgvölgyi vasut] mit einem Gesellschafts- Capital von 53,239.500 fl,, die einge- brochene wirthschaftliche Krise machte jedoch dem ohne Zinsen garantie con-

•) Vgl. Bd. I, r. Theil, H. Strach: Ge- schichte der Eisenbahnen in Oesterreich-

Ungarn bis 1867,

404

Das Eisenbahnwesen in Ungarn seit 1867.

cessionirten Unternehmen die Geldbe- schaffung unmöglich, so dass zunächst blos an die Umgestaltung der 45*9 km langen Pferdebahnstrecke Press- burg-Tyrnau und an den Bau der Ver- bindungslinie Katzersdor f -W einem [R6cse-Präcsa] geschritten werden konnte. Die Eröifnung der Strecke P re s s- burg-Tyrnau als Locomotivbahn er- folgte am I. Mai 1873, die der Verbin- dungslinie am I. Februar 1874. Nach Ueberwindung finanzieller Schwierigkeiten konnte erst zwei Jahre später der Bau fortgesetzt werden.

Am 2. Juni 1876 wurde die Strecke T y r n a u -W a a g - N e u s t a d 1 1 [N a g y- Szombat-Väg- Ujhely], am i. Sep- tember 1876 die auf Grund des Gesetz- artikels IX vom Jahre 1876 in eine Locomotivbahn umgestaltete T y r- nau-SzerederPferdebahn, schliess- lich am I. Mai 1878 die Strecke Waag- Neustadtl-Trencsin dem Betriebe übergeben. Zur Fortsetzung der zusam- men 1397 km langen Strecken fehlte jedoch das nöthige Capital, die Actien- Gesellschaft beschloss daher die Bahn zu verkaufen. Um zu verhüten, dass diese Bahn in den Besitz der Staatseisenbahn-Gesell- schaft gelange, hatte sie der Staat selbst um den Preis von 6,988.CXX) fl. angekauft.

Nachdem mit Gesetzartikel XXV vom Jahre 1877 der Bau der 400 km langen Militärgrenzbahn auf Staatskosten gesichert, die Theilstrecke D ä 1 j a - V i n- kovce-Bröd [99*6 km] fertiggestellt war und am 22. November 1878 eröffnet werden konnte, führte die Regierung den Unga- rischen Staatsbahnen einen Theil des bos- nischen Verkehres zu, welchen bis dahin ausschliesslich die Flussschiffahrt be- stritten hatte.

Auf diese Art war die ungarische Re- gierung nunmehr in der Lage, auf den gali- zischen, adriatischen, norddeutschen Ver- kehr sowie auf den Verkehr des Baltischen Meeres mit Nachdruck Einfiuss zu üben und vermochte sowohl in diesem, als in der Mehr- zahl der inländischen Verkehre mit seiner Tarifpolitik, wenn auch nur mittelbar, auf die Tarife der Staatseisenbahn-Gesellschaft und der Südbahn einzuwirken.

Als schliesslich das mit Gesetzartikel XXXV vom Jahre iStSo inarticulirte

Eisenbahnanschluss-Uebereinkommen mit Serbien den Anschluss in Z i m o n y [Sem- lin] und die Fortsetzung der bis Ziraony zu erbauenden ungarischen Linie auf serbischem Terrain gesichert hatte, wurde mit Gesetzartikel XLII vom Jahre 1880 und XLIV vom Jahre 1881 der Bau der Linie Budapest-Zimony nebst Zweigbahnen nach K a 1 o c s a und M i t r 0- vica als Staatsbahn angeordnet. Die Eröffnung der Strecke Budapest- Szabadka [Maria-Theresiopel] mit der Zweiglinie Kis-Körös Kalocsa er- folgte am 5. December 1882, die der Strecke Szabadka-Ujvid^k [Neusatz] am 5. März 1883, während die rest- lichen StreckenU jvid^k-Zimony [Neu- satz-Semlin] sammt der Zweiglinie I n d i a- Mitrovica am 10. December 1883 dem Verkehre übergeben wurden. Mit der Eröffnung der Savebrücke am 15. Sep- tember 1884 war die directeste Verbin- dung zwischen dem Westen, dem Norden und Südosten hergestellt, und auch der serbische Verkehr mit den Ungarischen Staatsbahnen in unmittelbare Verbindung gebracht.

Die derart erstarkte Macht des unga- rischen Staatsbahnnetzes bewog die O es ter reichische Staats ei senbahn- Gesellschaft dazu, vor Ablauf der Eisenbahn - Cartelle an die Regierung heranzutreten und die Schaffung sol- cher Verkehrs - Verhältnisse anzusuchen, welche eine, beide Theile schädigende Concurrenz hintanhalten sollten. Dies führte zu dem am 8. Juni 1882 ab- geschlossenen Vertrag, der durch den Gesetzartikel XLV vom Jahre 1882 inarticulirt wurde.

Auf Grund dieses Vertrages änderte die Gesellschaft die Firma und war von da an zur >Priv. Oesterreichisch- Ung arischen Staats eisenbahn- Gesellschaft« mit einer selbständigen Betriebs-Direction in Budapest geworden; die Waagthalbahn überging im Tausch- wege gegen die Linie Neu-Szöny Brück [116-4 ^w] in den Besitz der reor- ganisirten Gesellschaft und es wurde der Abschluss eines Uebereinkommens an- geordnet, durch welches die Verkehrs- theilung auf die Linien der Ungarischen Staatsbahnen und der Oesterreichisch-

Josef Gonda, Geschichte etc.

UngarischenStaatseisenbahn-Gesellschaft geregelt werden sollte.

Nachdem der Gesetzartikel XLVI vom Jahre 1882, beziehungsweise Gesetz - artikel XXVI vom Jahre 1883 auch den Ausbau der Linie Budapest- Neu- Szöny auf Staatskosten angeordnet hatte, und diese Strecke [90'3 km] am 16. Juni 1884 eröffnet war, gewannen die Ungarischen Staatsbahnen den lange ersehnten Einfluss auch auf die Koute nach dem Westen über Wien, und zwar

Die Ungarischen Staatsbahnen er- fuhren einen weiteren Zuwachs in- folge des mit Gesetzartikel VIII vom Jahre 1884 angeordneten Baues der Munkäcs-Beskider Eisenbahn, einer vom strategischen, aber auch vom ver- kehrspolitischen Standpunkte wichtigen Linie, die eine neue Verbindung Ungarns mit Galizien schuf, sowie durch die Linie Szabadka- [Maria - Th eres iopel] Baja [erbaut auf Grund des Gesetzartikels IX vom Jahre 1884, eröffnet am 8. Januar

Abb. •»■ KUnlelicb UngarlKbe Staali ISlrccke Karl

auf Grund des eben erwähnten Ver- kehrs-Uebereinkommens gleich auf den beiden Linien über Brück a. d. L. und Marchegg.

Durch die Waagthalbahn, zu deren Fortsetzung von Trencsin bis Sillein ' [Zsoina] die Concession gleichzeitig er- theilt wurde, gelangte andererseits die Staatseisenbahn-Gesellschaft zu einer, der Ruttkaer parallelen Route. Vervoll- ständigt wurde das ungarische Netz die- 1 ser Bahn durch die Zweiglinien Szered- Galgöez-Lipötvär[i8AjM, eröffnet am I 30. Juli 1885] und Tepla-Trencsin- T e p 1 i t z- V 1 a r a p a s s [124 km, eröffnet am 28. October 188S].

1885] und schliesslich durch die laut I Gesetzartikel XXIX vom Jahre 1884 er- I folgte Verstaatlichung der Ersten

Siebenbürger Eisenbahn. [Vgl. ' Abb. 93.]

Königlich Ungarische Staatsbahnen.

Als Recapitulation des Entwicklungs- ganges des ungarischen Staatseisenbahn- netzes mögen hier der_Uebersicht wegen sämmtliche Linien dieses Netzes nebst deren Baulängen nach dem Stande zu Ende des Jahres 1886 besonders ange- führt werden:

4o6

Das Eisenbahi

Abb, 9). Künlglich fne«"":

Eigene Linien der Kön

Ungarischen Staatseisenb

mit Schluss des Jahres i

Budapest- [Josefstädter Bahn- hof] Runka 311-

Budapester Verbindungslinien 28' Budapest-Kelenföld Brück

a. d. L, Landesgrenze 2o6' Zölyom Beszterczebänya-

Zülyom-Brezö .... 55- Garam - Berzencze - Selmecz-

bänya 23'

Hatvan-Szoinok .... 67'

Räkos-Üjszäsz .... 74'

Hatvan-Miskolcz .... 114' Miskolcz er Verbin dunj^sge leise O'

Vämos-Györk Gyöngjös i t

FBzes-Abony Eger [Erlau] l6' Miskolcz- [Rangirbahnhof]

üiösgyör t

Miskolcz-Fülek .... 93'

Bdnröve-Dobsina .... 67'

Feled-Tiszolcz 49'

Czegl^d-Kassa .... 374 Szolnoker Verbindungsgeleise 2-

Szajol-Arad i42'

PUspök-Ladäny Nagyvärad 68- Mezö-Tür Szarvas . . 19- Nagyvdrad- Rumänische Lan- desgrenze vor Predeal . 509* Gyeres-Torda 8'

348 . 413 431 ■948 . 530 ' 662 . 611 .

■487 . 394 771 . 434

■508 .

Kocsärd-MarosvÄaärhely .

Tövis-Gyula-Feh^rvär [Karls- burg]

Kis-Kapus Nagyszeben [Hermannstadt] . . .

Budapest [Franzstadt] Zimony- [SemlinJ Landesgrenze . 342-

Ujvidck- [Neusatz] Donauufer- geleise

Zimony [Semlin] Donauufer- yeleise ....

Kis-Körös Kalocsa

Szabadka-Baja

India-Mitrovica . .

M i tro vi c a- Sa ve ufer

Dälja-Bröd ....

Däljaer Verbindungsgeleise gegen Esz^k [Essegg] .

Vukovär- Donauufer . . .

Verpolje-Samac ....

Samac-Saveufer ....

Zükäny-Fiume 328-

Zäkäny-Bättaszek ...

Sziszek-Doberlin , , . .

Arad-Gyula-Feh^r vär [ Karlsb.

Piski-I'etrozs6ny ....

Piski Vajda-Hunyad . .

Nagyvärad-Eszök [Essegg]

Esüiik-Villäny 43'

Szegediner Verbindungsbahn 3'

Gomboser Ufergeleise . . o'

Gesammtlänge 421 1

S27 ■605 1

95-

166-

47 211 78' 5 340-

■382

969 : ■411 1 119 .

■958

■443 '

995 ' 853 800 i 553 ' 216 > 742 . ■142 . 762 ■044 451 552 915 '

Josef Gonda, Geschichte etc.

Ausser diesen Linien standen im Betriebe der Ungarischen Staatsbahnen die 55'458 km lange Arad-Temesvärer Bahn und Vicinalbahnen in der Gesammt- länge von 374351 km.

Abgesehen von der volkswirthschaft- lichen und staatspolitischen Bedeutung dieses Staatseisenbahnnetzes, welche zu würdigen wir bereits Gelegenheit hatten, machte sich dessen günstiger Einfluss auf die Staatsfinan- zen auch sehr bald bemerkbar.

Wenn seiner- zeit die Kinder- krankheiten der

ungarischen Eisenbahn - Poli- tik auch mit

schuidtragend daran waren, dass das Gleich- gewicht im Staatshaushalte Ungarns in be- sorgniserregen- dem Masse ge- stört war, so musste schon der oben angedeu- tete Erfolg die begründete Hoff- nung wachrufen, dass die Segnun- gen der inaugu- rirten gesunden nationalen Eisenbahn- Politik fortan ^^^ ^ einen mächtigen

Factor zur Wiederherstellung und Be- festigung dieses Gleichgewichtes bieten werden.

Eine wahre Verkörperung dieser Eisen- bahn-Politik war der »eiserne» Minister Gabriel v. Baross [Abb. 94]. Schon als Staat SS ecretär an der Seite Kemöny's thätig, wurde Baross im Jahre 1886 dessen Nachfolger.

In seinem, dem Parlamente vorgelegten Berichte über die Thätigkeit des Com- munications-Ministeriums vom Jahre 1887 konnte Minister Baross einen reinen Nutzen von 3,000.000 fl. nachweisen.

welchen die Verstaatlichungen im Jahre 1886 abgeworfen hatten. Die Nothwendig- keit einsehend, dass die Leitung der Com- munications- sowie der Handels- und Ge- werbe-Angelegenheiten Ungarns in einer Hand vereinigt sein müsse, setzte er es durch, dass der Wirkungskreis des früher bestandenen Ministeriums für Agricultur, Handel und Gewerbe und der des Ministeriums für öffentliche Arbeiten und Communication eine neue Ein- th eilung erhielt. Mittels Gesetzim Jahre 1889 wur- den die beiden Ministerien als Handelsmini- sterium, dem auch das Com- municationswe- sen zufiel, und als Ministe- riumfür Agri- cultur neuor- ganisirt. Als

Handelsminister wirkte Baross sodann mit einer, von aller Welt

bewunderten, nie ruhenden Schaffenskraft . im Interesse sei- nes Vaterlandes, dessen wirth- schaftliches Auf- bUlhen ihm als einziges Lebens- ziel vor Augen schwebte, bis er als Opfer der aufreibenden Arbeit im schönsten Mannesalter am 9. Mai 1893 einem kurzen Leiden erlag.

Die Handels- und Eisenbahn -Politik Baross', die sich die ganze ungarische Nation zu eigen machte, fand würdige Ver- treter in seinen Nachfolgern, den Handels- ministem B^la v. Lukäcs [1893— 1895] [Abb". 95] und Baron Ernst Daniel [Abb. 96], dem es vergönnt war, an- lässlich der Millenniums- Ausstellung in Budapest im Jahre 1896 der Welt ein Bild der fünfzigjährigen Entwicklung

4o8

Das Eisenbahnwesen in Ungarn seit 1867.

des ungarischen Eisenbahnwesens vor- zuweisen.

Der Betrieb der am 5. April 1887 eröffneten Munkäcs - Beskider Linie [68788 km] der Ungarischen Staatsbahnen, welche mit diesen nur durch die Ungarische Nordostbahn ver- bunden war, wurde dieser Letzteren über- tragen.

Durch die am 10. Januar 1888 er- folgte Eröifnung der Linie Sunja-Neu- G r a d i s c a der Militärgrenzbahn hatten die Ungarischen Staatsbahnen einen Zu- wachs von 78*825 kfn erhalten. An Be- deutung gewann jedoch diese Grenzbahn erst nach der Eröffnung der Linie Neu- Gradisca-Bröd [52*082 ^w], nachdem dadurch am 18. September 1889 das Alföld in kürzere directe Verbindung mit dem Hafen von Fiume gebracht wurde.

Der Gesetzartikel XXVII vom Jahre 1888 ermächtigte die Regierung zum Ausbau der Budapester linksufrigen Kreisbahn [Budapesti körvasut], durch welche mehrere bedeutende Industrie- Anlagen in unmittelbare Verbindung mit den Eisenbahnen kamen. Eine besondere Wichtigkeit verlieh dieser Verbindungs- bahn der Umstand, dass während dieselbe dazu geschaffen war, die Handelsinteressen der Hauptstadt in möglichst vollem Masse zu befriedigen, sie sich nebstbei auch dazu eignete, den Gesammtverkehr Buda- pests den Interessen der Ungarischen Staatsbahnen anzupassen.

Ermuntert durch die Erfolge der bis zum Jahre 1 884 durchgeführten Eisenbahn- Verstaatlichungen begann die Regierung im Jahre 1889 die Verstaatlich ungs- Action von Neuem, und zwar mit der Einlösung der ungarischen Linien der Ungarischen Westbahn und der Ersten Ungarisch -Galizi sehen Eisenbahn [Gesetzartikel XIV vom Jahre 1889]. Den Betrieb der erst- genannten Bahn übernahm unmittelbar die Direction der Ungarischen Staats- bahnen, während die von der letzteren isolirt gelegene Erste Ungarisch-Galizische Bahn in den Betrieb der anschliessenden Ungarischen Nordostbahn gelangte.

1

Durch diese Verstaatlichung hörten beide Unternehmungen auf, gemeinsame Bahnen zu sein, und nachdem im Jahre 1 889 auch die Bau-, Wagendirigirungs- und Werkstätten-Angelegenheiten der ungari- schen Linien der Oesterreichisch-Ungari- schen Staatseisenbahn - Gesellschaft der Budapester Direction zugetheilt wurden, und von da an diese Direction einen ganz selbständigen, von der Wiener Direction völlig unabhängigen Wirkungs- kreis erlangt hatte, so dass die beiden Netze fortan als zwei abgesonderte Unter- nehmungen derselben Besitzer zu be- trachten waren, verblieben nur mehr die Südbahn und die Kaschau - Oderberger Bahn gemeinsame Bahnen.

Im Jahre 1889 sprach das Gesetz auch die Verstaatlichung der Budapest- Fünfkirchner Eisenbahn aus [Ge- setzartikel XV vom Jahre 1889]. Die Direction dieser Bahn, welche auch die Fünfkirchen-Barcser und Mohäcs- Fünf- kirchner Bahn leitete, blieb jedoch noch kurze Zeit [bis 1892] als Expositur der Direction der Ungarischen Staatsbahnen in Thätigkeit.

Im Besitze der Budapest- Fünf kirchner Bahn und nachdem auf Grund eines P6age- Vertrages mit der Südbahn die Ungarischen Staatsbahnen den Mitbe- trieb der Linie Agram-Sissek [46 ktPt] übernahmen, verfügte nun der Staat über eine von der Südbahn völlig unabhängige Route von Budapest bis Fiume. Mit der Uebernahme der Rechte und Pflichten aus den zwischen der Budapest - Fünf- kirchner, der Fünfkirchen-Barcser und der Mohdcs - Fünf kirchner Bahn be- standenen Betriebs- und P6age- Verträgen sicherte sich die Regierung auch eine gewisse Einflussnahme auf die Verkehrs- politik der Donau- Dampfschiffahrts- Ge- sellschaft.

Eine, zur selben Zeit vorgenommene tarifpolitische Massnahme, welche an und für sich für den Güterverkehr des nord- östlichen Gebietes Ungarns von eminenter Wichtigkeit war, führte zu einer weiteren, bedeutenden Verstaatlichungs-Action. Es war dies die Verschmelzung des Tarif- wesens der Ungarischen Nordostbahn mit dem der Ungarischen Staatsbahnen im Anschluss verkehre, und zwar in der

Josef Gonda, Geschichte

409

Weise, daas bezüglich der Tarifbildung die erstere Bahn als ein Theil der letzteren behandelt wurde. Dieser Vorgang hatte sich jedoch nur zu bald als unzulänglich erwiesen, urasomehr, als die Nordostbahn in ihrem Localverkehre auch späterhin die Selbständigkeit behielt, so dass so- wohl infolge der Verschiedenheit, welche bei den Tarifen des Anschluss- und des Local Verkehres fortan bestand, als auch wegen des Um stand es, dass sich der Mangel einer einheitlichen Leitung | in allen Zweigen der Administration bemerkbar machte, manche Anomalien zuTage traten. Dies galt als unmittel- barer Beweggrund zur Verstaatli- chung der Un- garischen Nord- ostbahn auf Grund des Gesetz- artikels XXXI vom Jahre 1890, wel- cher zum Abschluss des im Gesetz- artikel II vom Jahre 1891 inarticulirten Ablösungs -Vertra- ges führte.

Mit der Nord- ostbahn kamen zu- gleich die von der- selben für den Staat verwalteten Stre- cken der Ersten Abb, 95. u Ungarisch-Ga-

lizischen Eisenbahn sowie der | Munkdcs - Beskider Eisenbahn i unter die directe Leitung der Unga- | Tischen Staatsbahnen, was eine vor- ! theilhafte Regulirung des Verkehres , mit Galizien zur unmittelbaren Folge hatte. !

Einen weiteren Schritt der bet;onnenen j Verstaatiichungsaction bildete die S e q u e- strirung der A rad - Tem es värer ' Eisenbahn. 1

Die Betriebs Überschüsse dieser Bahn hatten seit i88i nicht jene Hühe er- reicht, welche es ermöglicht hätte, die Zinsen der Priori täts schuld und die jähr-

lichen Capital - Amortisationsbeträge zu bezahlen. Mit der Verstaatlichung der Thei SS -Eisen bahn überging zwar auch der Betrieb der Arad-Temesvärer Bahn an die Direction der Ungarischen Staats- bahnen, da jedoch die Staats ei senbahn- Gesellschaft als alleinige Besitzerin der Actien der Arad - Temesvdrer Bahn auf den Betrieb, hauptsächlich aber auf die Tarifbildung dieser Eisenbahn einen ausschlaggebenden Einfluss ausübte, und unter solchen Umständen es unmöglich war, die Interessen der fruchtbaren Gegend, welche diese Bahn durch- schneidet, zu för- dern, von der be- folgten Tarifpolitik aber eine finanzielle Sanirung der Bahn nicht zu erwarten war, machte sich die Regierung da- ran, diese Eisen- bahn ganz in ihre Machtsphäre zu ziehen. Dieim Inter- esse der Verstaat- lichung unternom- menen Schritte der Regierung blieben jedoch erfolglos ; diese griff daher zum Mittel der Sequestration, wel- che am 3. Juni 1890 käcs twia. im Verordnungs-

wege erfolgte und von beiden Häusern des Reichstages gutgeh eissen wurde. Durch diesen Act wurde der Beweis geliefert, dass das Sequestrations-GesetziGesetzartikelXXIV vom Jahre 1 883] nicht nur dazu gut sei, um die Deckung des Betriebsdericits der Staats- garantie geniessenden Bahnen von geringer Rentabilität zu regein, sondern auch dazu diene, der Regierung die Mittel zu bieten, mit welchen dieselbe den der staatlichen Verkehrspolitik zuwiderhandelnden Eisen- bahn-Unternehmungen ohne Schwierig- keiten beizukommen vermag.

Hiedurch erstreckte sich nunmehr der unmittelbare Wirkungskreis der Unga-

4IO

Das Eisenbahnwesen in Ungarn seit 1867.

fischen Staatsbahnen in südöstlicher Richtung bis Temesvär.

Gar bald sollte jedoch der Verstaat- lichungs - Action die Krone aufgesetzt werden. Dies erfolgte durch die Ver- staatlichung des ungarischen Netzes der Oesterreichisch - Ungari- schen Staatseisenbahn-Gesell- schaft, wodurch das ungarische Staats- eisenbahnnetz sich des mächtigen Zu- wachses von Linien von mehr als 1600 km Länge erfreute. Der bezügliche Vertrag, welchen die Regierung auf Grund der mit Gesetzartikel XXV vom Jahre 1891 erhaltenen Vollmacht mit der Staats- eisenbahn-Gesellschaft am 7. Juni, respec- tive I I.Juli desselben Jahres abgeschlossen hatte, wurde im Gesetzartikel XXXVIII vom Jahre 1891 inarticulirt. Den Kauf- preis bildet eine 74 Jahre lang zu zahlende Jahresrente von 9,598.500 fi. ö. W. Durch die Einlösung überging auch die sequestrirte Arad-Temesvärer Bahn in den Besitz des Staates.

Diese Verstaatlichung, welche durch eine der grössten finanziellen Transactionen des Welthandels bewerkstelligt wurde, bildet unstreitig das wichtigste Moment im Entwicklungsgange des ungarischen Staatseisenbahn-Systems.

Der knappe Rahmen, welcher unserer Abhandlung in diesem Werke zugewiesen ist, gestattet es nicht, dass hier jene Gründe aufgezählt werden, welche die Regierung dazu bestimmten, das Eintreten des gesetzmässigen Einlösungsrechtes, das schon am i. Januar 1895 in Kraft getreten wäre, nicht abzuwarten und die Verstaatlichung wenige Jahre vor diesem Termine durchzuführen. Wie immer diese Massregel beurtheilt werden möge, eines steht jedoch fest : auch bei dieser Staats- handlung leitete die Regierung das Bestre- ben, in volkswirthschaftlichem Interesse Ungarns sich in Eisenbahn- Angelegen- heiten jenen Einfluss und jene Präpon- deranz zu verschaffen, welche zu gewinnen auf das Hoheitsrecht des Staates sich stützend seit 1867 eine jede Regierung der Oesterreichisch-Ungarischen Staats- eisenbahn-Gesellschaft gegenüber schon so oft vergebens angestrebt hatte.

Uebrigens hatte schon der Erfolg des ersten Betriebsjahres bewiesen, dass die

Verstaatlichung auch in finanzieller Hin- sicht zum Nutzen des Staates gereichte, indem die Betriebsüberschüsse des Netzes der bestandenen Gesellschaft die gezahlte Jahresrente um 395.000 fi. überstiegen.

Zur Errichtung eines separaten Bahn- hofes und einer Hauptwerkstätte der Ungarischen Staatsbahnen in der Haupt- stadt Croatiens wurde die Regierung mit Gesetzartikel X vom Jahre 1890 er- mächtigt. Der neue Bahnhof musste erbaut werden, um den Fiumaner Verkehr der Ungarischen Staatsbahnen auch am wich- tigen Knotenpunkte in Agram vom Ein- flüsse der Südbahn unabhängig zu machen.

Von weit grösserer Wichtigkeit für den Fiumaner Verkehr war aber die im Jahre 1890 erfolgte Inangriffnahme des Baues der 75 km langen Staatsbahn- strecke von Mitrovica bis V i n- kovce, wodurch das Hauptnetz der als Militärgrenzbahn entworfenen Eisen- bahnen der Vollendung nahte. Diese, am 7. October 1891 eröffnete Strecke, ergänzt durch die P^agelinie Agram- Sissek, ist dazu berufen, dem Verkehr zwischen Fiume und Belgrad eine einheit- liche Staatsbahnlinie zu bieten, welcher, nachdem dieselbe die kürzeste Verbindung der Balkanhalbinsel mit dem Adriatischen Meere herstellt, im Verkehre mit dem Osten überhaupt eine bedeutende Rolle zufällt.

Am 14. März 1891 wurde mit Rumänien das im Gesetzartikel XL vom Jahre 1891 inarticulirte Uebereinkommen ab- geschlossen, laut welchem die im Laufe von sechs Jahren herzustellenden Eisen- bahn-Anschlüsse beim Gymeser- und dem Rothenthurmpass sowie der, für einen nicht bestimmten Termin vorgesehene Anschluss beim Vulcan- pass gesichert sind.

In eisenbahnpolitischer Hinsicht liegt die Wichtigkeit dieses Uebereinkommens nicht nur in der Fortentwicklung des internationalen und des Grenzverkehrs, sondern hauptsächlich darin, dass dadurch die Grundlage zu dem Eisenbahnnetze des Sz6klerlandes, dem östlichsten Theile der Länder der ungarischen Krone, ge- legt wurde, welches Eisenbahnnetz eine grosse culturelle und nationale Mission zu erfüllen berufen ist.

Josef Gonda, Geschichte e

Der Gesetzartikel XX[V vom Jahre 1891 ordnete den Ausbau der Buda- pester Kreisbahn am rechten Donau- ufer an. Nachdem die Gesetzgebung zur Herstellung dieser Bahn eine solch be- deutende Summe zur Verfügung gestellt hatte, dass dadurch auch der Bau der neuen Donaubriicke im nördlichen Theile der Hauptstadt ermöglicht wurde, hat diese Kreisbahn an Wichtigkeit für den Verkehr zwischen dem durch die Donau getrennten Eisenbannetze bedeutend zu-

Als ergänzen- der Theil der Kreisbahn dient die P^agelinie der Strecke Bu- dapest-Südbahn- hof— Budapest - Kelenföld, durch welche die Bu- da pester Station der Süd bahn in die Tarife der Königlich Unga- rischen Staats- bahnen einbezo- gen wurde.

Dem Gesetz- artikel XVI vom Jahre 1892 ver- dankt die Strecke Märamaros- Sziget-Körös-

mezö-Landes- Abb. t«. Ban

grenze ihr

Entstehen, deren 62236 km lange Theilstrecke Märamaros-Sziget-Kö- rösmezö am 15. December 1894, die Strecke Körösmezö - Landes- grenze 114-241 km] aber am 15. August 1895 dem Verkehre tibergeben wurde. [Vgl. Abb. 97-]

Rücksichten strategischer, verkehrs- und wirthschaftspolitischer Natur dräng- ten gleichmässig zum Bau dieser Linie, deren Endpunkt an der an Eisenbahn- Verbindungen armen nordöstlichen gali- zischen Grenze zum Ausgangspunkte der Verbindungslinie von Woronienka bis Stanislau ward.

Die Organisation der Verwaltung der Ungarischen Staatsbahnen behandelt ein

eigenes Capitel.*) In Ergänzung unserer Abhandlung wollen wir nur noch jener Männer gedenken, unter deren bewährter Leitung das mächtige Staatsbahnnetz seine heutige Ausdehnung erreichte.

Ludwig vonTolnay [Abb. 98], der schon beim Bau der Pest- Losonczer Bahn als Ingenieur thätig war und die Leiden der Kinderjahre dieses Unternehmens mit- empfunden hatte, wurde im Jahre 1872 j zum Director der Ungarischen Staats- I bahnen berufen und leitete die Direction bis zum Jahre 18S6.

Sein Amts- nachfolger war B6Ia von L u- käcs [Abb. 95,] vordem Referent der Communica- tions-Section im ungarischen Ab- geordnetenhause. In der Stellung eines Präsident - Directors der Un- garischen Staats- bahnen traf ihn die Berufung zum Staatssecretär in das Communica- tions-undspätere Handelsministe- rium. Nach dem Tode des Mini- Q Ernfl Diniei. sters Bafoss b;-

traute Se. Maje- j stät Lukäcs mit dem Portefeuille des Handelsministers.

Als Lukacs Staatssecretär wurde, übernahm der derzeitige Präsident-Di- j rector Julius von L u d v i g h [Abb. 99] I die wichtigen Agenden der Leitung I der Direction der Ungarischen Staats- I bahnen.

Wir schliessen mm den auf die I Ungarischen Staatsbahnen Bezug haben- I den Theil mit der Aufzählung folgen- I der statistischer Daten vom Schluss des , Jahres 1896:

•) Vgl. Bd. III, Johann v. _

I Entwicklung des Betriebes der ungarischi I Eisenbahnen

Die

Das Eisenbahi

1 Ungarn seil 1867.

:l KGiöimci

Betrieb

länge der eigenen

Linien

der Königlich Ungat

isc

len

Staatsbahnen.

BudapesterVerbindungslinien,

inclusiv

e Kreisbahnen nebsr

deren Z

veiglinien . , .

81

745 few

Budapest

Kelenföld- Brück

a. d, L.

Landesgrenze .

207

■124 .

Budapest

Ferenczväros Zi-

mony-

[Semlin] Landes-

grenze

343

■863 .

Kis- Koros

Kalocsa . . .

30271 .

Szabadka-Baja

Köbdnya felsö p. u.- [Stein- bruch, Oberer Bahnhof] Salgö-Tarjän . . , I

Budapest -Westbahnhof- Lan- desgrenze vor Marchegg 2

Pozsony - Trencs6n - Zsolna [ Pres sburg-Tren CS in-Sil lein] 2

Galantha Galgöcz-Lipölvär

Szered-Nagyszombat [Tymau]

Tepla-Trencsen -Teplitz-Lan - desgrenze [Vlarapass]

Marchthalbahn [Morvavölgyi vasut, D6v6nyijjfalu-Landes- grenze bei Szakolcza nebst Nebenlinien] ....

2-899

J-620 1

G ran- Eipel thaibahn [Garam- ipoly vülgyi vasut, Pärkäny- Näna - L^va und Csata- Ipolysäg-Balassa-Gyarmat]

Neutrath albahn [Nyitravölgyi -■asut] ,

2-747 *'"

83-178 Budapest Westbahnh.-Czegl^d 72-069

Czegl^d-Szeged .... 114-198

CzegliJd-Szolnok .... 26-77I

F^legyhäza-Csongräd , 24-879 Gyür- (Raab] Kis-Czell-Steie-

rische Landesgrenze . . 183-731 >

I SzikesfehirvAr- [Stuhl weiss en-

I bürg] Kis-Czell . . . 123-334 '

I Salg6-Tarjiin— Ruitka . . 187-332 .

I Zölyom- [Attsohl] Zölyombrezö 55-613 '

j Garamberzencze - Selmecz-

bdnya [Schemnitz] . . 22-866 i

Hatvan-Miskolcz .... 115-430

Miskolcz-Kassa [Kaschau] . 87-855 >

Miskolcz-DiösgySr . . . 6*723 >

Vamosgyörk-Gyöngyös . . I2'499

Füzesabony-Kger [Erlau] i6'423 '

Miskolcz-Fülek .... 93849

j Biinr^ve-Dobsina .... 69-793 >

Feied-Tiszolcz 49447

: Zsolcza-Szerencs-Sätoralja-

I Ujhely-Galizische Landes- grenze nächst Vidräny . 214-647 1

j Legenye-Mihdlyi Kassa . 48-020

I PUspök-Ladäny-Szerencs . 141-837

Josef Gonda, Geschichte etc.

413

Debreczen-Märamaros-Sziget 2 1 9*904 Nagy-Bocskö-GalizischeLan-

desgrenze nächst Körös-

mezö

S.-A.-Ujhely-Kirälyhäza Bätyu - Munkäcs - Galizische

Landesgrenze nächst Bes-

kid

Nyiregyhaza-Csap-Ungvar . Nagyvärad- [Grosswardein]

Rumänische Landesgrenze

bei Predeal 509770

km

75496 126-523

949^3 91-879

und

Aranyos-Gy6res Torda Kocsärd-Marosväsärhely Kis - Kap US Nagyszeben

[Hermannstadt] Arad-Tövis . . Piski Vajda - Hunyad

Piski-Petros6ny Arad-Temesvär Räkos-Arad . . . Szajol Bihar-Püspöki Hat van-Uj szäsz Mezötür-Szarvas . . Osi- [nächst Grosswardein]

Szeged-Esz6k-Villäny

8-490 59*333

44614 227-901

94-390 57-155 245-346 129-818 52020 20070

383-563

308-753 119-561

Dälja-Bröd nebst Zweiglinien 120-092

India-Mitrovica-Vinkovce . 118-852

Szeged - Temesvär - Orsova- Landesgrenze ....

Temesvär-Bäziäs ....

Die Zweiglinien Jassenova- Anina, Valkäny-Perjämos- Varjas, Vojtek - N^met- Bogsän 167-703

Budapest - Kelenföld Bar. Szt. Lörincz nebst Zweig- linie R^tszilas-Szegzärd

Dombovär - Agram - Fiume nebst Verbindungslinien

Dombovär-Bättasz(^k

Sziszek - Sun ja - Bröd nebst

Zweiglinie Sunja-Doberlin 179*033

Verschiedene Ufer- und Ver- bindungsgeleise . . . 59-002

»

» »

»

»

»

» » »

» »

261-226 »

434-284 65-263

»

»

Gesammtlänge der eigenen Linien der Ungarischen Staatsbahnen .... 7563-728

Betriebslängen der im Betriebe der Ungari- schen Staatsbahnen stehenden fremden Bahnlinien, inclusive der Peagelinien der Süd-

km

bahn und Mohäcs-Fünf- km

kirchner Bahn .... 142-933 »

Betriebslängen der im Betriebe der Ungari- schen Staatsbahnen stehenden Local- bahnen 4702-861 *

Betriebslänge der F ü n f- kirchen-Barcser Bahn [P6cs-barcsi vasut] . . 68073 »

Zu Ende 1896 erstreckte sich demnach der Betrieb der Ungarischen Staats- bahnen auf ein Eisenbahn- netz, dessen Länge . . 12.477-595 /jw betrug.

Die Gesammtlänge der an die Ungarischen Staats- bahnen und von denselben betriebenen Localbahnen sowie an die Fünfkirchen- Barcser Bahn sich an- schliessenden Industrie- Geleise war Ende 1896 . 609*419 »

Das in die Linien der Ungarischen Staatsbahnen investirte Capital erreichte zum Schlüsse des Jahres 1896 die Höhe des Betrages von 792,322.313 fl. 27 kr.

Ungarische Privaibahuen der Gegenwart.

Nach Abschluss der grossangelegten Eisenbahn-Verstaatlichungen der ungari- schen Regierung blieben nur mehr vier selbständig verwaltete Hauptbahnen Un- garns im Privatbesitz. Es sind dies: I. Die ungarischen Linien der K aschau- Oderberger Bahn, 2. die ungarischen Linien der Süd bahn, 3. die Mo ha cs- Fünfkirchner und 4. die Raab- Oedenburg-Ebenfurther Bahn.

Wir hatten wiederholt Gelegenheit, uns mit diesen Eisenbahnen im Laufe dieser Abhandlung zu befassen. Auch müssen wir bezüglich der beiden erstgenannten Bahnen, da diese gemeinsame Eisenbahnen sind, auf ein anderes Capitel verweisen.*)

*)" VgTBd. I, 2. Theil, L Konta: Ge- schichte der Eisenbahnen Oesterreichs von 1867 bis zur Gegenwart.

Das Eisenbahnwesen in Ungarn i

Als Ergänzung der Darstellung ihres 1 Entwicklungsganges, soweit ungarische ' Verhältnisse hiebei in Betracht kommen, i erübrigt es nur noch einige besondere ' Daten anzuführen. 1

Die k. k. priv. Kas cha u-Oder- bergerBahnfCs.kir. szab. Kassa- I oderbergi vasut], eine der beslverwal- i teten Privatbahnen der Monarchie, hatte, wie wir gesehen haben, in ihrem Ent- , wicklungsgange viele Leiden mannig- I fachster Art durchzumachen. Dank der ' rationellen Thätigkeit der Verwaltung und [ dem dem Unternehmen seitens der ungarischen Regierung stets zutheil gewordenen Entgegen- kommen, wurde diese Eisenbahn zu dem, was zu sein sie berufen war: zum wichtigsten Binde- gliede jener Export- route, welche ungari- schen Naturproducten einen billigen directen Verkehrsweg nach dem Osten und Nordosten Deutschlands eröffnete.

Wenn es auch in Volks wirthschaftlicher Hinsicht von unter- geordneter Bedeutung ist, glauben wir doch jenen, vom culturellen Standpunkte nicht zu ^bb. o«. to

unterschätzenden Um- stand besonders hervorheben zu müssen, ' dass es die Kaschau-Oderberger Bahn | war, welche das rege Interesse des Auslandes, hauptsächlich Deutschlands, i für die Natursehönheiten der unga- i fischen Karpathengegend erweckte. | Hart am Fusse der Hohen Tatra durchzieht nämlich diese Bahn die ! jährlich von Tausenden von Fremden j aufgesuchten schönsten Landschaften I Oberungarns im Waag-, Popräd- und , Hemädthale. [Vgl. Abb. loo und loi.] i

Ihre Linien wurden zur Zeit eröffnet, als der ungarische Export verkehr, von i der O e st erreichi sehen Staatseisenbahn- Gesellschaft stiefmütterlich behandelt, einer günstigeren Exportroute dringend bedurfte. I

Am I. September 1870 war die erste Linie vonKaschau bis Eperies [33 km] dem öffentlichen Verkehre übergeben ; wäh-

renddieEröifnungderübrigenStrecken.von der schlesisciien Grenze gegen Kaschau, in einzelnen Theilstrecken erfolgte, und zwar am 8. Januar 1871 die Strecke Landes- grenze-Zsolna [37'5 km zugleich mit der österreichischen Strecke Teschen-Un- garische Landesgrenze] ; am 8. Decem- ber 1 87 1 die 1 39 Am lange Strecke Z s o In a- Popräd; am 12. December 1871 die Strecke Popräd-Iglö [26-6 km], schliess- lich am 18. März 1872 die 67'6 km lange Strecke I gl 6- Abos.

Noch während des Baues lieferte die un- garische Regierung einen Beweis dafür, welche Bedeutung sie der Kaschau-Oderber- ger Bahn heigemessen hatte. UmnämlJch even- tuellen Betriebsstörun- gen vorzubeugen, wel- che dadurch hätten her- vorgerufen werden kön- nen, wenn die Brücken auf der Strecke Abos- Ruttka laJt Concession nur in Holz hergestellt worden wären, bewil- ligte die Regierung am inay Laj<is. 25- Novcmbcr 1870 die

Contrahirung eines An- lehens im Betrage von 4,600.000 fl. in Silber, welcher Betrag dazu diente- um die genannten Objecte in Stein und Eisen ausführen zu lassen. Die 6"/nigen Zinsen und die Tilgungsquote dieses Anlehens durften, laut den Be- stimmungen des bezüglichen Vertrages, in die Betriebsrechnung eingestellt wer- den, was einer bedeutenden Erhöhung der an die Kaschau-Oderberger Bahn zu zahlenden Garantiesumme gleichkam. An der In vestitions- Anleihe vom Jahre 1876 [siehe Seite 400] Hess die Regierung die Bahn mit dem Nominal betrage von 2,227.800 fl. participiren. Zur Hebung des Verkehres der Kaschau - Oderberger Bahn trug die Uebemahme des Betriebes der ungarischen Strecke der Eperies-

Josef Gond«, Geschichte e

Tarnöwer Bahn [1876] und die im Jahre 1879 erfolgte Vereinigung beider Bahnen wesentlich bei. [Siehe Seite 402].

Zur vollkommenen Sanirung der finan- ziellen Angelegenheiten der Kaschau- O der berger Bahn führten die Bestim- mungen der Gesetzartikel XXXIII vom Jahre 1879, und Gesetzartikei X vom Jahre 1889, die eine derartige Conversion der Prioritäts- Obligationen der Gesellschaft er- möglichten, dass diese von den Lasten befreit werden konnte, welche dieAgio- bcträge der Cou- pons der ur- sprünglichen Obligationen auf die Bahn wälzten.*) Die gesammte Betriebs länge der Kaschau-

Oderberger Bahn, inclusive der dem Staate gehörigen Csä- cza - Zwardoner Linie betrug zu Ende des Jah- res 1897 3827 km.

Im Betriebe der Kaschau-

Oderberger Bahn stehen die Poprädthal- [14-0 km], die K^smärk Szepes - B ^ 1 a c r- [8-6km], die Gölniczthal- [330 km], die Leutschauthai- [127 km], die Szepes-B^Ia-Podoliner [iro km], die Szepes -Olaszi Szepes- Vdraljaer [93 km], die N a g y - Lomnicz Tätra-Lomniczer Bahn [9-1 km], sämmtljche Local - bahnen, sowie die Csorbaer Zahn- radbahn [5 km}.

•) Vgl. Bd. 1, 2, Theil, I. Konta: Ge- schichte der Eisenbahnen Oesterreichs von 1867 bis zur Gegenwart.

Die Entwicklungs-Geschichte der k. k. priv. Südbahn-Gesellschaft [Cs. kir. szab. dfili vaspälya tdrsasäg] ist in anderen Capiteln ausführlich be- handelt.*)

Das Netz ihrer ungarischen Linien hat im Laufe der Jahre 1867—1897 eine nur unbedeutende Verlängerung erfahren 1 [siehe Seite 40a] ; der Stand derselben war Ende 1897 : Die Strecke Budapest- Kanizsa-Csäk- tornya- Lan- desgrenze, nebst Zweiglinie Stuhlweissen- burg-Komorn- [Szikes-Fehfir- vär-Komärom] 357-8 km, die Strecke Lan- desgrenze vor Oedenburg - Kanizsa 192-5 km, S i s s e k - Agram- Lan- desgrenze 768 km, Ke- reszliär-Barcs

76' I km, Fiume-Lan desgrenze 2.4 ÄJH, somit die ge- sammte Betriebs - länge 705*6 A»(. Im Betriebe der Süd bahn stehen die Lo- calbahnen K ö szeg - Szom- bathely [17-4 ;t»i] und Barcs-Päkräcz [123-2 km].

Der Wirkungskreis der Betriebs-Di- rection in Budapest wurde im Jahre 1896 bedeutend erweitert, der Director derselben mit den Agenden des Generaldirector- Stell Vertreters betraut, so dass die ungari- schen Linien nunmehr nahezu ein selbstän- dig verwaltetes Netz der Südbahn bilden.

Abb. gg. Ludvlgb Gyula

•) Vgl. Bd. I, H. Slrach: Geschichte der Eisenbahnen Oest erreich -Ungarns, und 1. Konta: Geschichte der Eisenbahnen Oester- reichss von 1H67 bis zur Gegenwart.

4i6

Das Eisenbahnwesen in Ungarn seit 1S67.

Die Mohäcs-FHnfkirchner Bahn*) (Motiäcs-pecsi vasut] wuchs seit 1S67 nur mit der Kohlenbahn Cszög-Szabolcs [eröffnet am 16. August 1S73J, Sie steht seit der im Jahre 1S89 erfolgten Ver- staatlichung der Budapest - Fünf kirchner Bahn im Betriebe ihrer Elgenthümerin, der Donau- Dampfschiffahrts-Gesellschaft. Ihre Betriebslänge betrug Ende 1897

[Györ-Sopron-ebenfurti vasut] haben wir bereits berichtet. [Seite 398.]

Der erfreuliche Aufschwung, welchen der Verkehr der Raab-Oedenburg-Eben- further Bahn zu Ende der Achtziger-Jahre genommen hatte, machte solch grosse Investirungen, in erster Reihe aber An- schaffungen von Betriebsmitteln nöthig, dass die Geldmittel des concessions-

[Kas

u-Oderbeis<r

B]

6y6km. Zufolge des auf die Unga- 1

fischen Staatsbahnen übergegangenen, ur- 1 sprünglich mit der Budapest Fünf-

kirchner Bahn abgeschlossenem Pcage- |

Vertrages, fällt der Mohäcs-FUnfkirchner ,

Bahn im Transit verkehre die Rolle einer j

Theilstrecke der Ungarischen Staats- 1 bahnen zu.

Ueber das Zustandekommen der Raab- I Oedenburg-Ebenfurther Eisenbahn

•) V^l. Bd. I. I.Theil, H. Stracli: Ge- j schichte derEisenbahnenOesterreich-Uncarns

bis 1M67. I

mä.ssigen Reservefonds zur Deckung der Kosten nicht hinreichend waren.

Die Gesellschaft wandte sich daher mit dem Ansuchen an die Regierung, dass diese die Bahn im Wege der Ge- setzgebung zur Erhöhung des Stamm- capitals durch Emittlrung neuer Prioritäts- Obligationen ermächtige. Die Regierung, welche schon im Jahre 1884 mit Schaf- fung des Gesetzartikels XV die Bahn in die Lage versetzte, das ursprüngliche Anlage -Capital von 5,781.160 fL um 21 Million Gulden ZU erhöhen, war hiezu

Josef Gonda, Geschichte e

. SUtloD CBorbs, DCbat Statlaa

[ Cuiibaer Zahniadbahn.

[Ku.

U-Odeibcreer Bahn.]

nur unter der Bedingung bereit, wenn die Bahn den Zonentarif fUr den Personen- verkehr auf ihren Strecken einführe und sich verpflichte, ihren Verkehrsan-

chlu

L die

Eisenbahnen endgiltig zu regeln.

Zu dem in der Concessions- Urkunde vorgesehenen Anschlüsse konnte nämlich die Gesellschaft seinerzeit die Zustimmung der österreichischen Regierung nicht er- langen. Demzufolge ward die Bahn in die Zwangslage versetzt, sich zur Ver- mittlung des auf die österreichischen Eisenbahnen transitir enden Verkehres der von Neudörfl [Lajta-Ujfalu] nach Eben- furth führenden Montanbahn zu bedienen. Mit der Zeit hatte sich die Besitzerin dieser Montanbahn, die Wittmannsdorf- Ebenfurther Eisenhahn, erbötig gemacht, selbe für die ganze Concessionsdauer der R aab-Oeden bürg- Eben für th er Bahn mieth- weise zu überlassen. Da hieraus ge- schlossen werden durfte, dass auch der

Ankauf der Montanbahn keinen erheb- lichen Schwierigkeiten begegnen würde, bestand die Regierung auf der Regelung dieser Angelegenheit. Eine Folge der hierüber gepflogenen Unterhandlungen war die Schaffung des Gesetzartikels XXXII vom Jahre 1890, dessen Bestim- mungen der R aab-Oeden bürg- Ebenfurther Bahn dazu verhalfen, dass sie ihre heutige Bedeutung für den nach dem Westen gerichteten Handelsverkehr begründen konnte. Die Betriehslänge der Bahn beträgt jetzt II 98 im, die Länge der in ihrem Betriebe stehenden Neusiedlersee- Local- Eisenbahn [Fertövid^ki h, 6. vasut] 497 Ärwi.

I Ein Blick auf das entworfene Bild des

j durch die in einem besonderen Capitel be-

j handelten Localbahnen*) ergänzten unga-

! •] Vgl. A. V. Dobiecki: »Das Local-

I bahnwesen in Ungarn«, am Schlüsse dieses

I AnhsDges.

4i8

Das Eisenbah)

fischen Eisenbahnnetzes muss das Herz 1 eines jeden ernst denkenden Ungarns ' mit dem Gefühle einer gewissen Ge- j nugthuung erfüllen. Aber auch Jeder- mann, der Sinn hat zur Beurtheilung cultureller Bestrebungen der Nationen wird anerkennen mUssen, dass die

dreissigj ährige rastToseThätig- keit des constitutionellen Un- garn in Bezug auf Entwicklung des Eisenbahnwesens sich ge- trost messen darf mit der Thä- tigkeit aller anderen Staaten Europas.

Die Eisenbahn-Gesetzgebung in Ungarn.

Dr. Karl v. Neumann,

MlnUteilal-SccreUlT.

DIE Geschichte der Gesetzgebung eines Landes ist der getreue Spie- gel jener Ereignisse, welche sich im Rahmen derjenigen Lebensverhältnisse abgespielt haben, deren Gesetzgebung ge- rade den Gegenstand der historischen Untersuchung bildet. Die Entwicklung des Rechts folgt immer der Entwicklung der rechthch zu normirenden Lebens- verhältnisse nach. Das Recht kann der raschen Entwicklung der Lebens- verhältnisse nur langsam folgen, und knüpft, wo es neu entstandene Ver- hältnisse regeln soll, an die bestehenden Normen an, sucht dieselben den neu geschaffenen Lebensbedingungen durch Anpassen und Abänderung alter Rechts- regeln mundgerecht zu machen, und erst in einem sehr späten Stadium der Evo- lution wird für eine neue Institution von Grund auf neues und systematisch durch- gearbeitetes Recht geschaffen. Dieses Bild zeigt die Eisenbahmechts-Geschichte fast aller Staaten und auch in hervor- ragendem Masse die Geschichte des Eisenbahnrechts in Ungarn, welche in den folgenden Zeilen in grossen Zügen angedeutet werden soll.

Der Abriss einer Eisenbahnrechts- Geschichte Ungarns muss mit dem Ge- setzartikel XXV vom Jahre 1836, be- treffend .die das öffentliche Wohl und den Handel des Landes fördernden Unternehmungen«, begonnen werden, nicht allein weil dieses Gesetz die 13 damals wichtigsten Eisen-

bahnlinien vorzeichnet, sondern vor Allem aus dem Grunde, weil dieser Gesetz- artikel, welcher heute bereits ausser Rrafl gesetzt ist, einige von den wichtigsten eisenbahnrechtlichen Fragen bereits in jenen Kinderjahren des Eisenbahnwesens der Regelung unterzogen hat. Schon § 2 des in Rede stehenden Gesetzartikels weist alle Unternehmer, welche die im Gesetze bezeichneten Eisenbahnlinien oder Theile derselben auf eigene Kosten zu bauen beabsichtigen, an, sich an die be- treffenden Municipien zu wenden. Diese wiederum werden durch denselben Para- graph verpflichtet, einen Stuhlrichter oder Rathsherrn zu entsenden, dessen Aufgabe es bildet, die Vornahme der technischen Vorarbeiten zu sichern, indem den Feld- messern rascher Schutz gegen jedes Hindernis, den EigenthUmern eine auf summarischem Wege festzustellende und einzutreibende Entschädigung für jeden durch die Vorarbeiten verursachten Schaden, und wenn die EigenthUmer trotz Schadenersalzes die Vorarbeiten behindern sollten, den Unternehmern entsprechende Brachialgewalt zur Voll- endung der Aufnahmen zugesichert werden soll. Wie wir sehen, ein dem damaligen Verwaltungsrecht ganz an gepasstes System der Regelung aller aus den Vorarbeiten entspringenden Rechtsverhältnisse I Frei- lich fehlt das nach den heutigen Rechts- anschauungen hauptsächlichste Moment, die Bezeichnung der Behörde, welche zur Ertheilung für die Bewilligimg der Vor-

27*

420

Das Eisenbahnwesen in Ungarn seit 1867.

arbeiten berufen ist; der Fehler ist aber unerheblich, da es sich ja um vorher gesetzlich vorgeschriebene Bauten handelt, und der Unternehmungsgeist wohl kaum so entwickelt war, dass mehrere Unter- nehmer sich auf dieselbe Linie con- centrirten. Dem Mangel eines Ent- eignungs-Gesetzes sucht § 3 abzu- helfen, indem er vorschreibt, dass die nach Massgabe der Entscheidung der obersten Verwaltungsbehörde zu Eisen- bahnzwecken nöthigen Immobilien, gleich ob dieselben bebaut oder unbebaut sind, gegen angemessene Entschädigung dem Eisenbahn-Unternehmen zu überlassen sind. Die Entschädigung wird durch einen, im Wege der Verwaltungsbehörden anzubahnenden Vergleich, sollte ein solcher aber nicht zustande kommen, durch richterliche, auf einen Schätzungs- befund begründete Entscheidung festge- setzt. Gegen letztere, welche für die Eisenbahn die Einsetzung in den Besitz- stand zur Folge hat, ist eine summarisch zu erledigende Appellation an den Obersten Gerichtshof zulässig. § 4 des interessanten Gesetzes bestimmt, dass von allen Reisenden und Verfrachtern, während der von der obersten Verwaltungsbehörde festgesetzten Zeit, dasselbe Personengeld und dieselbe Fracht ohne Unterschied eingehoben werden soll. § 7 stipulirt die Steuerfreiheit der in Rede stehenden Eisenbahn-Unternehmungen. Die Schaden- ersatzfrage fand ihre Regelung in § 8 des Gesetzes, indem der vollkommene Ersatz der einerseits der Unternehmung, anderer- seits durch die Unternehmung verursachten Schäden, also auch die vollste Haftpflicht des Eisenbahn - Unternehmers statuirt wurde. Gleichzeitig wurde der Unter- nehmer auch für seine Leute haftbar gemacht. Wie schon aus dieser kurzen Inhaltsübersicht erhellt, suchte das Gesetz einen ganzen Codex des Eisenbahnrechts zu bilden, regelte aber von jeder Gruppe nur die Fragen von principieller Trag- weite.

Trotzdem das Gesetz, welches schon durch die Gesetzgebung der Jahre 1848 und 1867 derogirt wurde, einen lücken- haften und etwas naiven Eindruck macht, so zeigt doch der Inhalt desselben etwas von dem in den Kinderjahren der Eisen-

bahnen so seltenen Scharfblick der Ge- setzgeber, die bereits unter dem, Ungarn wirthschaftlich regenerirenden Einfluss des grossen Stephan Sz^ch6n3ri stehen.

Die Eisenbahn-Gesetzgebung Ungarns hat nach dem Gesetzartikel XXV vom Jahre 1836 einen grossen Stillstand durch- gemacht. Die Entwicklung des Eisen- bahnwesens hat die Gesetzgebung über- holt. Die Concessions-Urkunden, welche namentlich in der Zeit der Verfassungs- sistirung in grösserer Zahl und für wichtige Linien erflossen sind, haben die wichtigsten Eisenbahn-Rechtsfragen von Fall zu Fall geregelt. Die österreichischen Eisenbahn- Rechtsnormen, welche infolge des Aus- gleichs auch in Ungarn mit den noth- wendigen Aenderungen recipirt wurden, haben die Grundlage zur Weiterbildung des Eisenbahnrechts geliefert. Aus diesen Quellen und unter dem stetigen Einfluss des auf eisenbahnrechtlichem Gebiete stets so kräftigen Dranges nach inter- nationaler Regelung hat sich das ungarische Eisenbahnrecht ausgestaltet. Die Folge des Mangels einer einheit- lichen Modiflcation: die Lückenhaftigkeit, ist das charakteristische Moment dieser Rechtsentwicklung. Diese Mängel und die Art, wie nach und nach die fehlenden Nor- men abhelfend ergänzt werden, zeigt am besten eine organische Uebersicht der Entwicklung. So wollen wir denn von der Organisation, und dann von dem Concessions- und Baurecht zum Verkehr und zu den processualen Normen über- gehend, eine Skizze zu bieten versuchen.

Was vor Allem die rechtliche Organisation des Eisenbahn- wesens anbelangt, müssen wir die Entwicklung der obersten Leitung von der untergeordneten Organisation trennen. Vor 1 848 hatte die oberste Leitung selbst- verständlich keine gesonderte Organisation, sondern lag in den Händen der allgemeinen ungarischen Verwaltungs-Dicasterien : der königlich ungarischen Hof kanzlei und des königlich ungarischen Statthaltereirathes. Als Gesetzartikel III vom Jahre 1848 die Ministerial- Organisation ein- führte, hat derselbe die Eisenbahn-An- gelegenheiten in höchster Instanz dem Ministerium für öffentliche Arbeiten und Communicationen unterstellt. Dasselbe

Karl V. Neumann, Die Eisenbahn-Gesetzgebung etc.

421

Ministerium bildete auch nach erfolgtem Ausgleich mitOesterreich bis zur Schaffung desGesetzartikels XVIII vom Jahre 1889 die höchste Eisenbahn-Instanz. Das letztere Gesetz hat die oberste Leitung des gesammten ungarischen Communi- cationswesens mit dem Handels- und Gewerbewesen unter dem Handels- ministerium vereinigt. Eine Massnahme, welche mit dem engen Zusammenhang von Tarif- und Handelspolitik vor der Gesetzgebung motivirt wurde.

Das Ressort des Handels- ministeriums umfasst demnach das ganze Eisenbahnwesen. Dasselbe erstreckt sich auf sämmtliche Eisenbahnen der Länder der St. Stephanskrone, somit hin- sichtlich Ungarns auch auf jene Eisen- bahnen, welche sowohl österreichisches als auch ungarisches Gebiet berühren. Der Wirkungskreis der obersten Eisen- bahn-Behörde, von dem Gesichtspunkte des staatsrechtlichen Verhältnisses gegen- über Oesterreich betrachtet, ist .seit dem Ausgleich sozusagen unverändert geblie- ben. Nachdem jene anlässlich der Aus- gleichs-Verhandlungen zum Ausdruck ge- kommenen imd in den jüngst erschienenen Aufzeichnungen des Grafen Melchior L ö n y a y des Näheren geschilderten Bestrebungen, das Eisenbahnwesen als gemeinsame Angelegenheit zu betrachten, und für dasselbe eine gemeinsame Ver- waltungsbehörde zu schaffen, abgelehnt wurden und im Sinne des Gesetz- artikels III vom Jahre 1848 im Ministe- rium Andrässy auch der Communications- Minister Platz gefunden hatte, wurden im Zoll- und Handelsbündnis und dem auch heute noch in Kraft stehenden, zu Wien am 29. Juli und zu Budapest am 2 1 . August 1 868 unterzeichneten provisorischen Uebereinkommen, in Betreff der Eisenbahnen diejenigen Normen festge- stellt, welche, aus dem staatsrechtlichen Verhältnisse Ungarns zu Oesterreich fliessend, zur Regelung der gegenseiti- gen Eisenbahn-Rechtsverhältnisse nöthig waren. Nach diesen Normen wird das Hoheitsrecht und die Oberaufsicht nach dem Territorialitäts-Princip ausgeübt. Be- züglich bestehender, beide Staaten der Monarchie durchziehender Bahnen sollen grössere Investitions-Ausgaben einver-

nehmlich festgesetzt, bei neuen derartigen Bahnen bezüglich des Anschlusspunktes, der Concessions-Bedingnisse von Fall zu Fall eine Vereinbarung geschaffen 'werden. Die Vorconcession solcher Bahnen soll dem Fachministerium des anderen Staates mitgetheilt werden. In jenem Staate, in welchem sich der Hauptsitz der Eisen- bahn nicht befindet, soll eine Betriebs- Direction errichtet werden. Das Heim- fallsrecht richtet sich bezüglich des Immobiliar-Besitzes nach der lex rei sitae, das bewegliche Vermögen nach der in- ventarmässigen Trennung, oder falls eine solche noch nicht erfolgt ist, nach dem durchschnittlichen Bruttoertrag pro Meile in den letzten fünf Jahren. Bezüglich der Bau-, Betriebs- und Tarifnormen, der Be- triebs-Ordnung, des Betriebs- Reglements, der Fahrplan - Angelegenheiten [soweit solche Tarife und Fahrplan-Angelegen- heiten beide Staaten interessiren] wird das einverneTimliche Vorgehen stipulirt. Diese Normen haben sich bisher bei jeder Verlängerung des Zoll- und Handels- bündnisses erhalten und bilden die Grund- lage des eisenbahnrechtlichen Nachbar- verhältnisses.

Da das Zoll- und Handelsbündnis auch die Eisenbahnbetriebs-Ordnung mit Rechtskraft für die Zukunft ausgestattet hatte, wurde im Jahre 1868 auch die Institution der General-Inspection für Eisenbahnen und Dampf- schiffahrt als verbindendes Verwal- tungsorgan zwischen Ministerium und Eisenbahn-V^erwaltung eingeführt, und zwar mit einer provisorischen Organi- sation, laut welcher der Wirkungskreis derselben alle technischen und polizei- lichen Bahn-Angelegenheiten mit Aus- nahme eines Theiles des Bauwesens um- umfasste. Der bauliche Theil der Eisen- bahn-Angelegenheiten, welcher ehedem in der Eisenbahn -Centralkanzlei versehen wurde, ging 1868 auf die Eisenbahnbau-Direction, beziehungsweise hinsichtlich der Privatbahnen auf die Eisenbahnbau- General -Inspec- tion über. Anlässlich der 1874 erfolg- ten Reform der General-Inspection für Eisenbahn- und Dampfschiffahrt wurde der Wirkungskreis der General-Inspection insoferne erweitert, als die wirthschaft-

422

Das Eisenbahnwesen in Ungarn seit 1867.

liehe Controle der garantirten oder sonst vom Staate subventionirten Eisenbahnen bei gleichzeitiger Auflassung des bis dahin bestandenen Zinsengarantie-Rech- nungs-Controlamtes unter die Agenden der General - Inspection eingereiht wurde. Nachdem inzwischen auch die Bau- direction aufgelöst worden war, sollte die wirthschaftliche und Bauaufsicht sämmtlicher, gleich ob Staats- oder Privatbahnen, der General-Inspection an- vertraut werden. Die bezügliche Rege- lung erfolgte unter gleichzeitiger Auf- lassung der Eisenbahnbau-General-Inspec- tion im Jahre 1877. Laut dem in diesem Jahre erlassenen Statut bestand die General-Inspection für Eisenbahnen und Dampfschiffahrt aus zwei gesonderten Abtheilungen : der Betriebs- oder Wirth- schafts- und der Bauabtheilung, deren Wirkungskreis sich sowohl auf Staats- ais auch auf Privatbahnen erstreckte. Mit dem neuen Statut wurde die Ge- neral-Inspection als solche aufgelöst, ihre allgemeine Betriebsabtheilung der Eisenbahn-Section des Ministeriums, die Bauabtheilung hingegen der Staats- bahn-Direction einverleibt. Das Netz der Staatsbahnen war nämlich inzwischen so sehr angewachsen, dass die Direction, welche seit ihrer Errichtung schon eine Reihe von Wandlungen durch- gemacht hatte, einer selbständigen Bau- abtheilung bedurfte. Die ursprünglich bureaukratisch organisirte, im Jahre 1880 nach dem Muster der Privatbahnen mit einem Verwaltungsrath umgebene Staats- bahn-Direction, welche im Jahre 1883 wieder in bureaukratischer Weise organi- sirt und ein Jahr später nach dem in grossen Zügen auch heute noch bestehen- den System, zusammengesetzt aus Direc- tion, Directionssitzung und Betriebs- Leitungen, umgewandelt wurde, behielt seit jener Zeit die Bauabtheilung bei. Die Controle des Baues der Privatbahnen war auf die Bauabtheilung im Ministe- rium selbst [einige Jahre hindurch als technischer Rath organisirt] über- gegangen. Der eben erwähnte Verwal- tungsrath der Staatsbahn, war die einzige Organisation, in welcher Vertreter des Handelsstandes und der Landwirthschaft Platz gefunden hatten. Die bestehende

Directionssitzung der Staatsbahnen ist ausschliesslich aus Beamten zusammen- gesetzt und der Staatseisenbahnrath wurde aufgelöst, ohne je zusammenberufen worden zu sein. Für einen Theil des Eisenbahnwesens, das Tariffach, be- steht eine berathende Interessenvertretung, deren Wirksamkeit jedoch nicht nur die Staatsbahnen allein, sondern auch die garantirten Privatbahnen umfasst. Die Organisation der Privatbahnen beruht auf der Eisenbahnbetriebs-Ordnung und dem Handelsgesetz, und ist eine fast durchwegs gesellschaftliche. Die sowohl Oesterreich als auch Ungarn durchziehenden Eisenbahnen haben ge- mäss den Bestimmungen des proviso- rischen Uebereinkommens eine dem Paritätsprincip mehr oder minder ent- sprechende dualistische Organisation er- halten, welche am vollkommensten bei der Oesterreichisch-Ungarischen Staatseisen- bahn-Gesellschaft durchgeführt war. Die Staatsaufsicht über das gesellschaftliche Gebaren wird durch Regierungs- oder Ministerial-Commissäre bei den Local- bahnen durch vom Handelsminister er- nannte Directionsmitglieder ausgeübt. Die eigentlichen Eisenbahnpolizei- Beamten sind im Sinne der Betriebs- Ordnung die Eisenbahn-Beamten, deren Wirkungskreis durch die von den ein- zelnen Bahnen erlassenen und vom Handelsminister genehmigten Dienstan- weisungen festgesetzt w^ird. Die als Eisenbahn-Polizeibeamten zu verwenden- den Angestellten werden in dem im Jahre 1887 gegründeten Eisenbahn- beamten-Lehrcurs herangebildet, dessen Zeugnis allein zum Verkehrsdienst berechtigt. Die Pensions- und Wohl- fahrts-Einrichtungen sind nicht einheitUch geregelt und deshalb kann auf dieselben hier nicht eingegangen werden.

Nach der Organisation erheischt das Concessions- und Baurecht unsere Auf- merksamkeit. Das Eisenbahn-Con- cessionswesen wird in Ungarn durch das mit dem österreichischen Eisenbahn- Concessions-Gesetz beinahe wörtlich über- einstimmende, mit Ermächtigung des Reichstages erlassene Regulativ vom 20. October 1868, Zahl 4973, geregelt. Dasselbe bietet die Grundlage für das

Karl V. Neumann, Die Eisenbahn-Gesetzgebung etc.

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Eisenbahn- Goncessionsrecht aller für den öffentlichen Verkehr bestimmten Eisen- bahnen. Ergänzt wird das im Regulativ enthaltene Recht durch die Localbahn- Gesetze und das für die innerhalb der Haupt- und Residenzstadt Budapest zu erbauenden Strassenbahnen geltende Re- gulativ. Das allgemeine Eisenbahn- Goncessions-Regulativ weicht in- soferne von dem österreichischen Eisen- bahn-Goncessions-Gesetz ab, als das Re- gulativ als interimistische Norm bezeich- net wird, und die Goncessionirung von Dampfbahnen nach vorangegangener par- lamentarischer Behandlung durch Se. kais. und apostolisch kgl. Majestät erfolgt. Die nicht mit Dampf betriebenen Eisen- bahnen werden demnach durch das Ministerium, die Bahnen mit Dampfbe- trieb durch Gesetz concessionirt. Die Localbahn-Gesetze [Gesetzartikel XXXI vom Jahre 1880 und IV vom Jahre 1888] haben die Goncessionirung der für den Durchgangsverkehr oder den Umschlagsverkehr nicht benutzbaren Localbahnen ebenfalls in den Wirkungs- kreis des Ministeriums gestellt und somit eine Ausnahme gegenüber dem Gon- cessions-Regulativ statuirt. Die übrigen Bestimmungen der Localbahn-Gesetze fallen nicht in den Rahmen einer Dar- stellung des Eisenbahnrechtes und können somit hier übergangen werden. Hingegen müssen hier noch jene Abweichungen er- wähnt werden, welche bezüglich der Er- theilung zur Bewilligung von Vorar- beiten, hinsichtlich gewisser Bahnkate- gorien obwalten. Von der generellen Regel abweichend, ertheilen die Vicegespäne und Bürgermeister der mit Municipalrecht ausgestatteten Städte im Sinne des Ent- eignungs - Gesetzes [Gesetzartikel XLI vom Jahre 1881] die Vorconcession für das Gebiet einer Gemeinde nicht über- schreitende und weder an Eisenbahnen noch schiffbare Flüsse anschliessende Eisenbahnen. Etwas weiter geht der dem Bürgermeister der Haupt- und Residenz- stadt Budapest durch die Verordnung vom 2. November 1887, Zahl 45.224, eingeräumte Wirkungskreis, indem der Bürgermeister auch in den oben aus- genommenen Fällen jedoch nur mit Zustimmung des Handelsministers eine

Vorconcession ertheilen kann. Da die oben geschilderten Rechtsnormen nur für Bahnen gelten, welche für den öffent- lichen Verkehr bestimmt sind, muss noch der Privatzwecken dienenden Bahnen Erwähnung gethan werden. Dieselben bedürfen nur einer polizeilichen Prüfung und Genehmigung, welche für Bahnen mit motorischem Betrieb durch den Handelsminister, für Feldbahnen mit Pferdebetrieb im Sinne der Verord- nung vom 27. October 1896, Zahl 40.321, durch die politische Behörde, für Berg- werksbahnen, zu welchen auch die das Bergwerk mit der nächsten Strasse [Eisenbahn, Fluss] verbindenden Bahnen gehören, ebenfalls durch den Handels- minister [laut Verordnung vom 9. Sep- tember 1890, Zahl 53.239] ertheilt werden. Die Privatanschlussbahnen ge- messen in Ungarn, mit Ausnahme der dem Bergwerksbetrieb dienenden Berg- werksbahnen, kein Enteignungsrecht. Das Goncessions- und Bauverfahren, welches auf Grundlage der in Kürze geschilderten Grundsätze aufgebaut ist, hat im Laufe der Zeiten eine erhebliche Veränderung durchgemacht. Die Ver- ordnung vom 7. Mai 1868, Zahl 4378, welche für das Goncessions- Verfahren massgebend war, hatte das System in- augurirt, das die commissionelle Gon- cessions-Verhandlung vor der Feststellung der Bahntrace zu erfolgen hatte. Nach- dem dieses System sich unzutreffend erwies, wurde der Process durch Ver- ordnung vom II. März 1886, Zahl 40.003, in eingehender Weise derart ge- regelt, dass das ganze Verfahren, welches zur Feststellung der Goncessions-Beding- nisse nothwendig ist, vor der Goncessions- Verhandlung durchzuführen sei. Dieses Verfahren bietet vollkommen entspre- chende Grundlagen für die nöthigen Fest- setzungen, namentlich der Fixirung des Bau- und Betriebscapitals. Die erwähnte Ver- ordnung regelt femer die Genehmigung der Pläne durch den Handelsminister und in Verbindung mit der Verordnung vom 8. November 1871, Zahl 15-333, die technische Abnahme der Eisenbahn, in fast gleicher Weise wie derselbe Stoff in den meisten Staaten Europas übereinstimmend festgesetzt ist. Gewisse

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Das Eisenbahnwesen in Ungarn seit 1867.

Abweichungen gelten hinsichtlich der das Gebiet der Haupt- und Residenzstadt nicht überschreitenden Strassen- und Zahn- rad- sowie Seilbahnen laut der bereits erwähnten Verordnung vom 2. Novem- ber 1887, Zahl 45.224, indem der Stadt- behörde eine Begutachtung der Pläne und das Recht zugesichert ist, die nöthigen Strassen gegen im Vertrags- wege festzustellende Bedingungen zu tiberlassen [ohne Enteignung]. Die Be- dingungen dürfen jedoch nicht der Con- cessions-Urkunde widersprechen und be- dürfen der Genehmigung durch den Han- delsminister und den Minister des Innern. Das Baurecht ist in Ungarn nicht eingehend geregelt. Abgesehen von dem weiter unten zu behandelnden Enteig- nungsrecht, dem Regulativ, betreffend die Strassenbenützung zu Bahnzwecken, der Verordnung, betreffend den Verkehr von Schotterzügen, welche in dem Zeit- räume 1870 bis 1881 entstanden sind, ist nur die Mitwirkung der Verwaltungs- behörden im Regulativ für die Verwal- tungs - Commissionen der Municipien [1528 präs. vom Jahre 1876] und der Umbau von Privatbahnen zu öffentlichen Bahnen [Verordnung vom 22. August 1888, Zahl 37.553] normirt. Zu letzterem Zwecke bedarf es einer Concession, welche höchstens für zehn Jahre durch den Handelsminister auf Grund der poli- tischen Begehung ertheilt wird und er- neuert werden kann. Das wichtigste ein- schlägige Gesetz, das Enteignungs-Gesetz, hat eine lange Geschichte. Seine Wurzel bildet, wie schon erw^ähnt, Gesetzartikel XXV vom Jahre 1836. Einen weiteren namhaften Fortschritt auf dem Gebiete des Expropriationsrechts bildete die Schaffung der beiden älteren Enteig- nung s-G e s e t z e, und zwar des Gesetz- artikels LV vom Jahre 1868 über die Enteignung und des Gesetzartikels LVI desselben Jahres über die Enteignung in den Gebieten der Städte Buda und Pest. Der erstere Gesetzartikel be- stimmte taxativ jene Fälle, in w^elchen eine Enteignung stattfindet. Auf Ent- eignung, W' eiche sowohl für durch Pferde- bahn als auch für durch Dampfbahn- Unternehmungen zu benützende Immo- bilien ertheilt werden konnte, hatte nur

eine bereits concessionirte Unternehmung das Recht. Das Recht zur Vornahme der Vorarbeiten zu solchen Unternehmungen musste durch das Communications-Mini- sterium ertheilt werden. Gegenstand der Expropriation bildeten nur unbewegliche Sachen. Die Expropriation erfolgte auf Grund eines Enteig^ungsplanes. Falls die gütliche Einigung nicht zustande kommen konnte, wurden auf Grund eines durch die Comitatsbehörden geleiteten Verfahrens die Ermittlungen durchgeführt, welche der richterlichen Bemessung der Entschädigungssummen zur Basis dienen konnten. Das competente Gericht ent- schied auf Grund der Schätzung von Sachverständigen. Für auf beschränkte Dauer zu errichtende Eisenbahnen [Privat- Anschlussbahnen] war eine zeitweilige Expropriation vorgesehen. Aehnlich, jedoch mit den durch die städtische Autonomie gebotenen Abweichungen war auch das Vorgehen nach Gesetzartikel LVI vom Jahre 1868. Da sich die Mängel dieses Gesetzes und namentlich der ge- trennten Regelung des Enteignungs-Ver- fahrens in dem platten Lande und der Haupt- stadt [der mit Gesetzartikel XXXVI vom Jahre 1872 vereinigten Städte Buda- pest] immer mehr fühlbar machten, wurde im Jahre 1880 zu einer Reform des Ge- setzes geschritten, welche zu der Schaf- fung des Gesetzartikels XLI vom Jahre 1 88 1 , des noch jetzt in Kraft stehenden Ent- eignungs-Gesetzes führte. Der Motiven- bericht der Vorlage zu diesem Gesetze führt die Hauptfehler des vorherigen Rechtszu- standes in der Form der folgenden, durch die Vorlage geplanten Verbesserungen an:

Die Expropriation, welche sich bisher nur auf Immobilien bezog, soll sich auch auf Rechte, namentlich im Interesse des reisenden Publicums auf das Schankrecht, zu Gunsten der Eisenbahnen erstrecken.

