m. Ifcl ! ••Ai-itftjf li AH !'::•• GESCHICHTE DER KÖNIGLICH PREUSSISÜHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN zu BERLIN IM AUFTRAGE DER AKADEMIE BEARBEITET VON ADOLF HARNACK ERSTEHE BAND — ERSTE HÄLFTE BERLIN 1900 GEDRUCKT IN DER REICHSDRUCKEREI I VON DER GRÜNDUNG BIS ZUM TODE FRIEDRICHS DES (IROSSEN Inhalt. Seite Einleitung: Leibniz und der Gedanke der Akademieen. Die Vorgeschichte der Brandenburgischen Societät der Wissenschaften (1697—1700) . . 1—69 I. Die Wissenschaft beim Ausgang des 17. Jahrhunderts S. 5 ff. — 2. Leibniz als universaler Denker und Organisator S. gff. — 3. Leikniz und der Gedanke der Akademieen S. 20 f. — 4. Die Akademieen des 17. Jahr- hunderts S. 21 ff. — 5. Leibnizcus Societätspläne vor 1697 S. 270". — 6. Die Kurfürstin Sophie Charlotte; Brandenburg tritt in Leibnizcus Gesichtskreis S. 34 ff". — 7. Sophie Charlotte und Leibniz. Plan der Erbauung eines Ob- servatoriums und der Stiftung einer Societät in Berlin S.4off'. — • 8. Weitere Verhandlungen über diesen Plan nach Danckelmann's Sturz im Jahre 1698 S. 56 ff". — 9. Verwirklichung des Plans in Folge der nothwendigen Kalender- reform im Winter 1 699/1 700 S. 64ff". Erstes Buch: Geschichte der Brandenburgischen (Königlich Preussischen) Societät der Wissenschaften unter Friedrich I. und Friedrich Wilhelm I. (1700-1740) 7>-244 Erstes Capitel: Die Gründung der Societät im Jalire 1700 (19. März bez. II. Juli) 73 — 105 Zweites Capitel: Geschichte der Societät von ihrer Gründung bis zu ihrer wirklichen Einrichtung im Januar 1711 105 — 175 I. Berlin um das Jahr 1700, die französische Colonie, die Berliner Gelehrten, die beiden Jablonski. Kirch, Frisch und Andere. Die Gewinnung der ersten einheimischen und auswärtigen Mitglieder. LEiBNizens Corre- spondenz S. losff". — 2. Das Jahr 1701, die Königskiönung S. ii8ft'. — 3. Die Jahre 1702 — 1705 S. 131 ff". — 4. Die Jalire 1705 — 1 711; die wirk- liche Einrichtung der Societät S. 1 4 1 ff". Drittes Capitel: Geschichte der Societät von ihrer Einrichtung im Januar 1711 bis zum Tode LEiBNizens (14. November 1716). Der Anfang der Regierung Friedrich Wilhelm's 1 176 — 215 I. Die Jahre 1711 — 1713, Tod des Königs Friedrich's L S.i76ff. — 2. Die Jahre 1713 — 1716, Friedrich Wilhelm's L Regierungsantritt, Leib- nizcus letzte Jahre S. 1890". Viertes Capitel: Fortsetzung: Geschichte der Societät unterFRiED- rich Wilhelm 1 215 — 241 Einleitung S. 215 ff". — i. Geschichte der Societät von 17 16 bis 1740 S. 2 19 ff". — 2. Die wissenschaftlichen Leistungen der Societät S. 235 ff". Anhang: Zum Personalstand der Societät (1700 — 1740) 242 — 244 Zweites Buch: Geschichte der Academie Royale des Sciences et Belles- Lettres Friedrich's des Grossen (1740-1786) 245-492 Erstes Capitel: Die Reorganisation der Societät und ihre Ver- einigung mit der »Nouvelle Societe Litteraire« (1740 — 1746): Die Academie Royale des Sciences et Belles-Lettres 247 — 316 I. Erste Maassnahmen Friedrich's zur Reorganisation der Societät S. 247 if, — 2. Die Societät zur Zeit des ersten schlesischen Krieges .^rom VI Inhalt. Soite S. 258(r. — 3. Die "Nouvelle Societe Llttcraire- S. 262iT. — 4. Die Ver- t'iiiiguiig der Ix-ideii Societäteii zu einer neuen Akademie 1743/44; das neue Statut S. 269 tl'. — 5. Der zweite sciilesische Krieg, Maupkutui.s wird Präsident, das Statut von 1746 S. 293fl". — 6. Geist und Ziele der Aka- demie Friedrich's und Maupertuis' S. 304 ff. Zweites Capitel: Der König und seine Akademie. Die äussere Geschiclite der Akademie (1746 — 1786) 317 — 394 I. Geschiclite der Akademie unter dem Präsidenten Maupertuis bis zum Ausbruch des Streites mit König und Voltaire 8.3176". — 2. Der Streit mit König und Voltaire, Maupertuis' Abreise von Berlin und Rückkehr 1751— 1754 S.33ifF. — 3. Maupertuis' letzte Jahre, die Akademie unter Euler's Leitung, der siebenjährige Krieg S. 345 fl". — 4. Die Akademie unter der directeii Leitung Friedrich's des Grossen, d'Alembert der heim- liche Präsident 1763 — 1770 S. 354ft'. — 5. Fortsetzung: Die Akademie in den letzten sechzehn Jahren des grossen Königs; d'Alembert und Condorcet S. 371 ff. Drittes Capitel: Die Arbeiten und die wissenschaftliche Bedeu- tung der Akademie 394 — 465 I.Vorlesungen, Gutachten, die Preisaufgaben S. 394 ff. — 2. Der Geist und die Leistungen der fridericianischen Akademie (der König, Voltaire, Maupertuis, Euler, Lagrange, Lambert, Bode, Marggraf, Aciiard, Lehmann, Gerhard, Gleditsch, Lieberkühn, Fokmey, Sulzer, Merian, SüssMiLCH U.A.) S. 422 ff. — 3. Die Schrift De la litterature allemande S. 462 ff. Viertes Capitel (Anhang): Der Personalstand, die Publicationen, die äusseren Einrichtungen und der Etat der fridericianischen Akademie (1746— 1786) 465 — 492 I. Curatoren S. 465 f. — 2. Präsident S. 466. — 3. Directoren S.466 f. — 4. Secretar S. 467. — 5. Oekonomische Commisslon S. 467. — 6a. Ordent- liclie Mitglieder, nach dem Tage ihrer Aufnahme geordnet S. 467 ff. — 61). Ordentliche Mitglieder, nach dem Todestage geordnet S. 47if — 7. Ehrenmitglieder S. 472f. — 8. Auswärtige Mitglieder S. 473 ff. — 9. Beamte; der Personalstand von 1786 S.479f. — 10. Publicationen der Akademie S. 481 ff. — 11. Gebäude und Listitute S. 485 ff. — 12. Etat der Akademie S. 487 ff. Portraits. Titelbild zur ersten Hälfte des Bandes: Friedrich I., König von Preussen (nach einem Kupferstich von Johann Hainzelmann). JZiXi S. 37: Sophie Charlotte, Königin von Preussen (nach einem Schabkunstblatt von Peter Schenk). Zu S. 39: Leieniz (nach einem Schabkunstblatt von J. E. Haid). JLw S. 247: Friedrich der Grosse (nach einem Kupferstich von Johann Georg "Wille). Zu S. 257: Maupertuis (nach einem Kupferstich von J. Daulle). Titelbild zur zweiten Hälfte des Bandes: Wilhelm H., Deutscher Kaiser und König /^ von Preussen (nach einer Originalaufnahme von J. C. Schaarwächter, Königl. Hofphotograph in Berlin). Zu S. 595: Wilhelm von Humboldt (nach einer Lithographie von E. F. Oldermann). '^ Tax S. 837: Alexander von Humboldt (nach einem Kupferstich von Paul Siegmund / Habelmann). EINLEITUNG. LEIBNIZ UND DER GEDANKE DER AKADEMIEEN. DIE VORGESCHICHTE DER BRANDENBURGISCHEN SOCIET.ET DER AVISSENSCHAFTEN (161)7-1700). Geschichte der Akademie. I. J\in II. Juli 1700 stiftete der Kurfürst Friedrich III. von Brandenburg in Berlin die Societät der Wissenschaften. Am folgenden Tage ernannte er Leibniz zu ihrem Präsidenten. Sechs Jahre vorher hatte er die Universität zu Halle begründet, bald dar- auf das Collegium Medicum in Berlin eröffnet und im Jahre 1696 die Akademie der Künste gestiftet. Diese Schöpfungen bedeuteten den Anbruch einer neuen Epoche der Wissenschaften und Künste für Preussen. Der den Glanz liebende, aber auch für das Grosse empfangliche Monarch, der sich am 18. Januar 170 1 die Königs- krone auf das Haupt setzte, wollte auch die Musen in seiner Re- sidenz versammeln und Bildung in seinem Lande verbreiten. Den aufgeschlossenen Sinn für den Fortschritt des Zeitalters, für die Pflege der schönen Wissenschaften und für die Toleranz hatte Friedrich als ein Erbe von seinem Vater, dem grossen Kur- fürsten, überkommen. Dieser hatte nach den Verwüstungen des schrecklichen Kriegs die Universitäten Königsberg und Frankfurt wiederhergestellt und die Hochschule zu Duisburg gestiftet. Darüber hinaus hatte er — im Jahre 1667 — den grossartigen Plan einer brandenburgischen Universaluniversität «für die Völker, Wissen- schaften und Künste« bestätigt und ihn in erhabenen und schwung- vollen Worten verkündigen lassen. Eine Freistatt der Geister sollte sie sein, allen verfolgten Gelehrten Europas ein Asyl, allen be- drückten Confessionen ein Zufluchtsort, den reinen und den ange- wandten Wissenschaften ein Mittelpunkt werden — ein Band der Geister und eine Burg der erhabensten Beherrscherin der Welt, der Weisheit! Sie wird im Genuss ewigen Friedens sein; denn im Kriege wird sie durch Verträge als unverletzlich geschirmt; auch unter dem Schalle der Waffen werden die 3Iusen dort nicht 1* 4 Vorgeschichte der Akademie. schweigen. Jede freie Kunst wird ohne Einschränkung gelehrt; sie wird sich selbst A-erwalten, nur unter dem Kurfürsten stehen; alle wissenschaftlichen Hülfsmittel werden ihr gewährt. Das, was einst die Schüler Plato's geträumt, was die Poeten der Renaissance im Geiste geschaut hatten — Platonopolis sollte als eine evange- lisch-protestantische Schöpfung in Brandenburg entstehen!^ Ein Ideal war hier gezeichnet — Benedict Skytte, ein plian- tasievoUer Schwede, hatte es erdacht — , seine Undurchführbarkeit musste bald erkannt werden. Streift man ihm aber die bizarre Hülle ab, so spricht es kühn und zutreffend die Bedingungen aus, unter denen die Wissenschaft allein zu gedeihen vermag, und ver- kündet den Segen der Wahrheitserkenntniss , die ihr Gesetz in sich selber trägt. Es bedeutet etwas in der Geschichte des preussischen Staats und der Wissenschaft, dass ein Monarch wie der grosse Kur- fürst sich zu diesen Grundsätzen bekannt hat. Indem er der Wissen- schaft volle Freiheit, unbedingten Schutz und alle nöthigen Mittel zugleich zusagte, hat er den unerschütterlichen Glauben an die heil- same Kraft der Wahrheit ausgesprochen. — Das Project war in Berlin vergessen, als unter Friedrich IIL der Plan zur Errichtung einer Brandenburgischen Societät der Wissen- schaften auftauchte". Aber ein geistiges Band zwischen jener nie verwirklichten Absicht und der gestifteten Societät besteht doch; denn aus denselben Bedingungen sind beide geboren. Hier Avie dort war die Sorge für die geistige und materielle Cultur Preussens und zugleich das Gefühl der Verpflichtung als Vormacht des Pro- testantismus maassgebend, und hier wie dort legte der neue Besitz — die grossmüthig aufgenommene französische Einwanderung — den Gedanken nahe, diese ausgezeichneten Kräfte auch im Dienste ^ vSiehe die Acten im Geh. Staatsarchiv über diesen Plan (Kleinert, Rectorats- rede, Berlin 15. Oct. 1885). In dem vom Kurfürsten am 12. April 1667 vollzogenen und sodann gedruckten Patent ("Fundatio novae üniversitatis Brandenburgicae gentium, scientiai'um et artium«) heisst es U.A.: »Si (|ui sunt impediti Divinitatis cultu et usu sacrorum, si qui sunt asjieivae dominationis pertaesi, libertatis amantes, si qui sunt per ostracismuni patria jiuLsi vel ob aliam (piamcunu[ue modo non in- honestam causam sedibus extorres . . . sciant sese in hac Universitate reperturos Parnassum , Maecenatem , scientiarum et artium honorem , conscientiarum et om- nium rerum decoram libertatem, solamen afllictis, exulantibus refugium et asylum etc.« ^ Siehe Urkundenband Nr. i. Hundei'tundzwanzig Jahi'e später hat Erman in der öffentlichen Sitzung vom 29. Jajmar 1789 (3Iem. 1788/9 p. 9) eine Abhandlung gelesen: »Sur l'idee (|u"avait eue le grand Electeur de fondei- une ville savante, sous le nom d'Universite Brandebourgeoise, de tous les peuples, de toutes les sciences et de tous les arts.« Einleitung. 5 der Wissenschaften zum Nutzen des Vaterlandes zu sammeln und mit den einheimischen Kräften zu verschmelzen. Aher die neue Form einer «Societät« oder »Akademie« ver- langt doch noch eine besondere Aufmerksamkeit. Die europäischen Universitäten sind auf dem Höhepunkte des Mittelalters entstanden, und ihre Einrichtung, die Lehre in festen Formen zu überliefern, entspricht der mittelalterlichen Stufe wissenschaftlicher Erkenntniss. Die Akademieen Europas gehören der Epoche an, die, durch die Renaissance und die Reformation A^orbereitet, in der Mitte des I 7. Jahrhunderts beginnt, und ihre Institutionen sind ein Ausdruck des neuen Geistes, der die Herrschaft im Reiche des Gedankens und des Lebens gewinnen sollte. Wir suchen die Grundzüge dieses Geistes, dem die alten Universitäten nicht mehr genügten, zu er- kennen, bevor wir die Entstehung der Akademieen überhaupt und der Preussischen Akademie insbesondere beleuchten. Dabei wird uns sofort die Gestalt Leibnizcus entgegentreten, der der Führer seines Zeitalters und der Schöpfer der meisten Akademieen des Continents, aber der wirkliche Stifter, das Haupt und die Seele unserer Akademie gewesen ist. Friedrich der Grosse hat ihn ihren »Begründer und Chef« genannt, und Diderot von ihm gerühmt: »Dieser Mann hat allein Deutschland so viel Ruhm gebracht, wie Plato, Aristoteles und Archimedes zusammen Griechenland« \ 1. Aus dem Zusammenwirken von drei Elementen ist der ent- scheidende Umschwung im geistigen und gesellschaftlichen Leben Europas entstanden, der das 18. Jahrhundert charakterisirt , aber sich bereits seit der Mitte des 17. deutlich ankündigte. Aus der Verbindung der Renaissance, der Reformation und der neuen mathematischen Naturwissenschaft haben sich jene herrlichen Bildungen entwickelt, welche der Welt ein neues Gepräge geben sollten. Das Grundelement hat die Renaissance geliefert. Sie hat das Auge geöflhet für den Menschen und für die Dinge; sie hat nach einer auf Anschauung und Speculation sich gründenden Pan- sophie getrachtet; sie hat Erkennen und geistiges Geniessen als den wahrhaft würdigen Lihalt des Lebens gelehrt und ihre Jünger mit ^ Mem. de rAend. Royale 1748 }).378. Diderot, (lüivr. T.VIl p. 239 flf. 6 Voruescliiclitc dt'v Aküdcinie. dem stolzen Bewvisstsein erfüllt, die Herren ihrer selbst und die Herrscher der Welt zu sein. An die Stelle der »Lehre« setzte sie die »Forschung«, an die Stelle des Himmels die veredelte Welt- lichkeit; statt der Unsterblichkeit verhiess sie ewigen Ruhm. Durch die starken Kräfte einer alten Überlieferung immer wieder zurückgedrängt, in den confessionellen Kämpfen eines Jahrhunderts scheinbar geknickt und zertreten, erhob sich der Geist der Renais- sance nach Ablauf des dreissigj ährigen Krieges mit siegreicher Ge- walt und bewies sein unverwüstliches Leben. Die »Antike«, kühn und frei in ein goldenes Zeitalter oder in einen platonischen Staat der Weisen verwandelt und mit ganz modernen Errungenschaften bereichert, blieb das Ideal, dem das ausgehende 17. und das 18. Jahrhundert zustrebten, und alle Lebenskunst, die grosse und die kleine, bewegte sich in ihren Überlieferungen. Wo sie unge- brochen herrschte, gab es keine Kirchen und Confessionen melir, auch keine zweite Welt über dieser, sondern nur ein, Himmel und Erde umspannendes Reich. Aber sie herrschte nicht ungebrochen. Zwar aus dem Sonder- gut der alten Kirche ist nichts in die neue Bildung herübergekommen ; aber von der Reformation ist sie durchgreifend beeintlusst worden. Dass dem Menschen auf der Erde eine Aufgabe gesetzt ist, dass er seine Pflicht zu thun hat, dass er eines guten Gewissens bedarf, dass ein unbestechlicher Richter über ihm waltet, sind Erkenntnisse, in denen alle die grossen Führer des Zeitalters einig sind. Das Bewusst- sein, zum gemeinen Nutzen wirken zu müssen und in dem Dienst einer heiligen Aufgabe zu stehen, vor der jeder Eigenwille und alle Eigen- lust zurückzutreten hat, zeichnet die Träger des fortschreitenden Ge- dankens seit der Mitte des i 7. Jahrhunderts aus. Diese Combination freier Selbstbehauptung und gewissenhaften, thatkräftigen Dienstes zum gemeinen Nutzen als religiöser Pflicht ist ein Erwerb des Refor- mationszeitalters; er ist zuerst in den protestantischen Gemeinwesen verwirklicht worden und von dort aus in die allgemeine Bildung über- gegangen. Er begrenzte und versittlichte die Cultur der Renaissance und hielt zugleich den Zusammenhang mit dem Kerne der religiösen Überlieferungen aufrecht: dieselben Männer, die eine vollkommene Gleichgiltigkeit gegen die confessioneUen Lehren zeigen , wissen sich doch aufrichtig als Christen und fühlen sich an Gott gebunden. Die mittelalterliche Weltanschauimg und das mittelalterliche l^ebenssystem sanken dahin. Sie waren zidetzt noch durch die Religionskriege gründlich discreditirt worden. Jenen Lehren, an denen so viel Blut Einleitung. 7 klebte , die wie Brandfackeln ganze Länder verwüstet hatten , sagte man innerlich den Gehorsam auf. Aus dieser Art von Religion schien nur Unheil hervorgehen zu können: sie hatte das irdische Leben und die irdische Wohlfahrt nahezu aufgelöst. Also muss man es mit einer neuen, würdigeren Fassung der Religion versuchen. Fromme und Aufklärer sind darin einig, dass am Gewissen und an der »Praxis« alles Religiöse zu messen ist. Obgleich diese Über- zeugung sehr verschiedener Ausbildung fähig war, schlang sie doch ein Band um alle Bürger des neuen Zeitalters. Aber noch ein drittes Element bestimmte den Geist dieser Epoche. Die Renaissance hatte die Natur entdeckt, für zugänglich erklärt und sie entzückt als ein einheitliches Kunstwerk zu beschauen begonnen. Eine methodische Naturerkenntniss bahnte sich indess im 1 6. Jahr- hundert nur langsam an, und gerade die genialsten Naturkundigen compromittirten oftmals ihre Wissenschaft durch Charlatanerie und Dunkelwerk oder wurden doch von den allein zünftigen Aristoteli- kern gemieden. Noch immer zogen sich der nüchterne Verstand und die Grossmacht der Universitäten von der experimentirenden Naturwissenschaft zurück und überliessen das Feld trotz der grund- legenden Entdeckungen, die schon gemacht worden waren, den Mystikern und Projectenmachern. Noch immer wurde das Weltbild aus der religiösen Überlieferung und aus logischen Begriffen con- struirt. Aber im Laufe des 1 7 . Jahrhunderts , von Galilei und Kepler über Cartesius zu den Engländern, d. h. zu Newton, voll- zog sich siegreich der bedeutendste Umschwung, der in der Ge- schichte der Wissenschaft überhaupt je erlebt worden ist. Die mathematische Naturwissenschaft — eigenthümlich vorbe- reitet durch die der Einheit zustrebende ästhetische Betrachtung der Renaissance — und mit ihr die mechanische Weltanschauung entwickelten sich und w^urden am Ende des Jahrhunderts bereits auf eine Höhe gehoben, die in gewissem Sinn einem Abschluss gleichkommt \ Welche Revolution in den Köpfen und Gemüthern diese an der Peripherie der Renaissance entstandene, aber bald den Mittelpunkt beherrschende Entwicklung hervorgebracht hat, lässt ^ Man darf hier auch an die Lehre von der Erhaltung der Kraft denken, der Leibniz (im Jahre 1696) einen richtigeren Ausdruck gegeben hat. die unzutreffende Auffassung des Cartesius corrigirend (Acta Eruditormn Lips.: »Brevis demonstratio erroris memorabilis Cartesii«). Auch in Newton's Principien ist diese Lehre so weit enthalten, als die L^nkenntniss in Bezug auf die Natur der Wärme es zuliess (s. DU Bois-Reymond, "Leibnizische Gedanken in der neueren Naturwissenschaft", in den '»Reden« l. S.32ff.. cf. 328 f. und sonst). 8 Vorgeschichte der Akademie. sich nicht beschreiben: Mathematik wurde ein Evangelium — sie wurde sogar poetisch verklärt und drang in die höfische Bildung; adelige Frauen umgaben sich mit Mathematikern wie früher mit Sängern, und Maupertuis verglich die Thätigkeit des Mathematikers mit der des Dichters oder Redners'; selbst Friedrich IL verherrlichte den »Apollon newtonianise"«. Die mathematische Physik wurde das Centrum, ja der Inbegriif der Wissenschaft. »Was in der Renais- sance der künstlerische und gelehrte Enthusiasmus der Alterthums- forschung geleistet hatte, nämlich den positiven Ersatz des Heiligen, das begannen seit dem Ende des i 7 . Jahrhunderts die beobachtenden Wissenschaften zu leisten.« Ferner, dass Wissenschaft nicht »Lehre«, auch nicht »Curiosität«, sondern methodische Forschung sei — denn die gefundenen Principien eröffneten der Anwendung ein un- endliches Gebiet — , dass der Verstand, weit entfernt, von der Natur gelähmt oder verwirrt zu werden, erst durch sie zu einem sicheren Inhalt und zur Entdeckung immer neuer fruchtbarer Erkenntniss- methoden komme, diese grundlegenden Einsichten sind damals er- worben worden. Aber darüber hinaus wirkte die Mathematik, oder richtiger die Mechanik, so mächtig, dass man in den neu gewonnenen Naturbegriffen auch die einzigen Mittel zu erkennen glaubte, um das Geistesleben zu durchschauen und zu erklären. Oder, wo man so weit nicht vorzuschreiten wagte, da strebte man doch darnach, alle Lebensverhältnisse in derselben Weise zu begreifen und klar zu machen , wie es der exacten Philosophie in Bezug auf die Bewegung der Körper gelungen war. Dass die Steigerung der Erkenntniss den Hauptinhalt des Lebens bilde und aus ihr das Hochgefühl des Lebens entspringe, hatte die Renaissance gepredigt. Das hielt man fest; aber jetzt erst erfuhr man, dass dem menschlichen Geiste Avirklich eine einheitliche, unerschütterliche und voll befriedigende Erkennt- niss zugänglich ist, die alles Dunkle aufzuklären versprach. Auf- klärung — nach den Principien der exacten Philosophie, in denen sich der Verstand selber erkennt, wurde die Losung und das be- rauschende Zauberwort des neuen Zeitalters. Hatte man die stumme Natur zu reden gezwungen und ihr ihr Geheimniss abgetrotzt, so wird man auch das Geistesleben zu bemeistern vermögen. Hatte sich der Verstand als das zureichende Mittel offenbart, um die ^ DU Bois-Reymond, Mauperttis (Sitzungsber. 1892, S. 411. 413). ^ Brief an Voltaire vom 5. August 1740 (Q]uvr. T. 22, p. 20). Euler hat (noch im Jahre 1768) in den »Lettres k une princesse d'Allemagne« die Grundzüge der neuen Mechanik, Asti'onomie u. s. w. genieinfasslich dargelegt. Leihxiz als universaler Denkei' und Organisator. 9 Mechanik des Himmels zu erforschen, so wird er auch seinen eigenen Hervorhringungen gewachsen sein. Niemals ist die Wissenschaft durch ihre Erfolge zu gründlicher Abkehr von der Vergangenheit, zu ausschweifenden Hoftnungen für die Zukunft und zu kühner Politik so berechtigt gewesen wie im Zeitnlter LEiBNizens. 2. Aber eben darin bestellt Leibniz' (1646 — i 716) Grösse, dass er nicht einseitig einem jener Elemente, Avelche die Kräfte des Zeit- alters bildeten, gefolgt ist, sondern dass er sie alle in sich ge- sammelt und sie in fruchtbare Beziehungen zu einander gesetzt hat. Die leitenden Ideen der Renaissance imd der exacten Naturphilo- sophie hat er auf dem Boden der deutsclien protestantischen Überlieferung mit einander in wahrhaft conservativem und doch fortschreitendem Geiste verbunden \ alle diese Kräfte in ihrer Breite entfaltet und durch eine unbegreifliche Virtuosität der Anwendung seinem Zeitalter bekannt gemacht und eingebürgert. Mag ihn Spinoza als empfindender, Newton als kritischer und exacter Denker über- troöen haben" — Niemand hat ihn übertroffen in der Fähigkeit, alle Kräfte des Zeitalters in sich aufzunehmen, jede einzelne bei ge- gebener Gelegenheit stets gegenwärtig zu haben, nichts zu berühren, ohne es weiter zu entwickeln, und jeden Stand in der menschlichen ^ Auch mit der Arbeit und den Slethoden der mittelalterlichen Scholastik war er vertraut, und wenn manche Schranke seiner wissenschaftlichen Eigenart sich von hier aus erklärt, so hat er doch auch der energischen Speculation des Thomas nicht Weniges zu verdanken. ^ Was die Erfindung der Differential- Rechnung anlangt, so hat hereits Euler (\'orrede zu seinen "Institutiones calculi differentialis") in dem berühmten Streit ge- recht und klar geurtheilt. Nachdem er zuerst kiu'z ausgeführt, dass schon lange Zeit vor Newton und Leibniz Spuren dieser Speculation in Anwendung auf Rational- Functionen vorhanden gewesen seien, fährt er fort: »Dem englischen Erfinder haben wir unstreitig die Anwendung dieser Verhältnisse auf b-rational- Functionen zu ver- danken, auf welchen glücklichen Schritt er durch seinen vortrefflichen Lehrsatz von der allgemeinen Formel aller binomischen Potenzen ist geleitet worden. LsiBNizen sind wir verbimden, dass er der Rechnungsart, die man vorher nur als einen besonderen Kunstgriff angesehen, die Gestalt einer Disciplin gegeben, die Regeln derselben in ein System gebracht und deutlich a u s e i n a n d e i- g e s e t z t hat. E r 1) a 1 1 n t e de n W e g z u r f e i' n e r e n A u s b i 1 d u n g dieser Wissenschaft und zeigte die Grundsätze, aus welchen das aunoch Fehlende herzuleiten sei. Endlich haben Leibniz und die von ihm aufgemunterten Bernoullis die Grenzen der Differentialrechnung auch bis auf Trans- scendental- Functionen, welcher Theil vorhin noch unangebauet war, mit vereinigten Kräften ausgedelmt und auch die Grundsätze der Integralrechnung festgesetzt.« 10 Voi-iicschichte di'v Akademie. Gesellscliaft zu fördern. Ininittcn der grössteii Umwälzung der Ideen und Institutionen stellt Leibniz als ein Heros, weil er, wie Aristoteles und Origenes, die Fähigkeit besessen hat, was die Vergangenheit WerthvoUes hinterlassen, zu conserviren, die Errungenschaften der Gegenwart daran anzuknüpfen und diese Errungenschaften nicht nur selbst mächtig zu steigern, sondern sie auch überall in die Praxis einzuführen und zu Principien des Lebens zu erheben. So ist Leibniz wie der klassische Repräsentant so der Führer seines Zeitalters: die aus der Renaissance, der Reformation und der exacten Philosophie entstammenden Kräfte sind in ihm unter dem Zeichen des Fortschritts vereinigt. Der Neugestaltung des Lebens hat er sie dienstbar gemacht — »So oft ich etwas Neues lerne, so überlege ich sogleich, ob nicht etwas für das Leben daraus ge- schöpft werden könne«' — mit dem sichersten Sinn für das Er- reichbare und mit kluger Schonung des Bestehenden. Zwar wenn man die ununterbrochen hervorquellende Menge seiner Hoffnungen, Ideen, I-Cntwiirfe und Projecte überschaut, scheint es fast, als müsse ihm der Sinn für das Bestehende und Erreichbare abgesprochen werden, und wirklich bietet er Eigenthümlichkeiten, nach denen er auf die Linie jener wunderlichen und zweifelhaften Natur})hil()- soplien gehört, die mit Paracelsus begonnen hat und selbst in einem CoMENius noch zu erkennen ist. Allein wie schon die Zusammen- stellung dieser beiden Namen die Reinigung jener productiven geisti- gen Be^vegung im Laufe ihrer Entwicklung beweist, so wäre es keine Schande für Leibniz , am Schlüsse derselben zu stehen und gleichsam das gelungene Experiment der Natur nach vielen unvoU- kommneren Hervorbringungen dieser Gattung darzustellen". Aber ^ Vergl. auch seine charakteristische Definition ch^s i'ehgiösen Glaubens (Klopp, (li(> Werke von Leibniz, i. Bd. 1864 S. 112): «Der wahre Glaube und die wahre llofthung ist nicht nur reden, ja nicht nur denken, sondern practice denken, das ist thun, als wenn's wahr wäre.« - Mit bewunderungswürdiger P^insicht und richtigem Scharfblick hat Leibniz, etwa 24 Jahre alt, über jene wunderlichen Natur])hilosophen , die sich mit »curiosen« Sachen abgaben, geurtheilt, die in demselben Sinne die Väter der »Akademiker« sind, wie die Alchemisten die der Ghemiker. In dem "Bedenken von Aufrichtung einer Academie oder Societät in Teutschland« (Klopp. Die AVerke von Leibniz, I. Bd. 1864 S. 143) schreibt er: »Die Laboranten, Gharlatans, Marktschreier, Alchy- misten und andere Ardeliones , A'^aganten und Grillenfänger sind gemeiniglich Leute von grossem Ingenio, bisweilen auch Experienz, nur dass die disprojjortio ingenii et iudicii, oder auch bisweilen die Wollust, die sie haben, sich in ihi-en eitelen Hoffnungen zu unterhalten, sie ruiniret und in Verderben und Verachtung bringet. Gewisslich. es weiss bisweilen ein solcher Mensch mehr aus der Erfahrung und Natur gewonnene Realitäten, als mancher in der AVeit hoch angesehener Gelehi'ter, Leibxiz als iiniv(M'snlci- Denker und Organisator. 11 es ist doch unrichtig, den grossen Gelehrten und Denker jenen Männern einfach zuzuordnen . denn sein methodisch gewonnenes, ungeheures Wissen schützte ihn immer sicherer vor jeder Aus- schweifung ins Leere: seine nie versagende Bereitschaft zu lerncm und umzulernen befreite ihn von allen Capricen, und sein lebendi- ger, unverwüstlich heitrer Geist,, der sich durch keine Enttäuschun- gen niederbeugen Hess, fand stets einen neuen Weg, wenn sich der zuerst entdeckte als ungangbar erwiesen hatte. Die Kraft seines Lebens war vor allem sein freudiger Fleiss und seine rastlose Thätigkeit. Mit Recht hat man ihn ein wahres Perpetuum mobile in der Wissenschaft genannt und von seinem viel- und allseitigen Studium , von seiner immensen, überallgegen- wärtigen, bewunderungswürdigen Polyhistorie gesprochen — »be- wunderungswürdig nicht sowohl der Grösse ihres Umfangs nach, als vielmehr ihrer Qualität wegen; denn es war nicht die Viel- wisserei des todten Gedächtnisskrämers, sondern eine geniale, pro- ductive Polyhistorie'. Sein Kopf war kein Herbarium; seine Kennt- nisse waren Gedanken, waren fruchtbare Zeugungsstoffe. Alles in ihm war Geist und Leben , seine Consumtionskraft Productionskraft. Er umfasste nicht nur die verschiedensten, ja entgegengesetztesten Zweige des Wissens, sondern auch die verschiedenen Eigenschaften der seine aus den Büchern znsaninien gelesene Wissenschaft mit Elocjnenz, Adresse und anderen politischen Streichen zu scluniicken und zu ^Nlarkt zu bringen weiss, dahingegen der andere mit seiner Extravaganze sich verhasset oder verachtet machte. Daran sich aber verständige Regenten in einer wohlbestellten Republique nicht kehren, sondern sich solcher Menschen brauchen, ihnen gewisse regulirte Employ und Arbeit geben und dadurch sowohl ihr als ihrer Talente Verderben verhüten können." In welche gefährliche Nähe er selbst zeitweilig den pi-ahlerischen Erfindern imd wissenschaftlichen Grossspi-echern gekommen ist, zeigt am besten der Bi'ief an Herzog Joha^-x Eriedrich von Hannover, den GuHRAUER, LEiBNrrz"s Deutsche Schriften, i.Bd. 1838 S. 277 ff. abgedruckt hat. Es hat übrigens sowohl zu Leibxiz' Lebzeiten als nach seinem Tode stets ernsthafte, aber bornirte und neidische Leute gegeben, die. wie z. B. sein Nachfolger in Han- nover, ihn als '-Speculanten, Projeetenmacher und Diarlatan voll Prahlerei«, dazu als Schmeichler der Fürsten lieurtheilt haben. ^ In dieser Polyhistorie hat Leibniz unter seinen Zeitgenossen nur einen Kivalen gehabt. Pierre Bayle; aber wie verschieden ist die Anwendung, die beide von ihrem Wissen gemacht haben (ülier die Beziehungen zwischen ihnen s. Vahlex, Sitzungsberichte 1897, i.Juli). Leibniz hat noch einmal mit Erfolg versucht. Alles in conservativem Geiste zusammenzudenken und productiv auszugestalten; Bayle weist überall die Probleme und klaffenden Widersprüche auf, ohne sich zu ent- scheiden. Dieser unbestechliche INIann j)tlanzte das kritische Streben nach Wahr- heit in tausend Köpfe. Und wie viel grösser noch ist die Zahl dei' Gemüther. die er von den verjährten Ansprüchen der Theologie befreit und vom Fanatismus zur Toleranz Geführt hat! 1 2 Vorgeschichte der Akademie. und Anlagen, auf denen sie allein sprossen und Früchte tragen«'. Eine Akademie in sich darstellend, so hatte ihn Friedrich dev Grosse gefeiert, «vom Himmel mit einer der hcvorrechteten Seelen bedacht, ja mehr als eine Seele habend«. In der That, er war exacter und speculativer Philosoph, Theolog, Jurist, Historiker, Politiker, Sprachforscher, Physiker und in allen Zweigen der Naturbetrachtung ein sorgsamer Beobachter, dazu Experimentator und Constructeur. Er selbst hat den Umfang seines Wissens, das durch das treueste Ged<ächtniss befestigt war", darauf zurückgeführt , dass er, weil Auto- didakt, niemals Hohles und zu Verlernendes gelernt und dass er in jeder Wissenschaft stets nach Neuem getrachtet, auch Avenn er kaum die ersten Schritte in ihr gethan habe. Selbst bei guten Köpfen pflegt das Ergebniss einer solchen Haltung ein sehr trübes zu sein; sie löst also das Räthsel nicht, wie hier in einem Men- schenleben geleistet worden ist, was sonst nur die vereinten An- strengungen einer ganzen Generation zu erringen vermögen. Sein freudiger Fleiss und seine rastlose Thcätigkeit, die wunder- same Vereinigung extensiver Empfänglichkeit und intensiver Frucht- barkeit, kühnster Conception und nüchternster Ausarbeitung, ent- sprangen der Positivität seiner universalen Begabung. In ihr lag die Quelle seiner umfassenden W^irksamkeit. In dieser Richtung ist keines seiner Worte charakteristischer, als jenes Bekenntniss, das er gegen Ende seines Lebens (in einem Brief an Remond de Montmaur vom Jahre 17 14) abgelegt hat: »Ich habe gefunden, dass die meisten Schulen in einem guten Theil dessen, was sie behaupten, Recht haben, aber nicht ebenso in dem, was sie verneinen«. Hiermit sind die öfters wiederholten Worte zu vergleichen, dass auch in Büchern, »so am wenigsten geistreich sind«, sich immer ein oder ander guter Gedanke finde ^. Überall stiess sein Auge zuerst auf das Gute, Probehaltige , Productive und hielt es fest; bei dein Fal- ' Siehe L. Feueruach. Darstelhing, EntwickhiiiL!,- und Ki-itik der LEiüMTz'schen Pliilosophie, 2. Aussähe 1844 S.12. ^ Sein Secretär Eckhart sclireilit über iini (Lebenslauf des Herrn vox Leirniz. in jNIurr's Journal z. Kunstgescli. u. Litt. Bd. MI S.r99): »Er las zwar viel und excerpirte alles, machte auch last über jedes curiose Buch seine Retlexiones auf kleine Zetteln ; sobald er sie aber geschi-ieben , legte er sie weg und sähe sie nicht wieder, weil seine ^Memoire unvergleichlich war.« ^ Siehe GuHRAUER, LEinxrrz's Deutsche Schriften, 2. Bd. 1840 S.301. Hier- her gehört auch der Ausspruch : »Die Waln-heit ist verbreiteter als man glaubt, aber oft verhüllt: indem man ihre Spuren bemerkbar macht, findet man eine bleibende Philosophie". Leibxiz als universaler Denker und Organisator. 13 sehen hielt er sieh nicht auf; es fiel von selber ah\ Diese Fähig- keit — Goethe hat sie Wahrheitsliebe genannt — ermöglichte es ihm, einen Reichthum von Gedanken einzusammeln, wie ihn kein Sterblicher vor ihm besessen hat; sie entwickelte zugleich in ihm jene Universalität, die ihn überall heimisch machte. Die alte, auf der kirchlichen Überlieferung beruhende Welt- und Lebensanschauung hatte stets mit dem »Entweder-Oder« gearbeitet und damit vieles Herrliche entwerthet; aber auch die neue schickte sich an — in entgegengesetzter Weise — ein »Entweder-Oder« aufzurichten. Da- her ist es von höchstem Werthe gewesen, dass in Leibniz die Zeit einen Führer erhielt, der in der grossen Epoche des Umschwungs die Selbständigkeit des geistigen Lebens anerkannte, der nicht nur die einzelnen, sich trennenden Wissenschaften zusammenfasste , son- dern auch in den Wissenschaften selbst die Spannungen zu besei- tigen und die Klüfte auszufüllen trachtete. Wie die Natur, seine Lehrmeisterin, konnte er nichts Leeres dulden, und wie sie suchte er allem Lebendigen sein Recht auf Existenz und Fortexistenz zu lassen ; denn in der Fülle des Individuellen schaute er das Universum an und seine Harmonie. Im ihm lebte der Totalsinn Spinoza's, aber verbunden mit der Ehrfurcht vor allem Besonderen und Selbstän- digen und vertieft durch die deutlichste Einsicht, dass die Erkennt- niss jedes Objects eine besondere Methode verlange". ^ In dieser Fähigkeit des Geistes ist Diderot Leibniz verwandt (»Ich lese die Menschen«, schreibt er einmal, »wie die Bücher; ich beschwere mein Gedächt- niss nur mit Dingen, welche gut und nachahnienswerth sind«). Auch in dem freu- digen Optimismus, der Duldsamkeit, der Güte und der steten Hülfsbereitschaft sind sie sich ähnlich, so diametral entgegengesetzt ihre Philosophie ist. - »Ich habe gelernt«, sagt er einmal, »dass man sich in der Mathematik auf den Scharfsinn, in der Naturwissenschaft auf Experimente, bei den göttlichen und menschlichen Gesetzen auf Autorität, in der Geschichte aber auf Zeugnisse stützen muss« (vergl. den Brief an Zacagxi vom 8. Mai 1704 auf der hannov. Bibliothek: »Ego dudum eflfeci, ut intelligerent nostri, quod olim minus curabatur, historiam monumentis innixam esse debere«). In der Medicin wollte er von den berühm- testen Theoretikern nichts wissen, weil man auch hier nur aus Beobachtungen und Entdeckungen etwas lernen k()nne. Er hielt sie neben der Ethik für die wichtigste, zugleich aber für die schwierigste Wissenschaft. »Virtus et sanitas — caetera adjici- entur nobis«, war sein Wahlspruch. Gern vei'glich er die Medicin mit der Kriegs- wissenschaft, die beide deshalb so schwierig seien, weil sie von so vielen Zufällig- keiten abhingen. — Die Fähigkeit, jede Disciplin nach ihrer Eigenart zu fassen, alles Schematisiren zu vermeiden, da es die Eigenthümlichkeit der Objecte verwische, und die instinctive und geniale Einsicht in Bezug auf das INIaass dessen, was die Zeit an Neuem zu ertragen vermochte, sind vielleicht die grössten Eigenthümlich- keiten seiner Begabung gewesen. Obgleich er eine radicale Umwälzung der Welt- anschauung einleitete, schien er doch ein conservativer Mann zu sein. 14 \'oi'g('.scliiclite der Akademie. All diesem Punkt lag aher auch eine gewisse Sclnväclie. Die Kraft der Exclusive hat er nicht gekannt: er hat oft genug zu con- serviren und zu vermittehi gesucht, wo nichts zu vermittehi war, und Verhinb der Wissenschaften befreit ha]:)en, erklärt Leibniz aus ihrem Festhalten an der lateinischen Sprache und aus der mangelnden Soi'ge für die eigene herrliche Sprache. Jene "Unvorgreif liehen Gedanken« sind in der Geschichte der Preussischen Aka- demie am Ende des 18. Jahrhunderts epochemachend geworden, als sie sich von der französischen Sprache befreite. Der Gurator und Minister v. Hertzberg griff auf die Abhandlung von Leibniz zurück in einer akademischen Vorlesung am 26. Januar 1792 und setzte einen eigenen Ausschuss ein, um die Gedanken des Patrioten aus- zuführen: "Wir dürfen ihm nur pünktlich folgen und die letzte Hand daran legen, indem wir die Veränderungen hinzufügen , die durch die Fortschritte der Wissen- schaften und selbst in der deutschen Sprache während dieses langen Zeitraums von beinahe einem Jahrhundert nothwendig gemacht werden. . . Die Akademie zu Berlin, die unter ihren Mitgliedern mehrere ansehnliche deutsche Gelehrte zählt, glaubt sich zur Ausführung dieses grossen Plans berufen«. ^ Klopp, a.a.O. 3. Bd. S.3i2ff. : "Consultatio de naturae cognitione ad vitae usus promovenda instituendacpie in eam rem Societate Germanica, ([uae scien- tias artesque inaxime utiles vitae nosti'a lingua desci'ibat jiatriaetjue liouorem vin- dicet«. Leibxiz als universaler Denker und ( )rganisator. 19 doniesticae virtutis ignari, et suh nescio ([uibus rhapsodiis saepe praeclara iiostra cogitata obruentes, quae alii speciosis ratiocinationibus ornata venditare didicerunt. Addo quod soll onniium Gerniani linguam nostrani neglighnus. cuius tanien in rebus solidis minimeque chiniaerieis tradendis nüi-abilis efficacia tot experimentis coinpro- bata est ^ « Bei seinem grossartigen Wirken für das allgemeine Wohl und das W^ohl des Vaterlandes sali sich Leibniz, abgesehen von der Mit- wirkung der Gelehrten , allein auf die Einsicht und das Wohlwollen der Fürsten angewiesen. Von den Universitäten hat er, kein Zünf- tiger, nie viel erwartet, und die Völker schienen noch nicht ge- nügend erzogen. Alles für die Völker, aber alles durch die Fürsten, das war die vorgezeichnete Linie. Indem Leibniz zeitlebens auf diesem Wege wandelte, hat er mit allen grossen und mit den meisten kleinen Fürsten seines Zeitalters anzuknüpfen versucht — häufig mit Glück, aber auch nicht selten mit herben Enttäuschungen, die ihn indess niemals niederbeugten. Das sichere Bewusstsein, die Sache Gottes und der ganzen Menschheit zu vertreten , gab ihm Muth und Aus- dauer, und mischten sich auch hie und da persönliche Eitelkeit und eine unberufene und beängstigende Geschäftigkeit ein, so blieben die grossen Gesichtspunkte doch stets die durchschlagenden, und in dem Zeitalter der politischen Kabalen hat er sich — häufig in Staatsaffairen wirksam — niemals zu bedenklichen oder gar niedrigen Diensten brauchen lassen. Die Sprache, die er den Fürsten gegen- über führte, ist nicht mehr die unsrige und berührt uns in einigen Kundgebungen peinlich , aber gemessen an dem höfischen Stile der Zeit, ist sie freimüthig und selbstbewusst. »Stelle auch zu erwägen« — schreibt er dem Könige Friedrich L von Preussen im Jahre i 7 1 1 — »ob ich einigen von Ew. Maj. Ministris (in dem, was ich zu Ew. Maj. Dienst und Glorie gethan) zu weichen Ursach habe, in- dem dasjenige, was durch meine Direction geschieht, ad gloriam immortalem vermittelst des incrementi scientiarum gehet, welches bei der Posterität allezeit j^retios sein wird, wenn alle politische Interessen dermaleins geändert sein dürften«'. Seine grossen Ziele hat er, mochte er für Braunschweig, Preussen, Sachsen, Österreich oder Russland wirken, stets unverrückt vor Augen behalten, und auch des deutschen Vaterlandes vergass er nicht, wenn er für die Fremden arbeitete. ^ Zum Letzteren vergl. die identischen Aussagen, die Guhrauer (a.a.O. I S. 52 ff.) anführt, dass "die deutsche Sj)rache an sich selbst zum Probirsteine der Gedanken diene". ^ Klopp, a. a.(). Bd. 10 S. 449 f. 9* 20 Vorgescliiclit(' der Akademie. 3. Unter den Mitteln aber, durch die Leibniz das Wohl des Vater- landes und das allgemeine Wohl befördern und die Menschheit auf eine höhere Stufe heben wollte, standen ihm zwei zeitlebens im Vordergrund: sie ergaben sich aus der Idee, die Weltharraonie zu befördern und jene Einheit in der menschlichen Gesellschaft zu ver- wirklichen, die in dem grossen W^eltsystem von Gott selbst bewirkt ist\ Das Eine war die Reunion der katholischen und evangelischen Kirche oder — als dieses Ziel in immer weitere Ferne rückte" — mindestens die Vereinigung der beiden getrennten protestantischen Confessionen. Für dieses Werk schien ihm eine enge Verbindung von Hannover und Brandenburg die noth wendige Vorbedingung, und von hier aus erklären sich seine lebhaften Bestrebungen , in Berlin festen Fuss zu fassen (seit dem Jahre 1697). Allein in Han- nover, obgleich der Kurfürst lutherisch und seine Gemahlin, die freisinnige Tochter des Winterkönigs, reformirt waren, hat man es mit den Reunionsversuchen nur so lange ernst genommen, als man besondere Vortheile für die Dynastie von ihnen erhoff'te^. Sobald die englische Erbschaft in Sicht trat, hörten sie vollends auf. In Berlin dagegen war man unter Friedrich I. und Friedrich Wilhelm I. * Vergl. Fischer, J. L. Frisch"s Briefweclisel mit G.W. Leibxiz (Arcliiv der '-Brandenburgia« 2. Bd. 1896) S.lVf. ^ Aufgegeben hat Leibniz diesen Plan bekanntlich niemals und ihm grosse Opfer an Zeit luid Ki-aft gebracht. In den Annalen (vergl. Bodemann, Ztschr. d. histor. Vereins f. Niedersachsen 1888 S. 86) stehen die zuversichtlichen Worte: »Ich verzweifle nicht, dass dieses heilsame Ziel einst noch erreicht werden wird. Denn sollte nicht nach Karl und (Jtto dem Grossen ein dritter grosser Kaiser aus dem zur Aufklärung der A'ölker berufenen Deutschland erstehen können, der Rom wieder katholisch und apostolisch mache!' Wenn zwei oder drei mächtige Könige das Unternehmen desselben unterstützen, so ist, glaube ich, die Sache geschehen. Verscheucht ist die Finsterniss der Welt durch das Licht der Wissenschaften und der Geschichte; und wie nothwendig diese Reform sei, wird von den meisten durch Gelehrsamkeit und Erfahrung hervorragenden Katholiken selbst mehr verschwiegen als geleugnet. Aber sie wird kommen, gewiss sie wird kommen die Zeit, wo die segensreiche Wahrheit übei'all sich wii'd äussern dürfen.« ^ Die Kurfürstin Sophie konnte an Leibniz scherzend schreiben, man müsse in Bezug auf die Reunion auf eine ausserordentliche Offenbarung hoff"en, und »da das Christenthum in die Welt durch eine Frau gekommen sei, so würde es glor- reich für sie sein, wenn die LTnion durch sie zu Stande käme". An ihren Bruder, den pfälzischen Kurfürsten, schrieb sie: »Was mir am meisten bei der Reunion am Herzen liegt, ist, dass für unsere Kinder gute Vortlieile daraus erwachsen, was mehr befriedigen wird als alle S])eculationen, die Niemand versteht" (s. Bodemann, a. a. 0. S.85f.). Leibx[z und der Gedanke der Akadeniieen. 21 ernstliaft um das grosse Werk bemüht. Aber die Theologen beider evangelischer Kirchen waren — einzelne hervorragende Männer abge- rechnet — noch nicht reif dafür, und so musste es aufgegeben werden, zumal da die Aufklärung bald die Orthodoxie in dieser Angelegenheit unterstützte. Sie hielt es nicht mehr für nöthig, sich um die »abster- benden« Gebilde, die Confessionen , überhaupt noch zu kümmern. Der Plan der Kirchen -Reunionen, so lebhaft und ausdauernd ihn auch Leibniz betrieben hat, tritt doch zurück hinter dem eigent- lichen Plane seines Lebens, auf dem Boden der Wissenschaft das Vaterland und die Völker zu einigen, ja er ist diesem durchaus unter- geordnet gewesen. Als das wichtigste Mittel aber für die Beförde- rung des allgemeinen Fortschritts und einer productiven Aufklärung vermittelst der Wissenschaft erschien ihm die Stiftung von Socie- täten\ »Der Gedanke der Stiftung von Societäten zu wissenschaft- lich-praktischen Zwecken in der Gestaltung, wie sie der Seele von Leibniz vorschwebte, ist nicht nur ein ein- oder mehrmaliger, durch zufällige Umstände, durch glückliche Gelegenheiten vielleicht her- vorgelockter, sondern er entspringt unmittelbar aus der sittlichen und intellectuellen , ja dass ich sage, aus der religiösen Grundan- schauung von Leibniz"".« Seine ersten Entwürfe zur Errichtung von Societäten oder vielmehr zur Organisirung der gesammten wissen- schaftlich-praktischen Arbeit und zur Sammlung aller geistigen Kräfte im Dienste productiven Schaffens stammen aus dem Jahre 1667, als er einundzwanzig Jahre alt war; seine letzten Bemühun- gen um die grosse Sache sind vom 28. October 17 16 datirt, sieb- zehn Tage vor seinem Tode. 4. Der Gedanke der »Akademieen« oder »Societäten« ist eine Erb- schaft des auf Plato und seine Schule gerichteten Renaissancezeit- alters; aber er wurde erst im 17. und anfangenden 18. Jahrhundert fruchtbar gemacht. Die Neugründung von Universitäten in den pro- ' Mit »Zeitschriften« und »Dictionnaires'» allein, so hoch Leibniz den Jour- nalismus als neues Mittel des Fortschritts schätzte, gab er sich nicht zufrieden (im Jalire 1697 ei'schien das berühmte Dictionnaire von Bayle); er wusste, um mit Goethe zu reden, dass es auch in der Wissenschaft nicht mit dem Wissen allein gethan ist, dass vielmehr Thaten und Organisationen nöthig sind. Eben deshalb AvoUte er Akademieen stiften. ^ Klopp, Leibniz" Plan der Gründung einer Societät der Wissenschaften in Wien (Archiv f. Österreich. Gesch. 40. Bd. 1869 S.160). 22 Vorgescliiclitc der Ak;ulciiiie. testantisclien Gebieten entsprach den vom scholastischen Betriebe sich abwendenden Bedürfnissen noch nicht', abgesehen davon, dass sie nur einigen Ländern zu gute kam. Diese Bedürfnisse gingen erstHch auf einen festen , freundschaftlichen Zusammenschluss der CoUegen zu gemeinsamer Arbeit, sodann auf productive Thätigkeit, sei es auch auf beschränktem Gebiete, im Gegensatz zu der todten Reproduction der aristotelischen Wissenschaft. Damit war der Unter- richtszweck, die »Lehre« ausgeschlossen oder doch an die zweite Stelle gerückt: »Originale Erkenntnisse«, »Beobachten« und »Kön- nen« sollten im Mittelpunkte stehen, die Liebe zur Natur regieren. Treten in Italien und Deutschland zunächst die sprachliebenden und -forschenden Gesellschaften in den Vordergrund, die bei aller Be- schränktheit doch den Anstoss zur Entwicklung der neueren Litte- ratur gegeben haben', so fehlen doch auch die ihnen geistig ver- wandten, in der Regel freilich schnell verkümmernden Unterneh- mungen^ solcher Naturphilosophen nicht, die mit frischer Erkenntniss ^ Siehe Paulsen, Gesch. d. gelehrten Unterriclits . 2. Autl. i. Bd. 1896 8.209 ff. ^ Die "fruchtbringende Gesellschaft« (der "Pahnenorden") ist 1617 vom Füi'sten Ludwig von Anhalt -Köthen gegründet worden nach dem Muster der Accademia della Crusca in Florenz, deren Mitglied der Fürst im Jahre 1600 geworden war. Keller (CoMENius und die Akademieen 1895), der sehr dankenswerthe Mittheilungen üljer den Pabnenorden und die anderen Societäten macht, scheint doch ihi'e Bedeutung zu übertreiben. Nicht erwiesen ist, dass die Förderung der deutschen »Spraclie für die Eingeweihten nur das Kleid war, das die höchsten und letzten Ziele vor den Augen gefährlicher Gegner verhüllt habe (S. 15). Richtig ist, dass die in den verschiede Jien Gesellschaften gepflegten Zweige der Wissenschaft (Naturwissen- schaft, Mathematik, Erziehungslehre, Volkssprachen) eben die waren , in denen sich der neue Geist des Zeitalters ausprägte und dass sie mit ihm und deshalb auch mit den irenischen religiösen Bestrebungen in Fühlung standen. Aber dass ein be- stimmter religiös -philosophischer Standpunkt von allen vertreten wurde, luid dass dieser der böhmisch -refoi-matorische gewesen ist, ist zuviel behauptet. ^ Geistig verwandt darf man sie nennen, weil sie in der Abneigung gegen das Zeitalter der Scholastik, in den irenischen Tendenzen, in dem Streben nach Geistesfreiheit und in der Richtung auf die Besserimg des Lebens zusammenstehen. — Die Pflege der Volkssprache und die neue Wissenschaft waren Bundesgenossen und sind stets zusammengegangen. Freilich dauerte es in Deutschland lange, bis die Muttersprache in die wissenschaftlichen Untersuchungen eindrang. Schon in) Jahre 1663 constatiren CoNRiNG und Boineburg (s. Guhrauer, a. a. O. I S. 55 f.) zu ihrem Arger, dass Franzosen, Engländer, Italiener, Sj^anier, Belgier in ilncr Muttersprache in den Wissenschaften schreiben; von Deutschen ist dabei noch gar nicht die Rede. In der That wird in jener Zeit in Deutschland kaum erst ein Anfang gemacht. Im Jahre 1643 wurde in Hamburg die "Gesellschaft der drei Rosen ■■ (»Deutschgesinnte Genossenschaft", »Die Kunstliebenden ") gegründet, die auch die deutsche Sj^rache pflegen und »die allei-nützlichsten Bücher in allerhand Wissenschaften und Künsten» herausgeben wollte (s. Keller, a. a. O. S.28 ff.). Über die im Jahre 1633 zu Strass- burg gegründete »Aufrichtige Gesellschaft von der Tanne«, den in Nürnberg im Die Akadeinieen des 17. .L-ilirliuiulerts. . 23 die neue Wissenschaft betreiben wollten und den alten Schulme- tlioden den Krieg erklärten. So gründete bereits im Jahre 1622 der Lübecker Joachim Jungius (geb. am 22. October 1587) — in mehr als einer Hinsicht ein Leibniz vor Leibniz' — zu Rostock eine von der Universität ganz unabhängige gelehrte Gesellschaft, die societas ereunetica oder zetetica, in deren Programm die Wider- legung der scholastischen Philosophie (besonders der der Jesuiten), die Pflege der Mathematik und die Erforschung der Natur als die Hauptaufgaben bezeichnet wurden. «Der Zweck unseres Vereins soll einzig der sein: die Wahrheit aus der Vernunft und der Er- fahrung sowohl zu erforschen als sie, nachdem sie gefunden ist, zu erweisen oder alle Künste und Wissenschaften , welche sich auf die Vernunft und die Erfahrung stützen, von der Sophistik zu be- freien, zu einer demonstrativen Gewissheit zurückzuführen, durch eine richtige Unterweisung fortzupflanzen, endlich durch glückliche Erfindungen zu vermehren'".« Vor allem aber ist Amos Comenius zu nennen als der grosse Führer und Erzieher zu einer Reform der wissenschaftlichen Methode, zugleich unermüdlich thätig, gleich- gestimmte Männer zu sammeln und zu vereinigen. Indessen alle diese privaten » Societäten « , innerhalb deren Valentin Andeeae eine beson- ders charakteristische Figur ist, haben für die Gründung der grossen staatlichen gelehrten Körperschaften doch nur indirecte Bedeutung Jalire 1644 gestifteten » Blumenorden ■< und den »Schwanenürden an der Elbe« (um 1660) vergl. ebenfalls Keller 8.350"., 37 ff., 42 ff. ^ Es wäre eine schöne Aufgabe , die. deutschen Vorläufer von Leikxiz in den .Jahren 1620 — 1670 zusammenzustellen, und es ist dafür noch wenig geschehen. - Siehe über den Stifter Hoche in der Allg. Deutschen Biographie, 14. Bd. S.72iff. . GuHRAUER. J. JuNGius imd sein Zeitalter, 1850. und Keller, a. a. O. 8.570". Die Societät ging bereits im Jahre 1625 in den Schrecken des Krieges unter. Der Grundsatz von Jungius — Goethe hat den INIann aus der Vergessen- heit befreit — : »Per inductionem et experimentum omnia» lässt noch nicht er- kennen, wie umsichtig er als Erkenntnisstheoretiker vei-fahren ist. Seine Über- zeugung, dass nur ein Zusammenschluss der Gelehrten die ]Macht der scholastischen Sophistik zu brechen vermöge, spricht er in dem Satze aus (Guhrauer, a. a. 0. 8.9): »Wie kannst Du es wagen wollen, allein gegen solche Lehrmeinungen zu kämpfen? Wenn ich hätte allein sein sollen, so hätte ich keine Feder gegen die Schul- meinungen geführt«. — Auch alchymistische Gesellschaften gab es. Einer solchen ist der jugendliche Leibniz zu Nürnberg im Jahre 1667 beigetreten (s. Klopp, Die Wei-ke von Leibniz Bd. I, Einleitung 8. XVI , und Kopp, Gesch. d. Alchymie Bd. I S. 233) und führte ein Jahr lang das Secretariat in ihr. Das Interesse für chemische Probleme und die Zurückhaltung gegenüber vorschnellem Absprechen in alchemisti- schen Dingen hat Leibniz stets ])e\vahrt. obgleich er vom Goldinachen nichts wissen wollte. Keller, a.a.O. 8. 50 f['.. überschätzt die Bedeutung jener Episode für das Leben und die Entwicklung Leibnizciis. 24 Vorgeschiclite der Akademie. gehabt. Die Behauptung eines neueren Forschers': »Es lässt sich ebensowenig eine Geschichte der Berliner wie der Londoner Aka- demie schreiben, ohne des wesentlichen Antheils zu gedenken, den die älteren freien Collegien und Gesellschaften an ihrem Entstehen gehabt haben«, ist mindestens miss verständlich. Das von Comenius zu London im Jahre 1641 entworfene Project einer höheren und einheitlichen Organisation der in vielen Ländern vorhandenen Ge- sellschaften unter neuem Namen zur Pflege der Pansophie ist nie verwirklicht worden, und es lässt sich nicht nachweisen, dass es auf die Stiftung der »Royal Society« (1662) irgend welchen Ein- fluss ausgeübt hat". Diese hat vielmehr ihre Vorstufe an einer Gesellschaft von Naturforschern, die seit dem Jahre 1645 oder schon früher auf Anregung eines in London lebenden Pfälzers, Theodor Haak, wöchentlich zusammenkamen, sich über den Stand der Naturwissenschaften unterhielten und von neuen Experimenten berichteten^. Nach der Restauration hat Karl II. diese Gesellschaft in eine »königliche« verwandelt, um hervorragende Männer von der Politik abzuziehen und mit anderen Interessen zu beschäftigen. Dass die neugestiftete »Royal Society« auch Mitglieder zählte, die zu Comenius und dessen Bestrebungen in Beziehung standen, hat für die Zwecke und die Entwicklung dieser Gesellschaft gar keine Bedeutung gehabt. Dasselbe ist von der Preussischen Societät der Wissenschaften zu sagen. Zu ihren ersten Mitgliedern gehörten nicht wenige, die entweder früher Genossen privater Societäten gewesen waren oder in gewissen Beziehungen zu der von Comenius erweckten geistigen Bewegung gestanden hatten. Aber das hat weder für die wirkliche Vorgeschichte noch für die Stiftung der Königlich Preussischen Societät Bedeutung gehabt. Kaum irgendwo begegnet in den einschlagenden Acten und Briefen eine Erwähnung der freien Societäten*, und somit ist es lediglich der in diesen sich besonders kräftig aussprechende Geist des Zeitalters , an den zu erinnern ist, wenn Verbindungen zwischen ihnen und den staat- ' Keller, a.a.O. S. 107. s. auch 8.55. "^ Gegen Keller, a. a. T). 8.7 7 ff. ^ Auf die verschiedenen englischen privaten Gesellschaften (darunter auch litterarische) vor Stiftung der Royal Society einzugehen, ist hier nicht der Ort; eine kurze Übersicht über sie und die naturphilosophischen der Italiener bei Bar- THOLMEss, Hist. philosophique de TAcademie de Prusse T. I 1850 p. XI ff. * Auch die "Kunstrechnungsliebende Societät« zu Hamburg, gestiftet von H. Meissner (s. Bodemaxn, Briefwechsel von Leiexiz 1889 S. 178). wird nicht erwähnt. Die Akadeuiieeu des 17. ,I;ilirliunderts. 2o liehen gelehrten Körperschaften, in denen die strenge, methodische Pflege der Naturwissenschaft von vorn herein Selbstzweck war', aufgewiesen werden sollen". Die wirkliche Vorgeschichte der Königlich Preussischen Societät — abgesehen von den besonderen Anlässen — liegt einerseits in der vorbildlichen Thatsache, dass bereits in Frankreich und Eng- land solche staatliche Akademieen bestanden^, andererseits in den * »EndeaA'Our by solid experiments, eitlier to reforin or iiiiprove PhilüsopliV" — ist dei' Zweck der englischen Societät, die das Motto erhielt: "Nullius in verbat. Ks ist der Geist Bacon's, der ihr die Wege wies. ^ Zwei deutsche Gesellschaften verdienen hier noch eine Erwähnung, die eine, weil sie mit der Erforschung der Natur vorangegangen ist (»Quidquid natui-a suo in sinu servavit reconditum publico mundi theatro exhiberC") und sich bis heute erhalten hat — das Kollegium Natiu-ae Curiosorum, später "Academia Leopoldino- Carolina", »die Naturforschenden Freunde» genannt, gestiftet im Jahre 1652 — , die andere, weil der Anlass, der zu ilu-er Begründung geführt hat (sie kam übrigens über die embryonale Stufe nicht hinaus), die Kalendei'verbesserung, in der Stiftung der Preussischen Akademie fortwirkte — das von E. Weigel seit etwa 1695 ge- plante mathematische Collegium artis consultorum (s. über dasselbe unten und Wilhelm Meyer, Die Handschriften in Göttingen. 1893 S. 161). — Über jene Ge- sellschaft hat sich Leibniz in seinem «Bedenken von Aufrichtung einer Academie oder Societät in Teutschland« (Klopp, a. a. 0. I. Bd. S. 141 f.) nicht günstig ausge- sprochen: "Dieses Institut, ob es gleich an sich selbst gut und nicht zu verachten. ist doch nicht real genugsam , denn dadurch nur bereits habende Dinge aus andern Büchern gesammelt, niclit aber neue aus eigener Experienz entdecket worden«. Zwar räumt er ein, dass im letzten Jahr ein Fortschritt gemacht sei und die Ge- sellschaft observationes medicas herausgegeben habe. "Es mangelt aber viel dabei zu einem rechten wohlformirten corpore, davon etwas reales gehoffet werden könnte, so einen gewissen Fundum, Union. Ruf, Adresse und Anstalt hätte.« Als Leibmz im Jahre 1676 eine Kaiserlich Deutsche Gesellschaft plante, hat er sich noch an diese Gesellschaft und die fruchtbringende gewandt und sie zur Mitwirkung auf- gerufen, später aber nicht mehr. — In einem Aufsatz »sur l'utilite des Academies« (]Mem. 1788/9 p. 460 ff.) hat Garve die Entstehung der Akademieen mit der Entstehung- religiöser Gesellschaften , z. B. der bölimischen Brüder, verglichen und demgemäss. nicht ohne Grund, von einer Zeit der ersten Liebe und von einem allmälilichen Er- matten des gemeinsamen wissenschaftlichen Eifers gesprochen. ^ In Frankreich ist natürlich von einem Einfluss der reformatorischen "Ge- sinnungsgemeinschaften« gar nichts zu spüren. Im Jahre 1635 hatte Richelieu die Academie frauQaise gestiftet (ihre Anfänge führen bis auf das Jahr 1629). Im Jahre 1666 gründete Colbert die Academie des Sciences für Mathematik und Natur- wissenschaften. Ihn leitete dabei ein praktisches Interesse. Industrie, Handel und Schifffahrt sollten von der Stiftung Nutzen ziehen und die Einkünfte des Staates dadurch vermehrt werden. Aber die Pflege der reinen Wissenschaft im Sinne Des- CARTEs" wurde doch die Hauptsache, ^"orbildlich wurde die Geschäftsführung der Pariser Akademie durch die ruhmvolle Thätigkeit ihres Secretars Fontexelle (Secretar seit 1699), der. hundert Jahre alt. im Jahre 1757 stai-b. Der langjährige Secretar der Berliner Akademie, Formey, beginnt seine Abhandlung über ihn («Sou- venirs d"un citoyen« 1789 T. II p. 253) mit den Worten: "J"ai toujours ete a son 2b \'(jrgescliiclite der Akademie. uiicrmüdlicluni Bemühungen LEiBNizens, für Deutschland etwas Ahnliches in's Lehen zu rufen und eine organische Verhindung aller europäischen Gelehrten und aller wissenschaftlichen Bestre- bungen herheizuführen'. Da I^eibxiz nicht nur der geistige Ur- heber und der erste Präsident der Preussischen Societät der Wissen- schaften gewesen ist, sondern auch in Dresden", Russland '^ und Wien^ Akademieen zu stiften unternommen hat, da ferner die Aka- demieen in München, Göttingen, Turin, Stockholm und Leipzig theils gleich anfangs, theils später nach dem Muster der Berliner egard dans les memes dispositions oü Erasine etait ;i Tegard de Socrate lor.s(ju"il disait: »Sancte Socrates. ora pro nobis». ' Hand in Hand mit den Bestrel)ungen , niclit nur die deutschen Gelehrten unter einander zu ver])inden, sondern auch die europäischen zu gemeinsamer, plan- voller Arbeit zu vereinigen, gehen bei Leibmz die immer wiederholten Anstren- gungen, eine Pasigraphie, d. h. eine nova lingua characteristica, zu erfinden. Nicht um die Schöpfimg eines Volapüks handelte es sich ihm — der Widersinn dieses Unternehmens, das, wenn es gelänge, zu einem halben Dutzend Cultui'sprachen noch eine siebente hinzufügen würde, ging ihm bald auf — , sondern um die l)e- grenztere und reizvolle Aufgabe, eine in allen Sprachen lesbare Zeichenschrift zu erfinden nach dem Vorbild der mathematischen Zeichensprache. Dass auch diese Aufgabe selbst für den scharfsinnigsten Geist unlösbar sei, hat Leibxiz nach unend- lichen Bemühungen gegen Ende seines Lebens einsehen müssen. ^ Siehe E. Bodemann, LEIB^•Iz" Plan einer Societät der Wissenschaften in Sachsen (Neues Ai-chiv f. sächs. Gesch. 4. Bd. 1883 S. 177—214). Die Angelegen- heitspielte 1703— 1705 und war nach vollkommener Vorbereitung der Durchführung nahe; aber der Krieg dui'chkreuzte sie. Zu einer Akademie der Wissenschaften in Dresden kam es überhau])t nicht, obgleich Alles fertig war und der Reinschi-ift des .Stiftungsbriefes nur die königliche Unterschrift fehlte. Erst im Jahre 1846 wuixle die Sächsische Gesellschaft der Wissenschaften zu Leipzig am 21. .luni. dem Geburts- tag LEiBNizens, eröffnet. ^ Die Beziehungen von Leibxiz zu Peter dem Grossen und Russland sind noch nicht erschöpfend dargestellt worden, obgleich ein ziemlich umfangreiches Actenmaterial theils gedruckt vorliegt, theils leicht zugänglich ist. Das Buch \-on Posselt, Peter der Grosse und LEiBNrrz (Dorpat 1843), ist nahezu werthlos. Leibxiz hat die Stiftung einer Akademie der Wissenschaften in Russland angeregt und be- trieben (vergl. u. a. den Briefwechsel mit Heineccius in der Hannov. Bibliothek: Plan der Eri-ichtung einei' Societät der Wissenschaften und Missionsanstalt in INIoskau, und zwar ausgehend von der Berliner Societät, Brief vom 19. Novem- ber 17 11). Gestiftet wurde sie nach seinem Tode im Jahre 1724 von Peter L, eingerichtet im folgenden Jahre von Katharina L zu St. Petersburg. Zur Berli- ner Akademie hat die Petersburger in dem ersten halben Jahrhundert ihres Be- stehens die lebhaftesten Beziehungen gehabt. Eine heilsame Rivalität bestand, ja man suchte nicht ohne Erfolg die tüchtigsten Mitglieder der Schwesterakadeinie zu entfüliren. * Siehe Klopp, Leibxiz* Plan der Gründung einer Societät der Wissenschaften in Wien (Archiv f. Österreich. Gesch. 40. Bd. 1869 S. 159!?.). Hiber, Gesch. d. <-rründung u. d. AVirksamkeit d. K. Akad. d. Wiss. (Wien 1897) S.5 ff". Leibxiz" Sofietätspläne vor l(ii)7. 27 eingerichtet worden sind\ so ist es der Mühe werth, die Entwick- lung der Societätspläne , Avie sie Leibniz bis zur Stiftung der Ber- hner Akademie ausgebildet hat, in Kürze darzustellen. Er ist durch die Einsicht und Kraft, mit der er den Gedanken streng wissen- schaftlicher und alle Gebiete der menschlichen Elrkenntniss um- spannender Akademieen geklärt und durchgesetzt hat, ihr eigent- licher Patron geworden. Doch nur in Preussen gelang es ihm, seine Pläne durchzuführen. Ausgangspunkt des Societätsgedankens ist der Plan des 2 i jäh- rigen Leibniz gewesen, sich in 3Iainz oder Frankfurt eine selbstän- dige Stellung zu gründen durch ein kaiserliches Privilegium für eine halbjährlich nach der Messe erscheinende Zeitschrift. In dieser Zeit- schrift sollten die neu erschienenen Bücher verzeichnet und das Wichtige in ihnen herausgehoben w^erden". Bald erweiterte sich der Plan zu dem anderen, die Direction des gesammten deutschen Bücherwesens an Kurmainz zu ziehen und es ganz neu zu gestal- ten. Der hochgesinnte Erzbischof von Mainz , Johann Philipp von ScHÖNBOKN, berathen von dem Baron von Boineburg, schien ganz der Mann dazu , der geistige Führer Deutschlands unter den Fürsten zu werden. Wenn der Kurfürst das Commissariat erlangt habe, solle er eine «Societas eruditorum Germaniae« gründen und ihr als Di- rector vorstehen. Aufgabe dieser Societät soll sein: 1. corresponsum eruditorum universalem sustinere, 2. congregare bibliothecam universalem, 3. indices universales fieri curare. 4. nuituas operas iungere societatibus regiis Gallicae et Anglicae et academiis Itniicis. 5. rem medicam ad j^erfectionem tentare evehere, 6. mathematicis experimentis invigilare, 7. locos communes curare fieri , experimentaijue colligi, 8. inspectionem habere manufacturarum et commercionmi. Die Gesellschaft wäre schicklich in Frankfurt niederzusetzen, solle sich nicht in Religionsangelegenheiten mischen und aus einer be- stimmten Anzahl von hervorragenden Gelehrten bestehen. Ihr Ge- halt und die Kosten des Unt(M-nehmens sollen aus einer Steuer auf ^ Über den Einlluss der Berliner Akademie, also indirect LEiBNizens, auf die Neu- bez. Umbildung der italienischen Akademieen s. Denina, «De l'influence qu'a eue l'Academie de Berlin sur d'autres gi-ands eta1)lissements de la meme nature« (Mem. 1792/3 p. 562 ff.). - Siehe Klopp, Die Werke von Lkihxiz i. Bd. S. 7 ff. u. Einl. S. XXII f. 28 Vorgeschichte der Akademie. Papier Itestrittcn werden, wie eine solche schon in Holland und der Pfalz eingeführt sei. Hauptaufgabe aber bleibe das Bücherwesen: »Die Übel im Bücherwesen sind zahlreich und gross und dem Staate äusserst schädlich. Sie bestehen darin, dass gerade das Beste nicht gedruckt wird, dagegen vieles Schädliche \ noch mehr Über- flüssiges und durchweg Planloses«. Daher — um die scribacitas multorum zu hemmen — müsse die Bestimmung getroffen werden, dass Niemand ein Buch veröö'entlichen dürfe, in welchem er nicht anzugeben vermöge, was er bisher Unbekanntes und dem Staate Nützliches durch sein Werk zu Tage gefördert habe. Dies solle der Verfasser selbst in der Einleitung zusammenstellen, damit es leicht excerpirt werden könne". Der Kaiser gewährte das Privileg für die Zeitschrift »Semestralia« nicht^, und noch w^eniger hatte der grössere Plan einer »Societas eruditorum Germaniae« Aussicht auf Erfolg — der Kaiser war dies- mal der Freisinnigere und meinte, »es lasse sich den ingeniis, be- vorab den freien Künsten, niclit der Weg versperren, auf welchem sie ihre Talente zu gemeinem Nutzen zu gebrauchen gedächten«. Aber Leibniz, weit entfernt, sicli abschrecken zu lassen, steuerte mit seinen Plänen nun erst recht in ein uferloses Meer. Der »Grundriss eines Bedenkens von Aufrichtung einer Societät in Teutschland zu Aufnehmen der Künste und W^issenschaften« , der bald nach dem Jahre 1669 entworfen sein muss, ist ebenso bemerkenswert]! durch die Art seiner Begründung, wie durch das Utopische seines Umfangs, aber auch durch einige geniale und sichere Blicke in die Bedürf- ^ Mei'kwürdig ist, dass Leibniz unter den schädlichen Büchern ausdrücklicii den berühmten '■Monzambano«, De statu imperii Germanici, nennt, den Pufendorf unter diesem Pseudonym im Jahre 1667 hatte erscheinen lassen. Der Gegensatz der beiden Männer wurzelte in ihren gänzlich verschiedenen politisclien Ansichten (s. Leibniz' Kritik des Monzambano bei Klopp, a. a. O. I S.161 ff.), in Leibniz" Mei- nung, die Geschichtsschreibung dürfe nicht eine «proditrix rerum, quas aula sileri maluit" werden (s. den Brief vom 24. October 1709 bei Guhrauer, G.W.Freiherr VON Leibnitz, 2.Th., Beilage S. 16) und in einem persönlichen Erlebniss (Leibniz glaubte in einer jirivaten Angelegenheit, in der er sich an Pufendorf gewandt, von diesem hintergangen worden zu sei, s. Guhrauer, a.a.O. S.i5f.). Die wissen- schaftliche Bedeutung Pufendorf's als politischen Historikers der Zeitgeschichte ist Leibniz verschlossen geblieben; er steckte selbst zu tief in der Politik der Höfe und konnte daher nur als scriptor temporis acti etwas lehren und die historische Wissenschaft fördei'u. ^ Siehe den vollständigen Abdruck der beiden Entwürfe in dem Urkunden- band Nr. 2 a und 2 h. ^ Siehe Leibniz" Eingabe an den Kaiser Leopold I. vom 22. Octol)er 1668 (bei Klopp, a.a.O. I. Bd. S. 27ff.) und die zweite \'om 18. November 1669 (a.a.O. S. Biff.). Leibniz" Societätspläne vor 1697. 21) nisse der Gegenwart und Zukunft. Abgeleitet wird die Nothwendig- keit, eine Societcät zu begründen, aus der gottgesetzten Aufgabe des Menschengesclileclits, den Schöpfer zu verehren, und zwar erstlich in Anbetung (»oratores et sacerdotes«)\ zweitens in der Erkenntniss seiner Werke (»philosophi naturales«), drittens in der Nachahmung seines Regiments (»morales seu politici«). In der Erfüllung dieser Aufgabe gelangt die Menschheit zur Glückseligkeit; aber die Men- schen müssen sich zusammenthun, um sie durchzuführen. »Dazu wird die Aufrichtung einer wiewohl anfangs kleinen, doch wohl gegründeten Societät oder Academie eines der leichtesten und im- portantesten sein. « Und nun folgt eine Schilderung der Obliegen- heiten einer solchen Societät, die einfach Alles an erspriesslichen Thätigkeiten in Wissenschaft, Kunst, Handel, Industrie, Polizei, Medicin, Archiv-, Schul-, Maschinenwesen u. s. w. umfasst, was nur irgend erdacht Averden kann. Zoologische und botanische Gärten sind so wenig vergessen wie Arbeits- und Zuchthäuser. Das Ganze mündet in einen Vorschlag der Religionsvereinigung, die Leibniz stets für eine noth wendige Voraussetzung alles gemeinschaftlichen Wirkens gehalten hat". Dieser »Grundriss« scheint für den Kur- fürsten von Mainz bestimmt gewesen zu sein. Nicht viel später hat Leibniz ein zweites »Bedenken von x\ufrichtung einer Academie oder Societät in Teutschland«* ausgearbeitet, welches jenes erste weit übertrifft. Es enthält zunächst einen geistvollen Überblick über das, was die Deutschen bisher in den mechanischen Wissenschaften und Künsten geleistet, und bittre Klagen darüber, wie wenig sie es verstanden haben , ihre Erfindungen auszunützen. Deutschland wird als das Land der realen Wissenschaften gefeiert; aber die Aus- länder bemächtigen sich des unsrigen und wissen es besser in's Licht zu setzen und zu gebrauchen. Unsere Schulen, Academieen, Edu- cation, Zünfte, Künste und Wissenschaften sind »verstellet, ver- decket und verwirret«. »Nunmehr, nachdem das Licht angezündet und die Künste gemein, auch alle Nationen excitirt worden, sind wir diejenigen, die da schlafen, oder die letzten, die da aufwachen.« Er führt nun an, was in England und Frankreich durch Gründung ^ "Dabei mir einfället,« — schreibt Leibniz — »dass bei Aufrichtung der französischen zu Aufnehmen und Zierde ihrer Sprache vom Cardinal Richelieu ein- gerichteten Academie oder Societät ein gottseliger Mann unter andern in die Leges einzurücken begehrt, dass ein jedes Glied etwas jährlich zum Lobe Gottes zu com- poniren schuldig sein sollte, ist aber, weiss nicht warum, verblieben.« ^ Siehe den vollständigen Abdruck dieses Entwurfs in dem Urkundenband Nr. 3. 30 \'()i-.ü,('scliiclitc' der Akndeiiiic. königlicher Societiiten zur Erforscliiing der Natur geschehen ist und in Dänemark, Schweden und Toscana demnächst geschehen wird. Die deutschen privaten Societäten sind ganz unzureichend. Wir müssen uns nunmehr die Englische Königliclie Societät zum Muster nehmen. »Bei dieser Societät tlmt der König, der Herzog von York, Prinz Robert und viel vornehme Herren das ihrige, nicht dass sie an deren Leges, an persönliche Comparition und dergleichen one- rosa und solchen hohen Personen unanständige Dinge sich gebunden, sondern dass sie Sumptus beitragen, auf ihre Kosten durch ihre Ministros sowohl Status als Privatos correspondiren lassen, Alles, was sie neues, rares, importantes erfahren, der Societät communi- ciren, die Directores der Coloniarum, die Schiffs -Capitains, ver- ständige Mariniers . . . befehligen und anmahnen, keine Gelegen- heit zu versäumen, dadurch etwas neues, merkwürdiges untersucht und in hoc aerarium eruditionis solidae publicum gebracht werden könnte. Ja sie lassen die Societät Interrogatoria , Instructiones und Directoria vor Reisende, vor Ministros, vor Bergleute, Medicos, Hnndwerksleute, Künstler formiren, um dadurch immer tiefer in diese unerschöpfliche Mine der Natur zu menschlichem Besten zu kommen.« Was könnte Deutschland leisten I Wieviel Fürsten be- sitzt es, die sich an die Spitze stellen, wieviel ausserordentliche Talente , die in einer Societät richtig geleitet werden könnten ! Mit einer Schilderung, Avie in Deutschland die Talente verkümmern, und mit einem Ausfall wider die unvernünftigen Mediciner, die von Naturforschung nichts wissen, bricht das von Leibniz nicht zu Ende geführte Manuscript ab'. ' Siehe den vollständigen Abdruck dieses Entwurfs in dem Urkundenband Nr. 4. Merkwürdig ist, dass Leibniz mit einem Blick auf China schliesst: »Wie närrisch auch und paradox der Chinesen Reglement in re medica scheint, so ist's doch weit besser als das unsrige«. Seitdem hat Leibniz China nie aus den Augen verloren. Alles, was er irgend über dies Land hören konnte, sammelte er ein, setzte sich mit den Jesuiten -Missionaren in dauernde Beziehung, ermunterte zur Erlernung der chinesischen Sprache, war unablässig bemüht, Expeditionen nach China anzuregen , und hat, wie sich zeigen wird, die Preussische Akademie mit zu dem Zweck gestiftet und eine Societät in Moskau angeregt, um China zu er- schliessen, die Cultur Chinas und Europas auszutauschen und das ungeheure Land dem Christenthum zuzuführen. — Das abgerissene Blatt am Schluss, welches mit ab- gedruckt ist. zeigt, dass Leibniz die Errichtung einer Societät auch deshalb wünsclitc. um ..dem Morden der Ärzte" ein Ende zu machen. Er richtete die schärfsten Angriffe auf die Heilkunde, ^v•ie sie damals ausgeübt wurde. Zeitlebens ist er auf die Arzte schlecht zu sprechen gewesen — eine Folge war, dass auch sie weder ihn noch seine Schöpfung, die Bei-liuer Akademie, liebten. Die Akademie hat das bald zu fühlen bekommen. Leibxiz" Societät.s[)l;iiie vor l(ii)7. 31 In die nächsten Jahre fällt der für Leibniz' Entwicklung so hedeutungsvolle vierjährige Aufenthalt in Paris. Er l)rachte ihn in Verbindung mit den bedeutendsten Gelehrten , er gab ihm die An- schauung eines grossen nationalen Staates und einer nützlichen und hochangesehenen Königlichen Akademie der Wissenschaften\ Aber um so wärmer schlug sein Herz für sein Vaterland. Noch in Paris, kurz bevor er sich nach Hannover begab, hat er im Jahre 1676 die »Consultatio de naturae congnitione ad vitae usus promovenda instituendaque in eam rem Socictate Germanica, quae scientias ar- tesque maxime utiles vitae nostra lingua describat patriaeque hono- rem vindicet« und zwei kürzere Entwürfe verfasst. Mit Bewunde- rung liest man die Consultatio", die LEmxiz anonym erscheinen lassen wollte, wie so manche seiner politischen Schriften, um den Anschein der Ruhmsucht oder des Eigennutzes zu vermeiden. Seine letzten Absichten sind nicht andere geworden: das Höchste hat er im Auge: eine Sammlung aller Kräfte, um in die Natur einzu- dringen und alles Entdeckte leicht zugänglich zu machen. Aber viel lebendiger tritt die Liebe zum deutschen Vaterland hervor, und zugleich wird ein Modus der Ausführung vorgeschlagen, der die Möglichkeit der Durchführung näher rückt. Diese »Consultatio« soll nur als Grundlage für Verhandlungen unter den Berufenen dienen. Es handelt sich um die Stiftung einer Genossenschaft solcher deutscher Forscher, »qui relationes operationum naturae non tam ex chartis, quam ex naturae volumine et mentium thesauro excerpunt«. Bücher ^ In Paris hat Lkibniz die Grundziige der Differentialrechnung erfunden. Sehr beachtenswerth ist. wie er sich in die Aufgaben der französischen Politik ver- setzt hat. Theils um die Eroberungspolitik Frankreichs von den deutschen Grenzen abzuhalten . theils weil er stets die höchsten Ziele eines Staates mit genialem Blick erkennt, weist er Frankreich auf das östliche Becken des IMittehneers. Es soll die ganze Nordküste Africas, besonders aber Aegypten erobern, soll diese Länder der christlichen Cultur wiederbringen . die Schätze Aegyptens heben und den Suez- canal bauen I Zu diesem Zweck soll es sich mit Österreich verbinden. Avelches die Türken im Osten zu fassen hat. luiropa wird dann kein Kriegstheater mehr sein, sondern eine Stätte, auf der die christlichen Nationen in der Pflege der Künste und Wissenschaften rivalisiren werden. Die beiden grossen Unternehmungen des 19. Jahrhunderts, der Bau des Suezcanals und einer bequemen Strasse nach China (die sibirische Bahn), sind von Leibniz in ihrer Bedeutung erkannt und in's Auge gefasst worden. — Mitglied der Pariser Akademie ist Leibxiz zunächst nicht ge- worden; er musste noch lange warten und hat sich viel Mühe, um einen Sitz zu erlangen, gegeben. Leider ist der Brief, in welchem er sich um einen solchen bemüht, der in dem Faseikel -Correspondenz mit Malebranche« in der Bibliothek zu Hannover aufbewahrt wird, nicht nälier zu datiren; auch ist der Adressat bis- her nicht sicher ermittelt (s. Bodemann. Briefwechsel von Leibniz S. 164 f.). ^ Siehe den vollständigen Abdruck derselben in dem Urkundenband Nr. 5. 32 Vorgeschichte der Akiuleiiiie. siiitl stumm: ziitreßeiule Ideen muss mau aus lebendigen Aut(3ren schöpfen, d. li. aus solchen, die selbst beobachten und experimen- tiren, einerlei ob sie zünftig sind oder nicht. Ihre Beobachtungen muss man zusammenstellen, zuvor aber muss ein Nomenciator zur richtigen, kurzen und geordneten Bezeichnung der Dinge in deut- scher Sprache aufgestellt werden. Sodann muss eine Übersicht über die Probleme gegeben werden; eine zweckmässige Anordnung derselben, die Voranstellung der einfachen und gelösten, die Zu- ordnung der schwierigeren ungelösten wird bereits ein wunder- bares Licht verbreiten! Bis in die Details wird mit vollkommenster Sachkenntniss diese Aufgabe entwickelt luid die mathematische Methodik den Naturwissenschaften als Muster vorgestellt. Wenn die deutschen Gelehrten sich dazu entschliessen , dieses Werk in Angriff zu nehmen, werden sie bald alle anderen Nationen über- tlügeln. Augenscheinlich hatte Leibniz erkannt, dass die Pariser Gelehrten ihr Instrument, die Akademie, nicht genügend zu be- handeln und auszunutzen verstanden. In erhobener Rede und directer Ansprache wendet er sich an die Deutschen. Und in ihrer Sprache sollen sie schreiben! Die anderen Nationen haben das Latein ab- geworfen , und dort haben in Folge dessen Frauen und Jünglinge Zugang zu allen Künsten und Wissenschaften. Wir aber nöthigen unsere Jugend zuerst dazu, »die Herculesarbeiten der Bezwingung' verschiedener Sprachen, diu-ch die oft die Schärfe des Geistes ab- gestumpft wird, zu leisten, und verurtheilen alle die, die durch Ungeduld oder Geschick die Kenntniss des Lateinischen entbehren, zur Unwissenheit«. Nicht zu befürchten ist, dass deshalb die la- teinische und griechische Litteratur Schaden leiden wird: denn in Frankreich und England sind die Kenner derselben zahlreich, und niemals werden die Theologen das Hebräische und Griechische, nie- mals die Juristen das Lateinische — wohl auch das Griechische — , niemals die Mediciner beide Sprachen entbehren können, und die Historiker werden sich nie den Zugang zu den Quellen versper- ren lassen. Nun redet er die Mitglieder der deutschen privaten Societäten, der fruchtbringenden und der naturforschenden Gesell- schaft an: Verbündet euch mit mir und mit allen, die diesen Plan billigen, und schafft, dass wir eine Kaiserliche Societät be- kommen: Protector sei der Kaiser, den sich die naturforschende Gesellschaft schon erwählt hat; unter den Flügeln des kaiserlichen Adlers werden auch die Bemühungen um die deutsche Sprache neue Kraft gewinnen! Bereits führt Leibniz die Namen von 48 Lkihmz" 8ociet;its{)l;ine vor lOüT. 3B (leutsclien Gelehrten auf, an die zu schreiben sei, um sie für die Vorbereitiuig des grossen Unternelimens zu gewinnen. Wir finden unter ihnen E. Weigel, Swammerdamm, Leeweniioeck, Tschirnhaus, (xERUKE. Eine genaue tabellarische Übersicht über die Aufgaben, die Methode, die Arbeitstheilung bildet den Beschluss'. Dieses Geschenk brachte Leibniz den Deutschen aus Paris, Noch hoffte er auf die Societät als eine allgemeine Reichssache — eine kaiserliche Akademie sollte sie werden. Aber auf deutschem Boden Avurde er sofort wieder daran erinnert, dass es ein Deutsch- land überhaupt nicht gab, während es ein Frankreich gab. Der Plan fiel dahin. Er selbst begab sich noch in demselben Jahre (1676) in hannoversche Dienste und kettete sein Leben an diesen kleinen Staat. Aber die grosse fruchtbare Idee ging nicht unter; Leibniz musste nur lernen, dass sie zuerst in einem deutschen Einzel- staate zu verwirklichen sei. In Hannover hat Leibniz bei den Fürsten, mit Ausnahme des Her- zogs Johann Friedrich, der seit 1669 mit ihm in Verbindung gestan- den und ihn in's Land gezogen hatte, aber schon am Ende des Jahres 1679 starb, eine wirkliche Anerkennung niemals gefunden. Aber sie schätzten die positiven Dienste, die sein Name und seine Arbeits- kraft den weifischen Interessen leisten konnten, und sie wachten eifer- süchtig darüber, dass er nicht die Bahnen weifischer Politik verlicss. Mit nicht unbegründetem Misstrauen begleitete nach dem Tode Ernst August's, des ersten hannoverschen Kurfürsten (1679 bis 1698, seit 1692 Kurfürst), sein Nachfolger Georg Ludwig (seit 17 14 König Georg I. von England) die Schritte des »allerorten betriebsamen und mit der Regierungspolitik nicht immer conformen Gelehrten«. Nie- mals hat Leibniz das Vertrauen dieses Fürsten besessen, der seinem geistigen Schaffen theilnahmlos gegenüberstand und ihn nur deshalb ^ Wahrscheinlich in Frankreich ist Leibniz auch die Analogie der Akade- niieen mit den kirchlichen Orden und die Bedeutung der letzteren für die Wissen- schaft aufgegangen; aber er erkannte, dass sie in ihrer gegenwärtigen Verfassung den neuen Aufgaben nicht mehr gewachsen waren; die wahren Gottesfreunde müssen dort mit den Studien anfangen, wo die Jesuiten aufhören. »Ich liebe die Orden und wünsche sie erhalten zu sehen. Allein es ist sehr zu besorgen, dass sie dem Untergang verfallen , wenn sie sich nicht einer nützlichen wissenschaftlichen Thätig- keit zuwenden.« Er sagt einmal, er würde, wenn er Papst wäre, die wissenschaft- lichen Untersuchungen, welche zur Verherrlichung Gottes dienen, ebenso unter die Orden vertheilen, wie die Liebeswerke, welche zu Nutz des Nächsten geschehen; Benedictiner und Cistercienser sollten Naturwissenschaften treiben, andere Orden die Sprachforschung, Dominikaner und Jesuiten sollten sich dem Unterrichtswesen widmen . die Franciskaner der Seelsorge u. s. w. Geschichte der Akademie. I. 3 34 Vorgeschichte der Akademie. nicht frei gab, damit er die Annales imperii occidentis Brunsvicenses vollende. Aber an der Kurfürstinmutter Sophie (geb. 1630, gest. am 8. Juni 17 14), der Tochter Friedeich's V, von der Pfalz, der Enkelin Jacob's I. von England, besass Leibniz eine Beschützerin und vcrständnissvolle Freundin. Solange sie lebte, hatte er an ihr in Hannover einen Rückhalt; niemals entzog sie ihm ihr Ver- trauen; niemals hemmte sie seine Schritte, wenn sie auch manche seiner ausländischen Unternehmungen mit Ironie begleitete. Wohl aber zoö: sie seine Kräfte in ihre Dienste. Der Gedankenaustausch mit Leibniz, persönlich und brieflich, war dieser stets regen, auf- geklärten und skeptischen hohen Frau ein wirkliches Bedürfniss. Die letzten wissenschaftlichen Probleme berührten sie nicht, denn sie hielt sie für unlösbar; aber «jede gehaltvolle Anregung nahm sie mit derselben Schnellkraft in sich auf, mit der sie jeden stören- den Aftect überwand; es gab kein geistiges Interesse ihres Jahr- hunderts, das sie nicht in den Kreis ihres Nachdenkens zog, und stets bewahrte sie sich die unverwüstliche Heiterkeit einer von stol- zer Geschlossenheit und weltoffener Klugheit im Gleichgewicht ge- haltenen Seele« \ Leibniz hat sich dem Zauber dieser Fürstin nie zu entziehen vermocht. Immer war er bereit, ihre Interessen zu vertreten; mit voller Aufrichtigkeit sprach er sich ihr gegenüber aus", und den Tod keiner Fürstin und keines Fürsten hat er auf- richtiger betrauert als den ihrigen , der ihm , neben dem persön- lichen Verlust, die Stütze seiner öffentlichen Stellung raubte. Aber so willig sich Leibniz dieser Fürstin zu Diensten stellte und ihre grossen politischen Pläne förderte, seine eigenen vergass er darüber nicht, weder dort, wo sie mit den Absichten der auf die Grösse und den Ruhm ihres Hauses bedachten Kurfürstin con- vergirten, noch dort, wo sie in eine ganz andere Richtung gingen. Die merkwürdigste Fügung hat es gewollt, dass eben die weifische Fürstin das Mittelglied geworden ist, welches Leibniz mit dem Brandenburgischen Kurhause und dem Preussischen Staate in Ver- bindung gebracht hat. 6. Alle Versuche, in den weifischen Landen unter der Führung Han- novers eine Societät der Wissenschaften zu srründen . schluo-en fehl. ^ Köcher in der Allg. Deutschen Biographie. 34. Bd. S.669. ^ Die Correspondenz LEiBNizens und der Kurfürstin füUt in der Ausgabe von Klopp drei stai'ke Bände ("Werke von Leibxiz, 7. — 9. Bd.). Lf:iBNiz' Societäts[)läne vor KiDT. 35 In den ersten Jahren des Aufenthalts in Hannover standen bei Leibniz noch die naturwissenschaftlichen Interessen im Vordergrund; der Bergbau im Harz soll gehoben und aus den gewonnenen Mitteln eine Societät für Deutschland in Hannover begründet werden. Im Jahre 1681 denkt er an eine magnetiscli- mathematische Societät, die ein Netz von Beobachtungen über Deutschland ziehen sollte, um das Geheimniss der Declination der Magnetnadel zu ergründen und auszunutzen. Aber immer mehr fesselten ihn die historischen Studien und ihre politische Verwerthung, theils seines Fürstenhauses wegen, theils um der so gefährdeten Lage Deutschlands zu Hülfe zu kommen. Die sämmtlichen braunschweigischen Linien hatten ihn zu ihrem Historiographen ernannt; er unternahm Reisen, um die Archive zu erforschen. In Frankfurt besprach er mit Hiob Ludolf den Plan einer kaiserlich -deutschen historischen Societät. Noch will er den Gedanken nicht aufgeben, dass der Kaiser, dass Österreich an die vSpitze treten müsse. Die Societät soll durch planvolles Zu- sammenwirken vieler Gelehrter, von denen sich ein jeder einen be- stimmten Zeitabschnitt bez. einen Kaiser erwählt, Annalen des deut- schen Reiches schaffen, wie Baronius Annalen der Kirchengeschichte geschrieben hat. Wiederum wird der Plan bis in's Genaueste ent- worfen : ein Oberdirector soll das Ganze leiten ; in jedem deutschen Kreise soll ein Unterdirector die Geschäfte führen. Alle historischen Arbeiten sollen der Controle und Leitung der Societät unterstehen. Die »Monumenta Germaniae« sind hier in Sicht; aber nur Leibniz selbst hat seinen Beitrag zu ihnen geliefert, und mehr als einen Beitrag! Seine »Annales« sind ein grundlegendes deutsches Ge- schichtswerk ^ — der glänzende Ertrag der Arbeit eines Menschen- lebens würde man sagen, wüsste man nicht, dass sie Leibniz fast wie ein Parergon neben unzähligen anderen Unternehmungen aus- gearbeitet hat. Auch dieser grosse Plan einer historischen deutschen Societät fiel dahin", und immer sicherer musste sich Leibniz davon über- zeugen, dass weder in Hannover noch in Wien zur Zeit ein Boden für seine universalen Bestreitungen vorhanden war. Aber die Sache selbst gab er nicht auf. So hat er wenige Jahre vor Gründung der Berliner Akademie an Placcius geschrieben^: »Zu wünschen wäre es, ^ Erst Pertz hat sie in drei starken Bänden (1838 tf.) herausgegeben. '■* Siehe über ihn und die vorher in Hannover geliegten Pläne Klopp im Archiv f. Österreich. Gesch. 40. Bd. 1869 8.159 ff". ^ Siehe Guhrauer. G. W. Fi-1i. v. LKir.Nnz, 2.T!i. S.rSi. 36 ^'or,^•(>scllic•llte der Akndemie. (lass es eine universale Gesellscliaft unter den Gelehrten gcäbe, welche aber gleichsam in verschiedene Collegien getheilt wäre. Denn der Zusammenhang der verschiedenen Theile der Gelehrsamkeit ist so gross, dass sie nicht besser als durch wechselseitige Harmonie und ein gewisses Einverstcändniss gefördert werden können. Doch da wir für die Gegenwart ohne höhere Autorität dahin zu gelangen nicht hofi'en können, so müssen wir uns mit verschiedenen Ge- sellschaften begnügen, welche zuletzt, vermöge der inneren Be- schaffenheit der Sache selbst, sich mit einander verknüpft sehen werden«. Diese Hoffnung — Leibniz hat sie im Jahre 1696 aus- gesprochen — ist nach 200 Jahren der Erfüllung nahe gekommen. So langsam und so sicher schreitet die Geschichte vorwärts, und ein so w^eitschauender und zuverlässiger Prophet war der deutsche Philosoph ! Am 28. September 1684 wurde die Ehe zwischen der Tochter der Herzogin (Kurfürstin) Sophie, vSopmE Charlotte (geb. 20. Octo- ber a. St. 1668), mit dem brandenburgischen Kurprinzen Friedrich geschlossen. Unter Leibnizchs Augen und gewiss auch unter sei- nem Einlluss hatte sich die Prinzessin entwickelt, von der Friedrich der Grosse gesagt hat, sie habe den Geist der Gesellschaft, die wahre Bildung und die Liebe zu den Künsten und Wissenschaften nach Preussen gebracht. Hervorragende Eigenschaften, die sie auszeich- neten, hat sie von der Mutter geerbt, die ihr in der Politik frei- lich stets überlegen blieb — die Lebendigkeit des Geistes, die rasche Auffassungskraft, den klugen Sinn, die entzückende Frische der Aus- sprache, die königliche Haltung, die ein Ausdruck ihres wahrhaft vornehmen Sinns und ihres geschlossenen Charakters war. Aber nicht nur durch das, was eine höchst sorgfältige und glückliche Erziehung ihr dann gegeben — sie beherrschte die modernen Spra- chen vollkommen und las auch etwas Latein — , übertraf sie die Mutter, sondern vor allem durcli die ernste , in die Tiefe dringende Richtung ihres Geistes. Eingeführt in die neuen Probleme der Wissenschaft, begnügte sie sich nicht damit, sie, wie das am fran- zösischen Hofe üblich war, als geistreiche Conversationsthemata zu benutzen, sondern sie erfasste sie mit dem Verstände und mit dem Herzen und wollte, wie Leibniz bewundernd von ihr gesagt hat, das »Warum des Warums« ergründen. Das bedeutete um so mehr, als sie für die ästhetischen Seiten des Lebens, für die feinen, rei- zenden Formen der Geselligkeit und den leuchtenden Schimmer Die Kurfürstin Sophie Charlotte. 37 aller Künste, von der Predigtkunst bis zum Kunsthandwerk, den ausgeprägtesten Sinn besass. Sie liebte das Französische; sie sprach am liebsten französisch und legte es ihrer Umgebung auf; sie war davon durchdrungen, dass das vielfach noch 23lumpe und widerlich rohe Leben an deutschen Fürstenhöfen nur durch die Einbürgerung französischen Geistes und französischer Sitten verbessert werden könne. Ihr Aufenthalt in Frankreich hatte sie, die Frühreife, mit unver- gesslichen Erinnerungen erfüllt — aber hinter dem Witz und Geist ruhte eine rastlos strebende und alles Bedeutende in sich aufnehmende Seele, und der heitre Zeitvertreib, die Feste, die ihr Lützenburg (Charlottenburg) so anziehend machten \ verdrängten nicht das ernste Streben nach Wahrheit und den innerlichen Antheil an den grossen Geisteskämpfen des Zeitalters. Confessionell indifferent, religiös fest im Sinne des aufgeklärten Protestantismus, suchte sie von allen Parteien zu lernen. Ihren beiden reformirten Seelsorgern, Beausobre und Jacques Lenfant, vertraute sie in den confessionellen Kämpfen; denn es gab für sie in der Religion eine Grenze, von der ab sie, verzichtend , sich auf Autorität verliess ; aber diese Grenze zu finden, war selbst eine Aufgabe. Überall kannte sie die Probleme, »die noch nicht gelöst waren«. Sie hörte Leibniz — den Gesprächen mit ihr verdanken wir die Abfassung der Theodicee"' — ; sie hörte ToLAND , den verwegenen Aufklärer — wahrhaft enthusiastisch hat er den Scharfsinn der Fürstin gepriesen — ; sie hörte selbst den Jesuitenpater Vota — damals suchten die Jesuiten noch die Ver- T)indung mit dem fortschreitenden Geiste des Zeitalters aufrecht zu erhalten, freilich zugleich rastlos thätig im Fang fürstlicher Prose- lyten — und war unermüdlich in Fragen und Einwürfen. Aber die Geselligkeit und jeder wissenschaftliche Austausch, der selbst mathematische Probleme nicht vermied , war durch ihre Gegenwart in das Element der Freiheit und des Maasses erhoben. Ihre zwang- lose Hoheit scliloss alles Pedantische aus und bändigte alles Ge- meine. »Die Gelehrten, die sie in ihre Nähe zog, haben der Ver- bindung von Schönheit und Geist, Adel und Höflichkeit, die in ihr war, nie vergessen. So erschien sie auch in der Gesellschaft, die den Hof bildete. Sie kannte ihre Leute durch und durch und ^ "Wie in einem irdischen Paradies« lebt man in Lützenburg, schrieb ihi-e Mutter, die Kurfürstin Sophie, »sans facjon«. »Die dames und cavaliers spülen comedi, und die musicanten machen operas; die beste pfarrer von der weldt pre- digen." "AUhir sauffen und schweren die dames nicht, aber spillen wol a. l'ombr und verquereu" (citirt nach Kratske, Allg. Deutsche Biographie. 34. I>d. S.680 ^ Siehe Guhrauer, G. W. v. Leibnitz, 2.Th. S. 244 ff. ^Sp't 38 Vorgeschichte der Akademie. schonte ihrer Eigenschaften im vertrauten Gespräche mit nichten Anmaassung, namentlich ungeschickte, wies sie mit Kälte von sich, verlegene Bescheidenheit zog sie eher hervor. Sie war stolz und vollAnmnth\« Wie sie am Hofe und in den höheren Kreisen die feinere Bildung und den Sinn für Wissenschaft und Kunst einge- bürgert hat — der Hof theilt seine Zeit zwischen Studien und Er- götzungen, schreibt Toland — und deshalb der dauernden Ver- ehrung würdig ist, so verehrt sie vor allem die Preussische Aka- demie der Wissenschaften als ihre Stifterin und Patronin, ohne die sie nicht in's Leben getreten wäre". Diese Fürstin zog im Jahre 1684 in Berlin ein. Die Ehe, von Friedrich's Seite aus Neigung geschlossen, war doch auch ein Werk der w^elfischen Politik. Hannover trachtete damals nach dem Kur- hut und musste das Wohlwollen des mächtigeren Nachbarstaats wün- schen. Die weifische Politik Brandenburg gegenüber, die nun be- gann, lenkte auch Leibniz', des Staatsmanns, Aufmerksamkeit auf dieses Land. Bisher war er nicht nur achtlos, sondern misstrauisch an Brandenburg mit seinen Plänen vorübergegangen. An den Kaiser, den Kurfürsten von Mainz, das Haus Hannover hatte er gedacht: Brandenburg -Preussen schien ihm nur ein halbdeutscher Staat, seine Politik nicht vertrauenerweckend, der Bildungsstand des Landes ge- ring. Dieses Urtheil scheint sich in den ersten zehn Jahren nach der Übersiedelung der Prinzessin nur langsam geändert zu haben. ^ Ranke, Zwölf Bücher Preiissischer Geschichte (Sämmtliche Werke, 26. Bd. 1874 S.459f.). - Friedrich II. hat in dem ^Memoire über Friedrich I., das er in der Aka- demie hat vortragen lassen, seine Grossmutter also charakterisirt (Mem. de l'Acad. 1748 S.382): »C"etait une Princesse cVun merite distingue, qui joignait tous les appas de son sexe aux grsices de Fesprit et aux lumieres de la raison. Elle avait voyage dans sa jennesse en Italie et en France, soiis la conduite de ses parents. On la destinait pour le trone de France; Louis XIV fut touche de sabeaute, mais des raisons de politique firent ecliouer ce mariage. Cette Princesse amena en Prusse Tesprit de la societe, la vraie politesse, et l'amour des arts et des sciences. Elle fonda TAcademie Roj^ile. Elle appela Leibnitz et beaucoup d'autres savafits ä sa cour: sa curiosite voulait saisir les premiers principes des choses. Leibnitz qu'elle pressait un jorn* sur ce sujet, lui dit: i> Madame, il n"y a pas moyen de vous con- tenter; vous voulez savoir le jjourquoi du poui-qiioi". Charlottenburg etait le rendez- vous des gens de goüt; toutes sortes de divertissements et de fetes variees a l'infini rendaient ce sejour delicieux et cette cour brillante. Sophie Charlotte avait Täine forte , sa religion etait epuree , son humeur douce , son espi-it orne de la lecture de tous les bons livres frangais et Italiens. « — Am Ende des 18. Jahrhunderts hat Erman in der Akademie eine Reihe von Abhandlungen über diese Fürstin gelesen (die erste am 30. September 1790), die dann (1801) als »]Mem. pour servir ä lliist. de Sophie Charlotte " erschienen sind. Leibmz und Brandenlmrii-. 39 Die spärlichen Quellen, die wir in Bezug auf das Verliältniss Leib- Nizens zu Brandenburg aus den Jahren 1684— 1694 besitzen, ge- statten leider keinen sicheren Schluss. Sicher aber ist, dass er um das Jahr 1694 zu einer ganz anderen Einsicht in Bezug auf das Land gelangt war. Es ist richtig, dass die Kurfürstin Sophie Charlotte einen Gelehrten wie Leibniz mindestens zeitweilig in ihrer Nähe haben wollte; es ist ferner gewiss, dass die Kurfürstin - Mutter zur Verfolgung ihrer Pläne einen klugen und politisch unverdächtigen Vertrauensmann in Berlin zu sehen wünschte; es ist endlich nicht zu bezweifeln, dass sowohl die Bewerbung um das Amt eines bran- denburgischen Historiographen , als auch die Unionspläne und der Gedanke der Societätsstiftung in Berlin auch im Dienste der weifischen Politik gestanden haben — allein weder hat es sich, soweit Leibniz betheiligt war, um Pläne gehandelt, die für Brandenburg verhäng- nissvoll oder gar verderblich waren, noch ist Leibniz je der diplo- matische Vertrauensmann des hannoverschen Kurfürsten gewesen, noch hat er seine grossen LTnternelimungen nur als Mittel zum Zweck betrachtet. Sie lebten mit selbständiger Kraft in seiner Seele; er ordnete sie in seinem Geiste allen politischen Affairen über und be- trieb sie ehrlich und mit Nachdruck. Dazu hatte sich sein Urtheil über den Beruf Preussens wirklich geändert. Nicht nur hatte das Lebenswerk des Grossen Kurfürsten, den auch die Herzogin Sophie «un heros de notre religion« nennt', den tiefsten Eindruck auf ihn gemacht, sondern er erkannte auch mit steigender Klarheit, dass nur ein festes Zusammenhalten der protestantischen Fürsten unter Preussens Führung den in seiner Existenz von Frankreich her be- drohten Protestantismus und die deutsche Libertät retten könne. Er sah in Deutschland keinen anderen grösseren Staat, der so Avie Brandenburg -Preussen auf die Hebung der geistigen und materiellen Cultur seiner Unterthanen bedacht war und der jene religiöse To- leranz so zielbewusst übte , die ihm als die Voraussetzung alles Fort- schritts erschien. Vollends seit dem Übertritt des Kurfürsten von Sachsen sah er im brandenburgischen Kurfürsten »das Haupt der Protestanten im Reiche«', Darum hat er Verbindungen mit dem Lande gesucht^, und die ausgedehnteste Forschung hat bisher nichts ^ Im Briefe LEiBxizens vom 22. ]Mai 1688 (Klopp. Werke von Leibniz. 7. Bd. 8.14). - Siehe den Brief an Cixeau vom 4. Juli 1697. (Abgedruckt in der -Ber- linischen Bililiothek« , i. Bd. 1747 S. 133.) ^ Ausserdem war ihm Preussen durch seine guten Beziehungen zu Peter I. die Pforte für Russland, Russland die Pforte für China. 40 Vorgescliiclite der Akademie. gefunden, was ihm bei seinem Wirken in und für diesen Staat zur Unehre gereichte. Aber mehrere Fäden nahm er, wie so häufig, auch diesmal in die Hand, wissenschaftliche, politische und kirch- liche, schlang sie in einander und suchte sie zu verspinnen. Das ist ihm nicht geglückt. Jahre hindurch hielt er sie fest zusammen ; aber die Interessen der beiden Rivalen, die er zum Heile Deutsch- lands, des Protestantismus und der Wissenschaft zu verbinden streikte, gingen zu weit aus einander; schliesslich misstraute man ihm in Hannover und in Berlin; hier schüttelte man ihn ab, dort schol) man ihn bei Seite, und sein Leben endete in tiefer Vereinsamung. 7. Der Briefwechsel mit Sophie Charlotte stellt die ersten Be- ziehungen von Leibniz zu Berlin dar. Aus der Zeit bis zum 9. Mai 1697 besitzen wir freilich nur zwei Briefe von Leibniz an die Kur- fürstin und einen der Kurfürstin an ihn\ Wir wissen auch be- stimmt, dass bis zum Jahre 1692 die Correspondenz nicht lebhafter war", und wenn wir darauf achten, dass sie überhaupt erst kurz vor Danckelmanns Sturz w^ieder nachweisbar ist und auch dann zu- nächst unter Vorsichtsmaassregeln geführt wird (s. unten), so können wir uns der Annahme kaum verschliessen , dass politische Umstände einen Briefwechsel bis 1697 unrathsam gemacht haben''. ^ Abgedruckt bei Klopp, 7. Bd. S. 48, S. 165 ff., 10. Bd. S. 6f. Der erste ist eiu Gratulationsschreiben zur Geburt des Kurprinzen (1688), in dem zweiten (16. Januar 1692) erinnert sich — nach drei Jahren! — die Kurfürstin noch jener Wünsclie; in dem dritten (10. Februar 1692) spricht Leibniz mit Freimath und Witz über die Pietisten, besonders über den Superintendenten Petersen in Lüneburg, bezeugt aber seinen tiefen Respect vor Spener. Er sprach gewiss der Fürstin aus der Seele, wenn er schrieb: »11 semble (^ue nous sommes ä present dans un temps Oll Texterieur de la devotion est ä la mode, et la cour de France, la source des modes, y donne bon exemple. Car tout s'y mele d'ecrire devotement, jusqu'au celebre Satirique Boileai-^. Wie sicher musste er des Wohlwollens der jugend- lichen Fürstin sein, wenn er seinen Bi'ief mit der Wendung schliessen durfte: »Je crois meine que la solide vertu qui brille dans une grande princesse, environnee des attraits du monde, vaiit mieux que la vertu farouche et retiree d'une Antoi- nette de Bourignon, qui en fait des livres, sans peut-etre la pratiquer comme il faut. 11 est aise de faire la prüde, quand on est sur Tage, et quatre-vingt et dix ans sont d'un grand secours contre les plaisirs du monde. Je prie Dien de con- server V. A. E. jusqu'a cet äge qui fait naturelleinent les saintes«. Auch der Brief vom 9. Mai 1697 ist noch unpolitisch; er handelt von Boetiüs (Klopp, 8. Bd. S.28ff.). ■^ Nur ein Brief von Leibniz ist verloren gegangen, s. den Brief vom 16. Ja- nuar 1692. ^ Audi Klopp nimmt an (a.a.O. Bd. lo S. XXIll f.), dass zwischen Februar 1692 und Mai 1697 keine Briefe ausgetauscht worden sind. Bratuscheck (Erziehung Leibxiz' Bezieliungea zur Ivurfiirstin und zu IJcrlin. 41 Allein schon bevor die regelmässige Correspondenz mit der Kurfürstin ihren Anfang genommen (1697), hat Leibniz mit Berliner Staatsmännern und Gelehrten Anknüpfung gesucht und gefunden, nämlich mit Ezechiel von Spanheim, Cuneau\ Is. Beausobre, Chauvin und Dan. Ludolf von Danckelmann, aber auch dem regierenden Staats- minister von Danckelmann hat er sich zu nähern gewusst^ In Span- heim's Hause fanden in dem letzten Jahrzehnt des Jahrhunderts regel- mässige wissenschaftliche Zusammenkünfte statt, an denen auch der Hofprediger Jablonski Theil nahm. Die Annahme wird nicht irrig sein, dass in ihnen eine Vorstufe der späteren Akademie zu erkennen ist^. Die Correspondenz mit Spanheim, dem gelehrten und staunens- Friedrich's des Grossen 1885 S. 3.106) widerspricht ihm unter Berufung auf die Thatsache, dass Friedrich I. ]>ald nach dem Tode seiner Gemahlin den grössten Theil ihrer Bi'iefe hahe verbrennen lassen (s. Klopp Bd. 10 S. i5f. ; Leibniz" Brief an Fabricius in Hamhurg vom Jahre 1707: »Literas reginae Christinae a Golomesio col- lectas ne(^ue videre ne(iue audire memini. Oportet ab Js. Vossio cum eo communi- catas fuisse, qui cum regina fuit. Utinam plerasque a regina Borussorum, et ad eam scriptas non combussissent mah" circumspecti homines! Haberemus cjuae facile opponi reginae Suecorum possent. Non paucae tamen passiin servatae sunt, et inter eas nonnullae ad me ipsum mihi superant, unde vim ingenii in principe femina ani- mumque mire ad doctrinas erectum intelligas«). Allein es müssten sich doch in Leibniz' Nachlass Briefe aus dieser Zeit, ebenso wie aus der folgenden, gefunden haben, wenn solche vorhanden gewesen wären. Indirecte Beziehungen hat er gewiss auch damals mit der Ivurfiirstin gehabt — sie folgen schon aus der Correspondenz der ^Mutter mit der Tochter — . bei dem Aufenthalt der Kurfürstin in Hannover 1695 hat er ])ersönlich mit ihr verkehrt, und Bratuscheck hat es auch wahrscheinlich gemacht, dass Sophie Charlotte's Instruction für die Erziehung Friedrich Wilhelm's vom Jahre 1695 (abgedruckt bei Förster, Friedrich Wilhelm L 1834 i.Bd. 8.77^".) in Zusammen- hang steht mit den Ideen in Leibniz' Projet de l'education d'un prince (zuei'st erschienen in Böhjier's Magazin für das Kirchenrecht, die Kirchen- und Gelehrten- gesch., I.Bd. 1787 S. 177 ff. und zuerst gewürdigt von Guhrauer, G.W.Freiherr v. Leibnitz, 2.Th. S.205ff. , vergl. dazu den Brief an Cuneau vom 28, August 1696 in der »Berlinischen Bibliothek« 8.8461".); aber mehr lässt sich nicht sagen, vergl. Koser, Friedrich der Grosse als Kronprinz 18868.222. Entscheidend aber dafür, dass ein wirklicher brieflicher Verkehr früher nicht stattgefunden hat, sind die Worte in dem Schreiben vom 29. December 1697 (Klopp, Werke, 10. Bd. 8. 43): »Je suis demeure dans le silence la pluj^art des autres annees, de peur d"etre importun, lors(jue je n'avais rien de particulier a dire«. ^ Er schreibt sich sell)er so, aber auch "CouneaU" und "ChunO". Auch die Form »CunO" findet man. ^ Die Correspondenz mit Phil. ,Iak. 8pener. wie sie in Hannover aufbe- wahrt wird, hat zwischen 1692 — 1700 eine Lücke: vielleicht ruhte der Briel"- wechsel in diesen Jahren wirklich. Der Briefwechsel mit Vignoles (Hannov. Bibl.) gehört nicht direct hierher; er fällt zwar in diese Zeit, aber Vignoles befand sicli damals nicht in Berlin, sondern in Brandenburg. ■^ An diese Zusammenkünfte in 8panheim*s Hause wird von Leibniz in einem Briefe an J. Th. Jablonski vom 24. März 1701 (publicirt in den Abhandl. d. Königl. 42 Vorsi-escliiclite der Akademie. wertli vielseitigen pfölzischen , dann preussisclicn Diplomaten, von 1689 — 97 Curator der französisclien ('olonieen in Brandenburg, Le- gann, soviel wir feststellen können, im Jahre 1692 und bezog sich zunächst auf wissenschaftliche und diplomatische Fragen \ Aber in dem Brief vom 20. Noveml)er 1694 giebt Leibniz den Wunsch zu erkennen, jiun nach Pufendorf's Tode brandenburgischer Ilistorio- graph zu werden. Spanheim erwidert (27. November 1694), er habe Danckelmann günstig für die Sache gestimmt. In seiner Antwort vom 6. December 1694, die so eingerichtet ist, dass sie Danckel- mann vorgelegt werden konnte, spricht LEmNiz die Hoffnung aus, dass er auf hannoverscher Seite keine erheblichen Schwierigkeiten zu überwinden haben werde; erwünscht, dass offen gehandelt werde, doch sei die Sache zur Zeit noch sehr zu menagiren. Am 26. De- cember 1694 bittet er um Nachrichten über den Stand der Ange- legenheit, da das brandenburgische Fürstenpaar demnächst nach Hannover kommen werde und er seine Maassregeln darnach ergreifen müsse. Die Verhandlungen führten aber damals nicht zum Ziele und wm-den erst anderthalb Jahre nach Danckelmann's Stiu'z wieder auf- genommen'. Im Zusammenhang mit seinen Bemühungen um die Stelle eines Historiographen in Berlin entwirft er auch bereits Pläne zur Einrichtung einer «Societas Electoralis Brandenburgica exemplo Preuss. Akad. d. Wiss. 1897 "Briefwechsel J.Th. Jabloxski's mit Leirniz" Nr. 10) er- innert: "M. Ancillon le JiGE sagt mir, dass in den Zusammenkünften bei dem Herrn von Spanheim man Materien distribuiret und hernach tractiret; dergleichen etwas könnte auf gewisse Maasse resuscitiret werden«. ^ In der Bibliothek zu Hannover befinden sich 29 Briefe von Spanheiji an Leibniz und 35 von diesem an jenen aus den Jahren 1692 — 1700 (Bodemann, Brief- wechsel S. 286 ff.). ^ Die wissenschaftliche Correspondenz mit Spanheim ging auch in den Jahren nach 1694 weiter. Dass Leibniz stets mit einer gewissen Scheu zu Danckelmann aufgesehen hat, solange dieser in Preussen am Ruder war, lässt sich nicht ver- kennen. Andererseits ist es wichtig zu constatiren, dass Danckelmann im Jahre 1694 den ernsten Willen gehabt hat, Leibniz als Historiograph nach Berlin zu ziehen , und dass die Sache lediglich an der Gehaltsfrage gesclieitert ist. Es geht das aus einem Schreiben Steinberg's aus Pai'is hervor, das in Spanheim's Namen im Mai 1699 an Jablonski für Leibniz gerichtet ist. Damals hatte Leibniz den Plan, Historiograph zu werden, wieder aufgenommen. Steinberc; schreibt (IvAPPens Sammlung einiger vertrauten Briefe zwischen G. W. von Leibniz, u. s. w. 1745 S. 44): i'Spanhemius tibi salutem dicit plurimam etc. Aperuit mihi vir ill., verum esse, quod ipsemet ill. domini Leibnitzii apud supremum praesidem de Danckel- mann habuerit mentionem in locum defuncti domini Puffendorffii substituendi, eundem quoque huic ])ropositioni manum dedisse, hac una exceptione, quod ill. Leibnitzius pro praesentis temporis statu non lütra 1600 Imperial, salarii nomine posset frui, cum Puflfendorffius p. m. habuerit 2000. An vero Serenissimus Elector aliquid hac de re resciverit, se ignorare«. Leiuxiz" Beziehungen zu Bei'lin im Jahre 1694. 43 Regiariim Londinensis et Parisiensis « . Nicht weniger als fünf un- datirte Actenstücke sind vorhanden , die höchst wahrscheinlich dem Jahre 1694 zuzuweisen und als Vorlagen zu betrachten sind, die durch Spanheim an Danckeoiann , bez. an den Kurfürsten, gelangen sollten. Dieser wird als Salomo gefeiert, der den Bau des Hauses Gottes , den David (= der Grosse Kurfürst) nur entworfen hat, voll- enden wird. Der furchtbare Krieg, der noch dauere, solle ein An- sporn für Preussen und Deutschland sein, auf dem Gebiete der praktischen Künste Kraft zu gewinnen; denn die civilisirteste und gewerbüeissigste Nation wird zuletzt den Sieg gewinnen. Der Ge- danke der Societät steht hier ganz unter dem Zweck, das pro- testantische Deutschland unter der Führung Preussens durch die joraktischen Wissenschaften, Industrie und Agricultur zu heben, nach dem Vorbild Hollands. Der Kurfürst von Brandenburg hat den hohen Beruf dazu: denn er allein hat zur Zeit freie Hand; alle übrigen Fürsten sind durch Kriege in Anspruch genommen. Und er hat um so mehr den Beruf dazu, als er den besten Minister erwählt hat (»qu'il a choisi un Ministre qui a tout ensemble le credit en- tier, le zele et les lumieres; ce qui ne se voit presque point ail- leurs aujourdhui«). Aber auch diese Vorlagen LEiBxizens sammt dem Anerbieten, zur Einrichtung einer Societät »selbst etwas bei- zutragen«, liess Danckelmann unberücksichtigt \ Die Fürsorge des ^ Die fünf Actenstücke sind im Urkundenband Nr. 6 — 10 abgedruckt (nach Klopp. Werke 10. Bd. 8.19 ff.), jedoch das erste nicht vollständig. Sie sind nicht datirt, und Klopp hat sie unmittelbar vor das Jahr 1697 bez. in dieses Jahr ge- stellt. Eine genaue Prüfung ergiebt aber, dass sie — abgesehen von dem ersten, das überhaupt niclit näher zu datiren ist und gleichsam eine Einleitung zu den wieder aufgenommenen Societätsplänen bildet — aus dem Jahre 1694 stammen, d.h. aus der Zeit, in der Leibniz mit Spaxheim über die Stelle eines branden- burgischen Historiographen verhandelte. Vom Gesichtspunkte des Historiographen einerseits und der Hebung der Industrie andererseits ist hier der Societätsplan be- handelt; von der Kiu'fürstin ist überhaupt noch nicht die Rede, ebensowenig vom Observatorium. In der Correspondenz aber, die im Herbst 1697 begann und wirk- licli zum Ziele führte , steht das Observatorium im ^'ordergrund und die Kurfiirstin ist die Seele des Planes. Somit unterscheidet sich das erste Unternehmen LEiBxizens in Bezug auf Brandenburg scharf von deni zweiten. Das erste fällt in das Jahr 1694 und endigte resultatlos; denn Daxckelmais'n war nicht zu gewinnen. Fast drei Jahre vergehen nun, in denen Leibniz nichts unternommen hat; dann wii'd der in Berlin und von der Kurfürstin selbst gefasste Plan, ein Observatorium zu gründen . der entscheidende. An ihn hat Leibxiz seine Ideen — luid diesmal mit Glück — angeknüpft: er hatte inzwischen auch den Berliner Hof scharf beobachtet und im Jahre 1696 oder 1697 jenes merkwürdige Promemoria abgefasst (»Sur la COTU' de Berlin .>), dessen Zwecke ziemlich durchsichtig sind (es scheint, es sollte die brandenburgische Kurfürstin von Hannover aus aufrütteln und zum Eingreifen 44 Vorgescliiclitc der Akiideiiiie. weifischen Gelehrten für Brandenburg mochte dem vorsichtigen Staatsmann bedenklich erscheinen. An Beausobre, den Prediger an der französischen Colonie in Berlin, schrieb Leibniz lobend über dessen Plan, eine Geschichte der Reformation zu verfassen, und schickte ihm ein Empfehlungsschreiben an den Herzog von Braun- schvveig- Wolfenbüttel \ Mit Chauvin, dem Professor der Philosophie am College frauQais zu Berlin, correspondirte er in den Jahren 1696 und 1697 über dessen Zeitschrift »Nouveau Journal des Savants dresse ä Berlin« und sandte Beiträge für dasselbe". Mit dem Geh. Staats- und Kriegsrath Dan. Ludolf von Danckelmann correspondirte er im Jahre 1693 über Schulbücher^. Aber diese immerhin spär- lichen Correspondenzen treten zurück gegenüber dem gehaltvollen und für Leibniz" Pläne sehr wichtigen Briefwechsel, der im Jahre 1695 mit dem Staatssecretär und Hofrath Cuneau begann*. Leibniz hatte diesen tüchtigen und wohlkundigen Mann im Winter 1694,95 kennen gelernt, als derselbe im Gefolge des brandenburgischen kur- fürstlichen Paares in Hannover weilte. Gleich nach der Rückkehr in die Politik auffordern) — obgleich der Adressat zweifelhaft ist — , und in wel- cliem ein ÜhelwoUen gegen Danckelmaxx deutlich hervortritt (abgedruckt bei Klopp, Werke, Bd. 10 S.36 ff.). Von der Kurfürstin heisst es: »L'electrice ne se mele de rien« — das sollte bald anders werden — »et passe sa vie en entendant la nni- sique. On n'a pas le inoindre egard a ses recomniandations , et il semble menie qu'on prend le contrepied. Comme eile est honnete et genereuse, eile ne saurait souffrir cei'tains badinages et puerilites , et ne saurait se contraindre ni deguiser ses sentimens« (vergl. den Abdruck im Urkundenband Nr. 11). ' Der Brief befindet sich in Hannover, s. Bodemanx, a.a.O. S. ir. ^ Der Briefwechsel befindet sich in der Bibliothek zu Hannover, s. Bode- MAXN, a. a. ().. vergl. aucli den Brief an Spanheim vom 6. April 1696, und Barthol- MEss, Hist. philosoph. de l'Acad. de Prusse. i. Bd. 1850 p. 46 ff. ^ Sielie Bouemann, a.a.O. S. 42, 41. * Ein Theil des Briefwechsels (50 Briefe von Ch.. 14 von L.), der bis zum Tode CuNEAu's dauerte (1712), liegt in Hannover (s. Bodemaxx. a. a. 0. S. 41). Dreizehn sehr wichtige Briefe Cuneau's aus den Jahren 1695 — 1697, die sich nur zum Theil mit den in Hannover befindlichen decken, veröffentlichte Oelrichs in der »Berlinischen Bibliothek« r. Bd. 1747 nach Mittheilungen der Wittwe Cuneau's. Zwei von diesen sind, wie Guhrauer, G. W. Freiherr v. LEiBxrrz. 2. Th. Beilage S.ii mittheilt, jetzt auf der Univ. -Bibliothek zu Breslau. Da die von Oelrichs abgedruckten Briefe nur bis zum Jahre 1697 (incl.) reichen und auch in der han- noverschen Sammlung die Correspondenz in den Jahren 1698 — 1701 aufhört, um dann im Jahre 1702 wieder aufgenommen zu werden, so darf man annehmen, dass der Briefwechsel in jenen Jahren wirklich ruhte. Das ist auch wohl verständlich: denn in dem Jahre 1698 liegann der Briefwechsel mit dem Hofprediger Jablonski und löste, ganz von der Unionsfrage beherrscht, den mit Cuneau ab. In den Jahren 1702— 1706 gehen beide Con-espondenzen neben einander her. Im Jahre 1706 aber hört der Briefwechsel mit Jablonski auf (denn die Unionsfrage war zu Boden gefallen), wäln-end die Korrespondenz mit Cuneau weitergeführt wh-d. Leibxiz* Beziehuntien zu Berlin in den Jahren 1694-1697, 45 CuNEAu's nach Berlin beginnt der Briefwechsel. Cuneau's Stellung am Archiv bildete die Brücke: denn Leibniz arbeitete am Codex diplomaticus. Aber die Correspondenz erstreckte sich in den Jahren 1695, 1696 sofort anch auf viele wichtige wissenschaftliche Fragen und gelehrte Persönlichkeiten \ Die Politik wird indess ganz ver- mieden, höchstens die Unionsfrage bedeutsam gestreift. Von Leibniz' Absichten auf Berlin ist zunächst nicht die Rede. Aber seit dem Juli 1697 ändert sich das Bild. Der Übertritt des Kurfürsten von Sachsen zum Katholicismus und die freundlichen Beziehungen Preussens zu dem grossen russischen Herrscher hatten auf Leibniz den tiefsten Eindruck gemacht; er hofft jetzt, wo der Protestantismus in Gefahr steht, auch bei Danckelmann mit seinen Unionsplänen Eindruck zu machen. «Votre Grand Electeur« — schreibt er am 4. Juli 1697 an CuNEAU in einem Briefe, der offenbar vor Danc^kel- mann's Augen kommen sollte — »est maintenant le chef des Pro- testants dans TEmpire. Je ne doute point qu'on ne songe serieuse- ment chez a^ous a tout ce qui Importe ä la conservation des Pro- testants. II faut travailler entre autres ä dissiper de plus en plus ce vain fantome de Separation entre les deux partis Protestants^. « Gleichzeitig feuert er die preussischen Staatsmänner an, die aus- gezeichneten Beziehungen zu Russland zu benutzen, um durch eine wissenschaftliche Mission dieses Reich zu erschliessen^. In dem zehn Seiten langen Schreiben vom 7. October 1697 — in Wahrheit ein wissenschaftlich -politisches Expose für den Minister — steigern sich diese Vorschläge ^ Die Mission soll nun auch eine protestantische sein und zwar nach China gehen. Auf die Union wird gedrungen; die Gegenbemerkungen Danckelmann's , die Cuneau vermittelt hatte, werden widerlegt: »La chose est plus necessaire qua jamais, et peut-etre aussi plus faisable que Jamals. Mais: est aliquid [sie] prodire tenus, si non datur ultra.» Car cette bonne intelligence a des degres. Le premier est purement civil et consiste dans un bon concert et une assistance sincere, et c'est a quoi TagTandissement du parti de Rome les doit porter de part et d'autre. Apres la breche faite dans la maison de Saxe, votre puissant maitre est le ])remier des protestants de l'Empire en conimun sans distinguer les deux partis et par consecjuent directeur ^ In dem Brief vom 23. Februar 1696 steht das ürtheil über Pufendorf: «Si quelque chose m"a deplu en lui, c'est qu'il prenait lui-meme trop de liberte ä satiriser contre les autres-. In den Briefen vom Jahre 1695 bildet der Plan einer wissenschaftlichen Expedition nach Russland und China das Haiiptthema. - »Berlinische Bibliothek« 1747 S. 133. ^ Über die glänzende Grossgesandtschaft des Czaren in Berlin im Jahre 1697, der er sich selbst angeschlossen hatte, s. Varnhagex v. Exse. Sophie Charlotte S.72ff. * A. a. 0. S. 138 ff. 46 Vorgeschichte der Akach'iiiie. de leiirs affaires. Ce n'est pas le Heu ici de m'etendre sui- cette luatiere. Ce- pendant nion zele nie fait preiidi'e ce point pour incontestable et pour fondamental ä l'egard d"iin concert sincere entre les protestants, qui pourrait avoir de si grands fruits d'aiitant que je ne doute point ipie TAngleterre et L-i lIolLnnde ne soient pretes li rappuyer. Leibniz fülirt imii aus, dass die beiden anderen Grade der Union in der kireliliclien und in der Einheit des Glaubens bestünden. Danckelmann hatte die MögHchkeit , über die Verschie- denheiten der Al)endniahls- und Prädestinationslehre hinwegzukom- men, bestritten. Leibniz antwortet, eine vollkommene Einheit der Glaubensvorstellungen halte er nicht für nothwendig. »On fait bien d"obtenir en cela ce qui se peut; mais on ne s'y attachera pas, puisque ces diversites n'empechent point runion qui siiffit. « »Maintenant la question est, si Son Excellence desire qu'on aille jusqii'au second degre, ou si eile veut seulement s'arreter au premier. Oll les theologiens n'ont rien a faire; il semble que le second serait bien desirable et rendrait le premier plus ferme. « Diese treffliche und besonnene Darlegung, die die Aufrichtung der Union den Theologen möglichst entziehen sollte, weil sie in erster Linie als eine politische gedacht war, fand nicht die rechte Würdigung in Preussen. Danckelmann ging sie wahrscheinlich schon zu weit, wenn er die Sache überhaupt für durchführbar hielt: der Kurfürst aber, berathen von einigen Theologen, wollte l)ald viel weiter gehen und versprach sich nur von einer Union, die mit den Kamen auch die Verschiedenheiten der Reformirten und Lutheraner aufhöbe, etwas. Doch die Verfolgung dieser Angelegenheit ist von unserer Aufgabe ausgeschlossen. Aber dieses für Danckelmann be- stimmte Schreiben vom 7. October 1697 enthält auch die erste An- deutung des Planes eines Observatoriums in Berlin. Cuneau hatte Leibniz mitgetheilt, dass die Kurfürstin an die Errichtung einer Sternwarte in Berlin denket Dieser griff die ^ Li den Brief an die l^randenhurgische Kiirfürstin vom November 1697 (Klopp, Werke Bd. 8 S.47ft".) hat Leibniz die ihm von Cl-xeau gemachte Mittliei- lung wörtUch eingerückt: "Son A. E. . jMadame, etant venue ä parier :i im des predicateurs de la cour au sujet de TAcademie des peintres et sciilpteurs et de ce que cela commengait ä aller si bien, a ajoute qu'il serait bon qu'on etablit aussi un observatoire comme il y en a un ä Paris. Sur cela on pense a y travailler, et comme on n"anra (pi'ä elever un peu un certain pavillon des nouvelles ecuries, et l'accomoder pour les observations, les Instruments se trouveront, et des observateurs aussi, de sorte qu'on espere cpie cela reussira." Hiernach hat man also sofort an den Bau des Observatoriums auf dem neuen königlichen 3Iarstall i>edacht. Das 01)servati)i-ium (1(>97). 47 Nachricht begierig auf und führte sie — seine alten Pläne von 1694 hervorholend — weiter^: man müsse sofort auch andere curiöse Wissenschaften herbeiziehen; er selbst sei bereit, mit seinem Rathe die Sache zu unterstützen. Seine Worte lauten: "Je suis encore ravi de ce ([ue vous me dites, Monsieur, des bous desseius qu'on forme chez vous pour ravanceinent des sciences, et ce que vous me dites de Toccasion que Mad. l'Electi'ice y a donnee, me fera naitre un sujet propre ä lui faire ma cour puisque je dois prendre la liberte de lid ecrire un de ces jours ^. Car eile m'a fait la gräce de me faire envoyer des airs Italiens chantes ä Coppen- bruck a Tentrevue avec le Czar. C'est pour les envoyer au second Ambassadeur, qui temoignait alors qu'ils lui plaisaient. Cai- je voudrais avoir par-lä l'occasion de la faii'e souvenir des reclierches (pie je demande. L'Astronomie contribue a la gloire des grands Princes. Cela vous pourra engager cependant a aller plus loin et penser encore ä d'autres sciences curieuses. Taut mieux. Si je puis contribuer quelque chose en tout cela de uies petits avis, je le ferai de tout mon coeur. Cai" toutes mes vues ne tendent depuis longtemps qu'au bien public. Et je me fais tout mon plaisir de ce devoir. La France (entre nous) a niaintenant des gens pour la plupart assez mediocres dans les scien- ces. Ainsi si nous pouvons mettre les Allemands entrain ils tiendront jieut-etre tete en cela a tonte l'Europe.« Näheres erfahren wir über diesen für die Entstehungsgeschichte der Preussischen Akademie grundlegenden Vorgang aus dem vom 5. März 1698 geschriebenen Brief des Hofpredigers D. E. Jablonski an Leibniz^: » . . . Da im ^•erwicllenen Jahr S. Churf. Durchl. in Preussen abwesend waren, Ihre Churf. Durclil. Unsere Gnädigste Frau aber sich gefallen Hessen, die angenehme Frühlingszeit auf einem nahgelegenen Lusthaus beständig zu geniessen, da dann auch ich Gelegenheit hatte, des Gottesdienstes halber öfters zu sein, und Ihro Churf. ^ Gerade damals betrieb Leibniz neben seinen historischen Studien wieder die j^hysikalisch- mechanischen sehr lebhaft. Im Jahre 1696 erschien in den Acta Eru- ditorum seine epochemachende Abhandlung gegen Cartesius: »Brevis demonstratio erroris memorabilis Cartesii", in der dessen falsche Ansicht von der Erhaltung der Ivraft widerlegt und die Lehre, soweit es damals möglich war, auf den richtigen Ausdruck gebracht ist. - Dieser Brief ist im November wirklich geschrieben und von Klopp (Werke, Bd. 8 S.47ff.) mitgetheilt worden (s. unten). ^ K. Bibliothek zu Hannover; zum ersten Mal abgedruckt von Kvacsala, D. E. Jablonsky's Briefwechsel mit Leibxiz nebst anderem Urkundlichen [Acta et comment. Imp. Univ. Jurievensis 1897]. Icli selbst habe in Hannover den Brief- wechsel excerpirt. Kvacsala's Publication bildet die Ergänzung — aus dem in Hannover aufbewahrten Briefwechsel — zu der Ausgabe der Briefe von Leibxiz und Jablonski, die Kapp (1745) veranstaltet hat. Dieser empfing im Jahre 1733 — also noch bei Lebzeiten Jablonski's — einen Theil der Briefe von dem Geheimrath Jordax, dem Freunde Friedrich's des Grossen. Jordan , der auch die Briefe La Croze s gesammelt hat, hatte sie von Chrlstfried Kirch, dem Astronomen (-[- 1740), erhal- ten (s. Kapp, Sammlung, Vorrede, Bogen c 2). Die Originale — denn diese selbsr benutzte Kapp — sind meines Wissens nicht wieder aufgefunden worden: der in Hannover lie2;ende Theil des Briefwechsels ist mit diesem nicht identisch. 48 Vorgeschichte der Akademie. Durehl. über Tal el sich Phiisir machten, von allerhand natürlichen Dingen, sondei-- Hch die Ob(>r-Welt hetreffend, Gespräche zu führen, ward einsmals erwähnt, wie es wohl zu verwundern, dass da diese Residenz -Stadt sonst mit allerhand Künsten und Wissenschaften reichlich versehen wäre, nur kein Liebhaber der Astronomie, auch kein Observatorium darin befindlich, dass aucli Berlin nicht einen eigenen Kalender hätte, sondern mit fremden sich liehelfen müsse. Solches apprehen- dirten Ihro Churf. Durehl. und sagten, Sie wollten selbst gnädigst sorgen helfen, dass eine Specula angeleget werde, befahlen auch mir solches weiter zu erinnern. S. Churf. Durehl. kamen allei-erst im Herbst aus Preussen allhier an, da inzwischen der Hr. Hofrath Rabener ein wohlgefasstes Pro- ject verfertiget hatte, wie ein Observatorium mit weniger Mühe und Unkosten zu stiften und zu erhalten wäre. Solches trug der Herr Oberhof M. Dobrzenski Ihro Churf. Durehl. unterthänigst vor, erhielt aber die Erklärimg, dass I. Ch. D. zwar der Sache guten Erfolg wünscheten, bei itziger Zeit aber für Dero hohe Person gut finden, derselben sich nicht anzimehmen. Drauf machte ich die Sache bei dem Reichshofrath Hrn. v. Danckelmann als damaligem Directore der neuangelegten Aca- demie, und durch selbten bei dessen Hrn. Vater, dem Hrn. Oberpräsidenten anhängig, da selbige guten Ingress funden und vermuthlich zum er- wünschten Zweck hätte kommen mögen, wenn nicht die unverhoffte Revolution hiesiges Hofes dazwischen kommen wäre, welche alle gute Hoffnung des falls völlig niederschlug, in Betrachtung die neuen Directores der Finanzen fürnehmlich auf die Menage, und wie die churf. Einkünfte etwa zu vermehren imd zu besparen, schienen bedacht zu sein^. •> Aus (lieser Erzählung des hervorragend ein der Sache bethei- ligten Hofpredigers — ist er nicht selbst die ungenannte Persön- lichkeit, die die Angelegenheit aufgebracht hat? — folgt, dass die Kurfürstin Sophie Charlotte den Plan, ein Observatorium in Berlin zu errichten, im Frühjahr 1697 zu dem ihrigen gemacht hat, und dass sie dadurch die Urheberin der Preussischen Akademie gewor- den ist. Ihr Vertrauensmann in der Sache war Jabloxski, und er hat bereits im Sommer 1697 seinen Freund, den vielseitig gebil- deten Justizrath Rabener, zur Abfassung eines ausführlichen Pro- jectes vermocht". Bedeutungsvoll ist es auch, dass der umsichtige und erleuchtete Oberpräsident von Danckelmann von dem Plane Kenntniss genommen und ihn — wenige Wochen vor seinem Sturz — noch gebilligt hat. P]ndlich ist darauf hinzuweisen , dass Leibniz' Mitwirkung ursprünglich nicht in's Auge gefasst war — wenigstens lässt sich das Gegentheil nicht erweisen — , dass er es aber ge- wesen, der, sobald er (im October desselben Jahres) Kunde erhalten, sowohl die Ausdehnung dessell^en auf andere Wissenschaften ange- ^ Die Fortsetzung dieses wichtigen Schreibens s. unten. ^ Dasselbe findet sich leider in den Acten nicht mehr. Aus dem oljen an- geführten Schreiben Cuneai's geht hervor, dass der Vorschlag Rabener's darin be- standen hat, den Bau des Observatoriums mit dem Neubau des IVIarstalls zu ver- liinden. Das 01)ser\atoi'ium. Danckelmann's Sturz. 4i) ratheil als sich selbst zur Mitwirkung angetragen hat. Ein Hoiit- nungsstern für seine Societätspläne ging auf, und er beschloss, die gegebene Gelegenheit mit allen Kräften zu benutzen. In dem Schrei- ben an die branden])urgische Kurfürstin vom November 1697, wel- clies die regelmässige, bis zum Tode der Fürstin fortgesetzte Cor- respondenz beginnt, führt er den Gedanken, den er schon Cuneau gegenüber angedeutet hat, näher aus — in Berlin solle eine kur- fürstliche Societät gegründet werden, die die Akademieen von Lon- don und Paris übertreffen müsse; die Kurfürstin solle die Seele derselben werden: »En effet, j'ai souvent pense que les dames dont l'esprit est eleve, sont plus propres que les hommes a avancer les helles connaissances«. Sobald sie auf seine Gedanken eingehen werde, werde er seine Pläne genauer vortragend Gleich nach Absendung dieses Briefs trat das Ereigniss ein, welches für den Staat Preussen so verhängnissvoU war, aber den kirchenpolitischen und Avissenschaftlichen Plänen von Leibniz freie Bahn schuf — »die unverhoffte Revolution hiesigen Hofes «("". Ende November und im December gelang es der Kurfürstin, berathen von ihrer Mutter, den besten Staatsmann, den Preussen damals besass, Danckelmann, zu stürzen und in's Gefängniss zu bringend ^ Siehe den Abdruck des wesentlichen Inhalts des Briefs in dem ürkunden- l)and Nr. 12. Der Brief zei^t übrigens deutlich, dass der Plan der Kurfürstin, ein Observatorium in Berlin zu bauen, nicht etwa eine mit Leibniz abgekartete Sache war. ebenso wenig, wie der daran sich schliessende, näher noch nicht skizzirte Vorschlag von Leibniz. an das Obseivatorium eine Societät anzuschliessen. Ledig- lich die Freude an der Sache s])richt aus Leibniz' Worten, mit denen er die Ab- schrift der ihm so kostbaren Nachricht Cuneau's begleitet: »Comme je n'aifectionne |)resque rien davantage au monde (lue Tavancement de ces sortes de connaissances et de toutes les autres (jui servent a porter plus loin les perfections et lumieres du genre huinain, et ä nous donner plus d'entree dans les secrets de la nature ou de Dien qui en est Tauteur, pour admirer sa grandeur et sa sagesse, je ne saurais (!xi)rimer k V. A. E. la joie (jue j'ai ressentie de la part qu'Elle y prend. Je savais (jue Monseigneur TElecteur a mis ordre depuis longtemps . tant ä Berlin (lu'ailleurs. a des embellissements (pii fönt aller sa Cour du pair avec celle des plus grands monai^pies. Mais il ne me man(|uait encore que de savoir (pieV. A. P:. y ])rend un plaisir jjarticulier«. Der letzte Satz benimmt jeden Verdacht eines diplomatischen Spiels. - Dass sie ihren Schatten bereits vorausgeworfen hatte, erkennt man, wenn man den Brief Jablonski's genau best (s. oben). Sophie Charlotte hatte sich im Herbst von allen Affairen zurückgezogen , um den Hauptschlag vorzubereiten , oder sie war von Danckelmann zurückgewiesen worden und sammelte sich nun zum entscheidenden Gegenzug. Eine Mitwirkung von Leibniz bei dem Sturz Danckel- mann's lässt sich schlechterdings nicht erweisen und ist aucli nicht wahrscheinlich. 3 Siehe Kosek, Sophie Charlotte, die erste preussisclie Königin (Deutsche Rundschau. 52. Bd. 1887 S.353ff.). Schon Ranke (Werke. 25. und 26.Bd. 1874 S.434ff.) hat die Verhältnisse durchschaut. Geschichte der Akademie, l. ^ V>0 Voi'geschichte der Akndemie. Sie war seine furchtbare Gegnerin geworden, weil der Minister, wie sie der Mutter schreibt, ihr vorgeworfen, dass sie mehr für das Haus, aus dem sie stammte, eingenommen sei, als für das, dem sie selbst angehöre. »Ich galt als beeintlusst durch Vorurtheile. « Die Mutter feierte den Sturz Danckelmann's als einen Triumph der Frauen: »Gefalle es Gott, dass Alle, welche den Frauen etwas in den Weg legen, also gestraft werden mögen«. Während Sophie Charlotte an dem Sturz Danckelmann's ihren gekränkten Stolz befriedigte , ihre Mutter ausserdem in dem Ereig- niss einen Sieg der weifischen Politik feierte, begrüsste es auch Leibniz, aber aus anderen Gründen. Der eben abgeschlossene Friede von Ryswijk hatte in ihm mit Recht die schwersten Sorgen und Befürchtungen in Bezug auf die stets wachsende Macht Frankreichs Deutschland gegenüber und für die Zukunft des deutschen Protestan- tismus erweckt'. Er sah keine andere Rettung für diesen als in einem sofort zu schliessenden, engsten Bündnisse zwischen Branden- burg und Hannover; gemeinsam müssten diese beiden Staaten alle Kräfte anspannen, um militärisch, wirthschaftlich und intellectuell dem Katholicismus zu begegnen; Voraussetzung dafür sei die Union in der Kirchenfrage. Danckelmann, dessen specifisch brandenbur- gische Politik Leibniz nicht verstand, schien ihm ein Gegner einer universalen protestantischen Staatskunst; in diesem Sinn erfüllte ihn sein Sturz mit Genugthuung", und er war bereit, sich der Politik der Kurfürstinnen im Hinblick auf das hohe Ziel — Schutz des Protestantismus und Union der Lutheraner und Reformirten — zu Dienst zu stellen. Sein dritter idealer Zweck, die Aufrichtung einer * Ausserhalb Deutschlands erlitt der Protestantisuuis auf dem C'ontinent in dem Menscheualter zwischen 1680 und 17 10 überall die schwersten Einbussen, aber auch für Deutschland bedeutete dei- Friede von Ryswijk eine Schwächung und bi-achte einen empfindlichen Verlust (die Pfalz). "^ Damals, als Leibniz sich zuerst über Danckelmann's Sturz geäussert hat. war noch nichts anderes erfolgt als eine sehr ehrenvolle Entlassung. Die schmäh- liche Behandlung, die der Minister wenige Wochen später erfahren hat, hat Leidniz als ein schweres Unrecht beurtheilt (s. seinen Brief an die Kurfürstin Sophie nach Fkiedrich Wilhelm 's I. Thronbesteigung bei Klopp, Werke, 9. Bd. S.392). Aber dieses Urtheil stellte sich nicht sofort ein. Als beim Ausbruch des Krieges der Kur- fürst sich seines kundigen Staatsmannes beraubt sah und dalier dem im Gefängniss Schmachtenden aufgab, das schriftlich aufzuzeichnen . was ihm von den Affairen be- kannt sei, schrieb Leibniz aus Lützenburg (8. August 1700) an die Kurfürstin Sophie (Klopp, Werke, 8. Bd. S.204): »Je ne crois pas pourtant (pie ce soit pour cela la marque de quelcpie retour favorable. Cependant cela hü servira d'amusement dans sa prison, et le fera employer son temps utilement, et lui })eut donner occasion d'obligei' l'Electeur son maitre et disciple«. DancivElmaxn's Sturz. Die Kurfürstiiineu und Leibniz (l(Jl)7/8). 51 Societät der Wissenschaften , von ihm selbst stets als Selbstzweck festgehalten, musste jenen grossen patriotischen, vom Augenblick gebieterisch geforderten Zielen gegenüber zeitweilig fast auf die Stufe eines Mittels zum Zweck rücken, aber seine persönlichen Wünsche, in Brandenburg festen Fuss zu fassen, schienen jetzt eine längst erhoffte Erfüllung zu finden. Bedenkliche Verflechtungen und peinliche Verwicklungen ! Ihnen verdankt die Preussische Akademie ihre Entstehung in einer Zeit, da der Staat eines zielbewussten Führers entbehrte ! Indessen man darf die Dinge nicht übertreiben: um staatsgefährliche Umtriebe hat es sich auch in der Politik , wie die Fürstinnen sie betreiben woll- ten, nicht gehandelt, sondern um ein enges politisches Einvernehmen Brandenburgs mit dem Hause, »daraus wir entsprossen«' — ein Ein- vernehmen, das, soviel wir wissen, niemals von ihnen substanziirt worden ist — , und Leibniz vollends hat niemals specifisch weifische, sondern stets universal -protestantische Ziele in Berlin verfolgt, denen sich die wissenschaftlichen und privaten, wie er glaubte, auf's glück- lichste anschmiegten. Beweis dafür ist seine Correspondenz. Bereits am 4. December 1697 schreibt er an Sophie Charlotte jenen Brief, der die Action eröffnet. Da die Kurfürstin jetzt nach der so erfreulichen Besei- tigung Danckelmann's mit dem Kurfürsten d'accord sei — der Kur- fürst »a fait voir ä toute la terre non seulement combien il aime V. A. E., car cela ne s'ignorait pas, mais aussi avec combien de confiance il entre dans Ses sentimens et La fait entrer dans les siens — , so gelte es die Häuser Brandenburg und Braunschweig auf's engste zu verbinden; keine andere Nöthigung hierfür wird geltend gemacht als der durch den Ryswijker Frieden bedrohte Pro- testantismus. Mit Freimuth fährt Leibniz fort — er ist augenschein- lich von dem politischen Ernst der Fürstin nicht völlig überzeugt: »La musique, la peinture, les heiles curiosites et inventions de la nature et de l'art sont capables de charmer un esprit sublime tel que celui de V. A. E. ..., mais il n'y a point de musique plus touchante que Tharmonie des peuples satisfaits, ni de tableau plus beau que le paysage d'un grand etat fleurissant«. Mit der Auf- forderung in diesem Sinn, im Verein mit dem Gemahl, Vater und Bruder thätig zu sein, schliesst der merkwürdige Brief, der bei ^ Beide Fiirstinnen hatten zeitweilig freiere Hand; denn in Hannover war Ernst AcGusr Anfangs des Winters schwer erkrankt und starb am 28. Jaiuiar 1608. 52 \'()i'geschiclite der Akndeinie. allem Sclimeiclielhafteii im Tone eines beratlienden Nestors geschrie- ben ist und der Kurfürslin deutlich zu verstehen giebt, dass ihr der Sturz Danckelmann's ernste politische Verplbclitungen auferlege'. Leibniz wagte es nicht, den Brief selbständig abzuschicken; er legte ihn der Kurfürstin Sophie vor, und sie hat ihn abgesandt^ Bestimmte Vorschlüge waren der l)randenburgischen Kurfürstin in diesem Schreiben noch nicht gemacht, we(U^r in Bezug auf die näcli- sten Ziele der ihr empfohlenen Politik , noch in Bezug auf das Mittel zur Durchführung. Solche fehlen auch noch in den beiden folgen- den Schreiben vom 14. und 29. December 1697 '. In jenem ver- sichert Leibniz der Kurfürstin, dass aucli Spanheibi, der eben auf seiner Reise nach Berlin in Hannover eingetroffen sei, die EntSchliessung des Kurfürsten in Bezug auf Danckelmann »segne«. Hauptzweck des Briefs aber ist, sich dafür zu bedanken, dass ihn die Kurfürstin in Berlin empfangen wil^. Damit hat er endUcii erreicht, was er lange gewünscht: »Je sais que cette capitale est maintenant le siege des sciences et des beaux arts, et 011 peut dire que Salomoii et hi Reine de Saba s'y trouvent ä la fois«. Er lenkt dann sofort die Aufmerksamkeit der Kurfürstin auf Russland und auf die civilisn- torischen Dienste, die Brandenburg dem russischen Hofe und Staate zu leisten vermag. »En recompense nous irons a la Chine a tra- vers de la Tartarie.« Für China bin ich das Auskunftsbureau , fügt er scherzend hinzu, und wenn die Kurfürstin etwas über Confucius oder über die alten chinesischen Könige erfahren wolle, die die ersten Nachkommen Noah's sind, so möge sie sich nur an ihn wen- den. Man sieht — die Beziehungen zu Berlin reizen ihn der neuen Bahnen wegen, die sich der Wissenschaft eröffnen. In dem i4Tnqe ^ Siehe den Abdruck des Briefs im Urkiinden1) biirgisclie Kurfürstin durch ein an ihre Mutter geschicktes Billet mir bezeugen wollte, dass es ihr genehm ist, dass ich nach Berlin komme, und wenn sie es dann beim Kurfürsten durchsetzte, dass man mich mit einer Aufgabe betraute, wie ich sie angedeutet habe. Ich könnte dann Alles betreiben, was zum Ruhme der Fürsten und Fürstinnen und zu ihrem gemeinsamen Wohl dient, vor Allem aber das, w^as den Interessen der Kurfürstin von Braunschweig zuträglich ist, deren edle und treffliche Absichten mir bekannt sind. Mit den Worten: »Je parlerai une autre fois du plan des desseins qu'on pourrait former pour contribuer le plus au bien et a la gloire des deux maisons dans ces conjonctures, oü le pouvoir de la France et les succes du parti attache au pape nous menace d'une fächeuse revolution, si Ton ne s'y oppose avec beaucoup d'adresse et de vigueur«, schliesst das Actenstück. Diese Urkunde, an deren Veröffentlichung Leibniz gewiss nicht gedacht hat, scheint auf den ersten Blick sehr gravirend zu sein, aber bei näherer Erwägung stellt sie sich in einem günstigem Lichte dar und gehört jedenfalls zu den harmloseren Schriftstücken in dieser Zeit der Geheimpolitik und der politischen Kabalen. Man muss die Briefe hinzunehmen, die vorangegangen sind — die in ihnen ausgesprochenen Absichten sind unzweideutig und rein — , man muss vor Allem den Schlusssatz unsres Actenstücks beachten ; denn in ihm enthüllt sich die uns bereits bekannte letzte Absicht LEiBNizens. Eine echt deutsche und grosse protestantische Politik zu treiben, darin sieht er den Ruhm und die Aufgabe der beiden Häuser — eine Aufgabe, die sie nach seiner Überzeugung nur ge- meinsam durchzuführen vermögen. Diesem Ziele sollte die Verbin- dung gelten , und ihm stellte er sich , Gemeinnützliches und per- sönlich Erwünschtes verbindend, zur Disposition\ Ihm ordnete er auch den Plan einer wissenschaftlichen Mission in Berlin unter, der doch um der Erschliessung Russlands und Chinas willen seine ganze Seele erfüllte. Die Kurfürstin Sophie verstand die Union freilich anders — »dass für unsre Kinder gute Vortheile erwachsen«, war ihr die Hauptsache ■ — , und Leibniz ist von dem Vorwurf nicht frei- zusprechen, dass er in diesem, übrigens als ein Vorläufer bezeich- neten Actenstück ihr in Worten allzusehr entgegenkommt und sich so ausdrückt, wie sie es am liebsten hörte. Die Verantwortung ^ ]Man beachte auch, dass er l)ereits im Anfang December die Aufforderung- der Kurfürstin . nach Berlin zu kommen . erhalten hatte. 5b ^'()rg■eschichte der Ak.'uleinic. gegenüber Brandenburg, neben der öffentlichen Diplomatie eine ge- heime der beiden Fürstinnen einzurichten, hätte nicht er, sondern <'sc-hiclite der Aknclcinie. ihre oig-eiioii Hjiiide zu legen'. Jablonski musste Leibniz leider aueli mittlieilen (6. August 1698), dass »die gegenwärtigen Aspecten un- seres Hofes der projectirten Himmelsbeschauung durchaus nicht favori- siren, sondern andere Conjunctiones erwartet werden müssen, die einen henignioreni influxvnn unsern Bemühungen zuwenden mögen«. «wSo bleibt denmach das Observatorium nebst denen übrigen subtilen philo- sophischen Materien für jetzo an die Seite gesetzet, bis etwa eine Gelegenheit sich ereigne, wegen des ersteren etwas fruchtbarliches auszurichten und mit dem zweiteren unsere gnädigste Churfürstin zu unterhalten und zu vergnügen"; dahin aucli Communicationen des Projects, so betreffend die Speculam unterthänigst überreichet wor- den, verschoben haben will, und bleibet übrig die zweite Haupt- Materie, das durch desselben gottselige Bemühung glücklich incami- nirte Negotium Irenicum.«^ Der Kurfürst hatte also das Project des Observatoriums über- haupt noch nicht zur Kenntniss genommen, und man verzichtete darauf, zur Zeit die Sache zu betreiben. Damit schien LEiBNizens Hoffnung, nach Berlin zu kommen, vereitelt zu sein. Auch hatte die unerwartete Rückkehr der Kurfürstin ihn darun'i gebracht, seine wis- senschaftlichen Berliner Pläne so zu insinuiren, wie er es gewünscht hatte ^. Aber der Vielgewandte hatte zwei Eisen im Feuer. Jetzt eben waren die Verhandlungen über das Negotium Irenicum zwischen Brandenburg und Hannover, nicht zum mindesten durch seine Be- mühungen, so weit gediehen, dass er es wagen konnte, dem bran- denburgischen Staatsminister von Fuchs vorzuschlagen, ihn, Leujniz, zu' })ersönliche]i Unterredungen nach Berlin kommen zu lassen*. Allein man hatte Misstrauen gegen ihn und beschloss vielmehr, den Hof- prediger Jablonski nach Hannover zu senden. Das war ein harter Schlag für Leibniz. Ende September trat» Jablonski diese Reise an Sie wurde so geheim gehalten, dass ausser dem Kurfürsten, dem Hrn. VON Fuchs und dem Grafen Dohna Niemand etwas von ihr er- fuhrt Jablonski verhandelte in Hannover mit Leibniz, den er zum ^ Siehe den Brief Jablonski's an Leihmz vom 6. August 1698 (Kvacsala, a. a. ü. S. 23 ff.). " Jablonski hatte also sehr wohl verstanden, dass nicht er mit Newton, dem Vacuuni und der Polhöhe unterlialten werden sollte. ^ Siehe den Brief vom 11. August 1698 (Klopp. 10. Bd. S. 50) im Urkunden- band Nr. 19. * So meine ich den Schluss des eben erwähnten Briefes verstehen zu müssen. '" Siehe die Briefe Jablonski's vom 17. .September u. ff. bei Kvacsala. a. a. O. S. 27 ff. Leikmz" Bezielmngeii zum Ivurt'iirsten im Jahre 1(198. 61 ersten Male sali, dem Abt Molanus u. A. und kehrte, erfüllt von Dank gegen Leibniz und voll Hoffnungen, nach Berlin zurück. Er unterliess nicht, Leibniz' l)esondere Verdienste dem Kurfürsten zu rühmen, und erreichte es, dass dieser ihn beauftragte, den Gelehrten seiner Gnade und seines Wohlwollens zu versichern \ Hiermit hatte dieser sehr viel erreicht; denn bisher hatte der Kurfürst augenscheinlich wenig von ihm wissen wollen. Jetzt aber trug die von der Wendung unterrichtete Kurfürstin ihrem Gemahl die Bitte vor, dass sie Leibniz in Berlin empfangen dürfe. Der Kur- fürst gewährte die Bitte, und die Kurfürstin lud den Gelehrten durch Jablonski zu sich ein". Endlich schien er sein Ziel erreicht zu haben'. Aber eine neue Schwierigkeit erhob sich. Der Kurfürst Georg Ludwig von Hannover, sein Landesherr, verweigerte ihm die Er- laubniss zur Reise. Er war misstrauisch, sei es dass er fürchtete, l^EiBNiz zu verlieren , sei es dass er argwöhnte , dieser werde sich in Berlin für brandenburgische Literessen gewinnen lassen. Hier ist bereits das Vorspiel gegeben zu dem tragischen Ausgang der Affaire, dass Leibniz das Vertrauen in Hannover verlor und in Brandenburg nicht dauernd gewann. Es blieb ihm nichts übrig, als sich zu fügen ; er that das in einem freimüthigen Schreiben an den Kur- ' Siehe den Brief Jaklonski's an Leibniz vom 15. October 1698 (Kvacsala S. 30 ff.): "S. Cliurfr. DurchL befahlen mir. meinen hochgeehrtesten Herrn, wie auch des Hrn. Abtes Hochw. — dessen sie sicli gar familiär und gnädigst erinnerten — dero besonderen Gnade bestens zu versichern, und wie dass S. Churf. Durchl. an demjenigen, so meine hocligeehrteste Herren zum gemeinen Besten der evangelischen Kirche bishero gethan, ein vollkommentliches Gefallen hätten, auch ihres Ortes dazu kräftiglich concurriren wollten: es möchten nui' meine hochgeehrteste Herren in ihrem gottseeligen Eifer fortfahren, und von Sr. Churf. Durchl. sich alles dessen versichert halten, was in diesem wichtigen Fall von Dero könne erwartet werden.«. Leibniz" erfreute Antwort darauf vom 20. October 1698 (Kvacsala S. 33). Der Ver- kehr mit dem brandenburgischen Minister von Fuchs wird nun augenscheinlich ein vertrauterer, s. JablonskTs Brief vom 5. November 1698 an Leibniz (Kvacsala S.3SK). - Siehe das Antwortschreiben Leibnizchs an Jablonski vom 8. Januar 1699 (KAPpens Sammlung einiger vertrauten Briefe zwischen G. W. v. Leibniz u. s. w. 1745 8-32 f.). Schon am 10. December 1698 war Jablonski der Reiseplan bekannt, s. Kvacsala S.4iff. Am 15. December kann Leibniz schreiben, er hoffe in der nächsten Woche in Berlin zu sein (Kvacsala S.43ff'.). Der Zweck der Reise solle geheim bleiben; Vorwand sei, dass er längst gewiinscht liaLe. dem Kurfürsten auf- zuwarten. ^ Im Postscript zum Brief vom 8. Juni (S.42) schreibt er. er werde na eige- nen Wagen sofort abreisen und keine Kosten sclieuen. (jbgleicli ilmi nichts ersetzt Averde. 62 \'()rg(\schiclite der Akademie. fürsteii' und erklärte, sein Ausbleiben in Berlin mit der schlechten Jahreszeit entschuldigen zu wollen". Bis zum Sommer hören wir dann nichts Näheres; gewiss ist nur, dass der wissenschaftliche Briefwechsel mit der Kurfürstin fort- gingt. Gewiss ist auch, dass Leibniz — da das religiöse Friedens- werk momentan stecken zu bleiben drohte und das Observatorium nicht gebaut wurde — jetzt wieder auf den alten Plan zurückge- griffen hat, brandenburgischer Historiograph zu werden*, und sich deshalb auf's Neue an Spanheim wandte und auch Jablonski in's Vertrauen zog. Dieser schrieb ihm am 3. Juni 1699% Steinbeeg habe ihm aus Paris in Spanheim's Namen mitgetheilt, dass im Jahre 1694 die Angelegenheit lediglich an der Gehaltsfrage gescheitert sei, und dass er, Spanheim, vor seiner Abreise nach Paris die Sache dem Minister von Fuchs an's Herz gelegt habe; er sei aber bereit, an VON Fuchs zu schreiben, »dignum enim virum incomparabilem arc- tiore cum aula iiostra coniunctione judicat« ; er, Jablonski, habe dnnn sofort an Steinberg zurückgeschrieben, dieser möge ein Schrei- ben an VON Fuchs bei Spanheim erwirken. Im August 1699 boten die Unionsverhandlungen noch weniger Aussichten*'. »Wenn keine grosse Apparenz zum Success«, schreil)t Leibniz an Jablonski am 25. August, »wie denn solcher sich in meinen Gedanken sehr vermindert, so ist am rathsamsten pro ipso negotio, man halte anjetzo zurück, bringe nichts in eine vergebene oder doch ^ Abiiedruckt im Urkundenband Nr. 20. Das Sclireiben ist vom 19. Januar 1699 - Der Aberzieht war ihm um so schmerzlicher, als ihm Jablonski (am 3. Januar) Folgendes geschrieben hatte: »Kann nicht umhin, meinem hochgeehi'testen Herrn part zu geben von dem sehr vverthen Neujahrspräsent, damit I. Clmrf. Durchl.. unsere gnädigste Frau, da ehegestern die Gnade hatte, selbter das neue Jahr unter- thänigst zuwiinschen, meine Wenigkeit gnädigst regalirt haben. Sie sagten, sie erwarteten einen lieben Gast und hätten gut gefunden, selbten bei mir ein- zulogiren. Ich gebe meinem hochgeehrtesten Herrn zu bedenken, welche grosse Freude dieser gnädigste Vortrag, welcher mit meinem ehemaligen Wunsch so voll- kommentlich übereintraf, in mir erwecket. Ich nahm dieses gnädigste Erl)ieten als eine der grossesten Gnaden, welche Churf. Durchl. mir erz(ngen konnten, mit unter- thänigstem Dank an, und gleich wie nicht hoffen will, dass mein hochg. Herr das- jenige Geschenk, so Churf. Durchl. mir zugedacht, mir ungütig vorenthalten werde, also habe ein geringes Zimmer und Bette bereitet, einen so vornehmen, werthen und recht erwünschten Gast, wo nicht nach Würden, doch nach Vermögen entre- teniren« (Kvacsala S.47). ^ Siehe den Brief der Kurfürstin vom 2 2. August 1699 an Lkihxiz (Kloim-, 10. Bd.. S. 54): "je vous dirai que vos lettres sont d'un grand agrement pour moi". ■* Siehe oben S. 42. ^ Siehe Kappcus Sammlung u. s. w. S.43ft". ** Doch wurden sie im Winter 1699/1700 günstiger und dehnten sich viel weiter aus. Li:ii!Xiz" Bezieluuigen zur Kurturstin im Jahre 16V)V). GH missliclie ungewisse Deliberation , und erwarte eine Zeit, da mehr Eifer. Sonst Avird das jetzige nur alt und verlieret gratiam\« Zwar erklärte der Minister von Fuchs dem Hofprediger, der Km-fürst wäre noch »im ersten Eifer«, und er selbst »wolle nichts, so zu Fort- setzung eines heiligen Werkes gereichen könnte, ermangeln lassen«: aber er fügte doch hinzu, er habe einige Sorge dabei »und sehe beson- dere Hinderungen, als die Kaltsinnigkeit, welche zwischen hiesigem und hannoverischen Hofe schiene sich blicken zu lassen, den genium des hannoverischen Hofes selbst, und son- derlich die Härtigkeit des Evangelischen Klerus [der Lutheraner], welche fast inexpugnable schiene«. In dem Briefe, in welchem Jablonski dieses an Leibniz berichtet (vom 19. September logg)'-. kann er aber hinzufügen, dass er durch Steinberg neue Nachrichten von Spanheim habe; dieser werde an von Fuchs schreiben und zweifle nicht, dass, wenn nur Leibniz erst die Stelle habe, die Gehalts- frage sich zur Befriedigung lösen lassen werde. Der Minister sei Leibniz wohlgesinnt, und sein Ansehen steige täglich , wenn er auch »in Sachen, die Geld -Unkosten involviren, etwas sonderliches zu thun bisher nicht im Stande gewesen sei«^. Aber noch eine andere wichtige Nachricht hatte Jablonski mit- zutheilen: »Da ich ehegestern das Glück hatte, der Churf. Durchl. in Dero Andacht zu Lützenburg zu bedienen, sprachen sie bei der Tafel nach der Gewohnheit von meinem hochgeehrten Herrn gar gnädig und bezeugten, wie sehr sie gewünscht hätten, selbten einmal hie zu sehen. Ihro Churf. Durchl. beliebten auch mir die Sorge für das Observatorium ernstlich anzubefehlen: dabei ich doch bei jetzigen Conjuncturen wenig zu thun vermag; jedoch hat der Ober-Hofmar- scliall Dobrzynski versprochen, mit mir zusammen zu spannen«. Das war eine zwiefache Freudenbotschaft für Leibniz: die Kur- fürstin denkt noch immer darauf, ihn zu sehen, und nimmt auch wieder den Plan auf, ein Observatorium zu bauen. »Wenn man auf ein Observatorium einsmahls mit Ernst bedacht sein sollte, « erwidert er, freilich etwas zweifelnd, »könnte solche Anstalt gemacht werden, dass Entdeckungen von Wichtigkeit dadurch geschehen möchten, zu welchem Ende ein oder anders dienlich fürzuschlagen wäre\« ^ IvAPPens Sammlung 8. 53. ^ Siehe Kappcus Sammhuig S.55ff. ^ Von der Sache ist weiter nicht mehr die Rede. Ob sie nur an dem Geld- punkt gescheitert ist? Historiograph Avurde ein obscurer Gelehrter. * A.a.O. S. 67 (Brief vom 19./29. October 1699 an Jablonski). {)4 N'orgescliiclitc der Akademie. Unterdessen boten die Unions Verhandlungen wieder neue Aussichten, und Leitsniz" umsichtige und besonnene Mitwirkung wurde vom Kur- fürsten und vom Minister von Fuchs anerkannt'. Das Misstrauen gegen ilm verschwand mehr und melir; mit Jablonski wurde das Verhältniss immer herzlicher; aber seine persönlichen und wissen- schaftliclien Hoffnungen in Bezug auf Berlin blieben bei alledem unerfüllt. Da kam von ganz unerwarteter Seite eine überraschende Hülfe, und sie führte zum Ziele. 9. Seit dem Jahre 1694 war der Professor Erhard Weigel in Jena'' unermüdlich thätig, die Abschaffung des julianischen Kalenders und die Reinigung des Kalenderwesens beim Corpus Evangelicorum in Regensburg zu bewirken"'. Im Zusammenhang damit plante er ein Collegium Artis Consultorum im heiligen römischen Reich und legte diesen seinen Plan auch Leibniz vor. Eine allgemeine Societät der Wissenschaften in Deutschland gehörte längst auch zu Weigei/s Wünschen; aber wie sie in dem zersplitterten Reiche verwirklichen? Jetzt glaubte er ein Mittel gefunden zu halben, zwei grosse Zwecke mit einem Schlage zu erreichen: einer Reichsanstalt, die aus etwa zwan- zig Mitgliedern bestehen könne, solle das Kalender werk als Mono- pol für Deutschland übertragen werden: aus den reichen Einkünften, die dieses Monopol gewähren würde, solle sich jenes Collegium Artis Consultorum allmählich zu einer Akademie entwickeln , die ausser der Astronomie auch die anderen mathematischen Wissenschaften })tlegen und für die Plebuug der Künste und Handwerke thätig sein ^ Siehe Jablonski"s Brief vom 17. Dec. 1699 (IvAPrens Sammlung S. 94!".) und das Schreiben der Kui-fürstin Sophie fHARLoriE an Leibniz vom 9. Deceml)er 1699 (Klopp, Werke, 10. Bd. S. 56), dessen Selihiss zeigt, dass die Kiiriurstin die Hoffnung, ihn in Berlin zu sehen, nicht aufgegeben hat. " Geb. 1625, seit 1652 Professor in Jena, wo Pitfendorf und Leibniz bei ihm gehöi't haben, gest. am 31. März 1699; vergl. über ihn E. Spiess, Erhard Weigki-, 1881. und den Art. i. d. AUg. Deutschen Biogr. (41. Bd. S. 465 ff.) von R. Knoit. Ein geistvoller Mann, in seiner Vielseitigkeit und in dem Gegensatz zum herrschen- den Schulbetrieb Leibniz verwandt, führte er seine Schüler in die Werke von Car- TESiT-s , Ilroo (iuorirs und Hobbes ein. ^ Dass diese Pläne mindestens bis in"s Jahr 1694 hinaufreiciKMi , zeigt der Brief an Leibniz vom 16. April 1694: «7a\ dem vor diesem schon unmassgeblich vorgeschlagenen Collegio Ai'tis Consultorum liab ich unlängst zu Regensburg einige gute Vertröstung erhalten, werde es diesen Sommer aber nach ^Möglichkeit weiter urgiren« (Bibliothek zu Hannover). Ehrhard Weigel's \'erdienste inii die Begründung der Akademie. 65 werdet Viele Gelehrte waren für diesen Plan gewonnen, aucli die Höfe wurden bereits angegangen. Sehr merkwürdig ist das Gut- achten LEiBNizens vom Jahre 1697'". ^^^ Verbesserung des Kalen- ders will er mit der Aufrichtung der Societät, deren Namen er übri- gens beanstandet , nicht vermengen ; auch der Societät etwas andere Aufgaben stecken; vor allem aber erkannte sein politisch geschultes Auge, dass ein allgemeines Reichs -CoUegium, mit jenem Monopol ausgestattet, bei der Zersplitterung Deutschlands undurchführbar sei; denn jeder einzelne Reichsstand hätte ja dann »über Privilegia Imperatoria nachdrücklich zu halten«, dazu aber waren sie alle viel zu selbstsüchtig und kurzsichtig. Er schlägt daher — merkwürdig genug — eine Art wissenschaftlichen Bundesraths für Deutschland vor; »neben einer gewissen Universal -Anstalt im Reich, einem unter Kais. Majestät allerhöchsten Direction stehenden Collegio, solle die Sache zugleich particulariter besorgt werden, also dass Kais. Majestät in ihren Erblanden, einige der Kur- und Fürstlichen Häuser und andere mächtige Stände oder auch ganze Kreise, jeder für sich und dero Lande, bei der Hofstadt oder an einem andern vornehmen Ort ein solches Collegium aufrichteten«. Welche Einsicht I Hier war ein durchführbarer Plan geboten! Diesen Plan hat Leibniz verfolgt. Wenn er zuerst in Berlin, dann in Dresden und anderswo Societäten aufzurichten versuchte, so lag stets die Absicht zu Grunde, alle diese Stiftungen allmählich mit einander und dann auch mit den ausserdeutschen zu verbinden. Von unten muss man bauen, dann wird man zum Ziele kommen; die Errichtung eines Collegium universale ist undurchführbar. Die Ge- schichte hat ihm Recht gegeben I Ein Netz von Societäten entstand im 18. Jahrhundert auf Grund seiner Bemühungen, und wenn wir heute sehen , dass die Akademieen Einrichtungen treffen , um in engste Verbindung mit einander zu treten, so verwirklicht sich die » Universal - Anstalt « . Aber Erhard Weigel bleibt der Ruhm, nicht nur Leibniz auf's Neue angespornt und den Gedanken der Kalenderverbesserung bei ^ Wie weit dieser Plan schon gediehen war. ersieht man aus den acht Brie- fen von Weigel an den Prof. math. Johakn INIeyer in Regenshurg (der letzte vom 13. !März 1699), die sich in der hannoverschen Bibliothek in dem Fascikel «Leibniz- Weigel's Briefwechsel« befinden, vergl. auch Wilhelm Meyer, Die Handschriften in Göttingen (1893) S. 161; in Göttingen befindet sich eine Sammlung von einschla- genden Abhandlungen und Briefen, von dem oben genannten Johann jMeyer (-j" 17 19) veranstaltet. ^ Abgedruckt im Urkundenband Nr. 21. Geschichte der Akademie. I. 5 66 Vorgeschichte der Akademie. den protestantischen Ständen durchgesetzt \ sondern auch den Plan des Kalendermonopols aufgebracht zu haben. Ohne diesen genialen Einfall wäre es in Berlin nie zu einer Societät der Wissenschaften gekommen, denn es fehlten die Mittel. Die Idee übernahm Leibniz als Erbschaft von Weigel — denn dieser starb, bevor er die Früchte seines Wirkens sehen konnte — und hat sie sehr bald nach der Durchführung in Brandenburg als seinen Einfall bezeich- net. Aber treue Schüler Weigel's haben nicht vergessen , dass diesem die Ehre gebührt. »Unseres sei. Herrn Vaters (Weigel) Vorschlag gemäss dotirt der Kurfürst die Mathesin mit ihrer eigenen Arbeit«, schreibt Hamberger (am 3. Juni i 700)'. — Am 23. Sept. 1699 erfolgte das für die Verbesserung der Kalender grundlegende Conclusum des Corpus Evangelicorum zu Regensburg^. Es schrieb vor, die dem 18. Februar 1 700 folgenden elf Tage in den Kalendern aus- zulassen und «den Mathematicis ebenmässig aufzugeben, dass selbige darauf gedenken sollen, wie künftighin und mit der Zeit der bis- herige abusus der astrologiae iudiciariae aus denen Kalendern bleiben könne«. Es schloss mit der Bestimmung, dass in allen evange- lischen Landen am letzten Sonntag vor dem Advent 1699 die Neu- ordnung zu publiciren sei. Dem entsprechend ist in Brandenburg verfahren worden. Am 14. November 1699 erging eine Verfügung an die Consistorien und an die vier Landes -Universitäten, den Beschluss am letzten Sonn- tag des Kirchenjahrs zu verlesen. Aber die Durchführung der Kalenderverbesserung verlangte umsichtige Männer und einheitliche Arbeit von der Regierung, sollte nicht Alles im Lande in die grösste Verwirrung gestürzt werden. Die Einsetzung einer kurfürstlichen Kalender -Commission war noth- wendig. Sie mit den eben wieder von der Kurfürstin befohlenen Bemühungen um den Bau eines Observatoriums^ in Verbindung zu setzen, ergab sich von selbst, und Stahl und Stein kamen zu- sammen, als Leibniz gegen Ende Februar 1700, mitten aus den Unionsverhandlungen heraus, an Jablonski schrieb, man solle doch ein Monopol aus den Kalendern machen und auf ihm das Obser- ^ Es ist also nicht ganz richtig, wenn Idei.er (Chronologie 2. Bd. 1826 S.323) schreibt, dass die protestantischen Stände, besonders auf LEiBNizens Betrieb und mit Zuziehung von Weigel, den Beschluss, den neuen Kalender einzuführen, gefasst hätten. ^ Siehe Wilhelm Meyer , a.a.O. Über die Spannung, die zwischen W. und Leibniz bestanden hatte, s. Guhrauer, G. W. v. L. 2. Thl. S. 211. " Siehe den Abdruck im Urkundenband Nr. 22. * Siehe oben S. 63. Die Kalenderverbesserung führte zur Stiftung der Akademie. G7 vatorium und eine an dasselbe sich anschliessende Societät, die sich des Kalenders annähme, fundiren^ Der Stein der Weisen, das Gold, war gefunden! In diesem Schreiben muss Leibniz dem Freunde auch mitgetheilt haben, dass er bereit sei, eine solche vSocietät der Wissenschaften in Berlin selbst einzurichten, und dass seine soeben vollzogene Ernennung zum Mitglied der französischen Akademie ihn dazu besonders qualificire. Umgehend antwortete Jablonski, dass er und seine Freunde — Rabener und Cuneau — sofort zusammengetreten seien, um den alten Plan der Errichtung eines Observatoriums und, an ihn angeschlossen, die Gründung einer Societät zu berathen und dem Kurfürsten eine Denkschrift vorzulegen; als Präsidenten würden sie ihn, Leibniz, vorschlagen". ^ Dieser Brief ist leider nicht mehr vorlianden. aber er folgt aus dem Schreiben LEiBNizens an Jaulonski vom 12. März 1700 (Kappcus Sammlung 8.1450".). und aus diesem ergiebt sich auch das Datum. Die Durchführung der Kalenderverbesserung beschäftigte Leibxiz im Winter 1699 — 1700, s. seinen im Leibniz -Fascikel des Akademischen Archivs befindlichen Briefwechsel mit dem Abt Schmidt in Helm- städt vom December bis März. Dieser erwähnt auch den Astronomen Kirch ; Leibniz klagt über die Unzuverlässigkeit der Rudolfinischen Tafeln und bemerkt, dass das negotium rei calendariae nicht in solo calculo bestehe (Januar 1700). Auch mit den grossen Astronomen Reiher, Bianchini und Olaus Römer correspondirte er und sorgte dafür, dass der hannoversche Hof in Regensburg die richtigen In- structionen gab. ^ Da leider auch dieser wichtige Brief fehlt, so lässt sich nicht genau be- stimmen, ob Leibxiz sich selbst geradezu als Präsident vorgesclilagen hat. Wahr- scheinlich ist, dass er den Vorschlag nahe gelegt hat (seine Worte in dem auf beide Briefe zurückblickenden Schreiben vom 12. März an Jabloxski lauten: »Höre auch gern, dass mein Einfall wegen des Kalenders Ingress gefunden und Gelegenheit gegeben, die ehemaligen Gedanken von einer Churfürstl. Societät, dadurch gründ- liche Wissenschaften und gemein nützliche Künste zu verbessern , wieder vorzu- nehmen. Und will ich meines wenigen Ortes gern alles beitragen, werde auch dabei meiner Gewohnheit nach mehr auf Ehre und Ruhm als meine Privat-Angelegenheiten sehen, doch ein und anders dabei in Betrach- tung zu ziehen haben [er meint die Gehaltsfrage und sein Verhältniss zu Han- nover], welches aber keine Hinderung bringen wird«). Dass bereits in dem verlorenen Schreiben Jablonski's von der Präsidentschaft die Rede gewesen ist, geht aus der grossen Denkschrift der Berliner Gelehrten vom Anfang März 1700 (die bereits auf die Remuneration für Leibniz eingeht) und auch daraus hervor, dass sich Leibniz nach Empfang der Denkschrift gar nicht wundert, sich als Präsidenten vorgeschlagen zu finden (s. den Brief vom 26. März an Jablonski, in KAPPens Samm- lung S. 160). Eine besondere Beachtung verdient noch die Ernennung zum Mitglied der Pariser Akademie. Obgleich das Diplom erst vom 13, März 1700 datirt, ver- weisen die Berliner in der oben genannten Denkschrift, die am 19. dem Kurfürsten übergeben wurde. ])ereits darauf, dass Leibniz Mitglied der Pariser Akademie sei, und rücken diese seine Stellung in den \'ordergrund. Das lässt sich nur bei der Annahme erklären, dass Leibniz eine Mittheilung über die Ernennung nach Berlin hat gelangen lassen, bevor sie vollzogen war. That er das. so muss ihm eben in Hinsicht 68 Voi'gescliiclite der Akademie. Diese, in Berlin abgefasste Denkschrift wurde am 19. März I 700 dem Kurfürsten in Oranienburg in doppelter Gestalt — einer längeren und kürzeren — vorgelegt. Weil die Zeit drängte, konnte sie Leibniz nicht erst zur Begutachtung übersandt werden. Noch an demselben Tage befahl der Kurfürst, «eine Academie des Sciences und ein Observatorium in Berlin zu etabliren « \ Acht Tage vorher muss er der Kurfürstin zugesagt haben, ein Schreiben an seinen auf seine Berliner Pläne viel an dieser Ernennung gelegen haben, wie schon Klopp. Werke, 8. Bd. S. XXI, XXIII f., 109 ff., 132 ff"., to. Bd. S.XXXf., wenn auch mit einigen Übertreibungen, vermuthet hat (ganz besonders stark spricht für diese Combination das Schreiben LEiBNizens an den Kurfürsten Georg Ludwig vom 28. März 1700; s. den Urkundenband Nr. 31). Im Sommer 1699 hatte Leibniz seine Ernennung durch die Kurfürstin Sophie und die Herzogin von Orleans in Paris energisch betrieben; denn er war gekränkt, dass ihm die Ehre, die man ihm schon im Jahre 1677 versprochen hatte, noch immer nicht erwiesen war (s. auch den Brief an Malebranche vom Jahre 1679 bei Bodemann, Bi-iefwechsel S. 165). Das Diplom selbst s. bei Klopp, Werke. 