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Geschichte
der
goistlichoii Spiele
in
Deutschland.
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Von
Dr. E.' Wilken,
Doo«nt«n an der Uuiv. Oöttingen.
CMtiagfi, V ,, -s\
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VftadMlboeok A RuprechtH Verlag. 1
Herrn Professor
gewidmet.
¥ • r w • r I.
Die Geschichte des deutschen Dramas hatte bis vor etwa 30 Jahren von den ^^ " ' ' XV. Jahr- hnnderts und von Ilnns S; is aus frü-
herer Zeit (wi l'egenisoer Ludus vom Antichrist
ans dem XII. odci \ill. Jahrli.) vorlag , war zu vcrein- »elt, imd von den jfuigereu dramatischen Erzeugnissen, die man kannte' zu abweichend , um beigrifttich erfasst und erläutert zu können. Seit 1837 nun ist
fireilich durch g. uc Fimde verschiedener Gelehrton
— ich hebe Hoffmann von Fallersleben, Mone, S c h ra e 1 1 e r und W e i n h o 1 d hervor — ein bi'deuten- de« Material für die Geschichte» unseres ältesten Dramas herbeigebiucht , und ist auch von den gedachten Gelehr- ten (namentlich von Mone und Weinhold I schon der An- fang ' * ijemacht, die kirchlichen Ursprünge der geis-t-
licli ; ', wie sie nun auch die deutsche Literatur*)
in reicherer Fülle aufzuweisen hat, zu verfolgen. Doch darf es bei der Entlegenheit der altkirchlichen Rituale (officia) und der geringen Anziehungskraft, die gerade die ältest'^n (lateinisch geschriebenen) Spiele auf den deutschen Forscher ausüben mochten **) , nicht Wunder nehmen , wenn hier einige Unklarheit zurückblieb. Auch die allgemeineren Werke über deutsche Literaturgeschichte haben dem Uebclstand nicht abgeholfen. So schien es
*) Schon im irorigcn Jahrb. hatten die FraasoMa bagonnan ihr« MjvtirM aa't Lieht tm ■ahw
**) Di« .OrkdMa lat. 4« IhMtn »od.* too Da M«ril (ran* IMMwafwi la diaaar PffHrhwnf die dankeiuwartcaU Vorarbeit, die
VI Vorwort
Im einen nuucu Vorsuch, die Eiitwickolung d<is geist- liclicu Spi(ds in Deutschland khir zu legen — auf das Ausland lialx^ icli dabei nur die nötigste Riu-ksicht ge- nommen — geboten, vor Allem jene im altkirchliclien Cultus liegenden Keime, dann die Entwic-kelung unserer ältesten Ludi aus denselben zu verfolgen. Auf der an- dern Seitt^ durfte ich, um das Ganze der Entwickelung vorzuführen, auch die jüngsten, bis in die letzten Jahr- hundei-tt^ hinabreichenden Ausläufer des geistlichen Spiels nicht völlig bei Seite lassen. Als Eintheilungsprincip er- gaben sich von selbst zunächst die drei christlichen llauptfeste, an deren kirchliche Feier sich unsere Spiele uus( hlossen — nur dass statt des für eine sinnliche Dar- stellung zu erhabenen Pfingstfest«s das Festum Corporis Chri.sti als drittes llauptfest zu nennen ist. Mit den Fronleichnamsspielen lassen sich einerseits die Ilimmel- fahrtsludi, andrerseits die Spiele vom Antichrist und "Wclttjericht leicht in einer Classe vereinigen. Diesen drei tritt als vierte (Jlasse die dramatische Behandlung kirchlicher Legenden zur Seite. Uelxirall denke ich nur da aus dem Mittelalter in die neuere Zeit ülx'rzugreifen, wo der Lauf der Entwickelung keine Schranke duldet. — Im Mittelalter selbst aber sind die Anfänge des Vas- nachtspiels \inberücksichtigt. gciblieben , weil diese dem geistlichen Spielgebiet ganz fem liegen.
Göttingen im August 1871.
£. Wilken.
Inhalt.
••tu.
Cap. I. Weihaachtcyclo».
§ 1- Zur Einleituii): .... 1
§ 3. Die ÄUosien De&kiuaier .... 5
$ S. Der tjaaif^iacihm Weihuacbtladas jo
( 4. Aafiiag« im «jaoptwchea WeihnftcliUpiels . § 6. Bafiwn popolirer Behandluiig 2'<
{ 6. Yolkstbfimliche Behandlang des Weihnacbtxpiels
ond Aaftage gelehrter BehandL im XVI. Jahrb. 86 $ 7. Aiultefar dre WeAae^Imneb im Xmi. Jahrb. -
Bftckblick .... ö6
Ca^ II. Oalerejrdas.
( 1. Die laieioischen Oetemeclitfeieni 63
( 2- l4idi de noote peechee und Xarieuklagpo. 72
I 8. Anflüife fyBqptteelier Behandhmg .... 81 S 4. Aaftage popakrer Behaadlang. — Das volkBibüiu-
Hehe Oiterepiel 94
f 6. Das TolketbtmlidM Pasaions-Ottcrtpiel 107
$6. AeaUaftr aee Orterspiela ... Iin
Cap. III. Cyvlaa daa ipltani Rirehenjalin'. $ 1. HJanaelfchrteepiele
§ 2. ProaWiekanMpMc las
( 8. ABÜcIniil «ad WetIgericbtMpieh' 145
Cap. IV. Ugiat— apIiU. in
Cap. V. VfkmtUkA der Entwicklang des i^iiü. S»pieif ia
I 1. Ckwolagieclie üebernebi . . 168
I 2. Beaateaag dee allea TeiteaMiiU 178
f 8. KoMiieW Eie»eale aad Teafebeeearn 180
Caf. VI. AwMknmg wU Oafc— awia der gatott. Spiele.
f I. Aallara Teriode
I 2. MHtlert Pariode (bu som Aoaffaag dee MtUel
allesi)
I 8. Neaeva aad aaaeela Zr>t
VUI luUli.
8«lto.
Cap. VII. Stcllnnfr <lefl geint!. Spiel« su Kirche und Staat.
§ 1. Im MitUjlalUr .261
§ 2. In neuerer Zeit ... 2ül
C*p. VIII. Nationale , kuust- und kultur^<>.>4chichtliche Bedeutung?.
§ 1. Natidiiah-lmrnkt.T Art f^M-iull. Spiels in Deutschland 267
§ 2. l'o« tiBclii- spiele Deutschlands . 272
§8. Ktiltiir;^*^. .nj^ 285
Cap. IX. Die geistl. Spiele aN Sprachdenkniiiler .... 296
Register .502
Besserungen und Nachtrug, 305
Citp. I.
Weüinachtcyclus.
§ 1. tu EUleiUBg.
Wenn wir auch die Reihe der kirchlichen Hauptfeste in herkömmlicher Weise mit dem Weihnachtfest beginnen, so •ei hier doch in Kürze darauf hingewiesen , dass dieses Fest erst Unge nach dem Oster- und Pfingstfeste zu kirchlicher Festaetzung gelangte. Die beiden letzteren Feste und der Ton ihnen begränzte Zeitraum galten seit frühester Zeit den Christen (wenn auch bis zum Nicänischen Concil mit schwan- kender Datirung) als geheiligte Erinnerungszeiten: Ostern gmlt als Gründungs-, Pfingsten als Einweihungs - Fest der Kir- che, jeder christliche Sonntag sollte an das Osterfest gemah- nen >X ^D^ oQi* 2°°^ Glauben an den Auferstandenen wurden die Völker eingeladen. Weit weniger wichtig schien es, auch ffkr die früheren Ereignisse im Leben Jesu ein kirchliches Gcdichtnissfest za haben, und der Anstoss in dieser Bezie- hst ecbeint ron Häretikern erfolgt zu sein. Syrische Gno- ftfter, so heisat es >), feierten im dritten Saec. p. Chr. ein Feit der Vereinigung des Göttlichen und Menschlichen in Christo am 6. oder 10. Januar, und als historisches Substrat dieeer theologieeben Idee ward ror Allem die Taufe Jesu mit ihrer Bekliftigung Ton Oben aasgewählt. Die Gründe für jene kalendarische Datirung können uns hier gleich sein : ge- nof , dnai nach die (orthodoxe) Kirche sich entschloss, den 6. Jnnnnr historisch als Fest der Taufe Christi, dogmatisch
1) Bdkaaaüidi ward aas disiti Qnad» voo der ForUuhnuig iA> disoher SaMelMsr abgMahou
^ TargL AU.: ChrisU. Oiütw Ba&d II, p. 18 ff.
1
2 Cap. I, S 1.
aber vielmebr als Feftt der Erscheinung >) des Göttlichen im Menschlichen unter ihre hohen Feste aufzunehmen. Doch wurden nun auch einerseits die Hoclueit /u Kana, die Spei- sung in der Wüste ^) — andrerseits die leibliche Geburt Chri- sti und seine Anbetung durch die fremden Weisen in die Epi- phanieufeier des 6. Januar hineingezogen. — Im 4. Jahrb. aber ist es dem römischen Bischof gelungen, für das Weih- nachtfest ein andres Datum, den 25. Dcc. aufzustellen: das- selbe ist seit dem 6. Jahrb. auch von der orientalischen Kir- che adoptirt, doch so, dass der 6. Jan. als Taufifest Christi sich erhielt 3). Die römische Kirche aber Hess das Tauffest fallen *), legte auf (oder behielt für) den 6. Jan. die Anbe- tung durch die Magier, und in gesuchter Annäherung doch wol an das römisch - heidnische Neujahrsfest ward der erste Adventssonntag zum Anfang des (occidentalischen) Kirchen- jahi's bestimmt. Diese Rechnung findet sich in Deutschland erst seit dem 9. Jahrb. 5), und so nimmt man in der Regel an, dass das Weihnachtfest selbst in deutschen Landen nicht eben viel früher bekannt geworden. Für die Wahl des 25. Dec. hatte in Rom hauptsächlich der Umstand gesprochen, dass um diese Zeit die altrömischen Saturnalien gefeiert wur- den, die man so zu verdrängen oder doch zu verdunkeln dachte: denn die chronologischen Anhaltspunkte, die man ge- funden haben wollte 6;, sind wol als fromme Fictionen aner- kannt. Wie wichtig die Einsetzung des neuen Festes, abge- sehen von kirchlichem Gebiet auch für Cultur- und Kunstge- schichte des Abendlands geworden, lässt sich mit Einem Blick kaum übersehen : ich glaube nicht zu irren , wenn ich auch den so tief in das Volksleben greifenden Mariencult der rö- mischen Kirche (welcher mit der zwar ähnlich hohen, aber weit minder gefühlvollen Verehrung der Gottesmutter im Orient und der griechischen Kirche schwerlich ganz gemein-
•) Daher Epiphauien- , auch Theophanien-Fest.
i) Vergl. Mone Lat. Hymnen I, p. 66, 57.
3) Auch wurde hier der Kirchenjahrsanfang zu Ostern gewahrt.
•*) Oder raubte ihm durch Verschiebung auf einen gleichgiltigeu Sonntag vor der Fastenzeit jede höhere Bedeutung.
S) VergL Rettberg: Kirchengesch. Deutschlands II, 790.
•) Vergl. Alt. ChrisU. Cult II, p. 40.
Cap. I, 5. 1. 8
•ame Wurzeln hat) ab einen Ansflnss des römischen Weih- nacbtsfiMtea auffasse i)
So iosseriidi aber auch ü:-: \ < ::ii:l;i>-i;! j war, die dem neoen Festdatnm ni Grande hig. > > \\ :— 1< df romische Kir- che ihr Weihnaditfest doch würdig' :vu^.u statten und mit Si- cherheit dem Organismiis ihres Kirchenjahres einzufügen. Von letzterem Panct war schon die Rede: zur Ausstattung des Denen Festes wurden (wie riel leicht gleichzeitig für das Osteriest) halbsacranaotale, symbolisch -liturgische Handlan- ge (oflkia, ordines) eingeführt Ganz abwegig wäre es, diese £asi ganx aus BibeWersen und ans Hjrmnenstrophen compo- nirten Texte, oder ihre wenn auch in Sprache und Auffas- sung Tolksthümlicher werdenden, aber der kirchlichen Tradi- tion kindlich treu bleibenden Nachbildungen (unsre Weih- oacht^iele) f&r Nachklänge oder auch für kirchliche Paro- dien alter SaUimalienfeiem zu erklären ^) — und ebensowe- nig dürfte sich ein irgend nennenswerter Einfluss germanisch- heidnischer Elemente (wie der Julgebräuche) auf das Weih- nachtiyiel nachweisen lassen 3). Vielmehr unterliegt es bei Sadikundigen wol keinem Zweifel , dass jene symbolisch-litur- gischen Handlungen, welche die christliche Kirche zur He- bung ihrer hohen Feste xwiachst wol im Orient aufgenom- men «), und in besphraakterer Weise zum Theil noch furt-
I) Indem dicM« »elbct eine Art Ton Concetsion an daa Heiden* duiat«Dt]ivm wnr, berührt (ich dicM meine Ansicht wol mit der J. OrfaHM. (MytlioL p. XXXJI ff.)
>i iHüiin g^6m soMer dem Neujahrs- (txnd Faatnacht-?) Brin» ehen nnr die Kiadcr>, Karren-, Eeebfeete der Tage nach Weihnacb- tea, dsTM Torfcommea ftbrigtna Ar Devtechland achwach betengt
«t: dk sigeiitliehe Weihnacht» , wie die Epipkanienfeier weite von
irnoüven Elementen Nichts.
icb dem doch etwas gewagten FingerseifS Onrnma in der HjrtboL (p. 744 aatea) hsbaa dentache OeUhfte wol aadi naaere geisi- li<iii tnüiimsilichan 8piels amf germaaisehea HsideBtem nHIckbesogen: VergMekaag mit das an aabs ttehsadew Ersengnisaen romaniachar TMkcr seigt den Irrtok
«) Verfl. AH: naatM* and Kireha p. 886^ — Doch die
MiiUanng Jener miantslianbaa OrÜtnigis vUkL gaas oIum ütUa pos tMcbvr Pbaatssia gahmfea.
4 Cap. 1, S 1.
fühn leren uaiv-populäre Nachbildungen doch wol die
spiitcicu Yuiksthümlich geistlichen Spiele deutscher wie roma- nischer Völker sein werden — in der Hauptsache durchaus auf die scbon so reich symbolisch-lyrische Cultusform des al- ten Bundes sind zurückzuführen , deren freiere Entfaltung 2j uns hier vorliegt; die hier und da vielleicht durch ein classi- sches antikes Element befruchtet ward , doch selbst durch das Gewand der Römersprache die alten Züge wol gewahren lüsst. Von diesem für unsere Untersuchung notwendigen kir- chen-historischen Standpunct aus werden wir uns leicht daran gewöhnen, nicht das scheinbar einfachste (und jetzt voranste- hende) Element der Weihnachtfeier, die Hirtenverehrung nach Luc. II. , vielmehr die Magierverehrung nach Matth. II zum Ausgangspuuct zu wählen, wie es schon die Betrachtung der ältesten Denkmäler, mehr noch die Uebersicht des ganzen Entwicklungsganges an die Hand giebt ^). Denn einmal ist die ältere Feier des 6. Januar schon von Bedeutung , und auf der Hand liegt ferner, dass eine Feier, die das Christkind nicht in Dürftigkeit und Ohnmacht, sondern von Königen (so wur- den ja frühe die Magier erhoben!) mit Gold und Weihrauch beschenkt zeigte , ebenso dem seit Alters an Glanz und Macht der Gottheit, nicht an ihre Dürftigkeit gewöhnten Volksge- müt zusagte 4), als der abendländischen Kirche und ihren Dienern bei ihrer hierarchischen Weltanschauung lieb sein musste 5). Drittens darf auch nicht übersehen werden, dass wie bei den Evangelisten und Aposteln das Menschliche im Leben Jesu vor dem Göttlichen, selbst die mancherlei Wuu-
1) Vergl. die geistvolle Interpretation der römischen Messe bei Du Mcril Orig. lat. du Theätre med. p. 41.
2) Weshalb die Juden selbst es nie zum Drama bringen durften, ist dargelegt bei Alt: Theater und Kirche p. 802 flf. — VergL auch Du Meril p. 40. Note 2.
3) Ich komme darauf in einem spätem § noch zurück.
*) Dem deutschen Altertumsfreunde liegt hier als Beleg der alts. Heliand mit seiner kräftig nationalen Färbung wol am Kächstcn. Ob man mit Grein zu Hei. v. 388 auch jene Ehuscalcos (Stroitrosshüter) als mit Absicht gehobne Repräsentanten des Hirtenstandes fassen darf?
5) Wurden die „Opfergänge" des Dreikönigsfestes in der Folge doch auch von wirklichen Fürsten dargestellt. Vergl. Weinbold W. Sp. p. 54.
Cap. 1,8 2 5
derbegebenhdten Tor der Lehre, dem Leiden und Versöh- nimgitode mit Reoht sehr Koröokitohen, so auch die ältere Chrnteiikirche ftst nur das MnsriiBinfli-Bedentsame im Le- ben Christi sich heraushob (und dazu gehörte doch sicher auch die Anbetung des Kindes durch jene Weisen aus der Fremde!), während anderweitige, rielleicht recht anmutige Zöge — und wo- hörte nicht gern ron jenen Hirten? — kaum beachtet wurden. Schliesslich hielt auch religiöse Scheu lange Ton der lebendigen Darstellung Maria's und Josephs >) ab, die bei der Hirtenverehrung kaum fehlen durften und wenigatens angedeutet werden roussten: während bei'm Ma- gienq^ler es eben nur auf den neugebomen König der Juden
f 3. iic ältesten ienkaälff.
Der Wert der ältesten (Freisinger) Denkmäler 2) auf dem Gebiet des dentschen (lonächst zwar in lateinischer Form endieinenden) Weilmachtipiels, wird dadurch wesentlich erhöht, dass ihnen sehr nahe verwandte und ihnen viel- fach zur Erläuterung dienende gallikanische Denkmale 3) zur Seite stehen. Wir können es so leicht verschmerzen, dass ans directe Nachrichten über die älteste Weihnachtfeier in den Kirchen Deutschlands fast gänzlich abgehen <), da uns
I) KichAsOTOB der dMCkrutiünd«». das« ich einfach ilurch eine P«ppe darvtcUea Ucat.
S) Jetsi Mif der Minchpor Lilü. Mai^'< un ui 7u< tm uhu am bc* •tea bei Du MArfl p. IM ff. «ad p. 171 ff. bIb ^Myatürc de radoration dM Mstw' «. OIUcImI*. — Bei W
>) AosRovea, limogee «»«1 if^taA
■md die Oriee—ir Slieke bei Wngbt {lu onet) eb-
gednKkt. Bei De MMl elehea dieae p. l . . . die noch
Uterea eae Roeew «ad liatofet p. 147—1^3.
«) Wir laben anr die Stell' "1,8.
peei Te Denn alieabi in «ea er. . elie
(HL fmbaAmm iel aaf den 9a. Oee^, de* Oft SteBae a«f den 8. Jmn^ dae Off. Hsfilifcffi gehflci der Oülefseit en.
6 ^»ip- 1, ä -•
die Vergleichung unserer baiwarischen mit jenen meist ältere Form wahrenden gallikanischen Stücken ziemlich sichere Re- sultate an die Hund giebt. Es wird angenommen werden dürfen, das« es auch in Deutschland ursprünglich besondere kirchliche Feiern für jeden der drei höheren Festtage der Weihuachtzeit gab »), deren Verschmelzung zu einem (synop- tischen) Weihuachtdrama dann das Werk der Folgezeit war. In den Anfängen dieser zweiten Entwicklungsstufe finden wir nun schon unsere Freisinger Denkmäler 2), doch ist die Com- bination der verschiedenen Festmotive hier noch so äusserlich und unreif, dass sich aus jüngerer Zuthat der ältere Kern sehr leicht herauüschält. In dieser Weise denke ich unsere ältesten Weihuachtspiele hier folgen zu lassen 3)
[Offlciom Magorum.]
(Magus) primus. Stella fulgore nimio rutilat. (secundus). Quae regem regum natum monstrat. (tertius) Quem venturum olim prophetiae signaverant. (Simul cantent): Eamus ergo et inquiramus eum, oflferen- tes ei munera, aurum thus et mirram. Intrantes cborum): Dicite uobis, o Ilierosolymitani cives,
Ubi est exspectatio gentium,
Noviter natus rex Judaeorum ,
Quem eiguis coclcetibub agnitum
Venimus adorare? Intemuucius currens: Salve rex Judaeorum!
Rex: Quid rumoris afifers? (Istemuncius) : Assunt nobis, Domine, tres
1) AuRser dem 6. Jau. und 25. Dec. gcnoss auch der ünachuldige- Kindleins-Tag (28. Dec.) hoher Verehrung.
3) So dürfte die Annahme ScbmcUers , der eiu dem 9 — 11. Jahrh. zuBcbreiben wollte, zu hoch hinaufgehn. Du Meril setzt Beide ins 11. Jahrb.: vielleicht dürfte noch weiter herabzugehen sein.
3) Das für den 6. Januar bestimmte als Officium Magorum, das für den 28. Dec. als Ordo Rachclis : die für den 25. Dec. sprechenden Verse sind als Erweiterung zunächst ausgeschieden. — Was bei Du Meril und Weinhold nicht als handschriftlich gesichert auftritt, ist in runden : eigene Ergänzung in eckigen Klammem eingeschlossen.
Oap. I. 5 2. 1
Viri ifnoti »b orieate Teniente«,
NoTiter Datum regon ^endara qaaeriUate«.
(Res): QnaC nt CSDM fvia^'^ iamiAm ritn« inwvorr> 4f nilpr« !
(IntarauMMs ad) Magr^
Qaae r^ntm noritas aot qoae to« (causa sabegit) IgaoUa toatare via«; (Quo tentidis ergo?) (Qaod gamH?) md« (d(«io?) (pacenme hoc fertis an arma?) Mag^i rhaldaei ramus, pacem ferinraa, ncgviD icgun <|aa0niDas, QMm aatuD «im atella indicat, Onaa fidgore eetaris clarior nitilat
')
(Rcz) Ad Doa Tocraonu, ot eornm sermones aa(diamas). (InUr) Doncina (ad Magoa):
R«gia Toa mandata vocant, non a«gmter (latem. ad Begen) £n Magi Tentunt,
fEt regen natom ataU» dnocBte requirnnt.) (Rex ad Intern.) Auf« rearire tobe, quo poaaiin} tingula scire, Qai aiBt, cmt resiant. (quo noa minore requirant.)
3)
(Res): Ragam qMsa qnawritia Natom <|ao «igao dididatia? Rcapoodaaat: lUnm nataa cm« didicima« in Oriente; atella mons-
trarit [mm] (Bax aooBtra): 8i Uhua regnare crcaiua, dicite nooia. Naae raapoadaaat: Baae rtgaara fataalM, cum Bjiticis muncn-
baa da terra loagtnqaa adorare (Tenimua).
yjm thr »ardtiUa 8tdle: dar Bot« bariehtet an den König. *) la dar Ba. aehajaca loaAchat drei Hexameter zu folgen vergL Wetak. p. 88 obaa. Weiali. rflckt darauf jene Antworten der Magier •bar tbra HataMt ata, die aick in der Ha. (and ao auch bei Pu M^l) aa ctaar iyilirB, dock wol aapaaaaadea 8t«U« fiaden. Ich glanbe den baa. Vum§ ala ipilM ZaMte gaaa aaMchatdaa n dftrfan, und mag an aaver Slallo aiaa «iafacb« Gawaiartantawi frflkar gaatanden haben, alva:
Baa ait caoaa me, ragaa saBMM ax Arabitia, Qiiaaiiiaaa Uc rafHa ragaaBtibaa üaperitantem — «aa aaak Du MArfl aehoa foraeUigt (p. IM obMi).
8 C»p. I,S2.
(Primai) Auro (regem)
(Secundus) Thare (deom).
(Tertia«) Mirr» mortalem. Res «d roilitei: (Hinc) lymnitUe >)« «t diBcrtot pigiiu propbetica
scribas (profe)rte. Milea «d scribas: Vos legiaperiti, a rege vocati,
Cnm prophetarum Ubris propcrando (venite). Rex ad scribas: 0 vos scribae, Interrog^ti dicitc, Si quid de hoc puero Scriptum habetis in libro! Rcspondcant scribae.
Yidimus, Domine, in prophetanxm libris
Nasci Christum in Bethlehem, civitate Dayid,
Prophcta sie vaticinante:
Antiphona Bethlehem ^) Rex ad scribas: Protinus) ad finem spectat prudentia rerum? Yadite cum vestris qui dig^i vatibus estis 3) !
et projiciat librum. Rex (ad proceres) Consilium nobis proceres datc laudis, honoris. Armiger ad (regem).
Audi quae facias , rex audi pauca sed apta !
Eois des dona Magis morari <),
Ut noviter nato quem quacrunt rege reperto
Rex, per tc redeant, ut et ipse scias quod adores! Rex consilio habito dicat:
Ite (et) de puero diligentcr investigate
Et invento redeuntes mihi renunciate
üt (ego veniens) adorem eum. Rex ad armigerum S) •.
Abduc externes ciiius, vasalle, tyrannos.
») üeber dies Wort vergl. Du Meril p. 167 N. 1. und den Nach- trag dazu p. 418. >) Micha V, 2. 3) Hat Du Meril eo gelesen? Ich ergänzte Weinholds:
jVadite cum vestris estis' früher so:
Yad. c. vest. paginis, falsum genus estis! Aash das protinus im Verse vorher scheint nicht gesichert.
*) Die Hs. bietet nach Du Meril vor morari die Worte ,nec mitte*. ') Vielleicht gehört auch der folgende Vera zu jener grossem
Cap. I, S 2. t
Magi ftspicientes stellam canant:
Ecce Stella in Orient« praerisa
herum praecedit nos Incida! [Obstetrices] >) Qui sunt hi, qui Stella duoe
Kos adeant«8 inaodita ferunt? lUgi rwpoDdeaDt. Nos sumas, quoe cernitk, r^^
Tharns et Arabmn et Sabae,
Dona ferentes Christo quem Stella dace adorare ve-
nimus. Ob( Stetrices) Ecoe poer adest, quem quaeritis. Jam properate et orate, quia ipse est redemtio mundi. IntnntM magi: Salre princeps saeculorum! Prima: Soadpe, res, aurum! Secnndus: Tolle thus, ta tero Deos! Tertius. Mirram ngnom sepolturae! Angelas ad prostratoe Magos: Impleta sunt omnia quae prophetice dicta sunt. Ite viam remeantes aliam , ne delatores tanti regis puniendi
sitia. Mafi redeontet antiphonam (canant) ! 0 regun caeli. ') B<M Teno« cantent poeri in procetsione regoin:
Ex pleto officio: Laetabundtu («zultet) 3) Angcloi (coDsilü) 6ie«t lidas radinm.
Zur ErlioteruDg de« mitgetbeilten Textes sei noch Fol- b«B«rkt. Das durch den Druck hcrrorgehobne , in
intcrpoisUon, ojc ich in die«er Ocg«u<i dci mucks aniuhmr. I»u M- ril •Araftt A4dac, waa Oo^Jeeter lein dfirfl«, im r*) r<!:M n f.u,\,t, ,i,.h bei ihm (p. liO) «• kaadiekriftlidM OetUlt ^
<) lUehttMiffoc dJMtf 8ehr«{b«ag wir i
*) Um wird die Antipbooe (antfUirlicher mitgetheilt) im Ordo
>) Dm AttftlM eowriUi i«i »m Jwwim IX, 6 cntiwmwa aad bil- det daa bifoHM der drittea Mmm an 26. Dm. leb komm« darauf ■ntck.
10 Cap. I, 8 2.
zwei getrenote Thcilc zerfallende, Stück iit darcb Ueberein- stimmung nicht nur mit dem (unserm Freisinger Denkmal etwa gleiclialten) Ordo ad reprueseiitundum Herodem ') aus Orleans, sondern auch mit dem sicher altern und noch ganz kirchlichen Oßicium Trium Regum 2) aus Ronen als altkirch- liches Ritual gpsichert. Der Zwischenraum zwischen jener Begegnung der (aus verschiednen Ländern kommend gedach- ten) Magier und ihrer Ankunft beim Stall zu Bethlehem, der in unserm wie dem Orleanner Stück durch die Audienz der Magier bei Herodes und seine Beratschlagung erfüllt wird, ward bei der F'eier in Ronen noch von einer (stummen) Pro- cession der Magier durch die Kirche in Anspruch genommen, während in den gleichzeitig gesungnen Chorhedern 3) schon auf ihre Begegnung mit Herodes angespielt ward. — Betrachten wir zunächst jenen ältesten Kern, der mit dem Officium von Ronen zusammentrifft, seiner Entstehung nach,' und fassen wir namentlich jene Anbetung des Kindes und das dreifache Opfer ins Auge. In Ermangelung eines Textwortes in der Schrift *) (und man hielt sich sonst bei Abfassung dieser li- turgisch-dramatischen Feiern immer zunächst an die Vulgata) hat man sich hier offenbar an das Wort Claudians (Epigr. 99 ed. Artaud.):
Myrrham homo, rex aurum, suscipe thura Deus! gehalten. Die Magier werden bei der Krippe des Kindes von - zwei Clerikern in Dalmatiken 5) empfangen , die wir zunächst für Maria und Joseph halten würden. Aber schon die Dal- matica (der weisse Talar) wie das ihnen vorgeschriebene ,8ua-
>) Bei Du Meril als, ,Aatre Mystere de TAdoration des Mages' p. 162 ff. — Jener älteste Titel (als etwas jüngerer erscheint Herodes sive Magonim adoratio) ist nur in .dem Abdruck bei Wright (Early Myst.) gewahrt.
2) Urkundlich bei Martene de ant. eccl. ritibus Tom. III, Libir IV. r 14. — Bei Du Meril als Office de l'Etoile, bei Weinhold, der CS p. öl auch erläutert, als Rituale von Ronen bezeichnet.
3) Den Ressponsoricn : Magi vcniunt cet. und Intcrrogabat ma- gos cet.
4) !Matth. II, 11 ist die Adoration eben nur erwähnt. — An Be- nutzung von apokryph. Quellen (Protev. Jacob! c. XXI, Hist. Inf. Salv. c. XVI) für die alten Dreikönigsoffize denkt Du Meril p. 156. .Vnm. 5.
*) So heisst es im Offiz von Ronen.
Cap. I, § 2. 11
Titer respondeaut' spricht dafür, dass man beide Darsteller für weibliche Persooeu ausehen sollte: dazu kommt, dass iu einigen der gaUikanischeu Stücke sich an Stelle Marias und Josephs «ObstetrioeB* bei der Krippe befinden, welche Bezeich- nung auch an einer Stelle nnsers Freisinger Denkmals i) mit
Sicherheit aas dem Ob der Hs. heraus erkannt ist^
and Ton mir an einer kurz vorhergehenden cougruenten Stelle 3) hergestellt ward. Als Obstetrices werden wir also aaah jene Beiden in Dalmatiken aufzufassen haben, und es firagt sich nur, wie kam man zu dieser sonderbaren Einfüh- mng? Es genügt nicht, darauf hinzuweisen, dass in apokry- phischen Erangelien sich bei (oder gleich nach) der Geburt Christi Hebammen einfinden, denn Ton jener Amtsverrichtung welche dort ihnen obliegt, ist in unsem Offizen keine Spur: aa befragea nur die Ma^^ier und geben ihnen selbst dünn Andninft Wir irren wol nicht, sie hier einfach als Umgebung der h. Familie erklärend, die nur zu dem Zweck den Apokry- phen entlehnt worden, die Darstellung der h. Familie selbst za QBgdien ^). — Im Uebrigen ist die Anlage des ältesten Offizes Ton möglichster Einfachheit *). — Auch jene Erweiterung (oder Ansfüllung) der ältesten Grundlage, die oben durch kleineren Druck anterschieden ist, dürfte schon wieder zwei Stufen der Fortbildung darstellen: eine ältere, prosaisch oder rythmisch abgefaast; eine jüngere, theil weise wol metrisch S) neu zuge- Ittgt — > oft wol nur aus der altern Vorlage metrisch umge-
1) Vor den Worten: Kcce paer etc.
S) Za dem Angelas al(iai) der Hs. hat Tielieicht cm Kedck' !< ik gehört, das wir nicht mehr lesen. Die Worte: Qai sunt hi etc. ^' ' ) * •ach der OrieMwer Ordo den Obcietrioes (cf. Da Mcril p. 170 obi-n.)
>) Andi in den Aaflkagen des Osterspiels treten die höchf^Un PiTMNiMi Bodi sarftdE.
*) B«. der Aaiftn der Magier fiber ihre liviUiut \!,i h' Oel»«r«elii der Dreikteigsteadttiott bei Rud. Uoffmann. L< ) r J. n uuk des Apoor. pi IM ft Dms einer der Magk-r ';<li {\y\>- -.u .i< lu to« tair ansgesefciednen Theil» der Erweiterung) Z'-i^-.tr[vv i>. ut.t. .»t •as d«B Zage iitt Tradit eatlehnt, wonach ZoroMier eohon die (ie- b«ri de* M— IM gswstosegt haben soU.
*) Dh. ia BeuaMlera. Die Prose dsg^^ «aiCMst iu jener Zeit «ftwel dae was wir jetei so aeaaea ab aaeh die gerciait«, doch nicht >af eaiiket Ifaese gehcaehAe Bede^
\t Cap. I, 5 2-
schrieben. Wir können hier, da ein grösserer Tbeil der me- trischen Erweiterung von mir aus innern Gründen ausgeschie- den, die Betrachtung jener beiden Entwicklungsstufen verei- nigen. Wenn wie oben bemerkt wird, die Begegnung der Ma> gier mit Herodes im ältesten DreikönigsofTiz schon lyrisch an- gedeutet ward, 80 war zu einer mimischen Aufnahme dieser Scene nnr der Eine Schritt nötig, über jenes zarte Bedenken, das Ton der Darstellung einer so antichristlichen Figur wie Herodes nicht minder als von der besonders heiliger Gestal- ten abraten mochte, hinauszukommen. — Der Platz des He- rodes und seines Gefolges in der Kirche konnte (da Jerusa- lem so nahe bei Bethlehem lag) nur in nächster Nähe der Krippe anzusetzen sein : die Processionsdauer vom ersten Begegnungsort der Magier bis zur Station Jerusalem ward schicklich durch Boten in der Weise ausgefüllt, dass diese den Magiern entgegengingen und dann über die Fremdlinge an den König berichteten. Vor diesem hatten die Magier dann selbst die (im ältesten Offiz erst von den Wächterinnen der Krippe gestellten) Fragen nach Herkunft und Stand zu beantworten, die Bedeutung ihrer Geschenke anzugeben. Letzteres wieder mit Benutzung der schon im ältesten Offiz sich findenden (verrauthlich aus Claudian entlehnten) Stelle. — Ein eigen- thümliches Leben erhielt aber die Herodesscene durch Anf- nahme jener Befragung der Schriftgelehrten (scribae), von der wir nebst der Wirkung ihres Berichts auf den König >) bei Matth. II , 3 lesen. Diese Wirkung ward aber wenigstens in ujiserm deutschen Stück 2) nicht als Furcht, sondern nur als Zorn aufgefasst: auch schien es der königlichen Würde zu- träglicher, einen so kleinlichen Plan, wie die heuchlerische Voraussendung der Magier, von der Umgebung 3) insinuiren
1) Eb scheint das nicht ganz genau von mir angef^ebcn, da jenes Erschrecken des Königs (II, 8) der Befragung der Gelehrten vorans» geht. Da man aber mit II, 7 für die Darsteilung Nichts zu machen wnsste, liess man die Gemütsbewegung des Königs erst an dieser Stelle eintreten.
2) Vergl. die entsprechende Stelle des Orleanner Ordo bei Da M^ril p. 168.
') Der Rat geht in der IIs. vom Annigcr aus, doch mochte, da diese Figur mehr dem Kindermord eigentümlich scheint, Ursprung-
Cap. 1.8 2. 18
I« lassen. — Die Anbetung an der Krippe und die Beleh- rang der Magier durch den Engel war schon im ' OlTi/
enthalten : die ErveiteniDg begnügte sich wol / .. y-
nen Dienern , die Ins dahin die Geschenke auf Händen gehabt hatten (pneri in proc. regum) noch einige Scblussverse in den Mud sn legen, deren Sinn dahin zu geben scheint ')) ^^^^ ein jährlich wiederkehrendes Fest das Andenken des hoben Elreignisses festhalten sollte. — Doch begnügte mau sich nicht damit: die nahe Verbindung der Magiergescbichte und des KiDdennords zu Bethlehem bei Mattb. II. hat leicbt dazu ge- fuhrt, (ee ist dies die dritte Stufe der Erweiterung) >) wenig- stens den Beschluss des Kindesmords mit in das Magierofflz aufzunehmen. Fast gleiebicitig mit dieser gegen Ende des Stucks eingelegten Scene mag jene Spielordnung entstanden •ein , die jetzt in der Hs. an der Spitze des ganzen Denkmals steht Noch später dürften dann jene Hirteuverse (einmal gleich nach der Spielordnung, dann beim Herannahen der Magier sur Krippe) eingelegt sein, und das schon berührte Aagehn oonsilii zum Schluss dürfte (wenn hier eben der Messintroitus gemeint ist) darauf hinweisen, dass das ganze Offis, wie es die Hb. bietet, bereits nicht mehr am 6. Jan. 3), tondeni am 26. Dec. zur Anwendung kam. Je mehr sich das römische Weihnachtfest im Abendland festigte und so allmählich selbst dem Osterfest sich v' ' i wagte,
desto näher lag es, gerade die kirchliche ..... ....^es Tages
(des 36. Dec.) auf alle Weise zu heben und zu yerherrlichen. Eb» ich sum zweiten Freisinger Denkmal übergehe, sei hier noch das Bruchstück eines lat. Dreikönigsspiels erwähnt, das freilich erst in einer (Wiener) Hs. des XIV. Jahrb. auf- bewahrt, aber seiner Entstehung nach zum XII. bis XIU.
hA im latenMHilias gtmefaii tsin. Aneb sei hier bemerkt, das» dit ÜB vcff«a%«k. Verte da« Berodn (Coostlium nobis c«t.) aagtredeten, ^roMTM* Tielkicbt aar die Mboa erwihUMi ,auUtaa* nnd, so dan in dk Oebcncbrift B«x ad «Btlitss so ■■tosn wirs.
1) Die weaifni Icdbarsa Worte nth» bei Weiabold p. €1.
*) Diese sowie die vieits sind voa sur gsas aas däa Text ge>
i^ Wie*t Ar das Drsikaaigsotta tod Boasa beseagi ist, .leiüa ■rifbsatsi oaalBla> Da Miril p, IM.
14 Cap. I, S 2.
Jahrh. gehören möchte: man findet es bei Du Meril in der Note p. 151 u. 152 Dtrsolbe halt es für eine vollständige Piece: wogegen docl» schon die (barocken) ') Namen der drei Könige Auroolus, Thureolus, Myrrheolus sprechen, welche auf dan Mitbringen und spiitore Darreichen der bez. Geschenke hindeuten. Doch weiss ich nicht, ob bei dem gelehrten Spiel- werk 2) überhaupt an eine Aufiührung unbedingt zu denken ist
Von einem vielleicht wertvolleren, 1768 durch einen Klosterbrand zerstörten Dreikönigsspiel berichtet nach Gerbert de cantu et mus. sacr. T. II , p. 82 Du Meril ebendort.
Ordo Rachelia 3)
Das gallikanische Denkmal, was für die Kritik dieses zweiten Freisinger Stückes in ähnlicher Weise zu gebrauchen wie das Officium von Rouen für das erstere, ist die Orleanner sog. ,Interfectio puerorum' ■*), freilich selbst lange nicht völ- lig alt und einfach. Halten wir dies nun gegen das Freisin- ger Stück, so zeigt sich die Uebereinstimroung in deutlicher "Weise (doch auch hier nicht ohne Abweichungen) nur bei'm letzten Theile beider, jener Rachelklage, nach der nun das Freisinger Stück als Ganzes benannt ist. Von dort rückwärts gehend findet man in jedem Abschnitt die Uebereinstimmung schwächer: die Scene, worin von Herodes und seiner Umge- bung der Plan zum Kindermorde gefasst wird, ist im Ganzen in F. weit breiter ausgeführt 5), dagegen fehlt hier die in
1) Anch der Umstand, dass der Stern (gleich zuerst) redend ein- geführt wird, ist etwas bizarr.
2) Der Handlung nach ist es allerdings sehr einfach, und so hat Du Meril es zum sehr alten Magieroffiz von Limoges gestellt. Aber die Diction ist mit astronomischer Weisheit überladen, und das Me- trum geschnörkelt: man vergleicht am besten die Magierscene im (bald zu nennenden) Benedictbeurer Spiel.
3) Bei Du Meril p. 171, bei Weinh. p. 62 ff.
*) Diese Bez., wie sie die Hg. bietet, dürfte abgekürzt sein aus: Ordo ad repraesentand. interfectionem puer. Bei Du Meril p. 175 ff.
5) Die Art und Weise der altem Bearbeitung ist aber noch er- sichtlich in jener gleichfalls den Mordplan darstellenden Interpola- tion zu Ende des ersten Freisinger Stücks: diess stimmt wörtlich zur
Cap. I, S 2. 15
0. erhaltene Darstellung der Kindertödtung. Die in F. vor- aa%abaidto Scene, die Josephs und Maria's Abreise nach Ae- gypieii Torfohrt, ist iu 0. nur eben erst angedeutet, und von jener Hirtenscene, die sich iu F. leicht als Ei ogangsTorschieb- aal Terrat, in 0 keine Spur. Dagegen liier malerische An- gabe des frühlichen Getummeis der (unschuldigen) Kinder vor dem Blutbad: welchem der anfangs unter den Kindern wei- lende Agnus Dei *) zur rechten Zeit glückhch enthoben wird. Da das Orleanner Denkmal allein richtige Einsicht in eine sehr alte kirchliche Feier des 2t;. Dec. geii^ährt, wie sie ohne Zweifel auch in Deutschland gegolten '), so sei hier wenig- stens ein Uebersichtaschema der Orleanner ,Interfectio' einge- rückt:
Ad interfect. puer. induantur Innocentes stolis albis et gaudentes 3) per monasterium, orent Dominum dicentes: Quam gloriosum etc. Tunc Agnus ex improviso veniens pertans crucem an- teoedat hos hnc et illuc , et Uli sequentes dicant : Quam gloriosum est regnum . . . Emitte Agnum, Domine *) iDtehjD Armiger - - Magos per aliam viam re-
diisM, talatet prius i „ , postea dicat:
Rflx in aeternun me! Delusus es Domine, Magi per viam redierunt aliam!
OrlcMUMT B«c. Man bca^to dMt in beiden Rec der MordpUn wie» itr wUkt ^om Bcrodas, Mmdera too der Umgebung »iiifdit. Asch di« Votm JRiex DOTus ot perest' (Du Meril |>. 173) dflrften eher dem Anaiger, «!• den Her. frehör« i>
I) Zjor tjmbo)udken Duntellang de« Tri .. -v ..],.';!, t Tn<|., ,..,i wiriüicke« Lamm BttErMSMCüuM (emx) gri^niariit /u )i:i),.'n.
>( Oder bMekaitt bmd Imt glsiek etwM den galJikanischen Ritoa?
S) Idk mbtkU dsB cwmr k«hnen Aasdmek beibebilten. Do M«« ril meint frrmJient««.
:. 1 :.i 1. l'.i. MehL — Dm folgend« aw Jee. IX, 7 erttntiiTnniiiae baiachaa ediwai mir ia attiMr Aawaadoag aaf He> rodas «ad ab vom Amif«r g««proeh«a verderbt: e« mocbt« ein Eo* fei ta Bentg aaf den Agmu mit Recht gebraachen. Auch die kam AadaaUag der Flnchl aack Aegyptea tckcide ioh au«: nebea d«ai Daikottttto aidit fai dia ImO. Fkm. ait dam CfaMk. aaürttoa.
16 Cap. T, S 3.
Tunc Herodes quasi correptus arrepto gladio paret se ipeum occidere, sed probibeatur tandem et pacificetur a suis« dicens:
InceDdium meum ruina exstiiiguam >)!
Interea Innocenteti adbuc gradientes post Agnum, de> can teilt '^):
Armiger suggerat Herodi, dicens:
Decerne, Domine, viudicare iram tuam, et stricto mu- crone iube occidi pueros: forte inter occisos occidetur et Cbristus.
Herodes tradens ei gladium dicat:
Armiger eximie pueros fac ense perire!
Interim occisoribus venientibus subtrahatur
Agnus clam, quem abeuntem salutent Innocentes, di- centes:
Salve, Agnus Dei, Salve! Qui toUis peccata muudi,
Alleluja!
Tunc Matres occisorura orent occidentes:
Oremus teuerae natorum parcite vitae 3) !
Infantes iacentes:
Quare non defendis sanguirem nostrum, Deus noster?
Angelus :
Adbuc sustinete modicum tempus, donec impleatur numerus fratrum vestrorum!
Tunc inducatur Rachel et duae consolatrices etc. (Sequitur planctus Racbelis) 4)
Tunc Consolatrices abducant Rachel et Angelus interim de Supernis dicat antipbonam:
Sinite parvulos ... 5)
1) Diese auch in beiden Freis. Stacken lich findende Phrase ge- hört eigentUch dem Catüina. (Sal. Cat. c. 82.)
2) Es folgen 5 leoninische Hexameter, die ich hier übergehe.
3) Das in der Hs. folgende, dem Engel in den Mund gelegte: Yos qoi in pulvere cet. hab ich an eine spätere Steile gesetzt.
4} Ziemlich übereinstimmend bei Du M^ril p. 177, 176, bei Wein- hold p. 64, 65.
*) cf. Matth. XIX, 14.
Cap. I, S 2. 17
laoentibas infantibas Angelas ab excelso appareat, et moneat eos, dicens:
Expergiscimini, tos qui iu pulvere estis, et claroate!
Ad Tocem Angeli sargentes pueri intrent chorum di- oentes: 0 Christ«, quantum patri exercitam! etc.
Die biblische Herleitung und altcbristlicbe Färbung die- ser 38. Deoemberfeier ist unverkennbar: das von den Innocen- tet gemngene Agnos Dei war schon in die Messe aufgenom- men, selbst die poetisch freier ausgeführte Klage Rachels mit (]■■•:'. Einsprüchen der Trösterinnen durfte sich auf das ,et no- iu.:i consolari' Matth II, 18 berufen, und ist im Einzelnen aus alttestamentlichen Reminiscenzen entnommen. Aber diese altchristlich edle Feier des 28. Dec, deren Geist aus einigen schönen Versen des Pnidentius ') so schön hervorbricht, hat sich nicht lange in Gebrauch erhalten: schon der Freisinger Ordo führt die Innocentes nicht mehr redend auf. Wir sind mehrfach berichtet 2), wie schon vielleicht seit frühen Jahr- hunderten der lieben Jugend am 28. Dec. allerhand Ergötz- lichkeiten zustanden , und es scheinen derartige oft recht kin- dische Festlichkeiten allmählig die altwürdige Feier ganz ver- dringt tu haben. — Auch von jener naiv-symbolischen Dar- stellung Christi als Agnus hat unser Ordo schon Abstand ge- Domnien: mit mr '" tme wird uns dagegen die heil. Fa- miUe bei ihrem - i nach Aegypten vorgeführt: Joseph,
welchem im älteren Text nur die Adventshymne ,Aegypte noli flere* >) gehörte, hat hier drei selb«tstünd ige Reimpaare erhal- te, togar Maria öffnet (hier zuerst) den Mund zu zwei ein- fach schönen (leoninischen Hexametern, die uns auch in ei- oen tpiiem Denkmal wieder begegnen. Mit dieser Rede- etnf&bmng der Maria war der Wendepunct zu einer wärme- ren, dem Volksleben näher tretenden Feier des Weihnacht-
roB, gres tflUBolatonnn toierl «to. .„. .. ..aüB Y<mtmU t» d«a Latein, tied. p. XXX
MM Peru II, »1 mitgetkeiU« 8UUc. — ABSMfd— deb« Alt. ChritU. Qdi. 11, p. iU, Wcmbobl W. 8p. p. fiO. *) V«rgL Du lUffU p. 178. K. L
18 Cap. 1,8 2.
festes gegeben i): auf der andern Seite führte dai« Aufgeben der alten Scheu vor Darstellung der dem ülaubeu heiligsten Personen im Laufe der Zeit zu traurigem Abweg. Ehe wir aber diese Entwickelung weiter verfolgen, müssen wir aus den dürftigen Trümmern, die uns hier vorliegen, die eigen- thümliche Feier des 25. Dec, in ihrer altkirchlichen Form zu erkennen suchen. Es darf nicht befremden , dass wir zu die- ser zuletzt gelangen.
Hirtenverehrung und ProphetenvürHpiel.
Ein leidlich altes, lebendig ausgeführtes Officium pasto- rum zur liturgischen Feier des 25, Dec, wie es Du Meril 2) aus französischen Hs. mittheilt, können wir aus Deutschland nicht beibringen: ausser einer magern Notiz, die uns Ger- bert 3) überliefert , sind wir nur auf Interpolationen in den beiden Freisinger, zunächst ja dem 6. Jan. und 28. Dec. zu- kommenden, Denkmälern beschränkt. Die noch ganz der Vul- gata (Luc. 11, v. 10 ft.) folgende Weise ist im Officium Mago- rum, eine schon freiere zu Anfang des Ordo Racheiis erhal- ten , den ich hersetze.
Angelus. Ortum pastoris, pastores, nuntio vobis, Qui redemit proprias, pastor et agnus, oves! Pannis obductus, decus orbis, gloria regum In feno situs est, qui cibat omne quod est: In Bethlem vitae panem quaeratis eundem.
*) Das Christkind selbst wird aber noch in ganz idealistischer Weise als: ,Lux mundi Dominus, levi carnis nube superpositus' be- zeichnet.
I) p. 147 ff.
■-») Vet. Lit. Alemannica IX, 1, 3 zu Ende heisst es über den 26. Dec. Post Te Deum alicubi in usu erat officium pastorum, quod fini- ta raissa continuabatur. — Die weitern Angaben stimmen fast zu de- nen bei Marlene Tom. III, Lib. IV, c. 12, die auch bei Weinh. p. 47 ausgehoben. (Frage des Chors oder Priesters : Quem vidistis pastores? Dicit€, annuntiate nobis in terris quis apparuit? — ,Natom vidimus pannis involutum' als Antwort.) In dieser Form waren die Antipho- nen noch zu Gerberts Zeit (XYIIl. Jahrh.) übUch.
Cap. I, S 2. 19
Angeli: Gloria in excelsis Deo! Pastores: Quis audirit his similia
Ab aeterno mirabilia!
0 mirandum puerperium
Tantom habens ministerium !
Transeamns ergo Bethlehem ,
explorare rei seriem >)! Venientes ad praesepe cantent:
0 regem coeli, cui coelicolae famulantur 2), Clauditur io stabulo, concludcns cuncta pugillo, Despectissimus in terris et sommus in astris!
Diese Hirten Verehrung an der Krippe konnte, weil sie kurzer und minder sacramentalen Characters war 3), leicht ▼on der Gemeinde in der Weise getheilt werden, dass sie sich den die Hirten darstellenden Klerikern anschloss. Der- gleichen scheint denn auch schon in älterer Zeit *) üblich ge- weseOf för das spätere Mittelalter ist derartige (sogar über- triebene) Laienbetheiligung an der 25. Decemberfeier sicher nachweisbar.
Doch schon in der heiligen Nacht (vom 24-25. Dec.) kannte der ältere Kirchenritus eine Feierlichkeit, die sich in der Kürze als eine durch T- ' ü aus dem Jesaias, der erythraischen Sibylle , und den i uvätem gebildete Hindeu-
tung auf das kommende Fest kennzeichnen lässt '). Viel- leicht gehen auf diese Nachtfeiern jene prophetischen Vor- spiele zurück, die sich in ilrr Fitli.'i' hüufn; doli prössoren
', I II, 15.
') 1' mff d<*« Offic.
lU^oram. dor Mund ^legt, wms artprängHcher
■«in dörft"
>) I ii beim Mftgieroffix nach d«r Gold-Wvth-
Mcnge d«r Laien tn «inain natArlieh ein'
ne wAkrend der Anhetonfr der I. ., ', Jangfirao tUnd) dunJi «lif Hir-
Imi • '■ f«lM«o, doch konnteii di« Kleriker »11 loht
»0 Cap. 1 H -'
Weihnachtspielen vorschieben, ^in derartiges Prophetenspiel in Wv/üi» auf Weihnachten, das man sonst mit dem lateinisch- alt fran/üsischen Myst. Fatuarum V'irgiuum zu vereinigen ptlegtr, hat Du Meril mit Recht als besonderes Spiel hinge- stellt 1).
§ S. ier kjfnaptliicbe Wribnachtlttdus. 2)
Das Stück beginnt mit der Angabe: ,Primo ponatur Au- gustino sedes in fronte ecclesiae, et Augustinus habeat a dex- tera parte Isaiam et Danielem et alios prophetas, a sinistra Archisynagogum et suos ludaeos'. Wir haben hier ein (wie eben beleuchtet , wol aus der Vigilienfeier der h. Nacht ab- zuleitendes) Propheten- Vorspiel , das aber verglichen mit dem eben erwähnten ßallikanischen Denkmal dadurch bedeutend an dramatischem Leben gewonnen hat, dass dem christlich- prophetischen hier ein jüdisch-antichristliches Element gegen- übertritt, und sich namentlich zwischen dem h. Augustin (als Ha\iptvertreter der Kirchenlehre) und dem Führer der Juden- schale ein sehr lebhafter Disput erhebt 3), an welchem christ- licherseits auch die Propheten — ausser den oben genannten noch die Sibylla, Aaron und Bileam — anfangs theilnehmen, später mehr als Chor dem h. Augustin zur Seite treten. Nach Abbruch jenes Disputs nun wird, sei es ohne engeren Bezug darauf oder um die Richtigkeit der Kirchenlehre ad oculos zu demonstriren , nicht nur die Verkündigung Maria's und
•) Als ,My8tere des prophetes du Christ' p. 179.
"•*) So bezeichne ich den vom kirchlichen Cultus abgelösten, aber noch in der Kirche aufgeführten und ganz lateinisch verfassten ,Ludu8 acenicus de nativitate Domini' aus einer Benedictbeurer, jetzt Mün- chener Hs. des XII— XIII. Jahrb., der die völlige Vereinigung der drei ursprünglich besondern Festfeiern darstellt. — Mitgetheilt bei Schmeller Carmina Burana p. 80 ff., kritischer bei Du Meril p. 187 flF.
3) Es handelte sich dabei hauptsächlich um die (jüdischcrseits lebhaft bestrittene) Möglichkeit einer Geburt ,8piritali gratia'. d. h. ohne far die Mutter den Verlust der Virginität mit sich zu führen. Mit diesem Capitel waren die Mönche wol aus den Kirchenvätern be- kannt geworden.
C»p. I. § 3. 21
ihre Begegnung mit Elisabeth, sondern die Geburt des Christ- kindes sdbet in den Ludus aufgenommen >). — Im Folgen- den nun du: ' ' r Stern der Magier auch zu einem Leit- stern für dl . werden. Wenn* es nämlich (bei Du Meril p. 197 unten) heisst: Nato puero appareat Stella et chorus incipiat hanc antiphonam: Hodie Christus natus est Qua finita Stella appareat , qua Tisa tres reges etc. — so last sich diese seltsame Spielordnung woi nur durch Annahme einer doi^Mlten Reoension erklaren. Schon der Gang unsrer Unter- socbang giebt es an die Hand, und es tehlt auch nicht an formellem Zengnisa dafür ^) , dass die zweite jener Angaben über das EndbetDen des Sterns die ältere ist, und man auch hier die Magieradoration , wenn auch nicht in ihrer überlie- faien Gestalt, als Kern des ganzen Ludus ansehen muss. Man begreift aber leicht, dass — nachdem die Geburt Chri- sti Aufnahme in den Ludus gefunden — man es passend fin- den konnte, den Stern schon hierbei 3) erscheinen kq lassen : der Spielredactor hat nur rersäumt, die zweite (ältere) An- gabe nun SU ttröchen. — Das Auftreten der Magier hier ist von dem, wie vir es früher gefunden, doch verschieden. Während in den älteren Denkmälern die Huldigung der Ma- gier vor dem Kinde nebst der sjmboliscken Opferung offen- bar die Hauptsache war, sind diese Motive hier durch das Interesse, das man an den wunderlichen Gästen aus dem Orient selbst gefanden, zurü ' tigt und nur noch in der %nalQrdnnng Tertreten. Dat i nun statt jener frühern kurzen Besprechung des Sterns und seiner Bedeutung jedem
i| u\> 1* auch in Detit«ohUiHl eine altkirchlicb« Feier von BlArüi VirkündiffUDg *in 4. AdventMonotAg gegeben (Vergl. Weinh. p. 46) •trbt üahia. — TMletoki hat man die 8c«ne hier einfiich «ob der ValfM» (Lae. II« 96 ff.) flherwownB , aar das (MariM) operanti mu- Kabriler berieht eich wol «af de» ia ^lokrjrph. Quellen (vergl. Uud Hoft— aa L«b«a imm ^ M) «rwikalsa Teaq»«hPorkaDg.
S) 8«hda Weiakold hat aagoMrki, daaa doh «nige Veree dar FreiiiBgtf SMoke in nneem Ladoe wiadaHfaidaa — man darf sich diceaa «ol aaf Q read lag» Jaaar salataadi dankaa
>) So iet aock aehoa faa ptofksi Tenplal ftr die BaUa der 8t< hfUa (t>B Mitü p. 16») der 8««ni temsofcglsbsa, dea ans duraaTwia.
22 Cap. I, ^ .'}.
der drei Magier vier (vierzcilige) Strophen beigelegt, in denen das astronomische Phänomen mit Behagen und Gründlichkeit erörtert wird •). — Indem die Magier weiterziehen, kommen ihnen ,nuntii Herodis' Entgegen und geleiten sie vor den Thron des Königs: die Scene welche sich anschliesst ist nach Analogie älterer Stücke 2), doch ohne wörtliche Uebereinstim- mung gegeben. — Sehr abweichend aber von früherer wie späterer Behandlungsweise ist die (dann eingelegte) Verkün- digung der Geburt an die Hirten ausgeführt: gegenüber dem Engel, welcher das göttliche Wunder verkündigt und die Hir- ten antreibt zur Krippe zu gehen, tritt ein Diabolus auf, der sie vom Wege abzubringen sucht. Dieser Wettstreit zwischen dem guten und dem bösen Engel ist wol in demselben Sinn, wie oben der Streit zwischen dem h. Augustin und dem Ar- chisynagogen eingetlochteu : doch liegt auf der Hand, dasa die einfach würdige Darstellung bei Lucas II, 8 flf. gegen diese mönchische Behandlung im Vortheil bleibt. — Die Hir- ten gehen endlich zur Krippe, und nach ihnen kommen die Magier um anzubeten 3). Da diese nicht zu Herodes zurück- kehren, wird in einer Scene, die kritisch einige Bedenken •*) erregt , von ihm der Kindermord zu Bethlehem beschlossen :
t) Man vergleiche hiermit jenes Magierspiel einer Wiener Hb., das ich nach dem Freisinger Offiz erwähnte.
2) Der Rat, die Magier als Kundschafter zu gebrauchen, geht hier vom Archisynagogus aus , was nicht ungeschickt an dessen Rolle im Vorspiel anknüpft.
3) Es ist hier das alt-einfache Offic. pastorum in der Art in den Ludus verwebt, dasa die Frage: Pastores dicite quidnam vidistis? welche dem Priester gehörte, hier den Magiern zusteht, und auch ihnen mit dem ,lnfantem vidimus cet' (nach Luc. II, 17) geantwortet wird. — Wol irrig ist bei Du Meril p. 204 jenem Fragesatz eine Auf- forderung an die Hirten: et annunciate Christi nativitatcm angeschlos- sen. Ich lese das : et annunt. Xi. nat fl". der Hs. (hei Schm. p. 90) et annunciantcs Christi nat. respondeant pastores.
•) Die Verse: gens Judaea properet, ut Herodem (heredem bei Schmeller!) audiat cet. werden von Du Meril wol mit Recht dem Nun- tius gegeben, obgleich die dann nöthige Aenderung von me in hunc oder eum hart ist. Aber auch das dem Archisynagog gehörende Citat aus Micha ist an dieser Stelle seltsam, und wol aus Versehen hierher gerathen.
Cap. I, § 3. 23
eine Klage der Mütter nach geschehenem Frevel , die so ziem- lich die Motive der altem Rachelklage nieder aufnimmt er- innert wenn auch schon in verblasster Weise an die alte Feier des 28. Dec, die sich auch nach einer andern Seite hin >) in unserm Ladas nachweisen lässt — Vm den folgen- den, die Flucht der h. Familie nach Aegjpten darstellenden Theil einigermaaeeu m ordnen >), schlage ich vor, die nach jener Klage der Mütter folgende Spielordnung hier zu strei- chen ') bis auf die Worte: Appareat in nocte angelus Jo- seph *) dicens etc. Auf solche Aufforderung des Engels ist dann die Flacht nach Aegypten am Platze, wobei jene bei- den Hexameter Maria's, die wir schon im Ordo Racheiis tra- fen, erhalten: dagegen sind die dort überlieferten Worte Jo- •epbt sei es als minder gewichtig, sei es darum nicht auf- fBBoauiien, weil der in ihnen angedeutete Sturz der Götien- faflder Aegjptens hier zur scenischen Darstellung kommen sollte. Die Flacht nach Aegjpten wird in unserm Ludus überhaupt sehr weitlüuftig, aber doch in einer Weise ausge- führt, die mehr Studium der Alten als Berücksichtigung der apokrypbischen Tradition, die gerade hierfür so reich vorlag, bekundet. Allerdings ist aas dieser das Einstürzen der Göt- zenbilder beim Nahen der h. F'amilie, und wol auch die Charakteristik des Rex Egrpti entlehnt: denn dieser wie der apoknrphische Aphrodisius S) zeigt eine den Ankömmlingen freundliche Gesinnung: aber das ist auch Alles, was man an- führen könnte *). Das Einstürzen der Götzen wird in sofern
>) Ich BsiM den EpiseoiNn pneromm itr in dem propheti«di«i Vorvpiel to ra mc- ' t^ld dM h. Aagovtinu« •oflritt. I'
Rolle dort (Du Mtr >• wm« Ibr^viit Nichts von d<>n A
tmfca, welelM eieh die KnabeabisehMB vielfach wol xu hchulden korooMMi litwen.
«) Weialiold vemicbt (W. 8p. p. 68) daroh einfache l'mHelluop Do Mini (p. 906) d«rdi Aotflidnuiff der S, ' * Ifen.
S) Die ridrtife BteUvBf deredbra « . ui eiolei'
leitende «poetea* verdiebtift
I) liier T>«i — Drr Xam« Joacnh tat :i DciÜUB^iern
leÜD
S) Vrrgi iimJ iiotimum p lö«»
*) Dftiftr iet dieee Ucgend de« SlöcJu reich au lyriachen Puliea
24 Cap. 1, § 3.
zu einer halbkomiscben Scene, als die Priester sich mit er- neuter Lobpreisung ibrer Idole und deren Wiederaufricbtung abmüben, was gegen deren Fallsucbt aber wenig verscblägt. Interessant ist, dass es wieder ein Armiger ist, der mit dem uns bekannten Hexameter:
Regia vos mandata vocant, non segniter ite! die Weisen Aegyptens (welche von den Priestern zu unter- scheiden) >) vor den König beruft. Diese geben zuerst ähn- liche Mittel an die Hand, wie sie im alten Rom üblich, schlimme prodigia zu sühnen 2) : fügen sich aber bei erneutem Einsturz der Rüder der Logik der Thatsachen, und der Kö- nig ist bereit, dem neuen Gott Verehrung zu erweisen. —
Nachdem einmal aus dem apokryph. Apfrodisius, je- nem Beherrscher des (angeblich ägyptischen) Städtchens So- tine ein König von Aegypten geworden, so trug man bei er- neuter Redaction nicht viel Bedenken auch einen König von Babylon und — da der Ludus von vorn herein die schroffe Gegenüberstellung streitender Gegensätze suchte 3) — zur Krö- nung der antichristlichen Partei den Antichrist selbst einzu- führen. Aber der ursprüngliche Abschluss des Stückes — der dem der Orleanner Interfectio wird ähnlich gewesen sein — ist durch die neu eingelegte Disputirscene <) so verwirrt wor- den, dass es schwer fällt, ihn noch klar zu legen. Die in den letzten Versen der jetzigen Red. liegende Anspielung auf das Ende des Herodes knüpft wieder an die altern Theile des Ludus an , und eine Spielordnung, die den Tod des Tyrannen
mit antiker Färbung, die dem dramatischen Plane des Stücks völlig fern stehen.
>) Ihre Einführung beruht sicher auf Analogie mit jener Beru- fung der scribae (an deren Stelle in unserm Ludus der Archisynagog getreten) zu Herodes.
i) Es heisst: Nostrum est consilium, deos honorare, Aras, tem- pla, tripodes, lucos innovare etc. — Auch die Namen der Götter : Pal- las, Venus, Vesta etc. klingen nicht sehr ägyptisch!
3) Wie ich sie oben mehrfach hervorgehoben.
'*) Diese können nur im Zusammenhang mit dem Tegernseer Spiel vom Antichrist betrachtet werden. Du Meril, der an dies nicht ge- dacht lu haben scheint, gerät danim hier auf Abwege, und will Chri- sti statt Antichristi lesen!
Cap. 1,S4. S5
und die Rückkehr der heil. Familie nach Palästina meldete, konnte hierauf den Schiaas des Ganzen bilden i).
S 4. Iifiagf in «;a«pUschea Wfihnarhtspifls-
Zwiacben dem eben betrachteten Benedictbeurer Ludus «sd dem Si Galler Weihnachtspiel 2), zu dem ich nun äbergehe, scheint eine grosse Kluft zu liegen. Zunächst ist die Sprache, welche dort angetrübt lateinisch, hier bereits ▼öllig die deutsche geworden; noch mehr befremden dürfte, dass die Spielordnung, oder was an deren Stelle getreten, das Stack in der rorliegenden Gestalt kaum noeb als zur Auffüh- rung bestimmt erscheinen lässt S). Die Erklärung dieser bei- den Umstände muss ich einem spätem Cap. vorbehalten , und mich darauf beschranken, durch Vorlegung des Planes die doch unTerkennbare Anknüpfung dioses Woihnachtspiels an die äl- tere Tradition d&rzuthur 1 'as Stück beginnt wieder mit einem prophetischen Vo^^pIt'l: ausser Bileam, Jesaias und Da- niel sind hiervodi Mose, David, Salomo, Jeremias und Micha aufgenommen, doch in wenig belebter, rein declamatorischer Weise. Wir können uns nicht wundem, wenn dies Prophe- ten-Vorsptel mit dem XIV. Jahrh. abzusterben *) scheint An dies Vorspiel schliesst sich als Scene II die Verlobung Maria^s mit Joseph S), die uns noch gar nicht, und die Verkündigung (Sc 1II.>« die uns in eiDfacher, vulgatatreuer Gestalt begeg- net war hier Aasf&brlich' ' ^V(>iter ausgeführt ist auch (Sc IV) die Begegnung Maria's mit Elisabeth: neu aufgenommen «i'nr? r^U 55r Vi die Worte des Engels an Josei"'' < V'>ch Matth.
t) Hei der Aekiütekkeit too Mfttüt. II, 18 mit 11, lU sind Wide SuUmi im Jeaer SplekMrdnuif , dt« io der U« -<' -*• -'^-h !'-- K-- iwioi ät folgt, Tcrwirrt wordeo.
*) B« MoM ScteaepMl* des MA. I, p. 182 ü. ah ,luudhcit Jesu* ■ntseUMÜI, «ad dea XIT. iiJvh. ssgewicMa.
S) El kciti: Bai— spradi, Her David «pracb to, ond to itehi k«uA<r Am» eriihlwide Praeteritam in den Uebertdiriflen der Bollen. W^cm •• nicht bei tkfbfOTs Eüngretlin iae alt« Teetaaieni ta wn «eiiiwliaditiir GeUaag ftkafia.
•) Kaeh apekrypk QßMm, Vgl Bad. Hoffmann |». 48 ff.
26 Cap. I, § 4.
I, 20). — Die Geburt selbst wird schicklicher Weise übergan- gen, dagegen sind die Hirtenrollen (Sc. VI) zwar noch sehr kurz, doch schon wärmer und natürlicher behandelt als im Benedictbeurer Ludus. — Daran schliesst sich nicht unpas- send ein Besuch der Töchter Zion (Sc. VII), um Maria und dem Kinde zu huldigen '). - Die Ankunft der heil, drei Kö- nige in Jerusalem sowie ihre Anbetung des Kindes in Beth- lehem giebt Sc. VIII, auf deren überarbeitete, von der altem Trad. vielfach abweichende Gestalt ich noch kommen werde. Hier nur so viel, dass der bei Mone (p. 169) als VIII. be- zeichnete Abschnitt, indem der König (d. b. einer der heil, drei Könige) die Hirten nach dem Kinde fragt und diese auf einen Stall weisen , sich dadurch als eingeschoben verrät, dass die p. 170 folgenden Worte des zweiten Königs auf die- sen Bescheid der Hirten gar keinen Bezug nehmen, vielmehr sich an die Abschiedsworte des ersten Königs von Herodes (v. 750 bei Mone) anschliessen. — Sc. IX = Bericht des Boten über die Flucht der Magier an Herodes und Sc. XI 2) = Bericht über die Darstellung Christi im Tempel sind 3) ebenfalls in der uns vorliegenden Gestalt Beispiele einer fort- schreitenden Variation der Ueberlieferung , die an Ausartung streift. — Auf die Ermahnung des Engels zieht die heil. Fa- milie nach Aegypten, und dort wird dann (in einer frühem Rec.) der Sturz der Götzen und die Bekehrung des Landes- fürsten vorgeführt sein : von diesen Begebenheiten ist uns in
') Apokryph. Grundlage liegt hier wol nicht vor. — Man erin- nere sich der mystipchen Bed. der ,Tochter von Sione' in dem Fundgr. I, p. 307 ff. mitgetheilten Gedicht.
2) Als Sc. X rechne ich die Darstellung im Tempel selbst, die sich ziemlich einfach an Luc. II, 22 ff. anschlicsst.
3) Die Rolle des Boten, die schon in den ältesten Stücken nicht ohne Gewicht war, hat hier eine leicht komische, satirisch gegen He- rodes gewandte Färbung erhalten, wie schon Mone p. 135 ff richtig bemerkt hat, den Wittenhaus (De artis scenicae apud Germ, initiis p. 16) irrig bekämpft. Doch bedürfen die bez. Stellen des Textes noch der Kritik. — Man beachte ferner, dass auch hier wie in der altem Trad. der Plan, die Magier zu täuschen , und dann die Kinder zu mor- den, von der Umgebung des Herodes ausgeht; ein Neffe des Königs, der als Herzog oder Fürst bezeichnet wird, rnnss hier der Sündenbock sein.
Cap. I, S 4. 27
Sc. XII nur spärliche Andeutung erhalten. Die Spielordnung sagt nur: Do körnend vj (sc. Maria u. Joseph) gen Egypten. Die Bezeichnung der Person, welche das Folgende zu spre- chen hat, ist verloren, und die Rede selbst bezieht sich of- fenbar auf Voraoagegangenes, das in unserm Text nicht mehr gelesen wird. — Sc. XIII zeigt uns recht deutlich den Gang der Kntwickelung im geistlichen Schauspiel. War ursprüng- lich (entsprechend der Bestimmung des 28. Dec. als Gedenk- tag der als Protomärtyrer aufgefassten Bethlehemitiscben Kinder) die Rolle der lunoceutes der Kern, an welchen sich die Klage Rachels eben nur anschloss, zeigte uns dann der Freisinger Ordo Racheiis schon durch diesen Titel einen an- dern Standpunct, wo nun die Rachelklage vorwog: so war dagegen im Ben.-Beurer Ludus auch das Interesse an Rachel •dioo so weit geschwunden , dass ihr Name beseitigt und aus den Motiven früherer Rachelklagen eine schon mattere Klage der Mfitter gebildet war. In unserm St Galler Spiel tritt uns nun Rachel zwar wieder entgegen, aber es ist eine jener kttosUicben Wiederbelebungen, worin das geistliche Spiel sich öfter versucht hat. Diese Rachel sagt hier über sich selbst (T. 1014. 15):
l>iu tu haiige cristenhait
Bin ich bezaichenliche. Aber da sie schon über Abels Tod geklagt haben will, ist aeibet diese Bezeichnung noch nicht allgemein genug: Rachel tit hier die Menschheit, welche sich über den Unmenschen Herodee beklagt >)
Sebra wir demnach in unserm Stück die 28. December- fisier inneriich so weit er«torb<^n, dass ihre Elemente nur künstlich aufgewärmt sind, so finden wir auch bereits die alte 6. J '. r hier auf einem wol zu l)eachtendon Wandlungs-
pun . : selbe wird äusscrlich darin sichtbar, dass die
Makler hier xuerst als die b. drei Könige mit ihren noch beute jedem Kinde bekannten Namen : Caspar, Melchior und Balthasar auftreten. Es ist schwerlich zu viel behauptet wenn ich erat au« dem völligen Durchdringen dieser freilich
I) ^Ac2> der BachelHigc folfft nur noch dio Aaffordcrunc (irü Kofetf Ml JoMph ar BAckkehr.
S8 Cap. I. 8 4.
schon frühe für die Magier auftauchenden Namen ') jene weit verbreitete Popularität der h. drei Könige erkläre, die freilich auch durch ihren für England, Frankreich und Deutsch- land fast gleich bequem liegenden Haupt-Verehrungsort we- sentlich unterstützt ward. Diese Popularität -) der nicht mehr als orientalische Magier, sondern als die h. drei Könige von Cöln vertraulich auftretenden Gestalten hat ihrer Geltung im geistlichen Spiel, wo sie ursprünglich als Träger einer hierar- chischen Idee uns erschienen , auch dann noch fortgeholfen, als beim allmählichen Ausbau eines geistlichen Volksschau- Spiels zunächst solche Rollen beliebt wurden, die dem Volks- leben am nächsten standen: die Hirten, daneben die als menschlich-fühlende Mutter aufgefasste Maria mit ihrem Kin- de 3). Die wärmere Ausbildung der Hirtenscenen zeigt sich gerade erst mit und nach reicherer Aufnahme von Marien- Cultusmotiven in's Weihnachtspiel •*) — in unserm Stück ist nach dieser Seite hin, ausser den manchen, Maria zunächst betreflfenden Scenen 5) auch jene Anbetung der h. drei Könige zu beachten, die hier zuerst ihr als Königin der Barmherzig-
>) Sie werden stiion bei Bcda (vergl. Ilud. lloilmann p. 12ö) er- wähnt, und hier Melchior als der älteste genannt. Dazu stimmt, dass dieser in unserm Stück (. 596) als der vomehroste erscheint.
2] Welche auch zu den ganz populären oder trivialen Umzügen von Kindern im Dreikönigskostüm in der Zeit von Weihnachten bis Epiphan. führte. — Wann dergleichen zuerst aufkam, weiss ich nicht (denn Monc's Urkunde aus dem XIV. Jahrh., die er p. 138 mit- theilt, ist zu allgemein gehalten). — Anlehnungen derartiger Aufzüge auch an altes Heidentbum sind denkbar, aber schwer nachzuweisen.
') Die drei Könige blieben dann freilich nur als etwas groteske Staffage noch bestehen, schwanden aber auch vielfach ganz, bis ge- lehrte Reaction des XVI. und XVII. Jahrh. sie wieder sorglichst ins W. Spiel einführte.
*) Es wird dadurch noch klarer, dass die Anregung im geistli- chen Schauspiel, auch wo es ganz populär scheint, doch iinnirr von der Kirche ergangen war.
*) Dazu darf man auch die Darstellujigsscenc im Tempel rech- nen, da Simeons Weissagung an Maria dabei stattfand, und die abendL Kirche überhaupt jenes Ereigniss als ,Mariä Reinigung' feiert, wäh- rend die griechische K. (fast treflender) es als ,Fest der Begegnung* (nämhch des Heilands mit Simeon) auffasst
Cap I. $ &. 89
keit huldigen iv. 758). — Die HirtenroIIeu selbst (p. 159) sind Doch recht knapp gehalten.
Wnl nemlkh gleichen Alters, vielleicht selbst ähnlicher Ankge mit dem St Galler W. Spiel war ein in mitteldent- •ebem *) Dutkod ?«rfiu8let, Ton dem uns freilich nur ein Theil dm prophetiMiitii Vorspielt vorliegt, in welchem auf Auffor- derung des beil. Augnttinas Virgil den Inhalt seiner Ecloge 4 und xwar im Sinn einer Messianischen Wettsagnng anfuhrt.
$ i. legiaa p«pslirer lekaidlsag.
Die popollre Behandlung des Weihnachtspiels hatte, wie schon im Torigen § angedeutet, ihren Durchbruch durch den Mariencult zu machen. Zwar liegen uns in Deutschland so zahlreiche Manendramen , wie sie andere Literaturen besitzen, nicht Tor <), und der Gedanke, die als ,die sieben Freuden IfariaV anfgefassten Hauptmoroente der evangel. Geschichte in einer Heptalogie geistlicher Spiele zu behandeln , gehört den deutscher Denkungsart leider früh entfremdeten Nieder- landen ') an; immerhin haben auch wir Erscheinungen genug, die jenen des Auslandes analog zur Seite treten. Nur gele- gentlich erwähne ich hier, jenes kümmerliche und wol kaum ins MA. hioabreichende Spiel Ton der Verkündigung Ma- rias, woton Proben bei Pichler^j: wichtiger schon ist der ebendort (im Anhang) mit Recht ganz abgedruckte ,Ludus (honeetos) de pnrificatione beatae virginis*, der schon dvrch eeiiM (in sceaitcher Hinsicht bedeutende) lat. Spielord-
1/ So bwsichmt Wsiahold (W. 8p. p. 74) des Dialeot — Du BffvelMttek ist milfctbeüt ta Dtelr. tob 8täd«*t: Speeimeo antiqaanua ImC frsMrinsiwi p. S4. — tHiOk in vd. HagtM OersMiiia VII, 349 tt. Dm SpMordwMf ist ooch latoiniMk.
S) leb «riaacr« hi«r nar sa die aeisi aas d«» L^ben MariM ge- wüüta» SCAdM, dt« Bmm ia Mio«»: ULBfei«ai Mjsicri««* mitUietlt.
S) V«rfL MoM C«b«raickt dar Bi«d«rL VoIkcliUr. p. t66.
4) DnMaa des MA. ia Tirol p. 6. — Die von Pichler Butg«th«il- %m Bttsfc« siad «faMr Bs. «alBoanBaB, dt« nm 1616 datirt iit Di« Mlsni 8aeb«a, wi« da« gld«li sa ■•nnend« Lichtme»»}>i< l mügea um di« Mut« d«* XV. Jahrb. «ntasl— a teta.
aO Cap. I, § 5.
nung Achtung einflösst, wenn auch die im Ganzen nur nüch- tern TcrständiKC ') Hehandlung eines nicht sehr dramutischcn Stoffs (Luc. II, 22 — 39) den heutigen Leser nicht erwiirraen sollte. — Aber nicht bloss von den spätem Acten des Marien- lobens (auf die Bearbeitungen der Himmelfahrt Maria komme ich im dritten Cap.), sondern auch von der Geburt der heil. Jungfrau handelt ein eignes, grösseres in nd. Sprache ver- fasstes Schauspiel, das freilich durch ungewöhnliche Ausfuhr» lichkeit des alttestaraentlichen Vorspiels den Herausgeber 2) verführt hat, es als dramatische Behandlung des Sünden- falls zu fassen. Indess eine selbstständige Behandlung kam Stoffen des alten Test, (mit verschwindenden Ausnahmen) im MA. noch nicht zu, ausserdem lehrt die Vcrgleichung mit ei- nem nahestehenden niederländ. Spiel , dass wir unser Wolfen- büttler als einen Ludus de nativitate B. V. Mariae ansehen dürfen-^). Damit *>*'ill ich nicht behaupten, dass er zur Auf- führung am 8. September bestimmt gewesen — vielmehr mag die gelehrte Arbeit des Arnoldus Immessen nur zur behaglich erbaulieber Leetüre bestimmt gewesen sein. Dagegen dienten jene beiden bei Pichler gedruckten Spiele sicher der Feier des 25. März (Maria Verkündig.) und 2. Febr. (Maria Reini- gung).
Ehe ich aber zum Hauptvorwurf dieses §, nämlich zur
') Einzelne mehr naive Zage, bo wenn (p. 101 ff.) die beiden Tempeldiencr über das dürftige Opfer Marias glossireu, laufen unter. Sie werden vom Sacerdos über den geistlichen Sinn des Opfers be- lehrt. — Ein engl. Lichtraessspiel (Candlemassplay bei Marriot Mira- cleplays) hat durch Aufnahme des Kindermords in die Handlung sich geholfen.
2) Schönemann. (Sündenfall a. Marienklage Hannover 1866. Wol- fenbüttler Hs. aus der zweiten Hälfle des XV. Jahrb.) — Ich kann auf das interessante , aber etwas vereinzelt stehende Stück hier näher nicht eintreten, und verweise auf die Einleit des Herausg., wo sich auch ein Uebersichtsplan der Handlung findet.
3) Die ecrste Bliscap van Maria bei Willems Belgisch Museum IX, p. 37 ff. geht in ähnlicher Weise nach einem alttestaraentlichen, auch durch allegorische Figuren bereicherten Vorspiel bis zur Ver- kündig. Maria, wie unser nd. Stück bis zu ihrer Einführung in den Tempel, was nach apokryph. Quellen in ihrem dritten Lebensjahre ge- schah.
C»p. I, S 5. 81
Beschreibung des ent ganz neuerdings publicirten nieder- hes- ' Weihi ' uiels •) übergehe, das ähnlich dem ^ ' ^ ..ivT yf. >i unsere Darstellung des Entwick-
lungsganget- ebenso wichtig, als poetisch dürftig und dazu acbleeht redigirt ist: muss ich luir erlauben, noch die Ver- iadenuigen, die in der kirchlidien Feier des Weihnachtfestes selbet gegen Ende des MA. eingetreten, hervorzuheben — um so mehr ab die (lat) Spielordnung und die ganze Anlage un- sers niederiieM. W. Spiels hier wiederum eine kirchliche Aufführung wahrscheinlich macht.
Die drei alten OflRcien des 6. Jan., 28. und 25. Dec. waren im Laofe der Zeit mehr und mehr aus kirchlichem Gebrauch gekcMomen, ond theils völlig vergessen, wie das Oflicium In- fantum, theils wegen ihrer Verwertung und Fortbildung im geirtiicfaen Spiel aus dem eigenthüralichen Ritus der Kirche sa^geadiieden. Das officium pastorum hat sich bei seiner Einfachheit und dem mehr und mehr gefestigten Ansehen ge- rade der 25. Deoemberfeier hier und da wohl bi- / -ore Zeit im Gebrauch erhalten >), doch finden wir im Ai _ eu und
namentlich auch für Deutschland bezeugt, schon zu Ende des MA. einen andern kirchlichen ('•' * zur Weihnachtzeit, der nun der Laienwelt in noch v < rem (und zwar un-
schicklichem) Maaaae Betheiligung an der kirchlichen Festfeier gMtettate, alt dies früher im Anschluss an die Cleriker-Hir- tmtrerehning an der Krippe möglich war. Jenes sog. Kin- delwiegen 3), wie es in der heil. Nacht und auch wol noch am Morgen des 25. Dec. in den Kirchen sich einstellte, wor- an Mann und Weib, Alt und Jung in oft recht tumultuari- seber Weise sich betheiligten , kann nur als eine — historisch •cbon ans dem alles Göttliche so sehr vermenschlichenden Marieocnlt begreifbare — Entartung des altwürdigen Hirten- olftzet erscheinen. Dergleichen Auswüchse gelang es auch
'i .Su. 1. > rari'.--; '>..!i::»r» hr«tr >nii ii.j- n! , i . .
riD >Vrihii«. fiftjii« i au» i iii< r II» <i<» XV. Jiihrii.
J) >.. .r«*)iiit l»u M. nl ip. U" titit.i,) iiui'h « ui / %u« dem Jkhr UM.
>) Vrrgi. NAogeorjpia Rrgnum p«piit. (vd. 1559) p. 181 IT. U. UoCamui iimek. d. d. KirdMnL p. 417 ff. — Dt GebraiMh wird MMb HS 4er teMecdbasg des niediibssa W> SpMs sohoB stheUen.
dem ProtestantJamus erst sehr alluiählich und schliesslich mit iiilfe der Staatsgewalt zu beseitigen >). Haben doch auch jene auf ähnlicher Stufe stehenden Umzüge von Kindern und jungen Leuten zur Advent- und Kpiphauiaszeit erst der Po- lizei des neunzehnten Jahrhunderts ganz weichen müssen, und wer an solchen Zauber als Kind noch gewohnt war, dem mag man ein Gefühl des Bedauerns für ihr völliges Ausster- ben zu Gute halten. Von unserm Standpunct aus ist nur die Frage, ob man solche populär kindlichen, oft trivial-kindi- schen Erscheinungen nur als Nachbildungen und Abschattun- gen der kirchlichen Weihnachtfeier ansehen will, oder dane- ben noch Elemente altgermanischer Julfeier annehmen darf 2). Auch im letzteren Fall wird man ein fast völliges Aufgehen altheidnischer Gestalten in correspondirende Träger christli- cher Ideen zugeben müssen : mir darf es demnach genügen, das Fortwirken und die Hauptvariationen der kirchlichen Spiel-Tradition unter den Fländen volksmässiger Redactoren des Weiteren nachzuweisen , und gehe ich zunächst zu dem formell noch ganz kirchlichen niederhess. W. Sp. '; über.
Indem ich den Prolog *) hier wie sonst noch zur Seite lasse, weise ich nur darauf hin, dass die erste Scene (v. 19 — 54, Maria Verk.) sich dadurch noch als alt überliefert kennzeichnet, dass hier jede Sprachpartie (durch ,dicit' ein- geführt) nur als freie Uebertragung und Ausführung eines Vulgatatextes 5) erscheint. Schon die nächste Scene (v. 55 — 96) ist freier gehalten, nur einmal (vor v. 75) wird der Vulgatatext noch im Sinne des Thema's vor der folgenden Variation aufgeführt. Da das St. Galler W. Spiel nun von der Matth. I, 18 flf. mitgetheilten Begebenheit nur die Engels-
») H. noffmann: Gesch. d. d. Kirchenl. p. 429.
2) Dafür scheint zu sprechen, dass derartige Umzöge sich ge- rade auf germanischem Gebiet besonders zeigen, und in Skandinavien geradezu der Name des alten Festes für Weihnachten eingetreten.
3) In der Hs. bezeichnet als: Ludus de nativitate Domini.
*) Prolog und Epilog der geistl. Spiele werden am besten im Cap. von der Aufführungsweise besprochen werden.
5) Dieser wird dann mit ,cautat' eingeführt. — Ich halte es übri- gens für möglich, dass solch lat. Grundtext nur noch traditionell ste- hen blieb, und bei der Aufifuhnmg wegfiel.
Cap. I, S 5. 88'
botachaft (▼. 20 ff.) aufnimmt, irrt man wol nicht, auch hier die entsprechende Partie (t. 75 ff.) als den Kern und das Voraufgehende als (leicht entbehrliche!) Erweiterung nach Tom hin aufzufassen. — Die dritte Scene (v. 97 — 142) ist nun eine, nur ganz leicht an Lucas II, 7 i) sich anlehnende A- '• • 'tTing der Weihnachtsgeschichte, wie sie den popu- . auch des XVI. Jahrh. geläufig ist: in unserm Stuck scheint mir dieses Herumsuchen Maria's und Josephs nach der Herberge ziemlich roh behandelt Schon in den letxtan tt. dieser Scene wird nun die Wiege erwähnt, welche zunächst in Sc. IV (t. 143 — 337), weiterhin aber im ganzen LfOdos eine Hauptrolle spielt Die vierte Scene beginnt mit der Geburt des Kindes, das in die inzwischen von Joseph 2) besorgte Wiege gelegt, und nach einem auch sonst uns be- kannten Wechselliede von Maria und Josopli ') gewiegt wird. Letzterer befletssigt sich dann mit seinem Knecht Seltenfroh der üblich gewordenen Festfeier, nämlich des um die Wiege Springens *): ausser diesen groben Neuerungen (und es kommt derart noch Derberes) ist der Abfall von der einfachen Würde älterer Spiele auch darin deutlich, dass der das Christkind
>) WeDD e« hier heUst, dM« aoHer dera bt^n ivriu iUum in der Herberge war, liCM nch ein verfreblicbes Ilerumaocben in mehreren Hwbergen vorher : ü. — Man beachte die uns hier
tmtnt begegnende g der Rolle Josepba — ähnliche
SpöCUilm bstt« eich der bU Ualler docb nur gegen Herodes erlaubt.
*) Zor Aa••c^• " irUactes wird hier (ähnlich wie
im Be»ed.-Be«irrr ! .nen dee St^rn«) oin Kcdvstück
vonMffeaoBi er«t cor Vit : der GebuK
•B dt« Hirten .:_„ . ;trJiii'lif liu-r v. .*. -J mit Luc, II,
14 aadi der N I>aM Jo«> ; i ..rcnd der Gebart de« Kindes
oater eineai V'orwanae weehMlndfr .\rt abwesend int, bleibt gemein» wme TradÜka de« popoMrea W. Spiel* in und an»*er Deutachlnnd, oad darf aae eiaeai naiven Zartgef&hl erkürt werde:
>) Ea ist Amm ^oaeph Heber neve mein', dat m zwn Hw. vn Hoflhwan Geach. d. d. Kircbenl. p. 417. u. 419. mitgethoilt Die letjt' tare iCiauat mahr la der hier vorliegenden n. »cheint auch eonst die ilUrt la Mta.
*) Man beacht« noch da* Joseph in den Mond galetcte: Scha- «ei er ktadar a. a. w., da« ipltar «iadi! HS8)
and in kiraliU«baai Gebrauch gaaiaasa ta >■'
8
34 Cap. I, § 5.
•plelende Puer bchon einen Vors i) zu Ehren der jungfräu- lioheo Mutter anstimmt, und diette selbst (191 ff.) die Um- stehenden zu ihrem Preise auffordert. — Die Scene wird dann durch Wechselreden Maria's, der Engel, der Puellae und Can- tores -) in die Länge gezogen bis v. 301. Auch das Zwiege- spräch zwischen Maria und Joseph (v. 302 — 325) wäre leicht zu entbehren , ähnliches liesse sich sagen von der zwar et- was wärmeren Anrede Josephs an das Kind , und dessen kur- zer vorausdeutender Wechselrede mit der Mutter (v. 334 — 337) 3) — diese Texte sind überhaupt nur als schwacher Versuch anzusehen, der hin und her wogenden Weihnachts- freude, wie sie vorzüglich durch die mehrfach wiederholten lateinischen Festhymnen *) (denen auch deutsche Uebertra- guug schon zur Seite tritt) getragen wurde , auch allgemeiner verständliche deutsche Redestücke und den Schein einer dra- matischen Handlung zu unterbreiten. In diesem Sinne lässt sich die schülerhafte Rec. entschuldigen, und von dem kind-
•) Eya, eya virgo deum genuit! (Aus dem Hymnus Magnum No- men Domini, bei Hoffmann Kirchenl. p, 422.)
2) Unter den Letzteren scheinen Knaben ohne besonders deut- liche Rolle zu verstehen zu sein, bei den Puellae mag man «ich der Töchter Zion im St. Galler Spiel erinnern.
3) Auf das zukünftige Leiden Christi wird auch v. 655 ff. ange- spielt. — Zu der im Sinn der Apokryphen gedichteten kleinen Unter- redung hier vergl. das grössere dialogische Gedicht bei Mone Seh. d. MA. I, p. 181 ff.
^) Derartige sind das nach v. 180 vorgeschriebne : In dulci jubilo (vergl. Simrock D. Weihnachtlieder p. 79); nach v. 245 das: Puer no- bis naacitur (vergl. Mone L. Hymnen I, 48); die Uebertrag^ng des: Puer natus in Bethlehem nach v. 279. (vergl. Hoffraann Kirchenl. p. 341); nach v. 333. das: Natus est Emanuel (Str. 3 des Hymn. Dies est laetitiae bei Mone L. Hymnen I, 49). Mit der darauf folg. Ueber- tragung des Eu Trinitatis speculum vergl. Hoffmann KL. p. 302 ; nach v. 345: Ein kindelin so lobelich (vergl. Hoffmann p. 197; das: Omnis mundus (jucundetur) , vergL Hoffmann p. 327; die drei Gesangstücke nach V. 561, die Str. 2, 8, 4 des von Hoffmann p. 299 mitgetheilten Liedes zu sein scheinen; das bekannte Wiegenlied: Süsse liebe ninne nach V. 607, das in dieser Fassung doch wieder ein Zeugniss gegen Hoffmanns Vermuthung p. 420 Anm. giebt, wonach ,ninne' nur cor- rumpirt aus minne = ,Liebling' sein soll. (Ich benatze die 2. Ausg. des Hoffmann'schen Buches.)
Cap. I, § 5. 36
lieh fröhlichen Weihnachtjnbel , der noch das Beste an dem sonst wenig achtbaren Denkmal sein dürfte, fühlt sich der Leser fast angezogen. — Die Verkündigung auf dem Felde ( — T. 431, Sc V) wird bei einzelnen Tölpeleien der Behand- lang doch durch den tu Grunde liegenden Vulgatatext noch in etwas gehalten: dagegen finden wir die Begrüssung des Rindes durch die Hirten (v. 431—518, Sc. VI) ganz verwil- dert Man war vielleicht erst im XIV. Jahrb. (wohin das St Galler Spiel gehört) dazu gekommen, der als einfach- sjinboliache Handlung zwar altkirchlichen Hirtenverehrung «ioen bestimmten Wortlaut in deutscher Sprache unterzule- gen: solchen an und für sich schon jüngeren Texten kirchli- cher Färbung sehen wir hier vulgäre Pia' mit äusser- ster Plumpheit angeschweisst *). — An -cene schlie- neo sich noch einige Reden der Puellae und Cantores an (bis T. 561), die vielleicht auf ein früheres Spielende hindeu- ten, in unsrer Rec. aber geht die Handlung noch weiter. Sc. VII. (bis V. 715) beginnt mit einer hier und da anspre- chenden Wechselklage Maria's und Josephs über ihre Armut, geht aber bald (t. 615 fi.) in eine ganz rohe Keif- und Prü- gehooi« zwischen Joseph und den beiden Mägden Gutte und Hillegard fiber, die schliesslich mit den in Sc. III. genann- ten Rerbergswirteo einen Tanz um die Wiege machen. — Solchem Spuk schlieart sich denn würdig eine Teufelscene (v. 716 ff.) an, die freilich spät eingelegt und vielleicht an Stelle etoer früher hier folgenden Darstellung des Kinderroords ge- rückt ist: weniffleiit wird hierauf v. 840 ß. noch angespielt, und so die Flacht (nach Aegypten) motivirt, die aber in den Schloatworten Josephs völlig zu "''s Wirtshaus moi gQten Bier karrikirt wird, l ^ i es hat eine
>) D— tHch »«dieidci sieh b allen drei Ro '. von
Jlf crf Awwvebt: leUUrer betont in der 1; - 'v
(p. tS) mit V. 445, in der det Bweiten v. 876, io der des <: 4S0L <— la dsr bosstni popalirea W. 8pi«Hrmdition bringen <! OeselMmke slatl sidi nwt «twaa tanabiU«!! wie die«e P««tor< gaiaiitaf 4«rbe BtederdeotAdM Bsoem ohn« den poctiichon li«ucb ei- M« frsMS BirteaWb«» «rvdkcfaiMi. -~ Dbm der lYimu« pMUir drei- mal UftterafaMuidcr (p. 22, 38) t« r«d«B hat, ist bedenklich, dock viel»
8»
86 Cap. I, S ö.
letzte Hand den Unfug der an Zoten nicht armen Teufelscene wieder beseitigen wollen i): die Hb. bietet eine Variante für den Schluss dar, die offenbar bei v. 702 in den Text zu fü- gen wäre , und nach wenig abweichender Anordnung des Tanz- stückchens sich begnügt aus der Teufelscene die v. 821 ff. stehende Priamel 2) aufzunehmen, und mit einer Warnung vor Lucifer und seinen Gesellen und mit einem Neujahrs- wunsch abschliesst ').
§ I. Valkstümllche Behandlong des WelhnarhUplels.
Es sind in den letzten Jahrzehnten mehrfach (nament- lich von Weinhold, Schröer und Lexerj '*) im Volk fortge- pflanzte, von meist anonymen Verfassern redigirte Weihnacht- spiele ans Licht gezogen , deren theilweise bis ins XVI. Jahrb. hinaufgehende Vorlage schon von Weinhold durch Vergleich
») Dieselbe Vermuthung sehe ich nun von Schröder in seiner Rec. der Pideritschen Ausgabe (Germania XV, p. 376 ff.) geäussert. Wenn übrigens solche Teufelscenen , wie Schröder bemerkt, in älte- ren Weihnachtspielen sich kaum vorfinden, so ist dagegen in Stü- cken des XVI. Jahrh. ihr Vorkommen nicht unerhört.
^) Vergl. dazu Keller Fastnachtspiele Theil III, die im Register unter: Welcher Herr etc. gegebenen Nachweise.
3) Ob darum eine Aufführung etwa am Sylvesterabend anzuneh- men, bleibt doch zweifelhaft bei den so zahlreichen Weihnachtshym- nen in früheren Scenen.
*) Von Wcinhold in seinem bekannten Buche: Weihnachtspiele und Lieder aus Süddeutschland u. Schlesien. Graez 1855. Von Schröer zuerst im Weimarer Jahrbuch III, 391 ff., dann in seinen D. Weih- nachtspielen aus Ungarn, Wien 1858, wozu ein Nachtrag in einem Presburger Programm desselben Jahres kam. — Von Lexer im An- hang zum Kärntischen Wörterbuch, Leipzig, 1862. — Ausserdem wäre noch G. Mosen: Die Weihnachtspiele im sächsischen Erzgebirge (Zwi- ckau 1861) und Pröhle: Volkslieder und Schauspiele (Aschersleben 1865) zu nennen. Unberücksichtigt blieben M. Heiuzels D. Weihnacht- spiele aus Ungarn (vergl. Germ. XII, 104). — Ueber die lange Fort- dauer volksthümlicher Advents- und Dreikönigsspielereien vergl. Flö- geis Gesch. der kom. Liter. IV, p. 7, 9 und 10. Namentlich ist die Schilderung des Freiburger Brauchs (p. 7) von Interesse.
Oap. I. § Ö. 87
mit den literarischen Erscheinungen aus dieser Zeit gefolgert wurde. Nach ihm hat Schröer namentlich für die von ihm' publicirten Spiele aus Ungarn Berührungen mit Hans Sachs und Edelpöck dargethan, und wenn namentlich der erstere wol mehr als Vorbild auf die populären Spiele eingewirkt hat, 80 ist ihre allgemeine V'orausbehandlung hier doch um so mehr geratbtn, als sich die literarischen Weihnacht-Spiele und -Dramen dann in fortlaufender Reihe betrachten lassen. Auf SV scharfe Praecision darf mau es auch wol auf einem Felde, wo sich der Untersnchang fast nur innere Wahrscheinlichkeits- gründe i) sur Beweisführung darbieten , überhaupt nicht an- Iflgeo.
Wir betrachten hier zunächst Weinholds Mittheilungen. Für die Dreikönigsrerehrnng finden wir hier nur noch dürf- tige Belege: die meisten Stücke zeigen bereits jenen Stand- pnnct, wo die Hirten die Hauptrolle spielen. Das einzige Tom Herausgeber als Dreikönigsspiel bezeichnete ist jenes Spiel ans Reicbenbach p. 121 ff. 3) Von den 3 Königen tritt nur noch der (inti^ressante!) Mohrenkönig als redend auf, ein Igtümet Tbeil der Handlung ward zum erzählenden Liede und ■0 die iceniifthe Anordnung zerrüttet Herodes mit seinem Diener Laban *) rertritt noch am reinsten die Ueberlieferung. Daae die den Schluss bildende Schäfersoene in ihrer jetzt ganz rerblasiten Färbung doch die Verkündigungsscene auf dem Felde al« Grundlage Toraotsetzi, macht die ermunternde An- rede dee Engelt *) mir wahncbeinlich. — Wir finden die DreikdBige aber auch im dritten Flattacher Hirtenreim &).
1) Bpraaks «ad TefsbebaDdlong koauMB bd der Aliersbestini- ■uuig dirmr popalim WcifaDaciitspi«!«^ nicht r*>rhi in potraiiit uii- in etaeai fpAtem C^ begründet wir^:
S) Die ümad • Recraeioa dw btucKs teuc ico uis \\n. Jaürii. ÜMMk wwdeti die «Elaftea* la den idjrllisohemi ßchUan'.
*) JMtMr den Kindenaord ftbemeliinmde Oehilf» eriaBeri out an die Armigerrolle.
*) Viva, rira Sckilinr, siehe aof and lihle nir deine Schafe! (!>. 135.)
») Wcmh. y. VI. — Dort heiMi es, daae die« Staek itter eobeiae ab die forsnifshsedee — g leiebwol wird ee aar Probe der Weiter» bildaag diesea icfcgeenliickt — Meine Aaordnaag eoU hier saaielMi Mekr praktiMÜMs Zweck haben: Ar kielorieelw Om^nuig wird aaai Wchi— dee CapiUla noch ein Wink gegeben.
38 Cap. I . S 6-
Das Denkmal beginnt mit einer Sccne der Hirten, die sich über die ungowohnte Hello des Himmels verwundern und es singen gehört haben, darauf eilen Bio mit Gaben ') zur Hütte, wo das Kind geboren ist. — Den drei Königen, die nun ih- rerseits nach dem Neugeborenen fragen, geben sie von dort zuriitkkehrend ausweichende Antwort: jene ermuntern sich gegenseitig in 7 Strophen, die P'orschung nicht aufzugeben, und Str. 8 deutet an, dass sie das Kind gefunden. — Aus diesem Vorhandenen nun ist der Schluss auf einiges Verlorne erlaubt: die Str. der Könige z. B. enthalten so viel Anspie- lungen auf vorhergegangene Unterredung mit der Priester- schaft, dass wir scenische Darstellung derselben in einer frü- hern liec. annehmen dürfen. Wie diese Scene, schwand auch die (eigentliche) Verkündigung auf dem Felde: jene unklaren Wahrnehmungen der Hirten traten 2) dafür ein. Den Schluss wird die Verehrung des Kindes durch die drei Könige gebil- det haben : nachdem man aber für die Hirten eine ganz ähn- lich gebildete Anbetungsscene eingefügt, Hess man das ältere Vorbild fallen, und begnügte sich mit lyrischer Andeutung. Solche lyrischen Strophen, die an Stelle älterer dramatischer Handlung getreten scheinen, seien hier und im Folgenden als Ersatzstrophen bezeichnet.