Der Feuerrayon, welcher sich als ungenügend erwies, soll entsprechend den Fortschritten der technischen Wissen- schaft erweitert werden. Das Planfest- stellungs- Verfahren wird bedeutend be- schleunigt, die Gerichte bei Erkennung der Entschädigungs-Summen von den Fesseln der Sachverständigen-Schätzung befreit. Das System der zeitweiligen Ent- eignung wird eingeschränkt und präcisirt.

Karl V. Neumann, Die Eisenbahn-Gesetzgebung etc.

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In vis major -Fällen wird die rasche Occupation von Grundstücken, welche für die Wiederherstellung des Verkehrs nöthig sind, zugesichert. Das Expro- priations-Verfahren wird im ganzen Lande, die Hauptstadt mitinbegriffen, das gleiche sein. Diese Erläuterungen der Vorlage ergänzt der Bericht des Justiz- Ausschusses des Abgeordnetenhauses. Von den dort erwähnten Verbesserungen sei noch her- vorgehoben : das Aufhören der taxativen Aufzählung der Expropriationsfälle. Die beiden wichtigsten Consequenzen dieser Aenderung sind, da die Expropriation nunmehr in genere für öffentliche Unter- nehmungen ertheilt werden .kann, dass nur die dem öffentlichen Verkehr dienen- den Eisenbahnen mit Ausschluss der Privat-Anschlussbahnen derselben theil- haftig werden können; dass hingegen die Enteignung nicht nur für neue Unter- nehmungen, sondern auch zur Weiter- entwicklung von bestehenden beansprucht werden kann. Endlich sei noch erwähnt, dass das neue Gesetz sich auch auf Fiume und Croatien-Slavonien erstreckt.

In engem Zusammenhang mit dem Enteignungsrecht entwickelte sich auch naturgemäss die auf das Eisenbahn- Bücher wesen bezügliche Gesetz- gebung. Das ursprüngliche Gesetz [Ge- setzartikel I vom Jahre 1868] hat sich im Grossen und Ganzen ausgezeichnet bewährt. Seine Grundprincipien und fun- damentalen Bestimmungen stehen auch heute noch in voller Rechtskraft, nur das Verfahren erlitt in einigen Punkten eine Aenderung. Die Grundidee des Gesetzes bildet die Schaffung des centralisirten Grundbuches für alle dem staatlichen Heim- fallsrecht unterliegenden Eisenbahnen des Landes. Jede Eisenbahn bildet eine bücher- liche Einheit, so dass die vorher intabu- lirten Lasten sich selbst auf spätere Besitzstands - Eintragungen erstrecken. Das Grundbuch besteht aus einem Hauptblatt, soviel Besitzblättern, als das Unternehmen Gemeinde - Gemarkungen berührt, und dem Lastenblatt. Die Ein- tragung erfolgt auf Grund des Authen- tications - Verfahrens. Dieses Verfahren wurde theils den Aenderungen des Enteignungs-Gesetzes entsprechend, theils um dem in § i des Gesetzartikels I vom

Jahre 1 868 bezeichneten Zwecke zu dienen, nämlich : den Immobiliarbesitz der Eisen- bahnen creditfähiger zu gestalten, durch Gesetzartikel LXI vom Jahre 1881 ab- geändert und ergänzt. Laut diesem Ge- setze ist nunmehr jede Bahn 30 Tage nach erfolgter Abnahme einzutragen, falls der Staat das Heimfallsrecht geniesst. Die Eintragung erstreckt sich auf ver- tragsmässig oder im Enteignungswege erworbene Grundstücke und alle Baulich- keiten, welche mit dem Betrieb im Zu- sammenhang stehen und laut Concessions- Urkunde dem Staate anheimfallen, ferner auf alle Aenderungen im ursprünglichen Zustande. Eine wichtige Ergänzung stipulirt das neue Gesetz hinsichtlich der Eintragung des Servitutrechtes, dessen sich die inzwischen zu grosser Bedeutung ge- langten Localbahnen auf öffentlichen Strassen und Schutzdämmen bedienen. Ferner normirt der Gesetzartikel die Zwangsvollstreckung gegen Eisenbahnen. Die Eisenbahn und deren Pertinentien, zu denen Fahrbetriebsmittel, Materialien und Cassenbestände gehören, unterliegen der Zwangsvollstreckung nicht. Mit der Zwangsvollstreckung ist auch die Seque- strirung der Eisenbahn von Gerichts- wegen anzuordnen und beim Handels- minister die Ernennung eines Sequester-' curators nachzusuchen.

Das also modificirte Gesetz, welches auch heute noch in Rechtskraft steht, hat sich sehr gut bewährt und ist in vielen Beziehungen auch in der neuesten Gesetz- gebung Deutschlands berücksichtigt und gewürdigt worden. Es bildet eine Stütze des Credits der ungarischen Eisenbahnen. Wenn wir nunmehr nach der Statik des Eisenbahnrechts einen Blick auf die Dynamik desselben, auf das Verkehrs- recht, werfen, so sehen wir, dass die Ent- wicklung desselben grösstentheils eine den entsprechenden österreichischen Rechts- normen parallele und eine auch in materieller Hinsicht so ziemlich ähnliche ist. Dies gilt vor Allem bezüglich der technischen Normen. Ausgehend von der Basis der in beiden Staaten gleichen Eisenbahnbetriebs-Ordnung sind es vor Allem die Grundzüge für den Verkehr der in die verschiedenen Kate- gorien gehörenden Eisenbahnen nebst

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Das Eisenbahnwesen in Ungarn seit 1867.

der Signalordnung, welche den gleichen, hier nicht eingehender zu erörternden Entwicklungsgang durchgemacht haben. Auf derselben Grundlage wurde auch die Vorlage und die Genehmigung der Fahrpläne mittels Ministerial- Verordnung vom 27. Juli des Jahres 1868, Z. 8094, und dieselbe ergänzenden und erläutern- den Erlässen der General-Inspection in ähnlicher Weise wie in Oesterreich ge- ordnet. Auch die Regelung des Tarif- wesens erfolgte in ähnlicher Weise. Nach- dem die verschiedenen Ministerial- Ver- ordnungen 12878/76, 17387/76, 36109/81 und 1887/87 die Publication der Tarife und Refactien geregelt, das Verbot der geheimen Tarif begünstigungen activirt, die einschlägigen Verhältnisse in sprung- hafter Weise behandelt hatten und die Bestimmungen dieser Normen öfters durch neuerliche Erlässe wiederholt und ver- schärft worden waren, kam die einheitliche und im Sinne des provisorischen Ueber- einkommens vom Jahre 1868 einvernehm- liche Regelung des Tarifpublications- und Begünstigungswesens zustande. Die be- treffenden, mit der österreichischen Gesetz- gebung nahezu gänzlich übereinstimmen- den Normen sind enthalten in den Mini- sterial-Verordnungen vom 26. October 1890, Z. 61.935, und 20. November 1895, Z. 79.749. An dieser Stelle kann es nicht unerwähnt bleiben, dass in Ungarn die Maximal-Tarif Sätze der Eisenbahnen selbst hinsichtlich des Personen -Tarif- wesens keinerlei gesetzliche Regelung erfahren haben. Das einzige einschlägige Gesetz bildet Gesetzartikel XXXII vom Jahre 1890, welcher die Regierung er- mächtigt, diejenigen Bahnen, welche den Zonentarif einführen, von gewissen concessionsurkundlichen Verpflichtungen, namentlich der Gewährung von Freigepäck, zu entheben. Von der allgremeinen Retreluns: des Fahrplan- und Tarifwesens bilden nur die ausschliesslich das städtische Gebiet be- rührenden Strassen bahnen der Haupt- und Residenzstadt Budapest insoferne eine Ausnahme, als nach einem mini- steriell genehmigten Statut dieses Muni- cipiums diese Angelegenheiten innerhalb der durch die Concessions-Urkunden be- stimmten Grenzen in den autonomen Wirkungskreis des Municipiums fallen

und nur im Streitfalle der Entscheidung des Handelsministers unterliegen.

Auch das ungarische Frachtrecht be- ruht materiell auf denselben Grundlagen und zeigt einen ähnlichen Entwicklungs- gang wie das österreichische. Das erste Frachtrecht Ungarns [Gesetzartikel XX vom Jahre 1840] behandelte nur die Landfracht. Lange bildeten blos die im Gesetzartikel XXV vom Jahre 1836 niedergelegten Principien die alleinige Rechtsgrundlage. Das Eisenbahn- Frachtrecht war zuerst in dem als Ministerial- Verordnung im Sinne des pro- visorischen Uebereinkommens auch in Ungarn publicirten Betriebs- Reglement ge- regelt, welches in Oesterreich am 30. Juni 1863 promulgirt worden war. Ebenfalls übereinstimmend mit dem österreichischen war das ungarische Betriebs- Reglement vom Jahre 1874. Auch das im ungarischen Handelsgesetzbuch [Gesetzartikel XXXVII vom Jahre 1875] enthaltene Frachtrecht weist mit geringen, hauptsächlich den Ladeschein betreffenden, aber von der Praxis kaum verwertheten Bestimmungen eine nahezu vollkommene Uebereinstim- mung mit den in Oesterreich geltenden Normen des deutschen Frachtrechts auf. Die auf dem Gebiete des Eisenbahn- wesens immer stärker und unabweislicher auftretende Noth wendigkeit einer inter- nationalen Regelung, welcher sich Ungarn schon früher durch Annahme der auf die technische Einheit bezüglichen Ver- einbarungen nicht verschliessen konnte, hatte auf dem Gebiete des Fracht- rechts zur Folge, dass Ungarn auch dem Berner internationalen Ueber- einkommen über den Eisenbahn- Frachtverkehr beigetreten ist und sein inneres Frachtrecht dem Ueberein- kommen entsprechend abgeändert hat. Dies Letztere geschah in der Weise, dass Gesetzartikel XXV vom Jahre 1892, mit welchem das internationale Ueberein- kommen zur Gesetzeskraft erhoben wurde, die Regierung gleichzeitig ermächtigte, die Bestimmungen des Uebereinkommens durch Aenderung des Betriebs- Reglements auf die dem Uebereinkommen nicht unterliegenden Frachtgeschäfte selbst dann auszudehnen, falls die internationalen Normen von den Bestimmungen des

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Handels-Gesetzbuches abweichen. Dies erfolgte durch die Promulgirung des seither bereits mehrfach abgeänderten Betriebs- Reglements vom 10. De- cember 1892. Der wechselseitige Frachten- verkehr Oesterreichs und Ungarns hat ausserdem in dem gemeinsamen Tarif- theil I, welcher das Betriebs-Reglement ergänzt, eine kräftige Stütze. Der Per- sonen-Transport hat in Ungarn nur hin- sichtlich der Haftpflicht eine gesetz- liche Regelung erfahren, und zwar durch Gesetzartikel XVIII vom Jahre 1874, welcher nach dem Muster des deutschen Haftpflichtgesetzes eine obligatio ex lege statuirt und, gleichzeitig über den Rahmen des Personen-Transportes hinausgehend, die Haftpflicht aus Eisenbahn-[auch Bahn- bau-] Unfällen in der Weise regelt, dass nur eigenes Verschulden des Beschädig- ten und unter das Kriterium der höhe- ren Gewalt fallende Ereignisse oder Handlungen dritter Personen von der Haftung befreien.

Wenn wir die Betrachtung der auf den Eisenbahnbetrieb bezüglichen Gesetz- gebung mit einer aus dem Gebiete der Mechanik geschöpften Bezeichnung als den dynamischen Theil geschildert haben, muss noch zum Schlüsse folgerichtig die Interferenz der Kräfte, der Kampf um das Recht in dem Eisenbahnwesen skizzirt werden. Wir können den privatrecht- lichen Theil füglich ausfallen lassen, weil in dieser Hinsicht besondere Bestimmungen sowohl was den Gerichtsstand als die Competenz anlangt vollkommen fehlen, und wollen uns in dieser Hinsicht nur auf die Bemerkung beschränken, dass die königliche Curie die mit § 13 des österreichischen Eisenbahn - Concessions- Gesetzes gleichlautende Bestimmung des ungarischen Concessions-Regulativs vom Jahire 1868, nach welcher in Concessions- Angelegenheiten der Rechtsweg ausge- schlossen ist, in vielen Fällen nicht für rechtsgiltig anerkannt hat. Das eigent- liche Schwergewicht des Kampfes um das Eisenbahnrecht liegt auf dem Gebiete des Staats- und Verwaltungsrechts sowie des Strafrechts. Es ist hier wohl nicht am Platze, jene Wandlungen zu ver- folgen, welche das ungarische Strafrecht im Laufe der Zeiten durchgemacht hat,

umsoweniger als diese Wandlungen das Eisenbahn-Strafrecht kaum berührt haben. Das Eisenbahn-Straf recht Ungarns ist in den Gesetzartikeln V vom Jahre 1878 und XL vom Jahre 1879 nieder- gelegt. Capitel XXXIX des ersteren Gesetzes bestraft die Eisenbahn-Beschädi- gung und -Gefährdung, das Ertheilen von falschen Signalen oder das Unterlassen der vorgeschriebenen Signalisirung, die Gefährdung der Reisenden und der auf- gegebenen Güter und der in der Nähe der Eisenbahn befindlichen Personen und Sachen, und zwar verschieden, je nachdem dolus oder culpa vorliegt. Als Neben- strafe in manchen dieser Fälle kann Ent- lassung aus dem Eisenbahndienst ange- ordnet werden. Diejenigen Eisenbahn- Directoren, die den also zur Entlassung Verurtheilten nicht entlassen, sind ihrer- seits strafbar. Das Uebertretungs-Straf- gesetz, Gesetzartikel XL vom Jahre 1879, ahndet laut Capitel IX die Ausseracht- lassung der für die Beförderung von Sprengstoffen massgebenden Bestimmun- gen, das Zuwiderhandeln gegen zur Wahrung der Sicherheit und Gesundheit auf Eisenbahnen erlassenen Vorschriften, die Nichtbefolgung der im Interesse der Sicherheit erfolgten Anweisungen des Bahnpersonals, und endlich das regel- widrige gefährdende Verfahren der Eigen- thümer von Strassenbahnen mit Pferde- betrieb und von Seilbahnen.

Nach der Strafrechts - Gesetzgebung muss an dieser Stelle noch der Ver- waltungs-Gerichtsbarkeit gedacht werden, welche das Eisenbahnwesen in vielen Punkten berührt. Gesetzartikel XXV vom Jahre 1896, welcher die Ver- . waltungs-Gerichtsbarkeit regelt, hat das Princip der taxativen Aufzählung jener Fälle acceptirt, welche Gegenstand des Ver- waltungs-Streitverfahrens bilden können. Als solche sind aus dem Gebiete des Eisenbahnrechts dieStreitigkeiten zwischen Local'Und Eisenbahnpolizei- Behörden über Anwendung der §§ 93 bis 100 der Eisen- bahnbetriebs-Ordnung, femer diejenigen Entscheidungen des Handelsministers herausgegriffen, mit welchen derselbe im Sinne der Betriebsordnung die Eisen- bahn-Directionen mit Geld- und Ordnungs- strafen belegt, den Eisenbahnen die Er-

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Das Eisenbahnwesen in Ungarn seit 1867.

Stellung von concessionsurkundwidrigen Tarifen auferlegt, die späteren lästigen Gesetzesbestimmungen auf die früher concessionirte Bahn ohne gesetzliche Ermächtigung ausdehnt oder spätere günstige Bestimmungen der früher con- cessionirten Bahn vorenthält. Dem Ver- waltungs-Gerichtsverfahren unterliegt end- lich noch eine Reihe von denjenigen Ent- scheidungen des Handelsministers, welche aus dem Verhältnis der Localbahnen zum Staate [Einlösung, Heimfall, Staatsbei- träge] und den Betriebs vertragen der Staatsbahn mit Localbahnen entspringen. Das in Obigem skizzirte Recht der actio der Rechtsstreit bildet das Dach eines jeden juristischen Gebäudes. Ein solches Gebäude, das Eisenbahnrecht, haben wir nun in seiner historischen Ent-

wicklung vom Fundament bis zum Dach- first betrachtet. Wohl ist Vieles alt und morsch, der sachkimdigen Erneuerung bedürftig, doch das Gebäude selbst hat viele Jahre des Kampfes überdauert, hat sich im Kampfe der widerstreitenden Interessen als eine feste Burg bewährt. Diese Burg zu stützen, zu erhalten und zu vertheidigen, die Breschen, welche die nimmer ruhende Zeit in die Zinnen ge- schlagen hat, mit festem Mauerwerk aus- zufüllen, ist die Aufgabe der Zukunft. Eine schöne Aufgabe, an welcher jeder Arbeiter des Eisenbahnwesens kräftig theilnehmen wird; flattert ja von den Zinnen dieser Burg die ungarische Tricolore, die für Ungarn immer Recht, Freiheit und Königstreue bedeutet hat und bedeuten wird.

Tarifwesen.

Ludwig Jellinek,

r KÖDlKlIch UngaiiicbeD StutMlMobabnc

DIE Darstellung der Entwicklung dts Eisenbahn - Tarifwesens in Ungarn*) könnte nach der An- ordnung dieses Werkes strenge genommen füglich mit dem Jahre 1867 beginnen, weil ja in der früheren Zeitperiode die Geschicke Ungarns und somit auch die Eisenbahn- Angelegenheiten für die ganze Monarchie von derselben Stelle geleitet wurden.

Im Grossen und Ganzen waren bis dahin die Gesichtspunkte und Principien, welche in Oesterreich auf dem Gebiete der Eisenbahnen, namentlich auf dem- jenigen des Tarifwesens zur Geltung kamen, auch in Ungarn beiläufig die- selben.

Nach den erschöpfenden Ausftlhrungen bezüglich des Eisenbahn-Tarifwesens in Oesterreich,**) welche ohne ausdrücklichen Hinweis, aber mit Rücksicht auf die factischen Verhältnisse bezüglich der Zeit- periode vor 1 867 sich doch auch auf die ungarischen Tarifverhältnisse beziehen.

•) Die nachstehenden Ausfuhrungen lehnen sich an die Monographie ijellinek- Gonda: Entwicklung des Eisenbalin- Tarifwesens in Ungarn i8j6 bis 1896. an und sind Kum Theif auch dieser Mono- graphie entnommen. Dieser Hinweis ent- hebt den Verfasser wohl der Verpflichtung, an verschiedenen Stellen des Textes das genannte Werk zu gitiren.

•*)Vgl. Bd. II,Th. Englisch: Personen- tarife, und A. Pauer: Frachtentarife.

beschränken wir uns darauf, bezilglich der Zeitperiode vor 1867 nur jene Mo- mente hervorzuheben, welche als rein ungarische sich darstellen und aus diesem Grunde in den bereits erwähnten Capiteln naturgemäss keinen Raum gefunden haben.

Es liegt ja wohl ganz nahe und muss, objectiv betrachtet, auch begreiflich er- scheinen, dass in Ungarn sowohl unter dem Einflüsse der damaligen politischen Verhältnisse, als auch mit Rücksicht auf die geographische Lage und Ge- staltung des Landes, und schliesslich auch bei dem Umstände, dass Ungarn zu jener Zeit fast ausschliesslich Ackerbauland war, die Anschauungen bezüglich der Bedeutung, Gestaltung und Entwicklung des Eisenbahnwesens und namentlich bezüglich der Art der Fest- stellung der Transportpreise eigenartig waren,und keinesfalls dieselbe sein konnten, wie sie in Oesterreich nach den dortigen Verhältnissen zur Geltung kamen.

Um die Eigenartigkeiten der damaligen ungarischen Verhältnisse darzulegen und begreiflich erscheinen zu lassen, müssen wir, wenn auch ganz kurz und vorüber- gehend, auf die ersten Decennien dieses Jahrhunderts zurückgreifen, somit auf eine Zeitperiode, in welcher in Ungarn Eisen- bahnen noch nicht existirten, und die Projectirung derselben im Stadium des ersten Anfanges war.

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Das Eisenbahnwesen in Ungarn seit 1867.

Ungarn, das seinerzeit die Getreide- kammer Europas genannt wurde, hatte damals naturgemäss hauptsächlich das eine Interesse, seinen Naturproducten, in erster Reihe dem Getreide, möglichst ausserhalb Ungarns Absatzgebiete zu sichern.

Diese Bestrebungen konnten zu einer Zeit, wo die Concurrenz der Rohproducte anderer Länder schon in Ermangelung entsprechender Transportwege und -Mittel geradezu ausgeschlossen war, theilweise befriedigt werden, weil ja einem grossen Gebiete der getreidereichen Gegenden des Landes bis nach Oesterreich und auch darüber hinaus auf der Theiss und der Donau entsprechende und nach den damaligen Verhältnissen genug billige Transportwege zur Verfügung standen.

Als nun die grosse Idee der Eisen- bahnen aufgetaucht und mit elementarer Gewalt um sich gegriffen hatte, kam man in Ungarn sehr bald zur Erkenntnis, dass die dem Lande zur Verfügung stehenden Wasserwege beiweitem nicht genügen, den localen Verkehrs- und Han- delsinteressen in befriedigender und aus- giebiger Weise zu dienen.

Die Erkenntnis der Bedeutung der Schiffahrt für Handel und Verkehr trat jedoch selbst unter dem mächtigen Ein- flüsse der Eisenbahnidee in Ungarn nicht in den Hintergrund, was besonders schon daraus erhellt, dass beim Entwürfe der ersten Eisenbahnen in Ungarn in erster Reihe jene Gegenden bedacht wurden, welchen schiffbare Wasserwege nicht zu Gebote standen.

Es sei hier auf jene charakteristi- schen Momente hingewiesen, welche be- reits in den Dreissiger - Jahren und namentlich anlässlich der Verhandlung des ersten ungarischen Eisenbahn - Ge- setzes [Gesetzartikel XXV vom Jahre 1836] zum Ausdruck gelangten, und welche, wie auch im obenerwähnten Capitel *) besonders betont wurde, für die ungarische Eisenbahn-Tarifpolitik bis auf die Gegenwart massgebend blieben.

Zu einer Zeit, in welcher die Grund- principien der Feststellung der Eisenbahn-

♦) Vgl. Bd. I, I. Theil, H. Strach: Geschichte der Eisenbahnen Oesterreich- Ungams.

Tarife weder bei uns, noch auch ander- wärts bekannt oder gegeben waren, wo man sich jedoch, wie es aus den er- wähnten gesetzgeberischen Verhandlungen ganz klar hervorgeht, der grossen Bedeu- tung und Tragweite der auf den Eisen- bahnen einzuhebenden Frachtgebühren vollkommen bewusst war, darf es uns nicht wundernehmen, Bestrebungen zu finden, dem in der Ausübung des Eisen- bahnbetriebes liegenden und schon da- mals erkannten Monopol dadurch mög- lichst die Spitze und Schärfe zu be- nehmen, dass das Recht der Feststellung der Tarife gleich vom Beg^inne an dem gesetzgebenden Körper gesichert werde.

Diese Absicht wurde wohl in ihrer ursprünglichen Form nicht verwirklicht, die bezüglichen Feststellungen der Con- cessions-Urkunden jedoch und namentlich deren Entwicklung in Ungarn seit dem Jahre 1867 liefern den Beweis, dass der Grundgedanke: die Einflussnahme der Staatsgewalt auf die Tarif- bildung, in Ungarn in den verschie- densten Formen zum Ausdrucke gelangt.

Die Möglichkeit, das Eisenbahn-Tarif- wesen im Wege von Gesetzen einheit- lich zu regeln, oder unmittelbar zu be- einflussen, wurde wohl auch in Ungarn aufrecht erhalten, indem in den Eisen- bahn-Concessions-Urkunden eine diesen Fall behandelnde Bestimmung Aufnahme fand. Bisher sind jedoch auf die prak- tische Durchführung dieser Idee gerichtete Bestrebungen nicht zu Tage getreten, selbst dann nicht, als der grössere Theil des ungarischen Eisenbahnnetzes schon im Staatsbetriebe stand.

Personentarife,

Schon in der Art der Behandlung und Beurtheilung des Eisenbahnwesens und namentlich der Tariffrage in Ungarn seitens der massgebenden Factoren frühe- rer Zeiten tritt die wohl nicht einge- standene, aber ganz offenbare Auffassung zu Tage, dass dem Personenverkehre und somit auch dem Personentarife beiweitem nicht jene Bedeutung beigemessen wurde, wie dem Güterverkehre.

Hat ja selbst ein so hervorragender Geist, wie der des Reichspalatinus Erz- herzog Joseph, den Personenverkehr so

Ludwig Jellinek, Tarifwesen.

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gering geachtet, dass er anfänglich gegen die Bahnverbindung Pressburg - Wien Stellung genommen hatte, und die Be- merkung machte, dass diese Bahnver- bindung >nur dazu gut sein dürfte, dass die Herren Magnaten und Abgeordneten öfter zu ihrer Zerstreuung nach Wien reisen können«.

Es haben sich auch in Ungarn bis zum Jahre 1 889, das ist bis zum Insleben- treten des epochemachenden, sogenann- ten Zonentarifes keine so besonderen Entwicklungsmomente ergeben, die hier hervorhebenswerth wären.

Wir können hier ebenfalls auf die Ausführungen über das Personentarif- wesen in Oesterreich verweisen, da in Ungarn bezüglich der Einrichtung und Entwicklung des Personenverkehrs und der nothwendigen Tarifmassnahmen sich dasselbe Bild ergibt, wie wir es in Oesterreich und zum grossen Theile auch in anderen Ländern jener Zeit kennen.

Indem wir hier constatiren, dass die in den Concessions-Urkunden festgesetz- ten und auch in den Personentarifen bei- behaltenen Einheitssätze mit kleinen Ab- weichungen so ziemlich dieselben waren, wie in Oesterreich und dass auch das Mass der Tarif ermässigungen bei den verschiedenen Tarifmassregeln ebenfalls das Gleiche war, glauben wir unter Hin- weis auf die bezüglichen ausführlichen Darstellungen über das österreichische Personentarifwesen von einer eingehen- den Behandlung der ungarischen Per- sonentarife jener Zeit absehen zu dürfen.

Hingegen sind es andere charakte- ristische Merkmale, die speciell in Ungarn auf den Personenverkehr und auf die Personentarife Einfluss geübt haben, und welche zweifellos auch auf die grossen Reformen der Personentarife in der jüng- sten Zeit mitbestimmend einwirkten.

Es kann nicht ausser Acht gelassen werden, dass der Personenverkehr sich in einem Ackerbaustaate naturgemäss ganz anders gestaltet, wie in einem Industriestaate.

Die weniger dichte Bevölkerung, die grosse Entfernung der Ortschaften von einander hat schon bei der Anlage der Eisenbahnen in Ungarn im Zu- sammenhange mit den aus der Post-

kutschenzeit übernommenen hohen Cre- bühren es mit sich gebracht, dass die ab- solute Höhe der Personentarife eine kräftige Entwicklung des Personenver- kehrs ausschloss.

Hiezu hat zweifelsohne auch noch der Umstand beigetragen, dass in einem Lande, in welchem die Ackerbau trei- bende Bevölkerung die Mehrzahl bildete, und schon aus diesem Grunde allein der Pferdebesitz selbst bei dem ärmeren Theil der Bevölkerung vorherrschend war, die Benützung der Eisenbahnen zur Personen- Beförderung nicht leicht platzgreifen konnte.

Bei Beibehaltung dieser hohen Tarife musste sodann die aus Gründen staats- finanzieller Natur eingeführte Transport- steuer, welche für Personentransporte im Jahre 1875 lo^o, 1880 15% und 1887 18% betragen hatte, auf den ungarischen Personenverkehr ebenfalls lähmend ein- wirken.

Es sei jedoch hervorgehoben, dass nicht die Besteuerung des Personen- verkehrs es ist, die diesen in der Ent- wicklung behindert, sondern in erster Reihe nicht entsprechende Tarife, und es genügt wohl zur Erhärtung dieser Behauptung auf den Umstand hinzu- weisen, dass die in jüngster Zeit erfolgte wesentliche Herabsetzung der Personen- tarife selbst bei Einhebung der oben erwähnten hohen Transportsteuer eine ganz ungeahnte Zunahme des Personen- verkehrs und auch der Einnahmen aus demselben ergeben hat.

Einen Wendepunkt in der Entwick- lung des Personenverkehrs in Ungarn und im Personentarifwesen der Eisen- bahnen überhaupt bildete die bereits an- gedeutete Einführung des Per- sonen-Zonentarifes im Jahre 1889.

Wir können in die nähere Erörterung dieser Reform nicht eingehen, ohne das Andenken des Schöpfers derselben, des damaligen ungarischen Handelsministers Gabriel von Baross, auch an dieser Stelle zu ehren.

Der Weltruf, welchen der Zonen- tarif erweckt hatte und die grossen bleiben- den Erfolge desselben in Ungarn sicherten wohl auch für sich allein dem > eisernen«

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Das Eisenbahnwesen in Ungarn seit 1867.

Minister die Unsterblichkeit seines Namens, die dankbare Nation errichtet jedoch ihrem grossen Sohne ein ehernes Startdbild, welches vor dem Ostbahnhofe der Haupt- stadt seinen Ruhm für ewige Zeiten ver- künden wird.

Die durch die früher erwähnten Ur- sachen herbeigeführte Stagnation des Per- sonenverkehrs und auch die Erkenntnis, dass das durch verschiedene Tarifmass- nahmen nur einzelnen Interessen-Schichten zugängliche billige Reisen für die Dauer doch unmöglich ein Monopol bleiben könne und all jenen in gleicher Weise zugänglich gemacht werden müsse, die die Eisenbahn benützen, damit das ge- setzlich sanctionirte Princip der gleichen Behandlung auch im Personenverkehre sich bethätige, hat schliesslich dazu ge- führt, die Personentarife der Staatsbahnen in Ungarn einer gründlichen Revision zu unterziehen.

Was war daher näher gelegen, als die Verallgemeinerung der übrigens ver- hältnismässig genügend in Anspruch genommenen, vielen Ausnahmsbegün- stigungen, die möglichste Paralysirung der den Personenverkehr belastenden iS^/^igen Transportsteuer, damit auf diese Art die grossen Massen dem Eisenbahn- Verkehre gewonnen werden.

Dies waren die Motive vom Standpunkte des Eisenbahnbetriebes. Nachdem es sich jedoch um Staatsbahnen handelte, kamen bei Einführung des Zonentarifes auch andere öffentliche Interessen zur besonderen Geltung.

Unter diesen steht in erster Reihe das offenbare Bestreben der Regierung, dass die billigen Fahrpreise kein Mono- pol Einzelner bilden sollen und dass die- selben nicht blos Jenen zur Verfügung seien, welche zur Erholung, Zerstreuung oder aus ähnlichen Gründen reisen.

Der Tarif selbst ist aus der auf Seite 433 befindlichen Tabelle ersichtlich.

Durch die Einführung von Strassen- bahn-Preisen im Nachbarverkehre und durch die im Femverkehr auf alle Wap^enclassen in gleicher Weise ausge- dehnte, wesentliche Ermässigung wurde den vorhin erwähnten Eisenbahnbetriebs- Rücksichten Rechnung getragen und auch das grosse Princip der gleichförmigen

Behandlung kam prägnant zum Aus- druck.

Diese Massnahmen ermöglichten es schliesslich, dass der Landmann und Arbeiter, deren grösserer Theil Decennien hindurch neben der Eisenbahn sich der Strassenfuhrwerke bediente oder zu Fuss wandern musste, die Eisenbahn ebenfalls zu benützen vermochte, und so ging die grosse Prophezeiung Georg Stephen- son's in Erfüllung: »Ich sehe die Zeit kommen, in welcher der Arbeiter billiger mit der Bahn als zu Fuss reist.«

Vom tariftechnischen Standpunkte hat der Zonentarif den Vortheil, dass die Fahrpreise nicht nach kilometrischer Ein- heit, sondern auf grössere Distanzen fest- gestellt wurden, wodurch es auch ermög- licht war, die grosse Masse von Fahr- karten-Sorten sehr wesentlich zu ver- ringern.

Das interessanteste Detail des Zonen- tarifes ist offenbar die Festsetzung eines Maximal- Fahrpreises.

Wir wollen es hier nicht näher unter- suchen, ob diese Massnahme richtig war, weil die Frage obzwar der Zonen- tarif bereits zehn Jahre besteht heute noch nicht entschieden beantwortet wer- den kann.

Der Grundgedanke mit der Zahlungs- fähigkeit der grossen Massen zu rechnen ist bei Staatsbahnen und unter den ungarischen Verhältnissen zweifellos rich- tig und hiebei kommt die dem gegen- über betonte Theorie, dass der für die Eisenbahnleistung zu zahlende Preis immer auf der Entfemungseinheit zu basiren habe, unseres Erachtens ausser Betracht.

Gegenüber der zäh vertheidigten Theorie genügt es wohl darauf hinzu- weisen, dass die Ungarischen Staatsbahnen vor dem Jahre 1889 auf grosse Entfer- nungen einen kaum nennenswerthen Ver- kehr hatten; während der Wirksamkeit des Zonentarifes aber hat dieser Ver- kehr sowohl percentuell, als auch absolut und bezüglich der Einnahmen ungeahnte Dimensionen angenommen.

Wir sind weit entfernt hieraus die Consequenz abzuleiten, dass der Maximai- Fahrpreis, das ist derjenige der XIV. Zone, eine unverrückbare Grenze der Zahlungs-

Ludwig Jellinek, Tarifwesen.

433

Zonentarif,

Zone

Distanz in Kilometern

Fahrpreise für eine Person für

Personen-, Omnibus- und gemischte

Eil-

züge

111.

in Gulden incl. Steuer- und Stempelgebühr

Nachbarverkehr vom i. August 1889 bis i. März 1896.

von einer Station zur nächsten

030

015

o 10

von einer Station

zur zweit- nächsten Station

0-40

0*22

015

Nachbarverkehr vom i. März 1896 angefangen.

I 10

030

015

0 10

II-I5

16—20

040

050

0-22

015

030

0-20

Fernverkehr.*)

I

1

1-25

11

1

26-40

III '

41-55

IV '

56—70

V

71-85

VI

86-100

VII

101-115

VIII

116— 130

IX

131-145

X

146—160

XI

161— 175

XII

176—200

XllI

201—226

XIV

Ueber 226

060

[050]

1-20 [100]

r8o [150]

2*40 [200]

300

[250]

360 [300]

4 20

[3-50]

480

[4-00]

540 [450]

600

[500J

660

[5-501

7*20

[6-00]

810

040

080

1-20 I 60' 200 2-40

2 -80

320 360

400

440

480 5-40

[7*00] I [5-30]

900 i 600 [8-00] , [580]

025 050

075 roo

1-25

150

175 200

2-25 250 275 300

3-50

4*00

075 [0'6o]

1-50

[1*20] 225

[1-80]

300

[2-40]

375

[3-00]

450 [360]

5*25

[420J

600

[4-8o]

675

[5-40]

7'50

[600]

825 [660]

9*00

[720]

10-50

[8-40]

1200 [9-60]

050 I 00

1-50 200 250 300

350 400

450 500

550

600

700

[650]

800

[700]

030 060 090

1-20

1-50 180 2- 10 240 270 300

I 330

360

430

' l4'20]

I 500 [4-8o]

i

*) Die unter Klammer angeführten Fahrpreise waren vom -l. August 1889 bis I. März 1896 giltig.

Geschichte der Elsenbahnen. III.

28

434

Das Eisenbahnwesen in Ungarn seit 1867.

fähigkeit des Reise-Publicums bildet, denn diese Grenze kann immerhin unter Be- rücksichtigung der wirthschaftlichen Ver- hältnisse des Landes eine Verschiebung erleiden.

Die eine unbestreitbare Thatsache kann jedoch schon nach den bisherigen Erfahrungen festgestellt werden, dass

wenigstens in Ungarn die im Zonentarif zum Ausdruck gebrachten Grundgedanken und Grundprincipien be- züglich der Personentarife die einzig richtigen sind.

Den Beweis hiefür liefert der Umstand, dass successive auch die ungarischen Privatbahnen vor Kurzem auch die Südbahn dieses System acceptirten und dass in dieser Richtung auch im Auslande Versuche gemacht wurden.

Es erübrigt nunmehr nur noch jene markanteren Bestimmungen des Zonen- tarifes zu erwähnen, welche mit der Eigen- artigkeit des Systems zusammenhängen:

Die billigen Fahrkarten des Nachbar- verkehrs — als besondere Begünstigung

dürfen im Fernverkehre nicht benützt werden, sind daher auch zu Fahrkarten- Combinationen im Fernverkehre nicht zu- gelassen; diese Karten haben nur für Personen-, Omnibus- und gemischte Züge Geltung und müssen daher bei Benützung der Eilzüge die Preise des Fernverkehrs entrichtet werden.

Behufs Hebung des Fremdenverkehrs der Hauptstadt und auch aus finanziellen Gründen haben die Fahrkarten des Fem- verkehrs bei Reisen über Budapest hinaus keine Geltung und können nur bis und ab Budapest gelöst werden.

Diese Bestimmung hat jedoch selbst- redend nur bei den in die XIV. Zone [über 226 km] fallenden Reisen praktische Bedeutung. '

Im Allgremeinen haben die Fahrkarten nur eine Giltigkeitsdauer von 24 Stunden, bei Reisen der XIV. Zone also [denn nur bei diesen kommt diese Bestimmung in Frage] muss für den nach 24stündiger Fahrt noch zurückzulegenden Weg der Fahr- preis besonders entrichtet werden.

Eine freiwillige einmalige Unter- brechung der Fahrt ist blos bei den Reisen in der I. XIII. Zone zulässig, während bei Reisen in der XIV. Zone

die Fahrt ununterbrochen zurückgelegt werden muss, da die Fahrkarte sonst ungiltig wird.

Trotz der besonders billigen Fahr- preise finden sich im Zonentarif eine grosse Anzahl von Sonderbegünstigungen für Kinder, Findlinge, Schüblinge, An- gestellte des Staates, der Städte und Ge- meinden, für verschiedene humanitäre An- stalten und für in Gruppen reisende Arbeiter.

Ausserdem wurde auch noch das System der Schülerkarten und der ganz besonderen Begünstigungen für die Sommerbewohner der Umgebung der Hauptstadt aufrecht erhalten.

Die Verausgabung von Abonnement- Karten für einzelne Strecken oder für alle Linien der Ungarischen Staatsbahnen wurde wohl mit Einführung des Zonen- tarifes sistirt, jedoch nach wiederholter Urgenz der Handelskreise im Jahre 1897 wieder eingeführt.

Um schliesslich wenigstens ein an- näherndes Bild von der Entwicklung des Personenverkehrs zu geben, constatiren wir, dass auf den Ungarischen Staats- bahnen [ohne Zuwachs neuer Linien] im Jahre 1888 . . . 9,140.200 » » 1894 . . . 32,583.100 Personen befördert wurden, in welchen Ziffern der Verkehr der inzwischen ver- staatlichten Eisenbahnen inbegriffen ist.

Die Einnahmen aus dern Personen- verkehr betragen

im Jahre 1888 . . . 14,199.600 fl. » » 1894 . . . 23,369.400 »

Die Anzahl der Reisenden der XI V. Zone ist in derselben Zeit von 246.200 auf 1,162.800 gestiegen, während die Ein- nahmen in diesem Verkehre sich von 1,819.300 fl. auf 6,147.800 fl. gehoben haben.

In demselben Verhältnisse hat sich auch der Personenverkehr der im Betriebe der Ungarischen Staatsbahnen befind- lichen Localbahnen entwickelt und wir wollen in dieser Hinsicht blos die Daten der Zagorianer Localbahn, einer in einer armen Gegend liegenden Eisenbahn von 116 /?!«, erwähnen:

Ira Jahre 1888 1894

66.700 fl. 387.200 fl. 64.000 » 140.400 >

Anzahl der beförderten

Personen

Einnahmen

Ludwig Jellinek, Tarifwesen.

435

Gepäckstarife.

Ueber die Entwicklung der Reise- gepäcks-Tarife in Ungarn ist kaum etwas besonders Bemerkenswerthes zu ver- zeichnen. Diesem Zweige des Eisenbahn- Verkehrs wurde hier bezüglich der Tarif- bestimmungen ebensowenig Aufmerksam- keit geschenkt, als in anderen Ländern, und die wenigen Bestimmungen, beziehungs- weise Aenderungen, die sich im Laufe eines halben Jahrhunderts ergeben haben, wareh bis zur Zeit der Einführung des Zonen- tarifes in Ungarn so ziemlich dieselben, wie auf den österreichischen Eisenbahnen.

Die nennenswerthen Aenderungen be- zogen sich zumeist auf das Mass des gewährten Freigepäcks.

Eine radicale Aenderung des Ge- päcktarifes hat im Jahre 1889 mit dem Inslebentreten des Zonentarifes auf den Ungarischen Staatsbahnen und successive auch auf den übrigen ungari- schen Bahnen, welche das System des Zonentarifes acceptirten, stattgefunden.

Anstatt der Berechnung nach Kilo- gramm- und Kilometer -Einheit wurden unter Aufhebung des Gepäcks - Frei- gewichtes blos drei Gewichts- und ebenso- viel Entfernungs-Einheiten festgestellt, und zwar für Gepäcksstücke bis zu 50 kg^ von 51 100 kg und solche von über 100 /?;5^. Die Entfemungs-Einheiten sind nunmehr von I 55 ktfiy von 56-— 100 km und dann über 100 kvi festgesetzt.

Auf Grund dieser Einheiten wurde folgender Gepäckstarif festgestellt :

Zone

I 11 '

III

Transportgebühr pro Stück 1 in Gulden |

1-50 kg

0.25 0.50

1 I.-

51—100

_ ^sr

0.50 I.—

2-

über 100 kg

I.— 2.—

4-

Es bedarf wohl keiner besonderen Gegenüberstellung der alten und neuen Gepäckstaxen, um zu beweisen, welch namhafte Ermässigun<2: den Reisenden durch den neuen Tarif geboten wurde.

Für die Bahnverwaltunj^ war jedoch die grosse Ermässigung auch nicht von Nachtheil, denn schon in den ersten zwei

Jahren [vom i. August 1889 bis 31. Juli 1891] hat die Anzahl der aufgegebe- nen Gepäcksstücke von 1,329.000 auf i>78o.500, demnach um 451.400 Stücke zugenommen, während die Einnahmen im Gepäcks verkehre in derselben Zeit- periode von 817.00011. auf 1,287.20011., also um 470.200 11. gestiegen sind. Es muss jedoch bemerkt werden, dass die Mehr- einnahmen zum Theile auch der Aufhebung des Freigepäckes zuzuschreiben sind.

Diese einfache Art des Gepäckstarifes erheischte keine besonderen Bestimmungen und konnten im Grossen und Ganzen dieselben Normen beibehalten werden, wie auf den übrigen Eisenbahnen, so dass die Anwendung des neuen Tarifes im An- schlussverkehre mit fremden Bahnen gar keine Schwierigkeiten verursachte.

Der Bahn Verwaltung bietet der Tarif den grossen Vortheil der raschen, leichten und sicheren, auch vom Reisenden leicht controlirbaren Calculation, ermöglicht die Anwendung von geldwerthen Marken, welche theils als Anklebezettel, theils als Aufgabescheine dienen und daher die Ver- rechnung ausserordentlich vereinfachen.

Schliesslich bietet das neue System den grossen Vortheil, dass mit Rück- sicht auf die grossen Gewichtsdifferenzen der einzelnen Kategorien eine Abwäge der Gepäcksstücke im Localverkehre in vielen Fällen überhaupt nicht noth- wendig ist.

Gütertarife,

Die Gleichheit der Gütertarife nach Inhalt, Eintheilung und überhaupt der äusseren Form mit den 'österreichischen Tarifen, welche vor dem Jahre 1867 in beiden Reichshälften bestand, wurde in Ungarn auch seit dem Jahre 1867 beibe- halten, obwohl seit dieser Zeit die unga- rische Regierung, abgesehen von der im Ausgleichs-Ciesetze zugesicherten Confor- mität der Eisenbahnbetriebs-Ordnung und des Eisenbahn-Reglements beider Staaten der Monarchie, in dieser Hinsicht frei ver- fügen konnte.

Ganz abgesehen von einzelnen Ur- sachen, auf die wir noch später zurück- kommen werden, haben sowohl die un- garischen Privat- als auch die Staats-

28*

436

Das Eisenbahnwesen in Ungarn seit 1867.

bahnen diese Gleichförmigkeit der Tarife, offenbar aus dem Grunde beizubehalten für gut befunden, weil dieselbe nicht blos vom Standpunkte einer raschen und möglichst glatten Abwicklung des Verkehrs und der aus demselben resul- tirenden Abrechnungen der Eisenbahnen untereinander, wir möchten behaupten, unerlässlich schien, sondern weil diese Gleichheit vielleicht in noch erhöhterem Masse vom Interessenstandpunkte des Han- dels als wünschenswerth anerkannt wurde.

Zu diesen, wohl an imd für sich genügend gewichtigen Gründen gesellt sich jedoch ein weiteres, höchst wich- tiges Moment, welches bezüglich der Entwicklung der Gütertarife nicht nur in der Vergangenheit eine massgebende Rolle gespielt hatte, sondern trotz aller Reformbestrebungen der Neuzeit auch •in Hinkunft eine massgebende Rolle spielen wird.

Die Einnahmen der Eisenbahnen aus dem Güterverkehr betragen beiläufig Dreiviertel der Gesammteinnahmen. Es ist daher begreiflich, dass mit Rücksicht auf den grossen Capitalswerth der Eisen- bahnen, an dem die Einnahmen zweifel- los stark beeinflussenden System der Gütertarife nicht gerne gerüttelt wird, umsomehr, als die Eisenbahn-Gütertarife bei den Privatbahnen au$ rein finan- ziellen Gründen, bei den Staattsbahnen aber überdies aus wirthschaftlichen und handelspolitischen Gründen eine gewisse Stabilität erheischen.

Die Erfahrung der jüngsten Zeit hat sofeme ganz dass diese Auffassung in- auch gelehrt, richtig ist, als in Ungarn die Personentarife auf einem ganz an- deren System beruhen, wie in Oester- reich, ohne dass dieser Umstand den wechselseitigen Personenverkehr der bei- den Staaten irgendwie beeinträchtigt hätte, während bezüglich des Güter- verkehrs sich auch bei uns das Bestre- ben äussert, die Gütertarife nicht blos mit den österreichischen, sondern auch mit jenen uns zunächst interessirenden Eisenbahnen Deutschlands möglichst gleich zu halten.

Trotz dieser Gleichheit in der Ent- wicklung der Gütertarife Ungarns und Oesterreichs gibt es jedoch auch speciell

bezüglich der Gütertarife in Ungarn einige markante Momente, deren Erör- terung die auch auf das ungarische Tarif- wesen sich beziehende Darstellung der Entwicklung des Eisenbahn-Tarifwesens in Oesterreich zu ergänzen geeignet sind.

Wir müssen auch hier wieder auf die Verhandlungen der Legislative aus dem Jahre 1836 zurückgreifen, um dar- zuthun, dass man sich in Ungarn schon damals mit dem Wesen des Eisenbahn- Gütertarifes eingehend befasst hatte und wie bereits erwähnt wurde der auch heute noch massgebenden An- schauung Ausdruck verlieh, dass die Eisenbahnen kein Monopol bilden dürfen, und dass es daher wünschenswerth wäre, unter unmittelbarer Einflussnahme der Staatsgewalt Maximaltarife festzustellen.

Dieses auch in anderen Staaten all- gemein angenommene Grundprincip kam in Ungarn eigentlich als Gompromiss jener beiden Strömungen zustande, deren eine die Feststellung der Tarife unbe- dingt der Legislative vorbehalten wollte, während die andere Strömung, in Be- fürchtung, dass durch derartige gesetz- liche Normen das Zustandekommen von Eisenbahnen erschwert wird, sich für volle Tariffreiheit aussprach.

Die Idee, die Feststellung der Eisen- bahntarife durch die Legislative vorzu- nehmen, trat in viel späteren Jahren auch in Oesterreich in viel kräftigerer Form Zu Tage und es wurde dieselbe bezüglich der Personentarife, wie an anderer Stelle ausführlich dargelegt wird,*) auch mit Gesetzeskraft durchgeführt.

Es wurde bereits darauf hingewiesen, dass ein so weitgehendes Eingreifen der Staatsgewalt in die Erstellung von Eisen- bahntarifen in Ungarn überhaupt nicht versucht wurde.

Aus der alten Zeit wollen wir noch ein charakteristisches Moment hervorheben.

Das Princip der gleichen Behandlung der Parteien im Eisenbahn-Güterverkehr und der Oeffentlichkeit der Tarife war auch in Ungarn, und zwar schon seit 1836 anerkannt und gewürdigt. Zur reinen Anwendung dieses Principes jedoch

♦) Vgl. Bd. III, Th. Englisch: Per- sonentarite.

Ludwig Jellinek, Tarifwesen.

437

kam es bei uns sowohl, wie auch in Oesterreich erst in den Siebziger-Jahren.

Schon im Jahre 1850 finden wir, dass die österreichische Aufsichtsbehörde, unbekümmert um die eben erwähnten Grundprincipien, dem Vorsteher der k. k. Betriebs- Direction der Südöstlichen Staats- bahn in Pest die Vollmacht ertheilt, mit einzelnen Verfrachtern sogenannte Refactie- Verträge im eigenen Wirkungs- kreise abzuschliessen, mit anderen Worten, es gestattet, das Einzelnen monopolartige Begünstigungen zugestanden werden. Diese, damals nur sporadisch aufgetretene Art der Tarif- Feststellung von Fall zu Fall hat sich mit der weiteren Aus- gestaltung des Eisenbahnnetzes in Ungarn leider in gleichem Masse entwickelt, so sehr, dass dieselbe als Tradition auch nach dem Jahre 1867 beibehalten wurde.

Das Festhalten an dieser Ueberlieferung führte sodann zu den, eine der traurigsten Episoden in der Entwicklung des Eisen- bahnwesens bildenden Tarifkämpfen, in welchen sozusagen jede Bahn gleichzeitig Angreifer und Angegriffener war und welche Kämpfe zum grossen Nachtheile des Finanzärars und der wirthschaftlichen Interessen des Landes so weit aus- arteten, dass auch die Uggarischen Staats- bahnen, welche gewiss nicht berufen sind, sich solcher Mittel zu bedienen, in dieses unvernünftige Gebaren hinein- gezogen wurden, und dass selbst Eisen- bahnen mit Zinsengarantie auf diese Weise unter einander und gegen die ' Ungarischen Staatsbahnen concurrirten.

Es würde wohl zu weit führen, die schädliche Wirkung einer derartigen, im Uebrigen auch dem Wortlaute und dem Geiste der Concessions-Urkunden wider- sprechenden Tarifpolitik des Näheren zu. erörtern, und bedarf es nur des Hin- weises, dass die sehr häufig die Selbst- kosten der Eisenbahn nicht deckenden ermässigten Frachtsätze eine unnatür- liche und ungesunde Entwicklung des Handelsverkehrs verursachten, unter nor- malen Verhältnissen ganz unmögliche Frachtgeschäfte ermöglichten, jedwede ver- nünftige Combination ausschlössen und hie- durch zeitweilig eine derartige Verschie- bung der Handelsconjuncturen hervor- brachten, dass hieraus nur Einzelne zum

Nachtheile der Gesammtheit Vortheile ziehen konnten.

Das energische Eingreifen der unga- rischen Regierung in den Siebziger-Jahren bereitete schliesslich diesem Krebsschaden des Handelsverkehrs ein jähes Ende und es wurden in Ungarn, später im Ein- vernehmen mit der österreichischen Re- gierung die Normen der Gewährung von Tarifbegünstigungen im Verordnungs- wege festgestellt.

Freilich hat diese Rückkehr in ge- regelte Bahnen eine, wenn auch nur vorübergehende verstimmende Wirkung gehabt, indem sich wiederholt Trans- porte, die unter den Kampftarifen sehr gut möglich waren, nun absolut nicht ausführen Hessen. Die Folgen bewiesen jedoch, dass die theilweise wohl erhöhten, jedoch nunmehr stabileren, Jedermann zugänglichen Tarife einer gesunden und kräftigeren Entwicklung des Handels- und Eisenbahnverkehrs durchaus nicht im Wege standen, vielmehr der bezügliche grosse Aufschwung aus der Zeit der ge- regelten Tarifverhältnisse datirt.

Die Entwicklung des Eisenbahn-Tarif- wesens in Ungarn bietet vom Jahre 1 867 an ein ganz eigen thümliches Bild.

Das Land hatte zu jener Zeit be- kanntlich nur wenige Eisenbahnen und gar keine Staatsbahnen. Die wenigen Privatbahnen in Ungarn, die vom Stand- punkte des Handelsverkehrs in Betracht kpmmen konnten, und zwar die Linien der Staatseisenbahn-Gesellschaft und die- jenigen der Südbahn, hatten zur Ent- wicklung eines specifisch ungarischen Tarifwesens sozusagen gar nichts bei- getragen. Beide Bahnen waren als Privat- unternehmungen natürlicherweise bestrebt, eine möglichst hohe Verzinsung ihres Capitals zu erzielen. Beide Institute waren gemeinsame Bahnen, wurden von Wien aus geleitet und es ist daher ganz begreiflich, dass dieselben in Ungarn keine eigene Tarifpolitik betreiben konnten.

Als Beispiel dieser Eigenartigkeit sei erwähnt, dass es seinerzeit harte, jahre- lange Kämpfe kostete, bis sich die unga- rischen Privatbahnen dazu entschlossen, im Interesse der Mühlenindustrie, der da- mals einzigen Industrie des Landes, die-

AV-

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Während ;»lvi in anderen Ländern da%j':ni;(':, wa«i auf dern Gebiete der hiMmhahntarife j^enchaffen wurde, doch ziirniriHt aus der Initiative der in früherer >icit vorherrschenden Privathahnen ent- «•prafiJ4, fehlte in Int^arn, wie wir aus der in (^ro^sen Zü^en skizzirten Situation er«K:hcn können, jedwede Grundlage für eine iielhstäridi^e Tarifentwicklun^^.

Ks miMH daher unter Kr>lchen Um- AtUnden, j^anz abgesehen von den poli- tischen Verhiiltrn'hHen den Lande», welche Hcfion an und für hich eine kräftigere Action der Ke^ierunj^ erheischte, als in anilcren Ländern mit politisch con- Nolidirten Verhältnissen, ganz begreif- lich crMcheinen, dass Alles, was auf dem (iebicte der Eisenbahntarif-Entwicklung in t'ngarn geschah, auf die Initiative der Wi'gicrung zurückzuführen ist, und dasH die Krrungenschaftcn des Handels und Verkehrs, insoweit selbe von den Misenbahncn abhängen, ausschliesslich der ziclbewussten Thätigkcit der Regie- rung zu danken sind.

Die ungarische Regierung erkannte ihre schwere Aufgabe, dem Lande eine vcrnünitigc Kiscnbahntarif - l'olitik zu bioton, rasch genug und Wiste dieselbe, ohne aus der früheren Zeit nachahmens- wotlho Traditionen vorgefunden zu haben, mit don ihr damals zu (lebote gestan- donon Mitteln, in erster Reihe im Wege der ( loneossions-rrkunden.

In don (loncessions-Urkunden der zu joitor Zeit mit staatlicher Zinsengarantie gebauten Hahnen behielt sich die Re- gioiung niassgebenden Kintluss auf die Taiite vor; bethätigen koimte sich jedoch diese lujillussnahme allerdings erst in sp.Hteier Zeit» als der Staat schon im Hesit/e eines eigei\en Net /es war und

<iLt^ >Z2L2Ci^z ihnec a-^f ücsen: Geriete eine

Ir.t E:nf:.:*«nahme der Staatsgewalt auf d:e Tarife der Eiser.**? ahnen erstreckte siih Iflyih rJch: hlos acf solche Bahnen, die vennö^e ihres ünanziellen Verhält- nisses zum Staate sich ganz naturgemäss diesem Eir.tijsse unterwerten mussten, sondern auch auf solche Bahnverwaltim- gen, die ohne Garantie und auch ohne anderweitige staatliche Unterstützung zu- stande kamen.

Diese letztere Art von Eisenbahnen, zumeist als Localbahnen gebaut, wenn auch bei mehreren die Bedeutung der- selben weit über die einer Localbahn hinausgeht, wurden und werden auch heute noch verhalten, im ungarischen Seehafen verkehre billige Tarife zu ge- währen, die heimische Industrie tarifarisch zu begünstigen u. s. w. Bei einzelnen dieser Eisenbahnen ist sogar die An- wendung des Bar^mes der Ungarischen Staatsbahnen bedungen und auch die Ausübung des Tarifrechtes auf denselben den Ungarischen Staatsbahnen gesichert. Bei anderen hinwieder wurde die Aus- übung dieses Tarifrechtes blos auf den Transitverkehr beschränkt.

Nachdem die^in grösserem Umfange geplanten und auch ausgebauten Eisen- bahnen des Landes vermöge ihrer geogra- phischen Lage für sich allein nicht im Stande waren, dem Handelsverkehr solche Tarife zu bieten, welche der durch die grosse Weltconcurrenz erschwerte Export der ungarischen Bodenproducte erheischte; diese Eisenbahnen auch der in Ungarn successive entstandenen Industrie nicht die gehörige Unterstützung bieten konnten und nachdem man erfahrungsgemäss auf die ausgiebige Hilfe der schon früher er- wähnten alten Privatbahnen des Landes auch nicht rechnen konnte, musste der Staat zu dem unter den ungarischen Ver- hältnissen einzig richtigen Mittel der Aus- gestaltung des Staatsbahnnetzes greifen.

Die massgebende Einflussnahme der Staatsbahnen auf die Eisenbahntarife ITngarns war der Erfolg zielbewusster, jedoch mühevoller, auf Jahrzehnte sich erstreckender Thätigkeit

tls würde zu weit führen, wenn wir in dieser kurzen Abhandlung eine, wenn

Ludwig Jellinek, Tarif wesen.

auch noch so knappe ( Stellung der tarifarisc! der Ungarischen Stai wollten, und glauben nUgeii dUrite, aus dem blos einige markante zuheben.

Ein solch wichtige die in Verbindung mit Budapest-Neu-Szönyer Tischen Staatsbahnen bildungsmacht in der durch welche es ermC ungarischen Export- bestrebungen ganz unabhängig von der

Marc h egg - Wiener Linie der Staatseisen-

bahn-GeselJschaft nach Bedarf zu för- dern und die äusserst billigen Tarife der Ungarischen Staats - bahnen bis nach Oesterreich zu er- strecken.

Ein zweites inter- essantes Moment ist die Einführung des Reformtarifes auf den Linien der Südbahn- Ges eil Schaft.

Wir glauben wohl nicht fehl zu gehen, wenn wir diese Ent- schliessung der Süd- bahn auf die indirecte Einflussnahme der Ungarischen Staats - bahnen zurückführen, welche mit Hilfe der Budapest - Fünfkirchner Bahn den Heformtarif im ungarisch- adriatischen Verkehre zur Geltung bringen konnten.

Wie bereits erwähnt, lehnten sich die Tarife der ungarischen Eisenbahnen an die der österreichischen Bahnen an, und zwar sowohl dem Wesen, als auch der Form nach. Gleichzeitig mit dem Ein- brüche der neuen Aera in Ungarn nahmen jedoch die Bestrebungen nach Tarif- reformen sowohl jenseits als diesseits der Leitha einen acuten Charakter an.

Begründet waren diese Bestrebungen im vollen Masse ; bildeten doch die Tarife

Conglomerat, welches ier Frachtgeber, noch

lanstalten selbst kaum werden konnte. Neben ässig festgestellten Tarif- ahmetarifen gab es eine Jen der Eisenbahnen an- Lsnahmetarife. Distanz-, itungs- und Saisontarife erdenklichen Formen s gewürdigten Refactie- in Verwaltung nutzte den welchen die Concessions- Urkunden bezüglich der Tarife ihr zuge- standen, gehörig aus. Als schon die dringliche Nothwen- digkeit der Tarifre- form seitens des Pu- blicitms bewiesen und seitens der Bahnan- stalten zugestanden wurde, drehte sich der Streit um das Mehr oder Weniger des Frachtpreises.

Einemungarischen Fachmanne, dem spä- teren General- Direc- tor der ersten Sieben- bürger Bahn, Karl Freund von Fe- renczi [siehe Abb. 102], war es vorbehalten, sich mit der Frage einer durchschlägigen Reform der ungari-

I Freund Kiroly , , -j..,.

sehen und mittelbar der Gütertarife der österreichischen Bah- nen zu befassen. Wenn auch der Freund- sche Tarif das vor Augen gehaltene Ideal eines vollkommenen Tarifes nicht erreicht hat und auch seine Giltigkeit von kurzer Dauer war, glauben wir uns mit demselben hier befassen zu müssen, denn es steht ausser Zweifel, dass das Grundprincip dieses Tarifes auf den Reformlarif vom Jahre 1876 von grossen Einfluss war.

Freund's Reformbestrehungen richteten sich hauptsächlich gegen die Waaren- classification der damaligen Tarife, welcher vornehmlich der Werth der Waare als Massstab diente.

438

Das Eisenbahnwesen in Ungarn seit 1867.

selbe Tarifirung für Mahlproducte zu ge- währen, wie für Getreide.

Eine Beeinflussung dieser Eisenbahnen seitens der ungarischen Regierung war mit Rücksicht auf die Bestimmungen der Concessions- Urkunden dieser Verwaltun- gen so ziemlich ausgeschlossen. Die Tarif ent Wicklung dieser zwei Haupt- bahnen sowie der damals noch einzigen grossen ungarischen Bahn, der Theiss- bahn, geschah ausschliesslich nach öster- reichischem Muster.

Während also in anderen Ländern dasjenige, was auf dem Gebiete der Eisenbahntarife geschaifen wurde, doch zumeist aus der Initiative der in früherer Zeit vorherrschenden Privatbahnen ent- sprang, fehlte in Ungarn, wie wir aus der in grossen Zügen skizzirten Situation ersehen können, jedwede Grundlage für eine selbständige Tarifentwicklung.

Es mu5s daher unter solchen Um- ständen, ganz abgesehen von den poli- tischen Verhältnissen des Landes, welche schon an und für sich eine kräftigere Action der Regierung erheischte, als in anderen Ländern mit politisch con- solidirten Verhältnissen, ganz begreif- lich erscheinen, dass Alles, was auf dem Gebiete der Eisenbahntarif-Entwicklung in Ungarn geschah, auf die Initiative der Regierung zurückzuführen ist, und dass die Errungenschaften des Handels und Verkehrs, insoweit selbe von den Eisenbahnen abhängen, ausschliesslich der zielbewussten Thätigkeit der Regie- rung zu danken sind.

Die ungarische Regierung erkannte ihre schwere Aufgabe, dem Lande eine vernünftige Eisenbahntarif - Politik zu bieten, rasch genug und löste dieselbe, ohne aus der früheren Zeit nachahmens- werthe Traditionen vorgefunden zu haben, mit den ihr damals zu Gebote gestan- denen Mitteln, in erster Reihe im Wege der Concessions-Urkunden.

In den Concessions-Urkunden der zu jener Zeit mit staatlicher Zinsengarantie gebauten Bahnen behielt sich die Re- gierung massgebenden Einfluss auf die Tarife vor; bethätigen konnte sich jedoch diese Einflussnahme allerdings erst in späterer Zeit, als der Staat schon im Besitze eines eigenen Netzes war und

die Staatsbahnen auf diesem Gebiete eine active Rolle spielten.

Die Einflussnahme der Staatsgewalt auf die Tarife der Eisenbahnen erstreckte sich jedoch nicht blos auf solche Bahnen, die vermöge ihres finanziellen Verhält- nisses zum Staate sich ganz naturgemäss diesem Einflüsse unterwerfen mussten, sondern auch auf solche Bahn Verwaltun- gen, die ohne Garantie und auch ohne anderweitige staatliche Unterstützung zu- stande kamen.

Diese letztere Art von Eisenbahnen, zumeist als Localbahnen gebaut, wenn auch bei mehreren die Bedeutung der- selben weit über die einer Localbahn hinausgeht, wurden und werden auch heute noch verhalten, im ungarischen Seehafenverkehre billige Tarife zu ge- währen, die heimische Industrie tarifarisch zu begünstioen u. s. w. Bei einzelnen dieser Eisenbahnen ist sogar die An- wendung des Bar^mes der Ungarischen Staatsbahnen bedungen und auch die Ausübung des Tarifrechtes auf denselben den Ungarischen Staatsbahnen gesichert. Bei anderen hinwieder wurde die Aus- übung dieses Tarifrechtes blos auf den Transitverkehr beschränkt.

Nachdem die .in grösserem Umfange geplanten und auch ausgebauten Eisen- bahnen des Landes vermöge ihrer geogra- phischen Lage für sich allein nicht im Stande waren, dem Handelsverkehr solche Tarife zu bieten, welche der durch die grosse Weltconcurrenz erschwerte Export der ungarischen Bodenproducte erheischte; diese Eisenbahnen auch der in Ungarn successive entstandenen Industrie nicht die gehörige Unterstützung bieten konnten und nachdem man erfahrungsgemäss auf die ausgiebige Hilfe der schon früher er- wähnten alten Privatbahnen des Landes auch nicht rechnen konnte, musste der Staat zu dem unter den ungarischen Ver- hältnissen einzig richtigen Mittel der Aus- gestaltung des Staatsbahnnetzes greifen.

Die massgebende Einflussnahme der Staatsbahnen auf die Eisenbahntarife Ungarns war der Erfolg zielbewusster, jedoch mühevoller, auf Jahrzehnte sich erstreckender Thätigkeit.

Es würde zu weit führen, wenn wir in dieser kurzen Abhandlung eine, wenn

Ludwig Jellinek, Tarif wesen.

auch noch so knappe ( Stellung der tarifarisc der Ungarischen Sta: wollten, und glauben nügen dürfte, aus dem blos einige markante zu heben.

Ein solch wichtige die in Verbindung mit Budapest-Neu-Szönyer rischen Staatsbahnen bildungsmacht in der durch welche es ermt ungarischen Export - bestreb un gen ganz unabhängig von der

Marchegg - Wiener Linie der Staatseisen- bahn-Gesellschaft nach Bedarf zu för- dern und die äusserst billigen Tarife der Ungarischen Staats- bahnen bis nach Oesterreich zu er- strecken.

Ein zweites inter- essantes Moment ist die Einführung des Reformtarifes auf den Linien der Sudbahn- Gesellschaft.

Wir glauben wohl nicht fehl zu gehen, wenn wir diese Ent- schltessung der SUd- bahn auf die indirecte Einflussnahme der Ungarischen Staats- bahnen zurückführen, welche mit Hilfe der Budapest-FUnfkirchner Bahn den Reformtarif im ungarisch-adriati sehen Verkehre zur Geltung bringen konnten.

Wie bereits erwähnt, lehnten sich die Tarife der ungarischen Eisenbahnen an die der österreichischen Bahnen an, und zwar sowohl dem Wesen, als auch der Form nach. Gleichzeitig mit dem Ein- brüche der neuen Aera in Ungarn nahmen jedoch die Bestrebungen nach Tarif- reformen sowohl jenseits als diesseits der Leitha einen acuten Charakter an.

Begründet waren diese Bestrebungen im vollen Masse; bildeten doch die Tarife

Conglomerat, welches .er Frachtgeber, noch lanstalten selbst kaum Verden konnte. Neben ässigfestges teilten Tarif- ahmetarifen gab es eine len der Eisenbahnen an- snahmetarife, Distanz-, itungs- und Saisontarife erdenklichen Formen s gewürdigten Refactie- n Verwaltung nutzte den velchen die Concessions- Urkunden bezüglich der Tarife ihr zuge- standen, gehörig aus.

Als schoi

die

dringliche Nothw digkeit der Tarifre- form seitens des Pu- blicums bewiesen und seitens der Bahnan- stalten zugestanden wurde, drehte sich der Streit um das Mehr oder Weniger des Frachtpreises.

Einem ungarischen Fach manne, dem spä- teren General- Direc- tor der ersten Sieben- bürger Bahn, Karl Freund von Fe- renczi [siehe Abb. 102], war es vorbehalten, sich mit der Frage einerdurchschlägigen Reform der ungari- reiin roy Sehen und mittelbar

der Gütertarife der österreichischen Bah- nen zu befassen. Wenn auch der Freund- sche Tarif das vor Augen gehaltene Ideal eines vollkommenen Tarifes nicht erreicht hat und auch seine Giltigkeit von kurzer Dauer war, glauben wir uns mit demselben hier befassen zu müssen, denn es steht ausser Zweifel, dass das Grundprincip dieses Tarifes auf den Keformtarif vom Jahre 1876 von grossen Einfluss war,

Freund's Reformbestrebung^n richteten sich hauptsächlich gegen die Waaren- classitication der damaligen Tarife, welcher vornehmlich der Werth der Waare als Massstab diente.

440

Das Eisenbahnwesen in Ungarn seit 1867.

In seinem Memorandum, mit welchem Freund den Tarifentwurf der Ersten Sieben- bürger Bahn der Regierung zurGutheissung vorlegte, heisst es : »Die Eisenbahnen sind Transport- Anstalten, mögen sie den Preis für ihre Leistungen nach Belieben be- messen. Aber sie mögen und müssen sich hiebei innerhalb der Grenze ihrer Bestimmung und ihres Rechtsbereiches halten, sie mögen sich bezahlen lassen für ihre Leistungen. « Von diesem Stand- punkte hält er es für ungerechtfertigt, dass die Eisenbahn bei Erstellung eines Frachtpreises darauf Rücksicht nehme, ob ein Artikel einen Frachtpreis verträgt oder nicht. »Das ist die Logik des Zoll-

tarifes es ist die unberechtigte

Logik des Fiakers, der seine Kundschaft nach ihrer Eleganz oder Physiognomie taxirt.« Freund basirte seinen Tarif auf ein Zweiclassen-System.

Er reihte die Güter, deren specifisches Gewicht relativ grösser ist, in eine billigere 11. Classe, alle übrigen in die theurere L Classe ein. Die Frachtpreise waren ausschliesslich nach der Gewichts- und Entfemungs-Einheit bemessen, mit Ver- werfung der Distanz- und DifFerenzial- tarife. Der Ausnützung der verwendeten Wagen war damit Rechnung getragen, dass für alle Wagenladungen billigere Frachtpreise erstellt wurden. Der Tarif selbst präsentirte sich daher sehr einfach und übersichtlich. Zwölf Waarengruppen waren als in die II. Classe gehörig auf- gezählt, und zwar: I. Abfälle aller Art;

II. Eisen und Eisen waaren, ordinäre;

III. Eisenbahn-Betriebsmittel, welche auf eigenen Rädern laufen; IV. Erde aller Art; V. Erze, rohe; VI. Gewächse; VII. Hölzer; VIII. Mahlproducte ; IX. Maschinen und Maschinen-Bestandtheile ; X. Metalle [un- edle] und deren Fabrikate ; XL Steine und ordinäre Steinfabrikate ; XII. Mineralische Brennstoffe. Die in diese Gruppen ge- hörigen Artikel wurden bei Aufgabe von beliebigen Mengen zum Frachtsatze von I kr., bei Aufgabe von 200 Zoll-Centnern = 10.000 kg mit einem Frachtbrief zum Frachtsatze von 06 kr. pro Centner und Meile befördert, während die entspre- chenden Frachtsätze aller anderen Waaren 1*5, respective 0'8 kr. betragen haben.

Im Grossen und Ganzen lehnte sich der erste Tarif der Ungarischen Staats- bahnen an diesen im Jahre 1868 publi- cirten Freund^schen Tarif an.

In der Praxis bewies sich jedoch dieser Tarif als unhaltbar.

Die in Eisenbahn-Fachkreisen und im Publicum allgemein verbreitete An- schauung, wonach der Distanztarif das vorzüglichste Mittel sei, einem Artikel, welcher am Productionsorte nicht ge- nügend oder zuweilen gar keinen Absatz findet, auf weiter entlegenen Märkten einen solchen zu schaffen, hat die Direction der Ungarischen Staats- bahnen dazu bestimmt, mit dem vorhin erwähnten Tarifsystem zu brechen, was übrigens die Erste Siebenbürger Bahn schon nach kurzen Erfahrungen mit ihrem Tarif ebenfalls zu thun bemüssigt war.

Der am i. Juni 1874 ins Leben ge- tretene Tarif der Ungarischen Staats- bahnen enthielt schon solche Frachtsätze, deren Einheitssätze mit der zunehmenden Entfernung abnahmen. Aber auch in anderer Hinsicht bestand ein wesentlicher Unterschied zwischen diesem neuen Tarife und dem Freund'schen. Fortan sollte nunmehr die Classification bei den Stück- gütern ganz entfallen, so dass blos eine Stückgutclasse in den Tarif aufgenommen wurde.

Für jene aus gleichartigen Waaren- artikeln bestehenden Frachtsendungen, welche im Gewichte von 100 Zoll-Centnern ^ 5000 kg für einen Wagen und mit einem Frachtbriefe zur Aufgabe gelangten, wurde ein Wagenladungstarif erstellt, femer vier Specialtarife für Getreidearten, Mineralien, Metalle und Brennmaterial, schliesslich für Baumaterialien, sämmt- liche bei Aufgabe in vollen Wagenladun- gen [200 Zoll-Centner = 10.000 kg].

Dieser, auch ziffermässig billigste sämmtlicher in Ungarn und Oesterreich seinerzeit bestandenen Tarife bietet einen Beweis, dass die Ungarischen Staatsbahnen schon in den ersten Anfängen ihrer Thätigkeit sich in ihrer Tarifpolitik auch von allgemein volkswirthschaftlichen, und nicht nur von fiscalischen Interessen und starren theoretischen Formen leiten Hessen, indem dieselben für die Massengüter, welche in Anbetracht der Urproduction

Ludwig Jellinek, Tarifwesen.

