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BRANDEIS UNIVERSITY LIBRARY

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Minnie L. Loewenthal

In Memory of Her Parents

DR. CARL AND MRS. BELLE LOEWENTHAL Forest Hills, N.Y.

BRANDEIS UNIVERSITY

NATIONAL WOM'

MAX ZENGER

GESCHICHTE DER MÜNCHENER OPER

NACHGELASSENES WERK HERAUSGEGEBEN VON

THEODOR KROYER

MIT 87 NETZÄTZUNGEN UND 11 LICHTDRUCKTAFELN

VERLAG FÜR PRAKTISCHE KUNSTWISSENSCHAFT Dr. f. X. WEIZINGER & Co., MÜNCHEN 1923

Alle Rechte vorbehalten

Copyright by Verlag für praktische Kunstwissenschaft

Dr. F. X. Weizinger & Co. / München 1923

Druck von Dr. C. Wolf & Sohn, München

INHALT

Seite

Vorwort des Herausgebers ....". 7

Erster Teil: Die Oper unter den Kurfürsten von 1653 1787

Einleitung 13

Erstes Kapitel: Die Opera seria unter den Kurfürsten Ferdinand Maria, Max

Emanuel und Karl Albert (1653— 1745) 16

Zweites Kapitel: Die italienische komische Oper, Kurfürst Maximilian III. und

KarlTheodor (1745— 1787). Gluck und Mozart 35

Zweiter Teil: Die Oper von 1787—1886

Erstes Kapitel : Die Anfänge der deutschen Oper. Graf Seeau. Marius Babo (1787—1811) 49

Zweites Kapitel: Delamotte. Stich. Freiherr von Weichs. (Vom 16. März 1811 bis 1824) 106

Drittes Kapitel: Die Intendanten Freiherr von Poißl und von Küstner (1824 bis 1841/42) 184

Viertes Kapitel: Graf Yrsch, Baron Frays und Baron Poißl. Hofrat Fr. Dingel- stedt (1842—1857) 293

Fünftes Kapitel: Vom Abgang Dingelstedts bis zum Eintritt des Hofmusik- Intendanten Karl Freiherrn von Perfall (1857— 1868) 414

Sechstes Kapitel: Die Oper unter Perfall bis zum Todesjahr König Ludwigs II. (1886). Ausblick 499

Beilagen zum ersten Kapitel des zweiten Teils 512

Verzeichnis der Abbildungen 521

Namen- und Sachverzeichnis 525

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Max Zenger.

VORWORT DES HERAUSGEBERS

DER KOMPONIST des „Kain** teilt das Los seiner altmünchner Kunst- genossen — „verkannt und vergessen!" Im Leben fand er keine Gelegenheit, die Werke, an denen sein Herz hing, herauszugeben oder auch nur aufzuführen. Bei seinem Tode hinterließ er einen ungehobenen Schatz, den heute dank der Fürsorge seiner Erben die Münchner Staatsbibliothek verwahrt.

Nur wenige wissen, daß Max Zenger auch Schriftsteller war. Ja, er war Kritiker. Er schrieb erst für die „Süddeutsche Zeitung" und die „Münchner Neuesten Nach- richten", später für die „Allgemeine Zeitung" Musikberichte und für das „Musika- lische Magazin" Aufsätze über Schubert, Lachner, über Gesang und Instrumental- musik; und in den letzten Jahren seines Lebens arbeitete er an einer „Geschichte der Münchner Oper". Sein Nachlaß enthält außer ungedruckten Studien die umfang- reiche Handschrift dieses Werkes, das ihn, freilich nicht ganz ohne seine Schuld, von dem Augenblick an, da er Mittel und Wege dafür suchte, manch' bittere Stunde kostete. Es ist leider unvollendet geblieben. Durch die Opferwilligkeit des Verlags tritt es nunmehr ans Licht. So wird denn der sehnlichste Wunsch des Verstorbenen erfüllt, wenn es auch sehr zweifelhaft ist, ob Zenger mit den notwendigen Kürzungen und Nachträgen des Bearbeiters einverstanden gewesen wäre. Er hatte den Kultus- minister um einen Zuschuß gebeten. Aus dem Briefwechsel, der seine Bemühungen um die Drucklegung des Buches begleitete, geht hervor, daß ihn das auf Wunsch des Ministeriums von der bayerischen Akademie der Wissenschaften abgegebene Gutachten, das bei aller Anerkennung auch einige Verbesserungen forderte, nicht zu überzeugen vermochte. Er war auch in diesem Punkt ein Original. Damit hat es aber noch eine andere Bewandtnis.

Zenger betrachtete sich als Erben Rudharts.

An der Spitze seines Entwurfes schreibt er: „Nach einem ursprünglichen Plane sollte gegenwärtiges Geschichtswerk, welches als im unmittelbaren Anschlüsse an Fr. M. Rudharts , Geschichte der Oper am Hofe zu München' gedacht ist, nur mit gelegentlichen, den Zusammenhang vermittelnden Hinweisungen auf diese, im übrigen aber selbständig der Öffentlichkeit übergeben werden. Je mehr indes die Arbeit ihrer Vollendung entgegenrückte, desto mehr kam ich zur Überzeugung, daß auf diese Weise dem Leser ein geschichtliches Ganzes, worauf er Anspruch hat, nicht geboten würde, und daß das Buch seinen schönsten Zweck, sich als vollgültiger Bestandteil in die allgemeine Geschichte der Münchner Oper einzustellen, nur durch Einbeziehung dieses älteren Abschnittes der Operngeschichte, wenigstens der Haupt- sache nach, erreichen kann. Denn wenn auch die Kunstgattung, um deren Pflege

es sich in dem ganzen genannten Zeitraum bis zu den letzten Dezennien ausschließlich handelt, nämlich die italienische , Opera seria', eine verfehlte, irrtümliche war, so kommt ihr doch eine eminente kunstgeschichtliche Bedeutung dadurch zu, daß aus ihr unser musikalisches Drama, welches seine Kulmination durch Wagner erhalten, hervorgegangen ist."

Zenger wollte im ersten Teil seines Buches die Ergebnisse Rudharts zusammen- fassen. Zu dieser Aufgabe, wie überhaupt zur Fortsetzung der Rudhartschen Studien glaubte er sich nicht nur durch seine persönlichen Beziehungen zum Münchner Hoftheater und „sonstige Attribute" berechtigt, sondern auch durch seinen ver- storbenen Freund Rudhart selbst, mit dem ihn „eine große Übereinstimmung in musikalischen Anschauungen und Grundsätzen" verband. „Was mich nun," fährt er fort, „für einen großen Teil meiner Arbeit, namentlich für die ersten zwei Kapitel wesentlich unterstützte, und wovon ich ausgiebigen Gebrauch machte, war eine Masse von teils urkundlichem teils anderweitigem Geschichtsmaterial, welches Rudhart zu seinem Zweck noch aufgestapelt hatte, insbesondere ein vollständiges Verzeichnis aller am Münchner Hoftheater bis 1864 italienisch und deutsch gesungenen Opern, ein Essai: ,Ein Theaterintendant des vorigen Jahrhunderts (Seeau)*, ein gleicher über Peter Winter und vieles andere mehr." Diese Stoffüberfülle, meint er, war es wohl auch gewesen, die seinen Freund von der Vollendung des Werkes abgeschreckt habe.

Zenger bringt in der Tat für seine Aufgabe hervorragende Eigenschaften mit, als langjähriger Theaterkritiker, als dramatischer Komponist und Kapellmeister, der viele Werke aus der Partitur kannte, der an der Münchner Bühne selber, wenn auch nur kurze Zeit, tätig war, nicht zuletzt als Gesangsmeister und Lehrer. Gerade die Personalberichte seines Werkes bekunden ungewöhnliches Verständnis und bieten etwas Besonderes.

Aber nicht zu vergessen, er kam von der alten Schule her und war in erster Reihe schaffender Künstler. Das eine prägt sich in seiner Auffassung der Neuzeit, das andere in seinem Verhältnis zur historischen Pragmatik aus.

Mit dem raschen Tempo der modernen musikwissenschaftlichen Forschung, das namentlich der Operngeschichte zu Gute kam, kann seine ältere Darstellung nicht gleichen Schritt halten. Sie folgt in der Sache, wie in der Anschauung der Über- lieferung. Die Geringachtung der Opera seria, die schon aus dem Vorbericht des Entwurfes hervorblitzt, die Verurteilung des Intendanten Seeau, die starke Vorein- genommenheit gegen das Publikum, und ähnliche Stimmungsäußerungen übernimmt Zenger gutgläubig von seinem Vorgänger. In der Folge treten auch die unter Karl Theodor und späterhin ausgetragenen, für die nationale Kunst so wichtigen Kämpfe zwischen der italienischen und der deutschen Oper nicht scharf genug heraus. Hier mußte also der Bearbeiter nachhelfen, kürzen, ausfüllen. Die Auszüge aus Rudhart mußten vollständig umgearbeitet werden. Sie sind, wie alle späteren Zusätze durch Klammern gekennzeichnet.

Mit dem zweiten Teil beginnt die Fortsetzung des Rudhart'schen Buches, die äußerlich an Grandaurs „Chronik" anschließt und bis zum Tode König Ludwigs IL,

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ursprünglich wohl noch weiter in die Gegenwart führen sollte. Da die Handschrift mit dem Jahrgang 1870 abbricht, war der Schluß zu ergänzen. Im Übrigen verlangte der einheitliche Charakter der Zengerschen Darstellung gewisse Beschränkungen.

In diesem zweiten Teil liegt der Nachdruck nicht auf der älteren Zeit, so sehr sich auch der Verfasser bemüht, den chronikalischen Bericht ästhetisch zu durch- leuchten und mit seiner Persönlichkeit zu durchwärmen.

Wenn Künstler Geschichte schreiben, wird gern ein Band Erinnerungen daraus. Was ist ihnen „Geschichte"? Doch nur die altersgraue Norne, die Muhme der Gegenwart, die ihnen mehr gilt. Sie fühlen sich immer als Zeitgenossen. Sie sehen die Vergangenheit im Widerschein ihres Jahrhunderts, unbeschwert von dem Ehrgeiz des Historikers, dem gerade die Überwindung subjektiver Meinungen das Höchste ist. So will auch Zengers Geschichte nicht als „Geschichte" im strengen Sinn genommen sein. Sie ist Bekenntnis. So ehrlich seine wissenschaftlichen Ab- sichten sein mögen, unwillkürlich schält sich aus dem Historiker der Künstler heraus, der schließlich die Wagnerzeit zum letzten Zweck seiner Darstellung er- höht; seine Geschichte schreibt; schildert, was er als Augen- und Ohrenzeuge erlebt und erlitten hat, das große Ereignis der Münchener Musik, das auch das seine war und geblieben ist. Wer will es ihm verdenken? Vor sich selbst bestehen, ins Reine kommen mit dem genialen Manne, den er freilich nach Jahren erst be- greift, das ist sein Ziel. Damit verschiebt sich wohl der ethische Schwerpunkt seines Vortrags, er moduliert in die große Dominante, ohne die beruhigende Auflösung in den Grundton.

Aber diese persönliche Spannung gibt dem Buch einen eigenen Reiz. Seine Vorzüge weiß man zu würdigen, wenn man die nüchterne Berichterstattung der Grandaurschen Chronik dagegen hält. Zenger liebt es, frisch von der Leber weg zu reden. Als Künstler sieht er die Dinge farbig und plastisch, schärfer sogar, als man von seinem individuellen Standpunkt erwarten möchte. Vieles ist selbst dem genauen Kenner neu und die Fachwissenschaft findet in seiner Kritik der Oper Anregungen die Hülle und Fülle. Mit unbedingter Aufrichtigkeit, mit Humor oder Spott nimmt er die Legenden über Küstner und Dingelstedt, über Lachner, über Wagner und Ludwig II. unters Licht. Gewiß kostet es ihn Mühe, Wagners Eintritt in seinen Münchner Kreis und vor allem Wagners Beziehungen zum König gerecht zu be- urteilen, den alten Groll über den Glücklichen und noch mehr über seinen Anhang zu verwinden. Aber er ist zu scharfhörig, um nicht in diesem politischen Kontra- punkt die unpolitischen Wiederschläge zu gewahren. Die beliebten Angriffe gegen das „wagnerfeindliche" München weist er mit Gründen zurück. Er steht zu seiner Vaterstadt, würde ihr aber ebenso unbedenklich die Meinung gesagt haben, wenn sie es verdiente.

Den Leser mag an dem Buch in Form und Ausdruck einzelnes seltsam berühren. Zenger schreibt manchmal mehr für seine Zeitgenossen von Annodazumal als für uns Nachgeborne. Es liegt ein Hauch altmünchner Wesens über seiner Persönlichkeit ; es ist alles so merkwürdig anheimelnd, so lieb und treu: die Umständlichkeit, die

kernhafte, bajuwarische Geradheit, die rüstige Gemächlichkeit und das Quentchen Hitze dabei lauter Züge, die seiner Darstellung wie kostbare Patina anhaften. Sie galt es zu wahren. Eingriffe aber erforderte seine Unsicherheit über den Ausgang seines Werkes, wo er gelegentlich über Künstler und Künstlerinnen Ausführungen versprach, die er dann nicht mehr einlösen konnte, oder Tatsachen als bekannt voraussetzte, die dem gegenwärtigen Geschlecht entrückt sind. Auch seine Vor- liebe für Auszüge aus Büchern und Zeitungen bedurfte der Einschränkung, wenn auch gerade die Wahl seiner Quellen oft bezeichnend ist. Wo er sich selbst zitiert und das ist häufig der Fall wurde nichts geändert; seine Meinung ist uns lieb und wert.

Nicht zuletzt ist Zengers Buch ein Zeichen seines Dankes und seiner Hingabe an die Heimat, die er treu geliebt hat. Vielleicht trägt es dazu bei, ihre Gegen- liebe zu erwecken. Sie hat viel an ihm gut zu machen!

Mit der Herausgabe des Werkes erfülle ich die angenehme Pflicht, allen seinen Gönnern und Freunden zu danken, insbesondere dem bayerischen Unterrichts- ministerium, dem Neffen des Meisters, Justizrat August Zenger in Augsburg und dem Direktor der Staatsbibliothek Dr. Georg Leidinger in München, die sich der Förderung der Ausgabe nachdrücklich angenommen haben, ferner dem ver- storbenen Präsidenten der Akademie der Wissenschaften Dr. Carl von Heigel und den Universitäts-Professoren Carl von Amira, Sigmund von Riezler und Adolf Sandberger, deren Gutachten über das Werk den Zielen der Herausgabe zugrunde liegt. Manche Hilfe habe ich bei dem ausgezeichneten Kenner der Münchener Oper, Stabsrat in der Generalintendanz des Nationaltheaters Ludwig Malyoth gefunden, dem ich die Auswahl der Bilder verdanke. Das ausführliche Namen- und Sachverzeichnis bearbeitete Universitäts-Assistent Dr. Hermann Halbig in Heidelberg mit größter Sorgfalt.

Heidelberg, im Frühjahr 1923.

Theodor Kvoyev

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ERSTER TEIL

DIE OPER UNTER DEN KURFÜRSTEN VON 1653—1787

Die eingeklammerten [ ] Stellen stammen vom Herausgeber.

EINLEITUNG

WAS RUDHARTin der Einleitung [zu seiner „Geschichte der Oper am Hofe zu München"] über das Wesen der „Opera seria", ihre innere Unwahrheit und Hohlheit behauptet, wird in seiner nachfolgenden Darstellung an konkreten, zum Teil monströsen Beispielen gezeigt. Nur tritt hier ein neues, noch verschlimmerndes Moment in Erscheinung, von welchem die Oper in ihrem Mutterlande Italien weniger angekränkelt .war. Nach der Meldung von der großen Menge der Opern- häuser in allen bedeutenden Städten, der zahlreichen Komponisten und ihrer außer- ordentlichen Fruchtbarkeit, die sich gelohnt haben muß, ist sicher anzunehmen, daß die Oper dort [nach den aristokratischen Anfängen] in erster Linie ein volks- tümliches Institut, ein Lieblingsvergnügen aller Stände wurde, was sie vor Rücksichten auf etwaige Prätensionen der Höfe [im allgemeinen] sicher stellte. Nicht so verhielt es sich in Deutschland, wo die Oper ein importiertes Gewächs, ausschließlich Eigentum der Höfe war, an dem, wenigstens in den ersten Zeiten, niemand außer geladenen Gästen teilnehmen durfte. Auf fürstliche Wünsche allein, wirkliche oder vermeintliche, hatten die bezahlten Librettisten Rücksicht zu nehmen. Und diese Rücksicht setzte sich bei ihnen, [wie bei den Hofdichtern der italienischen Hellenistenoper] in abgeschmackte Wohldienerei um, ja der Byzantinismus ging so weit, das sie Tugenden des Herrscherhauses mit denen ihrer Götter und Heroen in innigste Beziehung brachten, mit den Helden der Vorzeit direkt auf das fürstliche Haus, als das herrlichste unter der Sonne hinwiesen. Auf diese Weise erhielt der mythologische und allegorische Unsinn, von dem diese Produkte strotzten, noch seine besonders charakteristische Spitze. Daß sie trotzdem nicht abgelehnt, sondern beifällig aufgenommen wurden, müssen wir eben als eins der vielen uns unver- ständlich gewordenen Merkmale der „guten alten Zeit" hinnehmen. Was München betrifft, so hat erst unter der Regierung des Kurfürsten Max III. dieses Schmarotzer- treiben sein Ende genommen.

[Gewiß gab es auch in Deutschland einsichtige Männer, die diesen Mißbrauch der Kunst verurteilten. Auch betrübte die Volksfreunde und Patrioten der ver- schwenderische Aufwand der deutschen Fürsten des 17. und 18. Jahrhunderts für „eine fremde und vielfach zweifelhafte Kunst". ^) Ärgerlicher noch war die Fremd- herrschaft, die den deutschen Musikerstand schädigte und bedrückte und allen Versuchen, sich ihrer zu erwehren, trotzte. Sie war die Folge der Renaissance- Bewegung, der aus den humanistischen Kunstanschauungen, wie aus der Musica

[^) Hermann Kretzschmar, Das erste Jahrhundert der deutschen Oper. Sammelb. der Internatio- nalen Musikgesellschaft. 3. Jahrg., Seite 293.]

]3

reservata und der Florentiner Reform hervorgegangenen Stilwandlung. Schon um 1550 kamen italienische Sänger und Geiger in größeren Verbänden an die deutschen Höfe und bewirkten die Umwandlung der alten Vokalkapellen in gemischte Chor- und Orchesterinstitute. Schon damals erlitt der deutsche Stamm empfindliche Einbuße. Gerade München wurde der Mittelpunkt einer internationalen Kunstpolitik, die dem musikalischen Internationalismus des 16. Jahrhunderts entsprach und dem Italiener- kult vorausging. Deutschland stand bereits im Zeichen seines Niedergangs. Auch politische Schwächung tat seiner nationalen Kraft Eintrag. Als dann in der furcht- baren Bedrängnis des dreißigjährigen Krieges das Volk sich erschöpfte, war es dem übermächtigen Andrang der neuen Kunstströmung nicht mehr gewachsen. Mit der Oper war die Fremdherrschaft nicht ins Land gekommen, aber besiegelt.]

[Trotzdem darf eine gewisse Notwendigkeit solcher Entwicklung für Deutschland, mag sie auch unserVolksempfinden verletzen, nicht verkannt werden. Kretzschmar nennt die Oper „einen Kultur-Aufwand, dessen Opfer unvermeidlich waren, wenn Deutschland in dem regen internationalen Kunstverkehr des 17. Jahrhunderts mit Schritt halten wollte". Da die deutschen Dichter und Musiker sich mit dem neuen Musikdrama nicht abzufinden wußten, „so blieb nichts übrig, als nach den Originalen zu greifen und die italienische Invasion zu dulden". Wie in Italien wirkte die Oper trotz ihren Sünden auch hier veredelnd, bildete den Geschmack, befruchtete die deutsche Musik, „verbreitete die Liebe und Lust dazu auf neuen Wegen und in neue Kreise". Bis zu den Wiener Klassikern erstreckte sich dieser segensvolle Einfluß.^]

[Münchens Eintritt in die Geschichte der Oper steht, wie gezeigt, im Zusammen- hang mit seinen alten, engen Beziehungen zu Italien, und erfolgt auch nicht un- vermittelt. Zwar fehlen hier die in anderen Städten nachgewiesenen Versuche, die neue dramatische Kunst mit dem heimischen Theater zu verbinden und so dem italienischen Musikdrama ein deutsches entgegenzustellen. „München allein hatte die ersten Stufen übersprungen und begann sofort italienisch."^) Aber es läßt sich nicht leugnen, daß München an den Anfängen der neuen Kunst selbständigen Anteil hat, lange vor andern deutschen Städten. Wenn man in der Commedia dell' arte, in Villanella und Moresca die Keime der Opera buffa sehen darf, dann hat auch die Stegreifkomödie, die Lasso bei der berühmten Hochzeit Herzog Wilhelms V. auf- führte, ihren festen Platz in der Vorgeschichte des italienischen Musikdramas. Dabei ist es nicht geblieben. Lasso hat in München immer wieder auf jene Lyrik zurück- gegriffen, die er als junger Musiker zum erstenmal in Neapel in den Farcen und Bagatellistenkomödien des Volkes kennen lernte. In seinen Mohrenszenen, in der Szene zwischen Zanni und Pantalon, in seinen burlesken Chordialogen steckte in der Tat dramatisches Ethos, dessen Wurzeln tief ins alte Erdreich des italienischen Dramas hinabgreifen.^) Alle die dort geprägten Typen kehren in der komischen

[') Kretzschmar, a. a. O. S. 293.] [') Ebenda. S. 271.] P) A. Sand berger, Roland Lassus' Beziehungen zur Italien. Literatur. Sammelb. V der Internat. Musikgesellschaft. S. 410 ff.]

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Oper des 17. Jahrhunderts wieder. In mehr äußerlichen Beziehungen stehen zur neuen Kunst die Jesuitenspiele, die in München wiederholt auch den bayerischen Hof unter ihren Zuschauern sahen. Rudhart nennt sie Vorläufer der späteren Hof- prunkoper.^) Ihr geistiger Zusammenhang mit den unter der Regierung Ferdinand Marias beliebten Allegorien und ähnlichen Festgedichten liegt offen zutage. München war wie geschaffen für die Pflege des jungen Musikdramas. Als Adelaide von Savoyen, die kunstbegabte Gemahlin Ferdinand Marias, am 22.Juli 1652 ihren Einzug am bayerischen Hof hielt, zog auch die neue Kunst mit ein. Italienischer und französischer Geschmack wurden fortan tonangebend. Das Fürstenhaus huldigte ihm durch zwei Jahrhunderte mit leidenschaftlicher Hingabe. Damit begann eine neue Zeit. Mag auch das bayerische Kapitel der deutschen Operngeschichte, wenigstens in diesem ersten Abschnitt, vom vaterländischen Standpunkt aus nicht eben rühmlich sein, reich, groß, eigenartig ist es gewiß.]

V) Geschichte der Oper. S. 9.]

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DIE OPERA SERIA UNTER DEN KURFÜRSTEN

FERDINAND MARIA, MAX EMANUEL UND

KARL ALBERT (1635—1745)1)

ADELAIDE VON SAVOYEN brachte aus ihrer Turiner Heimat unter zahl- L reicher Dienerschaft auch ihre Musiicer und Poeten nach München mit. Dadurch erhielt die bayerische Hofkapelle einen neuen Zuwachs an italienischen Kräften. Sie bestand nach dem Status von 1655 aus 19 Sängern, darunter 5 Kastraten, ferner 3 Organisten und 17 Instrumentisten, im ganzen also 39 Personen, von denen acht Italiener, die übrigen Deutsche waren. Natürlich nahmen die Italiener unter den Sängern den ersten Rang ein, aber es muß beachtet werden, daß namentlich unter den Bläsern und Geigern das deutsche Element überwog und auch später bei fort- währendem Austausch deutscher und welscher Musiker in der Mehrheit blieb.') Es ist für München charakteristisch, daß es den einheimischen italienischen Kräften vor den von auswärts berufenen den Vorzug gab.^) Als Hofkapellmeister wirkte seit 1635 Johann Jakob Porro, der schon in früheren Jahren dem savoyischen Hofe nahe gestanden hatte. In einer römischen Madrigal-Sammlung aus dem Jahre 1622 wird er als Organist der Herzogin von Savoyen bezeichnet. Da er auch in Rom gedient hatte, war er jedenfalls Augen- und Ohrenzeuge der neuen dramatischen Kunst seiner Heimat. In Turin waren damals allerdings Ballette, Turniere, Inter- medien und ähnliche szenische Feste älteren Stils häufiger als richtige „Favole". Noch 1650 wurde die Verlobung der Kurprinzessin mit einem Ballett gefeiert.*) Porro scheint sich aber in der dramatischen Komposition nicht mehr versucht zu haben. Er schrieb für die Kirche und für die herzogliche Tafel. Seine Zurück- haltung auf dem Gebiet der Oper ist um so merkwürdiger, als er nach den „Ver- zeichnissen" seiner Werke sehr fruchtbar war.]

[Die ersten Münchner Opern stammen von zwei dem Kapellmeister unterstellten Mitgliedern der Hofkapelle, dem Harfenvirtuosen Hofkaplan Giovanni Battista Maccioni und dem Musiker Pietro Zambonini. Jener, der Bedeutendere, ein

[^) Rudharts Geschichte dieser älteren Periode ist im einzelnen verbesserungs- und ergänzungs- bedürftig. Im dritten, dem Hofkapellmeister J. K. Kerll gewidmeten Band (Jahrg. 11,2) der Denk- mäler der Tonkunst in Bayern hat A. Sandberger auf Grund neuen Aktenstoffs aus den Reichs-, Kreis- und Staatsarchiven die Anfänge der Münchener Oper neu geschildert. Vergl. auch die zum Teil auf eigenen Forschungen beruhende Zusammenfassung Ludwig Schiedermairs in Sammelband V der Int. Mus. Gesellsch. S. 442 ff.] [') Sandberger, D.T.B. 11,2. S. XIX.] V) Kretzschmar, S. I. M. G. III. 293.] [*) Sandberger, a. a. O. S. XIV. Anm. 2.]