Was die übrigen, der Anlage nach einfacheren, Hirten- stücke aus Graz, Mosburg, Aussee und Flattach betriflft, so scheinen sie in directem Anschluss an das alte Officium pas- torum entstanden, in so fern sie ausser den Hirten nnd ei- nem Engel ') höchstens nur die Anwesenheit Maria's und Jo-
') Diese hier und so oft im populären W. Spiel erscheinende Be- Bohonknng des Christkindes durch die Hirten ist offenbare Nachbil- dung des altkirchlichen Dreikönigsopfers. Einen sehr deutlichen Beleg hierfür bringe ich nach.
3) £s findet sich in diesem Flattacher Denkmal einmal nicht je- nes gegenseitige Aufrütteln aus dem Schlafe bei den Hirten, was schon im niederhess. W. Sp. p. 12 sich findet, und sehr häufig begeg- net bei ausgeführterer Behandlung der Vcrkünd. auf dem Felde. — Ge- meinsam diesem Flattacher und dem Niederhess. W. Spiel ist die Ein- führung populär-deutscher Namen, doch komme ich auf diesen Punct in einer spätem Note.
3) Wo ein solcher Engel der Verkündigung auftritt, wie in dem p. 84 miigetheilten Reime, nimmt Weinhold Erweiterung an, doch
C«p. I . § 6. 89
sephs bei der Krippe noch andeuten: Ton dem albernen Kin- delviegen hier keine Spur. Manche dieser poetisch oft an- sprechenden Reime sollen bis vor Kurzem in kirchlichem Ge- brauch gewesen sein. Das Schlaupitzer Spiel dagegen 'J nimmt deotlich Benig auf das Kindelwiegen , das denn wol auch mit einem Speieeii oder Füttern scheint verbunden wor- den SQ aein >). Dies Schlaupitzer Spiel kann ich nur als un- (»IganMehe Verbindiang xwt: '' ke ansehen: der ältere Tbeil scheint von den ersten i Marias (p. 106) bis zum
Spruche des zweiten Schäfers (p. 109) zu gehen; doch ist schon dieser Theil nicht eben alt, und namentlich in der Rolle Josephs in den Stil der Erweiterung übergegangen. Diese (Anfang und Ende der vorliegenden Rec. 3)) ist für sich als ein Kinderbeecbeemogsspiel zu betrachten, dessen Wesen darin besteht, dass das Christkind in Begleitung von Gabriel, Petras und andern Heiligen von Haus zu Haus geht sich nach dem Betragen der Kinder zu erkundigen. Wie man im- mer über derartige Aufzüge urtheilen und woher man sie er- klären mag *), so viel scheint sicher, dass vernünftiger Weise
f«bört« der Aagelof tcboa lam Of&omm Furtmuin (Vergl. Weinhold p. 47.)
t B€t WetnhoU p. 104 ff.
i, VcrgL p. 106 anien, p. 107 oben.
>) Die Worte Joseph« : Holla ,HoIU erfrom' bilden
p. 106 eine Art Brück« tnm Uebergtng vom jungem inin altem Texte. Urvprtoglich war Joseph nsMrlteh bei Maria anweaend , and ihn mit m das OaSDige de« MBaieh«nd«n Chriatkindet aalzuDehmen, hat wol mmr den Staa, daaa er ao beaaar ein paar Spiaa« über die Witterung aaclMa konnte.
i) In 3irer Aaft—ung weiche ich am meisten von Weinhold ab. Ihn stad die Uasüge d«« Chri«tkind«8 mit «einen Heiligen der äl- ImU, Bytfcologi««^ g«d«ai«t« Beslehd d. W. Spicb, ül > r im
Zaaammenhasff p- 1~44. kaadeH — mir die jüngste i der
ftltk .rr, li«nrorg«blIdei aas dam «chon aU Unsitte bc-
irici... ^ .vrirf^eo, da« ra einer iauncr menschlicheren oder
kitidtf<hr-rin Krstfnir führte. Der Kinderbe«ch«enuif la Lieb« moaat« der Heiland, dceaen Uebart man dock feieni woUt«, als erwachsener OmHUmw kiauBÜsek«' Gestalten aaftr«4«ii, na Lob und Tadel, Dro- iMagen «ad Oesekeake Ar di« I t mitsabriafca. Sokk« Yer>
kekrtheil deelei aiok aür sckou „. ... .Niederhees. W. Spiel, wo der I^Mf la der Wieg« Magen nad ■prteken oms» — and was von Drei-
40 Cap. I . § r>.
nicht in demselben Spiel zuerst das (mindestens doch halber- wachsen zu denkende) Christkind als Kxaminator auftreten konnte, und dann sich in die Wiege legen durfte und speisen lassen. Weinhold hätte hier also wol dieselbe Ausscheidung vornehmen dürfen, wie er sie bei dem ähnlichen Spiel aus Habeisch wert »), zu dem ich nun übergehe, mit Recht sich erlaubt hat. Im Eingang haben wir wieder, wie in Scene III des niederhess. W. Spiels das Suchen Josephs nach der Her- berge: dort waren es zwei Wirte, hier ein Wirt und sein Haushalter 2), an die er sich wendet. Im weitem Verlauf des Stücks ist das Kindelwiegen die Hauptsache. Zunächst finden wir in den Eingangsreden Maria's (p. 113) das kirch- liche jJoseph, liebster Joseph mein* wieder 3) — die Antwort Josephs ist freilich zu einer humoristisch-karrikirten gewor- den. — Die dann folgenden 5 Str. entsprechen den Str. 1, 3, 2, 7, 12 des Liedes bei Hoflfmann K. L. p. 434 flf., das ausserdem wohl jüngere Zusätze enthält. Ebenso vergleicht sich der darauf folgende Wechselsang Maria's und Josephs mit dem gleichfalls viel ausgefiihrteren bei Hoffmann p. 437 ff. Ich glaube, dass diese Wechsellieder nur für immer mehr ins kleinliche Menschenleben eingehende Variationen des kirchli- chen ,Joseph, lieber neve mein' anzusehen sind. — Die Hir- tenscene (p. 118 ff.) zeigt durch das dreifache Opfer deutli- chen Bezug auf die (sonst gänzlich geschwundene) Dreikö- nigsverehrung. Den Schluss des Spiels bildet Reue und Klage des Wirts über seine Hartherzigkeit *). — Ein wert^
königsumzügen und Vasnachtsschwänkeu gegen das XVI. und XVIL Jahrh. bin im Schwange war, mochte zur völligen Auebildung der KinderbescheerungBspiele mitgewirkf haben, wie denn Berührungen derart schon von Weinhold (p, 37, 39 in den Noten) erkannt sind.
') W. Spiele 110. — Vollständiger, doch minder kritisch schon hei Haupt VI, p. 340 ff.
') Wie dort der zweite Wirt , erscheint hier der Ilaushalter et- was milder.
3) Das ,neve' der Anrede , das eben nur auf nahe Stellung und etwas untergeordnete des Angeredeten (vergl. Grimra's Vorrede zu Reineke Fuchs XXVIII.) gehen sollte, verstand man freilich nicht mehr, und wiederholte dafür den Namen.
4) Wenn er darauf Maria und Joseph nacheilt, so hat dies zu- nächst scenische Gründe: er musste sich mit der weitergezogenen Spielgesellschait wieder vereinen.
Cap. I. § 6. 41
Tolles Denkmal ist ferner tdas Spiel aus Vordernberg (p. 134 ff.) das freilich auch die drei Könige eingebüsst hat, aber noch deutlichere Spuren ihres früheren Vorbandenseins auf- weist als das eben besprochene i). Das Stück ist sonst sehr ansführhch, hebt mit der Verkündigung Maria's an •), und behandelt die folgenden Ereignisse bis znm Kindermord in der Weite, dmn den dnxelnen Scenen meist ein Gesang vor- hergeht , der schon die Hauptmomente den folgender Handlung in Art eines Prologs hervorhebt. Solche Prologstrophen sind offenbar späterer Zusatz: wo sie die Handlung selbst (was hier nicht der Fall ist) verdrängt haben, nennen wir sie Ej-- ■aUstrophen '). — Beim Herbergesuchen (p. 135 ff.) wird die Gebort als schon geschehen erwähnt: der Wirt ist fast ge- neigt, die arme Familie aufzunehmen, wird aber von der mehr anh Qeechäft bedachten Wirtin *) so eingeschüchtert, da» er eben nur den Stall anzubieten wagt. (Für diese hu- mane Haltung hat dann auch der Wirt die Ehre , Prolog und Epilog des Spiels zu sprechen!) In naiv zarter Weise wird non (p. 151, 152) die Ermattung und Hilflosigkeit der heili- gen Familie vorgeführt — In der Hirtenscene beachte man p. 158 den Gesang mit halblateinischem Refrain. — Der Bote, welcher p. 165 auftritt, hatte ursprunglich wo! dem Herodes Bericht fiber die Flucht der 3 Könige zu bringen : in der vor- liegenden Rec. hätte er ganz entbehrt werden können , da (p. IHT) Herodes selbst sich das Ausbleiben jener erklärt und der Bote hier gar nicht erwähnt wird S). Herodes wird ver-
•) bchor • 1"! ', !a: ' wiesen.
») Für d .tlc» dos Vm-
Utn (p. 187) ••
») DtM« • _ „ ^t«t4odig aaf, and verlieren
<la0o iwtftrltrli jeden drtastiMhen Cbsr»cter. Denurt ist dsa tau Lie» •taf bei Weinh. p. 139 aBttg«(heUt« Lted, (womti Simrock D. Weih» McktL p. 147 tu rtr^l.) «ad die Beflie voo DrtflcteifiHedeni bei Hoff- OMUin K. L. p. 448-451
*) Man rrinnrr«* steh aa das sna Habelsehw. Spiel iber Wirt a. HaaahaUer bemerkt <».
&) Dieser Bote i*t eben nnr als Schatten dw getehwaadeaea 8 KAaif« anxasebrD. — J«acr Alt«, voa den er gefcppl wird, verdnakt «ol aar dem Volluwiu seine KinAhnnf aad brandit weiter aieht w- kltet sa «erden.
4> Cap. I , § 6.
gebens von seiner Gattin ') zur Milde geraahnt: bald berich- ten 3 Knechte den verübten Kindermord 2). Was darauf He- rodes noch antwortet {p. 170), ist offenbar an falsche Stelle gerathcn. — Die in der Hs. noch folgenden 25 Str. (wovon Weinh. p. 171 nur 3 aufnimmt) halte ich für Prologstrophen, die bei ihrer grossen Ausführlichkeit die Darstellung der bez. Handlung (der Flucht nach Aegypten) ganz verdrängten. — Ebenfalls aus Vordernberg ist von Weinhold (p. 302 ff.) ein sog. Paradeisspiel mitgetheilt, d. h. eine Behandlung der Er- schaffung des Menschen und des Sündenfalls mit vielen al- legorischen Figuren (namentlich den Fügenschaften des Höch- sten, Gerechtigkeit und Barmherzigkeit), auch wol den Per- sonen der Gottheit selbst. Ich habe früher darauf hingewiesen, wie die Behandlung des A. T. sich hauptsächlich an die Pflege des Weihnachtspiels anschloss, zu dem sie zuerst in Weise eines Vorspiels zu treten pflegte 3). Dies Paradeisspiel, dessen älteste Redaction frühestens ins XVH. Jahrb. zu setzen sein möchte, hat nun wie es scheint das ältere (vielleicht ins XVI. Jahrh. noch zurückreichende) geistliche Gespiel oder W. Spiel bei der Aufführung ^) verdrängt , besitzt aber seinerseits in jenem zweiten Theil, der auch als das Spiel vom guten Hirten (p. 334 ff.) sich bezeichnen lässt, einen noch jüngeren Anwuchs, dessen Hauptidee sich näher mit dem Passionsspiel berührt 5).
*) Waa Weinhold p. 167 Note 4 über diese Rolle sagt, scheint auf Verwechslung des älteren Herodes, dessen Tod schon Matth. 11, 19 berichtet wird, und jenes jungem zu beruhen, der Job. Bapt. hin- richten Hess. — Die Rolle der Gattinn des Her., die uns noch öfter bege^pien wird, erkläre ich als correspondirend der Gattinn des Pila- tus, die für Christi Leben bittet, eingeführt: der Kindermord ward als Vorspiel der Passion gefasst.
i) Wenn Weinh. p. 170 Not. 1, den Knecht dieses Spiels mit je- nem Boten des St. Galler W. Spiels vergleicht, so versteh ich das nicht: hier wird dem Herodes Liebsames (die Vertilgung der Kinder), dort Unliebsames (die Flucht der drei Könige) berichtet. — Dagegen ist p. 169, Not. 2 nicht zu übersehen, und auf die anfänglich wenig- stens unterschiedne Zeichnung der 3 Knechte zu achten.
3) Auch in den Mittheilungen Schröers werden uns Paradeisspiele mit W. Spielen verbunden begegnen.
V^ergl. das von Weinh. p. 184 mit dem p. 294 über die Auf- luuruug der beiden St. Gesagte.
5) Vergl. auch Weinh. p. 299 (über das Liesinger Pass. Spiel).
C*p. I. S 6. 48
Von Schröers sehr wertvollen Mittheüungen betrachten wir sonächsi das Kremnitzer W. Spiel '). Die zu Anfang stehende (Torgescbobene?) Hirtensceno finden wir so arran- girt, dass durch Vorführung eines weisen und eines einfälti- gen Hirten eine lebhaftere Handlung und eine dem Volks- ■chauspiel so genehme komische Figur gewonnen wird. König Herodes ist mit einem Locker (= Lakai? oder etwa Thür- •ohlies^' 1 einem Diener umgeben; vor ihm er ' n
die drt' . (p. 403), die hier als der Rothe, der -^ e
und der Grüne unterschieden werden, wol nach der Farbe ih- res Anzugs '). — Ein ungeschickter Zusatz scheinen die Wort« des Uerodes (p. 410 unten): .Kommt Ihr nicht wieder' u. s. w. *;. Der Plan zum Kindermord wird dem König eingebla- sen (ohne Metapher) vom kleinen Teufel , während der Grosse desu weiter aufhetzt: die Zahl der ermordeten Kinder wird (p. 416) auf 144000 angegeben *)\ — Herodes aber fühlt bald Bene, und jammert (p. 418):
Ach hätt ich gefolgt nur meinem Weib! Wir aeben daraus, dass eine Gattinn des Herodes früher im Kremnitzer Spiel (wie im Vordemberger) auftrat. — Das Ende, wo Herodes vom Tod mit einem Pfeile erlegt und von beiden Teufeln an einem Seile fortgeschleppt wird, erinnert an die analoge Stelle des Benediktbeurer Ludus &). Kleinere Gesang- stficke, Arien genannt, erscheinen theils als Trümmer von Prologliedem , tbeils als eingelegte Lieder. Ein Gleiches gilt
I) Wstmar. Jahrbacb lU, 891 ff. — Die Ueberschrift bebt hier wie sodi tOMi (f. B. beim Ordo Reobelii) nur den iltatien und wieh- tagsteaTlicUbcrvor: tte h«Mi hier: GeicU. Spiel vom gr»a«. and ty> raao. Köotf lUrodcs.
i) UrtprtagUeh hkm Melchior ,caaas', Balthsaar ,fiucus', Cu- par ^mbtouidtti* oacb der Haar- oder Oectcbtdarbe.
') Verderbt ii( «ml das: So wollen wir um beschweren, Gen Bethleh— Uakehrea > «rgl. dag. Anm. 54). Wenn p. 418 der
griaM Kteif asfi:
Ach Herodei, da grtner Heoekler, Waa biai da Ar ein grossar Sehmeidilcr' •o kiU« der Herg. bsMim dArfira. igroMer H., (klacher .Sckui« uhlrr !)
*) Nach der grieoh. ftU^oi». Lsgtade doch nur 14000. (Rud. Hoff-
in V. 137.)
Merü p. a06, Com. Bar
44 Cap. I,§6.
Ton den Oesangstücken der Companie (des Chora) und der drei Könige im Obern ferer W, Spiel '). das von letzterer Klasse sogar noch einen lat. Hymnus (das .Psallite unigenito' p. 109) freilich in sehr corrupter Schreibung erhalten hat. — Das eigentliche Spiel beginnt (p. 61) mit der Verkündigung Maria, die sich fast wörtlich an die Luthcrsche Uebersetzung 2) von Luc. I hält. Darauf folgt (p. 63) erst ein Prolog des Engels Gabriel, was vielleicht auf späteres Vorschieben der Verkiindigungsscene hindeutet. Maria und Joseph (p. 65) er- scheinen noch in Nazareth zuerst: naiv und ansprechend wer- den Ochs und Esel •) als die einzige Habe der heil. Familie aufgeführt — diese sollen mit nach Bethlehem wandern um dort (des Tributs halber) verkauft zu werden. Die Reise geht rasch genug, und es folgt das Herbergesuchen (p. 68). Drei Wirte werden angesprochen : der letzte ist so milde , den Stall einzuräumen (v. 179 — 182 sind nun äusserst naiv, aber wol richtig, Schröers Vorschlag in der Note mundet mir nicht). Mit V. 184 begegnet uns zuerst (nachher noch 199 flf., 224 flf.) eine jener Variationen der beiden alten Wiegenreime, die sich V. 234 fiF. in wenig abweichender Gestalt von der uns aus dem niederhess. W. Sp. bekannten selbst einfinden. Die folgende Str. Marias (v. 243 flF.) ist offenbar aus etwas ver- schiednen Elementen zusammengewürfelt, deren Herkunft sich aber nicht gleich erkennen lässt. Ehe ich zur Hirtenscene übergehe, sei noch bemerkt, dass vor der Geburt, die freilich nur sehr zart angedeutet wird •*) , Joseph sich entfernt und dann mit dem Wirte wiederkehrt 5) , dessen Rolle hier z. Th. nur Wiederholung einer frühern ist. (v. 218, 219 = 147, 148). — Die Namen der Hirten 6) sind Gallus, Stiehl und Witok:
•) Siehe D. Weihnachtsp. aus Ungarn p. 61 ff.
*) Die deutschen Gemeinden Ungarns sind meist lutherisch.
3) Diese so Vieliebte Ausschmückung des Stalls zu Bethlehem be- ruht im Grunde auf freier Deutung von Jos. I, 3.
*) Vergl. p. 20.
5) Der Wirt ist erforderlich , um zu den Worten Maria^s und Jo- sephs die nöthigen Tactschritte zu machen, vergl. p. 16.
•) Ich führte oben aus, wie sich die theilweise Erhaltung der heil. 3 Könige auch im populären W. Spiel durch ihre Itekannten mund- artlich oft. noch accommodirten Namen (Baltbasar z.B. wird im Kärn- tischen zu Walthauser) zu erklären acheint. Auch die Ilirten, obgleich
Cap. I, 5 6. . 4Ö
fahrt man letztere Formen auf Stichos und Vitus i) zurück uod Tergleicht dk Namen der drei Wirte (Rufin, Serrilus« Titos), M qMnecben dieae Latinismen (wozu sich der Hymuus Psallite unigenito gesellt) dafür, die Grundredaction des Tex- Im ins XVI. Jahrhundert zu setzen, welcher Annahme innere Grfinde nicht widerstreiten. — Nachdem die Hirten sich in üblicher Weise aus dem Schlaf gerüttelt 3), und ihre Träume (die auf das grosse Wunderereigniss Bezug nehmen) sich mit- getbeilt haben, erfolgt das dreifache Opfer vor dem Kinde (p. 87). Indem sie zurückkehren, kommt ein vierter Hirt (Oi^Nts), der sich auch nach dem Kinde erkundigt ^). — Die Dreikönigtsoenen (t. 599 ff.) sind erhalten, aber etwas aus dem (jeleise gekommen. König Melcbert (Melchior, auch im St Galler W. Spiel der Vornehmste) tritt mit einem Pagen and einem Mathematicus (= Astrolog) namens Viligrazia auf, der aus eigner Kunst schon die Geburt des neuen Königs in Bethlehem berechnet: so muss nun die Erkundigung bei Herodes ganz unnötliig scheinen. — Dass die drei Könige sich erst kurz Tor Jerusalem zusammenfinden, ist aus alter Trad. (vergl. da« Freisinger Offiz) gut gewahrt, nur hat man die drei Tenchiednen Lande nicht festgehalten, es beisst ?. 771: ,Zwün komen aoaSaba, der dritte aus Morn*, und an* derwärts werden aach alle drei als Könige von Saba bezeich- net — Die Audienz bei Herode« ist reine Formulitüt gewor- den, da erst nach Entfernung der Könige Herodes durch sei-
imrch ihre LebenasK tchoD den Yolkninn rieh anpsMcnd, werden darefc po|mllr« od#r popuUriairte Kamen ihm noch niher ^hrftcht. Vo« fitertr AK begi^r- * • u' - -i oid die Nunen: Jodl (Georg), Bi«pl (Ra|»recbt) Jiff% I.t, x (Alexius) n. ■. w. , ron letc*
lertr die ia «aMtm 8p , ttr*i>ru wirf« «ad ii» Ka«dH« der Hu
4i« daaa «ach wol bamnmtiiohe Klrbuntr xcigeti Wirte*
a«.i**«r«^li ia Vordemhcrfer W. Spiel.
9At6» wiU aot'StidMl SUffel : bc« lor BkUm forkcnant, mH •
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f «ttl bd Wstekold p. 1«0
S) TK« Tliri^n l>#>i T.nr 1! u
iMbra.
46 Cap. I, § 6.
nen Lakay die Schriftgelehrten >) berufen lässt. Diese heissen den König unbesorgt sein, aber der Teufel giebt ihm den Mordplan ein, iihnlich wie im Kremnitzer W. Spiel. — Bei dem Opfer der Könige hat wieder Melchior den Vorrang. Die Flucht nach Aegypten wird angedeutet v. 1110 ff. — Herodes spricht nun entschieden seinen Mordplan aus: Maria (nach der vorliegenden Ilec.) mahnt ihn davon ab. Üass hier eine Verwirrung vorliegt, hat schon der Hrgb. gefühlt, und an Rachel gedacht (vergl. zu v, 1145): da diese Figur aber dem volkstümlichen W. Spiel nicht eignet , und die bez. Worte auch keine Klage, sondern Abmahnung enthalten, ist es gerathener die vv. 1145 — 1148 der Gattinn des Herodes 2), die sonst nicht in unserm Spiel vorkommt, zuzuweisen. Die Rolle des Judas (p. 116) erklärt sich aus dem Interesse, das man an dem armen Schelm nun einmal im Volk hatte: leicht kam er, wie Caiphas und Pilatus als Gegner des Heilandes, hier in die Sippschaft des Herodes. Ursprünglich werden die Worte einem der Kriegsknechte gehört haben, trotz der Be- denken Schröers zu v, 1169, der die wörtliche Uebereinstim- mung mit dem Vordernberger W. Spiel mit Recht hervorhebt. Die Zahl der ermordeten Kinder (p. 118) ist seit dem Krem- nitzer W. Spiel noch etwas gewachsen : aber während im al- ten Ofl'. Infantum die Kinder als Innocentes und Protomärty- rer erscheinen, treibt hier der Teufel .mit den (schwarzen) Kinderpuppen sein Spiel (vergl. zu 1225). Der Teufel holt auch bald den Herodes, der (p. 121) ihn vergebens bestechen will, und schliesslich den Hauptmann (vergl. zu v. 1311). Man kann in der letztern Figur noch immer den Armiger der ältesten Stücke erkennen, und sich beim Lakay und Pa- gen des Internuntius erinnern.
Eine andre Rec. desselben Spiels ist das Presburger W. Spiel 3). Verbunden ist das Oberuferer Vf. Spiel zunächst mit einem Paradiesspiel (Adam und Eva), zum Schluss aber mit einem Vasnachtspiel (Schuster und Schneider), was für
1) Ihre Namen: Caiphas, Pilatus, Jonas zeigen die ganze Naivi- tät des Yolksschauspiels.
2) Spuren der Rolle fanden wir im Kremnitzer W. Spiel, die Rolle selbst noch im Vordernberger W. Spiel.
3) Die Varianten siehe p. 193 ff.
Cap. I. § 6. 47
die historische Verknüpfung legerer Gattung mit den popu- lären Weihnachtspielen ins Gewicht fällt >). — Das Paradeis- spiel i^t, wenn auch verhältnissmässig kurz, doch in der Handlung intact erhalten ^): dag^n zeigt uns das p. 142 ff. heilte Salzburger Spiel derselben Gattung deutlich ge- nug aas Ausgehen aller sichern Tradit., und den oft verfehl- ten Versuch, durch Verkürzung und Ueberleitung der Hand- lang in das erzählende Lied (die Ersatzstrophe) Einiges tod dem alten Erbe zu retten und jüngerem Geschmacke mund- recht tu machen. Das Salzburger Paradeisspiel ist durch Verwechslung der Rollen und manche kleinere Irrthümer zu etoem uns freilich sehr instructiten ^) Zerrbild geworden. — VSIUfeB Schwinden dramatischer Form gewahren wir dann in den ans Terschiedenen Orten Ungarns p. 151 ff. mitge- theilten Uedartigen Trümmern *) älterer W. Spiele. Es lässt •ich ja denken, dass bei abnehmendem Interesse Mühe und Kosten einer Auffuhrung gescheut wurden, einige Haupt- und Lieblingsmotive der Weihnachtfeier in die bequemere lyrische Form geflüchtet immer noch gern gesungen und gehört wur- den. — Der Nachtrag zu den Weihnachtspielen aus Ungarn, der noch einiges interessante Detail bringt, sei kurz er- wihnt *). Ich gehe zu Mosens Mittheilungen.
t) Wir U»cn hier das Vuo»cht«picl zunächst guu bei Seite. ^ Man beschte den »cbr oft wiederholten Refrain der Compaoie : Gott loben wir »ehon IiB böofaaiea Iluro&I OmhI «««L man KioderiMts. W. 8p. ▼. 143, 144; 800, 806. Die Str. der Cosspanie t. 112^175 dieneo tbeiU ali Erl&oteruog (Epilog) rar tror»a«tckead«a , thcib •!» Hinweis (Frofeg) f&r die folgende Hand-
^ Weder pa«t du, waa Gott Vater p. 148 n sage« hat, (ür mI- oIm BoU«, noch waa Adam p. 144 sa sag« hat flbr diaaan. Gar wnn- dartieh ist dann die Frafs, was w gahtet habe? Auf p 145 ist ▼. 110 aar als Miswwtlndniss sa ÜMsaa: dataalbe Gedanke klarw and riduiffcr soigadrikkt findet sich t. US ff,
*) Hcrrorbcbe ick das Kisasarfcer Weihnacbtlied, weil hier nooh die altaa Wisgaaiaiata eraebeiaea (p. 1S8):, nad snm Sehlosi (p. 160) iieh aM das detWdwta Beispiel Ar die Anlahanac des Hlrtaaopfte aa daa titera dar kaiL drei JUidge Malet Ei baiast dort : Wir arisa Hirtaa onr<>r« Dir Gold, Waftratth oad Myrrhca, Cad aaMTB allen / . daM Da nicht darfst fharaa.
») Dia kWaa Abaaa<uafl« eMhilt die yariaatan eioir drittio
48 C»p. I, § 0.
Bei den AufTührungen im Erzgebirge unterscheidet man die sogen. EngelHchaar zur Adventzeit, und die Königs- schaar '), die in der ersten Hälfte des Januar umherzieht (p. 15, 16). Letztere, die an einigen Orten allein bekannt, wird die ältere sein: die Spiele der Engelschaar (worin der heil. Christ als Erwachsener, St. Nicolaus, Petrus, St. Martin, Ruprecht u. s. w. auftreten) sind meist ähnliche Schmarotzerpflanzen des Weihnachtspiels, wie wir sie schon bei Weinhold kennen lern- ten. — Das Neudorfer Spiel (p. 41) zeigt wie ein solches Adventspiel, freilich in sehr kurzer Gestalt (p. 45) einem al- tern Bestandtheil angehängt ward, der die Geburt Christi mit der Hirtenverehrung darstellt. Zu diesen Aufführungen war wol ursprünglich die (nach der Verkündigungsscene benannte) Engelschaar bestimmt: der Name blieb, auch als das echtere Weihnachtspiel durch die Adventsspiele verdrängt war 2j. — Bedeutender sind uns Lexers aus Kärnten gesammelte Spiele. Das Hirten- und Dreikönigsspiel aus Heiligenblut 3) hebt mit Maria Verkündigung und Josephs Verdacht an. Aufzug I. schildert dann das Herbergsuchen : zur Belebung der Hand- lung tritt auch ein reisender Handwerksbursche auf, der wie die heil. Familie vergebens um Obdach bittet *). *
Aufzug IL bringt die Verkündigung auf dem Felde und (nach einem jüngeren Prologliede) das dreifache Hirtenopfer. — Aufzug HL zeigt die heil, drei Könige und ihre Begeg- nung mit Herodes, der einen Bedienten und einen Schriftge- lehrten zur Seite hat. Aufzug IV. Verehrung des Kindes durch die drei Könige: das dreifache Opfer wird hier aber
(Ragendorfer) Rec. des Ungarschen Christi-Geburts-SpielB. Diese Rec. kennt übrigens als zweiten Theil der Trilogie nicht das Paradeisspiel, sondern die Geschichte vom reichen Mann und Lazarus, deren Drama- tisirung im XVI. Jahrh. auch sonst bezeugt ist. (Vergl. die Arbeit Jac. Funckelins bei Tittmann Scbausp. a. d. 16. Jahrh. I, p. 169 ff.)
•) Es sind natürlich die heil, drei Könige gemeint.
2) Mosen gicbt zum Schluss seiner Mittheil, den Versuch einer Neoredaction der Weihn.-Spieltradition des Erzgebirges.
3) Kämtisches Wörterbuch p. 274 ff.
*) In der Rollo des Wirts (gegen Ende) ist etwas Satire gegen die üblichen Gaunereien dieses Standes zu finden.
Cap. I, $. a 48
kmnm noch angedeiitot i), die bex. Verse Cp. 283) könnten ebenso gut die Hirten sprechen. Auffallig ist der Schluss: die beil. Familie wird auf ihrer Flucht nach Aegypten von Räubern fiberfallen, die sich aber von ihrer Not erweichen Uasen ^). — Das Flattacher Dreikönigsspiel (p. 285 ff.) be- stätigt die oben zu Weinholds drittem Flattacher sog. Uirten- reim (Weiuhold p. 97 ff.) geäusserte Ansicht: die hier vorlie- gende Rec. .desselben Stücks enthält noch die Audienz der drei Könige vor Herodes, freilich auch schon in contracter Gestalt, denn die Herodesrolle ist mit der des Schriftgelehr- ten verschmolzen: der Tyrann bescheidet hier die Fremden nach Bethlehem. Fast lassen die letzten Worte des Herodes , vermuten , dass hier einst das Ende des Stücks war : die angebängte Hirtenscene (in welcher die drei Könige dann wie- der auftreten) mag in ihrer kürzeren Gestalt (bei Lexer) die Zusammenziebung, in ihrer ausgeführtcren (bei Weinhold) den Wegfall des ältesten Theils verschuldet haben. — Was das Wolfsberger W. Sp. (p. 293 ff.) betrifft, so schildert die daraas mitgetbeilte Probe uns die Verkündigung auf dem Felde und das dreifache Hirtenopfer in ansprechend populä- rer Weise, h ist die schliesslich noch auftretende
wälscbe Bu.~ ..... ..cm Tragkorbc, die gleichfalls das Kind
beschenkt: eine in Localfarben 3) ausgeführte Erweiterung. — Die (p. 303 ff.) mitgetheilten Lieder, zeigen auch theilweise dramatische Färbung «), so Nro. I, VI, VIII, XVIII, XX u. a. Von den beiden bei Pröhlc ') publicirten Schauspielen ist das sog. Dreiköni^sspiel zwar von häufiger Verdunklung und Vcnrirruncr ' - ' - > *f - ' nicht freigebliebcn , gleicbwol in
1) Iii»< >!•;:. iUu, latcrcH« der Zuachaaer schon dturoh das Hirten- «»jiffr «'rfullt »k»r.
1) Kiri<>tii il> r lUulx-r wird •chliiMiaUch jene Bitte in d«n Muud KrlfKi, dir «ir I.ui . XXIII, 42 lasen. Aa siaen XummmenhAog mit «l«ni y.vunft inCMitiae Anbice, dae «iaea ihalicbsn Zag bietet, möchte irh ho At (;r<>*Mii Kntl<((it)h.it ili«ttr spoloTpli. OmU« doch ttiokt
drbkon.
ii K^rr.t. ti ;:r.iii/t )» aAdwaetliek sa Venctisn.
*) Üb D>an x • auch fGr Trümtncr lll ■IllStJSOhiy Cinnf>Aailioni«n d»rf'
V»-Lir<irr und '«< nautiJtrio |i. 246 tL
.t'\n! hirr nur lirnrur, wie p. 254 «üi Diener des Uerodes
4
60 Cap. I, § 6.
gutem Ton gehalten und oft von glücklichster Naivetät: da» gegen ist das sog. Schwertfechterspiel ')> <1ä8 sich allerdings auch (namentlich in der Figur des Königs von Mohrenland) an kirchliche Vorbilder anlehnt, doch kaum noch für das geistliche Schauspiel zu beanspruchen.
Anf&age gelehrter Behandinn? im XVI. Jahrh.
Die litcrarisdien WeihnachtspiLn; «Icr Reformationszeit stehen in Behandlung und Ton den besseren populären Denk- malen der Gattung, wie wir sie eben kennen lernten, so nahe, dass sie sich oft nur durch eine geordnetere Anlage, (häufig aber auch mit breiterer und seichterer Ausführung) vor ihnen auszeichnen. Die ältesten Beispiele der Art sind die Stücke von Chnustin und H. Sachs. Des ersteren, 1540 in Ber- lin aufgeführtes 2) Spiel beginnt nach einer Widmungs-Vorrede an den Hamburger Magistrat, verschiednen Prologen und Ar- gumenten, mit Maria Verkündigung, Nach einem Monolog Josephs, der Marias Tugenden preist und sich selbst als ih- ren Verlobten glücklich weiss, folgt die Begegnung Maria's mit Elisabeth. Act II. beginnt mit der Beruhigung Josephs
auftritt, wo man den Herbergswirt erwarten sollte. (Beide Rollen wurden wol zuerst von Einer Person gegeben und in der Folge ganz confundirt.) " — Von der Anbetung der Hirten, die an rechter Stelle (p. 259) ganz ausgefallen, findet sich p. 262 noch ein Torso (was hier der andere Hirt spricht). Die weisen drei Könige (nur Melchior's Name ist p. 261 als Melcher erhalten, der zweite K. nennt sich von Polenland) scheinen mit den Schriftgelehrten des Herodes confundirt zu sein, wozu die deutsche Bibel, die nur von Weisen aus dem Mor- genlande (Matth. n, 1) redet, verführt haben mag. Das Schäferlied (p. 256) das sich auch sonst findet (so bei Weinh. p. 125 fi".) ist gerade in seiner glattreiulichen Form gegenüber dem sonst so wirren Texte als jüngere Einlage unverkennbar.
1) Vergl. die von Simrock D. Myth. p. 268 (nach A. 3) über den altdeutschen Schwerttanz gegebenen Notizen.
3) Gedruckt daselbst 1541 als: Ein seer schön und nützlich spiel von der lieblichen Geburt u. H. Jesu Christi u. s. w. — Es ist 1862 in Berlin neu aufgelegt bei W. Hertz, ich benutze den alten Druck der Göttinger Bibliothek.
Cap. I, § G. 51
darch den Engel nach Mattb. I. Die folgende Teufelscene ') ist mit kräftigster Derbheit angelegt: die beiden Dämonen Bruder Rausch und Rabbarlab, machen ihrem Ingrimm über die nahende Weltheilandsgeburt in diabolisch übelriechender Weise LufL Der Schluss des Acts deutet noch die Abreise llaria^s und Josephs nach Bethlehem an. — Act III. bringt xonachst die Verkündigung auf dem Felde : nachdem die Bot- •ohafl Gabriels >) und das (neumirte) Gloria in excelsis, so- wie Variationen dieses Themas durch die Chöre der Engel verklungen sind, brechen die 7 Hirten zur Krippe auf: Knecht Tytke will nicht allein bei den Schaafen bleiben, und eilt mit ihnen , die Nachbarn Heine Bonenstro und Tile werden berzugerufen : neun Hirten und der Knecht kommen so schliesslich zur Krippe des Kindes und beten es in einfach würdiger Weise an, doch hier ohne Andeutung eines Opfers. Es folgt eine Teufelscene, worin Beelzebub als Höllenfürst 3) die Kunde von Christi Geburt zur Aufhetzung seiner Gesellen benutzt, auch andeutet, König Hcrodes als Werkzeug seiner Rache gebrauchen zu wollen *). Zum Schluss erscheinen die 3 Könige auf der Reise, sich über den neuen Steni bespre- chend. Act IV. zeigt Herodes zunächst in Unterredung mit Annas ^) über die Geburt Christi , dann werden die 3 Könige, als deren Wortführer hier Gaspar erscheint durch den Kanz- ler Tor den Thron geführt. Wie auch sonst in populären Spielen *) geben sie als die Dauer ihrer Reise die Frist von 13 T..'..n an \ri V. Zeigt Quu die Verehrung des Kindes
njr-i-»
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Text der 1 hier und liÄufiK *«it «Ivr Reformation
dufi h üa* Lutlierscbt l'ildet.
*) In ilUren de. .ist. —
Die n*ae Anordansg Luc. Xi, ir>
AucLfsatan, RampoU, ._, , .^- :. —^ Teufel gcuaiiut.
yimti v«rfl. dM Einbußen dei MordpUns im Kremaitxer W. 8p.
') Man triaacr« tick sa dvn (' ' T'lUtui im Oborufcrer
W. »p. M fkidwr SUIU. — DiMc n der Wcihn«chU-
■ttt d«r Piwjgwgssch. tiad nicht un|KM!U*<L, ih> uaiv sie icbeiueu m6*
grn
Vtrffl. Wdabold p. 122, wo (Note 1) so«h auf die Rpukrypb. X '•-••'•» vcfwksca iaC
4*
52 Cap. I, § 6.
durch die heil, drei Könige, wobei aber die Geschenke nur in beBcheidenster Weise erwähnt werden, z. B. so; Wie wol für Dir nicht gut noch gelt Viel gelden thut u. 8. w. (spricht Gaspar) — was freilich zeigt, dass die alte symbolische Deutung die- ser Gaben vergessen war. — Joseph und Maria danken den Königen , die Flucht nach Aegypten wird angedeutet. Hero- des giebt seinem Hauptmann Befehl zum Kindermord: ein Herold verliest dreimal das Mandat, alle Kinder von dem betr. Alter vorzuführen. Als die Mütter mit ihnen erscheinen, beginnt das Blutbad auf einen Wink des Herodes, wobei sich die Krieger Nickel Ongelt und Hans Knebelbart noch rohe Scherze über die Mütter erlauben '). Aber schon wird Hero- des selbst von Gabriels Schwert getroffen : die Teufel holen ihn zur Hölle. Bez. des uns von Hans Sachs erhaltnen Weihnachtspieles 2) bemerke ich nur, dass wie schon der Ti- tel : ,entpfenguuss und geburt Johannis und Christi' andeutet, hier der ganze Inhalt von Luc. I, 5—80, H, 1—38; Matth. I, 18 — 25, II, 1 — 18 synoptisch componirt vorgeführt wird. Ueber die Einwirkung von Hans Sachs auf die populären Weihn. Spiele, verweise ich auf die ausführliche Erörterung bei Schröer p. 162 ft". 3). Benedict Edelpöcks Weihnacht- komödie 4) stellt im Act I. die Abreise von Nazareth, An- kunft in Bethlehem und das Herbergesuchen dar. Wirt und Wirtin zeigen sich schnöde, das Mitleid wird durch eine Magd vertreten 5). Joseph entfernt sich Feuer zu zünden :
') Chnustin malt hier eben die Landsknechte seiner Zeit.
2) Erschienen 1557. — Drei Jahre früher war zu Zürich ein geistl. Spiel von der Empfängnisa und Geburt Christi, von Jac. Funckelin erschienen, aus dem Weller (das alte Volkstheater der Schweiz p. 258) einiges anführt. — Ueber Funckelins Leben, mit Be- rücksichtigung auch seiner dramatischen Thätigkeit gab Rochholz Ger- mania XIV, 412 f. Nachricht.
3) Ebenso werden dort p. 177 ff. die populären Paradeisspiele mit der H. Sachsischen : ,Tragedia von der Schepfung Fall und Aus- treibung Adae aus dem Paradeis' verglichen.
4) Bei Weinhold p. 193 ff. Aus dem Jahr 1568.
*) In dem redseligen Monolog, welcher die Rolle der Magd er- öffnet, finden sich ähnliche Anspielungen auf Wirtsbetrügereicn . ui. sie in Lexers Mittli. der Wirt selbst machte.
Cap. I, § 0. 63
iozviachen ist die Gebart in dem (dunkeln) Stalle zu denken. Nachdem endlich eine Laterne gebracht ist, handelt es sich darum, dem Kinde ein Müselein zu machen: Joseph kommt etwas mühsam damit zu Stande i). — Die Handlung geht über SV Verkündigung auf dem Felde 2). — Act III. Die Ankunft der h. drei Könige wird so geschildert, dass Melchior und Caspar zusammeureiseu , Balthasar (als aus dem ferneren Ifohnnlnnds kommend) sich zu ihnen gesellt ^). In Jerusa- lem lUMaen sie soniehst auf zwei Trabanten des Herodcs (v. 1061) die als ,feine leut* bezeichnet werden und auch für ge- ringe Bennmeration ihre Dienste anbieten *). — Herodes tritt, ▼on andern Trabanten ^) begleitet, auf: von der Sachlage un- terrichtet, beschickt er die Schriftgelehrten, deren Vertreter Aman und Alachim (p. 243) zunächst rauh angefahren, dann in hAlbgnadiger Weise entlassen werden (v. 1470). Es folgt die Audienz der drei Könige S). — Mit v. 1623 kehrt die Darstellung sich wieder nach Bethlehem und schildert hier «mächst die dürftige Lage der heil. Familie. Dann die Drei- königsverehrung, etwas Tornebmer ') gehalten als bei Chnu- •tin: Joseph erbietet sich (v. 1760) den Fremden ein Mahl ra bereiten , wofür in höflicher Form gedankt wird. Schluss dM Acts schildert den Aufbruch der drei Könige und die Flucht der heil. Familie. Act IV. Herodes fasst auf diese Nachrichten hin den Mordplan S) , und wirbt den Trabanten
I) Vergl. den AhAlichen Zog im Vordembeii^r W. 8p. (bei Wien- hold p. 162 )
*) ¥Xm»» sUtfar behandelt als in den popoliren W. Spielen. Auch dsM der DteMtherr der Hirten nach ihrer Kntfemong lunichitt «4 hiU, denn «ck entechUeeet, telbei die Heerde an weiden and snm Iroei lidi ein liedknu nngt, i«t doch etwa« IritoetUeh.
S) Hkrein nad in dem keifH^bcr tea (vergL die pueri
in proceeeione regvm im Preis. Offis.) i-^ md. gewahrt.
*) Auek kiaria ist die alte IntemantiMroUe su erkennen.
*) Im SiAck werden ft mit Namen etngdUut: einer davon, der V. laM nad sonst gonaoBt« Hessl ist ta dorn PerooneBvencichniM pk IM Abcreshsa*
•) Ah Spreekw erKksiai (wie bei Ckwutla) Oa^mr.
') War Kdslp6ek doek aaek an^eraogUoker Trabant, Chnaetfa aar SekakaeMert (m Cdfai a. d. 8pr«a.)
*) Ee iet wol sa beacktsa , daes kier sasni der sekwarae Ge*
54 Cap. I, § 6.
Iscbem (v. 1919) mit reichem Handgeld für die Ausführung. Dieser nun führt als Ilauptraanu die andern Trabanten zum Morde: nur Schmol, der schon im vorigen Act den morali- schen Standpunct vertreten *), schaudert vor dem unwürdigen Frevel zurück. Umsonst! — Bei der Mordscene selbst 2) treten vier Mütter (darunter Rachel) auf, und suchen ihre Kinder sogar zu vertheidigen 3). _ Act V. Der Prolog eines Engels deutet an, dass Herodes Wüthen umsonst gewesen: dann ergeht die Mahnung an Joseph heimzukehren. Diese Heimreise der h. Familie nach Palästina wird hier sehr ge- mütlich geschildert: Joseph greift öfter Stärkungshalber zur Reiseflasche , was Maria für sich als unweiblich ablehnt. Der frühere Trabant Schmol begegnet ihnen und meldet den Tod des Herodes. Der Beschluss (v. 2601 flf.) hebt, bis auf den Sündenfall zurückgreifend, noch einmal die moralischen In- tentionen dieser Weihnachtkomödie hervor. — Auch in einem sehr umfassenden Spiel des Barthol. Krüger *) aus dem Jahr 1580 wird der Weihnachtstoflf behandelt: die Hirtenscene (Act. II, Sc. 1.) wird durch Gespräche über Wölfe und Schä- ferhunde und das Probiren der Hirtenpfeifen variirt, bis die Engelsbotschaft (mit Raketenillumination) eintritt. Im Fol-
danke direct aas dem König spricht, sonst mosste überall die Umgo» bnng oder ein böser Geist den Wink geben.
1) Vergl. V. 1096 ff., welcher Wortwechsel zwischen Trab. Schmol und seinem Collegen Ischem ohne Belang für die Handl., doch von cnlturhistorischem Interesse, ähnlich wie der Monolog der Magd in Act I. ist
2) Die Weise der literar. W. Spiele , welche das Blutbad selbst vor- zufuhren, und die der populären Sp. , die nur einen bez. Bericht an Herodes bringen lassen, vereinigt Edelpöck — offenbar aus dem Grunde, bei jenem Bericht Lohn für die getreuen Schergen, Strafe far den mildherzigen Schmol (der für Edelpöcks eignes Conterfei zu nehmen) vom König austheilen zu lassen.
3) Analogien dazu aus ausländischen W. Spielen hat Weinhold in den Noten beigebracht.
4) Eine schöne und lustige neue Action von dem Anfang und Ende der Welt (bei Tittmann: Schauspiele aus dem XVI. Jahrh. Th. II.). — Act I behandelt den Fall der Engel u. Menschen u. den Rat- schlass der Erlösung. — Auf die Behandlung des Weihn. Spielstoffes in einigen andern geistl. Spielen ähnlicher Richtung wird noch Cap. V § 1 hingewiesen werden.
Cap. I, S 6. 55
genden tritt als Vertreter der Schriftgelehrten Dominicus auf (als Satire gegen den Orden ?) : Herodes selbst ist hier wie in der gleich za besprechenden Berliner Hofkomödie aus dem Spiel gelaasen. Sc 3 schildert den Verdruss der Teufel über die Gebort des Kindes. In Sc. 4 kehren Hirten und drei Könige ron der Verehrung des Kindes (diese selbst vrird nur angedeutet) i) zornck — an den Kinderroord (Sc. 5) schliesst sich gleich Johannes der Täufer. — Ich gehe über zu der sog. ,Kurzen Komödie' ^) von der Geburt des Herrn Chri- sti. Die (Berliner) Hs. trägt die Jahreszahl 1589, und das RoUenTerzeichniss ergiebt, dass die Aufführung durch Kinder des churfurstlichen Hauses und jn — ' 'üche 3) zur Neujahrs- feier geschah, Termutlich auf (i loss zu Berlin. Die Comödie ist in zwei Acte getheilt, deren erster die Hirten-, der andre die Dreikönigssoenen omfasst. Die im Ganzen ein- fiich-ansprediende Behandlung ist namentlich im ersten Act, wo die Hirten meist niederdeutsch reden , von echt volks- tfimlicher Färbung. — Im Act II. ist (wie schon angedeu- tet) die Rolle des Herodes eliminirt *) : die drei Könige tref- fen nur mit den Schriftgelehrten und einem Boten zusammen. Dagegen sind die drei Könige selbst mit Liebe gezeichnet: nachdem der im Orient gesehene Stern wiedererschienen, be- sehen sie eifrigst ihre globos coelestes 3) , um über die Bedeu- tung des Gestirns sich zu Tcmehmcn. Nachdem sie das Kind gefanden, richten sie (p. 44 — 47) einige Fragen an Joseph über die Bedeotong dieaee Meen'as, und werden im Sinne Intberisdier Dogmatik *) zufrieden gestellt. Nachdem die Kö-
*) Di« ngCBtlidieD BaoptmoineDt« der Weihoachtfcicr Bind aUo
.cr%ii«freg. von FriedUnder Berlin 1839, doch schon nicht ncbr uü llAndel. Die Verroutung F. Wi:" \'
oadi G. Pondo der VerfaMM^r, i«t wenn ai.
Ti flftÄi-rlri Grirlilprlii«. VjtvI. hü'röltor W
^ iriidcot tnii Ku<Kt;rtii ftui UA« z«nc Ait^r t. in.
!->:'■ .-IX SUad der DantcUrr, da Qerodea doch nut : l*ild
d^ FftnlMtwird« tnthamtn koaaU.
^ INmc wanlea von Dkmera trocfeCngen.
<) üaat ihoUek wird des Hirten Unterricht gegeben in Moieas MiuML f. M.
56 Cap. I, 8 7.
nige ihre Huldigung vollendet, dankt ihnen Maria *). — Die niedere, dürftige Geburt des Heilandes wird in diesem für vornehme Kreise bestimmten Stück besonders plastisch her- vorgehoben (so pp. 46 u. 57): in den populären \V. Sp. steht es damit natürlich ganz anders. Da heisst es einmal (in Lexers Mittheilungen) so darüber:
Ja weil Gott liebt die Armuthei — So will er liegen auf dem Heu! Etwas störend bei der Leetüre dieser Hofkomödie ist der Um- stand, dass immer der wirkliche Stand der Spielenden der Rolle vorgeschrieben ist. Auch wird das Christkind (der junge Markgraf Friedrich) einmal angeredet:
Sei friedenreich! Dein Reich vermehr — Eine gute Nacht Gott Euer Gnaden bescheer!
§ 7. Die AnsläBfer des Weihnacht-Spiels im Wll. Jahrb. —
Rückblick.
Zunächst betrachten wir kurz vier Weihnachtspiele eines b airischen Dichters aus dem Anf. des XVH. Jahrh. 2) — Der (kathol. geistliche) Verfasser hat populäre W. Spiele und Lieder gekannt und auch wohl benutzt: doch scheinen der- artige Elemente mehr nur geduldet. Ein strenger gesinnter Hirt findet das , Lustige Hirten' 3) des andern zu ,frech'. — Im ersten Spiel (Weinh. p. 177) begegnet nus noch das drei- fache Hirtenopfer : im zweiten wol auch , doch dienen die Hir- ten hier nur als poetische Staffage, die Hauptrolle hat die Anima (= Christenseele), die dem Heiland ihre Verehrung bringt. — Die Hirtenscenen in den 4 Spielen und die (als Hospes oder Xenophon) gewahrte Wirtsrolle verleihen der in der Hauptsache theologisch-gelehrten Behandlung noch volks-
1) Ihrem Abschiedssegenswunsch liegt die in der lutherischen Kirche übliche, aus Num. VI, 24 f. entnommene Formel zu Grunde. Auch lutherische Kirchenlieder sind mehrfach in dem Stück verwandt.
2) Bei Weinhold p. 175 ff.
3) . . freudige Knaben u. s. w. — Dies Lied findet sich auch im Oberuferer W. Sp. bei Schröer p. 85.
Cap. I. § 7. 67
tümlichen Reiz <). Weinhold vergleicht diese Stücke mit den christnächtlichen Eclogen Friedrichs von Spee: ich kann noch an einigen Dramen das Absterben des literarischen Weihnachtspiels erläatem. Zunächst an des Joh. Segerus Bona nova sea deliciae Christi nataliciae etc. *). Ich gebe ein InluJtaachema. Act I, Sc. 1. Monolog Jehovahs. — Sc. 2. Jnitati» ond Veritas verklagen die Menschheit. Sc. 3. Mono- log der dementia. Sc. 4. Streit dieser 3 Tugenden vor dem Thron Jehovahs: dementia siegt und fordert Gott den Sohn (das Verbumj auf, die Menschheit zu erlösen. Dieser ist be- reit: der Spiritus Sanctus verspricht seine Hilfe.
Act II, Sc. 1. Weitläufiger Monolog des Augustus, der seine bisherige Regierung überblickt 3) und eine Schätzung der Unterthanen nöthig befindet In einem Dialog Marias und Josephs (Sc. 2.) *), die von Nazareth nach Bethlehem rei- sen, werden dann nicht ungeschickt die Luc. I. und Matth. I. erwähnten Dinge berücksichtigt. Sie suchen Herberge: der CncoluB hoepes ^) kann nur einen Stall aubieten. Nachdem ■ie eingetreten, heint es: Hie nascitur aetema illa lux, om- ninm DMoentiiim et Tiventium Dominus. Es folgen 13 ver- Bchiedne Zeitbestimmungen der Geburt, z. B. : Quarto anno Oljrmpiadis 153.
Act III, Sc. I. Die Hirten Titjrus und Meliboeus (nach Virgü EcL I.) beklagen sich über ihren sauem Stand, mehr aber noch:
Daas wir seltn in die kirchen kommn Und hörn da das gesetz erklem. GAfarid verkündigt die Gebart des Heilands ^). Sc. 2. Freu-
I) DifCffCB tat to dctt MgaadsB Dmkmileni die b«wuMto Abkehr vom VoIkcUiftmUckeD amrerkemibsr «ad bedauerlivh.
t) Dar volbtiiMlige Titel bei Weinliold p. 176. — Ich benuUc a«a sM«n Drvck (Greiünrald a. 1618) der Stnkmnder Bathabibliutbek.
>) Ji«a nioor eel virtas qoam qnaerere parta taeri* heieei ea da- ta am Basd«.
<• Im Dnick irrif sie So. 8 biMichaet.
hoepea ntiaam tcirM, qaem iKMpitio exciperc«' bdaet e« btrr am tUade.
^ ttar ist «ioffelefft die MedHatio prima (12 bt. IHHtdien). MsdÜilfawsa Mgaa m* tUidM itt w«tlet«a VerlMif das
58 <ap. I. § 7-
diger Entscliluss der Hirten zur Krippe zu eilen. Sc. 3. Bei der Anbetung der Hirten, die hier folgt, ist ein Lied Mar- tin Luthers ') zu Grunde gelogt. Von einem Opfer der Hir- ten ist nicht die Rede, doch herzen und küssen sie das Kind 2) mit Marias Erlaubuiss. Sc. 4. Lobgesang Maria's. Sc. 5. Verdruss der Teufel Lucifer und Beelzebub über Christi Ge- burt. Lucifer schmäht auch die Jungfrau Maria 3) und trö- stet sich mit Racheplänen.
Act IV, Sc. 1. Die vier Magier *) treten auf in Unter- haltung über den neuen Stern. Nachdem viel astrologische Gelehrsamkeit ausgekramt, ruft Zoroaster aus:
Da stet der herrliche praedicant
Auf der kantzl hoch übr alle landt
Mit seinem hellen Glantz und Schein!
(Vielleicht mag er ein Engel sein.) *) Act. V, Sc L Monolog des Herodes. Sc. 2. Verwunde- rung der Magier über die Pracht Jerusalems , zumal des Tem- pels. Sc. 3. Audienz der Magier bei Herodes, der ohne Ge- folge erscheint und selbst den nöthigen Rescheid an die Frem- den austheilt 6). Diese danken gehorsamst , Herodes erwie- dert;
Der gratiarum action
Ewr würd und reputation
Achtn wir nicht nöthig gewesn war, u. s. w. bietet Proviant und Trabanten an.
Sc. 4. Auf der Weiterreise kommen die Magier überein,
•) Str. 7 und 8 des bekannten ,Vom Himmel hoch*.
3) Nihil Domini amplexu suavius esse polest (am Rande).
3) Als Nota wird hier ein langer lateinischer, dann deutsch wie- derholter Sermon Gabriels zur Vertheidigung Maria's eingelegt.
<) Sowohl in der Vierzahl als der Bezeichnung Magier ist wol eine Polemik gegen die vulgären und nebenbei katholischen heil, drei Könige unverkennbar. Statt Melchior etc. sind hier Zoroaster, Sym- bulus, Pasites, Hermes die Kameji. Der erstere findet sich auch schon in einer (jungem) Stelle des Freisinger Offizes, cf. Du Meril p. 160.
5) Qua in sententia Hieronymus fuisse dicitur (A. IL).
6) Hier hat man sich also die Rolle der Schriflgelehrten ge- schenkt, doch erwähnt Herodes in seinem Monolog (Act V, Sc. 1) er- folgter Besprechung mit denselben.
Cap. I, S 7. 6ö
des Herodes Höflichkeit für Heuchelei zu halten. Sc. 5 >). Die Anbetung des Kindes dorch die Magier ist nicht unpoe- tisch, doch etwas süsslich ausgeführt Mit Anwendung von Luc. II, 29. empfiehlt sich 7 — -*-r und ähnlich die andern Magier. — Der Epilog bti -gt zunächst den Bethle-
hemitischen Kindermord und geht dann zu allgememein-er- baolkben Betrachtungen über. Noch folgt ein griech. lat Epilog in 2iOUam, darunter der Wunsch: Ita diu constet Ponerania patria nostra! — Endlich ein höflicher Abschied vom Leeer. — Eine gewisse Sauberkeit des Plans und eine jogendlidie Wärme ^) der Behandlung dürfte für die freilich öbergelebrte Manier wenigstens theilweise entschädigen.
Von bekannteren Dichtern des XVII. Jahrh. haben Andr. Gryphios, Joh. Rist und Job. Klay den Weihnachtstoff noch dramatisch behandelt, doch scheinen nur des letzteren Arbei- ten erhalten zusein. Die ältere istHerodes der Kinder- mörder 3) (nach Art eines Trauerspiels vorgest. durch Joh. Klaj. 1645). Zunächst preisen die drei Weisen die wunder- bare Geburt ^). Später wird Herodes durch Abgesandte von der Flucht jener Weisen unterrichtet , er braust auf, sie su- chen ihn SU berahigen: Man sieht im Minsten Nicht, das an dem Knaben prachte, Kein Bett, kein Hof, kein Geld, das ihm ein Ansehn machte!
*) Vor der ABkanft dar Msgier in Bethlehem ist eine autf&hr« liehe UL Note einftleft, wo aus Franciacos Patriciui bewiesen wird, daei die (pcnoacheo) Magier der WeihDachtahistorie nicht etwa för Zaabcrer, Mmdem f&r .circa dirina sapientcs eonunqae caltoret* an* lewhtB eeiB.
r) JokSeierseheiaiab (Or«tCnrsUer)8««deBt sttaeikr' Heraog FldL JaUae tarn Denk fttr skadeniedie Stipendien ^ sa kabea , wol aebenbet mit der Absicht , die glAcklich erworbene Ge-
leki esailieit bracklen kq laaaes. — An eine AoiinUimnf '^ - "^ ka ist
•olHreriidi geda^ worden.
^ Berahead aaf des Daaiel Haittsitis : Berodes laCuiticida (Logd. Bat l«tt). Der lat 8ekw«let des hoO. PUlolegea dfirfto aoek leiba* rar ecia ab die deetecbe VerwftMenmg, die doch des aaekgeeehioktea gelekrtea CoiaaisBlars aieM eatb^rea kann. (Ein lat laCuttieidiaai wir sack erboa IM6 io Aotwerpea gedraekt worden, eieke Wein« boM p. 178, 18&
«) Vm die Miifreade der Vstar s« sokiklem, keiasi es: Es ta»^ aea die Btkansea der Bergti des Meer! a. t. w.
60 (:ap. I , § 7.
ümsongt! Die Erinnerung an frühere Unthaten •) treibt den Tyrannen zu neuen Freveln: seine gefühlvollen Traban- ten fallen in Ohnmacht 2). — Nach geschehenem Morde re- den Bethlehems Mütter den Tyrannen so an: Du stets verfluchtes Ungeheur, Du Basilisk und Abenteur! .... Der Henker wird dir's Trinkgeld geben ! u. s. w. Aber diese Weiber sind hier zugleich eine Allegorie ') für das durch den bald dreissigjährigen Krieg verblutete Herz Deutschlands, wie es ein das Stück beschhessender Klagege- sang /feutschlands' noch deutlicher darlegt. — Kurz nach Beendigung des Krieges (1650) erschienen dann Job. Klays Freudengedichte der seligmachenden Geburt Jesu Christi. Es ist eine Art Singspiel , das an Unnatürlichkeit Nichts mehr zu wünschen übrig lässt Es beginnt: Vortrab: Tritt Freundin, tritt herein: Lass doch das Säumen sein! Weil Wind und Winter schweigen, Der Frühling stellt sich ein, Es singen auf den Zweigen Die Weihnachtsvögelein! u. s. w. Kaiser Augustus fehlt hier nicht *), und ist auch mit Rö- mern umgeben. Zur Charakteristik der Hirtenscenen diese vv. Die Engel in der Luft wie Regimenter ziehen, Zum Schlagen angefrischt, jetzt scheinen sie zu fliehen.
Man höret in der Luft die Kürissirer fassein,
Der Flügelschlagen rauscht, die Stückenräder prasseln! Ein Wettgesang der Hirten zu Ehren Marias und des Kindes enthält gegenüber diesem militärischen Bombast 5)
1) Ein glücklicher, doch scbon dem Ueinsius gehörender Zug. Der Geist der ermordeten Gattinn Marianne namentlich treibt den He- rodes weiter auf der Bahn des Frevels.
2) Darauf heisst es : Herodes tadelt ihren Ungehorsam zwar kürtz- lich, doch ernstlich.
3) Man erinnere sich an die Rolle Rachels im St. Galler W. Sp.
4) Zuerst sahen wir ihn in Joh. Segers ,Bona nova' eingeführt
5) Darin lag ausser dem poetischen Reiz noch besondere Courtoi- eie gegen den schwed. Feldmarschall v. Wrangel, dem die , Freuden- gedichte' dedicirt sind.
Cap. I, § 7. 61
Dan wieder redit süssliche Albernheiten. Genug daTon! Zu ■olcbem Zerrbilde war das Weib nachtspiel unter den Händen der Gelehrten schon um die Mitte des XVII. Jahrh. gewor- den: während Nachklange der populären Behandlungen sich bis auf unsere Tage i) in leidlicher Frische erhielten.
Ausser den eben besprochenen literarischen Weihnachtspie- Im des XVI. und XVII. Jahrh. sind uns noch eine Anzahl Titel verlomer oder doch ungedruckter Stücke bekannt, die man bei Weinhold p. 172 ff. und Wackemagei (D. Literatnrgescb. p. 449 ff.) vergleichen kann. Art and Weiee der Behandlung wird in etwas schon mos den Titeln selbst ersichtlich: jener weit- schweifige und bewusste, den Job. Cuno seiiier tchönen christlichen Action von der Geburt u. s. w. *) gegeben, laset ans den ganzen Apparat des gelehrten Dramaturgen äber- blicken. — Interessant ist auch die in 5 Actus und 10 Pre- digten getheilte geistliche Comedie Martin Hammers 3), inso- fern sie die Abstufung des geistlichen Spiels zur Sermon- oder Predigtlonii auf literarischem Gebiet *), entsprechend jener FlSehtirag dramatischer Trümmer in die lyrische Form, wie es die populären Spiele zeigten, klar darlegt. — Noch hebe ich das Jena 1666 gedruckte, wunderliche Stück ^) hervor, VM sich als literarische Redaction eines populären Advents- tfitk anweitt: vielleicht giebt die Jahreszahl einen Grund mehr, jene Gattung nur als die jüngste, fast entartete Form des popoliren W. Spiels anzuerkennen S).
UebarbUdwn wir den ganzen Verlauf des Weihnachtspiels in Deotacbland, so ist uns die erste Entstehung aus den drei kirchli- cben Offim /llr den 6. Jaiu, den 35. und 28. Dec. hoffe ich, zur Oeal(t kUr geworden au der Betrachtung der beiden Freisinger Denkmäler. Eine synoptiache Zotammenfassung dieser drei
•j irma OucrulcnrT W. 8p. «cnrint noco jPlil BUIgPluiin EU W«T-
dm, toMl also dsss ObsnMUMqpMsr FwsionsspM s«r Seite sa stehea.
t) Am&em Jahr 1&»S. (TtifL Wetebold
>) Aas d«a J*lir 1608.
^ Aeeli bei Job. Ssfcr fcadsn wir «wisohepfssehoboe Mr<Ut«- «10— a «ad VnUn, \m Klaj «iaea aaolifsschidrteB Coauaentar.
■) VrrfL Wrtnb p IM.
•) Zwd IHMariMb« AdTe«iS|Mele sm dta Jahrm 1670 oad 1671 w«r4«a ftock «rwikal hH PrAkl« YoOnlieder aad ScbMisp. p. 818 ff.
62 C»p. I, § 7.
Festmotive zeigten uns der Benedictbeurer Ludus und das St. Oaller Weihn. Spiel , ersteres noch in lat. Sprache. Eine jün- gere kirchliche Feier für den 25. Dec. zeigte uns der nieder- he88. Ludus de uativitate (mit lat. Spielordnuug): diejenigen der populären Weihn. Spiele, welche statt dieses Kindelwie- gens noch die einfachere Hirtenverehrung oder das (nach Ana- logie des Dreikönigsopfers gebildete) Hirteuopfer zeigen, weisen in der Hauptsache noch auf ein höheres Alter hin >)• An das Kindelwiegen schliesst sich das in seinem Grundgedanken gar nicht mehr kirchliche, vielleicht nur aus dem Bedürfniss des Familienlebens herausgewachsene Adventspiel 2). Die li- terarischen Spiele gehen oft mit den populären Hand in Hand, oder sie versuchen eine Reaction gegen die naive Fortent- wicklung derselben , doch ohne zureichendes Geschick und ohne dauernden Erfolg.
1) Ich erinnere an die Wechsellieder aus Graez, Mosburg, Aussen und Flattach. — Die meisten populären W. Spiele stehen freilich auf der ,Stufe des Kindelwiegens' (wenn man so sagen darf), doch ist es hier bescheiden und sittiger geartet als im Niederhess. W. Sp.
2) Man bedurfte das erwachsene Christkind mit seinen Heiligen, um die Kinder beschenken und vorher ermahnen zu lassen.
Catp. II.
Ostercyclus.
§ I. iif latHilückcM f^tcraarhtfeirri
Schon im Eioleitangspangraphen ward hervorgebobeD, wie das Osterfest das FandameDt aller christlichen Feste war und jede Sonutagsfeier an das Osterfest gemahnen sollte. Der groMartigen orientalischen Urliturgie und des zwar einfache- ren, immerhin reich symbolischen römischen Messrituals ist gedacht worden, es bleibt uns hier übrig für die eigentliche OtterMit diejenigen altkirchlichen Uiten aufzuweisen, aus de- BMI sich die Osterspiele ableiten dürfen. Dabei halten wir uns wieder, so weit als thunlich, an einheimische Quellen. Namentlich kommen hier die Nachrichten Gerberts in seiner Vetos Liturgia Alem. in Betracht. Vorher möchte ich noch auf einen Synodalbetcblass aus Worms rom Jahr 1316 >) hin- wetaen, der (trotz der Terbältnissmässig jangen Datimng) noch die ilteite, reiu symbolische Weise der Oiutemachtfeier schil- dtft, aber diese selbst schon als fResorrectionis mysterium* beniebaei. Wir lernen daraus, dass ein am Charfreitag be- grabeass Crodfix (Cmcifixi imaginem) in der Obtemacht oder am frftben Osiermorgen aas dem in der Kirche befindlichen Septtlcbmm >) feierlich aofgehoben ward , welchem letzteren Act das Volk stellenweise eine so abergläubische Wichtigkeit beilegte ') und sich so uagestftm daxn herandrängte , dass je-
t^ Vrri?L AU Hifklrr anA Kirchs ti. 34A Anm iHar/)i< i\
^ Lmoer orr Auaaruo uincium »ej*uicnn uci uerben ^vn. i.it. IX, 1« ^ « Bswrwetioeb Myst.
^ V«vL Ar das XTt Jshrli. Nsogvorgw Rcffiii Papiatici Libr. IV t». IM ft (oadi der Aatf. v. 1669).
64 Cap. II, § 1.
ner Synodalbeschluss für Worms festsetzte: ut Resurrectionis Myst. ante ingressum plebis in ecciesiam peragatur. — Eine symbolische Darstellung der Höllenfahrt, wie sie für Schwe- den •), und eine eben solche für die Bewachung des Grabes durch Kriegsknechte, wie sie für England 2) bezeugt ist, wird sich wenn auch nur stellenweise leicht auch bei uns ge- funden haben. Statt der Begrabung und Aufhebung des Crucifixes hat man sich vielfach auch mit Beisetzung einer Hostie und Aufhebung der Monstranz am Ostermorgen be- gnügt: namentlich scheint dies in Frankreich 3^ für schickli- cher gehalten zu sein. Einiges derart wird weiterhin noch erwähnt werden.
Es begreift sich leicht, dass solche rein symbolische Ihiud- lungcn von einer auch geistlich ungebildeten, leichtgläubigen Menge oft eine willkührliche, ja phantastische Interpretation erfuhren *) — das heilige Zeichen sank dabei fast zum Fetisch herab. Die Kirche konnte solchem Unwesen doppelt entge- gentreten: entweder (wie in jenem Wormser Verdict) durch Ausschliessung der Laien vom symbolischen Act: oder (und dies scheint mit Recht weit häufiger gewesen) indem man versuchte, die symbolische Feier 5) zu einer liturgisch-drama- tischen erweiternd, nicht nur dem Auge sondern auch dem höheren Autfassungssinn des Volkes — soweit die fremdblei- bende Kirchensprache es zuliess — Unterhaltung und Er-
') Man setzte dort am Charfreitag ein Bild des Fegefeuers auf den Altar, und entfernte es am Ostermorgen: doch ist dies erst fiir das XVI. Jahrh. bezeugt, (cf. Korlin Sigismund och Svenska kyrkan p. 79. bei Ljunggren Sv. Dzam. p. 110.)
2) Vergl. Du Meril p. 50.
3) Vergl. Du Meril p. 43, wo freilich die rein symbolische Feier schon mit der liturgisch-dramatischen conhindirtlist, und p. 51, wo auf den deutschen Ritus Bezug genommen wird. Ob das dort in der Note erwähnte corpus Christi wirklich für eine ,8tatue d'iin cailavrt'' oder nur für ein Crucifix zu halten ist?
*) In Worms war der Glaube verbreitet, wer du- i-Mi.uuiig des Crucifixes am Ostermorgen mit angesehen, dürfe das Jahr über nicht sterben. — Ueber den im XVI. Jahrh. an den Oreus paschalis ge- knüpften Aberglauben cf. Naogeorgus p. 151.
5) Auf dieser Stufe scheint ausser der jüdischen Synagoge im Ganzen auch die orientalische Kirch" «t^'lifM> .r..i,i;..i...i, ./.■ c^-jn.
c«p. n, s 1. 65
bMumg tu bieten. Zur Eirreichung dieses Zwecks scheint man sich aber strenger als bei den entsprechenden Riten znr Weihnachtzeit (deren Bedeutung für die christliche Kirche onendiicb geringer war) an rein kirchliche Factoren gehalten tu haben : wir sehen in den ältesten liturgisch- mimischen Otterfeiem fast nur Vulgatarerse und Hymnenstrophen für den Text der Composition verwendet i). Zu beachten ist, dass ranäcbst nur der zweite, weit gewichtigere Act der sym- bolischen Handlang — die Auferstehung 3) zur andeutenden Darstellung gelangte. Zur andeutenden — weiter erlaubte dM Scheu Tor dem heiligsten Mysterium unsers Christenglau- beos Tor der Hand nicht zu gehn. Von den beiden nun zu be^recheDden Stellen Gerberts handelt die eine (Vet Li- tsrg. Alem. II, 237, cf. Mone Schauspiele des MA. I, p. 7) ▼on einer wie es scheint mehr in Klöstern üblichen Oster- feier '). Sie bestand darin , dass zwei Priester in einer frauen- ihnlichen Gewandung und mit Rauchfassem versehen, mit der bekannten Schwermutsfrage der trauernden Frauen (Marc. XVI, 8) dem Grabdenkmal sich nähern. Der Anruf des En- gels (T. 6) wird dann zunächst in eine Frage des den Ange- h» gebenden Priesters: Quem quaeritis? ferner in die Ant- wort: Jesnm Nazarenum — schliesslich in den Bescheid des Angelas: Non est hie cet. zerlegt, und diese Rolle noch aus ▼. 7 ergänzt und fortgeführt Die Antiphone: Surrexit Do- minus de sepolchro ! *) der damit wieder in ihre Priesterfunc- tion sich wandelnden Franenrollen , sowie das vom Abt ange- ■ÜBinte Tedtom tcblieaet den liturgisch -dramatischen Act. In der Regel mochten übrigens nicht zwei, sondern (nach dem Ubitscben Text, z. B. Marc. XVI, I) drei Franenrollen er- icheinen: ein ans einem Reichenauer Cod. saec. XII. bei
>«ibi frrilkh m bedenken, ob nicht hier idion der to »Qsfuhriiche Berkht der EvaafeL vor freier AaMchniackuDg llager •elkftUte.
>) TttUeicbt kam not) dam der ent« Act (die Grable-
geag) sich Kkon schwierigf oiine di« Bolle ChrUti lelber dorehfUi-
^ EMipreckesd tkrer AvBwrvBf aas frftheeten (Mer luorgen wSr<!r mma diaee mad andre voa Xooe eof»oannt«n OHerfeirrn ^etuuier feiern ta bezeichnen beben. »u»,naditer bei De MAril p. W.
b
06 Cap. n, % 1.
Mooe I. p- 8 mitgetheilte» Bild zeigt in der That diese An« sahl ansser dem Angelus. — Schon entwickelter ist eine andre, neben dem Marcus-, auch das Johannesevangel. nutzende Osternachtfeier. (Vet. Lit. Alem. p. 864; Mone I, p. 8.) Der Anfang stimmt zu dem obigen , doch nach dem Bescheid : Kon est hie! kehren die Frauen unter dem wehmüthig-hofif- nungsvollen Ad monumentum cet >) vom Grabe zurück. Nun wird nach Anleitung von Joh. XX, 4 der eilige Gang des Jo- hannes und Petrus zum Grabe vorgeführt, indem zur Erklä- rung von dem (nicht mitspielenden) Clerus der Vers Joh. XX, 8 gesungen wird. Die beiden Jünger finden die leeren Grab- tücher, die sie mit den Worten: Cernitis o socii! 2) den zu- rückgebliebnen zeigen. Das Tedeum macht auch hier den Schluss.
Diese aus Marc. XVI, 1 — 7 und Joh. XX, 1—10 einfach combinirte Osternachtfeier wird mit geringfügigen Variationen im XII. und XIII. Jahrb. auch über die Grenzen Deutsch- lands hinaus 3) verbreitet gewesen sein , und dass eine wei- tere Ausbildung leicht genug war, liegt auf der Haffd. Der- artige über den Vulgatatext hinausgehende Fortbildungen werden bei Durandi als ,versus licet non authentici' gleichwol als von den kirchlichen übern gern geduldete *) bezeichnet. Derartige Osternachtfeiern , etwas freier entwickelt , aber noch ganz in der Kirchensprache bleibend, sind uns aus Deutsch- land fünf erhalten, meistens bei Mone in den Schausp. des MA. mitgetheilt. Sie stammen aus süddeutschen Hs. des 12 — 14. Jahrh. ^).
Das erste Denkmal dieser Art, einer Einsiedler Hs. des XII. Jahrh. (bei Mone 1, p. 10 flf.) entnommen, zerfällt deutlich in zwei Theile: aber auch der zweite, sicher ältere (Mone p. 12), vor welchem erst die üeberschrift ,In Resur-
1) Vollständiger bei Mone I, p. 13, in rythmischer Fassung. Fundgruben II, p. 275.
2) VolUtindiger bei Du Meril p. 91.
3) Für P'rankreich vergl. Durandi Rationale divin. Offic. L. VI. De nocturno officio sabbati sancti. (Bei Mone I, p. 9.) Hier wird also die Ostemacbtfeier noch zum ,gros8en Sabbath' gerechnet.
4) So darf man das ,non improbamus' wol verdeutschen. &) Nach Mone's Schätzung.
Cap. II, %l. «?
rectioiie' neb findet, lässt seine historische Entstehung wol gewahren. Man sieht, dass die drei ersten > n (p. 12
unten) den dann folgenden vier >) (p. 13 bis > : ...iuss der
AngelosroUe) ganz gleichlaufen. Es sind eben nur zwei Fas- •asgeo ') für den Text bei Marc. XVI, 3 — 7: auch an die erste derselben lässt sich dann jenes Selbstgespräch der Frauen ^) und ihr Bericht an die Jünger (worauf schon das Tedeom den Schluse bezeichnet) unmittelbar anschliessen *), — Wm den ersten, in der IIs. lückenhaft überlieferten Theil betrifft, so scheint es möglich, dass auch Er aus zwei Tbeil- cbeo zusammenwuchs. Da nämlich ein ganzes Bl&tt in der Ha. fehlt ^j, ist anzunehmen, dass Tor dem ,centurio' (p. 12) nicht nur der Str. Anfang:
In hoc magnus decurio
Ac nobilis . . . sondern auch die beiden noch voraufgehenden Str. des bez. Hymnus ^) ausgefallen sind. Ebenso mag Ton dem in der Hs. Toraufstehenden Wechselgesang der Propheten und des Chors — der Nichts für das Osterfest speciell passendes ent- hält, und rielleicht eigentlich auf dem Weihnachtsfest be- ruhte 7) — der Schluss verloren sein. — Wie diese Einsiedler Osterfeier sich als (in der Hauptsache nach vorn ausgeführte) Erweiterung der ersten oben besprochenen Mittheilung Gerberts stellt, tritt jener zweiten (worin der Wettlauf der Apostel nach Job. XX. aufgenommen) ein zuerst bei Kurz^), dann bei Du Mehl ') aufgenommenes Osteroffiz aus Kloster Neu-
d«r«n 8t< a iit.
*) bie rriic üQüei lieh fiirt wörUich (iinimriia lu einer Pariser Bs. de« XL Jakrh. wiMier, Ttrgl. Du Mini p. 97 N. 1.
*) Dicaot noso Jadaei e«U YtrgL Mone*« Not«.
Dtraer biahrr beaprochcne tweit« Theil aaoh bei Du Miril
M-n. i,
I»u M-r., lliitunili(f.
.»i;rri. Villi Alter« <Ia« pro- . lil t M (1, li rii" lir v<r<iiuelt. .1 111 Ih 11. y. 4j:, fr - Du Ei- "■ '«rbraui-l».
*) |
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p. 100. |
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I |
68 Cap. n, § 1.
bürg zur Seite. Die (auf dem Gebiet geistlichen Schauspiels nicht 80 häufige) sorgfiiltige Redaction macht dies Denkmal, das auch durch eine ausführliche Spielordnung erläutert wird, zu einem recht wertvollen i). Ich gehe zu dem bei Mone p. 22 mitgetheilten Bruchstück über, freilich erst einem An- tiphonar des XIV. Jahrh. aus Reichenau entnommen, und gerade in dem wichtigeren Anfangstheile so verkürzt, dass wir von diesem nur die Worte der Pueri 2):
Certe raultis argumentis
Signa vidi resurgentis: übrig haben — das noch Folgende ist eben nur die Sequenz Victimae paschali in ihrem zweiten Theil (von ,Dic nobis Ma- ria' an), den man aber wol als einen ursprünglich selbständi- gen, und von dem Character einer Sequenz, so weit ich ur- theilen darf, fernliegenden ansehen muss 3): ich nenne die- sen, für unsre Untersuchung weit wichtigeren andern Theil, wie er bei Mone p. 22 zu lesen, das Responsorium Die nobis Maria. Dieses schliesst sich nun scheinbar an den Bericht bei Marcus oder an das erste Beispiel bei Gerbert an, denn die Jünger gehen hier nicht selbst zum Grabe, fragen viel- mehr (im freien Anschluss an Marc. XVI, 7) die Maria (Mag-
1) Ich verweise noch auf das schöne, hier vollständig erhaltene Responaorium , ,Surrexit pastor bonus' zu Anfang. Der Text wird durch Du Merils Noten zur Genüge erläutert.
2) D. h. der beiden Frauenrollen. Das angeführte giebt Mone der Magdalena.
') Es ist wol zu beachten, dass in diesen alten Osterfeiem uie beide Theile zusammenhängend verwandt werden, wenngleich die Be- zeichnung Victimae paschali für das Ganze schon durchgedrungen er- scheint. — üeber die ganze sog. Ostersequenz Vict. pasch, hat Gries- haber in einem von Du Meril p. 102 N. 1 scharf kritisirten , doch geistvollen Schriftchen (Karlsruhe 1834) gehandelt. Dort ist p. 10 das Ganze mitgetheilt, aber nur der erste Theil:
Victimae paschali laudes immolent Christiani!
Agnus redemit oves: Christus innocens patri reconciliavit peccatoresi
Mors et vita duello conflixere mirando!
Dux vitae mortuus reg^at vivus ! g^lt mir als Sequenz ,Victimae paschali'. — Diese mag ziemlich alt sein, doch ist über Zeit der Entstehung und Verfasser bisher Nichts Sicheres bekannt. —
Ctp. n. § 1. 69
dakna) Quid ridisti in m i)? Aber wenn Maria entgegnet: «Aogelicoc testes, sndarium et vestesS so bezeugt dies indi- recte Benutzung auch Ton Job. XX, t. 3—7, oder ?od dem sveiten Beiq)iel bei Gerbert: denn das Sudarium wird eigent- lich Ton den Jungen ' den 2). — Den Scbluss des Bee- ponsoriams bildet k. ^ Kinstimmung des Chors (der ans der JüngerroUe hier mehr in die Vertretung der cbristiichen Oemainde traosfigurirt wird) in das Zeugniss der Maria.
Von jener Reicbenauer des XIV., kehren wir zu einer Licbtenthaler Hs. des XIII. Jahrb. 3) zurück — aus dem Grunde, weil wir dort kaum etwas mehr als das Respons. Die nobis Maria fanden, hier aber dasselbe in mehrfach va- riirter Anwendung. Was den das Denkmal eröfinenden Chor- gernig (bei Ifone I, p. 19 ff.) betrifft, so nähert er sich in •einem Gedankengang der eigentlichen Sequenz Victimae pa- ■cbali *). Aber cwischen diesem Hymnus und dem Respons. Die nobis Maria erscheint nun jene Eingangsfrage des letzte- ren fünfmal mit der nöthigen Variation und bezüglicher Aen- denmg der Antworten Marias zu dem Zweck voraufgenom- man, ans Maria's Ton Magdala Munde ^) auch über das Lei- den and den Tod Christi eine Art erbaulicher Belehrung zu gaben, bis dann schliesaUch in die Bahn des ursprünglichen Ottar-Ba^onaorinms eingelenkt wird ^). Hier finden wir also
I) Dis Wort« gtkina don Chor nach der Bs. Dmnmter hat I neh smielMt doch wol die JAnger ca denken- VergL Qriecha- p. 11,U.
^ MÜ dianr iadirMlca Dtuutiung haben «ch Tsntindige Ra- bagaflgt la don Text bei Mone p. 18 vnten, p. 19 oben wird flwiUeb aa da« Boepoi». Die nobis Marim noch der WeiUaof dar iiagar Mgaasble«w, doeh ia Weiaa aiaar «anAthigaa nad anga-
>) Diaao 7iiitliiatiBiBwima aUa aadi Mob«. Daaelbot find«! Moh I. p. 19—21. bai IHiMMl p. 108 daa DeakauJ, bat a Raidt (Das g«M. Buhaasphil d«s MA. ta DovtacUaad p. 90) ab eins der »Brach- •Meka' kam gaaaaat, di« ikaiaa aaaa EatwicklongMtafe daa gaisli
«) VargL & 68 Hol« t. ^ TargL Bv. Job. XCK, ».
*) la d«r Ha. wird daa balwat« Mtaal aar nit dm Anfangs- i: Die aobis Maria qaid vidisli ala. aagafUii. - Das hat Mose ■ad B«i* wal aarlaitot. «asar Dodboal flhr ein Bracbiiiok
70 Cap. n, § 1.
Euerst Charfreitagsmomeute in die Osterfeier mit aufgenom- men : bei den in § 2 zu betrachtenden Marionklagen werden wir noch hieher einen Rückblick zu thun haben.
So kommen wir zu dem letzten und umfangreichsten der lateinischen Osternachtfeiern, das uns bei Mone ') in zwei Recensionen, einer aus Ein siedeln, die noch dem XIII. Jahrb., und einer aus Engelsberg, die vom Jahr 1372 2) datirt ist, mitgetheilt ist. Beide stimmen in allem Wesentli- chen soweit überein, dass sich ihre Betrachtung hier leicht vereinigen lässt 3). — Als Kern des Ganzen ist wieder der auf Marc. XVI, 3 ff. beruhende Text von ,Quis revolvet' bis ,quia surrexit Jesus' (Mone I, p. 16. oben, cf. p. 24, 25) zu betrachten, etwas freier eingeführt in der Engelsberger Rec. — Dieser Kern ist nun zunächst durch zwei lateinische Hym- nen *), die nebst einem bald zu nennenden dritten, in sehr vielen spätem Osterspielen wieder begegnen, wie sich zum Theil sogar aus derartigen spätem Stücken Einiges für die kritische Behandlung derselben lernen lässt 5).
ben, da es doch, wenn man sich das Respons. ausgeschrieben denkt, vernünftigerweise Nichts mehr erwarten lässt.
1) Schausp. des MA. I, p. 15 ff., p. 22 ff.
') Trotz dieser späten Jahreszahl wird die Aufführung in der Ostemacht (in vigilia pascae) noch ausdrücklich bezeugt. Ob Mone's Ansicht, dass diese zweite Rec. nur von den Chorstühlen aus gesungen, nicht eigentlich agirt sei, zutrifft, steht dahin — sie stützt sich auf die fehlende Spielordnung, die aber leicht als bekannt gelten durfte, und auf den mir etwas geringfügigen Umstand , dass in der Kingangs- notiz von einem ,opu8' nicht einem ,ludu8' geredet wird. Aber ,ludus' oder ,Spiel' ist für diese streng kirchlichen Feiern nicht der Ausdruck: sondern ,officium', wofür ,opus' wol synonym stehn durfte.
3) Auch Du Meril giebt p. 101 ff. nur die Einsiedler Rec.
*) Der erste für den Gang der drei Frauen zum Grabe bestimmt, beginnt ,Heu nobis intemas mentes', der zweite beginnt wol erst mit ,Cum venissem ungere mortunm', da die Str. ,£n angeli aspectum vi- dimus, die ich abgesehn von der Doppelrec. dieser Osterfeier nicht belegen kann, nur als Vorspiel anzusehen scheint.
5} So ist die letzte Str. des ersten H. mit Sicherheit nach Fand- grube II, p. 275 abzuschliessen mit:
et ungamus corpus eins oleo sanctissimo. Der zweite H. scheint mir nach Mones Altd. Seh. p. 139 ff. besser so zu ordnen, daes die Str. ,Dolor crescit' den SchlusB bildet.
Cap. n. S 1. 71
Nach dem iveiten HyinDus (der auf S Str. beschränkt nun der llagdalenarolle allein zufällt) weichen beide Recen- nonen darin von einander ab, dass die nach Job. XX^ 13 ff. aufgenommene Elracheinung des auferstandenen Gott-Sohnes *) in der Einsiedler Bec (in etwas künstlicher Weise) so einge- führt wird, dasB unter dem Ge&ange des Chors ,(Jna sabbati' Job. XX, 1) die Frauen aufs Neue zum Grabe eilen 2), indem Maria Magd, die («gentiiche) Sequenz ,Victimae paschali' singt. — In der Engelsberger Rec. dagegen folgt die Ersclici- Dung des Herrn unmittelbar auf jenen Hymnus der Magda- lena, was weit glücklicher scheint 3). — Die Rolle der Do- minica persona ist zunächst in schlichtem Anschluss an die Vttlgata (Job. XX, 15, 16), dann aber lyrisch ausgeführt: in- dem die 4 Str. des (auch sonst oft begegnenden) ^) auf Job. XX, 17 beruhenden Hymnus , Prima quidem suffragia' der Dominica pers. gehören, während Magdalena auf die 3 ersten Str. mit je einem Gliede des altkirchlichen Trishagion ') ant- wortet , auf die letzte in der Engelsberger Rec. nun mit dem ,Victimae paschali', das sich von der bereits wieder Terschwun- dnes Dominica persona zu der christlichen Gemeinde hin- wendet Minder glücklich scheint mir der Abschluss der Ein-
I) Man beacbt« den wichtigen ForUchritt in der dramatischen Aubildaag, die in der Einführung dieser Rolle lag.
*) I>er Bjrmn. ,Cam Tenissem angere mortaum' wird als an den C^or (der Jftager) mnwmfiich in der Einaiedler Bea gerichtet gedacht, ia dar BBgelsbeifsr erselurfal er mite asoiiolegMitg.
>| Die Frage, welche die beiden Bea wir aus innem Orflnden Ar iller n haltca haben, iei adiwer ta beantworten: geaehickter re- dififi eeheiBA mir durchao« die Engelabeiger.
^ Biaig aJUrdinga cormpt, namentlich bea. der eraien SU-. — Dieae eracbaiat. bei Meae I ,p. 17 (p. 36) dwrchaoa in ihrer richtigen FtsBOf , aa der mA Mooe (p. 17 Aan. 8) wUhi bitte mi« fm. Yeti^ekiMnf mit der sweitea 8(r., die offeabar antix aar ersCea aiebt, seigt die Richtigkeit der allerdings etwaa aehwerfU- Urm Strvtlmr ven 84r. 1.
•^aaeta dcoa — aaaele fortia — aanete immortalia! Miaerera ■oou: Ali nahataatieiig einea AMera grieehiaabea Textes, der sich aebea dam lat aaeb ia der itailaebea Kirohe erbalten hat (in Rom wiri aoeb Jetrt aai Clnrttttt% daaTWabigioa ia beidMSpraebea ge- aaag«^ aad afeb waeig aotatelll aaek noch in einem altfranc. Mvstira (Jabiaal L p. 86, 66) findet.
72 Cap. II, § 2.
Siedler Rec. Damit wären die rein lateinischen Osicrieiern vorgeführt : ausser Betracht bleibt hier der sog. Ludus pascha- lis de adventu et interitu Antichristi , der eben gar keine Ver- bindung mit dem Osterfeste zeigt '), sondern nur um die Osterzeit aufgeführt sein mag. Gelegentlich sei noch erwähnt das Osterspiel zu St. Florian, dessen bei Pez Script rerum Austr. II, col. 268 gedacht wird 2) — um die Mitte des XIII. Jahrh. von Geistlichkeit und Volk gespielt, schwerlich also noch ganz lateinisch verfasst
§ 2. Lndi de nocte paschae ood narlenklagen.
Der Ausdruck ,ludu8' bezeichnet den Uebergang vom streng-kirchlichen .officium' zu einer freiem Entwicklung. Diese giebt sich in den hier zu besprechenden ,Ludi' nur im ersten meist interpretationsartigen Eindringen der deutschen Sprache kund : die Auflführungszeit ') und die Composition des Textes bleibt unverschoben. In einer Trierer Hs. des XV. Jahrh. *) ist uns ein ,Ludus de nocte paschae. De tribus Mariis' erhalten , der sich in seinem lat. Kern eng an die Einsiedel - Engelsberger Osterfeier anschliesst. Weniger gilt dies vom Vorspiel , d. h. dem vor dem ältesten Anfangspuncte : Quis revolvet? 5) stehenden Theil; der Eingangshymnus ,Heu nobis internas mentes' wird durch die folgenden Str. in deut- scher Sprache mehrfach schon weiter ausgeführt 6), und das
1) Wie dies auch Da Meril p. 35 Note 1 bemerkt.
2) Vergl. Fundjfr. II, p. 242. Ebendort ist p. 241 von einem lei- der verlornen Osterepiel aus Kloster Keuburg der Anfang (ebenfalls nach Pez) mitgetbeilt, auf den ich noch hinweisen werde.
3) Und damit sicher auch der Ort: die Kirche.
4) Bei Hoffmann Fundgr. H, p. 272 ff.
5) Fundgr. II, p. 274, 7.
•) Namentlich scheint die Str. der Prima Maria (hier = der Mut- ter des Herrn) nach Analogie der sog. Marienklagen, deren eine in der Trierer Hs. unmittelbar voransteht, ausgeschmückt; die Str. der See. Maria zeigt dagegen correct die Interpretationsstufe, und auch die beiden ersten Reimpaare der Tert. Maria stehen ebenso, während das Folgende (p. 273, 31 — 274, 3} ein gar nicht so übler Zusatz jün- gerer Hand ist.
C»p. n, § 2. 73
folgende lat Tristichon (p. 274, 4 — 6) deutet schon genauer alt das SchloBsdistichon des ersten lat H. auf jenen Gang zum S&Ibenkr&mer, der ausgeführt hier freihch noch nicht •ich findet. Was das Weitere anbetrifft, so bleibt hier das Verbältniss von lat Text und deutscher Paraphrase gesicher- ter: ein neuer H. (Jesu nostra redemtio) findet sich (p. 275, s. 22) noch ohne Paraphrase aufgenommen : der H. ,Cum ve- piMm ungere mortuum* hat die (mittlere) Str. hier einge- bfiMt, dagegen ist mehrfach ein
Heu heu redemptio Israel, Ut quid mortem sustinuit! i) eingeflochten. In einer leicht humoristischen Frage des Er- Ifitert (p. 276, 6—9) erkennen wir spätere Hand, desgleichen in dem abschliessenden, poetisch würdigen Epilog der Maria (Magdalena). >)
Nicht direct als Ludus de n. paschae bezeichnet, aber dem eben besprochnen Trierer Ludus sehr nahe stehend, ist ein Wolfenbüttler bei S(t in 3). Die Fortbildung ist
hier hauptsächlich in dem v aufgenommenen Gang zum
Salbenkrämer sichtlich, der aber noch in den Anfängen hu- moristischer Behandlung bleibend, den altkirchlichen Charac- ter der Rec. im Ganzen nicht sehr gefährdet — Eröffnet wird unter Stück nach kurzem Eingang wieder durch den H. ^en Dobis internas mentes^ *), dem die deutschen Gegenstro- pben hier noch etwas genauer folgen als im Trierer Ludus. Dagegen wird durch den folg. H. ,Omnipotens pater altis- )*, eowie die schon erwähnte Krämerscene ^ das Vorspiel
I; Nach Je« Nergl. AJtd. Sohaosi
I) Duia dsM cux »ukher Epilog an die Zutcluiuer nw Der iUoptroIle, niebi etwa einen Praecarsor dergl. geepro«.. i,
wmhrt eich ein alt>kirchlicher Cbarscter, deegleicbcn in dem laleUt •BfeeUauatea »Ticttame patcbeli*, wobei wol nur an die eigeotliche
Stedeafril «. MarieakUg« P- 149 fl. — Besflge wa verwaadten sind dort rialfMÜi in Noten aDgesMckt. — Die Hs. gehört gWeUalls d«B XT. Jnhrk
9) r%r den ScUaae der leteUo 8lr. fladet sidi hier eiae Variante eleu der bei HoAnaan Foadgr. II, 278 and Altd. Schaaepiele p. IM
^ Aatk äier ilsfcea Mters Isteinisfthe jangerea «nd weiUtoflgetp
74 Cap. n, § 2.
ungewöhnlich erweitert. — Das eigentliche Hauptstück (die Frauen am Grabe) folgt eng dem Trierer Ludus: der H. ,JeBU noßtra redemptio' findet sich hier (p. 157) ausgeschrieben. Auch der H. ,Cum venissem ungere mortuum' ist vollständig und in der oben für richtig befundenen Strophenfolge aufge- nommen. Desgleichen p. 162 ff. der Prima quidem suffragia- hymnus '). Auch in dem freudigen, allen Sündern gegebenen Trost, wie ihn Magdalena hier p. 165 ausspricht, und dem folgenden ,Victimae paschali' (das uns hier nun lateinisch und deutsch begegnet) ist der Trierer Ludus in seinem Schluss- theile wiedergegeben, was hier weiter noch folgt (Magdalenas Botschaft an Thomas , dessen Unglauben , Erscheinung des Salvators für ihn, schhesslich das verdeutschte Respons. Die nobis Maria) 2). — das Alles beruht auf einem Weiterspinnen des Fadens, wie es mit ungeschickter Verwerthung alter Ri- tualstücke ein jüngerer Redactor wolgemut sich erlauben mochte. — Die Sprache des Denkmals ist lateinisch — nie- derdeutsch.
Mit diesen beiden Ludi ist voraufgehend ein ,Planctu8 Mariae virginis' 3) verbunden, und solcher Marienklagen sind uns ausserdem noch mehrere, für sich stehende, erhalten. Der Charfreitag ist nach alt- und streng-christlicher AuflFas- sung zu sehr ein Tag des P'astens , der Stille, des Bussgebets, als dass sich sobald eine freiere poetische Feier für ihn hätte geltend machen dürfen ^). Nur im (vorgreifenden Anschluss
deutschen Strofen noch gegenüber. Die ganze Krämerscene (p. 152— 154 unten) Hesse: sich übrigens auf eine doppelte Recension zurück- führen, der erste Theil (Str. g. — v. 42) wird in dem zweiten (Str. e. — V. 68) eben nur etwas redseliger und in jüngerem Geschmscke wiederholt. Die Correspondenz lat. und deutscher Str. findet' sich nur im ersten Theil.
I) Die erste Str. etwas corrupt, doch will Schönemann diese Fas- sung überall hergestellt haben, indem er ihr eine recht wunderliche Deutung auf Maria (die Mutter des Herrn) giebt, wozu ihn wol nur die etwas weitläufige deutsche Paraphrase im Text verführt hat.
*) Hier erscheinen als die Fragenden die beiden andern Marien : die antwortende musste natürlich Maria Magdalena bleiben. — Bez. der Thomasscene ist die Note des Hrg. 167 zu beachten.
3) Die Marienklage der Wolfenbüttler Hs. wird als ,Ludus pa«- sionis' eingeführt, was der letzten Redaction zuzuschreiben i?t.
*) Selbst das lautere Singen von Busspsalmen war in der alte-
Cap.n,5 2. 75
an die schon rorhandene Osternachtfeier wa(;te es das christ- liche Geftihl auch für die ,Magna sexta feria' (den Charfrei- tag) einen positiven ■) Festschmuck einzuführen, doch wol nicht ohne Einfluss des mit dem XII. und XIII. Jahrh. mäch- tig aufblühenden Mariencults. Insofern wir diesen mit Recht an das römische Weihnachtfest als seine Hauptstütze geknüpft haben, dürfen wir auch die Marienklage des Charfreitags als eine Rückwirkung des jungem Weihnacht- auf das ältere Otterfoat anerkennen >): namentlich da, wo diese Charfrei- tafdbier mit einer die Totalide« der christlichen Osterzeit be- einträchtigenden Vorliebe behandelt und so zu einem retardi- renden Element für die Ausbildung des historisch-synoptischen Osterspieb wurde, wie solche schon im XIII. Jahrh. mehrfach erstrebt, aber durch noch andre Gegenströmungen aufgehal- ten '), erst im XV. u. XVI. Jahrh. sich siegreich durchsetzte. Wir betrachten in diesem § zunächst die Pflege des ,Planctu8 Mariae Tirginis* im Zusammenhang *) : im nächsten die (ent- veder glei< '• ••. oder selbst noch früheren) Anfänge syn-
0|»tiecher u :..,.. Je, da letztere für den Schluss der Ent- wicklang gewichtiger werden. — Das Vorspiel einer Marien- Uage sahen wir schon im vorigen § in einer Lichtenthaler Hb., rfickw&rts gefolgert aas dem Osterresponsorium ,Dic no- b» Maria*.
Die erste, wirkliche Probe dieser Gattung finden wir
•Un Zeit am CSiarfreitag kaum ge«tattet (V«rgL AH ChrUtl. Lultus II, p. S8). Dm ,ETangeUiiin' ward io »piterer Zeit (vergL 866 fll, wo auch die Ifl^ropcri* der Meeee mitgetbeilt n XVIII. Cap. des Johan-
sc« gewihh, WM f&r die Anfing* •^ r Bebanc^luDg (io § 8) lu
beechita.
I) Die etreagkirehUe))« ^ hat in ihrer Entfemang
dee CnicifiMa (bis ran Oeteraiorgen) der Verhailong dea Altar«, dem Veretemwen der Olookett, der Miobtoaetheibuif dM Becrmmeoti u. a.
S) Hkr im weitem Sinne, wo ee den Charfr^itf Letalerer ■MauBi darin raaa Wiihaaehtleet, da«! die m t«r Cbncti Uer in den Vordergrand tritt.
>> Wir koamen dnraof «Iber im 4. |.
Die Anflftbroog darf man eich andi mir am Abend dea Cbar* rrvitagi , wo man dae Leides das IHAstre gs— digt dachte , voratal* Um iSmitae Feria« «ttlaa pars* heisst •• tor der Trierer M. Dag«.
7« Cap. n, 8 2.
gleichfalls in einer Lichtenthaler Hs. , die Mone ') noch dem XIII. Jahrh. zuweist. Hohes Alter bezeugt namentlich der Schluss 2), und für die eigentliche Marienklage die Ein- fachheit der Composition: nur Maria (Mater Dom.) und Jo- hannes evangel. treten auf, gemäss jener Notiz Joh. XIV, 26, 27 , die man freilich, so lange die Figur des Erlösers nicht dargestellt wurde, direct nicht verwerten konnte. Dagegen durfte die Weissagung Simeons (Luc. II, 35) als Ausgangs- punct für die Rolle Maria's genommen werden 3). Im Wei- teren hat man sich wol vielfach an kirchliche Marienhymnen, welche die gleiche Situation *) (Maria unter dem Kreuze ih- res Sohnes) darstellen , gehalten : namentlich vergleiche man den bei Mone II , p. 362 flf. mitgetheilten Hymnus des Bona- ventura ,Planctu8 ante nescia 5), Doch verhielt sich die deut- sche Nachbildung hier schon freier, wie denn für die Johan- nesrolle mir lat. Vorlagen überhaupt nicht bekannt sind. Be- sonders frei und selbstständig gestaltet sich die Benutzung jener lat. Hymnen gerade in unserer Lichtenthaler Rec, de- ren (allerdings auf Kosten dramatisch-lebhafter Handlung) kunstreiche lyrische Composition Mone in der Hauptsache
») Seh. d. MA. l, p. 27 flf. — Waa dort rum Eingang über die Stropbenform gesagt wird, möchte ich nicht unterschreiben.