441

des Landes in erster Reihe berufen waren, den Handelsverkehr Ungarns zu heben, specielle Tarifmassnahmen schafften, un- geachtet des Festhaltens aller übrigen Bahnen an den althergebrachten, zum Theile veralteten Formen der Tarife und Tarifsysteme. Es hat nicht an Bestre- bungen gefehlt, auch die übrigen unga- rischen Eisenbahnen zur Uebernahme des Ungarischen Staatsbahntarifes zu be- stimmen.

In die in Oesterreich eingeleiteten Verhandlungen zur Schaffung des mit manchen Modificationen auch heute noch bestehenden Reformtarifes vom Jahre 1876 wurden jedoch gar bald auch die ungarischen Eisenbahnen einbezogen, weil auf die Gleichförmigkeit der öster- reichischen Eisenbahntarife mit den un- garischen ebenfalls grosser Werth ge- legt wurde, und das Ergebnis dieser Verhandlungen war, dass unter voll- kommenem Fallenlassen der eben ge- kennzeichneten Tarifsysteme sämmtliche Eisenbahnen von Oesterreich und Ungarn mit Ausnahme der Südbahn den Reform- tarif annahmen.

Seit dem Erscheinen dieses Tarifes sind hervorhebens werthe Reformbestrebun- gen auf dem Gebiete der Gütertarife in Ungarn nicht zu verzeichnen. Die Classen- eintheilung des neuen Tarifes hat sich jedoch durchaus als nicht genügend erwiesen, um alle Anforderungen des Handels und Verkehrs auf allen Eisen- bahnen gleichmässig befriedigen zu können. Und wenn die Eisenbahnen auch nicht gemeinsam und einvernehmlich an dem weiteren Ausbau dieses Systemes arbeiteten, so lässt es sich doch nicht leugnen, dass eine weitere Ausgestaltung der Gütertarife unumgänglich nöthig wurde; es zeigte sich nur, dass im Rahmen des neuen Systems jede flisen- bahn die weitere Ausgestaltung selb- ständig vornehmen konnte. Zuweilen führten diese Bestrebungen die PLisen- bahnen doch wieder zu gemeinsamer Action zusammen. Einen Beweis hiefür bildet die Aufnahme des Special-Tarifes 3 in den Rahmen des Tarifsystems.

Die ungarischen Eisenbahnen, nament- lich jedoch die Ungarischen Staatsbahnen,

welche nach der Verstaatlichung der ver- schiedenen Privatbahnen in den Achtziger- Jahren bezüglich der Tarife eine leitende Rolle spielten, konnten es nicht ver- meiden, neben den vielen Einzelbegün- stigungen verschiedenster Art sowohl im Rahmen ihrer Localtarife, als auch ausserhalb derselben, solche Tarifmass- nahmen zu treffen, die ganz entschieden der Aufstellung neuer Tarifclassen gleich- kamen.

Es genügt in dieser Hinsicht, darauf hinzuweisen, dass z. B. die Ungarischen Staatsbahnen zwei Ausnahme-Tarife [I und II] besitzen, in welche beiläufig 30 Ar- tikel eingereiht sind, die einen beträcht- lichen Theil des Gesammtverkehrs reprä- sentiren und welche Ausnahme-Tarife in den Kilometer- und den Stations- tarifen neben den Classen des allgemei- nen Tarifes Platz finden müssen.

Die Ausnahme-Tarife und Sonder- begünstigungen nahmen jedoch bei den stetig wachsenden Anforderungen des ungarischen Verkehrs im Laufe der Zeit solche Dimensionen an, dass man sich trotz der Publicität der Tarife und dem ein- heitlichen Tarifschema, infolge der grossen Massen der Ausnahmen in einem. Labyrinthe befand.

Dieser Zustand veranlasßte schliess- lich im Jahre 1890 die Ungarischen Staatsbahnen dazu, eine Vereinfachung ihrer Gütertarife vorzunehmen, die da- mals damit erreicht wurde, dass durch wesentHche Herabsetzung der Tarifeinheitssätze, Zusammenziehung der Ausnahme-Tarife und Stabilisirung der Begünstigungen eine grosse Anzahl die- ser Letzteren und von Ausnahme-Tarifen gegenstandslos wurde.

Zur selben Zeit wurde im Ungari- schen Staatsbahn-Tarife auch die Neue- rung durchgeführt, dass die Frachtsätze nicht mehr nach kilometrischer Einheit, sondern für je 10 km erstellt wurden, und zwar derart, dass mit Ausnahme der ersten Zone, deren Sätze auf Grund von 8 km erstellt sind, die Sätze der übrigen Zonen auf Grund des arithmeti- schen Durchschnittes der betreffenden Entfernungen [bei 1 1 bis 20 km 1 5 km^ bei 21 bis 30 km 25 km u. s. w.] ge- bildet wurden.

Das Eiseobahnwesen in Ungarn seit 1867.

Dieses System der Tariferstellung hat successive nicht nur in Ungarn, sondern auch in Oesterreich Annahme gefunden.

Die Erfahrungen haben jedoch gezeigt, dass die Bestrebungen nach formeller und wesentlicher Vereinfachung der Tarife bei den stetigen und wachsenden An- forderungen des allgemeinen Handels- verkehrs eigentlich nie einen vollkom- menen Erfolg haben können, denn die Situation von heute zeigt beinahe das- selbe Bild, wie wir es vorhin aus den Achtziger-Jahren gekennzeichnet haben.

Im Rahmen der Localtarife der garischen Eisenbahnen wurden die Aus- nahme-Tarife wohl nicht wesentlich ver- mehrt, in Form von stabilen Begünsti- gungen jedoch hat diese Zahl auch seit dem Jahre 1890 stetig zugenommen und

man milsste eigentlich, um wieder eine Vereinfachung herbeizuführen, an eine neuerliche Umarbeitung der Gütertarife schreiten.

Auf lange Zeit lässt sich eine solche Umarbeitung auch nicht hinausschieben, denn ein starres Festhalten an den äusseren Formen und Ziffern der Eisen- bahntarife ist eine Stagnation, deren schädliche Wirkung in erster Reihe auf dem Gebiete des Handelsverkehrs tief empfunden werden müsste.

Die fünfzigjährige Entwicklung der Eisenbahntarife bürgt jedoch dafür, dass eine solche Stagnation ausgeschlossen ist, denn der Kampf der verschiedenen Interessensphären untereinander und die Rückwirkung derselben auf die Eisen- bahn-Gütertarife hört eben nie auf.

Eisenbahnbau.

Unter redactioneller Leitung von Alexander v. Robitsek, Ministerialrath.

A. Eisenbahnbau im Allgemeinen.

Von

Karl

iDipccIoi du KSalellch

UNGARN besass im Jahre 1867 ein Bahnnetz von 2294 km. Die Stammlinie der Staatseisenbahn- Gesellschaft schloss in Marchegg an das Österreichische Netz an und durchquerte das Land über Budapest bis hinunternach Jassenova. Die Südbahn verband die Hauptstadt über Stuhlweissenburg zwei- fach mit dem Netz der westlichen Länder : tlber Raab mit Wien und Über Gross- Kanizsa mit Steiermark. Die Theissbahn endlich streckte ihre Arme nach Osten bis Kaschau, Grosswardein und Arad aus und brachte diese Städte über Czegl^d mit Pest in Verbindung.

Der Zeitabschnitt von 30 Jahren hat seither das ungarische Bahnnetz auf das Siebenfache des damaligen Bestandes ausgedehnt. Die Gunst wirthschafthcher Epochen, der rege Unternehmungsgeist und die zietbewusste Eisenbahn- Politik des Staates haben ein System von Ver- kehrswegen geschaffen, welches Budapest, diesen geistigen, politischen und wirth- schaftlichen Mittelpunkt Ungarns, mit allen Theilen desselben verknüpft und in den 23 Anschlusspunkten mit dem Bahn- netz der Nachbarländer in Verbindung bringt. Dem Ausbau der Hauptlinien war im letzten Decennium endlich vorwiegend der Bau von Localbahnen gefolgt, deren

Riedl,

JuSBclicbcD Stutabahnen.

eng gezogenes Netz sich in das Maschen- werk der Hauptbahnen einfügt.

Vom Jahre 1846, dem Erüffnungs- jahre der ersten ungarischen Eisenbalin- linie WLen-Väcz [Waitzen], bis zum Jahre 1867 waren jährlich im Durchschnitte 110 ktn Bahnen erbaut worden. Bei der regen Bauthätigkeit der späteren Jahre konnten bis zum Jahre 1885 5827 km Hauptbahnen und 853 km Localbahnen neu eröffnet werden, womit der jährliche Zuwachs auf 371 km gestiegen war. In der jüngsten Zeit endlich, die vornehmlich dem Bau von Localbahnen galt, wuchs das Hauptbahnnetz um weitere 827 km, jenes der Localbahnen aber um 5797 km, so dass der jährliche Zuwachs 552 km betrug. Zu Ende des Jahres 1897 hatte die Gesammtlänge der ungarischen Bahn- linien 15.598 knt erreicht; von diesen standen 12.730 km, also mehr als So^/o im Staatsbetrieb darunter 7644 km eigentliche Staatsbahnen und 5086 km vom Staat betriebene Localbahnen während 1304 km Haupt- und 1564 km Localbahnen zusammen 2868 km von Privatgesellschaften betrieben wurden. [Vgl. Karten-Beilage.]

Dem Bau dieses ausgedehnten Netzes war die Bodengestaltung Ungarns sehr günstig gewesen. In den weitgestreckten

Das Eisenbahnwesen in Ungarn seit 1S67.

fruchtbaren Ebenen stellten nur die zahl- reichen Ströme die Baukunst vor grosse Aufgaben. Aber die mächtigen Bergketten der Karpathen, die sich längs der Landes- grenze in weitem Bogen von Nordwesten bis nach dem Süden wie ein hochgethUrm- ter Wall hinziehen, setzten hier dem An- schtuss des heimischen Netzes an die benachbarten Bahnen bedeutende Hinder-

Verfolgen wir im raschen Fluge die Hauptlinien, welche von der Hauptstadt des Reiches, wie von einem Brennpunkt nach dessen Peripherie ausgehen.

Die älteste Linie Ungajns, welche doppelgel eisig die Hauptstädte der beiden Reichshälften über Pressburg verbindet, folgt, von Budapest ausgehend, an- fangs den Krümmungen der Donau, Uber-

■agbrllcke bei Treaca^n. [Gal.

Abb. 105. WaagbrUcke bei Puehä-Kacakd». [Oalantba-Zgalna.)

nisse entgegen. Auch der Karst musste vom Schienenweg überwunden werden, um Ungarn das Meer zu ersch Hessen, und die vom Norden und vom Südosten ins Land vorgeschobenen Berg- und Hügelketten zwangen auch im Innern oft zu schwierigen Bauten. So hat auch Ungarn seine Gebirgsstrecken, in denen die Locomotive auf steilen Pfaden zur Höhe klimmt und in denen die Kunst des Ingenieurs zu den Wundern einer herrlichen Gebirgswelt neue Reize ge- fügt hat.

schreitet mit langen Brücken die Eipel und die Gran, später stets in der Ebene bleibend die Waag und March, um in Marchegg an das österreichische Netz anz US chli essen. [Vgl. Abb. 323 und 324. Bd. I, Seite 383.]

Am Ende des zweiten Dritttheils dieser Linie, in Galant ha, zweigt eine Bahn, dem Lauf der Waag folgend, ab und zieht durch das historisch denkwür- dige und romantische Thal, nach Berüh- rung der Badeorte Pöstyön und Trencs^n- Teplicz und nach dreimaliger Uebcrsetzung

Karl Ried], Eisenbahnbau.

Abb. loO. KoilT-Vladuc

des Flusses, in massiger Steigung nach Zsoina [Sillein] zum Anschtuss an die nordwärts führende Kaschau-Oder- berger Bahn. [Vgl. Abb. 104 und 105.] Eine zweite Linie, welche Budapest durch Vermittlung der letztgenannten Bahn, mit Berlin und der Nordsee ver- bindet, zieht anfangs in östlicher, dann in nördlicher Richtung Über Hatvan und Zolj'öm [Altsohl] nach der Anschluss- station R u 1 1 k a, durch eine bergige malerische Gegend. Vier Wasserscheiden, deren höchste bei Jänoshegy sich bis 770 tM erhebt, werden in starken Steigun- gen, Über mächtige Erd- und Steindämme, mittels Tunnels und scharfen Serpentinen, jedoch ohne grössere Brücken, über- schritten ; mehr als ein Viertel der Strecke trägt den Charakter einer Gebirgsbahn. Die königliche Residenz Gödöllö, das Braunkohlenrevier von Salgö-Tarjän, die Silber- und Goldbergwerke von Kör- möczbanya [Kremnitz], die längs dieser Linie liegen, die industriereichen Gegen- den von Beszterczebänya [Neusohl], von Zölyom-Brezö und Selmeczbdnya [Schem-

[MimkiccBeakld.J

nitz], in welche Zweigbahnen von Zölyom [Altsohl] und Garam-Berzencze ausgehen, geben dieser Bahn besondere Bedeutung.

Die vorbenannte, vom Budapest er Ostbahnhof nach Hatvan führende zwei- geleisige Theilstrecke, setzt sich gleich- falls doppelgeleisig in nordöstlicher Rich- tung über Miskolcz und Sätoralja-Ujhely bis Mezö-Laborcz fort, wo sie an die galizische Bahn nach PrzemysI an- schliesst. Fast durchwegs mit massiger Steigung durch fruchtbare Ebenen gehend, erhält sie etwa im letzten Dreissigstel der 400 ktn langen Strecke den Charakter einer Gebirgsbahn mit Steigungen bis zu 257o(n "f" ^^^^ zahlreiche Seitenthäler hinweg den Grenztunnel vor Lupköw zu erreichen. Von Miskolcz aus erschliessen Zweiglinien die kohlen- und industrie- reichen Reviere von Gömör und Diosgyör.

Die von Sätoralja-Üjhely der vorbenannten Hauptlinie über Munkäcs nach der Anschluss-Station Lawoczne abzweigende Bahn bringt Budapest Ober Stryj in eine weitere Verbindung mit Lemberg. Schon zwischen Munkäcs und

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Das Eisenbahnwesen in Ungarn seit 1867.

Volöcz, wo die Bahn durch die Schlucht

des Vicsaflusses hinzieht, den sie neun- mal überschreitet, beginnt nach langer Thalfahrt der schwierige Theil der Strecke, dessen letztes, wenn auch kurzes Stück längs kahler Gebirgslehnen mittels hoher und weitgespannter Viaducte in scharfen Krümmungen bis zu dem 1746.»« langen Grenztunnel hinaufführt. Der Kosdr-Via- ductmit drei Oeffnungen von 160 m ge- sammter Spannweite und der 46 hohe Skrinicza-Viaduct ragen unter den Bauten hier besonders hervor. [Abb. 106 und 107.]

I Linie 177, beziehungsweise iioAwivonBu-

I dapest entfernt liegen, zweigen in südöst- ' licher Richtung Hauptbahnen einerseits I über Nagyvärad [Gross ward ein] und Ko- i lozsvär [Klausenburg], andererseits über I Arad und Piski ab, die sich in T ö v i s wieder vereinen, um über Segesvär [Schässburg] und Brassö [Kronstadt] in Predeal den Anschluss an die rumänische Bahn zu vermitteln. Die erste, nördlichere Linie verlässt bei Grosswardein die Tief- ebene und steigt längs des Thaies der schnellen Koros zur Wasserscheide bei

Die Verbindung Budapests mit West- galizien vermittelt die vom Ostbahnhof über Ujsäsz, Szolnok, Püspök-Ladäny, Debreczen, Nagy-Käroly bis Mdramaros- Sziget durch 440 km fast stets in der Ebene hinziehende Bahn, die von da mit dem bewaldete;», freundlichen Theiss- thal unter achtmaliger Uebersetzung des Flusses [vgl. Abb. 108 und 109] in zahl- reichen Einschnitten nach KörösmezÖ ansteigt. Hier schliesst die circa 1 5 km lange Bergstrecke an, die den 1221 m langen Grenztunnel in 836 m Höhe erklimmt, wo sich die Bahn auf galizischer Seite zu der grossartigen Gebirgsbahn Worouienka - StanislauentwickeJt. [Vgl. Abb. 97, S. 412.]

Von Püspök-Ladäny und von SzajoJ, welche Stationen auf der vor- genannten, die Tiefebene durchziehenden

Bänffy-Hunyad. Im lieblich bewaldeten Nädasthal fällt sie bis Kolozsvär (Klau- senburg], um dann durch hügelige Ge- gend in das Marosthal zu gelangen. Die südliche, von Szajol kommende Zweiglinie bleibt dagegen in der Niede- rung und verlässt die Tiefebene bei Arad, um im Marosthale mit sanfter Steigung Tövis zu erreichen. Von hier steigt die Bahn im Thale der grossen Kokel und der Alt bis Brassö [Kron- stadt], nachdem sie diese Flüsse mehr- mals überbrückt. Bios 26 km trennen diesen Punkt von der Grenzstation Predeal, die, als der höchste Punkt der ungarischen Bahnen, 1025 m über dem Meere liegt; von Brassö bis zur Landes- grenze sind noch 400 m, anfangs im romantischen Thal der Tömös, in scharfen

Karl Riedl, Eisenbahnbau.

Bt^en und im letzten Theü [as^/u,, Steigung] zu ersteigen. Zwischen Kolozs- vär und Predeal musste achtmal der Weg in Tunnel durchs Gebirge gebahnt werden. Auch die von der südlichen Hauptlinie nach Predeal in Piski abzweigende Bahn, die die Kohlenfelder von Petrosöny erschliesst, forderte auf ihrer kurzen, aber zum Theile über felsige Lehnen geführten beschwer- lichen Trace die Herstellung von neun Tunnels. (Vgl. Abb. iio und Abb. 93, Seite 406.]

In südöstlicher Richtung von Buda- pest aus, durch die Tiefebene mit lang- gestreckten Geraden und sanftesten Stei- gungen ziehend, führt die schon aus den Fünfziger-Jahren stammende Linie Über Czegl^d und Szegedin nach Temesvär, mit der durch ihre Construction wie durch

die erste pneumatische Gründung auf un- garischem Boden gleich bemerkenswerthe grosse Bo genbrücke bei Szegedin Über die Theiss, [Abb. 325, Bd. I, Seite 385.] Von Temesvär bis Lugos in der Ebene, führt die Bahn im weiteren Zuge zwischen den enggestellten Felswänden des Temesthales nach Karänsebes, um nun über zahlreiche Brücken und Via- ducte die vorgeschobenen Ausläufer der Südkarpathen in der Wasserscheide Porta Orientalis [Abb. iii] zu überschreiten und im romantischen Csemathale, an Mehadia und Herkulesbad vorbei, zur Donau nach Orsova hinabzufallen. Mit der Linie von Wien über Pressburg bildet die Linie Budapest - Temesvär - Orsova einen der wichtigsten Durch zugswege vom Westen nach dem Orient.

SilECt.KarUlimcie.]

448

Das Eisenbahnwesen in Ungarn seit 1867.

In Temesvdr setzt sich die von Buda- pest kommende Hauptlinie in südlicher Richtung durch die Ebene nachjassenova und Bäzias fort. In Vojtek zweigt eine Bahn nach dem industriereichen Resicza, injassenova, die schon in den ersten Sech- ziger-Jahren unter grossen Schwierigkeiten erbaute, in äusserst scharfen, bis auf Radien von 114 »I herabgehenden Bögen, über zahlreiche Viaducte und durch 14 Tunnels führende Steyerdorfer .Montanbahn nach Oravicza und Anina ab. [Vgl. Abb. 326 und 327, Bd. I, Seite 387 und 389.]

Von der vorgenannten Station Dombo- vdr, 172 km von Budapest entfernt, zweigt in südöstlicher Richtung die Bahn zu dem grossen Seehafen Fiume ab. Der Karst, der sich vor Fiume vorschiebt, musste hier Überschritten werden, so dass etwa ein Sechstel der 600 ktn langen Strecke Budapest -Fiume als ' Gebirgsbahn erbaut ist. Bis Ogulin geht die Bahn mit njässigen Steigungen meist in der Niede- rung über Zäkäny, wo die Drau [Abb. 115], über Zdgräb [Agram], wo die Save, und über Käroly väros [Karlstadt], wo die Kulpa

cboly. [Plikl-PetT

linj.]

In südlicher Richtung wird von Budapest aus die Tiefebene Ober Szabadka [Maria - Theresiopel], Peter- värad [Peterwardein] und Zimony [Sem- lin] von einer Bahn durchzogen, welche die Hauptstadt imd den Westen über Belgrad mit Niscb, Sofia und Con- stantinopel verbindet. Die Donau und die die Landesgrenze bildende Save wird mittels langer Brücken über- schritten.

Zum Anschluss an die Bahnen Bos- niens in Bosna-Brod führt vom Ost- bahnhof in Budapest die Bahn über Dombovär, P^cs [Fünfkirchen], Esz6k [Essegg] und Vinkovce. Die grosse Donau- brücke beim Ausgangspunkt der Linie und die Draubrücke bei Essegg [vgl. Abb. 1 16] bilden die hervorragendsten Bauten.

übersetzt wird. Von Ogulin steigt die Bahn im Thale der Dobra, die sie vier- mal kreuzt, dann an steilen Berglehnen über hohe Dämme, bis sie im Sleme- Tunnel, einem der 15 Tunnels, die sie durchfährt, den höchsten Punkt, 832 m über dem Adriatischen Meere, erreicht. Von LiS schlängelt sie sich in einem Gefälle von 25''/on längs der kahlen Kalkfelsen des Karstes hinab zum Meere. Der herrliche Ausblick auf die Adria von Plase, 10 km nach Liä, und die schroffen, vege- tationslosen Hänge des Karstes, geben dieser Strecke ihren eigenen, malerischen Heiz.

Von der Station Fiume führt die Linie für den Frachten verkehr am Meeresufer durch die Stadt, zu den am Delta und Brajdicza liegenden Holzverladeplätzen,

Karl Riedl, Eisenbahnbau.

wo sich zahlreiche Geleise-An lagen und drei Drehbrücken befinden. [Vgl. Abb. 118]

Vom Bahnhof in Buda [Ofen] führt die Linie der SUdbahn nach Passirung des 362 m langen, zweigeleisigen Tunnels in südöstlicher Richtung mit äusserst flachen Bogen und sanften Neigungen über Sz^kes-FehdrvÄr [Stuhl weissen bürg] längs des 35 km. langen sandigen Ufers des Plattensees, über welchen die jenseitigen bewaldeten Anhöhen herObergrüssen, dann Über Gross- Kanizsa nach Csäktornya [Csäkathurn], zum Anschlüsse an die Linien nach Kärnten und Tirol und nach dem Küstenlande und Italien.

In westlicher Richtung geht von der Hauptstadt, und zwar vom Ostbahnhof über den Bahnhof Kelenfold die Linie theils in ebenem, theiU in hügeligem Terrain über Bicske nach Györ [Raab], von wo vor- nehmlich über Szombathely [Steinamanger] nach Fehring die Verbindung der Haupt- stadt mit Graz, andererseits über Brück a. d. L. die Verbindung mit Wien, neben jener über Pressburg hergestellt ist.

Den angeführten wichtigsten Linien, welche das Cenirum des Reiches mit dessen Peripherie verbinden, sei noch die in bautechnischer wie in landschaftlicher Hinsicht gleich hervorragende Kaschau- Oderberger Bahn angeschlossen, welche den Norden des Landes von j

Kassa [Kaschau] über Popräd-Felka, Ruttkabis Zsolna [Sillein] nach Westen durchzieht, um sich vonhier nordwärts nach Csäcza der Osterreichischen Grenzstation zuzuwenden. Von den hochgelegenen Theilen der Strecke eröffnet sich ein wun- derbarer Ausblick auf die Tatra, der mit den schönsten Alpenpanoramen wetteifert.

Von Kas^chau aus folgt die Bahn den Windungen des Hernäd, dessen Thal sie bei Iglö-Löcse verlässt und sich nun mit einer Steigung von i4"/oo über Poprdd- Felka längs eines Hochplateaus bis zur Wasserscheide Csorba, 803 m über dem Meere, hinaufwindet. In Csorba zweigt eine Zahnradbahn zu dem 135 1 m hochgelegenen See gleichen Namens ab. Jenseits der Wasserscheide senkt sich die Trace mit einem Gefälle von 14°Iqq bis ins Thal der Waag, zwischen dessen male- rischen Bergen sie nach Zsolna [Sillein], und von da, anfangs im Kisutczathal bis Csäcza wieder sanft, zur Landesgrenze steil hinansteigt, von wo sie bis Oderberg führt. Vier Tunnels bis 523 m und neun Brücken von mehr als 50 Länge kennzeichnen die Schwierigkeiten, die der Bau dieser Linie bot. [Vgl. Abb. 100, 101 und Abb. 112 114].

Die flüchtige Charakteristik der vor- geführten ungarischen Hauptbahnen, an welche in 138 Punkten traversirende Linien als Voll- oder als Localbahnen

450 Das Eisenbahnwesen in Ungarn seit 1867,

VaagbrUbke taci Kratoväii [Kjsehau-Odcrbcrger Bah

uj. Coibjtr Zah

Karl Riedl, Eisenbahobat

WaaebrOck« bei Bodalln [näcbst SUlcIn]. IRaKbau-OderbtrgeT 1

,n.l

anschliessen, geben ein ungefähres Bild der allgemeinen baulichen Verhältnisse der ungarischen Eisenbahnen. Einige Zahlen mögen diese noch deutlicher hervortreten lassen :

Drei Viertel sämmtlicher ungarischen Bahnstrecken liegen in der Geraden ; an diese schliessen sich in der Ebene lang- gestreckte Bogen, deren Krünimungshalb- messer beispielsweise auf der 278 km langen Streclte von Budapest nach Csäka- thum nicht unter 632 tn herabsinkt. Bei Hauptbahnen ist im coupirten Terrain ein Radius von 375 m als unterste Grenze all- gemein festgehalten, die nur in einzelnen

Gebirgs strecken unterschritten wird. In den Steigungs Verhältnissen kommen die von der Natur gebotenen Vortheile, die in der Nivellette verwendet wurden, noch deut- licher zum Ausdruck. Ein Drittel sämmt- licher Bahnstrecken verläuft horizontal, die Hälfte liegt in einer Steigung, die nicht über S°lao hinausgeht, und nur ein Sechstel schliesst jene steiler ansteigenden Thal- und die Gebirgsbahn-Strecken in sich, in denen das Gefälle bis zu 25"/^,^ ansteigt.

Von dem Gesammtnetze von 15598^« sind nur einige Localbahnen, im Ganzen 325 km, schmalspurig angelegt.

B. Brückenbau.

T RUDlellch UnearUchcn Staaubahnc

DEM Brückenbau eröffneten die Bergbahnen Ungarns mit ihren zahlreichen Uebersetzungen der Thäler und Schluchten, mehr noch aber die Bahnen des flachen Landes, durch welches sich der Hauptstrom und seine mächtigen Zuflüsse in breiten Betten hin- wälzen, ein weites Gebiet fruchtbarer Thätigkeit.

Die Brücken in Stein treten im Allgemeinen zurück. Der Viaduct bei Ladök auf der Sz^kler Bahn, der sich mit sieben Oeffnungen zu 12 m Licht- weite 35 ni über die Thalsohle erhebt, ragt als bemerkenswerthestes, gemauertes Object hervor.

Dagegen wurden die Holzbrücken als kunstvolle Hänge- und Sprengwerke und als Gitterbrücken wiederholt bis zu 40 m lichter Weite gespannt, Construc- tionen, die seither fast sämmtlich durch das Eisen verdrängt wurden. Lange Zeit waren beispielsweise die Theiss und die Zagyva bei Szolnok, die Koros bei Gyoma und Andere mit Hänge- und Sprengwerken, die Drau bei Zäkäny und bei Essegg, die Theiss bei Csap, Veröcze und Andere mit grossen hölzernen Gitterträgern überbrückt. Heute finden sich noch solche vereinzelt, wie jene über die Maros bei Arad.

Seit dem Jahre 1880 werden beim Bau von Hauptbahnen ausschhesshch, bei jenen von Localbahnen gross tentheils Eisen CO nstructionen verwendet und der Ersatz der älteren hfilzernen Träger durch eiserne schreitet immer weiter vor.

Die Fundirung der grossen Brücken bot dadurch gesteigerte Schwierig ketten, dass der angeschwemmte Boden über den Iragfähigen Schichten eine besondere Mächtigkeit erreicht. Bis zu lom Tiefe wurde gerne die Fundirung mit offenen Senkbrunnen vorgenommen, die, zu zweien bis dreien für jeden Pfeiler hinabgelassen, mit Beton gefüllt und durch Gewölbe zur Aufnahme der weiteren Aufmauerung ver- bunden wurden. In grösseren Tiefen musste die Fundirung mittels comprimirter Luft erfolgen. So war man genöthigt, bei der pneumatischen Fundirung der Budapester Donaubrücke bis auf 10 rn, bei jener nächst Ujvid^k auf 18 m, bei der Draubrücke bei Zdkdny [Abb. 115] auf 3r4 m, bei der Savebrücke bei Semlin auf 2i'6 m, der TheissbrUcke bei Szolnok nächst auf 336 m, bei Csap auf 239 m unter Null wasser hinabzugehen, wobei die Tiefe unter der Hochwasser- Cöte, be- ziehungsweise 16 bis 33"5 m betrug.

Die ersten grossen Eisenbrüeken Ungarns entstammen dem Jahre 1858, wo die Eipelbrücke bei Szobb und die Gran brücke bei Gran mit drei je 57 m weiten parallel gurtigen, mehr- theilifren Gitterträgern, die TheissbrUcke bei Szegedin als eiserne Bogenbrücke mit acht Oeffnungen zu 41 m Weite erbaut wurde. [Vj;!. Abb. 323 325, Bd. I, 1. Theil, Seite 383 ft.)

Die Parallelträger mit mehrfachem Netzwerk, insbesondere die einfachen und mehrfachen Fachwerkträger fanden in der Folgezeit wiederholte Anwendung.

Karl Riedl, Eisenbahnbau.

Das roo m lange sechsfache Fachwerk, welches das Mittelfeld der TheissbrUcke bei Algyö Überspannt, und die vier je 93 m weiten vierfachen Fachwerkträger der DonaubrUcke bei Budapest gehören zu den älteren, aber hervorragendsten Objecten dieser Art.

Lange Zeit war es beliebt, die parallel- gurtigen Fachwerkträger als continuirliche Träger über mehrere BrUckenfelder weg- zuführen, wie es bei der ersten Gran- und Eipelbrücke der Fall war, was den Vortheil einer grösseren Materialersparnis

Ein hängender Halbparabelträger, ein sogenannter Fischbauch träger, mit loom Lichtweite überbrückt in einer Höhe von 62 m über der Thalsohle die Mittel- öfFnung des Karakö-Viaductes auf den Sz^kler Bahnen. [Abb 1 1 7.] Aehnliche Con- structionen bis 70 m zeigen der Rovini-, der Skrinicza- und der Kosär-Viaduct der Linie Munkics-Beskid. [Vgl. Abb. 106 und 107.] Sichelträger mit zwei nach oben gekrümmten parabolischen Gurten sind über drei Oeifnungen der Draubrücke bei Zäkäny [Abb. 115] und Über zwei Oeffnun-

und leichteren Montirung bot. Noch im Jahre 1884 wurde die grosse Savebrücke bei Belgrad und die Üonaubrücke bei Ujvidik mit je ftlnf Feldern zu 92, be- ziehungsweise 88 tn Spannwette mit continuirlichen Trägern erbaut. Seither wurde diese Bauweise aus mehrfachen Gründen verlassen.

Die verschiedenen Anordnungen der Wandfüllungen und die aus theoretischen und praktischen Gründen wechselnden Gurtformen gegliederter Träger sind bei einer Reihe bemerkenswerther Brücken vertreten. Als hervorragendste Repräsen- tanten des dreifachen Systems erscheinen die Parallel träger der Savebrücke bei Brod mit fünf Oeffnungen zu 78 m und die Draubrücke bei Essegg mit drei Oeffnun- gen bis zu 70 m Spannweite. [Abb. I16.]

gen der TheissbrUcke bei Szolnok [Abb. 1 08] je 93'5 m weit gespannt Die TheissbrUcke bei Veröcze zeigt vier, jene bei Tekehäza sieben je 57 m weite Halbparabelträger, die Oltbrücke bei Alsö-Räkos Trapez- träger, die Waagbrücke bei Nemsova vier je 50 tn weite, bei Trencsön [Abb. 104] vier je 60 m weite Hyperbel träger u. A.

Interessante Vertreter beweglicher Brücken besitzt Ungarn in der Hebe- brücke Über die Körös bei Gyoma auf der Linie Budapest -Arad und in den drei Dreh- brücken im Hafen zu Fiume. [Abb. 1 1 8.]

Die erstgenannte, im Jahre 1893 er- baute Brücke besitzt drei Oeffnungen zu je 63 m, von denen die beiden äusseren von parallelgurtigen Consolträgern über- brückt sind, die zwischen den über- hängenden, je 25 m langen Theilen den

i6 m langen hebbaren Paraüelträger fassen. Die Hebevorrichtung selbst soll erst nach der beendeten Schiff barmachung der Koros zur Ausführung kommen. Der mittlere Brückentheil soll an Ketten auf- gehängt werden, die längs des Obergurtes der überhängenden Träger über Rollen 2U den Pfeilern geführt sind, wo sie das Gegengewicht tragen. Dip Arretirungs- Vorrichtung wird in je einem, an dem beweglichen Trägertheil angebrachten, mittels einer Zahnrad Übersetzung zu be- thätigenden Keile erfolgen, der in den Consolträger eingreift. Der bewegliche Constructionstheil soll um 3*35 m, d. i.

Gebirgsbahnen drei Stück vierachsige, 47 t schwere Locomotiven mit einenr Maximaldruck von 1242/ normirte. Die ausserordentliche Verkehrs Steigerung der Achtziger-Jahre erforderte auch grössere Zugkräfte und daher grössere Gewichte der Locomotiven, weshalb es sich als noth- wendig erwies, die Erbauung neuer und die Verstärkung alter Brücken auf Grund eines höheren Belastungsschemas vor- zunehmen. Dieses seit dem Jahre 1893 obligatorische Schema weist zwei Stück vierachsige Locomotiven mit gleichmäs- sigen AchadrUcken von l6^unddreiachsig'e Tender von 12 t Achsdruck auf. Das Ge-

bb. IlO. DiaubrOcke bei Essegs.

bis auf 620 m über Hochwasser bedarfs- weise gehoben werden.

Die drei gleich construirten Dreh- brücken im Fiumaner Hafen sind als con- tinuirliche Träger gebildet. Die grösste, über den Durchstich des Maria- Molos erbaute ist schief und hat 2 r3 und 25-5 m Spannweite. Der Träger ist durch ein Gegengewicht auf dem kür- zeren Arm cquilibrirt. Die Drehung erfolgt um einen mittleren Zapfen, in dem die Brücke mittels hydraulischen Druckes aus ihren Lagern gehoben und mittels eines Triebwerkes gedreht wird.

Der Berechnung der Brücken wurde seit dem Jahre 1867 ein behördlich festgestelltes Belastungsschema zugrunde gelegt, das für Thalbahnen drei zusammen- gokuppelte dreiachsige, 38-6 t schwere Locomotive sammt Tender, mit einem maximalen Achsdruck von I3'i5 i, für

wicht der weiter anzuhängenden Wagen muss einer gl eich massigen Belastung von 2'8 1 pro laufenden Meter entsprechen. Für Träger bis zu 15 m Spannweite wird der Achsdruck um den dynamischen Ein- wirkungen Rechnung zu tragen noch um einen mit der Brückenweite varüren- den Procentsatz erhöht.

Bei bestehenden Constructionen, wo die Verstärkung oder der Ersatz derselben behufs Anpassung an das neue Belastungs- schema sehr kostspielig gewesen wäre und die Verwendung von Locomotiven mit ibl Achsdruck noch für lange nicht zu ge- wärtigen ist, wurde die Verstärkung nur für die Inanspruchnahme durch zwei Stück vierachsige Locomotiven mit 14 i Achs- druck oder blos einer Locomotive mit 16 t nebst Tendern und Wagen zugestanden.

Auf den wichtigeren Localbahnen, wo das Belastungssehema bis 1893 drei Stück dreiachsige Tender- Locomotiven

Karl Riedl, Eisenbahnbau.

mit lo t Achsdruck vorschrieb, wurde der Achsdnick aus gleichen Gründen auf 12 1 erhöht, oder durch vierachsige Tender- Locomotiven zu lot Achsdruck ersetzt, die Belastung durch den Wagenzug aber wie bei Hauptbahnen mit 2'8 t pro laufen- den Meter festgelegt. Die dynamischen Einwirkungen auf die einzelnen Brilcken- theile werden in der bereits erwähnten Weise berücksichtigt.

der Längsrichtung des gewalzten Mate- rials mit 3600 kgjcm, für Nieten und Schrauben von 3800 kffjctn mit Contrac- tionen von 25%, respective 40*/o ge- fordert und wurden zahlreiche Biege- proben vorgeschrieben. Seither ist fUr Schweisseisen in der Walzrichtung eine Bruchfestigkeit von 3600 bis 3300 kg bei i2°jg, beziehungsweise 20% Dehnung, für Schrauben und Nieten neben der Zug-

Die zulässige Inanspruchnahme der grossen Hauptträger betrug dabei früher 700, nun 800 kgjcm, die der kleineren Brückenträger sowie der Längs- und Quer- träger 600, beziehungsweise 700 kglctn.

Die Anforderungen und Erprobungen des Schweisseisen-Materials, das bis zum Jahre 1895 ausschliesslich in Verwendung stand, wurden mit den Jahren immer strenger. Bis zum Jahre 1879 war blos ein faseriger Bruch, Schweissbarkeit und Schmiedbarkeit und eine Bruchfestigkeit von 2aookgjcm vorgeschrieben, für Nieten und Schrauben nebst Biegeversuchen eine solche von 4200 kg. In den Jahren 1879— 1887 war die Bruchfestigkeit in

Linie Calk«icrcda-Gyliiiei. [Siiklcrbitia.]

festigkeit von 3600 A^ eine Dehnung von iS^Iq festgesetzt. Seit 1895 wird jedoch fast ausschliesslich nur Flusseisen, und zwar das basische Martinflusseisen mit Zugfestigkeiten in der Walzrichtung von 3500 bis 4^00 kgicm und der correspon- direnden Dehnung von 28 bis 22"/o_ ver- wendet. Flusseiserne Nieten erhalten eine Festigkeit von 3500 bis 4000 kg mit Dehnungen von 32 bis zö^/o-

Zur Erprobung wurden bis zum Jahre 1895 alle Brücken einer ruhenden und beweglichen Belastung unterzogen. Seit dieser Zeit jedoch wird nur bei Brücken von mehr als 12 nt Spannweite eine Probe- Belastung, und zwar in Ermangelung

456

Das Eisenbahnwesen in Ungarn seit 1867.

von Locomotiven mit 16 ( Achsdruck mit solchen schwerster Type durchgeführt, die kleineren BrUcketi bloa einer genauen Untersuchung unterzogen. Der weiteren Sicherheit während des Betriebes dienen periodische Untersuchungen, die jedes dritte Jahr, bei grösseren Brücken in com- missioneller Weise jedes fünfzehnte Jahr vorgenommen werden.

Eine interessante Ergänzung der zahl- reichen UeberbrUekungen bildet die Traject- Anstalt über die Donau zwischen den Stationen Gombos und Erdöd der Linie Zombor-Essegg. [Vgl. Bd. III, Abb. 87, Seite 381.] Die Donau ist hier 600 m breit und für den Lauf des Trajectboots sind auf beiden Seiten je 700 m lange Canäle angelegt, so dass

der durch die Fähren zurückzulegende Weg je nach dem Wasserstande 1000 bis 1400 in beträgt. Jede der beider» Fähren wird von je zwei Drahtseilen ge- führt, die auf dem Donaubett verankert ruhen und in Spannschachten am Ufer befestigt sind. Zur Fortbewegung dient die auf der Fähre befindliche Dampf- maschine, welche mit einer Zahnrad- übersetzung zwei Seilscheiben bewegt, auf welch Letzteren das eine, über das Donaubett gespannte Drahtseil sich auf- und abwindet und hiedurch das Fähren- schiff in Bewegung setzt, während das zweite Drahtseil auf dem Donaugrunde stellenweise verankert die geradlinige Führung des Schiffes besorgt. Die Fähre ist 63 tn lang und bietet so Raum ftlr acht Wagen, die etwa 15 17 Minuten zur Uebersetzung be not h igen.

C. Oberbau, mechanische Einrichtungen und Bahnhofsanlagen.

Von Felix Speidl,

der Känigllch Unearlactieii Sla

I. Oberbau.

DIE Geleise-Constructionen Ungarns entsprechen im System jenen der meisten Bahnen des europäischen Festlandes: sie gehören zum Vignolschie- nen-Oberbau mit Querschwellen. An diesem Systeme sind seit dessen Erfindung princi- pielle Aenderungen nicht vorgenommen worden, und man hat auch in Ungarn seit dem Jahre 1 867 an dieser Bauweise festge- halten. Zwar hatten die in früherer Zeit von verschiedenen Privatbahnen herge- stellten Geleise in den Hauptbestand- theilen eine grosse, nicht immer gerecht- fertigte Mannigfaltigkeit der Formen und Abmessungen aufzuweisen, jedoch hat die Verwaltung der Ungarischen Staatsbahnen seit der Verstaatlichung jener Bahnlinien Norm, Ordnung und Vereinfachung in die Bauweise der Ge- leise gebracht, indem sie unter Festhalten an dem Vignolquerschwellen-Oberbau die Gesammtanordnung und Dimensionirung der Gel eisebestandth eile den Verkehrs- erfordernissen der einzelnen Maschen ihres grossen Geleisenetzes anzupassen verstanden hat.

Je nach dem Umfang und der Art des Verkehrs, je nach der Wichtigkeit der verschiedenen Bahnlinien fordern die Ober- bau-Normalien der Ungarischen Staats- bahnen verschiedene Schienenprolile mit verschiedenen Einheitsgewichten. Diese Normalien bestimmen Qualität und Stärke der hölzernen Schwellen und ihre Anzahl pro Längeneinheit der Bahn, beziehungs-

weise ihren gegenseitigen Abstand, sie fixiren die Zahl, die Form und das Ge- wicht der einzelnen Befestigungsmittel, sie bestimmen die Construction für die Stossverbindung, und in einzelnen Fällen wird auch über Verwendung und Zulässig- keit der Bettungsmaterialien [Schlägel- schotter, Grubenschotter, Sand] eine Be- stimmung getroffen.

Demgemäss sind sowohl für die Haupt- bahnen des Landes, als auch für die zahl- reichen Nebenlinien fixe Normen für die Bauweise der Geleise geschaffen.

Seilte tiett.

Die Schienen werden meistens aus Bessemerstahl hergestellt, doch sind in neuerer Zeit auch Schienen aus Martin- stahl und Thomasstahl zur Verwendung gelangt. In älteren Geleisen finden sich noch solche aus Eisen.

Mit der Fabrication von Bessemer- schienen befassen sich derzeit in Ungarn die Eisenwerke Resicza und Diösgyör, mit der Fabrication von Martinstahl das Werk Ozd.

Thomasschienen werden in demSalgö- Tarjäner Werke erzeugt.

Abb. 119 zeigt die Querschnitte, die Hauptdimensionen und die Einheits- gewichte der heute verwendeten Schienen der Ungarischen Staatsbahnen.

Die Länge der in neuerer Zeit beschaff- ten Schienen variirt zwischen 7 bis 12 m.

458

Das Eisenbahnwesen in Ungarn seit 1867.

Abb. Z19. Schienenprofile der Königlich Ung^arischen Staatabahnen

Schwellen.

Als Unterlagen der Schienen dienen allgemein Querschwellen aus Holz, und zwar Eichenschwellen oder mit Zinkchlorid imprägnirte Buchenschwellen.

Bei dem grossen Holzreichthum des Landes ist das Holz verhältnismässig billig zu beschaffen; trotzdem hat Un- garn seinen Antheil an den Versuchen, welche wegen Einführung eiserner Schwellen allerwärts gemacht werden, um Erfahrungen zu gewinnen für die Eliminirung des vergänglichen Holz- materiales aus dem Haushalte der Bahnen.

Sieht man ab von älteren und wieder aufgege- benen Versu- chen, so wäre vornehmlich der gelungene Ver- such mit System Banovits her- vorzuheben, auf das wir noch ausführlicher zu sprechen kommen.

Befestigungsm itteL

Für Befestigung der Schienen an die Holzschwellen dienen in der Regel Schienennägel, hie und da werden auch Schienenschrauben [Tyrefonds] verwendet. Des Weiteren hat in Ungarn die Unter- lagsplatte, welche bei älteren Bahnen nur in Krümmungen Anwendung fand, immer mehr Verwendung gefunden, so dass auf stark beanspruchten Strecken auf allen Holzschwellen mit Seitenrippen versehene Unterlagsplatten verwendet werden.

Auch muss hier derjenigen Befesti- gungsmittel Erwähnung gethan werden, welche in Ungarn zur Erhaltung der Spurweite, namentlich bei scharfen Krüm- mungen, angewendet wurden: der Spur- stangen, Verbindungsplatten und der Klammerstangen nach dem System S p ei d 1 [Inspector der Ungarischen Staatsbahnen] , welche die gegenüberliegende Schienen- stange am Fus^e fassten und bei welchen die Spurweite durch Keile regulirbar gemacht war.

Die Stossverbindung der Schienen geschieht bei allen verwendeten Oberbau-

Typen mittels an Kopf und Fuss an- schliessender Laschen, welche mit Schrau- ben befestigt werden.

Gel eise- Anordnungen der Königlich Ungarischen Staatsbahnen.

Zur Charakteristik der in Ungarn in Verwendung stehenden Oberbau - Con- structionen seien im Folgenden die Normalien einiger Linien der Königlich Ungarischen Staatsbahnen vorgeführt.

Der Oberbau der Schmalspur- bahn Garamberzencze-Selmecz [Granbresnitz-Schemnitz, Abb. 120] hat

eine Spurweite von I nt. Das Gewicht der Schienen beträgt 1 5 Ä-^pro laufen- den Meter. Der Stoss ist ruhend. Die Holzschwel- len sind 170 tn lang,o* 20 w breit und 0*14 w hoch. Unterlagsplatten werden hier allgemein blos beim Schienenstoss verwendet ; jedoch in Curven, deren Radius^ kleiner als 200 m ist, werden Unterlags- platten auch auf zwei Mittelschwellen pro Schiene angebracht. Die grösste Entfernung der Schwellen ist 077 tn. Der grösste Achsendruck der auf dieser Bahn verkehrenden Fahrzeuge beträgt 5 t.

Bei normalspurigen Vicinal- bahnen, Bahnen zweiten Ranges, die an Bahnen ersten Ranges anschliessen, wendet man bei Berücksichtigung eines Achsendruckes von 12 ^, Stahlschienen von 23-6Ä'^pro i m an. Das in Abb. 121 ersichtliche System gestattet den Ueber- gang von Wagen der Bahnen ersten Ranges mit 15*0/ Ladegewicht. Die Länge der Schienen beträgt normal 9*0 nt. Die Schwellen sind 2*2 m lang, 0'20 nt breit und O'i^. m hoch. Die grösste Entfernung der Stützpunkte beträgt 0733 m. Die Unterlagsplatten sind flach und werden in scharfen Curven unter 300 tn Radius auf jeder Schwelle, in sanfteren Krüm- mungen und in den Geraden jedoch nur beim Schienenstoss und auf einigen Mittelschwellen angewendet.

Felix Speidl, Oberbau.

459

Ausser dieser Construction bestehen für breitspurige Vicinalbahnen mit lo ^ Achsendruck noch drei Normalconstruc- tionen, und zwar eine für 20*o kg^ eine für 22'5 kg und eine für 23*6 kg schwere Schienen.

Die maximale Stützweite ist im ersten Falle 0*67 w, im zweiten 0'8i m und im dritten Falle o*88 w. Die drei letztgenannten Systeme sind für Vi- cinalbahnen bestimmt, welche an eine Bahn ersten Ranges nicht an- schliessen, oder für sol- che, bei welchen man sich ausnahmsweise mit dem Uebergange von Wagen mit 10 ^ Lade- gewicht der Bahnen ersten Ranges begnügt.

Auf den vom Staate in neuerer Zeit erbauten Linien ersten Ranges sowie auch bei Erneu- erungen der Ge- leise von älte- ren, dem Staat s- bahnnetze ange- hörigen Haupt- linien, werden Schienen mit dem Gewichte von 34*5^'^ und 42*8 kg pro laufenden Me- ter verlegt. Die Abb. 122 stellt den schwe- benden Schie- nenstoss des Svstems von 34*5 ^^dar. Die normale Länge der Schienen beträgt derzeit 9 m. Die Holzschwellen sind 2'^ tn lang, 0*25 tn breit und 0*15 fn hoch. Die maximale Stützweite beträgt 0*97 m. Die keilförmigen Unterlagsplatten sind nur an der Aussenseite mit einer Rippe versehen und dienen zur Aufnahme von drei Schienennägeln.

Die Anwendung von Unterlagsplatten mit äusserer und innerer Rippe und einer Schienenlänge von 12*0 m ist für dieses

Abb. 190. Oberbau der ung^arischen Schmalspurbahn Garamberzencze-Selmecz.

System in Aussicht genommen. Zur Ver- meidung des Lockerwerdens der Muttern und Laschenschrauben dienen Grover'sche Ringe.

Bei dem in Rede stehenden Schienen- systeme wurden bisher nicht nur Holz- schwellen, sondern theilweise auch eiserne Querschwellen verwendet, wobei die Be- festigung der Schienen nach dem Systeme B a n o- vits stattfand.

Der neueste Oberbau der Ungarischen Staats- bahnen für Bahnen ersten Ranges mit grösstem - Massen- und Schnellzugs- verkehr besitzt Schienen von 42*8 kg pro laufen- denMeter.[Vgl.Abb.i23.] Die normale Länge der Schienen beträgt 12 w. Zur Verbindung der Schienen am Stosse- die- nen sehr kräftig gestal- tete Winkellaschen, die

Aufnahme

iai4^

TBC

Abb. 121. Oberbau ungarischer Vicinalbahnen.

zur

von sechs La- schenschrauben bestimmt sind. Die an den unteren Lappen der Laschen angebrachten Ausschnitte um- fassen beider- seits die keil- förmigen Unter- lagsplatten, stemmen sich an dieselben beiderseits der- art, dass bei Hilltanhaltung der Schienenwanderung nicht direct die Nägel, sondern die Unterlagsplatten in Anspruch genommen und durch Ver- mittlung dieser, alle Schienennägel soli- darisch gemacht werden.

Die bei diesem Systeme verwendeten Holzschwellen sind 270 7n lang, 0*25 w breit und O'IS w hoch.

Zur Befestigung der Schienen dienen aussen ein Nagel, innen zwei Nägel, oder aber eine Schienenschraube, wobei

Das Eisenbahnwesen in Ungarn seit 1867.

Abb. IIJ. Oberl

ZU bemerken ist, dass im letzteren Falle I

die Unterlatcsplatten auf der Innenseite \

mit einem Res erveloche versehen sind, 1 welches den Zweck hat, nttthigenfalls,

wenn bei Rcfrulirung des (leleises die 1

ursprüiitrl'ch angebrachte Schienen- j

schraube reissen sollte, eine andere ein- 1

ziehen zu können, '

Die grösste Entfernung der Schwellen 1

beträfet O'go m. \

Das schwere Schienensystem soll eine 1 möglichst grosse Fahrgeschwindigkeit auch bei vergrössertem Locomotiv-Ge-

wichte zulassen, andererseits aber die 1

Bahnerhaltimg trotz starker Inanspruch- nahme erleichtern imd verbilligen.

Eiserner Oberbau.

Bei den Bahnen ersten Ranges wurden Versiiclie in grösserem Massstabe mit eisernen Schwellen und der Schienen- hefestigung nach dem Systeme des Maschinen-Directors, königlichen Mini- sterialratlis von Banovits, vorgenom- men. [Abb. 124 und 125.]

Nach der Variante-Abbildiingi34,Figur A, B, G imd D, dienen zur Befestigung

Felix Speidl, Oberbau.

der Schienen an die mit / bezeichnete eiserne Querschwelle die Unterlagsplatte b, die Klemmplatte c und die Schraube ä, deren Mutter e einen Conus bildet, welcher sich beim Anziehen in die conische Bohrtuig der Klemmplatte einpresst, in- folgedessen sich die Gewinde der Mutter in die Schrau- beu Spindel ein- drücken und das Locker- werden der Seh rauben Ver- bindung ver- hindern.

Zur Errei- chung der

Spur er weite- '

rungen in den

Krümmungen dienen die mit a bezeichneten Spurklötzchen mit Seitenan- sätzen, von welchen [siehe Figur D] das eine in die Un-

terlags platte, das andere aber in die eiserne

Querschwelle

Durch Variiren

des Einlegen» des assym me- trischen Eisen- klötzchens können die nfl- thigen Spur- er Weiterungen leicht erreicht werden.

Mit h sind die Verbin- dungslaschen und mit ff die Laschen seh rauben bezeichnet.

Die Abb. 125 [Figur A und B) zeigt die Variante, bei welcher die Befestigung der Schiene mittels Schienenhaken d und hori- zontalen Keilen c stattfindet. Um das Lockerwerden des Keiles zu vermeiden, ist an denselben das Flättchen e ange-

nietet, welches entsprechend umgebogen wird.

Was die speci eilen Geleise -Anord- nungen betrifft, so wurden bei in Strassen verlegten Schlepp gel eisen bisher Haarmann'sche Schwellenschienen, und um die zur Pflasterung nöthige Constructions-' höhe zu er- langen, auch auf Schienen- stühle verlegte Vignoleschie- nen mit oder

ohne Leit- schienen ange- wendet.

Weichen und Kreuzungen.

Die mit Spitz- und

Stockschienen

versehenen Weichen wer- den in neuerer Zeit auf eiser- nen Längs- platten mon- tirt, welch letz- tere auf den Weichen quer- schwellen lie- gen und mit Holzschrauben angeschraubt werden. Die Weichenhöl- zer ruhen in einem Seh lä- ge Ischotter- bett, welches als Unterlage einen Steinsatz hat. Eiserne Querschwellen wurden bis jetzt nur bei in Strassen verlegten Wei- chen besonderer Construction verwendet. Die Herzstücke wurden früher aus Hartguss erzeugt, neuerer Zeit je- doch werden dieselben meist aus Bes- semer-Stahl, wohl auch aus Tiegelguss- Stahl hergestellt.

r Obccbau. (Sjitcm Banovlti.]

462

Das Eisenbahnwesen in Ungarn seit 1867.

Bei den Ungarischen Staatsbahnen werden übrigens in neuerer Zeit die zum Systena der 42*8 kg schweren Schienen gehörigen Kreuzungen wieder aus gewöhnlichen Schienen hergestellt, so dass also die Schienenherze gerade für den besten Oberbau wieder in Ver- wendung kommen.

Man entschloss sich hiezu, weil einer- seits infolge der bedeutenden Breite des Schienenkopfes [70 mm] das Herz: stück überaus grosse Dimensionen an- genommen hätte, und weil man anderer- seits, wie die Erfahrung lehrt, mit Recht darauf rechnete, dass das Befahren der aus gewöhnlichen Schienen also dem Materiale des übrigen Geleises her-

gestellten Kreuzungen viel elastischer, ruhiger und geräuschloser sein wird, als dies bei gegossenen Herzstücken der Pall ist.

Pedalschienen bei Weichen, th eil- weise um vor dem Auflaufen des Rades einen guten Anschluss der Spitzschiene zu sichern, andererseits aber um bei central gestellten Weichen ein Umstellen unter dem Zuge zu verhüten, fanden häufig Anwendung.

Weichenversicherungs-An lagen

haben im letzten Decennium eine ausser- ordentliche Verbreitung gefunden, so dass sie heute in keiner grösseren Station fehlen. Von diesen sowie auch von weiteren Sicherheits-Einrichtungen ist an anderer Stelle die Rede.

2. Mechanische Einrichtungen. [Drehscheiben und

Schiebebühnen.]

Die Verwendung von Drehscheiben für Zwecke der Manipulation von Waggons von Geleise zu Geleise ist auf den ynga- rischen Bahnhöfen auf ein Minimum be- schränkt — häufiger finden dieselben für diesen Zweck in den Werkstättenrayons Verwendung im Heizhausrayon bilden sie aber ein unentbehrliches Hilfsmittel.

Ihre Durchmesser wechseln je nach der Art der zu drehenden Wagen und Locomotiven, zwischen 4 und 15*5 w.

Die Construction der Drehscheiben und deren Fundirung ist nicht wesentlich verschieden von den Bauweisen anderer Bahnen.

Schiebebühnen, versenkte als auch unversenkte, werden bei den Bahnen Ungarns hauptsächlich nur in Werk- stätten verwendet. Seltener bedient man sich ihrer behufs Beistellung von Wagen zu den Gütermagazinen und Lagerplätzen.

Sie sind meist für Handbetrieb ein- gerichtet, jene in Werkstätten, zum Ueber- stellen von Locomotiven, werden oft mit Dampf betrieben. Als Dampfmotor dient in der Regel ein mit der Bühne ge- kuppelter Dampfwagen und das Befördern der Wagen auf die Schiebebühnen ge; schiebt in solchem Falle durch Vermittlung einer mit Dampf betriebenen Seiltrommel.

3. Bahnhofsanlagen.

Die meist günstigen Neigungsverhält- nisse der ungarischen Bahnen haben bei dem Streben, die Zugkraft der immer stärker gebauten.Maschinen möglichst aus- zunützen, zu Zugslängen geführt, welche eine ausserordentliche Ausdehnung der Stationsgeleise forderten. So repräsen- tiren sich heute die einfachen ungarischen Zwischenstationen in der Ebene in Längen von 800 1000 w. An das Hauptgeleise schliessen sich zu beiden Seiten die Nebengeleise an. Das Aufnahmsgebäude theilt die Station in zwei unofleiche

Hälften, von denen die kleinere das Wasser - Stationsgebäude, die grössere die Güteraufgabe mit Magazin, Rampe und Lagerplatz aufnimmt. Die Gebäude sind möglichst auf einer Seite des Haupt- geleiscs vereinigt, um die andere künf- tigen Erweiterungen vorzubehalten.

In den Siebziger-Jahren wurden auch in Ungarn, der allgemein herrschenden Ansicht folgend, die Zwischenstationen eingeleisiger Bahnen doppelgeleisig, mit gerader Einfahrt und gekrümmter Aus- fahrt, also mit Achsensprung angelegt.

Felix Speidl, Oberbau.

463

Auf zweigeleisigen Strecken wurden die Nebengeleise nur auf einer Seite ins Hauptgeleise eingebunden, um Spitz- weichen zu vermeiden. Die Verlässlich- keit, welche die heutige Versicherung der Weichen bietet, der Vortheil, den ein gerade geführtes Hauptgeleise für durchgehende Schnellzüge besitzt und die Nothwendigkeit, bei dem anwachsenden Verkehr möglichst rasch zu manipuliren, haben di^ genannten Sicherheits-Mass- regeln in der Geleise - Anordnung ganz verschwinden lassen.

Während noch in den meisten Zwischen- und Theilungs-Stationen die Anlagen für den Personen-, den Güter- und den Zug- förderungs-Dienst in einem gemeinsamen Bahnhof vereinigt sind, hat der ausser- ordentliche Verkehrs-Zuwachs, namentHch der jüngsten Zeit, in wichtigeren Knoten- punkten zu einer örtlichen Trennung der den einzelnen Dienstzweigen zugewiesenen Anlagen geführt. So erstanden eigene Rangirbahnhöfe mit Abrollgeleisen in Szabadka [Maria - Theresiopel], in Hat van, in Pozsony [Pressburg], Szol- nok und andere, um die Auflösung und Zusammenstellung der Züge zu be- schleunigen. So wurden in den Per- sonen-Bahnhöfen grösserer Durch- gangs- und Kreuzungs-Stationen, wie in Györ [Raab], die Hauptgeleise ohne jede Durchschneidung derart an eigene Perrons gelegt, dass die Ein- und Ausfahrt der ZVigi^ von einander unabhängig erfolgt und die Ueberschreitung der Geleise seitens des Publicums durch Vermittlung von Tunnels vermieden ist.

Die Bahnhöfe in Budapest, von wo die Linien sich nach allen Richtungen verzweigen, sind sowohl durch ihre. An- lage, wie durch die Art ihrer Verbindung zu einem grossen, in sich geschlossenen Complex, bemerkenswerth.

Der Personenverkehr concentrirt sich namentlich im West- und Ostbahnhof auf der linken und im geringeren Mass im Südbahnhof auf der rechten Donau- seite. Der Orts-Güterdienst wickelt sich vornehmhch im Westbahnhof, auf dem Donauufer-Bahnhof, auf dem Josefstädter und den Steinbrucher Bahnhöfen [Kö- banya] ab, während im Süden im Franz- städter* Bahnhof, im Nordwesten vor dem

Westbahnhof und auf der Ostseite [am Rdkos], also längs des die Stadt um-" gebenden Bahngürtels drei grosse Rangir- bahnhöfe situirt sind. Mit den verschie- denen kleinen Personen- und Güter- dienststellen sind im Bereiche von Buda- pest insgesammt 24 Bahnhöfe in Be- nützung.

Der Westbahnhof, der älteste Bahn- hof Budapests, enthält seit dem im Jahre 1877 erfolgten Umbau sechs Hallengeleise, auf der rechten Seite eine W^erkstätten- und Heizhaus- Anlage, auf der linken die ausgedehnten Magazine und Lagerplätze. Von ihm gehen die Linien nordwärts nach Marchegg, südöst- lich nach Czegl^d, die bereits in den Sech- ziger-Jahren mit einer Verbindungscurve zur Umgehung des Bahnhofes für durch- gehende ZügQ und einem eng angeschlos- senen Rangirbahnhof versehen wurden. Auch die Züge der Linie nach Esztergom [Gran] und nach dem südlichen Lajos- Mizse gehen von hier aus.

Der erste Hauptbahnhof der Staats- bahnen in Budapest war der Josefstädter Bahnhof [Jözsefväros] [Abb. 89, Seite 393], dessen Unzulänglichkeit gegenüber der wachsenden Zahl der einmündenden Bah- nen im Jahre 1881 zur Erbauung des be- nachbarten Ostbahnhofes führte, während der Josefstädter Bahnhof nur dem Massen- güterdienst vorbehalten blieb. Der Ost- bahnhof dient blos dem Personendienst ; er enthält fünf Hallen- und eine grosse Zahl Aufstellungs-Geleise, eine Zugförderungs- Anlage, eine kleine Wagenwerkstätte und eine Oelgasfabrik. Von diesem Bahnhof geht über den oberen Steinbrucher Bahnhof die Linie nach Osten gegen Hatvan und nach Ujszäsz, während von der nach Westen gehenden, Budapest im Süden umfahrenden Linie hinter dem Franzstädter Bahnhof die Bahn fiach Semlin abzweigt und hinter dem Bahnhof Kelenföld die Linien nach Fiume und nach Brück gehen. Auch die vom Südbahnhof kommende Linie nach Stuhlweissenburg ist in Kelen- föld eingebunden.

Budapest ist von einem Ring von Bahnen umschlossen, die den Verkehr aller Bahnhöfe mit den einmündenden Linien vermitteln. Vom oberen Bahn- hof Steinbruch nach Kelenföld zieht

464

Das Eisenbahnwesen in Ungarn seit 1867.

als unterer Schenkel eines Dreieckes die Staatsbahnlinie, von da nordöstlich die Südbahn, über deren Bahnhof hinaus die staatliche Ringlinie rechts der Donau zum Anschluss an die Linie nach Eszter- gom [Gran] führt. Diese wird in südöst- licher Richtung von der Ringlinie auf der linken Donauseite bis zum Anschluss in Steinbruch verlängert. Vom unteren Schenkel, beim Franzstädter Bahnhof zweigt die Linie zum Donauufer-Bahnhof, zum Elevator, tut Hauptmarkthalle und zum Schlachthaus ab.

Dem namentlich seit Einführung des Zonentarifes mächtig gestiegenen Per- sonenverkehr können die beiden Haupt- bahnhöfe, der West- und Ostbahnhof, kaum mehr genügen. Der letztere musste schon durch Verlegung des Eilgutdienstes

in den Josefstädter Bahnhof entlastet werden; dem ersteren steht bald eine durchgreifende Erweiterung bevor. Alit diesem Umbau sollen zugleich die zahl- reichen Bahnkreuzungen im Niveau in der Nähe von Budapest für eine ungehinderte Stadterweiterung eliminirt werden.

Eine grossartige Anlage besitzt Ungarn im Hafen und Bahnhof Fiume. Wo im Jahre 1872, als die Carlstadt-Fiumaner Bahn eröffnet wurde, ein kümmerlicher Bahnhof mit wenigen Geleisen stand, reihen sich heute grosse Magazine, die längs dreier weiter Bassins erbaut sind, und ausgedehnte Geleise-Anlagen dienen der Rangirung und den zahlreichen Lade- stellen. Ein Holz- und ein Petroleum- hafen schliessen sich an beiden Seiten des Hafens an.

D. Hochbau.

Obcr-Inapecd

Julius Ferner,

der KaDlgUch Ungarische

DREI Decennien seiner Entwicklung halte das Eisenbahnwesen der Mon- archie fast vollendet, als die Län- der der ungarischen Krone in die Lage kamen, selbständig an den Ausbau des be- gonnenen Werkes zu schreiten. Gerade in Ungarn hatten die Österreichischen Inge- nieure und Architekten zuerst charakteri- stische Typen der Hochbauten zur Aus- führung gebracht, welche als ein wichtiges Vermächtnis gelten mussten.

Die A u tn ah msge bände der Staats- eisenbahn-Gesellschaft, der Südbahn und selbst jene der Theissbahn bildeten für län- gere Zeit noch durch ihre reichhche Dispo- nirung und sorgfältige Ausbildung den hervorragendsten Theil des ungarischen Besitzstandes an Hochbauten, denn was die erste Epoche des neu auflebenden ungarischen Unternehmungsgeistes hin- zuzufilgen hatte, blieb einstweilen noch hinter dem Vorhandenen zurück. Die zuerst ausgebauten Linien Zäkäny-Zd- gräb{Agramj und Hatvan-Miskolcz konnten die vorhandenen Bahnhöfe in Agram und Miskolcz ohne wesent- liche Umgestaltung mitbenutzen. Alle Neubauten auf den kleineren Stationen der Strecke hatten nur bescheidene Di- mensionen und entsprachen geringen Anforderungen an Bequemlichkeit. Selbst die grössten Au fn ahm sgebäude- Typen in Putzbau führten nur zwei Warteräume; ihre hölzernen Veranden hatten keine grössere Breite als 2'5 tn. Zur Dach- deckung waren Schindeln verwendet,

GiKhlcbte der Elgcobaluien. III.

So tritt der Grundzug weitgehender Oeconomie bei diesen Bauten zu Tage, welche keinen Fortschritt repräsentiren konnten.

Geräumiger und reichlicher ausge- stattet waren die Typen, welche bei den grösseren Neubauten der Salgö-Tarjän- Ruttkaer und der K.Aroly väros- [Karlstadt-] FiumanerLinie der Unga- rischen Staatsbahnen, femer der K as c h a u- Oderberger Bahn, der Ungarischen Ostbahn und der Alföld-Fi um aner Bahn zur Ausführung kamen. Die da-' malige königlich ungarische Baudirection schuf Anlagen, welche auch für die Privatbahnen vorbildlich wirkten. Bei diesen gelangte nun auch der Rohbau zur Anwendung, zunächst wohl nur bei den wichtigeren constructiven Bautheilen, in einzelnen Fällen aber, wie bei der Alföld-Fi um aner Linie, in Ziegelrohbau- Fa^aden.

Als eine weitere Eigentbümlichkeit dieser Anlagen ist die erhöhte Rücksicht- nahme auf den Restaurations- Betrieb zu verzeichnen, die zur Errichtung eigener Restaurations-Gebäude in wichtigeren Sta- tionen führte. Diese Gebäude enthielten meist zwei Speisesäle mit den nöthigen Wirthschaftsräumen und waren so neben den Aufnahmsgebäuden angeordnet, dass die Veranden vor denselben als Ver- bindungsgänge dienten.

Selbst auf den Stationen grösserer Provinzstädte erhob sich das Mass der angewendeten äusseren Mittel nur wenig 30

466

Das Eisenbahnwesen in Ungarn s

über die bescheidensten Anforderungen ; 1 das in Abb. 126 dargestellte Aufnahms- | gebäude in Kolozsvär [Klausen- j bürg] kann daher zur Charakterisirung ! der damals üblichen Bauweise dienen, j

Städte wie Flume mussten sich noch längere Zeit mit ungenügenden Provi- sorien behelfen. Zur Zeit der Eröffnung | der Linie roly väros- [Karl Stadt- J Fi ume 1 [1873) war das Fiumaner Aufnahms- [ gebäude nur ein Riegelwandbau ohne 1 Veranda, an das Ende eines hölzernen Guterschupfens angefügt. Die finanzielle : Krise zu Beginn der Siebziger-Jahre |

und einer weitgehenden Umgestaltung stand der Umstand im Wege, dass die neue Ringstrasse von Budapest Über den Grund dieses Gebäudes geführt werden sollte. Diese Verhältnisse führten zum Neu- bau des jetzigen »Westba hnhof es*, dessen Hochbauten in verschiedenen Richtungen bemerkenswerth sind. Mit reichen Mitteln und der Absicht, Neues und Hervorragendes zu schaffen, trat die Staatseisen bahn -Gesellschaft an diese Aufgabe heran ; die Lösung derselben brachte nicht nur eine räumlich befrie- digende Anlage, sondern auch interessante

Abb. IM. AufnahmsgihSude 1

trug viel dazu bei, projectirte Neubauten \

zu verzögern, was zur Folge hatte, dass \

im Allgemeinen bis zum Beginn der j

Achtziger-Jahre auf dem Gebiete der j

Bahnhofs bauten in Ungarn ein Stillsland j

eintrat. j

Nur eine wichtige Ausnahme ist hitr I

zu machen, welche der Thätigkeit der !

Oesterreic hisch - U n ga ri sc h e n ]

Staatseisenbahn - Gesellschaft ]

zu verdanken war. . [

Seit der' im Jahre 1846 erfolgten Er- I

Öffnung der ersten in Ungarn erbauten 1

Locomotivbahn Pest-Väcz [Waitzen] 1

bestand in Budapest ein grösseres Auf- |

nahmsgebäude mit geräumiger Ein steig- j

halle. Trotz der zu Ende der Sechziger- ,

Jahre vorgenommenen Erweiterungen ge- ^

nügte dieses Gebäude bald nicht mehr .

a Kolozsvi. [Klausenburg;).

constructive Versuche. Französischer Ein- fluss spielt bei dem Pester wie bei dem Wiener Aufnahmsgebäude der Staatsbahn eine Rolle. Der Typus der Anlage ist durch zwei grosse Längsgebäude gege- ben, welche die Halle einschliessen und einerseits fUr die Ankunft, andererseits für die Abfahrt entsprechende Locale enthalten. Abweichend von verwandten Typen ist die Ausbildung des grossen Vorplatzes der Abfahrtsseite. [Abb. 127.] Ein Gepäcks- und Posthof schliesst sich derart an den Abfahrtstract, dass die flan- kirenden seihständigen Post- und Eilgut- gebäude senkrecht zur Hauptgebäudeflucht gestellt sind. Damit correspondirend ist ein selbständiges R est aurations- Gebäude mit Wirthschaftsräumen angeordnet, wo- durch eine grossräumige Platzanlage ge-

Julius Ferner, Hochbai

467

Abb. 117. Autnahmigcblnde auf dem W

schaffen wurde. Der Ankunftstract auf der anderen Hallenseite ist durch eine eigenartige und in sich abgeschlossene Gruppe von Warteräumen für den a. h. Hof bereichert. Beide Tracte haben an der Stirnseite des Gebäudes reich aus- gebildete grosse Pavillonbauten, welche die grosse Glaswand des Hallenab- schlusses flankiren. [Abb. 128] Die grosse sechsgeleisige Personenhalle mit ihrer Spannweite von 42 nt ist dadurch in der

ibatanhare in Budaptti. [AbrabitucKc]

Faijade zum Ausdruck gebracht. Sie nimmt allein einen Flächenraum von 6153 m* ein und reicht mit dem First ihres eisernen Polonceaudaches bis 25 nt über die Perrons.

Besondere Beachtung verdient die constructive Durchbildung der massiven Tracte, weil bei ihnen der im Jahre 1877 noch sehr wenig angewendete eiserne Gerippebau principiell durchgeführt wurde.

Abb. iiS. AafnabnuKcbaud

468

Das Eisenbahnwesen in Ungarn seit 1867.

Pfeiler aus eisernem Gitterwerk tragen

die Decken- und Dache onstructionen der Tracte und Pavillons und bilden das Skelett des Mauerwerks, in welchem die Ziegel nur zur Ausfüllung der eisernen Fächer und zum Rohbau der Fa9ade- flächen verwendet erscheinen. Die wich- tigsten eisernen Constructionstheile sind in Verbindung mit metallischem Ornament sichtbar in den Fa^aden verwendet.

So bildet das Gebäude einen bedeu- tungsvollen Versuch, den

constructiven Principien in

weitestgehen- der Weise Rechnung zu tragen unddem

charakteristi- schen Con-

structionsma- terial der neu- eren Zeit, dem Eisen, auch in der Architek- tureine hervor- ragende Rolle zuzuweisen.

Dieser im Jahre 1877 er- öffneten An- lage für den

Person enver- kehr steht eine „, ,^ A.,..b......... i

fast zur selben

Zeit in Budapest durchgeführle Anlage für den Frachten verkehr gegenüber, welche auf dem Gebiete des reinen Nutzbaues dem intensiv wachsenden Raumbe- dürfnis nachzukommen hatte. Im An- schluss an die 1 876 eröffnete Buda- pester Verbindungsbahn wurde im Süden der Hauptstadt auf dem linken Donau- ufer der ausgedehnte Donauufer- Frachtenbahnhof erbaut. Zwölf gemauerte Gut erschupfen, zumeist von 15 m Breite und 100 m Länge ohne Zwischenstützen, ferner fünf kleinere Schupfen und vierzehn Getreidehallen bedecken daselbst eine Lagerfläche von 40. 1 50 w(-, Erwähnenswertli ist auch die

grosse in neuester Zeit ausgefürte Wor- thing^on- Pumpenanlage, welche derzeit nicht nur den Donau uf er- Bahnhof, sondern auch die Heizhaus -Anlagen des Bahnhofes Budapest- Ferenczvär OS mit Donauwasser versieht und den Kern einer grösseren, für die Zukunft berechneten Anlage bildet. Sie soll die Aufgabe erhalten, den grössten Theii der Budapester Bahnhöfe der Staats- bahnen, unabhängig von der städtischen Wasserleitung, mit Wasser zu versorgen. Die Forderungen eines gestei- gerten, entwi- ckelten Ver- kehrslebens sprechen aus diesen Anord- nungen.