8. Bd. S. 149 f. Auch das akademische Archiv besitzt in seinem Fascikel "Ernennungen« eine Abschrift. Sehr unzutreffend be- merkt Klopp (Werke, 10. Bd. S. XXI) im Zusammenhang eines Rückblicks auf die Vorgeschichte der Preussischen Societät und ihren Abschluss : «Die beiden Kur- fürstinnen, Mutter und Tochter, haben das von Leibniz in der Denkschrift (vom Februar 1698, s. oben S. 53f.) aufgestellte Programm angenommen und handeln in aller Beziehung demselben entsprechend. Dieses Verhältniss ist entscheidend für die Stiftung der Societät in Berlin«. Das Gegentheil davon ist richtig (auch Fischer, Frisch's Briefwechsel mit Leibniz 1896 S.VH, erklärt sich mit Recht gegen Klopp). Die brandenburgische Kui^fürstin hat jenes Programm weder anfangs noch später angenommen, sondern abgelehnt nach ihm zu handeln, und die braunschweigische Kurfürstin ist, abgesehen von ihi-er Verwendung für Leibniz in Paris, an dem Gange der Dinge überhaupt nicht betlieiligt gewesen. Die Brandenburgische Societät der Wissenschaften ist nicht aus einem wellischen Complott, um politische Zwecke zu erreichen, entstanden, sondei'u sie entstand, weil das Kalenderwesen und das Ob- servatorium sie nahe legten, und weil Leibniz durch die Art, wie er das Unions- werk betrieb, zeitweilig das Vertrauen des brandenburgischen Kurfürsten und seines Ministers erworben hatte. Dass das Ergebniss den Wünschen Sophie Charlotte"s und LEiBNizens Plane, Hannover und Brandenburg enger zu verbinden und selbst hier festen Fuss zu fassen, entsprach, giebt kein Recht, es als einen Vorwand für geheime politische Zwecke zu fassen , die sich schlechterdings nicht nachweisen lassen. Vor allem aber zeigt die Geschichte der Societät unter Leibnizchs Leitung, dass er nicht im entferntesten daran gedacht hat, sie zu politischen Absichten zu gebrauchen oder auch nur weifische Gelehrte zu bevorzugen. ^ Die Promptheit, mit der der Kurfürst seine Genehmigung ertheilte. erklärt sich daraus, dass es höchste Zeit war, die Kalender für 1701 vorzubereiten. Ferner hatte die Denkschi-ift auf die noch bestehende Möglichkeit hingewiesen , in Regens- burg werde nach Weigel's Vorschlag eine astronomische Reichsanstalt gegründet und die Kalendersache den Einzelstaaten entzogen werden. Demgegenüber wollte der Kurfürst, wie es ihm nahe gelegt war, ein fait accompli im Lande schaffen, und dies um so mehr, als Sachsen mit einem solchen bereits vorangegangen war und ein Kalend> 10. Correspondenz (hierbei wird ausserdem auf ein kurfürstl. Douceur gerechnet). . . . 100 - 1 1 . Kleinigkeiten 50 " 12. Prämien an Medaillen (bez. anfangs Inspec- tion des Baus des Observatoriums) . . . 100 Summe 2510 Thlr. Sollten nun die Kalender mehr abwerfen (auch durch die Straf- gelder) und der Kurfürst ausserdem geneigt sein, das, was er pro rata für eine allgemeine Reichsanstalt geben müsste, der Societät zuzuwenden, »so könnte man künftig dahin bedacht sein, gleich 7() Die tirinuliiiig der Societät im Jahre. 17(»0. Frankreicli gute observatores et matliematieos in entfernte Lande, etwa zu Lande durch Moskau und zur See über Batavia nach China zu senden, wekdie dasell)st zugleich die Ehre Gottes durch Fort- püanzung des reinen christlichen Glaubens befördern könnten. Zu welchem Ende diese Leute gute Tlieologi sein und mit eben den sub- sidiis wie die dort befindlichen Jesuiten vollkommen instruirt und ausgerüstet sein müssen «\ «Was für eine Glorie würden S. Churf. Durchl. von einer solchen gottseeligen Entreprise vor der ganzen evangelischen Welt haben ! « Endlich werden berühmte Leute als Bibliothekare, Prediger u. s. w. nach Berlin zu ziehen sein , die daneben als Mitglieder der Akademie thätig sein können. Damit Andere nicht zuvorkommen, und damit der Kalender für 1701 hergestellt werden kann, ist eine baldige Resolution i. w€\gen der Berufung des Hrn. Kirch aus Guben, 2. wegen Publicirung eines Kalender -Edicts noth wendig. »Es sind diese Vorschläge so giorieuse vor S. Churf. Durchl., so wohl gemeint zu der Ehre Gottes, so nützlich zum Aufnehmen der Scienzen und daneben wegen des ausgefundenen Fonds zum Unterhalt so facile, dass man nicht zweifelt, es werde S. Churf. Durchl. dieselben gnädigst aggreiren und ein oder andern Ministrum in hohen Gnaden benennen, welchem diese Sache mit mehreren Umständen vorgestellt und mit selbigem Alles ohne Zeitverlust zur Perfection gebracht werden könne. « Dieses Project wurde dem Kurfürsten eingereicht. Der Re- quetenmeister Moriz von Wedel nahm es nach Oranienburg mit, wo- hin der Kurfürst plötzlich aufgebrochen war. Bereits am 19. März konnte er dem Hofprediger schreiben"": "Sr. Cliurturstl. Durclil. haben gnädigst resolviret, eine Acadeniie des Sciences und ein Observatorium, wie vorgeschlagen, zu etabliren, welches in Eil liierniit melde und particularia reservire. bis ich die Ehre habe, meinen hochgeelu'ten Herrn Hofprediger zu sprechen, der ich bin u. s.w." Damit war die Akademie vom Kurfürsten nach den Vorschlägen Jablonski's im Princip genehmigt. ^ Die Art, wie liier der Missionsgedanke im Zusannnenliang mit wissen- schaftlichen Expeditionen auftritt, macht es gewiss, dass Jablonski lediglich den Intentionen LEiBNizens folgt. ''■ IvAPPens Sammlung S. 150, s. Urkundenband Nr. 25. Hr. von Wedel war bereits früher füi- den Plan gewonnen (s. LEiBMzens Brief vom 12. März 1700); er hat dem Kurfürsten in Oranienburg, »der favorablen solitude«, Vortrag gehalten und ihn überzeugt. Der Kiu-iTirst genehmisit am 19. ^März 1700 die Societät. 77 Unmittelbar nachdem Jablonski die Eingabe dem Hrn. von Wedel übergeben hatte, erhielt er von Leibniz einen eingehenden Brief (geschrieben am 12. März) über die Societätssache\ Leibniz warnt, sich auf das Observatorium und auf die proventus calendarios zu beschränken, »weil solches nicht anständig genug scheint«'. »Ich hätte gern etwas mit der Zeit, davon ein realer Nutz und nicht blosse Curiositäten zu erwarten.« Es muss eine vollständige, alle naturwissenschaftlichen Disciplinen unter dem Gesichtspunkt der Anwendung umfassende Anstalt werden, einschliesslich der Bo- tanik und Anatomie, und ausgestattet mit einem Laboratorium. Kann man auch nicht Alles gleich anfangs erreichen, so muss doch der Plan sofort umfassend entworfen werden. Andere Geld- quellen über das Kalender- Monopol hinaus lial)e er im Sinne ^, zu- nächst sei aber allerdings mit diesem und dem Observatorium anzu- fangen , weil periculum in mora. Doch müssten . wenn irgend möglich , sofort ein Director, Secretar, ein Physicus und ein Mathe- maticus in re architectonica et mechanica probe versatus angestellt werden. Im Allgemeinen und in vielen Einzelheiten stimmt Leibnizcus Skizze mit den eingereichten Vorschlägen Jablonski" s überein. Seine »Verwegenheit, unerwartet meines hochgeehrten H. Geh. Paths hoch- weisen Judicio und Erinnerung, ein Project eingereicht zu haben« konnte der Hofprediger mit dem »periculum in mora« entschuldi- gen und freudig darauf hinweisen, dass die Vorschläge, die er an- bei übersende, sich mit Leibnizcus Gedanken deckten^. Nur die Bo- tanik imd Anatomie hätten sie ausgelassen, »weil allhier seit einiger Zeit ein CoUegium Medicum etabliret "worden, so zwar noch nichts j)ublice prästiret, jedoch hat man, um anfänglich Collision zu ver- meiden, solclie Dinge, darauf sie ein besonders Recht sich zuschrei- ben möchten , vorbeigehen -wollen. Mit der Zeit ward es sich doch von Selbsten geben, weil nicht nur die scientiae connexae sein, sondern auch wir die besten Leute aus solchem Collegio an uns ^ Siehe Urkundenband Nr. 26. ^ Er hatte noch einen anderen Grund; er erwartete nicht, dass man in der Astronomie so bald etwas Neues entdecken werde, womit man sich neben Paris und London sehen lassen könnte. »Es sind aber andere Sachen zu thun, dadurch man versichert, in kurzer Zeit etwas Wichtiges zu leisten« (s. den Brief an Jablonski vom 26. März 1700). ^ Da er in diesem Zusammenhang Moskau und China erwähnt, so meint er Avnhl eine Steuer auf milde Stiftungen und Beiträge seitens der Kirche (s. u.). * Siehe Urkundenband Nr. 27: Brief vom 20, 3Iärz 1700. 78 Die Griindung der Societät im Jahre 1700. ziehen können'. Ich hofte, es werde memem hochgeehrten Herrn Geh. Rath niclit zuwider sein, dass wir desselben solcher massen darinnen gedacht, zum wenigsten hat unsere schuldige Hochach- tung gegen desselben vornehme und geehrte Person sich nicht an- ders gewusst auszudrücken«. Auch eine Ahschrift der bedeutungs- vollen Zeilen Moriz von Wedel's fügt Jablonski seinem Briefe bei. «Mag dieses kleine Billet mir eben das sein, was dem einen Weg nach Indien suchenden di Gama dasjenige Vorgebirge war, dem er den Namen von der guten Hoffnung beigeleget.« Drei Tage später richtete Jablonski ein zweites Schreiben an Leibniz". Er hat nun von Wedel selbst gesprochen und nähere Nachrichten erhalten. Sie waren so erfreulich, wie man es sich nicht geträumt hätte. Erstlich: der Kurfürst hat das Project in allen Stücken bestätigt und will die Societät gnädigst fundiren und protegiren, »nur noch gnädigst hinzufügend, dass man auch auf die Cultur der teutschen Sprache bei dieser Fundation gedenken möchte, gleichwie in Frankreich eine eigene Akademie hiezu gestiftet«, sodann: der Kurfürst befiehlt, den Astronomen zu berufen, und er genehmigt Leibnizcus Wahl zum Präsidenten und hat Jablonski den Auftrag gegeben, ihn nach Berlin zu laden, um an die wirkliche Ausführung des geschehenen Projects Hand anzulegen. Die Aufnahme der Pflege der deutschen Sprache in den Kreis der Aufgaben der zu stiftenden Akademie ist des Kurfürsten eigenster Gedanke; weder Leibniz noch Jablonski haben ihn ge- hegt. Sie hatten eine ausschliesslich naturw^issenschaftliche Akademie geplant. Indem der Kurfürst der Akademie jene Auf- gabe vorschrieb, die gleichartige andere (deutsche Geschichte, deut- sches Recht U.S.W.) nothw^endig machte, ist er niclit nur der Stifter, sondern auch der geistige Urheber der philolo- gisch-historischen Klasse der Preussischen Akademie ge- worden. Sophie Charlotte verdankt man das Observatorium, Fried- rich die Grundlegung der philologisch -historischen Klasse — und zwar auf dem Boden der deutschen Sprache — , Leibniz die uni- versalen naturwissenschaftlich -praktischen Tendenzen. So verehrt die Akademie in dem Fürsten, der Fürstin und dem Gelehrten ihre ^ Damit war der Grund zu einer gefährlichen Rivalität und Eifersucht ge- legt, die sehr bald Avirksam wurden und unter Friedrich Wilhel3I 1. die Akademie an den Rand des Untergangs gebracht liabcn. ^ Siehe Urkundenband Nr. 28: Brief vom 23. März 1700. Der Kurfürst verl;in<>t die Pllege der deutschen Sprache. 79 wirkliolien Urheber. Erst der Kurfürst liat ihr die vaterländische Aufgabe gestellt und sie damit zugleich auf die Pflege der Geistes- wissenschaften überhaupt gewiesen'. Mit hoher Freude begrüsste Jablonski diese Bereicherung des Planes; »ich bewundere die Generosität Sr. Churf. Durchlaucht, in- massen einem teutschen Fürsten nichts mehr anstehen will, als der edlen , aber sehr verwilderten Muttersprache sich anzunehmen , welche fürstliche Sorge so viel mehr zu preisen ist, je weniger es Fürsten giebt, die selbige zu Herzen nehmen«. Bis zu seinem Tode hat FmEDRicH immer wieder die Akademie an diese Aufgabe erinnert. Aber auch die ihm übertragene Einladung Leibnizcus nach Berlin gereichte Jablonski zu besonderer Freude. »Ich danke dem barm- herzigen Gott, dass er mich so unverhofft das Glück erleben lässt, dass im Namen Sr. Churf. Durchl. meinen hochgeehrten Herrn Geh. Rath anhero invitiren darf« — mit diesen tief empfundenen Worten ist LEiBNizens Berufung nach Berlin begrüsst worden. In der That, es war ein grosses, fortwirkendes Ereigniss in der Geschichte Preussens und Deutschlands ! Aber noch mehr durfte Jablonski schreiben: »S. Churf. Durchl. sind in der Sache ganz eifrig und haben dem Herrn von Wedel Ordre ertheilet, mit dem Baumeister Grünberg wegen Erbauung des Observatorii und Aptirung des dazu gewidmeten Pavillons u. s. w. zu sprechen; so auch geschehen. Herr Grünberg forderte zu den Unkosten 6-700 Thlr., der Herr von Wedel aber verstund sich zu 1000. Man hat gestern Abend das Gebäud in Augenschein genommen und genau Alles überleget. Es finden sich auf allen Seiten Schwierigkeiten, und daher, wenn wir Hoffnung haben kön- nen, dass mein h. Herr die Ehre dero Anwesenheit ehestens uns zu gönnen gemeinet, wollten war bis dahin Alles anstehen lassen. Sonst hat H. Grünberg Ordre , nächste Woche mit dem Bau den Anfang zu machen«. Noch vor Empfang dieses Schreibens — gleich nachdem er den Brief vom 20. März sammt dem Entwurf Jablonski's erhalten hatte, schickte Leibniz (am 26.) eine sehr ausführliche Antwort an diesen". Er spricht zunächst seine volle Zustimmung zu dem ein- gereichten Project aus: dann folgen einzelne Bemerkungen: das Ob- ^ »Es wh'd nur zu denken sein, wie die teutsche Sprachkunst mit den übrigen Wissenschaften zu verbinden sein wird«, schreibt Leibniz, als er von der neuen Aufgabe zum ersten [Male hörte. ^ Sielie Urkundenband Nr. 29. 80 Die Gründung der Societät im Jalire 1700. servatoriiun (l;irf iiiclit die Hauptsache sein — das ist sein ceterum censeo — , sofort ist auoli auf ein Laboratorium zu denken; ebenso wenig darf das Kalender -Monopol den einzigen Fundus bilden. Der Name »Akademie« ist besser in »Societät« zu verändern, da jene Bezeichnung auch von Universitäten gebraucht wird ' ; Kirch ist ihm auch von Anderen als guter Calculator und Observator gerühmt worden ; beim Secretar ist nicht in erster Linie auf Sprachkenntnisse zu sehen — es genügt, wenn er Französisch und Englisch zu lesen versteht — , sondern auf tüchtige reale Kenntnisse; es muss ein junger Mediciner sein, »der dabei in Mathesis, Mechanik und Chemie Kundschaft liat«. Es folgen noch eine Reihe von Bemerkungen über Jetons (Medaillen), über den Bau des Observatoriums, über In- strumente und Bücher, über das geplante Kaien der werk des Corpus Evangelicum , ferner über Ausdehnung des brandenburgischen Kalen- der-Monopols d. h. Übertragung einer Büchercensur an die Societät und Verdoppelung des Fundus aus dieser Einrichtung". Er schlägt auch vor, dass jeder in's Land kommende Bücherballen mit einer Steuer belegt werde; er denkt zugleich an eine Papiersteuer. »Es ist in dieser meist unnützen Waare eine solche luxuria, wie mit andern Dingen, und sehe ich oft mit Verwunderung, wie die gewinnsüch- tigen Buchhändler die Bücher vertheuern und doch emptores finden. « Aber er fürchtet, dass man »das vulgus sive eruditorum sive aliorum hominum gegen sich sprechen mache«, und räth daher, den Plan noch zurückzustellen. Auch seine eigene Mitwirkung an der ganzen Sache soll noch geheim bleiben, »um unterschiedener Ursachen willen« — er musste zuerst die Erlaubniss seines Landesherrn ein- holen. Endlich legt er dem Briefe einen ausgearbeiteten Entwurf bei in zwei Fassungen, die eine (vielleicht beide) für den Kurfürsten bestimmt. »Ich habe darinnen des Werks künftigen grossen Nutzen, wenn man es damit recht anlangt, gleichsam in einer Perspectiv von fern in etwas zeigen wollen. Weil mich bedünket, einem hohen Potentaten, der etwas Grosses zu Gottes Ehre und der Menschen ^ Für den Namen »Societät« war Leibniz auch deshalb, weil die englische Gesellschaft so hiess; man folgte seinem Rathe wirklich; »Societas Scientiarum« hat der Kurfürst seine neue Schöpfung nunmehr genannt. Doch win-de die Bezeichnung Akademie in den ersten Jahren sogar in officiellen Schreiben ab und zu gebraucht, s. das Schreiben von Wartenberg's vom 27. November 1701 im Geheimen Staats- archiv, Fase. »Kalendersachen. >. ^ Die Beschränkung der Bücherproduction durch eine vom Staate eingesetzte Commission ist ein alter Gedanke Leibnizcus. Hier ist er ganz der Bildungs- absolutist, dm* sich vor tyi'annischen Maassregeln nicht scheut. Lkibniz legt den Plan genauer dar. 81 Besten tlmn könnte, sei man einigermassen schuldig solelies anzu- zeigen, und werden grosse und lierrisclie Gemütlier auch am besten durch solche Gedanken gerühret, die ihrer Macht und hohen Muth proportionirt ... Es sind von mir einige Argumenta, so ziemlich ad hominem scheinen, suppeditirt worden. Es ist aber dies mein Beifügen vielleicht nicht so bequem, noch zur Zeit von Vielen ge- sehen zu werden. « Dieses »Beifügen« existirt noch in zwei Fassungen, deren in- neres Verhältniss nicht ganz deutlich ist\ In beiden - — und das giebt ihnen die hohe Bedeutung — will Leibniz nachdrücklich zei- gen, in welchem Sinne die neue Societät sich mit den Wissen- schaften zu beschäftigen habe (davon ist im jABLONSKi'schen Project überhaupt nicht die Rede): »Solche Churf. Societät müsste nicht auf blosse Curiosität oder Wissensbegierde und unfruchtbare Experimenta gerichtet sein oder bei der blossen Erfindung nützlicher Dinge ohne Application und Anbringung beruhen, wie etwa zu Paris, London und Florenz ge- schehen, und ist dort dasjenige, so von realen Scienzien zu gemeinem Nutz zu erwarten , nicht erreichet worden « , sondern man muss gleich anfangs das Werk sammt der Wissenschaft auf den Nutzen richten. Sonst wird die Regierung ihre Hand zurückziehen; denn »reale Ministri werden unnützer Curiositäten bald überdrüssig und rathen keinem grossen Fürsten viel Staat davon zu machen«. »Wäre demnach der Z^veck, theoriam cum praxi zu ver- einigen, und nicht allein die Künste und Wissenschaften, sondern auch Land und Leute, Feldbau, Manufacturen und Commercien, und mit einem Wort, die Nahrungsmittel zu verbessern, überdiess auch solche Entdeckungen zu thun, dadurch die überschwengliche Ehre Gottes mehr ausgebreitet, und dessen Wunder besser als biss- her erkannt, mithin die christliche Religion, auch gute Polizei, Ord- nung und Sitten theils bei heidnischen, theils noch rohen auch wohl gar barbarischen Völkern gepflanzet oder mehr ausgebreitet würden.« Im Folgenden wird der grossartige Gedanke einer evangelischen Mission, für die sich Wissenschaft und Religion die Hand reichen ^ Siehe Urkundenband Nr. 30 a, h. Beide Fassungen stammen aus den Tagen, da Leibxiz schon das Project von Jablokski, aber noch nicht dessen Mittheilung über die kurfürstliche Hinzufügung der deutschen Sprache (als Aufgabe der Societät) erhalten hatte, d.h. sie sind zwischen dem 24. und 26. März niedergeschrieben. Die Fassung^ trägt in der That das Datum "25. März 1700«. Geschichte der Akademie. I. 6 82 Die Gründung der Societät im Jahre 1700. sollen*, weiter ausgeführt, und aus der geograpliisclien Lage Preussens und seinen guten Beziehungen zu Russland wird insbesondere der BeruC jenes Staats zu einer Mission nach China, Indien und Persien abgeleitet. Mit besonderer Wärme hat Leibniz dies dem Kurfürsten an's Herz gelegt und hierin einen Hauptzweck der zu begründenden Societät erkennen wollen^: »Was Cliurl". Durclil. hierunter fürnehnien würden, das würde, über alles Vor- erwähnte, noch zu der Ausbreitung der Ehre des grossen Gottes vnid Foi'tpllanzung des reinen Evangelii gereichen, indem dadurch den Völkern, so noch im Finstern sitzen, das wahre Licht mit anzuzünden, dieweil die Wissenschaften und der irdische Himmel bequem liefunden worden, die verirreten Menschen, gleich wie der JStern die niorgenländischen Weisen, zu dem so recht himmlisch und göttlich zu führen. Ich linbe mehrmalen auch in öffentlichen Schriften mit Anderen beklagt, dass man die i'ömischen Missionarios allein die un\ergleichliche Neigung und Wissensbegierde des chinesischen Monarchen und seiner Unterthanen sich zu Nutz machen lasse. Davon ich viel besonders mit nachdenklichen Umständen sagen könnte. Es scheinet, als Gott sich Chui'f. Durchl. zu einem grossen Instrument auch hierin erwählet und \-orher ausgerüstet habe. Massen ja bei Protestirenden nirgends ein solcher Grund als zu Berlin zu der chinesischen Literatura et propaganda fide geleget worden^. Wozu nunmelu' vermittelst sonderbarer Schickung der Providenz das so ungemein gute persönliche Vernehmen mit dem Czaar in die grosse Tartarei und das herr- liche China ein weites Thor öffnet. Dadurch ein Commercium nicht nur von Waaren und Manufacturen. sondern auch von Licht und Weisheit mit dieser gleichsam an- dern civilisirten Welt und Anti- Europa einen Eingang finden dürfte*.« ^ Siehe oben S. 76 das JABI,o^'SKI'sche Project imd vergl. die gründliche Studie von Plath, Die Missionsgedanken des Freiherrn von Lkihnm-z. 1869. Die Frage, ob Leibniz oder Jablonski die Priorität des Missionsgedankens gebührt (s. Kvacsala, Fünfzig Jahre im preussischen Hofpredigerdienste. D. E. Jarlonsky. Jurjew 1896 S. 21), wdrd so zu entscheiden sein, dass zwar Jabi.onski sein Interesse für die Mission nicht ei-st von Leibniz erhalten hat, dass aber der Missionsgedanke als ein Hauptzweck der zu stiftenden Societät und die besondere Beziehung auf China und den Osten von diesem stammt. Die grösste Bedeutung haben Leibnizcus Missions- gedanken durch ihren Einfluss auf H. A. Franke erhalten (s. Guhrauer, G. W. Frei- herr von Leibnitz, 2. Theil Anhang S. 19 f.). ^ In der Art der Begründung hat er freiUch, wie er sel])st Jablonski gegen- über gestanden hat (s. o. S, 81), ..ad hominem« gesprochen. Ihm selber war un- zweifelhaft nicht die Christianisii-ung der fernen Länder die Hauptsache, sondern die Bereicherung des Wissens, die man von dort zuriickbringen würde. Aber er kannte des Kurfürsten kirchlichen Sinn, und gleichgültig war ihm selbst der Mis- sionsgedanke keineswegs. Wissenschaft und echte evangelische Religion sah er als Zwillingsschwestern an, die stets einander dienen müssen: wissenschaftliche Auf- klärung wird auch die Heiden zur i-einen christlichen Religion führen. ^ Diese Bemerkung bezieht sich darauf, dass die Kurfürstliche Bibliothek eine Sammlung chinesischer Bücher besass. Schon 1683 waren solche vorhanden (s. Wii.KEx, Geschichte der Königlichen Bibliothek 1828 S. 29 und 161) und wur- den l)al(l (Inraiif vermehrt. * Leiümz macht hier noch folgenden kühnen, auf den Kurfürsten berechneten Zusatz: ..Wer weiss, ob Gott nicht el)en deswegen die pietistischen, sonst fast ärger- liche Streitigkeiten unter den Evangelischen zuiielassen . auf dass recht fromme und Chinesische Mission ein Hauptzweck der Societät. 83 Des Weiteren führt Leibniz aus , wie Befehl zu erlassen sei , dass alle kurfürstlichen Ingenieurs, Künstler, Residenten, Agenten und Factoren überall mit der neuen Societät correspondiren und ihr alles Wichtige zutragen sollen. Würde man erst merken, dass Clmrf. Durchl. daran ein besonderes Vergnügen haben, so werden auch vornehme und begüterte Privatpersonen — wie etwa in England und anderswo — aufgemuntert werden , ihre Lust in Untersuchung der Natur und Wunder Gottes, auch mathematicis und daher fliessenden schönen Künsten zu suchen. Ebenso müssen die tauglichsten Gelehrten an Universitäten und Gymnasien in kurfürstlichen Landen mit der So- cietät in Verbindung treten; man muss ihnen »die objecta, occa- siones und allerhand dienliche Nachrichtungen suppeditiren « ; das würde » von grosser Extension und Wirkung sein , imd doch Churf. Durchl. nichts als nur die Bezeigung ihres dazu geneigten Willens kosten«. Am Schluss des Entwurfs ( i . Fassung) geht Leibniz noch aus- führlich auf Erweiterung des Fundus ein. Er schlägt vor i. eine Expeditionssteuer bei allen beneficia pure gratiosa, die der Kurfürst ertheilt, 2. — nach Errichtung einer guten Anstalt gegen Feuer- schäden , die mit der Societät zu verbinden sei und zu der ein jeder Bürger jährlich etwas beizutragen hätte — die Überweisung des Überschusses an die Kasse der Societät. Ferner soll die Societät auf Abhülfe gegen die Wasserschäden sinnen und dazu die Geometrie in rechten Gebrauch setzen. Auch hier wird sich, wenn auch nicht sofort, ein gewisser Fundus ergeben, wenn einmal die Einrichtung (Landesnivellement, Austrocknen der Moräste u. s. w.) in Kraft ge- setzt ist. Die zweite Fassung des Entwurfs deckt sich zwar zum Theil mit der ersten , giebt aber ein genaues Schema der realen Wissen- schaften als Unterlage für die Organisation der Societät. Die realen Wissenschaften sind Mathematik und Physik. Jene wie diese be- greift vier Hauptstücke, nämlich I. die Mathematik: i. Geometrie [Mathesis generalis und Analysis, so den andern allen das Licht an- zündet], 2. Astronomie [Geographie, Chronologie, Optik (diese nur zum Theil)], 3. Architektonik [civilis, militaris, nautica; dazu Pic- wohlgesinnte Geistliche, die unter Churf. Durchl. Schutz gefunden, Dero bei Händen sein möchten, dieses capitale Werk fidei purioris propagandae besser zu befördei'n und die Aufnahme des wahren Christenthums bei uns und ausserhalli mit dem Wachsthum realer Wissenschaften und gemeinen Nutzens als funiculo triplici in- dissolubili zu vei'knüpfen«. 6* 84 Die Gründung- der Societät im Jahre 1700. tura und Statuaria], 4. Mechanik [dazu alle Handwerke, so Bewe- gung erfordern, sammt den Manufacturen] ; IL die Physik: i. Chemie [ist die rechte physica generalis practica, so allen drei Reichen ge- mein, dadurch das Innerste der Körper zu erforschen], 2. Regnum Minerale [Berg- und Hüttenwerke, Salz-, Salpeter- und andere Sie- dereien, Stein- und Kohlenbrüche, Glasarbeit aller Art, das vor- treft'liche Regal des Agtsteins, so Churf. Durchl. vor andern Poten- taten haben], 3. Regnum Vegetabile [Botanik, Agricultur, Gärtnerei, Forstwesen], 4. Regnum Animale [dessen rechte Erkenntniss von der Anatomie dargegeben wird, Thierzucht, Waidwerk, die hohe Scienz der Medicin]. Also müssen Leute für die Societas Scientiarum gewonnen wer- den, die diese Fächer vertreten können. Ausser den in kurfürst- lichen Landen befindlichen, aus denen das Collegium der inneren Membra zu formiren, hat man Associati (theils im Lande, theils ausserhalb) zu gewinnen. — Kaum hatte Leibniz dieses Schreiben abgesandt, als er jenen Brief Jablonski's empfing, der ihm mittheilte, der Kurfürst wünsche eine Ausdehnung der Aufgabe der Societät auf die Pflege der deutschen Sprache und lade ihn ein , sich zur Durchführung des ganzen Unternehmens nach Berlin zu begeben. Umgehend liess er nun seinem Briefe vom 26. einen zweiten am 28. März folgen und gab ihm ein Pro Memoria über den kurfürstlichen Plan bei: »die Zusammenfassung der Teutsch- und Wissenschaftsliebenden Gesell- schaft ist die vernünftigste und schicklichste Sache von der Welt, dafern es auf die von mir ausgeführte Weise genommen wird^<. Drei Tage später schrieb er noch einmal an Jablonski'^, um ihm zu sagen, dass er zu Ostern in Wolfenbüttel sein Averde. Den kurfürstlichen Plan will er so gefasst wissen, dass man dadurch noch mehr kurfürstliche Beamte heranziehe, um sowohl zu gründ- licheren Nachrichten von den Sachen, als auch zur rechten Be- nennung derselben im Deutschen zu gelangen. Er hofft auch, der Kurfürst werde, da er den Umfang der Societätsaufgaben ver- grössert habe, auch den Fundus vergrössern. Bereits aber be- schäftigte sich sein rastloser Geist mit dem Plan einer Wieder- aufnahme des protestantischen kirchenhistorischen Hauptwerks, der Magdeburger Centurien. ^ Weder dieser Brief noch das beigegebene Pro Memoria sind mehr voi- banden, folgen aber aus LEiBNizens Schreiben vom 31. März 1700. ^ Siehe Urkundenband Nr. 32. Des Kurfürsten und Leibnizbus weitere Pläne. 85 Nun galt es, Urlaub vom liannoversclien Kurfürsten zu erhalten. Das erste Mal hatte dieser die Bitte abschlägig beschieden \ Leibniz richtete sein Gesuch jetzt so ein, dass es kaum abgeschlagen werden konnte". Er verweist zuerst darauf, dass die Ehre, die ihm die fran- zösische Akademie soeben erwiesen habe , ihm eine neue einzubringen scheine. Der brandenburgische Kurfürst will eine ähnliche Akademie und ein Observatorium begründen und verlangt meinen Rath, ja will mir die Direction übertragen, »mais de loin et sans que je m'y arrete, ce qu"on suppose ne pouvoir pas deplaire k V.A.E., car il semble qu'une teile demande qui m'est avantageuse, ne des- honore pas la cour de V. A.E. « Bedeutungsvoll fügt er hinzu, die Kurfürstin von Brandenburg habe den Grund zu dem Plan des Observatoriums gelegt, er müsse ihn nun weiterführen, und be- fürchtend, dass dies Alles noch nicht ausreiche, wendet er die Sache persönlich: »Ich lebe still für mich und arbeite Tag für Tag im Dienst Ew. Durchlaucht und für das Ansehen des hannoverschen Hofes; ich muss von Zeit zu Zeit kleine Reisen machen, die meine einzige Erholung und Zerstreuung sind; dazu zwingt mich in die- sem Frühjahr ein Leiden, warme Bäder aufzusuchen — er denkt an Teplitz. »Mais j'ai mis ordre que tout cela n'empechera guere les travaux historiques oii il s'agit de ranger les materiaux dejä prepares, en quoi je me fais assister, et cela continue encore en mon absence. « Alle möglichen Motive hat Leibniz hier spielen lassen; der Kurfürst mochte sich aussuchen, welches ihm vollgültig schien. Er hat das Gesuch, gewiss um seiner Schwester willen, diesmal ge- nehmigt. In den Briefen vom 6. und 21. April ^ billigte Jablonski alle LEiBNizischen Vorschläge^ und berichtete, dass dem Kurfürsten ' Siehe oben 8.61. ^ Siehe Urkundenband Nr. 31 : Bi-ief vom 28. März 1700, also wohl an dem- selben Tage geschrieben, an welchem er die Aufforderung des brandenburgischen Kurfürsten empfing, denn am 26. März hatte er sie noch nicht. ^ Siehe Urkundenband Nr. 33.34. * Wie gewissenhaft es Leibniz mit seiner Sorge sogar für eine ihm ferner liegende Sache, den Bau des Observatoriums, genommen hat, zeigen die beiden bisher ungedruckten Actenstücke Nr. 35 und 36 des Akademischen Archivs. Das erste enthält eine Anfrage an einen nicht genannten Astronomen wegen Einrichtung des Observatoriums; das andere ist besonders lehrreich. Auf seiner Durchreise durch Brandenburg (auf dem Wege nach Berlin) sah Leibniz die auf dem Marien- berg stehende alte, verlassene hohe Kirche. Sofort steigt ihm der Gedanke auf, sie zu astronomischen Zwecken zu benutzen; er besichtigt sie und setzt eine Ein- gabe an den Kurfürsten auf. 86 Die Gründung der Societät im .Inhre 1700. LEiBNizens beide Entwürfe vom 26. und 28. März von Hrn. von Wedel vorgelegt worden seien, »welches er mit gutem Effect gethan, so dass S. Cliurf. Durchlaucht daher höchlich vergnüget worden, auch Dero gnädigste Ordre, mit Vollstreckung des Entwurfs zu eilen, erneuert. Die Abrede ist mit dem Baumeister bereits genommen, und wird nach den B'eiertagen der Anfang gemacht, da zu dem Observatorium ein eigener Pavillon 4 Stock hoch von Grund aus soll aufgemauret ' , dabei auch eine gute Anzahl bequemer Zimmer angeleget werden. S. Churf. Durchl. wollen in hoher Person selbsten Protector der Academie sein«. Ferner berichtet er, dass die Edicta die Berufung Kirch's und das Kalenderprivileg betreffend von Cuneau abgefasst und Hrn. von Wedel übergeben Avorden seien". Dieser aber hat sie zurückgegeben, damit die lateinischen und französischen Termini ausgemerzt und »der Stilus gemäss der Teutsch- liebenden Intention des gnädigsten Fundatoris eingerichtet werde«. So ernst nahm es der Kurfürst mit seiner Sorge für die deutsche Sprache; er beschämte seine Gelehrten! Am 19. April wurden die Edicte auf's Neue vorgelegt. LEiBNizens Reise verzögerte sich, da der »Fuhrzettel« nicht be- schafft werden konnte; endlich wurde ihm geschrieben, er möge die Kosten der Reise auslegen; sie würden ihm zurückerstattet werden. Etwa um den 8. Mai traf er nach einer Fahrt von mindestens acht Tagen in Berlin ein^. Am 10. Mai erliess der Kurfürst das ^ Also war der Plan, wie er wirklich ausgeführt worden, schon damals wesentlich entworfen; vergl. den Fascikel »Baulichkeiten« des Akademischen Archivs unter dem 6. Mai 1700 und die daselbst aufbewahrten Pläne und Zeichnungen. ^ Mithin vor dem 6. April. * Das genaue Datum ist nicht zu ermitteln; Klopp's Annahme, er sei am 2 I.Mai eingetroffen, ist sicher falsch. Besässen wir nur den Brief vom 22. Mai, den ersten, den er von Berlin an die Kurfürstin .Sophie geschrieben (Klopp. Werke, 8. Bd. S.151 ff.), so müssten wir annehmen, dass er bereits etwa um den 10. Mai angelangt ist. Er erzählt dort, dass er seine Reise ebenso langsam wie die grossen Herren ausgeführt und sich in Celle, Braunschweig, Magdeburg und Brandenburg aufge- halten habe, nicht »pour la commodite et pour la grandeur«, sondern »pour ne perdre point d'occasion de faire des recherches«. Hierauf habe er in Berlin Woh- nung gesucht (er fand sie in der Brüderstrasse, s. den iS.Brief des J.Th. Jablonski- LEiBNiz'schen Briefwechsels), dann sich in Lietzenburg bei der Kurfürstin vorge- stellt, wohne nun auf ihre Einladung hin daselbst, habe aber bei dem geräusch- vollen Leben dort vier oder fünf Nächte nicht mehr als vier Stunden geschlafen; nun habe er eine Audienz beim Kurfürsten gehabt. Er wohnt also in Lietzenburg bereits geraume Zeit und schreibt der Kurfüi'stin erst so spät, weil seine Audienz beim Kurfürsten, dem er einen Brief seiner Schwiegermutter übergeben sollte, sich verzögert hatte. Wird man hiei'nach für den Tag seiner Ankunft in Berlin etwa auf den 10. Mai geführt, so führt eine andere Urkunde noch weiter hinauf. Die LKiBNizens Ankunft in Berlin. 87 Kalender -Patent und -Privileg' und am i8. die Bestallungsvirkunde für den Astronomen Kirch", In dem Kalenderpatent wurde dem Lande der Entsclduss des Kurfürsten mitgetheilt, ein Observatorium zu erbauen und eine Societas Scientiarum für die nützlichen (Natur-) Wissenschaften und Künste einzurichten^. Zu ungünstiger Zeit traf Leibniz in Berlin ein. Bereits hatten die Vorbereitungen zur Vermählungsfeier der Tochter des Kurfürsten aus erster Ehe, Luise Dorothea Sophie, mit dem Erbprinzen von Hessen-Kassel begonnen, und die Hochzeit selbst wurde durch rau- schende Feste von Ende Mai bis Mitte Juni gefeiert^. Allein für die Verzögerung der Societätspläne entschädigte ihn bald reichlich Denkschrift nämlich, die wir oben beriihrt und im Urkundenband Nr. 36 abgedruckt haben, trägt in der Überschrift (die aber, wenn sie von LEiBNizens Hand stammt, jedenfalls nicht gleichzeitig ist) die Aufschrift «April 1700«, doch hat dieselbe Hand eist »Mai« zu schreiben angefangen und es dann ausgestrichen. Hiernach ist Leib- niz bereits im April, wenn auch vielleicht am letzten — denn er hat selbst später augenscheinlich geschwankt, ob es noch April oder schon Mai war — , in Branden- burg gewesen. Er ist also gleich nach Empfang des JABLON^SKi'schen Briefes (vom 2 I.April) etwa am 25. April von Hannover aufgebrochen. Ein Schreiben Cuneau's an VON Wedel bestätigt das (s. über dasselbe unten bei den Nachweisungen über LEiBNizens Gehalt); denn Cuneau sagt, Leibniz sei am 11. August mehr als drei Mo- nate in Berlin, und sein Gehalt wurde vom i. Mai 1700 an berechnet. Andererseits zeigt ein Actenstück im Akademischen Archiv, dass er am 6. Mai noch nicht in Berlin gewesen ist (s. Fase. »Baulichkeiten»); er war also mindestens eine Woche in Brandenburg und kam gleich nach dem 6. Mai nach Berlin. ^ Siehe Urkundenband Nr. 37. ^ Siehe Urkundenband Nr. 38. ^ Das Kalender-Privileg wurde der Societät in dem Umfange ertheilt, wie es in dem jABLONSKi'schen ersten Entwurf vorgesehen war. Es galt für alle kur- fürstlichen Provinzen und Gebiete. Alle Kalender ausser den von der Societät herauszugebenden werden verboten. Wer mit fremden Kalendern handelt, soll von jedem fremden Stück ohne Unterschied 100 Thlr. , wenn er aber den fremden Kalender zu eigenem Gebrauch gekauft hat. 6 Thlr. bezahlen. Die Strafgelder sollen in fünf Theile getheilt werden, nämlich für den Denuncianten , den Fiscal, den Richter, die Armen und die Societät, bez. in drei Theile, wenn kein Denun- ciant noch Richter lietheiligt gewesen ist. Mit Erlaubniss und mit dem Stempel der Societät dürfen fremde gute Kalender — aber nur für den doppelten Preis — von Liebhal)ern bezogen werden; a,ber, um Unterschleife zu vermeiden, soll die Societät privati\e das Verkaufsrecht haben. — Da in dem Kalender -Privileg nur von den naturwissenschaftlichen Aufgaben der Societät die Rede ist, so wird sie in einer Eingabe der Regierung in Königsberg vom 29. Juli 1700 »die neu gestiftete mathematische Societät« genannt (s. den Fascikel »Kalendersache« im Geh. Staats- archiv). * Festliche Veranstaltungen dauerten auch dann noch foi't, besonders am Ge- burtstage des Kurfürsten. Die Kurfürstin Sophie nannte daher Lietzenburg »Lusten- burg«, und Leibniz datirte einen Brief aus »Lustenburg« (s. die Briefe vom 4. und 10. August 1700 bei Klopp, S.Band, S. 204, und 10. Band, S.337). 88 Die Gründung der Societät im Jahre 1700. der Vorkehr mit der Kurfürstin Sophie Charlotte; sie hatte ihm ein Zimmer in ihrem Lustschloss Lietzenburg eingeräumt^ und fand trotz aller Feste Zeit, gehaltvolle wissenschaftliche Gespräche mit ihm zu führen, die Leibniz sogar veranlassten, ihr schriftliche Ex- poses zu übergeben". Ausserdem benutzte er seine freie Zeit zu einer umfangreichen Correspondenz mit der hannoverschen Kur- fürstin ^. Alles berichtet er ihr treulich, das Bedeutende und das Kleinste, vor allem Politisches, dann auch Wissenschaftliches und Höfisches , und spielt in der Tliat die Rolle eines ausserordentlichen Agenten der Kurfürstin am brandenburgischen Hofe. Vom Kur- fürsten ist er entzückt; derselbe habe versprochen, das Observa- torium oft zu besuchen, wenn es hergestellt sein wird. Ironisch scherzend bemerkt die Kurfürstin Sophie: »Cela manqua encore ä la grandeur de Mr. l'Electeur de Brandebourg d'avoir toujours un astrologue a ses cotes, comme les Rois des Indes«*. Am 19. Juni hatte Leibniz eine Audienz beim Kurfürsten in Schönhausen'^ und wurde von ihm mit der Abfassung der Stiftungs- urkunde betraut und zum Präsidenten der Societät ernannt'^. Aber ^ Er gab es aber im Juni wieder auf und zog nach Berlin, weil ihn die ge- räuschvollen Feste angriffen und er Brunnen trinken wollte, s. die Briefe an die Kurfürstin Sophie (Klopp, Werke, S.Band, S. löyf. 181). »J'ai fait ici une vie que Mad. l'Electrice appelle apres moi ein liederlich Leben.« ^ Siehe Klopp, Werke, 10. Band, S. 62 ff. Es handelte sich um psycholo- gische Fragen , die durch eine Schrift des Abts Molanus angeregt waren. So werth- voll und entzückend waren der Kurfürstin diese Gespräche, dass sie nach der Krö- nung an Leibniz einmal schrieb: »Ne croyez pas que je prefere ces grandeurs et ces couronnes, dont on fait ici tant de cas, aux charmes des entretiens philoso- phiques (pie nous a\"ons eus a Charlottenbourg«, So erzählt Friedrich der Grosse in seiner Abhandlung über Friedrich L (Mem. de l'Acad. Royale des Sciences 1748 p. 378), und die Wahrheit dieser Erzählung wird dadurch nicht beeinträchtigt, dass dieser Brief nicht erhalten ist und dass der König den sjiäteren Namen » Charlottenburg" für »Lietzenburg« eingesetzt hat. ^ Wir besitzen aus den drei Monaten, die sich Leibniz in Berlin aufhielt. 13 zum Theil sehr ausführliche Briefe von ihm an die Kurfürstin Sophie und 14 von ihr an Leibniz, dazu vier Schreiben des Letzteren an den hannoverschen Kur- fürsten (s. Klopp, Werke, S.Band, S. 151 — 208). * A.a.O. S. 154. 156. ^ Ein intei'essantes Concept für eine etwas spätere L^nterredung mit dem Kurfürsten von Leibnizbus Hand findet sich im akademischen Archiv; mitgetheilt im Urkundenband Nr. 39. •^ Siehe den Brief an Sophie vom 19. Juni (Klopp, Werke, S.Band, S. 182). In ilirem Gratulationsschreiben vom 23. Juni (a.a.O. S. 1S4) sjjielt die Kurfürstin auf die preussische Königskrone an: »On ne craint point les heros de Brandebourg, d'autant qu'il n"y a point de royaume a concjuerir pour M. l'Electeur de Brande- bourg de ce cote ici [sie]». Den hannoverschen Kurfürsten bat Leibniz um Bestätigung Leibxi/, in Berlin. 89 zugleich musste er sich üV)erzeugen , dass der Kurfürst nicht ge- willt war, baare Mittel für die Societät anzuweisen. Seine Kassen w\aren erschöpft. Mit schwerer Sorge erfüllte es Lehsniz , die Zu- kunft der Societät im Unsicheren sehen zu müssen'; denn dass das Kalender- Monopol niclit ausreiche, darüber hat er sich nie einer Täuschung hingegeben. Um so energischer strengte er sich an, neue Monopole für die Societät zu erdenken , die dem Kurfürsten nichts als »Worte«, d.h. Concessionen, kosten sollten. Augenschein- lich w\ar er nach Berlin gegangen in der Hoffnung, bei dem liberalen Monarchen, trotz der Ankündigung, dass es der Societät nichts kosten solle, eine ausreichende regelmässige Dotation zu erwirken" und selbst einen befriedigenden Gehalt zu l)ekommen. Er war es gewesen, der das Unternehmen — welches in Berlin zuerst als ein schlichtes Observatorium geplant war, umgeben von einer ziemlich nebelhaften Societät — in eine sofort zu begründende umfassende Akademie verwandelt hatte. Auf ihm lag jetzt die Verantwortung, die Sache seiner Wahl am Schluss eines langen Schreibens politischen Inhalts (26. Juni, s. Klopp. a. a. 0. S. 186 ff.), stellte das Amt wieder so harmlos wie möglich dar, verwies darauf, welchen Nutzen seine historischen Arbeiten für Braunschweig aus seinem Berliner Aufenthalt ziehen würden, und schloss mit dem Hinweis auf seine angegriffene Gesundheit. Wii'klich machte er am 8. Juli 1700 (s. Urkundenband Nr. 40) eine Eingabe an den Kurffirsten Friedrich, dass ihm die brandenburgischen Archive geöffnet werden mögen, motivirte sie aber nicht mit einem Hinweis auf weifische, sondern auf brandenburgische Interessen. ^ Mit runden Worten muss ihm der Kurfürst wiederholt haben.' was er selbst allzu rasch am Anfang der Verhandlungen zugestanden hatte — dass die Societät nichts kosten dürfe, und auch davon musste er sich überzeugen, dass er selbst nichts Erhebliches erhalten werde (über seine persönliche Angelegenheit s. unten). »Jussus sum diploma fundationis concipere« , schreibt er am 22. Juni 1700 (Klopp, a.a.O. S. 172) an den Abt Molanus; »si scribere tantuin opus est, omnia in pote- state habemus" , und an die Kurfürstin Sophie eine Woche später (a. a. 0. S. 190 f.): "Jusqu'ici ma direction de la Societe des Sciences n'est qu'un honneur; car la Societe ne doit rien coüter ä l'Electeur. Elle se doit faire son propre fonds , qui ne consistera qu'en certaines concessions que l'Electeur veut accorder, sans qu'il lui en coüte que des paroles. et par consequent ces revenus seront un peu casuels. Pour moi, je serais assez content, si je suis dedommage des frais que je fais quelquefois pour le bien public et pour Tavancement des sciences. Si c^uelqu'un nous pouvait fournir quelques propositions utiles , qui ne demanderaient que le consentement de S. A. E. , sans interesser ses finances, nous le recevrions volontiers«. Die Kurfürstin Sophie antwortet darauf (3. Juli 1700, a. a. 0. S. 192 f.) ebenso zu- treffend wie weltkundig: »On dirait que ^'ous allez faire des miracles d'eriger une academie, que cela ne coüte rien a l'Electeur, quoique dans le siede oü nous sommes. les choses ne sont point estimees qui sont ;i bon marclie". ^ Nocli in dem oben erwähnten Concept für eine Unterredung mit dem Kur- fürsten steht als 18. Punkt: "Ob dem Fundo Societatis mit einigen Salariis zu Hülf zu kommen". 90 Die Gi'ündung der Societät im .Talire 1700. diu'clizuführen. Konnte man baares Geld und regelmässige Zuschüsse nicht erhalten, so musste man auf Privilegia und Monopole bedacht sein, obschon »ces revenus seront un peu casuels« — nicht nur vm- regelmässig, sondern auch odiös\ Im Laufe der Monate Juni und .luli hat Leihniz seine Vorschläge — theils schon früher gehegte, theils neue — zu Papier gebracht und mit dem Requetenmeister VON Wedel besprochen'. Fünf Privilegien für die Societät hat er er- dacht, von denen die vier ersten mit den Aufgaben der Societät in eine sinnvolle Beziehung gebracht sind, i . Die Societät soll eine teutsch-liebende und -pflegende (Tesellschaft sein, also ist es gestattet, eine Steuer auf Reisen in"s Ausland zu legen und sie pro re Ger- manica zu Gunsten der Societät zu verwenden; 2. die Societät soll die mechanischen Wissenschaften praktisch fruchtbar machen, also ist es angemessen, dass sie das Feuerlöschwesen, die Beschaö'ung vorzüglicher Feuerspritzen u. s. w. für das ganze Land besorgt und pro re mechanica den Überschuss einer obligatorischen Feuerkasse, die sie leitet, empfangt; 3. die Societät soll Missionen in heidnische Länder ausrüsten, also ist es billig, dass der Klerus und die milden Stiftungen pro missionibus et propaganda per scientias fide zu Gunsten der Societät etwas beitragen; 4. die Societät soll das Bücherwesen überwachen, daher soll sie pro re literaria sowohl die Censur (auch an Präventiv -Censur, »soweit es thunlich«, ist gedacht), die sie ^ Bereits das Kalender -Privileg machte sehr viel böses Blut im Lande; waren docli noch am 27. November 1699 Andere in ihrem Privileg geschützt worden (s. den Fascikel » Kalendersachen .< im Geh. Staatsarchiv). Nicht nur die nächstbetheiligten Buchdrucker und Buchführer protestirten , sondern auch der landschaftliche Parti- cularismus erhob sich. Aus den Provinzen, namentlich aus Preussen, ^Minden. Stendal, kamen Gegenvorstellungen, die zum Theil von den Provinzialregierungen unterstützt wurden. Am lebhaftesten war man natürlich in Königsberg; man wollte es nicht ertragen, aus Berlin den Kalender zu erhalten und den eigenen zu opfern. Der Prof. math. David Bläsing in Königsberg machte eine Eingabe: ex officio habe er den Kalender für Preussen herzustellen; im Jahre 1693 sei ihm das vom Kurfürsten selbst bestätigt woi-den; er lel)e davon neben seinem kna^ipen Gehalt; auch passten die brandenburgischen Kalender nicht für Preussen; man möge ihn ztim Mitglied der Societät machen und ihm die Kalender -Abfassung für Preussen wie bisher über- lassen. Eben der Petitionssturm zeigte, dass der Kalender sowohl als auch die So- cietät gute Mittel zur Verschmelzung der getrennten Theile der Monarchie dar- boten, und in diesem Sinne wird sie auch der Kurfürst, dem diese Verschmelzung am Herzen lag (vergl. seine militärisclien Maassnahmen), liegrüsst haben. Freilich musste manches Privatinteresse leiden, und mancher Buchdrucker und Buchführer kam in Noth. Die Regierung suchte durch Übertragung des Kalenderverschleisses an die Geschädigten die Härten zu mildern. ^ Siehe die Übersicht in dem Schreiben an vox Wedel vom 15. Juni 1700. Urkundenband Nr. 41 und di(^ ausführlichere Darstellung in dem Entwurf Nr. 42. LEiBNizens Vorschläge, der Societät Privileu'ien zu ertheilen. 91 ausübt, bezahlt bekommen, als auch von den eingeführten Bücher- ballen etwas erhalten; ferner soll ihr ein Privilegium generale per- petuum für die Abfassimg aller Schulbücher und die Oberaufsicht über die im Lande vorkommenden Auctionen und Lotterien zuerkannt werden; 5. der Societät soll das Recht einer Lotterie ertheilt werden, weil »ihr Vorhaben nicht leicht einiger piae causae nachgiebt«. Diese fünf Privilegien sind von Leibniz in Form kurfürstlicher Edicte genau ausgearbeitet worden^ und der Kurfürst hat sie auch genehmigt"', ja das erste und zweite bereits sogar unterzeichnet. Allein jenes hat der Societät nie einen Pfennig eingebracht und blieb höchst wahrscheinlich ganz unbeachtet. Die anderen — auch das zweite"^ — sind niemals wirklich eingeführt worden*, und das war, wenigstens was das Bücher- Commissariat anlangt, ein Segen; denn ^ Siehe Urkundenband Nr. 43— 47. Umfangreiche Parcallehnanuscripte zu diesen Stücken befinden sich im Akad. Archiv und in Hannover. ^ Es geht das wenigstens für vier Privilegien aus einem Brief von Rabener an CuNEAU vom 19. Juni 1700 hervor, der sich im Akademischen Archiv (Fascikel "Vorschläge zur Vermehrung der Revenuen«) befindet: Leibxiz ist gestern Abends bei mir gewesen, berichtete mir, dass er mit Hrn. v. Colben (dem damals einfluss- reichsten Mann am Hof) gespeiset, nachmals mit Sr. Churf. Durchl. in Schönhausen selbst gesprochen. Der Churfürst hat gewilligt und resolviret: i. dass die Lotterie solle eingeführt werden (diese Genehmigung hat der Kurfürst aber bald wieder zu- rückgezogen, wie aus einem lunfangreichen , stark durchcoiTigirten Manusciipt von Leirniz aus der Zeit um den 15. Juli, das sich im Akad. Ai'chiv [Urkundenband Nr. 52] befindet, hervorgeht, siehe in demselben den 13. Abschnitt); 2. der Societät solle vor Verhütung der Feuerschäden ein Accedens verordnet werden; 3. die nach Frank- reich Reisenden sollten Permission nehmen und pro discretione etwas der Societät erlegen; 4. der Klerus aber müsste ein donum gratuitum offeriren, welches auch in fundo separatim vor die emittendos theologiae studiosos müsste conservirt werden. Das Büchercommissariat scheint nicht berührt oder nur gestreift worden zu sein. A. a. 0. findet sich in demselben Fascikel von dem Generalsuperintendenten in Pom- mern auch ein Vorschlag (neben dem Vorschlag des Schulbücher -Vei'lags), dass die Societät eine privilegirte Nouv eilen -Zeitimg ediren solle. Leibniz hat auch an die ^Einrichtung einer Bank im Zusammenhang mit der Societät gedacht (s. Urkunden- band Nr. 52). ^ Die Societät hat zwar das Feuerspritzen -Privileg erhalten, aber es wurde vor wirklicher Einführung durch die Gründung einer Feuerkasse hintallig. * Der Lotterievorschlag hat im Jahre 1701 zum zweiten INIal Leibniz beschäftigt. In dem Akademischen Archiv (»Vorschläge zur Vermehrung der Revenuen«) befindet sich ein ausgeführter Entwurf von seiner Hand: alle Loose sollen gewinnen; 20000 Loose ä 2 Thlr. sollen ausgegeben werden, 17660 Loose sollen je -^ Thlr. gewinnen, der Hauptgewinn möge auf 1000 Thlr. festgestellt werden; der Profit würde 151 20 Thlr. betragen, bei Ausgabe von 25000 Loosen aber 22670 Thlr.; die Societät und die Armenkasse sollen ihn unter sich theilen. Nach einem Schriftstück, datirt vom 25. November 1701, haben Graf Dohna, von Ilgen und andere Staatsmänner den Plan gebilligt. Auch Jablonski beschäftigte sich mit ihm und schlug 25000 Loose vor mit einem Hauptgewinn von 3000 Thlr. 92 Die Gründung der Societät im Jalu-e 1700. Leibniz hatte hier seinen alten absolutistischen Vorschlag (s. o. S.27 f.) mit besonderer Schärfe wiederholt. Auch die Steuer auf Reisen in's Ausland erscheint bedenklich, wenn man erwägt, wie nützlich es den Deutschen damals war, sich im Ausland umzusehen. Die finanziellen Verhältnisse der Societät blieben unsicher, oder vielmehr, die Societät sah sich lediglich auf das Kalender- Privileg angewiesen. Wie sie in den Anfangen ihrer Arbeit an die Anfiinge der Wissenschaft überhaupt erinnert — denn diese hat überall mit der Beobachtung des Himmels und der Zeitrechnung begonnen — , so sollte sie auch, wie einst die wissenschaftlichen Zeichendeuter und Wahrsager, auf den Ertrag ihrer Kunst angewiesen sein. Branden- bvu-g-Preussen war an sich reich genug, um einem solchen Unter- nehmen eine entsprechende Dotation zu gewähren ; aber der Hof ver- schlang so grosse Summen, dass für die Wissenschaft nichts nach- blieb, und das Interesse des Kurfürsten für die Wissenschaften ging nicht tief genug, um ihr ein grösseres Opfer zu bringen \ Erst nach den schlesischen Kriegen warf das Kalender -Privileg so viel ab, dass die Akademie sich kräftiger zu entfalten vermochte. Der Stiftungsbrief, dessen Publication ursprünglich am 26. Juni erfolgen sollte, verzögerte sich; bereits dachte Leibniz an die Ab- reise". Da beschloss der Kurfürst, der Societät als Stiftungstag seinen eigenen Geburtstag zu geben^. Am Sonntag, den 11. Juli 1700, ge- nehmigte und erliess er den von Leibniz entworfenen Stiftungsbrief*. ^ Das Urtheil Friedrich's des Grossen über das Verhältniss seines Gross- vaters zur Akademie ist hart und nicht gerecht; aber es enthält die Wahrheit, dass dieser Fürst mehr auf den Glanz, den die Wissenschaft verbreitet, geachtet hat, als auf das Licht. Friedrich II. schreibt der Kurfürstin und Leibniz den Ruhm der Stiftung der Akademie allein zu und fahrt dann fort (Mem. de l'Acad. Royale des Sciences 1748 p. 378): »On persuada a Frederic I qu'il convenait a sa Royaute(?) d'entretenir une Academie , comme on fait accroire ä uu nouveau gentilhomme qu'il est seant d'entretenir une meute de chasse«. ^ Siehe den Brief der Kurfürstin Sophie an ihn vom 6. Juli 1700 (Klopp, Werke, 8. Bd. S. 194): »Ma fille me mande qu'elle regrettera tot votre depart". ^ Auch das hat Leibniz vorgeschlagen und bewirkt, wie ein Brief von ihm an Hrn. von Wedel beweist. Leibniz wies auch nach, dass der Geburtstag des Kurfürsten nach dem neuen Kalender auf den 11. Juli fällt. Darüber existirt noch ein zweites, ausführliches Schreiben im Akademischen Ai'chiv. * Die Originalurkunde ist leider aus dem Akademischen Archiv verschwunden und nirgends zu finden. Im Akademischen Archiv befindet sich ein undatirter Zettel von LEiBNizens Hand (wohl an von Wedel): »Ich vermuthe, es werde nun an dem sein, dass das Diploma fundationis, auch die General -Instruction werden ausge- fertiget werden können. Man ist begriffen, einige Projecta Churf. Verordnungen und Concessionen wegen Indulgenz der Reisen, wegen der Feuersprützen sammt Zugehör und wegen der Loterie zu entwerfen«. Im Geheimen Staatsarchiv wird Die Stit'tungsurkunde der Societät. 93 Er lalltet: "Wir, Friderich der Dritte, von Gottes gnaden, 3Iarggraft" zu Brandenburg, des Heyl. Rom. Reichs Ertz Cammerer und Churfiii'st, in Preufsen. zu Magdeburg, Cleve. Jülich, Berge, Stettin, Pommern , der Cal'suben und Wenden , auch in Schlesien zu Crofsen Her- tzog, Burggraff zu Nürnberg, Fürst zu Halberstadt, Minden und Camin, Graft* zu Hohen Zollei-n , der Marck und Ravensberg , Herr zu Ravenstein, Lauenburg und Bütow, für Uns, Unsere Erben und Nachkommen , Marg- grafen und Churfürsten zu Brandenburg, Thun kund und geben hiermit männiglich, denen es zu wifsen nothig, in gnaden zu vernehmen, was gestalt Wir nach erhaltenem allgemeinen Frieden Unsere soi'gfalt zu be- forderung der Ehre Gottes, ausbreitimg del'sen vv^ahrheit und cultivirung allerhand tugenden und dem Gemeinen Wesen nützlichen Übungen eine sichere Societet derer Scientien fundiret und gestifftet haben. Thun solches auch fundiren und stiff'ten sothane Societet hiermit und ki'afl't dieses, und wollen, dals dieselbe sich angelegen seyn lafsen und dahin trachten solle, dafs vermittels betrachtung der w'ercke und Wunder Gottes in der Natur, auch anmerckung. Beschreib- und Ausübung derer Erfindungen. Kunst- wercke, geschaffte und Lehren, nützliche Studia, wifsenschaft'ten und Künste, auch dienliche Nachrichtungen, wie die nahmen halien können, excoliret, gebefsert, vollgefafset und recht gebrauchet, und dadurch der Schatz der bisher vorhandenen aber zerstreuten menschlichen Erkäntnüfsen nicht allein mehr und mehr in Ordnung und in die enge gebi'acht, sondern auch ge- mehret und voll angewendet werden möge. Zu welchem ende Wir dann diese von Uns angerichtete Societet mit tüchtigen Persohnen und behörigem apparatu, Vorschub und fundo theils bereits würcklich versehen haben, theils nach und nach ferner zu versehen entschlofsen seynd; I^nd wollen männiglich in Unseren Landen, sonderlich aber die in Unseren Bedienungen stehen, auch die sonsten dependentz von Uns haben, zumahlen aber alle, die denen Studien ergeben, nach jedes gelegenheit der Societet zu Ihrem gemeinnützigen Zweck die Hand möglichst zu bieten anweisen, auch die- selbe bereits insgemein hiermit und in krafft dieses darzu nachdrücklich angewiesen haben. Ferner erklähren Wir Uns zu dieser Societet Besonderem Protectore, imd wollen , was an Uns Ihrentwegen , oder in sachen , die sie betreffen. der eigenhändige LEiBxiz'sche Entwurf aufbewahrt mit der Randbemerkung «Ex- ])ediat, iussu Serenissimi, Colin an der Spree d. 15. Juni 1700«. Allein man fand dann doch noch nöthig, einige, wenn auch geringfügige Veränderungen zu machen, und so entstand am 26. Juni das endgültige Concept, welches aber erst am 11. Juli ])ublicirt wurde. Nach ihm ist der Abdruck oben gegeben. In Leibnizcus Entwurf lautete der Abschnitt über die deutsche Sprache also: »Wir haben auss eigener Bewegniss in Gnaden guth befunden , dass man bey der Societät unter anderen guten Studien absonderlich mit besorgen solle, was zu Erhaltung der Teutschen Sprach in ihrer anständigen Reinigkeit, auch zu Ehr und Zierde Teutscher Nation gereichet: also dass es eine Teutsch gesinnte Societät der Scienzen seyn, dabey auch die ganze Teutsche, und auch sonderlich unser Lands, weltliche und Kirchen Histori nicht verseumet werde«. Bei der Bestimmung, dass auch Nicht- Evangelische in die Akademie aufgenommen werden können, felilen in LEiBNizens Entwurf die Worte: »wiewoU jedesmal mit Unserem Vorbewust und gnedigsten Genehmhaltung«; sie stammen vom Älinister vox Frcns. 94 Die Gründung der Societät im Jahre 1700. Si^^ebnicht wird, in gnaden anhören und beförderen, Un-e unterthänigste meinung darüber vernehmen, und was sie angehen kan. lhn(>n zu ihrer nacliricht zu wifsen fügen. Solchem nach soll hey dieser Societet unter anderen nützlichen Studien, was zai ei-haltung der Teütschen Sprache in ihi-er anständigen reinigkeit. auch zur ehre und zierde der Teütschen Nation gereichet, ab- sonderlich mit bes«)rget werden, also dafs es eine Teütsch gesinnete So- cietet der Scientien seyn . dabey auch die gantze Teütsche und sonderlich Unserer Lande Weltliche- und Kirchen -Historie nicht verabsäumet wer- den solle. Und weilen die ^■erschiedene arten der Wilsenschaft'ten dergestalt mit einander verbunden seynd, dals sie nicht woU gäntzlich getrennet werden können; So wollen Wir, dafs insgemein was zu diesen und anderen nütz- lichen Studien oder Löblichen Künsten und Tugend -Übungen, insoweit sie von denen Studien herlliefsen , und deren Erfindung, ei'lern- und er- leichterung auch richtiger anweisung darzu, so woll bey der Jugend, als auch bey anderen Leuten und Liebhabern theils durch Schritften und das Bücher- Wesen, tlieils auch durcli andere nützliche anstalten dienen mag, nicht vergefsen, sondern die unterschiedene objecta Doctrinae nach Ihrer Zusammenhengung zu gewifsen Zeiten und durch bequehme Persohnen bey Unserer Societet in augenmei'ck genommen werden solle. Nachdem auch die P^rfaiirung giebet, dafs der rechte glaube, die Christliche Tu- genden und das wahre Christenthumb so woll in der Christenheit, als bey entlegenen noch unbekehrten Nationen nechst Gottes Seegen denen ordent- lichen mittein nach nicht befser, als durch solche Persohnen zu beforderen, die nebst einem unsträflichen wandel mit verstand und erkäntnüfs aus- gerüstet seynd; So wollen Wir, dafs Unsere Societet der Wilsenschaft'ten sich auch die Fortpflanzung des wahren Glaubens und deren Christlichen Tugenden unter Unserer Protection angelegen seyn lafsen solle. Jedoch bleibet derselben unbenommen. Leute von anderen Nationen und Religio- nen, wiewoll jedesmahl mit Unserem vorbewust und gnädigsten genehm- haltung einzunehmen und zu gebrauchen. Wir ordnen und wollen auch gnädigst, dafs diese Societet be}^ L^n- serer alhiesigen Residentz. woselbst Wir auch ehestens ein Observatorium für sie aufbauen lafsen werden. Ihr haubt - stabiliment haben solle. Weilen aber zu einem so grofsen Zweck viele Persohnen an meh- reren ohrten das Ihrige beyzutragen haben , So sollen auch anderswo in Unseren Landen , auch woll zu Zeiten aufser denenselbigen gelahrte oder sonsten bequehme und erfahrene Leute, wes Standes sie seyen, in die Societet auf gewifse mafse aufgenommen werden können. Schlieslich wollen Wir die Societet mit einer mehrern ausführlichen General Instruction imd mit gewifsen Satzungen und Reglementen, wie nicht weniger mit zulänglichen Begnadigungen und Privilegien zu genüg- samer erreichung und bestreitung ihres ^"orhabens gnädigst versehen, welche alle eben die Kraft"t und würckung haben sollen , als ob sie in dieses Un- ser Diploma fundationis von wort zu wort eingerücket worden, wonach sich also männiglich gehorsambst zu achten. Uhrkündlich unter Unserer eigenhändigen unterschrift't und vor- gedrucktem Gnaden Siegel, Gegeben zu Colin an der Spree den 1 1 ten Juli 1700 '. So corrigirt; das ursjn-üngliche Datum »26. Juni" ist ausgestrichen. Die Stiftungsurkunde der Societät. 95 Absichtlich ist dieser Stiftungshrief möglichst allgemein ge- halten. Nach ihm handelt es sich nicht um eine mathematisch- physikalische Anstalt mit einem germanistischen Anhang, sondern um eine umfassende Societät der Wissenschaften. Zum ersten Mal begegnet hier in einer öffentlichen Urkunde neben der Pflege der deutschen Sprache auch die Pflege der deutschen Geschichte und der brandenburgischen politischen- und Kirchengeschichte\ Damit ist der zweite Keim für die Entstehung der philologisch -historischen Klasse gesetzt. Die Beschcäftigung mit der Frage der Wiederaufnahme der Magdeburger Centurien (s. oben S.84) hatte Leibniz die Kirchen- geschichte noch besonders nahe gelegt. Der christlich- civilisatorische Zweck, d. h. die Aufgabe fidem per scientias propagandi ist bestimmt ausgeprägt, aber nicht specialisirt; daneben steht die Zusicherung jener edlen Toleranz, wie sie der Grosse Kurfürst in Brandenburg gepflanzt hat: auch Leute von anderen Nationen und Religionen sollen aufgenommen werden können. Der Stiftungsbrief ist ein Meisterstück weiser Wissenschafts -Politik: er steckt das Gebiet der Aufgaben weit und umfassend ab und hütet sich vor zu genauen Ausführungen, die der zukünftigen Entwicklung hinderlich werden könnten. Niemals noch sind einer Akademie so hohe Ziele gewiesen worden, und Leibniz hat Recht, Avenn er sagt, dass die Aufgaben der Pariser und Londoner Akademie hinter den hier gestellten zu- rückbleiben'". Zu besonderer Freude wird ihm der Schlussabschnitt gereicht haben, in welchem der Monarch zusichert, die Societät »mit zulänglichen Begnadigungen und Privilegien zu genügsamer Erreichung und Bestreitung ihres Vorhabens gnädigst zu versehen«. Dass sich der Kurfürst selbst zum Protector der neuen wissenschaft- lichen Anstalt ernannte, war von hoher Bedeutung. Die allgemeine und ungewöhnliche Fassung des Stiftungsbriefs — er stellt der Societät ein dreifaches Ziel: das evangelisch -civili- satorische, das naturwissenschaftlich-praktische und das deutsch- nationale — machte es nothwendig, eine ausführliche General- instruction für die Mitglieder der Societät hinzuzufügen, aufweiche ' Doch siehe schon LEiBxizens Eingabe an den Kurfürsten vom 8. JuH. Ur- kundenband Nr. 40. ^ Es ist niclit richtig, wenn Friedrich der Grosse (.luli 1737) Voltaire schreibt. Leibniz habe die Berliner Societät nach dem Modell der Pariser Akademie gegründet; denn erstlich hat er die I^ondoner Königliche Gesellscliaft niclit weniger berück- sichtigt, zweitens ist sein Plan durchaus originell gewesen . und das Statut der Bei'- liner Societät ist den Statuten der älteren Akademieen gegenü])er selbständig (s. Barthoi.mkss, Hist. philos. de TAcad. de Prusse, i. Bd. p. 32 ff.). *)() Die Gründung der Societät im .Itdire 1700. im Stiftungsbrief bereits verwiesen ist. Auch sie ist von Leibniz entworfen worden im Verein mit Jablonski und den anderen Freun- den\ Sie wurde mit dem Stiftungsbrief zugleich der Societät über- geben". Die sehr ausführliche Instruction ist von der Societät, solange sie noch kein förmliches, verbrieftes Statut besass, als solches be- trachtet worden; in Eingaben an den König hat sie sich immer wieder auf sie berufen. Diejenigen Punivte, die in den bisherigen Actenstücken noch nicht oder nur tlüchtig festgestellt worden sind, müssen hier hervorgehoben werden^. Indem der Kurfürst sich zum Protector ernennt, ordnet er zu- gleich an, dass die Societät nach dem Beispiel der Königlich Eng- ^ Das folgt aus dem Schreiben an Hrn. von Wedel (Urkundenband Nr. 49). - Das Original befindet sich in dem Akademischen Archiv, vom Kurfürsten am II. Juli 1700 untei'zeichnet (s. den Urkundenband Nr. 50). Auf dem Geh. Staats- archiv ist ein durchcorrigirti^s Concept und eine Reinschrift, unterzeichnet vom Grafen VON Wartenberg, II. Juli 1700. ^ Wichtig ist, dass die Instruction ausdrücklich der »unter unseren Schutz genommenen neuen Einwoluier« gedenkt und daran erinnert, dass durch sie »aller- hand Manufacturen und Nahrungsmittel eingeführet". Die Missionsaufgabe der So- cietät — die ja an sich die Zeit verräth, in welcher der vom König geschätzte Pietismus INIission zu treiben begann — - wii'd u. A. auch damit motivirt, dass »den Evangelischen keine Nachlässigkeit aufgebürdet werden könne«. Sehr ausführlich wird der wissenschaftlich - religiösen Mission im Osten gedacht. Dicht neben ein- ander stehen Magnetismus und Christenthum. »Wir wollen bedacht sein, wie mit dem (uns befreundeten) Czaren bei Gelegenheit Handlung gepflogen und dien- liche Anstalt gemachet werde, dass von den Grenzen unserei' Lande an bis nach China nützliche Obsei'vationes astronomicae, geographicae, daneben nationum, lin- guarum et inorum rerumque artificialium et naturalium nobis incognitarum u. dergl. gemachet und der Societät zugeschickt werden. Weilen auch in Sonderheit bekannt, dass die Declination des Magnetens mit den Orten und Zeiten sich ändert, in deren Erkenntniss aber der Geographie und Schitfahrt ein überaus Grosses gelegen , so könnte dieser Punkt vom Rhein an bis an die Memel, und so ferner in dem nordischen und östlichen Theil der Welt, da er bisher ganz oder doch grössesten- theils unerörtert geblieben, durch eigene Personen mit Vergünstigung oder Vorschub des Czaren oder auch anderer Potentaten untersuchet werden, bei welchen Gelegen- heiten zugleich auch dahin zu trachten, wie denen barbarischen Völkern in solchen Quartieren bis an China, das Licht des Christenthums imd reinen Evangelii anzu- zünden und in China selbst von der Land- und Nordseiten denen seewärts hinkom- menden ^Evangelischen hierunter die Hand geboten werden könne. . . . Wir wollen übrigens auch in obigen und anderen Nachsuchungen der Societät durch Unsere afrikanische und amerikanische Compagnie an die Hand gehen lassen.« Zu dem Plane, Missionare nach China und Indien auszusenden, bemerkte die hannoversche Kurfürstin in ihrer ironischen Weise (26. Juni 1700, Klopp, Werke Bd. 8 S. 189): »Ce sera une belle eutreprise d'envoyer des missionnaires aux Indes. 11 ine senible ({u'il faudrait premierement faire de bons Chretiens en AUemagne, sans aller si loin pour en former«. Die General -Instruction. 97 lisclien »aus einem Consilio und mehreren Mitgliedern« bestehen soll. »Das Consilium soll sich die Sachen der Societät absonderlich an- gelegen sein lassen und deren abwarten , auch zum öftern zusammen- kommen, um von allem dem zu handeln, so auf einige Weise zu dem Zweck der Societät gereichen kann«. Es soll neue Glieder zur Aufnahme vorschlagen und die verschiedenen Versammlungen an- kündigen, in welchen bald von mathematisch -physikalischen Din- gen, bald von der deutschen Sprache oder von den anderen Studien, »zumal der Historia Germaniae«, gehandelt werden soll. Diese drei Abtheilungen der Societät (Res physico-mathematicae, Lingua Ger- manica, Res litteraria, vornehmlich das Studium historiae Germaniae sacrae et profanae) werden unterschieden, und damit ist der Grund zu der Eintheilung in Klassen gelegt. Dem Präses wird das Recht ertheilt, »die Proposition zu thun und die Conclusiones zu machen«. In seiner Abwesenheit soll ein Vicepräses fungiren , » durch welchen und den Secretarium dem Prae- sidi von den Vorfälligkeiten gewisse Nachricht zu geben und mit ihm soviel thunlich von den Angelegenheiten der Societät zu com- municiren sein wird«. »Ausser dem Consilio Societatis, worein voritzo zumalen die- jenigen zu nehmen, welche mit deren Fundation bemühet gewesen« — damit waren Jablonski, Cuneau und Rabener bezeichnet — , sollen mit der Zeit auch einige Standespersonen und kurfürstliche höhere Beamte aus allen Zweigen der Regierung, Wissenschaft, Kunst und des Militärwesens, die fürnehmsten als Honorarii, die anderen als Mitarbeiter und Correspondenten, aufgenommen werden. Auch Aus- länder sind »nach Befinden der anständigen Beschaffenheiten und Umstände herbeizuziehen und zu Mitgliedern aufzunehmen«. Die Societät soll also i . ordentliche Mitglieder umfassen , die das Consi- lium bilden, 2. mitarbeitende bez. correspondirende Mitglieder inner- halb^ und ausserhalb Berlins und des Landes, 3. Ehrenmitglieder. Angeordnet wird auch, dass neben den secreten Protokollen und Acta öffentliche, zu allgemeiner Einsicht bestimmte, geführt werden sollen. Sie sollen die Grundlage für ein zu druckendes »Dia- rium Eruditorum« werden, in welchem »hauptsächlich dasjenige, so in den Büchern eigentlich neu und sonderbar, dadurch der Schatz menschlicher Wissenschaft und Nachrichtungen vermehret wird, an- gedeutet und auch wohl nach Gelegenheit herausgezogen, mithin ^ Nicht alle in Berlin lebenden [Mitglieder geliörten zum Consilium. Geschichte der Akademie. I. 7 J)8 Die (li-iuKlung der Societät im .lalire 17i)0. (las sonst in eine Unendliclikeit gehende Bücherwcsen zu gemeinem Nutz einigermassen in Grenzen gehalten wünh^«. Hiermit ist die Herausgabe von Schriften angeordnet. Besonders ausführlich und nachdrücklich ist die Pflege der deutschen Sprache und Geschichte — einschliesslich der Kirchengeschichte und der Vertheidigung des evangelischen Glaubens — in der Generalinstruction vorgeschrieben: "Damit auch die uralte teutsche Hauptsprache in ihrer natüi'lichen, anständigen Reinigkeit und Selbststand erhalten werde, und nicht endlich ein ungereimtes Misch- masch und Undeutlichkeit dai-aus entstehe, so wollen Wii' die vormalige fast in Ali- gang und Vergess gekommene Vorsorge durch mehrgedachte Unsere Societät und andei'e dienliclie Anstalten erneuern lassen. Und wie Wir dahin sehen lassen wer- den, dass in Unsern Kanzleien. Regierungen, Collegien und Gerichten bei den Aus- fertigungen die fremde unanständige Worte und übel entlehnte Reden, so viel füg- lich geschehen kann , vermieden , hingegen gute teutsche Redarten erhalten , herfür- gesuchet und vermehret werden, also wollen Wir auch Verordnung machen, dass der Societät mit teutschen Benennung- und Beschreibungen derer vorkommenden Dinge und Wii'kungen von erfahrnen Leuten in allerhand Lebensarten an Hand ge- gangen, niclit weniger aus denen Archiven und Registratui'en sowohl die alten, nunmehr abgegangenen, als aus denen Provinzen verschiedene bei dem Landmann nur etwan noch übliche, sonst aber unbekannte Worte, worin ein Schatz des teut- schen Alterthums, auch derer Rechte und Gewohnheiten Unserer Vorfahren, theils zu Erkenntniss der Ursprünge und Historien, theils auch zu Erläuterung heutiger hohen und anderer Rechte, Gewohn- und Angelegenheiten vei'borgen stecket, an- gemerket, gesammlet und mitgetheilet werdend Wir wollen auch, dass die Societät das wichtige Werk der Historien, son- derlich der teutschen Nation und Kirchen, zumalen in Unsern Landen, sich ange- legen sein lasse, damit Alles richtig beschrieben, mit gutem Gi'unde und bewälu'ten Zeugnissen, und zwar soviel möglich aus Diplomatibus, glaubwürdigen Scripturen und gleichzeitigen Scribenten oder sonst behörigem Beweistlunn dargethan^, das wahre Alterthum des evangelischen Glaubens sowohl als die Nothwendigkeit und Beschaffenheit der teutschen evangelischen Reformation und deren Festsetzung gegen die Missstellung und Verdrehungen der Widersacher behauptet, der teutschen Nation Ehre gerettet und ans Licht gestellet . . . werden möge. Zu welchem Ende auch zu Zeiten eine Relation, Berichte, Tentamina und Specimina, bis grössere Werke ausgearbeitet werden möchten, in teutscher oder lateinischer Sprache herfürtreten und von wegen der Societät oder mit Dero Gutheissen herausgegeben werden könnten.» Von den Kalendern heisst es, dass die Societät sich für sie ein besonderes Zeichen erwählen kann^; ferner soll sie ein Siegel vorschlagen, welches der Präses bez. der Vicepräses zu führen hat. ^ Dieses Prugranun hat die Akademie 140 .fahre später durch die Gebrüder Grimm ausgeführt. ^ Diese Aufgabe hat die Akademie im 19. .lahrhundert durch die Betheiligung an der Herausgabe der Monumenta Germaniae und durch die Acta Borussica zu erfüllen gestrebt. * Die Societät wählte sich ein solches. Eine gedruckte Beschreibung desselben aus etwas späterer Zeit findet sich im Geh. Staatsarchiv (..Kalendersachen"): «Ex- plication der liieroglyphischen Figuren, so den Kalender der Societät der Wissen- schaften bezieren, wie selbige sowohl auf S. Königl. 3Iaj. den Stifter dieser Societät Die General -Instruction. 99 Neben diesen Anordnungen ist die reichste Fülle kurfürstlicher Gnaden, Zuwendungen, neuer Privilegien, Geschenke, Concessionen, extraordinärer Suhsidien — neben dem Observatorium ein Labo- ratorium, Bibliothek, Museum, Raritätenkammer, Theatrum naturae et artis, die Lieferung rarer Thiere und Gewächse u. s. w. — ver- heissen. Auch werden Belohnungen und Beförderungen besonders verdienter Mitglieder, sowie die Austheilung von Medaillen für her- vorragende Leistungen verheissen. Aber freilich — nichts von dem allen ist in greifbare Gestalt gebracht. In dieser Hinsicht bleibt es lediglich bei dem Kalender-Privileg und den daraus zu erwar- tenden Einkünften. Alles Übrige wurde für eine unbestimmte Zu- kunft versprochen. Auf dem Papier waren die Aufgaben der Societät festgestellt \ und sie selbst formell eingesetzt; nun galt es sie wirklich einzurichten. Bis dahin sollte auch der öffentliche feierliche Act der Inauguration verschoben werden. Lediglich eine Medaille mit dem erwählten Siegel der Societät"' und dem Bildnisse des Kurfürsten wurde zur deuten, als auch auf dieselben Länder, wo dieser Kalender gebräuchlich. Es er- scheinet in der Luft das Gestirn , der Adler benaniet , unter welchem die Länder Preussen und Brandenbui'g gelegen , welche Länder hier durch einen geharnischten Mann, den Septentrion vorstellend, bemerket sind. Dieses noch deutlicher zu machen, ist neben ihm ein Adler, das AVappen dieser Länder, als auch sonderlich die beiden Hauptstädte Königsbei'g und Bei'lin hieljei gebracht. Hierüber befindet sich die Musa Urania, welcher Verrichtungen sind, den Himmels-Lauf zu betrachten und die Gedächtnisse der berühmten Leute unter die Gestirne zu verzeichnen, wie sie hier den Namen S. Königl. 3Lnj. erhebet und solchen mit ihrer Krone von Sternen bekrönet. LTnter einigen astrologischen Listrumenten, so hiebei liegen, ist auch sonderlich der hiesige Kalender zu sehen, endlich ist auch das Berlinische Obser- vatorium, welches von S. Königl. Maj. gestiftet, in der Ferne zu erkennen«. ^ Die Philosophie findet man nicht unter ihnen; die alte aristotelische ge- hörte den Universitäten, und man wollte sie nicht; eine neue neben Mathematik und Physik als besonderer Zweig war noch nicht entwickelt oder war doch noch nicht anerkannt. Erst Leibnizcus Schüler brachten eine neue Philosophie in Gang. Er selbst, der grosse Metaphysiker, war ein realistischer und praktischer Denker; er fürchtete mit Recht, dass eine besondere philosophische Klasse sich in unfrucht- bare Speculationen , wie die früheren Zeiten sie getrieben, verlieren würde. Die »Philosophie« sollte sich in der Gesammtarbeit der Societät darstellen und aus ihr hervorgehen. Treffend hat über diesen Piuikt Bartholmess (Hist. philos. de l'Acad. de Prusse, i.T. p. 29ff.) gehandelt: -Le seul travail philosophique auquel une academie doive se livrer, si l'on en croit Leibniz , consiste ä montrer, de temps en temps, l'intime liaison de toutes les branches du savoir humain«. ^ Sie führt dieses .Siegel noch heute, den zu den Sternen auffliegenden Adler, mit der Umschrift: »Cognata ad sidera tendit«. Das Siegel und ein lateini- sches Gedicht auf die Medaille stammen von Leibniz, s. Urkundenband Nr. 51. Aus einem Brief D. E. Jablonski's an Leibniz (Hannov. Bibliothek) vom 17. September 1700 geht hervor, dass das Siegel im September hergestellt sein sollte, aus späte- 100 Die Gründung der Societät im Jahre 1700. Erinnerung an den 1 1 . Juli einige Monate später geschlagen. Wie energisch Leibniz in den Monaten Juli und August thätig gewesen ist, um die Einrichtung der Societät durchzusetzen und die in der Generalinstruction gewährten allgemeinen Zusicherungen zu verwirk- lichen und fruchtbar zu machen, zeigen zwei merkwürdige Coneepte aus dieser Zeit, die im Akademischen Archiv aufbewahrt werdend Das eine ist zugleich ein Zeugniss der wunderbaren Umsicht, mit der er nichts ausser Acht liess und selbst das Kleinste im Auge behielt, aber auch der unvergleichlichen Thatkraft, mit der er eine Fülle von Angelegenheiten neben einander betrieb. Jenes ist eine Auf- zeichnung, für Hrn. von Wedel oder den Staatsminister von Fuchs bestimmt, um die Angelegenheiten der Societät beim Kurfürsten in der richtigen Weise zum Vortrag zu bringen, dieses ist eine Über- sicht über 63 Geschäfte, die er im Interesse der Societät bei seinem sich dem Ende zuneigenden Aufenthalt in Berlin zu erledigen habe". Die Übersicht zeigt deutlich, dass Leibniz weit davon entfernt war, die Societät auf das Kalenderwerk — sei es auch nur anfangs — zu beschränken; vielmehr sah er es als seine Präsidentenpflicht an, sofort Alles zu thun, was in seinen Kräften stand, um sie auf die breiteste Grundlage zu stellen und zu einer umfassenden Thätigkeit zu fähren; als seine Präsidentenpflicht — denn am Tage nach der Stiftung hatte der Kurfürst das Diplom der Ernennung LEiBNizens zum brandenburgischen Geh. Justizrath und zum Präses der Societät ausfertigen lassen^. Die Ernennung legte ihm die Pflicht auf, die ren Schreiben folgt aber, dass es erst im Februai- 1701 fertig wurde. Das Gedicht hat Leibniz erst verfertigt, nachdem er vergebens nach einem Dichter Umschau gehalten, s. den Brief der Kurfürstin Sophie vom 18. August 1700 (Klopp, Werke, 8. Bd. S.2o6f.) und Leibnizciis launigen Brief an den Abt Mauro vom 10. August 1700 (Klopp, Werke, lo.Bd. S.336f.): »La societe des sciences et belles lettres, que Msgr. l'Electeur de Brand, a fondee, et dont il veut que j'aie quelque soin, m'olilige de chercher une source ou fontaine d'AUemagne qui puisse tenir Heu d'Hippocrene, pour servir ä notre poesie. Je vous supplie donc de m'en indiquer quelqu'une, si vous en avez connaissance. Car vous etes le favori d'ApoUon, et les Nymphes des bois et des eaux vous honorent et vous caressent partout. Celles de Lustenbourg, qui sont aussi charmantes et delicates que les gräces meines , quoi- qu'elles demeurent au inilieu d'un bois, en donnent des marques dans toutes les occasions«, u. s. w. Das Gedicht enthält eine Anspielung auf die Königskrone. ^ Siehe Urkundenband Nr. 52 und 53. ^ Man ersieht hieraus unter Anderem, dass Leibniz den Mathematiker Naude als Secretar, den Bibliothekar La Croze als Redacteur des Diarium Eruditorum in's Auge gefasst hatte (s. Nr. 14 und 15 des Actenstücks Nr. 53). Allein diese Pläne ver- wirklichten sich nicht (s. unten). ^ Auch "Directeur de la Societe« wird er seitdem nicht selten genannt, so z. B. ;uif den Adressen der Briefe von Ch. Ancillon. Leibniz übernimmt die Stelle des Präsidenten. 101 Geschäfte der Societät zu führen, »soweit seiner Herrschaft Zulassung gehet und mit Vorbehalt der Obliegenheit, womit er derselben ver- wandt« — er blieb also hannoverscher Unterthan. Er solle 7ai dem Zweck so oft nach Berlin kommen, als «es seine jetzige Char- gen und andere Geschäfte leiden mögen«, und «abwesend über die Objecte und Labores der Societät correspondiren , dass alles Vor- fallende ordentlich abgehandelt und gründlich untersucht werde«. Schwierigkeiten hatte die Gehaltsfrage gemacht. Leibniz hatte ursprünglich looo Thlr. verlangt. Als man Bedenken trug, ihm diese zuzusichern, wünschte er, dass in dem Diplom überhaupt keine bestimmte Summe genannt, die genauere Feststellung vielmehr wei- teren Verhandlungen überlassen würde. Diesem Wunsch wurde nach längeren zwischen von Wedel, Cuneau und ihm gepflogenen Ver- handlungen entsprochen und endlich folgender Text für das Diplom festgestellt: «(Wir haben gnädigst resolvirt), ihm ein anständiges Tractament zu determiniren, und überdiess, neben Ersetzung der pro Publico zu Unseren und der Societät Zweck bereits angewendeter noch anzuwendender Kosten, ihm andere Gnaden und Emolumenta nach Gelegenheit der von ihm verhoffentlich leistender nützlichen Dienste wiederfahren zu lassen«. Diese allgemeine Zusage versprach also sowohl einen festen Gehalt als Kostenentschädigung und be- sondere Zuwendungen für besondere Leistungen. Da aber Hof und Regierung sich nicht entschlossen, etwas Sicheres zu bestimmen^ so wurde nach weiteren »mühsamen« Verhandlungen zwischen Leibniz und dem Consilium Societatis (Jablonski, Cuneau, Rabener) am 1 1 . August festgestellt , dass er als Entschädigung für Correspondenz und Reisen jährlich 600 Thlr. aus der Societätskasse (gerechnet vom I.Mai 1700) empfangen solle. Ausdrücklich wurde dabei bemerkt, dass die Summe »bei genugsam anwachsendem Fundo Societatis nach Noth dürft erhöht w^erden solle«, und dass durch diese Entschädi- gungssumme weder der ex fundo der Societät bez. durch kurfürstl. Bewilligung zu gewährende Gehalt noch die besonderen Zuwendungen präjudicirt seien. Hierbei hat sich Leibniz nur beruhigt, weil Hr. VON Wedel ihm folgende Zusicherung machen liess": »Man gehet an diesem Hofe in dergleichen Dingen stets weiter als man ver- spricht, und hoffe ich, dass der Hr. Leibniz auch in diesem Stücke mit uns wird vergnüget sein, sobald nur der Fundus pro Societate ^ Wahrscheinlich dachte man daran, Leibniz ganz nach Berlin zu ziehen uni dabei die Gehaltsfrage zu regeln. ^ Siehe im Urkundenband Nr. 54. 102 Die Gründung der Societiit im Jahre 1700. eingerichtet, und ich Gelegenheit finde, vor dieselbe, was ich vor- habe, auszubitten. Wenn Societas wird etabliret seyn und S. Churf. Durchl. den Verfolg der gemachten Hoffnung sehen werden, kommet es derselben auf ein Augmentum von etlichen loo Thlr. nicht an: cum generosis generöse; überdem hat erwähnter Hr. Geheim Rath mir zum öftern contestiret, dass er hierbei nichts so sehr envisagire als bonum publicum ohne alles privat Absehen«. Einstweilen erhielt Leibniz also nichts Anderes als eine fixirte Kostenentschädigung; dabei ist es überhaupt geblieben. Dennoch haben sich sj)äter daran peinliche Erörterungen angeschlossen, die für Leibniz kränkend waren, und zuletzt hat man die Entschädigung auf die Hälfte herabgesetzt. Überschlägt man , welche Versprechun- gen ihm anfangs gemacht worden sind, so kann man es ihm nicht verübeln, weim er später fest darauf bestand, dass ihm wenigstens die 600 Thlr. ausbezahlt würden'. Bis Ende August ist Leibniz noch in Berlin geblieben, stark beschäftigt durch die hochpolitische Correspondenz mit der Kur- fürstin Sophie in Bezug auf den nordischen Krieg und durch bran- denburgische Hofangelegenheiten; galt er doch schon so sehr als der Vertrauensmann Sophie Charlotte's, dass Hr. von Ilgen durch ihn das Vertrauen der Kurfürstin zu gewinnen suchte". Aber auch in directem brandenburgischem Staatsinteresse war er thätig durch Vorschläge über Verbesserung des Justiz wesens^, durch politische Vorschläge^ und durch ein Gutachten über die Ebenbürtigkeit der fürstlich hohenzoUernschen Linie mit den alten fürstlichen Häusern^. Aber seine Hauptsorge blieb die Societät, Er erreichte wenigstens, dass- ein grosser, in Rom angefertigter Tubus, der sich in Berlin befand, der Societät ausgeliefert*^, dass der Kalender für 1701 wirk- lich in Angriff genommen wurde', und dass man die Societät mit ' Da sich später Vorwürfe gegen Leibniz an diesen Punkt geheftet haben, umgekehrt aber neuerlich eine liüchst gravirende Anklage gegen Foejiey's Darstellung des Vorgangs (in seiner Histoire de l'Acad. 1752) erhoben worden ist, ist das Acten- material im Urkundenband Nr. 54 zusammengestellt und beleuchtet worden. - Siehe die Briefe bei Klopp, Werke, 10. Bd. S. yoff. 331 ff. 3 A.a.O. S. 333 ff. * A. a. O. S. 70 ff. '" Siehe KAPPens Sammlung S. 226 ff. Auch Studien über die Oranische Erb- schaft begann er damals. ^ Geh. Staatsarchiv, Verfügung vom 25. August 1700. '' Jn dem Fase. "Wissenschaftl. Verhandlungen 1704— 1734« des Akad. Archivs findet sich ein Kalender -Druck für 1701 mit der Aufschi-ift: »Hi'sg. unter Appro- bation der Churf. Brandenb. Soc. d. Wissenschaften ■>. Lkiüniz verlässt Berlin. 103 der Aiitlage verschonte , Vorlesungen in deutscher Sprache in Berlin für weitere Kreise einzurichten. Der ehemalige Herborner Professor Grau hatte einen heachtenswerthen, aber unreifen Vorschlag in dieser Hinsicht gemacht, und der Kurfürst, der Willens war, auf ihn einzugehen, hatte Leibniz mit einem Gutachten betraut^ Am meisten lag ihm die Gewinnung ausgezeichneter Mitglieder im In- und Ausland und die Eiiu'ichtung eines regelmässigen Verkehrs mit den anderen Akademieen am Herzen; denn er hoffte noch immer, der Kurfürst werde sich freigebig zeigen, sobald die Societät in Acti- vität gesetzt und durch glänzende Namen empfohlen sei. Er schrieb an den Präsidenten der Londoner Königlichen Gesellschaft, Sloane, zeigte ihm die Stiftung an und bat um Rath". Er gewann wirklich bei-eits eine Reihe von Mitgliedern'' und wurde durch ein aufmuntern- des Schreiben Spaniieim's aus Paris (vom 23. August 1700) erfreut^. Spanheim war begeistert, dass die Stiftung der vSocietät gelungen und dass Leibniz an ihre Spitze gestellt war: »Schon seit einer Reihe von Jahren wünsche ich mit Begierde, dass man Sie nach Berlin ziehe; ich hoffe, dass die Errichtung dieser Akademie Sie jetzt und in Zukunft an Berlin fesseln wird«. Am 2 1 . August verabschiedete sich Leibniz l)rief lieh von der Kurfürstin und bemerkte in dem vertrauensvollen Schreiben frei- müthig, dass sie ihn zuletzt «zu sehr als Fremden behandelt habe«^ — doch war das nur ein vorübergehender Eindruck. Er begab sich über Wolfenbüttel nach Braunschweig; bereits am 6. Septem- ber schrieb ihm der Cabinetssecretär im Auftrage der Kurfürstin, diese fordere ihn auf, mit ihr und ihrer Mutter in die Bäder nach Aachen zu gehen ^"'. Dieser Brief erreichte ihn nicht mehr; denn ^ Dergleichen Vorschläge lagen damals wie heute in der Luft (»University Extension"). LEiBNizens bisher ungedrucktes wohlwollendes, aber vorsichtiges Gut- achten ist lehrreich; es steht im Urkundenband Nr. 55. ^ Der Brief ist unmittelbar, nachdem Leibniz Berlin verlassen, von Brauii- schweig aus (3. September 1700) geschrieben. Sloane antwortete am 15. November U.A.: »I communicated the letter you sent me to the Royal Society and desired tlieir conunands in answer to it. Tiie}^ could not give any particular directions or proposals relating to the new established Acadeiny at Berlin but wish it all suc- cess in whatever they undertake. They are ver)^ well pleased that there shonld be such coinpanies of men established in several parts of the world. hoping tliat thereby knovvledge may be increased" ... (llannov. Bibl.). ^ Siehe den Brief an Jabloxski vom 30. August 1700 in IVAPPens Sammlung S. 204 ff. * Hannov. Bibl. ^ Klopp, Werke, 10. Band, S. 80. *" Der Brief steht in Kappcus Sammlung S. 209ff. . wo aber im Text «Sep- tember« statt »Auü'ust« zu lesen ist. 104 Die Gründung der Societät im Jahre 1700. am 5. September war er nach Teplitz und von dort Ende Septem- ber nach Wien gereist, wo er bis Mitte December bUeb und hoch- politische Verhandlungen mit dem Kaiser über die Union zwischen Katholiken und Protestanten führte \ In dieser Zeit ruhte seine Thätigkeit für Brandenburg und Hannover fast ganz und wurde erst wieder aufgenommen, nachdem er Ende December nach Han- nover zurückgekehrt war. Aber unmittelbar vor seiner Abreise nach dem Süden hat er noch einen instructiven Brief an den Hofprediger Jablonski und ausserdem Briefe an Cuneau und von Wedel ge- schrieben^. Dazu hat er eine anonyme lateinische Schrift in Form eines Briefes abgefasst, die im Druck ausgehen und weitere Kreise auf die neue Stiftung aufmerksam machen sollte. Sie erschien — die Berliner Freunde mögen mitgewirkt haben — im Jahre 1701 in Berlin wirklich im Druck unter dem Titel »Epistola ad amicum« und wurde versandt"^. ' Siehe Klopp, Werke, S.Band, S. XXXf. ^ Der an Jablonski ist erhalten und stellt in IvAPPens Sammlung S. 204 ff., s. Urkundenhand Nr. 56. In diesem Briefe ist auch von jenem Pro -Memoria die Rede, das er üher die deutsche Sprache dem Kurfürsten eingereicht hat (wohl die auf ScHOTTELius" Dai'legungen ruhenden »Vorläufigen Gedanken«, s. oben S. 18). Er erzählt ferner, dass er Spener's Sohn, den Naturforscher, bewogen habe, mit der Societät zu correspondiren , und dass er bereits ffinf Mitglieder geworben habe, nämlich D. Fabricius in Helmstädt — dieser ist der erste gewesen, der der Socie- tät zum Dank ein Werk gewidmet hat [sein Systema controversiarum] — , den Abt ScHMiD zu Marienthal, den Propst Müller in Magdeburg, den Prof. von Hard, Pi'opst zu Marienberg, und den französischen Prediger Vignoles zu Brandenburg; die Prälaten zu Huysburg und Hameivsleben und der Abt zu Bergen werden wahrschein- lich auch gewonnen werden. Jablonski antwortete am 17. September (Hannov. Bibl.): "... werde gleichwohl nicht gar viel, die Societät betreffend, melden, weil solches Andere vor mir werden gethan und gemeldet haben [so lebhaft war die Correspondenz !] , dass der Societät Siegel die nächste Woche werde fertig sein, dass der Secretarius 8 Tage nach Michaelis sich dahier einfinden werde, dass so- dann unsere Conventus ihren Anfang nehmen werden, dass das erste in denselben sein werde die Denomination derer membrorum honorariorum ein- und ausheimi- schen, dass man eine forinulam literarum receptionis alsdann aufsetzen, solche aber zuvor meinem Herrn gehorsamst communiciren werde (allerinassen ich par avance umb geneigte Communication eines solchen Diplomatis Societatis Anglicanae et Galli- canae copialiter dienstlich bitte, damit man daraus einiges Licht und Anleitung nehme); dieses und dergleichen werden die andern Herrn berichtet haben«. ^ Der Inhalt und Stil beweisen die Mitwirkung, wenn nicht die alleinige Autorschaft Leibnizcus, vergl. dazu die Beziehungen auf die Schrift, die sich bei ihm in späteren Kundgebungen finden. Dass er selbst in diesem offenen Brief (abgedruckt im Urkundenband Ni-. 57) hoch gepriesen wird, spricht nicht dagegen: zur Noth kann er das selbst geschrieben haben, oder die Berliner Freunde haben es eingesetzt. Friedrich wird als »Hercules Musageta« gefeiert. In Druck gegeben wurde die Schi-ift von dem Secretar am 14. Juni 170 1 (s. Diarium Socie- tatis im Akad. Archiv). Geschichte der Societät von 1700 — 1711. 105 In Berlin hatte man unterdessen in dem älteren Bruder des Hof- predigers, Johann Theodor Jablonski (1654— 1731), einen Secretar für die Societät gefunden, nachdem man die Absicht, den schwer- hörigen Naude für dies Amt zu wählen, aufgegeben hatte. Johann Theodor Jablonski war bereits 46 Jahre alt, als er in die Dienste der Societät trat; er kannte Holland und England, war an Höfen als Prinzenerzieher thätig gewesen, zuletzt seit 1689 in Barby am Sachsen -Weissenfels'schen Hofe, und besass umfassende encyklopä- dische Kenntnisse \ aber ohne wissenschaftliche Selbständigkeit und ohne irgendwo als Fachmann heimisch zu sein. Anfang October trat er sein Amt an und stellte sich am i 3 . November Leibniz brieflich vor, seine »beliebigen Befehle« erwartend"'. In der Bestallungsurkunde "^ wird ihm die Mitgliedschaft im Consilium und ein Gehalt von 400 Thlr. zugesichert. Seine Obliegenheiten waren sehr umfassende : er war Secretar, Archivar, Cassirer, Schatzmeister und Aufseher über das Kalenderwesen zugleich ; ihm waren auch die regelmässigen Be- richte an Leibniz übertragen. Es war nicht ganz glücklich, dass zwei Brüder an der Spitze der vSocietät in Berlin standen — bei allen Spannungen und Strei- tigkeiten im Schoosse der Societät musste das fühlbar werden — ; aber sie waren beide geschäftskundig und friedfertig. Zweites Capitel. Geschichte der Societät von ihrer Gründung bis zu ihrer wirklichen Einrichtung im Januar 171 1. 1. Die wirkliche Einrichtung der Societät sollte erfolgen, sobald das Observatorium erbaut Avar — man hoffte, in wenigen Monaten. ^ Er hat Schulbücher zum Erlernen der französischen Sprache, dazu eine "Christliche Tugendlehre zum Privatgebrauch einer hohen Standesperson •« und ein recht unbedeutendes "AUg. Lexikon der Künste und Wissenschaften« (1721) verfasst — man erkennt daraus, welche Eigenschaften man an dem Secretar der Societät da- mals suchte und schätzte. Seine -Geschichte der Thorner Unruhen« (1724) wurde in"s Französische übersetzt. ^ Siehe den in Hannover aufbewahrten Briefwechsel, abgedruckt in den Ab- handl. d. K. Preuss. Akademie der Wissensch. 1897 (Nr. i). Er ergänzt die Proto- kolle der Societät. die noch vorhanden sind; aber er gellt nii-gendwo auf wissen- schaftliche Fragen ein. Einige Briefe, die in Hannover fehlen, sind in der Sanun- lung von Kapp abgedruckt. ^ Im Urkundenband Xr. 58 sind die wichtigsten Bestinnnungen derselben ab- gedruckt. 10() Geschichte der Socictät von 1700-1711. In Walirlieit dauerte es ül)er lo Jahre bis zur feierlichen Eröffnung. In diesen Jahren l)estand sie und bestand nicht', eine schwere Warte- zeit für alle Mitglieder, besonders aber für Leibniz. Unermüdlich, wahrhaft erfinderisch hat er gearbeitet; aber als er endlich durch Aus- dauer und Z<ähigkeit das Ziel erreicht hatte und die Societät ein- gerichtet sah, wurde er bei Seite geschoben. Was fehlte, war Geld und wiederum Geld; die Societät musste selbst durch ihre Arbeit verdienen, was sie brauchte. Der Hof ver- schlang Alles. Ein kostspieliges Fest weniger, und der Societät wäre geholfen gewesen. Aber die Dinge bewegten sich in einem traurigen Zirkel: der Monarch wartete darauf, dass die Societät An- sehen und Glanz entfjilte — dann wäre er bereit gewesen, die Wissen- schaft zu unterstützen — ; wie aber sollte sie zu Ansehen kommen ohne Mittel? Das, was das Kalenderwerk ahwarf, reichte gerade aus, um ihr nothdürftig das Lehen in kümmerlichen Formen zu fristen. Wie sollte sie wissenschaftliche Unternehmungen ausführen? Die verheissenen Monopole wurden niclit eingeführt oder erwiesen sich als unergiebig. Dazu kam der grosse nordische Krieg und der spanische Erb folgekrieg , die die Arbeit des Friedens hemmten. Der letzte Grund des Stillstandes lag noch tiefer. «Noch fehlte es an den vornehmsten Grundlagen der Macht und des Gedeihens; man hatte noch kein befestigtes politisches Dasein^.« Mit Leibniz, dem W^elfen, wirkten die Jablonski's, die Slaven, und CuNEAU, der Franzose, muthig und unverdrossen zusammen. Diese »Ausländer«, und nur sie, haben die wirkliche Einrichtung der So- cietät durchgesetzt; denn der alte Rabener, der einzige Branden- burger unter den Stiftern, starb schon am 29. Januar 1701. Aber die drei Fremden arbeiteten mit ganzer Seele für die branden- burgische Societät. Nur epochemachende Entdeckungen oder ge- haltvolle Untersuchungen vermochten sie nicht vorzulegen, haben sie aber auch niemals verheissen. Der einzige Gelehrte von hohem Ansehen , der von Anfang an ausschliesslich für die Societät tliätig war und ihr das Brot verdiente, war der Astronom und Kalender- macher Gottfried Kirch. Neben ihm mühte sich der wackere Frisch ohne Erfolg mit dem Seidenbau im Interesse der Societät ab. Die anderen Berliner, die in den ersten zehn Jahren aufge- ^ Die erste Sitzuni;; wurde am 6. December 1700 gehalten. Bis zum Ende des Jahres 17 10 haben im Ganzen nicht mehi- als etwa =^5 Sitzungen stattgefunden (s. die Protokolle). ^ Ranke, Werke, 25. und 26. Bd. S. 470. Die Berlin ei' Gelelirten um 1700. 107 nominell wurden und die Aufnahme als hohe Ehre betrachteten und begehrten, hielten sich zurück — obgleich treffliche Gelehrte unter ihnen waren — ■, da die Societät nichts unternehmen und bezahlen konnte. Wir versuchen , das gelehrte Berlin jener Tage — dass es ein solches gab, verdankt Brandenburg dem Grossen Kurfürsten — und die Personen kurz zu charakterisiren ,• die im ersten Jahrzehnt des 1 8. Jahrhunderts der Societät angehört haben. Um das Jahr i 700 mochte Berlin etwa 30000 Einwohner zählen und war bereits als eine Stadt des Gewerbfleisses, des Wohlstandes und der Bildung berühmt. Durch die Religionspolitik des Grossen Kurfürsten, die sein Sohn fortsetzte, war es die Hauptstadt des Pro- testantismus und der religiösen Freiheit im Norden Deutschlands ge- worden. Die eingewanderte französische Bevölkerung, etwa ein Sechstel der Einwohnerschaft umfassend, bildete das fortschreitende und anregende Element \ In ihrer Mitte standen die Gelehrten, die aus Frankreich und Holland das wissenschaftliclie Rüstzeug her- übergebracht hatten, um den Protestantismus aus der Bibel und der Geschichte gegen den Katholicismus zu vertheidigen. Berlin Avurde durch sie ein Hauptquartier der historisch -apologetischen protestantischen Wissenschaft, die aus den Q\iellen arbeitete, den Benedictinern ihr Monopol auf das kirchengeschichtliche Studium entriss und die Jesuiten mit den Waffen der Gelehrsamkeit be- kämpfte. Zwar Jacques Abbadie, dessen berühmtes Werk «LaVerite de la religion chretienne« im Jahre 1684 zu Berlin vollendet wor- den ist, hatte die Stadt nach dem Tode des Grossen Kurfürsten verlassen; aber Isaac Beausobre {1659— 1738), Jacques Lenfant (i 661 — 1728), Alphonse des Vignoles (1649 — 1744) und Maturin Veyssiere La Croze (i 661 — 1739) führten die Kämpfe fort und zeigten in ihnen eine auch von den Gegnern anerkannte und ge- fürchtete gelehrte Sachkunde. In die neu gegründete Societät sind al)er nur die beiden letztgenannten aufgenommen worden. Warum die berühmten Prediger und Übersetzer der Bibel in's Französi- sche — Lenfant ausserdem ausgezeichnet durch seine quellen- mässige Darstellung des Kostnitzer Concils, Beausobre durch sein noch jetzt geschätztes Werk über den Manichäismus — ihr fern ^ Siehe ]\Iuret, Geschichte der französischen Kolonie in Brandenburg-Preussen, unter besonderer Berücksichtigung der BerHner Gemeinde. Bei-hn 1885. du Bois- Reyjiond . Die Berliner französische Kolonie in der Akademie d. Wissensch. (Rede, gehalten am 25. ^lärz 1886, s. dessen »Reden«, 2. Bd. 8.5030'.). 108 Geschichte der Societät von 1700-1711. geblieben sind, lässt sich nicht ermittehi'. An Gunst und Ansehen fehlte es ihnen nicht. Über Beausobre, dessen unbedeutende Söhne nachmals in die Akademie aufgenommen wurden, schrieb Friedrich der Grosse an Voltaire: «Er war ein redlicher Mann und ein Ehren- mnnn, ein echtes Genie, ein scharfer und zarter Geist, grosser Red- ner, in der Litteratur ebenso bewandert wie in der Kirchengescliichte, die beste Feder in Berlin; achtzig Jahre haben sein feuriges und lel)haftes Gemüth nicht zu erstarren vermocht«. Vignoles und La Croze (LEiBNizens und Friedrich's des Grossen Urtheile über ihn s. im Urkundenband Nr. 59) waren die bedeu- tendsten französischen Gelehrten, die die Societät am Anfang be- sessen hat. Jener", Theologe und Mathematiker zugleich und seit 1727 Director der mathematischen Klasse , suchte in seinen Studien die Bibel gegen die Angriffe Richard Simon's zu vertheidigen. Nach jahrzehntelanger Arbeit Hess er sein umfassendes Werk »Chrono- logie« in zwei Quartbänden erscheinen, um eine Aufgabe zu lösen, die Simon für unlösbar erklärt hatte. Dieses von Gelehrsamkeit und guter Kritik zeugende Werk beweist die neue Kunst »de verifier les dates« und wird noch heute citirt. Mit Leibniz correspondirte Vignoles u. A. über die Chronik des Martinus Polonus, und eine Zeit lang hatten sie die Absicht, sie gemeinsam herauszugeben^. An Umfang des Wissens wird er aber übertroffen von La Croze. Dieser, ursprünglich Katholik und Mönch im Benedictinerkloster St.- Germain des pres zu Paris, Mitarbeiter an der grossen Kirchen- väterausgabe, enttloh im Jahre 1696, trat in Basel aus Überzeugung zur reformirten Kirche über und wurde 1697 Bibliothekar zu Berlin. Als Sprachgenie und Polyhistor hatte er seines Gleichen nicht unter den Zeitgenossen. Nicht nur die Cultursprachen beherrschte er sämmtlich, sondern er drang auch, obgleich überall Autodidakt, in die slavischen Sprachen, die baskische, die armenische, die se- mitischen, die chinesische, vor allem aber in die koptische ein. Handschriftlich hat er viele Lexika hinterlassen, aber nur das kop- tische ist gedruckt worden. Die Anregungen, die hier von ihm ausgegangen sind, lassen sich während eines ganzen Jahrhunderts nachweisen. Sein Wissensdurst war unersättlich, und gerade das ^ Lenfant ist erst im Jahre 1724 aufgenommen worden, vier Jahre vor sei- nem Tode. Auch Jaquelot, der bedeutende Gegner Bayle's und Spinoza's, ist niemals Mitglied gewesen. ^ Siehe sein Eloge in den Mem. der Akademie 1745 S.iiift'. ^ Die Briefe befinden sich in Hannover. ViGNOLEs und La Croze. 109 Entlegenste fesselte ilm, das alte Cliristentlium in Ostindien, apo- kryphe heilige Schriften bei den Armeniern und die krausen Anti- quitäten aller Völker. Seine Lebhaftigkeit und sein nie versagen- des Gedächtniss machten ihn zum Ijerühmtesten Anekdotenerzähler unter den Freunden und bei Hofe; aber man wusste ihn hier auch als Lehrer in Geschichte und Geographie zu schätzen. Man lachte herzlich, wenn der wohlbeleibte ehemalige Mönch ^ in weinerlichem Tone die spasshaftesten Geschichten erzählte ; aber man verlachte ihn nicht, denn seine Rechtschaffenheit und sein religiöser und wissenschaftlicher Ernst waren überall anerkannt. Mit den Je- suiten lag er in steter Fehde; er hasste sie und traute ihnen alles Schlimme zu, selbst ein Complot zur Vernichtung des Ansehens der Heiligen Schrift. Im Jahre 1725 erhielt er Chauvin's Stelle als Professor der Philosophie am französischen Collegium. Als Historiker der Philosophie war er der Aufgabe wie Wenige gewachsen, aber sein Scholasticismus war veraltet, und der Entwicklung der Dinge nach Cartesius, dessen Philosophie er vertheidigte , war er nicht mehr gefolgt. Innerhalb der Societät hat er leider nicht viel be- deutet, weil er sich in die Jablonski's nicht zu schicken verstand, seine Empfindlichkeit ihn zu heftigen Äusserungen und unaufhör- lichen Klagen fortriss und er bald nur die nothwendigsten Be- ziehungen zur Societät aufrecht erhielt. Um so eifriger correspon- dirte er, der unermüdliche gelehrte Briefschreiber, mit Leibniz über die verschiedensten wissenschaftlichen Fragen. »Der berühmte La Croze ist begraben«, meldet Friedrich der Grosse an Voltaire (Mai 1739; ffiuv.XXI p. 292), »und mit ihm seine Kenntniss von zwanzig Sprachen, die Quintessenz der W^eltgeschichte und eine Menge Geschichtchen. Fallait-il tant etudier pour mourir au bout de quatre-vingts ans?« Aber er hat ihn auch als »den gelehrtesten Mann Berlins, als das Repertorium des gesammten gelehrten Deutschlands, als ein wahres Magazin der Wissenschaften« bezeichnet^. ' »II avouera, voyant cette figure immense, Que la matiere pense«, liat Friedrich der Grosse auf ihn gedichtet (Qiluvres XXI p.42). ^ Um das Andenken La Croze's hat sich C. St. Jordan , sein Schüler, be- sonders verdient gemacht, s. seine Hist. de la vie et des ouvrages de M. La Croze, Amsterd. 1741, und den aus seiner BibUothek von Uhlius edirten Thesaurus epistol. Lacrozianus. 3 Bde. , Leipzig 1742 ö". Formey hat ihm ein Eloge geschrieben (in der zu Lyon von ihm erschienenen Elogen -Sammlung) und in den »Souvenirs d'un citoyen" (i.T. 1789 p.57 if.) ihm einen Nachruf in seiner anmaassenden und in- ferioren Weise gewidmet. Der reichhaltige Briefwechsel zwischen La Croze und 110 Gescliichte der Socictät von 1 700 — 1711. Neben diesen bedeutenden Männern standen in der Colonie Charles Ancillon, Naude, Chauvin, d'Angicour u. A. Sie waren in verscliiedenen Ämtern tliätig' und — mit Ausnahme des tüchtigen Cartesianers Chauvin und des gesehätzten Mathematikers Naude — wissenschaftlich nicljt eben liervorragend; aber man liatte sie in die Societät aufgenonmien , weil sie Vertreter der höheren und all- gemeineren Bildung waren, die aus Frankreich herübergekommen war. In der Wirksamkeit für die Akademie wurden sie Alle von ihrem Landsmann Cuneau, dem Archivrath und Diplomaten, über- troffen. Obgleich er für die Societät nur eine einzige mathematische Abhandlung geschrieben hat, so bezeugt ihm docli der Hofprediger Jablonski"': »Dieser ist fast die Seele und Bewegung nicht nur seiner Classis, sondern auch der ganzen Societät gewesen, welcher in allen wichtigen Dingen auch die Societät bei Hofe zu vertreten den meisten Nachdruck zu geben gewusst^«. Die französische Litteratur, »welche die allgemeine europäische war«, hatte in Berlin einen fruchtbaren Boden gefunden, auf dem sie durch Verschmelzung mit dem pro- testantischen Princip und den Anforderungen eines kräftigen pro- testantischen Gemeinwesens eine eigenthümliche Bedeutung gewann \ Aber in die inneren Fragen, die den deutschen Geist damals beschäftigten, drangen jene Franzosen nicht ein; die »europäische« Litteratur nahm an ihnen keinen Antheil, und auch Leibniz erkannte ihre Tiefe nicht. Was man mit dem abschätzigen Namen »Pietistische Bewegung« bezeichnete, barg, trotz seiner kümmerlichen Aussenseite, Leibniz wird in der K. Bibliothek zu Hannover aufbewahrt. Der bedeutendste Schüler von La Croze war Paul Ernst Jablonski (71757), der Sohn des Hofpredigers. Seine ägyptisch -bibUschen Studien, seine LTntersuchung de lingua Lycaonica, seine Vertheidigung des Nestorianismus waren Ai'beiten von hervorragender Bedeutung. ' Ancillon, ein eintlussreicher, al)er unbedeutender Staatsmann und massiger politischer und historischer Schriftsteller, war Legationsrath und Juge Superieur in der Kolonie; er gehörte zu den regelmässigen Correspondenten von Leibniz in Sachen der Societät. Naude war Professor der IVIathematik (er hat der Societät zwei Al)liandlungen geliefert und mit Leibniz wissenschaftlich cori-espondirt), Chau- vin Professor der Philosophie am französischen Collegium (er gehörte, wie Naude, zu jenen Theologen des Zeitalters, die mit dem Interesse für die Philosophie eine starke Neigung zur Physik oder Mathematik verbanden, und ist Verfasser eines bedeutenden philosophischen Wörterbuchs). Angicour war Secretär des Königs. ^ Brief an Leibniz vom 1 1. Januar 17 16 nach dem Tode Cuneau's (Hannov. Bibliothek). ^ Leibniz hat mit ihm auch über wissenschaftliche Fragen correspondii't, s. den Briefwechsel in Hannover. * Von einer Bevorzugung der Franzosen in der Societät in den ei-sten De- cennien kann keine Rede sein; es wurden weit mehr unbedeutende Deutsche aufge- nommen. CuNEAu. Die pietistische Bewegung. 111 in Wahrlieit das wiclitigste Element des geistigen Fortscliritts in sich und hatte eine ungleich höhere Bedeutung als die fruchtlosen Ver- suche protestantisch-katholischer Unionen. »Aus der Tiefe der luthe- rischen Theologie und der damit zusammenhängenden Weltansicht erhoben sich neue Tendenzen, zwar im Widerspruch mit den gerade vorwaltenden Systemen, aber auf ihrem Grunde beruhend \« Wie sie einerseits die Kirchen der Reformation zu reformiren begannen und sich mit den neuen Theorieen verschmolzen, die über Staat und Gesellscliaft im Gegensatz zur mittelalterlichen Ordnung der Dinge aufgestellt und durchgeführt wurden, so waren sie andererseits die Vorbedingung für die Entwicklung jener geistigen Freiheit und jenes inneren Reich thums, wie sie in der klassischen Zeit des deutschen Geistes errungen worden sind. Der brandenburgische Staat war in der Stiftung der Universität Halle auf sie eingegangen, ja hatte sie in seine Fundamente aufgenommen, luid Berlin besass den Mann, der sie erweckt hatte und in den ►Schranken einer fruchtbaren Entwick- lung hielt. Al)er vergebens sucht man den Namen Philipp Spener's in dem Album der Societät, der in ihren Acten einige Male mit Hochschätzung genannt wird. Warum er fehlt, bleibt ebenso räthsel- haft wie das Fehlen Lenfant's und Beausobre's. Sein Schüler und Freund, August Hermann Francke, wurde bald nach der Stiftung zum auswärtigen Mitglied erwählt, und nicht der Geist der Ortho- doxie, sondern ein milder Geist lebte in der Societät, sofern sie sich christlich- civilisatorische Aufgaben stellte und soweit sie theo- logische Fragen streifte. Aber Spener galt vielleicht der Societät als ein zu enger Deutscher — denn als I^utheraner gehörte er nicht zu einer »europäischen« Kirche — , und umgekehrt mag ihm die So- cietät als eine seiner Eigenart fremde Einrichtung erschienen sein"'. ^ Ranke, a. a. O. S.453. ^ Im Stiftungsjahr der Societät erschien das bahnbrechende historische Werk des deutschen Pietismus, die unparteiische Kirchen- und Ketzerhistorie Gottfried , Arnold's, welche Thomasius in Halle -nach der H.Schrift für das beste und nütz- lichste Buch in hoc scribendi genere« erklärte, während die Orthodoxen es als das schädlicliste Buch seit Christi Geburt bezeiclmeten. (Eine Anzeige von Leibniz stellt in dem »Monatlichen Auszug aus allerhand neu herausgegebenen Büchern".) Arnold ist nie Mitglied der Societät geworden , wohl aber wurde er als Prediger in Allstedt Königlich Preussischer Historiograph (27. Januar 1702); s. Dibelius, G.Arnold (1873) S. iigf. i29f. 161 f. 229ff. 241 ff. Es war eine eigenthümliche Fügung, dass Arnold das Amt erhielt, das einst Pufendorf bekleidet hatte; denn dieser ist der erste gewesen, der auf eine unparteiische Kirchengeschichtsschreibung gedrungen hat (vergl. den von E. Gigas herausgegebenen Briefwechsel zwischen Pufendorf und Thomasius. Historische Bibliothek, 2. Bd. 1897). 112 Geschichte der Societät von 1700-1711. Das berlinische Hauj)t der Societät dagegen, der Hofprediger D. E. Jablonski (1660-1741), war durch Gehurt, Schicksal und Nei- gung ein »europäischer« Theologe und als solcher wohl berufen, in LEiBNizens Abwesenheit die Societät zu leiten. Sein ökumenischer Protestantismus, dem alle nationalen Ecken und Kanten fehlten, war ein Erbtheil seines Heimathlandes und seines Grossvaters. Jablonski stammte aus der Unität der böhmischen Brüder und war ein Enkel des Amos Comenius. Die religiöse Toleranz bei allem Ernst in der Vertheidigung des eigenen Glaubens, die Richtung auf das, was allen Protestanten gemeinsam ist, das unermüdliche Streben, sie zu einigen und die Bedrängten zu schützen, die praktische Haltung in der Religion — alles hleale, die den quietistischen und auf sich beschränkten Lutheranern damals erst langsam aufgingen — waren dem Enkel des Comenius von frühester Jugend an gleichsam etwas Selbstverständliches. In die pietistischen Streitigkeiten mischte er sich nicht — ihm waren sie längst entschieden. Dass hier im deutschen Geiste etwas Verborgenes nach Freiheit rang, was auch die Reformirten noch nicht besassen, ahnte er als Slave nicht. Mit der gründlichsten Kenntniss der reformirten Kirchen anderer Länder und der englischen Staatskirche, die er besonders schätzte, und mit einer treff"liclien theo- logischen Ausbildung verband er die sicherste Einsicht, dass alles Denken und Reden auch in der Kirche unfruchtbar bleibt, wenn es nicht zur That treibt. Nach kurzem Wirken in Magdeburg, Lissa und Königsberg wurde er im Jahre 1693 nach Berlin als Hofprediger berufen. In diesem Amt hat er 48 Jahre unter drei preussischen Königen gestanden und 41 Jahre der Societät angehört, deren Mit- stifter er, Pläne seines Grossvaters verwirklichend, gewesen ist. Wie er in dieser Zeit den hervorragendsten Antheil an der preussischen Kirchenpolitik geliabt hat, die so eng mit der Politik des Staates verbunden war, so war er auch neben Leibniz, dem Haupte, und CuNEAU, dem kundigen Geschäftsführer, der Leiter der Societät, zu- letzt auch ihr wirklicher Präsident (seit 1733). Weder durch glän- zende Gaben noch durch bahnbrechende Leistungen ausgezeichnet \ war er den Franzosen durch die Weite und Umsicht seines Blickes und seine reichen encyklopädischen Kenntnisse ebenbürtig und über- ^ Doch gilt seine Ausgabe des Alten Testaments als eine tüchtige Leistung, die auf selbständigen textkritischen Studien beruht. Aus einer von ihm gegebenen Anregung stammt die Berliner Ausgabe des babylonischen Talnuids. Seine Briefe zeigen, dass er der Entwicklung der klassischen Philologie in England folgte und für geschichtliche, geographische und auch jru'istische Fragen sich intei'essirte. D. E. Jablonski. 113 traf sie dvircli sein ungewöhnliches praktisches Geschick und durch die Ausdauer, mit der er einmal gefasste Pläne verfolgte. Ein recht- schaffener Mann, war er nicht fremd in der Welt der Politik, viel- mehr ein kluger und in der Regel gewandter Geschäftsträger, hie inid da auch geneigt, verborgene Wege zu gehend und nicht immer so freimüthig und zuverlässig, wie es dem Deutschen geziemt. Ob- gleich nicht herrschsüchtig, machte es der stille, aber überall thätige 31ann kräftigen Talenten in der Societät doch schwer, neben ihm aufzukommen, und besass weder Neigung noch Geschick, wissen- schaftliche Arbeiten anzuregen, die Jüngeren zu ermuntern, den Alteren freie Bahn zu machen und die Gelehrtenrepublik wirklich als Republik zu leiten. Verdiente Mitglieder der Societät haben sein Wirken nicht selten als Druck und Bevormundung empfunden. Seine letzten Ziele waren überall nicht wissenschaftliche im strengen Sinne des Wortes, sondern, neben der nie rastenden Sorge für den Pro- testantismus im slavischen und ungarischen Gebiete, allgemein pro- testantische und civilisatorisch- pädagogische. Ihnen sollte auch die Societät dienen , die er durch die schwersten Tage — unter Friedrich Wilhelm I. — hindurch gerettet hat, der er aber höheres Leihen ein- zuhauchen nicht lahig war. In der That — ihm, neben Leibniz, verdankt die Societät ihre Stiftung und ihm, nach LEiBNizens Tode, ihre Erhaltung. Sie wäre untergegangen, wenn sie nicht diesen auch l)ei Friedrich W^ilhelm hochangesehenen, ausdauernden und — wenn es sein musste — gefügigen und schmiegsamen Mann besessen hätte". Neben ihm und ihm unbedingt ergeben, stand sein Bruder Johann Theodor als Secretar der Societät. Er ist bereits oben cha- rakterisirt worden. Er war im Stande, der Wissenschaft gleichsam als Buchhalter zu folgen, ohne je ein tiefer gehendes Interesse für sie zu verrathen. Der Societät hat er durch seine Gewissenhaftigkeit ^ Aus dei' CLEMENx'schen Aft'aire ist er nicht tadellos hei'vorgegangen ; sie hat ihm zeitweilige Suspension und ein halbes Jahr Untersuchungshaft eingetragen, auch musste er sich zu einer sehi- demüthigenden Abbitte bequemen. Docli erlangte er bald das Vertrauen seines Königs wieder. ^ Einen Theil des Briefwechsels zwischen Jablonski und Leibniz hat Kapp im Jahre 1745 (KAPPens Sammlung u. s. w., Leipzig) auf Grund der Originalien herausgegeben, die ihm Jordan übermittelte, der sie von dem jüngeren Kirch, dem Astronomen, erhalten hatte. Die anderen in Hannover liegenden Briefe hat Kvac- SALA in den Acta et Comment. Imp. Univ. Jurievensis veröfTentlicht (1897, s. eben- dort 1896 Nr. I einen Vortrag Kvacsala's über Jablonski). Vergl. die Artikel ül)er Jablonski von Kleinert in Herzog's Theol. Real-Encyklop. Bd. 6^ S. 428 ff. und von R. Schwarze in der Allgemeinen Deutschen Biograjjhie Bd. 13 S.523ft". Geschichte der Akademie. I. 8 114 Geschichte der Societät von 1700-1711. und Ordnungsliebe unschätzbare Dienste geleistet; aber ein bedeu- tenderer Mann, vor allem ein wirklicher Gelehrter, wäre an dieser Stelle sehr nöthig gewesen, und seine trockene, gescliäftsmässige Art, sowie sein bureaukratisches Regime veranlassten manches treff- liche Mitglied der Societät, sich von der gemeinsamen Arbeit mög- lichst zurückzuzieh en ^ Gottfried Kirch und Johann Leoniiard Frisch leisteten die Arbeit. Kirch, der 6i Jahre alt aus Guben an die Societät berufen wurde, ein Schüler Erhard Weigel's, war der hervorragendste Astronom, den Deutschland damals besass. Er musste in der ersten Zeit seines Berliner Aufenthalts seine Beobachtungen auf einer Pri- vat-Sternwarte machen; nur wenige Jahre war es ihm vergönnt, das Observatorium der Societät zu benutzen ; denn er starb — durch Kränklichkeit oft am Arbeiten gehindert — bereits am 25. Juli 17 10. Seine Kalender waren der Zuverlässigkeit ihrer astronomi- schen Angaben wegen geschätzt; ihm verdankt es die Societät, dass sie ihr Monopol wirklich ausnützen konnte. Die grosse Sammlung von Beobachtungen aber, die er in mehreren Quartanten veröffent- lichen wollte, fand auch nach seinem Tode keinen Verleger; so ist nur Einzelnes von ihm verstreut gedruckt worden. Mit der Beob- achtung der Kometen wird sein Name dauernd verbunden bleiben, und auch den Sonnenflecken und den veränderlichen Sternen wandte er ein besonderes Interesse zu. Unterstützt wurde er dabei von seiner Frau Maria Margareta und von einem jüngeren Astronomen Johann Heinrich Hoffmann (f I 718), den die Societät ihm beigab". ' Als Johann Theodor Jablonski am 28. April 1731 starb, dichtete Noltenius auf ihn folgende Grabschrift: "Gottesfurcht, ohn Heuchelei, Wissenschaft, ohn Prahlerei, Liebes Werke, im Verborgen, Klugheit, ohne eitle Sorgen, Redlichkeit, die Probe hält, Ernst, der nicht beschwerlich fällt. Manches Leid, doch ohne Klagen, Grossnnith, die nicht kann verzagen, Und was sonst die Welt nicht kannt'. Lieget hier verscharrt im Sand.« 2 Auch dieser observirte — seit 1705 — , bis das Societätsgebäude fertig war, auf einer Privat -Sternwarte, der des Barons von Kroseck (Krosick), s. seinen Brief an Leibniz vom 3. August 1705 (Hannov. Bibl.) und den Brief des Secretars an Leibniz vom 25. August 1705 (a.a.O.). Er klagt übrigens: »Wann mich die Societät nur etwas besser wegen meinen Salarii bedenken wollte». Er musste Nebenbe- schäftigungen suchen und konnte daher nicht soviel wie nöthig zum Besten der Societät observiren. J. Th. Jabloxski, Kirch und seine Familie, Frisch. llo Maria Margaret a Kirch (i 670-1 720) entdeckte den Kometen von 1702, besorgte einen grossen Theil des Kalenderwerks, correspon- dirte mit Leibniz, dem sie ihre Beobachtungen schickte, und ist sogar mehrmals als astronomische Schriftstellerin (Über die bevor- stehende Conjunction von Jupiter und Saturn 1712) aufgetreten \ Der rüstigste und fruchtbarste Arbeiter, den die Societät seit 1 706 besass , war der aus Sulzbach stammende Johann Leonhard Frisch {1666 — 1743; Lehrer am grauen Kloster; 1708 Conrector, 1727 Rector; 1731 Director der Classis hist.- Germanica der Socie- tät). LEiBNizens Vertrauen geniessend, nahm er sich ihn voll Ver- ehrung zum Vorbild, arbeitete zum Theil nach seinen Rathschlägen und erwarb sich in unermüdlichem Streben eine ähnliche Vielseitig- keit und praktische Tüchtigkeit. Der vielbeschäftigte Pädagog und geschätzte Schulschriftsteller fand zu Allem Zeit, was ihn inter- essirte, widmete einen grossen Theil seiner Kraft der Societät und griff nichts an, ohne es zu fördern. Er hat das Seidenwerk mit höchstem Fleiss eingerichtet und geleitet und blieb ihm treu, auch als ihn die Societät — die Jablonski's wollten ihm nicht wohl — ziem- lich schnöde behandelte (s. u.). Aus dieser Arbeit ging eine Schrift über den Seidenbau (17 13) hervor, der umfassende, auf scharfen Beobachtungen ruhende Studien über die Insecten und Parasiten folgten. Neben dem grossen Werk über »allerlei Insecten«, zu dem er selbst die Abbildungen zeichnete, hat er eine noch umfang- reichere Publication über die deutschen Vögel begonnen; die Zu- verlässigkeit der nur etwas steifen Zeichnungen hat Cuvier gerühmt (tres-exactes, sans etre elegantes). Daneben trieb er gründliche slavische Studien: seine grösste Bedeutung liegt aber auf dem Gebiete der deutschen Lexikographie und Dialektforschung. Hier folgte er den von Schottel und Leibniz gegebenen bahnbrechenden Winken und gab nach mehr als dreissigjährigen Vorstudien — auch ^ Auch die Kindei' von Kirch widmeten sich der Astronomie. Der Sohn Christfried (1694 — 1740) erhielt im Jahre 17 17 die Stelle seines Vaters an der Societät und hat seine zahlreichen Beobachtungen in den Abhandlungen der Akademie niedergelegt. Die Tochter Christine (1696 — 1782) wirkte zuerst mit ihrem Bruder zu- sammen und hat später bis zum höchsten Alter im Dienst und Auftrage der Societät die Kalender für Schlesien hergestellt (über ihre besonders ehrenvolle Verabschie- dung s. das nächste Buch). — Ein Theil des Briefwechsels von Leibniz mit dem Ehepaare Kirch befindet sich in Hannover, s. Bodemann, Briefwechsel S. 113. 102 (daselbst auch vier Briefe von J. H. Hoffmann an Leibniz, s. Bodemann S. 93), ein anderer auf der Bibliothek des Joachimsthalschen Gymnasiums zu Berlin. Beide habe ich eingesehen. LEiBNizens Urtheil über die Frau Kirch s. im Urkundenband Nr, 60. 116 Geschichte der Societät von 1700 — 1711. über die Vocabula Marcliica — ein deutsch -lateinisches Wörterbuch {1741) heraus, dessen Stärke in dem deutschen Theil liegt vmd das in der Geschichte der deutschen Lexikographie eine der vornehmsten Stellen behauptet — Grimm hat es das erste gelehrte deutsche Wörter- buch genannt und es als nicht veraltet bezeichnet. Er allein erfüllte die Aufgabe der »teutsch- gesinnten Societät«, die der Kurfürst ge- stellt hatte ; denn die beiden Jablonski's , die sich auch an der deut- schen Sprache versucht haben, vermochten als Ausländer nicht, in sie einzudringen, und gaben Proben ihrer Studien , die besser unter- blieben wären. Endlich — auch im Chemisch -Technischen ver- suchte sich Frisch, und es gelang ihm, die Fabrication des eben von DipPEL entdeckten Berliner Blaus so erheblich zu verbessern, dass er bedeutenden Nutzen aus dieser Erfindung ziehen konnte'. Neben Frisch sind unter den Deutschen noch der gelehrte Anti- quar und Bibliothekar an der SpANHEiM\schen Bibliothek J. C. Schott (f 17 18), der sich namentlich mit Münzkunde beschäftigte, und der junge Spener (der Sohn Philipp's), der als Zoologe geschätzt war und eine bedeutende Sammlung besass (er starb schon 1 7 1 4) , zu nennen. Eine gewisse Rolle muss auch am Anfang der Ober -In- genieur Beer und der erste Leibarzt des Königs, Krug von Nidda, gespielt haben; doch ist Näheres nicht bekannt^. Die übrigen Mitglieder — Hofprediger, Leibärzte, Architekten — dürfen über- gangen werden, nach Leibnizchs Regel, man solle Mitglieder, die nichts für die Societät thun, unbeachtet lassen. Indessen sei an- gemerkt, dass unter den Mitgliedern auch der Ober-Schloss-Bau- ^ Den Briefwechsel von Leibniz und Frisch (Hannov. Bibl.) hat L. H. Fischer (1896) in der »Brandenburgia« herausgegehen (2. Band) und ein anziehendes Lebens- bild von Frisch dabei entworfen, s. auch Eckstein in der Allg. Deutschen Biographie 8. Bands. 93 ff. und Geiger, Berlin 1688— 1840 i. Band 1892 S. 140 ff. Über das »Berliner Blau- s. Fischer, a.a.O. S. 54f. Frisch kam darum ein, seine Farbe mit Approbation der Societät der Wissenschaften und der Akademie der Künste ver- kaufen lassen zu dürfen, um sie gegen werthlose Nachahmungen zu schützen, s. seine Briefe an Leibniz vom 25. August (Fischer. S. 20) und vom 28. September 1709 (S. 21 f.) u. ff. ^ Der in dem ersten Entwurf der Berliner an den Kurfürsten (s. oben S. 73) und in dem Vorschlag an Leibniz vom 15. März 1701 als Mitglied in"s Auge gefasste Leibarzt Bernhard Albinos findet sich im Album der Societät nicht; denn, wie der Hofj^rediger am 18. Juni 1701 an Leibniz schreibt (Hannov. Biljl.): »Herr Albinus hat wenige Neigung zur Societät verspüren lassen. ]\Lan wird ihm kein Dipluma zuschicken, bis zuerst mit ihm geredet worden, und man versichert sei, dass er's annehmen wolle-. Dieser namhafte Anatom folgte schon 1702 einem Rufe nach Leiden und wurde der Staminvatei' eines berühmten Anatomengeschlechts an den niederländisclien Universitäten. Frisch, Schott, Speker jun., Schlüter u. A. 11 i directoi' Schlüter aufgeführt wird^ Ein Missgriff war es, dass der Rittmeister C. H. Oelven aufgenommen wurde. Er sollte der Societät schwere Tage bereiten". Zusammengehalten wurde die Societät, deren Mitglieder sich im socialen Leben zum Theil sehr fern standen, durch Leibniz. Die Ptlicht, die er in seiner Bestallung übernommen hatte, mit der So- ^ In den Acten der Societät kommt Schlüter meiner Erinnerung nach nur einmal vor, nämlich in einem Brief des Secretars an Leibniz vom 26. September 1705: «Wegen des Eck -Pavillons ist noch nichts geschehen, weil ... der Herr vox Schlüter die meiste Zeit abwesend gewesen, weiss man also nichj, wie man da- mit noch auskommen werde«. Schlüter ist übrigens nur kurze Zeit Mitglied der Societät gewesen; denn die Münzthurm- Katastrophe, in deren Folge er Berlin verlassen hat, trat bereits im Jahre 1706 ein, s. Adler, Aus Andreas Schlüter's Leben, in der Ztschr. f. Bauwesen (1863) S. 13 ft". S. 383 ff. Wie gross der Antheil ge- wesen ist, den Schlüter an dem Bau des Observatorium - Thurms gehabt hat, ist leider aus den Societätsacten nicht zu ersehen. Der Entwurf, nach welchem ge- baut worden ist, ist vom Hofbaumeister Grünberg, dem auch die Ausführung über- tragen war. ^ Nach dem Fase. "Ernennungen« im Akademischen Archiv (s. auch die von der Societät herausgegebenen Adress - Kalender ; auf dem Geh. Staatsarchiv befinden sich die von 1704 und 1706 ff.) sind zu den sechs Mitgliedern , die den Grundstock bildeten (die Jablonski"s, Rabener, Cuxeau und Kirch), im Jahre 1701 41 Mit- glieder (einheimische und auswärtige), im Jahre 1702. 1703, 1709 und 1710 je 4, im Jahre 1704 und 1708 je 3, im Jahre 1706 6 und im Jahre 1707 8 Mitglieder aufgenommen worden (im Jahre 1705 fand keine Aufnahme statt). Nach dem Kalen- der für 1704 waren es im Jahre 1703 ausser Leibniz 22 Berliner Mitglieder, im Jahre 1705 nur 19. Im Jahre 1707 waren es 20 einheimische und 32 auswärtige; im Jahre 171 1 betrug die Zahl der Einheimischen und Auswärtigen zusammen 80. Factor und Buchhändler der Societät war Papen. — LTnter den auswärtigen Mitgliedern der Socie- tät aus ihrem ersten Jahrzehnt seien genannt: der bedeutende Orientalist Acoluthus in Breslau (er sollte nach Berlin gezogen werden, aber die Societät weigerte sich, zu seinem Gehalt etwas beizutragen, um kein Präjudiz zu schaffen, s. die Briefe D. E. Jablonski's an Leibniz vom 19. Februar und 5. März 1701 [in KAPPens Samm- lung] und vom 23. August 1701 [Hanno v. Bibl.] — Acoluthus' Hypothese, das Ägyp- tische und Armenische seien verwandte Sprachen, hielt Leibniz für unwahrschein- lich — ), Basnage im Haag, die beiden Bernoulli in Basel und Groningen, Chamber- laine in London, H. A. Francke in Halle, Gothofredus in Leipzig, Hartsoeker in Düsseldorf, Heineccius in Halle, der berühmte Ai'zt Friedrich Hoffmann in Halle (kurze Zeit einlieimisches Mitglied in Berlin), Caspar Neumann in Breslau — der Lehrer und väterliche Freund Chr.Wolff's, ein sehr vielseitiger, gründlicher Ge- lehrter, einer der ersten , der bevölkerungsstatistische Untersuchungen unternommen und angeregt hat, s. LEiBNizens Brief an den Secretär Jablonski Nr. 10 in den Abh. d. K. Preuss. Akad. d. Wiss. 1897 und Kappcus Sammlung S. 2 f. — , der Astronom Reiher in Kiel, der Abt J. A. Schmid in Marienthal, Varignon in Paris und Ch.Wolff in Halle. Mit allen diesen Gelehrten hat Leibniz correspondirt. Der erste formelle Vorschlag, den die Berliner Freunde, welche den Grund- stock der Societät bildeten, am 15. März 1701 Leibniz unterbreiteten, umfasste 18 Ein- heimische und 12 Auswärtige (s. den Brief des Secretars an Leibniz von diesem Datum in dem Briefwechsel, Abh. d. K. Preuss. Akad. d. Wiss. 1897 Nr. 7). 118 Geschichte der Societät von 1 700 - 1 7 1 1 . cietät ZU eorrespondiren , hat er in den Jahren 1 700-1 710 in ge- wissenliaftester Weise erfüllt und ist ausserdem, so oft er konnte, auf Monate nach Berlin gekommen. Da Leibniz die Briefe, die er erhielt, sorgsam aufbewahrte, und ein grosser Theil derselben noch jetzt auf der Königlichen Bibliothek zu Hannover erhalten ist, so sind wir in den Stand gesetzt, seine Correspondenz mit Berlin ziem- lich vollständig zu überschauend Er correspondirte mit der Königin Sophie Charlotte, später auch mit Sophie Dorothea, ferner regel- mässig mit dem Secretar J. Th. Jablonski", mit dem Hofprediger Jablonski, mit Cuneau, Ancillon, La Croze und Frisch ; dazu kommen mehrere Briefe an die Hof- und Staatsmänner von Wedel, von Fuchs, Graf VON Wartenberg, von Ilgen, von Spanheim, von Tettau, von Ham- rath und VON Printzen u. A. Endlich hat er auch zahlreiche Briefe mit der vertrauten Freundin der Königin, der Hofdame von Pöllnitz, mit Kirch, dessen Gattin, dem Astronomen Hoffmann, dem Seiden- bauer Otto und dem Buchhändler Papen gewechselt. Man kann die Anzahl der Briefe , die von Berlin aus an Leibniz bis i 7 1 6 gerichtet worden sind — in den letzten Jahren wurde die Correspondenz schwächer — auf mindestens 5 — 600 berechnen, und nicht viel ge- ringer kann die Summe der Antwortschreiben gewesen sein. Die meisten dieser Briefe handeln von der Societät oder gehen auf wissen- schaftliche Fragen ein, die für die Societät bez. für die einzelnen Gelehrten in ihr von Wichtigkeit waren. So ist Leibniz, wenigstens bis zum Ende des Jahres 17 10, nicht nur nominell, sondern wirklich der das Äussere und Innere leitende Präsident der Societät gewesen. 2. Am 18. Januar 1701 setzte sich Friedrich in Königsberg die Königskrone auf's Haupt. Leibniz begrüsste dieses Ereigniss mit hoher Freude. Li Briefen an den Grafen von Wartenberg und Span- heim sprach er sie aus und schlug jenem eine neue Devise für das ^ Seine eigenen Briefe sind leider nur zum kleinsten Theil erhalten, da er nur für wichtige Schreiben ein Concejit zu machen pllegte. ^ In der Zeit vom November 1700 bis Ende 17 10 hat Jahlonski 125 Berichte an Leibniz gesandt. Davon sind 120 in dem Diarium verzeichnet, welches Jablonski führte und welches sich noch in dem Akad. Archiv befindet. Erhalten sind uns in dieser Briefe (der grösste Theil in Hannover, einige dort sich nicht findende in IvAPPens Sammlung). Vergl. den Alpdruck in den Abh. d. K. Preuss. Akad. d. Wiss. 1897. Das Jalir 1701. Die Königskrone. 119 Hans HolienzoUern vor'. Auch in der Puhlicistik war er thätig, die Bedeutung der neuen Krone an's Lieht zu stellen und auf Bücher luid Schriften, die im preussischen Interesse erschienen, aufmerksam zu machen. Sein »Auszug verschiedener, die neue preussische Krone angehender Schriften« (Juli und August 1701) beginnt mit einer Vorrede, in der er Folgendes schreibt'^: »Die Aufrichtung des neuen preussischen Königreichs ist eine der grössten Begebenheiten dieser Zeit, so nicht, wie andere, auf wenige Jahre ihre Wirkung erstrecket, sondern etwas nicht weniger Beständiges als Vortreffliches herfür- gebracht. Sie ist eine Zierde des neuen Säculi, so sich mit dieser Erhöhung des Hauses Brandenburg angefangen und ihm mit einem so herrlichen Eingange sich gleichsam zu dauerhaftem Glück — Gott gebe beständigst — verbindet«. Die lateinische Gratulationsepistel der Societät an den König hat er abgefasst^; er sah voraus, dass die Königskrone dem Protestantismus, dem Deutschen Reich und der Akademie^ zu Gute kommen werde. Mit grossen Hoffnungen freilich hatte Leibniz Berlin nicht ver- lassen. »Man wird vielleicht verspüret haben, dass nach meiner Abwesenheit auch mich betreffend eine Kaltsinnigkeit sich erzeiget«, schrieb er am 3i.December 1700 an den Hofprediger (Hannov. Bibl.) ■ — ; »bitte dero wiegen umb sincere Nachricht«; »aber«, fügt er muthig hinzu, »ich achte es deswegen nicht, weil wir solche Sachen haben, dass wdr die Leute zu Estime zwingen können«. Die »Büchertaxe«, als Privileg der Societät, betrieb er eifrig, aber um- sonst. »Bitte also ohne Bedenken, die Expedition möglichst zu be- fördern, damit der Eft'ect schon vor Ostern da sei. Die Societät hat es wohl von Nöthen; es war bei meiner Anwesenheit eine aus- gemachte Sach und wäre erfolgt, wenn ich etwa 14 Tage dagewesen. Man lasse sich durch Besorgnisse und einige böse Dispositiones bei Hof nicht schrecken ; qui se fait brebis , le loup le mange. « In den ersten sechs Monaten des neuen Jahres betrieb die So- cietät vor allem die Aufnahme der einheimischen und auswärtigen Mitglieder, die Vorbereitungen zur Eröffnung, den Bau des Obser- vatoriums und die Kalendersache. Immer hoffte man noch, am ' Siehe die Bi'iet'e vom 11. Januar und 20. Februar 1701. auch den undatirten an Spanheim vom Jahre 1703 (Hannov. Bibliothek). Als Devise schlägt er vor: ^'Vn canon d'artillerie et en eloignement les machines dont les anciens se servaient pour rompre les murailles, avec ce mot: »Ultra majores«. ^ Siehe Guhrauer, LEisNrrz's Deutsche Schriften, 2.Bd. S. 30of. ^ Siehe den ürkundenband Nr. 61. * In dem Brief an von Wartenberg vom 11. Januar gedenkt er ihrer. 120 Geschichte der Societät von 1700-1711. Geburtstage des Königs die Societät wirklich einricliten zu können, «damit sie an dem Tage, an welchem sie vorigen Jahres empfangen worden, nun auch geboren würdet'. Allein man hoffte vergeblich. So musste man sich damit begnügen, wenigstens die Diplome für alle Mitglieder auf einen Tag, eben den Geburtstag des Königs, auszufertigen. Diese selbst wurden nach einem von Leibniz corri- girten Concepte der Societät (als Vorbild diente das Pariser Diplom) hergestellt". Ohne sein Vorwissen ist am Anfang kein Mitglied auf- genommen worden; eifrig correspondirte man über sie, und nicht alle Vorschläge des Präsidenten wurden acceptirt. Von einer Be- vorzugung weifischer oder französischer Gelehrten durch diesen kann keine Rede sein, ja man wundert sich, wie spärlich ihre Anzahl gewesen ist^. ^ Der Hofprediger an Leibniz, i8. Juni 1701 (Hannov. Bibl.). ^ Siehe Urkundenband Nr. 62. Man entschied sich zunächst für die deutsche Sprache, s. des Seci-etars Brief an Leibniz vom 15. Februar (Abh. d. Preuss. Akad. d. Wiss. 1897 Nr. 5). ^ Die Verhandlungen über die Aufnahme von Mitgliedern finden sich in der Correspondenz mit dem Hofprediger vom 31. December 1700 (Hannov. Bibl.), 13. Ja- nuar, 19. Februar, 5. März und 16. Ajjril 1701 (KAprens Sammlung) und in der Correspondenz mit dem Secretar, die in den Abli. d. Preuss. Akad. d. Wiss. T897 al> gedruckt ist (s. Nr. 4— 17); ich citire diese Correspondenz im Folgenden nach den Nummern unter Secr.-LEiBN. An Leibniz pflegten die Gewählten ihre Dankesbriefe zu richten, s. z. B. den Brief vom Mediciner F. Hoffmann in Halle vom 8. No- vember 1701 (Hannov. Bibl.) oder den von Naude vom 18. April 1701. (Der in Hannover liefindliche Briefwechsel mit ihm enthält manche mathematisch wichtige Partieen ; auch bittet Naude Leibniz, seine treftliche Prüfung des LocKE'schen Werkes "Lipon human understanding" herauszugeben [6. October 1706]; in dem Dankschreil)en für die Annahme sagt Naude, um seiner Harthörigkeit willen könne er eigentlich die Ehre nicht annehmen; »cependant je regois ä grand honneur cette proposition".) Als der jüngere Naude aufgenommen wurde, dankte er in einem ebenso entzückten wie demüthigen Schreiben Leibniz (Brief vom 30. November 171 1; Hannov. Bibl.). Der treffliche Theologe und Statistiker Caspar Neumann in Breslau schreibt (23. Fe- bruar 1707, Hannov. Bibl.): »Nehme mir aber dabei Erlaubniss zu sagen, es sei die Ehre, so die hochlöbliche K. Societät meiner Wenigkeit hat zudenken wollen, beides zu gross und aucli zu spät; denn in meinen Jahren will es schon Abend werden und der Tag hat sich geneiget. Ln Übrigen occupirt mich mein Amt der- maassen. dass ich Curiosa und Nova, wie sie eine solche Societät wird verlangen, nur als ein klein Neben -Werk gar selten fürzunehmen vermag. Zudem ich weiss noch nicht, was eigentlich die Leges dieser vornehmen Societät sein werden. Ich kenne auch zur Zeit keinen einzigen von den Herrn Collegen». Er erklärt weiter, er könne nicht nach Berlin kommen; denn er könne sich von seiner Kirche nicht entfernen; dagegen sei er bereit, etwas von seinen statistischen Arbeiten in den So- cietäts -Werken zu ediren, wenn solche erscheinen werden. In dem Briefe vom 13. Juli 1707 kommt er noch einmal auf seine Aufnahme und sieht sie als ein hohes Glück an, das er einzig Leibniz verdanke. LTnter LEiBNizens Papieren fand sich (IvAPpens Sammlung S. 2 f.) ein Brief von Neumann, den man zu den grundlegenden Erste Organisation. 121 Für die Convente suchte man im Februar ein Gemacli im Ratli- haus zu bekommen, erhielt es aber nicht; so kam man zwanglos — wöchentliche Sitzungen wurden beschlossen, scheinen aber nicht streng eingehalten worden zu sein — in den Wohnungen der lei- tenden Mitglieder zusammen, bis am 7. December 1701 durch könig- liche Anordnung der Societät die Marine - Commissionsstube im Col- legien-Haus in der Brüderstrasse eingeräumt wurde. In dieses Haus sollte auch die grosse SpANHEiM'sche Bibliothek, die der König an- gekauft hatte, gebracht werdend Das Wichtigste war nach Aufnahme zahlreicher Mitglieder in Berlin, die Societät zu formiren und die Ptlichten und Rechte der Mitglieder festzusetzen. Hier traf man leider Bestimmungen, die die Wirksamkeit der Societät lähmen und den Keim zu Unzufriedenheit und Eifersucht legen mussten. Man konnte sich nicht entschliessen, alle Einheimischen als vollberechtigte Mit- glieder aufzunehmen, schuf vielmehr solche erster und zweiter Klasse. Nur das Concilium (auch Consilium genannt) sollte die inneren und äusseren Angelegenheiten der Societät leiten; die übrigen, d. h. die grosse Mehrzahl, sollten lediglich wissenschaftliche Mitarbeiter sein, ohne Eintluss auf den Gang der Geschäfte. Nicht einmal die Ge- neral-Instruction bekamen sie zu Gesicht; es sollte vielmehr nur ein kurzer Auszug für sie ausgearbeitet werden. Bei den »ausser- ordentlichen« Sitzungen sollten sie nicht zugegen sein, sondern nur zu den ordentlichen wissenschaftlichen hinzugezogen werden. Die ganze ökonomische Lage der Societät blieb ihnen verborgen, und die Anregung zu Unternehmungen konnte niemals von ihnen aus- gehen. Diese Organisation ist in den Briefen zwischen Leibniz und den Jablonski's festgestellt worden""; sie ist vielleicht eine Noth- wendigkeit gewesen: man durfte der grossen Menge von Mitgliedern nicht sofort die Geschäfte einer noch werdenden Anstalt ausliefern; aber sie schuf in Wahrheit eine unbeschränkte Oligarchie der Concils- Urkunden der Entstehungsgeschichte der Bevölkerungsstatistik rechnen darf (s. Ur- kundenband Nr. 63). ^ Siehe J. Th. Jablonski's Diarium und Secr.-LEiBN. Nr. 2 ; die Königliche Ordre im Geh. Staatsarchiv, das Gesuch der Societät im Akad. Archiv ("Baulich- keiten"), Beschluss der wöchentlichen Sitzungen Secr.-LEiBN. Nr. 5. Instruction für den Pedell am i2.0ctoher 1701 vom Concil nach dem Entwurf D. E. Jablonski's (Akad. Archiv), s. Secr.-LsiBN. Nr. 18. ^ Vergl. besonders die Briefe in Secr.-LEisN. Nr. 7 ff., namentlich den Brief LEiBNi/.ens vom 24. März (Nr. 10). Die Zahl der Concilsmitglieder ist meines Wissens nie fixirt worden, war aber bis 17 11 sehr gering. Nach einem Briefe des Hof- predigers an Leibniz (16. April i 701) wurde gleich anfangs Dr. Jägwitz in das Concil aufgenommen (IvAPPens Sammlung S. 262). 122 Geschirhte der Sodetät von 1700 — 171]. mitgiieder, rief in steigendem Maasse den Unwillen gegen diese »Ar- canisten« hervor und nahm den Rechtlosen die Freudigkeit zvu* Mitarbeit. In den ordentlichen Sitzungen sollten nach LEiBNizens Vorschlag sowohl eigene Untersuchungen und Experimente vorgetragen als plan- mässige Referate über neue wichtige Erscheinungen erstattet werden. Zu dem Zwecke sollte man alle wissenschaftlichen Zeitschriften an- schaffen und die Berichte über ihren werthvollen Inhalt unter die Mitglieder vertheilen\ Der Plan, über jedes der drei Hauptdeparte- ments der Societät einen Decan zu stellen und einen Vicepräsidenten zu ernennen, wird vom Hofprediger in einem Schreiben an Leibniz vom 1 8. Juni vorgetragen". Wichtig ist es endlich zu bemerken, dass Leibniz es gewesen ist, der in einem Brief an vonWedel^ ver- langt hat, dass die grosse wissenschaftliche Unternehmung magne- tischer Beobachtungen in Russland unter die Direction des ersten Ministers gestellt werde. Er hat damit selbst die Oberleitung der Societät durch den Minister angeregt — eine Sache, die ihm, als sie durchgeführt wurde, doch unerwartet kam und ihm eine schwere Kränkung bereitete. — Am 15. Januar 1701 schrieb der Hofprediger an Leibniz*: «Der Hauptpavillon des Observatorii ist ein Stock über die Erde herauf- bracht, zu dem Eck -Pavillon des Observatorii ist der Grund durch Einrammung der nöthigen Pfähle geleget, so dass beide nächsten Sommer werden fertig sein können«. Gemeint ist der westliche Eck-Pavillon: der östliche, der Ende des Jahres 1700 fertig gestellt und ursprünglich der Societät als Wohnung des Astronomen Kirch (ausser dem Mittel -Pavillon) versprochen w^ar, wurde ihr nicht über- geben. Dagegen sicherte ihr eine königliche Ordre vom 7. Februar i 701 den Mittel -Pavillon und den zu erbauenden westlichen Pavillon (als Wohnung des Astronomen) zu und befahl die Ausführung des letz- teren ^ Am I I . Juli wurde durch ein Rescript die Fertigstellung beider Gebäude bis zum Winter eingeschärft*'. Die Arbeit blieb aber bald liegen. ^ Secr.-LEiBN. Nr. 10. ^ Hannov. Bibliothek. ^ Vom 12. November 1701. Kxeerjit bei Bode.iiaxx, Bi-iet'wechsel 8.382!'. * IvAPpens Sainiiiluny S.236. verjil. .Secr.-Li:ii!.N. Nr. 2. ^ Siehe Urkundenbiiiid Nr. 64. " Secr.-LEiBN. Ni'. 14 und die Oi-di-e an den Amtsrath von Port/, im Geheimen Staatsai'chiv. Die Pläne beiluden sieh im Akademischen Archiv »Batdichkeiten«. Auch Leirniz h.'it an ihnen üeai'beitet. Der Mittel -Pavillon (( )rdre an die Amts- Sitzungen. Observatorium. Kalender (1701). 123 Die Sorge für die Kalender musste die wichtigste Aufgabe sein; denn auf ihnen beruhte die Existenz und die Zukunft der Societät. Der Kalender für 1701 wurde in den Provinzen keineswegs freudig begrüsst, und die Provinzialregierungen unterstützten häufig den Widerwillen der Leute. Die Anlage sei anders als es die Bürger und Bauern gewohnt seien ; die Mondveränderungen müssten mit aus- geschriebenen Buchstaben stehen; es müsste gesagt sein, »was in je- dem Viertel vor Witterung zu vermuthen sei, item was sonsten einem Hausmann nützlich zu observiren«; die Sonn- und Feiertage müss- ten mit rotlien Buchstaben abgesetzt werden u.s.w.^ Das Ansinnen, im Voraus anzugeben, wie viel Kalender ungefähr in ihrem Bereiche nöthig seien, hatten die Pro vinzial- Regierungen schon früher zurück- gewiesen; auf diese Frage Antwort zu geben, sei unmöglich"'. Das 3Iinisterium erklärte am 6. November i 701^, die Societäts- Kalender kanimer des Baus wegen im Geheimen Staatsarchiv vom 26. August 1701) umfasst mit dem Erdgeschoss vier Stockwerke (Observatorium , Versammhnigszinuner. Biljlio- thek). Dieser Plan ist wirklich ausgeführt worden. ^ Siehe z.B. die Vorstellung der halberstädtischen Regiei'ung vom 12. April 1701 im Geheimen Staatsarchiv. '^ Siehe die Antwort der kurmärkischen Regierung vom 26. August 1700 im Geh. Staatsarchiv. — Aus dem Fascikel >> Kalendersachen « des Geh. Staatsarchivs geht hervor, dass die Societät Bevollmächtigte in die einzelnen K. Provinzen gesandt hat. um fremden Kalendern nachzuspüren und Verkäufer und Käufer zur Anzeige zu bringen. Von den Provinzialregierungen wurden diese Denuncianten natürlich nicht gern gesehen; im Geheimen waren sie alle gegen das Privileg und machten sich die Klagen der Bevölkerung zu eigen — die Kalender seien zu theuer; sie unter- richteten nicht genügend über die Witterung, dass man sich mit der Feldarbeit ein- richten könne; die sächsischen Kalender seien besser u. s, w. Kamen die Societäts- BevoUmächtigten auf die Güter der adeligen Herren, so wurden sie mit Schmäh- nnd Drohworten tractirt, ja sogar, »wie verlauten will«, ist ilmen mit Arrest be- gegnet und ihnen die Vollmacht der Societät weggenommen worden, »nicht ohne strafbare Verachtung des K. Edicts«. »Es zeigt sich gegen das Edict und seine Ausführung eine vorsätzliche Widerspenstigkeit der Unterthanen sowohl als theils der Unterobrigkeiten seilest. « Unter den Klagen und Eingaben der Societät ist das grosse Pro Memoria von 1705 die wichtigste (Geh. Staatsarchiv). Eine gründliche Vertheidigung der Societäts -Kalender wird hier gegeben und namentlich gezeigt, dass sie in Astronomicis wirklich zuverlässig sind, während die anderen oft von unwissenden Leuten verfasst werden, bez. von jungen Autoribus, "denen es an ge- nügsamem Fleiss, Behutsandveit und Exercitio fehlet". ]Mit Stolz weist die Societät dem Könige nach, was für einen Gelehrten sie an ihrem Kirch besitzt. Dieser giebt in einer ^Beilage zum Pro Memoria eine Tabelle der groben astronomischen Fehler des Leipziger Kalenders in den Jahren 1702 — 1704. und im Jahre 1706 wies der andere Astronom. Hoffmanx, nach, dass der sächsische Astronom Juxn:s die bevorstehende grosse Sonnenfinsterniss ganz verkehrt in seinem Kalender dargestellt halje (Secr. - Leirx. Nr. 5 I vom 9. März 1706). 3 A.a.O. 124 Geschichte der Societät von 1700-1711. Avürden in Zukunft so gut eingerichtet werden , dass sie anderen Kalendern in nichts nachstehen werden; deshall) müsse man das Privik^gium der Societät streng einhalten. Wirklich that diese ihr Möglichstes, etwas Gutes zu liefern. Wieder war es Leibniz, der auch hier eingrift* und sich nicht für zu vornehm hielt, dieses Werk zu betreiben. Er bezeichnete die Kalender als »die Bildio- thek des gemeinen Mannes« und erkannte, dass man zweckmässige Varietäten bieten müsse , um sie einzubürgern : "Die Kalender haben Ireilich mehr Varietät nötliig, imd muss man suchen, sie auf allerhand Weise angenehm 7AI machen und zu consideriren als die Biblio- thek des gemeinen Mannes. Es wäre /.u dem Ende gut, dass man eine gute Quan- tität alter Kalender ansehe und consultire. Item Simplicissimi [sie dicti] ewigen Kalender. Es wäre auch gut, weil die Veränderung die Feste verrücket, dass man denen Bauern zum Besten anzeige und specificire, wo nun die ihnen bekannten Tage hingefallen. Ich schicke hier einen Hof- Kalender von Wien. In den unsrigen könnte man die Krönungs- Acta bringen. Es könnte auch ein Kalender gemacht werden, darin alle K. vornehmste Bedienten nach den Collegiis und allerhand Landsachen, so den Unterthanen zu wissen dienlich ^ Item ein allgemeiner Post-Kalender" vor die Reisenden in allen K.Landen, so mit einer Geographischen Karte, so die Post- Routen andeutete, und dai-aus zu ei'sehen, welche Zeit die Post an den fürnehmsten Orten durch passire. Also ein Gerichts-Kalender, darin die Termini und andere dienliche Nach- richtungen die Tribunalia betreffende. ^ Einen solchen gab die Societät wirklich — zum ersten Mal für das Jahr 1704 (s. das Actenstück vom 2. Mai 1704 im Geh. Staatsarchiv und Secr.-LEiüN. Nr. 28 vom 6. November 1703; Nr. 29 vom r. März 1704) — -regelmässig heraus (Exemplai-e im Geh. Staatsarchiv). Die Anlage solcher Hof- und Staatskalender hat Leibniz mit CuNEAU und dem Secretar genau erörtert, s. den Brief vom 12. August 1701 (Secr.-LEiBN. Nr. 16). Hier handelt er von der Stelle, die man der Societät in dem Hofkalender geben soll. Der Secretar will sie mit der Akademie der Künste beim Hofstaat nächst der Bibliothek und Kunstkammer stellen. Cuneau will einen eigenen Titel nach dem Kirchenwesen machen. Leibniz neigt sich zur Ansicht des Secretars und giebt Anordnungen über die Disposition des Kalenders übei'haupt. Der erste Kalender dieser Art fand schlechten Absatz (s. Secr.-LEiBN. Nr. 30 vom 15. April 1704 und Nr. 31 vom 10. Mai 1704) «wegen vieler Fehler, so ziemlich ein- geschlichen, und desfalls von den Interessenten täglich mehr Erinnerungen geschehen«, und wurde ausserdem »boshaft" bei Renger in Flalle nachgedruckt vom Bei'liner Buchführer Rüdiger (s. auch Nr. 32). Derselbe wurde aber trotz eines Briefs von Leibniz an Wartenberg vom 3. Mai 1704 [nicht 9. Mai. wie Klopp druckt, 10. Bd. S.387f.] und trotz Vorstellungen der Societät zunächst nicht zur Rechenschaft ge- zogen, denn »er hat gewisse Patronos am Hofe, die ihn gegen allen Anlauf ver- treten« (s. Nr. 33 vom 2. August 1704); erst am 6. September erfolgte ein K. Befehl zur Bestrafung (s. die Eingabe der Societät an den König vom 27. August und die K. Ordre im Geh. Staatsarchiv »Kalendersachen«). ^ Gedruckte Blätter, die Abfahrten und Ankünfte der Posten enthaltend, lin- den sich im Akad. Archiv. Die Kalender. 125 So könnte auch wohl ein Polizei-Kalender gemacht werden, darin aller- hand Verordnung zu Nachricht vor manniglich angedeutet. Also Münz- und Wechsel- Rechnungen, Reductio nach dem Leipzigischen Fuss, Zins -Rechnungen. Es könnte auch ein Andachts-Kalender sein, darin alle Wochen und bei den sonderbaren Tagen kurze doch nachdenkliche Andachten an Hand gegeben. Andere ^lathematische , Physicahsche . Oeconomische und histoi-ische Sachen, Veränderungen durch Geburt. Absterben, Verheirathung grosser Herrn, Wappen und deigl. zu geschweigen. Ich habe einsmals zu Berlin erinnert, dass man von Regensburg aus, auch aus den Mercuriis und Relationibus leicht die Veränderungen haben und zu Ende des Jahres in einem Reichs -Kalender aller Fürstl. und im Reich Stimme habender Familien, Gräll. Personen und Residentzen oder doch we- nigstens die \'eränderungen anführen könnte. Allein zu diesen Dingen werden mehr Personen und andere Anstalt erfoi'dei't, als wir jetzo haben. Doch kann man ein und anders bereits vornehmen, viel auch aus alten Kalendern brauchen. Theil-Appendices können a part verkauft werden, und gehen sie nicht alle ab. dienen sie künftiges Jahr Aviederum. Innige Sachen, so beständig bleiben, kann man in Kupfer stechen, die Ephemerides figuratae wären nicht zu vergessen. Ich habe unterschiedene Vorschläge gelassen, so Herr Hofr. CuNO communiciren wird. Bitte daraus dienliche Agenda pro Memoria zu ziehen. Ich habe im Vorigen geschrieben wegen der Spi-itzen zu Duisburg, bitte, dass man sich deshalben wegen der Societät erkimdige '.« Schon am 31. Januar 1701 erkundigte sieh Leibniz, oh das Ka- lenderwerk »proportionirhche Hofihung eines guten Ertrags gehe«. Der Secretar antwortete, der Ahgang sei so gross nicht gewesen, als vermuthet worden; »es werden derselhen viel tausend liegen l)leihen«. Bald darauf schreibt er, der vierte Theil werde liegen hleihen ; man dürfe aber für das nächste Jahr auf besseren Vertrieb hoffen, da der Kalender rechtzeitig erscheinen und man auch eine Varietät beobachten werde". Leider wurde das Erscheinen doch durch Kirch's Unpässlichkeit aufgehalten ; erst um Michaelis wurde er ausgegeT)en. Der projectirte Hof- und Staatskalender war in Arbeit^ — Schon lange hatte die Königin gewünscht, Leibniz wieder bei sich in Berlin zu sehen. Der Hofprediger hatte ihm dies in ihrem Auftrag auf's Neue im April geschrieben^, aber seine Reise ver- ^ Siehe Secr.-LEiuN. Nr. 8. 11. 17 und den Brief des Hofpredigers an Leibxiz vom 16. April 1701 in Kappcus Sammlung S. 26if. Dem Feuerspritzen -Privileg stellten sich Schwierigkeiten in den Weg, s. a. a. 0. Nr. 5. Auf einem LEisNiz'schen Zettel (IvAPPens Sammlung S.442) findet sich die Bemerkvmg: »Kalender mehr zu variiren. nicht zu »sec.« Feuerspritzen beim Commissariat pi'o mechanicis. ßücher- zoU bei Hrn. v. Ilgen pro diario eruditoi'um et literis humanioi-ibus. Heri'u Neu- kirch's Vorschläge pro rebus Germanicis mit Hi'U. Grauen's Gedanken". - A. a. O. Nr. 4. 5. 6. 3 A. a. O. Nr. 17. ^ Kappcus Sammlung S. 260, 262 f. (Brief vom 16. April und den vorher- gehenden undatirten). 126 Geschichte der Societät von 1700 — 1711. zögerte sich aus Gründen, die wir nicht kennen. Seit dem Herbst waren es aber nicht mehr Angelegenheiten der Wissenschaft oder der Societät, die Sophie Charlotte LEiBNizens Gegenwart wünschens- w^erth erscheinen Hessen', sondern hochpolitische Affairen. Die eng- lische Successionsacte, die am 7. September im Haag geschlossene grosse Allianz gegen Ludwig XIV. und die hannover - wolfenbüt- telsche Verwicklung erregten die Königin und brachten sie zu dem Entschluss, einzugreifen und die preussische Politik zu leiten. Als Leibniz am 7,0. September in Berlin eintraf', war seine Sorge für die Societät nur der Vorwand; in Wahrheit kam er als ausseror- dentlicher geheimer Geschäftsträger der Königin. Die Kurfürstin- Mutter in Hannover, der Kurfürst und der hannoversche Geheime Rath waren im Einverständniss, der letztere beargwöhnte dennoch den unzünftigen Diplomaten. Auf die Sache selbst ist hier nicht einzugehen. Leibniz hat vielleicht niemals eine so actuelle Rolle als Politiker gespielt wie in diesem Winter, in welchem er, zwischen Berlin und Hannover hin und her reisend und jene förmliche Voll- macht der Königin in der Tasche, die er vor ein paar Jahren umsonst begehrt hatte ^, die Absichten der beiden Fürstinnen zu verwirklichen strebte. Diese gingen auf die engste Verbindung und die gemeinsame Politik der beiden Höfe. Dem hinter dem hohlen Staatsmann Grafen von Wartenberg klug zurücktretenden, umsichtigen Minister von Ilgen war LEiBNizens Mission nicht unbe- kannt, aber ob er ganz in die umfassende Correspondenz eingeweiht war, die dieser damals von Berlin aus mit der Kurfürstin Sophie führte, darf man wohl fragen*. Erst nach vier Monaten kehrte Leibniz definitiv nach Hannover zurück. ^ Sie interessii-te sich übrigens auch weiter für die Societät. s. Secr.-LEiBN. Nr. 9. ^ Das Datum nach Jablonski's Diarium. Drei Wohnungen waren ihm zur Auswahl gestellt: in der Brüderstrasse, wo er das erste Mal einige Tage gewohnt hatte, an der Langen Brücke und in der Heiligen Geiststrasse, s. Secr.-LEiBN. Nr. 18. Eine politische Correspondenz mit der Königin war vorhergegangen, s. Klopp, Werke, 10. Bd., S. XXXII ff. und 81 ff. ^ Siehe oben S.56. Die Vollmacht ist vom 2. December 1701, abgedruckt bei Klopp, a.a.O. S.pif. * Siehe Klopp, a.a.O. 8. Bd. S. 288 ff. Siehe dort und auch 10. Bd. S. 86 ff., 112 ff. über Ilgen's Mitwirkung. In jenen Monaten hat Sophie Charlotte den stärksten Kinthiss auf die preussische Politik und auf ihren Gatten ausgeübt. Dass Leibxiz auch diesmal einen höhei-en Zweck im Auge hatte, zeigt u. A. sein Brief an die Kurfürstin Sophie vom 19. November 1701 (Klopp, Werke, 8. Bd., S.3iof.): »Le ministere täche de plaire a la reine, et il a raison, et la reine aussi de son cöte en use le mieux du monde. p]t comme Ton sait que rien ne saurait faire plus de plaisir a la reine c|ue la bonne inteUigence des deux cours, on est fort dispose LEiBxizeiis zweitei" Aufenthalt in Berlin (1701 '"2). i'2 i Aber obgleich er damals ganz durch die Politik in Anspruch genommen schien, vergass er doch weder die «Irenica«, die aller- dings mit den politischen Fragen in Zusammenhang standen, noch die Societät. Am 4. October, 7. November und 30. December präsidirte er den Sitzungen'. Um ihr ein gemeinnützliches Wirken zu sichern, arbeitete er wiederum Denkschriften an den König aus — über medicinische und meteorologische Observationen , die allgemein im Lande anzustellen seien, aus denen die Societät »Annales physici« auf Grund halbjährlicher Berichte zu entwerfen habe, ferner über die civilisatorisch- evangelische Mission der Societät in die östlichen Länder. Dabei plante er, ein Privilegium auf den Druck slavischer Erbauungsbücher beim Czaren für die »Societät zu erbitten , von dem er sich für die Mission und für den Fundus der Gesellschaft viel ver- sprach. A^erhandlungen mit einem Drucker Avurden bald begonnen". In dieser Denkschrift erinnert er auch an die magnetischen Beob- achtungen, deren Bedeutung für die Schiffahrt dem Czaren ein- leuchten werde; der nach Russland gehende preussische Gesandte a la cultiver. üutre que c'est le grand et veritable interet des uns et des autres. et qu'on reconnait ((ue c'est Tunique nioyen de nous sauver tous e.t la liberte publique. Ce qui est aussi le texte ordinaire de mes sermonS". Über den zu blinden geborenen Minister vonIlgex. dem die Societät Vieles ver- dankt, s. den Artikel von Isaacsohn in der Allg. Deutschen Biogr. 14. Bd. S. 16 ff. Leibniz soll ihn schon im Jahre 1678 in Minden kennen gelernt und nach Berlin gewiesen haben. Bereits unter dem Grossen Kurfürsten war er als geheimer Kammer- secretär ein einllussreicher Beamter in der inneren Verwaltung. Unter Kolbe vox Warten BERG war er. der auch in der äusseren Politik geschidt war. der verstän- digste und thätigste. aber nach aussen wenig hervortretende Staatsmann. Dass die Dinge in diesen Jahren nicht noch trostloser wurden, verdankt man ihm. Seit der Königsberger Krönung, die er vorbereitet hatte, war er wirklicher geheimer Rath und Mitglied des Staatsraths; auf seinen Schultern lag die ganze Arbeit; er leitete die politische Correspondenz , stand an der Spitze der Justizreform und suchte die Domänenverwaltung zu verbessern. Im nordischen Krieg stand er wesentlich auf Schwedens Seite, suchte — darin mit Leibniz zusammenwirkend — eine Ver- einigung mit den mächtigsten norddeutschen Fürsten herbeizuführen und hatte die Erwerbung jenes Theils von Polen, der Preussen von Brandenbvu'g und Pommern trennte, stets im Auge. Nach von Wartenberg's Sturz im Sommer 17 11 wurde er der leitende Kabinetsminister. Als ein durch und durch zuverlässiger Charakter be- wahrte er sich auch das Vertrauen Friedrich Wilhelm's I. (7 6. December 1728). ^ Siehe Jablonski's Diarium. ^ In dem Akademischen Archiv (Fase. »Revenuen«) sind Acten über Ver- handlungen vorhanden, die mit einem gewissen Kopijewitz geführt wurden, der den Druck polnischer und russischer Bücher übernehmen sollte (Verhandlungen mit iluu im Plenum am 18. und 24. August 1702 nach dem Diarium). Auch wurden Pläne gemacht, selbst eine Druckerei und Buchhandlung einzurichten, aber sie kamen nicht über das ^'orstadium heraus. 