2) P. 86, 37 findet sich noch der Torso eines ,Ludu8 de nocte paschae', doch mochte ich ihn seines winzigen Umfangs wegen nicht für sich hinstellen. Sonst hätte er als Lichtenthaler Lud. de nocte p. noch vor den Trierer gehört.
') Vergl. Mone I, p. 34, v. 85 ff.
*) Mone verlangt p. 29 für die Lichtenthaler M. Klage die Sitoa« tion nach der Grablegung, doch acheint v. 31 — 36, 91—96 dem zu widersprechen.
5) Man vergleiche z. B. diesen Anfang des lat. Hymnus mit »Wei- nen was mir unkannt u. s. w. (M. Kl. v. 4) , femer :
proh dolor! hinc color
effugit oris,
hinc flait, hinc mit
unda cruoris! mit Awo kint, deu wengel sint
Dir nu gar erplichen u. s. w. (v. 81 ff.) Entfernter stehen die (wol Jüngern) Hymnen, die Mone I, p. 37 ff. mittheilt
C*p. n, S 2. 77
•cbon richtig erkannt hat >). Der Text besteht ans 10 Str. Ton je 18 Zeilen, die rier ersten Str. sind intact erhalten, nnd auch die folgenden 6 scheinen mir unversehrt , indem ich ffir Str. 5, 6, 8, 9 den Abgesang der 4ten, für Str. 7 und 10 den der 3ten Str. glaube wiederholen zu dürfen *). Weit min- der durchsichtig ist die Composition des Trierer Planctus Mariae rirginis S), der manche Erweiterungen und Umformun- gen erfahren zu h^>en scheint : näherer Bezug zur Lichtentha- kar If.Kl. beginnt erst p. 263, 6. Der Anfang bei Hoffmann (p. 260, 261) ist äusserst Terworren, hier finden wir eine Petrus- roUe, die erst ein kecker Umredactor in Bezug auf einen spä- tem Passus in der Rolle des Johannes (p. 269, 30 ff.) *) scheint ▼oranfgeschickt zu haben. Leidlicher Zusammenbang beginnt erst mit p. 261, 20; die weitere Handlung hat dadurch be- deutend an Gewicht gewonnen, dass hier die Rolle des Erlö- sers am Kreuz in einfach würdiger, im Wesentlichen an die ■og. sieben Worte sich haltender, bescheidenen Ausschmückung doch nicht gaos entsagender Weise ^) aufgenommen, und so auch directe Anwendung Ton Job. XIX, 26, 27 ermöglicht ist. Verwandtschaft mit diesem Trierer Planctus zeigt sich in man- chem Denkmal des Ostercjclus, und kommt Vergleicbung der Recensioaen hier und da der Textkritik zu statten: so darf der PMms bei Hoffmann II, p. 270, 1 — 271, 3, der sich schon als breitere Wiederholung von p. 264, 19 — 26 stark verdächtigt, um so mehr als Aaswnchs gelten, da ihm die
1) Cf Mooe I, p. 98, 29. — Aaf dai wm p. 27 ant«n Ober den so» Miistwywnf nelgsadss Charmeta* getagt v t »uf den
denn gskaipJlen Wiak Mones aitebte ith aber tu iien.
t) Danwf lUirea «r. 145, 146. — Die Str. ttnd von Mono im Test dareh AbiitM, vad vr.r> a^r )^t«n an (w- "■• t„.i..„ ,.„,,,,«,«•) darek Storaeh«« gwelii«dr;
^ Bd BoiiMuni Fmdgruijen ü, p. 690 fi. — Aul die MrtiU sewisebe Kotis ward ich «ni dorek den Abdruck b< dbKTMff«! D.KirelMBlied II, p. 847 aefRteriuam.
«) D'if^r P««nu «ffbilt dsreh nah«n Besag ra t. 68- iTirgo I im' (bd Mob« I, p. 42 ff.) h6k«rei Gewicii
•) N.mrntucb bt dae «Talpss fewaa habest^ (p. 20'' TOI, 90) im Und« des OekriMigtM tod tragiseber W> SB §m 7 Wortea gsfcörsade IVostopraeb an d«a 8chft< tarilib, da die bdreC Rolle feUto, fort.
78 Cap. n, 5 2.
entsprechende Stelle im Alsfelder Spiel >) das Zeugniss versagt. Noch folgt bei HofiFmann (p. 280 ff.) ein zuerst von Docen 2) mitgetheilter, dem Ende des XIV. Jahrb. zugewiesener ,Planc- tus in magna sexta feria', dem vorigen ähnlich, doch weit kürzer und (wie es scheint) nicht vollständig. Bruchstücke von Marienklagen giebt auch noch Mone I, p. 198 ff. Das dritte derselben veranschaulicht wieder recht die Benutzung lat. Grundtexte 3), im Ganzen sind diese Trümmer, da uns vollständige Beispiele der Art nicht fehlen, für unsere sich nicht mit zu viel Detailforschung vertragende Untersuchung unbedeutend. Eine Spccialschrift über die lat Quellen and deutschen Variationen der liturgischen Marienklage (der ich noch Einiges zu thun übrig lasse) würde sich freilich Bezie- hungen, wie sie das St. Galler Bruchstück zu der Lichten- thaler Marienklage bietet 4), zu merken haben. Im Ganzen mit dem Trierer Planctus, und auch stellenweise im Einzel- nen 5) stimmend, deutet der Wolfe nbiitt 1er ,Ludu8 passio- nis' 6) doch durch ein reicheres Personal , den über seinen Verrat klagenden Petrus 7), und die um das Begräbniss Chri- sti bemühten Pharisäer (Nicodemus und Joseph ab Arima- thia), sowie durch die bis zur Grablegung des gestorbenen Erlösers fortgehende Handlung auf eine etwas jüngere Ent- wicklungsphase. Dagegen mag in einem kleinen, äussern Zuge
•) Vergl. Vilmar bei Haupt III, p. 479 und Reidt p. 56. Anin. 1. *) Im neuen liter. Anzeiger 1806.
3) Die vorgeschriebnen lat. Texte, zu denen das Folgende ab frei variirende deutsche Paraphrase tritt, dürften in diesem Falle aus dem Psalter entnommen sein.
4) Man vergl. p. 199, 4—7 mit p. 34, v. 85—88, p. 199, 8—13 mit p. 32, V. 31—36 u. s. w.
*) Vergl. V. 430 ff. Diese genaueren Uebereinstimmungen zwi- schen den verschiednen in diesem §. erwähnten Texten deuten doch wie es scheint alle auf den H. ,Planctu8 ante nescia' lurück.
6) Solche Bezeichnung lag nahe, sobald die Rolle des leidenden Heilands in den Planctus Mar. virg. Aufnahme gefunden: doch mochte aie auch durch das spätere Passionsspiel veranlasst sein , das zu den Zeiten der letzten Rec. dieses Stücks (15. Jahrh.) schon in Ucbung war.
') Vergl. p. 140. Nicht nach der Schrift, doch mit mehr Geschick eingelegt, als die Petrusrolle zu Anfang der Trierer Rec.
c«p. n, s 2. 79
recht wol ältere Tradition gewahrt sein : ee wird Maria Magd, hier alete als Prima, die Matter des Herrn als Tertia Maria beaeiohnet, and so dürften wir es überall als richtig erwar- ten entsprechend der höheren Geltung , die Magdalena im al- ten Officium sepulchri und der erweiterten Ostemachtfeier hatte, wo der Heiland ihr, nicht seiner Mutter erschien i). — Als Secanda Maria scheint überall die sog. Maria Cleophae 2) n gelten.
Ich gehe über za der von Müllenhoff (bei Haupt XIII, p. 288) mitgetheilten Bordesholmer M.-Kl. 3). — Jener umfangreiche Prolog des Job. Erangel. (▼. 1 — 131), welcher noch auf die Leiden Christi vor der Kreuzigung genauer ein- gebt, dürfte Torgeschoben sein, und wird mit dem folgenden ,Beeta rirgo Maria incipit hie planctum suum' wol der eigent- liche Anfang gemeint sein. Das Wechselgespräch zwischen Maria und Johannes bewegt sich xonäehst freier *), zeigt aber T. 169—236 engeren Anscbluss an die (unter dem Text no- tirteD) hex. Stellen ' "' rer M. KL — Ein mehr indiri- dieUer Zog ist die : .„. u- Anrede Maria's an die Töchter jMutalems, die man sich wol nur als oratorische Figuren neUcicht im Hinblick auf die zuschauend theilnehroende 6e- Meiode sn denken hat. — Die Klage unter dem Kreuz wird (▼. 257 ff.) aoiaer der Mutter Maria durch Maria von Mag- dala, ond die Mutter des Johannes ^) fortgeführt, auf die er- etere Maria finden wir hier (ron den Freundinnen) einige
I) Di« oben becproohne, in derselben WoUvnbötUer H«. entbAltne OlleriMcr baft in der Regel Prima Maris-BeaU rirgo M. , doch findet itah p. 166 «atn eise Str., die im Aafiwc nnr der Magdalena, (cf. ,d« mtk von mudtm hat geUWi) snm Schlnaa nnr der P. Tirgo gehören Ittaa {et hm ward doreh bümi hnlp« geboren). Hiar »ei noch bemerkt, dMi dio p. 167 oatoa der TWrtta Maria gahörandt ^itr V.l ■:«r<<i..« hnd* bei*« Aiafeldar Paaiiottaapial b«q>roek«a winl
^ Qellm daa CWopbaa nach Jok XU, 26 (da« xjrmoigcnende ,a«iaar Malter Bafcwaalai* M nidü aaf aa an baaieben). Die Mattb. ZXVlil, Ml Marc ZY, 40 geeaaata Matter Jaoobt and Joeia »obeint dt«««n>« Penoa.
llaeatM dototisafaBoa baata« ritfinia Marina beatimit fBr dia ,...«> ^xU feria*. ~ Enda daa ZV. Jahrb.
*t Um wird hier also wol JAof» aaia ala im woitam VerUuf.
i| Xedi Maltb. ZXVII, 51. ~ Die Mar«. X?, 40 gesanate 8ak»B«
80 Cap. n, § 2,
Strophen des so berühmten H. ,Stabat mater' bezogen *), und die Weissagung Simeons wird im Weiteren (p. 301 unten) fast buchstäblich an ihr vollbracht. Auch im Ferneren finden sich noch einzelne Anklänge an die Trierer M.-Kl, 2): der Standpunct ist ähnlich wie dort auch hier, dass die Klagen der Frauen und des Johannes durch die Worte des Heilands vom Kreuz wiederholt unterbrochen, bald in neuem Flusse hervorbrechen 3). — Ein Epilog des Job. (entsprechend jenem Prolog V. 1—131) beschliesst das Stück, soweit es als freiere Liturgie erscheint. Darauf ward das h. Sacrament genossen, wie der noch folgende lat. Ordo angiebt *).
Eine etwas besondere Stellung nimmt der von Pichler 5) mitgetheilte Tiroler ,Ludus planctus Mar. virginis cum pro- phetis' ein. Indem man nämlich die auch sonst angezogne Weissagung Simeons als unter dem Kreuze erfüllt vorstellte, schritt man hier (natürlich mit scheinbarem Anachronism) dazu fort, einerseits Simeon selbst, andrerseits Jesaias, Jere- mias, Daniel und andre alttestamentliche Figuren theils als Vorherverkündiger, theils als Vorbilder 6) des messianischen
>) Bei Haapt a. a. 0. p. 300.
3) Vergl. p. 806, —7, —8, —9, —15, -16 die unter dem Text angemerkten Bezüge.
3) Auch Bezüge zur Lichtenthaler M.-Kl. bleiben nicht aus. Yergl. man v. 91 ff. derselben mit v. 740 ff. der Bordesholmer, so scheinen dies zwei unabhängige, doch ähnliche d. Versionen für die V. 734 ff. (Bordesh.) aufgenommene lat. Strophe des H. ,Crux fidelis in- ter omnes'. — Vergl. ferner Lichtenth. M.-Kl. (bei Mone I, 31 f.) v. 7 f. mit Bordesh. 656 f.; Licht. 49 f. mit Bordesh. 648; Licht. 13 f. mit Bordesh. 680 f.
4) Auf die scenischen Angaben dieser M.-Kl. komme ich an an- derm Orte zurück. Dass auch dieser M.-Kl ein (noch älterer) Ludus de nocte paschae verbunden war, beweist die Eingangsnote, wo es heisst: Maria debet se pracparare cum vestibus sicut M. Magdalena in nocte p. Andrerseits deutet der (noch jüngere) Prolog des Joh. Evang. auf die Neigung hin, auch die frühere Passionsgesch. mit in den Spielkreis aufzunehmen.
5) Drama des MA. in Tirol p. 115 ff. Die eigentliche Klage be- ginnt erst p. 133 ff.
6) So namentlich Daniel (in der Löwengrube), Jonas (im Walfisch), Susanna (die unschuldig angeklagte). Die für diese Prophetenrollen zu Grunde liegenden Texte sind: für Jeremias Jerem. IX, 1; für JesaiM
CftD. n. § 3. 81
Leidms auttrcien, und m uie Klage der drei Frauen ') und des Jobannes eingreifen zu lassen. Die Rolle des leidenden ErlÖMn durfte fehlen, da die Situation nicht unter dem Kreuz, ■ondeni gleich nach der Grablegung ist. Die frühere Lei- doMgnduchte wird in dem Vorwort des Praecursor angedeu- tet. Darauf folgt noch ein Prolog des primus Juvenis 2).
S S. lafÜBge kj)i«ptl»rker lekaidliag.
Während uns die lezthesprochnen Marienklagen schon in das XV. Jahrh. hinabführten , haben wir es in diesem § mit drei Denkmälern zu thuu, die alle dem XIII. Jahrh. zuzuge- höreo icheinen '). Sie stehen also den altem Marienklagen
:-' • * itig zur Seite, und zeigen nur einen andern Weg der
'.i'lung. Beide Wege streifen oft an einander: wenn ttos im Planctus mehrfach (namentlich im Prolog) schon ein Zarackdeuten auf die frühern Momente der Leidensgeschichte aafstie», finden wir andrerseits auch in den synoptischen Oatovpielen noch die Spuren der alten Osternacht- und ChMtftmtkfßkiM niiTerwitcht *). Zunäc ' 'et sich uns ein mdirfach pobUdrtat lynoptisches (> ^< zur Be-
Jea. LIU. für SvMuma iMoiel XllI, d. h. die apokryph üisch. vuii der Bas. md DmimI (Lttxierer wurd« Tirifarh mit dem I'roph. I>aniel cow ftndirt« V9tf\. Mom Sek d. Ii.\ I i 150) for David Pa. XXII, 19.
u. •. m.
Kach hier iat Maria h n der Wolfenbfittler M.-KI.)
rntJicnivvlca dt« dfitt« der ZaU n»ca. — ütM. der Textverwaadtachaft fWiL U« p. ISO, » ff. Mit Foadfr. U, MO, 1-6.
>) Mü den ■liiiiiutiiiM JBpüof das le«. J«t«us p. 18i, t. 6. wird oMB das Sttok mkMmmmitktmL DsWijw nthUi gerade die- ser IbstsrlitMifs SdÜMi lliiiiiMlaag aaf sin« folgend« Osterfsier (p. im: «ad kmia «Mrgw «idsr dar).
*) Wir habsa die« Vstiiiltaisa soImb ta Aalkag dss vorigw § er-
4) AhgaselMa vo« der Tidfreh'frsfaMnianselMB Gestalt der Texle.
») Hfonnimh koaaU saaa ia si^sf Siaa sehoa jene aw Marc
XVI, aad Uk. XZ. eowlmitrt« OrteraaehtMar aaaasa: hisr iMndell «s
der JIsaptaMwasata to« (liriati Lehr- oad
— lUlfalkeill «aide das Slisk aaeh Mlhuihsnar Hn,
6
82 Cap. II, § 8.
trachtung, das wir (schon um der Analogie mit Cap. I, § 3) 1) das ßenedictbeurer Osterspiel nennen wollen. Der von Docen und Hoffmann gegebene Text scheint auf ei- ner ursprünglich Tegernseer Hs. zu beruhen, die aber nur in Kleinigkeiten abirrt von der offenbar bessern ßenedict- beurer. Diese selbst ist aber keineswegs in gesicherter kri- tisch - erfreulicher Gestalt überliefert : einerseits fehlt der Schluss (die eigentliche Osterfeier) ganz 2), und von der Grab- legung sind nur Trümmer übrig — andrerseits sind wir durch eine umfangreiche Interpolation, in der wir zwei Stufen von einander zu sondern haben werden, für jenen Verlust so zu sagen entschädigt. Ich versuche zuerst jene Interpolation als Ganzes auszuschälen, um die Gestalt der Vorlage, soweit als möglich klar zu legen.
Schon was jene Spielordnung betrifft, die an der Spitze des Ganzen steht , und offenbar von sorgsamer Hand herrührt, 80 ist klar, dass sie nur höchst gezwungen auf die uns vor- liegende Rec. Anwendung findet 3): klarer noch ist, dass der unmittelbar folgende Chorgesang ,Ingressus Pilatus' selbst freilich hier sehr wol am Platze ist *) , aber einen ganz an- dern Fortgang der Handlung andeutet, als er in den nächsten Blättern der Hs. vorliegt.
Jener Vers Joh. XVIII, 33 führt uns an jenen Wende-
des XIII. Jahrh. von Docen (Aretins Beiträge VII, 297) HofTmann (Fundgr. II, 245), Schmeller (Carm. Bur. p. 95) und Du Meril (p. 126.)
1) Die Parallele zwischen dem Weihnacht- und Ostercyclus wird in Cap. V. enger gezogen.
2) Vergl. Fundgr. II, 257. N. 1, auch p. 245.
3) Weniger befremdet dass manche der im Stück auftretenden Rollen hier nicht genannt sind, als schon der Umstand, dass von ei- ner ,uxor Pilati* sowol als ,uxor mercatoris' im Stücke selbst keine Spur sich findet, die in der Spielordnung figuriren. Am meisten ist aber die Ordnung für das Auftreten der Personen auflfällig, wenn man den vorliegenden Text vergleicht. — Ein Weiteres noch weiter unten.
*) Es entspricht nämlich noch genauer der Spielordnung, die mit Pilatus anhebt. Ausserdem ist klar , dass dieses sowol nicht aus Evang. Nicod. Cap. XXVIII, sondern Ev. Joh. XVIII, 33 ff. gezogene Respon- soriura (cf. Du Meril p. 127 Note) gerade zum Anfang eines Stücks sich eignete, und ist in dieser Weise auch Altd. Schausp. p. 110, so- wie Fundgr. Ü, p. 241 (Fragment aus Kloster Neuburg) gebraucht.
C»p. n, s 3. 83
panct (kr Leidensgeschichte, wo Christus auf die* Frage des Pilatus sich als König der Juden bekennt Diese Frage u. s. w. fehlt in unserem Stuck auch nicht, sie erscheint aber erst p. 139 (bei Du Mehl = p. 103 bei Scbmeller): Alles zwi- schen jenem Ingr. PiL und diesem ,Tu es rex Judaeorum* man als luterpoUtioD gelten. — Der zunächst vorhergehende Tbefl derselben *)« dor <^uf den ersten Blick eine schlichte Dramatisirung der früheren Leidensgeschichte zu sein scheint, und in der That ein altertfimlichee Colorit gewahrt hat, zeigt doch in groben chronologischen Verstössen — die Berathungs- scene der Pontifice« (p. 138 Du Meril; p. 102 unten Scbmel- ler), die aus Job, XI, 47 — 53 entnommen 2), gehörte richtig im engsten Anschluss an die Krweckung des Lazarus noch Tor den Einzug Christi in Jerusalem (p. 128 Du Meril, p. 9G oben Scbmeller) — die schwankende Hand einer Ergänzungs- redadion. Die Scene unter dem Kreuz bietet wieder verschie- dne Bezüge zu den uns bekannten Marienklagen (die ich hier nicht weiter verfolge) und darf schwerlich auf eine dis- crele Anordnung Anspruch machen 3). Noch störender ist die nadi der scbon freier tagelegten Rolle des Longinus (er giebt hier dem leidenden Erlöser aus Mitleid den Todesstoea, was gegen die bibL Ueberlieferung) *) und nachdem der Todee> kämpf zu Ende gef&hrt, ungeschickt und unwürdig noch an- geflickte Spottrede der Juden. Etwas gemildert wird dieae traurige Diawnanz durch jene zwei Wechselstrophen, die den Schlafe Ottierer Rec. bilden, worin Joseph ab Arim. um den Leichnam bittet, und Pilatus einwilUgt Doch bleibt uns noch ttbrig, jene groeee ftber die Hälfte unseres Textes aus-
I) Elwa VM iar LaarMMtiM p. 186 Da M^l p. 100 Sekmcll«r.
*) Da Uirü (f. 118 eatea) MMht tic aot apokr. ETangeUea and eoMii altMi Prnfswional mtkmnnimm.
S) TeifL Dooeaa Bmmkma§, die Tmdgr. II , p. 2M litfetlisiU. Dtr Mbo« ■Bgidietsts Bsaeg des «Weisen war mir aabekaaBt^ in 4«r U.4Ü. Mtf d«i H. ,PlaaelM aal« aeMiia* erheUt U«r dMittieh. (p. la bti D« lUriL)
«) Kaoai hfMehe ieh se eriaMni, da« die OeslaU da« glAabt- fl«i aad (phyiwii oder f&f^kiatk) salmid gswordsnea LoagianB tut» luraiartniii. iai MA. freiUab viel beüeVU (dl gstBasrnsna p. 106) i«l . 40» üch tmr Mokt aa Ue. XXni . 47 («ad Akaliob« Siallea)
84 Cap. II , § 3.
machende Interpolation näher zu betrachten. Innerhalb der- selben noch verschiedne Stufen anzunehmen, legen allerdings selbst metrischo Gründe nahe genug (denn Bchwerlich sind jene kürzeren , wol nur einsylbig reimenden ') lat. Str. mit den grösseren, zweisylbig gebundnen -) coaetan): doch will ich die Betrachtung des ohnehin beschwerlichen Textes nicht unnüthig zersplittern.
Auf jenes ,Ingre8su8 Pilatus' folgt im Text zunächst die Berufung des Petrus und Andreas, die Heilung des Blinden, das Gespräch mit Zachäus — einfach nach der Vulgata aus- geführt. Nach kurzer Andeutung des Einzugs in Jerusalem 3)^ folgt die Einladung beim Pharisäer Simon, dessen Ordre für die Sclaven Ite citius cet- andeutet, dass die Vorbereitungen zum Mahl noch eine gewisse Zeit erfordern , die im Stücke nun anderweitig benutzt wird, und zwar für die Bekehrung der (Pseudonymen) Maria Magdalena *). Um diese den Schwer- punct der Jüngern Einschaltung bildende Scene historisch zu verstehen, ist zunächst zu bemerken, dass die p. 132 bei Du Meril (Carm. Bur. p. 98) stehende lat. Anrede Magdalena's an den Krämer und dessen gleichrythmische Antwort den An- gelpunct bilden : sie sind unverändert aus dem Ludus de nocte paschae übernommen ^), wo es sich aber nicht um die Fuss-
I) 2. B. die Str. Die tu nobis cet. bei Du Meril p. 132 , die Str. 0 Juda ebendas. p. 125.
*) z. B. die Str. Heu vita praeterita cet. ebendas. p. 132.
3) Das ,pueri Hebraeorum' (aus Ev. Nicod. c. 1.) noch jetzt in der Palmenprocession jrebräuchlich (Alt Christi. Cult. II , 352).
<) Wir hatten es bisher nur mit der historischen Figur dieses Namens zu thun , die nach Joh. XIX , 26 unter dem Kreut stand, nach Joh. XX , 1 bei der Osternachtfeier zu berücksichtigen war, über deren früheres Leben nur Luc. VIII , 2 zu vergleichen ist Im Laufe des MA. ward aber diese historische Person mit zwei andern (einmal mit jener Luc. VII, 37 ff. ungenannt eingeführten Sünderin, dann atu-h mit Maria von Bethanien, der Schwester des Lazarus) zu einer nun halb legendarisch werdenden Gestalt verschmolzen , die uns fortan im Osterspiel oft genug als ,Maria Magdalena' begegnet. Mir entgeht nicht, wie leicht (namentlich nach der mir doch etwas ver- dächtigen Notiz .loh. XI , 2) eine Confundirung der ,Sünderinn' mit Maria von Bethanien war, und ist diese Identificirung ungleich be- rechtigter als die der .Sünderinn' mit Maria Magdalena.
5) Vergl. Schönemann 132; Auch in dorn spütorf^n Osterspiel aus
tap. II, § 3. 85
aalbang Christi (nadi Luc. VII, 38), sondern um die Pflege dar Leidie (cf. Marc XVI, 1) handelte. Daraus erklärt sich TieiMdit, daai die eigentiicbo Ostcrfeier in unserm Stück nicht BMhr Torhanden ist: das ältere, echtere Element Hess man (Wiederholung xn meiden) um des jüngeren interessanteren willen fialleo *). Doch begnügte man sich nicht mit dieser TrmnqweitioD altem Erbes und schlichter Benutzung Ton Luc VII, 37 ff. : ee schien wohlgethan , auch das leichtere Lebeus- stadium , Magdalenas' zur Anschauung zu bringen, hoffentlich nur um die nachfolgende Bekehrung als Hauptsache desto drastischer henrortreten zu lassen 2). Ursprünglich bediente man sich für die weltlichen Scenen auch wol nur der lat. Strophen, die für den Gang der Handlung vollkommen aus- raiehen: zunächst wol nur dem Bedürfniss oder Wunsch nach üebertragung entsprungen, entfernen sich die deutschen Str. doch (namentlich durch Erstrebung eines gleichartigen Strophe nschlosses oder Refrains) mehrfach vom Original und haben auch in der Anordnung gelitten 3). }iur in der deut- schen Strophe findet sich dann jenes kecke Herausfordern der liianerwelt, dem in der lat Spielordnung halbwegs die doch nor im Statistengrade eingeführte Rolle des ,Amator* eni-
ln«lmi< k (Altd. Seh. p. 134, 186) bat lich die richtige Anwendung •rfa<rn. Niii. " 1 vom Red. de« 6en*B«urer
hj'ifU jT'-and« r von 3 Frauen die Rede i«t.
• tcht nioj^lich i»i aurh , daa« in der Anfangsapielordnung mit >r.r.;; M<Tcat«.r fi uxf.r «ua* ond ihrer ,Mag(1.>" !io Pcrao-
iiTi ij. • «-nffrrrn (>«trrii|.»«'lii gemeint tind , denn . ; O. Hpiel,
fUt »;'h mrhrfarh mjl un««-rrin berflhrt, hat der Mercator (de* enge» r< •, • i«*.T»pj€'U( »#ifjp .nxor* «or heite.
''<> man mit M<in>- dieae Magdalena ab Repriaentantin der »ui««ii^'(it Mrn«< hh'-it fa»»< ti *<•'■' !;»• auch sonst vielfach
(nair.' r.tli 1. sri «l.r Mal< r< i; dur ' 'K^ig »Iterer Zeit för
diri' irtik« ij liart'. <-nt- . nicht. Cebfigena bot die»
»CS \.,,,.-. :i.r <li. F u»»«»lJuti^' '.• .. j.- „heit , den (urtprflngUch aua Marc XVI. 1 g«'t<h'.j,ft. II) Mrrratnr tum dritten Mal zu bcnutxen : die Madcna kaafte neb hier nun snaichai Scktv TofltMeakrsai , daaa erat daa (ilaa ntt Salben ftr ''■
') So acheint die dritte dtotacJx ^tan
lai. fllaadt daJartslio^ «alapreclMa «u soiun — au- rrsre ueuiacbe dar dfülea IsIsWielMa.
86 Cap. n, § 3.
spricht I). — Im Schlaf empfängt die Sünderin aus Engel- mund Kunde über den nahenden Weltheiland: doch noch einmal führt sie mit ihrem losen Liedchen fröhlich auf, bis erneute Engelsmahnung 2) Gehör findet, und die nun Er- wachende mit einem Verzweiflungsschrei auffahrt (p. 132 bei Du Meril) 3). Auf den tröstenden Zuspruch des Engels (nach Luc. XV, 7) kommt Magdalena zu dem Entschluss bussfertig dem früheren Leben zu entsagen *), an einer Aussöhnung mit dem göttlichen Richter aber nicht zu verzweifeln. Der nun folgende, aus dem alten Osterspiel wörtlich übernommene Gang zum Mercator bildet, wie schon bemerkt, wol den Aus- gangspunct der ganzen Magdalenenscenerie dieses Spiels. Die Scene bei'm Pharisäer Simon *) ist fast durchweg lateinisch, theils prosaisch (nach der Vulgata), theils in der zweisylbig reimenden Langstrophe abgefasst: ganz ungehörig erscheint (nach schon erfolgter Absolution) jenes deutsche Klagelied Magdalena's <>): das darauf den Jüngern in den Mund gelegte Dictum dürfte aus einem alten Commentar zu Luc. VII. ge-
•) Wirklich ausgeführt findet sich solche Buhlerrolle in späteren Stücken-
*) Wieder im Schlafe. — Das machte sich bei der Aufführung vielleicht besser als beim Lesen.
3) In der Tegernseer Rec. (Fundgr. II, 247) kommt der Engel sogar dreimal , und nach dem ersten Mahnruf folgt erst noch ein er- neuter Gang zum Salbenkrämer.
4) Kr wird äusserlich durch Anlegung eines schwarzen Bussge- wandes documentirt. Die Spielordnung sagt noch , et Amator recedat et Diabolus. Die letztere Rolle wird nur hier erwähnt, ob sie gleich der des Amator nur Statistenrang hatte, oder in einer frühern Red. etwa gleich jenem Diabolus im Bened.-Beurer W.-Spiel (Carm. Bur. p. 89) als Wiederspiel der AngelusroUe ausgeführt war, bleibt unge- wiss.
5) um die Verwirrung zu mehren (denn ob die Joh. XI erzählte Salbung, die sich noch leicht mit der Matth. XXVI und Marc. XIV berichteten vereinigen lässt, auch mit der Luc. VII geschilderten zu- sammenfallt, weiss ich nicht) wird dieser Simon (der bei Luc- VII zweifellos mit dem Pharisäer zusammenfallt ; in den vielleicht ein späteres Ereigniss meinenden Stellen Matth. XXVI und Marc- XIV ist von einem Simon Leprosus die Rede) in unserm Stück mit Simon Petrus confundirt, und auch Du Meril lässt das so hingehen (p. 134).
6) Ob man es ganz streichen, oder vor die Lossprechung trans- poniren will , stell ich anheim.
Cap. II, § 3. 87
flosseo sein. — Die Erweckung des Lazarus wird nach Joh. XI, 1 1 ff. hier äusserst kurz zur Darstelllung gebracht M.
Was das noch Folgende (der Verräthergang des Judas, die EioseUnng des heil. Abendmahls, die Scene in Geth- temane '), Verieognung des Herrn durch Petrus u. s. w.) be- trifft, so hat diese Partie durch höchst einfache Yulgata- treoe Behandlung fast den Schein für sich, schon der altem Vorlage aagriiört zu haben 3).
Nodi trfimnierhafter überliefert als das eben bespro- chene ist ein aus dem Kloster Muri stammendes, von Bartoeh wieder mitgetbeiltes *) Osterspiel des XIII. Jahrb., da- dordi merkwürdig, dam es wie kaum ein andres geistl. Spiel in Sprache und Ausdruck Einfluss der höfischen Dichtung, weidli^ sogar die Personenbenennungen z. Theil verdeutscht hat '). Der Inhalt der Bruchstücke ist wie folgt
Brachst I. Verhandlung zwischen Pilatus und dem Pal- tenäre: dieser erlangt für später zu erlegende 10 Mark freies Geleit und Gewährung den Kram aufzuschlagen. Die dann folgende Rede , worin der Krämer (monologisch wie es scheint) seine Waare preist <) durfte älter als die Scene zwischen ihm nod Pilatus sein, da diese aus der sonstigen Ostentpiel-Tradi- tion heraustritt 7).
n Stellt man «ich auf den Standpnnct des Redacton, der die :i genannte Sünderin, Maria von Bethanien, und M. von Mag- fUHA «ol anbedenklich oonfbndirt«, »o lind die ('sMcalbunf; Christi ■ad dia Enreclrang des Lasanu »b VorbereitnngMcencn für dii^ I,4>i- JwM md Aafcrstshswgih «vi gcwihlt Da.*-
(ale v«r*cliw«aderiMh an^ FoMtalbang Kr •
die daa Volk adkditig gewinnende Auferweckung de« Laxam« fUr den Bltttrath dar Bohe&|iri«eter entecheidend wurde, darf man aas der Scknll mIUI «atBchflMtt. (VergL Matth. XXVI, U ; Joh. XII, 10, II a. AhaL HteOea.)
t) UebergaafeB ist hier noch der {j% aach unwichtige) Zwischen- faU Biit Xalchos.
*) 1U ward da« aber achon ob*-« mrürltirr«-;<»«rii
«) a. Germania VIIl, p. 273 V.
*) 8o wird der rai Vekaante ,Mrrcau)r nirr i'aii«<nii< f . ^■•■h aaek laslitor bcaaant.
*) Vergi 4ea Mareaior bd Sebtetauuin p. 154 and ähnliche SielleB fal ■yilSf SplalMl.
iadsl ikh kitr daa JiHtaaetw*
88 Cap. 1 1 . § :i
IIa. Bruchutück einer Hülleiifalirt Christi. (Dieses SpieK motiv tritt uns hier zuerst •), später noch oft entgegen.)
IIb. Die Frauen nebst einem Diener (Antonius) kaufen beim Institor ihre Specereien ein.
III. Gespräch der Frauen mit dem als Gärtner erschei- nenden Heiland.
IV. ßussrede Magdalena's an den Auferstandenen >). Va. Fortsetzung derselben. Antwort des Heilands. Vb. Pilatus bestimmt Wächter des Grabes.
VI. Letztere melden die geschehene Auferstehung: Pila- tus erkauft (auf den Rat der Juden) ihr Stillschweigen um Geld.
Dass in diesen Bruchstücken (falls die angenommene Rei- henfolge richtig) die Höllenfahrt Christi vor die Auferstehung fällt, ist gegenüber der auf unserra Gebiet fast häufigem, aus scenischen Gründen veranlassten Abweichung die richtige Weise 3) : eher möchte ich die angegebene Stelle für Bruchst. V b. (das denn doch mit Redent. Spiel v. 255 flF. nicht stimmt) bezweifeln. — Für den geringen Wert, den das Denkmal als Ganzes beanspruchen darf, entschädigt eine vom strengen Kir- chenstyl sich lösende, nach der ernsthaften wie humoristi- schen Seite aber doch gehalten bleibende, decent-verständige Behandlung des Einzelnen in höfisch gebildeter Sprache.
>) Zu Grunde liegt £v. Nicod. 21 und ein sog. Canticum trium- phale, woraus das jAdvenisti desiderabilis' genommen. — Die Sce- nerie ist hier noch sehr einfach : nur ,Diabolu8' als Repräsentant der bösen Geister ; Aninta (so wol zu lesen statt Animal p. 287) statt der später zahlreich auftretenden Seelen im Hades.
3) Die zunächst auffällige Stimmung Magdalenas in dieser Seene erklärt sich wol daraus , dass der Dichter , der an eine directe Be- handlung von Luc. YII, 37 noch nicht dachte (in dieser Bez. erscheint unser Denkmal auf älterer Stufe als das Ben.-Beurer O.Spiel), gleich- wol, da aueh ihm Magdalena Eine Person war mit jener Sünderinn, aus Luc. VII die Farben zur Ausfuhrung jener Rolle entlehnte.
3) Cf. Symb. Apostol. — descendit ad Inferna , tertio die
rerorrexit a mortuis etc. — Das nur auf einige Stellen in den Brie- fen des N. Test. (cf. I. Petri III, 19) sich gründende Dogma von der Höllenfahrt scheint erst seit dem 2ten Jahrh. in das apostoL Symbol aufgenommen (Thomasius). Besonders ausgebildet ward es dann im Evang. apokr. Nicodemi cap. 21—26, das auch für die dramatische Behandlung massgebend wurde.
Cap. II. $3. 88
Gleicbfjüls aus der Schweiz stamint ein ron Mone ') mii- gelbeilteft, Tollsiäadig erhaltoes Osterspiel aus St. Gallen, dem XIV. Jahrb. zugehörig. Es hat von Beginn des Lehr- amta Christi bis zum Tod und der Auferstehung fast alle Haoptmomente der evangel. Geschichte aufgenommen, und gliedert den gewaltigen Stoff durch vor den Hauptabschnitten wiedarbolte AaMpnehen der Angeli oder des h. Augustinus ') an die Zahorer, weldier letxtere auch durch einen kurzen Prolog das Stück eröffnet. Auch hier ist durch chronologi- ioIm Ventöeee die allmähliche Erweiterung der Composition beaeicbnei: in die Augen fällt, dass (bei im Ganzen sorgsa- mer Redaction) die Hochzeit zu Cana (nach Job. II.) nur als jttDgerer Znsatz ror die nach Job. I. und Matth. III. ausge- führte Darstellung des Täufers Job. und der Taufe Christi geralben eein kaan. — Die Versuchung Christi (t. 118 ff.) iel dem Matthioe a (cap. IV.) , der weitere Verlauf meist dem Jotuumeeevangeliom entnommen. Als freiere Episode enebeiDt dazviecheo die v. 156 ff. eingefügte Magdalenaeoeae, asa jener vewuobeartigen Gestalt , wie sie im Benedictbeurer Oeterqiiel hegapnei^ hier bereits in eine festere, für die Fol- geseit meist omt wenig sich variirende. Form gebracht. Weg- gefallen i»t hier der (ja doch nur aus Marc. XVI, 1 paro- dirte) Gang inm Saibenkiimer >): ersetzt wurde die Rolle des amr Btiiie mahneiideD «Aikgelae* nicht ungeschickt durch die gute Schwester Martha *), welche freiUch lange umsonst pre- digt md maadlgiei Spott ämdtet. Unterbrochen wird die wdtlidie Scene snnlefast durch die ncrufun«; des Andreas
1 ^. }. ■'. MA I . , :: ■'
») Vf-rgl I»tt M^ril p. M, 66.
ngen Ifi&nem all- es p. 96 ^icllm.: ftfiuilor, q«em Marui Mhitet. Kt qoom pamin loqaan- u.. . .-..-. Mari» «Ic. — M«-- '»« 7<i> Tvfic Mat. Msfd. c«in an« peelk «t II JwftBftws tllu>r Wettere AesfUninff
' H*b«rn>ll«a ia spitcm Macken.
, 1>MH war «ia« weitere CoaMqaens der l>ereitt in Beo-^Betirer 8p. deetUchea IdeatiAaranf der Marie von Megdele mit Maria reo
90 Cap. n, % 3.
und Petrus >), dann durch die aus Joh. VIII, 1 = 11 >) ent- nommene Geschichte von der Ehebrecherinn : ob aus drama- turgischen Gründen (als Vorspiel der Bekehrung Magdalena's) oder nur als weitere Ausnutzung des Johannesevangeliums, ist unsicher zu sagen. — Nachdem der Heiland zum Mahle Simons des Aussätzigen gekommen 3) finden Martha'» Vor- stellungen endlich Gehör: Maria eilt dort hin und findet Ver- gebung. — Aufs Ausführlichste (v. 308 — 441) ist (nach Joh. IX) die Heilung des Blindgebornen und sein Verhör vor den Schriftgelehrten ausgeführt, ferner nach Joh. XI. Krankheit, Tod und Erweckung des Lazarus *). Durch Malchus *) erfah- ren die Hohenpriester das neue (grösste) Wunder des Volks- propheten und beschliessen den Blutrath, welcher Zug auf Joh. XI, 53 sich zurückführen lässt.
Halten wir die Betrachtung noch einmal bei dem be- sprochnen vorspiel-artigen Theil unseres Osterspieles fest, und erinnern uns zugleich der entsprechenden Parthie des Bene- dictbeurer Denkmals, so lässt sich eine gewisse Aehnlichkeit der Anlage ohne directe Verwandtschaft (wie es scheint) in beiden Stücken nicht leicht verkennen. Die Berufung der Apo- stel oder wenigstens einiger, die Heilung eines Blinden 6),
i) Die betreif. Scene ist hier etwas bunt aus dem Bericht des Joh. und andrer Evangelisten geroischt, einfachere Fassung Fundgr. II , 245.
») Bekanntlich ist der Text Joh. VII, 53 —VIII, 11 m kritischer Hinsicht schlecht beglaubigt.
3) Zu Grunde liegt (wie Mone notirt) Mai'c. XTV und Joh. XII, vielleicht auch Matth. XXVI ; nicht benutzt scheint hier Luc. VII. Am besten vergleicht man hier übrigens Marc. XIV oder Matth. XXVI, denn bei Benutzung von Joh. XII würde die chronol- Anordnung im Folgenden befremden.
*) Der Text dieser Scene ist nicht ganz gesichert.
&) Bekanntlich der nach mehrfachem Bericht (z. B. Joh. XVIII, 10, wo allein sich der Name findet) von Petrus in Gethsemane ver- wundete Scherge. Man benutzte nun in Deutschland und Frankreich (wo er Malquin heisst, cf Jubinalll, 157 ff.) den , Malchus' zur Bezeich- nung einer hinterlistigen Schergenrotte im Dienste des llohcnraths.
•) Im Ben.-Beurer 0. Sp. ist es der Blinde von Jericho (nach Luc. XVIII, 35) und im weitem Anschluss an Lucas (c. XIX) ist dort auch Zachäus eingeführt, im St. Galler Sp. der Blindgeborue (nach Joh. UL).
C«p. n, § 3. 91
MagdAlenens geistliche und Lasams leibliche Erweckung sind geneinaane Z8ge: als ältester Kern dieses Vorspiels darf si- cher wol die Ifagdalenenrollo in ihrer festen Verknüpfung mit der (altem) Magdalena des Osternachtspiels betrachtet werden. Für die Answahl der weiteren Scenen des Vorspiels waren theils äassere Gründe <K theils auch wol der Wunsch vorbild- liche Beziehungen für das Hauptspiel (vom Leiden u. s. w. des Erlöeers) einzuflechten. Letzteren Weg, der für unsere Betrachtung zu wenig sichere Resultate verspricht, verfolgen wir hier nicht weiter ^, sondern nehmen den Faden des St. Galler Spiels wieder auf. V. 562 ff. wird der Einzug in Je- nnalein, v. 569 ff. nach Luc. XXII, 9—12 die Zurüstung des Oetmnahls, im Folgenden nach Luc. und Joh. 3) die Einse- tzoBg des heil. Abendmahls geschildert, der Dichter schreibt (▼. 604, —5; darüber:
Dettelban daget er (Chr.) sang Sin OTSte meae, des habe er dang! In der GethiemaoMotpe (683 ff.) wird (v.720 ff.; der im Benedictbeurer 8]Hal Bocii fibergangene Zwischenfall mit Mal- cbiis nun mit behaglicher Breite ausgeführt, nicht ohne Hu- mor. Nach der Gefangennahme des Herrn berichtet Johannes darüber ao Maria *), es folgt das Verhör bei Annas, wo das fiÜMdie ZeugnisB von einem Juden Rufus abgelegt wird, der auch im Weiteren als Repräsentant bübischer Feindschaft ge- gen den Erlöser gebraucht wird ^). An die Verleugnung und Rene dea Petma schlieset sich (v. 845 fi.) die Reue des Judas, dewan Verrat oben r. 632—87; 782, 83 eingeführt war. —
I) So h:«-lt (Bck der Redaelor des 8t Oaller Spielt offenbar mit Vorbcb« «I da« ick. Bvuf. — Oelegeattidi sei hier ctni« KusvchlieM- UA ■!■ Dfsisliwninf die««« Evaag . «ah erfebende Arbeit aus dem Jahr 161« erwfthat , von der Piehler (Draaa dm MA. a. Tirol p. 12)
^ VarffL IfaM I, p. 6a, 68 ; Uaaa (Das gmaü. Schaasp.) p. 17. TesMUDaa iiad Mist «m Mona dürt. <las &pUmn Ersahalma denelben unter dtm Knuz XU noürtrm.
») Verf i. Moac I , p. 87, 18. ~ M.i Ku Rafa» aar ebaaso gat iiiwwsnhiinaii. wc Waolaa (sack «Marv Mytiwiofia): aber ! aaf das relks Haar fafülaa.
82 «'ap. II, ^ X
Die Scene vor Pilatus (v. iHj'6 Ü.) ist dadurch wichtig, dass hier (nach v. 880) das sonst immer nur mit den ersten Worten .Ingressus Pilatus^ angeführte Ikspons. nun genauer erscheint, und so die Pc/.iehung auf Joh. XVIII, 33 gesichert wird. — Pilatus sendet den Angeklagten zu Ilerodes, und die- ser lässt durch einen Fdelraann Namens ,Panthias' dem Pilatus für seine Artigkeit Dank sagen '). Nach v. 1001 lasst dann die Spielordnung gemäss einer im MA. viel verbreiteten, auch im Heliand sich findenden Auffassung 2) den Teufel der Frau des Pilatus jene Fürbitte für den unschuldig Angeklagten einge- ben, die hier etwas weitläuftig an Pilatus berichtet wird (v. 1001 — 31). — Durch Rufus, der überall den offen-unver- schämten Feind des Guten repräsentirt, wird die feinere List des Diabolus 3) zu Schanden und das Bluturtheil gesprochen (v. 1061 ff.). — Die Kreuzigungsscene (v. 1069 ff.) wird durch 4 Reimpaare des Augustin eröffnet, die sich schon auf den überwiegend marianisch gefärbten Standpunct der Passionsbe- trachtung des spätem MA. stellen '*). Populär ausgeführt, doch nicht unversehrt überliefert, ist das aus Joh. XIX, 24 entnommene Losen der Kriegsknechte: Rufus ist es wieder, der den Fssigschwamm reicht. Streben nach synoptischer Voll- ständigkeit zeigt sich in der Aufnahme beider Schacher: auch die Legende kommt in der Gestalt des anfänglich blinden, dann durch das von der Lanze rinnende Blut geheilten Lon- ginus zur Verwertung. — Noch folgt die Ritte um das Be- gräbniss, dieses selbst (mit kurzer Marien- und Magdalenen- Klage v. 1204 ff.), die Wächterwerbung für das Grab, dieHöl-
Ist, wie es doch scheint, Pautbias aus Pontius corrumpiri, so »*an.- Jas eine irrtümiiche Vertheilung der beiden Namen des römi- schen Landpflegers auf zwei Personen. — Sprichwörtlich sagt man mit ähnlicher Freiheit, ,einen von Pontius nach Pilatus schicken', d. h. von einer Behörde zur andern.
2) Windisch (Quellen des Hei. p. 77) verfolgt sie bi» zum Com- nicntar Hrabans zu Matth. XXVII , 19.
3) Durch Schonung Christi die Erlösung der Menschheit zu hin- tertreiben.
■*) Dagegen ist die Marienklage in diesem schon zur populären Oeterspielsweise hinneigenden Denkmal eingeschrumpft bis aui das Sequatur lamentatio Mariae' nach v. 1176.
Oip n. 5 3. 98
lenfahrt ') und schliesslich der tJang zum Grabe *), und die ErscbeiDung des Auferstandenen aU Gärtner. Die Anlehnung an die ältere Osternachtfeier ist in dieser Schlussscene trotz der etwas wortreichen deatschen üebertragung unrerkennbar, ODd namentlich durch die Spielordnung bezeugt 3).
Werfen wir auch auf diesen letzten Theil des St. Galler DeakoMls *) einen Röckblick, bezüglich seines Verhältnisses so der älteren Behandlnngsweise. Zu den Personen der alten Ostemachtfeier kamen zunächst Nicodemus und Joseph ab Ariroathia hinzu , da sie bei der Grablegung (die ja der erste Act des Oflicium Sepulchri war) betbeiligt: ihre Aufnahme tog die des Pilatus nach sich , von dem sie den Leichnam zu erbitten hatten*). War Pilatus einmal im Spiel, so Hess sich dieM RoUe fuglich aoch schon an einer friihem Stelle ge- hraachen« nämlich zur Verurtheilung Christi ß) : hier hielt man sich an Job. XVIII, 33 ff., welche Partie ein oft gebrauchtes Responsorium ward ?). Weshalb aber erst hier einsetzen, und
t) Torber « l>irlordnong (nach v. 12M) ganx kurz
die AaHnrsUlmac »ofredcutct. — Hier finden «ir zuemt Lucifer kin Fint itr BADe, rIb RepriuenUnt der Seelen «ber Adam. — Daa CttBt triwaphale ist ron Monc tmter dem Text mitffetheilt.
t) Dabei wifd «teU der Mher fibliehen lat. Hymnen jeUt der bekannt« JlediaTit* sn Grunde gelegt. Die Salbe wird v. 1288 wol trwfthat, der Salbeakriaer isi nicht vorbanden. — Die aog. ,Maria Sekwe* aelMint aoe Xarie Cleopbaf lukon uml Salomo Hlnr Mutter de« Johanoea) ronfundirt.
>) Dieee achreibt für '!• ■ - ■ . . . ■■ !>■ ; • • • nuut
4Ne mMs Maria* ror.
«) Tom Eimmm i» >
*) Am flcUwe d< i: r ■> •'M.rapiela fan-
den wir eeliMi («war tn aherarl ' } r i < ph ab Arimath.
•nd FibtWL — Kin ahfraua. • '^ : >: i ]-2> hr^nnnt
gans peiend mit der Rttle am
•) IHe K rieakJeffe) h^
») AI« li , - . !.„:. i. ...:... :.t .In-
frteawi Meram Pil rrt '. da man daa Toraa%egaogene nicht dargr. ■leUi betl#. ' ' • ..-.,..-
Oaf. des Jf.» SM)
94 Cap. n, S 4.
die früheren Leidensmoraente, warum die ergänzenden Berichte andrer Evangelisten verschmähen V So mochten die Spielord- ner bald zu immer weiter zurückreichender ') synoptischer Verflechtung der Hauptmomente des Lebens Christi zu einem dramatischen Compositionsbilde gelangen , und ist man stel- lenweise vielleicht unbeirrt auf dieser Bahn fortgeschritten: vielfach aber wandte man im XIV. und XV. Jahrb., namentlich wol da, wo die Aufführung an Klosterschüler (doch unter Re- gie geistlicher Obern j gelangt war, sich wieder mit Vorliebe besondern Scenen der Osterspieltradition zu, namentlich sol- chen, die einer populären, selbst burlesken Behandlung am ehesten Raum gaben 2). Es versteht sich von selbst, das« dies nicht die Charfreitagsmotive noch auch die der vorange- henden Leidens- und Lehr- Episoden sein konnten: vielmehr war es der um die Höllenfahrt und die ürabwächterscene vermehrte Apparat des alten Ludus de nocte paschae, frei- lich durch eine Behandlung, die das altbedeutsame verkür- zend oder verschiebend trivialste Nebendinge behaglich aus- spann, oft fast zur Unkenntlichkeit verdunkelt 3),
§ 4. Anfänge populärer Behandlung.
Wenn wir am Schluss des vorigen § die Behandlung der Höllenfahrt als das Hauptcharacteristicon der altern populä-
1) Wol ist es glaublich, dass Scenen wie der Verrat des Judas, die Verleugnung des Petrus als zur Festfeier wenig geeignete Mo- mente der Passionsgesch. erst später (der Vollständigkeit wegen) Auf- nahme fanden als z. B. die Bekehrung der sog. Magdalena und die so eng damit verknüpfte Auferweckung ihres vorgebl. Bruders. — Im Allgemeinen ist aber die Richtung der Entwicklung im Ostercyclus eine von der Auferstehungsfeier aus rückwärtsgehende, was (ab«r auch vor dem XV. Jahrh.) selbst zu völliger Confusion des Oster- und Weihn. Spieles führte.
2) Vorzeichen solcher Behandlungsweise begegneten uns mehr- fach : im St. Galler Spiel z. B. die Scene mit Malchus in Gethsemane, das Losen der Kriegsknechte unter dem Kreuz.
3) Von dieser ungünstigeu Characteristik ist freilich das im be- sten Sinn populäre Redentiner Osterspiel auszunehmen.
Cap. n. g 4. 96
reo Spiele dieses Cyclus bezeichneten, so ziemt es rieh wol die Anordnung derselben in Rücksicht auf die Entwicklung jenes Spielmotivs zu Tersucben. Wir werden demnach das in Wien erhai' '' rspiel, welches im Anschluss an das wirk- liche Ritual lenfahrt noch ähnlich einfach wie das St. Gailer Spiel ersdieint an die Spitze stellen, und nun einer- ■eila die reichere Entfaltung des Motivs im Insbrucker, die reiehete im Redentioer vor Augen führen, andrerseits aber deo Wiederabfall der Höllenfahrt, wie sie die bei Pichler mit- getheilten Tiroler Stücke zeigen, gewahren. letzterer Um- stand wird um so weniger befremden, als auch das Redenti- ner Spiel durch die so ungewöhnlich umfangreiche Ausgestal- tni^ der Teufelscenen zu einem Aufgeben noch älterer Spiel- ■lotife als die Hölleoiahrt geführt ward. — Dieser Anordnung, der das Alter der Has. (das älteste Datum trägt ja die Ins- brucker;, zunächst nicht völlig beistimmt, wird durch sprach- liche Rücksichten, die im Schlusscapitel hervortreten werden, «eitere Unterstützung geliehen.
Sehr verworren überliefert ist das Wiener Osterspiel bei Hoffmann i), urkundlich als ,8pil von der beeuchunge des gra- bet nod von der uferstendunge gotee' beieichnet. Dieser Titel betiebt sich nur auf den iltetten Theil, der namentlich nach Tora hin durch junge Zusätze arg ' t ist. Recht
ttörtnd ift tdion die Red. der ersten i aus (p. 299)
eotJiMt die Juden, um sich ihrerseits zu berathen — als sie (p. 800) wieder auftreten, werden sie als fremde und selt- ■aiM Giste (v. IG, 17; von ihm bezeichnet. Die Sache wird •ich wol io verbalten, daae die Rolle p. 199, 1 — 20 eben so tnthtaüieh den Pilatna, als die ebendort v. 23-32 (was •dum HoffiBMon erkannte) dem Caipbas zugetheilt ward. Dieean gehört vielmehr die erste der beiden Rollen, die tweite einem bei. andern Juden >). — Pilatus (p. 301) dingt
il . p. 296 ff. Vrrgi. auch Warxirnrngris \itd. Ijtnrh. I>ic Hs. vrird in« Jahr 1473 gwetct.
*) B«t dar )«laig«i Aaerdaf btoibi anklar, wtnun PiUlu», der •h*m «r** -■ '—'"Hft^t ticli «mdrthea soll, nm ta 4«a Jodsn ■» «piw dwa. I.r : «fiiasi aMa aber die betr. Spiclordn. (p.2Mob«D)
Pilatea gcM »oI dM Pallaa «ad kehrt akh «■ (d. b. w«ideC sitk ab»
96 Cap. II, § 4.
eisige Ritter zu Grabeswächtern, diese gehen mit dem uns schon bekannten :
Wir wollen tu dem grabe gan u. s. w. ') an ihr Geschäft. Nachdem sie von den Engeln ^) betäubt sind, ersteht Christus auf MichAols Ruf mit dem üblichen ,Re8ur- rexi', empfiingt darauf von (»abriel eine brennende Kerze 3), und von Raphael die Siegesfahne. — Das p. o03, II — 14 stehende Doppelreimpaar des ersten Ritters ist an dieser Stelle sehr ver- dächtig, gehört vielleicht p. 307 hinter die Spielordnung:
Die engel gen nu in das grab und singen etc. — also nach der Höllenfahrtsscene. Diese ist hier einfacher ausgeführt als im Insbrucker und Iledentiner Spiel (nament- lich ganz ohne jene Gerichtsscene Lucifers), doch ausführlicher als im St. Galler. Die zu erlösenden Seelen werden durch Adam und Eva : die Teufelwelt wird durch Lucifer , Beelzebub und Satan vertreten. Eine dämonische Reaction gegen die Erlösung wird (p. 306) schon hier angedeutet, und eine Seele von Satan zurückgehalten, dann aber doch von St. Michael befreit.
Im Folgenden (p. 307, 308) begegnet ähnliche Verwir- rung wie zu Anfang: Pilatus und Caiphas sind 307, 13 schon beisammen (und schreien!), v. 23 ft". kommt Caiphas mit den
weil er noch nicht gebraucht wird und die nächste Verhandlung ei- gentlich nicht hören darf) und spricht zu den Juden Caiphas etc. — so ist die Hauptschwierigkeit gehoben.
• ) Hier nur dieser Anf. — Man scheint darauf angewiesen, die Str. nach Altd. Seh. p. 113, v. 142 — 45 sowie Pichler (Drama des MA. in Tirol) p. 143 zu ergänzen. Auch Fundgr. II, p. 336 (am Schluss ansers Wiener Spiels) findet sich dieselbe Str. in etwa« unklarer Stel- lung. Lieber möchte ich mit Benutzung einer als PilatusroUe wol jungen Partie Altd. Schausp. p. 110 (v. 44, 45) die Litanei der zum Grabe eilenden Wächter ro herstellen :
Wir wellen ze dem grabe pän.
Jesus der will üferstänl
Wert Jesus üferstan
So müszen wir alle daz leben lan ! — ^) Die Spielordnung (p. 302) spricht von VII Engeln, doch wer- den nur drei genannt, und leicht konnte VII aus III verschrieben oder verlesen werden.
3) lieber den Oreus pasrhalis verpl. n. and. .Mt Chriotl. C'ult II, p. 360.
Pap n. § 4. 97
Joden klagend xn Pilatus i). Alle gehen nun Aufklärungs- halber nun Grabe: hierauf wird p. 308, 17 — 311, 16 in Mdlidier Ordnung Torgefuhrt, wie die Grabwache ron Pilatus anageforscht, dann ron ihm, der Frau des Caiphas und etli- che Juden nm die Wette aasgescholten wird, darauf Pessag (wol als Hauptmann der Wache anznsehn) sich solcher Be- handlung widenetxt. Doch schon p. 311, 11 — 312, 14 ist durch die üeberschrifien *) wieder als nicht auf sicherer Trad. ruhend verdachtig und mit p. 312, 5 fängt die Handl. noch einmal da an wo 307, 27 3) — Klage der Juden über die achlechte Bewachung des Grabes. Pilatus nimmt hier aber aatae Ritter in Schutz, und diese lassen sich ihr Stillschwei- gen Ton den Juden besahlen. Diese ohne Zweifel ältere Va- riante kennt also jene groben Zänkereien nicht, die wir p. 210, 311 lesen und folgt der auch in den Bruchstücken aus Mari und dem Redentiner Spiel *) vorliegenden Auffassung, die schliesslich aof Matth. XXVIII, 12 zurückgeht. — Mit dem ,Ein Kaufmann spricht' ^) beginnen nun die Krämersce- nen unseres Wiener Spiels, in der ganzen Anlage, mit un- t^r auch in Einzelheiten an die entsprechenden Glanzpar- tien des Insbrucker Denkmals gemahnend ^). Grosse Passa- gen (so p. 313, 5 - 316, 22; 320, 1 — 322, 6) könnten
1) Mao könnte vor 807, 18 schreiben ,Caipbsi n. Modo schreien.
S) Schon Uoffmann racbt hier iti indem , doch wol nicht gläcklich.
») 807, 27 - 896, 4 = 812, 6-12.
*) Ich ftbereehe nicht, daae ein kleiner Anfang in Keifereien icho« dort iiich findet: die Wurte»dea Annes ▼. 884 ff. dort erinnern an die de» Pilatos p. 3]9 . 11 u 12.
*) p. 818, 6. — nert wird im lat. Text bald
aU M<T«alor, bald al» ^: •■»<! darnach im Deutschen
als Kaufmann and Ant.
*) Doch uH dir Au'fuhniD;' t gans so br« •
anrh fshlea die bcidctj l'titrrkr. . ma and die &!
Tcrwaadlechaft leifi sich in <li-r kiimuchrn Erwihnang Flanderns und Eerptr&t, hier p. 815. Mul. !>cbauip. p. 180.) Doch hat sieh firr U/-<) für ilif hierin bewiesene Missig«^ etnereeits durch ein Vorspiel der (kter swtschen Kr&ner, Frso und Knecht spielenden) Keif- und Pr%elsecae in jener jftofem Fassung der Wiehtersoroa «ni* sch*dift, wo die asor merratnrts s^onals Kran Ar- schiaspfsn kam (rtrgL p. 819; — sadrtrseiis sock haadläa« ebüger Mfeaden Soenea.
7
98 Cap. II, S 4.
auch hier (und zum Frommen der Haupthandlung) fortblei- ben: andre Stellen derart (wo die klagenden Frauen mit dem Krümer handeln) haben sich echmarotzerhuft zwischen älteren Texten eingenistet. Es finden sich (p. 323, 3 — 6) unter die- sem altern Bestand wieder Anklünf^e an den Trierer Ludus de n. p. (Fundgr, II, p. 273, 31 flF.)» und die Besuchung des Grabes selbst (p. 323, 17 — 326, 18) ist einfach und würdig, im Anschluss an alte Tradition gehalten. Die Gärtnerscene (p. 32G, 19 ff.) zeigt massige Komik i): die Rrk^fiDun^sscene zwischen dem Herrn und Magdalena ist nur fr«ifu£araphrase des II. Prima quidem suffragia. Es folgt die Bekehrung des Thomas, wiederum vor dem Victimae paschali und vor dem das Ganze abschliessenden Wettlauf des Johannes und Pe- trus 2), dessen Behandlung hier schon einige Ausgelassenheit athmet. —
Betrachten wir nun hierauf das In sb rucker Spiel, auf- gezeichnet im Jahre 1391. Ich verweise den Leser auf die von Mone 3) vorangeschickte .Uebersicht und Einrichtung des Stücks', um die vorliegende Rec. zu überblicken, während ich selbst mich jenes Schema's in freierer "Weise bedienen werde. — Der älteste Theil ist mir natürlich die .vierte Handlung': die lat. Grundtexte ^) sind hier sogar leidlich erhalten, und
1) Doch schon mehr Freiheit als die Insbrucker Rec. (Altd. Seh. p. 140, 141). Die Eingangsanrede des Gärtners bietet hier (p. 326, 19) eine bemerkenswerte Variaute statt der uns sonst (Altd. Seh. p. 140; Fuudgr. II, 276) bekannten. Der bez. Vers lautet:
Fundgr. a. a. 0.: Als ob sie eins Jungelinges waeren (woltcif?) warten
Altd. Seh wez hastue hye czue warten?
hier recht als sie des krautes warten.
2) Dieselbe Anordnung im Wolfenbüttler Ludus und dem Ins- brucher Osterspiel.
3) Altdeutsche Schauspiele p. 108.
4) Marc. XVI, die H. II. ,Je8u nostra rcdemptio', ,Cum venissem ungere mortuum', , Prima quidem suffragia', das Respons. ,Dic nobis Maria'. — Zum H. Jesu p. red. vergl. Mone's Note p. 137 u. Sohöne- mann p. 157, dem ,Cum ven. ungere mort.' ist wie bei Schönemann p. 156 das ,En angeli aspectum vidimus' vorgesehen (vergl. aach Fundgr. II, 275, 11 — 14). Die letzte Str. des H. ,Cum ven.' (Dolor cres- cit cet.) ist hier durch die Gärtnerscene ,die offenbar zwischen ge- schoben , von den früheren getrennt, üebrigens ist der deutsche Text p. 140, 141 nicht von störenden Wiederholungen frei.
Cap. n. S 4. 99
der dentache Ansdnick geht selten über die Schranke wort- reicher Driiersetzong hinsnt. Die Oirtnersoene und der Wett- Uaf des Jobannes nnd Petrus (letzterer sogar nur lat ausge- föhrt, nach t. IIb!) sind Ton komischer Beimischung noch fiast hei : in der Einführung des Thomas stimmt unser Stück wie auch aoost (viigl. die letzte Note) zum altem Theil i) des in § 2 betrachteten Wolfenbüttler Denkmals. Die Thoroas- •oene (t. 1109 ff.) steht hier übrigens unrichtig vor dem Wett- fawf des Job. und Petrus >), was sie wol als Einschaltung ver- räth. — Theilweise gleich alt, aber durch üppige junge Aus- wüchse rerunstaltet erscheint die dritte Handlung 3). Sie be- ginnt mit dem Auftritt der klagenden Frauen (▼. 422 — 454), der gut gewahrt ist, dem H., Omnipotens pater altissime **) wird strophenweit eine deutsche Uebersetzung nachgefügt. Dagegen ist die Mgende, zwar vulgär gefärbte Scene zwi- •cfaen dem Salbenkramer, seinem Knecht Rubein und der Frau <ka Krimers ') , ohne jeden nähern Bezug zur Haupt- handlung: fast 300 Verse (v. 456 — 749) sind hier als rohes Eitttehiebael kenntlich. V. 750—789 ist wieder alt und echt: der H. «Heu nobis intemas mentes* mit deutscher Ueberse- tsnng. Das Folgende (t. 799—662) ist trotz einer Str. Ru- bins in Küchenlatein durchaus S|>iterer Zusatz, und auch nach der echt lateinischen, alten Stelle t. 863—874 das Weitere bis T. 910 durch jüngere Auftragung überwuchert. IVppiger
t) XHm wir •!• Lodo« de nocte pMchae beseichnetcn. lu der Qitimtnetm» nigt skh Verwandudutft mit dem Trierer Lud. de u. pMckM. cf. Faodgr. U, 376, 6—9 mit t. 1093 ff.
S) Lctettrw Dach Joh. XX, 4 ff., entere n«ch r. 94 ff.
S) Moo« dsrlie dantm doch nicht die gmnze UandL als Zwischen- spiel beMiehaea»
«) TerfL SehteeaMaa p. 161.
*) Veffl. diasetts BfoUe ta der Binfnngwpwiordimng des bene- dtdbearsr Omeispisb. Dea KrioMr tdbst tedea wir im gm. I^iel, la dam Prafm. ans Mnri oad bei fleliftaainaaB — > Die Frsa wird hier p. 129 Aalooia geaaiiat , oad hat aoA eise AaotUa nr Seit«, oad wia der XiteMf eelbei aiarB Dieaer (Babeia), so wirbt dieser sich aadi* riaaw<ir twai HatfitaheUcr, Pasitbalk aad Iraetorballr DieM See- aaa febtewa aa im loOtiMi llisieaisiliilun •earrOea WItas«, blaibin dMb seltMidia baiL fhwea aiehl mil8w«y«rtig«iAv«d«a
100 Cap. II, § 4.
Auswuchs wieder v. 911 — 984: eine Keifscene zwischen dem biedern Krämer und seiner lielienswürdigen Ehehälfte.
Die erste Handlung beginnt nach einem Prolog des ,Elx- positor' (V. 1 — 40) mit dem ,Ingre88us Pilatus', das hier dem Landpfleger selbst gehört »): Er schickt zu den Hoherprie- stern um die Bewachung des Grabes zu verabreden: Söld- linge werden gedungen, diese gehen mit einer auch sonst sich wiederfindenden Str. 2) an ihr Geschäft. Die Wächter fallen dem Schlaf anheim; Christus ersteht (nach v. 167) mit dem Introitus der Ostermesse: Resurrexi! — Ein von Pilatus ge- sandter Bote findet das Grab leer: jener eilt selbst hin, und fährt die Ritter (Grabwächter) hart an. Diese beschuldigen sich gegenseitig und zanken auch wol, doch ist das komische Pathos hier weit milder als in der schon besprochnen dritten Handlung. — Fast am bedeutendsten ist uns die zweite Hand- lung, den Gang Christi in die Vorhölle 3) und ein sich daran schliessendes Teufelspiel darstellend: Motive, die in den frü- heren Denkmalen kaum noch hervortraten *). Lucifer lässt aus Besorgniss vor fremdem Geräusch die Höllenthür schlies- sen , da erscheint Christus und fordert Einlass, ja bricht selbst die Höllenpforte (nach v. 225). Während die Dämonen vor Wut heulen, sind Adam und Eva und andre in der Vorhölle der Erlösung harrende Seelen hocherfreut. Aber nicht alle dürfen mit Christo hinweggehn, vielmehr übt Lucifer in ei- ner von V. 259—421 reichenden Scene eine Gerichtsbarkeit über die noch vorhandenen oder neu beigebrachten Seelen aus 5). Dieses Richteramt des Höllenfürsten findet sich in
1) Ganz abgesehen von dem ZuBammenhang , in dem das Respons. eigentlich steht (cf. Job. XVIII, 33) wird hier der Anfang desselben nur zur feierlichen Einführung des Pilatus gebraucht.
2) V. 142—145. Ich habe beim Wiener Osterspiel sie schon be- sprochen.
3) Hier wie gewöhnlich aus scenischen Granden hinter die Auf- erstehung verlegt.
*) In den Fragm. aus Muri, dem St Galler u. Wiener Osterspiel.
5) Man wird an die Richter der antiken Unterwelt, Minos, Aia- kos n. 8. w. erinnert: in echt christlicher Tradition dürfte sich ein Richteramt des Höllenfürsten nicht finden. — Ein wirkliches Verur- theilen der Seelen durch Lucifer tritt uns übrigens erst im Redenti- oer Spiel entgegen: hier bekennen sie einfach ihre Schuld.
Cap. n, § 4. 101
ähnlicher Weise nur wieder im Redentiner Osterspiel, zu dem ich also am pasaendsten übergehe, und mich wieder an Mone's Inhaltsschema anschlieese i). Das niederdeutsche, doch in lat Spielordnung gefasste Denkmal ist in der (Karlsruher) Ha. ,I>e Retnrrectione' überschrieben, und ward nach einer Schlossnotiz im Jahr 1464 zu Redentjm (in Mecklenburg) nie« dergeschrieben.
Verglichen mit dem Insbrucker Spiel zeigt unser Stück snnichst Enreiterung der Scenen in der Unterwelt : der zwei- ten Handlung •■ -pricht hier die dritte und fünfte H.; die dritte den rsten, die fünfte den beiden letzten Auftritten jener. — Dagegen für die dritte Handl. sowie die rierte des Insbrucker findet sich kein Analogon im Redenti- ner Spiel: während die beiden ersten Handl. sowie auch die rierte hier taMmmen der ersten Handlungen des Insbrucker Spiels oorreqxradiren. Ziehn wir die Summe, so hat der Re- dftctor des nd. Denkmals allerdings gerade den ältesten Kern des Osterspieb aufgegeben: al)er dieser erschien uns im Ins- hnicker Spiel als eine veraltete, ron jungem Auswuchs viel- fach fiberwucherte Materie. Ward diese wie hier, mit siche- rer Hand ganz abgestowen >) bo lieas sich Rxium und Kraft erübrigen, um jöngere Spielmotive mit soviel Energie auszu- Inlden, data sie ohne Missklang die älteren ersetzen konnten. Dieter Procees durfte nicht ohne /usammenhaug mit dem re- ligioeen Zeitgeist vor sich gehn, wenn er berechtigt und or- ganiedi sein wollte: dem spätem MA. aber kommt wo es eben aidit bloe alte Trad. fort^aiiiit, schon eine direct mo- ralische Tendenz zu, wie sie in der Reformationszeit sich schirfer anspngt gegenüber w' ' ' ^ Issrbwärmerei ei- neneits, nechanisfier Werkfrin: .^ . ..Jrerseits *). Wie auch anf andern Literatorgebieten vollzieht sich der Durch- bmch jener neuen Richtung auch in onserm Denkmal ver-
I) Brtseqi d« MA. II, 7 ff. — Spedakasgab« von Eiim&lUr: DiBt Spa vaa dM> Upsteadiag«. QaedL «. Lpiff. ia6L — VafL auch Droidui: OebM* das BsdeDtiner Oslenpiet Neaitettta 1868.
<} Aa dar Debsrselvill 4>* rssarrectioae* brasckie dämm Dro* ..i.« .. *a Jo«|| aiebl m liksta
ilsa deaüt «bea aar di« FntartaegiB der kathoIiMb»
102 Cap. II, ^ 4.
mittelst einer satirisch-geisselnden Weltanschauung ';, welche sich aber (zum Gewinn der poetischen Wirkung) oft mit nai- vem Humor verbindet.
Die erste Handlung und die als ihre Fortsetzung zu be- trachtende zweite 2) stimmt freilich in den Hauptzügen mit dem Insbrucker und anderen (noch zu betrachtenden) popu- lären Osterspielen , überrascht aber durch die Anwendung nie- derdeutscher Local färben 3). — Die vierte Handlung bleibt davon frei: Pilatus söhnt sich mit den Grabeswächtern aus und verurtheilt schliesslich (v. 1021—41) das ganze Beneh- men des jüdischen Volks gegen Christus, den er gerne würde gerettet haben. Eingerahmt von den genannten , nur Neben- rollen aufweisenden Handlungen erscheint die dritte (Christus in der Vorhölle) insofern als Ilauptact, weil hier allein die für das Osterspiel schon unentbehrlich gewordene Rolle des auferstandenen Erlösers eingreift. Das Personal in der Un- terwelt hat sich (vergl. mit dem Insbrucker Spiel) bedeutend vermehrt : während dort auf Seite der Dämonen nur Lucifer und Satan, unter den ,Altvätem' (mit Mone zu reden) nur Adam und Eva genannt werden, treten hier auf letzterer Seite Abel "*), Adam, Isaias, Simeon, Job. Baptista , Seth und wieder Isaias auf: später (v. 485 ff.) werden David, Adam und Eva, noch später (v. 685 ff.) Enoch, Elias und der Latro (aus Luc. XXIII, 42) vorgeführt 5). — Auch das Teufelsregi-
*) Wem fiele nicht gleich Seb. Brandt's Narrenschiff ein !
2) Mone hätte sie füglich vereinigen dürfen.
3) So werden v. 206 liiddensee und Mön, v. 212 Pole (d. h. Poel bei Wismar) als dem Schauplatz der Handlung benachbarte Orte ge- nannt.
4) Im Kv. Nicod., das vom 18. bis 26 Cap. für die scenische Dar- stellung der Höllenfahrt benutzt ward, werden Joh. Bapt (c. 18), Adam und Seth (c. 19), David (c. 21), Habakuk (c. 28): Enoch, Elias und der gute Schacher (v. 25, 26) genannt. Aus c. 21 rührt auch wol die Anwendung von Ps. 24, 7—10 her. Dagegen ist das aus Augustin gezogene canticum triumphale, das Drosihn (p. 22) mit Beibringung einer Notiz aus Daniels Thes. Hynm. II, p. 315 erläutert, wol nicht direct auf das Evang. Nicod. gegründet, wenn es auch an cap. 24 er- innert.
5) Joh. Bapt. wird zuerst von Satan am Fortgehen gehindert, doch geht es ihm besser als der Anima infelix Altd. Schausp. p. 117 unten.
Cap. U, §4. 1 ;
•ter itl dwofa Nortor, Tutevillus und Pack verstärkt '), uud andre encheinen noch in der fünften Handlung. Was diese selbst non betrifft, so erscheint sie einerseits (da nur die Dä- monsn sie mit dem eigentlichen Osterspiel verknüpfen) zwar als froer Anbaag, andrerseits — wenn man sich auf den aach in Prolog und Epilog des ganzen Stucks sich zeigenden moralischen Standpunct des Redactors stellt, leicht als die wichtigste Ptuthie des Ganzen. Hier wird gezeigt, wie die Erlösnogsthatsache die Macht der Hölle nur zu geschärfterer FeindtcdMft gegen die Menschen, welche jeii^r Freiheit theil- baft iraideo sollen, antreibt: und wie die Menschheit, will sie im alten Schlendrian fortleben , nur um so sicherer in den Höllenrachen htupnstwiert >).
In dieeer Hadlang lehnt sich der Dichter, (so darf man dea Redentiner Dramaturgen wol nennen) eben so entschie- den an Mne ältere Vorlage (vielleicht an das Insbrucker Spiel T. 369—491 oder eine ähnliche Rec), wie er sie selbststün- «lig verwerthet hat 3). Im Insbrucker Spiel sind es 7 Animae, die von Lucifer gerichtet werden : die Seelen eines Bäckers % Schusters, Kappelans, Biersohenken , Fleischers, Schröters (d. b. Tnchschneiders) und Helsers (Buhlers) — im Redentiner ein Pistor, Sutor, Sartor, Tabernator, Texior, Carnifex (Flei- scher), Penestictts (Krämer), Raptor und schliesslich ein Sa- eerdos. Letalerer weiss freilich mit kräftigem Segen dem Lu- cifer die Rolle selbst heiss zu machen und sich dann ruhig so entfernen. Da Ton dem geistlichen Herrn auch allerhand Uogefaöffigkeiten bekannt waren (cf. v. 1760 ff.) so ist der ■ortlische Standpunct ihm gegenüber nicht recht sur Gel- tung gekosuDMi: d«r (selbst geiskliohe) Dichter konnte sich
■) Deber die Twifcissswgn in diesen Bpiel vergL EttmÜllen Em- ir» t,. xmn, uz.
Ob eise in dw Libeeker Cluenikaa gerade fftr das Jshr 14(M Dczcogi« P««t den IHcfaier wumn Spieb bei t. 1265, 66 (Mona) im dbm gelifa (verfL Ettitller p. Till, IX) bleibt £nglicb.
S) VergL aamCDUich lasbr. Spiel v. 800—864 mit Kedentincr Spiel 1190- 1 US; iMbr. 8p. t. 406-431 mit Red. Hp. 1928—1049. - N«. nsaUicii in der EsUe LeeUen seift sich die »elbst •chopferifcbe Th&* lifkeüdM Bedeatjaem.
4) 80 giebl neb v. 986 die «Ofber aar als «aaiaa laCslix' b«. SS sKkeaaea.
104 Cap. n, § 4.
hier nicht leicht entschliessen , den theoretisch zwar zup'-^ nen Satz, d aas es auch für hohe und liöchste Clerisei Qu. bei Lucifer gebe (vergl. v. 1954) practisch in aller Schärfe durchzuführen '). Viel mehr wird man hinter jener Inconse- quenz des ethischen Staudpuncts kaum suchen dürfen 2). Auch-^er Localbeziehungen enträth die letzte Handlung nicht ganz: Lübeck wird 1265 als der Ort genannt, woher die Teu- fel die Seelen holen sollen. Sollte das wie Mone annimmt, eine ,landschaftliche Satire' sein, so geht doch in ihr die Tendenz der letzten Handlung keineswegs auf: der drohende Erguss Lucifers (v. 1950 ff.) nimmt eine sehr allgemeine Rich- tung. Man wird in dieser localen Näherrückung der Hand- lung auch nicht bloss Naivität des MA. seljen dürfen, da sie in unserm Denkmal doch einzig in ihrer Art erscheint 3) : sie steht sicher in Zusammenhang mit jener bewusst ethischen Richtung des Redactors, die nicht nur die Darstellung einer längst geschehenen Thatsache wollte, sondern eine lebendige Wirkung auf die Gegenwart und eine sittliche Erweckung des iSuschauers erstrebte, wie es v. 13 ff. heisst:
Got de will in desser t^t losen,
Di dar läten van dem bösen.
') Zwar scheint echon im Insbrucker Spiel v. 872 fl". der lustige Kappellan zur Hölle bestimmt, aber die ganze Auüführung dort ist Schwankhaft und meint es oflfenbar nicht allzustreng. Dort ist es auch der Wüstling (heiser), dem als einem gefährlichen Kunden der Haus- vater der Hölle Einlass weigert,
2) Einerseits waren auch schon zur poetischen Einkleidung des ethischen Grundgedankens humoristische Scenen, wie die sswischen Sacerdos und Lucifer wünschenswert, andrerseits musste neben der furchtbaren Gewalt des bösen Feindes doch auch die Schranke sicht- bar werden, in die sie gewiesen — wie auch die schliessliche Nieder- lage der Teufelskunst in dem komischeu Schlusseffect, wo Lucifer als gebrechlicher alter Sünder von den Seinen abgetragen wird, klar durchscheint.
3) Wenn es im Insbr. Sp. v. 293 ff. heisst :
Lauf hen keyn Pullen,
Dass wir die sele (,helle* liest K. Schröder) gefullen, so ist das nur ein Reimwitz, und ebenso das ,Anian' (Avignon?) v. 299 daselbst. — Die scherzhaften Localisirungen im Wiener Osterspiel (Fundgr. U, p. 321 u. f.) haben gleichfalls nur humoristische Bedeu- tung.
r^n TT 54. 105
Di diVr hüten in} t üade upstän , Di schollen frig von sunden gän. Picblcr hat in seiner Tiroler Sammlung, zu der wir schliesslich ans wenden, von vier Osterspielen Nachricht ge- gegeben, die unter sich sehr grosse, ausserdem am meisten Verwandtschaft mit dem Wiener Spiel zeigen. — Vom ersten derselben, das übrigens fast mit W. sich decken soll, hat Picfaler (p. 41 unten) nur die Schlussrede des Praecursors mit- getbeilt : zwei andere documentiren in den mitgetheilten Pröb- chen (Gärtnerscene p. 43, Werbung der Grabeswache durch Caiphas : ' ' '^* und wieder eine Gärtnerscene p. 48, 49) das weitere l reifen und Ueberwuchern der humoristischen
Spielmotive. Vielleicht, dass (wie Pichler befürwortet) eine Satire gegen > '* ' '" hlhänse und medicinische Markt- sehreier der / . " Witz in etwas würzen half '). Eine Eigenthümlichkeit dieser Tiroler Stücke liegt darin, dass die Krämerscene freilich geschwunden , die aber ursprünglich dem Salbenkrämer zukommende Anpreisung von allerhand Heilmitteln hier auf den Hortulanus, der mit Hilfe eines Knechts einen Würrgarteu bebaut, v.' igen: bei dieser
Contamination der Krämer- und Gärt i ..c ward natürlich
die ursprüngliche Identität letzterer mit der Salvatorrolle auf- gegeben. Ich gehe über zu dem vollständig mitgetheilten vierten Spiel.
Eingangs fehlt hier die Bcrathung der Juden und Ab- ordnung der Grabwache: wir hören die Ritter wie aus eignem Antrieb mit der bekannten Str. 2) zur Wache ziehn, und die sonst von Caiphas oder Pilatus geäusserte Besorg- niss wegen der Auferstehung ist hier dem ersten Ritter selbst eigen. Im Folgenden finden sich dann freilich An- deutungen, dass unsere Helden sich für Geld und gute Worte dem Pilatus verpflichtet haben. Die Betäubung der Wächter
*j Kia gleiche« wftrde dssn von den bes. Scenen bei Mono im Intbr., \>*t Uoffmasn im Wiener Ottcrtpiel »ach gelten (Vcrgl. W»- cIwriMiK«! LitaiwtargMch. p. 807, der in dem Krämer einen ecbolmi- •cbcn Marktjadea Mbt). Doch ist die Orenxo cwttchen uaiv-bumori' irtkehtr bimI •atiriechcr Kachahmung der ^^ • it joUt »chweriu
listJMHp: oft geaoff modit« bot die ent u.
S) Wir wcUca m dem grsb« gin. — bchon oben crliat«rt.
106 Cap. 11, M-
geschieht hier fp. 146) niclit so grnidezu wie sonst wol, son- dern durch dreimaliges Nahen des Kngels : der Auferstehungs- act selbst ist im Anschluss an lateinische Texte ij ausgeführt. — Die fünf Ritter gerathen nach ihrem Erwachen wol in Zorn, und beschuldigen sich gegenseitig: aber wie ihre Zeich- nung hier überhaupt etwas nobler ist, so treten sie (p. 148) mit einer erbaulichen Anrede an die Zuhörer ab, Zeugniss für die Auferstehung ablegend. — Das Folgende ist auch nach recht alter Tradition gearbeitet: zu Grunde liegt der H. ,Omnipotens pater altissime' 2) und der Anfang von Marc. XVI. mit deutscher Paraphrase. Dagegen ist die p. 151 — 157 etwas breit ausgeführte Gärtnerscene eine sehr freie Partie, die sich seltsam genug an die lat. Textworte (Joh. XX, 15) anschliesst: übrigens ist die Trennung, der Gärtnerrolle von der des Erlösers hier zum Glück völlig deutlich 3). Letzterer offenbart sich der Magdalena im einfachen Anschluss an den Prima — quidem suflfragia — hymnus und das Trishagion im Munde der Jüngerinn. Dagegen hat sich die Thomasscene und der (nach verdeutschem Victimae paschali) "*) schliesslich noch folgende Wettlauf des Johannes und Petrus ungehörig burleske Behandlung nicht erwehren können. Die chronolog. Ordnung dieser Schlussscenen ist wie im WolfenbüttlerLudus und Insbrucker Osterspiel 5). — Nicht begegnet war uns in
i) Das wol auch dem Ritual entnommene ,£go donnivi' (p. 147) finde ich nicht gleich auf: das ,Re8urrexi cet.' ist der (aus Ps. 139, 1 zu ergänzende) Introitus der Oatermesse.
2) Vergl. Schönemann p. 151, 152. Altd. Seh. p. 121, 122.
3) Vergl. die Spielordnung p. 158 oben.
*) Das Vorkommen dieses Rituals , das schon in § 1 dieses Cap. besprochen ward , ist auch in den § 2 — 4 von mir besprochnen Stü- cken beachtenswert. Im St. Galler Osterspiel (Mone I, 128) findet sich nur das von mir sogen. Respons. Die nobis Maria, doch in einer kür- zeren Fassung, die auch Altd. Schausp. p. 143 begegnet (wo das .Vic- timae paschali' vorausgeht, wie auch hier bei Pichler, dessen, Text aber das Respons. vollständiger hat). Für sich steht wieder der Text bei Schönemann p. 168, wo das Respons. auf die drei Marien, nicht wie sonst auf Mar. Magd., Petrus und Joh. vertheilt ist. Das Victi- mae pasch., das bei Schönemann noch getrennt vom Respons. begeg- net, gehört immer der Magd, allein.
5) Der Grund, die Thomasscene überall vor den Wett lauf zum Grabe zu legen, liegt offenbar darin, dass dieser sich leicht an kirch-
r.n TT S 4. 107
Pichlers Mittheilungen eiue Iculelscene, entsprechend der im losbrucker- und Redentiner-Spiel : eine solche ist wenigstens probeweise später (Germania XI , p. 96) mitgctbeilt, als SdUuM flinat mehrtägigen Passionsspiels i) selbständig auftre- tend und wieder in rein humoristischer Behandlung sich gefal- lend h- — Ueber das spätere Bauernspiel in Tirol hat Pichler (rergl. a. a. 0. p. 99) noch an anderm Orte gehandelt, und diese«, mag es auch direct nur mit den Jesuitenspielen Zu- nmmenhang zeigen, schwerlich mit Recht ganz von dem Drama des MA. geschieden, da auch jene selbst nicht aus dem Boden gewachsen sein werden.
§ S. iu papalärf Pas&Ua»-t!(tenpiel.
Ehe wir an die wichtigen Denkmäler dieses § herantre- ten , mnss ich einige Rückblicke mir erlauben. Zunächst eine Ergintnng der in § 1 berührten kirchlich-symbolischen Hand- Iongen, die fast schon früher erwartet werden durfte. Für den Palmsonntag 3) gab es wenigstens hier und da einen Ri- toalact, der den Einzug Christi in Jerusalem darstellte: für den Gründonnerstag die Fusswaschung *), für den Charfreitag die oben besprochne sepultura crucis und für den Ostermor- fen die Krenierhebung ^). Gleichfalls am Osterfest scheint
ttefa«« Ritaal (DimUch dM ttespo— or. Die nobis Mari») uiBcbliecsen komto, ja «chon in den ilt«cien Otterfeiem (cf. Mono I, p. 9.) in nuce —thiHan war. DiwMrAet thiim abo «rbberechtigt , den SchtaiBstvin 4m OitWi|iisls n biktan: di« ia der SpiellradittOB jfiagere, kirchlich Itmttr aaiflviaifte Ttioma^acfn« war ireeTirt trrnncr. w<«nii ninn nie ir- gcadwo ahrfKdrte.
1) laaofcni darttr dl« ,iruii-wiiumoui<-- riK-r tu^ir
gasf m dMB islirtlfifwi ftiMioas OtUwpicl, d*« in l II bahaadcH wird, äkmtm.
«1 Di« Ui. tffiffi die lleUs: Von Hall 1614.
t) VcffL WaekarMgal UL Oeaeh. | 88 Ann. I. Einen noch rtraafw ktfeklkha« Ad b«Mltfen»C Da Uiril p. 43, and Alt. ChriaU. Qdl. n, p. S8dL
<) ffierllr badarf ae wol fcaiaar Belag«. W»it«re Krinnerungt* fakr aa daa fe. Atiii—kl baoehrafM Da MirU p. 43.
*) Wlkraad dar (Maratekl Iwd (wie aoeh jatot al AH. II, 864)
108 Cap. II, § 6.
jener Wettlauf der Jünger, von dem wir so manche Beispiele fanden, auch ohne viel Worte als fröhlicher Fest-Act ge- braucht zu sein •). Endlich Hesse sich für den dritten üster- festtag zunächst für Frankreich ein ziemlich altes Offiz nach- weisen, worin der Gang der zwei Jünger nach Emmaus (Luc. XXIV) vorgeführt ward, und Spuren davon lassen sich auch bei uns auffinden 2). — Im Anscbluss an diese kirchliche Feiern , und mit reicher Benutzung von Alle dem , was in den Evangelien über das spätere Leben Jesu (denn die Geburt und erste Kindheit blieb als eigenthümlicher Sprengel des Weihnachtspiels geachtet) bildete sich unter wachsender Theil- nahrae des Volks im XV. und XVI. Jahrh. ein so umfangrei- ches Osterspiel aus, dass um den Reichthum der aufgenom- menen Handlung anzudeuten, andrerseits aber auch, um Irr- tümern 3) vorzubeugen, von uns die Bezeichnung Passions- Osterspiel gewühlt ward. Ist dieses nun in der Hauptsache auch als verstärkte Wiederaufnahme der in § 3 erörterten Anfänge synoptischer Behandlung anzusehen, so hat es sich doch die populäre Richtung, welche im vorigen § uns vorlag,
eine Procession um die Kirche statt, und kam dabei mehrfach ein aus Augustin (serm. 137 de tempore) gezogenes Canticum zur Anwen- dung (cf. Drosibn p. 22), das uns bei Behandl. der Höllenfahrt schon begegnet ist und wieder begegnen wird.
') Vergl. das Zeuguiss von 1598 in der Vorrede zur neuen Ausg. des Chnustiu'schen Weihn. Spiels p. 5. — Ks geschah wahrscheinlich als freier Schlussact des Rospons. Die nobis Maria, das jetzt noch ge- braucht wird.
*) In Frankreich hiess es Office des Pelerins, vergl. Du Meril p. 47. oder Off. des Voyageurs vergl. das p. 117 ff. ebendort roitgetheilto Denkmal. — Für Deutschi, wüsste ich aus älterer Zeit (angeblich dem XIII. saec.) nur einen ungedruckten Ludus de discipulis in Emmaus (cf. Güdekc D. Dichtung im MA. p. 970) anzuführen : spätere populäre Behandlungen des Thema's sind von Pichler aus Timl miterpfheilt und werden weiter unten besprochen werden.
3) Als ob Passions- und Osterspiele zwei verschiedene Gattungen seien, wie Vilmar (Lit-Gesch. 9 A. p. 264) annimmt, ob er gleich selbst ein ,Passionsspiel' edirt hat, das zugleich die Auferstehung behandelt (vergl. bei Haupt III. 480), also wol auch ein jOsterspicl' ist. — Die Bez. ,ludus passionalis' in Hss. erklärt sich leicht, weil die Darstellung der Passion weit mehr Mühe erforderte und auch wol mrlir Thoil- nahme fand, als die der Auferstehung.
Can n. S ?). 109
zn N'nue gemacht, u: 1 ilioser umfassenden '),
dftbei was Colorit utui !;• naiKiuü.g >• inüt, nüchtern -gemäs- ttgten, auch tod komischen Excessen wieder mehr gereinig- ten Form den Höhepnnct d< "~ überhaupt.
Etne Gruppe Air sich bu nk fürt er, Fried-
berger und Alsfelder Passio: rstcre beide
nur in den Uebersichtsrollen des Spiel-iiegeuieii auf uns ge- kommen , letiteres TÖllig erhalten , doch bislang noch nicht ▼oUstÄndig mitgetheilt. — Der Frankfurter Ordo >) zeigt neben aancbem alten Zuge doch in seiner vorliegenden Gestalt schon hier und da Hinneigung zu Weihuachtsspielmotiven. Na- mentlich erinnert uns die Anlage des Vorspiels, wo nach ei- Mfli Prolog des Augustinus die Stimmen verschiedener Pro- pbeteo to diqMmirt - ' ' ^^on lassen, dass jedem einzelnen Propbetenma ein \\k r Jude mit trotziger Gegenrede
antwortet, an den Eingang des Benedictbeurer Weihnacht- yaia oder den des bei Pichler p. 5 erwähnten Stückes. Un- »Hteibar an den Schluss des Voncpiels fp. 138 oben) reiht sich eine aas Lnc II, 52 genommene Antiphone, sodass hier- ■it die Behandlang des N. T. beginnt. TT " len wir man- ches Bekannte, doch oft eigenthümlich b j: die Versu- chnng Christi '), die Berufung der Apostel, verschiedene Bei- spiele von KranV " ngen *). Besonders hervorsticht aber die Henrorhebuij^ j ::ne8 des Täufers. Schon seine Straf- rede an Uerodes and Gefangensetzung (nach Luc. III, 19), dann die Entsendung seiner Jünger an Jesus, schliesslich das
I) Bagsfncn doch Mob M*H»nklagen und »elbct die Spuren der -nMehtlnsr hier «
i»iM oder rsfirtnuii rmitche Bes. -~ Di« bei Fichsrd
<rnaki Archiv III, 187 AT.) aittttUMUt« Hs. geMri dem XVI. Jahrh., dM SUek Mbriot in dm Jahren 1496 und IfifV' — <^- «^hH. — Den Aafnff dM Ordo fficbt auch Du Uiril p. 297 ;
S) In dicMT Seeae (p. 800 bei Da Mirü) » < ht« Uro-
•UQesg vesMadoMa n teta: das ,doelBS «st r itt pai:-
vor dk «rsUfl Wort« Am Hatsns« ga •< *
<) AfMirt^lMBaftiaf «ad H^taafsa, •••>')
nü BwMrtMiig «ntfoniicr «toheadar i i<'lt. AU
der v«rMki«d«a«a Krsakh« WM i«ricko ^ Mars. X, 47V «i* I/sluMr. CUeklte««Mg«r (iaftrauu) gabrssekt
110 Cap II, %'J>.
Gastmahl des Hcrodcs >) und das sich daran knüpfende Ende des Täufers werden hier dnimatisirt — auch die scenische Behandlung solcher Unterredungen des Herrn mit den Juden, wie sie Ev. Joh. VII. erzählt sind, ist früheren Spielen fremd 2). Mit der Martha-Magdalenascene (p. 142) lenkt un- ser Ordo wieder mehr in die traditionelle Bahn des Oster- spiels, und bemerke ich nur noch, dass sich populäre Be- handlung hier weniger bei der äusserst kurz (wie es scheint) behandelten Höllenfahrt, als bei dem Gange der h. Frauen zum Salbenkrämer 3) (p. 154) ausspricht, und dass der Schluss des Ganzen (p. 158) wieder den h. Augustin im Verkehr mit den Juden, von denen einige sich taufen lassen, uns vorführt. — Die Friedberger Dirigirrolle '*) ist kürzer wie das ebenbe- sprochne und das folgende Spiel, denen sie sonst nahe steht : sie beginnt mit dem weltlichen Treiben Magdalenas.
Von dem Alsfelder Spiel hat Vilmar 5) vier Bruch- stücke publicirt, die über Anlage und Behandlung einiger- massen aufklären. Die Handlung reicht vom Auftreten Jo- hannis des Täufers bis zu der auch hier hinter die Auferste- hung verlegten Höllenfahrt und noch etwas weiter 6). Ein Vorspiel (abgesehen von dem das Stück eröflfnenden dreifachen
■>) Die Tochter des Herodes wird hier übripen« nur »Puella'. nicht etwa Herodias genannt. Erst auf wiederholte Mahnung (p. 191) wil- ligt der Fürst in ihre von der Mutter insinuirte Bitte.
2) Ich erkenne hierin eine Steigerung jener im Vorspiel von den Propheten geführten Dialektik.
3) Es scheinen hier sogar zwei Krämer, jeder mit seinem Weibe die Kaufscene belebt zu haben (p. 1.54). doch ist von Knechten und Magd hier nicht die Rede.
<) Mitgetheilt von Weigand bei Haupt VII, 545 ff. — Die viel- fach mit dem Alsfelder Spiel stimmende Teufelscene (cf. p. 547, 548) steht schon hier verschoben, wie das: .Brengit mir her babist und Cardinal' zeigt, was erst nach Christi Höllenfahrt ursprünglich folgt. (Insbrucker Osterspiel, v. 300 ff.)
*) In Haupts Zeitschr. III, p. 477 ff. — Die Aufführung dieses oder eines ähnlichen Textes ist für die Jahre 1501, 1511, 1517 bezeugt. Die Aufführung war eine dreitägige. (Genauere Mittheilungen wären für dies Spiel und die Friedberger Rolle noch zu wünschen.)
*) Wir erfahren von Vilmar nicht, was Blatt 79 — 81 der Hs. bie- tet. Doch ersieht man dies und einiges Andre aus Weigands Mitthei- longen bei Haupt VII, p. 549 (u. weiter zurück).
Cap. n, S 5. 111
Prdog) fehlt auch hier nicht, und mag in der Vorlage jenem der Frankfurter DirigirroUe näher gastanden haben i): die erhaltene Red. hat dafür eine Teafelscene gewählt, deren HauptmoÜTe uns schon in anderm Zusammenhang begegnet waren, and deren Verwendung hier zu der Oekonomie des Gauen nicht recht pant, troU einiger Aenderungen des Badadon. Wir thun aber wol, in unserer Betrachtung der vier Prt^n mit der letzten, welche die Höllenfahrt bildet, ta beginnen. Die Anlage stimmt im Ganzen mit der in den popolaraa Ottenpieien« ist aber noch bedeutender geworden dareh Anftiahme cwea Motirs, das eigentlich den Spielen vom Weltgerieht tokoamt — nämlich der endgültigen Entschei- daag Christi ober des fcraeren Zustand der Seelen >). Da- darch ward achon eine adiärfere Trennung der guten und bö- §•■ Seelen, als ea bisher in dieser Scene üblich war, nöthig: namentlich aber konnte jene Qerichtasoene Ludfers, so der ttoh aaeh hier die Ansatae wol erkennen lassen '), jetzt nicht aakr gcdnldet werden ohne störende nnd nnjMtssende Wie- derholung. Diese ward freilich gemieden, doch mochte der ktite Badactor die wirkiaman Hebel zur Unterhaltung *) des Publieama, die in jener iHem Oeriditnoene lagen , nicht fah- r«B lassen : er arrangirte also eine Variation jener Teufelscene im Anfang des Stücks *). Das hätte bei etwas mehr Geschick
I) Dar»of föbri di« mehrfach (to p. 518) enrähntc Ilnlle der ByasfOfc (d. b. Jadentchaft), die aaf die einjcchi<-n Jti.l<>nr..niMi u .K<> SjasffQg* tai t'nakt 8|nel (p. 616) hindeatct
*) Eia« Getegcitlieii la •olchar St«igenuig i>ut «cnon aut aui MatUa. XXY, 84 eoüchnt« TextwoH sa die erlömingafiUugw 8««1«d, «M «• iai AaachlitM aa da« bei Droeiko p. 82 milcatketli« Bitaal (bei Mose Sek. de« MA. I, p. 124, 125) ».hon daa St Oallcr, iDSbnicker. B»deatiaer (Ntorapiel haben
S) Maa beachte die Boik» »v. j......* ond aaeanda aaia*» v>>'>"-
aal») pL 510 ff- — Di« ••«. aaia» wird, balbentflokea, Tom Teufel liwfnrk tarikekfebracki.
*> Nar aioki fsas im Siaaa aaaerer BMtderaea Ami««n»«>ii
•fvegtaa daaMÜ« iauaar aoak «taaa raUgite bedeuteaoMa aad «ekeiaca «elbei von der Il«rie de« StOck« alt CAn-**)>i«r di« Sckaalnel de« Pablicuiaa gebraackt sa aeta. (Vergi I um dea tafela aii«« er jro die belle v
ft) Maa Mml. ki«r I, 146~t<S lu deatiaer Spiel (Mom) v. I99B 8. Fen^r WlU imj* da* ala Zu*aU «f
112 Cap. II, § 5.
•ogar Lob verdienen mögen: aber hier wird, ehe noch im Stück selbst Johannes der Täufer mit seiner Busspredigt auf- gestanden, schon die durch Judas und den Ilass der Juden zu bewirkende Tödtung des unschuldigen Jesus, des Erbfein- des der Hölle, in Aussicht genommen! Wie nahe lag es, die Versuchung Christi (nach Matth. IV), die sicher bald nach diesem Vorspiel dargestellt wurde, als den ersten, noch gar nicht absolut feindlichen Angriff" der Hölle anzudeuten, und alles Folgende nun als Steigerung und Verschärfung des Con- flicts bis zum Bruch der HöUeupforte durch den auferstande- nen Christus auszuprägen I Von einem derartigen Plan ist nicht die Rede : die hier und sonst im Stück in grosser Menge auftretenden Teufel (auch eine Dame Hellekruck als Lucifers Mutter lässt sich hören p. 492j legen es wol nur darauf an, durch seltsame Reden, drollig- schreckhafte Anzüge und Geber- den das Publicum obligat zu unterhalten : doch will ich gerne glauben, dass in andern Scenen jene religiöse Erbauung (auf die der erste und zweite Prolog so häutig hinweist) als Haupt- zweck verfolgt wurde ')•
Grosse Freiheit in der Behandlung zeigt wieder das dritte Stück, die Bekehrung Magdalena's-, allerdings auch zur Ver- gleichung mit früheren Darstellungen besonders geeignet. Wo diese Scene im Ganzen zur Frankfurter DirigirroUe stimmt, da wird man älteren Bestand annehmen dürfen 2); jünger und eigentümlicher scheint auch hier wieder jene vordere 3)
ner andern Hand kenntliche Stück I, 852 ff. gegen die Kennzeichnung der verschiedenen menschlichen Standesgebrechen in der Gerichts- scene Lucifers, wie sie die genannten beiden Osterspiele haben.
1) Diese strenge Richtung tritt mehr im dritten und vierten , als den beiden ersten Probestücken hervor. — Uebrigens ist es sehr glaublich, dass jene ganze Teufelscene im Probestück I, nebst dem sich daratif beziehenden dritten Prolog (I, 107 ff.) eine spätere Einlage ist, gleich jener auf besonderen Zettel eingehefteten Krämerscene (vergl. Vilmars Nachricht p. 479.) — Der erste Prolog (dem der zweite sich leicht anschliesst) nennt als Anfang des Spiels noch das Auftre- ten Joh. des Täufers (vergl. I, 5G ff.), das in unserer Rec. erst auf die Teufelscene folgt.