Als Beispiel kleinerer Bau- ten sei das von der O esterrei- ch isch-Ungari sehen Staats- eisenbahn-Ge- sellschaft auf

der Station Herkules-fürdö [Herkulesbad] mit besonderer Sorgfalt aus- gefilhrte Auf- nahmsgebäude erwähnt [Abb. 129.]

Im Jahre 1881 konnten auch die Un- garischen Staatsbahnen daran schreiten, ihren Budapester Hauptbahnhof umzuge- stalten. Seit der Erwerbung der ersten ungarischen Staatsbahnlinie Pest-Salgö- Tarjdn [1868] hatte das auf dem Josef- städter Bahnhofe in Budapest ge- legene bescheidene Aufnahmsgebäude dem' rasch wachsenden Verkehr zu genügen, [Vgl. Abb. 89, S. 393.] Den neuen Er- werbungen des Staates konnte lange Zeit nur durch unzureichende Umgestaltungen Rechnung getragen werden.

Als nun das Project für einen Neu- bau des Aufnahmsgebäudes zur Durch- bildung und Ausführung gelangte, war

»-fDrdS [Herl

Julius Ferner, Hochbau.

469

dieser zweite Budapester Endbahnhof zu einer ebenso hervorragenden Aufgabe herangewachsen, wie der Bahnhof der Staatseisen bahn -Gesell Schaft. Die Dimen- sionen des neuen Aufnahmsgebäudes wur- den sogar noch grössere. Die Grundriss- Tjpen beider Anlagen sind ver^vandt. ^wei Längstracte schhessen auch beim Ostbahnhofe eine 42 m breite Halle ein, deren Stirnwand in der Parade diesmal eine monumentale Ausbildung erhielt und in

kleinen Gebäuden fUr die Platz-Inspection angeordnet ist; parabolische Vollwand- träger tragen die Ueberdeckung, welche eine Firsthöhe von 314 m erreicht. Die Hallenfläche beträgt 7518 »m*.

In all diesen Dispositionen spricht sich ein Fortschritt, eine Weiterentwick- lung der im Westbahnhofe auftretenden Principien aus, wenn auch zur Ausführung vorwiegend nur der Putzbau verwendet werden konnte, also der äusseren Aus-

einer Triumphbogen- Architektur von gros- sen Verhältnissen der Bedeutung der Auf- gabe Ausdruck verleiht. [Abb. 130.] Die Längsgebäude für Ankunft und Abfahrt sind auf dem Ostbahnhofe symmetrisch gebildet, und durch einen grossen Mittel- bau für die Vestibüle- Anlagen, ausgedehnte Zwischentracte und Pavillons an den Enden gegliedert. Postgebäude und Posthof sind an der Abfahrtsseite angeschlossen, und grössere Gebäude für das Eilgut liegen auf beiden Seiten symmetrisch einander gegen- über und in der Verlängerung der An- kunfts- und Abfahrtstracte.

Für die Hallenanlage ist charakte- ristisch, dass ausser den Seiten- und Kopfperrons ein breiter Mittelperron mit

stattung ein geringer Spielraum gelassen wurde. Auch in einer EigenthUmlichkeit der inneren Einrichtung ist der Zug einer neuen Zeit zu fühlen. Das elektrische Licht hatte seinen Einzug gehalten und wurde im ganzen Gebäude verwendet.

Der Aufschwung des Bauwesens, her- vorgerufen durch Ausbau von grösseren neuen und die Erwerbung und Erweiterung aller Linien durch den Staat, hatte natür- lich auch ausserhalb der Hauptstadt seine sichtbaren Consequenzen. Umgestaltungen und Neubauten im grösseren Stil lassen sich nunmehr allenthalben feststellen.

Als eine beachtenswerthe Anlage muss der Neubau des Aufnah ms gebäudes Zimony [S emiin] bezeichnet werden,

Das Eisenbahnwesen in Ungarn s

nsEebSude 1d Zlmanf [SemllD].

der mit dem Bau der neuen Bahnlinie Buda- pest-Zimony entstand. Es ist ein Grenz- bahnhof und hat dadurch eine Aufgabe, welche von dem normalen Typus abweicht. Zwei grosse Pavillonbauten, durch einen breiten Zwischentract verbunden, gliedern die Anlage. [Abb. 131.] In einem liegt das Vestibüle, in dem anderen sind die Räume ftlr die Zollmanipulation unter- gebracht, dazwischen, längs des Ver- bindungsganges, liegen die Warteräume und Restaurations-Localitäten. Diese Bau- theile bedecken im Ganzen die Fläche von 1405 m^; die Architektur des Putz- baues ist einheitlich und zeigt gute Verhältnisse; bescheidene Mittel sind darin geschickt verwendet.

Hervorragender ist naturgemäss die Aufmerksamkeit gewesen, welche man der Bahnhofsanlage in F i u m e zu schenken hatte. Allerdings waren es hier zuerst die durch den Frachten verkehr gegebenen Verhältnisse, welche mass- gebend wurden. Durch seine Lage an dem einzigen bedeutenden Seehafen Ungarns ist der Bahnhof Fiumes von besonderer Bedeutung für den Handel. Die ungewöhnliche Ausdehnung der er- forderlichen Lagerräume führte auch

naturgemäss zu besonderen Anlagen und Constructionen ; so sind zwei Lager- häuser hervorzuheben, welche durch ihre Ausmasse ähnliche Anlagen über- ragen und durch die weitgehende Be- nützung des Eisens in constructiver Hinsicht Aufmerksamkeit erregen. Es sind dreigeschossige Bauten mit Lager- räumen in allen Etagen von zusammen SlOO (»* Lagerfläche. Das Eisen ist hier nicht blos für Dach und Decken, für drei Reihen Zwischenstützen, sondern auch für die tragenden Pfeiler der Haupt- mauern verwendet. Eiserne Treppen und Aufzüge vermitteln die Verbindung der oberen Geschosse, welche hölzerne Zwi- schenböden besitzen; steinerne Treppen führen von aussen in Souterrains, welche eingewölbt sind. Unten pflegt Wein, oben Mehl oder Getreide in Säcken in diesen 20 m breiten und 140 »« langen Gebäuden zu lagern.

Trotz dieser [1S89 vollendeten] an- sehnlichen Anlagen wurden bald noch besondere Vorkehrungen nöthig, um dem überseeischen Getreide-Export gerecht zu werden. 1891 wurde der grosse Elevator vollendet, welcher die Hochbauten am Hafen durch seine charakteristische

Julius Ferner, Hochbau.

Silhouette ergänzt. [Abb. 132.] Seine 68 Caissons, welche in 1 3.600 ffi" Lager- raum für 1030 Wagenladungen Getreide enthahen können, bedingten eine mächtige, fast fensterlose Baumasse, welche nach anterikanischer Art ohne Schmuck nur durch Well blech wände gekennzeichnet ist. Die innere Einrichtung ist grossen- theils, wie dort üblich, aus Holz, nur der Unterbau ist aus Eisen und nach aussen durch Ziegelrohbau - Mauerwerk hervor-

1 eine begründete ästhetische Anfordenmg ' durch die Lage des Bahnhofes an der I Corsia O^ak hinzu, welche eine Gelegen- ! heit zur architektonischen Bethätigung geben musste.

Der symmetrisch gebildete Grundriss mit seinem Mittelbau für das Vestibüle, seinen Zwischentracten für Warteräume und Gepäckabfertigung und seinen Eck- pavillons, weicht von der typischen Aus- bildung der Längsgebäude grösserer End-

Abb. 1)9, ElevalOT auf di

gehoben. Als treibende Krafl für die maschinelle Einrichtung, welche jener der Triester Anlage ähnlich ist, wurde hier Elektricität verwendet.

Mit diesen hervorragenden Nutzbauten war den dringenden Ford enm gen des Frachten Verkehrs entsprochen, so dass nun endlich auch dem Personenverkehr in gebührender Weise Aufmerksamkeit geschenkt werden konnte.

Der Neubau des Aufnahmsgebäudes von Fiume wurde im Jahre 1890 voll- endet. [Abb. 133.] Wenn auch den massigen räumlichen Forderungen mit einer verbauten Fläche von 1536 t«* ge- nügt werden konnte, so trat doch noch

> Babohor« In Flume.

Stationen nicht ab. Hingegen tritt im Aufbau das Streben zu Tage, durch An- wendung strenff gräcisirender Bauformen, edler Verhältnisse, der Architektur einen besonders ruhigen und vornehmen Cha- rakter zu verleihen, der einigermassen von der Schablone abweicht.

Ebenso spricht aus dem 1892 vollen- deten Staatsbahnhof zu Zägräb [Agram] mit seinem opulenten Aufnahmsgebäude eine architekturfreundliche Gesinnung. [Abb.' 134.] Es ist nicht mehr der Nutzbau, welcher in erster Linie den Charakter be- stimmt, man berücksichtigt die Bedeutung, welche ein grosses Empfangsgebäude für die architektonische Ausgestaltung einer

Das Eisenbahnwesen in Ungarn seit 1867.

Provinz - Hauptstadt erhalten kann. In einem Stadttheile Agrams situirt, der während des letzten Jahrzehntes in rapider Entwicklung stand, bildete der grosse Bau naturgemäss ein Ziel fUr neue Strassenanlagen, einen Anstoss für die Hebung der Bauthätigkeit in seiner Um- gebung. Dementsprechend sind nicht nur die räumlichen Ausmasse reichlich, man scheute auch beim Aufbau nicht vor Verwendung plastischen Schmuckes und kräftiger Gliederung zurück. Die Dimen- sionen sind etwa doppelt so gross wie in Fiume ; bei einer verbauten Fläche von 2954 wi* wurde im Grundriss eine ähnliche Type eines Längsgebäudes mit einem

und Fiume, in der Nähe des Meeres, kam eine solche Anlage zur Ausführung, die eine 32 km lange Strecke, von Fuiine bisBuccari mit Trink- und Nutzwasser versehen sollte. Die grosse Pumpstation im Thale von Fuäine benützt den LiCanka-Bach und versorgt mit zwei kleineren Pumpen Fuüine selbst und mit vier grösseren Dampfpumpen drückt sie das Wasser in das 139 vt über ihrem Niveau gelegene Steinreservoir der Station Lif, durch eine 7250 tn lange Druck- leitung^ Von hier an wird das natürliche Gefälle benützt, um weiterhin die Stein- Reservoire von Plase, Meja und eiidlich von Buccari zu füllen.

Abb. IJJ. Aurnahmageb

Mittelbau und zwei Eckpavillons ver- wendet. Alle Tracte sind aber hier zwei- geschossig. Der grosse Eingangspavillon ist durch einen kräftig vorspringenden Säulenbau mit Giebclbekrönung gekenn- zeichnet und an allen Pavillons sind auch noch die Dächer zur Mitwirkung heran- gezogen. Ein Postgebäude mit Posthof | ergänzt die Anlage. Sowohl Agram wie Fiume besitzen keine Hallen, sondern nur Veranden zur Ueberdeckung der Perrons.

Nicht immer gelang es, der mit den Hochbau-Anlagen so innig zusammen- hängenden Wasserbeschaffungsfrage, mit einfachen Mitteln zur Lösung zu ver- helfen. Mitunter, wie in dem so wasser- armen Karstgebiete, wuchsen dieSchwierig- keiten so sehr, dass eine selbständige Wasserleitung von grossen Dimensionen unvermeidlich wurde. Zwischen Agram

Wie wohlthätig eine solche Anlage für die Umgebung werden kann, mag aus dem Umstände entnommen werden, dass nicht nur sämmtliche Hochbauten dieser bezeichneten Strecke, sondern auch die angrenzenden Ortschaften ihr Trink- wasser durch diese Leitung erhalten.

Wir haben bisher nur den Haupt- linien des ungarischen Eisenbahnnetzes unsere Aufmerksamkeit zugewendet, da in den früheren Decennien die Be- deutung der Local bahnen nicht sehr in den Vordergnmd trat. Als man in den Siebziger-Jahren an die Herstellung der damals sogenannten Bahnen zweiten Hanges ging, von denen die Linie Miskolcz- Bänr^ve die erste war, wurden die Hoch- bauten aus öconomischen Rücksichten auf

Julius Pemer, Hochbau.

das bescheidenste Mass reducirt. Die Auf- nahmsgebäude wurden fast nur mehr ebenerdig und mit kleinen Raumdimen- sionen erbaut und bei allen anderen Hoch- bauten verkleinerte man im entsprechenden Mass die damals ohnehin noch beschei- denen Typen der Hauptbahnen. Zudem waren diese Bahnen meist noch in Privat- händen und dies führte aus begreiflichen

Folgen, welche dieses System für die Be- trieb sführung, für die Benützbarkeit und Erweiterungsfähigkeit der Anlagen mit sich brachte. Zudem lag die Erwägung nahe, dass Ersparungen im Hochbaue für die Gesammtk Osten neuer Linien nicht von massgebender Bedeutung zu werden pflegen, da sie einen zu geringen Theil derselben bilden.

Gründen nicht zu einheitlichen Tj'pen. Erst im letzten Jahrzehnt nahm das Local- bahnwesen jenen merklichen Aufschwung, der im Verein mit der Einführung des Zonentarifes und der wesentlichen Stei- gerung der Personen- Frequenz ein erneutes Studium der Hochbau frage für Bahnen niederer Ordnung wünschenswerth er- scheinen liess.

War früher die weitestgehende Oeco- nomie der leitende Gedanke, so erkannte man in neuerer Zeit bald die ungünstigen

iKude In CySi [RAabj.

Wir begegnen daher in neuerer Zeit bei den ungarischen Localbahnen in der Regel stoekhohen Auftiahmsgcbäuden mit seitlichen Wartehallen, welche geräumig und bequem sind.

Wasserstationen werden mit Loco- motiv-Kemisen combinirt und, wie die übrigen Hochbauten, nicht mehr auf das bescheidenste Mass zurückgedrängt.

Die Anlage von Localbahnen hatte

aberauch für viele Einmündungs-Stationen

474

Das Eisenbahnwesen in Ungarn seit 1867.

der Hauptbahnen wichtige Folgen; Er- weiterungen und Umgestaltungen vor- handener Anlagen bilden daher eine häufige Erscheinung in dieser jüngsten Entwicklungsepoche des Eisenbahn- wesens. Manche Forderungen des ge- steigerten Verkehrs haben insbesondere bei wichtigen Knotenpunkten für die Bahn- hofsanlagen und Gebäudetypen wesent- liche Consequenzen mit sich geführt. Vor Allem ist die schon in der ältesten Periode erkannte, aber erst in der neue- sten Zeit in den Vordergrund getretene Vermeidung von Geleise- Ueber- schreitungen ein. Princip von weit- tragender Bedeutung geworden. Die An- lage von Personen-Durchgangstunnels, die Anordnung von Zwischenperrons sind zuerst im Auslande, dann aber auch in Ungarn zur consequenten Einhaltung dieses Princips, insbesondere bei Knoten- punkten durchgeführt worden.

Als erster der in diesem Sinne um- gestalteten Bahnhöfe ist jener von Györ [Raab] zu nennen, wo in die Hauptlinie Budapest-Györ-Bruck a. d. L. noch drei BahnHnien münden, wo somit nach fünf verschiedenen Richtungen Züge abzu- fertigen sind. [Abb. 135.]

Der zweistöckige Theil des seinerzeit von der Oesterreichisch - Ungarischen Staatseisenbahn - Gesellschaft erbauten Aufnahmsgebäudes blieb erhalten und be- herbergte die Bureaux der Station und die Postlocalitäten, während ein ausgedehnter Neubau für Warteräume, Gänge, Vestibüle, Gepäcksmanipulation etc. an Stelle eines alten ebenerdigen Flügels errichtet wurde. Zwei Tunnels von 4 tn Breite dienen zur Verbindung der breiten Zwischen- perrons sowohl mit der Veranda als auch mit den Vestibules des Hauptgebäudes; ein Quertunnel von 3 m Breite verbindet den Abgangs- mit dem Zugangstunnel. Breite Treppenarme führen vom Aus- gangs- und Eingangsvestibule sowie von der Veranda des Hauptgebäudes und den Zwischenperrons zu den Tunnels hinab, die zur Communication zwischen den drei Geleisepaaren dienen. Unter den eiser- nen Flugdächern der Zwischenperrons sind kleine Gebäude, die einen heizbaren Warteraum, eine Personencasse und Aborte enthalten, errichtet. So bildet diese

im Jahre 1894 vollendete Anlage einen T3rpus jener entwickelten, von starker Personenfrequenz beeinflussten Knoten- punkt-Bahnhöfe, welche den neuesten An- schauungen Rechnung trugen.

Ihre Zahl mehrt sich von Jahr zu Jahr in allen Theilen der Monarchie und mit diesen Neuerungen Hand in Hand gehen auch die Erweiterungen und Um- gestaltungen der für die Zugförderung und die anderen Verkehrsbedürfnisse ge- schaffcnen Anlagen.

So hat die Gestalt der Wasserstatio- nen durch die Anordnung von Wind- motoren eine merkliche Veränderung erfahren. Seit dem Jahre 1892 wurde diese Verbesserung besonders im unga- rischen Tieflande erfolgreich eingeführt.

In Kis-Ujszälläs [Strecke Szolnok- Püspök-Ladäny] hebt ein solcher Motor aus einem Brunnen bei 6 tn Saughöhe und 125 m Druckhöhe im Durchschnitt täglich 70 w* Wasser. [Abb. 136.]

Die Reservepumpen für windstille Tage kommen nur selten in Verwendung.

Zur Vermeidung kostspieliger, grosser Wasserleitungen wurden ferner neuer- dings artesische Brunneh angelegt, mit welchen die Ungarischen Staats- bahnen nun schon öfters gute Erfolge er- zielten. Durch Combinirung mit Wind- motoren wächst begreiflicherweise die Ersparung an Anlage- und Betriebskosten so beträchtlich, dass dieses höchst öcono- mische Vorgehen zu den nutzbringendsten Neuerungen gerechnet werden muss.

Wenn auch die grössten Endstationen in der ungarischen Reichshälfte ihre wichtigsten Bauwerke erhalten haben, so harren doch immer noch wichtige Zwischenstationen ihrer Verjüngung. Der- zeit ist das Aufnahmsgebäude von Te- mesvär-Jözsefväros im Umbau begriffen, während andererseits grosse Werkstätten in Miskolcz, Szolnok, Szombathely [Steinamanger] und an anderen Orten in Ausführung begriffen sind.

Es ist auch für die Entwicklung des Eisenbahn - Hochbaues im Allgemeinen charakteristisch, dass sie epochenweise vor sich geht und dass einer Reihe von grossen neuen Anlagen mit fruchtbrin-

Julius Pemer, Hochbau.

gen den Ideen Pausen von geringerer Thätigkeit zu folgen pflegen.

Die Schwankungen und fühlbaren Ab- schnitte im finanziellen und wirthschaft- liehen Leben des Staates drucken sich auch in einer erhöhten oder verringerten Baulust, in einer üconotni sehen oder opulenten Einleitung der Projecte aus; denn gerade der Hochbau ist nicht immer blos von den praktischen Forderungen einer zwingenden Noth wendigkeit ab- hängig, sondern hat vielfach auch dem Ansehen und der Würde von Einzelnen oder Corporationen Ausdruck zu geben, ist von dem Schönheitsbedürfnis und der Culturstüfe einzelner Orte oder Länder bestimmt. Dass der Eisenbahn -Hochbau

der ungarischen Kronländer nicht viele grundlegende Typen aus heimischen Ver- hältnissen zu entwickeln hatte, ist viel- fach durch den Umstand erklärt, dass er in einer vorgeschrittenen Epoche des Eisenbahnwesens selbständig wurde. Er hatte aber wiederholt die Aufgabe zu erfüllen, einer Belebung der Bauthätig- keit einzelner Städte Vorschub zu leisten, durch sorgfältig studirte Ausführungen anregend und fördernd zu wirken. Dass er auch dieser Verpflichtung, die ihm insbesondere durch Einführung des Staatsbetriebes erwachsen war, gerecht zu werden vermochte, wollen die vor- angegangenen Betrachtungen bewiesen haben.

Locomotivbau, Wagenbau, Werkstätten-

und Zugförderungswesen.

Unter Leitung von Cajetan v. Banovits, Ministerialrath.

A. Locomotivbau.

Ernst Szlabey,

MIT Ende des Jahres 1867 standen in Ungarn, wie in den vorher- gehenden Abschnitten ausgeführt erscheint, Strecken folgender Eisenbahnen im Betrieb :

1. Die Linien der k. k. priv. Oester- reichischen Staatseisenbahn-Gesellschaft.

2. Die Linien der k, k, priv. Südbahn- Gesellschaft.

3. Die Theissbahn.

4. Die Mohäcs-Fünfkirchener Bahn und

5. Die Ungarische Nordbahn von Pest bis Salg6-Tarjän.

Die ungarischen Linien der Staatseisen- bahn und Südbahn standen in unmittelbarer Verbindung mit den auf österreichischem Gebiete liegenden Linien derselben Bahn- gesellschaften und wurden mit diesen letzteren zusammen von gemeinschaft- lichen Cent ra Ist eilen aus verwaltet, von welchen auch die Beschaffung der Fahr- betriebsmittel für die ungarischen und österreichischen Linien gemeinschaftlich erfolgte. Die Fahrbetriebsmittel der unga- rischen Linien dieser beiden Bahngesell- schaften waren daher vollständig Über- einstimmend mit denjenigen ihrer öster- reichischen Linien.

Die Theissbahn war im Jahre 1867 fast in ihrer ganzen Ausdehnung ausgebaut und beschaffte ihre Fahr- betriebsmittel bis zur Zeit der Verstaat- lichung nach eigenen Typen, die bereits an anderer Stelle dieses Werkes schon be- sprochen wurden,*) Wir beschränken uns daher bezüglich dieser Bahn blos auf die Anfuhrung der Thatsache, dass dieselbe im Jahre 1879 die von der Maschinenfabrik der Ungarischen Staats- bahnen für die Pariser Weltausstellung von 1878 angefertigten '/, gekuppelten Locomotiven für gemischten Zugsverkehr [Tafel I, Fig. i] anschaffte.

Diese Locomotiven sind insofeme be- merkenswerth, als dieselben mit Kolben- schi ebem ausgeführt wurden und in Ungarn die einzigen Locomotiven solcher Anordnung sind.

Die M oh dcs-Fünfkir ebener Bahn hat bereits die von ihr bis Ende 1867 ange- schafften Locomotiven cassirt, ihre heute im Betrieh befindliehen Locomotiven stammen aus den Jahren 1868 1889.

•) Vgl. Bd. I, I. Theil, H. Strach: Ge- schichte der Eisenbahnen in Oesterreich- Ungarn bis 1867, und Bd. II, K. Gölsdorf: Locomotivbau in O esterreich.

Ernst Szlabey, Locomotivbau.

Die ersten Locomotiven der Unga- rischen Nordbahn wurden im Jahre 1865 eingeliefert. Dieselben bildeten die Grundtypen für die Construction der Locomotiven der aus der im Jahre i86g verstaatlichten Ungarischen Nordbahn entstandenen Staatseisenbahnen, als auch der meisten seit dem Jahre 1867 erbauten übrigen ungarischen Bahnen.

grössere Rostfläche, Heizfläche und grössere Cylinder sowie einen grösseren Dampfdruck aufweist. Nachdem jedoch diese Locomotiven in der neueren Zeit den Ansprüchen auch nicht mehr zu ge- nügen vermochten, wurde die auf Tafel I, Fig. 4, dargestellte Type geschaffen . Diese Locomotiven sind als zweicylindrige Com- pound-Locomotiven mit 13 Atmosphären

Abb. 1J7- i/J e«*oj

Ausgehend von den Locomotiven der | Ungarischen Nordbahn sind im Nach- folgenden blos die charakteristischen Haupttypen der Locomotiven vorgeführt.

L Güterzug-Loconiotiven.

Die von der Ungarischen Nordbahn schon im Jahre 1865 beschafften '/j ge- ; kuppelten Locomotiven sind auf Tafel I, I Fig. 2, dargestellt. |

Aus diesen Locomotiven entstand im Laufe der Zeit die auf Tafel 1, Fig. 3, und Abb. 137 dargestellte */, gekuppelte Locomotive, die gegen die frühere eine

ausgeführt und wurden zuerst im Jahre 1893 angeschafft.

Zur Beförderung der Güterzüge auf den Bergstrecken mit 16° /jo undlj^/^fl Steigun- gen sind im Jahre 1871 */, gekuppelte Locomotiven ausgeführt worden, deren verstärkte Abart (Abb. 138, und Tafel I, Fig. 5] im Jahre 1895 angeschafft wurde.

Für Vicinalbahnen ist im Jahre 1870 die auf Tafel I, Fig. 6, dargestellte Loco- motiv-Type zur Ausführung gelangt, die jedoch durch die zuerst im Jahre 1885 geschaffene und seither durch circa 450 Exemplare vertretene Type (Abb. 139, und Tafel L F'g- 7] ersetzt wurde.

478

Das Eisenbahnwesen in Ungarn seit 1867.

Neben dieser letzteren Locomotive I werden seit dem Jahre 1896 für Vicinal- | bahnen auch */^ gekuppelte Tender-Loco- 1 motiven [Abb. 140] beschafft, die als zwei- cylindrige Compound - Locomotiven mit zwölf Atmosphären Kesseldruck gebaut wurden.

II. Pe

zug

Loc

Die älteste von der Ungarischen Nord- bahn im Jahre 1865 beschaffte */, ge- kuppelte Personenzug- Locomotive ist auf Tafel II, Fig. 8, dargestellt; die letzte Type einer */g gekuppelten Personenzug- Locomotive bildet die auf Tafel II, Fig. 9,

durch Ausgleichshebel miteinander ver- bunden, die um einen in der Längsachse des Gestelles angeordneten Zapfen drehbar sind, wodurch ein Anschmiegen der Räder an die Unebenheiten der Bahn im weitest- gehenden Masse gewährleistet wird.

Fig. II, auf Tafel II, stellt die zuerst im Jahre 1885 gebaute Eilzug- Locomo- tive der Ungarischen Staatsbahnen dar, die auch gegenwärtig noch immer zur Nachschaffung gelangt.

Parallel mit dieser Locomotiv-Tjpe wurde von den Ungarischen Staats- bahnen im Jahre 1890 mit der Beschaf- fung der in Fig. 12, Tafel 11, dargestellten */« gekuppelten viercylindrigen Tandem-

Abb. Ijg. ]'3 gekupiwlte Vlciaalbah

dargestellte,vonderUngarisch-Galizischen Bahn im Jahre 1886 angeschaffte Loco- motive.

Seit dieser Zeit wurde eine neue Type für Personenzug- Locomotiven nicht mehr geschaffen, indem die Eilzug -Locomotiven auch für den Personenzug- Verkehr ver- wendet werden.

in. Eilz

g-Loc

Als erste Eil zug -Locomotive wurde im Jahre 1874 von der Maschinenfabrik der Staatseisenbahn-Gesellschaft in Wien die auf Tafel II, Fig. 10, dargestellte '/, gekuppelte Locomotive den Ungarischen Staatsbahnen geliefert. Das Truckge- stelle ist um einen, zwischen den Achsen angebrachten mittleren Zapfen drehbar. Die Federn jeder Achse des Trucks sind

Co m po und- Wo olf- Locomotive begonnen, von welcher Type derzeit 68 Stück im Be- triebe sich befinden. Gleichzeitig wurden zur Vornahme von Vergleichs versuchen zwei mit dieser Compound- Locomotive vollständig gleiche Dimensionen besitzende I und gleichschwere Zwillings- Locomotiven I gebaut.

I Die oben angeführten Eilzug- Loco- I motiven haben sich aber für die Berg- I strecken von i6'/uo und as'/o« Steigung ! als unzulänglich erwiesen und wurde daher j im Jahre 1892 für derartige Strecken eine j ^U gekuppelte Locomotive angeschafft. I Eine ähnliche Locomotive, jedoch

I mit vergrüsserter Heizflache und Com- i poundwirkung, ist im Jahre 1897 zur i Ausführung gekommen. [Abb. 141.] , Die Zugkraft und die Leistungsföhig- [ keit der Locomotiven ist seit 1867 be-

Ernst Szlabey, Locomotivbau.

'4 E'='"'l'P°'l' ViEinatbabD-Tctider-Locomi

deutend gestiegen. Wenn wir in dieser Hinsicht die ältesten und neuesten Typen der einzelnen Locomotiv- Gattungen ver- gleichen, so finden wir, dass während die ältere Güterzug- Locomotive [Tafel I, Fig. i] eine grüsste Zugkraft von 3660 kg besitzt und auf 77oe Steigung bei 20 km Geschwindigkeit einen Zug von 294 i zu befördern vermag, die neuere Güter- zug-Locomotive [Tafel I, Fig. 4] eine grössle Zugkraft von 6530 fe^r und unter denselben Verhältnissen eine Leistung von doi t aufweist. Ebenso finden wir, dass während bei der ältesten ungarischen Eilzug- Locomotive [Tafel II, F'ig. 10] eine maximale Zugkraft von 3i6oi£' und bei 2"!^^, Steigung und 80 km Geschwindigkeit eine Leistung von 66 Zugtonnen nach- zuweisen ist, bei der Eilzug- Locomotive aus dem Jahre i8go [Tafel I(, Fig. 12] hingegen die grösste Zugkraft bereits auf 4500 kg und die Leistung unter denselben Verhältnissen auf 178 Zugtonnen gestie- gen ist.

IV. Zahnrad-Locomotiven.

üie auf der Zahnstangenstrecke Tiszolcz-Erdököz verkehrenden Locomo- tiven, System Abt, sind die schwersten dieses Systems, die Überhaupt je gebaut wurden. [Abb. 142, undTafel II, Fig. 13.] Sie wurden von der Locomotiv Fabrik Floridsdorf geliefert.

Ausrüstung der Locomoiiven.

Bezüglich der Ausrüstung der Loco- motiven sei nur bemerkt, dass sämmt-

liche Locomotiven entweder mit selbst- thätigen oder nicht selbstthätigen Cen- tralschmier-Apparaten, die zur Per- sonenbeförderung dienenden, wie auch die auf starken Gefällen verkehrenden Güterzug- Locomotiven mit Geschwindig- keitsmessern, die zur Personenbeförde- rung dienenden ausserdem mit der Dampfheizungs-Einrichtung ver- sehen sind.

Bezüglich der Bremse sei bemerkt, dass auf den meisten Hauptbahnen Un- garns die zur Personenbeförderung dienenden Locomotiven mit der Wes- tinghousc-Bremse ausgerüstet sind, die Hardy-Bremse hingegen nur auf wenigen Bahnen Verwendung tindet.

Die Güterzug- Locomotiven, wie die meisten Locomotiven der Localbahnen, sind mit Handbremsen ausgerüstet.

Schliesslich sei erwähnt, dass bei allen seit 1887 angeschafften, wie auch bei vielen älteren Locomotiven der Un- garischen Staatsbahnen der nach ameri- kanischem Muster verlängerte Kauchkasten mit Funkenfänger angewendet- wird, hingegen die übrigen Locomotiven Funken- fänger verschiedener Gonstructionen be-

Loco motiv-Fa brication.

Bis zum Jahre 1873 wurde der Locomotivbedarf ausschliesslich im Aus- land, hauptsächlich in Oesterreich ge- deckt. Erst in diesem Jahre begann die aus der 1867 gegründeten Ersten ungarisch-belgischen Maschinenfabrik im Jahre 1870 entstandene >.Maschinen- fabrik der Königlich Ungari-

48o

Das Eisenbahi

Ungara

seit 1867.

l88l

10 Stück

1890

51 Stück

1883

M

891

51

1883

26

892

75

1884

24

893

111

1885

37

1894

113

1886

29

895

1887

26

896

173

1888

37

897

139

sehen StaatsbahneiK ihre ThätJgkeit auf dem Gebiete des Locomotivbaues, indem sie im selben Jahre drei Loco- motiven baute. Doch war diese Fabrik in den ersten Jahren noch nicht derart ausgerüstet, dass sie mit den älteren ausländischen Fabriken in erfolgreiche Concurrenz hätte treten können und so wurde denn auch noch in den

t Elliug-LoconotlTe. [iS97.]

nächsten Jahren der grösste Theil der Loeomotiven im Auslande beschafft.

Einen Einblick in die Leistung der Staatsbahn-Maschinenfabrik bietet die folgende Zusammenstellung der in den einzelnen Jahren ihres Bestehens ange- fertigten Loeomotiven ; es wurden näm- lich geliefert:

1873 3 Stück 1877

1874 7 . 1878

1875 2 1879

1876 4 . 1880

3 Stück

l.m Abi. (Slreck« TfBiolM-ErilüliOi.l

1 Aus dieser Zusammenstellung ist

I gleichzeitig zu entnehmen, dass die sy- j stematisch fortschreitende Entwicklung I des Locomotivbaues erst vom Jahre 1880

zu zählen ist.

Die Fabrik hat bis Ende 1897 1175 ! Loeomotiven angefertigt; ihre gegenwär- ] tige Leistungsfähigkeit zeigt sich auch

darin, dass während die ersten 500 Lo- I comotiven in den Jahren 1873 bis 1893, I die zweiten 500 schon in der Zeit von

1893 bis 1896 zur Ablieferung ge- I langten.

Ernst Szlabey, Locomotivbau.

481

Die Fabrik, die wohl auch andere Zweige des Maschinenbaues cultivirt und besonders auch den Bau von lan4.wirth- schaftlichen Maschinen und Brücken be- treibt, hatte im Jahre 1873 555 Arbeiter, während sie im Jahre 1896 deren etwa 33CX>, darunter 1900 bei der Locomotiv- Fabrication beschäftigte.

Die für den Bau der Locomotiven benöthigten Materialien, die in den ersten Jahren grösstentheils aus dem Aus- lande, respective aus O esterreich bezogen werden mussten, werden heute, mit Ausnahme eines Theiles der Kupfer- bleche und der Manganbronze, im In- lande angefertigt. Die Maschinenfabrik der Ungarischen Staatsbahnen ist, nach- dem sie mit dem Eisen- und Stahl- werk Diösgyör innig verbunden und

unter einer Leitung steht, in der Lage, fast alle Eisen- und Stahlbestandtheile selbst zu erzeugen.

Ein zweite Locomotivfabrik entstand im Jahre 1895, nachdem die Johann Weitzer'sche Maschinen-, Waggon- fabrik und Eisengiesserei-Actien- Gesellschaft iaArad auch für den Locomotivbau, in erster Linie für den Bau von Schmalspur - Locomotiven ein- gerichtet wurde. Diese Fabrik hat jedoch bis Ende 1897 blos 25 Stück Locomotiven abgeliefert.

Locomotiven für Fabrikszwecke und Grubenbetrieb haben noch das Eisen- werk Resicza der Oesterreichisch-Un- garischen Staatseisenbahn - Gesellschaft und die Fabrik des Karl Kachelmann in V i h n 3' e bei Schemnitz angefertigt.

Geschichte der Eisenbahnen. III.

31

482

Das Eisenbahnwesen in Ungarn seit 18Ö7.

Tafel I. Güterzug- Locomotiven.

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Fig. S. -1'4 eehuppelte GUleiiug-LoLOmotive dei L iigarlii-hea Suatibahnen, l8c»S-

LoioiuuUve, lS7ü-

Ernst Szlabey, Locomotivbai

Tafel II. Personenzug- und EÜzug-Locomotiven,

483

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Flg. 8. Ili gikuppeUe PetwoeoIue-LoeoDiotlve. fei'ui^aflKhiSlll!

Fig. 9. Vi gekoppilte PenoDeniug-Locomotl

Flg. tl. Vi gckuppclts Elliug-LocoIDoIiTe der UagaTitebeo StaaUbahacn, iBSj.

Fig. 11. 3/4 cekoppell* Elling-Loco

I

B. Wagenbau.

Edmund KELßNYi,

DIE Entwicklung des Eisenbahn- Wagenbaues in Ungarn steht im innigen Zusammenhange mit der Entwicklung des Eisenbahnwesens im Lande selbst, demnach mit der successiven Zunahme des Personen- und Gtlterverkeh- res und der Ausdehnung der Bahnlinien. Die durch den Bau der verschiedenen Bahn- linien erfolgte Erweiterung des Bahn- netzes, femer die Verstaatlichung der Privatbahnen als auch die wichtigen Massnahmen zur Hebung des Verkehres führten auf dem Gebiete des Wagenbaues zur constructiven Vervollständigung der Personen- und Güterwagen und zu einer immer steigenden Intensivität in der Er- zeugung der verschiedenen Arten dieser Betriebsmittel.

Bis zum Jahre 1867 und theihveise auch in den späteren Jahren bewegte sich in Ungarn die Entwicklung des Wagenbaucs in derselben Richtung wie auf den österreichischen Bahnen.

In Ermangelung einer inländischen Waggonfabrik wurden die Wagen bis 1867 ausschliesslich aus den Waggon- fabriken in Oesterreich, Deutschland und der Schweiz bezogen, und die Tjpen dieser Wagen entsprechen im Allgemeinen denjenigen Wagen typen, die auf den centraleuropäischen Bahnen verwendet wurden. Eine Einheitlichkeit unter den Typen der von den verschiedenen privaten Eisenbahn-Gesellschaften beschafften Per- sonen- und Güterwagen bestand jedoch nicht, und sowohl bezüglich der durch

die Grösse des Radstandes bedingten Länge der Wagen, als auch bezüglich der Detailconstructionen wiesen die Wagen eine grosse Mannigfaltigkeit auf. Zum grössten Theile waren die in dieser Zeit für die ungarischen Bahnen gebauten Personen- und Güterwagen zweiachsige kurze Wagen mit einem Radstaiide von 2'9 bis 4'9 m. Die Personenwagen wurden ohne jede Bequemlichkeits-Einrichtungen je nach der Kategorie mit drei bis iikwi Abtheilungen als Coup^ wagen gebaut, während die Güterwagen gedeckt oder offen mit einem durchschnittlichen Boden- flächeninhalt von 13 bis 16 »(' für 10 / Tragfähigkeit gebaut wurden.

Bezüglich der Constructionsdetails der in dieser Bauperiode gebauten Wagen ; ist Folgendes zu bemerken: I Beim Baue des Untergestelles und des

Wagenkasten gerippes wurde mit Aus- I nähme der Verbindungslheile beinahe I ausschliesslich Holz verwendet. I Die Radreifen wurden mit dem Rad-

I kränze mittels Kopf- oder Durch seh rauben I verbunden, die Tragfedern wurden aus 1 schmalen Federblättem [Breite 80 wit«) j ohne Rippen hergestellt, und die zwei- ' theilig gegossenen und gewöhnlich mittels ' vier Schrauben mit den Tragfedern ver- bundenen Achslagergehäuse bildeten einen 1 Oelbehälter, bei welchem die Oelzuführung I zum Zapfen von unten bewerkstelligt I wurde. Die Stoss- und Zugvorrichtung j entsprach schon der heutigen Ausführung. I jedoch wurden zur Aufnahme der Stoss-,

Edmund KeMn)^, Wagenbau.

485

respective Zugwirkung anstatt der heute verwendeten Federn Kautschukscheiben verwendet.

Die innere Einrichtung der Personen- wagen war einfach. Die Abtheilungeri entbehrten jedweder Heizeinrichtung, oder aber es wurde die Heizung durch Wärme- flaschen besorgt, welche unter oder vor den Sitzen eingeschoben wurden. Zur Ventilation dienten Schieber, welche ge- wöhnlich oberhalb der Coup6-Einsteig- thüren angebracht wurden, und die Be- leuchtung geschah durch Decken- Oel- lampen. Die Bremseinrichtung bestand aus einer mittels Holzklötzen wirkenden Handbremse, und ausser den zur Auf- nahme der Signallatemen dienenden Kloben und der Oesen zum Befestigen der Zugsleine waren sonst gar keine Sicher- heits-, beziehungsweise Zugsignal -Vor- richtungen vorhanden. Die inneren Wände der Personenwagen I. und II. Classe wurden mit Tapeten überzogen, und der Ueberzug der Sitze bestand bei den Wagen IL Classe aus Leder, bei den Wagen I. Classe vorwiegend aus Plüsch. Die Sitze hatten fixe Arm- und Rücken- lehnen ; zur Schalldämpfung waren keinerlei Vorkehrungen getroffen. Der Fussboden, welcher bei einem grossen Theile der in dieser Zeit gebauten Per- sonenwagen aus einem einfachen Bretter- belag bestand, wurde in den Wagen I. und IL Classe mit Wachsleinwand bedeckt.

Die Einrichtung der Güte rwagen bot noch eine sehr geringe Mannig- faltigkeit, jedoch wurden ausser den zum allgemeinen Transport bestimmten gedeckten und offenen Güterwagen auch schon Wagen für den speciellen Transport von Massengütern, namentlich offene Horn- vieh-Transportwagen, und gedeckte zwei- achsige Schweine- und Pferdewagen ge- baut.

Mit dem im Jahre 1868 erfolgten Ankauf der Budapest-Salgö-Tarjäner Linie der bestandenen Ungarischen Nordbahn durch den Staat begann eine neue Periode der Entwicklung des Wagenbaues.

Diese Periode bis zum Jahre 1 880 kennzeichnet sich schon durch eine grössere Einheitlichkeit der Bauformen und der Constructionsdetails. Die in

diesen Jahren entstandenen wichtigeren ungarischen Privatbahnen, insbesondere die Ungarische Nordostbahn, die Unga- rische Ost- und Westbahn beschafften ihre Fahrbetriebsmittel schon nach dem einheitlichen Normale der bestandenen königlich ungarischen Baudirection, und auch die vom Staate besorgten Neu- anschaffungen für die inzwischen ver- mehrten Linien der Ungarischen Staats- bahnen wurden selbstverständlich nach diesem einheitlichen Normale durch- geführt. Diese Periode ist auch insofern bemerkenswerth, als ein grosser Theil der seit dem Jahre 1873 für die unga- rischen Bahnen angeschafften Wagen in der inzwischen neu entstandenen Waggon- fabrik der Ersten ungarischen Eisenbah n-W agenfabriks -Gesell- schaf t in Budapest gebaut wurde.

Bezüglich der constructiven Eigen- thümlichkeiten der in dieser Periode ge- bauten Personen- und Güterwagen sei Folgendes erwähnt:

Die Typen der verschiedenen Personen- und Güterwagen-Kategorien waren zwar dem Vorerwähnten immer noch ähnlich, bei den einzelnen Constructionsdetails hingegen war schon das intensivere Be- streben wahrnehmbar, sowohl bezüglich der Bequemlichkeit als auch Dauerhaftig- keit Verbesserungen durchzuführen.

Auch jetzt wurden die Personen- wagen vorwiegend als Coup^wagen mit drei bis fünf Abtheilungen gebaut, jedoch wurde im Jahre 1872 zur Erhöhung der Bequemlichkeit der erste Versuch ge- macht, die Räume I. Classe zu ver- grössern und besser auszustatten. Diese vom Jahre 1872 angefangen in der Waggonfabrik von Rathgeber in München gebauten Wagen sind auch heute unter dem Namen »Rathgeber- wagen« wohlbekannt. [Abb. 143.]

Die Güterwa«gen wurden als zehn- tonnige Wagen mit einem durchschnitt- lichen Bodenflächeninhalt von 15»«* als ge- deckte und offene Güterwagen für den allgemeinen Transport, und als Special- wagen für den Hornvieh-, Schweine- und Pferde- Transport gebaut.

Beim Baue der Wagen wurde das Eisen schon insofern mehr verwendet, als vom Jahre 1873 angefangen die Lang-

Das EisenbahnweBcn in Ungarn seit 1867.

träger der Untergestelle aus Fafoneisen hergestellt wurden, und demnach durch das entstandene Gestelle aus gemischtem

Materiale der Uebergang zu den ganz aus Eisen hergestellten Untergestellen geschaffen wurde.

Infolge der gestiegenen Zugsgeschwin- digkeit wurde das Laufwerk schon stärker dimensionirt. Beim Baue des Unter- gestelles und des Kastens wurde auf die Erleichterung der Instandhaltung ein grösseres Gewicht gelegt.

wurde, femer die in der zweiten Hälfte dieses Zeitraumes seitens des ungarischen Staates durchgeführten Verstaatlichungen der wichtigeren Privatbahnen hatten wesentlichen Eintluss auf die Entwicklung des Wagenhaues.

Diese Entwicklung machte sich nicht nur durch die grosse Zunahme der Neuan- schaffungen, sondern auch durch construc- tive Verbesserungen bemerkbar, welche aus dem Bestreben entstanden, einer- seits auf den zu wichtigen internationalen

Abb. I4j. Rithgebenrag

Die bei der Zug- und Stoss Vorrichtung l verwendet gewesenen Kautschukringe wurden durch Volutfedern ersetzt.

Bei den Personenwagen wurden Ver- besserungen in der inneren Einrichtung und Ausstattung gemacht, namentlich wurde im Jahre 1875 in den Personen- wagen der Ungarischen Staatsbahnen zuerst die stabile Heizeinrichtung ange- wendet, und in diesen Wagen die Ofen- heizung • Sj'stem Geburth verwendet. Behufs Wärme- Isolirung und Schall- dämpfung erhielten diese Personenwagen schon einen doppelten Fusshodenhelag.

Die rege Bauthätigkeit, die in den Jahren ifJHo 1890, namentlich in der ersten Hälfte dieses Zeitraumes entfaltet

Verkehrslinien entwickelten Bahnstrecken möglichst bequem eingerichtete Personen- wagen verkehren zu lassen, andererseits den Verkehr verschiedenartiger Güter zu erleichtern.

Zur Erhöhung der Bequemlichkeit im Personenwagenbau war man bestrebt, die Länge des Wagens zu vergrössem und dem Wagen eine der- artige Einrichtung zu geben, dass die Bewegungsfreiheit der Reisenden mög- lichst erreicht werde.

Zu diesem Zwecke wurden im Jahre 1882 seitens der Ungarischen Staats- bahnen die ersten dreiachsigen Inter- communications-Wagen mit Mittelgang angeschafft.

Edmund Kel^nyi, Wagenbau.

487

Diese in grösserer Anzahl gebauten Wagen hatten bis 6 m Radstand und 9*85 nt Kastenlänge und bei möglichster Ausnützung des Querprofils des lichten Raumes 3*12 nt Kastenbreite, auch wurden in diesen Wagen schon besondere Bequemlichkeits-Einrichtungen, wie Clo- setsund Waschvorrichtungen, angebracht.

Aus diesen Mitteldurchgangs- Wagen entwickelten sich die im Jahre 1885 zu- erst für die Ungarischen Staatsbahnen ge- bauten zweiachsigen Intercommunications- Wagen mit Seitengang, welche bei 5 fn Radstand eine Kastenlänge von 8*6 ^w und eine Kastenbreite von 3*12 tn hatten.

Ausser der bequemeren Einrichtung der Räume waren bei den obgenannten Inter- communications-Wagen auch bezüglich der Heizungs-, ßeleuchtungs- und Ven- tilations-Einrichtungen Verbesserungen durchgeführt.

Zur Beheizung der Wagen diente bei den im Jahre 1882 und 1885 gebauten Wagen die centrale Luftheizung, welche aus einem unter dem Wagenkasten angehängten Hängeofen bestand, der für alle Räumlichkeiten des Wagens gemeinsam die Heizung besorgte. Zur Beleuchtung dienten zwar auch noch Decken-Oellampen, es wurde jedoch ge- trachtet, durch Deckenreflectoren und durch bessere Wahl der Brenner einen günstigeren Lichteflfect zu erzielen.

Behufs Ventilation der Räume wur- den ferner verschiedenartige Decken Venti- latoren angebracht, welche auf dem Principe des Saugens beruhten und im geöffneten Zustande eine beständige Luftcirculation ermöglichten. Mit den genannten Ver- besserungen parallel hielt auch die Ver- vollkommnung der Sicherheitseinrichtun- gen Schritt.

Die Untergestelle der Wagen wurden ausschliesslich aus Fa9oneisen in entsprechend starken Dimensionen herge- stellt, und ausser der Handbremse wurde seit dem Jahre 1882 angefangen schon die continuirliche Hardy-Bremse und vom Jahre 1885 angefangen auf den Unga- rischen Staatsbahnen auch die automatisch wirkende Westinghouse-Luftbremse ver- wendet, welch letzteres Bremssystem auf dem inzwischen vermehrten und ver- grösserten Bahnnetz der Ungarischen

Staatsbahnen als Normale aufrechterhal- ten blieb.

Auf einigen Privatbahnen, namentlich der Arad-Csanäder Bahn, der Raab- Oedenburger Bahn blieb jedoch bis heute die Hardy'sche Luftsaugebremse in Ver- wendung.

In dieser Periode [im Jahre 1884] wurde nach den Angaben der Ungarischen Staatsbahnen in der Fabrik F. R i n g- h off er in Smichow der erste ungarische Hofzug gebaut, wobei alle bisher auf dem Gebiete des Wagenbaues gemachten Er- fahrungen und erzielten Vervollkomm- nungen bezüglich Sicherheit, Bequem- lichkeit und geschmackvoller und reich- haltiger Ausstattung in ausgedehntestem Masse berücksichtigt wurden.

Zur Erhöhung der Bequemlichkeit wurde hier zuerst das Princip angewen«- det, dass die Wagen untereinander der- art gekuppelt werden können, dass der Verkehr zwischen den Wagen auch wäh- rend des f'ahrens ermöglicht werde, zu welchem Zwecke an den Stirnseiten der Wagen vollständig geschlossene Soufflet- übergänge geschaffen wurden.

Auf dem Gebiete des Personenwagen- baues sind vom Jahre 1885 angefangen weitere Errungenschaften zu verzeichnen, und zwar die Einführung der centralen Dampfheizung und der Oelgasbeleuch- tungs-Einrichtung.

Die Dampfheizung wurde zuerst bei den von den Ungarischen Staatsbahnen im Jahre 1885 beschafften zweiachsigen Intercommunications-Wagen mit Seiten- gang nach dem System der Bayerischen Staatsbahnen eingeführt, und zwar wurde dieselbe nur in den Coup6s angewendet, während die Nebenräumlichkeiten, wie Corridor und Closet, auch weiterhin ohne Heizeinrichtung blieben.

Die Oelgas- Beleuchtung nach dem System von Riedinger & Pintsch wurde gleichfalls bei diesen für die Unga- rischen Staatsbahnen gebauten Wagen zuerst verwendet. Im Zusammenhange mit dieser Einrichtung wurde in Buda- pest auf dem gegenwärtigen Ostbahnhofe der Ungarischen Staatsbahnen die erste Oelgas-Fabrik mit einer täglichen Leistungs- fähigkeit von 720 m^ Gas gebaut und im Jahre 1885 in Betrieb gesetzt.

488

Das Eisenbahnwesen in Ungarn seit 1S67.

Im Zeiträume 1880 1890 wurden auch schon Personenwagen fUr besondere Zwecke gebaut. Unter diesen Wagen sind ausser den von verschiedenen Bahngesell- schaften gebauten Salon- und Commis- sionswagen, die fUr landschaftlich schöne Linien einzelner Bahnen erbauten Aus- sichtswagen, femer die auf den unga- rischen HauptUnien der Siaatseisenbahn- Gesellschaft im Jahre 1887 und auf den Linien der Ungarischen Staats- bahnen im Jahre 1889 in Verkehr ge- setzten Schlaf- und Restaurat Ions wagen

denen neuen Güterwagentj-pen erwähnen wir die zum Transport von votuminösen Gütern dienenden sogenannten Holz- kohlen-und Cokes-Transport wagen der Un- garischen Staatsbahnen und der Kaschau- Oderberger Bahn, die zum Transporte von Flüssigkeiten dienenden Kesselwagfen der Ungarischen Staatsbahpen und der Sta aiseisen bahn- Gesellschaft, wie auch die Geflügel -Transport wagen der Ungarischen Staatsbahnen und der Staatseisenbahn- Gesellschaft. [Abb. 144.]

Die in den Jahren 1880—1890 neu-

der internationalen Schlafwagen-Gesell- schaft zu erwähnen, welch letztere Wagen zuerst als dreiachsige, später als vier- achsige Dreh gesteil wagen alle jene Be- quemlichkeits-Einrichtungen mit sich führ- ten, welche für lange Reisen heute schon unentbehrlich sind.

Auf dem Gebiete des Güterwagen- baues ist der Fortschritt im Zeiträume 1880 1890 dadurch gekennzeichnet, dass mit der Zunahme der Verschiedenartig- keit des Gütertransportes auch die Zahl der für verschiedene speclelle Transporte bestimmten Wagentypen zunahm.

Von dem in diesem Zeiträume Iheil- weise durch Neubau, th eil weise durch Einrichtung von älteren Wagen entstan-

angeschatften Personen- und Lastwagen wurden zum grossen Theile in der vom Jahre 1880 in Betrieb gesetzten Waggon- fabrik von Ganz & Comp, in Buda- pest gebaut. Der Bedarf an Wagen nahm aber derart zu, dass, obwohl die jährliche Leistungsfähigkeit dieser Fabrik von 18S0— 1890 von 298 auf 2346 Wagen stieg, diese den Bedarf der ungarischen Bahnen allein nicht decken konnte, und ein beträchtlicher Theil des Wagenbe- darfes in auswärtigen Fabriken ange- schafft werden musste.

Die Ausdehnung der zur Hebung des Personen- und Güterverkehres inzwischen ins Leben gesetzten wichtigen Tarif-

Edmund Kel6n3ri, Wagenbau.

489

reformen, wie auch die immer intensivere Entwicklung des Localbahnwesens in den allerletzten Jahren [1889 bis 1897] übten sowohl auf den Umfang des Wagenbaues als auch auf die technische Vervollkommnung der Fahrbetriebsmittel einen bedeutenden Einfluss aus.

Die Bauformen der Personenwagen blieben zwar im Anfang im Allgemeinen dieselben, wie in den vorhergegangenen Jahren, es wurden jedoch bemerkens- werthe Verbesserungen bezüglich Be- quemlichkeit und Zweckmässigkeit durch- geführt.

Die Wagen wurden grösstentheils noch als zweiachsige Corridorwagen gebaut, jedoch wurden bei der Con- struction des Untergestells und des Laufwerkes alle jene Erfahrungs- und Versuchsresultate verwerthet, welche be- züglich der Bedingungen des ruhigen und geräuschlosen Ganges der Wagen inzwischen gesammelt waren. Hier seien besonders die ausgedehnten Ver- suche erwähnt, welche unter der Leitung der Ungarischen Staatsbahnen in den Jahren 1889 und 1890 durchgeführt wurden und auf Grund welcher Ver- suche bei den Personenwagen anstatt der strengen Führung der Lagergehäuse die freie Achslagerführung als Normale für die Staatsbahnen angenommen und hiemit im Zusammenhange die möglichste Vergrösserung des Radstandes für zweck- mässig befunden wurde.

Die Vergrösserung des Radstandes bei Beibehaltung der übrigen Haupt- dimensionen bei den einzelnen Kate- gorien der Wagen der Ungarischen Staatsbahnen sind aus folgender Zu- sammenstellung ersichtlich :

Radstand Radstand 1890 1893

L Classe zweiachsig 5200 6100

L/IL > > 5200 6100

IL » * 5D00 5800

Die einzelnen Constructionsdetails des Laufwerkes und des Untergestells wurden vervollkommAet, namentlich wurde bei der Herstellung der Räderpaare auf die möglichst genaue Gewichtsausglei- chung fiücksicht genommen, die Achs- büchsen erhielten eine Form, welche eine

möglichst sichere Schmierung und einen dichten Abschluss ermöglichen, und zur Verbindung des Ober- und Untertheiles wurde die Bügelconstruction verwendet, welche auch eine leichte und schnelle Manipulation zulässt.

Beim Baue des Wagenkastens wurde auf die Vergrösserung des Rauminhaltes der Abtheilungen insofern Rücksicht ge- nommen, als die vom Jahre 1890 an- gefangen gebauten Personenwagen nach dem Intercommunications-System schon mit Laternen auf bau gebaut wurden.

Die Dampfheizungs-Einrichtung wurde insofern vervollkommnet, als nunmehr nicht nur die Coupes sondern auch die Seitengänge und Closets mit dieser Ein- richtung versehen wurden. Ausserdem wurden schon Versuche durchgeführt, welche den Zweck hatten, die Regulir- barkeit der Dampfheizung zu verbessern und die Heizintensität, besonders bei langen Zügen, zu heben.

Besonders bemerkenswerth ist, dass im Jahre 1893 auf Grund der schon in den Jahren 1888 und 1891 mit adaptirten Wagen angestellten Vorversuchen seitens der Ungarischen Staatsbahnen ^ zuerst Heizkessel wagen neu angeschafft wur- den, welche einerseits die Aufgabe hatten, die Heizkörper jener Wagen mit Dampf zu versehen, welche mit ge- mischten Zügen verkehren, andererseits aber auch die Dampfzuführung bei solchen langen Zügen mit der Locomo- tive gemeinsam zu besorgen, welche von der Locomotive allein nicht mehr genü- gend gespeist werden konnten. [Abb. 145.]

Zur Beleuchtung der Wagen wurde seitens der Ungarischen Staatsbahnen im Allgemeinen Oelgas verwendet, jedoch wurden verschiedene Details dieser Beleuchtungs - Einrichtung ver- bessert.

Infolge der Vermehrung der mit Oelgas-Beleuchtung verkehrenden Züge und infolge der durch Neuanschaffungen und Adaptirungen erfolgten Zunahme der Zahl der mit Oelgas-Einrichtung versehenen Personenwagen mussten auf den Ungarischen Staatsbahnen die Gas- anstalt im Ostbahnhofe in Budapest ver- grössert und die Zahl der Gasfabriken vermehrt werden. Im Jahre 1893 wurde

Das Eisenbahnwe:

1 Ungarn seil 1867.

die Gasanstalt in Agram, im Jahre 1896, jene auf der Station Räkoa bei Budapest errichtet.

Die Privatbahnen, welche die Oel-

beleuchtung noch beibehielten, richteten jedoch ihr Augenmerk auch auf die Verbesserung dieser Beleuchtungsart.

Auch die Ventilations - Einrichtung wurde dadurch vollkommener gestaltet, dass es möglich war, die Klappen- oder Schieber Ventilation im Dachaufbau des Wagens unterzubringen. Die in den

dem wichtigsten und grössten Theil der ungarischen Bahnen ermöglichte es, auf diesen Linien die frtlher angewendete Zugleine und die bei einzelnen Zügen verwendeten elektrischen Intercommuni- cations-Signale Prudhomme, Kohn und B a n o V i t s aufzulassen und sie durch die W est in ghouse- Bremse als Gefahrs- bremse zu ersetzen.

Vom Jahre 1 890 angefangen sind auch auf dem Gebiete des Güterwagen- baues bedeutende Fortschritte zu ver-

Jahren 1890 bis 1892 angeschafften Per- sonenwagen hatten für Zwecke der Ven- tilation im Dachaufbau um horizontale Achsen drehbare Klappen oder Liift- schieber, die seit dem Jahre 1893 ange- schalTten Wagen I. und II. Classe der Unga- rischen Staatsbahnen hingegen Klappen, die um verticale Achsen drehbar sind.

In "dieser Periode [1890I führte auch die Kaschau-Oderberger Bahn die Westinghouse Bremse ein, und auf den Ungarischen Staatsbahnen wurde ein grosser TheÜ der älteren, namentlich von den verstaatlichten Privatbahnen übernommenen Wagen nach und nach mit der Westin ghouse- Bremse ausgestattet.

Diese allgemeine Verwendung der automatischen Westin ghouse -Bremse auf |

zeichnen. Die rapide Zunahme des Güter- verkehres auf den ungarischen Bahnen machte es nämlich nothwendig, beim Baue der Wagen besonders dahin zu wirken, die Ladefähigkeit der Wagen zu heben, ohne dass das Eigengewicht derselben unverhältnis massig vergrössert und ohne dass die Widerstandsfähigkeit verringert werde.

Diese Bedingungen trachteten die Bahnen dadurch zu erfüllen, dass das Ladegewicht der zum allgemeinen Trans- port dienenden gedeckten und offenen Güterwagen von 10 t bis auf 15 t erhöht wurde und dass dementsprechend die Hauptdimensionen vergrössert wurden ; ebenso fand behufs Erzielung eines günstigen Verhältnisses zwischen Eigen-

Edmund Kelänyi, Wagenbav

gewicht und Ladegewicht, ohne Be- einträchtigung der Haltbarkeit beim Baue der Wagen, das Eisen, insbesondere Flusseisen in grösserem Masse Ver- wendung.

So wurden die gedeckten und offe- nen Lastwagen der Ungarischen Staats-

bahnen mit 1 5 t Tragfähigkeit mit ganz eisernem Untergestell und eisernem Kasten- gerippe gebaut, die Kohlenwagen mit 1 5 t Tragfähigkeit erhielten sogar theil- weise flusseiseme Blechverkleidung,

Die zur Charakteristik dienenden Daten dieser Wagen sind folgende:

I Innere !|Länge! Breite

Eigen- Tragfähigk. gewicht EJKengew.

15 t gedeckte Lastwagen

Hochbordige 15 ( offene Last- wagen ohne Bremse . . , . 15 t Kohlenwagen

7296 7000

Aehnliche Verhältnisse weisen auch die seitens der K aschau- Od erbe rger Bahn angeschafften Güterwagen mit 1 5 / Trag- filhigkeit neuester Type auf.

Aus diesen Daten ist er- sichtlich, dass gegenüber den im Jahre 1870 gebauten 10 t Güterwagen der Flächenin- halt von 15»«* auf 19 Ml', das Eigengewicht von 6000 auf

7300 geslie- „.,^. „„,„..,,.,,.,

gen, dass je-

doch das Verhältnis zwischen Tragfähig- keit und Eigengewicht insofern günstiger geworden -ist, als bei den Wagen der alten Type auf eine Tonne des Eigengewichtes nur I 6, 'während bei den Wagen der neueren Type auf eine Tonne des Eigen- gewichtes schon TOt entfielen. Der Bau der Güterwagen für specielle Zwecke ge- wann auch in diesen Jahren fortwährend an Ausdehnung. Als neue Wagentype, deren Bau vom Jahre 1890 angefangen sich entwickelte, respeclive begonnen wurde, seien besonders die gedeckten Güterwagen mit Isolir-Einrichtung für Fleisch und Biertransport auf den Unga- rischen Staatsbahnen erwähnt.

Beim Baue der Güterwagen war in den letzten Jahren das Bestreben zum Aus- druck gekommen, die Ladefähigkeit noch mehr zu heben und Güterwagen für den Transport von Massengütern mit 15 / über- steigender Tragfähigkeit zu bauen, re- spective die- selben mit sol- chen Dimen- sionen zu con- struiren, dass dieselben zur Aufnahme von

.neuwagen ntutsltr jpe. voluminÖsen

Gütern in erhöhtem Masse gebraucht werden können. Utp jedoch den Raddruck dieser Wagen noch in solchen Grenzen zu halten, dass diese Wagen selbst auf den Nebenlinien anstandslos verkehren können, wurden dieselben schon mit vier Achsen derart gebaut, dass je zwei Achsen im Truckgestell vereinigt wurden.

Behufs Verringerung des Eigen- gewichtes wurde zu dem Untergestelle das gepresste Stahlblech in möglichst ausgedehntem Masse verwendet. Der- artige vierachsige Lastwagen mit 90 »«' Rauminhalt und 1 5 / Tragfähigkeit wurden im Jahre 1893 für die Ungarischen Staats- bahnen zuerst gebaut, und zwar niit der

Das Eisenbahnwesen in Ungarn s

Bestimmung, dass diese Wagen zum Trans- porte von gebogenen Möbelthcilen ver- wendet werden.

Ferner wurden gleichfalls auf den Linien der Ungarischen Staatsbahnen Versuche mit vierachsigen T ruck wagen mit 30/ Tragfähigkeit gemacht.

waren, die Garnituren der Eil- und Per- sonenzüge zu bilden, wurde bei beiden auf die Erziel ung des ruhigen und geräuschlosen Ganges das Hauptgewicht gelegt, und beide Wagengattungen mit entsprechender Ausstattung versehen. Die vierachsigen Wagen wurden als

I, H7- Vierachilget Peraonenwagtn n

Die Millenniums- Landesfeier im Jahre 1896 und die im Zusammenhang mit dieser Feier veranstaltete Landesausstel- lung in Budapest halte auf den Wagen- bau insofern eine Rückwirkung, als in- folge des erwarteten und eingetretenen regen Personenverkehrs eine Beschleuni- gung der Personenwagen -An Schaffungen nothwendig wurde. Zu diesem Zwecke wurden im Jahre 1895 und 1896 fUr die Ungarischen Staatsbahnen die drei- und vierachsigen Personenwagen neuester Type gebaut, und nachdem beim Baue dieser Wagen die neuesten Errungen- schaften des Wagenbaues in Anwendung kamen, geben wir in Folgendem eine nähere Beschreibung dieser Wagen. [Abb. 146 und 147-]

Nachdem beide Typen dazu bestimmt

I Tnickwagen 1. Classe mit einer Ge-

] sammt- Kasten länge von 17.000 r»»!, die 1 dreiachsigen Wagen hingegenals Wagen I., j I./II. und II. Classe bei einem Kadstand von 800c mm mit einer Gesammt-Kasten- I länge von 1 1.400 mm gebaut. Bei diesen Wagen trachtete man mit Rücksicht auf ' die Grundbedingung des ruhigen Ganges jene Wagenlängen zu erreichen, »reiche in Anbetracht der erforderlichen Ein- schränkungen im Breitenmasse überhaupt möglich waren. Ebenso wurden bei der Auswahl der Dimensionen der Tragfedem die Bedingungen des ruhigen Ganges sorgfältig berücksichtigt. Die Räderpaare [ wurden sorgfältig equilibrirt hergestellt. I Behufs Wärme- Isolirung erhielten die 1 Wagen Doppelfenster und zur Sicherung I des bequemen und geschützten Ueber-

Edmund Kelänyi, Wagenbai

ganges von einem Wagen zum Anderen wurden die Uebergänge als vollständig geschlossene Soufflet Übergänge ausge- führt. Die vierachsigen Wagen erhielten elektrische Beleuchtung, die dreiachsigen hingegen Oelgas-Beleuchtung mit Intensiv- brennern.

Die genannten drei- und vierachsigen Wagen erhielten femer eine derartige innere Ausstattung, dass sie selbst den

Comp, in Budapest bestellt und nach Skizzen, Angaben und Vorschriften der Ungarischen Staatsbahnen ausgeführt wurde, welcher an fürstlichem Comfort und künstlerischer innererAus stattung Alles übertrifft, was auf diesem Gebiete bisher geleistet wurde. Ausserdem wurden für diesen neuen Hofzug zwei dreiachsige Conducteur-, respective Beglcitwagen an- geschafft. Dieser neue Hofzug besteht

erhöhten Ansprüchen des Geschmackes und der Bequemlichkeit zu entsprechen vermochten. Ein Theil der vierachsigen Wagen wurde als Buffetwagen mit entsprechender Kücheneinrichtung und Speise-, respective Gesellschaftsräumen versehen.

Im Anschluss zu obiger Beschreibung sei besonders hervorgehoben, dass aus Anlass der Millenniumsfeier seitens der Königlich Ungarischen Staats- bahnen ein aus zwei sechsachsigen und drei vierachsigen Wagen bestehender neuer Hofzug bei der Firma Ganz&

Sr, Majt..ai.

aus dem Salonwagen Sr. Majestät, aus dem Salonwagen fUr Ihre Majestät, aus zwei Suitewagen und aus dem Salon- Speisewagen, von welchen die zwei ersteren Wagen mit je zwei dreiachsigen, die drei letzteren mit je zwei zweiachsigen Trucks gebaut wurden. [Vgl. Abb. 148, bis 151.]

Die äussere Kastenlänge der zwei Salonwagen Ihrer .Majestäten beträgt 17.500 mm, die der übrigen Wagen 1 7,000 wi»M. Die Wagen besitzen Dach- aufbau, geschlossene SouffletUbergänge und sind mit Dampfheizung, Westing-

Das Eisenbahnwesen in Ungarn seit 1867.

house- und Ha rdj-- Bremse oder Leitung, elektrischer Beleuchtung und elektrischem Intercommunications-Signal System Kohn, Ray! und Prudhomme versehen. Im Uebri- gen sind die Constructionsdetails der neuesten Personenwagen der Ungarischen Staatsbahnen verwendet worden. Der Salonwagen Sr. Majestät ist in italieni* schem Renaissancestil, der Salonwagen ftlr Ihre Majestät im Stile Ludwig XVI. ausgestattet.

Die Wände und Plafonds der Haupt* räumlichkeiten wie auch das Mobiliar derselben sind mit kostbaren und reich gestickten Tuch- und Seidenstoffen Über- zogen. Im Salonwagen Sr. Majestät und im Speisewagen wurde bei den Wand- und Thürfüllungen die Holz- schnitzerei und die eingelegte Holzarbeit in ausgedehntem Masse verwendet. Bei der Herstellung dieser Details wurden die kostbarsten Hölzer, wie Ksche, Nuss, Ahorn, Thuja, .Ebenholz, Buchsbaum, Birne und Eiche, ferner Gold, Silber, Elfenbein, Schildpatt und Perlmutter in

harmonisch künstlerischer Ueberein Stim- mung angewendet.

Von der letzten Entwicklungsstufe des Wagenbaues in Ungarn geben ausser dem oben beschriebenen Hofwagen auch jene Wagen Zeugnis, welche von den inzwischen neu entstandenen, respective eingerichteten zwei Waggonfabriken von' J. Weitzer in Arad und Schlick in Budapest für die Millenniums - Aus- stellung in Budapest gebaut und dort- selbst ausgestellt wurden.

Von den in der Waggonfabrik J. Weitzer in Arad im Jahre 1896 ge- bauten Personenwagen sei besonders ein für die Ungarischen Staatsbahnen und ein für die Arad-Csanäder Bahnen ge- bauter vereinigter Salon-, Speise- und Schlafwagen hervorgehoben.

Beide Wagen wurden als vierachsige Truckwagen mit allen jenen Vervoll- kommnungen der Einrichtung und Aus- stattung versehen, welche auch schon bei den neuesten Personenwagen Verwendung fanden und welche den dreifachen Zweck

Edmund *Kel 6 nyi, Wagenbau.

495

der Wagen vollkommen zu erfüllen er- möglichten.

Von den seitens der S c h 1 i c kuschen Maschinenfabrik im Jahre 1896 gebauten Wagen ist der zum Krankentransport bestimmte und für die Ungarischen Staats- bahnen gebaute dreiachsige Sanitäts- wagen erwähnenswerth, welcher eine Einrichtung für sechs Kranke besitzt. Die Construction dieser Wagen ist eine derartige, dass die sechs transportablen Betten sowohl von den Stirnseiten, als auch von den Längenseiten des Wagens

bequem eingehoben werden können. Der Wagen erhielt ausser dem Krankenraume eine mit Medicamenten und chirurgischen Instrumenten ausgerüstete Abtheilung für den Arzt und einen Ciosetraum. Die Ausstattung des Wagens ist so gewählt worden, dass die Reinhaltung auch unter den schwierigsten Verhältnissen ermög- licht erscheint.

Zur Charakteristik der in den Jahren 1895/96 gebauten neuesten drei- und vier- achsigen Personenwagen der Ungarischen Staatsbahnen dienen folgende Daten:

Gattung des Wagens

Vierachsige Personenwagen I. Gl. Dreiachsige Personenwagen I. Gl. Dreiachsige Personenwagen II. Gl.

Anzahl der Sitzplätze

Aeussere

Kastenlänge

nttn

36 24

40

17.000 11.400 11.400

17;^^««^«, 1 Aiitheil des Eigengew. Eigengewichtes

kg

34.000 20.700 20.700

j)ro Sitzplatz

944 862

517

Aus diesen Daten ist die Zunahme des Antheiles des Eigengewichtes der Wagen pro Sitzplatz zu entnehmen. Die im Jahre 1870 gebauten zweiachsigen Coup6- *wagen I., respective II. Classe mit 18, respective 24 Sitzplätzen und einem Eigen- gewichte von 8200 kgy respective 8600 kg pro Sitzplatz besassen nur ein Gewicht von 455 kg^ respective 358 kg, die vom Jahre 1 8S5 an gebauten zweiachsigen Inter- communications - Wagen I., respective II. Classe ohne Laternaufbau mit 18, respective 24 Sitzplätzen und einem Eigengewichte von 12.000^^, respective 12.400 kg, pro Sitzplatz nur ein Eigen- gewicht von 666 kg, respective 516 kg.

Mit der rapiden Zunahme des Bedarfes an Personen- und Lastwagen seit dem Jahre 1890 nahm auch die Wagen-Fabri- cation einen bedeutenden Aufschwung, infolgedessen war es möglich, einerseits durch Erweiterung des Betriebes der in Budapest schon bestandenen Waggon- fabrik von Ganz & Co., andererseits durch die im Jahre 1893 erfolgte Betriebs- eröffnung der Waggonfabrik J. Weitzer in Arad und durch die im Jahre 1894 erfolgte Einrichtung der S ch lick'schen Maschinenfabrik in Budapest auf Eisen- bahnwagen-Fabrication mit wenig Aus-

nahmen den ganzen Bedarf an Person en- und Lastwagen in ungarischen Fabriken zu decken.

Im Anschlüsse an obige, die Ent- wicklung des Wagenbaues für Haupt- bahnen enthaltende Beschreibung ist über den Bau von Personen- und Güterwagen für die Localbahnen Folgendes zu erwähnen :

Für die dem Localverkehr dienenden normalspurigen Bahnen und Linien, respective für diejenigen zweiten Kanges, wurden bis zu den Achtziger-Jahren im Allgemeinen ähnliche Wagen gebaut, wie für die Hauptbahnen und Hauptlinien. Eine Ausnahme bildeten die von der Staatseisen- bahn-Gesellschaft für die im Jahre 1867 in Betrieb genommene Bergstrecke Ora- vicza-Anina gebauten Personen- und Lastwagen, die schon damals zum grossen Theile behufs Durchfahrens der Krümmungen als vierachsige Truckwagen gebaut wurden.