128 Geschichte der Societät von 1700—1711. solle angewiesen werden, in diesem Sinn thätig zu sein. Endlieli verknüpft er das Missionswerk mit den Unionsbestrebungen: der Mission würde es höchst schädlich sein, wenn Lutheraner und Re- formirtc getrennt wirkten ; das müsste man auch in Sachsen ein- sehen; so w^äre »mit Saxonicis zu überlegen, wie die Sacli zu fassen, damit iu den entfernten Landen beiderseits Protestirende de iisdem sacris participiren könnten«; damit wäre aber das negotium paci- ficum sehr gefördert. Das Geld, das man nöthig habe, könne aus einer Erbschaftssteuer gewonnen werden, auch könne »lege publica eingeführt werden, dass bei jedem Vermächtniss ein legatum ad pias causas sub certo modo et sub certa poena nicht vergessen werden dürfte«'. In einem am Ende seines Berliner Aufenthalts für den König- aufgesetzten Pro Memoria'" hat Leibniz zusammengefasst, was die Societät bisher geleistet und wodurch sie gehindert worden, und auf's Dringendste gebeten, ihren Fundus zu vermehren, da sie sonst der ihr gesetzten Aufgabe nicht zu entsprechen vermöge. »Man liat astronomisclie Observationes angestellet, so viel vor Ausbaiiung des Observatorii füglich geschehen können, man hat neue Rechnungs- und Messkünste angewiesen, dadni-ch schwere und nützliclie Aufgaben aufzulösen, lils ist ein neuer Phosphorus von einem Gliedmaass der Societät erfunden worden, so in einem ver- schlossenen Glas durcli blosse Bewegung allezeit leuchtet und die vermeinten lu- cernas immortales der Alten dargeben kann ^, auch sind andere schöne Experimenta gepriesen worden. Man hat auch besondere machinas ausgedacht, dadurch Dinge von Nuzen und Wichtisikeit auszurichten. Man liat einioe uralte Zeichen der Clii- ^ Siehe Urkundenband Nr. 65, 66. Die Vorschläge medicinisch- meteoro- logische Beobachtungen betreffend, die im ganzen Lande anzustellen sind (Nr. 65), stammen indirect von dem berühmten Professor der Medicin, Friedrich Hoffmann in Halle, mit dem Leibniz seit 1699 im Briefwechsel stand; vergl. die Regesten bei BoDEMANN, Briefwechsel S.93; die dort verzeichneten geschriebenen Abhandlungen stammen, obgleich sie nicht von seiner Hand geschrieben sind, von Hoffmann: I. Anzeige des vortrefflichen Nutzens derer Observationum aus dem Gewitter und Krankheiten, und auf wes Art dieselben an unterschiedenen Orten füglich anzu- stellen. 2. Vorschlag wie in S. K. M. Landen die höchst nützliche Observationes meteorologicae anzustellen sein, nebst: Wahrnehnumg der Gewitterung nach den Baro- und Thermometris vom Monat Jänner des 1700. Jahres, und Beschaffenheit der gemeinen Krankheiten im Jänner-Monat. Li dem Convolut befinden sich aucli zwei Briefe von Leibniz an den Minister von Fuchs. Li dem Brief vom 17. A])ril 1701 empfiehlt er den Plan \-on Wetterbeobachtungen, um den Einfluss des Wetters auf Menschen, Thiere und Plhuizen besser festzustellen, zunächst für den preussischen Staat; in dem Brief vom 9. November 1701 liittet er. dass Hoffmanx Gelder für seine Expeiimente bewilligt werden möchten. ^ Siehe Urkundenband Nr. 67. ^ Hierzu s. den Briefwechsel zwischen dem Hofprediger und Leibniz in IvAPrens Sammlung S. 257 ff. vom 5. iNIärz und 16. April 1701. Der Entdecker ist Dl'. Jägwitz. Docli scheint die Sache nicht bedeutend gewesen zu sein. LEinxizens Bericht an den König ül)er die Soeietät (1702 AnfVmg). 129 nesei' erläutert, so sie nun von 2000 Jahren lier selbst nicht mehr verstehen, und die doch einen neuen mathematischen Schlüssel in sich halten. Man hat in dem Alterthum der teutschen Sprache nicht wenig entdecket, das Celtische mit dem Teutschen zusammen gehalten, alte teutsche Manuscripta nützlich angewendet, auch 3Ionumenta der teutschen Historia ans Licht bracht und hoö'et, dermaleins zu einem rechtschaifenen teutschen Wörter- Schatz gelangen zu können, sonderlich da durch liohe Hülfe die Kunst- und andere besondere Wörter, so bei verschiedenen Sorten der Menschen in Gebrauch, zusammen zu bringen sein möchten, so den Sprachen und Künsten zugleich zur Beförderung gereichen würde. Es würde auch verhof- fentlich K. Maj. bereits einen oder mehr Observatores durch Moscau in die grosse Tartai'ei und bis nach China haben gehen lassen, in den fast noch imberührten Ländern ganz neue Dinge zu entdecken und zugleich Missiones evangeUcas zu veran- lassen, wenn nicht der nordische Krieg dazwischen kommen. Und jezo ist man begriffen die Sache also zu fassen, dass jährlich einige Miscellanea durch Veranlassung der Soeietät herfür kommen mögen.« Aber die Durchführung aller dieser Unternehmungen und der Druck der KiRcn'schen Ohservationen erfordere Geld. Wieder wer- den die alten Vorschläge nutzreicher Privilegien gemacht, besonders das Büchercommissariat, und neue hinzugefügt. Unter diesen ist der Vorschlag einheitlicher Regelung der Maasse und Gewichte durch die Soeietät (nach dem Decimalsystem zur Vermeidung der Brüche) der werthvollste. Aber auch in seiner politischen Correspondenz mit der Kur- fürstin-Mutter zeigt Leibniz, dass er die Soeietät nicht vergessen hat. Am 2i.October 1701 schreibt er ihr^: "Je suis maintenant ä Oranienbourg pour quelques jours, pour travailler aux interets de la nouvelle Societe Royale des Sciences. Le roi me temoigne de la vouloir favoriser. Et comme on depeche au resident en Moscou, il sera charge encore de quelques ordres cpü regardent nos missions dans ce pays-lä et vers la Chine-. (Jn traite aussi avec les Anglais et Hollandais, touchant le passage dans la Medi- terranee et les Etats du grand seigneur par ceux de Brandebourg et de Femperevu-. Car on peut aller par eau de Hambourg a Breslau, et apres quelque trajet de teri-e jusqu'a Vienne, on va par le Danube jusque dans la mer noire. On attend aussi des Armeniens pour le negoce de Koenigsberg, juscju"en Perse. iNIons. le grand chambellan m'a temoigne, combien le roi est resolu de faire ce qui depend de lui pour la cause commune, et le comte de Wartenbourg [sie] ^ Siehe Klopp, 8. Bd. S.agif. - Der Gesandte Lubitsuezki erhielt im Januar wirklich solche Aufträge, s. die Schreiben von Leibxiz an den Hofprediger vom 26. Januar 1702 (KAPpens Samm- lung S.318) und an die Königin vom 15. Januar (Klopp, 10. Bd. S. 132). Li letzterem spricht Leibniz sogar von "Al.Lubiniezki envoye de la societe vers leTzar". übrigens war er am 13. Mai noch nicht al)gereist. »Er hat sich in der Astronomie, soviel ihm zu seinem Zweck nöthig, genugsam perfectioniret und wartet nur noch einiger Instrumente, nacli deren Erhaltung er fertig sein wird, seine Reise anzutreten. Die Cliartam magneticam, im Fall er es vergessen sollte, abzufordern wird man schon eingedenk sein« (Secr. -Leibn. Xr. 24). Auch am 2 7.1\rai "übte er sich noch in der Astronomie" (a. a. O. Xr. 25). Geschichte der Akademie. I. 9 130 Geschichte der Societiil von 1700 — 1711. Iiii - iiieiiK; considerc coinme an i^raiid honlKMir la })rc'.sentc imion des inaisoiis de Brandebourg et de Brunsvic, qu'U travaillera toujours d'entretenir^" »Par la vötre« — erwidert die Kurfürstin am 29. Oetober" — i>d'Oranienbourg je vois qiie vous avez le plaisir de voir executer vos belles idees. J'espere que nous verrons bientöt un livre des missions qiii se doivent faire, et que j'aurai au moins le plaisir de le lire.« In den Briefen, die er in diesen Monaten — sobald er vorüber- gehend wieder in Hannover war — der Königin geschrieben, findet er Zeit, sich witzig mit einem Goldmacher zu beschäftigen, der da- mals Berlin unsicher machte, und zugleich der Societät zu gedenken. »Bei mir vermehrt sich nicht das Gold, sondern die Jahre«: "pour V. M. c'est une autre affaire. Son age et sa bourse lui doiiaent le moyen d'attendre et de parvenir. Amsi je lui conseille tres humblement de prac- tiqiier quelque laboratoire dans son batiment de Luzenbourg, et d'y loger quelqne hal)ile chimiste ä qui j'irai souvent rendre visite au soi-tir de la Bibliotheque que V. M. y va dresser, passant par le cabinet des raretes naturelles, qui sera entre deux .... 11 est vi*ai que l'or nous fournirait bien d'autres choses. Mais V. JNI. n"en a-t-elle pas plus que tous les chimistes ne nous feront? Ainsi Luzenbourg peut devenir Heliosophopolis sans la pierre«^. Seine Abreise aus Berlin verzögerte sich einer Unpässlichkeit wegen. Als er es endlich verliess, hatte er nichts fiir die Societät erreicht, kaum Versprechungen*. Schmerzlich war es ihm auch, dass seine in den Denkschriften niedergelegte ausserordentliche Arbeit für die Societät und seine Bemühung in Irenicis, die ihm manche Kosten verursachte , vom Könige nicht belohnt wurde. Auf seine Be- ^ Dieser Brief war zur rechten Zeit geschrieben ; denn er kreuzte sich mit einem Schreiben der Kurfürstin Sophie vom 22. Oetober (a.a.O. S. 293), in wel- chem diese mit der Vielgeschäftigkeit ihrer Tochter imd Leibnizcus nicht zufrieden ist, weil ihr misstrauischer Sohn, der Kurfürst, unwillig geworden. «Vous avez trop vastes entreprises pour que l'Electeur puisse etre mal satisfait de votre voyage. Nous en avons. fait un discours de table ... La reine fait bien mieux de parier de son batiment que des intrigues de la cour. Je vois par la lettre du comte ch^ Wartenberg qu'il croit avoir des ennemis qui ont en dessein de lui faire un mechant ragoüt etc.« Diese Verstimmung oder richtiger Sorge hielt aber nicht an. Bereits am 21. Nov. 1701 schreibt sie an Leibniz (a.a.O. S.313): »Mon fils l'Electeui' a lu avec plaisir ce que vous me mandez de la bonne dis})()sition de la cour de Brandebourg, et, je crois. souhaite d'en voir les effets«. 2 A.a.O. S.249f. ^ Klopp, 10. Bd. S.iii. Brief vom i4.Dec. 1701. * \'ün Interesse ist das Unternehmen der in Königsberg wohnenden auswär- tigen Mitglieder der Societät, in ihrer Stadt eine Art Filiale zu gründen, regel- mässig wöchentliche Versammlungen zu halten, eine Druckerei einzurichten und so die Wirksamkeit der Societät zu erhöhen (sie wollten auch — ohne dem Privileg der Societät zu nahe zu treten — besondere Kalender für Preussen drucken). Das Berliner Concilium nahm diese Absichten freundlich auf und befürwortete auch eine LEiBNizens Kückkelir von Berlin (Februar 17n2). 1dl merkung an den vertrauten Hofprediger antwortete dieser^: «Es ge- scliieht wohl, dass ein grosser Herr eine Zeit lang etwas schuldig bleibt; zu seiner Zeit aber erfolgt Capital und Zinsen mit einander«. An Burnet de Kemney schrieb Leibniz gleich nach seiner Rückkehr aus Berlin etwas resignirt", die Societät, die der König eingerichtet und mit deren Sorge er ihn betraut habe, könne »mit der Zeit« etwas nützlicher werden; »mais on ne peut avancer que lentement en ces matieres dans les conjonctures presentes, ou les princes sont obliges de tourner leurs princi2:)aux soins du cote de la guerre«. 3. Der Astronom der Societät entdeckte im Frühjahr 1702 einen neuen Kometen — der gelehrten Welt wurde das freudig mitge- theilt^ — , aber der Ausbau des Observatoriums kam nicht zu Stande. Wiederholt schrieb man LEmxiz , es werde in einigen Monaten be- ziehbar sein, bereits Averde das Innere in Angriif genommen; man verschob die »Einrichtung« der Societät bis zur Einweihung des Gebäudes; noch am 15. April 1704 berichtete der Secretar, »der Bau gehe immer fort« ; aber er blieb bei allem Fortschritt so un- fertig wie die Societät selbst, und sein Zustand lähmte diese so sehr, dass die regelmässigen Sitzungen aufhörten — man nahm sich vor, sie wieder einzurichten, wenn man das eigene Haus bezogen habe. Plötzlich kam die niederschlagende Kunde von einer grossen Veränderung im Kammerwesen, durch die alle königlichen Bauten Eingabe der Königsberger beim König, in der sie ein Gemach im Schloss für ihre Zusammenkünfte wünschten; »zur Zeit, wenn der Hof anwesend, wiirden sie das Gemach jedesmal räumen« (15. Februar 1702). Die Bitte wurde nicht bewilligt (s. Briefe vom 21. April und 5. August 1702), und der Plan scheint dann überhaupt nicht durchgeführt worden zu sein (Acten im Geheimen Staats- und im Akademisclien Archiv » Fundation"). Doch kamen die Königsberger im October 1703 noch einmal auf ihn zurück; sie wollten nun in der Bibliothek zusammenkommen (Akademisches Archiv). ^ Brief A'om 25. Januar 1702 (Hannoversche Bibliothek). LEiDxizens Brief vom 26. Januar, in welchem er augenscheinlich zum zweiten Mal auf die Sache kommt, steht in KAPPens Sammlung S.319, Hier will er speciell für die Irenica honorirt sein. Dazu ist das undatirte Schreiben in Kappcus Sammhmg S.327 zu vergleichen: «Weil die Sache, soviel mich betrifft, nicht ohne allerhand Bedenklich- keit, so würde nöthig sein, micli durch ein zulängliches Fixum (ausser der Cassa Societatis) in solchen Stand zu setzen, dass ich der Sache mit völligem Nachdruck insistiren und besser abwarten könne«. ^ Klopp, 8. Bd. S.340 (vom 27. Februar 1702). ^ Secr.-LEinx. Nr. 22.23 ^'om 25. und 29. April 1702. 9* 132 Geschichte der Societät von 1 700-1 TH. sistirt wiirdon (Mai I704)\ Die finanzielle Lage war in der Tliat (lureli den Aufwand des Hofes und die schlechte Verwaltung so be- denklich geworden, dass die neue Amtskammer nur noch das Noth- wendigste weiterführte und die Gebäude halb fertig stehen Hess, Zwar machte die Societät sofort eine Eingabe beim Oberkammer- lierrn (Juni 1704); aber trotz einer königlichen Anweisung an die Kammer geschah nichts". Diese verweigerte den Bau «unter aller- hand nichtigen Vorwänden«, So blieb nur die Hoffnung, dass Leib- Nizens Autorität, persönlich geltend gemacht. Hülfe bringen" oder dass der Gönner der Societät, Hr. von Tettau, sein Versprechen halten und eine neue königliche Ordre bewirken werde ^. Man l)e- fand sich also nach Verlauf von vier Jahren auf dem alten Fleck: wohl ragte das stattliche Thurmgebäude in die Lüfte, aber kaum im Rohbau war es fertig. — Im Februar 1702 war Leibniz nach Hannover zurückgekehrt; bereits im März wollte ihn die Königin, die ihn als ihren Beamten betrachtete, wieder in Berlin sehen •\ Im Mai ging er dorthin, der wissenschaftliche Austausch mit der Königin, an dem auch Toland Theil nahm"^ und der die höchsten Fragen umfasste, überragte jetzt den politischen^. Nach zwei Monaten verliess er Berlin, kehrte aV)er ^ Berichte über den guten Fortgang des Baues a. a. O. Nr. 24 (13. Mai 1702), Nr. 26 (4. August 1703), Nr. 29 (i.März 1704), Nr. 30 (15. April 1704), s. auch des Hofpredigers Brief an Leibniz vom i. Dec einher 1703 (IvAPpens Sammkmg S.334). Einschlafen der Zusammenkünfte und Verschiebung der Einrichtung regelmässiger Conventebis zur Fertigstellung des Baues Nr. 24 (vei'gl. Nr. 32 vom 17. Juni 1704: «Vier Wochen lang ist keine Zusammenkunft gewesen"). »Grosse im Kammerwesen vor- gegangene Veränderung" in Nr. 31 vom 10. ]Mai 1704. ^ Secr.-LEiBN. Nr. 32. ^ A.a.O. Nr. 33 vom 2. August 1704. * A. a. 0. Nr. 34 vom 4. April 1705. " Siehe Klopp, Werke, 10. Bd. 8. 136 ff. ^ Die Auseinandersetzung mit ihm erfüllte die Gedanken LEiBNizens und der Königin bis zum Ende des Jahres; auch die Kurfürstin -JMutter nahm an dieser geistigen Bewegung Theil. Näheres bei Guhrauer, G. W. Frhr. von Leibnitz 2. Bd. S. 224 ff. ' A. a. O. S. 145 — 194 und 8. Bd. 8.352ff., 363ff. Auch glänzende Feste fehlten niclit; s. 10. Bd. S. 188 ff. und LEiBNizens Brief an Krebs vom 6. Juni (Bodemann, Briefwechsel S. 122): »Ich befinde mich anjezo allliier mit der Churfürstin Durch- laucht in der Königin von Preussen Lusthaus. Da passiret man die Zeit nur all- zuwohl; denn sie fleugt gar sclinell dahin, also dass es scheinet, die allzu grosse Becpiemlichkeit sei nicht gut, indem sie mnchet. dass die Menschen ihr Leben mit ihrer Zeit gleichsam ohnvermerkt verlieren und es nicht genugsam brauchen noch empfinden". Vergl. auch den schalkhaften Einladungsbrief, den Frl. von Pöllnitz am 8. April im Auftrag der Königin an Leibniz gerichtet hatte: ». . . S. M. la reine vous invite de venir ä Luzembourg et vous ea fait instamment prier, vous ne jiourriez Die Societät in den Jahren 1702—1704. Das ^Monopol auf Seide. 13^) im September abermals dorthin zurück und blieb nun mindestens bis zum 8. Mai I703\ Da er sich überzeugt hatte, dass die bisher von ilim für die Societät vorgeschlagenen Privilegien keine Hoffnung gewährten"', so fasste er nun einen neuen Plan , den er sofort mit allem Nachdruck betrieb. Er hatte sich schon seit lo Jahren für den Seidenbau interessirt^; nun wollte er ihn in Preussen ein- führen und der Societät das Monopol erwirken. Keine andere An- gelegenheit der Societät hat er in den folgenden Jahren mit solchem Eifer und solcher Zähigkeit betrieben wie diese. Er klammerte sich an sie, weil er in ihr die letzte Hoffnung sah, der Societät eine breitere Grundlage zu geben und sie für grössere Unternehmungen aus- zustatten. Die Zahl der Entwürfe für das Seidenwerk von seiner Hand (in der Bil)liothek zu Hannover, in den Societätsacten fol. 149 — 179. 112 — 125 und sonst) ist ausserordentlich gross und ebenso die Zahl der Briefe, die er in dieser Sache geschrieben hat. Da er bei sei- nen früheren Vorschlägen nicht die nöthige Unterstützung gefunden hatte, so beschloss er diesmal, die Autorität der Königin anzurufen: sie sollte die Protection des Seidenbaus übernehmen und den König bestimmen, seine Gunst diesem Werk zuzuwenden. Die erste Nachricht besitzen wir in einem undatirten, aber spä- testens dem December 1702 angehörenden Briefe von Leibniz an die Königin*: "Conformement aux ordres de V. M., j'ai parle hier ä ]M. le grand chambellan. touchant la concession de la culture de la soie. II m'a demande un papier pour sc mieux souvenir des circonstances, et je lui ai donne celui-lä meine que j'ai lu ä V. INI., oü la chose etait expliquee en peii de mots. Je laisse juger, si V. 31. voudra faire appeler Elle-meme M. le grand chambellan chez Elle expres, pour lui en parier; mais surtout il sera bon qu'ElIe parle au plus tot a M. le grand veneuj-. ä la verite mieux faire (jue de venir presentement. C'ar nous sommes conune le j^roverbe allemand dit: Wenn die Katze niclit zu Haus ist, danzen die Meuse auf den Bänken«, u. s. w. ^ Siehe Klopp, 10. Bd. 8.3840'. Nach dem Diarium Jablonski's präsidirte er den Sitzungen der Societät am 16. Juni und 24. November 1702. Die Abreise hat sicli zuletzt durch eine Krankheit verzögert. ^ Nur das Kalenderprivileg war, um den fortgesetzten Nachdrucken zu be- gegnen, am 24. August 1702 vom Könige wiederholt und eingeschärft worden. Aber die Nachdrucke nahmen nicht ab, s. die Eingabe der Societät an den König vom 2. Mai 1704 (Geh. Staatsarchiv). Das Lotterie- Project wurde im Mai 1702 noch einmal in Berlin berathen (s. Secr.-LEiBN. 25), Hess sich aber nicht durchsetzen. ^ Siehe Klopp, Werke, 6. Bd. S. 227ff. : -Bedenken über Seidenziehung« (1692). * Siehe Klopp, Werke, 10. Bd. S. 194. Aber wahrscheinlich hat Leibniz schon im September den Plan aus Hannover mitgebracht, s. seine Versicherung an Cu- NEAu (Brief vom 19. September 1702; Hannoversche Bibliothek), er habe den höch- sten Eifer .[lour tout ce <[ui regarde la gloire de S. 31.« 134 Gescliichte der Societät von 1700-1711. afin qii'il favorise Faffaire. JMais il sera bon surtout que V. M. continue d'en parier au roi. L'affaire est plus importante qu'elle ne semble. Je rends compte de Taffaire par ee billet, n'etant pas en etat de le faire aujourd'hui de vive voix'.« Die Königin übernahm die Protection und stellte am 8. Ja- nuar 1703 Leibniz eine förmliche Vollmacht aus, »von Unseretwegen und zum Besten der Societät, die Einführung der Seidenziehung in diesen Landen gehörigen Orts zu suchen und, so viel an ihm, zu Richtigkeit zu bringen""«. Der König zeigte sich in einer Leibniz gewährten Audienz der Sache günstig, und dieser stellte nun auf Grund eines ausführlichen Pro Memoria's den Antrag, dass mit der Vorberathung die beiden Minister von Fuchs und von Ilgen betraut würden^. In mehreren »Schreiben* suchte er selbst die Minister und höheren Beamten für die Sache zu interessiren. Nach seinem Vor- schlag sollte der König neun Punkte gewähren: 1. Ein Privilegium perpetuuni an die Societät, dass sie allein in dem ganzen Königreiche Rohseide herstellen dürfe. 2. Die Überweisung der Königlichen Maulbeei'gärten zu Cöpenick, Potsdam, Glinike, Bornim u. s. w. an die Societät (gegen einen Grundzins). 3. Die Anweisung geeigneter Plätze in allen Provinzen zur Anlage von IMaul- beer- Baumschulen und die Unterstützung der Einrichtung durch Frohn- dienste und Zaunholz -Lieferung. 4. Die Anlage von jNIaulbeer- Alleen zur Nutzung der Societät. 5. Das Vei'bot. dass irgend Jemand INIaulbeerbäume ohne Bewilligung der Societät pflanze. 6. Die Einräumung von Gebäuden zur Zucht der Seidenraupen. 7. Das Recht zur Verarbeitung der Seide (dabei soll sich die Societät der Leute bedienen, welche bereits mit dergleichen in des Königs Landen ihre Nahrung treiben, wenn sie sicli billig und bequem erzeigen). 8. Die Bestimmimg, dass Jeder, der der Societät Verbesserungen für den Seidenbau vorschlägt, für sich und seine Erben den 10. Theil des Über- schusses geniessen solle. 9. Einen Vorschuss zur Eini-ichtung des Werks. Alles schien im besten Gang zu sein, als plötzlich der Rath Hamrath (5. Februar 1703) Leibniz im Auftrag des Königs mittheilte, die Jahreszeit sei bereits zu weit vorgeschritten , um für diesen ^ Vergl. den Brief an die Königin vom 30. December 1702 (Klopp. 10. Bd. vS. 196): "Mais si je Tose dire, V.M. me rejouira infiniment davantage, si Elle me fait apjn-endre le progres qu'Elle aura fait ou fera en matiere de la culture de la soie. Cela est si beau et si important, et V.M. en tirera tant de satisfaction , si I^lle veut bien y donner un peu d'application presentement, qu"en qualite de ser- viteur zele je dois Ten su])plier. Et tout ce ([ue V. ]M. pourra faire poiu- en tirer au plus tot la parole du roi en gencral . au moiiis (|u"il en donne la concession a V. M., sera le mieux du niondc". ^ Siehe L'^rkundenband Nr. 68, A und B. ^ Siehe LTrkundenl)and Nr. 69 und 70. * Klopp. AVei'ke. 10. Bd. S. 379 ff. Das Monopol auf Seide. ]\Iissgunst gegen Leibxiz (Frühjahr 170;|). 135 Sommer das Werk einzurichten ; es sei auf das nächste Jahr zu ver- schieben; wenn die Betreibung der Seidensache der einzige Grund seines Aufenthalts in Berlin sei, so stünde seiner Abreise nichts im Wege\ Man war am Hofe augenscheinlich misstrauisch gegen ihn ge- worden und suchte ihn zu entfernen". Bereits trat das ein, was zu befürchten war und was Leibniz selbst in einem Brief an die Königin vom S.Mai 1703 aussprach — er gerieth zwischen zwei Stühle : "Je n'espere pas que le roi sera prevenu contre moi, parce que je suis d "Ha no vre, et que la societe royale en souffrira. En ce cas je serais doublement mal- heureux, ayant ete soupc^onne a Hanovre d"un trop grand attachement pour Berlin. iNIais je vais au bien general qui est le vrai interet des deux cours. y. 31. nie peut rendre bon temoignage de Fun et de l'autre cote.« Diesen Brief schrieb er von Berlin aus an die in Hannover weilende Königin; er hatte sie nicht dorthin begleiten können, ob- gleich man ihm den Wink gegeben hatte; denn er war leidend, und er wollte das Schlachtfeld nicht verlassen, ohne das Seidenprivileg erobert zu haben. An diesem lag ihm jetzt Alles; denn er sah die Societät und mit ihm das Ansehen des Königs, der sie gestiftet, dahin fallen, wenn es nicht bewilligt wurde. »So legte er jenem Brief ein ostensibles, für den König bestimmtes Schreiben bei, in dem er noch einmal die kritische Lage der Societät auseinander- setzte und in den dringendsten Worten die Einführung des Privi- legs, das ja so gut wie nichts koste, erbat^. Mit Recht durfte er sagen, dass ihn die reinsten Absichten beseelen und dass er nur die Wissenschaft und den Ruhm des Königs im Auge habe^. Allein dass er nebenher auch politische Geschäfte geführt hatte, war un- leugbar, und dass man sie in Berlin unter einem anderen Gesichts- punkt betrachtete als unter dem »des Wirkens für das allgemeine Wohl«, ist nicht verwunderlich. ' Siehe den Brief bei Klopp, 10. Bd. S.383f. - Hr. VON Ilgen kann nicht zu seinen Gegnern gehört haben; er hat ihn noch kurz vorher zu einem Gutachten in der Neufchäteler Sache aufgefordert (ein un- datirter Brief Ilgen's und die Antwort LEiuNizens vom 20. Januar 1703 in der Hannoverschen Bibliothek; über Leibnizcus Gutachten s. GuHRArER, G. W. Frhr. VON LEiBNrrz, 2. Bd. vS. 2 2of., s. u. Anhang S. 2if.). ^ Beide, von demselben Tage stammenden Briefe im Urkundenband Nr. 71. 72. * Kurz vorher hatte er an Wartenberg geschrieben (Klopp, 10. Bd. S.379 f.): A\ E., qui ne peut manquer de connaitre la sincerite de mes intentions, n'ignore pas que je ne me sacrifie que trop j^our le bien public, et surtout pour l'avance- nient des sciences, dont, excepte quelcpie reputation et applaudissement des plus 1H6 Geschichte der Societät von 1701»— 1711. Von Hannover aus liat Leibniz die Erlangung des Privilegs w(nter betrieben und sich keineswegs durch den ersten Misserfolg abschrecken lassen — Cuneau übernahm es, in Berlin für dasselbe thätig zu sein' — ; allein seine Freudigkeit zur Sache hatte doch einen gewaltigen Stoss erlitten. Die neue Spannung, die zwischen Hannover und Preussen eintrat, stimmte ihn traurig und unmuthig"; gi-ands hommes de l'Eui-ope, je n'ai retire que du dt'sa\aiitage dans ines affaires ])articulieres; neanaioins je ne m"en repens point, et je m'arrete encore ici. avec inou incommodite, pour cette seule raison de venir a tiuelque reglement necessaire et preliminaire«. AhnHch in dem Brief S. 381 ff. und in dem Schreiben an Ilc4en (Hannoversche Bibliothek) vom 3. Januar 1703: »Si je suis reserve dans mes propres interets, je ne le suis point de meme dans ceux de la Societe Roj^ale des Sciences«; denn hier handelt es sich um den Ruhm des Königs und das all- gemeine Wohl. ' Siehe Secr. -Leibniz Nr. 27 und 28 (i i. September und 6.Novenil)ei' 1703). Auch der Hof23rediger zeigte anfangs Interesse für die Sache, .s. seinen Brief vom i.December 1703 (KAPpens Sammlung S.334), in welchem er auf die vertriebenen Oranger als auf Leute verweist, die mit dem Seidenbau mnzugehen wüssten, und dazu den Brief LEiBKizens an ihn vom Januar 1704 (a. a. 0. S.404 f.). — Ein ge- wisser Anfang wurde zur Probe schon im Jahre 1703 gemacht, s. Urkundenba iid Nr. 76 Punkt 5. Leibniz Hess sich für Sachsen ein Privilegium geben und fing sell)st in Hannover an. Seide zu bauen (in der Hannov. Bibliothek Fase. »Societät" ist eine Quittung von ilmi iiber den Empfang von zehn Pfund Maulbeerbaum -Samen vom 14. Januar 1703, s. dazu ebendort die Briefe vom 14. Januar und 23. März 1703: Anstellung des Meisters Otto in Berlin für die Seidensache), aber er hatte mehr Schaden als Nutzen davon, da er nicht Zeit gewann, selbst für die Sache genügend zu sorgen. Er liess sie aber nicht liegen, sondern betrieb sie bis an's Ende. »Wie denn dies sein Naturell war, in schweren Sachen niemals nachzulassen, sondern alles aufs äusserste zu treiben« (Bericht von Eckhardt). ^ Sehr charakteristisch und lehrreich sind die Worte, die er am 7. December 1703 (BoDEMANN , Briefwechsel S.380) an Wassenaer über den Berliner Hof imd sein Verhältniss zu dem von Hannover geschrieben hat; sie zeigen zugleich die Reinheit seiner Absichten: ... Je vois que presque par tout l'Einpire ceux, (|ui ont le meme but, ne s'entendent gueres et par consequent ne s'entr'aident point coinine ils pourraient, s'il y avait de la cordialite et si on ne melait pas de petits interets particuliers qui s'opposent au grand interet commun. Je vois meine que bien souvent ce n'est pas meme Tinteret qui brouille les gens et que c'est plutut quelque piquanterie 011 passion: telles me paraissent les differences entre la cour de Brandebourg et la maison de Luneboui-g. J'ai oui dire iin jour au feu Electeur (jue. lors(|ue son aine Christian Louis vivait encore. ils avaient 20 controverses pour le moins avec Hesse- Cassel au sujet des limites et autres affaires qu'il y a souvent entre voisins, et cependant les princes etaient bons amis. II laut faire terminer ces sortes d"affaires par des voies amiables ou de la justice et surtout s'abstenir des voies de fait, et ne point faire entrer ces controverses en ligne de compte, quand il s'agit des affaires importantes et generales qui regardent la patrie. Je Tai assez preche ä Berlin, »sed non omnes capiunt verbum hoc«. La cour de Berlin jjrend feu sur la moindre chose, qui merite h peine qu'on en prenne con- naissance .... LEiBxizens Versuche, in Dresden eine Akademie zu begründen. 18/ er sah sich in Berlin beargwöhnt, und das konnte auch nicht oline Folgen für sein Verhältniss zur Societät bleibend Unter solchen Umständen wandte sich der unermüdliche Mann, ohne seine Beziehungen zu Berlin aufzugeben, Dresden zu und suchte dort eine Societät der Wissenschaften zu begründen, die mit der Berliner correspondiren sollte. Von Anfang an war ja sein Absehen nicht auf eine Avissenscliaftliche Anstalt gerichtet, son- dern auf die Schöpfung eines ganzen Systems von Akademieen. Mit dem sächsischen General Grafen von Flemming und dem Pater Vota betrieb er den Plan, dessen er zuerst in einem Briefe an den letzteren vom 3. September 1703 Erwähnung thut. Im Januar 1704 war er persönlich in Dresden, wusste auch Patkul zu interessiren und setzte sich mit dem berühmten Leipziger Gelehrten von Tsciiirn- HAUSEN, der bereits eine mathematisch -physikalische Akademie in Leipzig plante, in Verbindung. Die Erfahrungen, die er in Berlin gemacht hatte, sollten dem Dresdener Unternehmen zu Gute kommen. Diesmal dachte er an eine Tabaksteuer zu Gunsten der Societät. Die praktisch -realistische Tendenz tritt in dem Dresdener Plan noch stärker hervor als in dem Berliner; auch sollte ein statistisches Bureau mit der Anstalt verbunden sein, ein »Intelligenzamt«; auf die Leitung des Jugendunterrichts war ein besonderes Gewicht ge- legt; alle neuen Erfindungen sollte die Societät zu prüfen haben u. s. w. Während des Jahres 1 704 hat Leibniz dies Unternehmen betrieben , das als ein allgemein sächsisches — auch für die herzog- lichen Linien — gedacht w^ar. Finde i 704 war er zum zweiten Mal in Dresden, und im W^inter 1 704/5 hatten Tsciurnhausen und er die Sache so weit gefördert, dass Alles fertig, ja mundirt w^ar, und nur die Unterschrift des Königs fehlte. Der verhängnissvolle Krieg durchkreuzte den Plan, und er wurde nicht wieder aufge- nommen". ^ Ob die Thatsache, dass man seit dem Herbst 1703 begann, Auswärtige in die Societät aufzunehmen und Leibxiz nicht vorher davon in Kenntniss zu setzen (s. Secr.- Leibniz Nr. 27.28), aus einer beginnenden "Kaltsinnigkeit» zu erklären ist, steht dahin. — Der wissenschaftliche Briefwechsel mit La Croze begann im Frühjahr 1704; Leibniz hat ihn angefangen. Mit dem Astronomen Kirch war Leib- niz in Berlin in engen wissenschaftlichen Verkehr getreten und hatte ihn mit be- sonderen astronomischen Aufgaben betraut. Ein reger Briefwechsel entwickelte sich, s. die Briefe vom 5. und 13. August, 20, October, 27. November und 4. December 1703 (im Joachimsthalschen Gymnasium) und vom 24. Juni und 13. August 1704 in Hannover, u. s. w. ^ Vergl. die erschöpfende Darstellung von Bodemann im Neuen Archiv für Sachs. Gesch. 4. Bd. 1883 S. 177 — 214: Leibniz" Plan einer Societät der Wissen- 138 Geschichte der Societät von 1700-1711. In dieser Zeit der Spannung zwischen Leibniz und dem Ber- liner Hofe war die Societät thatenlos. Von der Anstellung des berühmten Gundelsheim(er), der mit Tournefort eine Reise in den Orient gemacht hatte, als Leibarzt des Königs erwartete sie, «es werde durch dessen Reception der Societät ein sonderbarer Nutz und Ansehen zuwachsen'«. Sie tävischte sich grausam; Gundels- UEIM wollte nicht aufgenommen sein, verachtete die Societät und wurde ihr schlimmster Feind. Kurz bevor die Arbeiten am Ob- servatorium eingestellt wurden, hatte die Societät endlich das Con- cej^t eines ausführlichen Statuts zu Stande gebracht. Sie legte es Leibniz zur Begutachtung vor". Diese Angelegenheit sollte sechs Jahre später verhängnissvoll werden. Der Plan, Acta eruditorum Schäften in Sachsen. Das Actenstück, welches Formey (Hist. de I'Acad. Royale S.2iff.) als LEiBNizens Vorschlag für die Errichtung einer Societät in Berlin ab- gedruckt hat, ist vielmehr sein Vorschlag für Dresden. Es ist identisch mit dem Stück, welches BooEaiANN (die LEUtNiz- Handschriften der K. öffentl. Bibliothek zu Hannover 1895 S.220 Bl. 75 — 78) beschrieben und iirthümlich ebenfalls zu "Berlin« und nicht zu »Dresden" gestellt hat. Das Richtige schon bei Guhrauer, G. W.v. L. 2. Bd. S. 203 f. — hn Anfang des Jahres 1704 hat Leibniz auch das berühmte po- litische Manifest ausgearbeitet zu Gunsten Carl's Hl. von Spanien, Avelches, wie so viele seiner politischen Ai'beiten, anonym erschien, aber in unserem Jahrhundert als sein Eigenthum erkannt worden ist: »Manifeste contenant les droits de Charles HL, roi d"Espagne, et les justes motifs de son expedition, public en Portugal le 9 Mars 1704". Die Schilderung und Kritik der Zustände in Fi^ankreicli und des Verfalls des religiösen und sittlichen Geistes , sowie die einschneidende Beurtheilung der Politik Ludwig"s XIV. sind sehr lehrreich. Auch an eine in Wien zu gründende Akademie hat er damals gedacht und den Schwager des Kaisers, den Kurfürsten von der Pfalz, dafür zu interessiren gesucht; s. Huber , Gesch. d. Kais. Akademie d. Wissensch. S. 5 f. '■ Siehe Secr. -Leibn. Nr. 28 vom 6. November 1703. ^ Siehe Secr. -Leibn. Nr. 29 (i. März 1704) und den Brief des Hofpredigers an Leibniz vom 5. Alärz 1704 (Kaitcus Sammlung S. 416). Das Schreiben des Secre- tars lautet: »Demnach das vor die Societät gewidmete (Observatorium nach und nach zu brauchbarem Stand gelanget, also dass in Kurtzem die gehörige Versammlungen darin angetreten und fortgesetzt werden können, so hat man nötig gefunden, das ehemals punktweise entworfene Project eines Regleinents nach denen darüber ge- haltenen Deliberationen in eine Form zu bringen und zu der K. Bestätigung zu befördern, hiemit auch um so weniger säumen, als von einer baldigen Reise S.K.M. bei Hofe stark gesprochen zu w^erden beginnet. Und wenn liiemit allein auf Ew. Ex. Wiederanherokunft, zu av elcher, dass sie mit dem Gefolg L M. unserer Königin geschehen werde, uns die Hoffnung gemachet worden, zugewartet wurde, solche aber unvermuthet weiter hinaus verschoben worden, so habe den abgefassten Ent- wurf sotanen Reglements anbefohlener ]NLTssen hiemit übersenden sollen, zugleich im Namen derer meml)roriiiii. so dazu concurrirt, dienstlich bittend, denselben hoch geneigt zu durchsehen und nebst denen etwa beyfallenden ]Monitis mit näch- stem zuriickgehen zu lassen, damit die Sache zum Bestand zu bringen die bequeme Zeit nicht entgehen mÖ2;e". Leibniz aufs Neue in Berlin (1704. 170.")). 139 herauszugeben, ruhte auch. Die Auswärtigen erkundigten sich be- reits , wann sie erscheinen würden , ob man Beiträge liefern dürfe — denn, wie der Breslauer Neu3iann schrieb — »Es ist noch immer viel übrig zu sagen, was nicht gesagt ist worden« — , aber es geschah nichts; man konnte sie nur vertröstend Allmählich überwand der König durch Vermittlung der Kö- nigin das Misstrauen — ihre Correspondenz mit Leibniz war unter- dess nicht unterbrochen worden" — , und nach einem Jahre etwa konnte Leibniz wieder versuchen, direct in Berlin zu arbeiten und das Seidenprivileg zu erlangen. In einem vertraulichen und an- muthigen Schreiben an die Königin bittet er sie, sich auf's Neue der Sache anzunehmen und sie beim Könige durchzusetzen. »V.M. sait que je pretends que le ver a soie est Fanimal de la terre le plus fait pour les philosophes apres Thomme, avec Tarbre dont il est la chenille, c'est-a-dire avec le inürier. « Er hofft auch, die Königin werde Theile ihrer Gärten für das Werk bestimmen. In dem Antwortschreiben erwidert diese, dass der König jetzt der Unternehmung sehr günstig gestimmt sei^. Ende August* traf Leibniz auf drei Monate wieder in Berlin ein. Sofort fasste er alle seine früheren Vorschläge wegen Privilegien in einer Eingabe zusammen und fügte ihnen die erneute Bitte um das Seidenprivileg bei. Da er sich aber nicht verhehlen konnte, dass im günstigsten Fall alle diese Monopole erst nach Jahren gewinnbringend sein würden, schliesst er mit der Bitte, der Societät daneben »eine gewisse Ein- nahme« zu geben "". Im Januar i 705 begab sich Leibniz bereits wieder nach Berlin. Die Königin hatte ihren Gemahl endlich bestimmt, sich ihm dank- bar zu erweisen und ihm die grossen Unkosten , die er gehabt, ' Siehe die Briefe von Neumann, dem Professor StuRM in Frankfurt, dem Hofprediger und von Leibniz an Neumann in IvAPPens Sammlung S.323. 328. 420. - Am II. Juli 1703 schrieb sie ihm (Klopp, 10. Bd. S. 21 i f.): -Voici un long griffonnage. monsieur, mais c'est que je me delasse en vous parlant des fatigues Sans plaisir (|ue j'ai essuyees a Berlin, oü je voudrais etre toujoui's paralytique comme le Feldmarechal Fleming, quand j'y suis au depens d'avoir sa patience et sa raison. Ne montrez pas ma lettre, je vous prie, car je vous ecris comme a un ami sans reserve«. Schon im September 1703 wünschte sie ihn wieder in Berlin zu sehen und Hess ihm einen Fuhrzettel zugehen (a. a. 0. S. 218); im April 1704 hoffte sie ihn in wenigen Tagen begrüssen zu können (a. a. O. S. 226). ^ Briefe vom 18. Mai und 7. Juni 1704; s. Urkundenband Nr. 73 — 75. Das Stück 74 enthält eine «Instruction pour la graine des müriers blancs". * Siehe Secr. -Leibn. Nr. S3 (2. August 1704) und Klopp, Werke, 9. Bd. S. 92 f. ^ Siehe Urkundenband Nr. 76. 140 Geschichte der Societät von 1700 -1711. einigermaasseii zu ersetzen. Der König Hess ihn auffordern, eine Über- sicht über seine Leistungen und seine Ausgaben im Dienste Preussens einzureiclien. Leibniz entsprach der Aufforderung und übergab eine Darh'gung, in der er nachwies, dass er mindestens 2000 Thlr. zu- gesetzt habe \ Daraufhin wurden ihm 1000 Tldr. ausgezahlt. Dank- bar meldete er das der Königin"'. Zugleich sann sein erfinderischer Geist auf neue Privilegien, da das Seidenmonopol noch immer nicht bewilligt wurde. Er arbeitete den umfangreichen Entwurf eines Privilegs in Betreff des Unterrichtswesens für die Societät aus und, als einen besonderen Theil, ein Privileg der Ephoria generalis der Societät über die Stipendien, dazu einen Plan, wie junge reisende Gelehrte in den grösseren Städten ebenso passende Arbeit und damit Unterhalt finden könnten, wie die reisenden Handwerksburschen ^ Jenen Brief, den Leibniz am 31. Januar 1705 an die Königin gerichtet hatte, hat sie nicht empfangen. Sie war im Januar, wie gewöhnlich, zum Carneval nach Hannover gereist und hatte ge- wünscht, Leibniz solle sie begleiten. Aber die Sorge für die So- cietät hielt ihn in Berlin zurück (er blieb daselbst bis Anfang März). Wenige Tage nach der Ankunft in der alten Heimath erkrankte die Königin plötzlich und starb schon am i. Februar 1705 in Herren- hausen. Gefasst und muthig sah sie dem Tode entgegen; er hatte für sie keine Schrecken. Unvergesslich blieb Allen, die an ihrem Sterbelager stehen durften , der Eindruck , dass diese Fürstin , die den ganzen Reichthum des Lebens in sich aufgenommen hatte, nicht nur zu leben, sondern auch zu sterben verstand^. Die Societät, ^ Siehe das interessante Actenstück im Urkundenhand Nr. 77. ^ Siehe Urkundenband Nr. 78 (31. Januar 1705). ^ Siehe Urkundenband Nr. 79, 80. * Siehe LEiBNizens Brief an die Pi'inzessin Caroline von Ansbach vom 18. März 1705 (Klopp, 9. Bd. S. 116 ff.): »Mgr. l'Electeur [der Bruder der Königin] m'a raconte qu'elle kii a dit eile meme: »Ich sterbe eines gemächlichen Todes«; eile est morte avec un merveilleux serein d'esprit et avec de grands sentiments d'une tranquillite d'ame resignee aux ordres de la supreme jirovidence«. Friedrich der Grosse hat sich bei der Schilderung des Todes seiner Grossmutter (Mem. de l'Acad. Royale 1748 p. 382) die Freiheiten eines antiken Schriftstellers genommen: »On voulut introduire un ministre reforme dans son appartement : »Laissez-moi mourir, lui dit -eile, sans disputer«. Une dame d'honneur qu'elle aimait beaucoup, se fondait eu larmes. «Ne me plaignez pas«, reprit eile, »car je vais a present satisfaire ma curiosite sur les principes des choses, que Leibniz n"a jamais jju m'ex- pliquer, sur Tespace, sur l'infini, sur l'etre, et sur le neant, et je prepare au roi moii epoux le spectacle de mon enterrement, oü il aura une nouvelle occasion de deployer sa inagnificence«. Elle recommanda en inourant les savants qu'elle avait proteges, et les arts (ju'elle avait cultivcs, a l'Electeur son frere. Frederic I. se Der Tod der Königin Sophie Charlotte (1. Februar 1705). 141 unentwickelt und pflegebedürftig, verlor in ihr nicht nur die Be- schützerin, sondern die Mutter. LEiBNizens tiefer Kummer spricht sich nicht immer in Worten aus, die uns überzeugen. Aber es war Wahrheit, wenn er in einem seiner Trostschreiben versicherte: »La lettre est pkis philosophe que mon coeur'«. Seine Freund- schaft mit der Königin war so bekannt, dass er förmliche Beileids- besuche und Condolenzschreiben empfing. 4. Nicht nur die Pflege guter Beziehungen zwischen Hannover und Berlin"", sondern auch die Einrichtung der Societcät sah Leibniz als ein Vermächtniss der entschlafenen Königin an. In diesem Sinn legte er in einem Briefe vom 17. Juni ihrer vertrauten Freundin, der Staatsdame Frl. von Pöllnitz, die Sorge für das SeidenAverk an's Herz und hofl'te auf den Kronprinzen, dem es Freude machen werde, die Absichten seiner Mutter auszuführend Auf den König hoffte er zur Zeit nicht; denn der Graf von Wartenbeeg hatte ihm geschrieben, Majestät werde sich wahrscheinlich von der Sache zu- rückziehen^. consola, par la ceremonie de cette pompe funebre. de la perte d'une epouse qu"il n'aurait Jamals assez pu regretter". — Vier Tage nach dem Tode der Königin starb in Bei'lin der Propst Spener. Der Hof und die Societät haben von seinem Tode keine Notiz genommen, auch Leibniz nicht, und doch hatte dieser fromme und schhchte Mann die Entwickhing des religiösen und geistigen Lebens in Deutscliland stärker beeinthisst als die meisten der gefeierten Gelehrten. ^ An Frl. VON Pöllnitz (Klopp, Werke, 10. Bd. S. 264). Anweisungen die Briefe der Königin betreffend, die die Kurfürstin Sophie in LEiBNizens Händen ver- muthete, a. a. 0. S. 265 ff"., 271. ^ Siehe die beiden l)edeutenden Briefe von Leibniz an den Kurfürsten Georg Ludwig vom Sommer 1705 (Klopp, Werke, 9. Bd. S. 126 — 142), in denen er ein Expose giebt über die Stellung Hannovers in Norddeutschland und sein Verhältniss zu Preussen. Wer noch zweifelt, dass Leibniz eben so sehr das Wohl Preussen s als Hannovers im Auge hatte — weil er wirklich auf das Ganze sah — , der muss dies Pro Memoria lesen. Die Aussöhnung gelang im Jahre 1706 wirklich (Verlobung des Kronprinzen Friedrich Wilhelm mit der Tochter des Kurfürsten. Sophie Do- rothea, am 18. Juni, Heirath am 14. November 1706). ^ Klopp, Werke, 10. Bd. S. 286. Schon am 28. ]März 1705 hatte er ihr ge- schrieben (Klopp, 10. Bd. S. 271): »Vous aurez eu deja occasion de faire rendre la lettre que j'ai pris la liberte de vous donner, et aussi de rendre temoignage au besoin des intentions rjue notre grande reine avait de favoriser la societe des Sciences dans la plantation des müriers. Elle voulait en faire un essai dans son jardin, et puis y einployer plus de terrain, de teile sorte que l'utilite qu'on en attendait avec le temps, devait etre employee pour les recherches de la societe«. * Leibniz hatte ihm bereits im März 1705 geschrieben (Hann. Bibl.): »Je me souviens d'une des intentions de feu la Majeste, que le roi peut-etre voudra faire 142 Geschichte der Societät von 1700-1711. In Berlin dachte man jetzt an nichts Anderes als an die Vor- bereitungen zu dem prächtigen Leichenbegängniss, mit welchem der König seine Gemahlin ehren wollte. Leibniz und die Societät wurden aufgefordert, Inschriften und Sinnbilder zur Auszierung des Trauer- tempels, Gedichte, Ehrengedächtnisse u. s. w. zu verfassend Alle verfügbaren Arbeiter wurden zum Bau des Mausoleums gebraucht; im Juni fand die Feier statt. Erst im Juli konnte die Societät wieder daran denken, den Bau des Observatoriums zu betreiben". »Schläfrig« wurden die Ar- beiten im August aufgenommen^; endlich kam man im Mai 1706 so weit, dass sieben Fenster eingesetzt und ein Gemach noth dürftig mit Brettern belegt wurde, um dort Observationen anzustellen. Auch zeigte sich einige Aussicht, die längst versprochene Wohnung für den Astronomen im fertigen östlichen Eck -Pavillon — der Bau des anderen lag noch immer darnieder — zu erhalten*; aber Kirch selbst verzögerte durch Ungeschicklichkeit diese Sache, und so wurde sie bis Ostern 1707 verschoben^. Der zweite Astronom, Hoffmann, wollte Berlin verlassen. Für einen lächerlich geringen Gehalt musste er häufig auch des kränklichen Kirch's Arbeiten übernehmen: nur mit Mühe vermochte man ihn zu halten''. Die Versammlungen hörten fast ganz auf; der Secretar spricht in seinen Briefen an Leibniz »von den Avenigen noch zur Zeit privatim zusammenkommenden Mit- gliedern«^, Als ein interessanter Brief eines gewissen Brochhausen aus Moskau einlief, der Russland bis nach China durchreist hatte und gewichtige Fingerzeige gab, wie man Beziehungen anknüpfen könne, musste man sich damit begnügen, Leibniz über ihn Bericht zu er- executer comme beaucoup d'autres, c'est qu'elle voulait faire planter des müriers blancs en bonne quantite ä Luzembourg et soulager en cela les commencements de la societe royale des scienceS". ^ Siehe Ilgen an Leibniz vom 25. April 1705 (Hannov. Bibl.); auch Klopp, 10. Bd. S. 273 ff., 284 ff. Die Societät meinte, dergleichen käme ihr nicht zu, ent- sprach dem Wunsche aber doch (Secr.-LEiBN.Nr.35 vom 2i.Apinl 1705). '^ Siehe Secr.-LEiBN. Nr. 38. 39 vom 30. Juni und 4. Juli. ^ A. a. 0. Nr.40 und den Brief des Hofpredigers an Leibniz vom 25, Sep- tember 1705 (Hannov. Bibl.); doch zeigte sich die Kammer etwas williger, s. Nr. 43 vom 26. September 1705. * Siehe Secr.-LsiBN. Nr. 53 vom 15. Mai 1706 imd den Brief des Hofpredigers von demselben Datum (Hannov. Bibl.). " Nr. 55 vom 16. October 1706. Wirklich brauchbare Instrumente fehlten noch inuner, s. den Brief von Hoffmann an Leibniz von demselben Datum (Han- nov. Bibl.). " Siehe Nr. 36 vom 19. Mai und Nr. 45 vom 6. October 1705. ' Nr. 45. llnthätigkeit der Societät in den Jahren 1705 und 1705. 148 statten \ Das Einzige, was die Societät that, war, eine Sammlung von Beobachtungen über die letzte Sonnenfinsterniss zu veranstalten und mit ihren eigenen Observationen zusammen herauszugeben". Ausserdem entschloss sie sich, Schütze's (in Belgrad) meteorologische Jahresbeobachtungen drucken zu lassen^. Schon aber zeigte sich eine böse Folge ihrer oligarchischen Verfassung und ihrer Gelieim- nissthuerei in finanziellen Dingen. Das Mitglied der Societät Prof. L. Chr. Sturm in Frankfurt a.O., der für wissenschaftliche Beob- achtungen jährlich 50 Thlr. von der Societät erhielt und ihr grollte, weil sie die Absicht hatte, dieses Honorar zurückzuziehen, wandte sich mit einer Beschwerde an Leibniz und sprengte zugleich aus, die Mitglieder des Conciliums bezögen jährlich je 100 Thlr. Man liess ihm seinen Gehalt, nachdem man festgestellt hatte, dass er wirklichen Anspruch besass^: aber man ertheilte ihm brieflich eine Rüge und forderte ihn zur «Klugheit« auf. Leibniz schlug vor, ihm, der ein wenig brauchbarer Astronom gewesen zu sein scheint', die Aufgabe zu übertragen, die artes mechanicas, namentlich die Webereien , wissenschaftlich zu beschreiben , da es solche Bücher noch nicht gebe''. Zu einem geharnischten Protest raffte sich die ^ Siehe Nr. 42 nebst Beilage, da/u den Fase. "Wissensch. Verhandlungen.' von 1704— 1734 im Akademischen Archiv, aus dem hervorgeht, dass Vorbereitungen für eine Expedition seitens der Societät getroffen wurden. Jablonski wollte vor allem über die Juden in China etwas erfahren, und die Societät setzte 100 Thlr. aus für eine hebräische Bibel aus China. Auch Proben sibirischer Ei-ze liatte Broch- HAUSEN übersandt; s. Nr. 49 vom 12. Januar 1706. - Siehe Secr.-LEiBN. Nr. 54 vom 31. Juli 1706. Der Verkehr LEiBNizens mit Kirch dauerte im Jahre 1705 fort. Am 16. October 1705 schrieb dieser (Coneept im Joachimsthalschen Gjannasium, Reinschrift in Hannover): «Was meine Obser- vationes anlangt, dieselbe alle zum Drucke zu befördern, wäre es mir wohl sehr lieb, dass es geschähe, weil ich noch lebe. Es wird aber ein grosser Verlag darzu erfordert werden, weil ihrer sehr viel sein, indem ich schon von 42 Jahren her Observationes habe, die geschrieben in acht feinen Quartbänden bestehen, worzu viel Kupfer gehören. Lässt mich Gott noch eine Zeit leben, und das Observatorium zu Stande kommen, so hoffe ich einen neuen Catalogum stellarum fixarum in zodiaco, v.'o die Planeten laufen, zu verfertigen«. Über die Publication jener Observationen sind mehrere Briefe zwischen beiden Gelehrten gewechselt Avorden. ^ Siehe Nr. 42 vom i. September 1705. Dazu Nr. 58 vom 2. Juli und Nr. 63 vom 26. November 1707. Aus letzterem Brief geht hervor, dass diese Publication schlechten Absatz fand, und die Societät daher Bedenken trug, sie fortzusetzen. '^ Abschrift der Verschreibung von 50 Thlr. (21. Juli 1702) von des Hofpre- digers Hand im Akademischen Archi\-. ^ A. a. O. Nr. 54. ^ Siehe über diesen Handel Nr. 43. 44 (Brief von Leibxiz). 46.49 und den Brief von Sturji an Leibxiz vom 31. October 1705, sowie das Schreiben des Hof- predigers an SxuRai (beide in der Hannov. BibL). Beachtenswerth ist. dass Sturji 144 Geschichte der Societät von 1700-1711. Societät auf, als sich der Buchdrucker Luppius in Cliarlottenburg an den König mit der Eingabe wandte, in dem Observatorium eine Wolinung bezielien, dort eine Druckerei einrichten und die Societäts- kalender herstellen zu dürfen. Sie erklärte, sie habe selbst ein Euch- druckerprivileg, das sie seiner Zeit ausbeuten werde, wozu schon Anstalten getroffen seien; Luppius habe hinterlistig beim König um die Erlaubniss nachgesucht^ Das ist Alles, was sich über die Societcät aus den Jahren 1705 und 1706 berichten lässt; sie war dem Untergang nahe. Da ent- schloss sich Leibniz, der 19 Monate Berlin gemieden hatte, weil er auf geneigtes Gehör nicht rechnen durfte, im Anfang November 1706 dorthin zu gehen. Durch die Eheschliessung des Kronprinzen mit der Tochter des Kurfürsten waren sich Preussen und Hannover wieder näher gerückt; er erwartete mit Recht, dass dieser Bund auch seiner Stellung in Berlin und der Societät zu Gute kommen werde". Seine Beziehungen zu Preussen waren in der Zwischenzeit doch nicht völlig abgerissen; der Minister von Ilgen hielt sie aufrecht. Auf sein Ersuchen hatte er im Januar 1706 ein Pro Memoria über die Sammlung von Actenstücken zur brandenburgischen und preussi- schen Geschichte eingereiclit^. Nun versuchte er es auf's Neue, per- sönlich für die Societät einzutreten — inid nicht ohne Erfolg*. in seinem Brief an Leibniz den Hofprediger Jaüloxski als »Prneses noster vicariuS" bezeichnet. Er fungirte als solcher ohne formelle Bestallung. ^ Acten im Geh. Staatsarchiv; Eingabe der Societät vom 15. November 1706. - Sehr charakteristisch für das Doppelverhältniss, in welchem Leibniz stand, ist das misstrauische Schreiben, das der Km-fürst am 15. November des Religions- standes seiner Tochter wegen an ihn gerichtet hat. Ausseixlem verbietet er ihm förmlich die Fortsetzung der Unionsversuche (s. Urkundenband Nr. 81). Diese zogen sich zwar noch etwas über ein Jalir hin, aber Leibniz wusste bereits, dass man sie in Hannover nicht mehr wolle. Im Januar 1708 schrieb er an Fabricius nach Helmstädt: »Wie jetzt der Stand der Dinge ist, erwarte icli nichts mehr von dem Vereinigungsgeschäfte; ipsa res se ali(iuando conficiet!« ^ Siehe Urkundenband Nr. 82. * Dem Hinweise seiner alten Freundin, der Kurfürstin Sophie, er werde wenig Dank ernten, begegnete er mit den schönen Worten (Brief aus Bei-lin vom 4. Januar 1707, Klopp, Werke, 9. Bd. S. 265): »Mon principe est de travailler pour le bien public, sans me mettre en peine si quelqu'vin m"en sait gre. Je crois (jue c'est imiter la divinite (pii a soin du bien de Tunivers, soit que les hommes le re- connaissent ou non. II m'est arrive bien des fois que des particuliers que j'avais obliges, ont manque de reconnaissance, et cela ne m"a point rebute. Bien moins serai-je rebute, si le public (|ui manque d"information , ne nous tient j^oint de compte de nos soins«. Dem in Berlin hoch angesehenen Lord Rabv schrieb er (18. ]\Iai 1707, Klopp, Bd. 10 S.412): »]Mad. l'Eleetrice se moque de moi, que je travaille pour autrui, mais h^ bien public, et surtout par rapport aiix sciences, est ma marotte". Das Seidenl)nu- Privileg der Socit'tät. 145 Gleich nach seiner Ankunft in Berlin setzte er sich mit deni tliätigsten Mitglied der Societät, mit dem eben aufgenommenen Frisch, in Beziehung^; dann versammelte er am 27. Decemher die »Asso- ciati, welche sich der rei mathematicae annehmen«, in der Conferenz- stube, um speciell mit ihnen über folgende vier Punkte zu ver- handeln: I. Beförderung der astronomischen Observationen, 2. Ma- thematische und mechanische »Decouverten«, 3. Auffindung von Mitteln , um aus der mathematischen und mechanischen Arbeit den Fundus der Societät zu erhöhen, 4. Publication — mindestens jähr- lich einmal — »gewisser Miscellanea, darin sowohl Communicationes curiosae von denen Membris und Andern als einige Recensiones und Excerpta neuer Bücher enthalten sein möchten""«. Vor allem aber kam es darauf an, beim Könige nun das Maulbeerprivileg und die endliche Fertigstellung des Observatoriums sammt der Wohnung für den Astronomen und Räume für ein Laboratorium zu bewirken. In einer Audienz, die Leibniz beim Könige hatte, versicherte ihm dieser, das Privileg ertheilen zu wollen. Leibniz setzte demgemäss ein Pro Memoria über Einrichtung eines solchen auf (10. Januar 1707)^ und bereits am 25. Januar übersandte der König dieses Actenstück an die Lelinskanzlei mit dem Befehl, ein conformes Privilegium aus- zufertigen und der Societät der Wissenschaften zu ertheilen^. Am 28. März erschien das Königliche Maulbeer- und Seidenbau- privileg für die Societät'; wie ein Concept im Akademischen Archiv zeigt, hat Leibniz es entworfen. Es war so umfassend, wie man nur wünschen konnte — ein Privilegium privativum generale per- petuum — , legte das ganze Werk in die Hände der Societät, von (.ler Anpflanzung der Bäume an bis zur Bearbeitung und zum Ver- triebe der einheimischen Seide , überwies ihr alle Maulbeerpflanzungen in den königlichen Gärten, auch, soweit es thunlich, Räume in öffentlichen Gebäuden unentgeltlich, gestattete ihr die Anpflanzung im weitesten Umfang (an Wällen und Werken, an Strassen und ^ Siehe den Briefwechsel mit ihm Nr. i; ich bezeichne an einigen Stellen diesen Briefwechsel mit -• Frisch -Leibn.«. ^ Das von Leibniz niedergeschriebene Concept zu dieser Verhandlung ist zu- erst von Kapp (S. 460 ff., s. Urkundenband Nr. 83) gedruckt worden. Merkwürdig ist, dass Leibniz hier die drei Klassen der Societät als ]NLathematische, Physische, Litterarische unterscheidet. Nach der General - Listruction war die Societät in die Physico- Mathematische, die Deutsche und die Litterarische Klasse eingetheilt. Die- ses Schwanken zeigt, wie unfertig noch Alles war. ^ Siehe Urkundenband Nr. 84. '^ Concept im Gehehnen Staatsarchiv. ° Siehe Urkundenband Nr. 85. Geschichte der Akademie. I. 10 146 Geschichte der Societät von 1700—1711. Dämmen) und Avies die königlichen Gärtner an, die Societät ge- währen zu lassen und ihr mit dem zu Hülfe zu kommen, »was sonst nicht besser gebraucht wird und so viel sonst ohne Unser und ander Nachtheil und Abgang geschehen kann« u. s. w. Allein die Haupt- sachen fehlten — es wurde der Societät kein Pfennig Betriebscapital und kein einziger königlicher Arbeiter gewährt, und die ausländische Seide nicht zu ihren Gunsten besteuert. Unter solchen Umständen das Privilegium auszubeuten, war eine Kühnheit. Dennoch griff es Leibniz muthig auf und gewann in Frisch, der vom Meister Otto unterstützt wurde, einen unermüdlichen Arbeiter. Aber die Socie- tät — mit Ausnahme Cuneau's — hielt von der Sache nichts (be- sonders der Secretar war ihr ungünstig) ; sie bewilligte ihrerseits auch kein Geld oder nur die bescheidensten Summen; so konnte das Werk nicht gedeihen \ Dazu kam, dass alle königlichen Gärtner und Beamten widerwillig waren und der neuen Arbeit Steine in den Weg legten. Es war ja lediglich auf ihren guten W^illen ge- rechnet, ohne Verpflichtung und ohne Entgelt; wie weit konnte man dabei kommen? Die «gräce d'une assistance efficace«, die Leibniz wiederholt vom Grafen von Wartenberg erbat", konnte schlechter- dings nichts fruchten, solange man nicht königliche Gärtner förm- lich für das Werk in Pflicht nahm und bezahlte; das geschah aber nicht ^. ^ Fischer hat in seiner Monogra])hie über Frisch -Leibniz diese Angelegen- heit erschöpfend behandelt. Über das Übelwollen des vSecretars s. die Briefe von Frisch vom August 1707, 21. Februar 1708 (Fischer S.3. 6). Man spottete über Frisch, vi^as er mit Würmern zu thun hätte; «welche Mocpierie auch Einigen von denen Membris Societatis gemein, die doch das Wei'k am meisten beföi'dern sollten« (31. März 1708, S.9). ■-^ Brief vom 24. April 1708, Fischer S. 10. ^ Dass das Werk hätte gedeihen können, wenn sich die Societät entschlossen hätte, etwas mehr dafür zu thun — einen Planteur besoldete sie, aber das war viel zu wenig; Frisch musste Manches aus seiner Tasche bezahlen — , geht aus dem Briefwechsel des rüstigen Frisch (der übrigens auch werthvolle Untersuchungen und Experimente an den Seidenraupen machte, s. seinen Brief Nr. 22 vom 20. No- vember 17 10) deutlich hervor. Aber auch Cuneau wurde gleichgültig, und nach dem ersten Schlaglluss, den er im November 1709 erlitten, war er überhaupt nur noch eine halbe Kraft. Friedrich Hoffmann, der Arzt (im Jahre 1709 aus Halle als Leibarzt berufen), auf dessen Unterstützung Frisch rechnete (s. Briefwechsel mit Leibniz Nr. 12 vom 20. April 1709, Fischer S. 17). kehrte schon 17 12 nach Halle zurück. »Ew. Excellenz ", schreibt Frisch an Leibniz am 31. Juli 1709, »seien so gütig und muntern mich durch dergleichen Assistenz ferner auf, sonst muss ich mit Spott davon ablassen, da ich mich am Hof und in der Stadt, ja im ganzen Land desswegen schon so weit eingelassen , dass ich weiss nicht was für Beinamen davon bekommen." Am 28. September 1709 schreibt er an Leibniz: »Ich bin nun Das Seidenbau -Privileg der Societät. Das Laboratorium. 147 Da Leibniz einsah, dass auch unter den günstigsten Bedin- gungen das neue Privileg erst nach Jahren etwas abwerfen, bis dahin aber nur Kosten verursachen werde, so griff er zu seinen frühe- ren Vorschlägen zurück. Aus den ersten Monaten des Jahres 1707 stammt eine ganze Reihe dringlicher Entwürfe von Eingaben an den König von seiner Hand, die sich im Akademischen Archiv be- finden. Eine grössere Feuersbrunst bestimmte ihn, das Feuerspritzen- monopol wieder hervorzuholen^: er sann über ein Unternehmen nach, das Land einzudeichen, die Flüsse zu reguliren und so Acker- und Wiesenland zu gewinnen"; aber diese Entwürfe und andere sind, mit Ausnahme eines über die Wasserschäden , wahrscheinlich gar nicht eingereicht worden. Dagegen gelang es ihm, beim Könige nicht nur den Befehl zur Beschleunigung des Baues des Observatoriums, sondern auch eine Ordre zu erwirken, nach welcher die Amtskammer der So- cietät 2100 Thlr. auszahlen solle zur Erwerbung eines Grundstücks. Da der König eine Wohnung für den Astronomen und Räume für ein Laboratorium förmlich zugesichert hatte, der Eck -Pavillon sich aber als ungeeignet erwies und auch von der Marstallverwaltung ge- braucht wurde, so befahl der König auf Vorschlag der Societät, dass jenes Grundstück — heute Dorotheenstrasse 10 und noch gegenwärtig im Besitz der Akademie — angekauft werde. Es war 70 Fuss lang und 200 Fuss tief; ein kleines Haus stand im Hintergrunde, w^elches sofort bezogen werden konnte, und es liess Raum, ein grösseres Gebäude vorn zu errichten für eine Druckerei, Laboratorium und Repräsentationszimmer. Am 28. April 1707 erschien die königliche auch hinter den Vortheil gekommen, die Seide weiss zu machen, und zwar so, dass, wo mir die Franzosen acht Loth Abgang rechnen, ich nur fünfe habe, welches dereinsten im Grossen viel austragen wii'd. Es hat unsere Seide, wenn sie vom Gummi befreit, ein solch Lustre, dass ich keinen Unterschied unter der besten Seide sehe, die man hier zu Kauf hat«. Im November 17 10 konnte ein span- dauischer Weber »sieben Stück Atlass von allerley Färb« an den Hof bringen mit einem Attest von Frisch, dass es Societätsseide sei (s. den Brief Nr. 21 vom 7. No- vember 17 10, vergl. auch den folgenden Brief). In Hannover wird unter den Leibxiz- Papieren auch eine Probe der von der Societät (von Frisch) hergestellten Seide aufbewahrt. Das vom Secretar geführte, im Akademischen Archiv aufbewahrte Diarium über die Seidensache bietet wenig Bemerkenswerthes. ^ Neue Fassung in einem zu Hannover befindlichen Concept, zweimal von Leibkiz selbst geschrieben, und einer Reinschrift (ebendort) vom 26. März 1707. Es beginnt: »Weilen vermuthlich die neuliche Feuersbrunst eine gute Verordnung be- fördern möchte«. Übrigens war im October 1705 in Preussen ein obligatorisches General -Feuerkassen -Reglement erlassen ohne Mitwirkung der Societät. '^ Siehe Urkundenband Nr. 86. 10* 148 Geschichte der Societät von 1700—1711, Ordre; aber nun entwickelte sich eine Tragikomödie, die ein trübes Licht auf die damaligen finanziellen Zustände in Preussen wirft. Ein volles Jahr dauerte es, bis der Kauf abgeschlossen wurde und Kirch einziehen konnte — so lange hatte sich die Finanzkammer gesträubt, theils weil sie kein Geld geben wollte, theils weil sie keins hatte. Und der Kauf kam erst wirklich zu Stande, nachdem Leibniz brieflich noch einmal energische Vorstellungen beim Könige selbst gemacht und sich die Hofpredigerwittwe Sturm entschlossen hatte, der Societät, d.h. dem Staate, 2100 Thlr. vorzustrecken, die die Societät zu A^erzinsen hatte und die die Finanzkammer in drei Jahren (zu 700 Thlr.) zurückerstatten sollte! Aber auch jetzt noch erklärte die Kammer, nicht zahlen zu können, und es dauerte noch mehrere Jahre, bis sie die ersten 700 Thlr. aufzutreiben ver- mochte ^ ! Immerhin war durch Leibnizcus Eintreten etwas erreicht — eine feste Zusicherung wegen eines Grundstücks und eines Hauses nahe beim Observatorium war gegeben , und dieses selbst ging seiner Voll- endung entgegen"'. Aber noch mehr, durch energische Mahnungen hatte Leibniz es durchgesetzt, dass die Mitglieder seit dem Früli- jahr 1707 ernsthaft an die Herausgabe eines ersten Bandes «Mis- cellanea Berolinensia« dachten — die deutsche Sprache für sie zu wählen, glaubte man noch nicht wagen zu dürfen — und Abhand- lungen einreichten; die Redaction des Ganzen hatten Cuneau und Leibniz selbst übernommen. Die Früchte seiner Thätigkeit stellte er Ende April, kurz bevor er nach Hannover zurückkehren musste, in einem Schreiben an den König übersichtlich zusammen^ und fertigte auch einige Schreiben an den Rath von Berlin und die Amt- männer in Cöpenick und Potsdam zur Unterstützung des Seidenbaus im Namen der Societät aus^. Aber obgleich ihm der König bei der Abschiedsaudienz huldvoll versichert hatte, er werde ihm seine ^ Die Verliandhingen sind im Urlcundenband Nr. 87 ausführlich dargestellt. ^ Siehe den Brief der Frau Kirch im Urkundenband Nr. 87. Am Hof zeigte sich einiges Interesse für Astronomie. Die Frau Kirch fragt in einem Billet bei Leibniz an (Hannov. Bibl.), ob sie selbst auf dem Schlosse den von ihr entdeckten Sonnentlecken anzeigen solle oder ob er es thun wolle. -Werde nach Ew. Exe. Befehl und Anordnung allezeit der Gnade gewärtig leben, vor K. Maj. zu erschei- nen« (sie hatte eine astronomische Schrift verfasst, die sie überreichen wollte). Lii April 1708 erzählt Kirch Leibniz, dass der Kronprinz das neue ausgebaute Ob- servatoi'ium zu besehen gewürdigt habe (Brief vom 29. April 1708; Hannov. Bibl.). ^ Siehe Urkundenband Nr. 88. * Siehe Ui'kundenband Nr. 89 vom 10. Mai 1707. Die "Miscellanea«. Leibxiz verlässt Berlin im Mai 1707. 149 Gnade bewahren und alle Anordnungen durchsetzen \ so war er. als er in der zweiten Hälfte Mai Berlin verliess"^, weder des einen noch des andern sicher. Der Frau Kirch sagte er bei seinem Scheiden, es werde wohl Alles liegen bleiben, wenn er abgereist sei^, und die Art, wie er sich an den bei Hof einflussreichen Lord Raby wandte, damit er sein Fürsprecher sei, zeigt deutlich seine Un- sicherheit in Bezug auf die Gnade des Königs*. Um diese sich zu erhalten, schrieb er auch an die Kvu-fürstin, die damals mit ihrem königlichen Schwiegersohn freundlicher verkehrte^, einen für den König bestimmten Brief", der mit ärztlichen Rathschlägen beginnt, dem Monarchen und dem Zustande seiner Staaten und seines Hofes sehr viel Lob spendet — auch viel ungerechtfertigtes — , dann wie- derum auf den Gesundheitszustand des Königs eingeht und mit einem kühnen Übergang persönlich wird: "... Et c'est le moyen de contribuer ä la conservation de sa vie. Personne ne le pourra faire avec plus d'efficace qiie V. A. E. Si j'en disais autant, cela ne servirait guere quand j'avais [sie] meme plus d'aeces aupres de lui et plus de credit que je n'en ai. 11 est vrai que Sa M*« m'ecoute toujours favorablement, mais il ne parait pas qu'il cherche trop ä m'ecouter, et je ne suis pas d'humeur ä in'ingerer. Je ne sais si quelqu"un ni"a rendu autrefois mauvais offices, par je ne sais quelle '■ Siehe den Brief an Wartenberg bei Klopp, io. Bd. S. 414, LEiBNizens Schreiben an den König im Urkundenband Nr. 87, LEiBNizens Schreiben an Kirch vom 23. Juni 1707: »K. Maj. haben mir bei dem Abschied nachdrücklich versprochen, über Dero gnädigsten Concessionibus nachdrücklich zu halten « (Joachimsth. Gym- nasium) und das undatirte Schreiben an Lord Raby im Urkundenband Nr. 91. ^ Noch am 18. Mai 1707 war er daselbst, s. den Bi-ief an Lord Raby von diesem Datum bei Klopp, a. a. 0. S.412: «Je devais etre parti, mais les interets de la societe m'ont arrete encore quelques jours«. Damals ist er in Berlin zum ersten Mal mit Ch. Wolff zusammengetroffen, s. Guhrauer, G. W. v. L., 2. Bd. S. 262 f. ^ Siehe den Brief der Kirch im Urkundenband Nr. 87. * Leibniz an Lord Raby, a.a.O.: >'J'ai employe une bonne partie de mon temps a cela depuis sept ans sans en avoir tire le moindre fruit pour moi; car je ne compte pas ce qui ne suffit pas meine k me dedommager, outre (jue je puis dire que cela m'a cause bien de la perte ailleurs, mais je ne m"en repens pas, pourvu qu'enfin il en provienne quelque chose de bon. C'est ce que je me promets, si les ordres du roi sont executes. Mais je ne sais comment je m'emancipe d'importuner V. E. de ces choses: je n'aurais point ose le faire, si je ne savais, Mylord, que vous entrez dans les belles connaissances et les favorisez. Mit Recht vermuthet Klopp, der Brief sei ein ostensibler und für den König mitgeschrieben. ° Der König hatte ihr auch von Leibxiz geschrieben und von seinen Geld- forderungen für die Societät, die die Kurfürstin augenscheinlich befürwortet hatte; s. ihren Brief an Leibniz vom 23. April 1707 (Klopp, 9. Bd. S. 279): »Le roi me mande que vous avez fait voir une eclipse a la lune. II ine reproche que je crois qu'il est Croesus, et ([u'il peut donner tant de pennins. J"ai repondu que cela ne serait pas etrange apres toutes les magnificences et liberalites qu'il fait-. •^ Berlin, den 12. Mai 1707, Klopp, 9. Bd. S. 280 ff. 15Ö Geschichte dei- Societät von 1700-1711. vue: mais je vais toujours mon train, et sans faire la moindre chose pour moi. Je travaille pour un etablissement raisonnable de la societe des sciences. Cependant j'y ai trouve presque aiitant de difficulte c|ue si je negociais pour le pa])e. Et meine dans les choses resolues, il y a eu des longueurs qui auraient rebute tout autre que moi, et qui m'ont fait perdre plus de deux mois. On nie fait esjierer une heureuse issue, et a]Dres six ou sept ans on a ordonne enfin d'une maniere expressive que l'observatoire soit acheve, et le roi emploiera quelques mille ecus pour un autre batiment necessaire a la societe. Si les autres messieurs se tiennent aux luesures que j'ai prises avec eux, on publiera quelque chose tous les ans, qui ne sei'a peut-etre pas indigne de paraitre, et dorenavant les choses iront mieux leur train, sans que j'aie jdIus besoin de me tant remuer. Aussi ne sais-je pas si je serais longtemps en etat de le faire, car des fluxions froides excitees par la mauvaise saison &c. " Im Postscript bemerkt Leibniz ausdrücklich, beim Durchlesen finde er, dass der Brief geeignet sei, dem Könige zugestellt zu werden \ Mit Recht durfte Leibniz sagen, er habe in seiner Arbeit für Preussen so viele Schwierigkeiten gefunden, als arbeite er für den Papst. Sieben Jahre waren seit der Stiftung der Societät bereits verflossen, und noch war sie kaum vom Fleck gekommen. In den folgenden 1 1 Monaten bis zum April 1 708 hat er von Hannover aus die drei Angelegenheiten unablässig gefördert, den Seidenbau, den Hauskauf und die Miscellaiiea. Der letzteren wegen hat er mit dem Secretar, Cuneau und dem Hofprediger"" sehr ein- gehend correspondirt. Im Octoberiyoy wurden die eingelaufenen Manuscripte ihm zugeschickt; im März 1708 sandte er sie zurück^. Eine Abhandlung A^on Chauvin wurde abgelehnt, dann aber doch unter der Bedingung, dass er sie verbessere, angenommen*. Eine Arbeit von Starke konnte man nicht aufnehmen, da man nicht arabisch drucken wollte''. Der Verleger, den man zuerst gewonnen, trat zurück; nach langen Verhandlungen wurde die Ausführung dem Buchhändler Papen übertragen, der seinen Verlag durch wissen- ^ Ein zweites, undatirtes Schi-eiben dieser Art an die Kurfürstin ist im Ur- kundenband Nr. 90 grösstentheils abgedruckt. Es ist auch deshalb interessant, weil er hier auf das jNIisstrauen eingeht, das man ihm schon zur Zeit, da die Königin Sophie Charlotte noch lebte, in Berlin erzeigt hat. Er sagt direct, dass man ihn beim König angeschwärzt habe. '^ Siehe Secr. -Leibn. Nr. 58 (2. Juli 1707) ff. Auch mit Kirch hat er über Beiträge verhandelt, s. die Briefe vom 15. October und 5. November 1707 (Joachimsth. G^^un.; Hannover). Sehr zahlreich und auf das Kleinste eingehend sind die Briefe an Cuneau. ^ Secr. -Leibn. Nr. 61 und 70. * A. a. 0. Nr. 61, 71 (7. April 1708) und 73 (5. Mai 1708). 5 A.a.O. Nr. 61. Vorbereitung der »i\Iiscellanea'>. 151 scliaftliche Werke zu bereichern wünschtet Dem gelehrten Publi- cum endlich etwas von den Arbeiten der Societät vorzulegen und dem König etwas Redeutendes zu zeigen, war LEiBNizens Haupt- sorge; denn er hatte sich ihm gegenüber geradezu verpflichtet, dass die Societät einen Band wissenschaftlicher Abhandlungen heraus- geben werde. Sein Wort und seine Ehre standen auf dem Spiel, Um den König sich geneigt zu erhalten und den immer noch schwe- benden Hauskauf durchzusetzen, sicherte er sich das Vertrauen der Kronprinzessin — »je vous connais de mes amis«, schrieb sie ihm"" — und trat mit Madame de Gacetot, der Oberhofmeisterin, in Verbindung^. Dem Lord Raby schrieb er noch einmal einen für den König bestimmten Briefe Mit Recht konnte er hier darauf hinweisen, dass der König die besten Intentionen in Bezug auf die ^ Er stand schon zur Societät in Beziehung. In einem Brief an Leibniz vom 26. Mai 1708 (Hannov. BibL) schreibt er: »Ich vernehme auch, dass S. K. M. in Preussen nun mehro eine Commission zu Errichtung der universalen Schulbücher angeordnet und dass mit der Grammatica der Anfang gemacht werden solle; weilen ich nun nicht weiss , ob den Verlag dieser Grammatica die Societät über sich nehmen wird. U.S.W.« Er möchte diesen Verlag Namens der Societät erhalten. Siehe dazu seinen Brief an Leibxiz in Secr. -Leibn. Nr. 77 vom 3. Juli 1708. Die Grammatiken und Schriftsteller- Ausgaben für die Gymnasien der Mark wurden wirklich von einigen Directoren und Conrectoren der Gymnasien auf Befehl Friedrich's I. bearbeitet und erschienen in der Officin von Papen, s. darüber Fischer, Frisch -Leibniz S. 23. 29. 59 f. Die Obei'leitung hatte eine Commission. Der Secretar Jabloxski schreibt am 2i.Juhi7o8 an Leibkiz (Nr. 78): »Älit der neuen Anstalt bei dem Schulwesen ist der Anfang zwar gemacht und ein Versuch gethan worden, zu einer Conformitat mit der lateinischen Grammatik zu gelangen. Allein weil die Directores solcher Sache mit mehr andern Geschäften beladen, können sie dieses nicht mit genüg- samen Fleiss warten. Hr. Chuno und mein Bruder sind zwar auch zu denen dies- falls angestellten Berathschlagungen gezogen worden, jener vigore commissionis regiae, dieser bloss jjro consilio, der Societät in corpore aber ist noch nichts zu- gemuthet worden; ich glaube auch nicht, dass, wenn sie dai-an Theil nehmen wollte, man sie gerne zulassen würde, nachdem gewöhnlicher Maassen ein Jeder hie über seinem Ansehn eifert und nicht gerne etwas davon vergiebet". Augenscheinlich hatte Leibniz gewünscht, dass die Societät hinzugezogen werde; hatte er doch durch seine Vorschläge über das Bücher -Commissariat einen Anstoss zu der Saclie gegeben. Er hoffte gewiss auch , dass der Societät Einnahmen daraus erwachsen würden. Aus dem Brief Papen's (vom 3. Juli 1708) geht hervor, dass Director der Universal -Eini'ichtung des Schulwesens der General -Commissarius von Danckel- MANN war; Commissarii waren Professor Bekmann in Frankfurt, der Hofpi-ediger und Cuneaü. Der Societät vertraute man die Sache nicht an. Frisch wünschte, dass sie die Logik herausgäbe (Briefe Nr. 21 und 22 vom 7. und 20. November 17 10): »die Societät muss hier das Werk wegen Scientien angreifen und nebst der Ehre auch den Profit ziehen«. Zu vergleichen ist noch Nr. 105 des Urkundenbandes. ^ Siehe ihren Brief vom 29. October 1707 (Klopp. 10. Bd. S. 415 f.). 3 A.a.O. S. 4i6f. * Siehe Urkundenband Nr. 91. 152 Geschichte der Societät von 1700 — 1711. Societät habe, aber seine Beamten sie nicht ausführen. »Les bonnes intentions du roi ont souvent le malheur d'etre mal executees.« . . , »Cela rendra meme la societe meprisable, car eile a des membres dans les pays etrangers, qui ne peuvent pas manquer d'apprendre ces contretemps. « Das Haus wurde gekauft — voll Freude zog die Familie Kirch ein^ — , und das Observatorium war im September 1 708 so weit fertig, dass die Kammer es der Societät übergeben wollte. Allein diese fand noch Manches nicht nach Wunsch und wies die tJl)er- gabe noch zurück. Ihre finanziellen Verhältnisse hatten sich lang- sam, aber sicher gebessert", weil der Kalenderverkauf in den letzten Jahren sehr gestiegen war^. Da trat ein Handel ein, der der Socie- tät, die ohnehin noch nicht viel Ansehen genoss, in der öffentlichen Meinung höchst schädlich sein musste. Die Societät hatte in den letzten Jahren drei Mitglieder auf- genommen, die zwar rühriger waren als die meisten anderen, aber durch Leichtfertigkeit und andauernde Geldnoth sich dem Industrie- ritterthum in bedenklicher Weise näherten. Der eine von ihnen, Cn. H. Oelven, ein Krankheits halber verabschiedeter preussischer Eittmeister, gab seit 1708 die erste Berliner populäre Zeitschrift in deutscher Sprache heraus: »Monatliche curieuse Natur-, Kunst-, Staats- und Sitten -Präsenten, zum Nutzen und Ergötzen«. Er war ein nicht unbegabter Mann von mancherlei guten Ideen, aber ein zucht- und kritikloser Geist, mit allerlei Ijuntem Wissen, überall unzuverlässig, unsolid und marktschreierisch, entschlossen auf jede Weise Geld zu verdienen, sei es auch durch wüstes Sykophanten- thum*. Auf seinen Vorschlag war im Frühjahr 1708 Marperger ' »Kirch wohnet in dem neuen Societätshause ganz vergnügt" . schreibt der Buchhändler Papen an Leibniz (26. IMai 1708). Auch Leibniz sollte dort ein Zimmer als Absteigequartier erhalten; s. Secr. -Leibn. Nr. 77 vom 3. Juli und Nr. 78 vom 2 I.Juli 1708. Der Buchhändler Papen wohnte ebendort; auf dem Grundstück be- fand sich auch ein Stall und ein Schuppen. - Besondere Atisgaben hatte die Societät damals nicht; wir liören nur, dass Scheuchzer's Iter Alpinum mit ihrer Unterstützung gedruckt worden ist (Secr.- Leibk. Nr. 57 vom 18. Juni und Nr. 61 vom 8. October 1707). ^ Siehe die Briefe Papen's an Leibniz vom 21. Febr. 1708 und 17. Juni 1709. * Über Oelven und seine Zeitschrift s. Geiger, Berlin 1688 — 1840 i.Bd. S. 141 ff. Erschienen sind nicht volle zwei Jahrgänge, vergl. auch Fischer, Frisch S. 55f., der die bishei'ige Litteratur über Oelven verzeichnet und neue ]Mittheilungen über ihn verspricht. La Croze luid Frisch stimmen im abschätzigen Urtheil über den Mann überein (Briefwechsel mit Leibniz in Hannover). Man kann es ihm zu Lobe sagen , dass er deutsch gesinnt war, die Resultate der Wissenschaft in's praktische Leben einführen wolUe und die unfruchtliare Zettelüelehrsamkeit der Stuben- und Die OELVEN'scheu Händel. 153 aufgenommen worden \ Als Gelehrter war er von ganz anderem Schlag als Oelven. Sein Name hat in der Geschichte der Handels- wissenschaft, der politischen Geographie und Statistik einen sehr guten Klang: er hat diese Disciplinen in Deutschland mitbegründet; allein auch er war durch bittere Noth ein mercennarius geworden, dichtete und schrieb um Geld, was man ihm auftrug, auch bittere Angriffe"'. Der Dritte war ein Herr von Meisebuch (Meisebug), von dem nur bekannt ist, dass er mit jenen zusammenhielt. Wahr- scheinlich ist er identisch mit dem Dichter des Festliedes auf die Taufe der Prinzessin Friederike Sophie Wilhelmine. Da drei Könige persönlich bei ihr Gevatter standen (Juli 1709: die Könige A^on Preussen, Sachsen und Dänemark), so verglich er sie mit den hei- ligen drei Königen, die Prinzessin mit dem Jesuskind, und erhielt dafür ein ansehnliches Geschenk^. Dass diese Collegen ernsten Bibliothek -Gelehrten verspottete; aber er besass weder das Wissen noch den Cha- rakter, um als Reformer auftreten zu dürfen. ^ Siehe Secr.-LEiBx. Nr. 66 vom 4. Februar, Nr. 69 und 70 vom 10. und 17. jNIärz 1708. Der Secretar, der den Vorschlag Leibniz unterbreitet, ist Marperger als Gelehrten günstig gesinnt, "wenn nicht seiner Person wegen einiges Bedenken wäre«. Doch heisst es dann: »hat keinen anderen Vorwurf als rem angustam domi". ^ Frisch schreibt über ihn (Fischer Nr. 10 vom 18. Juni 1708 8.14): "Herr Marperger ist mein Landsmann und mir also von langer Zeit her bekannt; ich halte ilm, wenn ich unparteiisch und nach meinem Begriff urtheilen soll, fiir des Hrn. Oelvex guten Freund, der da fähig ist, noch wohl mehr als jener zu thun, sonderlich in dergleichen Monath-praesenten. Sein Calamus ist bissher mercenarius gewesen. In den Commercien -Wesen ist er ein guter Theoreticus. Zu Lübeck hat ihn die Armuth viel gelehret. Er war der ganzen Statt Verssmacher und hat, da er hier nichts damit erstümpern können, ein und andere bittere Zeilen in faveur des H[errn] Oelven gemacht. Ich kan leicht errathen, wer ihn recommendirt; aber dergleichen Leuthe sind ulcera und keine Zierden einer Societät. Herr Stark wird bezeugen können, dass er sich zu üblen Streichen gegen ihm von denen Bucli- führern gebrauchen lassen. Ew. Exc[ellenz] verzeihen mir mein allzu freyes Urtheil, das ich hier beygefügt, und seyen versichert, dass ich viel Zeugen darinnen be- kommen kan. Die Begierde, die Societät in Renommee zu sehen, ist bey mir grösser, als alle Landsmannschafft, und weiss ich gewiss, dass, wann dergleichen INIembra sollten anwachsen, wie Herr Oelven ist, einige andere, die lobwürdigere Absichten bissher gehabt, wünschen werden, dass sie nicht möchten in solcher Zahl seyn, oder wohl gar mit Zurück- schickung des diplomatis sich vor solche Ehre bedancken... Fischer sagt (S.56): »Frisch's Urtheil wird von der Geschichte nicht bestätigt«; allein die Geschichte erzählt nur von der wissenschaftlichen Bedeutung Marperger"s, die Frisch nicht ausschhesst. Siehe über Marperger auch Geiger, a.a.O. I S. 131 ff., und J. Franck in d. Allg. Deutsch. Biographie, 20. Bd. S.405 ff., der die Schranken der Bedeutung Marperger's wohl kennt und ausserdem seine sehr uncultivirte Sprache rügt. ^ Siehe über ihn La Croze's Briefe an Leibxiz und Fischer, a. a. 0. S.66. Geiger, a. a. 0. S.4. Dass August der Starke von einem :\ritulied der Preussischen 154 Geschichte der Societät von 1700-1711. wissenschaftlichen Arbeitern, wie La Croze und Frisch, äusserst missfielen, ist wohl verständlich. Bereits im September i 709 hat Meisebug Berlin schimpflich ver- lassen müssen \ und einige Monate später wurde Oelven von seinen Verwandten , die den geistig und körperlich völlig gebrochenen Mann endlich bei sich aufnahmen, nach Neu-Ruppin gebracht", während Marperger sich künniierlich durchschlug'. Aber im Jahre 1708 waren sie durch Oelven's Zeitschrift eine Macht und schienen ent- schlossen zu sein, die schlafende Societät aufzuwecken und ihr eine neue Eichtung — die nationale und politisch -ökonomische — zu geben. Sie kamen regelmässig Mittwochs zusammen, und auch der Secretar und Ancillon haben anfangs an den Besprechungen Theil genommen. Streitigkeiten zwischen den Gelehrten Berlins rissen nicht ab — so beklagte sich, ebenfalls im Jahre 1708, Naude bitter bei Leibniz* über einen schmachvollen und lügenhaften anonymen Angriff und hielt den Berliner Jaqüelot für den Verfesser^ — ; aber eine so pöbel- hafte Invective, wie sie Oelven im Märzheft 1708 gegen La Croze richtete, war doch unerhört*'. Der Anlass war ganz nichtig. Oelven fühlte sich als Geschäftsdichter durch ein abschätziges Urtheil über ein für den Hof bestimmtes , schmeichlerisches, prophetisches Ana- gramm, das La Croze gefällt haben sollte, beeinträchtigt und über- schüttete den Societätscollegen nun mit den gröbsten Schimpfreden. Societät der Wissenschaften mit einem der drei heiligen Könige verglichen worden ist, charakterisirt das Zeitalter in seinem Verhältniss zu den Fürsten. ^ Siehe Secr.-LEiBN. Nr. 94 vom 28. September 1709: »Der Hr. von Meisen- bug hat einen garstigen Handel gehabt, aus welchem er doch durch Hiilfe seiner Freunde sich so weit herausgewickelt, dass er mit einer Ehi-enerklärung davon kommen und des Arrests erlassen worden. Bald darauf verlautete, dass er die Römische Religion angenonunen und als Resident am Kaiserlichen Hofe in Chur- pfalzische Dienste trete. Nachdem habe weiter nichts von ihm gehöret, will aber mich diessfalls näher ei'kimdigen«. ^ A. a. 0. Nr. 107 vom 17. Mai 1710: »Mit dem Herrn Oe[l]ven ist es so weit gekommen, dass er von seinem Schwager nach Ruppin abgeführet worden, weil er sich ganz contraet nicht nur am Leib, sondern aucli am Gemüth befunden und so wenig seine Gliedmassen als den Verstand mehr brauchen können». ^ Frisch an Leihniz vom 12. Januar 1712 (Fischer Nr. 23 S.33): »Zwei von denen ehmalen eingenommenen drei Membris haben wenig Reputation hier behalten, nämlich Hr. Oelven und Hr. von Meisebug, der dritte manutenirt sich kümmerlich, nämlich Hr. Marperger«. ■* La Croze an Leibxiz, 15. Mai 1708 (Hannov. Bibl.). ^ Naude an Leibniz, 5. INIai 1708 (Hannov. Bibl.). •^ Siehe einen Auszug aus ihr in Secr.-LEiBN. Nr.74 vom 19. 3Iai 1708 (vergl. Nr. 72 vom 28. April) und Frisch vom 28. April 1708. Die OELVEN'schen Händel. 15d Dahinter lag die Abneigung gegen den Franzosen und die Verachtung seiner dem deutschen Rittmeister antipathischen kosmopolitischen und antiquarischen Gelehrsamkeit \ Sollte dieser maasslose Angriff den Feldzug gegen die Buchwissenschaft eröffnen und dem Betriehe einer neuen nationalen und ökonomischen Wissenschaft die Bahn frei machen — Oelven behauptete, dass er allein die Reputation der Societät aufrecht erhalte!" — , so konnte er nicht ungeschickter gewählt sein. La Croze benahm sich in der Öffentlichkeit den Beleidigungen gegenüber würdig; als sie sich wiederholten, verklagte er Oelven; aber in Briefen an Leibniz schüttete er seine ganze Empörung aus und übertrieb die Sache in maassloser Weise: er sprach von einem Complot, das gegen ihn bei der Societät bestände, erging sich in bitteren Anklagen gegen »die polnischen Brüder« — die beiden Jablonski — , besonders gegen den Secretar, behauptete, sie steckten hinter der Sache und seien verkappte Socinianer, die ihm seiner Orthodoxie wegen feindlich seien, schmähte auch Ancillon, der ihn ebenfalls angegriffen habe — »ein Mensch, der nicht im Stande ist vier vernünftige Worte auf das Papier zu bringen« — luid erklärte, er »wolle dem Gebell der Cyniker der Societät nicht länger aus- gesetzt sein, und er trete aus einer Gesellschaft aus, von der ihm neulich ein hochangesehener Mann gesagt habe: 'Leute, die man anderswo in's Narrenhaus steckt, nimmt man hier in die Societät auf«. Ja, er schrieb zuletzt rund, der ganze Angriff gehe von dem leitenden Directorium der Societät aus und er, Leibniz, solle sich nur in Acht nehmen: »Wenn die LIerrn ihren Faden gegen. mich fertig gesponnen haben, w^erden sie sich gegen einen Anderen wenden; sie w^erden viel weiter gehen als man denkt. Herr Schott wird Ihnen dies Räthselwort erklären^«. ^ Dass beide sich schon früher feind waren , ersieht man aus dem Briefe von Leient/. au La Croze vom 19. Mai 1708; Ancillon hatte zu vermittehi gesucht. (Hannov. BibL, dort auch die anderen Briefe beider Männer, die im Folgenden ci- tirt sind.) ^ Siehe Secr.-LEiBN. Nr. 91. ^ Siehe La Croze's Briefe an Leibniz vom 25. April bis September 1708. In dem Schreiben La Croze's vom 15. Mai 1708 heisst es auch: »11 y a des gens ä Berlin a qui on entend dire a tout moment 'Unsere Societät'; ces gens-lä s'en donneraient tout l'honneur et voudraient peut-etre y entrer pour leur quote part. Cela empechera assurement que la chose ne puisse reussir«. Zu dem ganzen Streit sind auch Ancillon's Briefe an Leibniz vom Jahre 1708 zu ver- gleichen; man erkennt aus ihnen, dass er La Croze nicht eben freundlich gesinnt gewesen ist. 156 Geschichte der Societät von 1700-1711. Ob ein Körnclien Wahrheit diesen Verdächtigungen zu Grunde lag, Lässt sich nielit mehr entscheiden. LEiBNizens Antwortschreiben an La Ceoze sind wahre Muster von Feinheit, Mässigung und Freun- destreue. Es gelang ihm erst nacli mehreren Briefen und nach ernsten, aber liebenswürdigen Vorhaltungen, La Croze den Kopf zu- rechtzusetzen und ihn zu beruhigen \ Für die Societät hatte die Sache die unangenehme Folge, dass der König sie als Censurbehörde für alle im Inland erscheinenden und vom Ausland eingeführten politischen und gelehrten Schriften einsetzte und speciell befahl, die «Monatlichen Präsente« ihres Collegen vor dem Druck durchzusehen". Letzteres brachte sie in unaufhörlichen Streit mit Oelven — dessen Unverschämtheiten nicht aufhörten und der noch ein ganzes Jahr sich einen gewissen Eintluss zu bewahren verstand^ — , und der ganze Handel zog ihr den Spott der Leute zu, die Akademie sei eine »societas obscurorum virorum^«. La Croze war nicht der Einzige, der mit seinem Austritt drohte", und Cuneau meinte mit Recht, die Societät habe noch nichts geleistet, um die Auf- merksamkeit der Gelehrten auf sich zu ziehen, und dürfe sich um so weniger »durch nicht recht würdige Dinge der Welt in die Augen stellen « . Hatte das Directorium wirklich anfangs Oelven und seinem An- hang zu viel nachgegeben und La Ckoze nicht energisch genug gegen ihn vertheidigt, so sollte es im folgenden Jahr bitter bestraft wer- den. Im Beginn des Jahres 1709 war Leibniz auf der Rückreise von Wien nach Hannover einige Wochen in Berlin anwesend ge- ' Siehe LEiBNizens Briefe vom 19. Mai u. ff. ^ Die Zeitschrift Oelven's ist wirklich von da ab stets von der Societät durch- gesehen worden: ob aber sonst das Edict eingehalten worden (s. den Abdruck im Urkundenband Nr. 92), vermag ich nicht festzustellen. ^ Er schlug viele neue Mitglieder vor, und die Societät war ihm gegenüber niclit energisch genug, s. Secr.-LEiuK. Nr. 86 und 88 vom 6. Juli und 3. August 1709: »Hr. Oelven, welcher vor andern mit solchen Recommandationen sich gern beladet, hat noch zween andere vorgeschlagen, nemlich einen Prediger zu Brandenburg, so mit einem neuen systemate philosophiae ad veritatem s. scripturae exactae schwanger gehet«. ■ — Oelven spielte sich auch als \^ertheidiger der Kirchenlehre gegenülier dem Rationalismus auf. «Der Herr Oelven hat ohne Zweifel seine eigenen Absichten bei allen denen, welche er der Societät präconisiret, womit er doch meistentheils eben wie mit seinen übrigen Dingen nur Verdruss und Beschwerlichkeit erwecket, dergleichen eine nicht der geringsten ist die Censur seiner Älonatlichen Präsenten« u. s. w. * Cuneau an Leibniz vom 30. April 1709. Da er den Spott italienisch und lateinisch anführt, stammt er vielleicht von La Croze. ^ Siehe Friscils Mittheilung S. 153. Leibniz in Berlin (1709). 157 wesen, um den Druck der Miscellanea — er begann im Mai 1709 wirklich^ — einzuleiten und nach dem Seidenwerke zu sehen". Seine Aufnahme war eine kühle gewesen; aber er durfte nicht bleiben, denn in Hannover war man über ihn erbittert. Er war ohne Wissen seines Landesherrn unter falschem Namen mehrere Monate in Wien gewesen und musste nun zurückeilen, um sich zu entschuldigen. Die Verhältnisse der Societät fand er fortschreitend, LaCroze beruhigt^; einige Monate später erhielt die Societät in dem berühmten Arzt Hoffmann aus Halle einen sehr willkommenen Zuwachs und wurde das Observatorium Avirklich übergeben (August 1 709^); aber die feierliche Einrichtung der Gesellschaft, die für den 11. Juli 1709 ^ Siehe Papen an Leibniz vom 17. Juni 1709, Secr. -Leibn. Nr. 86 vom Juli 1709, dazu Nr. 88. 94. 95. 104—108, fei-ner Cuneau's 12 Briefe aus dem Jahre 1709. Aus diesen Schreiben geht hervor — was übrigens an sich klar ist — , dass Leib- niz Zueignung und Vorrede verfasst hat. Auch auf die beizugebenden Tafeln (es ergab sicli die stattliche Zahl von 31) erstreckte er seine Sorge — von ihm stammt die Anordnung, sie so einzuheften, dass man sie und das Buch zugleich aufschlagen könne — , und dem schönen Titelkupfer wandte er seine besondere Aufmerksam- keit zu, s. Nr. 81. 93. 99. 106. Der Meister Werner, der das Bild erfunden und zu stechen begonnen, wurde durch schwere Krankheit an der Ausfiilu-ung gehindert. Eine Verzögerung des Drucks trat auch dadurch ein, dass Cuneau — durch neue ÜELVEN'sche Händel schwer gekränkt, s. u. — im November 1709 einen Schlaganfall erlitt; zwar fing er schon Ende Januar wieder für die Societät zu arbeiten an, war aber seitdem viel von Schmerzen geplagt imd nur noch wenig brauchbar, s. Secr.- Leibn. Nr. 97— 100 (i. Februar 1710). - Siehe seinen Brief an die Kurfürstin Sophie aus Berlin vom Januar 1709 (Klopp, 9. Bd. S. 294 ff.) — es ist derselbe Brief, in welchem er der Frau Kirch mit hohem Lobe gedenkt: «Je ne jDense presque ici qu'a ce qui sert ä l'accrois- sement des sciences (folgt ein kurzer Bericht über das Seidenwerk). C'est une aflfaire que la feue reine favorisait fort, et maintenant le prince royal la protege dans les occasions (das sollte sein Verweilen in Berlin beim hannoverschen Kur- fürsten entschuldigen). Je suis apres ä parcourir quelques memoires servant aux sciences, qu'on a presentes ä la societe, et dont eile publiera des echantillons. Mais cela ne m'arretera que peu de jours, et je me depecherai pour me trou- ver promptement a Hanovre, conformement aux ordres et aux intentions de Mon- seigneur l'Electeur, ayant plus d'envie que qui que ce soit de voir mon ouvrage achevc". ^ Siehe seine Bemerkung unter La Croze's Brief Nr. 21 der Hannov. Samm- lung; aber im Jahre 1709 hatte La Croze noch einmal Grund zu bitteren Klagen, liess sich aber diesmal schneller beruhigen und räumte ein, dass er plus d'une fois avec trop de rivalite geschrieben habe (s. seine Briefe vom 23. September und 30. Oc- tobcr 1709). Von da ab wird der Briefwechsel wieder ein rein wissenschaftlicher und bezog sich vornehmlich auf Linguistik. Im Brief vom 16. December 1709 theilt La Croze folgende wichtige Entdeckung mit: »Je vous assure que j'ai reconnu, qu'on peut retablir en plusieurs endroits la veritable leqon des LXX par le moyen de rArmenien". * Siehe Secr. -Leibn. Nr. 90 vom 24. August 1709. 158 Geschichte der Societät von ITOO-lTll. festgesetzt war, musste wiederum unterbleiben, da die Anwesenheit der Könige von Dänemark und Sachsen in Berlin den Hof beschäf- tigte \ Da. bracli Oelven von Neuem los. In einer Eingabe an den König erklärte er, einen Mann zu kennen, der ein Geheimniss wisse, die Einkünfte der Societät ausserordentlich zu vermehren ; er be- hauptete zugleich, die Kalender hätten, richtig betrieben, bis zum Jahre 1 708 69840 Thlr. einbringen müssen und die bisherige Ver- waltung sei ganz unfähig. Der Mann war er wahrscheinlich selbst, die aufgestellte Rech- nung war ein heller Unsinn , das Ganze ein letztes Mittel , Geld zu erhalten; denn er und seine Familie waren dem Verhungern nahe. Aber dass Oelven den Minister mit Eingaben in dieser Sache über- schütten durfte , dass das Concilium zur Verantwortung gezogen und dass zwei Commissionen zur Revision der finanziellen Lage der So- cietät eingesetzt wurden , daran war das Concilium doch nicht ganz unschuldig. Es hatte bisher Niemandem Einsicht in seine Rech- nungen verstattet, und selbst die einheimischen Mitglieder wurden über sie in vollkommener Unwissenheit gelassen. So konnten sich die abenteuerlichsten Gerüchte über die Einkünfte aus den Kalen- dern bilden ; die rechtlosen und unbesoldeten Mitglieder — vor allem Oelven und Marperger — schauten begierig nach Pensionen aus, und schliesslich schöpfte die Regierung selbst Verdacht und verlangte Rechenschaft. Das Concilium gab diese sofort. Aber die Regierung blieb miss- trauisch und verlangte mehr. In sehr würdiger Weise verwahrte sich Namens des Conciliums Cuneau nun dagegen , dass die Regierung die Charlatanerieen und Frechheiten «eines malitiösen und gemein- gefährlichen Narren« ernsthaft nehme und die Societät auf solche Anklagen hin zum zweiten Mal belange; auch der Secretar war jetzt Feuer und Flamme gegen Oelven"; aber schliesslich blieb nichts übrig: die Societät musste sich eine commissarische Untersuchung gefallen lassen. Das Concilium konnte sich glänzend rechtfertigen. Die Ein- nahmen waren zwar (von 1701 bis 1708) allmählich von 6500 auf 8560 Thlr. (incl. aller Jahresüberschüsse) gestiegen^ und die Aus- gaben waren etwas gefallen; aber in dem Überschuss, der für das ^ Siehe Frisch's Brief Nr. 13 vom 31. Juli 1709, Fischer S. 18, und den Brief der Frau Kirch vom 17. Juli 1709 (Secr. -Leibn. Nr. 87). ^ Siehe Secr. -Leibn. Nr. 90 — 107. ^ Die Zahl der verkauften grossen und kleinen Kalender war von 70648 im Jahre 1701 auf 99132 im Jahre 1708 gestiegen. Die Finanzvenvaltung der Societät wird beargvvölmt und controlirt. 159 Jahr 1708 zu erAvarten war, von etwa 4600 Thlr. (alle Jaliresüber- schüsse zusammen), steckten 2200 Thlr. aufg-enommene Capitalien. Es war also ein wirklicher Uberschuss nur von etwa 2400 Thlr. vorhanden, der zum Theil für die Herstellung des i. Bandes der Miscellanea verwendet werden musste. Das Besoldungsconto , in wel- chem 600 Thlr. für Leibniz, 500 für den Astronomen, 300 für den Secretar, 200 für den jüngeren Astronomen zu verrechnen waren, betrug in den acht Jahren 1385, 1455, 1395, 1400, 1800, 1700, 1700, 1405 Thlr., d. h. die Kasse, die nicht in jedem Jahr pünkt- lich zu zahlen vermochte, war noch mit 560 Thlr. im Rückstand^; von unbefugten Zuwendungen an die Mitglieder des Conciliums konnte also keine Rede sein. Das ßücherconto schwankte zwischen 27 und 98 Thlr., also auch hier nur der bescheidenste Aufwand. Oelven wurde abgewiesen; er legte sich dann auf's Jammern und bat um Almosen; er hatte ausgespielt. Obgleich die Societät bei diesem ganzen Handel, der l)is in den December 1709 dauerte", wiederholt gebeten hatte, den Präsi- denten Leibniz zu unterrichten und sein Urtheil einzuholen , wurde dieses Ersuchen vom Minister und bei Hofe doch überhört. Es war der deutlichste Beweis, dass man ihm misstraute und ihn mög- lichst entfernt halten wollte. Dass er zu den zwei Fäden, die er in der Hand hielt, noch einen dritten in Wien anzuspinnen begon- nen hatte, verübelte man ihm: der Mann war undurchsichtig, sein rastloses Streben, alle grösseren Höfe Deutschlands für die Wissen- schaft zu interessiren und Deutschland geistig zu einigen, völlig un- verständlich. Er achtete des Misstrauens nicht, sondern fuhr fort, das Hauptwerk zu l)etreiben, welches die Societät aufweisen musste, wenn sie ihrer Aufgabe entsprechen und Ansehen erlangen sollte — die Herstellung eines Bandes gediegener wissenschaftlicher Abhand- lungen. Endlich war der Druck beendigt. Im Mai 17 10 wurde das W^erk in Leipzig ausgegeben^. Es trug den von Leibniz ent- worfenen Titel: ' Audi Leibniz hat in den ersten Jahren seinen Gehalt nicht voll ausbezahlt erhalten, wie die Acten im Akademischen Archiv und in Hannover ausweisen. Ln Jahre 1706 fehlten noch 1200 Thaler, die aber allmählich nachgezahlt wurden. Auf einem Zettel (Hannover) findet sich die Notiz von Leibniz, er habe 1500 Thlr. zu wenig bekommen und man entschuldige sich damit, dass sonst die übrigen un- entbehrlichen Personen nicht hätten bezahlt werden können. " Siehe Secr. -Leibn. Nr. 90 ff. und den Urkundenband Ni'. 93. ^ Siehe Secr. -Leibn. Nr.107 vom ly.lMaiijio. 160 Geschichte der Societiit von 1700-1711. Miscellanea Berolinensia ad incrementum scientia- rum ex scriptis Societatis Regiae Scientiarum exhibitis edita, cum figuris aeneis et indice materiarum. Berolini, Sumptibus Johann. Christ. Papenii, Bibliopolae Regii et Societatis Privilegia.ti. A. MDCCX. Im Juni^ überreichte die Societät mit einem Briefe von Leibniz ein Exemplar dem Könige'. Der stattliche Quartband ist als Leib- Nizens Werk zu betrachten ; er wurde von der gelehrten Welt sehr günstig aufgenommen^, obgleich der Autor nicht ganz mit ihm zu- frieden war*. Unter den 60 Abhandlungen, die er enthält, sind nicht weniger als 1 2 von Leibniz selbst (dazu die Zueignung und die Vorrede) , und zwar in allen drei Abtheilungen (Litteraria, Physica et Medica, Mathematica et Mechanica)^. Mit Recht äusserte sich der ^ A.a.O. Nr. 108 vom 14. Juni 1710. ^ Der Brief an den König in Secr. -Leibn. Nr. 109, s. Urkundenband Nr. 94, an den Oberkammerlierrn Nr. iio. ^ Darüber sind in LEiBNizens Briefwechsel zalilreiche Zeugnisse vorhanden. * Siehe seinen Brief an den Abbe Bignon in Paris vom 30. Oetober 17 10 (Feder, Commerc. p. 2530".): >>Vous avez eu la bonte, monsieur, de me commu- niquer quelquefois des nouvelles litteraires, j"ai peiu- que mon peu de reciproque vous en aura degoüte. Car je ne suis guere en etat de vous rendre la pareille. La societe des sciences de Berlin a public quelques «Miscellanea«, et j'espere c|u"on vous les envoie, comme je Tai suggere. Cet essai ne me contente pas en- tierement. II faut esperer qu'on fera mieux avec le temps, et qu'apres tant d"annees de desordre et de malheur le genre luunain pourra jouir quelque temps d'une tranquillite oü les sciences avanceront mieux«. '" Leibniz hat in dem Bande folgende Abhandlungen verfasst: 1. Brevis designatio meditationum de originibus Gentium, ductis potissimum ex indicio linguarum. 2. Oedipus C'hymicus aenigmatis Graeci et Germanici. Der erste Band der -INIiscellanea». Leibnizchs Vorrede. 161 Secretar der Pariser Akademie, Fontenelle^ Leibniz erscheine hier unter beinahe allen seinen verschiedenen Gestalten, als Historiker, Anti- (|uar, Etymolog, Physiker und Mathematiker, und mit nicht geringerem Recht fügte er hinzu, dass auch der Redner Leibniz in der Zuschrift an den König sich zeige. Diese Zueignung ist sachlich und stilistisch meisterhaft, Sie bezeichnet in festen Zügen das , was in der Wissen- schaft seit dem grossen Wandel der Dinge bereits erreicht war, und sagt der angestrengten Fortarbeit eine glänzende Zukunft voraus"": Rex Auguste. Gratulatur sibi Societas, quam scientiis promovendis fundasti, eo tempore curam eins a Te susceptam, quo Regni novi fundamenta 3. Annotatio de quibusdam ludis, imprimis de liido quodam Sinico, diffe- rentiaque Scachici et Latrunc'ulorum , et novo genere Ludi Navalis [diese Abhandlung beginnt mit den hübschen Worten : »Saepe notavimus, nnsquam homines cjuani in kidici'is ingeniöseres esse, atque ideo kidos INIathematicorum curani niereri, non per se, sed artis inveniendi causa. Ludi eventus fortuiti inter aha prosunt ad aestiinandas probabihtates, habemuscpie ingeniosissimas de alea ratiocinationes«]. 4. Historia inventionis Phosphori. 5. Epistola de figuris animahum, quae in lapidibus observantur etc. 6. De elevatione vaporum et de corporibus , quae ob cavitatem inchisam in aijua natare possunt. 7. Annotatio de hice, quam (piidani Auroram boi'ealem vocant. 8. Zui' Differentiah'echnung. 9. Consti'uctio problematis ducendi rectas , quae tangunt hneas centrorum gravitatis. 10. Annotatio de arte Noribergensi specula vitrea conficiendi sine fohis. 11. Zu einem mechanischen Problem. 12. Brevis descriptio Machinae Arithmeticae cum figura. ^ Eloge de 31. Leibniz p. 325 (Hist. du Renouvellement de l'Acad. T. IL Amsterdam 1720). - Auch die \'orrede ist von Wichtigkeit (s. Ui'kundenband Nr. 95). Ein Mit- gliederverzeichniss dem Bande beizugeben, lehnte er auf's Entschiedenste ab. Die ]Motivirung findet sich in dem Brief an Ch. Ancillon vom 6. September 1709 (Feder, Commerc. p. 3 f.), der auch sonst interessant ist (vergl. auch Secr.-LEiBN. Nr. 107 vom i7.]Mai 17 10): '■Une liste des membres de la Societe ne servirait de rien. II y en a que je ne connais pas, et qui ont ete rcQus sans que j'en aie pu juger. 11 suffit de marquer dans nos »Miscellanea« ceux qui contribueront ä son but. Et vous pourrez, IVIonsieur, y renvoyer les curieux.« "II me parait peu convenable que les savants soient ä la discretion des li- braires. II y aurait remede a cela, si les jjremiers formaient entre eux une maniere de correspondance ou d'intelligence sur le debit des livres. Si j'etais plus jeune, je serais capable de pousser un tel projet; mais il n"en faut rien dire.« »Ce mot: Le roi ne vous j^aye point pour faire des livres, ne me surprend point. II convient assez au caractere du temps. Ordinaireinent on ne considere Tetude (jue comme une chose mercenaire, et comme une echelle, (pToa Ute ou neglige, cpiand on n"a plus besoin de monter.« Geschichte der Akademie. I. 11 162 Geschichte der Societät von 1700 — 1711. moliebare: cuius inaugurationem Diploma nostrmn nondiiin diinidio anno antevertit. Credo ut intelligeret orbis, Rege dignum esse, uon minus amplificare opes humani generis. quam ornare ditiones suas. Est enim communis liominum thesaurus situs in magnis Veritatil)us, quibus tamquam magicis carminibus Natura paret. Omnia elementa liodie humanis iussibus serviunt: Aqua Terraque content! erant ve- teres, et ne bis quidem satis imperabant; nunc Ignis per Cbemiam, Aer per Pneumaticen regitur; Coeloque ipso utimur velut duce, ut a,nimo spatiemur per tempora, corpore per loca. Hinc et iuvatur navigandi ars, quae partes nostri orbis inter se connectit, cuius perfectionem nobis paene spondet Astronomia, quae ipsa nos miris machinis in remotissimum sublime attollit, et elegantissimam Mundi faciem aperit: quam si novisset Alpbonsus Castellae Rex, magis meritis in scientias, quam gestis etsi insignibus immortalis, nihil in structura eius reprehendisset. lamque in ipsa Divinae Sapientiae arcana admittimtur naturae sacerdotes, noruntque et amant pulcliri- tudinem, quam vulgus tantum veneratur: ita quod aliis admirationi solummodo, bis etiam voluptati est. Nee unum inter Reges Alpbon- sum laudat ^^Regoles nnimos dignata moüere<^ Uranie. Nam ut Atlanten! Libycum aut Zoroastrem Bactrianum prae- teream, magis fabulis quam historiis notos: ut principes multos sileam magis amore gloriae, quam affectu intelligentiaque bene me- ritos: certe Ulug ex Tamerlanis posteris apud Indos, Rudolphus II. Imp. apud Germanos, »Tabulas Astronomicas« Alphonsi exemplo non minus cura quam nomine nobilitarunt. Quantum Plantarum notitia, quantum Animalium Regibus debeat, alii dixere. Vicissim per Mi- neralium Metallorumque Scientiam interdum Reges aut Respublicae ad summas opes pervenere. Alexander et Annibal magni fuere, quod Philippus illius pater in Macedonia, Cartbaginienses in Hispania lia- buissent [sie] quae nunc in America miramur. De Regibus scientiarum studiosis dudum a viris doctis actum est. Ptolemaeus rex quaesisse ex Euclide dicitur, esse.tne aliqua Regia ad Matbesin via, id est plana facilisque: negavit Euclides. sed eam liodie novis detectis Methodis aperuimus. Equidem ita sentiunt intelligentes: post in- ventam typographiam, qua notitiae semel obtentae perpetuantur, post reperta Organa , quibus visus potentia in immensum extenditur, post detecta sj^stemata Macrocosmi in Astronomia, post promotam ipsam Inveniendi artem, magnos admodum sperandos progressus, si sie per- gitur. Hactenus enim in infantia fuere scientiae, et vix ab uno alterove I)ei' erste Band der "Miscellanea«. Lei uxizens Vorrede. 163 saeculo crepundia et nuces rcliquere. Et cum nihil post virtutem sit bona valetiidine pretiosiiis in terris, etiam de magnis Medicinae incre- men tis desperandum non est, malis tollendis, minuendis, difterendis. Certe si singulis annorum centenariis, quantum novissimo, prae- stabitur, quam longe iturum sit humanum genus, quivis videt. Et quod tamdiu tardatum est, magis imperfectis institutis publicis quam artificibus imputari potest: hos enim suae suorumque sustentationi dare operam necesse fuit: at nunc nova luce exorta curatores rei- publicae a Deo Principibusque datos pro omnibus vigilare par erit, ut collectis ordinatisque observationibus, quibus fidi possit, quaesi- tisque studiose experimentis apparatus Artium locupletetur. Et credibile est, si inde a quadraginta et quod excurrit annis, aut ex quo scientiarum causa in Societates coitur, eo ardore perrectum fuisset quo coeptum est, jam tum magnos inde fructus percepturos fuisse homines, et qui nihil humani alienum a se esse sentiunt, Principes, etiam ad valetudinem suam suorumque tuendam. Sed in bella versae sunt curae gentium, ut se mutuo infelices facerent: dum nos tarnen, Rex Optime, Tua potissimum cura, alta pace frui- mur, in qua inter ceteras populorum felicitates etiam scientiae florere solent. Itaque nunc qualescunque hae primitiAe ex schedis ad So- cietatem missis decerptae Tuae Majestati offeruntur, ut intelligas, sperari aliquos fructus posse ex fundo non sterili, si ex praescripto mandati Regii porro irrige tur, animadvertantque illi qui colere de- bent Scientias eamque in rem a publico akmtur, ut in ceteris vitae officiis, (piorum es exactor iustissimus, ita hie quoque nemini per te negligenti esse licere. Nee dubitandam est, posse Te efficere pro magnitudine Tua , ut inter unum alterumve kistrum plus ad- jiciatur notitiis utilibus, quam saeculo integro per lenta — ut hac- tenus — studia possit, modo Tibi a necessariis iisque gravissimis occupationibus huc animum aliquando solutiorem vertere vacet. Quod equidem sperare fas est, nam, ut auguramur, in meliora quietioraque tempora Te, Domine, reservavit Omnipotens, et si Vota publica audiuntur, frueris ipse diu bonis, quae mortalibus dare parns. LI precantur quicunque sapientiam tuam l)enefaciendique animum norunt, quibus Regum virtutibus vix aliquid salutarius terris dare eoelum potest. Vale et fovere perge Rex Auguste Majestati Tuae subjectissimam et devinctissimam Societatem Regiam Berolinensem ir 164 (ieschichte der Societät von 1700-1711. Die grosse Melirzalil der Abhandlungen (37) gehört der mathe- matisch-mechanischen Klasse an; hier haben von Einheimischen, ausser Leibniz (5), Kirch (8), J. H. Hoffmann (3), d'Angicour, Cu- NEAU, ViGNOLES uud Naude jun. mitgearbeitet. Zwölf Abhandhingen sind von auswärtigen Mitgliedern eingescliickt worden, nämlich von Bernoulli in Groningen (i), Guilielmini (i) und Ja('. Hermann in Pa- dua(i), Hartsöcker in Düsseldorf (3), Henfling in Ansbach (i), Rehier in Kiel (i), Sturbi in Frankfurt a. 0. (i) und Wurtzelbau in Nürn- berg (3); drei Arbeiten von Nicht -Mitgliedern wurden auch aufge- nommen (Teuber, Hecker in Gent; Flamsted); zwei Arbeiten sind anonym \ Zu den physikalisch -medicinischen Abhandlungen haben die Einheimischen 9 Abhandlungen beigesteuert, nämlich Leibniz (4), Spener (2), Frisch, Chauvin und Kirch (je i). Ferner haben sich sechs auswärtige Mitglieder betheiligt, Behrens in Hildesheim, Scheuchzer in Zürich, Seidel in Frankfurt, J. A. Schbiid in Maricn- tlial, 0. Römer in Kopenhagen und Valentini in Giessen, dazu ein Anonymus. Für die litterarische Klasse , die am schwächsten reprä- sentirt ist, haben nur Einheimische gearbeitet, nämlich Leibniz (3), La Croze (2)"", Schott (i) und Frisch (i). Die Mitarbeiter geben sowohl durch ihre Zahl als durch ihre Arbeit ein Bild von der Zu- sammensetzung und den Interessen der Societät. Dass das mathe- matisch-physikalische Element in dem Bande überwiegt, entspricht dem wirklichen Zustandet Die Sorge für die deutsche Sprache ist wenigstens durch eine Abhandlung von Frisch (»Origo ([uorundam vocabuloruni Germanicorum et cum aliis Unguis affinitas«), in der freilich viel Verkehrtes steht, vertreten. Unerfüllt ist die christ- lich-civilisatorische Aufgabe der Societät, man müsste denn die Ab- handlung von La Croze, De libris »Sinensibus Bibl. Reg. Beroliiieiisis, ^ Zu den Maschinen, die besclirie])en werden, vergl. Secr. -Leihn. Nr. 98 vom 2i.December 1709, Nr.99 vom 11. Juni 1710, Nr. loi vom i.März 1710. Nr. 100 vom I.Februar 17 10, Nr. loi vom i.März 1710 (dazu den Briefwechsel von Frisch aus dieser Zeit, besonders Nr. 19 vom 3. Mai 17 10, Fischer S. 27: «Hr. Günther ist endlich überzeugt, dass das perpetuum mobile nicht angehe, aber er will ein facil- lime mobile machen, wozu noch mehr Apparenz ist, als zu jenem«). Die Societät wurde bereits häufig aufgefordert, über technische Erfindungen Gutachten abzu- geben; auch ein Verfahren, die Schiffe gegen den Wurmfrass zu schützen, wurde ihr vorgelegt (s. Secr. -Leibn. Nr. 100 vom i.P'ebruar 17 10). ^ La Croze handelt in einer Abhandlung vom Regenwunder des Marcus unter Herbeiziehung einer »Stelle Lucian's. Auch die zugehörige Darstellung auf der Marcus- Säule ist auf einer Tafel beigegeben. ^ Dass medicinische Abhandlungen fehlen, lag an dem Übelwollen und der Eifersucht, die die Mediciner gegen die Societät hegten. Der erste Band der »^Miscellanea«. Das Statut (1710). 165 daliin recliiien. Die neue Differential -Rechnung ist sclion angewen- det, und überall legt der Band von bereits gewonnenen Fortschritten Zeugniss ab. Abhandlungen, wie sie an den Universitäten üblich waren, über philosophisch-theologische Streitfragen und philologische Quisquilien, fehlen ganz. Geniale Gedanken und epochemachende Ent- deckungen sind freilich auch nicht zu finden: aber solche zu com- mandiren vermochte selbst ein Leibniz nicht. Der Band ist ein Be- Aveis dafür, dass die neue Wissenschaft der 2. Hälfte des 17. Jahr- hunderts in Berlin eine Stätte gefunden hatte. Der besondere Geist des 1 8. Jahrhunderts kündigt sich in ihm noch nicht an. Aber die jüngste Vergangenheit stellte noch Aufgaben genügt Die Societät hatte sich endlich würdig in die wissenschaftliche Welt eingeführt; aber Leibniz selbst sollte keinen Dank ernten. Wir kommen zu dem verhängnissvollsten Moment in der ältesten Ge- schichte der Societät. Die Sache ist öfters, zuletzt von Klopp, so dargestellt worden, dass auf die Mitglieder der Societät bez. des Conciliums ein dunkler Schatten fällt. Ganz zu entschuldigen sind sie nicht, aber längst nicht so schuldig, wie man bei ungenügen- der Kenntniss der Vorgänge gemeint hat. Miss Verständnisse und Zufälligkeiten haben eine bedeutende Rolle gespielt und die uner- freuliche Sache noch schlimmer erscheinen lassen als sie war. Bereits im Jahre 1704 (März), als man glaubte, das Observa- torium werde demnächst fertig gebaut sein und die regelmässigen Sitzungen könnten beginnen, hatte man in Berlin ein ausführliches Statut für die vSocietät ausgearbeitet und es Leibniz überschickt, der es gebilligt hat (s. oben S. 138). Dieser Statutenentwurf von 1704 ist so gut wie identisch mit dem Statut, das im Jahre 17 10 (3. Juni) von dem Könige genehmigt worden ist. Diese Thatsache war bis- her unbekannt; aber im Akademischen Archiv befindet sich noch der Entwurf von 1704 mit der Bemerkung, dass er Leibnizcii com- municirt worden sei. In diesem Entwurf heisst es i.: »Wii- wollen aber von nun an und jeder Zeit Unser Societät aus dem Mittel Unser Wirklichen Geheimen Rähte einen Praesidem honorarium be- nennen, der in Unserem Nahmen derselben vorstehen, ihr Bestes beobachten, über denen von Uns bestellten Gesetzen und Ordnunuen halten und die Ansieleüenheiten ^ Bemerkenswerth ist es, dass in dem Bande von den grossen unlösbaren Problemen des Zeitalters (Perpetuum mobile, Quadratur des Zirkels, Goldmachen u. s. Av.) nirgendwo die Rede ist, ebenso wenig von den analogen Projecten, eine Universalsprache oder wenigstens eine Universalschrift zu erfinden. Letzteres ist mn so auffallender, als sich die Societät 1708 — 171 1 sehr eingehend mit der Erfin- dung einer Universalschrift beschäftigt hat, die Caspar Rödeckex (Rödickex) vor- gelegt hatte (s. darüber den Urkundenband Nr. 96). 166 Geschichte der Societät von 17(M»-171]. der Societät. wenn solche an Uns gelangen zu lassen die Notlnvendigkeit erfordert, vortragen, wie nicht weniger, wenn es ihm beliebt, deren Versanniilungen beiwohnen und von dem. so darin vorgehet, Bericht einnehmen solle und möge. Damit al)er hierdurch sowohl er an seinen anderweit obliegenden Verrichtungen nicht gehindert. noch um dieser willen die Geschäfte der Societät hindangesetzt werden dürfen, soll er dvu-ch einen Vice-Praesidem aus den Gliedern der Societät beständig vertreten werden.« Ferner lieisst es 2.: »Und damit dieselben (die zu erw^ählenden 4 Directoren) bei solch ihrer Be- mühung einiger lilrgetzlichkeit hiernächst sich zu erfreuen haben, soll auf begeben- den Abgang des jetzigen Praesidis dasjenige, so demselben wegen seiner Abwesenheit zu Erstattung derer von Zeit zu Zeit auf die jedesmalige Hin- und Wiederreisen zu wendenden Kosten, überhaubt als ein gewisser Gehalt, verordnet worden, kraft dieses ihnen sämmtlich und die nebst ihnen das Concilium constituiren zugeeignet sein und unter sie gleich verteilet werden." Diese beiden Bestimmungen hatte Leibniz einst ge- nehmigt. Hatte er doch selbst gewünscht und wünschen müssen, dass einer der Minister sich ex professo der Societät annehme, und die Bestimmung, dass einst sein Gehalt unter die Mitglieder des Conciliums vertheilt werden solle, konnte ihm gleichgültig sein. Ganz gleichgültig war sie freilich doch niclit; denn die bisher unbesolde- ten Mitglieder des Concils schauten nun nach den 600 Thlrn. aus. Dazu kam, dass eine gewisse Unklarheit darüber bestand (s, oben), ob sie Leibniz als festen Gehalt oder lediglich als Entsclicädigung für Reisekosten oder für Reise- und Correspondenz- Kosten bezog. Wie nun, wenn er nicht mehr nach Berlin kam? Als das Observatorium im August i 709 übergeben wurde, reichte das Concilium den Statutenentwurf auf's Neue ein. Der Minister liess ihn einige Monate liegen, da die Inauguration sich verzögerte, gab ihn der Societät zurück, um einige Correcturen vorzunehmen , und erkundigte sich dabei — augenscheinlich erstaunt — , auf welchen Rechtstitel hin Leibniz 600 Thlr. bezöge. Cuneau antwortete darauf am 10. April 17 10 in einer sacligemässen, wenn auch Leibniz nicht eben sehr freundlichen Weise und überzeugte den Minister, dass man Leibniz die 600 Tlilr. lassen müsse; zwar seien sie bisher vom Könige nicht bewilligt worden, aber die Bewilligung sei doch seiner Zeit mit Vorwissen der Regierung geschehen \ Hierauf bestätigte der König am 3. Juni 17 10 das Statut und ernannte zugleich — im Sta- tut das bereits ankündigend — den Minister von Printzen zum Prae- ses honorarius, mit der Bestimmung, dass er zur Zeit neben Leibniz, der wirklicher Präses blieb, fungiren, nach dessen Abgang aber ^ Siehe den Abdi-uck im Urkundenband Nr. 54. Das neue Statut uutl der neue Präses vox Printzen (1710). 16/ allein der Societät vorstehen solle. In einer besonderen Ordre vom- 27. Juni wurden Leibniz die 600 Thlr. jetzt durch den König zuge- sichert — aber sie wurden ausdrückhch und gegen den Anspruch, den Leibniz nach den Verhandlungen von 1700 hatte, lediglich als Reisekosten -Entschädigung bezeichnet^ — ; ferner wurde die Bestim- mung über die spätere Vertheilung der 600 Thlr. aus dem Statut" entfernt, aber in diese Ordre aufgenommen (je 100 Thlr. die 4 Direc- toreii, 100 der Fiscal der Societät, 100 sollten an die Kasse zurück- fallen) ; endlich wurde in einer für Leibniz kränkenden Weise in der Ordre bemerkt, dass diese Vertheilung einzutreten habe, wenn er »durch den Tod oder auf andere Weise vom Amt abkommen sollte'«. Am 7. August 17 10 erfolgte dann von Printzen's förmliche Bestallung^. Kein Zweifel — der Hof war Leibniz ungünstig gesinnt und wünschte, möglichst bald nichts mehr mit ihm zu thun zu haben, und das Concilium w^ar auch nicht davon erbaut, dass seine Reisen nach Berlin immer seltener wurden : aber es hat doch Leibniz aller Wahrscheinlichkeit nach in seiner Stellung als Präses dem Hofe gegenüber geschützt. Allein der schwere Vorwurf ist ihm nicht zu ersparen, dass es diese Verhandlungen geführt hat, ohne ein Wort darüber an Leibniz gelangen zu lassen. In der Stille wurden die Statuten vom Könige bestätigt, in der Stille LEiBNizens Gehalt als Reisekosten -Entschädigung vom König confirmirt — in der Ab- machung vom Jahre 1700 liiess es doch ganz deutlich: Reise- und Correspondenz-Entschädigung — ; in der Stille w^urde von Printzen zum Praeses honorarius ernannt. Weder Cuneau noch die beiden Jablonski's haben ein Wort darüber an Leibniz geschrieben. Sie müssen sich gefürchtet haben; aber verborgen konnte die Sache ^ Das Concilium hat übrigens auch in der Folgezeit daran festgehalten, dass Leibniz die 600 Thlr. nicht nur als Reise-, sondern auch als Correspondenz-Kosten- Entschädigiuig erhalte. '^ Die übrigen Unterschiede des Statuts in der Recension vom Jahre 1704 und 17 10 sind unbedeutend. Der Advocatus Fisci ist nicht von der Societät zu erwäh- len, sondern wird auf ihren Vorschlag ernannt; die Klassen - Directoren bedürfen keiner königlichen Bestätigung. ^ Siehe Urkundenband Nr. 97. Das Concept ist vom Secretar geschiüeben, von VON Ilgex corrigirt. Kränkend für Leibniz ist auch das Rubrum des Actenstücks: »Verordnung, dass künftig bei der Societät der Wissenschaften des Praesidis hono- rarii Besoldung demselben nicht mehr zu reichen, sondern zum Besten der Societät anders anzuwenden « . * Siehe Urkundenband Nr. 98. Der Ehrenpräsident soll sein Amt unentgelt- lich führen. 168 Geschichte der Societät von 1700-1711. iiiclit Mciben; die Publicirung musste erfolgen, sobald die feierliehe Inauguration vor sich ging. Das Statut^ stellt folgende Grundzüge fest: es setzt vier Klassen ein (i. Physica incl. Medicin, Chemie u. s.w., 2. Mathematica incl. Astronomie und Mechanik, 3. Ausarbeitung der deutschen Sprache sammt der deutschen Kirchen- und politischen Geschichte, 4. Litte- ratur, »insonderheit orientalis, und wie solche zur Fortpflantzung des Evangelii unter den Ungläubigen nützlich anzuwenden sein möchte« ) ; jedes Mitglied muss mindestens zu einer Klasse gehören; jede Klasse wählt durch Stimmenmehrheit einen Director; die vier Directoren und der vom Concilium vorzuschlagende, vom König zu ernennende Advocatus Fisci"' bilden (mit dem Secretar) das Concilium; die Direc- toren, deren Amt lebenslänglich ist, wechseln jährlich (am 11. Juli) in dem Vice -Präsidium ab; der Vice -Präsident leitet die ganze So- cietät; das Concilium hat alle Intima Societatis (dazu gehört die ge- sammte Finanzverwaltung) zu besorgen ; vorzügliche Mitglieder, be- sonders in Mathesi und Physica, sollen besoldet werden, sobald der Fundus der Societät das gestattet; die Aufnahme neuer Mitglieder soll durch das Concilium geschehen, nachdem es darüber mit der betreffenden Klasse sich in"s Einvernehmen gesetzt hat; auch die Herausgabe der wissenschaftlichen Acta Societatis ist Sache des Con- cils, ebenso die Anschaffungen (Modelle, Instrumente, Naturalien, Bücher), aber die Klasse soll zuvor gehört werden. Jede Klasse soll alle vier Wochen zusammenkommen, so dass wöchentlich eine Sitzung gehalten wird, doch werden auch Generalversammlungen in's Auge gefasst (ihre Competenz wird nicht angegeben); in jeder Sitzung soll mindestens ein Vortrag gehalten werden; der Secretar ist verpflichtet, allen Sitzungen beizuwohnen; den Klassen -Mitglie- dern wird fleissiger Besuch eingeschärft; jedes Mitglied ist berechtigt, in jede Klassensitzung zu konmien, auch wenn es der betreffenden Klasse nicht angehört; Fremde kann der Director einführen. — Das Statut enthielt viel Gutes, aber es bestätigte die bestehende Oli- garchie des Conciliums; alle übrigen Akademiker sind rechtlos, d.h. sie haben nur in wissenschaftlichen Fragen mitzusprechen. ' Siehe Urkundenlmnd Nr. 99. ^ Als erster Fiscal wurde der Hof- und Kanunergerichtsrath V. Duhram er- nannt am 21. December 1710 (Geh. Staatsarchiv; Entwurf im Akademischen Archiv; s. Urkundenband Nr. 99, Anhang). Die Societät hatte ilni am 16. December vorgeschla- gen; die Eingabe ist unterzeichnet: »Präses, Vicepräses und ConciHum«, obgleich Leihniz gar nicht betragt worden ist (Akademisches Archiv, Fase. "Ernennungen"). LKiBMzens Zurückset/Aiiig (1710/11). 1()9 Im Deceinber Hess sicli die Sache nicht länger Leibniz ver- bergen'. Man hatte inzwischen über sehr Verschiedenes mit ihm correspondirt . über den TodKiRcu's, der am 25. Juli 17 10 gestorben war', und über die drohende Besteuerung der besoldeten Beamten, die keine Kopfsteuer zahlen — hier wünschte man seine Intervention^. Der Brief des Secretars, durch den Leibniz von der Sache officiell in Kenntniss gesetzt wurde, zeigt kein böses Gewissen*. Ebenso wenig der nächste % in welchem ihm mitgetheilt wird, dass der König die feierliche Eröffnung der Societät zum 19. Januar — einen Tag nach dem Krönungstag — befohlen habe, und der ihn zu dieser Feier einladet. Indess ist das blosse Schweigen hinreichend, um ihr Verfahren einer an Unredlichkeit angrenzenden Schwäche zu zeihen. Leibniz, der kurz vor jenem ersten Brief auch von an- derer Seite über Printzen's Einsetzung gehört hatte, war tief ge- kränkt und bestürzt. Des Statutenentwurfs von 1 704 erinnerte er sich nicht mehr, und wenn auch — die Heimlichkeit, mit der die Sache betrieben worden war, hätte ihn empören müssen. Gegen die Wahl eines Praesidii honorarii an sich und besonders gegen die Ernennung von Printzen's hatte er nichts einzuwenden, sondern hielt sie für vortlieilhaft; er hatte bei seinem letzten Aufenthalt in Berlin Hrn. von Printzen die Societät persönlich an's Herz ge- legt. Er wandte sich mit einer Klage an die ihm wohlgesinnte Kronprinzessin, irrthümlich glaubend — auf Grund einer falschen Nachricht — , dass die Mitglieder der Societät in einer General- versammlung von Printzen gewählt und ihn damit abgewählt, ferner dass sie ganz neue Statuten aufgestellt hätten. Auch über den Fortbezug des Gehalts war er unsicher. Man kann nicht leicht etwas Würdigeres und Besonneneres, in so peinlicher Situation geschrieben, lesen, als diesen Brief". An demselben Tage schrieb ^ Siehe Secr. -Leibn. Nr. 119 vom 9. Deceinber 17 10. ^ Siehe Secr.-LEiBx. Nr. 112 vom 26. Juli 1710. Im Akademischen Archi\' (111, i) findet sich ein Brief" dei* Frau Kirch an Leibniz mit der Bitte, sie im Hause zu lassen und, wenn man ihr nicht förmlich das Kalenderwesen überti'agen könne, ihr eine Nebenstelle bei demselben zu geben (s.auch ihren Brief an die Societät im Akademischen Archiv vom 2. August 17 10); dazu ein ähnlicher zweiter Brief vom 3. März 17 11 und eine Eingabe an den König vom 25. November 171 1 um die Stelle eines Astrononius adiunetus. Im Januar 1718 wiu-de ihr Sohn Christfried Astronom der Societät. ^ Siehe Secr.-LEiBN. Nr. 118 — 120 vom 29. Nov. und 9. und 27.Dec.1710. "* Kurz vorher hatte Ancillon iiim geschrieben und die Neuordnung erwähnt. Die Art, wie er es gethan, schliesst die Annahme aus, dass er sich schuldig fühlte. ■' Siehe a.a.O. Nr. 120 vom 27. December 1710. ■^ Siehe Urkundenband Nr. 100 (10. December 17 10). Dass seine lange Ab- wesenheit von Berlin einer gewissen Entschuldigung bedüi'fe, empfindet er selbst; 170 (Tpsclik'hte der .Societät von 17(1(1-1711. er an von Printzen. gratulirte iliiii luul iasste seinen Brief so. dass der Minister ihm Anfklärung geben konntet Auch hier setzt er vor- aus , dass dieser einfach an seine Stelle getreten sei. Printzen ant- wortete in einem kurzen , aber sehr freundlichen Schreiben , das Leibniz etwas beruhigte": »Faites-moi seulement la grace,. Monsieur, de me donner de tenips en temps part de vos sages avis, comment et par ou vous croyez que cette Societe se puisse rendre plus tlorissante et acquerir plus de renommee dans le monde .... Le roi ne se souvient ni ne parle jamais de votre personne qu'avec cette conside- ration et distinction gracieuse qm est due a vos merites infinis, que je revere aussi«. In dem zweiten Brief an die Kronprinzessin schreibt Leibniz bereits gefasster^; er hat jetzt den wirklichen Thatbestand zum Theil erfahren und weiss, dass er Präsident geblieben ist, aber «man hat mir Unrecht gethan, en me cachant ce que je devais savoir. Oii m'a envoye depuis un reglement oü le roi me conserve mes droits, mais, coinme il serait peu honoraljle a moi, et peut-etre peu avantageux a la Societe Royale des Sciences, si Ton faisait les choses Sans en communiquer assez avec moi, il est juste qu"on remedie a ce desordre«. Er bittet die Kronprinzessin, von Printzen ein Wort zu sagen, »afin qu'on m'ecrive regulierement et qu'on n'expedie point les choses qui souftrent delai, sans m'en faire part«. Noch immer scheint er sich nicht zu erinnern, dass er den Ent- wurf von 1 704 selbst gebilligt hat. Dann legte er in einer aus- führlichen Auseinandersetzung an von Printzen"^ die Bedürfnisse der Societät dar, unverdrossen selbst wieder die Arbeit aufnehmend, aber auf's Bestimmteste verlangend, dass ihm über alle Vorkommnisse vom Concilium rechtzeitig Mittheilung gemacht werde. Waren doch auch, wie er rügend bemerkt, die Directoren der Klassen gewählt worden, ohne dass er benachrichtigt worden war'\ Auf den Se- aber mit Recht durfte er sagen: "()n ne m'a Jamais oblige a une presence precise, et mon absence n"a point ete iniitile. J'ai travaille l'annee passee aussi bien (jue Celle -ci k faire paraitre un ouvrage considerable de la part de la Societe". ^ Siehe Urkundenband Nr. loi. '^ Siehe llrkundenband Nr. 102. ^ Siehe Urkundenband Nr. T03. * Siehe Urkundenband Nr. 104. ■'' Bereits am 4.Deceniber 1710 waren sie gewählt worden (Krug von Nidda, der llofprediger Jahlonski, Cuneau und Schott). In der Sitzung am 15. Deceni- bei" wurde von den vier neuei'wählten Directoren beschlossen . dass die Zusammen- künfte der Klassen des Donnerstags Nachmittags um 3 Uhr gehalten werden sollten (diese Ordnung besteht noch heute; nur ist jetzt 4 Uhr die angesetzte Stunde). In der Sitzung am S.Juni 1711 wurde dann bestimmt, am Donnerstag festzuhalten und Leibmz gielit dein ^Minister Rjulischläiie für die Leitunü,- der Societät. 1 / 1 ci'Ptnr und auf Frisch — «c'est un homme actif, d'esprit et de sa- voir, et qui a envie de bien faire« — macht er den Minister l)e- sonders aufmerksam, beklagt sich aber über die Mediciner: "11 faut que J'ajoute eiicore ijue INIss. les Medecins nous ont tait banqueroute, lors(|u"il s'agissait de fournir (juelque chose a nos Miscellanea. J'avais fort coinpte sur ]M. Hof3ian, et lürs([u'il fut ä Hall, il parut zele. inais depuis qii"il est ;i la Cour, il nous a oiiblie.« Beigelegt ist ein in deutscher Sprache verfasstes Pro Memoria, das der Minister wohl dem Könige vorlegen sollte \ Es enthält die Directiven für die Arbeit der nun in Activität gesetzten Societät; Leibniz wollte augenscheinlich zeigen, dass er die Zügel in der Hand halte, bereit sei, weiter für die Societät zu arbeiten und den neu er- nannten Ehrenpräsidenten zu instruiren habe. Er beklagt sich über die Lauheit der meisten Mitglieder, die ihrer Pflichten nicht ein- gedenk seien. Wenn es damit nicht besser und die Societät nicht reichlicher ausgestattet werde, so werde sie keinen wissenschaftlichen Credit geniessen. "Der Urspriuii;- der bi.slierigen Kaltsinnigkeit« — fährt er fort — "Scheinet grossentlieils daiier kommen zu sein, dass man sich, obschohn ohne Grund, einge- bildet, I. 31. nehmen sich der Societät wenig an und achteten nicht, ob solche etwas rechtschaffenes zu Wege bringe oder nicht.» Der Minister müsse auf strenge Einhaltung der Statuten und auf Erhöhung der Einnahmen der Societät bedacht sein ; ausserdem seien verdiente Mitglieder durch Prämien aufzumuntern und auch an Rangerhöhung sei zu denken; die einst vorgeschlagenen Ent- würfe zu Privilegien seien auf's Neue zu erwägen und in Vorschlag zu l)ringen. »Es wäre aber auch vielleicht Verordnung zu machen, dass die Glieder, welche innerhalb drei Jahren nichts zu dem Scopo dienliches beitragen, nach Gutbefinden aus dem Catalogo membro- rum gelassen werden könnten.« Am meisten liegt ihm an den von der Societät einzuleitenden und zu überwachenden medicinisch- sta- tistischen Beobachtungen der vom Staat bezahlten Ärzte. Es war der Punkt, wegen dessen die Mediciner der Societät grollten; denn sie betrachteten das als eine unbefugte Einmischung. So hat Leibniz kurz vor der feierlichen Eröffnung der Societät seine volle Präsidentenpflicht wahrgenommen. Am 30. December entschloss sich endlich der Hofprediger, ihm zu schreiben und das Vorgefallene zu erklären"": die Sitzungen um 5 Uhr zu schliessen. Vom 29. Januar an sollten die regelmässigen Klassensitzungen beginnen ; s. Secr.-LEiBX. Nr. 122 vom 10. Juni 1 7 1 1 und die Protokolle. ^ Siehe Urkundenband Nr. 105. - Hannov. Bibl.. Kvacsala S. I2^f. 172 Gescliiclite der Societät von 170U — 1711. .... der ("i'oii-Priiit/.cssin Königl. Hoheit lint mir vorgestern zu ver- stehen gegehen, dass Mein HocIigeEhrter Herr üeheimter Raht an Selbte einiges Misvergnügen über dem so zeither bey der Societät der Wissen- sehalTtcn vorgangen bezeuget hätte, auch l)egeliret dass icli hiei'über an Eure Wolügel). einige Erklärung thun möchte; absonderlich, da Selbter empfindlich falle, dass der Herr Geheimte Estats-Raht von Printzen zum Praeside Honorario, ohne Dero Vorwissen und Participation erwehlet worden. Da aber Ew Wohlgeborn erinnerlich sein wii'd, dass das Pro- ject der Königl Verordnung, welche der Societät zu einem beständigen • Reglement dienen soll, und darinn wegen Bestellung eines solchen Prae- sidis (oder vielmehr Protectoris, nur dass diesen titul, Se Königl. Majt sich Selbsten in der Eundation vorbehalten) veivsehung geschehen, Dero bereits vor etwa 7 Jahren zur censur communiciret. inzwischen aber von Dero hinwieder nichts moniret woi'den , so dienet nun zur gehorsamsten Nachricht, was die Person vor-wolgedachten IVIinistri betrift't, dass nicht die Societät, sondern Seine Königl. Majt Selbsten aus eigener Bewegung denselben gewehlet, da das Reglement, durch den Hm Geheimten Raht VON Ii.GEN, mit einer Lücken, davor des Pi-aesidis Honorarii Namen stehen sollte, allei'untgst vorgetragen worden. Dass aber nach einem zehn- jährigen Languore man endlich zur Sache thun, und damit durchdringen müssen, hat ausser tausenderley Unlust und Spott, welchen die Societät wegen ilu-er Inaction erdulden müssen, sonderlich des Hren Hoft'Raht Ghuno jüngstere höchstgefährliche Krankheit verursachet, als dessen Leben eine geraume Zeit nur an einem seidenen Faden gehangen. Wann nun, da ohn dem die meisten die von anfang bey der Societät gewesen, dar- über verstorben, auch dieser Fall noch sich zugetragen hätte, würde dieses löbliche, aber noch unvollkommene Etablissement gefahr gelauffen hal)en, zu trümmern zu gehen; zu aller die darinn band gehabt Beschimpfung, und zu EwWohlgeb. eigenem Schaden. Dass aber alles so hierunter vorgangen, gar niclit gemeinet gewesen, EwWohlgeb. auch mu- im allergeringsten zu nahe zu treten, erhellet auch schon aus dem g(>drukten Reglement; deme hiebey füge Copiam der Special- Verordnung an des Hm v. Printzen Excel., aus welchen beiden stücken Eure Wohlgeb. deutlich ei'sehen werden, dass vor .Selbte, so wohl die ge- bührende Ehre, als das wenige Utile, sorgfältig salviret worden. EWohlgeb. glauben dass gleich wie niemand unter Uns ist, der Deroselben Merita ^\ie sonst um die Gelehrte Welt, also in specie um unsere Societät, nicht er- kennen sollte; allso auch wir alle, und ich insbesondere begierigst bey- tragen werden, was zu Dero Vergnügen gereichen mag. Ob (lieser Brief ausreicht, darf man wohl fragen. Wie hoch- gesinnt und grossmütliig Leibniz war, zeigt seine Antwort vom 9. Ja- nuar 171 i'. Offen heklagt er sich, aber in der würdigsten, ja freundlichsten Weise , ohne Bitterkeit und ohne Groll. Er sammelte wirklich feurige Kohlen auf das Haupt der in ihrer W^eise recht- schaffenen, aber kleinUclien und furchtsamen Leute, die sicli an der Grösse versündigt hatten, weil sie sie nicht liel)ten. Er erinnert sich — aber nur ganz dunkel und unsicher — vor 7 Jahren den ^ Siehe LTrkundenband Nr. 106. Leibniz und der liofprediuei- .Iablonski (1711). 178 Statutenentwui'f gesehen zu haben; aber »wenigstens hätte einige Nacliricht von der Reassumtion nicht schaden, und icli vielleicht ein und anders Dienliches erinnern können«. Er schärft ein, dass es nun vor allem darauf ankomme, jährlich einen Band Miscellanea zu veröffentlichen, ^)die zum wenigsten nicht schlechter seien, als die ich endlich mit vieler Mühe und Arbeit extorquiret«. »Wenn Hr. HofR. Hofjiann als Leilj-INIedicus deniialeins der Sach in seiner Sphaere favorabel sein und nebenst beitragen, des Seinigen auch andere INledicos dazu aniniiren wollte, würde auch dai-in was Gutes zu erwarten sein. Anfangs hat er grosse Hoffnungen gemacht. Er hat aber bislier sich wenig an uns gekehret; wird er künftig der Sach sich mehr annehmen, dürfte es kein geringes sein.« Endlich beklagt er sich, dass er zu wenig erfahre; er sei zu hingebender Mitarl)eit bereit, wenn man ihn nur in allen Stücken auf dem Laufenden erhalte. »Im übrigen versichre m. H. Hofpre- diger, dass der Modus, so gebraucht worden und dessen Ursache ich nicht genugsam begreife, mich nicht verhindern wird, sowohl bei meinem Eifer zur Aufnahme der Societät zu verharren, als auch denen H. Sociis, die sich der Sache angenommen, meine beständige Ergebenheit zu bezeigen, wenn mir künftig mit mehr Öffnung und nach Fug und Billigkeit begegnet wird. Es ist sonst meine Schuld nicht, dass allerhand Gutes in Brunnen gefallen, w^ofür mir nichts als die Arbeit und Erinnerung übrig blieben, und stelle dahin, was die Nachwelt davon urtheilen und erfahren dürfte.« Dieser Brief kreuzte sich mit einem gewiss mit dem Bruder ver- abredeten Schreiben des Secretars vom lo. Januar 171 1\ in welchem dieser endlich sein Schweigen 1 )rach : das Statut sei seit 7 Jahren eine beschlossene Sache gewesen, daher habe er es nicht mehr besonders erwähnt: ihm werde »hierunter einiger üntleiss und Nachlässigkeit hoff*entlicli nicht l)eigelegt werden, wie denn hierum gehorsamst bitte«; die ganze Sache sei so allmählich gekommen, »dass man wenig Anlass gehabt, derselben oft zu erwähnen«. Das war nicht überzeugend. Am 19. Januar (am Tage nach dem Krönungstage) fand die feierliche Eröfi^nung der Societät statt in dem Sitzungszimmer des Observatoriums'-. Leibniz, der eingeladen war^ hatte sein Aus- bleiben durch eine Unpässlichkeit entschuldigt \ Hr. von Printzen ^ Secr.-LEiBN. Nr. 122. - Der später umgebaute Raum dient jetzt als ]Magazin der Societät. Die Fest- stellung des Ceremoniells ist vom Secretar aufgezeichnet (Akad. Archiv, Fase. »Fun- dation.., s. Urkundenband Nr. 107), vergl. Formet, Histoire p.3ift'. ^ Siehe Secr.-LEiBN. Nr. 120 vom 27. December 1710. * Siehe den Brief von Printzen's an Leibniz vom 27. Januar 171 1 (in Hanno- ver). Als Leibniz am 26. 3Iärzi7ii das Plenum der Societät um sich versammelte, 174 Gescliichte der Societät von 17U(t-1711. hielt eine ziemlich lange, aber schwülstige und nichtssagende la- teinische Rede, die den Verständigen LEiBNizens Abwesenheit doppelt fühlbar machen musste^ Der Hofprediger Jablonski beantwortete sie mit einer noch längeren, al)er nicht unbedeutenden Ansprache, die den Redner als aufmerksamen Schüler LEiBNizens charakterisirt", aber — in beiden Reden wird dieser mit keinem Wort genannt, ein Beweis, dass der König nichts von ihm wissen wollte und dass man nach des Königs Willen that. Benjamin Neukirch hatte ein deutsches Gedicht zur Einweihung verfasst, welches dem Monarchen so gefiel, dass er ihn in die Societät aufzunehmen befahl^. Einen Bericht über die Feier besitzen wir in einer kleinen Druckschrift, die die Societät im Herl)st i 7 i i erscheinen Hess und die zugleich einen kurzen Aliriss ihrer l)isherigen Geschichte enthält^. So war denn die Societät fast i i Jahre nach ihrer Gründung — tantae inolis erat! — feierlich eröffnet worden. Sie war im Besitz entsciuildigte er sein Fernl)leiben von der Inauguration ausdrücklicli dui'cli seine Geschäfte, das schlechte Wetter und seinen GesundheitszAistand. ' FoRMEY hat die Rede lateinisch und französisch abgedruckt (p. 257 fll"., 31 ff.). Der Redner betonte besonders die christlich -civilisatorische ^Nlissionsaufgabe der Societät. feierte den König als den Protector und Avies darauf hin. dass sich durch den Krieg die Eröffnung der Societät verzögert habe. ^ FoRMEY p.36ff. (franz.), p. 262 ff", (lat.). Der Redner versucht es. einen Überblick über die Gescliichte der Civilisation von den ältesten Zeiten an (Biblische Ur-geschichte) bis zu den wissenscliaftlichen und technischen Erfindungen des 17. Jahr- hunderts und der Gründung dei' Akademieen 7,u geben. Besonders bemerkenswerth ist die \'erachtung der Scholastik; nach dieser Rede scheint es. als habe sie die Entwicklung der karolingischen Renaissance gehemmt! »Eruditio cui isthoc getuis se dederat, areanarum telae erat persiniilis, subtilis quidem, sed nullius vel virtutis vel usus .... Pro lunone nubes et rerum loco verba orbi obtrudebantur." Als An- bruch einer neuen Zeit gilt die Renaissance einerseits, das Auftreten Baco's anderer- seits; bald darauf habe das Zeitalter der Societäten l^egonnen; »eorum enini cjuae ad naturani recte indagandam pertinent, nonnuUa jjossidere datuni est oninibus, onuiibus gaudere nemini. Alius ingenio et speculationis acumine poUet, iudicii nia- turitate alius, alium multijuga lectio, alium frequens litterarum commercium, alios alia commendant. Istis in Societatem coalescentibus alter alterius defectum supplet . . . Inuno vero optanduni foret, non personas solum, sed ipsas nationes in Societatem coire, ut (si quidem id fieri possit) in unum iungantur Gallorum vivacitas in quae- rendo , subtilitas Anglorum in perscrutando , Ilispanorum Ita,lorum(jue contentio in progrediendo , Germanorum Studium et sedulitas in perficiendo.« ^ Das Gedicht im Urkundenband Nr. 108. Die Aufnahme nach Secr.-LEiBX. ISi". 124 vom 7. Februar 171 1. Fokmey (p.47) lässt Neukirch jenes lateinische Ge- dicht verfasst haben, welches (Urkundenl)and Nr. 51) von Leibniz stammt und in's Jahr 1700 gehört. Es ist das eine der vielen Flüchtigkeiten dieses Historikei's der Akademie. * Siehe den Abdruck im Urkundenband Nr. 109. Hier sind Leibnizcus Ver- lienste 2;ebührend hervorgehoben. Die feierliche Einriclituiii;- der Societät ;iiii 1 It. .hiniinr \i\\. 1/5 eines g-eräumigen Observatoriums mit einem Versammlungszimmer und kleineren Räumen, hesass dem Observatorium gegenüber ein ziemlich grosses Grundstück mit einem Hause für den Astronomen und hatte sich durch den ersten Band ihrer Miscellanea in die ge- lehrte Welt eingeführt. Zwei Privilegien waren ihr gewährt, das der Kalender und das des Seidenbaus, aber nur das erste brachte zur Zeit etwas ein. In dem Adresskalender für 17 12 (171 i verfasst) ist der Bestand der Societät also verzeichnet (anwesende Mitglieder): Societät der Wissenschaften ist auf dem Observatorio am neuen Marstall auf der Dorotheenstadt. Pi'aesident mid Director': 8. Exe. der wirkHch geheime Estats-]Minister Hi'. vox Prixtzex. Praeses Ordinarius: Hr. Gottfr. Wilh. vox LrciHXiz. Iv. Preiiss. wie auch Churf. Braunsch.-Lüneb. geheimer Rath , abwesend. Vice-Praeses p. t. : Hr. D. E. Jabloxski. Anwesende Mitglieder : In classe INIedico-Phvsica: Krug vox Nidda . Director: Chauvix. Gohl. HofRath HoFFMAXX, jAGwrrz. Raue, Spexer, StERCIvY. In classe Mathematica etc.: Chuxo. Director; Axgicour. Behr. .1. H. Hoffmaxx. jAGwrrz. Naude (Vater u. Sohn), vox Stapff, Vigxoles. In classe Hist. -Philol. Germanica: Schott, Director: Ancillox. Vigxoles. Frisch. J. Th. Jabloxski, Marperger, Neukirch. Schlüter (Syndicus. nicht der Baumeister), Spexer, von Stapff, Volckmaxn. In classe Hist. -Philol. Ecclesiast. et Orient.: D. E. Jabloxski, Director; Achexbach, AxciLLOx', Frisch. Raue. Schott. Stercky. LaCroze. Volckmaxx. — Dazu: Papen, Factor. Durch Frisch's Brief an Leibniz vom i 2. Januar i 7 1 1" ist uns die Sitzung vom 4. December 1 7 10, in der die Directoren erwählt worden waren, näher bekannt. Ein Gegensatz zwischen Deutschen und Franzosen zeigte sich bereits. »Die Franzosen fielen im dritten Departement, nämlich in der Cultur der teutschen Sprach und teut- schen Historie, auf den G. Rath Schott und ül)erstimmten die an- dern mit ihren Votis, weil er ihnen wegen der französischen Sprach besser an die Hand gehen könne. In summa: weil die Societät noch in infantia ist oder dieselbe kaum verlassen, so passirten auch bei einigen Umständen solche Dinge, die dieses Alter zu haben pflegt"^.« ' So heisst er hier; von 1713 an heisst er in den Kalendern: »Protector«, weil Friedrich Wilhelm I. das Protectorat nicht übernahm. "^ Siehe Fischer S.32f., theilweise gedruckt im Urkundenband Nr. iio. Dass der erste Vicepräsident, D. E. Jabloxski, von den Directoren allein gewählt worden ist, erfährt man hier. Sehr interessant ist die Bemerkung über den Kronprinzen. Er will der Societät gern etwas zuwenden, -wenn er würde sehen, dass etwas darinnen gethan würde". ^ DU Bois-Revmoxd (Reden H S. 507 f.) berichtet, die Societät sei nach 17 10 durch ein Coinitc oruanisirt worden, welches aus dem Hofprediger und aus zwei 176 Gcscliiclite der Societät xon 1711 — 1716. Drittes Capitel. Gescliiclite der Societät von ihrer Einrichtung im Januar 1711 bis zum Tode Leibnizcus (i 4. November i 7 16). Der Anfang der Regierung Friedrich Wiliielm's I. 1. Die Societät war endlich eingerichtet. Leibniz beschloss, das jüngst Geschehene zu vergessen und mit dem Minister von Printzen zusammenzuwirken. In diesem, der ihm persönlich freundlich ge- sinnt war\ hatte die Societät den l)esten Ehrenpräsidenten erhalten, den sie sich unter den damaligen Verhältnissen wünschen konnte". Hr. VON Printzen gehörte mit von Ilgen und Kameke zu den Gegnern des Grafen von Wartenberg, dessen Sturz (Ende i 7 10) mit der defini- tiven Einrichtung der Societät zusammenfällt. Die unheilvolle Wirth- schaft dieses Günstlings hatte ihr Ende erreicht. Man durfte hoffen, dass das zerrüttete Staatswesen allmählich wieder in Ordnung ge- bracht werden würde. Leider gab es nur sehr viel Wichtigeres zu thun , als eine Akademie auszustatten und zu leiten. Diese schien sich einen Moment aufzurafl'en. Seit dem 29. Januar begannen die regelmässigen Klassensitzungen. Die physikalisch -me- dicinische Section machte den Anfang. »Seit der Neuordnung be- zeugen die Mitglieder viel mehr Eifer.« schreibt der Hofprediger an Leibniz^, »besonders der Hofrath Hoffmann; er sagt, die Societät sei nicht zum Bücherschreiben da, sondern zum Untersuchen , und er hat in dem ersten Convent proponirt, dass in dem Observatorium ein Theatrum anatomicum möchte aptirt werden und die nöthigen Mitgliedern der französischen Colonie, deren Ober- Richtern Ch. Ancillon und La Croze, bestanden hätte. Das ist ein Irrthuni. La Croze hat niemals zu einem leitenden Coinite gehurt, hat überhaupt niemals die Societät dii-igirt, und An- ciLLox hatte lediglich durch seine Stellung als Legationsrath und als Correspon- dent LEiBNizens Eintluss. Die Leitung lag in den Händen des Präsidenten, der Directoren und des Secretars. ' .Siehe den Brief vom 27. Januar 17 1 1, in welchem es von Printzen leb- haft bedauert, dass Leibniz bei der Eröft'nungsfeier nicht zugegen gewesen war (Hannov. BibL). ^ Siehe über ihn Naudk in der AUg. Deutsclien Biograpliie Bd. 26 S. 596 ff. Die Grabschrift (gest. 8. November 1725, geb. 1675): «religionis stator, pietatis exeiii- plar, bonarum litterarum et solidae eruditionis non patronus magis (juam ipse cul- tor« — charakterisirt den ]Mann wirklich. ^ Am 5. Februar 1711 (Hannov. BibL). Die ersten Arbeiten der Societät. 1/7 Instrumente angeschafft; er wolle mit Hülfe einiger Cadaver dann Anatomie vortragen\« Auch an ein chemisches Laboratorium wurde gedacht. Die mathematische Klasse beschloss ebenfalls, einige Instru- mente, vor allem eine Luftpumpe, zu erwerben" und die magneti- schen Beobachtungen vorzubereiten. Die Hauptaufgabe aber fiel der deutschen Klasse zu: denn der König hatte bei der Einweihung aus- drücklich befohlen, die Societät solle ein vollständiges deutsches Wörterbuch herausgeben und sofort in die Arbeit eintreten. Man nahm sie in der ersten Sitzung auf: aber die Befürchtinig, die der Secretar äusserte, dass wenige Glieder vorhanden, die etwas bei- tragen können, war leider gerechtfertigt^. ^ Vergl. Secr.-LEiBN. Xr. 123 vom 3i.,Tanuar: "Vorgestern ist die erste Zu- sannnenkunft des medicinischen Abteils gehalten und dabei sonderlich angetragen worden, dass man auf benötigte Werkzeuge, die erforderte Experimenta vorzu- nehmen, und deren Anschaffung, ingleichen die auswärtigen, sonderlich in den K.Landen lebende ]Medicos einige Observationes anzustellen, zu ernuuitern bedacht sein möge. Dieser des Hrn. Rath Hoffmann's Vortrag ist durchgehends beifällig aufgenommen und zu fernerer Fortsetzung desselben ein und andere Anstalten be- liebet, daneben auch erinnert worden, ob nicht die INIitglieder unter sich die ver- schiedene Objecta dieser Classis theilen und ein Jeder in seiner Ordnung bei denen kiinftigen Zusammenkünften etwas in Bereitschaft mitbringen wolle, davon alsdann gehandelt werden möge, worüber man sich hiernächst zu vergleichen beschlossen«. Nach einem Protokoll -Auszug ist es Krug von Nidda gewesen, der den Vorschlag, ein theatrum anatomicum einzurichten, gemacht hat. - Siehe a.a.O. Nr. 124 vom 7. Februar. ^ A. a. 0. (und in dem verlorenen Brief vom 14. Februar): »Künftigen Donners- tag wird die teutsche Zunft zusammenkonnnen, und da insonderheit auf K. Befehl über die Verfertigung eines "vollständigen«, wie der König sich ausgedriicket, W()rterbuchs zu rathschlagen sein, wozu aber hie gar wenige Glieder, die etwas l)eitragen könnten, vorhanden, und auch auswärtig, wie Herr Neukirch davoi' iiält, nicht viele dürften gefunden werden«. Das ausführliche Protokoll der ersten Sitzung der deutschen Klasse wii-d auf dem Akademischen Archiv (" Wissensch. Verhandl. u. Aufsätze 1699 — 1737«) aufbewahrt, geschrieben vom Hofprediger. INIan beschloss (um dem König doch bald etwas vorlegen zu können), nel)en der Voi-bereitung des Wörterbuchs ■ — es sollte ein kritisches Werk werden in Bezug auf Rechtschreibung und Fremdwörter — Übersetzungen von Klassikern zu liefern. Vorgeschlagen wurde Tacitus* Germania, Frontinus' Strategemata. Valerius Maximus u. s.w. An den Rand des Protokolls hat vox Prixtzkn die Worte gesetzt: "S. K. M. haben allergnädigst resolviret, dass von denen vorgeschlagenen Autoribus der Tacitus de moribus Ger- manorum in's Deutsche übersetzt werden solle. 20. Febr. 17 1 1 «. So nahm man diese Arbeit auf. Die Protokolle lehren, dass man sich mit ihr bis 1721 hinge- schleppt hat; aber es wurde nichts. Zuerst überzeugte man sich von der Unzuläng- lichkeit der Übersetzung, wie sie der Secretar als Vorlage ausgearbeitet; dann fehlte es an den nöthigen Anmei-kiingen u. s.w\ Frisch, der Unermüdliche, rettete zuletzt die Klasse durch sein Wörterbuch (s. oben). — Fast noch »schläfriger« war die orientalisch - theologische Klasse. Sie beschloss am i2.]Mai 171 2, eine neue Über- "Gescliichte der Akademie. I. 12 1/8 Gfscliichte der SocietUt von 1711 — ITHi. Leibniz wurde über diese Unternehmungen und die Berath- schlagungen über Verstärkung des Fundus Bericht abgestattet, und er entschloss sich . weil die Societcät seine Gegenwart für nötliig hielt, Ende Februar selbst nach Berlin zu reisen — er befand sich eben in Braunschweig — und die Societät in ihrem Eifer zu be- stärken. Dieser rasch gefasste Entschluss, dessen Genehmigung an höchster Stelle er nicht abwartete, war eine verhängnissvolle Über- eilung. Preussen und Hannover waren eben wieder in Spannung (Hildesheimer Angelegenheit). Als er in Berlin eintraf, wurde er nicht nur kühl empfangen, sondern sogar unzweideutig als Spion bezeichnet und ihm bedeutet, er möge sofort nach Hause zurück- kehren. Gleichzeitig empfing er aus Hannover die Nachricht, dass der Kurfürst über ilm ungehalten sei. weil er sich ohne Urlaub entfernt habe, seine Pflichten als braunschweigischer Geschichts- schreiber vernachlässige und augenscheinlich lieber in Berlin weile als in Hannover. Selbst seine Gönnerin, die Kurfürstin .Sophie, antwortete ihm ironisch, als er sich entschuldigte, er könne nicht sofort nach Hannover zurückkehren , weil er auf der Reise bei einem unglücklichen Fall sich das Bein verletzt habe, und der preussische König schickte ihm sogar seinen Leil^arzt in's Haus mit dem Auf- trage, sich davon zu überzeugen, ol> das Leiden nicht nur ein Vorwand sei. Man glaubte also nicht einmal seinem Worte — er war in der peinlichsten Lage\ Allein es gelang ihm doch wieder, das Vertrauen des Königs einigermaassen , freilich nur momentan, herzustellen"'. Nachdem ihm dieser eine Audienz bewilligt hatte, unterbreitete ihm Leibniz zur Setzung der Bibel, bez. eine gründliche Revision der LuxHER'schen ÜV)ersptzung. zu veranstalten und mit dem Neuen Testament zu beginnen. In ihren monatlichen Klassensitzungen hat sie sich, wie die Protokolle ausweisen, bis 1743 fast aus- schliesslich mit dieser Aufgabe beschäftigt. Aber ti'otz des Antheils, den der König an der Sache nahm, und seiner Mahnung, sie zu beschleunigen, war erst 17 19 die Revision des Matthäus, 1723 die des Marcus. 1728 die des Lucas, 1736 die des Johannes vollendet, und am 12. Septenibei' 1743 war man glücklich bis Apostel- gesch. 26, 17 gekommen I Die Akademie Friedrich's des Grossen Hess die Aufgabe, für die wiederum Frisch das Meiste gethan hatte, fallen. Vergeblich habe ich mich bemüht, die Ausarbeitiuigen der Klasse aufzufinden. ^ Siehe Urkundenband Nr. 113. Die Kurfürstin schreibt: "11 semble ejue S. M. est mal satisfaite et croit ä ce qu'on dit que vous etes ;i Berlin pour espion- ner«. Leibniz erwidei't: »11 est vi-ai qu'il y a eu des gens qui ont insiiiue au roi que je venais ici pour les affaires courantes". ^ Siehe den Brief der Kurfürstin Sophie vom 4. April 17 11 (Klopp, 9. Bd. S.332): "Comme je prends un interet fort sincere en tout ce qui vous regarde, je suis ravie que vous soyez content de votre vovagc". LEiBNizens letzter Aiifeiitiialt in Berlin. 179 Vorbereitung derselben ein Schriftstück, welches alle die studiren sollten, die den grossen Mann noch immer beargwöhnen'. Mit edlem Freimuth und in Worten, die den Stempel der Wahrheit tragen, legt er dem Könige den Ungrund aller Verdächtigungen dar und zeigt, dass seine Reise in Folge eines plötzlichen Entschlusses von ihm unternommen worden sei, von dem er Niemanden — auch die Kurfürstin nicht — in Hannover in Kenntniss gesetzt habe'. Den Vorwurf, Spionage zu treiben, weiss er sich nur daraus zu erklären, dass er stets das höchste Gewicht auf das Einvernehmen der Häuser Brandenburg und Braunschweig in Sachen des Protestantismus und der Religionseinigung gelegt und in dieser Angelegenheit mit Eifer sich bemüht habe. Er verweist dann auf seine Arbeiten für Preussen — er gelte in Hannover für »allzu Berlinisch« — und vor allem auf sein Werk, die Societät; w^as in ihr geschehen sei, sei durch ihn zu Stande gebracht worden, zuletzt noch der i.Band der Miscellanea. "Hieravis ersehen UM., ob ich in der Societät Sachen massig gangen, und ob man nicht gestehen muss, dass ausser der obsem'ationum Astronomicarum fast Alles durch mich geschehen müssen. Nun lasse E. M. ich allergnädigst erwägen, ob bei meinem Alter, da die wenige Zeit, so ich noch zu leben habe, mir pretieux, ich nicht viel zu E. 31. Dienst und Glorie gethan, und ob ichs nicht fast gratis thue, da ja 600 Thlr. zu meinem jährlichen Dedommagement in keine Consideration gegen meine Zeit kommen kann; stelle auch zu erwägen, ob ich einigen von E. 31. ]Ministris darin zu weichen Ursach habe, indem dasjenige, was durch meine Direction geschieht, ad gloriam immortalem ver- mittelst des incrementi scientiarum gehet, welches bei der Poste- rität allezeit pretios seyn wird, Avenn alle politischen Interessen dermahleins geändert sein dürften, und wird michs umb so mehr schmerzen, wenn meine treue Devotion und wahrer Eifer üliel auf- genommen werden sollte.« Mit diesen denkwürdigen Worten schliesst er seine persönliche Rechtfertigung. Dann wendet er sich zu den Angelegenheiten der Societät^ — es ist das letzte Mal, dass er über sie zum Könige gesprochen und sie ihm an das Herz gelegt hat. Er verweist auf die umfassenden Aufgaben, die der König selbst der Societät gestellt habe ; er führt dann aus — wie oft hatte er es schon gethan I — , ^ Siehe Urkundenband Xr. 114. ^ Dem 3Iinister vox Bernstorff hatte er aber doch Anzeige gemacht. ^ Die Protokolle zeigen, dass er am 18. und 26. März und am 4. Mai 1711 die Sitzungen der Societät geleitet hat. In der ersten Sitzung hat er (neben Ande- ren) GiNDLiNG zum Mitglied vorgeschlagen; allein das Conciliiun wollte damals auf diesen Vorschlag nicht eingehen. Leibniz selbst ist es also gewesen, der sich zu- erst fiir GuNDEixG erwärmt hat! In der letzten Sitzung erregte sein Vorschlag, dem mit Geschäften überlasteten Krug vox Nidda als Mitdirector der physikalischen Klasse den Mediciner Hoffmanx beizugeben, j^einliche Discussionen. 12* 180 Geschichte der Societät von 1711— 171 (>. dass diese Aufgaben nur erfüllt werden können , wenn der Fundus der Societät durch strenge Beobachtung der ertheilten Concessionen und durch Gewährung neuer ausreichend wird. Er zeigt, wie das Seidenprivileg durch bessere Anordnungen nutzbarer gemacht wer- den könne und wie das Feuerspritzen -Privileg noch immer auf seine Durchführung harre. Endlich schlägt er als ein neues Privileg vor, der Societät das Curatorium über alle Stipendien zu ertheilen und diese für die wissenschaftlichen Arbeiten durch Gewinnung wackerer junger Leute nutzbar zu machen. »Inzwischen lasse ich mir son- derlich die Continuation der Miscellaneorum Berolinensium angelegen sein« — er kündigt übrigens bereits an, dass sie nicht jährlich, wie der ursprüngliche Plan war, sondern alle zwei Jahre erscheinen sollen — »und verlange, dass in die nächste unter andern die Beschreibung einer Sach, die E. M. Hause glorios, gebracht werde, nehmlich des Canals, so die Spree mit der Oder und folglich mare Balticum Oceano conjungiret, so der hochsel. Churfürst ausgeführet, E. M. aber verbessert. « Gleichzeitig wandte er sich an von Pkintzen mit einem kürze- ren Pro Memoria \ Er trägt ihm in Bezug auf die Societät das- selbe vor wie dem Könige, fügt aber noch Vorschläge wegen der Societäts-Convente und wegen Prämiirung ausgezeichneter Mitglieder hinzu und empfiehlt als besonders gelehrten Mann den Hrn. La Croze". Endlich verfasste er auf Ilgen's Begehren eine ausführliche Denkschrift »vom Abgang der Studien und wie denenselben zu helfen^«. Er zeigt in ihr für jede einzelne Facultät, welche Vor- bildung und welches Wissen ein jeder höher strebende Candidat besitzen müsse, und schlägt zur Hebung der Studien der Regierung das höchst einfache, aber leider nie wirklich durchgeführte Mittel vor, bei Besetzung aller Beamtenstellen ceteris paribus stets dem wirklich wissenschaftlich geschulten Bewerber den Vorzug zu geben. Diese Vorschläge Hess man ihn machen; aber über ihre Annahme und über den Erfolg der Audienz beim König ist nichts bekannt; die Hoffnung, dieser werde ihm nun dauernd günstig gesinnt blei- ^ Siehe Urkundenhand Nr. 115. ^ Über die VerplHchtung der Societätsniitglieder, die aus folgendem Ersuchen hervorgeht, ist Näheres nicht bekannt: »Unter andern, ob nicht die membra socie- tatis von dem Gebote. Bücher zu corrigiren aus Königl. Bibliothek, zu eximii-en«. Eine Bibliothek -Benutzungs- Ordnung erschien am 5. Mai 17 11 (König!. Ordre im Geh. Staatsarchiv). ^ Siehe Urkundenband Nr. 116. LEiBXizens letzter Aulentlialt in Berlin. Er wendet sich nach Wien. 181 1)011, hetrog ihn. Plötzlich reiste er ab — im Mai 1711^ — und ist nie wieder nach Berlin zurückgekehrt. Seine Gegner am Hofe müssen die Oberhand behalten haben. Noch im April hatte er, in der letzten Verzweiflung, weil nichts vorwärts ging, ein neues Pri- vileg (Besteuerung des Branntwein -Brennens zu Gunsten der Socie- tät) vorgeschlagen und die Societät veranlasst, in einem förmlichen Antrage den König zu bitten, dass Preise für deutsch -sprachliche Forschungen und naturwissenschaftliche Untersuchungen ausgesetzt würden — »was bisher noch nirgends geschehen« — , und dass eine Commission , bestehend aus einigen Mitgliedern der Societät und des General- Kriegs -Commissariats, niedergesetzt werde, um die Fassung jener und anderer Concessionen zu berathen". Es war umsonst. Seit diesen letzten Erfahrungen in Berlin, die dadurch noch trül)er wurden , dass die Societät selbst keinen wirklichen Eifer zeigte, hat Leibniz die Freudigkeit und den Muth, die ihn bisher trotz aller Widrigkeiten beseelt hatten, verloren. Man darf annehmen, dass er es fortan für unmöglich gehalten hat, die Societät in Flor zu bringen. Eine Initiative hat er nicht mehr ergrifien, da er ein- gesehen hatte, dass sie am Hofe nicht gewünscht wurde: aber die Geschäfte der Societät hat er, soweit man ihn benachrichtigte, fortgeführt. In Hannover von den politischen Geschäften ausgeschlossen — denn eifersüchtig wachte das Ministerium darüber, dass er sich in die Frage der englischen Succession nicht mehr einmische — , in Preussen beargw^öhnt, wandte er seine Blicke nach Osterreich und Russland. Die Vermählungen der beiden Enkelinnen seines alten Gönners, des Herzogs Anton Ulrich von Braunschweig -Wolfenbüttel, mit dem Kaiser Karl VI. und dem Sohne Peter's des Grossen schienen seinen Plänen eine glänzende Zukunft zu sichern. Im October i 7 1 1 kam er mit dem Czaren in Torgau zusammen , den er bisher nur tlüchtig gesehen hatte. Er trug ihm seine Ideen vor, die wissen- schaftlichen Reisen nach Sibirien und China, die Veranstaltung von magnetischen Beobachtungen, die Civilisirung des russischen Reiches durch Bildungsanstalten für die höheren Klassen und durch eine verbesserte Verwaltung; im Mittelpunkte sollte eine Hauptanstalt stehen zur Beförderung der Studien, Künste und Wissenschaften. Dem grossen Monarchen imponirte der grosse Gelehrte, dessen Ge- ^ Siehe Secr.-LEiuN. Nr. 127 vom 23. Mai 1711. ^ Siehe Urkundenband Nr. 117 und 118. 