2) Die Bezüge zur Frank fnrt.i- lii.i.riv.-,.!!.. «iDd ^,1 nn vr,n Vilmar unter dem Text angemerkt.
3) Jüngere Theile sehen wir aui uiisorein i.itoiaiurgeinft in der Regel den altem vorgeschoben.
C»p. II, S 5. 113
Pftrtie , wo Magdalena in Beziehung zur Dämonenwelt gesetzt, mit Ludfer and andern Dämonen, sowie mit einem Soldaten des Herodes lich vergnügt *). Der Realismus dieser Scenerie ist freilich gross, doch bleibt bei manchem Schwank im Ein- selnen die Uauptabsicht deutlich, der lustigen Welt ein mo- nüsches Spiegelglas vorzuhalten, unverkennbar. Diese ethi- sche Richtung gewinnt nach der p. 499 beginnenden, im Gän- sen anf die sog. Bergpredigt -) gegründeten Rede des Erlösers an Fülle und Kraft: Wirkung jener Worte des Herrn zeigt sidi hier wie im Frankfurter Spiel zunächst bei einer Magd Magdalenas '), während diese selbst bald darauf händeringend ihr frfilieres Leben verwünscht, nun aber von der sonst ver- spotteten Martha sich rathen lässt, Zuflucht bei'm Erlöser zu suchen. — y ' '"■■^ Stück ist dann die Scene bei'm Phari- sier Simon i iit, in würdig gehaltnem Stil, mit An-
kttngen an eine andre Situation im Wolfenbüttler Denkmal *). Die moralische Interpretation des Vorgestellten giebt Philip- pas Apostc^ns (p. 507) und zum Theil Magd, selbst (im Fol- genden): Ludfer aber uoterlässt nicht sich über ihren Abfall tu beklagen. —
•) IH»» schon im T ■r Ostcrspicl «in tri liuh nur in der
Hpt«lordnaui; erbaltner tirh zeif^t, nm^ /uf.tlli^e Ueberein-
■Ümmoog Mta. Die Zc weltlichen I.ieichUinna erscheint
hier auf ihrer HJ^ : bt:... «« miinentlich die coquettc Be-
— tiwig «Im voo Loctfer geschenkt Is (p. 496) und jenes leicbt-
ffHtiir« Prei^ebeB <! ' m Volk. (p. 498) Aach
ois ▼•rbndmf nr.
1) Msith. V. hut Vll. i)uch isl tntl Hrcht jener aus Luc. XV, 7 fSDOMiw Troctoprucb auch hier benuUt. '\>n hu He ti.-Beuror Oster- spiel der K^*l epnch.
S) Im l^MÜdbrter 8pielf das Qberhau^ . ...... ^. ...^ Rolle nnge-
naiiDt einfährt (die üatttmi des Pilatus heisst nach Ev.Nicod. II. Pro- ela) wird dicM» Nardk gcaamt — Zur Ausstattung der Kolle ist hier wto dort Loc XI, 37 wwted«t
<) Wir ftndn dort p. 167 da« tebr ibnliche V ' de« U.
i9tm n, rad. (dm waiahat daatarhr pMraphrafe I ^ , '. einer d. tkr. ,VU Madea had da« maraa gr Itier p. fiOl, v. 90 ff. (ver|fl.
daaa aach p. 60t aatan) Dia Siloation i«t abar dort naob den I^aar» iadea im Orabaa CbiMi, klar tai TIaeb dae Pbar. Binoo. Im Wolt Hf>ial echlisart aiak «aaitttelbar aiaa swaiU Str. aa , dta hiar IbhÜ» abar aa dar swaüaa md drittaa Tarwandaag (dta weit jiafara sUkt aaali Uar vor dar raktiv iltaraa) UasagafUut habaa
8
lU Cap. n, S. 6.
An die eben besprochne Osterspiel-Trias sei kurz ange« schlössen die Erwähnung eines (noch ungedruckten) Heidel- berger Spiels ') , das 1514 geschrieben und schwerlich (wie Cicninus uns bereden will) noch etwas älter ist, da die ganze Anlage — den Scenen aus dem neuen Testament sind hier schon oft sog. Perfigurationen aus dem alten vorgeschoben, z. B. die Geschichte der Susanna Yor die Scene mit der Ehe- brecherin — und auch P^inzelheiten schon dem üeschmatk des XVII, Jahrh. sich nähern 2). _ Abgesehen von diesen doch merkwürdigen Kennzeichen scheint freilich die Grund- form des Ganzen 3) mit der besprochnen etwa gleichzeitigen Osterspieltrias zu stimmen.
Ich gehe über zu einigen mehr vereinzelt stehenden Stücken bei Mone und Pichler. Der erstere theilt (II, 184 ff.) ein zweitägiges Passions - Osterspiel aus Donaueschingen mit 4). Zur Orientirung des Lesers verweise ich auf das II, p.. 150 aufgestellte Schema, das eine Art Vorspiel, 6 Hand- lungen für den ersten , 8 für den zweiten Tag nennt : nach v. 4106 scheint noch etwas zu fehlen, doch wol nicht Viel. Das humoristische Element tritt hier äusserst zurück 5): selbst die reich ausgesponnene Magdalenenhandlung (die erste) ent- räth solcher Färbung <>). Ich übergehe den weitern Verlauf
1) Vergl. die Nachricht bei Gervinus Gesch. der d. Dichtung. 4. Aufl.) II, p. 331. Es scheint die Hs. (Cod. Pal. 402) wieder um eine Dirigirrolle zu sein. Als Schreiber (auch wol Redactor) wird ein gew. Wolfram Stück angegeben.
i) Dahin rechne ich namentlich die Rolle des K Tiberius , ent- sprechend der des Augiistus in den Ausläufern des Weihn. Spieles.
3) Auch hier beginnt das Stück mit Job. dem Täufer, und Ge- sänge der Synagoge trennen die einzelnen Scenen.
*) Hs. aus dem Ende des XV. Jahrh. — Die lat. Spielordn. ist fast ganz gi^schwunden , doch kommen verschiedentlic'' )•'♦ ^""♦'•nzen (so p. 201, 202) vor.
5) Nach dieser Seite hin sollte Gervinus fll. p. Hol) uu-m liii so witzig-unwahres Urtheil zu Markte gebracht haben. Da« Stück ist schlecht genug und bedarf keiner Misdcutungen weiter.
6) Andeutungen weltlichen Treibens fehlen allerdings nicht , sind aber trocken genug. Statt des sonst beliebten Tanzes spielt Alagdal. hier Schach mit ihren Galans. Die Motivirung der Bekehrung ist hier wieder roher als in den frünkisch-hessischen Spielen. Zu beach-
Cap.II, $.5. 116
des ersten Tages, der namentlich in der zweiten und dritten Handlung manche der früheren Osterspieltradition fremde Soeoen bietet , während die in den fränkisch-hessischen Stü- cken 80 bedeutsame Johannes Baptistenrolle fehlt. Die rohe Compilation des Ganzen ist besonders darin deutlich, dass die Scene beim Pharisäer Simon (in der ersten Handlung) noch vor die Versuchung Christi gestellt ist. Füglich könnte num jene erste mit der fünften Handlung unmittelbar ver- binden, und Theile der sechsten (Auftritt 1 und 5) anreihend die i>piir älterer Tradition wieder klar legen. — Der zweite Tag beginnt erträglich mit Darstellung des heil. Abendmahls und der Fusswaschung : dritte bis fünfte Handlung i) aber sind 6arth widenrärtige Breite in Behandlung der Leiden Christi, wie M gebäasige Stimmung gegen das dem christlichen MA. ■0 miMÜebige Judenthum ^) eingeben, verwilderte Frömmig- keit als gutes Werk ansehen mochte, arg entstellt und so zu Mgen angeniessbar gewurden. — Am meisten altes Erbe kommt wieder gegen Ende des Stücks zum Vorschein : p. 340, 341 finden wir eine genaue Benutzung des (aus Augustin eDtnomioeoeo) canticum triumphale, und wenn auch das , Re- giaa ooeli laetare' und die sofortige Begegnung des Aufer- •taadeiMD mit seiner Mutter (p.345) eine durch den Marien- ctüt verschuldete Trübung der Tradition ist, so treffen wir doch bald darauf wieder Hymnen , wie ,Jesu nostra redemp- Uo' (p. S49) , ,H('U quantus est noster dolor' (p. 347), unter- Biiacbt mit jüngeren . die fast icboo auf eine allegorische Deatnng der dargestellten Handlunt; hinzielen ^).
t«a ist die Rolle de« A|»<ithckera (xr - . <ii*- udh in die'
•er Siloatiffi »«•!! «1#m H«'n -H**nr*T *> ■ hi li j/.^fnpt w»r.
') A • r-i ) liiin Kri»jM«T
di« b. V« . ..^ I'. Krruzei-
iaeelthlt ia •! »t (natörlicb ntch cor-
r««t) p. S'."" ...
*) ^ «ne iwiMken dea
•ilry 792, nuun^
lieb 3, der dAinil
••d' wird (p. 886).
>>K < Die B«ib«b«liun|{ ur«
Mif Matt. XVI. (. uieht ine Gewichl, da
dir« .1^).
8*
116 Cap. n, §. 5.
Wul als Bruchstück eines mehrtägigen Passions-Oster- spiclüH ist ein aus einer Luzerner Handschrift vom Jahr 1494 bei Mone >) mitgetheiltes , und dort als «Grablegung' bezeichnetes Stück. Der erhaltene Text (zu Anfang etwas lückenhaft) geht in der That nur von der Klage über Christi Tod, bis zu dem von Pilatus bewilligten Begräbuiss im Gar- ten Josephs ab Arim. und dem Aufziehen der von den Juden bestellten Grab wache. Doch schon dies letztere Motiv, mehr noch die zu Anfang erhaltene Bezeichnung : ,Ludu8 de resur- rectione Christi' berechtigen zu jener Annahme , während die p. 121 sich findende Bezeichnung ,ad ludum depositionem Jesu' sich nur auf die Aufl'ührung des Einen Tages bezieht 2). Die Behandlung scheint mir weit edler und würdiger , als im vorigen Stück: doch tritt auch die Neigung zu allegorisch- ethischer Deutung der dargestellten Begebenheit schon weit lebhafter hervor : vergl, namentlich den nicht ganz unpoeti- schen Epilog des Proclamators. — Ich schliesse hieran kurz die Erwähnung jener poetisch ansprechenden Proben aus dem niederd. Spegel der samiticheit (gedr. 1507), die man freilich kaum noch mit Mone 3) als Osterspiel hinstellen kann. Sie bezeichnen jenen schon im Cap. I. für's Weihnachtsspiel bezeugten Uebergang geistlicher Spielmotive in die geistliche Betrachtungs- und Predigtform,
Wo die Entwicklung volkstümlicher blieb , zeigt sich schou im XVI. Jahrh. grosse Verwirrung und Ueberladung der Tradition. Ein Beispiel für erstere bietet uns Mone 4) in
1) Schausp. d. MA. 11, p. 119. — Als Redactor oder wk- man sonst das ,cditus per' (p. 131) verstehen will, nennt sich ein Matthias Gundelfinger.
2) Gleichwol finden sich unter den Personen, die für diesen In- dus deposit. Jesu aufgeführt werden, manche, die unserm Text, dann auch der processio praedicti ludi (ebendort) mit Recht mangeln, weil sie zur Aufführung des folg. Tages gehören, nämlich: Lucifer, sec, tert. , quart. Diabolus, Pater Adam, Eva, P. Abraham cet. ; Thomas, Petrus. — Dies dürfte beweisend sein , wenn ich auch einräume, dass einige Differenzen doch nur in Nebenrollen zwischen dem Per- sunalverzeichniss und der ,proce88io' übrig bleiben.
3) A. a. 0. p. 115.
4) A. a. O. p. 418, 419. — Das alberne Stück zeigt übrigens noch gelehrte Manier neben der JSarreorolle , die es einführt. —
r^r. 11 §.5. 117
einem Zürcher Spiel, «Jus zwei Zwischenspiele enthält, von denen namentlich das ersten? (Salomons L'rtheil) hier ganz ungehörig ist Als Belege für letztere würde ich nicht die von Mone >) namhaft gemachten Titel von Osterspielen der Lozerner Bibliothek geltend machen, wüssten wir nicht, daas es sich hier wol meist um Contaminatiouen der Weih- Dacht- und Osterspieltradition handelt 2).
Es ist noch übrig, die Mittheilungen Pichlei:> uuui die Pflege des Passions-Osterspieles in Tirol zu verwerthen. — An zwei Tagen zur Aufführung kam der sog. Sterzinger Passion'), welcher bis zur Abnahme vom Kreuze reicht: ein drittes Tagewerk für die Auferstehung ist also hier ver- loren. — Aus dem zweiten Theil theilt Pichler die Anrede des Pnecnrsors *) und die Scene unter dem Kreuz (p. 18 ff.) mit, welche wieder Verwandtschaft mit der Trierer Marien- klage oder wenigstens Benutzung derselben latein. Hymnen verräth *). Aber selbst von einem siebentägigen Spiel , als dessen Redactor ein Vigil Raber genannt wird, erfahren wir : zur Orientimng wird es genügen , auf die Notiz p. 69 zu verweisen, aus der ich das Jahr der Aufführung 0514) und die Vertheilung der Materien (für den Palmsonntag ein Vorspiel von der Versuchung Christi bis zum Einzug in Je- rusalem ; für den grünen Donnerstag ^) das heil. Abendmahl tind Gefangennahme Christi ; für Charfreitag das Leiden Christi ; für den grossen Sabbath die Klage Maria mit den
Leber ooch emigc i'Mnons» Ottonpiclc der Sthwn/, 1. nthlct Weiler (VoUcflth. der Sohw) p. 68, p. 162.
I) A. «. O. p. 430.-42a.
X) leb werde saf die Yenchniplzunfr ilcr vonch. S)iIr1ini((uncTi-ii im V. Csp. rarfidücoBunen.
^ Bceprochen Dnuiw tlca MA. u — un^ni* n im
die Bes. ,der Pawion* für Paeriopeeptci
*) p. 16, 17. — Weon hier <> icr vorbeU-n
wird, eo besieht ticb de« wol nur ^ • it d< r I)nr-
»teUnaf und ^pe tpmchl. Autdr mivedt.)
*) Yrr^l die RoUe MaHm p. 2" (>. 3«4, 6 ff.
*) Der Aoednick Reben ist (Weichpfu fünft« Te« ■■ Doonenteff. (VergL Orimm'« i' llö).
118 Cap. II, §.6.
Propheten •) ; am Osterfest natürlich die Auferstehung ; am Ostermontag den Gang nach Emmaus; am Himmclfahrtstag die Himmelfahrt 2)) hervorhehe. — Raber benutzte für seine Arbeit kleinere Spiele , die nur auf einen Festtag Bezug hat- ten : diese schrieb er theils aus , theils unterzog er sie roher Bearbeitung 3). Solcher kleineren auf die Osterfestzeit bez. Spiele finden wir bei Pichler noch drei beschrieben : eine Coena Domini für den Gründonnerstag, eine Grablegung für den grossen Sabbath, ein Emmausspiel '*) für den 2ten oder 3ten Ostertag. — Die Behandlung ist überall schlecht genug : ich erwähne, dass in der Coena Domini auch der Verrath des Judas zur Darstellung kommt , und der geizige Jude an dem ihm von den Hohenpriestern gebotenen Solde als schlech- ter Münze herummäkelt 5). — Auch das Emmausspiel zeich- net sich durch niedrige burleske Behandlung übel aus : nach dem Fortgange Christi artet die Scene im Wirthshaua zu Emmaus zu einer Kneip- und Prügelscene aus; allerdings pas- send zu vulgärer Feier eines zweiten oder dritten Festtags !
Wir haben zum Schluss dieses §. noch ein paar Notizen anzureihen. Auffällig ist eine Mittheilung Hoffmanns 6) über eine Prag er Handschrift des XV. Jahrhunderts. Nach der Ueberschrift : ,Incipit ludus de cena domini' sollte man eine Behandlung des heil. Abendmahls erwarten : hier scheint aber (vergl. p. 244) zunächst das Gastmahl beim Pharisäer Simon
») Ein für sich stehendes Spiel der Art haben wir in §. 2 die- ses Cap. betrachtet.
. 2) Also wieder ein Uebersclireiten der Osterspielgrenze.
3) Vergl. p. 68 unten, p. 65. — Waren diese kleineren Spiele (mit Ausn. d. M. Kl.) wieder Trümmer älterer Passionsosterspiele? Man kann sich schwer denken, dass an einem Ort z. B. nur die Coena Domini als Gründonncrsstagsfeier scenisch behandelt ward , andre Tage der österlichen Festzeit solchen Schmuckes entriethen.
•*) Die C. Domini p. 25 ff. ; die depositio de cruce p. 36 ff. ; das ,Brüder8piel' p. 49—51. ^
5) Dies Motiv findet sich auch im Alsfelder Spiel nach Weigand bei Haupt "VII, p. 549. — Noch bemerke ich , dass in dem Stücke als Diener der Hohenpriester, der den Judas zum Verrath reizt, und zugleich wol den Spassmacher abgab, ein ,Pos8en8ack' auftritt.
6) Fundgr. H. p. 243.
Cap. n, §. 6. 119
Torgefiihrt lu sein *). — lieber den alten Kircheuritus zu St. Stephan in Wien ersehen wir aus Schlägers Mittheilung *), dass dort am Charfreitag Morgens nach der Predigt die Pas- sion, NachmiUags oder Abends ,die Personen um das heilige Grab' dai^ectellt wurden. Die Rolle des Erlösers scheint hier nur durch ein Cmcifix angedeutet, und die eigenthche Oster- feier sich auf das aus Marc, XVI gezogene Responsoriura (Tielleicht mit dem Wettlauf der Jünger nach Joh. XX) be- schränkt zu haben.
§. 6. Au»läifer des f»tfrspifU.
Die Verwirrung der Spieltradition , die wir im vorigen §. oft genug antrafen , deutet schon darauf hin , dass das Oster- t^eX im XVI. Jahrb., wo es scheinbar in reichster Entfal- tung auftritt, seinem V'erfall nahe war. Was die Kirchenre- formation auf diesem Felde nicht schon selbst als katholisches Spielwerk mit dem Mysterium des Glaubens beseitigte ^j, das ward von der Staatsgewalt auch im katliolischen Deutschlaud bald gans ausgerottet. Nachklänge halb-kirchlicher Passious- Otttrq[iiel« lassen sich auf protestantischem Boden noch bis gegen AnCs^ des XVII. Jahrb. verfolgen: in Berlin wur- den bis zum Verbot des Churfürsten Joachim Friedrich vom Jahre 1598 *) im , Häuschen am Dom* (also in nächster An- lehnung an das kirchliche Local) am Palmsonntag ''■ P-^
ÜAo BOM eben umehaen, du» dieses Ckuitmahl alt einr .\ti V urtptei da« Abeadauüils behandeli wurde.
S) Wiener Skissen aas dem HA. VI, p. 1 ff. Söhliger hat auch tiaam Test von 1600 vor tioh (elukbl — * Ueber einen viel << rti Wieoer Ritas viettationts sopulchri vecgL Fundgruben II, p. 344 N.-'t. iHa kindlich-Raivere WeUm. Spiel wuesie sich, wie wir sehen, owb «iwaa bewer auf preieateatisdiem Boden s« erhalten , and Hom ■kh »mek leicht uar tu poetiseher Einkleidnng der dogmatieobcn oder elMeehen Frteeipiett dee Prelseteiitisiiiiis verwertheu. >- Da« A > gen der Pasakm mit vertheiltea Beilen (im vorigen Jahrh. nacK i gel Kom. Lau IV. p. B mehHiieh, und wol nooh hier uad da Qbhch) bat io proUat. Kirchen doch aar muaikaüMhe Bedeutung.
4) Teff L die Vorrede ser nenen Auegabe von Ctmustlus Weihn. Spiel p. ft.— Oeaeaeree ftber diese Ausünfer noeh Osp. TU» | 2.
120 Cap. 11, %6.
sion, am grünen Donnerstag das Fusswaschen, die Sepultur am Charfreitag, das Laufender Jünger zu Ostern dargestellt. — Noch etwas länger hielten sich gelehrte Behandlungen des Stoffs : im Jahr 16C1 ward die ,Tragödie vom ungerechten Urtheil Pilati' im grauen Kloster, doch nicht ohne Strafe für den Subrector nach sich zu ziehen '), aufgeführt. — Nicht zur Auiführung bestimmt, sondern aus jener Abstufung geistli- chen Spiels zur Postille, die wir mehrfach sahen, erklärlich ist das 1617 zu Wittenberg gedruckte 2) Spectaculum pas-
sionis Jesu Christi das blutige Schauspiel des bittern
Leidens und Sterbens . . . , in 150 Predigten durch Mart. Bohemum. — Wie schon dieser Titel mehr Schul- als Kir- chen-Latein verräth, so klingen die We im arischen , Actus de capitali Christi judicio' und das , Drama de condemnatione Salvatoris' (Weimar 17G0) noch klassischer 3). — In den Niederlanden, wo latein. Bearbeitungen des Bethlehemiti- schen Mordes '^) mehrfach begegnen , ist dem analog der ,Christus patiens' des Hugo GrotiusS) als rein gelehrtes, sprachlich vielleicht sehr rühmliches Exercitium zu nennen. — Auf der andern Seite nur noch als poetisches Motiv gebraucht finden wir das Osterfest bekanntlich noch wieder im ersten Theile von Göthe's Faust, und auch neuester Zeit fehlt es nicht an Versuchen, den Reflex des Osterevangeliums in Ge- müthern . die eben auch nur die Botschaft hörten , mit dra- matischer Farbe auszuführen ^).
Etwas länger frisch hielt sich die Tradition des Passions- Osterspiels begreiflicherweise in katholischen Landen, wenn gleich auch hier seit dem XYIL Jahrb. es hauptsächlich nur
•) Vergl. daselbst.
'i) Phil. Wackernagel D. Kirchenlied I, p. 715. — Auch in ge- schmacklosen Opern musste sich die Passionsgeschichte im 17. Jahrb. missbrauchen lassen , wie ich aus der Erwähnung des ,8terbenden Je- sus' von Dcdekind bei Clarus (das Pass. Spiel in Ob. Ammergau p. 69, 70) noch ersehe.
^) Vergl. Haase das geistl. Schausp. p. 118, wo auch ein seltsa- mes Schälerspiel derart aus Arnstadt erwähnt wird.
4) Vergl. Weinhold W. Spiele p. 178, 186.
5) Vergl. Haasc p. 117.
*) Ich nenne den »Pontius Pilatus' von Th. Pyl , den ,Judas Ischa- rioth' von Y. Strauss.
C^u IT §. 6. 121
Ueiaere Ortacbaften und Durier lt- wo^on m sein scheinen, die das alte Gut fortpflanzten. Kil:< ni üralichen Wert bean- sprucht darch seinen streng-kirchlichen Cbaracter , der aber Ton dem des MA. schon wieder abweicht, ein aus Uerdin- gen i> mitgetheiltes Denkmal, aus dem ich zunächst Folgen- des mittheile. — Die Bezeichnung ist anfänglich : Ordo pro- oessionis in die para8ceae(8) >), und dieser Ordo lautet (mit einigen Abkürzungen) so :
1. Abraham cum gladio. 8. Christus bajulans crucem.
2. Filius Isaac com fasciculo. 9. Veronica cum strophido.
3. Caiplias cum magno lihrn. 10. Maria gladiata in pectore.
4. Pilatus cum gladio. 1 1 • Mar. Magd, et aliae Mar.
5. Judas cum sacculo, Diabo- cum instrum^ntis olei.
los com scaU. 13. Chorus cum musica.
6. Alii porteot . . . anna pas- 13. Corpus mortuum portatur
sionit. in feretro.
7. Angelas com calice.
In dem folgenden Text treten weit weniger Personen : nur Abraham mit dem Sohne, Veronica, die Mutter Gottes, .].., r^ r der Engel und die Kriegsknechte auf, die im Ordo iiv,^:. LLit unter N. 8. genannt sind — so dass es allerdings nahe liegt , an eine Unvollständigkeit des Textes zu denken 3). Betrachtet man aber den processionalen Character des Gan- zen, so länt sich schwer annehmen, dass von jeder Leidens- Station *) die bes. Handlung wirklich agirt ward — für ge- wöhnlich hatten wol nur die betr. Personen aus dem Zuge, vor der flet hsemane'Station also z. B. der Engel mit dem Keldi «ad der Salfmtor, rieUeicht auch Judas, eine stumme Mimik ra üben ') , während die Gesänge Veronika's , der
< Vrijfl Km Vier gmrii Spisle d«s XVII. Jahrb. Crefeld 1858 |.. 17 IH« S letstaa 84Aok« gebteea nach p. 11 in die Jahre
l*>71 l»''l . (las erst«, was «BS svüAehsi «aftht, iai vielleicht etwas
i ebsr den Aaadr. psussora« vergl. Ai! 11, 28,
») VefgL BfBia p. 11.
*) Ich d«aka mir die SUtio— a «twa au dar Aaaaarii maaw des Kirch* oder Klortarbofaa aagabraohi, AhnUcti aal das Krrasbeffs bat Booa der Kall ist
*> TMleiahi vnr a^h das nieki aiamal d> .»^ Mos eaaitar in «tatioBÜNM ooa Varowca.
122 Cap.II, §6.
Mutter Gottes und der Engel nur den allgemeinen Eindruck der Passionsgeschiclite auf das Cliristenherz wiederKpiegeln, nicht ohne vielfach •) aufs A. T. anzuspielen, ja selbst vor- wärts auf die Höllenfahrt 2) hinzudeuten. Wie aber im Ordo der Procession neben den Jüngerinnen des Herrn auch seine Feinde und Verfolger auftreten, so findet sich im Text eine Rolle der den Erlöser zur Kreuzigung drängenden Kriegs- knechte zur allgemeinen Andeutung aller Christo feindlichen Mächte. Jenes Wechselgespräch Abrahams und Isaaks nebst sich unfehlbar daran schliessenden Darbringung des Letzteren scheint als Pertiguration und Vorspiel der Haupthandlung am Hochaltar noch vor dem Auszug der Procession aus der Kirche vorgestellt zu sein , und ebendorthin zurückgekehrt spricht Abraham (als Vertreter der Gläubigen des alten wie neuen Bundes) dann jenen längeren , wol als Epilog 3) des Ganzen zu fassenden Monolog. Also auch hier poetisch-dog- matische Verflüchtigung des historischen StoflFes, wo die auf- tretenden Personen (mit Ausnahme etwa der Mutter Gottes) ebenso wieder zu Allegorien und Sinnbildern innerer Seelen- stimmungen geworden sind, wie einst die Symbolik des Kir- chencultus nur knospengleich hingewiesen auf den offener Darstellung noch zu heilig geachteten Schatz des historischen Christenthums.
Wie verschieden von jener ältesten Charfreitagsfeier, die sich fast auf stilles Gebet beschränkte 4), diese im Uerdinger Denk- mal vorliegende Processionsordnung, sicher nicht ohne äusse- res P'estgepränge. Wir erkennen darin wol mit Recht ^) einen Einfluss des erst im späteren MA. aufgebrachten Frohnleich- namfestes, das wie es dogmatisch seit dem Tridentiner Con-
•) Vorgl. namentlich p. 22.
') Vergl. p. 21 unten. — Hinweis auf die Auferstehung durfte fehlen, da sicher am Ostermorgen in der Kirche das Respons. aus Marc. XVI zur Anwendung kam.
3) Dafür spricht die Notiz (p. 18): Post reditura ante summum altare quando processio est finita. — Die Stellung gleich hinter das Vorspiel würde sich dadurch erklären , dass hier uud dort dieselbe Rolle (Abraham) gebraucht ward.
4) Vergl. Alt. II, p. 28.
5) In demselben CoUectaneenbande finden sich drei Frohnleich- namspiele.
Tftp. n. 5«. 123
dl ft'Stf-r Roeründot nnd recht eigentlich zum Fest des katho- lischen Glaubens geworden , so änsserlich durch buntes Schau- gepränge der Procession bald populär zu werden wusste. — Wol auch ins XVII. Jahrh. zurückreichend und im Ganzen auf guter Tradition ruhend, ist das vor einigen Jahren von Peter publicirte Passionsspiel aus Zuckmantel >), dessen Auflfuhrnng für die zweite Hälfte des vorigen Jahrh. bezeugt ist. Sie begann in der Pfarrkirche nach Anhöning einer heil. Messe: hier ward bis zum Urtheil des Pilatus gespielt Dann lOg Spielpersonal nebst Zuschauermenge in feierlicher Proces- sioD 2) nach dem Rochusberge, wo Kreuzigung, Tod und Grablegung vorgestellt wurde. — Die Beziehungen des alten Test sur Erlösongsgeschichte sind in einem Vorspiel kurz •ngedeotet Adam und Eva, der durch Lucifer's Neid be- wirkte Sfindenfall, Strafe und Verheissung der P>lösung wer- den nebst dem bekannten Wettstreit der Gerechtigkeit und Gnade hier vorgeführt. — Nach- einem längeren Prolog 3) beginnt die Hauptbandlung mit einer Juden-Scene welche das Unwesen der Vericäufer und Wechsler im Tempel zu Jerusa- lem nachbildet Jesus vertreibt die Händler, um sich aber bald nns wieder zu entziehen. Erst nach jener (hier etwas breit ausgeführten) Sitzung des Hohen Rathes in der sein Tod beschlossen und Judas als Verräther angeworben wird, ersebeint Jesus wieder, um von seiner Mutter Abschied zu ndiiBeo. Eine Situation die ohne directen Anschluss an bi- bliscbe Texte doch mit Wärme und Zartsinn ausgeführt ist. Es folgt Fusswaschung und Abendmahl, und der weitere Verlanf der Fusion in bekannter Weise. Arien sind mehr- fach eingelegt *) und auch längere lyrisch gefärbte Monolo-
•) Troppaocr Progrunaie von 1668 and 69. — Ani der Einteit. an STstsram bebe ieh die Motis Aber einen T von 1666, der noch lAager febrtachlich gewc»>
*) Darin vergleicht et «ich abo dem vongen tSpieL Den Tag
«Irr AtinTjhniiitr er». Iic ii ?i riirlif_
if de« Stück« treten kleinere prolog- ■r^ij(«- iiinaratungrn ucn cinxcinen ficencn voran.
*) Die Arisn beben «atwedei» die bec. Ilaitdlung (g. B. die OeiMe- hfan Christi) nach ihrer etliieeben Siobtnnf benrw, oiler «ind auch freietV BrgSMC, wie die ctwaa wnnderliclic Art« I.orirint p. 81 im 'Jtiii
Progruna.
124 Cap. n, §6.
ge. So die Klage des Petrus über seine Verläugiiung des Meisters und die noch schärfere des Judas (letztere in Alex- andrinern und im Styl der schlesischen Dichterschule). Selt- sam berührt es wenn wir die Anklage gegen Jesus vor An- naw, Herodes, Pilatus durch mehrere Procuratores (sc. der Juden) geführt sehen , da hier doch wohl eine Verirrung der Tradition vorliegt *). Der Text hat, wie einige dieser späteren Passionsspiele, den eigentlichen Kern der Osterspiel- tradition die Auferstehungsscene fallen lassen , nur im P^pilog wird noch darauf angespielt. Zu beachten bleibt, dass die- ser Wegfall auch das Schwinden jener Scenen die als Vor- spiel dazu in der vollständigen Osterspieltradition ihre feste Stellung hatten 2) mit sich führte.
Besonderer Pflege hatte sich das Passions-Osterspiel in Baiern zu erfreuen. Aus dem Ende des XVII. oder An- fang des XVIII. Jahrh. mag jene ,Tragoedia passionis', die von der churpfalz. - bairischen Hauptmarktpfarrkirche vor- gestellt wurde 3), sich erhalten haben. Im Laufe des vori- gen Jahrh. aber wurden nicht nur in der Hauptstadt, sondern auch in den kleinern Städten und Dörfern des Landes die Vorstellungen der Passion, die noch hinreichend bezeugt sind *), durch ein Zusammenwirken geistlicher Censur- und weltlicher Polizeimassregeln fast völlig beseitigt, so das selbst Oberammergau 5), wo mindestens seit dem dreissigjährigen Kriege <>) die meist nur alle 10 Jahre wiederholten Auffüh- rungen mit rühmlichem Ernst und Eifer betrieben wurden,
') Bekanntlich war Pilatus selbst römischer Procurator von Judäa.
2) Es waren dies die Erweckung des Lazarus und die Fusssal- bung Christi durch die sog. Maria Magdalena.
3) VergL den jüngsten Catalog von Ackermann (München 1870, N. 12.) p. 22.
*) Vergl. Clarus : Das Pass. Spiel in Ober-Ammergau (München 1860) p. 57 ff.
5) Uebcr das Passions-Osterspiel zu Ammergau sind in den letz- ten Decennien manche, z. Th. noch ausführlichere Mittheilungen ge- macht, doch wird in der schon genannten Schrift von Clani" h'I"" Wissenswerte mit genügender Gründlichkeit erörtert.
6) Clarus und Andere suchen ein noch höheres Alter der i'assi- onspielspäegc in Ammergau wahrscheinlich zu machen.
C«p. n, §6. 125
sich nur mit Mühe eine AusDahmestellnng erringen konnte. — Seine Einsetzung (oder Eruenerung) Terdankte das Spiel ei- ner im Jahre 1634 im Gefolge anderer Kriegsleiden ausge- brocheneu Pest, die nach dem Zeugniss einer Chronik >) zu dem Gelübde alle zehn Jalire die Passion zu spielen Veran- Ussiing gab. Geraume Zeit hindurch pflegte als eine Art V<n'^Ml der Passion, zwei Jahre Tor der Hauptauffübrung die togeoaDDte „Kreuzschnle^* Torgest^llt zu werden, worin Yerschiedeoe SooDen des alten Testamentes vorkamen, die ent^rechenden Zuge der Passionsgeschichte aber nur in le- benden Bildern angedeutet wurden '). Wir würden diese nKreuzschttle*' hier kaum zu erwähnen haben, wenn sie nicht obwohl selbst im Laufe der Zeit zurückgedrängt auf die Be- handlung des Passions- Osterspieles Einfiuss erlangt hätte. —
Der älteste Text der auf uns gekommen, ist aus dem Jahr 1662: dieser blieb trotz mancher Veränderungen bis tar Mitte des vorigen Jahrhunderts die Grundlage der Spicl- tradition. Um diese Zeit nun brachte der Pfarrer Rosner einen ganz umgearbeiteten Text auf, welcher durch einen Ueberfluss allegorischer Figuren den Einfluss der „Kreuz- schulc'* bekundet. Im Anfange dieses Jahrhunderts kam dann durch den Pfarrer Weiss eine dritte Rec. zu Stande, welche »ss die AUegorieen des Rosner'schen sondern
auch dit i. liivi^-Scenen des alten Textes wieder beseitigte, dafür aber eine bedeutende Anzahl lebender Bilder, vorbild- liche Scenen aus dem alten TeKtament darstellend, einführ- te»). Nach diesen allgr- - Andeutun !i ei- nige genauere Angaben i .iuss an < i^en. Ueber den alten Text dessen Plan p. 62—68 mitgctlieilt ist, branche ich nur zn sagen, dass er Mim Gastmahl in Bethanien im Anichloss an die gew' Osterspiel tmdi-
•) Ihc frtnluh um tiw» 80 Jahre jftager wt. (Vgl. Ckru^ y. j«. ) *) Dm BifiiiiMgw di«SM Bädm auf die Haapliiaiidfaaf wurdea
dorrb rioea 0— kachor erkürt.
>) K» Mt hier aber daa «mfekehrte VerhJUtniM twiffchen Haupi>
lumA*—- I Vigurtn ale in der ^trevsedial«*.
dcMeo Cafiiul V. ab«r die Text« dea Ober>AauBerfa««r
FeeaKiittiiicb p. 61 ff. (Eia Vorarimtor ron Weiss war P. Magnus).
126 Caj). Tl. §6.
tioii uuch mit der Scene in der Vorliölle ') bis zur Begegnung des Aufcrstandeuen mit Tbumas und den anderen Jüngern fortgeht. Im Jabre 1680 ward an 14 Stellen eine Einlage aus den Weilheimer Passionsspiel eingefügt. „Von nun an 2) erscheint nach dem Prologspreciier der Satan als eine unver- meidliche Zugabe mit seinen Versuchen, die Leute von der Aufmerksamkeit und Andacht abzuhalten. Dann tritt fünf Mal die Seele personificirt auf und hält mit einem Engel Zwiegespräche über das Leiden Christi. — Der Schluss des Spieles ist so eingerichtet : Christus steht, nachdem aufge- zogen worden, in der Mitte, in der rechten Hand ein vergol- detes Kreuz haltend. Ein Mitspieler hat ein grosses Buch wovon sieben Siegel herabhängen. Die 24 Aeltesten liegen auf ihrem Angesichte zu Boden. Der Passions-Genius erklärt diese Scene (Apokalypse) und die darauf folgende, in welcher die 24 Alten sich in aufrechter Stellung befinden, die einen mit Schalen , die anderen mit Trompeten , die dritten mit Harfen in den Händen. Der Plausus, der Passions-Genius, der Epilog und der Chor führen einen Gesang auf, in wel- chem männliche und weibliche Reime wechseln. — Es wurden fortwälirend Textveränderungen , oder, wie mau es hiess, Ver- besserungen vorgenommen. Dass solches durchweg von Geist- lichen des Klosters Ettal geschah, lassen die mancherlei la- teinischen Bemerkungen am Rande der Texthefte nicht wohl bezweifeln. Ungeachtet aller Veränderungen leuchtet bis 1740 der ursprüngliche Text von 1662 noch immer durch. In den Jahren 1740 — 50 verfasste der Benedictiner Pater, Ferdinand Rosner aus Ettal, einen ganz neuen gereimten Text, welcher fortan den Aufführungen zu Grunde gelegt ward. Anstatt eines Argumentators erscheint beim Beginne der Schutzgeist der Schaubühne mit sechs anderen Schutzgeistern, welche die Passionswerkzeuge in den Händen tragen. In jedena Acte gehen die dramatischen Vorstellungen der Leidensgeschichte, in welcher auch viele allegorische Personen verflochten sind (zum Beispiel Sünde, Neid, Geiz, Verzweifelung, ündank-
•) Hier al)er vor die Auferstehung gelegt. In der ILjlle erschei- nen Teufel, Adam u. Eva, Abraham, Isaak, Jakob u. Joh. Bapt 2) VergL Claras p. 61 ff., der hier meist wörtlich benutzt ist.
Cap. n, §6. 127
barkeit a. 8. w.) den plastischen Darstellungen der Vorbilder aitö dem altt-n Testamente voraus, die der Schutzgeist mit den Seinigen (auch damals schon „Chor"' genannt) mit Ge- sang einleitet und erklärt Der Leidens- folgt auch die Auf- erstehungsgeschichte bis ta den Soenen, worin der Heiland d«n Unglanben des Thomas überwindet Nach dem Tezt- boche Ton 1770 beginnt das Stück mit dem Auftreten des geniiis passtonis, welcher die Zuschauer über den Inhalt Ter- ständigt, und sie zur Aufmerksamkeit ermahnt. Von den 7 ^ folgenden ersten Actes zeigt die erste die
i ..Versammlung, worin Lncifer mit Sünde und
Tod hlagt, wie Christus, der Zerstörer ihres Reiclies
werden. Neid und Geiz werden abgesendet, Priest^rschaft und durch diesen Judam ge- .fzuhetzen. Dann verläuft die Passion in XI Aden, d«ren neunter mit Christi Höllenfahrt schliesst, der lehnte and elfte die Auferstehung mit den Erscheiuungen Christi vor den heiligen Frauen und Aposteln darstellt. Im elften wird anch die Bestechung der Grabeswächter ver- sncht — Die Textbücher von 1780 und 1700 unterscheiden ■ich von dem des Jahres 1770 nur durch Weglassnng des XJL Acte«. Den Beschluss der Passions-Vorstellungen in der hergebrachten mittelalterlichen Form machten die Aufführun- gen im Jahre 1800 und 1801^ —
Ueber den Cbaracter der seitdem üblich gewordenen %iielweiae ist oben bereits einiges angedeutet: die Teufel- ionien («oin nnch die Höllenfahrt gehört) sowie die Allego- rieen sind bis anf den Chor, welchem hauptsächlich die Er- klärung der lebenden Bilder ra£ült , beseitigt. Dieser allein ioasert steh noch in gebundener Rede während die Sprech- pnrtieen in Prosa aufgelöst sind. Die ganze Action zerlegt sich in 17 Handlungen *): sie beginnt mit dem Einzug Chri-
' li.ni'iUuiff 4111 |iOwn<l< 1 }(i)il au» il»ni
alt*!' . I tii< liMTi' . »<> iluü* liic (■• Hiiiijiiitcahl
dcriMltteo Jt ' un^' u)'< r il> ti '^{>i< Iptuii mt ii)'ri|{f<aa
die Hcbnft % >l. AitiiiK r>{. i'üi» >,]nl l-ylUf uock
tti»hr n crnj \.u ii n. h )•• «t. ).! .1^* ^j.n'l mi« 18 lUnitlsiitr-
128 Cap. II, $6.
8ti in JeruBalem und führt dann nach einigen Vorbereitunga- scenen (der Austreibung der Wechsler aus dem Temiiel , dem Beschluss des hohen Käthes Christum zu verderben, dem Gastmahl in Bethaniai), an Welches sich der Abschied Chri- sti von seiner Mutter in freierer Weise anknüpft''), und dem heil. Abendmahl) die Leidensgeschichte im Anschluss an die Evangelisten 3) , und die Auferstehung vor, letztere freilich in einer noch an die Effecthascherei des Rosnerschen Text- schlusses gemahnenden Weise *). Hier würde ein Zurückge- hen auf die ältere, echtere Tradition nicht schaden: Be- schränkung in den lebenden Bildern, die als ein artiges Bei- werk immerhin mögen geduldet werden, hat schon Holland befürwortet 5). — Meiner Ansicht nach würde eine künstle- rische Wirkung durch dieselben dann erst erreicht werden, wenn sie nicht mehr in bunter Wahl aus dem A. T. heraus- gegrifien, sondern so geordnet wären, dass sie in historischer Aufeinanderfolge vom Sündenfall an sich der Haupthandlung parallel zu entwickeln suchten. Als letztes Bild in der Reihe (vor der 17. Handlung, welche die Auferstehung vorführt) dürfte eine der jetzigen Geistesrichtung adäquate Ausführung jenes Motivs, das in der Spieltradition des MA. durch die Hüllenfahrt Christi vertreten war 6), am Platze sein - inso-
1) Hier nimmt Judas an der Verschwendung der koHinarin .^albe jenes verhängnissvoUc Aergeniiss, das schon bei den Evangelisten angedeutet, von der Spieltradition des Mittelalters mehrfach hervor- gehoben ward.
2) Doch ist dieser mit Recht kürzer als im Zuckmantier Spiel (II , 4 — 7) behandelt. Das Motiv überhaupt , obwol den Evangelien und der altern Spieltradition fremd, möchte ich nicht tadeln.
3) Nur das Ende des Judas , das der altem Spieltradition nur als eine der (hier sonst beseitigten) Teufelscenen inhärirt , unterbricht in störender Weise die Entwicklung der erhabnen Handlung.
4) Vergl. Clarus p. 155. — Dass Devrient von diesem Schluss nnbefriedigt geblieben, ist kein Wunder. Mit der Wiederaufnahme der Erscheinung des Auferstandenen vor Magdalena in der Rec. von 1860 (Clarus p. 164) ist schon der richtige Weg eingeschlagen.
*) Die Entwicklung des d. Theaters im MA. und das Ammer- gauer Pass. Spiel p. 51 ff., wo für die Redaction und Regie einige beachtenswerte Winke gegeben sind.
') Man würde eben nur die schon aus den frühern Bildeni be- kannten Vertreter des alten Bundes (Adam und Eva , Abraham u. s. w.)
Cap. II . S 6. 129
fern sich dadurch eine Vereinigung der alt- und neutesta- mentlichen Motive ongenningen erreichen liesse und würde das Wiedererscheinen Christi auf dem irdischen Schauplatze in der Schlusshandlung wol glücklicher als durch die jetzt üb- Uchen Bilder (Jonas im Walfisch und die Israeliten im Durch- gang durch das rothe Meer) vorbereitet werden.
Mit dem Wunsche dass dem Ammergauer Passions-Oster- ^el weiterer Bestund und wachsender Erfolg gesichert sein möge, achliesaen wir die Betrachtung des Ostercyclus über- haupt
Hier möge noch die Bemerkung anhangsweise sich an- scblieaBen, dass in den letzten Jahren auch zu Brixlegg im Unterinnthal in Tirol; eine Passionsspielaufführung ver- sucht ist Der Text steht dem Obfer-Ammergauer offenbar sehr nahe , ebenso verhalt es sich mit den Chorgesängen und benden Bildern: dagegen scheint in der Auffassung der inige Abweichung vorzukommen , und el)enso die ne selbst anders beschaffen zu sein. Ich verweise von regem Interesse zeugende Schriftcheu des Chor- ^ Her (Insbruck 1868) , worin auch einige Uebel- „ gerügt sind (vergl. p. 49, p. 75 — 80), die frei- lich zum Theil auch der Ammergauer Spieltradition anhän- gen. — Ob die Pflege des Passionsspiels zu Liesin g (in Oberkämten) sich bis auf unsere Tage erhalten hat, vermag b an« der kurzen Erwähnung bei Weinhold (W. Spiele p. 299) nicht zu ersehen: die Einführung eines Vorspieles, worin die Parabel vom guten Hirten dramatisirt ist, ist dort eine Variation (ür die sonst der jüngeren Passionsspielweiae geliofigtr« Verwertung alttettamentlicher Vorbilder.
fai «iacai DiamerUeht oagewiMcr Erwartung danuitcllen da« 4mnh die «twJil— d> ErselMiBanf de» AnfentaiuleDMi (■fl SMfadklUM Bad etwa «in«» Eagelgefolg«) in Tagesbelle so wsn- dda wir«, vWMeki bH eiacr Ueb«rtrag«iif des ^dvenüti detidera* tWlia' KVT maaikAliActim 1tr<rlcilun7.
Cup. III.
Cyclen des spätem Kirchenjahrs. § 1. Himmelfuhrt«piele.
Zunächst an Ostern schliesst sich das Fest der Himmel- fahrt Christi (Ascensio), und mehrfach ward als letzter Act mehrtägigen Passions - Osterspielen angefügt eine dramatische Ascensio. Die Spuren symbolischer Handlungen, die sich auch für dieses wie für das Pfingstfest auffinden lassen ';, konnten in ihrer roh mechanischen Natur dem dramatischen Festspiel fast nichts Brauchbares an die Hand geben; dieses griflf vielmehr (wie überhaupt die meisten in diesem Cap. zu betrachtenden Spiele) zu dem Ausweg, die Zuschauer theila durch dogmatische, theils ethische ^) Belehrung für das Unge- nügende einer sinnlichen Nachahmung transscendentaler Hand- lungen zu entschädigen. Für sich stehende Ascensionsspiele haben wir bisher zwei, nämlich zunächst den ,ludu8 ascensio- nis, bei Mone I, 254 ff. aus einer St. G aller Hs. des XV. Jahrb. 3). — Die Handl. ist, da die Evangelisten sich mit kürzester Andeutung begnügen 4), begreiflicherweise aus frühe- ren Lebensepisoden des Herrn reconstruirt , theilweise aber auch im römischen Sinne erfunden. So gleich der Anfang (y. 19 — 22), wo Jesus seine Mutter über den Schein der lich-
ij Vergl. Naogeorgus Regn. Papist. 1. 155.
2) Dogmatische Rieht, allein wird uns in den beiden ersten §§ dieses Cap. , ethische daneben bei den im letzten § behandelten Sta- cken entgegentreten.
3) Dieselbe Hs. enthält auch Marienklagen (cf. Mone I, 198) was für die Behandlungsweise zu beachten.
<) Cf. Marc. XVI, 19. Luc. XXIV, 51. Acta Ap. I, 9—11.
C»p. lU, S 1. 181
ten Engel begabt, go dass sie keinen Flecken bei all ihren Lebtagen tragen soll. — Die Thoniasscene war uns schuu mehrfach im Osterepiel begegnet. Die dann folgenden Ge- spräche des Herrn mit den Jüngern führt schon Mune auf die bes. Stellen der Vulgata zurück : Beachtung verdient na- mentUch die freie Variation von Mutth. XVI, 15 ff. (v. 153 ff.), indem L " ' t nur für den Herrn, soiulern auch
deiiCin >i ablegt, dass sie eine , Erlöserin aller
Weh' sei 1) — worauf St. Peter zum Lohne für sich ,und •eine Nachkommen' die bekannte Schlüsselgewalt erhält •). Nach Mariolatrie schmeckt dann wieder recht v. 212—223, während der Schluss (v. 226 ff., namentlich v. 232—37) poe- tiflch scliöner und reiner ist. Umfangreicher ist ein von Pichler Mit Tirol mitgetheiltes llimmelfahrtsspiel 3). — Ks beginnt mit einem prophetischen Vorspiel, indem David und Jeremias den Vorsteher der Synagoge von der Auferstehung Christi 'in aberzeugen suchen. Dann erscheint Christus selbst mit den Aposteln , und die Heilung des Blinden von Jericho *) wird hier eingelegt. Nun erscheint Maria ') und Johannes, erstere bittet m:' '"' ■ • ' — Sohne nun Ton der Erde scheiden zu dürfen: wird freilich nicht gewillfahrt, und
auch dr- : Begehren andrer Personen^) zurückgewie-
* s wieder Petri Einsetzung in 1 in ADBchluss an Joh >LXI,
I) Ktwftt hrtrhridnrr kliiifrt doch noch die ibuliche Stell« bei
Hcbüo<maon <M.-KL i:i'> ''' " • ■^•r «torbeodo Eriufcr seiu Mittler» MBt Mif dt« MutWr ü\j-
t) Kadi MatUi. XVi, i
>) Drum d»t MA. in l ff. — (»enmirr^ Mitüicilungeu
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rii Maria und ihr ' ; •int
M «abrechcmllch di« (wcU fllscblicb oft«r M»ria ^vu^^nl' Malier im Johsao«« nnd Jarobua — die hier »b«r ibrvn Niti..< .. • .«•- gvMbii aad lor Mutter d«« Jmatbtu unü i'büippuii Kvwurdaii (wrgl. p. U wtM). Im tinuMU lieft Matth. XI, 90 >
132 Cap. III, § 1.
13 ff. und Matth. XVIII, 21 ff. In ähnlicher Weise werden dann die andern Jünger ermahnt und bekräftigt '), zum Schluss wird auch hier Maria (p. 56 ff.) zur Verweserinn des lieiches der Barmherzigkeit bis zur Wiederkunft Christi zum Gericht eingesetzt, und sofort an einem Peccator, der sich an Maria wendet, die Macht ihrer Fürsprache gezeigt 2). — Wahrschein- lich spät eingelegt und recht entbehrlich ist die folgende Dop- pelscene, wo einerseits Christus mit seinen Jüngern noch ein- mal speist 3), andrerseits der Archisynagog *) die Seinen im jüdischen Glauben bestärkt. — Christi Abschied von den Sei- nen (mit freier Benutzung der Joh. XXI und Matth. XXVIII geschriebenen letzten Worte des Herrn) bildet nebst der Ver- kündigung von der Wiederkunft Christi (nach Acta I, 11) den Schluss des eigentlichen Himmelfahrtsspiels. — Petri Predigt (p. 61) ist doch sicher im Auschluss an Acta II, 14 ff. zu den- ken 5), und die Bekehrung des Archisynagog darauf scheint eine Variation für die ebendort v. 41 gemeldete Bekehrung der 3000 Seelen. Wir hätten hier also eine wenn auch dis- crete Benutzung des Pfingstevangeliums, da das Wunder die- ses idealsten aller christlichen Feste nicht durch Nachahmung profanirt wurde 6). — Interessant ist uns ferner der Abschied der Apostel von Maria, die den nach Christi letztem Gebot (cf. Matth. XXVIII, 19) sich aufmachenden Boten des Evan- geliums noch ihren Segen mitgiebt — zumal dieses Spielmo- tiv, die sog. ,Apostolorum dimisio' zweimal als Fortsetzung eines mehrtägigen Passionsüsterspieles erwähnt wird 7), und uns auch im Inbrucker Assumtionsspiele begegnen wird. — Mehr als Curiosum beachtenswert ist schliesslich noch fp. 62)
1) Die Behandlung ist hier natürlich freier.
2) Uebrigens erscheint hier die Marienverehrung in einem zarter- poetischen Lichte als im St. Galler Denkmal.
3) Wol nach Joh. XXI, 12 ff.
4) Im Text Archaesin agogos genannt.
5) Schon im prophetischen Vorspiel scheint die Rolle Davids nach Acta II, 25 ff. eingeführt zu sein.
') Eine »Spiritus sancti missio' (als vorletzte Scene eines erwei- terten Passions-Osterspiels) finde ich nur für Alsfeld bezeugt, vergl. Vilmar bei Haupt III, 478. (a. D. 1511). Man Hess dabei wahrschein- lich eine Taube im symbolischen Sinne fliegen.
') Vergl. Vilmar a. a. 0. — Einmal ist bloss »dimisio' geschrieben
das Herabetürzen des Diabolus (d. h. einer Teufelsfratze, die schliesslich Terbrannt wird), obgleich gerade hierin ein sym- bolitdier Act dea Kirchenritus >). die halb- humoristische Kehrseite des in den Kirchenhimmel hinaufgezogenen Chri- stasbildes erhalten ist. Dieser Act dürfte sich übrigens viel- leicht in früherer Rec. unmittelbar an die Auffahrtsscene (p. 60), die darch reiche musikalische Begleitung für das Ungenügende der Darstellung 2) entschädigen musste, a-^- - 't haben.
Eine weitere Ausschmückung der As' ~>|)ieltrad. ge-
wahrt das (in Cap. II, §. 6) schon kurz berührte siebente Tageweric des ron V^igil Raber redigirten Passionsosterspieles. Es zeigt ausser den bekannten Motiven noch die Wahl des Matthias (nach Acta I, 23 fi.) und die Abfassung des apostol. Symbols, iodem jeder der 12 Boten bei der Dimisio einen Satx des Credo promulgirt. In diesem letztem Zuge möchte ich auch nicht den eigenen Witz des Vigil Raber, aber eher Moe Entlehnung aus der Frohnlcichnamsspieltrad. (der wie wir sehen werden , solche Praeconisirung des Credo zukommt) erkennen, als mit Pichler annehmen , dass die Abschrift des al- ten Bandes hier mangelhait gewesen '). — Fassen wir den Character des Ascensionsspieles kurz zusammen, so ergiebt sich eine bei der Rohheit der kirchlichen Ritual- Symbolik und &tt Dörftigkeit direct benutzbarer Stellen der Vulgata natür- liche freief« Stellung, die sich einerseits in Anwendung auch ferner stehender Bibelstcllen, andrerseits durch eine dem rö- BiscbMi Dogma genehme Verschiebung biblischer Darstellung manifestirt <'
I) Vcffl. ssww Maofeoivm s. s. 0. aoeli Ali ChriitL Colt. U,
«•rmathch ward dt« Roll« d«« Salvstor p. 60 von «ioer an- ■iriiio»r «of dam ttiagschor befindbchsa Peraoa gerangcn , wihrend das BiU diehi davor ta dis Il6be gstofsa ward.
^ Am wsajgsitn dtrlU «ia BicksahlaM aa« jrDvr jadischM Ka|>«iia«rpr*difft (p. M, Mi di« ft^**« *> w«rd«n verdient, gesUt« t«t Mia • da auui «oiut aoeh •alspracheod jenem jAdiachen Pat«mo> •Icr (p. M «atea) da* elwiatlichs Oriciaal vanntsa«n wflH ' - alU Band Pichten aaa deai fltarrtigar Archiv gebort der Ifl«
dM XV. Jahrk., Rabtri Rsdactteti • lieo Uacentum J«« XVI. an.
*) Von der Aawa— ahait Mar «ler HinuneUahrt wistaa die
Ewpliataa abea Hiehli.
134 Cap. in, § 1.
Wenn schon in den AscensionsRpielen die Rolle Maria*8 80 bedeutend hervortrat, ßo dauf man sich wundern, wenn auch die vorgebliche Himmelfahrt der Maria •) selbst, die sog. ,A88umptio b. v. Mariae' dann und wann 2) ein Gegenstand dramatischer Festfeier wurde. Obwol das Fest erst auf den 15. August fällt, möchte ich doch das einzige Spiel dieser Art, das wir bis jetzt kennen, den Insbruckor Ludus de assumptione b. v. Mariae 3) doch gleich hier im Anschluss an die Ascensionsspiele behandeln. — Dafür spricht auch die An- lage des Stüches selbst, dessen organischer Anfang wir wol erst mit der Überschrift: Praedicator surgens intimat ludum (vor V. 767 des überlieferten Textes) vor uns haben. Der Prolog (des Praedicators) 4) zeigt hier wie auch sonst durch seine Vorausbeziehungen den Umfang des ursprünglichen Tex- tes an. Der Praedic. anknüpfend an Christi Himmelfahrt (v. 777 ff.) führt aus, wie Maria in stetem Gedächtniss an die Thaten und Leiden ihres göttlichen Sohnes die Stationen von der Taufe bis zur Himmelfahrt oft in andächtigem Gebet durchwandelt, dann aber einmal inbrünstig um das Wieder- sehn Christi gebeten habe. Gabriel habe ihr darauf unter Darbringung eines Wunderreises (das vor ihrer Bahre herzu- tragen sei) baldiges Abscheiden von der Erde verkündigt *) — Maria nun aber den Wunsch geäussert, auf Erden noch von ihren Brüdern , den Zwölfboten Abschied zu nehmen. So seien die Apostel betrübt aus allen Welttheilen gekommen, und hätten, nachdem Gott selbst schon die Seele abgeholt, den Leichnam feierlichst bestattet. Schliesslich wird noch des Empfangs Mariae durch die Engel und ihre Krönung durch Gott erwähnt. — Vergleichen wir hiermit unsern Text,
1) Die einzige Suhriflstelle , die man dafür scheinbar anfuhren könnte, ist Apokal. XII, 14 ff- Förmlich eingeführt ward das Assump- tionsfest auch erst durch das Aachener Concil (818) und nur im Abend- land angenommen. (Alt. II, 69).
2) So in dem letzten Spiel jener mnl. Heptalogie von den 7 Freuden Mariae, die freilich bis auf das erste Spiel verloren (vergl. Cap. I, § B).
8) Mitgetheilt von Mone Altd. Schausp. — Hs. von 1891.
«) Vergl. Mone'B Note.
5} Man erkennt leicht die freie Wiederbenutzung von Lac. I, 28 ff.
Cap- m. 5 1. 135
BO stimmt zunächst Alles: Maria beiet an den verschiedenen Stationen u. s. w. Nach dem Weggange des Engels linden wir eine Soene zwischen Muria und ihren Jungfrauen, denen SM ihr iMÜiM Ende Terkündet >)• Dies Stüch mochte dem Pfftadicalor der Erwähnung nicht wert scheinen , mag aber mach kscbt eingeschoben sein. Auch dass der Engel von der Dominica persona selbst entsendet (p. 48), zu ihr zurückkehrt (p. 52), befremdet nicht Die Heimberufung der Apostel nach Jemsalem ist mit unterschiedlichem Interesse behandelt: am Misföhrlichsten ist die Darstellung bei Johannes als dem Adop- ÜTBobae Maria's. Predigend über Apokal. XIV , 13 ff. (ßeati Bortni etc.) wird er von Gabriel berufen und hat (in Jenisa> lern) noch eine Unterredung mit Maria. Kürzer wird die Be- mfbng Fetri, Pauli und der andern Zwöifboten vorgeführt, ond nachdem Maria das kostbare Sterbekleid angelegt, folgt nun (ao^^eschmückt durch lat. Responsorien , die von Mone belegt sind) die Trenn ungsscene, wo schliesslich (p. 63) die AntBUt Manae durch Jesus aufgenommen wird. — Mone's dritter Act (v. 1555 ff.) bebandelt nun das feierliche Leichen- beg&ngpjw liaria's, das durch gehässige Feindseligkeit der Ju- den •nfiiiiglich gestört nur mit desto grösserem Glänze endet, da die Juden durch verschiedene Wunder (Erblindung dergl.) g«&obti(t md ihres Irrtbumt ttberftibrt werden. Es befrem- det doch sehr, dass von dieser eigentümlichen Färbung dea B^räbnittactes im Prolog des Praedicaior noch keine Spur •ich findet! Doch gehen wir zunächst weiter. In Mone's viertem Act (v. 2023 ff.) beg^net zunächst die Dominica pers. mit den Engeln zu Mariae Grab niedersteigend. Unter An- wendung von Cant Cant. II, 10 2) erfolgt die Auferwecknng llnria's, dann die Auffahrt durch die Chöre der Engel, mit vielfacher Anwendung des Hohenliedes. Die Trennung der Apostel, die sich daran schlieiat (p. 88, 80), ist bez. ihrer ur •pr&nglichen Zagehörigkeit zum Text mir verdächtig: die Worte Onbriel» davor (p. 87 unten) sehen fast als Umschrei- Irang «nee alten Schhuwipilngi aus, and enthalten roindoHtena keine Andentnng ton dem Inhalt der (unvollständig crbalt-
i| Alld. fkhawp. p. ftO &
T) Vcffl. Alld. gshsesp. 9. 77 Kote
136 Cap. III, § 1.
nen) fünften Handlung Mono's. Diese zeigt zunächst die Taufe eines heidnischen rex ') (nebst der regina): darauf den Feldzug dieses nun christlichen Königs gegen das castruni Judaeorum , der aber vorläufig mit einem durch die Juden be- unruhigten Rückzug endet 2). Wir lassen diese, wahrscheinlich durch Interpolationen letzter Hand 3) fast aus der ursprüngli- chen Richtung *) gebrachte Schlusshandlung hiermit fahren, und suchen nur für die ersten vier Handlungen nach den bereits ge- gebenen Winken, eine kritische Anschauung zu gewinnen. Fra- gen wir nach der kirchlichen Trad. für das Assumptionsfest, so liegt schon bei Gregor. Tur. 5) ein Zeugniss für die Berufung der Apostel nach Jerusalem, Heimholung der Seele Maria's durch Christus, Bestattung der Leiche durch die Apostel, Auferweckung wiederum desselben durch Christus vor. Weitere Ausbildung
I) Diese Rolle und damit die ganze fünfte Uandl. entzieht sich meines Erachtens sicherer Deutung. Mone (vergl. Altd. Schaasp. p. 20) erklärt den rex als Titus und bezeichnet als den verlornen Schlus« ,die P>oberung und Zerstörung Jerusalems'. — Eher Hesse sich wol noch an einen der Kreuzzüge denken.
') Ob der Redactor mit jenem ,Et cetera*, das er dem dentschen Text (p. 106) noch anhängt, nur in das Geleis seiner Vorlage zurück- lenkt, so dass diese für den 8chluss massgebend geblieben — oder wirklich hier enden wollte und jenes Et cetera nur schnörkelhaft sich anschloss, bleibt unklar.
3) Dahin rechne ich etwa die v. 2723—2088 breit, wenn auch nicht ohne Geschick ausgeführten Ermahnungen des Königs an die Seinen und die symbolische Andeutung der ihnen verliehenen Rüstung (p. 99 ff.) die dem geistlichen Verfasser Ehre macht. — Oder soll man mit Mone (cf. p. 174) nur kleinere Passagen (v. 2771 — 80; v. 2791 — 2801; 2858—62) als Interpolationen auffassen?
4) Diese kann doch wol nur die eines äusserlichen Kampfes ge- gen die Juden gewesen sein: in jenem ganzen Abschnitt, den Mone (p. 20) als 6. Auftr. der 5. Handl. nimmt, ist nun vielmehr das Wesen geistlichen Kampfes dargelegt.
5) De glor. mart. 1, 4. Cf. Alt Christi. Cult. II, 1. 69. — Die doppelte Apotheose Maria's, die namentlich in unserem Stück, wo man die Seele doch nicht ohne den Körper, und diesen nicht ohne die Seele gesehen haben wird, befremdet, erklärt sich wol aus dem allmählichen Anwachsen der Mariensage. Aeltere wirkliche Feier der Entschlafung Mariae (wie sie der oriental. Ritus gewahrt hat) be- gnügte sich mit der feierlichen Leichen-Bestattung durch die Apostel, nachdem die Seele vom göttlichen Sohne heimgeholt war.
Tan. ni. 5 1. 137
dieser altkirchliciieii Trad. isi vorläofig zur Genüge aus je- ner Predigt ,Ton der schidunge der bymelkonig^nne', die Mone gleichfalls mittbeilt >), ersichtlich. Hier findet sich 3) Andeu- tang jeaee ttglicbeD Besuches der Stationen, Erwähnung der Sendung Gabriels und Andres, doch auch hier Nichts von ei- ner Störung des Leichenbegängnisses durch die Juden. Alles darauf Bezügliche in der dritten Handl. Maria's wird uns also doppelt als jüngere Zutbat Terdächtigt, da sich auch im Pro- log des Praedicators kein Hinweis darauf fand — während die ganze zweite, Anfang der dritten und ein grösserer Theil der vierten Handl. sich auf relativ ältere kirchl. Tradition zu- rückführen lassen und sich auch leicht zu einem harmonischen Garnen herstellen Hessen. Jünger und fremdartiger ist auch die erste Handlung, deren Hauptbestand eine Apostolorum dimisio (Trennung der Apostel von einander und von Mana 3), Predigt unter den Heiden, und Taufe der Heiden ^)) bildet, welche in der letzten Scene der vierten Handl. kurz wieder- holt ^j. zu einer Art Rahmen für das Assumptionsspiel gewor- deii «lie Dimisio in der ersten Handlung ist eine Pro-
Bolgirung des Credos durch die 12 Apostel (darunter Paulus) geeefaoben: ein Zug, der wol hier wie in Rabers Ascensions- spiel der Frohnleicbnamsspieltrad. entlehnt sein dürfte. Den Anfang der vorliegeoden Reo. (v. 1—56) bildet schliesslich ein (jüngerer Prnlrtg i\^» PrÄPcar«/^r. in wrl^hnm dnnn auch die
•) AIlü 'h die Iloinilic p. 162. ff.
*) AU k *>^r. Tradition werden n»-
meotltrk 8t. BvrBlMrd .\u(ru<tinat, Hiero»
nymau «. aiidire anifefu:..
S) Hmt ist di« J>imiiio* (kircblich gefeiert am 16. Juli; alt Vor* f^«l der AaeaaBplicmifeier verwandt, wie tonet ala Nacheptel de« A«- neaalffiM eelbet de« Pa«rioBe>Oetenpielc«.
*) In de« auch hier ecbon feindlich' n
JwdewoUea (v. 678 — 664} erkennt man In i.
der die Ehiiechtanf der Jaden in die dritte i '«•)UandL, »o-
wie die Toriage der flnfUa Handl. berr4hr<
■Mk meiner Anaielit ane dem Kern der jei/ (dodi mH Aaenabme de« noch jiagcr- varioraaen SeUnae, walciMr Otttarw< den darflellea mncfcta, beaftndMt ka)
») tMe Spietordam« m SaUs»- »1») eaUekat diraoi aM dm Sdün*
138 Cap. ITI, § 2.
jttogereu Elemente des Spiels berücksichtigt werden. Darnach würde uns das ganze Stück ein von jüngeren Theilen sowohl eingeralirates, als (in der dritten Handl.) durchwaohsenes, gleichwol auf rel. iiltkinlilicher Trad. ruhendes Deiiktnul liei- Bsen dürfen.
§ 2- VrohnleirhnaniMpJcle.
Das Festum Corporis Christi mit seinen Festspielen, durfte ob auch zwischen das Ascensions- und Assumptionsfest >) fal- lend, die Betrachtung jener Beiden so nahe verwaudten nicht unterbrechen. Das EigenthUmliche des Theophorienfestes (denn so heisst es auch) 2) Hegt nur darin, das es einer histo- rischen oder quasi- historischen (legendarischen) Ableitung ent- rathend wesentlich zur Stärkung und Präconisirung des im Transsubstantiationsdogma so zu sagen krystallisirten catholi- schen Glaubens bestimmt ist. Eine Anknüpfung an das hi- storische Christenthum fehlt allerdings nicht: schon die Wahl des Wochentages deutet den Bezug des Frohnleichnamfestes zum grünen Donnerstag an. Während aber an jenem Tage der Leidenswoche die historische Feier Coena Domini nur eine ernst- wehmütige sein konnte 3) , sollte die am neunten Donnerstage darauf dem dogmatischen Sinn jener Coena ge- widmet« Feier zunächst den Sieg und Triumph des in den Gnadenmitteln der Kirche immer neu sich mittheilenden Ag- nus Dei, dann aber auch die geheiligte Autorität der Kirche selbst in fröhlichem Festschmuck erheben *). Demgemäss ward nicht nur ein würdiges, poetisch-schwungvolles Offiz für die eigentlich kirchliche Feier 5), sondern auch eine reiche Processionsordnung mit kostbarem Schaugepränge zur Aus-
•) Auf den Uonneretag der Trinitatisfestoctave. Zuerst durch päpstliche Bulle eingeführt 1264 , erneuert 1317. (Vergl. Alt II, 57 ff).
*) Von dem feierlichen Umhertragen des Venerabile,
3) Vergl. die Worte der Einsetzungrsbulle bei Alt II, 68.
*) Vergl. die Worte des Tridenter Concils bei Alt a. a. O.
■*) Herrührend von Thomas von Aquino, glänzend besonders durch den H. 4*^^^^ lingua gloriosi' und die Sequenz ,Lauda Sion salvatorem*.
Cftp. ni. % 2. 139
st«aer gegeben. An diese Processionsform schloss sich bei der im späteren MA. immer lebhafteren Neigung des geistli- ehen Spiels sur öffentlichen Darstellung hier zunächst die drmmatiftche Festfeier an — doch ist die Grenze zwischen Proressionsordnang. Ludas, Declomatio hier eben so schwan- kend, wie in den älteren Spielkreisen zwischen kirchlichem Officium oder Ordo und geistlichem Ludus. — Das älteste Denkmal dieser Art ist ein von Mone cdirtes Insbrucker*) ▼OD klar verständiger Anlage, wie es auch zur Ueberschrift bsisst: Ludus utilis ad devotionem simplicium. Die weiteren Worte der Spielordnung ^) machen es zweifelhaft, ob unser Stück während der Procession oder nach derselben zur Auf- führung kam — engster Bezug zwischen dem Rollenbestand bei beiden Theilen der F'estfeier 3) ist aber sicher. Trotz der gerühmten Einfachheit zeigt der Text auch hier schon ältere aod jüngere Theile: im gegebenen Text verläuft die Hand- lang so, dasB zunächst Adam und Eva eine Art Prolog über die gnadenvolle Ankunft des Erlösers sprechen, dann folgen 13 Propheten des alten, 12 Apostel des neuen Rundes, um- schichttg dort messianische Wetssagnngen *) , hier das in 1 2 Sitte serlefts apostolische Symbol verkündend. Noch folgt Joh. Baptista mit dem Eoce Agnus Dei, das Kleeblatt der beil. 3 Könige mit der bekannten mystischen Auslegung ihres Opfert, und schliesslich der beil. Vater der kath. Christenheit^ der mit eineB noch nicht auf Infallibiiität fussenden Lehrvor- trage dfts Stick bescbliesst ^;. Die für das Frohnleichnamspiel characteristische Rolle des Papa ist freilich für die Auffas- 9um$ dm jstngea Textet wichtig <) und auch geschickt angs-
•) Au« lirrt H' »'TJ i.i'M, ilif auch diu (»"Hr^ju»-! , un«l «i«» im Tonffro § iHtpr^K-hen«" AMutni»tinTi»»[». rnthält.
1) prrnfi-rKlm »In* rorfionn Chhtjii vel iiifm fn-Urat. AI» i-igcnt- h. Irr IdV.jI' '!•■« tu'!'!« wir<l dkiiti ,<l<? fide katholics' angegvl>^n.
>I>Rnirn Jk-i der KettprooeMion } ' Ml II. 890).
' '>rt)hyrnniMi (Ihci irse
. Mt«,
—— tiisii Mf dM VwfcattaiM 4cf «Itrn um! tuucn ••^H«!« vos Adam maA Chnstas «ia.
140 Cap. m, S 2.
bracht, insofern hier alle P'äden wieder vereint und ans Al- tarsacramcnt angeknüpft werden , doch gehört sie schwerlich zum ältesten Bestand des Stückes '). Zu diesem rechne ich nur die Rollen der 12 Apostel und etwa noch die auf das Agnus Dei (hier im Venerabille repräsentirt) hinwei- sende Joh. Baptistarolle. Die Zwölfboten sind für die dog- matische Feier der Coena Domini hier ebenso berechtigt wie bei der historischen Erinnerungsfeier am grünen Donnerstage, und entsprechend der beiden Festtagen gemeinsamen Epistel von der Einsetzung des Altarsacraments, wird hier nur im Namen der gläubigen Kirche durch Apostelmund mit dem Be- kenntniss zum Vater, Sohn und Geist geantwortet. Alles An- dre, das diesem Hauptstück zur Seite stehende prophetische Vorspiel 2), die heil. Königstrias und die Ureltern der Mensch- heit 3) sind hier ebenso Entlehnungen aus andern Spielweisen, wie das dramatisirte Credo von hier in andre Cyclen überging. Bedeutend reicher und umfänglicher ist das Künzels- auer Spiel vom Jahr 1479, vielfach umredigirt und erwei- tert *). Als Kern des Ganzen ist hier nun wiederum das Insbrucker Spiel, das sich abgesehn vom Eingang (v. 1 — 56) und mit einiger Variation des Schlusstheils von 543 an wie- derfindet ^). — An Stelle nämlich jenes kurzen Eingangs aus dem A. T. ist hier eine reiche Draperie von Spielmotiven aus dem A. und N. T. getreten. Nach einem Prolog des Rector processionis zunächst der Abfall Lucifers, Schöpfung der Welt, Verführung des Menschen, Kain und Abel, Noah , Abraham und Isaac. — Mit Mose beginnt ein zweiter Theil^), worin noch Josua, David und Goliath auftreten , auch Salomons Ur- theil, die Litigatio sororum (der Barmherzigkeit und Gerech-
') Man erwäge nur die Bedenken, die selbst einem Priester ent- stehen mochten, die Rolle des h. Vaters zu agiren.
2) Wir sehen dies ursprünglich wol dem Weihn.-Spiel besonders zusagende Element auch mehrfach in andern Cyclen angewandt.
3) Schon die gemeinsame Anwendung des Cant. triumphale be- legt den Zusammenhang dieses Spielelements mit der HöUenfahrts- trad. der Osterspiele.
4) Vergl. Germania IV, 338 ff. — Mittheilung von Herrn. Werner.
5) Vergl. p. 354 ft'.
*) In secunda staccionf )■ 17 — Das Spiel scheint hier also ganz in die Procession aufgenommen zu sein.
Cap. ra, § 2. 141
tigkeit *y, eine Prophetenscene (Jesaias, Jeremias, Daniel) fin- det sieb noch mh dam »' ' t., während aus dem Neuen noch die Weüuutchtqiieltr hineingezogen >). — In der
dritten Station tritt xnnächst Job. Bapt. auf, woran sich wei- Im« Vorq^ielsmotiTe der Ost* «lition knüpfen, die Lei-
dtBtgeechicbte ist in der Vc:...^. kurz, breiter in Zusätzen behandelt, die Kreuzigung sogar nur symbolisch dargestellt 3). Noch folgt eine H^lenfahrt und Auferstehung, beide ziemlich treu der Osterspieltrad. folgend. Auf dies in drei Stationen lerfallende Vorspiel und den mit dem Insbrucker Ludus stim- ■Mnden Kern des Stacks ist noch in verschiedenen Anhängen ein Hacbqpiel gepflanzt, im Ganzen wiederum jünger als das VwapieL Dfthin gehören zunächst einige Vertreter der Legen- dengeecbicbte *), eine Streitscene zwischen der Sinagoga und dem Rector proc., dann die Parabel von den zehn Jungfrauen, der Antichrist und sein Untergang 5), das Weltgericht ^), und auch bico- tun SohloM eine Rede des Papste, der im Ins-
I Sccne ist hier gans junger Zusatz, rergl p. 349.
*} L<-i>«>r die Breite der Behandlung vcrgl. p. 367. BcHchtung Tcrdirnt, da«* auch hier die Anhetan? der Könige, die Klucbt Ju- aepka «sd der Kinden- ~^ 'irc erscheinen vergli-
dMB mit d*-r Atib<>tuiir tn-s Racholec des Kin*
dem !r 1 Marien der t)tter-
•|pi«itr«tiiiiuM.
S) Durch daa n i)uo salus
mandi pepcadtt* Tor)(csU:UU: truciUA, (über iii< ' hw
IMtaff Abtteha Adoratio cruris ~ dax Krctu wi; i ren-
dca PrMBsAar aadi jaa«n W- eki^t, TergL Alt II,
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142 Cap. m, § 2.
brucker Spiel im Allgemeinen älinlicb. — Ohne jene dog- matische Festfeior, wie sie übereinbtimmeud im Iiiubrucker und Künzelsauer Spiel vorlag, über noch mehr bisturische Motive aufnehmend i), ist die Zerbster Processionsordnung für's Frohnleicbnanisfest als Beispiel einer gau/ volksthümli- chen Wandelung (die einzelnen Bilderrollen fielen den städti- schen Zünften, dem Kath und den geistlichen Brüderschaften der Stadt zu) dieser ursprünglich 80 abstraet dogmatischen Spieltradition von Interesse.
Freiere Formen der Frohnleichnamsspiele zeigen drei Denkmäler aus Uerdingeu -), den Jahren 1671, 1682 und 1691 gehörig. Die erste zugleich dem Lobe der heil. Anna 3) gewidmet ist unvollständig erhalten. Ich gebe zunächst eine Uebersicht der Rollen. — Den Prolog (in 10 lat. Hexame- tern) *) spricht ein Angelus, dann tritt Sara mit ihrem Söhn- chen Isaak auf, wird aber vom Angelus unterbrochen, der das Opfer Melchisedeks als ein Vorbild des h. Altarsacraments er- wähnt. Nun spricht wieder Sara, und glaubt sich als das starke Weib , nach welchem der Prolog gefragt , namentlich dadurch erweisen zu können, dass sie in hohem Alter noch Isaak geboren: dieser selbst mahnt aber die Mutter zur Be- scheidenheit, und der Angelus wiederholt die lat. Frage nach dem starken Weibe. Nun treten Jahel und Debora auf: doch müssen auch sie zurück treten. — Samuels Mutter Anna und
I) Namentlich ist hier die Legende (im Fesizuge hinter die Dar- siellougen aus dem N. T. und vor das Weltgerichtsbild mit der Zehn- jangfrauenparabel , welche den Schiuss bilden , gelegt) stark ausgezo- gen. Bestand gleich der ganze Festzug nur aus lebenden Bildern, denen der Text der Us. (diese stammt aus dem Jahre 1507, mitge- theilt von Sintenis bei Haupt II, 278 f., überschrieben als : Ein Spruch von Deutung und Erklärung der Figuren die in der Procession ge- hen am Donnerstag in der h. Pfingstwoche) nur Dollmetscherdien«t leistet, so findet sich doch mehrfach z. B. p. 267 oben eine Art von Handlang angedeutet.
3) Mitgetheilt von Rein: Vier geistliche Spiele des 17. Jahrh. p. 23 ff.
3) Der Mutter Maria' s.
*) Es wird darin im Styl sibyllinischer Orakel eine angebliche Frage Salomons nach dem Heldenweibe (mulier fortis) mit pomphaf- ter Breite ausgeführt.
Cap. m, S 2. 14S
DmTids Motter (letztere mit dem die Harfe spieleuden Kna- ben) treten Tor: noch zuversichtlicher Simsons Mutter mit dem Recken selbst. Der Engel ist noch nicht zufrieden. Die Mutter des Elias mit dem Propheten , Judith mit ihrer Magd werdoi schwerlich mehr Gnade gefunden haben , doch bricht der Text hier ab i). — Man erkennt leicht in der Erwähnung Makliiiedeks zu Anfang und der von Sara c. Jsaak verscho- beaen Gruppe Abraham c laaak Elemente der strengeren Fn^leichnAmafeier : der verlorene Schluss mag noch einige mtht gebolen haben. Auch von den sonst auftretenden Per- ■oneo mögen etliche, namentlich David, EUias auch schon früher dem Fetteoge angehört haben, ehe durch die Coinciden/ des FrohnleichnanH and St Annen-Tages >) jenes Hervortreten weiblicher liollen, das jetzt vorliegt, begründet ward.
Schon das Tridenter Coucil 3) hatte die neuautorisirle Frohnleichnamsfeier mit zur Bekehrung der Ketzer angeord- net, lo sehen wir denn auch das zweite (allein vollständig eriuUtn«) (Verdinger Stück als geistliches K.-- ' 1 für den
katboliicben GUuben auftreten *), Die anspi. Analyse,
die der Kircbenhistoriker Uase in seiner geschichtlichen Ue- b«nicbt über da« geiatl. Schausp. p. 165 ff. mittheilt, mag auch hier, etwms gekürzt, Platz finden.
Der kath. Glaube ist durch verschiedene allegor. Perso- MB, der protettantitcfae vomebmlich durch den Häreticus Tertiwten. Ein Engel als Prolop ■'-' "ulet, wie Christus ge- warnt bat vor den falschen 1'. .. (Es werden Oalvin and Lotber nun als solche namhaft gemacht) — Der Haere- licoa, ein einfäitiger Tropf, dem's im Kopfe luthert und cal-
I) Ob die b. Ann» ali MAria'i Motter, oder Maris lelbit all Christi HnittT a. Auch in letzterem FsU war di« b.
Abu fe*bri gcttog.
S) Oeber die «hraaoL Sehwierifkeit diassr Coincideac vergl. B«ta p. U Anm. 35.
S| üeM. IS. « 6k de EmUuh i^** (Mcleeke) sdvtrMrii in
■—■pirtM UbU »pltmAon» «t ia uau «aiv. EccL Uetilia pont« vel debtliUti «i fracti labecea»' ^"^ ','id<tf€ affecti ei oomhuu aliqvMido r— ipiacaat
*) Zum spafaMiaeallaB fttnuUjael df PralMlantaii war<i Jakrb. MMhHhMh da* Ysiiiihtiptsl
144 Cap. ril, $ 2.
Yint, disputirt mit der Catholica über die KircheDlebre von der Wandelung der Hostie in den Leib des Gottmenschen. Christus hat uns gelehrt zu beten: Vaterunser, der du bist im Himmel. Was sagst denn du Papist, er sei bei euch im Sacrament? — Dagegen findet sich leicht Hilfe bei Gottes Allmacht und Allgegenwart. Als die protest. Parthei schon beginnt matt zu werden, flüstert Spiritus familiaris, der böse Geist ihr zu: Gebt Ihr euch so bald gefangen? — Da er mit der h. Schrift Nichts ausgerichtet, will er's nun mit den fünf Sinnen versuchen. Doch plötzlich weiss der Häreticus nichts mehr vorzubringen, er bekehrt sich eiligst mit den Seinen, und während durch die Erscheinung von zwei verdammten Seelen, welche die Zeit der Busse versäumt haben, die Be- deutung dieser Umkehr noch anschaulicher gemacht, wird er- weist die Catholica, dass nie ein Papst vom Evangelium ab- gefallen und ausser der römischen Kirche kein Heil sei. Der Haereticus, nun als Doctor poenitens katholisch eifrig, be- ginnt zuletzt im Marktschreierton 'j sich über sich selbst lu- stig zu machen als Meister in allen Facultäten, der als Doc- tor der Medicin seinen Patienten rasch davonhelfe u. s. w. *). Noch fragmentarischer wie das erste ist nun das dritte Uerdinger Denkmal 3) (jenem sonst in der Richtung etwas ähnlich) überliefert. Es dreht sich nämlich ausser um das Theophorienfest auch um das Lob der heil. Magdalena und des Apostels Petrus, doch erkennen wir nur noch die Bezie- hung auf erstere. Die Anlage scheint aus der Teufelsscenen- ökonomie des Osterspiels entlehnt: Lucifer beruft im Anfang seine Knechte, damit sie ihre Thaten rühmen mögen: statt Satan, Beizebub u. s. w. werden hier die 7 Hauptsünden ein- geführt sein. Wir hören nur die Superbia sich der hoffarti- gen Magdalena rühmen *) : mit der Überschrift ,Avaritia'
t) Und in einem an's Holländische streifenden niederrheinischen Dialect.
2) Der Epilog versichert noch, dass es zu Uerdingen viele ,bÖ8e Leute' gäbe, denen eine Umkehr Not thue. — An einer Antwort protestantischerseits mag es damals aach nicht gefehlt haben.
3) Bei Rein p. 60 ff.
*) Auch über die geckischen aus Frankreich importirten Kleider- moden spricht sich Superbia rühmend aus. (p. 62).
Cap. m, § 3. 145
bricht der Text ab. Die Betrachtung dieser letzten Bei- spiele 1; wird es hinreichend rechtfertigen, dass wir die Frohn- leicboaiiM^iele für sich hinstellten — nicht etwa bei der na- hen Beaehimg de» Festes selbst zum grünen Donnerstag 2), mit dem Cap. II. verbanden.
§ S. Aatidwist- mmi Wrltj;erickts.spiflf.
Der mit unsenn Gebiet einigermassen vertraute Leser wird hier zunächst Erörterung jenes bekannten Tegernseer Lu- dnt (paschalis) de adventu et interitu Antichristi 3) erwarten, deti«n Besprechung ich oben beim Osterspiel *) abgelehnt habe. Doch auch hier denke ich nur den Standpunct, den wir jenem merkwürdigen Denkmal gegenüber einnehmen, zu akizziren — nicht aber alle der Erklärung noch widerstre- bende Seiten desselben in Angrifif zu nehmen, da bei der et- was Tereinxelten Stellung des für sich selbst interessanten StSckes wine Bedeutung für die allgemeine Entwicklungsge- schichte des geistL Spiels, die uns hier obliegt, massig ist Zunächst also c-i •■ Analyse, die ich bei Haase in pas-
sender Form TOI ... >. Streit der Gentilitas und der Syn- ago^, dann der Auftritt der Hauptpersonen (Ecclesia umge- be! Ton Jostitia und Misericordia ; Pater Apostolicus ^) mit s.
I) AoMerdem wäre etwa noch der in Mone*t Ikd. Archiv II, p. 906 mitc'^ ■' " h für die Fr- ' Frt>liiiIcichnam»proc, zu
erwtbnf ich »uf den S.. da« Verhör üher die
Gefallenen UUi dem Kagtl ni, der sie dtma mm Eden vertreibt) und die .\arhncht Pichler* (p. 70) dast nsa SU Botsen am Krohul.-Kert der Si<ic der Kirche iber ihre Feind« durch St. Oeorgt Drachonkampf lionbüdUch feiert«.
t) So ward in der That au I robnl.>Fett die Paaeion
■firt, t. B. in Fretbnrf. (Tcrgl Mm a Ita.i. Archiv II, 204 und die •ae Job. Paoli bei Waekem. Lil. (ieich. p. 312 entlehnte Stelle).
S) Bei iVi CbM. Aaeodoi. nov. T. II. Par« III, p. 186 ff. aai ei- Mr n. 1 . Xllt Jahrb.
Cap. IL I I. (8chlius)b
>) i>M g«M(L Bchaaqp. p. 37 ff.
•) Isl BasM^ Dsalsaf di«M>r Rolle aof den Pap«! richtig, so Htimo wir htor dsa bssalnUiasa Aatef jta« ia dsa (ehroaoL epft* terro) W ■■«^l»t«U^lit*« — ^*y^^l»«i breller aiufrefBIiitcB Papatrolten.
Im
14(5 Cap. in, § 3.
Clerus, Imperator Roraanorum unü >cr8chiedene Könige) bil- den eine Art Vorspiel: die Handlung selbst verläuft dann in folgender Weise ')• i^^ei* Kaiser sendet Botschaft an die Kö- nige, um ihre Unterwerfung zu fordern, sich berufend auf sein historisches Recht:
Sicut scripta tradunt historiographorum, Totus mundus fuerat fiscus Romanorum etc. Der König von Frankreich mit trotziger Entgegnung dass ihm vielmehr das Kaiserthum zukomme, entschliesst sich erst nach einer verlornen Schlacht des Kaisers Vasall zu sein: die Könige von Jerusalem und Griechenland erkennen willig seine Oberge- yr&lL ,Cum jam tota Ecclesia subdita sit imperio Romano' erhebt sich mit der Gentilitas der König von Babylon, um das Chri- stenthum in seinem Geburtslande zu vernichten. Der König von Jerusalem sendet nm Hilfe an den Kaiser, der alsbald mit seinem Heere kommt, und nach Ueberwindung Babylons Krone und Scepter niederlegt im Tempel des Herrn.
Nun aber versammeln sich zu Jerusalem die Heuchler, unter dem Schein der Demut die Gunst der Laien zu erlan- gen suchend. In ihrer Mitte der Antichrist, einen Panzer un- ter den Flügeln, zu seiner Rechten dio^Scheinheiligkeit, zu seiner Linken die Ketzerei. Die Heuchler begrüssen ihn mit dem Rufe : die' Kirche hat sich der Eitelkeit hingegeben, Gott liebt nicht die weltlichen Prälaten. — Auf die Gunst der Laien trauend, errichten sie seinen Thron im Tempel, aus welchem die Kirche, geschmäht und zerschlagen, sich zurück- zieht zum Sitz des apostol. Vaters. Der Antichrist will das Alte abschaffen, ein neues Recht weisen: er sendet Boten an die Könige, dass die ganze Welt ihm, dem aus der Schrift Verheissenen , als ihrem Herrn huldige. Die Könige knieen vor ihm, er schreibt den Anfangsbuchstaben seines Namens auf ihre Stirn. Den König der Deutschen hofft er durch Ge- schenke zu gewinnen, denn unvorsichtig wäre es, mit dem ,furor Teutonicus* einen Kampf zu wagen. Der König durch- schaut die Täuschung: darauf kommt es zum Kampf und das antichristliche Heer wird geschlagen. Jetzt greift es der An-
1) Die von Haase gemachten zwei Abtheilungen des Stücks sind im Text nicht begründet.
Cap. m, S 3. 147
tichrist anders an: er heilt einen Gelähmten, einen Aussätzi- gen und erweckt einen Scheintodten , wodurch auch die Deut- schen bewogen sind ihn anzuerkennen. Durch sie besiegt er den König von Babylon , der Sjnag«^ erscheint er als der wahre MeMJas, und seine Weltherrschaft reicht weiter als das Ge- biet der Eccleda. Nachdem auch das Auftreten von Enoch nnd Elias dazu gedient, die Synagoge zum Glauben an den Gekreuzigten zu bekehren, und den Märtyrertod leiden zu lassen, scheint das Reich des Antichrist fest gegründet. Alle Könige kommen ihn anzubeten. Frieden verheisst er der ganzen Welt Da erhebt sich ein Geräusch über seinem Haupt: Er ttörzt zusammen, die Scheinheiligen entfliehn, die Andern kehren zum Glauben zurück; die erlöste Kirche singt ein Hallelojah* i).
Das Stück, 1721 im Thesaurus von Pez publicirt, blieb wol längere !iteii ganz unrersUindlicn. Der älteste Erklärungs- TertDch den ich kenne, der von Engelhard im Erlanger Oster- programm Ton 1831 kann vom Standpunct, den wir jetzt ein- nehmen ans betrachtet, wenig befriedigen 2). Doch ward um diflM Zeit ein Interesse (Br das seltsame Stück auch im Aus- land rege: Herr Jubinal 3) war witzig genug, im Antichrist den römischen Papst zu erkennen, und noch 1852 ward (doch wol auf jene Autorität) in einer Bonner Dissertation *) ge- schrieben, (ludus) imperatoris celebrat laudes, pontificem yero Aotiehristi persona induit*. Da war es doch besser, das Stück als ein sdion oft genug besprochenes bei Seite zu lassen S), oder sich im Wesentlichen mit einer Uebersicht zu begnügen,
I) Csife Asodenuigsa fmeUi Kürzuncrenl dci Ausdnu-ks Bcliie« tt«i MI eh hier xweckmiMif.
S) Der fcWhrt« Tbeolog, Kaum nu< <i kadc« Meh heraawsgead, wetM p. 18 du i
war »Ü Ooeihe't JBpimni4m Krwachen* xu vcrgltucbcti. — Diu i» doMellMa Jahr «rMÜsseas Sdtfili Kogter*! : De Werinhero, erwihni «Mar Slfick kaoai, pmkwrif itm da« Krklüning venacbt wir«. Bei FIAffel (Korn. Liter. IT, 9B6) ist aalftriir? > • -» • viel tu flu- dies. Ihe AariehUa Q§aHkmn «ad KrafaiBK lingelhard p.
12 aactifibH.
*) T. I^ T> r^\. Hmm p. 27 Anm ).
*) De ftrtie iMBieM apvd Oenaaao« init 'VittenhftU'^
*) VerfL Fmdfinr n 341 Anm j
10«
148
c»p. m, s a
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L
wie einst 0. Freitag i), neuerdings ausser Haase 2) auch Hol- land •*) und lieidt •*) getlmn.
Am leichtesten der Erklärung zugänglich sind die kirch- lichen Elemente unseres Spiels. Fassen wir die Stellen des N. T., wo vom Antichrist gesprochen wird oder wo derselbe gemeint zu sein scheint 5), zusammen, so ergiebt sich Folgen- des als älteste Quelle der spätem Traditionen. Der Wider- cbrist wird seinem Wesen nach von Johannes nur als ein Nicht- bekenner Christi und Verführer gezeichnet. Ist nun der von I^auluÄ-als ,Mensch der Sünde und Kind des Verderbens' ge- zeichnete dieselbe Person, so heisst es vom Antichrist, dass er sich überhebt über Alles, das Gott oder Gottesdienst heisst, dass er sich in den Tempel Gottes setzt und vorgiebt selbst Gott zu sein. Zuletzt werde ihn der Herr umbringen mit dem Geist seines Mundes , nachdem er viele durch Kräfte der Lüge, Zeichen und Wunder verführt habe. — Hören wir endlich die ApokalypsCj so werden die zwei Zeugen, welche Macht habere den Himmel zu verscbliessen , streiten mit dem Thier aus dem Abgrunde und von diesem getödtet werden (Cap. XL). Von einem andern Thier sagt Apokal. XIH, 16, dass es Al- len, Kleinen und Grossen, Reichen und Armen ein Malzei- chen an ihre rechte Hand oder die Stirn geben werde. Cap. XVI, 13 wird von drei Boten des falschen Propheten berich- tet, die Wunder thun und zu den Königen auf Erden gehn werden , sie zu versammeln in den Streit auf jenen grossen Tag Gottes. Cap. XIX, 20 wird als das Ende des Thiers wie des falschen Propheten verkündet, dass sie lebendig in den
') De initiis scenicae poesis apud Germ. p. 43 ff.
*) Auf einige von H. in den Noten gegebene Erklärungswinke komme ich noch zurück. Wenn aber p. 26 unten noch dem Mönch Wemher von Tegernsee das Stück zugeschrieben wird, so verweise ich auf die seitdem von Feifalik über die drei Tegemseer Wcrnhere und die schon fragliche Beziehung des Mönches Wemher auf unser Stück gemachten Bemerkungen. (Des Priesters Wemher Driu liet von der Maget p. XVII, p. XIX).
3) Altd. Dicht, in Baiern p. 612.
4) Das geistl. Schausp. des MA. in Deutschi. p. 37.
5) Vergl. I. Joh. IV, 3; II. Joh. 7. — II. Thessalon. II, 3 ff. — Apokal. c. XI bis XIX. — Auch einige Stellen des A. T., namentlich der Proph. Daniel und Jesaias werden mitunter auf den Antichrist bezogen.
Cap. m, S 3. 149
feorigen Schwefelsee geworfen werden. — Diese wenn auch ähnlichen, doch wol etwas onterschiedenen Vorstellungen wur- den Ton dem christl. Alterthum bald rereint auf den Antichrist angewendet und mit weiteren Ausschmückungen versehen. Be- sonders wichtig ist die schon im Erang. Nicod. c. V. gegebene Andeutung, dass Enoch und Elias jene künftigen Bekiimpfer des Antichhst sein sollen, also jenen beiden Zeugen (Ap()k. XI.) / gleichgesetzt werden >). Ich kann die Ausbreitung der kirchli- ohei wie poetischen Antichrist-Literatur nicht weiter verfolgen 2), nur flioe interessante, von Grimm (.Myth. 773) bcsprochne (_^ iingnliirhwsrhr Homilie sei noch erwähnt, wo es heisst, dass adi der Antichrist nicht nur über n ' lie, son-
dern aach höber als alle heidnischen <> ules und
ApoUo, Dhor nnd Eordhen (Thor nnd Odhinn) schätze, •0 dass er allein stärker als ihre Gesammtheit zu sein glaube 3). Ehe wir nun an der Hand dieser kirchlichen Quol- len eine theilweise Erläuterung unseres Tegernseer Ludus ver- •ocben , sei noch ein Seitenblick auf ein bei Marriott *) mitge- theiltet mitteleogl. Myster. , Antichrist* erlaubt, das wenn auch •iober jftagerMi Alters als jener und mit der altkirchlichen Trad. kecker umspringend (wie es scheint) ^) doch durch die FembaJtung weltlich-historischer und dogmatisch-polemischer BesSge Uditer Terständlich ist. Das Stück eröffnet der An- tichrist mit 10 adüechtgebauten (meist leoninischen) Metren, deren ^n in einem längern engl. Monolog C) weitläufig
1) Aetter and berechtigter mmg wol die Hcrbciziihung dca Elia« als die dm Eaoeh eein. Enterer konnte bei seiner Macht aber Re- gn ead Dirr«, die neh im oriental. V " ' ' pflanzte (Tergt Grimms Myth. 157, Vt; 77. Apokal. XI, 6 eriaaem: entfeni'
rieht der Hrn.. daaa er von O^t ^
gen Elu *ibar. J^- da« A.'Cl : /
bekannt. iAi^hJ. ! - ' ■ '-umm-,.
■) D»€ 'i •' '■■■■■ '• wol von gerr
(■adi Grimm n<>:>l<< li> r • : : l her: die aiti
tanamen wiren in kirrbluhrn (^plten wentK(*r anfTällig.
*) C«UacCioa of Engltah Miracie pbyt p. 16 ff.
>| Wta waii «tva jfiagart ktrohl. Quellen auf die Behandl. ein» gawirkt, variohirt tUk hier ksam m «ntermcbaB.
•) Im WaiterB Alles angL, aar dia U«b««schriftea dar 4 Kteig*- reOsa lat gefMst
150 Cap. m, § 3.
wiederholt wird. Vier Könige (zunächst ohne Bezug auf be- Btimmte Länder) werden von ihm aufgefordert an ihn als Messias zu glauben. Er weckt zum Zeichen seiner Macht zwei Todte auf, giebt dann selbst scheinbar den Geist auf und wird von den Königen in ein Grab gelegt werden, das im Tempel bereit ist >). Nachdem Antichrist gesund wieder aufgestanden empfängt er der Könige Huldigung, der nun den Thron besteigt, sich als Herrn und Gott proclamirt, und die Könige mit der Lombardei , Dänemark und Ungarn, Pon- tus und Italien, den Letzten mit Rom belehnt. — Nun tre- ten Enoch und Elias zuerst mit einem Gebet an den wahren Gott auf, worin sie das Einschreiten seiner strafenden Gerech- tigkeit fordern. Nach kurzem Wortwechsel mit den Königen treten sie dem Antichrist mit hartem Vorwurf gegenüber: er heisst ihren Glaubenseifer Heuchelei und weist auf seine Macht und Stärke, beruft auch einen seiner Diener, der als jDocter' bezeichnet wird, der kurz und gut seinem Herrn räth die Feinde kalt zu machen. Doch erst nach langem Disputi- ren 2) , und als durch kräftige Wunder des Enoch und Elias die Könige zum Abfall vom Antichrist gebracht sind, ent- schliesst sich dieser jene Zeugen sowie die Könige umzubrin- gen. (Here Antichristus kills them p. 35.) Nun erscheint St. Michael und verkündet dem A.-Christ, dass seine Stunde gekommen: dieser ruft Dämonen zur Hilfe, die aber nur noch den Leichnam fortbringen dürfen: Enoch und Elias werden vom Erzengel unter Lobgesang des Chors in den Himmel geleitet. — Versuchen wir nach dieser scheinbaren Abschweifung 3) eine einigermassen richtige Auffassung unsers Tegernseer Spiels zu gewinnen.
>) Offenbar dasselbe sepulchnim , das beim kirchlichen OsterofHz als Grab Christi gebraucht wurde. Die betrügerische Nachahmung der Thaten Christi wird von diesem engl. Antichrist auf die Spitze getrieben, (vergl. auch p. 22 oben).
*) Ob etwa durch Interpolationen der Text in die Breite gezo- gen, hann hier nicht untersucht werden.
') Allzuviel gewinnt man freilich durch Herbeiziehung solcher nur entfernt verwandter Behandlungen nicht. — Das zum Zerrbild der kirckl. Sage gewordene Yasnachtspiel vom Entechrist (bei Keller II, N. 68) lasse ich ganz bei Seite.
Cap. m, § 3. 151
Wir haben in unserer bisherigen Darstellung das geistli- che Spiel immer im Ansciiluss an kirchliche f'estrituale ent- springen sehen: hier scheint nun die Sache anders zu liegen, und die Bez. Ludus paschalis ist mehr zur Verwirrung als Auflcläning geeignet, da der Inhalt zum Osterfest in keiner natürlichen Verbindung steht. Erinnern wir uns aber jenes Benedictbeurer ^V ' - '>. und der am Schluss desselben an- gedeuteten Ant; 1), die uns dort zwar als spätere Einschaltung, aber doch nicht als fremdartige Zuthat, vielmehr als eine wol c' ' ' •> Weiterfiihrung des Conflicts christ- licher und widt : her Elemente, den wir dort wahrnah- men, ober die natürlichen Grenzen des Vl^eihn. Spiels hinaus erschien. Ein s Verhältniss zeigt auch schon die SchluBspartie dt.. .. lu Freisinger Denkmals 2;: die dort in wenigen Hauptzügen gegebene Darstellung des Kindermordes (Ton mir aus dem Text geschieden) sahen wir im zweiten Freinnger Stück nun als Hauptvorwurf der Handlung mit noch erkennbaren Bezügen auf jenen Vonersuch 3) in reich- licher Breite aosgeführt.