Aus den Coup^wagen, als der ältesten Type derjenigen Personenwagen, die auf den Localbahnen, respective Bahnen II. Ranges verwendet wurden, entwickelte sich die neuere specielle Type der Local- wagen, gewöhnlich bestehend aus zwei-

■■,r:"cr,e Wa^en niit 6 / Tra^iahigkeit bei c.r.zTT. Ji:Tchi^br.in'Jcheö Eigenge- wi.ht licr gedeckten Güterwagen ohne Iirc:y.»c \on 3-3 / für 760 mm Spur- «=:;c ecra-jt, neue<iens jedoch wurden il;rar,:_-c \Va<:en schon als vierachsige Trj.k*aL't:n mil 10 / Tragiahigkeit und n. it eir.crn durchschnittlichen Eigenge- wii-ht von 68 / Jiebaut, um die Manipu- iaii..n beim Umladen der Güter %-on den 10 / Wayen der Hauptlinien zu er-

C. Werkstättenwesen.

Emerich Novelly,

Obcr-Inapcctor der KUDlElicIi

SO wie überall, sind auch in- Ungarn die Eisenbahn -Werkstätten gleich- zeitig mit den Eisenbahnlinien ent- standen und den wachsenden Anforde- rungen entsprechend vergrössert worden, um die Fahrbetriebsmittel ohfie Beihilfe der Privatindustrie fortwährend in gutem Zustande erhalten zu können.

Derzeit besitzen die Ungarischen Staatsbahnen 15 selbständige und 35 Filial- Werkstätten, welche zum grossen Theil durch Verstaatlichung von Privatbahneii in deren Besitz gelangt sind.

Die Privatbahn-Gesellschaften Ungarns haben sechs grössere Werkstätten.

Die gründliche, fachliche Beschreibung der sämmtlichen Werkstätten wUrde den hier zu Gebole stehenden Rahmen weit Überschreiten, besonders wenn wir uns auf die einzelnen Entwicklungs-Stadien beziehen wollten. Wir werden uns daher nur darauf beschränken müssen, den gegenwärtigen Zustand der Werkstätten der Ungarischen Staatsbahnen und der ungarischen Privatbahnen durch charak- teristische Daten zu beleuchten, wobei wir auch bei jeder Werkstätte einen Blick in die Vergangenheit werfen wollen.

Die Werkstätten der Königlich Unga- rischen Staatsbahnen.

Die selbständigen Werkstätten der Ungarischen Staatsbahnen stehen un- mittelbar unter der Leitung der Direction,

GeicUcbte der Elicabahnen. 111.

wodurch die Gleichartigkeit des Betriebes der einzelnen Werkstätten gesichert ist und wodurch auch erreicht wird, dass die jewei- lige Inanspruchnahme der einzelnen Werk- stätten immer beinahe die gleiche bleibt.

Jeder Werkstatte wird ihre Arbeit, beziehungsweise eine bestimmte Anzahl Locomotiven und Wagen zur Erhaltung jährlich, mit Berücksichtigung der Lei- stung sfilhigk ei t zugewiesen und die etwa unvorhergesehen eintretende Arbeits - Ueberbürdung oder der Marigel an Arbeit durch entsprechende Dirigirungen von der Centralleitüng ausgeglichen.

Die einzelnen Locomotiven und Per- sonenwagen verkehren gewöhnlich auf ganz bestimmten Strecken und sind da- her den auf Letzleren liegenden Werk- stätten zur Erhaltung zugewiesen ; der Verkehr der Güterwagen dagegen ist kein localisirter, aus welchem Grunde diese bezüglich der Ausführung der Hauptre Visionen und Hauptreparaturen, womöglich in Gruppen nach den ver- schiedenen Gonstructions - Typen, unter den einzelnen Werkstätten vertheilt sind. Die kleinen laufenden Reparaturen der Lastwagen sind jeweilig in den nächst- liegenden selbständigen oder für diesen Zweck eingerichteten FÜial-Werkstätten auszuftihren.

Den zwei Hauptgruppen der Fahrbe- triebsmittel entsprechend, befinden sich in jeder Werkstätte zwei Haupt-Abthei- lungen, die Locomotive- und die Wagen- Montirung. Diesen sind beigefügt die zur

49»

Das Eisenbahnwesen in Ungarn seit 1867.

Bearbeitung und Erzeugung der einzelnen Bestandtheile dienenden Hilfs Werkstätten, wie Kesselschmiede, Kupferschmiede, Dreherei, Räderschmiede, Feder seh miede. Ho Izbearbeitungs- Werkstätte, Tischlerei, Lackirungs Werkstätte, Sattlerei, even- tuell Giesserei etc., welche, dem Zwecke am besten entsprechend, entweder in der Nähe der Montirungs- Werkstätten, oder in Anschluss an dieselben situirt sind, oder aber der Mehrzahl nach in eine gemeinsame, gewöhnlich »Dreherei« be- nannte, dritte Abtheilung zusammenge- fasst sind.

Einen Einblick in die Einrichtung einer Räder-Dreherei und einer Kesselschmiede gestatten die beiden Abbildungen. [Abb. 152 und 153.]

Die Material-Gebarung besorgt die auf dem Territorium der Werkstätte be- findliche D6p6t- Verwaltung.

Die ersten Werkstätten - Arbeiter mussten aus der Privatindustrie heran- gezogen werden, die Werkstätten waren aber gleich vom Anfang bestrebt, Ar- beiter auch selbst auszubilden. Zu diesem

In den älteren Werkstätten wurde | durchgehends nur Dampf als Arbeitskraft | benützt, wogegen in den neuen oder ver- 1 grösserten älteren Werkstätten neben der | Dampfkraft auch elektrische Kraftüber- j tragung in geringerem oder grösserem Masse Anwendung findet.

Zorn Schutze der Arbeiter gegen : körperliche Verletzungen ist in den Werk- I Stätten eine weitgehende Vorsorge, durch Anbringung von Schutzvorrichtungen an den einzelnen Maschinen, getroffen.

Die älteren Werkstätten besassen nur Oelbeleuchtung. Mit Einführung der Gas- beleuchtung in den Städten wurde die- selbe auch in den betreffenden Werk- stätten angewendet und die Einfilhrung der elektrischen Kraftübertragung ermög- lichte schliesslich auch die elektrische Beleuchtung einzelner Werkstätten,

Zwecke wurden Lehrlinge in beschränkter Zahl aufgenommen und ausgebildet.

In früheren Jahren wurden die Lehr- linge ausschliesslich durch E in th eilung zu den verschiedenen Arbeitern, respec- tive Arbeitergruppen in ihrer Profession herangebildet und zum Zwecke ihrer weiteren Schulbildung mussten sie die öffenthche Lehrlingsschule besuchen. In neuerer Zeit sind jedoch in grösseren Werkstätten eigene Lehrlings- Werkstätten- Abtheilungen eingerichtet worden, in welchen die Lehrlinge nach festgesetzter Methode von älteren, geschulten Arbeitern in ihrer Profession unterrichtet werden, während sie aus den theoretischen Fächern Unterricht nach bestimmtem Lehrplan von den Ingenieuren und Beamten der Werk- stätten geniessen. Zu Ende des Schul- jahres werden die Zöglinge der Lehrlings-

Emerich Novelly, Werkst ättenwesen.

Werkstätten einer Öffentlichen Prüfung unterzogen. Diese Prüfung besteht theils aus der schriftlichen [zeichnerischen] und mündhchen Prüfung aus den theoretischen Gegenständen, thetls daraus, dass jeder Zögling ein, seiner Profession entsprechen- des Arbeitsstück während der Prüfungszeit unter Aufsicht herstellen muss.

Die besten Zöglinge erhalten Prämien, und zwar je nach Verdienst silberne Taschenuhren und kleinere Geldbeträge.

Alle Lehrlinge beziehen nach dem dritten Monate einen mit der Zeit und mit ihren Fortschritten wachsenden Tag-

Die Schaffung eines Altersversorgungs- Institutes für Arbeiter ist soeben im Zuge.

Solche Arbeiter, welche bereits längere Zeit in den Werkstätten beschäftigt sind, erhalten von den Werkstätten - Depots Brennmaterialien zu ermässigten Preisen, und zu Privatreisen wird ihnen eine weit- gehende Begünstigung gewährt. Ebenso wird die Bildung von Gesang-, Musik- und Lesevereinen unter den Arbeitern thun- lichst unterstützt und auch anderweitig für Erholung und das Wohl derselben gesorgt durch Gewährung von Geldbei-

lohn ; im dritten und vierten Jahre arbei- ten die Lehrlinge bereits im Accord.

Die Lehrzeit beträgt im Allgemeinen vier Jahre, die befähigtesten Zöglinge können aber schon nach dem dritten Jahre freigesprochen werden.

Zum Wohle der Arbeiter organisirten schon die Verwaltungen der seither ver- staatlichten Bahnen Kranken vereine, wel- che später einer den Landesgesetzen entsprechenden Krankencasse einverleibt wurden. Die kranken Arbeiter geniessen aus derselben eine entsprechende Unter- stützung [Krankengeld], unentgehliche ärztliche Behandlung und Verabfolgung von Medicamenten, in ernsteren Fällen Spitalspflege und Bäder. Die Familien der verstorbenen Arbeiter erhalten massige Abfertigungen und im Falle des Todes eines Familienmitgliedes werden Begräb- niskosten bewilligt.

:r Hauplwerkiiatle In Budape.l.

trägen und SeparatzUgen zu den Früh- lings ausflü gen, für Weihnachtsgeschenke [zumeist Bekleidung] an Kinder ärmerer Arbeiter etc.

Ausserdem sei erwähnt, dass an Orten, wo die Wo hnungs Verhältnisse es beson- ders erheischen, auch für Arbeiter- Wohn- häuser gesorgt wird. Bisher sind Arbeiter- colonien bereits in Miskolcz, Piski, Budapest, Ruttka, Zdgräb [Agram] etc. entstanden.

In jeder Werkstätte besteht eine beständige organisirte Feuerwache ; sämmtliche Arbeiter werden zum Feuer- löschdienst eingeübt.

Aus der nachstehenden Tabelle sind die Namen, das Jahr det Bau Vollendung, die gewesenen Besitzer und der derzeitige Arbeiterstand der selbständigen Werk- stätten der Ungarischen Staatsbahnen ersichtlich.

500

Das Eisenbahnwesen in Ungarn seit 1867.

Nr.

Name und Ort der Werkstätte

Jahr der Bau- vollendung

Name des

ursprünglichen Besitzers

[Eisenbahn]

Arbeiter- Stand incL Filial-Werk- Stätten

2 3

4

5

6

7 8

9 10

II 12

13 14

15

Westl. Werkstätte Buda- pest

Werkstätte Szolnok . . » Temesvär. .

» Miskolcz .

NOrdl. Hauptwerkstätte

Budapest

Werkstätte Piski ....

Kolozsvär. .

Szeged . . .

Zöl3'om . . .

KapQSvär . .

Szombathely

S.-A.-Ujhely

Ptics. . . .

Zägräb « . .

Debreczen .

. 1847

1858 1859

1860

1870

1870

1870

1870

1872

1872«

1872

1873 1883

1894 1898

Pest - Waitzner Eisenb , später : K. k. privilegirte Oesterr.-Ungar. Staats- eisenbahn -Gesellschaft

Theissbahn

K. k. priv. Oesterr.-Üng. Staatseisenbahn-Ges. .

Theissbahn

Ung.-SchweizerWaggon- fabrik

Erste Siebenbürger Bahn

Ungarische Ostbahn . .

AlfOld-Fiumaner Bahn .

Kgl. Ung. Staatsbahnen

Donau-Drau-Bahn . . .

Ungarische Westbahn . » Nordostbahn . .

Budap.-Fünfkirchn. Bahn

Kgl. Ung. Staatsbahnen

1180 470

410 580

1690 270

430

280

HO

90

320 460

210 430 150

J

Folgende chronologische Daten aus der Geschichte obiger Werkstätten ver- dienen Erwähnung:

a) Die jetzige Budapester west- liche Werkstätte, deren Bau im Jahre 1847 beendigt wurde, war die Werkstätte der allerersten ungarischen, am 15. Juli 1846 zwischen Pest und Waitzen eröffneten Eisenbahn und wurde > Pester Hauptwerkstätte« benannt. Die Zahl der Arbeiter erreichte schon im Jahre 1848 den Stand von 200. Nach- dem später Bahn und Werkstätte in den Besitz der Staatseisenbahn- Gesellschaft gelangten, wurde die Werkstätte ent- sprechend dem grösseren Netze erweitert, so dass der Stand der Arbeiter in den Jahren 1866 1869 die Zahl von 1200 bis 1300 erreichte; ihre Leistung be- schränkte sich nicht blos auf die Erhal- tung der Fahrbetriebsmittel j sondern es wurden auch im Ganzen circa 35 neue Locomotiven, 100 Personen- und mehrere Tausend Lastwagen gebaut.

Diese Entwicklung der Pester Haupt- werkstätte wurde später unterbrochen,

ihr Wirkungskreis eingeschränkt, nach- dem die Gesellschaft in Simmering eine Central-Werkstätte errichtet hatte, so dass im Jahre 1874 die Pester Haupt- werkstätte nur mehr 600 Arbeiter zählte.*)

Im Jahre 1891, als die ungarischen Linien dieser Gesellschaft dem Netze der Ungarischen Staatsbahnen einverleibt wurden, erhielt die Werkstätte die Be- nennung »Westliche Werk statte in Budapestc zur Unterscheidung von der Budapester nördlichen Haupt- werkstätte.

In der westlichen Werkstätte sind gegenwärtig iioo 1200 Arbeiter be- schäftigt.

b) Die zweite Eisenbahn Ungarns war bekanntlich die Verbindungslinie zwischen Pest und Szolnok, welche im Jahre 1847 eröffnet wurde. Die Fahrbetriebsmittel dieser Bahn wurden in der mit dem Szolnoker Heizhause verbundenen Werk-

♦) Vgl. Bd. II, J. Spitzner: Werkstätten- wesen in Oesterreich.

Emerich Novelly, Werkstättenwesen.

501

Stätte reparirt, bis die Strecke Czegldd- Szolnok im Jahre 1857 in den Besitz der Theissbahn-Gesellschaft gelangte, welche die gegenwärtige Werkstätte inSzolnok erbaute, die im Jahre 158 mit circa 100 Arbeitern eröffnet wurde.

c) Nach dem Ausbau der Theissbahn- linien bis Kaschau wurde im Jahre 1860 die zweite Werkstätte dieser Bahn in Miskolcz errichtet, welche sammt der Szolnoker Werkstätte gelegentlich der Verstaatlichung der Theissbahn im Jahre 1880 in den Besitz der Ungarischen Sfaatsbahnen gelangte.

Sowohl die Szolnoker, als auch die Miskolczer Werkstätte haben sich mittler- weile als zu klein erwiesen und wurde deren Vergrösserung in grossem Mass- stabe' in Angriff genommen und theil- weise schon durchgeführt.

d) Die Siebenbtirger Bahn errichtete ihre Werkstätte in Piski, deren Bau im Jahre 1870 vollendet wurde. Diese Werkstätte gelangte mit der Ersten Siebenbürger Bahn im Jahre 1884 in den Besitz der Ungarischen Staatsbahnen.

e) D;e Alföld-Fiumaner Bahn, welche im Jahre 1885 von den Ungarischen Staatsbahnen übernommen wurde, setzte ihre Werkstätte in Szegedin mit circa 120 Arbeitern im Jahre 1870 in Betrieb.

f) Die Ungarische Ostbahn baute im Jahre 1 870 in Kolozsvdr [Klausenburg] eine Werkstätte, die anfänglich aus proviso- rischen Gebäuden bestand. Die definitive Werkstätte wurde 1874 mit circa 90 Arbei- tern in Betrieb gesetzt. Mit der Verstaat- lichung der Ungarischen Ostbahn kam auch diese Werkstätte in das Eigenthum der Ungarischen Staatsbahnen, welche seit- her die Ausrüstung der Werkstätte vervollständigten und ihre Vergrösserung theilweise schon in Angriff genommen haben.

g) Die Ungarische Westbahn errich- tete 1872 in Szombathely [Steinam- anger] ihre Werkstätte und beschäftigte anfänglich circa 90 Arbeiter. Im Jahre 1889 wurde diese Werkstätte zugleich mit der Ungarischen Westbahn von den Ungarischen Staatsbahiien übernommen, unter deren Direction sie bedeutend ver- grössert und den heutigen Anforderungen entsprechend eingerichtet wurde.

h) Die Werkstätte der Donau-Draubahn wurde 1872 in Kaposvär eröffnet und gelangte schon im Jahre 1878 in den Besitz der Ungarischen Staatsbahnen.

i) Die Ungarische Nordostbahn errich- tete ihre Werkstätte in S.-A.-Ujhely im Jahre 1873; sie wurde 1890 von den Ungarischen Staatsbahnen übernommen.

k) DieMohäcs-Fünf kirchner Bahn baute für ihren Bedarf im Jahre 1856 in Üszög ursprünglich eine kleine Werkstätte, wo auch die Barcs-Fünfkirchner Bahn im Jahre 1868 ihre Werkstätte errichtete; allein später erwies sich diese Stelle für die Werkstätte als unzweckmässig und nach Eröffnung der Budapest-Fünfkirch- ner Bahn im Jahre 1883 errichteten die drei in P 6 c s [Fünf kirchen] einmündenden Bahnen dort eine entsprechende Werk- stätte, welche im Jahre 1890 gleichfalls in den Besitz der Ungarischen Staats- bahnen gelangte.

l) Die Werkstätte inTemesvär wurde von der Staatseisenbahn-Gesellschaft im Jahre 1858/59 erbaut und gleich zu Anfang beschäftigte sie circa 300 Arbeiter. Der Betrieb der Werkstätte wurde aber im Jahre 1874 aufgelassen, da die Gesellschaft ihre grosse Werkstätte zu der Zeit in Simmering ausbaute, und für den Bedarf der ungarischen Linien die Pester Haupt- werkstätte ausreichend war. Von da an- gefangen verricütete die Temesvärer Werkstätte nur Arbeiten einer Filiale bis zum Jahre 1892, wo sie durch die Un- garischen Staatsbahnen wieder voll in Anspruch genommen, ja sogar bedeutend erweitert und der heutigen modernen technischen Entwicklung entsprechend neu ausgerüstet wurde.

Ausser den genannten, von den Privatbahnen übernommenen, besitzen die Ungarischen Staatsbahnen noch folgende selbst errichtete Werkstätten, und zwar:

aa) Die im Jahre 1872 vollendete kleinere Werkstätte in Z ö 1 y o m [Altsohl], welche schon 1884 etwas erweitert wurde, demnächst jedoch in grösserem Masstabe neu gebaut werden wird.

bb) Die im Jahre 1894 errichtete grössere Werkstätte in Zäg räb [Agram].

cc) Die nördliche Hauptwerkstätte in Budapest. Den ältesten Theil dieser

502

Das Eisenbahnwesen in Ungarn seit 1867.

Werkstätte bildet die Fabriksanlage, welche die ungarische Regierung im Jahre 1870 von der Ungarisch-Schweizer Waggonfabriks-Gesellschaft abkaufte. Zur selben Zeit erwarb- der Staat auch die in Budapest gelegene Fabrik der Unga- risch-Belgischen Maschinen- und Schiffs- bau-Gesellschaft Diese beiden Industrie- Anlagen wurden unter eine Direction ge- stellt, welche die Benennung »Maschine n- und Waggonfabrik der Königlich Ungarischen Staatsbahnen« führte. | In diesen Anlagen Hessen die Ungarischen Staatsbahnen die umfangreicheren und schwierigeren Reparaturen ihrer Fahrbe- triebsmittel durchführen. Nach einigen Jahren jedoch wurde die Leitung und Be- stimmung dieser beiden Anstalten getrennt, die gegenwärtige Hauptwerkstätte wurde fortan ausschliesslich als Eisenbahn- Reparaturwerkstätte weiter ausgebaut, während die andere unter dem Namen »Maschinenfabrik der Königlich Ungarischen Staatsbahnen« zu einer grossen Industrie- Anlage umge- wandelt ward.

Die Hauptwerkstätte der Ungarischen Staatsbahnen zählt mit ihren Filialen 1600 1 700 Arbeiter, hat einen Gesammt- Flächenraum von 218.500 w^ und darin gedeckte Räume von 68.200 w*. Unter Dach können lOoLocomotiven, 20 Tender und circa 500 Wagen untergebracht werden.

Von den Filialen der Hauptwerkstätte verdient besondere Erwähnung die auf dem Budapester Ostbahnhof befindliche Werkstätte des technischen Wagenbureaus, welche mit circa 200 Arbeitern die In- standhaltung und Revision der Personen- wagen der von diesem Bahnhofe ein- geleiteten Züge besorgt. Derselben ob- liegt ausserdem die Instandhaltung und Revision sämmtlicher Hof-, Salon- und Commissionswagen, zu welchem Zwecke entsprechende Werkstätten-Anlagen und geräumige Wagenremisen zur Verfügung stehen.

dd) Die im Jahre 1898 nach den modernen Anforderungen fertig gestellte Werkstätte in Debreczin.

Mit Rücksicht auf die fortwährende Entwicklung des Eisenbahn- Verkehrs und infolge Erbauung neuer Linien ist der

Bau noch einer neuen grossen Werkstätte und die Erweiterung der übrigen selb- ständigen Werkstätten theils begonnen, theils in Aussicht genommen.

Bedeutendere Filial -Werkstätten be- finden sich ausser der oben erwähnten, auf dem Budapester Ostbahnhofe gelege- nen, inBrassö [Kronstadt], fersekujvar

[Neuhäusel und Bruc

Bröd, Fiume, Hatvan a. d. Leitha.

Von den seinerzeit erbauten Werk- stätten hat noch die Theissbahn die Werkstätte in Nagyvärad [Grosswardein] und die Oesterreichisch-Ungarische Staats- eisenbahn-Gesellschaft jene in Pozsony [Pressburg] aufgelassen.

Um das Vorangeführte einigermassen zu vervollständigen und auch über den Umfang der Leistung der Werkstätten ein Bild zu geben, erwähnen wir, dass die Werkstätten der Ungarischen Staatsbahnen im Jahre 1898 circa 2210 Locomotiven, 1 590 Tender, 6300 Per- sonen-, Gepäck- und Postwagen und 46.200 gedeckte und offene Lastwagen zu erhalten hatten, wofür Regieaus- lagen mit inbegriffen circa 8,000.000 fl. erforderlich waren.

Die Werkstätten der Privatbahnen

Ungarns,

Die Kaschau-Oderberger Eisen- bahn hat in Ruttka eine Werkstälte, welche im Jahre 1874 ^^ Betrieb gesetzt wurde. Gegenwärtig kann die Werkstätte circa 500 Arbeiter beschäftigen ; die ge- deckten Räume der Werkstätte fassen 18 Locomotiven und 60 Wagen; im Freien können auf den Werkstätten - Geleisen über 250 Wagen untergebracht werden.

Die Raab-Oedenburg-Ebenfurter Eisenbahn eröffnete ihre Werkstätte im Jahre 1880 in Sopron [Oedenburg].

Die Arad-Csanäder vereinigten Eisenbahnen eröffneten im Jahre 1886 in Arad ihre Werkstätte mit circa 70 Arbeitern. Gegenwärtig beschäftigt diese Werkstätte schon 300 Mann und können in den gedeckten Räumen 4 Locomotiven und 32 Wagen, im Freien jedoch 60 Wagen untergebracht werden.

Emerich Novelly, Werkstättenwesen.

503

Die k. k. priv. Südbahn-G es ell- schaft Hess anfangs keine grösseren Werkstätten in Ungarn bauen, fand es aber im Laufe der Jahre doch zweck- mässig, ihre Fahrbetriebsmittel auch in Sz6kesfeh6rvär [Stuhlweissenburg] repariren zu lassen. Die dortige Werk- stätte wurde 1892 eröffnet und be- schäftigte im Anfange 40 Arbeiter. In gedeckten Räumen fasste sie 14 Loco- motiven und 26 Wagen. Gegenwärtig arbeitet die Werkstätte bereits mit 290 Mann, birgt in gedeckten Räumen 19 Locomotiven imd 38 Wagen, und im

Freien sind 16 Locomotiven und 200 Wagen unterzubringen.

Die Szamosthaler Eisenbahn errichtete ihre Werkstätte im Jahre 1895 in De6s. Sie beschäftigt 70 Arbeiter imd fasst in gedeckten Räumen 6 Loco- motiven und 8 Wagen, im Freien haben 30 Wagen Platz.

Die Torontdler Vicinalbahn eröffnete ihre Werkstätte in Nagy- Becskerek im Jahre 1896 und beschäf- tigt circa 75 Arbeiter. Die Werkstätte fasst in gedeckten Räumen 6 Locomotiven und 19 Wagen, im Freien 40 Wagen.

D. Zugförderung.

Adolf Forcher,

der KöDlEllch-UnsarDclieD SUaUbllia«D.

DIE Organisation des Zugförderungs- | Dienstes der im Jahre 1867 im ( Betriebe gewesenen Bahnen Un- garns war von der Staatseisenbahn- Gesellschaft zum überwiegenden Theile dem französischen, von der SUdbahn dagegen dem englischen Verwaltungs- Systeme entnommen, und da die übrigen ungarischen Eisenbahnen ihren Per- sonalstand fast ausschliesslich aus diesen beiden Bahnen recrutirten, so war es natürlich, dass sie sich in ihrer Organi- sation auch an diese anlehnten.

Diese Grundlage der Organisation des Zugförderun gs- Dienstes der ungari- schen Bahnen ist wohl noch heute vor- ! banden, nur wurde dieselbe im Laufe j der Zeit entsprechend den Bedürfnissen [ des vergrösserten Netzes und des stetig j steigenden Verkehres sowie mit Rück- I sieht auf das zur Verfügung stehende | Personale erweitert und vervollständigt.

Entsprechend der Entwicklung des bis 1867 vielfach vernachlässigten Eisen- bahnbaues, ist auch die Entwicklung des Zugförderun gs- Dienstes der ungarischen Eisenbahnen von diesem Jahre ab im , rascheren Tempo vorgeschritten. !

Ende 1867 beschäftigte dieser Dienst- I zweig auf sogenannten systemisirten Stellen, also exclusive der Taglöhncr, im | Ganzen 548 Bedienstete, welche Zahl j Ende i8g6 bereits auf 5396 gestiegen ' war, wovon 4640 Bedienstete, oder 86"/^ 1 des Gesammtstandes auf die Königlich Ungarischen Staatsbahnen enifallen. 1

An Fahrbetriebsmitteln standen den ungarischen Bahn Verwaltungen Ende 1867 im Ganzen 352 Locomotiven, 599 Personen-, Conducteur- und Postwagen, 7596 Lastwagen und 40 Schneepflüge zur Verfügung, von welchen acht Loco- motiven ^ 3'37o> '^ Personen- und Conducteurwagen ^ i'7''lo und 218 Last- wagen ^ 2'9''/o des Gesammtstandes auf die Ungarischen Staatsbahnen entfleten.

Für die Reisen Sr. Majestät und der a. h, Familie stand nur der Wiener Hof- zug der Staatseisenbahn- Gesell Schaft und auf den Linien der Theiss-Eisenbahn ein aus einem Salonwagen umgestalteter Hof- wagen zur Verfügung.

Ende 1896 betrug der Fahrbetriebs- mittelstand der ungarischen Bahnverwal- tungen 2366 Locomotiven, 6917 Per- sonen-, Conducteur- und Postwagen, 48.053 Lastwagen, 206 Schneepflüge und zwei Schneeschaufel- Maschinen, von welchem Stande 2032 Locomotiven = ^s^'/n, 6169 Personen-, Conducteur-, Post- und Gepäcksbeiwagen = Sg-2°jr,, 40.455 Last- wagen ^ 84-2''/o, 127 Schneepfluge ^= örö"/,] und zwei Schneeschaufel-Ma- schinen auf die Ungarischen Staatsbahnen entfielen.

In dem letzteren Stande sind die für die Reisen Sr. Majestät und der a. h. Familie bestimmten sowie die fllr den Hofstaat, respective für die Suite dienenden und mit dem nothwendigen Comfort ein- gerichteten 27 Stück Special- Hof wagen inbegriffen.

Adolf Forcher, Zugförderung.

Die Zunahme des Verkehres wird durch die Leistung der Locomotiven ge- kennzeichnet, welche im Jahre 1867 8,113.161 Locomotiv-Kilometer betrug, wovon 308.163, ^'so ^'S'^la auf die Unga- rische Nordbahn entfielen. 1896 betrug diese Leistung 75,006.8 16 Locomotiv-Kilo- meter, wovon 64,334.865 t^Sj-b^/g auf die Ungarischen Staatsbahnen entfallen. Die absolute Zunahme der Leistung des Zug- förderungs-Dienstes der Bahnen Ungarns betrug demnach von 1 867 bis 1 897 834'5%.

Natürlich musste eine so bedeutende Steigerung des Verkehres das Bedttrfnis hervorrufen, derselben in erster Linie

der zwischen Budapest und Marchegg, respective Wien verkehrende Eilzug mit einer commerziellen Geschwindigkeit von 73' I km und einer reinen mittleren Ge- schwindigkeit von 75'5 km; der lange Steigungen von 10, 16 und 25%^ durch- fahrende Eilzug Budapest -Fiume aber mit einer commerziellen Geschwindig- keit von 5ri und einer reinen mitt- leren Geschwindigkeit von 54-1 km zu fahren hat. Der Ausbau der schwierigen Gebirgsstrecken mit häufig vorkommenden und langen Steigungen von 10, 16 und ^SVooi ^^ auch die stetig zunehmende Belastung der ZUge, machten es erfor-

durch eine intensivere Ausnützung der Locomotiven zu entsprechen; das Resul- tat der bezüglichen Bestrebungen war, dass die durchschnittliche Jahresleistung einer Locomotive auf den ungarischen Bahnen von 23.050 Locomotiv-Kilometer im Jahre 1867, auf 31.700 Locomotiv- Kilometer im Jahre 1896, also um 37'5'','o gehoben wurde.

Die Eilzüge beschränkten sich 1867 nur auf die Linie Bäziäs- Budapest-Wien, auf welcher Linie täglich ein Eilzug in jeder Richtung mit einer 50 km pro Stunde kaum übersteigenden Geschwindigkeit verkehrte, während heute auf jeder Haupt- linie in jeder Richtung mindestens ein Eilzug verkehrt. Die Geschwindigkeit dieser Züge wurde so erhöht, dass z. B.

derlich, die Leistungsfähigkeit der Ma- schinen zu erhöhen, also den Bau kräf- tigerer Maschinen in Angriff zu nehmen.

Der Fortschritt in dieser Richtung wird durch die nachfolgenden Ziffern illustrirt:

Die im Jahre 1867 vorhandenen Eil- zugsmaschinen vermochten auf horizon- taler Bahn bei einer Geschwindigkeit von 60 i;m pro Stunde einen Zug von 115 t zu befördern. Heute verkehren Locomotiven, die bei gleichen Niveau- verhältnissen bei 80 km Geschwindigkeit 200 i, bei 60 km Geschwindigkeit 430 t Zugslast befördern können.

Die Leistungsfähigkeit der Güterzug- Locomotiven wurde von 540 t der Last, welche die Locomotiven bei 30 km Ge- schwindigkeit auf horizontaler Bahn zu

506

Das Eisenbahnwesen in Ungarn s

befördern vermochten, bei Locomotiven für Flachlands- und HUgelbahnen auf lOOO t gesteigert und für Gebirgsbahnen eine der stärksten heute bestehenden Typen beschafft, so dass auf der 360 km langen Strecke Fiume - Liö, welche in einer nur durch die Stationen unter- brochenen Steiguntj von 25*/^^ liegt. Güter- züge mit einer Belastung von 235 i und einer mittleren reinen Fahrgeschwindig- keit von 15 km pro Stunde mit einer Locomotive befördert werden.

wichtigste Massregel in dieser Beziehung bildete die Einführung der continuirlichen Bremsen, bezüglich deren sich die SQd- bahn und die Kaschau-Oderberger Eisen- bahn für die nicht automatische Vacuum- Bremse, System Hardy, die Ungarischen Staatsbahnen dagegen für die automa- tischeLuftdruckbremse.SystemWesting- house, entschieden.

Von dem gesammten Fahrpark der ungarischen Eisenbahnen, welcher 1 867 nur mit der Handbremse ausgerüstet war.

Bei den Bahnen 11. Ranges wurde die Erhöhung der Leistungsfähigkeit der Locomotiven dadurch bedingt, dass in den letzten Jahren solche Bahnen mit ungünstigen Niveau- Verhältnissen in Be- trieb genommen wurden.

Während die älteren Locomotiven dieser Mahnen auf Steigungen von 7*/,,o bei 15 i-»i Geschwindigkeit eine Zugslast von 240 / befördern können, ist die Leistungsfähigkeit bei den neueren Tvpen unter gleichen Verhältnissen auf 460 t gesteigert worden.

Mit der Erhöhung der Geschwindig- keit der persiincnbefördemden Züge musste natürlich auch die Einführung von Mass- rogeln f r die Erhöhung der Sicherheit der Reisenden Hand in Hand gehen. Die

labahafe In Budapeit. [Füll halle.)

erschienen Ende 1896 596 Locomotiven und 5260 Wagen mit continuirl icher Bremse, oder der dazugehörigen Leitung versehen, von welchem Stande wieder

457 Locomotiven ^ l('"J°lt, und 4614 Wagen = S?-?^

auf die Ungarischen Staatsbahnen ent- fielen.

Auf den Linien der letzteren wurde der weiteren Erhöhung der Sicherheit dadurch Rechnung getragen, dass man die Bremse in den einzelnen Wagen dem Publicum statt der sonst üblichen Intercommunications-Signale zugänglich machte; im Momente der Gefahr kann demnach der Zug von jedem Wagen aus zum Stehen gebracht werden.

Adolf Forcher, Zugförderung,

Während 1867 die Beheizung und Beleuchtung der Personenwagen auf den ungarischen Bahnen noch ausschliessUch durch Wärmeflaschen, respective Oel- lampen erfolgte, waren Ende 1896 1453 Locomotiven und 4381 Personenwagen mit der Einrichtung für Dampfheizung, femer 733 Personenwagen mit der für Dampf- und Ofenheizung, 483 Personen- wagen mit der Einrichtung fUr Ofen-

Lampe von Laiaurie und Potel an- gestrebt.

Ausserdem sind auf den Linien der Ungarischen Staatsbahnen Versuche mit Petroleumlampen im Zuge, zu deren Speisung Petroleum mit einem Entflam- mungspunkt von 1 20" C. verwendet wird.

Auch ist die Vornahme eines Ver- suches mit Acetylen- Beleuchtung in Aus- sicht genommen.

abnhofe In Budapett. (Scb.

Abb, 157. Hclibsiu auf dem Oitbatuhole In Bi auf die

heizung und der Dampfheizungsleitung, 894 Personenwagen endlich mit der Ein- richtimg für Ofenheizung versehen,

Ende 1896 waren 139 Personenwagen für elektrische Beleuchtung, 12 Personen- wagen für elektrische und Gasbeleuchtung, 2809 Personenwagen aber nur für Gas- beleuchtung eingerichtet. Der Rest be- sitzt noch immer Oelbe leuchtung, doch wurde auch hier ein Fortschritt durch Ein- führung entsprechend verbesserter, also lichtstärkerer Lampen, wie z. B. der

[Einrieb

I Verladung di

Die elektrische Beleuchtung war bei den vierachsigen Wagen, bei einigen C ommi SS ions wagen und bei den Hof- wagen der Ungarischen Staatsbahnen und bei einigen Wagen der »Vereinigten Arad- Csanäder Bahnen«, die Oelgas- Be leuchtung bei den meisten Wagen der auf den Hauptlinien verkehrenden Eil- und Personenzüge der ersteren Bahn in Anwendung.

Für die Ladung der zur elektrischen Beleuchtung dienenden Accumulatoren

5o8

Das Eiseobahi

1 Ungarn seit 1867.

ilihao* auf dem Oitbahnhofc In Bud

sind auf dem Ost- und Westbahnhofe Budapests der Ungarischen Staatsbahnen je eine Ladestation, auf dem Bahnhofe Arad der Vereinigten Arad-Csanäder Bahn ebenfalls eine Ladestation eingerichtet. [Vgl. Abb. 154, .155 und 156.]

Für die Oelgas- Beleuchtung besitzen die Ungarischen Staatsbahnen je eine Gasanstalt in den Stationen Buda- pest-Ostbahnhof, in Räkos mit einer 2'6 km langen Leitung nach dem Bahnhofe Budapest- Westbahnhof und in Agram. Um die Füllung der Gas- recipienten der Wagen auch in jenen Stationen zu ermöglichen, wo keine Gas- anstalten vorhanden sind, stehen Gas- transportwagen in Verwendung. Die Leistungsfähigkeit der drei Gasanstal- , ten ist genügend für den Gesammtbe- darf der mit Gasbeleuchtung versehenen Wagen.

Entsprechend der Entwicklung des Verkehres erhöhten sich naturgemäss auch die Auslagen des Zugförderungs- Dienstes; sie stiegen von 1,628.828 fl. im Jahre 1867 auf 11,807.967 ft. im Jahre 1896, fielen dagegen durch zweckent- sprechendere Einrichtung dieses Dienstes successive von 25*3 kr. pro Zugskilomeier im Jahre 1867 auf I9'3 kr. pro Zugs- kilometer im Jahre 1896; eine Reduction, die umso bedeutender ist, als die durch- schnittliche Belastung der Güterzüge sich bedeutend erhöhte, und die in Bezug auf die Oeconomie des Dienstes so vortheil- haften gemischten Züge auf einem grossen

Theil der im Betriebe stehenden Linien eingestellt wurden.

An Brennmaterial wurden 1867 88,503 tn' Holz und 95.457 t Kohlen verbraucht, von welch letzteren fast '/j aus dem Auslande bezogen wurden. 1896 betrug dieser Verbrauch 109,496 1»' Holz und 1,383.579 t Kohlen, von welch letzteren 1,000.000 t von ungarischen Kohlenwerken geliefert wurden.

Der Schmiermaterial- Verbrauch betrug im Jahre 1867 245.362*^, und zwar zum weitaus Überwiegenden Theile aus dem Auslande bezogenes Oliven- und Rüböl, im Jahre 1896 war dieser Verbrauch auf 1,719.652 kg gestiegen, von welchem Quantum, da mittlerweile der Uebergang zur Schmierung mit Mineralöl wesentliche Fortschritte gemacht hat, 1,200.000 kg durch inländische Fabriken geliefert werden konnten.

Bei den Neubauten für den Zug- förderungs-Dienst wurde in Bezug aut Anordnung und Einrichtung derselben den neuesten Erfahrungen Kechnung getragen.

Eine Specialität bildet die auf dem Ostbahnhofe in Budapest befindliche Ein- richtung zur Verladung der Kohle auf die Tender, deren Anordnung auf Abb. 157 anschaulich gemacht ist.

Schliesslich möge noch angeführt werden, dass in drei Stationen Wind- räder nach dem System Halladay mit gutem Erfolg zur Hebung des für die Locomotiven erforderlichen Wassers in Verwendung stehen. [Siehe Seite 475, Abb. 136.]

Die Entwicklung des Betriebes.

Johann von Marx,

Dlrector KOplEllch Uagulicb«D StuUb*bD«a.

1. Mechanik des Betriebes.

VIELE leben noch unter uns, die es aus eigener Erfahrung wissen, wie langwierig, beschwerlich und theuer das Reisen vor noch kaum 60 Jahren in Ungarn gewesen ist.

In der Regenzeit, wenn die Strassen grundlos wurden und im Frühjahr bei Eintritt der Schneeschmelze, wenn die Flüsse ihre Ufer überschritten, war das Reisen in vielen Gegenden des unga- rischen Flachlandes oftmals ein Ding der Unmöglichkeit, oder doch ein sehr ge- fahrvolles Unternehmen, zu dem man sich nur sehr schwer entschloss. Selbst bei normalen Zuständen beanspruchte das Reisen sehr viel Zeit ; denn es dau- erte beispielsweise die Fahrt von Buda- pest nach Wien mit der Eilpost 31 und mit dem Postwagen 49 Stunden.

Die Reise von Budapest nach Temes- vär nahm drei Tage in Anspruch und wer von Kaschau nach Temesvär fahren- wollte, der musste gar sechs Tage auf der Reise zubringen und die Fahrgebühr von 20 fl. 30 kr. C.-M., sowie i'/j kr- Meilengeld an den Postkutscher bezahlen, was nach damaligem Geldwerthe eine ganz beträchtliche Summe ausmachte.

Viel schlimmer noch, als mit dem Reisen, war es aber zu jener Zeit mit dem Ferntransport von Gütern und Waaren bestellt.

Im gesegneten Alfbld ächzten nach reicher Ernte die Schüttböden unter der Last schweren Weizens, doch der Land- wirth vermochte die Frucht seiner Arbeit oft kaum, oder nur mit schweren Opfern auf den Markt zu schaffen; denn das beladene Fuhrwerk versank bis zur Achse der Räder im aufgeweichten Boden und konnte seinem Ziele in einem Tage selbst mit vorgespannten sechs Zugthieren kaum um ein bis zwei Meilen näher gerückt werden,' während in von Miss- ernte heimgesuchten Gegenden Ober- ungams Hungersnoth herrschte.

Das Bedürfnis nach der Eisenbahn, welche die Möglichkeit des Massentrans- portes zu jeder Zeit sichert und denselben überdies wohlfeiler und schneller gestaltet, mag daher wohl kaunt irgendwo mehr, als in Ungani empfunden worden sein.

Wenn in Ungarn der Bau der Eisen- bahnen anfangs dennoch nur sehr geringe Fortschritte machte, so dürfte die Ur- sache dieses Umstandes wohl nur in den damahgen politischen Verhältnissen ge- legen sein, welche dem wirthschaftlichen Aufschwünge des Landes hinderlich

So kam es, dass im Jahre 1867, als Ungarn in den Besitz seiner verfassungs- mässigen Selbständigkeit gelangte und das erste ungarische Ministerium die

5IO

Das Eisenbahnwesen in Ungarn seit 1867.

Leitung der Geschäfte der Länder der Heiligen Stephanskrone übernahm, die Länge der dem öffentlichen Verkehre dienenden Eisenbahnen in Ungarn ins- gesammt nur 2234'! km betragen hat.*) Drei grössere Eisenbahnen, namentlich die ungarischen Linien der Staatseisen- bahn-Gesellschaft, die ungarischen Linien der Südbahn-Gesellschaft und die Theiss- Eisenbahn-Gesellschaft waren es, welche den Exportverkehr des Landes nach dem Westen zu besorgen hatten. Zwei kleinere Eisenbahnen, namentlich ein Theil der Ungarischen Nordbahn und die k. k. priv. Mohäcs-P6cser [Fünf- kirchner] Bahn, waren hauptsächlich nur für Zwecke des Steinkohlen-Transportes aus dem Salgö-Tarjäner, beziehungsweise Szabolcser Kohlengebiete gebaut und ein- gerichtet worden.

Die Aufgabe, welche der ungarischen Regierung hinsichtlich der Weiterent- wicklung und Ausgestaltung des Eisen- bahnwesens in Ungarn im Jahre 1867 als Erbe zufiel, war demnach nicht nur sehr umfangreich, sondern mit Rücksicht auf die damaligen Zustände des Landes, wo es auf allen übrigen Gebieten des wirthschaftlichen und culturellen Lebens viel nachzuholen gab, gewiss auch sehr schwierig.

Dass die ungarische Regierung in richtiger Erkenntnis des mächtigen Ein- flusses, welchen die Eisenbahnen nicht nur auf den materiellen Wohlstand, son- dern auch auf die Hebung des geistigen Lebens fördernd ausüben, der Entwick- lung und Ausgestaltung des Eisenbahn- wesens stets die grösste Sorgfalt zuge- wendet hat, zeigt uns ein Blick auf die Eisenbahnkarte Ungarns, dessen Netz im Jahre 1896 bereits die beträchtliche Länge von 14.878 ktn aufweist, wovon sich 12.192*5 km im Staatsbetriebe und 2685*6 km> im Privatbetriebe befinden. [Vgl. die beiliegende Karte.]

Neben dem Ausbaue des Eisenbahn- netzes musste aber auch für die stetige, mit den sich immer mehr und mehr stei- gernden Bedürfnissen des zunehmenden Verkehrs Schritt haltende Vervollkomm-

*) Vgl. ßd. I, I. Theil, K. Strach: Stand der Eisenbahnen in Oesterreich-Unpjarn am 31. December 18Ö6. S. 498 ff.

nung der anfangs sehr einfachen Be- triebs - Einrichtungen Sorge getragen werden.

Obschon der Verkehr auf den unga- rischen Eisenbahnen nach den gleichen Grundsätzen und Vorschriften, wie auf den österreichischen Bahnen geregelt war, so machte sich anfänglich doch ein gewisser Unterschied zwischen den Eisenbahnen beider Staaten der Mon- archie darin bemerkbar, dass für die ungarischen Bahnen in erster Linie der Gütertransport als massgebend galt, während den Einrichtungen des Personen- verkehrs weniger Sorgfalt zugewendet wurde.

Ungarn war eben ein hauptsächlich Landwirthschaft betreibendes Land, dessen verhältnismässig dünne, zu Orts- veränderungen wenig geneigte Landbe- völkerung zur Benützung der Eisenbahn weniger Veranlassung hatte, als dies bei einer handel- und gewerbetreibenden Be- völkerung der Fall ist.

Diese speciellen Verhältnisse und Be- dürfnisse des Landes, welche bei der Einrichtung des Betriebes naturgemäss in erster Linie massgebend waren, präg- ten den ungarischen Eisenbahnen und ihrem Betriebe einen ganz eigenthüm- lichen, von jenem der österreichischen Eisenbahnen, welche dichter bevölkerte, industrielle Provinzen durchschnitten, ab- weichenden Gharakter auf.

Unverhältnismässig grosse Entfernun- gen zwischen den einzelnen Stationen, schwacher Personen- und ein periodisch wechselnder , höchst ungleichförmiger Güterverkehr, welcher mit wenig, aber schier endlosen Zügen abgewickelt wurde, waren die besonders hervortretenden charakteristischen Merkmale der ersten Eisenbahnen in Ungarn Erscheinungen, welche darin ihre Begründung finden, dass die ungarischen Bahnen anfänglich fast ausnahmslos hauptsächlich dem Zwecke der anstandslosen Abwicklung des Getreide- Massen Verkehrs dienen sollten und dementsprechend auch zumeist in solchen Gegenden gebaut wiirden, deren Hauptproduct Getreide bildete.

Eine Ausnahme hievon trat nur bei einer Bahnlinie ein, deren Bau abwei- chend von dem erwähnten Principe, zu

Johann v. Marx, Die Entwicklung des Betriebes etc.

511

dem Zwecke unternommen wurde, um das Salgö-Tarjäner Kohlenbecken, dann Nordungam sowie das schlesische Kohlen- revier und Deutschland mit Budapest und mit dem ungarischen Tieflande in directe Verbindung zu bringen. Diese Bahnlinie konnte jedoch, wie in vorher- gehenden Capiteln ausführlich erzählt wurde,*) damals so wenig prosperiren, dass die betreffende Actien-Gesellschaft in Zahlungsverlegenheiten gerieth vmd die königlich ungarische Regierung ge- zwungen war, diese Bahn in eigene Ver- waltung zu übernehmen.

Wie belanglos sich der Verkehr auf dieser Linie, im Jahre 1867 gestaltete, geht aus dem Umstände hervor, dass zu dessen Abwicklung ein Personenzug und ein gemischter Zug vollständig genügten, wobei die Personenzüge 5 Stunden 20 Mi- nuten, und die gemischten Züge 7 Stunden 10 Minuten zur Zurücklegung der 126 ktn langen Strecke von Budapest bis Salgö- Tarjän benöthigten Fahrgeschwindig- keiten, welche den verwöhnten und an- spruchsvollen Reisenden von heute, dem selbst schon die mit 60 km stündlicher Fahrgeschwindigkeit dahinbrausenden und den denkbar grössten Comfort bietenden Personenzüge zu langsam fahren, geradezu in Verzweiflung setzen würden.

Aehnliche Verhältnisse herrschten auch auf allen übrigen ungarischen Eisenbahnen und selbst die Strecke Budapest -Wien hatte einen so geringen Personenverkehr, dass der Eilzug, welcher im Anfang der Sechziger-Jahre ausser den Personenzügen zwischen Budapest und Wien täglich verkehrte, wegen zu geringer Frequenz eingestellt werden musste; ein zwischen Wien und Baziäs im Anschlüsse an die Personenschiffe der k. k. priv. ersten Donau - Dampfschiffahrts - Gesellschaft in der Woche nur zweimal verkehrender Eilzug genügte sogar, um den Personen- verkehr zwischen Oesterreich - Ungarn und den Donauländem sowie mit Con- stantinopel zu vermitteln.

Bei einem so geringen Personen- verkehr fanden sich die Eisenbahn -Ver- waltungen natürlich nicht veranlasst, die

•) Vgl. Bd. III, I. Gonda: Geschichte der Eisenbahnen in Ungarn seit 1867.

Fahrgeschwindigkeit der personenbeför- dernden ZiXge zu erhöhen und der ein- fachen und öconomischen Betriebsführung zu entsagen, welche bei einer geringen Anzahl langsam fahrender und mit Frachten möglichst gut ausgenützter Züge möglich ist

Mit dem erfreulichen Aufblühen des Handels und der Industrie sowie mit der Entfaltung des regen wirthschaftlichen und geschäftlichen Lebens, welches nun auch in Ungarn allenthalben zu ver- zeichnen • ist, haben auch die Betriebs- verhältnisse der Bahnen eine gewaltige Umgestaltung erfahren. Heutzutage ver- kehrt auf jeder Hauptlinie schon wenigstens je ein Eilzug, ja auf mehreren Haupt- bahnen sind sogar zwei und mehr Eil- züge nöthig, welche zeitweilig bis zur äussersten Grenze der Zugkraft der Locomotive belastet werden müssen, um den Anforderungen entsprechen zu können.

Als Beispiel für den gewaltigen Auf- schwung, welcher sich im Personenverkehr innerhalb der letzten 30 Jahre vollzogen hat, genügt es zu erwähnen, dass derzeit auf der Linie Budapest-Hatvan als Theilstrecke der zweigeleisigen Hauptbahn Budapest-Miskolcz-Szerencs-S.-A.-Üjhely- Legenye-Mihälyi bis zur Landesgrenze bei Lupköw nach beiden Richtungen täglich je 16 Eil- und Personenzüge ver- kehren, von welchen je fünf darunter zwei Eilzüge auf die Hatvan-Ruttkaer, also auch auf die ehemalige nothleidende Ungarische Nordbahnlinie übergehen.

Ebenso verkehren heute zwischen Budapest und Wien auf der Marchegger und Brucker Linie zusammengenommen, ausser den an vier Tagen der Woche nach beiden Richtungen via Marchegg verkehrenden Orient-, respective Ostende- Expresszügen, täglich nach jeder Richtung fünf Eil- und vier Personenzüge.

Die Anzahl sämmtlicher auf der Buda- pest-Marchegger und Budapest-Brucker Linie verkehrenden Personenzüge beträgt derzeit während der Sommerperiode 34 nach jeder Richtung, wobei die nur an Sonn- und Feiertagen verkehrenden ZiXge nicht eingerechnet sind.

Mit der Zunahme der Anzahl der personenführenden Züge wuchs aber auch deren Fahrgeschwindigkeit.

512

Das Eisenbahnwesen in Ungarn seit 1867.

Laut der mit kaiserlicher Verord- nung vom 16. November 1851 an die österreichischen Eisenbahnen hinausge- gebenen und mit ungarischem Gesetz- artikel XVI vom Jähre 1867 auch für Ungarn zur Giltigkeit erhobenen Betriebs- ordnung war die erlaubte Maximal- Fahr- geschwindigkeit mit 7 Meilen [53'o6 km] in der Stunde festgesetzt, welche aber im Jahre 1867 in Ungarn noch nirgends angewendet wurde, da auch die zwischen Budapest und Wien in Verkehr gestan- denen schnellsten Züge die Geschwindig- keit von 40 ktn in der Stunde nicht überschritten.

Mittels der im Jahre 1878 in Kraft getre- tenen Grundzüge der Vorschriften für den Verkehrsdienst wurde die erlaubte grösste Fahrgeschwindigkeit auf 80, imd in der neuesten Zeit, .um den erhöhten Anforde- rungen entsprechen zu können, bereits auf 90 km in der Stunde erhöht, welche Maximal-Geschwindigkeit bei mehreren» Zügen auch thatsächlich erreicht wird.

Die durchschnittliche Geschwindigkeit, welche bei Einrechnung des Aufenthaltes in den Stationen und des Zeitverlustes beim Anfahren und Anhalten der ZiXge resultirt, hat im Jahre 1867 nirgends mehr als höchstens 32 km> in der Stunde betragen ; dagegen erreicht dieselbe heute auf den Hauptlinien im Allgemeinen 60, und bei den beschleunigten Eilzügen zwischen Budapest und Marchegg sogar 70 km.

Der gewaltige Fortschritt, welcher betreffs Abkürzung der Fahrtdauer auf den ungarischen Eisenbahnen gemacht wurde, ist zum Theil auch dem rationellen Ausbau des Eisenbahnnetzes zu verdanken, welches mit seinen, aus der iA Mittel- punkte des Landes gelegenen Haupt- und Residenzstadt nach allen Richtungen strahlenförmig auslaufenden Linien die Reise nach der Hauptstadt selbst aus dem entlegensten Comitate ohne Umweg ermöglicht.

Im Jahre 1867 dauerte die Reise mit den schnellsten Zügen:

von Budapest nach Kaschau 15 Stunden, » * » Wien 8 St. 38 Min.,

» » » Bäziäs 16 Stunden,

> » » Salgö-Tarjän 5 St.,

i> Wien nach Stuhlweissenburg 10 St.

Heutzutage beansprucht dieselbe Reise nur mehr:

von Budapest nach Kaschau 5 St. 53 M., » » » Wien 4 Stunden,

» » » Bäziäs 9 St. 9 Min.,

» > » Salgö-Tarjän 2 St.

23 Minuten, » Wien nach Stuhlweissenburg 6 St.

Diese Steigerung der Fahrgeschwin- digkeit der personenführenden Zü^e hat naturgemäss wesentlich dazu beigetragen, dass der Frachtentransport von den Per- sonenzügen mehr oder minder gänzlich getrennt werden musste, und es verkehren deshalb heutzutage gemischte Züge, mit welchen sowohl Personen als auch Frach- ten befördert werden, mit geringen Aus- nahmen nur mehr auf solchen Bahnen vorwiegend auf Neben- und Vicinal- bahnen auf welchen die Fühnmg von reinen Personen-, respective Lastzügen wegen zu geringem Personen-, be- ziehungsweise Güterverkehre aus betriebs- öconomischen Rücksichten imthunlich er- scheint.

Das Streben nach Wahrung solcher öconomischen Rücksichten geräth aber sehr häufig in lebhaften Widerstreit mit den Wünschen des Publicums, denn selbst bei den, in der Regel nur für eine Maximal-Fahrgeschwindigkeit von 25 bis 30 ktn eingerichteten Bahnen untergeord- neter Bedeutung tritt das Verlangen nach grösserer Fahrgeschwindigkeit und Ver- mehrung der ZiXge beziehungsweise Herstellung des Anschlusses womöglich an sämmtliche ZiXge der Hauptbahn in neuerer Zeit nicht selten in derart dringender Form hervor, dass finanzielle Opfer der betriebsführenden Verwaltung zuweilen unvermeidlich sind, ohne dass damit wirklichen Verkehrs- oder Handels- Interessen, sondern lediglich nur Bequem- lichkeits-Ansprüchen gedient wird, welche die Grenzen der Anforderung weit über- schreiten, die an" solche kleinere, zur Abwicklung eines zumeist belanglosen Localverkehrs berufenen und eingerich- teten Eisenbahnen gerechtfertigterweise gestellt werden können.

Der Reisende, welcher einen aus W^agen neuerer Construction oder gar aus drei- oder vierachsigen Intercommuni-

. Marx, Die Entwicklung des Betriebes etc.

cations-Wagen zusammengestellten, glatt und geräuschlos dahin gleitenden Eilzug, wie solche auf den meisten Haupt- linien der Ungarischen Staatsbahnen verkehren, benutzt und die Annehmlich- keiten, welche diese, selbst den weitest- gehenden Anforderungen entsprechenden Personenwagen bieten, einmal genossen hat, der fuhlt sich in dem aus einfachen Coup6 wagen älterer Zeit bestehenden Vicinalzuge nicht mehr wohl.

Es ist aber auch der Unterschied zwischen Einst und Jetzt, der Fortschritt, welcher gerade auf diesem auf die Sicherheit und Bequemlichkeit des Reisen-

erträgtiche Hitze im Sommer, Kälte im Winter trotz Wärmflaschen und Pelz; rauchende und höchst feuergefährliche Oefen in der dritten Classe ; Hilflosigkeit des Reisenden im abgesperrten Coup6 des fahrenden Zuges, gegen welche die am Dache angebrachte Zugsleine nicht Ab- hilfe leistete; die im Momente der Gefahr oft unzuvertässliche oder doch nicht immer rechtzeitig und kräftig genug wirkende Spindelbremse ; eine höchst mangelhafte Oelbeleuchtung, bei der man die Stationsnamen im Cursbuche nur mit Noth entziffern konnte, Sehnsucht - volles Herbeiwünschen der nächsten

den abzielenden Gebiete des technischen Betriebes zu verzeichnen ist, ein sehr erheblicher.

Der Vergleich eines Personenzuges der ehemaligen Theissbabn mit einem der Personen- oder Eilzüge der König- lich Ungarischen Staatsbahnen, wie sie z. B. auf der Linie Budapest- Wien derzeit verkehren, ftlhrt uns den Fort- schritt, welcher sich in dieser Beziehung zum Besseren des Reisenden vollzogen hat, deutlich vor Augen. [Vgl. Abb. 159 und 160.]

Niedrige Wagen mit schmalen Coupes und kleinen Fenstern, unruhiger, ge- räuschvoller und rüttelnder Gang der Wagen ; unbequemes Sitzen ohne Möglich- keit der Bewegung im rollenden Zuge; Stossen und Zerren der einzelnen Wagen beim ruckweisen Anfahren und jähen Anhalten des lose gekuppelten Zuges ; mangelhafte Ventilation und daher un-

rmallgen Thel«bsho. (it*7.J

Station mit längerem Aufenthalt, um * Hunger, Durst und andere Bedürfnisse, zumeist in grösster Eile und Hast, be- friedigen zu können: das waren die Zu- stände und Leiden, welche der Eisen- bahn-Reisende noch vor wenigen Jahr- zehnten in Ungarn zu ertragen hatte.

Unvergleichlich besser hat es der Reisende heute ! Elegant gebaute, auf elastischen Federn ruhende Wagen mit nahezu geräuschlosem und ruhigem Gange, die Coupil-s bequem, .hoch, licht, luftig und dennoch vollkommen zugfrei und hermetisch verschli essbar, stehen dem Reisenden bei allen Eil- und den meisten Personenzügen zur Verfügung. Seite n- gänge in den breiten Wagen, sowie ge- schlossene Soufflets ermöglichen die (.^ommunication im ganzen Zuge und bieten Schutz gegen Wind und Wetter. Auch Closet und Toilette finden sich in allen neueren y\'agen.

33

514

Das Eisenbahnwesen in Ungarn seit 1867.

Die Dampfheizung, durch den Reisen- den in jedem einzelnen Coup6 je nach Bedürfnis regulirbar, ist bereits fast bei sämmtlichen personenführenden Zügen im Gebrauch und macht den Winterrock selbst bei grimmiger Kälte entbehrlich, Pelz und Fusssack sind im Eisenbahn- Coup6 bereits ganz überflüssig geworden. Elektrisches Licht erfüllt alle Räume des Wagens mit Tageshelle und der Reisende kann, wie im eigenen Heim, bequem im Fauteuil sitzend, ohne Anstrengung sich der Leetüre widmen, oder durch das Drehen eines Hahnes angenehmes Halb- dunkel verbreiten, um sich sorglos in den Schlaf wiegen zu lassen.

Die automatisch - continuirliche Luft- druck-Bremse [System Westinghouse], \ auf welche sämmtliche Personen- und Eilzugs - Fahrbetriebsmittel der Unga- rischen Staatsbahnen eingerichtet sind, wirkt rasch und sicher im Momente der Gefahr, ermöglicht bei der vervoll- kommneten Wagen-Kuppelung ein völlig geräuschloses und sanftes Anfahren, gleich- wie ein rasches und dennoch allmähliches Anhalten des Zuges genau auf der vor- gezeichneten Stelle.

Eine in den Coupes oder im Seiten- gange des Wagens angebrachte Noth- bremse setzt den Reisenden sogar in die Lage, den Zug durch directe Bremsung wann und wo immer zum Stehen zu bringen; eine Einrichtung, deren Zweck- mässigkeit und auch Nothw^endigkeit freilich besonders dann nicht über alle Zweifel erhaben zu sein scheint, wenn die Möglichkeit der Communication im ganzen Zuge ohnehin vorhanden ist.

Speise- und Schlafwagen, welche den auf längeren Routen laufenden Personen- und Eilzügen, je nach Bedürfnis und der Tageszeit, in der Regel beigegeben werden, bieten dem Reisenden die weitest- gehende Bequemlichkeit.

Mit Ruhe, ohne Hast und Eile, kann er im Speisewagen sein Mittagmahl ver- zehren, wann immer Durst und Appetit stillen oder Erfrischung nehmen und sich im Schlafwagen für eine geringe Aufzah- lung ein gutes Nachtlager sichern, um den Zug am nächsten Morgen allenfalls am Ziele seiner Reise ausgeruht und in geordneter Toilette verlassen zu können.

Zugsanschlüsse nach Fem und Nah, directe Wagen, die den Reisenden Über ein vielfach verzweigtes Netz von in- und ausländischen Bahnen an sein fernes Ziel führen, ohne dass er Platz zu wechseln braucht, und viele andere zweck- mässige Einrichtungen, wie die Ausgabe von directen Fahrkarten und Rundreise- Billets für das In- und Ausland, er- leichtern heutzutage das Reisen in hohem Grade.

Und so kann in Anbetracht der oben geschilderten primitiven Zustände wohl ohne Uebertreibung behauptet werden, dass der Fortschritt, welcher hinsichtlich der Vorsorge und Einrich- tungen für die Sicherheit und Bequem- lichkeit des Reisenden bei den unga- rischen Eisenbahnen in so kurzer Zeit gemacht wurde, nicht nur jederi billig denkenden Reisenden befriedigen, sondern auch jeden Fachmann mit Anerkennung für die königlich ungarische Reg^ierung und die Bahnverwaltungen erfüllen muss, welche ohne Schonung von Arbeit und Geld Alles angewendet haben, um den Per- sonenverkehr der ungarischen Eisen- bahnen und seine Einrichtungen auf das Niveau ihrer heutigen Entwicklung zu heben.

Ein ähnlicher Entwicklungsprocess, wie er nach obiger Darstellung bei dem Personenverkehr stattgefunden hat, lässt sich seit dem Jahre 1867 auch bei dem Frachtentransporte der ungarischen Eisenbahnen nachweisen.

Der grössere Theil der Frachten, welche anfangs auf den ungarischen Eisenbahnen zur Beförderung gelangten, bestand aus Getreide, welches in guten Exportjahren, selbst nach Abschlag des ebenfalls ziemlich namhaften Viehtrans- portes, mehr als die Hälfte des ganzen übrigen Frachten- Verkehres ausmachte. Der Getreide-Verkehr soll nach der Ernte zumeist innerhalb einer verhältnismässig kurzen Zeit abgewickelt werden und es steigen deshalb die Anforderungen, wel- che zur Zeit der Getreide-Campagne an die Bahnen gestellt werden, in ausser- ordentlichem Masse.

, Die Entwicklung des Betriebes e

Diesen Anforderungen rechtzeitig zu entsprechen, war aber zu jener Zeit um- so schwieriger, als sich nach der eigent- lichen Getreide-Campagne der Gesammt- frachten- Verkehr auf ein Minimum redu- cirte und die Bahn Verwaltungen, durch die Erfahrung belehrt, zur Wahrung ihrer gerechtfertigten finanziellen Inter- essen bemüssigt waren, bei Anlage der Stationsgeleise, Anschaffung der Fahr- betriebsraittel sowie bei Vermehrung des Personales mit äusserster Vorsicht und Sparsamkeit vorzugehen, da ja während des grössten Theiles des Jahres die vorhandenen Anlagen und Fahrbetriebsmittel zumeist ohne ent- sprechende Ausnutzung blieben.

Bei einem solchen Zwiespalt der Inter- essen konnten die Bahn Verwaltungen zur Zeit des starken Getreide- Verkehres den Anforderungen nur bei äusserster Kraftanspannung entsprechen.

Dieser Zwangslage, in welche die ungarischen Bahnen fast alljährhch ge- riethen, ist es zuzuschreiben, dass die Wagen- und Zugs- Ausnützung in Ungarn schon frühzeitig, als das Eisenbahnwesen ' im Allgemeinen noch auf einer verhält- nismässig niedrigen Stufe der Entwick- lung stand, einen hohen Grad erreichte. Zu diesem Behufe war eine zweck- entsprechende Wagendirigirung unerläss-

lich und thatsächlich wurde dieselbe auf den meisten ungarischen Eisenbahnlinien schon damals nach denselben Grund- sätzen bewerkstelligt, welche noch heute freilich in entwickelterer Form nicht nur in Ungarn, sondern in ganz Mittel -Europa geltend sind.

Auch die damaligen Normen Über Belastung und Achsenanzahl der Last- züge sowie die zumeist g Uns tigenNelgungs- und Richtungs-Verhältnisse der damaligen Eisenbahnen erlaubten bei geringerer Fahrgeschwindigkeit der Züge die volle Ausnutzung der Leistungsfähigkeit der Locomotive ohne Gefährdung der Sicher- heit, was umso vorth eil haftet erschien, als dadurch die Nothwendigkeit häufiger Zugskreuzungen vermieden wurde, deren anstandslose Abwicklung bei der be- schränkten Anzahl der Stationsgeleise, besonders in den Mittelstationen, mit Schwierigkeiten verbunden war und Zugs- verspätungen verursachte.

Lastzüge mit 75 beladenen Wagen gehörten zu den täglichen Erscheinungen ; doch reichten oft alle Anstrengungen nicht aus, um das zur Absendung eingelagerte Getreide rechtzeitig an seinen Bestim- mungsort zu befördern, indem sich bei regerem Export- Verkehr bald die gefilrch- tete Erscheinung mit all ihren unange- nehmen Folgen einstellte, welche schon 33'

m6

Das Eisenbahnwesen in Unß:am seit 1867.

damals unter dem Namen »Waggon- Mangel« bekannt war.

Um diesem Uebelstande einigermassen abzuhelfen, wurden von den am Trans- porte betheiligten Verwaltungen für ge- meinschaftliche Sendungen Lastwagen in möglichst grosser Anzahl angefordert, welche dann beladen, so weit als thun- lich bis zur Bestimmungsstation rollten und unter dem populären Namen : »Unga- rischer Getreidezug« in Eisenbahnkreisen als eine Specialität bekannt waren, die zur Zeit, als Deutschland seinen Getreide- bedarf noch in grösserem Masse aus Ungarn deckte, eine gewisse wirthschaft- liche Bedeutung hatte.

Diese Aushilfe seitens der ausländi- schen Bahnen, von welchen nicht selten ganze Züge leerer Lastwagen zur Be- ladung beigestellt wurden, war dadurch ermöglicht, dass Ungarn in richtiger Er- kenntnis der eminenten Wichtigkeit, welche der unbehinderte Uebergang der Lastwagen auf deutsche Bahnen für den ungarischen Getreideexport- Verkehr hatte, mit seinen Eisenbahnen schon vom Jahre 1868 an, dem Vereine deutscher Eisen- bahn-Verwaltungen beigetreten war und damit die unschätzbaren Vortheile, welche das Uebereinkommen dieses mächtigen und so ausserordentlich segensreich wirkenden Vereines in Betreff der gegenseitigen Wagenbentitzung für Vereinsverwaltungen bietet, auch für sich gesichert hatte.

Bei günstigeren Exportchancen, welche eine besonders massenhafte Getreideauf- gabe zur Folge hatten, war es aber trotz der Aushilfe mit fremden Wagen un- möglich, das aufgegebene Getreide recht- zeitig zu expediren und die Bahnen waren gezwungen, bis zur Möglichkeit der Be- förderung, für den Schutz der aufge- gebenen Getreidesendungen gegen, Witte- rungseinflüsse Sorge zu tragen. Diesem Umstände verdanken die ungarischen Stationen in getreidereichen Gegenden ihre sehr ausgedehnten Getreideschupfen, vor welchen in der Zeit des starken Getreide- Verkehres oft hunderte von Fuhrwerken selbst Tage lang warten mussten, bis sie entleert und bis das oft mit Mühe und Noth zur Bahn gebrachte Getreide in den Schupfen eingelagert werden »konnte.

Ein lebhaftes, echt nationales Getriebe, das an das Gewühle der Jahrmärkte er- innert, entwickelte sich zu solchen Zeiten vor den Stationen. Nach dem Abtrans- porte des Getreides verödeten aber solche Stationen, die Schupfen zeigten eine gähnende Leere und schon mancher Reisende, der dieses Bild sieht, dürfte sich die Frage gestellt haben, was wohl die sonst so sparsamen Bahnverw-altun- gen zur Herstellung scheinbar so masslos grosser Schupfen bestimmt haben mag?

Die Consumplätze, welche für un- garisches Getreide vorzüglich in Betracht kommen, liegen westwärts. Infolgedessen gelangten auch die beladenen Wagen fast ausschliesslich in westlicher, dagegen die leeren Wagen in der Gegenrichtung zur Beförderung.

Da infolge dieses Umstandes und bei der anfangs geringen Anzahl der Bahn- abzweigungen die Zusammenstellung der Lastzüge keine complicirte Rangirung nach vielen Richtungen erforderte, war man bei der Anlage der Stationen in erster Linie auf lange Aufstellungs-Geleise bedacht, um auf denselben möglichst viele Lastwagen aufstellen und gleich- zeitig beladen zu können.

Aus denselben Gründen wurden selbst in den Knoten-Stationen, welche in der Regel auch mit der Disposition über die Beförderung der Wagen in den zuge- theilten [Dispositions-] Strecken betraut waren, Geleise in geringerer Anzahl, jedoch mit beträchtlicher Länge her- gestellt. Mit diesen, für einfachere Ver- kehrsverhältnisse berechneten Geleise- Anlagen konnten die Bahnen aber nur solange ihr Auslangen finden, als der einseitige Getreidetransport den grössten Theil des Gesammt Verkehrs bildete.

Mit der stetigen Zunahme der Ver- kehrsrichtungen und der zur Aufgabe gelangenden Waarengattungen, als auch infolge der gesteigerten Anforderungen, welche seitens des Publicums an die Eisenbahnen gestellt wurden, machte sich die Nothwendigkeit der Ergänzung der bestehenden Anlagen schon in den Jahren 1870 bis 1874, in welcher Zeit neue Linien in der Ausdehnung von 3664 km dem Verkehre übergeben wur- den, besonders fühlbar.

Johann v. Marx, Die Entwicklung des Betriebes etc.

5T7

Doch nur zögernd und mit grösster Zurückhaltung ging man an die Ergän- zung und Vervollständigung der bestehen- den Einrichtungen, denn die Ansicht, dass Ungarn nur ein Agriculturstaat sei, war so tief eingewurzelt, dass man selbst angesichts der fortschreitenden Entwicklung des Landes und des stetig zunehmenden Eisenbahn- Verkehres zur Fortdauer des wirthschaftlichen Auf- schwunges kein rechtes Vertrauen fassen konnte und es lieber vorzog, den höheren Anforderungen durch möglichst intensive, bis zur äussersten Grenze des Erlaubten reichende Ausnützung des Personales und der vorhandenen Anlagen zu entsprechen.

Mit dem fortschreitenden Ausbaue des Eisenbahnnetzes und mit dem sich rapid entwickelnden Verkehre, welcher aus den am Schlüsse dieses Abschnittes bei gegebenen, nach Staats- und Privat- Bahnen getrennt behandelten Ausweisen [Seite 541, 542 und 543] ersichtlich ist, machte sich das Bedürfnis nach Erweite- rung der Geleiseanlagen bei dem Um- stände, als Budapest im Mittelpunkte des Landes liegt und sämmtliche Hauptlinien von dort ausgehen, respective dort ein- münden, in erster Linie in den Bahnhöfen der Hauptstadt fühlbar.

Der tägliche Einlauf an Lastwagen in den hauptstädtischen den Verkehrs- bedürfnissen längst nicht mehr ent- sprechenden — Lastenbahnhöfen erreichte, insbesondere in der Getreideexport- Saison, alljährlich eine solche Höhe, dass Stockungen in der Abwicklung des Ver- kehrs trotz aller Anstrengungen zu wiederholten Malen nicht vermieden werden konnten.

Am dringendsten erschien die Her- stellung von Rangir- Bahnhöfen, und zwar nicht nur im Bereiche der Hauptstadt selbst, um die von derselben auslaufen- den ZiXge in einer solchen Zusammen- stellung expediren zu können, dass die Umrangirung derselben unterwegs thun- lichst vermieden werde, sondern auch auf den grösseren Knotenpunkten der Hauptlinien, um die in der Richtung gegen Budapest verkehrenden Züge so zusammengestellt in die Hauptstadt ein- bringen zu können, dass die Wagen ohne weitere zeitraubende Verschiebun-

gen ihrem Bestimmungsorte zugeführt werden könnten.

Die Rangir-Bahnhöfe wurden mit allen neueren Hilfsmitteln der Eisenbahn- Technik, welche eine sichere und dabei rasche Bewerkstelligung der Zugsran- girung ermöglichen, ausgerüstet.

Zweckentsprechende Geleiseanlagen, welche die rasche Auflösung des an- kommenden Zuges und Rangirung der Wagen nach Richtungen und Reihen- folge der Stationen sowie die Zusammen- stellung der neuen Zügt ohne Umwege und zeitraubende Verschiebungen er- möglicht, die Anlage von Abrollgeleisen, der Gebrauch wirksamer und zugleich leicht handbarer Bremsvorrichtungen [Schuhen], die Anlage centraler Weichen- Stellvorrichtungen sowie eine ausgiebige Beleuchtung des Rangir- Rayons erleich- tem in hohem Grade das rasche und sichere Arbeiten in den Rangir-Bahnhöfen. Dem Ausbau und der Vervollkommnung der Rangir-Bahnhöfe wurde auch seither stets die grösste Fürsorge zugewendet und haben dieselben daher auch bereits eine bedeutende Leistungsfähigkeit er- reicht, zu deren Illustrirung die nach- folgend angeführten Daten der bedeu- tenderen Rangir-Bahnhöfe dienen mögen.

Rangir- Bahnhof

Er- öffnet

im Jahre '

GrOsste der

rang

1

Last- züge

Anzahl Lglich irten

Wag- gons

Anzahl der

Ran-

girungs-

Richtungen

resp.

Gruppen

Budapest-

Ferenczvä-

ros . . .

Räkos . . .

1

Hatvan . . Szabadka . Räkos r p. Pozsony. . Miskolcz . Szolnok . .