182 Geschichte der Societät 171 1-1 71 tj. sichtskreis die Erde umspannte; eine lebhafte Correspondenz begann, auch mit russischen Staatsmännern, und wie zwölf Jahre früher nach Brandenburg, so sandte Leibniz jetzt nach Russland Pläne, Projecte und Denkschriften'. Scherzend durfte er sagen, er habe Aussicht, der Solon Russlands zu werden, »obgleich aus grosser Entfernung«. Im Sommer 1 7 1 2 kam er in Karlsbad und Dresden wiederum mit dem Czaren zusammen, diesmal als Bevollmächtigter Anton Ulrkii's mit Aufträgen, zwischen dem russischen und dem österreichischen Kaiser zu vermitteln. Peter schenkte ihm sein volles Vertrauen, gab ihm seinerseits diplomatische Aufträge nach Wien und ernannte ihn am I . November i 7 i 2 zum russischen Geh. Justizrath mit 1 000 Thlr. Gehalt. Seit dem December 17 12 ist Leibniz in Wien und bleibt daselbst bis zum August 17 14, also fast zwei Jahre, hochangesehen, im Verkehr mit allen hervorragenden Männern Österreichs, beson- ders auch das Vertrauen des Prinzen Eugen geniessend und an der Kaiserin die kräftigste Stütze besitzend. Schon seit dem Frühjahr 1712 war ihm die Würde eines Reichshofraths zugesichert": diese hohe Stellung, selbst als wirklicher Reichshofrath , genügte ihm aber nicht. Der längst gehegte Plan , eine Akademie der Wissenschaften in Wien zu gründen und als Director an der Spitze einer gross ge- dachten, das ganze Reich bestimmenden Anstalt zu stehen, ist auch hier die Seele aller seiner Bestrebungen gewesen^. Nicht ohne phan- tastischen Schimmer und politische Naivetät war die letzte Idee sei- nes Lebens, Osterreich und Russland wo möglich zugleich wissen- schaftlich zu regieren* und sich dabei auf die braunschweigischen Prinzessinnen zu stützen. Aber das, was er sachlich gewollt hat, ^ Siehe Posselt, a.a.O., bes. die Actenstücke Nr. 2 — 4, S. 2i4ff.. und Nr. 6, S. 2 26 ff., dazu den Brief an den Abt Fabricius vom 8. Deceml)er 1711 und den an La Croze vom 14. December 171 1. Wie tief er sich in die Frage nach der Civili- sirung Russlands vei-senkt liat, zeigen die Actenstücke S. 232 ff. bei Posseli-. Minder erfreulich ist der Brief an den russischen Vice - Kanzler Schafirow (Sommer 17 16), s. a. a. 0. S. 271 ff. Vergl. auch die Publication an der Petersbui-ger Akademie »Briefe von Christian WoLFF« (1860) S. IX ff. ^ Doch erst im Laufe des Jahres 17 13 wurde die Sache perfect. s. Secr.- Leibx. Nr. 154 vom 6. December 1713. ^ Siehe Klopp im Archiv f. Österreich. Gesch., 40. Bd. (1869). S. 159 ff.. 176 ff. Bergmaxx in den Wiener Sitzungsber. XIII S.4off. * Bedenkt man, dass er dabei den Zusammenhang mit Berlin nicht aufgab, ferner fortfuhr, als Geschichtsschreiber für seinen hannoverschen Landesherrn zu arbeiten, weiter sehnlichst wünschte, englischer Historiograph zu werden, um in London leben zu können, und sich endlich eine Thür offen hielt, um sich eventuell in Paris bei der Akademie niederzulassen, so kann man sich allerdings nicht wiuidern, dass keines der zahlreichen Eisen, die er im Feuer hatte, wirklich alühend wurde. Leibmz in Wien. Beziehungen zu Peit.r dem Grossen. 18^ ist doch schliesslich in Wien und Petersburg verwirklicht worden, freilich erst lange nach seinem Tode, aber nun in einem Umfange und mit einem Erfolge, den er sich nicht hatte träumen lassen. Nachdem Leibniz Berlin verlassen hatte , ging es mit der So- cietät abwärts. Die Überlieferung, dass sie erst unter dem Druck Friedrich Wilhelm's I. verkümmert sei, ist falsch. Sie war nie- mals lebendig gewesen — nur ihre Seele, Leibniz, war lebendig. Als er gezwungen wurde, sich zurückzuziehen und seine Thätigkeit auf das Nothwendigste zu beschränken', zeigte es sich, noch zur Zeit Friedrich's I. , dass sie kaum lebensfähig wnr. Die Schuld lag theils an dem mangelnden wissenschaftlichen Vermögen der Mehrzahl der Mitglieder, theils an dem sehr geringen Interesse der- jenigen Akademiker, die von der Direction ausgeschlossen waren"^, theils an den fehlenden Mitteln^. Dazu kam, dass der sehr ein- tlussreiche Leibarzt Dr. Gundelsheim , der die Aufnahme in die So- cietät abgelehnt hatte, sie als ein völlig unnützes Institut bekämpfte und es erreichte, dass sein ausgezeichneter Rivale, Dr. Hoffmann, auf den die Societät mit Recht die grössten Hoffnungen gesetzt hatte, Berlin in Ungnade verlassen musste, Gundelsheim war ein beliel)ter Arzt und ein emsiger Sammler von Naturalien — von ihm war der Vorschlag ausgegangen, den vor dem Potsdamer Thor ge- legenen Königlichen Hopfen- und Küchengarten in einen botani- schen Garten umzuwandeln — . aber er gehörte der alten Schule an und wird als ein ränkevoller und auf seine Stellung eifersüch- tiger Mann geschildert, der vor allem seinen Collegen Hoffmann ^ Auch in Bezug auf die Aufnahme neuer Mitglieder, die ihm übrigens nicht mehr regehnässig vorher angezeigt wurde, hielt er sich jetzt sehr zurück. So schrieb er an Vogther, der ihn um Aufnahme ersucht hatte: "Berolinensi suae Societati me praefecit potentissimus rex Borussorum. sed plerumque absum illinc, et sententiae caetert)rum exquirendae sunt, (piibus Berolini est cura rerum societatis« (im Jahre 1712; Hannov. Bibl.). ^ La Croze erwähnt in seinem umfangreichen wissenschaftlichen Briefwechsel mit Leibmz die Societät höchst selten. ^ Im Auslande freilich, wo man die Verhältnisse nicht genau kannte und nur wusste. dass Leibxiz der Präsident sei. hatte die Societät noch hohen Credit, vergl. z. B. den Briefwechsel von Jo. Christoph Wolf in Hamburg mit La Croze (Thesaurus epist. Laci'oziani T. II S.3if.). Jener schreibt am 30. Januar 1712: »Quod de societate regia, cuius ipse singulare ornamentum es, scribis, nihil mihi, fateor. magis honorificum futurum erat, quam si nobilisshnae principum nostra aetate virorum coronae adjungerer.« Als er aufgenommen ist, zeigt sein Brief vom 17. April 17 12 (a. a. O. S. 35 f.), dass sich dadurch seine ganze Stellung in Hamburg niit einem Schlage gebessert hat; denn sein Name steht nun neben dem LEiBMzens. 184 Gescliiclite der Societät von 1711— 17K). ZU beseitigen und die Societät zu vernichten strebte. In den Briefen des Secretars an Leibniz vom Aug-ust i 7 i i bis Juli i 7 i 2 (Nr. i 28-1 4 1 ) entwickelt sich die Katastrophe Hoffmann's vor unseren Augen, und selbst ein Schreiben Leibnizcus an von Printzen, welches w^arm für den vorzüglichen Mann eintrat \ fruchtete nichts. Die Herausgabe des 2. Bandes der Miscellanea hätte die Haupt- sorge der Akademiker sein müssen. Leibniz war bereits wieder auf dem Plane; acht Beiträge aus seiner Feder befanden sich schon im September 1 7 1 1 in den Händen des Secretars '" : allein die übrigen Mitglieder «gaben immer neue Vertröstungen '^s und Cuneau, dem die Redaction der Abhandlungen ol)lag, w'ar ein gebrochener Mann. Ein Königsberger, de Colas, sandte zwar Aufsätze ül)er Aufsätze ein , aber neben wenigen brauchbaren Gedanken fand sich viel Spreu darin. Der prahlerische Mann versuchte den Leibniz zu spielen und in allen Gebieten , sowohl den abstract philosophischen als den tech- nischen, zu excelliren*. ' Der Bi-ief findet sich in der Hannov. Bibliothek, s. auch das Schreiben von Frisch Nr. 24 vom i. März 17 12 (Fischer S.33f.) und das Schreiben von Ax- ciLLON an Leibniz vom 28. November 17 13 bei Feder. Commerc. epist. p. 6. Hirsch in seinem Artikel »Friedrich Hoffjiaxx" in der Allg. Deutschen Biographie Bd. 12 S. 584 ff. bezeichnet Gundelsheim als »unwissenden Schleiclier«. Dagegen rechnet er Fr. Hoffmann (s. auch Schrader, Gesch. der Friedrichs -Universität zu Halle i.Bd S.56ff.) mit Boerhave und Stahl zu der Trias der grossen Arzte, welche, im Anfang des 18. Jahrhunderts fast gleichzeitig auftretend, in ihren Bestrebungen, eine Reform der praktischen Heilkunde herbeizufiihren , das Zeitalter der Aufklärung in dieser Wissenschaft angebahnt haben. Boerhave war der kritische Empirist unter ihnen, Fr. Hoffmann — in den »Hoffmannstropfen« lebt sein Andenken noch heute fort — suchte ein mechanisch -dogmatisches vSystem über den menschliclien Körper zu begründen und die Gesetze, nach denen diese »Maschine« sich bewegt, vom mathematisch - phj-sikalischen Standi^unkte aus zu erforschen und zu begreifen (über Stahl s. u.). Nach Berlin ging Hoffmann »bene intelligens, quam sit lubrica aulicorum virorum fortuna atcjue vita, oinnis libertatis et quietis i-atione aniini et corporis expers«. Sein Urtlieil bestätigte sich ihm: »in aulis est splendida miseria. imo oinnis aularum i-atio libei'alibus ingeniis est inimicissima". Seine litterarische Thätigkeit war eine »immense«. »Dennoch«, bemerkt der berühmte Blumenbach. und Hirsch bestätigt es, »dürfte man in seinen Schriften schwerlich eine Seite finden, die nicht ihren grossen bleibenden Werth hätte.« Die Societät darf stolz auf diesen Mann sein, den sie freilich nur kurze Zeit besessen hat. ^ Siehe Secr. -Leibx. Nr. 130 vom 19. September. Sie sind in den Acta eru- ditiorum erschienen , weil zu Leibnizcus Lebzeiten überhaupt kein Band mehr fertig geworden ist. ^ A. a. O. Nr. 141 vom 16. Juli 1712, und sonst. * Siehe a. a. O. Nr. 130, Nr. 136 vom 5. März, Nr.141 vom 16. Juli. Nr. 143 vom 29. October 1712. In Hannover werden 3 Briefe von Colas an Leibniz und 2 von diesem an jenen (vom Jahre 17 12) aufbewahrt. Neben Abhandlungen über architektonische Probleme, die er eingesandt, verspricht der INIann Berichte über Arbeiten der Societät. 185 Wenigstens die astronomischen Beobachtungen und das Seiden- werk liätte die Societät energisch l)etreiT)en sollen, denn auf ihnen l)oruhte ihre Existenz. Allein der neue Astronom, der im Mai 171 i auf Vorschlag der Societät an Kirch's Stelle angestellt worden war, J. Gr. HoFFMANx\ War lässig, so dass er sich schliesslich eine förm- liche Rüge der Societät zuzog. »Der Frau Kirch Hülfe hat er sich, wie sie sagt, zwar heimlich liedienet, öffentlich aber allezeit da- wider gesprochen, sie auch niemals auf das Observatorium lassen wollen'".« Astronomische und mathematische Instrumente wurden allmählich angeschafft; auch die aus Holland Acrschriebene Luft- pumpe traf ein: aber «ausser Hrn. Chauvin weiss Niemand mit ihr recht umzugehen und dieser beginnt ziemlich schwach zu werden''«. Das anatomische Theater konnte man nicht einrichten, da der Dr. Hoffmann nach Halle zurückkehren inusste und ausserdem der Hof den für die Anatomie bestimmten Raum auf dem Observatorium zeitweilig mit Beschlag belegte^. Auf FRisciiens Betreiben wurden chemische Utensilien angeschafft, aber »weiter kommt es nicht''«. »p]s ist ein Vorschlag auf der Bahn, wie die Societät zu dem Anfang eines Laboratorii gelangen kann durch Verleihung eines Privilegs auf Bereitung von Scheidewasser«, schreibt der Secretar am 31. De- cember 1712 an Leibniz*^; aber es blieb bei dem Vorschlag. Man seine physikalischen und anatomischen Beobachtungen. »Je donnerai aiissi un nouveau Systeme qui prouve que Dieu ne s'est servi dans la creation que d'un simple et uni(|ue mecanismc", u. s. \v. Es ist vielleicht nicht ohne feinen .Spott, wenn Leibniz dem Königsberger antwortet: »Je suis Ijien fache de n'avoir point su plus tot que notre Societe avait a Koenigsberg un membre si curieux et meme si profond dans les recherches ■< ; er hofft, dass Colas mehr als gewöhnliche Beiträge zu dem Fort- schritt und den Absichten der Societät bringen werde. ^ Antrag der Societät und Decret im Geh. Staatsarchiv. - Siehe Secr.-LEiBN. Nr. 144 vom 20. December 1712. Er scheint allerdings überlastet gewesen zu sein , da er auch die magnetischen Beobachtungen für Russ- land vorbereiten sollte (s. a.a.O. Nr. 133 vom 27. December 17 11 bis Nr. 143 vom 29. October 17 12); durch die neuen Beziehungen LEiBxizens zu Russland war die Aus- sicht auf russische Expeditionen wieder gestiegen (s. seinen Brief an von Prixtzen vom 14. December 17 11 auf der Hannov. Bibl.). Der Secretar selbst räumt ein, dass HoFFMAXx einen Adjunct brauche. Die Frau Kirch bot sich wiederholt an, aber die Societät war bedenklich, sie förmlich anzustellen (Nr. 133. 135). Im Oc- tober 17 12 bezog sie das KROsiGK'sche Observatorium (Nr. 143) und setzte ihre Beobachtungen fort. Mit vox Krosigk stand Leibniz auch im Briefwechsel (s. Hannov. Bibl.). über Frau Kirch s. des Vignoles, Eloge de Mad. Kirch et de quelques autres Dames Astronomes in der Biblioth. Genn. III (1722) p. 155 ff. ^ Siehe Secr.-LEiBx. Nr. 132 vom 5. December 1711. * A. a. 0. Nr. 130 vom 19. September 17 11. '" Frisch Nr.24 vom i.INIärz 1712. •^ Nr. 145. s. auch 147. 186 Cicsfliiclite der Sm-ietiit von 1711 — ITltl. tröstete sich unterdessen damit, dass doch sclion viele Instrumente da seien, »so dass man mit der Zeit etwas lial)en wird, die Cu- riosität der Liel)hal)er zu vergnügen«. Aneli hraclite Spener sein naturhistorisclies Cabinet auf das Observatorium, »hielt es aber unter seinem Schlüssel«. Man begreift es, dass unter solchen Um- ständen Hr. VON Staff (Stapf), Mitglied der Societät, an Leibniz schrieb (24. August 171 i): »Je vous ai une Obligation tres parfaite de vos bons soins de notre Academie, qui en a besoin"'«. Das Einzige, was man wirklich erreichte, Avar eine neue Einschärfung des Kalenderprivilegs durch eine Königliche Ordre ■^. Ausserdem benutzte man die Gelegenheit der Hochzeit des Czarewitsch mit der braunschweigischen Prinzessin, um an ihren Vater, den Herzog Ludwict Rudolf, und an I.eibniz der christlich -civilisatorischen Pläne wegen zu schreiben. Heineccius übergab jenen Brief persönlich, ohne Leibniz vorher in Kenntniss zu setzen — was dieser ihm und der Societät übel nahm — , beschrieb in einem ausführlichen Bericht seine Aufnahme und konnte die besten Absichten des Herzogs ver- melden. Dieser selbst beglückte die Societät mit einem Schreiben, in welchem er von Braunschweig aus versicherte, dass jetzt »die w^ahren Künste und nützlichen Wissenschaften in Russland verbreitet werden sollen^«. Bekanntlich w^artete der Prinzessin in Russland ein schreckliches Schicksal. Das Seidenwerk wurde von Frisch mit unverdrossenem Eifer betrieben, und im Frühjahr und Sommer 171 2 schien ihm auch die Societät ein wärmeres Interesse zu widmen. Man war entschlossen, einen grossen Platz für eine Baumschule zu kaufen, ein Haus zu bauen und »viel andere vorher nie angehörte Dinge zu thun^<. Im Juli konnte der Secretar an Leibniz berichten, dass »das Seidenwerk ^ Siehe Secr.-LEinN. >sr. 141 und 143 (i6..1iili und 29. ( )ctol)er 1712). - Hannov. Bibl. ^ Vom 12. April 17 12 (Geh. JStaatsarcliiv); die Societät liatte wieder gegen die Provinziah'egierungen Klage füln-en müssen, die ganz lässig seien und die faulen Ausreden der »Verbrecher« als gültig liinnehmen. * Die Briefe in der Bibliothek zu Hannover (19. November. 10. und 22. De- cember 17 11). LEiBxizens IMisstranen in Bezug auf Heineccius in dem gleichzeitigen Briefwechsel mit dem Secretar. s. seinen Brief Nr. 134: »der Präses der Societät hat bereits zu Torgau das Verlangte bei des Czars IMajestät besorgt'. Bedeutendes Schreiben von Heineccits an Leibniz vom 19. November 171 1: Plan der Eirichtung einer Societät der Wissenschaften und einer INIissionsanstalt in ^Moskau, ausgehend von der Berliner Societät (Bodemann S.83). '" Frisch Nr. 24 vom i.^NIärz. Secr.-LEiiix. Nr. 138. 141. 142 vi^m 28. Mai. 16. •lull und 20. August 1712. Beziehungen zu Russland. Fkisph und das Seidenwerk. IS/ am Hofe wieder in Bewegung sei«. Einige Kammerräthe hatten sicli günstig geäussert. »Der Kronprinz hat nun auch bessere (be- danken von der Sache hekommen und wird uns nicht mehr zu hindern hegehren^*. »Der Hr. von Printzen ist dem Werk sehr geneigt: wie der Hr. von Kameke dagegen gesinnet, weiss man noch niclit . . . auf ihn dürfte der Ausspruch ankommen'"«. Allein bereits im September muss Frisch an Leibniz schreiben^: »Wegen unseres Seidenwerks steht es noch in den alten schläfrigen Anstalten. . . . Es ist eine K. Commission gehalten w^orden. Ich werde in keinem Stück mehr, wie ich es um die Societät vermeine verdient zu haben, in fünf und mehr Jahren, da ich dieses Werk zu treiben gesucht, eonsiderirt. und unterlasse doch nicht, so viel dabei zu thun als ich kann. Man lieisst uns bei Hof des grands faiseurs de rien. Ich habe von der Commission nicht das geringste gewusst oder erfahren, da ich doch denen Hrn. Commissariis hätte die beste Nachricht geben können. Meine Administration hat der Societät nichts gekostet, und wünsche, dass die neue nicht mehr kosten möge « . Augenscheinlich schob man den tüchtigen Mann bei Seite, weil er nicht zum Directorium gehörte, vielleicht auch aus der instincti- ven Feindseligkeit heraus, mit der die Masse der nichts Leistenden den Arbeitenden stets verfolgt. Frisch verlor den Muth zur Sache nicht: er empfand sich in dieser Lage als einen Leidensgenossen von Leibniz und stärkte sich an seinem Vorbilde. Die beiden Männer verstanden sich. "Ich habe v(jn Ew. Ex. nicht wenig Grossnmth gelernet, wie man durch die Hinderung des eigenen Corporis Societatis müsse suchen durch- zudringen, nachdem ich durch die Raillerien des Hofs und der Bedienten des- selben an vielerlei Orten durchgedrungen. Gott erhalte Ew. Ex. noch lange Jahre, denn wann noch etwas geschieht, so thut man es aus gebührender Reflexion auf Sie, sonst wäre unser AVerk ein Gespenst und Schat- ten, über den man sich ungemein mo([uiren würde.« Dieses Zeugniss über Leibniz , der, oV)gleich ein Verbannter, die Societät noch immer trug und ausdauernd und grossmüthig gewesen ist, schlägt viele falsche Behauptungen und unrichtige Vermuthun- gen nieder. Die Societät. d. h. das Directorium, nahm also das Werk selbst in die Hand. Das alte Übelwollen gegen Frisch spricht sich in ^ Secr.-LKiBN. Nr. 140 vom 2. Juli. 2 A.a.O. Xr.142. "* Frisch Xr. 25 vom 2. Sejjtember. 188 Geschichte der Societät von 1711 — 1716. den Briefen des Sccretars deutlich aus. Als die Sache nun natür- lich viel schlechter ging, klagte er «über Hinderungen und Schwierig- keiten , die von denen kommen , so das Beste der Societät fördern sollten und sich dessen angemasset^i . Und als gar Frisch, der jetzt auf eigene Rechnung weiter arbeitete, schöne Erfolge erzielte, da schrieb der Secretar in seinem Unmuthe: »Weil er die Kunden an sich gezogen , können wir an keinem Ort fortkommen « . stellte es so dar, als hätte Frisch der Societät gekündigt und scheute sich sogar nicht, ihm zwischen den Zeilen einen bösen Vorwurf zu machen". Als endlich das Directorium die Sache gründlich ver- fahren und sich in Unkosten gestürzt hatte, wandte es sich noth- gedrungen wieder an den thätigen und kenntnissreichen Mann, der denn auch edelmüthig half. »Wir hoffen (mit FRiscnens Hülfe) einen Schritt weiter vorwärts zu thun. Vom Hofe hal)en wir nichts zu gewarten , weil der Hr. von Kamekk gar keine Lust zu der Sache bezeuget, also müssen wir sehen, wie wir uns selbst forthelfen^.« »Vom Hofe haben wir nichts zu gewarten« — dies Wort sollte sich in einer ungeahnten W'eise erfüllen. Am 25. Februar 1 7 1 3 starb Friedrich I. nach kurzer Krankheit. Die Societät fand bald Grund, ihn aufrichtig zu betrauern. Die Mehrzahl der ursprüng- lichen Mitglieder lebte noch, als der neue Herr den Thron bestieg: aber sie besassen kein Ansehen bei Hofe ; man darf auch fragen, ob sie es verdienten. Leibniz befand sich in Wien. Der Tod des Monarchen erweckte in ihm keine weichen Stimmungen. Als die Kurfürstin Sophie in einem Briefe von ihrem entschlafenen Schwie- gersohn als dem »sehr christlichen« Könige sprach, entgegnete er, dieser Titel sei zutreffend, wenn man auf die Erfüllung der äusse- ren kirchlichen Ptlichten sehe: »il n'y a que Dieu qui connaisse l'interieur: cependant Taction du jeuiie roi de retablir M. de Dan- kelman — dachte er vielleicht auch unwillkürlich an sich selbst? — est plus chretienne que celle du pere non seulement de le chasser de la Cour, mais meme de lui confisquer son bien«. »Vous jugez tres-bien ä l'egard de Danquelman,« erwiderte in ihrer kaustischen Weise die greise Fürstin, »mais votre observatoire ne sera ' Secr.-LEiBN. Nr. 143 vom 29. Oetober 1712. ^ A. a. O. Nr. 144 vom 20. December 17 12. Der ^'orwurf auf früheren Eigen- nutz ist versteckt und ist durcli Jablonskts folgenden Brief und Frischcus Schreiben vom 29. Oetober 17 12 (Nr. 26) hinreichend widerlegt (»Man coinmunicirt mir fast gar nichts mehr und will mit Gewalt mit Schaden klug und mi'ide werden»). ^ A. a. (). Nr. 145 vom 31. December 1712. Der Tod des Königs Friedrich's I. Der neue Kcniiü;. 181) pas aussi l)ien observe que v^otre impöt siir les alma- iiacs ... Le roi [Friedrich Wilhelm I.) se piqiie de faire justice ä tovit le monde et ä empecher le superflii a ses servi- teurs'.« Sie kannte ihren Enkel. 2. Den Zustand der Societät in den l)eiden ersten Jahren der Regierung Friedrich Wilhelms I. kennen wir fast lediglich aus den Briefen des Secretars, einem Schreiben von Leibniz an diesen und den Klagen La Croze's"'. Aber jene Briefe charakterisiren die Lage so vortrefflich, dass sie einen Abdruck an dieser Stelle ver- dienen. Schon als Kronprinz hatte Friedrich Wilhelm I. die Socie- tät verachtet, weil sie zu wenig leistete und weil er alle Gelehr- samkeit, die nicht praktisch nutzbar war, ebenso verabscheute wie das Latein, die Philosophie und die Elegantien. An das Kalender- privileg scheute er sich die Hand zu legen und wollte auch die Stiftung seines Vaters nicht einfach aufheben ; aber wo es irgend möglich war, da sollte auch die Societät zum allgemeinen Sparsam- keitssystem ihren Beitrag liefern, und sie sollte nur ein Recht auf Existenz haben, wenn sie thätig war, d. h. das militärische Medi- cinalwesen beförderte und im Technischen etwas leistete. Fast zwei Jahre wartete der König ruhig ab ; er übernahm wieder die Würde eines Protectors der Societät^, noch bestätigte er ihre Privilegien, noch entzog er ihr die Mittel und Rechte. Nur für die Räume im Observatorium verlangte er eine Miethe, d. h. er befahl gleich nach ^ LEiBxizens Brief ist nicht datirt, die Antwort der Kurfürstin vom 27. April 1713 (Ki-opp, Werke, 9. Bd. S.392. 394f.). ^ Er richtete am 28. Juni 17 13 einen kummervollen Brief an Leibniz. Sein Gelialt war ihm gesperrt worden, und er kam dadurch in die höchste Noth; er wollte nach Iilngland gehen, blieh dann al)er doch in Berlin, da er eine Stelle als Prinzenerzieher erhielt und bald darauf in der Lotterie eine ansehnliche Summe gewann. »Vous etes heureux, ]Monsieur, de n'etre point temoin des gemissements et des larmes qui se repandent en ce pays-ci, oü 11 y a bien des gens encore plus mal traitt-s que moi. Te tenet aula nitens, nos lacrymosa dies.« J. G. Eccard, der La Croze nach Helmstädt ziehen wollte, schrieb ihm (Thesaur. epist. Lacroz. T. 111 p. 286): »alto in otio vivimus et tempestates non timemus, quas Berolini sustinuistis. Bone deus I quantum inutata est sedes lila elegantiarum ex: illo teinj)ore, quo ibi cum amicis Musis suavissime vixi«. Der wissenschaftliche Briefwechsel zwischen La Croze und Leibniz, in welchem jener der Gebende war, ging ungestöi't weiter; der letzte Brief ist vom 19. October 17 16. ^ Hr. VON Printzen heisst fortab — auch in den Kalendern — »Protector der Societät«. 11)0 (Jcschiclite der .Societät von 1711 — ITHJ. soinem Regierungsantritt, sie meistl)ietend zu verniietlien. Da sieh aber kein Liebhaber fand, behielt die Societät ihre Räume zunächst ohne eine Abgabe; später zahlte sie 50 Thlr. Das Ausschreiben der Anitskammer' ist charakteristisch als ein besonders leuchtendes Beispiel bureaukratischer Unbefangenheit. Xaclidein S. K. M. in Preussen u. s.w. Unser allergnädigster Herr in Gnaden resolviret. dass nicht allein die Stuben und Cammern auf dein K. Marstall, sonder-n auch die Logementer auf dem daselbst befindlichen Observatorio auf der Dorotheenstadt. ingleichen der Ochsen- tnid Hannnel- Stall vor dem Leipziger -Thor ä 500 Haupt -Schaaf-\'ielie nebst der Hutung und Trifft, sainmbt einer Sttiben und Canuner vermiethet und dem Meist- biethenden gegen Stellung zidänglicher Caution zugeschlagen werden sollen, zu welchem Ende der 21. Aprilis pi-o Termino Licitationis anberahmet worden, als wird solches männiglich hierdurch kundt gemachet, und haben sich diejenige, so etwa zu solclien Logementern auf dem Iv. ^Marstall oder zum Hammel-Stall Belieben tragen, sich in Ijemeltem Termino zu gestehen u.s.w. Colin an der Spree, den 29. Martii 1713. K. Preuss. Am])ts-Cannner'^. Der Eindruck der ersten Maassnahmen des Königs spiegelt sich — nicht zum Nachtheil des Monarchen — in den Briefen Nr. 147 bis 149 des Secretars an Leibniz vom i.und 22. April und 15. Mai 1713. Der erste lautet: "Der hohe Todesfall hat mehr Veränderungen nach sich gezogen, als man je vermuthet. Sie betreffen aber meist die üeconomica. und haben S.Iv. INI. sich so weit herausgelassen, dass Sie erst einen beständigen Grund guter Haushaltung legen müssen, damit Sie zuvorderst eine ansehnliche Kriegsmacht wohl unterhalten und nachgehends ihren Unterthanen einige Erleichterung schaffen können. Hernach werden Sie schon JMittel finden, auch ihre treue Diener zu belohnen, vor den Anfang aber müssen sie sich mit ihm in die Zeit schicken und nach seinem Exempel richtiger haushalten lernen. Die unmässige Besoldungen einiger Hof- und Staatsbedienten sind merklich eingezogen und aller Uberfluss bei Hofe gemässiget Avorden. so dass man sagt, es werde an Küche. Keller und Silberkammer allein bis 400000 Tld. jährlich ersparet werden. Die Malerakademie ist aufgehoben , wenigstens weil ihnen die Besoldungen genommen, wird sie von selbst zergehen, und man weiss noch nicht, ob sie die Gemächer auf dem Stall behalten werden. Von dem Observatorio sind auch gefährliche Gerüchte gegangen und weiss man nocli nicht recht, woran man ist, wie denn nach der Leichenbegängniss erst Alles in rechten Stand soll gebracht werden. Sonst hat der König von der gehaljten Abneigung von der Feder viel nachgelassen und selbst gestanden, wie er nun wohl sehe, dass mit dem Degen allein sich nicht Alles ausrichten lasse. Er hat selbst Hand angelegt und alle Rech- nungen , Aufsätze vuid was ihm nöthig gewesen mit eigener Hand hinzugesetzet. Er decretirt auf gleiche Weise mit eigener Hand theils publicjue Sachen, die ihm ' Druckexemplar im Akademischen Archiv (»Baulichkeiten"). ^ Die Societät machte eine Eingabe dagegen bei der Amtskannner (20. April); aber der Präsident erklärte dem Hofprediger, er habe viei-mal wegen solcher Yei- miethung vom Könige Befehl bekommen und könne daher nichts in der Sache thun, wenn nicht Gegenbefehl gebracht wird. Friedrich Wii.helm's I. Stelliini; zur Societät in den beiden ei-sten Jahren. 1 1)1 auf einen lialljgeljrochenen Denkzettel ii'egeVjen werden müssen, tlieils Privatinenio- rialien. die er willig anninnnt und mit Fleiss durchlieset. Kr will ei-nstlieh der Jnstiz aulgeholfen und die Processe verkürzt wissen, wozu auch schon eine ("om- inission niedergesetzt ist. mit der es aber nicht recht fort will. Der Graf von Dohxa ist bei dem König wohl angesehen und der Erste unter den \'ieren. so den neu- errichteten C'abinet recht ausmachen, die andern sind die Hrn. v. Ilgen. v. Printzex und Grumkow. . . . Der Hr. Oberpräsident von Dankelmann ist auf K. Hefehl licrgekoimnen und wii-d sehr wohl angesehen. Worauf es aber gemeint, ist noch unbekannt." In dem zweiten Schreiben lieisst es: "Ich hal)e gehorsamst melden sollen, dass es mit der Societät nahe an dem ge- wesen und vielleicht noch ist, dass sie das Gliick meiir anderer Collegien haben dürfte [d. h. aufgehoben zu werden]. Allzeit das Observatorium ist auf K. Befehl von der Amtskanimer zur Miethe öffentlich angeschlagen worden, und als man sich dagegen gemeldet, hat man kaum erhalten, dass das ^Memorial nur ad acta genommen woi'den. In termino hat sich zwar Niemand gefunden, der das 01)servatorium zu miethen vei-langet. also hat man sich von Seiten der Societät auf die gethane Vorstellung bezogen und zur Antwort erhalten, es solle derselben in dem Bericht gedacht werden. Wie es nun ferner laufen werde, lehret die Zeit. Die jNIalerakademie hat ihre Zimmer um 60 Thlr. in 3Iiethe genonnnen, nach deren Exempel es mit dem Ob- servatorio avoIü auch wird geschehen müssen. Ol) es aber dabei aufhören werde stehet dahin'. Es äussern sich täglich neue iNIachinationes zum Nachtheil der Socie- tät, dagegen man zwar alles Mögliche vorkehret, allein weil directe nichts auszu- richten, muss man es dabei bewenden lassen, dass man indirecte wehret soviel man kann. Der Hof hat sich sehr verändert, und hat der ganze Zustand eine andere Gestalt gewonnen, so dass man sich kaum mehr darein finden kann.« In dem dritten Briefe schreibt der Secretar: "]\Iit der Societät ist es also geblieben, ausser dass der Ruf von Einziehung des Kalenderverlags sich wieder verloren. Unterdessen ist man doch nicht sicher und hat denmach beschlossen, sobald der Hr. von Printzen . . . wieder hier sein wird, mit demselben in Rath zu stellen, ob man nicht die Bestätigung der vorigen Verschreibungen bei itzt regierender K. Maj. suchen soUe^. Sonst haben die Veränderungen gar weit um sich gegrifl'en. und ist Niemand damit verschonet worden weder von Civil- noch Militärstand. Unter andern hat es auch die Bibliothek gar hart betroften und der Hr. Schott nicht mehr denn 200 Thlr. behalten, der Hr. La Croze aber Alles verloren. Sonst sind S. K. Maj. bei Dero Regierung sehr lleissig und dictiien unzählbare Supplicata mit eigenei- Hand. Sie eifern absonderlich über schleunige und richtige Verwaltung der Gerechtigkeit und haben schon einen Anfang gemacht, die Process- ordnung am Kammergericht zu reformiren. wodurch die Rechtssachen merklich ver- kürzt werden sollen. Einen wirklichen INIaitre des requetes haben Sie nicht bestellet; es ist aber einer Namens Koppen, ein Generaladjutant, so stets um Dieselben sein muss und ^ Hierzu hat Leibniz eigenhändig die Worte geschrieben: »Am Saal des Parlements, so England kann geliieten. Schrieb Cromwel endtlich an: Der Ort ist zu vermiethen. Dem Kunstwei'ck zu Berlin geschieht noch grössre Ehr. Ein König schreibt ans Hauss: Weicht oder Thaler hehr." ^ In margine bemei'kt Leibniz sehr treffend: "Man mache zugleich einen neuen tonuun Miscellaneorum präsentiren und alleiliand manifeste utilia hineinbringen". 192 Gpscliiclite der Societät von 1711 — ITltl. alle Suppliqueii niuiiinint. Der llr. v. Kreuz ist wirklicher Staatsniinistei- und Di- recteur general des iinances geworden. Die Gelehrten möchten sich wohl wenig zu erfreuen liaben. Von denen Con- dolenz- und Gratulations-Complimenten, so ein und andere dem König überreichen wollen, hat er keine angenommen. Es haben auch keine in der Schlossdruckerei angenommen werden dürfen ... So ist mir auch gesaget worden , der König hal)e dem Pagenhofmeister ausdrücklieh verlioten. die Pagen im Latein unterweisen zu lassen.« Jetzt wäre es an der Zeit gewesen , dass sich die Societät zu- sammenraffte und dem Könige zeigte, dass sie etwas Nützliclies zu leisten im Stande sei — er Hess sie ja zunächst ruhig gewähren'. Leibniz trieh auch unablässig dazu. »Miscellanea esse edenda«, war sein Ceterum censeo. Er schlug vor, sich in die Zeitverhältnisse zu schicken und kriegswissenschaftliclie und technische Abhandhmgen aufzunehmen ; er zeigte in einem Schreiben an den Secretar, dass er den König zu würdigen verstand, und war bereit, auf seine Lieb- liabereien einzugelien und selbst ein Problema tacticum zu inseriren, sowie eine ballistische Abhandlung". Aber die Societät blieb völlig thatenlos. Sie hatte bisher überhaupt noch nicht gelernt, auf eige- nen Füssen zu stehen ; sie liess Leibniz arbeiten und hoffte , statt ' Siehe Secr.-LKii3x. Nr. 152 vom 12. August 1713: »Der Zustand der Societät bleibt bei dem Vorigen, und weil der König fast aller Alfairen, ausser die das Soldatenwesen betreffen, sich entschlägt, so wird zwar eine der Societät nachtheilige Veränderung nicht leicht zu besoi'gen, hingegen auch vor dieselbe wenig Vortheile und AVohlthaten zu hoffen sein». " Sein Brief Nr. 154 vom 6. December 17 13 an den Secretar ist für seinen fi'ischen Blick und für die Elasticität, mit dei' er sich in neue ^'erhältnisse immer wieder zu schicken wiisste. charaktei'istisch. «Es hat des neuen Königs M;ij. der Welt gezeiget, dass Sie nicht nur vor die Waffen sorgen, sondern auch guten Rnth zu ergreifen wissen. Sie haben dvu'ch Erlangung des Besitzes von Stettin erhalten, wornach ihr Hr. Vater glorwürdigsten Andenkens (des Hrn. Grossvaters zu ge- schweigen) vergebens getrachtet. S. ^laj. haben noch dazu Tonningen erhalten und den Grund zu der nordischen Iluhe wenigstens in den Reichslanden geleget, und da anderswo nur zugesehen woi-den. die Hand an das Werk mit Nachdi-uck ge- leget. Ist also auch billig, dass Sie dessen geniessen. Es heisset »jura vigilantibus scripta sunt". Ich schliesse aus diesem allem, dass S. ]Maj. den Studien nicht abge- neigt sein, sondern wohl wissen werden, was im Regimente daran gelegen. Daher ich auch der Hoffnung lebe, Sie werden die von ilu'em Hrn. Vater fundirte Societät der Wissenschaften allergnädigst protegiren. Es ist nöthig, dass man dahin bedacht sei, wie künftiges Jahr ein neties Volumen Miscell. Berolinensium zu Stande komme, darin nicht nur speculativa et curiosa, sondern auch practica et utilia zu bringen, wie man zwar auch beim ersten Volumine darauf gesehen. Ich will unter andern ein Problema tacticum inseriren: wie aus einer gegebenen Zahl ein Bataillon carre vide also zu formiren. dass am wenigsten Personen übrig bleiben, item etwas ad rem ballisticam. Und weil der König auch die Manufacturen gern befördert, so stelle dahin, ob einige merkwürdige Vortheile oder Observationen u.dergl. zu haben und beizufügen. Ich sollte vermeinen, in Berlin würde sich dazu Gelegenheit finden.« Das TlieJiti'uni anatoniicum. 11).) sicli anzustrengen, auf « Vortheile und Wohltliaten vom Hof « . Der neue Band der Miscellanea rückte nicht von der Stelle, obgleich am Ende des Jahres 1 7 1 3 angeblich die meisten Mitglieder etwas bei- gesteuert hatten'. Es sollten noch 10 Jahre dahin gehen, bis er erschien! Das Seidenwerk, dem der König nicht ungünstig gesinnt war", wurde ohne FRisciiens Hülfe lässig und ungeschickt betrieben. Der Secretar weiss Leibniz in der Regel nur zu berichten, dass mit der Societät Alles beim Vorigen stünde^. Man scheint auf einen deus ex machina gewartet zu haben. Nur an einem Punkt war man etwas rühriger*; hier aber stiess die Societät auf den feindseligen Medicus Gundelsheim: Das Theatruni anatomicum näherte sich der Vollendung, und der rüstige Spener, einer der wenigen Akademiker, die etwas thaten, war eifrig darauf bedacht, mit den Sectionen zu beginnend Man durfte hoffen , damit den Beifall und die Gunst des Königs zu ge- winnen, der der Anatomie (auch der Botanik, um des Arzneiwesens willen) ein besonderes Interesse bezeigte. Aber hier drängte sich Gundelsheim ein und belegte Anatomie und Botanik für sich mit Beschlag. Das anatomische Theater war mit der Societät nicht ver- bunden, sondern stand unabhängig von ilir^\ Gundelsheim gestattete ^ Siehe Secr.-LEiBN. Xr. 155 vom 16. December 1713. ^ A.a.O. Nr. 151 vom i.Juli 17 13. Eine kleine Schrift ül)er den Seidenbau wurde vorbereitet. ^ Einigermaassen zur P^ntschuldigung diente, dass zwei Klassendirectoren, C'u- NKAt; und Schott, sehr leidend waren, ferner dass man auch beim besten Willen in Berlin keine hervorragenden Gelehrten finden konnte, die der Societät Ansehen verliehen hätten. Unter den auswärtigen, die neu hinzutraten, waren einige glänzende Namen, aber sie dienten doch nur zum Schmuck; unter den einheimischen wai-en die ursprünglichen Mitglieder noch immer die bedeutenderen (Einheimische und Aus- wärtige zusammengerechnet, wurden 171 1— 17 16 14 + 9+11-1-13 + 9 + 0 neue Mitglieder aufgenommen). * Ausserdem beschäftigte man sich unter des Hofpredigers Leitung mit der deutschen Orthographie. Hess trotz LEiBNizens bestimmter Warnung etwas darüber als Manuscript drucken und schickte es an Gelehrte (Nr. 156. 157. 159). Leibniz wusste sehr wohl, dass die beiden Slaven Jabloxski nicht fähig waren, in deutscher Sprachlehre etwas zu leisten. Im Akademischen Archiv (Wissensch. ^^erha^dl. u. Auf- sätze 1699— 1737) liegen verschiedene Aufsätze über die Einrichtung eines deutschen Wörterbuchs, grösstentheils von des Hofpredigers Hand: einer derselben ist im Ur- kundenband Nr. 1 19 abgedi'uckt. Wertlivoller mögen die übrigens nicht zahlreichen Stücke zu einer neuen Ausgabe des hebräischen Alten Testaments cum variis lectionibus sein. Vorarbeiten, die ja wirklich zum Ziele geführt haben. ^ Siehe Secr.-LEiBx. Nr. 153 vom 9, September 1713. ^ Der Plan, ein Theatrum anatomicum zu bauen, war proprio motu schon 171 1 von der Societät gefasst worden (hierauf bezieht sich die Societät in einer Eingabe an den König vom 15. December 17 14, s. unten). Sie war also voran- Gescliichte der Akademie. I. \o li)4 Geschichte der .Societät von ITll-lTHi. wohl, dass Spener dort seine Sectionen vornaliiii — denn er selbst war unfähig dazu — , aber er wachte eifersüchtig darüber, dass die Societät aus dem Spiel blieb, damit sie nichts von dem Ansehen und der Gunst der Sache genösse. Dennoch kam ihr die Arbeit Spener's beim König zu Gute, und als diesem noch ein anderes Mitglied der Societät, Colas, als Wasserbau -Verständiger imponirte und dann ein gutes Wort für die Akademie einlegte \ da schien er günstiger gegen sie gestimmt. Er ernannte im April 1 7 1 4 Spener zum Professor, äusserte sich Colas gegenüber freundlicher über die Societät, schenkte ihr mehrere grössere und seltenere Thiere für die Sectionen, dachte daran, ihr die Anatomie dauernd einzuverleiben, und beschloss, ihre Privilegien zu bestätigen. Allein bereits im Mai desselben Jahres starb der treft'liche Spener, 36 Jahre alt, ganz plötzlich, und sofort erlangte wieder Gundelsheim, der Colas und Spener bereits mit seinem Neid beehrt hatte, den entscheidenden Kiintluss in wissenschaftlichen Dingen beim König. Schon im Juli musste der Secretar an Leibniz von den »mancherlei Bedrückungen der Societät, darunter sie sich schmiegen und biegen muss'"«, schreil)en , und im November i 7 1 4 erging vom Könige die verhäng- nissvolle Aufforderung an sie, Rechenschaft von ihrem Etat abzu- gegangen; aber sie hatte keinen Raum und keine Mittel. Gundelshkim war es dann gehuigen, Beides, unabhängig von der Societät, vom König zu erhalten und die Anatomie zu bauen. Diese Situation war an sich eine Kränkung für die Akademie. Kurz vor seinem Tode hat Gundelsheim allerdings der Societät den Vorschlag ge- macht, sich den botanischen Garten und das anatomische Theater einzuverleiben, aber unter welchen Umständen, wissen wir nicht. Übrigens ist auch nach der Ein- verleibung (s. unten) das Vei-hältniss der Societät zu dem anatomischen Theater und zur medico- chirurgischen Akademie ein sehr unklares geblieben. Schon um das Jahr 1780 hat man sich den Kojjf zerbrochen, wie es eigentlich gestaltet war. Das beweist eine Zusammenstellung der wichtigsten Daten aus den Protokollen, die um 1780 gemacht worden ist (aufbewahrt im Fase. »Acta, die Organisation und Ver- waltung der K, Akad, betreff*, 1773 — 1789 ■ des Akademischen Archivs), Da die Acten, aus denen diese Auszüge hei'gestellt sind, jetzt grosstentheils fehlen (so die Acten der Sitzungen des Directoriums der .Societät) , so ist jene Zusammenstellung im Ur- kundenband Nr, 120 abgedruckt worden. ' Auch der Hofpredigei- hatte einmal Gelegenheit gehabt, beim König für die Societät zu sprechen, s. Secr.-LEiBx. Nr. 157 vom 17. Februar 17 14; die Königin hat er mehi-mals gesprochen. - Die Belege siehe in den Briefen des Secretars Nr, 156 — 162 (Januar l)is Juli 17 14). Über Colas drückt sich dieser jetzt dankbar und sehr anerkennend aus, nicht minder rühmlich spricht er von Spener. Gundelsheim ist höchst wahrschein- lich gemeint, wenn der Secretar Nr, 160 schreibt: »Colas ist sehr vergnügt über die Gnade des Königs, aber um so viel mehr mit neidischen Augen angesehen von Anderen, die sich eines Monopolü der K, Gnade anmassen«. LEiBNizens \'erliältiiis.s zur Sdcietät im .lahre 1714. 19») legen. Da Leibniz in diese Sache verwickelt worden ist, so bedarf es einer kurzen Bemerkung über sein Verhalten zur Societät in dem letzten Jahre. Bis zum April i 7 1 4 dauerte der regelmässige Verkehr mit dem Secretar von LEiBNizens Seite ganz so wie früher. Wir können aus den Briefen Jablonski's feststellen, dass er vom März 17 13 bis April 1 7 1 4 mindestens zwölf Schreiben als Präsident der So- cietät an Jenen gerichtet hat, und aus den Antworten lässt sich erkennen, dass sich Leibniz nicht nur um das Kleinste bekümmert', sondern sich auch beklagt hat, dass man ihn nicht genügend orien- tire"' ; man theilte ihm nicht einmal die Namen der neu aufgenom- menen Mitglieder mit und Hess (s. oben) ein Manuscript im Namen der Societät drucken, das er vorher nicht gesehen hatte. Was end- lich sein Gehalt betrifft, so war die Societät bis zum Frühjahr 17 13 mit 900 Thlr. im Rückstand; in dem folgenden Jahr aber war nichts mehr bezahlt worden, so dass sie ihm im Frühjahr 17 14 1500 Thlr. schuldete^. Diese Umstände, noch mehr aber vielleicht die beiden Todes- fälle, die tief in sein Leben eingriffen (der Herzog Anton Ulrich starb im März, die Kurfürstin SopmE am S.Juni 17 14; er verlor in ihnen seine eintlussreichsten Gönner in Hannover), sodann die Aussicht, in Wien wirklich seine Pläne durchzusetzen, endlich der Tod der Königin Anna am i 2. August i 7 14 und die Succession seines Landesherrn als König von England — alles dies wirkte zusammen, um ihn ein halbes Jahr völlig von Berlin und der Societät abzu- ziehen. Er liess ein paar Briefe unbeantwortet und berührte auch Berlin bei seiner Rückehr von Wien nach Hannover nicht; die Um- wälzung im Kurstaate stand jetzt selbstverständlich für ihn im Vor- dergrund. W^as hätte er auch in Berlin thun sollen? Rathschläge ^ Dass trotzdem die Correspondenz nicht mannigfaltiger gewesen ist, lag an dem .schläfrigen Zustand« der Societät; eine Initiative aber konnte Leibniz nicht ergreifen, nicht nur, weil er weit entfernt war, sondern auch weil er wusste, dass man sie nicht wünschte. 2 Das ist noch in einem Briefe vom Februar 17 14 geschehen. Der Brief Nr. 157 des Secretars vom 17. Februar ist ein förmliches Entschuldigungsschreiben. "Die meisten bei der Societät vorfallenden Sachen sind so bewandt, dass sie keinen langen Verzug leiden , sondern bald abgethan werden wollen, worunter mehrentheils auch die Receptiones membrorum Societatis, dieweil sie bei gewissen Occasionen sollicitirt werden, da man mit der Ausfertigung kaum fertig werden kann. Sonst würde nicht ei-mangeln, von allem zeitigen Voi-ti-ag zu thun.« ^ Diese Berechnung stammt von der Societät selbst (s. unten), nicht etwa von Leibniz. 13* 196 Geschichte der Societät von 1711 — 1 Tili. geben, die man nicht hören wollte und nicht befolgen konnte? Seine einzige Gönnerin war die Königin Sophie Dorothea, auch eine braun- schweigische Prinzessin; er hatte sich ihr einige Monate nach der Tlironbesteigung ihres Gatten brieflich genähert und dabei der So- cietät im Allgemeinen gedacht^; er hatte sich ihr zehn Monate später, gleich nach dem Tode ihrer Grossmutter, der Kurfürstin Sophie, noch einmal in Erinnerung gebracht, ohne Umschweife nun ihre Protection erbittend und ziemlich deutlich um Verinittelung einer Einladung nach Berlin ersuchend"^; allein man lud ihn nicht ein, und er nahm dalier an, dass man ihn nicht sehen wolle. So reiste er nach Hannover, ohne Berlin zu berühren. Dass er nach fünfzehnjähriger ununterbrochener Arbeit für die Societät einmal ein halbes Jahr pausirte — zumal da so gut wie nichts zu thun war — , war keine schwere Unterlassung, und dass er mehr als drei Jahre nicht nach Berlin gekommen war, war nur zum kleinsten Theil seine Schuld, wenn man ihm hier überhaupt irgend w^elche Schuld beilegen darf. Das, was sich nun ereignete, wäre somit die schnödeste Un- dankbarkeit seitens der Societät gewesen, hätte sich nicht in Berlin, wie anderswo, das Gerücht verbreitet gehabt, Leibniz sei definitiv in die Dienste des Kaisers getreten, bekleide als Reichshofrath eine hoch besoldete Stelle und habe Wien nur verlassen, um seine Verhältnisse in Hannover zu ordnen und abzubrechen. Dieser irrige Glaube — denn in Wien war noch Alles unfertig — entschuldigt das Directo- rium der Societät wenigstens etwas ^. Als VON Printzen im Auftrag des Königs dem Directorium auf- gegeben hatte, über den Stand der Societätskasse zu berichten, ent- schloss sich dieses zu einer jämmerlichen Eingabe an den König^. ' Siehe das .Schreiben vom 30. September 1 7 1 3 bei Ki.otp, Werke. 10. Bd. S. 453 f. - Siehe das Schreiben vom 8. Juli 17 14 bei Ki.opp, a. a. O. S.454 1". Beide Briete sind so gefasst, dass sie dem Könige vorgelegt werden konnten. ^ Bereits im Protokoll der Sitzung vom 9. August 17 13 heisst es: »Hi-. Hof- prediger Jabi.onski trägt vor, weil verschiedene Gerüchte von dem Zustand des Hrn. V. Leujniz zu Wien herumgehen und der Societät daran gelegen, dass sie davon gründliche Nachricht halie. ob nicht durch eine dritte Hand sich desfalls zu ei'kundigen, und zuverlässige Nachricht einzuziehen, damit man auch hier sich dar- nach zu richten wisse«. Das wird beschlossen und der Hofprediger beauftragt, solche Erkundigungen vorsichtig einzuziehen. ■* Vom 21. November 17 14, s. Urkunden band Nr. 121. Aus den Protokollen geht liervor. dass dei- Plan schon seit dem Prühjahr 17 14 vo]-l)ereitet war. In der Sitztuig vom 2. Mai 17 14 hat der Hofprediger den Vorschlag gemacht. "Hrn. v. Leibniz zu verstehen zu geben, weil er nicht mehr in dem Stande, seiner Kapitulation \\)rsclilag der Societät. Li:iiiMzen.s RtMiiuiiei'ation einziizielien (Nov. 1714). 107 Es ])erichtete, der Secretar habe aus den Acten ermittelt, dem Prji- sidenten von Leibniz sei vom König seiner Zeit kein G-ehalt zugebilligt worden . sondern nur eine jälirliclie Reisekosten- und Correspondenz- Entschädigung von 600 Thlr. ; demgemäss habe er bisher im Ganzen 6900 Thlr. empfangen, 1800 Thlr. seien noch rückständig; auf die Anfrage des Secretars , ob er Leibniz diese Summe schicken solle, habe das Directorium sich schlüssig gemacht — »ob zwar gedachtem VON Leibniz hiervon noch nichts eröffnet, noch er darüber vernom- men worden«, — ihm diese Summe zu sperren, da er seit dem Frühjahr 171 1 nicht mehr in Berlin gewesen sei (»er hat sich auch vorhin nicht alle Jahre ordentlich eingefunden«), seitdem April 17 14 auch die Correspondenz unterlassen habe, augenscheinlich also selbst annehme, dass »die cura Societatis bei dem zu Wien dem Vernehmen nach erhaltenen neuen Engagement nicht mehr convenable oder com- patible sei«. Das Directorium verband mit diesem Antrag den an- deren, fortab das Gehalt des Hrn. von Leibniz unter sich vertheilen zu dürfen, da es ja nach der königlichen Verordnung vom Jahre i 7 10 den Directoren und dem Fiscal zufallen solle, wenn Leibniz seine Stelle verlöre. »AVir haT)en nun 14 Jahre die Besorgung des Status und Aufnehmens der Societät ohne den geringsten Genuss einiger Ergetzlichkeit treulich verwaltet. « Was aber die i 800 Thlr. anlangt (das Gehalt der letzten 3 Jahre, welches Leibniz nicht ausgezahlt war), so stellen sie den Antrag, dafür das Naturaliencabinet des verstorbenen Spener anzukaufen. Man traut seinen Augen nicht, wenn man dies liest. Sind das die Berliner Freunde, die beiden Jablonski und Cuneau? Nicht nur förmlich absetzen wollte man Leibniz ■ — denn darauf läuft es doch liinaus — , ohne ihn auch nur vorher zu hören, sondern mit rück- wirkender Kraft absetzen! Man wagt dem Könige vorzuschlagen, Leibniz mitzuth eilen , dass er bereits seit 3 Jahren seine Rechte ver- loren habe! Dagegen billigt man sich selbst für treue Dienste die Thaler zu und tauscht für einen Leibniz ein Naturaliencabinet ein! Es ist das dunkelste Blatt der Geschichte der Societät; aber es aufzuschlagen, war leider eine Nothwendigkeit; denn der erste officielle Geschichtsschreiber der Akademie, Formey, der Leibniz über- haupt feindselig gesinnt war, hat in seiner Histoire de l'Academie Genüge zu thun. dass er sich auch bescheiden werde, des daraus gehabten Enio- hnnenti zu entratheu". Die l'brigen stimmten zu, der Secretar in einer besonders anstössigen Weise. 198 Geschiclite der Societät von 1711 — 1716. die Sache nicht nur verschleiert, sondern auch deutlich genug den Präsidenten als den schuldigen Theil bezeichnet'. Acht Tage später reichte das Directorium eine Übersicht über die Einnahmen und Ausgaben ein". Nach ihr hat der Überschuss in den drei Jahren 17 10 — 17 12 zusammen nicht mehr als 640 Thlr. betragen. Einer jährlichen Einnahme von durchschnittlich 5980 Thlr. aus den Kalendern und Stempeln — der Seidenbau hat stets mehr gekostet als eingebracht — steht eine durchschnittliche Ausgabe von 3050 Thlr. für den Kalender -Druck u. s. w. und von 1550 Thlr. für die Besoldungen (600 Präsident, 500 Astronom, 400 Secretar, 50 die Pedelle) gegenüber, wozu auf Königlichen Befehl noch 50 Thlr. für den Anatomiediener kommen. Es bleiben also 1330 Thlr. »wo- von die zufällige und unständige Ausgaben vor Bücher, Instru- mente , Hausrath , Bau und Besserung an den Gebäuden und andere Extraordinaria bestritten werden, welche nach dem es die Gelegen- heit erfordert bald mehr, bald weniger betragen. Was zur Fort- setzung des Seidenwerks noch nöthig ist, so lange dassell)e sich nicht selbst unterhalten kann, muss auch hievon genommen wer- den«. Unter diese Eingabe hat der König noch an demselben Tage eigenhändig folgende Verfügung gesetzt: Leibnitz soll hinführo 300 Thlr. haben, der Secretarius 200 Thh-. hint'ühro, zur extraordienair 830 Tlilr. zum Bau und Matenia instrumenta und der geleichem: würden über diesen Ettat 1000 Thlr. Diese 1000 sollen dem Gundelsheum (|uarta- liter mit 250 Thlr. gezahlet werden voi- meine angei'ichtete Sossissiaetaet die der [sie] Viell nützl: ist als diese narren Possen, meine Sossiaetet ist Vor der Veldt und ]Menschenbeste die andehre nichts als der Dollen menschen Ihre curieusitet Dieses ist mein Wille sondern Remonstracion und soll der Ober Marechall ausfertiechen lassend den 29.Noven Fr Wilhelm '''"•■'^'^" 1714. ' P. 58: "M. DE Leibnitz n'entrait plus pour rien dans les affaires de la Societe depuis longtemps. C'omme il paraissait l'aA'oir entierement j^erdue de vue, on ne lui pava pas pendant les dernieres annees sa pension de president, quoiqu'il fit queUjues demarches pour cet effet". P. 15: »Nous avons deja insinue que Mr. de Leibmtz avait eu im grand degre de sagacite pour pousser sa fortune. et realiser les idees avantageuses que presque tous les princes de son temps con(;;urent de lui. et dcmt ils s'empresserent presipie a l'envi de lui donner des marcpies. Comme apres tout 06 n'est lä point un defaut, ä moins qu"on n'outre Tavidite des honnem-s et des richesses, je ne fais pas difficulte de convenir (pie Mr. de Leibnitz tachait de ne i'ien faire, autant cju'il le pouvait, a pure perte«. - Das von dem Secretar geschriebene Schriftstück befindet sich im Geheimen Staatsarchiv. ^ Die Ausfertigung (Akademisches Ai-chiv; Abschrift in Hannover) entliält natürlicli die kräftige Begründung nicht, sondern nur das Thatsächliche (s. Ur- kundenband Nr. 122); aber es wird in ihr bemerkt, «dass die Societät ihre Gelder zu allerliand und z. Tli. unnötliigen Dingen verwende'«. Der König entzieht der Societät 1000 Thlr. 199 War der König entschlossen, mit looo Thlr. jährlich die So- cietätskasse zu Gunsten seiner medicinisch- chirurgischen »Societät« zu belasten, so konnte er die Sache niclit besser machen. Das Ge- lialt des Astronomen, des noth wendigsten Arbeiters der Societät, liess er unverkürzt bestehen. Das Präsidenten- und Secretars-Ge- lialt wurden auf die Hälfte herabgesetzt, und weitere 500 Thlr. sollten den Betriebsgeldern der Societät entnommen werden. Ihr Ansinnen, das Gehalt von Leibniz ganz zu streichen, würdigte er nicht eines Wortes'. Es w^ar eine heilsame Strafe für den Secretar, dass auch sein Gehalt um die Hälfte gekürzt wurde. Leibniz blieb in Amt und Wür- den; er musste nur, wie andere Staatsl)eamte auch, den Finanzen des Staats ein Opfer bringen. Wie der König aber über die So- cietät dachte, das bedarf keines Commentars. Er hatte sich Gun- delsheim's Urtheil angeeignet, oder vielmehr — sein eigenes Urtheil, das in den letzten zwei Jahren durch keine wirklichen Leistungen der Societät als ungerecht erwiesen war, traf im Negativen mit der Feindschaft des «unwissenden Schleichers« zusammen. Dieser zog die 1000 Thlr. für das medicinische Collegium ein. Die erste Gegenvorstellung, welche die Societät am 7. Decem- ber 17 14 durch den Hofprediger aufsetzen liess, ist nicht abgesandt worden; erst die zweite (15. December), übrigens nicht wesentlich verschiedene, wurde eingereicht". Die Societät kann zuvörderst ihre Wehmuth nicht bergen, »indem wir vernehmen, wie Ew. K. Maj. in den Gedanken stehen, als ob die der Societät gewidmete Gelder zum Theil zu unnöthigen Dingen verwendet werden«. »Sollte aber der Seidenbau damit gemeint sein, so ist es an dem, dass die Societät wohl gewünschet hat, damit verschonet zu bleiben^'.« Der verstorbene König habe ihn ihr auferlegt. Sehr bald sind die Herren wieder bei LEiBNizens Gehalt, und sie bemühen sich noch einmal, ihm die 600 Thlr. zu entreissen*, verwenden sich aber lebhaft dafür, dass der Secretar sein volles Gehalt behalte. Aus ' Da er über die Frage der Nachzahlung der 1800 Thh-. schweigt, so darf man vielleicht annehmen, dass er sie mit der Societät negativ beantwortete; jeden- falls hat Leibniz das Geld nicht erhalten. - Beide befinden sich im Akademischen Archiv, eine Mittheilung aus der ersten im Urkundenband Nr. 123. ^ Hier erkennt man deutlich, woran es lag, dass das AVerk nicht fortschritt. ■* Zu des Directors Schott Ehre sei es gesagt, dass er zu dem (in dem ersten Entwurf) über Leibniz Bemerkten hinzugesetzt hat, dass ihm das »nicht allerdings" gefalle. Einen besonders peinlichen Eindruck macht die Wendung in dem Schriftstück, nach welcher die Directoren w^enigstens um die Vertheilung der 300 Thlr. bitten, wenn der König Leibniz die anderen 300 Thlr. doch lassen wolle. 200 Geschichte der Societät von 1711—171»). der zweiten, eingereicliteii Eingabe erfährt man, dass bei Begrün- dung des KalenderwerkvS einige Mitglieder ihren eigenen Credit ein- gesetzt hatten. Auch wird gesagt, die Societät sei schon proprio motu vor drei Jahren mit der Aufrichtung des theatri anatomici umgegangen, aber sie habe den nöthigen Raum nicht gehabt; auch Anderes habe sie projectirt, aber überall habe es an Geld gefehlt; nun würden ihr noch looo Thlr. genommen. Der Abschnitt über Lkibniz lautet in der wirklich eingereichten Eingabe fast genau so wie im ersten Entwurf. Seine Wiener Anstellung dient als Begrün- dung. »So ist man auf den Gedanken gerathen, ob nicht diese obligatio ex causa (die ihm versprochenen 600 Thlr.) cessante causa erloschen und der Fall sich ereignet, aufweichen S. K. Maj. höchst- seligen Andenkens von solchem Gehalt in Faveur der Directoren der Societät u. s.w. « Kein Zweifel — der König wollte Leibniz 300 Thlr. und damit die Präsidentenwürde lassen, die Directoren wollten ihm das Geld nehmen, unbekümmert, was dann aus seiner Präsidentschaft würde, vielleicht in dem guten Glauben, er wolle selber nicht mehr Präsident sein\ Al)er warum schrieben sie ihm nicht und fragten ihn nicht? Von der Veränderung mussten sie ihn nun in Kenntniss setzen: aber sie thaten es in einer ganz ungehörigen Weise. Da sie noch immer hofften, der Monarch werde ihnen das ganze Gehalt von Leibniz überlassen, so schrieben sie diesem durch den Secretar", der König habe befohlen, 1000 Thlr. aus den Mitteln der Societät jähr- lich »zu einem anderweiten Vorwand zu zahlen, ausser dem aber andere Zahlungen zu thun verboten« (der König hatte vielmehr befohlen, Leibniz quartaliter 75 Thlr. auszuzahlen!). »Deine zufolge werden Ew. Exe. mich hochgeneigt entschuldigt halten, wenn mit der verlangten Geldsumme diesesmal nicht andienen kann.« ^ Dazu koimiit noch ein Anderes, was sie. wie die confessioneilen \'erh;ih- nisse damals lagen, einigermaassen entschuldigt: sie glaubten dem Gerücht, Lkibxiz sei in AVien zum Katholicismus übergetreten. Wir erfahren das aus einem Briet' von Frisch an Leibniz, der ein Jahr später geschrieben ist (vom 28. December 1715 Nr. 33 8.41!". bei Fischer): »Als I{]w. Exe. zu Wien war, wui'de hier, auch von denen, die ich für so alber nie angesehen, geglaubt, Sie hätten die Religion changirt [vergl. dazu Kirchner, Leibniz' Stellung zur katholischen Kirche, 1874]; ja ich bin von einem vertrauten. Freund versichert worden, dass man die Präsidenten -Besoldung schon eingetheilt unter die Directores und wer etwa bei dem sog. Concilio zugegen, wie viel jeder bei diesem Fall davon bekommen soll, welches ich für die grösste Bassesse in der Welt hielte, so von denen, so den Namen von Gelehrten haben wollen, kann begangen werden». ^ Nr.163 vom 18. December 17 14. Leibmz begnügt sich mit der Hälfte seines Gehalts. 20] AVas Leibniz auf diesen Brief geantwortet, wissen wir leider nicht; sein Brief an die Königin Sophie Dorothea vom 30. Deceni- her kreuzte sicli mit jenem. Er beklagt sich in ihm über die Mattigkeit der Soeietät und darüber, dass er zu wenig befragt werde und Vieles hinter seinem Rücken geschieht; dennoch bittet er, dass der König sich der Soeietät annehmen möge\ Die Königin antwortete sehr freundlich (»Vous pouvez etre assure que je vous en suis tout-a-fait obligee, et que je me ferai un plaisir de vous marquer mon estime«), aber in Bezug auf die Soeietät ausweichend: »Pour ce qui regarde l'academie des sciences, j'aurais de la peine a vous pouvoir parier hi-dessus. Je crois que Mr. Jablonski s'en acquitterait mieux que moi, ä (|ui j'ai dit vos raisons, et qui vous manderait les siennes"'«. Erst am 6. April 17 15 bequemte sich der Secretar dazu^, Leib- niz einen vollständigen Bericht nebst der Königlichen Ordre vom 29. November 17 14 zu übersenden, so dass er nun erfuhr, dass ihm doch die Hälfte seines Gehalts geblieben sei^. Er beruhigte sich grossmüthig dabei; denn was der Secretar in demselben Brief über die Lage der Soeietät und kurz vorher der Hofprediger ihm erzählt hatte'', war so traurig, dass Leibniz die Schwierigkeiten nicht ver- mehren wollte. "Es ist zu beklagen," — schreibt der Hofprediger — »dass einige Genüither die eingebildete grosse Revenuen der Soeietät der Wissenschaften mit neidischen Augen schon längstens angesehen und sich bemühet halben dem damals noch künf- tigen Regenten die Soeietät selbst als ein unnützes, übeleingerichtetes und nur zum Eigennutz abzielendes Werk vorzustellen"." . . . (Dennoch war es nahe daran, dass der König die Soeietät confirmirte), »da vermochten widrige Machinationes so viel, dass die Confirmation zurückgeleget worden und Alles in voriger üngewissheit verblieben-. . . . "Hiezu kam, dass die vornehmste membra concilii theils durch Kummer theils Krank- heit des Leibes gehindei't worden, es sei in den Wissenschaften selbst oder auch vor die Soeietät, zu deren Aufrechterhaltung etwas Nachdrückliches zu prästiren. Meinestheils habe ich in diesem letztern getlian, was ich gekonnt, und ist mir nun ' Siehe Urkundenband Nr. 124. ^ Siehe den Brief vom 26. Januar 1715 (Klopp. Werke, 10. Bd. S.457). ^ Secr.-LEiBN. Nr. 164. * Dass das Concilium den Antrag gestellt hatte, ihm das Gehalt ganz zu entziehen, verschwieg der Secretar. Leirniz musste nach diesem Brief annehmen, dass ihm der König proprio motu die 300 Thlr. entzogen habe und die Soeietät ganz unschuldig sei. '" Schreiben vom 30. März 17 15 (Hannov. Bibl.); der Hofprediger knüpfte jetzt wieder mit Leibniz an, da die Soeietät durch Gündelsheim ihi'em Untergang nahe gebracht war und da sie sich davon überzeugt hatte, dass Leibniz weder nach Wien übersiedelte noch katholisch geworden war. " Aber hatte das Concilium dieses Urtheil durch seine ominöse Eingabe vom 21. X()veml)er 1714 nicht bekräftigt'' 202 Geschichte ilei' Societät von 1711 — 171H. fast leid, dass ich so viel, ohne Frucht, gethaii. Icli habe oft den Vorsat/ gehabt, mich gänzlich aus der Sach herauszuziehen, musste jedoch aber auch bedacht sein, dass, da ein Inconveniens zu vermeiden vermeinete, in ein an- deres ebenso schweres verfallen möchte. Und dieses ist kürzlich unser jetziger languissanter Zustand, dem tlott, welchem unsere redliciie und desinteressirte In- tention bei Anlegung dieses AVerks am besten bekannt ist. nach seinem gnädigen Wohlgefallen abhelfen kaim.» Ähnlich schrieb der Secretar: "Die Zeit her war die Sache der Societät in einer steten Bewegung, da man inuner gearbeitet, die Bi'üche derselben auf einige Weise zu stopfen und sie vor dem gänzlichen Einsturz zu bewahren. . . . Die Hrn. Chuno und Schott sind auch, und der letzte von langer Zeit, unpässlich. dass sie den Versammlungen nicht bei- wohnen können, wodurcli denn die Societät in einen languorem verfällt, daraus sie sich mit Mühe wird helfen könnend« Die beiden folgenden Briefe des Secretars vom 20. April und 18. Mai 17 15' bestehen fast nur aus immer neuen Klagen: «Bei dem damaligen Langeiir der Societät ist der Seidenbau das einige, wo- durch man gehoffet, den Vorwurf abzuvv^enden , dass bei der Societät nichts gethan werde; aber was dieses Werk immer wieder hindert, ist kaum mit der Einbildung zu fassen. . . . Das Unglück der .Societät ist, dass diejenigen, so derselben Ehr und Aufnahme suchen, nicht so mächtig sind, als die ihr zu schaden trachten, daher alle gute Inten tiones voi- dieselbe stecken bleiben, insonderheit zu dieser Zeit, da sie in languore und fast in agone liegt, nicht nur niorali, sondern auch physico, indem diejenigen, so bisher am meisten gethan und zu tluui Lust gehabt, durch Krankheit und andere Zufälle in ihrer Activität gehindert worden, daher auch die Zusammenkünfte des Concilii nicht ordentlich gehalten werden.« Auf LEiBNizens A^orhaltung, dass man von Anfang an die Sache nicht mit gehörigem Eifer betrieben habe, erwidert der Secretar offenherzig: »Was ist solches gross zu bewundern von Leuten, die von ihrem Fleiss und Arbeit nichts zu gewarten hatten ; wenn man hinzusetzt die lange Zeit, da die Societät als noch nicht formirt in der Inaction bleiben müssen, und die kurze Zeit, da sie durch die eingefallene Veränderung in ihrer kaum erlangten Activität wieder gestöret und fast gar daraus gesetzet worden , so kann ein Mehre- ' Er erzählt noch einen l)esonders em])örenden Vorgang: ». . . Hiebei ist das widerige Verhängiiiss der Societät nicht stehen blieben, sondern, nachdem man re- solviren müssen, weil anders das IMaulbeerlaub zu Potstamm nicht zu nuzen ge- wesen, ein eigen Haus mit nicht geringen Kosten anzurichten, mit einem feinen Saal und ordentlichen Rüstungen in demselben zu Erziehung der Seidenwürmer, denselben auch vor 18 Thli-. und mit einer jährlichen Erhöhung vermietet, so haben die grossen Gi-enadiere, so daselbst eintjuartirt sind, sich den Ort so wohl gefallen lassen, dass unter Vorwand Königl. Ordre, die aber nicht vorgezeiget wor- den, sie die Thür erbrochen, die Rüstungen ab und zum Fenster hinausgeworfen und den Saal eingenommen. Zum Unglück ist. da dieses vorgehet, der Hr. Pro- tector nicht zugegen, sondern abwesend in seinen eigenen Angelegenheiten, so dass man sich ohne Raht und Hülfe befindet". ^ Secr.-LEiiiN. Nr. 167. 168. Der Societät droht die innere Auflösuni;- (1715 ] (5). 208 res, als was sie geleistet, ihr kaum abgefordert werden, man wolle denn von einem kaum geborenen Kinde die Thaten eines gesetzten Mannes fordern « . In demselben Schreiben (Nr. 167) berichtet der Secretar, Colas sei beim Könige in Ungnade gefallen — seine Grosssprechereien wurden durchschaut — , und das habe der Societät auf's Neue ge- schadet; »Herr Hoffmann, der Astronom, hat die Gabe nicht, opera supererogatoria zu thun«; »Herr Spener ist uns ein unersetzlicher Verlust«; »Herr La Croze hat sich von Anfang der Societät ge- äussert und ist gar selten in denen Versammlungen erschienen«. Noch immer müsse man auf den Seidenbau hoft'en, für den sich Hr. VON Grumkau interessirt. »Nur ist auch hiebei das Unglück, dass dem König, welcher noch als Kronprinz der Sache überaus zugethan gewesen , dieselbe in odium Societatis dermassen verleidet worden, dass er sie nur en ridicule handelt.« Die Vorbereitung des 2. Bandes der Miscellanea stocke, weil die beiden Directoren, denen die Arbeit obliegt, durch schwere Krankheit arbeitsunfähig seien. »Dem Könige ist zwar mit gelehrten Sachen nichts gedienet; denn er fraget nicht, was die Societät denke oder erfinde, sondern nur was sie thue; vor der Welt aber sich in Reputation zu erhal- ten, würde freilich nötliig sein, mit etw^as Neues aufzutreten.« »Hr. Frisch, dessen ich eher gedenken sollen,« — endlich geschieht dem wackeren Mann Gerechtigkeit — »ist ohne Widerrede der activeste, aber unter so viel Objecte zerstreuet, dass man oft kaum weiss, wo man ihn suchen soll.« Schliesslich kündigt der Secretar in diesem Briefe an, dass er, der schon seit einiger Zeit Erzieher eines Königlichen Prinzen (Sohn des Markgrafen Philipp Wilhelm) sei , mit diesem auf Reisen gehen werde und dazu einen längeren Urlaub erbeten habe. Sein Gehalt war ja auf die Hälfte herabgesetzt. Der Urlaub wurde ihm be- willigt (zunächst, wie es scheint, auf zwei Jahre), und in seinem letzten Schreiben an Leibniz (i 5. Juni i 7 15) verweist er diesen in Bezug auf die Societätsgeschäfte an den Vicepräsidenten , den Hof- prediger. Spener gestorben, Cuneau seit langer Zeit hinfällig (er verschied am 30. December i 7 15), Schott arbeitsunfähig, Hoffmann, der Astro- nom, lässig, La Croze ohne wirkliches Interesse für die Sache, der Secretar auf Reisen — nur der verzagte Hofprediger und der rüstige Frisch blielien übrig! Sie allein bildeten die Societät — aber Frisch gehörte nicht zum Concilium I Wohl verlor sie im Juni i 7 i 5 ihren 204 Geschiclite dei- Societät von 1711— ITKi. schlimmsten Feind, den Leilmiedicus Gundelsheim , durch den Tod', ahcr dns Urtheil des Königs änderte sich niclit mehr, und die Societät war in ihrem gegenwärtigen Zustande auch nicht fähig, es zu ändern. Mit Frisch begann nun Leibniz wieder, seit der Secretar d("n Schauplatz verlassen liatte, einen regen Briefwechsel. Seine Schrei- ben und La Croze's gelehrte Briefe erfreuten ihn in seinem letzten Lebensjahre. Nicht weniger als 14 Briefe von Frisch an ihn aus der Zeit vom 26. Juli 17 15 bis 19. September 17 16 (zwei Monate vor LEiBNizens Tode) sind uns erhalten. Sie stechen durch ihre Frische und iliren Muth erfreulich von den geschäftsmässigen und matten Briefen des Secretars ab. Über Alles erstattete Frisch Bericht, was mit der Societät in Zusammenhang stand"'. Daneben schrieb auch ' In Jordan's Vie de Mr. La Croze (1741) T. II 8.310 findet sich ein bissiges Epigramm auf den Tod Gundelsheim's, welches La Croze aufgezeichnet, aber schwei'- lich selbst verfasst hat: "Hier liegt ein Aretin Und Aeskulapius, Ein gottlos Lästermaul Und grosser Medicus, Der seines gleichen nicht In beiden hat gefunden. Der Kranken Engel und Ein Teufel der Gesunden.» Dass der Nachfolger Gu>'I)elsheiji's, Stahl, der Societät auch nicht günstig gesinnt war — liatte er doch dem Obermarschall vorgerechnet, sie müsse mindestens jährlich 12000 Thlr. Einkonunen haben — bei'ichtet der Hofprediger an Leibniz am 3. September 1715. "^ Hauptsächlich beschäftigten ihn noch immer der Seidenbau — man hatte ihn wieder herangezogen — , sodann die L^ntersuchungen über die Entwicklungs- geschichte der Insecten sowie deutsche und slavische Studien. Dem verstorbenen Gundelsheim bezeugt er (Nr. 27 vom 26. Juli 1715), dass derselbe für den botani- schen Garten aus eigenen Mitteln viel gethan (er hatte ihn auf eigene Kosten, aber mit den Regalien übeiniommen, s. Nicolai. Berlins Bd. III S. 1038). »Bei der So- cietät wird es fast täglich schläfriger in allen Departementen; ich behalte indessen bei aller Schläfrigkeit der Andern eine ungemeine Lust, sonderlich in physicis etwas zu thun.« In demselben Brief berichtet er von dem Antrag eines nicht zum Con- ciliuin gehörigen Mitglieds (Achenbach), dass sämmtliche Mitglieder öfter als jährlich nur einmal, mindestens vierteljähi"lich, zusammenkommen sollten und man sich über die Bedürfnisse der Societät gemeinsam berathe, »dass es nicht alles auf die wenigen Directores in concilio ankäme, man auch sich unter einander besser kennen lernte". Dieser voitreffliche Vorschlag fand allgemeinen Beifall; aber das Concilium gab ihm keine Folge, llhw bedenkliche Geschichte erzählt er im Brief vom 30. August 17 15: "Bei der letzten Sonnenfinsterniss war auf dem Königl. Obser- vatorio eine grosse Frequenz von allerlei feinen Leuten. Einer von den Fremden fragte ein Membrum der Societät, ob nicht die Societät anfinge, eine Fabel zu werden, wenn man nicht besser continuirte. Da zeigte ihm dieser das Observa- torium und sagte: "Tantum nobis profuit haec fabula"." Über die Arbeiten der Der Societät di-oht die innere Aiifliisung-. 205 der Hofprediger häufiger und suclite das gute Verhältniss mit Leibniz wiederherzustellen. Allein während er das that, spielte sich noch ein letzter Act der Verhandlungen über Leibnizcus Gehalt und über seine ganze Arbeit für die Societät ab, der dem Hofprediger nicht zur Ehre gereicht und den wir lieber verschweigen würden. Am 3. Septem- ber i 7 i 5 theilte er Leibniz mit\ dass ihm bis auf Weiteres sein ganzes Gehalt entzogen sei — die Königliche Verfügung darüber ist nicht aufzufinden, auch ist nicht bekannt, was den Monarchen zu diesem Befehle bewogen hat: der Hofprediger setzte hinzu, das Concilium habe dagegen nichts thun können, bitte aber um Geduld, bis 3Iajestät vom Feldzug zurückgekehrt sei. Die Reduction seines Gehaltes hatte sich Leibniz ruhig gefallen lassen , aber die Einziehung wollte er nicht stillschweigend hinneh- men. Kt richtete an den Protector von Printzen am i5.0ctober 17 15 ein Schreiben, dessen Concept sich erhalten hat". Mon absence ne m'avait pt)int empeche d'avoir soin de la Societe des Sciences de Berlin, et malgre tous les empechements j'avais pris des mesures pour faire paraitre un nouveau tonie des Miscellanea Berolinensia, les habiles gens dans les pays etrangers qui ont goüte le premier. le solli- citant, et y voulant meine fournir (juelqiies materiaux, ayant bien voulu etre de la Societe. C'etait, ce nie senible, assez bien soutenir la reputation d"un etablissement royal. Et j'attiübuais aux embarras suscites a la Societe par iin homme envieux et inedisant de son naturel [Gundelsheim]. (|ui avait roreille du roi, le delai de mon payement, esperant qu'apres la beiden Jablonski zur deutschen Sprache (Übersetzung des Germania des Tacitus durch J.Th. Jablonski) und Orthographie, die zum Theil im Druck ausgegangen waren und durch ihre Mangelhaftigkeit die Akademie blossstellten («es moquiren sich viel darüber imd sagen, man spüre den Pollacken gleich im ersten Periodo"), spricht er sich rückhaltlos aus, und Leibniz (Nr. 32, undatirt, Fischer S.41) stimmt ihm bei. Von der Übersetzung des Tacitus schreibt Frisch (Nr. ^;^ vom 28. December 1715): "Ich hab sie mir abschreiben lassen und finde so grosse Felller wider den Genium unserer und der lateinischen Sprache darinnen, dass es eine Schande wäre, wenn sie unter der Societät Namen publicirt würde". »Drei Departements liegen völlig darnieder-, schreibt er in demselben Brief (das Cuneau's, Schott's und 1vrug"s von Nidda , -der selten kommt, oder wenn er kommt, Niemand von den membris antrifft«), »das vierte — es ist das orientalisch - christ- liche — wird dem Hrn. Directori desselben zu Gefallen noch gestützet, wird aber nieinal darinnen etwas ausgebrütet werden, denn es sind lauter Dinge, die sich in infinitum trainiren werden. Die Diplomata sind jetzund so wohlfeil, dass man nur recommendiren darf, ohne weitere Untersuchung, und dürfte wohl die Genever Reise (er meint die Reise des Secretars) eine grosse Zahl der ^Mitglieder bringen.' ^ Der Brief wird in Hannover aufbewahrt, wie auch alle folgenden des Hof- predigers. - Klopp, Werke 10. Bd. S.458f. 206 Geschichte der Societät von 1711— ITKl. mort de ce personnage tont irait iiiieux. Mais j'ai appris enfin depiiis peii par M. Jablonski, le predicateur du i'oi, que c'est par un ordre de Sa M*^ (ju'oii a sursis ce payement. Je ne saurais Tattribuer qu'a de fausses inij)res.sions donnees par quehjues personnes du caractere de celle dont je viens d(; jjarler, aux(pielles devrait, ce nie semble, prevaloir ropiniou pu- bHijue. Peut-etre n'est-elle pas assez connue de Sa M*^; niais j"espere que V. P^. me rendra justice et fera le.ver ces obstacles, (jui ne servent (ju'ä decourager les bien -intentionnes, et poui-raient donner quelque atteinte a la gloire d'un etablissement royal menie aupres des gens qui ne con- naissent pas assez la generosite de Sa M'"^. Si j'avais ete, ou etais un peu mieux seconde, je ne doute point (pie le i'oi ne put avoir le plaisir de voir cet etablissement aussi utile au pays (pi'il a ete applaudi ailleurs. Comnie je puis m'attribuer d'avoir porte le feu roi ;i cette fondation , par la Suggestion d'un moyen propre ä jeter les fondenients de sa subsistence. je in"interesse a la voir llorissante, et j'avais espere qu'on m'en aurait (juelque Obligation. Les luinieres de V. E. nie dispensent de dire davantage, et sa honte ine fait prendre la liberte de mettre mes interets h'i-dessus entre ses inains. Et je suis entierement, etc. Leibniz glaubte, dass der König auf Einflüsterungen von Gundels- HEiM ihm das Gehalt genommen habe und die Societät unbetheiligt sei. Aber von Printzen wollte seinen König nicht biosssteilen. Er hielt es jetzt für seine Pflicht, Leibniz davon in Kenntniss zu setzen, dass das Directorium selbst hinter der Sache stehe bez. gestanden habe. Wie muss es Leibniz überrascht und gekränkt haben, als er zur Antwort auf seine Beschwerde folgenden Brief von von Printzen (5. November 1715) empfing^: Mr. Aussitot que j'ai rcQU l'honneur de votre lettre tres cliere du 15 du mois passe il y a a peu pres huit jours, je n'ai pas manque de la communi(juer aux chefs de la Societe des sciences, pour savoir d'eux le fondement des plaintes que vous y faites sur ce que Ton a siste le paye- ment de vos appointements. Sur quoi les chefs de la Societe m'ont delivre le papier ci -Joint, par lequel ils pi-etendent (jue les 600 ecus qui vous y sont promis , n'avaient ete stipules que pour les frais de voyages et corres- pondances dont vous vous etiez charge pour le bien de la Societe, et comme ils pretendent que, pendant le cours de trois ou quatre ans, vous n'aviez pas ecrit aucune lettre a la dite Societe ou pour elle^ ni fait aucun voyage, ils croient etre d'autant moins autorises de vous pouvoir con- tinuer ce payement, a moins d'un ordre expres d»i roi, puisque Sa Majeste, par la nouvelle disposition (pi'EUe a trouve bon de faire des revenus de la dite Societe, leur avait lie tellement les mains, qu'ils ne pouvaient pas faire de pareils payements, qui ne fussent autorises du roi meme, et la ou il leur semblait cpie vous avez abandonne tous les soins de la Societe. \'oilä leurs raisons que j'ai cru vous devoir communiquer fi-anchement telles qu'ils me les out alleguees, et dans lescjuelles je trouve le principal point (jue ces appointements n'ont point ete fixes par aucun rescrit ni Klopp, Werke 10. Bd. S. 459 f. Das war eine flagrante Unwahrheit. Das ganze Gehalt LiciBNizens wird gesperrt. 20 i du roi defunt, ni du roi present. J'attends donc ce (jue vous aurez äy i;e[)ondre, et soit (pie vous trouviez l)on d'envoyer pour cela urie i-etjucte au roi, ou que vous voiiliez d"une autre maniere me faire savoir vos intentions et sentiments, je ne inanquerai pas d'en faire un exact rapport au roi, et je in'eniploierai toujours avec autant de ])Iaisir (jue de zele. quand il s"agit de vous itiarquer avec (juelle passiou sincere et parfaite je suis et serai toujours, etc. Die Antwort, die Leibniz auf dieses Schreiben von Printzen ga1), der ihm das Intriguenspiel des Conciliums enthüllte, ist die letzte officielle Schrift, die er in Sachen der Societ<ät verfasst hat. Sie macht dem misshandelten Präsidenten in jeder Hinsicht Ehre und muss hier vollständig zum Ahdruck kommen': IMonsieur. Je suis bien oblige a V. E. de ce qu'Elle ni'a bien voulu desabuser. J'avais cru que Tiuterruption entiere de mon payement venait des ordres du roi, et je vois par Thonneur de sa lettre, qu'elle vient d'ailleurs. M. le secretaire Jablonski in'avait ecrit, un peu avant son de- part, que, depuis une certaine disposition sur les revenus de la Societe, Sa M*^*^ trouvait bon que nies 600 ecus fussent reduits ä 300. Quelque temps apres, son fi-ei-e M. Jablonski, predicateur du roi, m'apprit, que mon payement etait suspendu. Je joins ici les extraits de leui's lettres. Main- tenant il se decouvre que cela vient en bonne partie de quelques membres de la Societe. Mais la raison (ju"ils en alleguent dans la lettre de V. VI., est un fait dont je ne conviens point. 11s disent qu'en trois ou cjuatre ans je n'ai ecrit aucune lettre ä la Societe, ni pour eile, ni fait aucun voyage. Je puis refuter l'omission de la correspondance par les lettres de M. le secretaire et de plusieurs savants hommes, dont j'ai voulu tirer et tire des materiaux pour la continuation de nos Miscellanea. Mais il pourrait sem])ler (ju'on a voulu prouver Tomission ([u"on m'imjiute parce (ßie, depuis (juelcpies annees, M. le secretaire de la Societe ne m'a donne aucune ou tres peu d'information de ce (jui s'y passait, quoique je l'eusse demandee, et ä peine ai-je pu avoir quehpie reponse imparfaite a foi-ce dinterroger. On a pris plusieurs nouveaux membres non seulement sans me consulter, niais meme sans me Tapprendre. On a fait imprimer et distribuer des pieces de la part de la Societe sans me les avoir commu- niquees, comme touchant les listes des membres, sur l'histoire et Finstitution de la vSociete, et sur l'orthographe allemande, et cette derniere piece n"est pas encore venue juscju'ä moi. Quand ces imprimes tombaient enfin entre mes mains, j'en remanjuais et redressais cjuelquefois les fautes, mais trop tard. Dans les listes des membres on mettait quelquefois des gens pour morts qui se portaient bien , et cpii s'en plaignaient ä moi. On a meme cesse de me communiquer les observations et les almanachs astronomiques et d'autres dont la reputation etait etablie depuis annees. Et M. Hofman, observateur de la Societe, ne m'a point ecrit, quoique je Ten eusse prie, au Heu que M. Kirch, dont la reputation etait etablie depuis tant d'annees, me rendait compte de ses observations. J'avais encourage M. Frisch ä pousser notre privilege de la culture de la soie, et cela allait d'un assez bon ^ Nach dem Original, datirt auf den 19. November 17 15, im Geheimen Staats- archiv, nach dem etwas anders lautenden Concept in Hannover hat Klopp, Werke 10. Bd. S. 460 ff., gedruckt; eine Abschrift findet sich auch im Akademischen Archiv. 208 (Jcsc'liiclite der Societiit von 1711-171C>. train; mais oii liii t'ii nta le soiii contre innii a\is. et on ivciila au licu (ravancer. Je ii'ai pas lai.ssr dt> faire inon devoir iiial,u,i-e ee eonipoi'tement ä nion egard. Et sans j)arler de ])eaucoup d'autres de nies correspondances conibnnes au bot de la Societe, M. l'Abbe VAKUiNox. membre celebre de TAcademie Royale des sciences de Paris, siir la vue de nos Miscellanea, ine tenioigna son desir d'etre de notre Societe; il fut re(;ii, et depiiis il n\'a envoye une belle piece de niatheniatique, ([ue j"ai transmise avec ines additions. M. personne ^ et d'autres personnes celebres ont aussi envoye des pieces considerables [)ar nion entreniise, et ils ont tenioigne d'en vouloir envoyer d'autres, poui'vu (ju'on se mette en devoir de continuer nos Mis- cellanea. C'est ce (jue j'ai toujours presse, et j'ai prie ]\I. le Secretaire de mettre enseinble toutes les pieces choisies (|u"on croyait pouvoir servir j)our un nouvean Tome, et de m'en envoyer le Recueil pour le revoir comme il serait sans doute necessaire; et je me preparais k y mettre aussi plus d'une piece de mon clief. mais on n"en a i-ien fait. Et cette inaction (qu'on ne doit jjas imputer a moi) a fait baisser la reputation de la Societe. Partant de Berlin la derniere fois je pris des mesures pour avoir bientot un nouveau Voltnne des Miscellanea. .T'engageai certaines per- sonnes ä, certains travaux; je priai le jeune M. Naudk de donner une description de la belle invention du metier des bas a soie; et j'ai appris (ju'il Ta donnc. Je ])riai INI. n'ÄNGicorRT de faire des experiences sur les Couleurs, pai-ce (ju'il avait commence d"y faire attention, et (ju'il a du genie pour mediter. Je demandai aussi tpi'on fit observer avec soin en plusieurs lieux la \'ariation de TAimant, chose tres importante pour la geographie et pour la navigation. Je ne sais ce (iu'(m a fait. Mais je crois que ce qu'il y a de bon et de consequence dans les recueils de la Societe est du en bonne partie ä nies soins, aussi bien (jue sa fondation ineme. Je presse (pi'on agisse, je m'offre de contribuer (quelcpie precieux ([ue mon temps me soit ;i mon äge), on le neglige, et on m'impute ces inactions. Une partie des membres qu'on prend ne servent qu'a gi-ossir la liste, et a rebuter ceux qui meritent d'etre distingues, de sorte qu"il faudrait faire a mon avis un nouveau reglement en vertu duquel on rayerait ceux qui pendant le cours de trois [ans]" n'envoyeraient [sie] rien de convenable. Quant a ma presence^, eile n'est point absolument necessaire, pourvu (ju'on veuille se servir de mes conseils, sans quoi aussi eile serait inutile. Cependant j'avais dessein de passer ä Berlin a mon retour de Vienne; mais le grand changement de notre Cour m'obligea de häter mon voyage pour y etre au plus tot. Des occupations pressantes, jointes ä quelque indis- position, ne m'ont point permis de venir cette annee; mais mon dessein etait de venir celle (pii vient. et j'avais souhaite ([u'on jii'eparät aupara- vant le nouveau Recueil pour l'ajuster ä mon arrivee, mais k present je ne sais (|ue dire. Pour ce qui est de mon payement, je ne demanderai point Timpos- sible; je ne veux pas aussi intenter un Proces a ces messieurs-la aupres du roi: il me semble que de telles ])oursuites ne soient guere bien a un ^ Wie das Concept zeigt, ist das eine Verschreibung; es muss «Bernoulli« heissen. - Ist nach dem Conce})t einzuschalten. ^ So im Concejit; in der Reinschrift heisst es irrtliümlich »mon absence«. Angriffe der Societät aul' Leibxiz. Seine Vertheidignng. 209 honnne de ma sorte; mais je remets le tout aux sentiments de V. E. doiit je connais les principes genereux et les linnieres dignes de son poste. ne doutant point qu'Elle ne soit poi'tee ä nie rendre justice aupres du roi. Apres avoir pris les inforinations necessaires, Elle jugera ce qui est faisable et raisonnable ä mon egard. Elle jugera aussi ce qu'il faudra faire pour retablir la reputation chancelante de la Societe, et s'il faut ecouter nies avis la-dessus. Et je suis entierenient, Monsieur, de V. E. . etc. Dieser Brief, dessen Tragik jeder Leser empfinden, dessen vor- nehmen Geist und Ruhe er bewundern wird, traf in Berlin am 30. Novemher ein. Noch an demselben Tage forderte von Printzen das Concilium zum Bericht auf. Der Hofprediger erstattete ihn im Namen desselben am ii.December\ Des Herrn Ober Marschallen Hol'freiherrl. Excellenz stattet die So- cietät der Wissenschaften vor die gnädige Conununication des hiebei ge- horsamst zurückkommenden Schreibens von dem Hrn. v. Leibnitz, unter- thänigen Dank ab. Dasselbe bestehet aus vielerlei Artikeln und Puncten, bei deren jedem Verschiedenes zu erinnern wäre, wenn solches nicht zu weitläufig u. Sr. Exe. zu vei'driesslich fallen müsste. Das Hauptwerk kommet darauf an , dass die Correspondenz mit dem Hrn. V. Leibnitz unterbrochen worden, und dass ]Miscellaneorum Tonius H. so lange nachgeblieben. Beides ist wahr, man kann aber kühnlich sagen, beides vornehmlich durch des Hrn. v. Leibnitz eigene Schuld, als welcher nicht allein selbst seit Niedersetzung der Societät nur ein einziges Mal (und in den letzten fünfthalb Jahren gar nicht) in Berlin gewesen, sondern auch die Correspon- denz so lau geführet, dass zu der Zeit, da er die Wienerische Reise gethan, er an die zwei Jahre nicht anbei' geschrieben^, auch vorher bisweilen in etlichen Monaten oder einem hallten Jahre nicht, da es sich wohl zuge- tragen, dass man in Hannover selbst von ihm nicht gewusst, wo er sich etwa verborgen, seinen iSIeditationibus nachzuhangen, er auch gleichsam nur dann geschrieben, wenn er Geld verlanget^. Nun ist bekannt, dass die Societät sonderlich in den letzten Jahren mancherlei Travei^sen gehabt, aucli die activesten jMitglieder allhier theils gestorben , theils lange krank gewesen , unter welchen letzteren der Hr. Rath Chuno sich befindet, welcher die Besorgung der Miscellaneorum über sich genommen , auch alles , was dazu etwa gesammlet worden , noch itzo wirk- lich in seiner Verwahrung hat. Je schläfriger es nun erwähnter L'rsachen halber bei der Societät zuging, je mehr würde es dem Hrn. v. Leibnitz angestanden haben, durch seine Anwesenheit dieselbe aufzumuntern, ihr zu assistiren und das Werk mit Ernst und Nachdruck zu secundiren. Die Particularität in des Herrn v. Leibnitz Schreiben, welche son- derlich in die Au2;en fällt, betreffend den Abt de Varignon, zu berühren. '^ Concept im Akademischen Archiv, Original im Geheimen Staatsarchiv. ^ Das ist eine grosse Übertreibung; zur Entschuldigung der Societät lässt sich nur sagen, dass der Secretar damals auf Reisen war und die anderen Herren sich der Briefe von Leibniz nicht erinnert haben mögen. ^ Diesen letzten unwahren Satz hat Krug von Nidda dem Concept des Hof- predigers hinzugefügt, und er ist aufgenommen worden. Geschichte der Akademie. I. 14 210 GesL'hiclite der Societät von 1711 — ITKi. so ist der Ileri- Chixo neulich befi'aget worden, wie es darum stehe, und hat derselbe vermeldet, dass der Ilei-r w Leibxhz ihm etwas von desselben Arbeit zwar zugeschicket. a))er mit Ordre, in die Leipziger Acta Eruditorum es einbringen zu lassen, welches er aucli sagte gethan zu haben. Wann nun der Hr. v. LinBNrrz die Angelegenheiten der Societät im Ernst wölke zu Hertzen nehmen, so könnten die bei dem Hrn. Chuno vor- handene, zu den Miscellaneis dienenden Stücke demselben währender seiner Krankheit abgenommen werden, einige andere Stücke, welche der Herr v. Leibniiz bei sich haben wird, könnt er hiernächst mitherbringen und bei seiner Anwesenheit könnte dieser Tomus 11. in Ordnung gebracht und zum Druck übergeben werden. Auf solche Weise würde man des Hrn. VON Leibxitz Affection zu der Societät und seinen Eifer, derselben Incre- mentum zu bef()rdern, erkennen, und wann er mit solcher vSorgfalt und Besuchung dieses Orts jährlich continuirete, würde ihm die jährliche Er- kenntlichkeit zu solcher Reise gemäss S. K. Maj. allergnädigsten Verord- nung keineswegs geweigert werden. Dör Punct wegen Reception einiger Membrorum in die Societät ist zwar wichtig, aber hier allzu weitläufig. So lang der Hr. \-. LEiBNrrz diesen Ort besudlet und ordentliche Correspondenz mit selbtem gehalten, ist kein einziges Mitglied ohne seine Approbation erwählet worden. Nachgehends hat es bei so langer Abwesenheit und unterbrochener Correspondenz un- möglich so sein können. Wir getrauen uns aber die geschehenen Wahlen gar wohl zu rechtfertigen. Und haben nur noch neulich zween berühmte IVIänner in Italien, nämlich Illustris Marchio Johannes Polens, Philos. Prof. ord. Patavinus, und Dn. Petrus Ant. Micheeotti , Phil, et Med. Dr., C'ollegii apud Venetos medici Assessor ord. et Practicus ibidem celeberr., reci})iret zu werden verlanget. Weil aber die Diplomata noch nicht aus- gefertiget, und Hr. v. Leibnitz in der Nähe, wird man an denselben dieser- halb vorher schreiben. Nomine Societatis ist ausser dem Tomo I. Miscell. nichts herausge- kommen. Doch sind ein paar Tractätchen, privato nomine, von einem Mitglied der K. Societät der Wissenschaften ans Licht gegeben worden, und zwar mit Vorbewusst und Consens der Glieder des Departements, dahin sie gehöret. Uljrigens wird die Societät in dieser so wohl als allen anderen Sachen lediglich von Sr. hochfreiheri'l. Excellenz gnädigem Befehl und erleuchtetem Gutachten dependiren, welchem sie sich mit schuldigstem Respect gehor- samst unterwirft. In ccmcilio Societatis, d. 1 1. Dec. 1715. Um dieses Schreiben eini^-ermaassen zu entschuldigen, muss man sich erinnern, dass Leibniz elf Jahre in allen Dingen die Initiative ergriffen, nun aber fast fünf Jahre sich zwar theilnehmend, aber ganz passiv verhalten hatte und auch in der letzten Zeit, obgleich er in Han- nover weilte und die Societät mit dem Tode rang, nicht nach Berlin gekommen war. Auch dann freilich noch erscheint die Eingabe, die nicht einmal überall das Thatscächliche respectirt, als grober Undank. Leibniz hat sie nie zu Gesicht bekommen, und wie von LEiBXizens letzte Bemühungen für die Societät. 211 Printzen sie beantwortet hat, wissen Avir nicht \ Merkwürdig aber ist, dass der Hofprediger, bald nachdem er sie abgesandt, wieder in den regsten Verkelir mit Leibniz, nicht nur in Sachen der So- cietät, sondern auch in der Unionsfrage, die mit dem Willen des Königs wieder aufgenommen wurde, getreten ist. In den zahlreichen Briefen des Hofpredigers vom Jahre i 7 i6, die nalie bis an den Todes- tag von Leibniz reichen, tritt das alte Vertrauen und die Ehrfurcht vor dem grossen Mann wieder hervor. Alles wird ihm vorgetragen, und man darf vielleicht annehmen, dass der Hofprediger sich jener Schriftstücke geschämt hat, die leider aus den Acten der Societät nicht zu tilgen sind. Was er Leibniz im Jahre 1716 von der Societät zu berichten hatte, lautete freilich traurig. Es begann jene Zeit, die La Croze seinem Freunde Fabricius in Hamburg also beschrieben hat": »Hie omnia frigent, ipsaeque litterae non negliguntur modo, verum ut 7r€pi\frt]iuaTa militum et aulicorum omni ludibrio traduntur«. Es machte grosse Schwierigkeit, einen Director für die mathe- matische Klasse an Cuneau's Stelle zu finden. «Sie besteht aus zwei Deutschen, Jägwitz und Behr [Beer], die aber Beide seit dem Tode Friedrich's I. (also seit 3 Jahren!) nicht mehr in die Sitzungen gekom- men sind", und vier Franzosen (des Vignoles , d'Angicour und Naude, Vater und Sohn). Man hätte gern evitiret, einen Franzosen zum Director zu haben, weil man im Concilio, auch w^ohl sonst, mit der Sprache nicht so wohl fort kann.« Aber Jägwitz, an den zu denken sei, müsse, seitdem er seine Pension verloren, de pane lu- crando arbeiten und sei ausserdem in der höheren Mathematik nicht bewandert. Man habe nun die Wahl aufgeschoben und bitte Leib- niz um seine Antwort auf folgende Fragen: i) was Ew. Wohlgeboren generaliter vermeinen liei jetzigem Zustand der So- cietät zuträglich zu sein, 2) wie in specie die Classis mathematica zu besorgen, imd wie des Herrn Chuno Verlust uteunque zu ersetzen sei, 3) die ersten 18 Stücke für den 2. Band der Miscellanea sind abhanden ge- kommen, ob sie sich vielleicht bei Leibniz befinden, 4) über die Aufnahme einiger Gelehrten, die sich gemeldet haben und den Beifall der Societät besitzen, »ob Ew. Wohlgeboren gleichfalls solches gut heissen, allermassen wir nie Sinnes gewesen, ohne Ew. "Wohlgeb. Vor- ' INIan kann allerdings schliessen, dass er das Concilium angewiesen hat. mit Leibniz fortan lleissig zu correspondiren. ^ Thesaur. epistol. T. III p. 122 vom 4. September 17 16. ^ Frisch sagt von Jägwitz, er sei nicht gekommen, »weil icli die Ehre habe ein meinbrum zu sein« (Nr.35 vom 1 1. Februar 17 16, Fischer S.43). 14* 212 Geschichte der Societät von 1711 — 1716. wissen, wann Sie nur in der Nähe und ahzureichen sind, etwas Wichtiges vorzunehmen", 5) ob Ew. Wohlgeh. uns nicht Hoffnung machen wollen, nächsten Sommer, wills Gott, einmal näher zu kommen und die languirende Societät durch Dero Anwesenheit hoffentlich zu erquicken und sie zu stärken. Wie bekannt, mein Bruder ist auch entfernt, und wir beide nur noch allein übrig von denen, die zur Errichtung der Societät den ersten Stein geleget. Es sollte mir leid thun, wenn ich dieselbe überleben sollte, absonderlich nachdem derjenige, der ihr am meisten nach dem Leben gestanden [GuNDKLSHEm], vom Tode bereits dahingerissen worden ^ Als der Astronom Hoffmann einige Monate später starb, wandte sich der Hofprediger wieder an Leibniz: er nannte ihm den jüngeren Kirch oder Wagner als Assistenten des Astronomen, diesen selbst aber — er müsse eine Kraft ersten Ranges sein — solle Leibniz vorschlagen". In einem etwas späteren Brief kommt Jablonski auf die ominöse Gehaltsfrage ^. Das Schreiben ist etwas zuversichtlicher; er erwartet, dass die Societät »ihren Credit beim König allmählich recuperiren«, und versichert, dass er Leibnizcus Interesse wahrnehmen werde, nur müsse er noch Geduld haben. Bald darauf kann er in zwei Briefen die Hoffnung aussprechen, dass der König die Ana- tomie der Societät einverleiben werde ^. In den letzten Briefen vom October kündigt er seine Ankunft in Wolfenbüttel und Hannover an (in der Unionsfrage, deren Behandlung in jenen Monaten Leibniz und Jablonski fast ausschliesslich beschäftigte); er werde persönlich über die Lage der Societät Vortrag halten. Dazu sollte es nicht mehr kommen. Am 1 4, November i 7 1 6 starb Leibniz nach kurzer Krankheit. ^ Brief vom ir. Juni 17 16. Jägwitz wurde wirklich Director. ^ Brief vom 11. April 17 16. 3 7. Juli 17 16, * Briefe vom 8. August und 26, September 17 16. In dem ersten (Kvacsala S.149) heisst es: »Wir avanciren in dem Vorschlag, die Anatomie der Societät zu incorporiren , und ist der jetzige Prof, Anatom. D, Henrici, eine Creatur des Hrn. GuNDEi.sHEiM, selbst der Meinung, welcher ein Diploma als Socius dankbarlich an- genommen und von der Sache mit mir weitläuftig gesprochen hat. Der König be- soldet diesen Professorem doch aparte, und den Aufwärter bey der Anatomie hat Hr, GuNDELSHEiM uus olme dem aufgebürdet. Also wüi-den wir nicht viel mehr Un- kosten bey der Anatomie tragen dürfen, hingegen uns dadurch bey Hofe fest setzen«. In dem anderen schreibt Jablonski (a. a. O. S. 153): »Von der Anatomie dürfte ehistes ein mehres zu schreiben sein; denn ich sehe, dass die Sache bey Hofe in Bewegung gerathen; ich weiss aber nicht, wie favorabel vor die Societät der Ausschlag sein möchte. Eine kurze Zeit wird es uns geben". Leibniz billigte die Aufnahme der Anatomie; er schrieb am i.. September (a,a, 0,8.151 f.): »Die Incor- ])orirung der Anatomie bej^ der Societät ist allerdings nöthig. Es sollten billig junge riiirui'gi, so etwa im Felde zu gebrauchen, gebührend darin instruirt werden, und könnte etwas aus der Krieges - Cassa wie anderswo brauchlich dazu kounnen, und also dasjenige, so man der Societät abgezogen, derselben wieder gegeben werden«. LEiKxizens Tod. 21 O Keiner seiner letzten grossen Pläne hatte sich verwirklicht — der eine war dem anderen hinderlich geworden\ Was er gebaut hatte, schien zusammenzubrechen; in tiefer Vereinsamung ist er gestorben , vom hannoverschen Hofe vernachlässigt"'. Aber was er im Reiche des Gedankens geschaffen hat, ist unvergänglich ge- blieben, und darüber hinaus — fast alle seine grossen Projecte sind doch im Laufe der Zeiten allmählich verwirklicht worden. Er hat nicht nur Saaten in die Zukunft gestreut, sondern er hat auch der wissenschaftlichen Arbeit der Zukunft die Form gegeben und ihr das Haus gebaut. Seine verfrühte Schöpfung, die Berliner Societät, die erste Gesammtakademie Europas, schien dem Untergange nahe, als er starb; aber er hat niemals daran gedacht, ihr die Auflösung anzurathen : er hoffte, in der Gewissheit, die richtige Form ge- schaffen zu haben, auf bessere Zeiten und tüchtigere Männer. Niemand hat ihm in Berlin eine Gedächtnissrede gehalten^; auch in London schwieg man — in dem Streit mit Newton stand die Royal Society parteiisch auf Seiten ihres einheimischen Mitgliedes gegen ihr vornehmstes auswärtiges. Nur die Pariser Akademie ehrte am i 3 . November i 7 i 7 den grossen Todten durch die würdigste Lobrede. Fontenelle hat sie gehalten^. ^ Klopp, Werke. 1 1. Bd. S. XXXVII sucht zu zeigen, dass Leibniz wenige Tage nach seinem Tode wirkhch zwischen der Stelhing eines Historiographen in London und einem hervorragenden Amt am Hofe Cari/s VI. in Wien zu wählen gehabt hätte, dass man dagegen in Berlin die Undankbarkeit gegen ihn bis ziu' mo- ralischen Misshandlung getrieben habe. Sicher war keine jener beiden Aussichten, und in Hannover war man Leibxiz nicht dankbarer als in Berlin; man hat ihn dort noch viel schlinmier behandelt. Das hat Doebner ("LEiBxizens Bi'iefwechsel mit dem Minister VON Bernstorff« 1882) gezeigt. An seinem Leichenbegängniss nahm Niemand Theil. - Nach dem Tode der Kurfürstin Sophie traten die Herzogin von Orleans, Elisabeth Charlotte, und die Prinzessin von Wales, Caroline, gleichsam in die Correspondenz ein (s. Bodemann i. d. Ztschr. d. bist. Vereins f. Niedersachsen 1884 S. 1 — 66 und Klopp, Werke, 11. Bd. 1884); denn mit geistvollen Prinzessinnen Aus- tausch zu ptlegen, war Leibxiz ein Bedürfniss. Unter den männlichen Gliedern des Hauses Hannover stand er Niemandem nahe. Seine Erholung suclite er, der Un- verheirathete, in Kinderfesten, die er gerne gab. Auch hier tritt die Heiterkeit seines Gemüths hervor, das Freude stiften wollte. ^ Erst im Jahre 1785 trugen Müchler und M. Mendelssohn dem Könige den Plan vor, Leibniz (zusammen mit Sulzer und Lajibert) eine Denksäule mit Medaillons zu errichten. Der König billigte den Plan am 24. April (s. Q^Iuvr.T. 27 3, S. 237) und bestimmte den ü])ernplatz für die Aufstellung; allein unbekannte Um- stände verhinderten die Ausführung. * Siehe Hist. du Renouvellement de l'Acad. Royale des sciences etc. T. H (Amsterdam 1720) p. 274 — 333. P. 275 liest man die berühmte Charakteristik: »L'ne lecture universelle et tres assidue , jointe a un grand genie naturel, le fit devenir tout ce qu'il avait lu ; pareil en quelque sorte aux anciens qui avaient Tadresse 214 Geschichte der Societät von 1711 — 1 Tili. Leibniz ist der Begründer des modernen Geistes in unserem Vaterland. »Mit ihm wächst der deutsehe Geist in das europäische Culturleben hinein, mit ihm ringt sich der deutsche Protestantismus aus seiner theologischen Incrustation los; könnte er heute auf die Erde zurückkehren, er würde sich in kürzester Frist orientiren' «. Das Erbe, das uns Goethe hinterlassen hat, ist der Nation noch immer als Aufgabe gestellt; was Leibniz gewollt und erarbeitet hat, ist in reicher Entfaltung in die deutsche Cultur und Wissen- schaft übergegangen. Bis zur Entdeckung des Gesetzes von der Erhaltung der Kraft hat er den Gang der mechanischen Wissenschaft, bis zu den Monumenta Germaniae und bis zur Überwindung der rationalistischen Geschichtsbetrachtung hat er die Entwicklung der historischen vorausgesehen. Die Veränderungen der Karte Europas, die nationale Wiedergeburt Deutschlands auf dem Boden des Pro- testantismus und die Bedeutung Russlands, ja der Küsten des Stillen Oceans, ahnte sein vorauseilender Geist ebenso wie die Umwälzungen, welche die Technik hervorbringen werde. Das Innenleben hat er wenig bereichert; denn überall streifte sein realistischer Sinn die sub- jectiven Formen der Erfahrungen und die feineren Empfindungs- momente ab ; aber das Wirkliche als Individuelles und als Wirkendes hat er in einem Umfange geschaut und gedeutet, w^ie nie Jemand zu- vor, ohne doch dem Materialismus zu verfallen. Er hat vielmehr nach Luther und Melanchthon die zweite Stufe des deutschen Idea- lismus aufgerichtet, und seine freudige und ehrfürchtige Betrachtung der Natur und der Geschichte als eines Kosmos wirkender Ge- danken lebt in der deutschen Wissenschaft fort. Die Aufklärung des i8. Jahrhunderts kann sich auf ihn als auf einen ihrer Väter be- rufen; aber auch die führenden Geister des 19. sind ilim verpflichtet. Und doch — sein tragisches Geschick ist kein ganz unverdientes gewesen. Er kannte eigentlich nur Dinge und Ziffern; sein Idea- lismus hatte etwas Frostiges. Darum fehlte ihm auch die Macht der Sprache und, wie ein grosser Historiker richtig beobachtet hat, die Macht über die Menschen. Als Persönlichkeit hat er Niemanden gefesselt, geschweige Liebe und Hingebung erweckt. War doch der persönliche Eindruck so gering, dass selbst ganz de nienei" jus(iu'ä huit chevaux atteles de front, il mena de front toutes les sciences. Ainsi nous soniines obliges de le partager ici, et pour pai-ler philosophiiinenient, de le decomposer. De plusieurs Hercules TAntiquite n'en a fait (in"nn, et du seul M. LEiBNrrz nous ferons ])lusieurs savants«. ^ Julian Schmidt, Gesch. der Deutschen Litt. i. Bd. (1886) S.66. Friedrich WiLHFXM I. und die Wissenschaft. 215 untergeordnete Geister es sieh herausnahmen, über ihn hinwegzu- schreiten und ihn zu beleidigen. Er war kein Baum, gepflanzt an den Wasserbachen, der Schatten spendet, an dessen Fusse Blumen >)lühen und in dessen Zweigen die Vögel des Himmels wohnen. Wohl gab er mit vollen Händen überreichlich, aber jene hohe Kraft fehlte ihm , die den Menschen zum Menschen zwingt und ihn im Innern bildet. Doch was ihm fehlte, hat nur den Gang seines eigenen Lebens tragisch l)estimmt; was er besass, hat den ganzen Zustand der Nation und ihr Leben bereichert und gehoben. Viertes Capitel. Fortsetzung: Geschichte der Societät der Wissenschaften unter Friedrich Wilhelji L Die weitere Geschichte der Societät unter der Regierung Fried- RiiH Wilhelm's L seit Leibnizchs Tode (von 1717— 1740) ist einförmig verlaufen. Das Urtheil über die Bedeutung des Monarchen in mili- tärischer, politischer und Staats -ökonomischer Hinsicht ist durch die neuere Forschung sichergestellt: deutlich hat man erkannt, dass der Staat Friedrich's des Grossen auf den Grundlagen ruhte, die der Vater geschaffen^ und dass dieser »das grosse Staatsproblem gelöst hat, ein faules Volk arbeitsam, ein üppiges Volk sparsam, einen verschuldeten Staat reich zu machen«. Allein das Verhältniss des Königs zur W^issenschaft ist nicht so einfach zu fassen, wie die- jenigen glauben, die sich lediglich nach den — sei es auch ver- bürgten — Anekdoten richten, die von ihm erzählt werden. Der König achtete die Wissenschaft, sofern sie nützte, und die Gelehrten, welche wirklich arbeiteten und greifbare Früchte ihres Fleisses aufweisen konnten. Er entzog den wissenschaftlichen In- stituten seinen Schutz und seine Fürsorge nicht, aber er beurtheilte fast den ganzen gegenwärtigen Betrieb der W^issenschaften an den Universitäten und hohen Schulen als leeren Formelkram, als ein ödes, eitles und gespreiztes Wortgepränge, das nicht mehr werth sei als das prunkende Hofceremoniell ; er sah in den Zunftge- lehrten mit ihrem Latein, ihren Bloskeln, ihrer steifen Schulweis- heit nur alte, unnütze Ceremonienmeister der Wissenschaft, die nichts ^ Niemand hat das sicherer erkannt als Friedrich der Grosse selbst: »S'il est vrai de dire qu'on doit l'ombre du chene qui nous couvre, ä la vertu du gland qui l'a produit, toute la terre conviendra (ju'on trouve dans la vie laborieuse de ce prince et dans les niesures (ju'il prit avec sagesse, les principes de la pros- perite dont la maison royale a joui apres sa mort« (Qiluvr. I, 175). 216 Geschieh te der Societät von 1717— 174U. wirklich förderten. Den ganzen Apparat umzugestalten oder gar einfach aufzuheben, dazu konnte er sich aber doch nicht ent- schliessen ; er mochte bei seiner grossen Gewissenhaftigkeit empfin- den, dass ihm das letzte Wort in diesen Dingen zu sprechen nicht zustehe, da seine eigene Bildung lückenhaft war. So ergrift" er den Ausweg, die hohen Schulen bestehen und die Wissenschaften, wie sie waren, gewähren zu lassen, aber alles das, was ihm an der Gelehrsamkeit und den Gelehrten antipathisch und verächtlich war, in der schonungslosesten Weise lächerlich zu machen und in den Staub zu ziehen — war es ein Mittel, sie zu zwingen, ihre Lebens- fähigkeit zu erweisen? Mit Peitschen und Fusstritten — nicht nur mit moralischen — misshandelte er die unwürdigen Diener der W^issenschaft, und auch die würdigen erfuhren manche herbe De- müthigung. Aber wie er selbst zeitlebens darauf bedacht war, sich zu unterrichten und keine Stunde müssig sein wollte, so darf man ihm auch eine unmittelbare Empfindung für productive Wissenschaft, für wirkliche geistige Arbeit und für die Charakterbildung, die aus ihr entspringt, nicht absprechen, Dass ihm jene selten begegnete, und dass er sie nicht immer sicher herausfand, war nicht seine Schuld; denn hervorragende und uneigennützige Gelehrte waren spärlich, und der Betrieb der Geisteswissenschaften steckte überall in anspruchsvollen und staubigen Formen. Die groben und l)arbari- sclien Spässe übrigens, die er sich einzelnen Vertretern der »Wissen- schaft« gegenüber gestattete, waren nicht immer ein Zeichen seiner Verachtung. Dieser Monarch mit dem strengsten Pflichtgefühl luid einem zarten Gewissen hatte nur an ungeschlachter Komik Gefallen und brauchte sie zu seiner Erheiterung. Niemals aber hat er, so- viel wir wissen, seine groben Spässe mit den Lehrern der Medicin und Chemie gemacht; denn er respectirte ihre Wissenschaft — nicht allein deshalb, weil sie der Armee nützlich war — und suchte sie mit allen Mitteln, ohne zu knausern, zu unterstützen. Hier hat sich der geniale Blick des Königs el)enso glänzend bewährt, wie auf anderen Gebieten. Chemie und Medicin waren damals wirklich die einzigen Disciplinen, in denen Berlin etwas Hervorragendes leistete, und die durch glänzende Vertreter repräsentirt waren — Stahl, Neumann, Pott. Diese Disciplinen auf jede Weise zu fördern und auch die Societät für sie in Contribution zu setzen, war sein stetes Anliegen. In ihnen sah er mit Recht allein den Fortschritt des Zeitalters ausgeprägt; um ihretwillen liess er die Societät bestehen; denn — etwa von Frisch und dem litterarisch wenig productiven, Der König und die Societät. 21 / auch nicht kritisch scharfen La Croze abgesehen — g^ah es denn in BerHn oder in Preussen in dem Menschenalter zwischen 1710 und 1740 hervorragende Philologen, Historiker, Rechtsgelehrte oder Theologen? Hat der König nicht Recht daran gethan, wenn er die Wissenschaften, w^elche wirklich fortschritten, ermunterte, die anderen durch Demüthigungen hei Seite schob, aber gewähren liess? und — nicht nur Ärzte wie Gündelsheim, sondern auch solche wie Stahl urtheilten über die Humanisten genau so abfällig wie der König, Auch die Societät der Wissenschaften liess der König gewähren, nachdem er sich nach längerer Wartezeit überzeugt hatte, dass sie in seinem Sinne nichts zu leisten vermochtet Eine gelehrte Societät, die ausser der Herausgabe des Kalenders" nichts oder doch nur weniges that, schien ihm die unnützeste Einrichtung von der Welt zu sein. Er weigerte sich mehrere Jahre, ihre Rechte zu bestäti- gen; er beargwöhnte ihre Einnahmen und Ausgaben; er griff in ihren Etat ein und zwang sie, Beiträge zur Unterhaltung der me- dicinisch- chirurgischen Akademie zu leisten; er verhöhnte sie, in- dem er ihr unwürdige Präsidenten gab und ihr schliesslich aufer- legte, die königlichen Hofnarren zu bezahlen, aber er hob sie nicht auf; er schärfte vielmehr ihren Mitgliedern die Pflicht, mindestens jährlich eine wissenschaftliche Arbeit zu leisten, streng ein^ und ' Nicht einmal die Frage, warum der ('hampagner moussire. die der König an die Societät gerichtet haben soll, konnte sie beantworten. Die Legende berichtet, die Akademiker hätten sich allem zuvor für die Untersuchung 60 Flaschen erbeten, der König aber erwidert, er wolle sie lieber selbst trinken und zeitleljens über die Ursache des Moussirens unwissend bleiben. Anders erzählt Bielfeld (Lettres famil. et autr. IL Bd. 1763 p. 134) die Geschichte: der König habe die Societät gefragt, warum zwei mit Champagner gefüllte Gläser beim Anstossen nicht so gut klingen wie dieselben Gläser, wenn sie mit Wein gefüllt sind. »Les Academiciens firent repondre que, n"etant pas k meme de boire du vin de Champagne, ils igno- raient cet effet. Le roi leur en envoya une douzaine de bouteilles, pour les con- vaincre de la verite du phenomene. Ils burent le vin et n'eclaircirent rien.« ^ Ganz einfach war die Kalenderberechnung nicht. So erhob sich im Jahre 1722 ein Streit zwischen den Astronomen über den Tag des Osterfestes für das Jahr 1724. Von Berlin aus wurde an den Gesandten in Regensburg, vox Metter- NicH, geschrieben, um ein einheitliches Vorgehen bez. die Beseitigung der Differenz zu bewirken. In seinem Antwortschreiben (14. Sej^tember 1722) theilt INIetterxich übrigens einen Extract aus einem Bericht vom 12./22. Januar 1700 über einen Beschluss des Corpus Evang. mit. Da heisst es am Schluss: «Von einem CoUegio Mathematico, welches im Reich an einem gewissen Ort aufzurichten und denen die Duction des Kalenderwesens zu übergeben, wiu-de zwar damahlen etwas disciu'irt; man findet aber hiebey soviel Bedenken, dass hierauf so bald kein Conto zu machen sein wird" (Geheimes Staatsarchiv). ^ Jenes Schreiben des Königs an den Kriegsrath vox Happe (Archiv f. Gesch. d. deutschen Buchhandels 1888 S.359) darf man nicht generalisiren (»Ich habe aus 218 Gescliichte der Societät von 1717— 174'n war die Stelle lediglich aus dem Grunde gescliafl'en worden, um ihm zu seinem spärlichen Gehalt von 20oThlr. (als Hofapotheker) weitere 2ooTlilr. aus der Societätskasse zuzuwenden. Als Neumann nun nach einigen Jahren stai'b (20. October 1737) luid damals gerade die Societät wieder einmal vom Könige angewiesen wurde, 200 Thlr. jährlich an zwei Arzte zu bezahlen, stellte von Ja- RiGEs den Antrag, die Rendantenstelle wieder mit der seinigen (der des Secretars) zu ^'ereinigen und ihm den Aufwärter der Societät, Köhler, dem bereits der Debit verschiedener Kalender von der Societät übertragen war, zu Dienstleistungen mit 50 Thlr. Remuneration beizugeben. Dann könnten die 150 Thlr. gespart und jenen beiden Ärzten ausgezahlt werden; die Societät hätte nur 50 Thlr. aufzubringen. Der König entschied wesentlich in diesem Sinn (18. November 1737). ^ vSeine Ernennung liatte noch ein Vorspiel. Als es beschlossen war, dass die Societät einen Bibliothekar erwählen nn"\sse, wandte sich der Geheime Rath und Leibmedicus Horch, Mitglied der Societät, an den König und erwirkte einen königlichen Befehl , seinen Sohn mit 200 Tlilr. Besoldung als Bibliothekar anzu- stellen (6. März 1735). Die Societät machte eine Gegenvorstellung (2. April 1735); sie erklärte, Wagner gebühre die Stelle, der seit 20 Jahren für die Societät arbeite; auch thue es Wagner für 100 Thlr. Der König schrieb an den Rand der Eingabe: "habe es. FW« — wurden doch 100 Thlr. gespart. ^ Henrici hatte sich direct l)eini Könige um die Stelle beworben; dieser setzte ihn ohne AVeiteres ein und liess das fait accompli der Societät mittheilen (3. Juni 1719), ohne ihr Vorschlagsrecht zu respectiren. Sie erfuhr die Ernennung officiell erst nach mehreren Wochen. Veränderungen im Personalstand der Akademie. 11 i Vicepräsidium wechselten die vier Directoren jährlich ab und be- hielten diese Ordnung auch bei, nachdem Graben von Stein zum Vice- Praeses perpetuus ernannt worden war. Als Advocatus fisci mit loo Thlrn.^ wurde am 7. April i 740 der Generalfiscal Uhden auf Vor- schlag der Societät ernannt. Der Astronom der Societät, der jüngere Kirch, starb im Jahre 1740, nachdem er wiederholte Berufungen nach Petersburg, wo eine Akademie der Wissenschaften nach Leib- Nizens Ideen vuid dem Muster der Berlinischen eingerichtet war, aus- geschlagen hatte. An seine Stelle trat (i6.Aprili740) J.W.Wagner-. Auf einem Blatte hat der Secretar Jablonski im Jahre 1730 ver- zeichnet, wie viele Mitglieder in den Jahren 1716 — 1729 (einheimische und auswärtige zusammen) aufgenommen Avorden sind. Ihre Zahl be- trug 92^. Im Adresskalender für 1739 erscheint folgender Bestand der Societät: Protector: v. Viereck, Präses: der Hofprediger Jabloxski. Vice -Präses: Graben v. Steix. Secretar: v. Jariges. Medico -Phj'sik. Klasse: Buddeus, Director; Barfekxecht. Carita. Frisch, Grischau, Holtzendorff, Horch, Kirsxetter. Isl. M. Ludolff, G. Fr. Ludolff, Marggraf, Pott, Schaarschmidt, Sprögel*. Matliem. Klasse: Des Vigxoles, Director; Frisch, Grischau, Kirch, Naude, J. W. Wagner (zugleich Bibliothekar). Historisch -philol.- deutsche Klasse: Frisch, Director; Hering, v. Jariges (zugleich Secretar), Küster, v. Scharden, Des Vignoles. Historisch -philol. kirchl.- Orient. Klasse: Jablonski, Director; Elsner, Frisch^, Heinius, Küster, Noltenius, Reinbeck, Stubenrauch, La Croze. Abwesende Mitglieder werden 116 aufgeführt, unter ihnen Bar- BEYRAC, Bentley, Joh. Bernoulli, Celsius, Gerike (Helmstädt), Gott- sched, Maupertuis, Sloane, Chr. Wolff (Marburg). Die directe und indirecte Correspondenz der Societät mit dem Könige ist unter Friedrich Wilhelm L grösstentheils durch finanzielle Zumuthungen veranlasst worden. Der Monarch, der es überhaupt unnütz ^ DuHRAH verlor 1731 sein Amt. s. Fassmann, Leben und Thaten Friedrich Wilhelm's (1735) S. 1038. ^ Über Kirch's verzögerte Bestattung s. Friedrich's des Grossen CEuvr. T.21 p.373. ^ In den Jahren 17 16 und 17 17 wurden keine Mitglieder aufgenommen; im Jahre 1729 2; in den Jahren 1718, 1719 luid 1727 je 4; 1720 5; 1722 7; 1721, 1724, 1728 je 8; 1725 9; 1723 13; 1726 20 Mitglieder. * Sieben von diesen 14 iMitgliedern gehören auch dem Collegium medico- chirurgicum an; der berühmte Marggraf erscheint hier zum ersten Mal. '" Frisch ist in allen vier Klassen und hat thatsächlich für alle vier gearbeitet. 15* 228 Gescliichte der Societät von 1717—1740. fand, class ein so werthloses Institut wie die Societät das bedeutende Kalenderj)rivileg besass, und der ausserdem argwöhnte, die Akademie sei reicher, als sie glauben machen wolle, dictirte ihr immer wieder neue Auflagen, grösstentheils zu Gunsten seines medicinisch- chirur- gischen Collegiums und der Militärärzte. Dieses CoUegium rückte er dadurch und durch andere Bestimmungen immer näher an die Societät heran, augenscheinlich in der Absicht, den Etat desselben zu verbessern. Die hervorragenden Mediciner wurden regelmässig auch Mitglieder der Societät, und die medicinisch-physikalische Klasse verschmolz nahezu mit dem medicinischen CoUegium^ Dass bei dem damaligen Stande der Wissenschaften, zumal in Berlin, diese Politik des Königs wohl berechtigt war, wurde bereits oben (S. 216) gezeigt. Nach dem Tode Gundelsheiji's und LEiBxizens willigte der König* ein, dass statt der 1000 Thlr., die die Societät bisher für das medi- cinisch-physikalische CoUeg hatte zahlen müssen (sie besoldete den Professor der Anatomie, zwei Anatomie -Diener und gab einen Bei- trag für die anatomischen und chirurgischen Instrumente), fortab nur 800 Thlr. erlegt würden. Dadurch wurden (mit den 30oThlrn., die Leibniz gehabt hatte) 500 Thlr. frei, welche die vier Directoren mid der Fiscal erhielten. Am 15. Mai 171 7 übergab der König das anatomische Theater ganz der Societät, »es in einen guten und nütz- lichen Stand zu setzen und dahin zu sehen, dass solche anatomische Übungen zu bequemer Zeit und gewissen Stunden das Jahr durch beständig fortgesetzet werden, wovon sie dann von Zeit zu Zeiten allerunterthänigsten Bericht al)statten soll«. Dafür bestätige der König hiermit die Fundation der Societät und versichere ihr bei seinem königlichen Wort, dass derselben keine weiteren Aus- gaben, unter welcherlei Namen, Prätext oder Schein es immer sein möge, zugemuthet werden sollen". Die Societät beeilte sich (2 9. Mai i 7 i 7) in einem Schreiben an von Printzen, diesen ihren Protector zu bitten, »die fast von ihrer Einrichtung an sehr gedrückte Societät bei der K. Gnade , deren sie diesesmal eine eclatante Probe geniesset, beständig zu erhalten«. Am 14. August i 7 i 7 Hess der König die vSocietät seiner Huld und Gnade versichern, weil sie seinem Befehl das Theatrum Anatomicum betreffend nachgekommen ^ Mehrere königliche Ordres sind an die Societät der Wissenschaften und das CoUegium medico-chii-urgicum gemeinsam gerichtet. - Siehe Urlamdenband Nr. 133. Am 5. März 17 19 erfolgte dann eine könig- liche Ordre: "Wie es bei dem Etal)lissement dei- Anatomischen Wissenschaften soll üehalten werden«. Vei'hältniss zum Collegium medicuin. Der Etat der Societät. 229 sei, und als ihr auf Betreiben Stahl's am 28. September weitere Ausgaben für medicinische Zwecke zugemutliet wurden und sie Ge- genvorstellungen machte, unter Hinweis auf die grossen Kosten, die ihr die Anatomie verursache, und auf die Ordre vom 15. Mai, da zog der König die neuen Forderungen diesmal noch zurück'. Im Frühling des nächsten Jahres befahl er ihr, sämmtliche medicinische Werke des Joh. Doläus in's Deutsche zu übersetzen, und zwar binnen Jahresfrist, »worauf wir sodann des Drucks halber Verfügung thun werden""«. Am 2. April desselben Jahres ordnete er an, dass die Societät die Pflege und Vermehrung aller Gewächse in dem (von Gundelsiieim) zu einem Apothekergarten umgewandelten Hopfengarten übernehmen solle, dass aber der Garten selbst bei der Hofapotheke verbleibe^. Der Societät waren damit neue Ausgaben anbefohlen; aber man kann nicht sagen, dass sie ausserhalb ihres Kreises lagen. Sie re- monstrirte daher auch nicht; als ihr aber einige Monate später auferlegt wurde, dem vom König zum Commerzienrath ernannten Leipziger Mechaniker Leopold (Leupold) jährlich 100 Thlr. zu zahlen, «wegen des Schönebeekischen Salzwesens«, erklärte sie zwar in einer umfangreichen Eingabe, sich zu fügen, bat aber, sie mit wei- teren Auflagen zu verschonen, sie könne sonst das grosse Werk, welches sie vorhabe, nämlich eben jenes Leopold's Theatrum Machi- narum Universitatis , eine genaue Beschreibung aller Maschinen der Welt mit Abbildungen, nicht publiciren'*; auch sei der König ^ Siehe Urkundenband Nr. 134 und 135. - Ordre vom 15. März 17 18. Motive: der König selbst werde die Übersetzung- gern sehen und dem Publico sei sie höchst zuträglich. Es ist mir nicht bekannt, dass die Societät den Auftrag ausgeführt hat. Doläus (1651 — 1707) war ein gelehrter, aber in der mystischen Medicin Paracelsisch-Helmontischer Eichtung befangener Arzt. ^ Siehe Urkundenband Nr. 136. * Diese Aufgabe hat die Societät lange Zeit beschäftigt (1718—20), s. den Fase. "Revenuen« im Akademischen Archiv. Der König war dem Unternehmen sehr geneigt. Es sollten 1800 Blätter in 6 Jahren mit Beschreibungen erscheinen. Die Societät sollte die Kosten aufbringen; aber Leupold (der Mechaniker) meinte, das Werk werde sich glänzend bezahlt maclien und den Fundus der Societät ver- bessern. jMit geheinmissvoUen Vorschlägen zur Erhöhung desselben drängten sich nicht Wenige an die Societät heran. Einer will bereits während der \"erhandlungen ü])er sein Geheimniss wöchentlich einen Ducaten; ein Anderer weiss ein Mittel (10. Juli 1720), wodurch die Societät das erste Jahr wenigstens eine Tonne Goldes , hernach aber jährlich und perpetuirlich den 3. Theil davon ziehen und einnehmen kann. Natürlicli bedingt er sich seinen Antheil aus. Ein Dritter schlägt die Gründung einer Zeitung vor: «Da die Societät insbesondere die Ausübung und Reinigkeit der teutschen Sprache beobachten und in Stand zu bringen auf sich hat, es aber dieser K.Residenz zu nicht geringem Ubelstand gereichet, dass die gedruckten Zeitungen 230 Geschichte der Societät von 1717—1740. von böswilligen Leuten über die Societätskasse falsch berichtet; jene sprengten aus, es müsste in ihr viel Geld sein, wenn es nicht wider die Bestimmung anderweitig verausgabt wäre (28. September 1718). Allein als Antwort kamen neue Auflagen; der König schenkte den »böswilligen Leuten« (gemeint ist wohl vor allem Stahl) Glauben, Unter dem 27. Mai 17 19 befahl er, dass die Societät den Gärtner des Hofapotheken-Gartens, Michelmann, jährlich mit 2 86Thlr. 1 8 Groschen besolde, und am 24. und 2 8.0ctober erhielt die Societät zwei Schreiben der Amtskammer, nach denen der König verfügt hatte, sie solle die ausländischen Pflanzen in den Gewächshäusern zu Oranienburg und Alt - Landsberg abholen lassen und in Zukunft für sie Sorge tragen, die dortigen Gärtner würden kein Holz mehr zur Heizung der Orangerien erhalten. Die Societät reichte diesen Zumuthungen gegenüber dem Minister eine ausführliche Eingabe ein (23. December 1 7 19), wies auf ihre zahlreichen Aufgaben , die alle kümmerlich vorbereitet seien , und auf die königlichen Zusicherungen vom 15. Mai, 14. August und 20. November 17 17 hin und erklärte, dass die Gerüchte über ihren Reichthum aus «übelgesinnten und heimtückischen Absichten« ent- sprungen seien. Um ihnen zu begegnen, legt sie ihrem Schreiben eine Übersicht über Einnahme und Ausgabe für die Jahre i 7 i 7 und 1718 bei\ Diese ergiebt, dass sie bei einem jährlichen Etat von etwa öiooTlilrn. im Jahre 17 17 ein Minus von 83 Thlrn., im Jahre 1 7 1 8 ein Plus von 666 Thlrn. gehabt hat. Nicht näher speciali- sirt ist der Posten »Besoldungen«, der im Jahre 17 17 2000, im Jahre 17 18 1548/rhlr. betragen hat. Doch wird ausdrücklich be- merkt, dass für 17 18 noch 2 5oThlr. Besoldungen rückständig seien, und 16 — i70oThlr. fixirte Besoldungen kann man nach den Acten sicher ausrechnen. Die Eingabe fruchtete nichts. Als die Societät zwei Jahre sj^äter (2 I. October I 72 i) um Wiederholung des Kalenderprivilegs bat, rechnete sie dem Könio'e vor, dass sie an ordentlichen Auf- sowohl was die Sprache als auch was die übrigen Umstände belanget, sehr schleclit beschaffen sind, u. s. w.". — Ausserdem wurden der Societät damals und später die verschiedensten Erfindungen und technische sowie medicinische Verbesserun- gen zur Begutachtung vorgelegt, z.B. neue Stubenöfen, Verfertigung von Hemden ohne Naht. Verbesserung von Kalk und Mörtel, Verhinderung von Viehseuclien, Mittel gegen Weinverfälsclumg u. s. w. Nur in einigen Fällen scheint sie geantwortet zu haben, nämlich wenn der König es verlangte. ^ Das Actenstück ist grösstentheils im Urkundenband Nr. 137 abgedruckt. Der Etat der Societät. Neue Auflagen. 231 lagen 1036 Thlr. zu zahlen liabe^ und ihr ausserdem die Unter- haltung der Gewächse im Apothekergarten und andere extraordinäre Lasten oblägen. Durch Nachdrucke und durch die Einschleppung fremder Ka- lender, ferner durch säumige Buchhändler, die die von ihnen ver- triebenen Kalender nicht bezahlten, erlitt die Societät empfindliche Verluste. Sie trug deshalb wiederholt auf Einschärfung ihres Privi- legs an. Endlich im December 1723 theilte ihr Gundling im Auftrag des Königs mit, das Privileg w^erde erneuert werden. Wirklich erschien das königliche Ausschreiben am 14. December 1723". Jener Brief Gundling's an den Vicepräsidenten ist auch sonst von Wichtigkeit. Er zeigt, dass der König — durch den Chirurgen Holzendoeff bestimmt — zeitweilig ein freundlicheres Urtheil über die Societät gewonnen hatte, und dass man allen Ernstes damit umging, ein chemisches LaT)oratorium nebst Audito- rium zu bauen. Der König, heisst es, habe beschlossen, das medi- cinische und physikalische Departement zu erweitern. . »dieweilen auch ein Laboratorium soll gebauet werden und das Haus des Hrn. ScHÜzENS dazu soll genommen werden, so wäre das Laboratorium loco con- gruo zu bauen, das Haus aber zum Auditorio zu aptiren, wobei in Acht zu nehmen, dass solches mit den mindesten Kosten geschehe, von dem Hausbau aber ist gänz- lich zu abstrahiren. Die Operationes Chymicae werden zwar Impensas machen, jedoch aber dürfen wir dafür Douceurs zu gewarten haben, wann ^vir die Prae- paration und den Debit des Siegel -Lacks unice werden erhalten. . ..i »Die Conchylia, so Hr. v. Gundelsheim nachgelassen, wird unsere Natura- lien-Kammer erhalten; wir wei'den aber 200 Thlr., so ehemalen der Factor gehabt, der C'hvmie widmen müssen. Ich suche Alles zu menagiren . . . Den grössern Riss vom Hause bitte zurückzuhalten. Im sondern es ist genug, wann das Laboratorium und Auditorium malus et minus wol angeleget wird. S. K. Maj. haben durch Hrn. Chirurgum Holzendorff ein gnädiges Concept von dem Fleiss und Treu der Socie- tät erhalten; redeant in aurum secula prisca! Die CoUection der Miscellanea bitte gehorsamst zu urgiren; denn dieses wird hier pressiret. « GüNDLiNG berichtet weiter, der König werde demnächst kom- men und alle Räume , Naturalien und optische Instrumente der Socie- tät besichtigen; Alles soll daher in guten, reinlichen Stand gesetzt werden. Man soll Alles thun, »so das Anschauen Potentissimi Regis vergnügen kann. Ich verspreche fest der Societät etwas Gutes, ^ 500 Thlr. dem Professor der Anatomie, Hekrici, 200 für die anatomischen Bedürfnisse. 50 für den Anatomie -Diener, 100 für Leupold zu Leipzig, 186 fin- den Gärtner Michelmann. - Geichzeitig wurde erst jetzt die Fundation der Societät durch eine Ur- kunde bestätigt (doch s. schon zum Jahre 17 17). — Der Kalenderpi-eis ist im Jahre 1724 etwas erhöht worden (s. den Bericht des Secretars von Jariges an von Viereck vom 8. Juni 1740). 2H2 Gcschiclite der Societät von 1717—1740. wann der Fundus couscrviret und erweitert wird, denn ich schätze, dass 400 Thh*. erfordert werden, wobei Dero Herr Bruder sein augmentum debitum salarii mandato Regis erhalten wird. Der Maul- beer-Garten im Societäts-Hof wird ein hortus botanicus werden, dannen hero auf künftigen Frühling locum commodum wir erhalten werden. Der liebste Gott gebe zu Allem sein Gedeihen«. Geld gab der König nicht, im Gegentheil — an demselben Tage, an dem er das Kalenderprivileg erneuert hatte, verfügte er, die Societät solle dem Prof. Buddeus, Pott und dem Hofapotheker Neumann, jährlich je 100 Thlr. bezahlen und »der aus Frankreich gekommenen Waisenmutter Motet« 50 Thlr.; der Secretar erhielt eine Zulage von ebenfalls 50 Thlrn. Als PIenrici als adjungirter Garnisonsmedicus nach Magdel)urg versetzt wurde, bestimmte der König, er solle dort das Societätsgehalt von 300 Thlr. bis zum Absterben des alten Medicus weiter beziehen \ In finanziellen Dingen erreichte Gundling also nichts für die So- cietät"; dagegen hat er seinen an sich schon so trübseligen Namen in tiefen Schatten versenkt durch den Antheil, den er — die Sache ist nicht ganz sicher — an Chr. Wolff's Vertreibung aus Halle genom- men haben soll. Zu den Gegnern Wolff's , nicht aus Princip, sondern aus Brodneid, gehörte sein College, der Jurist H. Gundling in Halle. Er soll nun seinen Bruder, den Präsidenten der Societät, veranlasst haben, dem Könige die praktischen Gefahren des WoLFr'schen Deter- minismus durch zwei befreundete Generäle im Tabakscollegium dra- stisch vorzuführen — dass fahnentlüchtige Grenadiere nach Wolff nicht zur Verantwortung gezogen werden können, da alles prästabilirt sei — , und soll im Bunde mit den pietistischen Theologen jene berüchtigte ^ Im Mai 1727 legte der König der Societät eine weitere Auflage auf: die 100 Tlilr., die bisher der Director adjunctus der mathematischen Klasse, d'Angi- couR, der gestorben war, bezogen, sollte der Regimentsfeldscheer Senf erhalten. Ganz witzig schreibt Gundling über diese Zumuthung an den Protector von Creutz (11. Mai), indem er ihm den Thatbestand darlegt und ausführt, dass die 100 Thlr. dem Winden Dr. JÄGwnz gebühren: »Es ist zu beklagen, dass auch Herr Stall- meister Beer sich gemeldet (seil, für die 100 Thlr.) und vermeinet, dass weilen das Observatorium auf dem Stall stände, die Pferde gleichfalls davon was haben müssten«. Die Societät machte auch ihrerseits eine Gegenvorstellung (4. Juni), in der sie darauf hinwies, dass der König selbst den Directoribus adjunctis 100 Thlr. ausgesetzt habe; aber dieser Einwand hat schwerlich etwas genützt. ^ Da er für seine liistorischen Arbeiten Medaillen und Münzen brauchte , so erwirkte er einen königlichen Befehl, die Münzsammlung Raue's (eines Mitglieds der vSocietät) anzukaufen; aber die Societät musste sie bezahlen. Immeiliin fand sich noch Geld zu solchen ErAverbungen. Friedrich "WiLHELJi I. und Wolff. 2oH Calünetsordre vom 8. Noveml)er 1723 bewirkt haben , nach welcher Wolff binnen zweimal 24 Stunden bei Strafe des Strangs Halle ver- lassen musste. Während die WoLFF'sche Philosophie in den Kreisen der Societät viele Anhänger zählte, veranlasste ihr Präsident, dass der Philosoph wie ein gemeiner Verbrecher ])ehandelt wurde I Die Freude aber erlebte die Societät nach zehn Jahren, dass ihr neuer Präsident, der Hofprediger Jablonski, einen sehr wesentlichen Antheil an der Rehabilitirung Wolff's in Preussen nehmen durfte'. Das wenigstens erwirkte Guxdling noch für die Societät, l)evor er völlig A'ersank, dass ihre Bibliothek von allen in Preussen er- scheinenden Büchern ein Pflichtexemplar erhielt" und dass ihr das Recht der Publication der Gesetzessammlung und geographischer Karten als Monopol übertragen wurde. In der für die Societät dunkelsten Zeit von 1 727-1 733, unter der Leitung von von Creutz und Graben von Stein, kam es so weit, dass die Akademie ein ausführliches Gutachten abgeben musste über ^ Der Hergang ist in neuerer Zeit öfters erzählt worden, s. Erdmaxn, Die Aufklärung des 18. und 19. Jahrhunderts 1849 S.333, Zeller i. d. Preuss. Jahi'l). 1862 S.47, ScHRADER. Gesch. d. Univ. Halle i. Bd. S. 168 ff., 211 ff., Hettner's Litt.- Gesch. u. s. w. Nach zehn Jahren schlug das Urtheil des Königs vollständig um. Eine Cominission von Theologen, unter denen sich Jablonski und Reixbeck (unter CoccEji's Vorsitz) befanden, sprach sich in jeder Hinsicht günstig über die WoLFF'sche Philoso})hie aus, so dass ihn der König wiederholt nach Halle zurückzuführen ver- suchte und kurz vor seinem Tode sogar die WoLFp'sche Philosophie an den preussi- schen Universitäten für obligatorisch erklärte. Erst Friedrich dein Grossen gelang es im ersten Jahr seiner Regiei-ung, den Philosophen zur Rückkehr nach Halle zu bewegen. Förster in seinem Leben Friedrich Wilhelm's I. 1835, 2. Bd. 8.352!'. berichtet nichts über den Antheil Paul Guxdlixg's an Wolff's Vertreibung, sondern nennt nur die Namen der Generale a'ox Natzmer und vox Löbex, die Wolff feindlich gesinnt wai'en und mit den Theologen in Halle in Verbindung standen. Aber die boshafte Nutzanwendung der WoLFF*schen Philosophie auf desertirende Soldaten ist doch wohl ein Gi'XDLixo'scher Witz, der den Generalen suppeditirt worden ist. So stellt die Sache auch Dexixa dar (La Prusse litter. 1791 HL Bd. S.495). Das Aka- demische Archiv enthält natürlich über die Katastrophe nichts. Schrauer (Gesch. d. Univ. Halle, i.Bd. S. 231) hält die Betheiligung P. Gixdlixg's an ihr für nicht erwiesen, die Aufstachelung durch den Bruder für hiichst unAvahrscheinlich. — Jabloxski und Reixbeck hatten schon kurz vor der Katastrophe des Jahres 1723 (am 29. October) ein für Wolff günstiges Votum abgegeben, aber der König hatte es damals nicht beachtet. Über Reinbeck's Verhältniss zu AVolff s. Büschixc;, Bei- träge I.Bd. 1783 S.3ff., der übrigens GuxDLixci's Betheiligung an der Vertreibung Wolff's auch nicht erwälmt. ^ Am 30. October 1724 regte Guxdlixg dies beim Protector vox Prixtzex an. und bereits am 31. October erschien die königliche Ordre (erneuert am 19. März 1746). Man liatte dem Könige gegenüber die ]Motivirung gebraucht: "damit die jungen Feld- scheerer mit nöthigen Büchern versehen und bei der Societät medicinische. chirur- gische und andere dienliche Bücher angeschaffet wei'den können" (Geh. Staatsarchiv). 234 Geschichte der Societät von 1717—1740. den Bericht eines Feldscheers in Serbien, dass sich dort mehrere Personen in Vampyre verwandelt und Anderen das Bhit ausgesaugt hätten, »solche seien auch zu Vampyren geworden«. Jede Klasse musste über diesen Bericht für sich votiren: diese Gutachten fielen übrigens so verständig aus, als es die auch in jenem Zeitalter bereits absurde Frage zuliess\ Etwas bessere Zeiten kamen seit 1733. Zwar steigerten sich die finanziellen Zumvithungen des Königs unaufhörlich, so dass beim Regierungsantritt Friedkich's des Grossen die Leistungen der Societät für fremde Zwecke gegen 2400 Thlr. betrugen""; aber durch eine bedeutende Schenkung vergrösserte der König doch auch das wissen- schaftliche Inventar der Societät in sehr willkommener Weise. Er überwies ihr im Januar 1735 aus der Königlichen Bibliothek gegen 3000 mathematische und medicinische Bücher, dazu 300 Stück seltene Naturalien u. A. Den Directoren, die sich für die reiche Gabe be- dankten, schärfte der König ein, tleissiger als bisher zu arbeiten, damit der Zweck erreicht werde, zu dem sie eigentlich gestiftet worden war. Die Societät solle sich auf solche Erfindungen legen, welche capable wären, die Künste und Wissenschaften immer höher empor zu bringen, und zwar solche, die der Welt zum wahren Nutzen gereichen, keineswegs aber in blosser Windmacherei und in falschen Träumereien beständen, womit sich viele Gelehrte aufzu- halten pflegten^. Im Mai desselben Jahres wurde die erste Instruction für den Societäts- Bibliothekar (Wagner) entworfen. Man erfährt aus ihr, dass der König in Bezug auf die geschenkten Bücher bestimmt hatte (Ordres vom 22. und 26. Januar), «dass Jedermann jung oder alt die Freiheit haben solle, vorerwähnte Bücher in der Societäts- Bibliothek zu gebrauchen, den Königl. Bedienten aber solche auf ^ Im Akademischen Archiv wird das seUsame Actenstück aufbewahrt. ^ Siehe den Bericht vox Viereck"s an den König vuni 9. Juni 1740. Im Jahre 1737 (4. Juli) vei'fügte der König, dass die Societät den medicinischen Pro- fessoren Sprögel und Schaarschmidt je 100 Thh-. jährlicli auszahlen solle. Auf den Rand der Gegenvorstellung der Societät bemerkte er lakonisch: -Sossietet soll mit der Ch[arite] zahlen. F. W.«. Am 19. Juni 1739 wurde durch königliche Ordre der Leichen - Kanon von 400 auf 500 Thlr. erliöht; die Summe floss in die Kasse der Societät; allein sie hatte keinen A'ortheil davon; denn 400 Thlr. sollten, wie bisher, die Pensionair -Feldscheers erhalten und 100 Thlr. sollte der Prof. Sprögel haben. ^ Siehe Förster, Friedrich WilheljiL, 1835 2. Bd. S.35if. nach Fassjiann, Friedrich Wilhelm 1735 S. 543. Da der betreuende Abschnitt Fassmann's augen- scheinlich nach Eingaben der Societät und königlichen Kundgebungen gearbeitet ist. die wir jetzt nicht mehr besitzen, so ist er im Urkundenband Nr. 139 abge- druckt. Bücherschenknng. Die Publicationen der Societät. 235 ihren Zettel nach Hause gelehnet, desgleichen gegen Ausstellung eines sicheren Scheins an Leute sowohl in als ausserhalb der Stadt bis auf 20 Meilen umher zum Lesen ausgeliehen werden dürfen, ausser- halb Landes aber niemals«. Auf vier Wochen können die Bücher verliehen werden. Die Instruction bestimmt aber, dass diese libe- ralen Bestimmungen nur für die geschenkten Bücher gelten ; die früher von der Societät selbst angeschafften Werke sollen in einem beson- deren Räume stehen und zum ausschliesslichen Gebrauch der Mit- glieder bleiben, die sie auf vier Wochen entleihen können \ Im Jahre 1738 wurde, zunächst für die elf jährlichen Sitzungen der medicinisch- physikalischen Klasse", eine feste, am Anfang jeden Jahres zu veröffentlichende Leseordnung auf Vorschlag des Hofraths BuDDEUS eingerichtet. Die zehn Mitglieder der Klasse verpllichteten sich, in jedem Jahr je einen selbständigen Vortrag und ein Referat über eine wichtige litterarische Erscheinung in ihrem Fache zu halten^. 2. Während der Regierungszeit Friedrich Wilhelm's I. hat die So- cietät nur 5 Bände Miscellanea herausgegeben; zwei von ihnen fallen in die Zeit von Guxdling's, drei in die von Jabloxski's Präsidium. Da die Philosophie ganz ausgeschlossen war und Themata von princi- pieller Bedeutung nicht behandelt w^urden, so ist der neue Geist der Wissenschaft nicht kräftig in diesen Bänden ausgeprägt, ver- leugnet sich aber doch in vielen Abhandlungen nicht*. Akademisclie ^ Akademisches Archiv, vergi. auch Wilken, Geschichte der Königlichen Bibliothek 7.11 Berlin 1828 S. 81. Am 3. Februar 1735 wurden die Bücher der 80- cietät übergeben. ^ Jede Klasse hielt monatlich am Donnerstag je eine Sitzung; im August waren Ferien. ^ Siehe den \'oi'schlag im Urkundenband Nr. 140. Er ist die Grundlage der noch gegenwärtig geltenden Ordnung. * Das Urtheil Geiger's (Berlin 1688— 1840 Bd. i S. 240): »(In der Zeit Fried- rich Wilhelm's I.) waren statt Männer der Wissenschaft unwissenschaftliche Thoren Hauptmitgiieder der Societät«, ist nicht nur übertrieben, sondern einfach falsch. Die Hauptmitglieder waren stets respectable Gelehrte; .IMissgriffe bei Aufnahme neuer jMitglieder waren allerdings nicht selten, aber diese Dunkelmänner haben niemals der Societät das Gepi-äge gegeben. Noch unrichtiger aber ist es , wenn Geiger weiter bemerkt: »Es erschien geradezu als das Streben der gelehi-ten Gesellschaften, die Wissenschaft ins Burleske zu verkehren« , und dann allen Ernstes die Societät für das ridicule Patent Graben's von Stein verantwortlich macht. Sie hat stets ihre Behandlung seitens des Königs als schwere Kränkung empfunden und ist weit davon entfernt gewesen, die Wissenschaft in"s Scherzhafte zu ziehen (Bielfeld, Lettres 23() Gescliichte der Societät von 1717— 174(). Schönrednerei, wie sie Montesquieu in den Lettres Persanes (172 i) verspottet und wie sie sicli später in den Abhandlungen so breit gemacht hat, vermisst man mit Genugthuung, freiUch — man ver- misst auch noch jene treffliche formale Schulung des Geistes, durch die Frankreich die Völker Westeuropas im Zeitalter Ludwig's XIV. und des Regenten erzogen hat'. Der 2. Band (1723), zu welchem die Mediciner und Chemiker noch nichts beigesteuert haben, ent- hält vornehmlich mathematische und astronomische Abhandlungen, ausserdem nur sechs litterarische, unter denen der Vorschlag einer Universalschrift von D, Solbrig" und eine Untersuchung von Wächter über die Sprache des Codex Argenteus hervorzuheben sind^. Endlich entschlossen sich die Mediciner und Chemiker, nach- dem das Collegium Medicum enge mit der Societät verbunden worden war, zur Mitarbeit. In dem 3. Band (1727) nehmen ihre Abhandlungen einen stattlichen Raum ein , und nicht minder in den folgenden Theilen. Es ist die Schule Georg Ernst Stahl's (i 660-1 734; Pro- fessor in Halle seit 1693, Leibarzt des Königs in Berlin seit 17 16), des grössten Chemikers seiner Zeit, des Vaters der Phlogiston -Theorie, die nun zu Worte kam. Jene Theorie, von Lavoisier widerlegt, hat doch fast ein Jahrhundert lang geherrscht und sich fähig er- wiesen , die bisher zerstreuten und unzusammenhängenden empiri- schen Beobachtungen in eine Einheit zu fissen und neue, fruchtbare Untersuchungen anzuregen. Durch sie ist die Chemie erst zu einer T. II 11.134 .schi'eibt allei'dings: »Le roi ne faisait proposer de tenips ä autre que des plaisanteries a. laSociete, et celle-ci n'y repondait guere siir un meilleur ton« ; aber als Beweis wird lediglich die zweifelhafte Champagner- Geschichte mitgetheilt). Auch die Behauptung: »Statt wissenschaftlicher \'orträge leistete man sicli eine Pro- duction Schönemanns«, der bei seiner Introduction 200 Verse angeblich aus dem Stegreife recitirte über das Tliema »Gott ist das Licht« , ist aus der Luft gegriffen. Solche poetische Leistungen waren auch in der französischen Akademie üblich, sind aber niemals an die Stelle wissenschaftlicher Voi'träge getreten. '■ Der Kronprinz Friedrich schreibt in einem Brief an Voltaire (17. Juni 1738, (Euvres T. 21 p. 210): »Les Memoires de l'Acadeinie, que je fais venir, seront ina täche pour cet ete et pour rautomne« , aber er meint die der französischen Akade- mie; die der Berliner hat er als Kronprinz niemals erwähnt. ^ Er will die Begriffe durch Zahlen ausdrücken und hat mit Beihülfe der Societät darüber ein grosses Werk nebst einem Lexikon im Jahre 1726 in Salzwedel erscheinen lassen. ^ Wächter hat der Akademie nur zwei Jahre (1720— 1722) angehört; dann siedelte er nach Dresden, bald darauf nach Leipzig über. Hier hat er seine beiden deutschen Lexika herausgegeben, durch die er sicli um die deutsche Sprache verdient gemacht hat. Das Bestreben, bei Worterklärungen auf die älteste Gestalt der Sprache zurückzugehen , ist beinerkenswerth. Die PuLIicationeii der .Socielät. Die Naturforscher. 28/ Wissenschaft geworden, während sie bis dahin die dienende Magd der Medicin und der Goldmacherkunst gewesen war. Aber Stahl war nicht nur experimentirender Chemiker, sondern auch Arzt, und seine Eigenart bestand darin, diese beiden Aufgaben nicht vorschnell zu vermischen. Der Empirie hat er auch auf dem Gebiete der Heil- kunde gehuldigt, aber eben deshalb lehnte er die mechanisch -mathe- matischen Theorien seines Rivalen Hoff3iann, die ihm in fremdes Gebiet zu führen schienen, ab und suchte auf ein scheinbar näher liegendes Element, das Princip des Animismus, die Vorgänge im gesunden imd kranken Körper zurückzuführen. Unter den Berliner Naturforschern und Ärzten, die zugleich Mitglieder der Societät waren, ragen besonders der viel gereiste und mit den Gelehrten des Aus- landes in Verbindung stehende Caspar Neumann, der Hofax^otheker (1683 -1737), Eller, der Leibarzt (1689 — 1760), vor allem aber Pott, der bedeutende Chemiker, der Erforscher der Natur des Porzel- lans und Begründer der keramischen Pyrochemie (1692 — 1777), her- vor. Pott hat auch zuerst die Katur der Bernsteinsäure als eine Pflanzensäure erkannt und andere wichtige chemische Entdeckungen vorbereitet\ Neben diesen Männern standen die trefflichen Ana- tomen BuDDEUs, ein Schüler Boerhave's, und Holtzendorff , der Re- formator des preussischen Militärlazarethwesens und Begründer des Theatrum Anatomicum, denen sich bald der genaue Beol)achter J. Na- THANAEL LiEBERKÜHN (1711-1756) zugcselleu solltc. Alle dicse Ge- lehrten befanden sich in scharfem Gegensatz zu den »Literaten« und den Franzosen" der Societät, deren Arbeiten sie als unnütz und un- solide bespöttelten. Li dieser Haltung wurden sie durch den König selbst bestärkt^. Nur der Akademiker Frisch, dessen zoologische Untersuchungen anerkannt waren, der aber zugleich als Sprach- forscher und Historiker Bedeutendes leistete, bildete ein Mittelglied zwischen den beiden Gruppen der Societät, der medicinisch-chemi- ' Sein Name lebt, allen bekannt, in der «Pott- Asche« fort. - Es gab allerdings aucli einen Arzt nnter den Mitgliedern der Societät, der Franzose war, Carita; aber von ihm sagte La Croze : -Voiis savez le nom de toutes les maladies en grec; vous n"en savez pas guerir nne en franc^ais. Votre art est doublement muet« (Bartholmess, Histoire I p. 86). ^ Umgekehrt waren die »Literaten« am Hofe der Königin gern gesehen nnd waren znm Theil die Erzieher der königlichen Kinder. Hier traf man die Pastoren Beausobre und Lenfant, Jablonski und Reinbeck und die Franzosen du Han, La Croze, Chauvin, Naude, Pelloutier u. s. w. Für die Zurücksetzung am Hofe des Königs entschädigte sie einigermaassen die Gunst der Königin, und den Kron- prinzen gewannen sie für ihre Sache. 2B8 Gescliiclite der Societät von 1717—1740. scheu und der litterarisclien'. Die uiatliematiscli-astronomischen Publi- cationeu standen nicht mehr auf der Höhe, namentlich seit des jün- geren Kirch's Tode"^ In dem 3. Bande (1727) haben Buddeus, Frisch, Neumann, Holtzen- DORFF und Pott eine Reihe von Abhandlungen geliefert^ ; der fleissige Kirch jun. hat nicht weniger als 1 2 astronomische Aufsätze beige- steuert. In der litterarischen Abtheilung ist besonders die Münz- kunde gepflegt. In dem 4. Bande (i 734) sind Frisch und Wagner in der mathe- matischen Abtheilung die fleissigsten , in der litterarischen ebenfalls Frisch, in der medicinisch- naturwissenschaftlichen Caspar Neumann und wiederum Frisch. Der 5. und 6. Band (1737. 1740) haben ihre Bedeutung fast ausschliesslich in den naturwissenschaftlich -medicinischen Arbeiten^. Der unermüdliche Frisch veröffentlichte seine zuverlässigen Beob- achtungen weiter; aber neben ihm, Pott und Neumann erscheint im Jahre 1740 bereits der junge A. S. Marggraf mit einer Abhand- lung über den Phosphor (»Relationes Phosphori solidi versus me- talla et semimetalla«). Unter den litterarisclien Abhandlungen ragt die von Brucker »De vestigiis philosophiae Alexandrinae in libro Sapientiae« vor allen hervor; sie behandelt ein Thema, welches, weiter gefasst, in der Folgezeit eines der fruchtbarsten auf dem Ge- biete der alten Kirchengeschichte werden sollte. Was die Geisteswissenschaften noch nicht zu einem frischen Leihen gelangen Hess, das war der Mangel einer die Erkenntniss beherrschenden und die Einzeluntersuchungen bestimmenden Welt- anschauung und damit der Mangel an Problemen. Der alte melan- chthonische Betrieb der Wissenschaften war aufgelöst; ihre Emanci- pation von der Kirche und der Theologie war im Princip vollzogen; aber die Elemente für einen neuen Bau waren noch zerstreut und besassen noch nicht die Kraft durchschlagender productiver und kriti- ^ Bemerkenswei'th ist, dass Frisch (in der Sitzung vom 10. Februar 1734) den Antrag gestellt hat, einen Theil der akademischen Arbeiten in den Miscellanea in deutscher Sprache zu veröffentlichen. Der Antrag ist einstimmig angenommen, aber nicht ausgeführt worden (Akademisches Protokoll). ^ Siehe den Brief Euler's an vox Jariges (7. September 1742, Akademisches Archiv), in welchem er schreibt, die Astronomie sei bei der Societät sehr in Ver- fall gekommen. ^ Frisch besonders zur Insecten- und Parasitenkunde (10 Abhandlungen). * Auch schon der Zahl nacli; es sind 40 Abhandlungen, während die litte- rai'ische Klasse nur 19, die mathematische nur 14 geliefert hat. Die Piil)Iicationen und die wissenschaftliche SteUung der Societät. 239 scher Principien\ Wohl waren sie längst Besitz einzelner hervor- ragender Geister, aber in der ganzen Breite der wissenschaftlichen Arl)eit wirkten sie noch nicht mit souveräner Kraft. Weder die Philosophie des Cartesius, noch die LriBNizens oder Spinoza"s be- stimmte den Betriel) der Wissenschaft überhaupt; die Antithesen Bayle's erschütterten die Berliner Akademiker noch nicht; noch weni- ger waren die Feinheit und der strenge Stil in der Ausbildung litte- rariselier Formen, wie sie Frankreich lehrte, in den allgemeinen Besitz übergegangen. Auch das, was die Engländer an Sicherheit und Schärfe der Beobachtung und an praktischer Regelung des Lebens darboten, war erst von Wenigen in Deutschland aufgenommen. Hieran lag es, dass die wissenschaftlichen Arbeiten der Gelehrten zweiten Ranges, wie sie die Societät besass, in dem ersten Drittel des 1 8. Jahr- hunderts nicht den Eindruck einer neuen Epoche der Cultur her- vorrufen". Aber eben in dem Jahrzehnt , welches dem Tode Friedrich Wil- helm's I. vorangeht, vollzog sich der grosse Umschwung, der bisher auf den Höhen des geistigen und wissenschaftlichen Lebens statt- gefunden hatte , auch in den Niederungen und riss Alles mit sich fort. Das System Chr. W^olff's ist es gewesen, in welchem die Auf- klärung ihre erste universale Ausgestaltung in Deutschland empfing und den Sieg auf dem ganzen »Seh lach tfelde erstritt. Scheinbar conservativ, war es doch, gemessen an den alten Überlieferungen, durch und durch radical und aggressiv, da es die Autorität in jeder Form negirte, an ihre Stelle die Vernunft setzte und die Geschichte nicht nöthiff zu haben erlaubte^. Mit ilim wirkte der von Ensiands ^ Man kann das an der Haltung so bedeutender Prediger wie Jablonski und Reinbeck studiren. Sehr bezeichnend ist es auch, dass noch am 12. October 1740 — also bereits unter der Regierung Friedrich's des Grossen — die Akademie dem Verfasser eines philosophischen Werks , der ein Urtheil iiber sein Buch wünschte, die Antwort gegeben hat. »die in dem Essai philosophique enthaltenen Lehren seien sowohl den protestantischen als katholischen Gottesgelehrten höchst anstössig, und die Societät könne sich daher dieser und anderer Ursachen wegen hierüber mit ihm gar nicht einlassen« (Sitzungs- Protokoll). - Angesehen blieb die Akademie durch ihre Miscellanea bei den auswärtigen Gelehrten. Im Jahre 1735 bewarb sich ^Maupertuis um die Aufnahme ; Wolff schrieb ihr 1738, er habe die Absicht, "Seine lateinische Philosophie der Societät zu über- machen«; in demsellien Jahre fragte Gottsched an, ob er seinen kritischen Bei- trägen, deren 5. Theil der Societät gewidmet war, den Titel geben dürfe: »Von einigen Mitgliedern der K. Preuss. Societät der "Wissenschaften in Berlin«. •"' "Alle moralischen Wahrheiten liegen in der Vernunft; wir brauchen dazu so wenig eine Offenbarung, als zu dem Satz: 2 X 2 = 4" — so sprach man in Tho- MAsius' und Wolff's Schule. 24(.) Geschichte der Societät von 1717—174". Aufklärung illumiiiirtc und sie umformende französische Geist in eigenthümlicher Verbindung zusammen, um jene Culturstufe lierauf- zufüliren, in der das Mittelalter in unserem Vaterlande erst wirklieli beseitigt worden ist^ Die Societät, so wie sie eingerichtet war und sich bis zum Jahre 1740 entwickelt hatte, war trotz der hohen Absichten ihres Stifters Leiijniz nicht das zweckmässige Organon zur Durchführung des Um- schwungs geworden". Beweis dafür, wenn ein solcher noch nöthig ist, ist die Thatsache, dass mit ihr concurrirende wissenschaftliche Gesellschaften und Unternehmungen in Berlin emporwuchsen, Sie zeigten, dass die Societät den Bedürfnissen nicht entsprach. Franzö- sische Mitglieder der Societät versammelten sich seit 1720 regelmässig im Hause Lenfant's und gaben als «Societe anonyme« eine »Biblio- theque Germanique« heraus, die später als »Nouvelle Bibliotheque Germanique« erschien und es bis auf 25 Bände gebracht hat. Hier schuf sich das französische Element auf deutschem Boden ein Organ ^. Die Mediciner und Chemiker gaben seit 17 17 bis 1732 '>x\cta Medi- corum Berolinensium in incrementum artis et scientiarum collecta et digesta« heraus; eben deshalb entschlossen sie sich so schwer, für die Miscellanea der Societät Beiträge zu liefern. Im Jahre 1736 stifteten die Anhänger der WoLFF'schen Philosophie in Berlin, unter des Grafen VON Manteuffel und des Propstes Reinbeck Führung, eine Gesellschaft der Alethophilen zur Verbreitung dieser Philosophie und des «be- gründeten Denkens«*. Sie l)edeutete an sich wenig — ursprünglich war sie gegründet »par badinerie plutot que dans une Intention se- rieuse« — , aber sie war doch ehi beachtenswerthes Zeichen der Zeit; denn sie wies auf den Mangel hin, der der Societät der Wissen- schaften anhaftete: diese Akademie war noch immer ganz unphilo- sophisch. Endlich, wenige Jahre später, bildete sich in den vor- nehmsten Kreisen Berlins eine französisch -litterarische Gesellschaft, ^ Auch der Höhepunkt der Wirksamkeit Gottsched"s, in der sicli eine Com- hination des Woi.FF"schen Geistes mit französischem Formensinn darstellt, fällt in die Zeit 1730-1735. - Siehe Friedrich's. des Kronprinzen, Schilderung der Entstehung und Ge- schichte der Societät in dem vertraulichen Briefe an Voltaire vom 6. Juli 1737, theil- weise abgedruckt im Urknndenhand Nr. 141. Ebendort (Nr. 142) ist seine spätere Skizze der Geschichte der Societät in einer akademischen Abhandlung vom Jahre 1748 mitgetheilt. ^ Siehe Formet, Souvenirs I.Bd. p.37; Büsching. Beiträge, I.Bd. S.iöff'. 124!'. * Die Gesellschaft hatte sich den Spruch der Aufklärung »Sapere aude« zum ^Nlotto erwählt und führte auf ihren Diplomen die Namen von Leibniz und Woi.ff. Die wissenschaftliche Stelhmg der Societät. 241 die die Existenz der Societät der Wissenschaften geradezu bedrohte. Wir werden sie im nächsten Buch kennen lernen. Kein Zweifel — die Societät in ihrem »schläfrigen« Zustande' war von dem Gang der Entwickelung überholt". Ihre Lebensfähig- keit hing davon ab, dass sie eines der grossen Elemente, in denen der Fortschritt des Zeitalters gegeben war, energisch aufgriff und die Protection desselben übernahm, sei es nun die Wolff'scIic Philo- sophie oder die Newton'scIic Mechanik oder die französische litte- rarische Cultur oder eine eigenthümliche Verbindung aller dieser Elemente. Ein Reformator war nöthig, und er kam wirklich. Am 31. Mai 1740 schloss Friedrich Wilhelm I. die Augen: der einzige preussische König, der nicht Protector der Societät ge- wesen ist. Sein gerader Sinn hatte es verschmäht, das zu scheinen, was er nicht sein wollte. Bereits die ersten Erlasse des neuen Herrschers aber zeigten , dass die Zeit der Noth und des Drucks für die Akademie nun vorbei w^ar. Die Nacht war vergangen — nicht mehr sollte die Societät im Schatten des Theatrum anatomi- cum ein kümmerliches Dasein fristen^ — , und strahlend kam der neue Tag herauf. ^ Viele Mitglieder kamen fast nie in die Sitzungen. Als im Jahre 1727 die Exemplare des neuen Bandes der Miscellanea vertheilt werden sollten, schlug der Secretar vor, neun Mitglieder — unter ihnen La Croze — von der Vertheilung auszuschliessen, da sie nie in den Sitzungen zu sehen seien (Sitzungs- Protokoll). - Nur Eines blühte einigermaassen — das waren die Finanzen der Societät. Seit VON Jariges im Jahre 1733 das Secretariat übernommen hatte, hatten sich die Einnahmen aus den Kalendern, Dank seiner Umsicht (s. das Eloge auf ihn von FoRMEY in den Mem. 1771 p. 44 f.), sehr vermehrt. Der Rendant Koehler , obschon er auch in seine eigene Tasche arbeitete, war ein sehr geschickter Subalternbeamter, der unter von Jariges' Oberaufsicht den Vertrieb der Kalender ausserordentlich zu steigern verstand. Als es sich im Winter 1743/44 i^^i^ ^ie Schliessung der alten Societät und die Eröffnung einer ganz neuen handelte, ist sie durch ihre gute finan- cielle Lage vor dem Untergang bewahrt geblieben. Hätte sie nichts besessen, so hätte man sie schwerlich respectirt. ^ Bielfeld, Lettres famil. et autres T. II 1763 p. 131. Maupertuis, Brief an Friedrich den Grossen (Le Sueur, Maupertuis p. 87) vom Herbst 1748: »Sous le regne du feu roi la Societe des sciences n'a ete proprement qu'une societe de Chi- rurgie (das ist eine Übertreibung) et meme n'a jamais fait faire aucun progres ä cet art". Geschiclite der Akademie. I. 16 242 Geschichte der Societät von 1700-1740. ANHANG. .- Zum Personalstand der Societät (1700-1740). 1. Protector: S. Maj. der König Friedrich I. (f 25. Februar 17 13). Der Staatsminister von Printzen (f S.November 1725). Der Staatsminister von Creutz (21. November 1725 bis 13. Februar 1733)- Der Staatsminister von Viereck (seit dem 20. April 1733). 2 . Präsident: VON Leibniz (f 14. November 17 16); seit dem 7. August 17 10 stand der Staatsminister von Printzen als Praeses honor. neben bez. über ihm ; von Printzen war also von i 7 1 3 bis i 7 1 8 Protector und Präsident (honor.) zugleich. V. Gundling (5 . März i 7 i 8 bis 1 1 . April i 7 3 i ). [Fassmann (25. April 1731, musste schon im Mai resigniren)]. D. E. Jablonski (seit dem 14. Juli 1733). 3. Vice Präsident (neben den jährlich im Vicepräsidium wechselnden Directoren) : Graben zum Stein (seit dem 19. Januar 1732). 4. Directoren: Der physik. Klasse: Krug von Nidda (f 17 19), Henrici (3. Juni 17 19 bis 1725), BuDDEUS (seit 1725); seit dem 20. September 1735 ist Eller überzähliger Director (vom König eingesetzt). Der mathem. Klasse : Cuneau (f 30. December i 7 1 5), Jägwitz ( i 7 i 6 bis 1728), DES ViGNOLES (scit l 7 2 8). Der deutschen Klasse: Schott (f i 7 i8), Kammergerichtsrath Schlüter (1718 bis 1732), Frisch (seit 1732). Der kirchlich -orientalischen Klasse: D. E. Jablonski. Der Personalstaiid der Societät. 243 5. Secretar: J. Th. Jablonski (f 28. April i 73 i : sein Adjunct in den letzten Jahren: Cöper): von Jariges (seit dem 11. März 1733). 6a. Vollständige Liste der einheimischen ordentlichen Mit- glieder bis zur Mitte des Jahres 1713. Leibniz (f 1 4. November i 7 1 6) , D.E. Jablonski , Hofprediger (f 25. Mai 1741), CuNEAU, Archivrath (f 30. December 17 15), Rabener, Hofrath (f 29. Januar 1701), Ancillon, Legationsrath (f 5. Juli 17 15), Beer [Behr], Oberingenieur (-j- nach i 7 i 5). — Achenbach, Kirchenrath und Hofprediger (f 1720), d'Angicour[t], Königl. Secretar und Mathe- matiker, Beyer, Königl. Bibliothekar {\ vor dem i i.Juli 1705), Chau- VAIN, Professor (7 6. September 1725), La Croze, Bibliothekar (f 2 i . Mai 1739), Frisch, Conrector (f 2 1 . März 1 743), Gohlius, Mediciner (-{-1731), Grünberg, Architekt, Henrich, Hofprediger, F. Hoffmann, Mediciner (f 12. November 1742), J. H. Hoffmann, Astronom (f 6. April 17 16), J. Th. Jablonski, Secretar der Societät (f 28. April 1731), Jägwitz, Hofarzt (f 1727), Kirch, Astronom (f 25. Juli i 709), Krug von Nidda, erster Leibarzt (7 i 7 19), Liciitscheid, Kirchenrath, Marperger (7 i 730), VON Meisenburg, Naude sen., Professor der Mathematik (f 7. März 1729), Naude jun., Professor (f 17. Januar 1745), Neukirch, Professor der schönen Wissenschaften (f 1729), Oelven, Rittmeister, Raue, Pastor, Schlüter, Oberbaudirector (begab sich 17 13 nach Petersburg), Schott, Rath und Bibliothekar (f 12. December 17 18), Spener, Medi- ciner (7 I 7 14), Stapf, Oberst, Stercky [Sterke] , Professor und Pastor, Sturm, Hofprediger, Thormann [Thermann], des Vignoles, Pastor (7 24. Juli 1744), Volkmann, Gj^mnasialdirector [\ 1722), Wagner, Astronom (7 16. September i 745), Werner, Director der Akademie der Künste (7 21. September i 7 10). 61). Liste der zwischen 17 13 und 1740 aufgenommenen oi'dentlichen einheimischen Mitglieder, die wirklich für die Akademie gearbeitet haben. Christfried Kirch (1717 bis 1740), Gundling (5. März 17 18 bis 1 1 . April I 7 3 I ), Wächter (24. Juni i 720, siedelte 1722 nach Dresden über), Seidel (3. Juli 1720 bis 8. Juni 1723), Neumann (1721 bis 20. Oc- tober 1737), Pott (30. März 1722 bis 29. März 1777), Elsner (5. No- vember 1722 bis 8.0ctober 1750), Buddeus ( i 3 . September 1723 bis 25. December 1753), Holtzendorff (16. November 1724, -1-1751), Grischow [Grischau] (12. Juli 1725 bis 10. November 1749), Eller 16* 244 Geschiclite der Societät von 1700-1740. (27. Juli 1725 bis 1 3 . September 1760), Henning (17. Juli 1726), Küster (21. Juli 1728 bis 28. März 1776), de Jariges (3i.October 1731 bis 9. November 1770), Heinius (19. April 1732 bis 8. August 1775), Sprögel (i 7. October I 735 bis 18. Mai 1760), Schaarschmidt (i7.0ctober 1735 bis 17. Juni 1747), Horch (i 5. Januar i 738), Marg- graf (19. Februar 1738 bis 7. August 1782), Ludolff sen. (4. December 1738 bis 2 2 , October 1763). Die Gesammtzalil der Mitglieder zwischen 1700 und 1740 be- trug etwa 70. 7. Die bedeutendsten auswärtigen Mitglieder der Akademie (i 700-1 740)\ a. bis Mitte i 7 1 3 : Barbeyrac, Basnage, Bentley, Jakob Bernoulli, Johann Bernoulli, Heinrich Bernoulli, Chamberlaine, Fabricius, H. A. Francke, Gothofredus, Gottsched, Hartsoeker, Heineccius, F. Hoff- mann (Halle), Römer, Sloane, Turretin, Wolff (Halle). h. bis 1740: Celsius, Clairaut, Gerike, Gesner, P. E. Jablonski, JussiEU, Maupertuis, Reaumur, Schöttgen. ' Die Zahl der auswärtigen Mitglieder war gross und betrug z. B. im Jahre 1 739 einhundertsechzehn. ZWEITES BUCH. GESCHICHTE DER ACADEMIE ROYALE DES SCIENCES ET BELLES LETTRES FRIEDRICH'S DES GROSSEN (1740-1786). Erstes Capitel. Die Reorganisation der Societät und ihre Vereinigung mit der »Nouvelle Societe Litteraire« (i 740-1 746): Die Academie Royale des Sciences et Beiles Lettres. 1. »Die Wissenschaften und Künste sind auf den Thron gestie- gen« — das war der Jubelruf, mit dem die um Voltaire geschaarte Gemeinde der europäischen Philosophen , welche die Welt regieren und reformiren wollten, den jungen König begrüsste. Sie zählten ihn zu den ihrigen. Seit vier Jahren stand er in lebhafter Cor- respondenz mit ihnen, und wie einst in den Tagen des Konstantins die neuplatonischen Philosophen auf Julian blickten, der der Bar- barei der Kirche ein Ende machen und das goldene Zeitalter herauf- führen werde, so schauten jene Männer auf Friedrich und sein Rheins- berg: »Ex Oriente lux!« »Votre Majeste ou Votre Humanite«, so redete Voltaire den Monarchen an in dem ersten Brief, den er nach der Thronbesteigung an ihn gerichtet hat\ Friedrich kannte die Hoffnungen, die auf ihn gesetzt waren, und wollte die Philosophen und die Dichter nicht enttäuschen; hatte er doch noch dreizehn Tage vor seinem Regierungsantritt im An- gesicht des Thrones an Voltaire geschrieben: «Je vous assure que la Philosophie me parait plus charmante et plus attrayante que le trone; eile a Tavantage d*un plaisir solide; eile Temporte sur les illusions et les erreurs des hommes""«. In der That — der Freund- schaftsbund mit den gleichgestimmten Geistern, der Austausch mit ^ CEuvres T. 22 p.6 vom 18. Juni 1740. Derselbe Ausdruck findet sich auch noch in einem der letzten Briefe (6. Januar 1778 T. 23 p. 419). ^ (Euvres T. 21 p. 378 vom 18. Mai 1740. Die Worte erinnern an ähnlich lau- tende seiner Grossmutter Sophie Charlotte. 