Bei der nahen Lage und der auch sonst bezeugton liter. Verbindung der beiden Klöster Ben.-Beuern und Tegernsee *) befremdet es wol ebenso wenig, dass ein im Ben.-Beurer Weibnachtspiel enthaltener Vorrersuch in Tegernsee, wol auch mit Benutzung der Motive des Ben.-Beur. Weihn.-Vorspi« Is, und mit weiterer Heranziehung der beiderorts bekannten kirch- Jicbeo Quellen in selbststiuidiger Weise behandelt und nun als one Art Fortaetxnng des Ben.-Beurer Weihn. Spiels am nächsten hohen Feste, also so Ostern zur Aufführung kam >). Uebeitrinstimmung mit den f > 'iven des Ben.-Beurer W.-
SfHels scheint auch darin zu ^ , dass der jenes Stück so bestimmt durchziehende Gegensatz des prophetischen, wie des
I) B«i 8cluB«U«r (Um. B«i.) p. 94.
s) Bei Weiaboia W. Spisto p. 61.
S) YergL dM laosadim meus. p. 61 und 64.
«) Ifli iL I das Osp. n Isralea wir «ta Bea.>Bpnm--Tegenuieer Ortewplai kmmn.
i) Im «imr Zrii wo d«a eifvntUcbe UtienpiL. :..... nidit ntr «olkn BalMtmf ftkoaunea wmr, d«Hle aol«^ Vcnrendang eines ÜMMüdis fltoffw wMUcw ksAmdsB*
152 Ca].. III, § 3.
historischen Christenthuras gegen den Standpunct der Syna- goge erst im Tegernseer Spiel dadurcli zu völlig befriedigen- dem Abschluss gelangt, dass die durch Enoch und Elias be- kehrte Synagoge selbst den Zeugentod für das wahre Chri- stentbum stirbt. Wenn dieser uns fast überraschende Zug nach freier Variation der kirchl. üeberlieferung aussieht, so erscheint im Uebrigen die älteste Trad., wie sie schon das N. T. an die Hand giebt, hier reinlicher gewahrt als in jenem engl. Antichrist, der namentlich durch jene barocke Nachäf- fung des Todes und der Auferstehung Christi sich schlecht verdient macht. Zu den Hypocritae finden wir im engl. A.- Christ kaum eine Spur J): Andeutung dieser Kolle findet sich dagegen in der Ben.-Beurer Schlussscene, wie auch hier schon die Keime zu jener Hereinziehung weltlich-zeitgeschichtlichen Stofi'es zu liegen scheinen ^), die wir, wenn uns auch sichere Deutung noch fehlt, doch im Tegernseer Spiele in reicherem Masse wahrnehmen. Immerhin bleibt noch hier der kirchli- che Standpunct unverleugnet, dem Alles Andre (ähnlich etwa wie in der sog. Kaiserchronik) sich unterordnet 3). — Zur Vergleichung mit diesem Antichristludus wäre sehr wünschens- wert die Bekanntmachung eines wie es scheint vielfach ähn- lich behandelten allegorischen Drama's, das ein gewisser Con- radus Schyrensis (d. h. von Scheiem) verfasst hat, und sich gleichfalls jetzt auf der Münchner Bibl. befindet "*). Da dieser Kourad um 1240 ,geblüht' haben soll (um das ,äoruit* Engelhards zu verdeutschen), so wäre das vielleicht ein Grund mehr, das Antichristspiel nicht in die Zeit Friedrichs des Ei- sten , sondern des Zweiten zu setzen 5).
*) Wenn man nicht jenen merkwürdigen ,Docter' dahin rechnen will.
2) Vergl. Carm. Bur. p. 94 unten (N. 62). — Auch die vier Kö- nige des engl. Spieles sind zu beachten.
3) Richtiger als Hase in dem witzelnden Schluss seiner Anm. 38 (p. 27) bezeichnet wol Wackernagtl (Lit. Gesch. p. 302 oben) den Cha- racter des Stückes.
*) Erste Kunde nebst einem uuriii<;en Frubchcii gab l'tiz im Thes. I, p. XXX, etwas genauere Auskunft (noch nach einer Mittheilung Docens?) gab Engelhard im Erlanger Osterprogr. von 1831 zum Schluss.
&) Dieser Ansicht war auch Ilaase gewesen, der sie aber (p. 26 Anm.) vielleicht vorschnell fallen lässt.
Cap. in, § 3. 153
OiucKiirber als jene Bestimmung iur (uis Osterfest, die
das Tegernseer AntichriBtspiel erfuhr, scheint die Verbindung
des Antichrist- nnd Weltgerichtspieles in Frankfurt, die wir
' r Notii bei Fichard ersehen '), womit wir nun zu
'' tgerichtspielai fiborgehen. — Als erstes Beispiel der Art behandeln wir aber jenes Mühlhänser, ursprünglich V.'"' "t Eisenacher Spiel*) von den 10 Jungfrauen, das -jw 1 durch die enge Verbindung, in der bei Matth. XXV. die Parabel Ton den 5 klugen und 5 thörichten Jungfrauen mit der prophetischen Schilderung des Weltgerichtes steht, wie auch durch die Aehnlichkeit in der dramat. Behandlung iieider Stoffe wol verdient (in sofern seine Grundlage wahr- h in die erste Hälfte des 14. Jahrh. hinabreicht) hier WS Lc Urgang zu den eigentlichen Spielen vom jüngsten Ge- richt zu dienen, deren Pflege erst mit dem 15. Jahrh. scheint aafgekomroen zu sein. Uebrigens besitzen wir jetzt zwei Re- oeoaioDen des Ludus de X virginibus, die ich zunächst beide ikinurwi will. Die Mühlhäuser, zuerst von Stephan 3), später von L. Bt^chstein *) publicirte Reo. gehe voran. Im Anschluss an Matth. XXV, V. 6 — 12 hören wir hier (nach einem kurzem Ein- gang, der nicht unpassend an die Parabel vom Gastmahl &) aaspielt) zunächst eine Engelsbotschalt, die zur Wachsamkeit mahnt: die Pnidentee stimmen das Responsorium , Emende- moi in melius, die Fatnae dagegen das ,Tabularer si nescies* an, und entfernen sich dann unter fröhlichem Cborreigen naeb etnem andern Platz, offenbar der Nähe ihrer 5 Bet-
i> Krmxikfurl. Archiv UI, 186.
S) Schoa imog9 wvnt« man voo dem nu Juhr<- 1322 zu Kiaeiuch
aai|ir*l%lni«a Spiel von d«a 10 Jongl^., von dun >lu« C itrotnkun Sampetr.
i '•: -■ it« ChRNiik das Job. Rothe n. andr» alt« QiMUeo berichten.
>««• 6lufn!cfrntnireo für ditt daalaelM Geaeh. Uefl 2.
«) Wartt bei Pfeffer) Band L — Dort sind
o rlir a!- .lir da« Eiw chw Spiel mitgetheilt. In
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164 Cap. III, § 3.
Schwestern überdrüssig. Diese beginnen nach einer Weile ihr Respons. ,Bcati eritis si vos oderint homines'. — Während des halten die Fatuae ein Gelage, fahren dann aber mit ei- nem ,Surgite vigilemus' auf, und suchen nun doch für das Ende besorgt werdend Oel bei den Prudentes zu borgen. Diese antworten mit v. 9. des Vulgatatextes: interessant ist nun die ofiFenbare Anlehnung des versuchten Oelkaufes der Fatuae an den Gang der 3 Plauen zum Salbenhändler in der Oster- spieltradition '). Während so die Fatuae sich zu spät um- sehen, erscheint die Dominica persona, beruft mit dem ,Veni electa mea' die Prudentes, welche Maria ihrerseits mit dem »Transite ad me omnes' empfängt und mit himmlischen Kro- nen schmückt. Die Prudentes sprechen ihren Dank aus, und (so sagt die Spielordnung) Dominica persona habet magnum convivium. — Auch die Fatuae suchen nun Zutritt zu haben, ihnen wird mit v. 12 des bibl. Textes geantwortet. Bis hier- her war engerer Anschluss an die biblische Parabel 2): als Erweiterung kommt nun zunächst die Anrufung Maria's durch die Fatuae, dann Fürbitte jener bei dem himmlischen Rich- ter, der aber bei dem gegebenen Urtheil bleibt, zumal als die Teufel jene strenge Gerechtigkeit (von der sie selbst so schwer getroffen) auch gegen die Menschen verlangen. Nach- dem auch eine zweite Fürbitte Maria's vergeblich gewesen 3)^ werden zuletzt die Fatuae in Ketten durch die Schaaren der Zuschauer von den Teufeln geschleppt, Klagen anstimmend, die schon durch ihre rythmische Form auffallend, dadurch noch merkwürdiger sind, dass sie freie Variation und Fort- bildung einer rythmisch gleichgebauten Schlussstrophe der Trierer Marienklage zu sein scheinen *) — Die andre, der
1) Für diesen Passus sind Bechsteins Nachweise ungenügend. Wir kennen das ,Omnipotens pater altissime* schon aus dem Wolfen- büttler Ludus de n. paschae (Schönemann p. 151), sehen in dem ,Sed eamus oleum emere' eine Variation von ,Sed eamus unguentum emere* (Fundgr. II, p. 274) nnd kennen den ,ver8tärkenden Ausnif Heu quan- tus est noster dolor — eben auch aus dem Osterspiel (z. B. bei Schöne- mann p. 153 unten).
2) Weiter reicht auch die bekannte lat. altfranzösische Dramatisi- rung (bei Du Meril p. 233) nicht.
3) Wir kommen auf diesen Schlusstheil noch genauer zurück. *) VergL Fundgr. II, 272 (15—19) und hier p. 30—32.
Cap. III, S 3. 155
Heimjit nach oberhessische Rec. ward tod M. Rieger >) bekannt gemacht Während die Mühlhäuser an lat Hymnen, Bfl^Mnaorien o. s. w. reich war, entbehrt diese zweite Rec. sogar der lat Spielordnung fast ganz. Jene so passende Verwendung von Luc. XIV, 16 zum Eingänge fehlt hier: da- für findet sich eine seltsame Berufung auf den heil Augusti- not, alt ob d<»i die letzte Quelle des Beispiels von den 10 Joogfr. ZV «neben. Der weitere Verlauf bis zum Erscheinen de« himmlischen Bräutigans stimmt im Ganzen zum Mühlhäu- ■er Text, der hier nur einige kleinere und grössere Zusätze er&bren hat, die in ziemlich geschickter Weise namentlich das weltliche Treiben der thörichten Jungfrauen lebendiger forfthreo >): ron dramstascher Wirkung ist namentlich jenes enevls sorglose Treiben der Thörichten als sie meinen, daas es zor Reue nan wol zu spät sei (t. 215 — 250). Auch ist im Nicbstibigeoden (bis znm Eüngreifen der Teufel in die Hand- lang) des Verhältniss beider Recens. ziemlich klar: Riegers Text neigt anch hier zn Erweiterungen ^): nur ein- oder zwei- mal (so nsdi ▼. 880) sind einige Verse, welche die Thüringer Rec. bietet , ausgefallen. Rieger sackt hier freilich den Thür. Text der Erweiterung zn zeihen , doch liegt dessen Schuld nur :i einer fehlerhaften Angabe der Spielordn., die p. 22 unter den Fatome gleich soersi die Seconda *) Fat reden lässt, was denn auf p. 38 die störende Doppelrolle der Quarta Fat mit sieh brachte. — Die kritische Hauptfrage beginnt aber p. 24 snien (Beehstein) mit jenem Auftreten Lndfers, das wie die ganze TeoMsoene (bis p. 26 oben) in Riegen Text fehlt nnd nur durch ein k&neres Stfidc, erneute Bitte der Fatuae um Fttrspraebe bei Maria nnd deren Entschluss ihnen zu willfah-
I) OmtmmiM X, 811&
') Et ist bei der T«nrsadttelMft der tbflrichten Jongfrmara mit i Chsr. Mafdaltae'« vor ihrsr Bekebreag ■■beftrfiiili«ih, wenn wir
(▼«gl hkr T. 108. 104 sptil AMUdmr Pfesi. 8p. bei Bsapt UI, 494, t. 0.84.)
>} T. 981—868 in «ia die erwaeheade Bmm der Thteicbt«i wei- ur MMAkrrader tmmit
«) Dot eadOT» Test b«fiaal die ZiUasf riekUf aÜ der erste a
156 Cap. III, § 3.
ren, ersetzt wird. Daran scheint sich nun jene Fürbitte Ma- ria's, die auch Bechstein p. 26 bietet, bestens anzuschliessen. — Alles Folgende stimmt wieder so ziemlich in beiden Tex- ten, mit dem Eintrit der epischen Langzeilen finden wir sogar die lat. Spielordnung Bechsteins im Riegerschen Texte wört- lich wieder. — Wie verhält es sich nun mit jener Teufels- scene, die Rieger als fremdartig und die Einheit der Hand- lung störend brandmarkt. Ich leugne nicht, dass sie in einer nicht mehr sicher erschliessbaren , vielleicht rein lat. Vorlage gefehlt haben mag, und wie fast alle Teufeleien im geistl. Spiel als Entlehnung aus der Osterspieltradition anzusehen ist, auch an einigen Wiederholungen und Unebenheiten leiden mag — doch wie verschwinden diese Kleinigkeiten gegenüber dem trefflichen Dienst, den Lucifers Rechtsklage der Oekono- mie des ganzen Stücks leistet ')! Mir scheint diese Scene weit minder entbehrlich, als jene zweite Angehung Maria's durch die Thörichten ja diese letztere Scene erscheint noch eher gerechtfertigt in Verbindung mit jener Anklage, wie denn auch Freybe mit Recht beide Spielmotive in seine Ue- bersetztnng aufgenommen hat. Fasst man die ganze üeber- lieferung ins Auge 2), so scheint jenes Fehlen der Teufelscene wol durch Wiederbeseitigung eines misliebig gewordenen Mo- tivs erklärlich, wie uns ein ähnlicher Fall im Niederhessischen W^eihnachtsspiel allerdings etwas deutlicher vorgelegen 3); nicht zu übersehen ist auch , dass die hessische Rec, ohne die Be- stimmung eines Bussfestes Eindruck zu erhöhen, am Cantate- sonntag 1428 zur AuflFührung kam 4).
1) Nicht nur erscheint das Verdammungs-Urtheil motivierter, wenn die Schuld der Thörichten auch den Teufeln zur Last lallt, son- dern der Abschluss des Ganzen ist weit ergreifender wenn die Teu- fel an den verdammten Seelen ein persönliches Rachegefühl ausüben dürfen. In Riegcr's Text sind die Teufel ledig Schergenrollen.
2) Ausser dem Alter der Handschriften, der Beschaffenheit der Spielordnung, ist auch die Sprache selbst in Betracht zu ziehen: diese weist auch in liiegers Text nach Thüringen hin.
3) Dort (vergl. Cap. I. § 5) konnte ich mit K. Schröder überein- stimmen.
4) Für das Eisenacher Spiel, das wir vorläufig mit Bechsteins Text gleichsetzen, ist die Aufführung im Anschluss an den Busstag der Predigermönche (Miaericordias Domini) 1322 bezeugt.
C»p, m, % 3. 167
Von den Weltgericht-Spielen , deren Pflege namentlich im südlichen De::* -^'— ^ - -' r erwähnt ist, ward bisher nur ein Beispiel i piel vom jüngsten Tag aus Rhei-
nau bei Schaff hausen i), aus dem Jahr 1467. Das Stück besteht so zu sagen aus drei Theilen. Aus einem mehr episch gehaltenen Vorspiel 2), dann aus einer dramatischen Behandlung von Matth. XXV, 31 ff. als dem Kern des Gän- sen *), und einer etwas freier gehaltenen Erweiterung, die •icb dem Abschluss des Spiels von den zehn Jungfrauen ver- gleichen lässt Denn auch hier legt Maria Fürbitte für die nten Seelen ein, und auf den strengen Bescheid des V. .. ... üter« kommen auch hier die Teufel selbst hervor, ihre
Beute in Empfang zn nehmen. Welcher Tag zur Aufführung des Stücks diente, ist ungewiss, da das Evangelium des 23. Sonntags nach Pfingsten, (Matth. XXIV 15 ff.) nicht gerade den Text unseres Spieles bildet — andererseits aber die An- spielung auf den Jahreswechsel, welche in Vers 34 liegen könnte doch auch unklar ist Auf keinen Fall darf man mit Mone ans diesem Weltgerichtsspiel den Character der Neu- jahntpide afaalrahiren, da man den Jahreswechsel auch in alter Zeit mehr in fröhlicher Weise zu feiern liebte. Wissen wir doch von mehreren Weihnachtsspielen, die zu Neujahr agirt wurden, und das von Mone selbst mitgetheilte Neujahrs- ■piel (Schautp. d. MA. II. p. 378 ff.) ist im Ton launigster Vastnacht^srh wanke geschrieben. Ein Luzerner Weltge- richUpi« lern Mone (Scbanp. d. MA. II. p. 420, 422)
bcnebtei, imt sogar sweitigige Auffahrung erfordert, mass ako an Umfang xiemlich bedeutend gewesen sein. — Aus dem schon erwähnten Frankfurter Weltgerichts- Antichrist- 8|»al nag jaaa «igaotümliche Behandlung der Höllenfahrt
h MüfvOMtU von MoM Bebkoap. d. MA. i, p. 266 ff.
*) Dim b«el«bt naek shisi karMB Protog de« SopboniM ms ei- ■er Üng^fss Red« das h. Orsgoria«, worin die bekannten Ib Von«i- ekca d«« jfaffaUo Oeriebt« (veifL 8oBHS«r bei HaarV - »28) fesdkikUrt w«rd«a. V«rgL dan sack Mone II, 816 tf.
S) Auch die««r Tbdl wird darek tenekiedeM ftifb-K^Ut-n. w«l«k« di« 8»«l«a cam ß»nrtit »urrufi^n i» W«|«« «umm Tmlog« •n(«Miit«i.
168 Cap. ni, S 3.
Christi im Alsfelder Passionsspiel ') übernommen sein: in dem Frankfurter Psssionsspiel (bei Fichard) sahen wir die bez. Scene noch ganz flüchtig skizzirt 2).
>) Vergl. Haupt« Zeitachrift IH, 616, 617.
') Auf die Beziehunjjcn des Alsfelder zum Frankfurter Text ward schon von Vilmar vielfach hingewiesen. — Zum Schluss sei noch die Notiz bei Clarus (das Pass. Sp. in Ob. Ammergau p. 26) über das Gelüb- de einer Tiroler Gemeinde, alle 7 Jahre das jüngste Gericht zu spie- len, angereiht.
C'ap. IV.
Legendenspiele.
Wir sind in den ersten drei Capiteln an der Hand der römischen Kirchenjahrsordnung, die verschiedenen Spielkreise durchgegangen und haben für jeden derselben die Entwickelung der Spieltradition festzustellen gesucht. Was nun die noch übrigeo geistlichen Spiele unseres MA's. betrifit, die aus der Legende geschöpft, oder doch einer geistlichen Sage entnom- men, zunächst wol auch an den Tagen der im Spiel gefeier- ten Heiligen zur Aufführung kamen, so kann hier von einer ähnlichen Entwickelung kaum die Rede sein, da bei dem ge- ringeren Ansehen der Legende (gegenüber der biblischen Er- rählung) selten derselbe Stoff mehrfach behandelt wurde. — Nur flfiehtige wenn auch ehrenvolle Erwähnung können nun tinächst jene sechs dramatisirten Legenden i) der Nonne •* i finden, bestimmt der I^ectüre des Terenz (denn auf- Mird der romische Cocniker damals ebenso wenig als ich in den sechs Stücken die geringste sichere Spur einer • enitM:hen Anweismif findet) i ' Hichem Sinne, nament- ich a)>«r mit PraecoMiifnng • her Frauen- und Jung-
: rauen-Togend enticegen zu wirken. In diesem beschränkten KroM seigt die I tlich in den späteren Stü-
ckta S) ^ntoviel ...„ Sicherheit des sittlichen Ur-
. DalettiiMi «, AbrahuB, . SttpientiA. —
■ - "~- find TOB Köpkr lii niiiiem
«dM Stadton D, p. 66 ff.)
•ivhhaWg* Hrocwitli»>Lit«r«tar
InelMeriB (Epist ad ^[«osd. Mp.) : oper»
160 Cap. IV.
tbeiPs, und auch der Sprache fehlt es nicht an lebendigem FIuss und sinniger Kürze '). Die von Aschbach erhobenen Zweifel über die Echtheit unserer Text-UeberHeferung brau- chen wohl nicht mehr bekämpft zu werden ^). — Somit ge- hen wir zu den wirklichen Legendenspielen über 3), Aus der- selben Mühlhäuser Hs. wie der L. de X. virginibus, also wol auch dem Anfang des 14. Jahrh. angehörig ist der L. de bea- ta Catharina von Stephan (Neue Stoüliefcrungen p. 160) publicirt. Stephan (p. 154) bemerkte, dass sich der Ludus in allen wesentlichen Punkten einem Sermo de St. Catharina, der sich auch in Mühlhausen befand anschliesse, und fand das Verdienst des Dichters also beschränkt. Doch wird schon das Fernhalten burlesker Zuthaten (wie sie die Franzosen auch bei ähnlichen Stoffen sich erlauben ^) hier, wo die ge- häuften Marterscenen für sich selbst dem Gefühl etwas nahe treten, Lob verdienen. Einige Spuren (vergl. die örtlichen An- spielungen am Schluss des Textes und Stephans Bemerkungen p. 154) geben Anlass, die ursprüngliche Heimat des Stückes in Erfurt zu suchen. Dagegen ist der Fundgr. II, 284 publi- cirte Ludus de Sancta Dorothea gleichfalls aus dem 14. Jahrb., (einer Handschrift der Abtei Kremsraünster entnom- men) wol sicher einige Jahrzehnte jünger. Die Darstellung ist lebendig und nicht zu breit gehalten, auch die Sprache zeigt freiere Bewegung und Wechsel nach den verschiedenen Stimmungen. Zu bedauern bligbe wenn (wie Hoffmann ver- mutet) auch die in der Legende sich an Dorotheas Tod an- schliessende Bekehrung des Theophilus in einem andern Spiel behandelt und dieses verloren wäre, meinerseits bin ich selbst geneigt eine verkürzte Ueberlieferung unseres L. anzunehmen.
cessavit dictandi ultra aliquid hujusmodi — darf man die zwei oder drei ersten Stücke wol in die früheren Lebensjahre verlegen.
') Schon Gottsched (Nöth. Vorrath II, p. 19) erkannte diese Ver- zage. — Zum begeisterten Panegj'riker Ilroswitha's hat sich neuer- dings J. Klein (Gesch. des Drama's Band III) gemacht
2) Vergl. die Rec. in den Göttinger Gel. Auz. von 1867 Stück 32.
3) Die Existenz eines Spieles, das Herbord von Fritzlar im Xu. Jahrh. vom Leben des h. Otto verfasst haben soll, wird von Hoffmann in Frage gestellt. (Vergl. Fundgr. II, 241. Note 1).
4) Vergl. die Bemerkung Hase's (p. 73) über das bei Parfait II. mitgethcilte Mys^re von der h. Barbara.
Cäp. IV. 161
Verglddie den etwas knnen Scbluss p. 295.) Wie weit ein 1412 XQ Bautzen anfgefährtes Spiel vun der heil. Dorothea rergl. Hoffm. II, 243) zu unserm Stück stimmte, steht dahin. Mehr Beachtung als die beiden genannten Stücke fand das Spiel TOD Frau Jutten TOn einem Thüringischen Priester Namens Nilierrbeck wie es scheint zur Aufführung um's Jahr 1480 auf- gMchrieben. Es bebandelt die etwas wunderliche Sage der Jo- luuiBa (Jutta) Ton England , die im 9. Jahrh. nach dem Ableben des Papstes Basilius als Johann VIII. die Tiara empfangen ha- bea, schliesslich aber Tom Römischen Volk erschlagen sein soll, nit sofiei Würde und Anstand als es der Stoff irgend erlaubt, so dan dies Spiel nur als ein milderes Gegenstück zum Zehn- jungfrauenspiel erscheint, insofern hier die Thörin auf Für- bitte der Blaria und dea heiligeB Micolaus Gnade erlangt. Die rnchUcb eingelagten Teufelssoenen lassen ihre Entlehnung aos der Osterspieltradition mit ziemlicher Leichtigkeit erken- DSD I). — Trotz dieser einfachen Behandlung ward in den fol- genden Zeiten too confeanoneUer Polemik von einem prote- stantiacben Getstlicben das Juttenspiel als ein indirecter An- griff auf das Papstthnm unter einem satyrisch zugespitzten Ttleli (.Apotbeoais Joannis VIII. pontiticis Romani) in Druck gegeben >). Qottacbed, den es die älteste deutsche Tragödie war, publicirte das Stück im zweiten Bande des nöthigen V-" 'i- p. 81 ff. und neuerdings bat Keller dasselbe in seine ! 'Spiele (Band II. p. 900 fi) aufgenommen 3). Schon
N ^witba episch behandelt, aber die Keime eines vor-
iu^n^.inu Characterdrann's enthaltend wurde die Theophi- Ittslegende mehrfah gegen Ende des MA. in Niederdeutsch- Und dramatisch bearbeitet — Schon ßnins *) hatte nach ei- ner Hehnetidter Ht^ dann EttmiUer «) nach eben derselben den TheophUot henuMgegeben, dieie nebet einer andern Btoefe*
>) Auf I ebcretasthnamagcD nit dem Abfelder Spiel i«t ichon voo Asdern saftBcrkM» (csMueht, doch braoohi »an nicht an direoia Katichaoag dorther sa deakea.
1) Zm Ei«Ub«s Ifttt darch Biron. SÜMias.
>) Dorthia gehArt es aaa eigeatlieh s»
*) Boaaatisebe vad aadrs Oedkhte w Beriia n. Stellte 17W.
h KrMh.QovdUabarfa.Lps.lS49.— 1.
Wr wol irrig ina 14 Jshrhaadert gssttit.
II
162 Cap. IV.
bolmer Ilec. (zuerst durch Dasent publicirt Theophilus in Icelandic, Low German and other tungues London 1845) fin- det sici) wieder in Hoffmanirs Theophilus. Nd. Schausp. in 2 Fortsetzungen. Hannover 1854. t)h diese beiden Rec. aber wirklich als Fortsetzungen des ein Jahr früher zuerst vod Hoflfmann ebendort publicirten Textes ') zu betrachten, ist wol mehr als zweifelhaft und hatte schon H. selbst (Vorrede zum Trierer Theophilus p. IX.) sich dahin geäussert, dass nur die Helmstädter Ilec. strenge der (legendarischen) Ueber- lieferung folge '-), und hörte ich von anderer Seite einmal die Ansicht ausgesprochen, dass eben die Helmstädter Rec. das Original, die beiden anderen Texte zwei (von einander unab- hängige) Erweiterungen zumeist nach vorn hin seien. Hier- gegen bemerke ich zunächst, dass es die Stockholmer Hs. ist, welche allein die Spielordnung in lat. Sprache gewahrt hat *).» und dass diese (welche nach einigen Danismen der Ortho- graphie wol mit Recht an die nd. dänische Grenze als ihre Heimat gesetzt wird) wiederum von der Trierer nicht ganz zu trennen, zeigt schon eine Localanspielung in letzterer (v. 339, 340) die wiederum nach Dänemark hinweist
Wenn auch jener Adel der Gesinnung, den die Legende ihrem Theophilus gehehen, und den Hroswitha gewahrt hatte, in allen 3 Recensionen hier einer weit trivialeren Autiassung gewichen — der aus Bescheidenheit vor dem höheren Amt zurückschreckende Jüngling ist zu einem Kleriker geworden, den das Singen und Messelesen verdriesst — so ist der an sich bedeutende StotF doch überall mit Frische und Kraft be- handelt. Selbst die bis zur Paradoxie getriebene Marienver- ehrung, die den idealen Hintergrund des Dramas abgiebt, wirkt hier als rein poetischsr Factor betrachtet recht glück- lich; dazu kommt, dass eine oft ungesucht sich ergebende Analogie zwischen unserm Theophilus und dem Goetheschen
1) Theophilus. Ein nd. Schausp. aus einer Trierer Hs. des 16. Jabrh.
2) Das trifft nun allerdings nicht zu, wie wir sehen werden.
3) Während der Trierer Text eine sehr weitschweifige in deut- scher Sprache, der Helmstädter eigentlich gar keine besitzt. Hier heisst es nur: Theophilus sprak, Satanas sprak u. s. w. Man sah frü- her diesen Text nicht so mit Unrecht nur als dialogisirte Erzählung an.
C»p. rv. 168
Kaust ') der L- ' :i • ijontümlichen Reiz verleiht.
( Vergl. hier nameii.u. n ,i. u la^ i /A!>^hen Th. und Satanas, und den zwischen Faust und Mephistopheles.) Um das Verbältniss der 3 Handschriften , welche von Hoflfmann wol mit Recht alle ins 15. Jahrhundert gresetzt sind zu bestimmen, ist die legendarische (Jeberlieferung 2) — und es genügt hier für ans auf Hrotwitluk's Dantellung zurü< - ' n — zu betrachten. Tb. der die Bischo&wfirde verbett : und von dem neuen
Bischof unerhört gekränkt war nähert sich mit Hilfe eines jidiacben Zauberers dem Höllenfürsten der bei Hroswitha als Dinoo oder Satanas bezeichnet wird. Für ein Schreiben worin Theophilus Gott und der heiligen Jungfrau absagt ge- winnt er Satans Beistand und gelangt auch bald wieder zu geistlichen Wurden und höchstem Ansehen. Doch das Gewis- ma regt sich und verzweifelnd an der Gnade Gottes wagt Th. nur Maria's Huld wieder zu suchen. Sie bittet für ihn im Himmel bei ihrem Sohne und geht selbst in die Hölle die niMflIige Schrift heraufzuholen. Sie legt dieselbe dem Schla- fenden auf die Kniee. Erwacht giebt dieser ein Geständniss seiotf Schuld am Altar und stirbt bald darauf versöhnten
Ich wie» schon darauf bin, dass der Character des Th. in noaeren uedwdeatschen Texten sehr gesunken ist Statt dae Abenarteo Jfinglings, der dann durch schmuhliche Zu- rieksetKiing mit Recht sich aufs bitterste gekränkt und zum liimeriten getntbM ftthlt, haben wir hier einen weltlich ge- htnnteB 0Lr gairtKdie Arbeit to bequemen Domherren, der mit aristokratischer Nonchalance *) das Bisthum ausschlägt, und dio Hilfe det Bdtta anch nicht für Ehre und Ansehen, für Oold, Silber «nd Wollust verlangt. Von den 3
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i ; VI. r. !i . iml . <f..l,. i. 1, I,.-. h Iil' i.t. J' lUutmlU »OJ lucr
.fo'.iii"' i' .; ! ■ !.^i i' 1 \'U 1 ini»'.. <lii« >iiiir'.<k im 4. iiatid« . i»»i .. ).. r i .« i. !. >• hu .nikun^-. li lirr ^i'nUraMition bcrsu-
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104 Cap. IV.
Texten folgt nun der Stockholmer jener Ueberliefening so weit am treuesten als wir hier ton der Bischofawahl bis zur Be- gnadigung des Theopiiilus alle Hauptmomente vertreten sehen: vermittelt scheint die Umkehr des Sünders durch eine Pre- digt die der Entwicklung der Handlung im Grunde doch ziemlich fern steht •). Vielleicht ward dieser Zug durch Ein- fluss der späteren Osterspiel-Tradition veranlasst in welcher die Bekehrung Magdalena'» durch eine Predigt des Erlösers motivirt zu werden pflegte '^). Noch bemerke ich , dass der Magister in nigromantiu, aus der Ueberlieferung beibehalten, doch mehr eine Luxusrolle ist, da Th. mit geistlichem Spruch schon selbst den Teufel zu beschwören weiss.
So befremdet es nicht, wenn die He Im Städter Reo. der es auf Vereinfachung des äusseren Apparates zum Zweck ei- ner erbaulichen Leetüre (wobei kaum die dramatische Form gewahrt bHeb) angekommen zu sein scheint, schon die ganze Bischofswahl, dann aber auch die Scene mit dem Schwarz- künstler fallen Hess, und nur jenen Bericht den Th. über sein Missgeschick jenem machte bewahrte, nun aber prolog- artig an die Spitze des Ganzen stellte 3). Auch sonst, na- mentlich gegen Ende, zeigt sich die Neigung dieses Redactor's entbehrliche Rollen auszuscheiden 4), den sprachlichen Au.s- druck zu mildern und (oft mehr als billig) den Text zu kür- zen 5).
Gerade entgegengesetzt ist das Verhältniss der Trierer Handschrift. Hier wird nicht nur die Bischofswahl in mög- lichster Breite vorgeführt, sondern auch der Gang zum Zau- berer eigentlich doppelt vorgeführt. Dem Kocheier (Zauberer)
1) Waa helfen diese herrlichen Hinweise auf die suchende Liebe des Sohnes Gottes, wenn Th. (allerdings dem Geist der Legende ge- Ttaäss) doch nur bei Maria Gnade zu finden hofft? — Der Serrao des Sacerdos dürfte an und für sich zu den schönsten Zeugnissen deutscher Predigt im MA. gehören.
2) Einfluss der Ost.-Sp.-Trad. zeigt sich auch in der Einführung Lucifers als Höllenfürst, dem Satan untergeordnet ist.
3) Vergl. Heimst. Rec. v. 1—52 mit Stockh. v. 176—240.
*) So ward am Schlnss jene LuciferroUe, von der sich Spuren noch zeigen, mit der Satans zusammengezogen (p. 72, 73). 5) Vergl. Heimst, v. 702—713 mit Stockh. v. 970-998.
Ctp. IV. 165
Demiich ist Th's. AuliegeD zü ' Üch, er \ ' ihn an
die Juden '> und hier erst üi ophilus Ci it, jene
Klage Torzubringen , die iu den Uauptzügeu wieder zu deu beiden schon betprocboaan Fassungen stimmt -). Uehrigens ventebt Tb. die TeafekbMchwörung schon allein und der Text bleibt von jener Klage an bis fast zum Schlüsse in ziem- licfaf £inklaag mit den beiden anderen zumeist wol mit der Stodihol—r Rec. Dagegen verriith die am Schluss als zu- nüdbat zur Darstellung kommend angedeutete Ba^be des Th. Ml Bischof sowie auch die ersten Scenen (Bischofswahl, Giiug nun Zauberer und zu den Juden) wol noch eine andere Vor- lage, die Tielieicht in einem niederländischen oder französi- acben Theophil uaspiel 3) bestanden hat. Der Principat der Stockholmer Hs. vor den beiden anderen Recensionen wird wie ieboB angedeutet, auch durch die Spielord uung bestätigt. — Es bleiben noch wenige Legendenspiele zur Betrachtung übrig. ,Ain hübsch Spil von S. Jürgen und des Küngs von Libia Tochter *) soll in Augsburg vor Friedrich III. gespielt ann. S. Georg erscheint hier als ein christlicher Perseus, der dao Dnchao achlägt, die schöne Prinzessin befreit und das ChritlaBlhaB in jener Gegend verbreitet. Bei einigem Anzie- hflodM (10 ist daa VerbäJtniss zwischen S. Geoiig und der PriniWMB lart behandelt) ist mir dieses gar zu bürgerlich Ksd baoabacken ') gewordene Legendenspiel fast nur als /ei-
I) Man ennaere sich, dau der Zauberer aohcNi bei Urocwitha d« HebrifMr lieesiahnet wird.
S) V«rgt TMerer Bec. p. OW flL mit dta obea aafefthrten Stol- le* d«r «Dden Text«.
•) Maa beeile die Nanea iadike aad BooenCant in der Boeoe mit daa Jadaa sad ven^uiahu aiit lataleraai den Judetmunen 6üm- kiad tat Fraakiartar Osteia|Nal. <— Am ZaMunaaahaog mit dem Minele de Tbrupbile d»» M. Ratebcuf au« dem XJII. Jahrb., du der Legende Boch weit treaer fotf!« iei aiabi aa dmkaa.
«) KcUar'a Faelaaotepiale, MaoU, p. 180. — Früher schon ücr- amnia 1, I« ft voa Greif aÜgalbetlt. UerMlbe veranithet aichi oha« Orand {ww^ a. a. 0. p. MB} daü iUm Spiel 1478 san Aogabaffw Riiiiiietaf, aa Ehcea JiaiiaiiHeae and ia Aaweaenheit einea tftrfciachea Katfcn oder Priasea aar AaStthnuig kam.
») Hü pefalkfaar AMJihrHnhfceii wird sa Anfaatt daa StAokea die Aagat dar liiikiwehaer ver den Pafsheaer
166 Cap. IV.
chon des Verfalls auch dieser Gattung wichtig. — Eher möchte das ,hGili|;; Kreuzspil' •) als eine (wenn auch et- was nüchtern) verstündige Behandlung historisch denkwürdiger Begebenheiten 2) einiges Lob verdienen. Auch leugne ich nicht, dass beide Spiele bei der Aufführung sich vortheilhaf- ter können ausgewiesen haben, als sie jetzt dem Leser erschei- nen — noch verweise ich auf die Besprechung die sie bei Holland (Altd. Dicht, in Baiern, bei den Fastnachtspielen) ge- funden haben. Noch schwiicher als die letzten beiden Spiele ist das Leben des heiligen Meinrad aus einer Einsiedler Hs. von 1576 herausgegeben von Morel 3). Das bis auf das tra^- gische Ende (Tod durch Mörderhand) wenig bewegte Leben eines Local-Heiligen ist hier mit umständlicher Breite ijnd Einflechtung einiger frei erfundenen Scenen *) für eine zwei- tägige Aufführung zugerichtet. — Noch einige Nachrichten über Legendenspiele aus der Schweiz giebt Mone Schausp. d. MA. II, 420 ff. und Weller (das alte Volkstheater der Schweiz). Hervorheben möchte ich hier nur noch das St. Ursen Spiel (p. 233) insofern sich hier die geistliche Legende (von St. Ursus und St. Victor) nun mit der vaterländischen Sage ver- bindet. Letztere tritt selbstständig in dem Teilen -Spiel des Jacob Ruef (p. 163) hervor, das im ganzen siebenmal gedruckt wurde. Der älteste dieser Drucke scheint von Vischer als Anhang eines historischen Werkes ^) mitgetheilt zu sein. Wie
') Fastnachtspiele, Nachlese p. 54. — Uebrigens ist dies Stack 80 wenig wie das vorige ein Fastnachtsspiel.
2) Es bandelt sich namentlich um die Auffindung des h. Kreuzes dureh die Kaiserin Helena, dann um die Wiederbringung desselben aus Persien (wohin es entführt war) durch Eraclius, dessen Leben be- kanntlich auch in einem mhd. Gedicht des XII. Jahrh. behandelt ward. — Nächste Quelle unseres Spiels, das am Tage des h. Kreuzes zur Aufführung kam. ist wol die von Keller such mitgetheilte prosaische Version der Legende.
3) Bibl. des literarischen Vereins in Stuttgart LXIX.
<) Es sind einige Teufelsscenen, wiederum nach der Schablone des üstcrspiels gearbeitet, und das Leben des bösen Buben Uli, der in allem als Ciegensatz des heiligen Meinrad gezeichnet ist. Dies wird im ersten Tagewerk als /^viP(■hf■n!»piol, im zwei»"- °'" ■■tu- Art Nach- spiel behandelt.
5) Die Sage von der Hefrcmug der Waldstiidte. — ( Verglcichung dieses einfach populären Spiels mit Schillers Teil ist lohnend.)
Cap. IV. 167
hier die rubmToUe VergaDgenheit der Schweizer, so wird in einem anderen Drama Raefs (beide in den vierziger Jahren des 16. Jahrhunderts erschienen), die schweizerische Zeitge- schichte jener Epoche allerdings mehr didaktisch als eigent- lich dramatisch behandelt. Es ist das von Kottinger als Etter Heini publicirte ') Spiel, für welches Weller (p. 159) indess eine andere üeberschrift bietet. Es wird hier (mit Einfüh- niDg YOD fünf Teufeln und sieben weisen Meistern ausser an- derem Spiel- Personal) der Verfall älterer Sitte und das Söld- oer^Cnweaen bekämpft. — Damit wären wir aber schon über die Gränse d«a Legendmspiels hinausgekommen. Zu den letz- ten Aufführungen wirklicher Legen den spiele in Deutschland dürfte die 1776 (nnd spater noch einigemal) zu Oberamroer- gao agirte Comoedie vom heil. Hermenegild gehören -) —
r-
I) Qaedlinborg a L< ., <.i^ 1647.
') VernL Clarus: I>m P»ss.-Sp. in Ob.-AmmerK' :ich-
trigli " ich bei Weiuhold ^ V, - '"■"■ N. 2.] uuth ihc No-
tiz u .790 in Ambru in > vum heil. Pancra-
thw. —
rar« ^•
Uebersicht der Entwicklung des geistlichen Spiels in Deutschland.
§ 1. €hren*logisrhe lebenticht.
Wenn wir einige anscheinend apokryphe Nachrichten, die sich ins IX. Jahrh. versteigen ') und die dramatisirten Legen- den Hroswithas (aus dem X. Jahrh.) als nicht zur Aufführung bestimmt, bei Seite lassen, so scheinen die von Schmeller ent- deckten, von Du Meril und Weinhold publicirten Freisinger Stücke 2) — insofern sie von Schmeller ins neunte bis eilfte Jahrh. gesetzt wurden, weitaus die ältesten Denkmäler der geistl. Spielgattung darzustellen, doch thut man aus verschiede- nen Gründen 3) wol, die Anfänge des Weihn.-Spiels nicht eben früher als die des Osterspiels, d. h. für Deutschland *) ums XII. Jahrh., anzusetzen. Wenn wir nun zunächst die Entwicklung des Weihnachts- und des Oster-Spieles mit ein- ander vergleichen, so leuchtet auf der einen Seite allerdings
') Von einem Schauspiel in altfriesischer Mundart zu Zeiten Carls des Grossen weiss Gottsched Nöth. Vorr. I, p. 4; drei Schlusscenen eines lat. Klosterschauspiels aus d. Jahr 815 hat Herr Plümicke auf einer Breslauer Bibl. einmal gesehen (Vergl. Fiögels Kom. Lit. IV, 280),
2) Besprochen Cap. I, § 2.
3) Einmal sind die den Freisingem so nahe verwandten, eher noch älteren Orleanner Stücke von den Franzosen nicht höher als ins XI. bis XII. Jahrh. gerückt, dann ist auch zu bemerken, was schon G. Freytag (De Hroswitha poetria p. 43) so ausgesprochen : ,IIroswithae aetatc nulla scenicarum serum vestigia in Germania fuerunt'; — schliesslich sind unsere ältesten Osterfeiem aus dem XII. Jahrh. noch einfacher angelegt als die Freisinger Stücke.
*) Für Frankreich kann man wol ins XL Jahrh. hinaufgehen.
Cap. V, § 1. 169
Analogie tia^ die wir schon in den Capitel-Ue- banchriftHi ttmdflVieBioohten, andererseits aber lassen sich aach rf«****JM> nnbadeateode Unterschiede nicht Terkennen. Um zunächst das Quantität»- Verbäitniss zu erwähnen, so ist die Zahl der Denkmäler dee Oster-Cyclus aus dem MA. so •ehr riel grower, alt die der Weihnacbtspiele aus dieser älte- ren Zeit, daas ein gewisses Befremden hierüber sich schon öfter amgeepiDch— findet, auch wohl eine Art Ton Erklärung Tersucht worden ist. Es liegt allerdings ziemlich nahe in der Ungunst der winterlichen Jahreszeit und der dadurch viel- leicht erschwerten Aufführung im Freien einen Hemmschuh der frätn Entwicklung des Weibnachtsjuels zu fiudeu, wie die« altem and jfingeren Forschern >) begegnet ist Doch hat ■HUI so wol schwerlich die Sache Ton der rechten Seite an- gegrificn. Ee genügt darauf hinzuweisen, dass mit dem 16. Jahrhundert die Weihuachtsspicle (oft auch zu Neujahr, oder im Laufe des Januar >) noch aufgeführt) mächtig an Zahl an- wachsen , und Aufführung im Freien hier nicht selten bezeugt ist *)■ Nimmt man also nicht an, dass das MA. weichlicher bea. der Witterung als die Folgezeit gewesen, bleibt die Frage noch WMrledigt. Dagegen wird die Betrachtung, dass vom 16. btt 16. Jahrhundert die Pflege des Weihnschtsspiels, die> jeufe des Passions-Osterspiels, namentlich in allen protestan- tiscben Lämiem wiedemm so bedeateod überwiegt, dass da-
>dMn Dcnient hatte (Gesch. der d. Schmiupielkonsi I, p. 26) arr^iriciics gcftoMeft, Und Schrödcr Ut noch Mif demielben Wege. ▼«r«i Ger». XY, 87«.
• ' ' Ilfjfkomödie, zu Epiphaniu
'!<» ihu,^..^ V. _, , :u St. Ttmotheiutkg (24. Jan.)
f« <J di« Aoinüining xu C« ■ r iitit^r noch die Eede tein
u.rl ''.**> — noch am > »K 1607 tu Alaftld oim«
\V. .1..*. i.: ItrdkteigMpisl i. Vilmar bri lUupt III,
470. — Um» ,• »ona saqM ad t«itw> k'cht oach W»ck(-ni«Kcl
I.ic r;.«<^ti t. 312. Ana. 66 aaf ni<) :!afaruiig in der erlcucb-
w r Verliui de* mt lebr wnCuigroichen (jpiMri ut lu i>«daoen».}
*) So bmd 4i« AttAhnnff •: . .Im (vargl. die
TottmU 4m •im I>nicka| t« BerUa aaf dem MarktfkUs «UU, die ftrthnrrrr VMtMnhkmtm (Tctfl. FUgel IV. p. 7) ebenfaUt auf dam llarttft «ad la dl
170 Cap. V, § 1.
durch das frühere Vcrhaltniss oinif^ormasscn compensirt wird schon zu oiniger Verständigung führen. Erwägt man ferner, wie der historiHche Stoff des Dsterspieles an poetischem Ge- balt 80 bedeutend überwiegt, ja das Osterfest selbst um einige Jahrhunderte älter als das Weihnachtsfost ist, so wird man sich über die Vorliebe des MA. für diese Gattung so wenig wundern als die Scheu der Folgezeit das Hauptfest der Chri- stenheit durch eine zunächst doch nur äusserliche Darstel- lungsfeier etwa zu profanieren •) unbegreiflich finden.
Ein anderer bemerkenswerther Unterschied liegt darin, dass die Osterspieltradition so weit sie sich auch späterhin vorwärts und rückwärts erweitern mochte als ältesten Kern doch entschieden nur die Besuchung des Grabes durch die Frauen und Jünger 2) kennt, während sich für das Weih nachts- spiel drei wol ziemlich gleichalte Wurzeln 3) darstellen, welche dann bald zusammenwachsen und schon so ziemlich den gan- zen Apparat der Weihnachtsspiel-Tradition enthalten. Was die eine dieser Wurzeln (der Kindermord mit der Rachel- klage) betrifft, so hat man darin wol ein Vorbild der Marien- klage finden wollen , doch lässt sich dieser ganz hübsche Ver- gleich *) historisch weder begründen noch weiter nutzbar ma- chen. Dagegen lässt sich erkennen, dass jene reiche, theils directe theils indirecte 5) Verwerthung lateinischer Kirchen- hymnen wie sie die Osterspieltradition schon im Ludus de nocte Paschae mehr noch in den Charfreitags Marienklagen aufweist sich (wenn auch zunächst nur in Einem Denkmal) ^)
•) Wie wenig Achtung auch die streng kirchliche Osterfcier im späteren MA. hier und da beim Volke gcnoss, beweist die öfter (vergl. z. B. Flögel IV, p. 287) angezogene Stelle des Eulenspiegel.
*) Etwa noch mit der Erscheinung des Auferstandenen vor Mag- dalena.
3) Das Hirten-, Kindermords- und Dreikönigsspiel. Der Leser er- innert sich wol, dass letzteres allerdings uns als der zuerst entwickelte Keim erschienen ist.
*) Zuerst wol von Moue aufgebracht, dann öfter wiederholt.
&) Durch Uebcrtragung in deutsche Sprache und leichte Varia- tion der Motive. — Nicht mit Unrecht hat Ph. Wackemagel im zwei- ten Bande seines D. Kirchenliedes auch die IjTischen P'ormen des geistl. SpieU, naraenllich die Marienklagen berücksichtigt.
6) Im Niederhessischen Wcihnacht88piol, dessen Spielorduung ja so
Cap. V, S 1. 171
auch für das Weihnachtsspiel herausstellt. Für eine Zeit- lang scheint dann freilich die Kntwicklung beider Spielkreise ziemlich parallel sich in synoptischer Richtung zu bewegen >)), aber wie lebendig frisch steht das St Galler Osterspiel neben dem Weihnachtsapiel desselben Ortes das kaum noch zur Auf- f&hmng beetimmt >) erscheint So sehen wir denn auch im späteren Mittelalter die Osterspieltradition um ein bedeuten- des Motiv, die Höllenfahrt Christi mit ihrem Eingreifen auch in die Welt der bösen Geister, und nicht etwa bloss in äusser- licher Art ber^chert 3). Wogegen das was ma» aus dem anderen Spielkreise als Analogon hier anfuhren dürfte, die 8ceni»che Verwerthang des jünger kirchlichen Kindclwiegens, uns nur als eine weichliche Entartung früherer festerer For- men erscheinen konnte. Doch will ich nicht leugnen, dass nach einem trüben Onrcbgaiige durch vulgäre Plattheiten , den beide Spielkreise nmnentlkh im 15. Jahrhundert durch- machten, das populäre Weihnachtsspiel im 16. Jahrhundert wänner and " her sich ausgebildet hat, als die wenn
auch groosari.^ . .. i'assionsosterspiele dieser Zeit. Der Feh- ler scheint hier wie so oft dem Vortheil nahe verschwistert. Jene Teufelsscenen die, im Gefolge der Höllenfahrtscene und wohl auch ihr vorausgeschickt dem Osterspiel damals unent- behrlich waren, und lelbet in andere Spiclkreise *) übergin-
mandi« bUctnitclie und dmitscbc Ktrchenhyinnen vorführt. Ntch der
BelbraMtio« gthöiiM Luiber« ,votn Himmel horb da komm ich her*
tarn (kti h^tiinAtiren Appartt des Protcttaotiachcn WcihnachtaRpiels.
'i M icb DAmentlich dea Benedictbcurer Ludua de
r<»tiv h-mini «owir nca BeiMdioibear«r>Te|tema«er L. psschaltB aas
Irn, XIII . d«a Üi. Osllsr Ostertpieb Gliben Jen' b«i None) und de«
ha.4ipi«b OKiadlMÜ Jew*) ms den XIV. Jabrh.
oiebi bloss des d«r Spialordoong rasisbeode Pr»eaeiM ins
! - >' («hUns fSwaadsU* jois selb«! 6(lcr gaas in d«n Text &b«rgeire*
(•m dsallioiwlea Mom I, p. 172 v. 81«, 617, vergl. aocb p. 163
. 4biiUeli wi« dies in frans. Mysteren, di« dann nur in einem
-> dm KirolMn verlMea » fler begegnet (Ventl.
bei MomnercpiA •tU'ui )
*) Vielaidv mnsi die HAllesfüulMMsene mit ihrem m&chtigen Ap-
r«nU trufieeber nnd Irsgikomiaeber MoÜve, die docb wohl nicht blos
MN Meeatooben Grtndea ■Miai (nielU immer) der AnfanUboag nach*
folgte, ale Hnapteütis der Ortenpisitrsdittou des ^pMsni MA. gelten.
•) »mmmükk in dea Wiftmtli ead
172 Cap. V, g 1.
geo, gaben der Darstellung eine eigenthümlicho uns nicht im- mer zusagende Färbung. Erst mit dem üeberdruKs an die- sen Teufelsscenen , den schon das 17. mehr noch das 18. Jahr- hundert zu finden begann, konnte sich eine wärmere Auffas- sung der Passionsgeschichte wiederfinden, die nun freilich an anderen Gebrechen (Neigung zu sentimentalen AUegorieen und äusserlichen Effecten) zu leiden hatte und durch gesuchte An- lehnung an den Marienkult •), wie auch durch Verflüchtigung der Auferstehungsgeschichte 2], schliesslich durch eine lyrische Färbung ^die auch abgesehen von oft eingelegten Singstücken der Dialog aufweist) uns einigermassen an den Character der Marienklagen des Mittelalters erinnert. Ohne die Verdienste dieser Richtung zu verkennen glaubten wir doch den Wunsch nach stärkerer Ausprägung des eigentlichen Osterapiel-Motivs, 80 wie nach Beschränkung des äusserlichen Beiwerkes nicht zurückhalten zu dürfen. Wir haben an diesem Ort auch jene Verbindungen der Weihnachts- und Osterspieiweise , die sich in späterer Zeit (wenn auch gerade nicht häufig) darstellen, zu beleuchten. Zunächst käme hier ein nach dem Herausge- ber 3) noch dem Ende des 14. Jahrhunderts gehörendes Spiel aus Mastricht in Betracht, das aber durchaus nicht als einfaches Osterspiel, wie es der Hersg. nennt, erscheint. Viel- mehr wird hier von der Ei-schaffung der Welt und Lucifer's Fall, so wie dem menschlichen Sündenfall an — und nach dem Streit der Milde und Gerechtigkeit, sowie nach den Stim- men einiger Propheten die das A. T. und (in Virgil) auch das Heidenthum repräsentiren — eine Dramatisirung der ganzen Erlösungsgeschichte versucht Was den der Weihuachtsspiel- trad. entnommenen Theil betrifft, so treffen wir hier aller- dings ziemlich alte Formen, aber doch nicht ohne Spuren
I) Man vergl. namentlich die Stellung, welche Maria im Zack- mantler Spiel einnimmt, die besonders deutlich v. 2252—58 (II, p. 29) zu ersehen.
3) Diese ward im Zuckmantier Spiel nur im Epilog (v. 2482 f.) noch angedeutet, im Rosnerschen Text der Ob. Ammergauer Passion nur durch theatralischcu Schlussefiect vertreten.
3) Zacher in Hau])ta Zeitschr. II, 808 f. — Der Sprache nacb kaum noch in unser Gebiet gehörend. Dem mnl. Text sind die be- nutzten VulgatasteUen meist noch (im Citatstyl) vorgeschrieben.
Cap. V , S 1. 173
freierer Auffassang ») als sie den eie:entlich alten Typen eig- net. Der Uebergaog mm Ost reise wird nicht unge- schickt durch die Scene des /u..i.j....iigen Jesus im Tempel *) rermittelt: dann folgt die Taufe und die Versuchung Christi '), die Hochzeit m Cana^), die Bekehrung Magdalenas*), die Erwecktung des Lazarus, der Kinzug in Jerusalem und (nach der terlorenen Abendmahlscene) noch der Anfang des Lei- dens Christi in Gethsemane *). Alles in würdiger nicht zu knapper und doch Ton massiger Breite, ebenso ferner Aus- fShruDg, so dasB die fragmentarische Ueberlieferuug des Tex- t>s zu bedauern ist
Weit unlangreicher, namentlich breiter im Einzelnen aiMgel&hrt, ist ein geistliches Spiel aus Eger, das Bartsch, den wir die nöthigen Mittheilungen verdanken ?), ans Ende
I) So üt der Trost, den sich Rachel »elbtt tpendet (p. 820 oben) ■Ofmr gcfMi da» ,noltttt conaolui' der Vulgsta. I>agegr<'D liegt duriB, da« de» B«rodM (der als Kaiser beseichnet wird) der MordpUui von Kinwi RHtem eiagefeben wird, ein guter Zug alter Tradition.
r Sehrillgelckrt«, mit dem Jeco« ditputirt, iai hier Caiphaa, liru« n iiuUe eich hernach {p. 846) so feindlich gegen ihn entwickelt Elwas wunderlich klingen raerit die rr. 610—19, ee eoheint eine Ilin- deatuBg aaf den Antichriat hier eingelegt.
*) Daran schliettt sich noch die Berufung de* Andrea« ui<il l'c- trut : auch andre aof letzteren bes. SchriiUtellcn (to da« ,PetruB, amaa BM?* luieh Juh. XXI.) in freierer Weiae tind angeschloaeen.
*) Durch einen Irrthum des Biedactor«, der die Hochseit bei deaa retebca Wirth ,Archttnklin* eeta lisii ist die Rolle des Bpeiseaeisters fsspart.
■) Denelbea wird sabBgi eine artige Frfthlingtwetee in den Mond gelegt, dam giebt eie den Toratellnngen Martha« nach und bekehrt Mch ta Jeens. Auf die dann nach Lac. VII. geschilderte Funaalbung folgt Im weiteren Vertauf noch jene Ihaliche Job. XII. un« gemeldete Haadloag «ad aa diree ist der Yerrath d<-' üs ihn»
ichen Weise «ngaechloawa, wie ce noch j' . r Texte
ftbhch (vrgl. hier p. S46 oben mit Clanu ]
- Seeltaklsipfa des ErUkeem (ein tciiwicrigee und von der ■.'m m«4tt Tcrmiedenea Motiv) sind hier in edler Anffiu«ung »wfgeläbrt ' i« und da bedenk!
^ Tergi urrmania iii, p. M7 t — Auser der latriawcnrn spiel- sieh aa^ kleiae iatslniiohs Uedstelnffksa (p. 871.
174 Cap. V. § 1.
des 16. Jahrhunderts setzt und dessen Umfang er auf 7 bis 8000 Verse schätzt. Das ganze Stück zerfällt in 3 Tagwerke, deren erstes dem Weihnachtsspiel entspricht. Dies beginnt ähnlich wie das Mastrichter Denkmal, nimmt aber im weitern Verlauf manche Scenen aus den historischen Büchern des A. T. auf, und schmückt den eigentlichen Weihnachtsspiel- kreis auch durch Benutzung der Apokryphen und selbst der Legende >) behaglich aus. Den Schluss des Tagewerks bildet die Scene des zwölfjährigen Jesus im Tempel. — Der Text für die beiden letzten Tage kann als ein synoptisches Pas- sion sosterspiel gelten von weitläufiger Behandlungsweise, aber mit recht vielen Elementen sehr guter und alter Tradition. Die Beziehungen dieses merkwürdigen Schauspiels ^) zu an- deren geistlichen Spielen sind von Bartsch (unter dem Text) mit grosser Umsicht angezeigt, und derselbe hat (p. 235 — 97) auch versucht das Alter der einzelnen Theile näher zu be- stimmen, und die älteren Bestände aus der sie umwuchernden Interpolation herauszuschälen. Sollten hier auch einzelne An- gaben noch dem Zweifel unterliegen 3), so ist doch im Gan- zen die Entstehungsweise jüngerer geistlicher Spieltexte hier klar gelegt. — Ich verweise noch kurz auf die Besprechung bei Holland 4). —
In diesem Zusammenhang nicht ohne Interesse ist auch des Barthol. Krüger 1580 geschriebene ,Action von dem Anfang und Ende der Welt u. s. w.' — Wir haben über den ersten Theil dieses Stücks schon früher 5) gesprochen : der
274) namentlich aber die alten Osterhymnen wieder (p. 289). Auch die Behandlung der Marienklage zeigt noch die lyrische Fülle der äl- teren Trad. —
•) Letzteres gilt in Bezug auf die drei Könige (vergl. p. 272).
') Das zweite Tagewerk geht bis zur Verurtheilung Christi durch Pilatus (dessen mitleidige Gattin hier Pilatissa, sonst Procia genannt wird). Der dritte Tag schliesst mit der Bekehrung des Thomas.
3) So wage ich noch nicht das deutsche Lied der anbetenden Hiiien (p. 272 oben) in's XI IL Jahrhundert hinaufzurücken. Gelegent- lich sei hier bemerkt, das die Rolle des blinden Longinus (p. 286) mit der Figur des Blinden von Jericho cnnfundirt zu sein scheint.
■t) Die Entwicklung des Theatt-rs im MA. p 20 f.
5) Vergl. Cap. I, § 6. — Wenn im zweiten Act die Anbetungs- Bcene der Hirten und 3 Könige fehlt, so mochte dies sonst auch
Cap. V, S 1. 175
Schitttt dM zweiten und der dritte Act entspricht dem Pa»- sioD»-08terspiel. Einige Vertreter der Legende (z. B. Chri- stophorus) und der Kircheugescbichte (z. B. Franciscus) tre- ten im Act IV. auf: den Schluss bildet das Weltgericht. — Durch die (namentlich im dritten Act) höchst knappe Behand- lung des biblischen Stoffs steht dieses Stück in einem fast schreienden, aber doch erklärlichen •) Gegensatz zum vorigen k. Noch einige Arbeiten protestantischer Dramatiker des \ : .'.'!. sind unten in der Note 2) kurz erwähnt. — Ka- .-.3 sind hier namentlich noch jene Luzerner .-Spiele aus dem Ende des XVL Jahrb. zu nennen, die (ge- ' ' ' als Osterspiele bezeichnet; mit mehr oder minder ugkeit das A. T. behandeln, dann die Weihnacht- und Osterspieltrad. in breiter Aasführung wiedergeben 3). — Nach diesem Vergleiche des Weihnacht- und Osterspiclkrcises ßehen wir zu der Betrachtung der anderen Spielarten über.
1 1. M iliniicht geopfert iein, dass mau
ii 'i'-m*dl>«u Act hiiht gut ileu eb«u gebomen and den erwachaenen ( hr.stos Torfilbren durfte.
M Der protetU Vertaaaer mied fast alle Hauptranment« der ka- UmiI. Spieltradition, und nennt auch St Peter lieber Cephas (Act. II. T. 568). Die franse Paanonage«chichte wird nur in rurückdeutender ^ II. V. UG ■■ rd auch )' u Act II
•k li»rhen > m- und I'i; - nides ge-
braucht). II die alte Trad. findet Hieb noch am meisten
in den T> »...-..-..; ;i uitd der Höllenfahrt, (Act. III, Sc. S.) sowie in drr S< «•nt! mit den Grabeswächtem (III, Sc. 4). DaffCKen ist die Kr- •chrinut»/ ■ \ ' ■ ,.1 absichtlicb
tcnnfna ■
') Z r Krweckung det Ijizarus
vrrffi \S. , \ . , ^ ^, daa nach der einfachen
idluttg wd als eine Ablcmuig aus der Oaterapieltrad. gelten darf: wogfg«« da* lieben Jobasttet des Tiafen von Job Aal (vergl. eben- dort 210) and di« Hoduttil sa Caaa von Paul Rehhnhn kaum noch als aokbe #rkaaat werden ktanen. — Spiel«« ül>er den iwülQihrigen Jeans im Tempel beepricbl Holland in seinrr Auatrabe des Hercogt " ' r. Bnutoachweiir P- ^13 oben (Vergl. auch Wackeniagel p. 460.)
y-ry) .».. I. itntng de« Liuenter C)«trr«|>icls von 1568 darrb
< >•*' ^ ^ I -rield 1M8) p. 7. auch Mone K<b. d. MA. II,
! i'i'*. ui.'l A lucb den ebetio 126-128 ubn« Aug«be dce
i ui..i<.ru n„in, 'J.ttltea Bweitigig< •»n.
176 Cap. V, 8 1.
Was zunächst die Ascensionsspiele betrifft, so ist es mög> lieh, dass sie nicht als selbständige Entwickelungen, sondern als Ablösungen der erweiterten Osterspieltradition zu fassen sind. Diese Frage wird sich nicht eher entscheiden, bis wir die für sich stehenden Spiele dieser Gattung mit derartigen Osterspielen vergleichen können, die noch die Himmelfahrt mit behandeln 'j. — Selbst das Pfingstfest von dem wir eine autonome Behandlung nicht nachweisen können, findet sich zum Schlüsse erweiterter Osterspiele '-) inscenirt.
Wir schlagen nun einen etwas anderen Gang ein, als den in den früheren Capiteln befolgten , ohne darum jenen irgend als unrichtig bezeichnen zu wollen. Indem wir nämlich den Sonntag nach Pfingsten nach altkirchlichem Ritus als Aller- heihgenfest betrachten, gewinnen wir das Recht die Legen- denspiele hier schon vorzuführen. Dass hier von einer Spieltradition wenig die Rede sein könne, ward schon Cap. IV. bemerkt : aufmerksamerer Betrachtung aber scheint sich nicht bloss in der zunehmenden Breite und anderen (auch in den übrigen Spielkreisen waltenden) Variationen der Behand- lung, sondern schon in der Wahl der Legendarischen Stoffe ein gewisser Unterschied des Zeitgeschmackes zu enthüllen, den wir versuchsweise andeuten wollen. Dass Hroswitha bei der Wahl ihrer Stoffe von bestimmten Principien eines christlich jungfräulichen Idealismus ausging, ist bekannt. Für die dann folgenden älteren Legendenspiele (erst aus dem 14. Jahrhundert) scheint die Neigung den Triumph der Heihgen
>) Vergl. Vilmar's Mittheilung aus dem Alsfelder Codex (bei Haupt III, 478).
2) Vergl. ebendort die Nachricht über die OBterspielaufiuhrung von 1511. — Uebrigens hat das Pfingstfest doch durch Mittheilung zunächst ihm zustehender Hymnen zur Aussteuer des geistl. Spiels beigetragen: mit ,Veni sancte spiritus' leitet der Regens (sicher ein Geistlicher) das Alsfelder Osterspiel (bei Haupt III, 483, vergl. auch V. 104—6 daselbst) ein — dieselbe Sequenz ist dem Heidelberger Spiel vorgeschrieben. — Schon der Prolog des Spiels von der h. Do- rothea (Fundgr. II, 286) wird durch die Aufforderung:
Kü singe wir alle disen leis:
Nu bite wir den heiligen geist etc. und die Angabe : et cantat omnis populus unterbrochen. Vergl. ftach Altd. Schausp. p. 31, 32, 34, 41, 155. —
C*p. V, S 1- 177
über körperliche Mftrtem aller Art zu zeigen, characteristisch m sein >). Hingegen dem späteren MA. mochte die Anknüp- fang an den Mahenkult (und wir können das Innsbrucker MarienhimmelfiüirtMpiel selbst als Legendenspiel fassen) ge- fallen, wie dies wenigstens das Spiel von Frau Jutta und der Tbeophilus an die Hand giebt. Schliesslich scheint im 15. and 16. Jahrhundert die Richtung, aus der Legende Stoffe Ton wehbistorischer oder localhiatoriscber Bedeutung 2) herauszugreifen aufgekommen zu sein. Wir haben schon am Schluss Ton Cap. IV darauf hingewiesen wie auf diese Weise das historische Schauspiel sich dem Legendenspiel anreiht. An den Beschluss des Kirchenjahres setzen wir billig die Antichrist =, Zehnjungfrauen = und Weltgerichts- tpiele: Erstere in ihren Motiven noch nicht genügend er- liutert. letztere Beide in ihrer Behandlung ziemlich zusam- mcustimmend unJ uudi wifder durcli den M:iiieiikult beein- flosstS).
Uebergangen scheint hier dab Frohnleichnams spiel de wen ältestes Beispiel aber erst dem Ende des 14. Jahrhun- derts angehört. Als Kern der Spieltradition dieses Festes glaubten wir die Praeconisirung des apostolischen Credo's ansehen zu dürfen, wodurch der Unterschied von den älteren Spielkreisen (die von historischen Motiven ausgehen) zur Ge- nüge erhellt. Man lieM aber mit der Zeit diesen dogmati- schen Kern aus dem sich die reichste Fülle historischer Spiel- motive (allerdings nur durch Entlehnung aus anderen Spiel- kreieeii) entwickelt hatte, fallen: das in der Procession umge- trafen« Venerabile genügte für alle die bunten historischen Bilder (▼oo der Schaffnng der Welt bis zum Weltgericht) und das reiche Scbaugepränge den dogmatischen Hintergrund ni wahren ConfoeeioDelle P ' ' und moralisirendo Rieh- tiilur erscheint in den letzteii »n dieser Gattung *).
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*) Ir.t rr. (ir di« v*rdaauat«a Seelen von Maria eine fretlioh v«ry«UMh« i^u«i>iU« «tagcUfi wird.
«) l«li gjensfs War aa die von Beia pabliortea üerdiagerqpelei.
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178 Cap. V, §2.
Nach dieser Totalübersieb t glaube ich noch einige Rich- tungen, deren Verfolgung in den früheren Gapiteln nur bei- läufig geschehen konnte, etwas näher kennzeichnen zu müs- sen: nämlich die Stellung des A. T. im geistlichen Spiele des MA., die komischen Züge der Behandlung und die Teufel- scenen.
§ 2. Benotiung des alten Te^ttaiiients.
Selbstständige Behandlungen alttestamentlicher Stoffe sind dem MA. fast völlig fremd. Es wäre hier nur etwa das 120i zu Riga aufgeführte geistliche Spiel *) und die 1265 zu Corwey agirte, heilige Comoedie über Josephs Leben 2). Wir haben hier aber auch jene secundäre Stellung die das A. T. in den Spielkreisen des MA. einnimmt übersichtsweise zu skizziren.
Dem Weihnachtsspiel sahen wir im 13. und 14. Jahr- hundert ein prophetisches Vorspiel vortreten 3), das mögli- cherweise in einer alt kirchlichen Vigilienfeier der heiligen Nacht seine Wurzel hatte. Auch erwähne ich hier die bei aller Gelehrsamkeit nicht unpopuläre noch unpoctisch gefärb- te Behandlung des A. T. in jenem schliesslich die Geburt und erste Jugend Maria's vorführenden Spiele des Am. Im- messen *).
•) Der Stoff war aus den prophetischen und historischen Bü- chern des A. T. entnommen, und sollte auf die noch heidnischen Landesbewohner, denen DoUmetscher die Handl. erklärten , erbaulich wirken. (Vergl. Wackemagel Lit. Gesch. p. 302, und Reidt p. 28 Anm.) Bei Gideons Sieg über die Philister soll die heidnische Menge die Flacht ergriffen haben. (Nach Chron. Livon.)
2) Vergl. Kuudgr. II, 242. — Dramatisirunpf-n von .Toscvilis Lobfin kommen im 16. Jahrh. öfter vor.
3) Vergl. Benedictbeurer Liidus, das St. oüimt opici uiui jt-iies bei Dietrich von Stade mitgetheilte Fragment.
<) Das von Schönemann als „Sündenfall" publicirte Stück ist für sich betrachtet namentlich durch die bedeutende Rolle, welche Sa- lomo (v. 2329— 3253) darin spielt, bemerkenswert, der theils die Pro- pheten und Sibyllen bewirthet und als König Recht spricht, theils mit seiner über den Besuch der Königin von Saba eifersüchtigen Gat- tin zankt, und mit seinen Knechten Kinbecker Bier trinkt (man erin- nere sich dass Sal. auch durch das bekannte Volksbuch im MA. po-
Cap.T, §.2. 179
Ferner als dem Weihnachtsspiel steht das alte Testament vrsprünglich noch dem Osterspielkreise. Wenn in einer Mar heaklage des 15. Jahrhunderts >) ebenfalls die Propheten des altea Bundes aaflreten, so ist klar dass sie nur in Simeons Folge dessen Prophezeiung unter dem Kreuz in Erfüllung ging, sich eingefunden haben, also eigentlich auf dieWeihn.- spleltrad. mrfteksnfuhren sind. Doch eignet dem späteren Osierspiel auch ein Organisches Glied das ins alte T. zurück- grei/t: nämlich die Scene in der Vorhölle, wo (schon nach Angabe des Et. Nicodemi) Adam und Eva, David, Enoch und Elias durch die Niederfahrt Christi der Erlösung theil- haft wurden. Gegen Ende des MA. griff man namentlich in den Frohnleichnamsspielen und den im vorigen § besproche- nen Combinationen des Weihnacht- und Osterspielkreises immer tiefer ins alte T. hinein >), dessen Stoffe nach der Re- formation sogar mit Vorliebe und in selbstständiger Weise dramatisch behandelt wurden. — Einen Vergleich des alten nd neuen T. führte schon H. Volz 3) in einem ernsthaften Vasnacbtqiielc '" h-^putirweise aus.
polir geworden/ — m rineu grönern ZaMmtnenhAnge Hi>er uurch
die AasdclumDf der 8o«ne in der Vorhölle (atu dem Et. Nicodemi,
denn »os der Öft^mpioltrtd. bekannt) in chronol. Rückgang int4>re«-
•ant: wir finden hier bald nach dem Sündenfall and nach Adama
darch SeÜM Seadnng (auch nachEv.Kicodemi) nicht abgewendeten To-
^^« t jeaea ta die VorhöUe gettoMcn, von wo er an Tendiiedenea
/.eÜea eeae Kkgen eaiporachickt und (Tergeblich) Fürvpreoher wie
»asiel, Jeaeiaa, Jeremiat tu ' «chickt, bis endlich teise
<«bet« iuBJchet durvh Mari rung finden. — Ob etwa
ri eiacm tweitea oder di i der wirkliche Bruch der Vorhölle
iurch den er«tAtidrneii < i. tu «iilmti ii Aiii>()iIum an die Otter»
• i -i : • wurde?
' I • j I'rsrr.i •]• •. \. ii> iiroi j>. iia f.
^\ ■ r ■ iUi dem h. T. ins A. T. sarflckging,
leift deaUidi die BcJuuuUaag dee Stodesfalle im Kftaaelaaer FrohaL- Bpiel. wo stellt OoU der Yster, Mmdera SalTstor oder Doadaioa per* MNM (Beides Beseielwragea Christi) dea Meaaobea in dea Oarten seiet, «ad Noeli vor der Siadilat eraalnt, die b. Joagfraa anaamlea. (Uerm. IV, 946).
'i Vrntl. Kellers Festa. Spiele I, 1 t — Wie di« >us desi
Fjkde dM XV., fUtfte oocb eta's am* dem An&af des \ • > ^'1. Wel-
ler p. 37ft) dea Yerflekh tot, der e^oa ia dem ihspatuvTortpie
d*a B«'ned.>B#arrr Wrilin I.adot SaMd'utot «rmr.
12*
180 Cap. V, S.|2.
Ich habe hier noch auf jenen seit dem 13. Jahrhundert namentlich aber vom 15. bis 17. oft begegnenden dramatisch vorgeführten Streit der Gerechtigkeit und Harm he r- zigkeit hinzuweisen. Dies Motiv soll nach Einigen diroct dem Schlüsse des 85. Psalms, nach anderen einem Sermon des heiligen Augustinus über dies Thema ') entlehnt sein.
Es begegnet zuerst in dem noch ungedruckten Spiel des Gonr. Schyrensis, und findet sich noch in dem (protestanti- schen) Woinachtsspiel Joh. Segers und dem Zuckmantier Pas- sionsspiel — es wird gebraucht um nach dem Sündenfall den Rathschluss der Erlösung einzuleiten. Wenn hier und da (z. B. in Barthol. Krügers Spiel vom Anfang und Ende der Welt) schon Christus selbst an diesem Rathschlusse theilnimmt, bevor er als Mensch in Bethlehem geboren wird, so ist das dem Dogma der Kirche gemäss : ganz schief aber erscheint es uns wenn in jenem „Recht das Christus stirbt" 2) nun auch Maria schon an jener himmlischen Berathung par- ticipirt. Das Stück, in einer Verwirrung aller Spieltradition sich gefallend, gehört zu den traurigsten Verirrungen auf unserm Gebiete.
§ .1. komisrbe Element« und TeufeUscenen.
Das Wort „komisch'' wird hier im weiteren Sinne von allen den Richtungen der Behandlung, die mehr auf einer Nachahmung des wirklichen Lebens als auf getreuer Wieder- gabe der biblischen Idee beruhen, gebraucht: Manches davon ist von jeder Absicht einer spasshaften Ergötzung des Pu- blicums frei zu sprechen, wie schon Hase richtig bemerkt hat 3). Komische Züge in jenem weiteren Sinne finden sich
•) Ich verweise der Kürze wegen auf Genn. IV, 860.
2) Aus dem Jahre 1529, besprochen bei Pichler Drama des MA. in Tirol p. 66 ff. Ich mnss gestehen den ,klugen Sinn', den P. in Beinen Einleitungsworten dem Verf. zuschreibt, nicht erkennen zu können: vielmehr die Art, wie hier zunächst das natürliche Recht (vertreten durch Adam und die Patriarchen) dann das Gesetz der Gnade (vertreten durch die Zwölfl)oten) Christum durch Stabbrechen verurtheilt, den Tod für die Menschheit zu leiden, fast bis zur Frivolität barock und geschmacklos finden zn müssen.
') Pag. 72. Manches in den Mysterien erscheint als komisch, was nur ein uns fremder Sprachgebrauch , Naivetät, Roheit oder Unge- schichtlichkeit des MA. ist.
Cap. V, §.a 181
sporwette Ctst schon in den ältesten Denkmälern, werden häaSfer mit dem 14. Jahrhundert und erreichen gemeinhin ihre grossie Macht im 16. Jahrhundert >); später tritt die N'eigung in derartigen Elementen schon wieder zurück. Wir iheilen die komischen Zfige hier in zufällige ^) und tra- ditionelle, glauben aber nur die letzteren noch etwas nä- her erläutern zu dürfen. Aus dem Weihnachtsspiel- kreise gehören hierher gewissermaassen schon die Hirtensce- nen, eofem sie in naiver Anlehnung an das wirkliche Leben solcher Leute oder gar in plump realistischer Färbuog ausge- führt sind. Ein komischer Zug anderer Art ist jenes Her- berge suchen der Eltern Jesu, wobei sie von zwei oder drei Wtrthen abgewieeen werden ^): ferner die Verlegenheiten bei der Geburt, wobei namentlich Josephs Rolle etwas karrikirt XU werden pflegt *). Endlich wird noch die Umgebut>" •]">^ Herodes bisweilen in schalkhafter Weise aufgefasst ^).
1) D.fauca der Zeit, wo noch DntergeütLLeitangtiehci:., le doch oll kecker in't Yotksleben grifTen, als «piterbin, wo i liebe anfingen Regie und auch wol Abfassang der Texte in du Iiuiki ra Dehnen. Als Ausnahme von jener Rc(;el mache ich das sich kaum •^end rar Komik venAdtende geistl. S- '^ (Knde des XV.
ikhrL) und das Donaaaaehtoger Pass. •' nd
*) Als Baispieis dieser Art n«wi« ich a i sehen dem
▲Itoa aad den Boieo bei Weinkold Weihn. ^i-. ,. i«-.. tue Maichus- •eea« bei Mon« I, p. 108; das Benehmen des Kaiphas bei der Kreu- ligVBf Christi im Aaiai«ip»aer Text vergl. Clanis p. 150.
S) Es ist mcfct erbebt ansoneimien, daas sich dnn /ahlen-Vcr- hiUniss Uer eiafreh gesteigert bebe da sobon da^ o Spiel
vwt Wettbe kaaat fanoMtbia fing mea mü einer ti /»lil
doeb aocb aicbt ea: StAeka die dem bfirgerliehen I laa, wie im Yorderaberfw aad £d«lp6ck's Weiht eiae Wirtbia oder Magd eia. SpAtar Analiofer wi' aera** begaigea «eb daaa wieder ea jM)ep««'* '
pbea**.
*i Die bei« Kiadehriegea gebreeebtea Beime geboren hier kaum k,r .n.r.f4.ni die Koaük derselbea sieb ea eiaen (aUerdings ausgear- hlidMa Kalt aaachlosa, aiebi eigeatlich von der Spielintdi- uos aongeMldel ward«.
•) Asiiir eaf daa ebUgetea «Belea** in Bt. Oallcr Weibnaohts- •p^ weise kk aocb aaf jeae Sehergea bia, die dea Kindemord an Betblebf wel aeeb mit sebleeblea Wttaea begleitea (x. B. im Eger- sebea Spiel, ia Edalpfleks aad Chnastias Weiba. Coatödico.)
182 Cap. V, 8. 8.
Besonders merkwürdig ist aber die Entwicklung komi- scher Motive in der Osterspieltradition. Aus jenem „emerunt aromata" (Marc. XVI 1.) schuf die naive Plastik des MA. eine zunächst noch einfach angelegte Krämerbcene: die dann aber einerseits selbst sich durch Aufnahme neuer Rollen ganz über Gebühr zu verbreiten wusste, andererseits auch zu jenen Scenen, in denen sich der Leichtsinn der noch unbekehrten Magdalena oft so keck ausspricht, wol den ersten Anlass gab i). Endlich ist noch darauf hinzuweisen wie selbst die Gärtnerscene aus ihrer eigentümlichen halbkomi- schen Richtung 2) heraus und in die Spur jener Krämerscene gerathen ist, wenigstens in der späteren Tyroler Osterspiel- tradition. — "Wir gehen über zu den gleichfalls mit Humor und Freiheit behandelten Wächterscenen am Grabe Christi 3): wir glauben kaum , dass bewusste Satyre hier wo man etwas prahlhansige Ritter auf die Bühne brachte, oder in den Krä- merscenen Spott über jüdische Marktschreier zu suchen ist. "Wie naiv harmlos sich die geistlich populäre Komik erging, zeigt am besten jener Wettlauf des Johannes und Petrus zum Grabe, wobei der letztere (Schon nach Ev. Job. XX, 4) spä- ter ankommt, was bekanntlich nach der Regel, dass wer den
1) Es ist aber wol zu beachten dass diese Magdalenascene von Anfang an und früher als die Salbenkaufsccne von der wir sie ablei- teten eine komische Richtung nahm, die dann ihrer Färbung nach immer etwas höfischer und eleganter blieb , als die burlesk geworde- ne Krämerscene. Im allgemeinen nimmt die Schilderung des Leicht- sinns der Magd, von Bened.-Beurer bis zum Alsfelder Spiel an drei- stem Realismus immer zu, nur das Donau-Eschingcr Spiel macht wie- der Ausnahmen, wo die Schöne mit ihren Galans nur zusammenspeist und Schach spielt. Was jene Krämerscene selbst anbetriflFl, deren einfachste Anfange der Lud. de n. paschae bei Hoffmann (Fundgr. II, 274) und das Wolfenbüttler Osterspiel (bei Schönemann p. 152 — 154) darbieten == so ist ihre wachsende Ausschmückung durch einen Knecht (Rubin), dann auch durch die Frau des Krämers, durch mehrere Un- terknechte (im Insbr. Osterspiel) u. s. w. bei dem skurrilen Character dieser Rollen kaum beachtenswerth.
2) In sofern es die Spieltradition den 3 Frauen zum Vorwurf zu machen liebte, sich ganz früh am Tage in einem fremden Garten betreffen zu lassen.
3) Vergl Mone II, p. 36 ff. — Fundgr. II, 310 ff. Mehr gehalten ist die Behandlung bei Pichler p. 143—146.
C»p. V, $ 3. 183
Schaden gehabt, für Spott nicht Borgen brauche, zur Erfin- dung mancher mehr oder minder burlesker Variationen die- ser WettUoftoeiie Aolass gab >). Sollte hier irgend eine sa- tjriache Spitze zu suchen sein, so hätte sich diese wohl nur gegen den Nachfolger St Peters wenden können: jene Annah- me wird dadurch von selbst widerlegt ^). Da wir die Teu- febtoenen hier noch zurücklassen, so wären die traditionell komischen Zuge des Osterspiels hiermit fast erschöpft. Noch will ich auf die nair realistische Färbung welche das Loosen der KnegrinMchte unter dem Kreuz über Christi Gewand zu MlgHi pflegt '), so wie auf die Characteristik der niedrige- m dem Heiland mit Schmähung und Vergewaltigung begeg- nenden Rollen *), endlich auf die Motivirung der Judas Rol- le *) hinweisen.
Allen im 3. Capitel behandelten Stücken gehen die ko- mischen Elemente (mit Ausnahme etwa einiger Rollen der Frohnleichnama-Proceeaionen) fast h ab, was sich aus
dem ber<»i»» *^*>rvorgehobenen dog:.._:.c^—. ethischen Character
uch dM emithafte Spiel aas f^^er Umt (vergl. Genn. III, ^'•ti di. P«4^ md Jobaim vor dem Lauf eine Wette eingehn um ein paar aeoe Sekalie und eio Sdiweri, VergL ferner Fondgr. II, 834 f. PtcUer p. ie7, 16a
>; Ich gUab« wenigatens nicht da«« man der spielleitenden Grtst- Uckkeit dermrlige Intention irj^end wird ztuchreiben dürfen.
») Vergl. Mone l, v n? nA li him :im 7i..Lnitt.,r II, p. 29.
^) Ich Bcoae des Hqiu« im 'i, oi n .SiaK nus,
Uom9 «<& im Dneaewiihif m : irkmantler (II, p.
2S— M), de« aoeh aas aMwtr • ist. — Auch
S* aiedemi ledearollen ^ :,l' «l* r Tcm-
pelkrtaMT im Zeekmai ' Reiten ti fni»
•ch«fi Aaftritiea.
S) Ich beiMflM f >-• Judaa (im Antchlumn :>ii j. n
«•I spiU UrehttelM U, - aaeh bc. x a. bt. ( Ura
l) ca Aatniff des ^ i Rchweti Id einer Tra-
gflrwMis bcaatxt w«r<i ihn nur noch
ohae ■ .- ht« voHQhrt.
TcrgL I^a^npea 8<r«a*'>^ Zar komitcben Fir>
bOHr Atr iadearbl' Lrehört auch jene«
a 4mi 10 • >umini bei Piohler
PL 17, aad das AU:
184 Cap. V,S3.
dieser Spiele hinlänglich erklärt. — Etwas mehr Komik zei- gen wieder die Legendenspiele, namentlich die aus dem 15. Jahrhundert: das Juttenspiel und der Thoophilus, letzteres am meisten in der Trierer, am wenigsten in der Helmstädter Recension. — Von den im vorigen § erwähnten Stoflfen des alten Testamentes sei noch kurz das Wolfenbiittler Denkmal wegen der humoristischen Salomo-Scenen >) hier genannt.
Was die Teufe Isscenen betrifft, die man doch wohl nicht aus Nachahmung des wirklichen Lebens herleiten darf, so würden dieselben theoretisch zu den aus den Apocryphen des N.T. entlehnten Spielmotiven 2) zu stellen sein, wenn nicht diese auf deutschem Gebiet von so spärlicher Zahl wären, das« sie eine eigene Gruppirung nicht rechtfertigen würden 3). — Wir verfolgen zunächst an der Hand der älteren Denkmäler den Hauptgang der Entwicklung. Die Benutzung der Apo- cryphen erweist sich überall als eine sehr discrete. In den Fragmenten aus Muri, die wohl zuerst uns die Höllenfahrt- scene bieten , wird nicht Adam und Eva noch sonst Eine der Ev. Nicodemi C. genannten Personen sondern nur eine jAnima' *) — und auf dämonischer Seite nur ein ,DiaboIus' genannt. Das St. Galler Osterspiel ^) aber bringt mit reiche- rer Anwendung des Cant. triumphale auch die Rollen Adams und Evas zum Vorschein. Der Diabolus hat sich in Lucifer gewandelt. Wir gehen von hier zum Wiener Osterspiel (bei Hofifmann) über, insofern hier der Anschluss noch ziemlich deutlich ist, und der erste Anfang jener im engeren Sinne
i) Vergl. SchönemanDB Ausgabe des ,SündenfaIl8* p. 85—87.
*) Wenn nicht alle, so doch die überwiegend meisten Teufelser- Bcheinnngpn im geistl. Spiel werden sich als aus der Höllenfabrtsscene der Osterspieltrad. entlehnt darstellen, diese beruht aber wieder auf Ev. Nicodemi c. XX flf.
3) Als solche vereinzelte Griffe in die Apokryphen nenne ich die Obstetrices im Freisinger Offiz (Cap. I, § 2), die Wahl Josephs zu Maria's Gemahl im Spiel aus Eger. (Vergl. Germania III, p. 271). — In epischen Behandlungen des Lebens Jesu werden die Apokryphen weit mehr verwertet: z. B. in der Kindheit Jesu bei Hahn Ged. des XII. Jahrh., in der ürstende ebendort.
^) So lese ich für das Animal des Textes (Germ. VIII), dessen Schlussbuchstab vielleicht als Abbrev. von loquitur zu fassen.
5) VergL Schausp. des MA. I, 124—126.
Ci^»- V, S 3. 185
komischen Richtong die wir bald näher beleuchten werden, erbalten zu sein scheint. Als Vertreter der Patriarchen ge- nügten der Spieltrad. Adam und Eva, doch führte sie wieder eine unbenannnte Anima ein, zur Andeutung jener Seelen, die in der Vorhölle weilend kaum recht der Erlösung würdig ■cheinea mochten. So wird denn auch diese Anima von Sa- tan dtr bier nnn als Lucifers rechte Hand erscheint, am Fort- gdben Terfaindert und nur durch St. Michaels Einschreiten wieder befreit. Als dritter Teufel erscheint hier nun Beelze- bub, der franz. Spieltrad. weit geläufiger als der unsrigen i). Wenden wir nns zum Innsbrucker Osterspiel das der Zeit Mich aUerdings älter, so erscheint hier die Sceneriein ähnlicher Bklitang, doeh weit reicher. Die unglückliche Anima kann bier tcbon nicht mehr entrinnen, und nachdem sie von Satan surückgebracht, erlässt Lucifer jenen grossen Tagesbefehl ') an seine Knechte, die Hölle für den erlittenen Verlust schad- los zu halten. Wenn wir oben 3) die nun folgende Scene in watoher Moha Seelm der Beihe nach, wie sie von Satan ein- gdnadit werden, ror haöfer ihre Sünden bekennen, als eine üeriehtMene des HöUenrürsten gefasst haben, so war dieser AMdmdE hier vielleicht noch nicht ganz am Ort, da die See- leo sieb mehr in humoristischer Weise dem Publicum als ei- •ea geförchteten Richter vorzustellen scheinen. Lucifer ur- theilt auch nar über die letzte der Seelen und zwar dahin, sie frei zu lassen. Sehr wichtig ist die schliesslich noch fol- gende Klage Lucifers über jenen Hochmuth, der ihn zum Fall gebracht. Ein Spielmotiv das hier freilich in die Oeoo- nomie noch nicht recht eingefügt ist
Gerade die Teufelsseenen siod es worin das Redentiner Ostervpiet dem I ker am nächsten steht. Hier finden
wir freilich fQr Luv..^. und Satan , die Letzterrm genfigten, ^oe ziemliche Menge von Dämonen *), und die Handlung ist
*} Abi dl« ^rag«| wi« weit '«uh ui di'ii Ti-ufTrlftacctirn /udhiii- smahsiif siH dm frsss. 8elMea|>i<-l ni^'t, v«ir<l »|>iit<r rinK'<i:!^i>^' o-
S) ▼«fft AMd. fleheesfu p. 11'' untoi l.io r.'o otia.
t\ Cup. n, f 4. (Za Aafuiffi.
»«■ptoobsa ia EtteiAUsm Astgsb« dss Spiels to« der UpiCaa- «Miio p. um, XIX. — Blatt der WHsskiea Iber LaoUtr wir« fr*i> lldi 9tm Biawds saf J«. XIV, 11-15, wslshe Stelle (efgenUich »uf
186 Cap. V, S 3.
weit lebhafter, indem sie ebensosehr im tragischen wie komi- schen Pathos *) gesteigert ist. Aber der Anschluss an den Innsbrucker oder einen sehr ähnlichen Text liegt ausser Zwei- fel. Die vor Lucifers Thron geführten Seelen entsprechen ziemlich genau den bezügl. Rollen der Vorlage 2) und hier übt nun Lucifer wirklich ein tragikomisches Richteramt, das sich nach dem Schreck, welchen ihm der Sacerdos freilich ein- geflösst, doch mehr in einen nackten Rachedurst für die ihm unwiederbringlich verlorene Glückseligkeit wandelt 3), und zum Schluss wenn auch nicht ganz lächerlich gemacht, doch mit Spott von den eigenen Leuten nicht verschont wird. Diese Ausgestaltung der Teufelsscenen muss freilich fast als Eigen- thum des Redentiner Redactors gelten. Einen ganz andern Weg zur würdigen Inscenirung der Höllenfahrt schlug das Alsfelder Spiel ein, insofern es den (nach dem Spielusus be- reits erstandenen) Christus das Richteramt über die Seelen in der Vorhölle üben lässt^), mit Anlehnung wahrscheinlich an den Gebrauch der Weltgerichtspiele. Durch die Beschränkung der humoristisch -dämonischen Elemente in der Höllenfahrt- scene sah sich nun freilich der Redactor veranlasst eine zweite Teufelsscene vor den ursprünglichen Anfang des Stückes (das Auftreten des Teufels) zu schieben , worin nur im allgemeinen der Verdruss der Teufel über Christi Unschuld und der Plan ihn zu verderben mit ziemlicher Breite variirt wird. — Doch ist es Zeit, dass wir das Eindringen der Teufelsscenen auch in die anderen Spielkreise, wie es schon im MA. anfing kurz bezeichnen, ehe wir in unserer Betrachtung fortgehen.
den Fall Babels gehend) auf den Sturz eines Lichtengels gedeutet ward, am Platz gewesen.
1) Als Beispiel einer höchst drastischen Komik hebe ich den Streit zwischen den Teufeln und Joh. Bapstista bei Mone II, p. 66 hervor — als trag. Pathos fasse ich jene streng ethische Richtung, (wie sie namentlich Prolog Mone 11, p. 83) und Epilog (a. a. 0. p. 106) unverhüllt darlegen.
2) Es ward dies schon Cap. II, § 4 erörtert.
3) Lucifers eigne Qual, die er im Insbrucker Spiel noch in fast elegischem Ton schildert (Altd. Seh. p. 121) ist hier zur Motivirung seines Menschenhasses (Seh. d. MA. II, p. 103) gebraucht — ein sehr glücklicher Griff.
4) Vergl. Haupte Zeitschr. III, p. 616.
Cap. v,§3. ler
Was das Weihnachtsspiel betrifft, so werden 2 war nicht die Diaboli, welche schon der Benedict-Reurer Ludus kennte wohl aber die unter Lucifers Leitung stehenden Höllengeister im Tui dorhwiiirhrn Weihnachtsspiel die ihren Verdniss über Christi Geburt bekunden, als Geschöpfe der 0^ 'radition
gelten mSasen. Schon ihre Namen und Aebn cn in der
Phraseologie M fuhren darauf. — Bei den Frohnleichnams- ^pielen liegt die Entlehnung der Teufelsscenen, wo solche Tor- kommen auf der Hand. — Im älteren Mühlbäuser Text des sehn Jungfrauen Spiels ist die Anklage der Thörichten durch LncUer >), als eine Variation jenes beim Redentiner Spiel her- Torgehobenen MoUts zu betrachten, wonach die Schuld und Strafe der Teufel mit jener der Menschen in steter Verbin- dung bleibt '> — Aus dem Legendencyclus kommt nament- lich das Juttenspiel und der Theophilus in Betracht. Wenn soch die Teufel hier (zumal im Theophilus) schon in der Ueberlieferung sich fanden, so zeigt doch die Behandlung wie- der die vom Osterspiel angegebene Richtung *). Es bleibt noch fibrig die in §§ 1 und 2 dieses Capitels erörterten SI&oIm in Betracht zu ziehen. Wenn wir hier wohl dem Sftndenfall (bei welchem die Rolle der Schlange
8*than zufiel) ') noch den Fall Lucifers aus dem Stande
I) Tcrgl. .-^cnnui-n Betprecbang dcfl Stücket Germania XY, 878.
>) Yergl- L. Bccbstrint Atunrabe p. 25.
*) EiDcraeiU trei* ' m zur VerfiihniDg Anderer:
di«M TenB«brt aber »■ xcntqualcn, and so dringt
er wied«nni aaf Bsttrafting der wenn auch durch ihn , doch nicht ohne eigwM Schald T«rAhri«n Seslea.
*) T«ff L na— BtKch Stellen, wo Jotta'i Seele (im Text bei Kel- Itr II, 9M 1) thtm aaeh dareh 8i. MicIumI befreit wird, wie die Ani- «a im Wiaacr OsUrspisl (Fsadgnibsa ü, 806). W&hrend hier lich 4is Teaftl bersUfca, apHoht gl^eb« Rael^r aich Tbeoph. v. 446 f. (Bloekell. B««.) vnd R«d«niiner Spiel fed Müne) v. 10&2 f. f=r Seh. d. MA. II, 108) au.
S) 80 weaigalaaa im bpi«;i »um ^,<gcr. ^«icnn. lil, p. 2t)i^) uud bot 8ekr6«r (D. WtihaaehtMp. a. Uafsra p. 40). — Im WoUenbfiltUr .Miirtsalitr hriwt •• (p. 80 salea): Lsoifar intrat |»anuli«am ei aa< wtmiik srborwa ei didi aerp^nt in sp««« Yirgini*. — In «iasBi •dbwad. Drama dta XVI. 7 rgl. Ljungren St. Draa. p. 168)
m: Bsshsbab baacL..^^; ..^b in ein M&dchen la waadaln,
gaki sa aa Jbra.
188 Cap. V,§3.
eines Lichtengels in den eines Teufels i) vorangehen gehen, so ist es wohl nicht unerlaubt sich wiederum an die Muno> löge Lucifers in der HöUenfahrtsscene, worin er ja jenen Fall bedauert zu erinnern *). — Nach diesem Rückblick verfolgen wir die Entwicklung der Teufelsscenen vom 16. Jahrhundert an weiter. Was zunächst das Zeitalter der Reformation be- trifft, so konnten Katholiken wie Protestanten gleichwenig den Teufelskram entbehren. Nicht nur im Weihnachtsspiel sind sie mit ihren derben Spässen oft genug zur Hand, sondern überall, im echt katholischen Leben des h. Meinrad wie in der Hochzeit zu Kana eines Paul Rebhuhn (wo der Eheteufel sich hören lässt) sind sie die unentbehrlichen Gehülfen des geistlichen Dramatikers. Nach jener derben Ausbildung der Teufelsscenen im 16. folgte noch ärgere Geschmacksverirrung im 17. Jahrh.3), worauf aber bald eine Reaction erfolgte, wel- che denn dem jetzt üblichen Ammergauer Text (also in dem einzigen noch lebenden Passionsosterspiel) das völlige Schwin- den der Teufelsscenen, welche der Osterspieltradition so lange wesentlich waren, zur Folge hatte. Hingegen hat sich im Oberuferer Weihnachtsspiel noch die Spur der Teufel unver- wischt erhalten, nur dass sie hier zu gutmüthigen Schelmen hinabgesunken, die überall im Wege stehen, auch wohl ein- mal sich nützlich machen *) ohne der Handlung noch erheb- lich anzugehören. Wenn hier also Teufel- und Spassmacher- rolle in Eins gerathen, so würde man doch sehr fehl greifen schon den Teufel der älteren Spieltradition als einen , Hans- wurst des MA.' zu bezeichnen. Als Beleg dient hier nament- lich die Luciferrolle mit ihrer so tief tragischen Motivirung.
>) Dabei ward namentlich in dem Zuge , dass Lucifer als Zeichen des Hochmuts fieincn Stuhl im höchsten Himmel aufgerichtet, wieder Jes. XIV, 13, 14 ausgebeutet.
») Vergl. Altd. Öchausp. p. 121, Schausp. d. MA. U, 102, 103. — Von hier aus rückwärts gehend gelangte man zur wirklichen Darstel- lung der Verstossurg Lucifers aus dem Himmel. Vergl. hier nament- lich auch noch Germ. IV, p. 342 (unten).
^) Ich verweise zunächst auf Clarus: Das Passions -Spiel in Ob. Ammergau p. 69 Anm., der dann wo! imf Gervimis f(ic8ch. der deut. Dicht. III, 443) fusst.
*) >«ur den Herodes holen sie hciuif^Mitii m burlesktr Weise zur Hölle. (Schröer p. 121, 112; vergl. vorher p. 119, p. SO, p. 12).
Cap. V, §. 3- 189
Noch das Puppenspiel tod Faust, das bis in den Anfang die- ses Jahrb. sich in Uebung erhielt, lasst die ältere Zeichnung der Dämonen wohl erkennen : so kurzweilig diese Käuze sich gdegentlich auch stellen, so schlimm spielen sie schliesslich dOB Menschen mit, der gegen die Warnung seines guten Odiles ihnen Gehör schenkt. Auch zu der Bemerkung mag WM dieeee pMMtqriel noch Anlass geben, dass wie hier der gutmüthige Schelm Casperle, sich scharf genug von den Dä- BKUMfi sondern lisst, so auch im geisüichen Spiel die komi- tehen Rollen (mögen sie indirect oder direct als solche sich ankfiadigra) i) mit den Schaaren der Hölle besser unverwirrt Wm uns gleioiiwohi berechtigt, beide Gattungen hier einander ta betracbtm, liegt darin, dass wie die komi- schen Sceaoi sich nur schmarotzerhaft dem biblischen Text aufdrängten, to die Teufelsscenen einer kanonischen Grund- lage gans entbehrend ^) und nur leicht an apokrjphische Quellen sich anlehnend, gleich jenen ersteren merkwürdigen finhwaaknngmi der ^^trad. (welcher hier eben der rechte Halt ÜBhhe) mnteriagen. Einerseits nämhch war die Wiilkühr in Eioführung und Erweiterung dieser Spielelemente 3) groat gMing, andewruita aber ward ans Bed' ' *>it oder ver-
iadertem Geechinck dieeen Richtungen i^ateren Ueber-
arbeitem der Texte oft mit schonungsloeer Strenge entgegen- fetreten.«)
>) In rnterer Besiebang lind der Sdbenkrimer ond Umliobe BoUea, di« noch eine Art Ankn&pfang an den bibl. Text haben — in latotarar dar «Poaaeniack* bei Pichler p. 26, der Narr im Lnxemer Oattnqpiel bai Mona H, 418 o. dieselbe Rolle in St Meinrads Leben
«) Abgaachaa nattHieb von der miadatttrt \IV, II f.
S) So ward in da« AlaCildar Pmhl Spial no tu An-
fu^ (bei Uaapt IIl, 490 t) soi^tohat von sweitar Uand t. 862-469, daaa ron dritter r"^'^ -'•->- --^r«— • fvergl. p. 493 Not«): im fer- ntrtn Veriaaf iat h der im Wirnor Oiterepiel
okaa Wailaraa atagcachubea. (Ycrgl. Yilaar a. a. 0. p. 479).
4) Kina WlrJrrWaf ilivuntr von Tcurt^Iiarrnrn w&rtl von Schröder
vad mir an;.
abaaao ta Hi<'gi'rM-'n<*n int ura />iinjunginiu««naj>iriii: EwaUM iil loleba Aaaaebaideag ia der Obaraanaargnar Hpi«*! (TergL Claroa p. 76).
€'ap. %l.
Aufführung und Oeconomie der geistlichen Spiele.
Die Äeusserlichkeiten der Aufiführung, wenn auch von unserm Standpunkte aus minder wichtig, als manches andere dürfen doch nicht ganz ühergangen werden, da ihre Kennt- niss zum Verständniss des geistlichen Spiels in seiner Eigen- thümlichkeit nicht unwesentlich beiträgt, um das ziemlich reiche aber sehr zerstreute Material, was uns die Spielordnungen namentlich der grösseren Stücke und andere Hülfsmittel an die Hand geben, einigermassen zu ordnen, unterscheiden wir zunächst drei Hauptperioden: nämlich eine ältere, eine mittlere (die dem ausgehenden MA. entspricht) und eine letzte, deren Beginn etwa um die Reformationszeit anzu- setzen ist. Noch bemerke ich, dass das Osterspiel als die wichtigste Spiel-Gattung vorwiegende Berücksichtigung finden wird.