1884

1884

1895

1895 1892

1893

1894 1892

80 65

39 32 61 60 60 80

1400

1300 1100

660

1632

1347 1300

2000

17

1

9

19

25 12

22

Hiebei sind personenbefördemde ZiXge und directe, die Station blos durchfahrende Lastzüge, sowie Leerfahrten ausser Acht gelassen.

5i8

Das Eisenbahnwesen in Ungarn seit 1867.

Mit den sich rasch erhöhenden Be- dürfnissen des Betriebsdienstes gelangten bei den ungarischen Eisenbahnen auch die theils zur Erhöhung der Sicherheit des Verkehres, theils zur Ermöglichung einer intensiveren Ausnützung der vor- handenen Einrichtungen dienenden me- chanischen Ausrüstungen zur Einfüh- rung.

Der erste Central-Weichen- und Signal- Stellapparat System R o t h m ü 11 e r,*) die Semaphore nach System Max J ü d e 1 con- struirt, gelangte im Jahre 1881 in der damaligen Station Budapest der Staats- eisenbahn - Gesellschaft zur Aufstellung und im Jahre 1883 wurde die Station Budapest - Josefstadt der Ungarischen Staatsbahnen mit Central - Sicherungs- anlagen, System Schnabel & Hening, versehen.

Im Jahre 1883 gelangte auch ein Central-Weichen- und Signal-Stellapparat von Breitfeld & Danek in Ver- wendung, welcher zur Sicherung einer auf offener Strecke zwischen den Sta- tionen Budapest-Josefstadt imd Köbänya der Ungarischen Staatsbahnen gelege- nen Niveaukreuzung von zwei doppel- geleisigen Linien diente und zugleich als die erste derartige Sicherungsanlage bei den Eisenbahnen der Oesterreichisch- Ungarischen Monarchie erscheint. Hun- derte von Zügen passirten Jahre hin- durch täglich diesen Kreuzungspunkt, ohne dass sich während der ganzen Zeit auch nur ein Unfall ereignet hätte. Die Noth wendigkeit der Auflösung der Niveaukreuzung in Ueber- und Unter- fahrungen der Geleise, wurde lediglich durch die enorme Zunahme der Zugs- anzahl herbeigeführt, bei welcher der un- gehinderte Verkehr, besonders in Fällen von Zugsverspätungen, nicht mehr auf- recht erhalten werden konnte.

Im Jahre 1884 wurden die Stationen Budapest- Ferenczvaros, Budapest-Kelen-

*) Bezüglich der in diesem und im folgenden Abschnitte genannten verschiede- nen Systeme von Signal- und Sicherungs- anlagen und Telegraphen-Einrichtungen sei auch auf die entsprechenden Ausführungen und Abbildungen im Band III, »Signal- und Teleeraphenwesen in Oesterreich« von L. K o h 1 r s t hingewiesen.

föld und Räkos der Ungarischen Staats- bahnen mit Central-Weichen- und Signal- stellapparaten und die beiden letzteren Stationen noch mit elektrischen Block- apparaten nach dem System Kohlfürst & Hattemer versehen.

Die mit Abrollgeleisen versehenen Rangirbahnhöfe Budapest - Ferenczväros und Räkos wurden zur Erleichterung des Rangirdienstes mit centralen Weichen- Stellapparaten ausgerüstet.

Im Jahre 1885 wurden sämmtliche Stationen der eingeleisigen Linie Buda- pest-Kelenföld-Bruck mit Central -Signal- stell- und Weich enverriegelungs- Appara- ten, System Rössemann & Kühne- mann, ausgestattet. Im selben Jahre wurden auch die ersten Versuche mit Sicherungsanlagen nach dem System Siemens & Halske angestellt, welche Versuche sich vorzüglich bewährten.

Bei den Ungarischen Staatsbahnen sind derzeit fast ohne Ausnahme nur Sicherungsanlagen mit Drahtzügen im Gebrauche.

Ende 1896 waren in Ungarn 62 Sta- tionen mit Central-Weichen- und Signal- Stellapparaten, 87 Stationen mit Weichen- verriegelung und Signal-Stellapparaten und ausserdem noch 72 Abzweigungen mit solchen Sicherungs-Einrichtungen ver- sehen. [Vgl. Abb. 161 und 162.]

Eine ähnliche Entwicklung zeigen die zur Sicherung des Zugsverkehres aut oifener Strecke dienenden Einrichtungen für das Fahren in Raumdistanz, welche mit der raschen Zunahme der Anzahl und Fahrgeschwindigkeit der Züge, besonders in Strecken mit ungünstigen localen Ver- hältnissen, unentbehrlich erschienen.

In Ungarn wurde die erste Blocklinie nach System Siemens & Halske im Jahre 1883 zwischen Marchegg und Pozsony [Pressburg], in der Länge von 19 kffs, in Betrieb gesetzt. Hierauf folgte im Jahre 18S4 die 5 km lange Blocklinie eben- falls System Siemens & Halske Väg- sellye-Tornöcz und im Jahre 1885 die Blocklinie System Kohlfürst & Hattemer zwischen den Stationen Gödöllö und Aszod. Derzeit beträgt die Länge der in Ungarn im Betrieb stehenden Block- linien, und zwar nur System Siemens & Halske, bereits 224 km.

Johann v. Marx, Die EDtwicklung des Betriebes etc.

II. Telegraphenbetrieb und Signalwesen.

Hand in Hand mit der stetigen Er- weiterung und Vergrösserung des unga- rischen Eisenbahnnetzes und der raschen Steigerung des Verkehres, hat sich auch das Telegraphen- und insbesondere das Signalwesen entwickelt und bedeutend vervollkommnet.

Der schon im Jahre 1837 von iMorse erfundene Schreibapparat [ Re 11 efsch reiber] mit seinen N eh enappa raten hat sich ob seiner Einfachheit und Handlichkeit bis in die jtingste Zeit auch bei den ungari- schen Eisenbahnen erhalten und natur- gemass mit dem allgemeinen Fortschritte des Telegraphen Wesens ebenfalls eine stetig fortschreitende Verbesserung cr-

j fahren, wenngleich Blauschreiber der , verschiedenartigsten Construction seinen I Platz zu verdrängen suchten.

So standen schon im Jahre 1867 in Ungarn insgesammt 207 Eisenbahn-Tele- ' graphen Stationen mit 216 M ors6 -Schrei b- I apparaten im Betriebe, welche in die bestehenden Tele graphen leitun gen derart j eingeschaltet waren, dass eine bestimmte Anzahl von Stationen untereinander eine : Partialkette Omnibuslinie genannt ; bildeten, auf welcher die auf den Verkehr der Züge und auf die Dirigirung des rollen- den Betriebsmaterials bezugnehmende Telegraph en-Correspondenz sowie auch ; der seitens der Eisenbahn-Stationen zu

520

Das Eisenbahnwesen in Ungarn seit 1867.

vermittelnde Privat- und Staatsdepeschen- Verkehr abgewickelt werden konnte.

Mit der Erweiterung des Eisenbahn- netzes jedoch stellte sich alsbald die Nothwendigkeit heraus, die Centralstellen mit den entfernt liegenden grösseren Stationen in directe telegraphische Ver- bindung zu setzen, da die Vermittlung der Telegraphen-Correspondenz von Par- tial- zu I^artialkette zu viel Zeit in An- spruch nahm und das häufige Umtele- graphiren oft sinnstörende Verstümme- lungen zur Folge hatte. So musste bei- spielsweise eine Betriebsdepesche, am Budapester Bahnhofe aufgegeben, vier- mal umtelegraphirt [transitirt] werden, bevor dieselbe an die Bestimmungsstation Orsova Bahnhof gelangte.

Diesem Uebelstande suchte man an- fangs durch Errichtung von Trans- lations-Stationen abzuhelfen.

Da jedoch bei Einschaltung solcher Translations-Stationen das Abtelegraphi- ren der Depeschen nur in langsamem Tempo erfolgen konnte und eine beson- dere Ueberwachung der Telegraphen- Apparate in den einzelnen Translations- Stationen nothwendig machte, so gelangte man bald zu der Ueberzeugung, dass eine derartige Einrichtung den Anfor- derungen einer raschen Abwicklung des Betriebsdienstes nicht zu entsprechen vermag, und zwar umso weniger, als bei sehr langen Linien das ein- oder zwei- malige Umtelegraphiren der Betriebs- telegraphen - Correspondenz doch nicht zu vermeiden war.

So entstanden neben den für den Zugs- und Privat-Depeschenverkehr be- sonders * eingerichteten Omnibuslinien so- genannte Wagendirigirungs- und directe Telegraphenlinien, welche die rasche Durchführung wichtiger Verkehrs- und commerzieller Dispositionen ermöglichen.

Zur Ausrüstung der verschiedenen Telegraphen- und sonstigen Signallinien war anfänglich 5 mm dicker Eisendraht im Gebrauche. In neuerer Zeit ver- wendet man jedoch mit Vorliebe 2 nnn verzinkten Stahldraht und 2 mm Silicium- Bronzedraht, letzteren insbesondere für Telephon- und Blockleitungen.

Neuestens werden bei den Un- garischen Staatsbahnen mit Rücksicht

auf die in dieser Hinsicht gemachten günstigen Erfahrungen bei Block-Ein- richtungen statt den oberirdischen Tele- graphenleitungen, auf welchen Störungen [infolge von Gewitter etc.] selbst bei sorgfältigster Ausführung häufig unver- meidlich sind, Kabelleitungen verwendet, wodurch der ungestörte Betrieb dieser Anlagen [Blocklinien] möglichst gesichert ist. [Vgl. Abb. 163.]

Hinsichtlich des Baues, der Erhaltung und Beaufsichtigung der längs der Eisen- bahnen geführten Telegraphenleitungen bestehen in Ungarn Nonnen, welche im Allgemeinen dahin gehen, dass dem Staate, als Gegenleistung für die Er- theilung der Concession zur Errichtung von Telegraphen-Betriebslinien, das Recht zusteht, seine eigenen Leitungen auf Grund und Boden der Bahn längs der- selben aufstellen oder auch seine Drähte auf das Gestänge des schon bestehenden Bahntelegraphen befestigen zu können, in welch letzterem Falle die Instand- haltung auch der Bahntelegraphen- Leitungen der Staatstelegraphen- Verwal- tung, dagegen die Ueberwachung der Leitung und die Behebung geringfügiger Schäden oder Störungen an derselben der Bahnverwaltung selbst obliegt.

Für den Betrieb jener Telegraphen- und Signallinien, welche auf constanten Strom Ruhestrom geschaltet sind, wozu die Omnibus- und Wagen dirigirungs- sowie die Glockensignal- Leitimgen ge- hören, werden selbstverständlich solche Batterien verwendet, die sich durch besondere Constanz auszeichnen [zumeist Meidinger- und Callaud-Batterien], wäh- rend hingegen bei Leitungen, die nur momentane Stromschliessungen verlangen und daher auf Arbeitsstrom geschaltet sind, wie die directen Telegraphen- und solche Leitungen, die behufs Verbindung einzelner Centralstellen untereinander dienen, Batterien verwendet werden, welche einen, wenn auch nicht constanten, so doch energischen Stilom liefern.

Als Stromquelle für solcheTelegraphen- leitungen dienen zumeist Leclanch6-Ele- mente mittlerer Grösse.

Gegenwärtig werden bei den Unga- rischen Staatsbahnen Versuche ange- stellt, Glockensignal- Linien mit Magnet-

Johann V Marx, Die Entwicklung des Betriebes etc.

Inductionsbetrieb nach dem System ' Gattinger einzurichten, und dieselben

gleichzeitig für den Telephonbetrieb der ' Stationen untereinander sowie mit den 1 dazwischen liegenden Streckenwächtem ! zu benützen. [Abb. 164 und 165.] 1

Das gesammte Tegraphenleitungsnetz der ungarischen Bahnen hatte im Jahre | l8q6 eine Ausdehnung von 37.048 km, j wovon auf die Bahnlinien der Unga- rischen Staatsbahnen 32,731 und auf die übrigen Privatbahnen 4317 km ent- |

Wer erinnert sich nicht noch der bei den einzelnen Wächterhäusem aufge- stellten Maslkorb- und Scheiben Signale und der primitiven Art ihres Gebrauches, des optischen Signalisirens des Zuges von Wächter zu Wächter, von Station zu Station mittels Aufziehen der Signal- körper [Korb, Scheibe, Laterne] auf die an entsprechender Stelle aufgestellten 8 bis 10 m hohen Mäste?

Bei dieser Art der Signalisirung würde wohl heutzutage gar mancher

Abb. 161. SlenalbrÜEli

fielen. Während im Jahre 1867 das Bahn- telegraphennetz, in welches bekanntlich [siehe S. 519] 207 Eisenbahn telegraphen- Stationen mit 216 Mors6- Apparaten ge- schaltet waren, 3182 km betrug, stieg dasselbe wie früher ei-wähnt auf 37.048 fem mit 1437 Eisenbahntelegraphen- Stationen, in welchem 2458 Mors6-Appa- rale im Betrieb waren, wovon auf die Unga- rischen Staatsbahnen 1237 Betriebstele- graphen-Stationen mit im Betriebe befind- lichen 1919 Morsi- Apparaten entfallen. Im innigen Zusammenhange und Schritt haltend mit der Entwicklung des Eisenbahnbetriebes hat sich auch das Signalwesen in weitestgehender Weise ausgebildet.

- Eilzug das Signal Überholen, welches seine Ankunft in der Station anzuzeigen berufen gewesen wäre, ' Besonders fllhlbar machte sich, aber I die Mangelhaftigkeit der ursprünglich rein optischen Signalisirungsmittel im I Falle beschränkter Fernsicht, wie zur Zeit von Nebel und Schneestürmen, I also gerade dann, wenn die Verkehrs- I Sicherheit eine rasche und verläss liehe Signalisirung doppelt nothwendig er- I scheinen licss. Bei den Anfangs ein- fachen Betriebs- und Verkehrs Verhältnissen I und insolange die Intensität des Verkehres ' auf den einzelnen Bahnen gewisse Grenzen j nicht überschritt, mochten diese primitiven I Signalmittel mehr oder weniger aus-

Das Eisenbahnwesen in Ungarn seit 1867.

reichend gewesen sein, als aber später | die Dichte und Fahrgeschwindigkeit des [ Zugs verkehr es immer mehr zunahm, er- j forderte auch die Signalisirungsfrage | eine den gesteigerten Anforderungen ent- 1 sprechende Lösung.

In Ungarn wurde die durchlaufende | elektrische Glockensi gn al-El nri ch- 1 tung zuerst auf den Linien der Staatsetsen- I bahn -Gesellschaft im Jahre 1861 einge- I fuhrt und im Jahre 1866 die Glockenlinie D6v6ny-Ujfalu- Pozsony versuchsweise auch für Correspondenz einge- richtet.

Nachdem dieser Versuch als gelungen betrachtet werden konnte, sind in rascher Auf- einanderfolge auch die übrigen Glockensignal- Linien mit die- ser Einrichtung versehen wor- den.

Im Jahre 1867 waren die südöstlichen Linien und die Linie Brück a. d. Leitha-Ko- märom-UjszÖny der Staats- eisenbahn-Gesellschaft sowie die Budapest -Salgö-Tarjdner Linie der Ungarischen Nord- bahn, femer die Linien der k. k. priv. Sudbahn und end- lich die Mohäcs-F^cser Bahn mit durchlaufenden elektri- schen Gl ocken sign ai- Einrich- tungen sowie auch mit mecha- nischen Di stanz Signalen bereits ausgerüstet. *""■ "*'- ''■,«';|

Bei den zu Ende der Sechziger- und zu Anfang der Siebziger- | Jahre gebauten neuen Bahnen kamen gleich anfänglich elektrische Glocken- signale und mechanische Distanzsignale in Verwendung.

Eine Ausnahme allein machte die Theissbahn, welche, trotzdem sie einen für die damaligen Verhältnisse äusserst regen Verkehr zu bewältigen hatte, ihre Linien erst im Jahre 1872 mit durch- laufenden elektrischen Glockensignalen [Läutewerke nach dem System Kauf man] einrichtete.

Die ersten elektrischen Glockensignal- Linien waren auf Magnet - Inductions- betrieb eingerichtet.

Bald stellte sich aber ein fühlbarer Mangel heraus, indem Signale nur von der Station, aber nicht von der Strecke gegeben werden konnten. Man ging in- folgedessen sehr bald auf den galvani- schen Betrieb über, und richtete die Signallinien auf Constanten Strom ein. Diedurchlaufenden elektrischen Glocken- signale werden sowohl mit einfachen, als auch mit verschieden gestimmten Doppel- glocken gegeben, in Fällen aber, wenn verschiedene Glo- cken-Signallinien zusammen- treffen oder Läutewerke ver- schiedener Linien nahe beiein- ander stehen, kommen, zur Vermeidung von Irrthümem, Glocken verschiedenen Tones und Anschlages in Verwen-

ßei den ungarischen Bah- nen stehen gegenwärtig Läute- werke nach den Systemen T e i- rich & Leopolder, Neü- hold, Holup, Weimer u. A, im Betriebe. Die An- zahl der bei den Ungari- schen Staatsbahnen derzeit in Verwendung befindlichen elek- trischen Glockensignal- Läute- werke beträgt beiläufig 6200, und bei den übrigen Privat- bahnen circa r 100, wonach bei sämmtlichen ungarischen Bah- nen im Ganzen 73CX> Läute- werke in Verwendung stehen. «ph(c-Kab=i- jjig ayj- jjg Betriebslänge

bezogene relative Zahl der Läutewerke ist bei den einzelnen Bahnen natürlich verschieden und beträgt die durchschnittliche Entfernung zwischen je zwei Läutewerken beiläufig 1300 vt.

Die Verkehrssicherheit ist erfahrungs- gemäss am ehesten bei der Einfahrt der Züge in die Station einer Gefährdung ausgesetzt, weshalb auf die zweckmässige Einrichtung und das verlässliche Func- tioniren der Stations- Deckung s- 1

[Distanz-] Signale seit jeher das grösste I

Gewicht gelegt wird. 1

Anfänglich standen mechanisch dreh- bare Distanzsignale in Verwendung, als jedoch mit der Erweiterung der Stations- |

anlagen das Stellen der Signale infolge

Johann v. Man, Die Entwicklung des Betriebes etc.

der grossen Länge der Zugleitung immer schwieriger wurde, trat alsbald die Noth- wendigkeit ein, das Stellen der Di stanz - Signale auf elektrischem Wege zu be- wirken.

Das erste elektrische Distanzsignal wurde in Ungarn im Jahre 1870, und zwar in der ehemaligen Station ' der Staats eisen bahn - Gesellschaft R ä k o s, nachdem System Teirich & Leopolder, aufgestellt. Nachdem sich dasselbe vollkom- men bewährt hatte, gelangte auch bei

den Ungarischen Staats bahnen im Jahre 1871 das erste, nach dem System Hohen- e g g e r construirte, elektrische Distanz- signal in Betrieb.

Seitdemjahre 1873 kamen elektrische Di- stanzsignale [System Schönbach, Romel & H 1 a t k y] versuchs- weise in Anwendung, welche theÜs auf gal- vanischen, theils aut Magnet - Inductions- strom eingerichtet

Seitdem hat sich die Zahl der auf den ungarischen Eisen- bahnen vorhandenen elektrischen Distanz- signale fortwährend vermehrt, so dass

gegenwärtig bereits Abb. 11S4. Euktrinche circa 1200 elektrische °'"

Distanzsignale im Gebrauche stehen.

Auch die jüngste Erfindung auf dem Gebiete der Elektrotechnik, die T e 1 e- p h o n i e, hat bei den ungarischen Bahnen, und zwar zuerst im Jahre 1878 bei den Ungarischen Staats- bahnen Eingang und infolge der in- zwischen gemachten Verbesserungen eine immer grössere Verbreitung gefunden, so dass das Telephon heute auf manchen ungarischer! Local bahnen als vollstän-

diger Ersatz ftir die Telegraphie und auf

Hauptbahnen als Ergänzung des Tele- graphen dient.

Ja selbst als Signalmittel findet das

Telephon Anwendung, indem es, mit

Schalmei-Wecker versehen, zwischen je

zwei Stationen statt der elektrischen

Glockensignal - Einrichtung zum Geben

von hörbaren Signalen und als Fernsprech-

Apparat zugleich als Verständigungsmittel

mit den dazwischen

liegenden Wächtern

benützt wird.

Diese Einrichtung, durch welche einem längst empfundenen Bedürfnis entsprochen wird, hat sich in der Praxis vorzüglich be- währt, indem sie nicht nur die Möglichkeit gewährt, den auf den Nachbarstrecken be- findlichen Wächtern von der Station aus ausführliche Aufträge zu geben, sondern auch die Wächter in die Lage versetzt, über

ausserordentliche Vorkommnisse aut ihren Strecken den Stationen ohne Zeit- verlust Meldung zu erstatten.

Die eminenten Vor- theile, welche diese

neueste Errungen- schaft nicht nur hin- wücbterhaut [SyMem slchtlich der raschcn

^"'' und anstandslos en Ver-

richtung des Dienstes im Allgemeinen, son- dern insbesondere zur Hebung der Verkehrs- sicherheit und raschen Behebung von Ver- kehrshindernissen bei Unfällen, Betriebs- störungen und allen anderen ausserordent- lichen Ereignissen auf der Strecke bietet, liegen so sehr auf der Hand, dass von einer näheren Erörterung derselben hier wohl Abstand genommen werden kann. Das Telephon ist daher heute neben dem Telegraphen bereits zu einem unent- behrlichen Hilfsmittel des Betriebsdienstes geworden und in welch ausgedehntem

524

Das Eisenbahnwesen in Ungarn seit 1867.

Masse dasselbe infolge seiner viel- seitigen Verwendbarkeit bei den Eisen- bahnen derzeit schon benützt wird, geht aus der Thatsache hervor, dass auf den

Linien der Ungarischen Staatsbahnen bereits mehr als 200 verschiedene Tele- phon - Verbindungen mit ungefähr 700 Sprechstellen im Betriebe stehen.

III. Die Organe des Betriebes.

Bei Erfüllung jener grossen Aufgaben, zu welchen die Eisenbahnen auf wirth- schaftlichem und socialem Gebiete berufen sind, fällt ein Hauptantheil dem mit der Ausübung des Betriebsdienstes betrauten Personale zu.

Die Erkenntnis der Wichtigkeit dieses Dienstzweiges veranlasste deshalb auch w^ohl schon die ersten Eisenbahn-Unter- nehmungen in Ungarn, der Organisation des Betriebsdienstes ein besonderes Augen- merk zuzuwenden, wobei die Einrichtun- gen der österreichischen Eisenbahnen als Muster dienten.

Eine den speciellen Anforderungen Ungarns mehr entsprechende, selbständige Regelung des Eisenbahnbetriebs-Dienstes ist erst vom Jahre 1867 an zu ver- zeichnen, als die ungarische Regierung nicht nur die allgemeine. Organisation, sondern auch die unmittelbare Verwal- tung der damals im Entstehen begrif- fenen Königlich Ungarischen Staatsbahnen selbst in die Hände nahm.

Die nunmehr eingeschlagene Rich- tung hat das Eisenbahnwesen in den darauf folgenden Jahren zu einem rapiden Aufschwünge geführt, indem sich das Netz der Ungarischen Staatsbahnen theils durch den Bau neuer Linien, theils durch Verstaatlichung grösserer Privatbahnen in rascher Zeitfolge derart erweiterte, dass in verhältnismässig kurzer Zeit das Staatsbahn-System Oberhand ge- wann.

Die Organisation des Eisenbahnbe- triebes in Ungarn war von Anbeginn an eine centralistische, indem auch die oberste Leitung des Betriebes hinsichtlich des Gesammtnetzes stets von einer Central- stelle erfolgte, welche bei den einzelnen Bahnen die Benennung Betriebs-Direction, Direction, oder auch General-Direction, führte.

Mit der unmittelbaren Leitung und Beaufsichtigung des äusseren Betriebs-

dienstes sind in der Regel eine oder mehrere Dienstesstellen [Betriebsleitungen oder Inspectorate] betraut, welchen je nach Bedarf noch specielle Verkehrs- leitungen untergeordnet sind.

Da die Organisation der in Ungarn bestehenden Privatbahnen mit jener der dominirenden Ungarischen Staatsbahnen dem Principe nach übereinstimmt, so wollen wir . uns hier in kurzen Zügen nur mit der Schilderung der letzteren befassen.

a) Organisation des Betriebsdienstes,

Die Verwaltung der Ungarischen Staatsbahnen untersteht, uneinge- schränkt durch den der Direction und den Betriebsleitungen zugewiesenen Wir- kungskreis, in oberster Instanz hinsicht- lich aller Dienstzweige, dejn königlich ungarischen Handelsminister.

Die Leitung und Ueberwachung des Gesammtdienstes der Ungarischen Staats- bahnen, ist nach Massgabe des vom Handelsminister vorgezeichneten Wir- kungskreises, Aufgabe der »Direction^. An der Spitze der Direction, welche ihren Sitz in Budapest hat, steht der Präsi- dent-D irector. Die Direction gliedert sich in sechs, je einem Fachdirector unterstellte Hauptsectionen, und zwar:

A. Allgemeine Verwaltung.

B. Finanzieller Dienst.

C. Commerzieller Dienst.

D. Bau- und Bahnerhaltungs-Dienst.

E. Maschinen- undWerkstätten-Dienst.

F. Verkehrs- und Transport- Dienst.

Die unmittelbare Leitung und Ueber- wachung des äusseren Betriebs-Dienstes versehen derzeit neun, der Direction untergeordnete B etriebslei tungen, welchen insgesammt 15, mit der unmittel-

. Marx, Die Entwicklung des Betriebes etc.

baren Controle des Stations- und Zugs- dienstes betraute Verkehrsleitungen unter- stellen.

Die Ernennung der Directoren erfolgt durch den Ministerrath, und zwar jene des Directors für den finanziellen Dienst aber Vorschlag des Fi nanzmin isters im Einvernehmen mit dem Handelsmini ster und jene der öbrigen Directoren über Vorschlag des Han- delsministers im Ein- vernehmen mit dem Finanzminister. In dienstlicherBeziehung sind jedoch alle Di- rectoren dem Han- dels min ister unterge- ordnet. Die Ernen- nung der Betriebs- leiter und ihrer Stell- vertreter erfolgt über Vorschlag der Di- rection durch den Handelsminister.

Die Agenden und der Wirkungskreis des Präsidenten, der Di- rectoren und der Fach- sectionen pind in einer Instruction und Ge- schäftsordnung fest- gestellt, welche auch jene Angelegenheiten bestimmen, die der aus Vertretern des Handelsministers und des Finanzmi nisters sowie aus sämmt- lichen Directoren zu- sammengesetzten Di- rections-Plenarsitzung vorbehalten sind. *""■ ">*■ ^"*^j':,V^ '

Die Sicherung der Durchführung des Betriebsdienstes nach gewissen einheitlichen Principien sowohl in den Betriebsleitungscentren, als auch im äusseren Dienste auf sämmtlichen Linien, femer die Uebenvachung in der Richtung, dass zur Wahrung der Sicher- heit und ordnungsmässigen Abwick- lung des Betriebes die erforderlichen Massnahmen getroffen werden, ist bei der grossen Ausdehnung des im Be- triebe der Ungarischen Staatsbahnen be-

findlichen Eisenbahnnetzes keine leichte Aufgabe.

Im Interesse dieser Einheitlichkeit und um gewisse Angelegenheiten allge- meiner Natur mit Vermeidung des lang- wierigen schrifthchen Weges gemein- schaftlich besprechen zu können, werden die Betriebsleiter in der Regel ein- mal monatlich zur Direction zu einer Conferenz einbe- rufen, welche unter dem Vorsitze des Prä- sident-Directors und der Theilnahme der Directoren, als auch der beim Betriebs- dienste interessirten

Fachsections-Vor- stände stattfindet.

Gleichwie bei der Direction dafür ge- sorgt ist, dass die Fachsectionen ver- schiedener Dienst- zweige in gemein- schaftlichen Angele- genheiten gegensei- tiges Uebereinkom- men pflegen, ebenso ist bei der Organisa- tion der Betriebslei- tung auf ein harmo- nisches Zusammen- wirken der bei dem Executiv - Dienste in erster Reihe betheilig- ten Verkehrs-, Zug- förderun gs- und Bahn- erhaltungs - Organe Bedacht genommen. Die Uebenvachung "iroV«"'""*''"'^"^ 'ter gleiehmässigen Pflege aller Dienst- zweige obliegt bei den Betriebsleitungen dem Betriebsleiter, dem ein ständiger Stellvertreter zur Seite gestellt ist.

Die Betriebsleitung ist zur Verrich- tung der in ihren umfangreichen Wir- kungskreis gehörigen Obliegenheiten mit nachbenannten fünf Fachabtheilungen aus- gestattet :

I. Allgemeine Abtheilung [Personal- angelegenheiten, Material- und Inventar- beschaffung].

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Das Eisenbahnwesen in Ungarn seit 1867.

IL Bahnerhaltungs- und Bauabthei- lung.

III. Abtheilung für Verkehr und com- merziellen Dienst.

IV. Zugförderun gs- Abtheilung.

V. Rechnungs-Abtheilung.

Mit der Leitung dieser Abtheilungen ist je ein Oberbeamter betraut.

Die Rechnungs-Abtheilung ist, ob- schon ihr Vorstand dem Betriebsleiter untersteht, der Betriebsleitung nur bei- geordnet, indem sie hinsichtlich ihrer Geschäfts Verrichtungen der Betriebsleitung gegenüber unabhängig und directe der finanziellen Hauptsection der Direction untergeordnet ist.

Ausser den in einer eigenen In- struction und Geschäftsordnung vorge- zeichneten Agenden ist der Betriebs- leitung auch noch besonders die ununter- brochene Beachtung der Handelsver- hältnissein ihrem Bereiche zugewiesen, zu welchem Zwecke sie sich mit den Producenten und Handelskreisen in Ver- kehr zu setzen, den Wünschen und An- forderungen der Geschäftswelt nach Thun- lichkeit Rechnung zu tragen und falls tarifarische Verfügungen nöthig scheinen sollten, unverzüglich Vorschläge an die Direction zu erstatten hat. Die bei dem executiven Verkehrs-, Stations-, Tele- graphen-, Zugförderungs- und Bahner- haltungs-Dienste un erlässlich nothwendige, fortwährende Controle sowie die Ueber- wachung von Neubauten und Recon- structionsarbeiten auf der Strecke wird durch Fachorgane des Betriebsleitung besorgt. Zur Revision des Cassen- dienstes und Scontrirung der Stations- cassen sind die der Rechnungsabtheilung zugetheilten Cassenrevisoren berufen.

Noch zu Beginn der Siebziger-Jahre, als das Netz der Ungarischen Staats- bahnen kaum eine Länge von 2000 km umfasste, war der Wirkungskreis der Betriebsleitungen ein sehr beschränkter und auch dieser erstreckte sich haupt- sächlich nur auf den Stations- und Zugsdienst. Bei Bestimmung des Be- reiches der einzelnen Betriebsleitungen waren territorial-politische Rücksichten massgebend, indem die südlichen Strecken bis Zakäny der Agramer und die östlichen Strecken bis Nagyvärad

[Grosswardein] der Kolozsvärer Betriebs- leitung, dagegen die nördlichen Linien mit zwei Verkehrschefs unmittelbar der Direction in Budapest zugewiesen waren.

Anlässlich der am i. Januar 1881 infolge der Verstaatlichung der Theiss- Eisenbahn durchgeführten Neuorgani- sation der Ungarischen Staatsbahnen wurden dem Anwachsen des Bahn- netzes entsprechend, fünf Betriebsleitungen errichtet, und zwar bereits mit einem auf den gesammten Betriebsdienst sich erstreckenden, bedeutend . erweiterten Wirkungskreise.

Bei der im Jahre 1890 erfolgten Re- organisation wurde infolge des Zuwachses neuer Linien die Anzahl der Betriebs- leitungen auf neun erhöht und deren Wirkungskreis neuerdings erweitert. Die Länge der einer Betriebsleitung zuge- wiesenen Linien beträgt heute bereits iicx) bis 1900 km, also ebensoviel, als das Netz der Ungarischen Staatsbahnen noch vor zwei Decennien im Ganzen umfasste.

Um die Controle des Executivdienstes auch auf Linien, welche vom Sitze der Betriebsleitung entfernter gelegen sind, mit entsprechender Intensität pflegen zu können, sind den Betriebs- leitungen mit grösserem Liniennetz, je nach Bedarf ein bis zwei Verkehrsleitungen unterstellt, an deren Spitze der Ver- kehrschef steht.

Der Verkehrschef hat mit Hilfe der ihm zugetheilten Beamten, unter Aus- übung unmittelbarer Controle, für die Regelmässigkeit und Sicherheit des Zugs- verkehres auf seiner Strecke zu sorgen.

Ausser den Verkehrsleitungen unter- steht dem Betriebsleiter im äusseren Dienste nachstehend benanntes Personale:

a) das Stations- und Zugbegleitungs- Personale ;

b) das Heizhaus- und Maschinen- Personale ;

c) das Bahnerhaltungs- und Bahn- aufsichts-Personale und

d) das Materialmagazins-Personale. Als Chef der Station fungirt ein im

Dienste erfahrener und auch sonst die nöthige Eignung besitzender Beamter, der sich zuvor einer Prüfung aus den Agenden des Stationschefs zu unter-

Johann v. Marx, Die Entwicklung des Betriebes etc.

527

ziehen hat. Demselben ist das gesammte Stations-, eventuell auch Zugspersonale unterstellt.

Mit der Leitung der Stationen von geringerer Bedeutung werden auch Unter- beamte, sogenannte Stationsvorstände betraut, welche sämmtliche zum Betriebs- dienste erforderlichen Fachprüfungen be- standen und sich vorher durch einige Zeit als tüchtige Stationsaufseher bewährt haben.

Als Beamte können im Executiv- dienste nur solche Personen angestellt werden, welche die Befähigungsprüfung an der Eisenbahn-Fachschule mit Erfolg abgelegt und auch während der prakti- schen Einübung in den Dienst den Be- weis erbracht haben, dass sie zur selb- ständigen Ausübung des Verkehrsdienstes die nöthigen Kenntnisse und persön- lichen Eigenschaften besitzen.

Ueber die Institution der Eisenbahn- Fachschule bringen wir Ausführlicheres in einem besonderen Abschnitte.

Einer tüchtigen Schulung des Be-, trieb s-P ersonales wird grosse Sorgfalt zugewendet; Unterbeamte und Diener werden allmonatlich einer Wiederholungs- prüfung unterzogen, über deren Vornahme die Betriebsleitung strenge Controle zu führen hat. Solche Wiederholungsprüfun- gen können auch auf die Stationsbeamten ausgedehnt, und Organe, bei welchen eine ungenügende Kenntnis der Verkehrs- vorschriften constatirt wird, von der Ausübung des verantwortlichen Verkehrs- dienstes enthoben werden.

Einer gleichen Prüfung haben sich vor ihrer Wiedereintheilung zum Ver- kehrsdienste auch solche Beamte und Unterbeamte zu unterziehen, welche mehr als ein Jahr keinen Verkehrsdienst ausgeübt haben.

An dieser Stelle sei noch erwähnt, dass den Stationsorganen ausser ihren eigentlichen Dienstespflichten auch noch einige im Interesse der Staatsverwaltung gelegene Verrichtungen zugewiesen sind, wie: die Mittheilung statistischer Daten über den Waarenverkehr der Station, die Besorgung des Privat-Depeschenverkehrs, sowie Agenden, die seitens der Staats- polizei, der Sanitäts- und Veterinär- anstalten und auch von der meteorolo-

gischen Anstalt gefordert werden. Hieher gehört auch die Verpflichtung, Gefälls- übertretungen zu verhindern.

In kleineren Stationen, wo es die Dienstesobliegenheiten des Stationschefs, respective Leiters gestatten, wird durch diesen häufig auch der Postdienst ver- sehen, für welchen er von der Postver- waltung eine besondere Entlohnung er- hält.

Was die Mitwirkung der Zug- förderungs-Organe beim Betriebsdienste anbelangt, so ist der ausübende Dienst den der Betriebsleitung unterstellten Heizhausleitungen übertragen, welche dafür zu sorgen haben, dass die zur Abwicklung des Zugsverkehres erfor- derlichen Zugs- und Reserve- Locomotiven rechtzeitig zur Verfügung stehen. Auch Verrichtungen technischer Natur obliegen den Heizhausleitung^n, daher mit der Leitung des Heizhausdienstes stets ein Maschinentechniker betraut ist, dem nebst Beamten für den administrativen Dienst eine entsprechende Anzahl von technisch gebildeten Beamten zugetheilt ist. Dem Heizhausleiter untersteht das Personal im Heizhause, das Locomotiv-Personal, die Revisionsschlosser, die Zugbegleitungs- Schlosser, Wagenreiniger und Pumpen- wärter. In jenen Locomotiv-Stationen, in welchen eine grössere Anzahl von Locomotiven stationirt ist, oder wo sonst schwierige Betriebsveriiältnisse obwalten, wird zur unmittelbaren Leitung des Loco- motivdienstes ein Locomotiv - Auf- seher bestimmt, der den Heizhausleiter in der Ueberwachung dieses Dienstes zu unterstützen hat. In den Wirkungskreis der Heizhausleitung gehört nebst dem Heizhaus- und Locomotivdienste auch das Geschäft der Wasserförderung, d. i. die Bedienung der Pumpen in den Wasser- stationen, ferner die Instandhaltung der Locomotive und aller übrigen Fahr- betriebsmittel. Reparaturen von geringerem Umfange [sogenannte laufende Repara- turen] hat die hiezu entsprechend einge- richtete Heizhaus- oder Filial- Werkstätte auszuführen, als deren Chef gleichfalls der Heizhausleiter fungirt.

Der Wagen - Aufsich ts- [Revisions-] Dienst, welcher zum grössten Theile durch Organe der Heizhausleitung ver-

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Das Eisenbahnwesen in Ungarn seit 1867.

sehen wird, muss im Interesse der Ver- kehrssicherheit mit grosser Gewissen- haftigkeit ausgeübt werden. Zur An- eiferung des Personales sind daher für die Entdeckung von betriebsgefahrlichen Gebrechen oder Mängeln an Wagen Prämien ausgeworfen, auf welche in vorkommenden Fällen auch das Stations- und Zugbegleitungs-Personale Anspruch hat.

Für die Untersuchung, Instandhaltung, Adjustirung, Reinigung, Beheizung und Beleuchtung der Personenwagen [mit Oel, Fettgas und elektrischem Licht] ist in den beiden Haupt - Personenbahn- höfen zu Budapest [Ost- und Westbahnhof] unter der Bezeichnung »Technisches Wagenamt« eine eigene Dienstesstelle errichtet worden, an dessen Spitze ein Wagenbau-Ingenieur steht.

Der Werkstättfen-Dienst ist von den Betriebsleitungen unabhängig und wird unmittelbar von der Diirection geleitet.

Den Bahnerhaltungs- und Bahn- aufs ichts-Organen fällt die wichtige Aufgabe der Instandhaltung des Bahn- körpers mit all seinen Objecten, Geleise- anlagen, technischen Einrichtungen, Hoch- bauten etc. zu. Sie haben für die Evidenz- ' haltung des Grundbesitzes und des ge- gesammten Bahnerhaltungs-Materiales zu sorgen, vorkommende Reconstructions- oder Neubauten zu leiten und zu über- wachen, sowie Vorsorge zu treffen, dass die Sicherheit und Regelmässigkeit des Zugs Verkehres ausserhalb der Stationen nicht gefährdet werde.

Die executiven Organe des Bahn- erhaltungs-Dienstes sind die den Betriebs- leitungen unmittelbar untergeordneten Sections - Ingenieure, welchen je nach Bedarf ein bis zwei technische und Hilfsbeamte zugetheilt sind.

Die Länge der einer Ingenieur-Section zugetheilten Linien beträgt je nach der Natur derselben und der Ausdehnung ihrer Stationen 100 bis 200 /?;», wobei auch auf die Trennung von Haupt- und Vicinalbahnen Gewicht gelegt wird.

Die den Sections-Ingenieuren unter- geordneten Bahnaufseher haben auf den ihnen anvertrauten Strecken den Dienst der Wächter sowie die ordnun^s-

massige

Vollstreckung der Arbeiten

zu überwachen und zu diesem Behufe ihre Strecke täglich zu begehen, die Bahnwächter und alle anderen mit der Bahnüberwachung imd dem Signaldienst allenfalls aushilfsweise betrauten Personen aus ihren Dienstesvorschriften zd prüfen und zu belehren, den Zustand der Bahn und deren Einrichtungen genau zu unter- suchen, etwa vorgefundene Anstände und Mängel sofort zu beheben, respective wegen Abhilfe ohne Zeitversäumnis an die Ingenieur-Section Bericht zu erstatten und in jeder Weise dafür zu sorgen, dass Alles vermieden werde, was die Sicherheit des Zugsverkehres gefährden könnte.

Da die mechanischen Sicherungs- anlagen bei den Ungarischen Staats- bahnen in letzterer Zeit eine nam- hafte Vermehrung erfahren haben und die Instandhaltung derselben grosse Sorg- falt und gewisse mechanische Fach- kenntnisse erheischt, sind dem Sections- Ingenieur noch sogenannte Seraaphor- .Aufseher zugetheilt, welche Mängel an den mechanischen Einrichtungen der Sicherungsanlagen zu erkennen imd die zur Herstellung der Betriebsfähigkeit er- forderlichen Arbeiten auch auszuführen befähigt sein müssen. Den ersten Be- darf an solchen Bediensteten hat die Direction der Ungarischen Staatsbahnen in der Weise gedeckt, dass sie im Schlosserhandwerk bewanderte und .auch sonst geeignete Personen im Fabriks- Etablissement der Firma Siemens & Halske ausbilden Hess.

Auf einigen Linien mit geringerem Verkehre ist es gestattet, dass die Frau des Öahnwächters während dessen Ruhe- zeit den Signal- und Wegschrankendienst verrichte, für welche Dienstleistung die- selbe eine besondere Entlohnung erhält.

Sonst werden weibliche Personen un- mittelbar beim Betriebe nicht, dagegen bei Personen- und Gepäckscassen mit durchwegs gutem Erfolge verwendet Bei den Betriebsleitungen und bei der Direction werden Frauen nur in be- schränkter Anzahl, und zwar hauptsäch- lich im Telephondienste und zu manuellen Verrichtungen, wie zum Sortiren abge- gebener Fahrkarten, bei Schreibmaschinen und dergleichen verwendet.

Johann v. Marx, Die Entwicklung des Betriebes etc.

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In innigem Zusammenhange mit dem Betriebsdienste steht auch der bei den Ungarischen Staatsbahnen von der Direc- tion geleitete Material- und In- ventardienst.

Ausser dem derDirection unterstehen- den Central-Materiald6p6t befin- den sich auf grösseren Knotenpunkten des Bahnnetzes Materialdepots, welche den Betriebsleitungen unterstellt sind und deren Leitung hinsichtlich der Evidenzhaltung der Material- und Inven- targegenstände sowie deren Verrechnung einem Materiald6pöt-Chef obliegt.

In grösseren Stationen, wo sich kein Materiald^pöt befindet, ist ein localer Materialdienst eingerichtet, dessen Leitung in der Regel der Stationschef oder der daselbst stationirte Chef eines anderen Dienstzweiges besorgt.

Der betreffende Dienstes chef fungirt in solchem Falle auch als F i 1 i a 1 d 6 p ö t- Chef und trägt hinsichtlich der Ge- barung der Material- und Inventar- gegenstände die volle Verantwortung eines Materiald6pöt-Chefs.

Einen wichtigen Factor bildet ferner im Betriebsdienste der Eisenbahn- Sani- tätsdienst, zu dessen Besorgung die Sanitätsabtheilung der Direction mit dem Chefarzt an der Spitze und die Bahnärzte berufen sind. Bei den ausserhalb Budapest befindlichen Betriebs- leitungen versieht das Amt des ärztlichen Gonsulenten einer der am Sitze der Be- triebsleitung domicilirendeu Bahnärzte. Der Chefarzt ist Beamter der Staats- bahnen, während die Bahnärzte ausser dem Beamtenstatus stehen und ihre Be- züge aus dem Krankenfonds beziehen.'

Die Bahnärzte unterstehen in admini- strativer Beziehung der Direction, respec- tive den Betriebsleitungen; dagegen hinsichtlich der Ausübung ihrer ärztlichen Functionen dem Chefarzte und werden von der Direction der Krankenunter- stützungs-Casse ernannt.

h) Dienstverhältnis vnd Dienst- ordnung.

Das Personal der Ungarischen Staats- bahnen besteht aus Beamten, Unter-

Geschicbte der Eisenbahnen. III.

beamten und Dienern. Ausserdem stehen Praktikanten, Diurnisten, Manipulanten, Taglöhner und Arbeiter sowie mittels besonderer Contracte angestellte Per- sonen in Verwendung. Das Dienst- verhältnis des Personales zur Bahnver- waltung wird durch eine vom Handels- minister erlassene Dienstordnung ge- regelt.

Die Angestellten haben auf die in ihrem Emennungs- oder Aufnahmsdecrete zugesicherten Bezüge sowie bei tadelloser Dienstleistung auf Gehaltsvorrückung in der festgesetzten Reihenfolge Anspruch. Bestimmte Urlaube sind den Bediensteten nicht zugesichert, doch werden Urlaube von Fall zu Fall, auf Grund eines spe- ciellen Gesuches nach Thunlichkeit iDe- willigt.

Im Verkehr mit dem Publicum ist das Personal des Executivdienstes ver- pflichtet, die vorschriftsmässige Uniform zu tragen.

Wiewohl das Dienstverhältnis dtr Bediensteten der Ungarischen Staats- bahnen im Wesen mit jenem der von Seite des Staates Angestellten über- einstimmt, da sich auch der Staatsbahn- Angestellte einem Berufe oder Dienste widmet, für welchen ihm eine ständige Versorgung gesichert ist, so sind die Staatsbahn - Bediensteten doch nicht als eigentliche Staatsbedienstete zu betrach- ten. Der Unterschied zwischen beiden liegt weniger in dem Mangel der Sta- bilität, beziehungsweise in dem Momente der Kündbarkeit, welche bei den Ange- stellten der Staatsbahnen allerdings auch unter dem in der Praxis wohil kaum zur Anwendung gelangenden Titel der Personalreduction vorgesehen ist, sondern hauptsächlich darin, dass i. die Qualification der Staatsbahnbeamten nicht nach den für Staatsbahnbeamten im All- gemeinen massgebenden Staatsgesetzen, sondern nach den im Verordnungswege erlassenen, den einzelnen Eisenbahn- dienst-Zweigen entsprechenden Vorschrif- ten geregelt ist und infolgedessen auch die ungarischen Staatsbahn-Ange- stellten in die Rangliste der Staatsan- gestellten nicht eingereiht erscheinen; 2. dass die disciplinare Behandlung der Staatsbahn- Angestellten nach anderen

34

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Das Eisenbahnwesen in Ungarn seit 1867.

Grundsätzen erfolgt, als beim Staate selbst, und 3. dass die Versorgung der arbeitsunfähig gewordenen Bahnange- stellten sowie deren Familien auf einer anderen Grundlage erfolgt, als bei den Staatsorganen, indem die Bahnorgane zur Dotirung des behufs ihrer Versor- gung gegründeten eigenen Pensionsfonds bedeutende Beiträge zu leisten verhalten werden.

Der pensionsberechtigte Angestellte erhält, falls er vom Dienste enthoben wird, seine Pension, welche ihm blos bei Eintritt gewisser Rechtsfälle entzogen werden kann.

Sowohl die Beamten, als auch die Unterbeamten und Diener werden, inso- feme sie den allgemeinen Anforderungen entsprechet!, vorerst in der Regel nur provisorisch und erst nach erprobter Dienstleistung während eines Jahres in definitiver Eigenschaft ernannt.

Für die Beamten sind sechs, für die Unterbeamten und Diener je vier Rang- stufen festgesetzt, deren jede drei Be- soldungsclassen umfasst.

Dem Angestellten steht das Recht der Führung jener Diensttitulatur zu, welche mit der Rangstufe verbunden ist, in welcher er sich befindet.

Die Beamten der unteren vier Rang:- stufen werden je nach ihrer Vorbildung in technische, juridische und Betriebs- Beamte mit den entsprechenden Dienstes- titeln unterschieden, während eine solche Unterscheidung bei den Beamten der I. und IL Rangstufe mit der Benennung »Inspector«, beziehungsweise »Ober- Inspector« verschwindet.

Sämmtliche Beamten werden hinsicht- lich ihrer Rangordnung in einem Status in Evidenz geführt, aus welchem die Reihenfolge der Vorrückung entnommen werden kann. Ein gleicher gemeinschaft- licher Status besteht auch für die Unter- beamten, während die Diener bei den Betriebsleitungen nach den einzelnen Dienstzweigen gruppenweise in Evidenz gehalten werden.

Die Bezüge sind theils ständige, wie Gehalt und Quartiergeld [an dessen Stelle auch Natural wohnung treten kann], theils accidentale, wie verschiedene Zu- lagen, Uebersiedlungs - Pauschale und

Diäten. Für das Locomotiv- und Zug- begleitungs-Personal sind Kilometer- und Stundengelder normirt.

Das Gehalt wird monatlich, die Wohnungszulagen vierteljährlich im Vor- hinein ausbezahlt. Diese Bezüge können nur bei Lösung des Dienstverhältnisses oder auf die Zeit eines länger als drei Monate andauernden Urlaubes eingestellt werden. Hinterbliebenen Witwen, selbst wenn sie pensionsberechtigt sind, ebenso deren minderjährigen Kindern, kann in berücksichtigungswürdigen Fällen der Betrag des dreimonatlichen Gehaltes oder des Diumums, beziehungsweise Taglohnes des Verstorbenen ausgefolgt werden. Auch wird Bediensteten, die durch Krank- heit oder andere Umstände, ohne eigenes Verschulden, in materielle Nothlage ge- rathen, ein Theil ihres Gehaltes als zinsenfreier Vorschuss gewährt.

Die Beamten werden, wie bereits erwähnt, je nach ihrer Fachbildung in drei Gruppen getheilt. Den überwiegen- den Theil derselben bilden die Betriebs- beamten; bei technischen Fächern werden Ingenieure und in der Rechts- section sowie im Conceptsfache zumeist Juristen angestellt. Die mit dem Sani- tätsdienste betrauten Bahnärzte sind, als ausserhalb des Beamten-Status stehend, nicht Mitglieder des Pensionsfonds.

Als Unterbeamte stehen bei dem Betriebe Verkehrs-, Telegraphen-, Gassen-, Magazins-, Locomotiv-, Zug- begleitungs- und Bahnerhaltungs - Be- dienstete in Verwendung. Zu den Unter- beamten gehören femer die Werkführer, Trajectführer, Buch- und Steindruckerei- Leiter sowie auch die Telegraphen-, Brücken-, Tunnel-, Bepflanzungs- Aufseher u. A.

In der Eigenschaft als Diener sind angestellt: Portiers, Schranken-, Gassen-, Depot- und Nachtwächter, Lampisten, Stations- und Zugspacker, Bahn- und Weichenwächter, Bremser, Wagenran- girer, Wagenreiniger, Aviseure, Amts- diener, Kutscher, femer Personen, welche Fertigkeit in einem besonderen Gewerbe nachweisen können, wie Maschinen- und Kesselwärter, Pumpenwärter, Maschinen- heizer, Revisionsschlosser, Buch- und Steindrucker, Buchbinder und Gärtner.

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Zur Aufnahme in den Eisenbahndienst werden ausser den allgemeinen Anforde- rungen, wie ungarische Staatsbürger- schaft, unbemakeltes Vorleben, geordnete materielle Verhältnisse, die nöthigen geistigen Fähigkeiten und entsprechende Vorbildung, noch besonders eine gesunde Körper-Constitution, die Vollendung des activen Militärdienstes oder die Befreiung von demselben und ein Alter zwischen 18 und 35 Jahren gefordert. In provi- sorischer Eigenschaft können ausnahms- weise auch solche Personen angestellt werden, welche ihr 35. Lebensjahr bereits überschritten oder ihren activen Militär- dienst noch nicht vollendet haben ; weib- liche Personen können gleichfalls nur nach vollendetem 18. Lebensjahre in den Eisenbahndienst aufgenommen werden.

Bei Besetzung von Unterbeamten- und Dienerstellen werden ausgediente Unterofiiciere bevorzugt.

Bedienstete, welche zu einander in verwandtschaftlichem Verhältnis stehen, dürfen nicht in Dienstesstellen verwendet werden, welche die Unterordnung oder Controle des einen gegenüber dem anderen erfordern.

Von den Organen des executiven Be- triebsdienstes wird gewissenhafte und er- forderlichenfalls selbstaufopfemde Pflicht- erfüllung, persönliche und materielle Ver- antwortlichkeit, Wahrung des Amtsge- heimnisses und strengste Disciplin ge- fordert. Ja selbst das passive Verhalten des Angestellten wird als schweres Pflichtversäumnis betrachtet, wenn dadurch die Sicherheit von Personen oder Eigen- thum gefährdet erscheint; und in Fällen, wenn der Verzug des Handelns Gefahr bringen könnte, ist das sofortige, wenn auch von den Dienstesvorschriften ab- weichende Vorgehen, ebenso wie die un- unterbrochene, selbstaufopfemde Dienstes- ausübung, wenn dadurch Gefahr abge- wendet werden kann, Pflicht des An- gestellten.

Jeder Angestellte ist ferner verpflichtet, im Privatleben das Ansehen seiner Stel- lung nach jeder Richtung hin zu wahren. Aus diesem Grunde darf kein Bediensteter ein Amt oder eine Nebenbeschäftigung selbst wenn dieselbe mit materiellen Vortheilen nicht verbunden ist ohne

vorherige Bewilligung des Präsident- Directors annehmen; ebenso dürfen Be- ziehungen mit der Tagespresse ohne Er- laubnis und Bevollmächtigung des Präsi- denten nicht unterhalten werden.

Hinsichtlich der Eheschliessung be- steht für Beamte, welche vor Erlangung ihrer Pensionsberechtigung heiraten, die Verpflichtung, für den Fall ihres Ablebens der Frau eine gewisse jährliche Rente zu sichern.

Handlungen, welche gegen die Dienst- pflicht Verstössen oder Dienstesversäum- nisse bilden, werden als Dienstvergehen mit Ordnungs- oder Disciplinarstrafen geahndet.

Schwerere dienstliche Vergehen bil- den den Gegenstand des Disciplinar- Verfahrens, welches in den Wirkungskreis des bei der Direction und bei jeder Be- triebsleitung organisirten Disciplinar- Ausschusses gehört. Die Mitglieder die- ses Ausschusses, welche der Präsident- Director aus der Reihe der Beamten auf die Dauer eines Jahres ernennt, sind bei der Fassung ihres Beschlusses an keinerlei Vorschriften gebunden und urtheilen ohne jedwede Weisung ganz frei nach eigener Ueberzeugung, auf Grund des Vortrages des Referenten und der Aus- sagen des Beschuldigten sowie der Zeu- gen und Sachverständigen.

Es gibt folgende sechs Arten von Disciplinar-Strafen : i. die Rüge, 2. Geld- strafen bis zu 57o des Jahresgehaltes, 3. strafweise Versetzung, 4. Ausschluss von der Vorrückung im Gehalte auf eine bestimmte Zeit, 5. Degradirung und schliesslich 6. Entlassung, welch letztere mit Verlust des amtlichen Titels und des Pensions-Anspruches verbunden ist. Gegen den vom berufenen Diensteschef bekräftigten Beschlussantrag des Disci- plinar-Ausschusses kann innerhalb einer bestimmten Frist bei dem Präsident- Director Einsprache erhoben werden, dem auch in jenem Falle das Entscheidungs- recht zusteht, wenn die Ansicht des Directors oder Betriebsleiters von jener des Di sei plinar- Ausschusses abweicht.

Die Entlassung als schwerste Strafe wird nur in jenen Ausnahmsfällen ver- hängt, wenn weder Aussicht auf Besse- rung vorhanden ist, noch andere berück-

34*

A

532

Das Eisenbahnwesen in Ungarn seit 1867.

sichtigungswerthe Milderungsgründe zu Gunsten des Beschuldigten sprechen.

Als Ursachen der Lösung des Dienstverhältnisses gelten: Die Kün- digung des Dienstes, welche bei proviso- risch Angestellten ohne Bezeichnung des Motivs, bei definitiv Angestellten aber in folgenden Fällen eintreten kann : i . Wenn der Bedienstete sein 60. Lebensjahr über- schritten oder den Anspruch auf seinen ganzen Gehalt als Pension erworben hat

2. Wenn der Bedienstete infolge von Krankheit ununterbrochen oder mit kürzeren Intervallen ein Jahr hindurch dem Dienste entzogen bleibt, oder wenn amtlich festgestellt wird, dass er zur Verrichtung seines Dienstes überhaupt nicht mehr befähigt ist; und schliesslich

3. wenn die Nothwendigkeit einer Per- sonal-Reduction eintritt.

Die Lösung des Dienstverhältnisses erfolgt noch mit der Abdankung, der Entlassung und mit dem Tode des Be- diensteten.

Jeder definitiv angestellte Beamte, Unterbeamte und Diener, der den all- gemeinen Aufnahms- Bedingungen ent- spricht, wird von amtswegen Mitglied des Pensions-Institutes.

Nach achtjähriger Mitgliedschaft hat der Bedienstete Anspruch auf eine Jahrespension, welche 35°/o seines Ge- haltes beträgt und sich bis zum voll- endeten 31. Dienstjahre um jährliche ^Vs^o steigert, so dass nach 36 Jahren jedes Mitglied Anspruch auf eine, der vollen Höhe seines Gehaltes gleichkom- mende Pension hat, welche jedoch den Be- trag von 6000 fl. nicht überschreiten kann.

Bei dem Locomotiv- und Zugbeglei- tungs-Personal e zählt jedes Dienstjahr für I ^/j Jahre, demzufolge diese Bediensteten in den Pensionsfonds statt der von den übrigen Pensionsmitgliedern bezahlten 37o> jährlich 4V2% ihres Gehaltes ein- zuzahlen verpflichtet sind.

Im Falle der Bedienstete infolge von Verunglückung im Dienste vor Er- reichung seiner Pensionsberechtigung dienstuntauglich wird, hat er Anspruch auf die einer achtjährigen Mitgliedschaft entsprechende Jahrespension.

Die Witwe hat Anspruch aut eine Pension in der Höhe von % der Pension

ihres Gatten und jedem der hinterlasse- nen Kinder gebührt eine Unterstützung von 10% der Pension des Vaters mit der Beschränkung, dass der von der Witwe und den Kindern bezogene Ge- sammtbetrag 90% der Pension des Va- ters nicht überschreiten darf und die Kinder zum Bezüge der Unterstützung nur bis zu ihrem 19. Lebensjahre be- rechtigt sind. Bei vollständig verwai- sten Kindern kann die Unterstützung auch noch nach Vollendung des 19. Lebens- jahres gewährt werden. Jenen Ange- stellten, welchen vor Erreichung der Pensionsfähigkeit der Dienst gekündigt wird, werden ihre eingezahlten Pensions- gebühren zurück erstattet.

Falls ein Mitglied des Pensions-Insti- tutes vor Erreichung seiner Pensions- fähigkeit stirbt, so erhält dessen Witwe einen Abfertigungsbetrag.

Die Pensionsberechtigung erlischt, wenn der Angestellte vom Strafgericht wegen eines Verbrechens oder Vergehens verurtheilt wird, welches seine Entlassung aus dem Dienste nach sich zieht; femer wenn er auf disciplinarischem Wege strafweise entlassen wird oder wenn er freiwillig auf seine Stelle resignirt.

Der Pensionsbezug wird eingestellt, wenn dem Pensionisten Treulosigkeit naohgewiesen, oder wenn er wegen eines Verbrechens verurtheilt wird.

Der Fonds des Pensions-Institutes wird aus den Gehaltsabzügen der Mitglieder, aus den Beiträgen der Regierung und anderen zu seinen Gunsten zu verwenden- den Einnahmen gebildet und durch die Königlich Ungarischen Staatsbahnen kostenfrei und vollständig gesondert ver- waltet.

Die Verwaltung des Pensions- Institutes selbst erfolgt durch einen Ausschuss, in welchem das Handels- und das Finanz- ministerium, ferner die Direction der Königlich Ungarischen Staatsbahnen und endlich die Beiiensteten selbst durch Delegirte vertreten sind.

Das Dienstverhältnis der Angestell- ten veränderte sich im Laufe der Zeit viel- fach, bis es sich zu seiner heute be- stehenden Form entwickelte.

Das erste für die Königlich Unga- rischen Staatsbahnen zur Zeit ihrer Ent-

Johann v, Marx, Die Entwicklung des Betriebes etc.

der grossen Länge der Zugleitung immer schwieriger wurde, trat alsbald die Noth- wendigkeit ein, das Stellen der Distanz- signale auf elektrischem Wege zu be- wirken.

Das erste elektrische Distanzsignal wurde in Ungarn im Jahre 1870, und zwar in der ehemaligen Station ' der Staatseisenbahn - Gesellschaft R ä k o s, nach dem System Teirich& Leopolder, aufgestellt. Nachdem sich dasselbe vollkom- men bewährt hatte, gelangte auch bei

den Ungarischen Staatsbahnen im Jahre 1871 das erste, nach dem System Hohen- egger construirte, elektrische Distanz- signal in Betrieb.

Seit dem Jahre 1873 kamen elektrische Di- stanzsignale [System Schönbach, Romel ÄHlatky] versuchs- weise in Anwendung, welche theils auf gal- vanischen, theils aut Magnet - Inductions- Strom eingerichtet waren.

Seitdem hat sich die Zahl der auf den ungarischen Eisen- bahnen vorhandenen elektrischen Distanz- signale fortwährend vermehrt, so dass

gegenwärtig bereits Abb. 164. EiekiriKht circa 1 200 elektrische "'

Distanzsignale im Gebrauche stehen.

Auch die jüngste Erfindung auf dem Gebiete der Elektrotechnik, die Tele- phon i e, hat bei den ungarischen Bahnen, und zwar zuerst im Jahre 1878 bei den Ungarischen Staats- bahnen Eingang und infolge der in- zwischen gemachten Verbesserungen eine immer grössere Verbreitung gefunden, so dass das Telephon heute auf manchen ungarischen Localbahnen als vollstän-

diger Ersatz für die Telegraphie und auf Haupthahnen als Ergänzung des Tele- graphen dient.

Ja selbst als Signalmittel findet das

Telephon Anwendung, indem es, mit

Schalmei- Weck er versehen, zwischen je

zwei Stationen statt der elektrischen

Glockensignal - Einrichtung zum Geben

von hörbaren Signalen imd als Fernsprech-

Apparat zugleich als Verständigungsmittel

mit den dazwischen

liegenden Wächtern

benutzt wird.

Diese Einrichtung, durch welche einem längst empfundenen Bedürfnis entsprochen wird, hat sich in der Praxis vorzüglich be- währt, indem sie nicht nur die Möglichkeit gewährt, den auf den Nachbarstrecken be- findlichen Wächtern von der Station aus ausführliche Aufträge zu geben, sondern auch die Wächter in die Lage versetzt, über

ausserord entliche Vorkommnisse aul ihren Strecken den Stationen ohne Zeit- verlust Meldung zu erstatten.

Die eminenten Vor- theile, welche diese neueste Errungen- schaft nicht nur hin- wscbierbau» [System sichtlich der raschcu

^"'' undanstandslosenVer-

richtung des Dienstes im Allgemeinen, son- dern insbesondere zur Hebung der Verkehrs- sicherheit und raschen Behebung von Ver- kehrshindernissen bei Unfällen, Betriebs- störungen und allen anderen ausserordent- lichen Ereignissen auf der Strecke bietet, liegen so sehr auf der Hand, dass von einer näheren Erörterung derselben hier wohl Abstand genommen werden kann. Das Telephon ist daher heute neben dem Telegraphen bereits zu einem unent- hehriichen Hilfsmittel des Betriebsdienstes geworden und in welch ausgedehntem

534

Das Eisenbahnwesen in Ungarn seit 1867.

Aufgenommenen vorerst, in der Absicht, um sich auf empirischem Wege die er- forderlichen Kenntnisse aneignen zu können, den Stationen zugetheilt und zur selbständigen Ausübung des Verkehrs- dienstes erst dann zugelassen wurden, wenn sie die aus dem Verkehrs- und Telegraphendienste geforderte Prüfung mit Erfolg abgelegt und sodann während einer mehrwöchentlichen später mehrmonat- lichen — Probedienstzeit ihre Eignung zu diesem Dienste nachgewiesen hatten. Da von solchen Bediensteten die Aus- übung des gesammten Stationsdienstes verlangt wurde, mussten sich dieselben auch noch einer Prüfung aus dem commerziellen Dienste unterziehen und durch einige Zeit Probedienste bei den verschiedenen Stationscassen leisten.

Diese drei Fachprüfungen wurden sowohl vom Beamten- Praktikanten, als auch von dem zur selbständigen Aus- Übung desVerkehrsdienstes auszubildenden Unterbeamten in gleichem Umfange ge- fordert, wobei es in der Regel ein bis I Yg Jahre bedurfte, bis die Ausbildung als vollendet betrachtet werden konnte. Diese Praktikanten, welche mit Taggeld ange- stellt waren, mussten auch gewisse Mani- pulationsdienste versehen und konnten somit nur die dienstfreie Zeit zu ihrer Ausbildung benützen. Bei einer solchen Dienstvervvendung war jedoch dem Can- didaten das Lernen sehr erschwert, wes- halb die Eisenbahn-Verwaltungen behufs Gewinnung des erforderlichen Nach- wuchses zeitweilig zur Gewährung von Erleichterungen genöthigt waren. Dem- nach wurden Beamten-Aspiranten mit Taggeld, jedoch ohne besondere Dienstes- zuweisung lediglich mit der Verpflichtung aufgenommen, sich zu den drei Fach- prüfungen vorzubereiten. Zu Ende der Sechziger- und zu Anfang der Siebziger- Jahre sah sich die ungarische Regierung infolge eingetretenen Mangels an Betriebs- beamten sogar veranlasst, eine grössere Anzahl solcher Aspiranten unter dem Titel »Betriebs-Praktikanten« unter der Bedingung aufzunehmen, dass sie die vorgeschriebenen Fachprüfungen so rasch als möglich abzulegen haben. Als sich dagegen in späteren Jahren Ueberfluss an Betriebsbeamten einstellte, gelangten auch

Praktikanten ohne Besoldung zur Auf- nahme. Und so verschieden auch die Be- dingungen hinsichtlich der Aufnahme der Beamten- Praktikanten im Laufe der Zeit waren, so blieben doch die Modalitäten der Ausbildung derselben zu dem so ver- antwortungsvollen Betriebsdienste durch lange Zeit stets die gleichen. Der Aspirant hatte sich während der Lem- und Probezeit die nöthigen Kenntnisse anzueignen, wozu die für einen Anfänger oft nicht leichtverständlichen Instructionen und Dienstvorschriften sowie die Unter- weisungen des Stationschefs und der Mitbeamten dienten.

Es ist wohl nicht zu leugnen, dass auch aus dieser Art der Ausbildung tüchtige Beamte hervorgegangen sind, doch war hiebei auf den Erfolg ausser der geistigen Befähigung und dem Eifer des Aspiranten hauptsächlich der Einfluss und die Sorgfalt massgebend, welche der betreffende Stationschef der Ausbildung des ihm zugetheilten Aspiranten gewidmet hat, weshalb auch bei einigen Bahnver- waltungen der Stationschef im Falle günstiger Resultate für die Ausbildung eine besondere Belohnung erhielt.

In massgebenden Kreisen gelangte man jedoch bald zur Ueberzeugung, dass diese Art und Weise der Ausbildung der Betriebsbeamten den sich immer mehr steigernden Anforderungen des Dienstes nicht mehr zu entsprechen vermag, weil die theoretische Ausbildung blos auf das Erlernen der auf die drei erwähnten praktischen Dienstzweige bezugnehmen- den Vorschriften sich beschränkt und der praktischen Vorbereitung die einheitliche Basis gefehlt hat.

Dieser Uebelstand machte sich be- sonders bei der Verstaatlichung von Privatbahnen fühlbar, indem das über- nommene Personal behufs Erzielung der im Betriebsdienste so unentbehrlichen Einheitlichkeit in vielfacher Richtung belehrt werden musste.

Aus derselben Ursache hatten sich die Betriebsbeamten bei Uebertritt in den Dienst einer anderen Bahn Verwaltung auch stets neuerlich den drei Fach- prüfungen zu unterziehen, woraus deut- lich hervorgeht, dass die Bahnverwal- tungen zu der nicht nach einheitlichen

Johann v. Marx, Die Entwicklung des Betriebes e

der grossen Länge der Zugleitung immer schwieriger wurde, trat alsbald die Noth- wendigkeit ein, das Stellen der Distanz- Signale auf elektrischem Wege zu be- wirken.

Das erste elektrische Distanzsignal wiu^de in Ungarn im Jahre 1870, und zwar in der ehemaligen Station ' der Staatseisenbahn - Gesellschaft R ä k o s, nach dem System TeirichÄ Leopolder, aufgestellt. Nachdem sich dasselbe vollkom- men bewährt hatte, gelangte auch bei

den Ungarischen Staatsbahnen im Jahre 1871 das erste, nach dem System Hohen- egger construirte, elektrische Distanz- signal in Betrieb.

Seitdemjahre 1873 kamen elektrische Di- stanzsignale [System Schönbach, Romel &Hlatky] versuchs- weise in Anwendung, welche theils auf gal- vanischen, theils aut Magnet - Inductions- strom eingerichtet waren.

Seitdem hat sich die Zahl der auf den ungarischen Eisen- bahnen vorhandenen elektrischen Distanz- signale fortwährend vermehrt, so dass

gegenwärtig bereits Abb. 164. Elektrisch« circa 1 200 elektrische """

Di Stanzsignale im Gebrauche stehen.

Auch die jüngste Erfindung auf dem Gebiete der Elektrotechnik, die Tele- phon i e, hat bei den ungarischen Bahnen, und zwar zuerst im Jahre 1878 bei den Ungarischen Staats- bahnen Eingang und infolge der in- zwischen gemachten Verbesserungen eine immer grössere Verbreitung gefunden, so dass das Telephon heute auf manchen ungarischen Local bahnen als vollstän-

diger Ersatz fUr die Telegraphie und auf Hauptbahnen als Ergänzung des Tele- graphen dient.

Ja selbst als Signalmittel findet das

Telephon Anwendung, indem es, mit

Schalmei -Wecker versehen, zwischen je

zwei Stationen statt der elektrischen

Glockensignal - Einrichtung zum Geben

von hörbaren Signalen und als Femsprech-

Apparat zugleich als Verständigungsmittel

mit den dazwischen

liegenden Wächtern

benutzt wird.

Diese Einrichtung, durch welche einem längst empfundenen Bedürfnis entsprochen wird, hat sich in der Praxis vorzüglich be- währt, indem sie nicht nur die Möglichkeit gewährt, den auf den Nachbarstrecken be- findlichen Wächtern von der Station aus ausführliche Aufträge zu geben, sondern auch die Wächter in die Lage versetzt, über

ausserordentliche Vorkommnisse aut ihren Strecken den Stationen ohne Zeit- verlust Meldung zu erstatten.

Die eminenten Vor- theile, welche diese neueste Errungen- schaft nicht nur hin- wacMerhau. [Sy««n sichtUch der raschen

'^"'' und anstandslosen Ver-

richtung des Dienstes im Allgemeinen, son- dern insbesondere zur Hebungder Verkehrs- sicherheit und raschen Behebung von Ver- kehrshindernissen bei Unfällen, Betriebs- störungen und allen anderen ausserordent- lichen Ereignissen auf der Strecke bietet, liegen so sehr auf der Hand, dass von einer näheren Erörterung derselben hier wohl Abstand genommen werden kann. Das Telephon ist daher heute neben dem Telegraphen bereits zu einem unent- behrlichen Hilfsmittel des Betriebsdienstes geworden und in welch ausgedehntem

536

Das Eisenbahnwesen in Ungarn seit 1867.

öffentlichen Verkehre dienen, nur solche Personen zu Beamten ernannt werden dürfen, welche die hiezu erforderliche Befähigung an diesem Lehrcurse er- worben haben.

Der organische Zusammenhang des Lehrcurses mit den Eisenbahnen erscheint dadurch hergestellt, dass die Anzahl der aufzunehmenden Hörer mit dem je- weiligen Bedarfe der Eisenbahnen in Einklang gebracht wird, zufolge dessen den Frequentanten des Curses die Auf- nahme in den Eisenbahndienst zuge- sichert werden kann, indem jede Bahn- verwaltung verpflichtet ist, die von ihr angemeldete Anzahl von Hörern nach erfolgreich abgelegter Befähigungsprüfung sofort als besoldete Beamten-Praktikan- ten anzustellen.

Zur Beleuchtung der Organisation das Facheurses sollen im Nachfolgenden einige der wesentlicheren Bestimmungen des für diesen Facheurs unter Mitwirkung der Bahnverwaltungen aufgestellten Re- gulativs hervorgehoben werden.

Die administrative Leitung ist einem Director übertragen, die meritorischen Angelegenheiten jedoch gelangen vor eine Commission, welcher die Leitung und Ueber wachung des Facheurses obliegt. Prä- sident dieser Aufsichts-Commission ist der Staatssecretär des Handelsministeriums ferner gehören derselben als Mitglieder an : der Chef der Eisenbahn-Fachabtheilung im Handelsministerium, welcher gleich- zeitig bei den Professoren- Conferenzen und bei den Befähigungs-Prüfungen als Regierungs-Commissär fungirt, ferner der Chef der Königlich Ungarischen General- Inspection für Eisenbahnen und Dampf- schiffahrt, ein Delegirter des königlich ungarischen Ministeriums für Cultus und Unterricht und endlich je ein Delegirter der Eisenbahn- Verwaltungen.

Da eine der Hauptaufgaben des Fach- eurses auch darin liegt, das geistige Niveau des Betriebsbeamten zu heben, wur- den ausser den Lehrfächern des praktischen Eisenbahndienstes [Verkehrs-, Telegra- phen-und commerzi eller Dienst] auch solche Lehrgegenstände in den Unterrichtsplan aufgenommen, deren Kenntnis für den Be- betriebsbeamten bei den heutzutage an ihn gestellten Anforderungen unerlässlich er-

scheint Zu diesen Lehrgegenständen ge- hören: Eisenbahnbau und technische Einrichtungen, Eisenbahn - Geographie, Geschichte der Entwicklung der Eisen- bahnen, Eisenbahnrecht und Gesetzes- kunde, commerzielles Rechnen und Buch- haltung, Materialdienst und Waarenkunde und schliesslich der Eisenbahn-Sanitäts- dienst.

Als nicht obligate Gegenstände sind in den Lehrplan noch die deutsche und französische Sprache aufgenommen.