248 üeschiclite dei* Akadeinie unter Friedrich dem Grossen (1740—1746). ihnen, ihr Beifall und Lob, aber auch die tiefen Probleme der Lebens- philosophie und wiederum die Genüsse jener feinen Cultur, die man damals auch «Philosophie« nannte, entzückten seine Seele. Aber sobald er den Thron bestiegen hatte , nahm er alle Pflichten des Herrschers gleichzeitig auf, sich von jeder Einseitigkeit und jeder Abhängigkeit befreiend. >>Non. ce n'est plus du mont Remus. Douce et studieuse retraite, D'oü nies vers vous sont parvenus. Que je date ces vers confus«, schreibt er am 12. Juni von Charlottenburg aus an Voltaire \ "Car, dans ce moment, le poete Et le prince sont confondus. Desormais mon peuple que j'aiine Est l'unique dieu que je sers. Adieu les vers et les concerts Tous les plaisirs, Voltaire meme; Mon devoir est mon dieu supreme, Qu'il [qui m'] entraine de soins divers.« «Ich bewege mich zwischen zwanzig Beschäftigungen und be- klage nur die Kürze des Tages, der vierundzwanzig Stunden mehr haben müsste. Ich versichere Euch, dass mir das Leben Eines, der nur für die Erkenntniss und für sich selber lebt, unendlich viel begehrenswerther erscheint als das Leben des Mannes, dessen ein- zige Beschäftigung sein darf, für das Glück der Anderen zu sorgen. Ich arbeite mit beiden Händen, mit der einen für die Armee, mit der andern für das Volk und die schönen Künste.« Für die schönen Künste — zu ihnen rechnete Friedrich auch die Wissenschaften in freier, vornehmer Darstellung, und dass ihr wirksamer Betrieb nur auf Akademieen gedeihen könne, Avar ihm nicht zweifelhaft. So hatte er bereits als Kronprinz einen Plan ent- worfen, in Berlin eine neue Akademie der Wissenschaften und Künste zu gründen, und hatte schon Umschau in Europa gehalten, um die Gelehrten zu finden und zu sammeln , deren er bedurfte". ^ Oeuvres T. 22 p. 4 f. ^ Es ist bekannt, dass Friedrich auch sonst mit ganz bestimmten und wolil durchdachten Plänen den Thron bestiegen hat. Was die neue Akademie der Wissen- schaften betrifft, so kommt vor allem der Brief an Voltaire vom 3. Mai 1740 — also vier Wochen vor der Thronbesteigung — in Betracht ((Euvres T. 21 p. 369 ff.). Je deutUcher es wurde, dass das Leben Friedrich Wilhelm's I. zu Ende ging, desto zudringlichere Briefe schrieb Voltaire. Einen besonders schmeichelhaften vom April 1740 (p. 366 ff.), in welchem er einen Traum erzählt, beantwortete der König ebenfalls mit der Erzählung eines Traiunes: Der König forciert einen Bericht über die Societät (6. Jnni 1740). 249 Ol) und in welcher Weise die neue Akademie an die alte Societät anzuknüpfen sei, das war eine zweite Frage. Zunächst kam es darauf an , die rechten Männer zu gewinnen und die alte Societät von dem Druck, der auf ihr lastete, zu befreien. Bereits am 6. Juni verlangte der König einen genauen Bericht von der Beschaffenheit des Fonds und der Einrichtung der Societät, da er gründlich orientirt sein wolle \ Am S.Juni lieferte der Secre- tar der Societät , von Jariges , dem Minister von Viereck das Material für einen solchen". Schon am nächsten Tage reichte der Minister auf Grund dieser Vorlage dem Könige den ausführlichen Bericht nehst einer Übersicht über den Etat ein , nicht nur die Einrichtung der Societät kurz und doch ausreichend schildernd, sondern auch eine Skizze ihrer Geschichte hinzufügend^. W^eit entfernt, den kümmerlichen Zustand der Societät zu verschleiern, weist der Mi- nister vielmehr deutlich darauf hin , dass sie in ihrer gegenwärtigen Gestalt nicht lebensfähig sei und dass er bisher nicht mehr habe thun können, als das Schlimmste abzuwehren. Er weiss aber auch, dass der König nicht nur gefragt hat, um orientirt zu sein, son- dern um zu helfen. »Übrigens ist Ew. K. M. höchst berühmte, »L'ange protecteur de Berlin, Voulant y porter la science. Chercha, parini le genre humain, Un sage en qui sa confiance Des beaux-arts reniit le destin« , etc. Er findet natürlich Voi/rAiRE; dann fäiirt Friedrich in Prosa fort: »Cet ange. ou ce genie de la Prusse. n"en resta pas la; il voulait, ä quelque prix qua ce fiit, vous engager ä vous mettre ä la tete de cette nouvelle Academie dont le reve fait mention. Je lui dis que nous n'en etions pas encore oü nous en croyons etre; "Car que peut iine academie Contre l'appät de la beaute.^ Le poids seul que donne Emilie Entraine tout de son cote.« Hiernach ist es nicht zweifelhaft, dass Friedrich schon vor seiner Thronbesteigung den Plan einer neuen Akademie gefasst hat. Den Gedanken, Voltaire an ihre Spitze zu setzen, darf man nicht allzu ernsthaft nehmen; denn Friedrich wusste, dass Voltaire sich damals nicht von seiner Freundin, der Marquise, trennen, und diese nicht nach Berlin kommen würde. Immerhin aber hat Friedrich in diesem Brief Voltaire Aussicht auf die Präsi- dentenwürde in der neuen Akademie gemacht. Voltaire hat das gewiss niemals vergessen (vergi. seinen Brief vom i8. Juni 1740, s. unten), und das erklärt sein späteres Verhalten zu Maupertuis. ^ Siehe Urkundenband Nr. 143. ^ Siehe Urkundenband Nr. 144. ^ Siehe Urkundenband Nr. 145. 250 Gesoliiclite der Akademie unter Friedkuu dem Grossen (1740—1746). gnädige Intention vor die Aufnahme der Wissenschaften so bekannt und weltkundig, dass derselben das Wort zu reden oder einige unmassgebliche allerunterthänigste Vorschläge zu thun, eine Ver- wegenheit sein würde.« Er sollte sich nicht täuschen. Bereits am I I.Juni beantwortete der König den Bericht^: "Ich habe resolviret, dass in dem Etat von nun an die odiöse Ausgabe »Vor die sännntUchen Königliclien Narren" cessiren soll . . . Ich werde auch noch ferner vor obgedachte Societät alle Vorsorge tragen und derselben von Meine Hulde und Protection reelle mai-que zu geben nicht ermangeln.« Damit war der Bann, der auf der Societät 27 Jahre gelastet hatte, gebrochen. Der König kündigte ihr ein neues Zeitalter an! Welche Em2)findungen mag diese Botschaft in dem greisen Präsi- denten der Societät, dem Hofprediger Jablonski, erweckt hal)en, der sie vor 40 Jahren mitgestiftet und die bösen Tage vom An- fang bis zum Ende durchlebt hatte! Seine Antwort (vom 17. Juni) an den Minister, der ihm das Königliche Schreiben mitgetheilt, ist voll Dankes, aber verhehlt nicht, dass sich die Societät nun auch ihrerseits aufraffen müsse'. Allein mit dem Aufraffen , auch wenn sie es noch vermocht hätte , war es nicht gethan ! Nicht nur waren ihre besten Mitglieder, wie Frisch und des Vignoles , alt geworden und jüngere treffliche Kräfte spärlich^, sondern auch ihre Verfassung und ihre Einrichtung entsprachen der Aufgabe der Gegenwart nicht. Sie bildete keine Gelehrtenrepublik, sondern wurde von den Directoren bevormundet; weder die Wolff'scIic noch die französisch -englische Philosophie — die beiden Grossmächte des Zeitalters — regierten in ihr; das Vor- herrschen der medicinischen Abtheilung liess sie untergeordnet er- scheinen, und die theologisch -kirchlichen Aufgaben, die ihr von ihrem Ursprung her gestellt waren , galten als veraltet. Aber über das alles — sie entbehrte des Zusammenhangs mit der vornehmen höfi- schen Welt, die die höhere Cultur damals beherrschte. Es fehlten ihr Esprit, Geschmack und Grazie. In schwerfälligem Latein schritt sie daher, »pedantisch«, während sich bereits der Bund der englischen exacten Philosophie mit dem elastischen und schlagfertigen Geiste der ' Siehe Urkundenband Nr. 146. ^ Siehe Ui'kundenband Nr. 147. ^ Lieberkühn, der Mikroskopiker und Anatom, dessen Bedeutung dem schar- fen Auge des Kronprinzen nicht entgangen war (s. den Brief an Voltaire vom 4. Deceinber 1739, CEuvres T. 21 p.337, und das Schreiben an Algarotti von dem- selben Datum, Oeuvres T. 18 p. 7 vergl. p.6o und T.13 p.6o, T. 2 p.35). war noch nicht Mitglied der Societät: er wurde es aber bald dfirauf. Formey in seinem Eloge auf ihn (Mem.1756 p-5i9 — 532) nennt ihn mit Recht «Philosophe- Artiste«. Der König ruft die Koryphäen der Wissenschaft nach Berlin (1740). 251 Franzosen und ihrer durchsichtigen Sprache vollzogen hatte und in den höheren Kreisen keine Erkenntniss Aufnahme fand, die nicht in Anmuth, Witz oder Ironie getaucht und von gefälligen Formen umflossen war. Deshalb Hess der König in denselben Tagen, da er die alte Societät vom Druck befreite, seine Einladungen ergehen an die Kory- phcäen der Wissenschaft und der schönen Litteratur, sich nach Berlin zu begeben und eine glänzende Gelehrtenrepublik zu begründen. Der Rheinsberger Freundeskreis Friedrich's reichte dafür nicht aus. Zwar Jordan, der frühere reformirte Prediger, der Vielgereiste, Weltkundige, war ein wirklicher Gelehrter und ein vortrefflicher Cabinetssecretär für die litterarischen Absichten des Königs'. Wie er ihn in Bezug auf die französische Litteratur auf dem Laufenden hielt, so bemühte sich von Stille, dem Monarchen Literesse für die modernen Erscheinungen der allerdings noch unsäglich dürftigen deutschen Litteratur einzutlössen und sein Pflichtgefühl auf dieses ^ Über Charles Etienne Jordan (geb. zu Berlin am 27. August 1700, gest. am 23. Mai 1745) s. die Allg. Deutsche Biogi'aphie. 14. Bd. 8.5040'., Koser. Friedrich der Grosse als Kronprinz S.i28f. 252. Nach dem Tode seiner Frau gab er seine Prediger- stelle auf, machte grosse Reisen und trat zu bedeutenden Gelehrten in Frankreich, Holland und England in persönliche Beziehungen, s. seine Histoire d'un voyage litte- ]-aire, fait en 1733 (ä la Haye, 1735). Der Wolffianer und frühere sächsische Minister VON Makteuffel empfahl ihn dem Kronprinzen, der ihn nach Rheinsberg zog und bald zu seinem Vertrauten machte. Jordan übersetzte Wolff's iMoral für den Kron- prinzen in"s Französische und corrigirte die französischen Arbeiten seines Gebie- ters ("Jordan, mon critique et copiste«). Daneben aber arbeitete er selbst weiter und suchte namentlich das Andenken La Croze"s durch eine umfangreiche Mono- graphie über ihn (Amsterdam, 1741) lebendig zu erhalten. Nach der Thronbesteigung betraute Friedrich den Freund mit Aufgaben , in denen Jordan sein Wissen und seine praktisch- organisatorischen Talente zugleich verwerthen konnte, fand aber doch nicht die rechte Stellung für den trefflichen INIann. Erst sechzehn Monate vor seinem Tode wurde er zum \'icepräsidenten der neuen Akademie ernannt; er hat ihr leider keine Dienste mehr leisten können. Der frühzeitige Tod Jordan's war für den König ein schwerer Schlag, nicht nur. weil sein Herz an dem Freunde hing, sondern vor allem, weil Jordax durch seinen religiösen Sinn und seine ernste Wissenschaftlichkeit ein schätzenswerthes Gegengewicht bildete gegenüber den Ein- llüssen Voltaire's. Die liebenswürdige und feste Weise, in der Jordan seinen Standpunkt zu vertreten wusste, erfüllte Friedrich mit Respect. Er hat ihm selbst das ..Eloge« gehalten (INIem. 1746 p. 457— 464, doch vergl. dazu Formey, Souv. I p.45ff.). Jordan's Verhältniss zur Religion und zur Aufklärung geht am deutlich- sten aus dem letzten Brief hervor, den er an den König gerichtet hat (Oeuvres T. 17 p. 264 vom 24. April 1745): »Je sens bien, dans la Situation oü je me trouve, la necessite d'une religion eclairee et retlechie. Sans eile, nous sommes les etres de Tunivers les plus a plaindre. V.M. voudra bien. apres ma mort, me rendre la justice que, si j"ai combattu la superstition avec acharnement, j'ai toujours soutenu les interets de la religion chretienne. quoiipie fort eloigne des idees des theologiens". 252 Geschichte der Akademie unter Frikdiuch dem Grossen (1740—174*)). Gebiet zu lenken'. Aber beide waren nicht productiv, besassen auch keinen Namen in der Wissenschaft. Die übrigen Freunde aber, der gehebte Keyserlingk"', Fouque und die Anderen, konnten in ^ Über Chri.stoi'h Ludwig von Stille (gel), zu Berlin am ij.iSepteniber 1696. gest. am i9.0ctoberi752) s. die Allg. Deutsche Biographie 36.Bd.S. 24oflf., Koser, a.a.O. S.130, Derselbe, König Friedrich der Grosse i. Bd. S. 168. 259. 264. 273. 285. 486.633. Stille, »gleich geschaffen für die Wissenschaften wie für den Krieg, fiir den Hof wie für die gelehi-te Zurückgezogenheit", genoss bei Friedrich alle Vortheile des hochgebildeten Officiers. Bereits im Juni 1740 wurde er General- adjutant und Oberst und einige Jahre vor seinem Tode Curator der Akademie. Ein ausgezeichneter Militär und bis zu seinem Tode mit einem Werk über die Caval- lerie beschäftigt, fühlte er sich doch vor allem zu den schönen Wissenschaften im Sinne der Alten gezogen und hielt es für seine heilige Pflicht, dem Könige Interesse lind Fürsorge für die deutsche Litteratur der Gegenwart einzullössen , im Gegen- satz zur modernen französischen Litteratur, die er um ihrer Leichtfertigkeit willen verachtete. Aber jene war noch zu unbedeutend und Stille's eigene Versuche Avaren zu schwach, als dass er etwas Nennenswerthes zu erreichen vermochte. Da- zu kam, dass sein streng lutherischer Standpunkt, dem er unvei'hohlen Aus- druck gab, dem Könige ganz fern lag. Auch in der Akademie hat Stille für die Pflege der deutschen .Sprache und Litteratur nichts zu thun vermocht, nachdem Maupertuis Präsident geworden war, der kein Deutsch verstand. Immerhin aber gebührt ilim das Verdienst, nach Kräften sich bemüht zu haben, Friedrich's Ent- fremdung von der Muttersprache zu besiegen und Voltaire's Einfluss zu beschrän- ken. Der König, der wenige Monate vor Stille's Tode ihn durch eine bittere Äusserung tief verwundet hatte, hat in seinem glänzenden »Eloge« auf den Freund (Mem. 1751 p. I52ff.) die Kränkung gut zu machen versucht: »II est honteux de le dire, mais il n'en est pas moins vrai, qu'on trouve rarement parmi les personnes de naissance des esprits aussi eclaires que le sien, et un merite aussi digne de l'Acadeinie, . . . il etait de ce petit nombre de gens qui ne devraient jamais mourir«. Aber über Stille's patriotische Bemühungen um die deutsche Litteratur schw'eigt das Eloge; nur sein ernstes Interesse für die alten Klassiker im Gegensatz zu den Modernen wird erwähnt. ^ Dietrich von Keyserlingk, der dem Könige »Alles war« (s.die Allg. Deutsche Biographie 15. Bd. S.7oif., Koser, Friedrich der Grosse als Kronprinz S. i29f.), der lebhafte und bezaubernde Kurländer (geb. am 5. Juli 1698, gest. am 15. August 1745) verdient hier eine Erwähnung , weil auch er Mitglied der neuen Akademie wurde — nicht um wissenschaftlicher Verdienste willen, sondern als Freund des Königs, und weil er wie kein anderer durcli die Feinheit seiner Bildung und seiner Formen geeignet war, den ungezwungenen und vornehmen Ton in die Akademie zu tragen und sie vor kleinlichem Sinn zu be\\ahren. Ursprünglich wollte ihm der König selbst das Eloge verfassen; allein es kam nicht dazu; Maupertuis hat es entworfen und gehalten (INIem. 1746 p. 469 — 472). Über Bielfeld s. unten. Seinen verehrten alten Lehrer Duhan de Jandun liess der König aus Blankenburg zu sich nach Berlin kommen und gab ihm eine sorgenfreie Stellung. Er wurde nacli der Errich- tung der neuen Akademie Ehrenmitglied derselben; aber er konnte ihr nichts mehr leisten. Auch dem Könige ist der alte Hugenotte nicht mehr näher getreten. Siehe sein Eloge in den Mcm. 1746 p. 475 — 478. Hier heisst es, er habe »Extraits pour servir a l'Histoire de Prusse et de Brandebourg" gemacht. Hiernach darf man an- nehmen, dass er dem Könige Materialien für seine historischen Aufsätze geliefert hat. i Der Freundeskreis des Köniüs und die Societät. 253 keinem Sinne den Gelehrten zugerechnet werden, wenn sie auch geistreich und beweghch genug waren, um an jenen Unterhaltungen Theil zu nehmen, in denen wissenschaftliche Fragen leicht und gefallig besprochen wurden. Der König wusste ganz genau, wie weit das Können eines Jeden reichte und wies ihnen darnach — nicht selten zur schmerzlichen Enttäuschung der Betheiligten — ihre PLätze im öffentlichen Leben an. Nicht ebenso siclier war sein Urtheil in Bezug auf die Aus- länder. Der erste, an den schon am 4. Juni der Ruf erging, war der Italiener FRANgois Algarotti\ der im Herbst 1739 in Rheinsberg gewesen war. Als Verfasser eines Fontenelle gewidmeten Werks »Newtonianisme pour les dames« (1736) und als Eleve Voltaire's wurde er von Friedrich ausserordentlich überschätzt"; später hat er den «unbeständigen Schmetterling« richtiger zu würdigen gelernt. Aber so lange und so oft er den persönlichen Umgang mit Vol- taire entbehren musste, schien ihm Algarotti der beste Ersatz zu sein, und wirklich zeichnete sich der Italiener, der sein Wissen stets in kursfähiger Münze bei sich trug, durch eine ungewöhnliche Klarheit und Schlagfertigkeit des Geistes aus und war durch seine mannig- faltigen Kenntnisse zum Gesellschafter des Königs wie geschaffen. Doch Hess er sich, weil der König seine ehrgeizigen Hoffnungen auf eine glänzende Diplomatenlaufbahn nicht erfüllte, nicht dauernd an Berlin fesseln ; die Akademie hat ihm wenig zu verdanken. Voltaire war zunächst unerreichbar; aber er suchte im Voraus Beschlag auf die neue Schöpfung, die Akademie, zu legen; hatte ihm doch Friedrich in seinem Traume ein glänzendes und schmeichel- liaftes Bild seiner Zukunft gezeigt: Voltaire, eine Gelehrtenrepublik regierend! Am 18. Juni 1740 schrieb er dem König ^: "Je demanderai encore une autre gräce a V. M. ; c'est. quand eile aura fait quelque nouvel etablissement, qu'elle fait tleurir (^uelqu'un des beaux-arts, de daigner ni'en instruire, car ce sera m'apprendre les nouvelles obligations que je lui aurai. 11 y a un niot, dans la lettre de V.M., qui m'a transporte; eile me fait espei-er une Vision beatifique cette annee. Je ne suis pas le seul qui soupire apres ce bon- lieur. La reine de Saba voudrait prendre des mesures pour voir Salomon dans sa gloire. J'ai fait part ä 31. de Keyserlingk d"un petit projet sur cela; mais j'ai bien peur qu"il n'echoue.« ' QSuvres T. 18 p. 15. Der ganze Brief lautet: »Mon eher Algarotti, mon sort a change. Je vous attends avec impatience; ne me faites point languir. Federic.« ^ QEuvres T. 17 p.67 vom 2. September 1740 schreibt Friedrich an Jordan aus "Wesel: »Maupertuis est arrive, joli gargon, aimable en compagnie, cependant de Cent piques inferieur a Algarotti ". ^ ffiuvres T. 22 p. 7. 254 Geschichte der Akndemie unter Frikdrich dem Grossen (1740 — 174(5). Bereits am 27. Juni erwiderte der König ^ ",rai d'abord conimence par augmenter les forces de I'Etat de seize bataillons, de cinq escadrons de hussards, et d'un escadron de gardes du corps. J'ai pose les fondements de notre nouvelle Aeademie. J'ai fait acquisition de Wolff, de Mauperttis, d'ÄLGAROTTi. J'attends la i-eponse de s'Gravesande , de Vaucanson et d'EuLKR. .l'ai etahli un nouveau coUege pour le commerce et les manufactures; j'engage des peintres et des scvdpteurs; et je pars pour la Prusse, pour y recevoir l'hommage , etc., sans la sainte ampoule , et sans les ceremonies inutiles et frivoles (pie Tignorance et la superstition ont etablies, et que la coutume favorise." Maupertuis und Wolff — das waren die beiden Fürsten der Wissenschaft, deren Gegenwart Friedrich am heissesten ersehnte"'. Sie sollten ihm die neue Akademie bauen helfen und sie leiten. Noch hing der junge Monarch mit hoher Verehrung an Wolff, dessen Philosophie ihm nach dem Zusammenbruch des confessionell refor- mirten Glaubens einen Halt gewährte^. Aber bereits fascinirte ihn die moderne englisch -französische W^issenschaft, deren vornehmster Repräsentant Maupertuis war — der Mann, dessen Ruhm durch seine Reise an den »Pol«, d. h. nach Lappland, und durch den Beweis der Abplattung des Erdballs , den er geführt hatte , auf aller Lippen war. Friedlich sollten in der neuen Akademie Wolff und Newton — dieser repräsentirt durch Maupertuis — neben einander herrschen ; aber nicht nur »zur Parade« sollte sie dienen, sondern »zur Instruction«. Vorlesungen sollten von allen Mitgliedern gehalten werden; schon ^ Qiiuvres T. 22 p. 12!'. ^ Sie waren übrigens beide bereits auswärtige INIitglieder der Societät — Mau- pertuis seit dem Jahre 1735. Er hatte durch einen Freund auf seine Aufnahme angeti'agen (Akademisches Protokoll vom 23. Juni 1735). Die Schrift, in der er die Ergebnisse seiner lappländischen Reise niedergelegt, hatte er dann in mehreren Exem- plai'en der Societät übersandt und von ihr ein schmeichelhaftes Schreiben ziu'ück- erhalten , in welchem sie einen Theil der Ehre auch für sich in Ajispruch nahm, da Maupertuis ihr Mitglied sei (Akademisches Protokoll vom 4. December 1738). Vergl. über ilin die beiden Festreden von du Bois-Reymond und Diels (Sitzungs- berichte 1892 S. 393ff. , 1898 S.5iff.). ^ SuHM ist es gewesen, der den Kronprinzen zuerst auf die WoLFF'sche Philo- sophie aufmerksam gemacht hat. In dem Brief an den Grafen von Manteuffel vom 19. August 1736 (Qiuvres T. 25 p. 473f.) zählt Friedrich seine Sterne noch in folgender Rangordnung auf: »Les etudes se succederont ici les unes aux autres. Premierement Wolff, ce prince des philosophes, aura la preference; ensuite Rollin, cet auteur sage, qui, avec tant de labeur, nous transmet les evenements remar- quables de rantiquite, et dont le judicieux pinceau ne sait flatter ni amoindrir les caracteres de ses heros. L'aimable, relegant, le spirituel Voltaire [die Correspon- denz mit ihm hatte Friedrich am 8. August 1736 begonnen] vient ensuite sur leurs traces regayer de ses ileurs , fleurs que les Amours et les Gräces cueillent elles- memes, le serieux et la gravite que les deux auteurs j^recedents inspirent«. Auch mit FoNTENELLE. dem greisen Secretar der Pariser Akademie, correspondirte Fried- rich vor seiner Thronbesteigung und hielt ihn sehr hoch (s. Oeuvres T. 16). Versuche des Künigs eine neue Akademie zu gründen. 255 dachte der König an ein Palais, das er der Akademie bauen wollte zusammen mit einem neuen Observatorium. Einen Platz hatte er bereits in's Auge gefasst und die ersten Verfügungen an die Finanz- kammer ergehen lassen'. Die Zukunft Preussens, die adelige Jugend, sollte hier die Wissenschaft von den grössten Meistern lernen. In diesem Sinne hat er Maupertuis und Wolff gleichzeitig eingeladen. An Jenen schrieb er"': "Mon coeur et mon inelination exciterent en moi. des le nionient que je nion- tai sur le trone, le desir de vous avoir ici, pour (jue vous donnassiez ä rAcadeniie de Berlin la forme que .vous seul pouvez lui donner. Venez done, venez enter sur ce sauvageon la greffe des sciences, afin qu'il Üeurisse. \'ous avez montre la figure de la terre au monde; montrez aussi a un roi comhien il est doux de pos- seder un homme tel que vous.« Maupertuis, der in Frankreich keine Stellung fand, die seinem Ehrgeiz entsprach, war von Anfang an entschlossen, dem wieder- holten Ruf des Königs zu folgend An Wolff nach Marburg musste der Propst Reinbeck schreiben. In dem Brief, in welchem der König Reinbeck den Auftrag ertheilte (6. Juni 1740), stehen die berühmten, eigenhändig von Friedrich geschriebenen Worte : "Ich hitte Ihn. sich um des WoLFFen Mühe zu geben. Ein Mensch, der die Wahrheit sucht imd sie liebet, muss unter aller menschlichen Gesellschaft werth gehalten werden; und glaube Ich, dass er eine Conquete im Lande der Wahrheit gemacht hat. wo Er den Wolff hierher persuadiret.« Aber Wolff war ein A^orsichtiger Mann. Der Plan einer neuen Akademie erschien ihm nebelhaft. Die Aussicht, die ihm anfangs gemacht wurde, sie mit zu leiten, lockte ihn nicht, da er bald hören ^ Siehe darüljer den Urkundenband Nr. 148. ^ QEuvres T. 17 p. 335f. Wahrscheinlich durch Voltaire ist Friedrich als Kronprinz auf Maupertuis aufmerksam geworden, s. Voltaire's Briefe vom 6. August 1738 (T. 21 23. 223 f.) und vom November 1738 (p. 244): »M. de Maupertuis, homme qui ose aimer et dire la verite, quoique persecutee«. Dass Maupertuis sein berühmtes Werk über die Gestalt der Erde Friedrich übersandte (ffiuvres T. 17 p. 335). ist vielleicht auch auf Voltaire's Veranlassung geschehen. Ja es scheint, dass Voltaire INIaupertuis auch deshalb in den Gesichtskreis des Prinzen gebracht hat, um diesen dem Einlluss Wolff's zu entziehen. Nicht ganz ohne Spott spi'icht Voltaire schon in einem Brief vom Juni 1738 (T. 21 p. 205) vom »sapientissimus WolffiuS" und möchte sein Urtheil erfahren, «wenn er nur französische Verse lesen könnte". Fast sich entschuldigend schreibt Friedrich (6. August 1738. T. 21 p. 223: -Quant ä sapientissimus Wolffius, je ne le connais en aucune maniere. ni lui ayant jamais parle ni ecrit; et je crois. comme vous. (pie la langue fran^aise n'est pas son fort". Al)er Voltaire's Eifersucht auf IMaupertuis begann von dem Moment an, wo der König sich wirklich um ihn bemfilite. ^ In einem zweiten Brief des Königs an ilm vom 14. Juli 1740 (Geheimes Staatsarchiv) heisst es: «Je me Hatte que la professiou d'apötre de la verite ne vous sera pas desagreable . et tpie Vous vous deciderez en faveur de Berlin«. 256 Gescliiclite der Akadcinic iiiiter Frieurich dem Grossen (1740 — 1746). musste, dass der eigentliche Leiter Maupertuis sein werde. Ein fruchtbares Zusammenwirken mit den ausländischen Gelehrten schien ihm unmöglich; denn nur seine eigene Philosophie Hess er gelten; Newton und die Newtonianer betrachtete er nicht als Philosophen, sondern nur als Mathematiker; die englisch -französische Aufklärung war ihm ein Greuel. Dazu — er war mit ganzer Seele Universitäts- professor und wollte als »Professor generis humani« auf Hochschulen dociren. Als Akademiker »Kadeten zu informiren«, denn darauf werde es hinauslaufen, schien ihm eine Degradation. So bat er den König, ihn nach Halle als Professor und Vice -Kanzler zu ver- setzen. Nur ungern willigte Friedrich ein, sich vorbehaltend, ihn nach Berlin an die Akademie zu berufen, sobald diese eingerichtet und ein würdiger Wirkungskreis für den Philosoj)hen bereitet sein werde \ WoLFF kam nicht; auf Voltaire war höchstens für die Zukunft zu rechnen : der berühmte Leydener Mathematiker und Philosoph s'Grave- SANDE und der Pariser Mechaniker Vaücanson lehnten ab. Vergebens bemühte sich der König auch , den liebenswürdigen Dichter Gresset für seinen akademischen Kreis zu gewinnen". Friedrich schwebte noch das antike Ideal des königlichen Genies vor Augen , das in sich und um sich Wissenschaft und Poesie, Gehalt und glänzende Form ^ Die interessanten Verhandlungen mit Wolff sind in dem Urkundenband Nr. 148 zusammengestellt. Wolff ist bekanntlich in Halle geblieben. — Aus einem Brief Samuel König's an Maupertuis vom Herbst 1740 (Le Sueur, Maupertuis p. III ff".) ersieht man, welchen Eindruck es auf die gelehrte Welt Europas machte, als sich durch die Zeitungen die Nachricht verbreitete, der König habe Mauper'j-uis imd Wolff in sein Land berufen: »Si j'avais jamais eu le bonheur de vous faire connaitre mes sentiments, vous pourriez sentir, ce que je ne puis exprimer, combien je dois avoir triomphe. lorsque j'ai lu dans la gazette. que S. Maj. Prussienne avait reconnu vos merites et qu'elle l'avait temoigne publiquement d'une faQon qui fait egalement honneur a ce digne roi et ä vous, Monsieur .... Le monde est bien surpris de voir reparaitre un philosophe couronne, mais la haute opinion qu'on se forme de lui vient en bonne partie de ce qu'on sait qu"il vous a aupres de sa per- sonne. Je souhaite .... que la philosophie, le plus bei ornement de l'humanite et la seule source d'une gloire solide et durable, reprenne son ancienne place au- pres des trones et des rois. Je vois aussi avec admiration combien le monde est touche des efforts d'un prince qui aime et qui veut instruire ses peuples. II faut que la veritable gloire s'insinue bien puissamment dans le coeur de l'homine, puisque ce prince, qui ne fait que de commencer son regne, jouit dejä d'une plus belle rcj)utation que s'il eüt gagne des batailles .... 11 me vient dans ce moment une autre bonne nouvelle. J'apprends (jue M. Wolff est enfin determine de suivre la ^■()cation de S. Maj. a Halle. Je Tavais fort exhorte de ne point se refuser aux in- tcrets des sciences dans cette occasion, mais je vois que toutes les representations auraient ete sans effet sans la bonte que Sa Maj. a eiie de lui procurer sa demission". - (T^uvres T. 20 j). 3. Et'ler komuit nach Berlin. Erste Begegnung des Königs mit ^Iat'pertuis. 25 / vereinigt. So hlieheii nur Maupertuis und der Schweizer Euler. Diesen, der als Petersburger Akademiker, ^t^ Jahre alt (geb. den 15. April 1707 zu Basel), bereits den Ruf des ausgezeichnetsten Mathe- matikers genoss , hatte der König durch Suhm einladen lassen , nach Berlin überzusiedeln, und im .Sommer 1741 kam Euler wirklich \ An die Einrielitung der neuen Akademie konnte erst gedaclit werden, wenn Maupertuis in Berlin sein würde. Im September lud ihn der König nach Schloss Moyland bei Kleve ein. Es war jene berühmte Zusammenkunft, in der Friedrich auch Voltaire zum ersten Male sah". Dieser war von der Anwesenheit Maupertuis' wenig er- baut und tliat Alles , um ihn zu bewegen , den Ruf des Königs aus- zuschlagen. Aber Maupertuis folgte dem Monarchen nach Berlin, während Voltaire zu seiner Marquise zurückkehrte. Er hat schon damals ein doppeltes Spiel gespielt; er speculirte gleichzeitig auf den Präsidentenstuhl der neuen Berliner Akademie und auf den Posten eines französischen Gesandten an dem Preussischen Hofe. Nie hat er es Maupertuis verziehen , dass er wider seinen Ratli und Willen nach Berlin gegangen ist; aber zunächst verbarg er seine Stimmung oder gab ihr nur in beissenden Bemerkungen Ausdruck. »Es giebt auch andere Talente in der Welt, als das, Curven zu messen.« An Maupertuis schrieb er: »Als wir beide von Kleve abreisten, Sie rechts und icli links , glaubte ich beim letzten Gericht zu sein , avo Gott die Auserwählten von den Verdammten sondert. Der göttliche Friedrich sagte Ihnen: 'Setze Dich zu meiner Rechten in"s Para- dies von Berlin', und mir : Geh , Verdammter, nach Holland' « . Mit Maupertuis hat Friedrich die Grundlagen der neuen Aka- demie besprochen, und schon wurde es allgemein bekannt, dass er ihr Präsident werden sollte^. Dem König hatte der vielseitige ^ Siehe die Briefe an Suhm (den sächsischen Gesandten in Petersburg) vom 14. Jmii und 15. Juli 1740 (CEuvres T. 16 p. 391. 394): »Faites ce que vous pourrez pour engager M. Euler, gi-and algebriste, et, si vous pouvez, amenez-le avec vous. Je lui donnerai mille ou douze cents ecus de gages«. Am 25. Juli 1741 siedelte Euler nach Berlin über. Die Königin - INIutter, die gern Gelehrte um sich sah und auch Euler empfangen hatte, stellte ihn bald seiner Einsilbigkeit wegen zur Rede; er antwortete: «Majestät, ich komme aus einem Lande, wo man gehängt wird, wenn man spricht«. Dennoch hatte er dieses Land, in welchem er dreizehn Jahre zugebracht hatte, vor allem aber die Petersburger Akademie, lieb gewonnen. ^ In Bezug auf Maupertuis schrieb er kurz vorher dem Könige (22. August, CEuvres T. 22 p. 23): ^>M. de Maupertuis est ä Wesel pour vous observer et vous mesurer. 11 n"a vu ni ne verra jamais d"etoile d'une si heureuse inlluence«. ^ Weidler, Professor der Astronomie in Wittenberg, gratulirte am 15. Octo- ber !\L\upertuis (s. Le Sueur, Maupertuis et ses correspondants 1897 p.405). Am Geschichte der Akademie. I. 17 "258 Geschichte der Akadeinic unter Friedrich dem Grossen (1740—1746). Gelehrte trotz seiner lioclifalirend- brüsken Art bei der Zusammen- kinift imponirt, und er war entschlossen, ihn niemals wieder ziehen zu lassen. Wie er ihn allezeit geschützt, mit welcher Grossmuth Tuid königlichen Treue er den unbequemen Mann in allen Fährlich- keiten verth eidigt und aufrecht erhalten hat, das ist ein leuchten- des Blatt in Friedrich's Geschichte. Zunächst Hess er ihn nicht Ton seiner Seite, und als er zeitweilig von ihm getrennt war — Maupertuis war in Berlin, der König in Rheinsberg — , da schrieb er an Algarotti^: »Faites mes compliments k Maupertuis, et dites- lui que j"avais arrange dans ma tete de quoi lui donner de loccu- pation süffisante«. Dann rief er ihn nach Rheinsberg zu jenen heiteren Festen, in denen zum letzten Mal — bereits rüstete der König zum Schlesischen Krieg — der Remusberg strahlen sollte. Auch Voltaire war erschienen, «der verkappte Aushorcher«, Alles l)erückend durch die zauberische Gewalt seines glänzenden Geistes, Maupertuis, obgleich lebhaft und schlagfertig, wusste sich doch nicht in diesen Zirkeln der Jugend und Anmuth zurechtzufinden. »Maupertuis est si amoureux des nombres et des chiffres, qu'il prefere o plus b minus x a toute la societe d"ici. Je ne sais si c'est qu'il aime tant Talgebre, ou si notre monde Tennuie". « 2. In den ersten Tagen des December zog der König in\s Feld ; an die Einrichtung der Akademie war jetzt nicht zu denken^. Aber 23. ]Mai 1741 schriel) er ihm (p.408): »On attend partout a\'ec impatience la nou- velle de Petahlissement du nouvel observatoire ä BerUn etc.". ^ duvres T. 18 ]). 16, vom ii.October 1740. ^ Quivres T. 18 2^.26, Brief an Algarotti vom 2i.Novemljer 1740. ^ Die einzige Neuerung im litterai'ischen Lehen, die getroffen worden war, war das »Journal de Berlin«, zu dessen Gründung Friedrich am 2. Tage nach seiner Thi'onhesteigung durch Jordan den jugendlichen Professor am französischen Colleg FoRMEY (geb. am 31. Mai 17 11) hatte auffordei-n lassen. Es sollte eine litterarisch- politische Zeitung sein, und der König selbst wollte die Materialien liefern. Die Zeitung erschien zuerst am Q.Juli 1740 (s. Formey, Souv, I p. 107 ff.), und wirklich lieferte der König anfangs regelmässig Beiträge. So kam Formet früh zu Ansehen. Bei der Neugründung der Akademie im Jahre 1744 wurde er ]\Iitglied und nicht lange darnach Secretarius perpetuus (die Redaction der Zeitung hatte er schon im Januar 1741 niedergelegt). Die Akademie ist diesen unsäglich eiteln und, wie seine »Souvenirs« bewiesen haben, kleinlichen und boshaften Mann nie wieder losgeworden. Er behauptete den eintlussreichen Posten und wurde fast 86 Jahre alt. Friedrich liat ihn bald durchschaut, aber war zu grossmüthig, um ihn zu entfernen. Dafür hat ihn Formev mit giftigem Undank in seinen »Souvenirs« belohnt. Der erste schlesisclie Krieg. Friedrich und Maupertuis. 2.)9 auch im Lager vergass Friedrich Maupertuis und die Wissenschaft nicht. »Dis a Maupertuis«, schreibt er an Jordan von Herrendorf am 27. December\ >>que j'accorde les pensions de ses academi- ciens, et que j'espere trouver de hons sujets pour des eleves dans le pays 011 je suis'«, und am 3. März 1741 an denselben aus einem Dorfe «doiit j'ignore la figure et le nom« : »Mes compliments a Maupertuis; dis-lui qu'il ne depend que de lui d'opter entre l'Is- lande^ et la Silesie, et que, de quelque cöte qu'il se tourne, inon amitie et mon estime l'accompagneront toujours*«. An Maupertuis selbst richtete er aus Breslau (3. Januar 1 741) die liebenswürdigen Zeilen: >>J"ai ici une autre espece d'algebre a calculer et souvent des tluxions qui me donnent bien du fil a retordre: notre geome- trie va grace a vos bonnes inlluences parfaitement bien; des que j'aurai acheve de regier la ügure de la Silesie "", je reviendrai ä Berlin et nous songerons a Tacademie. Adieu, eher Maupertuis, un peu de patience et Vous serez contente sur tout ce que vous souhaitez''«. Aber der König fürchtete nicht ohne Grund, Maupertuis, der noch immer ohne Beschäftigung in Berlin weilte, werde ihn doch wie- der verlassen. Er rief ihn deshalb zu sich in's Lager', und Mau- pertuis, der seine Laufl)ahn als Soldat begonnen hatte, folgte dem ^ Qiluvres T. 17 p.79. ^ Ln zweiten .Sclilesischen Krieg, als der König in Sachsen war. liat ihn Maupertuis an diese Zusage erinnei't in einem Briefe vom 20. Deceinber 1745 (Geh. »Staatsarchiv). ^ Das bezieilt sich auf einen Brief, den Maupertuis am 13. Januar 1741 aus Berlin an den König gerichtet hatte (Geh. Staatsarchiv), in welchem er ihn um Ur- laub gebeten, sei es nach Frankreich, wenn seine Gegenwart dort nöthig, sei es zu einer wissenschaftlichen Reise nach Island. Aus dem Eingang des Briefs geht hei'vor, dass Maupertuis bereits einen fertigen Plan zur Einrichtung der Akademie (nebst Personen-Bezeichnung) dem Könige vorgelegt hatte. * A. a. 0. p.90. ^ Ahnlich schreibt die Markgrätin von Bayreuth an den König (17, Februar 1741, Qiuvres T. 27, i S.99): "II faut avouer que vous avez merveilleusement bien profite des legons de Maupertuis. felui-ci a arrondi la terre, et vous avez arrondi votre pays". "" Geh. Staatsarchiv, Briefe an Maupertuis. — Auch Euler wurde im Felde nicht vergessen. Nachdem er in Berlin eingeti-ofien war und sich brieflich beim König gemeldet hatte, schrieb dieser (Camp de Reichenbach, 4. September 174 1, Qiluvres T. 20 p. 199): »J'ai ete bien aise d'apprendre que vous etes content de voti'e sort et etablissement present. J'ai donne les ordres necessaires au grand directoh-e pour la pension de seize cents ecus que je vous ai accordee. S'il y a encore (juel- (jue chose dont vous aurez besoin, vous n'avez qu'a attendre mon retour k Berlin«. In einem Briefe, geschrieben in Znaym (i.März 1742, a.a.O.), gestattet der König, dass Euler dem Prinzen von Württemberg Lectionen in der jNIathematik ertheile. "^ Im März 1741 (Geh. Staatsarchiv, Briefwechsel). 17* 2f)0 Gescliiclito der Akademie unter Frikdrich dem Grossen (1740 — 174G). Rufe gern. Bereits in der Schlacht bei Mollwitz aber, am lo. April, Avurde der Gelehrte von den Österreichern gefangen und ausgeplün- dert, dann aber, als man erfuhr, wen man vor sich hatte, mit Zuvorkommenheit behandelt, nach Wien geschickt, der Kaiserin vorgestellt und ehrenvoll entlassen. Maupertuis kehrte zwar nach Berlin zurück, aber nur auf kurze Zeit. Da er nichts zu thun fand, so begab er sich wieder nach Paris, ohne Friedrich die Hoffnung, in seine Dienste zu treten, ganz zu rauben. AT)er zunächst arbei- tete er in Paris für sein Vaterland, stellte wissenschaftliche Unter- suchungen an, die sich auch für das praktische Seewesen als förder- lich erwiesen, und fuhr fort, der vornehmen Welt die Ergel)nisse der astronomiscli- geographischen Wissenschaft in fasslicher Darstel- lung zugänglich zu machen. Er wurde im Jalire 1742 Director der Academie des Sciences, im Jahre 1743 auf Montesquieu's Vorschlag unter die vierzig Unsterblichen aufgenommen und hielt am 2 7. Juni 1743 seine Antrittsrede, in der er die Thätigkeit des Mathematikers mit der des Dichters und Redners verglich \ Sein Ruhm strahlte wie vierzig Jahre früher der LEiBNizens! Die alte Societät führte unterdess ihr stilles Dasein unverändert fort; nur die Alten starben aus. Jablonski verschied am 25. Mai i 741, Frisch am 21. März 1743. Aber man wollte dem Könige doch zeigen, dass nicht alle Lebenskraft erloschen sei. Als Friedrich siegreich aus dem ersten Schlesischen Krieg zurückkehrte, konnte ihm die Societät einen neuen Band ihrer «Miscellanea« widmen und über- reichen. Es ist der letzte, den die alte Societät hat erscheinen lassen, der letzte, der in lateinischer Sprache verfasst ist; die Geschichte der Societas Brandenburgica beschliesst er nicht unwürdig. Er ent- hält fünf Abhandlungen von Euler und ebenso viele von dem Chemi- ker Pott. Durch die schlesischen Eroberungen Friedrich's wuchsen auch die Einnahmen der Societät; denn die reiche Provinz bot ein grosses Absatzgebiet für die Kalender, auf deren Verkauf noch immer der ganze Etat der Societät l)eruhte. Trotz der nie aufhörenden Klagen über die Einschleppung fremder Kalender und den Kalender- Nachdruck — Friedrich hat bereits im Jahre 1741 die Societät in ihren Rechten auf's Neue schützen müssen" — hoben sich ihre Ein- künfte beständig^. Ein neuer Astronom wurde am 2 2. November i 742 ^ Vergi. dttBois-Reymond, INIaupertuis, in den Sitzungsber. 1892 8.393!!'. 412 t'. ■■^ Siehe Geh. Staatsarchiv. Kalendersachen vom Jahre 1741. ^ Wie gross die Zahl der vertriebenen Kalender war, kann man aus einer Rechnung ei'sehen, die im Geheimen Staatsarchiv (Kalendersaclien) erhalten ist. Euler betreibt die Enichtiuig einer neuen Akademie (1743). 2('>1 in der Person von Johann Kies angestellt; Euler hatte ihn empfohlen'. Dagegen wurde die durch Jablonski's Tod erledigte Director-Stellung in der Klasse der deutschen Sprache zunächst nicht wieder besetzt. Der König befahl vielmehr am 4. Juli 1741, dass für das frei ge- wordene Gehalt, das um 100 Thlr. zu vermehren sei, ein recht guter luid geschickter Mechanicus angenommen werde"'. Aber anderer- seits hörten die verhassten Auflagen zu Gunsten der Militärärzte nicht auf — der Krieg Hess an keine Abhülfe denken. Noch am 7. April 1743 verordnete Friedrich, dass einem General -Chirurg »aus den Kalender -Revenuen« ein Gehalt von 300 Thlr. ausgezahlt werde". Ohne Maupertuis wollte der König, der übrigens im Jahre 1743 an Wichtigeres zu denken hatte als an eine Akademie*, die Reor- ganisation der Societät nicht unternehmen, und der Ersehnte war in Paris. Aber Einen gab es, der ungeduldig an die Errichtung einer neuen Akademie erinnerte, das war Euler. Die Reorganisa- tion war ihm bei seiner Berufung aus Petersburg versprochen, ja er war eigentlich gar nicht an die alte Societät berufen worden, sondern an die zu gründende neue. So schrieb er denn, nachdem ein halbes Jahr seit dem Frieden von Breslau verstrichen war und der König keine Ordre erliess, am 19. Januar i 743 einen freimüthigen Brief an diesen"". Durch die Eroberung von Schlesien seien die Revenuen der alten Societät so gestiegen, dass sich jetzt, fast ohne Zuschüsse, eine Akademie der Wissenschaften auf dem Fusse der Peters1)urger oder Pariser einrichten lasse; die Petersburger koste nicht mehr als etwa 12000 Thlr., und, wenn auch die Einnahmen der Societät nicht öffentlich bekannt seien, so werde doch glaubhaft p]in Buchdrucker, Hübner in Frankfurt a/0. empfing im December 1741 3500 Duo- dez-Kalender, 900 in Sedez, 1300 Haushaltungskalender in Quart, 700 historische Kalender, 70 combinirte. 36 Schreib-, 40 Tafel-. 12 Blatt -Kalender, dann noch am 5. Januar 1742 144 Duodez-, 12 astronomische, 48 Sedez-Kalender. INIan sieht auch, wie mannigfaltig die gedruckten Kalender waren. ^ Siehe seinen Brief an von Jariges vom 7. September 1742 im Akademischen Archiv. Euler beklagt hier den tiefen Verfall der Astronomie bei der Societät und macht auf Kies aufmerksam, den man für wenig Geld gewinnen könne (Kies' Be- stallungs- Ordre ebenfalls im Akademischen Archiv). - Ordre im Akademischen Archiv. ^ Noch im Jahre 1748/49 zahlte die Akademie den Medicinern 1950 Thlr. Ge- halt, und die Anatomie kostete ihr ausserdem 450 Thlr. (Bericht von Maupertuis an den König bei Le Sueur. Maupertuis p. 87). '^ Siehe den Brief an d'Argens vom 18. Juni 1743 (CEuvres T. 19 ]). 10). ° Ü']uvres T. 20 p. i99f. 262 llesclüolitc der Akademie unter Friedrich dem Grossen (1740—1746). versichert, dass sie schwerlich weniger als 20000 Thlr. betrügen'. Mit dieser Summe könne man treffliche Gelehrte in ausreichender Zahl gewinnen und so eine Akademie schaffen, die mit jeder an- deren wetteifern werde. Euler hatte den Etat der Societät stark üherschcätzt, und seine Mahnung, die neue Akademie einzurichten, war dem König zur Zeit unbequem. »Ich glaube,« schrieb er ihm mit Spott zurück", »Ihr seid so sehr an die abstracten grossen Zahlen der Algebra gewöhnt, dass Ihr Euch an den elementaren Regeln des Calculs versündiget. Sonst könntet Ihr Euch nicht einbilden, dass der Kalendervertrieb in Schlesien einen so grossen Gewinn abwerfe. « Von der Einrichtung der Akademie schwieg der König. Aber Euler Hess sich nicht ab- weisen. Umgehend erwiderte er dem Monarchen^, seine Vorstellung sei dem lebhaften Wunsche entsprungen , endlich in eine Lage ver- setzt zu werden, die ihm ermögliche, die Dienste zu leisten, um deren willen ihn der König berufen habe. »Ich wollte nur beweisen, dass die Einnahmen der Societät beinahe ausreichen , um eine Akade- mie der Wissenschaften einzurichten, und Dr. Lieberkühn wird besser als ich die Solidität meines Projects erweisen können.« Der König erwiderte auf diese Zeilen nichts mehr, oder viel- mehr er schrieb wohl an Euler^ — es waren in dem Briefwechsel auch andere Fragen berührt worden — , aber die Errichtung der Akademie liess er einfach bei Seite. Die Männer, die eine solche in's Leben rufen konnten , schienen ihm zu fehlen , und er vermochte sie im Moment nicht herbeizurufen. Allein der Gedanke einer neuen Akademie, seit drei Jahren lebendig, liess sich nun nicht mehr zurückhalten, und als der König zögerte, verwirklichte man ihn vorläufig ohne ihn. Verschiedene Umstände wirkten dabei zusammen. 3. Erstlich waren ohne Aufforderung des Königs, aber gelockt durch den Glanz seines Namens und seiner Regierung, Männer »von Welt« ^ Die Ausdrucksweise Euler's zeigt, dass die alte Geheimnisskrämerei der Directoren der Societät in Bezug auf die Finanzen, die ihr schon öfters geschadet hatte, noch fortdauerte. Euler, obgleich JMitglied, ist ohne jede zuverlässige Kunde üher die Einnahmen der Societät! - ffiuvres T. 20 p. 2oof. vom 21. Januar 1743 (Chai-lottenburg). •^ CEuvres T. 20 p. 201 vom 24. Januar 1743. '' (Euvres T. 20 p. 202 vom 29. Januai' 1743. Die »Noiivelle Societe Litteraire«. 2()0 aus dem Ausland nach Berlin gekommen, die sich in ihrer Heimath miterdrückt sahen oder eine bessere Carriere wünschten. Der gütige Jordan war liier häufig der Vermittler. Auch Talente zweiten und dritten Ranges, wenn sie nur die neue französische Bildung besassen, waren ihm willkommen, um auf dem rauhen Felde der Berliner Gesellschaft, wie es Friedrich Wilhelbi I. hinterlassen, einen blü- henden Garten hervorzuzaubern. Der vielgereiste, bewegliche Kauf- mannssohn BiELFELD, der französisch parlirte wie ein Franzose, war schon seit 1739 als Jordan's Freund in Friedrich's Umgebung'. Im Winter i 741/42 kam der Provencale Marquis d'Argens" zusammen mit seiner Protectrice und Freundin, der wnmderlichen Herzogin von Würt- temberg, nach Berlin und blieb daselbst mit dem Titel eines könig- lichen Kammerherrn. Er hatte sich bereits durch seine »Jüdischen Briefe« in der litterarischen Welt als witziger Gegner der Kirche und des Christenthums einen Namen gemacht und wurde nach dem zweiten Schlesischen Krieg dem Könige unentbehrlich, der ihn auch mit allerlei litterarischen Aufträgen im Interesse der Akademie be- traute. Bereits im Sommer 1743 trachtete d'Argens darnach, an Maupertuis' Stelle eine Akademie einzurichten, und schrieb dem Könige in diesem Sinn. Sein Brief ist leider nicht mehr erhalten, wohl aber die Antwort des Königs, die nicht so abweisend ist, wie die Euler gegebene, aber zur Geduld ermahnt^. Bald sollte der Marquis Director in der neuen Akademie werden. Im October 1742 trat Joseph du Fresne de Francheville^ durch Jordan's Vermittelung in den preussischen Staatsdienst, nachdem er sich in Frankreich als national -ökonomischer Schriftsteller und Litterat unmöglich gemacht ' Geb. zu Hamburg am 3i.]März 1717, gest. in Altenburg am 5. April 1770. Eloge von Formey in den Mem. 1770 p. 68 — 74. Seine »Lettres familieres et autres« (2 Bände 1763 Haag) enthalten viele zeitgeschichtlich interessante Notizen. ^ Geb. im Jahre 1704, gest. am 12. (13.) Januar 1771. Eloge von Formey in den Mem. 1771 23.46—52. ^ Qiluvres T. 19 p. 10 vom 18. Juni 1743 (iMagdeburg) : »Je viens de recevoir votre lettre au sujet de l'Academie des savants que vous pensez etablir a Berlin, sur laquelle je vous dirai que, etant actuellement occupe a des affaires serieuses qui demandent toute mon attention, je serais bien aise si a'ous vouliez prendre patience sur la susdite jus(iu*a ce cpie je serai de retour ä Berlin, et que j'aurni assez de loisir pour y penser«. Der König wollte sich die Aufgalie, selbst die Akademie zu begründen, nicht nehmen lassen. * Geb. am 18. September 1704, gest. zu Berlin am 9. ]Mai 1781. Eloge von seinem Sohne in den Mem. 1782 p. 70 — 77. Nach Denina, La Prusse litt. H p. 57, war Francheville dem Weingenuss ergeben. Die Akademie hat er als Dichter diu-ch widerliclie Schmeicheleien, die er dem Könige widmete, und als Historiker durcli lächerlieh unkritische Abliandlun"en blaniirt. 264 Geschichte dei- Akademie unter Fiuedrich dem CJrossen (1740 — 1746). Latte — als Historiker, Philosoph, dilettireiider Naturforscher und Dichter gleich unbedeutend, aber fähig, sich ül)er alle Fragen in Prosa oder Poesie zu äussern und bei Festen französische Oden vor- zutragen. Diese Männer und andere, ihnen ähnliche, dazu einige Gelehrte der Berliner französischen Colonie, die nicht in die alte Societät aufgenommen waren, suchten nach einem Zusammenschluss, der ihnen zugleich ein Ansehen verschaffen sollte. Zweitens hatte Friedrich's Vorbild und Beispiel die Folge gehabt, dass auch in den hohen diplomatischen und militärischen Kreisen Preussens solche Männer in den Vordergrund traten, welche Bildung besassen und litterarischen Interessen huldigten. Sie verachteten die Haudegen Friedrich Wilhelm's I. mit ihren rohen und plumpen Spässen. Julius Caesar, der Feldherr, Staatsmann und Schriftsteller, wurde ihr Ideal, das sie in dem jungen Könige auf's Neue verwirklicht sahen. Ihm und den grossen französischen Aristokraten wollten sie es nach- thun, die auch den Degen und die Feder zu verbinden verstanden, die die Truppen in die Schlacht führten , aber sich im Frieden mit der ho- hen europäischen Politik beschäftigten, die geistige Entwickelung aller Länder verfolgten, sich über die neuen Errungenschaften der Wissen- schaft unterrichteten und an der schönen Litteratur lebendigen Antheil nahmen. Schon während des ersten Schlesischen Krieges hatten diese Militärs zusammen mit den Litteraten , die Friedrich in's Feld gefolgt waren, hin und her zwanglose Versammlungen gehalten. Nun im Frieden erwachte das Bedürfniss mit doppelter Stärke, etwa nach dem Muster des Pariser »Club de l'P^ntresor« in Berlin eine wissenschaftlich -litterarische Gesellschaft zu begrün- den. An der Spitze dieser Aristokraten standen der Staatsminister Kaspar Wilhelm von Borcke", einer der ersten Übersetzer Shake- speare's, und der Generalfeldmarschall Samuel Graf von Schmettau^. Dieser darf zu den merkwürdigsten Männern in der ersten Hälfte des 1 8. Jahrhunderts gezählt werden. Als Preusse geboren, stand er, wie ein alter Landsknecht, bis zum Jahre 1741 erst in däni- schen, dann in niederländischen, ansbachischen, hessischen, kur- sächsischen und kaiserlichen Diensten und brachte es, durch siegreiche Schlachten berühmt, ausgezeichnet im Festungskrieg und als Karto- ^ Siehe Hettner, Französ. Litt, im 18. Jahrhunderts 8.83!'. ^ Er starb schon im März 1747 als Curator der Akademie. Eloge von Mau- pERTiTis in den Mem. 1747 p. 18 — 21. Allg. Deutsche Biographie Bd. 31 S. 644 ff. ^ Geb. am 26. März 1684, gest. zu Berlin am 18. August 1751. Eloge von jNIaupertuis in den INIem. 1750 p. 31— 44. Die Xouvelle yociete Littei'aire (von Schmettau). 2b 5 grapli, zum österreichischen Feld marsch all. In Oesterreich beneidet mid angefeindet, trat er am 12. Juni 1741 in preussische Dienste als Generalfeldzeugmeister inid Grand-Maitre d 'Artillerie und genoss in der ersten Zeit als Militär und als »homme d'esprit« des Königs Vertrauen im höchsten Maasse. Im Jahre 1743/44 war sein Ansehen beim Könige besonders gross. Der Monarch glaubte in dem öster- reichischen Renegaten einen Mann gefunden zu haben, der im Krieg wie im Frieden, auf dem Schlachtfeld, in der Politik, der Wissen- schaft und der höheren Conversation gleich brauchbar und zum Organisator geboren sei. Aber die Zuverlässigkeit (auch die Un- eigennützigkeit?) Schmettau's war nicht über jeden Zweifel er- haben, und im November 1744 erfolgte sein Stürzt Doch das liegt bereits hinter dem Zeitabschnitt, der uns hier beschäftigt. Im Jahre 1743 war Schmettau das anerkannte Haupt der »Societe de Berlin«, und er war entschlossen, diese »Societe« in eine littera- rische Gesellschaft, in eine Akademie, zu verwandeln. Ihm ver- dankt es die Akademie, dass die Frage ihrer Reorganisation wirk- lich in Fluss kam. Drittens, in der Societät selbst war nicht nur Euler mit den veralteten Zuständen unzufrieden, auch einige andere Mitglieder er- warteten sehnlichst eine Änderung, vor allem, um die lästige Be- vormundung durch die Directoren los zu werden; denn noch immer waren die Mitglieder ohne Charge von der Einsicht in die Finanz- verwaltung ausgeschlossen. Die »Arcanisten«, d. h. die Directoren mit dem vSecretar und dem Protector, dem Minister von Viereck, besorgten Alles allein. Der eigentlich Eingeweihte war aber, wie es zu geschehen pllegt, der Subalternbeamte Köhler, der den Ka- lendervertrieb l)esorgte. Nicht mit Unrecht nahm man an, dass er dabei ebenso viel für sich gewann wie für die Societät. Zwi- schen den Klassen war aller Zusammenhang geschwunden; eine jede tagte für sich; nur einmal im Jahr wurde eine Gesammtsitzung ge- halten. Aber auch die Klassensitzungen wurden schlecht besucht; eine anregende Discussion fand überhauj^t nicht statt. Kein Wunder, dass die jüngeren Mitglieder sich nach einer Reorganisation oder nach einer neuen, gehaltvolleren Verbindung sehnten. Da traten von Borcke und von Schmettau im Juli 1743 zusam- men, um eine »Societe Litteraire« als dauernde Fortsetzung der zwanglosen A^ereinigungen zu gründen , deren man sich während ^ Koser, König Friedrich der Grosse S.240. 206 Geschichte der Akndemie unter Friedrich dem Grossen (1740—1746). des Schlesischen Feldzugs in Breslau erfreut hatte \ Die Gesell- schaft sollte abwechselnd in ihren Hotels tagen. Sie beauftragten Jordan und Bielfeld , Mitglieder zu werben , d'Argens interessirte sich lebhaft für die Gründung, und überraschend schnell konnte die neue Gesellschaft etablirt werden — ein Beweis, welches An- sehen SciiiMETTAU genoss. Sechzehn Membres honoraires wurden in wenigen Wochen aufgenommen' und zwanzig ordentliche Mit- glieder, von denen nicht weniger als zehn der alten Societät an- gehörten^. Mit einem Schlage war erreicht, was damals die Vor- aussetzung für die Autorität, den Glanz und das Gedeihen einer Akademie schien, die Mischung aller Elemente, die, sei es durch Stand und Erziehung, sei es durch Wissenschaft und Gelehrsamkeit, oder durch feine litterarische Bildung, etwas zur gegenseitigen Be- lehrung und Unterhaltung beizutragen vermochten. Diplomaten, Generale, Historiker, Naturforscher, Mathematiker, Journalisten und Litteraten reichten sich die Hand, und da vertraute Freunde des Königs Mitglieder geworden waren, so durfte man der Huld und Gnade des Monarchen sicher sein. Neben Schmettau w^aren es vor allem die Franzosen bez. Hugenotten d'Argens, Francheville, For- met, Jordan und Pelloutier, die sich der neuen Akademie freuten und den französischen Geist auf sie übertrugen. Sich des Deutschen und der deutschen Bildung zu erinnern, kam Niemandem in den Sinn , auch nicht dem kosmopolitischen Schweizer Euler. Am I.August 1743 wurde die erste Sitzung gehalten und der Vorstand gewählt. d'Argens, Sack und von Jariges wurden beauf- tragt, die Statuten zu entwerfen. Der Letztere — er war zugleich secretarius perpetuus der alten Societät — hat sie abgefasst. Sie wurden in der zweiten Sitzung am S.August geprüft und angenom- men \ d'Argens hielt eine Rede über »den Nutzen der litterarischen ^ Siehe Bielfeld, Lettres familieres et autres T.II p. 136 ff. und die Briefe, die voi'hergehen. ^ Ausser von Schmettau und von Borcke der Grossmarscliall Graf von Got- ter, die drei Minister von Viereck, Graf von Podewils und Graf von Mi'nchow, der Generalmajor von Goltz, von Pölnitz, von Keyserlingk , von Swerts (er leitete die Schauspiele), Vockerodt, von Knobelsdorff, Graf von Finckenstein, der Ge- neral-Adjutant VON Borcke, der Oberst Stille und Duhan de Jaudun. ^ Euler, Pott, Lieberkühn, Marggraf, Ludolff, Naude, Kies, Eller, VON Jariges, Gleditsch • (diese gehörten auch der alten Societät an), d'Argens, Achaed sen. et jun.. Formet, Pelloutier, Humbert, Jordan, Bielfeld, Franche- ville, Sack. ■* Bielfeld a. a. O. erzälilt, dass er sie dann redigii't liabe und zum Protokoll- führer und Secretar gewälilt worden sei. Die Nouvelle Societe Litteraire. 26 < Gesellscliaften«, und Francheville recitirte eine schwülstige Ode auf »die Errichtung der Berliner Societät^^. Die Statuten", die denen der Pariser Akademie, zum Theil auch denen der alten Societät, nachgebildet sind, legen auf die freie, demo- kratischeVerfassung der Societät grosses Gewicht, schliessen alles bloss Unterhaltende aus dem Kreise der Aufgaben aus, ziehen aber Philo- sophie — sie steht voran — , Mathematik, Naturgeschichte, Ge- schichte, Litteratur und Kritik hinein. Der Director (aus der Zahl der Ehrenmitglieder) und der A^ice- Director (aus der Zahl der ordent- lichen Mitglieder) sollen jedes halbe Jahr neu gewählt werden: der erste Director war von Schmettau. Sitzungen sollen jeden Donnerstag — an diesem Tage waren auch die Sitzungen der alten Societät, die man auf diese Weise umzubringen gedachte — von 4 bis 6 Uhr gehalten werden; die ordentlichen Mitglieder waren zum regelmässi- gen Erscheinen und zu jährlichen Vorträgen verptlichtet. Die So- cietät sollte Sitzungsberichte herausgeben; aber nur solche Abhand- lungen, die von der Mehrzahl genehmigt waren, durften dem Druck übergeben werden. Als Sprache war das Französische in's Auge gefasst; auch die Statuten waren französisch redigirt. Doch war das Deutsche nicht ausgeschlossen. Kein Zweifel, dass man mit Ernst an das neue Unternehmen gegangen ist. Wir besitzen einen Auszug aus den Protokollen der 21 Sitzungen, welche die junge Akademie vom i, August 1743 bis zum 16. Januar 1744 — also ziemlich regelmässig — gehalten hat^, und erkennen aus ihnen , dass man nicht Allotria trieb. Euler hat über mechanische Probleme gesprochen und astronomische Mitthei- lungen gemacht; Lieberkühn trug seine Entdeckungen über die »par- ties plus subtiles dans les intestins« am 14. November vor; Pott sprach über »die chemische Untersuchung der gemeinen Steine und Erden«; Francheville kündigte eine Geschichte der Künste an; der schnellfertige Formey entwarf einen Plan für ein philosophisches Wörterbuch; Marggraf trug über Metall -Lösungen vor; d'Argens sprach über den Pyrrhonismus in der Behandlung der Geschichte bei dem Jesuiten Hardouin; Jordan las eine Abhandlung über das Leben Herodot's. Das Protokoll bemerkt, dass in der Sitzung vom ^ Rede und Ode sind abgedruckt in Formey's Hist. de TAcad. Royale (1752) p. 73ft". 78 ff. Bartholmess in seiner Geschichte der Akademie (Ip. i54f.) hat sie irrtliünilich auf die Eröffnungsfeier der neuen Akademie im Jahre 1744 verh'gt. - Siehe Urkundenband Nr. 149. ^ Abgedruckt im Urkundenband Nr. 150. 2()8 Ge.scliiclite der Akademie unter Fi{ii:uKirii dein Grossen (1740— 174()). S.October, als Eller physikalische Experimente zeigte, Mr. Voltaire anwesend gewesen sei. Auf Einladung Friedrich's war er im Herbst 1743 zum zweiten Mal auf einige Wochen nach Berlin gekommen^; aber er konnte nicht l)leiben und das Scepter der Akademie in die Hand nehmen, denn offenkundig war er damals als französischer Geschäftsträger in Berlin. Immerhin erhielt die Societät durch seine Gegenwart in den Augen der »Welt« die Weihe, und der König, der in jenen Monaten keine Zeit hatte, eine Akademie zu gründen, liess sich die neue Schöpfung Schmettau's, Jordan's und d'Argens', die ohne sein Zuthun, aber nicht wider seinen Willen, entstanden war, gefallen, räumte ihr ein Appartement im Schloss ein und er- klärte, wenn wir Bielfeld Glauben schenken dürfen", das Protec- torat der neuen Gesellschaft übernehmen zu wollen. Die Betheiligten sahen in der «Nouvelle Societe litteraire« die neue Akademie, die Friedrich verheissen hatte. Demgemäss schrieb Euler an den König und bat ihn, jetzt sein Versprechen zu er- füllen und ihm die Übersiedelungskosten (von Petersburg) zu er- statten. Bisher habe er an das Versprechen nicht erinnert, weil er dem Könige noch keine Dienste habe leisten können, nun aber sei die Societe litteraire eingerichtet, und er werde alle seine Kräfte für sie einsetzen. »Cette Societe se trouve, a mon avis , dejä sur un si bon pied, qu'il ne manque plus qu'un bon mathematicien avec un habile astronome pour la rendre aussi et peut-etre plus parfaite que celle de Paris. « Er empfiehlt D. Bernoulli in Basel und Heinsius in Petersburg". Man sieht, an die alte Societät wurde überhaupt nicht mehr gedacht. Schmettau Lind Euler wünschten augenscheinlich, sie sollte still verlöschen. Allein hatte sie nicht noch in eben diesem Jahre einen Band Miscellanea herausgegeben? Stand nicht ein Staats- minister als Protector an ihrer Spitze? Bewahrte sie nicht eine glänzende Erinnerung an ihren ersten Chef, an Leibniz? Und — das war nicht das Geringste — besass sie nicht aus dem Kalender- privileg reiche Einkünfte, während die »Nouvelle Societe Litteraire de Berlin« über keinen Groschen verfügte? So einfach war es doch nicht, die Schöpfung Friedrich"s I. und Leibnizcus zu beseitigen! ^ Koser, a.a.O. 8.218. ^ Die Acten enthalten nichts davon. ^ CEuvres T. 20 p. 202 f. vom 19. Octoher 1743. Vereinigung der alten Societät mit der Societe Litteraire (1743/44). 2G9 Am 2. November 1 743 unterbreitete der Minister von Viereck dem Könige, der bereits unter dem 2 9.0ctober eine Untersuchung der Fonds und der ganzen Verwaltung der alten Societät verlangt hatte, einen Bericht. Er erinnert in demselben zuerst an seine frühere Eingabe vom 9. Juni 1740 (s. oben S. 249 und Urk. Nr. 145). Sodann bemerkt er, dass Frisch, der Director der historisch -philo- logischen Klasse, gestorben und einstimmig der Director des Joachims- thalschen Gymnasiums Heinius zu seinem Nachfolger gewählt worden sei. In der mathematischen Klasse stehe es so, dass der nun 95 Jahre alte , treffliche Director des Vignoles gebeten habe , ihm einen Director zu adjungiren ; Euler sei von der mathematischen Klasse in Vorschlag gebracht; der Minister bittet, der König möge diese Wahlen bestätigen. Der König legte diesen Brief Scidiettau vor. Dieser äusserte sich in einem Bericht an den König vom 9. November. Es geht aus ihm hervor, dass der Feldmarschall schon früher dem Mon- archen vorgestellt hatte, es müsse durch zweckmässige Verbindung der alten Societät mit der litterarischen eine ganz neue Societät, (1. h. eine würdige Akademie, geschaffen werden. Der König hatte geantwortet, dass er glücklich sei, Schmettau an der Spitze der neuen Akademie zu sehen, und sich freue, dass er bereits an die Befestigung derselben durch Vereinigung mit der alten Societät denke. Jetzt, schreibt Schmettau, sei der Moment gekommen: denn Euler habe erklärt, er werde die Direction der ma- thematischen Klasse nicht übernehmen, w^enn nicht beide Societäten mit einander vereinigt würden. Demgemäss unter- breitet VON ScHJiETTAu — gcwiss im Einvernehmen mit Euler (wahr- scheinlich auch mit Jordan und d'Argens) — dem Könige folgende Vorschläge: i) De nommer une coinmission, composee de deux ministres parmi lesquels M. de Viereck [der Protector der alten Societät] de- vait necessairement etre, de trois des premiers honoraires de la nouvelle Societe, comme aussi de deux membres de l'Academie ancienne et de deux de la nouvelle, et de donner les ordres, que 2) Cette commission examine exactement tous les revenus de l'iVcademie, leurs emoluments, privileges et pensions accordees, ^ Die folgende Darstellung fusst fast ausscliliesslicli auf dem innfangreichen Actenfascikel des Akademischen Archivs, betreffend die Neugründung der Akademie in den Jaln-en 1743 — 1746. 2/0 (i(\sclii('litc der Ak;ulciiiic unter Frikürich dein (irossen (1740 — 174()). 3) La irieme coinmission formerait im nouveau plan dAcado- iiiie, siir (juel pied les deux Academies pourraient etre reunies. Ce plan devrait etre presente a Votre Majeste ponr (pi'Ellle decide du tout, mais le plus sur moyen ä faire reussir la nouvelle Acadeniie serait, 4) Si Votre Majeste voudrait Tlionorer de ses gräces particu- lieres, en Se nommant Son Chef, parce que ce serait le moyen de donner a TAcademie un lustre infini, et aux membres qui la com- poseront une emulation, au lieu que ci-devant, lorsqu'on y a mis des gens ridicules, cela a discredite chez les Etrangers l'Academie et Inen loin d'encourager les membres savants les a entierement al)attus. Der König handelte nach dieser Eingabe. Am 13. November theilte er Schmettau mit, dass er in die Verbindung der alten und der neuen Societät willige und nach Schmettau's Vorschlag eine Ordre an die Minister von Viereck, von Marschall und von Arnim gerichtet habe, welche die Untersuchung der ganzen Verwaltung der alten Societät und die Einsetzung einer Commission zur Begrün- dung einer neuen Akademie aus den beiden Gesellschaften anbe- fehle. Diese Ordre erging ebenfalls am 13. November. Statt zweier Minister, wie Schmettau vorgeschlagen, ernannte der König drei in die Commission , so dass sie aus i o Mitgliedern bestand ; dass er selbst das Protectorat der neuen Schöpfung übernehmen wolle, stellt er bereits in Aussicht. An demselben Tage endlich schrieb der König an von Viereck, seine Eingabe vom 2. November sei wohl- T)egründet, sie solle aber zusammen mit der Neuordnung der Ver- hältnisse in der niedergesetzten Commission ihre Erledigung findend Damit war die Vereinigung der beiden Societäten be- schlossen, aber über den Modus war nichts angegeben. Hier inussten Kämpfe entstehen. Die Minister, vor allem von Viereck, und der Secretar von Jariges waren für möglichste Schonung der alten Societät und wünschten deshalb eine einfache, glatte Combi- nation der l)eiden Societäten bez. die Aufnahme sämmtlicher Mit- glieder der neuen litterarischen Societät in die alte; einige Reformen sollten dann folgen. Dagegen verlangten von Schmettau, Euler und ihre Freunde die Aufhebung der alten Societät und eine ganz neue Akademie, die durch Auswahl aus der Zahl der bisherigen Mitglieder beider Societäten geschaffen werden solle (in Wahrheit hätte die »Auswahl« nur die Mitglieder der alten Societät betroffen), ^ Siehe die drei Actenstücke im Urkundenband Nr. 151— 153. Vereinigung- der alten Societät mit der .Societe Litteraire (1743/44). '2 i 1 dazu neue Statuten. Wie liocli Schmettau damals beim Könige an- gesehen war, gellt daraus hervor, dass er sich bereits am i2.No- veml)er — also noch bevor die Königliche Ordre zur Vereinigung der Societäten erschienen war — vom Minister von Viereck die Ur- kunde über die Fundation der alten Societät erbat; er war also schon im Voraus seiner Sache sicher. Der Minister übersandte ihm das einzige Exemplar, d. h. das Original. Es wird heute im Akademi- schen Archiv vermisst; hat es Schmettau nicht zurückgeschickt? Die Minister betrauten den Geheimrath Durham und den Kriegs- rath Bastinelles (Bastinet) mit der Untersuchung der Finanzen der alten Societät und forderten am 17. November beide Societäten auf, die Commissionsmitglieder — am 22. November sollte die erste Sitzung stattfinden — zu erwählen. Um aber die Entwicklung der Angelegenheit möglichst in ihrer Hand zu behalten, schlugen sie den beiden Societäten zugleich die Männer vor, die sie gewählt zu sehen wünschten, der neuen Societät den General -Major von der Goltz, den Geheimen Rath Vockerodt und den Grafen von Fincken- stein (aus der Zahl der Membres honoraires) und Jordan und Biel- feld (aus der Zahl der ordentlichen Mitglieder der litterarischen So- cietät), der alten den Hofrath Eller und den Secretar von Jariges. Sie suchten also im Voraus von Schmettau aus der Commission aus- zuschliessen. Allein die neue Societät Hess sich nichts vorschreil)en. Zwar Jordan und Bielfeld wählte sie, aber aus der Zahl der Membres honoraires ernannte sie von Podewils', K.W. von Borcke und von Schmettau. Die Minister, mit diesen Wahlen unzufrieden, thaten nun einen Schritt, der Schjiettau mit Recht erzürnen musste. Um den König für ihre conservativen Absichten in Bezug auf den Modus der A"er- einigung der 1 )eiden Societäten zu gewinnen , übergaben sie am 2 i . No- vember, d. h. am Tage vor der ersten Sitzung der Commission, dem Könige ein Pro Memoria, welches sie allerdings als ein vorläufiges bezeichneten. Auf's Wärmste traten sie für die alte Societät ein ; sie riethen davon ab, sie aufzuheben; man solle sie vielmehr ver- bessern, vermehren und ihren Glanz erhöhen; ihre Statuten und Ordnungen seien beizubehalten; denn sie seien nach dem Muster der anderen Akademieen gearbeitet und gut, auch gehörten viele auswärtige berühmte Männer zu ihr. Sie erklären , dass auch die ^ Vergl. über ilni den Artikel von Koser in der AUg. Deutschen Biographie Bd. 26 S. 344 ff. 272 (icsclüclite der AkfulcMnic unter Friedrich dem Grossen (1740—1746). neue litterarische Societät ihre Statuten nach denen der alten ent- worfen liabe; diese sei nur «zeither nicht mit der Gegenwart so vieler vornehmer Männer beehrt worden«. Sie schlagen demgemäss vor, (i) sämmtliche Membra honoraria der neuen litterarischen So- cietät in die alte als Ehrenmitglieder aufzunehmen, (2) da A^on den ordentlichen Mitgliedern der neuen Societät nur etwa acht nicht in der alten seien, so wären diese in die alte aufzunehmen und in die Klassen zu vertheilen, (3) die so vermehrte Societät könne dann über die nöthigen Ver- besserungen im Einzelnen l)erathen, (4) die Versammlungen sollen zur A'ermehrung des Lustre in einem Zimmer des Schlosses in Gegenwart der Ehreimiit- glieder gehalten werden, (5) wenn der König diese Grundsätze billige, würden sie sie als Eichtsclmur der Commission mittheilen. Weiter bemerken sie, dass die Societät seit Jablonski\s Tod keinen Präsidenten mehr besitze; bei Aufstellung des Etats sei da- her des Königs allerhöchste Intention zu wissen nöthig, »ob ein berühmter Mann aus fremden Landen dazu vorgeschlagen und berufen werden solle, welchenfalls man wohl auf eine zulängliche Besoldung den Vorschlag wird machen müssen«. .Schliesslich zeigen sie dem Könige die Namen der gewählten Commission smitglieder an und er- bitten sich das Recht, von sich aus noch den einen oder anderen hinzuziehen zu dürfen. Die Vorschläge der Minister waren wohlerwogen und unter den gegebenen Verhältnissen die besten — warum sollte man die alte Societät aufheben, auch wenn sie einige wenig taugliche Mitglieder besass? Allein die Art, wie die Königlichen Räthe vorgingen, war nicht richtig und entsprach auch nicht der Willensmeinung ihres Herrn. Er hatte befohlen, dass die Commission den Modus der Ver- einigung der beiden Societäten ausfindig machen sollte ; die Minister griffen vor. Stimmte der König ihnen bei, so war die Commission überflüssig; denn alle Directiven für den Modus der Verbindung waren bereits gegeben. Auch die Bitte, die Commission von sich aus durch Hinzuziehung neuer Mitglieder verstärken zu dürfen , kam einem Gewaltstreich gleich. Die Minister fürchteten, dass nach dem Ausfall der Wahlen in der Commission Fünf gegen Fünf stehen würden , und w^ollten sich daher im Voraus die Majorität sichern. Bereits wurde von den Mitgliedern beider Societäten die Frage der Vereinigung und die Aufstellung eines neuen Statuts auf's Lebhafteste verhandelt. Vereinigung der alten Societät mit der Societe Litteraire (1743/44). 2/3 So sclirieb BiELFELD am 2 1 . November, sich beklagend, dass Elsner alle pliilosopliisclien Untersucliungen aus dem Kreise der Aufgaben der neuen Akademie auszusch Hessen anratlie\ »Si au contraire mon avis peut etre de quelque consideration, j'en proscrirai une infinite de pedanteries philologiques , par lesquelles on a täclie de briller dans l'ancienne Societe [das geht direct gegen Elsner]. L'erudition grammairienne serait a mes yeux fort peu de chose en comparaison d'une bonne et solide logique.« Es war der Gegensatz der alten und der neuen Zeit. Am 22. November hielt die Commission ihre erste Sitzung ab. Da die Minister vom Könige noch keinen Bescheid auf ihre Eingabe erhalten hatten, so Hessen sie es zu sachlichen Verhandlungen nicht kommen. Was aber that der König? Er sandte den Bericht der Minister an von Schmettau und forderte ihn zur Äusserung auf". So war in loyalster Weise die Freiheit der Commissionsberathung wiederhergestellt. Schmettau war verletzt, weil die Minister den Versuch gemacht hatten , vorzugreifen ; er war ausserdem mit den von ihnen gemachten Vorschlägen höchst unzufrieden. In zwei Eingaben vom 26. November (einer französischen und einer deutschen, die letztere war wohl für die Commission bestimmt) kritisirte er sie scharf. Es sei unmöglich, wie die Minister wollen , die alte Societät einfach zu conserviren ; denn in ihr befinde sich eine »grande quantite de gens qui n'ont ni litterature ni merite distingue, pour etre admis dans une Societe dont V.M. meme veut bien prendre le titre de Chef« ; dieser Meinung sei die ganze neue Societät^. Namens eben dieser Societät legt er einen Plan bei über die Gestaltung der zu gründenden Akademie (auch die Mitglieder werden bereits von ihm aufgeführt). Die alte Societät, führt er aus, stand unter ganz anderen Anspielen : sie war fast ein CoUegium de propaganda fide [das ist eine sehr starke Übertreibung ^ Akademisches Archiv; Adressat nicht sicher zu ermitteln, wahrscheinlich VOX SCH3IETTAU. ^ Siehe Urkundenband Nr. 154. ^ Hiernach lässt sich leicht feststellen, welche ^Mitglieder der alten Societät auf der Proscriptionsliste standen. Nicht zur neuen Societät gehörten unter den ]Mitgliedern der alten die Mediciner Buddeus, CARrrA. Gkiscuau. Horch, Kirstetiek, LuDOLFFsen., Schaarschmidt, Sprögel, ferner Wac^xer, Herixg, Küster, Elsner, Heinius, Stubenrauch, dazu der emeritirte des Vignoles, der nicht mehr in Be- tracht kam (er starb als der Nestor der europäischen Gelehrten am 24. Juli 1744; sein Eloge imd ein Katalog seiner sämmtlichen Publicationen in den ]Mem. 1745 p. III ff.). Geschichte der Akademie. I. 18 "274 (icscliiclite der Akademie unter Friedrich dem Grossen (1740— 174G). oder vielinelir eine Unwahrheit], »worunter eine theologische Prä- potentz mag verborgen gelegen haben«. Sie hat so »algecta membra« besessen wie den Astralicus Gundling [nicht Gundling war «astra- licus«, sondern Graben von Stein], und in Folge dessen wollen Aus- länder wie Barbeyrac ihre Mitgliedschaft nicht mehr auf ihre Bücher- titel schreiben. Auch ist es des Königs Wille, nicht die neue Societät der alten einzuverleiben, sondern durch Auswahl etwas Neues zu schaffen. Am 29. Noveml^er trat die Commission zum zweiten Male zu- sammen. Sofort drehte sich der Streit um die Frage, was die In- tention des Königs sei, ob er die alte Societät restauriren oder mit Aufhebung derselben etwas Neues stiften wolle. Beide Eingaben, die der Minister und Schbiettau's, lagen noch unbeantwortet in seinem Cabinet. Man beschloss, den König direct zu befragen; unterdess sollten die Vertrauensmänner beider Parteien , Bielfeld und von Ja- RiGES, den Versuch machen, einen Plan »conjunctim zu concertiren«. Bereits am nächsten Tage traf die Antwort des Königs in Form einer Ordre an die Minister eui\ Sie erklärte »die Retlexiones des Grafen von Schmettau für nicht ungegründet«. Der König trat also auf die Seite von Schmettaü's und befahl den Ministern , sich auf der Basis der Vorschläge des Feldmarschalls mit diesem zu verständigen , mit ihm einen Plan auszuarbeiten und ihn der Commission vorzulegen. Schmettau hatte gesiegt; aber er sollte sich seines Sieges nicht vollkommen freuen. Die Minister hielten zäh an ihrer Ansicht fest, und da man es dabei beliess, dass Bielfeld und von Jariges den Plan im Detail ausarbeiteten, so hatten sie einen grossen Vortheil; denn Bielfeld war nicht sachkundig, dazu leichtfertig, von Jariges aber, der auf Seite der Minister stand, w^ar als Secretar der alten Societät in alle Verhältnisse eingeweiht und ein kluger Mann, Er hat denn auch, wie die Acten ergeben, den Plan der »Verbindung« fast allein liearbeitet, freilieh auch von dem Misstrauen der littera- rischen Societät, der er doch selbst angehörte, zu leiden gehabt. Zu statten kam es ihm, dass das Gutachten, welches Durham und Bastinelles (s. oben) am 30. November über das Kalenderwesen und den Fonds der »Societät abgaben, im Wesentlichen günstig für die alte Societät war, wenn sie auch nicht verhehlen konnten, dass Köhler, der Rendant, auch in seine eigene Tasche gearbeitet ' Siehe Urkundenbnnd Nr. 155. Vereinigung der alten Societät mit der Societe Litteraire (1743/44). 2V5 habe : in den Rechnungen herrsche eine schöne Ordnung und Richtig- keit; auch hahe der Kassirer Köhler verschiedene gute Vorschläge nacJi den Actis gethan, «wek-he aber doch grösstentheils seinen Eigennutz zum Grunde gehabt haben , den er so weit extendiret , dass die Societät und das Pubhcum dabei gehtten«. Die Revisoren hatten das bisherige Kalenderwesen der Societät sehr eingehend kritisirt und machten viele neue Vorschläge. Man erfahrt, dass neun ver- schiedene Kalender unter eigener Administration der Societät standen und dass vier an Köhler für 1676 Thlr. verpachtet waren. Ausser- dem zahlten die Juden für iliren Kalender eine Pauschalsumme von 400 Thlrn. an die Societät. Die Revisoren schlugen vor, dass künftig alle Kalender von der Societät selbst administrirt und den Steuer- räthen zum Debit durch die Accisekasse zugesandt werden sollen. Sie glaubten, »dass die Steuer- und Accisebedienten solches gegen 5 Procent gern übernehmen werden« ; auch werde so die Einfuhr fremder Kalender desto eher verhindert. P]ndlich bemerken sie, Köhler solle nicht weiter betheiligt bleiben. Die Minister hatten sich pro forma mit Schmettau nach Befehl des Königs verständigt. In der Sitzung der Commission vom 6.De- cember wurde bereits der Entwurf von Jariges' und Bielfeld's vor- gelesen und im Einzelnen durchgegangen. Es war dabei noch Ver- schiedenes zu erinnern. Man beschloss, den modificirten Plan ab- schreiben und bei den Commissions- Mitgliedern circuliren zu lassen; die dann sich ergebenden Monita sollten in der nächsten Sitzung überlegt werden. Dieser erste, in Wahrheit von Jariges allein ausgearbeitete Ent- wurf kam Schmettau doch ziemlich weit entgegen. Die Hauptvor- schläge waren folgende: Die beiden philologischen Klassen der alten Societät sollen in eine zusammengezogen imd neben ihr eine neue philosophische Klasse gegründet werden, in die die »Physik« aufzunehmen sei; diese soll also von der Medicin getrennt werden, welche eine besondere Klasse zu bilden habe. Die vier Klassen wären also: Mathematik, Medicin, Philosophie (incl. Physik), Philologie (incl. Belles-Lettres ; ausserdem war die deutsche Sprache und Geschichte noch immer als Gegen- stand der besonderen Pflege der Akademie genannt). Jede Klasse solle eine feste Anzahl von Stellen besitzen, die nicht überscliritten werden dürfe , entweder fünf oder sechs. Die Klassensitzungen fallen fort, es sollen sich vielmehr jeden Donnerstag alle Mitglieder (auf dem Schloss) versammeln. Abwechselnd nach den Klassen soll eine Ab- 18* 276 Geschichte der Akndcinip luitor Friedrich dem Grossen (1740—1746). liandlimg verlesen werden ; das Erscheinen ist für diejenigen Akade- miker, zu deren Klasse der Vortragende gehört, obligatorisch. Die Vortragenden sollen schon einige Wochen vorher bestimmt werden und ver2:)flichtet sein, vor dem Vortrage ihre Abhandlung der Klasse zu communiciren , damit diese Zeit habe, die Materie zu untersuchen. Briefe der neuen Societät sollen portofrei sein, auch an sie adressirte Schreiben, "da die Kais. Akademie in Petersburg solche Freiheit geniesset«. Grosse Herren sollen sich gefallen lassen, der Societät als membra honoraria beizutreten'; einige von ihnen sollen als Curatores die Einnahmen und Ausgaben überwachen, weil so alle Hindernisse aus dem Weg geräumt würden. Diese »grossen Herrn« könnten sich auch bei der Administration in die Klassen theilen und in dem Präsidium abwechseln. Ausserdem sollen bei jeder Klasse Directores ordinarii eingesetzt werden für die laufenden An- gelegenheiten; sie könnten zugleich mit den Herrn Curatoribus die Administration der Oekonomie führen. Auch wird für jede Klasse ein besonderer Secretar in Aussicht genommen. Monatlich sollen die Curatoren, Directoren und Secretare Sitzungen halten und wich- tigere Sachen alsdann der grossen Versammlung vortragen. »Diese monatliche Versammlung würde also mit dem Concilio der alten Societät übereinkommen.« Auch die Zahl der auswärtigen Mit- glieder soll fest bestimmt werden, damit nicht Wahlen geschehen, die nicht zur Ehre gereichen: nur 24 Auswärtige, sechs für jede Klasse, von den berühmtesten Leuten werden in Aussicht genommen. Bei Vacanzen soll jede Klasse dem Concilio zwei bis drei Personen vorschlagen; dieses stellt den Erwählten immediate dem Könige zur Bestätigung vor, »wie in Paris zu geschehen pflegt«. Jährlich soll ein Volumen aus den besten vorgetragenen Stücken gebildet und publicirt werden — in welcher Sprache, das lässt der Entwurf noch offen. Aber nun der difficilste Punkt: wie soll es mit den bisherigen Mitgliedern der beiden Societäten gehalten werden? Die beiden Societäten zählten zusammen 34 Mitglieder, aber nur 24 Stellen waren für die neue Akademie in's Auge gefasst! Hier macht der ^ Auch Leibniz hat seiner Zeit darauf hohes Gewicht gelegt (s. seinen Brief- wechsel mit J. Th. Jablonski i. d. Abh. d. K. Preuss. Akad. d. Wiss. 1897, Nr. 10 V. 24. März 1701), aber das Gewünschte nicht erreicht, weil der König Friedrich I. ihn in dieser Hinsicht nicht unterstützte. Unter den damaligen socialen ^^erhältnissen war eine Akademie, mochte sie auch die berühmtesten Gelehrten umfassen, ohne Eintliiss und Ansehen, wenn die Hofgesellschaft ihr fern blieb. Vereinigung der alten Societät mit der Societe Litteraire (1743/44). 2/V Entwurf Scidiettau die grosse Concessioii, niclit sämmtliche Mit- glieder der alten Societät in die neue Akademie überzuführen, aber er hält sich doch vorsichtig \ «Die habilsten Mitglieder aus l)eiden Societäten sind für die neue Akademie auszuwählen; solches kann aber nur der König selbst thun auf Vorschlag der Curatores. « In der Folgezeit soll sich jede Klasse bei Vacanzen nach tüchtigen Leuten umsehen und solche den Curatoren vor- stellen ; diese sollen dann unter der Autorität des Königs die Wahl vollziehen. Dieser Entwurf circulirte bei den Mitgliedern der Commission. Das akademische Archiv enthält mehrere, leider nicht unterzeichnete Gutachten (nicht nur von den Mitgliedern der Commission); sie gehen sämmtlich weiter als der Entwurf, erklären ihn für zu con- servativ und fordern Aufhebung der alten Societät. In dem einen Gutachten lieisst es: »Die hiesige Societät der ^A'issenschaften ist seit ihrer Einrichtung nicht nur nicht weiter in die Höhe gekommen, sondern hat noch dazu abgenommen. Die Ursachen davon sind: i. die Geringhaltung der Societät bei der vorigen Regierung, 2. die wenigen Revenuen, 3. die üble Admini- stration der Revenuen, indem man theils nicht gesucht hat, die Fonds zu vermehren, theils das wirklich Eingekommene nicht wohl ausgetheilet hat, 4. die wenige Capacität der jetzigen Membrorum, welches des Herrn von Viekeck Exc. in einem Schreiben an den König vom Jahre 1740 selbst anführen, 5. die Arcanisten, da ge- wisse Membra der Societät dominirten und durch das harte Tracta- ment die übrigen Membra leidig machten. Seitdem des jetzigen Königs Maj. die Regierung angetreten haben, ist nicht mehr als das erste Hinderniss abgegangen ; nun solle auch den übrigen ge- holfen werden. Ad 2., es scheint, dass die Revenuen nur aus dem Kalenderwesen, welche bis dato auf lOOOoThlr. höchstens gekom- men , sehr leicht auf 1 3 bis 1 4000 Thlr. gebracht werden und mit- hin eine Summe von 15000 Thlr. ungefähr erzielet werden könne. Ad 3., die Fonds können vermehrt werden, i. durch eine Instru- menten-Manufactur, 2. w^enn die Societät die Intelligenz -Blätter ' Aussei'dem hatte Jariges durch Beibehaltung sämmtlicher Klassen der alten vSocietät (auch der medicinischen und der deutschen, die in der philologischen untergebracht ist) dafür gesorgt, dass man nicht leicht Mitglieder ausweisen konnte. Er rechnete wohl darauf, dass der König unter solchen Umständen doch nlle INIit- glieder in die neue Akademie überführen, imd dass die Herabsetzung der Zahl der jMitgiieder auf 24 erst allmählich eintreten werde. 278 Geschichte der Akademie unter Friedrich dem Grossen (1740— 174()). wieder bekommt \ 3. wenn ihr das Collegium med. - cliiriirgiciim ab- genommen wird. Die Revenuen können wohl ausgetheilet werden, wenn Niemand als wirklich in nützlichen Dingen arbeitende Per- sonen besoldet werden. Ad. 4. Da des Königs Maj. selbst Chef der künftigen neuen Akademie sein wollen, so können nur capable Leute darin aufgenommen werden, und wenn man die Sache recht besiehet, so dürften die zwei Departements vor der Mathematik und der Physik vor das erste die zwei einzige sein, deren die beste Membra gute Besoldung nöthig haben. Die Classis medica, soweit sie nicht unter die Physica mitbegriffen, gehört nicht in die Aka- demie; dass sie aber in den Plan von Jaeiges gesetzt worden, ist XJrsach, weil man immer die Akademie mit einem ganzen Haufen von Medicis chargiren will. Aus der alten Societät sind die zwei einzige Membra Wagner und Grischau, welche man in Ansehung ihres Alters bei der neuen Einrichtung zu bedenken hätte, ausser dem, dass sie sonst keine Besoldung haben. Die übrigen, als Bud- DEus, Elsner, Heinius, Sprögel, ScHAARScimmT etc. sind Leute, die ihre Besoldung anderswoher haben und der Societät wenig Ehre machen können. Wenn nun viele unnöthige Personen von der neuen Societät und Partieipirung der Besoldung ausgeschlossen werden, so wird sich zeigen, dass vor die übrigen geschickte Leute con- venable Gages können bestimmt werden. Ad 5., dem Arcanisten- Wesen kann gesteuert werden, i. Avenn das Directorium jedes De- partements alle halbe Jahr sich ändert, 2. wenn die Verwaltung der Oeconomie jemand anders als Jariges — er also galt als der »Hauptarcanist« — gegeben wird«. »Dass Köhler ein unnützes Membrum sei, ist ohne diess klar.« Wie kräftig, aber auch wie pietätslos wird hier der neue Be- griff der reinen Wissenschaft geltend gemacht. Leibniz war noch für den überkommenen Complex der Wissenschaften eingetreten, obgleich schon er der Mathematik und Mechanik die Führung zu- wies; aber ein radicaler Schnitt war nöthig, sollte das Neue sich wirklich kräftig entfalten : wenigstens in der Akademie mussten die reinen Wissenschaften von den angewandten scharf geschieden wer- den; nur jene gehören in ihren Bereich. Derselbe Geist spricht sich auch in anderen Gutachten aus. In einem zweiten heisst es schonungs-, aber nicht grundlos, in dem Entwürfe stände , der König wolle die deutsche Sprache und die ^ Dass sie sie früher besassen. darüber ist aus den Acten nichts bekannt; es nuiss sich um eine Concession handehi, die nie ausgeführt worden ist (s. unten). Vereinigung der alten Societät mit der Societe Litteraire (1743/44). 2/9 Keiclis- und Brandenburgisclie Historie besonders excoliret wissen; «wie weit aber Sr. Maj. Gedanken hiervon entfernt sein , kann We- nigen unbekannt bleiben«. In Bezug auf den Vorschlag, alle Mit- glieder der alten Societät in die neue Akademie aufzunehmen, wird rund gesagt, »dann würde die Akademie in eben die Verachtung fallen, worinnen eine gewisse Societät sich befindet«. Dieses Gut- achten möchte gar nur zwei Klassen errichtet sehen, die der Phy- sik und Mathematik; wolle es S. Maj., so können » Beiles -Lettres« hinzugethan werden: aber »Medicin und Teutsche Sprache sind ganz besondere Dinge«. Weiter: die Stelle eines Vice -Präsidenten solle man aufgeben, »welche Stelle wegen des Graben von Stein nicht in dem besten Andenken ist«. Ein drittes Gutachten bezeichnet den Entwurf von Jariges als schlechterdings verwerflich und verlangt den Bruch mit der alten Societät. Jariges, heisst es, sei in allem verdächtig in Ansehung der alten Societät, er wolle die neue Akademie auf den Fuss der alten bringen, »damit ratione der Mitglieder ordentliche subalterne alle Zeit existiren und Arcanisten in Ansehung der Ausgabe und Einnahme der Akademie beibehalten werden mögen«. Die deutsche Sprache gehöre überhaupt nicht in die Akademie; zu Gefallen von zwei Mitgliedern sei ihre Vertretung beibehalten; wünsche man sie aufzunehmen, so sei ein Stuhl dafür genug, rathsam aber sei es nicht; »denn bald würden sich die lateinische, griechische, italieni- sche u. s. w. Sprache melden. Da es aber hier Grundwahrheiten und reale nützliche Experimente zu des Königs Ehre und gemeinem Besten betrifft, nicht aber schöne Worte und Redensarten, so kann dieses gar nicht einmal stattfinden«. Directores perpetui sollen nicht regieren; denn sonst entstehen die Arcanisten wieder; die Leitung solle wechseln wie auf den Universitäten. Ein viertes Gutachten stimmt der gänzlichen Ausschliessung der Theologia revelata sowie der Rechtsgelehrsamkeit zu, wünscht aber fünf Klassen (Physik, Mathematik, Medicin, Litteratur und Beiles -Lettres, Deutsche Sprache). Ein fünftes Gutachten endlieh in französischer Sprache ist ebenso radical wie das dritte. Von den vierzehn Mitgliedern der alten Societät, die nicht zugleich 3Iit- glieder der neuen sind, sollen nur fünf in die zu begründende Akademie aufgenommen werden; die anderen sollen, so lange sie leben, den Titel »Associe de la vieille Societe« führen. Eine unbe- schränkte, aber kleine Zahl von »Associes« neben den ordentlichen Mitgliedern soll auch bei der neuen Akademie zugelassen werden. 280 Ciescliiclite der Akailcinie unter Friedrich dem Grossen {1740—1741)). - Die Frage nach dem periodisclieii Wechsel in der Leitung wurde auch in l)esonderen Gutachten erörtert, ebenso die Besoldungs- frage. Einer bemerkt, dass der Akademie die besten Kräfte ent- führt werden würden — z. B, nach Göttingen, »wo ein Professor 600 Thlr. erhält« — , wenn man nicht für ausreichende Besoldungen sorge; aber diese seien auch zu beschaffen: nach dem Etat von 1740 seien 10063 Thlr. eingenommen worden; Köhler hat 152 i Thlr. für sich erarbeitet; wenn ihm das in der Folgezeit entzogen wird, verfüge man über ii584Thlr. , mit Schlesien aber dürfe man auf 13000 Thlr. rechnen: die 2400 Thlr. für die Mediciner müssten fortfallen; dann habe man für die wirkliche Wissenschaft eine statt- liche Summe. Nach Kenntnissnahme dieser Gutachten^ bearbeiteten Bielfeld und VON Jariges (oder vielmehr der letztere) den Entwurf zum zwei- ten Mal. In der Frage der Constitution der neuen Akademie änderten sie wenig (sie strichen die Medicin und setzten dafür Physik); da- gegen ging VON Jariges — es war eine kluge Digression — jetzt ausführlicher auf die Absicliten ein, die Einnahmen der alten Societät zu steigern mid in Zukunft allen Mitgliedern einen Einblick in die Finanzverwaltung und eine gewisse Theilnahme an derselben zu ge- statten. Alle sechs Wochen solle eine allgemeine Versammlung für die allgemeinen und ökonomischen Angelegenheiten abgehalten wer- den. Das Knienderwesen solle gründlich beaufsichtigt werden. «Die Intelligenzblätter waren vor diesem zu dem Einkommen der Socie- tät bestimmt, seit einiger Zeit aber dem Potsdamischen Waisen- haus gegeben; dieses habe fundos genug; K. Maj. ist zu bitten, solches Recht der Societät wiederzugeben.« »Sollte dies nicht thunlich sein , so wäre zu bitten , dass doch in anderen grossen Städten als Breslau, Königsberg, Magdeburg der Societät die In- telligenzblätter zugestanden würden. Bücher und Zeitungen, son- derlich eine gelehrte französische Zeitung, könnten durch die Societät l)esorget und vmter ihrer Approbation und ihrem Stempel publicirt werden. Eine wöchentliche Publication der meteorologischen Ob- servatorien dürfte ebenfalls guten Abgang finden. Wann unter der Societät Aufsicht allerlei Instrumenta mathematica und physica, als tul)i astronomici , Perspective , Globi , Landkarten , Microscopia , Ther- mometra, Barometra, Quadranten, Brennspiegel u. s. w. verfertiget, ^ In einein findet sieh auch die Bemerkung: .-Leibniz hat zu einer Zeit ge- arbeitet, da der gusto der Gelelirsamkeit änderst war, als heute zu Tage, da man grainmaticalische Sachen nicht mehr so sehr achtet". Vereinigung der alten Societät mit der Societe Littei'aire (1743/44). 281 examinirt und also approbirt und eing-ravirt und durch Beidruckung des Stempels verkauft würden \ so dürfte solches mit der Zeit eine gute Revenue werden. Endlich — wenn die Societät das Privile- giimi bekäme, protestantische Religionsbücher drucken zu lassen und solche in die angrenzenden Lande als Polen und Ungarn zu debitiren, so ist el)enfalls ein Zuwachs der Revenuen zu hoffen«"". Auch über diesen verbesserten und vermehrten Entwairf von Jariges ist ein Gutachten von Schmettau's erhalten. Er ist noch keineswegs zufrieden. »Sr. Maj. Willensmeinung ist, eine ganz neue Academie des Sciences zu errichten, welche in der Welt brilliren soll« - — das ist sein ceterum censeo. Also dürfen nur solche auf- genommen werden, welche in suo genere excellent sind. »Bei der Akademie sind nur solche Sachen abzuhandeln, welche ganz be- sondere Untersuchungen nöthig haben, dem Publico nützlich sind und auf Schulen und Universitäten nicht tractirt werden können. Nur soviele Mitglieder sind aufzunehmen, als aus den Fonds recht- schaffen besoldet w^ erden können, damit sie mit Lust arbeiten«; »nicht Crethi und Plethi sind aufzunehmen, damit die Akademie nicht in Verachtung gerathe«. Für den Wechsel in den Directorial- stellen tritt er auf"s Lebhafteste ein; denn alle Mitglieder müssten dazu geschickt sein. Bevor die Curatoren und Directoren erwählt würden, müssten Sr. Maj. die Listen der ordentlichen Mitglieder beider Societäten vorgelegt werden , damit Er auswähle. Die beiden Auffassungen, die sich gegenüber standen, waren jede in ihrer Weise berechtigt; aber es war bei gutem Willen nicht unmöglich , einen Ausgleich zu finden , der das Beste auf l)eiden Seiten bewahrte. Dort stand die ehrwürdige Schöpfung von Leibniz, ein umfassender, aber nicht geklärter Begriff von Wissenschaft , die Aufgabe, die deutsche Sprache und die vaterländische Geschichte zu pflegen, dazu die Verpflichtung, die Wissenschaft in Fühlung zu erhalten mit dem Protestantismus und seinen Interessen. Hier begehrte die moderne, auf Mechanik und rationaler philosophischer Speculation ruhende, reine Wissenschaft freie Bahn und souveräne Geltung; sie duldete nichts Halbes und wollte kein altes Kleid tragen ^ Jariges wollte also der neuen Akademie die Aufgaben zuweisen, die heute der pliysikaliscli -technischen Reichsanstalt obliegen. - Wollte Jariges auf diese Weise die der alten Societät gestellte Aufgabe de Propaganda fide festhalten? Blan wird das annehmen dürfen; denn man %^ ersteht sonst nicht, wie er mit diesem Vorschlag kommen konnte in einem 3Ioment, wo der kirchlich -tlieologische Zweck der Societät auf's Ausserste gefährdet war. Er suchte ihn durch den Hinweis auf die finanziellen Vortheile festzuhalten. 282 Geschichte der Ak.-idcinie unter Friedrich dem Grossen (1740—1746). und sich endlicli aus den Fesseln der Vergangenheit befreien. Aher daneben waltete auch der Gegensatz des bescheidenen, kleinbürger- lichen Betriebs der Wissenschaft — der mit geringen Erfolgen und geringem Lohne zufrieden war — und ihrer Ausbildung in freien, vornehmen Formen , in der Sphäre der europ.äischen Gesellschaft und getragen von dem Beifall der aristokratischen Kreise. Kein Zweifel — wenn Leibniz wieder erstanden wäre, er hätte sich auf VON ScHMETTAu's Seite gestellt, aber er hätte ihm auch klar gemacht, dass die Wissenschaft nicht erst von gestern ist, dass Philologie und Geschichte auch Wissenschaften sind, dass man Kosmopolit und Patriot zugleich sein kann, und dass aller Radicalismus sich durch Rückschläge rächt. Ein Compromiss wurde wirklich geschlossen. Das endgültige Statutenproject, wie es die zehn Commissionsmitgiieder am 20. De- cember 1743 unterzeichnet haben, ruht ganz auf dem Entwurf von Jariges. Es bezeichnet die zu begründende Königliche Akademie der Wissenschaften als die «vereinigten Societäten« und umgeht damit die Frage nach der Aufhebung der alten Societät. Die Vor- schläge, nur zwei Klassen (Mathematik und Physik) beizubehalten, sind zurückgewiesen und der Akademie so die umfassenden Auf- gaben gelassen, die ihr Leibniz gestellt hat. Ausdrücklich heisst es, dass die neue Gesellschaft »alle die Vorwürfe zusammenfassen soll, womit die zu London inid Paris aufgerichteten Societäten und Academie's des sciences, des inscriptions et des belles lettres beschäftigt sind« ; aber ausgeschlossen werden die geoftenbarte Theologie, die bürgerliche Rechtsgelehrsamkeit, die blosse Poesie und Beredsamkeit. Was die Mitglieder der neuen Akademie be- trifft, so schwieg man über die feste Zahl von 24 Ordinarien; man reichte vielmehr dem Könige eine Liste ein, auf der man kurz die einzelnen Mitglieder beider Societäten charakterisirte , ihm die Auswahl überlassend. In Wahrheit aber machte man doch einen Vorschlag; man hatte sich nämlich zu folgendem Compromiss ver- einigt. Von den 14 Mitgliedern der alten Societät, die nicht zu- gleich Mitglieder der neuen litterarischen waren \ stellte man sechs in die Hauptliste ein, nämlich Grischau, Wagner, Hering, Küster, Heinius und Stubenraucii , und erklärte sie damit als der Aufnahme würdig; die fünf Mediciner Buddeus, Ludolff sen., Sproegel, ScHAARSCHMiDT uud Pallas bezeichnete man als solche, die lediglich ^ Vierzehn ohne des Vignoles. Vereinigung der alten Sücietät mit der Societe Litteraire (1743/44). 288 als Professoren am anatomisch- chirurgischen Colleg auch MitgUeder der alten Societät gewesen seien; man müsse es dem Könige über- lassen, ob er sie zu der neuen Akademie zulassen wolle (d. h. man wünschte die Mediciner überhaupt zu entfernen); über die drei Mediciner Carita, Horch und Kirstetter aber ging man einfach schweigend hinweg\ Die i6 Ehrenmitglieder der litterarischen Gesellschaft (s. oben) sollten in derselben Eigenschaft in die neue Akademie übergehen"; aber auch die 84 auswärtigen Mitglieder der alten Societät sollen von ihr übernommen werden — damit w^ar auf's Deutlichste ausgesprochen, dass die neue Schöpfung keine Neuschöpfung, sondern die Fortsetzung der alten Societät sei. Sobald der König, dem man den Statuten -Entwurf einreichte, ihn genehmigt und die Mitglieder der neuen Akademie bestätigt haben würde ^, sollte die Wahl der vier Curatoren, der ^ Von Horch und Kirstetter ist auch weiter nicht mehr die Rede; sie waren also das Opfer der Neugründung, während der König die anderen Mediciner [ausser Pallas?] für die neue Akademie bestätigte. Die Akademie konnte jene beiden gewiss missen; denn für die Miscellanea hatte nur Horch geschrieben, und auch dieser nur eine einzige Abhandlung »Ueber die Milbe des Kanarienvogels« (INIiscell. Berol. T. VI.). CARrrA war ein Mediciner der alten Schide, der allen Fortschritten zum Trotz an der medicinischen Wissenschaft der Römer festhielt. Uebi-igens taucht er nach 1744 doch wieder in den Listen der ordentlichen Mitglieder auf, und FoRjiEY hat ihm ein Eloge gehalten, als er Sojährig im Jahre 1756 gestoi'ben war (Mem. 1756 p. 515-518). ^ Dazu standen noch zwei weitere in Aussicht, nämlich der Graf vox Dohxa und der Lieutenant Colonel von Ketth. ^ Die Personalvorschläge lauteten: L Departement de Physique: Eller, on le propose pour Direc- teur a cette Classe, parce que sa capacite est connue; Lieberkuehn, cVun savoir notoire; Ludolff jun., bon physicien; Marggraf, bon physicien et grand chimiste, NB ce n'est j)as l'apoticaire; Pott, bon physicien et tres fort dans la chimie; Gleditsch, tres bon botaniste et pour l'histoire naturelle; Francheville, pour la physique et l'histoire naturelle; Buddeus, Ludolff sen., Sproegel, Schaar- scHMiDT, Pallas, ces cinq membres sont dans Tancienne Societe membres du College d"Anatomie et de Chirurgie. Ou suppose que quoique ce College doive continuer a recevoir des fonds des Almanacs 2400 ecus jusqu'ä temps c|u'on puisse proposer ä S. Maj. un autre fonds qui ne soit pas ä charge au paj^s; on ne sait pourtant pas, si S. Maj. voudra les admettre ä la Nouvelle Academie. H. Departement des Mathematiques: des Vignoles, emeritus, c'est pourquui on propose de hü laisser le titre et les 100 ecus de gages, qu'il a eus du fonds de l'Academie; Euler, propose pour Directeur de cette Classe; Grischau, pour la meteorologie, NB il a 400 ecus de pension du fonds; Humbert, pour l'architecture civile et militaire, et en general pom- la pratique des mathematiques; Kies, poiu- Tastronomie, on propose, qu'outre les 200 ecus de gages qu'il a et avec lesquels il ne peut pas subsister, on lui ajoute 200 autres; Naude, pour les mathematiques et l'algebre; Wagner, observateur et bibliothecaire. fort vieiix, il a 400 ecus de pension du fonds de TAcademie. 284 Geschiclite der Akademie iinter Friedrich dem Grossen (1740—1746). Directorcii — diese Latte man zum Theil dem Könige schon vor- geschlagen — und der Secretare erfolgen. Die Sprachenfrage liess man noch immer offen, proponirte aber, in der philologischen Klasse zwei Directoren zu ernennen, einen für die deutsche Sprache und die orientalischen, und einen für die » Beiles -Lettres « , den Marquis d ' Akgens. Am 27. December wurden diese Vorschläge dem Könige unter- breitet. Bereits nach drei Tagen genehmigte er in einer Ordre an den Grafen von Schmettau und die fünf Staatsminister den gesammten Entwurf (incl. der Personalvorschläge; Buddeus, Ludolff sen., vSproegel und Schaarschmidt wurden Mitglieder, Pallas nicht), befahl ihn auszuführen und die vier Curatoren auszuwählen, »que vous jugez necessaires«. »Si cette nouvelle Academie«, fügte er hinzu, »s'efforce de repondre dignement ä mon attente et au louable but de son Institution, eile peut toujours compter sur ma protection Royale « \ Schmettau war doch keineswegs durch diesen Gang der Dinge zufriedengestellt, vor allem waren auch die finanziellen Fragen noch nicht gelöst. Er wollte den Einfluss von Jariges auf sie brechen und den eigennützigen Rendanten Köhler entfernen. Daher fanden noch Berathungen zwischen den Ministern und ihm selbst, dem Vertrauensmann des Königs, statt"'. Die Ober- Rechnungskammer wurde vom Könige aufgefordert, dem Köhler die Rechnung über den Kalender- Debit mit aller Accuratesse abzunehmen und eine genaue Uebersicht über die gesammten Einnahmen aus den Kalendern nach einem sechs- III. Departement de Philosophie: Heinius, ponr l'histoire, les langnes orientales et la critique, Jariges, pour l'histoire et philosophie, il est propose pour Secretah'e perpetuel; Formey, prof. de Philosophie, sans gages aupres du Ibnds de l'Academie; Sack, ])oar Thistoire, la philosophie et la critique; les deuK Achard. R'. Departement de Philologie: Jordan, sa capacite est connue; Elsner, pour les langues orientales, antiquites et inscriptions et pour l'histoire et la langue du pays [das behielt man also bei], on le propose pour Directeur des langues allemande et orientales; il a 500 ecus de l'Academie; Marquis d'Argens, pour les belles lettres, on le propose pour Directeur des dites belles lettres; BiELFELD, pour Ics bcllcs lettres; Hering, pour l'histoire et geographie; Lamprecht, ])our riiistoire; Pelloutier, Küster, pour l'histoire de Brandebourg; Stubenrauch. ' Siehe Urkundenband Nr. 156. ^ In einer SitzAing vom 10. Januar 1744 ist auch vom •■Hopfengarten« die Rede. Der König soll gebeten werden, ihn zu verkaufen und einen anderen in oder neben dei- Stadt zu kaufen. Der Garten lac; also zu weit entfernt! Vereinigtmg der alten Societät mit der Societe Litteraire (1743/44). 28 0 jährigen Durchschnitt zu geben'. Noch am 15. Januar richtete VON ScHMETTAU eiuc Eingabe an den König in Bezug auf die Finanzverhältnisse, die sich sehr scharf gegen die alte Societät richtete, Jariges als Protector Köhler's bezeichnete und anrieth, den vSecretar ganz von der Administration des Oekonomischen aus- zuschliessen; auch der Minister von Viereck sei zu beschäftigt, um sich gründlich um die Fonds zu kümmern. Weiter hielt sich Schmettau darüber auf, dass in der philologischen Klasse zAvei Directoren eingesetzt werden sollten ; Elsner solle wieder gewöhn- liches Mitglied werden; so könne man die 100 Thlr. sparen. Unterdessen rückte der Geburtstag des Königs, der 24. Januar, heran. Am Vortage, einem Donnerstag, sollte die feierliche Er- öffnungssitzung der neuen Akademie gehalten werden ; ihre Statuten wollte der König an seinem Festtage bestätigen und ausgehen lassen. Mit der peinlichsten Sorgfalt wurde Alles für die Sitzung vorbereitet; sie fand im Schloss statt. Die Königlichen Prinzen, die Ehrenmitglieder und andere Standespersonen waren anwesend; al)er der König selbst erschien nicht. Die Akademie war doch nicht so geworden, wie er es gewünscht hatte — Maupertuis fehlte, und manches Compromiss war geschlossen, das er nicht missbilligen, dessen er sich aber auch nicht freuen konnte". In der Sitzung sprach zuerst von Schmettau und setzte die Al)- sichten des Königs bei der C4ründung dieser neuen Akademie aus- einander. Dann las von Jariges die Statuten vor; zum Schluss wurden elektrische Experimente gezeigt. Zu Curatoren wurden durch die Commission, der der König die Wahl überlassen hatte, die HH, Grafen von Schmettau, von Götter^, von Viereck und VON BoRCKE ernannt*. ^ S. Urkundenband Nr. 157. ^ Die Kritik, die Maupertuis in dem Eloge auf von Schmettau an den Statuten von 1744 übt, ist im Sinne des Königs. ^ VON Gotter (-[- 28. Mai 1762) war in der Hofgesellschaft der liebens- würdigste und frivolste unter den Deutschen, »Juppiter tonans und der Fürst der Epikureer«, ein kluger, beweglicher Thüringer, der ganz in das französische Wesen eingetaucht war und sich dabei August den Starken zum Muster genommen hatte, ihn aber an Geist und Witz übertraf. Seine litterarischen Kenntnisse waren nicht gering; als Gesellschafter hatte er nicht seines Gleichen; s. Allg. Deutsche Bio- graphie Bd. 9, S. 451 ff. KosER, a. a. O. I S. 490. * Gotter erbat schon im Sommer 1744 seinen Abschied und zog sich nach einem Jahr aus Gesundheitsrücksichten auf sein Gut in Thüringen zurück. "Ich beklage einen liebenswürdigen Mann«, schrieb Friedrich am 16. Februar 1745 mit eigener Hand, »dessen Verlust ein Bankerott für Berlin ist.« (Qiluvres T. 17 28G Cicscliiclite der Akademie unter Friedricii dem Grossen (1740—174(5). Die neuen Statuten sind noch deutsch abgefasst^ Die «ver- einigten Societäten« sollen den Namen einer «Königlichen Akademie der Wissenschaften« führen. Sind auch, Avie wir schon erfahren haben, die geoffenbarte Theologie, die bürgerliche Rechtsgelehrsam- keit, die blosse Poesie und Beredsamkeit gänzlich ausgeschlossen, so soll doch «das übrige ganze Wissenschafts- und Kunstwesen« eingeschlossen sein, «in gleichen die alte und neue Historie, sonderlich von Unsern Landen und dem teutschen Reiche, nicht weniger die Erhaltung der teutschen Sprache in ihrer anständigen Reinigkeit«. Unter den Aufgaben der physikalischen Klasse ist die Medicin überhaupt nicht genannt, die zur Zeit der Akademie angehörenden Mediciner sind also auf den Aussterbe - Etat gesetzt. Die neue philosophische Klasse soll alle Theile der Philosophie, die Physik ausgenommen, umfassen, nämlich Metaphysik, Moral, lus Naturae und die Historia und Kritik der Philosophie. Der Vorstand besteht aus den vier Curatoren und den vier Directoren, die, wenn es nothwendig, den General -Fiscal hinzuziehen; dieser Körperschaft liegt die Verwaltung des Fundus und der ökonomischen Angelegenheiten ob, sowie die Publicationen der Akademie; sie können in lateinischer, deutscher und französischer Sprache er- scheinen. Alle drei Monate sollen die Curatoren im Präsidium ab- wechseln und mindestens alle sechs Wochen eine Directorialsitzung l)erufen. Die Directoren sollen auf Lebenszeit von den Klassen unter dem Vorsitz der Curatoren gewählt werden; ausserdem soll aus der Zahl der ordentlichen Mitglieder ein Vice -Präses erwählt werden auf Lebenszeit, der zu allen Sitzungen Zutritt und auch im Directorium Stimme hat (Jordan wurde vom Könige zum Vice- Präsidenten ernannt). Ein Secretarius perpetuus für die ganze Akademie soll die Geschäfte führen, ausserdem wird aber eine jede Klasse ihren besonderen Secretar haben; daneben soll noch p. 325. Später kelirte Gotter wieder nach Berlin zurück und bekleidete wiederum das Curatorenamt). An seine Stelle als Curator dei- Akademie trat der Minister G. D. von Arnim (geb. 1679, -f 1753). Er hatte unter Friedrich Wilhel:m I. , so weit es möglich war, die Gelehrten und Künstlei* geschützt und ihnen sein Haus geöffnet. Es war daher eine sehr glückliche Wahl. Worauf jedoch Bartholmess in seiner Geschichte der Akademie das Urtheil stützt (1 p. 153), Arnim sei der eifrigste Curator gewesen, den die Akademie je besessen habe, ist mir unbekannt geblieben. Die Curatoren waren sämmtlich lleissig im Interesse der Akademie und kümmerten sich, wie die Acten ausweisen, auch um die kleinsten Dinge. Aber bereits im Jahre 1746 wurde ihr Amt ein blosser Titel, da Maupertuis alles allein besorgte. ^ Abgedruckt im ürkundenband Nr. 158. Vereinigung der alten Societät mit der Societe Litteraire (1743/44). 28/ ein Tresorier auf Lebenszeit stellen. Ausser den wöchentlichen Sitzungen sind zwei öffentliche im Jahr zu halten (die Königstage, der 24. Januar und 31. Mai, wurden dazu bestimmt). Neue Mit- glieder sollen erst durch die Klasse, dann durch das Directorium, endlich durch die General -Versammlung gewählt werdend Von Wichtigkeit wurde die Bestimmung, dass jährlich Preisaufgaben zu stellen seien: »Das Directorium hat jährlich ein Praemium von etwa 50 Ducaten zur Ausarbeitung einer wichtigen und dem Lande nützlichen Materie aus den Wissenschaften oder Litteratur aus- zusetzen und das Problema durch die Zeitungen bekannt zu machen. Es werden zu dieser Ausarbeitung zw^ar sonderlich auswärtige Ge- lehrte eingeladen , jedoch aber sollen auch die Abhandlungen ein- heimischer Gelehrten, nicht weniger Mitglieder der Akademie, an- genommen werden. Die zur Erhaltung dieses Praemii eingekommene Stücke sollen in der jährlich zu haltenden Versammlung aller Glieder verlesen, wem der Preis zuerkannt worden, öffentlich an- gezeigt, und dabei diese Regel beobachtet werden, dass wenn die Abhandlungen eines ausländischen und hiesigen Gelehrten in gleichem Grade der Gründlichkeit und Schönheit stehen, in solchem Falle dem Fremden allemal der Vorzug zu geben sei.« Im letzten Ab- schnitt heisst es: »Ob gleich im Articulo XIL der ordentliche Ver- sammlungs - Platz auf dem hiesigen K. Schlosse bestimmt ist, so bleibet jedoch dem Directorio frei gestellet, wenn es für rathsam erachtet, diese Zusammenkünfte in dem Observatorio auf dem K. Marstall halten zu lassen«. Soviel bekannt, ist das nicht mehr geschehen; die Räume, in denen die LEiBNiz'sche Societät getagt hatte, w^urden für die Versammlungen nicht mehr benutzt. Man konnte die »grossen Herrn« nicht gut in diese hochgelegenen und kleinen Räume einladen. Die Verfassung der neuen Akademie, wäe diese Statuten sie vor- zeichnen, war von grosser Schwerfälligkeit: vier Curatoren , ein Vice- Präsident, vier Directoren, fünf Secretare, ein Tresorier — und doch kein Präsident; denn der König konnte den Mann noch nicht wieder erreichen, den er allein der Präsidentschaft für wiirdig hielt. Auch von Schmettau hat er nicht zum Präsidenten ernannt, sondern Hess sich in der Zwischenzeit das complicirte Verwaltungs- system gefallen, das der Graf erdacht hatte, um die Akademie nicht wieder unter die Bürs:erlichen fallen zu lassen, und um einer ^ Diese tritt nur hier und in den beiden üffentliclien Sitzungen liervor; sonst sind nur Klassensitzunoen vorgesehen. 288 Geschichte der Akademie unter Friedrich dem Grossen (1740— 174()). ökonomisclien Geheim -A'^erwaltuiig vorzubeugen. Aiicli zum Pro- tector ernannte sich der König noch nicht — (h^r deutlichste Beweis, dass er den neuen Zustand nicht als einen detinitiven ansah. Dass es noch nicht »Seine« Akademie war, ergiebt sich auch daraus, dass er sich die drei Sprachen gefallen liess. Da er deutsch nicht lesen wollte und lateinisch nicht lesen konnte, so bedeutete das Zugeständniss dieser Sprachen, dass er von den Publicationen der Akademie keine Notiz nehmen werde. Aber er schaute nach einer Akademie aus, deren Schriften ihn belehren und erfreuen sollten, und er wusste, dass er sie noch schaffen werde. Dieses aus zwei Societäten — die eine gab den Glanz und das Ansehen, die andere die finanziellen Mittel — entstandene zwei- und dreisprachige Gebilde ohne strengen, einheitlichen Stil war nicht im Sinne Friedrichs. War der König mit dem Erreichten nicht zufrieden, so hatte auch ScHMETTAU kcincswegs durchgesetzt, was er wollte. Noch kurz vor der Bestätigung der vStatuten hat er eine Eingabe an den König ge- richtet, in der er Jariges, dem die Akademie die Erhaltung ihrer philologischen Klasse verdankt, in böser Weise denun- cirte und sich über die Annahme seines Entwurfs in der Commission also äusserte: »Cependant la ruse de Jariges a reussi, dont le nouveau plan dernierement presente ä V. M. est une preuve convaincante. On y voit les memes Directeurs perpetuels qui l'etaient auparavant, excepte le seul Euler; il y a le meme Secretaire Jariges, qui veut encore etre tresorier, et on est resolu d'employer de nouveau le rendant Koehler. Mes instances opposees n'ont pas pu prevaloir, et il n'y a plus autre remede a y porter, qui [que que?] V.M. ordonne, i. Que le Directoire change tous les ans; car c'est le moyen d'empecher les arcanistes, 2. Que Jariges soit tout-a-fait exclu du maniement des affaires de l'economie, en cas que V.M. trouve pourtant ä propos de le laisser comme Secretaire. « Auch nach der Neugründung war Schmettau noch unermüdlich thätig, seine neuen Gedanken durchzusetzen, und bestürmte den König mit Eingaben und Projecten. Er mochte noch immer hoffen, zum Präsidenten ernannt zu werden, um so mehr, als der König in den ersten Monaten des Jahres 1744 in der Regel durch ihn mit der Aka- demie verhandelte. Die Frage der Gehälter war durch die neuen Ordnungen noch nicht völlig geklärt. Man musste sie jetzt behandeln, und dabei musste die ganze finanzielle Lage der Akademie auf's Neue erwogen Die neue Akademie vor ]Maupertuis' Eintritt (1744/46). 289 und festgestellt werden \ Am 27. Januar erklärten die Minister dem Könige, auf dem von Duriiam und Bastinelles erstatteten Gutachten (s. oben) fussend, dass die finanzielle Verwaltung der Societat in guter Ordnung, dass aber die Verpachtung ungünstig sei; Köhler habe zwar bereits für das Jahr 1744 tausend Thaler mehr zahlen müssen, aber für i 745 werde man noch andere Einrichtungen zu treffen haben, da allein aus Schlesien 3200 Thlr. zu erwarten seien. Die Minister brachten w^eiter bereits Gratificationen und Pensionen für die Mit- glieder der neuen Akademie aus den Überschüssen in Vorschlag, fügten aber hinzu, es sei das alles jetzt der Akademie selbst zu über- lassen, da sie in Activität gesetzt sei. Drei Tage später legte Schmettau dem Könige eine Reihe von Beschlüssen des Directoriums vor: Köhler habe man bei den Ka- lendern gelassen, »a cause de sa capacite et experience«, aber man habe ihm eine viel genauere Instruction gegeben, die es unmöglich mache, dass er seinem eigenen Vortheil nachgeht. Man habe be- schlossen, i.dass nicht die vier Directoren, sondern vier eigens dazu (und nur auf ein Jahr) gewählte Klassen -Deputirte zusammen mit den Curatoren das Ökonomische besorgen sollen", 2. dass keine Klasse mehr als einen Director habe^, 3. dass das Amt des Secretarius per- petuus und des Tresorier getrennt sein solle ^, 4. dass Buddeus, da er nicht mehr Director, auch die 100 Thlr. nicht mehr beziehen soll, die er bisher gehabt% 5. dass die Mitglieder der philosophischen und philologischen Klasse erst dann Gehälter beziehen sollen , wenn sich die Revenuen vermehrt haben würden*'. ^ Der Etat, der dem Könige zusammen mit dem Statuten - Ent\vurf vorgelegt und von ilnn bestätigt worden ist, existirt meines Wissens leider nicht mehr. So- viel ist gewiss, dass in ihm für die Directoren je 100 Thlr. und für je vier arbeitende Mitglieder der Ader Klassen 1600 Thlr. (400 Thlr. für jeden) ausgeworfen waren. Dazu kamen die Gehälter für den Astronomen , den Secretarius perpetuus, den Fiscal, die Diener, vmd die besonderen Gehälter, wie sie einzelne Mitglieder der alten Societat besassen, vmd wie sie z.B. Euler zugesichert waren. - Damit war ein Hauptwunsch Schmettau's in Bezug auf die P'inanzver- waltung erfüllt. ^ Damit war Elsner abgesetzt und d'Argexs einziger Director in der philo- logischen Klasse. * Das war gegen a'on Jariges gemünzt. ^ Das war eine Kränkung für den verdienten ^Nlann; aber Schmettat ver- achtete die ]Mediciner. •^ Damit waren die [Mitglieder dieser Klassen zu Akademikern zweiten Grades herabgesetzt; Schjiettau wollte diese Klassen ursprünglich überhaupt nicht in der x\kademie. Für je vier «arbeitende [Mitglieder" der vier Klassen waren im Etat 1600 Thlr. ausgesetzt, und der König hatte das bestätigt. Geschichte der Akademie. I. 19 21)0 Gescliiolitf! der Akademie unter Friedrich dem Grossen (1740— 174(j). ScHMETTAU hatte, wie offenbar, in der letzten Woclie wieder das Heft in die Hände bekommen — wie, weiss man nichts Der König billigte in Ordres an ihn und an die Commission vom 2. Fe- bruar alle diese Vorschläge bis auf den Buddeus betreffenden. Sein Gerechtigkeitsgefühl gestattete es ihm nicht, dem Gelehrten die 100 Thlr. zu entziehen; er beliielt auch den Charakter als Director bei. Mit Zuversicht blickte Friedrich nicht auf die neue Schöpfung; das zeigen auf's Neue die Schlussworte der Ordre an Schmettau"^: »ainsi voyant cette affaire de l'union des deux societes terminee, il ne me reste que d'en attendre des fruits, tels que Vous et les autres membres en esperent.« Am 13. Februar wählte man die vier ökonomischen Deputirten auf ein Jahr (Eller, Humbert, Formey und Pelloutier) und die vier Klassen -Secretare (Lieberkühn, den neu aufgenommenen Faber, Formey und Lamprecht); weder diese noch jene haben wirkliche Be- deutung zu erlangen vermocht; die ganze Einrichtung kam bald wieder in Wegfall. In der Sitzung der Curatoren und Deputirten am näch- sten Tage wurde beschlossen, ein neues Diplom »nach dem Muster des Petersburger« anfertigen zu lassen, aber das Siegel der alten Soeietät und ihr Motto beizubehalten; nur die Umschrift soll jetzt «Academia Regia Scientiarum Berolinensis 1744« lauten. Faber, der Secretar der mathematischen Klasse, wurde zum Tresorier er- wählt, sollte aber eine Caution von 3000 Thlrn. stellen. Eller zeigte, wie man von der Summe, die dem chirurgischen Collegium zu zahlen sei, 100 Thlr. abstreichen könne; sie wurden Pelloutier als Gehalt zugebilligt. Der neue Entwurf Durham's , XJhden's und Bastinelles' zur Administration des Kalenderwesens wurde geprüft^. In der Sitzung vom lö.Feljruar wurde der Diplom-Entwurf, wie ihn ^ ScHMETTAu's Einfluss ist es wohl auch zuzuschreiben , dass die Leseordnung für das Jahr 1744 so festgestellt wurde, dass die philosophische und philologische Klasse nur halb so oft an die Reihe kamen wie die beiden anderen. Das im Archiv der Akademie aufbewahrte Schema für 1744 lautet: Phys., Math., Phys., Math.. Philos., Philol. Viele Jahre lang blieb es bei dieser Ordnung. ^ Die Ordre an ihn ist abgedruckt im Urkundenband Nr. 159. In Nr. 160 (vom 7. Februar) theilen von Schmettau und die Minister der Akademie die vom Könige genehmigten Bestimmungen mit. Aus dem Actenstück Nr. 161 vom S.Fe- bruar ei-giebt sich, dass der kecke Vorschlag der Suspension der 2 x 400 Thh-. für die arbeitenden Mitgheder der philosophischen und philologischen Klass.e , der allzu schnell vom Könige genehmigt worden war — wahrscheinlich war dieser Punkt im Cabinet übersehen worden — , sich doch nicht so glatt durchzusetzen vermochte. ^ Nebenbei erfährt man, dass die Ober- Rechnungskammer bisher mit der Finanzverwaltiuig der Soeietät nichts zu thun gehabt hat. Die Akademie wünschte beiircnf lieber Weise, dass es auch ferner so bleibe. Die neue Akademie vor Maupertuis' Eintritt (1744/46). 291 VON Jariges und Formey vorgelegt hatten, angenommen und weiter über die Kalendersaclie verhandelt \ ScHMETTAU, der in den ersten drei Monaten das Präsidium ver- waltete, nahm es mit seinen Obliegenheiten sehr ernst (während Jordan, der Vice-Präsident, sich in dieser ganzen Zeit im Hinter- grunde gehalten hat, ja wahrscheinlich in den Sitzungen gar nicht erschienen ist). So theilte er mit, dass er jüngst auf dem Obser- vatorium gewesen, den Vorrath von Instrumenten, Naturalien, Mo- dellen, sowie die Bibliothek in Augenschein genommen «und manche UnVollständigkeit gefunden habe« ; auf seinen Vorschlag werden LiEBERKÜHN uud der Secretar der mathematischen Klasse mit der Aufsicht über den Apparat betraut. Schmettau berichtete ferner, dass Reparaturen an dem Observatorium selbst nöthig seien, und ^ Was für Fragen sonst noch verhandelt werden mussten, mag das Protokoll einer Sitzung lehren: »Ob in den Kalendern nicht eine Colonne, den katholischen Kalender ent- haltend, beigegeben werden solle. Ob nicht in den Kalendern gemeinnützige Anweisungen über Feuerung, Brunnen, Baumpllanzungen, Culturen aufzunehmen seien. Ob nicht die Pacht des Juden -Kalenders zu erhöhen sei. Ob nicht ein holländischer Kalender (wegen Wesel und Westfalen) zu drucken sei. Über Buchdruckerei und Anfertigung von Instrumenten. Ob nicht die Intelligenzblätter in grösseren Städten der Akademie zu über- tragen seien. Ob nicht jeder Pfarrer seine Gemeindemitglieder fragen solle, wie viele und was für Kalender sie brauchen, damit die Quantität richtig bemessen werden könnte. Ob nicht die x\kademie die Censur für alle hebräisch gedruckten Büclier haben soll und ohne ihre Approbation nichts zu drucken sei; ob es nicht mit allen Büchern in fremden Sprachen so zu halten sei. Ob nicht die Einnahmen von den Maulbeerblättern, Pacht vom Leichenwesen luid das Einkommen von dem Garten zu erhöhen? Ob nicht wöchentlich eine gelehrte Zeitung edirt werden soll und meteoro- logische Observationen ? Protestantische Religionsbücher, so nach Polen, Hungarn zu debitiren, könn- ten auch gedruckt werden, wie das bisher schon Köhler mit Vortheil gethan.« Man sieht, Schmettau hat bald Wasser in seinen Wein der reinen Wissen- schaft schütten müssen. — Die von der Akademie herausgegebenen Staatskalender, welche, wie heute der Gothaische, die Genealogieen dei' europäischen Fürstenfamilien enthielten, waren übrigens auch im Ausland hochgeschätzt. So schrieb ein Lon- doner Buchhändler im Jahre 1744, indem er sieben Exemplare für das englische Ministerium bestellte, der Minister habe erklärt, dass unter allen Almanachen die der Preussischen Akademie die besten seien (Geh. Staatsarchiv). Gegen das Un- wesen des Nachdrucks (der Kalender imd der Memoires) hatte sich deshalb die Akademie auch stets zu wehren. So erging am 2. October 1745 an alle einzelnen Staaten der Eidgenossenschaft das Ersuchen, den Nachdruck der Memoires zu verbieten. ^ 19* 292 Geschichte der Akademie unter Friedrich dem Grossen (1740—1746). auf seinen Antrag wurde Humbert beauftragt, mit Bauverständigen einen Kostenanschlag zu machen. Weiter setzte er als Präsident das Directorium davon in Kennt- niss, »dass die Söhne von Naude und Grischau Lust zur Astronomie bezeigen und schon manches auf dem Observatorium gethan hätten. Da man zu Paris und Petersburg alumnos zuziehet, so solle man auch dergleichen einführen und der mathematischen Klasse mittheilen, man würde von Zeit zu Zeit jenen ein Gratial zufliessen lassen« . Auch einen Vorschlag Euler's befürwortete der Präsident, einen gewissen Schu- macher als Calculator zur Fortsetzung der MANFREnischen Ephemeriden für loo Thlr. zu gewinnen ^ Zunächst — nach dem ersten Anheizen — schien die schwer- fällige Maschine mit ihren vier Kammern^ ganz gut zu functioniren ; aber bald zeigte es sich, wie unzweckmässig es Avar, das wissen- schaftliche und das ökonomische Directorium von einander zu trennen und die ökonomischen Deputirten jährlich wechseln zu lassen. Schon schlug man vor, das Verbot, sie wieder zu wählen, aufzuheben. In den wenigen Monaten bis zum Ausbruch des zweiten schle- sischen Krieges hat Schmettau noch allerlei finanzielle Pläne — da- rin Leibniz ähnlich — gehegt und durchzusetzen versucht. Vom 7. März stammt das Project, durch Errichtung einer Druckerei dem Fundus aufzuhelfen und , damit sie beschäftigt sei , ihr ausser den Ka- lendern und Opera der Akademie den Druck der Medicinal-Ordnung, des Dispensatorium Brandenburgii und der kleinen protestantischen Religionsbücher zu übertragen. »Übrigens hat sich der König selbst dahin geäussert, wie Sie wünschten, dass eine solche Druckerei er- richtet werden möchte, welche an Schönheit und Feine sowohl des Papiers als der Buchstaben und Drucks dem Holländischen und Fran- zösischen gleich käme.« Auch unterbreitete Schmettau dem Könige eine Eingabe, der Akademie den Debit der protestantischen Religions- bücher für Polen und Ungarn, sowie aller hebräischen Bücher zu ^ Alle Gesuche um Gehaltsei'höhung u.s. w. gingen in den Jahren 1744 und 1745 an die Curatoren. In den Acten des Akademischen Ai'chivs findet sich ein solches von Lieberkühn (vom 13. Februar 1744), in welchem er seinen Lel)enslauf, seine Studien in Holland unter Boerhaave u. s. w. einzahlt. — Laut Cabinetsordre vom 6. April 1744 v^rurde Schaarschmidt wegen Nachlässigkeit als JMedicus in der Chi- rurgie die Stelle genommen und ihm ausserdem von seinem akademischen Gehalt (150 Thlr.) zwei Drittel gestrichen. ^ Das Plenum, das Präsidium der vier Curatoren, das wissenschaftliche Dii-ectorium (bestehend aus den vier Curatoren und den Directoren), das ökonomische Curatorium (bestehend aus den vier Curatoren und den vier Deputirten). Der zweite schlesische Krieg. Maupertuis kehrt nach Berlin zurück. 293 übertragen und ihr das allgemeine Censiirrecht zu ertheilen »in Bezug auf alle Bücher und andere Stücke (ausgeschlossen die Affaires d'etat), die in Berlin und in den anderen Städten , wo es keine Universitäten giebt, gedruckt werden«. 5. Aber der König konnte seit dem Frühjahr 1744 seine Sorge der Akademie nicht widmen ; es galt, die im ersten Krieg gewonnene Grossmachtstellung Preussens zu behaupten. Der zweite schlesische Krieg brach aus, und bis zur Schlacht von Hohenfriedberg am 4. Juni 1745 hören wir nichts von Beziehungen des Königs zur Akademie, ausser einer eigenhändigen Bemerkung, die er an den Rand einer Eingabe derselben geschrieben hat\ Sie hatte vorgeschlagen, die durch den Tod des Astronomen Naude erledigten 200 Thlr. Lieber- kühn zu geben , und glaubte damit die Meinung des Königs zu treffen ; er aber erwiderte (30. Januar 1745): "Nein der Eilers [lies Ecler] wirdt einen aus Russlandt verschreiben der Habil ist und Profeser in Node Seiner Stelle werden kan.« Man sieht, der König hat die Akademie nicht ganz vergessen und nicht darauf verzichtet, ihr Directive zu geben. Kurz nach der Schlacht von Hohenfriedberg aber empfing er eine Nachricht, die sein volles Interesse an der gelehrten Gesell- schaft wieder wachrief, Maupertuis schrieb ihm, dass er die Er- laubniss erhalten habe, Frankreich zu verlassen, und dass er nun nach Berlin kommen werde. Mit beiden Händen griff der König zu. Nicht weniger als sechzehn Briefe hat er in dem halben Jahr bis zum Frieden von Dresden aus dem Felde an den Gelehrten gerichtet, um ihn festzuhalten^. »Das Opfer, das Ihr mir bringt, ist gross; was kann ich thun. Euch Euer Vaterland, Eure Freunde und Eure Eltern zu ersetzen ! « Dann , mit freudigem Ausblick, dass die Zeit kommen wird, wo diese Kriege aufhören: »alors, mon eher Maupertuis , alors nous pourrions philosopher ä notre aise « ^. Wie zu einem vertrauten Freunde redet er zu dem Gelehrten, und darum spricht er ihm gegenüber auch seinen Schmerz über den ^ Akademisches Archiv. ^ Diese Briefe und die im Folgenden citirten befinden sich fast sämmtlich im Geh. Staatsarchiv; in den (Euvres sind nur fünf Briefe des Königs an Maupertuis und zwei von diesem gedruckt. ^ Camp de Rusec v. 10. Juli 1745. 294 Geschichte der Akademie unter Friedrich dem Grossen (1740—1746). Verlust Jordan's und Keyserlingk's in diesen Briefen aus — »ich. suche vergebens in meiner Pliilosophie und in Cickro's Tusculanen Trost und besitze nicht die Fähigkeit des Stoikers, der sagen konnte: Ich wusste wohl, dass er nicht unsterblich war; Keyser- LiNGK und ich waren wie eine Seele«. Voll Freude aber empfing er die Nachricht, dass sich Maupertuis bald nach seiner Ankunft in Berlin mit einem Fräulein von Borck verlobt habe und die Hoch- zeit bevorstehe. Diese Verbindung des Gelehrten mit einer der vornehmsten Familien des Landes schien ihm Gewähr dafür zu sein, dass er ihn nicht wieder verlieren werde. »Ich wünsche, dass Ihr ebenso glücklich seid, das was Ihr sucht in Eurer Liebe in Berlin zu finden, wie Ihr glücklich gewesen seid in Euren physikalischen Entdeckungen in Lappland.« Die wiederholten Klagen über den Tod der Freunde unterbricht er durch den Ausruf: »Lassen wir das Klagen und sprechen wir von den Hymnen, die Urania und Newton zu Eurer Hochzeit anstimmen« \ Es war selbstverständlich, dass der König sofort den früheren Plan wieder aufnahm, Maupertuis an die Spitze der Akademie zu stellen"'. Er gab Ordre, ihm ein Gehalt von 3000 Thlrn. auszuzahlen; zu- gleich Hess er schon Mitte Juli an die Akademie — sie war eben mit Igen beschäftigl der Herausgabe des ersten Bandes ihrer Abhandlungen beschäftigt^ — ^ Brief v. 6. October aus Soor. ^ Ihr Pei'sonalstand war im Jahre 1744 folgender: Vice-Pi-äsident Jordan. Phy- sikalische Klasse 11 Mitglieder (Eller, Buddeus, Francheville, GLEorrscH, Lieber- kühn, LuDOLFF sen. et jun., Marggraf, Pott, Schaarschmidt, Sproegel);' Mathe- matische Klasse 7 Mitglieder ausser dem Veteran des Vignoles, der am 24. Juli 1744 starb (Euler, Faber [Januar 1744 aufgenommen und bald darauf gestorben], Grischau, Humbert, Kies, Naude, Wagner); Philosophische Klasse 7 Mitglieder (Heinius, Achard sen. et jun., Formey, Jariges, Sack, Stubenrauch [dieser ist aus der philologischen in diese Klasse übergegangen]); Philologische Klasse 6 Mit- glieder (d'Argens, Elsner, Hering, Küster, Lamprecht, Pelloutier [Bielfeld wurde Ehrenmitglied]). In der Zeit bis zu Maupertuis" Antritt ist nur Süssmilch (29. Januar 1745) hinzugekommen und Carita wui'de wieder in den Listen geführt (s. oben). Uhden, der General -Fiscal, ist bei der philosophischen Klasse erwähnt, und Sack ist in die physikalische übei'gegangen. Lamprecht, Redactear der SpENER'schen Zeitung und Herausgeber einer moralischen Wochenschrift "Der Welt- bürger« (Geiger, Berlin, I S. 4i3f.). stai'b im December 1744, Naude starl) am 17. Januar 1745. ^ Der Contract wurde am 16. vSeptember mit dem Buchhändler A. Haude in Bei'lin abgeschlossen (Geh. Staatsarchiv). Kurz vorher war in Bezug auf die Kalen- der ein merkwürdiges Ansinnen an die Akademie gestellt worden. Die Busstage lagen in den verschiedenen Landestheilen des Königreichs verschieden, und in den Kalendern der Akademie wurden diese Verschiedenheiten nicht immer hinreichend beriicksiclitigt, woraus sich Unzuträglichkeiten ergaben. Daher schrieb die Preussische ^lArPERTuis tritt an die Spitze. Die Akademie wird französiscli. 295 die Verfügung ergehen ^ , dass diese Publicationen sämmtlicli in französischer Sprache zu erscheinen haben (wünsche es der Autor, so könne das Original in einer fremden Sprache mitgedruckt wer- den)"". Das war bereits die Vorbereitung auf Maupertuis' Präsident- sc] laft. Ferner bestimmte er, gewiss im Hinblick auf den Tod Jorüan's, dass jährlich eine Lebensgeschichte der verstorbenen Mit- glieder, wie in Paris, in den Memoires gegeben werde. Endlich theilte er mit, er habe Fokmey mit 200 Thlrn. zum Historiographen ernannt. Aus der Bestallung Forjiey's^ ersieht man, dass in allen Stücken die Publicationen der Pariser Akademie der Berliner zum Muster dienen sollten. Wie in diesen sollten künftig neben den Abhand- lungen die »Lebensgeschichten« stehen; Alles aber sollte »in der ül)erall beliebten Sprache«, dem Französischen, gedruckt werden, »damit die ganzen Memoires auf eine dem Gelehrten sowohl als dem Publico angenehme und nützliche Art an's Licht treten mögen«. Formet übernahm ausserdem die schwierigen Verpflichtungen, alle deutsch oder lateinisch eingereichten Stücke in's Französische zu übersetzen, die iLebensgeschichten der Verstorbenen jährlich zu A'er- fassen und endlich für den ersten Jahrgang der Memoires eine Ge- schichte der Akademie von ihren Anfängen (d. h. vom Jahre i 700) an zu schreiben. Er hat die drei Aufgaben mit der ihm eigenen Leichtfertigkeit zu lösen verstanden. Bereits im October 1745 wollte Maupertuis mit dem Könige über Details der Einrichtung der Akademie verhandeln. Aber noch winkte der Monarch ab, «Si le reglement de l'academie etait Taftaire la plus difficile ä regier, je vous reponds, mon eher Maupertuis, qu"ä moins de huit jours tont serait reforme, mais j'ai tant d'embarras, et des clioses si difficiles ä manier, que je n'ai pas peiise Provinzialregierung am 29. Mai 1745 "nomine des Departements der christlichen Sachen« an die Akademie: »Wir stellen der hochlöblichen Societät der Wissen-* Schäften [sie] anheim, ob es nicht dahin zu richten, dass künftig die Busstage in Preussen und in denen übrigen Königl. Landen an einem und demselben Tage gefeiert Averden«. Dass die Akademie allgemeine Busstage für das Königreich ein- richten helfen solle, ist wohl die auffallendste Anforderung, die je an sie gestellt worden ist. ^ Die Verfügung selbst ist nicht erhalten, wohl al)er das auf ihr hissende Schreiben der Curatoren vom 19. Juli (Akademisches Archiv). '^ Von dieser Erlaubniss ist nie Gebrauch gemacht worden. ^ Siehe Urkundenband Xr. 162. Jariges, mit Geschäften überhäuft, war factisch schon im Jahre 1745/46 von dem Secretariat zurückgetreten; im April 1748 legte er es <\uch formell nieder. Die Stelle erhielt ebenfalls For3iey. Das Amt eines Bibliothekars erhielt am 7. November 1745 Pelloutier. 296 Gcscliiclitc der Akademie unter Friedrich dem Grossen (1740— 174()). a racadeinie, ce soia sera Touvrage de inon loisir. Vous en etes le direoteur et du moment de mon retour ä Berlin (qui sera dans 12 jours) vous voudrez l)ien vous en charger ^ " Es dauerte doch noch mehr als zwei Monate, bis der König nach Abschluss des Dresdener Friedens nach Hause zurückkehren konnte. Noch mancher Brief wurde mit Maupertuis gewechselt. Die Schreiben des Königs drücken immer wieder die Freude aus, die er an der Correspondenz empfindet; sie sind zugleich ergreifende Zeugnisse von den schrecklichen Eindrücken des Kriegs auf die Seele des Königs und von seiner heissen Liebe zu seinem Volke. Endlich konnte Friedrich Maupertuis von Potsdam aus begrüssen {3. Januar 1746) und ihm die tröstlichen Worte schreiben: »je fais un grand etat sur les ressources de Votre Societe«. Am 15. Ja- nuar richtete Maupertuis an den König jene Vorstellung, die für die weitere Geschichte der Akademie entscheidend geworden ist. Mit scharfem Blick erkannte er, dass die Wissenschaften in Preussen so lange nicht in der ihnen gebührenden Achtung standen, als nicht ein Mann der Wissenschaft mit der vollen Gewalt eines Präsidenten die Akademie regiere, anders ausgedrückt: er weigerte sich Präsident zu Averden, wenn er nicht auch den vier Curatoren in der Akademie übergeordnet würde (ausserdem lehnte er es ab, sich an der Finanzverwaltung der gelehrten Gesellschaft irgendwie zu betheiligen). Der Brief, der einen vollen Einblick in die Schwierigkeit der Lage zeigt, lautet:"" Votre Majeste pourrait croire que j'ai perdu de vue Tchjet pour lequel eile m'a pris k son service, si je ne lui parlais de son academie. J'aurais honte de mon loisir et des bienfaits memes dont V. M. m'honore, si je ne pouvais les meriter. Je vols beaucoup de contradiction et de mecontentement dans la maniere dont cette compagnie est administree, fort peu d'esperance pour le succes de ses ouvrages. Je ne puis cepen- dant remedier a rien, pas meine assister a ses assemblees, jusqu'a ce que V. M. m'ait fait expedier la patente pour la place de president, i(ue je n'ai encore que par les appointements et jiar le billet de V. M., dont je n'oserais pas me servir sans son ordre. Cette place, rendue d'abord honorable parLsiBNiz, ridicule ensuite par GuNDLiNG, et enfin mediocre par Jablonski, sei-a pour moi, Sire, ce que vous voudrez cprelle soit. Je sens la difficulte de la bien i-emplir et d'exciter l'emulation parmi des gens de lettres gouvernes par des ministres d'Etat et des generaux d'armee, que leurs seuls titres rendent superieurs k tout le reste. J'ai cependant souvent preside, dans l'Academie des Sciences, des ducs et des ministres; mais en France, le goüt de la nation pour les sciences, et peut-etre une espece de fortune, m'avaient donne ^ RoHNSTocK, den 22. October 1745. ^ CEuvrcs. T. 17 p. 336 f. (Original im Geh. Staatsarchiv.) Maupertuis" Brief an Friedrich II. (lö. Januar 174G). 2.)l une certaine consideration (|u'il est impossüjle que je troiive ici, si voiis ne me la donnez. Les sciences y sont dans un aiTaissement et un etat d'humilite marques par le reglement meme de l'Academie; on peut y dire jusqu"ici ce que Fontenelle a dit des temps gothiques de la France, oü il n'etait pas encore decide si les sciences ne derogeaient point. Je sens, Sire, que, tandis que je vous parle pour les sciences, il seinble (]ue je parle aussi pour inoi; je ne vous cacherai pas meine le degre d'ambi- tion que je joins au bien de votre Service. Je vous demanderai tout ce qui 2^ourra me donner la consideration et le credit necessaires pour le bien de l'Academie et pour remplir avec honneur une place qui doit etre honorable sous le regne d'AuGusTE. jNIais, s'il est permis de mettre des restrictions ä vos gräces et des limites aux fonctions qui regardent votre service, j'oserai prier V. M. de me dispenser d'une partie d'administration dont, etant etranger ici, je craindrais de ne pouvoir pas bien m'acquitter: c'est celle des deniers de l'Academie, ä laquelle je voudrais bien n'avoir aucune part. Je suis, etc. Friedrich war entschlossen, alle Wünsche Maupertuis' zu er- füllen. Bereits am i. Februar Hess er ihm die Bestallung als be- ständigem Präsidenten zugehen^; aber noch blieb das Verhältniss des Präsidenten zu den Curatoren unklar. Das Directorium der Akademie hatte schon vor der förmlichen Bestallung Maupertuis' am 6. December 1745 verhandelt, wie man den künftigen Präsi- denten aufzunehmen habe, Dass auch für die Discussion in den Sitzungen nunmehr nur das Französische, höchstens noch das La- teinische, zulässig sei, da der Präsident kein Deutsch verstand, war klar. Als nun seine Ernennung eintraf, als man merkte, dass der König Alles durch ihn bei der Akademie zu betreiben ent- ^ Abgedruckt im Urkundenband Nr. 163. Unmittelbar vor der Einsetzung Maupertuis' zum Präsidenten muss der erste Jahrgang der Hist. und Mem. der Akademie für das Jahr 1745 erschienen sein. Er trägt bereits die Jahreszahl 1746, aber in dem kurzen Abriss der Geschichte der Akademie, die Formet verfasst hat, ist Maupertuis noch nicht erwähnt. Der übrigens noch ziemlich dünne Band ist dem Könige gewidmet und luiterscheidet sich dadurch von den folgenden, dass den Memoires ausführliche, besonders paginirte Sitzungsberichte vorangehen. INIau- pertuis hat das wieder abgeschafft. Abhandlungen enthält der Band nur zwölf (drei für jede Klasse), aber von gediegenem Inhalte. Ludolff hat über »Electricite des Barometres« geschrieben, Marggraf über Metalllösungen, Lieberkühn über ein anatomisches IMikroskop. welches es gestattet, lebende Thiere zu beobachten. Zwei mathematische Abhandlungen haben Euler zum Verfasser, eine dritte ist von D. Bernoulli geschrieben. Die neue philosophische Klasse führt sich würdig ein durch eine kritische Abhandlung von Jariges über den Spinozismus und die P^^inwürfe Bayle's gegen dies System. Elsner schreibt über »l'Excellence de la Palestine« , d. h. über die besonderen klimatischen u. s. w. Vorzüge des Landes im Alterthum. Süssmilch versucht den Beweis der Abhängigkeit des Keltischen und Deutsclien von den orientalischen Sprachen. Die Vorrede ist deshalb bemerkens- werth, weil sie das hohe Selbstbewusstsein des 18. Jahrhunderts in ausgeprägter Form zeigt. 298 lieschiclitc flcr Al^ndeniic iintei' Friedrich dem Grossen (1740 — 1746). schlössen war\ als man den Enthusiasmus fühlte, mit dem Friedrich dem grossen Gelehrten anhing", da erklärten die Curatoren von Arniji, VON Viereck und Bokcke ihr Amt niederlegen zu wollen (19. März). SciiMETTAu, der in diesen Monaten wieder die Geschäfte führte, wandte ein, er könne nicht allein diesem Werke vorstehen; auch genüge es nicht, den Rücktritt im Protokoll zu verzeichnen; sie müssten ihren Abschied beim Könige einreichen. Allein Arnim er- widerte, er habe das Amt nur auf Probe übernommen; Viereck erklärte, nicht der König, sondern die Commission habe sie zu Curatoren ernannt, und Borcke antwortete, er wolle seine drei Monate noch abdienen, damit es nicht an einem Curator fehle, aber auf längere Zeit engagire er sich nicht^. Man kann es den hohen Herren nicht verdenken , dass sie ihre Mitwirkung versagten — es war etwas Unerhörtes, dass ein Gelehrter, und dazu ein Aus- länder, über den höchsten Staatsbeamten stehen sollte; ihnen war das Präsidium anvertraut worden, und sie sollten es plötzlich ver- lieren! Aber der König liess sich nicht beirren. P]r verlangte, dass die Curatoren blieben^ — nur von Viereck, der frühere Protector der Societät, schied aus — , und er war zugleich entschlossen, die Gewalt, die er Maupertuis übertragen hatte, in den Statuten zum Ausdruck zu bringen und ihm auch (obgleich er sich anfangs ge- weigert hatte, sich mit den finanziellen Fragen zu befassen) das ausschliessliche Recht, Pensionen zu verleihen, zu übertragen. Zu diesem letzten Schritt veranlassten ihn vor allem ärgerliche Ver- handlungen, die noch immer über Naude's erledigtes Gehalt ge- führt wurden, ob es Gleditscii oder Marggraf beziehen solle^. Dass die vor zwei Jahren gegebenen Statuten weitschweifig, schwerfällig und unvollkommen seien, hatte Maupertuis dem Könige ^ Dei' erste, den Maitertuis empfohlen und Friedrich als Professor dei' Mathematik angestellt hat, war Beguelin (s. den I>i-ief vom 22. März 1746). ^ Siehe den Brief vom 5. März 1745, in welchem sich der König mit Mau- pertuis über die zu schlagenden Medaillen heräth und schreibt: »Es ist Eure und Eurer Genossen Aufgabe, die Ihr als Devise die Unsterblichkeit habt, sie in Bruch- stücken denen auszutheilen, die kein anderes Verdienst haben als das der physischen Kraft imd des Muthes". ^ Die Erklärungen befinden sich im Akademischen Archiv. * Ihre letzte selbständige That war die Einschärfung des Gebotes (vom 31. October 1724), dass die Verleger ein Exemplar der von ihnen gedruckten Bücher an die Bibliothek der Akademie abzuliefern haben. Der König erliess eine entsprechende Verfügung (19. INIärz 1746). Vei'anlasst war die Sache durch eine Eingabe des Fiscals der Akademie Uhden an Schmettau (Geh. Staatsarchiv). ^ Akademisches Archiv. Das Statut der Akademie vom 10. ]Mai 174f). 299 wiederholt vorgestellt. Jetzt beauftragte Friedrich den Präsidenten, neue Statuten zu entwerfen. Dieser unterzog sich der Aufgabe, nahm sich die einfachen und straffen Reglements der Pariser Aka- demie überall dort zum Muster, wo nicht Besonderheiten der Ber- liner Akademie eine Abweichung erforderten, und legte dann seine kurz und präcis gefassten Bestimmungen dem Könige vor. Der Monarch billigte am i O.Mai die Vorlage, fügte aber eigenhändig zum 8. und 1 3. Paragraphen zwei Sätze hinzu, die des Präsidenten Stellung betrafen. In dem ersten verfügte er, dass der Präsident über alle Mitglieder, also auch die Ehrenmitglieder, gesetzt sei, wie ja auch ein General Herzöge und Prinzen commandire; in dem zwei- ten bestimmte er, dass der Präsident die Pensionen allein zu ver- geben habe. In dieser Gestalt erschienen die Statuten am 10. Mai 1746 und wurden in der Sitzung vom 2. Juni verlesen; sie unter- Marfen die Akademie der fast autokratischen Gewalt des neuen Präsidenten. Borcke, der bisher präsidirender Curator gewesen, legte sein Amt in die Hände Maupertuis'. Diese Statuten sind viele Jahrzehnte hindurch gültig geblieben — deshalb mögen sie hier in extenso folgen \ Freilich verloren sie dadurch einen Theil ihrer Bedeutung, dass nach Maupertuis' Abgang kein Präsident mehr ernannt worden ist; aber an seine Stelle trat der König selbst; die streng monarchische Ver- fassung der Akademie blieb also unverändert. So lange aber Mau- pertuis regierte, fühlte sich der König entlastet; er sah sich als Protector an", der die Macht hat, das auszuführen, was der Prä- sident vorschlägt, und — als wirkliches, mitarbeitendes Mit- glied der Akademie. Reglement de rAcademie: Le roi s"etant fait representer les differens reglements de l'Academie Royale des Sciences et Beiles - Lettres , et voulant donner a cette compagnie, une derniere forme, plus j^ropre ä augmenter son lustre et ses progres: Sa ]Majeste a ordonne qu'elle observe desormais le regiement suivant. ^ Nach der Coj)ie, die sich im Akademischen Archiv befindet; gedruckt sind sie in den ]Mem. 1746 p.3ff. vind in Fgrmey's Hist. de TAcad. p.gSff. ^ Jetzt erst löste der König sein Versprechen ein und nannte sich «Protec- tor« der »Academie des sciences et belles -lettres« (verkündigt von IMaupertuis in der Sitzung vom 23. [nicht 28., wie Forjiey druckt] Juni 1746). Der Zusatz »belles- lettres« steht noch nicht im Statut von 1744. aber der Sache nach ist er in ihm enthalten, wurde schon in den Jahren 1744 und 1745 officiell gebraucht und findet sich auch auf dem Titel des i. Bandes der ^Nlemoires der Akademie von 1745. 300 Geschichte der Akademie unter Friedrich dem Grossen (1740 — 1746). I. L'Academie demeurera coinme eile est, divisee en qiiatre classes. 1. La classe de philosophie experimentale coinprendra la chiniie, ranatoinie. la botanique, et toutes les sciences qui sont fondees sur l'experience. 2. La classe de mathematiques comprendra la geometrie, Talgebre, la mechanic^ue, l'astronomie, et toutes les sciences qui ont pour objet l'etendue abstraite, ou les nombres. 3. La classe de philosophie speculative s"appli(juera ä la logique, a la inetaphysique et ;i la morale. 4. La classe de belles-lettres comprendra les antiquites, Fhistoire et les langues. 2. L'Academie sera composee de trois sortes d'academiciens , d'honoraires , d'or- dinaires et d'etrangers. 3. Les academiciens honoraires ne seront attaches ä aucune classe, ni obliges ä aucun travail. Lorsque leurs places viendront ä vaquer, elles ne seront point remplies au-dessus du nombre de seize. 4- Les academiciens ordinaires formeront les quatre classes; sans que cependant chacun soit tellement confine dans jla sienne, qu'il ne puisse traiter les matieres des autres, lorsqu'il aura quelque decouverte, ou quelque vue a proposer. Chaque classe sera composee de veterans, de pensionnaires et d'associes. Les veterans seront ceux (jui. apres de longs Services, auront merite d'etre dispenses des fonctions academiques, et de conserver leurs pensions et toutes leurs prerogatives. Les pensionnaires seront au nombre de douze , egalement repandus dans chaque classe. Et comme dans quelques - unes il s'en trouve actuellement plus de trois, l'intention de Sa Majeste est que chacun continue de jouir de tous les avantages dont il jouit; mais qu'on observe ä l'avenir de ne point reinjilir les places au- dessus de ce nombre. Les associes seront pareillement an nombre de douze, repandus egalement dans chaque classe: ou reduits ä ce nombre, lorsque les places viendront ä vaquer. 5- Les academiciens etrangers seront pris indistinctement dans toutes les nations, pourvu (ju'ils soient d'un merite connu. 6. Tous les academiciens, tant honoraires qu'ordinaires et etrangers, seront eins ä la plui'alite des voix de tous les academiciens presents, avec cette seule difterence que pour chaque place de pensionnaire on elira trois sujets, dont deux soient de l'Academie et le troisieme n'en soit pas, qui sei^ont presentes au roi, afin qu'il plaise ä Sa Majeste de choisir celui qui remplira la place. 7- Aucune election ne se fera qu'elle n'ait ete indiquee huit jours auparavant. Das Statut dei' Akademie vom 10. Mai 1746. BOl Le President perpetuel nomme par le roi aura soin de faire observer le reülement, d'indiquer les elections, de presenter au roi les sujets elus pour les places de pensionnaire , de faire de- liberer sur les matieres qiii sont du ressort de l'Academie, de recueillir les voix, de prononcer les resolutions et de nommer les commissaires pour l'examen des de- couvertes , ou des ouvrages qui seront presentes k l'Academie. Dazu bemerkt der König: "11 aura la ])residence, independam- ment des rangs, sur tous les academi- ciens honoraires et actuels, et rien ne se fera que par lui; ainsi qu'un general gentilhomme commande des ducs et des jjrinces dans une armee, sans que per- sonne s'en oflense.« Le secretaire perpetuel tiendra les registres de l'Academie, entretiendra ses correspondances et assistera a toutes les assemblees, tant generales que particulieres. Chaque classe aura. son directeur perpetuel , elu entre les pensionnaires , a la pluralite des voix de tous les academiciens presents. Les assemblees de TAcademie se tiendront tous les jeudis et seront com- posees des membres de toutes les classes. Ceux qui ne seront pas du corps n'y pourront assister, a inoins qu'ils ne soient introduits par le president ou par racademicien qui preside a sa place. Chaque academicien pensionnaire lira dans Tannee deux memoires; chaque associe en lira un, ä tour de röle. Ces memoires seront annonces quinze jours auparavant au president et remis immediatement apres la lecture au secretaire, pour etre transcrits sur le registre. 13- Comme les affaires economiques seraient difficilement traitees dans les assemblees generales , l'Academie , ä la pluralite des voix de tous les academi- ciens presents , elira quatre curateurs , qui avec le president, les directeui-s et le secretaire, formeront un directoire pour veiller aux interets de l'Academie et de- cider ä la i^luralite des voix de tout ce qui les concerne. Dazu bemerkt der König: »Le president Maupertuis aura l'au- torite de dispenser les pensions vacantes aux Sujets qu'il jugera en meriter, d"a- bolir les petites pensions, et d'en grossir Celles qui sont trop minces, selon qu'il le jugera convenable; de plus il presidera dessus les ciu-ateurs dans les affaires economiques.« 14. Le directoire s'assemblera a la fin de chacpie trimestre. 11 reglera l'etat et reinploi des fonds de l'Academie et expediera pour cela les ordres au commissaire qui en a la regie, sans que ces ordres regardent le payement des pensions une fois reglees. Et lorsqu'entre deux assemblees du directoire il se presentera quelque depense qui ne poiu^ra j^as etre differee, le commissaire payera sur Tordre par ecrit du secretaire, qui en rendra compte a la premiere asseiublee du directoire. 302 Geschichte der Akademie unter Friedrich dem Grossen (1740—174(5). 15- Le President, les cjuatre directeurs , le secretaire, l'historiographe et le biblio- thecaire de rAcademie formej-ont un comite qui s'assemblera ä la fin de chaque mois. On y fera le choix des pieces qui seront aclmises dans le recueil qu'on donnera au public, et, l'on y reglera tout ce qui concerne la librairie de l'Academie. i6. L'absence d'aucun de ceux cpü formeront le directoire, ou le comite, n'em- pechera ni n'invalidera les deliberations. 17- Aucun academicien ne pourra k la tete des ouvrages cpi'il fera inqjrimer, 2)i'endre le titre d'academicien, si ces ouvrages n'ont ete approuves par rAcademie. i8. Les vacances de TAcademie seront de quatre semaines pendant la moisson et de deux semaines ä chaque fete de Päques, de Pentecote et de Noel. 19. L'Academie ayant destine tous les ans un prix pour celui qui aura le mieux traite le sujet qu'elle propose, ses membres ne pourront concourir. Le menie jour au(|uel le prix sei'a decerne on indiquera le sujet pour l'annee suivante. 20. Sa Majeste veiit que le present reglement soit In dans la prochaine assemblee de l'Academie et insere dans le regitre jiour etre exactement obsei've. Fait ä Potzdam, le 10. mai 1746. Federic. Am 1 1 . Mai Hess der König an von Viereck folgende Ordre ergehen^: »Mein lieber Geheimder Etats -Ministre von Viereck! Nachdem Ich aus eigner Bewegung resolvirt habe, dass wenn forthin bey der Academie der Wissenschaften zn Berlin Pensiones erlediget und vacant werden, alsdann der Präsident von Mau- PERTuis lediglich und allein die Wiedervei'gebung sothaner Pensionen Mir vor- schlaget, auch mir deshalb seinen Bericht erstatten soll, So befehle ich hierdurch, dass Ihr gedachter Academie solches zur Nachricht und Achtung bekannt machen, auch das deshalb erforderliche aus s fertigen lassen, imd zu Meiner Unter- schrift einsenden sollt. Icli bin Euer Wohlaffectionirter König. <■ Demgemäss ergingen Ordres an die Akademie und an Maupertuis". Die vom Könige gegebenen Statuten brachten , auch abgesehen von der Stellung, die sie dem Präsidenten einräumten, einschneidende Neuerungen. Zwar die vier Klassen, Avie sie durch die Ordnung vom ^ Gelieimes Staatsarchiv. ^ Abgedruckt im Urkundenband Nr. 165. 166. Das vStatut der Akademie vom 10. Mai 1746. 303 Jahre 1744 festgestellt waren, blieben bestehen^; aber die Klassen- sitzungen wurden sämmtlicli in Plenarsitzungen verwandelt, und in jeder Klasse sollten Veteranen, Pensionäre und Associes unterschieden werden. Nur drei Pensionäre sollten in Zukunft in jeder Klasse sein und ebensoviele Associes. Die Zahl der Ehrenmitglieder ist auf 16 be- schränkt, die der auswärtigen ist imbeschränkt"". Alle Wahlen, auch die der vier Directoren, sind einfach in der Generalversammlung zu dass bei vollziehen, mit der Beschränkung Erledigung der Stelle eines Pensionärs dem Könige drei Candidaten vorzuschlagen sind, unter denen immer zwei Associes und ein fremder sich befinden sollen. Jeder Pensionär soll im Jahr zwei Abhandlungen lesen, jeder Associe eine. Diese Abhandlungen müssen 14 Tage, bevor sie gelesen werden, dem Präsidenten angezeigt werden. Am Ende jedes Trimesters hat das Directorium, welches den Etat und die Fonds der Akademie zu verwalten hat, eine Sitzung zu halten. Schmettau's vier Klassen -Deputirte für die ökonomischen Angelegenheiten sind wieder weggefallen. Für die Publikationen der Abhandlungen ist ein besonderes Comite eingesetzt, das aus dem Präsidenten, den vier Directoren, dem Secretar, dem Historiographen [die beiden Aemter fielen aber factisch und bald auch ordnungsmässig zusammen] und dem Bibliothekar besteht. Nicht unwesentlich ist die Bestimmung, dass der Titel » Academicien« nur auf die Titel solcher Werke ge- setzt werden darf, welche die Akademie gebilligt hat. Die jährlichen Preisaufgaben wurden beibehalten — schon wurde zum zweiten Mal der Preis ertheilt: (am 3 i . Mai i 745 an Waitz »sur TElectricite«) näm- lich 1746 an d'Alembert »sur la cause des Vents« ; durch letztere Preis- ertheilung markirte die Akademie ihren Platz unter den europäischen Akademieen — , aber es wurde im Gegensatz zu der früheren An- ordnungbestimmt, dass Berliner Akademiker nicht concurriren dürfen. Die Akademie war eingerichtet. Ein anerkannter Fürst der Wissenschaft, zugleich ein energischer Mann, stand an ihrer Spitze. A^on allen Seiten kamen die Gratulationen^, Friedrich aber rief aus: ^ Auch die Curatoren wurden beibehalten, um den Zusammenhang der Aka- demie mit der Aristokratie und dem höheren Beamtenthum zu bewahren. - Die ersten von der neuen Akademie (einstimmig) gewählten auswärtigen ^Mitglieder waren d'Alejibert (2. Juni 1746 — in der ersten Sitzung, der Maupertuis präsidirte, und auf seinen Vorschlag), Voltaire und Coxdamine (9. Juni 1746). In der Sitzung vom 30. Juni wurden nicht weniger als 18 gewählt, unter ihnen Lixx luid Montesquieu. ^ Auch WoLFF aus Halle gratulirte (s. le Sueur, Maupertuis u. s. w. p. 426 Brief vom 15. November 1746). iövoe/. 804 Geschichte, der Akademie unter Friedrich dem Grossen (1740— 174(!). »MAurERTUis ist unser Palladium und die schönste Eroberung, die ich in meinem Lehen gemacht habe«. Er wusste jetzt, dass er ihn behalten würde, auch wenn er ihn auf Reisen schickte, auch als er ihm schon im Juni 1746 Urlaub nach Frankreich ertheilen musste, damit er seinen todtkranken Vater noch sähe': in der Ferne wird er für die Akademie sorgen und das Feuer des Prometheus nach Berlin zTirückbringen, Nur das körperliche Befinden des Prä- sidenten verursachte ihm Kummer; Maupertuis litt an einem Lungen- übel, das ihn hypochondrisch machte. Mit wirklich väterlicher Sorge Avachte der König über dem leidenden Gelehrten, hörte seine ein- förmigen Klagen geduldig an, empfahl ihm Ärzte, schrieb ihm eine Diät vor und vergass über den Schmerzen des Freundes seine eigene Krankheit. Er sah die Akademie unter Maupertuis' Scepter schnell zur Blüthe kommen, und das entzückte ihn. Mit Freude betheiligte er sich jetzt selbst an ihren Arbeiten. Schon am 10. April 1746 schickte er Maupertuis eine Abhandlung, sie mit einigen scherzenden und ironischen Worten begleitend". Wie stolz der König auf seine Akademie war, was er von ihr erwartete und wie sehr ihn ihre erste Thätigkeit befriedigte , das zeigt die Ode , die er auf ihre Neugrün- dunü- sredichtet hat^. Nicht nur die genauen Kenner des Französi- sehen finden an dem Gedicht allerlei auszusetzen; aber mit Recht ist gesagt worden , dass es als ein besonders charakteristisches Denk- mal des Geistes der Epoche und als ein lehrreiches Blatt in der Geschichte Friedrich 's zu betrachten sei. 6.* «Un prince cheri des Muses, comme des destinees, devait monter sur le tröne: celui qui, s'il füt ne dans une autre condition, eüt ete Tornement de TAcademie , devait devenir le maitre de TEtat . . . La guerre a assez rendu les Prussiens formidables: c'est a la justice a les rendre heureux . . . Frederic rappelle les Muses : cette com- ^ Brief vorn 4. Juni 1746 nus Pyrmont. - Briefe an Maupertuis im Geh. Staatsarchiv. Welche Abhandlung gemeint ist, wissen wir nicht sicher, vielleicht das Eloge auf Jordan, das gedruckt werden sollte. ^ Abgedruckt im Urkundenband Nr. 167; gelesen wurde sie in der Aka- demie von Darget am 25. Januar 1748. * Für den folgenden Abschnitt habe ich dankbar die Hist. philosopliique de l'Acad. de Prusse von Bartholmess T. I p. 162 ff. benutzt. Die doi't gegebene Darstellung ist so zutreffend und fein empfunden, dass es Pflicht ist, sich an sie anzuschliessen. Die Übertreibungen habe ich unterdrückt. Geist und Ziele der Akademie nach Friedrich und Maupertuis. B05 pagnie reprend sa premiere vigiieur. II lui donne de nouveaux titres, de nouveaux regiements , une nouvelle vie: il la rassemble dans son palais et se declare son protecteur. Physicien , Geometre . Pliilosophe, Orateur, eultivez vos talents sous les yeux d'un tel maitrel Vous n"aurez que son loisir, et ce loisir n'est que quelques instants: mais les instants de Frederic valent des annees.« Mit diesen Worten seliliesst Maupertuis" Festrede am Geburtstag des Königs i 746 \ Der letzte Satz frappirte die Akademie und Europa, aber die folgenden 17 Jahre haben ihn wahr gemacht, und die Welt stimmte dem Urtheile bei, das Condamine im Jahre 1759 gefällt hat: »Friedrich findet Zeit zu Allem, und man kann von diesem Monarchen sagen: Pluribus intentus superest ad singula sensus'«^. Die Reden , die Maupertuis in den Festsitzungen gehalten hat, zeigen am besten, in welchem Geiste die neue Akademie nach den Ab- sichten Friedrich's wirken sollte ; denn zwischen dem Könige und sei- nem Präsidenten herrschte volles Einvernehmen hierüber. Die Pflichten des Akademikers^, die Stellung des Protectors, der erhabene Zweck und der nützliche Einfluss einer zugleich litterarischen und wissenschaftli- chen Gesellschaft — über all diese Themata verbreitete sich Maupertuis wiederholt in beredten Reflexionen und Anweisungen. Immer wieder setzte er auseinander, dass der König die Societät der Wissenschaften erneuert habe , um eine ganze Reihe gleich wichtiger Aufgaben durch sie erfüllt zu sehen : Die Universitäten sollten durch ihre Einwirkung von der »Pedanterie« geheilt werden , von dem gelehrten W^örterkram und den steifen Formen: Unterweisungen sollten gegeben werden, nicht schwerfällige und langweilige, sondern geschmackvolle und anziehende. »Gedankenfreiheit« soll über ihrem Hause stehen: die Barbarei der gothischen Zeiten und der Aberglaube in allen Formen soll vernichtet werden; Kritik und Phantasie, nicht nur das Ge- dächtniss, soll sie wecken und üben, und in das öö'entliche Leben soll sie Feinheit und Eleganz, Vernunft und Gerechtigkeit tragen. In diesem Institut begann man allgemein das zweckmässige Mittel zu sehen, um dem Talent das Studium der Natur und die Aus- bildung zur Humanität zu ermöglichen und um in Preussens Haupt- stadt eine Elite von hohen Geistern zu sammeln, deren Licht die ^ Abgedruckt in den Mem. 1746 p. loff. ^ Brief an Formet vom 28. September 1759. ^ IMaupertuis hat über dieses Thema eine Averthvolle Rede gehahen (am 18. Juni 1750. abgedruckt in den INIem. 