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gebildeter und vielseitiger Mann, war kurz vor Adelaide, 1651, an den bayerischen Hof gekommen und erwarb sich bald die besondere Gunst der Kurfürstin, der er Guitarre- und Harfenunterricht gab und wohl auch als künstlerischer Beirat an die Hand ging. Als Poet, als Komponist und ausübender Musiker stand er mitten im Getriebe des musikalischen Lebens. Er blieb aber nicht dauernd in München, sondern übernahm wie so mancher Musiker seiner Zeit diplomatische Missionen und verbrachte seine letzten Jahre als bayerischer Resident am päpstlichen Hof.]

[Maccioni dichtete und komponierte die dramatische Kantate „L'arpa festante", die im August 1653 zu Ehren Kaiser Ferdinands III. über die Bühne ging. Das war nicht mehr ein Schauspiel mit Musikeinlagen, wie die früheren Theaterstücke, sondern eine ausgewachsene Szene mit Rezitation, Sologesängen, Duetten und Schluß- chor, „das erste Gebilde des neuen musikdramatischen Stils", ^) ein Lobgesang auf den hohen Gast, der also, wie bei solchen Anlässen üblich, seine eigenen Helden- Tugenden vorgesetzt bekam. Maccionis Musik ist nicht gerade hervorragend, aber von gewandter Mache.] Das erste Theater, in dem diese Aufführung vor sich ging, war eine dafür eigens erbaute Bühne im Herkulessaale der Residenz. Dieser war vorläufig das ständige Lokal für die Karnevalsopern und blieb es ausschließlich bis zur Erbauung des Opernhauses am Salvatorplatze. Für Darstellungen, die in den Sommer fielen, richtete man Säle in den Schlössern Nymphenburg, Schleißheim und Dachau zurecht.

[Dieses erste Münchener Musikdrama ist eine Allegorie. In den nächsten Jahren folgten sich im bunten Wechsel die verschiedensten Stücke, wie Ballette, Waffen- spiele, Feuerwerke mit Musik, Aufzüge, Feste und richtige Favole, durchaus Dar- stellungen dramatischen Inhalts, die auch die Komponisten stark beschäftigten. Auch die von Rudhart (S. 57 If.) kritisierten „Schäffereien" und „Wirthschaften" gaben meistens Anlaß zu dramatisch -musikalischen Zwischenspielen. Maccioni schrieb nach dem genannten Stück noch ein Hirtengedicht, in dem Amor und Hirten die Süßigkeiten der Liebe preisen, als Introduttione per il Balletto für das Jahr 1657, sowie zwei Allegorien: die Introduttione per il Balletto „Li quatro Elementi", eben- falls für 1657, und die Barriera „Applausi festivi" für 1658, zu Ehren des Kaisers und des Erzherzogs Leopold, für 1660 das Dramma musicale „Ardelia". Da die Partituren verschollen sind, muß die Frage nach dem Komponisten offen bleiben.^) In den Allegorien wirkten Mitglieder des bayerischen Fürstenhauses mit. Im Prolog der Oper „Ardelia" sah sich die Kurfürstin als Göttin der Schönheit gepriesen. Das Drama handelt von der Liebe des Königs Idrante zu dem schönen Hof- fräulein Ardelia, die aber schon einen andern, den Ritter Eliodor liebt, worauf der König verzichtet. Wie in dem erstgenannten Ballett die vier Elemente zuletzt zu einem Madrigal sich vereinen, so bildet auch hier ein Madrigal der Darsteller den Schluß. Schiedermair weist auf Maccionis Abhängigkeit von venezianischen

n Sandberger, a. a. O. S. XIV. Text und Musik (Partitur, Singstimmen, Bassocontinuo) in Wien, Hofbibliothek, Cod. 16889 (Autograph).] [*) Sandberger (S. XXIX) nimmt an, daß die Stucke von 1657 von Ludwig Wendler komponier! wurden.]

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Mustern hin.^) Auch der Kurfürstin schuldete der Dichter nach eigenem Ein- geständnis einen Anteil an seinen Gedanken.]

[Neben Maccioni trat in dieser frühesten Zeit der Münchener Oper Pietro Zambonini, der seit 1643 und bis in die Zeit der Bern ab ei der Kapelle an- gehörte, als dramatischer Komponist hervor. Im Jahr nach der „Arpa festante« 1654 kamen vier Stücke zur Aufführung: das Drama ,,La ninfa ritrosa" am 12. Februar, das Turnier „Mercurio e Marte discordi" am 15. Februar, die Introduttione per balletti: „Le Pompe di Cipro« und eine nicht näher bezeichnete Kantate für Soli und Chöre, deren Textbuch Sandberger im bayerischen allgemeinen Reichsarchiv auffand. Von den Partituren ist nichts erhalten. Nur im dritten Buch wird der Verfasser genannt „composta da Carlo Macchiati«, wie es auf dem Titel heißt. Freilich ist damit nicht klar, ob Macchiati, der der Kapelle seit 1652 als Hof- musiker angehörte, als Komponist oder nur als Dichter zu gelten hat, da „comporre« nach damaligem Sprachgebrauch auch auf den Operndichter bezogen wurde. Nach Sandbergers Erhebungen ist wahrscheinlicher der Hoforganist Ludwig Wendler Komponist der „Pompe di Cipro". Die Musik der drei andern Stücke aber kann, wie Sandberger aus den „Verehrungen« für das Jahr 1654 nachgewiesen hat, nur Zambonini geschrieben haben. Auch in diesen Textbüchern, soweit sie bekannt sind, macht sich die Allegorie breit. Im Prolog der „Ninfa ritrosa« und in der Kantate, die auf eine Huldigung vor Kaiser Ferdinand III. hinausläuft, treten Personifikationen von Isar, Inn, Donau, Amor und Frieden auf.] In den „Pompe di Cipro« dreht sich die Handlung um eine Art Paris-Urteil. „Fama«, „Fortuna« und „Amor« streiten sich, jedes mit einem Gefolge von Damen umgeben, welcher der drei Gruppen der Preis der Schönheit zu erteilen sei. Natürlich siegt Amor und erhält den Preis für sein Gefolge, die schönsten Damen des Hofes, an deren Spitze die Kurfürstin selber stand. Das Ballett ward ausschließlich von Damen des höchsten Adels getanzt [Namensträgerinnen von noch heute blühenden Geschlechtern.] Die Beziehung der „Pompe di Cipro« auf die savoyische Prinzessin (die den Namen einer „Königs- tochter von Cypern« führte) war das Leitmotiv des Dichters gewesen.

[Eine für das Jahr 1655 geplante Opernaufführung unterblieb.^) Im November des gleichen Jahres weilte in München wohl schon der Musiker, dessen Berufung auf den Kapellmeisterposten als Nachfolger Porros dem Musikleben neuen Schwung verleihen sollte, Johann Kaspar Kerll.') Am 27. Februar des folgenden Jahres wurde er provisorisch zum Vizekapellmeister, am 20. September zum „wirkhlichen« Kapellmeister ernannt. Damals wurde eben an der Einrichtung des ersten Münchener Opernhauses gearbeitet. Noch unter Maximilian I. war, wohl für die Vermählung

[«) A. a. O. S. 449. Die erste Ballett-Introduktion für 1657 (vergl. Rudhart S. 41) ist hier (S. 447) nicht erwähnt. Von Maccioni sind also fünf Textbücher vorhanden. Vergl. auch Sandberger S.XXIX.]

P) Sandberger vermutet (S.XVI), daß die auf Sparsamkeit dringenden Vorschläge des Geheimen Rats von Mandl, der sich auf Testamentbestimmungen des verstorbenen Kurfürsten (Vater) berief und eine Verringerung der Hofmusik erstrebte, diese Pausen veranlaßten. Die Unterbrechung dauerte aber nur kurze Zeit. Ferdinand Maria bestand auf seiner Kapelle und der Geheimrat fiel in Ungnade.]

[») Sandberger, S. X ff.]

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des Kurprinzen mit Adelaide (1651) der Umbau des Kornhauses am Salvatorplatz in Angriff genommen, aber bei dem Tod Maximilians unterbrochen worden. Drei Jahre später (1654) wurden die Arbeiten wieder begonnen und unter Santurinis Leitung in den nächsten Jahren, vermutlich 1657, vollendet.^) Da das neue Opern- haus mit seinen größeren Raumverhältnissen auch an das Theater- und Orchester- personal größere Anforderungen stellte, so war es Kerlls erste Aufgabe, für neue Kräfte zu sorgen, nachdem schon 1655 Zambonini als Agent nach Italien beauftragt war. Auch schöpferisch trat Kerll in der neuen Kunst hervor. Leider sind seine Opern bis auf die Textbücher verloren gegangen. Aber diese, sowie die von ihm hinterlassenen Kirchenkompositionen, seine Briefe, zahlreiche amtliche Urkunden und andere Dokumente geben von ihm das Bild eines hochgebildeten und ungewöhn- lichen Mannes, dessen glänzende Stellung am Münchener Hofe nicht überrascht. Er genoß den vertrauten Umgang der Kurfürstin, unterrichtete sie im Gesänge, wirkte nicht nur als Kapellmeister, sondern auch als Lehrer, Virtuos und Verwaltungs- beamter.^) Ferdinand Maria schätzte ihn sehr hoch. Unter Kerlls Leitung hob sich die bayerische Kapelle wieder wie zu Lassos Zeiten. Ihre Virtuosen und Sänger, besonders die Bassisten waren weltberühmt,^) von den Deutschen der Tenorist Wolf Alber, von den Italienern G. C. Ferrucci (Bassist), Cavagna, Macolino, Reali, Alcaini, Pistorini, die Sängerin Antonia Rivani und andere. Die Gesamtzahl der Sänger und Musiker stieg unter Kerll auf 55; unter den Orchester- mitgliedern waren jetzt, nicht wie unter Porro nur Bläser, sondern auch Geiger, hauptamtlich tätig, Wälsche und Deutsche. Die Anstellung einer Sängerin legt die Vermutung nahe, daß man in München, wie in Venedig, in hohen Sopranpartien, anstatt der Kastraten, unter denen hier Tinti, Ferrucci, Fregosi, Venturj und Barberio hervorragten, doch schon dann und wann Frauenstimmen lieber hörte.^) Die Rivani, „seit langer Zeit die erste singende Frau an der kurfürstlichen Oper« dürfte bei der Wiederholung von Kerlls „Erinto« beteiligt gewesen sein.^) Einzeln» Musiker, wie Hoforganist Ludwig Wendler, Konzertmeister Melchior D'Ar- despin und der Geiger Johann Kaspar Teibner, nahmen an der dramatischen Produktion regsten Aneil. Pistorini und Alcaini machten sich als Regisseure nützlich; jener besorgte 1661 von Bologna aus Verschiedenes für die Ausstattung des „Erinto", Alcaini arrangierte das Ballett für das Jahr 1656 und dichtete das Textbuch des „Oronte".]

[Bei den nahen Beziehungen Kerlls zu den Jesuiten in München ist es nicht aus- geschlossen, daß unter den dramatischen Stücken, die während seiner Amtsperiode oft mit großen Mitteln aufgeführt wurden, das eine oder das andere von seiner

n Rudhart, S. 41. Seine Angaben über die ersten Jahre des Umbaues haben K. Trautmann (Französische Schauspieler am bayer. Hof. Jahrb. f. Münch. Gesch. II, 223 u. 304, Anm. 260) und Sandberger, a.a.O. S. XVI richtig gestellt.] [") Siehe die anschaulichen Darlegungen dieser Tätigkeit bei Sandberger.] [*) Die (sieben) Brüder Melani werden bei Rudhart (S. 67) verwechselt. Bartholomeo war in der Tat ein Bruder des Atto, Domenico wirkte in Dresden. Vergl. Sandberger S. XVII, Anm. 5.] p) Schiedermair, S. 462.] [«) Sandberger, S. XXXI.]

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Komposition war. In den Textbüchern des Jesuitengymnasiums sind vor 1673 die Tonsetzer nicht genannt/) Nach der Musiic zu schließen, die Kerll im Jahre 1677 zu dem Jesuitendrama „Pia et fortis mulier" für das Wiener Kollegium komponierte, hat er auch auf diesem Gebiete Bedeutendes geleistet. Leider findet sich auch auf den Operntextbüchern Kerlls Name nur viermal, obschon ihm nach anderen Quellen jedenfalls die Opern „L'Oronte", „L'Erinto", „Atalanta", „Le pretensioni del Sole'*, „Colori geniali", „L'amor della patria" und „Amor tiranno" zugeschrieben werden müssen.^) Da von den Zuschauern, denen die Textbücher zur Verfügung standen, jeder wußte, wer die Musik komponiert hatte, so hielt man nähere Angaben nicht für nötig. Nun lag die Komposition der Oper selbst gewöhnlich in den Händen des amtierenden Hofkapellmeisters, während die zugehörigen Tänze und die selbst- ständigen Ballette anderen Musikern der Kapelle überwiesen wurden. Ausnahms- weise, wie z. B. unter Porros Amtsperiode Maccioni und Zambonini oder später Steffani und Weinberger, übernahmen auch Untergeordnete die Oper. „Erst in zweiter Linie zog man auswärtige Künstler hinzu" ^).]

[Für das Jahr 1656 war Kerll nicht beauftragt. Das von G. G. Alcaini gedichtete Ballett „II monte incantato", für das Turnier der bayerischen Kavaliere, ist von Ludwig Wendler komponiert^).]

[Erst im nächsten Jahre trat Kerll als dramatischer Komponist auf. Außer den beiden Ballett-Introduktionen, die von der Kurfürstin entworfen und von Maccioni (und Wendler) komponiert waren, wurde im Februar 1667^) im neuen Hause die Oper „L'Oronte" aufgeführt, Dichtung von G. G. Alcaini, Musik von Kerll. Aus einem zweiten Textbuch aus späterer Zeit geht hervor, daß das Werk auch im Jahre 1658 zu Ehren Kaiser Leopolds in München gegeben wurde ^).]

[Die in diesem Jahre außerdem aufgeführte Oper „L'Alessandro il Grande, vincitor de se stesso", die nach Sandbergers Vermutung auf Ferdinand Marias Verzicht auf die Kaiserkrone anzuspielen scheint, ist möglicherweise das 1651 in Venedig ge- gebene Werk von Sbarra und Fr. Cavalli. Rudharts begründete Annahme (S. 43), daß der berühmte Meister seinen „Alessandro", wo nicht persönlich, so doch durch venezianische Mittelspersonen in München vorgestellt habe, wird durch einen von Sandberger aufgefundenen Eintrag in den Hofzahlamtsrechnungen bekräftigt, wo es heißt, daß verschiedene Musikanten „aus Venedig hieher geliefert" worden seien (S. XXIX). Im August weilte Kaiser Leopold auf der Rückreise vom Frankfurter Krönungstag in München. Zu seinen Ehren wurde am 27. August (von den im Gefolge des Kaisers reisenden Künstlern) ein „kaiserliches Ballett", am 28. ein

P) Sandberger, S. XXVII.] P) Rudhart wagt nur drei Opern als authentisch anzuerkennen (S. 38).] [«) Sandberger, S. XXVIII.] [*) Rudhart fand angeblich in den Hofzahlamtsrechnungen für 1656 Ausgaben für „gehaltene Comödie, Ballet und Ritterspiel" verzeichnet (S.33), wogegen Sand- berger, der Ballett und Turniere wieder ermittelte, die Aufführung der „Komödie" bezweifelt und auf einen Irrtum Rudharts zurückführt. S. XXVIII, Anm. 2.] P) Rudhart sagt (S.40) ungenau „in den Monaten Januar und Februar, also im Carneval". Vergl. Sandberger, S. XXVIII.] P) Sand- berger, S. XXIX, wodurch die Behauptung Rudharts widerlegt wird, daß die Oper auch in "Wien aufgeführt worden sei (S. 39, Anm. 24).]

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Q

Kurfürst Ferdinand Maria 1652—1679

Kurfünstin Adelaide von Savoyen 1652—1676

Kapellmeister Ercole Bernabei 1674 1687

„Kopffrennen unter einem vorhergehenden kostbaren Auffzug", am 1. September eine welsche Komödie mit „fürtrefflichen Galliarden und Tänzen" veranstaltet.^) Diese war Kerlls „Oronte" mit Tänzen Wendlers (?), „das Kopfrennen", Maccionis Barriera „Applausi festivi", deren Chöre, Arien und Recitative vielleicht Kerll komponiert hatte. Auch die im Jahr 1660 aufgeführte Oper „Ardelia", deren Buch bekanntlich von Maccioni herrührt, läßt uns über den Komponisten im Zweifel. Wie in „Alessandro" und in späteren Opern wirkten auch hier venezianische Musiker mit.] [Noch stärker war das italienische Element in Kerlls „L'Erinto" vertreten, der 1661 zum Geburtsfest der Prinzessin Maria Anna aufgeführt und 1671 zu Ehren des Erzbischofs von Salzburg wiederholt wurde. Die Hauptrollen waren ausschließlich mit neuengagierten Italienern besetzt. Auch Kostüme, Dekorationen, Maschinen und anderer Zubehör wurden aus Italien bezogen. Der Dichter des Textes, P. P. Bissari, mit dem schon 1660 unterhandelt wurde, erhielt bald darauf den Auftrag, für die Festlichkeiten zur Geburt des Kurprinzen Max Emanuel, am 11. Juli 1662, ein neues Schauspiel zu schreiben. Er kam selbst nach München. Die von ihm inszenierten „Applausi festivi" bestanden in Oper, Turnier und Feuerwerk, deren Bühnenbilder in der kostbaren Sammlung von Stichen Math. Küsseis auf uns gekommen sind^).] Das erste war „Fedra incoronata" (Drama regio musicale), aufgeführt am 24. September im Opernhause; das zweite „Antiopa giustificata" (Drama guerriero) am 26. Sep- tember in der kurfürstlichen Reitbahn, das dritte „Medea vendicativa" (Drama di foco) wegen Feuersgefahr auf einem freien Platze, wahrscheinlich, weil man natür- liches Wasser brauchte, an der Isar (lontano da case e da' pericoli) am 1. Oktober. Alle drei „attioni" bildeten eine zusammenhängende Trilogie, woran wohl dasWunder- barste war, daß außer der kontinuierlichen Ungeheuerlichkeit aller drei Teile nichts zusammenhing, was schon aus der kühnen Zusammenstellung der Personen hervor- geht: Theseus, Phädra und die „Amazonenkönigin Antiopa", „König Solon von Athen", „Prinz Ippolito von Athen", Eurifilo (Sohn Neptuns) „König Perseus von Athen", Ercole, Castor, Pollux, Jason, Fineus (Fürst von Äthiopien), die schreck- liche Zauberin Medea im Kampfe selbst mit Jupiter und dem ganzen Olymp. Alle Personen wurden von hohen Adeligen dargestellt, der Kurfürst selbst gab den König Solon von Athen. Dekorationen, Kostüme, eigene große Bauten fürs Feuerwerk waren von enormer Pracht und entsprechender Kostspieligkeit. [Die Musik zu diesen Schauspielen dürfte von Kerll komponiert worden sein, da er als Hofkomponist zunächst in Frage kam.]

[^) Rudhart behauptet (S. 44) unter Hinweis auf das Theatrum Europäum (VIII, 589—592), daß er über die von F. Lipowsky im Leben Ferdinand Marias (S. 91) aufgezählten Festlichkeiten nichts habe finden können. Dagegen verweist Sandberger auf die Angaben des Theatrum VIII, 545 ff. und auf die von Lipowsky benützten Archivalien, aus denen die Richtigkeit seiner Angaben glatt hervorgeht.] [') Auch andere Opernbücher, wie „L'Erinto" und „Amore della patria" enthalten (in Zeichnungen von Kaspar Amort, Francesco Santurini und den beiden Küssel) Abbildungen der bei diesen Vor- stellungen verwendeten Maschinen, Wagen, Dekorationen. Vergl. Schiedermai r, Künstlerische Bestrebungen am Hofe des Kurfürsten Ferdinand Maria von Bayern. S, 104 ff.]

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Der starke Angriff auf die kurfürstliche Schatulle scheint die Theaterlust für die Jahre 1663 und 1664 etwas eingeschränkt zu haben, wenigstens ist die Aufführung einer Oper nicht festzustellen [wenn man nicht die in den Hofzahlamtsrechnungen verzeichneten Gnadenzuwendungen an den Hofkapellmeister für seine „wegen der Festifitet gehabten Bemühung" anders deuten will ^).] Dagegen gab die Geburt des Prinzen Ludwig Amadeus (6. April 1665) Anlaß zur Aufführung einer Oper „L'amor della patria Superiore ad ogn' altro", Text von Francesco Sbarra, mit dem üblichen Verherrlichungs-Prolog Komponist und die Mitwirkenden nicht bekannt [doch darf wohl auch hier die Urheberschaft Kerlls angenommen werden]. Der junge Prinz, dem zu Ehren auch noch ein Ballett „I Tronfi di Baviera" von der Kur- fürstin und hochadeligen Damen aufgeführt wurde, starb schon im Dezember darauf.

[Eine kleine Festfeier „Applausi festivi" zum Geburtstag des Kurfürsten, 31. Ok- tober 1666, war von der Gräfin Anastasia Katharina Törring gedichtet. Die Musik stammte von Teibner oder von Wendler.]

Im Jahre 1667 kam eine Oper „Atalanta" (Attione dramatica) zur Aufführung. [Marchese Ranuccio Pallavicino, der Dichter des Buches, sagt in der Vorrede, seine Atalanta sei ein Abbild der Kurfürstin Adelaide, womit er jedenfalls seine Freiheit in der Behandlung der altgriechischen Sage legitimieren will. Als Komponist darf wohl wieder Kerll gelten, und das Gnadengeschenk, das ihm (nach Lipowski) aus diesem Anlaß der Kurfürst zugewandt haben soll, braucht nicht aus der Luft gegriffen zu sein, wenn auch vorläufig der archivalische Nachweis dafür nicht zu erbringen ist.^) Zwei weitere Theateraufführungen waren das Ballett „Festa di Ballo" (am 17. Februar) und das „Capriccio poetico" (zum Geburtstage des Kurfürsten am 31. Oktober), deren Verfasser nicht bekannt sind. Sandberger vermutet unter ihren Komponisten Wendler oder Teibner oder beide zusammen. Das Jahr 1667 schloß mit dem musikalisch-allegorischen Vorspiel zu einer Barriera, der Introduzzione musicale alla corsa delle teste „Le pretensioni del Sole" von Domenico Gisberti und Kerll zum Geburtstag der Kurfürstin am 6. November.]

Im folgenden Jahr ist eine Gelegenheitsvorstellung nach einer großen Schlitten- fahrt zu verzeichnen unter dem Titel „I trionfi di virtuosa bellezza", [dann folgten im Oktober eine Nachfeier zum Geburtstag des Kurfürsten, das trattenimento notturno „La cuna elettorale", das (nach Sandberger, S. XXXI) in Schleißheim stattgefunden haben dürfte. Das von Gisberti und Kerll geschriebene Turnier „I colori geniali" wurde nach den Hofzahlamtsrechnungen ein Jahr später, 1669 aufgeführt.') Die im gleichen Jahr aufgeführte Oper „Adelaide regia principessa di Susa", deren Text von G. Rodoteo verfaßt war, wurde 1670 wiederholt. Zum Geburtstag der Kur- fürstin kam das Jahr vorher noch ein von Gisberti gedichtetes Stück „La Casa d'Acquario" zur Aufführung. In das Jahr 1670 fallen außer der genannten Wieder- holung noch die von Gisberti gedichtete „Giostra delle Amazoni" und eine von

[') Sandberger, S. XXX.] P) Rudhart lehnt Lipowskis Erzählung ab (S. 53). Vergl. dagegen Sandberger, S. XXX.] P) Rudhart beruft sich für das Jahr 1668 auf Lipowski und Menetrier, Des representations. Vergl. dagegen Sandberger, S. XXXI.]

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fremden Kräften für München geschriebene Oper „Ottone in Italia". Nach jedem Al^t folgte ein von Teibner icomponiertes Ballett. Auf die zum Empfang des Fürst- erzbischofs von Salzburg inszenierte Wiederholung des Kerlischen „Erinto" im August 1671 und die üblichen Geburtstagsfeiern folgte im Jahr darauf eine komische Oper „Amor tiranno, overo Regnero innamorato" von Gisberti und Kerll (?), mit Tänzen von Teibner.]

[Im Herbst des Jahres 1673 gab Kerll auf Knall und Fall seine Stelle auf. Sein Abschied war für München ein Verlust. Mit seinem Namen verknüpft sich eine der glänzendsten Perioden der bayerischen Hofoper. Abgesehen von ihrem Reichtum und der sinnenfreudigen Farbenpracht der Bühnenbilder, die weithin berühmt waren, war sie in der verhältnismäßig kurzen Zeit von zwanzig Jahren auch künstlerisch über ihre bescheidenen Anfänge hinausgewachsen. Bezeichnend ist der Einfluß Venedigs, der auch in persönlichen Beziehungen zum Ausdruck kommt. Venezianische Dichter und Musiker wurden nach München berufen. Venezianische Operntechnik und Dramaturgie wurden vorbildlich; an Stelle der alten Allegorie traten alle die Typen und Manieren Minato's und seiner Schule. Kerll, dem auch die römische Oper aus eigener Anschauung nicht unbekannt war, vertritt in seinen Werken allein die venezianische.^) Ihr sind die von ihm komponierten Texte in Stoff und Form verpflichtet: Intriguenspiel, Scheinkonflikte, buntester Szenenwechsel, Häufung der Nebenfiguren, Griechen- und Römertum, Olymp und Unterwelt, Helden, Nymphen, Genien und der ganze Zaubergarten der italienischen Renaissance, die Einflechtung niedrigkomischer Episoden, die Minderwertigkeit des Chors, kurz nach damaligem Theaterkurs lauter Scheidemünzen venezianischen Geprägs. Kerll s dramatische Qualitäten waren außerordentlich; sie wurden auch von den Zeitgenossen an- erkannt, die seine Arien und Rezitative, ihren ariosen Schmelz, ihre ausdrucks- volle, originelle Sprache rühmten. Jedenfalls stand Kerll hinter Cavalli und der andern hochgeschätzten Meistern Italiens nicht zurück. Er war „nach Schütz der erste deutsche Komponist von Bedeutung".^)]

[Als Theaterveranstaltungen der Jahre 1673 bis 1675 verzeichnen die Bücher die üblichen Ballette, Turniere, „Schäffereien", „Würthschaften", die bald in der Residenz, bald in Schleißheim und Nymphenburg stattfanden. Allerdings machte ein folgen- schweres Ereignis den Vergnügungen auf längere Zeit ein Ende, die am 9. April 1674 ausgebrochene Feuersbrunst.] Bei dem schnellen Umsichgreifen des verheerenden Elements konnte die Kurfürstin mit knapper Not ihr Leben retten. Die durch den Schrecken zugezogene Krankheit sollte allmählich in Abzehrung ausarten. Ihr erlag Adelaide, noch nicht vierzigjährig, am 18. März 1676. [Der Kurfürst, tieferschüttert, gab alle Vergnügungen auf;] das einzige, was ihn noch freute, waren die wöchentlichen Kammermusiken. Diese allgemein verbürgte Tatsache beweist, daß die Musikliebe gerade dieses Kurfürsten eine innerliche, und daher um so aufrichtiger war, während seine Teilnahme für die mehr äußerlichen Genüsse der Oper sich durch das Beispiel

V) Sandberger S. XLIX.] [') Ebenda S. XLVIII, L, LIV.]