Als Professoren für die drei praktischen Lehrfächer dürfen nur Beamte verwendet werden, welche bei einer Eisenbahn oder bei einer Aufsichtsbehörde in activem Dienste stehen; da bei solchen mit grösserer Sicherheit angenommen werden kann, dass sie, mit den fortschreiten- den Neuerungen auf dem Gebiete des Eisenbahnwesens und den häufigen Modi- ficationen der Vorschriften und Einrich- tungen Schritt haltend, Unterricht zu er- theilen in der Lage sind.

Der Unterricht beginnt alljährlich am I. September und dauert durch zehn Monate, während welcher Zeit, mit Aus- nahme der Sonn- und Feiertage, täglich durch fünf Stunden Vorträge gehalten wer- den. Da für diesen Fachunterricht wieder in der vaterländischen noch in der aus- ländischen Literatur geeignete Lehrbücher vorhanden waren, oblag den Professoren die Verpflichtung, innerhalb eines ent- sprechend festgesetzten Termines dem Rahmen des Facheurses entsprechende Lehrbücher zu verfassen.

Schon bei Creirung des Facheurses war man sich dessen klar, dass zufolge des theoretischen Unterrichtes die vorher befolgte praktische Ausbildungsmethode nicht ganz entbehrlich sei, weshalb man sich auch bestrebte, auf letztere besonderes Gewicht zu legen und sollen die theoreti- schen Vorträge hauptsächlich nur den Zweck verfolgen, die praktische Ausbil- dung zu fördern und zu erleichtern. Um die Hörer auch schon während des theo- retischen Unterrichtes mit dem praktischen Dienst und dessen Einrichtungen einiger- massen bekannt zu machen, wurde die Anstalt mit Apparaten zur Aneignung des praktischen Telegraphendienstes, femer mit verschiedenen Modellen der Stations-,

Johann v. Marx, Die Entwicklung des Betriebes etc.

537

Signal- und Sicherungs- Anlagen ausge- stattet. Auch werden im Laufe des Unter- richtsjahres unter Leitung der Fach- professoren Ausflüge nach grösseren Bahnhöfen, Eisenbahn -Werkstätten und Maschinenfabriken unternommen. Nach absolvirtem Curse muss jeder Hörer be- hufs Aneignung der zum Betriebs- und namentlich zum Verkehrsdienst unerläss- lichen, praktischen Kenntnisse wenigstens drei Monate auf einem Bahnhofe zubringen, welche praktische Lehrzeit einen inte- grirenden Theil des Facheurses bildet, so zwar, dass "kein Hörer eher zur Able- gung der Befähigungsprüfung zugelassen wird, bevor nicht die betreffende Bahn- anstalt mittels Zeugnisses bestätigt, dass der ihr zugetheilte Prüfungscandidat die vorgeschriebene Zeit im Executivdienste zugebracht und sich die erforderlichen praktischen Kenntnisse angeeignet hat. , Dieser Bedingung müssen nicht nur die als ordentliche öffentliche Hörer inscri- i birten Frequentanten des Lehrcurses, i sondern auch die externen, das heisst ' den Lehrcurs nicht besuchenden Privat- hörer entsprechen. Als Privathörer können solche Bedienstete einer Bahnanstalt Auf- nahme finden, welche die vorgeschriebene Vorbildung besitzen und von der Bahn- verwaltung, bei welcher sie bedienstet sind, zur Aufnahme in den Facheurs ' empfohlen werden. Vor Zulassung zur Befähigungsprüfung muss ein solcher Bediensteter den Nachweis liefern, dass er mindestens 13 Monate hindurch un- unterbrochen im Dienste der Bahnanstalt gestanden ist und die letzten drei Monate im Stationsdienste zugebracht hat.

Die Prüfung der als reif ange- meldeten* Candidaten erfolgt vor einer Prüfungs-Commission, an deren Spitze ein vom Handelsminister von Fall zu Fall delegirtes Organ steht und in welcher ausser dem Regierungs-Commissär, dem Director und den Professoren des Curses, noch die Königlich Ungarische General- Inspection für Eisenbahnen und Dampf- schiffahrt, sowie die Aufsichts-Commis- sion durch je ein Organ vertreten ist. Bei Prüfung der Privatschüler hat auch noch je ein Delegirter jener Bahnanstalt theilzunehmen, in deren Dienst der be- treffende Candidat steht.

Nach Abschluss der Prüfungen er- halten jene fünf Candidaten, welche die Prüfung mit Ipestem Erfolge bestanden haben, je fünf Goldstücke zu 20 Francs als Prämie und überdies die Begünsti- gung, dass sie in den Bahndienst, nicht wie alle übrigen vorerst als Praktikanten, sondern gleich als Beamte mit 600 fl. Gehalt aufgenommen werden.

Um auch Unbemittelten, welche gute Zeugnisse aufweisen können, den Besuch der Fachschule zu ermöglichen, wurden dieselben in den ersten Jahren des Fach- unterrichtes seitens der Bahnen für die Dauer des Curses mit Diurnum ange- stellt ; die Direction der Königlich Unga- rischen Staatsbahnen allein placirte 80 solche Hörer als Diumisten, die in den Vormittagsstunden in den Bureaus zu arbeiten und Nachmittags den Curs zu besuchen hatten. Man machte aber bald die Wahrnehmung, dass eine solche doppelte Thätigkeit zu aufreibend sei und dem Hörer kaum genug Zeit bleibt, um allen an ihn gestellten Anforde- rungen entsprechen zu können. Aus diesem Grunde wurde diese Art der Unterstützung eingestellt urtd der Beschluss gefasst, 80 mittellosen und berücksich- tigungswürdigen Hörern aus den Betriebs- einnahmen der Königlich Ungarischen Staatsbahnen Stipendien im monatlichen Betrage von 24 fl. zu verleihen, in deren Genuss die Betreffenden nicht nur wäh- rend der Dauer des Curses selbst, son- dern auch während der praktischen Ein- schulungszeit, also insgesammt durch 13 Monate verbleiben, insofeme «ie sich durch entsprechende Aufführung hiezu würdig erweisen.

Die Kosten des Lehrcurses werden vom königlich ungarischen Handels- ministerium und den betheiligten Eisen- bahn-Verwaltungen getragen. Zur Deckung der Ausgaben des Lehrcurses werden überdies auch die aus den Inscriptions- und Schulgeldern fliessenden Einnahmen verwendet, aus welchen auch die Amor- tisation des Darlehens von 120.000 fl., welches zur Erbauung und Einrichtung des im Jahre 1890 eröffneten eigenen Schulgebäudes aus einem Regierungs- fonds aufgenommen worden ist, getilgt werden muss. Ein Theil der mittellosen

538

Das Eisenbahnwesen in Ungarn seit 1867.

Hörer wird, nach Massgabe der vorhan- denen Mittel zur Deckung der Auslagen, von der Entrichtung der Unterrichtstaxe ganz oder theilweise befreit.

Um den seitens der Bahnverwaltungen alljährlich bekannt gegebenen Bedarf an Praktikanten decken zu können, musste schon im zweiten Jahre der Unterricht auf zwei Parallelclassen vertheilt werden, welche Zweitheilung bei dem Umstände, dass die durchschnittliche Anzahl der ordentlichen öffentlichen Hörer jährlich 180 betrug, im Interesse eines erfolg- reicheren Unterrichtes auch bis heute bei- behalten wurde. Die durchschnittliche Anzahl der Privathörer betrug jährlich 90.

Im ersten Jahre waren insgesammt III Hörer inscribirt, dagegen stieg die Anzahl derselben im achten Jahre [1895 und 1896] bereits auf 381.

Während der Zeit von neun Jahren waren 2415 [öffentliche und Privat-] Hörer inscribirt, wovon 1677, ^^s ist 69%, die Qualificirungs- Prüfung mit Erfolg ablegten und mit welcher Anzahl von entsprechend ausgebildeten Beamten- Praktikanten der Bedarf der ungarischen Bahnverwaltungen auch vollständig ge- deckt wurde.

Der Umstand, dass jene Beamten, welche die Fachschule im ersten Jahre [1887/88] besuchten, heute bereits ein Gehalt von iioo 1200 fi. beziehen, beweist zur Genüge, dass diese Aus- bildung der Beamten-Praktikanten den Anforderungen vollkommen entspricht, und kann daher mit vollem Rechte die Behauptung ausgesprochen werden, dass sich diese auf dem Gebiete der Fach- bildung bahnbrechende Institution als vollständig lebensfähig erwiesen hat. Bei dieser Gelegenheit wollen wdr noch er- wähnen, dass bereits mehrere auslän- dische Bahnverwaltungen Erkundigungen über die Organisation dieses Facheurses und der mit demselben erzielten Resul- tate eingezogen haben und es daher nicht ausgeschlossen erscheint, dass diese sehr empfehlenswerthe Institution auch anderwärts Nachahmung finden wird.

In der Zeit des zehnjährigen Be- stehens des Eisenbahn - Facheurses ist neben letzterem auf analoger Basis ein Facheurs für den Post- und Telegraphen-

dienst, ferner ein solcher für den Schiffs- dienst errichtet worden, welche drei Facheurse heute unter der Benennung: »Facheurse für Communications- w e s e unter einer und derselben Leitung und unter der Aufsicht des königlich ungarischen Handelsministeriums stehen.

Mit diesen Einrichtungen auf dem Gebiete der Fachbildung ist aber der letzte Schritt noch nicht gethan, denn massgebendenorts befasst man sich be- reits mit dem Gedanken der Errichtung eines sogenannten höheren [Fortbildungs-j Lehrcurses für bereits angestellte Eisen- bahnbeamte, welcher mit der bestehenden Vorbildungsschule in einem gewissen organischen Zusammenhang gebracht würde.

Dieser höhere Facheurs würde den Zweck verfolgen, strebsamen und be- fähigten Beamten Gelegenheit zur Erwei- terung ihres Wissenskreises und zur Er- reichung einer Qualification zu bieten, welche sie auch für höhere Beamten- stellen befähigt. Bei der Opferwilligkeit, welche sowohl die Regierung, als auch die Bahnverwaltungen hinsichtlich der Ausbildung der Eisenbahn-Betriebsbeam- ten bisher bethätigten, steht zu erwarten, dass auch dieser Plan zur Verwirklichung gelangen werde.

d) WohlfahrtS'Einrichtungen.

Es unterliegt keinem Zweifel, dass den Existenzbedürfnissen der Angestellten durch die Regelung des Dienstes und ihrer Bezüge noch nicht nach allen Richtungen Rechnung getragen ist. Bei der Vielfältigkeit der menschlichen Lebens- lage können sich auch solche Bedürf- nisse der Angestellten ergeben, für deren Befriedigung die Bahnverwaltungen obschon denselben eine Verpflichtung lediglich nur mit Rücksicht auf die be- stehende Regelung des Dienstverhält- nisses nicht obliegt aus humanitären und gesellschaftlichen Rücksichten be- rufen sind.

Diesem Zwecke dienen die sos:e- nannten Wohlfahrts - Einrichtungen, wel- che dort umso zahlreicher und vollstän- diger erscheinen, wo höhere Ansprüche

Johann v. Marx, Die Entwicklung des Betriebes etc.

539

an die Leistungsfähigkeit des Personales gestellt werden.

Die anerkennenswerthe Opferwillig- keit der ungarischen Eisenbahn-Verwal- tungen äussert sich in dieser Richtung auch darin, dass die Angestellten nicht nur als Mitglieder der betreffenden Unter- stützungs - Vereine , sondern auch als Familienväter entsprechende Unterstützung finden.

Hienach haben von den Wohlfahrts- Eihrichtungen sowohl jene, welche die materielle Unterstützung des Perso- nales sich als Ziel vorgesteckt haben, als auch jene, welche Culturz wecke ver- folgen und die Eltern in der Aufgabe der Kindererziehung unterstützen, gleich wichtige Bedeutung.

Von den Erstgenannten verdienen besondere Erwähnung : Die Unter- stützungsfonds für jene Bediensteten der Eisenbahnen, welche noch keinen Pensionsanspruch erworben haben ; die Krankencassen, welche ihren Mit- gliedern und deren Familienmitgliedern im Falle einer Krankheit ärztlichen Beistand, Medicamente und sonstige Unterstützung bieten; die Gonsumvereine, welche hauptsächlich jenen Angestellten zu Gute kommen, die von vortheilhaften Einkaufs- plätzen entfernt stationirt sind.

Ausserdem bestehen noch verschie- dene Spar- und Unterstützungs- Vereine, welche die Beamten theils zur Sparsamkeit aneifern, theils ohne eigenes Verschulden in materielle Noth- lage gerathene Mitglieder unterstützen, damit sie nicht in Wucherhände ge- rathen.

Hiebei bieten aber die Statuten eines jeden dieser Vereine genügende Garantie auch in der Richtung, dass die Wohl- fahrts-Einrichtung nicht zum leichtfertigen Schuldenmachen missbraucht werden könne.

Ausserdem bestehen noch im Schosse der Angestellten zahlreiche, die Versor- gung und die Vorsorge für die Zukunft bezweckende Genossenschaften und Ver- eine.

Von den erwähnten Vereinen ent- fällt die weitaus grösste Anzahl auf die Angestellten der Königlich Unga- rischen Staatsbahnen. Die daselbst be-

stehenden beiden Unterstützungsfonds für nicht pensionsberechtigte Angestellte verfügten im Jahre 1 896 über ein Stamm- vermögen von 316.286 fl.; die Kranken- unterstützungs-Gasse hatte zur selben Zeit 81.356 Mitglieder und ein Vermö- gen von 417. HO fl.

Der Consumverein , welcher über 10.000 Mitglieder zählt und jährlich einen Waarenumsatz im Werthe von 8,000.000 fl. aufweist, wird zwar von den Angestellten selbst erhalten, doch bieten die Königlich Ungarischen Staats- bahnen demselben verschiedenartige Be- günstigungen, deren bedeutendste darin be- steht, dass der Transport der vom Ver- eine eingekauften, als auch der von dem- selben an die Mitglieder verkauften Waaren vollständig gebührenfrei erfolgt.

Im Schosse der Beamten, Unter- beamten und Diener der Königlich Unga- rischen Staatsbahnen bestehen ferner zur Zeit acht verschiedene Spar- und Unter- stützungs-Vereine, welche insgesammt 12.000 Mitglieder zählen und ein Ver- mögen von 18,000.000 fl. besitzen.

Vereine mit culturellen Zwecken, wie Gesangs-, Lese- und Selbstbil- dung s- V e r e i n e bestehen in grosser Anzahl ; die wohlthätige Wirkung dersel- ben tritt hauptsächlich bei den Unter- beamten, Dienern und Arbeitern hervor, in deren Kreisen acht derartige Vereine mit 5500 Mitgliedern bestehen.

Als in die Kategorie der Wohlfahrts- Anstalten gehörig verdienen femer noch erwähnt zu werden, die an bedeu- tenderen Verkehrscentren mit grösse- rem Personale sowie bei Werkstätten errichteten Wohnungscolonien, deren älteste die im Jahre 1867 errichtete Colonie in Piski ist. Daselbst siedel- ten sich im Laufe der Zeit auch Privat- personen an, so dass die Golonie bereits zur selbständigren Gemeinde mit behörd- lieber Organisation erhoben wurde. Zur Erleichterung, beziehentlich Ermöglichung des Schulunterrichtes der Kinder solcher Bediensteter, welche an Orten stationirt sind, wo sich keine Schulen befinden, haben die Ungarischen Staatsbahnen an Orten mit entsprechenden Schulen In- ternate errichtet, in welchen die Kinder unentgeltliche und vollständige Verpfle-

Das Eisenbahnwesen in Ungarn seit 1S67.

gung linden. Ebenso wird in Elementar- schulen, welche von Ungarischen Staats- bahnen selbst errichtet und auf eigene Kosten erhalten werden, den Kindern der Bediensteten ganz unentgelt- licher Unterricht ertheilt.

Unter letzteren ist als grösste die in der Budapester Arbeitercolonie errichtete Elementarschule zu erwähnen, in wel- cher von zehn Lehrkräften in sechs Knaben- und sechs Mädchenclassen un- gefähr 350 Kinder unterrichtet werden.

Bei einzelnen Werkstätten zur Aus- bildung von Handwerkern wurden auch Lehrlings schulen errichtet, deren Zöglinge nach Erwerbung der Befähigung in den Werkstätten der Ungarischen Staatshah- nen Beschäftigung erhallen.

Schliesslich möge an dieser Stelle noch Erwähnung finden, dass sich die Direction der Ungarischen Staatsbahnen derzeit mit der Schaffung eines Pen- sionsfonds für solche Angestellte be- schäftigt, welche nicht Mitglieder des * Pens Jons- In Statutes der definitiv Ange- stellten sein können, um dadurch allen ihren Bediensteten ohne Ausnahme die

I Erlangung einer Altersversorgung zu er- j möglichen.

I Nach dem Angeführten kann mit I Berechtigung ausgesprochen werden, dass die Ungarischen Staats- 1 bahnen der stetigen Aufbesserung der I Lage ihres Personales einschliesslich I der Arbeiter volle Sorgfalt zuwenden, welches Streben hinsichtlich der Arbeiter I auch noch besonders in den bereits an I vielen Orten bestehenden, mit Consum- I vereinen und Schulen ausgestatteten 1 Arbeite reo lonien Bethätigung findet. 1 Und so schaffen denn die ungarischen I Eisenbahnen auf diese Weise ihren An- ! gestellten nicht nur eine sichere und ständige Basis fUr ihren Lebensunterhalt, sondern sie erfüllen durch die angeführ- ten zahlreichen Wohlfahrts- Anstalten auf ! ihrem ausgedehnten Eisenbahnnetze auch , eine bedeutende Culturmission, indem sie I ihren Angestellten Gelegenheit zur geisti- gen Fortentwicklung bieten und dieselben [ durch Gewährung von Mitteln zur Er- 1 Ziehung und zum Unterrichte ihrer Kinder. ! bei der Erfüllung ihrer Ehernpflicht that- I kräftig unterstützen.

Tabellarische Darstellung

der Entwicklung der Königlich Ungarischen Staatsbahnen und ihres Betriebes

in den Jahren 1867—1895.

Betriebsjahr

Betriebslänge im Jahresdurchschnitte

1

Verwendetes Anlage-Capital 1

Kgl.. Ungar. Staats- bahnen

Privat- bahnen

Zusammen

Kgl. Ungar. Staatsbahnen

Privatbahnen

Zusammen

1 Kilometer

Gulden

' 1867

85

2.126

2.211

7,333 016

200,794.109

208,127.125

1868

125

2-196

2.321

7,876.853

209,738.953

217,615.806

1869

125

2.506

2.631

8,413.058

243,639.177

252,052.235

1870

350

2.747

3097

23,229.819

287,573396

310,803.215

1871

434

3.312

3.746

34,722.455

393,467.414

428,189.869

1872

532

4183

4715

50,482.129

456,568.834

507,050.963

1873

727

5.008

5 735

85,510.580

484,884.205

570,394.785

1874

I 008

5.297

6.305

90,109.745

517,592.659

607,702.404

1875

1072

5.330

6.402

93,654.236

533,824.083

627,478.319

1876

1.073

5.474

6.547

94,927.308

544,565.540

639,492.848

1877

1.075

1

5.658

6.733

108,716.833

553,489.657

662,206.490

1878

1

1.701

5127

6.828

223,053.711

485,671.396

708,725.107

1879 '

1891

5039

6930

215,787834

489,300.790

705,088.624

1880 i

2011

5.057

7.068

223,954.400

494,301.925

718,256.325

1881

' 2.645

4.466

7.111

277,338.058

449,053.619

726,391.677

1882

2.754

4.581

7.335

. 280,225.507

452,686.414

732,911.921

1 1883

2.922

-4.988

7.910

299,341.020

469,085.151

768,426.171

1884

3630

4.820

8.450

384,78.6000

432,430.982

817,216.982

1885

4.226

4.708

8.934

377,644902

419,366.653

797,011.555

- 1886

1

4.229

4.984

9213

384,767.697

433,386.854

818,154.551

1887 '

4.229

5.426

9.655

390,930.309

459,155927

850,086.236

1888

4.306

6.094

10400

400,006.493

488,056 494

888,062 987

1889

4935

5796

10.731

449,243.923

467,354.974

916,598.897

1890

5.027

6.131

U.158

478,007340

437,482.769

915,490.109

1S91

5.820

5.836

11.656

544,184.347

406,613.787

950,798134

1892 '

7.507

4.745

12.252

721,231.751

245,160.379

966,392.130

1893

7572

4889

12.461

733,865 656

255,487411

989,353.067

1894

7.598

5.391

12.989

749,048.871

266,075.862

1.015,124.733

1895

7.679

1

5.899

13.578

780,925.104

318,209.256

1.099,134.360

542

Das Eisenbahnwesen in Ungarn seit 1867.

Cd

Gesammteinnahmen

Gesammtausgaben

IS-^-^ P"-*-

09

I '

♦1 J bahnen

W .1

Ueberschuss

Zu- '\t^ItS. Privat-: Zu- I, KÄ!?e- ! Privat- Zu-

bahnen sammen

Staats- bahnen

bahnen 1 sammen

I

! Staats- bahnen

I

bahnen sammen

Gulden

1867 ! 431.700 11

1868 I 908.936

1869'' 1,185.170

1870. 2,603.903

1871,1 3,898.038

24,139.416 30,526.025

33,087.999 31,722.263

37,115.923

I

24,571.116! 171.41« 8,556.850

il

31,434.9611 355.82911,178.118

34,273.169 455.450' 14,603.272

8,728.261 ,

",533 947 15,058.722

34,326.166,- 1,446.285 13,754.951 15,201.236

41,013.961

1872 ' 4,395-i96,36,033.7i2 40,428.908

1873'; 5,696.111

1874 1875

5,702.598 6,143-343

41,839.885 38,951.742

2,400.319 17,403.346 19,803.665

1,497.719

3,123 303 21,304.118 24,427 421 1,271.893

47,525996

I

44,654 340

40,577.610, 46,720.953

4,097.828 23,473,632 4,780.779 22,699.550

27,571.460' 27,480.329

1876 ' 6,788.694142,045.517

1877 7,274.299

18781 10,110.57641,144.402

45,706.078

1879 1880 1881 1882

' 10,709.028

1

111,356.594

41,782.088

4,722.463;23,397 40i 28,119.8641 1,420.880

I

48,834.21 1 4,960.834 23,694.829 28,655.6631 1,827.860

I' I I I

52,980.3771 4,785.o82'25,oi3.42i 29,798.503. 2,489.217

51,254.978, 52,491.116!

260.289 1 5,582.566. 1 5,842.855

553 107 19,347907 19,901.014

729.720 18,484.727 19,214.447

1,157.618 17,967.312 19,124.930

19,712 577 21,210.296

14,729-594 16,001.487

18,366.253 19,954-536

16,252.192 17,174.011

17,180.209

18,350.688

20,692.657

1,588.283 921.819

7,185.185 21,982.437 29,167.622,1 2,925.391

18,601.08) 20,178.548 23,181 874

18,562.38036,434.785 20,34i.526'39,498.i54

8,117.565 22,461.033 30,578.5981

40,731.766; 52,088.360.! 8,904.369 22,395.63o'3T,299.999l

I I I 54,997.165 I II, 736.685- 19,372.792 31,109.4771

1883 22,926.492 42,946.484

1884

1885 1886

1887

27,159.76339,640872 33,718.300,38,231.159

59,839.680 ' 12,978.801120,903.126 33,881.927 7,362.725

2,591463 2,452.225

6,825.695

65,872 976

13,715.457,23.131.509

36,846.966

9,211.035 8,899.260 22,54811321,199.71243,747.825,11,170.187

66,800.635; 18,260.503 22,838.34041,098.843

71,949.459

34,041.05336,269.302, 70,310.355 20,095.177 20,133.59040,228.767, 13,945,876

19,161.96522,087.356 19,321.055121,912518 18,336.136120,788.361 17,061.99323,887.688

18,595.028125,957.753 19,814975129,026.0101 16,802.53225,701.792 17,031.44728,201.634

35,180.230 1888139,486.334 1889 1890

1891

37,157.045 40,268.219

42,978.681 38,652.201

o I

46,41 1 080 40,372.728

.1,320985

1892 '172,062.781

38,182.418

21,445 536

72,337.275 I 20,818.22320,679.555 79,754.553 21,589.917 21,610.110

41,497.778

14,362.007

43,200.027 17,896.417

81,630.882 23,219.204 20,174.080 43,393.284

46,711.262,

86,783.808 1 24,589.209'22,I22.053

19,759.477

21,821.871

89,503.403 , 29,595.591 19,445.710 49,041.301 , 21,725.394

93,508.317139,694.163111,021.763

18931 79,296.203,23,244 506 102,540.709 '44,378.730 12,486.112

1894

1895

83,017 283 24,248.290 86,576.261 26,703 840

50,715.926'

56,864.8421

107,265.573 46,322.514 13,498.66659,821.180

113,280.1011 53.567.189 15,127.191,68,694.380

32,368.618

34,917 473 36,694.769

33,009.072

16,135.712 16,477.490 18,658.109 18,478 121 18,250.675 18,736.708

10,423.773

30,081.588

30,839.497 36,554.526

38,237598 40,072.546

40,462.102 42,792.391

10,758.394 45,675 867

11,049.624 11,576.649

47,744-393

44,585.721

I

Tabellarische Darstellung.

543

cd ••— >

CA 4)

•c

Zugskilometer

Kgl Ung. Staats- bahnen

Privat- bahnen

Zu- sammen

Kilometer

Anzahl der Reisenden [Civil und Militär]

•sCts-^- P-at-

bahnen

Zu-

bahnen | sammen

Personen

Personenkilometer [Civil und Militär]

Kgl. Ung. Staats- bahnen

Privat- bahnen

Zu- sammen

Kilometer

1867 1868 1869 1870 1871 1872

1873 1874 1875 1876

1877 1878

1879 1880

1881

1882

1S83 1884

1885 1886 1887 1888 1889 1890 1891 1892

1893 1894

167.253, 6,656.141

I

i

348.167 8,478.515 445.488 8,995.220

9,012.759 0,859.852

1,093111 1,532.122 1,687.718 2,448.450

2,547.857 2,399 070 2,611413 2,463.800

3,541 366 4,189 177

4,975.132 7,643.946

8,637.436

10,543.056

13,005.899

16,174-373 15,471.402

15,459099 16,927.237

18,027.417

21,100.196

25,340.742 35,522.107

38,827.079 41,345.840

1895,42,515.379.

1,854.541 3,085 261

3,251 505 3,372.263

3,255-366

6,823.394

8,826 682

9,440.708

10,105.870

12,391.974 13,542259

15,533711 15,799362

15,771.333 10,866.779

3,349 987 15,813.787

2,779.888 2,781 276

16,321 254 16,970.453

3,568.141 18,543.273 2,521.751 20,165697

57400 104200 154.900 520.600

2,860.000

2,917.400

3,165.900, 3,270.100

4,294000

4,790300

830000 6,247.500 1,104.800 8,044100

3,495871 4,867.844

5,650.43"^ 6,017.856

1,403.200 1,427 000 1,224.600 1,207.500 1,022.900 1,422.400 1,981.400

4,448.900 5,310.900

7,077 500 9,148.900 8,742.50010,145.700 9,970.400

8,543.400 7,658.300 8,882.900

8,010.000 7,634 100 7,941 500

9,217.500 8,657.000 9,363 900

7,835.900 9,817.300

22,133307; 25,410.900

28,656.337

32,192.229!

2,060.500 3,321.400 3,410400 7,176.000

7,600.100 9,660.600 6,891 900 10,213.300

3,692.800

7,921.200

10,586 400 11,614000

4,957.600 7,400.700 12,358.300

6,645.000

7,581.500

14,226.500

5,713.130 31,184 532 6,20i.oooi 7,647.600 13,848.600

6,091.417

7,559.852

3i,5505i6j 5,342.500 34,487.089! 5,958.200

7,658.780 35,686.197 , 10,562.600

8,103 700J 13,446.200 7,459.40013,417600

8,474.100

19,036700

9,547.267140,647.463, 18,495.600 10,667 900 29,163 500

9,317.982 44,658.724' 26,612 800

1,536.08347,058.190

2,520 243 3,447664

51,347.322 54,793504

5,301.46257,816.841

29,486500 32,214 300 33,500.800

9,273.200 35,886.000 11,586.40041,072.900

13,349100

45,563.400

i6,o78.ooo!49,578.8oo

35,404.700.17,777 600 53,182 300

2,868.500 5,654.100

192,208 000' 195,076.500

208,016.300

10,810,900 270,757.500 35,183.000 282,308.300

56,053 900

351,922.100

76,700.400 444,550.800 84,154.800499,497.100 86,503.500 475,212.200 78,866.200 415,835.200 81,255.200 401,627.600 67,170.700 397,368.100 115,544.100407,775.300 127,199.700385,130.000

124,658.800 204,463.100

329,834.900 339,359.600

201,430.800 366,289 500 221,106.200 '395,691.700 312,443.800 403,614.800 402,118.000 369,565.300 365,197.400,377,482.800 356,547.200 381,833.700 380,934 3001363,144 100 593,373 600 346,535.600

809,026.200427,990.700 1.237,016900

213,670400 281,568.400 317,491.300 407,976.000 521,251.200 583,651.900 561,715.700 494,701400 482,882.800 464,538.800 523,319.400 512,329700 454,493.700 543,822.700 567,720.300 616,797.900 716,058600 798,683 300 742,680,200 737,880 900 744,078.400 939,909 200

1.227,030.900

277,005.800

I 504,436.700 1.671,321.300 1.868,718.900 i.6i9,24o'.5oo 407,651.300 2.026,891 800

1.353,023.600 318,297.700 1.505,711 400 363,007.500

1.651,960.900 438,761.600, 2 090,722 500

Das Localbahnwesen in Ungarn.

Alexander Ritter von Dobiecki,

T KOnlgltsb VngtT

EINE der bedeutendsten Errungen- schaften des kräftig aufstrebenden ungarischen Staates bedeuten die Erfolge auf dem Gebiete des Localbahn- wesens. Unter dem fürsorglichen Schulze der Regierung, welche den Bau von Localbahnen nach jeder Richtung hin zu fördern beniüht war, durch ihre finanzielle Mitwirkung sowie jener der Municipien, Gemeinden und Privat inleressenten, durch Gewährung weitestgehender Begünsti- gungen konnte der Bau von Localbahnen in Ungarn sieh rasch und immer kräftiger entfalten.

Die ersten Versuche, »billige« Bahnen in Ungarn zu bauen, reichen in die Zeit zurück, wo der ungarische Staat die ersten Schritte auf dem Gebiete seiner selbstän- digen Verwaltung zu machen hatte.

Irn Jahre 1867 vereinigten sich die Gross grün dbesitz er des Comitates Arad unter Leitung Pi5ter von Atzöl's, um den Comitatsinteressen entsprechende Bahnen zwischen Arad- BorosjenÖ [62-8 km] und Jöszäshely— B€k6s- Gyula zu bauen.

Da jedoch die Bahnen als Haupt- bahnen projeclirt waren und von der Regierung die beanspruchte Zinsen- garantie [22.136 fl. pro Meile] verweigert wurde, versuchten die Interessenten aus eigenen Mitteln die Bahn herzustellen, zu welchem Zwecke Geld- und Materialien- Beiträge gesammelt wurden. Das Comitat

erklärte sich bereit, die öffentlichen Arbeitskräfte zur Verfügung zu stellen. Die projectirte Linie erforderte jedoch noch immer 42.000 fl. pro hn, somit Kosten, deren Höhe die Kräfte der Inter- essenten weit überstieg. Schon wollte man dieses lebensfähige Project aufgeben, als im kritischesten Momente sich der Fachmann fand, der nach eingehendem Studium, die wirthschaf Hieben Interessen erkennend, ein neues Project ausarbeitete und die Realisirung desselben mit wahrer

I Hingebung verfolgte.

Die uneigennützige und aufopfernde Thätigkeit beider Factoren, der Inter-

] essenten unter Leitung Peter v. Atzöl's,

[ S. v. Bohus und B61a v. Vdsdrhely i"s und der leitenden Seele, als welche der

', hochverdiente Ingenieur B^ni v. Boros [Siehe Abb. 166] auftrat, schuf die .Ver- einigte Ar ad-Cs and der Eisenbahn« [Aradi is Csanddi egyesült vasu- tak], deren lehrreiche Entwicklung wir nunmehr in kurzen Zügen verfolgen wollen. Auf Grund des Gesetzariikels XLIV vom 37, December 1875 wurde, nachdem volle fünf Jahre die Angelegenheit in Schwebe geblieben war, den genannten Bewerbern auf Grund ihres im Jahre 1870 gestellten Ansuchens die Concession zum Bau und Betriebe einer von Arad über Uj-Szent-Anna, Vildgos und Pankota nach BorosjenÖ führenden Locomotivbahn zweiten Ranges eriheilt.

Die Concession bestimmte ausführlich die genehmigten Bauerleichterun gen und

. Dobiecki, Das Localbahnwesen.

Vereinfachungen.*) Bei einem Kosten- voranschlage von 1,620.000 fl. [26.000 fl.

pro km] standen jedoch nur die Beiträge der 181 Interessenten von 735.000(1. zur Verfügung. Der noch fehlende Theü der endgiltig berechneten effectiven Bausumme von 1,058.788 fl. 95 kr. wurde dadurch beschafft, dass eine Fabrik die Lieferung der Schienen und mechanischen Bestand- theile gegen ratenweise Tilgung über- nommen hatte.

Das Geld war so- mit scheinbar vorhan- den, in der That wurde jedoch selbst das Va- diurn von 50.000 ü. mit Wechseln gedeckt, mittels Wechselschul- den die Ausgaben bestritten und nur eine kleine Gruppe

der Interessenten, deren Vermögen fortwährend aufs Spiel gesetzt war, hatte den Bau über- haupt ermöglicht, bei dessen Beendigung kaum mehr als die Hälfte der Stamm- actien eingezahlt war.

Dass unter sol- chen Umständen am I.Februar 1877 41 km von Arad bis Pan- kota und am 12. Mai

desselben Jahres die Abb. loe. zei

21 km lange Strecke vonPankota bis Borosjenö dem öffent- lichen Verkehre übergeben werden konnte, war nur der zähen Ausdauer und uner- müdlichen Energie, welche die Leiter der Gesellschaft vor und nach der Con- stituirung als Arad - Körösthale Eisenbahn-Gesellschaft [26. Jun 187C)] mit nie ermüdender Ausdauer ent- wickelt hatten, zu danken.

Den Actionären war es gestattet, ä conto ihrer Beiträge gewisse Arbeiten auszuführen, ferner durch Lieferung von Materialien, durch das Ueberlassen von

•) Vgl. I, Konta's Eisen bahn- Jahrbuch. IX. Jahrgang, Seite 588 und ff.

Gründen und durch ähnliche Leistungen ihre Zahlungsverpflichtungen zu erfüllen. Bei der Anwendung dieses Arbeits- programms konnte ein bedeutender Theil der Bedürfnisse des Unternehmens ohne Geldausgabe gedeckt werden.

Die Stadt Arad hatte einen bedeutenden

Grundcomplex der Gesellschaft kostenlos

überlassen, ebenso Graf Robert Zelenszky

die zur Schottergewinnung nöthigen

Gründe u. s. w.

Das ruh mens werthe Entgegenkommen sei- tens der wohlgesinn- ten Gemeinden, deren Vorständen und Be- wohnern kam dem Unternehmen sehr zu statten, dessen Bau- kosten durch die Opferwilligkeit derDi- rectionsmitglieder, ins- besondere des Präsi- denten Peter Atzdl's, die für ihre Mühewal- tung keinerlei Ent- schädigung in An- spruch nahmen, er- heblich reducirt wur- den.

Nach Beendigung des Baues wurde die Direction bevollmäch- tigt, eine Anleihe von 240.000 fl. aufzuneh- men. Sie machte in- eE Boras Bcni. dessen die traurige

Wahrnehmung, dass die grösseren Geldinstitute in die Pro- sperität dieser Bahn kein Vertrauen setzten, und dass das Geld nur gegen unannehmbare schwere Bedingungen aufzutreiben wäre. So hatte die Anglo-österreichische Bank ausser der als Garantie dienenden Ver- schreibung der Prioritäten und der Inta- bulation auf das Vermögen der Bahn, die Deponirung der Stammactien und die Ausübung des ihnen anhaftenden Stimm- rechtes verlangt. Sie hatte somit einen Einfluss für sich beansprucht, welcher das eigene Verfügungsrecht der Aclien- Gesellschaft illusorisch gemacht, und die Selbständigkeit der Unternehmung ge- fährdet hätte.

35

A

546

Das Eisenbahnwesen in Ungarn seit 1867.

Die Direction wandte sich hierauf an die Arader Sparcassen. Diese Institute forderten ausser der Verschreibung des beweglichen und unbeweglichen Ver- mögens der Gesellschaft, noch, dass acht der ihrerseits namhaft gemachten Directionsmitglieder die Garantie für die Hälfte des Darlehensbetrages übernehmen, femer, dass die Tilgungsraten pünktlich erleg:t und keine Dividende gezahlt werde, bis das S^l^igt Darlehen gänzlich getilgt sein würde.

Die bezeichneten Directoren über- nahmen die geforderten Garantien.

Im Sinne des mit den Arader Spar- cassen geschlossenen Vertrages hatte die Actien- Gesellschaft jedes Vierteljahr eine Theilzahlung von 20.000 fl. zu entrichten, und weil hiefür sichere Aussicht vor- handen war, konnte die Direction freudig erklären, dass, nachdem mit Ende 1882 die Schulden der Gesellschaft gänzlich getilgt, respective die mit Unterzeich- nungen noch nicht gedeckten Theile des Baucapitals ebenfalls aus den Betriebs- einnahmen gedeckt sein würden, dann die Besitzer der im Verkehr befindlichen Stammactien von 740.000 fl., endlich in den ungestörten Genüsse der Jahre hindurch entbehrten, und zur Ergänzung des Baucapitals verwendeten Dividenden gelangen werden.

Doch noch früher als- es die Gesell- schaft erhofft hatte, Ende des Jahres 1881, war die Direction in der Lage, den Actionären eine Dividende anzuweisen. Das Bestreben der Gesellschaft war demnach innerhalb von vier Jahren von unvergleichKchen Erfolgen gekrönt. Nicht nur, dass sie mit einem einge- zahlten Actiencapital von 735.000 fl. und durch Verwendung der Betriebsein- nahmen einiger Jahre in den»Besitz einer Linie gelangte, in welcher 1,232.726 fl. in Bauten angelegt waren, vermochte sie auch das Capital mit 10 bis 12% zu verzinsen. Dieses günstige Ergebnis hatte die rationelle Verwaltung, der sparsame Bau und vorzüglich der, den localen Verhältnissen sich anpassende Betrieb der Eisenbahn erzielt.

Gleichzeitig mit dem Ordnen der An- gelegenheiten der Arad-Borosjenöer [an- fänglich Arad-Körösthaler] Bahn hatte

die Direction auch den Ausbau von An- schluss-Strecken angestrebt. Um dieses Ziel zu erreichen, wurden im Jahre 1879 neuerdings technische Vorarbeiten und Studien im Körösthal in der Richtung von Borosjenö gegen Borossebes sowie westlich nach Mezöhegyes, Makö und Szegedin gemacht. Nach langem Bemühen war es der rührigen Direction gelungen, jene Grundsätze festzustellen, nach denen die Herstellung der Fortsetzung nach Borossebes und spätere Vereinigung dieser beiden Bahnen veranlasst werden konnte, ohne die Früchte der bisherigen Bemühun- gen aufs Spiel zu setzen. Die Arad- Körösthaler Bahn übernahm nämlich vertragsmässig die Verwaltung, den Be- trieb der Borosjenö-Borossebeser Bahn- linie vorerst unter Aufsicht der Gesell- schaft dieser Bahn und auf deren Kosten, bis die beabsichtigte Vereini- gung beider Unternehmungen möglich sein würde.

Erst wenn die aus dem Bau der Linie Borosjenö-Borossebes sich ergeben- den sämmtlichen Lasten und Schulden ge- tilgt wären, sollte die Gesellschaft dieser Bahn mit der Arad-Körösthaler Bahn ver- einigt und die seitens der ersteren ausge- gebenen Stammactien durch Stammactien der Arad-Körösthaler Bahn, zu ihrem No- minalwerthe gerechnet, eingetauscht wer- den. Nachdem die zum Bau nöthigen Sum- men beschafft wurden, war es möglich, die 2S km lange Strecke Borosjenö- Borossebes bereits im Herbste des Jahres 1881 dem Verkehre zu übergeben. Der Bau beHef sich auf 365,700 fl., daher 13.500 fl. pro Kilometer.

Während der Verhandlungen betreffs der Borosjenöer Linie waren auch gleich- zeitig Abmachungen betreffs der Arad- Maköer Linie zustande gekommen. Die Gesellschaft verpflichtete sich, die Vor- arbeiten für diese Strecke der unter Mit- wirkung von Boros gegründeten Arad- Csanäder Bahn mit den vom Comitat Csanäd votirten Kosten auszuführen. Die noch fehlende Bausumme sollte durch die Vermittlung der Arad-Körösthaler Bahn auf dem Credit wege beschafft und aus dem Be- triebseinkommen oder durch die Verwer- thung ihrer Werthpapiere getilgt werden. Wenn die aus dem Bau der Arad-Csanäder

. Dobiecki, Das Localb ahn wegen.

sowie der Arad-Körästhaler Bahn stammen- den Lasten und Schulden der betrefifenden

Gesellschaften schon gänzlich getilgt sein würden, sollte die Vereinigung beider Ge- sellschaften unter dem Namen »Arad-Csa- näder Eisenbahn« stattfinden. Die bis dahin ' ausgestellten Actien der beiden Gesellschaf- j ten sollten dann durch neue Actien von

Nachdem für den Bau der Linie KfitegyhAza— Kis-JenÖ ebenfalls die Concession erworben war, wurde auch dieser Theil, und zwar innerhalb sieben Monaten, erbaut. Am 28. Januar 1884 war der Bau des ganzen 181 km langen Netzes beendet.

Die Baukosten dieses ganzen Eisen'

gleichem Nominalwerttie von der ver- einigten Gesellschaft eingetauscht werden. Den umsichtigen Verfügungen der baufilhr enden Gesellschaft, die beispiels- weise einen eigenen Wald zur Schwellen- gewinnung ankaufte und Ziegel in eigener Regie brennen Hess, war es zu danken, dass der Kilometer dieser musterhaft ge- bauten Bahn nur 20.930 fl. kostete, ob- 2war mehr Verkehrsmittel angeschafft wurden als ursprünglich präliminirt waren, und die Hochbauten in solcher Zahl und Ausdehnung wie bei einer Bahn ersten Ranges ausgeführt wurden.

' bahnnetzes beliefen sich auf 4,650.000 fl.,

I für welche concessionsgemäss an Stamm-

actien im Werthe von 1,860.000 fl,, an

Prioritäten im Werthe von 2,790.000 fl.

emittirt werden konnten.

Infolge des bei der Körösthaler Bahn erreichten Resultates war das Vertrauen gegenüber der Direction ein derart hoch- gradiges, dass man neuerdings auf Grund persönhchen Credites das nüthige Geld beschafl'en konnte. Die Prioritäten wurden nicht verkauft sondern der Bedarf an Bau- materialien im Wege des offenen Credites beschafft.

35'

548

Das Eisenbahnwesen in Ungarn seit 1867.

Inzwischen hatte sich der Verkehr auf den Linien derart entwickelt, dass die Verzinsung der ausgegebenen Werthe gesichert war. Schon im Jahre 1884 hatten die mit kaum 4,000.000 fl. gebauten Linien eine Brutto-Einnahme von mehr als 500.000 fl., und ein Reinerträgnis von nahezu 250.000 fl. geliefert.

Nachdem der Fusion der Gesellschaften nun nichts mehr im Wege stand, so ver- einigten sie sich auch in finanzieller Hin- sicht Ende August 1886.

Im Jahre 1887 wurde die 22 km lange Linie Szent Anna Kis-Jenö gebaut; im Jahre 1888 dagegen die 13-6 km lange Industriebahn Borosjenö - Csermö umgestaltet; endlich im Jahre 1889/90 aus dem Vermögenszuwachs die frühere Bahnlinie Arad-Borossebes bis Jöszäshely verlängert.

Die Baukosten und die Kosten der enormen Investitionen sämmtlicher Li- nien der Arad-Csanäder Eisenbahnen be- trugen bei einer Baulänge von 3 15*6 ^w bis Ende des Jahres 1890 8,043.136 fl. 23 kr.

Die Wohlhabenheit der Arad-Csanä- der Bahn ist die Folge der glücklichen Betriebsergebnisse. Die günstige Ge- staltung der Betriebs Verhältnisse hat je- doch nicht der Zufall erzeugt, sondern sie ist das Ergebnis eines wohlbe- dachten, vom Augenblick der Gründung der Eisenbahn angefangen mit streng- ster Consequenz fortgesetzten ziel- bewussten Wirkens.

Die Bahn stand nicht als Fremdling, nicht als irgend ein nutzenhaschendes, gesellschaftliches Unternehmen da, son- dern als eine Institution, welche durch die Bewohner der Gegend, vorzüglich aber durch die Mitwirkung der Intelli- genz zu Stande gekommen ist. Das allgemeine Interesse hatte die Idee für die Bahn erzeugt und im Dienste des allge- meinen Interesses stand auch die Bahn.

Das auf den Bau verwendete Capital war eine entsprechend nutzbringende An- lage für die ökonomischen Interessen der Gegend. Als solche betrachtete sie auch die Direction, daher bestrebte sie sich auch in Allem, die Interessen der Bahn mit denen der Gegend zu vereinen und diese Interessensolidarität zwischen ihr und der Gegend haben das

schönste Zusammenwirken zur Folge ge- habt. An dem tüchtigen Bestreben der Eisenbahn haben auch die Interessenten der ganzen Gegend Theil genommen, da- gegen hat die Bahn mit bereitwilligem Zuvorkommen Alles angewendet, w^as mit der Sicherheit des Verkehres vereinbar war, damit sie den Wünschen des Pu- blicums genügen könne.

Nebst alldem trat sie auch in die Reihe der Producenten ein, begann und betrieb Industrie-Unternehmungen und mit dem Ueberschuss ihrer Einnahmen ent- wickelte sie innerhalb der Grenzen des Comitates Industrie, und hob die Wohl- fahrt der Einwohner.

Diesen erhebenden Thatsachen gegen- über bemerkt B^ni von Boros in charak- teristischer Einfachheit im Directions-Be- richte vom Jahre 1877 : »Wie wir gesehen haben, beanspruchte das Inslebentreten und die Gründung der Eisenbahn-Gesellschaft im Allgemeinen keine ausserordentlichen Mittel, sondern im Gegentheil sie wurde auf solch einfacher Basis und natürli- chem Wege bewirkt, wie solche in unse- rem Vaterlande noch in vielen anderen Gegenden ohne jede Schwierigkeit ge- funden werden können.«

Durchdrungen von der Nothwendig- keit der raschen und sicheren Communi- cation, bildete sich zu gleicher Zeit auch im Comitate Szolnok-Doboka eine kleine Gruppe von Interessenten, die längs dem Szamosflusse von Klausenburg aus- gehend bis Szatmär eine Eisenbahn bauen wollte. Nachdem auf eine ausgiebige Hilfe von Seite des Staates keine Aus- sicht vorhanden war, wurde im Jahre 1868 der Bau einer Pferde-Eisen- bahn projectirt

Die Erfolge im Arader Comitate ent- schieden jedoch für den Bau einer billi- gen Eisenbahn mit Dampfbetrieb und der hingebenden Thätigkeit einer kleinen Gruppe unter Leitung des Obergespans, dem dermaligen ungarischen Minister- präsidenten Desiderius Freiherm von Bänffy gelang es endlich, im Jahre 1878 die Interessenten zu vereinigen.

Es wurde vor Allem der Ausbau der 46*6 km langen Linie A p a h i d a- De^s mit einem Kostenaufwande von

Alexander v. Dobiecki, Das Localbahnwesen.

549

17.000 fl. pro Kilometer in Aussicht ge- nommen. Zur Deckung der Kosten subscri- birten die Interessenten 442 Stück Actien im Werthe von 221.000 fl. ; die ärarischen Werke übernahmen die Lieferung des Schienenmateriales und erhielten als Ge- genwerth 300.000 fl. in Stammactien. Somit waren 521.000 fl. der Bausumme gesichert. Auf Grund des Gesetzartikels XXXII wurde die Concession am 13. Juni 1880 ertheilt. Am i. Juli 1880 wurde die constituirende Versammlung der »Szamosthalbahn« [Szamosvöl- gyi vasut] abgehalten, Freiherr von Bänffy zum Präsidenten und Sigis- mund P^terfi zum leitenden Ober-In- genieur gewählt.

Am 5. Juli 1880 wurde der Bau be- gonnen und am 15. September 1881 die Strecke dem Verkehre übergeben. Im Jahre 1882 wurde die Abzweigung zu den Salinen De^sakna [2*9 km] ausgebaut.

Auf Grund der mit dem Gesetzartikel XXIV vom Jahre 1884 ertheilten Con- cession wurde die Szamosthalbahn im Jahre 1885 von der Station De 6s aus- gehend bis Bistritz verlängert, wo- durch die Betriebslänge dieser Bahn im Jahre 1886 auf iio km anwuchs.

Endlich wurde mit dem Gesetzartikel XI vom Jahre 1889 die Concession für den Bau der De6s-Zilaher Linie ertheilt, und so erreichte diese Bahn mit Ende des Jahres 1890 eine Länge von 209 km.

Die Schilderung aller Misslichkeiten, die diese Unternehmung verfoli^ten, würde zu weit führen. Es sei hier nur erwähnt, dass die Interessenten weniger be- mittelt, als jene bei der Arad-Csanader Bahn ihren Verpflichtungen nicht ent- sprechen konnten.

Die mangelhafte Berechnung, auf Grund deren die Einzahlungs-Modalitäten bestimmt waren, die, durch verfehlt be- stimmte Hochwasser - Goten bedingten Aenderungen der Bahnanlagen und An- deres mehr drängten die Verwaltung zur Belastung des Unternehmens mit schwe- benden Schulden ; erst durch den Gesetz- artikel XIII vom Jahre 1894 konnten die misslichen Verhältnisse dieses Unter- nehmens geordnet werden.

Beide vorhin erwähnten Bahnen sind gleich den Hauptbahnen auf Grund der am 20. April 1868, sub Zahl 4973, er- lassenen, vom Reichstag genehmigten Mini- sterial- Verordnung concessionirt worden.*)

Das ungestüme Drängen aller Comitate um billige Eisenbahnen bestimmten endlich die Regierung, den Bau solcher Bahnen durch ein einheitliches Gesetz zu ordnen.

Seine Majestät sanctionirte am 13. Juni 1880 den Gesetz artikel XXXI über Localb ahnen.*)

Der Hauptzweck dieses Gesetzes war, den raschen Ausbau der billigen, so- genannten Localbahnen bei voller Wahrung der Staatsrechte und ohne grössere Belastung des Staates zu ermöglichen. Eine directe materielle Unterstützung wurde nicht ge- boten, dagegen waren indirecte Begünsti- gungen reichlich zugestanden.

Die wichtigsten Bestimmungen dieses Gesetzes sind folgende:

Der Staat kann während der Con- cessionsdauer sein Einlösungsrecht nur in dem Falle geltend machen, wenn eine solche Hauptlinie zustande kommt, welche dieselbe Richtung verfolgt, wie die con- cessionirte Vicinalbahn.

Der Einlösungspreis kann nicht ge- ringer als das Baucapital sein.

Betreffs des Baues, der Ausrüstung und des Betriebes können alle Erleichte- rungen und Begünstigungen gewährt werden, welche die Betriebssicherheit gestattet.

Die Vicinalbahnen sind befreit von:

a) der Herstellung des Betriebstele- graphen, insolange als auf ihren Linien keine Zugskreuzungen vorkommen oder der Nachtdienst nicht eingeführt wird;

b) von der unentgeltlichen Beförderung der Post;

c) von der Einführung täglich regel- mässig verkehrender Züge, und

dj von der Zahlung der für Staats- aufsicht entfallenden Gebühren.

Den Vicinalbahnen ist zugesichert: a) die Befreiung von Stempel und Gebühren betreff's aller während der Bauzeit vorkommenden Geschäfte;

*) Vjrl. Bd. III, Dr. K. v. Neu mann: Eisenbahn-Gesetzgebung in Ungarn.

550

Das Eisenbahnwesen in Ungarn seit 1867.

b) vollständige Steuerfreiheit auf 30 Jahre vom Datum der Concessions- Urkunde gerechnet, mit der kaum nennens- werthen Beschränkung, dass die Steuer- freiheit nach zehn Jahren vom Datum der Concession erlischt, sobald, und zwar nach Einstellung des Steuer- betrages in die Betriebsrech- nung, das Netto-Einkommen der Unter- nehmung höher als 6% der genehmigten Bausumme wird.

Eine Frachtsteuer wird vom Tage der Concession an gerechnet, durch zehn Jahre nicht eingehoben.

Namhafte und weitwirkende Ver- fflgimgen sind die folgenden:

»Wenn bei dem Bau derartiger Bahnen die ärarischen sowie die in staatlicher Verwaltung befindlicheiv Fondsgüter inter- essirt sind, so sind diese verpflichtet, zu den Baukosten beizutragen.

Für die dem ungarischen Staate ge- hörigen Eisenbahnen besteht die Ver- pflichtung, für die in ihre Linien ein- mündenden Vicinalbahnen :

a) den Dienst in den gemeinschaftlich benützten Bahnhöfen gegen den Ersatz der aufgelaufenen Kosten zu versehen ;

b) auf Wunsch den Betrieb dieser Bahnen ebenfalls gegen Vergütung der auflaufenden Kosten zu leiten;

c) das für diese Bahnen nothwendige Baumaterial zum Selbstkostenpreis zu verfrachten.

Die Beitragsleistungen der interessirten Gemeinden und Behörden sind ebenfalls vorgezeichnet. Die Gemeinden sind er- mächtigt, auf zehn Jahre sich erstreckende Zinsensicherstellung oder anderweitige Garantien zu übernehmen. Es steht den Gemeinden frei, für die ihrerseits nach Belieben zu •wählenden Leistungen an die Bahn Geschäftstitres zu übernehmen und zu diesem Zwecke Anleihen zu machen. Auf ihr Verlangen kann, mit Zustimmung der, Interessenten, die Con- cessions-Urkunde bestimmen, dass die fälligen Beträge der in solcher Weise übernommenen Verpflichtungen durch die politische Behörde eingetrieben werden.

Den Behörden steht das Recht zu, den Bau der Bahn mit Hilfe eines Theiles der öffentlichen Arbeiten oder ' aus deren Ablösungsgeldern zu unter-

stützen.*) Die erstere Art der Unterstützung kann in natura auf drei Jahre hin, die letztere in maximum auf zehn Jahre im Vorhinein zugesichert werden.

Eine wichtige Begünstigung liegt in dem Rechte solcher ßahnen, den für den Wagenverkehr nicht imbedingt noth- wendigen Theil der öffentlichen Strassen sowie die Uferregulirungsdämme für Zwecke der Bahn in Beschlag zu nehmen.

Die Maximalhöhe der Transport- und Frachtengebühren wird in derConcessions- Urkunde festgestellt.

Den finanziellen Theil betreffend, wurde bestimmt, dass die Gesellschaft s i c h n u r dann constituiren und ihre Statuten nur dann in das Handelsregister aufnehmen lassen könne, wenn mindestens 30 ^/^ der Stammactien eingezahlt, oder wenn durch die pfandrechtliche Intabulation, oder aber durch die Gemeinden und Behörden die in gesetzlicher Weise übernommenen Ver- pflichtungen gedeckt erscheinen. Ebenso können die in der Concessions-Urkunde und den Statuten bestimmten Titres nur dann emittirt, und die Bewilligung zum Baubeginn darf nur dann gegeben werden, wenn 30^/q der Stammactien eingezahlt sind.

Prioritäts-Pfandbriefe dürfen nur in dem Falle ausgegeben werden, wenn deren Verzinsung und Tilgung durch die interessirten Grundeigen- thümer garantirt erscheint.

Die Prioritäts - Pfandbriefe dürfen nur höchstens ^5 des in der Concessions-Urkunde bestimmten Stamm- capitals betragen.

Die Prioritäts-Actien und -Pfandbriefe dürfen zusammen '/g des in der Con- cessions - Urkunde bestimmten Stamm- capitals nicht überschreiten.

Nachdem die während des hastig be- triebenen Baues gewonnenen Erfahrungen die Erweiterung und Modification eines

*) In Ungarn sind die Bewohner ver- pflichtet, je nach der Anzahl der in ihrem Besitze befindlichen Gespanne, bei Strassen- bauten Fuhr\verke beizustellen ; jene die keine Fuhrwerke besitzen, haben als Handlanger mitzuhelfen. Diese Verpflichtungen können durch Geld abgelöst werden. Aus den so ent- stehenden »Fonds für öffentliche Arbeiten« werden auch Vicinalbahnen unterstützt

. Dobiecki, Das Localbahnwesen.

Theiles des Gesetzes vom Jahre 1880 nothwendig erscheinen Hessen, wurde der durch den königlich ungarischen Minister für öffentliche Arbeiten und Communica- tionen, Gabriel von Baross, eingebrachte, die Modification und die Erweite- rung des XXXI. Gesetzartikels vom Jahre 1880 betreffende Entwurf durch den IV. Artikel vom Jahre 1888 zum Gesetz erhoben. Hier wurde schon die directe finanzielle Unterstützung mit- aufgenommen. Im Sinne dieses Gesetzes

sobald die Legislative die betreffende Vicinalbahn als Hauptbahn erklärt.

Das Einlösungsrecht des Staates kann nach Verlauf von 30 Jahren, vom Zeit- punkte der Concessions-Ertheilung, un- bedingt geltend gemacht werden. Der Einlösungspreis ist in diesem Falle nicht durch das Capital, sondern während der noch übrigen Concessionsdauer in Jahres- renten zu zahlen, welche nicht weniger 3ls s"/,, vom Baucapitale betragen dürfen. In derConcessions-Urkunde einer Vicinal-

I. I«e. Slutlon TltioUi

concessionirt der Reichstag auch jene Vi- cinalbahnen, welche direct zur Landes- grenze fuhren, oder welche irgend eine Bahn mit einer mit Dampfschiffen fahrenen Wasserstrasse direct verbinden. Das Gesetz erweiterte das Einlösungs- recht des Staates. Das sofortige Einlösungs- recht des Staates kommt auch dann Geltung, wenn die Vicinalbahn nachträglich eine solche Verbindung gewinnt, welche ihr den Charakter einer Verbindun^s- oder Durchgangsbahn gibt. Betreffs jener Bahnen, die als Vicinalbahnen con- cessionirt sind, obwohl ihre Linien schon zur Zeit der Concessions-Ertheilung in einer verbindenden, durchgehenden oder Haupt Verkehrs- Richtung lagen, tritt das Einiösungsrecht des Staates sofort ein.

bahn, welche irgend einer Privateisen- bahn-Gesellschaft zum Anschluss an ihre Linien ertheilt wird, ist stets zu bedingen, dass die Vicinalbahn mit den übrigen Linien der Gesellschaft gleichzeitig ein- gelöst wird.

Zur Erleichterung wurde angenommen, dass die auf die Bauausrüstung und den Betrieb bezughabenden Reglements und Normalien durch den Communications- .Minister im Verordnungswege bestimmt werden.

DieVicinalbahnen sind von der Zahlung mehrerer Abgaben befreit, namentlich von den Gefälls- und den für die polizeiliche Oberaufsicht entfallenden Gebühren, wie auch von den Beiträgen zu den Kosten der Wasserregulirungs-Genossenschaften.

552

Das Eisenbahnwesen in Ungarn seit 1867.

Der Gesetzartikel IV vom Jahre 1888 bestimmt weiter die Bedingungen für die Postbeförderung, regelt und bestimmt das Mass des hiefür zu leistenden Staatsbei- trages, die Zeit und die Fälle der Stempelfreiheit.

Eitler seiner wesentlichsten Abschnitte ist jener, welcher sich auf die Verpflichtung der Betriebsübernahme bezieht. Diese Ver- pflichtung wird auch auf die garantirten Privatbahnen ausgedehnt.

Um die Interessenten zu grösseren Beiträgen zu veranlassen, wurde anderer- seits ausgesprochen, dass der Communi- cations - Minister die Uebemahme solcher Vicinalbahnen in den Staatsbetrieb ver- weigern könne, zu deren Herstellung die Parteien weniger als 25®/q der facti- schen Baukosten beigetragen haben. Dagegen hat der genannte Minister aus allgemeinen Verkehrsrücksichten wäh- rend der Concessionsdauer das Recht, von solchen Vicinalbahnen, welche an die Staatsbahnen oder an eine die Staatsgarantie geniessende Eisenbahn anschliessen, zu fordern, dass sie den Betrieb den anschliessenden Staats- bahnen, beziehungsweise den eine Staats- garantie geniessenden Bahnen über- geben.

Zur Unterstützung der Vicinalbahnen wird denselben bei Beschaffung der Schie- nen, mechanischen Ausrüstung und der Lo- comotiven in Diösgyör und bei der Ma- schinenfabrik der Ungarischen Staats- bahnen ein beschränkter Credit eingeräumt.

Eine bedeutungsvolle Bestimmung ver- fügt, dass der Staat jährlich mit 300.000 fl., [derzeit 5CX).(XX) fl.], die Vicinalbahnen direct unterstützen kann. EineVici- nalbahn kann jedoch aus dieser Summe mit nicht mehr als dem zehnten Theil des factischen Baucapitals unterstützt werden.

Die Gesellschaft ist verpflichtet, dem Staate sowie den Behörden und Gemeinden ä conto der Beträge Actien auszufolgen. Wenn jedoch keine Actien - Gesellschaft gegründet wird, so participirt der Staat und die Behörden etc., an dem Reinerträgnisse in dem Verhältnisse, in welchem ihre Beiträge zu den factischen Baukosten stehen. Von diesem Antheile kann jedoch das Ministerium in Ausnahms- fällen auch absehen.

Jene Bestimmung, nach welcher die Baubewilligung nur dann ertheilt werden kann, wenn 30^0 der Stammactien in Baarem eingezahlt sind, wurde ausser Kraft gesetzt ; dem Minister für öffentliche Arbeiten und Communication ist das Recht vorbehalten, vor Ertheilung der Baubewillig^ng die Unterbreitung des Bauvertrages zu fordern oder sich in an- derer entsprechender Weise die Ueber- zeugung darüber zu verschaffen, dass der Concessionär alle nöthigen Ver- fügungen getroffen hat, um den Bau ohne Anstand fortsetzen zu können.

Das Verhältnis der Titres und die Art ihrer Deckung wurde nach denselben Hauptprincipien, welche im Gesetzartikel vom Jahre 1880 festgestellt waren, ge- regelt. Ferner wurde bestimmt, dass ohne Sicherstellung der Verzinsung und der Tilgung nur eine solche Anleihe auf- genommen und nur derartige Obliga- tionen ausgestellt werden können, in welchen klar bedungen ist, dass der Be- stand der Bahn und ihre Anlagen keine Deckung der Anleihe bilden; dass der Gläubiger oder Obligations-Besitzer weder auf den Bahnbestand noch auf ihre An- lagen, ein Pfandrecht jemals erwerben kann und dass er im Falle gerichtlicher Geltendmachung seiner Forderungen auch nicht berechtigt sei, die Execution auf den Bahnbestand und ihre Anlagen zu erheben, sondern seine Ansprüche ledig- lich auf das Einkommen der Bahn executi v geltend machen kann.

Auf die Bahn und ihre Anlagen können intabulationsfähige, schwebende Anleihen nur mit Bewilligung des Ministers für öffentliche Arbeiten und Communi- cation aufgenommen werden, und nur unter der Bedingung, dass die schwebenden Schulden vor Ablauf der Concessions- dauer unbedingt getilgt werden.

Eine weitere Erleichterung wurde in der Vereinfachung des Cgncessions- Ver- fahrens gewährt, besonders bei Einreich ung der Pläne, auf Grund deren die politischen Begehungen abgehalten werden sollen.

Schon auf Grund der Achtziger- Gesetze hatte sich eine erhöhte Bau- thätigkeit entfaltet.

Alexander v. Dobiecki, Das Localbahnwesen.

Die Einsicht, dass nur eine sichere und rasche Beförderung die Verwerthung der Lande sproducte zu heben vermöge, hatte zur Folge, dass besonders dort, wo keine Wasserwege vorhanden waren, Alles die Errichtung billiger Eisenbahnen anstrebte.

Tausende von Vorconcessionen wur- den ertheilt.

Auf Grundlage dieser Projecte waren mit Ende des Jahres 1896 6344739 *»• Localbahnen ausgebaut ; die gesammte Baulänge der ungarischen Bahnen betrug 14.878-223 km.

{ sind, waren nie bindend. Die Folge war, dass beispielsweise die transitirende

Bahn Nagyszeben [Hermannstadt]-Rumä- ' nische Landesgrenze bei Vöröstorony [Rothenthurmpass], die Anschlussbahn Holics-Göding, die Kohlenbahn PetrosSny- Lupäny, die Zahnradbahn zum Csorbasee in der Tatra, die Industriebahn Beliscse- Miholäcz mit i o tn Spurweite gleich der als Montanbahn erbauten, jedoch in das Netz der Ungarischen Staatsbahnen ein- bezogenen schmalspurigen Linie Garam- berzencze - Szelmeczbänya [Schemnitz]

Das Concessions-Verfahren war ein- geleitet bei 4S57 km Localbahnen. Hie- von wurde bei 4277"8 km Bahnen schon die politische Begehung abgehalten.

Nachdem die gesetzlichen Bestimmun- gen in technischer Hinsicht die freie Ent- wicklung nicht hindern und die strenge De- finition des BL'griffes >LocaIbahn< überall j wohlweislich vermieden wurde, konnte auf j Grund dieser einheitlichen gesetzlichen . Verfügungen den verschiedensten sowohl I volkswirthschaftlichen als technischen Anforderungen entsprochen werden. [

Die vagen technischen Bestimmungen, | die in den ministeriellen Verordnungen I vom Jahre 1889, Zahl 7635, enthalten ,

[vgl. Abb. 167], die schmalspurigen Mära- maroser Salzbahnen mit 076 wi Spurweite u. s. w. als Localbahnen gebaut wurden.

Von den mit Schluss 1896 ausge- bauten Localbahnen sind

normalspurig 6025-41 km

schmalspurig [ro m] . . 101-282 . [076 m] . . 171 673 gemischtes System mit Zahn- radbahn 46-374

Aus Obigem ist zu ersehen, dass so- gar Gebirgsbahnen als Localbahnen ge- baut wurden; so die Bahn Tiszolcz- Erdöküz-Zölyombrezö [vgl. Abb. 168—172], wovon 26*543 km als Thal- bahn, 15 777AfMmitderZahnradbahncom-

Das Eisenbahnwesen in Ungarn seit 1867.

Abb. I7D. Leboenbau auf der I

binirt sind [Maschinen-System Abt] und deren efTective Bausumme im Durch- schnitte pro Kilometer 74.906 fl. betrug.

Dem gegenüber stehen die billigeren Thalbahnen wie die normalspurige [für lOi Achsendnjck] 2i'i km lange Vi ein al- bahn Borossebes-Menyhäza, erbaut im Jahre 1893, mit den affectiven Bau- kosten von 15.610 fl. pro Kilometer.

Ausserdem sei als Beispiel besonderer BaufUhrung die der Szamosthalbahn ge- hörige, im Jahre i890erbaute g$-gkm lange Linie Dees-Zilah wegen ihrer besonderen Bauschwierigkeiten, steinernen Schutz- bauten und schönen Eisen brücken erwähnt.

Leider wurde das glänzende Bei- spiel der Arad-Csa nader Bahn nicht bei allen Localb ahnbauten befolgt.

Eine rühmenswerthe Ausnahme bildet die Bahn Szatmär - N ag y bdny a [vgl. Abb. 173], deren Bauleiter, In- genieur Fritz Müller, ein Muster der Einfachheit einer solchen Bahn schuf. Die ersten Anlagekosten dieser 56" i km langen Bahn betrugen im Jahre 1881 pro Kilometer 17.794 A- [cffectiv]. Die Stationsgebäude sind einfach, meistens nur Lehmbau, Wächterhäuser wurden nicht gebaut, sondern nur Hütten, femer waren nur Holzbrücken angelegt; das Schienen- profil [i8*i kg] war 8 m lang, die

calbatan Z61yombreiä-TliioICE.

Schwellenaustheilung fUr B'S t Achsdruck, die Schwellen waren zum grossen Theile Prügelholz.

Mit stetigem, wenn auch geringem Aufwände sind nun die meisten Gebäude in Ziegelbau umgestaltet und die Brücken- köpfe aufge mauert worden. Die Aus- wechslung der leichten Schienen mit 9 «1 langen und 236 A^- schweren Stahl- schienen ist eingeleitet, fämmtllche Schwellen sind durch imprägnirte Schwel- len ersetzt worden, mehr als 60OO fl. wurden für Ufers c hutzhauten verwendet, so dass diese Bahn nunmehr auch als solid gebaut betrachtet werden kann.

Als eine trotz der grossen Arbeiten billig gebaute Bahn ist auch die unter der treff^lichen Leitung des Ingenieurs Karl von Szahlender im Jahre 1884 erbaute Nagyvärad-BelSnyeser Localbahn zu erwähnen.

Alle anderen Bahnen, besonders die den Ungarischen Staatsbahnen gehörigen, sind von allem Anfange an solid ange- legt worden.

Die freie Bewegung, die die gesetz- lichen Bestimmungen zuUessen, wurden jedoch durch die seh ab Ion massige Be- handlung der technischen Aufgaben be- einträchtigt, und zwar war dies eine Folge der als Begünstigung hingestellten Ver-

Alexander v. Dobiecki, Das Localbahnwesen.

fUgung, dass der Betrieb von den Staats- bahn en abemommen werde.

Die Staatsbahn- Verwaltung ist ge- zwungen, auf die möglichste Einheitlich- keit zu dringen sowohl in den rein tech- nischen als auch in den Betriebsein- richtungen. Mit S c h 1 u s s des Jahres 1 896 wurden 486o'6 km, also beiläufig So^/^ sämmtlicher Localb ahnen in Ungarn durch die Ungarischen Staatsbahnen ver- waltet. Die Localbahnen werden somit meistens dem Verkehrsbedarf der Staats-

Betrieh, deren efFective Anlagekosten 217,828.370 fl-, pro Kilometer 34.333 fl. betrugen.

Hiezu hatte der Staat 2g6, die Muni- cipien 1 8:6 und die Gemeinden und Private 273 Millionen Gulden beigetragen.

In Verwaltung der Ungarischen Staats bahnen standen im Jahre 1896 82 Localbahnen, hieyon zehn fUr eigene Rechnung und siebzig auf Grund des sogenannten Normal Vertrages und zwei auf Rechnung des Besitzers ; elf Local-

Abb. 171. CaerloTa-VtaducC. [Loc

bahnen passend angelegt, die, wie gesagt, [ gezwungen sind, ein, ihrem Status an- ! gehöriges somit einer gleich massigen Behandlung unterworfenes ständiges Personale anzustellen, und die einheit- liche Gebarung sowohl im Bahnerhal- tungs- als im Verkehrs- und commer- ziellen Dienste anzustreben, umsomehr als die Aufsichtsbehörde sowie das Publicum mit bedeutend grösseren An- forderungen an die SCaatsbahnen heran- treten, als an eine kleine Localbahn-Ver- waltung.

Zu Ende des Jahres 1896 standen in Ungarn, wie aus der nachstehenden Zu- sammenstellung [Seite 556] ersichtlich, 170 Localbahnen in einer Baulänge von 63137 km [vgl. beiliegende Karte] in

bahnen verwalteten Privat -Hauptbahnen und zwar zwei die SUdbahn, acht die Kaschau - Oderberger, eine die Kaiser Ferdinands-Nord bahn; zwei Localbahnen wurden von anderen Localbahnen ver- waltet, und zwar -eine von der Arad- Csanäder, eine von der Budapester Localbahn; in eigener Verwaltung standen nur zwölf Localbahnen.

Nach den Bestimmungen der ersten sogenannten Normal vertrage versah die Staatsbahn den ganzen Betriebsdienst nach Einheitspreisen mit ihrem eigenen Personale und Materiale.

Die Kosten der nachträglich zu er- bauenden Baulichkeiten, neuer Einrich- tungen und neu anzuschaffender Inventar- Gegenstände falten der Localbahn zur Last.

556

Das Eisenbahnwesen in Ungarn seit 1867.

Uebersicht der Localbahnen in Ungarn, [Stand i8g6J

Localbahn

Bau- länge

A. Eigenthiim der Königlich Ungarischen Staatsbahnen.

F6legyhäza-Csongräd

Garam-Ipolyvölgy

Morvavölgy

Perjämos-Varjas

R^tszilas-Szegszdrd

248 II2-5

85-5

7*5

551

Summe 1 285*4

B. In Verwaltung auf Kosten der Königlich Ungarischen Staats- 1

bahnen.

Bänr^ve-Ozd

Beszterczebänya-Zölyombrezö .

Csäktomya-Zägräb

Piski-Vajdahunyad

Pusztaföldvär-B6k6s

125

34'3

II5'5

15*0

7-8

Summe

C. In Verwaltung der Königlich Ungarischen Staats- bahnen laut Normalvertrages.

Alvincz-Nagyszeben-Vöröstorony . .

Bäcs-Bodrogvärmegye

Baja-Zombor-Ujvidek

Balatonszentgyörgy-Somogyszob . .

B^k^s-Csanäd

B^k^svärmegye

Bihar

Boldvavölgy . . . i

Brassö-Häromszek

Budapest-Esztergom

Budapest-Lajosmizse

Csetnekvölgy

Debreczen-Derccske-Nagyl^ta . . .

Debreczen-Füzesabony

Debreczen-Hajdunänäs

Dunäntul

Esztergom-AlmäsfüzitÖ

Feh^r- ^s Tolnavärmegye

185-1

316 1081

M33

585

810

486

132-2

57*5

I02'0 42-8

634 24-1

386 132-9

2948

500

1052

Uebertrag 1570*9

Localbahn

Bau- länge

Uebertrag

Felek-Fogaras ' .

Garamberzencze-L^va

Gy6r-Veszpr6m-Dombovir . . . .

Gyulafehörvär-Zalatna

Hegyesfeketehegy-Palänka . . . . H6jasfalva-Sz6kelyudvarhely . . .

Hidegkut-Tamäsi

Kapos vär-Fonyod .*

Kaposvär-Mocsoläd

Karczag-Tiszafüred

Kassa-Toma

Kecskem^t-Fülöpszälläs

Kecskem^t-Tiszaugh

Kisujszälläs-Devavänya-Gyoma, . . Komärom-Dunaszerdahely . . . .