§ 1. Die ältere Periode.
Auch diese wird sich uns wieder in zwei Theile zerlegen: einen früheren, in dem wir die Incunabeln des geistl. Spiels — die Zeit, in welcher die kirchlichen Officien für die Oster- nacht, für den 6. Jan., 28. und 25. Dec. nur als freiere Formen des Kirchenritus •) erscheinen, und selbst die Anwesenheit der Laien-Gemeinde bei ihrer Darstellung oft zweifelhaft bleibt 2),
)) Kaum vor dem XI. Jahrb., dann wol zuerst in Klöstern alB freie Andachtsübung aufgekommen. Vergl. Mone I, 10.
2) Schon die Betrachtung dieser ältesten Betspiele selbst fuhrt darauf: ausdrückliche Zeugnisse wie jenes Edict der Wormser Syno- de von 1316. (cf Fundgr. II, 242 Anm. 6) kommen hinzu.
C«p.V,S. 1. 191
— bttnditeii, und «aea qiitern , iDdem wir alle die Fälle r***Tf*Tnfniwii, in denen Aufführung an kirchlichem Ort, doch ■it waehaender Berückaicbtiguof; der Tbeiloahme des Laien- ■taodaa, noch mit aiiügsr SialMrIieit anaonebmen nt Eine itreng cbronologiaebe Scheidang würde undurchführbar sein : auch walten andre Bedii^Dgen fast in jedem einaelnen Spielkreise.
Fir daa Osler^>iel kommen naidiat wieder jene beiden Stellen Gerberts in Betracht, die wir (nach Mone I, 7 n. 9) AJt alter Kloeterritos wird angeführt, ohne be- ZeitoBgihe, Fönendes: Dno sacerdotes i) se cappis indount, wiiaeiitwi dno tburibula et humeraria*in capita po- nant iatrantea cbomm >), panlati • s versus sepulchrom,
fooe nediocri cantantes: qnis riN nobis lapidem? qnoe
diaoonoa, qoi debet eese retro sepolchrum, interroget psallendo: qnem qnaeritia? deinde illi: Jesam Nazarenum, quibus diaco- nas respoodet: a<Mi est bic llox incensent 3) sepu Ichrum et dioente diaooao : ite nuntiate ! vertent se ad cbomm rema- aaper gradam, et cantent Surrexit dominus de sepulchro ai fiaem. Finita antipbona domous abbas iucipiat: te deaai InadaMBsl ia medio ante altare, mozque campanae so- aeatar ia aagalaribas *}.
Die tweüe Stelle (einer Züricher Us. toq 1260 entnom- men) lantet so:
Staates (Mnlieres) qaasi in oppoeito angeli devote can- tant: qois revolvet, angelns: quem quaeritis , mulieres: Jhe- sam Nazareoam, angelns: non est bic. Mulieres redeuntes ver- sus locoai itarionis clerioorum cantant : ad monementom, quo
*) OelUr »odi ■xtcht— «• drei Priester tia, vcr^t. dl« AbbU- dai« bei Maas I, a
t) Dalar daa ,Cbor* sb «{Man KirdMBfaam > ,<-n6r
biasrw . oll «rMrt«, seeb wol durch «bM Gttt«rwaad vom Uanpt- Mhtff fstr— s«< AbsdibM de* OcbAadcs m venishea: weaa H. B^i (Dm frisiL Habseip d. MA. p. 16) sa dsa mii der Orfel vtrbaade- •M tJegabiw dsaki, «> ist das wol Ar diese Utere Periode gaas
*) Es bi wol ,iiiSBSiidset* sa versleba. — Wo äeh das sspd- rlin»» h44uA, ist aicbl gaas dsalliek
*»ps«ss belaNnUkb ■■ Oloekso (w«U di«a« ia Nola «rfim- •tr« win mUmi); sof» lsr<s ■ebsissa gsfcplsilw^ oder TbirsM sa bo>
192 Cap. VI, § 1.
ftoito clerus cantat aliquaiituluin remisse antipbonam : curre- bant duo simul, et interim duo antiquiores et honorabiliores canonici casulati, repraesentaturi Petrum et Johannem, quasi festinauter vadunt ad altarc niartyrum, sed junior citius se- niore, et ibi duobus candidissimis linteis ab ipso canonico, an- gelum repraesentante, receptis, ipsa linteola publice reportan- 168 ad cleruni et ostendentes cantant : Cernitis o socii, et statim cborus alta voce subjungeDs: Te deum laudamus in chorum revertitur.
Zur Vergleichung ist auch noch eine Stelle Durand! 's (bei Mone I, 9) in Betracht zu ziehen >), welche (a. a. 0. p. 10) die nicht fest geregelte Stellung der kirchlichen Feier be- zeugt. Welcher Name für derartige Osternaclitfeiern üblich war, steht nicht ganz fest. Oft finden wir nur üeberschriften wie ,In resurrectione' oder etwas ausführlicher ^): in einer dritten, schon mehrerwähnten Stelle Ger b er 1 8 3) igt von ei- nem ,officium sepulchri' und in einem auch schon herbei- gezognen Worraser Synodalbeschluss von 1316 "*) von einem ,re8urrectioni8 mysterium' die Rede. — Die fünf (oder vier) bei Mone I, 10 — 27 abgedruckten Texte sind zu jenen Grund- rissen bei Gerbert gehalten, fast nur durch die Hereinziehung kirchlicher Hymnen und Verwertung der Sequenz ,Victimae paschali' 5) bereichert, und enthalten auch für die Inscenirung nicht viel neue Winke «). Der ganze Text ist mit Musiknoten
•) Hier wird das sepulchrum imaginarium als ausserhalb des Chors angedeutet: solemni proccssione ad aliq. locum, nbi sp]». iinnprin. eoaptatur tendimus.
2) Vergl. Mone I, p. 12, p 15.
») Vet. Lit Alem. IX, I, 3.
*) Vergl. Fundgr. II, 242 Anm. 6. — Meines Wissens die einzige Stelle, wo sich der Ausdruck ,my8terium' für eine kirchliche Auffüh- rung in deutscher Quelle findet. Gegen die von Wackernagel (Lit. Gesch. p. 300) beliebte Schreibung ,nii8terium' sind schon von Hase (GeistL Schausp. p. 41, 42) gegründete Bedenken erhoben.
5) Wir sehen hier von der Cap. II, § 1 geraachten Unterschei- dung der Sequenz in zwei Theile ab und begreifen das Ganze unter jenem Namen.
*) Am meisten ist noch der Text p. 16 — 18 nach dieser Seite hin ausgestattet. Vergl. Mone I, p. 14. — Dass selbst Worterklärun- gen, wie das zu Rabbi gehörende ,quod dicitur magister^ mit den Rollen vereinigt wurden , scheint nachMones Anm.2(p. 17) zu schliessen.
Otp. VI, 5 1. 193
überschrieben: sicher war jedoch der Vortrag der HymDen ton dem des Volgatatextes und einiger Erweiterungen dessel- ben etwas Terschieden — ein gehobenes Recitativ wird für letzteren wol amgweicht haben '). — Vor dem letzten der TOD Mone gefundenen Osterfeiem (I, 22, 23) findet sich eine Notii geringen Wertes: Anno D. 1372 in vig. paschae factum est hoc opus *) per fratres cet. (Es folgen drei Namen). Ver- mutlich gaben die dort genannten Klosterbrüder die drei FniMoroUen, die im Text (wo sie zusammen sprechen oder mgan) «b «OmoM tres' bezeichnet werden: die Engelsrollen werden wol wieder ron Diakonen (wie Mone I, 7), die Domi- nicft persona wol nur Tom Abt oder Praelaten selbst Torge- stellL —
Von besonderm Interesse ist die Spielordnung der Klo- ster-Neuburger Osterfeier, deren Anfang ich hersetze: In sancta nocte antequam sonentur matutinae Praelatus ali- quibus sibi adjunctis corpus Dominicum et crucem de sepul- chro iollant cum dcTotione et reverentia, aspergentes et ado- lentee ea ac canentes sub silentio Rcsponsorium ,Surrexit peetor bonns* oet — Deinde hos psalmos cantent , Domine cognosti me* cet — Quando debet secundo yisitari sepul- cbrum ') cantatiir Respons. ,Dum transisset sabbatumS Sic que ut mos habet sepulcbrum tisitatur, ibique clero in duos ordinet diriso nt fieri solet in choro cantores imponant hanc antiphonam ^Maria Magdalena* cet. Tunc tres presbyteri ad hoc officium dispottti portanies thuribula *) et quae seq.
I) Aadtn iamni noh Mone I, 6.
>) G«gca dia von Mcnw (L, 23) und R«idt aus dicvero Ausdruck
-.-paofnca Fol(«rvngCB wt acbon früher Vvrwshning eingelegt: schwer*
dl «IrdcB Midi die drei Kamen der Mönche ««^rxfichnet sein, wenn
iie Feier ia bkteee« Oeeuf obn« Aetkm beeUnden bitte. Deee aber
(Mtam est* aielit aaf die AMumng des Textes gehn kann, riamt
t) Diee atduiurbe Beenehea dee Orabee iei hier naaMntUok sa bcsBcrkca: bei dem rrticn Male ist der Cbarmcter ein mehr itrenf- kärehlieher, and hier wol eckwerUck irfend welche (sei es eu-* -::- tneehaaeadc) Tkeilaekme von Ljüen easnnekmen.
«) Im Weiteren scklieeet sick das SlAck der uns bekannten Weise
ea: Ar die Bolle dee Eofele wird vorgeeekriebea, Diaoomis eotomai
et alba veste Yestttas intra aepnlcknnn reatdene komili (voce) re^M»*
i7 eei.
18
994 Cap. VI, § 1.
Bezüglich derWeihnachtszeit sind wir aus unsern äl- testen Denkmälern weit weniger im Stande, die AufTührungen mit einiger Klarheit zu ersehn: doch kommen uns hier die verwandten gallikanischen Ülhcien zu Statten. Indem ich diesmal von der uns geläufigeren Folge der Festtage ausgehe, hahe ich zugleich Gelegenheit, die einfach- älteste Gestalt der 24. Decemberfeier, für die ich Cap. I, § 2 nur die etwas mo- dernisirte Form bei Gerbert (Lit. Alem. IX, I. 3) beibrachte, aus den Freisinger Stücken selbst auf kritischem Wege her- zustellen 1).
(Angelus) inquit inprimis:
Pastores annuntio vobis gaudium magnum.
(Pastores) Transeamus Bethlehem et viedeamus hoc verbum.
Angeli 2) Gloria in excelsis Deo et in terra pax hominibus bo- nae voluntatis!
Chorus dicat. Pastores dicite, quidnam vidistis? Respondeant pastores. lufantem vidimus pannis involutum. — Hiermit mag man eine Spielordnung vergleichen, die das OflBce des Pasteurs (aus lioueu, IIs. des XIV. Jahrh.) bei Du Meril (p. 147 f.) an die Hand giebt. Es heisst dort: Prae- sepe sit paratura retro altare. et imago S. Mariae sit in eo posita. In primis quidam puer ante chorum in excelso, in similitudinem Angeli, nativitatem Domini annuntiet ad quin-
que canonicos, Pastores intrantes per magnum ostium
cbori, per medium chorum transeuntes, tunicis et amictis in- datos, hunc versum ita dicens ,Nolite timere' cet 3) — Sint
1) Vergl. Woinhold Weihn. Sp. p. 56 f.
2) Vergl. Weinh. p. 62, wo die Bez. der Rolle richtiger, woge- gen der Text p, 56 vollständiger steht. Für den Scbluss war wieder p. 62 Torzuziebn.
3) Ev. Luc. II, 10—12. — Die Belege für die übrigen Antipho- nen bei Du Meril. — Einfacher und älter scheint übrigens jene Ver- sion, die der franz. Gelehrte ala ,addition' bezeichnet, wo nach einem wol kurzen Eingange so fort gefahren wird: Tunc pastores gradiantur per chorum, in manibus baculos portantes et cantantes usque ad
Cap. V] § 1. 195
phir«s paeri in toIUs Ecdesiae, quasi Aogeli, qui alta voce inctpiant «Gloria cet' Haec audientes Pastores ad locum in ,uo paratum est praesepe accedant ,cantantes bunc versum Fax in terris' totum. Quod dum intraverint *), duo Presbyteri dalmaticati , de majori sede , quasi Obstetrices , qui ad prae- sepe fuerint, dicant. Quem quaeritis? cet. Pastores respon- deant «SalTatorem Chhstnm* cet. Item Obstetrices, cortinam aperieates '), Puerum demonstrent dicentes ,Adest bic parvu- lot* cet. [Hie ostendant matrem Pueri dicentes ,Ecce virgo'.] Tunc eo viso inclinatit cerricibus adorent Puerum (Pastores), [et salutent (virginem) dicentes ,Salve virgo singularis'] Deinde Tertant se ad cborum ,redeuntes et dicentes: AUeluja, All. — jam Tere •dmot cet. Hoc finito incipiatur missa et Pastores regant cborum. — Die F ingeu aus jener einfacbsten
Form die wir oben bing«- i)en, sind dudurcb besonders
merkw&rdig, dass sie das Hirtenoffiz dem Dreikönigsoffiz in der Weise nahe rücken, dass eine Entlebnung sieber bier oder dort stattgefunden hat 3). Zum Belege geben wir die Spielordnung eines Ton Da Meril (p. 153) als office de TEtoile ebeaCalU aus Rouen mitgetbeilten Denkmals, dessen Text fast ▼öUig mit jenem alte«"'"" P-'^tandtbeil des Freisinger Dreikö- nigtoflliet sutammen Sie lautet so: Die Epipbaniae,
i cantata, tres (Clenci) de majori sede, more Ilegum in- iuu (et debent esse scripti in tabula) ex tribus partibus ante altare oooTeniaot cum suis famulis, portautibus Regum obla^- tiooea '), indutis tunicis et amictis (et debent esse de secunda Mde scripti in tabula ad placitum scriptoris). Ex tribus re- gibos nedios, ab Oriente veniens stellam cum baculo osten- deo«, dicat alte «StelU fulgore* Secnndiia res a dextra parte
Ckhaii prw^ri-«», Tran««aiDut tu Itilhirbtm nt. Uli \ : :.: t. .■ duo
CWnci in praptrpr r»nl«-f.( • (^■^fm <\n■^''^t^:<^'* rrt —
i) In* Brz. df H'
') Der AoAtlruck » — i .. -,
') iCioiK« (»runde dir (ikr da» kotier« Alt«r der Dr« «prvcbcn , «lod »chon früher dargeUft.
*) btn >cl» im AlMlruck («p. 1, | 2 daroh grbmmtn ß»t
•) Di«M «erden im WeiMafw Oflb (bei W^i&botd t> ,|rarri in prccertoas Regaa* besekhaeL
196 Cap. VT, § 1.
respondeat ,quae regemV — Tertiu» rex a sinistra parte di- cat ,Quem venturum'. — Tunc Magi ante altare sese osculeu- tur et simul cantent ,Eamu8 ergo'. Quo tinito cantor inci- piat ,Magi veniunt'. Et nioveat processio. (Cantetur) versus ,cuin natus'. Sequatur aliud responsorium si necesse fuerit Jnterrogabat Magos' 'J. Processione in navi ecclesiae consti- tuta, Stationen! faciant. Dum autem processio navem ec- clesiae intrarej coe2)erit, Corona ante crucem pendens in mo- dum stellae (accen^atur) et Magi, stellam ostendentes (cum baculis), ad imaginem sanctae Mariae super altare crucis prius positam, cantantes pergant ,Ecce Stella'. Hoc finito duo de Majori sede, cum dalmaticis, ex utraque parte altaris stantes, suaviter respondeant ,Qui sunt'. Magi respondeant. ,Nos sumus'. Tunc duo Dalmaticati aperientes cortinam 2), dicant : ,Ecce Puer adest'. Tunc procidentes Reges ad ter- ram, simul salutent Puerum, ita dicentcs , Salve princeps'. Tunc unus a suo famulo aurum accipiat, et dicat ,Suscipe, rex' — Et offerat. Secundus rex ita dicat et oflferat. ,Tolle t(h)u8'. Tertius ita dicat et aflferat — ,Myrrham signum'. Interim fiant oblationes a Clero et Populo. Tunc , Magis orantibus et quasi somno sopitis , quidani Puer alba indutus et quasi Ängelus, in pulpito illis dicat banc antiphonam, Im- pleta sunt'. Hoc finito, Reges recedant per alam ecclesiae ante fontes, et intrent chorum per ostiuni sinistrum, et pro- cessio intret chorum sicut consuetum est in dominicis, Cantore incipiente hoc responsorium. ,Tria sunt'. Si necesse fuerit ,Salutis' 3). _
*) An Stelle dieser beiden Respoiuorien trat dann später die Station Jerusalem mit Herodes und seinen Scribae, wo die Magier den Weg zur Krippe erkundeten: jener secundäre Bestand des Freisin- ger Oflizes, der in kleinerem Satz Cap. I, § 2 noch aufgenommen ward.
1) Weinhold, der p. 61, 52 dies Ritaal nach Martene De ant Eccl. rit. Tom. III, L. IV, c. 14 (wo es sich bereits findet) verdeutscht hat, übersetzt: indem sie den Vorhang zurückschlagen. Da ,cortina* nach Ducange aber auch = pars ecclesiae lateralis ist, so möchte ebensogut an das Ocffnen einer Seitennische oder KapcU« zu dpnken sein.
3) Nacli Marlt-m- haben bei der folgenden Mihhc dm drei Koni- ge den Chor zu leiten, im ,OfSce des Pasteurs' die Pastores.
Cmp. IV, S 1. 197
Für die Ton mir Tertretene Ansicht, dass die Hirtenfeier MM dem Dreikönigsoffiz, nicht umgekehrt entlehnt habe, spricht auch noch die Dreizahl der Priester im Magier- , die FBafitahl im flirtenoffiz, sowie die Anlage des ersten Freisin- ger 8li«kM >). Dies beginnt im rorliegenden Text mit einer Art Spielordnung, die neumirt ist >) und nach Weinhold (p. :>6) so lautet:
Atoendat Rez et sedeat in solio,
Avdiat sententiam (de no?o rege nato),
Quaarat consilium,
Ezeat «dictum —
Ut perfeant) continuo,
Qai (obtrectent Regis) imperiol — Diese Anweisung bezieht sich also (wenn meine Ergän- nug des zweiten Verse« S) richtig ist) auf das Erscheinen der Magier Tor d«m König, und jenen Plan zum Kindermord«, der (in einer noch recht knappen Weise verglichen mit der Behandl. p. 63, 64) p. 61 Torliegt Etwas ausführlicher ist die SpielMdnang des andern Freinnger Stückes, des Ordo RecbeK« — doch neht man nicht kUr, ob und wie bei Dar ■telfauf des Kindennords und der Rachelklage (p. 64, 66) die Kinderrollen «elbet Torgeftihrt wurden: dass diese nr- spräoglich als Innocentes im Gefolge des Agons sogar die Haopttriger der 28. Decemberfeier waren, ist dem Leser er- innr-rlich, und verweise ich auf die schon Cap. I, § 2 mitge- theilie Spielordnuog der unsern> f>f?i, l v.rwundten Orleanner Interfectio *).
t) Bshwsrlieli wird« bmui hi«r die Hirteavcqrehnuif noch ia gsiit infcnksr WaiM ■•« eiafsfihH habm» waaa dk fbterlicka Proessiiea mr Krippa, wie d9 dk Mafter MNftkrva, Eattebnang mm ömb Of> Am im hmUmn oder «{mt JhaHehen Toriage wir«.
«) Wt« Ibtiteapl die bddea Pr«tsiBter Sticke aooh voHsttadig
.« «oWkc iniiwsk— II . anTerttAadlichn
/ •manmmbm^f'. ia rythwiselief B—. «cnirn eine ongeAlir gteicbe Zahl
nm BebaafM Ar die beide« dardk de« Bei» gebvodae« Kob das
adf BaaehtaagtwtH«. Ftr per (eaai) kAmt« bmui aaeh periaiaa-
>f erttoMii. der SchlaM katet Ia dar TTi. .uui detrahaat a|äa iaipa>
^j «>^i iii «ärrii y. i7h) ala laaaaavrv uw mmüib
198 Cap. VI, § 1.
Von der Freisingor Racbelklage gehen wir, ohne jedoch hier irgend einen Zusammenhang M anzunehmen, zu den Marienklagen über, insofern diese nicht nur das kirchliche Local gern beibehielten, sondern auch bei dem hohen Ernst der Charfreitagsfeier der sie direct oder indirect sioh anschlös- sen, einen streng kirchlichen Character lange genug sich zu erhalten geeignet waren. Wir haben zunächst von kleineren Bruchstücken abgesehen, hier vier Denkmäler vor Augen 2), deren scenische Angaben freilich bis auf das letzte Beispiel, die Bordesholmer-Klage so dürftig sind, dass sie füglich nur beiläufig mit der Bordesholmer Spielordnung, die wir hier einrücken 3), verglichen werden dürfen. — Incipit planctus devotissimus beatissimae Mariae virginis cum misericordissima et devotissima nota.
Planctum istum facit beata virgo Maria cum quatuor personis devotis devotissime bona sexta feria ante prandium^) in ecclesia ante chorum in loco aliquantum elevato vel extra ecclesiam si bona est aura. planctus ist« non est ludus nee ludibrium, sed est planctus et fletus et pia coropassio Mariae virginis gloriose et quando cunque fit a bonis et devotis ho- minibus, in genere sive in specie valde provocat homines cir-
der Spielordnang wären hier die getödteten Kindlein auf den Ruf der Engel ,Sinite parvulos' scheinbar zum Leben zurückgekehrt, und dann mit in den Chor der Engel eingetreten.
•) Gelegentliche Anklänge, wie die Verwendung von Ps. 142, 4 (Anxiatur in me spir. m.) in der Orleanner Interfectio (cf. Du Meril p. 178) und einigen deutschen M. -Kl. machen Nichts ans.
5) Die oft von uns besprochnen Lichtenthaler (bei Mone I), Trie- rer (bei Hofimann Fundgr. II), Wolfenbüttler (bei Schönemann) und Bordesholmer M. -Kl. — Allen diesen schloss sich ein Ludus de uocte paschae, dessen Aufführung im Wesentlichen noch an die alte Oster- nachtfeier sich anlehnen durfte , an : ist aber in der Lichtenthaler ond Bordesholmer Klage nur noch spurweiae erhalten, wie schon Cap. II, § 2 ausgeführt ward.
3) Vergl. HaupU Zeitschr. XIII, 288 f.
<) Oefter wol fand die Aufführung der Klage am Abend der Sex- ta Feria statt, so heisst es Fundgr. II, 260: Incipit jtlanctus Mar. virg., sextae feriae ultima pars; und in der (wie es scheint nicht ganz ge- sicherten) Ueberschrifl der Wolfenbüttler M.-Kl. (Schönemann p. 129) : debet cantari post Crox fidelis inter omnes, et sie finire usque ad vesperam etc.
< ..,. w. § 1. 191
curastttitM ad tonm fletum et ad corapassionem sicut facit semo devotat bona sexta feria de passione domini noetri Jhesa Cbiitti, ti non potest fieri bona sexta feria oommodose proptar wnMMMBi de passione domini, tunc beata virgo faciat istnoi planctum antea cum suis, sicnt feria socunda post do- minicam palmanim '), ante prandinm, iste plunctus fit coni- Bodoee in duabos boris et media, et omnia quae tunc fiunt ab illis quinque personis non debent fieri cum festinationc nee nimia mora, sed medio et bono modo, ilie qui est Jhesus sit>) deTotos laoerdos, Maria juvenis, Johannes erangelista ■■miiliii. Maria Magdalena et mater Johannis juveues. Jiie- aos debet le praeparare cm casnla rubra, Johannes siniili BwdoL JbesQS et JohaniMB debent bahero diademata de pa- pjro, diadema Jhesa babeat rubram crucem, ante et retio. Maria debet se praepare com vestibus, sicut Maria Magdalena in nocte Pascbae. Johannes babeat gladium de ligno cum TSgina quam tenet in manu cum exit cum rigmo suo et Jo- hannes debet saepius tangere cor Mariae vel pectus ejus, et ema ladt actom soom 3) ttatim deponit gladium, (jurcnis qaidam beae restitna potest ienere gladium cum paiiuo de serico com quo beata virgo tegit postea lumbos crucifixi; do- minus Jhesus cum priroo exit cum aliis quatuor personis, de- vote portal cmcem in manibus suis, (et quum cantavit ver- sam. Quoniam tribulatio proxima est, statim deponit cru- eem, et quum faciunt planctum dominus Jhesus debet habere cmcifixum ante se) et quandocunque facit actum, tunc crurem depooit et intrudit crucifixutn *), beata virgo stat a ■} — '-■-.
I) Ums tau MoBtage naeb PahnannB der Semo de pMsioBc akbi f !>■■■ ward«, bei ■cbon MUteahoiT angraierkt.
S) Dm ,««i* der B*. ■ch«int mu dein AnCuia des RaU«« irrig wie- dmkokL
I) Wen Ma die det. 3(N»>811) beig««e-
beaea IfslisMi vetvlnekt* ao idMini Bär die Kuile des Juh. vorire- •skriebMi, 6»m «r ealweder das Sebwert in lUm). n »> huli. n fw«iiti er aar sa cprecbea brmticbt}; oder denti }ä. habe
(weaa die HeadJeng diaee lyaiboUecbe iaterprciaiicn riririi^n; nd«r wdlicb dac Scbweri aiederiegaa aoU«, wean er ta At-tiim tnit d. h. die Anne frei bebco oraae, s. & nai Marie wieder eufiahcli«n (tw r. ttl) -
«J Uer pRi«afoaist teheiat alM> nrnm beilife Syaibole ,Ki
200 Cap. VI, S 1.
Jbesu Christi cum Maria Magdalena, Johannes a sinistris cum inatrc suu , virgo Maria quum facit actum suum, vadit ad medium et aliquando vertit se ad filium ad orientem, ali- quando ad occidentem, aliquando ad aquiloncm, aliquando ad meridiem cum gladio Symeonis quem teiiet beatus Johannes ante pectus ejus, aliquando beata virgo expandit brachia sua, aliquando levat manus suas ad filium cum oculis omnia cum moderaminc, quandoeunque fecit actum suam, vadit ad locum Buum et stat a dextris simili modo faciunt alii, quum ezeunt et quum intrant, faciunt tria paria, primo exit dominus Jbe- 8US cum cruce cum Johanne evangelista, post hos beata virgo cum Maria Magdalena , ultimo mater Johannis cum rectore, et ille incipit psalmum. Circumdcderunt me viri mendaces, usque ad locum praeparatum, finito psalmo dominus Jhesus cantat solus versum, Quoniam tribulatio proxima est et ver- tit faciem ad occidentem sq. unusquisque dicat rigmum suum cum devotione plangendo in eadem nota et tono discreto.
Hervor zu heben bleibt namentlich noch, wie hier nun zugleich mit dem Eindringen der Volkssprache in den Text 0 auch die Absicht, eine tiefergehende Wirkung auf das Gemüt des Volks auszuüben , deutlich hervortritt 2) : das geistliche Spiel zeigt von nun an ausser dem symbolischen oder beredt repräsentativen noch einen exegetischen Character, um einer
Crucifix* gebraucht zu haben : ersteres war von ihm ähnlich zu hand- haben wie das Schwert von Johannes. Das Crucifix hatte dann wol von v. 217 an den Erlöser zu repräsentiren , w^ährend dem dahinter stehenden Priester die nöthigen Reden (das jetzt noch in der Char- freitagsmesse übliche Popule meus und die sogen, sieben Worte) zu« fielen. — Allerdings ist mir das ,quandocunque facit actum' hier nicht ganz deutlich. — In der Wolfeubüttler Marienklage, welche die Hand- lung bis zum Begräbniss ausdehnt, heisst es vor v. 366 Ilic portant crucem ad sepulchrum. Die symbolische Darstellung behielt ihr Recht, auch nachdem die Christusrolle selbst Eingang gefunden hatte.
>) Wo lateinische Texte dem deutschen Rollentheil nicht voran- stehen (z. B. vor der Johannesrolle v. 594 f.), ist jüngere Abfassung deutlich: ebenso an dem von Joh. gesprochnen Prolog und Epilog, obwol ersterer mit dem in der Charwoche gelesenen äermo de pas- sione sich einigermassen verbinden last.
2) Man beachte das häufiger (p. 304, 5, 12) vorgeschriebene: di- cit (oder vertit sc} ad populum.
Cip. VI, S 1. 201
blon oder überwiegend sinnlichen Auffassung der Festfeier bei'm zoacbaoenden Volke vorzubeugen. Als Exeget tritt in der Bordesbohner Klage Johannes der Evangelist, der schon als handelnde Person in die Spielordnung gehörte, nament- lich in jenem langen die Passionsgeschichte zurückgreifend beleuchtenden I^log auf (t. 1 — 131): doch auch im kürzeren Epilog (T. 875— 886) 1)« während die gelehrt -klerikale Be- trachtung des vorgeführten Stoffes sich mehr in den Rollen llagdalena's und Salome's ausspricht 2). — Auch in der sym- — triwben Aufstellung der Spiel- Personen ^) und jener An- ordnung, daas sie nur dann ihren bestimmten Standort ver- lassen und im ,medium' d. h. auf der freien Vorbühne er- scheinen, wenn ihre Rolle vorzügliche Aufmerksamkeit der Zuschauer fordert, sehen wir Keime, die in der zweiten oder dritten Periode zur reichen Entwicklung kommen werden *).
Zum zweiten Abschnitt unserer älteren Periode gehören nun vonognreits die synoptischen Behandlungen des Weih- nathtUr ud Osier^els, weniger noch durch den wachsenden KnflnsB der deutschen Sprache als durch das Lindringen un- kirchlicher Rollen von dem Chararter der ersten Periode un- terschjedeo , während der Schauplatz selbst noch innerhalb
I) An den Prolog tchlietti sich die Mahnung an die Gemeinde, ein SBdAohtig Patemoater und Ave Maria zu tprechen. — Nach d«ai Epüof hat die Johasnesrolle noch eine Collect« tu sprechen, daaa dco Sagen aosnitbeilen an das Volk: worauf sich unter ei- nOB BcapoosorivB (vergl. Tor v. 831), da« den ergreifendsten Moment dar T^Mtkr moch einmal henrorbebt, das geistMeha Spis^peraonal nam Oeness 4m heil. Saerament« an den Altar begab.
t) TergL v. 881 f.; 481 t; M6 L ~
9) Sehon in dem proeeseioBaartigen Hiassg der Fsraoaen sa d«M AsflttraagMwC, der vor den Cber (also elwa m der Oegead des Le- •epvlts, wie ee sieh seeh noch in iltem proiest Kirehea ftadel) sieh lufcsd, berffsehto gsregeUe Folge.
«) hssMrhia war die Oskoaomie hier aoeh so etaCseh, dsai der .Rfselar* wd aar ^ mAsHssks Leiteag, ■aaMailieh das Intoniren der PMfaBea, sieht die sssaisolw Bcgis sa flbea hatte. — Der Test wvrde, wie die Trierer «ad WolteabiUtler Klsge, s^on aieht mehr Ksas gessagea, aad ist swiselMm toffssehriebaea ,dieit* and «esBlalf m — iwschsidfs. ~ Die Lidbteathaler KL (Maae I, 81) ist weaaaaeh iis Kolsa ia dar Bs. feUsa, bsi des gldek0naigea Ijriaehea 6tro> pbasBaas d«eii wahrsehsinlkih gaas gss«i4(SB wofdmk
ft» Oap. VI, § 1.
oder <\ocU in nächster Nähe des GotteKhaua^s verblieb. Wir gehen hier von dem Ren.-Reurer Weihnachtludus, aU einem rein lat. Df-nkmiil aus ') und können nicht umhin den grös- sten Theil der werthvollen Spielordnung aufzunehmen ^j.
Primo ponatur sedes Augustino in fronte *) ecciesiae et Augustinus habeat a dextcra parte Isaiam et Danielem et alios prophetas, a sinistra autem Archisjnagogum et suos Judaeos. Postea surgat Isaias cum prophetia sua. ^ Postea Daniel procedat prophetiam suam exprimens — . Tertio loco Sibylla gcsticulose procedat, quae inspiciendo stellam cum gestu mobiii etc. — Dein procedat Aaron quartus propheta portans virgam qnae sumpta super altare inter XII virgas aridas sola floruit. Illam personam conducat chorus •) — . Quinto loco procedat Balaam sedens in asina — . Cui occur- rat Angelus evaginato gladio — . Et asinus cui insidet Ba- laam perterritus retrocedat. Postea recedat angelus — . Ar- chisynagogus cum suis Judaeis valde obstrepet auditis pro- phetiis et dicat trudendo sociuro suum, movendo caput suum et totum corpus et percutiendo terram pede, baculo etiam imitando gcstus Judaei in omnibus ^) et sociis suis indignan- do — dicat etc. — . Auditis tumultu et errore Judaeorum dicat Episcopus puerorum 6) — . Statim prophetae vadant ante Augustinum et dicant etc. — . Respondet Augustinus etc. — . Veniat Archisynagogus cum magno murmure sui et suorum , quibus dicat Augustinus etc. — . Respondet Archi-
*) So schwankt auch das ,dicit' und ,cantat' der Spielordnung, wie es scheint, willkührlich, und wird wol Alles in Weise einer frei- em Litanei gesungen sein. Dass die H^. Hfr Nciimon nicht entbehrt, berichtet Schmeller p. XIII.
■•*) Unbedeutendes oder Bekanntes (so die VorKchrift für die Ma- gierverehrung, für den Kindermord) ist weggeblieben.
3) Frons nehme ich für den Vordertheil des Gebäudes, nicht für die vordere Ausscnseite.
^) Es muss kein Mangel an Schauspiclerpersonal gewesen sein.
*) Jndem er völlig das Auftreten eines Juden nachahmt'.
*) Man kann mehrfach in Besprechungen dieses Stückes lesen, dass sich der Knabenbischof mit jugendlichem ungestüm dem Archi- tjnmgog entgegengeworfen: davon weiss die Spielurdn. Nichts, und die sehr kurze Rolle des Knaben dient dazu, dem Ungestüm ('er Ju- den für die folgende Rolle des h. Augustin schweigen zu gebieten.
CÄp. VI, 5 I. 203
fljmftgogns cum nimio cacbinno — . Voce sobria et discreta respoDdeat Angustiaus — . Inter cantandum omnia ista Ar- chitynagogiu <^Mlrep* is et caput et deridendo
pmedietA. Hoc con ^ us prophetis vel ut rece-
daot ^el Mdeant in locis suis propter honorem ludi.
Deinde Angelas appareat Mariao operante muliebnter 'J — . i>ein Maria Tadat easualiter nihil cogitans de Elisabeth Tstnla Jobanne inpraegnata, et salutet eam et dicat Elisa* beth etc. — . Dein reoedat Elisabeth, qnia amplius non ha- bebit locum haee persona. Dein Maria vadat in lectum miim, qnae jam de spiritu sancto coucepit, et pariat filium. Coi aiddeat Joseph in habitu bonesto et prolixa barba 3). Nato pnero, appareat Stella et incipiet chorus hanc antipho- nam — -. Qua finita, Stella appareat >) , qua visa tres reges a diversis partibus mundi veniant et ammirentur de appari- tioDO talis stellae — Postea nuntii testinent ad Herodem diceotes etc. — . Respondet Herodes cum magna indignatio- Post haec Herodes maxime indignatus yocari faciat arciusjnagogoia com Judaeis suis dicens etc. — . Modo ve- But archi^yiiafogiis oun magna superbia et Judaeis suis <), coi dicat Herodes — . Respondeat Archisjnagogus cum magna Mpientia et «toqaentia — . Ab Herode discedant tres magi prällatim intfkknim ttellam et disputantes de illa, interim Ao^ehn appareat pasioribui — . Pastoribus euntibus dicat Diabohw ~. Itenui pattoribus ad negotium «nom redeonti- bns dicat angeltis — . Iterom pastoribos abeuntibos dicat Diabolos ad aures eorum - . Mirentur pastores et unus di- cat ad attenuB — Dicat iterom Angelas ad pastorea — . Dicat itanuD eontibos Diabolos — . Iterum pastores ad so- oiot «MW — . Pottaa simul conreniant angeli et simul can- init: Oloria in exoelsts deo! Deinde procedant pastorM ad
1>M» Maria bei der Yerkftadig— f bei dem Webea «iaes p«> Teaipelverhaais besahftlUgi geweesa, sagea syofcijpb (^aaUea. S) Zar A»d««t«Bg de« Alten, Jcmtph -•H •- t7^v~r>t- (.H«l|«n tauMT als flfeis beasMmeL
h Üim SMlkaff des SIenM ia dieser »{iiciurdiiimg ui « i, § S wMyfoekea.
«■ Wol aw deai ,eai iadaeit rais* einer 41l«ni Vorlag« dank naiv« lolarpolalioo aalrtaadaa.
204 Cap. VI, 8 1.
praeMpe cantando hanc antiphouaro — . Quo cantato') ado- rent puerum, deinde revertantur pastores ad officia 8ua; qui- bu8 occurrant tres magi dicentes 2) — , Postea Herodes cor- rudatur a vermibus et exccdens de sede sua mortuus accipia- tur a diabolis multum cx)Dgaudentibu8 , et Herodis Corona imponatur Archeiao filio suo. Quo regnante appareat in nocte angelus Joseph dicens 3) — . Praecedcns Maria asinum dicat — . Rex Egypti cum comitatu suo in locum suum producatur cum conduetu <) — Et tarn iste comitatus quam comitatus regis haec saepius cantent — . In ingressu Mariae et Joseph cum Jesu omnia idola Egyptiorum corruant *). Ministri vero saepius ea restituant, et thura incendant can- tantes — . Quod quia non proficit, minister praecedat re- gem et cantet — . Quibus rex mirabili' gestu^) respondeat — . Tunc armiger vocet sapientes ad praesentiam regis et can- tet — . Sapientes respondeant — . Tunc rex praeparet se immolandum — . Comitatus respondeat — . Tunc idolis re- stitutis rex ad locum suum redeat, et idola iterum corruant, quo audito iterum vocentur sapientes , quibus rex dicat — . Et omnia idola abiciantur. Hie est finis regis Egypti. Tunc assurget rex Babylon is.
Von der etwas uuklar überlieferten Sclilussscene , welche den Antichrist einführt, sehen wir ab. Was nun den Te- gernseer Antichristludus selbst betrifft , mag es zweifelhaft bleiben, ob dia Aufführung innerhalb der Kirche oder vor
>) Qua cantata (auf antiphonam) bezogen wäre dem neutr. wol vorzuziehen. — Das häufige Possessivpronomen suus, auch wo es nach der Grammatik nicht richtig ist, darf im Latein des MA. nicht be- fremden.
3) Die Magierverehrung, dar Kindermord blieb in unserm Aus- züge fort.
3) Gegen diese Angabe sind schon Cap. I, § 8 Bedenken erhoben.
*) Nach den hier eingelegten Frühlingsliedern (in denen z. fi. hnmus picta floribus genannt wird) sollte man freilich an eine Auf- führung im Freien und nicht gerade zur winterlichen Festzeit zu denken versucht sein.
5) Für die Ausbildung dieses apokryph. Mythos ist wol eine Stelle des A. T. benutzt, wonach vor der im Tempel Dagons aufgestellten Bundeslade jeden Morgen der Götze zu Boden geworfen gefunden ward. (I. Sam. V, 2 f.)
•) Mit dem Ausdruck der Verwunderung.
C»p. VT § 1. S05
derselben, dann aber doch mit Anlehnuiu' an das Gebäude tUttfand 1). Ueb«* die IntoeniniDg fasse ich hier das wich- tigste im Anachhm an Hase ^) kurz zusammen. „Im Hin- tergründe nach Morgen der Tempel des Herrn daror nach bestimmten Wettgageoden, die (sieben) Throne der Hauptper- •onen mit ihren Sdiaaren. Doch geschiebt die Verhandlung awiKh— den auf diesen Thronen sitzenden Fürsten nur durch Boten, und der Raum gilt für gross genug, um die Entfer- aong iwiachen Dentschland und Jerusalem darzustellen, auch verschiedene Schlachten zo liefern. — Allegorische Personen •rSffiMn das Sj^l ; das Fleidenthum und die Synagoge im gelebrlen Streit. Danach tritt die Kirche auf mit Harnisch ■od Krone, zu ihrer Rechten die Barmherzigkeit, mit dem Oeliweig za ihrer Linken die Gerechtigkeit mit Waage und Schwert. Ihr folgt zur Rechten der Apostolicus mit seinem Kien», zur Linken der römische Kaiser mit seinem Heer, dann die Könige von Frankreich , Griechenland und Jerusa- Imu and der heidnische ron Babylon. In Jerusalem treten dann epfttor die Hencbler auf unter dem Scheine der Demutb, singsomher sich verneigend die Gunst der Laien zu erlangen. In ihrer Mitte der Antichrist, eir^^ '' /.er unter den Flü- geln, m edner Rechten die Schci .nt, zu seiner Lin- ken die Ketzerei." Mit dem Sturz des Antickrist, der nach einen donaenihnlichen OariaMli ttber seinem Hanpte erfolgte, tehlo« da* Stick in eÜKtfoUer Weise. Die ganze Darstel- lang scheint , schon nach deu pathetischen Metren sehÜHten, anf ziemlich hohem Kothom einhergegangeu zu sein.
Das Ben.-Benrer - Tegcmseer Osterspiel <) , wo das Aof- mhrongilocal auch nicht mit !^ it anzugeben ist, settt
lach der Eingangsspielordnung icdene Abtbeilungen des
.octk, namantlich eine für Pilatos, seine Frau and Dienst-
I) Fir wsltr«a Fall tfridtA u. AaJ., dam der Thron de« knü- tkrkt, im TesBptl wriehiH wird: fSr Msterai tpricht sieh Rfidt MS p. IB.
«) Db« gelML SehMSp. p. M f.
S) A«f dtsse aaekt« Eagtlhard im Erbiif«r (>at«rprognimiii «c«> if«si MsboB sateerlnan.
* Mehrfach, t. B. bsi SebMÜsr Gsm. Bm. p M C
m Cap. VI, S 1.
mannen , dann für Uerodes und sein Gefolge , für die Hohen- priester u. s. w. voraus. Im weiteren Text werden dann im Anschluss an die Vulguta noch viele Localitäten , so das Ufer des Meeres, wo Petrus und Andreas iischen; der Baum, von welchem Zachäus herabgorufen wird ; das Gastmahl bei'm rharisäer Siraou : der Ruheplatz Magdalenas, wo ihr im Sclilaf der Engel erscheint ; die Abendmahlsscene ; der Oel- berg u. 8. w. erwähnt, und Handlungen wie die Geisselung Christi, das Iländewascheu des Pilatus ij berichtet; gewiss fehlte es nicht an scenischen Andeutungen für die verschiede- nen Locale , nur muss man sich dieselben möglichst einfach vorstellen , da noch in weit späterer Zeit man sich begnügt hat, den Berg der Versuchung durch ein aufgerichtetes Fass anzudeuten. Ebenso werden die Handlungen , welche eine Misshandlung Christi enthalten, wol noch in frommer Scheu mehr angedeutet als ausgeführt sein. — Dass man auf die äusseren scenischen Mittel mehr Gewicht zu legen anfing , be- weist der mehrfach vorgeschriebene Wechsel der Gewandung 2) : ob ein solcher vor den Zuschauern, oder wie sonst vorging, bleibt unklar. — Da die Bruchstücke aus Muri keinen rech- ten Einblick in die Oekonomie gestatten , und Mones ,Kind- heit Jesu' wol sicher nicht zur Aufführung bestimmt war, bleibt hier das St. Galler Osterspiel 3) zu betrachten übrig, wol nocli für die Kirche bestimmt, da die sorgsame Spiel- orduung ■*; keine Andeutung eines andern Spielplatzes ent- hält. Für die Oekonomie bedeutend ist namentlich die Rolle des b. Augustin : wie dieser schon im Ben.-Beurer Ludus de
I) Ueber das Ende des Judas heisst es : Statim veniat Diabolos et ducat Judam ad suspeadium et suspendatur. — Nicht zu übersehen ist auch die Inscenirung der Versöhnung des Herodes und Pilatus: Tunc conveniant Her. et Pil. et osculentur invicem. (p. 103)— Dagegen iit der Verrätherkuss des Judas, wie es scheint, nicht dargestellt: Judas spricht nar ,Ave rabbi^
*) So heisst es von der bekehrten Magdalena: Tunc deponat ve- stimcnta secularia et induat nigrum pallium; — Von Christus (p. 103), Tunc induatur veste alba; postea induatur Jesus veste purporea et spicea corona (p. 104).
3) Bei Mone I, 72 f.
*) Ks heisst gleich zu Anfang: Omnibus pemonis docoiitor orna- tis cantent angeli etc.
Cap. VI, S 1. 207
natir. ak Vork&mpfer der Kircheolehre auftrat, so übernimmt - ' ■ - in dem freilich kurzen Prolog (v, 1—9) eine ähnliche rolle ') vie Johannes in der Bordesholmer Klage. I'K-^ höhere, auf die erbaaliche Richtung des Spiels abzie- lende Elxegeee, berührt sich aber (so gleich v. 10 f.) 2) niit eioer niedriger stebendeu Function , welche ausser ihm auch von den ,Angeli' verwaltet wird ^). — Diese Function bestand einmal darin, di* '' ' tinfach mit dem Inhalt der näch-
sten Scenen (rt-. »t zu machen <) — dann aber
auch in der Ermahoung znr Aufmerksamkeit und Stille. Solche Mahnaogeu finden sich ,von den Engeln ausgespro- chen, vielleicht schon vor v. 1 u. t. 17 5) — sicher vor v. 51, V. 112^), V. 186, V.J84, V.4427); vom h. Augustin v. 204 f., 30» t, ▼. 800—395, 541 f., 592 f. »), 752 f. »). — Im Uebrigen laast die sorgsame, aber knapp gehaltene Spiel- ordunag nicht viel Widitiges für die Aufführung absehen '<^) :
1/ i'i<r.cibe encheint wieder r. 601 f. ▼. 856 f., v. 97J f. — Auch m dem bei Dietrich Ton Stade mitgetheilten Fragm. scheint Aut^stin ähalich verwandt xa »ein.
t) Hao brarhtr t. 10 und 12 den Aasdruck ,rede' fSr den klei- neren A)>*rhnitt eines Spiels, den wir etwa ,Scene* nennen, und vgl. damit dss Jabula* der alten Römer = BQhnenstflck Aberhaupt. Der Ausdru« k «begfto* (oder ,beg4n*) für darstellen, vorftkren ist v. &9S, T. 752, 7M M btmerkeft.
s> I>i«M nnd MMMrdem aach als ein ( iui . v. 106—111, aach T. 1&7 und mnmI MiifeAkrt.
*) Ob naa solche Scenen, deren Inhalt nicht vorher angedeutet wtr<l. t. B. die von Mone als 1, 5, 6, 7, gexihlten (p. 79-81) nur als tttiwicbtiger«, oder als j5nf»r> Kinsd^Hengen anseb'en soll, bleibt anklar.
*) Em bdMt kkr bv ,ceiit«at Angeli* aad ^tenun Aageli*.
•) Hier iadei neb das ,sile1e* mit einer Bobeermahnviig in deut- •OlMr SpVBclie f<rt—<M. Auf Süet« komme ich weiter unten zurück.
'> Kine KrmdiBaaf mr Ruhe cihne voraofgefasgan«« Silet«. il»«r geht eia 8Uil«, wol von Engeln geseagwi, dem Spruch Aagusuas Toraa: jmm Mlbal whetat bv des £i^[Bte m eigne».
•) Da« sMk enek die hikan ftuftw nit der niederm Bxpo- eüoffvelle bertkrt, wie Urr, befremdet kanm.
M) lmm<riiiw sind aedi kleinme Zig« nicbi n tbeeMbeo. Jndaa ktast aedi Wer niebt den Herrn beim Verratb (v. 706 f.), M>adem griMl tba «ad bittet iioh mUmI den Kas« aas. — Der grAbwe ReaUe» Mtfi naamatlkk f«r v 911 su Tff.
208 Cap. VT, 8 1.
ich hebe noch hervor, dass hier iuerst die Höllenfahrtsscene kurz beschrieben wird. (Nach v. 1256): Tunc milites vadnnt ud sepulchrum , cantantes aliquid. Tunc duo angeli gi^T^^ percutient eos cantantes *). — Quibus territis cantans Domi- nus surgat, deinde vadat ad Infernum portans cnicem 2). — Die hier vorliegende Weise, wonach die Auferstehung vor die Höllenfahrt gesetzt wird , ist bei dem Nebeneinander der Räumlichkeiten, über das man nur zu verfügen hatte, na- türlich genug : hätte man für die Hölle ein unter dem ebnen Bülinenraura befindliches Local benutzen dürfen , würde man sicher den engeren Anschluss an das christliche Dogma nicht verschmäht haben. —
Noch dem XIV. Jahrh. angehörig ist ferner das Spiel von der heil. Katharina (Mühlhäuser Hs.) , für welches Aufführung an kirchlicher Stätte wol möglich scheint und von dem Herausgeber 3) befürwortet ist. Derselbe schliesst aus einigen obscoenen Teufelswitzen am Schluss des Textes wol mit Recht, dass der erhaltene Text in Erfurt zur Auffüh- rung kam (vergl. p. 154): doch weiss ich nicht, ob die p. 151 genannte Barfüsserkirchc dort oder in Mühlhausen zu suchen ist. Die Anfangsspielordnung ist sehr ähnlich wie die des Zehnjungfrauenspiels , welches derselben Hs. angehört : da die Nachrichten aber , welche wir über Aufführung dieses letzteren (sei es nach demselben oder einem ähnlichen Text) haben , an Eisenacher Localitäten geknüpft sind , so hilft uns jene Uebereinstimmung wenig. Auf welche Weise die Wun- der- und Marterscenen , die das S. Katharinen- und das S. Dorotheen-Spiel '') aufweist , dargestellt wurden , lässt sich aus den lakonischen Weisungen ^) schwer ersehen.
•) Diea rweite cantantes ist Aäelleicht durch Irrthum des Schreibers aus einem custodientes oder dergl. entstanden.
') Noch ersieht man, dass ein Angelus dem Auferstandenen in die Hölle voranging — auch scheint letzterer Raum einigermassan ab. geschlossen gewesen zu sein , nach dem ,pede trudat januam et aperi- atur' zu schliessen.^ — Nach v. 1340 heisst es: Jesus vadat adparadisum.
3) Stephan in den Neuen Stofilieferungen zur deutschen Gesch.
4) Dieses bei Uoffmann Fundgr. II, 285 (dessen Identität mit dem zu Bautzen 1412 agirten doch zweifelhaft ist).
^) So heisst es bei Stephan p. 1G8 (nachdem mau die Heilige ans
Cq>. VI, S 1. 209
Wir haben noch einige spätere Denkmäler, bei denen kirchliche Aufführung anzunehmen gerathen scheint, hier vor- zuführen: zunächst das niederhessische Weihnachtsspiel. V^ wird eröffnet durch eine Anrede des Proclamator, welche Itolle hier noch einen ziemlich ernsten Character watirt , und so das Andenken an die Kirc? ' _'en, welchen ursprüng-
lich der Prolog zukam '), no( nrn lässt. Zu den An-
fangirvorten , worin Ruhe geboten lassen sich ähnliche
Wendungen ans Spielen des spätem MA. in ziemlicher Fülle beibringen ') — man begreift leicht, wie sich hier eine for- melhafte, fiber alle Spielweisc reichende Tradition ausbilden konnte. — Ausserdom ist das Denkmal dadurch wichtig, dass es die scenischen Hauptmomente des populären Weihnachts- Spiels in der lat. Spielordnung vorführt : so heisst es über das Kindelwiegen (nach v. 150): Joseph venit portans cuna- bolum. — Et sie Joseph et servus corisant per cunabulum cantando etc. fnach v. 180)'). — üeber die Hirtenscene, wie sie für die populäre Darstellung sich gestaltete, vergl. nach V. 345 : Kt Angelus recedit , tunc pastor surgit servo maoente et videt sursum ubi illa vox sit *) et ponit se vi- ceversa donnitum. — Nachdem darauf der Hirt wieder auf-
i ' * tortoret cadant tapcr t«r-
.>• Katharinun) Porph)-riui HofTmar projiciant eam (S. Dorotheam)
-II ' K-unt etc.
>) Awser dem h Greiröriua tu
"^ptd VOM jtagalcii Ocr. KiaMteaf fpriebi.
*) TcrfL bifr V. l->4 mit dem Intbr. Otterapiel (Alul. Schauip. {. 100 f.) ▼. 1—4, Redentincr Spiel (b«i Mone 11, p. 88 f.) v. 1-2, Wicnsr Oit^rtpi«! (Fandgr. IT) v. 18 f., Abfelder Spiel (bei Haupt 11! , 4AQI) y. I, S. — M solcher Aoflbrdennif mochte ticb der Sprechende na4Bb veraekiedeBea Seftea ra wenden piegan, vrrgl. AIM. Schaut}). 112 das sie afesliee eerrit hiae et lade in circulo et dicit Hc*
\tiiK art tii4>r aitif ilaa Viirliomtn(>i| aolcbcT AlwdrQckr , wi<' ••>•■ S. lim.
ngaatellt hat, hinifewi«
!T oben, JcMieph et «<r\ti>. < nori 'irM««n flUrr dtw Kiitilel«ie|{f'n
14
»10 Cap. VI, S 1.
gewacht ist und seinen Knecht mit dem Stecken gleichfalls erweckt hat , heisst es : tunc servus surgit horribiliter cla- mans etc. — Freilich würde man Unrecht thun , wollte man den populären Weilmachtsspielen älterer Zeit immer eine so derbe ') oder tölpische Aufl'ührungsart zutrauen — wo die Texte selbst mehr innig-religiösen Sinn atlimen , wird auch ein kindliches /■■■♦•"•ni),] (l(.r Darstellung geistliche Würde gewahrt haben.
Bei diesem lies». Weihn. Spiel drängt sich zuerst uns die Frage auf: waren noch alle Rollen in Händen geistlicher Spieler? Wer gab den Proclamator V Von wem wurden die in ihren jüngeren Theilen 2) so zu sagen nur für bäuerische Naturen erträglichen Hirtenrollen, die Wirthe, Joseph und die zänkischen Mägde , und endlich die Teufel gespielt ? Niedere Kleriker auch für diese letzteren Rollen anzunehmen, scheint vor der Hand noch das Einfachste 3).
Strengeren Styl als jenes Weihnachtsspiel zeigt das von Pichler aus Tirol mitgetheilte Lichtmessspiel, aus dessen reicher und sorgsamer Spielordnung ich Folgendes au8hel>e: Incipit lud. hon. de purificat. b. v. Mariae. — Primo exit Praecursor *) non larva nee equina S) barba indutus, sed ho- nestis vestimentis, nee vesicas ^) in manu gestans, sed scep-
t) Einiges, wie die Vorschriften über die Prüpfclei Jo8e])))8 mit den Mägden übergehe ich ganz.
2) V. 445 f., 475 f., 497 f.
3) Man bedenkt die Schwierigkeiten des Zusammenspiels nicht, wenn man annimmt dass die höheren Rollen von Geistlichen , die Nie- dern von ganz ungebildeten Laien zu geben waren. Auch darf man der niedern Klerisei des spätem MA. schon etwas zutrauen in gröbli- cher Naivität, zumal in einer leicht verwildernden Landgemeinde.
4) Es ist allerdings undeutlich , ob man das Wort im engeren Sinn als ,Vorläufcr' (wonach man sich eine Procession der geistl. Spie- ler nach der Kirche zum Zweck der Auflührung denken müsste) oder im weitem — proclamator auffassen solL
5) Von Pferdehaaren.
•■) Schweinsblasen sind sicher gemeint. — Die hier gerügten Ver- mummungen und Narrentheidingc sind nicht als allgemeine f^ntartung des geistlichen Spiels, sondern durch P^inäuss des so nahe (im P'ebruar) liegenden Carnevals auf das Lichtmessfest zu erklären. — Rheinische Strassenjugend pflegt noch jetzt im Fasching derartige .vo«ifas' an
Ctp. VT. § 1. 211
tnun Tel bacnlum depictam. Honesta incedens loquendo di- cat etc. — Tone sit attare in medio ecclesiae vel locx) con- grno paratom, ad quod sacerdos quidam Judaeus accedat cum daobus ministris cantando etc. Egrediantur ex loco abacon- dito JioMfh et Maria bajolans parvulum in manibus cum duo- bm aniteUs praecedentibus candelas ardentcs portantibus. — Itf ni Mt Joseph honeete Testitus mediocribus (vestibus). nee vitiat, si habeat barbam decentem M. — Interim venit Si- meon in habita prophetali 2), modicum incurvatus ad morem M^num cum udo senro in habitu clericali vel studentali 3) etc. — Zum Schluss fordert der Praecursor auf: Amen Sprech wir alle Mit einem gemeinen schalle! In der Oekonomie diesem Lichtmessspiel sehr nahe ver- wnridt und deshalb fiiglicher hier als oben bei den übrigen M;iri. [.klagen zu besprechen ist der ,ludus virginis planc- cum prophctis* bei Pichler. Der Praecursor, und nach ihm rwei Engel (' '" Tuen wieder das Spiel, auch
tritt uns hier di« - jk *) deutlich als die eines
Regisseurs entgegen. Zu ist ferner, dass hier die
Propheten ausser ihrer 1> :; bprechrolle in ihrer Tota-
lität als eine Art von Ch „iren, wie sonst häufiger die
y.-.-'j'l. — Die eigentliche Klage zeigt wiederum mehrfach di- ri. t. Hinwendung der sprechenden Personen zum Volke *). —
Stöcken befestift md mit Stciaehen gettüt in etwas poUxeiwidrifrfr W«iM ta gAnmehmL
*) Maa trauten sieh der gsas ilmlichea Vonobrift im Benedict- bcvrer LaAnm
') >\ rt dieser Propbetensn^og wmr, bleibt unklar.
*) len ai>«r*«ue: in der Trsckt eines niedem Geistlich' Klortcrscbikr«.
^ Es WiMt |k 118: Omnes in vna proesssione rcniant snt^rf dsnilbss dsohns jnvesiiws albis in vestibns, qni porUnt candelsbrss con huaiwbws. Et interim qnnm ragens qnemlibet ordinet ad locn«
a persona (Maria) ad populom exisnsis cantando — Johsnnss eairtans ad pepvhun. — So aoek im Nisdsrlisss. Weibnadrtspisl p. 90: Kt ptuAvr dieit ad popolnm sie. (1^ sa dsa In disesM Mlsk Ar Am KafßUkor hln% Torgnadvisbenan trasdsnNelUsa lünkmhymmn «wb «e Oemsini« AntbeU bat««, bMbt •ngewiss.
212 Cap. VI, S 2.
Wir erwähnen hier schliesslich noch die beiden bisher uns bekannten Ascensionsspiele, deren Auflführung in der Kirche schon dadurch sich wahrscheinlich macht, dass es für das Ascensionsfest eine symbolische Feier gab, über die das Nöthige schon Cap. III, § 1 mitgetheilt ist. An diesen kirch- lichen Act schliesst sich nun das bei Pichler p. 51 f. be- sprochene Denkmal deutlich an '), wogegen das bei Mone I, p. 264 f. mitgetheilte nur eine sehr dürftige Spielordnung auf- weist
§ 2. Hittlere Periode.
Wir betrachten hier zunächst das Assumtionsspiel bei Mone Altd. Schausp. 21 f. — Den eigentlichen Anfang des Stücks haben wir schon Cap. III, § 1 erst p. 42 ange- nommen, wo es heisst: Praedicator surgens intimat ludum. — Diesem Prolog des Predigers folgt noch ein kürzerer 2), dann wird uns Maria vorgeführt - zunächst auf ihrem Standort 3), dann indem sie die verschiedenen Stationen des Lebens Christi (von der Taufe bis zur Himmelfahrt) <) besucht. — Während diese Stationen auf ebner Bühne, vertouthlich in einem Kreis 5) angebracht waren, sind wir berechtigt das ,coelum', wo sich
1) Zumal in dem p. 62 beschriebenen Sturz des Teufels: Ibi mit- titur diabolus dcorsum, angelus sequitur eum cum gladio percutiens diabolum. — Ibi incenditur diabolus. — Im Voraufgehendea scheint die Ascension selbst durch reichen musikalischen Schmuck (dreimal heisst es: tanguntur iustrumenta musikalia) würdig ausgestattet zu sein.
i) Vom secundus angelus de primo clioro. — Die Eugelchöre haben in diesem Stück eine besonders reiche Verwendung.
3) Dieser wird hier (nach v. 890) als ,locu8' späterhin mehrfach als ,palatium Mariac' bezeichnet. — Ueber die Beschaffenheit einer solchen »Burg' wird späterhin mehr zu sagen sein: liier nur soviel, dass aus solcher Erwähnung schon die Aufführung im Freien deutlich erhellt
<) Es werden ein locus baptismatis, jejunü, passionis, sepulturae und ascension is genannt.
S) Maria kehrt vom locus ascensionis offenbar wieder zu ihrem palatium, wo sich auch die puellae (ihre Dienerinnen) befanden, zu- rück.
C»p. VI, S 2. 213
p. 4B zunächst die «Dominica persona* von ihrem Sitze er- bebt (smigeiis), dann fiberhaapt ein Theil der Handlung ver- läuft, etwas erhöht wol am oberen Ende der Bühne uns zu
ieoken: Stufen mochten von dort hinabführen >). — Für das -^cenitcbe wichtig ist uns nun jener, vermutlich jüngere Pro- '.o^ des Praeeimors (p. 21, 22), der hier zugleich Regisseur
lir die ^nder und Erklärer für die Zuschauer ist 2). Dem i^rooeMioiisziige der Spieler war er den Weg bahnend voran- geMiuJllen, und weist nun der Reihe nach den einzelneu 8|iidtegni]q>en ihre Plätze an, indem er zugleich für die Zu- •diMier ihre Rollen erklärt. So hat zunächst Jesus mit den Engeln seine ,Burg*, d. h. das ,coelum' einzunehmen , dann Ifaria mit ihren Jungfrauen ihr vcrmuthch darunter liegendes
alatium, an das sich die fünf oben genannten Stationen ver-
■<^h 80 antdJoeseD, dass der locus ascensionis mit der
Tii«nmm«nfie], WO auch die Himmelfahrt Mariae ge-
Was die Gruppen der Apostel, der Juden,
und der Heiden betrifft, so ist aus dem Text selbst zu ent-
nebmeo, dass die Apostel einerseits mit dem locus Mariae,
andrerseits mit dem der Heiden (wo sie taufen und predigen)
V< rliindung haben — ebenso das castrum oder palatium Ju-
daeiirum einerseits der Grabstätte Maria's (die sich auf oder
neben ihrer Borg befinden mustte), andrerseits dem Stand
des Heidenkönigs (denn Ton ihm wird das castrum Jud.
schliesslich belagert) nahe liegen mnsste, während sich die
Borg der Heid«D mit der Maria's nicht berührte, sondern am
andern Bflhmmende lag ').
I) Plr die AsMifition iat p. 81 f. rorgetdirteben: ILuria sscendit eochm. — Ki nc Maris raperhu ««cendit — Chriittui empOogt de ■dt dsrfereichtea BAadra p. 84.
S) Auf dit PTMcartoiToU« , die wir «!• eine jftngere Copie der hmnita srwihalea PrsedicatorroUe saftuMB, folgt wieder eine kürsere AMftaeke «iaee Esftli: der Uer aaa sIs prians si^u de prima cbere beseiebsei wiid. — • Die Weieuig vor v. 1. »chreibc ich: Pri- mo «-«H Jheew eoa mi» anirrli«: proeedH com vialatoribu« pnccur- l'raeeerMr dicit •<< «e ,riaktorec* mit Mone Ar «Weg«
«riMT* n bslleis, iti docn swrit<-lhaf^ Itucsoge giebt keiorn Anf- •elilaei.)
S) FIr die SpMsr, frentgsteae die ÜMpCrellett, eind Sitae ancv Mbflm, «ea deaea sie sieb criMbea, weaa sie sa »prechca habea,
214 Cap. VI,§2.
Das in derselben Hs. überlieferte Frohnleichnamsr spiel enthält so dürftige Weisungen, dass wir über die Auf- führung, die sich möglicherweise mit der kirchlichen Festpro- cession verbinden Hess, im Unklaren bleiben •).
Wir scbliesscn an die schon besprochenen zunächst noch diejenigen andern Spiele des ausgehenden MA. an, deren Behandlung noch so weit im Kirchenstyl bleibt, dass sie noch keine bestimmt ausgeprägten komischen Rollen enthalten, Was zunächst das Zehnjungfrauenspiel (nach der Mühl- hüuser Hs.) betriift, so sind wir über die Aufl'ülirung — vor- ausgesetzt, dass es wirklich mit dem berühmten Eisenacher von 1322 identisch ist — leidlich gut unterrichtet Aller- dings schwanken die Nachrichten über Zeit '-) und Ort der Action schon ein wenig: in letzterer Hinsicht dürfte sich aber die Nachricht des Chron. Sampetrinum Erfurt. 3) mit der bei Johann Rothe *) dahin vereinigen lassen ^), dass sich im ,hor- tus ferarum' das Volk versammelt hatte zum Zuschauen
wie aus dem häufigen ,8urgcns' erhellt. Solche Sitze (auch Ruhebetten kamen daneben vor, wie aus dem p. 60 en^'ähnten lectus Mariae er- hellt) mögen scdes oder throni geheissen haben, aber nicht wie Mono will, die ,Burgen' selbst, für welche uns bisher ,palatium' oder ,cas- truni* als lat. Bezeichnungen begegnen. Die Zuschauer werden v. 52 aufgefordert sich auf die Erde niederzulassen. — Als sceuische Notiz mag noch das ,Marinin induunt vestimento. fimliri:i' cri Itcn, wozu vergl. Mone's Note p. 59.
') Lodus utilis itro devotionc simplicunn iiitiiiiiuuius et peragcn- dus die corporis Christi vel infra octavas, de fidc catholica. Sumen- tur personac literatae et aptao (concionibus). — Das letzte Wort ist in der Hs. nach Mone durch ein uiüclarcs 2 ciis ausgedrückt: mit dem hier gewählten mag der Sinn etwa getroffen sein. — Am Schluss: ex- plicit Über de corpore Christi (nicht ludus etc.).
2) Nach dem Chron. Sampetrinum bei Mencken T. III (vergl. L. Bechsteins Ausgabe p. 3): feria sccunda, (am Montag) post misoricor- dias domini, nach Joh. Rothe's Thür. Chro. schon am Sonnabend vorher.
3) Dies giebt als Local einen hortus feraruai zu Eisenach an.
*) Hier heisst es : uff der rollin ceuuischin sentc georien unde der barfussin klostir.
5) Vergl. L. Bechsteins Ausgabe p. 36. — Nach demselben lag auch das Absteigequartier des Landgrafen in der Nähe des Mange- hauses oder der ,Rolle'.
Cap. VI . § ± 215
w&hrend ,die Rolle* einerseits für die Auffuhning selbst her- gerichtet w»r, andrerseits hier für den zuschauenden Land- grafen eine Art Loge leicht sich herstellen Hess. Vermutlich befand sich auch der für Christas, Maria und die Engel bestmuBte Plats >) in der Nähe des Landgrafen, während die 10 Jni^firaiien snnichst nngeechieden den mittleren R;\um des Gahindos erfaUteo. Nachdem die Ton Christas entsandten Bngel ihre Mahnang an die Jungfrauen ausgerichtet, und die Klngea deredben Gehör geschenkt haben, heisst es (p. 18): TttOG iatuae corizando etcum magno gaudio vadunt ad alium loeom S). — Tunc omnes fatoae habeant convivium depo- nant ee et dormiaut 3). — Alif Qegenstöck dazu dient dann im Weitem das himmliicfae Gastmahl, an dem die (von Ma- ria bekriatleB) klagen Jw^^frauen Theil nehmen, während die Thöriditen eich vergeblich heranmachen und zu Boden gpetiuiht am Maria's Fürsprache bitten *). Diese beugt zwei- ■nl die Knice tor dem himmlischen Richter, der sich nicht rihreii lant: die Teufel (deren Platz wir an der nach dem Wildpark hin oflnen Seite der Rolle, gegenüber dem Stand der hinunlieehm Scfaaaren ans denken werden) legen sie zu- nächst in Ketten*), und scheinen dann mit ilip» '^ 'iMrch
I) Wed« Wgcifiwt fir dieesa ein bestiauBler wa cocIob), noch «ach wird erhftbtere Lsge decs Zieaütch nnifangrcich muMt« er sein , ds hier au< ti klugen
Joagfraaea bereitete himmlische GMtmAhl it^UJuiU.
*) Disacr ^Itas locas' war Tcrmutlich dem Coelam «chon ci«-a8 ferner.
S) Dep. eeqae dormiant U». — Bei ihrem Gelauc tchrinen lio •ich bekriast xa haben, da bei ihrer ipiter Verxwciflung
as heiwt: fiftctaat peadere coronaa in capite ({'. .• "-"- '^"-
freilich thar ab, ex oder de c^. erwarten tollte-
*) Dar vafffabUcha Vcrmch Oel xu kaufen, d llyfUrc iaaeeairt (Da Uirü p. 289) wird nnr im T«'
•) DiaboU drauadaat Us (Us. c. ular
corract, so wirdca die "niririilit*-« «i .. —
So haiaat ea aach im S moh
V. 9H: Dana wardeat die vrruamj^tni-w ti »n < . daaa Mona 1, M8. •> Das Stick IkneH in «Irr Ladas da X vfrfiaibaa.
*) VatfL p. 80 die Waiaaag: |> > iant intcr i>o-
216 Cap VI, § 2.
die Zuschauormenge hindurch abgezogen zu sein, während die Klugen mit Christus, Maria und den Engeln wol auf einem andern Wege vom Ort der Aufführung in das Kloster zurück- kehrten.
Wichtig ist uns schliesslich noch die Notiz i), das Spiel sei von Klerikern und Schülern (scholaribus) gegeben, welche Letztere also auch wohl die Teufelsrollen zu geben hatten.
Zu diesen ernsteren Stücken wird man wol auch noch das Juttonspiel zählen dürfen , über dessen Aufführung uns freilich in der durch Gottsched und Keller reproducirten Aus- gabe des Hieron. Tilesius wenig Aufklärung gegeben wird: die Hs. des Verfassers 2) wies wahrscheinlich noch eine lat. Spielordnung auf mit etwas genaueren Weisungen der Insce- nirung. — Zu einer zweiten Gruppe dieser mittleren Periode werden sich uns nun jene oben Cap. II, § 4 vorgeführten po- pulären Osterspiele bequemen, insofern diese durch das Ein- dringen komischer Rollen von der älteren Trad. geschieden, doch durch das Einhalten eines noch beschränkten Umfangs der Darstellung wieder vor den mehrtägigen Passions-Oster- spielen, deren Anfänge wir in der dritten Gruppe betrachten werden , deutlich zurücktreten.
Was zunächst das Insbrucker Osterspiel betrifft, so ist hier die Prologisteurolle 3) noch in älterer Weise ernsthaft
>) Ycrgl. Bechsieins Ausg. p. 4.
3) Diese ward nach des Tilesius Angabe um 1480 geschrieben, also noch im XV. Jahrb., wo in Nord- und Mittel-Deutschland nicht- lateinische Spielordnungcn höchst selten sind. Dieselbe satirisch-po- lemische Richtung, die den Tilesius zu einer Ausschmüchung des Ti- tels veranlasste, mochte ihm leicht eingeben, die Spielordnung mit ih- ren öfteren Naivitäten in ein Jedermann verständliches Deutsch zu umschreiben. — Spuren einer lat. Vorlage für dieselbe erscheinen in der Zählung der Cardinäle (p. 914 f. bei Keller), in dem .Papa* (p. 916) neben »Bapsf (p. 917), in der Bez. ,Salvator' (p. 926 f.), und (p. 931), Mors der Tod'. — Für das Sccuische hatte Mag. Tilesius, dem zwar die Erhaltung des Denkmals verdankt wird, begreiflicher Weise gar kein Interesse, und Ed. Devrient neuerdings wieder zu viel, der bei Besprechung des Spiels (Gesch. d. d. Schauspielkunst I, p 85) doch etwas seine Phantasie zu Hilfe nimmt.
') Vergl. den Expositor ludi v. 1—39.
Cap.Vl, §2. 217
geblieben, aber schon nach v. 202 folgt eine kleine Prügelei der Grabwächter, und dieselbe Leibesübung wird bekanntlich im weitem Verlauf von dem Krämer und seinen Knechten noch mit mehr Nachdruck aufgenommen. Bei solcher Rück- sichtnahme auf Tulgäre Schaulust Hess sich dann auch der das Stück beacblienNiden Johannesrolle ein Angriff auf die mildthäüge GMinnoBg des Publicums einflechten >) (v. 1174 f.): für die yarmen* SehiUer, die auch hier (vcrgl. v. 1183) neben Priestern als niederes Spielpersonal genannt werden, wird um Bratenstückc und Osterfladen gebeten 2) und himmlischer Lohn dafür verbeissen. — Der Schauplutz ist uns trotz der etwas wortkargen Spielordnung ziemlich deutUch: verschie- dene ^Bargen* für die üauptgruppen der Spieler 3), ausserdem aber nelleicht eine grössere Mittc-lbühne um das Sepulchrum herum *): während vor ihrem Auftreten die Spieler hier be- reUs beeondere Interimsstände (in der Art des allerdings ge- meinsemep Garderoberaums in nnsern Theatern) gehabt zu hmbeo scheinen ^) — eine Einrichtung über die wir erst im folgenden § aosTührlicher reden können.
Von einem «Regens* ist zwar nicht die Rede, doch müs- sen wir fast einen Ordner annehmen, der den einzelnen Grup- pen ihre ,Höfe' ^) anwies, bevor das Spiel begann: nahm von
I) Sehoa dsr Eingsag : ooch hatte ich mich vergessen u. s. w. dMUi di« ■pitsTS Khilsgs an. - Zw«iC»lkaAar wt, ob der SoUom (v. 1183 L) «twa eiaar ihen UeberUefwvag gebflrt
>) IH da» SlAck nicht Mhr mnfangreich, kamen die Znadumsr •cbweHtob mü Maadvomtb warn SehaaplaU, ein Unmeben der 8chft< 1er in daa lUaeani aacb Schlaaa dea Spiela ist wabraekataliahar.
^ ZaiAahsl wol flir Pilataa aad aaia Gafolge, dann Ar die Ju- d«B, aber aaeh Ar iarilar, wo m aaadricklidl beaaegi iet: currit ad yalati— I aack v. 870
4) Wo aieli daaa aaawb: — ~ —c Wiobtaraoenaa nnd die Soaaaa BÜ daaa SalbankrioMf danasUUaa hatiM.
•1 Za aokbar Anaalws baraobtigt ■■■ nameatlich aaoh daa kia« fig («0 gWab VW V. 1, daaa p. lU ob«H p. 189, 198) im 8iaaa voa ,aeit«iMi* fskseeakle 0dN^, waa lafreiadaa wirda, waaa aa aichi ehau Amm ITi liaatralaa aaa aiaeai gaaoadariaa Looal baaaichaata. Hai d"- ««paar« bakaaatlich daa ,eatt* and ,exe«tnt die «alga«
(«afvxrvH« ttwläateag, di« da» AbIraUat dar Sptalar.
•) Diaa M dar AaadnMk apüeiar Zaii Ar dia PlMaa dar Spieler vor ÜHraai AaJIfstan.
218 Cap. VI, § 2.
dort aus die Gruppe oder der Einzelne nun jenen andern Platz ein, der für die Handlung nöthig war, so geschah dies wol nioist unter einem Gesang ')i der so zusagen als Marisch- lied diente. Kine Ilaupthilfe der Ilegie während der Auffüh- rung selbst waren die Kugel mit ihrem Sileteruf, was wir aber weiter unten im Zusammenhang erläutern wollen 2), — Auch im Hedentiner Osterspiel (bei Mone II, 33 f.), dessen Prolog ohne besondere KxpositorruUe durch zwei En- gel gesprochen wird, treten uns verschiedene Hühnenabthei- lungen entgegen. Der Standort der Juden wird nach v. 804 als ,8ynagoga' bezeichnet, in deren Nähe 3) dann auch der Stand für Pilatus nnd seinen Notarius gewesen sein wird. Als eine dritte Localität erscheint das ,8epulchrum' (nach V. 276 genannt), wo die Ritter Wache halten *): indem sich Pilatus zur Anordnung der Wache selbst zum Grab begiebt (p. 37), geht ihm ein Servus mit dem Ruf voran, dass alle die Strasse frei zu lassen haben 5), woraus mau sieht, dass
I) So zieht Pilatus mit Gefolge unter dem ,Ingrc8SU8 rilatus', das seinem Sinn nach (vergl. Joh. XYIII, 33) gar nicht hierher passt, auf seinen ,Ort' — die Juden benutzten ihr kauderwälsches ,chodu8 chados adonay' cet. (nach v. 49) sicher auch als Marschlied. — Die "Wächter ziehen cantando (nach v. 141) auf ihre Grabwache, hier nach bestimmtem Text, im St. Galler Osterepiel (Mone I, p. 124) hiess es nur : cantantes aliquid. In demselben Spiel wird auch zur Grablegung Christi (p. 123) ein Responsorium vorgeschrieben, vermutlich um der äussern Handlung durch Anlehnung an das Singtempo mehr Würde sa leihen.
3) Hier noch eine Kleinigkeit. Wenn Mone nach v. 167 das (Je- sus cantat ,resarrexi'; et stat sie horam erklärt ,er steht sogleich auf, so scheint hier doppelter Missgrifl' zu walten, denn stare heisst stehen, aufstehen Nvürde surgcre heissen — ausserdem ist ,8tat horam* bleibt eine Weile stehen (vergl. das ähnliche ,per horam quiescat scdendo' Carm. Bur. p. 106, daB-,Silc longam horam' im 10 Zehnjungfr.-Spiel cd. Bechstcin p. 18) mir verständlicher, als jenes ,ad horam', das nach V. 203 zu lesen ist, und Mone auch hier (nach v. 167) vcrmu- thet, und mit ,Bogleich' übersetzt.
3) Die häufigen Verhandlungen zwischen Pilatus und den Juden lassen dies annehmen.
<) Wenn es p. 65 von denselben heisst: vadunt ad locum suum, so sieht man aus p. 66 obiii. dass dieser Ort eben das f-(i>u]( lnum war.
5) Diese Anrede isi wicüir als Variation der uutj bcivaiiiuiii iur-
Cap. VI,§2. 219
es tkh hier wol um grössere Entfernuug handelt. — Als Tierte Loodität tritt uns deutlich das ,inferoum* entgegen, ..:.!.. • nmiitelbar an*8 ,sepulchrum' granzend, da die in der - wartenden Seelen (Adam, Daniel u. s. w.) langsam Feme kommend den Erlöser erblicken (vei^l. p. 50), ' drei Erzene' riehen >). Aus dem infernum
tus mit den i i oder auch nur selbst in das
,Pai .:en zu sein: in letzterem Fall hatten die See-
! ;s Führung dann vor der Thür des ,Paradie8ee,
•u warten 2). — Nach v. 1041 findet sich dann die Weisung .Tone diaboli edacunt Ludferum catenatom, qui ■edene in dolio iMMBtando dicit. In diesem Fass, das uns noch mehrfach begegnen wird, scheint mir keine besondere BeiidraBg anf die Hölle zu liegen, wie es denn auch am SchloM dea Stucks (vergL vor v. 1984) wolgemut der Cou- clucor besteigt, um seinen erbaulichen Epilog au die Zu- schauer zu halten ').
Da« Tiroler OftefB|ael bei Pichler (p. 143 f.) bietet noch eine giua laA. ^Heloidnung , die am meisten zu der des Insbrvcfcer Spielee stimmt, sogar in Einzelheiten *). — Das
inri al.;;cü*»t. - lUi «i. in ,-< puiihruni l/cfiiiid «uh wol rnuh »mih' ho- htro Wart« für d« n .vi^-u-. \ .n ti.r aus iikui Milien hl licii Ifluk auf ihc (>«l««' lialt«-. V.-r^l \. jo»,, JIJ.
I) Aus >. :<(j:; <rh«lU. (|.«>k ( hnatua im roüien Kleid die IlöUen* fahrt •otrat , Mr^'i. Muni-'ü N<>ti'. Kdr die auch hier vorangehende Aufcnlcbuii;: mt . jn .t< rrj> nn.>lu»" vnrjfrschriphpn. —
J> V. r/!. > »;7<i f
3) Uaria ktente man rar Koi einen Thnrnph über diu 11 II* tm- dcn: almr das Torkommea dea ^doltum* ala Beqaisit in uid« rn Mu- cken aoheiai aoldier Denlaaf «ich an «ataielien. — Im Alafclder tipiel (bei Ranfii III, 488, 4M) iteigi Udfer anf daa Faaa ala aeinen Thron, und mfl von dort ana ia 4i» BdU«, ud slaigi vom Faaa, nm mit dm Trufeta in die UM» ta gnbn (p. 488 Note). — Im Krankftirter äptct (Ktcbard Hl 188, D« MAril p. 800, 8P1) gab ea anf der Bflka« i«et Irlaaer: «m ia der llilt« der B. aleUt« din Zinne daa Tempda, da« aadr« de« Betv vor, anf wekliett der Versoeber Cbriainm Mhri. Ui daher Mone'i Anvicbt (II. 18), daa Faaa Ar ein Bild der lUiUe an hnltM miealieb, ao atebi einer Bea. dee ,<menaliia* anf den daroh Chrtaü AnfatHabim getblMi BAUeaswaag doeb Midita im Weg«.
•) Tefil. die («abnehoinlieb vsrdsibls) Famnnf dee Urabwicb. Ufliadebet AMd. 8cban•^ 118 «ad bei Hehlsr p. lU, daa ,ABgnlas
220 Cap. VI, 8 2.
Wiener Osterspiel bei HofTinann >) bietet zunüchRt einen nicht unwichtigen Prolog, der uns die Entartung der Prae- cursor-Rollo zu der eines gutmütigen Polterers zeigt, der die Zuschauer zur Ruhe weisend selbst die Zunge dabei we- nig im Zaum hält. Die ältere Vorlage begann wol erst mit V. 13 f, — Zwiefach wird auf das Kindringen kostspieli- gerer Inscenirungen hingewiesen , wie sie im XV. Jahrb. schon aufkamen: einmal durch das Bekenntniss , dass der Praecur- sor lieber zu Pferde sich gezeigt haben würde 2), dann durch die Hervorhebung der bei aller Rücksichtnahme auf den Ge- schmack des Publicums doch für die Festgeber nicht zu kost- spieligen 3) Aufführung. — Der Schluss dieses Prologs ent- hält dann eine Weisung an die Mitspielenden, allerdings la- konisch genug : ir sullet üftreten alle ^) ! — Zu vergleichen mit diesem Eingangsprolog ist der noch launigere des Kauf- manns (p. 313), wodurch sich dieser dem Publicum vorstellt und die komische Zwischenhandlung einleitet. Uebergang aus dem Latein ins Deutsche deutlich p. 302 : ,Die riter tanzen *) zum grabe cautando, Wir wollen zu dem grabe gku. Judaei
pcrcutjens* (als eine Art Compositum) dort p. 114, hier p. 146. — Für jenes ,et sie p^rcutiunt so modicum ad horam' Altd. Schaasp. p. 115 begegnet hier p. 148, et sie dimicant simul aliquod teropas. — An jenes ,ad horam' erinnernd heisst es hier p. 160 ,ad tcmpus' offenbar auch im Sinne von ,pauli8per', da nach diesem Tunc Salvator recedit ad tempus p. 161 heisst: Deinde venit Salvator cantans. — Horam, ad horam, ad tempus also = paulisper.
1) Fundgr. II, 297.
2) Der Text v. 6 — 7 scheint incorrect: namentlich ist v. 7 cim- Negation oder die Frageform unentbehrlich.
3) Vergl. die oft wol irrig verstandenen Worte:
Wir wellen haben ein osterspil,
Daz ist vrolich und kost' nicht vil. — (p. 298).
'*) Darauf heisst es dann doch nur: Pilatus und die joden gen mit im; blieben die Andern also noch zurück? — Das ,pallas' des Pilatus wird p. 298 unten, 299 oben erwähnt Zu letzterer Stelle habe ich schon ("ap. II, § 4 bemerkt, dass am Schluss der Weisung wahr- scheinlich der Name Caiphas herzustellen ist.
*) Wenn auch ein wirkliches Reigentanzen in lat. Weisungen als chorizare (oder verschoben corizare, — sare) öfter vorkommt, 80 scheint doch ,tanzen' in unserm Spiel (vergl. auch p. 300, 307) mehr ein taktmässigcs Marschieren zu bezeichnen.
Cap. n, S 2. 221
manent circa Pilatnm. Milites caDtabunt tarn diu circa se- pakhnim, douec Tideant angelos venientes. Alle III >) engel gte Bom grabe «ingeiide, Michael habens gladium plenum
2), Gabriel candekuB et Rapbael vexillum , und wenn
ae sam grabe kommen , so beben sie das amecht 3) an , so tiet Michael die ritcr und sie vallen nider und ligen vor tot — In kürzeren WeiMOgen pflegt die deutsche Sprache schon ganz durchgedrungen xo sein *). — Zum Schluss dieser Gruppe erwähnen wir noch die drei Theophilus-Texte , von denen nnr der älteste (der Stockholmer) noch eine lat. Spiel- c^noDg, freilich auch schon mit Schwankungen ins Nieder- deotadbe ') — der Ilelmstädter Text nur kurze nicht auf In- aonimiig sielende Ueberschriften , und der Trierer eine ziem- lieh saa&hrlicbe, aber doch für uns nicht gewichtige «) Spiel- ordaiiiig anfweisi
Za einer dritten Gruppe unserer zweiten Periode fügen ■ch Bill Dan die mehrtägigen Pastions-Osterspiele , soweit solche bis tum Schlusie des MA. abgefasst sind, zusammen, denen wir aber noch die zu geistlicher Spielweise sich erwei- ternden Frohnleichnamsprocessionen 7) zugesellen — die wenn aodi nidit mehrtägig doch bei dem gewaltigen hier zur Ver- wendung kommenden Personal der Oekonomie der mehrtägi-
I) Im Text I' loch finden lich nor drei im Folgenden
Dfeniuiat.
S) Weder die I^fieke. noch aach den .f(Isdiui plenna' kann ich Tcnithn.
*) Arn mbd. tnsbi erUul * !' r /w-Aininpnhang nicht tu il<>nki n, ■ad uobet wlbde Uar aadi Ni< lau jk,.^. n.
«) WrjrL p. 806: kie Mrbreehen <! . - .. i i hellenihoi p. SOl : Iiuo der slt« J«d« dieti.
h V*fgL p. 83 der Itnifm^nu' \ :
*) t^UttMlae Winke , ul>cr das in den
Krne treiea 6m Tkeoph. §eWa dMik keiiM» Al%«B«ti»ere Aufx hlui««: nkAA n ibewthen i«i frdUdb der Knfawf nad «ler vooi itot« u hier ^■eprockne Prolof deeeea Hier« Yorisg« er»t J4 l>«(;.>im«a
T) Ale Beispiele geHen des 3*fistnNB procsseiowis eorports Chri- •W MM KtsieJMe (Oern. IT, $» f.) and dl« ZerfaeUr rtonsssionin.
Cap. VI. § 2.
gen Spiele nahe genug treten. Bei der KUnzelsauer Pro- OMtion ist die Rolle des liector, der die verschiedenen Sce- nen des Festzuges erklärt, womöglich moralisch auslegt *), und auch dialectisch für das Christcnthum auftritt ^) , zu beachten : bei dem ernst dogmatischen Character des Festes konnte sich hier die Exegetenroll«; leichter jene würdevolle Haltung bewahren, wie sie einst der h. Augustin oder Gre- gorius zeigten, während die andern Spielkreise zu Ende des MA. schon meist farblose oder auch humoristich gefärbte Praecursor-, Proclamator- , Expositor- Rollen aufweisen, — Ausser den dramatisch ausgeführten Scenen enthält der Fest- zug auch manche mehr symbolische Darstellungen 3), die also gewisscrmassen wieder die älteste Spielstufe repräsentiren. Ueberwiegend aus letzteren bestehend zeigt sich die Zcrb- Bter Procession 4) von 1507, bereits ganz in deutscher Spra- che verfasst ; die einzelnen Scenen oder Bilder sind nicht
1) Dass solche Nutzanwendung hin und wieder etwas gexwuni^on ausfallt, bat schon der Hcrgb. mehrfach bemerkt.
*) So namentlich (Germ. IV) p. 355 als Bekämpfor des Juden- thums. Was hier der Hergb. über die ,halb geschichtliche' Sinagoga meldet, verstehe ich nicht gfanz, und kenne auch von Verderbnissen (für Archisynagogus) abgesehen keine Archisinagoga. Zu den erwähn- ten Functionen kam noch die Handhabung der Ordnung in dem sehr ausgedehnten Festzuge, worauf der Name Rector zunächst hindeutet
3) Vergl. hier namentlich die bescheidene Andeutung der Kreu- zigung (p. 353). Accedat unus sacerdos de sacerdotibus et laicus unus cum CO portans signum crucis. Tunc idem sacerdos tenens crucem in manu [etj cantat ,Ecce lignum crucis' cet. — Ferner gehören hie- her die im Festzuge auftretenden Heiligen aus der Legende, die sich ganz kurz zu erkennen geben, (p. 354.)
4) Mitgetheilt bei Haupt H, 278 f. — Die Aufführung, an der die Zünfte sowie der Magistrat Antheil nahm , ist nicht ganz klar und scheint doppclartig gewesen zu sein: öfter nämlich scheinen die Rol- leninhaber nur ein Bild getragen zu haben (vergl. z. B. p. 285 ,6gura Herodis cum decoUatione Johannis — dahinter scheint ,Herodes' ausge- fallen; auch schon die Bez. des Bethleh. Kindermords p. 284 und der Geburt Christi p. 283), andrerseits heisst es p. 287 (oben), dass die Apostel weglaufen sollen, und etwas darauf: uff dem markt (im rym) sal Jhesus nidderfallen, wa« auf eine wirklicke Action der bez. Rol- len hindeutet.
Cap. VI, S 2. 18S
immer gans chronologwefa richtig disponirti). Ans dem Ch«r r des Spieb tritt diese Procession schon dadurch ftak .oiiig heraus, und wenn man will iu ein roheres Stadium /orück, dass die auftnieoden Personen ihre kleinen Sprech- rollen oder , Reime* aufgeschrieben in Händen trugen und .nblasen, wenn die Reibe an sie kam, ja selbst in einzelnen Fallen wol nur als ErkemmngMBettel offen zur Schau trugen. Als Beleg für Letxtefes nnd Probe der Weisungen überhaupt tbeüe ich hier doe WeiMmg (p- 28G, 87) interpungirt mit.
Die Oerver and Schuster >). JlwMi mit Juda der yn kotsaen sali. Hie sullen die vorigen XJI apostel Ton Ankun 3) zu disser fignren komen und sso lange vor dem Sacrament stehen bisz dasz Jhesus gefangen >^ir'. Die apostellen sollen wegk louffen, Judas sali haben in scjner haut eynoi fproszen Rym ,Ave Rabbi' *). — In dem sollen sie Jhesam angreiffen. Jhesus mit IV gewappentc Juden ai^agriffsn a. s. w.
Wir gellen nach diesen einleitungswcise besprocbnen ProeemioBSordnnngen tu den mehrtägigen Spielen selbst, zu- nächst xnm Frankfurter S) über, Ton dem wir das Diri- giriieft bedtien, welches die Spielordnung und in der Regel ^)
I) So trafen p. 380 hinter den Ldiejimscheni , die Künig Ihivid Bsd Min« Kn«chte Tonrtellen , noch die Maarermritter jene Trauben einbsr, die Jora»'« Kundachafler an« dem gelobten I«andc brachten.
^ Eirtwsder hatten diese Leute nar ein Bild au tragen, worauf der ta Folg. b«achri«b«nc Voi^l an erblicken war — oder (aus lio wirklich agirten, werden ne wol nor die 4 gewappneten Juden dabei TsrfssUlH haben, da Jsana, die Apo^' ' t ' ■.
p. 9S6, S96i MidcTM Personen mgeih'
ii Ankun i»t uuh dem llrgb. KaaM einer Voratadt von Zerbat
«) Aehnttch heiMi •• ein sndcnnal: Der tmiffel (hat) in der hant atefns «ad «ja rjm jSi ilkia D«i m'. Jsans ein rjrm« ,non in aolo pnae* — Gleidi sa Anfang : Adam und Efm nacket mit queaten ; wan der rjmi gckwsm, aso aotl der enget Adam nnd Eva utalan.
») Fraakfnrt. Archiv III, p. 187 f. — Die AaflUmingen der Jahre M'7, 1496 nnd 1600 werden asMbaft gesuMhi and hatie daa Spiel iw.iiügit« Daaer.
•) Wo nar die Weisangsa srkallsn, wie lehrfceh gleieli mA An-
Rn soldMa Bell war dem SpMleiter (Rectnr. Refena) wihrend 4ar
894 Ctp. VI, § 2.
die Anfänge der Rollen euthiilt. Wir heben ^us ersterer, die uns hier allein angeht, zunächst das Wichtigste aus und erläutern es durch Noten.
„Primo igitur Personae •) ad loca sua cum instrumentis inusicalibus et clangore tuharum solcmniter deducuntur. Quo peracto surgunt Pueri 2) clamantes : Silete , silete ! — Quo clamore finito Augustinus proponat sermonem qui sequitur 3).
— Hac conclusione facta Personae universaliter cantabunt antiphonam *). — Jesus autem surgat a loco suo et vadat ad Job. Biiptistam. — Johannes aspergat aquam super per- sonara Jesu , Majestas 5) quoque cantet etc. — — Deinde Sathanas ducat Jesum super dolium , quod positnro sit in mcdio ludi^), rcpraesentAns pinnaculum templi, et dicat etc.
— Item Sath. ducat Jesum ad alium locum ludi super dolium repraesentans montem excelsum , ubi ostendat ei thesauruni
Aufführung, namentlich aber wol hei den Proben der Spieler vorher, zur leichteren Uebersicht zur Hand.
') Personae, in älteren Texten = mulieres, scheint hier auf das gesummte Spieipersonal Iiinzudeuten.
1) Da diese Knaben die Engelrollen in den geistl. Spielen (so hier nach der Versuchung Christi) zu geben hatten, werden sie oft schlechtweg als Angeli aufgeführt.
S) Der h. Augustin, der hier noch den Prolog in dialectischer Wendung leitet, wahrt dem Frankfurter Spiel verglichen mit dem Alsfelder, das auch durch das üeberwuchern der Teufclscenen die jün- gere Trad. verrüth, einen altem Styl, — Für Unterhaltung des Publi- cums ward übrigens durch die keifenden Juden, so dem Heiligen ent- gegentreten in ähnlicher Weise wie schon (in mehr naiver Art) im Ben.-Bcurer Weihn. Ludus gesorgt.
*) Wir sehen hier also die Spielenden in ihrer Gesammtheit als eine Art von Chor behandelt, der durch den Bibelspruch (Antiphona) Luc. H, 52 den neu auftretenden Jesus feierlich vorstellt.
*) Ehrfurchtsvolle Bezeichnung Gottes des Vaters.
*) Hier begegnet also ,lndu8' als Bez. auch des Spielplatzes.— Ob mit dem ,circulus* Altd. Schausp. p. 112 und dem .kres' Trirer Theoph. p. 1 der ganze Spielplatz oder eine kleinere Partie desselben geroeint sei, ist nicht klar. — Was die von Mone II, 129 aus ahd. und mhd.'Zeit beigebrachten Ausdrücke ,8pilahüs, spilastat, spilhof be- trifft, ao haben sie sich in geistlichen Spielen selbst nicht antreffen laMen.
Cap. VI. S 2. 285
et omniA regna mundi *) etc. — Item JesQS appropinquans looo JodaeonuD >) , inveniat InfinDum jacentem in lecto et dicat — Infinniis tollat lectum. Quod videntes Judaei ve- niaiit ad eam diceotes etc. — Judaei revertantur ad locum nniai, Jesas qooque recipiat se in loco, donec ordo eam ite- rum tangat. — Hie conrivium Herodis incipiat et Filia ejus ooram Incumbentibos aaltet et luthet chorizando ^) , et cum «Uit fberit, Herodes dicat etc. — Hoc dicto puella vadat ad nuUrem ejus , qnae specialiter sedeat cum Dominabus * ), et dicat ei cet — Hoc peracto surgat iterum Jesus et ve- niens ad Jndaeoe cantat. — Hoc dicto recedat Jesus a Ju- daei«, et recipiat ae in loco, ubi moram faciet. Hie Maria iiagdai babitu saperbo arroganter incedat etc, — —
Das erste Tagewerk (wo man noch die Weisung für den Tod dea Judas Fichard III, 148 beacbte, femer die für die Kreiudguiig p. 151 unten) schliesst passend mit der Grable« gong : dar b. Augustin sollte das Volk auf den nächsten Tag •:^dertMstellen (p. 152). — Dem zweiten Tage gehört zu- riacbtt die T' " ' ^ ' ' l.mn die Begegnung der Frauen
mit dem fi gen und der weitere Verlauf
bis zur Hu
iwendoDg der ¥%*»> -. rböhte Standorte xa
t «cboa oben («handelt.
- '•-• — "ichft M>hien etfn>«n Platx, Ton dem er tich or-
' . KU kommen. Nach einiger Zeit beiMt e« dann :
J< i'l Judaeo«, in med' h Coo-
cu- hfitvt et! Je«iu | >i>i »e-
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•'•'«■• «11. ftoe. et inv ••>r<> «edentem in via.— Daran ■chliewt
h •«■ «adlicli JMHW s\ '"• loeo Jodaeomm*.
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*) flotbol Koben I lia« kamen abo niehi ohne
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a d<>« Haupte« tüf r1< r •. w. etttigo Knnct|(rifle der Refpe
erfordert«, • abernicht bakannt. .- Auch die
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»litfidt. . r Etn&cL-... ' brigea.
S06 Cap. VT, § 2.
Das Alsful der Spit 1 '/ culliiilt in den mitgetheilten Proben Einiges von Bedeutung : die Aufführung war dreitä- gig 3^. — Es heisst zu Anfang : Primo igitur oranibus per- aonis in suis locis constitutis Angeli canunt Silete. — Pro- claniator in niedio ludi 3) dicit. — Diesem ersten , den In- halt des Stücks exponirenden Prolog, folgt ein zweiter, vom Regens gesprochen (p. 482), der mehr die ethische Richtung der Aufführung hervorhebt. Noch folgt (p. 483) ein dritter, leieder vom Proclamator gesprochner Prolog , der dann (vgl. p. 493) später noch einmal wiederholt wird. — Aus die- sem dritten Prol. verdient besonders die als vom Schultheissen herrührend bezeichnete Warnung, ,wer sich in dem Kreis 4) betreten lasse , ohne zum Spiel zu gehören , der werde zu seinem Hecht kommen und mit den Teufeln in die Hölle gehn müssen' Beachtung. In ihrer Bedeutung nicht ganz klar ist die an den (wie es scheint anwesenden) Schultheissen gerichtete Aufforderung des Proclamator, dass er den Schlag thun solle , nach dem sich ein jeglicher richten möge *). —
») Vergl. Haupts Zeitschr. III, 477 f.
2) Auf einem vorn eingehefteten Blatt ist eingetragen , dass dies Spiel im Jahre 1501 an drei Festtagen (d. h. wol Sonntagen oder wich- tigeren Ueiligentageu) nach Ostern, 1511 gleichfalls nach Ostern an drei Tagen, doch in erweiterter Gestalt gespielt sei, 1617 endlich der- selbe Text (wie es scheint) bis zur Himmelfahrt an den drei aufs Osterfest folgenden Tagen. — Wie bei der letzteu AuiTübruiig die Wit- terung übel mitgespielt und zu früherem Schluss verholfen, wird be- seugt: pluvia et ingeus frigus nos abire compulit quarta hora. — Ob die 1517 am Septuagesimasonntag geschehene Auffuhr, eines Weihii.- Spiels, wie Wilh. Wackernagel schliesst, bei Nachtzeit in der (erleuch- teten) Kirche stattfand, macht die Vergleichung mit den andern, schon erwähnten Angaben, sehr zweifelhaft.
3) Auch hier also ludus = Spielplatz.
<) In demselben Sinne wie eben ludus erscheint hier also jKreis', ein Wort das uns schon früher begegnete und das p. 501 in lat. Form (circumeundo circulum) wiederkehrt. — Dagegen wird man das p. 483 im Reim stehende ,plann' um so weniger für eine technische Bezeich- nung halten, da es sonst nicht wiederkehrt.
5) Auf jeden Fall bemerkt man jenen Antheil an der Spielleitung, den sich die weltliche Obrigkeit vermutlich durch pecuniäre Subven- tion, wie sie bei mehrtägiger Aufführung wol zu gebrauchen war, ver- schatile.
C^ VI. S 2. 227
Wenn es weiter heiiat ^^oc facto Lucifer asoendit dolium*, 90 ist anzunehmen , daae von demselben Fass auch der Pro- H^mf**** aeinen Prolog geeprocben hatte >), wi^ denn über- haapt das Fan nur zar Oewionung eines höhern Standpunct-s gebraucht sn sein scheint *). — Im weitern Verlauf (p. 794J wktd das hoflfärtige Treiben der noch unbekehrten Magdalena deotlkh Tor Augen gestellt ^) ; erwähnt wird p. 495 ein ,ca- stmin', Ton dem .primos miles Herodis* herabsteigt, vermuth- Ueh hatte anf dieäer «Bug" aoch Herodes seinen Platz. Eine hntn Belenehtafig dw meist leicht Terstündlichen Spielurd- nung <j wird, bei dem leicht zugänglichen Abdruck, nicht tbig sein. Aus den Nachrichten , welche wir Oervinus über das Heidelberger Passions-Osterspiel verdanken S) , hebe ich die ^^MT Einfiihrang der Spielpersoneu in ihre Sitzplätze ^) and die noch wichtigere über eingelegte Zwischenspiele aus dem A. T.« die vielleicht doch mehr als lebende Bilder (mit kurzen Erklärungen) zu denken sind, hier kurz hervor.
Wir geben über zu dem bei Mone (U, 150 f.) mitgetheil- ien Donau eschinger Spiel aus dem Ende des XV. Jahr- bund.f begleitet von einer Sldzae des Bühnenrauroes (p. 156), "Hcb einer der Hs. beiliegenden Federzeichnung , die (nach
i> VesfL die Wsisiing ,Ooncluior SMeadit dolium' bei Moiu- 11, 104.