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der geliebten Gattin erwärmte, nach deren Hinscheiden er sich ganz begreiflicher- weise von diesen zurückzog, da sie ihm nur schmerzliche Erinnerungen erweckt hätten.

Ein bleibendes Verdienst um die Musik hat sich Ferdinand Maria durch die Berufung des großen Ercole Bern ab ei zum Kapellmeister (1674—87) erworben^). [Der Mittelsmann dieser neuen Verbindung war Maccioni, der sich seit 1662 in Rom befand. Neben Venedig war es vor allem diese Stadt, mit der der Münchner Hof seit langen Jahren traditionelle Beziehungen unterhielt. Bei dieser Berufung spielte auch ein anderer Musiker eine Rolle, der nachmals in München und weit darüber hinaus zu großem Ansehen gelangen sollte, Agostino S t e f f a n i. Im Jahre 1667 wurde er vom Kurfürsten, der damals mit Gemahlin und Töchterchen Oberitalien bereiste, von Padua nach München mitgenommen, wo er als Hof- und Kammer- musiker bis 1671 in die Obhut Joh. Kaspar Kerlls gegeben wurde.^) Als nun Maccioni bei seinen Unterhandlungen wegen des neuen Kapellmeisters nach verschiedenen Vorschlägen (Giuseppe Corsi detto Celan i und Giuseppe Spoglia) auf Bernabei kam, versuchte der junge ehrgeizige und selbstbewußte Musiker, dessen Charakter sich schon in seinem Verhalten gegen Kerll —wie Einstein nachweist^) in unschönem Lichte zeigt, die Berufung durch unlautere Machen- schaften zu hintertreiben. Steffani war damals (1674) Studien halber in Rom, Ercoles Schüler. Bernabei ließ sich aber eines Besseren belehren. Am 30. Juni 1674 wurde er als Hofkapellmeister angestellt.]

Schon im vierten Amtsjahre Ercole Ber nabeis, 1677, ward dessen Sohn und Schüler Giuseppe Antonio Bernabei als Vizekapellmeister aus Italien berufen. [Wie Maccioni, der dabei wieder die Unterhandlungen geführt hatte, rühmte, war Giuseppe, einer der ersten Virtuosen und Komponisten in Rom, für Kirche, Kammer und Bühne,] was Grund zu seiner frühen Berufung an des, in hohen Ehren stehenden Vaters Seite gegeben haben mag. [In dieselbe Zeit fällt die An- stellung eines vierten Italieners, der als Operndichter in München Bedeutung erlangte, des Ventura Terzago. Er wurde 1677 zur Verwendung „in gewissen Compositionen" verpflichtet, als Nachfolger des 1675 nach Venedig zurück- gekehrten Hofdichters Gisberti und erhielt 1679 die Stelle des Geheimsekretärs C. B. Basso. Nach neuesten Forschungen ist dieser rätselhafte Terzago, dessen „Antecedentien" Rudhart nicht zu lüften vermochte, kein anderer als der Bruder Agostino Steffanis, der sich nach seinem Adoptivvater, dem Oheim Marc Antonio: Terzago schrieb. (Die Mutter war eine geborene Paolina Terzago)*). Er schrieb für München nachweisbar zehn (elf) dramatische Dich- tungen, für seinen Bruder Agostino „Marco Aurelio" (1681), „Solone" (1685), „Sevio Tullio" (1685), „Audacia e Rispetto" (1685), für Ercole Bernabei „II litigio del Cielo, e della Terra" (1680), „Erote et Anterote" (1686), für Gius. Antonio

P) V. Reinhardstöttner, Forschungen zur Geschichte Bayerns X. S. 131. Ludwig Schieder. mair, Briefwechsel wegen Bernabei's Berufung; Die Musik 1.5. S. 384 ff.] H A.Einstein, Agostino Steffani. Kirchenmusikalisches Jahrbuch, XXIII. Jahrg. 1910 S.9ff.] - [«) A. a. O. Seite 12, 16, 17.] [*) Ebenda. S.S. 19. ff.]

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„Alvilda in Abo** (1678), „Enea in Italia** (1679), „L*Ermione" (1680), „Giulio Cesare" (1680) und „La Dori" (1680)/) Terzago behauptet unter den Textdichtern der Münchner Oper den Rang eines gewandten Schriftstellers. Er schreibt glatte, formschöne Verse und hat poetischen Schwung. Aber seine Gestalten sind schablonen- haft. An Originalität stehen seine Bücher gegen die frühere Zeit zurück. Sein Auf- treten bezeichnet „den Untergang der schönen Zeit des Italienertums am Münchener Hof".2)]

Beim Hinscheiden seines Vaters, noch nicht 17 Jahre alt, erhielt Kurfürst Max Emanuel einen Vormund in seinem Oheim, dem Herzog Max Philipp, doch konnte er nach der goldenen Bulle die Regierung schon beim Eintritt in sein 18. Lebensjahr, 1 I.Juli 1680, übernehmen. Nach einem „Torneamento festivo" langen Titels [II litigio del Cielo e della Terra], welches darum erwähnenswert ist, weil Ercole Bernabei die Musik geschrieben hatte, war die erste, noch „per commando di Massim. Filippo" veranstaltete Vorstellung die der „Ermione" [zum Geburtstag des jungen Kurfürsten am 11. Juli 1680]. Der Text [von Terzago] behandelt in

3 Akten die Liebesgeschichte der Hermione, Tochter dss Königs Menelaos und der schönen Helena, welche aber nicht mit der Ermordung des Pyrrhus durch Orestes im Tempel Apollos, sondern damit endigt, daß Pyrrhus großmütig seinen älteren Ansprüchen auf Hermione entsagt und Orest die Geliebte heimführt. Der Schluß bringt jenen oben besprochenen abgeschmackten Byzantinismus, womit der Dichter seine bisherigen Kollegen übertrumpft. [Die griechischen Herrschaften werden plötzlich nach München gezaubert, wo sie im Verein mit dem vom Olymp herunter- gekommenen Jupiter dem Kurfürsten huldigen.]

Eine weitere szenische Darstellung [zur Geburtstagsfeier des Jahres 1680] war die Oper „Giulio Cesare« von Terzago und G. A. Bernabei mit dem herkömmlichen Torneo. Die Chöre wurden, wie bei früheren Veranstaltungen, von den Studenten des St. Gregorihauses gesungen.

Die im Karneval 1681 gegebene Oper „Marco Aurelio", deren Text wieder von Terzago herrührt, ist darum denkwürdig, daß die Musik die erste von Steffani für München geschriebene war.

Bevor ich auf diese Oper des näheren eingehe, soll hiemit dieses merkwürdigen Künstlers, der seiner vielfachen Begabung und der aus dieser resultierenden ver- schiedenen Lebensstellungen wegen er war Komponist, Schriftsteller, Philosoph, Priester und Diplomat zu den interessantesten Erscheinungen seiner Zeit gehört, in einigen Hauptzügen gedacht werden.^)

[Geboren am 25. Juli 1654 zu Castelfranco im Venezianischen, aus angesehenem, wenn auch unbegütertem Paduaner Geschlecht, in Padua erzogen, kam Steffani

1') Diese Oper verzeichnen Rudhart und Reinhardstöttner (Jahrb. f. Münch. Geschichte). Vergl. Einstein S. 20,] H v. Reinhardstöttner, Jahrbuch f. Münchn. Geschichte S. 112fF. und A. Neisser, Servio Tullio 1902. S. 15.] P) Vergl. für das Nachfolgende die hochverdienstliche Studie Einsteins über „Steffanis Münchner Zeit" in Kirchenmusik. Jahrbuch, wo die bisher bekannten Darstellungen berichtigt und ergänzt werden,]

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als dreizehnjähriger Knabe an den Münchner Hof, zuerst zu dem Obristen Kapell- meister Grafen Tattenbach. Wahrscheinlich sang er 1668 in Kerlls „Pretensioni del Sole" die Aurora. Er und kein anderer ist wohl der „gratissimo et gratiosissimo Soprano", von dem in den Akteneinträgen über diese Oper die Rede geht. Nach seinem Zerwürfnis mit Kerll ging er 1673 zur Vollendung seiner musikalischen Ausbildung nach Rom, kehrte aber schon 1674 mit Bernabei zurück. 1678 unter- nahm er eine Kunstreise nach Paris, die ihn auf dem Rückweg über Turin führte. 1681 wurde er von Max Emanuel, der ihm seine besondere Zuneigung schenkte, zum Kammermusikdirektor ernannt, und dem Vizekapellmeister im Rang gleich- gestellt. Seine Rivalität mit dem jungen Bernabei, die hier wie bei andern Gelegen- heiten offen zutage trat, spielte auch in späteren Jahren seines Lebens eine Rolle. In einem Lebensbericht aus dem Jahre 1706 rühmt er sich „der allerinnigsten Ver- traulichkeit* im Verkehr mit fürstlichen Personen. Sie führte ihn, wie später in Hannover, schon in München auf die Bahn des Diplomaten. „Für Steffani", schreibt Einstein, „ist dieser Schritt bedeutungsvoller geworden, als für irgendeinen andern Diplomaten-Künstler; denn er hat den Schwerpunkt seines Lebens in seine geistliche und diplomatische Laufbahn verlegt, ohne schließlich die hohen Ziele seines Ehrgeizes auch nur annähernd zu erreichen." So bewundernswert das Genie des Künstlers ist in allen den mit Witz und Verschlagenheit geführten Unterhandlungen, die ihn mit den protestantischen Höfen in Verbindung brachten, tritt das Bild seiner menschlichen Persönlichkeit hinter dem skrupellosen Staatsmann zurück. Das po- litische Leben war auch seinem Charakter verhängnisvoll. Im Jahr 1680 wurde Steffani zum Priester geweiht, 1685 war er wieder in Italien, wie es heißt, zur Erholung, da er immerfort kränkelte; im Herbst kehrte er zu den Vorbereitungen des „ServioTullio" nach München zurück. Die Bücher seiner beiden letzten Münchner Opern für den Karneval 1687 und 1688 „Alarico il Balta" und „Niobe", verfaßte Luigi Orlandi, da Terzagos häufige Abwesenheit Ersatz forderte. Diese Werke, die auch in den dichterischen Qualitäten über den Durchschnitt hinausragen, sind die reifsten seiner Münchner Zeit. Als 1687 der alte Bernabei starb, und am 16. Januar 1688 sein Sohn ihm im Amte nachfolgte, beschloß Steffani seinen bis- herigen Wirkungskreis zu verlassen. Doch war die Bevorzugung des Rivalen nicht der einzige Grund seines Abschieds. Er hatte Schulden. Zudem war sein Bruder Terzago von einem Hofmann beleidigt worden, ohne, wie es scheint, ausreichende Genugtuung erhalten zu haben. Agostino knüpfte Verhandlungen mit Hannover an, wohin ihn vielleicht längst politische Pläne zogen. Er ging nach seinen Äußerungen in Groll („inaspettata e brusca partenza"), bezeichnete den Hof als „Corte di mala grazia", abschon er wie sein Bruder Terzago in Gnaden entlassen wurde; ja, der Kurfürst bezahlte ihm seine Schulden. Im Mai 1688 war Steffani in Venedig; im August aber bereits in Hannover.]

[Sein späteres Leben, noch reicher an musikalischen Erfolgen, verstrickte ihn immer mehr in die Politik, so daß er fortwährend auf Reisen in Deutschland und Italien, seinen Künstlerberuf zuletzt vernachlässigte. Aus der letzten Zeit, seit 1709,

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sind musikalische Schöpfungen nicht mehr bekannt. 1703 berief ihn Kurfürst Johann Wilhelm von der Pfalz unter hohen Ehren nach Düsseldorf, 1706 ernannte ihn der Papst zum Bischof von Spiga I.P.I., weiterhin zum apostolischen Vikar von Norddeutschland. Das kunstgeschichtliche Ereignis dieser Zeit ist seine Begegnung mit Händel, auf den seine Kunst starken Einfluß ausübte. Wahrscheinlich sahen sich die beiden zuerst in Venedig (1709), bald daraufstellte Steffani seinen deutschen Kunstgenossen dem Hannoveraner Hof vor: 1711 wurde Händel dort zum Kapell- meister ernannt. Mühen, Sorgen, Enttäuschungen in seiner diplomatischen Tätigkeit, andauernde Kränklichkeit, Schulden infolge des unverhältnismäßigen Aufwands] den sein Rang erforderte, und allerlei Widerwärtigkeiten, die ihm wohl auch aus der Eigenart seiner Persönlichkeit erwuchsen, verbitterten ihm seine letzte Lebenszeit. So ist er der Früchte seines Strebens nicht eigentlich froh geworden. Er starb am 12. Februar 1728 auf einer Reise in Frankfurt a. M., wo er begraben liegt.]

[Steffani schrieb für München fünf Opern „Marco Aurelio« (1681) „ServioTuUio« (1686), „Alarico il balta« (1687) und „Niobe« (1688), sowie den Karnevalsscherz „Solone« (1685) und das Turnier „Audacia e Rispetto (1685).^ Von diesem und dem „Solone" sind die Partituren verloren. Chrysander^) nennt Steffani den von allen Ausländern, dessen Kunst am nötigsten ist, einen Klassiker, eine Autorität, der alle Effekte möglich waren. Die gewandte, wirksame, echt künstlerische Ver- wendung der gebundenen Schreibart stempelt ihn zum ersten klassischen Vertreter des in der Oper wieder zu Ehren gekommenen Kontrapunkts.') Indem er die Kluft zwischen dem schwerblütigen deutschen Kontrapunkt und der oberflächlichen Nach- ahmung des italienischen Singsangs überbrückt, ergreift er die Führung in Deutsch- land und steht den großen Geistern Frankreichs, Italiens und Englands: Lully, Scarlatti, Purcell ebenbürtig zur Seite. Aber er bleibt nach den äußeren Verhältnissen im Gegensatz zu Lully, der in Paris gleichsam den musikalischen Mittelpunkt ver- körperte, immer Italiener.*) Er ist der erste vollgültige Repräsentant der Arien- Oper.^) Weniger Dramatiker also, als Lyriker, ist er doch ungemein plastisch, reich und eigentümlich, von wunderbar biegsamer Sprache, im tragischen Pathos, namentlich in den letzten Opern, groß durch die Innigkeit des Ausdrucks. Der Chor tritt in seinen Opern bereits zurück, beschränkt sich auf Zurufe und kurze Sätze, nur in den Düsseldorfer Opern finden sich einige längere vierstimmige Chöre. Der am 18. Januar 1687 aufgeführte „Alarico il Balta« (der in vollständiger Neuaus- gabe vorliegt) ist vorwiegend lyrische Oper ohne Chor. Während die Arientechnik in den späteren Werken sich mehr und mehr zu selbständiger, gesangsmäßiger Melodieführung erhebt, haftet sie noch am alten Ostinato-Schema. Aber hier wie

[') Einen bibliographischen Oberblick über Steffanis Opern findet man in Neissers Dissertation S. 154 ff. und in den Denkmälern derTonk i. Bayern XI. 2. S. VII ff. Derselbe Jahrgang bringt die Neu- ausgabe des „Alarico", Jahrg. XII Bruchstücke aus „Marco Aurelio", „Servio Tullio" und „Niobe".] P) Händel, 1.324.] [«) Riemann, Einleitung zum 3. Teil der „Ausgewählten Werke": A. Steffani als Opernkomponist. Denkmäler der Tonk. in Bayern XII. 2. S. XVII.] [*) Riemann, ebenda S. XIII, XII.] - n A.a.O. S.VIII.]

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auch in dem älteren „Servio Tullio" steht dieser Einfalt des Aufbaues fein-kontra- punktische Kunst gegenüber. In den langausgesponnenen Koloratur-Gesängen über- nimmt das Orchester die Aufgabe, den Gang der Melodie zu umspielen, oft auch in geistvoller Weise zu charakterisieren. Die Oper „Servio Tullio" hat als Fest- veranstaltung Bedeutung.] Nachdem am 9. Oktober Max Emanuel, der Sieger von Gran, in seine Residenz eingezogen, galt es daselbst, die Feier seiner Vermählung mit Maria Antonia, der Tochter Kaiser Leopolds I. (nachdem das Beilager am 15. Juli in Wien zur Zeit der heißen Türkenkämpfe abgehalten worden war) in entsprechender Pracht nachzuholen. [Dazu war die Oper bestimmt, die nach dem Textbuch bereits 1685 fertig war, aber erst anfangs Januar 1686 zur Aufführung kam.^)] Zur Verstärkung des Personals, das diesmal außerordentlich zahlreich war, hatte man wieder venezianische Theaterleute berufen.

Im Jahre [der ersten Steffanioper] 1681 kam ein Produkt von zwei bayerischen Autoren zur Aufführung, die sich leider nicht mit großem Ruhme bedeckten, „Lisiman und Calliste" von Franz Georg Ign. Freiherrn von Leiblfing und Kammermusiker Veit Weinberger^), [eine „deutsche Oper*, der Rudhart nur noch die in deutscher Sprache gesungene Vorstellung einer welschen Oper „Ascanius" (1686) und das musikalische Drama „Leoldo und Elona" (1694) anzufügen hat, mit der Ver- mutung, daß dieses Stück den „Deutschen Komödien" Kugelmanns und Treus zugehörte.^)]

Außer einem Turnier „La gloria festiggiante", zu welchem Orlandi den Text, G. A. Bernabei die Musik geschrieben, liegt von theatralischen Aufführungen im Jahre 1688 [außer Steffanis letzter Münchner Oper „Niobe"] nichts vor. [Für die Jahre 1689 und 1690 verzeichnen die Quellen außer den üblichen Balletten und Gelegenheitsfesten die Opern „Venerepronuba", „Eraclio" und „Ilsegretod' Amore", sowie das Torneo „Gli oracoli di Pallade e di Nemesi". Komponist der „Venere" ist G. A. Bernabei; vielleicht stammt auch das zweite Werk von ihm. Das Torneo trägt den Namen eines jungen Musikers, der später in der Kapelle zu Rang und Ansehen kam, Pietro Torris.^) In dieses Jahr fällt, [nachdem bis 1689 die Ober- leitung des Theaters zum Amtsbereich der Obersthofmeister gehört hatte,] die Er- nennung des ersten Münchner Intendanten, des „Intendant des spectacles" in der Person des Marquis de St. Maurice, [dem 1716 der kurfürstliche Rat Ascanio von Triva und 1722 bis 1740 Graf Karl von Lodron folgten, seit 1734 außerdem als Theater-Unterintendant der Dichter Perozzo di Perozzi, der als „Operndirektor" den Intendanten unterstützte und 1748 als Hofopern-Vizeintendant starb. Als Intendanten

[') Vergl. Neisser, S. 7 und Riemann, DTB. XI. 2 S. VII.] [«) Vergl. über diesen Musiker Ludwig Schiedermair in der „Freistatt", IV. 1902. 41.] P) S.90. Anm. 23. Vergl. Karl Traut- mann, Deutsche Schauspieler am bayerischen Hofe, Jahrbuch für Münchner Geschichte, III. 261 und P. Legband, Münchner Bühne und Literatur im 18. Jahrh., 1904, S. 37.] [*) Über diese auf Torris Wirken entfallende Zeitspanne der Münchner Oper vergl. Sandbergers Einleitung zu Jahrg. I der Denkm. der Tonk. i. B. (Abaco) und H. Junker, Ausgew. Werke I. von P. Torri, Ebenda, Jahr- gang XIX und XX (Band 31).)

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der Hofkapelle verzeichnen die Akten des Kreisarchivs Landshut seit 1727 den Grafen Emanuel von Arco und 1740 seinen Nachfolger Franz Maria von Neuhaus.^)] [Torri, aus Peschiera am Lago d'Iseo gebürtig, war 1689 einem Ruf nach München gefolgt. Er war damals etwas über zwanzig Jahre alt. Wahrscheinlich hatte ihn Steffani dem Kurfürsten empfohlen. Am 1. Oktober wurde er zum Hoforganisten ernannt. Sein Wirken fiel in eine für Bayern und die Münchener Musik kritische Zeit. Max IL Emanuel hatte von seiner Mutter Adelaide „mit dem sanguinischen Temperament Energie,Tatkraft, Hang zum Prunk, Unstetigkeit der Empfindungen und Anschauungen, Liebe zu Theater und Musik geerbt"; er war ein gewandter Gambenspieler und dirigierte in den Opernproben selbst. Seine Aufwendungen für dramatische Fest- lichkeiten stiegen nicht selten ins Ungemessene, wie er denn weit und breit, nament- lich in Italien wegen seiner Freigebigkeit bekannt war. Auch fern von der Heimat, auf seinen Feldzügen, in den Zeiten des Unglücks verließ ihn nicht seine Freude an der Musik. Nachdem er 1691 die Statthalterschaft der Niederlande übernommen hatte, verlegte er im März 1692 seinen Hofstaat nach Brüssel, wohin auch ein Teil seiner Kapelle, darunter Torri, ^) zur Dienstleistung befohlen wurde. Mit Torri war Pierre Antoine Fiocco angestellt. Beide wirkten bei den prächtigen Theaterfesten als Hofkomponisten. In der Zwischenzeit bis zum März 1701 gab es in München nur Kirchenmusik unter Leitung Bernabeis, der mit dem kleineren Teil des Personals zurückgeblieben war, und ferner musikalische Aufführungen bei den Jesuiten. Mit der Rückkehr des Kurfürsten (1701) begann wieder ein Musikleben großen Stils. Damals] gewann in seinen Sympathien das französische Schauspiel so sehr das Über- gewicht, daß von Aufführungen italienischer Opern vorderhand nicht mehr die Rede war. Nach dem baldigen Abgang einer neuen italienischen Truppe, die allerdings noch Geld genug kostete, kam eine französische Gesellschaft von Schauspielern nach München, [deren Unterhalt große Summen verschlang.] Das Schlimme dieser Vorliebe für französische Theaterkunst war, daß der Kurfürst damit auf französische Minen geriet, deren Wirkung, wie die Geschichte verzeichnet, nicht nur er, sondern sein armes Land zu spüren hatte. [Noch in Brüssel hatte er sich auf Frankreichs Seite gegen Habsburg locken lassen. Es war zum Krieg gekommen. Nach den Nieder- lagen am Schellenberge und bei Höchstädt übertrug Max Emanuel die Regentschaft an seine Gemahlin Therese Kunigunde und zog sich nach den Niederlanden zurück. 1704 war er wieder in Brüssel, wo ihn sogleich der Bau eines Opernhauses und theatralische Feste nach Pariser Muster angelegentlich beschäftigten. Auch die feindlichen Schläge bei Ramillies (1706) und Malplaquet (1709), die ihn zwangen nach Mons und Paris zurückzuweichen, vermochten ihn nicht zu beirren. Als mit dem Tode Kaiser Josephs I. (1711) die Kriegslust der gegnerischen Heere abflaute und der Rastatter Frieden (1713) den Status quo ante wiederherstellte, fand der Fürst abwechselnd in Luxemburg, Namur und Compiegne mit seiner Theatertruppe (den

[^) Sandberger, S. XXIX, Anm. 1.] [^) In einem Aktenstück des Geheimen Haus- und Staats- archivs in München ist Torri für 1692 bis 1701 als Brüsseler Kapellmeister gebucht. Vergl. Junker, a. a. O. S. XII, Anm. 3.]

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»Getreuen", die ihm in die Campagne gefolgt waren) Gelegenheit zu musikalischen Aufführungen. Die ungeheueren Kosten, die ein solcher Troß von Künstlern auf Reisen beanspruchte, bildeten kein Hindernis. Im Jahre 1715 kehrte er von Paris nach München zurück und nahm hier mit der durch neue Mitglieder verstärkten alten Kapelle die Musik- und Theaterveranstaltungen im großartigsten Maßstabe wieder auf. Die aus Frankreich mitgebrachte Schauspielertruppe allein kostete im Jahre 18857 Gulden.^) Freilich die in der Zwischenzeit während der Okkupation unter österreichische Verwaltung geratene Rumpfkapelle mit Bernabei an der Spitze hatte schwere Zeiten durchgekämpft. Nach der Sendlinger Schlacht war die Lage einzelner Mitglieder grauenhaft. Die kaiserliche Administration besoldete zwar wohl für den Kirchendienst eine kleine regelmäßige Hofmusik, verweigerte aber im übrigen jede Hilfe.]