1753 p. 511— 521 und bei Formey. Hist. p. 137 ff.). Geschichte der Akademie. I. 20 H()() (iescliiclite der Akndciiiic unter Friedrich dem Grossen (1740 — 1746). Welt erleuchten und entzücken sollte. Alle sahen in dieser Aka- demie eine ehrenvolle Bühne für das verkannte Verdienst, ein sicheres Asyl für den unterdrfickten Freimuth und die verfolgte Wahrheit; hier linkten Aufmunterung und Belohnung; sie sollte der Mittelpunkt eines fruchtbaren Wetteifers für ganz Deutschland werden. Um diese Zwecke zu erreichen, hat Friedrich die Statuten der alten LEiBNiz"schen Societät umarbeiten lassen. Im Grunde kommt hier nur zum vollen Durch bruch, was auch Leibniz gewollt hatte; denn die Gedanken der Aufklärung, die den König beseelten, waren auch bei Leibniz die übergeordneten. Sie w^aren bei ihm nur nieder- gehalten durch die Rücksichten, die er nehmen musste in einem Zeitalter, das noch stärker an der Überlieferung hing, und sie waren begrenzt, weil Leibniz mit Recht noch sehr Vieles für l)e- achtenswerth und werthvoll hielt, was für Friedrich und sein Zeit- alter allen W^erth verloren hatte. Kein Zweifel, Leibniz war un- gleich universaler als das Geschlecht, das ihm folgte; aber dafür ist er auch nicht im Stande gewesen, so zu wirken, wie es nur der Einseitige vermag. Jene »philosophische Kirche«, deren Führer in Deutschland der König, deren europäisches Haupt Voltaire war, war eine streitende und erobernde Kirche wie die alte. Es war, wie man mit Recht gesagt hat, auf einen Vernich- tungskampf abgesehen. Die Aufklärungsphilosophie strebte, wie einst der Neuplatonismus im 3. und 4. Jahrhundert, mit allen Kräften darnach, die Kirche zu verdrängen und selbst allgemeine Welt- religion zu werden. W^ie man über diese Unternehmungen auch vu'theilen mag, was von ihnen geblieben ist, ist uns zum Segen geworden. Den Zweck, deutsche Sprache und deutsche Geschichte zu pflegen, Hess der König zwar nicht ganz fallen — ein Akademiker wurde mit dieser Aufgabe betraut — , aber als genereller Zweck, wie ihn sein Grossvater und Leibniz gedacht hatten, musste er ver- schwinden. Es ist sehr w^ohlfeil, heute dem Könige deshalb Vorwürfe vom patriotischen Standpunkte aus zu machen ; aber die Frage darf wohl aufgeworfen werden, ob die Universalgeschichte ihm nicht doch Recht giebt. Dass Deutschland zwei Menschenalter hindurch eine streng kosmopolitische Epoche erlebt hat, dass der deutsche Geist in die Schule Fluropas gegangen ist, ist von unendlichem Segen gewesen. Und, darüber hinaus, wir haben heute mehr denn je Grund, daran zu erinnern, dass die Wissenschaft ihrer Natur nach kosmopolitisch ist, und dass auch die Bildung ver- Geist und Ziele der Akademie nach Friedrich und Maupertuks. ö07 kümmert, wenn sie exclusiv als nationale gepflegt Avird. Erinnert man sieh aber, dass es um 1746 kein Deutschland, weder ein politisches noch ein geistiges, gegeben hat, sondern nur grössere und kleinere Einzelstaaten mit kümmerlichen Bildungscentren, so muss man es verstehen, dass Friedrich die Ideale des Weltbürger- thums seinem Lande zuführen wollte, um es aus der Dumpfheit und der Beschränktheit des Kleinbürgerthums herauszuführen. Dass die Preussen nicht vergassen, dass sie Preussen sind, dafür sorgte des Königs Schwert und sein Lorbeer. Auch der praktische Zweck, den Leibniz so enge mit dem theoretischen verbunden hatte, trat in der neuen Schöpfung zu- rück — nicht mehr sollte die Akademie zugleich eine Hochschule der Technik sein. Aber dafür trat die andere Vorstellung kräftig hervor, dass die reine Wissenschaft selbst und jene neue Kunst, Alles vorurtheilslos und nach den Principien einer gesunden Auf- klärung zu beurtheilen, die Staatsbürger am besten auszubilden ver- möge und zum Wohl des Gemeinwesens das Meiste beitrage. «Le bien public« ist am besten gesichert, wenn das vernünftige Denken regiert und die reine W^issenschaft fortschreitet — in diesem Sinne ist die Arbeit der Akademie » praktisch « , ja die beste Praxis. Bereits in der Vorrede zum ersten Bande der Memoires (1745) hat Formet, zum Theil in Worten, die der König oft gebrauchte, diesem Gedanken Ausdruck gegeben. Früher, so schreibt er — und erst seit kurzem ist diese Zeit vergangen — , musste man den Nutzen rein theoretischer wissenschaftlicher Arbeiten immer erst nachweisen , wenn man sich mit einem solchen Werke hervorwagte, aber "les choses ont bien change. L'enipire des prejuges , qui avait dejä regu de foi-tes atteintes dans cette partie de sa doniination qui concerne rutilite des con- naissances speculatives , est entiereinent detruit ä cet egard. On regarde aujourd'hui un grand niathematicien , un habile physicien, un lioninie de lettres qui excelle dans quelque genre que ce soit, on les regarde, dis-je, comme ils nieritent de l'etre, c'est-a-dire, non-seulement comnie des gens qui fönt honneur k leur j^atrie par la sublimite de leurs connaissances, mais comnie des citoyens utiles, sous le 2:)as descjuels naissent, ou du moins peuvent naitre les decouvertes les plus in- teressantes pour le bien public. Je suppose donc couune une chose avouee, que l'etablissement d"une Academie, son maintien, son accroissement, sont des objets dignes de l'attention des souverains, et que la publication de ces savantes archives oü les academiciens deposent et consignent h la posterite le fruit de leui's travaux, est un des presents les plus considerables qui puissent etre faits au public." Immer wieder machte der König selbst darauf aufmerksam, dass die Aufgaben der Akademie und der Staatsverwaltung streng getrennt gehalten werden müssten, und wachte eifrig darüber, dass sie nicht vermischt wurden. Seine Akademiker sollten sich um 20* 308 Geschichte der Akademie unter Friedrich dem Grossen (1740 — 1746). die Wissenschaft, nicht um den Staat kümmern. Sie haben die reine Wahrheit zu erforschen und auf allen Linien die Ideale vor- zuzeiclmen. Sache der Staatsmänner ist es, diese Wahrheiten nach und nach in das öffentliche Leben einzuführen und zu verwirk- lichen. Niemals sind bei einem Könige die Männer der Wissen- schaft so angesehen und zugleich so einflusslos auf die Leitung der öffentlichen Angelegenheiten gewesen wie unter Friedrich. Dass der evangelische Charakter der Societät sowie die Auf- gabe, dem Protestantismus zu dienen und sich an der Mission zu betheiligen, wegfielen, war in dem neuen Zeitalter selbstverständlich. Forme Y, obgleich ein orthodoxer Theologe, spricht in seiner Ge- schichte der Akademie nur mit A'erwunderung und einem Lächeln von jener Bestimmung der alten Statuten. Allein wie Friedrich selbst sich höchstens zeitweilig in seinem Gottesglauben erschüttert fühlte , so sollte auch die Akademie keine Stätte des Atheismus werden. Zwar durfte der Philosoph jeden Gedanken vortragen, wenn er ihn philosophisch begründete; Niemand wurde nach seinem Glaubensbekenntniss gefragt, und Niemand brauchte seinen Glauben oder Unglaul)en zu verbergen — aber in Wirklichkeit hat in der Akademie Friedrich^s zu allen Zeiten eine viel conservativere Haltung der Religion gegenüber geherrscht, als der König selbst sie ein- nahm. La Mettrie und d'Argens haben ihre Lehren nicht in der Akademie vorgetragen, und der Spott Voltaire's und Friedrich's über die positive Religion ist nicht über ihre Schwelle gedrungen, obgleich die grosse Mehrzahl der Akademiker mit dem Könige der Meinung war, dass die philosophische Religion, der Deismus, die wahre und einzige sei. Sehr charakteristisch , aber mit einer der positiven Religion freundlichen Wendung, hat Maupertuis dieser Überzeugung in einer Rede Ausdruck gegeben. »Le premier reglement de la societe royale portait qu'une de ses classes devait s'appliquer ä l'etude de la religion et a. la conversion des infideles: article plus singulier par la maniere dont il etait presente, (ju"il ne Test peut-etre en effet. Notre reglement moderne ne charge aucune classe en particulier de cette occupation; mais ne peut-on pas dii-e que toutes y concourent? Ne trouve-t-on pas dans l'etude des merveilles de la nature des preuves de l'existenee d'vin Etre supreme? Quoi de plus capable de nous faire connaitre sa sagesse, que les verites geoinetriques ; que ces lois eternelles par lescpielles il regit l'univers? La philosophie speculative ne nous fait-elle pas voir la necessite de son existence? Enfin l'etude des faits nous apprend qu'il s'est manifeste aux hommes d'une maniere encore phis sensible; (ju'il a exige d'eux un culte et le leur a prescrit.«^ ^ »Des devoirs de rAcademicien« (Formey, Hist. de l'Acad. j). 146 f.). Geist und Ziele der Akademie nach Friedrich und Maipertuis. 309 Nicht als kirchliche Theologen sollen die Akademiker die reli- giösen Fragen behandeln; aber sie sollen sie doch nicht ausschliessen, ja Maupertuis scheint, wie Wolff, anzvniehmen , dass der Idealismus und das «natürliche« System der Religion Iseweisbar seien und mit dem christlichen Theismus der Evangelien zusammenstimmen. Ein grosser Theil der Akademiker Feiedrich's hat sich mit religions- philosophischen Fragen fort und fort beschäftigt. Wir sind, sagten sie, weder abergläubisch noch ungläubig; wir leben auf einem Boden, wo man die Grenzen der Vernunft und des Glaubens in gerechter Weise gezogen hat, wo man jene ausbildet und diesen respectirt. »Die Religionsphilosophie verbannen, das bedeutet, sich auf eine Akademie der Sonnette und Madrigale zurückziehen « \ Die wichtigste Neuerung in den Statuten von 1744 und 1746 war die Errichtung einer besonderen Klasse für die speculative Philosophie. Wie die Berliner Akademie die erste gewesen ist, welche alle Disciplinen der W^issenschaft in sich vereinigt hat — weil Leibniz mit scharfem Blick erkannt hatte, dass das Princip der kritischen Forschung nicht nur auf naturwissenschaftlichem Gebiete, sondern in allen Wissenschaften anzuwenden sei" — , so ist sie auch die erste gewesen, welche die Pflege der speculativen Philosophie unter ihre Aufgaben aufgenommen hat. Maupertuis und Formet haben noch das Bedürfniss gefühlt, diese Neuerung zu rechtfertigen. Beide fassen die Metaphysik als die Mutter und Königin der Wissenschaften, als die Wissenschaft der Wissen- schaften, als die Theorie, welche die allgemeinen Principien, die nothwendigen und universalen Ideen liefert, und welche die Quelle der Evidenz und die Grundlage der Gewissheit bildet. Beide zeigen, dass dieses hohe Studium, von den grossen Denkern der neuen Zeit so glücklich weitergeführt und gereinigt von dem scholastischen Roste, aufgehört hat ein »Wörterbuch barbarischer Terminologieen« zu sein und die grundlegende W^issenschaft geworden ist, die jeder Disciplin die massgebenden Grundbegriffe giebt. Sie schliessen daraus, dass eine Akademie der Wissenschaften eine besondere Klasse für die Metaphysik einrichten und eine eigene Abtheilung ^ PRibiONTVAL in den Mein. 1761 p. 4161". Ausdrücklich verweist er dabei auf LEiBNizens Theodicee. ^ Dazu kam, dass er letztlich von der Akademie (bez. von dem Netz von x\kademieen, das er gründen wollte) die Herstellung einer grossen Encyklopädie alles Wissenswürdigen oder — wie er sich auszudrücken liebte — Logarithmen- tafeln für alle Wissenschaften erwartete. BIO Ciescliiclitc der Akademie imter Friedrich dem Grossen (1740 — 174H). schaffen müssf; zur Ausbildung der »rationalen« Philosophie »au progrcs de l'esprit universel«\ "La metaphysi([ue est sans coiiti'edit la mere des autres sciences, la theorie (lui fournit les prineipes les plus generaux, la source de l'evidence et le fondement de la certitiide de nos connaissances. Ces Ijeaux caracteres ne convenaient ])as, a la verite, ä la metaphysique des scolastiques, terre ingrate qui ne prodnisait gueres cpie des i'onces et des epines. Et comme on n"en eonnaissait point d'autre, lors- que les principales Academies ont ete fondees, on Ta laissee a l'ecart avec une espece de dedain. et on l'a regardee comme im obstacle plutot que connne une aide a Tetendue de nos connaissances. De grands genies, en donnant une nouvelle culture ä cette portion de l'empire des sciences, lui ont fait revetir une tout autre face. Au lieu d'un dictionnaire de ternies harbares , nous coinmentjoiis ä avoir une pepiniere, oh chaque science trouve, pour ainsi dire, sa semence, et d"oü naissent tous les prineipes, toutes les notions directrices qui nous gaident, de cpielque cote que nous tournions nos jJas- Ajoutons que l'examen de ces matieres demande des esprits debarrasses des entra\'es d'un certain respect sujierstitieux, qui regne dans bien des conti-ees. ou Ton n"a pas fixe d'une maniere assez juste les limites de la raison et de la toi . et (|ue nous nous trouvons a cet egard dans la Situation la plus fa\'oral)le que Ton puisse souhaiter.« So schrieb Formey in der Vorrede der Memoires von 1745. Es war der Sieg Wolff's über die Scholastik, aber auch über Locke und Bayle, den Formey, der Verfasser der »Belle Wolffienne« , hier ver- kündete, und er wurde mit derselben Zuversicht und Sicherheit pro- clamirt, die dem Halleschen Philosophen eigenthümlich war. Noch hatte Kant nicht gesprochen! Aber auch Maupertuis , der Schüler Newton's , scheint von der speculativen Philosophie in mancher Hinsicht ähnlich wie ein Wolffianer zu sprechen; doch weil er die Methoden der empiri- schen Forschung und den Begriff der mathematischen Gewissheit kannte, redete er viel vorsichtiger. Er rechtfertigte die Existenz einer besonderen Klasse für speculative Philosophie in der Akademie in folgender wohl abgewogenen Weise": »La classe de philosophie speculative est la troisieme. La philosoj^liie experi- mentale avait examine les corps tels qu'ils sont: revetus de toutes leurs proprietes sensibles. La mathematique les avait depouilles de la plus grande partie de ces proprietes. La philosophie speculative considere des objets cpii n'ont plus aucune propriete des corps. L"Etre supreme, l'esprit humain, et tout ce qui appartient a l'esprit est l'objet de cette science. La nature des corps memes, en taut que rejjresentes par nos perceptions , si encore ils sont autre chose que ces perceptions, est de son ressort. Mais c"est une remarque fatale, et que nous ne saurions nous empeclier de faire: Que, plus les ohjets sont interessants pour nous, plus sont difficiles et incer- taines les connaissances que nous ^^ouvons en acquerir! Nous serons exjjoses ä bien des erreurs, et a des erreurs bien dangereuses, si nous n'usons de la plus ^ Der Ausdruck ist von Fontenelle geprägt. ■^ »Des devoirs de racademicieu", bei Formey, llist. 11.142 f. Geist und Ziele der Akademie nach Frieurich und IMaupertuis. ö 1 1 <>rande eirconspection dans cette science qui considere les esprits. Gardons-nous de ci'oire qu'en v eniployant la nieme methode ou les memes mnts (ju'aux sciences mathematiques, on y ])ai'vienne a la meme certitudc \ Cette certitiidc n'est attachee (ju'ä la simplicite des objets que le geometre considere, qu";i des ()])jets dans les- quels il n'entre que ce qu'il a voulu y supjioser. Si je vous expose ici toute la grandeur du peril des speculations qui concer- nent l'Etre supreme, les premieres causes et la nature des esprits, ce n"est pas, MINI., que je veuille vous detourner de ces recherches. Tout est permis au philo- sophe. pourvu qu'il traite tout avec l'esprit philosophi(|ue. c*est-ä-dire , avec cet es]jrit (jui niesure les differents degres d'assentiment: (|ui distingue revidence. la prcjbabilite , le doute: et qui ne donne ses speculations que sous celui de ces differents asjiects qui leur appartient. Si la plupart des objets (pie la j^hilosophie speeulative considere, pai'aissent trop au-dessus des forces de notre esprit, certaines parties de cette science sont plus a notre portee. Je parle de ces devoirs qui nous lient a TEtre su]:»renie , aux autres lioinnies et ä nous-niemes: de ces lois auxquelles doivent etre soumises toutes les intelligences; vaste chanip, et le plus utile de tous a cultiver! A])pliquez-y vos soins et vos veilles: inais n'oubliez jainais, lorsque l'evidence vous niancpiei-a qu'une aiitre luniiere aussi siu-e encore doit vous conduire^. " Das waren die Gedanken, auf Grund deren das Departement der speculativen Philosophie an der Berhner Akademie eingerichtet worden ist. Fast fünfzig Jahre hindurch besass nur sie eine solche Klasse. Vier Sitze w^aren in ihr errichtet: für Metaphysik (einschliess- lich Kosmologie, natürliche Theologie, Psychologie und Logik), für Naturrecht (im Unterschied vom bürgerlichen, das eben so ausgeschlossen sein sollte Avie die positive Religion), für Moral (Social- und Individual-Ethik) und für Geschichte und Kritik der Philosophie. Mit Stolz blickten die Berliner Akademiker während eines Menschenalters auf diese ihre Klasse. Wenn sie zugestehen mussten, dass ihr physikalisches und philologisches Departement von den Pariser Akademieen des Sciences luid des Inscriptions über- troffen wurde, so behaupteten sie, dass ihre philosophische Klasse eine Macht repräsentire , der nichts in Paris entspräche. »Digne fille du grand Leibniz«, riefen sie aus, »notre Academie seule se devoue a la science des sciences, a la recherche des principes dont tout devrait emaner, auxquels tout va aboutir, et que Thomme est peut-etre condamne a ignorer et cependant a chercher toujours I « Und dem Könige sprachen sie immer wieder öffentlich den wärmsten Dank dafür aus, dass er dem freien Gedanken und dem freien Wort nicht nur Schutz gewähre, sondern beide liebe und fördere. In der That, es gab in ganz Europa keine Akademie, deren Mit- ^ Die Polemik gegen Cartesius und Spinoza ist offenl)ar. " Hier am Schluss scheint INlArPERri'is auf die positive Religion, hr.z.. auf die christliche, zu deuten. H12 Cieseliiclite der Ak.-ulemie unter Friedrich dein Grossen (1740— 1740). glieder über Gott und die Welt so freimütliig reden durften, wie die Berliner, und eben die Einrichtung einer besonderen Klasse der Philosophie bezeugt es, dass der König, der selbst die Luft der Freiheit athmete, nur freie Denker gelten Hess und nur solche wollte. "Les devoirs meme qua TAeademie vous iuipose sont-ils autre chose (|ue ce que Taniour seul des sciences vous ferait faire? Ti'ouveriez-vous trop de contrainte dans ]"Academie de TEurope la plus librei' Tons les phenomenes de la natiire, toutes les sciences niatheniatiques , tous les genrcs de litterature sont soumis a vos recherches: et des-la cette compagnie enibrasse un champ plus vaste que la plupart des autres academies: niais il est certains sanctuaires dans lesquels 11 n'est pennis a aucune de penetrer: votre fondateur meine, tout sublime et tout profond qu'il etait, tout exerce qu'il etait dans ces routes [Leibniz], n'osa y conduire ses premiers disciples ^ Les legislateurs de toutes les academies , en leur livrant la nature entiere des Corps , leur ont interdit celle des esprits et la speculation des premieres causes : un monarque qui a daigne dicter nos lois, un esprit plus vaste, plus sur peut- etre aussi de votre prudence, n'a rien voulu vous interdire^. « Auf die Forschungen der Akademie Avollte Friedrich keinen Eintluss ausüben, aber die Sprache hat er ihr vorgeschrieben. Zwar in den Sitzungen konnten die Abhandlungen lateinisch oder deutsch vorgelesen werden^; aber die Sprache der gedruckten Abhand- lungen sollte die französische sein. Maupertuis und Formey haben sich verptlichtet gefühlt, auch diese Neuerung zu erklären und zu vertheidigen — war doch selbst die Pariser Akademie des Sciences erst im Jahre 1699 vom Lateinischen zum Französischen über- gegangen. Die Weise, in der sie es gethan haben, wirft wiederum ein helles Licht auf den Geist der Zeit: >>0n a substitue le frangais au latin pour rendre l'usage de ces Memoires plus etendu; car les limites du Pays latin se reserrent a vue d'oeil, au Heu que la ^ Maupertuis, obgleich eifersüchtig aul' LEiBNizens Ruhm, hat doch sein An- denken wach ei'halten und das Genie des grossen Mannes gefeiert. Dagegen hat der Secretar der Akademie und Schüler Wolff's, Formey. ihn todtzuschweigen versucht und in seiner Hist. de l'Acad. theils nur das Nothdürftigste über ihn liemerkt, theils Unrichtiges berichtet. Li seiner Rede »Des devoirs de l'academicien" bei Formey, Hist. p. 105, sagt Maupertuis: »C'est un avantage qu'a cette com])agnie sur toutes les autres academies de l'Europe, qu"elle a paru d'abord avec tout l'eclat auqiiel les autres ne sont parvenues que par degres. Toutes ont eu des commence- ments obscurs: elles se sont formees peu ä peu, etant formes leurs grands hommes: un grand homme forma la notre. et eile fut celebre des sa naissance». ■^ "Des devoirs de racademicieu" , bei Formet, Hist. p. 139. ^ Formet 8ouv. 1 ]). 165: «Le roi n'a jainais exige que les academiciens lussent leurs memoires en fran^ais. II est de notoriete qu'ils ont lu en allemand ou en latin, lorsqu'ils l'ont voulu. II etait d'ailleurs naturel, tant que M. de Maupertuis a ete president, et a paru aux assemblees de l'academie. que ceux qui savaient un peu de fi-angais ecrivissent et lussent dans cette Langue: ce qui a produit quelquefois des lectures tres singulieres par le baragouin des lecteurs«. Geist und Ziele der Akademie nach Friedrich und ^Iaupertcis. olH langue IranQaise est ä peu pres aujourd'hui dans le cas oii etait la langue grecijue du teinps de Ciceron, on l'apprend pai-tout, on recherche avec empressement les livres ecrits en fran^ais , on traduit en cette langue tous les bons ouvrages c^ue rAlleniagne , on l'Angleterre produisent ; il semble en un mot qu'elle soit la seule (jui donne aux clioses cette nettete et ce tour (pxi captivent l'attention et qui tlattent le goiit\« Maupertuis"' begründet zuerst aus der Natur der Akademieen, dass sie sich einer Weltsprache bedienen müssen. Nur das La- teinische oder das Französische könne in Frage kommen: aher jenes sei eine todte Sprache; man könne sich hier nur der Phrasen der alten Schriftsteller bedienen, «et des qu'on s'en ecarte, on forme un Jargon heterogene dont l'ignorance seule empeche de sentir le ridicule«. Das Französische dagegen ist heute in Wahr- heit mehr die Sprache von ganz Europa als die der Franzosen. Aber es giebt noch andere Gründe, diese Sprache zu bevorzugen: "Ce sont la perfection de la langue meme, l'abondance que nos progres dans tuus les arts et dans toutes les sciences y ont introduite, la facilite avec laquelle on peut s"y exprimer avec justesse sui' toutes sortes de suJets, le nombre inoni- brable d'excellents livres ecrits dans cette langue.« Aber Maupertuis musste bereits einen Einwurf hören. Man ist erstaunt, ihm schon vor der Mitte des i8. Jahrhunderts zu begegnen : Si l'on peut faire un reproche a notre langue, c'est celui qu'on fit ä la langue des Romains, lorsqu"apres avoir atteint sa plus grande perfection, eile vint a perdre sa noble simplicite pour cette subtilite vaine qu'on appelle si impi-oprement »bei esprit". Certaines gens ne sauraient encoi^e pardonner a un auteur frauQais, d'avoir refuse le »bei esprit« aux AUemands. S'ils savaient mieux ce qu'on entend d'ordi- naire par »bei esprit«, ils verraient qu'ils ont peu lieu de se plaindre. Ce n'est le plus souvent que l'art de donner ä une pensee commune un tour sententieux: c'est, dit un des plus grands hommes de TAngleterre, >d'art de faire paraitre les clioses plus ingenieuses qu'elles ne sont« [Baco]. Quelques auteurs allemands se sont venges en refusant aux FrauQais l'erudition et la profondeur; la vengeance aurait ete plus juste, si, nous abandonnant le »bei esprit« , ils s'etaient contentes de dire que nous en faisons trop de cas. 3Iais si ces auteurs entendent par Terudition qu'ils refusent aux Frangais un fatras de cita- tions latines, grecques et hebrafques, un style diffus et embarrasse, on leur saura gre du reproche, et l'on s'applaudira du defaut. Cette nettete et cette precision qui caracterisent les auteurs frauQais , depend Sans doute autant du genie de la langue, que la langue a dependu elle-meme du tour d'esjjrit de ceux qui l'ont parlee les premiers et qui en ont pose les regles. Mais ce sont ces avantages qui la rendent si universelle, qui fönt qu'un monarque dont le goüt est le suffrage le plus decisif la parle et l'ecrit avec tant d'elegance, et veut qu'elle soit la langue de son Academie. ' FoRMEV i. d. Vorrede zu den Mem. 1745. Die Ausführung giebt Gedanken des Königs selbst wieder, s. Koser. König Friedrich der Grosse I S. 5i2f. "^ »Des devoirs de l'acad.« p. 144 f. 314 Cieschiclitc dei- Akademie unter Frikdrich dem Grossen (1740—174(5). Das letzte Argument ist allerdings entsclieitlend. Der König verlangte es, weil er die Abhandlungen seiner Akademie lesen wollte und weil er wünschte oder voraussetzte, dass die deut- schen Gelehrten sich doch bald dem Französischen als der Ge- lehrtensprache anbequemen müssten^ Wäre die Frage, ob die la- teinische oder eine lebende Sprache, erst 30 Jahre später brennend geworden, so wäre vielleicht sclion damals das Deutsche gewählt worden; aber um das Jahr 1746 und unter der Herrschaft eines französischen Präsidenten musste das Französische den Sieg gewinnen. Es ist nicht leicht, die Nachtheile und die Vortheile abzuwägen, welche die Akademie von dieser Wahl gehabt hat. Durch die französische Sprache trat sie in bequemeren Austausch mit den Akademieen Europa"s und wurde namentlich in Paris beachtet und hochgeschätzt. Den Eintluss auf die mittlere Bildung des eigenen Landes gewann sie doch; denn theils verstand man, vor allem in Berlin, der Stadt der Hugenotten", französisch, theils schrieben diejenigen Akademiker, welche jenen Eintluss besassen, ihre Bücher und populäreren Schriften in deutscher Sprache. Gewiss ist aber ■ — wir werden das in einem späteren Capitel zeigen — , dass die wissenschaftlichen Arbeiten der Akademie von wirklicher Bedeutung grösstentheils deutsch oder lateinisch gelesen und erst nachträg- lich in's Französische übersetzt worden sind. Nicht die Franzosen, sehr wenige Ausnahmen, wie Maupertüis, abgerechnet, sind die wahren Männer der Wissenschaft in der Akademie gewesen , sondern die Deutschen und Schweizer. Aber die Franzosen glänzten, gaben der gelehrten Körperschaft das Lustre, und in dem französischen Gewand schienen alle Arbeiten Hervorbringungen des französischen ^ Siehe seinen Brief an Voltaire vom Juli 1737 im Urkundenband Nr. 141. Der König wünschte auch deshalb die allgemeine Verbreitung des Französischen, weil er glaubte, man werde um so mehr Zeit für die Sachen haben, wenn man sich nicht nüt Erlernung mehrerer Sprachen plagen müsse. ^ Keine deutsche Akademie ausser der Berliner hat das Französische als Sprache angenommen: in München schrieb man deutsch und in Göttingen lateinisch; al)er die Publicationen dieser gelehrten Gesellschaften fanden desshalb auch eine viel geringere Verbreitung als die der Berliner. Wenn man hier das Französische annahm, so geschah es auch deshalb, weil in der preussischen Hauptstadt ein so hervorragender Theil der eingewanderten Bevölkerung sich seiner JMuttersprache, des Fi'anzösischen, noch inuner bediente. Freilich — das Französische verwilderte auch in dei- Fremde. Schon im Jahre 1761 Hess der Akademiker Prejiontval seine satirische Abhandlung erscheinen: «Preservatif contre la corruption de la langue fran(;;aise en Allemagnc"; sie wurde von den deutsch -patriotischen Schiift- stellern mit Schadenfreude ü'elesen. Geist und Ziele der Akademie nacli Friedrich und iMAUPERiris. H 1 5 Geistes zu sein. Erst die Nachwelt hat Jedem das Seine gegeben und das Bleibende und das Vergängliche geschieden ; da ist von den Werken der Franzosen und von den Arbeiten der philosophi- schen Klasse nur Weniges übrig geblieben. Indessen — sie haben Frucht geschaÖt. für ihre Zeit, und das ist auch etwas. Sie haben nicht nur die Form und den Geschmack der Deutschen bilden helfen, sondern auch ihren Geist geklärt und sie von manchem Aberglauben befreit. In der Geschichte der Wissenschaft und der Aufklärung giebt es Erkenntnisse und Kräfte, die in ihrem Zeit- alter wie ein Evangelium gewirkt haben , aber schon in der folgen- den Epoche wieder beseitigt werden mussten, weil sie nun hemmten und störten. Friedrich erwartete mit Antheil und Eifer, dass seine Akademie blühe und Früchte trage. Alle guten Geister wünschte er ihr und Hess einem Jeden in der Wissenschaft freien Spielraum; aber mit der Spende irdischer Güter war er sparsam. Er meinte, der Ge- lehrte müsse nicht nur die Freiheit und die Wahrheit, sondern auch die Armuth lieben \ Die Fabel von dem Pferde, das foul wurde, als man es reichlich nährte, schwebte ihm stets vor. Die schlechten Besoldungen hemmten die Arbeit, und manche Bitterkeiten in den Kreisen der Akademiker hat die Sparsamkeit des Königs erzeugt; mussten doch nicht wenige unter ihnen täglich den harten Kampf mit der Notli bestehen; andere verliessen die Akademie und Berlin ! Aber über alle diese Stimmungen siegte in den Herzen der Meisten das erhebende Gefühl, einem Könige zu dienen, der Freiheit gewährte. Wie hatten doch ein Richelieu und Ludwig XIV. sogar die vierzig Unsterblichen eingeschränkt! Wie mussten sie als Höflinge und Sclaven nach dem Willen des Mächtigen denken und dichten, reden und schreiben! Die Berliner Akademiker wiederholten dem gegen- über mit Stolz, dass sie weder vom Hof noch von der Sorbonne, weder von Sans-Souci noch von einem Consistorium abhängig seien, dass sie für ihre Memoires nicht die Approbation von zwei Doctoren der Theologie nöthig hätten , dass sie ihre Sitzungen nicht mit einem Stossgebet an Jesus Christus zu schliessen brauchten oder mit einem Gebet für den König, wie das in der französischen Aka- ^ An DE Catt schrieb der König 1764 (CEuvres T. 24 p. 19): »Les gens de lettres deviennent, a la honte du siecle, aussi avides d'interet que les financiers. Ce ToussAixT n'a rien ä Bruxelles, et refuse 500 ecus, qu'on lui offre avec une place ä l'Academie. Ce siecle philosophique est tres-peu philosophe«. Hl 6 Geschichte der Akademie unter Frikdrkii dem Grossen (1740— 174()). demie gcsclichen musste. Sie beglückwünschten sicli, dass sie in dem vollem Besitze jenes republicanisehen Geistes waren, dessen Erhaltung Fontenelle für seine tlieure Akademie so heiss begehrte. Ganz frei stand ihnen die Wahl der Themata, und sie durften über sie reden, wie sie wollten; nur im Sinne der Wissenschaft sollten sie sprechen, »avec cette espece de sentiment du vrai qui le fait decouvrir partout oii il est, et empeche de le chercher oii il n'est pas«. Fontenelle gratulirte im Jahre 1750 der Akademie, weil sie allein vor allen anderen Akademieen einen grossen König zum Vater habe, «und einen so zärtlichen Vater«. Der Zusatz ist wenig passend; zärtlich ist Friedrich niemals gewesen; er blieb der König, arbeitete für seine Akademie inid schützte sie, wenn sie Schutz bedurfte \ Und auch jener Freiheit, die ein Maupertuis so hoch pries, waren doch sehr bestimmte Schranken gezogen. Nicht die Freiheit des selbständigen Mannes in einem freien Gemeinwesen galt, sondern der Denker hatte das Recht, frei zu philosophiren in einem absoluten Staat, dessen Herrscher ein aufgeklärter Pliilo- sopli war. Lessing's vernichtende Charakteristik der »Berlinischen Freiheit« — »Sagen Sie mir von Ihrer Berlinischen Freiheit zu denken und zu schreiben ja nichts; sie reducirt sich einzig und allein auf die Freiheit, gegen die Religion soviele Sottisen zu Markte zu bringen, als man will. Lassen Sie es aber doch einmal Einen versuchen , ül)er andere Dinge frei zu schreiben ; lassen Sie es ihn versuchen, dem vornehmen Hofpöbel die Wahrheit zu sagen; lassen Sie einen in Berlin auftreten, der für die Rechte der Unterthanen, der gegen Aussaugung und Despotismus seine Stimme erheben wollte, und Sie werden bald die Erfahrung haben, welches Land bis auf den heutigen Tag das sclavischste von Europa ist« — diese Charak- teristik ist stark übertrieben, aber doch nicht falsch. Die Luft der Freiheit wehte in Preussen noch nicht. Die Freiheit aber, welche der Akademie gewährt war, konnte jene nicht ersetzen; ja selbst die Wissenschaft musste allmählich verkümmern ; denn erst in der poli- tischen und socialen Freiheit ist die intellectuelle wirklich gewährleistet. ^ Vor allem in dem Handel zwischen Maupertuis und Voltaire; aber wie wahrhaft königlich ist er für sie auch in dem Brief an Gresset gegenüber dem Director der französischen Akademie eingetreten (28. Dec. 1748, QEuvres T. 20 p. 6)! Geschichte der Akademie unter Friedrich dem Grossen (1746—1786). ol / Zweites Capitel. Der König und seine Akademie. Die äussere Geschichte der Akademie 1746-1786. 1. In einem Actenstück des Akademischen Archivs, das hald nach dem Tode Friedrich's des Grossen entstanden ist, heisst es: »Es sind während des Präsidii des Hrn. von Maupertuis wenig oder gar keine Papiere gesammlet und aufbehalten, mithin sind die Acten von diesem Zeitraum äusserst mangelhaft ^(. Maupertuis hielt dem Könige in der Regel mündlichen Vortrag und ordnete dann in den Sitzungen das Notlüge an. Unsere Kenntniss der Verwaltung der Akademie unter diesem Präsidenten müssen wir daher grösstentheils aus seinem Briefwechsel mit dem Könige und mit zahlreichen andern Gelehrten schöpfen". So nahe hat Friedrich der Grosse der Akademie später nicht mehr gestanden wie in den Jahren 1746-53. In dieser Zeit be- trachtete er sich selbst als »Academicien« , nannte sich auch so, sprach in den Briefen an Maupertuis von »unserer« Akademie^ und war der lleissigste und beste Arbeiter in der Klasse des Belles- Lettres. Aber man würde sich ein sehr falsches Bild machen, wenn man sich den König vorstellte umgeben von seinen Akademikern und im persönlichen Austausch mit ihnen. Er ist niemals in eine Sitzung gekommen, weder in eine öffentliche noch in eine ^ Hinzu kommt noch — und dadurch ist das Archiv auch für die Zeit vor und nach INIaupertuis nicht ganz vollständig — , dass die napoleonischen Franzosen Stücke aus ihm verschleppt oder vernichtet haben. In der Einleitung zu den Aka- demischen Abhandhingen 1804/11 heisst es: «Wenn hie und da der Vollständigkeit dieses Berichts und seiner Belege etwas abgeht, so ist es Folge der VerStreuung und theilweisen Vernichtung des akademischen Archivs durch den zweimaligen ge- waltsamen Einbruch, der während der feindlichen Besetzung der Hauptstadt geschah«. ^ Der Briefwechsel zwischen dem König und Maupertuis findet sich im Geh. Staatsarchiv (in den QEuvres sind nur ein paar Briefe abgedruckt); den Briefwechsel mit einigen Gelehrten hat Le Sueur (»Maupertuis et ses Correspondants.« Paris 1897) — leider sehr fehlerhaft — herausgegeben. Unter diesen Briefen befinden sich einige von Maupertuis an den König mit den Antworten des Königs, die im Staatsarchiv felilen. Sie sind im Urkundenband Nr. 169 abgedruckt. Grobe Fehler sind still- schweigend corrigirt. ^ Doch nennt er sie fast noch häufiger »Euere« Akademie, um ^Maupertuis zu bezeugen, dass er volle Gewalt in der Akademie habe. H18 Geschichte der Akademie unter Friedrich dem Grossen (174G— 1786). geschlossene', sondern er liat seine Abhandlungen und Eloges von Anderen vorlesen lassen. Auch empfing er die grosse Mehrzahl der Akademiker nicht bei sich. Fokmey z. B., der beständige Secretar, hat die erste Audienz im 39. Regierungsjahr Fkiedrich's gehabt und hat ihn dabei zum ersten Male gesprochen "■. Erst in den letzten Jahren, etwa seit 1779, hat der Monarch, nachdem er das Interesse an der Musik verloren hatte, diesen oder jenen Akademiker zu sich befohlen^. Der Kreis, der in Potsdam seine Umgebung bildete, und der Berliner Kreis der Akademiker waren getrennt*. Dort ver- kehrten einzelne bevorzugte Generale und Minister, ferner die beiden Schotten Keith, weiter Chazot, Rothenburg, Algarotti, Fouque, PöLLNiTZ, Darget, d'Argens, Maupertüis, LA Mettrie uud zeitweilig Voltaire. Die Beziehungen der Person des Monarchen zur Akademie hielt erst Maupertüis, dann d'Argens aufrecht; aber der letztere ist, obgleich er Director der Klasse des Beiles -Lettres war, höchst selten in die Sitzungen gekommen^; die übrigen Tischgenossen Friedrich's kamen nie oder nur in die Festversammlungen. In den letzten achtzehn Jahren fehlte jedes persönliche Mittelglied zwischen dem Monarchen und der Akademie. Der König liess ihr durch de Catt und Andere seine Verfügungen zukommen ; nur Merian sprach er öfters, ohne ihn jedoch zum Vertrauten zu machen. Maupertüis besass die Gunst und das Vertrauen des Königs*' in unbeschränktem Maasse — »Vous etes le pape de notre Aca- demie« — und hat dasselbe nie getäuscht. »Das griesgrämigste Gesicht, welches ich in meinem Leben gesehen habe": dabei aber ^ Aber er hielt darauf, dass die k()nigiichen Prinzen die öffentlichen Sit/Aingeii besuchten, sah es auch gerne, wenn fürstliche Personen und auswärtige Diplomaten und Celebritäten seine Akademie ehrten, em])fahl ilmen den Besuch und wies die Akademiker an, sie feierlich zu empfangen. ^ Allerdings hatte der König von Formky eine sehr geringe Meinung; aber auch liessere Gelehrte haben den König nie oder nur ganz selten gesprochen. ^ Siehe Denina, La Prusse litt. II p. 53. * Nur von jenem, nicht von diesem gilt die Schilderung Voltaire's: »Jamais on ne parla en aucun lieu du monde avec tant de liberte de toutes les suj^erstitions des hommes, et jamais elles ne furent traitees avec plus de plaisanterie et de mejji'is! Dieu etait respecte, mais tous ceux qui avaient trompe les hommes en son nom n'etaient pas epargnes". •* Das zeigen die Sitzungs- Protokolle. ^ Als ein unbekannter Feind. Maupertüis' in eine Kölner Zeitung die Nach- richt einrückte, der Präsident sei in Ungnade gefallen und müsse die preussischen Staaten verlassen, interessirte sich der König für eine energische Berichtigung , die auch ei-schien (Juni 1749, Geh. Staatsarchiv). " INIaupertüis war Choleriker und Pessimist. Seinen oft wiederholten Satz, dass "la somme des maux surpasse celle des biens« hat sich Friedrich später an- Die persünlicheu Beziehungen des Königs zu Mat-peritis und der Akademie. 319 ein ehrlicher Kerl, brutal ehrlich. Nachgehen wollte er nie. Von Voltaire's Liebenswürdigkeit eine Million Meilen entfernt. Aber was das Herz anlangt, so ist der Lappländer Maupertuis ein Jahr- hundert von dem Affen Voltaire entfernt «^ Der Grundzug der Ehrlichkeit neben der Fähigkeit, durch schlagfertige Antworten die Conversation zu beleben , musste freilich für Vieles entschädigen, wodurch der grosse Gelehrte sonst lästig fiel. Wie Alexander von Humboldt jede Gesellschaft mit seiner amerikanischen Reise unter- hielt, als wäre er eben erst von dort zurückgekehrt, so kam Mau- pertuis zeitlebens »vom Pol« zurück, und das Selbstgefühl, »der Erde ihre Gestalt gegeben zu haben« , sprach er in einer so drasti- schen Weise aus, »als habe er die Pole selbst abgeplattet«. Jeden, der seine wissenschaftliche Majestät antastete, betrachtete er als abscheulichen Feind — in seinem maasslosen Ehrgeiz der echte Epi- gone der Renaissance, der nur in einer Wolke von Ruhm zu leben vermochte"', dabei schrullenhaft und sich in Excentricitäten gefallend. Er kleidete sich seltsam, verblüffte durch Paradoxieen und über- spannte Einfalle und sorgte auch dafür, dass von seinem häuslichen Thun und Treiben — er hatte allerlei Thiere um sich , um stets der »Naturforscher« zu sein — gesprochen wurde. Aber über alles das sah Friedrich hinweg; er besass den ersten Gelehrten Europa's, er schätzte das Gespräch mit ihm als gehaltvollste Erholung^, und geeignet (s. die Briefe an d'Argens vom i. und 27, März 1759, Qi^uvres T. 19 p.5. 61, xuid sonst). ^ Gespräche Friedrich's des Grossen mit H. de Catt (deutsche Ausgabe) Leipzig 1885, S. 30 Nr. 9. ^ Chr. Wulff, der ebenso selbstbewusst wie jMaupertuis war imd im Grunde diesen geringschätzte — obgleich er ihm versicherte, seine Liebe sei ihm theurer als Gold und Silber — , hatte es bald heraus, wie man an ihn zu schreiben habe. In einem Brief vom 18. Juli 1747 (Le Sueur p, 433) giebt er nicht undeutlich zu verstehen, dass er mit Maupertuis ein Compagniegeschäft des Ruhms auf Gegen- seitigkeit begründen wolle: »Gi^atias tibi maximas habeo, vir summe, quod famae meae studere velis . nee permittere ut quicquam publicetur quod eamdem laedere possit". Es handelte sich um die Kritik LEiBNizens und seiner Philosophie (die Monadenlehre) , namentlich um Euler's ablehnende Haltung zu ihr. Über diesen hatte der Philosoph am i. Juli 1747 an Maupertuis einen bösen Brief geschrieben (p.429), in dem er sich sogar zu Verleumdungen der Gegner der JMonadenlehre fortreissen liess: "Quis famae suae adeo negligens est, ut eam alii committere velit, aut aequo animo ferre potest ut sibi praeferatur homo ad cavillanduin et conducendum [?] con- ductus, cuius pennam venalem fecit paupertas». • — -Wie man an Maupertuis schrieb, zeigt auch der Brief des Herzogs Karl von Braunschweig an ihn (vom 13. März 1752, Geh. Staatsarchiv): »Un savant qui instruit Tünivers apres l'avoir mesure«. ^ Selbst der Conversation mit Voltaire zog er es auf die Dauer vor, s. den Brief an die jNLarkgräfin von Bayreuth (2. Februar 1751, (Euvres T. 27, i p. 200 f.): 820 (icsc'hichtc (lo)' Akademie unter Friedrich dem (irossen {174H— ITSH). er kannte ihm g-egenüber keine andere Verpflichtung, als ihn sich um jeden Preis zu erhalten'. In den ersten Jahren hat Maupertuis Alles gethan , um die Akademie zu heben. Zunächst nahm er in der Zeit bis 1751 nicht weniger als 80 Auswärtige als Mitglieder auf, d. h. er versammelte wirklich die grössten Gelehrten Europas um sie. An die Deutschen dachte er dabei kaum ; aber es fanden sich auch in Deutschland nur wenige , die sich mit den Pariser und Londoner Gelehrten als Schriftsteller messen konnten. Die Aufnahme wurde als die höchste Ehre geschätzt; denn Friedkich's Name war aiif Aller Lippen, und die Berliner Akademie war seine Akademie. DmEnoT, der seit 1751 mit d'Alembert die Encyklopädie herausgab, der vielseitig gebildete und liebenswürdige Freigeist, setzte zu seinem Namen lediglich die Worte: »de TAcademie Royale des Sciences et des Belles- Lettres de Prusse«. Andere schrieben, Leibniz würde sich trösten über den zeitweiligen Verfall seiner Akademie, wenn er jetzt Zeuge ihres rapiden Aufschwungs wäre"^. Vor allem strahlte die Schöpfung Friedrich's, weil die aus anderen Ländern von dem Absolutismus oder Fanatismus vertriebenen Gelehrten hier Schutz fanden. Die Akademie galt besonders als Freistätte und als Burg gegenüber der Litoleranz der Kirchen — sie war wie Potsdam »le tripot d"ex- communies« — , und Männer wie d'Argens sorgten dafür, dass dieser Ruhm sich verbreitete, mehr als der gelehrten Gesellschaft lieb war. Nach dem Erscheinen der ersten beiden Bände der Encyklopädie dachte d'Alembert daran, das Werk in Berlin erscheinen zulassen, um sich vor unliebsamen Folgen in seiner Heimath zu schützen. »A In longue, j'aime mieux vivre avec Maupertuis qu"avec Voltaire. Son caractere est sür, et il a jjlus le ton de la conversation que le poete, qui, si vovis y avez bien pris garde, dogmatise toujours". ^ Und — gesund zu ei'halten. Die Stellen in den Briefen des Königs, die von dem Befinden Maupertuis' handeln, würden zusammen gedruckt mehr als einen Bogen füllen. Unter anderem hat er ihm wiederholt gegen sein Magenübel den Gebrauch von Ammenmilch angerathen. In Ernst und Scherz spricht er die Sorge für seinen »Newton« aus. Einmal schickte er ihm Verse und beschloss sie mit dem Ausmif: »Icli bin hoch erfreut, zu wissen, dass es Euch besser geht; ich fürchte nur, dass ihr ein Recidiv bekommen werdet, wenn Ihr meine Verse lest« (Decein- ber 1746). oder; »Ich werde mich mit der Akademie überwerfen, wenn sie Euch krank macht« (13. Februar 1747). ^ In dem oben citirten Brief des Herzogs von Bi'aunschweig. — Friedrich war übrigens mit dieser grossen Anzahl auswärtiger Mitglieder nicht ganz einver- standen; »ich will lieber an ihrer Stelle ein paar gute einheimische Mitglieder haben« (Brief an 3Iaupertuis vom 4. März 1747). Aiitnalinie auswärtiger Mitglieder. o2l Die Aufnahme berühmter Männer, wenn sie in Berlin anwesend waren , geschah nach dem Muster der Pariser Akademie unter be- sonderen Feierlichkeiten, Der Erste, den man so begrüsste, war der Marquis de Paulmy d'Argenson, der auf einer Reise im Winter 1747 nach Berlin kam. Er hielt in der Sitzung am 2. Februar eine steife Rede «Sur la necessite d'admettre des etrangers dans les Societes litteraires « , die Maupertuis in schmeichelhaftester Weise beant- wortete. Die zweite ööentliche Reception fand am 18. Juni 1750 statt. Es waren von Marschall und der junge französische Verse- schmied d'Arnaud, die »aufgehende Sonne«, der Rivale Voltaire"s, die eingeführt wurden und sprachen. Beide feierten den König. Bald darauf hielt der Spanier de lasTorres seine Dankrede (i . October) und suchte seine erstaunten Hörer zu belehren, dass die Philosophie, die Jurisprudenz , die Geschichte und die schönen Wissenschaften nicht nur im letzten Jahrhundert in seinem Vaterland in Flor gestan- den hätten, sondern noch immer blühten. In Gegenwart Maüpertuls", Eulers und dArgens', vielleicht auch vor den Ohren La Mettries wurden die jesuitischen Scholastiker gefeiert, freilich mit einer brillanten Restriction, die doch Jedem gestattete, über sie zu denken wie er wollte. »Vous y trouverez une metaphysique subtile, oii Tesprit prend un essor qui devient ä la verite souvent un vol dicare, mais qui ne laisse pas cependant de montrer une grande force de genie, dans ceux meme dont les chutes sont celebres. Si nos Molinas, si nos Suarez et tant d'autres genies profonds que l'Espagne a nourris, n"ont pas trouve la verite, c'est plutot pour avoir ete au delä, que pour etre demeures en arriere\« Immerhin ist diese Rede ein Beweis, dass die Akademie in schrankenloser Universalität allen anderen überlegen war: in ihrer Mitte steht ein La Mettrie als College neben Süssmilch, dem streng orthodoxen evan- gelischen Geistlichen, und vor ihnen rühmt ein Spanier die wissen- schaftliche Grösse seines Vaterlandes und der spanischen Jesuiten! Aber nicht nur durch Universalität und Freisinn zeichnete sich die Akademie Friedrich's vor allen aus: von den ernsteren Ge- lehrten wurde auch anerkannt, dass sie nicht, wie die Mehrzahl der modernen Akademieen, so sehr von der »fureur du bei esprit« ergrifien sei, dass sie nur schöne Phrasen drechsle. Hier wurde ' Diese Reden sind in den Memoires und in Formey's Hist. de l'Acad. p. 119 fr. gedruckt. Von Argenson sagt Friedrich (Brief an Maupertuis vom 13. Februar 1747), er habe »infiniment plus d'esprit que de figure et de connaissances que d"annees". Geschichte der Akademie. I. 21 322 Cicscliiclitc der Akiideinie unter Friedrich dem Grossen (1746 — 17S6). wirklich gearbeitet, und darum galt das Diplom der Berliner Aka- demie als die beste Empfehlung zur Aufnahme in andere Akademieen \ Maupertüis nahm die auswärtigen Gelehrten nicht deshalb auf, um mit ihnen Staat zu machen, sondern er wünschte ihre Mitarbeit"^. Zwar gelang es ihm nicht, Wolff"s Feder für die Memoires zu gewinnen — der Hallesche Philosoph schrieb nur dicke Bücher und stellte sich über jede wissenschaftliche Gesellschaft — , aber er brachte doch eine stattliche Zahl von auswärtigen Gelehrten zu- sammen, welche den ordentlichen Mitgliedern halfen, den Abhand- lungen der Akademie Gehalt und Glanz zu geben. Niemals wieder im 1 8. Jahrhundert haben so viele Ausländer in den Memoires ge- schrieben wie in dem Decennium von 1746— 1755. Gleich der Jahrgang 1746 brachte Beiträge von d'Alembert, d'Argenson, Con- DAMiNE, Lerch (meteorologischc Beobachtungen aus Astrachan) und Krafft; d'Alembert blieb den Memoires treu und liess fort und fort mathematische Abhandlungen in ihnen erscheinen. Ausser diesen Gelehrten schrieben Daniel Bernoulli, de Lalande, Cassini, Raynal, Sam. König u. A. Auch «vornehme Herren« lieferten Beiträge. Graf H. C. Keyserlingk veröffentlichte 1748 »Recherches sur Tabro- gation du droit d'elire un roi des Romains, faussement imputee ^ Besonders lehrreich ist liier der Brief de Tressan's an Maupertüis aus dem Jahre 1754 oder 1755 (Le Sueur, p. 345 f.): »Je suis au milieu de la societe de Nancy comme ('assandre au milieu des Troyens. Je crie en vain pour exciter a quelque travail utile, la fureur du bei esprit les a gagnes: ils sont occupes uniquement a tourner des phrases, et si je ne m'etais oppose a l'impression d'un recueil pret a paraitre, on eüt fait voyager en Europe un voluine plein de discours supportables a peine dans mie classe de rhetorique: rien d'interessant pour les sciences de fait; eniin je vois avec douleur que cette societe aura bien de la peine ä sortii- de son bei'ceau et c'est un enfant piaillard que je suis bien ennuye de bercei-. Je ne suis pas etonne que les societes etrangeres croient Sa Majeste prussienne infaillible et son President de l'academie de Berlin. L'honneur (pie j'ai regu en etant admis dans cette celebre compagnie. est le seul titre que je me reconnaisse pour etre elu pai- Celle d'Edimbourg«. Auch Haller spricht in einem Brief an Maupertüis (12. October 1749, Le Sueur p. 182 f.) von der »Academie celebre, dont les occupations sont plus relevees et moins penibles que Celles d'une universite«, und Kaestner (18. März 1750, Le Sueur ]). 278) nennt die Berliner Akademie »la plus illustre dans la republique des lettres". Vergl. auch Denina, Essai sur la vie et le regne de Frederxc IL (1788) p. 242. - Auch auf methodisches Zusammenarbeiten mit der Pariser Akademie ist Maupertüis bedacht gewesen; namentlich interessirte er sich dafür, dass sich er- gänzende, gleichzeitige astronomische Untersuchungen an verschiedenen Punkten der Erde angestellt würden. »11 avait dresse pour cet effet le projet d'un voyage en Ii'lande« , schreibt Formey in dem Eloge auf ihn, Mein. 1759 p. 487, »et ce fut lui qui proposa a l'academie des sciences de Paris, d'envoyer M. de Lalande a Berlin, oü il vint en eftet, et fit a notre obsei'vatoire les observations correspondantes acelles du Cap«. Die o^leinoires" der Akademie. 323 a Tempereur Henri VI.«, der junge E. F. von Hertzberg, der 40 Jahre später Curator der Akademie werden sollte, schrieb über die alten Wappen der Markgrafen von Brandenburg (1752), und der damalige Curator Graf Redern publicirte seine »Considerations sur le globe«. Waren bereits die «Miscellanea« der alten Societät in der wissen- schaftlichen Welt stets, geschätzt gewesen, so wuchs der Ruhm der »Memoires« weit über sie hinaus, zumal da man in jenen ersten zehn Jahren fast in jedem Bande eine Abhandlung oder ein Eloge von Friedrich selbst erhielt. Auf den Schreibtischen der Gelehrten und auf den zierlichen Tischen der Prinzessinnen und der Damen von Welt lagen die Quartbände der Akademie ; ungeduldig wurde das Erscheinen des neuen Jahrgangs erwartet. War ihr Franzö- sisch auch nicht untadelig — es wurde darüber manche spöttische und nicht ungerechtfertigte Bemerkung gemacht^ — , so war es doch ^ Maüpertuis musste bald einsehen, dass nicht wenige Abhandlungen durch die Übersetzung in's Französische verloren — abgesehen davon, dass einige stümper- haft und falsch übersetzt wurden. Er fragte deshalb bei dem König an (22. Juli 1748, ffiuvres T. 17 p. 337f.), ob nicht die chemischen Abhandlungen lateinisch er- scheinen dürften, da die Chemie in dieser Sprache eine feste, in Deutschland ge- läufige und unmissverständliche Terminologie besitze, und da die Übersetzer die termini technici nicht kennten. Er lässt dabei einfliessen, dass auch andere Abhand- hmgen einen Theil ihi'es Werthes an dem schönen lateinischen Stil besässen. und dass ihre Verfasser sie in dieser Sprache gedruckt sehen möchten. Er meint, man könne ja daneben ein französisches Resume geben, und könne es mit deutsch ge- schriebenen Abhandlungen ebenso halten. Man sieht, Maüpertuis ist durch harte Thatsachen von der Alleinherrschaft des Französischen zurückgekommen. Aber der König muss das Gesuch abschlägig beschieden haben; denn in den Memoires er- scheint auch in der Folgezeit ausschliesslich die französische Sprache. — Einen heftigen Angriff gegen die Akademie und gegen Maüpertuis richtete Gottsched in seinem Journal, weil die Akademie zur fi-anzösischen Sprache übergegangen sei und in der Philosophie Sätze zulasse, die von den seinigen abwichen. Maüpertuis' Ex- pedition an den Pol nannte er dabei »une de ces bagatelles dont la vanite francjaise tirait gloire pour avoir decouvert une chose que Newton et Huygens avaient sue longtemps auparavant«. Li liebenswürdiger Weise suchte ihn als »laudator temjDoris acti« Kaestner bei Maüpertuis zu entschuldigen in einem Briefe von 15. April 1750 bei Le Si'eur p. 281. — Zu Klopstock's und Lessing's Urtheilen über Friedrich's Bevorzugung des Französischen s. Koser, a. a. O. S. 513. In den Acten der Akademie überwiegt das Deutsche übrigens noch bis etwa 1768; die volle Herrschaft des Französi- schen gilt erst für die Jahre 1768 — 1790. Doch brach in den letzten Jahren Friedrich's und unter Friedrich Wilhelm IL das deutsche Selbstgefühl durch. Damals riclitete BüscHiNG (Charakter Friedrich's IL 1788 S. 74. 78) seinen scharfen und ungerechten Angriff gegen den längst verstorbenen Maüpertuis: «jMaupertuis war ein seichter und eben deswegen ein hochmüthiger Gelehrter . . . der König hat sich gleich in der Wahl des ersten Präsidenten geirrt; denn Maüpertuis war nicht der Mann, der die Akademie gut einrichten, verständig regieren und zu einem gegründeten und vorzüglichen Ansehen erheben konnte. Sie ward gleich im Zuschnitt verdorben und wurde zu Deutschlands Scliimpf und zu der preussischen Länder Schaden eine 21* 824 Geschichte der Akiuleiiiie unter Friedhich dem Grossen (1740—1786). Französisch'! Männer von wissenschaftlichem Ansehen als ordent- liche Mitglieder nach Berlin zu ziehen, war ferner eine Hauptsorge Maupertuis". Der König liess ihm freie Hand, aber an den noch knapi)en Mitteln der Akademie scheiterte manche Berufung. Friedrich gewährte zwar ein paar Mal einige hundert Thaler aus seiner Privat- chatulle, aber er erklärte seinem Präsidenten, die Sorge für die In- validen und für die Colonisation in den Provinzen müsse vorgehen'. Vergebens bemühte sich Maupertuis, den grossen Physiologen und Dichter A. von Haller aus Göttingeii für Berlin zu gewinnen^. Ebenso- wenig gelang es, Kaestner zu überreden, Leipzig mit Berlin zu A^er- tauschen*. Aber der tüchtige Anatom Meckel, der Schüler Haller"s, französische Akademie, bei welcher französische und italienische Gelehrte einen be- trächtlichen, deutsche Gelehrte a,ber entweder einen geringen oder wohl gar keinen Geldwerth hatten, und der Titel »Academicien.' an und für sich selbst gab weder in der sogenannten grossen, noch in der gelehrten Welt einen Rang". [Letzteres mag zu Büsching's Zeit der Fall gewesen sein, zu Maupertuis' Zeit war es anders, s.oben]. Büsching erscheint als ein incompetenter Beurtheiler; denn er sagt (a. a. 0.), FoRMEY ha.be Alle an Gelehrsamkeit übertroffen und bis an seinen Tod des Königs Gunst genossen. ' Siehe das Schreiben des Herzogs von Orleans an Maupertuis vom 5. Sep- temljer 1749 (Geh. Staatsarchiv). - Siehe den Brief vom Januar 1747 im Geh. Staatsarchiv, und die Briefe im Urkundenband Nr. 169, i und 2: »Le roi est j^auvre«, schreibt er am 5. Juli 1747, "comme un rat d'eglise; il etablit grand nombre de colonies de paysans; lorsque Celles -ki sont poui'vues, on pensera aux astronomes«. ^ P"ür Haller's Berufung interessirte sich der König selbst auf's Lebhafteste, s. Urkundenband Nr. 169. 2. 4 und Le Sueur p. 180 ff. ; sie spielte im Herbst und Winter 1749/50. Ob IVIaupertuis Haller's Übersiedelung mit rückhaltslosem Eifer betrieben, ob er nicht in ihm einen gefährlichen Rivalen gesehen hat, darf man fragen. Ganz präcise Bedingungen sind Haller nicht vorgelegt worden. Dieser stellte freilich hohe Anforderungen; u. A. wollte er Curator sämmtlicher Universitäten werden und ein bedeutendes Gehalt beziehen. Doch im Grunde strebte er in die Schweiz zurückzukehren. Die Correspondenz bricht ab und wird dann wieder, am 10. November 1751. von Haller aufgenommen, der sich in würdigster Weise bei dem Präsidenten über La JMettrie beschwert. Dieser hatte in einer Lügenbroschüre einen Bubenstreich gegen den grossen Gelehrten verübt, der ihn für immer unter anständigen Leuten hätte unmöglich machen müssen, wäre er nicht bereits am 11. November gestorben. Maupertuis* Antwort an Haller (Le Sueur p. 440 ff.) ist niclit befriedigend. Er sucht das empörende Gebahren seines Landsmanns — auch La Mettrie stammte aus St. Malo — durch den Hinweis auf dessen Haltlosig- keit und Gutmüthigkeit abzuschwächen. * Auch Kaestner war wie Haller ein hervorragender Gelehrter (JNIathe- matiker) und ein Dichter. Es ist charakteristisch, dass Friedrich und Maupertuis nach solchen wissenschaftlichen Männern in Deutschland Umschau hielten, die »zu den beiden Reichen gehörten , dem der schönen Künste und dem der Wissen- schaften" (Friedrich an Maupertuis 16. August 1747). Man erwartete von ihnen Wissen, Esprit und eine gefällige Formgebung. Maupertuis hätte Kaestner gerne aus Leij)zig nach Berlin gezogen (1750, an Passavant's Stelle); aber die Berufung Berufungen. Hervorragende Mitglieder der Akademie. 62') kam ; durch Lieberkühn und ihn war die anatomische Disciphn nun glänzend vertreten. Die älteren Mediciner, die Maupertuis sammt ihrer Kunst gering schätzte, wurden mit dem Abschied bedroht, wenn sie nicht mindestens alle zwei Jahre eine Abhandlung läsen. Eine könig- liche Ordre vom 26. August 1749 verfügte dann generell, dass jeder Akademiker, der nicht seine jährliche Abhandlung liefere, in den Stand der »Veteranen« übergehen und seine Pension verlieren solle \ »Unsere Chemiker stechen alle Chemiker Europas aus"'; unsere Mathematiker können es mit den Mathematikern aller anderen Aka- demieen aufnehmen^; unsere Astronomie, ausgestattet mit guten Instrumenten, fängt an sich zu entwickeln*; aber unsere beiden scheiterte an dem geringen Gehalt und an dem Wunsche Kaestner's, in seinem Ver- wandtenkreise zu bleiben (Le Sueur p. 272!!'. 2841?.). ^ Maupertuis hatte sich darüber beklagt, dass die älteren Mediciner keine Abhandlungen läsen und auch nur selten in den Sitzungen erschienen. Darauf schrieb der König zurück (Winter 1748/49, Le Sueur p. 86, Urkundenband Nr. 169. 2): »II faut faire une loi par laquelle un academicien qui dans deux ans n'aura pas lu de memoire, n'etant point empeche du tra.vail par la maladie, sera raye«. Aber bereits am 26. August 1749 (s. Akad. Protokolle) erschien folgende Cabinets- Ordre, in welcher nicht mehr von zwei, sondern nur von einem Jahr die Rede ist: »Le roi etant informe du peu d'exactitude que quelques academiciens apportent a remplir leur devoir, m'a ordonne de faire savoir k Tacademie, qu'il avait decide irrevocablement que tous ceux de ce corps, tant pensionnaires qu'associes ordinaires, qui passeront un an sans y produire aucun memoire, seront ranges dans l'ordre des veterans , et que leiirs pensions, s'ils en ont. seront sup- pi-imees et rentreront dans les fonds de TAcademie, afin que S. Maj. en dispose en faveur de ceux qui par leurs travaux meriteront des encouragements et desrecompenses. Maupertuis." ^ Zu ihnen (Pott, Marggraf) kam im Jahre 1754 der ausgezeichnete Che- miker und Geologe Lehmann. ^ Mit Vorschlägen, die Zahl der Mathematiker imd Geometer zu vermehren, musste Maupertuis zurückhaltend sein ; denn es war bekannt, dass der König kein Freund der Mathematik war und gerne auf die Mathematiker stichelte — er hatte sie, wenn sie sonst nichts trieben als Mathematik, in Verdacht, etwas verdreht zu sein; doch zählte er einen Euler zu den wenigen grossen Männern des Zeitalters (Brief an Maupertuis vom 3. Juli 1756). Von Maupertuis behauptete er, er habe ein unersättliches Verlangen nach neuen Curven. »Ihr Mathematiker erhebt euch gleich Adlern in die Wolken , aber auch die am Boden kriechenden Thiere haben Verdienste, freilich der Geometrie gegenüber nur untergeordnete." Als er einmal gefallen war, schrieb er an Maupertuis: »Das kommt davon, dass man kein Geo- meter ist. Wenn ich den Schwerpunkt beobachtet hätte« u. s. w. Auch von der Metaphysik hielt der König immer weniger, und deshalb entfernte er sich immer mehr von Wolff. An Voltaire schrieb er schon am 13. Februar 1749 (CEuvres T. 22 p. 181): »La metaphysique est un ballon entle de vent (so hatte sie Voltaire be- zeichnet) .... Je me persuade que la nature ne nous a point faits pour deviner ses secrets, mais pour cooperer au plan (ju'elle s'est propose d'executer". * »Va faire des progres ou plutot va naitre« — es wurde freilich nicht so, wie Maupertuis es wünschte. Der alte Grischow starb am 10. November 1749, B26 Geschichte der Akademie unt«>r Friedrich dem Grossen (1746—1786). Klassen der speculativen Philosophie und der Beiles -Lettres leiden an äusserster Schwäche und wären vielleicht ohne die so kräftige und mächtige Hülfe, die Ew. Majestät selbst ihnen gewährt haben, bereits an Entkräftung gestorben« — so schrieb Maupertuis im Winter 1748/49 an den König\ Grade auf diese beiden Klassen hatte man die kühnsten Hoffnungen gesetzt, aber sie verwirklichten sich nicht. Dass Formey's Arbeiten inhaltlich ungenügend waren, sah man bald ein" — erst nach und nach gewöhnte sich die Aka- demie an seine gespreizten und leeren Worte, und nachdem er durch seine Stellung ein berühmter Mann geworden war, kritisirte man ihn nicht mehr^ — ; Francheville konnte über seine Unbedeutendheit nur Wenige täuschen; d'Argens schrieb nicht für die Akademie, und was er sonst schrieb, war mehr keck als lehrreich; die gehalt- vollen Abhandlungen einiger deutscher Gelehrter aber, wie Süss- milch's, wurden nicht genügend geschätzt und waren in ihrem schlechten Französisch keine anziehende Leetüre. und sein Sohn, der unmittelbar vorher, 23 Jahre alt, ordentliches Mitglied geworden war und auf dessen Fähigkeiten als Astronom jMaupertuis viele Hoffnungen setzte, verliess sclion nach einem Jahre Berlin und ging an die Petersburger Akademie über. Der König war erzürnt, hi seinem Namen theilte Maupertuis dem Secretar Fol- gendes mit (Akademisches Protokoll): -Le Seign. Grischow, ayant furtivement con- tracte un engagement avec l'Academie de Russie et Sa Maj. lui ayant non-seulement accorde la joermission de le remplir, mais encore ordonne de sortir au plus tot de Berlin , vous en ferez part a l'Academie et le declarerez dechu du titre d'academicien « (30. November 1750). A'on dem andern Astronomen , Kies, hielt Maupertuis wenig (s. Urkundenband Nr. 169,3). Auch er verliess später Bei-Un, ebenso der dritte Astronom, Aepinus, der 1755 Akademiker W'urde, aber bereits 1757 Grischow nach Petersburg folgte. 1 Siehe Urkundenband Nr. 169, 2. Schon im Jahre 1747 (4. März) hatte der König in einem Brief an ^Maupertuis die Klasse der Beiles -Lettres, "ä la(inelle mon genie peut le mieux atteindre", für die am meisten vernachlässigte erklärt. 2 Die Akademie weigerte sicli sogar im Jahre 1754, Formey's Eloges auf VON Arnim und von Münchow drucken zu lassen. Das Icam zu den Ohren des Königs. Wie er über den beständigen Secretar urtheilte, geht aus dem Brief an Algarotti (9. Februar 1754, OEuvres T. 18 p.93f.) hervor: «Formey a lu a l'Academie les eloges de MM. d'Arnim et de Münchow, et l'Academie s'est opposee a leur Impression. J'ai ete curieux de les lire. Jainais il n'y a eu bavardage plus inepte et plus plat. Formey a voulu avoir de l'esprit; il a fait assaut contre la nature, et certainement cela n'a pas toui'ne a son avantage«. Vergl. den Brief an Maupertuis, der damals in Frankreich war, vom 12. März 1754: »Votre secretaire fait des eloges si pitoyables, il a la sottise encore plus pitoyable de les faire imjirimer, de sorte que je crains j)our la reputation de notre Acadeinie. Vous voyez que je n'ai pas eu tord [tort] de dire que vous la vouliez [sie] tont seul«. ^ Man schmeichelte ihm sogar von vielen Seiten, in Berlin und im Ausland, weil er einllussreich war oder man ihn dafür hielt. Selbst Montesquieu hat ihm starke Schmeicheleien gesagt. Formey hat alle diese Blumen in seinen »Souvenirs« gesammelt. Die Schweizer in der Akademie. 327 Maupertuis suchte auch hier nach neuen Kräften , und Bernoulli empfahl ihm den jungen Merian sehr warm. Er wurde wirklich berufen (Q.April 1750). Was er in den 57 Jahren, in denen er an der Akademie wirkte, geleistet hat, wird in einem anderen Zu- sammenhang darzulegen sein, Maupertuis hatte eine Vorliebe für die ScliAveizer. Zwei Jahre vor Merian hatte er Passavant berufen, und bereits im Jahre 1747 war Sulzer durch seinen Einfluss Lehrer am Joachimsthalschen Gym- nasium geworden \ Die Akademie hat Jahrzehnte erlebt, in denen ihr die Schweizer das Grepräge gegeben haben" — in höherem Masse als die Franzosen — , denn auch nach Maupertuis' Tode dauerte die Vorliebe für sie beim Könige fort. Sie \var nicht unbegründet, und die persönlichen Beziehungen , in die der König zu Merian trat, bestärkten sie. Das kleine, ruhmvolle Land erzeugte mehr Männer der Wissenschaft, als es brauchen konnte. Der Exodus der schwei- zerischen Gelehrten ist im 17. und i 8. Jahrhundert eine ebenso cha- rakteristische Erscheinung wie das Reislaufen der Landsknechte. In München, in Berlin, in Holland, in London, Paris und Petersburg — überall traf man schweizerische Professoren'. Ihre Eigenart ^ Von Sulzer ist zuerst in einem Brief des Königs an Maupertuis vom 16. August 1747 die Rede; man ersieht hier, dass dieser auf ihn aufmerksam gemacht hat. Der König bezweifelt, ob Sulzer sich entschliessen wird, »seine algebraischen Gleichungen in Berlin zu etabliren«. Doch noch in demselben Jahr kam ei- an das Joachimsthalsche Gjannasium; auch Euler hatte ihn empfohlen. Es war ihm die Aufnahme in die Akademie versprochen worden. Allein bald wandten sich Maupertuis und Euler von ihm ab, weil er Wolffianer und Anhänger der Monadenlehre war, und es bedurfte des Einflusses des Leibarztes Eller, um seine Aufnahme zu be- wirken (1750). In dem König -MAUPERTUis'schen Streit verdarb es Sulzer vollends mit diesem, so dass er, so lange Maupertuis Präsident war, keine Pension erhielt (Sulzer, Lebensbeschreibung, von ihm selbst aufgesetzt, herausgegeben von Merian und Nicolai. Berlin 1809). ^ Beguelin, Bernoulli, de Catt, Euler, Labibert, Merian, Passavant, Sulzer, Weguelin waren Schweizer; auch Castillon, obgleich Italiener von Geburt, darf man als halben Schweizer zählen. ^ Nach einer Statistik Condolle's (Hist. des Sciences et des Savants depuis deux siecles. 1873 p. 186) stellte von etwa 1750 bis etwa 1850 die Schweiz das i-elativ grösste Contingent zu den auswärtigen und correspondirenden INIitgliedern der Berliner, Pariser und Londoner Akademieen. Zwischen den Franzosen und den Schweizern in der Akademie muss nicht selten ein Gegensatz bestanden haben; besonders Formet Jiasste die Schweizer und hat in seinen Souvenirs I p. 153 f., als kaum Einer sich mehr vertheidigen konnte, empörende Anklagen auf Spiondienste , die sie dem Könige geleistet hätten, wider sie ausgesprochen. Ausserdem zeigen die bösen Worte: »Ces academiciens suisses — (|ui ont eu diverses destinees pi'opres a les avilir«, welches Gift der alte Secretar bis zum Jahre 1789 in sich gegen sie aufgespeichert hat. Über die Bevorzugung der Schweizer vergl. Denina, Essai sur la vie et le 328 Gescbiclite der Akndeiuie unter Friedrich dem Grossen (174(5— 1786). schmiegte sicli dem Geist des 1 8 . Jahrhunderts besonders an: alle waren sie kosmopolitisch gesinnt, alle zweisprachig; sie brachten aus Zürich und Basel eine tüchtige Bildung mit und die Traditionen des fleissigen und bücherschreibenden Gelehrten. Dazu zeichnete sie eine leichte, populäre Formgebung aus. Speciell aber für die deutsche Litteratur war Zürich durch Bodmer und Breitinger ein Mittelpunkt geworden und hatte Leipzig besiegt. Wie hätte ein König, der eine französische Akademie in und für Preussen aufrichtete, an den Schweizern vorübergehen können , und wie begreiflich ist es, dass Maupertuis nach ihnen Umschau hielt! In Passavant hatte er sich freilich getäuscht. Die kleine tragi- komische Episode ist erst jüngst bekannt geworden\ Im April 1750 schrieb Maupertuis dem Könige einen höchst erregten Brief, Herr Passavant aus Basel habe in den zwei Jahren, seitdem er Mitglied der Akademie sei, die stärksten Proben der Sorglosigkeit und Faulheit gegeben, nun aber habe er gar eine Hauslehrerstelle bei Mad. von FuLMAiER angenommen: »Comme cette place non-seulement le met encore plus hors d'etat de travailler poiir l'Academie, mais degrade et avilit Tacademicien, je crois qu'il conviendrait d'en faire un exemple et de priver de sa pension le Sieur Passavant; j'attends l'ordre de Votre Majeste sur cela«. Passavant mag ganz untauglich gewesen sein, aber der Zorn Maupertuis' entsprang seiner Eitelkeit: mit einem Hauslehrer wollte er nicht zusammensitzen. Der König verstand ihn vollkommen; er Hess ihn gewähren und opferte ihm den armen Passavant, aber in folgenden ironischen Worten: "Cela depend du bon j)laisir et des lumieres superieures de Isl. le President. Quant ä moi son fidele academicien, je l'assure que je n'ai Jamals oui nominer mon confrere Passavant et que dans mon petit particulier je suis ti-es-humilie de Taffront qu'il a fait a votre Academie. Pour ne point meriter pareil traitement de votre part, je vous promets de ti'availler pour votre seance du mois de mal et de ne Jamals me faire precepteur de cjuelque jeune hoinme que ce puisse etre. Frederic.« Maupertuis verstand in seinem blinden Eifer diese Zurecht- weisung nicht, sondern schrieb umgehend an die Akademie, der König erkläre Passavant's Stelle für vacant, da er ein Amt ül)er- nommen habe, das mit der Stellung eines Akademikers unverträglich regne de Frederic II (1788) p. 239. Als 1752 eine Stelle für deutsche Beredtsainkeit und Poesie am Joaclnmstlialschen Gj'innasium begründet wei'den sollte, schien es SfLZER selbstverständhch , dass ein Schweizer berufen werde (s. L. Hirzel. Wieland und KÜNZLi, 1891 S. 53). ^ Siehe Urkundenband Nr. 169. 6. 7. Passavaxt. La Mettrie. H21) sei. Passavant erhob keine Einwendung, wolil aber Mad. von Ful- MAiER, hinter die er sich gesteckt haben mag. Sie wandte sich mit der Bitte an die Akademie, dass Passavant in ihrem Hause unterricliten und doch seinen akademischen Gehalt fortbeziehen dürfe. In lieUer Entrüstung brachte Maupertuis dieses Ansinnen der Dame vor (h'n König. »Wollten wir solche Dinge billigen, dann würde erstens jedes neue Mitglied sofort eine Erzieherstelle nebenher übernehmen, \md wir könnten zweitens nicht mehr erwarten, dass angesehene Männer auf den Titel eines Akademikers stolz wären, wenn wir in unsrer Mitte Domestiken hätten.« Diesmal gab der König dem Präsidenten eine kürzere Zurecht- weisung: «Que fait ä vous et a moi Madame de Fulmaier?« Da- mit endete diese Correspondenz ; aber bei Passavant's Ausschliessung blieb es. Nicht nur mit Passavant und Grischow jun., sondern auch mit Becmann und Battier — jener arbeitete wenig mit, dieser trat bald zu den Herrnhutern über und verliess die Akademie — hatte Maupertuis kein Glück : d'Arnaud kam als wirkliches Mitglied nicht in Betracht: so blieben unter den neugewählten (bis 1751) neben Meckel nur die drei Schweizer Beguelin, Merian und Sulzer, von denen sich etwas erwarten Hess. La Mettrie, der auf Befehl des Königs am 4. Juli 1748 aufgenommen worden war, schrieb nichts für die Akademie, und diese hätte sich auch für seine Mitarbeit bedankt. Sie war entrüstet über diese Aufnahme, zu der Maupertuis der Lokalpatriotismus \ den König das unbedingte Eintreten für alle verfolgten »Philosophen« verleitet hatte. Drei Jahre hat dieser gescheite, aber völlig haltlose Mann, der den Materialismus nur compromittirte , als geistreicher Causeur — von seiner Philosophie wollte der König selbst nichts wissen — in Potsdam als Vorleser Friedrich's zugebracht. »II etait gai, bon diable, bon medecin, et tres-mauvais auteur; mais, en ne lisant pas ses livres, il y avait moyen d'en etre tres- content"'.« ^ Unter den auswärtigen Mitgliedei-n der- Akademie findet man auch einen Herrn Trublet, Canonicus zu St. Malo (8. Mai 1749), der seine Aufnahme wohl auch nur dem glückUchen Umstände verdankt, dass er, wie Maupertuis, Bürger von St. ^lalo war. ^ QiuvresT.27, I p. 203(21. November 1751). Büschixg, Charakter Friedrich]!. 2.Ausg. S. 74, nennt ihn einen schlechten Arzt, aber einen guten IVinker, einen Erzspötter der Religion und einen Nai-ren. Dass der König La Mettrie nur an- fangs um sich gehabt und später gar nicht mehr gesehen habe, behauptet Krause in einem Brief an Gleim etwa 1750 (bei Geiger, Berlin I vS.484). 330 Cicsoliiclite (lei- Akademie unter Friedrich dem Grossen (174t!— 1786). FoRMEY griff im Interesse der Akademie in Zeitscliriften die Lehre La Mettrie's an und behauptet, dieser habe ihm das übel genommen und ihn beim Könige als intoleranten Theologen und verunglückten Philosophen angeschwärzt. Ob dem so ist, weiss man nicht; aber es ist höchst wahrscheinlich, dass der König mit der Haltung Formey's nicht zufrieden war. Nach dem plötzlichen Tode La Mettrie's beschloss er, die Theologen Europas durch ein Eloge auf den Mann in Schrecken zu setzen. Das Eloge wurde wirklich in der öffentlichen Sitzung vom Januar 1752 verlesen, aber, wie FoRMEY behaiq^tet, mit tödtlichem Schweigen aufgenommen \ In der That fühlte sicli die Akademie, die diesen Collegen hatte dulden müssen, durch die Lobrede noch mehr gekränkt; aber auch Friedrich gereicht dieser Act der Pietät gegen den zuchtlosen Lit- teraten nicht zum Ruhme und trübte eine Zeit lang das Urtheil über seine eigene Weltanschauung^. Wir besitzen für das Jahr 1749 eine Schilderung einiger nam- hafter Akademiker aus der Feder Büsching's'', der damals einen Besuch in Berlin gemacht hat. Da der Bericht manche charakte- ristische Züge enthält, so mag er hier eine Stelle finden: Von den damaligen hiesigen Gelehrten besuchte ich folgende, die ich in alphabetischer Ordnung nenne: der Kirchenrath D. Jacob Elsner schien von der Vortrefflichkeit seiner eigenen gelehrten Ai-beiten sehr überzeuget zu sein, aber anderer Gelehrten Arbeiten nicht unparteiisch zu beurtheilen. Mir machte er das Compliment, dass meine Einleitung in Paulus' Brief an die Philipper nicht viel Neues enthalte. Ich gab dieses zu, sagte aber, er werde doch gestehen, dass mehr Neues in derselben sei, als in seiner Einleitung in diesen Brief, die er seiner Erklärung desselben vorgesetzet habe. Von dem Augenblick an war er sehr höflicli gegen mich. . . . Leonhard I{]uler ist nicht, wie die grossen Algebraisten zu sein pflegen, ein finsterer Kopf und im Umgang beschwerlicher Mann , sondern munter und leb- haft (insonderheit vmter Bekannten), und obgleich sein verlorenes rechtes Auge etwas ekelhaft aussiebet, so gewöhnet man sich doch bald daran und findet sein Gesicht angenehm. Die Akademiker Augustin Nath. Grischow (der ein paar Jahre ^ Souvenirs I p. iiöft". - Er hat später La Mettrie völlig preisgegeben, als die Materialisten nicht mehr die Verfolgten waren, sondern eine gefährliche Macht bedeuteten, der er zu begegnen für noth^vendig hielt. Abei' aucli dann fühlt man noch , dass es ihm schwer fiel, den Mann zu opfern, den er einst aus den Händen der Priester gerissen hatte. »J'ai ete oblige«, schreibt er an d'Argens (12. November 1761, Qiluvres T. 19 p. 264), »d'a-bandonner La Mettrie; c'est un enfant perdu, qu'il m'a fallu sacrifier dans le combat; niais , s'il est devenu vme victime necessaire, j'ai bien arrose son tombeau du sang des theologiens, et j'espere qu'a favenir on ne dira plus qu'on peut juger de la fagon de penser du Philosophe de Sans-Souci et des gens de lettres qui l'ap- prochent par les ouvrages du medecin La Mettrie •<. Über das Aufsehen , welches Friedrich's dem Schriftsteller huldigendes Eloge gemacht hat, s. Denina, Essai p.98. ^ Beiträge z. d. Lebensgesch. denkwürdiger Personen ö.Theil (1789) S. i38f[". Büsciiixg's Schilderung einiger Akademiker (1749). 331 liernacli an die Akademie zu St. Petersburg berufen \vui"de) und Jon. Kiess zeigten mir die Sternwarte mit ihren "Werkzeugen , deren genaue Richtigkeit sie rühmten, und unter denen auch der parisische Quadrant war, den der Präsident vox Mau- PERTUis in Lappland gebraucht hatte. Der Anblick der Stadt vom Altan dieses Gebäudes ist ungemein angenehm. In der Bibliothek der Akademie , die eben offen stand, traf ich ausser dem Bibliothekar Wagner den französischen Prediger Pelloutier an. Die Bibliothek war nicht gross, aber schön, und enthielt die besten und meisten mathematischen und physikalischen Bücher, auch die Scriptores medii aevi und, wie man sagt, alle periodische litterarische Schriften vollständig. [Folgen Be- merkungen über den Prediger J. J. Hecker, die drei Rectoren J. Phil. Heixius, G. Fried. Küster und Joh. Jag. Wipfel und über den Inspector Ulr. Chr. Köpfen; von Heinius heisst es: »er hat in der gründlichen Gelehrsamkeit den Vorzug vor den beiden anderen Rectoren«]. Der berühmte Dr. Nath. Lieberkühn hat ein vor- treffliches Cabinet von anatomischen Präparaten, die er selbst mit unbeschreiblicher INIühe imd Geduld verfertiget hat. Er zeigte ein Stück von einem Darm , mit welchem er es dreihundert mal versuchet hat, ehe es ihm gelingen wollen, und jeder Versuch hat ihm einen Gulden gekostet. Der Herzog von Braunschweig hat ihm das ganze Cabinet für das Carolinum abkaufen. Lieberkühn al)er 20000 Thlr. dafür haben wollen , die der Herzog daran zu wenden sich nicht entschliessen können. Es sind Stücke darin, die sich den blossen Augen kaum, und als kleine graue Klümpchen, zeigen; wenn man sie aber durch ein Vergrösserungsglas be- trachtet, so erblicket man nicht niu- unzählige Adern, sondern es sind auch die \'enae und Arteriae durch verschiedene Farben des eingespritzten Wachses kennt- lich gemacht worden. Die mathematischen und physikalischen Erklärungen, die er von einzelnen Dingen machte, waren sehr gründlich und einleuchtend. Sein Microscopium solare ist eine bewunderungswürdige Erfindung. Er leistet viel in den mechanischen und optischen Wissenschaften , wie seine erfundene Werkzeuge beweisen. [Folgen Bemerkungen über den Prediger Joh. Ernst Müller, den Hof- pi'ediger A, F. W. Sack — er wird sehr gerühmt; »von ihm habe ich erfahren, dass die Verfasser der Berlinischen Bibliothek lauter geschickte Candidaten sind, einen jNIitarbeiter ausgenommen, der ein Prediger ist« — , J. J. Spalding: Von dem Dr. de la Mettrie, Verfasser der Schrift »L'homme machine«, sagte er, »der Verstand desselben sei beständig am hitzigen Fieber krank«, und Joh. Georg Sucro]. Es scheinet, dass Jon. Georg Sulzer, Prof. beim joachimsthalschen Gymnasium, die Theologie fast ganz bei Seite setzet und seinen Kopf und Fleiss ganz der Philosophie und Mathematik widmet. Als ich zu ihm kam , unterhielt er sich mit einem rei- senden Schweizer fast zu lustig, welches dem Begriffe nicht gemäss war, den ich mir aus seinen Unterredungen von den Schönheiten der Natur von ihm gemacht hatte; ich sähe aber wohl, dass sein Landsmann dazu veranlassete. Der Consist.- Rath und Probst bei der Peterskirche, Jon. Peter Süssmilch, ist ein Mann von vielen Kenntnissen und gastfrei; man erzählet aber in Gesellschaften viel von seinen Anmaassungen in Consistorialsachen , dessen Wahrheit ich nicht untersuchen kann. [f\)lgt eine Bemerkung über den gelehrten und klugen, aber als Skeptiker höchst gefährlichen Geh. Rath Joh. Gotthilf Vockerodt]. Süssmilch sammlete eine be- trächtliche Bibliothek. 2. Während das Eloge auf La Mettkie die Akademie zwar peinlich horührte, aber ihren Frieden nicht störte, war bereits eine andere Action im Gange, die sie auf's Tiefste erregte — der grosse Streit BH2 (icscliirlite der Akademie unter Fkiedrich dem Grossen (174()— 178(5). ZAviscIlcn S. König und Maupertuis, in welchen erst sie selbst, dann Voltaire, dann der Monarch ^ eingriffen, und der mit einer Niederlage aller Acteure endigte. Aber Friedrich's Gerechtigkeit und Edelsinn triuniphirte, und ein Gewinn Avar es, dass er den Mann los wurde, dessen Gegenwart er nur zu lange geduldet hatte: Nur Kleinheit sollte hier sich ängstlich fühlen, Der Neid, der sich zu seiner Schande zeigt; Wie keiner Spinne schmutziges Gewebe An diesen Marmorwänden haften soll. Die Geschichte aufs Neue zu erzählen, ist unerfreulich; aber sie darf hier nicht übergangen werden'. Samuel König (geb. i 7 i 2 in Büdingen) , ein hervorragender Ma- thematiker, stand vom Haag aus, wo er als Professor lebte, in litte- rarischen Beziehungen zu den besten Gelehrten seines Fachs. Bereits im Jahre 1740 war er Correspondent der Pariser und 1749 aus- wärtiges Mitglied der Berliner Akademie geworden. Er verdankte diese Auszeichmmgen seinen trefflichen Untersuchungen zur mecha- nischen Principienlehre und der Werthschätzung Maupertuis'. Die Briefe König's an ihn, die jüngst veröffentlicht worden sind, zeigen bis zum Ende des Jahres 1750 das beste Einvernehmen und resj^ect- voll bewundernde Freundschaft von Seiten König's; sie erweisen bis zum letzten Blatt seine ehrenhafte Gesinnung. Noch im November 1750 schickte er eine Abhandlung für die Berliner Memoires ein, die Maupertuis drucken liess"\ In den Schreiben, die sie begleiteten, durfte er es wagen, dem Präsidenten den Franzosen de Premontval, der mittellos umherirrte, zur Aufnahme in die Akademie dringend zu empfehlen*. Nichts deutet daraufhin, dass ein Zwist zwischen ' Er hat es später bereut, sich in diese litterarischen Kämpfe und in den Streit Maupkrtuis" mit Voltaire eingemischt zu haben. ^ Zuletzt haben du Bois-Reymond und Diei.s ihren Verlauf ausführlich dar- gelegt (Sitzungsberichte, 2. Mai 1892 und 27. Januar 1898. Der Verdacht, den Jener gegen König S.420 erhebt, ist meines Erachtens durch nichts gerechtfertigt). Eine kürzere Darstellung giebt Koser, a. a. O. S. 514 ff. Zu dem bisher bekannten Materiale — s. v(jr allem Mein. 1750 (hrsg. 1752) ]).52 ff. — sind die Briefe von König an Mau- PERTHis und Formf':y hinzugekommen, die Le Sueur p. 106 ff. veröffentlicht hat (die Briefe Nr. 11 und 12 sind vom Jahre 1752 und nicht, wie Le Sueur gedruckt hat, vom Jahre 1751). Ausserdem sind in den Akademischen Protokollen einige einschlagende Briefe in Abschrift mitgetheilt, unter ihnen auch der von Le Sueur p. 134 ff. ge- druckte wichtige Brief König's Nr. 14 vom 10. December und die dort fehlende Ant- wort Maupertuis' vom 23. December 1751 (abgedruckt im Urkundenband Nr. 1700). ^ Sie erschien im Jahrgang 1749, der 1 751 ausgegeben worden ist. * Premon-j'val siedelte nach Berlin über und wurde im Sommer 1752 wirklicli in die Akademie aufgenommen. Der Streit ]\Iai"pertuis' und Kömg's ( IT.jl/ö'J). oHH ihnen ausbrechen sollte'. König war ein Bewunderer LEiBxizens und als Philosoph ein Schüler und Verehrer Wolff's. Gerade da- mals wurde der Streit über die Monadenlehre auf's Heftigste geführt. Auch die Akademie war in dieser Frage in zwei feindliche Heer- lager gespalten. Auf Wolff's Seite standen Heinius, Formey, zu denen Itald Sulzer trat; aber die Gegner Euler, Maupertuis und Merian waren ihnen überlegen"'. König's Eintreten für Leibniz und Wolff musste bereits eine latente Spannung zwischen ihm und Maupertuis erzeugen^. Völlig arglos kam König im Winter 1750 51 nach Berlin. Er brachte ein Manuscript mit, welches er unbefangen und »mit hel- vetischem Freimuth^« Maupertuis vorlegte — ohne Zweifel, um es in den Memoires abdrucken zu lassen. Es enthielt eine scharfe, aber, wie die Kenner behaupten , wesentlich richtige Kritik eines grossen Principes, das Maupertuis entdeckt zu haben glaubte, des »Principe de la moindre action«, d. h., »dass die zu den in der Natur geschehen- den Veränderungen verwendete Menge von Action stets ein Mini- mum sei, so dass man aus der Bedingung für das Minimum Bahn und Geschwindigkeit der bewegten Masse eindeutig erhalte«. Es ist ein Beweis für die richtigen Spuren, auf denen sich Maupertuis in der Physik bewegte, dass er nach einem Gesetze suchte, in welchem die Newton'scIic Theorie ihre Krönung durch Erweiterung empfangen sollte; aber nicht nur war er zu oberfläch- lich und voreingenommen bei seinen Beobachtungen und zu hastig in seinen Beweisen, sondern auch hier spielten ihm sein Ehrgeiz und seine Ruhmsucht die schlimmsten Streiche. Er wollte etwas entdeckt haben, was allen Wissenschaften zugleich zu Gute komme, ja sie neu begründe. Darum zog er ausschweifende Consequenzen und verkündigte dazu, in seinem »Princip« den einzigen haltbaren ^ Dass auch ^Maupertuis noch im Spätherbst 1750 König freundlich gesinnt war, geht daraus hervor, dass er durch ihn seine Werke dein Prinzen von Oranien hat überreichen lassen (Brief des Prinzen an Maupertuis im Geh. Staatsarchiv vom 30. October 1750). '^ Bis zum Könige drang der Streit, s. den Brief an Voltaire vom Jahre 1752 (CEuvres T. 22 p. 298). ^ König war einige Jahre früher auch in Cirey bei der Marquise vox Chatelet und Voltaire gewesen und hatte die hervorragende Frau in der WoLrr'schen Philo- sophie und in der Mathematik unterrichtet. Fortdauernde Beziehungen zu Voltaire hatten sich daraus aber nicht entwickelt, im Gegentheil — König nimmt, wie ein Brief von ihm erweist (Le Sueur p. 142), an, dass Voltaire ihm ungünstig ge- sinnt sei. * Siehe P'ormey im Eloge auf jNIaupertuis, Mein. 1759 (hrsg. 1766) p. 498. H34 Geschichte der Ak;i(h'niie unter Fhikdricii dem Grossen (174() — 178t)). Beweis für das Dnsein Gottes gefunden zu haben; denn es olfen- bnre die Weisheit und Alhnacht eines Schöpfers. Das Princip, wie Maupertuis es fasste, war falsch, die ge- wählten Beispiele unpassend, und die Beweise, die er nur so hin- geworfen hatte, misslungen. Eben das deutete König in seiner Abhandlung an^; aber er zeigte noch mehr: er wies nach, dass, soweit das Princip richtig sei, es Leibniz schon im Zusammenhang seiner Untersuchungen über die lebendige Kraft und ihre Erhaltung entdeckt und in einem Briefe an Jacob Hermann im Jahre 1707 ausgesprochen liabe^. Das betreffende Bruchstück dieses Briefes legte er seiner Abhandlung bei. Natürlich war er weit davon ent- fernt, Maupertuis des Plagiats zu beschuldigen; er hoffte sogar, diesen sich auf's Neue zu verbinden, indem er auf seine Ideen einging, sie freilich auch kritisirte, aber damit die Discussion in Fluss brachte. Was das Zusammentreffen Maupertuis' mit Leibniz betriff't, so meinte er, »que cette rencontre avec un tres grand homme ne peut etre que fort honorable«. Um aber alle Rücksicht zu nehmen, überliess er es Maupertuis, indem er ihn das Manuscript zu lesen bat, darüber zu entscheiden, ob es gedruckt werden solle. Dieser, bereits durch den Gedanken eines Widerspruchs beleidigt, gab König die Abhandlung ungelesen zurück mit der Bemerkung, er solle sie nur drucken lassen. So geschah es; sie erschien im Märzheft 1751 der Leipziger Nova Acta Eruditorum. Maupertuis war ausser sich, als er sie gelesen hatte. Sein ganzer Stolz bäumte sich auf In krankhafter Verblendung sah er vor allem darin das grösste Attentat auf seine wissenschaftliche Majestät, dass sein « Princip« bereits von Leibniz ausgesprochen sein sollte. Er richtete an König ein Schreiben, in welchem er erklärte, in den gedruckten Leibniz -Briefen nichts von seinem Principe linden ^ Sehr bald nach König hat der Graf d'Arcy die Unhaltbarkeit des Mau- i'ERTuis"schen Princips nachgewiesen, welches erst in Eüler's Behandlung discutabel wurde. Aber einen allgemeinen Beweis hat auch er nicht zu geben vermocht. - Über das Princip vergl. Adolf Mayer, Geschichte des Princips der kleinsten Action. Akademisclie Antrittsvorlesung 1877; von Helmholtz, Zur Geschichte des Princips dei" kleinsten Action (Sitzungsberichte 10. März 1887, S. 225f., 10. ]März 1892 S. 459 ff., vergl. dazu die im Urkundenband Nr. 170 /v zum ersten Male publi- cirte akademische Rede von Helmholtz "Über die Entdeckungsgeschichte des Prin- cips der kleinsten Action«); du Bois-Reymond, a.a.O. S. 418 ff. Lagrange hat bereits im Jahre 1760 das Pi'incip so gestaltet, dass es nach Jacobi's Ausspruch in seinen Händen die Mutter der heutigen analytischen Mechanik geworden ist. Nach ihm haben Hamilton. Jacobi, Nel'jiann und von Helmholtz es ausgedehnt, und namentlich der Letztere hat es auf neue Gebiete von Erscheinungen angewendet. Der Streit JMaupertuis' und Köxiü"s {17ö\/')'2}. oöD ZU können, König solle daher das Original jenes angeblichen Schrei- hens an Hermann vorlegen ; er drohte zugleich mit einer öffentlichen Antwort. König schrieb zurück, dass er einer weiteren Discussion mit Freuden entgegensehe, dass er aber das Original jenes Briefes in seiner Sammlung von Leil)niziana nicht besitze, sondern nur eine Copie; seine Abschriften von LEiBNiz-Briefen seien aus der Samm- lung des Schweizer Capitäns Samuel Henzi^; er sei übrigens gern bereit, selbst Nachforschungen in der Schweiz über den Verbleib der Originale anzustellen (Juni und Juli 1751). Mehr konnte er nicht thun ; aber Maüpertuis genügte das nicht. Er veranlasste vielmehr die Akademie, die Sache ihres Präsidenten zu ihrer eigenen zu machen und durch ein officielles Schreiben an König die Forderung zu stellen , binnen vier Wochen den fraglichen LEiBNiz-Brief vorzulegen (y.October). Ein unerhörtes Ansinnen, wel- ches indirect die schwerste Beleidigung für König enthielt! Zugleich richtete man Briefe nach Bern und bat Nachforschungen zu halten, ja Friedrich selbst liess Schreiben an die Berner Regierung ergehen. Als König nach acht Wochen noch nicht geantwortet hatte — weil er sich bemühte, das Original ausfindig zu machen ■ — , wiederholte die Akademie ihre Aufforderung an ihn noch dringlicher. Das gesuchte Schreiben wurde nicht gefunden ; Maüpertuis theilte in der Sitzung vom 23. December 1751 der Akademie sehr befriedigt mit, dass auch die vom Monarchen veranlassten Nach- forschungen vergeblich gewesen seien. Kurz vorher aber hatte König sowohl Maüpertuis (10. December) als der Akademie (18. De- cember) geantwortet. Man kann nichts Ruhigeres und Würdigeres lesen als diese Briefe. Sie mussten auch in den Gegnern die sichere Überzeugung erwecken, dass König in reinster Absicht und mit gutem Gewissen gehandelt hatte. Der Brief an Maüpertuis w^ar ausserdem in W^orten einer ungeheuchelten Verehrung abgefasst, erklärte, was zu erklären war, bedauerte herzlich die Missverständ- nisse und autorisirte den Präsidenten überdiess, öffentlichen Gebrauch von diesen Zeilen zu machen. Maüpertuis war nicht im Stande, für seine Person nach diesem Briefe den Streit fortzusetzen; aber, unversöhnlich wie er war, ver- anlasste er zum zweiten Mal die Akademie, eine unwürdige Rolle ^ Dieser war ain 16. Juli 1749 in Bern als Staatsverbrecher enthauptet worden. Nach KÜNZLi's INIuthmaassung (L. Hirzel. Wieland und Künzli S.59) vom Jahre 1754 wären die von Hexzi gesammelten Briefe an einen holländischen Kaufmarni gekonunen. 38() Gcscliiclite der Akademie unter Frikdkich dein Grossen (1746—1786). ZU spielen. Sie inusste an König schreiben, der Präsident sei zwar durch die Erklärungen vom lo. December befriedigt, nicht aber die Akademie; denn die Hauptsache sei unerledigt geblieben, der LEiBNiz-Brief; sie habe allen Grund zu der Annahme, dass der Brief gefälscht sei\ Auch jetzt noch blieb König ruhig; er erklärte mit Recht in zwei Briefen vom 15. Februar 1752 (an Maupertuis und die Akademie), dass die Haltung der Akademie der Sachlage nicht entspreche; er setzte noch einmal eingehend seine reinen Absichten bei Veröffentlichung jener Abhandlung auseinander — »mon Intention ayant simplement ete de remarquer en passant que M. de Leibniz avait eu des idees fort etendues sur la dynamique dont nous nous trouvions prives par Fentetement des premiers adversaires des forces vives« — , und er wies die Gründe nach, weshalb er an der Echt- heit des Briefs nicht zweifle. »Je Tai donne comme je l'ai trouve: je crois que la lettre est de M. de Leibniz, quelqu'un veut-il etre d"un autre sentiment, cela ne doit point me faire de la peine.« Friedfertiger konnte er sich nicht ausdrücken. Aber das Un- glaubliche geschah. Maupertuis stellte am 13. Aj^ril in der Akademie den förmlichen Antrag", sie solle in ihrer Gesainmtheit ein Urtheil abgeben über die Echtheit des Briefs (über die Thatfrage, sagte Maupertuis ausdrücklich, nicht über König's Moral: ein solcher Zusatz fehlte nur noch!). Die Akademie gehorchte wiederum und erklärte feierlich und einstimmig — doch war nur die Hälfte der Mitglieder in der Sitzung erschienen — , der von König mitgetheilte Brief LEiBNizens an Hermann sei eine Fälschung, zu dem Zweck gemacht, LEiBNizens Ruhm zu erhöhen oder Maupertuis zu schaden'^! ^ "Die Argumente der Soc. Reg. Berol. sind dumm, zum Exempel, dass Leibniz an Hermann nur lateinisch geschrieben, und der sei französisch; dass Leibniz an Hermann nur alle halbe Jahre geschrieben imd der sei mitten inne« (Künzli, Äussei'ung an Ring bei L. Hirzel S. 59). ^ Kurz vorher hatte König noch einmal an Maupertuis geschrieben und mit wirklicher Langmuth versucht, ihm die Zweifel an der Unechtheit des Briefs zu nehmen. Nocli immer hoffte er, aus der Schweiz das Original zu erhalten. Dass er Haller Mittheilung von seiner Correspondenz mit Maupertuis gemacht hatte — dieser hatte auch das übel genommen — , erklärt er in befriedigender Weise. Ül)erhaupt ist König in allen seinen Briefen an Maupertuis in liebenswürdigem Entgegenkommen l)is an die Gi'enze des Erlaubten gegangen. ^ Im akademischen Protokoll ist der Brief Maupertuis' an die Akademie und der ominöse Beschluss der Akademie in extenso mitgetheilt. Es wird hier behauptet, dem von König citirten Brief LEiBNizens komme nicht einmal ein Schatten von Auto- rität zu. Ein officieller Bericht über das Material, welches dem Beschluss der Akademie zur Unterlage gedient hat (ausgearbeitet von Euler), und über ihren Be- schluss findet sich auch in den jNIemoires 1750 [erschienen 1752] p. 52 — 64. In Der Streit Matpertuis' und Köxio's (1751/52). 337 Die einzige Entscliuldigung , die die Akademie für diese er- staunliche Erklärimg hatte, war die Autorität Euler's. Dieser grosse Mathematiker hatte nicht nur in einem Memoire, das nicht zu seinen bedeutendsten Leistungen gerechnet wird, Maupertuis' Princip, allerdings in wesentlicher Umformung, zu vertheidigen gesucht (Dissertatio de principio minimae actionis una cum examine objectio- num Koenigii), sondern er war auch von der Unechtheit des Leibniz- briefs überzeugt und glaubte Beweise dafür zu besitzen \ Ohne Ver- ständniss für LEiBNizens Universalität, von seiner Weise zu arbeiten antipathisch berührt, traute er ihm in der Mechanik nichts Gutes zu und war überall bereit, gegen ihn Partei zu nehmen. Sein Memoire wurde der Erklärung vom 13. April zu Grunde gelegt, und die schwachen Argumente für die Unechtheit des Briefs" - — als ob das Fehlen des Originals ernsthaft in Betracht käme — für zu- reichend erachtet. Jetzt riss auch König die Geduld; er schickte der Akademie sein Diplom zurück^ und legte in einem »Appell gin das Publicum« diesem den ganzen Handel vor — »ein bei aller Lebhaftigkeit doch nicht maassloses, sondern nach Inhalt und Form lobenswertlies Acten- stück^«, dem der angeblich gefälschte Brief von Leibniz nunmehr beilag, zwar nicht urschriftlich, doch mit allen inneren Merkmalen der Echtheit. Ein Sturm der Entrüstung erhob sich. Waren auch der Sitzung vom 13. April 1752 waren anwesend die beiden Curatoren von IvErrn imd VON Redern, die Ehrenmitglieder von Marschall und von Cagnony, die Di- rectoren Eller, Heinius und Euler, ferner Forjiey, Pelloutier, Sproegel, die beiden Ludolff, GLEDrrscH, Beausobre, Meckel, Sclzer, Pott, Küster, Becmann, Kies und Merian, ausserdem das auswärtige INIitglied Lalande, dazu die Gäste Hesse imd Hirzel. Nicht anwesend waren Maupertuis, d'Argens, Beguelin, [BuDDEUs], [Carita], Francheville, Lieberkühn, Marggraf, Hujibert, die beiden Achard, von Jariges, Sack und Süssmilch. Auf Euler's Autorität hin erklärte man (p. 62), dass das von König verwerthete Bi-ieffragment eine Fälschung sei, «ou pour faire tort ä M. de Maupertuis, ou pour exagerer, comme par une fraude pieuse, les louanges du grand Leibniz, qui sans contredit n'ont pas besoin de ce secours«. Jenes officielle Actenstück, in welchem der motivirte Beschluss der Akademie publicirt worden ist (Expose concernant Texamen de la lettre de Leibniz u. s.w., Memoires 1 7 50 p. 5 2 ff.), ist in dem Urkundenband Nr. 171 abgedruckt. ^ Siehe seinen Brief an Maupertuis vom 31. März 1752 bei Le Sueur p. i44f. ^ Dass der Brief echt ist, ist heute wohl anerkannt (s. du Bois-Reymond S. 423f.); nur das ist fraglich, ob Hermann der Adressat gewesen ist und nicht vielmehr Varignon; Letzteres hat Gerhardt (Sitzungsberichte 1898, 23. Juni) sehr wahrscheinlich gemacht. ^ Am 6. Juli theilte das der Secretar der Akademie mit; sie beschloss, still- schweigend davon Kenntniss zu nehmen. * du Bois-Rey3iond S. 425, Geschichte der Akademie. 1. 22 338 Gescliiclitc der Ak;id(Mni<*. unter Fkikdrich dem Grossen ( 174(5 — ITlStj). die Wenigsten in der Streitfrage selbst sachkundig — um einzu- sehen, dass der Präsident seine Macht missbraucht und die Akademie sich unwürdig gegen König benommen hatte , dazu bedurfte man der Kenntniss des »Princips« nicht. Maupertuis' Sieg war in Wahr- heit eine Niederlage^; sein Process war vor der Akademie ge- wonnen, aber vor dem Forum Europas verloren, und schon nach wenigen Monaten erhielt der Streit ein Nachspiel, in welchem ein unbarmherziges Gericht über den Präsidenten erging". ^ Der sachliche Streit dauerte noch bis zum Tode Maupertuis' fort; denn dieser hatte jetzt für nichts mehr in der Welt Sinn als für das neue Princip, an welches er seinen ganzen Ruhm geknüpft sah. In der Sitzung vom 15. November 1753 las Euler ein Memoire Maupertuis' gegen d'Arcy vor und am 7. Mai 1756 einen Brief und ein Memoire von Lagrange über das Princip. Auf Grund dieser Arbeit wurde Lagrange wenige Monate später zum auswärtigen Mitgliede ernannt. So verdankt die Akademie dem unglücklichen Princip doch den Gewinn eines grossen Matiie- matikers. — Schon im März 1753 hatte König wieder ein versöhnliches Schreiben an Maupertuis gerichtet, voll Anerkennung und Werthschätzung, und ihm in dem- selben versichert, dass er an den weiteren Angriffen auf ihn völlig unschuldig sei (s. Le Sueur j). 141 ff.). Auf die Seite des Präsidenten trat auch Kaestner in Leipzig, imd jener bemühte sich, durch ihn die Abhandlung Euler's in die Leijiziger Acta Eruditorum zu bringen. ^ Dass eine Minorität in der Akademie mit der Art, wie der Streit officiell ge- führt worden war (und besonders mit Maupertuis) , höchst unzufrieden gewesen ist, lehrt der spärliche Besuch der entscheidenden Sitzung vom 13. April 1752 (s. oben). Es wird aber auch aus einem Brief Sulzer's an Künzli vom Martinstag 1752 deutlich (L. Hirzel, Wieland und Künzli S. 5 5 f.): "Ich habe keinen Antheil an dein Streit, obgleich mein Name in der Liste der Richter steht; denn ich habe zu dem harten Verla lu'en gegen Herrn König meine Einwilligung nicht gegeben [aber aus dem Sitzungsprotokoll vom 13. Ajjril 1752 ergiebt sich, dass er in der ominösen Sitzung- anwesend war, und es heisst dort ausdrücklich, dass ein einstimmiger Beschluss erfolgt sei]. . . . Überhaupt ist die ganze Sache ein Streit de lana caprina, und Maupertuis glaubt nur desswegen etwas erfunden zu haben, weil er sich niemalen die Mühe gegeben hat LEisNizens Sachen zu lesen; denn das, was er minimum actionis nennt, ist offenbar das, was Leibniz minimam vim vivam nennt. Ich glaube zwar wohl, dass Maupertuis sich für den Erfinder der Sache hält, aber dass Euler die Sachen so embrouillirt und die vollkommene Identität der beiden Sachen nicht ein- sehen will, wundert inicli. Denn er giebt sich alle Mühe von der Welt, eben das, was Leibniz entdeckt hat, unter andern Begriffen als neu vorzutragen. Überhaupt so gross er in der Mathesi ist, so ein schlechter Philosoph ist er. Indessen hat diese hässliche affaire hier viel Händel gemacht. Weil Maupertuis alle Gewalt in Händen hat, und man nicht sehr laut gegen ihn reden darf, so ist die Verbitte- rung im Geheim desto stärker, und dieses thut der Academie grossen Schaden. Man siehet die Parteilichkeit überall. Maupertuis ist seit bald einem Jahr stark an der Lunge krank. Er wird kaum davon kommen. Man kann schwerlich sagen, ob sein Tod für die Akademie gut oder schlimm sein wird. Er hat als Präsident seine guten und schlimmen Seiten. Es ist hier ein Brief unter der Presse, den man aus Potsdam zu sein glaubet und sogar dem König zuschreibt, in welchem den Ge- lehrten ihre Eifersucht und ihre Zänkereien scharf verwiesen werden«. Ein lehr- reicher Stimmunosbericht I Der Streit Maupertuis' und Voltaire's (1752/53). 339 Seit dem Juli i 750 weilte Voltaire als Gast des Königs in Sans- souci. Es fehlte ihm nichts zu einem amüsanten Leben; er konnte sich ergehen, wie er wollte, und täglich das Glück gemessen, sich an der Tafel des grossen Königs bewundern zu lassen. Und doch nagte an seiner Seele ein Wurm: er war nur Gast, zwar mit dem Kammerherrnschlüssel und dem Verdienstorden geschmückt, aber nicht aufgenommen in den Kreis der hohen Staatsdiener. Wie lange wird der Monarch ihn bei sich dulden? Durch einen schmutzigen Process hatte sich der Dichter bereits verächtlich gemacht; dazu hatte La Mettrie ihm in's Ohr geflüstert, der König habe über ihn ge- äussert: »Ich werde ihn höchstens noch ein Jahr brauchen; man presst die Orange aus und wirft die Schale weg«. Dieses Wort liess ihn nicht mehr los: ob es der König wirklich gesagt oder nicht, darüber grü])elte er unablässig; La Mettrie war leider nicht mehr zu einem Bekenntniss zu bringen, denn er starb ein paar Monate nach der Enthüllung. Wenn Voltaire bei sich überdachte, welche Stellung im Dienste des Königs für ihn erstrebenswert!! sei, so haftete sein Auge am Präsidentenstuhl der Akademie. Er war ihm vor zwölf Jahren in Aussicht gestellt worden; aber jetzt fand er ihn breit besetzt von jenem Maupertuis, auf den er selbst den König einst aufmerksam gemacht hatte. Er sah den rücksichtslosen und hochfahrenden Mann, der auch sein Präsident war\ im Besitze der Macht und in Ehren; aber noch deutlicher sah er die Schwächen des phantastischen Naturforschers. Er beschloss sie zu benutzen und ihn zu ver- nichten". Der Streit mit König kam ihm wie gerufen. ^ Voltaire war Academicien , aber es lässt sich nachweisen, dass er die Sitzungen nur sehi- selten besucht hat; doch knüpfte er mit einigen Akademikern, namentlich mit Francheville, Beziehungen an. ^ Dass es Voltaire auf den Präsidentenstuhl abgesehen hatte, sagt Friedrich mit dürren Worten in dem Brief an die Markgräfin von Bayreuth vom 12. April 1753 (OEuvres T. 27, i p. 226). Dass man schon im November 1750 — also vier Monate nach Voltaire's Ankunft in Berlin — von Zerwürfnissen zwischen Voltaire und Maupertuis sprach, wissen wir jetzt aus dem Brief des Prinzen Wilhelm an diesen (Geh. Staatsarchiv); aber erst zwei Jahre später schritt Voltaire zum Angriff. Ein besonderer Anlass für den Ausbruch der tödtlichen Feindschaft findet sich mehrfach erzählt; der Bericht geht auf den König selbst zurück. »Der Streit begann an der Tafel des Königs. Voltaire war sehr unterhaltend; alle waren darüber einer INIeinung, Maupertuis allein schwieg. Nach der Ursache gefragt, sagte er, er habe sich dabei tödtlich gelangweilt« (Lucchesini z. 7. October und 4. December 1780 bei Bischoff, Gespräche Friedrich's des Grossen mit H. de Catt u. s.w. 1885 S. 167. 187); aus- führlicher DE Catt, a.a.O. S. 11, der den König erzählen lässt, Voltaire habe versetzt: »Das überrascht mich nicht; Sie sind auch ein ^lensch zum Langweilen» ■22* 340 Geschichte der Akademie unter Friedrich dem Grossen (1746—1786). Im Herbst 1752 erschien ein angeblich am 18. September von einem Berliner Akademiker als Antwort auf die Anfrage eines Pariser Collegen geschriebener Brief, in welchem die Streitfrage ganz im Sinne König's besprochen, Maupertuis aber ausserdem — daran war König unschuldig — des Plagiats beschuldigt wurde. Das Schreiben schloss mit der Bemerkung, mehrere Akademiker wären entschlossen, eine Akademie zu verlassen, die Maupertuis vergewaltige, wenn sie nicht die Ungnade des Königs fürchteten. Der Brief, der sonst sach- lich gehalten war, so dass man den Verfasser nicht sofort errathen konnte, war von Voltaire. Der König war über dieses Pamphlet und andere Angriffe auf Maupertuis auf's Höchste entrüstet. In mehreren Briefen tröstete er seinen Präsidenten und goss die Schale seines Zorns über die Leute aus, die den anspruchsvollen Namen Philosoph tragen wollen , aber alle Leidenschaften in ihrer Seele regieren lassen : »Komödianten, auf der Bühne stellen sie erhabene Gefühle dar, und im Foyer stiften sie Händel an und beschimpfen sich«. Der König muthmaasste richtig, dass Voltaire der Verfasser sei; aber in der Absicht, den hässlichen Streit womöglich noch auszulöschen, respec- tirte er die Anonymität. Eine scharfe Antwort sollte der »Philosoph« jedoch erhalten, und da die Akademie unbegreiflicherweise schwieg, so beschloss der König sie selbst zu geben; denn »man soll nicht sagen, dass ein Mann von Verdienst ungestraft beschimpft worden ist^«. Bereits am 1 1. November war Friedrich's Gegenschrift, eben- falls anonym und als Brief eines Berliner Akademikers an einen Pariser, in Maupertuis' Händen, und der König versicherte ihm zu- gleich, dass er ihre weiteste Verbreitung angeordnet habe. Die Sorge für Maupertuis — er schrieb ihm damals zweimal wöchentlich, und wie zartfühlend hat er ihm Trost und Muth zu- (vergl. Urkundenband 172). Die letzten Gründe des Streits lagen tiefer. Es war der Kampf um den König. Voltaire wollte absichtlich eine Katastrophe herbei- führen, weil er hoffte, Sieger zu bleiben und den König allein und dauernd an sich zu fesseln. Wie er über den Monarchen dachte, zeigen die berühmten Verse, die er sogar nach Bayreuth an die Markgräfin zu schicken sich erdreistet hat: »Assemblage eclatant de qualites contraires, Ecrasant les mortels et les nommant ses freres, Misanthrope et farouche avec un air humain, Souvent impetueux et quelquefois trop fin, jNIodeste avec orgueil, colere avec faiblesse, Petri de passions et cherchant la sagesse, Dangereux politique et dangereux auteur, Mon patron, mon disciple, et mon persecuteur. « ^ Brief an Maupertuis vom 7. November 1752 (Geh. Staatsarchiv). Der Streit Maupertuis' und Voltaire's (1752/53). 341 gesprochen ' I — dazu die Entrüstung über einen schlimmen Streich haben den König zu dem ungewöhnlichen Schritt veranlasst, selbst Partei zu ergreifen und sicli in den bösen Handel zu mischen. Auch wenn die Sache der Akademie und ihres Präsidenten ganz rein ge- wesen wäre, war Friedrich's Eingreifen ein Wagniss; nun aber hatten sie einen tüchtigen Gelehrten misshandelt — diese Thatsache war nicht aus der Welt zu schaffen! Doch Friedrich dachte nur an seinen be- leidigten Präsidenten und an den giftigen Stich des «litterarischen Insects«. Die zweite Ausgabe der Broschüre erschien mit einer Vignette, die über den königlichen Autor keinen Zweifel Hess. Die Ausführungen schössen über das Ziel hinaus und mussten den Gegen- sinn hervorrufen, Maupertuis wurde in ihnen als der unvergleichlich grosse Mann gefeiert und mit Ruhm überschüttet. Eine scharfe Ant- wort — man weiss nicht von wem — unter der Maske eines Pariser Akademikers folgte dem Panegyricus auf dem Fusse. Aber sie genügte Voltaire nicht; er nahm all seinen Witz, die furchtbare Fähigkeit, die er besass, Menschen lächerlich zu machen und durch Spott zu zermalmen, zusammen, um den Präsidenten zu vernichten und dem Könige zu zeigen, welch einen Phantasten und Charlatan er für «den Herrscher zweier Reiclie« halte. Der Streit mit König bot ihm für dieses Unternehmen so gut wie keinen Stoff mehr, aber unglücklicherweise hatte Maupertuis im Herbst 1752 eine Sammlung von Abhandlungen in Briefform veröffentlicht , die das Ge- suchte in überreichem Maasse enthielt. Sie sind in der That zum Theil höchst sonderbar, diese Briefe ! Maupertuis' ungemessener Ehr- geiz, als der Universalgelehrte zu gelten, sein Bestreben, durch Bizarrerien den Eindruck des tiefsinnigen Forschers zu erwecken, der Probleme aufwirft, an die Niemand gedacht, und Unternehmungen vorschlägt, die in Erstaunen versetzen, sein hastiges Übergreifen auf Gebiete, die ihm fremd waren, endlich Nachklänge von Paracelsus und den Alchemisten her, die immer noch fortwirkten, wo die Stim- mung der Renaissance herrschte — das Alles trieb zusammen in diesen Briefen die wunderlichsten Blüthen hervor. Auch wenn man er- kennt, dass Maupertuis hier nicht Lehren vorgetragen hat, sondern nur anregen und zum Nachdenken reizen wollte, auch wenn Vieles in dem Sinne gesagt ist, in welchem in unseren Tagen Jules Verne ^ Als Maupertuis trotz der königlichen Broschüre doch noch selbst antworten wollte, hat ihm der König das auf's Dringendste widerrathen und schliesslich aus- geredet; »j'ai ete Torgane du public; ce que j'ai ecrit sur votre sujet, tout le monde le pensait». 342 Geschichte der Akademie unter Friedrich dem Grossen (1746—1786). seine naturwissenschaftlichen Plaudereien vorgetragen hat, auch wenn man anerkennt, dass Manches, was auf den ersten Blick befremdet, doch einen guten Sinn hat — der Eindruck lässt sich doch nicht ver- wischen, dass der Angriff auf sein Princip der kleinsten Action und auf seine wissenschaftliche Unfehlbarkeit den auch körperlich schwer leidenden Maupertuis aus seiner Bahn geworfen hat. Vom Stein der Weisen reden die Briefe und von anderen alchemistischen Dingen, von der Fähigkeit der Seele, in die Zukunft zu schauen, von wunderlichen Kuren, die man versuchen solle, von gewagten Vivisectionen , von den zwölf Fuss hohen Patagoniern, deren Gehirn man untersuchen müsse, und von geschwänzten Menschen in der Südsee; sie schlagen vor, ein Loch bis an den Mittelpunkt der Erde zu graben, eine lateinische Stadt zu gründen u. s. w. Da- zwischen finden sich allerdings Vorschläge, in denen Maupertuis der Zeit vorausgeeilt ist, und auch in dem Angeführten steckt mancher gute Gedanke, auf den nur ein sinnender Naturforscher verfallen konnte; aber Alles ist so rasch hingeworfen und so stark vermischt mit Absurdem, dass der Eindruck des Ganzen ein peinlicher bleibt, ja an"s Lächerliche streift. Diese Briefe erwählte sich Voltaire, der übrigens von den Naturwissenschaften nichts verstand und der incompetenteste Richter war, und schrieb seine Spottschrift nieder: »Diatribe du Docteur Akakia, Medecin du Pape«. «Jede Ungereimtheit, die dem armen Maupertuis in dem Ringen nach Erhabenheit, das ihm oft beinahe, aber niemals ganz gelang, zufallig entfallen ist, hebt Voltaire auf, manipulirt sie, setzt sie in das Erhaben -Lächerliche und schleudert sie in der Gestalt von brennendem Staub an das Haupt von mon President ^<. Voltaire hatte die Kühnheit, dem Könige die Schrift im Manuscript vorzulesen, und wie sollte dieser nicht einen Moment ge- lacht haben? aber er verbot Voltaire auf's Strengste, sie zu veröffent- lichen und liess ihn vor seinen Augen das Manuscript verbrennen. Doch für die Publicität hatte dieser bereits gesorgt: er hatte auf Grund einer Druckerlaubniss, die er für eine andere Schrift erlangt und betrügerisch producirt hatte, das Libell bereits in Potsdam drucken lassen. Als das Friedrich erfuhr, zwang er Voltaire, der zuerst Alles ableugnete, zur Abbitte und zu demüthigenden Erklärungen"'; ^ Carlyle. - An Maupertuis schrieb er (lo. December 1752): «Ich habe ihm den Kopf gewaschen und gesagt, dass mein Hans ein Heiligthum sein muss und nicht eine Zuthichtsstätte für Briganten und Giftmischer". An Darget (9. April 1753, (Euvres Der Streit Maipertuis' und Voltaire's (1752/53). 34B die ganze Auflage Hess er vernichten. Allein Voltaire betrog den König zum zweiten Mal. Er schickte ein Exemplar in's Ausland, und bald erschien der »Akakia« auf's Neue, jetzt in Tausenden von Exem- plaren, und wurde mit Schadenfreude vom Publicum gelesen \ In hellem Zorn flammte Feiedeich auf; er schrieb Voltaire: »Wenn Eure Werke Statuen verdienen, so verdient Eure Aufführung die Galeere«, und er liess am Weihnachtsabend 1752 das Libell von Henkershand auf dem Gensdarmen -Markt zu Berlin verbrennen — die Freiheit der Wissenschaft stand hier nicht zur Frage". Damit war Voltaire's Rolle in Berlin ausgespielt. Zwar suchte der König, nachdem er den Mann »von infamstem Charakter« so hart bestraft hatte, doch noch einen Ausgleich herbeizuführen; allein Voltaire wollte nicht mehr bleiben. Nachdem er noch einmal vor Friedeich Komödie gespielt, d. h. den Verdienstorden wieder angelegt, öffent- lich das gegen Maupeetuis geschleuderte Pasquill verleugnet und auch gelobt hatte, nicht mehr gegen ihn zu schreiben, verliess er im März Potsdam und die preussischen Staaten, um sofort von Leipzig giftige Schmähbriefe gegen Maupeetuis, die Akademie, der er die Mitglied- schaft kündigte, und den König — der »Salomo des Nordens« war nun zum »Dionysius von Syrakus« geworden — ausgehen zu lassen. Das drakonische Nachspiel in Frankfurt, das dieser Wortbruch zur Folge hatte, gehört nicht mehr hierher^. Der furchtbare Angriff auf Maupeetuis — vergebens hatte er an VoLTAiEE eine Herausforderung geschickt — liess sich durch T. 20 p. 39): »Voltaire est le plus mechant fou que j'ai connu de ma vie; il n'est bon qu"ä lire. Vous ne sauriez imaginer toutes les duplicites , les fourberies et les infämies qu'il a faites ici; je suis indigne que tant d'esprit et tant de connaissances ne rendent pas les hommes meilleurs. J'ai pris le parti de Maupertuis , parce que c'est un fort honnete homme, et que Tautre avait pi'is ä täche de le perdre«. ^ Dies in Kürze der Vei-lauf der Sache; die Darstellungen bei Thiebaut (Souvenirs T. V p. 261 ff.) und Formet (Souvenirs T. Ip. 270) lassen sich vereinigen; der Bericht des Ersteren hat an dem Brief Friedrich"s an ^Maupertuis vom 29. No- vember wenigstens theilweise eine Stütze erhalten. ^ Voltaire fasste es freilich so auf (s. Lucchesixi zum 4. December 1780 bei Bischöfe S. 187). ^ Dass Voltaire bereits nach einem Jaln-e trotz der gemeinsten Verleumdun- gen, die er über den König ausgesprengt hatte, doch wieder mit ihm anzuknüpfen suchte und dass dieser nach einigem Zögern (Qiluvres T. 20 p.45 vom i. April 1754) darauf einging, wäre ein Räthsel, hätte uns Moliere nicht im Misanthrope gezeigt, dass solche Fälle häufiger sind. Aber auch damals vergass Friedrich nicht, dass Voltaire etwas an der Akademie und ihrem Präsidenten gut zu machen hatte und dass die Einstellung aller Feindseligkeiten gegen sie die erste Bedingung des Frie- dens sein müsse: s. den Brief vom 16. März 1754 ((Euvres T. 23 p.3f.). 344 Geschichte der Akadeiiiie unter Fkikdrich dem Grossen (174(3— 178(i). keine königliche Huld ungeschehen nlachen, und der Gegner sorgte im Auslande dafür, dass der Skandal nicht vergessen wurde. Mit unerbittlichem Hass verfolgte er den Präsidenten immer auf's Neue; dieser aber war körperlich und gemüthlich gebrochen. Seit einem Jahre bereits hatte er Urlaub nehmen und in einem wärmeren Klima Heilung suchen wollen ; er besass seit Monaten die Genehmigung des Königs zur Reise; aber die Kämpfe hinderten ihn an der Ausfüh- rung. Im Frühjahr 1753 endlich, fast gleichzeitig mit Voltaire, verliess er Berlin und begab sich nach Frankreich. Schon früher hatte er dem Könige Euler als den Mann bezeichnet, der am ge- eignetsten sei , an seiner Stelle die Geschäfte der Akademie zu führen »par sa probite, par ses lumieres et par son zele pour TAca- demie«; jetzt wurde Euler förmlich mit ihnen betraut \ Der König liess Maupertuis nur ziehen, weil er sein Brustleiden für tödtlich hielt"' und nichts verabsäumen wollte. Unter der Hand aber musste bereits im Jahre 1752 Darget in Paris sondiren, ob d'Alembert sich nicht entschliessen könne, nach Berlin zu kommen und im Falle einer Katastrophe Maupertuis' Nachfolger zu werden^. Doch seine liebevolle Sorge für diesen hörte deshalb nicht auf. Er stattete den Präsidenten mit einem förmlichen Achtungs- und Ehrendiplom aus, das er Jedem vorlegen sollte, der seine Verdienste antasten würde*; er schrieb ihm die herzlichsten Briefe, tröstete ihn über die fortgesetzten Angrifie Voltaire's — «wir sind Collegen in dieser Affaire« — , beruhigte ihn über das Befinden seiner Frau, die in Berlin zurückgeblieben war, und gab ihm Nachrichten über die Zu- stände in «seiner« Akademie, die freilich nicht immer erbaulich Avaren^. «0, Avenn doch Einer von Euren Medicinern die Kunst, delabrirte Lungen zu flicken , erfände I « ruft er Maupertuis zu. ^ In emem Brief von Maupertuis an Köhler vom 24. x\pril 1753 (Akademi- sches Arcliiv) liest man: «S. Maj. ayant approuve que je remisse le detail de Tad- ministration de l'Academie pendant mon absence entre les mains de M. le Prof. Euler«. ^ Er versicherte Maupertuis, er werde für seine Frau sorgen (Frühjahr 1753). ^ Siehe den Briefwechsel mit Darget vom 31. Juli, vom August und 18. Sep- tember 1752 (Qiuvres T. 20 j)-34ff-)- d'Alembert lehnte schon damals ab mit Grün- den, die in Friedrich nur den Wunsch verstärkten, ihn zu besitzen. * Sielie Urkundenband Nr. 173 (vom 19. April 1753). Wie gespannt man auch in Frankreich den ganzen Handel mit dem König und Voltaire verfolgt liatte, zeigt der Brief Tressan's an jNIaupertuis vom 24. Januar 1754 (Le Sueur p.324ff"., vergl. S.344). ^ Siehe z.B. den Brief vom 12. März 1754: es handelte sich um Zänkereien zwischen den Chemikern. Aufnahmen in die Akademie fanden während Maupertuis' Abwesenheit nicht statt. Maupertuis verlässt Berlin auf ein Jahr. Seine Rückkehr (1754). d45 Im Juli 1754 kehrte der Präsident nach Berlin zurück; sein Gesundheitszustand hatte sich wider Erwarten doch gebessert \ Aber er war nur noch eine halbe Kraft. Seine Gegenwart konnte kein neues Leben in die Gesellschaft des Königs bringen, der einsam ge- worden war. »Notre societe s'en est allee au diable: le fou [Voltaire] est en Suisse , Fltalien [Algarotti] a fait un trou ä la lune , Maupertuis est sur le grabat, et d'Argens s'est blesse le petit doigt, ce qui lui fait porter le bras en echarpe, comme s'il avait ete blesse ä Philippsbourg d'un coup de canon. C'est la plus grande nouvelle de Potsdam; ne m'en demandez pas davantage. Je vis avec mes livres, je converse avec les gens du siecle d' Auguste, et bientöt je ne connaitrai pas plus les gens de ce siecle -ci que defunt Jordan ne connaissait les rues de Berlin'.« In der That — den oberfläch- lichen, frivolen und pedantischen, immer witzelnden Directeur des Beiles -Lettres d'Argens allein zum Gesellschafter, das war eine trau- rige Gesellschaft! In Friedrich zuckte es manchmal, ihn zu be- handeln, wie sein Vater Gundling behandelt hatte. Überhaupt — es erinnert doch Manches in den Zuständen und in der Art, wie der König untergeordnete litterarische Acteure verhöhnt hat, an die Tage seines Vaters, der Streit zwischen Voltaire und Maupertuis an die Balgerei zwischen Fassbiann und Gundling, aber aus dem Märkischen in 's Französische übersetzt und auf die europäische Bühne gestellt. 3. Zwei Jahre brachte Maupertuis wieder in Berlin zu. Die Ver- theidigung seines »Princips« und die Verstärkung der Akademie beschäftigten ihn^. Er nahm sechs neue ordentliche Mitglieder auf, darunter zur Freude des Vaters den jungen Euler. Aber die ge- wonnenen tüchtigen Gelehrten blieben bis auf L. deBeausobre sämint- lich der Akademie nicht treu^. Unter den fünf Ehrenmitgliedern, die ^ Das Erste, was er that, als er die Geschäfte der Akademie wieder über- nahm, war, zu veranlassen, dass die Hospitäler bei Übersendungen von Leichen an die Anatomie womöglich eine psychologische Anamnese der Verstorbenen aufsetzten. Der König verfügte in diesem Sinne (Friedrich an Maupertuis 8. Juli 1754). ^ Schreiben an Darget vom 25. Februar 1754 (CEuvres T. 20 p.43). ^ Ausserdem hat er damals seinen »Schwanengesang" in der Akademie ge- halten, das schöne Pflöge auf Montesquieu (Mem. 1754 p. 445 ff.). INIoxtesquieu war bei den Berliner Akademikern besonders verehrt. * Auch 26 auswärtige Mitglieder nahm Maupertuis in diesen zwei Jahren auf, unter ihnen den Baron Holbach und den Herzog von Nivernais (S.April 1756). A'on ihm. der im Januar 1756 als französischer Unterhändler nach Berlin gekommen 346 Geschichte der Akademie unter Friedrich dem Grossen (1746—1786). hinzutraten, maclite dem Könige die Wahl des Fürstbischofs von Bres- lau, des lockeren und witzigen Grafen von Schaffgotsch , besonderes Vergnügen, »Er kann in der Eigenschaft eines Schülers des Petronius bei uns eintreten'.« Gleichzeitig mit ihm wurde der Abbe de Prades zum Ehrenmitglied gewählt, wieder ein Freigeist, der sich aus Frankreich hatte flüchten müssen. Auf d'Alembert's Empfehlung hatte ihn Friedrich zu seinem Vorleser gemacht. Beide Männer sind s]3äter beim Könige in Ungnade gefallen". Der Vorschlag, den Prinzen Radziwill aufzunehmen , stiess bei Friedrich auf Schwierig- keiten. »Ihr könnt es mit Eurer Akademie machen, wie Ihr wollt, mein lieber Maupertuis, aber das weiss ich, w^enn ich eine hätte, sollte mir kein Fürst und kein Mönch ^ hineinkommen. Wir Fürsten sind In der Regel sehr oberflächliche Geschöpfe , die den Vereinen, in die wir eintreten , nur die lange Litanei unserer Titel bringen und sonst nichts; aber der jiolnische Prinz, der sich Euch j^räsen- tirt, übertrifft unsere Gattung noch durch ein Stück Narrheit, das ihm eigenthümlich ist. Damit ist nicht gesagt, dass ich mich und meine Mitbrüder ausnehme, aber seine Narrheit überragt doch die unsere. Man muss bei der Wahl auswärtiger Mitglieder die strengste Kritik üben, sonst wird die Ehre, nicht zur Akademie zu gehören, grösser sein als die Ehre der Mitgliedschaft. Eine Körperschaft, die Maupertuis, d'Alembert und Montesquieu zu ihren Mitgliedern zählt, darf keine Radzi will's und Ansaldi's aufnehmen*.« Als Maupertuis bei seinem Vorschlag beharrte, gab der König scheinbar nach''. »Da die gemeinen Vorurtheile in Bezug auf Rang und Geburt Eindruck auf Euren philosophischen Kopf gemacht haben, so bin ich bereit zu unterschreiben. Nehmt also Euren Prinzen, aber — um der Ehre Eurer Akademie willen — lasst doch noch vorher eine Berechnung anstellen über die Zahl der war. sagte Friedrich, er sei mehr werth als zwanzig sarmatische Prinzen »oder als dreissig" (Briefe an Maupertuis vom S.April imd 3. Juli 1756). ^ Siehe den eben citirten Brief vom 3. Juli. ^ Euler schrieb über sie am 24. December 1757 (Le Sueur p. 1491!:'.) an Maupertuis: "On nous a conseille d'omettre son nom [den des Abbe de Pradcs] dans la liste des Academiciens cpie nous allons publier; peut-etre meme serons-nous obliges d"omettre aussi l'eveque«. Es geschah jedoch nicht. An de Prades" Stelle trat als Secretaire des commandements und Vorleser beim Könige der Schweizer DE Catt, den Friedrich zufällig auf einer Reise als Gouverneur eines jungen Hol- länders kennen gelernt hatte. ^ Maupertuis wollte auch einen Dominicaner, Axsaldi. aufnehmen. * Brief vom 12. März 1756. '" Brief vom 20. März 1756. Maupertuis" letzte Jahre in Berlin (1754/56); sein Tod (1759). 347 Narren in der Londoner und Pariser Akademie, ob sie grösser ist als in der Eurigen , weiter, ob es sich etwa darum handelt, die ungerade Zahl derselben gerade zu machen. Nehmt Euren Prinzen! nur hütet Euch, mir nicht seine polnische Übersetzung des Milton zu schicken,- die er Euch anzubieten nicht ermangeln wird. Ich sehe, dass die Welt in allen Ländern dieselbe ist, und dass die Narren sich überall eindrängen: sie dienen als Schönheitspflaster für solche, welche nicht ganz ebenso närrisch sind wie sie. Bei der Königin von Polen erinnere ich mich eine Negerin gesehen zu haben, ein africanisches Monstrum, und ich kann nicht leugnen, an ihrer Seite nahm sich die Königin weniger abschreckend aus. Euer Prinz wird Euren Herrn Grischow und Sack^ und noch vielen anderen, die ich nur aus der Entfernung gesehen habe, denselben Dienst leisten....« Maupertuis verzichtete jetzt auf die Aufnahme des Prinzen, Am 7. Juni 1756 verliess der Präsident, dessen Gesundheits- zustand sich wieder verschhmmert hatte, Berlin abermals, diesmal für immer. Gleich darauf brach der Siebenjährige Krieg aus, der Maupertuis , dessen Herz zwischen Preussen und Frankreich getheilt war, besonders hart traf". Aber er blieb dem Könige treu^. Als sein Urlaub ablief, wollte er nach Berlin zur See über Hamburg zu- rückkehren, fand aber die Häfen gesperrt. Er plante nun, von Bor- deaux aus die Seereise zu machen, aber Friedrich rieth dem kranken Manne nach Italien zu gehen und verlängerte ihm den Urlaub. Zur italienischen Reise kam es nicht. Maupertuis, immer noch hoffend, in sein Amt zurückkehren zu können, begab sich über Neufchätel nach Basel zu seinem Freunde Jon. Bernoulli. Dort ist er am 27. Juli 1759 gestorben^. Der König hatte ihn auch im Kriege nicht ^ Der Hofprediger; einen Grischow gab es damals nicht in der Akademie; denn der ältere war seit mehr als sechs Jahren todt, und der jüngere fast ebenso lange schon in Petersburg. ^ In seinen Briefen aus Fi^ankreich hat Maupertuis daher immer wieder dem Könige vorgestellt, er solle Friedensfürst Averden und Pacificator Europas (s. die Briefe im Geh. Staatsarchiv vom 6. October 1756, 27. Deceinber 1757, 12. Septem- ber i758)_._ ^ Über einen Versuch, der von Paris aus gemacht wurde, Maupertuis zurück- zuholen, s. den Brief Maupertuis' an den König vom 18. INIai 1756 (Geh. Staats- archiv). * »Zwischen zwei Kapuzinern«, sagte Voltaire höhnisch, und Formet wieder- holte das Wort (Souv.I p, 216); aber Voltaire hat in seinem Hass noch mehr gesagt: »II est mort pour avoir voulu noyer ses chagrins dans de l'eau-de-vie«. — Die interessante Thatsache, dass Wieland sich bemüht hat, Maupertuis' Stelle in der Akademie, 348 (.ieschichte der Akademie unter Friicdricii dem Grossen (1746—1786). vergessen. Aus Struppen, aus Dresden, aus dem Feldlager von Prag hat er ilim geschrieben. »Ihr seid vielleicht der einzige Franzose in Frankreich, der an mich denkt \« In den letzten Monaten vor Ausbruch des Krieges war Friedrich anscheinend in resignirter Stimmung. »Unser Zeitalter ghänzt nicht durch grosse Männer, die es besitzt, sondern durch das grosse Erd- beben; es ist steril"'.« Als ihn Maupertuis ersuchte, wieder etwas für die Memoires zu schreiben, erwiderte er: »Ich bin nichts als ein trister Politiker; ich könnte nur ein Memoire schreiben über die besten Mittel, ein ruinirtes Königreich wieder herzustellen; aber man würde sich darüber moquiren und sagen: er hindert das seinige so zu sein, wie es ihm genügen sollte. Bis zur öffentlichen Sitzung sind nur noch drei Tage ; ich erwarte daher Eure Ordres für das nächste Jahr oder wann es Euch beliebt^«. Das nächste Jahr, ja schon die nächsten Monate sollten andere Aufgaben bringen! Aber während sich bereits die Wolken zusammenzogen, am 3. Juli 1756, sprach er Maupertuis gegenüber noch die Absicht aus, den Wunsch des Fürstbischofs von Breslau zu erfüllen und ihm die Rede für den Eintritt in die Akademie auszuarbeiten: »Ich werde das Vergnügen haben , ihn sagen zu lassen , was ich über Euch denke, und werde die Rede auf die Siege bringen, welche die Fortschritte des menschlichen Geistes über den Glauben gewinnen. Ich bin zwar für meine Person nicht allzu überzeugt davon, aber es ist gut, der- gleichen zu sagen; denn es giebt so dumme Priester« u. s. w. Zu wenn auch nicht die des Pi'äsidenten , zu erhalten, ist durcli L. Hirzel (Wieland und KÜNZLi, S. I39f.) bekannt geworden. Wieland wandte sich an Bodmer und Künzli, damit diese Sulzer für den Plan gewönnen. Er schrieb an Bodmer (6. September 1759): "Man könnte das 'Gedicht von der Natur der Dinge' und 'Cyrus' so viel gelten machen, dass die Herrn Academiciens mich dieser Ehre wohl so würdig finden könnten, als Herrn Berteand [Elie Bertrand in Bern, aufgenommen 29. Juni 1752]. Formey kann viel thun. Aber ich möchte mich von hier aus nicht briguiren, sonst wäre die Sache vielleicht auch noch durch Hrn. Bertrand zu machen. Ich will aber unendlich Mal lieber Ihnen und Hrn. Künzli und Hrn. Sulzer dafür ver- bunden sein, als Jemand anderem«. Wieland's Ambition ist sehr auffallend; denn er hatte die Akademie wenige Jahre vorher bitter verhöhnt. Er wurde übrigens nicht aufgenommen; erst im Jahre 1786 (nach Friedrich des Grossen Tode) ist er auswärtiges Mitglied geworden. — Maupertuis' Eloge hat Formey gehalten (Mem. 1759 [1766] p. 464 ff.) und ihm darin alle Ehre angethan. Dass Voltaire die Unter- drückung der Rede durchzusetzen versucht hat, erfährt man aus einem Brief Tressan's an Formey (Souv. I jj. 204). In der KöNio'schen Angelegenheit erkennt Formey an, dass Maupertuis und die Akademie Fehler begangen haben. ^ Briefe vom 19. October 1756 und vom 18. Januar und 19. Mai 1757. ^ Brief vom 3. Juli 1756. ^ Brief vom 21. Januar 1756. Der Siebenjährige Krieg und die Akademie (unter Euler's Leitung). ö-tl) dem Ulanenstreifzug in das feindliche Gebiet der Kirche im Bunde mit dem verweltlichten Bischof kam es nicht mehr ; bereits im August rückte Friedrich in Sachsen ein. Während des furchtbaren Krieges, in welchem der Feind bis in die Hauptstadt vordrang, stockten die Arbeiten der Akademie nicht sofort, aber sie wurden doch sehr gehemmt und hörten zuletzt fast ganz auf\ Einige Akademiker verliessen Berlin; sie folgten Berufungen nach Petersburg an die dortige Akademie, die damals der Berliner die gefährlichste Concurrenz machte. Es lassen sich w^ährend des Krieges zwei Perioden unterscheiden. In der ersten von 1756-59 gingen die Geschäfte im Ganzen ruhig fort; Euler, der sie leitete", correspondirte regelmässig mit Maupertuis , und das Erscheinen der Memoires wurde nicht unterbrochen. Aber nach Maupertuis' Tode, als Euler factisch Präsident geworden war — den Titel erhielt er nicht — , stellte man unter dem Druck, der auf Allem lag, die Herausgabe der Memoires ein (von 1760-64 ist nichts erschienen), und auch die Sitzungen wurden nicht mehr ganz regelmässig ge- halten »a cause des circonstances publiques^«. Ordentliche Mitglieder und Ehrenmitglieder sind bis 1759 (während Maupertuis' Abwesen- heit bis zu seinem Tode) überhaupt nicht mehr gewählt worden; dann (1760) ernannte man de Gatt und die Mediciner Brandes und EoLOFF, die schon seit fünf Jahren Associes waren, zu ordent- lichen Mitgliedern^. Als man aber den König ersuchte, Marggraf's ^ Über die Stimmung der Akademie während des Krieges belehren vor allem die von Forjiey in den öffentlichen Sitzungen gehaltenen Reden (s. Mem. 1757 p. 448 ff., 1758 p. 471 ff. und 1761 p. 4960".), soweit solche Reden es vermögen, vergl. Bartholmess (Hist. Philos. de l'Acad. I p. 196 ff.), der die Haltung der Akademie , die schöne Verbindung von Patriotismus und kosmopolitischer Philosophie, von Freimuth und von Verehrung für den König bewundert. Er glaubt auch an- nehmen zu dürfen, dass Lessing im Jahre 1760 um seiner patriotisch-preussischen Hal- tung willen von der Akademie zum Mitglied ernannt worden sei, und rechnet es ihr hoch an, dass sie zuerst dem «preussischen Grenadier«, Gleim, den Ehrennamen "der preussische Tyrtäus« gegeben hat. ^ Im Jahre 1755 war ihm die Ehre zu Theil geworden , unter ganz besonders riihmlichen Umständen auswärtiges Mitglied der Pariser Akademie zu werden; er hatte aber auch siebenmal den Preis dieser Akademie gewonnen. ^ Dagegen hatte noch im September 1758 Euler an Maupertuis geschrieben: "Alles ist bei uns ruhig in der Akademie. Wir versammeln uns regelmässig und leben zusammen in bester Harmonie«. Nur Pott störte durch Zänkereien. * Die Wahl des Leibarztes Cothenius, im September 1760, zum Ehren- mitglied war eine blosse Form; als auswärtiges Mitglied gehörte er der Akademie schon seit 10 Jahren an. — In den drei Jahren bis zu Maupertuis' Tode sind zehn auswärtige Mitglieder gewählt worden, aber mit seiner Zustimmung (s. die Briefe Euler's an ihn vom 16. September und 4. November 1758), wenn auch nicht sämmtlich 350 (lescliiclite der Akademie unter FRiEnRirii dem Grossen (1 746 — 178»)). Walil zum Director zu bestätigen und die Verleihung einiger er- ledigten Pensionen zu genehmigen \ vollzog der Monarch zwar die Ernennung Marggraf's unter Anerkennung seiner grossen Verdienste, genehmigte aber die Pensionen -Verleihung nicht, sondern liess der Akademie durch d'Akgens mittheilen'", alle erledigten Gehälter seien bis zur Beendigung des Krieges zu thesauriren^ und jede Neuerung habe zu unterbleiben; sobald der Friede geschlossen, werde erder Akademie eine ganz besondere Sorge zuwenden, die eingeschlichenen Missbräuche abstellen und ihr neue Kraft, zur Befriedigung aller Mitglieder, einflössen *. Er spricht ferner sein Befremden aus, dass die Drucklegung der Memoires Schwierigkeiten finde, und ermahnt zur tleissigen Arbeit, »ä donner par la diversite des ouvrages et des ma- tieres une nouvelle vie ä ces Memoires, que quelques-unes des classes paraissent avoir trop negliges, quoique ce ne soit pas la faute des Academiciens qui composent ces classes , mais celle de quelques abus, que le Roi se propose de reformer ä la paix«. Die Mahnung fruchtete nichts; die Memoires erschienen zunächst überhaupt nicht mehr. Unmittelbar bevor diese Ordre an die Akademie erging, hatte sie neun auswärtige Mitglieder aufgenommen (13. März, 16. und 23. October 1760), und der König hatte diese Wahlen bestätigt, wahrscheinlich ohne nähere Prüfung. Diese Neun sind mithin die einzigen Mitglieder, die nicht mehr unter Maupertuis' Präsident- schaft und noch nicht durch Initiativentschliessung des Königs (s. unten) aufgenommen worden sind. Sie verdanken ihre Re- ception also lediglich der freien Wahl der Akademie unter Euler's Leitung. Unter ihnen befanden sich drei Deutsche: Silberschlag in Magdeburg (später ordentliches Mitglied der Akademie), der Arzt mehr auf seine Veranlassung. Unter ihnen befand sich Lagrange. Die Hälfte waren Deutsche. ^ SüssMiLCH , Meckel Und Euler jun. sollten Pensionen erhalten (s. Akademische Protokolle, 25. September 1760). ^ Leipzig, den 25. December 1760 (Akademisches Archiv). ^ Dies geschah; der König genehmigte die Anlage der Capitalien (Mittheilung durch d'Argens an die Akademie, Akademische Protokolle, 6. Januar 1763). An- fangs hatten die Einkünfte der Akademie schwer unter dem Krieg zu leiden (s. Euler's Briefe an Maupertuis); aber theils stellte sich der Kalendervertrieb doch wieder her, theils verringerten sich die Ausgaben dui-ch erledigte Pensionen und durch Einstellung der Zuschüsse zu den wissenschaftlichen bistituten. Schon am 16. September 1758 schrieb Euler an Maupertuis, dass er noch etwa 6000 Thlr. habe auf Zinsen legen können (vergl. die Briefe vom 16. December 1758 und 30. Januari759). * Friedrich suchte nach einem neuen Präsidenten — oder vielmehr, er dachte an d'Alembert; bis dahin sollte nichts geschehen. Lessing's Aufnahme (1760). Der König entzieht d. Akad. d.AVahh-echt (17<>4). o51 Huber in Cassel und — Lessing. Wer ihn vorgeschlagen hat (Sulzer?), ist aus den Acten nicht zu ersehen. Von 1748 — 55 hatte er sich mit Unterbrechungen in Berlin aufgehalten , war bekanntlich auch zu Voltaire in nahe Beziehungen getreten und von seinem Geist und Stil stark beeintlusst worden. Dann aber hatte er, i 758 60 wiederum in Berlin, anonym, jedoch den Freunden bekannt, mit der Geissei in der Hand den Tempel der deutschen Litteratur zu reinigen be- gonnen. Die Aufnahme w^ar eine würdige Belohnung im rechten Moment — endlich einmal eine Wahl, bei der die Akademie sich ihrer Aufgabe, die deutsche Litteratur zu x^Hegen, erinnert hati Aber der König missbilligte die Entschliessung. Wir wissen be- stimmt, dass er mit den Receptionen, die seit Maupertuis' Tode vollzogen w^orden waren , unzufrieden gewesen ist. Da sich diese Unzufriedenheit schwerlich auf die sechs gew^ählten Ausländer (in Paris, Bologna, der Schweiz und im Haag) bezogen hat, so kann sie nur durch Silberschlag's , Hubers oder Lessing's Wahl veranlasst worden sein. Von diesen dreien kannte er die beiden ersten kaum, von Lessing aber wusste er genug; Voltaire hatte ihn früher bei ihm verleumdet. Die Folge war, dass der König die nächsten Vor- schläge, die die Akademie am 2. April 1761 zur Bestätigung vor- legte — es handelte sich wieder um zwei hervorragende Deutsche, Gellert und Lambert — , zunächst überhaupt nicht beantwortete, dann aber nach drei Jahren (am 6. Januar 1764, s. Akademisches Protokoll und Memoires 1770 p. 7 f.) durch d'Argens der Akademie erklärte, S. Maj. halte es zur Zeit nicht für opportun, die gemachten Personalvorschläge zu bestätigen, und Sie befehlen, »qu'on ne reQÜt ä l'Academie aucun membre jusqu'ä ce qu'Elle eüt nomme un Pre- sident, et qu'Elle se reservait pour le present le droit de nommer Elle seule jusqu'ä ce temps les membres que l'Academie recevrait«. Dabei blieb es. Der König hat in den folgenden 22 Jahren bis zu seinem Tode die Wahlen als sein Reservatrecht behandelt und der Akademie durch diese Ordre das Vorschlagsrecht ganz (so hat es F0R31EY, Souv. I p. 163 f. aufgefasst) oder doch nahezu genommen. Es ist wahrscheinlich, dass die missliebige Wahl Lessing's diesen Ent- schluss mitverursacht hat. Der erste richtige und muthige Schritt hat der Akademie die Ungnade des Königs zugezogen! Über Euler's Geschäftsführung (bis i 759)sindwirdurch seine Briefe an Maupertuis einigermaassen unterrichtet \ Er war gewissenhaft und ^ Le Sueur p. 146 — 179. B52 Geschichte der Akademie unter Friedrich dem Grossen (1746—1786). sparsam, aber kaum weniger heftig und eigensinnig als der alte Präsident, zwar gerecht, aber nicht ohne Vorurtheile. Auf sein Betreiben wies die Akademie eine Abhandlung d'Alembert's — wenn auch in schmeichelhaften Worten — zurück, weil sie eine Polemik gegen ihn enthielt\ Dagegen wurde der jugendliche Merian von ihm sehr bevorzugt^. Maupertuis, Euler und er bildeten ein Triumvirat, das es sich zur Aufgabe gesetzt hatte, die angeblich übertriebene Hoch- schätzung LEiBNizens auf das rechte Maass zurückzuführen und den Einfluss seiner Philosophie zu brechen. Eine Sammlung von Leibniz- Briefen, beleuchtet durch ein ausführliches Vorwort von Merian, sollte in den Memoires erscheinen^. Maupertuis hatte auch eine deutsche Übersetzung der Briefe gewünscht, aber Merian fand, als er sie unternahm , zu grosse Schwierigkeiten ; denn , wie Euler sagte, «die Anhänger Leibnizchs sind sehr scrupulös in Bezug auf gewisse Ausdrücke, und es ist fast unmöglich, sie zu befriedigen«. Neben Euler war Eller, der Leibarzt, das einflussreichste Mitglied der Aka- demie zur Zeit des grossen Krieges*. Formet stand noch zurück; über eine seiner Reden bemerkt Euler, dass sie , soweit er urtheilen könne, gelungen war^. Es geschieht das in Anlass der Schilderung der öffent- lichen Sitzung zur Feier des Geburtstages des Königs im Jahre 1759; sie sei gut verlaufen, auch gut besucht gewesen, obgleich kein könig- licher Prinz das Fest verherrlicht habe*'. Nach diesem Schreiben sind nur noch drei Briefe an Maupertuis erhalten, der letzte vom 9. Juni 1759. I]uLER hat dem Präsidenten treulich über alle Vorgänge Bericht erstattet. Es war wenig zu erzählen ; aber nach Maupertuis' Tode wurde es noch stiller. Die Acten der Akademie versagen für die Jahre 1760-63 so gut wie ganz^. Aber auch Friedrich konnte in ^ Akademische Protokolle, 17. Februar 1757. d'Alembert suchte ohne Erfolg mit Euler in der Mathematik zu rivalisiren, s. Euler"s Brief an jMaupertuis vom 3. September 1757, vergl. Formey 11 p. 239. ^ Auch d'Argens lobte ihn vor dem Könige: »intime ami de feu ^Matpertuis et homme sage et de beaucoup de merite« (Qiluvres T. 19 p. 195 vom 25. Septem- ber 1760). ^ Siehe Euler"s Briefe an Maupertuis vom 14. October, 25. November und 16. December 1758. * Aus einem Legat Eller"s wurde im Jalire 1769 ein Pi*eis (physikalisches Thema) gebildet, der alle vier Jahre zur Vertheilung kommen sollte (s. ]\Ieni. 1770 p. 29f.). ° Augenscheinlich war das in Euler's Sinn eine Ausnahme; er liielt wenig von Formey, und dieser hasste ihn. ^ Brief vom 30. Januar 1759. ' An alte traurige Zeiten wurde die Akademie erinnert, als sie im März 1760 in kläglichen Worten um eine UnterstützunQ- angelleht wurde. Die Bittstellerin war Die Akademie während des Siebenjährigen Krieges. ö5ö dem grossen Kriege nicht für die Akademie sorgend Er las Vieles, aber er schickte ihr nichts ein. Seinen Abriss der Kirchengeschichte, eine Frucht der Leetüre von Fleury's Werk, unter der schlechten Beratlmng des frivolen Hoftheologen d'Argens entstanden, liess der König nicht 'in den Memoires drucken". Auch was er sonst pro- ducirte und zu Papier brachte, theilte er der Akademie nicht mit; denn sie galt ihm gleichsam für suspendirt, solange er ihr keinen Präsidenten schaffen konnte. Einen gewissen Zusammenhang hielt d"Arc4ens aufrecht; aber geschäftliche Mittheilungen waren nur spär- lich zu machen^. Dafür plauderte der witzige Marquis von diesem und jenem und erzählte akademische Klatschgeschichten , unter An- derem, dass der Botaniker Gleditsch steif und fest behaupte, den verstorbenen Präsidenten Maupertuis im Saale der Akademie neben der grossen Uhr gesehen zu haben; fast eine Viertelstunde habe die Wittwe des ehemahgen \'icepräsidenten Graben von Steix (Akademisches Archiv <> Gratificationen « ). ^ Nur Maupertuis' Andenken in Ehren zu halten, vergass er nicht, zumal da Voltaire noch immer nicht Ruhe gab; s. den Brief an diesen vom 3. April 1760 mit den ernsten Versen (CEuvres T. 23 p. 73): Laissez en paix la froide cendre Et les mänes de Maupertuis; La Verite va le defendre, Elle s'arme dejä pour lui. Son äme etait noble et fidele; Qu'elle vous serve de modele. ^Maupertuis sut vous pardonner Ce noir ecrit, ce vil libelle Que votre fureur ci'iminelle Prit soin chez moi de griffonner. Aber noch im Jahre 1769 musste er an d'Ale>ibert schreiben: »Voltaire ^vird mir nie vergeben, dass ich ein Freund Maupertuis' gewesen bin; das ist in seinen Augen ein unverzeihliches Verbrechen« (Qi^uvres T. 24 p.457 vom 2. Juli 1769), und an Voltaire am 27. Januar 1775 (QEuvres T. 23 p.307): »Maupertuis, que vous hai'ssez encore. avait de bonnes qualites: son äme etait honnete; il avait des talents et de belles connaissances. II etait brusque, j'en conviens; et c'est ce qui vous a brouilles ensemble . . . Enfin il est bien temps d'oublier les fautes quand ceux qui les ont commises n'existent plus«, - Die Vergleichung dieses in Form eines »Avant- propos« gegebenen Abrisses mit GiBBOx"s berühmtem Werk hätten die Schmeichler Friedrich's besser unterlassen. Aber interessant ist der kleine Aufsatz, weil sich das 18. Jahrhundert nirgendwo schärfer über die Geschichte der Kirche ausgesprochen hat. ^ Am wichtigsten ist noch der Bericht d'Argens' in dem Brief vom 25. Sep- tember 1760 (Qiiuvres T. 19 23-i94)- Er zeigt dem Könige an, dass nach Eller's Tode die Akademie statutengemäss zur Neuwahl eines Directors geschritten sei und Marggraf gew'ählt habe (s. oben), »sans contredit le plus habile chimiste de l'Eu rope , grand physicien , et que les Academies de Pai-is et de Londres consulten comme un oracle«. , / Geschichte der Akademie. I. 23 rl^^'^ 354 Geschiclite der Akademie unter F'kiedrich dem Grossen (174:tj— 178()). die Erscheinung gedauert, und ganz Berlin spreche davon. Den König amüsirte und ärgerte die Geschiclite zugleich , und er benutzte sie zu einer »Ode«, die für die Akademie nicht schmeichelhaft war': Quoi ! mai-quis, toujours des prodiges. Des prophetes et des prestiges, Tout au beau milieu de Bei'lin! II faut que votre Academie. Par vetuste, sur son declin, Radote ou soit en lethargie; Et Maupertuis, le trepasse. Qu'a Bäle on avait enfonce, Reclus dans une triste biere, Dans un recoin de eimetiere. Reparait aux yeux eperdus De nos badauds d'esprit perclus I "\^oilä la honte de notre äge, Voila le coup qui nous presage Qu'enfin l'erreur, par son poison, Trioniphera de la raison. Im Winter 1760/61 war der König in Leipzig und liess sich die beiden Koryphäen der Stadt, Gottsched und Gellert, vorstellen. Jener, der grosse Duns, der sich längst überlebt hatte, stiess ihn ab durch die Anmaassung und Eitelkeit, die er im Gespräch zur Schau trug. Dagegen gewann er Respect vor Gellert. Dennoch hat er den Vorschlag der Akademie, der bald darauf erfolgte, ihn zum Mitgliede zu machen , niemals bestätigt (s. oben). Deutsche Litteraten sollten ausgeschlossen bleiben; der eine, der zwei Monate vorher durchgeschlüpft war, Lessing, war schon zu viel. Auch eines französischen Schriftstellers, des grössten Genies, das Frank- reich besass, hat Friedrich damals gedacht — Rousseau's". Aber der Mann w^ar ihm unverständlich und antipathisch. Ihn nach Berlin zu ziehen, konnte dem Freunde Voltaire's nie in den Sinn kommen, wenn er auch dem Verfolgten ein Asyl gewährte, 4. Endlich wurde der Friede geschlossen. Die Akademie hatte während des Krieges 25000 Thlr. »erspart«, aber ihr Personal- bestand war reducirt^ — auf Vorschläge hatte der König seit dem ^ d'Argens" Brief (4. Februar 1760) und die Antwort des Königs aus Freiberg (7. Februar) in den (Euvres T. 19 p. 123 ff. ■■^ Der berühmte Brief an den Marschall IvErrn über ihn ist vom i. Septem- ber 1762 (CEuvres T. 20 p. 288f.), s. die Dankesbriefe Rousseau's a. a. 0. p. 299 ff. ^ Nicht nur durch den Tod; mehrere Mitglieder hatten die Akademie ver- lassen (s. das 4. Capitel). Versuche Friedrich's. d'Alejibert für die Akademie zu gewinnen. öOO Jahre 1761 überhaupt nicht mehr geantwortet (s. ol^en) — , ihre Arbeiten stockten, und nicht wenige Mitglieder waren verbittert, weil sie noch immer kein Gehalt bezogen. Friedrich dachte sofort an die Erneuerung der Akademie. Erneuerung — das bedeutete nach seiner Auffassung der Dinge einen neuen Präsidenten; denn der Präsident war ihm die Akademie. Euler, der fast zehn Jahre die Geschäfte geführt hatte, genügte ihm nicht. Einzig d'Alembert hielt er für würdig, LsiBNizens und Maupertuis' Nachfolger zu werden. Dass Euler als Mathematiker viel bedeutender als der Pariser Ge- lehrte war, wusste Friedrich nicht, und wenn er es gewusst hätte, so hätte es ihn nicht anders gestimmt: d'Alembert war Philosoph, Kritiker, Redacteur der Encyklopädie, Franzose! Schon im Jahre 1752 hatte er ihn nach Berlin ziehen und statt des todtkranken Maupertuis zum Präsidenten ernennen wollen. Nicht nur Darget hatte sicli im Auftrag des Königs um ihn be- mühen müssen (s. oben S. 344), sondern auch d'Argens. Zwölf- tausend Franken , freie Wohnung im Potsdamer Schloss , freien Tisch am Hofe und das volle Verfügungsrecht über die akademischen Gehälter hatte er ihm in Aussicht gestellt. Allein d'Alembert, ob- gleich er nur 1700 Franken Rente bezog, hatte abgelehnt. Er wollte seine Unabhängigkeit und Zurückgezogenheit bewahren; er verwies auf die schlimmen Kämpfe, in die Maupertuis verwickelt worden sei, weiter auf seine gemeinsame Arbeit mit Diderot, ferner auf das ihm unzuträgliche Klima von Potsdam , endlich — auf Maupertuis, der sein Freund sei und ja noch lebe. d'Argens musste in seiner Antwort diese Bedenken zu zerstreuen suchen: werde Maupertuis wider Erwarten gesund aus Frankreich zurückkehren, so bliebe ihm doch die sichere Anwartschaft auf den Präsidenten- stuhl und ausserdem alle die günstigen Bedingungen , die der König ihm habe anbieten lassen. Allein d'Alembert verharrte bei seiner Ab- lehnung — weder seine körperlichen noch seine geistigen und seeli- schen Kräfte seien der Stelle gewachsen. Auch als ihn Maupertuis selbst im folgenden Jahre persönlich aufsuchte und des Königs Bitten unterstützte, blieb er fest\ Den letzten Grund durfte er nicht deutlich aussprechen: »es ist besser, einen König zum Freunde als zum Herrn zu haben«. In dieser Stimmung bestärkte ihn nament- lich Voltaire fort und fort: war ihm selbst der Präsidentensitz ^ Siehe den Briefwechsel zwischen d'Argens und d'Alesibert in den ffiuvi'es T. 25 p. 2581^'. und Maupertuis' Brief an den Abbe de Prades vom 25. Mai 1753 a. a. O. p. 270. 23* 356 Geschichte der Akademie unter Friedrich dem Grossen (174Ü— 1786). entgangen, so sollte ihn auch kein anderer erhalten. In ül)ertrie- bener Weise schilderte er dem Freunde die Gefahren , die den Philo- sophen am Hofe Fkiedrich's drohen — als wären sie alle so intrigant wie er oder so hochfahrend und unvorsichtig wie Maupertuis. Da der König d'Alembert zur Übersiedelung nicht zu bewegen vermocht und auch die Aussichten auf einen Besuch des Gelehrten in Berlin sich zunächst zerschlagen hatten , so hatte er ihm schon im Jahre 1754 eine Pension von 1200 Franken ausgesetzt; denn, wie er an den Marschall Keith schrieb, »d'Alembert ne jouit pas d'avantages de la fortune proportionnes ä ses talents et ä son caractere«^ Eine Empfehlung brauchte d'Alembert schon damals nur auszusprechen — wieder handelte es sich um einen Verfolgten, Toussaint" — , und der König versprach seine Protection. Dann kam der grosse Krieg. Die Correspondenz riss nicht ganz ab; denn Friedrich hatte den Plan, d'Alembert an die Spitze der Akademie zu stellen, keines- wegs aufgegeben. Unmittelbar nach dem Friedensschluss lud er ihn zu einer Zusammenkunft ein und schrieb ihm am 14. April 1763^: Nos campagnes sont finies. Je suis sensible a la part que vous y prenez. ... Je vais donc vivre tranquillement avec les Muses, et occupe a reparer les mal- heurs de la guerre, dont j'ai toujoui's gemi. Je compte faire en juin ou juillet un jjetit voyage dans le pays de Cleves. Si vous voulez a^ous y rendre, je vous ferai marquer le temps precis de mon depart, et je vous ramenerai en toute sürete a Potsdam. Friedrich hofi'te, durch persönliche Vorstellungen das zu er- reichen, was die Briefe nicht vermocht hatten. Im Kreise der Akademie wurde die Absicht des Königs bekannt und mit wenig Freude aufgenommen'*. Wie musste es Euler empfinden, wenn ihm der Mann vorgesetzt wurde, dem er als Mathematiker unstreitig überlegen war und der in den Beziehungen zu ihm nicht immer ^ Brief vom Mai 1754 (Qiiuvres T. 20 p. 257). ^ Das französische Parlament hatte sein Buch «Les Mceurs« verbrennen lassen, s. d'Argens' Brief vom 20. November 1753 (OEuvres T. 25 p. 266f) ^ ffiuvres T. 24 p.378. * An Diderot als Präsidenten der Akademie ist nie ernsthaft gedacht worden, obgleich Voltaire ihn — den Goethe den "Deutschesten unter den Franzosen« ge- nannt, LessinCt als den besten französischen Kritiker gerühmt hat — empfohlen hatte. Dagegen scheint de Jaucourt, der Mitarbeiter d'Alembert's an der «Encyklopädie", ernsthaft in Frage gekommen zu sein ; die Akademie selbst — so behauptet wenigstens Bartholmess (I p. 2 2oflF.) — hat ihn als Calvinisten, freisinnigen Mann und Polyhistor gewünscht. Allein sein Artikel «Prusse«^ hatte den König beleidigt, auch soll d'Argens, der noch immer auf die Präsidentenwürde hoft'te, gegen ihn gearbeitet haben. Vor allem aber — der König wollte auf dem Präsidentenstuhl der Aka- demie nur einen Gelehrten und Schriftsteller ersten Ranges sehen, und das war Jaucourt nicht. Versuche Friedrich's. d'Alembert für die Akademie zu gewinnen. o5< die Probität bekundet hatte, die ihn sonst auszeichnete M Wie bitter niusste es der Mehrzahl der Akademiker sein, wenn ihnen jetzt wieder — nach einem siegreichen Krieg über die Franzosen — ein Franzose als Präsident gegeben wurde! Welche Gefühle mussten in ihnen aufsteigen, wenn hier 12000 Franken ausgeworfen wurden, während sie nach jahrelanger Arbeit vergeblich um 200 Thlr. l)aten! Ganz verzweifelt schrieb der alte, hochverdiente Süssmilch in einer Eingabe an das Curatorium, in der er unter Beilegung eines gelehrten Werkes wieder einmal um die ihm vorenthaltene Pension nachsuchte (am 5. Mai i 763)"': Ich bin muthlos und zweifle an einem erwünschten Erfolg, theils weil mein Buch deutsch geschrieben, theils weil die Akademie der neuen Schöpfung des d'Alembert soll unterworfen werden, woraus doch nichts als Tort für die Deutschen zu erwarten. Der Untergang der Aka- demie erfolgt alsdann gewiss, weil die wenigen Franzosen es nicht aus- machen werden, unter denen ohnedem kein einziger wahrer Gelehrter zu finden. Also hat auch anjetzt die Akademie ihre Stunde der Vorsehung. Süssmilch hatte Recht: d'Argens, Beguelin, Francheville, Pre- MONTVAL, Achard sen., Formey, Beausobre jun., de Catt bedeuteten als Gelehrte nichts — das waren die Franzosen und die französi- schen Schweizer. Euler, Vater und Sohn, Pott, Marggraf, Gle- DiTSCH, Merl\n, Sulzer und Süssmilch leisteten die wissenschaftliche Arbeit, und galten in ihren Fächern als die vorzüglichsten Gelehrten, ja als die ersten Autoritäten Europas — das waren die Deutschen. Aber der König, so hoch er einen Euler und Marggraf schätzte, urtheilte in der Gesammtauffassung nach einem anderen Maassstab, und die Wünsche der Majorität der Akademiker drangen nicht bis zu ihm^. ^ d'Alembert's Haltung gegenüber Euler ist der schwache Punkt in seinem sonst untadeligen Charakter als Gelehrter. Er suchte Euler hie und da zu verklei- nern und zu zeigen, dass er selbst bereits die Entdeckungen gemacht habe, die Euler vortrug (vergl. Deni?; a, La Prusse litt. 11 p. 38). Andererseits aber hat er ihn doch auch hoch gerühmt (s. die Briefe an Friedrich vom 7. Februar 1764, Oeuvres T. 27, 3 p.304f., vom I. März 1765, a. a. O. T. 24 p. 394 und vom 29. März 1766, a. a. O. T.27, 3 p.3I2f). ^ Geh. »Staatsarchiv. Noch am 22. September 1765 hat Süssmilch die Bitte wiederholt (Akademisches Archiv) und darauf hingewiesen , dass er nun 20 Jahre umsonst für die Akademie gearbeitet habe; aber er erhielt nichts; denn Friedrich schätzte ihn nicht. Im "März 1766 ist er gestorben. ^ Bald darauf ist auch die letzte Hoffnung, Winckelmann zu gewinnen, durch den König zerstört worden. Dass der Gedanke an Berlin dreimal in Winckelmanx's römisches Leben eingegriffen hat, hat Justi (Winckelmann Bd. H 2, 1872 S.301 ff.) nachgewiesen. Im Jahre 1761 zeigte sich eine entfei^nte Möglichkeit beim Ankauf des SxoscH'schen Museums. Im Jahre 1763 suchte ihn Sulzer zu gewinnen; aber 858 Geschiclitc der Akademie unter Friedrich dem Grossen (1746—1786). Wirklich brachte er d'Alembert von Wesel, wo er mit ihm zusammengetroffen Avar, nach Berlin und genoss zwei Monate den Umgang mit dem verehrten Mann', aber zum Bleiben und zur Über- nahme der Präsidentenstelle konnte er ihn nicht bewegen. Mit Schmerzen Hess er ihn im August 1763 wieder ziehen: endlich hatte er einen Freund gefunden, der Maupertuis ersetzte, ja der ihn, wie er sicher empfand, übertraf, und diesen Mann konnte er nicht halten! Doch für die Nachwelt ist es der höchste Gewinn ge- wesen, dass d'Alembert nach Paris zurückkehrte; denn der Brief- w^echsel, der nun begann und fast ununterbrochen bis zum Tode des Gelehrten fortdauerte, ist in der gesammten litterarischen Corre- spondenz Friedrich's weitaus der gehaltvollste und lehrreichste. Hier gab sich der König völlig ungezwungen und frei; hier kommen alle WiNCKELMANN warcn die in Berlin dominirenden Franzosen fatal sowie die mathe- matische Richtung der Akademie. Wenn sich Sulzer's Vorschlag A'erwirkliche . so »müsse die erste Sache in Berlin sein, den Marquis d'Argens ■ — er hatte einen 'Wisch' über die Malerschulen geschrieben — für einen unwissenden Esel auf's höflichste zu erklären ; solche Leute sind ein Schandfleck aller gelehrten Gesell- schaften«. Aber doch hörte man bereits im Herbst 1763 in Berlin, Winckelmann werde kommen, und im Jahre 1765 hatten es die Freunde so weit gebracht, dass ein förmlicher Antrag an ihn. Bibliothekar des Königs zu werden, durch Nicolai erging. Diesmal willigte Winckelmann mit befi'eindlichem Enthusiasmus ein und er- fuhr eine peinliche Zurückweisung durch den König, der ihn so wenig kannte, dass er ihn rnit einem verrückt gewordenen Auditeur und ^'agabunden verwechselte. Er stiess sich an den 2000 Thalern, die Winckelmann, irre geführt durch Nicolai's unldares Schreiben, gefordert hatte. "Für einen Deutschen sind 1000 Thaler ge- nug.« Winckelmann war tief vei'letzt. »Der König weiss nicht, dass man einem Menschen, welcher Rom gegen Berlin verlässt, und sich nicht anzutragen nöthig hat, wenigstens soviel geben müsse, als Jemand, welcher von Petersburg gerufen wird. . . Ich verlasse nicht das Eismeer, wie Euler, oder die Froschpfütze von Holland, wie Catt, sondern den schönsten Ort der Welt. . . Doch sollte er wissen, dass ich mehr als ein Algebraist Nutzen schaffen kann, und dass die Erfahrung nur von zehn Jahren in Rom weit kostbarer sei als ebensoviele Jahre Ausi-echnung von Verhältnissen von parabolischen Linien, die man zu Tobolsk so gut als in Smyrna machen kann. . . Ich kann mit eben so viel Recht sagen, was ein Castrat in einem ähnlichen Fall in Berlin sagte: Ebbene! faccia cantare il suo generale.« — Für Winckelmann selbst war es ein Glück, dass er nicht nach Berlin gekommen ist. Nicht vierzehn Tage hätte er es als Privatbibliothekar des Königs ausgehalten. Dafür kam Pernety, aber der falsche; der König hatte eigentlich seinen Bruder, der über Physionomik geschrieben hatte, gemeint. Das Archiv der Akademie ent- hält über Winckelmann nichts. ^ Siehe den Brief an die Herzogin von Sachsen -Gotha vom 22. Juli 1763 (OEuvres T. 18 p. 227). — In der Akademie ist d'Alembert einmal gewesen (14. Juli; Ei'LER las in seiner Gegenwart eine Abhandlung) und auf's Ehrenvollste aufgenom- men worden. Er besichtigte auch das Observatorium. Seine Persönlichkeit hat überall den besten Eindruck gemacht — endlich ein Franzose, der ein wirklicher Gelehrter war vmd mit bescheidener Würde auftrat I Versuche Friedrich"s. d'Alembert liu" die Akademie zu gewinnen. «löü seine wirklichen Interessen nach ihrem Maasse und ihrer Stärke znm Ausdruck; hier sucht er nicht Voltaire an Esprit, d'Argens an Ge- wandtheit zu übertreffen, sondern es spricht sein eigenes Talent und sein eigener Genius. In d'Alembert fand er einen Partner, der ihm gewachsen war. Stahl und Stein Hessen hier nicht Funken des Witzes sprühen , sondern Geistesblitze. Aber auch sie sind nicht das Charakteristische. Der Briefwechsel war dem alternden Könige ein wärmendes Feuer. Zu ihm muss man greifen, um den sich gegen seine Umgebung abschliessenden, einsamen Mann theilnehmend und lebendig zu finden \ Und die Akademie ? — sie erhielt d'Alembert nicht zum öffent- lichen Präsidenten, wohl aber zum heimlichen. Am 6. Januar 1764 erliess der König jene Ordre, die bereits oben mitgetheilt wor- den ist, dass er die Personalvorschläge, die die Akademie vor drei Jahren gemacht habe, zur Zeit nicht genehmige, ferner, dass die Akademie kein Mitglied erwählen solle, bis er einen Präsidenten er- nannt habe, und dass er sich selbst bis dahin das Recht reservire, allein diejenigen zu bezeichnen, die die Akademie als Mitglieder aufzunehmen habe". Wie ernst das gemeint war, hatte er bereits sechs Tage vorher durch die That gezeigt, indem er der Akademie einfach befohlen hatte, Qüintus Icilius, Bernoulli und Castillon als ordentliche Mitglieder zu begrüssen^. ^ Am Anfang gab es kleine Plänkeleien zwischen dem königlichen Poeten und dem Geometer (s. Friedrich"s » Reflexions sur les Reflexions des Geometres sur la Poesie«, CEuvres T.IX p. öiff., dazu d'Alembert 's Antwoi't vom 27. Mai 1762), aber sie waren schon vergessen, als der König in ein näheres Verhältniss zu dem Philosophen trat. Die Abneigung Friedrich's gegen die »Geometrie« hat auch d'Alembert nicht überwinden können; aber die bitteren Witze über die Mathe- matik sind in der Correspondenz spärlich. — Ein eingeschränktes Lob d'Alembert's in den Gesprächen Friedrich's giebt Lucchesini wieder (Bischöfe, Gespräche Fried- rich's des Grossen mit de Catt u. s. w. 1885, S. 244). ^ Er traute der Akademie nicht die nöthige Kritik bei den Wahlen zu, und er war, wie wir wissen, mit den letzten Ernennungen (Lessing) unzufrieden. Ausser- dem hatte ihm d'Alembert gesagt, dass die Qualität der auswärtigen Mitglieder zu wünschen übrig lasse und dass ihrer zu viele seien. Was wir in seinem Briefe vom 3. Juli 1767 (CEuvres T. 24 p. 423 f.) lesen — dass die Liste der Auswärtigen »bien grand dans un sens, mais assez court dans un autre« sei — , Avird er wohl schon früher geäussert haben. ^ Siehe die Akademischen Protokolle. Quintus Icilius (Guischard), geb. 1724, gest. 1775, war erst Theologe gewesen , hatte dann diese Laufbahn aufgegeben und sich durch das Werk »Memoires militaires sur les Grecs et les Romains« dem Könige bekannt gemacht, der ihn 1757 zu sich berief. Er blieb auch nach dem Kriege in seiner Umgebung und setzte seine Studien über die Kriegsgeschichte fort. Johaxn Bernoulli (geb. 1744, gest. 1807) entstammte der berühmten Basler Gelehrtenfamilie; 360 Geschichte der Akademie unter Friedrich dem Grossen (1746—1786). Durch die Ordre vom 6. Januar hat sich der König selbst zum stellvertretenden Präsidenten erklärt (solange d'Alembert die Übernahme des Präsidiums verweigern würde'), und er ist es bis zu seinem Tode geblieben. Er hat alle die Rechte direct an sich genommen und wirklich ausgeübt, die er einst Maupertuis übertragen hatte. Fortab ernannte er die Mitglieder, die ordentlichen und die auswärtigen, und nur selten und unter be- sonderen Umständen durfte die Akademie es wagen, einen Vorschlag zu machen. Von 1 764-1 786 hat sie der König regiert und Aka- demiker berufen, wie er Minister berief. Wie eingehend er sich bis zu seinem Tode auch um das Einzelne bekümmert hat, werden die folgenden Blätter lehren"! Im Auslande wusste man es bald, dass jetzt Alles in den Händen des Königs selbst lag, und demgemäss erhielten die Diplome der Akademie einen höheren Werth, ihr Ur- theil ein grösseres Ansehen^. Aber der wirkliche Präsident war d'Alembert. Kaum eine einzige Ernennung hat der König vollzogen, ohne seinen Rath ein- zuholen, und er betrachtete diesen Rath fast immer als entscheidend. Aber auch von sich aus hat d'Alembert Vorschläge gemacht*. Noch ein frühreifer Knabe, der die Versprechungen nicht ganz gehalten hat, die er er- weckte, und die ihm schon mit 19 Jahren den Ruf nach Berhn verschafften. Ur- sprünghch Astronom (seit 1767 Director der Sternwarte) und Algebraiker, ging er mehr und mehr zur Geographie über. Castillon (geb. 1709, gest. 1 791), Mathematiker und Philosoph, hatte bereits in der Schweiz litterarische Beziehungen zu Euler gehabt. Er wurde Professor in Utrecht; Friedrich zog ihn nach Berlin als Lehrer an die Artillerieschule; dann wurde er in die Akademie aufgenommen auf Grund seiner Übersetzung und seines Commentars zu Newton's allgemeiner Arithmetik. ^ Der König hat die Hoffnung darauf nie aufgegeljen. Gleich nach d'Alembert's Abreise schrieb er ihm am 15. oder 16. August 1763 (CEuvres T. 24 p. 381): »Je conservai la place de president de l'Academie qui ne peut etre remplie que par vous. Un certain pressentiment m'avertit que cela arrivera, mais qu'il faut attendre jusqu'a ce que son heure soit venue». Vergl. den Brief vom 19. Juli 1765 (ffiuvres T. 27. 