Körös-Belovär

Kunszentmärton-Szentes

Magyar-ddlkeleti

Marosludas-Besztercze

Marosväsärhely-Szäszrdgen . . . .

Mätrai

Mezötur-Turkeve

Muränyvölgy

Nagybelicz-Privigye

Nagyszeben-Nagydisznöd

Nagy värad-Bel6nyes-Vasköh . . . .

Nogrädvärmegye

Nyiregyhäza-Mät6szalka ....

Pancsova-Petrovoszelö

Päpa-Gsorna .

Petrozs6ny-Lup6ny

Pozsony-Dunaszerdahely .... Puszatatenyö'-Kunszentmärton . . .

Kuma-Vrdnik

Somogyszob-Barcs

Szentes-Hödmezöväsärhely . . . . Szentlö'rincz-Szlatina-Nasic . . . .

Szilägysäg

Szlavonia

Szombathely-Pinkafö

Szombathely-Ruma

Taraczvölgy

Temesvär-Buziäs

Temesvär-Nagyszentmiklös . . . . Tiszapolgär-Nyiregyhäza

15709

520

65-6

186-7

43*0

55-1 356 12*4

53-8 258

436 550 380 301 450

53*3

323 222

44 3 92-2

. 325

1317 152 41*2 286

59 117-2

II 1-2 569

31*4

35*5 181

435

347

17-5

45*9

345 926

107-5 1203

52-2

2ro

323 30*6

611

469

Uebertrag ,3922-91

Alexander v. Dobiecki, Das Localbahnwesen.

557

Localbahn

Bau- länge

Uebertrag

Ujszäsz-Jäszapäti

Varasd-Golubovecz

Versecz-Kubin

Vinkovcze-Brdka

Zölyombrezö-Breznöbänya-Tiszolcz .

Zsebely-Csakovär

Zsitvavölgy

Summe

C. In Verwaltung der Königlich Ungarischen Staats- bahnen auf Rechnung der Ge- sellschaft.

Nagykikinda-Nagybecskerek . . . . Szatmär-Nagybänya

39229

315 367 845 530 427 47-6

445

Localbahn

Bau- länge

Uebertrag

42634

ja

- 2-0

9 «3 cd

. »

Löcsevölgy

Nagylomnicz-Tätralomnicz .

Poprädvölgy

Szepesb61a-PodoHn . . . Szepesolaszi-Szepesväralya

Borossebes-Menyhäza [ Haraszt-Rdczkeve } ^B^ila^llotiähll*

HolicS-Göding , . } Ju« FfrT-NorSb. i

Verwaltet durch

die Arad-Csani-

der Bahn

187-6 12-6

91 13-2 II-2

94

21*1

27*5 34

705 562

Summe

D. In Verwaltung von Privat- bahnen.

Barcs-Päkräcz Köszeg-Szombathely

Verwaltet durch die SUdbahn

1

:hely . J Csorbatö [Zahnradbahn] ] J„\',Vdi'e

Gölniczvölgy \ Kaachau-

K6smärk-Szepesb6la . . j Bahn

1267

1237 171

4-8

33*4 8-6

Uebertrag 187-6

Summe

£. Localbahnen in eigener Ver- waltung.

Arad-Csanäd

Belisce-Noskovce [Schmalspur] . . .

Budapester Localbahn

Budapest SzentlÖrincz [Schmalspur].

Eperjes-Bdrtfa

Keszthely-Balatonszentgyörgy . . .

Märamaros [Schmalspur]

Nagykäroly Somkut

Szamosvölgy

T6rr6t-Koväszna [Schmalspur] . .

Torontäl

Ungvölgy .• . . .

295-1

3797

58-3 41-8

8-9

451 9-8

58-5

84-9 2093

5-8

214*0

41-9

Summe 11 1580

Zusammen 6313-7

In allen Streitfragen entscheidet der Minister.

In den Normalverträgen werden fest- gestellt: die vis major-Fälle, die tarifari- schen Bestimmungen, Theilung der Ein- nahmen, Pachtzins für das rollende Material, Präcisirung jener Regiemäte- rialien, welche die Staatsbahnen unent- geltlich verfrachten dürfen, etc.

Nachdem jedoch sowohl die tarifari- schen Verfügungen als auch die vis major- Fälle Streitfragen herbeiführten, sind nun- mehr die Normalverträge auf 50pro- centige Theilung basirt.

Laut diesem neuen Normal- Vertrage werden von den bei der Localbahn ein- fliessenden und nach Ausscheidung der ärarischen Stempelgebühren sowie der

eventuellen Frachtsteuer zur Verbuchung gelangenden Transport-Einnahmen die Manipulations-Gebühren auch inbegriffen die ä conto Postbeforderung und Wagenbenützung zu zahlenden Gebühren zu Gunsten der Ungarischen Staatsbahnen vorerst in Abzug gebracht ; von der so erhaltenen rohen Einnahmssumme ge- bühren 50% der Actien-Gesellschaft, 50^0 dagegen als Entschädigung für die Kosten des Betriebes den betriebsführenden Unga- rischen Staatsbahnen.

Die Localbahn-Actien- Gesellschaft ist verpflichtet, die Kosten jener Schäden, welche durch Krieg, Aufwiegelung und Erdbeben infolge von vis major-Fällen auf der Bahn und ihren Zugehörigkeiten verursacht werden, aus Eigenem zu

SS8

Das Ei senbaho Wesen in Ungarn seit 1867.

tragen ; dagegen belasten die aus sonsti- gen vis major-Fällen erwachsenden, be- sonders die Kosten der Schäden in- folge von Elementarereignissen die Un- garischen Staatsbahnen insolange, bis die unter diesem Titel während eines Jahres auflaufenden Kosten a'/i^/n der Tran Sport- Einnahmen" [einschliesslich der Manipulations - Gebühren] nicht über- schreiten.

Sollten diese Kosten a'/tVo ^^"^ Trans- port-Einnahmen überschreiten, so ist die Localbahn verpflichtet, den Mehrbetrag aus Eigenem zu decken.

kehr von Stationen der Localbahn mit Stationen der Ungarischen Staatsbahnen die Tarifsätze nicht durchgehend, son- dern mit Unterbrechung in den betref- fenden Uebergangsstationen für die Localbahn und die Strecke der Staats- bahnen getrennt in Rechnung gebracht werden.

Bei der Aufstellung von directen Frachtsätzen für den Frachten verkehr von Stationen der Localbahn mit den Stationen der Ungarischen Staats- bahnen wird iüT beide Bahnlinien die Hälfte der gewöhnlichen Manipulations-

n ZÜI70D

iü-Ti>tole».J

Die Localbahn kann gegen die Auf- rechnungen der Ungarischen Staatsbahnen reclamiren, imterwirft sich jedoch un- bedingt der Entscheidung des Handels- ministers, und zwar ebenso was die Ver- rechnung anbelangt als auch in jenen Fragen, die sich auf die Feststellung des »vis major<-Fatles beziehen; gleichzeitig verzichtet sie darauf, dass die Frage sowohl für die Feststellung des »vis major« -Falles als auch diejenige der Tragung der hiedurch verursachten Kosten auf den gerichtlichen Weg geleitet werde.

Die Localbahn überträgt die unbe- schränkte Ausübung des Rechtes der Ta- rifbestimmung der Direction der Ungari- schen Staatsbahnen, respective dem Staate.

Die Tarifsätze der Ungarischen Staats- bahnen erstrecken sich auch auf die Local- bahn, jedoch in der Weise, dass im Ver-

GebUhr, daher zusammen nur eine Manipulations-Gebühr, aufgerechn et.

Der Quotenantheil der aufzustellenden Tarifsätze des für Stationen der Local- bahn in Verbindung mit Stationen der Ungarischen Staatsbahnen oder des sich darüber hinaus erstreckenden Frachten - Verkehres sowie überhaupt alle dem Bedürfnisse entsprechenden Tarifermäs- sigungen werden im Verhältnisse der gewöhnlichen Tarifsätze zwischen den Ungarischen Staatsbahnen und den in Rede stehenden Linien der Localbahn repartirt.

Hiedurch haben sich die Localbahnen auch ihrer tarifarischen Rechte begeben. Die Individualität dieser Localbahnen hat somit gänzlich aufgehört.

Wie erwähnt, trachteten die Staats- bahnen in ihrer Gebarung eine Einheit-

Alexander v. Dobiecki, Das Localbahnwesen.

559

lichkeit durchzuführen, was selbstredend eine Vertheuerung des Localbahn-Betriebes mit sich bringt.

Stabil nagestelltes Personale versieht den bis in das kleinste Detail mittels Vorschriften geregelten Dienst, so dass in Wirklichkeit eigentlich diese Local- bahnen als Hauptbahnen niederer Ord- nung behandelt werden.

Der wahre Sinn der Erleichterungen, die in den [auf Grund des Gesetz- artikels XX aus dem Jahre 1878] 1883 herausgegebenen > Grundzügen der Vor- schriften für den Betrieb der Localbahnen« ausgesprochen sind, ist nicht befolgt worden.

Bis Ende 1894 waren in den 4985*73 km langen Localbahnen effectiv investirt 160,788.054 fl.

15,489-130 * 61,065.575 »

84,228.349 »

Hievon Baargeld . .

» Stammactien .

Für das noch nöthige

Baargeld von . . .

wurden Prioritäten

emittirt im Werthe

von 112,724.200 »

Somit kostete die Geld- beschaffung . . . 28,495.851 » wobei die Verluste bei der Verwerthung der ratenweise geleisteten Beiträge des Staates und die Anschaffungskosten der Gemeindebeiträge, die ja das Geld auch mittels Anleihen beschaffen mussten, nicht mijeingerechnet sind.

Es drängt sich unwillkürlich die Frage auf, ob diesem riesigen Werth Verluste der indirecte Gewinn der Anrainer einen entsprechenden Gegenwerth bietet. Die Erörterung dieser Frage würde jedoch zu weit führen, wir müssen uns mit der Untersuchung der näheren Frage be- gnügen, ob nämlich diese Capitals- Anlagen in den Transport - Einnahmen überhaupt ihre Verzinsung gefunden haben.

Im Berichte des königlich ungarischen Handelsministers dem unsere Angaben entnommen sind wird ausgewiesen, dass das ganze effective Capital mit 272 ®/o verzinst wurde.

Wenn man jedoch die erst seit 1890 dem Verkehr übergebenen Linien deren Verkehr sich noch nicht entwickelt hat

ausscheidet, so ist eine stetige Zunahme der Einnahmen zu verzeichnen, und zwar :

I

1^

'S

Ein- nahmen

fl. I kr.

Aus- gaben

fl. kr.

Ueber-

schuss

pro km

ü. kr.

1890 1891 1892

1893 1894

1895 1896

2060

23

1180

8

880

2184

59

1266

89

917

2308

13

1254

5

1054

251 1

62

1367

16

1144

2617

98

1465

73

1152

2794

14

1587

24

1206

3020

91

1750

85

1262

15 62

5 46

25 90

97

Als befriedigend können leider selbst diese Ergebnisse nicht betrachtet werden.

Die .Ursache des misslichen Er- gebnisses ist in der Weitläufigkeit und Kostspieligkeit der Anlagen zu suchen. Es ist leider sehr selten das richtige Princip befolgt worden, dass in eine Localbahn nicht mehr investirt werden darf, als die bestehenden wirthschaftlichen Verhältnisse der Anrainer, somit die Production und der Handel, unbedingt erheischen. Die wesentliche Schuld trägt jedoch der Umstand, dass die Geld- beschaffung zu viel kostete.

Denn ebenso wie in technischer Be- ziehung eine ziemlich freie Bewegung gestattet war, so wurde auch die Geld- beschaffung nicht gehemmt.

Es gibt sogar Localbahnen, die eine Zinsen garantie geniessen, wie die Linie Barcs-Pakracz, der die Südbahn 300.000 fl. jährlich garantirt ; die Linie Csäktomya- Zägräb, welche die Ungarische Staatsbahn verwaltet; ausserdem sind den Local- bahnen in Croatien und im Grenzlande besondere Subsidien gewährt worden.

Neben vielen Strecken, bei deren Bau die Geldbeschaffung etwas leicht- fertig betrieben wurde, treffen wir . je- doch auch wohlüberlegte Schöpfungen. So z. B. die Strecken M e z ö t ü r- I Türkeve, Kunszentmärton-Szen-

56o

Das Eisenbahnwesen in Ungarn seit 1867.

tes, Alvincz-Nagyszeben-Vörösto- rony u. s. w.

Wir wollen die Schaffung der letzteren hier als ein Beispiel näher erörtern.

Als Minister Gabriel von Baross die Localbahn Nagyszeben- [Hermannstadt] Felek concessionirte, verpflichtete er die Concessionäre zum Ausbau einer An- schlussbahn an die rumänische Grenze bei Vöröstorony. Das Comitat Nagyszeben unter der Leitung des rastlos thätigen Ober- gespans Gustav von Thalmann und thatkräftiger Mitwirkung von Dr. Karl Wolff, Martin Schuster und Josef Konnerth übernahm diese Verpflichtung. Um die grossen Verluste der Geldbe- schafl'ung zu vermeiden, wurden auch die Prioritäten zum Curse von 97 fl. im Werthe von 845.cx)0 fl. auf Grund einer Anleihe von 814.000 fl. vom Comitate übernommen, und belastete sich dasselbe freiwillig, zur Deckung der nöthigen, 45.000 fl. be- tragenden Amortisatiönsquote, mit einem 9^U^lo^g^^ Steuerzuschlag. Mit den Bau- kosten von 1,300.000 fl. wurde demnach die32.i86/5wlangeLinievonNagyszeben bis Felek sammt der eisernen Brücke über dem Oltflusse im Jahre 1892 aus- gebaut.

Im Jahre 1895 entschied sich das Comitat, nunmehr die pro Kilometer mit etwa 1 10.000 fl. präliminirte Anschluss- linie bis an die Grenze auszubauen, wenn die Regierung so viel beisteuern würde, dass zugleich die seit mehreren Decennien ge- plante 85 ktn lange Linie von Nagyszeben bis Alvincz ausgebaut werden könne. Nach langen Verhandlungen ermächtigte der Reichstag die Regierung mit Gesetz- artikel XII vom Jahre 1896, zum Ausbau obiger Linie 3,700.000 fl. beizusteuern. Hierauf schloss das Comitat mit der ungarischen Commerzialbank einen Bau- vertrag ab, nach welchem die früheren Stammactien und Prioritäten eingelöst werden.

Das Comitat leistete auch weitere Opfer ; der Gesammtbetrag von 400.000 fl. Stammactien wurde übernommen und in der Comitats-Congregation, abgehalten am 8. October 1895, auf 53 Gemeinden repartirt; auch wurde die Declassification der früheren Prioritäten im Werthe von 845.000 fl. angenommen.

Das Resultat dieser hingebenden Auf- opferung ist der Ausbau der sehr schwie- rigen 129*9 km langen Durchgangs- bahn Alvincz - Nagyszeben-Vö- röstorony- Rumänische Landes- grenze.

Die Capitalsbeschaffung der Local- bahnen in Ungarn schwankt jedoch, unter welchen Modalitäten das Geld auch immer aufgebracht wird, pro Bahn-Kilometer zwischen 4000 bis 6000 fl., was unge- fähr den vierten Theil der Bausumme beträgt.

Dies ist so enorm hoch, dass mit einer Abhilfe nicht mehr gezögert werden darf.

Der ungarische Reichstag beschäftigte sich auch mit dieser Frage und forderte die Regierung auf, durch gesetzliche Ver- fügungen dem Uebel zu steuern, ver- schärfte jedoch so sehr den Beschluss, dass der Verfasser dieses Aufsatzes in einem Vortrage darauf hinweisen musste, welche Menge beleidigender Zurück- setzung, ja Verdächtigungen der idealste Apostel des ungarischen öff'entlichen Lebens, Stefan Sz6ch6nyi, im Dienste des nationalöconomischen und Verkehrs- wesens seines Vaterlandes erlitt und jetzt, wo Hilfe noth thue, werde auf Veranlas- sung eines hochgeachteten, ideal gesinnten Abgeordneten neuerdings ein vernichten- des Urtheil ausgesprochen, wodurch be- dauerlicherweise gerade jene Elemente verscheucht werden, welche vermöge ihrer socialen Stellung, ihres Vermögens und hauptsächlich ihrer moralischen Reinheit wegen in erster Reihe berufen sind, die Entwicklung und Kräftigung der Local- bahnen, dieser unumgänglich nothwen- digen Behelfe des materiellen Fort- schrittes unseres Vaterlandes, mit allen Mitteln, mit Wort und That zu fördern.

Für Verirrungen Einzelner darf das Gemeinwesen nicht büssen, und die wegen Mangel eines richtigen Gefühles für reale Bestrebungen, für national- öconomische Angelegenheiten auch sonst wenig inclinirte sociale Gesellschaft sollte man nicht dem einzigen Felde entfremden, auf welchem sie wenigstens einigermassen eine selbständige Thätigkeit entwickelte.

Auf Beschluss des am 6. September 1896 abgehaltenen Techniker- Congresses

Alexander v. Dobiecki, Das Localbahi

wurde von Seite des > Ungarischen In- genieur- und Architekten- Vereines« das vom Verfasser dieses Beitrages bearbei- tete Referat auch dem königlich ungari- schen Handelsminister unterbreitet. In der dem Referate entnommenen Begrün- dung heisst es:

■■. . . Wir haben also Localb ahnen, welche in- folge der übertriebenen Ansprüche mit ffrossen Baukosten belastet sind, die eine richtifre und nöthige Classification entbehren und mit dieser UebeibUrdung ihrer natUrhchen, natio- nal-öconomi sehen Bestimmung zu entsprechen nicht im Stande sind.

I auch der zu erwartende Verkehr noch so [ gering ist, damit die Handelswelt durch ; Sicherun); eines verlässlichen und auch ] grössere Massen bewältigenden Verkehrs- I mittels zu einer intensiven Thätigkeit an- gespornt werde. ! Wenn wir jedoch im Interesse unseres

< Handels und Gewerbes arbeiten, muss auch . die Art dieser Thätigkeit sich diesem Zwecke anpassen, muss sich dieselbe auf n a t U r- licherGrundlage, stufenweise entwickeln. ] Die Hauptpteiler unseres wirthschaftlichen

j Lebens: unser Handel und Gewerbe sind noch wenig entwickelt und bewegen sich in engem Rahmen ; es muss daher die Leistungsfähig- I keit und Thätigkeit unserer Localbahnen nur

ng des s

FiÜlen (jeringen Verkehres Localbahnen erheisch'

die Existenz

dern viel mehr noch die Weiterentwicklung

der Sconomischen Thätigkeit als Urheber des

Verkehres.

Von diesem Standpunkte betrachtet, sollte eigenthch die Aussicht auf den vom Verkehre zu erhoffenden Gewinn bei der Beurtheilung der Nothwendigkeit der Localbahnen ebenso- wenig in Betracht kommen, -jIs heim Baue

1 Fahl

Wir sind jedoch zu arm. um uns auf diesen höheren Standpunkt stellen zu können, wir dürfen aber trotzdem nicht die Hände in den Schoss legen; die fieberhafte Thillig- keil, die sich auf allen Gebieten des wirth- schaftlichen Lebens entwickelt hat, muss auch uns zur Thätigkeit anspornen.

Im Interesse unserer Concurrenzfähigkeit mtlssen wir also Eisenbahnen bauen, wenn

dem geringen Verkehre ihrer nächsten Um- gebung entsprechen, die Investitionen sich dem zu Gebote stehenden Capital anpassen.

Bei Gründung unserer Localbahnen wer- den jedoch diese Umstände nur in den selten- sten Fällen als massgebend betrachtet.

Die Interessenten kümmern steh in den meisten Fällen wenig darum, welche Aufgaben und mit welchen Mitteln ihre Eisenbahn zu be- wältigen haben wird ; den Concessionären aber macht die Zukunft der Bahn wcni|r Sorge; ihr Interesse ist gewöhnUch mit dem 3er Bahn und deren Umgebung nicht identisch und darum befassen sie sich weniger mit der Güte und Zweckmässigkeit der Anlage, als mit dem finanziellen Thcile der Gründung. Der Finanzirung wurden aber Vorzüge solcher Art geboten, dass naturgcmäss jeder Unter- nehmer bestrebt ist, den Baubetrag möglich hoch zu stellen, dünn aber wohlweislich den Betrieb solcher derart belasteten Linien An- deren übcrliisst.

36

562

Das Eisenbahnwesen in Ungarn seit 1867.

Es ist aber auch kaum der Mühe werth, dass das Capital sich auch an der Arbeit be- theilige. Jenes System der Geldbeschaffung, nach welchem ein Theil des Capitals einer Verzinsung der Stammactien sozusagen von vornherein entsagt und der ganze Ertrag dem anderen ös^oigen Theil e des Capitals, den Prioritäts-Actien zufällt; femer der Um- stand, dass ein allfälliger Vedust beim Be- triebe zum grOssten Theile die Staatsbahnen belastet; all dies sichert dem Capitalisten solche Vorzüge, dass sich derselbe wohl hüten wird, statt dieser bequemen und sichereren Art der Geldbeschaffung, den gewagten und mühevollen Weg des selbständigen Betriebes zu wählen.

Der Staat aber bevormundet die Local- bahnen in ihren geringsten Angelegenheiten und hemmt damit die freie Bewegung des arbeitenden Capitals, stellt sich jedoch in den vitalsten Fragen reservirt bei Seite und überlässt die grösstentheils wenig orientirten Interessenten sich selbst.

Zur directen Unterstützung verwendet in neuester Zeit der Staat 500.000 fl., ebensoviel jedoch oder noch mehr hat die Staatsbahn beim Betriebe aufzuzahlen. Der letztere Bei- trag ist heute eigentlich nur dazu gut, um den Titres der Banken, den Prioritäten gute und sichere Verzinsung zu sichern, wobei diesen Banken auch durch das Discontiren der in kleinen Raten flüssig gemachten übri- gen Beiträge ein hübsches Einkommen zufällt.

Est ist wahr, dass wir infolge unserer Capitals-Armuth derzeit noch diesen grossen Capitals-Verlust zu erleiden und hiemit dem Auslande Tribut zu leisten gezwungen sind. Da jedoch schon das Interesse, mit welchem das ausländische Capital unsere Unterneh- mungen verfolgt, schon auf die Consolidirt- heit unseres Staatscredits, die Lebensfähigkeit unserer Institutionen und Schöpfungen so- wie auf die allgemeine Besserung unserer Ver- mögens-Bilanz hinweist, dürfen wir mit Zu- versicht hoffen, dass wir bei gutwilliger Unter-

stützung des Staates nunmehr das Baucapital der Localbahnen auch billiger beschaffen könnten.

Dieses Ziel wäre auf zweierlei Wegen zu erreichen.

Entweder wäre mit Unterstützung des Staates eine Bank zu gründen, welche sowohl den Bau als auch den Betrieb selbst durch- führe, mithin im Interesse der Verzinsung ihres Capitals jede übertriebene Investirung meiden und zwecks Hebung des Verkehres die wirthschaftliche und gewerbliche Entwick- lung der Umgebung ihrer Bahn zu fördern bestrebt wäre; oder der Staat selbst sollte die Beschaffung des nöthigen Capitals ver- mitteln.

Dem letzteren Modus werden wir uns kaum verschliessen können. Wir müssen eine Grundlage schaffen, mit deren Hilfe der Eisenbahnbau auch in den ärmeren Gegen- den unseres Vaterlandes ermöglicht werde.

Eine beiläufige Berechnung ergibt, dass die Beisteuerungsbeträge, die staatliche Unter- stützung und der nur mit 900 fl. pro Kilometer gerechnete Ertrag unserer Eisenbahnen nicht nur dem Staate genügende Garantie bieten, sondern auch eine 4Vt7oige Capitalsbe- schaffung vorausgesetzt in kurzer Zeit einen Reservefonds schaffen würden, welcher zur Unterstützung der ärmeren Gegend ver- wendbar wäre. .

Die Ausarbeitung des neuen Gesetz- entwurfes ist nunmehr im Zuge und nach alledem beseelt uns die schöne Hoffnung, dass Seine Majestät, vmser hoch- herziger Monarch, durch die Sanctionirung des neuen Gesetzes wie auf allen Ge- bieten, so auch im Eisenbahnwesen Ungarns baldigst einen neuen Markstein seiner segensreichen Thätigkeit errichten werde.

Die Eisenbahnen im Occupations- Gebiete.

Von

Friedrich Zezula,

Ober-Ing^enieur.

36*

MIT Ende des Jahres i8q6 standen in Bosnien und der Herzegowina 7726 km Eisenbahnen im Be- triebe. Hievon waren 1081 k>» ^ 14"/, normalspurij^ und 664'5 ktn ^ 86"/,, schmalspurig.

Nach dem Betriebssysteme theilt sich dieses Netz in 5247 hm reine Adhäaions- bahnen und 247g km Bahnen gemischten Systems, letztere durchwegs schmalspurig.

In diese, dem öffentlichen Verkehre dienendenEisenbahnen münden 20 Schlepp- bahnen von 58' I km Länge sowie eine 40-3 km lange, gleichfalls mit Dampf betriebene schmalspurige Waldbahn ein.

Die Geschichte der Eisenbahnen des Occupations -Gebietes best sich wie eine Wiederholung der Geschichte aus der Kindheit des Eisenbahnwesens. Aus den primitivsten Anfängen haben sich die Bahnen in Bosnien und der Herzegowina zu hoher Blüthe entwickelt und hier ist speciell die schmale Spurweite zu einer Vollkommenheit gelangt, welche der Ein- führung der Schmalspur in der Monarchie selbst siegreich Bahn gebrochen hat.

Trotzdem ist Alles, was in den occu- pirten Provinzen geschehen ist, das ur- eigenste Werk unseres Vaterlandes, wie in cultureller und volkswirthschafthcher, so auch in eisenbahntechnischer Beziehung. Das Verdienst ist umso grösser, als die Verhältnisse, wie sie die österreichisch- ungarische Monarchie hier vorgefunden hat, die denkbar ungünstigsten waren.

Die traurige Situation von Land und Leuten vor der Occupation charakterisirt ein Versuch, den die kaiserlich ottoma- nische Regierung bereits im Jahre 1872 mit dem Baue und Betriebe der 870 km langen, normalspurigen Eisenbahnlinie Banjaluka-Novi unternommen hatte und welcher derart kläglich scheiterte, dass der Betrieb nach kaum drei Jahren [1875] eingestellt "werden musste.

Vor dem gänzlichen Verfalle wurde diese Linie durch das k. u. k. Reichs- Kriegsministerium glücklich bewahrt, welches diese Eisenbahn gleich nach erfolgtem Einmärsche in Bosnien durch eine Militär-Bauleitung reconstruiren Hess; der 1. December 1878, an welchem Tage die 56*2 kni lange Theilstrecke Banjaluka- Prijedor dem Betriebe wieder übergeben wurde, ist daher als der eigentliche Beginn der Eisenbahnära Bosniens anzusehen.

Am 24. März 1879 konnte bereits die ganze, loröfc»« lange Linie bis Doberlin l^r den G es am mt verkehr eröffnet werden ; dieselbe wurde unter dem Namen* K. und k. Militärbahn Banjaluka-Dober- lin- der Militär -Verwaltung unterstellt. Die weiteren in Bosnien und der Herzegowina ausgeführten Eisenbahn- bauten haben, mit Ausnahme der normal- spurig angelegten Verbindungsbahn S 1 a- vonischBrod—Bosnisch Brod,dieam 10. Juli 1879 in einer Länge von 36 ^»1 fertiggestellt wurde und der dann am I . De- cember 1891 eröffneten 2 '8 km langen Stadibahn inBanjaluka, ausschliesslich

Friedrich Zezula.

eineSpurweite von 76cm. Zu diesem impo- I santen schmalspurigen Netze, dessen eine ' Transversallinie von 445"3 km Länge die ' Save mit der Landeshauptstadt und mit | dem Umschlagptatze Metkovid verbindet, während eine andere Transversallinie nach Spalato ihrer Vollendung entgegensieht, i wurde der Grundstein in dem Momente gelegt, als die Kriegs Verwaltung ange- sichts der bodenlosen Strassen im Sep- tember 1878 die Unternehmung Hügel & Sager unter militärischer Aufsicht mit dem Baue einer schmalspurigen Rollbahn . von Bosnisch Brod bis 2epee zur Er- | möglichung eines geregelten Nachschubes j

Um dieses Gutachten begreiflich zu finden, ist es angezeigt, sich über das damalige Entwicklungs - Stadium der Schmalspur sowie Ober den Zustand dieser Rollbahn selbst klar zu werden. Ermutbigend war weder das Eine noch das Andere. Von den wenigen, in der österreichisch -ungarischen Monarchie be- triebenen schmalspurigen Eisenbahnen war bis zu jener Zeit keine einzige ge- eignet, Leistungsfähigkeit und Rentabilität der schmalen Spurweite zu demonstriren und die gegen die letztere herrschenden Vorurtheile zu entkräften. Andererseits konnte auch der Zustand der Rollbahn

I. 174. ZoUUngg.Locomi

Von Kriegsmaterial betraute ; es ist be- kannt, dass die Spurweite dieser Rollbahn mit 76 c»t angenommen wurde, weil die Unternehmung zufällig Über Rollmaterial dieser Spur verfügte.

Schon am 22. April 187g wurde die Strecke Brod-2epäe dem Verkehr über- geben, der sich am 10. Juli desselben Jahres die Eröffnung der weiteren Theil- strecke KepCe-Zenica anreihte.

Am 14, Juli 1879 wurde die ganze, 189-6 fem lange.Strecke Brod-Zenica, welche bis dahin nur Truppen und Mililärgüter befördert hatte, für den öffenthchen Personen- und Güterverkehr freigegeben ; dieser Umstand bedingte allerdings eine durchgreifende Amelio- rirung der provisorisch angelegten Roll- bahn, gegen welche sich jedoch eine, aus Fachmännern zusammengesetzte Com- 1 entschieden aussprach.

Brod-Zenica nicht als vielversprechend bezeichnet werden. Dieselbe trug viel- mehr allzudeutlich den Charakter eines feldmässig angelegten Schleppgeleises an sich, dessen aus mehreren schwachen Schienen Systemen zusammengewürfelter Oberbau im Vereine mit einem primitiven Fahrparke einen äusserst kostspieligen Betrieh bedingte; es genüge die Bemer- kung, dass das leichteste Schienenprofil, welches mit zweilochigen Bandlaschen auf ungcdech selten Schwellen verlegt wurde, ein Gewicht von nur 9'8 kg- für den laufenden Meter besass, und dass der Fahrpark aus hölzernen und federlosen Güterwagen von 3 t Trag- fähigkeit bestand, welche bei ihrem Mangel an elastischen Zug- und Stoss- vorrichtungen lebhaft an die bei Bahn- erhai tun gs- Arbeiten üblichen Bahn wagen erinnerten.

Die Eisenbahnen im Occnpations-Gebictc. 567

Es ist das Ver- dienst der Kriegs- verwaltung, dass un- geachtet des abspre- chenden Gutachtens der Commission die Permanining der Bahn dennoch durch- geführt wurde, wie es das Verdienst des k. und k, gemein- samen Finanzmini- steriiuns ist, dass die Spurweite von 76«« mit Rücksicht auf die gebirgige Boden - beschaffenheit des Occupations - Gebie- tes für alle weiteren j aus öffentlichen Mit- s teln zu erbauenden

Eisenbahnen beibe- |

halten wurde. ff

Von welchen se- S

gensreichen Folgen |

diese Entscheidung |

für die' weitere Ent- 3

Wicklung Bosniens Ä

und der Herzego- &

wina begleitet war, *j

ergibt sich aus dem "

Umstände, dass ge- |

genwärtig auf ^

100.000 Einwohner

bereits " 492 km g

Eisenbahnen entfal- i

len ; bei Anwendung <

derNormalspur hätte sich hier das Eisen- bahnnetz nie so rasch entwickeln kilnnen, weil der Bau weit grössere Ca p Italien erfordert hätte, wäh- rend die sämmt- liehen Linien bei dem äusserst schwachen

Anfangs verkehre sich nicht sobald rentirt hätten. Den besten Beweis liiefUr bieten dje angren- zenden Balkanstaa- ten, Serbien und

Friedrich Zezula.

Bulgarien, deren durchwegs normal- spuriges Eisenbahnnetz weit hinter dem- jenigen Bosniens und der Herzegowina zurückbleibt, und wo auf lOO.OOO Seelen nur 25'2, beziehungsweise 30"SAmi Eisen- bahnen kommen, trotzdem Serbien schon im Jahre 1884, Bulgarien aber 1868 die erste Schienen Verbindung erhalten hat.

Unwillkürlich drängt sich da die Frage auf, ob die grossen Aufgaben, welche die bosnisch-herzegowinische Landes Verwal- tung auf sich genommen hatte, je so rasch und glänzend hätten gelöst werden können, wenn sie der Dienste der Eisen- bahnen mit ihrem vortheilhaften Einfluss auf Cultur und Volkswirthschaft entbehrt

ist wie die Vollbahn. Mit Genugthuung kann auf dieses Resultat jahrelanger Thätigkeit hingewiesen werden, welche sich würdig an jene Grossthaten anreiht, wie sie das staunende Auge auf allen Zweigen menschlichen Schaffens in den occupirten Ländern wahrnehmen kann.

Es muss als ein eigenthümliches und für die Entwicklung der schmalen Spur- weite äusserst glückliches Zusammen- treffen bezeichnet werden, dass den, der Kriegs Verwaltung wie dem k. und k. gemeinsamen Finanzministerium unter- stellten Linien ganz besondere getrennte Aufgaben bezüghch Anlage und Betriebfi- führung zugefallen sind.

pelte GUtenug-Loc<

■c Sy...

hätte; es musste ja vor Allem das all- 1 gemeine Bildungsniveau erst gehoben werden, bevor an die Schaffung von Handel und Industrie gedacht werden j konnte, welche trotz der reichen Natur- ' schätze des Landes kaum dem Namen nach gekannt wurden.

Heute haben sich die Bahnen in j Bosnien und der Herzegowina ohne Rücksicht auf ihre Spurweite zu Haupt- verkehrsadern des Landes empor- geschwungen. Die vollspurige k. und k. Militärbahn Banjaluka-Doberiin steht auf . jener Höhe, welche die Eisenbahnen unseres Vaterlandes einnehmen, während die Schmalspurbahnen des Occupations- Gebietes, deren Geleis weite annähernd die Hälfte der Normatspur beträgt, den Beweis erbracht haben, dass die Grösse der Spurweite für die Bedeutung einer Bahn nicht den Ausschlag gibt, und dass die Schmalspur in gleicher Weise eine Haupthahn des Landes zu bilden befähigt

Während die in der Verwaltung des k. und k. Reichs - Kriegsministeriums

stehende Bosnabahn als reine Adhäsions- bahn bei ihrer grossen Verkehrsdichte die überraschende Leistungsfähigkeit und militärische Benützbarkeit der Schmal- spur auf das Glänzendste beweisen sollte, musste die in der Verwaltung des ge- meinsamen Ministeriums stehende Eisen- bahn Sarajevo- .Metkovic beim Ueberschrei- len einer baulich schwierigen Wasser- scheide die Zahnstange der schmalen Spurweite anpassen, und einem im Sommer wie im Winter regen Personen- und Güterverkehr dienstbar machen.

Bei der grossen Bedeutung, welche die Eisenbahnen für die moderne Krieg- führung erlangt haben, sind insbesondere die Erfolge nicht zu unterschätzen, soweit sie die Hebung der militärischen Benütz- barkeit der ehemaligen Bosnabahn be- treffen; hier ist der Kriegs Verwaltung der Nachweis gelungen, dass der strate-

Die Eisenbahnen im Occupations-Gebiete.

569

gische Werth einer Eisenbahn nicht von der Spurweite abhängig ist, womit eines der wichtigsten Argumente, welches die Gegner der Schmalspur bis dahin mit besonderer Vorliebe vorgebracht hatten, endgiltig entkräftet wurde.

Die Errungenschaften, welche von beiden Verwaltungen in dieser Hinsicht erzielt worden sind, lassen sich kurz in folgende Punkte zusammenfassen : Die Locomotiven besitzen trotz ihrer Curven- beweglichkeit bereits die gleiche Zugkraft wie die Lopomotiven der Vollspur; die Bequemlichkeit, welche dem Reisenden im Personenwagen der Schmalspur geboten wird, ist die gleiche, wie sie der Passagier auf der Normalbahn findet ; der Verfrachter kann seine Güter, mögen sie noch- so voluminös sein oder einen Special wagen beanspruchen, unter den gleichen Ver- hältnissen auf der Schmalspur verladen wie auf der Hauptbahn; die Fahr- geschwindigkeit, welche für normal-

spurige Nebenbahnen im Maximum mit 40 km in der Stunde vorgeschrieben ist, wird auf der Schmalspurbahn nicht unter- boten, sondern demnächst sogar über- troffen werden, während die Betriebs- sicherheit auf den schmalspurigen Eisen- bahnen ebenfalls nichts zu wünschen übrig lässt.

Was zunächst die Locomotiven an- belangt, so finden wir auf den Bosnisch- Herzegowinischen Staatsbahnen vorzüg- liche Gurvenläufer mit einer rationellen Kessellänge und einer grossen Leistungs- fähigkeit; dass hier auch das Verbund- system Anwendung gefunden hat, versteht sich bei der Rührigkeit der Verwaltungen fast von selbst.

Der grosse Unterschied zwischen einst und jetzt wird am besten durch die nach- stehende Zusammenstellung derLocomotiv- Typen gekennzeichnet; in Verwendung stehen gegenwärtig:

1 1

1

Reibungs-Locomotiven

1

' Abt^sche Locogiotiven gemischten Systems

1

ZwilHngs- i Locomotiven

Zweifach gekuppelte

Bissel- Locomotive

Dreifach ge- ; kuppelte Radial- Locomotive Svstem Klose

Fünffach ge- kuppelte Radial- Locomotive System Klose

Personcnzug-Loco- raotive mit Com- pound-Wirkung und Scblepptender

1

ältere Construction

neuere Construction

Grösste Länge . mm

9.000

6.082

1 9.198 12.010 12.435

1

\ 0 .. . »

JO.125

» Breite . »

1.900

1.900

2.000 2.210 2.300 !

1 2.180

2.300

» Höhe . >

3.303

3.200

3.290 , 3.560 3.300 ;

; 3450

3450

Gesammt-Radstand »

6.300

3.200

4-500 ;

6.000 8.450 jexcl.Tendcr

' 4.«50

6.740

Radstand der gekup-

8.900 incl. Tender

pelten Achsen mm

1.700

1.700

3.000 5.000 1.300

2.340

2.340

Geunchts-

1

Verhültnisse :

incl.Tender

incl.Tender

Leergewicht . . . t

19-20

II 70

19*00 3780 1900

23-00

2900

Volles Dienstgewicht »

2420

1600

2500 5000 2132

3010

3680

Maximal-Belastung 1

1

1

1

1

der gekuppelten

1

Achsen . . . . »

2420

1200

2000 4200 1230

2400

2450

Maximal-Belastung

der Laufachsen . ^

1 1

1

400

5*00 800 902

610

1

12-30

570

Friedrich Zezula.

1

1

1

Reibungs-Locomotiven

1

Abt*8che LocomotivcQ 1 gemischten Systems 1

1

! Zwillings- Locomotiven

Zweifach

gekuppelte

Bissel-

1 Locomotive

1

Dreifach ge-

! kuppelte Radial-*

Locomotive

System Klose

Fünffach ge- kuppelte Radial- Locomotive System Klose

Personenza|r.Loco- motlve mit Com- pound-Wirkunf; und Schlepptender

älterer Construction

neuerer Construction

_

Kessel und Feuerung:

1

1 1

1 1

i

' Kessel-Durchmesser

innen .... mm

88o

880

950

1.020

958

I.OOO

1135

Höhe des Kesselmittels

1 1

über Schienen-Ober

1

1

kante .... mm

I.6I2

1.510

1.400

1.700

1.500

1.630

1.700

Anzahl der Siederohre

1

1

Stück

88

94

97

147

"5

144

180

' Länge der Siederohre

1

zwischen den Rohr-

1

1 1

1

wänden . . .mm

2.200

2.500

4.100

4500

3.600

3450

3.450

Heizfläche der Rohre

m^

1

__

^—

54-90

106-00

57*23

, 6400

82-00

Heizfläche der Feuer-

1

1

büchse ... m'

3.92

6-74

4*79 ,

6-00

700

Totale Heizfläche »

58-40

35-40

58-82

112-74

62-02 1

; 7000

8900 .

Rostfläche . . . >

100

i-oo

0-90

1-70

1-20

1-26

1-66 1

Dampfdruck im

Kessel . . Atm.

12

12

12

M

12

12

12

Räder und Triebwerk:

Durchmesser derKup-

1

j pelräder . . . mm

750

900

903

900

I.IOO

800

800 :

! Durchmesser der Ten-

der-, beziehungsw.

Laufräder . . nun

640

650

650

650

600

650

Cylinder-Durch- messer ...»

240

260

290

390

290

430

Adh. 340 Zahnr.300

340 360

Kolbenhub . . »

1

300

350

450

450

4.50

Adh. 450 Zahnr.360

450 360

Ausrüstung:

Speisewasser. . m*

2*'6

2-10

2-65

600

5-00

2-75

3-60

Kohlenraum . . >

1*54

I-OO

2-00

4*00

300

2-00

3-50

Leistung in Pferde-

kräften

150

100

200

350

165

250

300

Die Eisenbahnen im Occupations-Gebiete.

Angesichts der ziemlich schwierigen Betriebs Verhältnisse der bosnisch -herzego- winischen Schmalspurbahnen war die Con- struction von Locomotiv- Typen, weiche eine ausserordentliche Ciirveiibeweglich- keit mit ansehnlicher Fahrgeschwindigkeit und bedeutender Zugkraft verbinden sollten, nicht gerade leicht. Bei der ersten Anlage hatten auf der Linie Bosnisch Brod-Zenica Radien bis zu 35 m Anwendung gefunden, welche später allerdings durch ausgedehnte Trace- Correctionen eliminirt wurden ; doch konnte man bei der gebirgigen Be- schaffenheit Bosniens und der Herzegowina auf die Vortheile der schmalen Spurweite, welche vornehmlich in der Anwendbarkeit scharfer Bögen liegen, nicht ganz ver- zichten, weshalb auch auf den Haupt- strecken Radien bis zu 60 m beibehalten werden mussten. Da ferner auf den ziemlich langen Linien auch eine namhafte Fahrgeschwindigkeit nothwendig wurde, war ein Ueberhüngen der Feuerbüchse Über die rückwärtige Achse ebenso ausge- schlossen wie die Lagerung der ersteren über eine Kuppelachse, damit Rost und Aschenkasten nicht allzu beengt werden. Ausserdem war auch zur Erzielung eines grossen Reibungs-üewichtes die Kuppe- lung möglichst vieler Achsen nothwendig.

Üass unter solchen Umständen die Construction einer entsprechenden Loco- motiv-Type den ganzen Scharfsinn des Maschinentechnikers erf<)rderte, ist evident. Der erste Versuch zum Baue einer Curven- Locomotive brachte die Zwillings-Loco-

motive, welche nach Art der Fairlie- Maschinen von einem einzigen Personale bedient wird, und trotz des geringen Achsdruckes ein für die damaligen Be- triebsverhältnisse grosses Reibungs-Ge- wicht besass. [Abb. 174.] Nachdem sich der Betrieb bis zu dieser Zeit mit Locomotiven von 57 und ö$ t Adhäsions-Gewicht und 20, beziehungsweise 30 Pferdestärken be- helfen musste, so bedeutete die Einführung der Zwillings-Locomotive eine grosse Er- rungenschaft für die bosnisch- lierzegowi- nischen Schmalspurbahnen; doch zeigte sich bald, dass mit dieser Type das Problem keine endgiltige Lösung ge- funden habe. Für einen Curvenläufer war der Cur ven widerstand zu gross, weil die beiden getrennten Motoren, aus welchen die Zwilligs-Locomotive bestand, in einer noch so flachen Curve eine an- sehnliche Reibung hervorrufen ; die Ur- sache liegt einfach darin, dass die vordere Locomotive nach der Fahrtrichtung gra- vitirt, während die zweite vom Zuge zurückgehalten wird, weshalb beide Maschinen immer in eine gerade Linie zu kommen trachten, natürlich auf Kosten des Oberbaues und der Radreifen, wobei die Leistungsfähigkeit überdies durch die ungteichmässige Dampfentwicklung in den getrennten Kesseln noch mehr be- einträchtigt wird. Auch die Oeconomie des Betriebes vertrug sich schlecht mit den hohen Reparatur kosten zweier Ma- schinen, wie auch die Kessellänge von nur 2200 »tiH un verhältnismässig hohe Feuerungskosten erforderte.

Friedrich Zezula.

Die Eisenbahnen im Occupatio ns-Gebiete.

So kam es, dass seit dem Jahre 1 885 die Zwillings-Locomotive von der dreifach gekuppelten Radial- Locomotive, System Klose [Abb. 175], verdrängt wurde. Die Erfahrungen, welche mit dieser Type in einem nahezu dreizehnjährigen Betriebe gewonnen wurden, sind die denkbar gün- stigsten. Ihre rationelle Kessellänge hat die L 0 comot iv- Fe uerungs kosten namhaft reducirt, während die ausserordentliche Leistungsfähigkeit dieser Type im Verein mit einem überraschend geringen Curven- widerstande eine' totale Veränderung im Betriebe der Bosnisch-Herzegowinischen Staatsbahnen hervorgerufen hat ; diese Locomotive ist es, welche die Einführung der Personenzüge mit ihrer gegenwärtigen Maximal-Geschwindigkeit von 37 km in der Stunde ermöglicht hat.

sind, während die vierte im drehbaren Tenderrahmen liegt. Die mittlere Achse [Triebachse] ist fest im Locomotiv- Rahmen gelagert, während die erste und dritte Achse die radiale Einstellung zu den Cur\-en gestatten, wobei die Kuppel- stangen mit Hilfe eines, als gleicharmiger Hebel ausgebildeten Lagers des Differentialkopfes den Bewegungen dieser Achsen leicht folgen können.

Bei der fünffach gekuppelten Klose- schen Locomotive sind die erste und fünfte Achse radial verstellbar, dagegen die drei mittleren Achsen fest gelagert ; das mittlere Räderpaar der letzteren hat keinen Spurkranz, während die Spurkränze der an- grenzenden zwei starren Achsen schmäler gedreht sind, um ein Einklemmen der Achsen in den Bögen zu vermeiden.

auf Truckg^iitcllen mit IS r TiagfShlekelt.

Da die Triebachse der Radial-Loco- motive starr gelagert werden musste, damit die Pleuelstangen nicht ausserhalb der Achsrichtung der Cylinder zu liegen kämen, wurde von der in Amerika nicht seltenen Anordnung der Triebachse ohne Spurkranz Gebrauch gemacht. Nachdem sich diese Construction sehr gut bewährt hatte, erhielt die mittelste Achse der ' fünffach gekuppelten G Uterzug- Locomo- i tive ebenfalls keinen Spurkranz [Abb. 1 76], während bei der Personenzug- Locomotive schon die beiden gekuppelten Achsen 1 ohne Spm-kränze laufen eine Eigenart, 1 durch welche sich die Curvenmaschinen | der Bosnisch-Herzegowinischen Staats- bahnen von anderen schmalspurigen Loco- motiven wesentlich unterscheiden.

Ueber die Anordnung der Achsen j wäre bei den einzelnen Typen noch ! hervorzuheben :

Die dreifach gekuppelte Radial-Loco- motive besitzt vier Achsen, von denen die drei vorderen untereinander verkuppelt

Die Personenzug- Locomotive besitzt vier Achsen, von denen die zweite und dritte starr und gekuppelt sind, und keine Spurkränze erhalten; um ein Abgleiten von den Schienen zu verhindern, werden ihre Radreifen 160 mm breit gehallen. Die zwangläufige Einstellung der ersten und vierten Laufachse erfolgt durch den Tender mittels eines Dreieckes, welches zwischen Tenderkuppelung und Lauf- achsen-Leitstangen eingespannt ist.

Die Zahnrad- Locomotive, System Abt [Abb.177], für Adhäsions- und Zahn rad- belrieb besitzt nebst dem completen Me- chanismus für die Adhäsionsbewegung noch einen zweiten vollständig getrennten Mechanismus zur Fortbewegung auf der Zahnstange. Auf der Adhäsionsstrecke arbeitet nur der erstere Mechanismus, wäh- rend der zweite still steht; auf der Zahn- stangenstrecke jedoch sind beide in Thätig- keit, und wird die Adhäsion in der bekann- ten, vielfach bewährten Weise zur Unter- stützung auf derZahnstange herangezogen.

Friedrich Zezula.

Alle diese Locomotiven zeichnen sich durch eine grosse Zugkraft aus; speciell entwickelt die für den schweren Lastzugs- dicnst bestimmte fünffach gekuppelte Locomofive, System Klose, eine Zugkraft von 6400 kg bei einer Leistung von 350 Pferdestärken. Welche Bruttolasten von dieser Locomotive auf den stark ansteigenden Rampen der bosnisch - herzegowinischen Schmalspurbahnen be- fördert werden können, ergibt sich aus der einfachen Berechnung, dass eine Locomotive noch das dreifache Zugs- gewicht ihres- eigenen Adhäsions-Ge- wichtes über 35%o Steigung hinauf-

' nisch-herzegowinischen Schmalspurbahnen I dem Reisenden bieten, ist geradezu sprich- I wörtlich geworden. Alles, was die voU- ' spurigen Hauptbahnen für das Publicum in dieser Richtung geschaffen haben, findet der Reisende in den schmalspurigen Personenwagen des Occupations- Gebietes wieder. Ausreichend bemessene Sitz- plätze, eine vorzügliche, den hohen Tages- temperaturen Rechnung tragende Venti- lation, Dampfheizung, Closets und Toi- lette cabinen , sogar Schlafwagen mit be- quemen Ruhebetten lassen einen Unter- schied zwischen Normal- und Schmal- spur nicht erkennen.

schleppen kann. Der Klose'sche Fünf- kuppier kann daher bei 42-0 1 Adhäsions- Gewicht mehr als 120 f, und bei An- wendung des Nachschiebedienstes, wie er auf den Bosnlsch-Herzegowinischen Staatsbahnen trotz des Einbuffer-Systems mit dem besten Erfolge gehandhabt wird, noch 240 t schwere Züge über 35"/oo Steigung hinaufbringen.

Ebenso muss die Leistung der Loco- motiven über die Steilrampen der hier- ländigen Zahnradstrecken als sehr befrie- digend bezeichnet werden. So ziehen die Abt'schen Locomotiven neuer Type über die Rampen des Komar in der Stei- gung von 45%D 2üge von 110 t sowie über die Rampen des Ivan von 6o7oo Steigung Züge mit 90 t, und beim Nach- schübe 240, beziehungsweise 180 t Maxi- mallast mit 8 10 km in der Stunde.

Die Bequemlichkeit, welche die bos-

Die elegant ausgestatteten, a'09 m langen, 229 m breiten und exclusive Aufbau 2-32 Ml hohen Coup6s L Classe sind für vier Passagiere berechnet; die Sitze sind hier 078 wi breit und 075 «* tief, während der Abstand zwischen den- selben 0'59 m beträgt, so dass auf einen Reisenden 083 m* Fläche entfallen.

Diese überraschend günstigen Resul- tate konnten naturgemäss nur durch die Anwendung von Wagen auf Truck- gestellen erreicht werden, wie die bos- nischherzegowinischen Schmalspurbahnen bei ihrem Bestreben, die Fahrgeschwin- digkeit der Personenzüge auf mehr wie 40 km in der Stunde zu erhöhen, nur auf diese Type angewiesen waren. That- sächlich laufen diese Wagen bei ihrem Radstande von I0-20 tu [Mitte zu Mitte Drehgestelle] und einem ansehnlichen Eigengewichte auffallend ruhig.

Friedrich Zezula.

Gegenüber diesen äusserst geschmack- den Längsbänken in abgekleidete Räume vull ausgestatteten Personenwagen, deren tretenden Wagenrädern geradezu arm- einerbekanntlicli auch auf der Millenniums- , selig. Die nachstehende Tabelle gibt Ausstellung in Budapest den Beifall ein anschauliches Bild über die Ent- aller Fachleute gefunden hat, erscheinen wicklung der Personenwagen -Typen am die ersten Personenwagen mit ihren den b os nis ch-herzegow in i sehen Schmal- geringen Dimensionen und den, unter spurbahnen:

1 Occupations-Gebiete.

Personen- Zweiachsige Dreiachsige wagen L Cl. Coupö- Coupd- mit Längs- ' wagen L/II. wagen I/IL sitzen \ Classe , Classe

Personen- wagen auf Truckgeslel- len [Schlaf- wagen] I. Cl

Länge des Wagens mm

Länge des Wagenkastens. . . Grüsste Breite des Wagenkastens »

. Höhe ' Länge der Plattform . . . . » Breite des Mittelganges . . .

Radstand

Anzahl der Sitzplätze

Auf eine Achse entfallen Sitzplätze.

4.130 - 2960

1750

1.880

1X580

1500 6

3

078 1-46

5660 5.000

1.890 2.105

2.700 14

7

0-88 179

8.000

7-340 1.890 2-535

5000 73

084 187

13350 10.950 2.400 2576 2X850

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10.200

16

4

I 19

288

Auf- einen Passagier entfällt:

Bodenfläche «i»

Luftraum m'

Für die Tragfähigkeit der Güter- | wagen war in erster Linie die Manipu- lation beim Anschluss verkehre mass- 1 gebend. Solange jedoch das .System !

lässigen Achsdruck auf 6 ^-Wagen be- schränken, so dass zur Aufnahme der Fracht eines vollspurigen 10 /-Wagens zwei schmalspurige Wagen nothwendig

Abb. 181. Panle der Unit Sarajevo-

der radialstellbaren Achsen die blosse ' Anwendung von zwei Achsen mit einem Maximalraiistande von 270 wi gestattete, 'nusste man sich mit Rücksicht auf den zu-

wurden. Der grosse Nachlheil, dass die bpsnisch-herzegowinischen Schmalspur- bahnen statt eines Wagens zwei solche in Bewegung setzen und abnützen

37

578

Friedrich Zezula.

mussten, führte schon im Jahre 1885 zur Construction der dreiachsigen Wagen mit gekuppelten Lenkachsen von 5*00 tn Radstand; bei dieser Type, welche eine Tragfähigkeit von 10 ^ besass, wurde die Stellung der Endachsen von der seit- lichen Bewegung der Mittelachse ab- hängig gemacht.

Der verhältnismässig gar zu geringe Fassungsraum dieser Wagen konnte in- dessen für die Dauer umsoweniger ge- nügen, als inzwischen bei den Vollbahnen das Bestreben, Bodenfläche und Lade- raum thunlichst gross zu gestalten und die Tragfähigkeit des Fahrparkes zu er-

höhen, immer mehr zur Geltung kam. Dementsprechend gelangten auch bei den bosnisch-herzegowinischen Schmalspur- bahnen günstiger dimensionirte Wagen mit freischwingender Mittelachse und 10 / Tragfähigkeit sowie Wagen auf Truck- gestellen mit 15^ Ladegewicht zur Ein- führung. [Abb. 178, 179 und 180.] Bei diesen Güterwagen ist der Fassungsraum so gross, dass sie unter allen Umständen die Fracht eines normalspurigen Wagens von 10 ^ Tragfähigkeit aufnehmen können. Der commerzielle Werth der einzelnen Typen ist aus der nachstehenden Tabelle zu ersehen:

Gedeckte Güterwagen

' . .Dreiachsige' .

Dreiachsige ^j^ ^^^^^ Vierachsige

mit

Zweiachsige

Lenkachse

fähigkeit

zu IG ^ Trag- fähigkeit

schwingen- der Mittel- achse zu IG t Trag- fähigkeit

Wagen auf

Dreh- gestellen zu

15 / Trag- fähigkeit

mm

Ganze Länge des Wagens . .

Lichte Länge des Wagenkastens »

Lichte Breite des Wagenkastens »

Lichte Höhe des Wagenkastens »

Fassungsraum, :

Mann

Pferde

Bodenfläche ,

Laderaum

Auf I t Tragfähigkeit entfällt:

Bodenfläche ,

Laderaum

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8.000

•7.200

1.66g

2.150

8.000 7.2GO 2.GG0 2.150

11.600 10.86g

2.1(0

2.250

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8

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1-344 2 '820

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33

60

4

4

6

11-952

14*400

22 914

23 000

30-960

51 556

1195

1-440

1 527

2-300

3096

3 '437

Wird noch hervorgehoben, dass im Fahrparke der Bosnisch- Herzego winischen Staatsbahnen auch Stallwagen zur Be- förderung von Rennpferden, Fleisch- und Bierwagen mit Kühlvorrichtungen, dann Cokes wagen, welche bei 25*8 m^ Lade- raum 10 ^ Cokes fassen, sowie Reservoir- wagen mit 165 hl Rauminhalt eingestellt sind, so erhellt, dass dem Uebergange der Güter von der Vollspur auf die schmalspurigen Eisenbahnen Bosniens gar kein Hindernis entge^j^ensteht. That- sächlich übernehmen die Bosnisch-Herze- gowinischen Staatsbahnen Gegenstände

von 19 w Länge, 2'00 m Breite und einem Nettogewichte bis zu 30.000 kg anstandslos zur Beförderung. Und wenn das Profil des lichten Raumes bei diesen Bahnen nur 3 '65 tn über Schienen Oberkante hoch, somit um i'i5 m geringer dimen- sionirt ist, als bei den Vollbahnen, so muss berücksichtigt werden, dass die Plattformhöhe der Wagen bei ersteren o*73 w, bei letzteren aber i'22 w über Schienenoberkante beträgt, somit das Lichtraumprofil der Schmalspur eigent- lich nur um 0'66 w niedriger ist, als das der Vollbahnen ; es können daher selbst

Die Eisenbahnen im Occupations-Gebiete.

579

Möbelwagen, wenn auch nur mit abge- zogenen Rädern, ohne Anstand auf der Schmalspurbahn verladen werden.

Die zur Vermeidung einer Umladung auf anderen Schmalspurbahnen eingeführten Langbein^schen Rollschemel finden auch auf den Bosnisch-Herzegowinischen Staats- bahnen bei Zustreifung der für die Petro- leumraffinerie nächst Bosnisch Brod be- stimmten vollspurigen Güterwagen An- wendung. [Abb. i8i.]

Ausbildung des Fahrparkes activ mit- betheiligt haben. Die Namen dieser Fabriken sind mit der Geschichte des schmalspurigen Eisenbahnwesens unzer- trennlich verknüpft ; es wurden gebaut :

Die Reib ungs-Locom Oliven von der Locomotivfabrik-Actien-Gesell- schaft [Krauss & Comp.] in Linz a. D. ;

die Locomotiven gemischten Systems von der Locomotivf ab rik- Act ien- Ge- sellschaft in Floridsdorf bei Wien;

Abb. !>>$■ AbBilce voQ iel Wasacrstl

Denbosnisch-herzegowinisehen Schmal- spurbahnen gebührt das Verdienst, zur Widerlegung der früher bestandenen falschen Ansichten über die schmale Spurweite auch in Bezug auf den Güter- verkehr wesentlich beigetragen zu haben. Es ist noch nicht so lange her, wo für diese Geleiseweite, wie sie in den occu- pirten Provinzen zur Anwendung gelangt ist, selbst von den wärmsten Verfechtern , der Schmalspur Wagen mit blos 2"5 / Tragfähigkeit für zulässig erklärt wur- j den. Ein grosser Antheil an diesem 1 Siege über veraltete Ideen gebührt un- streitig den industriellen Etablissements | unseres Vaterlandes , welche den Be- i strebungen der Bahnverwaltungen volles Verständnis entgegengebracht und sich '_ mit grossem Eifer und Geschick an der ]

9c Ivan. IBidJanl-Scblcifc von amen.]

die Personen- und Güterwagen von der Waggonfabrik Freiherr v. Ring- hoffer in Smichow bei Prag

sowie von der Waggon fab rik s- Actien-Gesellschaft vormals Johann Weitzer in Graz.

Ein weiterer Vorzug des neuesten Locomotiv- und Wagenparkes der Bos- nisch-Herzegowinischen Staatsbahnen be- steht in den aussergewöhnheh grossen Radständen und in der tiefen Lage des Schwerpunktes, so dass nunmehr die Stabilität der Fahrbetriebsmittel auf der Schmalspur dieselbe ist, wie jene auf der Vollbahn. Da die Züge überdies mit der conlinuirlichen Bremse ausgerüstet sind und die Personenzug- Locomotiven mit ihren Triebrädern von I lOO »wwj Durchmesser eine Fahrgeschwindigkeit

58o

Friedrich Zezula.

bis zu 50 ktn in der Stunde gestatten, so sind alle Vorbedingungen für die Ein- führung schneller fahrender Z.\\gQ ge- schaffen und es wird wohl nicht lange dauern, bis die Bosnisch-Herzegowini- schen Staatsbahnen unter jenen schmal- spurigen Eisenbahnen genannt werden können, welche ihre Personenzüge mit einer Geschwindigkeit von 45 km in der Stunde verkehren lassen; dies um- somehr, als das neueste Schienenprofil der Bosnisch-Herzegowinischen Staats- bahnen von 21 '8 kg für den laufenden Meter einer solchen Geschwindigkeit vollkommen entspricht und auch der auf den übrigen Strecken eingelegte Oberbau von zumeist 17*8 kg Schienen- gewicht sich durch Einziehung von weiteren Unterlagsplatten einer erhöhten Fahrgeschwindigkeit sehr gut anpassen lässt.

Auch was die Betriebssicherheit an- belangt, bleiben die Bosnisch-Herzego- winischen Staatsbahnen hinter den Voll- bahnen der Monarchie nicht zurück, weil alle, zu diesem Zwecke von der moder- nen Technik gebotenen Hilfsmittel ein- schliesslich der Weichenblockirung auch auf den dortigen Schmalspurbahnen Anwendung gefunden haben. Es kann daher auch nicht w^undernehmen, dass trotz des dichten Verkehres im Jahre 1896 wurden auf den Bosnisch-Herzego- winischen Staatsbahnen 988.859 Reisende und 638.440 t Güter befördert, wobei der kilometrische Verkehr auf einzelnen Linien 81.152 Personen und 188.855 / Güter, beziehungsweise 127.753 Per- sonen und 109.641 t Güter betrug trotz eines streckenweise permanenten Tag- und Nachtdienstes und ungeachtet der bedeutenden Gefällsverhältnisse bis- her keine Unfälle von Belang zu be- klagen sind.

Die absolute Sicherheit des Betriebes auf Zahnradstrecken wird in erster Linie durch die ausreichenden Bremsvorrich- tungen gewährleistet, mit welchen die Locomotiven gemischten Systems aus- gerüstet sind ; es sind dies :

I. Die Klotzbremse an den Rädern der zweiten und dritten Adhäsionsachse, die mittels Spindel und Handkurbel vom Heizerstande aus bethätigt wird.

2. Die Bandbremse, welche auf die Kurbelscheiben der Zahnradachsen wirkt, bestehend aus Stahlbändern mit metallenen Klötzen, welche sich in die keilförmigen Rillen der Kurbelscheibe legen; auch diese wird mittels Spindel und Handkurbel vom Führer gehandhabt. [Abb. 182.]

3. Die Luftbremse für die Adhäsions- cylinder.

4. Die Luftbremse für die Zahnrad- cylinder.

Die sub 3 und 4 angeführten Vor- richtungen werden auf der Zahnstangen- strecke thalwärts continuirlich ange- wendet, und zwar bei geschlossenem Regulator und bei zur Fahrtrichtung entgegengesetzt ausgelegter Steuerung.

Es wird hiebei gleichzeitig das centrale Blasrohr gegen die Cylinder hin abge- schlossen, und andererseits eine directe Communication mit der äusseren Luft hergestellt. Die Dampfcylinder wirken nun als Luftpumpen, indem sie Luft durch die Ausströmcanäle ansaugen und in die Schieberkästen und Einströmrohre drücken ; mit den letzteren ist je ein Ventil für jedes Cylinderpaar in Verbindung, welche vom Führerstande aus gehandhabt werden und den Auspuff der in die Einström- rohre gepressten Luft ins Freie regeln, eventuell ganz verhindern, wodurch die Locomotive während der Thalfahrt so- fort zum Stillstande gebracht werden kann.

5. Die Einrichtung der selbstthätigen Niederdruckbremse, welche acht Brems- klötze an den Laufrädern des Tender- gestelles und die Bremsen der Wagen bethätigt.

Im Uebrigen gelten für die Ab- wicklung des Verkehrs auf den Bosnisch- Herzegowinischen Staatsbahnen dieselben Vorschriften wie auf den österreichisch- ungarischen Hauptbahnen, wobei aller- dings jene Erleichterungen platzgreifen, wie sie mit Rücksicht auf die dermalen noch geringere Fahrgeschwindigkeit und Verkehrsdichte für zulässig erachtet wurden.

Die bosnisch-herzegowinischen Schmal- spurbahnen besitzen keine elektrischen Glockenschlagwerke; dafür stehen die Stationen und Streckenwächterhäuser untereinander in telephonischer Verbin-

Die Eisenbahnen im Octupations- Gebiete.

diing, wie auch die Personenzüge ambu- lante Telephon apparate mit sich führen, so dass von jedem beliebi};;en Punkte der Strecke aus eine rasche Verständigung mit den Nachbarstationen möglich ist.

So entsprechen also die Schmalspur- bahnen des Occupations- Gebietes in vollem Masse allen jenen Anforderungen, welche man an eine moderne Eisenbahn auch in Bezug auf Betriebssicherheit zu stellen berechtigt ist ; allein auch in strategischer Hinsicht stehen dieselben den Vollbahnen nicht nach, indem sie mit ihren Wagen auf Truck gesteilen in einem Zuge von 290 / Bruttobelastung volle 1200 Mann, beziehungsweise eine äquiparirende An- zahl von Pferden und Fuhrwerken be- fördern können.

Diese von den Bosnisch-Herzegowini- schen Staatsbahnen erzielten Resultate sind umso höher anzuschlagen, als hier keine einzige der Eigenthiimlichkeiten der schmalen Spurweite, welche ebensoviele Vorzüge derselben bilden, geopfert werden musste. In erster Reihe war es ihre ausserordentliche Biegsamkeit, welche der Führung der Trace durch enge, gewundene riussthiilcr sehr zustatten kam, in welchen ja die Schmalspur ganz besonders am Platze ist ; in der That findet der Reisende die Flussläufe im Occupations-Gebiete auf weite Strecken als die unzertrennlichen Begleiter der Eisenbahnen vor. Unsere Illustrationen [.Abb. 183 und 184] zeigen zwei Partien von der an Naturschönheiten

so reichen Linie Sarajevo- Metkovi»! im Thale der Narenta, welche neben der Bosna zu den bedeutendsten Flüssen des Occupations - Gebietes zählt, und deren Lauf für die Führung der ge- nannten Eisenbahnlinie von ausschlag- gebender Bedeutung war.

Wenn nun diese Flussthäler mit ihrem oft wilden, schluchtartigen Charakter die Einlegung scharfer Curven erforderten auf Seitenhnien musste bis zu 35 m Radien herabgegangen werden so drängte das Hochgebirgs-Terrain andererseits zur An- wendung des combinirten Adhäsions- und Zahnrad -Systems, um eine künstliche, und I daher äusserst kostspielige Entwicklung i der Trace zu vermeiden. Die Bosnisch- Hcrzegowinischen Staatsbahnen waren die , ersten, welche die Zahnstange für schmal- I spurige Linien mit grosser Frachten- bewegung und Massentransporten zur , Anwendung gebracht haben; hiebei wurde ! jedoch die Steigung von 6o%(| als Maximal* I grenze festgehalten, um die Leistungs- fähigkeit nicht zu sehr herabzumindern, und besondere Vorsichtsmassregeln zur ' sicheren Lagerung der Frachten entbehr- ; lieh zu machen.

Die bei gegebenen Illustrationen bringen

einige Details von der Zahn Stangen strecke.

Unser Bild [Abb. 185] zeigt eine

Partie aus der in baulicher Beziehung

hochinteressanten Theilstrecke Bradina-

Brdjani, in welcher die steile und zer-

I rissene Felslehne tiefreichende Steinsätze

Friedrich Zezula.

und vier Tunnels nothwendig gemacht hat ; in dieser Partie führt eine 55 nt lange Eisenbrücke über die 45 nt tiefe Lukaschlucht {Abb. 186], bei welcher die Dilatation der Zahnstange durch eine eigenartige Befestigung der Tragsättel auf den Querschwellen von der Dilatation der Brücke unabhängig gemacht werden musste.

Eine hübsche Charakteristik über den Werth der Zahnstange in Thälem, welche der Adhäsionsbahn nicht die erforderliche Längen-Entwicklung gestatten, bietet die Thal ausfahrung nächst der Station Po-

in einer Höhe von 1306 m über dem Meere erfolgen, gewiss ein neuer Beleg für die grossen Fortschritte der schmalen Spur- weite, welche einen Winterbetrieb selbst in solchen Höhenlagen nicht zu scheuen braucht.

Die nebenstehende Tabelle gibt die Er- ÖfTnungsdaten und veranschaulicht die Be- triebsverhältnisse der Bosnisch-Herzego- winischen Staatsbahnen sammt der von denselben betriebenen Linien, sowie der neuen Linie Bugojno-Aräano [Spalato].

Im Betriebe der Bosnisch - Herz ego- winischen Staatsbahnen steht überdies die

doroiac, woselbst der Abstieg unter Zu- hilfenahme der Zahnstange mittels einer Schleife und einer Maximalneigung von 60, beziehungsweise einem Durchschnitts- Gefälle von 5l*/(n, erfolgt. Der ganze in dieser, 17-4^1« langen Strecke Ivan- Konjica bewältigte Höhenunterschied beträgt 597'00 m, was einem durchschnitt- lichen Gefälle von M'i^loo entspricht. Bis heute bildet der Ivan als Wasser- scheide zwischen dem Adriatischen und dem Schwarzen Meere mit seiner Höhen- Cöte von 876-35 m den höchsten Punkt der bosnisch - herEegowini sehen Schmal- spurbahnen [Abb. 187]; bei der projec- tirten Linie Bugojno-Aräano wird die Ueberschienung der Wasserscheide bereits

elektrische Trambahn in Sarajevo, welche bei 49 km Länge gleichfalls eine Spurweite von 76 cm besitzt und sowohl dem Personen- wie dem Frachten verkehre dient; die hohe Bedeutung, welche dieses Verkehrsmittel für Sarajevo be- sitzt, illustrirt der Umstand, dass im Jahre 1896 auf der Trambahn 637.734 Personen und 31.175 / Güter befördert worden sind.

Es erübrigt nur noch, der ehemaligen Eigenthums - Verhältnisse der einzelnen Eisenbahnlinien Bosniens und der Herzego- wina kurz zu gedenken. Die Linie Bosnisch Brod-Zenica, welche, wie bereits erwähnt, vom k. und k. Reichs-Kriegsmini- sterium erbaut worden war, wurde mit

Die Eisenbahnen im Occupations-Gebiete.

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58*

Friedrich Zezuta.

ihrer, durch das k. und k. gemeinsame Mini- sterium bewirkten Fortsetzung bis zur Landeshauptstadt Sarajevo unter dem Namen .K. und k. Bosnabahn. der Militär- Verwaltung unterstellt. Auch die später durch das k, und k, gemeinsame Ministerium erbaute Linie Doboj-Simin h a n wurde von der Bosnabahn in Betrieb genommen, während alle übrigen, aus öffentlichen Mitteln in eigener Regie unter Leitung der Landesregierung erbauten schmalspurigen Eisenbahnen unter dem Namen >Bosnisch-Herzegowinische Staatsbahnen« ihre eigene Direction zuerst mit dem Sitze in Moslar, und nach erfolgtem Ausbau der Linie Sarajevo- Mostar mit dem Sitze in Sarajevo erhielten. Allerdings wurde der Bestand zweier ge- trennter Ver\valtungen auf die Dauer unhaltbar; die Vortheile, welche mit der V e rsta a tli ch un g, b ezi ehun gs we i se Ce n t ra 1 i- sirung der Eisenbahnen in der Monarchie

erzielt worden sind, führten denn auch im Occupations-Gebiete zur Vereinigung aller Öffentlichen schmalspurigen Eisen- bahnen unter dem Namen 'Bosnisch' Herzegowinische Staatsbahnen* so dass nur noch die Militärbahn B a n j a- luka-Doberiin in der Verwaltung des k. undk. Reichs-Kriegsministeriums verblieb. Der 27, Juli 1895, an welchem Tage sich diese Vereinigung vollzogen hat, bedeutet den Beginn einer neuen Eisen bah nära, welche voraussichtlich nicht nur den volkswirtb schaftlichen Aufschwung der beiden Länder, sondern auch die Ent- wicklung des schmalspurigen Eisenbahn- wesens überhaupt wesentlich fördern wird; hiefür bürgen die Erfolge, welche die früher getrennten Bahn Verwaltungen auf- zuweisen haben und die nicht geringer sind als wie jene, welche den Eisenbahnen unseres Vaterlandes die Anerkennung der ganzen gebildeten Welt gesichert haben.

INHALT

des III. Bandes. Das Eisenbahnwesen in Oesterreich. [Fortsetzung.]

Seite

G. GERSTEL, Mechanik des Zugsverkehrs l

L. KüHLFCRST, Signal- und Telegraphenwesen 57

TH. ENGUSCH, Personen-Tarife 119

A. PAUER, Frachten-Tarife 175

F. BAUER, Verrechnung und Abrechnung der Transport-Einnahmen 237

F. MÄHLING, Organe des Betriebes 273

E. ENGELSBERG, Wohlfahrts-Einrichtungen 321

Das Eisenbahnwesen in Ungarn von 1867 bis zur Gegenwart.

J. GONDA, Geschichte der Eisenbahnen in Ungarn vom Jahre 1866 bis zur Gegenwart 353

Dr. K. V. NEUMANN, Die Eisenbahn-Gesetzgebung in Ungarn 419

L. JELLINEK, Tarifwesen 429

K. RIEDL, Eisenbahnbau im Allgemeinen 443

K. RIEDL, Brückenbau 452

F. SPEIDL, Oberbau, mechanische Einrichtungen und Bahnhofsanlagen 457

J. FERNER, Hochbau 4^5

E. SZLABEY, Locomotivbau 47^

E. KELfeXYI, Wagenbau * 484

E. NOVELLY, Werkstättenwesen 497

A. FORCHER, Zugförderung 504

J. MARX V. CSÄKÄNY, Entwicklung des Betriebes 509

A. V. DOBIECKI, Das Localbahnwesen in Ungarn 544

Die Eisenbahnen in Bosnien und in der Herzegowina.

F. ZEZl'LA, Die Eisenbahnen im Occupations-Gebiete 5^3