[In den Musikaufführungen während der niederländischen Campagne gewinnt nun Torri immergrößeren Einfluß. MitseinemerstenTorneo(1690),zwei kleineren Stücken für das folgende Jahr „I preggi de la primavera" (aufgeführt auf Schloß Leuchtenberg inderOberpfalz)und„GliAmoridiTitoneed'Aurora"(zumGeburtstagMaxEmanuels) und einem Torneo für 1702 hatte er sich erfolgreich eingeführt. Die Brüsseler Zeit war für ihn entscheidend, nicht allein durch die innige Fühlung mit französischer Musik, die er wie die italienische beherrschte, sondern auch durch den Verkehr mit Steffani, der 1693 und seit 1696 ständig als braunschweigisch-lüneburgischer Gesandter in Brüssel, 1702 auch vorübergehend wieder in München sich aufhielt. 1696 war Torri auf seine Empfehlung als Gastdirigent nach Hannover berufen worden. Steffanis Einfluß bekunden vor allem seine Kammerduette, die an Feinheit und Reife des Ausdrucks sich mit Händeis Duetten wohl messen können. 1703 wurde er zum Kammermusik-Direktor ernannt; 1715 als Hofkapelldirektor in München leitete er noch unter Bernabei, der sich der Kirchenmusik widmete, Oper und Kammermusik, hatte also die tatsächliche Oberleitung. Beim Tod Bernabeis 1732 erhielt er die Stelle des ersten Hofkapellmeisters mit dem ausnehmend hohen Gehalt von 2500 Gulden als Anerkennung seiner hervorragenden Verdienste.^) Während des Feldzugs in den Niederlanden schuf Torri vier dramatische Werke, das Oratorium „Vanitä del mondo" 1705 für Brüssel, das Pastorale „Enone" 1708 für Mons, 1712 den Prolog „L'homme endormis" für Namur und 1714 das komische Divertissement „Le Reciproque". Seine Haupttätigkeit entfällt auf die Münchener Zeit. Im ersten Jahr nach der Rückkehr (1715) wurde (vielleicht zum Namensfeste des Kurfürsten am 12. Oktober) die Oper „L'Innocenza difesa da Numi" („Ismene") aufgeführt. Dann folgten „Astianate" (12. Oktober 1716), in der Partitur als „Oreste* betitelt^) (1717 unter dem Titel „Andromacca", mit Balletten und Chören nach französischem

[') Sandberger, S. XXI f. nach den Besoldungsbüchern, die, wie der neue Personalstatus im Landshuter Kreisarchiv (von 1715 ff.), Rudhart unbekannt geblieben sind.] [^) Vergl. J un ker, a. a. O. S. XXIII, Anm. 7 (nach dem Dekret des Münchener Kreisarchivs, H. R. 466/385) gegen Rudhart S. 119.] P) Die Partituren von Torris Hand befinden sich größtenteils in der Münchener Staatsbibliothek.]

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Geschmack erweitert), 1718 zum 6. Mai ein Torneo, 1719 zum 12. Oktober die „Merope" (auf das Textbuch von Apostolo Zeno), 1720 nach einem bereits 1719 komponierten „Epitalamio" zur silbernen Hochzeit der Fürstlichkeiten am 29. Januar, zwei Opern „Eumene" (Text von Salvi) und „Lucio Vero" (von A. Zeno), worin der Kammervirtuose Bernacchi die Titelrolle sang. 1721: nur dramatische Ge- legenheitskompositionen. 1722: mit großem Prunk zur Vermählung des Kurprinzen Karl Albrecht mit Maria Amalia, der Tochter Kaiser Josephs I. „Adelaide" (18. Oktober) und das Karoussel „La publica felicitä" (28. Oktober). Die übrigen Stücke „I veri amici" (am 24. Oktober) und das Schlußturnier am 4. November komponierte Albinoni. Außerdem kamen zwischen den Opernakten komische Intermezzi zur Aufführung. Das Jahr 1723 brachte nach Wiederholungen des „Lucio Vero" und der „Merope" die „Griselda" mit Faustina Bordoni und Bernacchi in den Hauptrollen; sie wurde wiederholt aufgeführt, noch 1735 mit einer Münchnerin Rosa Schwarzmann in der Titelrolle. 1724 kam, zur Feier der Entbindung der Kurprinzessin, „Amadis" zur Aufführung, 1725 zum 12. Oktober der „Venceslao**. Am 26. Februar des folgenden Jahres starb der Kurfürst. Sein Nachfolger Karl Albert war anfangs bemüht, den unerhörten Aufwand, der die bayerischen Finanzen in Unordnung brachte und dem Volk schwere Lasten auferlegte, einzuschränken. Aber bald sah er sich in die alte Lust verstrickt, und der Sohn trieb es noch ärger als der Vater. Torri brachte schon 1727, in Verbindung mit seinem Freund Domenico Lalli (genannt B. Bianciardi), der bis 1733 als Hofpoet in München wirkte, den „Epaminonda" heraus, 1728 den „Nicomede" mit Farinelli in der Titelrolle, 1729 den „Edippo" zum Geburtstag des Kurfürsten (22. Oktober) mit Faustina Bordoni als Giocasta, 1731 den „Ippolito" mit Giov. Carestini in der Titelrolle. Seine beiden letzten Werke sind die Opern „Giro" (1733)^) und „Catone in Utica" (1736). Die Marcia sang in diesem Werk die genannte Rosa Schwarzmann, außerdem wirkte eine zweite deutsche Sängerin mit, Orsola Mayer, die wie jene mehrere Jahre der Kapelle angehörte. Torri starb am 6. Juli 1737. „Mit ihm ging auch für die Münchener Oper das zu Grabe, was er Gutes von der älteren Musikperiode in eine Zeit hinübergerettet hatte, wo die junge Generation mit ihren oberflächlichen und auf den Effekt zugespitzten Produktionen bereits aufgeblüht war."^) Gewiß unterliegt seine dramatische Technik in gewissem Sinne bereits den Einwirkungen des neapolitanischen Geschmacks. Sein Szenenaufbau ist schematisch, ein gleich- förmiges Nebeneinander von virtuosen Arien und langen Rezitativen. Aber in ein- zelnen Werken, wie im Prolog des „Homme endormis", in „Ismene* und „Enone" entfaltet Torri bedeutendes Talent in der Charakteristik und Szenenverbindung. Seinen strengeren Stil bezeichnet die Vorliebe für oratorienhafte durchgearbeitete Chöre, die den herkömmlichen Statistenchören als besondere der französischen Oper entnommene Gattung gegenüberstehen. Eigentümlich sind auch die Lull y sehen Tanz- chöre und besonders die feinen Geigensoli in den Arien (der „Griselda", „Adelaide",

[^) Junker weist a. a. O. S. XXIII nach, daß diese Oper nicht von Ferrandini komponiert ist (gegen Rudhart, S. 120).] P) H.Junker a.a.O. S. XXIV.]

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im „Komme endormis" u. a.), zu denen Torri, wie in seinen Partituren überall, durch sein Orchester angeregt worden war.^)]

[Die neue Kapelle, nach dem Personalstatus von 1715 und den folgenden Jahren, zählte auch hervorragende Instrumentisten zu ihren Mitgliedern, so den alten Konzertmeister Dardespin, den genialen Konzertmeister Dali' Abaco, die Geiger G.A.Brescianello, Franz Simon Schuhbauer, Jacques Loeillet, Pierre Rey, die beiden Kröner, Franz Xaver Bluem und andere. Aus den Tagebüchern des Grafen Preysing geht hervor, welch' große Rolle außer der Kirchenmusik die Tafel- und Kammermusiken, Konzerte, Akademien am Münchner Hof spielten. Damit ist klar, sagt Sandberger,^) daß die Oper, so groß ihr Einfluß war, doch nur den kleineren Teil innerhalb der künstlerischen Tätigkeit, besonders der In- strumentisten, einnahm. Nach Preysings Berichten kamen seit 1718 alljährlich zwei bis drei Opern zur Neuaufführung mit etwa fünf bis zehn Wiederholungen und ebensovielen Generalproben. Außer Torris Opern wurden bis zu seinem Tode namentlich nachweisbar noch folgende gegeben: 1718 Vivaldi „Constanza trion- fante", 1722 Albinoni „Verl amici" und das Schlußturnier „II trionfo d'amore" (vorher in Dachau und Nymphenburg ein Schäferspiel „Dafne" unbekannter Her- kunft, endlich als Zwischenaktspiele der großen Oper Albinoni's „Vespetta e Pimpinione" und bei der Wiederholung „Serpilla e Bacocco"), 1724 „Damiro e Pitia" von Porpora, 1726 „II Lamano" von Tonini, 1727 „Gordio" wohl von Ferrandini, 1729 „II sacrificio invalido" und „Colloquio pastorale" von Ferrandini, 1730 „Berenice" von Ferrandini, 1732 „Scipione nelle Spagne" von Ferrandini, 1736 „La Clemenza di Tito* von Francesco Pelli. Bis zum Jahre 1741 ferner: Pellis „Costanza in trionfo" (1737), Ferrandinis „Demofoonte" (1737), Giovanni Portas „Ifigenia« (1738), „Dafne« (1738), „Artaserse" (1739), „Farnace* (1740 und 1741), Alliprandis „Apollo tra le Muse in Parnasso" (1737), „Mitridate" (1738), „Semira- mide" (1740) und Cammerlohers „Melissa tradita" (1739).^)]

[Giovanni Ferrandini, der bereits als Knabe (seit 1722) am bayerischen Hofe diente,*) wurde später Kammerkomponist und nach Torris Tod Kammermusik- direktor. Seine Opern bezeigen bereits den, wie anderwärts seit den zwanziger Jahren, auch in München eintretenden Verfall der italienischen Musik.] Während Scarlattis Schüler alle Errungenschaften des Meisters technisch weiterbildeten, namentlich, worin kein Nachteil gelegen wäre, den Gesang immer fließender machten, trat unter ihnen alsbald eine Verflachung der Opernkomposition dadurch ein, daß das Band, welches den Altmeister noch an die Tradition der römischen Schule gefesselt hielt, schon in der nächsten Generation gelockert ward. Die Rücksicht auf ein Publikum, welches Melodien zum Nachsingen hören wollte, wohl auch das Buhlen um dessen Gunst forderte diese Wandlung. [Literarisch trat die nea- politanische Oper fast ganz in den Hintergrund. Ihre Textbücher leisteten sich an Verlogenheit und Charakterschwäche starke Stücke. Auch die Partituren dieser

n Sandberger S. XXV.] - [') a.a.O. S.XXVI.] - [") a.a.O. S. XXVIIL] - [') Sandberger nach den Besoldungsbüchern des Landshuter Kreisarchivs S. XXIX.]

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Zeit, ohne dramatischen Nerv, flüchtig gearbeitet, auf den virtuosen Koloratur- gesang zugeschnitten, glatt aber seicht, bieten wenig Erfreuliches. Erst auf dem Weg über das italienische Oratorium kam Besserung. Die Wiener Hofpoeten Apostolo Zeno und Pietro Metastasio, deren Texte ab und zu auch nach München gelangten, setzten allmählich dieser Entartung ihre strengen Grundsätze entgegen und schufen die Grundlagen der Reform, die Hasse, Traetta, Jommelli und endlich Gluck vollendeten.] Von Besserung ist während der Regierungszeit Karl Alberts am Münchner Hoftheater wenig zu spüren. Was in München damals an Opern gegeben wurde, haben fast ausschließlich die bei der Hofmusik bestellten Musiker geliefert. Dieser Gebrauch herrschte aber an allen deutschen Höfen.

Ob die zu jener Zeit in München wirkenden Opernkomponisten zu den führenden Geistern der dramatischen Kunst gehörten oder nicht, kommt weniger in Betracht, als die Tatsache, daß sie Italiener waren. Es kam auch im ganzen wirklich weniger auf die Qualität der Musik als auf die Ausstattung an, deren möglichste Kost- spieligkeit nun einmal zum Glanz des Hofhaltes gehörte.

[Neben Torri und Ferrandini traten also in München noch andere Mitglieder der Kapelle hervor. Bernardo Alliprandi war Cellist und wurde mit dem Geiger Wenzel Wodiczka 1732 zum Kapellmeister ernannt; 1735 berief man Francesco Pelli aus Modena als Kapellmeister], die Hofkapellmeisterstelle wurde aber 1737 dem Venezianer Giovanni Porta übertragen. [Unter den Vokalisten der Kapelle nennt das neue Verzeichnis P. Lemoles, Ph. Pantani, G. Giac. Riccardini, J.W. Girardi, B. Bartoli. Fr. M. Venturini, Fr. Cignoni, J. R. Piubelin, M. Koch, F. Ostermayr, B. E. Seeweiler, M. Manzin, J. Murschhauser, G. E. Neuner, J. M. Springer, Lucretia Panizza und Ph. Palatri.^) Dazu kamen noch die deutschen Sängerinnen Rosa Schwarzmann (Pasquali detta la Bavarese) und Orsola Mayerin. Als Gesangsschüler Ferrandinis war Anton Raaff, der erst am Ende seines Lebens dauernd nach München kam, kurze Zeit anwesend. Natürlich fand ein beständiger Wechsel statt. Berühmtheiten kamen und gingen. Wie heute berief man auch damals für besondere Gelegenheiten besondere Kräfte von auswärts.]

Die genannte Oper „Melissa tradita" von Camerloher lenkt unser Augenmerk auf diesen bayerischen Tonsetzer. [Rudhart, wohl im Vertrauen auf Lipowskys Quellen, vermutet in dem Komponisten den Freisinger Hofkapellmeister Placidus Camerloher. Nach Benno Zieglers Untersuchungen^) steht wohl endgültig fest, daß dieser Musiker niemals in München angestellt war. Die Oper stammt also von dem älteren Bruder des Placidus, Johann Anton, der am I.Juni 1739 zum Kammerkompositeur ernannt wurde. Vielleicht bildete die „Melissa" den Anlaß

[^)SandbergerS. XXL] [^) Verfasser begründet in seiner Dissertation : „Placidus von Camerloher" (Freising, 1919, S. 17 f.) seine Annahme damit, daß Placidus erst im Herbst 1739 nach Abschluß seiner Schulstudien in München, wohl im Jesuiten-Seminar gewesen sei; als Zwanzigjähriger und, wie sein späteres Abraham-Drama beweist, wenig begabter Dramatiker, konnte er nicht mit einer großen Oper sofort vor die Öffentlichkeit getreten sein.]

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dazu. Ein späteres, zwischen 1740 und 1743 entstandenes Werk „La Clemenza di Tito" (mit Metastasios Text) kam 1747 zur Vermählung des Kurfürsten Max Joseph mit Prinzessin Maria Anna von Polen zur Aufführung. Die Partituren sind leider verschollen.]

[Mit dem Jahr 1740, dem Todesjahr Kaiser Karls VI., war die politische Lage Bayerns abermals schwierig geworden. Karl Albrechts Ansprüche auf den Kaiser- thron, die von Preußen und Frankreich gebilligt wurden, verwickelten das Land in neue Kriege. Der Kurfürst, als Karl VII. in Frankfurt am Main zum deutschen Kaiser gewählt, bedrohte zur Sicherung seiner angeblichen Rechte, Böhmen und Osterreich, mußte aber sein Land österreichisch-ungarischen Truppen überlassen. Erst die Siege seines Generals Seckendorff und die erneute Hilfe Friedrichs IL von Preußen erlaubten ihm die Rückkehr nach München, um hier am 20. Januar 1745 zu sterben. Drei Monate nach seinem Tode brachte der Friede von Füssen wieder Ruhe ins Land.]

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II

DIE ITALIENISCHE KOMISCHE OPER. KURFÜRST MAXIMILIAN IL UND KARL THEODOR (1745—1787).

GLUCK UND MOZART

DIE MUSEN waren verscheucht. [Die zur Krönungsfeier Karls VII. von Ferrandini icomponierte dramatische Musik wurde jedenfalls nicht in München aufgeführt, da die Stadt am Krönungstag den Feind in ihren Mauern sah.] Große Schulden, größere noch, als Max Emanuel seinem Sohne hinterlassen hatte, machten dringende Einschränkungen nötig. Sie waren das Erbteil des noch jungen Kurfürsten Maximilian Joseph III. Und diese notgedrungene Enthaltsamkeit muß gerade diesem Fürsten ein wahres Herzeleid geschaffen haben. Denn sein Verhältnis zur Kunst, insbesondere zur Musik war nicht das einer oberflächlichen Liebhaberei, wie hohe Herren sich solches als dekoratives Attribut gerne beilegen, um dann mit offizieller Begünstigung der Kunst und Künstler zu glänzen, sondern es war das der wahren Liebe und Begeisterung, wie es seinem relativ nicht gewöhnlichen Talente für Musik naturnotwendig entsprach,^) und das darum auch ein unveränderliches, dauerhaftes bis zu seinem Tode blieb. [Aber zwang ihn auch die Notlage zur Spar- samkeit, so konnte doch die Enthaltsamkeit nicht allzulange dauern. Karneval 1746 und 1747 wurden besonders „solenn und prächtig" gefeiert, was sich umsomehr versteht, als am 13. Juni 1747 die Doppelhochzeit der sächsischen Prinzessin Maria Anna mit dem bayerischen Kurfürsten und seiner Schwester Maria Antonia Walpurga mit dem Kurprinzen von Sachsen begangen wurde.^) Auch lebte am bayerischen Hof Herzog Clemens Franz, der Vetter des Kurfürsten, der italie- nische Literatur und Musik auf jede Weise förderte.^) Kammermusik und Oper fanden wieder sorgfältige Pflege]. Die erste sehr weise Anordnung des Kurfürsten war die Festsetzung eines [wesentlich verminderten] Etats, dessen Aufrechterhaltung dem Grafen Joseph von Salern, als „oberstem Direktor der Musik und der Oper" zur Pflicht gemacht wurde. Die Hofkapelle bestand nunmehr aus dem Kapellmeister Porta, dem Kammermusikdirektor Ferrandini, [neun Sängern, vier Sängerinnen und fünfunddreißig Orchestermitgliedern.] Ob und wie dieses Personal, als dessen vorzüglichsten Dienst man immer den in der Kirche anzu- nehmen hat, bei den nun zunächst kommenden Theatervorstellungen beschäftigt war,

V) Sein „Stabat mater" gab 1766 Joseph Clemens Dall'Abaco heraus. Vergl. Sandberger, D.T.B. I. S.XXX.] H Vergl. H, Abert in den D.T.B. XIV. 2. S. VII.] [») Vergl. P. Legband, Münchens Bühne und Literatur, 1904. S. 141/142. Anm. 2.]

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darüber herrscht völliges Dunkel. Da es für große Opern vermutlich nicht ausreichte und zum Engagement bedeutender Gesangskräfte sicher die Mittel fehlten, [wurden fremde „Truppen" berufen, die aber auch kleinere Aufführungen übernahmen.]

Die notwendig gewordene Einschränkung im Opernwesen brachte ein Gutes mit sich. Man griff im Anfang, um doch nicht alle szenisch-musikalischen Genüsse zu entbehren, nach jenen komischen Intermezzi, welche wir als Einlagen, Füll- stücke in der opera seria kennen lernten und deren Anspruchslosigkeit in Bezug auf Personalbesetzung und Ausstattung den jetzigen Kassabestand nicht überforderte. Aus dem bisherigen einstweilen nur geborgten Rahmen losgeschält, mag die be- scheiden auftretende Kunstgattung nun allen Einsichtigen, auch ohne diesen ihr vorteilhaften Gegensatz die Errungenschaften gezeigt haben, welche sie vor der bereits erstarrten, leblosen, aber offiziell beglaubigten opera seria voraus hatte. Die Macht der Langeweile an dieser, die man sich nur nicht eingestehen wollte, war es ja offenbar gewesen, welche diesen Intermezzi neue Bedeutung verlieh. Weit- sichtige Impressarii, denen sich dann Dichter und Komponisten anschlössen, hatten wohl die Zeit heranrücken gesehen, wo selbst die ausgezeichnetsten Kastraten und Primadonnen nicht mehr unbedingt über die bereits zum Überdruß genossene Ungeheuerlichkeit der bisherigen Texte mit ihren endlosen Rezitativen und Arien obsiegen würden. Da griff man denn um so lieber zum Gegensatz der Natür- lichkeit, wie es so nahe im bürgerlichen Alltagsleben mit seinem gesunden Humor und seinen sich von selbst ergebenden komischen Situationen vorlag. Und gerade in der Einschmuggelung dieses Elementes in die opera seria, deren Un- natur es erquickend durchbrach, lag das sicherste Mittel seiner Propaganda. Die in sich mit logischer Konsequenz zusammenhängenden Fortschritte der neuen Gattung, durch die sie sich von der alten diametral unterschied, mußten in die Augen springen. Hier muß erwähnt werden, daß sich aus den Intermezzi, ohne deren Fortbestand zu hindern [und ganz besonders aus den bedeutenden Anfängen der römischen Musikkomödie (mit ihrer Neigung zu Ensembleformen und ihren typischen Buffomotiven) noch im 17. Jahrhundert] die Elemente der „Opera buffa" deutlich herausgebildet hatten, dadurch nämlich, daß die Aufnahme komplizierterer Sujets eine Erweiterung der Formen und eine Vergrößerung des mitwirkenden Personals notwendig machten. Dadurch kamen, während man das Rezitativ und die Arien in mäßigerer Ausdehnung beibehielt, zu dem zunächst kultivierten Duett allmählich auch Terzette, Quartette, überhaupt größere „Ensembles," unter diesen als absolute Neuigkeit die Finales. Von Bedeutung war es jedoch, daß die Ver- pflanzung des Kunstwerkes auf den Boden der Wirklichkeit dem Castraten- Unwesen entgegenarbeitete. In der Rolle des Liebhabers nicht mehr denkbar, mußte der Kastrat diesen (contre naturam sui generis) lange innegehabten Posten dem Tenor überlassen, der ihn seitdem festgehalten hat und wohl in aller Zu- kunft festhalten wird, soweit nicht ein in den Tenorschlüssel hinaufgeschraubter Bariton ihm eine schwache Konkurrenz macht. Aber auch der in der opera seria stets als Stiefkind behandelte Baß kam, sowohl im Intermezzo wie in der

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komischen Oper, als wohlbestallter Baß buffo zu Ehren« Auch begann das Orchester, welches in der opera seria durch die absolute Herrschaft der Gesangsvirtuosität noch auf ein geringeres Maß der Beteiligung beschränkt blieb, sich schon mehr zu regen, in der Zeichnung der Situation deutlich mitzusprechen. Bei aller selbst- verständlichen Wertschätzung der Gluckschen Reform stehe ich nicht an, einen prinzipiellen Einfluß auf die spätere Entwicklung unseres musikalischen Dramas auch diesen Anfängen der italienischen komischen Oper zuzumessen, weil sie von festgesessenen Vorurteilen und einer Reihe äußerer Bedingungen, mit welchen Gluck auf dem zu reformierenden Gebiete rechnen mußte, weniger abhängig waren. Sehen wir bei Gluck doch noch den alten stereotypen Wechsel von Arien und Rezitativen. Nicht im System, sondern in seiner persönlichen dramatischen Be- gabung lag es, daß er erstere in Zahl und Ausdehnung (fast zu sehr) beschränkte, während er an Stelle der bisherigen bloßen Rezitation, deren Länge kein Ende nehmen wollte, in gedrängter Kürze, alle Gewalten seines großen Empfindens wirken ließ, die aber sein Eigentum sind. Sowohl hierdurch als durch Einführung des dramatisch beteiligten Chors, welcher aus begreiflichen Gründen der opera buffa fern bleiben mußte, hob er seine „ernste Oper," wie wir die opera seria nun übersetzen wollen, auf jenes höhere Kunstniveau, auf welchem Mozart in seinem Idomeneo genial weiterbauen konnte. Dagegen schufen diesem und seinen Nachfolgern die Meister der frühesten komischen italienischen Oper in ihren Solo- ensemblen allerdings die Vorbilder, auf welche, mit einiger historischer Kenntnis betrachtet, die Meistergebilde polyphonen Vokalsatzes in Don Giovanni, Le nozze di Figaro, Matrimonio segreto, La dame blanche hindeuten mögen.

Kehren wir nun von dieser Exkursion, welche zur Kennzeichnung der allge- meinen künstlerischen Situation in der nun zu betrachtenden Zeit nötig war, zu den Geschehnissen am Münchner Theaterhimmel zurück, so gewahren wir vor allem, daß hier von dem voraussichtlichen baldigen Ende der „opera seria" vor- läufig noch nicht die Rede, vielmehr die Zuflucht zu den nunmehr aufgeführten Intermezzi nur ein Notbehelf in trüber Finanzlage war. Wer kann es auch einem harmlosen jugendlichen Gemüt verdenken, wenn es einer im Veralten begriffenen Richtung, deren äußerer Schein unwiderstehlich auf dasselbe eingewirkt hatte, nicht gleich den Rücken kehren konnte, wenn es trotz einer wirklichen musikalischen Begabung, die dem Kurfürsten Max IIL nicht abzusprechen ist, selbst an recht minderwertigen Schöpfungen eben dieser Richtung Geschmack fand? Zum Glück überwiegen trotzdem, wie wir bald sehen werden, dem Zug der Zeit entsprechend, die „farsetti per musica,** die „drame bernesche," „drame giocose," in denen bereits ein Goldoni eine hervortretende Dichterrolle spielt, an Zahl die großen „opere Serie" ganz bedeutend.