3 p.308). ^ in dem Akademischen Archiv sind die Ordres des Königs sammt den Couverts aufbewahrt. Diese tragen in der Regel die Aufschrift : » ä mon Academie des Sciences « . ^ Siehe Formey, Souvenirs T. I p. 163 ff. (»Le Roi a ete reellement le curateur aussi bien que le protecteur«); Denina, Essai p. 242. * Allein in den sechziger Jahren hat d'Alembert Castillon, Toussaint, Thiebailt, Lacjrange und Perxety mit Erfolg als ordentliche ^Mitglieder vorge- schlagen (vielleicht auch Bitaube) und Castillon, Bernoulli, Beguelin, Lambert, Lagrange zu Pensionen bez. zur Erhöhung ihres Gehalts empfohlen. Auch neu- ernannte auswärtige Mitglieder bedankten sich durch ihn beim Könige, s. den Brief vom 7. Februar 1764, (Euvres T. 27. 3 p. 304!*. (d'Alembert hatte seinen Collegen an der »Encyklopädie« , Jaucourt, aufnehmen lassen). Wie sehr er sich als latenter Präsident der Akademie fühlte, geht am deutlichsten aus den Briefen vom 26. Mai und d'Alembert. der heimliche Präsident der Akademie. 361 häufiger freilich wandten sich die Mitglieder der Akademie an ihn und suchten ihn für ihre Wünsche zu erwärmen. Es war ein ganz geregelter, aber heimlicher Geschäftsgang. Die Akademiker richteten ihre Gesuche an de Catt, den königlichen vSecretär, der seihst Mitglied der Akademie war, und er schrieb confidentiell an d'Ale3ibert. Dieser machte die Vorschläge zu seinen eigenen und trug sie in dieser Form dem Könige vor\ Auch Euler scheute sich nicht, im Interesse seines Sohnes d'Alembert's Vermittelung direct anzurufen"', und man muss anerkennen, dass der Pariser Gelehrte hier wie sonst mit unbe- stechlicher Uneigennützigkeit, mit viel Wohlwollen und mit gutem Tact seines schwierigen Amtes gewaltet hat. Allerdings nimmt es sich sonderbar aus, wenn er, scheinbar proprio motu, von Paris aus dem Könige den Potsdamer Hofprediger Cochius zum ordentlichen Mit- giiede vorschlägt unter Berufung auf ein gutes Buch , das er von ihm gelesen habe^. Aber andererseits ist es d'Alembert gewesen, der dem Monarchen Lagrange als Nachfolger Euler's empfohlen und seine Berufung durchgesetzt hat. Auf keine andere Erwerbung ist er, mit Recht, so stolz gewiesen. Durch den ganzen Briefwechsel mit dem Könige zieht sich der immer wiederholte Ausdruck der Freude, dass er ihm den grossen Mathematiker hat zuführen können^. I I.Juli 1766 (QEuvres T. 24 p. 404f. 408 f.) hervor — aus der Art, wie er hier über die Aufgaben spricht, mit denen die beiden Castillon's, Vater und Sohn, zu be- trauen seien, und aus den Worten, in denen er beantragt, Lagrange solle über Paris nach Berlin reisen: «Je pourrais le mettre au fait de plusieurs choses concernant l'Academie, dont il est bon qu'il soit instruit pour pouvoir etre plus utile dans la place qu'il va occuper, et qu'il remplira certainement avec succes«. Auch auf die Verbesserung der Einrichtungen des Observatoriums ist er bedacht, unterbricht sich aber dann selbst und schreibt: »mais je m'aperQois, Sire, peut-etre un peu tard, que je fais ici ou parais faire le role de jiresident de l'Academie, qui n'en saurait avoir de plus digne et de plus eclaire que son protecteur meme, et qui n'a besoin, pour obtenir ce qui est juste, que de le proposer ä ce grand roi«. In der That erreichte d'Alembert diesmal nicht ganz die Ausführung seiner Vorschläge, was ihm empfindlich war (s. 29. Januar 1768, Oeuvres T. 24 p. 43if.): die astronomische Hauptstelle erhielt nicht Castillon, sondern Bernoulli. ' Vergl. den gesammten Briefwechsel mit d'Alejibert, dazu Dexina, La Prusse litt. I p.327. ^ Siehe d'Alembert an den König, CEuvres T. 27, 3 p. 304 f. vom 7. Februar 1764. ^ Brief vom 16. October 1769, CEuvres T. 24 p. 462!'. * Die Correspondenz über Lagrange beginnt mit dem Brief vom 29. 3Iärz 1766 (ffiuvres T. 27. 3 p. 3i2f.); die sich anschliessenden Briefe stehen im 24. Bd. p. 403ff. Der König bedankt sich im Brief vom 26. Juli 1766 (Qiluvres T. 24 p. 407), dass er für einen einäugigen Geometer einen mit zwei Augen eingetauscht habe. Auch der Wunsch Lagrange's, sofort Director der mathematischen Klasse zu werden, ist durch d'Alembert an den König gekommen (12. September 1766, CEuvres T. 24 p. 409). 362 Gescliiclitc der Akndeinie unter Fkikdrich dem Grossen (1746— ITSti). Friedrich und i/Alembert waren beide der Meinung, dass die grossen Talente — in Frankreich wie überall — immer seltner wür- den', und dass man eine Akademie lieber spärlich als mit wenig taug- lichen Gelehrten besetzen solle"". In Folge dessen hat Friedrich in der zweiten Hälfte seiner Regierung, d. h. in 22 Jahren, nur 18 ordentliche Mitglieder und i 7 auswärtige ernannt. Es war ein Ver- hängniss für die Akademie, dass weder der König noch der grosse französische Gelehrte den Fortschritten der deutschen Wissenschaft (mit Ausnahme der Mathematik) und Litteratur folgten, ja sie nicht einmal beachteten^. Sie haben in einer Zeit, in der der deutsche Geist mächtig emporstrebte, eben in jenen 22 Jahren, nicht einen einzigen Deutschen zum auswärtigen Mitglied ernannt und nur fünf Special- gelehrte zu ordentlichen. Weder die Begründer und Mitarbeiter der »Allgemeinen Deutschen Bibliothek«, noch die Männer der neu herauf- steigenden Zeit, wie Winckelmann und Herder, obgleich der letztere mehrmals den akademischen Preis gewonnen hatte, wurden der Auf- nahme für würdig erachtet! Jetzt erst wurde die Isolirung der Akade- mie in der eigenen Heimath wirklich vollständig. Auch ihre Geschäfts- sprache wurde französisch, sie selbst eine Societät französischer Litte- raten, in dereinige deutsche und schweizer Specialgelehrten arbeiteten, geleitet von dem preussischen Könige, der völlig befriedigt w^ar, wenn ihm der grosse Pariser Geometre-litterateur das Zeugniss ausstellte, dass seine Akademie in gutem Zustande sei*. Und doch - — auch Friedrich, der Akademiker, hat einen Geisteskampf gekämpft, den er mit Anspannung aller Kräfte für sein Land und sein Volk ^ Qiuvres T. 24 p. 461!'. vom 14. September 1769 schreibt Friedrich: »Les hommes a talents en tout genre se fönt rares ; on a bien de la peine a trouver des hommes superiem-s«, vergl. den Brief an Voltaire vom 3. November 1766 (Oeuvres T. 23 p. 113): «Je ne suis pas le seul qui remarque que le genie et les talents sont plus rares en France et en Europe dans notre siecle cpx'ä la fin du siecle j^recedent«. '■^ d'Alembert am 3. Juli 1767, OEuvres T. 24 p. 423^ ^ Doch erlaubt sich d'Alembert, mit der dreisten Sicherheit der Unkenntniss zu schreiben (7. August 1769, Qiuvres T. 24 p. 460): »Heureusement, Sire, voti'e Academie des Sciences ne ressemble pas au reste de la nation^. Dieser Franzose ist sonst ein ernster und gerechter Mann gewesen , aber bei Beurtheilung deutscher Zustände dispensirte er sich von aller Kenntniss und Gewissenhaftigkeit. * Als d'Alembert die Memoires der Akademie als excellent bezeichnet hatte — »sie erweisen, dass diese gelehrte Gesellschaft eine der bestzusammengesetzten in Europa ist« (a.a.O.) — , schrieb Friedrich (14. September 1769, OEuvres T.24 p.46if): »Je suis bien aise que vous soyez content des Memoires de notre Academie«, und zwei Monate später (p.464): -Pour notre Academie, sans etre brillante, eile va doucement son chemin. L'approbation que vous donnez k quelques -uns de ses membres me les rend encore plus precieux". Reiielung- der Finanzen der Akademie (1763 — 65). 368 führte: es sollte aus Siiperstition und sittlicher Unfreiheit zur Ver- nunft und zu edlen Formen emporstreben. Aber bei allem Scharf- blick fehlte ihm die Einsicht, dass sich kein Volk willkürlich modeln lässt, und dass man volksthümliche Kräfte benutzen muss, wenn man es fördern will. Dazu: das Bildungsideal, das ihm vorschwebte, Avar abstract und höfisch zugleich ; es bot Formen statt Kräfte. Noch im Winter 1763/64 schritt der König zur Neuordnung der Finanzen der Akademie. Trotz der grossen Summen, die während des Krieges erspart worden waren, war er mit der Verwaltung wenig zufrieden: die Kalender hätten mehr einbringen müssen; Euler sei von dem Ober-Commissar — es war noch immer Köhler — zu abhängig, der ungebührlich viel in seine eigene Tasche lliessen lasse. Das behaupteten auch Andere ; aber Euler hielt Köhler für unentbehr- lich und traute ihm, wie ihm einst von Jariges getraut hatte; doch wurde das Kalenderwesen nun schärfer controlirt\ Ein Theil der ersparten Gelder (s. oben S. 354) wurde auf königlichen Befehl zu einem grossen Umbau des chemischen Laboratoriums und der mit ihm verbundenen Wohnungen, zur Einfriedigung des botanischen Gartens und zur Reparatur aller Gebäude der Akademie verwendet. Die Klagen über die Verwaltung hörten aber nicht auf, und die Kalender wurden nach Inhalt und Ausstattung schlechter. Dennoch scheute Euler vor einer Neuordnung zurück, und eine förmliche Klage Sulzer's bei der Akademie blieb ohne Erfolg; denn die Aka- demiker fürchteten Euler. Einige sagten wohl mit Beguelin, er werde Berlin verlassen, wenn man ihm Ungelegenheiten mache, und dieser Verlust würde grösser als alle Vortheile einer besseren Einrich- tung sein. Jetzt steckte sich Sulzer hinter de Catt, und der König erliess eine Ordre, in welcher er eine Commission niedersetzte zur Reform der Administration der Akademie (2 i. Februar 1765)". Ob- gleich Euler selbst (neben Merian, Sulzer, Beausobre, Castillon und Lambert) in die Commission gewählt wurde, empfand er diese Maassnahme doch als ein Misstrauensvotum und als eine persönliche Kränkung; bisher »hatte er alles allein regiert, und er wollte auch nichts Nachtheiliges gegen Köhler geschehen lassen«. Übrigens hatte er wirklich Feinde in der Akademie, vor allem Formet, aber auch Sulzer und Lambert scheinen ihm nicht günstig gesinnt ge- wesen zu sein. ^ Schon damals hat Euler daran gedacht, Berlin den Rücken zu kehren und wieder nach Petersburg zu gehen (s. seinen Brief an Goldbach vom i. October 1763)- - Siehe Akademisches Archiv und Sulzer, Lehensbeschreibung S.43tT. 364 Geschichte der Akademie unter P'rikdrich dem Grossen (1746—1786). Die Commis.sioii konnte sich über die an den König zu rich- tenden Vorschläge nicht einigen und sandte daher drei verschiedene ein. Sulzer und Beausobre riethen, das Kalenderwesen zu ver- pachten: Lambert wollte, die Commission solle es in die Hand nehmen — man hehauptete, er wünsche es seihst zu verwalten — ; Euler schlug vor, es Köhler unter neuen Bedingungen zu lassen. Ohne Wissen der Commission , um sich den Sieg zu sichern , schrieb er an den König; aber dieser Schritt hatte den entgegengesetzten Erfolg: der König entschied sich für die Verpachtung, bevor ihm noch die Vorschläge eingereicht waren, und richtete an Euler ein scharfes Schreiben^: »ich verstehe zwar keine Curven zu berechnen, aber das weiss ich, dass 16000 Thlr. mehr sind als 13000«. Die Commission war entrüstet, als sie von dem Briefwechsel Euler's mit dem König erfuhr, und nöthigte ihn, das wenig schmeichelhafte königliche Schreiben in der Sitzung zu verlesen. Dennoch war er so unvorsichtig, sich noch einmal direct an den Monarchen zu wenden, was ihm nur «eine sehr ernsthafte Antwort eintrug, die er Niemandem gezeigt hat«, «In dergleichen Fällen verrechnete sich unser grosser Geometer erstaunlich«, sagte sein Freund Merl\n. Schärfer drückte sich Sulzer aus: «Es ist ganz unglaublich, von was für kindischen Besorgnissen — er- glaubte , bei einer Neuordnung würde sein Gehalt nicht mehr regelmässig aus])ezalilt werden — und Vorurtheilen dieser in seinem Fach so grosse Mann eingenommen war«. Der peinliche Vorgang reifte in Euler den Entschluss, Berlin zu verlassen und nach Petersburg zurückzukehren. Dass er d'Alembert nachgesetzt worden war und nun auch in seinem Wirken für die Akademie durch eine Commission beschränkt werden sollte, war ihm zuviel. Wer wird diesen Entschluss dem Manne verargen, der fast zehn Jahre der Leiter der Akademie gewesen war und jetzt seine Herrschaft mit kleineren Geistern theilen sollte"? Erst auf das dritte Abschieds- gesuch antwortete der König, und zwar mit der freundlichen Auf- ^ Am 16. Juni 1765 (Oiuvres T. 20 p. 208 f). ^ Etwas dunkel schreibt Formey (Souv. I p. 159), der Rücktritt Eüler's >>ne vient d'aucun nieprls pour I'Academie. II l'aimait et aurait volontiei's fini ses jours dans une capitale oü il jouissait de tous les agrements possibles. Je pourrais ra- conter au long et fort exactement tout ce qui occasionna son mecontentement et sa retraite. Mais je ne ci'ois pas que c'en soit encore le temps». Vermuthen darf man, dass Lambert's Art Euler unsympathisch war. und dass dieser sich nicht freundlich zu ihm gestellt hat. Auch ist es wahrscheinlich, dass er an der im Jabre 1765 vom Könige gegründeten Ritterakademie unterrichten sollte, und dass ihm diese Aus- sicht nicht verlockend war. EcLER verlässt die Akademie (1766). 3b5 forderung, Euler möge seine Eingabe zurückziehen und nicht wieder auf die Sache zu sprechen kommend Allein er war entschlossen, Berlin zu verlassen, und zwar mit seinem Sohne, dem Akademiker. Am 2 . Mai ertheilte ihm Friedrich in kurzen Worten und ohne Dank den Abschied «pour aller en Russie«, und in der Sitzung am 29. Mai war Euler zum letzten Mal in der Akademie, die ihm ihr Bedauern über sein Scheiden aussprach". Fünfundzwanzig Jahre hatte er ihr angehört und ihren Ruhm erhöht^. Der König war betrübt und gekränkt; wieder sah er einen Akademiker, und einen so hervor- ragenden, nach Petersburg ziehen^. Auch d'Alembert bestärkte ihn in der schmerzlichen Überzeugung, dass er diesen Verlust nicht hoch genug schätzen könne. Erst nach zehn Jahren hören wir von einer Correspondenz des Königs mit Euler, der unterdess völlig er- blindet war, aber fortfuhr, die Welt durch mathematische Arbeiten ersten Ranges in Erstaunen zu setzen. In zwei Briefen dankt ihm Friedrich für seine Vorschläge über eine zweckmässige Calculation der Wittwenkasse , in einem dritten für seine Wahl zum Ehrenmitglied der Petersburger Akademie^. Der Friede war nun wieder hergestellt^. ^ Brief vom 17. März 1766 (Qiluvres T. 20 p.210): »Je veux bien vous dire par la presente que vous me ferez plaisir de vous desister de cette demande et de ne plus m"ecrire sur ce sujet". - Akademische Pi'otokoUe. ^ Auch sonst hatte er sich im Staate nützlich gemacht. Er hat öfters Gut- achten abgegeben über die Besetzung von Universitätsprofessuren und über grosse Unternehmungen , so über Finanzfragen , zu deren Lösung es der INIathematik be- durfte (Lotterien, Pensionskassen u. s. w.), und über technische Pläne (Oder- Havel -Kanal, Wasserwerke zu Sanssouci, Ausbeutung von Salzbergwerken u. s. w.). LuccHESiNi berichtet (7. Juli 1783), der König habe in einem Gespräch gesagt, Euler habe zwei h'rthümer begangen , erstlich , dass er Berlin für eine Stadt hielt, in der sich etwas machen Hesse, zweitens, dass er die Arbeiten für den Kanal zur Herstellung der Wasserkünste im Garten von Sanssouci schlecht leitete. * Es will dagegen wenig besagen, was Lucchesini (19. Juni 1782) von dem Verhältniss des Königs zu Euler erzählt hat (Bischoff, Gespräche Friedrich's des Grossen mit H. de Catt u. s. w. 1885 S. 23of.). " Vergl. den Brief an Domaschnew, den Director der Petersburger Akademie, vom 17. November 1776 (CEuvres T. 20 p. 191). ^ Bi'iefe vom 16. April und ii.October 1776 und i. Februar 1777 (CEuvres T. 20 p. 2ioff.). — Bei der Übersiedelung Euler's nach Petersburg waren, so hörte der König, seine Papiere untergegangen. Friedrich meldete das d'Alembert nicht ohne Schadenfreude, an der aber seine Abneigung gegen die Mathematik den meisten Antheil hat (26. Juli 1766, Qj^uvres T. 24 p. 407): »M. Euler qui aiine a la folie la grande et la petite Ourse, s'est approche du nord pour les observer plus ä son aise. Un vaisseau qui portait ses xz et son kk a fait naufrage; tout a ete perdu, et c'est dommage, parce qu'il y aurait eu de quoi remplir six volumes in-folio de memoires chiffres d'un bout äl'autre, et l'Europe sera vraisemblableinent privee de Tagreable amusement que cette lecture lui aurait donne«. 366 Geschiclite der Akademie untei- Friedrich dem Grossen (174(3 —178()). Die Akademie hatte Euler verloren; aber noch in demselben Jahre trat J. Louis de Lagrange für ihn ein, und das Jahr vorher war J. Heinrich Lambert gewonnen worden. In jenem, der aus Turin knm. erhielt Euler den würdigsten Nachfolger, der sich damals in Europa finden liess, und dieser^ war neben Kant, mit dem er zu- sammen genannt werden darf", der letzte universale Mathematiker und Philosoph des i8. Jahrhunderts, in Vielem an Leibniz erinnernd, ein genialer Autodidakt von Kenntnissen, Tiefsinn und einem uner- müdlichen Schaffenstrieb '^, dazu ein Naturbursche und in dieser Hin- sicht der Gegensatz zu Leibniz. Seine erste Begegnung mit dem König war sonderbar genug gewesen. Die Berliner Akademiker hatten es durchgesetzt, dass der König den Gelehrten — er war Münchener Akademiker — nach Berlin kommen liess, um ihn sich anzusehen. Die Audienz enttäuschte den Monarchen bitter; Lambert soll sich »wie ein Bär« benommen und den König zugleich durch hochfahrende Antworten abgestossen haben. Auf die Frage, welche Wissenschaften er vorzüglich verstehe, antwortete er «alle«, und auf die weitere Frage, wie er alles dieses Wissen erlangt habe, »gleich dem berühmten Pascal durch mich selbst«. Der König entliess ihn ungnädig — was Lambert aber gar nicht merkte — und weigerte sich, ihn in die Akademie aufzunehmen. Erst nach einem halben Jahr, als der russische Gesandte den bereits berühmten Mann für Petersburg gewinnen wollte, gab er ihm die vStelle und 500 Thlr. Ge- halt. So erzählt Sulzer*, und ein Brief des Königs an d'Alembert bekräftigt diesen Bericht''. Aber bald lernte der König den grossen ^ Geb. am 26. August 1728 zu Mühlhausen imElsass, gest. am 25. Septem- ber 1777. Lagrange ist am 25. Januar 1736 geboren, am 10. April 1813 gestorben. ^ Siehe den Briefwechsel zwisclien beiden Männern in Kant's Wei'ken (heraus- gegeben von Hartenstein), Bd. VllI, 2 S. 649fr. Sie haben geplant, sich zu ge- meinsamen Arbeiten zusammen zu thun. s. Lambert's Brief vom December 1770. ^ Wie Leibniz interessirte er sich auch für alle Fortschritte der Technik und suchte die mechanischen Wissenschaften für die Praxis nutzbar zu machen. Über i> Tinte und Papier» liat er seine Beobachtungen niedergeschrieben (Memoires 1770 p. 58 ft'.) und über einen zweckmässigen Krankenstuhl ein Gutachten abgegeben (Akad. Protokolle, 3. März 1774). * Lebensbeschreibung S. 38 f. ^ Friedrich an d'Alembert (Qiiuvres T. 24 p. 39if.): »On m"a, pour ainsi dire, presque force de jjrendre la plus maussade creature qui soit dans l'univers pour la mettre dans notre Academie. II se nomine Lambert, et quoique je puisse attester qu'il n"a pas le sens commun, on pretend que c'est un des plus grands geometres de l'Europe. Mais comme cet homme ignore les langues des mortels, et qu'il ne parle qu'equations et algebre, je ne me projiDse pas de sitot d'avoir l'honneur de nrentretenir avec lui. En revanche. je suis tres content de M. Toussaint. dont Lagrange, Lajibert, Toussaixt und Thikbaili. o\) i Pliilosophen und Mathematiker schätzen und erhöhte sein Gehalt auf 1 1 oo Thlr. Ungetrübte Freude hatte der König neben Castillon an Toussaixt und Thiebault; jener wurde 1764, dieser 1765 in die Akademie aufgenommen. Toussaint, der freisinnige Verfasser des Buchs über «die Sitten«, war zugleich an der Ritterakademie angestellt. Diese neue Schöpfung (1765) suchte Friedrich in enge Verbindung mit der Akademie zu bringen und wählte nicht selten die Akademiker im Interesse dieser Schule aus. Er glaubte davon einen doppelten Vortheil zu haben; denn erstlich trug die Akademie so einen Theil der Kosten jener Anstalt, zweitens mussten einige ihrer Mitglieder nun dociren. Toussaint hat in Berlin kein grösseres Werk mehr geschrieben; aber er war, wie Denina sagt\ der einzige von Friedrich bezahlte Franzose, der es sich angelegen sein Hess, seine Landsleute mit deutschen Schriftstellern bekannt zu machen. So übernahm er auch die Übersetzung von Winckelmann's Geschichte der Kunst — Winckelmann selbst hatte das gewünscht — , aber er führte sie nicht zu Ende. Eine ähnliclie Doppelstellung wie er hatte Thiebault, der an der Ritterakademie französische Grammatik lehrte""; aber ausserdem trat er dem Könige selbst persönlich nahe, corrigirte sein Französisch und hat auch Aufsätze Friedrich's in der Akademie j"ai fait l'acquisition. Sa science est plus humaine que celle de l'autre. Toussaixt est un habitant d'Athenes, et Lambert un Cara'ibe, ou qiielque savivage des cotes de la Cafrei-ie. Cependant, jusqu'ä M. Euler, toute l'Aeademie est a genoux devant lui, et cet animal tout crotte du bourbier de la plus crasse pedanterie re<^oit ces hommages comme Caligula recueillait ceux du peuple romain , chez le(iuel il voulait passer pour dieu. Je vous prie que ces petites aneedotes de notre Aca- demie ne sortent pas de vos niains. II n"est pas de meine de ce corps. qui en peut imposer de loin, si on l'examine en detail« u. s. w. Hierauf antwortete d'Alembert (i.März 1765, OEuvres T. 24 ]i. 394), er kenne Lambert nur aus einem guten Buche , das er geschineben ; liege Euler vor ihm auf den Knieen , so sei das thöricht. denn Euler sei viel bedeutender; übrigens gebe es in der Wissenschaft wie im Himmel mehr als einen ehrenvollen Platz, und Lambert sei sehr würdig, einen derselben zu besetzen. Man versichert mich auch, dass er mehrere treffliche Werke verfasst hat. »Je le trouverais encore assez bien jDartage, quand il serait a M. Euler (pour parier mathematiquement) en meme proportion que des Cartes et Newton sont a Bayle, suivant V.M., ou que Bayle est a des Cartes et Newton, Selon an geometre de votre connaissance.« ^ La Prusse litt. T. Hl p. 407. - An d'Alembert, der ihn empfohlen, schrieb Friedrich (October 1764, Quivres T. 24 p. 387): "Vous me ferez beaucoup de plaisir de m'envoyer le jiretre, Par respect pour l'Etre supreme, on ne le chargera pas trop ici du soin de faire un Dieu; on ne lui demandera que de bien connaitre la grammaire. en le dispensant de TEvanuile«. 368 Gescliichte der Akademie unter Friedrich dem Grossen (1746—1786). gelesen. Ein dritter Lehrer an der Schule, der Schweizer Weguelin, der sich durch seine Übersetzungen aus dem Französischen bekannt gemacht hatte und historische Studien trieb, ursprünglich auch ein Geistlicher, wurde 1766 aufgenommen. Zwei Jahre später führte der König den Benedictiner Pernety, den er zu seinem Bibliothekar ge- macht hatte, der Akademie zu. Es wird behauptet, er sei in Folge einer Verwechselung nach Berlin gekommen (s. oben S, 358); der König habe den Verfasser des Buches »sur les physionomies« ge- winnen wollen, den gleichnamigen Verwandten Pernety's\ Die Aka- demie musste den bescheidenen, aber unbedeutenden Mann auf- nehmen, um der Cabinetskasse die 1000 Thlr. zu ersparen, die dem Abbe ausgesetzt waren. Noch vor dem Tode Friedeich' s nahm er übrigens seinen Abschied (i 783) und ging nach Valence. Es ist merk- würdig, wie viele schiffbrüchige Priester und Theologen der König zu sich gezogen hat; nur solche waren ihm willkommen". Solange sie auf ihrem Schiff aushielten, verachtete er sie; aber sie theilten diese Verachtung mit den zünftigen Medicinern. »Pour moi«, schrieb Friedrich an Voltaire^, »detrompe des longtemps des charlataneries qui seduisent les hommes, je ränge le theologien, l'astrologue, l'adepte et le medecin dans la meme categorie«. Auch Bitaube, der Hugenott aus Königsberg, der in demselben Jahre wie Lagrange und Weguelin aufgenommen wurde, war ursprünglich Geistlicher. Er wandte sich aber bald der schönen Litteratur zu, beschäftigte sich mit Rousseau, lieferte eine geschätzte französische Übersetzung des Homer und verfasste selbst heroische Gedichte, Diese Thätig- keit empfahl ihn dem Könige, und er verlieh ihm einen Sitz in der Akademie; der Markgraf von Ansbach machte ihn ausserdem zu seinem Residenten in Berlin. In der Mitte der achtziger Jahre begab er sich nach Paris, ohne seine akademische Stellung aufgeben zu müssen — der Markgraf hatte ihm das ausgewirkt — , und wurde dort in die Revolution verwickelt. Alle diese Männer bedeuteten für die Wissenschaft im Grunde wenig*. Dagegen ist der einzige Deutsche, der gleichzeitig mit ihnen ^ Siehe Denina, La Prusse litteraire T. III p. 151, Forjiey, Souv. I p. 155. - Nie oder ganz ausnahmsweise erinnerten sich diese Männer ihrer früheren theologischen Studien. Weguelin hat in den Mem. 1782 p. 5170". eine Studie über Athanasius veröfientlicht; sie ist unbedeutend, aber anerkennender, als es damals einem Kirchenvater gegenüber üblich war. ^ OEuvres T. 23 p. 91 vom i. Januar 1765, * Die Grenzen des französischen Geistes kannte übrigens Friedrich sehr wolil. Sclion 1760 liat er nn Voltaire gesclirieben (OEuvres T. 23 p. 83 vom 12. Mai): 3Io.sES ]Mendi:lssuiix vom Könige abgelehnt. Die Kaiserin Katharina. o69 aufgenommen wurde' (1768), Carl Abrahaji Gerhard (geb. 26. Fe- ))ruar 1738), einer der hervorragendsten Mineralogen und Geologen seiner Zeit gewesen, wenn er auch durch seine Lehre von der »Ver- wandlung und dem Übergang einer Stein- und Erdart in die andere« seinem Ruf geschadet hat. Von diesem stillen Gelehrten wurde aber in dem Kreise der französischen Litteraten wenig Aufhebens gemacht. Die Akademie besass andere Sterne, vor allem, seit dem Herbst 1767 — die Kaiserin Katharina. Es ist ein Beweis, wie hoch Friedrich seine Akademie schätzte, dass er ihr die Kaiserin zugeführt hat. Zunächst wurde sie ge- beten, die Ehrenmitgiiedschaft anzunehmen (September i 767); dann, nachdem sie dem Könige die von ihr verfasste »Instruction pour la reformation des lois de la Russie« übersandt hatte", wurde ihr auf Befehl des Königs die wirkliche Mitgliedschaft angeboten (Ja- nuar Februar 176S), und sie nahm sie an. Seitdem prangte sie in den Kalendern d(n- Akademie an der Spitze der auswärtigen Mitgliedei-. Der König und die Akademiker waren stolz auf diese Collegin^ — '•La France a p'.i pioduire des des Cartes, des INIalebranche, niais ni des Leibxiz, ni des Locke, ni des Newton. En revanche, pour le goüt, vons surpassez toutes Ips autres nations, et je me rangerai sons vos etendards quant ä ce qui regarde la finesse du discernement et le clioix judicieux et scrupideux des veritables beautes de Celles qui n'ent ont que l'apparence. C'est une grande avance pour les I)elles- lettres. mais ce n"est pas tout". '■ Der um die »Allgemeine Deutsche Bibliothek- sich sanunelnde Kreis, zu dem auch Sulzer gehörte, versuchte es seit der ^Nlitte der sechziger Jahre, ]Moses ^Mendelssohn der Akademie zuzuführen (er hatte im .Juni 1763 den akademischen Preis fiir eine Abhandlung erhalten), allein es gelang uiclit. Über die im Jahre 177 1 wiederholten Versuche — in der Akademie selbst hatte Mendelssohn die Majorität erlangt — imd ihre Zurückweisung durch den König s. unten Cap. 4. — Aus einem Brief d'Alembert's an den König vom 15. December 1775 (CEuvres T. 25 p. ^i^,) geht liervor, dass d'Alejibert (bei seinem Aufenthalt in Berlin) dem Könige Johann David ^Michaelis in Göttingen als Akademiker empfohlen hat; aber Michaelis lehnte den Ruf ab. ]Man wundert sich, dass d'Alembert die Aufmerksamkeit des Königs auf einen deutschen Gelehrten gelenkt hat; aber das Räthsel löst sich. jMichaelis hatte im Jahre 1759 den akademischen Preis gewonnen mit einer Abhandlung, die im Jalire 1760 auch tranzösisch erschienen war unter dem Titel: »De rinlluence des opinions sur le langage et du langage sur les opinions«. Diese Übersetzung hatte d'Alejibert gelesen. Im Jahre 1775 hat der Pariser Gelehrte die Berufung noch einmal in Vor- schlag gebracht, als er hörte, ^Michaelis sei nun geneigter zu kommen. Es wurde aber nichts aus der Sache. ^ Siehe die Correspondenz in den CEuvres T. 18 p. 259!'., 260 ff. vom 17. Oc- tober und 26. November 1767. Dort auch die ÜMotivirung, weshalb die Kaiserin ihren Aufsatz dem Könige handschriftlich und deutsch gesandt hat. ^ Der König stellte die nordische Seiniramis mit Lykurg und Solon zusam- men; sie selbst hatte bescheiden in ihrem Schreiben erklärt, das meiste in ihrer "Instruction" verdanke sie ]\Iontes(^uiei; und Beccaria. Geschichte der Akademie. I. 24 B70 (tpscliiclitn der Akademie nntei' Fiuedrich dem Grossen ( 174<) — 1786). die einzige, welche sie geliabt haben; denn die beiden Damen Kirch, Mutter und Tochter, hatten zwar redlich für die Akademie ge- arbeitet, waren aT)er nie Mitglieder geworden \ und die schöngeistige und gelehrte Gräfin Skorzewska durfte zwar ihre Abhandlung »Con- siderations sur l'origine des Polonais« in der Akademie vorlesen lassen — sie selbst war dabei zugegen (26. Januar 1769) — , aber ein Sitz wurde ilir nicht eingeräumt"'. Die öffentlichen Sitzungen w^aren noch immer Veranstaltungen, an denen die ganze Hofgesellschaft Antheil nahm. Für berühmte Gäste Hess der König ausserordentliche Sitzungen aT)halten. Viel besprochen wurde besonders die Sitzung, in der Achmed -Effendi empfangen wurde (3 i. December i 763). Die Akademie musste ihm allerlei Experimente vorführen, die den Türken in Erstaunen luid Schrecken setzten^. Friedrich selbst hat seltener als früher Al)hand- lungen in der Akademie lesen lassen, in den sechziger Jahren, so- viel l)ekannt, nur das Eloge auf den Prinzen Heinrich (30. Decem- ber 1767)*. Merkwürdig, je skeptischer der König in Bezug auf die theoretischen Wissenschaften wurde, je mehr in ihm Bayle über alle philosophischen Systeme siegte , um so bestimmter wandte er sein ganzes Interesse der praktischen Moral zu und den Mitteln, sie ^ Über Frau Kirch, die ^Mutter, s. oben S. ii4f. Die Tochter. Frl. Chiustixk Kirch, hat erst mit dem Bruder, dann nach dessen Tode allein an den Kalendern, und zwar an denen für Schlesien, gearbeitet, für ein so geiünges Gehalt, dass sie immer wieder um Gratificationen nachsuchen musste, die sie in der Höhe \on 20 und 30 Thlrn. erhielt. Ihre Pünktlichkeit in den Berechnungen A\ar anerkannt. Bis zu ihrem 77. Jahre hat die alte Dame die Kalender besorgt. Am 3. August 1772 wurde ihr mitgetheilt. dass ihr die Akademie unter Belassimg des vollen Gehalts ihren Neffen Bode — ■ er zeichnete sich später als trefflicher Astronom ans — beigegeben habe; sie brauclie fortan nur so viel zu arbeiten, als sie wolle, und solle BoDK anleiten. «Wir können übrigens nicht umhin,« schreiben die Di- rectoren, »der Mademoiselle Kirch darüber Glück zu wiuischen, dass diese Sache denjenigen glücklichen Ausgang genommen, den wir uns in Betrachtung der von den beiden Hrn. KiRcnen und besonders auch von der Mademoiselle Kirch uns seit hundert Jahren geleisteten guten Dienste vorsetzen mussten« (Akademisches Archiv). " Siehe Qiluvres T. 20 p. XI. p. i7ff. ^ In der Sitzung vom 26. April 1771 war der König von Schweden zugegen und besichtigte auch das Naturaliencabinet. «Es Avurde ihm ein Wurm gezeigt, der lebend aus dem Augapfel eines tartarischen Pferdes genommen war.« Noch immer sollten die Naturforscher «Curiositäten« sehen lassen. Am 24. Juli 1776 wurde auf Befehl des Königs eine ausserordentliche Sitzung gehalten, um einen russischen Grossfüi'sten zu empfangen. ^ Vergl. den Brief an d'Alembert vom 7. Januar 1768 und dessen Antwort vom 29. Januar (OEuvres T. 24 p. 429 ff.). Dieses Eloge ist nicht in den Meinoires erscliienen (s. QSuvres T. VII p. X, p. 37ff.). Dit:" letzten sechzehn Jahre Friedrich's. ö / 1 in einem Vollve zu pflegend »Alle die modernen naturwissenscliaft- lichen Bemühungen in Bezug auf Elektricität, Gravitation und Cliemie haben die Mensehen nicht gebessert und ihren moralischen Zustand nicht geändert; sie sind also ein Luxus""; die Naturforscher selbst werden ja durch ihre Wissenschaft nicht vorzüglichere Menschen! Was Avollen also alle jene Entdeckungen der Modernen für die Ge- sellschaft bedeuten, Avenn die Philosophie das Capitel der Moral und der Sitten vernachlässigt, auf welches die Alten ihre ganze Kraft verwendet haben.« Diese Gedanken trug er d'Alembert vor; er habe sie lange im Herzen gehegt und schütte sie jetzt vor dem grössten Philosophen der modernen Zeit aus. ■ d'Alembert trat in seiner be- sonnenen und bestimmten Weise für die theoretischen Wissenschaften ein, schloss aber seine Ausführungen mit den Worten: »Je conviens cependant avec V. M. que la morale est encore plus interessante, et qu"elle merite surtout Tetude des philosophes; le malheur est <|u"on Ta partout melee avec la religion, et que cet alliage lui a fait beaucoup de tort^'«. Das war das »ceterum censeo« des linken Flügels der Aufklärung, den d'Alembert commandirte. Der König war nicht ganz seiner Meinung. 5. Die letzten sechzehn Jahre der Regierung Friedrich's des Grossen sind für die Akademie still verlaufen. Nachdem sie die Bände Memoires, die sie zur Zeit des grossen Krieges ungedruckt gelassen, nachgeholt hatte (von 1766 — 1770 erschienen je zwei Bände, s. oben S. 349), begann sie eine neue Serie derselben in grösserem Format und besserer Ausstattung, jedesmal eingeleitet durch einen geschichtlichen Bericht. Allein die wirkliche Geschichte der Akademie findet man nicht in diesen Einleitungen. Sie steht, in den Hauptzügen, bis zu d'Alembert's Tode (29. October 1783) ^ Schon seit der «histruction pour la clirection de l'Academie des Nobles a Berlhi" (1765, Oeuvres T. IX p. yyff.) rückten die paedagogischen Fragen für den König in den Vordergrund. Den schönen Ausspruch: »Es ist ganz sicher der weiseste Entschluss, den man fassen kann, der, ein rechtschaffener Mensch zu sein», hat er schon im Jahre 1760 gethan (s. Bischoff, Gespräche Friedrich's des Grossen mit DE Catt U.S.W. 1885. S. 105). ^ Aber soweit die naturwissenschaftlichen Entdeckungen und Arbeiten prak- tischen Erfolg versprachen, hat sich der König stets für sie interessirt. So wies er (24. Mai 1767) aus den Mitteln der Akademie 200 Thlr. für Gleditsch an zu Versuchen mit »inländischer Barnnwolle". ^ Briefe vom 7. und 29. Januar 1768 (a.a.O.). 24* 372 Geschichte der Akademie unter P^riedkich dein Grossen (174tJ — 1786). in dem Briefwechsel verzeichnet, den der köni^^liche Proteetor der Akademie mit ihrem heimlichen Präsidenten fast ununterhrochen geführt hat. Zunächst setzte sich in der Correspondenz mit d'Alembert das moralisch-paedagogische Haiiptthema fort: denn erst seit den sieb- ziger Jahren wurde der König zum vollkommenen Moralisten im Sinne der antiken Moralphilosophen des 2. Jahrhunderts und Hess alle anderen Interessen, selbst die belletristischen und musikalischen, hinter die paedagogischen zurücktreten. Die negative und die posi- tive Seite des Problems: wie wird der schädliche Aberglaube über- wunden und wie werden Raison und Tugenden gepflanzt? inter- essirten ihn in gleicher Weise. Während aber d'Alembert, ebenso radical wie streng wahrhaftig, die Ausrottung aller Superstitionen em- pfahl in der sicheren "Überzeugung, dass die Wahrheit den Menschen stets und unter allen Umständen nützlich sei, controlirte in Friedrich der Staatsmann den Philosophen und rieth zu behutsamen Maass- nahmen. Schon im Jahre 1769 hatte d*Ale3ibert dem Könige ge- schrieben^: »La question: s'il se peut fnire que le peuple se passe de fables dans un Systeme religieux, meriterait bien d'etre proposee par une Academie teile que la vötre. Je pense, pour moi, qu'il taut tou- jours enseigner la verite aux hommes, et quil n"y a Jamals davantage reel a les tromper. L' Academie de Berlin, en proposant cette question 230ur le sujet du prix de metaphysique , se ferait, je crois, beaucoup d'honneur et se distinguerait des autres compagnies litteraires, qui n'ont encore que trop de prejuges«. Damals wagte der König noch nicht, diese Frage als Preisaufgabe zu stellen"; aber sie Hess ihn nicht mehr los, und schliesslich, im Jahre 1778, entschied er sich zu dem Schritt, der so viel Staub aufgewirbelt und die Aka- demie in eine peinliche Lage versetzt hat (s. unten). Einstweilen l)e- gnügte er sich damit, das höhere Unterrichtswesen zu heben , und auch dabei sollte ihm die Akademie behülflich sein, nicht nur durch gute Übersetzungen antiker Schriften , auf die er das grösste Gewicht ^ CEuvres T. 24 p. 467 vom 18. December 1769. ^ Er selbst entscheidet sich in seiner Antwort (8. Januar 1770 21.4691!'.) dat'iir, dass der Irrthuai leider nothwendig sei, und oifenbart dabei dieselbe A'orliebe für die Chinesen wie Leibniz; sie hätten von allen Völkern am wenigsten Aberglauben: »unter 10 ^Millionen IVIenschen giebt es so wenige erleuchtete Geister, dass nichts übrig bleibt, als die Dinge zu lassen, wie sie sind; wer sie verbessern will, läuft grosse Gefahr«. Er schliesst mit Fontenelle's öfters von ihm citirtem Ausspruch: "Wenn icli die Hand \oll Wahrheiten hätte, ■wüixle ich sie nicht öffnen, um sie dem Publicum mitzutheilen, weil es sich der ]Mühe nicht lohnen würde«. INrornlisch -])aedni>,oi;isclie Tendenzen Frieprich's. o/O legte \ sondern auch durcli Gutacliten über Studienordnungen. Bereits im Jahre 1769 legte der Obercurator der Universitäten von Fürst der Akademie die methodologische Anweisung zum Studium vor, welche die Hallesche philosophische Facultät hatte ausgehen lassen". Es erschienen dann 1770 solche Anweisungen gedruckt für alle Facul- täten (Frankfurt a.O.). Auf eine A'orstellung von Fürst"s (1770) hat der König randschriftlich befohlen": »Die Professores müssen in der Medicin besonders bei des Boerhavens Methode bleiben, in der Astronomie Newton, in der Metaphysik Locke, in den historischen Kenntschaften der Methode des Thomasius folgen«. Am 5. Sep- tember 1779 erfolgte dann der berühmte Erlass an den Etats-Minister vonZedlitz* über das Schulwesen, der das Lateinische und Griechische streng festgehalten wissen will, eine wirkliche Einführung in den Geist der alten Schriftsteller fordert (in die «Sachen«, nicht nur in die Worte) und zugleich ein tüchtiges Studium der Logik nach Quintilian und Wolfe verlangt. In Zedlitz hatte Friedrich einen Minister gefunden, der der herrschenden paedagogischen Tradition entgegentrat und den Grund zu einem freieren und gediegenen Schul- wesen in Preussen legte. Die Akademie nahm ihn im September 1776 als Ehrenmitglied auf, und er begrüsste sie in einer sehr aus- führlichen Antrittsrede, in der er sein paedagogisches Programm im Rahmen der Frage nach dem Verhältniss von Kosmopolitismus und Patriotismus geistreich entwickelt hat''. Der König selbst hat noch zweimal in der Akademie das Wort ergriffen und Abhandlungen über Themata vortragen lassen, die ihm besonders am Herzen lagen. Li der Sitzung vom 11. Januar 1770 las Thiebault in seinem Auftrag das Memoire »Sur le veritable ressort des actions humaines, considere comme le principe de la vertu«. ^ Auch der Berlinische Hugenotte und Geistliche, den der Grosskanzler vox Jariges protegirt hatte und der einst zu Voltaire in Beziehungen getreten wai-, MouLI^'ES (geh. 1730, gest. 14. März 1802), wurde seiner Übersetzungen wegen (Aniniianus INIarcellinus. später die Scriptores Hist. August, und Cassius Dio) auf Befelil des Königs am 21. Juli 1775 in die Akademie aufgenommen. Er galt als einer der besten französischen Stilisten in Berlin und hat in dieser Eigenschaft dem Könige und dem Hofe Dienste geleistet. - Akademisches Archiv. ^ Siehe Büsching, Charakter Friedrich's H. (1788) S. 36. * (Euvres T. 27. 3 p. 253^". ^ Die Akademie liatte diesmal selbst die Initiative ergriffen (Geh. Staatsarchiv, 6. September 1776). •^ Memoires 1776 p. 2ott". Über von Zedlitz" Bedeutung vergl.RETHWiscH, Der Staatsminister Frhr. von Zedlitz und Preussens höheres Schulwesen. 2. Aull. 1886. H74 (ieschichte der Akademie unter Friedrich dem Grossen (1746—1786). Es erschien in den Publicationen der Akademie unter dem Titel: »Essai sur l'amour- propre, considere comme principe de la Vertuet. Im Jahre 1772 Hess er in der öffentlichen Sitzung vom 27. Januar — sie war besonders glanzvoll durch die Anwesenheit seiner Schwester, der Königin von Schweden , und von neun Prinzen und Prinzessinnen — seinen kritischen Essay lesen «Discours de l'utilite des sciences et des arts dans un etat«, der sich gegen Rousseau richtet"'. So w^enig der König von diesem Enthusiasten wissen wollte, so stimmte er doch in der Anerkennung des Daseins Gottes mit ihm über- ein und beurtheilte in steigendem Maasse die Angriffe der modernsten französischen Schule auf den Gottesglauben als verfehlt und ge- fährlich. Einst hatte er die Atheisten geschützt, als sie in Frank- reich verfolgt waren, ja hatte sich selbst die leichtfertigen Sätze La Mettrie's gefallen lassen; jetzt, als der Atheismus in Paris hof- fähig geworden war — in einer Zeit, in der Holbach Hume auf die Bemerkung, er habe noch nie einen Atheisten gesehen, spottend ^ Im Jahrgang 1763, der aber erst 1770 ausgegeben worden ist (p. 341 ff".). Vergl. dazu den launigen Brief an d'Alebibert vom 4. Januar 1770 (Q^^uvres T. 24 p. 468 f.), in welchem Friedrich wiederum energisch für die Beschäftigung mit der ]\IoraI ein- tritt: "de bonnes moeurs valent mieux pour la societe que tous les calculs de Newton«. d'Alembert stimmte dem Könige in seiner Schätzung der Selbstliebe bei. s. die folgenden Briefe p. 472f. 474 f.; vergl. auch den Brief des Königs an Voltaire vom 4. Januar 1770 (CEuvres T. 23 p. 147). Voltaire's Dank für die Zusendung der Rede ist sehr witzig (p. 148 f.): der Philosoph von Ferney schreibt unter der Adresse des königlichen Copisten Villaume — dieser war früher auch sein Copist gewesen — in Wahrheit an den König selbst: »On dit cpi'il y a dans votre pays un genie qui apparait les jeudis ä Berlin, et cpie, des qu'il est entre dans une certaine salle, on entend une Symphonie excellente, dont il a compose les plus beaux airs. Le reste de la semaine, il se retire dans un cliäteau bäti par un necromant; de lä il envoie des influences sur la terre. Je crois l'avoir aperQU, il y a vingt ans; il me semble qu'il avait des alles, car il passait en un clin d'oeil d'un empire ä un autre. Je crois meme qu'il me fit tomber par terre d'un coup d'aile. Si vous le voyez ou sur un laurier, on sur des roses, car c'est lä iju'il habite, mettez-moi ä ses pieds, suppose qu'il en ait, car il ne doit pas etre fait comme les hommes. Dites-lui que je ne suis pas rancunier avec les genies. Assurez-le que mon plus grand regret, ä ma mort, sera de n'avoir pas vecu ä l'ombre de ses alles, et que j'ose chei-ir son uni- versalite avec l'admiration la plus respectueuse«. - INIemoires 1772 (erschienen 1774) p. pff. Vergl. dazu Voltaire's Dank- schreiben auf die Zusendung (24. März 1772 Oeuvres T. 23 p. 213). Er sagt darin, wenn auch alle vier Akademiker, Formey, Premontval [aber er war schon seit mehr als sieben Jahren todt!], Toussaint und Merian erklären würden, sie hätten es geschrieben, so würde ich antworten: »Ich glaube das nicht; ich finde auf jeder Seite die Hand eines grösseren Meisters — voilä comme Trajan aurait ecrit!« Abhandlungen Friedrich's; seine Stellung zum Atheismus. 375 erwidern konnte, er sässe in diesem xVngenblick mit sieLzelm Atheisten zu Tiscli — , jetzt hielt es der König für nöthig, dieser Riclitung entgegenzutreten ^ Auch die Akademie, die niemals von der neuen Schule etwas hatte wissen wollen, betlieiligte sich dabei, aber auf eine Weise, die keine Nachahmung verdient. Ihr Mitglied DE Castillon veröflentlichte ein Bucli unter dem Titel: »Observations sur le livre intitule: Systeme de la Nature«. Vorgedruckt steht dem Werk folgende Approbation der Akademie: Mss. les Academiciens nommes pour examiner les «Observations sur le Livre intitule: Systeme de la Nature«, que M. le Professeur de Castillon fait actuelle- ment imprimer. ont fait rapport d'une voix unaniine. qu'ils l'avaient trouve tres digne d'etre rendu jjublic, et tres propre ä detruire les sophismes de ce dangereux ouvrage. En foi de quoi j'ai delivre le present certificat en pleine Academie. ä Berlin, le i8 Avril 1771. Formet. Secretaire perpetuel. In den Memoires der Akademie (1771 p. I5f.) ist dieses selt- same Certificat abgedruckt, und Forme y hat es mit einer längeren ungesalzenen Ausführung begleitet, in der er das Buch cliarakterisirt und dabei seinen Abscheu vor den «Absurditäten« des Atheismus zum Ausdruck bringt. Ob das Alles auf Befehl des Königs geschehen ist, lässt sich nicht mehr ermitteln; aber es ist unwahrscheinlich, dass die Akademie diesen auffallenden Schritt gethan hat, ohne sich der Einwilligung des Königs versichert zu haben, d'Alebibert, der selbst der »absurden« Schule angehörte, schwieg kluger Weise zu dem peinlichen Verfahren, das ihm höchst anstössig sein musste. Aber w^enn der König und seine Akademie für den Gottesglauben eintraten, so waren sie keineswegs der Meinung, das alte System der kirchlichen Theologie müsse geschützt werden, im Gegentheil — je sicherer sie sich in ihrem Deismus fühlten, um so energischer erklärten sie jenem System den Krieg". Besonders charakteristisch dafür ist die Unterredung, die Sülzer ein Jahr vor seinem Tode ^ Elr sah, dass die Freigeister fanatisch wurden, und das erregte seinen Abscheu. Auf sie beziehen sich die Worte: «Je suis persuade qu'un philosophe fanatique est le plus grand des monstres jiossibles, et en meme temps Tanimal le plus inconsequent que la terra alt produit« (an d'Alembbrt T. 24 p. 352 vom 13. März, 177 i). ^ In der bewundernden Charakterschilderung, die Friedrich von Jesus CJn-istus entworfen hat (an d'Alembert, 18. October 1770, QEuvres T. 24 p. 503^".), erscheint er als sanfter Essener, purer Deist und stoischer Philosoph. »Wenn ich seine Religion verth eidige, vertheidige ich die aller Philosophen, und ich gebe Ihnen alle Dogmen ])reis, die nicht von ihm sind.« Über Formey, der freilich kein gediegener Ver- treter der kirchlichen Gläubigkeit war, und über seinen plumpen apologetischen Trac- tat »Confession d'un incredule« spottete Friedrich in Versen, die er d'Alemrert schickte, s. den Brief vom 27. April 1773, Oiuvres T. 24 p. 597, dazu T. 13 p. 97 ff. 376 . 138) d'Alembert gesteht: »En naissant, j'ai trouve le monde esclave de la superstition, en mourant. je le laisserai de memc". 3/8 Geschichte der Akademie unter Fuiedkk ii dem Grossen (1746—1786). d'Alembert, der im Jahre 1772 Secretär der Academie frangaise Avurde, setzte seine Fürsorge für einzelne Mitglieder der Berliner Aka- demie ungesehwäclit fort: er bedankt sieh, dass Cochius aufgenommen worden sei und eine Pension erhalten hal)e ; er bittet für Beguelin um eine Remuneration \ Dieser war sein besonderer Schützling, und er kommt in den Briefen immer wieder aui* ihn zu reden. Besonders in der Anweisung zur Herstellung dioptrischer Gläser soll er Aus- gezeichnetes geleistet haben — »ich kann das beurtheilen, denn ich habe mich auch damit befasst, bin a])er nicht so weit gekommen wie er«, schreibt d'Alembert. «Ich will glauben, dass die Berech- nung der Gläser bewunderungswürdig ist, « antwortete der König mit trockenem Humor, »aber Thatsache ist, dass ich sie gebraucht und nichts gesehen habe"'«. Er schätzte Beguelin nicht so hoch wie sein Freund und hat ihn zuletzt (1784) sogar fallen lassen. Auch für Lagrange , der 1772 zum vierten oder fünften Mal den Pariser akade- mischen Preis erhalten hatte, verwandte d'Alembert sich immer noch, um ihm weitere Remunerationen zu erwirken, ebenso für Bitaube ^, Als ToussAiNT gestorben war, bat der König d'Alembert, für einen Er- satz zu sorgen: er selbst dachte an den Übersetzer des Virgil, Delille, denn er wünschte einen guten Rhetoriker. d'Alembert schickte Bor- relly. einen Landsmann d'Argens'. Vor allem sollte er an der Ritter- Akademie unterrichten. Mit Sulzer kam er bald in einen wissen- schaftlich-paedagogischen Streit'. Der König stellte die Schützlinge seines Freundes ohne Weiteres an, einmal mit den schmeichelhaften Worten: »Ich werde ihn so wenig refüsiren, wie Karl XII. einen Offi- cier, den der grosse Conde empfohlen, zurückgewiesen hätte^«. Aber auch bei der Besetzung der Directorstellen in der Akademie nahm d'Alembert das Wort. Noch bevor Marggraf gestorben war, schrieb er auf die Kunde hin, dass der greise Gelehrte einen Nach- folger brauche, an den König und erklärte sich bereit, für einen ^ CEuvres T. 24 p. 498 vom 12. Autiust 1770. - OEuvres T. 24 p. 523 flf. vom 3. und 29. Januar 1771. ^ CEuvres T. 24 }). 564!?., 613 vom 16. Mai 1772 und 10. December 1773. ^ Siehe die Briefe vom 30. Juni, 22. August. 17. September und 6. October 1772. CEuvres T. 24 p. 569 ff. Die Akademie, für die sich der König im Brief vom 17. September so besorgt zeigt, ist die Ritter- Akademie. — Der König hatte in Paris stets Jemanden , der für ihn arbeitete, Auszüge aus der französischen Tageslitteratur machte u. s. w. Auch hier hat d'Alembert bei der Auswahl der Personen mitge- wirkt (s. den Brief vom 9. October, CEuvres T. 24 p. 582 f.). ebenso auch bei Wahlen auswäi'tiger Mitglieder, s. 25. April 1774 p. 622: Villoison"s, des ausgezeichneten Herausgebers der Ilias. ^ 15. Mai 1774. CEuvres T. 24 p. 625^ d'Ai.ejibert's Sorge für die Akndcmie (1770—1783). 379 solchen zu sorgen \ Zugleich fügt er hinzu, er schlage als Ersatz für den verstorbenen Heinius"' Beguelin zum Director der philoso- phischen Klasse vor. In einem zweiten Briefe nannte er ihn noch einmal, empfahl als Chemiker Scheele in Stockholm und theilte ausserdem dem Könige mit, dass jetzt Aussicht zu sein scheine, J. D Michaelis (s. oben) für Berlin zu gewinnen. Der König ant- wortete — absichtlich oder w^ar es ein Irrthum? — so, als ob dAlembert Weguelin vorgeschlagen hätte und erklärte, er sei ein- verstanden: in Bezug auf Marggraf aber schrieb er: «il vit encore, et je ne crois pas qu"il ait envie d'aller sitot travailler au laboratoire de Tautre monde«. d'Alembert nahm Weguelin für Beguelin und fuhr in der Empfehlung seines Schützlings fort. Friedrich substituirte zum zweiten Mal Weguelin für Beguelin und schrieb: «Pourvotre M. Weguelin, dont je connais le merite, je ne negligerai pas, en temps et lieu, d'avoir egard k votre recommandation ; il serait peut-etre Uli Montesquieu, si son style repondait ä la force de ses pensees«. Erst nach einigen W^ochen löste sich das Missverständniss^, wenn es ein solches war: übrigens erhielt weder Begllelin noch Weguelin die Directorstelle, sondern Sulzer. Gleich darauf wurde ein gefälschter Brief Friedrich's an d'Alembert colportirt, in dem die Worte stan- den: »Mon Academie est trop bete pour vous fournir quelque cliose d'interessant«. d'Alembert machte den König auf die Fälschung auf- merksam, aber dieser verzichtete darauf, den Verfasser polizeilich ermitteln zu lassen; »je n'aime point a me venger, et ce n'est pas cette Sorte d'athletes qu'il me convient de combattre. Je lis les ReÜexions de l'empereur Marc -Antonin, qui m"enseigne que je suis dans le monde pour pardonner ä ceux qui m'offensent, et non pas pour user du pouvoir de les accabler^«. Der briefliche Verkehr des Monarchen mit seiner Akademie war in diesen Jahren ziemlich lebhaft. Der König sorgte nicht nur für die Besetzung vacanter Stellen % sondern auch Bücher, technische Er- ^ 3. October 1775, Oeuvres T. 25 p. 29. - Er starb, fast 88 Jahr alt. am 8. August 1775. Seit der Errichtung einer besonderen Klasse der Philosophie war er ihr Director gewesen. ^ Briefe vom i5.December 1775 bis 26. April 1776, T. 25 p. 32— 43. * 26. Ajjril und 16. ]Mai 1776. p. 41 und 44. Gehört der Brief vielleicht schon zu den Fälschungen Baumelle's? Es finden sich in ihm die Worte: »J'ai vu bien des choses; j'ai vecu assez pour voir des soldats du pape porter mon uniforme, les Jesuites me choisir pour leur general, et Voltaire ecrii-e comme une vieille femme«. ^ Im Urkundenbande Nr. 174 ist ein Beispieleines akademischen Anstellungs- decrets mitgetheilt. — Auch auf die Sul)altern1)eamten hatte der König ein scharfes 380 Gescliic-Iitc der Akiidcinic iiiilci- Friediiicii dem Grossen (174()— 17S<)). findungeii, Anerbieten aller Art, welche häufig direct an ihn gingen, schickte er der Akademie zum Bericht und beantwortete ihre Gut- achten nicht selten sel1)st in der bekannten knappen Weise. Einige Beis|)iele mögen das illustriren' : Auf Büchersendungen erfolgte geAvöhnlich ein freundlicher Dank, al)er es findet sich auch die Anweisung an den Cabinetssecretär, «dem N. N. soll so ein Compliment zur Antwort gemacht Merden, welches nicht viel bedeutet«' (Q.September 1776). Doch auch ein- gehender wird der Bescheid: >'I1 est tres- l)ien", lieisst es in einem Sclu'eiben an die Akademie vom i.,Iuni 1777, "»]ue vous ayez suivi jNIes urdres en laisnnt exnminer l'ouvi'age du Pi'of. Meyer, (lui, selon le rapport de ceux qui etaient cliariies de cet exanien, ne contient lirn (jui piiisse etre envisage comme neuf. mais renferme cependantdes observations utiles, et qui prouvent avantageusement en faveur de rap})lication de l'auteur. 11 n'y a donc rien d'exti-aurdinaire, et il Me parait qu"il n'est jias necessaire (^ue vous le receviez })our le present membre de TAcademie«. Es boten sich dem Könige Gelehrte zur Aufnahme in die Aka- demie selbst an. In solchen Fällen hat er auf die Akademie ver- wiesen, bei der man sich melden müsse, obgleich er ihr doch das Vorschlagsrecht entzogen hatte. "Sa ölajeste ne veut cependant pas«, liess er einem mittheilen, -dui dissimuler, que Son Academie des Sciences se choisit elle-meme ses membres, et tpie, pour etre Academicien, il faut se conciliei' ses suffrages et se faire connaitre immediate- ment ;> eile par ses ou\rageS'< (13. Septemlier 1780)-. Lebhaft interessirte den König das Problem, aus Sand Steine zu machen, nachdem Jemand behauptet hatte, er sei hinter das Geheimniss gekommen. Marggraf, Borrelly und Gerhard haben darüber Gutachten einreichen müssen (1776), und bis 1780 beschäf- tigte die Akademie diese Frage. In Bezug auf Borrelly's gelehrte Auseinandersetzungen erklärte der König, an der genauen Beschrei- bung der Sache, die man ihm geschickt, läge ihm nichts; »damit Auge. So hatte zwar die Wahl des Copisten vSchröder seinen Beifall; aber er for- derte die Akademie doch auf. stets zuerst nach alten invaliden Unterofficieren auszu- schauen (1780 Akademisches Archiv). Der Tresorier der Akademie. Jordax. liittet am 17. ]NTai 1776 um den Titel »Ivriegsrath«. Ihm Avird geantwortet: ^vS. K. M. lassen dem Tresorier Jordan auf dessen Vorstellung A'om 17. dieses hierdurch be- kannt machen, dass, da die Akademie mit dem Kriege nichts zu thun hat. dabei auch keine Ki'iegsräthe nöthig sind, und würden diese daselbst schlecht placirt sein. Es findet desshalben das Gesuch des Jordan's um den Iviüegsraths-Charakter keine statt, wohl aber kann er Friedens-Rath werden; das schickt sich eher für ihn». ^ Sie sind theils dem Geh. Staats-, theils dem Akademischen Archiv ent- nommen. ^ Vergl. dagegen, was Formet berichtet, Souv. 1 ]>. i64f. Besetzung der cliemisclien Faclistelle (1776 77). 881 müsst ihr micli nicht chargiren, denn darin kann ich mich keines- wegs mehren, sondern das müsset ihr mit den Chemisten der Aka- demie zu BerHn abmachen«; er wünsche nur zu wissen, ol) das Ge- lieimniss »allhier gemacht werden könne«; über das Ergebniss ihrer Experimente sollten sie ihm mit Ja oder Nein berichten. Als sie ihm ein anderes Mal (1776) mit Untersuchungen über Indigo kamen, schrieb er: »dass Ich es gerne sehe, wenn ihr mich mit solchen Sachen, wie die sind, zufrieden lasset; denn Ich habe mehr Sachen zu thun«. Die Prüfung einer neuen Maschine war der Akademie an- befohlen (1773). Die Directoren baten den König in einer Eingabe, den Erfinder zu veranlassen, sie ihnen zu schicken. Am Rande des Actenstücks liest man die Bemerkung: »Sie können drum schreiben, Bagatelle«. Die Sammlung von Tabatieren, die der König besass, wurde l)ereichert durch eine solche von besonderer Composition, die ihm Marggraf überreichte (i 774). »Elle m"a reussi«, schrieb dieser, »apres boaucoup d'experiences d'une maniere singuliere: j"ai conserve la transparence avec la durete, presque semblable ä celle des pierres fines. « Der grosse Chemiker wurde alt, und d'Alembert war recht be- richtet, als er dem Könige schrieb, es werde daran gedacht, ihn zu ersetzen. Die Akademie schlug im Januar 1776 vor, den jungen F. Charles Achard (geb. 1752) — er ist der dritte dieses Namens, den die Akademie besessen hat, jener namhafte Chemiker, der Marggraf's Entdeckung des Rübenzuckers technisch nutzbar gemacht hat — als Collaborator seinem Lehrer beizugeben ; zugleich bewarb sich Achard beim Könige selbst um die Stelle. Er erhielt sie auch und wurde im Juni desselben Jahres ordentliches Mitglied, aber zunäclist ohne Gehalt \ Als dann im März 1777 Pott gestorben war, machte ' Bald darauf ersuchte Achard den König um einen Heirathsconsens mit der sonderljaren Bemerkung, seine eigene Familie sei mit seiner Wahl nicht einverstanden. Der König antwortete (21. September 1776): »dass er wegen seiner Verheirathung es halten soll, wie er will, und nicht nöthig hat, bei S. K. M. darüber anzufragen, indem S. M. das gar nichts angeht«. Nach einigen Jahren rief Achard noch einmal den König an, aber diesmal für die Scheidung seiner Ehe; Aviederum erklärte .dieser, er mische sich nicht ein (QiuvresT. 25 p. 302). — Wie Marggraf , so legte auch Achard dem 3Ionarchen Proben seiner chemischen Experimente vor und empfing aufmunternde Anerkennungsschreiben, s. OEuvi'es T. 25 p. 30if. Li einem (30. Juni 1782) heisst es: »Je suis tres-satisfait du resultat de vos experiences sur les eifets de Telectricite sur les facultes intellectuelles (vergl.]Mem. 1781 p.9 — 19) . . . ., mais elles ne me fönt pas encore presumer que les commotions electriques soient capables de guerir egalement les fous. Je veux que souvent le siege de hi folie soit dans le derangement du Systeme nerveux, et que la force electrique puisse y retablir l'ordre; mais reste k savoir et ä constater par des experiences reiterees si ce succes est permanent etc.". Darunter eigenhändig die Worte: »Si voiis pouvez 382 Geschichte der Akndcinie unter Friedrich dem Grossen (1746— 17S<)). die Akademie auf's Neue eine Eingabe, in der sie den Zustand der cliemiselien Fächer darlegte und warm dafür eintrat, dass einer der jüngeren Chemiker, Gerhard oder Achaed (bez. beide), eine akade- mische Pension erhalte (i. April 1777). Sie hatte aber bereits gehört, dass der König einen Ausländer zu berufen wünsche, und erklärte für diesen Fall, sich die grösste Mühe um einen solchen geben zu wollen; allein ein Mann ersten Rang-^es sei für 200 Thlr. nicht zu bekommen (so viel betrug das erledigte Gehalt Pott's) und der Stand der Kasse erlaid^e keine grössere Ausgabe (?). Umgehend schrieb der König zurück: »Da mir bekannt, dass in Stockholm ein sehr habiler Mann ist, der von der Chymie eine grosse Kenntniss besitzet, sollt ihr also zusehen, den zu bekommen; ihr müsst ihm nur Offerten machen, und euch Mühe um ihn geben; er wird es schon annehmen«. Wirk- lich schlug die Akademie jetzt drei Schweden vor (Bergemann, Engström, Scheele); Verhandlungen gingen hin und her; der König interessirte sich auf 's Lebhafteste für die Berufung; allein keiner der drei Gelehrten nahm an. Ob die Akademie, die Achard das Gehalt zuwenden wollte, die Angelegenheit absichtlich hat scheitern lassen, ist nicht mehr zu ermitteln; der König nahm das an und theilte ihr unvermuthet mit, dass er Ferber in Mitau — der Minister A''ON Heynitz hatte ihn empfohlen — berufen habe; er solle die 1 600 Thlr. Marggraf's als Gehalt beziehen , die auch dem Schweden Bergemann angeboten worden seien. Die Akademie antwortete (i i .No- vember 1777), Marggraf sei nicht gestorben, sondern arbeite noch immer mit Eifer, auch habe er nie 1 600 Thlr. bezogen , sondern Alles in Allem 900 Thlr. ; dem Schweden seien niemals 1 600 Thlr. ange- boten worden; endlich, Ferber's Gehalt in Mitau sei nicht so hoch, dass man ihm eine so grosse Summe geben müsse. In zwei weiteren Eingaben empfahl sie Achard noch einmal dringend und erklärte ausserdem , sie habe bereits drei Chemiker (Marggraf, Gerhard, Achard); viel nöthiger sei ihr ein Astronom; sie habe einen solchen in J. C. Schulze gefunden, den Lagrange auf's Beste empfehle. Der König liess sich Schulze widerwillig gefallen \ entschied aber, dass ausser ihm auch Ferber (als Chemiker) zu berufen sei; das nöthige Geld parvenir ])ar l'electricite a donner de Tesprit aux imbecilles, vous valez phis que votre poids d'or, car vous ne pesez pas autant que le Grand Mogol". ^ Ordre vom 5. OctoLer 1777: »Si les talents et la capacite du Sr. Schulize i'epondent eifectivement au temoignage avantageux que vous venez de ]M"en rendre, vous pouvez le fixer parmi vous eii hii confiant la classe de inatheinatique , Cju'avait ci-devant le Sr. Lambert. Au reste, J'ai de la pehie a croh'e cpi'il soit aussi ha])ile que son predecesseur». Die Directorstelle der pliilosopliisclicn Klasse. 080 werde sich schon finden, wenn nicht, so sei es den Ü])erschüsseii der Akademie zu entnelimen (7. December 1777). Allein Fekber kam damals doch nicht; der berühmte Mineraloge ist erst nach Friedrich' s Tode der Akademie zugeführt worden. Aciiard erhielt keinen Rivalen und rückte nach 3Iarggraf's Tode (S.August 1782) in die Haupt- stelle und in das Directorat der physikalischen Klasse ein. Auch Meckel's Gesundheit war so erschüttert (er starb am 18. September 1774), dass er im October 1773 seine Stelle nieder- legte. Die Akademie empfahl erst den Anatomen Lobstein in Strass- burg, von dem uns Goethe erzählt hat, dann Neubauer in Jena: aber auf königlichen Befehl wurde (2. December 1773) Walter, der Schüler Meckel's, ernannt'. Hoch geschätzt in seinem Fache, hat er den Grund gelegt zu der grossen anatomischen Sammlung, welche die Berliner Universität besitzt. Am nöthigsten hatte die philosophische Klasse eine Auffrischung, war doch ihr Director, der hochbetagte Rector des Joachimsthal- schen Gymnasiums Heinius, seit dem Jahre 1766 in keine Sitzung mehr gekommen, und sie selbst war auf drei Mitglieder zusammen- geschmolzen. Aber der König, an dem Zustand der Philosophie in Frankreich und in Deutschland verzweifelnd — an Kant dachte er nicht ! — , suchte einen Philosophen nach seinem Herzen , ohne ihn zu finden. Am 25. Februar 1779 starb Sülzer, der nach Heinius' Tode nur drei Jahre das Directorat bekleidet hatte. Der König hatte ihn nur bestätigt, weil er keinen Würdigeren finden konnte. Nach Heinius" Tode hatte sich sowohl Beguelin (s. oben) als Formet um die Stelle beworben"', der letztere unter Berufung auf seine Anciennetät. Allein der König hatte beide abschlägig beschieden und die Akademie angewiesen, »einen anderen Menschen, der die Direction zu führen vollkommen geschickt ist, auszumitteln « (8. September i 775). Ein solcher hatte sich jedoch nicht gefunden, und so war nach einigen Monaten Sulzer eingesetzt worden. Nun war auch er gestorben, und wiederum stand die Akademie vor der Frage der Besetzung. Die laufenden Geschäfte führte einstweilen de Beausobre (er wird auch einmal Director genannt, ist es aber nie wirklich gewesen); er erkrankte bald schwer (gest. 3. December 1783), so dass an seine Wahl nicht zu denken war. Der König befahl, nach einem ^ Geb. am i.Jiili 1734. gest. am 3. .Januar 1818. Ein zweiter ^lediciner, der im Juli 1776 in die Akademie aufgenommen wurde, Hexckel, starb schon nach drei Jahren. ^ Die Akademie selbst hatte BeCtUelin vorgeschlagen. 384 Gescliiclito der Ak;uli'ini(' unter Fkikdricii dein Grossen (174(j— 17S(j). Ausländer zu suchen , aber die Akademie reichte ihm trotzdem ein- fnch die Liste der Mitg'lieder der philosophischen Klasse zur Aus- wahl ein (d. li. nur zwei konnten in Betracht kommen), an ihrer Spitze den ältesten, d. h. Formey. »II etait assurement naturcl«, schreibt FoRMKY selbst in seinen anonym erschienenen »Souvenirs'«, »d"en clioisir un, et surtout celui que son savoir distingue, encore plus que la juste reconnalssance du nouveau monarque, a pourvu de ce poste, demeure vacant jusqu'alors.« Man wird sich wundern zu hören, dass der hier so wohlwollend charakterisirte Akademiker Niemand anders ist als For3iey selbst! In der That hat ihn Fried- rich Wilhelm IL zum Director der philosophischen Klasse ernannt, Friedrich der Grosse aber schätzte die Talente des beständiuen Secretars geringer ein. Er schrieb der Akademie am S.Juli 17 So zurück': '■ToLit ce (jue vous nie dites par votre rapport d"liier ne saurait nie faire chan^er de sentinient. 11 faut poiir directeur de la classe de la philosophie un philosophe dans tonte retendue du tenrie, sans 'anz Besonderes von der Berliner Akademie erwartete. Wie weit das Interesse an den Preis vertheilungen ging, bis in die französischen und schweizerischen Tageszeitungen hinein, ^ Der Preis betrug 50 Ducaten, die seit 1747 in der Form einer goldenen Denkmünze (von Hedlinger gestochen) ausgezahlt wurden. ^ Aber Euler und Lagrange haben mehr als zwölfmal den Pariser Preis HOS Die wissensclial'tliche Bedeutiniii' dei' Akademie Friedricii'.s IT. mag folgende Mittlioiluiig in den Züricher »Freimüthigen Nach- rieliten« vom 26. Wintermonat 1755 beweisen. Dort liest man^: "Den 5. Juni Naehuiittags hielt die k. Akademie der Wissenschaften und Beiles -Lettres ihre ötrentliche Versammlung, welche sie jährlich wegen der Be- steigung des Throns seiner jNIajestät, des Königs, anzustellen pflegt. Gedachte Versammlung wurde mit der Gegenwart S. K. Hoheit des Prinzen Friedrich Hein- rich Carls, zweiten .Sohns S. K. Hoheit des Prinzen von Preussen beehrt, Avie sich denn auch verschiedne in- und ausländische Ministres, nebst andern vorneh- men Herrn des Hofes und der Stadt dabei einzufinden beliebten. Der beständige Secretär der Akademie, Hr. Prof. Formey. eröffnete die Sitzung dadurch, dass er bekannt machte, wie der auf das jetzige Jahr von der Classe der tiefsinnigen Philo- sophie zu vei'gebende Preis u. s. w.« [Folgt der Bericht über die Preisvertheilung.] Der Antlieil der Zeitmigen ist ein sicherer Beweis dafür, dass in allen Culturländern Gelehrte und Litteraten mit Interesse dieser Bethätigung der Akademieen folgten. Wirklich giebt es kaum eine Preisfrage, deren Sj^uren nicht im litterarischen Verkehr hervor- ragender Männer des Zeitalters zu finden wären, ja. diese Spuren sind so zahlreich, dass ihre vollständige Aufdeckung ein eigenes Werk erfordern würde. Die Betheiligung an dem Wettkampf war sehr bedeutend und legte der Akademie eine grosse Arbeitslast auf. Wir wissen, dass ein Thema, das für das Jahr 1780 ge.stellte (s. unten), nicht weniger als zweiund vierzig Bewerbungen ge- funden hat; ein Dutzend scheint die Regel gewesen zu sein. Die Nationalität der Bewerber lässt sich nicht sicher feststellen, da die Verfasser der nicht gekrönten Arbeiten unbekannt blieben und nur selten der Eine und Andere, der das »Accessit« erlangt hatte, sich meldete. Mit dem Preise gekrönt wurden 26 deutsche Arlieiten, 10 französische (eingerechnet zwei Genfer), eine italienische und eine, deren Verfasser Siebenbürge war. Hieraus darf man wohl schliessen, dass die Zahl der deutschen Bewerber mindestens doppelt so gross gewesen ist, als die der ausländischen. Gedruckt wurden mit dem Imprimatur der Akademie nicht nur die gekrönten Arbeiten, sondern mit ihnen zusammen manchmal auch die, Avelche das Accessit er- langt hatten. Einige Fragen haben keine befriedigende Lösung gefunden, so dass kein Preis zuerkannt werden konnte. Nur in einer kurzen Übersicht kann hier die Arbeit der Akademie, welche in den Preisaufgal)en enthalten ist, vorgeführt werden". An einigen von ihnen aber haftet ein besonderes Interesse und fordert zu näherer Betrachtung auf. ^ Mitgetheilt von L. Hirzel, Wieland und Künzli (1891) S. iiif. ^ Im Urkundenband Nr. 175 sind alle Preisthemata, die die Akademie unter Friedrich dem Grossen gestellt hat, verzeichnet. Die Preisaufgaben (naturwissenscliaftliclie). oJl' Von den gestellten 45 Thematen gehören 20 der physikaliseli- medicinisclien und der mathematischen Klasse, 25 der philosophi- schen und der philologisch -litterarischen an. Das erste Thema war ein physikalisches «Sur TElectricite« (1745)^ Waitz, Finanzrath in Kassel, gewann den Preis; er ist gegen Ende der Regierung Friedrich's preussischer Minister und Ehrenmitglied der Akademie geworden. Bei der zweiten Preisvertheilung (1746) siegte, wie he- reits oben S.303 imd 397 bemerkt, d'Ale.mbert in Paris. Das Thema war ebenfalls ein physikalisches: »Determiner l'ordre et la loi qne le vent devrait suivre si la terre etait en- vironnee de tous cotes par l'Ocean, de sorte qu'on put en tout temps trouver la direction et la vitesse du vent pour chaque endroit.« Der mathematischen Physik sind ferner solche Aufgaben ent- nommen, die sich an die Arbeiten von Euler und Lagrange an- schlössen; auch sonst bemerkt man, dass die Themata nicht selten aus wissenschaftlichen Erwägungen und Controversen entsprungen sind, die die Akademie selbst lebhaft beschäftigt hatten. Preise erhielten Adami in Aurich (1752)"", Gennert in Utrecht (zweimal, 1766 und 1772) und Le Gendre in Paris (1782: über die Curven, welche Kanonenkugeln beschreil^en). Die Frage, ob die Umdrehung der Elrde um ihre Achse sich stets gleich schnell vollzogen habe, wurde von Frisi in Pisa beantwortet (1756); sie hat auch Kant zu Studien angeregt. Eine andere Frage, über die Bahnen der Kometen, blieb längere Zeit ungelöst; dann wurde der Preis verdoppelt und (1778) zwischen Condorcet in Paris und dem preussischen Artillerie- Hauptmann Tempelhoff getheilt. Die Aufgabe, eine klare und prä- cise Theorie des Begriffs »Unendlich« in der Mathematik zu ent- wickeln, löste Lhuilier in Genf (i 786). In der Chemie wurden Unter- suchungen über den Salpeter (1749) und das Arsenik (1773) g'C'krönt {PiETSCH in Mansfeld und Monnet in Paris). Die Frage nach der Theorie der Gährung fand keine genügende Bearbeitung (zurückge- zogen im Jahre 1786), sie kam noch zu früh, und auch die Aufgabe, aus Sand Steine zu machen — in der Mark Brandenl)urg besonders lohnend — , fand zwar Dilettanten genug, aber erweckte noch keinen Erfinder. Wahrscheinlich von Gleditsch ist das Thema gestellt worden: «Exposer les moyens determines de lier entr'elles la Pliysique et l'Qi^conoinie rurale plus etroitement qu'elles ne l'out ete jusqu'a present, et en particulier de ^ Die Jahre bedeuten die Jahre der Preisertheihuig. " d'Alembert hatte auch concurrirt (es handelte sich um ein Thema aus der Theorie des Widerstandes), erhielt aber den Preis nicht; er sah darin eine Kabale Euler's und beklagte sich darüber. 400 Die wissenschaftliclie Bedeutung der Akademie FRiEnRicii's II. rapporter a des principes susceptibles d'application rintluence de la Physitjue sur les diverses parties de rOEcononiie susditc." Ein pommerscher Pastor, Meyen, löste sie zur Zufriedenheit der Akademie. Die evangelischen Geistliehen haben sich überhaupt leb- haft betheiligt: unter den 38 gekrönten Arbeiten sind zehn von ihnen verfasst. In den ersten 20 Jahren nach Friedrich's Tode ist der Procentsatz evangelischer Geistlicher unter den von der Aka- demie Gekrönten noch grösser gewesen. Von allgemeinerem Interesse sind die physiologisch -medicini- schen Themata. Gekrönt v^urden drei Arbeiten: «Si la communi- cation entre le cerveau et les muscles, par l'entremise des nerfs, s'exeeute par une matiere fluide, qui fait gontler le muscle dans son action? Quelle est la nature de ce fluide?« (1753, Le Cat in Ronen), sodann eine Untersuchung über den inneren Bau des Ohres und den Vorgang der Gehörempfindung (i 763 , Belz in Neustadt-Eberswalde) und eine physiologisch -chemische Abhandlung über die Verände- rungen der Nahrungsmittel im menschlichen Körper (Dueade in Genf). Dagegen fand die Preisfrage, die seit den LEEUwENHOEK'schen Ent- deckungen brennend geworden war und um die sich auch Mau- PERTUis selbst bemüht hatte, nach der Natur der geschlechtlichen Zeugung, keine ausreichende Beantwortung. Die Akademie hatte die Frage scharf gestellt: '>Si tous les etres vivants, tant du regne animal que du regne vegetal, sortent d"un oeut' leconde par un germe, ou par une matiere prolifique, analogue au germe ? " Dass dieses Problem und die mit ihm verwandten damals weit über die Kreise der Naturforscher hinaus die wissenschaftlich Inter- essirten beschäftigten, erkennt man z. B. aus Moses Mendelssohn"s Beiträgen zu den Briefen, die neueste Litteratur betreffend (s. Ges. Werke, Bd. IV, i S. 5 i 2 fl'. vom Jahre 1759). Durch Lieberkühn's Arbeiten w^ar das Interesse für diese Frage auch nach Berlin getragen worden. Die akademische Preisaufgabe hat zu mehreren Abhand- lungen, die im Druck erschienen, den Anstoss gegeben. Grösser aber als die Gemeinde derjenigen, die mit Spannung die naturwissenschaftlichen Preisthemata der Akademie erwarteten, war die Zahl der Gelehrten und Litteraten, die den philosoj)hischen und philologischen Aufgaben ein lebhaftes Interesse entgegenbrachten. Nur geschichtliche Themata im strengen Sinne des Wortes hatten ein wenig zahlreiches Publikum; denn der Geist des 18. Jahrhun- derts war exacten historischen Studien nicht günstig. Dennoch hat die Akademie sieben Mal Aufgaben aus der Geschichte gestellt, von Die Preisauf gaben (geschichtliclie). 401 denen nur zwei nicht genügend beantwortet wurden: Wie weit sind die Römer in das nördliche Deutschland vorgedrungen? (1748, Fein, Prediger in Hameln). Wie hat sich die deutsche Colonisation im Lande zwischen Elbe und Oder vollzogen? (1752, von Hertzberg). Historische Geographie der alten Gaue von Brandenburg, Umfang der Mark zu Zeiten der Anhaltiner, Bavern und Luxemburger? (1760, BucHHOLTZ, Prediger zu Liehen). Über das Münzrecht im Allgemeinen und über das alt-brandenburgische Münzrecht im Besonderen (nicht beantwortet). Über die Ursachen, welche die hervorragende Stellung der alten Markgrafen von Brandenburg er- klären und die Entwicklung Brandenburgs zur Weltmacht vorbereitet haben (unbeantwortet) \ Zeigen diese fünf Themata, dass die Aka- demie die vaterländische Geschichte gepflegt sehen wollte — die neuere preussische Geschichte hat Friedrich der Grosse selbst als Akademiker bearbeitet — , so beweisen die Themata der Jahre 1764 und 1776, dass die Historiker der Akademie für die Probleme der Weltgeschichte einen aufgeschlossenen Blick besassen. Jenes lautete: "Quand est-ce qvie la puissance souveraine des Empereurs Grecs a totale- ment cesse dans Rome'* Quel gouvernement les Romains eurent-iLs alors? Et dans qiiel temps la souverainete des Papes fut-elle etablie?« (Sabbathier in Chalons). Dieses verlangte eine Untersuchung über den Werth der Münzen (des Geldes), bezogen auf die Lebensmittel, in der Zeit vom Tode Konstantin"s bis zur Theilung des Reichs unter Theodosius L, mit besonderer Berücksichtigung der Wechselwirkungen zwischen dem Schwanken des Geldwerthes und den politischen und socialen Ver- änderungen im Reich (von Kessenbrink in Stettin). Der Pulsschlag des 18. Jahrhunderts war die Philosophie, und zwar im Sinne der Ermittelung der letzten und höchsten Principien sowohl auf dem Gebiete der Naturwissenschaften als auf dem des geistigen Lebens. Dort war es der Gegensatz der englischen Phi- losophie zu der Leibniz-Wolff' sehen, in Avelchem sich das Interesse bewegte; hier waren es die Grundfragen der Entstehung und Ent- wicklung der Sprache, Moral und Cultur, um deren Lösung man sich in kühner Zuversicht bemühte. Noch immer wirkte das epoche- machende Erlebniss, dass man die Mechanik des Himmels kennen gelernt hatte — nicht aus der wissenschaftlichen Tradition, son- dern im Widerspruch zu ihr — , wie eine sichere Bürgschaft, dass ^ Dieses Thema hat 22 Jahre später ein Akademiker, de Ciiambrier, aufge- nommen und seine Untersuchung in den Memoires (1794/95 p. 138 ff. und 1799 p. 188 ff.) veröffentlicht. Geschichte der Akademie. I. 26 402 Die wissenscliaÜliclie Bedeutung der Akademie Friedrich's II. avif die Dauer nichts Wissenwürdiges dem menscliliclien Verstände verschlossen bleiben werde, sobald er sich von jeglicher Bevor- mundung, also auch von der geschichtlichen Überlieferung, befreit liabe. Auf das engste aber verbanden sich — und das erinnert noch immer an die Renaissance, ja an die Antike selbst — mit den philosophischen Fragen die litterarischen, der Sinn für die Ausbildung des «Geschmacks« und für die Klarheit und Schön- heit der Form. Eigentlich war noch immer der didaktische Poet das höchste Ideal. Alle geistigen Interessen lagen so zu sagen noch in einander: das Talent, das Genie durfte keines bei Seite schieben: aber keines konnte sich noch mit eingeborener Kraft geltend machen. Von diesem geistigen Zustande, wie er geherrscht hat, l)evor Rousseau, Kant und der deutsche Idealismus eine neue Gedanken- bildung erzeugten , legt eine grosse Anzahl der Preisaufgaben der Akademie Zeugniss ab, und gerade diese Aufgaben w^aren es, die mit dem lebhaftesten Interesse aufgenommen, besprochen und l)ear- beitet wurden. Nur in einer gedrängten Übersicht dürfen wir über sie berichten. Bereits für das Jahr 1747 wurde eine Darstellung und Kritik der Monadenlehre verlangt. In dieser physikalisch -metaphysischen Hauptfrage war die Akademie selbst , wie wir bereits wissen , ge- theilter Meinung. Maupektuis, der sich übrigens nie die Mühe ge- nommen hat, die Werke A^on Leibniz und Wolff gründlich zu stu- diren , stand mit Euler u. A. auf Seite der Engländer und hielt die Monadenlehre für eine vorwitzige und unfruchtbare Speculation, die beseitigt werden müsse. Mit höchster Besorgniss und Unruhe blickte W^OLFF auf das gestellte Thema; er fürchtete für seinen Prin- cipat in Deutschland und suchte durch Briefe auf Maupertuis in einem seiner Sache günstigen Sinne einzuwirken\ In den zwei Jahren (1745—47) ^'is zur Preis vertheilung wurde für und gegen die Monadenlehre öffentlich in anonymen Broschüren auf's Leb- hafteste gestritten. In scharfer Bekämpfung schritt Euler Allen voran. Er veröffentlichte seine Dissertation »Considerations sur les Clements des corps, dans lesquelles on examine la doctrine des monades et Ton decouvre la A^eritable essence des corps«, und suchte im Voraus die Frage zu entscheiden. Der anonyme Angriff wurde von Formet (ebenfalls anonym) beantwortet in den »Recherches sur les Clements de la matiere«, die Wolff selbst vor dem Druck durcli- ' Siehe Le Sueur, a. a. O. p. 430 ft". Die Preisaiifgabea pionadenlehre). 403 gesellen hat. Die Akademie nahm die Concurrenz diesmal so wichtig, dass sie die Entscheidung nicht der philosophischen Klasse über- liess, sondern eine eigene Commission aus allen vier Klassen bil- dete (vergl. auch Memoires 1788/89 p. 66). «Ganz Berlin räsonnirte«, sagt Merian, «Gott weiss wie!« und l)lickte mit Spannung auf das Ergebniss; aber weit über Berlin hinaus, in der gebildeten Welt, nahm man lebhaften Antheil. Euler und Graf Dohna, die Gegner Wolff's in der Commission, gewannen den Sieg, und ge- krönt wurde die Abhandlung eines Bestreiters der Monadenlehre , des Advocaten Justi in Sangerhausen. Unparteiisch war diese Ent- scheidung nicht, und Euler selbst hat später anerkannt, dass einem anderen Bewerber, einem bedingten Leibnizianer, Unrecht geschehen sei und Justi den Preis hatte mit ihm theilen sollen. Aber die Erbitterung der Newtonianer liess damals eine vermittelnde Ent- scheidung nicht zu: sie stritten für den Sieg der exacten Wissen- schaft über eine Speculation, die sie für phantastisch hielten. Als nach vier Jahren die philosophische Klasse wiederum das Preisthema zu stellen hatte, forderte sie (für 1751) zu einer Kritik des LEiBNiz'schen Determinismus auf. So lautete das Thema zwar nicht, aber diese Aufgabe war gemeint. Die von Heinius redigirte Fassung war wenig glücklich, und d'Alesibert spottete, man könne das akademische Thema auch so fassen: «In Erwägung, dass unsere Freiheit sehr zweifelhaft ist, fragt man an, ob wir sie wirklich be- sitzen^t. Allein kein Geringerer als der Mathematiker Kaestner in Leipzig bemühte sich um die Aufgabe und gewann den Preis. Kaestner ist zeitlebens ein treuer Schüler Wolff's geblieben , soweit er auch in seiner Stimmung und seinem Lebensgefühl über ihn hinauswuchs". Die gewundene Fassung des Themas war nicht aus zufälliger Ungeschicklichkeit entsprungen. Ihr tieferer Grund lag in den Span- nungen, die die Akademie beherrschten: LEiBNizens Freunde Hessen keine Formulirung zu, die dem Ansehen des grossen Philosophen schädlich sein konnte, und auch die Gegner selbst mochten nicht direct und unumwunden zu seiner Bekämpfung auffordern, wünschten ^ Vergi. seinen fast beleidigenden Brief an Forjiey in den Souvenirs T. II p. 362 ff. Man erbat sich von Paris im Tone der Überlegenheit Auf klärungen über die seltsame Fassung, die »tous les gens de lettres de Paris« in Erstaunen gesetzt habe. ^ Das Accessit ei'hielt bei der Preisvertheilung der junge Frankfurter Theologe TÖLLXER. und seine Arbeit wurde mit der Kaestner's zusammengedruckt; sie ver- schaffte ihm eine ausserordentliche Professur in Frankfurt. 26* 404 Die wissenschaftliche Bedeutung der Akademie Fkiedrich's II. aber den Sturz seiner Philosophie. So geschah es, dass, als die philosophische Klasse zum dritten Mal im Jahre 1753 (^*ür 1755) die Preisaufgabe zu stellen hatte, die Formulirung wiederum zu ernsten Bedenken Anlass gab — zu mn so ernsteren, als diesmal unter der durchsichtigen Hülle einer Kritik des «Systems« von Pope in Wahrheit eine Kritik der LEiBNiz'schen Lehre von der besten Welt und damit seiner ganzen Weltanschauung verlangt wurde. Das Thema lautete: "On demande l'examen du Systeme de Pope, contenu dans la proposition: Tout est bien. II s'agit: (i) de determiner le vrai sens de cette proposition, conformement a riiypothese de son auteur. (2) De la comparer avec le Systeme de l'optimisme, ou du clioix du meilleur, pour en inai'quer exactement les rapports et les diiferences. (3) Enfin d'alleguer les raisons qu'on croira les plus propres a etal)lir ou a detruire ce Systeme.« SuLZER, der Verehrer LEiBNizens , hatte sich vergeblich gegen das Thema ausgesprochen. Sobald es bekannt wurde, rührten sich überall die Freunde des grossen Philosoph en\ Als erster erhob sich Gottsched und erklärte mit Recht, hinter dem Thema verstecke sich, wie schon früher bei der Preisaufgabe über die Monaden, die geheime Absicht der Akademie, die LEiBNiz'sche Philosophie herab- zusetzen". Ebenso ungehalten war man in Zürich , in dem Breitinger- BoDMER'schen Kreise, in welchem damals Wieland lebte, und es be- durfte kaum der Aufforderung Sulzers an seine Schweizer Freunde, die Gelegenheit zu ergreifen, um durch die Bearbeitung der Frage Leibniz einen Triumph und Maupertuis eine Niederlage zu bereiten. M. KüNZLi, mit dem uns jüngst Ludwig Hirzel bekannt gemacht hat^, entschloss sich zur Arbeit. Ein Aufenthalt in Berlin bestärkte ihn in dieser Absicht. Sulzer glaubte dem Freunde den Sieg garantiren zu können; denn «ich bin einer von Ihren Richtern und wenigstens drei Viertel von diesen haben eben die Principia, die Sie unfehlbaT auch haben. Ich kann es Ihnen sub rosa wohl sagen: Heinius, Formey, Merian und ich machen eigentlich die ganze Klasse der Philosophen ^ In England fühlte man sich gesclimeiclielt, dass ein Engländer an LEiBNizens Stelle gesetzt war; s. den Brief von Maiy an Forjiey vom 22. Februar 1755. - Siebe seine Dissertation: «De optimismi macula diserte nu])er Alexandro Popio Angelo, tacite autem G. G. Leibnizio, perperam licet, inusta« 1753. Ob Maupertuis direct an der Fassung der Aufgabe betheiligt gewesen ist. lässt sicli nicht mehr feststellen. ^ «Wieland und Martin und Regula Künzli« (Leipzig 1891). In diesem Buche sind zum ersten Male die littei'arischen Bewegungen . welche die akademische Preisaufgabe hervorgerufen hat, zum Theil nach ungedruckten Briefen und wieder- aufgefundenen Actenstücken, umfassend dargestellt. A^or Allem hat man erst durch HiRZEL "Wieland's uud KÜNZLi's Betheiligung an dem Streit kennen «ielernt. Die Prt?i.saulgaben (PoPE-LEUiXiz). 405 bei der Akademie aus. Die zwei ersteren sind geschworene Leib- nizianer, Merian Ivann allein nichts machen^«. Etwas weniger zu- versichtlich schrieb er vier Wochen vor der Preisverth eilung: »Ich Avill Ihnen noch keine gewisse Hoffnung machen; aber es ist wahr- scheinlich, dassSie den Preis bekommen werden, und zwar von Rechts- wegen. Ich bin nur noch über einen Punkt mit dem Dr. IIeinius nicht eins u. s. w.'"«. Allein es kam anders. Die Akademie krönte unter den einge- laufenen Arbeiten^ die französisch geschriebene Dissertation eines Herrn A.F.Reinhard, Strelitzschen Justiz -Secretars, welche den Op- timismus auf"s Heftigste, aber in wenig wissenschaftlicher Weise an- griff und LEiBNizens Philosophie mit ganz unzureichenden Mitteln zu widerlegen versuchte. Wie es zu diesem Urtheil gekommen ist, hat Sulzer in Briefen an die Schweizer Freunde verrathen: »die Stimmen waren bei der Abstimmung zwischen Vernunft und Unvernunft ge- theilt« , bis Formey aus Rücksicht auf Maupertuis seine Meinung änderte und für Reinhard entschied \ Die Schw^eizer waren auf's Höchste er- bittert. »Merian und Pre3iontval rasen wirklich und Formey ist ein höchst geiziger und niederträchtiger Mann ; die zween ersten leugnen das Principiurn rationis sufficientis in öffentlicher Schrift, und Formey redet und schreibt um das Geld. Was hat man also von solchen Männern anders zu erwarten, als dass sie die Rechte der Menschlich- keit auf den Kopf stellen.« Es half der Akademie nichts, dass sie neben Reinhard"s Arbeit dreien anderen, darunter auch der vonKüNZLi, das Accessit ertheilte und die vier Abhandlungen zusammen noch im Herbst des Jahres 1755 im Druck ausgehen Hess. Sie versuchte damit ihre Unparteilichkeit zu erweisen, und diese Absicht hätte An- erkennung finden müssen, wäre nur nicht die Schrift Reinhardts so unbedeutend und rabulistisch gewesen ! So blieb der Makel auf ihr sitzen, dass sie sich von Maupertuis beherrschen lasse, der die deutsch geschriebene Abhandlung Künzli's nicht einmal lesen konnte und überhaupt für eine ruhige wissenschaftliche Discussion nicht mehr zugänglich war. ^ Brief vom 22. September 1754 bei Hirzel S. iio. ■^ Brief vom 3. Mai 1755 bei Hirzel S. iii. ^ Es wareu mindestens acht. * Siehe Hirzel S. 114!?. Maupertuis selbst enthielt sich der Abstimmung. Anders stellt Premontval, Viies philosoph.H 23.69 ff., den Verlauf dar. Er behauptet: "Rien n'a ete plus rond et plus degage d'intrigue et de tracasseries que Taffäire du Trix de i755"- 40 () Die wissensclial'tliche Bedeutuiig der Akademie Friedricu".s 11. In der Saclie werden wir heute nicht so unbedingt für Leibniz Partei nehmen können, Avie die damaligen Führer der deutschen Be- wegung in BerUn und Zürich. Maupertuis und Mekian erkannten ganz richtig, dass die LEiBNiz'schen Speculationen die Grenzen des wissen- schaftlich Erweisbaren weit überschritten und zugleich von dogma- tischen Vorurtheilen bestimmt waren. Für die Triebkraft der kühnen Hypothese hatten sie freilich keinen Sinn, und weder sie noch ihre Schildknappen Avaren fähig, einen Leibniz zu Aviderlegen. Die Freunde der deutschen Philosophie waren nicht gewillt sich zu beruhigen. Noch bevor Reinhard's Dissertation im Druck erschienen war, wurde die Akademie durch eine kühne, anonyme Abhandlung empfindlich berührt, Avelche die Aufschrift trug: «Pope ein Metaphysiker!« (1755). Ihre Verfasser waren Mendelssohn und Lessing. Sie hatten die Preisaufgabe bearbeitet, al)er ihre Schrift aus guten Gründen der Akademie zur Beurtheilung nicht vorgelegt: denn sie beanstandeten bereits die Fassung des Themas selbst, ja der Nachweis, dass sie miA^erständig sei, bildete einen Haupttheil ihrer Ausführungen. Wer wollte gern mit Lessing anbinden, zumal wenn auch die Nachwelt geurtheilt hat, dass in diesem Streit mit der Akademie das volle Recht auf seiner Seite gestanden habe! Wer wird nicht mit ihm em})finden, wenn er die Unaufrichtigkeit geisselt, mit welcher die Akademie Pope genannt und Leibniz gemeint hat'I Wer Avird nicht mit ihm lachen, AA^enn er am Schluss seiner Abhandlung, den Haupttrumpf ausspielend, nachweist, dass Pope selbst seine Philo- sophie als »falschen Bart« bezeichnet habe, »»den ich so lange tragen Avill, bis ich ihn selbst ausrupfe und ein Gespötte daraus mache««. »Wie sehr sollte er sich also Avundern, wenn er erfjihren könnte, dass gleich Avohl eine berühmte Akademie diesen falschen Bart für Averth erkannt habe, ernsthafte Untersuchungen darüber anzustellen!« Allein prüft man die siegesgCAvisse Abhandlung genau, so Avird Aveder die Mendelssohn' sehe Vertheidigung der besten W^elt bestehen bleiben, noch das Lessing'scIic peremptorische Gebot der Trennung des Philo- sophen A^on dem Dichter, so glänzend es begründet ist und so nöthig es einem Geschlecht Avar, das sich in abgeschmackten Lehr- ^ Werke Bd. 18 (Berlin, Hempel) 8.48: »Wenn ich der Akademie andere Absichten zuschreiben könnte, als man einer Gesellschaft, die zum Aufnehmen der Wissenschaften bestimmt ist , zuschreiben kann, so würde ich fi-agen. ob man durch diese befohlene Vergleichung mehr die PopE'schen Sätze für philosophiscli oder mehr die LEiBNiz'schen Sätze für poetisch habe erklären wollen«. Die Preisaufgaben (Pope-Leibniz -Lessing- Wieland). 40/ gedichten erging. Aber auch die Beliauptung ist einzuschränken, dass die Akademie einen verhängnissvollen Übersetzungsfehler be- gangen habe, indem sie das PoPE'sche »Whatever is , is right,« durch »tout ce qui est, est bien « wiedergegeben hat. In Wahrheit kommt jenes »right« bei Pope einem «bien« sehr nahe. Der Züricher Kreis war mit der Lessing - MENDELSSoiiN'schen Schrift nicht einverstanden \ Theils schien sie ihm zu viel, theils zu wenig zu beweisen; auch »vergehet sich darinnen der Autor sehr weit bis zum Chicaniren""«. Man beschloss — und das war das Würdigste und für die Akademie Empfindlichste zugleich — die REiNHAKü'sche Schrift einer scharfen Kritik zu unterziehen. W^aser und Wieland wurden mit der Abfassung beauftragt, denn Hirzel hat nachgewiesen, dass die im Jahre 1757 erschienene, anonyme »Beurtheilung der Schrift, die im Jahre 1755 den Preis der Aka- demie zu Berlin erhalten hat, nebst einem Schreiben an den Verfasser der Dunciade für die Deutschen« (Frankfurt und Leij^zig [Zürich]), von ihnen stammt^. Lessing und Wieland — beide später auswär- tige Mitglieder der Akademie, Lessing schon seit 1760 ■ — haben sie also in der Mitte der fünfziger Jahre scharf angegriffen. In Wahrheit aber traten sie für die alte Societät ein, d. h. für Leibniz, gegenüber der neuen französischen, d.h. Maupertuis, und damit zu- gleich für den deutschen Idealismus gegenüber einer fremdländischen, noch nicht gereiften Weltanschauung. Waser's Abhandlung enthält eine scharfe , aber keineswegs aus- reichende Kritik der REiNHARD*schen Schrift und mündet in eine Verhöhnung der Akademie aus. Da es unmöglich sei , dass sie die Schrift deshalb gekrönt habe, weil sie sie billige, so bleibe nur die Annahme übrig, sie habe der gelehrten Welt ein Vergnügen machen wollen und gerade diejenige Schrift gekrönt, der die Krone am wenigsten ansteht, damit man desto deutlicher sehe, wie übel sie ihr lässt. Allein »unsere deutsche Welt versteht die ironische Sprache und ironische Handlungen noch sehr schlecht; sie glaubt insbesondere, dass, w^enn es wirklich dergleichen giebt, sich doch ein so angesehenes Corps, wie eine Königliche Akademie, derselben ^ ^Iendelssohn hat noch einmal zur Feder gegriffen, als die REiNHARo'sche Schrift erschienen war (Ges. Schriften Bd. IV, i S. 508 ff.). In wenigen Worten hat er ihre Schwäche aufgedeckt. - Vergl. die zutreffende Kritik Künzli's in einem Brief an Bodmer vom 19. Juli 1756 bei Hirzel S. 116. ^ Die seltene Schrift ist von Hirzel S. 203 ff. wieder abgedruckt worden. 408 Die \\iss('ii.scli;irtliche Becleutiinii;' der AJv;i(leinie FiuEDRicirs IL nicht bedienen sollte . , . Wir wünschten daher, dass es der Aka- demie gelallen möchte, dieser unserer Sclnvachheit nachzugehen, und dass sie künftig lieber gradezu und nicht durch ironische Um- wege trachten möchte zu verhindern, dass Sätze und Systeme be- fördert würden, welche die Schande ihrer Erfinder und das Argerniss aller derer sind, die ihre Vernunft nicht gänzlich verschworen halben«. In einem ähnlichen Tone ist Wieland's fictives Schreiben, das den Anhang bildet, gehalten: «Berühmte Doctores in den vier Facul- täten, geheime Räthe. Präsidenten, Akademieen und Gesellschaften der schönen Künste sind als ööentliche imd geheiligte Personen anzusehen, denen mehr erlaubt ist als uns andern Privatleuten: die Präsumtion, dass die Wahrheit allezeit auf ihrer Seite sei, ist so stark, dass wir in jedem Fall viel eher uns selbst als sie der Dumm- heit anklagen müssen«. Von Reinhard aber heisst es: »Es ist in der That eine lächerliche Scene, wenn dergleichen nichtsbedeutende Geschöpfe ihre Frosch -Köpfe aus ihrem angebornen Sumpf hervor- strecken und mit albernem Spott einen Leibniz an quäken ... die Thoren lachen auch, aber nie zuletzt«. Mendelssohn, obgleich in der Sache einverstanden, wies mit zürnenden Worten die Maasslosigkeit dieser Replik zurück^: »die philosophischen Stümper des vorigen Jahrhunderts haben ihre Gegner verketzert, und die jetzigen bedienen sich einer Art von kahler Ironie, wodurch sie den Pöbel der Leser ebenso gut einzunehmen wissen, als jene durch ihre Verketzerung .... Wir können von der gegenwärtigen kleinen Schrift weiter nichts sagen, als dass sie eine gute Sache schlecht vertheidigt» so schlecht sie auch von Hrn. Rein- hard ist angegriffen worden«. Die Schweizer Freunde dagegen waren mit dem Pamphlet zufrieden"'. Die Akademie schwieg; für sie ist 1 Ges. Schriften Bd. IV, i S. 76 ff. ^ Siebe den Brief Künzli's an Budmer vom 25. April 1757 (Hirzel S. ii7f.). Die liier beiläufig gegebene Charakteristik der inneren Spannungen in der Akademie stammt aus vertraulichen Briefen Sulzer's an Künzli (Sulzer hatte z. B. geschrieben: i'Premontval hat wieder einen Band Vues philosojDhiques herausgegeben. Er rühmet sich darin, die Secte Wolfienne gänzlicli niedergeschlagen zu haben; es ist meist unphilosophisclies und unsinniges Zeug» oder: »Wenn Sie oder Wieland etwas gegen unsere philosophischen Dunse schreiben wollen, so hüten Sie sich, gewisse Umstände zu berühren, die vei-rathen könnten, dass ich Ihnen einige Anekdoten hierüber ge- schrieben habe. Denn man jnuss mit diesen Leuten leben und sie also nicht zu sehr für den Kopf stossen«). Künzli schreibt : »Dieser Premontval und sein Kamerad, der Merian, dienen unter den Ruthen des Franzosen Maupertiis, der sich in Kopf gesetzt hat, sich an Leibniz und Wolff zu rächen, dass diese Deutsche haben dürfen grössere Philosophen und Mathematici sein als sie, die Die Preisaiif<>aljen (J. D. ^Michaelis). 40 J meines Wissens auch Niemand eingetreten: aber eben die Maass- losigkeiten des Angriffs wurden ihr bester Schutz. Gewiss. Mau- PERTUis hatte sie in eine schUmme Situation gebracht; aber der Feldzug wurde von den Gegnern nicht gUicldich geführt, und ihre Stelhmg in der wissenschaftlichen Welt blieb unerschüttert. Als Maupertuis nicht lange darnach starb, war die ganze peinliche Epi- sode bereits vergessen, ja Wieland selbst bemühte sich nun (s.oben S.347f.), eine Stelle in der Akademie zu erlmlten, und sie selbst hat Niemanden so sehnlichst zum Mitgliede begehrt als — Mendelssohn. Durch das für das Jahr 1759 gestellte Thema unterbrach die Akademie ihre Bemühungen, vermittelst ihrer Preisaufgaben auf eine Klärung der metaphysischen Hauptfragen einzuwirken , und begab sich auf das sprachphilosophische und sprachgeschicht- liche Gebiet, das sie von da ab noch mehrmals beschäftigen sollte. Das neue Thema lautete: »Quelle est Tintluence reciproque des opinions du peuple sur le langage et du langage sur les opinions'?»« Es war in dem Ausschreiben noch näher bestimmt und schloss mit der Aufforderung, praktische Mittel ausfindig zu machen, um den Inconveinenzen der Sprachen , wo sie unter der Herrschaft ver- alteter Vorstellungen stehen, abzuhelfen. Eine kühn gestellte Auf- gabe, in der sich der muthige Geist des 18. Jahrhunderts offen- bart, freilich auch mit seiner eigenthümlichen Schranke. Die Haupt- aufgabe aber, die Wechselwirkung zwischen den populären Mei- nungen und den Sprachen nachzuweisen und zu zeigen, wie die Sprache nicht selten ein ernstes Hemmniss für den Fortschritt der Gedanken bildet, ist richtig erfasst und höchst fruchtbar. Nicht wenige Gelehrte bemühten sich um die Lösung; den Preis trug der berühmte Orientalist J. D. Michaelis davon. Seine von der Aka- demie, zusammen mit einigen anderen von ihr anerkannten Ab- handlungen, gedruckte, schöne Arbeit gab den Anstoss zu zahl- Franzosen selber; und so müssen izt immer diese .... Knaben mit den Wolfianern schei'zen, und er hat seine Lust daran; wirklich ist er kein so grosser Denker als diese zween Lohnknechte, die für ihre Sottisen bezahlt werden; doch braucht er sie nicht bloss wie Könige ihre lustigen Räthe ; er denkt doch seinen grossen Zweck durch sie zu erreichen mid die grobe Vernunft, die sich mit der französischen Höf- lichkeit nicht wohl vertragen will, zu unterdrücken Die Beurtheilung der ge- krönten Preisschrift und das »Schreiloen« u. s. w. konunen jetzt just zur rechten Zeit, doch kann sie der Franzos [Premontval] nicht lesen, nescit, en gratia dei, litteras! Ich bin begierig zu vernehmen, was der Deutsche [Merian] dazu sagen werde; vermuthlich wird er sich hinter den langen Ohren kratzen und seufzen: utinam nescirem litteras«. ^ Auch mit diesem Thema war man in Paris unzufrieden. 410 Die Avis-sensclinltlifhc Bedeutung der Akademie Friedkich"s II. reichen wissenschaftlichen Discussionen \ In ihnen wurde bereits die letzte Frage, die nach dem Ursprung der Sprache, vielfach ver- handelt, die auch einige nndere Bearbeiter des Themas mit hinein- gezogen hatten. Einer derselben hatte sich dabei beklagt, dass ein Jahr eine zu kurze Spanne Zeit für solch ein Thema sei. In seiner Weise wies ihn Mendelssohn zurecht. »Wir wollen hoffen, der Ver- fasser werde sich die Zeit selber nehmen, die ihm die Akademie nicht hat geben können. Er mag um ihren Beifall arbeiten, wenn er um ihren Preis nicht mehr arbeiten kann.« Von Michaelis aber safft er. er sei der einzige unter den Bewerbern, der der Sache gewachsen gewesen. »Ihm ist gewiss seine Abhandlung saurer ge- worden, als seiner Abhandlung der Sieg.« Bereits mit der Preisaufgabe für 1763 kehrte die Akademie wieder zur Kritik der WoLFr'schen Philosophie zurück und forderte die Bearbeitung einer Fundamentalfrage, in der im Grunde die ganze Erkenntnisstheorie steckt: »Sind die metaphysischen Wissen- schaften derselben Evidenz fähig wie die mathematischen?« Be- denkt man, dass das Thema im Jahre 1761 gestellt worden ist, so darf man es eine wissenschaftliche That nennen und muss den Scharfblick der Akademie bewundern'. Aber sie hatte auch die Genugthuung, dass die führenden Philosophen Deutschlands, Kant und Moses Mendelssohn, sich um die Lösung der Preisaufgabe be- mühten, mit ihnen der jugendliche, glänzend begabte Thomas Abbt, der Verehrer und Genosse Lessing's. Kant's Name tritt hier zum ersten Mal in Verbindung mit der Akademie auf: aber seine Ab- handlung: »Untersuchung über die Deutlichkeit der Grundsätze der natürlichen Theologie und der Moral« erhielt nur das »Accessit«, 1 Siehe z.B. Moses ^Mendelssohn, Ges. Sclu'iften Bd.lV,i S. 585!?. Premontval übersetzte ]Michaelis' Abhandlung in's Französische. Der König und d'Alembert lasen sie in dieser Gestalt und lernten sie schätzen. d'Alembert trat seitdem in Be- ziehungen zu Michaelis (s. oben S. 369). Der König Hess diesen nach Berlin kommen und unterhielt sicli mit ihm über die besten Mittel, Deutschland aufzuklären, aber versuchte vergeblich, ihn für die Akademie zu gewinnen. In dieser hat unter ausdrücklicher Verweisung auf Michaells' vorzügliche Schrift der ältere Erman ähnliche Studien fortgesetzt (s. Mem. 1786/87 p. 634 ff", und in den folgenden Jahr- gängen). - Eine früher von der Akademie gestellte, auch in die Fragen der Erkennt- nisstheorie einschlagende Aufgabe: »Si la verite des principes de la Statique et de la Mechanique est necessaire ou contingente-' ist nicht gelöst worden. d'Alembert schickte eine Abhandlung ein; sie wurde aber, Aveil sie Euler niclit genügte, nicht gekrönt (s. Formey. Souv. T. IL p. 239). Mit welchem Interesse man der Lösung der Preisaufgabe iilxM- die E\idenz in den metaphysischen Wissenschaften ent- gegensah, zeigt F. H. Jacobi in dem Gespräch »David Hume« (Werke II S. 183). Die Preisaufgaben (^Iendelssohn-Kaxt). -4 11 Mendelssohn" s Arbeit wurde gekrönt \ Sulzer, damals das Haupt der philosophischen Klasse der Akademie, war Wolffianer und ent- schied für die umsichtig ausgeführte und glänzend geschriebene Untersuchung, die den metaphysischen Wahrheiten zwar nicht die gleiche Deutliclikeit und Fasslichkeit wie den mathematischen bei- legte, wohl aber dieselbe Evidenz. Heute ist kein Zweifel darüber, dass Mendelssohn's Essay weder in die Tiefe der Frage eindringt noch die Principien mit kritischer Schärfe untersucht, dass dagegen Kant in seiner Abhandlung dem Dogmatismus der WoLFp'schen Philosophie einen tödtlichen Streich versetzt hat. Schon damals hat er nachgewiesen , dass die mathematische , synthetische Methode sich auf die Philosophie nicht anwenden lasse, dass diese vielmehr empirisch - analytisch vom Besonderen zum Allgemeinen vorgehen müsse und ihre Sätze deshalb die Evidenz nicht erreichen können, welche den mathematischen zukommt. Indem er aber ferner zeigte, dass die Metaphysik und die Moral unzählige Urtheile einschliessen, die streng genommen unerweislich sind , hat er bereits in dieser Schrift die Unterscheidung der reinen Vernunft von der praktischen vorbe- reitet. »Die Metaphysik ist ohne Zweifel die schwerste unter allen menschlichen Einsichten: allein es ist noch niemals eine gesclirieben worden« — in diesem Wort ist der LEiBNiz-WoLFF'schen Metaphysik der Todtenschein ausgestellt, die Aufgabe selbst aber nicht für un- lösbar erklärt, sie muss nur unter bisher noch niemals befolgten Methoden und in eigenthümlicher Unterscheidung und Einschrän- kung unternommen werden"'. Noch einmal — im Jalire 1768 — krönte die Akademie eine Preisarbeit »L'Eloge de Leibniz« (Bailly von der Academie des Sciences in Paris) und schloss damit ihre Bemühungen um die Leibniz- ^ Beide AV)liaiidluiiiien erschienen zusammen im Jahre 1764. '^ Die ])eiden Ahhandhmgen. die znsammen erschienen, wnrden durch INIeriax in einem genauen Auszug auch dem französisch h^senden Publicum noch in dem- selben Jahre bekannt gemacht. Überall wusste man es der Akademie Dank, dass sie eine so ausgezeichnete Frage gestellt hatte, auch wo man keine der beiden Lösungen befriedigend fand (s. Jacobi. Werke, Bd. II 8. 183 ff.). Gegen die de- monsti'irte Vernunftmoral ist Kant in dieser Abhandlung schon skeptisch ; aber der Ausweg der praktischen Vernunft neben der reinen ist noch nicht gefunden: Kant ist noch Kosmologe und noch nicht ^Moralist. In der Folgezeit entfernte er sich als erkenntnisstheoretischer Philosoph noch viel mehr von Mendelssohn , kam ihm aber auf einem Umwege nur näher, was sie freilich Beide nicht merkten. In der Wendung, die seine Philosophie genommen hat, mag es begründet gewesen sein, dass Kant den Plan, die Abhandlung weiter auszuführen, später fallen ge- lassen hat. 412 Die AvisseuschaÜ liehe Bedeutung der Akndeniie Fiuedkich"s II. WoLFF'sclie Philosophie ab\ Die englische Philosophie fand in ihrer Mitte keine Stätte mehr, doch war es eben Sulzer, der schon im Jahre 1755 Deutschland mit Hume bekannt gemacht hatte. Noch weniger erwarb sich die materialistische französische Philosophie An- hänger in ihrem Kreise: Sieger blieb, wenn auch eklektisch erweicht, die WoLFF'sche Philosophie. In demselben Jahre, in welchem jenes Eloge auf Leibniz ge- krönt wurde, wurde eine Schrift des Hofpredigers Cochius in Pots- dam mit dem Preise belohnt, in der das Thema bearbeitet war, »ob es möglich sei, natürliche Neigungen zu zerstören, und wie man die guten zu stärken, die schlechten zu schwächen habe«. Auch diese Preisaufgabe zeigt, dass die Akademie den Gang der philosophischen Forschungen genau verfolgte und in ihren Thematen die Hauptprobleme, welche die Zeit bewegten, sicher zu fassen ver- stand. Die »Neigungen« (les penchants) — sie bildeten ja die dunkle Macht, welche die Fortschritte der Vernunft hemmten und den sonst so spielend leichten Aufstieg zur Aufklärung in unerklärlicher Weise verzögerten. Jenes tiefe Problem , welches Kant, an alte Überlieferungen anschliessend, durch seine Lehre vom radicalen Bösen zu bestimmen versucJit hat, steckt in der Frage nach »der Möglichkeit, natürliche Neigungen zu zerstören«. Von der »Herr- schaft über die Neigungen« hatte Mendelssohn schon im Jahre 1755 gehandelt"-, und auch die übrigen Moralphilosophen und Paedagogen des Zeitalters, z. B. Gellert, wandten der Frage das lebhafteste Interesse zu. Aber die gekrönte Preisschrift des Hofpredigers — neben ihm haben auch Garve und Meiners das Problem bearbeitet — war doch nicht bedeutend genug, um einen kräftigen Anstoss zu vertiefter Betrachtung zu geben. Mendelssohn begnügte sich damit, sie und Garve's Abhandlung mit einigen Anmerkungen zu beglei- ten^; tiefblickend erklärte der gescheite und witzige Deutschfranzose Grimm, wer diese Frage in bejahendem Sinne zu lösen vermöge, habe so ziemlich alle praktischen Probleme gelöst, die die Mensch- heit interessiren ; erst der Königsberger Philosoph hat das Problem so behandelt, dass er an und mit ihm das ganze Moralgebäude der ^ Die Pi-ei.ssclu'ift war nicht bedeutend; Barthülmess (IT p.268) nennt sie >'un ouvrage qui n'etait entierement digne ni de Leibniz ni de Bailly«. Der Ge- lehrte hatte sich die Aufgabe leicht gemacht und die Arbeit seines A^orgängers DE Jaucourt nicht nur nicht übertrofFen, sondern nicht einmal erreicht. 2 Ges. Schriften Bd. IV, i S. 38 ff. ^ A.a.O. IV, I S. 102 ff. Die Preisaufgaben (CüCHirs-GARVK). Jrlo Aufkläruiigsphilosopliie über den Haufen Avnrf und die Ethik neu begründete. An dieser That darf sich die Akademie einen Antheil nicht zuschreiben, wohl aber darf sie sich rühmen, schon im Jahre 1766 die Fundamentalfrage der Ethik richtig gestellt zu haben\ Vier Aufgaben , Avelche die Akademie für die Jahre i 7 7 i , 1775, 1776 und I 780 gestellt hat, sind dadurch ausgezeichnet, dass Herder sich um ihre Lösung bemüht und dreimal den Preis davongetragen hat". Schon damit ist erwiesen, dass die Akademie der Entwick- lung des deutschen Geistes in jenen Jahren nicht so fern gestanden hat, wie das öfters behauptet worden ist. Hätte sich ein Herder immer wieder durch die von ihr gestellten Fragen anregen lassen, Avenn diese nicht die wichtigsten Probleme, wie sie gerade auch den deutschen Geist damals beschäftigten, getroffen hätten? Mit der Preisaufgabe für das Jahr 1771 kehrte die Akademie zu einem Thema zurück , das sie selbst schon mehrmals in ihrer Mitte behandelt und bereits im Jahre 1757 in begrenzterer Fassung zum Gegenstand einer Preisbewerbung gemacht hatte". Jetzt stellte sie ^ CocHiüs — er wurde bald darauf in die Akademie aufgenommen — hatte übrigens nicht geringe Verdienste: er war ein hervorragender Leibnizianer. der sich bemiihte, die idealistische Philosophie auch auf empirischem Wege zu begrün- den, und er war der beste lateinische Stilist in der Akademie. Seine Abhandlung über die Neigungen erwarb ihm die Anerkennung d*Ale3ibert"s, die Gedanken über den Selbstmord die des Königs. In seiner Untersuchung über die von Leibniz gestellte Frage ».Si toute succession doit renfermer un commencement« (Mem. 1773) handelt er von Raum und Zeit in einer Weise, die über Leibniz hinausgeht und Kant's Ideen vorbereitet. Die beiden Concurrenten von Cochius, Garve und der Göttinger Meiners. damals im jugendlichsten Alter, haben sich später rühmliph bekannt gemacht. Dieser ist allerdings stark überschätzt worden. Garve hat als ^litglied der Akademie (Mem. 1788) in einem feinen Aufsatze über den Nutzen der Akademieen seinen Collegen die verkannte Wahrheit gesagt, dass die Philosophie besser durch einzelne einsame Denker betrieben werde als durch die vereinten Bemühungen der gelehrtesten Gesellschaft. - Siehe "\'ahlen"s Festrede vom 24. Januar 1895 in den Sitzungsberichten S. 2 9ff". •^ Durch Condillac's und Rousseau "s Abhandlungen (1754) war das Problem in Fluss gekommen und beschäftigte sowohl die französischen wie die deutschen Ge- lehrten (Mendelssohn). Der Akademie gab Maupertuis die Anregung durch einen Aufsatz, den er am 13. Mai 1756 verlesen Hess (s. Akadem. Protokoll): "Sur les difterents moyens dont les hommes se sont servis jjour exprimer leurs idees" (ab- gedruckt in den Meinoires 1 754 p. 349 ff.). Die rationalistische Erklärung des Ursprungs der Sprache aus thierischen Naturlauten und aus Übereinkunft, die er andeutete, reizte den Akademiker Süssmilch zu energischem Widersp)ruch , den er in einer aus- führlichen Dissertation (vorgelesen am 7. und 14. October 1756) zu begründen ver- suchte: »Die Sprache ist ein unmittelbares göttliches Geschenk«. Aus dieser Contro- verse im Schoosse der Akademie stammte die im Jahre 1757 für das Jahr 1759 414 I)i(' A\ isseiiscluiftliclic Redcutiiiig der Akndcinic Friedrich's II. die Frage ganz allgemein, deutete al)er in ihrer Fassung zugleich an, in welcher Richtung sie die Lösung suchte und für möglich hielt: »En supposant les hommes abandonnes a leurs facultas naturelles, sont-ils en etat d'inventer le langagel* Et par quels inoyens pai-viendront-ils d'eux- meines ä cette invention? On demanderat une hypotliese qui expliquät la chose clairement, et qui satisfit ä toutes les difficultes.« Kein Zweifel — die Akademie dachte noch immer an die «Er- ihidung« der Sprache, und sobald diese Art des Ursprungs sicher- gestellt Avar, durfte man mit Recht hoffen, eine zweckmässigere Sprache, die Universalsprache werden und alle anderen Idiome ver- drängen könne, zu »erfinden«. Um so grössere Anerkennung ver- dient es, dass sie unter den 31 Preisschriften, die eingelaufen waren, die Abhandlung von Herder krönte , der zwar Süssmilch's Hypo- these vom göttlichen Ursprung der Sprache scharf und siegreich zurückwies, al)er ebenso bestimmt die Träumerei von »Erfindung« und »Übereinkunft« ablehnte, auch den »thierischen« Ursprung nicht ein- fach gelten Hess, sondern sich zu zeigen bemühte, dass die Sprache ein allmählich gewordenes Erzeugniss der eigenthümlichen Natur des Menschen sei. Wie unvollkommen auch Herder's sprachliche Kennt- nisse waren und wie unzureichend seine positiven Erwägungen — Jacob Grimm hat ihm, fast ein Jahrhundert später, doch das Zeugniss ausstellen können, dass »die von ihm ertheilte Antwort immer noch zutreffend bleibt, wenn sie gleich aus anderen Gründen, als ihm dafür schon zu Gebote standen, aufzustellen und zu bestätigen ist^*. Mit Herder's Abhandlung schloss die Akademie für mehrere Jahrzehnte ihre Arbeiten über den Ursprung der Sprache, und sie that recht daran; denn ein würdigerer Schluss konnte im 18. Jahr- hundert nicht gefunden werden. gestellte Pi^eisfrage über den Einfluss der JNIeinungen auf die Sprache . die jMichaelis gelöst hat(s. oben S. 409). Man wollte augenscheinlich erst eine nothige Vorfrage stellen, bevor man das Hauptproblem in Angriff nahm. Eine vorläufige Zusammenfassung versuchte Formey in seiner Abliandlung: «Reunion des principaux moyens employes pour decouvrir l'origine du langage, des idees et des connaissances des honunes«. Auf's Neue kam die Sache in Fluss, als Süssmilch im Jahre 1766 seine Dissertation vom Jahre 1756 drucken liess und den Mitgliedern der Akademie zueignete. Er selbst zwar, dem der göttliche Ui'sprung der Sprache eine religiöse Gewissheit war, starb noch in demselben Jahre; aber seine Schrift reizte Herder zum Widerspruch — er hat sich bereits in den Jahren 1767 und 1768 um das Problem bemüht — , und im Jahre 1769 entschloss sich die Akademie, die Frage zum Gegenstand einer aka- denüschen Preisbewerbung zu machen. ^ Siehe J. Grimm's Abhandlung über den Ursprung der Sprache vom 9. Juni 185 1 und Vahlen a. a. O. S. 31 ff. Eine kurze, feine Anzeige der HEROER'schen Ab- handlung hat Math. Claudius veröffentlicht (Werke 1879 i. Bd. S. 83ff.). Die Preisaulgaben (Herder). 41») Für (las Jahr 1775 stellte sie zwei Preisaufgaben, von denen die zweite, pliilosopliisclie, für das Jalir 1776 wiederholt wurde. Um beide hat sich Herder bemüht, aber den Preis nur für die erste gewonnen. Die Akademie hatte i . eine Untersuchung über die Ursachen des Verfalls des Geschmacks bei den verschiedenen Völ- kern und 2. eine Prüfung der beiden Grundkräfte der menschlichen Seele, Erkennen und Empfinden, verlangt. Beide Aufgaben waren nicht willkürlich gewählt, sondern hatten sich den Akademikern bei ihren eigenen Studien aufgedrängt. Über den »Geschmack«, diesen eigenthümlichen und wichtigen Begriff des Zeitalters der Aufklärung, hatte Formey bereits in der Sitzung vom 22. Juli 1756 einen Vortrag gehalten^ und dann in den Sitzungsberichten des Jahres 1760"" eine Analyse des Begriffs zu geben versucht. An Herder's Arbeit vermisste die Akademie eine ausreichende princi- pielle Begrifi'sbestimmung ; aber sie ertheilte ihr mit Recht den Preis; denn gewiss kam keine andere Abhandlung ihr gleich an Reichthum der geschichtlichen Kenntnisse, Feinheit der Beobachtung und Verständniss für den verschiedenen Werth des »Geschmacks«, je nach den Bedingungen (natürlichen oder künstlichen), unter denen er entstanden ist, und den Verbindungen mit Überlieferung, Sitten und Gewohnheiten, in denen er lebt. Vor allem aber lag die Be- deutung der Abhandlung darin, dass sie den »Geschmack« der Zeit selbst durch die Überleitung vom »Geschmack« zur Humanität zu vertiefen suchte: »Je mehr wir die Humanität auf die Erde rufen, desto tiefer arbeiten wir an Veranlassungen, dass der Ge- schmack nie mehr eine blosse Nachahmung, Mode oder gar Hof- geschmack, ... sondern mit Philosophie und Tugend gepaart ein dauerndes Organum der Menschheit werde«. Die andere Preisfrage über Erkennen und Empfinden als die Grundkräfte der Seele traf einen Hauptpunkt der lange vernachlässigten Psychologie; allein die Akademie besass selbst keinen Gelehrten, der als competenter Richter hätte gelten können. So wurde die Abhandlung des Pastor Eberhard in Charlottenburg, des Verfassers der »Neuen Apologie des Sokrates«, gekrönt, die der Popularphilosophie jener Tage ent- sprach^, aber das Problem zu fördern und aus den dogmatistischen ^ Siehe Akademisches Protokull. ^ Sie erschienen 1767, Forjiey's Abhandhing ist also vielleicht erst in diesem Jahre niedergeschrieben oder redigirt worden. ^ Vergi. auch Mexdelssohx's Gesammelte Schriften Bd. IV. i S. i22fl". (vom Jahre 1776). 416 Die wissenscliai'tliclic Bedentung der Akademie Friedrich's IL Voi'urtlieilen lieraiiszutülireii nicht im Stjuide war. Herder's Unter- sucliuiig", die, oliiie die Fesseln irgend einer Schule und in ausge- sprochenem Gegensatz zu LEiBNiz-WoLFF'schen Speculationen, von den einfachsten empirischen Erfahrungen ausgeht und bereits mit physiologisch -psychologischen Mitteln arbeitet, unterlag zweimal \ Aber diese Niederlage entmuthigte doch den Genius nicht; in einer dritten Fassung liess er die Abhandlung drucken und betheiligte sich dann noch einmal an einem von der Akademie veranstalteten wissenschaftlichen Wettkampf. Diesmal galt es einer von der Klasse der Beiles -Lettres für das Jahr 1780 gestellten geschichtsphiloso- phischen Frage, die im Zeitalter des aufgeklärten Despotismus sich aufdrängen musste, zu deren Beantwortung aber doch nicht nur vSachkunde und Takt, sondern auch Kühnheit gehörte: »Quelle n vtv Tiniluence du Gouvernement sur les Lettres chez les nations oü elles ont ileiiril' Et (jtielle a ete rintluence des Lettres sur le Gouvernement;'" Herder, der unterdessen von Bückeburg nach Weimar über- gesiedelt war, erhielt den Preis, Seine Abhandlung zeichnete sich, wie die Arbeit über den Verfall des Geschmacks, durch eine tief- sinnige und lebendige Betrachtung der Geschichte aus, wde sie die Aufklärimg nicht kannte. Diese HERDER'schen Essays sind für den grossen Umschwung der historischen Auffassung epochemachend ge- wesen; heute noch stehen wir unter ihrem Eintluss. Was ihn zu der Arbeit bestimmt hat, hat er in den Worten ausgesprochen: »Mein Bestreben war, nicht leeren Wetteifer in Gelehrsamkeit, sondern eine Gelegenheit zu suchen, w^o ich nach mancherlei Nachforschung und Erfahrung zur Blüthe und Frucht der Wissenschaft auch in unseren Staaten etwas Nützliches sagen könnte«. Wie in Herder's Antwort, so schon in der Fragestellung der Akademie selbst erkennt man auch den Einiluss der Regierung des grossen Königs. W^ir brauchen nicht erst Nachforschungen anzu- stellen, ob Friedrich die Frage gekannt und gebilligt hat: wir wissen Aäelmehr, dass die Akademie sie ausgeschrieben, um den Absichten ihres Monarchen und Curators entgegenzukommen. Gerade damals, in dem Jahre 1777/78, hat er auf's Entschiedenste verlangt, dass bedeutende Themata aus der Geschichts- und Moralphilosophie, die ihn am Ende seines Lebens fast ausschliesslich beschäftigten, ge- stellt würden. Einen besonderen Anlass zu dieser Forderung hatte ein im Jahre 1777 von der Akademie gestelltes Thema über die »primi- tive Kraft« geboten. Die umständliche Formulirung war nicht glück- 1 Veri»]. Vahlen. a.a.O. S. ^6ff. Die Pi-eisaufgaben (Nutzen der Täuschung des Volkes). 41 i lieh. d'Alembert bezeicliiiete sie sogar als lächerlich, schrieb, dass sein Urtheil in Paris getheilt werde, und legte es dem Könige nahe, die unzweckmässige Preisaufgabe zurückziehen zu lassen und dafür das Thema zu stellen, das längst zwischen ihnen schwebte (s. oben S.372): »S'il peut etre utile de tromper le peuple^?« Fried- rich hatte sich bisher noch gescheut, diese Frage der Akademie als Preisthema zu empfahlen, obgleich es ihm schmerzlich war, dass der Pariser Freund sie anders beantwortete als er selbst, und er deshalb eine vorurtheilslose Prüfung vor einem europäischen Areopag wünschen musste. Jetzt, unter dem Eindruck, dass sich die Akademie durch das Thema von der »primitiven Kraft« bloss- gestellt habe und zur Zurückziehung desselben bestimmt werden müsse, wurde er schwankend. Er schreibt d'Alembert, er wisse nicht, wer in seiner Akademie fähig sei, die Frage zu beantworten, nachdem Lambert gestorben, vielleicht Beguelin. Er geht dann wieder auf die Sache selbst ein und sucht den frülier behaupteten Standpunkt zu vertheidigen, dass zum Wohle des Volkes Täu- schungen erlaubt seien. Dieser Brief ist am 5. October geschrieben". Elf Tage später hat er sich entschieden. d'Alembert 's Hinweis, dass nicht in Paris, sondern nur in Berlin eine so freimüthige Frage unparteiisch und rein sachlich behandelt werden könne, mag den Ausschlag gegeben haben. Am 16. October richtete er an die Akademie eine Cabinetsordre^, in welcher er befalil, "questions tres- interessantes et tres-utiles« statt unverständlicher auszuschrei- ben*, und weiter anordnet, das Thema von der «primitiven Kraft« zurückzuziehen und dafür die Preisaufgabe zu stellen: »S'il peut etre utile de tromper le peuple^«. Nur solange man diese Vorgeschichte des ominösen Themas nicht kannte, konnte man behaupten, der König ha,be die Akademie ^ Bi'ief vom 22. September 1777 (OEuvres T. 25 ]).84ff.). " Qiiuvres T. 25 p.88. ^ Akademisches Archiv, Fase. "Preisfragen«. ^ Der König sah in der »primitiven Kraft« die »schwangere Monade« wieder- kehren , um die sich seine Akademiker zu Maupertuis' Zeiten gezankt hatten. ^ Ein vertraulicher Brief de Catt's an Formet (16. October 1777, CEuvres T. 25 p.277), der die Gemüthei% soweit möglich, beruhigen sollte, begleitete die Ordre. Hier heisst es: »Voici une lettre de S. M. que vous lirez dans votre prä- miere assemblee. On a tronve la question proposee .... un peu difficile ä saisir, et on y a substitue celle que vous lirez dans la lettre. J'ignore si ce changement pourra se faire [damit deutete Catt an , dass des Königs Entschluss an diesem Punkt nicht unwiderruflich sein dürfte] ; vous aurez la bonte de nie dire le resultat de l'Academie«. Geschichte der Akademie. I. 27 418 Die wiss(>iiscliaftliclie Bedeutmit!; der Akademie Friedrich's II. in Verlegenheit setzen oder gar verspotten wollen. Niclits hat ihm ferner gelegen. Man darf vielmehr nmgekehrt behaupten: damit, dass Friedrich der Akademie dieses Thema empfahl und vorschrieb, hat er ihr einen Beweis seines besonderen Vertrauens gegeben; denn er hat sie für competent erklärt, eine Streitfrage entscheiden zu hel- fen, die seit fast zehn Jahren ihn selbst und d'Alembert beschäftigt hatte, und in der sich für ihn das hödiste Problem der Staats- weisheit und Regierungskunst darstellte. Man darf nicht vergessen, welchen Umfang für den alternden, in seinen Überzeugungen immer herber werdenden König der Begriff «Täuschung« hatte! Das Ge- biet der »Wahrheit« war in seinen Augen durch die engsten Grenzen umschrieben und lag in eisigen Höhen — der Deismus, die Ptlicht und die Naturphilosophie. Alles Übrige, alle concreten Religionen, alle Culturmittel , die ganze bunte Welt des Lebens galt ihm als «Täuschung«. Mit welcher unerbittlichen, schrecklichen CJewalt musste da die Frage seine Seele bevv^egen: kann man ein Volk ohne Täuschungen regieren? Wie stark musste sich dem Staatsmann die Antwort aufdrängen: man kann es nicht; also muss man täuschen! Aber wie niederschlagend war diese Antwort! Statt zu befreien, verstrickte sie in Unwahrhaftigkeit und schien zugleich jeden Fort- schritt zu lähmen. Der Optimismus des Aufklärers zerschellte an dem harten Fels des «Volkes«, das für die reine Wahrheit unzu- gänglich ist. Der Staatsmann musste dem Philosophen erklären , dass er mit seiner »Wahrheit« nicht regieren könne. Aber vielleicht giebt es doch einen Ausweg? man muss alles daransetzen, ihn zu finden! Alle Denker müssen aufgefordert werden, ihn zu suchen: in diesem Sinne übergab der König seiner Akademie das Thema. Duo cum quaerunt idem , non est idem: das hatte der König doch nicht genügend bedacht! Von der Kränkung abgesehen, die in der Forderung lag, ein bereits gestelltes Thema zurückzuziehen — • was wird man in Europa sagen, wenn die Akademie plötzlich die Preisaufgabe stellt: »Kann es nützlich sein, das Volk zu täuschen?« Will sie ihren König brüskiren? oder, wenn daran nicht gedacht werden kann, will sie einen anderen Monarchen kritisirt sehen? oder ist sie frivol geworden und spielt mit den Grundsätzen der Moral? oder — wenn man den Ursprung des Themas erfuhr — will der König seine Akademie verhöhnen? Die Akademie gerieth durch die königliche Ordre in die höchste Aufregung. Die philo- sophische Klasse, unter Sulzer's Führung, verlangte eine Plenar- sitzung. Dem Willen des Königs Avagte Niemand zu widersprechen; Die Preisaufgaben (Nutz(Mi der Täuschung des Volkes). 411) aber vielleicht Hess sich durch eine Formuliruiig die fast brutal klingende Frage mildern. Drei Fassungen wurden vorgeschlagen und dem Könige eingereicht; zugleich bat die Akademie — das war kein ungeschickter Einfall — dem Thema die Worte vorsetzen zu dürfen: «auf Anordnung des Königs«. Diesem waren unterdessen selbst gewisse Bedenken aufgestiegen. Er Hess durch Catt am 5. November 1777 antworten^, die von der Akademie aufgestellte Frage über die primitive Kraft solle bestehen bleiben, aber auch bei dem von ihm vorgeschriebenen Thema habe es zu verbleiben, nur sei es nicht für 1779, sondern für das fol- gende Jahr auszuschreiben: was die Fassung anlange, so billige er die dritte Form, welche die Akademie vorgeschlagen habe, allein sein Name dürfe nicht erwähnt w^erden, endlich, Preisschriften, in denen irgend eine Regierung, sei es welche auch immer, atta- quirt werde, sollten bei der Beurtheilung unberücksichtigt bleiben. Damit war doch Einiges erreicht, freilich nicht viel. Erspart war der Akademie die Demüthigung, ihr Thema zurückziehen zu müssen, und die besonnenste Fassung war gewählt worden". Allein des Königs Name durfte nicht genannt werden, und ausserdem legte die letzte Bestimmung der Akademie eine zwar nothwendige, aber peinliche und verantwortungsvolle Beschränkung auf. Das Ausschreiben machte das grösste Aufsehen. Dass der König hinter der Aufgabe stehe , musste man vermuthen , zumal da sie doch als eine ausserordentliche erschien, weil bald für das Jahr 1780 eine zweite Aufgabe — eben jene, die Herder bearbeitet hat, über den Einfluss der Regierung auf die Litteratur — gestellt wurde^. Nicht w^eniger als 42 Bearbeitungen liefen ein: ein Beweis, dass das Thema die Moralphilosophen und Politiker überall interessirte. Keine einzige Schrift brauchte ihres staatsfeindlichen Inhalts wegen zurückgewiesen ^ Akademisches Archiv, a. a. O. - Die endgültige Formulirung lautete: »Est-il utile au peuple d'etre trompe, snit qu'on l'induise dans de nouvelles erreurs, ou (pi'on i'entretienne dans Celles oii il est:'» ^ Beachtet man, dass diese Aufgabe die erste ist, die die Akademie gestellt hat, nachdem sie die scharfe Mahnung, interessante und nützliche Themata auszu- schreiben, vom Könige erhalten hatte, und vergleicht man die Aufgabe mit jener anderen über die Täuschung, so kann man einen berechneten Zusammenhang hier nicht verkennen. Auf die Absicht, die der König bei dem Täuschungsthema hatte, ist die x\kademie ihrerseits mit der neuen Preisaufgabe eingegangen, aber so, dass sie die wichtige Vorfrage stellt, wie sich »Gouvernement" und »Lettres« zu einander verhalten. Darf man nicht sagen, dass die Akademie in feiner Weise das königliche Thema kritisirt hat und doch dabei des Beifalls des Königs sicher sein konnte? 27* 420 Die Avissenschai'tliclie Bedeutung der Akademie Friedrich's II. ZU werden; aber fünf liefen zu spät ein und in vier anderen hatten sich die Verfasser genannt. So blieben 33 zur Beurtheilung übrig. In zwanzig war die gestellte Frage verneint, in dreizehn bejaht. Von jenen wurden vier, von diesen sieben als gut bezeichnet. Zwei unter ihnen wurden gekrönt, indem man den Preis theilte, nämlich die Abhandlung Becker's, Gouverneur des Baron Dachröden in Erfurt (verneinend), und die des Prof. Castillon jun. in Berlin (bejahend)'. Man verdenkt es der Akademie bis auf den heutigen Tag, dass sie sich «so gesinnungslos aus der Affaire gezogen hat«*, um es weder mit Friedrich dem Könige, noch mit Friedrich dem Philo- sophen zu A^erderben. Allein dieses Urtheil zeigt wenig Sachkunde imd ist höchst ungerecht. Der König liess die Akademie ganz frei entscheiden — schon d'Alembert's wegen — : von ihm war also nichts zu befürchten. Hätte sie die Wissenschaft um des Königs willen beugen wollen, so hätte sie lediglich eine bejahende Antwort krönen dürfen. Aber, sagt man, es liegt doch auf der Hand, dass sie nur eine verneinende auszeichnen durfte, wenn sie nicht ihre Moral und ihr Ansehen auf's Spiel setzen wollte? So scheint es, aber man erwägt bei dieser Behauptung nicht, dass ihr das Thema aufgedrängt war, und dass sie es eben durch die Art ihrer Ent- scheidung in dieser seiner spröden Form für unlösbar erklärt hat. Es ist oben darauf hingewiesen worden, was der König und mit ihm gewiss viele Zeitgenossen als «Täuschung« und »Täuschungs- mittel« betrachteten. Andere aber beurtheilten diese angeblichen Täuschungen sehr anders. Somit führte die Frage mit Nothwendig- keit auf eine Untersuchung des Begriffs der Täuschung und der Täuschungsmittel selbst. In dem Momente aber war sie eigentlich schon zerstört, bez. in eine ganze Reihe von Einzelfragen aufgelöst, die entgegengesetzte Antworten nöthig machten: z. B. es ist nützlich, dem Volke Wahrheiten in symbolischer Gestalt zu lassen und zu geben, aber es ist schädlich, es mit hohlen oder unwahren Sym- bolen zu belügen, u. s. w. Die Akademie that also nicht nur das Klügste, sondern auch das Würdigste, was sie thun konnte, wenn sie die eingereichten Abhandlungen nicht auf ihr Schlussergebniss hin prüfte, sondern auf den Fleiss, die Sachkunde und die Umsicht, die ihre Verfasser angewendet hatten. Den billigen Spott der Leicht- fertigen, sie habe Ja und Nein zugleich gesagt, konnte sie leichter ertragen als die ernste Vorhaltung der Moralisten, sie habe sich an ^ Der akademische Referent in dieser Sache ist Beguelin gewesen. Becker hat sich später um die deutsche Volkshildung Verdienste erworben. Die Preisaufgaben (Nutzen der Täusduuig des Volkes). 421 der Wahrheit versündigt. Allein mit gutem Gewissen durfte sie auch diese Kritik zurückweisen: wenn die Frage keine einfache Antwort zuliess, wie konnte da die Antwort Zeugniss ablegen für die souveräne Geltung der Wahrheit und der Wahrhaftigkeit? Der König selbst hat später von der ganzen Sache nichts mehr hören wollen. Formey erzählt, er habe sich bereits im Jahre 1780 unwissend gestellt, als die Rede auf die peinliche Preisfrage ge- kommen sei^ Das ist wohl begreiflich. Das königliche Monitum vom Jahre 1777 hatte die Folge, dass die Akademie abstract- philosophische Preisfragen nicht mehr stellte. Dem glücklichen Thema von den Wechselwirkungen zwischen «Gou- vernement« und »Lettres« folgte für das Jahr 1784 das nicht minder ausgezeichnete : »Qu"est-ce qui a fait de la langue frangaise la langue universelle de l'Europe? Par oü merite-t-elle cette prerogative? Peut-on presumer qu'elle la consei'vel'« Eindringende und aufklärende Untersuchungen über den Sieges- lauf der französischen Sprache Avaren hier gefordert; aber auch universalhistorische, vergleichende Erwägungen über die Ursachen, durch welche einst das Griechische und Lateinische zu Universal- sprachen gew^orden sind, waren unvermeidlich. Der Preis wurde zwischen einem Deutschen, dem Professor Schwab in Stuttgart, und einem Franzosen, dem Grafen Rivarol in Paris, getheilt. Für das Jahr 1785 stellte die Akademie eine Aufgabe, die noch immer als eine Folge des Täuschungsthemas zu betrachten ist: man sieht, wie die königliche Mahnung gewirkt hat und wie sich die Akademie bemühte, den Absichten Friedrich's zu folgen, aber dabei die Themata unzweideutig und fruchtbar zu formuliren. Die Auf- gabe lautete: »Quelle est la meilleure maniere de rappeler ä la raison les nations, tant sauvages que policees, qui sont livrees ä l'erreur et aux superstitions de tout genre?" Wir finden heute dieses volkspädagogische Thema zu allgemein ; allein in einer Zeit, die unter dem Eindruck der Schriften Rousseau's stand, von den principiellsten Fragen bewegt war und sich von der mittelalterlichen Paedagogik losrang, gab es talentvolle Köpfe genug, die diese Aufgabe aufklärend zu behandeln vermochten. Den Preis erhielt Ancillon, französischer Prediger in Berlin, später Mitglied der Akademie. Es war zum letzten Mal, dass die Akademie Friedrich's ihr Ur- theil über eine Frage aus dem Gebiete der Philosophie und der Lit- ^ .Souvenirs T. I p. r35f. 422 Die wissenscliaftliclie Bedeutuiii>- der Akademie Fkiedrich's 11. teratur abgegeben hat. Zwar hat sie noch zweimal (für 1787 und 1788) solche Themata gestellt — das zweite in unverkennbarer Be- rücksichtigung einer Abhandlung des Königs ; aber als die Antworten einliefen, war es nicht mehr die alte Akademie, die sie beurtlieilte\ Übersieht man die ganze Reihe der Preisfragen von 1745 an, so wird man behaupten dürfen, dass sich die Akademie niemals in Kleinliches verloren hat, dass sie die ihr selbst in den Preisaufgaben gestellte grosse Aufgabe würdig gelöst, die Zeichen der Zeit ver- standen und sowohl der fortschreitenden Cultur als manchen Einzel- Avissenschaften die Fackel vorangetragen hat. Missgrifte haben nicht gefehlt, und durch ihre Zusammensetzung waren ihr gewisse Schran- ken gezogen; aber sie war und blieb freier, weitsichtiger und sach- kundiger als irgend eine andere Akademie Europas. 2. Nur mit wenigen Strichen kann hier angedeutet werden , was ein- zelne hervorragende Akademiker geleistet haben, und welche Stellung ihnen , und mittelbar durch sie der Akademie , innerhalb der Gesammt- gescliichte der Wissenschaften zukommt. Irreführend wäre es, wollte man bei der Beantwortung dieser Frage von den einzelnen Wissen- schaften ausgehen; denn der Begriff «Wissenschaft« war noch nicht ein so loses Gefüge von Disciplinen, wie er es in unserem Jahr- hundert geworden ist, sondern er schwebte als ein Ganzes vor Augen, und die Ausbildung einer neuen Form wissenschaftlicher Überlieferung und Mittheilung im Gegensatz zur scholastischen be- schäftigte die höher Strebenden mindestens ebenso sehr wie die Sache selbst. Dieses Werthlegen auf die Form entsprang einem sehr lebhaften didaktischen und moralischen Bestreben: man wollte nicht nur Wissen verbreiten, noch weniger todte Gelehrsamkeit pflegen, sondern man wollte eine vernünftige Denkungsart durch- setzen, überall die Aufklärung befördern und den sittlichen Zustand der Gesellschaft bessern. So stark drängten sich diese Zwecke vor, ^ Das Thema für 1787 verlangte eine Darstellung der elterlichen Autorität, ihrer Grundlagen und ihrer Grenzen, nach dem Naturrecht, mit besonderer XTnter- scheidung der Reclite des Vaters und der Mutter, nebst einer Untersuchung, wie das positive Recht hier zu gestalten sei. Das Thema für 1788 lautete: »Conunent l'imitation des ouvrages de litterature etrangere, tant ancienhe que moderne, peut- elle developper et perfectionner le goüt national?" Man vergleiche dazu das Thema für 1784 und Friedrich"s Abhandhing über die deutsche Litteratur. Den Preis erhielt 1787 ViLLAUME (das Accessit Klein, bedeutender Jui-ist, später Mitglied der Akademie). Die Philosophie Friedkich's des Grossen. 423 dass sie aucli den materiellen Betrieb der Wissenschaften eigen- tliümlich zu begrenzen und zu beschränken suchten: gewiss — alles, was der Verstand erarbeitet, die Vernunft gebilligt hat, soll gelten; aber wissenswürdig ist eigentlich nur das, w^as den vernünftig- moralischen Menschen belehrt: alles Übrige ist im besten Fall Vorarbeit, sind Gerüste, die man wieder abbricht. Auch in das "Wesen der Erscheinungen soll man nicht tiefer eindringen wollen, als der gemeine Verstand zu folgen vermag, und vollends sind alle paradoxen Hervorbringungen einer productiven Phantasie zu ver- bannen. Nur als »Esprit« und als Waffe gegen den Aberglauben hat die Phantasie des Genies Bürgerrecht in der Wissenschaft, die zugleich Cultur ist: sie soll ihre Hervorbringungen eindrucksvoll fassen, blitzend beleuchten und siegreich vertheidigen. Durch »Rai- son« — klar und formvollendet an jedem wissenswürdigen Object entwickelt — zur Moral und Toleranz: das ist die Aufgabe der Wissenschaft. So dachte der Monarch, der die Akademie leitete, und in diesem Sinne wollte er sie arbeiten sehend Dieses sein Ideal aber ist in Wahrheit kein anderes als das Cicero's, genauer bestimmt durch die grossen Franzosen des Zeitalters Ludwig's XIV. und — durch Voltaire. Der König ist bei der ersten der drei Hervorbringungen der französischen Aufklärung stehen geblieben ; er ist weder mit La Mettrie und DmEROT zum Materialismus, noch mit Rousseau zur Subjectivität fortgeschritten, sondern er beharrte bei den älteren Franzosen und bei Voltaire. Neben ihnen übte nur Bayle einen durchschlagenden Einlluss auf ihn aus. Aber auch Voltaire's und Bayle's Einüuss darf man nicht überschätzen. Jener entzückte ihn durch den Geist, die Klarheit und die siegreiche Gewalt der Rede, mit der er die Schlachten wider Aberglauben, Intoleranz und Verfolgungssucht leitete und gewann; dieser imponirte ihm durch die unerschütterliche Ruhe, die kritische Unparteilichkeit und die skeptische Zurückhaltung. Aber assimilirt hat er sich beide doch nur so weit, als es die antiken Überliefe- rungen, mit denen seine Seele verschmolzen war, zuliessen. Er lernte von Voltaire, dass Newton der grösste Physiker sei, die Mechanik des Himmels entdeckt und eine neue Centralwissensehaft geschaffen habe; er liess sich von Maupertuis die mechanischen ^ Bartolmess, Histoire philos. de l'Acad. de Prusse T. I p. 247— 327: Fre- deric II, Historien et Philosophe. Zeller, Friedrich der Grosse als Philosoph, 1886 (z. Th. vorher erschienen in der Deutschen Rundschau Bd. 44 Heft 12: «Friedrich der Grosse in seinem Verhältniss zu der Philosophie seiner Zeit und der Vorzeit«). 424 Die wissensclinftliclie Bedeutung der Akademie Friedkich's 11. Probleme erklären; er i)ries mit Beiden Locke als den maassge! »enden Philosophen der geläuterten Empirie und der kritischen Aufklärung; er las Montesquieu, der aus der englischen Geschichte die Uni- versalgeschichte verstehen lehrte; aber bis in den Mittelpunkt seines geistigen Wesens drangen alle diese Erkenntnisse nicht vor. Er konnte unter Umständen sie alle — nicht etwa nur die Geometrie, sondern auch die ganze moderne Naturphilosophie — ironisch be- handeln und als Spielereien der Gelehrten abschütteln; denn er glaul)te einen sicheren Schatz zu besitzen, in welchem bereits alle geistigen Güter gegeben seien, die Alten. Er, der sie nur aus Übersetzungen kannte, lebte in ihnen, nicht kraft gelehrter Über- lieferung und Auswahl, sondern kraft fortwirkender Tradition. Die französischen Klassiker des 17. Jahrhunderts, jene Popularphilo- sophen , Poeten , Redner und Prediger, in denen das Zeitalter der Renaissance eine gallische Nachblüthe erlebt hat, waren seine gei- stigen Väter; sie haben ihm Cicero, Marc Aurel, die älteren Stoiker und einige antike Historiker vermittelt und in ihm die Denk- und Empfindungs weise, die Auffassungen von Wissenschaft, Moral, Re- ligion und Poesie geptlanzt, die seine Seele bestimmten. Wahr- scheinlich hat es im ganzen 18. Jahrhundert in Deutschland keinen Denker gegeben, der so sehr und so ausschliesslich mit Epikur einer- seits, mit den antiken Moralisten andererseits empfunden hat wie der König. Alle ethischen Probleme blieben für ihn in dem Streit der Stoiker und Epikureer beschlossen; alle metaphysisclien Fragen interessirten ihn im Grunde nur so weit, als sie Cicero interessirt hatten. Über das Verhäitniss von Theorie und Praxis in der Wissen- schaft dachte er wie jener; wirkliches Griechen thum lag ihm so fern wie dem Römer. Auch in der Poesie war ihm das Didak- tische das Höchste. Die Welt der Gefühle warf er in das Pathos des Redners und in die Freundschaft, aber verbannte sie sonst: durch rein objective Darlegungen und durch krystallklare Formen sollen die subjectiven Wirkungen erzeugt werden. Alles antik gedacht und empfunden, freilich nach dem Maassstab einer latei- nischen Antike von charakteristischer Beschränkung, aber nicht einer künstlich erzeugten. Sie war in Frankreich gewachsen, in natürlicher Abfolge von den Tagen Abälard's an und weiter zu- rück, bis sie sicli in dem Staate Ludwig's XIV. zu voller Blüthe zu entfalten vermochte. Und diese Denkweise complicirte sich bei dem Könige nicht etwa im Laufe seines langen Lebens, im Gegentheil — sie trat allmählich immer souveräner hervor, und die modernen Die Philosopliie P'riedkicii".s des Grossen. 425 Pliilosoplien traten als blosse «Verbesserer« zurück. Mehr luid mehr warf er als unnützen Ballast ab, was er unter dem bestim- menden Einfluss von Freunden aufgenommen hatte, und stellte sieh nur fester und entschiedener auf die antike Basis. In der theore- tischen Philosophie blieb er Anhänger Epikur's ; denn dieser ist der Philosoph, der allen theologischen und mythologischen Aber- glauben abgeworfen und auf dem Boden der Erfahrung eine rein natürliche Welterklärung zuerst gezeichnet hat — »die Philosophie verdanken wir Epikur; Gassendi, Newton und Locke haben sie ver- bessert; ich mache mir eine Ehre daraus, ihr Schüler zu sein, aber nicht mehr«, schrieb er im Jahre 1775 an Voltaire^ (vergi. dazu die Äusserung Friedrich's oben S.373). Die epikureische Ethik jedoch genügte mit den Jahren immer weniger seiner herben Stimmung und seinem unbeugsamen Pflichtgefühl : hier war und blieb 3Iarc Aurel sein Ideal, sein Tröster, ja sein Heiland, und immer entschiedener trat das moralisch -paedagogische Interesse aus allen anderen hervor und drängte sie zurück: jeder Schriftsteller, der das Publicum nicht bessern will, soll sich sagen, dass er umsonst geschrieben hat. Diese Enge des Standpunkts des königlichen Philosophen — der Staatsmann in ihm ging seine eigenen Wege und folgte Pufen- DORF und Thomasius — wurde compensirt durch eine Reihe prak- tischer Überzeugungen, an denen der König unverbrüchlich fest- hielt. Erstlich dass jeder, der gegen die Verblendungen des Aber- glaubens zu Felde zieht, als ein Bundesgenosse zu begrüssen sei, einerlei in welchem Regimente er dient. Der Skeptiker, der Epi- kureer, der Atheist, der Prediger, Alle waren sie ihm willkom- men, wenn sie an der grossen Aufgabe, die kirchliche und philo- sophische Barbarei zu bekämpfen , mitarbeiten wollten. Zweitens, jede Überzeugung, mit Gründen vorgetragen, vernünftig entwickelt und klar und gefällig dargestellt, respectirte der König, ja er er- kannte in dem richtigen und eindrucksvollen Gebrauch der Dar- stellungsmittel einen so hohen Vorzug, dass er bereit w^ar, über die Anstösse des Inhalts hinwegzusehen: Aufklärung ist bereits überall da, wo Geist und Klarheit, Zucht der Gedanken und An- muth herrschen. In diesem Sinne las er die Predigten der grossen französischen Oratoren mit Entzücken und rechnete die Verfasser geistvoll geschriebener kirchlich -apologetischer Tractate ebenso zu seiner Gemeinde, wie DroEROx und die Mitarbeiter der Encyklo- ^ QEuvres T. XXIII p.350 (8. September 1775). 420 Die wissenschaftliche Bedeutung der Akademie Friedkich's IL pädie. Endlich — und das war eine schmerzliche Erkenntniss — der Staatsmann lehrte den Philosophen , dass das «Volk« noch für eine lange Zeit, vielleicht für immer, der Täuschungen, d. h. der positiven Religionen, nicht enthehren könne. Von hier aus fiel noch einmal ein besonderer Accent auf die Form: wenn es un- möglich ist, eine vernünftige Denkungsart allgemein zu verbreiten, wenn sell)st Männer wie Maupertuis und Euler in unbegreiflicher Verblendung an dem Gedanken einer geoffenbarten Religion und einer lebendigen Einwirkung der Gottheit festhalten, so soll wenig- stens Alles, was vorgetragen wird, klar, in sich verständig und anziehend sein. Wenn sich in diesem Medium der Theologe, der Historiker und der Naturforscher, und wiederum der Olfenbarungs- gläubige und die Anhänger aller Philosophenschulen zusammen- finden, so ist zu hoffen, dass wenigstens die schlimmsten Wir- kungen der Superstition, nämlich Barbarei, Zuchtlosigkeit und Fana- tismus, schwinden. In diesem Sinne wirkte der König in den Schriften, die er als Akademiker geschrieben hat, imd hier liegt zugleich die her- vorragendste Bedeutung, welche der Akademie in der Geschichte der W^issenschaft und Cultur des i8. Jahrhunderts zukommt. Ihre grössten Verdienste sind zunächst nicht in der Förderung der Einzel- wissenschaften zu suchen, so bedeutend diese auch gewesen ist (s. unten), sondern in der allgemeinen, umbildenden Einwirkung auf den Zustand der Wissenschaften, auf die Aussprache ihrer Lehren und auf die geistige Stimmung ihrer Vertreter'. Vergleicht man, wie in Deutschland vor 1740 und nach 1780 über wissenschaftliche Dinge geschrieben worden ist und welchen Antheil dort und hier die Nation an wissenschaftlichen und auf die allgemeine Cultur bezüg- lichen Fragen genommen hat, so springt der ungeheure Unterschied in die Augen. Vorher schrieb man , um mit Mendelssohn zu reden, in Deutschland nur für Professoren und für Schulknaben, und jede wissenschaftliche Diseiplin bildete eine abgeschlossene Kaste von Adepten. Die grossen nationalen und europäischen Denker und Ge- lehrten um 1700, voran Leibniz, hatten noch vergebens diesen Zu- ^ Es ist jene Stimmung, der der jugendUche Göttinger Student Johannes (von) Müller in einem Briefe an seinen Vater (177 1) einen so charakteristischen Ausdruck gegeben hat: »Auf die Tafel meiner Seele haben Schlözer, die Theo- logen in Berlin, Rousseau, Montesquieu, Mosheim, Abbt, Voltaire erhabene Wahrheiten geschrieben, die keine Zeit, keine Gewalt der Menschen, kein Schicksal austilgen soll«. Allgemeine Bedeutung der Akademie. 427 stand für die mittleren Schichten zu durchbrechen versucht. Erst allmählich lernte man, wie in Frankreich, für ein ideales Publicum zu schreiben und bildete sich damit ein solches \ Die erste Voraus- setzung hierfür war, dass ein Medium -wissenschaftlicher Stimmung- erzeugt wurde, welches vermittelnd und versöhnend die verschie- denen Standpunkte umgab, dass feste und anerkannte Formen wissen- schaftlichen Austausches geschaffen wurden, und dass man die Pro- bleme zu fassen und anziehend über sie zu schreiben lernte. In allen diesen Beziehungen ist der Eintluss der Akademie im nördlichen Deutschland unermesslich gross und durchschlagend gewesen. Man mag jede einzelne Abhandlung eines Sulzer, Merian, Formet und Beguelin und wiederum die der französischen Litteraten wie Franche- A^LLE, PeEMONTVAL , ToUSSAINT, ThIEBAULT , BiTAUBE U. S. W. UOCll SO gering taxiren — in ihrer Gesammtheit haben sie eine nicht leicht zu überschätzende Bedeutung gehabt. Die theologischen und philo- sophischen Standpunkte ihrer Verfasser sind ganz verschieden; die Themata entstammen allen möglichen Wissenschaften, der Metaphysik, der Geschichte, der Physik, der Aesthetik , der Litteratur u. s. w. ; die Temperamente der Autoren zeigen die grössten Gegensätze — aber dennoch sind sie von einem Geiste beherrscht und dienen einer Aufgabe: ein strebsames, für die geistigen Fragen aufgeschlossenes Publicum zu schaffen und zu erziehen, es von allen Einseitigkeiten zu befreien, es an gesundes Denken zu gew^öhnen, und ihm Geschmack und den lebendigen Sinn für die Wissenschaften zu geben. Nirgend- wo in den A'ierzig Bänden akademischer Abhandlangen auch nur eine Zeile ungehöriger, geschweige roher Polemik, nirgendwo pedantische, todte Gelehrsamkeit oder abstruse Behauptungen, aber auch kein ^ ]\Ian vergleiche die Mahnung Mendelssohn's vom Jahre 1760 (Gesammelte Schriften Bd. IV. ^2 S. 59): "Mit dem guten Ton in den Schriften will es auf unsern hohen Schulen noch nicht so recht fort. Man schreibt unter der Menge, die allda geschrieben wird, oft sehr gute und zuweilen vortreffHche Sachen. Und gleichwohl wette ich. dass ihre besten Schriften weder von Ausländern . noch von der grossen Welt in Deutschland jemals würden gelesen werden. Desto schlimmer für die Ausländer, und für die deutsche grosse Welt! sagen Sie vielleicht, dass sie dieser schönen Sachen entbehren müssen! Schon recht! W'enn aber ein Gelehrter einmal schreibt, so braucht er ja seine Absichten nicht bloss auf seine Zuhörer einzuschränken, und allenfalls, wenn er auch dieses thun muss, so bilde er sich ein, es befinde sich ein Plato, Aristoteles oder Locke unter seinen Zuhörern, denen er zu gefallen liat. Er wird alsdann Aveniger an die Univei'sitätsverhältnisse denken, weniger \'on der Professorenhöhe herabreden, und einen edlen und freien Ton annehmen, so wie er den Wissenschaften anständig ist.« — Diese Mahnung ist freilich auch heute noch nicht übertlüssig. 428 Die wissciiscliaftliclK-' Bedeutung d(!r Akadeuiie Fkif.dricii's II. Ausweiclien gegenüber den schwersten und einschneidendsten Pro- blemen, keine feige Zurückhaltung der Kritik, dagegen überall das energische Bestreben, der Wahrheit zu dienen, und die ernste Ab- sicht, durch Sorgfalt im Ausdruck luid durch Klarheit, Wärme und Geschlossenheit der Darstellung Beifall zu gewinnen. Auch lässt sich bei aller Verschiedenheit der Standpunkte eine sachliche Gemein- samkeit nicht verkennen: indem aller Schulzwang, der neue wie der alte, vermieden wird , indem trotz aller Spannungen der Wolffia- ner sich aufgeschlossen zeigt gegenüber der Philosophie Locke's, und der Empirist auch von Leibniz und W^olff lernen will, indem die uralten grossen Probleme nicht einer schnellfertigen Erfahrung geopfert, aber auch nicht dogmatisch verfestigt und erkenntnisstheo- retisch verschoben werden, entsteht wirklich in der Akademie un- absichtlich eine akademische Philosophie^ — sie ist eklektisch und bleibt durchweg >> vorkantisch « , d. h. sie glaubt zu wissen, was Em- pirie und was Ratio ist, und verzichtet auf allen bohrenden Tiefsinn. Dafür aber spricht sie eine jedem Gebildeten verständliche Sprache und ist unermüdlich thätig, neue interessante Probleme aufzusuchen, die alten in neuer Behandlung werthvoller zu machen, und den Zu- sammenhang der Philosophie mit allen geistigen Fragen, mit der Psychologie, der Religion, der Sprache, der Litteratur und der Ge- schichte aufrecht zu erhalten. Sie will Wissenschaft treiben, wie Cicero und Leibniz sie betrieben haben. So arbeitete die Akademie, und in dieser Thätigkeit, formgebend, vermittelnd, aufklärend und tolerirend, war sie ganz eigentlich die fridericianische Akademie. Die Eloges und die Abhandlungen, die der König in ihren Sitzungen hat vortragen lassen , bildeten in dieser Richtung das leuchtende Vor- bild". Mit Recht hat ihn Maupertuis den besten Mitarbeiter der Klasse der Beiles -Lettres genannt. Seine »Memoires pour servir ä Thistoire ^ Vergl. über die Signatur dieser Philosophie bez. philosoiDhischen Hahung die Ausführung von Merian in den Memoires 1797 p. 94 ff. Sie gipfelt in den Worten: »Je demande, que serait devenue notre classe de philosophie sous Wolff lui-nieme, ou sous quekpie coryphee de sa tribu ou d'une tribu quelconque? Une secte, regen tee par un chef de secte, tout ce qu'il y a de plus contraire ä une Academie, et d'oü le vrai esprit philosophique et academique eüt ete totaleinent exile!« und: »J'oserais encore affinner que ce meine Eclecticisme qui a rempli, en quelque facjon, Tintervalle entre Wolff et Kant, a coule en grande partie de chez nous, ou du moins a ete fortement encourage par nos philosophes: il regnait dans leur classe; et c'est la seule secte ou non- secte qui doit respirer dans une Academie«. ^ Eine Zusammenstellung findet man im Urkundenband Xr. 177, vergl. da/.u Kleinert"s Rede »Beziehungen Friedrich's des Grossen zur Stiftung der Universität Berlhiu (Abhandl. u. \'orträge 1889 S. 151 ff. 158). Allgemeine Bedeutung der Akademie (akademische Schriften Friedrich's). 429 de In Maison de Brandebourg« sind Muster freimiithiger und form- vollendeter historiselier Darstellung \ Seine Eloges auf Jordan, La Mettrie und Voltaire leliren, wie der eigene Standpunkt bei der Be- urtlieilung bedeutender Männer zurückzutreten hat. und wie man überall den Geist und das Gute aufsuchen soll. Seine fünf Essays zur Culturgeschichte und Moral sind ebensoviel Beispiele , wie sich, der Kritiker, der Philosoph, der Historiker und der Litterat die Hand reichen müssen, um die schwersten Fragen, welche die Geschichte der Menschheit bietet, in das richtige Licht zu stellen. Die Ein- heitlichkeit aller geistigen Bethätigung ist noch immer die Voraus- setzung wie für die Haltung Friedrich's so für die seiner Akademie, trotz ihrer Theilung in Klassen. Noch bildete die Wissenschaft und die Litteratur ein untrennbares Ganze, noch trat die Gesammtakade- mie in wissenschaftlichen LIauptfragen — z. B. in dem Streit Leibniz- LocKE — zusammen und überliess die Entscheidung nicht einer ein- zelnen Klasse; noch verlangte man von dem Pliysiker, dnss er auch Philosoph und Moralist sei, und umgekehrt; mindestens aber musste er »lettre« sein und das Vermögen besitzen, die Probleme, die ihn beschäftigten, gemeinfasslich und anziehend darzustellen. Es ist die- sell)e Haltung, die als Letzter in Deutschland, aber zugleich als Zer- störer, Kant behauptet hat. Doch schon in der Zeit von etwa 1775 an war sie nur noch diesem erstaunlichen Geiste möglich. Wer sie neben ihm noch festhalten wollte, der verkümmerte und hemmte. Die innere Bewegung, welche Rousseau entfesselt hat, zusammen- treffend mit einer Entwicklung der Einzelwissenschaften, die volle Hingebung verlangte, und mit einem neuen Klassicismus intensiver Art, dem Graecismus, machte dem Zeitalter der Universalgelehrten ein Ende. Doch kehren wir zur fridericianischen Akademie zurück. Fragt man, wo die Wirkungen sich besonders deutlich zeigen, die der geschilderten Art ihrer Thätigkeit entsprechen, so dürfen wir vor allem auf die Berliner Bewegung, auf Lessing, Mendelssohn, Nicolai und ihre Anhänger und Jünger verweisen. Die eigenthümliche Haltung dieses Kreises — sachlich und formell, in der Art, die Probleme anzufassen, in dein Raisonnement, in der gefälligen Schreibweise, dem leichten Witz, den Stilgattungen u. s. w. — ist durchaus fridericianisch und durch die Haltung der Akademie ^ Wie unermüdlicli er an der Ausfeilung gearbeitet hat, haben die Briefe an Maupertuis aufs Neue gezeigt (Geh. Staatsarchiv). Vorarbeiten lieferte ihm aus den Archiven u. A. Hertzberg. 4B0 Die \vis.seiiscli;irilicli<' Bedeutun!^- der Akndciiiie P"iuedricu"s IT. bestimmt, die sie vorfanden, und die unter dem Einfluss des Königs, Maupertuis' und Voltaire"s ausgebildet worden war. Vielleicht liat Voltaire selbst nicht so stark auf Lessing eingewirkt, wie alle geisti- gen Elemente zusammen, die er in Berlin vorfand und die an der Akademie ihren Mittelpunkt besassen^! Wie hätte sich ein Mendels- sohn zum Philosophen entwickeln können, ohne die Voraussetzungen, die die Akademie in Berlin geschaffen hat, und vor allem, wie hätte sich die ganze Berliner Aufklärung bilden können , ohne die Grund- lage und Stütze, die sie an jener führenden Körperschaft hatte? Aber, wirft man ein, ein fragwürdiges Verdienst, diese Aufklärung hervorgerufen und verbreitet zu haben mit ihrer oberflächlichen Polyhistorie , ilirer seichten Philosophie und ihrem bornirten Selbst- vertrauen! Das ist das Urtheil des 19. Jahrhunderts über jene Bewegung, und es ist wohl verständlich, aber es ist parteiisch und ungerecht. Sell:»st wenn man zugesteht, dass die «Aufklärung« die Züge angenommen hat, die in jenen Vorwürfen enthalten sind". ^ Doch wer kann den Einiluss übei-scliätzen, den Voltaire aucli auf die geistige Bewegung in Deutschland ausgeübt hat! Mit Recht hat Carlyle behauptet, wollte man ihn und seine Thätigkeit aus der Geschichte des 18. Jahrhunderts hin- wegnehmen, so würde dies einen grösseren Unterschied in der jetzigen Lage der Dinge hervorbringen, als von irgend einem anderen Menschen der letzten Jalir- hunderte gesagt werden könnte. 8eine Bedeutung liegt keineswegs nur auf dem Gebiete der Gedanken- und Stil])ildung, sondern vor allem in dem siegreichen Kampf für Freiheit und Menschenwürde gegenüber der Sclaverei und Barbarei des »Feudalismus«. »Er hat in ganz Europa einen Bund gestiftet,« sagt treffend Con- DORCET, »dessen Seele er war. Das Feldgeschrei dieses Bundes lautete: Vernunft und Toleranz! Wurde irgendwo eine grosse Ungerechtigkeit verübt, vernahm man von einer That blutiger Verfolgungssucht, wurde die Menschenwürde verletzt, da stellte eine Schrift Voltaire's die Schuldigen vor ganz Europa an den Pranger.« Li Preussen aber sind vornehmlich Friedrich der Grosse selbst lind die Akademie die A^ermittler gewesen, durch welche Voltaire's Geist, d.h. der Geist der Dul- dung und Humanität, wirksam geworden ist, obgleich er keine Zeile für die Aka- demie geschrieben hat und die Akademiker ihm persönlich fast sämintlich abgeneigt waren. Sofern sie Calvinisten und Deutsche waren , fühlten sie ihm gegenüber wie Goethe, der nach der Leetüre der Denkwürdigkeiten Voltaire's an Frau von Stein schrieb (1784): »Du wirst empfinden, es ist, als wenn ein Gott, etwa Mo- inus, aber eine Canaille von einem Gott, über das Hohe der Welt schriebe«. ^ Die Überschätzung der »Bonnes Etudes« und » Beiles -Lettres« ist kein specifischer Zug der deutschen Aufklärung, sondei-n ist mehr der französischen zur Last zu legen, die freilich gerade in der preussischen Akademie auch vertreten war. Die kleine scharfe Anzeige des TousSAiNT'schen »Discours sur les fruits des Bonnes Etudes«, die Matthias Claudius (Werke 1879 Bd. 1 S. 59) geschrieben hat, trifft die Abhandlungen der Berliner Akademie kaum: »Die Bonnes Etudes, ist der ewige Gesang, machen das Herz ihrer Verehrer als Philosophen, Dichter u. s. w. gut und tugendhaft; denn Pythagorns, Sokrates, Demokrit. Homer u. s. w. waren "Ute und tuaendliafte Älänntn-«. Allgemeine Bedeutung der Akademie. 4ol SO blei])t ilir doch das ungeschmälerte Verdienst, den Scholasticis- mus. das Abstruse und das Gebundene in der Wissenschaft in der ganzen Breite ihrer Entwickkuig und Herrschaft abgethan , das deutsche Bürgerthum aus Aberglauben und kirchlicher Bevormun- dung herausgeführt und auf eine freie Bahn gestellt zu haben. Man vergleiche nur, wie man auf Universitäten und hohen Schulen, auf den Kanzeln und Kathedern noch um 1690 gesprochen hat und wie um 1770! Um das ganze Verdienst der Aufklärung zu er- messen, muss man erwägen, aus welchen Zuständen sie, und nicht erst die deutschen Klassiker, uns befreit hat. In die allgemeine Weltlitteratur ist Deutschland zuerst durch Leibniz, dann dauernd durch die Aufklärung eingetreten. Doch , wir haben hier weder zu entschuldigen noch anzuklagen. Es ist gewiss, dass es seit den Tagen der Reformation keine Bewegung gegeben hat, die in Nord- deutschland tiefer eingegriffen und kraftvoller umgebildet hat, als die Aufklärung des 18. Jahrhunderts, und in dieser war die fride- ricianische Akademie, obgleich sie ausser Sulzer zur Zeit Friedrich's noch keinen einzigen namhaften deutschen Aufklärer in ihrer Mitte hattet ein wesentliches Element. Unverflochten mit den Tages- fragen deutschen Kleiidebens, freilich auch abseits von der aufstre- benden deutschen Litteraturbewegung, allen grossen Problemen der wissenschaftlichen Entwicklung folgend , jeden philosophischen Stand- punkt in ihrer Mitte duldend, aber alle an dieselbe Regel wissen- schaftlicher Aussprache bindend, Jahr um Jahr durch gehaltvolle und anziehende Abhandlungen Muster ruhiger, gelehrter Darstellung bietend, eine Stätte der Vernunft und der Toleranz — so hat die Academie Royale des Sciences et Beiles -Lettres vierzig Jahre ge- wirkt, Preussen erziehen helfen und einem Kant und Herder Hoch- achtung und Dank abgew^onnen. Neben dieser allgemeinen Bedeutung der Akademie kommt vor allem in Betracht, was sie für die Ausbildung und Verbreitung der Lehre Newton's und was sie auf dem Gebiete der mathema- tischen Physik und der Mathematik geleistet hat. Man braucht nur die vier Namen Maupertuis, Euler, Lagrange und Lambert zu nennen, um zu erkennen, dass sie im 18. Jahrhundert die Führer der fortschreitenden Wissenschaft besessen hat, und dass sich keine ^ Die andern sind sämmtlich erst unter Frikdrich Wilhelji IL aufgenommen worden. 