*) Wtna bieHge r gend« dar Teafel saf oder in dem Faue aicli •eben Um! , »o «rkÜft tkk dies danot , daai auf da* vielköpfige Pub- bcesi, da* Mcb aatttiieh ftr ketaa BoU« nähr ioiereaairtr, RAckaioht sa aehwi war; ladar wollla nod aoUie den Teufol waaigataaa ehi* mal ordsaSlieh gssshsn «ad gahtet habaa.
*) Wsiisiliili wird daa Tuuna tau MaiikbagiaHttig, di« Spiegel- coaaaMatioa aad «ia «p^eaMaa Btawaadaa sa» Volke mit Vertpottang dar galaa Babwaalav Martha aar ■aanjaohan DaraiaUeng welUiohen
«) Frailkh waaa aa p. 4M. kafaal: Ordinaatwr ■■siiann, praadi- ftieaae ai Cbrislas ■adawiia ptma^eal ale. — ao vanleba ioh atabi, wia fani Ar dia baidan Predigtaa Chhati (die araU v. 169—168, r-nto T. 18t— SU) ■eaaiaahn Vorbanütttiigcn nölbig «raraa. OaaebkfaU dar daetaeb. IMebl. n, 181 t
«eet« Wiadatgaba der Waisaagaa wira anidasfikst gawa*
16»
S28 Cap. VI, 8 2.
Mone) aus dem XVI. Jahrh. rührt, und die sich nur auf den sweitoii Spieltag hezieht')- Mono hat die Zeichnnng in einer gegründeten Bedenken unterliegenden Weise ergänzt '^) : auch enthält dieselbe in ihrem urkundlich beglaubigten Theile Schwierif^keiten. Dahin rechne ich die weite Entfernung der Abendroahlsätätte von dem Oelberg und Gethsemane, welche Locale doch durch die Handlung so nahe verknüpft sind — die noch weitere der Grabstätte Christi von der Hölle: end- lich ersehe ich noch nicht , wesshalb die mit ABC bezeich- neten ßühnenabschnitte durch Thore (und Gitter) von einan- der getrennt werden mussten. Es muss wol eine äussere Rücksicht, die wir nicht kennen, Aniass gegeben haben, alle Gebäude im mittleren Raum (B) zu vereinigen. —
Da wir neuerdings durch die von Leibing mitgetheilte Inscenirung des Luzerner Spiels von 158J '^) eine klare Ein- sicht in das Bühnenwesen des XVI. Jahrh. gewonnen haben, 80 lohnt es nicht mehr der Mühe, sich an der Hand so schwacher Hülfsmittel wie des Donaueschinger Plans mühsam zurechtzufinden. Auch aus der redseligen , schon deuts« li verfassten Spielordnung des Stückes selbst seien nur in der Note einige Weisungen ausgehoben *): es kann nicht unsere
I) Mone hat dies nicht erkannt, und nimmt eine Kürzung des Textes an, was durchaus nicht erforderlich.
3) Vergl. darüber Hase (das geistl. Schauspiel) p. 86. Amn. 50. — Von jener p. 156 hei Mone mitgetheilten Skizze ist übrigens wol EU unterscheiden die Aufzählung der 18 verschiedenen Localitäten, wozu sich als Nro. 19 eine ,gemeine bürg' gesellt, die p. 184 zu fin- den. Bei dieser Aufzählung ist eine ganz andere Bühne vorausgesetzt (wie die Vergleichung leicht ergiebt), welche noch die Localitäten für beide Spieltage aber in unvollkommener Weise enthielt, so dass ver- schiedene Handlungen (Abendmahl , Cieisselung, Dornkrönung) an dem- selben Local (auf der ,gemeinen bürg*) stattfanden.
3) Ich komme darauf im folgenden § zurück.
4) Das Wichtigste ist schon von Mone p. 161 f., und von Reidt p. 114 f. hervorgehoben. — So heisst es nach v. 1844 (in nhd. Schreib.) ^etzt soll Judas einen schwarzen Vogel bei den Füssen in's Maul neh- men, (zum Zeichen, dass der Teufel in ihn geg^angen.) — Das schreck- liche Ende des Judas, wobei wieder der schwarze Vogel seine Rolle spielt, ist nach v. 2478 beschrieben. — Um die Seelen in der VorhöU' von Lebenden zu unterscheiden, sollten jene nur in Hemden oder fleischfarbenen Gewändern, die Kinder sogar nackt sich zeigen.
CapVI, 8.2.
229
Aufgabe sein^ alle Einfälle einer oft etwas kindischen Technik xn regtstriren. — Durch eine saubere, noch ganz lateinische Ordnung zeichnet sich die Grablegung Christi (Lucer- ... . ils. xon 1494) bei Mone II, 119 f. aus. Von besonderem Interesse ist die .processio Indi' p. 121, 122, da solche An- rdnongen Hir den feierlichen Anfang des Spieles nach dem .>JuuipUUie bisher nur in geringer 2^hl bekannt geworden >). Wie ttkr eine feierliche Procession derart, die gewiss von der Kirche ausging und auch dorthin wol zurückkehrte 2), auf wofdige Auffassung des Spieles wirken musste, ist klar: ■uneiHgiu hob der Proclamator zu Beginn und Schluss der Darstellung ^) die ethische Bedeutf^anikeit des dargestellten Stoffes noch beeon-! - * rvor. Können wir diese Luzerner Orablegnng nidit u ger Sicherheit als Tbeil eines mehr-
tägigen Spiels beseiebnen, so ist dagegen für das geistliche Spiel m» Eger 4) dreitägige AufT' ' iigt, und aus
der lat Spielordnung &) tritt uns / von Requisiten
estgegoi, f. B. die Arche Noah (p. 270), der Regenbogen S) naeb der '"' ' ' ' n. andre, die zum Theil erst wahrend der AuffUiran^ ind gesetzt werden sollen 7). Ausserdem
begegnen eine Anzahl technischer Ausdrücke: so «sedes* und hronni* ♦ " Sitzplätze der Spieler auf der Bühne, für !<>•«» n^llr iis' ^). — Fin sr-lir grosses PpT'^onal tritt
• '•■ TT boi üjiu] ' lil. 178)
• TKi' ^— UsrdlBfrr .-.mIm!, <U dort an ) km KirobMfebrftoch
*) laÜMM'sT« dir KpUof das Ploii
*) ▼•1(1. Oots-
*) Aack Mar wi' li* teh d«« A. T. du;
VrTtnri^T il«r OottlKt* - -» —
*i Taii p. 270
V) Bo hsiMi m t AdMs traoMMM sd r pbte tfiMÜ ad
II r proceMiu'. — Für
hcn theiii ZougiiiMe
theiU die Natur der
,.,..;.. „,.1 .,K..,i„.,,,,t
r ^ialvfttor* (Chrint
280 Cap. VI, §. 2.
Uns in den drei Tagewerken entgegen ; die geringeren Rollen Hiud nach einer versteckten Andeutung des Textes von Schü- lern • ) gegeben. Eine Vereinigung mehrerer Rollen in der Hand eines Spielers scheint bei den geistlichen Spielen durchaus nicht üblich gewesen zu sein. — Das Beispiel einer siebentägi- gen Passions-Osterspielaufiiihrung bei Pichler p. 63 f. (Ra- bers Passion) ist mehr durcli diesen in Deutschland allerdings ungewöhnlichen Umfang als durch inneren Wert ausgezeich- net. Auch der von Rabers Hand roh entworfene, bei Pichler wiedergegebene Plan der AufiTührung hilft uns über gewichtige Bedenken nicht hinweg; z. R , wie es möglich gewesen, den Einzug Christi in Jerusalem als Schluss eines Tagewerks ') zu gebrauchen auf derselben Bühne, wo eben vorher Christus als ausserhalb Jerusalems Wunder thuend erschienen war. Da nicht jedem Leser das Pichlersche Buch zur Hand sein dürfte, will ich den Plan hier kurz beschreiben. Auffällig ist zunächst der für die , Porta Magna' gebrauchte grosse Raum, hinter der dann noch ein besonderer ,Ingressus' ange- geben — wenig grösser als die Porta Magna, aber in Quadrat- form umschrieben, erscheint die Mittelbühne, deren Hauptinhalt vom ,Salomoni8chen' Tempel 3) erfüllt wird, so dass wenig Platz ringsum bleibt. Um diese Mittelbühne lagern sich nun noch folgende Locale : links vom ,Ingressus' die Häuser des Cai- phas und Annas, darauf das Haus Simons *) des Aussätzigen,
— Transeunt ad medium circuli et omnes convcniunt praeter pontiti- ces qui manent in locis suis. — Als Speciallocalitäten werden die Syn- agoge, der Tempel, die palatia principum seil. Judaeorum (p.276), der locus stationis (p. 281) = Kreuzigungsstätte, das palatium Pilati (p. 285), die Hölle u. s. w. erwähnt.
•) Vergl. p. 289 (in der IlöUenfahrtsscenc) die Nacliricht des Hersgb. ,Zwei gerettete Seelen, worunter die eines arm<;u Schülers lobsingen'. — Deutlicher freilich redet der Epilog, wo (p. 294, 295) um Mosanzen, Fladen und Schultern für die armen Schüler gebeten wird, ganz ähnlich wie Altd. Schausp. p. 144.
■i) Das erste Tagewerk reichte von der Versuchung Christi bii zum Einzug in Jerusalem, (vergl. p. 64).
3) An diesem ist dann noch das ,pinnaculum' besonders kennt» lieh gemacht. — Dass übrigens der Tempel zu Christi Zeit nicht mehr der Salomonische war, ist bekannt.
*) In der Hs. (und bei Pichler) ,Simeoni8 leprosi'.
Cap. VI,5 2. SSI
die UöUe (der Porta Maga« ungefähr gegenüber) und dane- ben das Quartier der Engel ; endlich rechts her sich wieder aa den Jngressus* schliessend die Synagoge und der Oelberg. — Mochten hier auch einige Locale doppelt benutzt werden könaeo, i« B. Simeons Haus auch den Saal für das Abend- BMÜU abgeben, so bleibt Manches doch etwas räthselhaft >).
Ak Aabang sn dieeer dritten Gruppe, die bei aller Un> ▼oUkomiDenbeit der Technik doch das grössere Gewicht der üaMeren Darstellung erkennen lässt, betrachtao wir kurz noch dte Nachriebt über zwei auf dem Constanzer Concil durch Aaaländer Teranstaltete Schaustellungen ') , die sich an die WeihnacbtaqiMlti ' ' ' sen. AllerdingB scbeint man
aiob antor daeeen wol nur IdMode Bilder den-
ken zu miissen, und ihre Verwendung zu Zwischen unterhal- tinginn bei Tafel erscheint ■' ^'chen Sitte ganz fremd,
inmeriuB durften wir diese i ung, welche local doch
Deutschland gebort, nicht ganz übergehen. Die darauf be- sigUoben StcUen aus Reichenthalers Conciliums-Buch zu Cost- nitx gebe ich hier nach Grieahabers 3) Mittheilung : „zwischen dra etiea roachtent bj als unser frau gebar , und Josephen, und die beyligen drey künig als sj ir opffer pracbtend (vn dar ilern ws gülden vnd gieng vor inen an einem sail) vnd berodeHea wie er dun künigen nach sandt vnnd wie er die kindlin ertödtet, rnd das alles auf das kostlicbeste mit köst- liche gewand vn mit kostlicher gßzierd". — Von der zweiten Vorttelloog beiist ee: „tu traib den schimpff mit unser frawen dm beUigea drei kftngen vnd mit herodes auch kostlicher daan for.**
Pa«eB vir tun Scbhns dieses § die Resaltate kurs m- sammen, die steh aus den vorgeführten Quellen ftir die Auf- f&brungen des spiUeren Mittelalters ergeben , wo das geistige Spiel nicht inebr ao kirchlicher Stätte begangen sa werden pflegte. Die AUassnng der Texte scheint ohne Ausnahme *)
*i Wo ward« di« KreiudgaBf , wo die Orsblegung sgirt
*) Di« «nt« had vor den Bitbon von Cooatjuu. die zwi:it< nu( n
vor KAaig 8%hiiukl sad BMhrsren Fftrstea statt — b«ido worden
TOM Bitcbof von Loadon vtnailsitet
*) TetfL d«a Aabsag seiass Schriflebens ftber die OvtsrMqucu
«) Bei dsa Brssbrttsfcia sas Mari bat der asosiU Uengb. (K.
2Sa C»p. VI, §2.
bei der Geistlichkeit (die sich allerdings zur Volkssprache ver- standen hatte) geblieben zu sein, wofür namentlich auch die bis ins XVI. Jahrb. hinein meist lateinisch bleibenden Spiel- Ordnungen >) Zeugniss ablegen. Unwichtigere Hollen und mehr oder minder komisch gefärbte waren wol schon früher mehr in den Händen der Diaconen 2) und Chorknaben: seit dem XIV. Jahrb. ist die Zuziehung von Klosterschülern zur Darstellung bezeugt 3). Wenn uns nun im XV. und XVI. Jahrh. Stücke von solchem Umfang begegnen, dass eine Ver- mehrung des Spielpersonals auf Hunderte bezeugt ist, so mag es erlaubt sein, auch an eine Betheiligung von Laien dabei zu denken , obgleich es an directen Zeugnissen , abgesehen von Frohnleichnamsspielen, in dieser Periode eigentlich noch fehlt. Kurz erinnere ich an die Wichtigkeit , welche die Thätigkeit des Regisseurs ^) namentlich bei mehrtägigen Auf- führungen erlangt hatte. Mit diesem Regens fing aber auch schon die weltliche Obrigkeit an, sich in die Aufsicht der Spiele zu theilen , vermuthlich steuerte sie dann auch zu den
Bartsch) freilich an einen adligen Laien als Verfasser gedacht, doch ohne zwingende Gründe beizubringen.
1) Auch wo diese selbst deutsch umgeschrieben erscheinen, was namentlich bei süddeutschen Texten seit dem XIll. Jahrh. vereinzelt begegnet, ist der enge Anschluss an die kirchliche Spielweise klar und öfter finden sich auch in solchen Stücken lat. Hymnen und Ri- tuale (z. B. im Donaueschinger).
2) Die natürlich jüngere Geistliche waren. VergL Mone I, 7, — Für die Verwendung jüngerer Spieler zu komischen Rollen spricht auch das ,Dic mihi mercator juvenis' (bei Schönemaun p. 125 und sonst). — Chorknaben eigneten sich natürlich mehr zu Eugelsrollen.
3) So namentlich im Epilog des Insbrucker Osterspiels und des geistlichen Spiels aus Eger.
*) In wie weit dies Amt sich etwa mit dem des Redactors be- rührte, ersehen wir nicht deutlich; doch sei bemerkt, dass ,registrum' eigentlich (= ordo) nur Bezeichn. für die Dirigirrolle , auch für ganze Textbücher gebraucht wird , vergl. Mone II, 183 unten und Pichler p. 66. — Die einzelnen Rollenabschnitte (ob aus einem oder dreissig und mehr Versen bestehend) heisseu Reime (Ricmi) oder Sprüche. — Ersterer Ausdruck sehr häufig, letsterer in der eben citirten Stelle bei Mone. — Abschnitte der Handlung (Sceneu) heissen bei Mone I, 73 Reden: für darstellen wird ebendort p. 97 (u. öfter) begen ge- braucht.
Cap. \ 233
i^nelkosten bei. Daf^en sind direci* '^ !' ,' ' iins
<)«rcliati8 onbeteagtMi und waren a. • rer
ZiHt in deatschen Landen nicht üblich, s Spiel
Dar im Geringsten noch 'jottesdit ter
zeigte. Mit besonderer 1 keit pfl- ^ lon
der geistlichen Spiele znm Schauplatze und von dort zurück zn gatebehen. Vor- und ^' ' hobon die religiös sittli-
che Bedeatvng des Dargt--... - .. .Jringlicher hervor. Die Bewegungen der geweihteren Rollen (wie namentlich der Chri- >tQsroUe) blieben st^ts abgemessen und feierlich — die jü- dischen Priestor hatten ihren Hass gegen den Gottmenschen auch äosserlicli durch etwas carrikirte Sprache und wildere Ueberden an den Tag zu legen 3), und so einen Uebergang ZQ den gemein komischen und Teufelsrollen zu bilden.
Die Bflhne mochte aus dem inneren Kirchenraum zu- nächst häufig auf den äusseren Kirchhof verlegt werden , ob- gleich es für die älteren Zeiten uns an 7 -It, und bald mochte man sich bequemere Loi. .:..:.. . _ . ::en. War die Bühne in der Mitte eines freien Platzes angelegt, der an seinem Umfange noch Raum für die Zuschauer Hess 3;,
•) Vt* All' ht. 1 I.-! II J''-. \ •; 7 .h nur auf die von der SpiffUeitong ui '!,.-■ :. K -• : . • i ' , ■, rif oben denke ich mit Recht anf^enomiDen - \ : • 1. ri.. !> r Pnblicums dür-
fen jcac timben an Kachc:., lii:si^h u. i». w. ^litvu, die wol nach der AaiVknaif von Klovterwbfilem , die dabei mitgewiriit, eingesammelt wvrdcs.
>t Vera], auf älierrr Z^-it die Zeichnung de« Architynagogua
• urer Weibnachtaapiel : valde obatro-
I !-' V -.:--, guu0j^ niovendo Caput
rt ' * , ', a umnibua iC. Bur. p.
I : iic Altd.
• . .•; I : ' hallen,
u>. ;■.•''■,• ■
•! ' - ......*., ii. .,.^. «., i....
u »UM den Mitthetlungea Ab«r die I fiUuwgwi, tmf die wir im folgendes ( MrftdduMiai* nmawmm ikrilmrUr MI die IIäumt dr« I'latata knrn.t -- . •-•«r witl -dig voir i> nmsrhhwsan ward«,
iron einem «i^ldlheBUmutcnen i
2M Cap. VI,§2.
80 haben wir als Bezeichnung der Bühne selbst die Ausdrücke CircuIuB oder Kreis gefunden. Für die einzelnen Quartiere des Bühnenraums , welche von den verschiedenen Spielergrup- pen meist schon zu Anfang der Aufführung besetzt wurden, sind die technischen Ausdrücke ,Palatium, Castrura, oder zu deutsch Burg' — als , gemeine Burg' finden wir eine Localität bezeichnet, wo verschiedene Handlungen vorgenommen wur- den. Für die Zuschauer, welche sich eben zudrängen muss- ten, wo Platz war, waren Sitzplätze, wie pic die Schauspie- ler auf der Bühne besassen , noch nicht vorhanden , — wir erfahren auch, dass von Hausdächern aus den Aufführungen zugeschaut wurde '). — Nicht überflüssig wird es schliess- lich sein , die schon in den Stücken der ersten Periode auf- tauchende , später sehr häufig werdende Weisungsformel , das Sile oder Silete der Spielordnung etwas näher zu erläutern. Die Mehrzahl der neueren Forscher 2) neigt dahin , unter die- sen Formeln Ordnungsrufe an das zuschauende Publicum zu verstehen , wie denn auch diese Beziehung in zahlreichen Fällen, namentlich zu Anfang der Stücke (wo dann meist noch eine deutsche Paraphrase zu folgen pflegt), ganz unbe- streitbar ist 3). Gleichwohl lässt sich in einigen Fällen, wie dies L. Bechstein zuerst richtig erkannt hat , auch wieder die Richtung des Rufes an einen oder mehrere Spieler nicht verkennen *) , und wahrscheinlich ist diese Anwendung denn
des M.A. II, 156, 157) wird durch jene Luzemer Pläne so gut wider- legt, wie die Basels (Geistl. Schausp. p. 36, Anm. 50).
') Vergl. die Nachricht über den Unfall bei der Bautzener Auf- fühning von 1412 bei Flögcl Koro. Lit. IV, 290 oder Fundgr. II, 243 Anm. 4.
2) So F. J. Mone, Hase, Reinh. Bechstein.
3) Als Belege hier folg. Stellen : Mone I, 254, v. 1—3: nur die lat. FormiM Moiip TT, p. 1H4 unten; nur die deutscho Pürjuilirasr a. a. 0. p. 33.
4) So wird im Zehnjunpfrauenspiel (ed. L. Bcchstt.-in; p. 18 die Weisung ,Angeli Sile loogani horam' wol so zu verstehen sein , dass die Engel wiederholt Sile zu rufen hatten, um die nächstfolgende Rolle (der Tertia Prudens) von den voraufgehenden Rollen zu tren- nen. — Minder deutlich ist das schon von L. Bechstein hervorgeho- bene Silo p. 27 oben nach eint-r Rede des Herrn, wogegen Altd. Schausp. p. 118 oben durch das Siletis der Engel offenbar die Thätigkeit
c»p. ^^. s 2. 238
docb die ältere *). Der an die Sg^ler gerichtete Ruf hatte ■eist «ol den Zweck , einen seiner Zeitdauer nach dehnbaren Vortrag aufhören tu lassen >). Dem Publicum geganfibsr wird das Silete auch nicht immer in der Absicht gebraucht worden sein, ioMere Störungen tn Terbitten, mehrfach soikeint doreh jenen Ruf nur die Anfmericsamkeit ger«zt sn I, 80 dnas Silete m!t einem Hört, Hört! zu übersetzen wäre 3). Manches einzelne in der Anwendung dieses Rufes bleibt uns fineilich zweifelhaft*). Zar Ausfüllung einer Pause im Spiel konnte das Silete wol auch verwandt werden, wenn gleich es dann oft wiederholt werden musste. Für diesen Zweck gab es auch andere Gesänge ziemlich gleichgültigen Inhah» wie es scheint, wekhe die Synagoge oder die Engel ifii ■■>! sgnn hatten '> ->
Mochten nnn die Aufführungen geistlicher Spiele zu En(k des Mittelalters und weiterhin im 16. Jahrhundert ein ziem- lich buntes Schaugepringe entfalten, die Wirkung der Sce- neiie blieb hinter den Erfolgen, welche das Ausland (na- mentlich Frankreich) durch gewähltere Bübnenmittel zu er- reidien wosste, doch zurück. Für eine mehrstöckige Bühne sind ans Dentschland bisher keine Zeugnisse aufgefunden,
de« NaoUiM (exit et coodacit milite« ad PtUtum cknUnt Jadaicum) b»eiid<i werd«! »oU.
*) Di« kl. Sprseb« i«l, »obald e« sich tmiehst am einen Raf «n dis 8p4al«r haadslt sbea so oabefrrakUieh , als ne aaff»ll«nd wire, w«Hi ■•■ TOB Aafaaf bv da« PubUeiun im Aoge gehabt hitt«.
t) So fai der «ehoii besprookea«» Stelle Altd. Schaacp. p. 113
*) So bsini «• Mono I, p. S4, bovor Christ«» jeiMn Aaaspmch Unrt, d«r dio ▼«febonf der Stodea Magdatona't MithftU: Ue oaotet asfotas t«r SOstei teas J«eu et q. seq.
*) Ywf^ dsa AafcslB nm Reinh. Boohsletn BiatfM Aber Silcir Otrm. y, 97 £ — Erwihat aiAfs hkr aoeh wsrdm jeae« ,AageU com fHWie» bei Piehlar p. M, was aasadoaloa sohdat, dsM Uor die Wei- iaag a«f «iaea Bprachssttsl oder «ia Flhadbea gMehriobon war.
•) Ak «ta detattigM Silo, da« sar AasAttaag «iasr Paa«« dical«, wird d«« iai 2Mu^iaaff*aa«a«pM ^ tt «lehead« gaMea dtrfea: drr Zmaekamm haM« daM da« OartsMU ds« Herta vor Aagmi. — Ia ihn- HoiMr W«i«« M« Ha Owang dar fljB«§i,nii «faifotofi «wiMhea d«a \m- d«a IV«diglsa d«« il«rra im AMUder Spfol (««rgl. b«i Haapt in, MO)
aaah BsKsben «alwtfdor «ia (voa d«a Bagala sa sisguadüT) ad «ia T«fs d«r Synsgog« ron«solvieb«a Altd. Sohaasp. •?.
886 Cap. VI, S 3.
und die Anlage der mei^^n Stücke würde auch nicht dazu passen i). Ebenso unbegründet ist, wie hier noch einmal zu erinnern sein mag, die namentlich bei älteren Forschern auf unserem Felde , wie Docen , H. HoflFmann 2) , G. Freytag 3) beliebte Annahme , dass geistliche Spieltexte in die Hände von Fahrenden gekommen, und von diesen an verschiedenen Orten zur Aufführung gebracht seien. Schon P'ichard *) hat sich dagegen geäussert, und entschiedener Mone 5), der aber die Mitwirkung von Klosterschülern, wie sie ausser den von mir schon oben namhaft gemachten Stücken , z. B. auch bei'm Frankfurter Pass. Osterspiel ß) angenommen werden darf, noch hätte hervorheben dürfen, während die von ihm genannten Meistersinger und städtischen Zünfte ') wol kaum vor Ablauf des MA. selbstständige Aufführungen ^) werden zu Stande gebracht haben. —
§ 3. Letsfe Periode. (!Varh der Reformation.)
Das Material für diese letzte Periode liegt allerdings reichlicher vor , ist aber für unsere Aufgabe minder wichtig. In dieser Periode wird eine Scheidung nach den Confessionen
') Vortheilhaft würd« sich allerdings das Juttenspiel auf einer dreistöckigen Bühne gemacht haben, wie dies Devrient I, 85 ausgeführt hat, ohne die Bedenken ob solche Annahme zulässig, sich klar zu machen.
«) Vergl. Fundgr. II, 240 N. 2.
3) In seiner Schrift ,de initiis artis scenicae' die sich im Wesent- lichen an die von Iloffmann und (früher schon) von Grimm in der Mythol. gegebenen Winke anschliesst.
*) Frankf. Archiv III, 135.
S) Schausp. d. MA. II, 124, 125.
*) Bekanntlich gehört die Us. der Bartiiolunmistiftsscbule an.
') In späterer Zeit übernahmen auch ländliche Gemeinden geist- liche Aufführungen, wovon auch die Rede im folgenden § sein wird.
**) Betheiligung an Fronloichnamsproccssionen bleibt hier ausser Betracht. Andere geistliche Spiele mögen am frühesten in Augsburg von Meistersingern zur Aufführung gebracht sein, wohin das H. Kreuz- Spiel (vergl. Kellers Fastn.-Spiele Nachlese p. 54) und das Spiel von St Georg (vergl. ebendort p. 130 und Greiffs Notizen Germ. I, 171 f.) gehört.
Cap. VI, S 3. 287
angebrecht seio, da die Protestanten vorzugsweise das Weih- nachtsspiel, die Katholiken aber die anderen Spielkreise cul- tivitTti-n.
' is zunächst die Auflführungen auf protestantischer ^ :- i-t'trifft, so finden wir als Fortsetzung der im MA. von ücij>Uichen und Klosterschülem gegebenen Vorstellungen sol- che, die von Schulvorstehem , Oi^anisten '), mit Hülfe ihrer Schaljugend bewerkstelligt wurden, wie z. B. ChuuRtins 1541 zu Berlin vor dem Churfiirsten und dem Magistrat aufge- führtes *) Spiel von der Geburt Christi. Solche Theilnahme ffiraliiclier Herren steigerte sich denn wohl auch so weit dass auf Ffirstenschlöesem und von jungem Mitgliedern des Herr- scherhauses und des Adels selbst gespielt wurde, wobei es dann möglich ward, die weiblichen Rollen auch weiblichen Sfuelern zu äberlassen, was bei den öffentlichen Aufführun- gen früherer Zeit ohne Anstoss nicht wohl anging ^). Auf der andern Seite sehen wir das protestantische Weihnachts- spiel aus den Händen der Gei ' ' und Schulmänner in die bürgerlicher Meistersinger <j . ^ lon, welche dann zur Aufführung leicht jüngere Leute heranziehen konnten und diese unter Anwendung n Zunftverbandes zu
einer Spielertrnppe verti ,„ .:. i u-jint hier der Ort auf
die von Schröer über die Obern ferer Aufführungen gegebe- Nachrichten ^) naher einzutreten. Derselbe berichtet in Einleitung, dass die Spieler in Oberufer (gewöhnlich Singer und zosammen Cumpanei genannt) aus dem Hause des Lehrmewters <) , der sich ihrer Ausbildung gewidmet
I) So mv Barthol. Krfiger, VerfiuMr de« früher heaproohiicn, bei Titunknn II, 7 (g. gMlrvokten Spielt, Stadtechreiber und Orffaniat su Trttbjrti.
^ Dim bssMigt die Vorrede des slten Dmok«.
1^ VeifL WaokenuHrel Lit. Geeok p. 461, Aom. U7.
^ So haben wir von Bmw Ssdie «in« Bearbeitung de« W<>ib- nacliutoffec, oad ihm nahe eCeheo die von Schröer ms Dngsm tnitge> tbeOleii Text«.
ft) VergL di« Bialeitaf d«r DeoUchen We ibnaebtssptel« ms Ud-
i *%9»er aimmt ao der Anfl&hrang selbst nicht th&tigen Antheil, ■u .JigHrtersifei* wird die Rolle de« Altk6nigs (Melchior) jet«t he-
118 Cap. VI, S 3.
hatte 1), in feierlicher Weise und in geordnetem Procession»* rage 2) (dem auch der Teufel angehört) nach dem Spielsaal 3), der sich in einrm Gasthausc befindet , /u ziehen pflegen. Nach feierlicher Begriissung der anwesenden Versammlung *) beginnt das Stück, für welches, abgesehen von den rein mu- sikalischen liollen Maria's und der Engel suwie eingelegten Gesungstücken eine eigenthümliche Vortragsweise üblich und doch wohl altüberkommen ist. Schröer schreibt darüber *) : „Der Vortrag wird sehr sorgfältig einstudiert , denn das rich- tige Scandiren, auf das man viel hält, muss auch mit den Schritten der meistens auf- und abschreitenden Personen in Einklang gebracht werden , so dass drei Schritte auf drei He- bungen kommen , bei der vierten Hebung dreht sich der Spie- ler um (versus!). Wo Maria und Josef sitzen und den Wirt anreden, muss dieser, bevor er selbst zu reden anfängt , schon auf- und abgehn und zu den Worten Schritte machen. — Aber auch das Sprechen geschieht nach einer feststehenden Tonfolge , wie es bei der antiken Tragödie gewesen sein mag und wie auch die französische Tragödie ihren Gesang hat. Wenn die erste Hebung den Ton c hat, so ist die zweite e, die dritte f, die vierte kehrt wieder zu c zurück, dies ist die Sprachweise Josefs; die anderen sprechen gewöhnlich c, f, f, f.*' — Beachtung verdient schHesslich noch das Umzughalten des Spielpersonals (der Cumpanie) vor und nach jeder Scene, womit das Auf- und Abtreten der Spieler vom Schauplatz geregelt ist nach Art militärischer Ablösung.
Sollte diese Oberuferer Spielweise , wie doch wohl anzu- nehmen, ins 16. Jahrhundert der Hauptsache nach zurückrei- chen, so würde nun jene eigenthümliche, zu Nürnberg um die Mitte des 17. Jahrh. versuchte, Manier 6) zu erwähnen
I) Und so lange eine strenge Zuchtpolizei über die Singer auszu- üben hat (vergl. p. 8).
t) Vergl. p. 10.
3) Ueber die Bühne heisst es p. 12, dass sie der innere Raum eines Hufeisens sei, das durch die Zuschauerbänke gebildet werde.
-1) Schliesslich wird auch der Stern der Magier, gewissermassen das Abzeichen der Singerzunft , feierlich begrüsst vergl. p. 10, p. 66, p. 204 fg.
S) p. 16.
«) Vergl. Gervinus Gesch. d. d. Dicht, m, 414.
Ciqi. VI. $ 8.
i, die dftranf ausging das geistliche Spiel wieder auf kirch- lichen Schauplatz xuräckzuföhren. Mögen hierbei mehr Vor- bilder des Auslandes >) vorgeschwebt haben , oder die von Johann Klag und Genossen geschriebnen Singspiele dem alten Recht der Meisteriieder , nach beendetem Gottesdienst (und wol auch in der Kircke) vorgetragen zu werden gefolgt sein : mit Recht bezeichnet Gerrinus diese wunderlichen Elssays als Anfange wirklicher Oratorien, ohne viel Bedeutung für die Entvicklongigescbichte der Schau^uele. — Ebenso lassen wir hier die gelduiea Versuche protestantiecher Schulmänner so gat wie die familiären Kinderbelustigungen zur Weihnachtzeit, die Sterndreherumgänge u. s. w. bei Seite. —
Bedeutender sind die auf katholischer Seite zu bemer- kendeii Leiatungen , und namentlich die Lnzerner Aufiub- mngen ans dem Ende des 16. Jahrb. 2) um so gewichtiger, ala Ban von ihnen aus noch mit einiger Sicherheit Kück- scblBiw* auf den Gebrauch des MA. selbst thun darf. Die durch Renwart Cysat redigirten und insceuirten sog. Oster- spiele 3) wurden durch die geistliche .Brüderschaft zur Bekrö- nang* angeregt, während die Kosten ganz oder doch iiber- «Mgend von der Stadt getragen wurden, und so begreiflicher- weiae die «Verordneten dee Raths^ nicht nur die Spielleitung in höchster Instanz ausübten, sondern auch für jede Text Veränderung ihr Placet sich vor^ ' ' r,. Jq) Anschluss an die Darstellung bei Leibing sei< olenule Notizen auf-
geDommen.
Bez&glich der Polizei ist die strenge Bewachung der nnKn«. 4) schon vor dem Aufiführungstage ^) hervorzuheben,
Vielletcht der NiederUade. Veigl Gcrvinoi am auKeruhrten
K» Uagi MM von Frsnt Leibing (Elberfeld 18e9) genaoe Mit- Ui^eilug Aber die lasoeainun dm iwsttlflgeu Spieb von 1068 vor: ihaliehe AaWhrwagea sind tehop voa Hone (ü, 420} euch fikr di« Jahn IBM ead IIM besM^
*) fia «ad, wie ieh im IBaften Csp« seigt«i CombiiuaioBen der Wethaedbi* «ad Osl<rs|><eHied.
«) 8o umm ich eieelinDeii eU« mT dem MarktpUU Ar die Aaf* Mtoog «rriehUiea OertMe, Scbrankeo, Gitter u dcrKl. — Omuhmtm
•) Oiaeea ereabe ieh tm Lelbi^i Schha oicht vöUig klar. P. 2
MO Cap. IV, S 3.
die am Spieltage selbst natürlich noch schärfer geübt wurde: sogar Tbore und Stadttbürme schien es nötig dann stärker ta besetzen. Während also es der gewöhnlichen Zuschauer- menge gegenüber nur auf Erhaltung der Ordnung ankam, waren nach Sitte der Zeit gegen die zum Spiel anwesenden Fremden (namentlich die geistlichen oder sonst höheren Standes) Rücksichten zu beobachten , die genug Mühe und Kosten mit sich brachten ; gewöhnlich wurden ihnen die besten Zuschauerplätze aufbebalten , freie Zeche und gutes Nachtquartier kam hinzu.
Die Stände oder (wie wir jetzt sagen würden) die Rol- len, deren Anzahl sich bei diesen Aufführungen auf mehrere Hundert zu belaufen pflegte, wurden vom Regens gewöhnlich in der Zeit von Martini bis Weihnacht (mit Berücksichtigung der zahlreich einlaufenden Gesuche) vertheilt. Die Zeit bis zum Anfang der Fasten war dann durch das Ausschreiben der sog. Sprüche in Anspruch genommen , und in die Fasten- zeit endlich fielen die mehrfachen Spielproben. Der Regens hatte schon hierbei zwei Ministranten oder sog. Pedelle nö- thig. Für die Uebernahme eines Standes waren Gebühren zu entrichten , die neben den Strafgeldern für fahrlässige Spieler einen Theil der Kosten decken sollten ; die vornehmsten Rol- len , für welche auch am meisten zu entrichten war ') , na- mentlich der Salvjitorstand , wurden noch oft von Geistlichen, sonst von reicheren Bürgern beansprucht. — üeber das Ko- stüm der Spieler nnd einige Bühnenmaschinerieen enthalten Cysats Papiere zum Glück sehr reichliche Mittheilungen, die unserer dürftigen Kenntniss dieses Faches in älterer Zeit et- was abhelfen. Ich gebe nacli Leibing einige Auszüge.
Adam. Eva.
Adam soll haben ein ziemlich lang Haar, das nicht grau noch schwarz sei, einen kurzen Bart in Gestalt eines dreissig-
(unten) i«t freilich Mittwoch vor Palmarum genannt, dem •widerspricht aber p. 3 Zeile 3 von unten.
») Ausserdem beschafften die Darsteller oft selbst das Kostüm (verRl. Leibinj? p. 16), doch musste häufiger wol die Stadt hierfür Sori^e trauen.
Cur» VT ^ 3. 241
jährigen Mannes. Eva als em jung Weib •; mit schönen lan- gen, offenen Weiberhaaren.
Lehrer. Grt^urius al» Papst Hieronymus als Cardinal. Ainbro- sius .als Fr/hisrhuf. Aagustus ') als Bischof. Kector oder Regens. Soll Mftiu telbaoder mit einem togendlichen Knaben, köstlich beldeidet Beines Gefallens.
Proclamator. sein zu Ross in ganzer Rüstung, im Harnisch, dar- u^M.. ^^u ersten Tag ein weiss, den andern Tag ein roth seidenes terfaaoenes Wappenröckloin, ein weisses Sammtba- rett mit Federn und sonst köstlich.
Synagogen- und Tempelherren. — — gut jüdisch in langen Kleidern, die suUen sie allent- halben wie auch die Hüte belegen mit hebräischen Buchsta- ben, «bese aus St&niol auf blauem Papier.
Maria. Anfangs als eine allerzüchtigste Jungfrau demüthiger tiebinteo. Die Kleidung ist ein weiss Unterkleid oder einer KiMlailiSHiin Rock, darüber ein blau seidener Mantel. Ein sebön «nsgespreitet Frauenhaar , darüber ein Schein ; weisse Hosen (Strimpfe) und Schuhe.
Die drei Könige. Sollen auf das zierlichste und küstlichste bekleidet sein als mdglieh a«f beid- iremde und unbekannt« Manier.
Balthasar ist der lloL.-. 1^, soll schwarz von Leib und
sammt seinem Gesinde in gleicher Färb, aber weiss bekleidet sein. Die andern zwei nach ihrem Gefallen, doch unterschied- lich, keiner «10 der andere, je seltsamer, je auselmli« her.
Teufel. IhneO^aUeat in fraulicher, doch ansehnlicher Kleidung, jiii-r renchieden.
>) l>cr DuvUUer wmr Bai4rlt<:l> "inr mMunliihi^ I*< raoa.
n lUa« soch »otast b«g«fnti mg von Au»
gU*tlUUt. I)irir \iir l'rr»<>tii-il lliU»*lrti lli Mir« 111 l\i'*lum wiMM^nUicIi
cur /trrJr tlrr Aut!»l.r .ti^ I i tlr.tg«n. AI« Kx^-K^t «cbiMnl tmm<<M(iJch (*rri(..riu« (\<r. i<«bnMMhl XU tria ,
242 ra]).:\ I, § ;j.
^Magdalena.
Vor der Bekehrung ganz hoffärtig, prächtig, stolz und köstlich auf gar alte oder jüdische und seltsame Manier. Nach der Bekehrung aber ehrbarlich doch reichlich. Totenauferstehung.
Sind angenehm in Leibkleidern als nackend, doch tÖtli- che Farbe, und als Tote mit Gebeinen gemalt, auch auf den Häuptern gemalte Totenköpfe. Einen Bademantel unter den Armen, auch über die Achsel geschlagen, jeder ein Toten- bein in der Hand. Sie erstehen unten aus der Brügge '), wohin man die Toten gelegt hat, und gehen zertheilt an bei- den Orten den Platz hinauf gegen den Tempel und die Höfe, lassen sich bloss sehen als ob sie erscheinen , ungeredet, und gehen alsdann wieder hinab in das Grab.
Die Trabanten und der Fähndrich des Proclamators , so wie dieser selbst , sind den ersten Tag in weisser Kleidung ; die Faline zeigt auf weissem Grund eine Seene aus der Pas- sion.
Die Schlange geht im Anfange den ersten Tag aufrecht, kriecht nach dem Fluche anf allen Vieren davon in die Hölle. Ein gemachter Judas in der Hölle, den man anzünden kann.
Himmelsbrod wird aus 4 Häusern von den Dächern durch einen starken Blast (Blasebalg) oder Instrument ge- spreitet. —
"Was den Schauplatz der Auflführung von 1583 betrifft, 80 diente dazu der ziemlich geräumige Weinmarkt zu Luzem. Fragen wir zunächst nach den Zuschauerplätzen , so waren dieselben gerüstweise dem untern Stockwerk der um den Markt liegenden Häuser vorgebaut, so dass von ihnen auf die Bühne in Mitten des Marktes herabgesehen wurde. Letztere reichte aber an einer Stelle wenigstens auch an die Markthäuser heran , so dass z. B. das Haus zur Sonne als Bühnenhintergebäude (skene 2)) verwertet wurde. Die Zu- schauergerüste waren , wenn auch sicher gratis geöffnet 3),
1) Erläoterung dieses Ausdruckes folj^t nach.
*) Dieser leicht« Hinweis auf die Einrichtunrr drs attischen Thea- ters majr hier genügen.
3) Wenigstens findet sich in Cyaats IJerecli...., "' ^pur cinor
Einnahme durch Eintrittsgelder.
Ca- VT 5 3. 243
doch der besBern Ordnung hulber durch Thore verschließbar: •olche ,Rrüggen' oder ,Brüginen' (denn dies sind die techni- •chen Ausdrücke für die Tribünen) wurden auch in den ein- II -Q StnMMD noch errichtet Wer hier nicht Platz
fikiKi 11 Uli nicht etwa in die Häuser am Markt als Bekannter Eintritt hatte, musste sich schon auf die Dächer hinaufwagen, am noch des Schauspiels habhaft zu werden. Dienten also die Dieber ab Galerie , die Brüggen als Parterre , so gaben die M*rkth&Dtw mit ihren Fenstern des zweiten Stockes die Lo- gen her. Von hier aus konnte man am bequemsten Ueber- scbaa halten und war auch gegen die Witterung geschützt, daher dienten dieee Plätze auch als Fremden löge, — doch moHle man bei der Menge der Gäste manchen derselben aoch auf den Brüggeo oder auf der Bühne selbst Plätze an- weisen 1).
Was nun die Einrichtung der Bühne selbst betrifft, so war dieselbe natürlich überall abgeschlossen. Innerhalb die- ser Schranken befanden sich zanächst an dieselben stossend die , Höfe' der Spieler, wo dieselben ilireu bestimmten Aufent- halt am gMumi Spieltage hatten , sofern sie nicht zur )>eleb- tereo Actioo in die Mitte des Schauplatzes (der nicht völlig leer blieb , sondern verschiedene ,Oerier* als Scenenandeutun- gen 1 aufwies) hinaosräck«! mosi^n ; — einfachere Hand- langen konntr-r •> In Höfen selbst vor sich gehen. Vergleicht man diese F. ug mit der früheren Zeit, so ist klar,
lass die Höfe den , Burgen' (Castra, palatia) entsprechen, wel- ( he früher den grösseren Theil des Schauplatzes eingenommen. Was di<> Oerter betrifft, so hatte man sich noch im Anfang
1, :«•». ..;...^ b«l d««iS«<''>'i '<'•- I^skrsr and Propheten, des Pro-
art ator» wi4 des SelialUMi« rgL dMMn ErwAhnong im AU-
(cMcr Bpittprolog bei Bsnpi JLU, iö^.) FAr den ¥M des R«g«ns gab
•• ««eil bedeckt« BAfe flir d«o Procbun. and Sobulth. (,duui sie von
bier aafi nad Ordwu« ceheffm kOoaea' p. 12.)
St Rf.Irlu» Orrirr ^fiir ilrti «vratf^ii R^i«ltag) WSfSn I. B. der AltST
f»r le mit dem goldnrn Kalb
nctiet rinvr urunr ana rmrm « 'j>irrti»rn , die üebUnge in der Wücte, der Bsnm 3^bli ■. e. w — Orfteeere Benliokkeitea, wie die Hatte s« flelUehesi, der Tewiysl beteidea eieli dsgcgca nnler den HUMni im — eni OmfMg des Splclkrtie^ , o» weder die Menoewrec der Spie- •«Hmppea »edi die Anaeidit der ZeeclMiaer n beecbrftaken.
le»
244 Cap. VI. § 3.
lies U'i. .liilirhundertK hiermit sehr einfach bcholfen ; als ein Anfang reicherer Kntwickehmg können aber schon die ,StÄ- tionen' (loca) gelten , wie sie das Innsbrucker AssumptionH- spiel ') aufweist. Besondere Sorgfalt ward auf den ganz pro- cessionsartig geordneten Aufzug *-) und Abzug der Spieler ver- wendet; wie hoch die kirchlichen Autoritäten auch im geist" liehen Spiel hier geachtet wurden , geht schon daraus hervor, dass die vier , Lehrer' (die sog. grossen Kirchenväter, Grego- rius u. 8. w.) von ihrem Hof nach einer besonders günstigen Stelle der Bühne auf einer Kanzel getragen wurden , sobald die lieihe des Redens an sie kommen sollte.
Für den , Regens' findet sich auf den Plänen, welche Leibing seinem Hefte beigegeben , kein besonderer Standort, und hat derselbe daher vermuthet, dass diese Hauptperson sich während der Autführung überall dorthin gewendet habe, wo ein Dreinsehen gerade am nöthigsten war. Doch ist es auch möglich . dass der Regens von dem Fenster eines Markt- hauses aus die Auftuhrung leitete, und theils durch Winkel), theils durch seine , Pedelle' die Leitung ausübte *). Aus den beiden Plänen hebe ich hier zur Orientirung des Lesers noch hervor, dass au der Ostseite des Weinmarktes das Haus zur Sonne in der Weise zur Aufl'ührung mit diente, dass der Raum zwischen den beiden Fronterckern den Himmel dar- stellte, zu welchem von den Brüggen aus Leitern hiuafführ-
1) Altd. SchauRp. p. 46, 47: vadit (Maria) ad locum baptismatis, recedit ad locum jejunii etc.
>) Die b. drei Könige hatten nach dem Generaleinzug des ersten Tages sich wieder zu entfernen, und später von drei verschiedenen Gassen her wieder auf die Bühne zurückzukehren, um den schon der äl- testen Spieltradition geläufigen Eflect (vergl. z. B. Du Meril p. 153 un- ten, tres Clerici more llegum induti ex tribus partibus conveniant ante altare) nicht untergehen zu lassen. — Noch sei bemerkt, dass im feierlichen Einzug der Spieler Jesus der Zwölfjährige zwischen Ma- ria und Joseph, und etwas später der Salvator mit seinen 8 Jüngern (damit begnügte man sich) einherging. (Vergl. Leibing p. 14 und die aus Joh. Pauli bei WackenuiLaI Lit. Gesch. ]i. 312. N. 72 entlehnte Stelle.)
3) Mit dem Scepter, den vj uis /ziehen at-iner Würde inne hatte.
4) Vcrgl. die p. 17 erwähnten llandbcmcrkungen Cysats: Heifls N. N. sich rfisten, Wink den Barträgem sich gerüst zu halten u. s. w.
Cap. VI, § 3. 245
ton. Nor dem Frdgeschon d«M«lben Haosee war (Tielleicht mit Benutzung einer vorhandenen Laube) am ersten Spieltage der Berg Sinai , am zweiten aber der Oeiherg angebracht. Einen grossen Theil der Südseite des Platzes nahm an bei- den Spieltagen der Tempel zu Jerusalem ein. An der West- seite befand sich am ersten Spieltage das sog. Wcihunchts- bättlein , am iweiten etwa an derselben Stelle das Grab des Heilanda '). In der Nordwestseite befand sich an beiden Ta- gen die HöUe (auf den Plänen durch eine gräuliche Fratze ausser der B«Mchrift kenntlich gemacht) und nicht ^eit da- von an der Westseite der Baum des Judas. Durch die Mitte <iet» Plataes scheint am en»ten Tage ein Wassergraben zur Andeutung de« Jordans sich erstrekt zu haben , wozu ein auf Jem Weiumarkt befindlicher Brunueu das Wasser hergeben mochte. Endlich sei noch bemerkt , dass sicli die Gesammt- zahl der zum Spiel verwandten i*ersonen auf 600 belaufen zu haben scheint, da eben so viel messingene Wahrzeichen in den Koetenrechnungen Cysat's erwähnt werden, wo übri- itens die Zehrung der Spielpersonen und die der Fremden als ilauptposten figuhren 2).
Nachdem uns die Luzerncr Aufi'ührungen ihrer Wiuhtig- kfti wegen länger beechäftigt haben, berühre ich hier nur kurz die von Rein aas Ucrdingen 3), von Peter aus Zuck- mantei gemachten Mittheilungen. Am letzteren Orte war et, wie schon früher erwähnt, üblich, den ersten Theil des PaattdW-Oiterqtielt in der Kirche, die Kreuzigung alter auf dem Rochusberge vorzunehmen, doch ist es sehr fraglich, 1> der toa Peter pobiicirte Text eine solche getheiltc Auf- : uüruaginveiae voraoMetzt Nach den Weisungen der Spiel- ordüosg moss man vielmehr annehmen , dass für die ganze
' M <: ; ■- . . f.t, wie dur'J» ilnsn Ao»»
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246 Cap. VT, ^ 3.
AuflführuHR ein Bühnengel)iiiuic h errichtet war: sicher eine jüngere Erfindung, wie sich Jiuch sclion aus dem Gebrauch dos Vorhangs 2) zum zeitweiligen Verschluss der Bütine er- giobt. Aehnlichen Wechsel in der Aufführungsweise hat nun auch das Obcrammergauer Spiel erfahren, über welches hier noch einige Mittlieilungen folgen mögen '^).
„Als Gelübdeerfüllung wurde die Passionstragödio 1634 zum ersten Male aufgeiführt *). Bis 1C74 erfolgte die Dar- stellung alle 10 Jahre. Hierauf aber ward das heilige Trau- erspiel nach einem Zeitraum von 6 Jahren nämlich 1680 dem christlichen Volke vorgeführt und von da ab blieb es auf die Zehnerzahl verlegt. Ob der Schauplatz schon damals, wie noch zu unserm Gedenken , der Gottesacker , oder vielleicht die Kirche selbst war, findet sich nicht aufgezeichnet. Doch scheint aus der Bemerkung am Ende des ältesten Spielbuches: »sollen hinfüro für die zusehenden Personen alle Zeit Sitze gemacht werden' Ersteres angenommen werden zu müssen. Schon frühe wurden der Aufführung Bilder aus dem alten Testamente, welche für die einzelnen Scenen einen vorbildli- chen Character hatten, eingefügt, um neben der Erfüllung zu grösserer Erbauung auch die Prophezeihung zu haben. Ge- wöhnlich zwei Jahre vor dem Passionsspiele ward die soge- nannte Kreuzschule vorgestellt. Die letzte Aufführung der- selben fand 1825 Statt. In derselben wurden die vorbildhchen
•) Vergl. Troppauer Programm I (1868 p. 20: Lucifer kommet auf der untern Seit' p. 28: (ein Cherubim) jagt sie (Adam und Eva) unten hinaus. ,Gcht oben hinein', — Progr. II (1869) p. 4 : Jesus geht mit den Jüngern oberseits hinein u. s. w. — Dies ober- und untcrseits darf doch nicht auf verschiedene Stockwerke (was ich zuerst für möglich hielt) bezogen werden, es heisst II, 4: Oberseits kömmt Maria, unter- scits kömmt Jesus mit den Jüngern. (Beide Thcile stehen sich im Folgenden, vergl. namentlich p. 7, offenbar zur Seite.)
*) Vergl. II, 7: Geht oberseits ab. Hier wird aufgezogen. Und 80 oft.
3) Vergl. ClaruR, Das Pass.-Spiel in Ober-Ammergau (p. 38, 89), dessen Darstellung ich einfach folgen durfte.
*) Der Text mochte in einem benachbarten Kloster, z. B. Ettal, rcdigirt sein. Der erste (mir namentlich bekannte) ümarbeiter, Ferd. Rosner , war eben Benedictinerpatcr zu Ettal , desgleichen die spätem Bearbeiter Pater Magnus und Ottmer Weiss waren gleichfalls Ettaler.
C»p. VI, S 3. 247
'en Bandes dramatisch, die Scenen der Leidens-
.-- Herrn dag^^ in lebenden Bildern ') darge-
Erklärung der gegesaatigen Beziehungen und die
crmunterDden Ansprachen an die Znanhanftr wurden durch
ein Chor von Genies, namentlich dessen Führer rerniittelt' ').
IxA Jahr 1830 wurde das Paanonsspiel zum ersten Male aaf defln gegeowirtig sogenannten Passionsplatz vor dem Dorfe a«%eftkrt. (Ueber dieeen gegenwärtigen Auffuhrongsplatz be- ridilel Clams p. 83 f.)
fin einem von ziemlich weit atueinanderstehenden Pap- peb begräniten Rechtecke ist die Bühne vr '.rn auf-
gcechlagen. An den Nebeneiten nnd der lii. hat die-
ser wette Verschlag Eingänge, von denen die der Kühne näch- sten anf d>ener Erde sich befinden, die weiter nach dem Hintergronde des Zuschauerraumes führenden aber , je weiter zurttck desto höher sind. Am höchsten liegt der auf der Rflckeeite za einer bedeckten Loge führende Eingang. Jede dieser Tbören geht in einen abgesonderten Zuschauerraum ans, deren jeder einen bcsondem Rang einnimmt. Der dem Tbenter «mächet b^uidtidie bildet den ersten Platz. Jede weiter mficküegnade Abtbeilung stellt einen geringern Platz dar. Die Sitpeflii steigen gelinde gegen die Loge hinan, so dnes unter derselben, welche den vornehmsten Platz ah- giebt, der letzte Fiats sich befindet Die Loge ist der einzige gegen Wind, Rsgen nnd Sonne geschützte Zuschauerraum. Für jeden Platz wird ein besonders dafür bestimmtes Eintritts- geld entricktel. Der Ertrag ist theihreiszu <^ ' !ion Zwe- dten 3; beetinnit Etwa zwei Fünftlieile der > no Hies-
I tM<r da* )-amiriog»n diesct SpieUppsrttt dsnu ... ..>:. Kot« ncrvcbrn Text de* pMsioiw-Oiterfpielct Tcrgl. Clants p. 70: der er* UiireJKic (ezcfc«r«ad«) CborAhrer and Argameotator kieM damsU ScInrtagvMt, vnä aeck dk 6 Genien leine« Orfolget wurden wol 8ek«Uf«ieUr iHfiesnsl
«) Dir totfseie Bete — tecaiBna attt CUntt p. M aaten.
*| Bfai selcker UsbenckaM t<m EteaskaiaD bei gnsUicketin Oe« «pMl ist maimm Wiawas soMi nieki neeksvweiwm. Wenn auui sick •■dl ts dm Ictatea Jskrfcttiid«H«« aMikHädi (so sack in Oberafsr) Ml» •ckloM Kietritt^ulder n «rkeb««, w«rdtii 4k>di immtar kam die Ko- •iMi 4se Spiel* bc*tHtt«B, tin<1 bö m»r r« Uaire Mok in OI>«r>Aauaer* gaa gl ■***». (V«rft Ckni'
248 <:m'. vi, ^ 3.
8rn in (liu llaiiiic d« i . i^. . i - ui ICiitschädigung im Mühe und Zeitverlust'.
,Vor der ersten Sitzreihe und in gleicher Höhe mit der- selben ist das Orchester, das gleichfalls nur mit Einheimischen besetzt wird. Die Breite des SpecUitorii, welche der des Biih- nonraumcs gleicht, beträgt wol über 80 Kuss.* Das Prosce- niuni ist durch keinen Vorhang vom Zuschauerraum getrennt, hat eine Tiefe von etwa 20 Fuss und wird hinten von dem in der Mitte aufgestellten kleineren 35 Fuss breiten eigentli- chen Theater abgeschlossen. Dieses ist bedeckt und hat ei- nen Vorhang auf welchen gleichlalls eine Strasse gemalt ist Ist derselbe herabgelassen, so stellt der ganze Hintergrund die Stadt Jerusalem dar. lieber den Vorhang erhebt sich ein hohes Frontispiz. Auf demselben hatte Pfiunger, der Dar- steller des Christus, Glaube, Liebe und Hoffnung gemalt >). Rechts und links von dieser Bühne bis an die Seitenwände des Theaters sieht man durch offene Thorbogen in zwei Stra- ssen Jerusalems tief hinein, welche oben den freien Himmel zum Dache haben. Den Zwischenraum zwischen der kleinen Bühne und beiden Strassen füllt auf jeder Seite ein schmales Gebäude, mit aus den Strassen hervortretenden Giebelseiten. Jedeä dieser Häuser hat im obern Stockwerke einen Balcon. Das dem auf die Bühne blickenden Zuschauer links erschei- nende ist der Palast des Pilatus und das rechts sich zeigende die Wohnung des hohen Priesters Annas. Der mittlere be- deckte Raum dient zu der hinter dem Vorhänge erfolgenden Aufstellung der lebenden Bilder, sowie zur Darstellung der Scenen, welche im Innern eines Gebäudes spielen, z. B. der Auftritte im Tempel, des Abendmahls u. s. w. Doch ist er auch für einige Scenen im PVeien bestimmt, z. B. den Abend am Oelberge, den Einzug in Jerusalem, die Erhän- gung des Judas am Baume, die Ausführung zur Kreuzigung u. s. w. In allen diesen Fällen ist der Raum immer dem Auftritte angemessen decorirt. Ehe sich der Vorhang zur Darstellung der mimischen Bilder oder der auf dieser Mittel- bühne vorgehenden Handlungen erhebt, tritt der Chor zur
I) In Obcr-Amniergau geht ebca das geistliche Spiel mit andern KuustübuDgcu, namentlich der Bildscbnitzerei, Hand iu liaud.
C*p. VI, 8 3. 249
Hälfte von der rechten und zur andern Ralfle von der lin- kos Smie her mnf den Vorderraum der Bühne (Proscenium) «■d benilel dwch teinen Geeang <) den Zuschauer auf das zu Migendc Vorbild Tor. Sobald der Vorbang sich erbebt tritt der Chnr, welcher einen nach vom offenen Halbkreis bildet, Tor demMiben in zwei Hälften zurück, und seine ^iit- glieder stellen sich so, dass sie mit halbem Gesichte gegeo die Zuschauer mit der anderen Hälfte gegen die Scenc ge- richtet stehen. Hierbei scbliessen sie die Mündungen der zwei StrUMA neben den beiden Häusern zur Seite der Mit- telMkae, welche während des ganzen Spiels unverändert blei- bea. In dieser Stellung singt der Chor die Erklärung des Vorgestellten tmd tritt nach jeder Niederlassung des Vorhaiip ges wie im An£snge vor demselben aof. Derselbe ist also ÜMt immer auf dem Prosoenio anwesend. Da auf dem Vor- hanfe der Mittelböhne ebenfalls eine Strasse gemalt worden, so stellt, wenn er herabgelassen ist, die Scene Jerusalem in mannigfacher Weise dar*.
,ln der Mitte des BühneDraomes finden sich mehrere Vorrichtnngtn zn Versenkungen. Die ManehaeMrie ist äusserst soTerliang, prompt and genau. Ich habe dieselben auf gro- snn wirkUditn Bfihoen nicht trefflicher gefunden' ^).
,IHe Bildung dieser Passionsspieler 3) wird durch eine Art Bühne im Schnlhanse «ndelt, die neun Jahre lang der Schau- platz anderer dmmatisrher Spiele ist, welche die Scbauspiel- fähigkeit der Gemeindeglieder berrortreten lassen und die nöthigo Pühnengewandbeit zuwegebringen. Die Sänger und Sängerinnen werden vom Lehrer mit unermüdirchcm Eifer eingeübt. Auch die handelnden Prrsonen werden hier in Untenricbi §aaowBen and in Vortrag und Actiuu instruirt Oieet BpialibMgMi, an «tleben aoch Kinder Theil nehmen, bilden die PfluMehnle snr Erginsung der in dem zchnjähri- gsm Zwieebenname anTermeidlicben Abginge* *> ~
I) DiMS Cboiftiiaf« siad ia dem Bleblsia Ton Scböberl (Dm pMnoMMpid le Obw*AmsMM|sa, 4 A. 187Qi) mi||{sllMtlt.
«) Riaig« DnvoUkowMsabtitea werdsn ibrigsas sach von dsnis im Folgsadie siegsiisii, «ad wiren hier etwa dU voo BoQsad ge- iBselH— VntwihUgt ss bertokächttgea.
>) TstgL Osras p. 89.
*) Vocb alfs kisr (sseh Osras p. 80) bemerkt wsrdea, dsss dis
2Ö0 Cap. VI, § 3.
Zum Scliluss dieses Capitels möge noch kurz daniuf hin- gewiesen werden, wie in den beiden bis auf unsere Tage ge- kommenen geistlichen Spielwcisen , der Ober-Amniergauer und der Ober-Uferer (in Ungarn) sich endlich ein scenisches In- stitut, zu dem das geistl. Spiel im MA. nur verschiedenartige, nirgend fest ausgebildete Ansätze >) zeigt, zu voller Wirksam- keit erhebt — der exegesirende, oder doch die Handlung künstlerisch einrahmende Chor. Mögen immerhin für die Einführung desselben (namentlich in die Ammergauer Texte) gelehrte Muster, und indirect wol auch die Antike Selbst massgebend gewesen sein, die Aneignung dieses Spielelements scheint hier wol gelungen, während uns dasselbe im Ober- uferer Textbuch noch naturwüchsiger entgegentritt 2). — Wie sehr die Entwicklung unseres geistlichen Spiels sich schon hierdurch von der des hellenischem Dionysoscult entsprunge- nen attischen Drama's scheidet, das den Chor mehr und mehr zurückgedrängt hat, liegt auf der Hand: noch führe ich die erst im XVI. Jahrb. seltner werdende Anonymität unserer geistl. Spielredactoren an, während jeder Schritt in der Ent- wicklung des attischen Drama^s an bestimmte Künstlernamen geknüpft erscheint. —
Zahl der zum Spiel verwandten Personen sich auf 460—600 zu belau- fen pflegt. — Eine Uebersicht über die jetzige Aufiiihrungsökononiie gewinnt man am leichtesten aus dem Buche von Schöberl p. 7 — 67.
') Dahin gehören di»-! (in den ältesten Offizen) als Chor fungiren- dcn Priester, in etwas jüngeren Stücken die von mir sog. Exegeten- rollen eines Johannes Evaugel. (in der Bordesh. M.-Kl.), verschiedener Propheten (in der Pichlerschen M.-KL), femer die Zwischengesänge der Engel und der Synagoge, endlich die Rollen eines h. Augustinus oder Gregorius u. s. w.
*) Hier wird der Ausdruck ,Compagnie' für den Chor gebraucht.
€'a|i. III.
Stellong des geistlichen Spiels zu Kirche und Staat. § I. Im littflahfr.
Ueber das Verhältniss des geistlichen Spiels znr Kirche des MA. haben dch in neuerer Zeit (namentlich durch Mone*8 PublioUioDeD) wol Ton selbst schon richtigere Ansichten ge- bildet, als man in früheren Decennien selbst von gelehrter Seite ans gesprochen hat, doch scheint eine Klarlegung (da haltlose Crtheile immer noch hier und da auftauchen) auch jetzt noch nicht überflüssig. — Der erste, der diese Frage überhaupt in Angriff genommen, war H. HofTmann, der in den Vorbemerkungen Fundgr. II, 240 f. sich dahin aussprach, dass die .dramatischen Erbauungen' (p. 239), ursprünglich am kirchlichen Ort and ganz ernsthaft betrieben , sich nicht überall in ihrer unschuldigen Einfachheit gehalten hätten. Unter die Damteller hätten sich bald auch I>aien i) und fahrende Leute ^ gemifM^bt, und so sei allmälilich das geistliche Spiel in weltli- che Knrxweü ausgeartet, trotz päbstlicher und bischöflicher Emahaangen im XIIL und XIV. Jahrb., vielmehr sei es im folgeodeo Jabrfa. noch arger geworden, bis das geistl. Spiel end- lich ganz durch die Vasnacbtspiele des Hans Volz und andrer ▼erdfiagt Mt, wekbe nme Richtmig sich noch die ersten Jahndnitmi dm XVI. Jahrh. tehalten habe, und dann durch
t) Ii*cllttri SMUI uiv Ainsirracnairr nixii iti.
nm fsistl 8pi«l|wrwMl, •• ftadsa iidi Imtn-Au Aar Spiels in Dswtwlil aidi* vor 6ma XYL Jahrb. Umu«!, Miuu. fkHdi ti« ha XV. scIm«! hm^aasn habsa mtägm. •— la rrankrri. h hat •i' r ücbarfaag sUerdiaga vi«l tHthv «latlfeflnMlsa.
>) Pas bal nnftis— («aifl. mim Kala dam) aar (m Auf fsas vsf« aad darek Xiehls wtitor la stAtBaado Argaa»
252 Cap. VII, § 1.
eine neue aus andern Bedürfnissen und Bestrebungen liervor- gegangene Richtung ') ebenfalls verdrängt sei.
Zur Begründung dieser Ansicht werden von lloflfmann noch einige (wertvolle) Zeugnisse beigebracht, auf deren Prü- fung wir einzutreten haben, vorher aber noch kurz darauf hinweisen, wie Anklänge an dieselbe auch in späteren Jahren noch mehrfach begegnen, so schreibt z. B. Gervinus 2):
,Im XIII. Jahrh. richten sich wiederholte und scharfe Verbote der Kirchenversaiumlungen, Päbsto und Bischöfe ge- gen diese Spiele in den Kirchen überhaupt, oder gegen die Theilnahme der üeistlicJjen daran, oder gegen den Missbrauch derselben . . . . 3j. Man glaubt in der Reihenfolge und Art dieser Verbote zu bemerken , wie im Laufe der Zeit die Obe- ren dem wachsenden Geschmack an diesen VnfTiilinirigen nach- geben mussten'.
Beide Forscher lassen also die Verbote erst mit dem XIII. Jahrh. beginnen , und doch giebt es schon aus Zeiten, in denen geistliche Spiele (so weit wir bisher urtheilen kön- nen) überhaupt noch nicht üblich waren Verbote scenischer Lustbarkeiten. Ich setze diese älteren Zeugnissen her, zu- nächst 4) aus kerlingischer Zeit, ,Si quis ex scenicis vestem sacerdotalem aut monasticam vel mulieris religiosae vel qua- licumque ecclesiastico statu similem indutus fuerit .corporali poena 5) subsistat et exilio tradatur'. — Ein zweites lautet *•): ,Quüd non oporteat sacerdotes aut clericos quibuscunque spectaculis in scenis interesse, sed antequam thymelici ingre- diautur, exsurgere cos convenit atque inde discedere'. — Diese Verbote haben offenbar mit unseren geistlichen Spielen Nichts zu schaflfen, und richten sich vielmehr gegen die aus dem römischen Altertum überkommenen scenischen Lustbar-
■) £ijie möglichst uobestimmte Definition !
•i) Gesch. d. d. Dicht. Band II, p. 322.
3) Dem Leser bleibt also die Wahl zwischen drei ganz verschie- denartifi^en Fällen! — Aehnlich unklar spricht Hase p. 32 oben.
"») Vergl, die aus Heineccius Cai)it. 1. V, c. 388 bei G. Freytag (De initiis p. 29) ausgezogne Stelle.
S) poenae ?
') Aus Uarzheiu Concil Genn. I, 476 bei Hase p. 9 unten mit- gethcilt.
Cap. TIT. § 1. fi68
keit^n •)• nnd nicht anders wird man die meisten der von
Hoffmann angeführten Zeugnisse auffassen müssen, wobei
dann nicht sa Terwundern, dass sie nur bis in's XIV. Jahrb.
hinabreichen , da diese heidnischen Reste allmähiicb ausgerot-
^üdlich V ' Grenzen zurückgewiesen
i-„ betze deu r Einsicht halber dieselben
Interdum 3) ludi finnt in eodesiis theatrales, et non
lum ad 1' ':\cula introducuntur in eis monstra
Uirvarum, .^ ;..... vi.u... in aliq. festivitatibus *) presbyteri,
diaconi et subdtaconi insaniae suae ludibria exercere praesu-
mnnt , niandamus qnatenus ne per hujusniodi turpitudinera
eccieaiae inquinetnr honeatas, praelibatam ludibriorum con-
suetadinem (re\ potius (xumiptelam) curetis a vestris ecclesiis
exstirpare*. —
ftom *) non permittant sacerdotea luJi.s inTrcurules fieri ledis et alios lado« inhonestos*. — Ite» *) lodoa tfaeatrales, spectacula et larvamm oeteosMH nes m eccleaüs et eimiteriis fieri prohibemtts\ —
I) Wm dsdorch noch deutUcher wird, dau das letztere der bei- den mitfvtiietlten Verbote (»uf dem Jahr 816) nur die Wiederholung einer Beatiaauuig de« ConciU von L^odice« (von S72) war, wie Wit- tenhMU (De nrt. k. initiis p. 4) nach M (de ant. <
ricai bemerkt — auMerdem ihnliche Veri ; der «ceii
mimi o. •. w. in «ehr alten ConcUbeachlönen und bei den fruheKten Kir'>-»>»A«' "< oft wiederkehren. (Vergl. Alt Theater und Kr.»., j,. 31'
*) b» mmI viaUeiekt die Yamachtgebriucbe in ihrer von der Kir- che ffedaldalMi A— ah— jtalking, —
FIpetlialM Terorinag aiu dem Jahre 1210 aaeh Böhmer« Corp. Jar. Om. U, eoL 418 bei Hogma— II, 842 (vud auch die fg. fkeüe»?
♦) Iteciell nir
I»ruti«hU:. !, :- !.; J . .t. In
Irtxtrrtrn l^n'if- i»*fi. tr (n
di-r Wrihna« ht/r-it ••iiitr»ri»«<-ii . «Ji« tu cchaflca haben. V< r -1 uK, r .1 . Komieehea p. 169—17
rer Syndalbwcytto wu 1227 uacb lUniirmi III, \>. üX*.
', . »^^oklf gyuilalkeeBklam v<w l-'" > ?' - ' 'v • l»»*« Zrmnim MMci «rieder Jtsam aoci.
854 Cap. vn, § 1.
Ferner das mehr erwähn U« Wormser Decret von 131C, wo es auch helRst :
et in Exclesia hidi fiunt theatrales, et non solum
in Eccle8ia(ni) introducuntur monstra larvarum' ').
,Clerici non spectaculis, non pompis intersint, joculatori- bus . . . non Intendant, nullaquc eis sub poena excommunica- tionis dona tribuant' 2). —
Diese Zeugnisse sind vermehrt von Mone durch eine Ur- kunde aus dem Anf. des XIV. Jahrh. 3), die aber fast nur eine Wiederholung des Wormser Decrets zu sein scheint. Es beisßt dort: ,quod olim ab praedecessoribus nostris causa de- votionis ordinatum fuerat et statutum ^), videlicet ut sacerdo- tes ecclesiae nostrae singulis annis in festivitate beati Jo- annis evangeh'stae 5) unum ex se eh'gant, qui more episcopi illa die in hon. S. Joannis missam gloriose celebret et festive, nunc in ludibrium vertitur et in ecclesia ludi fiunt theatra- les *) presbyteri etc. facientes prandia cum vigellis,
I) Vergl. Fund^. II, 242 N. 6. Man lasse sich aber nicht durch HofTmanns ,bei'in Johannisfeste' verfuhren, an den 24. Juni zudenken, es ist deutlich der 27. Dec. bezeichnet.
3) Aus dem Jahre 1326, und nicht direct nach Deutschland ge- hörig. (Gneseuer Syuodalbeschluss).
3) Aus dem Stift Wimpfen im Thal, befindlich zu Karlsruhe. Vergl. Mone II, 367 f.
4) Hier scheint der Censor den Mund (wie man zu sagen pflegt) etwas zu voll genommen zu haben: aus dem Schluss der mitgetheilten Stelle ist deutlich , dase Scherze und Neckereien für diesen Festtag altüblich waren.
5) Für diesen Tag (27. Dec.) waren bekanntlich liturg.-dramati- sche Feiern durchaus nicht üblich: am 28. Dec. sind gleichfalls in äl- terer und jüngerer Zeit (nur nicht in den ersten Jahrh. n. Chr.) Schcrie und Spiele üblich gewesen (vergl. u. And. Grimms Vorr. jju den lat. Ged.), aber so scharf unterschieden von der liturgisch-dra- matischen Feier des Tages, dass wir selbst aus jüngeren Weihnachts- spielen, die jenes Festmotiv aufgenommen, keine Spur einer scherz- haften 28. Decemberfeier treffen. (Was der Episc. pucr. im Ben.-Beu- rer Ludus zu sprechen hat, konnte ebensogut einem Propheten ge- hören).
6) Die folg. Worte sind wörtliche Wiederholung der oben mit- getheilten päpstlichen Note von 1210 (Interdum fiunt etc.), woraus deutlich, dass auch diese sich auf ähnliche Missbräuche beziehen muss; und stehen auch dem Wormser Decret von 1316 sehr nahe.
Cap. vn. § 1. as6
trmpanis ducentes choreas per domoe et plateas ciTitatis
Prmodio autem facto praedictus saoerdos non equo vel asino, more insani, per vicos equitet et plateas, sed si aliquantulum jocundari delectat , . . . . circurostantibus non impetuose aed cum raaosuetodine aquara projiciat et aspergat etc'. —
Mit Recht bemerkt Moue sodann im Fg. i): , Die gänz- liche Verschiedenheit dieser und der Vasnachtspiele 2) von dem religiösen Drama fällt Jedem auf 3). Sie müssen daher wol auch einen andern Ursprung haben
In diesen Stücken ist die spielende Person etwas anders, als sie scheint, sie ist verkleidet und vermummt: die Mum- merei gehört wesentlich zu dieser Komik Die M. ist
aber dem religiösen Schausp. geradezu entgegen (und es las- sen sich keine Zeagnisse für derartige Scherze aus unsern geisUicben Spielen beibringen) *). — Die komische Verkleidung ist den Vasnachtspielen und -gebrauchen wesentlich, sie er- scheint aber auch bei Volksspielen, die einen dramatischen Ohnrnflw liaben. Dei^leichen sind d)is Winter- und Som- merspiel auf den Sonntag Laetare (das Todaustreiben , der langst! um mel u. s. w.)*. —
Solche rnterseheidwig zwischen vulgären, ursprünglich heidnischen, misbrioolilich aber auch wo) in rhribtiiche Kir-
i) >4, kl lir< ihe ich (itatl des meist noch üblichen KaflttiHchtnpicI) (f«m«»» '5' r \ ri WftckorTiftytl (T.it. (nnch ]t. 311) kliir vrlti'f tii H«»-
i) ih\<r n.iUf ij'iii .i' 'i< !ii ;iiii;.inin M'Ii«'!!: Aikt niicn in «lor •/»ryOiltiir uni\ nu'b au»(fffuhrt«n Ski/z«- Warkt-rrmirclg ^Lit Geaeh. p 2;»<» ril't fin<l«'n •irh «ii«« li«-t«r<)(r<'i)»tt>ii Kmrhoinunfrnn unter der Be- »nrhnuTijj ,I»r»iii»' wol .Kirr uIk-I r.ummmvngvfurtt.
*) thu EinfcklammMi^ i«t von mir •ingefügt. — Schon oben ('•p. VI. li 1) itt darauf hiDKfwi«»«u, dus di« gaaM fOr tich atchcnde N'r.tii Ixi l'ichler p. 99, wodoreh dem Prseearsor die ,larv«' und ,b«rba ec|ain«* ant4T*»(rt wml. m keinem sadeni Sohlass berechtigt, aU da«« dl« LichtnieMfriiT dann nad wann dnreh die eo nahe liegende Va«- nedit beeiaieHl md (weaa aoch nur in Nebenrollen f) komiech f^ fftrbt ward. — De« mit den ,moiutra larrarum', ,larvaram oeteniionee* der Verbot« aidit die KoelAaM geietlicher Kpieler, mit den ,ladi thea- tralr« «i takoaeeU* niebl «assra geietl. Spiele frmeiot »nd, dflrft« nun Jedem klar eein.
9M Cap. Vn, S 1.
eben eingedrungenen Festlichkeiten und den aus dem christ- liehen C'ultue im Laufe freier Entwicklung •) selbst erwachse- nen, aus der Kirche ins Volksleben übergreifenden geistlichen Spielen tritt ano deutlichsten vielleicht in einer Verordnung des Concils von Aranda 2) vom Jahr 1473 entgegen, auf die wir deshalb (wenngleich sie zunächst sich auf Spanien bezieht) noch kurz eingehen. Nachdem hier in ähnlichen Ausdrücken wie sonst gegen unpassende ,ludi theatraW geeifert worden, fährt das Concil fort : per hoc tarnen honesta« repraesentatio- nes et devota(8) , quae populuni ad devotioneni movent, tain in praefatis diebus 3) quam in aliis non intendimus prohibere' — und es darf hier wol der Schluss mit einem ,denken durch- aus nicht daran zu verbieten' übersetzt werden ••). — Lassen sich doch für die keineswegs blos geduldete , sondern hochge- achtete Stellung des geistl. Spiels aus HofTmanns Zeugnissen selbst Beweise entnehmen : erstlich aus der schon Cap. II, § 1 herbeigezogenen andern Stelle des Wormser Synodalbeschlus- ses von 1316, welche das ,resurrectionis niysterium' auch von jener Störung, wie sie ein übergrosses Gedränge mit sich führte 5) , befreit wissen wollte ; sodann aus dem Leben der h. "Wilburgis bei Pez (Scr. rer. Austr. II, col. 268) , wo es heisst von der Heiligen : ,item quadam nocte dominicae resur- rectionis, cum in Monasterio ludus paschalis tarn a clero quam a populo ageretur, quia eidem non potuit corporaliter inter- esse, coepit desiderare, ut ei Dominus aliquam s{)ecialis con-
>) Den ältesten Zeiten des Christenthums waren sie freilich fremd, und blieben es stets dem dogmatisch-strengeren Sinn der orien- talischen Confessioneu, wie auch im Abendland seit dem XVl. Jahrb. wieder eine Reactiun eintrat, die aber nicht gerade mit der sog. Re- formation zusammenzuwerfen ist.
S) Vergl. Schack Gesch. der dram. K. u. Lit. in Sp. II, p. 136.
3) Es waren namentlich die Tage vom 25. bis 28. I>" "' lurch ungehörige Spielereien entweihte bezeichnet
*) Vergl. hier auch das aus Durandi (Strasburger Ausgabe von 1486, bl. 110 b.) von Mune I, 10 beigebrachte Citat, das mit einem ähnlichen ,non improbamus' scliliesst. Dies Zeugniss bezieht sich nach Mone noch auf das XIII. Jahrh.
*) VergL die aus Uarzheim (T. IV, p. 266) bei HofTmann Fundgr. II, 242. N. 6 kurz ausgeschriebne, ausführlicher von Alt (Theater und Kirche p. 348) wiedergegebene Stelle.
Ckp. vn. S 1 «67
^Utionis gratüuB per retorreeliook suae gaudia largiretur i). — So bleibt von den Zeaguissen, die Hoffmann für seine AaffMsaaf Miffthrt, nur eins noch übrig, die Nachrirht von <>iaer dramatitoben Festlichkeit über das Leben Josephs, im .labr 1265 too den jfingeren Mönchen tu Eresburg verunstal- tet: bez. welcher die Annalen von Conrey melden ') ,(]uod vero reliqni ordinis nostri praelati male interpretati sunt'. Hier hegt also wirklich ein Bedenken gegen geistliche Spiele rwie ea ecbeint vor); doch ist erstens nicht zu übersehen, dass die BahaodhiBg des A. Testam., weil sie nicht direct aus dem chritittehaii Cahos im Anschluss an die Kirchenjahrsordnung herrorgewaohsen , weit minderer Achtung geniessen musste. ÜMa luMunt, data der in Rede stehende Stoff auch noch Be- dwÜEM beaooderer Art mit sich führte 3), und endhch wird die TOO den gcittlichen Obern beanstandete Josephskorooedie aJa «Sacra oomoedia* immei noch scharf p> j neu ganz
▼wpönten «ladi tbeatrales et inhonesti' iii
Aber auch durch Gründe anderer Art hat sich Hoff- ■Ana ao der \ ' Totwick-
laog dca gei- . lassen,
aud auch diese heischen noch nähere Prüfung. Im Hinblick auf ■ancha gSfsn Ende des Mitt> tele
hiofif dnrehdrinfende burleske 1 ... . uck-
sichtigung zunücbst der seit dem XY. Jahrhundert litterarisch MfCfaveiitMurao Vasoadütpiale , dann aber auch der zu welt- liebao Stoffen mehr «ad »ehr geneigten Dramatik der Kuigt^
I) Vergl. Iloffm. II, 34S N. 8. — AUo »elbat «iae fromoiA .recluna* (4ctm dm war Wilbaripa), walelie jaden Weltveriiehr veracJiU'U , ein- pCmmI «■ adraimlich , ntcbt dam Ostertpiel in der Kirche {tu St Flo- riaa) bttwobMO 1« dftrCMi! Die NoUs beaeht aich «of die sweit« UftMU 4f Xfll J«)irli^ wo ftvilteb die OiteHcitrm noch sehr einfach wirdic fr' Wm dk MitbetbetUganc de« Volke« be-
Ittft, so m$kr sa dmkan, «1« an «in Einciinunen
dar Msaf ia da« . kaam sa dM tpitcrer Zeit geUnAire,
dviia ist swiaadiii Vcrgt. Faadgr. II, «86).
n Vom Jabre IMft. Dia Netis aaoh LribniU 8« ll
Sil fladst Mb bei Hnffwas 0. «8 M. 4.
h m» Ssaaa iwbehsa Myksn Weib« and Jom|.i dnrcb daf gUiete Oessblsckt dar dafstaUsDdsR Psfson ""^■'•' «al asBMatli^ sfabl nr Aanbrfaf sarignH.
17
358 Cap. VII, § 1.
zeit, hat der geistvolle ForHcher diese Beobachtungen mit je- nen Urkundenzeugnissen (die er eben noch alle auf geistliche Spiele bezog), in der Weise combinirt '), als ob ungeachtet jener Spielverbote das geistliche Drama immer mehr verwil- dert sei , und schliesslich sich ganz von der Kirche emanci- pirt habe. Solcher Auffassung sind Andere halb oder völlig beigetreten, ja noch mehr schien sich dieselbe zu befestigen durch Beachtung des Umstandes, dass das geistliche Schau- spiel mit dem dreizehnten und vierzehnten Jahrhundert die Kirche selbst zu verlassen und sich häufiger auf freien Plä- tzen zu zeigen pflegte. Wie von selbst machte sich nun die weitere Verknüpfung dieser äusseren Lostrennung des geistli- chen Spiels vom kirchlichen Schauplatz mit jenen Spielverbo- ten des XIII. und XIV. Jahrhunderts 2) ; und doch lässt sich hier die Täuschung grade am leichtesten nachweisen. Ich er- innere hier in Kürze daran, dass gerade die Weihnachtsspiele (und das sogen. Kindelwiegen zu Weihnachten), sonst kaum die unbescholtensten, sich vermutlich der Jahreszeit halber häufig am kirchlichen Schauplatz erhielten, hingegen die dogmatisch geweihten Fronleichnamsspiele wol stets im Freien geübt wurden; dass so streng und decent redigirte Spiele wie die Bordesholmer Marienklage bei guter Witte- rung 3) ausserhalb der Kirche gespielt werden sollten u. s. w. Der ganze Unterschied zwischen der älteren und jüngeren Spielweise besteht wol nur darin, dass etwa seit den Kreuz- zügen und wol nicht ohne Anregung derselben '*) das bürger-
1) Vergl. Fundgrr. II, 240.
2) Zu solcher Auffassung neigt auch Wackernagel Lit. Gesch. p. 808 N. 14.
3) Vergl. die Einleitungsspielordnung bei Haupt XIII, p. 288.
*) Directe Einwirkung der Kreuzzüge auf eine volkstümlichere Entwicklung der g. Spiele ist bei uns nicht so deutlich wie bei den Franzosen: hier gingen ältere Forscher, wie die Brüder Parfait (Hi- stoire du theätre fr. I, 32 cf. Wittenhaus De initiis cet. p. 5) soweit, an die Lieder heimkehrender Kreuzfahrer die Ursprünge der franz. Mysteres zu knüj)fen, was natürlich verfehlt ist. — Was unser Land betrifft, sei doch erwähnt, dass erst seit dem XIII. Jahrh. (also nach Ablauf der Kreuizüge) die .betvarten' oder Processionen häufiger be- zeugt sind. (Grimm R. A. p. 583). — Auch das öftere Auftreten be- gabter Mönche als Volksprediger im Freien in den letzten Jahrh. des
cap. vn , § 1. 86e
liebe wie kirchliche Leben des MA. mehr Drang zur Oeffent- Ucbkeit und sor bewegten Kntfaltang mannigfaltiger Kräfte spürte, als ee frälwr gpacheben war. Das geistliche Spiel trat in jener Zeit ans dem liturgischen Character in eine pro- kähnliche Entwicklung über, und hatte dabei an äusse-
Anseben imd würdigen Mitteln wol eher gewonnen als abf^enoniiDeii.
Was nun aber jene in den geistl. Spielen des ausgehen- den XIV. und des XV. Jahrh. begegnenden Freiheiten der Behandlung betrifft, welche nach Hoffmann und andern Ent- frraidnng vom kirchlichen Standpunkt bekunden sollen, so stehen solcher AttflEasmng wieder mehrfache Bedenken entge- gen. Zonidbst aiiid diese Freiheiten quantitativ nicht so er- beblich 1), djMS sie mit unbefangenem Urtheil geprüft in dem geistl. Spiel jener Zeiten eine völlige Abkehr vom Ernst älte- rer Zeit darthon könnten, besitzen wir doch (um hieran bei- spielsweias tu erinnern) in dem Donaueschinger Passions-Oster- spiel, und in dem Spiel aus Eger bedeutende Stücke des XV. Jahrb., die last nirgend in einen loseren Ton der Behand- lung fallen 3). Aber noch mehr: erst mit dem Ende des XIV. Jahrb. prigt sich neben jener kecker humoristischen auch eine directer moralische Richtung, als die frühere Zeit sie kannte 3), im geistlichen Spiel aus: und C'jclen von so abstract dogma- tiscben Character wie die Himmelfahrts- und Fronleichnams- •pieto selieo wir erst damals überhaupt ins Leben treten.
MA. tritotert aas das ihnlicke Hinaiistrcisn des geitti. Schaaspieb •M dfla bsssfcfftaklea KirdMOftaSMa.
I) Sekoa Bsm (p. TS) baasikt riebtif: MancbM enchetnt als komiMk, was aar ^ «as frasudinr Spraehgabraach , Naivetat, Robig- keti odar Uagasekkklieakett das MA. tat
S) Dia gaachraabta Art, ia dar Oanriaat aaoh Ar da« Donau- •wihiagac 8pi«l ata Wa^aifiaifni koiiscbar Babandlong itatuirt, ist
Gap. U, f 6 ■■iriwln m
1 naworisfisiiba md aoralkirsada BisMwi^ sUhaa Abarhaapt IQ weit foa ttamtJm abt ah aa walahsl sokafart. Aasdarbar- TisfiliBiai das lasfcwahn- Oalarspials bat dar Badaatiaar Ra* asfaia Mliilaoh dMaiitiitiia OarMtUaesaa Aber dla Saalaa dar Madar bsraasgsrtslm , Abalidb wie aiaai Ariitophanaa aas dar plaai- ^mtßmn dkr utkkA ynllttiiiln Oafasal aaiaar Ko- hatte. (TeffL aaaaallislt dia Parabaaa da« An-
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:>tM> i ap. VII. § 1.
-— Die von IIoflFmann und Andern erwähnten Vasnachtspiele •) haben mit dem geistlichen Schauspiel auch in seinen burles- ken Auswüchsen keine nachweisbare Berührung, vielmehr ist bei etwas näherer Kenntnissnnhme der Unterschied zwischen solchen Partien im geistlichen Spiel wie den Krämerscenen am heil. Grabe ^) und dem Vasnachtspielgenre leicht aufzu- finden 3): damit leugne ich nicht, dass sich nicht ein einzel- ner Spass hier und dort in ähnlicher Weise wiederfinden könnte. — Damit ist unsere Skizzirung der Stellung des geistl. Spiels im MA. geschlossen : wir sehen diesem aus directen wie indirecten Zeugnissen für das ganze MA. einen nur insofern allmählich freier werdenden kirchlichen Character gesichert, als überhaupt das kirchliche Leben des Abendlandes erst seit der gewaltsamen (damals vielleicht notwendigen) Cluniacen- ser-Ileformation *) in feste Formen gebannt, derselben allmäh- lich wieder sich zu entledigen und dem Volke, dem es ur> sprünglich so nahe stand, sich wiederum zu befreunden suchte; bei welchem Drange nach berechtigter Freiheit denn wieder auf allen Gebieten des kirchlichen Lebens bekanntUch manche
«tophaniHchen Friedens, v. 7:^6 — 764, wo der Dichter dies klar bewnsst ausspricht.)
>) I>a88 Bian diese Ciattuug öfter (z. B. bei Hase p. 76) ganz einfach als Ablösung der im geistlichen Spiel erwachsenen komischen Elemente erklärt hat, darf eben wol nur als dilettantischer Witz gelten.
3) Diese sind zu erklären aus übergrosser Connivenz des niedern Clerus und dtT Klosterschüler mit dem Volkshaufen : die Spässe sind plump genug, verirren sich aber sehr selten auf da« Gebiet sinnlicher Zweideutigkeit.
3) In den von (meist wol reiclun und angesehenen) Bürgerssöh- nen zur Yasnacht agirtcn Schwanken sind gerade jene Zweideutigkei- ten die beliebte Hauptwürze, während sich im Uebrigen eine gewisse nrbane Haltung selten verläugnet, die dann oft auch bei'm Urlaub- nehmcn zu einer Entschuldigung wegen der genommenen Freiheiten sich versteht. So heisst es bei Keller I, 153: Die vasnacht das wol machen kann, Das nerrisch tat vil manig man. Der sich des schämt ein andre zeit. —
*) Ich bezeichne so im Anschluss an Gervinus (Ge^ch. d. d. Dicht. I. 166 f. nach A. ö) jene gewaltige, geistige Bewegung die vom Klo- ster Cluny (seit dem Jahre 910) ausging, und der später Gregor VII. allseitige Anerkennung verschafite.
Ca^ TU, S 2. 261
ExtnTagaDzeD mit aDterliefeo. Dabin gehören jene skurrilen Aoswmcbae de» geistlichen Spiels, welche die Folgezeit leicht übcrwmnd '), io welcher dann andere Ursachen ein allmähli- ckea Abstarben des gdstlicfaen Spiels bedingten i). — Bis über das Ende des Mittelalters hinaus blieb in Deutschland das geMtüche Schaospiel unter geistlicher Leitung, und war so jeder suaerkirchlichen Controle entrückt. Von einer Stellung des Spiele aar Staatsgewalt also kann im MA. kaum irgend die Rede sein.
§ 2. Ib ■rsfrfr Itit.
Es kommt hier vor allen darauf an, das Verbältnist» der jöngeren abendländischen Confessiunen zum geistl. Spiel zu bestimmen. !>- us hat sich allerdings
nicht Ton Ton.:....... r- ^>^n die Dramatisirung
ood AnffUhning biblischer Stoflfe ausgesprochen, aber es läset sieb doch ein allmii! Zurückweichen desselben vom ßri>t-
licben Spielgebiet k,^.,i .n^merken und erklären. Zunächst waren mit dem Aufgeben des Heiligencultus auch die I^gen- deMi|»ele unstatthaft geworden; dasselbe gilt von den Fron- leidmeai- und Himmelfabrtsspielen, welche letstere tradition- nel in da« röreisrhe Dagma zu tief eingegangen waren, wenn-
') Im XYI. Jthrh liehen
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frriar» Dshsadhiiignn;- . ...ilt {nif im Alsfdder) ward durch die ft£x«f«ivs (ProcUiaator and lUceo«) die moraliscbe Richtung dea'SpieU
aa di« ll|*ilas fStslH. — >' ' ''-r, uiMUiiU>Mi|;ir in
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ses cap. vn, s 2.
gleich das Kirchenfest selbst ja bestehen blieb. Bezüglich das Passionsosterepieles ist mir ein directer Ausspruch Luthers oder eines anderen deutschen Reformators zwar nicht bekannt, der diese Spielgattung verpönt hätte, doch fühlt man leicht wie dem ernster gewordenen Sinn es anstössig schien ein so hehres Ereigniss wie die Passion unseres Heilandes überhaupt spielweise zu behandeln '). Dagegen Hess es sich der Prote- stantische Geistliche und Schullehrer, der eine poetische Ader zu haben glaubte, noch für geraume Zeit nicht nehmen, das Weihnachtsfest gelegentlich durch eine scenische Aufführung zu celebriren 2). Zum Ersatz fiir die aufgegebenen Spiel- kreise wurden nun damals zuerst alttestamentliche Stoffe, aus den canonischen sowol, wie namentlich auch aus den apocry- phischen Büchern 3), in reicherer Fülle behandelt; dazu ge- sellten sich die dramatischen Behandlungen von Parabeln des N. T. Wir haben diese jüngeren Spielkreise in unserer Ge- schichte des geistlichen Schauspiels nicht mehr berücksichtigt,
*) Hans Sachs hatte freilich 1558 noch ebensognt seine Tragoe- dia mit 31 Personen, die ganze Passion. . . nach dem Text der 4 Kvangclisten und hat 10 Actus, wie 1556 sein synoptisches Weihnacht- epicl geschrieben. (Vergl. die praktische Uebersicht über die geist- liche Dramatik des II. Sachs l)ei Alt Th. u. Kirche p. 484 f.) — Später, im Jahre 1580 findet sich in der ,8chönen und lustigen neuen Action etc. des Barthol. Krüger (bei Tittmann Schausp. II, p. 7 ff.) die ganze Leidensgeschichte des Erlösers (wie seine Lehrthätigkeit) übergangen, und nur noch die Höllenfahrt (Act III, 3), Erscheinung des Auferstan- denen u. Weltgericht dramatisirt. — Noch später (um die Mitte des XVII. Jahrh.) hat Joh. Clay zu Nürnberg in der Charwoche den lei- denden Christus, zu Michaelis den Engel- und Drachenstreit auffuhren lassen — (vergl. über diese und noch einige ähnliche Versuche des Mannes Alt p. 627) — welche Versuche nur den Wert von Curiosis haben.
2) Auch wo an wirkliche Aufführung nicht gedacht wurde, ward doch die dramatische Form gern so fortgeführt, wie die geistl. Co- moedie des Martin Hammer (Weinh. p. 175) zeigt.
3) Nicht unwichtig für die Dramatik Deutschlands und (des von hier aus reformirten) Skandinaviens war der Umstand , dass die Apo- krjphen des A. T. Aufnahme in Luther's Bibelübersetzung gefunden-, hier wie dort finden sich Schulkomoedien über die Historie von Su- sanna, die Bücher Judith und Tobias häufig, letztere beide Stoffe hatte Luther selbst (Vorrede zum Tobias) zur dram. Behandlung empfohlen.
Cap. VII, S 2. 263
weil sie an kein bestimmtes kirchliches Fest mehr gebunden waren, und in ihrer überwiegend moralisirenden Richtung un- merklich zu solchen Stoffen weltlicher Art hinüber führten, deoen man auch noch moralische Kraft beilegen zu dürfen glaubte I). Es kann hier nicht ?ersucht werden die Stellung der einzelnen Confessionen in der Frage über die Angemeä- nuhtit des geistlichen Spiels genauer zu bestimmen, und be- gnüge ich oiefa mit dem Hinweis, dass wie bei Lutheranern dem gekükhen Spiel (und dem Kirchengesang) am meisten Freiheit und Duldung geschenkt ward, und wie nicht viel stren- ger die Zwinglianer in dieser Frage gedacht haben 2), so den Calrinisten eine consequentere Reaction oder Reformation nicht abgesprochen werden darf, wenngleich auch hier nur die äusserste Linke, der Schottische Puritanismus, jenen schroff feindlichen Gegensatz zwischen Kirche und Schauspiel jeglicher Art durchsetzte 3). Diese radicalen Puritaner gin- gen (um auch die <<: hen Confessionen noch kurz mit zu berühren) noch ui^.. wii ju(l""'^"-"^Michen Standpunkt *)
<) So ging BaiM 8«ch« von tciner geiitlichen Dram&Uk zu jener BebaBdlimg ibm aontt 1»eksnnter Stoffe über , die im gHnien Ton , wie DSOMOtlicb in d«r SehlnMinorsl fMt crbaalicher gebalten sind wie ei> ■ifs geisUicbe Spielereien froherer Zeit In Frankreich und England kette» die ,llorslitAt«n' Mkoa weit frfther onvennerkt zar Behandlung Bint DiOiiMwer oloBe hiBAbaffffsnlirt.
*) la der Sehwsif ' % noch bin in's XVU. Ja! Mioha
Spiel« besonder« r«pi«K wenn auch da« (kaihol i i uz«ni
lüar ToraasUlii, ao «ind doek aneh Basel, Zfirch, Bern wolvertrcten. (V«vgt. Weiler'« Volk«tlMet«r der 8ekw«i«, da« nach den Cantonen geordnel M). U«ber die Stelleng der Zwinglianer cor Kirebengecsag«- frsge veffft Wsebemsgcl lit G«ecb. p. 489.
•) 2Ewer batt« Calrtn «elbct die Strenge «oleber Scheidung fa»t lsgiiei«t, aber «ob den Aabtagem «einer L(>hre in den Nie* «nd Eaflead ward eine Vermittlang gesacht , nnd in «nie« r«r 0«g«nd «ofsr (anter dem Blnia«« der etark betriebenen kla««i> Stndien) von geiillltib«r Dmnatik in «ntÜMfli 8«wande naach BbseitlBii fetteCni. <VergL «. A. Alt p. «29). «) 8e beeeiehnm wir lUe SIeHeag der grieoUsehsa Kirche n- ner bes. de« gei«tl. Spiel«. Die serstreoien Nedtfiebten« die wir ea« Ibrsni 0«biel beben (s. B. Ober da« «og. Ofinifest der Ifauesn bai PHgei IV, oder ea« IMerw Zeit «ber einige mi«bi«aebliohe Festi- vMlen in der SopUeakirehe se Cenatastiaepet, and iber efaiige Me-
2«-1 Ca].. \ II. ^ 2.
der grieohisch-orthodoxen Kirche in eine, kaum noch nomi- nell christliche , doctrinäre Reconstruction alttestamentlicher Anschauungen zurück. — Freilich war das Theater, gegen das sich die puritanische Polemik kehrte, nicht mehr die geistliche, sondern eine Schaubühne, die von besoldeten His- trionen beiderlei Geschlechts vertreten zunächst zur Unterhal- tung eines eleganten Hofes diente: wir wollten nur soweit hinab und Taus Deutschland hinaus) gehen, um den völligen Bruch zwischen Schauspiel und Theologie, wie ihn das XVII. Jahrh. mit sich brachte, an dem deutlichsten Beispiel kurz darzustellen. —
Die deutschen Reformatoren hatten sich (wie oben be- merkt) nicht für berechtigt gehalten, die dramatischen Dar- stellungen heiliger Stoffe zu verpönen, doch kam es gegen Endo des XVI. Jahrh. zu einem Beschluss der Berliner Geist- lichkeit, wodurch die Passions- Vorstellungen im Dom abge- schafft wurden '), und die Landesobrigkeit scheint solchem Vcrdict bereitwilligst Nachdruck gegeben zu haben 2). J^äu- ger hielten sich die in protestantischen Landen wie es scheint noch mehr als katholischen beliebten Weihnachtsaufführungen und Weihnachtsspiele : ersteren machte preussische Staatsver- ordnungen zu Anfang des XVIII. Jahrh. erst den Garaus 3),
ral-Dramen griechischer Mönühe) können wol nur bestätigen, dass diese Kirche, wie sie auch sonst die conservativste der christl. Confes- siouen zn sein scheint , nie über die bescheiden symbohscbe Andeu- tung der Ideale des Glaubens hinausgegangen ist.
•) Vergl. Vorrede zur neuen Ausgabe des Chnustinschen Weih».- Spiels (Berlin 1862 bei W. Herz) p. 6, wo zunächst ein Verbot Joa- chim tViedrichs vom 27. Febr. 1598, dann der Beschluss der Geist- lichkeit vom 30. Mai („dass mit der Darstellung der Angst und Schmer- zen Christi billig nachzulassen sei , indem die gcistl. Betrach-
tungrn dadurch verhindert oder gleichsam in ein Comödieuspiel ver- wandelt werde, — — das Fusswaschen spiritualiter und nicht wie ein Spiel gehalten u. s. w.) mitgetheilt.
») Vergl. in eben jener Vorrede noch die Nachricht über die ge- richtliche Bestrafung des G. Rösener, der 1661 durch Schüler des Grauen Klosters die ,Tragoedie vom ungerechten ürtheil Pilati' hatte aufl'ühren lassen.
3) Vergl. den Erlass Friedr. Wilhelms I. von 1739 bei HoH'mann K. L. (2. A.) p. 429, wodurch sogar jeder Gottesdienst am Christabend oder in der Christnacht untersagt wurde.
c»p. vn, S 2. 966
und die Tolgären Dreikönigsumzüge währten bis auf UDsere Zeit hinab, und mögra sich in kleineren deutschen Landen noch jetzt halten. — Eine Ausnahmestellung nehmen natür- lich die (Termotlich im XVI. Jahrb. aoa dem Salzburgischen uad benaekbMieii Landstrichen) nach Ungarn geüüchteten deutachwB Colonien «in, die in der Fremde nur um so treuer die alte Spieltradition fortpflanzten.
Im katholischen Dentacbland begann man wul erst im achtzehnten Jahrhundert dem geistlichen Spiel die £xi- •tetts •treitag zu machen *). Es ist Ton Clarus 2) für Baiem, von Pichler ') far Tirol im Eünzelnen nachgewiesen, wie man tbMi» mit Recht — denn Verwilderung und Unfug kam sicher oft geoag Tor — theils ans übertriebenem Bildungsdünkel die Rette mittelalterlicher Spieltradition überall zu vertilgen be- strebt war namentlich gn- - V- de des vorigen Jahrhunderts. Die Gründe, welche für . Ammergauer Gemeinde eine
Aosuahmestellung ermöglichten, so daas sich hier, wenn auch rieliach aogefochteu, die PaaBione^Oetferspieltradition bis auf ontereTage fortpflanzte *U Ueeen eich Tielleicht in der Kürze auf folgende angeben. Einmal war die Gründung oder doch •olenae Emeoenuig der Spiele hier an ein so emstet» Ereig- ni« *) geknfipft, daas vnrdige Haltung der Feier hier mehr wie anderwärts für lange Zeiten gesichert blieb. Dazu kam, da« der längere Zwischenraum zwischen den Aufführungen
>) Xachd— I mau • dem dretadgjihrigeD Kriege in allen
gvbildelersa Kimm sidi aiaer Geiitc»- oad Geschmacksrichtong hin- gsgsbea, die doa geislL Sptal ab eiaer ra naiven AeuMnuig religio* mm GeMkis abkold war, sraMt« dies natftriicb, Cut dor aooh von aisdana ▼nllwIrtsBisii gewokalcnraise foilgelU, leiehi verwildsra, ■ad M» 6m Oegaara wiBtonuaeae Grtade sar Beseitigaag aä die Baad gebsa.
s) Um fm». Spiel .~ u.. .Vuaaargsa p. 41 f. - Zaent worden (170) di« pMnoM>Trsgddiaa aar beechrtnkt. dum folgte ino ein Verliol. — Vasgl. aneh p. 67 f.