[In den nächsten Jahren kamen nur kleinere Werke in bescheidenster Besetzung zur Aufführung. Erst 1751 erschien wieder eine Oper „Ipermestra," angeblich von Galuppi. Ereignisreicher war das Jahr 1753. Ferrandini reiste nach Italien, um neue Sänger zu gewinnen. Der bisherige Intendant Graf Salern wurde durch den

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Grafen Joseph Anton von Seeau ersetzt, der mit einer kurzen Unterbrechung (1756) sechsundvierzig Jahre lang die Geschäfte der Münchner Hofoper leitete und später als „Entrepreneur" gegen eine jährliche Subvention der Hofkasse die Auf- führung von Buffo-Opern und deutschen Singspielen übernahm. Am 12. Oktober wurde mit Ferrandinis „Catone in Utica" die Eröffnung des neuen Opernhauses, des sogenannten Residenztheaters gefeiert, nachdem sich bei dem großen Brand von 1750 die Feuergefährlichkeit theatralischer Veranstaltungen in den Räumen des Schlosses wieder gezeigt hatte.^) Der Bau war neben dem Residenzbau (durch feuersichere Mauern davon getrennt) noch im selben Unglücksjahr von dem älteren Hofbaumeister Franz von Cuvillies begonnen worden. Dieses prächtige Theater blieb] ausschließlich für die großen Karnevalsopern und für alle besonderen Vor- stellungen anläßlich großer Hoffeste bestimmt. Von dem Jahre 1753 an ungefähr dürfte auch der fortan festgehaltene Gebrauch datieren, daß man nach Schluß der Oper noch zwei „Balli serie" gab. Unter den der Oper „Catone" angehängten hieß eins „Afrikas Tribut an den triumphierenden Cäsar" von Michele Dall'Apata. Am 5. Dezember endlich wurde Andrea Bernasconi als Vizekapellmeister be- stellt, um zwei Jahre darauf nach Portas Tod zum wirklichen Kapellmeister auf- zurücken. In dieser Eigenschaft gehörte er bis an sein Ende (1784) der Kapelle an. Das ist der Musiker der den Niedergang der opera Seria für die Münchner Bühne verkörpert. [Doch ist es kaum angängig, ihm ganz und gar alle Verdienste abzusprechen. Mag auch in seinen dramatischen Werken das Äußerlich-Zierhafte, Handlangerische, das sich in nachlässig gearbeiteten Rezitativen, formelhaften, glatten „rechtwinkeligen" Arien immer aufs neue preisgibt, vorherrschen, so muß man doch die unbedingte Eleganz und Sicherheit dieses Musikers anerkennen. Er versteht sich auf die, wie Kretzschmar sagt, „selbstherrliche" Formenschönheit seiner Schule; und in seinen Koloraturen findet sich da und dort ein Körnchen Wahr- heit: Kraft und Charakter sind ihm nicht ganz fremd. Dazu muß man freilich die starke suggestive Wirkung des Theaters und die Kunst der Darstellung in Rech- nung stellen.^) Es wäre doch zu sonderbar, daß ein Kenner wie Max III. jahre- lang einen unfähigen „Dilettanten" an der Spitze seiner Kapelle geduldet, daß er in den feierlichsten Stunden seines Lebens an einer Musik Freude gehabt hätte, die von allen guten Geistern verlassen war. Bernasconi brachte zwölf Opern, da- runter besonders „Demofoonte" (1766), „Didone" (1756 und 1760), „Semiramide" (1765) und zwei kleinere dramatische Werke „Scipio dormendo" (1755 in Nymphen- burg und München) und „L'Endimione" (1766) zur Aufführung. Unter seinem Regiment begaben sich Ereignisse, die beweisen, daß auch die Münchner Oper an dem großen Umschwung der dramatischen Musik in ihrer Weise teilnahm, überhaupt mit dem lebendigen Geiste des Jahrhunderts trotz allem, was gegen ihre Geschäftsgebarung zu sagen ist, in Fühlung blieb. In den sechsziger Jahren

') Rudhart a. a. O. S. 153 und im Morgenblatt der „Bayer. Zeitung" 1862, S. 445/450: „Das k. Residenztheater in München."] [*) Vergl. H. Kretzschmar „Aus Deutschlands italienischer Zeit«, Jahrbuch Peters für 1901, S. 49.]

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steigerte sich ihre Tätigkeit. Besonders reich waren die Jahre 1758 und 1760. Die glänzendsten Feste brachte der Karneval des Jahres 1765, als die Hochzeit der Prinzessin Josepha Antonia mit dem König Joseph in Gegenwart zahlreicher Gäste gefeiert wurde. Neben Bernasconis „Semiramide" und Eugenio Giuntis Singspiel „Le nozze di Amore e di Norizia" kamen Akademien und Bauernhoch- zeiten zur Aufführung. Im gleichen Jahr noch wagte Schauspieler J. von Kurz den ersten Versuch eines deutschen Dramas in München.^) Die komische Oper war gut vertreten und blieb es auch in den folgenden Jahren. Unter den Komponisten finden sich bedeutende Namen, wie Galuppi, Jommelli, Piccini, P. Guglielmi, Sarti, Anfossi. Das Hauptstück des Jahres 1760 war die Oper „Talestri, regina delle Amazoni" von Maria Antonia Walpurga, der Gemahlin des Kurfürsten von Sachsen, die als bayerische Prinzessin von Ferrandini und Porta gebildet war und den Ruf einer begabten Kunstfreundin genoß. Das Textbuch hatte sie 1753 gedichtet und zuerst wohl Ferrandini zur Komposition übergeben. So erklären sich die zwei Talestri-Partituren der Münchner Staatsbibliothek. Ferrandinis Musik kam wohl nicht zu Gehör.^ Komponisten der folgenden Zeit sind zunächst der Augsburger Kapellmeister P. P. Sales mit den Opern „Antigono" (1769) und „Achille in Sciro" (1774), Sacchini mit „Scipione in Cartagena" (1769) und „Eroe cinese" (1770), Matteo Rauzzini, Naumann, Misliweczeck mit „Ezio" (1777), ferner der bayerische Musiker Joseph Michl, der unter anderem mit der Oper „II trionfo di Clelia" (1776) hervortrat, aber wenig Glück hatte.]

[Größere Bedeutung hat die Aufführung der Oper „Siroe" von Tommaso Traetta (1767), der, damals noch in Venedig, mit diesem Werk besonderem Auftrag nach- kam. Damit machte München zum erstenmal die Bekanntschaft eines der drama- tischen Neuerer des 18. Jahrhunderts. Die „Siroe", deren Text von Metastasio stammt, ist freilich nicht Traettas beste Oper, folgt vielmehr der „konservativen" Richtung Hasses, aus dem Grunde, weil der Komponist den Neigungen des baye- rischen Hofes entgegenkommen zu müssen glaubte. Sie ist ein Rückfall, nach Form und Geist, wenn man bedenkt, daß Traetta in seiner „Ifigenia" (Wien, 1758), in der „Sofonisba" (Mannheim, 1762) und in den im Verein mit dem Dichter Frugoni bis 1765 für Parma geschaffenen Opern bereits der Gluckschen Reform vor- gearbeitet hatte.^)]

[Wenige Jahre später, am 5. Februar 1773, erschien in München als Karnevals- oper jenes Werk, das die reformatorischen Absichten der italienischen Fortschrittler bis zur letzten Konsequenz verwirklichte, „Orfeo ed Euridice" von Calzabigi und Gluck. 1762 war es zum erstenmal in Wien aufgeführt worden.*) Wie Goldschmidt

n Vergl. P. Legband, Münchner Bühne und Literatur, S. 147 und 43.] [*) Rudhart S. 143.] [*) H. Goldschmidt in den Denkmälern der Tonkunst in Bayern, XJV. 1. S. X und XXVII. Un- richtig ist aber die auf Lipowskys Musiklexikon fußende Bemerkung, daß das Münchner Opern- Repertoire keine einzige Oper reformatorischer Tendenz aufweise ; 1773 wurde doch G 1 u c k s „O r f e o" in München gegeben!] *) [Vergl. H, Abert's Einleitung zur Neuausgabedes „Orfeo« in den Denk- mälern der Tonkunst in Österreich (Serie II.) Jahrg. XXI. Bd. 44a.]

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nachgewiesen hat, steht es gerade zu Traettas „Ifigenia" in Beziehungen, die sich sogar im einzelnen deutlich verfolgen lassen. Gluck ist freilich der Größere; der Italiener könnte bei allen seinen Vorzügen die Überlegenheit des deutschen Genies nirgends klarer an den Tag legen als in jenen Parallelen, die nur beweisen, wie hoch es sich über sein Vorbild erhob. Den Orfeo sang der Kastrat Gaetano Guadagni, für den Gluck in Wien die Partie geschrieben hatte. Er war auf Veranlassung der Kurfürstin Maria Antonia von Sachsen, die sich damals in München aufhielt, im Sommer 1772 aus Verona gekommen, woraus auch hervor- geht, wer die Anregung zu dieser denkwürdigen Aufführung gab. Die Münchner Bearbeitung weicht von der älteren in vielen Einzelheiten ab. Vor allem enthält sie Zusätze, im ganzen vierzehn Nummern, die in Form und Stil aus dem Rahmen des Werkes herausfallen und nur den Zweck hatten, die für eine Münchner Karne- valsoper erwünschte Ausdehnung herzustellen.^)]

[Kurz darauf, am Q.Januar 1775, kam eine andere „Orfeo"-Oper zur Aufführung, deren Textbuch der Dichtung Calzabigis unter wörtlicher Anlehnung folgt, das Ganze aber durch plumpe Einlagen, Vor- und Nebenhandlungen streckt und ver- zerrt. Wahrscheinlich haben dabei, wie schon bei der Münchener Passung des Gluckschen Werkes, Guadagni und die Kurfürstin selber die Hand im Spiel ge- habt. Der Komponist war Antonio Tozzi, Kapellmeister der Opera bufFa. Wie die Dichter ahmt auch er das Vorbild nach. Allerdings vergröbert auch er es und verfällt in echt neapolitanische Plattheiten. Immerhin ist seine Musik, besonders die der Furienszene, eine Talentprobe, jedenfalls ein Beweis für den starken Ein- druck, den das Glucksche Meisterwerk hinterließ.]

[Das zweite, ungleich bedeutendere Ereignis des Jahres war die am 13. Januar ge- gebene Erstaufführung der komischen Oper „La finta Giardiniera", die W. A. M o z a r t im Auftrag des Kurfürsten für die Münchner Bühne komponiert hatte. Das reich ausgestattete, geniale, aber unreife und innerlich ungleiche Werk wurde mit außer- ordentlichem Beifall aufgenommen, „verschwand aber schon nach der dritten Auf- führung von der Bühne." ''^)] Welche Bezahlung der junge Meister für seine Kom- position erhalten, ist völlig unbekannt. Der Verfasser erwähnt dieses Punktes erst unter Jahrgang 1781 gelegentlich der Erstaufführung des „Idomeneo," wo seine For- schungen ebenfalls resultatlos bleiben mußten. Ein Anhaltspunkt für die etwaige Honorierung findet sich in einem Briefe Mozarts aus München vom 2. Oktober 1777, worin er seine Einnahmen berechnet, wenn es ihm gelänge, in München eine An- stellung zu erhalten: „Ich würde den Kontrakt mit Graf Seeau (alles auf Einrathen

[') Vergl. Moritz Fürstenau, „Glucks Orpheus in München 1773" in den Monatsheften für Musikgeschichte. IV. 1872 S. 218 ff.; und M. Arend „Die Münchner Bearbeitung des Gluckschen Orpheus aus dem Jahre 1773." Musikalisches Wochenblatt, 1909, S. 2 ff. u. 21 ff.; ferner R. Engländer „Zu den Münchner Orfeo-Aufführungen von 1773 und 1775" im Gluck-Jahrbuch II. 1915. S. 26 ff., wo die auf Anregung der Kurfürstin geschriebenen Hofberichte über die Münchner Jahre 1772 bis 1775 (Journal pour l'Electrice Maria Antoinette, Hauptstaatsarchiv in Dresden, Loc. 3292) benutzt werden.]

H H.Abert, W.A.Mozart, 1919. I. S. 477. Andere Buffo-Opern für das Jahr 1773 bei Engländer, a.a.O. S. 43 Anm. (unter Hinweis auf die reichlichen Berichte des „Journals").]

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meiner guten Freunde) so machen: Alle Jahre 4 teutsche Opern, teils buffe, teils Serie zu liefern; da hätte ich von einer jeden eine Sera oder Einnahme für mich das ist schon so der Brauch, das würde mir allein wenigstens 500 fl. tragen etc."^) Daraus würde sich nach dem „Brauch" als „Sera oder Einnahme" die Riesen- summe von 125 fl. berechnen jedenfalls für die Premiere. Daß er für die Wieder- holung am „Freitag" noch eine Nachzahlung erhielt, ließe sich, da er den Grafen Seeau als gegen ihn wohlwollend schilderte, vermuten, wenn da nicht mißliche Finanzverhältnisse in Betracht kämen, wie sie schon damals bei der Münchner Oper an der Tagesordnung waren.

[Der Tod des Kurfürsten am 30. Dezember 1777 rief in der Entwicklung der Münchner Oper einen völligen Umschwung hervor. Da der Verblichene keinen Erben hinterlassen hatte, fiel Bayern an den Kurfürsten Karl Theodor von der Pfalz. Nach dem Erbfolgevertrag mußte der neue Landesherr seine Residenz von Mannheim nach München verlegen. Dadurch war mit einem Schlag eine neue, für die bayerische Hauptstadt jedenfalls erfreuliche Lage geschaffen. Denn auch Karl Theodor war den Künsten zugetan. Oper und Orchester in Mannheim waren ob ihrer Vortreff'lichkeit in ganz Deutschland berühmt. Durch die Versetzung ihrer besten Mitglieder an die bayerische Hofkapelle erlebte die Münchner Musik eine Erneuerung. Dazu war die Marchandsche Theatergesellschaft von Mannheim nach München beordert worden. Auch in der Verwaltung gab es Änderungen. Durch ein noch in Mannheim ausgefertigtes Dekret vom 24. August 1778 wurde Graf Seeau als Theater- und Musikintendant wiederbestätigt, mit der Auflage gegen feste jährliche Zuschüsse Oper, Ballett und deutsches Theater zu „unternehmen." Konzertmeister Alliprandi und zwei Sängerinnen wurden pensioniert. Endlich sollten die deutschen Singspiele in dem am 6. Oktober wiedereröfi'neten alten Opern- haus gegeben werden.]

[Die erste Tat des neuen Ensembles war die Aufführung der „ersten deutschen" Oper „Alceste" von Wieland und Schweitzer, 1778/79^)]; nach der eben er- wähnten Bestimmung hätte sie im alten Opernhause stattfinden sollen; als große Oper aber wurde sie auf der italienischen Hofbühne gegeben.') [Seit ihrer Erst- aufführung in Weimar am 28. Mai 1773 ging sie über zahlreiche deutsche Bühnen und wurde in Weimar allein innerhalb zweier Jahre fünfundzwanzigmal mit großem Erfolge gegeben. Sie war das Ereignis der Zeit, vom nationalen Standpunkt aus bedeutender als vom kunstgeschichtlichen. Und wie jede überragende Erscheinung rief diese deutsche „Alceste" schon durch ihre Rivalität mit dem kunstgeschichtlich

njahn (3.Aufl.), LS. 403.]— P)Lipowsky, Musiklexikon. Mozart schrieb nach seinem Besuch der deutschen Oper in München unterm 2. Oktober 1777 an den Vater: „Originalstücke haben sie

nicht. Eine deutsche opera seria möchten sie auch bald geben und man wünschte, daß ich

sie komponierte." „Deutsche Opern" waren seine Sehnsucht schon damals; er hoffte gerade „der deutschen Nationalbühne in der Musik emporzuhelfen." Auch in Mannheim beschäftigte ihn der Ge- danke. Jahn. I. 400,403 und 458.] [») Reipschläger, Schubaur, Danzi und Poißl. 1911. S.2 (Ab- druck eines im „Zuschauer in Bayern" enthaltenen Theaterberichts über die Münchner Aufführung.)]

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wichtigeren Werk von Calzabigi und Gluck, ebensoviel Begeisterung wie Tadel hervor. In einem Zeitungsbericht über die Münchner Aufführung hieß es, die Musik habe ungemeine Schönheiten, ob sie schon im Zusammenhang kein har- monisches Ganzes auszumachen scheine. Es herrsche oft soviel Kunst darin, die Gedanken seien zu gedrängt, welches die schöne Einfalt der Natur an manchen Orten entstelle.^) Gewiß, aber die Bedeutung des Werkes liegt in der zielbewußten Erneuerung der bisher vergeblichen Versuche,^) der opera seria eine ernste deutsche Oper und einen Erfolg entgegenzustellen, wie er den Schöpfern des deutschen Singspiels bereits beschieden war. Freilich liefen Wielands Bestrebungen nicht auf lebensvolle „Dramatik" hinaus, sondern auf rührende Seelenschilderung, mit der sich die Musik in hergebrachter Form verbindet. Nach seiner Ansicht kann Handlung nicht gesungen, sondern nur agiert werden. Er leugnet die dämo- nische Natur der Musik, sie sei nur schön und rührend, nicht aber tragischen Ausdrucks fähig. Die Operndichtung wünschte er also einfach und maßvoll, mit wenig Handlung, desto mehr Vertiefung der seelischen Vorgänge durch ausdrucks- vollen Gesang.^) Schweitzer schloß sich dem Dichter an als Interpret zartinniger Gefühle, als Musiker, nicht als Dramatiker. Für die Einfachheit, Wucht und Größe der Gluckschen Sprache fehlte ihm das Verständnis. Er stand also mit der neuen, in Jommelli, Traetta und Gluck verkörperten Richtung, mit der zeitgemäßen Reform im Widerstreit, und das ist es, was die deutsche „Alceste" trotz ihrer Erfolge um die Nachwirkung betrog. Die Zukunft gehörte dem „Musikdrama".]

[Das Jahr 1780 brachte eine Oper „Telemaco" von Paul Grua, der im Verband der Mannheimer Kapelle nach München gekommen war und später beim Tod Bernasconis sein Nachfolger wurde. Die Ballettmusik dazu schrieb Musikdirektor K. J. Toeschi, ebenfalls ein ehemaliger Mannheimer Musiker.]

Hiemit sind wir beim glorreichen Ereignis des Jahres 1781, der Erstaufführung von Mozarts „Idomeneo'* angelangt. [Es war die fällige Karnevalsoper. „Man wünschte in München eine ganz neue Oper zu haben. Bei dem Interesse, welches Karl Theodor und seine Gemahlin für Mozart hatten, wurde es seinen Freunden nicht schwer, die Wahl auf ihn zu lenken." (Jahn.) Das Textbuch stammte von dem Salzburger Hofkaplan Varesco, die deutsche Übersetzung von Mozarts altem Freunde Schachtner. In „Idomeneo" betritt der junge Meister zum ersten Male „die Bahn der Unsterblichkeit", wenn er auch die Mängel seiner italienischen Jugendarbeiten noch nicht ganz überwunden hat: er macht zu viel Musik, steht auch den Schwächen des Textes unkritisch gegenüber.*) Die Oper ist nicht die Krone der alten Opera seria (wie Jahn und seine Nachfolger noch glaubten), auch keine Reformoper, sie gehört zu den besonders von Sarti unternommenen,

[') Vergl. Jul. Maurer, Anton Schweitzer als Opernkomponist. 1911. S. 17 f.] H Schon 1749 hatte I. A. Scheibe durch Vorlage einer deutschen Oper „Thusnelda" (mit ästhetischer Vorrede) auf die Wiederbelebung der deutschen Opernbewegung hinzuwirken versucht. Ihm folgten andere]. [«) Maurer, S. 30f., 41, 56 ff.] [*) Vergl. H. Kretzschmar „Mozart in der Geschichte der Oper". Jahrb. Peters. 1905. S. 58 ff.]

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fruchtlosen Versuchen, den italienischen Stamm durch französische Aufpfropfung zu erneuern. Aber sie ist für Mozarts innere Entwicklung selbst eine "Wende zur Meisterschaft, seine höchste Leistung auf dem Gebiete der Opera seria, eine Kraft- probe seiner überragenden Individualität. Der Fortschritt liegt im Musikalischen.*) An Kühnheit und Neuheit des Ausdruckes kann sie sich mit den Besten ihrer Zeit messen. Der neue Geist des Musikdramas spricht sich am deutlichsten in der gewaltigen Sturmszene aus, die ihre Wirkung vor allem dem Chor verdankt. Vielleicht kam&n dem Musiker die Anregungen dazu von der Wiener Musik und vom Oratorium, vielleicht hat auch Gluck sein Teil daran. Die Münchner Tage waren für Mozart Tage freudiger Spannung. Den größeren Teil der Partitur schrieb er in seiner Wohnung an der Burggasse.] Die Anwesenheit des Vaters mit der Schwester in München, sagt Jahn, hat uns wahrscheinlich um einen ausführlichen Bericht über die Aufführung des Idomeneo und dessen Erfolg gebracht; auch ist es weder mir noch den Nachforschungen von Münchner Freunden gelungen, näheres über dieselbe zu ermitteln. Nach allem, was wir über den Beifall, welchen die Oper in den Proben fand, und über die dadurch erregte allgemeine Spannung lesen, könnte man nicht bezweifeln, daß sie glänzend aufgenommen wurde. Dieser optimistischen Anschauung kann ich mich um so weniger anschließen, als ich in der Tatsache, daß die Oper eine Wiederholung nicht erlebte^) von keiner Seite ist wenigstens einer solchen erwähnt worden eher ein Indicium des Gegenteils erblicken möchte. Auch würde eine „glänzende" Aufnahme jenen Reporter der „Münchner Staats-, Gelehrten- und vermischten Nachrichten" nach Journalistenart sicher angeregt haben, eine wenigstens anständige Notiz zu liefern. Zudem lag in der kaum zur Hälfte genügenden Besetzung der Rollen, namentlich hinsichtlich des Ausdrucks und der Aktion, ein starkes Hindernis für das Verständnis des gewaltigen, damals gewiß sehr schwer verständlichen Werkes. Einzelne Verehrer, auch in den nicht offiziellen Kreisen (soweit solche in der Karnevalsoper überhaupt Platz fanden), wird die göttliche Musik wohl gefunden haben; aber diese befanden sich sicher in einer fast verschwindenden Minorität. Haben doch stets gerade die tiefsten Offenbarungen der Musik am längsten gebraucht, bis sie verstanden wurden, und dazu war der Oper mit einer Vorstellung eine verzweifelt kurze Frist gegeben. Was die große, rückhaltslose Anerkennung des Kurfürsten Karl Theodor betrifft, so war diese für Mozart eine wirkliche Ehrung, denn sie ging von einem Fürsten aus, dem Kenntnisse und Geschmack auf allen Kunstgebieten unstreitig zu Gebote standen, wie demselben hinwiederum das Gefallen an Mozarts Musik das neben- bei beweist, daß er den „Welschlands-Paroxysmus*' nicht teilte zur Ehre ge- reichte. Genutzt hat es diesem zu Lebzeiten freilich nichts; erst nach seinem Tode zeigte es sich, welchen Stein er sich bei dem kunstverständigen Fürsten ins Brett

n Vergl. H. Abert, Mozart. I. 1919. S. 844, 868.] P) Abert bemerkt a.a.O. S. 868, daß „der Erfolg der Oper auf die wenigen von Mozart selbst dirigierten Münchner Aufführungen beschränkt blieb" und „von der Wiener Liebhaber-Aufführung von 1786 abgesehen, zunächst nirgends wieder zum Vorschein kam."]

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gesetzt hatte, als dieser sein Zensuricollegium, welches die Aufführung des „Don Juan" aus sittlichen Gründen verbieten wollte, kräftig desavouierte.^) Aber die Gelder, die der Meister von München wegtrug?! Rudhart schreibt darüber: „Bezüglich des Honorars, welches der Komponist erhielt, fand ich in den mir zu Gebote stehenden Akten und Rechnungen keine Spur; da dem Grafen Seeau als Entrepreneur das gesamte Opernwesen übertragen war, er also den Komponisten zu honorieren verpflichtet war, dürften die hierauf, sowie auf anderweitige Einzel- heiten bezüglichen Dokumente sich in dessen schriftlichem Nachlaß, dessen Schicksal mir aber ganz unbekannt blieb, befunden haben." Sie sind, wie ich mitteilen werde, nie zum Vorschein gekommen. Jahn sagt (S. 654): Wieviel Honorar Mozart für den Idomeneo erhielt, wissen wir nicht ( eben darum, weil Vater, Sohn und Schwester beisammen waren und zu einer brieflichen Mitteilung, welche erhalten worden wäre, keine Veranlassung war); daß sie nicht sehr bedeutend war, erhellt daraus, daß Leopold dem Sohn (11. Dezember 1780) schreibt: „Wie wird es mit der Spart gehen? wird sie kopiert? Du mußt darauf Bedacht nehmen. Um so eine Bezahlung, wie diese, kann man eine Spart nicht zurücklassen!" Ich komme hier auf meine Vermutung betreffs des Honorars für die „Pinta Giardiniera" zurück, wonach sich nach Mozarts Berechnung auf die „Sera" einer Oper dem Gebrauch gemäß ein Honorar von 125 fl. ergeben hätte. Ob nicht zwischen einer opera buffa und einer großen Oper ein Unterschied gemacht wurde, entzieht sich natürlich meinem Wissen. Mozart antwortete auf des Vaters Frage (16. Dezember): „Wegen der Spart zu kopieren braucht ich es gar nicht fein zu machen, sondern sagte es geradezu dem Grafen. Es war allezeit in Mannheim der Brauch (wo der Kapellmeister gewiß gut bezahlt war), daß er das Original zurückbekomme." Ein wahres Glück, nicht allein für Mozart, sondern für uns war es, daß er sein Manu- skript von München mitnehmen durfte.-) Denn von der erwähnten Kopie ist eben- sowenig wie vom ganzen Notenmaterial des Idomeneo (und der Pinta Giardiniera, was hier nachträglich bemerkt sei), eine Spur vorhanden, und wäre sicher der Idomeneo, wie alles, was einmal die Registratur des Grafen Seeau barg, verloren gegangen!