432 Die wissenschaftliche Bedeutunii' di-r Akademie Friedricii's IT. andere Akademie Europas damals mit ihr messen konnte — mü- den Ruhm Euler's muss sie mit der Petersburger theilen. Es ist für Berlin von höchster Bedeutung geworden , dass die beiden Franzosen, die einen so grossen EinÜuss in Preussen aus- üben sollten, Maupertuis und Voltaire, die entschiedensten An- hänger Newton's waren. Jener hat als erster in Frankreich zwischen 1728 und 1732 die entscheidende Wendung zu Gunsten des Eng- länders herbeigeführt, und das ist sein bleibendstes Verdienst. Als er mit Friedrich in Beziehung trat, war er bereits der anerkannte, siegreiche Gelehrte Frankreichs, der den Cartesianismus überwun- den hatte. Neben ihm war Voltaire seit seinem englischen Auf- enthalt unermüdlich thätig, Newton und Locke als die Führer der Weltanschauung in Europa zu preisen und einzubürgernd Sobald Maupertuis das Präsidentenamt in Berlin üV)ernommen hatte, setzte er auf deutschem Boden den Kampf für Newton fort und gewann in Euler einen Bundesgenossen, der ihn selbst weit überstrahlte. So erhielt in der Akademie neben dem gallo -römischen Geist, den Friedrich der Grosse nährte , die neue englische Wissenschaft Bürger- recht — die englische, nicht nur die Lehre Newton's; denn mit dieser hatten sich in der wissenschaftlichen Überlieferung gewisse Hauptgedanken Locke's eng verknüpft. Damit war aber ein Gegensatz zu Leibniz in die Akademie ge- tragen, die ihre Existenz auf den grossen deutschen Philosophen zu- rückführte. In der Mechanik als strenger Disciplin bestand zwischen Newton und Leibniz kein unüberbrückbarer Unterschied; aber für diesen war die Mechanik nur ein grosses Element der Weltanschau- ung. Seine wissenschaftliche Speculation , von der Phantasie be- flügelt, war weiter vorgedrungen; aber während sie die Monaden- lehre entwarf und die Theodicee entwickelte, hatte sie sich nicht die Zeit genommen , die Principien der Erkenntniss ausreichend zu prüfen. .Sein vSchüler und Popularisator Wolff befestigte dann nach dem Sturz der kirchlichen Weltanschauung das, was übrig geblieben war und was Leibniz hinzugefügt hatte, mit dogmatistischen Mitteln. So entwickelte sich ein wirklicher principieller Gegensatz zwischen der LEiBNiz'schen Philosophie in WoLFF'scher Formgebung und der auf Empirie sich stützenden Mechanik ^ Dieser Gegensatz aber war ^ Auch Algarotti kommt in Betracht, der den Newtonianismus populär zu machen suchte. 2 Die Stellung zu den religiösen Fragen war aber dadurch nicht so bestimmt, dass etwa alle Anhänger der empirischen Mechanik Skeptiker in der Religion ge- Voltaire, Maupertuis, Euler. 43 H auf dem Boden der Physik niclit aTisziifechten ; er führte auf das Gebiet der speculativen Philosophie hinüber und hat die Akademie dort beschäftigt. Soweit aber mit den Mittebi der reinen Mathe- matik und der Mechanik gekämpft werden konnte, hatte Euler die Führung. Maupertuis selbst, von dem krankhaften Streben beseelt, den Deutschen Leibniz zu überstrahlen und als der Universalgelehrte zu gelten, warf sich immerfort auf Probleme, denen er nicht ge- wachsen war, und hat in Berlin kein Werk von Dauer geschaffen, so viele Anregungen er gegeben hat \ Euler dagegen, von tiefem Misstrauen gegen die LuiBNiz'sche Philosophie erfüllt, antipathisch von ihrer nicht hinreichend exacten Methode berührt und vollends WoLFF als unbedeutenden Mathematiker und voreingenommenen Denker beurtheilend, hat durch Ausbildung der Mechanik den über- all siegreich vordringenden Wolffianismus einzuschränken versucht. Es hat etwas Tragisches, dass Leibniz, der als Präsident der Aka- demie mit den grössten Schwierigkeiten zu kämpfen gehabt hat, nun auch so bald nach seinem Tode als Philosoph in der Akademie bestritten worden ist. Für seine Grösse hatte man keine lebhafte Empfindung, aber deutlich sah man seine Schwächen. Was Euler für die Ausbildung der Mechanik gethan hat, be- zeichnet nur einen sehr kleinen Theil der mathematischen Riesen- arbeit, die er geleistet hat. Allein in den Memoires der Berliner Akademie stehen 121, zum Theil sehr umfangreiche Abhandlungen ; im Ganzen hat er mehr als 700 geschrieben, daneben 32 Quart- bände und I 3 Octavbände selbständiger Werke: eine Gesammtausgabe aller seiner Arbeiten wird auf 2000 Druckbogen veranschlagt. Dieser von keinem Mathematiker erreichten Productivität entspricht auch die Bedeutung; denn zwischen Newton und Gauss stehend, ist er recht eigentlich der Begründer und der Lehrer der modernen Ma- thematik geworden. Alle grossen Mathematiker der Folgezeit haben sich direct an ihm gebildet und stehen auf seinen Schultern; denn wesen wären. Im Gegentheil: nur die WoLFF'sche Philosophie schrieb hier eine feste Haltung vor, nämlich die des supranaturalen oder des reinen Rationalismus. Bei den Vertretern des Newtonianismus findet man dagegen sehr verschiedene reli- giöse Standpunkte: Euler verstattete seiner Wissenschaft überhaupt keinen Einlluss auf die Religion und blieb streng offenbarungsgläubig imd kirchlich gesinnt; !Mau- PERTUis schwankte zwischen dem Oft'enbarungsglauben und dem Rationalismus; Voltaire war Deist. ■^ Die Werke sind kurz beurtheilt von du Bois-Reymond in seiner Rede auf Maupertuis (Sitzungsberichte 1892 S. 393ff.), vei'gl. Bartholmess, Hist. philos, T. I p, 328-360. Geschichte der Akademie. I. 28 434 Die wissensclinftliche Be(l(Mitinii>- der Akademie FKiEDiucirs II. erst er hat durchgängig die synthetische Methode der Alten , die seine Vorgänger noch vorzugsweise benutzt hatten , durch die ana- lytische der Rechnung ersetzt, und in allen Zweigen der reinen und der angewandten Mathematik sei es ganz neue Wege gewiesen, sei es die überlieferten Lehren besser begründet, erweitert und exacter ausgeführt. Seine grossen Lehrbücher der Arithmetik, der Analysis, der Differentialrechnung, der Integralrechnung und der Algebra werden noch heute, trotz des Fortschrittes der Wissen- schaften, als Meisterwerke studirt, und nur darüber kann Streit sein, ob diese Gebiete (unbestimmte Integrale, «EuLER'sche Integrale« , »EuLER'sche Constante«) oder die Variationsrechnung oder die ana- lytische Geometrie oder die partiellen Differentialgleichungen ihm mehr verdanken , und wie hoch die Erkenntnisse zu veranschlagen sind, die er in der mathematischen Physik (Optik, Bewegung schwin- gender Saiten) gewonnen hat/. Nach fünfundzwanzigjähriger Thätigkeit musste der König den grossen Mathematiker, der während der Abwesenheit Maupertuis' und nach dessen Tode die Akademie geleitet hatte (s. oben S.344 ff*.), ziehen lassen (1766). Aber er gewann den besten Ersatz, den es in Euroj)a gab — Lagrange"". Lagrange hat nach Form und Inhalt das von Euler begonnene Werk , die synthetische Methode der Alten durch die Rechnung zu ersetzen, vollendet. Während aber Euler für jedes einzelne Problem den Weg der Lösung sucht, der ihm für den speciellen Fall der angemessenste scheint, geht Lagrange mehr darauf aus , ganze Gebiete der Forschung von einem einzigen Grundgedanken aus im Zusammenhang zu behandeln. Seine wich- tigste Entdeckung, die er noch im jugendlichen Alter machte, war die Variationsrechnung, eine allgemeine Methode, die Aufgaben über Maxima und Minima zu lösen, die man vor ihm als isoperimetrische bezeichnet hatte. Sein bedeutendstes Werk ist die analytische Mecha- nik, worin er alle Sätze der Statik und Dynamik mittelst derselben Methode, die er in der Variationsrechnung benutzt hatte, aus einem ^ Der Ver.suclmni>-, hier die Hülfe eines Fachmannes in Ansprach zu nehmen und eine eingehendere Würdigung der EuLER'schen Verdienste einzurücken, musste icli widerstehen , da eine solche nicht auf wenigen Seiten gegeben werden kann. Auch die praktisclien Anwendungen der Mathematik und Mechanik haben Eui-er interessirt, und er hat die Astronomie, die Schiffahrtskunde u. s. w. gefördert. ^ Das Folgende auf Grund gütiger Mittlieilung des Herrn Frobenius. In den Memoires hat Lagrange (zwischen 1765 und 1803) 63 Abhandlungen veröffenthcht. Seine gesanuiielten Werke gab Skrret unter den Auspicien des französischen Unter- richtsministeriums in 12 (j)u;u'tbänden heraus. Euler und Lagraxge. 435 einzigen Grundsatze herleitete , dem Prineip der virtuellen Geschwin- digkeit. Ebenso hervorragend sind seine Verdienste um die Al- gebra und Arithmetik: er prüfte die verschiedenen Methoden, die man für die Auflösung der Gleichungen gefunden hatte, führte sie auf allgemeine Principien zurück und zeigte, weshalb diese Metho- den für die Gleichungen des dritten und vierten Grades zum Ziele führen, für die Gleichungen der höheren Grade aber im Stiche lassen. Er förderte auch die Lehre A'on der numerischen Auf- lösung der Gleichungen und die Determinantentheorie. Die zahl- reichen Sätze, die Ferjiat und Euler über unbestimmte Aufgaben zweiten Grades gefunden hatte, leitete er aus einer gemeinsamen Quelle her. Ebenso versuchte er, die ganze Theorie der analytischen Functionen auf den TAVLOR'schen Satz als einziges Fundament zu gründen. Doch haben diese Untersuchungen keinen nachhaltigen Erfolg gehabt, wenn auch sein vStandpunkt in neuester Zeit durch Weierstrass wieder zu Ehren gebracht ist. Nur sein Satz über die Umkehrung der Reihen trägt noch heute seinen Namen. Unter seinen ausserordentlich zahlreichen einzelnen Untersuchungen ist vor allem die Arbeit über die Libration des Mondes, die ihn ganz jung zu einem berühmten Gelehrten machte, und die über die Hydro- dynamik, die er auf ein anderes System von Diiferentialgieichungen gründete als Euler, zu erwähnen. Auch Lagrange hat Berlin später wieder verlassen, aber erst nach dem Tode des grossen Königs, und so hat die fridericianische Akademie das Glück gehabt, 45 Jahre hindurch die beiden Meister der Mathematik, erst Euler. dann Lagrange, zu besitzend ^ \"on Euler, dem Philosophen, handelt Bartholmess, a. a. 0. T. II p. 164!?. und bemerkt: >>Si ses travaux philo.sophiques attestent aussi une intelligence ferme et penetrante, un bon sens lucide et souvent ingenieux, une admirable nettete d'ex- position (vergl. in dieser Hinsicht besonders seine »Lettres k une princesse d'Alle- magne<' , in denen übrigens auch der antiAvolffsche Standpunkt hervortritt), une erudition assez etendue, ils n'annoncent pas un esprit exempt de preventions et inaccessible ä d'injustes accusations . . . Avec quel acharnement il poursuivait les disciples de Leibniz, abaissant, rapetissant leurs docti-ines, et les mutilant meme, pour les vouer plus sürement au ridicide! .... On eprouve un sentiment penible, en le voyant meler ä de fortes objections contre I'idealisme tant de sarcasmes amers ou Sans poi'tee, tant d'accusations aussi passionnees que banales«. In der That be- sorgte Euler bei seinen Angriffen auf die Leibniz -WoLFr'sche Philosophie nicht selten die Geschäfte eines Radicalismus, der ihm selbst sehr fei'ne lag. Sobald er die JNIathematik verlässt, wird er zu einem etwas kindliclien Philosophen, der von Erkenntnisstheorie kaum eine Ahnung hat (s. seine »Eellexions sur l'espace et le temps« in den Memoires 1748). 28* 436 Die Avissenschaftliche Bedeutung der Akademie FriedrichVs IL Endlicli miiss hier Lambert's gedacht werden. Sein Name ist heute nicht so bekannt, wie er es verdient'; er ist überstrahlt worden von dem Kant's. Aber Kant selbst schrieb (1770) an Lambert, er halte ihn für das grösste Genie Deutschlands und für den Mann, der am besten im Stande sei, die Philosophie zu refor- miren; keine Zeile wolle er in seinen Werken stehen lassen, die Lambert jiiclit klar und deutlich finde. Leider hat der früh voll- endete Gelehrte (gest. den 25. September 1777, kaum 49 Jahre alt) die »Kritik der reinen Vernunft« nicht mehr erlebt. Vielleicht wäre das Werk etwas anders ausgefallen, wenn der wissenschaftliche Aus- tausch zwischen Kant und ihm fortgedauert hätte". Lambert, der Sohn eines kleinen Handwerkers im elsässischen Mülhausen, hat sich aus ganz dürftigen Verhältnissen als Autodi- dakt zu einer Universalität wissenschaftlicher Haltung emporgear- beitet, die an Leibniz erinnert. Weder deutsch noch französisch hat er je correct zu schreiben gelernt und die niedere Herkunft In seiner Bedürfnisslosigkeit und Rauhheit nie verleugnet: aber jeder Griff führte den genialen Mann sofort zum Produciren, und überall drang er zum Kern der Probleme vor, die er in einer so originellen (freilich auch krausen) Weise fasste, dass er ihnen stets Förderung brachte. Der Ausgangspunkt seiner Studien war und blieb die Geometrie und Astronomie — in die höhere Ana- lysis drang er nicht tiefer ein — , aber er wusste von jenen Disciplinen aus die umfassendsten Ausblicke zu gewinnen und mit den geringsten Mitteln — er war auch ein praktisches Genie — die fruchtbarsten Experimente anzustellen. Mit 16 Jahren versuchte er die Bahn des Kometen von 1744 zu berechnen und fand auf geometrischem Wege das Theorem, das seinen Namen trägt, dass ^ Doch s. die treffliche Würdigung des grossen Denkers bei Bartholmess (Hist. philos. de l'Acad. T.II p. lyiff.) und Laas (Allg. Deutsche Biographie Bd. 17 S.552ff.). Dazu JoH. Lepsius, Lambert, Eine Darstelhing seiner kosmologischen u. jihilosophi- schen Leistungen. 1881. ^ Dass Lambert nicht ein "Vorläufer« Kant's ist, sondern stets fest auf dem Boden der Newton -LocKE'schen Voraussetzung einer an sich realen, materiellen Raum -Zeit -Welt gestanden hat, betont Laas. »Beständiger Schein ist fiir uns Wahrheit«. Die Abhandlung »De mundi sensibilis et intelligibilis forma« hat Kant an Lambert zur Prüfung gesandt, und dieser hat gegen die Annahme der Idealität von Raum imd Zeit Einwendungen erhoben. Bartholmess (II p. 179) behauptet, dass die philosophische Sprache Kant's »prescjue tout entier« das Werk Lambert's ist. »Si Ton avait mieux connu les ecrits de Lambert, on n'aurait ni tant loue, ni si fort bläme dans Kant ce qui appartenait ä son devancier et ä Tun de ses maitres.« Lambert. 437 in einer parabolischen Bahn die Zeit, in der ein Bogen durchlaufen wird , allein von der Sehne desselben und von der Summe der radii vectores nach ihren Endpunkten abhängig ist. Wie Jacob Böhme durch die geringfügigsten äusseren Eindrücke zu tiefsinnigen Meditationen angeregt wurde, so wurden unbedeutende Beobach- tungen auch für Lambert die Ausgangspunkte überraschender und treffender Reflexionen und Erfindungen. Im Jahre 1761 erschien seine Photometrie, das Werk, mit dem er diese Methode überhaupt erst l)egründet hat; liier Avird sein Name unvergessen bleiben. Noch in demscll)en Jahr gab er die grosse Arbeit «Insigniores orbitae cometarum proprietates« und ausserdem die kosmologischen Briefe heraus, die ein philosophisches Gemälde des Universums enthalten. »Das Apergu, dass das Fixsterngebäude nicht sphärisch, sondern flach und sehr stark abgeplattet sei und dass die Milchstrasse aus Fixsternsystemen bestehe, kam ihm bei einem Blick durch das Fenster auf den Himmel. Eine algebraische Aufgabe , in der einer seiner Schüler einen nicht sofort durchsichtigen Fehler gemacht hatte, ward ihm Veranlassung, eine Maschine zur Erleichterung der per- spectivischen Zeichnung zu erfinden \« Nur wenige Jahre hatte er der Münchener Akademie angehört; dann zogen ihn Sülzer und Euler, die neidlos sein ungeheures Talent bewunderten, nach Berlin, w^äh- rend er sich eben rüstete, in Petersburg eine Stelle zu suchen, die ihm Müsse gewährte. Vorher hatte er in Leipzig sein »Neues Organon« (1764) erscheinen lassen". Mit diesem war er auf das Gebiet der Philosophie übergetreten, für die er seine naturwissen- schaftlichen Erkenntnisse fruchtbar machen wollte. Der Wurf war zu kühn, um in dieser Gestalt zu gelingen: die formale Logik, die Metaphysik , die wissenschaftliche Methodenlehre und Zeichensprache sollten zugleich reformirt werden : aber überall schimmert schon die Aufgabe der Erkenntnisstheorie durch. Lambert hatte Newton ^ Ein Fi-eund und Landsmann Lambert's, Christoph Heinrich Myller, hat von ilim gesagt: »II etait ne logicien ä tel point qu'il examinait le moindre evene- ment de la vie domestique d'apres les menies regies que las questions et les demon- strations de la science. A propos d'un trou a ses bas , il lui echappait une figure en »Barbara"; ä propos du pied d'une chaise, on le voyait construire nne »hypo- these« . . . Toutes choses s'offraient a son esprit aA'ec l'appareil de la logique: comme sujet, coinme attribut, comme proposition directe, comme proposition reii- versee, comme raisonnement , comme syllogisme etc.". ^ Vergl. dazu die eingehende Recension von M. Mendelssohn in der AUg. Deutschen Bibliothek 1766 Bd.3 St. i S. itf., Ges. Schriften Bd.4, 2 S.486-520: "Herr Lambert, der sich in anderen Werken der "Welt schon als Erfinder gezeigt, lässt in diesem Werke alle seine Vorgänger, Locke, Wolff, Malebranche, hinter sich«. 438 Die wissenschaftlielie Bedeutung der Akademie Fkikdrich's II. und Locke einerseits, Wolff andererseits gelesen; »er war über- zeiig't, dass die Vervollkommnung der Metaphysik von der Logik abhänge, inid suchte den Weg zu einer Locke's und Eukijd's Metho- den verbindenden , Wolff überholenden Ontologie zu ebnen«. Die Kritik an der WoLFF'schen Philosophie und das Hinausstreben über sie (»Was im eigentlichsten Verstände a priori sein soll, kann nur Möglichkeiten enthalten«) bezeichnen die Bedeutung des Werks, das trotz seiner ausbrüchigen Formalistik - — Lambert war ein Phantast der Logik und ein Enthusiast des Maasses und der symmetrischen Ordnungen — als ein Vorläufer der »Kritik der reinen Vernunft« zu gelten hat, aber nicht die Richtung auf die Zweitheilung der Vernunft einschlägt, in die Kant sich gerettet hat\ Am 24. Januar 1765 hielt dieser »Geometer der Logik« seine Eintrittsrede in der Akademie »Sur la liaison des connaissances qui sont l'objet de chacune des quatres classes de l'Academie«. Seit Leibniz und Maupertuis war in ihrer Mitte so nicht mehr gesprochen worden. In den knapp i 3 Jahren , die er der Akademie angehörte, hat er für drei Klassen geschrieben und 52 Abhandlungen in den Memoires veröffentlicht. Allein daneben hat er noch etwa 100 Arbeiten in anderen Zeitschriften und zehn grosse Werke, unter Ihnen die »Architektonik «'■, erscheinen lassen: Physik, Farbenlehre, Philosophie der Mathematik, Astronomie, physikalisch- technische Probleme beschäftigten ihn in gleicher Weise. Zuletzt kehrte er zur Pyrometrie zurück und führte die neue Bearbeitung (die erste war 1755 erschienen) in zehn Wochen durch. Wenige Monate darauf starb er, weil er seinem dvu-ch Überarbeitung zerrütteten Körper bis zuletzt keine Erholung gegönnt hatte. »Lambert«, schreibt Laas in seiner schönen Charakteristik, »war gieichgiltig gegen Alles, was das Leben sinnlich schön, reizend und behaglich macht. Sein Kopf arbeitete unbehelligt durch feinere Culturbedürfnisse oder gar Leiden- ^ Kant hat spätei- das Novum Organon nicht günstig beurtheilt, was wohl verständlich ist. ^ Das Novum Organon und die Architektonik sind Seitenstücke zu den kos- mologischen Briefen. Beschreiben diese das Universum, so sollen in jenen gleich- sam alle Provinzen des menschlichen Geistes dargestellt werden, aber nicht in descriptiver Schilderung, sondern in der Richtung auf die Principien und Gesetze, die ihn durchwalten, und auf die Mittel, durch welche der Geist seinen Inhalt gewinnt, sicherstellt und zu erkennen giebt. So zerfällt das Novum Organon in die «Dianoiologie, Alethiologie, Semiotik imd Phaenomenologie«. Bemerkenswerth ist, dass noch Lambert, wie Lkibniz, sich um eine präcise, universale Sprache, um ein neues, einfaches, charakteristisches System wissenschaftlichen Gedankenaus- drucks bemüht hat. Lambert, Johann Bernoulli, Bode. 431) Schäften wie eine schwer zum Stehen zu bringende Maschine. Das romantische Schwärmen für das unbewusste Weben des Geistes lag weit von ihm entfernt. Seine Gefühlsweise war dabei kindlich, harmlos und naturwüchsig. ... Er stand in der Mathematik, wie er selbst einräumte ^ nicht auf der Höhe von Euler und Lac4range; in der Astronomie war er kein Herschel, in der Physik kein Newton; in der Philosophie gebrach es ihm an Leibnizcus Fülle und Beweglichkeit und an Kant's bohrendem Tiefsinn. Aber dass er alle Aier Disciplinen mit grundlegenden und fortbildungsfähigen Arbeiten befruchtete, macht ihn doch den Grössten ähnlich. Er hat vor Kant und Leibniz sogar den Vorzug, dass man weniger als bei diesen nöthig hat, Gewebe wieder aufzutrennen. Er hatte wissenschaftlich erseits vielleicht nur den einen Fehler, die Grenze nicht immer zu merken, wo das Bedeutende vmd Fruchtbare in das Unbedeutende, wohl gar F utile überging.« Lambert hat auch als Astronom der Akademie grosse Dienste geleistet. Seit 1772 gab er statt der bis dahin erschienenen acht astronomischen Kalender genaue Ephemeriden heraus". Seit 1767 war der 22jährige Johann Bernoulli Director der Sternwarte. Aber nicht von ihm in erster Linie wurde die Astronomie gepflegt — nur in der rechnenden hat er gearbeitet; sonst hatte er eine besondere Vorliebe für die Geographie und für zahlentheoretische Probleme — , sondern von Bode, der, zuerst rechnender Hülfsarbeiter, dann ordent- licher Akademiker, zuletzt Director der Sternwarte (gest. 23. No- vember 1826), nicht nur die LAMBERT'schen Ephemeriden fortgesetzt, sondern überhaupt unter den astronomischen Autoren den ersten Rang eingenommen hat. »Durch sein astronomisches Jahrbuch, ^ »Ich bin dei" dritte Geometer in meinem Zeitalter," sagte er selbst einmal mit derselben wirklichen /Naivetät, mit der er sich einen grossen Mann nennen konnte, « Euler und d'Alembert bilden zusammen den ersten, Lagrange ist der zweite.« - Mit ihren beobachtenden Astronomen hatte die Akademie nach des ältei'en Grischow's Tode zunächst (1749) wenig Glück. Der jüngere Grischow ging 1750 nach Petersburg. Ebendorthin ging Aepinus, der von 1755 — 57 Professor der Astro- nomie war. Der Verlust dieses Mannes, der sich als Elektriker einen bedeutenden Namen gemacht hat, war sehr empfindlich. Im Jahre 1759 gab er sein »Tentamen theoriae electricitatis et magnetismi« heraus, in welchem er zuerst die rechnende Methode auf die Elektricität angewandt hat. Auch hat er zuerst die Theorie des elektrischen Condensators und des Elektrophors gegeben. Der Astronom Kies, der die Erwartimgen nicht erfüllt hatte, die man auf ihn gesetzt, ging nach längerer Wirksamkeit in Berlin nach Tübingen. Euler, der Sohn (gest. 1800). verliess zu- sammen mit seinem Vater (1766) die Akademie. 440 Die wisscMisclinftliclic Bcdrutiing' der Akadeniie Friedrich's II. welclics für die anderen Epliemeriden /um Muster diente und das er in 54 Bänden fortsetzte, liat er Epoehemaeliendes geleistet. Eine Zeit hindurch waren in diesen Jahrbüchern die einzigen Nachrichten über astronomische Beobachtungen und Entdeckungen enthalten. Seine Sternkarten, die Darstellung der Sterne in 34 Blättern nebst Einleitung und Katalog, 1782 herausgegeben, sowie sein grosser Himmelsatlas in 20 Blättern nebst der allgemeinen Beschreibung und einem Nachweis der Gestirne und einem Katalog von 17240 Sternen (i 797-1 801), gehörten zu den besten Sternkarten, welche man hatte'.« »Unsere Chemiker stechen alle Chemiker Europas aus«, hatte Maupertuis 1748 an den König berichtet", und in der That, so- lange Pott rüstig arbeitete^ und, vor allem, solange Marggraf auf der Höhe des Schaffens stand, behauptete Berlin diesen Ruhm. Erst in den letzten Jahren Friedrich's fingen die schwedischen und französischen Chemiker an, die deutschen zu überflügeln, und Achard, obwohl kein untüchtiger Nachfolger Marggraf's, vermochte nicht mehr mit Gelehrten wie vScheele und Lavoisier zu rivalisiren. Marggraf ist der letzte l)edeutende Schüler Stahl's und Caspar Neumann's und der letzte grosse Vertreter der phlogistischen Theorie gewesen^ Seine Verdienste um die Chemie sind höchst bedeutend und mannigfaltig — das bekannteste ist seine Entdeckung des Zuckers in der Runkelrübe, die, wenn auch erst lange nach seinem Tode, die ganze Landwirthschaft in Norddeutschland umwälzen sollte'. In ^ Sielie Encke's Rede auf Bode in den Abb. d. K. Preuss. Akad. d. Wiss. 1827 und Bruhns in dei- AUg. Deutseben Biograpbie Bd. 3 S. i f. ^ Siebe oben S. 325. ^ Siebe über ibn oben S. 237. Seine Hauptwirksamkeit fällt in die erste Hälfte des 18. JaJu-bunderts. Mit Marggraf verfeindet, zog er sich seit den fünf- ziger Jahren von der Akademie zurück. * So glaubte er auch noch zeitlebens, dass alles Wasser, auch das reinste, sieb beim Erhitzen in Erde verwandle. ° Die Entdeckung wurde der Akademie im Jahre 1747 vorgeti-agen. Sie steht in den Memoires 1747 p. 79 — 90 unter dem Titel: »Experiences Cbymiques faites dans le dessein de tirei' lui veiitable sucre de diverses plantes qui croissent dans nos contrees [traduit du Latin]«. Marggraf theilt hier mit, dass mehrei-e einhei- mische Pflanzen nicht nur einen dem Zucker ähnlichen Stoff enthalten, sondern eben den Zucker des Zuckeri-ohrs. Er nennt drei, aus deren Wurzeln er reinen Zucker dargestellt liabe, unter ihnen die Runkelrübe oder den rothen Mangold. P. 88 schreibt er: »C'e qui a ete rapporte jusqu'ä present fait voir en general, quels usages economiques on pourrait tirer de ces experiences; il me suffira d'en indiquer an seul, qui est ineme lemoindre: Le pauvre paysan, au lieu d'un sucre eher ou d'un mauvais syrop, pourrait se servir de notre sucre des plan- MAR(iGRAF. AcHARD. 441 virtuoser Weise wusste er die analytische Methode auf nassem Wege anzuwenden ; aucli ist er vielleicht der erste Chemiker gewesen , der sich des Mikroskops bedient hat; endlich besass er eine gründliche berg- und hüttenmännische Bildung, die ihn zu tüchtigen chemisch- geologischen Untersuchungen l^efähigte. So ist es ihm, unterstützt von einem Itewunderungswürdigen Fleisse, gelungen, eine grosse Reihe bleibender Arbeiten auszuführen und die Chemie mit neuen Entdeckungen zu bereichern. Unter den Ergebnissen seiner analy- tischen Forschungen werden besonders genannt: die Verschieden- heit der Thonerde und der Magnesia von der Kalkerde, die Be- stimmung der Natur des Thons, des Alauns und des Gypses, der Nachweis der Präexistenz der Alkalien in den Ptlanzensäften, die Ausführungen über die Natur des Salpeters und der Salpetersäure, die Reaction auf Eisen mittelst Blutlaugensalzes, genauere Angaben über Natron und Kali u. s. w. Er hat zuerst eine eingehende Unter- suclumg über das Platin veröffentlicht (1752) und — freilich un- bewusst — die Platindoppelsalze entdeckt. Von ganz besonderer Bedeutung aber wurden seine und seiner Schüler zahlreiche Unter- suchungen über den Phosphor, die Darstellung desselben aus dem Plarn, seine Constatirung in den Pflanzen , die Bestimmung der Eigen- schaften der Phosphorsäure, wobei er schon feststellte, dass die bei Verbrennung des Phosphors sich bildende Säure mehr wiege als der dazu verwandte Phosphor; aber er vermochte dies Problem nicht zu deuten — für die phlogistische Theorie war es unlösbar. Auch ül)er Hornsilber und Flussspath, über das Vorkommen der Magnesia und wiederum über Ameisensäure in ihrem Unterschied von Essig- säure hat er wichtige Nachweise geliefert \ Marggraf's Schüler Achard besass als Theoretiker nicht die Be- deutung seines Lehrers; aber er hat im Chemisch -Technischen Vieles gefördert. Ihm verdankt man die fabrikmässige Ausnutzung der Entdeckung des Zuckers in der Runkelrübe, die in der Zeit der Continentalsperre so wichtig wurde, aber auch nach ihrer Auf- hebung an Bedeutung nicht verlor. Er war ferner einer der Ersten, der Galvani's Versuche wiederholt hat — ein anderer Akademiker, SuLZER, hat in Form eines Geschmacks Versuchs die erste galvanische tes«. Er ist sich also der Tragweite seiner Entdeckung bewusst gewesen; aher er hat die technische Ausbeutung x\nderen, vor allem seinem Schüler Achard, überlassen. ^ Vergl. über ihn Kopp , Geschichte der C hemie , Ladenbürg in der Allg. Deutschen Biographie Bd. 20 S. 3840*. A.W. Hofjiann, Ein Jahrhundert chemischer Forschung unter dem Schii'me der HohenzoUern. Berliner Rectoratsrede 1881. 442 Die wissensclinftliclie Bedeutung dev Akademie P'iuedrich's II. Erscheinung beobachtet^ — , und wahrscheinlich hat Niemand vor ihm einen Platintiegel hergestellt". Auch in der Färbungschemie war er auf Verbesserung der Methoden und ihre praktische Durch- führung bedacht. Wissenschaftlich hervorragender als er Avaren die beiden Geognosten und chemischen Mineralogen , die die fridericia- nische Akademie besessen hat, J. G. Lehmann und Geriiaed. Jener — seine Aufnahme verfeindete Pott vollends mit Marggraf — hat durch seine geognostischen und erdgeschichtlichen Arbeiten einem Werner den Weg gebahnt, die chemische Untersuchung der Mine- ralien mitbegründet und ihre Eintheilung gefördert"*. Dieser, ur- sprünglich Mediciner, wandte sich später ganz dem Bergwerkswesen zu, aber in wissenschaftlichem Geiste. Auch er förderte die Lehre von der Gruppirung der Metalle und gal) nach l)ergtechnischen Arbeiten, z. B. über den Steinkohlenbau, im Jahre 1781 ein Werk heraus unter dem Titel: »Versuch einer Geschichte des Mineral- reichs«, w^elches sowohl über die Natur und Entstehung der Metalle als der Gebirge werthvolle Beobachtungen und Muthmaassungen ent- hält, die zum Theil freilich noch von den ganz unhaltbaren Hypo- thesen der älteren Zeit durchzogen sind'\ In der Zoologie hat die Akademie zur Zeit Friedrich's (nach FRisrnens Tode) nichts geleistet, wohl aber in der Botanik und in der Anatomie. Dort war es Gleditsch, der in langer, unermüdlicher Arbeit (i 744-1 786, geb. 17 14) nicht nur den grossen botanischen Garten der Akademie eigentlich erst geschaffen , mit den botanischen Gärten anderer Länder in Beziehung gesetzt und zu einer Muster- anstalt gemacht hat^, sondern auch durch zahlreiche Versuche und Abhandlungen die Pllanzenkunde gefördert hat. Er hat u. A. den Ex- ^ Siehe du Bois-Reymond. Untersuchungen über thierische Elektricität Bd. I (Berhn 1848) S. 54 Anmei-kung. Sülzer, der sich als praktischer Phj'siker auch sonst Verdienste erworben hat, ist der Erste in Berhn gewesen, der, zusammen mit Gerhard, einen Bhtzableiter hat errichten Lassen (1777, an der Könighchen Montirungskamnier und der Kaserne des von PpuEL'schen Regiments am Köjinicker Thor), s. Bruhns, Alexander von Humboldt, Bd. I S. 47. - Über Achard s. Hofmann, a.a.O.; derselbe, Berliner Alchemisten und Che- miker U.S.W., Berlin 1882. du Bois-Reyjiond, Reden Bd. 2 (1887) S. 516, Oppen- heim in der Allg. Deutschen Biographie Bd. i S.2 7f. In Bezug auf die Herstellung beweglicher optischer Telegraphen gebührt nicht ihm, sondern Chappe die Priorität. ^ Er gehörte der Akademie nur 7 Jahre an; 1761 berief ihn Katharina nach Russland. Er starb aber schon 1767 im Laboratorium in Folge des Zer- springens einer mit Arsenik gefüllten Retorte. * Siehe über beide die Artikel von Guembel in der Allg. Deutschen Bio- graphie Bd. 18 S. i4of. und Bd. 8 S.772f. ^ Vergl. Nicolai, Beschreibung von Berlin ^ (1786) S. 1035 ff. S. 1040 f. Lehmann. Gerhard. Gleditsch. Lieberkühx und andere Mediciner. 443 perimentalbeweis für die Geschlechtlichkeit der Phanerogameii durch Befruchtung der Palme des botanischen Gartens mit dem Blüthenstaub einer Leipziger Palme geführt \ Ausser seiner streng botanischen Thä- tigkeit war er auch Lehrer der Forstwissenschaft (s. o. S. 395), und Hess bezeugt ihm, dass er mit zu den Ersten gehöre, welche dem Forstwesen eine naturAvissenschaftliche Grundlage gegeben haben. «Manche erklären seine »Forstwissenschaft« geradezu als das erste wissenschaftliche Werk über diese Disciplin'«. Die Forstwissenschaft bildete ihm die Brücke zur landwirthschaftlichen Botanik. Auch auf diesem Gebiete ist er thätig gewesen und hat sich um den An- bau und die Cultur nützlicher Ptlanzen grosse Verdienste erworben. Durch N. LiEBEKKÜiiN wurde die anatomische Kunst und Wissen- schaft aus Holland nach Berlin verpflanzt. Als er sich im Jahre 1740 in seiner Vaterstadt Berlhi als praktischer Arzt niederliess, hatte er in Leyden die strenge Schule Boerhaave's, Albinus' und Gaub's durchgemacht und war in London auf Grund seiner ausgezeichneten anatomischen Präparate Mitglied der Königlichen Gesellschaft ge- worden. Eben als Präparator, in virtuoser Ausbildung der mikro- skopisch-histologischen Technik und Methode, ist er in seiner Zeit und noch auf lange unübertroöen gewesen. Verewigt hat ihn in der Wissenschaft die Abhandlung über die Darmzotten (»De fabrica et actione villorum intestinorum tenuium« 1745); die hiervon ihm zuerst beschriebenen drüsigen Organe tragen noch heute seinen Namen^. Seine Gefässinjectionspräparate, für deren Studium er zugleich besondere Mikroskope construirte, waren in der ganzen anatomischen W^elt berühmt. Hätte er LI aller in Berlin zum Collegen erhalten, so hätte sich keine andere medicinische Anstalt mit der Berliner Akademie messen können; allein der grosse Göttinger Physiolog Hess sich nicht bestimmen, dem Rufe zu folgen (s. oben S. 324). Statt seiner kam sein tüchtiger Schüler J. F. Meckel, der, zwar dem Meister an Bedeutung nicht gleich, doch die anatomische Wissenschaft durch schöne Entdeckungen auf dem Gebiete des peri- pheren Nervensystems bereichert hat (Ganglion [spheno palatinum] Meckelii; Ganglion submaxillare : »Nova experimenta de finibus ve- narum et vasorum lymphat. «). Ihm folgte an der Akademie Walter, ^ Siehe Memoires 1767 p. 3ff. ^ Hess in der AUg. Deutschen Biographie Bd. 9 S. 2 24 f. ^ Wie zahh'eich sind überhaupt die Entdeckungen oder Theoreme, die bis heute mit dem Namen von fridericianischen Akademikern (Lieberkün, ]Meckel, Pott, Euler, Lagrange, Lajibert u. s. w.) benannt werden! 444 Die wissenscliaftliclie Bedeutung der Akademie Friedrich's II. Lieberkühn's und Meckel's Schüler, der eine anatomische Sammlung im grössten Stil anlegte und sich so um den anatomischen Unter- richt hoch verdient gemacht hat. Johannes Müller rühmt von ihm': «Walter war als praktischer Anatom unübertrefflich gewesen, und auch durch seine Schriften nimmt (^r den Rang unter den ersten Anatomen ein; aber die mikroskopische Anatomie war ihm fremd geblieben; er hatte so viel mit blossen Augen geleistet, dass er die Anatomie beinahe für vollendet hielt«. Überblickt man alle diese Entdeckungen und Arbeiten der Ma- thematiker, Physiker, Chemiker, Astronomen , Botaniker und Ana- tomen der Akademie, die in der kurzen Spanne von vier Jahrzehnten hervorgetreten sind, so wird man sagen dürfen, dass die Königlich Preussische Akademie in Hinsicht auf die Naturwissenschaften an der Spitze der wissenschaftlichen Bewegung gestanden hat und von keiner anderen Akademie übertroffen worden ist. Nicht das Gleiche gilt von den speculativ-philosophischen, den philologischen und den historischen Fachwissenschaften". Die hohe ^ Gedenkrede auf Rudolphi (Abb. d. K. Preuss. Akad. d.Wiss. 1835 p. XXI). RuDüLPiu selbst hat die WALTEn'sche anatomische Sammhing tilso gepriesen (Abb. d. K. Preuss. Akad. d.Wiss. 1820/21 p. Xlf.): »In Deutschland ist kein Cabinet, das mit ihr vergbchen werden könnte, in Holland eben so wenig. Peter Camper's und Beugman's Sammlungen dürfen nämlich nicht genannt werden, da ich nur von menschlicher Anatomie rede. In Frankreich, in Italien ist kein Cabinet von dem Umfang. In England bin ich nicht gewesen, allein Alles, was uns von sehr glaub- würdigen Mäiuiei-n iiber das HuNiER'sche Museum gesagt ist, spricht dafür, dass diese sehr geistreich angelegte Sammlung für menschliche Anatomie bei Weitem das nicht enthält". - Das hat schon Garve in seiner schönen Abhandlung: »Sur Tutilite des Academies« bemei'kt und mit Freimuth in den IMemoires geäussei"t (1788/89 ]).466): »Les Academies ou les societes litteraires n'ont produit des ouvi*ages superieiu's a ceux des auteurs vivants isoles que dans les mathematiques et la philosophie natu- relle. Les transactions de la Societe Roj'ale de Londres, les Memoires de l'Acade- mie des Sciences de Paris n'ont jamais ete. meme dans leur epoque la jjlus bril- lante, (jue des depots ju'ecieux povu' les mathematiciens et les physiciens. Le calcul et l'histoire naturelle ont le plus gagne aux travaux reunis de ces societes. Les grands oiivrages philosophiques ne sont pas sortis de leur sein. On recourt rare- ment a ces recueils pour la Solution des problemes que presentent la morale et la nature de l'homme. Des hommes de genie ont siege dans l'Academie frangaise, et avant d'y etre admis ils avaient public des ouvrages de goüt dont le merite est generalement reconnu. mais l'Academie en corps n'a jamais donne naissance ä un ouvrage de ce gem-e . . . Le genie ne se communique par aucune espece d'associa- tion«. Dieselbe Betrachtung, nur pointirter und bilderreicher ausgedrückt, stellt auch Schleiermacher an in der Einleitung zu der ersten Abhandlung, die er in der Akademie gelesen hat (Abhandlungen 1804/11, Philosophische Klasse S.79f.). Die Pliilosoplien der Akadeniie (der Eklekticismus). 445 Bedeutung, welche die Akadeniie auch hier geliaLt hat, liegt ganz wesentlich in jenen Wirkungen, die oben S. 4260*. beschrieben worden sind. Eine geistesmächtige Schrift, eine epochemachende Al)handlung, deren Gedächtniss bis heute fortwirkt, ist in den ge- nannten Wissenschaften von keinem Akademiker, weder von einem deutschen, noch von einem schweizerischen, noch von einem fran- zösischen geschrieben worden — mit Ausnahme der bereits be- sprochenen Arbeiten von Lambert. Weder Kant noch Herder, weder Winckelmann noch Lessing, auch nicht Montesquieu oder Voltaire haben Beiträge für die Memoires der Akademie geliefert. Blicken , wir zunächst auf die speculative Philosophie. In fast zahllosen Abhandlungen und Schriften haben Heinius\ Formey, Be- guelin"'. Sülzer, Merian, Pernety, Premontval , Castillon, Cochius, Beausobre, Moulines, Prevost und Andere philosophische Einzelfra- gen aus den verschiedenen Disciplinen erörtert. Vor allem war es der Gegensatz der Leibnizianer (Wolffianer) und der Anhänger Newton's und Locke's, der neben Vermittelungsversuchen in den Arbeiten zum Ausdruck kommt ^. Zuerst, solange Maupertuis regierte, hatten die Newtonianer die Oberhand; aber sie waren bereits Eklektiker. Dann drängte sich unter Sulzer's Einlluss der Wolffianismus wieder vor, aber auch nicht der strenge Wolffianismus, sondern in eklektischer Haltung. Endlich machte man aus der Noth eine 'Tugend und erklärte mit Merian, der von Maupertuis und den Engländern ausgegangen war: » L'Eclecticisme est la seule secte ou non-secte, qui doive res- pirer dans une academie«, oder man pries sich selbst mit F. An- cillon: "Cette Academie s"est toujours preservee de la contagion des systemes, par l'esprit d'independance et d'examen, par cet esjDrit philosophitiue qui est plus precieux que la philosophie eile -meine«. Diese eklektische Haltung in der Philosophie, mit scharfer Abweisung der materialistischen, mit principieller Zustimmung zur empirischen Methode, aber mit dogmatischen Vorbehalten, charakterisirt die letzten zehn Jahre der fridericianischen Akademie, und wir werden sie auch in der Folgezeit fortwirken sehen. Gewiss ist etwas Wahres an dem Satze, dass eine Akademie sich mit keinem philosophischen ^ Er hat ausschliesslich Probleme aus der Gescldchte der griechischen Philo- sophie behandelt. - Er hat ausserdem eine grosse Anzahl meteorologischer Beol)achtungen ver- öffentlicht. ^ Eine Kritik des S])inozismus vei'öffentlichte de Jariges (Meni. 1745 p. 121 ff. 1746 p. 295 ff.). 446 Die wisseiiscliaftliclie Bcdciilunq,- der Ak;ulriui(; FRiicDRrcn's II. System idcntificiron soll; allein weder darf diese Regel unter allen Umständen gelten, nocdi ist sie ohne bedenkliche Folgen. Wo der Eklekticismus zum Princip erlioben wird, da geräth die Philosophie in Gefahr, ihren wissenschaftlichen . Charakter zu verlieren und in die » Beiles -Lettres« überzugehen wie bei Cicero, und die eklekti- schen Philosophen werden von den Wogen der wirklichen und ernsthaften ])hilosophischen Bewegung an den Strand geworfen. In der That, etwas Ahnliches ereignete sich mit den Philosophen der Berliner Akademie , wenn die Folgen auch erst an der Wende des Jahrhunderts offen zu Tage traten. Sie schrieben ihre umsich- tigen , klaren , vorsichtig abwägenden und räsonnablen Abhandlungen in französischer Sprache weiter fort^ und sahen sich auf einmal durch Kant und seine Schüler auf's Trockene gesetzt. Nachdem ihre Bemühungen, die wir oben als epochemachend bezeichnet haben, ihr Ziel wesentlich erreicht hatten, die Erziehung eines vorurtheilslosen , für geistige Fragen aufgeschlossenen Publicums, nachdem mit durch ihr Verdienst Superstition und Pedanterie zu- rückgedrängt waren, wurden sie selbst überflüssig. Die Art Philo- sophie, welche sie gepflegt hatten, wurde von einer höher ge- stimmten und tiefer forschenden Wissenschaft abgelöst. Mochte auch der Eklekticismus ihr gegenüber in wichtigen Hauptpunkten im Rechte sein — er bohrte nicht tief genug und wandte sich nicht, wie die neue Philosophie, an den ganzen Menschen". ^ In der Geschichte der französischen Philosophie und Litteratur haben sie eine Stelle behalten (s. die Werke von Villewain und Cousin), aber in den deut- sclien Darstellungen der Geschichte der Philosophie werden sie kaum genannt. ^ Das Vorurtheil aber ist aufzugeben, als hätte der französische Geist in den philosophischen Bemühungen der Akademie geherrscht. Nur die SjDrache war fran- zösisch; in der Sache regierte die deutsche Philosophie, die mit aufgeschlossenem Sinn der schottischen, englischen und französischen Bewegung folgte. »Vielleicht war es das Charaktei'istische" , sagt Trendelenburg (Monatsberichte i. Juli 1852) mit Recht, »dass sich in der Berliner Akademie die Philosophieen der fremden Nationen begegneten, die Philosophie Neavton's undLEiBNizens, Christian Wolff's undLocKE's, Gedanken des Helvetius und Adam Sbiith. Wenn in ihrer Mitte diese entgegen- gesetzten Auffassungen zum Austrag gebracht wurden, so erfüllte darin die Akademie den Beruf einer universellen Wirksamkeit, den Beruf einer über die Grenzen des Nationalen hinausgehenden Verständigimg. Man sieht dies am deutlichsten, wenn man die Männer, welche an den ^philosophischen x\rbeiten der Akademie Theil hatten, nach ihren Richtungen gru])pirt. Die Vertreter der eigentlich französischen Philo- sopliie sind nur ein kleiner Bruchtheil des Ganzen. Die Arbeiten der Akademie standen nicht selten in einem geraden Gegensatz gegen die von Frankreich kom- menden iMeinungeii". »Fi'anzösische« PhilosojDhen waren La Mettrie, d'Argens — ■ ül)er den ^''oLTAIRE spottete, er nehme bisweilen schon seine fünf Sinne für den FORMEY, SuLZER UIkI ^MeRIAX. 44/ Unter solchen Umständen ist es eine Menig lohnende Aufgabe, dem Einzelnen hier nachzugehen. Was sich selbst in seinen Wir- kungen erschöpft, was nur als Gesammterscheinung eine Bedeutung besessen hat — soll man es in seine Bestandtheile zerlegen? Dazu, Avas sich hier leisten lässt, ist bereits in der »Histoire philosophique de l'Academie de Prusse depuis Leibniz jusqu'ä Schelling, particu- lierement sous Frederic -le- Grand« von Bartholmess mit so viel Hin- gebung und Fleiss und mit so viel Wohlwollen und Liebe geleistet worden, dass es völlig überflüssig wäre, hier noch ein Wort hinzu- zufügen. Bartholmess als Deutsch-Franzose der Akademie Friedrich's verwandt, als eklektischer Philosoph mit den Philosophen der Aka- demie empfindend, ausgezeichnet unterrichtet in der Geschichte der geistigen Bewegungen des i8. Jahrhunderts, hat in seiner »Histoire« den Weltweisen Friedrich's ein Denkmal voll Anerkennung und Pietät gesetzt. Jedem Einzelnen ist er nachgegangen, selbst den Philo- sophen und philosophischen Belletristen zweiten und dritten Ranges, und hat sich bemüht, die Gedanken und die Eigenthümlichkeiten jener Eklektiker darzulegen. Man möchte fast sagen, die Bedeutung der Sache selbst entspreche nicht ganz der Grösse und feinen Ausführung des Monuments, das er aufgerichtet hat. Jedenfalls ist ein zweites Denkmal für immer überflüssig. Doch aus der grossen Anzahl der Philosophen und Belletristen mögen wenigstens drei, die in der Geschichte der Akademie eine hervorragende Rolle gespielt haben, mit einigen Strichen charak- terisirt werden, Forme y, Sulzer und Merian'. Von FoRMEY (geb. zu Berlin den 31. Mai 171 1, gest. den S.März 1797) ist schon wiederholt die Rede gewesen, und was über ihn gesagt wurde, konnte nicht günstig lauten. Fast von der Reor- ganisation der Akademie an ist er ihr ständiger Secretar gewesen, Menschenverstand — ■ und, wenigstens nach einer Seite, der König. Aber Fried- rich's specielle Philosophie hat auf die Akademie einen geringen EinÜuss ausgeübt. ^ Über Formet vergl. Bartholjiess T. I p. 361 ff. und AUg. Deutsche Biograpliie Bd. 7 S. i56f. ; über Sulzer Bartholmess II p. yyff. und Allg. Deutsche Biographie Bd. 37 S. i44ff. , dazu seine Lebensbeschreibung von ihm selbst aufgesetzt, herausge- geben von Merian und Nicolai, Berlin 1809, und das Werk «Hirzel an Gleim über Sulzer den Weltweisen«. 2 Bde. 1779; über Meriax Bartholmess II p. 32ff. und Allg. Deutsche Biographie Bd. 2 1 S. 428 ff. Bartholbiess handelt ausserdem im 2. Band von Beguelin, A. Achard, de Jariges, Heinius, L. de Beausobre, d'Anieres, d'Ar- gexs, Francheville, Moulines, Bitaube, Borrelly, Dexixa, Thiebault, Toussaint, de Catt, Pernety, Weguelin, Castillon und Premoxtval. Über alle diese Ge- lehrten und Litteraten findet man auch kurze Nachrichten bei Dexixa. La Prusse litteraire sous Frederic IL, 3 Bände, Berlin 1790 f. 448 Die wissenschaftliche Bedeutung der Akademie Friedru'ii"s IL bliel) es über den Tod Friedrich's hinaus und wurde sogar nocli im Jahre 1788 Director der philosophischen Klasse. Als Seeretar hat er etwa vierzig Eloges verstorbener Akademiker gehalten und in die Abhandlungen der Akademie eingerückt; ausserdem aber noch zahl- reiche andere verfasst, die ausserhalb der Mcmoires erschienen sind\ Dazu hat er die officiellen Reden an den Festtagen der Akademie gehalten und etwa dreissig Abhandlungen für die Memoires geschrie- ben. Allein diese Arbeiten verschwinden hinter einer Fülle von selbständig erschienenen Werken, xArtikeln, Aufsätzen u. s. w., die er in die Welt gesetzt hat. Er rivalisirte nicht nur mit Euler und Lambert an litterarischer Fruchtbarkeit, er übertraf sie noch weit". Aber leider entsprach, im Gegensatz zu Euler, der Inhalt nicht der überwältigenden und anspruchsvollen Production. Schon die Zeit- genossen wussten, dass er um des Geldes willen schrieb, Jahre hin- durch täglich einen Bogen, und dafür seinen Ducaten einstrich^. Von Haus aus orthodoxer reformirter Theologe , schloss er sich schon frühe der WoLFF'schen Philosophie an, und nachdem er seine »Belle Wolffienne« in 6 Bänden 1741 — 53 geschrieben hatte, glaubte er in den Stand gesetzt zu sein, sich spielend über alle möglichen Fragen zu verbreiten und als vernünftiger Supranatm-alist , der ver- ächtlich auf die scholastische Orthodoxie , aber auch auf die Em- piriker, herabsah, alle abweichenden geistigen Erscheiimngen seines Zeitalters zu kritisiren und mit breiten Bettelsuppen das Publikum zu speisen^. So hat er gegen DmEROx sein System du vrai bon- heur (1750 f.) und gegen Rousseau den kläglichen Anti- Emile (1763) geschrieben. Ein unbedeutender Philosoph, ein recht mangelhafter Stilist, konnte er immerhin Leichtigkeit und Flüssigkeit in der Stoffbehandlung lehren — in dieser Richtung soll sein Einfluss nicht unterschätzt werden — und sein grosses Vorbild Fontenelle immer auf's Neue re^^roduciren. Maupertuls mochte ihn im Grunde ^ Diese Eloges, die alle nach einem Stile gearbeitet sind, bieten keine an- ziehende Leetüre; immerhin aber bleibt es ein gewisses Vei-dienst Formey's, in seinen Lobreden das Andenken an verdiente Männer erhalten zu liaben. ^ Bartholmess veranschlagt die »Werken Formey's auf etwa 600 Bände. ^ "Travailler uniquement pour l'honneur«, sagt selbst der milde Bartholmess I p. 365 von ihm, »ce lui semblait sacrifier ä une gloriole risible«. * Bartholmess (a. a. 0.) sagt: «Tous ses ecrits, ceux meme 011 la legerete etait convenable, se sentent de la meme precipitation. A ce defaut si sensible tenaient d'autres travers, tels qu'un assez mauvais ton, une certaine absence de taet et de delicatesse, une sorte de petulance parfois etourdissante», und er spricht von Formey's «manie de la polygraphie, qu'il attaquait chez tout le monde , excepte chez lui -meme". FORMEY. 449 nic'lit und der König nocli weniger; aber man liatte ihn nun einmal und Hess ihn walten. Dadurch aber erhielt er, namentlicli im Ausland, ein Ansehen, zu dem seine wirkliche Bedeutung in keinem A^erhält- niss stand. Das steigerte sein Selbstbewusstsein ganz ungemessen und befestigte in ilmi mehr und mehr die Überzeugung, die durch wohlfeile Schmeicheleien seiner Correspondenten genährt -wurde, dass er recht eigentlich die Säule der Akademie sei. Solche nicht seltene Einl)ildung subalterner Naturen in büreaukratisch wichtigen Stellungen wäre noch" erträglich gewesen, Avenn der Mann ehrlich und zuverlässig gewesen wäre. Allein, obgleich er sich auf sein Christenthum viel zu gut that und sich berufen glaubte, gegenüber den Einllüssen des Königs und seines Kreises die Rolle des Apo- logeten zu spielen, Hess er es an Charakterfestigkeit und edlem Sinn nur zu sehr fehlen. Bei Abstimmungen war er unberechenbar (s. oben sein Verhalten bei der Abstimmung über die Preisaufgabe Pope-Leibniz), und alle kleinlichen und abstossenden Züge seines Wesens zusammen mit einer lächerlichen Eitelkeit hat er dem Publi- cum selbst zur Schau gestellt in seinen zwei Bänden »vSouvenirs d"un citoyen«, die er drei Jahre nach dem Tode des grossen Königs ver- öffentlicht hat. In diesen »Erinnerungen« schreibt er wie ein Kammer- diener, der mit zahlreichen vornehmen Personen Verbindungen ge- habt hat, bald schlecht behandelt, bald gut belohnt Avorden ist, und der nun nach dem Tode seines Brotherrn mit seinen Verbindungen prahlt und sich zugleich durcli Ausplaudern zahlreicher Geschicht- chen und durch boshafte Mittheilungen rächt. Auch nicht eine Zeile auf diesen 7—800 Seiten, die beweist, dass ihr Verfasser wirkliche Grösse, auf welchem GeT)iet nur immer, zu empfinden vermocht hat. Fünf Dutzend Eloges hat dieser Schriftsteller verfasst, darunter solche auf die würdigsten und grössten Männer des Zeitalters , und ist doch ganz ohne Gefühl für das Ausgezeichnete geblieben, ein Hand- werker, der Lol)reden verfasst hat, weil es einmal sein Metier war! Schlimm spielte er auch Friedrich IL mit\ versteckte aber sein übelwollen hinter allerlei Malicen und Zweideutigkeiten. Dass er sich in seinem langen Leben und durch fortgesetzte litterarische Beschäftigung ein umfangreiches encyklopädisches Wissen erworben ^ Gegen die Behandlung des grossen Königs in diesen »Souvenirs« erschien sehr bald eine anonyme (J. Ch. Laveaux) Gegenschrift, französisch und deutsch: »Vertheidigung Friedrich's IL. Voltaire's, Rousseau's, d'Alejibert's und der Aka- demie zu Berlin gegen die Beschuldigungen des beständigen Secretars derselben oder Herr Formey din-ch sich selbst geschildert« (die deutsche Ausgabe Leipzig 1790). Gescliichte der Akademie. L 29 450 Die wissenscliartliclie Bedeutung der Akademie Fiuedhicii's II. hat, oder vielmehr, dass er von Allem wusste, ist wohl verständ- lich und kann ihm nicht als Verdienst angerechnet werden. Führte er doch die akademische Correspondenz und stand in so zahlreichen litterarischen Beziehungen , wie sie vor ihm nur Leibniz besessen hat\ Aber wenn Büsching behauptet: »Formey übertraf alle an Ge- lehrsamkeit'«, so fragt es sich, w^as man unter »Gelehrsamkeit« verstellt. Wie mangelhaft, oberflächlich und parteiisch er gearbeitet hat, zeigt seine zum fünfzigjährigen Jubiläum der Akademie heraus- gegebene »Histoire« jedem Kundigen. Die Wünsche eines eben zum Denken reifenden grossen Publicums hat er wohl zu be- rechnen verstanden, und so sind einige seiner Werke wiederholt aufgelegt und als Werke des Secretars der Preussischen Akademie auch in fremde Sprachen übersetzt worden. Wenn ihm aber Bar- THOLMESS in seinen Schriften «un sens droit et ferme, un esprit naturellement libre et gai, mais surtout un caractere sincere et franc, toujours aimable et doux, et aussi modere qu'obligeant« nachrühmt, so vergisst er, was er einige Seiten vorher selbst ge- schrieben, und vergisst ausserdem, dass Formey sich einer Sprache bediente, die für ihn dachte und seinen Productionen Eigenschaften verlieh , die der Autor nicht besass. Er hat sich sehr frühe schon, als es andern noch scliwer fiel, mit einigem Geschick — frei- lich nicht selten fällt ihm die Maske ab, und der Gascogner er- scheint — an den Ton der vornehmen französischen Schriftsteller und Gelehrten anempfunden und täuschte damit über sein eigenes Können, wie er durch seine Vielwisserei und seine Correspondenz über sein Wissen täuschte. Dass die Akademie durch diesen ihren Secretar in ihrem Zustande und in ihrem Ansehen nicht empfind- licher geschädigt worden ist, verdankt sie ihrer Verfassung und dem Umstände, dass sie wirkliche Grössen besass^. ' Sein Nachlass unifasste mehr als 20000 nn ihn gerichtete Briefe (Merian fügte hinzu, im Ganzen dürfe man mindestens 40000 annehmen) und zeigte, dass er mit mehr als fünfzig Buchhändlern in Verbindimg gestanden hat. ^ Büsching, Charakter Friedrich's IL (Halle 1788) S. 74. ^ Das Eloge Merian's auf Formey (Mem. 1788/89 p.49 — 82), — die Akademie- Schriften enthalten nur wenige, die so umfangreich sind — verhehlt dem Kundigen nicht , dass der berühmte Mann vor allem als virtuoser Journalist zu beurtheilen ist. Als ein Hauptverdienst wird sodann hervorgehoben, dass er der Erste gewesen, welcher die WoLFF'sche Philosophie in französischer Sprache behandelt und da- durch in die grosse Welt eingeführt hat. Mit feiner Ironie spricht Merian über das sechsbändige Werk »La Belle Wolffienne«. Um Kant, erfahren wir beiläufig, hat sich Formey nie gekümmert; wie so viele aus der »Confrerie Wolffienne« ignorirte er ihn einfach. Von seinen selbständigen philosophischen x\bhandlu7igen Sulzer. 451 Von ganz anderem Schlage als Fokmey waren Sulzer und Merian, obgleich auch sie heute zu den fast Vergessenen gehören. Sulzer (geb. den lö.October 1720, gest. den 27. Februar 1779), das fünf'undzwan- zigste Kind eines AVinterthurer Rathsherrn, hatte in demBoDMER-ßREi- TiNGER'schen Kreise in Zürich die Grundlagen seiner Bildung empfan- gen, sich als junger Prediger mit der WoLFp'schen Physikotheologie vertraut gemacht und ist niemals über die hier empfangenen An- regungen wirklich hinausgewachsen. Durch Beziehungen, die er in Magdeburg, wo er als Hofmeister weilte, zu dem Hofprediger Sack gcAvonnen hatte, kam er als Lehrer an das Joachimsthalsche Gym- nasium, und zwar als Mathematiker (1747). Von Maupertuls und Euler war ihm die Aufnahme in die Akademie versprochen wor- den, aber sie verzögerte sich; denn Sulzer machte aus seinem Wolffianismus kein Hehl und verscherzte dadurch das Wohlwollen Maupertuls" wieder. Allein im Jahre 1750 wurde seine Aufnahme durchgesetzt, und bald war er neben Heinius der Führer der Wolffianer in der Akademie. Er setzte die Beziehungen zu seinen Schweizer Landsleuten rege fort, und sein Bestreben, die Besten unter ihnen nach Berlin zu ziehen , traf mit der Vorliebe Maupertuis' für sie zusammen. Seine Bedeutung für Preussen und die Akademie ist in einer doppelten Richtung zu suchen: in beiden bewährte er sich als ein energischer und zäher Mann, der das auch durchsetzen wollte, was ihm recht und heilsam schien. Erstlich war er ein hervor- ragender Paedagog , der der herrschenden Schulweisheit und der pae- dagogischen Hülflosigkeit gegenüber gesundere Grundsätze als Orga- nisator und Lehrer vertrat \ Sodann war er der überzeugteste und thätigste Anhänger der litterarischen und philosophischen Aufklärung in der Combination Breitinger-Wolff und verstand es, diesen Stand- sagt Merian, dass Klarheit, Pi'äcision und ein coulanter Stil ihr Hauptverdienst gewesen seien. Dass Formey eine Reihe trefflicher Eigenschaften für das Amt eines Secretars besessen habe, wird anerkannt; aber es sind nicht die höchsten Eigenschaften, die Meriax (p. 72) nennt. Seine i> immense« Correspondenz, fährt er fort, benutzte Forjiey, um die Journale, die er herausgab, zu speisen, und er scheut sich nicht, Algarotii's witzige Bemerkung wiederzugeben, Formey sei ein überall accreditirter Banquier, «qui influe partout sur la hausse et la baisse des papiers de change et des actions, et sur tout ce qui se transige dans le monde commergant". Unbedingt lobt Merian nur die Eloges Formey's — das ist wohl verständlich; denn er selbst war sein Nachfolger und sollte es besser machen. Am Schlüsse preist er ihn als einen der glücklichsten Menschen , dem auch ein sanfter Tod beschieden gewesen sei. ' Dem verantwortungsvollen Amte eines Visitators des Joachimsthalschen Gymnasiums hat er sich allerdings nicht gewachsen gezeigt. 29* 452 nie wissenscliaftliche Bedeutung der Akademie Friedrich's II. puiikt in gut geschriebenen und viel gelesenen Schriften zu vertreten. Dadurch gab er den Berlinern Ramler, Mendelssohn, Lessing und Nicolai zunächst einen Rückhalt, der noch fortwirkte, als sie über den didaktischen Schweizer Aufklärer — und zwar bald — hinaus- wuchsen: Mendelssohn hat ihn stets mit hohem Respect behandelt, und in dem Streite über Leibniz -Pope waren sie seine Bundesgenossen. »Sulzer hat die Verdienste des unsterblichen Mannes, Wolff's, in we- nigen Blättern ganz anders anzuzeigen gewusst, als der vielschrei- bende Gottsched in seinen Quartanten«, rühmt Mendelssohn von ihm\ In der That hatte Sulzer in den 15 Jahren zwischen 1750 und 1765 dem norddeutschen und besonders dem Berliner Publicum Vieles zu sagen und verstand es wirklich zu belehren. Sein einmal gewonnenes Ansehen blieb ihm erhalten, ja verstärkte sich noch in der Folgezeit für weitere Kreise; aber er selbst schritt nicht fort. Zwar bewährte er sich stets als ein für die verschiedensten Gebiete der Erkenntniss aufgeschlossener Kopf, aber als ein enger Kopf, und als in den Jahren i 771 — 1774 sein Hauptwerk »Allgemeine Theorie der schönen Künste« erschien — in alphabetischer Anordnung! — , enttäuschte dieser Nachzügler strict BoDMER'scher Observanz zwar noch niclit das grosse Publicum, wohl aber alle höher vStrebenden. Dass die Hauptabsicht der schönen Künste auf die Erweckung eines lebhaften Gefühls des Wahren und Guten gehe, dass der letzte Zweck überall die moralische Verbesserung sei, dass auch die Poesie um so höher stehe, je didaktischer sie ist, waren Behauptungen, die bereits über- wunden waren. Lessing's Ausführungen existirten für Sulzer nicht, und den Geist eines Herder ahnte er noch weniger. »Nachdem sich die Wasser der epischen Sündfluth in Deutschland verlaufen, so hätte man die Trümmer der BoDMER'schen Arche auf dem Gebirge der Andacht weniger Pilgrime überlassen können«, spottete der junge Goethe. Bereits im Jahrgang 1757 der Memoires hat Sulzer eine Analyse des »Genies« veröffentlicht'^. Er definirt es als das Vermö- gen, sich aller erkennenden Seelenkräfte mit Leichtigkeit und Ge- schicklichkeit bedienen zu können, und findet dann , dass zum Genie erstlich die vivida vis animi, die Lust zu einer Sache gehöre, so- dann drei Stücke, nämlich Witz und Scharfsinnigkeit, Beurtheilungs- kraft und — Besonnenheit. Kann man blinder über dieses Thema reden ? Und doch hat die Abhandlung einen niclit geringen Eindruck gemacht und einen Anstoss gegeben, der sich in verschiedenen ^ Gesammelte Sclu-iften, Bd. 4, i S. 572. 2 P. 392 ff. SCLZER. 45 B Riclitungen verfolgen lässt. In den Fragestellungen und in der räson- nal)len und anziehenden Behandlung der höheren psychologischen Probleme liegt das eigentliche A'erdienst solcher Philosophen wie Sulzer. Sie haben damit das Interesse erweckt und weite Kreise aus dumpfer Gedankenlosigkeit, aus Trägheit und Aberglauben herausge- führt. Niemand war dazu geeigneter als der Schw^eizer Philosoph mit der umfassenden Bildung, der Zuverlässigkeit des Charakters, der Liebenswürdigkeit und der festen Zuversicht, dass es gelingen müsse, die Menschen zu bessern und zu bekehren. »Sulzer den Welt- weisen«, nannte man ihn feierlich nach seinem Tode, ja, verehrte ihn in manchen Kreisen fast wie einen Heiligen. »Ce sage si ai- mable« — rief Johannes von Müller aus — , »si universel, si ver- tueux, l'ornement de notre nation, n'est plus! ... Sa mort de^'Tait instruire les materialistes. Quoi! Dien eteindrait a jamais un genie qui s'est eleve ä un tel degre de perfection! Quand je pense k I'esprit de Sulzer, ä sa figure, ä sa serenite, ä son coeur, a son amabilite, oh, combien alors j'aime davantage les sciences et la vertu\« »Seine Yertheidigung »Gottes, der Freiheit und der Unsterb- lichkeit« in einer dem grossen Publicum verständlichen, warmen und eindrucksvollen Sprache hat ihm die Gemüther gewonnen"". Übrigens war er doch vom Geist des Zeitalters zu stark afficirt, um Wolff's Methode einfach zu reproduciren ; aber sie blieb die Grundlage aller seiner Bemühungen, und in scharfer Abweisung französischer Schön- redner erklärte er ffir die Landplage der Philosophie jene Philo- sophen, »qui. plus accoutumes aux saillies d'esprit qu'ä des raisonne- ments approfondis, pretendent ren verser par un bon mot des verites qu'il n'est possible de connaitre qu'en combinant une multitude d'observations assez difficiles et assez delicates pour n'etre saisies ^ Citirt nach Bartholmess, T. II p. 8i. Als der Genfer Tremblev am 2. Oc- tober 1794 seine Receptionsrede als ordentliches Mitglied in der Akademie hielt, bezeichnete er Sulzer, Merian imd Lagrange als die drei grossen akademischen Lehrer (Memoires 1794/95 p. 43). Dass Friedrich der Gi^osse den Plan, Leibniz, Lambert und Sulzer ein gemeinsames Denkmal in Berlin zu errichten, mit Sym- pathie genehmigt hat. ist oben S. 393 erzählt worden. Herder hat Sulzer im "Teutschen Merkur« (1781) neben Wixckelmann und Lessing ein litterarisches Denkmal errichtet. ^ Bartholmess (T. II p. 107) bemüht sich zu zeigen, dass Sulzer durch sein ästhetisches Hauptwerk einen Einiluss auf Kant's Kritik der Urtheilskraft ausgeübt habe, »par ce qu'il le portait a rejeter. autant que pur ce qu'il lui donnait.« Das Letztere ist wenig wahrscheinlich. — In den »Xenieu" wird Sulzer als moralisirender Ästhetiker verspottet, als Mensch anerkannt (Nr. 352, vei"gl. Nr. 88) : »Hüben über den Urnen ! Wie anders ist's als wir dachten I ^lein aufrichtiges Herz hat mir Vero'ebuns: erlanjit ■< . 454 Die Avissenschaftliche Bedeutung der Akademie Friedrich's IL qu'n Taide d'une attention tres forte^<. Wenn man sich die Be- deutung der heute vergessenen deutschen Philosophen der Berliner Akademie klar machen will, darf man das hohe Verdienst nicht gering schätzen, dass sie sich der Herrschaft des «hon mot«, welche von Frankreich her drohte, entgegengestemmt hahen"'. Ohgleich von anderen Voraussetzungen ausgehend als Sulzer und als kritischer Denker ihm bedeutend überlegen , bewegte sich Merian (geb. den 28. September i 723 in Liestall, gest. den i 2. Februar 1807) in seiner Wirksamkeit doch zu denselben Zielen. Der junge Schweizer gewann in Amsterdam, wohin er sich begeben, Bernoulli's Vertrauen, der ihn Maupertuis empfahl, und bereits im Jahre 1750 nahm ihn dieser in die Akademie auf^. An ihn und Euler schloss sich Merian eng an und nahm in allen Streitigkeiten gegen Wolff und für die Engländer Partei , ja er arbeitete sich auch in Hume's Philosophie ein und übersetzte dessen philosophische Schriften für Maupertuis in"s Französische. Allein zu einer geschlossenen philosophischen Weltan- schauung brachte er es nicht. Zwar setzte er in mehreren Abhand- lungen die Polemik gegen Leibniz -Wolff fort und zeigte sich dabei von der schottischen Philosophie beeinflusst; aber er suchte dann wieder die verschiedenen Standpunkte, den kritischen und den Leib- Nizischen, zu vermitteln und strebte nach einer empirisch -psycholo- gischen Betrachtung der Probleme, ohne über einen mannigfach be- stimmten Eklekticismus hinauszukommen. Es fehlte ihm der bohrende Scharfsinn und die Energie, ein Problem vollständig durchzudenken: ^ Memoires 1775 p. 361 f. - Anerkennend liat Justi (Winckelmaxn Bd. IL 2 1872 S. 302 ff.) über Sul/.er geurtheilt. »Es lag in ihm der Trieb, alles Strebende zu fördern, alles Deplacirte an seinen Posten zu bringen. Ein ganz encyklopädisch und teleologisch angelegter Kopf von akademisch -administrativer Richtmig. vermochte er auch der Dichtung und Kunst, wie bisher seiner Naturwissenschaft , nur durch moralische und gemein- nützige Gesichtspunkte Werth abzugewinnen. Er studirte niclit nur in Bibliotheken und im Buch der Natur, er fand Lehrstühle der Philosophie auch in den "Werk- stätten und Ateliers, in den Comptoirs und Regierungscollegien. bei Gärtnern und Bauern. ... Er hatte ein klares Bewusstsein von der Würde der Kunst und von ihrer Bestimmung, ein Theil des Nationallebens, ein Element der öffentlichen Ev- ziehung zu sein.« Aber auch Justi bestätigt Goethe's Urtheil über Sulzer: .Iu- ist in's Land der Kunst nur gereist, nicht aber darin geboren und erzogen: er hat nie darin gelebt, gelitten und genossen». ^ Merian hat ihr also 57 Jahre angehört. Die Akademie hat das Glück gehabt, dass eine gr-össere Anzahl von ^Mitgliedern ihr ül)er 50 Jahre erhalten geblieben sind, nämlich ausser Merian auch Pott, Formey, der Geolog Gerhard. A. VON Humboldt, Grüson. Savigny, Böckh, Bekker und Ranke. Über 40 Jalire Inno- haben ihr mehr als vierzig Mitglieder angehört. Merian. 455 darum griff er nach allen zugleich. Er wollte noch immer, wie Leibniz micl Maupertuis, der Universalgelehrte sein, der Erkennt- nisslehre, Metaphysik, Physik, Psychologie, Moral und litteratur- geschichtliche Fragen neben einander betrieb und sie in allgemein fasslicher Darstellung bearbeitete. Er hat Untersuchungen über die schwierigsten philosophischen und psychologischen Prol)leme ange- stellt (»L'appercejition de sa propre existence«, «L'existence des idees dans l'äme«, »L'action, la puissance et la liberte«, »Reflexions philosophiques sur la ressemblance « , «Le principe des indiscer- nables«, »Sur l'identite numerique«, »Parallele de deux principes de Psychologie«, »Le sens moral«, »La crainte de la mort, le mepris de la mort, le suicide«, »La duree et l'intensite du plaisir et de la peine«, »Le probleme de Molyneux« [sieben Aufsätze]), und anderer- seits zahlreiche Abhandlungen über den Einfluss der Wissenschaften auf die Poesie verfasst — er spricht sich gegen die didaktisch- wissenschaftliche Dichtung aus — , Claudian's Raptus Proserpinae in französische Prosa übersetzt und die Frage, ob Homer der Dichter der Ilias und Odyssee sei (1785), geprüft und verneint \ In den nach dem Tode Friedeich's erschienenen Abhandlungen hat er Hujie's Skepticismus als zu weit gehend abgelehnt, aber auch von Kant's Philosophie vermuthet (»Parallele historique de nos deux philoso- phies nationales« 1797), sie werde in einiger Zeit wahrscheinlich ebenso vergessen sein, »wie jetzt die WoLFF'sche«. An diesem Aus- spruch erkennt man am besten, dass die fortschreitende philoso- phische Bewegung über den Secretar der Berliner Akademie — das war er 1797 nach Formey's Tode geworden — hinweggeschritten war". Sein Einlluss auf die Akademie war seit Euler's Weggang ^ Die Abhandlung, die ihm das Lob F. A. Wolf's eingetragen hat, stellt in den Memoires 1788/89 p. 513 — 44 («Examen de la question, si Homere a ecrit ses poemeS"). Merian hatte bereits in einer Abhandlung vom Jahre 1774 (^Memoires p. 485 note 4) , überzeugt durch die Darlegungen Wood 's , die Frage verneint. Jetzt prüfte er sie genauer mit besonderer Berücksichtigung der Inschriften und der Hypothesen über den Ursprung der Schrift und Schreibekunst bei den Griechen. — Über Kakt luid den «Äther der transcendenten Ideen« finden sich hin und her bei Merian spitze Bemerkungen. - Aber obgleich Merian die KANr'sche Philosophie verwarf, hatte er vor dem philosophischen Genie Kant's den höchsten Respect. Da^ beweist schon der Titel vind das ganze Unternehmen seiner Abhandlung: »Parallele historique de nos deux Philosophies nationales« (Memoires 1797 p. 53 ff.); denn Leibniz und Kant sind ihm die beiden grössten deutschen Philosophen, und ausdrücklich bemerkt er (p. 56): «En comparant Kant avec Leibniz et Wolff. je serais tente de le placer sur la meine ligne philosophique avec le pr emier, et plus haut que le second«. Halb wehmüthig, halb ironisch beginnt er, indem er von der LEiBNizischen Metaphysik 45G Die wissenschaftliche Bedeutung dci- Akademie Friedrich's II. sehr l)edeutend, ja er ist in der Zeit von 1770-86 und dann noch weitere zwanzig Jalire unstreitig der wirksamste Akademiker inner- halb der Körperschaft selbst gewesen. Das Vertrauen des alternden Königs besass er wie kein Anderer \ wurde häufig, zumal nach dem Tode d'Argens', dessen Stelle als Director der Klasse der Belles- Lettres er 1771 erhielt, zu ihm berufen und vermittelte es, dass der Monarch in persönliche Beziehungen zu einzelnen Akademikern trat. Bei solchen Audienzen ist er stets zugegen gewesen. Es war ein Vortheil, dass sich der König an Stelle d'Argens" nun mit Meeian über litterarische und philosophische Fragen unterhielt ; denn der Schweizer Avar an Kenntnissen und Ernst dem witzigen Südfranzosen weit überlegen. Die Akademie aber konnte sich keinen besseren Fürsprecher beim Könige wünschen als. diesen unparteiischen und liebenswürdigen Mann, der mit ganzer Seele in der Akademie lebte und nur für sie arbeitete und schrieb. Jeder Verein braucht min- destens ein Mitglied, in welchem sich der Vereinsgedanke gleichsam verkörpert und dessen ganzes Interesse in der Sorge für den ge- meinsamen Zweck aufgeht — dieser Mann ist für die preussische Akademie vom Jahre 1770 bis zum Anfang des 19. Jahrhunderts Merian gewesen. Er hat bereits vor 1750 und noch nach 1800 für die Akademie geschrieben"' und die Traditionen Maupertuis' bis an die Schwelle der Akademie Humboldt"s geleitet. Er ist es auch gewesen , der in der Regel die Beurtheilungen der philosophischen und litterarischen Preisarbeiten verfasst und in den Memoires ver- öffentlicht hat. Von ihm stammen die Gutachten über Mendelssohn und Kant, über Herder, Garve, Michaelis, Meiners und Schwab. Er hat Lambert's schwerfällig geschriebenen kosmologischen Briefen durch seine französische Übersetzung ein Weltpublicum gewonnen, zu Kant übergeht, mit den Woi'ten : «J'y cherche en vain notre chere Metaphysique ; eile a disparu comme un songe: la science reine est descendue de son trone, et ce trone est renversc". Er geht aber nicht auf die sachliche Kritik ein, sondern verfolgt die Erscheinungsform, die Geschichte und die Wirkung beider Philo- sophien. Er streift die übertriebenen Lobeserhebungen, die sich bis zu der Höhe gesteigert haben, Kant habe das Werk Jesu Christi vollendet! »En verite Ton m'excusera; mais le jugement le plus charitable que Ton puisse porter de tels pane- gyi'istes, ne serait-ce pas de les croire echappes je ne sais d'oü?" Aber von Kant selbst sagt er: »Le dessein louable du philosophe critique, c'est d'epurer nos fa- cultes de tout alliage heterogene, d'assigner au juste leur portee, de decouvrir jus- qu'oü elles vont, ce qu'elles donnent et ce qu'elles refusent". ^ Schon als den Schwiegersohn seines verewigten Freundes Jordan bevorzugte ihn der König. - Die erste Abhandlung ]Merian's steht in den Memoires von 1749. die letzte (ein Eloge) in den Memoires von 1804. Meriax. T)ie Historiker der Akademie. 45 / wie er die schottische Philosophie auf dem Continent bekannt ge- macht hat. Der grossen Conception, die ganze Philoso])hie in eine »Naturgeschichte der Seele«, eine »Geschichte des innern Menschen« zu verwandeln — er hat sogar schon von einer Psychometrie ge- sprochen — • war er nicht gewachsen; aber er hat doch Momente der älteren vorkantischen (englisch -schottischen) Philosopliie fest- gehalten, die einige Jahrzehnte nacli Kant wieder siegreich hervor- gebrochen sind. So mögen hier zum Schluss die Worte stehen , die er in der Abhandlung: »Parallele historique de nos deux Philo- sophies nationales ^< niedergeschrieben hat: '■L'oljservatioii et Texperience demeureront tonjours les sources vraies et primitives de tout ce que nous apprenons, de tout ce que nous savons. Et, ä proprement parier, ce qui preexiste ou existe en nous a priori, nous ne le decouvi'ons qu'a posteriori. L'on a beau vouloir decrier ce que l'on nomme TEmpiiisme: il maintiendra ses droits imprescriptibles . . . Le philosophe qui observe et experimente, peut sans crainte joroposer le resultat de ses experiences et de ses observations : il peut y revenir, les refaire, les changer, les varier ä son gre: au lieu que les fauteurs de systemes excluent cette flexibilite. leur roideur y resiste: tout ou rien, durer ou rompre, voilä leur devise^.« Historische Abhandlungen haben in der fridericianischen Aka- demie der König selbst und Pelloutier, Becmann, Küster, Hertz- berg, Raynal, Heinius und Weguelin geschrieben. Der eigentliche Hi- storiker war Hertzberg, der nicht nur die alte und neuere preussi- sche Geschichte in nationalem Geiste beliandelte, sondern auch, von Montesquieu beeinilusst, Fragen wie die bearbeitet hat: »Sur les revolutions des Etats et particulierement sur Celles de l'AUe- ^ Memoii'es 1797 p.53lf. ^ Gegen den "Phänomenisnius« Hume's, «der Alles in Ruinen stiirzt". macht Merian (Memoires 1792/93 p. 417 ff.), auf dem Boden Locke's verharrend, einige sehr erhebliche Einwendungen und weist schliesslich darauf hin, dass es keine mensch- liche Sprache giebt, in der sich Hume's Skepticismus ausdrücken und festhalten lässt: die Sprache selbst verbietet den Phänomenisnuis. » Enfin, voici le probleme que je vous donne a resoudre. Vous voulez une langue philosophique. Eh bienl faites-vous-en une; ou purifiez inie de nos langues deja existantes de cette lie d'Ego'ite, de Subjectivite, de Substantialite dont elles sont toutes infectees et ternies. Forgez-en une, vous dis-je, exempte de tout pronom personnel, de toute intlexion pronominale, de tout ce qui en porte le moindre vestige, et dans laquelle nos phenomenes puissent correspondre ensemble sans aucun alliage etranger. Je serai le premier ä applaudir ä ce rare chef- d'oeuvre , et ä l'admirer comme le plus curieux de tous les jjhenomenes.« Über Meriax's ausgezeichneten Schiller und Rivalen P. Prevost, der nur viei- Jahre der Berliner Akademie angehört hat , und über seine Genfer Schule s. Bartholmess, a. a. 0. II p.2 25ft'. Prevost stai-b erst am S.April 1839; für die Memoires hat er treffliche Beiträge geliefert. 458 Die wissenscli;il'tliflie Bedeutung der Akademie Friedkkii's IL magne« (1781), »Sur la population des Etats en general, et sur Celles des Etats prussiens en particulier« (1783), »Sur la veritable rieliesse des Etats, la balance du commerce et celle du pouvoir« (1784). Neben Hertzberg ist Weguelin zu nennen, der über Tacitus, Plutarch, Atlianasius und Pliotius nicht olme Verständniss und Geist schrieb, auch fünf Abhandlungen zur Pliilosophie der Geschichte (i 770-1 776) verfasste, Probleme behandelte, wie »die historische Wahrscheinlichkeit« (1786), »der periodische Lauf der Begeben- heiten« (1785), »die politische Nomenclatur« (1785) und u. a. auch das paradoxe Thema erörterte: »Sur l'histoire consideree comme la Satire des travers du genre humain« (1782)^ Indessen in den his- torischen und philosophisch-politischen Abhandlungen lag doch niclit die Stcärke der Akademie. Wir dürfen uns damit begnügen, sie im Vorübergehen gestreift zu haben". Aber eines Akademikers müssen wir am »Schluss unserer ITbersicht gedenken, der seines streng ortho- doxen Standpunkts und seiner rein deutschen Haltung, vielleicht auch seiner zum Theil seltsamen sprach geschichtlichen Hypothesen wegen bei Lebzeiten nicht gebührend geschätzt, vom Könige zurückgesetzt und nie mit einer Pension bedacht worden ist^, der aber heute als Begründer einer ganzen wissenschaftlichen Discij)lin gefeiert wird — des Oberconsistorialrathes und Propstes J. P. Süssmilch*. ^ Auch "Weguelin (Wegelix) war urs2:)rünglich Theologe. Durch Sulzer nach Berlin an dieRitteralcademie berufen, sammelte er Materialien zu einer grossen »Histoire universelle et diplomatique de l'Europe depuis Charlemagne jusqu'ä l'an 1740«. Drei Bände erschienen, aber das vuiifangreiche Werk — es reichte im 3. Bande erst bis zum Antritt der Capetinger — . Avelches mit politisch -moralischem Räsonnement überladen war. dagegen die (Quellen nicht nannte, fand den erwarteten Beifall nicht und musste abgebrochen werden. Es ist vergessen: aber als Geschichtsphilosoph geniesst Weguelin noch immer Anerkennung. Er wies darauf hin, »dass das Wesentliche und Bleibende in der Geschichte durch die Natur und Entwicklung der Ideen bedingt ist. Immer betrachtete er die Erscheinungen von hohem, univer- salhistorischem Standpunkt". (Allg. Deutsche Biographie Bd. 41 S.423f.) -. Genannt sei auch der verdiente brandenburgische Historiker Kiister . der von 1728— 1776 Mitglied der Akademie gewesen ist. Seine grossen Arbeiten ge- hören ausschliesslich der brandenburgischen Geschichte an und sind als stoffreiche Sammlungen geschätzt. In seinem monumentalen Werke «Altes und neues Berlin« (4 Foliobände 1737. 1752. 1756. 1769) hat er den Grund zur Stadt- und Baugeschichte Berlins gelegt. Der letzte Band ist leider nie gedruckt worden: denn Nicolais bequemes und anziehend geschriebenes Buch verdrängte das ältere und viel gelehr- tere, aber schwerfällige Werk. Siehe über Küster (seit 1732 Rector des Friedrich- Werder'schen Gymnasiums) Allg. Deutsche Biographie Bd. 17 S.435f. ^"'"'^i Geiger, Berlin Bd. I S.542f. ^ Siehe oben S.357. * "\'ergl. über ihn die modernen Handbücher der Statistik, der Bevölkerungs- statistik, der INIoralstatistik (von Oettingen) und der National -Oekonomie. sowie SÜSS.MIIXH. 459 SüssMiLCH (geb. den 3. September 1707 in Zelilendorf bei Berlin, gest. den 22. März ijOj), 1742 als Consistorialratli von einem Land- pfarramt ^ nach Berlin berufen, wurde im Jahre 1745 in die Akademie aufgenommen auf Grund seines Werkes »Die göttliche Ordnung in den Veränderungen des menschlichen Geschlechts« (i 741 ff., bis 1775 vier Auflagen)"". Die Akademie, die sich schon früher, Anregvmgen von Neumann und Leibniz folgend, für social -biologische Fragen interessirt hatte (s. oben S. i2of.), bewies durch seine Aufnahme , dass sie für die Wichtigkeit dieser Probleme noch immer ein offenes Auge besass. Die Bedeutung jenes Werkes an's Licht zu stellen, ist heute nicht mehr nöthig, nachdem die ersten Nationalökonomen und Bevölke- rungsstatistiker, DiETERICI, VON RÜMELIN, KnAPP, VON OeTTINGEN U. A., es einstimmig als das grundlegende und durch seine realistische Behandlung der socialwissenschaftlichen Fragen bedeutendste Spe- cialwerk seiner Zeit bezeichnet haben. Mit allen Empfindungen eines Deutschen stand Süssmilch in der halbfranzösischen Akademie, antipathiscli berührt von der Schönrednerei, dem Witz und der »mo- dernen« Haltung der Franzosen, Aber der als unmodern geltende Theologe begründete in Wahrheit die modernste Wissenschaft und baute sie aus, in streng methodischer, empirischer Auffindung und Bearbeitung der Bevölkerungsprobleme einem Montesquieu überlegen. Li die Memoires der Akademie hat er nur wenige Aljhandlungen eingerückt^ — augenscheinlich war ihm der Zwang zuwider, seine Arbeiten französisch drucken lassen zu müssen, auch hielt er be- scheiden mit seinen Ergebnissen zurück — , aber regelmässig hat er (in deutscher Sprache) in den Sitzungen Vorträge gehalten. Den Protokollen ist folgende Liste zu entnehmen: »Über die Zunahme der Heirathen und Geburten in den preussischen Staaten« (1746), »Be- obachtungen, in der Altmark gemacht« (1747), »Über die Stadt Berlin, die Zahl ihrer Einwohner und Häuser, die Proportionen zu den verschiedenen Zeiten« (1749), »Über das Alter der Städte Cöln den Artikel in der Allg. Deutschen Biographie von John (Bd. 37 S. i88fF.), und HoFFMAXX. Abhandlungen der Akademie 1836 S. 197 ff". ^ Kurz vorher war er Feldprediger gewesen; die Vorrede seiner "Göttlichen Ordnung« ist unterschrieben »Auf dem Marsch zu Schweidnitz«. ^ In dem Eloge auf Süssjiilch (Memoires 1767 p. 496 ff.) schreibt Forjiey p. 502: «Connu donc avantageusement par la i« edition de son livre, les portes de TAcademie lui furent ouvertes peu apres son renouvellement, dans le cours de l'anjiee i745". ^ Eine sprachwissenschaftliche im Jahrgang 1745 p. 188 ff. und den »Essai dans lequel on se propose de determiner le nombre des habitants de Londres et de Paris« im Jal)rgang 1759 p. 453 ff. 460 Die wissensoliaftliclie Bedeutung der Akademie Frif.dricii"s II. und Berlin« (1750), »Über die Zahl der Sterbefälle in Berlin im Jahre 1750 und Erörterung der Frage, wieviel Personen über 80 Jahre Berlin haben dürfte« (1751), «Über die Proportionen in den mensch- lichen Lebensaltern« (1751), «Gegen Montesquieu, dass das Christen- thum keineswegs der Vermehrung des menschlichen Geschlechts ent- gegen ist« (1753), »Über die Proportionen zwischen den Geburten, Heirathen und Todesfällen« (1753), «Über die Einwohnerlisten von London und Bristol« (1754), «Über den Ursprung der Sprache« (1756, zwei A'^orträge), «Über die Ähnlichkeit zwischen den arith- metischen Figiu'en und mehreren Worten der Sprachen von Llin- dostan mit den deutschen Chiflfern und Worten« (1757), «Gedanken über die besten Mittel, um die Einwohner in einem Staat zu ver- mehren« (1757), «Nachweis, dass die Heruler weder in der Mark Brandenburg noch in Mecklenburg und den l)enachbarten Gegenden je gesessen haben« (1757), »Über die Zahl der Einwohner von London« (1759), «Über Montesquieu's Behauptung, betreffs der Popu- lation Deutschlands zur Zeit Julius Cäsar's« (1759), «Über die Pro- pagation der Bevölkerung« (1760), »Ist es möglich, dass ein Staat, der so blühend wie Frankreich erscheint, sich ent- völkern kann durch innere Ursachen ohne Krieg und Seuchen?« (1761), » Vertheidigung der deutschen Gelehrten gegen das Urtheil, das die englischen Schriftsteller der Universal-Geschichte gefällt haben« (1761), »Über etymologische Fragen« (1762), «Ein Specimen eines Idioticons Prussicmn-Marchicum« (1763)^ «Über die Zahl der Einwohner der verschiedenen Staaten des Königs von Preussen und über die Ursachen der Verschiedenheit dieser Zahl« (1764), » Vergleich ung der Kegeln der Ordnung der Providenz in den Geburten und Todesfällen in Frankreich mit denen anderer Länder« (1767). Wohl verfolgte Süssmilch mit seinen Arbeiten apologetische Zwecke", aber er l^lieb dabei der exacte Forscher. Über die im ^ Diese Aufgabe hatte seiner Zeit auch der Akademiker Frisch zu bearbeiten unternommen. Dieser ausgezeichnete Forscher hat überhaupt bedeutend auf Süssmilch eingewirkt, s, Formey, Memoires 1767 p. 498. Schon die alte Societas Regia hatte sich — gewiss auf FRiscnens Betreiben — aus den verschiedenen Provinzen durch die Regierungen regehnässig bevölkerungsstatistische Nachrichten schicken lassen, besonders über alle Fälle von besonders hohem Lebensalter (s. Akademisches Archiv). ^ WoLFF hat die erste Auflage mit einem empfehlenden Vorwort eingeleitet und das Werk als eine Probe bezeichnet. wi(^ die Wahrscheinlichkeitstheorien zum Gebrauch im menschlichen Leben verwendet werden können. Auch die teleolo- gische Haltung war in Wolff's Sinn. Angeregt worden ist Süssmilch, wie er selbst bekennt, durch Derham"s Phvsico - Theology. SÜSSMILCH. 461 Jahre 1761 erschienene, gänzlich neugearbeitete zweite Auflage der «Göttlichen Ordnung«^ sagt Knapp: »Von einer nüchternen Theodicee erhebt sie sich zu einem nationalökonomischen und politischen Werk, dessen für jene Zeit allumfassende und erschöpfende Vollständigkeit später nicht wieder erreicht worden ist«. Da Süssmilch auch die Todesfälle und ihre Ursachen statistisch beleuchtet, ferner die Crimi- nalität und die mit ihr zusammenhängenden Erscheinungen beachtet hat, so hat er die medicinische und die Moral-Statistik mit begründen helfen. Die »politische Arithmetik«, wie sie ihm vorschwebte, um- fasste eben bereits alle menschlichen Massenerscheinungen. Im Jahre 1752 liess er zwei Abhandlungen drucken über das schnelle Wachs- thum der Stadt Berlin und veröffentlichte kurz vor seinem Tode die umgearbeitete Akademieschrift von 1756: »Versuch eines Be- weises, dass die erste Sprache ihren Ursprung nicht von Menschen, sondern vom Schöpfer erhalten hat« — • jene Untersuchung, die Herder erst zum Widerspruch gereizt, deren Gedanken er sich aber später genähert hat. Obgleich Süssmilch's Hauptwerk nach seinem Tode noch einmal herausgegeben worden ist, gerieth es doch bald in Vergessenheit. Soweit in den folgenden Jahrzehnten überhaupt Interesse für bevölkerungsstatistische Fragen vorhanden war, wurde es von Malthus' Arbeiten in Anspruch genommen. Erst seit der Mitte unseres Jahrhunderts hat der grosse Vorgänger des. Engländers den verdienten Ehrenplatz in der Wissenschaft erhalten. Süssmilch musste es erfahren, dass es fast ein Unglück war, an der Berliner Akademie nichts als ein deutscher Fachgelehrter zu sein: sein Hauptwerk drang nicht in die Kreise der europäischen wissenschaftlichen Bewegung, und er selbst galt nicht als »lettre«, denn er schrieb nur über Dinge , die er gründlich verstand. Der König hat ihn schwerlich anders beurtheilt als den ganz unbedeu- tenden Hofprediger Sack. — Hier bedarf es zum Schluss noch einiger ^ Wie sie entstanden, erzählt Formey, a. a. 0. p.501: ^'L'Ordre de la Pro- vidence dans les revolutions aiixquelles le genre humain est assujetti« — c"est lä proprement l'occupation de toute sa vie, le bat de toutes ses recherches, le centre de toutes ses reflexions; depuis qu'il eut fox'ine ce dessein, il ne le perdit pas an instant de vue, il rassembla de tous cotes les secours qui pouvaient le mettre en etat de le perfectionner, il consulta les savants dont les lumieres pouvaient etendre les siennes, surtout notre celebre M. Evler; en un mot, jainais on n"a vu un auteur plus rempli de son sujet, plus livre ä cette espece d'enthousiasme qui persuade qu'il n'y a rien de niieux que ce qu'on fait, et qu"on le fait le niieux qu'il est possible de le faire«. 4fi2 Die wissenscliaftliclie Bedeutung der Akademie Friedrich's II. Andeutungen, die sicli auf das Verliältniss Frikdrich's zum deutschen Geist beziehen und indirect auch die Akademie betreffen. Obgleich der König nacli wie vor die in deutscher Sprache geschriebenen Bücher ignorirte, oder sie nur eines llüchtigen Bücks würdigte, beschäftigte ihn in den letzten zehn Jahren immer leb- hafter das Problem , wie sich die deutsche Sprache und der deutsche Geist in Zukunft entwickeln werde. Unverständlich ist das wahr- lich nicht! Er, «die gekrönte Eealität«, er, der nach dem schönen Worte Goethe's durch seine Thaten den wahren und höheren, eigentlichen Lebensgehalt der deutschen Poesie gegeben, der ihr eine Epopöe geschaffen hatte, wenn auch nicht in der Form eines epischen Gedichts — er musste doch auf Wirkungen seiner Schöpfung hoffen und sie suchen. Je mehr er den französischen Geist sinken sah, desto natürlicher war es, dass sich seine Hoffnungen für die Zukunft auf den deutschen richteten. Er hoff'te wirklich, aber ohne zu wissen, wie Hülfe kommen könne; denn noch im Jahre 1775, in dem berühmten Brief vom 24. Juli an Voltaire \ beurtheilte er die deutsche Sprache als ein unvollkommenes und unverbesserliches In- strument des Geistes und den deutschen Geschmack als barbarisch. Aber dann, nachdem er die staatswissenschaftlichen Schriften der Deutschen und ihren Leibniz gerühmt, fährt er fort: * «L'Allemagne est actuellement comme etait la France du temps de pRANgois I. Le goüt des lettres conimence a se repandre; 11 taut attendre que la nation fasse naitre de vrais genies, conune sous les ministeres des Richelieu et Mazarin. Le sol qui produit un Leibniz en peut jiroduire d'autres. Je ne verrai pas ces heaux jours de ma patrie, mais j'en prevois la possibilite.« Dieser Ausblick der Hoffnung ging ihm nicht mehr verloren. Es stand ihm fest — die deutschen Genies werden kommen, und, wenn sie kommen, werden sie sich ihrer ungefügen Sprache bedienen und deutsch schreiben! Sie werden diese Sprache verbessern; zu wün- schen ist, dass sie sie schon als verbesserte finden. Gesichtspunkte anzugeben, wie das geschehen könne, ist die Aufgabe der Abhand- lung, mit der der König die Nation und das Ausland überraschte: »De la litterature allemande, des defauts qu'on peut lui reprocher, quelles en sont les causes, et par quels moyens on peut les corriger^«. Dass dieser Tractat auf Grund einer ganz ungenügenden Kennt- niss des Zustandes der deutschen Litteratur geschrieben ist, dass der ' Oeuvres T. 23 p. 335ft'. ^ ffiuvres T.7 p. 91 ff. (vom Jahre 1780); vergl.SuPHAN, Friedrich's des Grossen Schrift über die deutsche Litteratur. 1888. Dei' König und die deutsche Litteratur. 46 B König" noch immer Poesie nur in den Formen der lateinischen und französischen Kunsti:)oesie anzuerkennen vermag, dass ihm alles Natur- %vüchsige, Volksthümliche , wahrhaft Geniale als ungebändigte Zucht- losigkeit erscheint S ist nur zu deutlich. Deutlich ist auch, dass sich seine Rath schlage und Correcturen grösstentheils auf einen Zustand der deutschen Litteratur beziehen, wie er fünfzig Jahre früher be- standen hat. Was der Abhandlung ihren Werth verleiht, ist ein Doppeltes, erstlich ihr Schluss, die herrliche, Avahrhaft proplie- tische Zuversicht zur deutschen Sprache und zum deutschen Geiste, die der König ausspricht", sodann die Gegenwirkung, welche die Kritik Friedrich's entfesselt hat. Eben weil der König ein ganz kümmerliches Bild gezeichnet und dazu überlebten Anschauungen das Wort geredet hatte, trat diesem Tractat gegenüber plötzlich der Welt vor Augen, was der deutsche Geist in dem letzten Menschenalter bereits geleistet hatte, und was die deutsche Sprache vermochte. Die schärfste Beurtheilung kam aus Frankreich. Der Deutsch- franzose, Baron von Grimm, erklärte, der König habe vom Deutschen ^ Man weiss, wie er das Nibelungenlied verurtheilt (duvres T. 27, 3 p. 233) und wie er Shakespeare verworfen, bez. wohlwollend entscluildigt hat. In der Abhandlung über die deutsche Litteratur nennt er Goethe's »Goetz« eine »imitation detestable de ces mauvaises pieces anglaises«. Das erste anerkennende Woi-t über Shakespeare in der Akademie ist übrigens meines Wissens von Forsiey in der öffentlichen Sitzung am 23. August 1787 (Memoires 1786/87 j). 24) gesprochen worden, freilich ist es noch sehr bedingt: »Le goüt national«, sagt er, »peut rendre certaines preventions immuables et indestructibles. C'est, si je ne me trompe, le cas de Shakespeare; mais , jjour etre equitable, il faut convenir que ce poete dramatique rachete des defauts revoltants, de vrais delires, par des beautes superieures , par des traits sublimes, qu'on peut comparer :i des eclairs qui sortent du sein d'une nuee obscure«. ^ Die Worte lauten: "... Toutefois ceux qui viennent les derniers, surpassent quelquefois leurs predecesseurs; cela pourra nous arriver plus promptement qu'on ne le croit. . . . Nous aurons nos auteurs classiques; chacun, pour en profiter, voudra les lire; nos voisins apprendront l'allemand; les cours le parlei'ont avec delice; et il pourra arriver que notre langue polie et perfectionnee s'etende, en faveur de nos bons ecrivains, d'un bout de l'Europe a l'autre. Ces beaux jours de notre litterature ne sont pas encore venus; mais ils s'approchent. Je vous les anno nee, ils vont paraitre; je ne les verrai pas, mon äge m'en interdit l'espe- rance. Je suis comme ]Moise: je vois de loin la terre promise, mais je n'y entrerai pas« (vergi. dazu den Brief an d'Alembert vom 6. Januar 1781, Oeuvres T. 25 p. 171). Angesichts dieser Worte begreift man den Ausruf Denina's (Essai p. 404^): »Que n'aurait-il pas fait, cet heureux genie, s'il se füt mis ä parier et ä ecrire dans cette langue I On le citerait pour longtemps comme le premier auteur classique«. Un- mittelbar vorher berichtet er, der Abt Jerusalem habe bezeugt, dass sich der König- in der deutschen Unterredung mit hoher Eigenthümlichkeit und Kraft auszudrücken vermocht habe. 4b4 Die wisseiischaftliclu' Bede,utung der xVkadeinic FRiEDRicir.s IL Avie der Blinde von den Farben gesprochen, setze Zustände in Deutschland voraus, wie sie vor 60-80 Jahren geherrscht hätten, und verkenne völlig, dass »la pluj)art des ecrits de sa patrie valent mieux que toutes ces brochures insipides qu'on voit paraitre a Paris, et Oll les idees de quelques grandes tetes sont repetees en mille manieres diverses«. Aber auch ein Akademiker, Hertzberg, hat einen freimüthigen Protest erhoben. Er wiegt um so schwerer, als ihn Hertzberg direct an den König gerichtet hat'. Bereits kurz vor dem Erscheinen des Tractats hatte es der König ihm gegenüber bezweifelt, dass sich Tacitus so genau und treffend in's Deutsche übersetzen lasse, wie in das Französische. PIertzberg hatte ihm darauf die Übersetzung eines Capitels übersandt, gegen die der König nichts einzuwenden vermochte; er bezweifelte aber, dass sich andere Capitel ebenso gut übersetzen liessen. Bald darauf theilte ihm Friedrich den Tractat »De la litterature alle- mande« mit und wünschte, dass Hertzberg ihn zum Drucke beför- dere. Dieser, der die Kritik des Königs an der deutschen Sprache ungerecht fand, übersandte zunächst die deutsche Übersetzung eines sehr schwierigen Abschnitts bei Tacitus. räumte ein, dass die deutsche Sprache einer Reinigung bedürfe , beharrte aber dabei, dass sie jeden Gedanken treffend wiederzugeben vermöge. Friedrich war von der Übersetzung in hohem Maasse befriedigt und erklärte, seine Beurtheilung der deutschen Sprache sei vielleicht zu hart. Allein er übergab dann doch den wesentlich unveränderten Tractat Hertzberg zur Drucklegung und Übersetzung in's Deutsche. Die- ser machte im Interesse der deutschen Nation einige thatsächliche Ausstellungen, die dem Könige nicht angenehm waren — er ge- nehmigte sie nicht. Als Hertzberg sie wiederholte, verbat er sie sich in ärgerlichen Worten. Wenige Wochen später sandte er die vorsichtige Apologie der deutschen Litteratur, die der Abt Jerusalem gegen den Tractat verfasst hatte, an Hertzberg, damit er ihm be- richte. Dieser schrieb dem Könige zurück (3. Januar 1781): »Le Memoire de l'Abbe Jerusalem a son merite, et me parait ecrit avec verite, modestie et purete ... II convient que la langue allemande cede ä la langue frangaise en harmonie; mais il soutient qu'elle la surpasse en force, et qu'elle est tont aussi harmonieuse que la langue grecque ... II soutient enfin que, depiuis le regne de V. M. et depuis le grand exemple qu'elle a donne ä toute l'Europe ^ Siehe die Correspondenz im 24. T. der GEuvres p. 341 ff. Hertzberg's Beniüliungen um die deutsche Sprache und Litteratur. 465 de la culture de toutes les sciences , la litterature et la langue allemande avait pris un essor qui liii promettait en peii la preferenee sur Celles des autres nations.« In diesen Worten hat Hertzberg in würdigster Weise auch seine eigene Meinung ausgesprochen, und der König verübelte ihm seinen Freimuth nicht \ Kein Zweifel, der deutsche Geist regte sich und trat, wenn auch nicht aus der Mitte der Akademie her- aus, so doch in einem Ehrenmitglied, dem Könige bescheiden aber fest entgegen, jenem Könige, der, an die gallisch -lateinische Bil- dungsform gekettet, doch die Fundamente eines wirklichen Deutsch- lands gelegt und seine Nation geliebt hat. Nicht für immer soll sie in die französische Schule gehen, auch nicht für immer soll ihre Akademie französisch bleiben — Friedrich sah als Prophet die Zeit voraus, da sie deutsch werden würde; dass diese Zeit bereits gekommen sei, davon liess er sich nicht überzeugen. Die Erfah- rungen der nächsten Folgezeit haben ihm Recht gegeben: in Berlin waren zunächst die Bedingungen für eine führende, rein deut- sche Akademie noch nicht vorhanden. Man versuchte, sie zu schaifen: aber es dauerte noch fünfundzwanzig Jahre, bis man sie heraufzuführen vermochte. Viertes Capitel (Anhang). Der Personalstand, die Publicationen, die äusseren Ein- richtungen und der Etat der fridericianischen Akademie (1746-1786). 1. Curatoren. [Seit dem Jahre 1743/44 von Schmettau, von GorTER, von Viereck , von Borcke, dann an Gotter's Stelle von Arnim.] 13. April 1747. Maupertuis zeigt an, dass der König an Stelle VON Viereck's , der resignirt hatte , und von Borcke's (-|-) den General von Stille und den Oberstlieutenant von Keith zu Curatoren ernannt habe. 7. October 1751. An Stelle von Schmettau's (f) wird der Hofmar- schall VON Redern ernannt. ' Es ist meines Erachtens unstatthaft, in der Antwort vom 4. Januar 1781 auch nur eine Spur von Ironie sehen zu wollen. Geschichte der Akademie. I. 30 4()6 Dei- Pc^rsonalstand der AkndciuH' unter Fkiedrhji II. 23. November 1752. von Cagnoni tritt mii die Stelle von Stille's (f); VON Gotter kehrt 1749 (1750) nach Berlin zurück und ninnnt seine frühere Stellung wieder ein; von Arnim f 1753. Seit- dem sind die vacanten Curatoren- Stellen nicht wieder be- setzt worden (1757 sind es nur noch drei Curatoren [Keitii fehlt], 1762 nur noch zwei: von Redern und von Cagnoni), so dass von 1764/65 an Redern (f i. Juli 1789) der ein- zige Curator der Akademie bis zu Friedrich' s Tode gewesen ist. Übrigens bedeutete der Posten bereits seit 1747 wenig, seit 1753 gar nichts melir. 2. Präsident. [Maupertuis, seit dem i. Februar 1746.] 27. Juli 1759. Maupertuis f (geb. 28. September 1698). Nach seinem Tode hat der König keinen Präsidenten ernannt. In den letzten Jahren Maupertuis' und bis gegen 1765 hat Euler den grössten Theil der Präsidialgeschäfte geführt. Heim- licher Präsident war vom Herbst 1763 bis October 1783 d'Alembert in Paris. Nach ilim hat Condorcet kurze Zeit den König berathen. Ein Theil der Präsidialcompetenzen ging seit 1765 auf die Directoren und die »Oekonomische Commission« über (s. unten sub Nr. 5). 3. Directoren l [Seit 1743/44 Eller, Euler, Heinus, d'Argens, Elsxer-.1 8. October 1750. Nach Elsner's Tode ist d'Argens allein Director der Klasse der Beiles -Lettres. 18. September 1760. Marggraf wird zum Director der physikalischen Klasse gewählt an Eller's Stelle^ (f den 13. September 1760). 1 Die Curatoren und die vier Dii'ectoren unter Leitung des Präsidenten bil- deten zusammen das ..Directorium.< — so zur Zeit Maupertuis'. Dann schrumpfte es, als die Curatoren bis auf einen ausgestorben waren (der sein Amt als ein nominelles betrachtete), zu einem Collegium der vier Klassen -Directoren zusammen. Da ein Präsident fehlte, so steigerte sich die Competenz dieses Collegiums, aber andererseits verlor es an Bedeutung, da der König in wissenschaftlichen und Per- sonal-Fragen selbst die Leitung in der Hand behielt, und da die ökonomischen Angelegenheiten einer besonderen Commission zugetheilt wurden. 2 Die Klasse der Beiles -Lettres hatte ursjn-ünglich zwei Directoren, einen deutschen xmd einen französischen. ^ Gegen die Wahl Marggraf's reichte Pott am 16. October 1760 einen schrift- lichen Protest ein. den Euler verlas. Am 30. October wurde er (zusammen mit Francheville und Sack) (juiescii't. d. h. zum "Veteran« erklärt. Der Personalstand der Akademie unter Friedrich II. 46/ 2. October (6. November) 1766. Lagrange wird Director der mathe- matischen Klasse, an Stelle Euler's, der nach Petersburg zurückgekehrt war. 7. (8.) Februar ijji- Mekian (er hatte bisher der philosophischen Klasse angehört) wird Director der Klasse der Beiles -Lettres, d'Argens folgend, der am 13. Januar 1771 gestorben war. 1776. Sulzer wird Director der philosophischen Klasse an Heinius' Stelle (f 8. August 1775). Nach Sulzer's Tode (25. Fe- bruar 1779) lässt Friedrich die Stelle unbesetzt (das Nähere s. oben S. 383). 1782. F. Ch. Achard wird Director der physikalischen Klasse (Marg- graf war am 7. August 1782 gestorben). 4. Secretar. {Seit dem 11. März 1733 von Jariges.] Anfang 1748. Formey (Historiograph seit Juni 1745) wird Secretar an VON Jariges' Stelle, der das Amt niedergelegt hatte und am 27. November 1755 Ehrenmitglied wurde. Formey über- lebte als Secretar den König. 5. Oekonomische Commission \ 21. Februar 1765. Der König ordnete eine «Oekonomische Commis- sion« an zur Reform der Administration der Akademie; Euler, Merian, Sulzer, de Beausobre, de Castillon und Lambert wurden gewählt. Die Stellen von Euler (1766), Sulzer (i 779), de Beausobre (i 783) wurden in der Commis- sion nicht wieder besetzt, wohl aber die Lambert's (i 777) durch Lagrange. 6a. Ordentliche Mitglieder. [Nach dem Tage ihrer Aufnahme geordnet.] [Im Februar 1746 bildeten die Akademie: Eller (geb. 29. No- vember 1689), Buddeus (geb. 7. August 1695), Carita (geb. 13. Oc- tober 1676), Francheville (geb. 18. September i 704), Gleditsch (geb. 5. Februar 17 14), Lieberkühn (geb. 5. September 171 1), Ludolff sen., Ludolff jun. (geb. 5. März 1707), Marggraf (geb. 3. März 1709), Pott (geb. 1692), Schaarschmidt, Sprögel (geb. 24. April 1699), Euler ^ Über die Umstände, die zur Niedersetzung dieser Commission geführt haben, s. oben S. 363. 30* 468 Der Personalstand der Akademie unter Friedrich II. (geb. 15. April njoj), Grischow seil. (geb. i3.December 1683), Hum- bert (geb. April 1689), Kies (geb. 1 4. September 17 13), Heinius (geb. 6. Januar 1688), A. Aciiard , der Hofprediger (geb. 2 i . December 1 696), F. Achard jun. (geb. 23. Juli 1699), Formey (geb. 31. Mai 171 1), von Jariges (geb. 13. November 1706), Sack (geb. 4. Februar 1703), Stu- benrauch, d'Argens (geb. 1704), Elsner (geb. März 1692), Hering, Küster (geb. Jamiar 1695), Pelloutier (geb. 2 7.0ctober 1694), Süss- MiLCH (geb. 3. September 1707). 2. November 1747. Beguelin (geb. 25. Juni 1714, f 3. Februar 1789). 4. Juli 1748. La Mettrie (geb. 1709, f 11. November 1751); Bec- MANN (geb. 18. Januar 1694, f 3. December 1760); Battier (er verliess die Akademie nach kurzer Zeit und ging zu den Herrn- liutern); Passavant (er verlor seine Stelle am 26. April 1750). S.Mai 1749 bez. Frühjahr 1750. Meckel (geb. 31. Juli 1724, resi- gnirte im Herbst 1773, t 18. September 1774). 23. October 1749. Grischow jun. (geb. 29. September 1726, ging 1750 ohne Erlaubniss nach Petersburg und wurde auf Be- fehl des Königs aus den Listen gestrichen, f 4. Juni 1760). 9. April I 750. Merian (geb. 28. September i 723 , f i 2. Februar i 807). II. Juni 1750. d'Arnaud (er wurde auf Voltaire's Betreiben vom König nach kurzer Zeit entlassen und kehrte nach Paris zurück). 29. October 1750. Sulzer (geb. 16. October i 720, f 25. Februar i 779). 17. Juni 1751. Le Fevre, Ingenieur- Oberstlieutenant (wird 1752 bei den Ehrenmitgliedern geführt, f vor 1770); Gh. L. de Beau- soBRE (geb. 24. März 1690, -f 10. März 1753). 29. Juni 1752. DE Premontval (geb. 16. Februar 17 16, f 2. Septem- ber 1764). 5. October 1752. Jacobi (geb. 8. Mai 1724, 7 im Felde bei Olmütz 1762). 18. September 1754. Lehmann (er ging 1761 nach Petersburg, f 22. Januar 1767); Kies, vorher Associe (geb. 14. September 17 13, ging im Jahre 1754 nach Tübingen, f 29. Juli 1781). 6. December 1754. Euler jun. (geb. 27. November 1734; er ging im Mai 1766 mit seinem Vater nach Petersburg, f 6. Septem- ber 1800). 27. Februar 1755. L. de Beausobre (geb. 22. August 1730, f 3. De- cember I 783). 17. April 1755. Aepinus (geb. 13. December 1724, er ging 1757 nach Petersburg, f 10. August 1802). Der Persona Istaiid der Akademie unter Friedrich II. 469 15. Jainiar 1756. Huber (geb. 27. August 1733, er kehrte nacli we- nigen Monaten in seine Vaterstadt Basel zurück , f 2 i . August i798)\ 7. Februar 1760. de Catt (geb. 14, Juni 1725, j 27. November 1795). 30. Oetober 1760. Brandes, vorher Associe [j 19. Mai 1776). Ro- LOFF, vorher Associe (f 26. December 1800)"". Am 6. Januar 1764 wurde der Akademie eröffnet, »que l'in- tention de S. Maj. etait qu"on ne recüt a FAcademie aucun membre jusqu'ä ce qu'Elle eüt nomme un President, et qu'EUe se reser- vait pour le present le droit de nommer Elle seule jusqu'ä ce temps les membres que l'Academie recevrait«. Der König aber ernannte keinen Präsidenten, und somit sind die folgenden 21 Mitglieder sämmtlich von ihm selbst erwählt worden. 5. Januar 1764. Quintus Icilius d.h. Guischard (geb. 24. September 1724, f 13. Mai 1775); J. Bernoulli (geb. 4. November 1744, f 13. Juli 1807); DE Castillon sen. (geb. 15. Januar 1708, seit 4. September 1755 auswärtiges Mitglied, f 11. Oetober 1791). 8. November 1764. Toussaint (geb. 21. December 17 15, seit 4. März I 7 5 I auswärtiges Mitglied ,722. Juni 1772). 10. Januar 1765. Lambert (geb. 26. August 1728, j 25. September 1777)- 18. April 1765. Thiebault (er ging 1785 nach Frankreich, f 5. De- cember 1807). 29. Mai 1766. Bitaube (geb. um 1730; er ging nach Frankreich, -|- 22. November 1808). 2. Oetober I 766. Lagrange (geb. 25. Januar i 736, seit 2. September 1756 auswärtiges Mitglied, er ging 1787 nach Paris, f 10. April 18 13). 13. November 1766. Weguelin (geb. 19. Juni 1721, f 7. September 1791). 23. September 1768. Pernety (geb. um 1720, er ging 1783 nach Frankreich zurück, 7 1801): C. A. Gerhard (geb. 26. Februar 1738, f 9. März 182 i). ^ Diese 20 Mitglieder sind von Maupertuis aufgenommen worden; von ihnen haben nicht weniger als neun die Akademie wieder verlassen (die meisten nach kurzer Zugehörigkeit); ferner haben sechs (La Mettrie, Becmann, Jacobi, Le Fevre und die beiden Beausobre) ihr nur geringe oder keine Dienste geleistet. Nur Beguelin, Meckel, Merian, Premontval und Sulzer sind ihr treu geblieben und haben geai'beitet. - Diese drei Mitglieder sind unter Euler's Leitung aufgenommen woj-den. 470 T>or Persoii;i]st;ui(l dvy Akademie unter Friedrich II. 26. April 1770. CocHius (geb. 28. Januar 17 18, f 28. April 1779)'. 15. October 1772. Borrelly (geb. 1738. f 1792)- 2. December 1773. Walter sen. (geb. i. Juli 1734, f 4- J''^"uar 1818). 21. Juli 1775. Moulines (geb. 30. April 1728, f 14. März 1802). 15. Juni 1776. F. Ch. Achard (geb. 28. April 1753, f 20. April 1821). 4. Juli 1776. Henkel (geb. 4. März 171 2, f 2 i . Juli 1779). 16. October 1777. Jon. Carl Schulze (geb. 1749, f 9. Juni 1790). 7. Sei^tember 1780. Prevost (geb. 3. März 1751, kehrte 1784 nach Genf zurück, f 8. April 1839). 7. November 1782. Denina (geb. 1731, f 5- December 18 13). 23. Februar 1783. d'Anieres (geb. 9. December i 736, f 6. April 1803). Die Zahl der ordentlichen Mitglieder betrug nach dem Kniender für das Jahr 1737 zweiunddreissig, für 1750 fünfunddreissig, für 1756 dreiunddreissig; sie sank dann während des Sieben- jährigen Krieges bis auf einundzwanzig, stieg wieder zwischen 1763 und 1775 bis auf siebenundzwanzig und fiel bis 1786 auf achtzehn. Die physikalische und die philologische Klasse waren stets die stärkeren; die mathematische und die philosophische sanken ^ In dem Sitzungsprotokoll vom 7. Februar 177 1 heisst es: »On proposera au roi le juif Mosks [Mendelssohn] pour la place de membre ordinaire de la classe de Philosophie speculative vacantC"; ferner in dem Protokoll vom 14. Februar 1771 : der Secretar zeigt an, dass S. Maj. auf das letzte Schreiben der Akademie nicht geantwortet habe. In der Sitzung vom 26. September 177 1 kam man wieder auf die Frage der Besetzung der philosophischen Stelle zurück: i'Peut-on faire mention de Moses Mendelssohn?« Die Majorität entschied sich dafür, ihn noch einmal zu nennen. Allein man fand doch nicht den Muth, den Beschluss auszuführen, son- dern schlug dem Könige Garve, Spalding und Gualtieri (Geheimrath bei der in Köpenick residirenden verwittweten Prinzessin von Württemberg) zur Auswahl vor. Weiteres enthalten die Protokolle nicht. Der König liess die Stelle bis 1783 un- besetzt; dann erhielt sie d'Anieres. TIiiebault erzählt, Friedrich habe Mendels- sohn nicht aufnehmen wollen, um die Kaiserin Katharina nicht zu beleidigen, "hinter die Mendelssohn [in den Listen] sofort gekommen wäre«. Letzteres ist nur richtig, wenn man die Kaiserin in die Reihe der ordentlichen einheimischen Mitglieder einrechnet. Bartholmess (I p. 226) erzählt, ohne seine Quelle anzugeben, auf der ersten Vorschlagsliste habe Mendelssohn's Name an erster Stelle gestanden; »en la recevant, le roi se fache, repond brusquement par une lettre dure, recom- mande de mettre plus de soin aux listes qu'on lui adresse, et ordonne d"en former une nouvelle. Sur la seconde il n'y eut qu'un nom de change: Mendelssohn y fut maintenu par l'Academie, mais il fut repousse par Frederic. »J'en serais fache «, dit l'auteur des Matinees, «si c'etait TAcademie tpii n'eüt pas voulu me recevoir.« Die Ablehnung des Königs erklärt sich lediglich aus Mendelssohn's Judenthum: man hat daher nicht nöthig, darauf zu verweisen, dass der Philosoph ein Verth ei- diger LEiBNizens und Wolff's gewesen ist und von Voltaire wenig wissen wollte. Übrigens schätzte I'riedrich den Philosophen persönlich hoch und hat sich auch mehrmals mit ihm freundlich unterhalten. Der Personalstantl der Akademie unter Friedrich IL 471 bis auf je vier und drei, ja bis auf zwei Mitglieder herab. Die Zahl der geborenen Franzosen war in der Akademie nie sehr be- deutend; aber sie und die Franzosen der Berliner Colonie zusammen bildeten doch ein gutes Drittel. Unter den Akademikern, die seit 1747 aufgenommen worden sind, ist ausserdem ein Fünftel Schweizer gewesen. Im Todesjahr Friedrich's waren unter den 1 8 Mitgliedern fünf Deutsche (Gerhard, Gleditsch, Roloff, Walter, Schulze), fünf Schw^eizer (Bernoulli, Gatt, Merian, Weguelin, auch Castillon ist hierher zu rechnen), vier preussische Hugenotten (Achard, d'Anieres, For3iey, Moulines), drei Franzosen (Lac4range, Beguelin, Borrelly) und ein Italiener (Denina). 6b. Ordentliche Mitglieder. [Nach dem Todestage geordnet ^] I. Vor Maupertuis' Präsidentschaft. 24. Juli 1744. DES ViGNOLEs, Elogc 1745, vou FoRMEY vcrfasst"'. December 1744. Lamprecht, Eloge 1745. 17. Januar 1745. Naude, Eloge 1746. 23. Mai 1745. Jordan, Eloge 1746, vom Könige verfasst. 16. September 1745. Wagner, Eloge 1746. 2. Unter Maupertuis" Präsidentschaft. 17. Juni 1747. Schaarschmidt. 10. November 1 749. Grischow sen., Eloge in Formey's Hist. de l'Acad. p. 222 ff. 8. October 1750. Elsner, Eloge 1750. 1 1. November 1751. La Mettrie, Eloge 1750, vom Könige verfasst. 10. März 1753. Gh. L. DE Beausobre, Eloge 1753. 25. December 1753. Buddeus, Eloge 1753. 30. Juli 1756. LuDOLFF jun. 7. December 1756. Lieberkühn. Eloge 1756. 1 6 . August 1756. Garita , Eloge 1756. 2. October 1757. Pelloutier, Eloge 1757. 3. Nach Maupertuis" Tode. 2 7 . Juli 1759. Maupertuis , Eloge 1759. 18. Mai 1760. Sprögel, Eloge 1760. 13. September 1760. Eller, Eloge 1761. ^ Die Todestage der ausgeschiedenen Mitglieder sind hier nicht verzeichnet. ^ Die Eloges, bei denen kein Verfasser angeführt ist, sind sämmtUcli von FoRMEY. Die Jahreszahl giebt den Band der Memoires an, in denen das Eloge ab- gedruckt ist. 472 Der Pers()ii;ilst;iii(l der Akademie unter Frieduicu 11. 3. Dcceml)er 1760. Becmann, Eloge 1761. 12. Januar 1761. Humbkrt, Eloge 1762. 1762. Jacobi, Eloge 1762. 22. October 1763. Christian Friedrich Ludolff sen., Eloge 1764. 2. September 1764. Premontval, Eloge 1765. 2 2 . März 1766. SussBiiLCH , Eloge 1767. 9. November 1770. de Jariges, Eloge 1771. 1 2. (13.) Januar 1771. d'Argens, Eloge 1771. 2. Mai 1772. A. Ach ARD, Eloge 1772. 2 2 . Juni 1772, ToussAiNT , Eloge 1773. 18. September 1774. Meckel, Eloge 1775. 13. Mai 1775. QuiNTüs IciLius (Guischard), Eloge 1776. S.August 1775. Heinius, Eloge 1776. 28. März 1776. Küster, Eloge 1776. 19. Mai 1776. Brandes. 29. März 1777. Pott , Eloge 1777. 25. September 1777. Lambert, Eloge 1778. 25. Februar 1779. Sulzer, Eloge 1779. 28. April 1779. Cochius, Eloge 1780. 21. Juli 1779. Henkel, Eloge 1780. 9, Mai 1781. Francheville, Eloge 1782, von seinem Solme, Canonicus in Glogau. 28. April 1782. Fr. Achard, Eloge 1782. 7. August 1782. Marggraf, Eloge 1783. 6. Januar 1783. Uhden, Fiscal, Eloge 1783. 3. December 1783. L. de Beausobre, Eloge 1784. April 1786. Sack, Eloge 1786. 7. Ehrenmitglieder ^ Im Jahre 1746 ausser den vier (Vuratoren (von Schmetpau [1750], von Arnim [1754], von Viereck I1760] und von Borcke [1747]) Graf von Gotter [1763], Graf von Podewils [1761], Graf von Münchow [1754], Generalmajor von Goliz [1747I, VON PÖLI.NIIZ, von KeVSERLINGK [1746], VON SwEER IS ll757l, VOCKERODI- [1755], VON IvNor.ELSDORFF [1752], Graf VON FiNCKENsiEiN [1801], Gcueraladjutant VON BoRCKE, VON Kehh [1756], General von Stim.e I1751], Duhan de Jandun [1746], VON Bredow [1758], Gi'af von Dohna [1752], Darget, Bielfeld [1770]. 30. Mai 1747. Graf Algarotti. 7. September 1747. von Redern. ^ Die in eckigen Klammern beigesetzte Zahl bezeichnet den Jahrgang der Memoires, in welchem das Eloge steht. Von den 24 Eloges sind 14 von Forme v, vier vom Könige ((roi/rz. Dihan, Spille . Knobelsdorff), drei von Maupertuis Der Personalstaiid der Akadoinie unter Fuikdrich II. 47o 11. Juni 1750. VON Marschall. 4. September 1750. Marschall von Keith [1760]. 7. October 1751. de Cagnonl 8. Juni 1752. Graf von Borcke. 7. September 1752. von Hertzberg. 6. December 1754. von Borcke; von Danckelmann [1765]; von Mas- sow, I. April 1756. Abbe de Prades (seit dem 10. Mai 1753 ^^'^^' ^^' ^^^' wärtiges Mitglied); der Fürstbischof von Breslau, Graf von Schaffgotsch. 18. September 1760. Cothenius (seit 9. April 1750 auswärtiges Mit- glied) [1788/89]. 20. December 1764. Prinz Friedrich August von Braunschweig; Prinz WiLHELBi Adolf von Braunschweig [1771]. 10. September 1767, Die Kaiserin Katharina II. von Russ- land \ 23. Juni 1775. Der Minister Waitz von Eschen [1777]. 12. September 1776. Der Minister von Zedlitz. Die Zahl der Ehrenmitglieder sank während der Regierung Friedrich's II. von 1 7 allmählich auf 6 herab. 8. Auswärtige Mitglieder-. Die neue Akademie übernahm bei ihrer Gründung am 24. Januar 1744 von der alten Societät 84 auswärtige Mitglieder; es befan- den sich unter ihnen Barbeyrac, Celsius, Gottsched, Maupertuis, (IVEYSERLINGK, SCHMET TAU , BoRCKe), silieS VOM ReDERN (BrEDOW), cilieS VOIl MÖHSEN (Cothenius) und eines von Merian (Finckenstein). ^ Ob der 10. September der Tag ist, an welchem die Kaiserin die Annahme der Wahl ausgesprochen hat oder an welchem ihr Antwortschreiben bei der Aka- demie eingegangen ist. lässt sich nicht entscheiden (s. Memoires 1770 p. 19). Am 3. December 1767 empfing die Akademie die von der Kaiserin verfasste »Instruction pour la reformation des lois de la Russic", welche die Kaiserin in deutscher Über- setzimg dem Könige ühersandt hatte. Der Secretar legte zugleich den Entwurf eines Dankschreibens vor. Am 21. Januar 1768 theilte derselbe mit, der König habe an- geordnet, die Akademie solle der Kaisex'in die Qualität eines (wirklichen) Mitgliedes ofteriren (Sitzungs -Protokolle). Weiteres über den Verlauf der Sache ist aus den mir bekannten Acten nicht zu ersehen. In der That aber wurde die Kaiserin in den Listen der Akademie nun nicht unter den Ehrenmitgliedern, sondern an der S})itze der auswärtigen wirklichen Mitglieder geführt. ^ Vergl. besonders den Jahrgang 1770 der Memoires. Nur di-ei auswärtige Mitglieder haben ein Eloge in der Akademie erhalten, nämlich Jean Bernoulli [1747], Montesquieu [1754] und X'oltaire [1778]. jene beiden von Maupertuis, dieser vom Könige. 474 Dri- Pcrsouiilstniid der AkadciiiiL' unter Friedrich II. Michaelis, Reaumur, Sloane, Chr. Wolfe. Die Zahl der iiiclit- (leutscheii Mitglieder war gering, die der berühmten Gelehrten nicht gross. 1744 — 1746 (d.h. bis zu Maupertuis' Antritt als Präsident) wurden von der neuen Akademie aufgenommen: der Marquis d'Ar- GENSON in Paris; d'Arnaud in Dresden; Nie. Bernoulli in Basel: Buefon in Paris; Clairault in Paris; Le Fevre in Berlin ; Iken in Bremen : Krafft, von der Petersburger Aka- demie; DE Lalande in Paris: Le Monnier in Paris; Waitz in Cassel: Walmesley in Paris: Wernsdorff in Danzig\ 2. Juni 1746. d'Alembert in Paris. Q.Juni 1746. Voltaire [Eloge vom Könige 1778] und Condamine in Paris. 30. Juni 1746. FoLKES, Präsident der Königliehen Gesellschaft in London; Graf Carati, Prälat des Grossherzoglichen Ordens in Florenz und Curator der Akademie von Pisa; Bradley, Astronom des englischen Königs; Cassini sen., von der Academie des Sciences zu Paris; Cassini jun., von der Aca- demie des Sciences zu Paris; Nicole, von der Academie des Sciences zu Paris; Marinoni, Kaiserlicher Astronom in Wien; Deparcieux, von der Academie des Sciences zu Paris; J. Bernoulli zu Basel [Eloge von Maupertuis 1747]; D. Bernoulli zu Basel; Abbe Sallier, von der Academie Francaise und der Academie des Beiles -Lettres zu Paris; Montesquieu, von der Academie Frangalse zu Paris [Eloge A^on Maupertuis 1754]; Horrebow, Astronom des Königs von Dänemark; Musschembroek , Professor der Mathematik zu Utrecht; Bourdelin, von der Academie des Sciences zu Paris; Le Monnier, von der Academie des Sciences zu Paris; Gesner, Leibarzt des Herzogs von W^ürttemberg; Pem- BERTON, von der Königlichen Gesellschaft zu London; Linne, Professor zu Upsala; Stirling, von der Königlichen Gesell- schaft zu London. 8. December 1746. du Perron de Castera, französischer Gesandter in Warschau; von Kleist, Decan des Capitels zu Camin; Zimmermann, Professor der Theologie in Zürich; Cramer, Professor der Mathematik in Genf; Segner, Professor der Mathematik in Göttingen ; Schütze , Pastor zu Altona. ^ Maupertuis hat später einigen von ihnen auf s Neue Diplome zugehen lassen: denn er kümmerte sich weni»; um das, was früher in der Akademie "-eschehen war. Der Personalstand der Akademie unter Friedrich II. 4/5 2. Februar 1747. Marquis de Paulmy d'Argenson in Paris. 16. Februar 1747. Graf von Keyserlingk, russischer Gesandter in Dresden. 23. März 1747. Abbe Outhier. 4. Mai 1747. DE MoNCRiF, von der Academie Frangaise zu Paris. 2. November 1747. Fontaine, von der Academie des Sciences zu Paris; Gresset, von der Academie Frangaise zu Paris. 2i.December 1747. Perard, Hofprediger zu Stettin. 27. Juni 1748. Cardinal Quirini, Bischof von Brescia, Bibliothekar am Vatican ; Marquis SciPio Maffei zu Verona. 4. Juli 1748. Baumgarten in Halle; Hedelinger, schwedischer Hof- intendant. 12. September 1748. Graf Zaluski, Grand -Referendaire des pol- nischen Hofs; Mortimer, Secretar der Königlichen Gesellschaft in London. 19. September 1748. Graf Rasumowsky, Präsident der Kaiserlichen Akademie zu Petersburg. 8. Mai 1749. Henault, von der Academie Fran^aise zu Paris; Tru- BLET. Canonicus zu St. Malo. 2 8 . August I 7 49. Fürst Lobkowitz zu Prag ; Graf von Lippe-Schaumburg. 4. September 1749. von Bilfinger in Stuttart; von Haller, Professor in Göttingen; König, Professor im Haag [er hat im Juli 1752 sein Diplom der Akademie zurückgeschickt] ; Jacquier, Francis- caner, Professor der Mathematik in Rom; Le Seur, Francis- caner, Professor der Mathematik in Rom; Bianconi, Leibarzt des Bischofs von Augsburg; Ploucket, Professor der Philo- logie in Tübingen. 23. October 1749. Abbe Terrasson. 4. December 1749. Lord Macclesfield ; de Fontenelle , von der Academie Francaise und der Academie des Sciences; Abbe Condillac, 1 1. December 1749. Abbe de Guasco, von der Academie des Belles- Lettres zu Paris; Abbe de l'Ecluse des-Loges. 5. Februar i 750. Marquis de Tressan, von der Academie des Sciences zu Paris; Kästner, Professor der Mathematik zu Leipzig. 9. April 1750. Cothenius, Leibarzt des Königs zu Potsdam. 16. April 1750. Don George Juan d'Aliaga; Don Antonio d'Ulloa. II. Juni 1750. Beris, Astronom zu London. 26. September 1750. de Torres-Castellanos, von der Akademie zu Madrid. 47C) Der Personalstand der Akademie unter Friedrich II. 29. October 1750. Abbe Raynal. 14. Januar 1751. Mayer, Professor der Philosophie zu Halle ;. Lange, Pastor zu Laubliugeii ; Gros de Boze, von der Academie Fran- chise zu Paris. 4. März 1751. Dn)ER0T zu Paris; Tronchin, Arzt zu Amsterdam; ToussAiNT, Advocat am Parlament von Paris. 17. Juni 1751. Gesner, Pfarrer zu Zürich, 4. November 1751. Unger, Bürgermeister zu Eimbeck ; Altmann, Pro- fessor zu Bern. 23. December 1751. de Lalande, Astronom zu Paris ^; Baron von Creutz; Springfeld, Arzt in Weissenfeis. 16, Mcärz 1752. GoDiN, von der Academie des Sciences zu Paris; Jallobert, Professor der Physik zu Genf; Wetstein, Caplan des Prinzen von Wales. 15. Juni 1752. ToscHi DE Fagnano, Marquis de S. Onorio; Duclos, von der Academie Francaise zu Paris; d'Aubenton, von der Academie des Sciences zu Paris; de Montigny, von der Aca- demie des Sciences zu Paris; Wetstein, Professor der Ge- schichte in Amsterdam. 29, Juni 1752. Bertrand, Pastor zu Bern. 5. October 1752. des Landes, Veteran der Academie des Sciences zu Paris; Venturini, Leibarzt der verw. Königin von Spanien; Zinn, Professor der Botanik in Göttingen. 19. October 1752. Boehmer, Professor der Medicin in Halle; Hee, Professor am Marine -Colleg in Kopenhagen. 30. November 1752. von Bredow, Generallieutenant. 10. Mai 1753. Abbe de Prades; von Dreyhaupt, Geheimer Rath; Ludwig, Professor in Leipzig; Tafinger, Doctor (in Württem- berg). 28. Juni 1753. VON Kurdwanowski, Kammerherr des Königs von Polen ; de Chabert , französischer Flottenofficier ; de Cahusac zu Paris. 18. Juli 1754. Baron Holbach zu Paris; d'Aine, Königlicher Procu- reur zu Paris; Morgagni, Professor der Anatomie zu Padua; Collinson, von der Königlichen Gesellschaft zu London. 28. August 1754. Graf TuRPiN, französischer General; de Solignac, 1 Er war. neunzehn Jahre alt, von der Pariser Akademie zur Bestimmung der Parallaxe des Mondes nach Berlin gesandt worden und hielt sieh bis zum Jahre 1752 dort auf. Der Personalstand der Akadeinie unter Friedrich II. 4 M Geheimer Secretär des polnischen Königs; Helvetius, Leib- arzt der Königin von Frankreich; le Cat, Professor der Anatomie zu Rouen. 1 8. September 1754. de Cogollin; L. Bertrand in Genf. 15. Januar 1755. A. Mayer, Professor der Mathematik zu Greifs- wald; Soares de Barros, Astronom zu Lis.sabon; Maty, Arzt in London ; Sauvages , Professor der Medicin in Mont- pellier. 20. Februar 1755. de Robieü, Präsident des Parlaments der Bre- tagne. 27. Februar 1755. Abbe de la Caille. 17. April 1755. DE Secondat, Präsident des Parlaments der Gu- yenne. 3. Juli 1755. DE Montucla; Graf Roncalli, Präsident des medicini- schen Collegs zu Brescia. 4. September 1755. de Castillon, Professor zu Utrecht (er wurde am 5. Januar 1764 ordentliches Mitglied); de St. Albine. 16. October 1755. Der Cardinal Passionei. 23. October 1755. Brandes, Medieiner und Chemiker (er wurde am 30. October 1760 ordentliches Mitglied); Roloff, Mediciner mit Chemiker (er wurde am 30. October 1760 ordentliches Mitglied). 20. November 1755. Machnitzky, Kriegsrath in Glogau. S.April 1756. Der Herzog von Nivernais. 2. September 1756. Salle, Advocat am Parlament von Paris; de la Grange, Professor an der Artillerieschule zu Turin (er wurde am 2. October 1766 Euler's Nachfolger als Director der mathematischen Klasse). 7. September 1758. BL\Ncni, Arzt in Rimini; Schäfer, Pastor in Regensburg. Q.November 1758. Hanselmann, Archivar des Fürsten von Hohen- LOHE. 16. November 1758. Cartheuser, Professor der Anatomie und Bo- tanik zu Frankfurt a. 0. : Frisi, Professor zu Pisa; LEmEN- FROST, Professor der Medicin zu Duisburg; Spielmann, Pro- fessor der Medicin zu Strassburg. 5. April 1759. DE Bayard, Prälat zu Rom. 13. März 1760. J. E. Silberschlag, Pastor zu Magdeburg. 16. October i 760. Huber, Leibarzt des Landgrafen von Hessen-Cassel. 23. October 1760. Franz Zanotti vom Institut zu Bologna; Eusta- 478 Der Personnlstaiid der Akad(;iiiie unter Friedrich IL cHius Zanotti vom Institut zu Bologna; Caldani, Professor der Anatomie zu Bologna; de Machy, Chemiker zu Paris; Lyonet, von der Königlichen Gesellschaft zu London, im Haag; Lessing in Berlin; Zimmermann, Mediciner in der Schweiz. Am 2. April 1761 nahm man einige Wahlen vor und ersuchte den König um Bestätigung; aber man erhielt bis zur Beendigung des Krieges keine Antwort; dann antwortete der König am 12. Januar 1764, dass er sich die Auswahl der Mitglieder selbst vorbehalte. Die Vorgeschlagenen waren Geleert und Lambert (s. das Sitzungs- Protokoll und oben S. 351); Ersterer ist nie aufgenommen worden. Letzterer wurde 1765 ordentliches Mitglied. 5. Januar 1764. de Jaucourt, Mitredacteur der Encyklopädie; Hel- VETIUS. 28. Juni 1764. Watelet; Bourgelat; Abbe d'Expilly. 10. September 1767. Davila. Januar/Februar 1768. Die Kaiserin Katharina von Russland (s. oben S.473)- 14. April 1768. de Sozzi, Advocat am Parlament von Paris. 28. April 1768. DE Beaumont, Advocat am Parlament von Paris. 14. September 1769. Messier, Astronom zu Paris. 2. Juli 1772. Marquis Toschi-Fagnano, Archidiaconus in Sinigaglia. 26. August 1773. Graf de la Tour -Rezzonico, Secretar der König- lichen Academie des Beaux-Arts in Parma. 31. December 1773. Melander, Professor der Astronomie in Upsala. 22. Juli 1774. deVilloison, von der Academie des Beiles -Lettres zu Paris. 18. Januar 1776. Abbe Spallanzani zu Pavia. 11. Juli 1776. Abbe Toaldo, Professor der Astronomie zu Padua. 13. Februar 1777. Domaschnew, Director der Kaiserlich Russischen Akademie zu Petersburg. 20. Februar 1777. Lorgna , Ingenieur -Oberst in Venedig. 10. April 1777. Raulin, Königlicher Leibarzt in Paris. 23. September 1779. Casati d'Acri, in Mailand. 22. Juni 1780. Marquis de St. Aubain in Paris: Barthez in Mont- pellier; ScARPA in Modena. 29. November 1781. Selis, Professor de Beiles -Lettres in Paris. ? ? 1783. Chevalier Landriani. 3. Januar 1784. von Crell in Helmstädt. 14. Juli 1785. Graf Rivarol in Paris. Der Personalstand der Akademie unter Friedrich IL 4/9 Die Zahl der auswärtigen Mitglieder betrug hei der Neugrün- dung der Akademie 84, stieg sclmell, so dass sie am Anfang der fünfziger Jahre 140 hetrug, und hielt sich bis 1764 auf dieser Höhe. Dnnn sank sie stetig. Im Jahre 1786 waren es nur 64. Die Aus- länder übertrafen an Zahl die Deutschen immer mehr, so dass diese zuletzt kaum den 5. Theil der Auswärtigen bildeten. Unter den 65 Mitgliedern, die Maupeetuis von 1746 — 1750 aufgenommen hat, befindet sich nur ein Dutzend Deutscher. Unter den 79, die von I 751 — 1760 Mitglieder wurden, sind es 23 (darunter Lessing); unter den 27, die von 1764 — 1786 aufgenommen worden sind, ist ein einziger Deutscher. 9. Beamte der Akademie; der Personalstand von 1786. Das Kalenderwesen leitete als Rendant beim Regierungsantritt Friedrich's der (Jber-Commissarius David Köhler; es wurde ihm auch von der neuen Akademie übertragen. Der Berliner Factor der Akademie war 1744 Pesenecker, Aufwärter der Hof-Polirer Ende. Bibliothekar war seit dem 7. November 1745 Pelloutier. Als Copist — später als Secretarius, Registrator und Kanzlist be- zeichnet — erscheint im Kalender seit 1747 Blume, seit 1749 neben ihm Jouffroy (für das Französische); statt seiner 1755 Castagne. Im Jahrgang 1752 ist zum ersten Mal im Personalstande und unter den Einrichtungen der Akademie die Direction des Botanischen Gartens aufgenommen; Director ist Gleditsch, Gärtner J. J. Müller. Im Jahrgang 1753 wird zum ersten Mal ein »Geographus« der König- lichen Akademie aufgeführt, Rhode; im Jahrgang 1760 erscheint ein Akademie-Mechanicus, Ring. Als Justitiar der Akademie wird im Jahrgang 1765 d'Anieres genannt. Im Jahrgang 1766 werden fol- gende Beamten aufgeführt: 1 . der Justitiar ; 2. der Gärtner (ausser dem Director des Gartens); 3. der Archivar — - Instruction für ihn von 1766^; der erste war der Akademiker Weguelin; die Stelle wurde neben der des Bibliothekars geschaffen, die nach Pelloutier's Tode der Akademiker Merian verwaltete und auch beibehielt, nach- dem er Director geworden war"; ^ Im Akademischen Archiv, Fase: "Pedelle, Anschaffung von Papier, Holz, Licht, auch Besorgung der Opern -Loge". - Ein Vorschlag von ihm zur Verwaltung der Bibliothek vom 2, Februar 1769. 480 Der Personalstand der Akademie unter Friedrich IL 4. der Ober-Commissarius und Tresorier ; 5. der Geograph; 6. der Mechaiiicus; 7. der Kanzlist; 8. der Aufwärter; 9. erscheint hier zum ersten Mal «Hr. J. G. Gravius, Hofrath und Pächter des Kalender- Wesens und der Landkarten, und Hr. MiTZLAFF, Ober-Commissarius und Pächter der Edicte« (s. unten). Im Jahrgang 1768 erscheint ein »Naturalien -Maler« der König- lichen Akademie, Happe; im Jahrgang 1769 ein »Dessinateur« der Königlichen Akademie, Hopfer; im Jahrgang 1773 unter den Be- amten zwei Astronomen -Gehülfen DAvm Naude und E. Bode. Im Jahre 1783 wird Blume's Nachfolger als (Unter-) Secretar und Registrator J. H. G. Schröder. — Im Jahre 1786 war der (sehr reducirte) Personalstand der Aka- demie folgender: Protector: der König. Curator: von Redern [»drei Stellen vacant«]. Ehrenmitglieder: der Prinz Friedrich August von Braun- schweig, die drei Staatsminister Graf von Finckenstein, VON Hertzberg, von Zedlitz, der Leibarzt Cothenius und der General-Major Graf von Borcke. Veteranen: Beguelin und der Ober-Consistorial-Rath Sack (t 1786). Physikalische Klasse: Director Achard, Geheimer Bergrath Gerhard, Botaniker Gleditsch (f 1786), die Mediciner RoLOFF und Walter. Mathematische Klasse: Director Lagrange (verlässtBerlin 1787), Bernoulli, von Castillon, J. C. Schulze. Philosophische Klasse: Director vacat, d'Anieres und Formet, Secret. perpet. Philologische Klasse: Director Merian, Bitaube, Borrelly, DE Gatt, Denina, Moulines, W^eguelin. Bibliothekar: Merian ; Justitiar : d'Anieres ; Archivax: W^eguelin ; Astronom: D. Naude und E. Bode; Tresorier: Lieutenant ^ Im Jahrgang 1773 heisst er: » General -Inspector über sämmtliche Adrefs- Comtoirs, Obercommissarius und Tresorier der K. Akademie«. Die Stelle bekleidete noch immer David Köhler; er war auch Kriegsrath geworden. Im Jahre 1757 folgte ihm W.Jordan, dann 1783 von Bailliodz. Die Pablicationen der Akademie. 4(S1 VON Windheim: Secretär, Registrator und Kanzlist: Schröder; Gärtner: Müller; Dessinateur: Hopfer; Mechanieiis : Ring; Aufwärter: Eichholtz\ Auswärtige Mitglieder werden 64 aufgeführt, an ihrer Spitze die Kaiserin Katharina. 10. Publicationen der Akademie, I. Von I 746-1 771 für die Jahre 1745 — 1769 erschienen unter Leitung Formey's 25 Bände unter dem Titel: Histoire de l'Aca- demie Royale des Sciences et des Belles-Lettres. Annee . . . ., ä Berlin cliez Haude et Spener I.ibraires de la Cour et de l'Academie Royale. Der Jahrgang 1745 hat den Zusatz: »de Berlin. Avec les Memoires pour la meme Annee, tirez des Regis- tres de cette Academie«. Die Einrichtung ist nicht gleichmässig. Der Jahrgang 1745 enthält nach einer Widmimg an den König und einer Vorrede eine kurze Geschichte der Akademie und den Bericht über ihre Erneue- rung, sodann ausführliche Sitzungsberichte und die Eloges. Daran reihen sich, besonders paginirt, die Memoires. Der Jahrgang 1746 bringt zuerst eine Geschichte der Akademie für 1745/46 und. dann, besonders paginirt, die Memoires, an deren Schluss (Classe de Belles- Lettres) die Eloges stehen. Der Jahrgang 1747 beginnt mit einer ganz kurzen »Geschichte«, der Ode des Königs und den Eloges, dann folgen, besonders paginirt, die Memoires. Im Jahrgang 1748 und 1749 fehlt die »Histoire«, obgleich die ganze Publication als ^ Es ist für die Stadtgeschiclite nicht ohne Interesse, die Wohnungen der Aka- demiker zu wissen. Hier ein Verzeichniss für das Jahr 1786 (nach dem dritten Anhang S. iff. zu Nicolai's Besclu'eibung der Könighchen Residenzstädte Berhn und Potsdam ^ Bd. 3): AcHARD (im Akademiehause, der Sternwarte gegenüber), d'Anieres (Unter den Linden . in seinem Hause), Beguelin (Hinter der Sternwarte, Stallgassenecke), Ber- NOULLi (im Akademiehause, der Sternwarte gegenüber), Bitaube (Französische Strasse, Simon'sches Haus), Bode (Unter den Linden, Tempelhof "sches Haus), Borrelly (Heiligengeiststrasse, Ritterakademie), Castillion sen. et jun. (Ecke der Markgrafen- und Französischen Strasse, AcHARo'sches Haus), de Catt (Potsdam), CoTHEMius (Mühlendamm, Ephraim'sches Haus), Denina (in Begüelin's Haus, s. oben), Formey (Behrenstrasse, im eigenen Haus), Gerhard (Unter den Linden, in des Sattler Lilien Haus), Gi-EDrrscH (Unter den Linden, in des Bäcker Geoi-ge Haus), DE LA Grange (Unter den Linden, im Hause der Präsidentin Görne), ^Iekiax (Jägerstrasse, Pennavier'sches Haus), Moulines (Unter den Linden, in des D. Richter Hause), Roloff (bei der Garnisonkirche, in seinem Hause), Sack (Dorotheen- stadt, letzte Strasse, im eigenen Hause), J.C.Schulze (Neustadt, letzte Strasse), Walter (LTnter den Linden, im Hessischen Hause), Wegüelin (Ritterakademie). Geschichte der Akademie. I. 31 482 Die Publicationen dei- Akademie. »Histoire de FAcadcmie« u. s.w. bezeichnet ist; die Bände enthalten also nur Memoires. Der Jahrgang 1750 bringt wieder eine Histoire und die Eloges am Anfang, sodann die Memoires, die aber nicht besonders paginirt sind. Der Jahrgang 1751 enthält keine »Ge- schichte« und das Eloge unter den Memoires am Schluss. Der Jahr- gang 1752 stellt die Eloges voran, paginirt fort und enthält keine »Geschichte«. Diese fehlt nun überhaupt, während die Eloges seit 1753 immer am Schluss stehen. Von den Antrittsreden der neu aufgenommenen Mitglieder ist kaum eine gedruckt. Erschienen ist der Band für 1745 im Jahre 1746, die Bände 1746 — 1757 und 1764 — 1769 immer je zwei Jahre später. Dagegen hat der Siebenjährige Krieg das Erscheinen der Jahrgänge 1758 bis 1763 so verzögert, dass sie erst 1 765-1 770 erschienen sind; in den Jahren 1 766-1 770 sind also je zwei Bände gedruckt worden, während von 1760— 1764 nichts publicirt worden ist. 2. In grösserem Format, besserer Ausstattung und besserem Druck erschienen von 1772-1788 für die Jahre 1770-1786 eben- falls unter Forbiey's Leitung 17 Bände unter dem Titel: Nouveaux Memoires de l'Academie Royale des Sciences et Belles- Lettres. Annee . . . Avec l'histoire pour la meme annee^ Hier steht regelmässig und besonders paginirt die Geschichte der Akademie in dem betreffenden Jahre voran nebst den Veränderun- gen im Personalstatus, Preisvertheilungen , Berichten über feierliche Sitzungen, Königlichen Ordres, Receptions- Reden, Auszügen aus den Sitzungsberichten (auch wissenschaftlichen Bemerkungen) , An- gaben über eingelaufene Bücher, den Antrittsreden und den Eloges, dann folgen die Memoires. Im Jahrgang 1770 findet sich eine Über- sicht über die Geschichte der Akademie von 1 746-1 769 als Fort- setzung der Geschichte der Akademie von Formey, die bis 1750 reicht". ^ Diese «Nouveaux Memoires« werden mit der kurzen Bemerkung einge- leitet, man folge dem Beispiel anderer Akademieen, indem man eine neue Reihe begründe, »j)our rendre Tacquisition de ces ouvrages plus facilc". Ausserdem werde man von nun an jährlich einen historischen Theil geben und für besseren Druck sorgen. ^ Eine eigene Druckerei besass die Akademie zur Zeit Friedrich"s nicht. Als das Grand Directoire des Kriegs und der Finanzen die Akademie nötliigen AvoUte, eine Schi-iftgiesserei einzurichten und ihr dazu eine Summe von 397 Thlr. überwies, wehrte sich Maupertuis heftig, bestimmte die Akademie, die Zumuthung abzulehnen, und schrie!) in diesem Sinne an den König. Ihm schien es unwürdig, dass eine gelehrte Körperschaft sich mit dieser Bürde belaste (Le Steur, Mau- pertuis p. 9of., abgedruckt im Urkundenband Nr. 169, 8). Die Publicationen der Akademie. 48 B 3. Im Jahre 1752 erschien zur Feier des fünfzigjährigen Be- stehens der Akademie die »Histoire de l'Academie Royale des Sciences et Belles-Lettres , depuis son origine jusqu'a present. Avec les pieces originales, Berlin«, Ein Autor ist nicht genannt, und so erscheint sie als officieller Bericht der Akademie. Ihr Verfasser ist der Historio- graph der Akademie Formet, wie oben Iiemerkt worden ist. 4. Die Kalender: mit ihrer Herstellung waren nach wie vor die Astronomen der Akademie bez. ihre Gehülfen, wie D. Naude, und Subalternbeamte l)eschäftigt; speciell für Schlesien arbeitete Frl. Kirch (über die Einnahmen s. unten). Der Staats- und Adress- •Kalender machte besonders viel zu schaffen ^ , denn die richtige Dar- stellung der auswärtigen Staatsverhältnisse, besonders auch der Genealogieen, wurde immer scliAvieriger, z. B. im Jahre 1778 die von Kurpfalz und Kurbayern (s. Geh. Staatsarchiv). Im Herbst 1765 (Geh. Staatsarchiv, 8. October 1765) pachtete der Hofrath Gravius das von der Akademie bisher administrirte Kalenderwesen zum Ver- trieb und zahlte sehr viel mehr dafür, als die Akademie bisher ein- genommen hatte. Er trat in Bezug auf die Kalender, deren Her- stellung sie selbst weiter besorgte, in alle Rechte der Akademie (vor allem die Stempelfreiheit). Die Provinzial- Regierungen wollten das zuerst nicht anerkennen, wurden aber in diesem Sinne bedeutet. 5. Besondere astronomische Publicationen: am 30. November 1773 l^gte die Akademie dem Könige den ersten Band selbständig gearbeiteter »Astronomischer Ephemeriden« vor. Bisher hatte man auswärtige Berechnungen übernommen; die Akademie entschuldigte sich bei der Überreichung, dass das Buch in deutscher Sprache ver- fasst sei (Geh. Staatsarchiv). 6. Am 18. November 1747 und 7. April 1748 erhielt die Akade- mie das Privileg, dass die zum Gebrauch des Publicums bestimmten Landkarten nur unter ihrer Aufsicht hergestellt werden dürften , bez. von ihr zu stempeln seien. Das Privilegium lautete: »über den privativen Verlag und Stempelung tüchtiger Landkarten, und dass alle in Gebrauch kommenden Karten mit dem Stempel der Akade- mie zu versehen seien«. Graf von Schmettau leitete zuerst das Unternehmen. Der grosse Plan von Berlin in vier Blättern (1748) erschien als akademische Unternehmung unter seiner Direction. Doch ^ In einem Brief Maupertuis' an den König (October 1755, Geh. Staats- arcliiv) wird darum ersucht, in den Kalender auch eine genaue Übersicht über den Hof und seine Ämter einrücken zu dürfen; bisher seien die Angaben lückenhaft oder fehlten ganz, und so gerathe der Ahnanach mehr und mehr in Verfall. 31* 484 Die Publicationen der Akademie. liat die Akademie das Privilegium anfangs nicht energisch ausge- beutet, ja es fast ganz fallen lassen. Auf eine Anfrage der Ost- friesischen Regierung vom lO. Januar 1753 lässt der König er- widern, die Akademie habe Folgendes erklärt: »dass, um dem Pu- blico nicht beschwerlich zu fallen, sie sich bereits in anno 1748 der Stempelung der Landkarten vor der Hand begeben, und, Aveil noch kein genügsamer Vorrath von Landkarten fertig ist, auch noch anietzo nicht auf gedachte Stempelung dringe« (Geh. Staatsarchiv). Später hat die Akademie einen geringen Nutzen aus dem Privileg- gezogen, in manchen Jahren aber auch bedeutend zugesetzt. Ein Schulatlas von 44 Karten und eine Sammlung von Seekarten ver- schiedener Länder ist von ihr (ausser dem Plan von Berlin und vom Thiergarten) herausgegeben worden; s. Nicolai, Beschreibung der Residenzstädte Berlin und Potsdam ^, Bd. 2 S. 708. Ein Brief Mau- PERTUis' an den König ist noch erhalten (vom i.October 1755, Geh. Staatsarchiv), welcher die Zusendung einer Karte begleitet, die, so heisst es, in den von der Akademie herausgegebenen Atlas aufgenommen werden soll. Sie stellte die vier grossen Untern e]i- mungen dar, die zum Zweck der Ermittelung der Gestalt der Erde in Frankreich, Peru, Lappland und am Kap der guten Hoffnung ausgeführt worden waren. — Das Landkartenprivileg von 1748 ist im Urkundeiil)and Nr. 168 abgedruckt. 7. Die Akademie hat den Verlag der Continuationen der Constitu- tiones Marchicae (Mylius) vom Könige übertragen erhalten^; seitdem gab sie jährlich die Sammlung der Landesgesetze heraus und edirte ausserdem ein Repertorium dazu (i 751 ff.), dessen Anschaffung allen Regierungen, Richtern, Advocaten und Verwaltungsbeamten einge- schärft wurde (am 4. September i 752 fragte das Directorium der Aka- demie beim Könige an, ol) nicht der General-Fiscal auch Censor dieser Edition sein müsse; in den Jahren 1772-74 führte sie eine Klage wiegen Nachdrucks gegen den Königsberger Buchhändler Kanter). Dennoch musste sich der Factor der Akademie immer wieder über zu geringen Absatz beklagen. Daher erfolgten wiederholte Edicte an die 1 Im Jahre 1747; aLer da Mylius ältere Rechte besass, so einigte sich die Aka- demie mit ihm daliin, dass sie erst vom Jahre 1751 an das Privileg ausnutzen wolle. Im 8it/.ungsprotükoll der Akademie (22. April 1751) heisst es: »Dans un Directoire tenu apres TAssemhlee il a ete resolu de proceder a la publication des Edits , dont M. Mylius a donne le recueil jusqu'en 1750". — Über den Codex Fridericianus Marchicus vei-gl. Stölzel, Brandenbm-g-Prenssens Rechtsverwaltung und Rechtsver- iassung, 2 Bde. 1888, und J. Chr. Schwartz. Vierhundert Jahre deutscher Civilprocess- Gesetzgebung (1898) S. 479 ff., dort auch über den Antheil des Akademikers Jariges. Ge1);iude und Institute der Akademie. 485 Regierungen. Das vom 2 8. Februar i 761 lautet: »Unsere Akademie der Wissenschaften hat den Druck des obgedachten Anhangs veranstaltet, und es ist solcher nebst den Continuationibus Constitutionum vom Jahre 1 751 — 1759 hei allen Factoren derselben zu bekommen. Wir communiciren euch hiebei ein Exemplar davon mit dem gnädigsten Befehl, euch in vorkommenden Fällen nach den darin angeführten Verordnungen zu achten, auch des Endes die 4. Continuation des Corp. Myliani de anno 1 748- 1 750, welche in der hiesigen Buch- handhnig des Hallischen Waisenhauses zu bekommen, und die fort- gesetzten Sammlungen Unserer Akademie, woferne solches nachUnsern Rescriptis vom 3. und 8. April 1755 noch nicht geschehen, euch fordersamst anzuschaffen, und die unter euch stehenden Magistrate, Untergerichte, Gerichts -Obrigkeiten und Beamten sowohl dazu als zur Beobachtung der im Anhange angefügten Verordnungen anzu- weisen« (Geh. Staatsarchiv) \ 11. Gebäude und Institute der Akademie. Bis zum Januar 1744 tagte die alte Societät auf dem Obser- vatorium an der Dorotheenstrasse; hier stand auch ihre Bibliothek ^ Die Büchercensur, welche der Akademie oblag, inachte ihr Verdruss, und sie suchte diese Last abzuschütteln, obgleich sie ihr als Privileg und als Einnahme- quelle vom Könige (18. November 1747) übertragen war. In dem Privileg hiess es, dass um der eingerissenen Missbräuche willen in Berlin und im ganzen Lande kein Buch, Hochzeits-, Trauer- oder andere Gedichte, Leichenpredigt und sonst der- gleichen Sachen gedruckt werden sollen, bevor solche der Akademie der Wissen- schaften überschickt und von ihr approbirt worden, und zwar seien für jeden Druck- bogen eines Buchs zwei gute Groschen und für jedes Gelegenheitsgedicht und jede Leichenpredigt sechs gute Groschen an die akademische Kasse zu bezahlen. Diese Verordnung muss aber schlecht befolgt worden sein, und auch das allgemeine Censuredict vom 11. Mai 1749 ist sehr nachlässig ausgeführt worden. Im Protokoll der Sitzung vom 7. December 1758 heisst es: «Le rescript du Directoire, qui de- mande ä TAcademie, qu'elle indique un censeiir ä la place de feu M. Pelloutier, ayant ete lü, il a ete resolu de repondre, que TAcademie n'ayant point ete con- sultee, lorsque M. Pelloutier fut nomme, et le projet qu'elle avait forme elle-meme pour la censure des livres n'ayant point ete goute, eile demandait a etre dechargee de cette nonünation, d'autant plus que parnii tous les membres presens dans cette assemblee il ne s'en trouvait aucun qui put se charger de cette fonction« (vergl. den Brief Euler's an Maupertuis vom 16. December 1758 bei Le Sueur y>. 165 f.). — Auch mit einigen in Berlin erscheinenden populär -wissenschaftlichen Zeitungen stand die Akademie in Verbindung; ein paar Mal nahm sie auch einen Anlauf, selbst eine Zeitung herauszugeben; allein es blieb bei den Versuchen. Als sie im Jahre 1772 dem Könige den ersten Theil eines Journal litteraire einreichte und «zu ihrem Encouragement« seine A])probation für die Zeitschrift zu erhalten wünschte, liess ihr der König den niedeivschlagenden Bescheid ertheilen: »Die retlexiones sind sehr ordinär und der Stil nicht der beste « (Geh. Staatsarchiv). 48() Gebäude und Jnstitute der Akademie. und ihr Naturaliencabinet : die Anatomie befand sich in einem Eck- pavillon des Gebäudes , und in dem Hause dem Observatorium gegen- über wohnte der Astronom. Der «neuen litterarischen Gesellschaft« Schmettau's (1743) hatte der König einen Saal im Schlosse für ihre Sitzungen eingeräumt, und dieser Saal blieb das Sitzungszimmer der neuen Akademie bis zum Mai 1752. So ehrenvoll es für sie war, im königlichen Schlosse zu tagen, so unbequem war es doch, weil ihre Samm- lungen weit davon entfernt lagen; denn diese blieben im Obser- vatorium. Am 21. August 1742 waren die Ställe (zwischen den Linden und der Dorotheenstrasse) abgebrannt. Der König liess nach dem zweiten Schlesischen Krieg an ihrer Stelle an der Front der Linden ein neues stattliches Gebäude aufführen und bestimmte den westlichen Flügel für die Akademie. Der östliche sollte, so behauptet wenigstens Formey\ ursprünglich dem beständigen Secretar eingeräumt Averden, aber aus Furcht vor Feuersgefahr sei das unterblieben; dennoch seien nicht lange darnach die Räume an einen Cafetier vermiethet worden. Die der Akademie überwiesenen Gemächer waren geräumig und wurden vom Könige gut ausgestattet. «Outre la belle archi- tecture de l'edifice qui contient ces appartements , le roi les a fait decorer et meubler magnifiquement, en sorte que l'on peut les regarder comme une des plus brillantes demeures que les sciences aient jamais eues"".« Am I. Juni 1752 konnte die Akademie einziehen — es sind die- selben Räume , die sie heute noch besitzt und in denen sie sich ver- sammelt. Forme Y hielt die Einweihungsrede^. Die ehrwürdigen Räume in dem Observatorium verödeten nun allmählich*; aber die Akademie konnte sich jetzt ausdehnen, und die Lage ihres neuen Hauses war unvergleichlich^. ^ Souvenirs I p. 182 f. " I'oRMEY in den Memoires 1752 p.4. 3 A. a. 0. * Doch tagte in ihnen bis zum Tode Friedrich's des Grossen regehnässig Donnerstags von 11 — i Uhr die ökonomische Commission der Akademie. Das Archiv befand sich aucli daselbst. Ebenso blieben die Sternwarte und das Na- turaliencabinet dort (s. Nicolai, Berlin ^ Bd. 2 S. 919 ff.). '" Die Bibliothek wui'de auch in das neue Gebäude übergeführt und zwar in die Räume, in denen sie jetzt noch stellt. Ihre Einkünfte waren seit 1766 ver- grössert. Sie bestand aus zwei Abtheilungen, nämlich (i) aus der Schenkung Fried- rich Wilhei.m's L, s. oben S. 234, (2) aus der allmählich vergrösserten Sammlung dei- alten Societät; s. Nicolai, Berlin 3 ßd. 2 8.768!'. Der Etat der Akademie. 487 Gleichzeitig aber wurde auch auf dem Platz hinter dem Ob- servatorium, Avo bisher nur der Astronom gewohnt hatte, ein Laboratorium für den Chemiker und eine bescheidene Wohnung- gebaut \ Im Jahre 1753 konnte Marggraf sie und das »neue Laboratorium« in Besitz nehmen. Nach dem Siebenjährigen Krieg in den Jahren 1764 und 1765 wurde es ganz umgebaut und er- -\veitert (s. unten). Ausser dem Astronomen und dem Chemiker hat zeitweilig noch ein dritter Akademiker, Bernoulli, gleichzeitig dort gewohnt. Der Umbau kostete der Akademie sehr viel Geld. Der Baumeister Oberbaudirector Boumann hatte einen Anschlag von 7732 Thlr. gemacht; in Wahrheit aber hatte er 12954 Thlr. "^'^'i'" baut. Die Akademie beklagte sich über ihn und behauptete , er habe dazu noch schlecht gebaut und auch die sehr kostspieligen Reparaturen des Observatoriums liederlich ausführen lassen (Geheimes Staatsarchiv). — Der botanische Garten wurde 1751 auf's Beste eingerichtet. Nach dem Siebenjährigen Krieg Hess die Akademie dort Wirthschaftsgebäude und ein Treibhaus erbauen sowie die grosse Mauer aufführen (der alte Zaun war von den Kroaten im Jahre 1760 niedergerissen worden). Auch hier beschwerte sie sich bitter über Boumann, der theuer und schlecht gearbeitet habe. 12. Etat der Akademie. Die Einnahmen der alten Societät hatten im Jahre 1 7 1 8 ins- gesammt kaum 6000 Thlr. betragen. Beim Regierungsantritt Fried- rich's IL waren sie auf 9 — 10000 Thlr. gestiegen. Nach der Erwer- bung Schlesiens und dem Siebenjährigen Krieg (1765) betrugen die Einnahmen aus den Kalendern — sie kommen fast allein in Betracht"' — etwa 1 3000 Thlr. und stiegen nach Einsetzung der ökonomischen Commission^ bei der Verpachtung an Gravius (1765/66) sofort auf 16000 Thlr. Im Jahre 1778 betrugen sie bereits 23000 Thlr.* Der König wachte über den Einnahmen und Ausgaben ebenso streng wie sein Vater, war mehr als sparsam . und gab nur einigen ^ Auf Maupertuis" Vorschlag, s. die Briefe desselben an den König im Ge- heimen Staatsarchiv Bd. I Nr. 54. ^ Der Seidenbau in Köpenick ging zwar noch immer fort, brachte aber so gut wie nichts ein, s. den Brief Maupertuis' an den König bei Le Sueur, INIau- PERTUis p. 91 und die Eingabe der Akademie vom 24. Juni 1773 (Geh. Staatsarchiv). ^ Die ökonomische Commission ist vom Könige niedergesetzt worden, weil er mit der Verwaltung der Akademie während des Siebenjährigen Kriegs wenig zu- frieden war. Näheres s. oben S. 363. * Im Jahre 1800 betrug die Pacht 30400 Thlr. 488 r^pi" Etat dei' Akncleniic grossen Gelehrten auskömmliche Gehälter, allen übrigen aber höchst spärliche oder gar keine. Seit MAurERTUis' Tode^ bez. seit Euler's Abgang bestimmte er alle Pensionen allein. Auch die 1765 nieder- gesetzte ökonomische Commission konnte nichts ohne seine Zustim- mung beschliessen , ja kaum etwas vorschlagen. Während des »Siebenjährigen Kriegs waren mehrere Pensionen durch den Tod der Inhaber erledigt und auf Befehl des Königs capi- talisirt worden. Da ferner die Memoires 4 Jahre lang nicht erschie- nen und die Zuschüsse zu den wissenschaftlichen Instituten eingestellt waren, hatte man viel Geld erübrigt. Am 2 2.December 1763 machten die Directoren eine Eingabe, dass 1900 Thlr. Pensionen Verstorbener vacant seien, und dass folgende Akademiker überhaupt kein Gehalt bezögen: Meckel, Roloff, Eüler jun., Bernoulli, Beguelin, Premont- VAL, Sulzer, Süssmilch, Beausobre, de Catt. Sie berichten ausserdem, dass die Akademie während des grossen Kriegs 2 5 000 Thlr. (!) erspart habe (vergl. die Briefe Euler's an Maupertuis vom 16. September und 16. December 1758 vmd vom 30. Januar 1759 bei Le Sueur): «par la vacance des pensions et par les soins des directeurs qui ont cesse de payer les appoitments des Academiciens en vieux argent« — während alle zugesetzt hatten, war die Akademie reich geworden, aber nicht die Akademiker. Eigenhändig bemerkte der König dazu"': »400 ecus a Eller [lies Euler] fils, 400 au jeune Bernoulli, 200 a Mekel, 200 a Sultzer. Total I 200 ecus. Frederic. « Also die übrigen sechs erhielten nichts! Ausserdem befahl der König , dass 1 5 000 Thlr. zu einer Mauer um den Botanischen Garten — sie ist also aus ersparten akademischen Gehältern erbaut — und einem neuen Wohnhaus für den Chymicum und Astronomum ver- wendet (s. oben), die übrigen 10 000 Thlr. aber angelegt werden sollten. Am 23. Mai 1776 reichte die ökonomische Commission dem Könige den Etat ein und machte darauf aufmerksam, dass sie in ihrer zwölfjährigen Thätigkeit die Revenuen um etwa 9000 Thlr. ^ Mit dem »Grand DirectoirC", d. h. dem Finanzministerium ist Maupertuis ein paar Mal in Conflict gekommen, (s. Urkundenband Nr. 169, 8. 9), doch waren die Streitigkeiten nicht von Bedeutung. ^ Akademisches Archiv. Der Etat der Akademie. 489 jährlich gesteigert und ein Capital von 5200 Thlr. erspart hahe (welclies angelegt Avorden sei) . obgleich sie auf Befehl des Königs für Gebäude mehr als 26000 Thlr. verbraucht habe. Der Illtat schliesst mit einem Übersclmss von 2556 Thlr., und die Commission bittet, dass der König ihr selbst — d. h. den 6 Mitgliedern der Commission^ — diesen Überschuss bewilligen möge"'. Etat. Recette. Interets de 15000 anciens capitaux 575 Thlr. Interets de 5200 capitaux epargnes par la commission 260 » Ferme des almanacs 20800 » » des edits 650 » '> des anciennes collections des edits 500 » Loyer d'un magazin 5 » Redevances du Commissaire des enterrements 500 ^^ Plantage de Coepnic 35 » College de Medecine de Silesie 250 » Cartes geographiques 200 « Jardin botanique 80" » 23855 Thlr. D e p e n s e s. Pensions 15565 Thlr. Jetons^ 1000 » 16565 Thlr, ^ Sulzer war von Berlin abwesend und hat die Eingabe nicht niitnnterzeichnet; sie stammt von Merian, Beausobre, Lambert, Castillon. " Das Schi-eiben und der Etat im Geh. Staatsarchiv, sowie im Akademischen Arcliiv. * Von den drei letzten Posten heisst es , sie schwankten sehr. * Die Jetons haben sich eingeschlichen; die für sie ausgeworfene Summe von 1000 Thlr. ist erst nachträglich vom Könige bewilligt worden (die Bewilligung fehlt nicht, wie Herizberg behauptet hat). Erst aus den Verhandlungen über sie aus der Zeit Friedrich Wilhelm's II. erfährt man, wie es sich mit ihrem Ursprung ver- hält (Akademisches Archiv). Maupertuis hatte den Plan gefasst, Jetons nach dem Vorbild der Pariser Akademie einzuführen, und auch in der Münze ein Exemplar (Werth I Thlr.) schlagen lassen; aber er kam nicht dazu, die Einrichtung wirklich zu treffen. Während des Siebenjährigen Krieges fragte die INIünzverwaltung einmal an, was mit dem Stempel zu geschehen habe. Da wurde auf Sulzer's Vorschlag- beschlossen — man hatte in Folge der Erledigung mehrerer Pensionen Geld genug — , jetzt die Einführung zu bewirken und 1000 Thlr. jährlich dafür zu bestimmen. So geschah es. In der Sitzung vom 8. Januar 1761 wurden die Jetons zum ersten Mal vertheilt. Der König wurde zunächst nicht befragt; aber als ihm d"Ar- 490 Der Etat der Akademie. [Übertrag. . . . 16565 Thlr.] Prix 200 » Anatomie 334 » Chymie 250 » Jardin botanique 600 » Bibliotheque 200 » 01)servatoire 800 » Experiences et instruments 800 » Correspondance 150 « Entretien des bätiments 300 » Cartes geographiques 500 « Memoires de rAcadeniie^ 200 » Extraordinaire 400 » 2 I 299 Thlr." Bei den Pensionen ist nur folgende Specifieation mitgetlieilt: Physikalische Klasse 3550 Thlr., mathematische 2500, philosophische 1800, philologische 4400 Thlr., dazu Gehälter ausser den Klassen 3315 Thlr. Summa : 15565 Thlr. Der König Hess /Auiächst (24. Mai) antworten, sie sollten war- ten, bis er von seinen Reisen zurückgekehrt sei. Dann liess er am 20. Juni sagen, er wünsche statt dieses General- Etats einen Special -Etat, besonders ratione der Ausgaben, woraus deutlich er- sehen w^erden könne, wohin und wofür solche eigentlich geschehen, und wer Alles und wie viel ein Jeder an Tractament und Pension aus der Akademie -Kasse bekomme. GENS erzählte, die Berliner hätten die Jetons eingeführt, während die Pariser Aka- demieen sie aus SpaT'samkeitsgründen in den Kriegszeiten eben jetzt hätten auf- geben miissen, soll ihm das \"ergnügen gemacht haben. In einem Briefe d'Akgens', der in der Sitzung vom 6. Januar 1763 verlesen wurde, empfing die Akademie die Mittheilung, dass der König die Einrichtung billige. Die Jetons erhielten ursprüng- lich Alle, die in einer Sitzung anwesend waren (auch Externe und Gäste), bald aber nur die ordentlichen Mitglieder, die auf diese Weise sich ein nicht ganz ge- ringes »Douceur" zubilligten. Bis 1765 stehen die Jetons in den Reclmmigen unter "Prämien und Verehrung«; seit 1766 wurde eine besondere Reclmimg über sie geführt, hn Januar 1779 wurde beschlossen, dass Niemand sie erhalten solle, der vor Schluss die Sitzung verlässt (s. Protokolle). Hertzberg war ein Gegner der Jetons und hat dem Könige Friedrich Wilhelm II. den Vorschlag unter- breitet, sie abzuschaffen. ^ Die Memoires deckten also beinahe die Kosten. ^ Im Jahre vorher (Etat 1775 eingereicht am 20. Juli, Akademisches Archiv) betrugen die Gesainmteinnahmen 22476 Tlilr. (davon aus den Kalendern 19200), die Gesamintausga,beo 20999 Thh'., der Uberschuss also 1477 Thlr. Der Etat der Akademie. 491 Bereits am 22. Juni überreichte die Commission folgenden spe- cialisirten Etat: «Note des depenses annuelles de l'Academie ordonnees par S. M.« P e n s i o II s : ]Marggraf comine Chymiste 700, comme Directeur 20oThlr., Franche- VILLE 150, GlEDITSCH 65O . PoTT 55O, LaMBERT 7OO, WaLTER 200. DE Lagrange 1700 [1500 et 200 comme Directeur], Bernoulli 600, DE Castillon 200, Sulzer 900 [700 et 200 comme Directeur], Cochius 00. FoRjiEY 600. ]Meriax 900 [600 et 200 comme Directeur et 100 comme Bil^liothe- caire], Beausobre 500. de Catt 400, Bhaübe 500, TniEBAULr 200, BoRRELLY 400. ^Moulines 500. Summa: 10850 Thlr. Gerhard en qualite de Conseiller aux min es 400. Pernetti en qualite de Bibliothecaire de la Bibliotheque Royale 1000. Summa: 12250 Thlr. H o r s de C 1 a s s e s : CorHENius 200. Fiscal general comme Justitiaire de l'Academie 100, Jordan comme Tresorier 300, Demoiselle Kirch pour les almanacs de Silesie 400. Naude pour les autres almanacs excepte ceux de la West- preusse 350, Bode pour les ephemerides et adjoint pour les almanacs 400, Blume , Secretaire allemand 200, Koch, Mecanicien 200, Hopfer, Dessina- teur 200. PiTTELco. Calculateur et Reviseur des comptes 30, Eichholz Bedeau 75, Archiviste 250, Directeur de rimprimerie 100, Garde des cartes geographiques 50. Bedeau de TAnatomie 50, Vetter, Concierge de l'Ana- tomie 110. Smiima 3315 Thlr. Der König verfügte am 23. Juni 1776, dass der Uberschuss von 2556 Thlr. nicht unter die Mitglieder der ökonomischen Commission zu vertheilen sei, sondern dass der Professor l:)ei der Ritterakademie Weguelin 400 Thlr. Besoldung erhalten solle, Castillon und Merian je 200 Thlr., Lambert 400 (Sulzer und Beausobre erhielten nichts). Die übrig bleibenden 1356 Thlr. sollen zu Büchern, Instrumenten u. s. w. verwendet werden, »aber mit aller Menage und Oekonomie«. Nach dem dem Könige am 19. April 1782 eingereichten Etat betrugen die Einnahmen bereits 26359 Thlr. (aus den Kalendern 23600 Thlr.), die Ausgaben nur 21924 Thlr., so dass ein Uber- schuss von 4435 Thlr. verblieb, obgleich der botanische Garten jetzt 795 Thlr. kostete. Die Memoires verlangten 500 Thlr. Zu- schuss (dagegen steht allerdings eine Einnahme aus dem Verkauf der Memoires von 305 Thlr.). Streng band sich Friedrich IL so wenig wie sein Vater an die Regel, die Einnahmen der Akademie nur ihr selbst zu Gute kommen zu lassen. Zwar die Zuschüsse für das medicinisch-chirur- 492 Der Etat der Akademie. gische Collegium hörten allmählich auf^; aber dafür musste die Akademie die vom Könige 1765 gestiftete Ritterakademie mit unter- halten , d. h. der König berief Lehrer, die ihm geeignet schienen, an diese Schule, ernannte sie gleichzeitig zu Akademikern und liess sie aus der Kasse der Akademie besolden. Doch darf man nicht vergessen, dass Friedrich schon als Kronprinz eine Akademie in's Auge gefasst hatte, die nicht «zur Parade« da sein, sondern auch der Instruction dienen sollte (s. oben S. 254). Diesen Plan suchte er jetzt durch Verbindung der Ritterakademie mit der Akademie der Wissenschaften auszuführen. So erfüllte sich die Befürclituno: des weitblickenden Philosophen Wolff, die Akademiker Avürden genöthigt sein, «Kadetten zu informiren« (s. oben S.256). Auch sein Vorleser Pernety, der zum Bibliothekar der Königlichen Biblio- thek ernannt wurde, wurde Mitglied der Akademie, und es mussten ihm als solchem 1 000 Thlr, jährlich gezahlt werden. Die Überschüsse der jährlichen Einnahmen wurden auch nicht immer im Interesse der Akademie verwendet. So erging am 2. October 1776 eine Königliche Ordre (Geh. Staatsarchiv): »Dass die nach dem hiebei erfolgenden Anschlag erforderlichen Kosten wegen Reparatur der Maler- und Bildhauer- Akademie -Appartements von DeroAcademie der Wissensch. aus denen besage Ordre vom 23. Juni zu vorfallenden extraord. Aus- gaben noch übrig gebliebenen Geldern bezahlet werden sollen«. ^ Aus einer Eingabe der Akademie an den König- vom 14. Juni 1776 ersieht man, dass die Professuren am medicinischen Collegium und die akademischen Stel- len nicht mit einander verbunden sind (Geh. Staatsarchiv).