<) DiaaM des MA. ia Tirol p 72 L
^ TaigL darae p. 47 f , wo aodi «iaiga sadere Oosichtepaakta
S) Ceber die Peel voai Jahrs ICM , welche AdUm tu dem <ie- Mbd« gab, aUe 10 Jahre die Paaaiaasltag6dia sa spialea. vargU Clanit
p. as.
866 Cap. VII, § 2.
diesen höheres Ansehen verleiben musste, und ihre Entfer- nung von der Passions - Osterzeit in die Wochen nach Pfing- sten den Einspruch nicht aufkommen Hess , als ob hier die geistliche Betrachtung des höchsten der christlichen Feste durch äusseres Scheintreiben irgend verkürzt werde. Endlich war Über-Ammergau einerseits durch die Nähe eines ange- sehenen Klosters '), wo sich immer passende Redactoren vor- fanden, vor dem Versinken in vulgäre Spielweise geschützt: andrerseits lag das Oertchen, mochte es auch durch Handels- verkehr weithin sich bekannt machen, doch wieder in einer glücklichen Abgeschiedenheit im Gebirge, die vor einem zu raschen und reichlichen Zuströmen neuerer Bildung und Auf- klärung bewahrte.
Ob in unserer Zeit, die auch das Gute vergangener Bil- dungsstufen wieder mehr würdigt als das vorige Jahrhundert dies vermochte , ein weiterer Bestand des Spiels im Ammer- gau gesichert, ein Wiederaufblühen an andern Orten möglich erscheinen mag 2), muss die Zukunft lehren — zum Schluss dieser Betrachtungen sei hier der Hinweis gestattet, dass auch dem protestantischen Deutschland in den Oratorien der gros- sen Meister (namentlich Bachs und Händeis) ein würdiger Rest geistlicher Ausführungen unverloren ist 3).
«) Ettal. Vergl. Clarus p. 21.
'-») So z. B. z. Brixlegg iu Tirol. (Vergl. Cap. II. SchluBS.)
3) Vergl. Haae: Das geistl. Schausp. p. 318
€ar. IUI.
Nationale, kunst- und kulturgeschichtliche Bedeutung.
§ I. ^ati«Mlrkarertrr in gristlirkfi Spiel« !■ ieiUrkUid
Wir haben hier zunächst die Frage aufzuwerfeii , wie weit das Ausland einen Einfluss auf die Entwicklung unserer geistlichen Spiele beanspruchen darf, abgesehen von dem An- ftoM, welchen die christliche Kirche, eine historisch aus dem Orient herrorgegangene Religion, onsenn Vaterlande »o gut wie dem ftbrigen Abendlande nach dieser Seite hin gegeben hat. Et kann heutzutage, da die Ansprüche der Engländer wol als erledigt gelten können >), nur bez. der Franzosen noch eine derartige Frage aufgeworfen werden; und wir sind nicht in der Lage einen derartigen Einfluss unserer westli- chen Nachbarn gani ablaognen zu können. Es führten uns die iltett«! (Fretaioger) DenknuUer unseres Weihnachtaspiels XQ einer Vergkioboig mit galUeaalseben Ritualen und Mysterien, denen unbefangene Forschung das Recht der Priorität nicht be> Straten «ird. Aber dieae Bfiekwirkimg dea gallicanischen Ritus nach Bajera hin sdietat doeb ebenso vereiBsalt so sein, wie sich gallische Missionsthitigkeit in Deutschland nur spärlich zeigt, oad bekanntlkli ebeatük in fiajam *;. Dazu kommt, dass aach a&f dieacm Spedalgebiet sehr bald töllipc Fntiiutsemag
I) BckoB Flöfftl <sad sieb aicbi mäht vranlaitt (Kom. IÜ. IV 891) dto Aagabs I/SalMls, daas die dealtebMi das gdsfUsb« 8pM ^oa dsa WiigHaasni gderal (weiehs tmt iem CostaÜMr CoaeU tUk damü wri^mt), nsAMielMr n widertofta.
^ Osr kGorinaisa, Minioaar ii Bsiera aad B«fTiBd«r dMBii- Umm FlrdaiBf , war ein FiaasoM «ad t«btrt% von Mahn sa der Bdae (vstgL Aela Snct 8 8ep«.)
268 C»p. VIII, 5 1.
von fremdem Oeiste eintrat; schon dus lUiicdictbeurer Weih- nachtsspiel das doch noch an einigen Fäden sichtbar mit der Freisinger Trad. zusammeuhän^t •), ist in ganz freier Weise ausgestattet und noch origineller gerathen ist das Tegeruseer Antichristspiel, dem die altfrauz. Litteratur nichts ähnliches oder gar vorbildliches zur Seite stellt. Die Anfänge des Osterspiels sind bei uns ebenso einfach und echt gehalten wie bei den Nachbaren; und auch im weiteren Verlauf unserer Spielent- wicklung tritt alles was von einigen Forschern 2) für Entleh- nung aus dem Westen angesehen ist, uns bei näherer Betrach- tung so volkstümlich und naiv entgegen, dass die Fälle in welchen auch wir einen Einfluss fremder Spielweise nicht ganz abläugnen mögen , eben zu ganz vereinzelten werden 3).
•) Vergl. Weinholil W.-Spiele p. 67 N. 4, p. 60 N. 8, p. 63 N. 1.
■^) Vergl. hier namentlich Mone's wiederholte Versuche, einen Zus&nimenhang unserer geistl. Spiele n)it dem franz. Schauspiel dar- zuthuu: Schausp. des MA. I, 47 f., II, 27 f., 164 f. — Schon die Be- merkung, die Mone selbst I, 47 macht, dass sich andre lateinische Il^-ninon in Frankreich, andre bei uns in den Spielen benntct finden, mahnt zur Vorsicht.
3) Im Frankfurter Osterspiel (bei Ficbard III, 160) lässt sich die Anrede ,ey bele niftel' vielleicht als ein in die rheinische Umgangs- sprache cingedrungner Gallicismus erklären , da sie so ganz vereinzelt steht. — Von den zahlreichen Teufelnamen, die II, 27 aufgezählt sind, will auch Mone nur 2 (Tuteville u. Noytor) aus Frankreich herleiten, und da Noytor sich dort nicht findet, sondern Noyron, bleibt eigent- lich nur einer: Tuteville. Dieser zeigt sich wiederum (irre ich nicht) nur im Redentiner Spiel , und lür dieses lasse ich (mit Mone) die Möglichkeit einer früheren Redaction am Miederrhuin gelten. Wegen dieses einen armen Teufels brauchen wir die Originalität unserer Teu- felscenen, so geringen Wert sie auch haben, nicht aufzugeben: ich bemerke noch, dass bei den Franzosen Belgibus d. h. Beelzebub Höl- lenfürst zu sein pflegt, während bei uns Lucifer bis zu Ende des MA. diese Charge behauptet. Die meisten der nicht biblischen Teufclna- men zeigen ein durchaus deutsches Gepräge, vergl. die von Grimm Myth. p. 1017 gemachte Zusammenstellung (wo neben Moth und Cob- web aus Midsummeruightsdream dann auch die bekannten Cavalier- namen Rosenkrantz und Guildenstem aus Hamlet hätten angeführt werden können , da letzterer 2same im /Usfelder Spiel als Teufelname steht), wozu noch die Besprechung des Ovelgunne p. 953 (vorkommend im TheophiluB) und des Bruder Rausch p. 484 (vorkommend in Chnu- stins Weihn. Spiel) zu halten. Hier nenne ich noch das Register der
Cap. vm, s 1.
Id keinem Denkmal des spateren MA. treten ans ich Imlier sehe, Kriterien finemder Herkunft in soweit greif- barer Fülle >) entgegen, dass man sagen könnte, Kntlebnung habe in diesem Fall auch nur halbe Wahrscheinlichkeit für sich. Maocfaee Aehnliche erklärt sich ungezwungen schon aus den ^emdJBHunen kirchlichen Grundlagen, dann aber auch aus der im MA. noch lange nicht so scharf wie in neuerer Zeit ge- schiedenen SonderindiTidoalität der Völker des europäischen Abeodlaadet ^. — Genauere Vergleichung ergiebt endlich trotz jtner nahen Verwandtadiaft doch auch wieder genug unter- scheidende Züge unserer geistl. Dramatik von der des Ans- landea. In Frankreich kam das geistliche Spiel weit früher and in erheblich abweichender Weise ans seiner kirchlichen Bickta^: etnowits die Wichtsinnigere Religiosität diesss Volkes, andrerseits das weit grössere Geschick für dasÄasso^ Ucfae und Verstandniss ffir das theatralisch Wirksame liess hier schon im XVL Jahrb. eine derartige frivole Verweltli- eboag der ÜTstenen eintreten, dass ihre Abscha£fuDg durch ParUmentsbcschlttss im Interesse der Sittlichkeit geboten schien — Als bei uns im XVII. und XVIII. Jahrhund, das gmstL Spiel dem Teranderten Geist und Geschmack weichen nrasste, war von entfernt ähnlicher Ven^ilderung doch nicht die Rede: ein Versinken in*s Bäarische, Tölpelhafte, gelegent- lich andi wol ganz Unwürdige kam sicher vor ^l — doch
bMÜMclmi OtkUir im Pappwpiri tod Faust, wo Aaerhafan ala deut- wthrr Nmb« bsf gast (dsasben «ach XerxM!) und die hei Tittmann 8ch— p. n, p. 10 aieli iateideB Teafel- vod RexetunmeB.
I) So iK in Fnakinter Spiel, daa jeo« ha1l>fy«nsöffiMli« Phrase matwtuH, wliJsmw 4ki Aahfs der Teefeto>c< «iirfiuh und
olne jede 8p«r tnmAtn BinBeeeie. — Aveb di :• AafQkrmifi-
Uchiiit der Franeneen , die Kinhchtong der Sptelordnonfr (daria heteet t. B. bei flUMM CkrislM swtwedcr DoMtaoa oder Jeeoe, Jet. Cbrittae «ad Maiff im jinfloni Btiskwi Disa, b«i aae kaA aar Dominica per- aoaa oder SaHsler) ssigt fsaag OslsrsubisJt vom deotMibeo Braaoh.
>) Die IsswBiiilMiisiii niwlilsm d«r nmmUm Zeit hat rnrilirli die Wsttsaea sieb wieder eSwas aiker trotoa bMwn.
S) Wio aooli boalMlifS stak rschi darbe Ui^peliArif k<-ii<ai m via wirdiff fsbsHan 8pM «iadriagea kteaoa, ist aas Ps{ll»re •bw die ÜHsleiaier Aafihvaat ««"■ IMB «nielitlieb (p.
TiAMB.).
270 Cap.Vin,Sl.
wären diese Verirrungcn zu beseitigen gewesen ohne das Ganze auszurotten, wie sich denn auch vereinzelt die Spiel- tradition bis auf unsere Tage zu erhalten vermochte. — Im MA. selbst sehen wir in Frankreich (ähnlich aber auch in den Niederlanden und F^ngland) den Marie ncult noch weit reichlicher und störender das geist. Spiel intiuenziren '): hier wurden apokryphische Berichte 2) und legendarische Erzäh- lungen 3) offenbar ihres wunderreicheren Inhalts wegen, nicht so in naiv-erbaulicher Absicht wie bei uns, in die Spieltradi- tion aufgenommen, und weit häufiger. Selbst auf einem Ge- biet, wo sich auf den ersten BUck überraschend viel Aehn- lichkeit zwischen unserer und der fremden Spielweise zeigt, nämlich im populären Weihnachtspiel, bleibt jeder Verdacht directen Zusammenhangs ausgeschlossen *). — Noch ferner als die französisch-niederländische aber steht uns die englische und die spanische Spielweise, welche beiden letzteren durch eine sehr bevorzugte Pflege der Fronleichnamsspiele sich auszeichnen, die in Spanien das Passions- Spiel fast ganz in sich aufnehmen, wälirend das W. - Spiel für sich besteht. — Ueber Italien liegen bisher nur dürftige Berichte vor 5) , die über den Charakter
I) Vergl. alle die Mirakel der heil. Jungfrau, die sich in Mon* merque's und Michels Sammelwerk finden, fär England die bei Hone mit^etheilten Spiele über das Leben Maria's.
'•») So z. B. für die Weihnachtspielweise zeigt das Mystere de la Nativite bei Du Meril p. 354 jene apokryphischen Hebammen in redse- ligster Breite neben der heil. Familie eingeführt und recht im Gegen- satz gegen die einfach decente Weise, die wir Cap. I, § 2 anch für unsere ältesten deutschon Denkmäler anerkannten.
3) Auch Behandlungen der Apostelgeschichte sind in Frankreich weit häufiger als bei uns, und für die Schweiz (vergl. Weller Volks- theater der Schw. pp. 29, 30, 275) noch etwas stärker bezeugt als für das eigentliche Deutschland.
4) Die poetisch anziehende Pastorale sur la uaissance de Jesus- Christ bei Du Meril p. 490 f. ist trotz mancher Uebereinstimmung mit unseren Weihn.-Spielen populärer Richtung (so finden wir das Her- borgesuchen bei einem harten Wirte, das gegenseitige Aufwecken der schlafenden Hirten u. s. w. wieder) eben so originell französisch, wie unsere kämtisch-stoiripclion u. andre Weihn.-Spiele echt diMitsch sind.
5) Vergl. die bei Du Meril p. 59 Anm. aus Muratori onticimte Notiz über eine Weihnachtspantomime aus dem Jahre 1326; femer
c»p. vm, § 1. »71
der dortigen Spielweise nor soweit belehren, dass hier das V ^^'irksame ein Haaptreiz der AufführaDgen gewesen
int
tlich hat sich in Spanien aus dem geistlichen :^piLi u itionales Drama gebildet, und wenn
auch M' laltet hängt doch auch Euglands dra-
matisehe Blüthezeit mit den Spielen des MA. noch innig zu« aaBflien: anders kam es in Deutschland, wo man nach den Twsebiedftiisteii finemdeB Eintiüssen erst gegen Ende des vori- gen Jahrhunderts durch die nähere Bekanntschaft mit Sha- kespeare sn Versachen geführt wurde, die auf Popularität and Oediegeiibeit zugleich Anspruch machen konnten, ohne doch jenes erstere Ziel schon in gewünschter Weise zu errei- chen. BdcaoDtlich ist eä einerseits der durch die moderne Bildung benrorgetretene Geistesuutcrscbied zwischen Höberen and Niederen im Allgemeinen, dann aber auch die im Besitz jener Bildung sich bewosster gewordene Subjectivitüt des Ein- xeloeo, die der Wirkung anserer neuen Classiker auf das ganze Volk baouDend begegnet; von einer ähnlichen Emancipation des Einleben von den Rechten seiner Umgebung war im MA. noch ■iobft die Rede, am wenigsten in jenen letztere: ' ' ' luderten dsmsibeu, in denen wir die Haop^>flege des ^ m Spiels
fanden. Damals, als die Kirche sich noch nicht ganz vom ncfickgesogcn , die Laien aber mit noch ungetrüb-
las I), mit frischer Kraft und dem Nachdruck, den das Aaftrst«! einer grossen gleichgestimmten Menge immer besitzt, sick nur gsistiichen Spielübung als einem frommen Werke berzodringtsn , Uessen sich würdige und zugleich so wtitfeheodn Besnltats erreichen, wie wir sie aus den Nach- richten &bmr die nrei-, drei- and mehrtägigen Aufführungen
Klein G**cb. drt iul. Dnuu's I, IM, 166, 382 f. — m»e UfiM. Bahsaqi. pp. 90, ü. Ml titber «ia popoUrM (mr Feier einer lindli- dM» HocbnÜ di— »ad— 0 Pswinimpiel wai Corme* verirl. F. H<>yM*e Nor. Buid Till p. 178 t Bsd— teadw idgt §kh di« tulieobek« SfWwetes derck ikr FeeÜMÜtM des sisfttrslJOThtn EUsMato, so dam M» amfat dl« Oper ah etoe modenwT^siidliBisUiiii des fiaUgi^- epteb ia'e Lri>«a tr%L
I) Dia laaaahaiwi voa aagtaaUfeier Kirbaag mlaaea birr «b> l>rr««lukJMift bWbca.
n« Cap. VTTI. §.2.
mit jener MassenbeÜieiliKung der Heimischen und jenem Zu- drang der Fremden deutlich abnehmen. Solchen Erzeugnissen wird man nationale Bedeutung nicht streitig machen, so wenig es auch auf jeden Bühnen der Vorzeit direct versucht wurde deutschen Patriotismus darzustellen und anzufachen. Und nicht darin, dass sich hier und da (doch mehr naiv und immer nur in verzeihlicher, nicht löblicher Weise) deutsche Local- farben den biblischen oder legendarischen Stoffen aufgetragen finden, darf man verständigerweise den eigentümlich deut- schen Charucter des geistl. Spiels bei uns suchen, sondern vielmehr in der objectiveren , treueren und strengeren Auffas- sung der christlichen Idee •), die über jede Volksschranke hinausweist.
§ 2. Pvftisrhe Seite der geistllfhen Spiele Drutschiandü.
Ich denke hier zunächst den poetischen Gharacter der verschiedenen Entwicklungsformen des geistlichen Spieles mit einigen Hauptzügen anschaulich zu machen, woran sich zum Scbluss noch etwas allgemeinere Betrachtung reihen wird.
Die älteste Stufe unserer Spiele die mit den kirchlichen Feiern noch innigst zusammenhängen, und namentlich beim Osterspiel in die strengsten Formen eines liturgischen Ritus gebannt bleibt , zeigt doch auch hier und dort schon versuchs- weise poetische Freiheiten. Ich gebe als Beispiel die RAchel- klage 2j der Freisinger Hs. nach Du Merii p. 174: Rachel plorans snper pueros dicat.
0 dolor! 0 patrom mutataque gaudia matrum.
Ad lugubres luctus , lacrymarum fundite fiuctus!
Ah! Teneri partus! Laceros quos cerninius artus!
•) Will mit Recht hat Gervinue (Gesch. der d. Dich I, 127 nach Aufl- 5) gerade das Masshalten mit nationaler Färbung auch in unsenu Ileliand gelobt gegenüber den christlichen Dichtungen der Angel- sachsen.
*) Allerdings kein eigentümlich deutsches Product. Yergl. über das Vorkommen dieses Rituals Du Möril p. 175 N. 1. — Ein ähnlicher, doch sicher schlechterer Text aus der Orleanner Interfoctio bei Du Meril p. 178.
r«p. vni. § 2. 273
Ueo! Dulces nau sola rabio jiigulaii.
Quid comroisistis qaod X&\ii\ facta subistis?
Cor ritam vobis liror subtraxit Herodis,
Qaam noDdBm vere yos oognoTistis habere?
Heo! Quam ii«e pietas nee Testra coercuit aetas!
Ah! Matret nuserae, quae cogimur ista videre!
Cur autem Balis patimnr saperesse necatis?
Saltim roorte pari nobis licet boe oonnUri. Consolatrix accedat:
<^)uid tu, Tirgo mater ploras Rachel formosa, cujus vul- tUÄ >> Jacob delectat, seu sororis anniculae •) lippitudo eum jovat? Tergat hie Consolatrix oculos Rachel. Terge, terge, maier, flent^ oculos. Quam te decent genanim rosulae! Iterum Rachel dicat.
Heu! heu! heo! Qaod tu me incusas fletus incassam fodiMe, com nm orbata nato, paopertatem meam qui solus cnraret, qni non hostibos oederet angostoe terminos quos mibi^ Jacob aoqnniTit?
Consolatrix accedens, dicat.
Ilaad fl«Mliia est iaie, haod fleodos Mt isie, »ed laudan- du» qui regnam poitidet ooelesie, qniqnc preoes frequentans miMfit fratribus apud Dcum auxiliat..
Die Freiheit der Behandlang bMieui mer in einer fast eUraa geswangenen Benntmiiig dee alten Testaments. Aehn- lich «nd im ersten Freisinger Denkmal bekannte kirchlicbe Quellen, and du die Zeichnung des Ilerodes auch antike Re- tntniacenzen *\ benutzt.
' - in Tiiltam geindert;
'. , ,j. i,„,j ;.«;;. ich IchoB snt-
'ultr II r , Uti llirilf LeMBf be«UUgt •cheint.
i ird diMtr sein: «oder vrfrrat ihn
•n RehvMter« (»eil. U«)?
uag gMieh«ft, so hitie der
a« d«nn xu dom I>«>k«nnt4>ti r {j. 863, V. U66 iMÜtm.) «tim- «nvmicatiiM b«t Moor I, 40. na «uUagvaai* mm Sei. Ge- is
274 Cap. Vni, § 2.
Eine zweite Stufe bilden die Marienklagen, WechRelge- sprächo zwischen Maria und Johannes, allmählich erweitert niimentlich durch die Aufnahme des leidenden Erlösers und der Personen des ältesten Osterspiels. Zu Grunde liegen na- mentlich für die Rolle Marias lateinische Hymnen , deren viel- fach variirte Nachbildungen unsere Texte darbieten. Diese deutschen Strophen haben durch ihre Wärme und einfache Zartheit mit Ilecht die Aufmerksamkeit auf sich gezogen; der weiche Ton dieser Partieen ist poetisch, noch besonders be- rechtigt neben der strengen , einschneidenden Zeichnung der Christusrolle, wie sie z. R. der Trierer Planctus erkennen lässt •). Zu einer dritten Stufe zählen wir die Anfänge synoptischer Behandlung im Weihnacht- und Osterspiel, an welche sich auch der Antichristludus noch anschliesst. Die Sprache ist hier noch meist die lateinische, zeigt aber an Stelle jener formalen Unbeholfenheit der Freisinger Stücke eine Gewandheit in der Diction 2) und so geläufig behandelte Metra, dass die veränderte Richtung doch deutlich ist. Ich gebe als Beispiel dieser technischen Gewandheit die Strophe eines Magiers aus dem Benedictbeurer Weihnachtludus 3).
»Quaestionum noverat enodare rete ille, per quem habeo quod , quando cometae, se producit radius, tunc habent 4) planetae , et quorumdam principum se praesentant metae. Quid sit Stella novemus et quid sit plancte horum haec est neutrum; sed cum sit cometa, inungamur gaudio, sit mens nobis laeta! Magni enim principis verus est propheta'. — Noch eine andere Stelle ^), wo sich der Diabolus darüber moquirt, dass die Rede des Angelus sich durch Reimschmuck bei dem Hirten einzuschmeicheln suche, möge hier Platz finden.
tu. c XXXII nach, auch jenes kaltblütige ,di8ce mori puer* des Armi- ger könnte sich ähnlich bei einem Classiker finden.
>) Vergl. Fundgr. II, 271, 4— 15.
-) Cf. G. Freytag De Hroswitha poetria p. 1: Sed cur sanctos praecioues illudinius? Aptum enim iis est antiquuni vestimontum ac commode in co pedes movent, ex proprio scilicet more ingredientes cct.
') Vcrgl. Schmellcr ("arm. Bur. p. 87.
*) Für haben! ist mit Sicherheit hcbent herzustellen, vergl. das splcndor hobetatur auf derselben Seite. - Schm. hatte latent, I)u Meril absunt vorgeschlagen.
5) Ebendort p. 89.
Cap.Tin. §. 2. 275
(Angelas): Pastores qufteritc natum in praesepio, Et Totam solvite math cum tilio; Nee mora veniat isti oonsilio, Sed T08 huc dirigat mentis devotio '). — «Dicat Diabolat ad aores eoruni):
Sfanpln ooetoa aspiee, qualis astntia Eins qni sie fabricat Teris contraria! Uique saa üallerent magis mendaeia In rythiiiis condliat qnae profert omnia. Was nan die Behandlangsweise des biblischen Stoffes in die«eo älietten synoptisehen Spielen betrifft, so lässt sich ein gewisses Schwanken bexüglich der innezuhaltenden Gren- zen ebenso wenig verkenneu, wie man auf der anderen Seite auch nickt übersdben dar£, dass doch kein ganz willkürlicher Er- weitenmgidnuig hier waltete; vielmehr suchte man die wichtig- sten TOii)ildlichen Motive aus dem früheren Leben Christi >) zu emer schon siemlich hont werdenden Staffage für das drama- tisdbe HMipthfld so Terwerten. In jenen Vorspielsscenen tre- ten non auch solche Freiheiten uns entgegen, wie sie der lüg. Mtfia Magdalena vor ihrer Bekehrung in den Mund ge- legt werden. Anfänglich lateinisch, dann aber auch in noch leichtere deutsche Strophen gebracht, erscheinen diese Frei- heiten dadarch onbedenklicher , dass sie nur zur Vorbereitung der wunderbaren Bekehrung der Sünderin dienen ^). Diese Umkehr Magdalenas wird freilich für unser Urtheil schlecht motivirt , wenn ein Bruch mit lieb gewordenen Thorhcitrn ^ -^ nden einfach dadurch hcrl^eigefuhrt wird, dass aus lond zwei oder drei Mal auf die Nähe des Erlösers w:ir. Aber es kam daoials nicht darauf an, den ..^..^i.ij luilig zu fiberseogen, sondern nur die biblischen ( haractere in leicht faalieben Zfigen Torzuführen. Denkt
Man trmrrk'- (!• n ia diwsr Str. sich ftadoiden Binoenretm. Vrrgi. ila*r |> 17: dM «ffi« WvimIot d«r Wein verwuid long «a4 dM gromt Waadurgsrt— hl mit B«id«r KrAUanff, dem heiligen Ahendmehl, die Uetlwif des BUndgebora— «ad die Krweckiaig des Learw •!• Symbole des liebt- «ad Uhmm Bpsadsrs
S) Abgeeebea nm der d«f«b die OWeUMÜ dse Oeeobleeble bei dm I>»r«tellcm bedb^tMi UagesdrtbtH wird« «wa iMi bei dieser Er- klimiiK keiim bewblfe« diiha.
18»
276 Cap. Vni.8 2.
man sich nnn jene Engelsworto in ihrem klangvollen Latein •) von einer schönen Knabenstimme sanft und sicher gesungen, 80 lUsst sich eine tief greifende Wirkung derselben nach den vorhergehenden minder würdig gehaltenen Strophen gar wohl glaublich finden. Auch jener jähe Sturz des Antichrist am Ende des Tegernseer Ludus ist nicht so roh mechanisch als es scheinen möchte 2) ; Steigerung des Glückes und Uebermuts bei einem Bösewicht erzeugt im Gemüt des Betrachters von selbst den Wunsch und die Erwartung 3) seines Falles, und je plötzlicher dieser eintritt, um so mehr wird unser Gefühl befriedigt, da die Strafe für den Frevler desto grösser ist.
Kurz berühren wir hierauf als vierte Stufe die älteren synoptischen Spiele in deutscher Sprache ; sie sind es fast al- lein , welche in formaler Hinsicht einen Einfluss der höfischen Dichtung nicht verleugnen ■*). Neben dieser Sorgfalt für das äussere geht meist eine gewisse Nüchternheit in der Behand- lung des Stoffes 5j, welche freilich versuchsweise hier und da ins burleske Gebiet hinüherschlägt, ohne es doch zu einer festen Ausbildung humoristischer Typen bringen zn l:<iiin..t( oder zu wollen.
Dazu brachte es erst die fünfte Gruppe der hier zu be- trachtenden Spiele , in welcher uns die Anfänge popnlärer Be- handlung entgegentreten. Hier sind es namentlich die niedrig
1) Vergl. Fuiidgr, II, 247 oder Carin. Bur. p. 97. — Die .Str. lau- tet: 0 Maria Magdalena nova tibi nuntio; Simonis hospitio hie se- den« convivatur Jesus illc Nazaronus, gratia virtute plenus cet.
2) Vergl. Hase's Vorwurf p. 30.
') Nach dem Sprichwort »Hochmut kommt vor dem Falle*.
4) Die kurzen Reimpaare verbleiben freilich auch im weitem Verlauf dem geistl. Spiel lange genug, aber meist in der rohen Form sog. Knittelverse.
5) Aohnlichcs gilt auch von den Anfangen der dramatisirten Le- gende , die gleichwol bei der wunderbaren Anlapc ihres Stoffs mäch- tig genug wirken konnte. Auch das Zehnjungfrauenspiel zeigt ohne allzuviel Kunst des Redactors doch in seiner einfach würdigen Form genug dramatische Ilcbel, um die Wirkung ahnen zu lassen, welche für die Eisenachor Recension bekanntlich bezeugt ist. (Vergl. n. A. Hase p. 51, 52). Der originellste Theil dieses Spiels, nämlich der nicht mehr in kurzen Reimpaaren verfasste Schlups (ed. Bcchstein p. 80 — 32, vergl. Fundgr. II, 272, 15 — is), ist übrigens wol sicher jün- gerer Anwuchs.
Cap. Vin, §. 2. 277
komischen Rollen des Salbenkrämers und seiner Sippe, der Kriegsknechte, der Teufel und so weiter die nun scharf und in tradit^ " • V - ■ .:=_- rrägt werden. Wie sehr ein solches 1 r Richtung im Ganzen auch
erfrischend *) und kräftigend wirken mochte, so springen die L'rhtlst.ind» der Teriuiderten Geistesi ' * : doch zunächst li' 1 !t iiK in m die Aogen. Fast alle I' i dieser Epoche
!• i<i> !i tn einer grenzenlosen formellen Verwilderung, so dass hier die Spar al'* ' ' her Ueberlieferung oft nur wie ein abgebrochener Sa mpf aus dem üppig wuchernden Ge-
strüpp jüngerer Zusätze und Einlagen hervorsieht. Aber ge- rade in dies« " " it sich zuerst die Nothwoudigkeit ei- n«'r etwas ku :. Beherrschung und Durchdringung de* Stoffes gezeijjt. Der Redentiner Redactor spricht es im Epilog seines Stijckes bescheiden aber doch deutlich aus, dass tr Mulif, Ek•l^s und GoM-Kii V nt tVw n«'rstellung des Textes u'ew.iudt hal>e -).
N J.t piiii/. i»o : wiü im lelztbcsprochenen Falle,
.iU;i UvK:h auch bcaci.u .. »cit ist die veränderte Behandlung legendarischer Stoffe in diesem Durchbruch populärer Rkbtmig. Wir haben schon früher darauf hingewiesen zu
r,-^!^he« tragikomischen Zerrbildc der TJ ■ > -'-js der alt-
.•>tlidieo Legende in unsern drei niedi : n Spioltex-
ten geworden. Da war nun freilich, um diesem stolzen und laanitdien Praclaten sein Recht zu verschaffen, der derbste niederdeutacbe Ausdruck ganz am Platze; ich gebe zur Probe
lie warme AmBmmnng der Maria« (Magdalena*)
' icl, wo e* Fondgr. 11, 327 hciMt: ,Dcn lichon
änden mag, D«r mein trunt ist, Und mein
ber tag*. (Letstcrer Auidruck hier vor der
nufr*)- ~ Weiter nntcn daselhtt findet sich
h kftbne AoMlntck ,lch wu gogasgan
•-aii' im dan Maad gelegt. — Auch in der
viiifthniiig dar MagdalenanroUe voo jfing.
' rtmag. (Fttadgr. II, 278, 27-374, 1).
^ . ' «1 — ' cd. Elini f. 74 : U hlr aao
for^mct , arge nic>>' weale koBM
v«i ttamala te better niaKcn.
278 Cap. Vlll, §2.
die ÄbIchnuDg der Bischofswürde durch Thcophilus nach der Stockholmer •) und Trierer Rec 2).
Thcophilus dicit. Nu schal my wesen leide: Dat is ene snodo veide, De wy scholcn dragen. Werne möge wy se nun klagen? Dat is ein seiden byspil, Dat ick ju nu seggcn wil, Wo velo muse mögen byten Ene katte und eren balch toryten: Also vele is my umme juven köre. — Nu tredet alle jy hervore, Wat möge jy my nu winnen af? Ik achte nicht uppe juwen köre und juven staflf.
Thcophilus. Gy heren, ik dank ju allen sere Dusser groten micheliken ere Dat gy my hebt tom bischop gekoren; Den arbeit heb gy ganz verloren. Ik doe gern al guven willen flr gy einen bischop van my maken. ünde wil ju seggen wol by saken : Iken heb nein got, dat is ein, ünde kan um gelt 6k numment vlein; Ok bin ik wol so overmodich Ik slage my wol bl& unde blodich. Mit eime um ein haverkaf. Darum kom des roklos af ünde keis et einen anderen snel, Went ik nein bischop wesen wel, An mach it syn, so biddick sere Vor mynen mäch, den Kemmerere. — Dass in dieser Periode wie alles Andre, so auch die Me- trik verwilderte, ist begreiflich genug: nur ausnahmsweise er-
') Vergl. Hoffmanns Theophilusaueg. von 1854 p. 6 unten. 5) Vergl. Hoffmanns Theophilusausg. von 1853 p. 9, und die wei- tern Ergüs8c des Ilcldcu daselbst p. 12 und 13.
iap. \iil. § 2. 279
4^4- h. inen sauber gereimte Texte , wie der Redentiner; auch ein
l>urch. :: lüJcr v^ ' iener Versfürmen ist nicht unerhört ')•
Iij ciiui ? I Gruppe fassen wir die synoptisch po-
im'.vi' n Spiele aus dem Ende des XV. und im Verlauf des
' ' hunderts »usa; ' ' 'I
.irht*;spielen i -
spiele dann auch die grösseren Fronleich-
■ n. V § M * n Stücke gehören.
i . , , ^ des ge. - ; -Is hat in dieser
Zeit ihre Höhe erreicht, bei dem regen Interesse aller Stände
und der B« - " her Behörden auch Geldmittel
für die Auii „-.. _- ^en, war man nicht mehr auf
ein Herausgreifen einiger Lieblingszüge angewiesen, sondern konnte die biblische Geschichte nun recht aus dem Vollen darstellen und sich, wenn auch nicht mit der verschwenderi- aclMD Pracht des Auslandes, doch mit behaglicher Zurüstung aoch eijies äaaaeren scenischen Erfolges versichern. Dazu kam, dass die burlesken Ausschw« -♦'"■•♦ n der vorigen ürupi)e i)icr wieder beechräukt und zui mgt erscheinen 2), so
daas es £ast nur noch die Teufel sind, welche sich derbere Spalte erlauben dürfen. Die Schattenseiton dieser Kntwick- iungsstvCs liegen wohl weniger in dem Umfang der Spiele und seen Aniabl der Mitspieler, denn damit Hessen sich ' würdige Erf^.: ' ' ' ' V '
Rcmeinschn; N\ ^ 'S nötbiger Beschrän-
cü meür aui cmo gewisse r ' ngt war, und aus Mangel ti ! rar Uoterbaltung des Publicums no<.h eher auf
wu' irsmartipbe Hebel der Handln Heu war, so
^»u:. ' bei der UDKehindiTten Ahm! anl üussitII-
t\ ' it, an der mi man-
sut: nsit hat ent At V«nl&<:
U cewei»^
280 Cap. VIU, §2.
chen Vervollkommnung der Spiele jene angedeuteten Tugen- den unmerklich verloren; die wolberechtigten Grenzen alter Spieltradition wurden ineinander gezogen und in willkürlicher Weise fremdartige Elemente >) zugelassen. Bei der gewalti- gen Ausdehnung der Texte, musste die Sorgfalt der Spielord- ncr für den poetischen Character jeder Rolle und für den Bpracblichen Ausdruck im Einzelnen natürlich erlahmen; und mehr noch musste dies der Fall sein, weim die mühselige Aufgabe der Einübung des Spielpersonals und der Leitung des Spieles denselben Händen vertraut war. So wundern wir uns nicht, wenn auf dieser Höhe angelangt die Entwicklung des geistlichen Spiels bereits zum Fall hinneigt, und da es hier nicht unsere Aufgabe ist die oft so verunglückten gelehr- ten Ausläufer dieser Gattung noch einmal zu mustern, so wenden wir uns zum Schluss unserer Rundschau nur noch zu den im Volke selbst fortgepHan/ten Variationen alter Spiel- weise, die bei mancher Verwirrung und Trübung doch des Guten und Alten genug gerettet haben.
Diese siebente und letzte Gruppe zerlegt sich uns wie- der in zwei Abtheilungen, die Pflege des Weih nachts- und die des Passions-Osterspieles, da die erhebliche Verschie- denheit der Behandlung diese Sonderung erheischt. Dem letzteren Spielkreise zollt nämlich auch die volkstümUchste Behandlung, wie sie doch nur von katholischen Geistlichen ausgehen konnte, fast immer so viel Ehrerbietung und Scheu, dass wir oft mehr die Strenge und Sorglichkeit als die poe- tische Freiheit der Auffassung bewundern, während das Weih- nachtsspiei sich neben naiver Zartheit des Grundgedankens ein weit freieres F'eld menschlicher Empfindungsweise gestat- tet, auf welchem dann freilich manch unnützes Kräutlein mit aufwuchert. — Als Beispiel des jüngeren populären Passions- spieles sei der Zuckmantier Text hier noch etwas näher er- örtert. Auf den ersten Blick erscheint jene Ausführlichkeit
') Dahin rechne ich einmal solche Motive, die in andrer Form schon vorhanden waren, und sich durch Wiederholung nur schwächen konnten, z. B. die Erweckung des Jünglings von Kain neben der al- tem Lazaruserwcckung im Donaucschinger Spiel (vergl. Mone II, p. 151), andrerseits die Aufnahme ganz undramatiscber Gespräche und Wech- selrcden, wofür auch dasselbe Si)iel mehrfach Belege giebt. (Es fehlt Bonst au Mittheilungen vollständiger Texte dieser mehrtägigen Spiele).
Cap. \TU, § 2. 281
and Sorgfalt, mit welcher hier auch sekundäre Momente der Piwiontgeachichte, x. B. die Entsckliessung des Hoben lüiths, Jesfim bei Seite zu bringen (vergl. vv. 591 — 006), behandelt sind, störend und peinlich : warum wird hier dieselbe Sentenz (daae Jerat sterben müsse) in wenig veränderter Form zwan- zigmal TOiKetngen? Und doch scheint diese Sceue hier noch weit knapper behandelt als in der Ammergauer Spieltraditiun, wo gleichwol (nach Oorres und Clarus ')) die Aufmerksam- keit dee Zuchanen durchaus ni< ' ' Kmen soll. Man muss sich eben an den grossen Udu i zwischen Lesedramu
und Spieltext immer wieder erinnern 2): letzterer darf alle kleinen Künstdeien, an welchen erstere Gattung oft Ueber- flnsB hat, Tenchmahen und nur die Hauptwirkuog ins Auge fiiaieu, da bei irgend leidlicher Aufführung dann auch das Detail oft unerwartet gehoben wiid. — Aehnlich verhält es sich mit der Kusswaachungssoene (v. 1109—34), wu jeder Jün- ger (mit Ausnahme des Jndas) seine Verwunderung aus- spricht 3).
Selbst solche Scenen, in denen ein wärmeres Gefühl zu Worte kommt, wie der Abschied Christi von seiner Mutter (V. 899 fg.), die Rene des Petrus (▼. 1441 fg.), die Verzweif- lung des Judas (v. 1583 fg.), zeigen uns so zu sagen den Kothurn der Volkq)oesie, wo sich natürliches Gefühl mit ei- nem oft etwas geschmacklos künstlichem Ausdruck paart *). Und auch jene Kränersoene t. 470 fg., die schon durch Zu- laasiuig des Provincial-Dialects (mit einigen Vulgar-IIcbrais- nen) den geringeren Anspruch auf tragische Würde verrät, »igt in ihrer trocken humoristischen Ausführung nur die
*) VcrgL dsawa oft erwihatcs Buch p. 106.
T^ All f^iiülUsi mag eben aoch jene« kamn r«cht leclMirc Donau- ctchinv i>«i Hon« 11« l&O) eine nicht unwärüige Wirkung «r-
n«H baitcn , wrnn der Dsrvieller der DirietuMroUe c« ventaad durch IleroieaHW d«r Oedald alle jene peinlichea Marterscenen xu Trtum- phen aeiaer BoUe mit kteatteriscbew Taet aaasagvftalten.
31 Zu firuude liact Bar äifi Krwlhniittg der Worte dee Petnu bei l>ie«e Mt)<i UmUM nicht nngMchicktcr Wcico im
/. B. V. 1 •'»■U'iuiKho Kprach-
•i ' luthüivu Üef&hl ab, da« xu
l^^l» Cap. \ 1 1 1 , ^ X
Schwäche eiuns populären liedactors, eine wenn auch für den Spielplan noch so unwesentliche ,Volk88cene' nicht anders ale mit behaglicher Breite und kleinlicher Nachbildung des wirk- lichen Lebens vorführen zu können 'j. Was das Weih- nachtspiel betrifft, so zeigt sich der Unterschied derBehand» lung nach dem Rang der Rollen. Die Hirten werden begreif- licherweise getreu der Wirklichkeit des Volkslebens entnom- neni, und ähnliche Färbung zeigen die Wirthsrollen mit ih- rem Anhang. Oft noch zu diesem uiedern Kreise gehörig, mitunter freilich mit mehr Achtung behandelt, bildet die Rolle Josephs ') den Uebergang zu einer höhern Stufe der po- pulären Weihnachts-SpielroUen , auf welcher wir zunächst Ma- ria, dann die heil. 3 Könige, endlich die Engelsscbaaren an- treffen. Dieser Gradunterschied wird nicht selten auch sprach- lich angedeutet, indem die Hirten einen Provincial-Dialect, die Könige, Maria u. s. w. dagegen die Schriftsprache im Munde führen 3), Auch werden gerade durch diese Abstufung poetische Vorzüge mitbedingt: erst durch die bei aller Wärme und natürlichen Offenheit doch ehrerbietig zum göttlichen Kinde und der gebenedeiten Mutter aufblickenden Hirtenrol- len *) gewinnen diese kleinen lyrisch-dramatischen Weihnacht-
') Noch dentlichcr wird dies in jener wunderlichen Aria JiOngini (V. 2365 fg.), wo der römische Hauptmann, der dem Rcdactor e})cn zum Landsknecht geworden , sich selbst zu einem ,freien Stoss' mit seiner Lanze ermuntert. Solche ganz ungesucht komische Sccnen weisen denn noch auf jene freilich weit derberen Ungehörigkeiten der Anfange populärer Richtung (im MA. selbst) zurück: wie Manches mag dort eben nur aus Ungeschick und der Unfähigkeit, das Zußillige und Aeussere von dem Innerlich-Bedeutsamen scharf zu sondern, ent- sprungen sein.
2) Für die derbere Zeichnung vergl. Weinh. W. Spiele p. 106, für eine zartere findet sich in Lexers Mittheilungen ein B'"'":''' wo Joseph von Bethlehem scheidend spricht:
0 Wethlachem, du Vaterstadt,
Ich scheide nun von Dir !
Ade, du kalter Schaafstall, '
Ich war vergnügt mit Dir! —
3) Für die Engelsrollen bleiben namentlich Bibeltexte (so das Gloria in excelsis vielfach selbst in lat. Fassung), daneben Gesänge beliebt.
*) Vergl. Weinh. p. 95 N. 6, kurze Komödie (ed. Friedländer) p. 18 u. sonst.
Cap. Vin,§3. 283
Spielchen jenen zarten Duft, der dem Volkstümlichen nicht immer eignet — Wenn dagegen zu dieser niedem Stufe auch die drei Könige herabsinken, wie bisweilen in unsern Tex- ten 0. dann ist freilich eine Verschiebung der Verhältnisse eingetreten, und wir sehen das geistliche Spielgebiet an die Domine gewöhnlicher Bänkelsänger •) grenzen.
Suchen wir nach dieser kurzen Kundschau, in der nur die wichtigsten Eracheinungen berührt werden konnten, noch das Verhältniss des geistlichen Spiels zum Kunstdrama der neueren Zeit, das sich theoretisch vorzüglich auf die Antike zu gründen liebt, anzudeuten. Kann aber von solchem Ver- hältniss überhaupt die Rede sein? Geht nicht das geistliche S{Mel überall (oder doch mit unerheblichen Ausnahmen ^)) siierai erbaulicher, später von moralisirender Richtung aus, und sind nicht diese Tendenzen jetzt als längst überwundene Schwachheiten , die keine freie künstlerische Entwicklung auf- kommen lieseen, anerkannt? Dem sei wie ihm wolle — wir können uns hier auf keine Polemik wider die modern miss- ventandene Antike <), auf keine Auseinandersetzung mit dem
>) NameBtUch dann, wenn die kirchlichen Namen verloren ge- gaagCD aind, vergl. Weinhold p. 13S, wo der Name Balthasar vom BcTf* ergiaat ist sad Pröhle p. 300, wo der erate König «ich einfährt mit: Ich bin der Kdnig Meldier, and keiner weiM welcher, — der iwrr*- —* ■ Ich bin der König aoi Polen, Mein Narae itt mir verho- Irn (SoR^r der Name Bethlehem ist in dieser Oberharcer
SpicUrmdiUun zu ^lariMtadf verdonkelt).
>) Oder thai naa den JvgradUchen ,Stemdrchem' a. §. w. mit •oldMr Bwitfhnnnf noch sa viel Ehre an?
>) Hi«r kfaB«B «inaMl die FVi» in ßetr«c }i( . wo nnbewnaat oder doch mehr in WetM einer Schwachheit tlich ungebildetem
VolkariBa g— lihweirlielt wurde, aadrenM'iui uie wenigen Beiapielo geietL Spielreiaele««*, die sogleteh eine IttaaUerieohe Leistung an geben vwnmdrten dkne den UMraUeehea Zweck ■«• de» Ange in bwea. (Tcrgl. da« oben in der fttnftcn Grappe betrachtete Redcnti- acr Spt«L)
*) Ich denk« hier weniger an Ui«. It.uipretation u^i .ix- Mhea Pbelifc (d^nui was Ar f wiag «in VorditMi war. kann j< i/t Biehl »ehr ab Aa%»be eneheiaea) ab an die Aafftf*< OeMeeweriw »Ibet, «nd »ea wagt ea wol •Ihaihltrh > einaagMiekan, deaa nw diese einen bflhercn «nd • griechiecben Oraa» geben ktenen, als Qui der v< •
284 Cap. Vlll, 8 3.
wulircn GoiHte des Altertums oinlasscn — das geiHtlicliü Spiel durf sich wol bei soiiier j;esichertcn grossen und würdigen Wirkung auf Klein und Gross, Vornehm und Gering darüber trösten, wenn es den Dramaturgen späterer Zeit nur als rohe Kntwicklungsstufo erscheinen sollte. Auch wäre es wol un- nöthigc Herablassung, in Einzelheiten nachzuweisen, dass poe- tischer Sinn . und dramatische Technik den alten Spielredacto- ren nicht überall abging, dass oft nicht ungeschickt die ver- schiedenen Fäden der Handlung zu einem wirksamen Plane Yerknü])ft, und die Katastrophe der Entwicklung verständig vorbereitet und so Manches sicher vermieden werde, woran die besteu dramatischen Erzeugnisse der Jetztzeit zu leiden pflegen: spielende Reflexion, rhetorisches Colorit, im besten Fall mehr lyrische als dramatische Wärme *). — Ueber die Störte der geistlichen Spiele aber, an denen verwöhnter Ge- schmack freilich nicht viel Neues und Interessantes zu linden pflegt 2j, äussert sich ein spruchfähiger Richter in diesen
aus dem Kreise seiner Knipirie d. h. der Verfall- und Auiiosuiigszcit des fjr. Dranm'H altstrahiren mochte. — Diese Unterscheidung der ver- schiedenen Kiioehcn helleuischer Cultur scheint nur noch wichtiger, als das von Cholerius (D. Dichtung nach ant. Eiern. I, p. XIX) repro- ducirto Aperyu Fr. Schlegels über den Unterschied des blos Localen und des Objectiv-Schönen in der griechischen Poesie.
•) Dagegen zeigt das geistl. Spiel auch aus vorübergehenden ly- rischen Riehtungen (den Marienklagen) überwiegend epische Fülle und einen oft nüchtern trockenen, aber meist klar verstäudigen Aus- druck. Rhetorischer Pomp dringt erst mit dem XVII. Jahrb. hier und da ein.
3) VergL llolland Entwick. des d. Theat im MA. p. 17. Ein bi- blisches Schauspiel ist nach unscrn BcgriflTcu ohne gehörige Mannig- faltigkeit des StülTes, und wenn sich mehrere Dichter darin versuchen und au die Geschichte halten müssen, so kommt uns ein solches Dra- ma einförmig und langweilig vor. — Und doch haben so viele Maler biblische Gegenstände dargestellt deren Gemälden mau weder die Mannigfaltigkeit des Stofls noch der Form absprechen kann. Etwas Aehnliches begegnet uns auch bei den altdeutschen Schauspielen, die- sen lebendigen Gemälden der Bibelgescbichte ; manche derselben haben eiue tief gedachte Gruppirung der Personen und ihrer Geschichten und fassen die innern Beziehungen des geschichtl. Zusammenhangs in so gedankenvoller Betrachtung auf, dass sie auch in dieser Hinsicht ihren alten Kamen Mysterien verdienen u. s. w.
C»p. VIII 285
Worten, dio auch hier den Schluss unserer kurzen Betrach- tung bilden mögen i).
,Au8 dieser Zusanu' inp <ler scenischen Wirkun-
gen*) der alt<»n Oslti lit wol deutlich hervor, wie
entschieden ne irlesken Einmischungen den
kin-hlichen Chanu ter bevahrteu , wie sie nur theatralische weitere Ausführungen de« grossen Inhaltes waren; zugleich aber auch, dass es keine gewaltigeren und tiefsinnigeren Stofie als diese symbolisch • geschichtlichen Darstellungen des güttUchen Willens an die Menschheit in seinem gan- xen Urofiuige giebt — Alle andern Stoffe werden immer nur Abschattungen dieses Einen, kleine Münze aus dem un- ennesslichen Schatze sein — aber die Erhabenheit desselben wird vielleicht auch immer der theatralischen Behandlung spotten und die unbefangene kindische des MA. die einzig zulässige bleiben; der Stoff wirkt dabei fast nur durch sich 8elb8t\ — Ueber die scenisohe Wirkung des geistlichen Spiels heiast es (p. Üö) dann weiter: ,der ganze Opernpomp unserer Tage hat nichts Aebnliches aufzuweisen'. rVergl. auch p. 86. 87.)
g 3. Caltsrbiüttri^rlie Ifdestsag irr gelhtlicheB Spiflr.
Die Ursprünge des geistlichen Spiels glaubten wir nicht in alt* heidnischen (römischen und germanischen) Festen und Gel . die nur christliche Umkleidung erfahren, suchen
r« ■ ,. , in welchem Falle freilich die culturhistorische
Jenes Ton Tomhercin einleuchtender sein würde, üiebt man aber auch nur eine indirecte Wirkung der über-
wur' ^-i;-.; n in der Weise zu, dass die aliendlündi-
scli M «ich eine (nun freilich festt'r begren/te
ab ar) WertschtUzung des Mens<;hlichen
und • II.'- .^i-igiin^ /.u Munlich-lebcndiger Darstellung auch der
M lHi«ri««i Oesci' ^cbatMiiielktin»
1) Fir di««c hat l'cvruiit et>en prvt «1» mi4 w«m «r aacb iU)>ri Kitti|r«>fl (i. B. die tlr^i»-
Ar PssteAlssii mit annüitn, wn» wir mir Dir h rmnkreieti |r««lohrrt ftxl^ii. «o ham «Mtt davon ja kidit •liM'hrii.
286 Ctp. Vm, § 3.
Iiöhcrcn Ideale des Geistes glaubte aneignen zu dürfen , wäh- rend der orientali8(;he Ritus sicli in getreuerem Festhalten an den alttestamcntlich-jüdischen Anschauungen zu solchem Fortschritt weit woniger bereclitigt fühlte — so ergiebt sich eine gleichwol noch ganz gewaltige Tragweite für die cultur- historische Bedeutung jener Mysterien des Abendlandes, die schärfer wie jede andere Kunstrichtung jene versuchte Ver- sinnlichung der (ciiristlichen) Ideen ausprägen. So wenig man geneigt sein wird, die griechische Kirche um ihre sprödere Zurückhaltung, die so manche nicht verächtliche PVucht menschlich-christlicher Bildung und Gesittung verschmähte, zu beneiden — so leuchtet doch die historische Berechtigung auch dieser conservativeren Richtung von selbst ein, und sehr viele Abwege und Verirrungen der abendländischen Kirche, die sich in ihren jüngeren Confessionen dann oft genug wie- der zu einer künstlichen Reconstruction des Urchristenthums gedrängt fühlte, wurden hier glücklich vermieden. Diese Schattenseiten westeuropäischer Bildungsfülle würden uns im geistlichen Spiel weit greller entgegengetreten sein, wenn wir uns nicht fast ausschliesslich mit der Pflege, welche diese Gattung in unserm Vaterlande fand, wo ernstere Auffassung, minder ausschweifende Phantasie und spielende Willkühr als bei den Romanen zu Hause war, beschäftigt hätten.
Die Beziehungen des geistlichen Spiels zur kirchlichen (hier und im Folgenden immer abendländisch -kirchlichen) Archäologie und allen Zweigen der kirchliehen Literatur sind äusserst reiche. Sieht man auch von jenen Aeusserlichkeiten des Cultus ab, die aus den Spielordnungen namentlich der Fronleichnamsspiele ') oft sehr deutlich uns entgegen treten, so ist das öftere Vorkommen so mancher wichtigen Rituale in den älteren geistlichen Spielen höchst beachtenswert und für die Kritik wol nicht verächtlich. Während Griesha- ber, ein auf altkirchlichem Gebiet wol bewanderter Forscher, bez. der Sequenz , Victimae paschali' nur den späteren Weg- fall des Sätzchens Credendum est magis etc. (aus dem Mis- sale Romanum) anmerkt 2), ergiebt sich aus genauer Betrach-
•) Namentlich erinnere ich nn die Zerbster Processionsordnung'. '^) Yergl. sein Schriflchen p. 10. Derselbe hat in einer dort kurz
Ca?. Vni, §3- 2«7
tong dfls Vorkommens dieser Sequenz in unsem Spielen zu- nächst die Wahrscheinlichkeit, dass zwei nrspninglich beson- dere Kiemente, nämlich die • * ' ^ le •) (bis zum >regnat virus') und ein ^estück '-) im kirchlichen Gebrauch allmählich zusammengefasst wurden; dtam aber auch, dass dieser zweite Theil älteren und jünge- rsB Bestand verräth ^) — Das ganze Ritual wür<l>> >.i< li ii>>s kritisch darnach so darstellen.
A.
(Victima« p*achsH Unde« iromolent « ..<.^....i.< Agnus redemit OTes! Christus innocens patri reconciliayit pec-
catores Mors et Tita daello conflixere niirando, Duz Titae mortnos regnat vivus!
K
I>i(: nohis Muria. quid ridisti in via?
tk'pulchrum Christi viventis et gloriam vidi resurgentis!
(Angeitoo* tc*t««, mdarium rt v«>it«><i.
Surrrxit (lurittas, tpcs me«! ] ^uos in Galilnca)
(<'r>-<i«'ri<Iutn eil mfts^n aol! M .ui. (iu:tin .Tii(1aonnint tiirba
Scimus Christum sorrexisse a mortuis vcrc: tu nobis victnr
rex misercre! Amen, Allelujah, Allclujah!
/.-. :.rkläning des beobachteten Verfahrens möge Fol- dienen. Die runden Klammem scliliessen Theils ein,
T<ir{i«>r««-lM>n«Irn St«Ue ,prMoed«i TO«* in ^ _ „nach l>ef-
•o**. Aber die Lemuig taot* erb4lt durch
/ " heasaer Ofterfeter (Xi>. junrh.) wol du Ueber-
n p. 68 N. 8.
"tirinm «Die aobia Maria* king««t«llt habe.
i'OMorita aad Aatipboaea giebt Mone
■ '• SB Sehirfe oad Klnr^-' — h r^^
;,'ef«beiie ABdctttan '-D F«««img im 8t •piei KU ' >4«riBttr mmtiicb coae«
IaO ist
288 Cap. Vin, S 3.
dio nach änssoren und inneren Gründen sich als Zusätze ver- dächti{»on '): in eckige Klammern ist jenes Sätzchen peschlos- Ben, diis schon nach Grieshabers Bemerkung -i) aus kirchli- cliem Gebrauch gekommen, und gleichfalls nicht sum ältesten Bestand gehört. — Eine noch freiere, aber für sich stehende Behandlung des zweiten Theils, den ich nach den oben (p. C8 N. 3) angegebenen Gründen für sich hingestellt habe, zeigt die Lichtenthaler Osterfeier (bei Mone I, 20, 21) mit ihren vorgeschickten Variationen der Befragung Magdalena's.
Die engen Beziehungen des geistlichen Spiels zum Kir- chengesang und geistlichen Liede sind von den ältesten Zei- ten an ^) unverkennbar. Uebertragung lateinischer Hymnen in deutsche Gesänge, wie sie gegen Ende des MA. häu- figer werden , stossen uns ziemHch zahlreich 4) im Insbru- cker Assumtionsspiel (bei Mone Altd. Schausp.) und im Nie- derhessiscben Weihnachtspiel, vereinzelt auch sonst im älte- ren geistlichen Spiel auf ^). Seit der Reformation ist dem protestantischen Weihnachtspiel das Luthersche Kirchenlied unentbehrlicher Apparat: auch die katholischen Behandlungen neigen mehr und mehr zur Liedform, wie die aus Schlesien, Steier und Kärnten von Weinhold und Lexer gesammelten
1) Bez. des ersten Satzes von A verweise ich anf die von Du Meril p. 104 N. 1 gegebenen Notizen aus gallikanischen Hss., ohne dass ich entschieden für die Verwerfung dieses Eingangs wäre. — Das in B eingeklammerte fohlt theils in alten Denkmälern (dem St. Galler und dem Inshrucker Osterspiel, die beide ins XIV. Jahrh. ge- hören) theils ist es aus innern Gründen sehr verdächtig. (Namentlich gehört das Finden der Leinen im Grabe nicht der Maria von Magda- lena, sondern den Aposteln: es ist ein Motiv, das aus dem Jünger- wettlauf, wie ihn z. B. der lat. Text bei Mone I, 9 oben vorführt, in unser Ritual eingedrungen.
2) Vergl. dessen Schrift über die Ostersequenz p. IC. Derselbe schreibt in dem voraufgehenden Sätzchen: in Galilaeam, wofür das durch den Reim geforderte in Galilaea, das sich auch im Reichenauer Text bei Mone I, p. 22 findet, von mir vorgezogen ist
3) Ich erinnere an das »Ilostis Ilerodcs impie' im Freisinger Ordo Racheiis und an die lat. Hymnen der ältesten Osterspieltradition.
4) Vergl. a. a. O. p. 32, 35, 42, 89.
5) Die Marienklagen, freie Variationen lateinischer Marienhymnen für dramatischen Gebrauch, gehören fast ebenso ?< lir flnn Gobirt dos Kir<;henliedes als dem des geistl. Spiels an.
Cap. VIU, S 3.
Stficke zeigen. — Im Passionsspiel gewinnt das lyrische Ele- meat. wie ee schon früher rielfach sich hervordrängte, end- m ezegesirendeu Chor des Animergauer Textes • Stellung.
r ganze Entwicklungsgang des geistlichen Spiels iiat mit dem des Kirchenliedes viel Aehnlichkeit. Mit dem Auf-
konmen der '•••'• -•' he dort | - -• n auch hier die
ersten Verdti. \i dem 1' ;.^en volkstümli-
L-ber Richtung dort xu Knde des MA. und im XVI. Jahrb. *• h bald das deutsche Kir. ' '^^ o Tolkstüm-
.tezeit, und erhalt sich ii; iheit bis et-
/ar Mitte des XVII. Jahrb., während das geistliche Spiel äcnon etwas früher ^ . ' ' issen und di' : werden an-
fangt. Nach der vn; asirten Oerii . utig, welche
das Torige Jahrhundert beiden üattuiigen des Cultus gegen- über aomluii, bat man in unserer Zeit nicht nur den Kir- rhangwiiig wieder za beben unternommen , sondern auch den Kesten geistlicher Spielweise wieder tbeilnehmcnde Beachtung gaacbeakt.
Was die Stellung dM geistlichen Spieles zur Predigt be- trifFt , welch« gevistermMsen das andere, die Thätigkeit der Gemeinde am wenigsten beanspruchende >) Ziel des christli- chen Cultas istf (zwischen welchen sich dos Kirchenlied in der Mitte bewegt) — so fehlt es auch hier nicht an Verglei- chungapvBCtMi bes. der ganzen Kntwickelung , noch an Be- räbnmgea in Einzelheiten. Dahin rechne ich ausser jenen den geistlichen Spiel hier und da eingelegten Sermonen 3), namentlich anch jene exegeeirenden Prologe ') and Epilc^e,
*) Qmm lettea vn et bekaanthch, dtus auch Iak-q (wie <].■ ^•r Slwdwbsiter i» Wtrtwbfg) si^ der I*rr<!it:t nmiehmen, w. k'. k< » fir 4as gcridl. Spiel A«r Sekwerpwaei fr«rs(l> I>ftrft«Uanfr darch
TolkMkrtlU Ikft.
t) Yenrl- dt* Reden Chricti im AbMder Spiel bei lUapt III, (^ t , die Prcdift de« SMsrdes iai SloelÜMtaser Tlisopkaiui (mL HoAbuui T 648 t), die Pradiflea Am Apostel te inbrweker Aammpikmmfki (AM SehMsp. p. a» f.).
^ PisseJiri dMltteli fa4 der veet Praedieüor gesproekeM» frei- lidk aieki «Mkr sa Aaiuige der Brnrnnüim stekende, Prolog dos Ase.-8piolso (A1I4. 8ekaoq> • ^ '' — ?).
290 Cap. VIII, § 3.
in welchen noch directer, als es im Spiel selbst möglich war, eine moralische Wirkung auf die Zuschauer versucht wurde. So fehlt es denn auch neben jenen zahllosen Uebergängen geistlichen Spieles zum Kirchenliede nicht ganz an Beispielen dramatischer Predigten i) und wenn diese auch mehr der Verfallzeit des geistlichen Spiels angehören mögen, so besi- tzen wir dagegen aus guter und alter Zeit ein merkwürdiges Beispiel für die Anwendung einer dramatischen Festfeier zu solchem Zweck, dem heutzutage nur noch eine Predigt genü- gen würde. Bekanntlich sollte jenes Eisenacher Zehnjung- frauenspiel, das wir unserem Mühlhäusertext gleichsetzen, dem Ablassfest der Predigermönche, welche auch die Aufführung besorgt zu haben scheinen, zur populären Interpretation die- nen. Wir finden hier zum Glück noch nichts von jener ro- hen Casuistik späterer Ablasskrämer, nur energischen Hin- weis auf den rechtzeitigen Gebrauch kirchlicher Gnadenmit- lel 2), so lange dem Sünder noch die Umkehr gestattet sei- Während das geistliche Spiel den anderen Cultusformen ge- genüber off"eubar als die freieste sich ausweist 3), nimmt das- selbe der geistlichen Lesedichtung gegenüber vielfach die Würde strengerer Auff'assung in Anspruch. Allerdings ver- schuldete die spielweise Darstellung des erhabenen Stoffs man- ches Hinabziehen desselben ins Populäre und Vulgäre; auf der anderen Seite blieb hier jene Willkür poetischer Aus- schmückung, welche die epischen Behandlungen des Lebens
den Prolog des Job. Evangel. zur Bordesholmer Klage, den ersten und zweiten Prolog des Alsfelder Spieles, den von St. Gregor ge- spiochnen Prolog des Spieles vom jüngsten Tag bei Mone I, 274 fg. auch die Zwischenreden des h. Augustin bei Mone I, 72 fg.
I) Vergl. oben p. 61, p 120.
^) Diese selbst (die sog. Seelgerätc , zu denen auch der Ablass zu rechnen ist) werden in dem Spiel keineswegs herabgesetzt, und die Spielleiter haben so wenig an plumpe Geldschneiderei gedacht (was der erste Hersg. Stephan ihnen vorrückt) als sie dem reineren katho- lischen Dogma (wonach der Ablass nicht die Reue erspart, sondern nur zur völligen Genugthuung empfohlen wird) irgend zu nahe treten, wie man andererseits im protestantischen Uebereifer gefunden hat
3) Man beachte dagegen auch den zum Schluss dieses Absatzes gestellten Satz.
Cap. VUI, § 3. 1>91
Christi, Manas, und der Heil- ■ ~ nug aufweisen •), fast uü- erbürt, and zu Ende des Mi: ^ konnte das zuschauende
Volk aas den mehrtägigen Spielaufführungen sich mehr bibli- •cbes Christenthum entnehmen , als aus dem ganzen übrigen rtoiach-katholischen Cultus 3).
Zur Lrrik and Epik der höfischen Dichter hat das geilÜiche Spiel nur ausnahmst' Stellung. Dahin
gdifiren, wenn mau nicht ganz 1 , > gezwungen her-
betziehn will 3), fast nur die Minneliedchen Magdalena's im Ben.-Beurer- Tegernsecr-Osterspiel, die Ikuchstücke aus Muri, etwa noch die sauber gereimten St Galler Denkmale aus dem XIV. Jahrb. bei Hone. Am wichtigsten war die Uebernahnie der karten Reimpaare aus der höfischen Dichtung: vielleicht ward auch hierdurch die epische Breite so mancher Spiele des spateren MA. mit verschuldet. Zu den volkstümlichen Dich- taugen bietet das geistliche Spiel dort namentlich Beziehun- gen dar, wo es sich freier in Nachbildung des wirklichen Le- bens oder der Geisterwelt, wie sie im Volksbewusstsein sich gestaltet hatte, ergeht: also in den komisch-naiven Scenen, und den Teufeboenen. Dort wird man oft an die Derbheiten
Man denke namenUich »o die völlig anlxfan^Hiif Ik-uutzuu^ tlcr JkpokrjrplMa wid aller : ' ° n Sagenttoflft^ in den ^liBtlich-cpi- •ekea Diektwigea toid XII - Jnhrh — Auch v<rKU-i> )ii' niuii
die ■ewehweifenda Pbantaai« jenrr n hrt , die jüiiKMt
von Roffmann (Geras. XV, 861 fg.) ti ^ ^ in fatt nur üaii
Hohrhrd zur .\ unsdiinfickaog verwendcAden Inibrucker AsaumtioDt- «pieL Und doch waren geradi^ r '.rnrifahrtnpicic noch am niei-
■ton rAaüadi gcf&rbi in ihrer u » II<K-h«u*lluii(r Maria's: bei
■»drer Odcfenhcii (t. B. im Z< ior nötige
Aftückluu aa den btbliaebea 1< k'«wordene
Ma; ind Mit Reckt hat aicli der Markgraf von TbünnKm bei
der L^''„»KiM«T Avfffthnuig drob rerwvndert, daae hier eine Fürbitte Maha'e frncktloa bMbe — kaum vertrag •ick da« noek mit katkoli- loinm (jlanben.
<) Ali die Belbrmetloa des N. T. ealbrt dem Volke frefeti«n, we- rae dieae dmmetitek«'n SteAnitikaiJaefen wieder bedveteam, und er- ■cki— en mw oft ela TrttkeefM dee faurterwi Sekriftworte.
*) Kaek Waekcev^rela Aarickt (liL-Geaek. p. 808) mOmte man fteiliek den Wartburgkn«g lund Lobengrin aic NacbbUdangen unl <l^faeetliil< geicUirber bfmi» aeaaken!
292 Oap« VIU, g 8.
der Volksbücher >) , hier etwa an die Schelmereien Reincke's erinnert. Doch auch auf höherem Gebiet, namentlich in der Tflcge der Weihnachtspielweise zeigt sich echt und edelvolks- tümlicher Character, und die Aneignung der christlichen Idee hat hier auch Einflechtung naiv-weltlicher Züge wenig Trü- bung erfahren. Weltliche Ifirtenlieder stehen hier oft unan- stüHsig dem geistlichen Gesang zur Seite, und selbst die Ver- irrung des Weihnachtspiels zum familiären Kinderbescherungs- spiel oder zum Sterndrehertum zeigt die poj)uläre Bedeutung, welche gerade das Weihnachtsfest vor andern christlichen Fe- sten im Abendlande sich errungen hatte.
Jene zunftmässig populäre Behandlung, die man auf ly- rischem Gebiet als Meistergesang zu bezeichnen pflegt, begeg- net uns wieder im geistl. Spielfelde: hier konnten sich die Meistersinger an kirchliche Tradition noch sicherer anlehnen, wie sie sich auf lyrischem Gebiet an die Ausläufer der höfi- schen Minnedichtung zu schliessen suchten. Das vorzugsweise auf die äussere Technik gerichtete Streben dieser bürgerlichen Meistersinger erschwert eine unbefangene Würdigung ihrer Ver- dienste 2): bei ihren etwas mühsam zu lesenden Liedern geht uns die Kenntniss ihrer musikalischen Vortragsweise — und bei ih- ren dramatischen Versuchen ^) genauere Einsicht in die sceni-
1) Weit femer liegen die meist für den jungen bürgerlichen Ele- gant gpschriebnen Vasnachtspiele.
5) Neuerdings hat Godeke in der Vorrede seiner jgeistlichcn und weltlichen Lieder' des Hans Sachs einer höheren Wertschätzung dieser und anderer Meistergesänge das Wort geredet
') Dahin gehören ausser den von Schreiber (in Mone's Badischem Archiv II, 208) erwähnten Freiburger Singer-Aufführungen wol auch jene beiden zu Augsburg (wo sich eine Singerschule befand) im XV. Jahrh. agirten Legendenspiele von St Georg und von der Auffindung des h. Kreuzes. — H. Sachs legte in seinen biblischen Tragödien (z. B. in seinem Spiel von der Empfangniss u. Geburt Joh. und Christi) allerdings weniger Gewicht auf scenische Wirkung — dagegen sind die von Schrfier über die sorgsam-accurate Einübung und Aufführung des Oberuferer Weihnachtspieltextes durch die zu einer temporären Zunft vereinigten, so lange an mancherlei Regeln und Satzungen ge- bundnen ,Singer' wol zu beachten. Am deutlichsten erhellt dieser zunftmässige Character aus den von Schröer p. 204 fg. mitgctfaeilten Fragen zu dem Ilerabsingen.
Cap. Vm, % 3. 298
sehen Krfolge ab , welche sie erstrebten nnd vielleicht erreich- ten. — Unbed* ' irf man dagegen die golehrteu Behand- lungen geistlicLv. r^^t^^ sofern sie sich nicht auf blosse Ordnung und Siel g der populären Spielweise be- schränkten, sondern mit klügelndem Witz und gemachter Km- pHndung höher hinanfstrebten , zu den Verirrungen rechnen, um so mehr, als diese Producte nach Seite der dramatischen Technik hin eben so dürftig erscheinen als an poetischem Ge- halt.
Zum SchlusB dieser kurzen Umschau nach den verschiede- nen Einflüssen und Beziehungen, denen das geistl. Spiel un- terlag, sei noc! -■ kgreifend erwähnt, dass auch für den im vorigen §1» kunstgeschichtlichen Standpunct jene
Anfange unserer modernen Dramatik, mögen sie noch so sehr akBohbeiten und nnfni '' klungsphasen verredet wetd* n.
imner historisch berecl t um so bedeutender seh« um n
roäsMQ, als sich auch sonst bei Hellenen und Indern, das Drama dem Cultus so nahe vorpflic) t. Der in § I h>' '••
vnlkHtumliche Character wi. atlicher hervortr. i-
ncn, wenn uns eine Vergleichung mit den ausländischen Spiel- weiMB gestattet wäre, die auf alle Besonderheiten der Far- beDgebmg aod Gruppirung zu achten hätte. So viel sei hier noch erwähnt, das« dem geistlichen Spiel fast bis auf den beatigen Tag jene eigentümlich judenfeindliche Stimmung des christl. MA. eignet: jene Ansicht, doss weitaus die meiste Schuld am Tode Christi das Judenvolk trage, geringere das Römerrolk, deeeeo Bepriseotantcn in einem uns oft auffallend Btkiea Lieh*'- -^»"heiDeo *). Die Juden dagegen treten ent- weder in k komncbem Gebahren *) auf, oder sie müs-
I; So wird der (blindr) Ix>oginiu ra «tnem lieiligen uot«r dorn Krcaxe : PiUtoa rrackcint ftberall nit der Wftrde recbtm&Miger Obrig- krtl, und Cut so •!• wenn nnr flberin^oMe Pfltcht«trenge ihn wider Wiüco sar Vrnirthrtlsnff Cbrttti f&hre. Im alt«n Text der Amnipr- gwifr t*B**i«n (vrrsl- CUnts p. 66) betheaeft Pilstat Min Mitlrid fil>rr d«n Tod ( hruii, und uui«rr«d*t sieh lisraaeh (vtrgl. p. 6G) mit Lon- fiMM «ad JaMph ab Arial, iber das Bsgiftbai«.
*) A— «r der oft besproehas» Zeh>ii««t des ArdÜBvnuriKr im H«-n Bmnwr Weiha.-Spiel tsi hier nanwmtliicb noch Mf df ka &m Tn^UniK OHenpWi hingewi-en (v«iL IM Mmi j.. Mt6
204 Cap. VITI, § 3.
sen sich einer auf ihre Beschämung oder ßekehmng gerichte- ter Spieltendenz geduldig unterwerfen '). Doch braucht man nicht perade über religiöse Intoleranz sich nun zu ereifern: ein kräftig entwickeltes Nationalgi'fülil ging dem Deutschen zuerst gegenüber der orientalischen Gesellschaft anf.
Die Beziehungen des geistl. Spiels zu andern Zweigen der älteren christlichen Kunst, namentlich zur Malerei und Sculp- tor, sind von Frühereu schon in ihrer anziehenden Wichtig- keit erkannt worden 2) : ernstere Opern und Oratorien aber lassen noch am klarsten jene Wirkungen nachempfinden , wie sie einst das geistliche Spiel auf ein religiös empfängliches, dabei nichts weniger als bigottes Publicum ausübte.
') Streit der Synagoge und Ecclesia , die mit Ueberwiudung oder Bekehrung der ersteren endet, findet sich vom Tegeniaeer Antichrist- spiel an bis zum FVankfurter Osterspiel oft genug : im Dooaueschinger Spiel sind ok die Königinnen Judaea (Jüdisch kleidet ,die bat ein venly in der hand , ist gel mit eim schwartzen abgot' u. s. w.) und Christiana (,hat ein rot klein venly mit einem guldin crucz in der hant'', die sich feindlich begegnen.
2) So von Mone (Altd. Schausp. p. 16), Gervinus und Holland: Namentlich mit der Sculptur des christlichen Mittelalters stehen die Spielcompositionen in Wahlverwandschaft : jenes Nebeneinander un- zähliger Figuren, die sich um einen Mittclpunct vielfach gruppiren, ist unseren alten Altarschreinen mit den synoptischen Spielen völlig gemein. Bekanntlich geht noch jetzt in Ammergau die Bildschnitzerei mit der Spielübung Hand in Hand. Auch die Malerei steht mit ihrer naiv-sinnlichen Darstellung des heiligen Stoffes der Spielweise nicht fern: Dürer's Holzschnitte hat man neuerdings oft mit unsern Pas- sionsspielen verglichen, und auch an ausländische Meister wird man erinnert, z. B. wenn jene humoristische Behandlung der Gärtnerscene uns im ,J6sns Christ comme jardinier* Rafaels wieder begegnet.
Cap. IX.
Die geistlichen Spiele als Sprachdenkmäler.
Nachdem wir die geistlichen Spiele so ron Terschiedenen Seiten ber beleuchtet, erübrigt es noch in K&rze ihre spracb- licb-metriaehe Seite in Anechlag la bringen. Doch liegt es nicbt im Plan dieeer Arbeit, anf spracblicbe oder metrische UatenaefaaiigeB naher einrateeteD: nur eine T' ' ' •her das bwher Bueh dieeer Seite hin En Schein gjaiKdier Gleichgültigkeit gegen die philologische Seite «hvahrea. War tbeilea antere Denkmäler, soweit sie noch deai MA. angdiören, spradiKdi ia lateinische, ober-, mittel- and endlich nord- oder nieder-dentsche ') ein.
Zn den lateinischen Denkmälern gehören znnächst jeoe beiden Freisinger, in Cap. I, § 2 besprochnen Stöcke, die wir kaom höber als io's XII. Jahrb. hinaufriicken mögen, wf na^aiih ihr Aoffinder (A. Schmeller) an ein höheres Alter dachte. — Gleichfalls dem XII. Jahrb. gehört jene Einnadler Orterüner bei Mooe I, 10 f. — während die verwandteti ebea- dort p. 15 f., p. 19 f., p. 22, p. 2S t sowie das bei Da M^ ril p. ^9 mitgetheilte Kloster-Nenborger Denkmal der folgen- den Zeit (bis nunEade des XIV. Jahrb.) angehören. — Dem Aa&Bge des XIII. Jahrb. weissen wir jene siklbairiscfaen An- lage -ejraoptiscber Behandlang des Weihnacht- nad Oster- ipislas sa, die teboa zum Tboil ein interpretationsweiees Ein- driafta deaticber Sprache seigen, während der Tegemseer AatMltfiHMw (wol aadi aas dem Anf. des Xia Jahrh.) aoc^ linmlili das Isteinisdie Gewand trägt
»( tHtt. •; ;rr<l j j;. cjtr »irkii.hr HcifllUlt *i»« Stick«« Iwi dcf
296 Cap. IX.
In formeller Hinhiclil -.mil *lit: 1 i« i-.iii-. i bLiilvuiiilcr noch etwas roh und ungefüge, doch oft von treffend-gedrungenem Ausdruck, und beachtenswert wegen eines fast willkührlichen Wechsels der leoninischen Metren mit den kurzen viermal ge- hobnen licimpaiiren '). Neben solcher archaistischen Technik steht einfacher Anschluss an die Yulgata und Kircheuhymnen in den Osternachtfeiern, aber auch freie Uebung und Gewand- hoit gereimter lat. Strophen im Hen.-Beurer Ludus und dem Antichristspiel. —
Von den in hoch- oder oberdeutscher Mundart ver- lassten Stücken 2) fasse ich zunächst die dem schwäbisch- allemannischen (iebiet zufallenden in's Auge. Ziemlich nahe, wenn auch eben nicht ohne dialectische Kigenheiten, der mhd. Schriftsprache stehend, wird die Lichtenthaler Marien- Klage 3), und das Osterspielfragment aus Muri heissen dür- fen *): beide dem XIII. Jahrh. angehörig. Daran schliessen sich, wol aus dem Anfang des XIV. Jahrh. jene beiden, in einer gewissen Sauberkeit des sprachlichen und Reim-Aus- drucks stehenden St. Galler Spiele 5) ; denen eine Marienklage, sowie ein Ascensionsspiel aus späterer Zeit fXV. Jahrh.), weil gleichfalls in St, Gallen gefunden 6), sich anreihen. — Schwei- zerische Herkunft zeigen ferner das Spiel vom jüngsten Tage aus Rheinau (bei Schaffhausen) vom Jahr 1 167, und das Lu- zerner Grablegungsspiel von 1494 ') : am offensten aber tritt
• ) Wo man natürlich verschiedenes Alter der Reccnsionen anneh- men muss. Einen ganz ähnlichen Wechsel bez. der Versform zeigt jenes von Leo gefundene , von Grimm (Vorr. zu den lat. Ged. p. XLV fg.) wieder mitgetheilte Fragment eines lat. Gregorius.
3) Das der Spielordnung noch bis zu Ende des MA. meist zuste- hende Latein wird hier nicht in Anschlag gebracht.
3) Bei Mone I, p. 31 fg.
4) Gernian. VIII, p. 272 fg. Auf die kunstvolle Behandlung des Reims in diesen BrucliPtückm wios pchoii Wackf-niapcl (I-it ';--<•'- p. 310 N. 87) hin.
ä) Bei Mone I als Lciicn Jesu und Kindheit Jesu.
**) Erstere bei Mone I, 199 (nebst einem Fragment aus Engelbcrg), letzteres p. 254 fg.
^) Ersteres bei Mone I, 273 fg., letzteres II, 131 fg. Aus dem- selben Jahr und demselben Ort wie dies letztere ist eine M.-Klage bei M'no I, 202 fg. Ausserdem vergleiche Weller in seinem Buche ,Da8
r«p. IX. 297
ein markirter Schweizer- Dialect zu Tapp in dem Luzernor Nenjahrsspiei (bei Niooe II, 328), das seinem Inlmlt nach freilich den Vasnacht^ielen suzurecbnen ist. — Zu den süd- deatach'JÜlemanuiscben Denkmälern gehört namentlich das ««ttliaftife Donaueschinger Fassions - Osterspiel > ) aus dem XV. Jahrb., denen sieb zwei Augsburger Legendenspiele ') Mis etwa derselben Zeit anreihen.
Einen etwas anderen Character als diese schwäbischen Stfioke idgeii die dem südöstlichen Deutschland, nament- lich Tirol anp' .bei denen nun freilich die Frage, wo ihre ursprünglK... ;;.miat zu suchen, bedeutend an Uewicht gewinnt. Für die drei wertvollen, einer Insbrucker Hs. von 1391 entnommenen Denkmäler 3) will Mone thüringische Hei- mat feetbalteo, und die Orthographie weist allerdings nach der bohnuecben (iränze. — Deutlicher noch ist die fremde Herkunft der von Pichler publicirten *) Tiroler Stücke aus dem Ende des XV. Jahrhunderts, die sich urkundlich von BMern (Ii^lstadt) herleiten : die hier enthaltenen Osterspiele ttehen dem Insbrucker ziemlich nahe, näher noch dem gleich sn beqirecheiideD Wienw Denkmal. Auf dem Wege dahin begegnet out ans KreamiftiMter ein Dorotheenspiel , das viel- leicht «ua der Laasitz entlehnt ward >). Da« Ton W. Wacker* ••gel und H. Hoffmaon pablidrte Wiener Osterspiel ist neuere dinffs für Schlesien io Ansproeh genommen <>): und so würde
a)t< ^ er Sckweis* gvlegentlich luitL'i'diciltt^^ii rr<>I>fii
geitiltcher hpiele meiit mw dem XVI. Jahr))
1. 1... \i..,^ 11^ 188 tg^ _ 1,1, eigentluh, II,, i i»' l«r jedem eituelnen Denkmal S|irach)»
ti' . rhew, wikread noch Mntfur (»u bn
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») in lüni >r AaMrteouB miUb«iH«, dki 8: Im XIY. Jdirb., w4brend dir AuflUh- rwif de* IlorotbMiwpteb s« Bsaina crti 14! ' *
*) V«e^ Peter'e Troffmtr ftoftuam > ^ feiten)
KaehweiM ftgelNm timä.
298 Cap. IX.
die auch aus innern Gründen sich darbietende Ansicht ') er- leichtert, dasB einer gemeinsamen mitteldeutschen Vorlage das Wiener Spiel noch treuer geblieben, als das früher auf- geschriebene Insbrucker.
Von den populären Spielen späterer Zeit gehören in dies Gebiet: die aus Kärnten und Steier von Wienhold -) und Lexer S), von Schröer und Schuller aus Deutsch-Ungarn ge- sammellen Weihnachtspiele (letztere nach Salzburg etwa zu- rückweisend); ferner die Pflege des Passions-Osterapiels im bairischen Hochlande, vorzüglich zu Ober-Ammergau.
Zu den mitteldeutschen Denkmälern würden also, wenn die oben ausgesprochne Vermutung über das Insbrucker und Wiener Osterspiel richtig, bereits einige in oberdeutschen Hss. erhaltne Denkmäler zählen. Sicher nach Thüringen ge- hören das Mühlhäuser Zehnjungfrauenspiel und das St. Ka- tharinenspiel aus demselben Orte, beide aus dem XIV. Jahr- hundert *), aus späterer Zeit (XV. Jahrh.) das Juttenspiel 5). An der Nordgrenze Mittel- Deutschlands begegnet uns die Zerb- ster Procession , während der oberhessische Text des Zehn- jungfrauenspiels 6) uns in's Hessische hinüberleitet, wo einer- seits das niederhessische Weihn.-Spiel bereits an den Dialect Niederdeutschlands nahe herantritt, während andrerseits die aus Alsfeld und Friedberg herrührenden Pussionsspiele uns nach Mainfranken (Frankfurt a. M.) hinüberführen, und von dort bis an den Neckar ") und an die schwäbische Grenze ^) noch einige Denkmäler vorrücken. Während Mittelfranken im MA. für das geistliche Spiel ziemlich todt liegt, und nur
') Vergl. oben Cap. II, § 4 zu Anfang.
2) Weihn.-Spiele p. 79—104, p. 133 fg.
3) Im Anhang zum Kärntischen Wörterbuche.
*) Vergl. über ersteres den reichhaltigen Aufsatz von. Reinh. Bechstein im XI. Bande der Germania.
S) Ausser in Gottscheds Not. Vorrat auch bei Keller Fasinachtsp. II, p. 200 fg. mitgetheilt.
•) Mitgetheilt von Rieger Germ. X.
^) In Heidelberg befindet sich bekanntlich ein Passions-Oster- spiel, wovon Gervinus vorläufige Kunde ^b.
8) Das Künzlauer Fronleichnamspiel gehört nach dem Hersgb. (Herm. Werner Germ. IV, p. 54 fg.) dem Würtcmbergischou Frau- ken an.
rtLr^. IX. 299
dfts Vasnaciitspiei in Nurnocrg lionn , tritt auch hier, na- meDtlich eben in Nürnberg durch H. Sachs um die Mitte des XVI. Jahrb. geistliche Spielpflege auf, die sich im XVII. Jahrb. in Job. KUys H -.gen fortsetzt. — Endlich fin-
den wir östlich gehen . die böhmische Grenze >) jenes
mehrtägige geistL Spiel aus Eger 2), und aus spaterer Zeit himgnet die populäre Weibn.-Spielpflege im Erzgebirge und das ZnekniantJer Paasionsspiel in Österreich. Schlesien.
Von dieser umfangreichen mitteldeutschen Gruppe geben wir zur niederdeutschen über, die sich weniger durch Zahl all Terhältnissmassige Gediegenheit auszeichnen. Wir geben von Trier aas, woher die von Hoffmann Fundgr. II, 359 fg., edirte Marienklage stammt, deren Text noch über- wiegend hochdeutsch ist 3). Rein niederdeutsch erscheint da- gegen der Trierer Theophilus, ebenso der Helmstiülter Text und die beiden Ton Schünemann aus Wolfenbüttel mitgetheil- ten Stöcke *). Jenseit der Elbe stossen wir zu Bordesholm auf eine wertvolle Marienklage, und in diesen nordalbingi- scheo Laoden mag auch die Stockholmer Hs. des Theophilus geschrieben sein. Endlich scbliesst sich noch aus Meklenbui^ staauDend (wenn auch in Karlsruhe aafgefunden; das Reden- tiaer Osierspiel an, von freiheb sehr zweifelhafter, doch wo! in Mitteldeutschland zu suchender Urheimat ^) , aber durch ei-
I) Am Böhmen tind »ach Ott«r«| ( zechischer Sprühe
bekannt gr worden, vcrft Fundier. 11, 8:>.
jethetU von Bartocb (ierm. III. p. 267 fg. ^.v Stigoagm wnm Kirdcrdeutccbcn «ind vom Hrg. »ogKr faas beMttigt.
<) Stodeniall and MMieoklHr«-
*) 3fooe verwte« nicht gnnx ohne ('ni'!«) «uf <l«i) Niederrhein (verfl. SchsMp dtt MA. D. 6 ob«n), wü' mällcr, K. Schr6drr
(im XIV. Btad« 4«r Oemania, wo wert> ^bbemerkungen Ober
diM DfAksnl ntodergelagi «ind) and K. NeiiK«r (Orunm. d«r mekleob. Mvadan p. S) an AbfiMMag in Mekksbarg denken. Zo leugnen tat aber nickt, dam diss Utintimtm 8UMi in der Behandlong der Tea-
•Ubt — Am sylUffif ZsÜ Mid
■ocfc die ad. BiiiSMeSMa ia der Berlin« ^amm Komödie', sowis der aiedenrlMiaiMhe DteJeci dM BaertticM i» Beta'« Mittheihiagea p. «0 n beaehim. — Aaweadaag von Volkamondarien für die geriagerra ■oltea, wikfesd die böheraa aUk der Sehriftsprache bedienen, ui ia aOsB dransliseheo Litentena wol bdkaaal»
300 Tap IX.
gentümlich-kräftißc Rcharulliitig dorn niederdeutschen Sprach- gebiet vollkommen angeeignet. Alle diese lul. Denkmäler ge- hören dem XV. Jahrh. an.
Die Anfänge unseres geistl. Spieles liegen in den bairi- schen Alpen und Allemannien , doch scheint sich schon frühe auch Sachsen und Thüringen selbstständig angeschlossen zu haben, und von hier aus wieder nach dem südöstliehen Deutschland ein Uückfichlag geübt zu sein. Später treten die fränkisch-hessischen Lande und Niederdeutschland in nachah- mender, aber oft originell aneignender Weise hinzu. — Auch innerhalb eines kleineren Gebiets, so in der Schweiz, bleibt die Spielpflege nicht allzulange stetig: während St. Gallen in früherer Zeit ihr Hauptsitz zu sein scheint, treten im XVI. Jahrh, Rasel, Bern, Zürich — vor Allem Luzern mit seiner populären Spielweisc in den Vordergrund, während die drei vorgenannten Orte halb- gelehrter Behandlung zupfiichten. Uebrigens hat die Schweiz und das deutsche Schwaben immer am wenigsten komische Elemente in die Spielweise aufgenom- men, welche dagegen in den bairisch- österreichischen Lan- den üppig aufschiessen '), denen sich das niederdeutsche Ge- biet mit geringerer Possenhaftigkeit , aber noch grösserer Derbheit zur Seite stellt. Zwischen diesen Extremen (denn etwas nüchtern erscheint nicht selten die ehrbare Schwaben- weise) halten die mitteldeutschen Denkmäler im Ganzen eine nicht unglückliche Mitte : natürlich darf man überall die Grenzen nicht allzuschart ziehen 2).
Um noch in aller Kürze die metrischen Verhältnisse zu berühren , so dringt im XIII. Jahrh. der Gebrauch der kur- zen Reimpaare in's geistliche Spielgebiet, und behauptet sich, wenn auch selten in sorgfältig-reinlicher Ausübung, in den literarischen Denkmälern sicher bis in die Mitte des XVII. Jahrb. hinein: dann macht der Alexandriner seine Ansprüche
I) Bekanntlich verhält es sich ähnlich auch auf andern Literatur- gebieten mit diesen hier angedeuteten Unterschieden der Landschaf- ten, vergl. Gervinus (5. A.) I, p. 524.
*) So sind der jetzigen Ammergauer Spielweise, die ja in's bairi- schc Gebiet fällt, burleske Züge meines Wissens durchaus fremd : aber auch nur dadurch hat sie sich im vorigen Jahrhundert, wo so vielen bairischen Orten das Aufiuhnuigsrecht entzogen ward, gefristet.
Cip. IX. 801
geltend i), and schliesslich dringt selbst die Prosa (in den jüngsten Ober-Amnoergauer Recensionen) ein. — Dagegen er- hielt sich die Pflege kurzer Reimpaare in den ganz volkstüm- lichen Ungerschen und Kärntischen Stücken his auf unsere Tagei>
Die geringe Sorgfalt bez. des Metrischen , welche die meisten Denkmäler zeigen, die sehr häufigen Ueberarboitun- gen der Texte und die oft wol anzunehmenden Mundarts- BuacbaDgen würden die kritische Betrachtung des ganzen Ge- biets ODgeaMin erschweren , wenn sich nicht durch Beachtung de« inoem Entwicklungsganges — und wir haben hier den unschätzbaren Vorteil, die Ausgangspunkte überall mit Si- cherheit im kirchlichen Cultus, in der Schrift oder Legende nachweiaeo zo können — eine ziemlich sichere Methode ge- winnen lieaee. Im Einzelnen aber mag noch Manches durch genauere Beachtung des Sprachlichen, namentlich Mundartli- chen näher bestimmt werden können.
»er findet sich > Zacknuiotler PiMnonapiel bei Pe-
tri undgr. II, p. 16 uoten — Itf, tonst s- B. in den Mittbeilungen
u -
*J Ver;gi. aiv inu*rc«nntcn Mittiniiungen öcuroeri uner ut-n ^«t«- Yortrif des Obemferer Texte«, in <)«>n VM^n ca tt. fl4, 89, 90, 9«, 104 de* OberaÜBrer Spiels. ~ Ton i: mm Lesers
Mittbeifauigea (p. 282) mir bemer. _ tifslehrten;
Schrift: Dotcrricbt; wiasen: Mesaiwen; hAren: werden. — DitkI. kann als arcbeistiicbe Technik feiten, aber weaa der Trabant Bes. Edel- pöck V. S87, 88 aeioer WethB.*KoeiAdie Ar (bonoe) »af vater reiat, ao b< Vfrakttoat aof.
Register.
(AlphabatUob geordoet o»ob dan Nmdsb dar H«r»cuf«b«r dar «iiueiiiaa 8M«k«.)
Seil«. Bartsch: Kin geistl. Spiel aus dem XV. Jaiirh. ((ieriii. III.) 173 fg.
Das älteste deutsche Passionsspiel, ((ierm. VIII.) 87 „
L. Bechstein: Das grosse tiiüring. Mysterium oder daa geistl.
Spiel von den 10 Jungfrauen 153 „
Du Meril : Mystere de l'Adoration des Mages (Orig. lat. du
theätre mod. p. 156) ü „
Rachel (Orig. lat. p. 171 fg.) H „
EttmüUer : Dat spil van der Upstandinge cf, Mone (De reeur- rectionc.) Theophilus cf. HoiTmann von Fallersleben.
Fichard : ürdo sive registrum passionis etc. (Frankfurter
Archiv III, p. 137 f.) . K»;» .,
Friedländer: Eine kurze Comedien von der tieburt de«
Herrn ChristL 55 .,
Ein kurz Spiel von der Geburt des Herrn Christi durch H. Chnustinum ^0 „
Gervinus : (Ueber ein Heidelberger Spiel, Gesch. der D. Dicht.
II, 331.) 119
Gottsched (Nötiger Vorr.): Spiel von Frau Jutten, siehe Keller.
Greiff (Genn. I.): Spiel von St. Jörgen, siehe Keller.
Hofiinann von Fallersleben : Christi Leiden (Fundgr. II.) . . 82 „
Marienklage (ibid.) . . . . 72, 77 „
Dorothea (ibid.) 160
Osterspiel (ibid.) 95 „
Theophilus(Hannover 1853,1854) 161 „
Keller (Fatsnachtsp. II, p. 900) : Spiel von Fraa Jutten. . . 161 (Fastnachtsp. Nachlese : Spiel von St Jörgen. . . . 165 (ibid.): Heil. Kreuzspiel 166
Kot:i^ler. 806
Kuri r< >e«terr«ich o. Albr. lY.) Oalarfeier mu KkMt«r Keaborg. 67
WeihnachUpiele a. Kirnten (Anh. x. kirnt. Wört^rb.). 48 fg.
üotif (Ahd. Scb«utp.): Himmelfahrt Maria«- 134
Aufemtehong Christi 98
; ronleichnam Christ i 1 39
(Schausp. tl. .M.\ i O.t. rf<iem (!-:■ 06 ..
.M.ir.< liklage. . . 7G
Leben Jesu. . 89 „
Kindheit Jean. . 25 ..
Christi Himmelfahrt.
Der jfingste Tag. lol
Schaosp. d.MA. n.): De reenrrectiont- 101
GrablegvBg Chri^ . 116
PunooMpieL . . .114
Moecn: Die Weihnachtopiel» dee lieh«. Erifeinrgee. 48
Mftlknhoff (HaapUZeitechr. XIU.): Bordesholmer Harienklage. 79
Peter (TVoppner Progr. 1868, 1869): Zockmantler Pua.-Spiel. 123 „
Pet (Theeaarw Aaecdot. T. Tl.): Lndn« de AJi^ehrbto. . . 145 „
Pichler (DraiM de« M Himmelfahrt Christi 131
Lichtmeeaapit I 2^<
Khg« Marias. hj
Oeterepic! lo5 ..
Piderii (WetÄB. -spiel aus emerUa. dea XY. Jatn. :iJ „
Pröble: (VolkaS«dar «ad SekMupiele) ... vk .'>n
Bein (Vier g. Spiele a. d. XTU. Jahrb.): StAck I
Stack U, HI, IV 142 „
Rieger (Own. X.): Spiel toq den 10 Jugfranen. r>.^
Schdoemanv : SAndc&faU.
MarieaUage. . .
.>chr<-cr li'. If^imAipUU MM Ungamj.
bmtcnis (Haopto ZtÜatkr. II.): Zerbater Proeeeiian. li.'
TittaMUi (SdMMep. a. d. XVI. Jahrk): Barth. KrOger 54
YiliMr (Haapta Z. OL). Ahfaldtr Ptwjoinpiil 110 „
Waiffnd (BämfiU Z. TU.): rridlbet|er Fürio—picL ... 110 ,,
m^UMd (WetkiL-Spiale aM 8M-l>MteeUMid «. ScUaaiM): ütnAm rtv Mfon» adcwtio, Rachel et DuUML Wiuhnlgiitogi, BkUmnbMt CSvirtUaddepfole,
OeqpM WM TordOTab«!. 87 .
B«Md. Eddptoki WtikMMhIlMaödia. ftt „
804 Eagister.
Wellrr (Dm alte Yolkttheater der Sohweis) ist mehrfach kurz berücksichtigt.
Werner (Genn. lY.): KünzeUauer Fronleichnamspiel. . . . 140 fg.
K. Wilken: (Besprechung von Job. Seger'i Bona Nova.) &7 „
Zacher (Haupts Z. IL): Mittelnicderl. Osterspiel 172 ..
üeber das Ober- Ammerjf au er Spiel ist (meist nach den Mit- theiiun^fen von L. Clarus) jfohandelt p. 124 f(?. — Alles auf die Auf- führung de« Spiel« Bozüjrliche ist in Cap. VI. zu suchen. — Gane un- bedeutende u. fragmentarische Denkmäler blieben im Register unbe- rücksichtigt.
Bfflterangfi HRii Xachträgf.
Seite 8 Note 3 kann . da die vorgeschlagene Lesung doch ans metrischen (iründen unzulässig, gestrichen werden.
Seite 30 Zeile 6 ist Tor dem Komma ausgefallen „giebt es dramatische Dantellungen**. — Im Folgenden wäre statt „tondem auch'* zu schreiben .selbst* von der Gehurt u. s. w.
Seite 47. Im Anschluss an die Besprechung der von Sehröer ans l mitgetheilten Stücke wäre noch der von
Schaller (Hennnnnstadt 1859) herausgegebene Her od es (Deotscbes Weihnachtspiel aus Siebenbürgen) zu erwähnen. Das dem Urofisog nach bescheidene Denkmal schliesst sich in der Verveodoog dee Chors zum Vortrag deutscher Kirchen- Heder an die Obenaferer Spielweise an, von der es sich durch AosschliescQog aller humoristischen Motive etwas sondert. Von TenldroUeD ist keiiie Spur, Herodee erscheint trotz des von teineii «Hoiarea* getrenlich rerfibteD Mordbefehls im Licht einet weisen and milden Königs, der zu Beginn des Spiels (p. 15) seine ünterthanen ermahnt: Abeolviret Eure Pflichten, Werft von Euch den Sorgenstein! i>.r. r],,,r kommt sawer dem Vortrag von Kir« n,
'i i • r oinH'^ «ein mdgen, namentlich die Int^., .. ...ijon ii 1 ■ so heisst es p. 18: Chor singt:
Die iiiriea aber wandten sich Za thrta Vieli aars Feld a. s. w. I'ii , wenn ancb oorrapt erfaaltaea WiagaareiBe (p. 22: Jo- seph, liebalar Joaaph Baia, Hilf mir vagao deas Kindelein« deaa Gott wird der Balohoer sein) wenea Air die Orundre- oeaaioa ans etwa in die Befonaationeseit tarllck, und ans dar, nocb gaas kathoBich Waise, in dar die
drei Köaiga ilua Oabaa u.^i ...». »...»., sondars dar Maria
90
30(5 Befweruogen und Nachträge.
darbringen (bo »pricbt der erste Weise; Gegrüsset seiest du Maria feiu , Nimm hier von mir den goldnen Schein!) darf man vielleicht auf ein nuch höheres Alter zurück schliessen.
Seite 81. Den in Cap. II, § 2 behandelten Marienklagen gesellt sich noch ein jüngst von Alvin Sclwltz (Germania XVI, 571 fg.) mitgetheiltes Bruchstück des XIV. Juhrh. (aus Bres- lau), das in seinen Beziehungen zu den uns bereits bekann- ten Marienklagen am angeführten Orte von K. Bartsch durch untergesetzte Citate hinreichend erläutert ist, so dass ich mich hier mit diesem Hinweis begnüge. Ob die Ueberschriften, , Maria dicit' ,Maria cantaV, und die Bezeichnung ,Versu8* auf unterschiedlichen Vortrag zu beziehen sind, bleibt unklar, wogegen p. 59 in der Jesusrolle der Wechsel von cantat und dicit durchaus nicht befremdet.
Seite 301 N. 1. Zu den aus Lexers Mittheilungen ange- führten Reimen steile ich hier noch einige aus SchuUer's Sie- benbürgischem W'eihn.-Spiel (p. 15): Wiesen: legen; (p. 23) schüchtern: auszurichten; ihnen: mit nichten. —
9r«ekf«kl«r. 8l 6 XoteS: fir «Mk um Mck.
, M ^ I: f. Das. L Dra». , « , S: f. p. lOi L p. UM. ,« , ft:LS5Lilu
r iidlgniliii L : Mam-Bcaia L t g«lMtL gdfat 1: Mck D« lUril Mt «a I f ui^ vor Am ZT ^akr. L kaaM vor m. s. EÜMl L L tfac^MM \V«t J«Mi tfiiiHa L W. J. " !. SlOi
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SMMkta «wWrMt ftott 4m KoauBA*t J , ilt Xol» S: 1 Mk« L akM. , ist Znk • VW mlw: t «Mi «w L 4m» ««r. . IM Sota S: L tMB L t068w . . . f : £ «MiidM Fmm L kiwMiebt Fakr. , 1«4 Zid« 14 : 1 giMuM, wM L jiBiiH wird, — . ^ ICO 5 voa «Mtaa: L M W^MNca Uicb«, wm« m. •. w. —
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