Ausnahmsweise wurde nach Schluß dieser sehr großen Oper nur ein „zur Hand- lung gehöriges" Divertissement gegeben,'') mit dessen Komposition Mozart selbst betraut wurde. Daß er für diese Arbeit nicht eine besondere Gratifikation von dem gerade ihm wohlwollenden Grafen Seeau erhalten haben sollte, ist kaum an- zunehmen. Jedenfalls ging Mozart in bester Stimmung aus München, nachdem er die Freuden des Karnevals daselbst ausgiebig genossen. Nicht nach dem „gefürchteten

^) Siehe S. 65. ') Daß sich dies nicht von selbst verstand, darf nicht wundernehmen. Komponisten der Gegenwart wissen aus Erfahrung, daß Hofbühnen ersten Ranges aus Ersparnis geneigt sind, Partituren aufgeführter Werke, sofern nicht eine Abschrift geleistet wird, als ihr Eigentum zu betrachten.— *) Jul. Rietz widerspricht diesem dramatischen Zusammenhang (man hat vielleicht die gleichen Kostüme verwendet). Breitkopf & Härtel haben nachträglich den Druck des aus 5 Nummern bestehenden Divertissements in Aussicht gestellt, M. Z,

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Salzburg," sondern nach der Kaiserstadt Wien ging der Weg; dorthin hatte ihn sein Fürstbischof soeben amtlich berufen. Ob er besseren Lebensverhältnissen ent- gegengegangen wäre, wenn er in München die abermals gehoffte Stellung erhalten hätte, ist, da Abbe Vogler und Peter Winter seine persönlichen Rivalen geworden wären, mindestens fraglich. Nie sah er München wieder, und diesem blieb der Trost, daß der Herrliche mit freundlichen Gesinnungen und lieben Erinnerungen aus ihm geschieden war. In Wien wartete seiner „Künstlers Erdenwallen" im be- kannten Sinne, aber über Wien, als der ersten Musikstadt der Welt ging auch der Weg zu seiner Unsterblichkeit; es war ihm zum Heil, es riß ihn nach oben.

[Bis zum Jahre 1787 brachte die Hofbühne noch italienische Opern von Salieri, Prati und Holzbauer heraus. Für den Karneval 1788 war die „Circe" von Peter Winter bereits fertig in Partitur und zur Aufführung bereit, als der Kurfürst noch vor Ablauf des alten Jahres, am 10. November 1787, den Befehl erließ, daß die üblichen italienischen Karnevalsopern bis auf weiteres zu unterbleiben hätten. Für eine Stadt, die als Hochburg der italienischen Kunst weit über hundert Jahre gerade den Karnevalsopern gehuldigt hatte, ein unerhörtes Ereignis! Der nächste Anlaß dazu war das jährliche Defizit, das den großen Neuaufführungen um so sicherer zu folgen pflegte, als die Geschäftsführung des Intendanten völlig ver- sagte. Da die Schulden jeweils aus Privatmitteln des Kurfürsten zu decken waren, machte dieser also dem Mißstande ein kurzes Ende. Ohne Zweifel mag dabei seine persönliche Abneigung gegen Fremdländerei den Ausschlag gegeben haben. Hatte er sich doch schon in München für die deutsche Kulturbewegung eingesetzt, für die deutsche Literatur, für das deutsche Singspiel, das er auch durch die deutsche Sing- schule (1775) und die „kurfürstliche deutsche Schaubühne" (1777) unter Theobald Marchand ^) zu fördern trachtete. Er wünschte originale deutsche Opern an Stelle der ausländischen, insbesondere große Stoff^e aus der vaterländischen Geschichte.^) 1775 ließ er sich in Schwetzingen die deutsche „Alceste" vorführen, kurz darauf, am S.Januar 1776, im Mannheimer Opernhause die durch ihn angeregte Oper „Günther von Schwarzburg" von Klein und Holzbauer, die als deutsches „Singspiel" großen Stils die „Alceste" noch überbot^) und als nationale Tat höheren Grades gefeiert wurde. Mannheim war um so mehr ein Mittelpunkt des Nationalgedankens, als hier die Glucksche Reform, die zwar den Dichtern, nicht aber den Musikern einleuchtete, auch im Musikalischen beherzigt wurde. Die Münchner „Alceste"- Aufführung reiht sich also, wie das Glied einer Kette, in die Bestrebungen ein als bedeutsamer Vorbote einer neuen Sinnesrichtung. Wir wissen, daß Karl Theodor seine Mannheimer Pläne in München nicht aufgab. Doch wohlgemerkt, es waren auch hier, wie überall, wo das Renaissance-Idol zu verblassen begann, nationale Versuche längst vorausgegangen. Ich erinnere an die Stücke in deutscher Sprache

[^) Vergl. Rudhart, Theobald, Marchand. Ein Beitrag zur Geschichte des Theaters im 18. Jahr- hundert. Münchner Propyläen, 1869. S. 25/26 und 52/55.] [*) E. Reip Schläger, Schubaur, Danzi und Poissl als Opernkomponisten. 1911. S. 9 ff.] [') Vergl. H. Kretzschmars Vorwort in den Denkmälern deutscher Tonkunst, VIII. S. 14.]

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aus der Steffani-Zeit. Unter Max Emanuel wurde im Opernhaus ca. 1710 eine deutsche Allegorie „die bekrönte Unschuld" von Joh. Georg Lütich mit Musik von Franz Simon Schuechbaur gegeben.^) Schon der Vorgänger Karl Theodors, Max Joseph III., förderte den deutschen Gedanken. Seine Vorstöße gegen die französische Komödie zur Hebung des deutschen Schauspiels^) bereiteten der „kurfürstlichen Nationalschaubühne" den Boden. Auch dem deutschen Singspiel war dieser Fürst geneigt. 1765 wagte Joseph von Kurz (der Wiener Bernardon), freilich ohne Erfolg, den Versuch eines deutschen Dramas. In den siebziger Jahren waren besonders Übersetzungen französischer Operetten beliebt, denen bald deutsche Originale folgten. Nur standen sie sozusagen im Schatten der hohen Kunst. Sie waren Privatunternehmungen. Nach 1778 nahm im Anschlüsse an die „Alceste" die neue Bewegung zu. Angriffe gegen die französische und italienische Musik bildeten den Ausgangspunkt für ästhetische Erörterungen, die nunmehr in Wort und Schrift das Theaterpublikum beschäftigten. Eine „nationale Oper" war auch die Sehnsucht der Münchner.]

[') P. Legband, Münchner Literatur und Bühne. 1904. S. 6.] [') Grandaur, Chronik des königl. Hof- und Nationaltheaters in München. 1878. S. 3.]

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ZWEITER TEIL DIE OPER VON 1787—1886

DIE ANFÄNGE DER DEUTSCHEN OPER. GRAF SEEAU. MARIUS BABO (1787—1811)

Auch [die von Max Joseph III. ins Leben gerufene Akademie der Wissenschaften iV unterstützte die vaterländischen Bestrebungen des Theaters. Ihrer Anregung verdankte München die Gründung der Nies er sehen Theatergesellschaft, die in den siebziger Jahren den glücklichen Versuch unternahm, dem Publikum neben deutschen Lustspielen auch Operetten in deutscher Sprache zu vermitteln. Sie spielte auf dem alten Faberbräutheater an der Sendlingergasse, später auf Wunsch des Kurfürsten zugleich im alten Opernhaus. Ihr großer Erfolg veranlaßte den Intendanten von Seeau, der sich schon 1772 für diese Bestrebungen interessierte^), sie als „Entreprise" gegen einen kurfürstlichen Zuschuß zu verwalten. 1784 wurde er von Karl Theodor darin „auf Lebensdauer" bestätigt. Dem Theater wurde auch das kurfürstliche Ballett zugeteilt. Nieser als „Direktor" behielt die künstlerische Leitung, spielte aber daneben an gewissen Wochentagen auch beim Faberbräu. Beim Regierungswechsel (1777) wurde die Gesellschaft mit Ausnahme des Direktors und einzelner Erwählter aufgelöst, aber ein Jahr später durch Erlaß Karl Theodors als „National-Schau- bühne" im alten Opernhause wieder eröffnet und der von Mannheim übergesiedelten Marchandschen Gesellschaft übertragen. Diese bestand aus dreißig Mitgliedern, die zum großen Teil auch im Ballett und im Singspiel verwendet wurden, Künstlern von anerkannter Tüchtigkeit. Das Orchester stellten Angehörige der Hofkapelle im Nebenamt. Das Sekretariat versah der Theaterdichter und spätere Intendant Franz Marius Babo; für das Bau- und Dekorationswesen waren die Hoftheater- maler Joseph Quaglio, Willerths und Pinchetti und der Architekt Lorenz Quaglio verantwortlich. Das Publikum verfolgte die Ereignisse der deutschen Bühne mit Verständnis und leidenschaftlicher Hingabe. Sein Urteil war gesund und gerade, vielleicht eben deshalb „im Lob wie im Tadel" überschwänglich, aber wenn Mozart in seinem Brief vom 12. Dezember 1778 nicht übertreibt, mitunter etwas grobkörnig. Durchreisenden Künstlern fiel besonders der gute Geschmack der geringeren Stände auf.] Wenn sich das gesunde Urteil des damaligen Durch- schnittsmünchners, woran kaum zu zweifeln, auch auf sein musikalisches Empfinden erstreckte, so war das in erster Linie durch die Verhältnisse gebotene Repertoire

[*) Vergl. P. Legband, Münchner Bühne und Literatur im 18. Jahrhundert. S. 161 ff.]

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der nächsten Jahrgänge auch ganz geeignet, dasselbe allmählich und unvermerkt zu erziehen bis zu jener ferneren Grenze nämlich, wo eine völlige Geschmacks- läuterung zur Aufnahme des Höchsten in der Kunst treten muß. Die leichte Melodik der französischen, auch der italienischen Singspiele, welche durch prickelnde Hand- lung und entsprechende lebendige Darstellung noch eindringlicher wurde, mochte allgemein anziehen und das Interesse wachhalten, [auch] eine ernstere inhaltschwere Musik [hätte] sicher ein wahres Verständnis gefunden. [Die öffentliche Meinung sprach sich über alle Gedanken, die damals die deutschen Kunstphilosophen be- wegten, gründlich aus. Die literarischen Zeitschriften, wo vornehmlich Gelehrte und Künstler sich zum Wort meldeten, kämpften nicht nur für die nationale Kunst, sie zogen auch Grundsätzliches in den Kreis ihrer Ausführungen. So behandelte Professor Strobl in seinem „Freundschaftlichen Brief an die Schauspieler in München" (1782) auch die Frage nach der sittlichen Berechtigung des Theaters und betonte neben den dramatischen auch die erzieherischen Aufgaben des Sing- spiels.^) Im „dramatischen Censor", der nach kurzer Lebensdauer 1783 wieder einging, zog er alle Register gegen die Gefahren des Theaters und kam im Hinblick auf gewisse Erscheinungen freilich zu Schlußfolgerungen, die der vaterländischen Bewegung nicht eben förderlich sein konnten. Auch Lorenz von Westenrieder stellte sich im „Jahrbuch der Menschengeschichte" in die Reihen der unzufriedenen Kritiker. Positive Arbeit leistete dagegen der Benediktiner Professor Joachim Schuhbauer, der in seinem Aufsatze „Über die Singspiele" (in den „Abhandlungen der bayerischen Akademie über Gegenstände der schönen Wissenschaften" 1781) für die Bedeutung des Dramas im Singspiel eintrat. Erich Reipschläger hat festgestellt, daß in dieser Schrift, die später bei Mosel, Weber und Wagner wieder- kehrenden Ideen über das Gesamtkunstwerk konsequenter erfaßt werden, als in irgendeiner anderen der Zeit. „Die besondere Bedeutung von Schuhbauers Abhandlung liegt darin, daß sie gerade aus Münchner Verhältnissen heraus ge- schrieben wurde" und von dem eingewurzelten Vertrauen auf die nationale Oper zeugt. ^) Auch Zeitschriften, wie die „Münchner Gelehrte Zeitung", die „Pfalz- bayerische Muse", die „Aurora", das „Münchener Intelligenzblatt" bestätigen das in allen Kreisen wachsende Interesse für die deutsche Sache.]

[Marchand, der in Paris die Operette schätzen gelernt hatte, gab ihr natürlich auf seiner Bühne den Vorzug vor den spezifisch deutschen Schöpfungen. Er brachte die berühmtesten Werke von Dalayrac, Philidor, Gretry, Monsigny, Gossec, Dezede, daneben italienische von Piccini, Paesiello, Guglielmi, Sacchini, Prati, Salieri, mit denen das Publikum der Hofoper seit längerer Zeit bekannt war; auch Deutsche kamen zu Wort, und die Kritik forderte leidenschaftlich ihre stärkere Berücksichtigung: Benda, Andre, Vogler, Hiller („Die Jagd"), Gluck („Pilgrime von Mekka"), Dittersdorf („Doktor und Apotheker"). 1785 wurde Mozarts „Entführung aus dem Serail" gegeben.] Obwohl über die erste Aufnahme

[') Vergl. Reipschläger, a.a.O. S.13fF.] [') a.a.O. S. 25.]

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dieses Werkes seitens des Münchner Publikums nähere Nachrichten fehlen/) so ist doch mit Sicherheit anzunehmen, daß der romantische Stoff auch dem größeren Publikum zusagte und daß die seither wohl vermehrten „Kenner" die Neuheit und Genialität der Mozartschen Musik herausfanden. Die Premiere fand am 1. April, mit Mad. Lang als Blondchen, Hartig als Belmonte und Piloti als Pedrillo statt. Die Gewißheit, daß die beiden Damen Wendung schon 1788 dem Personal nicht mehr angehörten, widerspricht nicht der Vermutung, daß eine derselben, am ehesten Mad. Dorothea Wendung, die Constanze gesungen hätte. Der Bassist Fischer war schon 1780 nach Wien abgegangen, woselbst er eben noch im Jahre 1781 die von Mozart für ihn geschriebene Prachtrolle des Osmin sang. Als sein Nachfolger in München trat Phil. Sedlmayer, ein Schüler Valesis, erst 1786 ins Engagement. Eine kurze Besprechung einer Aufführung der Oper im Jahre 1797, die sich nicht über das inzwischen bereits anerkannte Werk, sondern über eine zum Teil miserable Besetzung ausläßt, findet der Leser im Anhang unter den Rezensionen aus Klaubaufs „dramatischem Briefwechsel".

[Auch zwei einheimische Musiker traten damals unter den Singspielkomponisten hervor, Lukas Schubaur und Peter Winter. Wie später Danzi und Poißl sind auch sie schon gewichtige Zeugen für die Fernwirkung der Mannheimer Oper.*) Schubaur, seines Zeichens Stadtphysikus, ein guter Musiker, den nur die Lebensverhältnisse an der Ausübung des Künstlerberufes verhinderten, nahm sich Holzbauers dramatischen Stil vor allem in der Charakteristik und im Ausmaß der Formen zum Muster.^) Seine Opern haben allerdings noch gesprochenen Dialog. Am 8. Mai 1783 wurden seine „Dorfdeputierten" (Text nach Goldoni) mit durchschlagendem Erfolg zum erstenmal gegeben und im Folgenden weit über hundertmal wiederholt. Auch andere deutsche Städte machten die Bekanntschaft des Werkes. In München galt es als „die Oper, die der Deutsche will", geeignet, Franzosen und Italiener von der deutschen Bühne zu verjagen die Hoffnung aller Patrioten. Die andern Singspiele Schubaurs „Melide oder die Schiffer" (1782), „Das Lustlager" (1784, Text von Franz Marius Babo), „Die treuen Köhler" (1786, Text von Heermann, dem Bearbeiter der „Dorfdeputierten") scheiterten am Dichterischen. Das „Lustlager" fiel durch und entfesselte wegen seiner „Zoten- haftigkeit" einen Meinungsstreit, der im übrigen nur die von Strobl, Westenrieder und anderen Kritikern geäußerten Ansichten über die sittlichen Aufgaben des Theaters an einem willkommenen Beispiel erhärten sollte.^) Auch Peter Winter, der uns schon als Komponist der „Circe" bekannt ist, hatte mit seinen dramatischen Erstlingen Anstoß erregt. In Strobls „Freundschaftlichem Brief" wurden die beiden Melodramen „Leonardo und Blandine" und „Reinhold und Armida" (1780), be- sonders aber das von Joseph Kurz gedichtete Singspiel „Helena und Paris" (1782)

[') Wir wissen aber, daß es zahlreiche Aufführungen erlebte. Vergl. das statistische Verzeichnis bei Legband. Münchner Bühne und Literatur im 18. Jahrh. München 1904. Bd. 51 des oberbayr. Archivs f. vaterländische Geschichte.] [') Vergl. Kretzschmars Vorwort in den DDT. VIIL] [») VergL Reipschläger, a.a.O. S. IV und 25 ff.] [*) Reipschläger, a.a.O. S. 13.]

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als „monströse Cruditäten" gebrandmarkt. Text und Musik erschienen dem Tadler gleich unwahr und unkünstlerisch. Später mag er sein Urteil über den Musiker berichtigt haben. Winter, ein Schüler Voglers und Salieris, war 1778 mit den Mannheimern nach München gekommen. Er stand damals in der Kapelle als Geiger und Kontrabassist. 1787 rückte er zum Vizekapellmeister auf und führte gemein- schaftlich mit seinem Kapellkollegen Christian Danner die Orchesterleitung der »National-Schaubühne*.^) Elf Jahre später (1798) wurde er zum Hofkapellmeister ernannt und verblieb in dieser Eigenschaft bis zu seinem Tod (1825) im Verband der Hofoper, obschon ihn in späteren Jahren Kirchenmusik und Akademien mehr beschäftigten als das Theater. Kein Münchner Kapellmeister machte auch vom Urlaubsrecht so oft und so ausgiebig Gebrauch. Seine Kunstreisen gingen über halb Europa: wiederholt nach Wien, wo er Salieris Unterweisung in der drama- tischen Gesangskomposition genoß, nach Neapel, Venedig, 1817 nach Mailand und Pisa 1802 und später nach Berlin, London und Paris. Sein bekanntestes Werk „Das unterbrochene Opferfest" 1796 in Wien zum erstenmal, am 19. August 1798 auch in München aufgeführt verrät die Nähe Italiens nicht nur in den großen Koloratur-Arien des Mafferu und der Elvira. Doch entfällt der beste Teil seines Schaffens auf die Münchner Zeit. Merkwürdig bleibt das Mißgeschick, das hier gerade seinen kunstgeschichtlich und künstlerisch wertvolleren Werken begeg- nete. Die von Gieseke gedichtete Oper „Elise, Gräfin von Hildburg" und die Oper „Der Sturm", deren Buch (nach Shakespeare) von Franz Xaver, Kaspar stammte, wurde bei ihrer Erstaufführung (1799) abgelehnt. Nicht besser erging es der zehn Jahre später, im Auftrage der Kaiserin Maria Theresia unternommenen und in München vollendeten Oper „Colmal", einer ossianischen Dichtung Collins. Der Komponist konnte diesen Mißerfolg nicht verschmerzen, doch bezeichnete er die „Colmal" als sein „Meisterwerk".^) In der Tat sagt er sich darin vom Herkommen los, wie es denn auch als durchkomponierte Oper unter ihren Vor- läufern einen bedeutenden Rang einnimmt. An Stelle der ihm sonst geläufigen lapidaren, mitunter auch etwas flüchtigen Anspruchslosigkeit des Ausdrucks, die viel Frisches hat, freilich oft auch die Grenzen des ästhetisch Zulässigen über- schreitet, steht hier Pathos, gefaßte Größe, die Sprache der Leidenschaft. Das romantische Zwielicht der Dichtung trägt auch in die Musik einen fremdartigen, zauberischen Schein, Besonders dem Bläser- und Harfenklang gewinnt der Kom- ponist Wirkungen ab, die wohl in französischen Eindrücken ihren Ursprung haben. Er schrieb die Partitur nach seiner Pariser Reise. In den Bardenchören wie überhaupt in ihrer Verwendung zur Charakterisierung greift er Simon Mayrs Neuerungen auf. Man wird sich aber leicht überzeugen, welch starken Einfluß auch Mozarts „Don Giovanni"-Musik auf ihn ausübte. Auch im „Sturm" mit seiner realistischen Kulissenmalerei, in der starken Orchesterbesetzung der ersten Szene (mit 4 Hörnern, 3 Posaunen, 2 Trommeln über das herkömmliche Maß)

[») Vergl. Frensdorf, Peter Winter als Opernkomponist. Erlangen 1908, S. 27.] [*) Vergl. Frensdorf, a.a.O. S. 52, 84.]

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sind solche Einflüsse wirksam. Gewiß Iiat aucli Vogler seinen Teil daran. Bemerkenswert ist in Winters seriösen deutschen Singspielen die mehr instinkt- mäßige als bewußte dramatische Sicherheit seiner durchkomponierten Szenen. Seine Helden singen deutsch und haben italienisches Blut in ihren Adern. Seine melodischen Einfälle sind alle ohne Kunst auf primitive fanfarenmäßige Bildungen gestellt. Und doch, wie stark wirkt solche Urwüchsigkeit. Sie ist das Geheimnis seiner Popularität.]

Wenn ich nun an dieser Stelle mir ein Urteil über Winters berühmteste Oper „Das unterbrochene Opferfest" gestatte, wie es mir mein moderner Sinn in die Feder diktiert, so mögen es mir die Manen des Komponisten und seiner unge- zählten schwärmerischen Verehrer verzeihen; denn der Sturm des Zeitumschwunges hat von dem Werke grausam alle Reize hinweggefegt, womit es die musikalische Welt ein halbes Jahrhundert hindurch im Banne hielt. Die Musik ist kerngesund, von natürlichem melodischem Flusse, dem thematischen Gehalte nach echt deutsch, wenn auch, nicht zu ihrem Nachteil, von dem beweglicheren und schärferen franzö- sischen Rhythmus etwas beeinflußt. Groß oder hervorragend, sei es nach Seite der dramatischen Charakteristik oder der rein musikalischen Erfindung, ist sie dagegen gewiß nicht; sie bewegt sich von Anfang bis zu Ende für unsre heutige Emp- findung — im allgemeinen Fahrwasser der Zeit. Eine geistreiche, musikalisch fes- selnde Stelle, auch nur eine einzige, ist mir nicht aufgefallen; ebensowenig ward mein eifriges Suchen nach dramatischen Eindrücken gelohnt, zum Ergriff'ensein will es eigentlich nirgends kommen; es ist gute, meist schöne Musik ohne Leiden- schaft, oder es hat sich der Begriff' dieses Wortes in unseren Tagen sehr verändert.

[Unter den für München komponierten Werken Winters sind außer den drei zuerst genannten und den als Hauptwerke gekennzeichneten noch hervorzuheben: die Opern „Psyche« (1790, Text von C. Mühler), „Salomons Urteil" (1809), „Der Frauenbund« (1805, Text von M. Babo), die neben dem „Unterbrochenen Opferfest" am meisten bekannte „Marie von Montalban" (1800, Text nach dem Trauerspiel von J. N. Komareck von Karl Reger) und das einaktige Singspiel „Der Sänger und (der) Schneider" (1819/20). Auch von den anderen Opern gingen die meisten, wie „Castor und Pollux" (1805), „Maometto" (1819), „Ogus", „Die Pyramiden von Babylon", „J Fratelli Rivali" über die Münchner Bühne. Über Vernachlässigung konnte sich Winter in dieser Hinsicht wenigstens nicht beklagen. Bemerkt sei, daß er sich auch mit Gluck beschäftigte. In den Chören des „Bellerophon" (1782) und der für London komponierten Opern „Calypso" und „Proserpina" erkannten schon die Zeitgenossen das berühmtere Vorbild. 1816 brachte er „Iphigenia in Aulis" in neuer Orchesterbearbeitung wiederholt zur Aufführung. Weniger die „Orchestrierung", als die Tatsache an sich verdient Beachtung. Sie ist ein weiterer Beleg für den im Stillen fortdauernden Einfluß Glucks.^) Wie in Wien hatten seine Anschauungen in München wenigstens bei den schaffenden Geistern Boden

[') Grandaur, Chronik S. 85 und in unserem Buche das 2. Kapitel des 2. Teiles.]

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gefaßt, so ungünstig und schwankend sich auch die Verhältnisse für die deutsche Oper gegen 1800 und späterhin gestalteten. Es wäre anders undenkbar, daß gerade hier Werke entstanden, die dem durch das Mannheimer Vorbild erregten Wunsch nach einer durchkomponierten deutschen Oper großen Stils entgegenkamen und die unmittelbare Vorstufe für Webers und Mosels neue musikdramatische Ver- suche bildeten. Daß der Komponist der „Euryanthe", um es gleich zu sagen, den Münchnern Danzi und Poißl persönlich nahestand, gibt ihrer Tätigkeit histo- rische Bedeutung.^)]

[Die literarischen Kreise Münchens ließen den vaterländischen Gedanken nicht mehr fahren, wenn ihn auch die Zensur und ihre Hintermänner in blindem Eifer auf alle Weise zu ersticken suchten. Im Kampf gegen das „Freiheitsfieber" war es zu einem Verbot vaterländischer Stücke gekommen; die Nationalschaubühne geriet in Verfall; dem geistigen Leben wurden neue Fesseln geschmiedet. Karl Theodor blieb seinen alten Anschauungen nicht ganz treu; er ließ es ohne Ein- spruch geschehen, daß man in seinem Namen echtes Volkstum in Acht und Bann tat.^) Doch blieb er der deutschen Oper gewogen und sein neues Theatergesetz vom Jahr 1793 bezweckte nichts Geringeres als die Hebung des deutschen Sing- spiels,^) was freilich nicht ausschloß, daß die Presse fortgesetzt über Mängel zu klagen fand.^)]

[Die Lage in München damals ist etwas verwickelt. Sie stellt sich kurz etwa so dar: Noch bis zum Anfang des 19. Jahrhunderts haben Franzosen und Italiener das Übergewicht. Die Masse des Publikums zeigt größere Sympathien für die italienische Oper und das französische Singspiel, überhaupt für fremde Werke. Daraus läßt sich der später unter Max Joseph IV. eingetretene Rückschlag, der 1805 die Wiedererrichtung der ständigen Opera seria auf Kosten der deutschen Oper brachte, leicht erklären. Dann wächst der französisch -italienische Einfluß bis in die zwanziger Jahre des folgenden Jahrhunderts. Um 1820 erreicht die deutsche Oper ihren Tiefstand; sie verliert im Publikum immer mehr an Boden. Die Presse verhält sich merkwürdig zwiespältig. Zeitweise, wie in den neunziger Jahren, unter dem Druck der Zensur, nimmt sie vom Theater überhaupt keine Kenntnis. Um 1790 hat München keine Theaterzeitung. Aber die durch Werke wie Mozarts „Entführung" und Dittersdorfs „Doktor und Apotheker" neu- angefachte Begeisterung der Patrioten verlodert nicht mehr, sondern zeitigt Ge- danken, wie sie in Reischels „dramatischem Briefwechsel, das Münchner Theater betreffend" (1797) und in den Kritiken des „Münchner Theaterjournals" nieder- gelegt sind, Gedanken von erstaunlicher Reife. Die dramaturgischen Ästhetiker treten also nach wie vor mit Schärfe gegen die ausländische Oper auf, wenn sie sich auch nicht alle über den eigentlichen Kern ihrer Wünsche, wie über die Auf- gaben eines idealen Musikdramas ganz klar sind.^) In ihren Urteilen über Webers

[•) Vergl. Kretzschmars Vorwort in den DDT. VIII, S. XIV, XVI, XVII und Reipschläger, a. a. O. S. IV ff.] [») Vergl. Legband, a. a. O. S. 172ff., 181 fF.] [=") Vergl. Reipschläger, a. a. O. S. 52ff., 93 fF.] [«) Reipschläger, S.62ff.] [') Reipschläger, S.68, 153, 137.]

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„Freischütz" und „Euryanthe", über Poißls „Wettkampf zu Olympia" offenbart sich noch eine gewisse Befangenheit, eine Abhängigkeit vom alten Opernideal, die man wohl verstehen kann. Die neuen Sterne Italiens Rossini und Spontini verlocken auch besonnene Geister wieder auf Abwege. Damals, in der letzten Zeit Beethovens unternehmen nun die Freunde des vaterländischen Gedankens ihren heftigsten Anlauf gegen die Fremdherrschaft, die auch in der äußeren Hörigkeit der deutschen Oper zu Tage tritt.^) Damit ist aber die Krisis überwunden. Und günstige Umstände besiegeln den Erfolg.]

[In dem Solovioloncellisten Franz Danzi, der mit Winter der Mannheimer Kapelle angehört hatte und einige Jahre später (1783) nach München übergesiedelt war, erfuhren die Mannheimer Traditionen eine weitere Stärkung.'^) Danzi war ein Schüler Voglers. Als begabter und denkender Künstler hatte er für die Schäden seiner Zeit, wie für die neuen Bestrebungen, die er auch literarisch verfocht, einen offenen Blick. Karl Maria von Weber, wohl schon während seines Münchner Aufenthalts (1798—1800) mit Danzis deutschen Opern bekannt, dann in Stuttgart sein Freund, verdankte dem reifen Urteil dieses Musikers Anregungen, die schließ- lich seinen eigenen dramatischen Neuerungen zugute kamen, seiner „Euryanthe" ohne Frage am meisten. Unter Danzis Münchner Opern gehören zwei der neuen Richtung an, die am 27. Januar 1807 zur Namensfeier der Königin von Bayern aufgeführte „Iphigenia in Aulis", eine große Choroper, die allerdings durch die Nachbarschaft des Gluckschen Meisterwerkes einen schweren Stand hatte, und das „ernsthafte Singspiel* in drei Akten „Der Triumph der Treue" (1789), nach Reipschlägers Vermutung ebenfalls durchkomponiert. Den größten Erfolg hatte sein Singspiel „Die Mitternachtsstunde" (1788), die als eine der besten komischen Opern ihrer Zeit geschätzt wurde. Auch in einer zweiten komischen Oper „Der Quasimann" (1789) bewährte sich Danzis frisches Talent. Zwei andere Werke, die Zauberoper „Der Kuß" (1799) und der Einakter „El Bondocani" oder (nach Lipowsky) „Der Kalif von Bagdad" (1802) wurden ebenfalls beifällig aufgenommen.^) Trotz- dem trachtete Danzi, der 1798 zum Vizekapellmeister ernannt worden war, von München fortzukommen. Es liegt nur zu nahe, daß ihn Winters Rivalität bedrückte.*) Auch war er Zeuge und Mit-Leidtragender des Niedergangs der deutschen Oper. So schied er 1807 aus dem Verband der Münchner Bühne und ging als Hofkapell- meister nach Stuttgart. Sein geistiges Erbe übernahm Johann Nepomuk von Poißl.]

[Bevor wir im 3. Kapitel die Ära Poißl darstellen, die den letzten Austrag zwischen deutscher und welscher Herrschaft an der Münchner Oper brachte, ist es nötig, der Bühnenverwaltung unter Karl Theodors Regierung noch einige Betrachtungen zu widmen und die Chronik der folgenden Perioden zu schreiben.] Was zunächst die Finanzlage des Grafen See au betrifft, [dem seit 1784 der Hofrat Klemens Graf von Törring-Seefeld als Vizeintendant beigegeben war,^)] so ist an die Äußerung Ruthards zu erinnern,*') wonach der Graf einerseits mit dem

V) Reipschläger S. 115.] [*) Reipschläger S. 46, 53ff.] [') Reipschläger S. 63.] [*) Reipschläger S. 68.] [») Legband S. 210 ff.] [«) a.a.O. S. 174.]

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von Karl Theodor bewilligten Zuschuß von 20000 fl. für die italienische Oper, anderseits mit den Subventionen für das deutsche Schau- und Singspiel und Ballett von 9500 und resp. 15 000 fl., woraus sich allerdings die stattliche Gesamtsumme von 48 500fl. ergibt, hätte „wohl bestehen" können. Man kann aber, ohne viele praktische Kenntnisse im Theaterfinanzwesen zu besitzen, in diesem Punkt auch andrer Anschauung sein, und ich muß gestehen, daß ich mich dieser anderen Anschauung, worin mir gewiß jeder mit der Theaterverwaltung Vertraute bei- pflichten wird, zuneigen möchte. Wohl wurde jährlich nur mehr eine italienische Oper, meist öfter wiederholt gegeben; dabei ist aber nicht zu vergessen, daß sie auch nichts eintrug, weil der Eintritt frei war. (Rudharts Gesch. S. 160.) Wenn also für die Ausstattung, welche schon nach alter Tradition, besonders aber nach Karl Theodors Gewöhnung in seinem Mannheim, möglichst splendid sein mußte, je 15 bis 16000 fl. vorgesehen waren, so blieben für die übrigen Auslagen: Be- zahlung der Dichter und Komponisten, der Noten und Textbücher, der stets massenhaften Conparsen, eines stets eigens zu bestellenden Chors, der Beleuch- tung und übrigen Tageskosten im günstigsten Fall ganze 500 fl. (!). Die volle Ver- wendung des 20000 fl.-Zuschusses brachte also mindestens keine Verlegenheit. Dieser erscheint überhaupt nicht allzu großartig, wenn man (wie Rudhart S. 166 mitteilt) erfährt, daß in Mannheim für die Inszenierung jeder einzelnen Oper 48 000 fl. etatsmäßig vorgesehen waren. Wenn also der Graf mit dem Zuschuß für die italienische Oper, natürlich ohne seine verbotswidrigen Eingriffe, schließlich hätte glatt durchkommen können, so waren die Verhältnisse der „deutschen Schaubühne" doch weit ungünstiger gelagert und nach den Eingriff'en, die er der Not gehorchend, wagte, nicht ganz unbegreiflich. Wenn er dem Kurfürsten schreiben konnte, daß von dem Zuschuß für die deutsche Schaubühne (24 500 fl.) „allein schon 23 180 fl. mit der Bestreitung der Gehälter" draufgingen, so war damit ja der Etat schon nahezu erschöpft, denn 1320 fl. konnten leicht in ein paar Wochen aufgehen. Es wäre also, um ein nur erträgliches Budget zustande zu bringen, eine sehr große Kasseneinnahme nötig gewesen. Dazu waren aber weder die Preise, deren geringere nach Kreuzern bemessen wurden, noch die Größe des Zuschauerraumes (wiewohl dieser mehr Plätze faßte als das Residenztheater), noch das verehrliche Publikum mit großer Laune und kleinem Geldbeutel an- getan. Wenn man die Reineinnahme für jeden der vier Spieltage in der Woche durchschnittlich auf 60 fl. an mehr ist schon gar nicht zu denken anschlägt, so macht dieses im Jahre eben erst 12 480 fl., mit der gebliebenen Restsumme, zusammen 13 800 fl. Mit diesem Budget ein Theaterunternehmen, welches Schau- spiel, Oper und Ballett umfaßt (selbst bei aller dem Grafen vorgeworfenen Knickerei im Dekorations- und Kostümwesen) glücklich über alle Fährnisse hinweg- zuleiten, ist gewiß keine leichte Aufgabe, erfordert mindestens einen gewiegten Finanzkünstler. Und schließlich war es vielleicht nicht bloß Mangel an Überblick und Geschäftsordnung, als vielmehr eine gewisse nicht eben weitsichtige Schlau- heit, welche den wenig diplomatischen Grafen verleitete, in erster Linie die

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Intendant Graf v. Seeau 17r8— 1799

Bedürfnisse des deutschen Schauspieles und der Spieloper wenn auch mit uner- laubten Mitteln zu decken und lieber finanzielle Lücken im Etat der italienischen Oper zu riskieren, in der Erwartung, Karl Theodor werde dieses Schoßkind des bayerischen Hofes, ungeachtet selbst der ärgerlichen Opfer, nicht missen wollen. Aber hierin hatte er sich verrechnet. Bei der Unlust, welche dem Kur- fürsten der ihm aufgedrungene Aufenthalt in München bereitete, mußte die alt- bayerische Residenz überhaupt mit der Munifizenz, zu der er sich noch aufzu- schwingen vermochte, vorlieb nehmen. Es war daher im Geldpunkt mit ihm nicht zu spassen. Außerdem war bekanntlich Karl Theodor für die italienische Oper, wie überhaupt für das Welschtum nicht eingenommen, wie die ganze ältere Wittelsbacherlinie.

Daß das Defizit des Grafen nur die italienische Oper, nicht aber dieser selbst büßen mußte, dafür hatte das Schicksal schon im Voraus wieder durch das Dekret vom 15. Oktober 1784 gesorgt, welches dem Grafen die Entreprise auf Lebens- dauer sicherte.

Zugleich mit der Aufhebung der italienischen Oper zog also der Kurfürst seine Subvention für diese (20000 fl.) zurück und erhöhte dafür das Tarizbesoldungs- quantum, wie es im Dekret hieß, von 15000 auf 18000 fl., den Zuschuß für das Schauspiel von 9500 auf 12000 fl. Hiemit machte das Kabinett kein schlechtes, der Intendant-Entrepreneur aber auch kein glänzendes Geschäft. Darum kann es nicht allzusehr überraschen, daß auch von nun an die Geldverlegenheiten des Grafen in Permanenz blieben, nur verliert er von Jahr zu Jahr mehr das Anrecht auf mildere Beurteilung, indem trotz wiederholter Extrazahlungen von selten des Kurfürsten die Zustände sich nicht zum Bessern wendeten.

Im Ganzen ist die Frage, ob Graf Seeau vor der hereingebrochenen Katastrophe, oder ob ein anderer mit den gleichen Mitteln hätte auskommen können, heutzutage völlig gleichgültig geworden. Von großer Wichtigkeit für die weitere Entwicklung der Oper in München ist es dagegen, daß er eben nicht ausgekommen, und so in aller Unschuld der unmittelbare Veranlasser des großen künstlerischen Fort- schrittes geworden ist, der eben in der Aufhebung der opera seria lag. Denn wenn auch späterhin die italienische Oper (in vielfach verbesserter Auflage) in München zu neuer Blüte gelangte, so war vorläufig prinzipiell doch die Tyrannei der welschen Primadonnen gebrochen und das Liebesgetriller entmannter Helden in der zweigestrichenen Oktave verstummt. So war kein Hindernis mehr vor- handen, daß die Ära einer ernsten, natürlichen Richtung, zunächst eines Gluck und Mozart anbrechen konnte.^) Einstweilen indes lächelte das Glück nur dem jüngeren der beiden Meister [wenn auch, wie wir wissen, Glucks „Iphigenia in Aulis" den Münchnern wiederholt geboten wurde]. Ein sachlicher Grund, daß

V) Vergl. Devrient, 3. Bd. S.SOff. Legband verteidigt (a.a.O. S. 144 und 168) Seeau gegen Rudhart: Seeaus Verbote des Extemporierens in den Wandertruppen und des Hanswursts förderten den Geschmack. Auch muß dieser Mann, so sehr ihn die Zeit auch schmähen durfte, seine Vor- züge gehabt haben.]

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Gluck vorläufig ernstlich in die Arena nicht treten konnte, war der Mangel an deutschen Übersetzungen seiner teils auf italienischen teils auf französischen Text geschriebenen Opern. Anderseits machte sich damals die Muse Peter Winters breit war es doch auch natürlich, daß die Sängerwelt, nachdem sie durch den Fall der italienischen Oper ihren Haupt-Tummelplatz verloren hatte, nach Ersatz suchte, den sie in Winters Opern hinreichend fand , denn zu singen verstand dieser Mann. Der letzte und außerordentlich beschämende Grund, warum Gluck in der Hauptstadt seines Vaterlandes nie festen Fuß fassen konnte, war der, daß es dem großen Publikum [hier wie überall] von jeher an jenem Ernst, jener Innerlichkeit gefehlt hat, ohne welche des Meisters einfache Erhabenheit, die sich ohne Spektakel und Sinnenreiz gibt, nicht begriffen, geschätzt und beliebt werden kann. In der Kunststadt München ist die Unsterblichkeit Glucks nur dahin zu deuten, daß er nie sterben kann, weil er nie gelebt hat.^)

Eine wichtige technische Frage ist es, in welchen Händen damals die Direktion der Oper lag, d. i. ob diese als Funktion den Kapellmeistern oder den Musik- direktoren (bezw.Vizekapell- und Konzertmeistern) zukam. Ich bin der Ansicht, daß für das 18. Jahrhundert und den Anfang des 19. das letztere anzunehmen ist. [Man erinnere sich der Zeiten Max II. Emanuels, als der Hofstaat und mit ihm die Oper nach Brüssel verlegt wurden, während Kapellmeister Bernabei mit dem Rest der Kapelle die Musik der Münchner Hofkirchen zu versehen hatte.^) Auch später leitete Torri als Hofkapelldirektor die Oper in München, und nicht Bernabei.') Überhaupt bildete, wie Sandberger nachweist, Kirchen- und Kammermusik in der künstlerischen Tätigkeit der Hofkapelle lange Zeit den wichtigeren und größeren Teil, und die Oper selber trat in ihrem Einfluß weit dahinter zurück.*)] Noch ein Münchner Brief Karl Maria von Webers vom Jahre 1811 besagt sogar, daß dessen »Abu Hassan" nicht von Kapellmeister Winter, sondern von Musikdirektor Ferdinand Franzi dirigiert wurde. Dies entsprach wohl einer alten, durch Tra- dition festgehaltenen Gepflogenheit. [Allerdings war Winter bekanntlich viel auf Reisen, aber sein Amt scheint ihn wirklich an die Oper nicht so fest gebunden zu haben, wie man nach landläufiger Anschauung glauben möchte.] Daß man von der Tradition in einer Zeit nicht abging, in welcher das Zusammenhalten viel- stimmiger Ensembles (man denke an Mozarts „Figaro") und ein bereits üppiges Orchester mit seinen reichen Nuancen ebensoviel Kunst als Autorität des Dirigenten erforderte, läßt sich fast nur durch die Scheu, an einem durch Alter geheiligten Gebrauch zu rütteln, erklären. Leider ist in den knappen Zeitungsberichten von den 90 er Jahren an bis auf ziemlich späte Zeiten nie ein Sterbenswörtchen über den musikalischen Leiter einer Opernaufführung, ohne den doch kein Takt gesungen oder gespielt werden kann, zu finden, wie denn überhaupt die Dirigentenfrage noch

') Erst mit Beginn des 20. Jahrhunderts, seitdem München eben durch Zuwanderung von allen Seiten einen mehr internationalen Charakter angenommen, ist das Verständnis für Gluck mit einiger Beschränkung selbst in bürgerliche Kreise gedrungen. [*) Seite 30.] [•) Ebenda.] [*) S. 32 u. 35 f.]

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immer nicht so wie heute im Vordergrund des allgemeinen Interesses stand. Nach Ausweis der Hofkalender unter Karl Theodors Regierung gehörten die Kapell- meister ausdrücklich der Vokal-, die Musikdirektoren und Konzertmeister aber der Instrumental-Hofmusik an. Hierin scheint mir die Andeutung zu liegen, daß ersteren der Dienst in den Hofkirchen, allenfalls auch in den Hofkonzerten mit vorwiegender Vokalmusik, letzteren dagegen, für uns freilich nicht recht faß- lich, die Direktion der Oper, jedenfalls bei der Aufführung, oblag. Gleichwohl war der Einfluß der Kapellmeister auf den Gang der Opernleitung kein geringerer.

Seit Karl Theodor die italienische Oper aufhob und sich um die Angelegenheit der Opernleitung überhaupt nicht mehr viel kümmerte, mußte auch das Verfahren in Bezug auf die Auswahl der herankommenden Werke in ein neues Stadium treten. Das Recht der Entscheidung hierin war auf den Intendanten-Entrepreneur über- gegangen, und da die aufzuführenden Werke nicht mehr wie früher durch fürst- liche Auswahl als einwandfrei gelten mußten, wird Graf Seeau deren Annahme wohl von der Prüfung seiner ersten Fachleute, also der Kapellmeister, abhängig gemacht haben wenn er sich auch ein souveränes Urteil über die Schauspiele zumessen mochte. Mit dieser Prüfung in Verbindung stand die Aufgabe, die ange- nommenen Opern nach dem Bedürfnis des Personals durch Punktationen, Transpo- sitionen usw. einzurichten (das Mißverstehen dieser Aufgabe führte dann oft genug zu sinnlosen Strichen, Einlagen und anderen Entstellungen der Komposition I), das Tempo und die Vortragsweise, kurz alles Theoretische vor und während der Klavier- proben zu bestimmen. Den Musikdirektoren blieb nur die praktische Direktion in den Aufführungen. So wenigstens waren die Verhältnisse mit aller Bestimmtheit noch in den 20 er Jahren des 19. Jahrhunderts gelagert.

Daß die Zeit sich mit dieser uns sonderbaren Gepflogenheit im ganzen recht gut abfand, geht aus Berichten Klaubaufs im „dramatischen Briefwechsel" (Ende der 90 er Jahre) hervor, worin der Vortrag des Orchesters beharrlich aufs äußerste gelobt ist. Selbstverständlich würden es Herren wie Vogler und Peter Winter nicht unter ihrer Würde gefunden haben, ihre eigenen Opern gelegentlich selbst zu dirigieren, wiewohl auch hierüber kein Nachweis vorhanden ist. Ein Nachteil war bei diesen Verhältnissen nie ausgeschlossen: die jedenfalls geringere Autorität der Musikdirek- toren usw. wird gegenüber dem Sängerpersonal, namentlich dem höher besoldeten, in Bezug auf Unterordnung desselben mitunter einen harten Stand gehabt haben. Gewisse im Jahre 1793 notwendig gewordene Gesetzesparagraphen, worauf wir zu sprechen kommen werden, scheinen darauf hinzudeuten.

Die Hofkalender ab 1778 weisen folgenden Bestand des musikalischen Direktions- personals auf:

Andrea Bernasconi, Kapellmeister der alten italienischen Oper (nunmehr mit Ausnahme des Kirchendienstes ohne Funktion).

Franz von Paula Grua (Sohn des älteren Grua in Mannheim) wurde schon 1780 Bernasconi als Kapellmeister an die Seite gesetzt [und 1784 sein Nachfolger.^)] Seit

V) s. S.42.]

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genanntem Jahrgang ist er in den Kalendern an erster Stelle als Kapellmeister fort- geführt. In starken Gnaden scheint er sich nicht befunden zu haben; denn sein 1784 eingereichtes Gesuch um Verleihung des „Charakters eines würklich nicht frequentierenden Hofcammerathen", in welchem er hervorhebt, daß diese Ehrung bei ersten Kapellmeistern üblich sei und sein Kollega Vogler sie bereits erhalten, wurde durch Resolutio Serenissimi also beschieden: „Soll noch zur Zeit auf sich beruhen**, wobei es wohl geblieben ist. Eine andere Eingabe Gruas vom 10. No- vember 1794 gibt einen seltsamen Aufschluß über die zwischen Mannheim und München noch immer geteilte Auszahlung der Hofkapellmitglieder; sie lautet:

„. . . . Euer churf. Durchlaucht ist gnädigst nicht verborgen, daß ich als Höchstdero erster Kapell- meister mit Erhebung meines Gehaltes teils hieher, teils nach Mannheim angewiesen worden bin. Da ich mit der Auszahlung derjenigen Tausend Gulden, welche ich in Mannheim beziehe, gegen die hiesigen Salarianden immerhin fast um ein ganzes Monat zurückstehen muß, und wie es wirk- lich verlautet, daß das längst verfallene Oktoberquartal in Mannheim erst mit dem neuen Jahr aus- bezahlt werden soll, welcher Verschub mir als einem vom Dienstbrod allein lebenden Mann äußerst schwer fallen sollte: so ergeht an Euer fürstl. Gh. D, mein unterthänigstes Bitten, Höchst Dieselben geruhen die gnädigste Verfügung dahin zu ertheilen, auf daß nicht nur das verfallene Oktoberquartal dahier ausbezahlt, sondern daß auch fürs künftige mir gleich dem Vizekapellmeister Winter meine Besoldung aus allhiesiger Hauptcassa bereichet werde. In Getröstung mildesten Gehörs ersterbe etc. etc. Paul Grua erster Kapellmeister."

Die Resolutio Serenissimi vom 19. November 1794 lautet: „Dieses Gesuch hat keineswegs in sich noch der Folge wegen statt.** Doch wurde diese Teilzahlung durch Reskript vom 28. November für Grua aufgehoben, während der Konzertmeister Ignaz Franzi angewiesen wird, seine Besoldung in Mannheim allein zu erheben.

Ignaz Holzbauer (wiederholt genannt), churf. Kammerrath, ist von 1780 bis inkl. 1783 [irrtümlich] als Kapellmeister in München aufgeführt; [er wirkte nach- weislich von 1753 bis zu seinem am 7. April 1783 erfolgten Tode in Mannheim^)]; seine Aufnahme in den Kalender dürfte sich allein auf seinen nunmehrigen Charakter als bayerischer Staatsdiener beziehen. Eigentümlich verhält es sich mit dem berühmten

Abbe Georg Vogler, kurf. geistl. Rat und (zweiter) Kapellmeister. Er dürfte seinem Kurfürsten nicht sogleich nach München gefolgt sein, denn er war in Mann- heim vorläufig noch durch die von ihm daselbst gegründete Tonschule gehalten, welche der musikfreundliche Kurfürst gewiß berücksichtigte; damit stimmt auch überein, daß er in den Hofkalendern erst von 1780 aufgeführt ist. Doch kann sein Aufenthalt in München nur ein kurzer, demgemäß seine Stellung in der Kapelle nur repräsentativ gewesen sein. Letztere sonnte sich mehr im Glänze seines Namens, als daß sie von seinen Leistungen profitierte. Denn schon 1783 trieben ihn Ehrgeiz und Tatendrang zum Reisen. Nun berichtet freilich Schafhäutl in seiner Biographie Voglers (Augsburg 1888), nach dem Tode Bernasconis (1784) sei Vogler als erster Kapellmeister nach München zurückberufen worden und habe den Auftrag erhalten, für den Karneval 1786 (?) eine Oper, nämlich „Castor und Pollux** zu schreiben.

n Denkm. deutscher Tonkunst. VIII S. XII.]

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Aber auf die Ausführungen, welche dieser sonst bedeutende und renommierte Musik- schriftsteller als Greis von über 80 Jahren niedergeschrieben hat, ist kein rechter Verlaß; in begreiflicher Gedächtnisschwäche sind ihm Namens- und Datumsver- wechslungen in Fülle passiert, wie z. B. nachweislich „Le patriotisme" erst 1788 von der Pariser großen Oper abgewiesen, „Castor und Pollux" eben so sicher für den Münchner Karneval 1787 bestellt wurde.*) Schwer ist mit alledem zu- sammenzureimen, daß Vogler schon 1786 als kgl. schwed. Kapellmeister nach Stockholm ging, wo er wieder eine Tonschule nach seinem System gründete und, wieder mit Reiseurlauben zur Verfolgung all seiner Probleme überschüttet, bis 1799 blieb. Von 1787 an ist er auch nicht mehr in den Münchner Kalendern aufgeführt.

Peter Winter figuriert von 1788 bis 1800 als Vizekapellmeister, um dann 1801 zum wirklichen Kapellmeister befördert zu werden.

Christian Cannabich, [seit 1759 Mannheimer Konzertmeister und Direktor der Instrumentalmusik, 1778 in München] Konzertmeister, von 1781 bis inkl. 1798 Musikdirektor.^)

Johann Ferandini (nicht zu verwechseln mit dem älteren Ferrandini), 1780 Konzertmeister.

Karl Joseph Giuseppe Toeschi [(Toesca della Castellamonte), bereits in Mann- heim (seit 1759)] Konzertmeister, von 1780 bis 1788 Musikdirektor.

Ignaz Franzi, Konzertmeister von 1774 bis 1801. Von 1795 an ist derselbe zugleich als „Musikdirektor vom kleinen Hoftheater" bezeichnet. [Da er in Mann- heim 1811 in dieser Eigenschaft starb, also nicht nach München übersiedelte, liegt die Sache wie bei Holzhauer.^)]

Johann (Giov. Battista) Toeschi, Bruder des Karl Jos. T., figuriert von 1784 bis 1794 als Konzertmeister (seit 1774), von 1789 an heißt er „zugleich Musik- direktor". [Starb 1800 in München.]

Friedrich (Joh. Friedr.) Eck, ein berühmter Violinvirtuos, war von 1778 (?) an Violinist der kurf. Kapelle und ist erst von 1793 an bis 1800 zugleich als Konzert- meister und „Musikdirektor vom kleinen Hoftheater" aufgeführt. Er ist der Lehrer seines jüngeren, gleichfalls berühmten Bruders Franz Eck, welcher gleich ihm, der Münchner Kapelle angehörend, 1800*) wegen eines Liebesabenteuers (worüber ein romantischer Akt vorhanden) München verlassen mußte, nach Rußland ging und gelegentlich der letzte Lehrer Louis Spohrs wurde.

Diese Vielköpfigkeit in der Musikdirektion, welche übrigens schon in den nächsten Decennien sehr abnahm, mag den Leser billig in Erstaunen setzen. Aber sie er- scheint nur als eine schwache Wiederspiegelung des gesamten prunkvollen Staats- haushaltes unter Karl Theodor, von dessen riesigem Beamtenheer im Militär- und Zivilwesen die bayerische Geschichte zu erzählen weiß. Wie in diesen beiden Ressorts war es auch in der Musik mehr auf Titel, denn auf Funktionen abgesehen.

[') Rudhart, S. 173.] P) Vergl. Riemann, Mannheimer Symphoniker II, 1. in den Denkm. der Tonkunst in Bayern VII. 2. S. XII.] [') Vergl. DTB. VII. 2. S. XIII.] *) In Gerbers Lexikon „1801". Vergl. auch Eitner, Quellen-Lexikon.]

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Das beweist am besten Abbe Vogler, der fast nie anwesend war und in München vielleicht nie eine Oper dirigiert oder auch nur überwacht hat. Zu Beginn des Jahres 1788 bestand das wirklich fungierende Direktionspersonal aus folgenden Künstlern:

a) Der Vokal-Hofmusik angehörig: Der Kapellmeister Franz von Paula Grua und der Vizekapellmeister Peter Winter.

b) Der Instrumental-Hofmusik angehörig: Die Musikdirektoren und Konzert- meister, beides je in einer Person: Christian Cannabich, Johann Ferrandini, Karl Joseph Toeschi. Im darauffolgenden Jahre scheint Karl Joseph Toeschi durch seinen Bruder Johann Toeschi in beiden Chargen ersetzt worden zu sein.

Diesem Direktionspersonal unterstand ein Orchester, welches, von seiner un- bestrittenen Vortrefflichkeit abgesehen, auch zu den größten der damaligen Welt gehörte. Durch die Kombination der Mannheimer mit den Münchner Mit- gliedern hatte es die Kopfzahl von 58^) erreicht, worunter in den verschiedenen Jahrgängen die Violinisten allein zwischen 32 und 34 schwanken.

[Wir lassen nun eine Übersicht über die Chronik der Münchner Oper von 1787 ab folgen:]

Was den Bestand des Gesangspersonals zu Anfang unserer Geschichte betrifft, so hatte sich dasselbe aus den Mitgliedern der Marchan dschen Gesellschaft und aus neuen Zugängen während der letzten zwei Jahrgänge folgendermaßen zusammengesetzt:

a) Damen: Mad. Marchand, geb. Brochard: Soubrette, Franziska Lang, geb. Stamitz: Soubrette für Schau- und Singspiel (zugleich erste Tänzerin), Mad. Eva Brochard, geb. Hein: Erste Gesangsrollen (und Mutterrollen im Schauspiel); in Nebenrollen, wahrscheinlich des Schau- und Singspiels, waren vier nicht genannte Damen beschäftigt. Die für erste Gesangspartien engagierte DemHi Straßer hatte sich schon 1780 als Braut des berühmten Bassisten Fischer zugleich mit diesem nach Wien begeben. An ihre Stelle trat Dlii Kaiser, die schon unter der Direktion Nieser engagiert war und damals von Mozart sehr gelobt wurde. Aber auch sie ging schon 1782 ab, und an ihre Stelle trat Mad. Camerloher (Schülerin ihres Vetters Placidus von Camerloher, erzbisch. Kapellmeisters von Freising), eine vortreffliche Koloratursängerin. Außer diesen wurden im Jahre 1787 noch Mad. Elise Peierl für erste dramatische Gesangspartien und die mit schöner Stimme begabte Mad. Perrier als lyrische Sängerin engagiert, so daß wir bei Beginn des Jahres 1788 mit sechs hauptsächlichen Sängerinnen zu rechnen haben.

b) Herren: Der Marchandschen Gesellschaft angehörig Piloty: Baßpartien im Singspiel (auch Komiker im Schauspiel); Langlois: Tenor-buffo (auch im Schauspiel); Hartig: Erste Tenorpartien und für die italienische Oper engagiert. Zu diesem war im Jahre 1786 als neu engagiert der ausgezeichnete Bassist Philipp Sedlmayer, ein Schüler Valesis getreten. Sein Engagement war umso mehr zu

^) Dr. Eduard Vehse (Geschichte des Hofes vom Hause Bayern) gibt die Zahl 79 an, welche mir eher die richtige scheint.

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begrüßen, als es galt, den Abgang Fischers gut zu machen, der in Wien seinem Ruhm als eine Hauptstütze der Mozartschen Muse entgegenging. 1787 ward der Baßbariton Joh. Nep. Peierl zugleich mit seiner Gattin engagiert. Mit ihm ver- \

vollständigte sich das Herren-Ensemble: Piloty, Langlois, Hartig, Sedlmayer J

und Peierl, dem jedenfalls auch die Schauspieler Marchand (Direktor) und j

Nieser in allerlei Sprechrollen mit Gesang assistierten. \

Die Erscheinung, daß die Mehrzahl sich dem Schauspiel wie der Oper nutzbar machen konnte, entspricht einem Hauptcharakterismus des deutschen Singspiels i

wie der französischen Spieloper, welche (des Recitatives ermangelnd) beide von j

den Sängern die gleiche technische Ausbildung im Dialog wie im Gesänge und \

zugleich eine lebendige Darstellung forderten. Man kann sich vorstellen, daß auf ]

diese Weise eine gewisse stilistische Einheit in der technischen Behandlung der |

Oper und des Schauspiels erzielt und die Spieloper oder das Singspiel schau-

spielerisch ungemein lebensvoll gegeben wurde, daher anziehender und eindring- ;

lieber wirkte als in späteren Zeiten, wo mitunter ausgezeichnete „Operisten" mit dem Dialog auf gespanntem Fuß sein konnten. i

Die Tätigkeit des deutschen Theaters im Jahre 1788 war ansehnlich, indem zu nicht 1788 | weniger als 21 Novitäten des Schauspiels, in welchen auch Shakespeare vertreten |

war, folgende sechs Opern ihre Premiere erlebten: „König Theodor in Venedig* von Paesiello, „Die Mitternachtsstunde" von Danzi, „Der Alchymist* von Schuster, „Lilla" von Martin, „Der Rauchfangkehrer" von S alier i, und „Die Luftbälle oder der Liebhaber ä la Montgolfier" von Ferdinand Franzi. Zu den j

weniger Bekannten gehört heute schon Vicente Martin y Soler, welchen die i

Italiener „Martini lo Spagnuolo" nannten, der nicht gering zu schätzende Rival i

Mozarts. Derselbe fand in Wien am Hofe Josephs IL ausgezeichnete Aufnahme und feierte seinen größten Triumph mit der Oper „La cosa rara", in München '■

„Lilla" tituliert, mit welcher er schon dadurch in historische Beziehung mit Mozart tritt, daß der Verfasser des Textes Mozarts vorzüglichster Dichter Da Ponte 1

war. Nach des letzteren Memoiren (S. 152) waren Text undMusik in 30 Tagen j

fertig. Daß Mozart eine Melodie aus dem ersten Finale dieser Oper in seinem j

„Don Juan" von der Tafelmusik spielen läßt, kann nur als glänzende Anerkennung \

des Rivalen gedeutet werden. Über die Aufnahme der „Lilla" oder „Cosa rara" ]

bei der Münchner Erstaufführung ist keine Nachricht vorhanden; doch kann der '•

Leser den Wert des Werkes ungefähr nach der im Anhang befindlichen Rezension j

über „Der Baum der Diana", eine andere Oper dieses jedenfalls bedeutenden Meisters, ermessen. Franzis Singspiel war zum erstenmal in Mannheim (wo sich unter j

Dalberg schon längst wieder eine vorzügliche Oper gebildet hatte) am 15. April 1787 aufgeführt worden, und hatte daselbst wie auch ein Jahr darauf in Hamburg, sehr gefallen. Das Tagebuch der Mannheimer Schaubühne (I, 218) schreibt darüber: „Alles, was man von einem 19jährigen Künstler erwarten kann, hat derselbe ge- \

leistet; die Musik ist sehr schön und melodiös, sie endet mit einem schönen Kunst- finale, was umso merkwürdiger ist, weil es die erste deutsche Originaloper ist,

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die auf diese Art schließt. Das Sujet (von Bretzner) war schon als Lustspiel für die deutsche Bühne bearbeitet. Auf einer Reise hatte Ferdinand Franzi in Berlin die Bekanntschaft mit Bretzner gemacht und ihn bewogen, das Stück als Operette auszuarbeiten. Die Premiere derselben in München war im Dezember; über ihren Erfolg war nichts zu erkunden. Ferdinand Franzi ist ein Sohn des oben genannten Ignaz Franzi. Wir werden über seine Tätigkeit als Musikdirektor an der Münchner Oper noch viel zu sagen haben; er ist am 24. Mai 1770 zu Schwetzingen geboren und starb im November 1833 zu Mannheim.

Das Opernpersonal der deutschen Schaubühne vermehrte sich 1789 durch Alois Muck, einen ausgezeichneten Bassisten, und Joseph Nepomuk Kunz, welcher an Stelle des seit 1778 tätigen, nun aber von der Bühne abgetretenen Tenoristen Hart ig für erste Tenorpartien engagiert wurde. ^) Opern -Novitäten dieses Jahres waren: „Der Triumph der Treue" und „der Quasimann« von Danzi, „Die Eifersucht auf der Probe« von Anfossi, „Betrug durch Aberglauben« von Dittersdorf und „Die Zauberhöhle des Trophonius« von Salieri.^)

Das Ereignis desj ahresl790wardas Auftreten dergenialenMariaJohannaBrochard,

welche zugleich in der Schauspielkunst (von ihrer Mutter Mad. EvaBrochard') und dem Direktor Marchand) und im dramatischen Gesang (von Leopold Mozart) ausgebildet war, mithin als Schauspielerin und Sängerin wirkte. Derselbe Jahrgang brachte nur drei, zudem nicht allzu glücklich gewählte Opernnovitäten: „Die Schule der Eifersucht« von Sa Her i, „Psyche« von Peter Winter und „Die Liebe im Narrenhaus« von Dittersdorf. Keine derselben hatte einen nennenswerten Erfolg. Am 6. Juni des Jahres 1791 erging an den Grafen Seeau ein kurfürstlicher Erlaß mit der Aufforderung, die Vorschrift, alle neu aufzuführenden Stücke dem Zensur- kollegium vorzulegen, genau zu beobachten. Diese Maßregel ist wohl auf den Umstand zurückzuführen, daß das pfalz-bayerische Zensurkollegium, welchem das kurfürst- liche Nationaltheater seit seiner Gründung unterstellt war, die ganze Zeit über sich nicht viel um das Theater gekümmert hatte und dessen Intendant seinerseits das gleiche Verhalten gegen die Zensurbehörde einschlug. Unter den nun beginnenden Neckereien, womit Graf Seeau, wie schon angedeutet, für hemmende und störende Eingriffe in das Repertoir seitens des Kollegiums sich zu rächen suchte, sei hier nur eine auf die Oper bezügliche erwähnt. Bei Vorlegung eines Operntextes schrieb er in das Begleitschreiben, er lege das Buch, „um dem Eigensinn zu genügen« dem Zensur- kollegium vor. Darüber natürlich wütend, beschwert sich das hohe Kollegium beim Kurfürsten. Seeau wird zur Rechenschaft aufgefordert und erklärt nun, er begreife gar nicht, wie das Zensurkollegium dazu komme, den inkriminierten Passus auf sich zu beziehen, damit habe er den Kapellmeister Winter gemeint, und nun beruft er sich auf eine Differenz, die er kurz zuvor mit Winter gehabt hatte. Dieser für beide Parteien unerquickliche, die Kunstinteressen des Theaters aber ernstlich schädigende Kriegs- zustand dauerte fort bis zum Tode des Kurfürsten Karl Theodor [Grandaur S. 36/37].

n Grandauer S.33.] P) Nach Eitner (Qu.-Lex.) liegen die Stimmen in Kremsmünster.] I») Legband S. 242, Anm. 3.]

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In diesem Jahrgang wurden vier neue Opern, darunter eine künstlerisch j

höchst bedeutende, Mozarts „Don juan" zum erstenmal gegeben. Nachdem :

das Werk von der Zensurbehörde als „ärgerlich" befunden und dessen Aufführung ,

»für alle Zeit" verboten worden war, wurde es „auf gnädigsten Spezialbefehl" des Kurfürsten erlaubt (siehe Beilagen, A, II a und b), ging am 7. August zum erstenmal \

in Szene und wurde am 23. August und 27. September wiederholt. Über die Aufnahme \

desselben berichtet der Korrespondent im Schmieders Allgemeinem Theaterjournal i

lakonisch: „Die Musik gefiel außerordentlich, den Text fand man abgeschmackt." Letzteres hatte vielleicht seine Gründe: Der Übersetzer der Da Ponteschen Dichtung ;

ist nicht genannt und das Soufflierbuch zu Grunde gegangen; wer weiß, was für ;

Ungereimtheiten dazugemacht waren. Noch im 19. Jahrhundert waren ja geradezu \

schauerliche deutsche Übersetzungen, mit hinzugedichteten ekelhaften Gerichts- szenen usw. im Umlauf. Eine zeitgenössische Besprechung des Meisterwerkes siehe | im Anhang. Die übrigen drei Novitäten waren: „Der Jahrmarkt" von Benda, „Die Wilden" von Dalayrac, worin Maria Johanna Brochard als Azemia zum erstenmal j und mit großem Beifall debütierte, und „Die beiden Savoyarden" von demselben. ] Diese Oper war damals eine der beliebtesten unter 61 anderen, welche der frucht- j bare Komponist in 28 Jahren (von 1781 1809) komponierte und in Frankreich und Deutschland zum Flor brachte. j

Eine Art Ereignis des Jahres 1792 war es, daß Graf Seeau, durch kurfürst- 1792 ; liches Dekret vom 6. Juli einen neuen Zuschuß von jährlich 2000 fl. auf vier |

Jahre zur Aufbesserung der Garderobe und Dekorationen erhielt. Auf die heikle Frage, ob diese Gelder, sowie weitere 1500 fl., welche eigens für die „Bekleidung" des in diesem Jahre neu engagierten Schauspielers Zuccarini bewilligt wurden, auch die vom Kurfürsten bestimmte Verwendung fanden, werden wir bei Gelegen- |

heit kommen. Als für die Oper von größerer Wichtigkeit ist in diesem Jahrgang \

die Gründung einer Ballettschule unter der Leitung des Ballett- meisters Crux zu verzeichnen. An Opernnovitäten brachte das Jahr „Das rote Käppchen" und „Der Gutsherr oder Hannchen und Görge" von Dittersdorf, von denen sich die erste dauernd auf der Bühne hielt; dann eine pantomimische Oper von Winter: „Orpheus und Euridike", welche dreimal gegeben wurde; ferner „Die unruhige Nacht* von Johann Baptist Lasser (welcher mit dem zehn Jahre später engagierten Sänger identisch ist), „Töff^els und Dortchens Hochzeit" j

von Dezede in je zwei Vorstellungen und desselben Lasser „Wütendes Heer" und „Die Thomasnacht", Text von Joseph, Musik von Franz vonDestouches, beide einmal gegeben.

Am 6. Februar des folgenden Jahres 1793 erschienen nun neue „Verordnungen des 1793 i kurfürstlichen National-Theaters", deren wichtigster Punkt die Aufstellung eines j

Ausschusses war. Obwohl diesem Ausschuß auch der Direktor Marchand an- i

gehörte, so war doch die Spitze des Erlasses, den wahrscheinlich der Intendant- Entrepreneur durchgesetzt hatte, augenscheinlich gegen Marchand gerichtet, dessen ;

überwiegender Einfluß jenem unbequem geworden sein mochte. Im § 12 heißt es: \

i 9 65 J

„Da der bisherige Mißbrauch der Rollenfächer von der kurfürstlichen Intendanz gänzlich aufgehoben worden, so hat der Ausschuß bei Verteilung derselben bloß auf die Fähigkeit und Charakteristik zu sehen." Die Folge des offenen Mißtrauens- votums war, daß Marchand mit Ende Juli seine Direktion niederlegte und Lam brecht auf ein paar Jahre an seine Stelle trat. Die in diesen Verordnungen enthaltenen Paragraphen, welche die Oper angehen, werfen ein interessantes Streif- licht auf gewisse Vorkommnisse. §4 lautet: „DasTempo jeder mehrstimmigen Musik hängt lediglich von dem Musikmeister ab" und § 5: „Niemand hat das Recht, ohne begründete Ursache eine Arie wegzulassen oder eine andere an die Stelle zu setzen". (Diese Bestimmungen konnten nur der unmittelbaren Initiative des musikverständigen Kurfürsten entsprungen sein!)

Im Sängerpersonal gingen dieses Jahr folgende Veränderungen vor sich: Für Soubretten (und gesamte Liebhaberinnen im Schauspiel) wurde D'il Klotz engagiert. Eine neue Sängerin, die nicht nur ihrer Schönheit wegen, sondern auch ihres Gesanges und dramatischen Talentes halber in kurzer Zeit sich zum Liebling des Publikums emporschwang, wurde in Johanna Antoine, geb. Fontaine, gewonnen. Am 25. Juni verabschiedete sich Mad. Perrier in den „Beiden Savoyarden" vom Publikum, um an Schikaneders Theater in Wien abzugehen. Die Oper brachte vier neue Werke: am 18. Januar zur 50jährigen Jubelfeier des Kurfürsten Karl Theodor „Das unvermutete Wiedersehen" (wovon Dichter und Komponist nicht zu ermitteln sind) mit eklatantem Fiasko; am 12. April Dittersdorfs „Hieronymus Knicker" und am 14. Juli Salier is „Talisman".

Die gewichtigste Novität war Mozarts „Zauberflöte" mit Johanna Antoine als Königin der Nacht, zum erstenmal gegeben am 11. Juli. Der Erfolg des unsterb- lichen Werkes war außerordentlich, denn es wurde in diesem Jahre noch siebenmal mit aufgehobenem Abonnement und erhöhten Preisen gegeben. 794 Im Jahre 1794 erhielt das Opernpersonal einen Zugang in der lyrischen Sängerin Johanna H artig (später an den Mannheimer Schauspieler Karl Koch verheiratet), während Magd. Marchand starb. An Novitäten brachte die Oper in diesem Jahr sechs: Die wichtigste und bedeutsamste war Mozarts „Hochzeit des Figaro", welche schon Mitte Januar zum erstenmal in Szene ging und im Verlauf des Jahres sechs Wiederholungen erlebte. Nach Maßgabe der Münchner Theaterverhältnisse, welche nun einmal eine recht große Anzahl von Wiederholungen einer Oper auch späterhin nicht gestatteten, war auch dieser Erfolg schon außergewöhnlich. Als eine Äußerung der zwingenden Macht des Genius muß es geradezu erscheinen, daß auch in München Mozarts Propaganda, kurz nach des Meisters Tode, diejenige aller zeitgenössischen Komponisten weitaus übertraf. Wem die Initiative für die offenbare Bevorzugung seiner Werke zukommt, ist nicht schwer zu erraten. Der Mozart-freundliche Intendant-Entrepreneur und Marchand, der kunstverständige Direktor, werden in diesem Punkte ebenso einig gewesen sein, wie sich beide der Zustimmung des Kurfürsten versichert fühlen konnten, der bisher bei jedem sich bietenden Anlaß für den großen Künstler energisch Partei genommen hatte. Kapellmeister Winter

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schloß in diesem Jahre seinen Kontrakt mit dem Wiener Impresario Braun und war mit seinen eigenen Arbeiten so sehr in Anspruch genommen, daß ihm eine übereifrige Mitwirkung im Mozart-Kultus wohl nicht zugeschrieben werden kann darüber einmal später!

Die übrigen fünf neuen Opern waren: Dittersdorfs „Neuer Demokrit* im Juni, Gretrys „Richard Löwenherz" und Martins (Vicente M. y Soler) „Baum der Diana" im Juli, Dalayracs „Rudolf von Crequi" und Schacks „Der Fall ist noch weit seltener oder die geplagten Ehemänner" im Oktober. Rechnet man dazu die selbstverständlichen Wiederholungen dieser Werke, wenn sie auch weniger waren als die des „Figaro", so müssen wir vor einer solchen Tätigkeit der damaligen Münchner Oper gemessenen Respekt haben. Unter diesen fünfen war Gretrys „Richard Löwenherz" die wichtigste und bedeutendste Novität. Dieses naiv- anspruchslose Werk hat sich durch seine kernigen und reizenden Melodien, ins- besondere das berühmte Tenor-Duett „Mich brannt' ein heißes Fieber", wie überall in Deutschland, auch in München am längsten erhalten, wo es noch unter Perfall im Jahre 1870 gegeben worden ist. Etwas seltsames ist gewiß der Operntitel „Der Fall ist noch weit seltener". Selten, wenn auch nicht vereinzelt, ist aber auch der Fall, daß der Komponist der so benannten Oper zugleich ein Sänger von Profession ist, nämlich der aus Mozarts Biographie bekannte, in Wien mit Joseph Haydn und Mozart befreundete Tenorist Benedikt Schack, für welchen Mozart den Tamino geschrieben hat.

Im nächsten Jahre (1795) wurde der berühmte Bassist Gern engagiert. Doch 1795 erlitt das männliche Personal einen empfindlichen Verlust durch den Tod des Tenoristen Kunz, an dessen Stelle Ign. Willax trat.

Die vier neuen Opern dieses Jahrgangs waren Wenzel Müllers „Zauberzyther", die fünfmal wiederholt wurde, Simon Mayrs „Sisara", anfangs Mai Mozarts „Cosi fan tutte" unter dem Titel „Die Wette oder Weibertreue keine Treue", nur einmal wiederholt, und Dezedes „Alexis und Justine".*)

Müllers „Zauberzyther" ist jenes Singspiel, durch welches sich, als es am Leopoldstädter Theater der „Zauberflöte" zuvorkam, Schikaneder veranlaßt fühlte, den Plan der letzteren umzuändern. Im ersten Akt der „Zauberflöte" vertrat nämlich die Königin der Nacht das gute Prinzip und Sarastro war als das böse bezeichnet. Das mußte wegen Ähnlichkeit entsprechender Figuren der „Zauberzyther" umge- ändert werden, daher auch schon im Finale des ersten Aktes der Zauberflöte Sarastro unerwartet als Vertreter der Weisheit und Gerechtigkeit erscheint und demgemäß im ganzen Verlauf des zweiten Aktes die Charaktere der Rollen umgetauscht sind. Gegen die ungeheure Popularität Wenzel Müllers hatte Mozart zu Lebzeiten gerade in Wien schweren Stand, während nach seinem Tode in München schon das umge- kehrte Verhältnis, freilich mit Ausnahme gerade dieses Zauberstückes eintrat. Ein interessanter Musiker war der [Oberpfälzer] Joh. Simon May r, ein Mann von hoher Bildung. [Sein Oratorium „Sisara", dessen Text von Giuseppe Foppa stammte,

V) Grandaur, S. 43.]

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war 1793 im Conservatorio di mendicanti in Venedig zum erstenmal aufgeführt worden.^) Es wurde in Münciien als „biblische Oper" gegeben. Mayr kam auch später wiederholt auf der Münchner Bühne zu Gehör. Seine Erfolge, die ihm nicht nur Italien eroberten, beruhen in der Verwendung neuer Formen und Ausdrucks- mittel, die er der Oper buffa, der französischen Oper, in gewissem Sinne auch Mozart verdankt. Durch mannigfaltige Chorverwendung und besonders durch den neuen Glanz seines Orchesters trug er zur Bereicherung der Operntechnik des 19. Jahrhunderts bei.*)]

Daß „Cosi fan tutte" nur eine Wiederholung erlebte, also nicht sonderlich gefiel, kann nicht wundernehmen, haben doch spätere Versuche, wie z. B. unter Lachner, die Oper zu halten, zu nicht viel besseren Resultaten geführt. Fürs erste ist ein Ablehnen des Textes von Seiten eines vorwiegend bürgerlichen Publikums weder ungerecht noch geschmacklos zu nennen; es setzt ja sein Verständnis, ein vergnüg- liches Eingelebtsein in die Pikanterien der höheren Kreise des zu Ende gehenden 18. Jahrhunderts voraus. Darum ist es merkwürdig, daß gerade Joseph II. die Wahl dieses Sujets bestimmte, dessen retrograde Tendenz mit dem Aufklärungs- und Fortschrittsdrang des großen Kaisers so wenig in Einklang stand. Was dagegen die Musik betrifft, so mußte sich die stilistische Feinheit, womit sie sich eigentlich noch über Figaro und Don Giovanni erhebt (während sie diesen naturgemäß an Kraft und schlagender Wirkung nachsteht) noch lange dem allgemeinen Verständnis ent- ziehen. So duftige zarte Gewebe, wie die Arien und Ensembles dieses musikalischen Kabinettstücks sind, verlangen wie Filigran oder Brüsseler Spitzen ihr eigenes Kennertum. Solche erleuchtete Köpfe gab es damals nicht in dem musikalisch be- gnadeten Wien, geschweige denn in dem noch etwas bildungsbedürftigeren München. Die hier neu und darum überraschend hervortretende Seite des universellen Mozart, die eigentlich zur höchsten Stufe entwickelte Aussprache seiner liebenswürdigen Individualität ist sogar von allen maßgebenden Musikern, selbst von Richard Wagner, nicht nach ihrem vollen Werte gewürdigt worden. Erst gegen Ende des 19. Jahr- hunderts, unter Possarts Regime, ist auch dieses Werk durch sorgfältige Auffüh- rungen im Residenztheater zu seiner vollen, lang entbehrten Geltung gelangt.

Laut Dekrets vom 5. April 1796 durften für die Folge alle schon in Wien zensierten Stücke ohne Genehmigung des Zensurkollegiums gegeben werden.

Das Opernpersonal vermehrte sich in diesem Jahrgang um zwei vorzügliche Kräfte: Mad. Margarethe Danzi, die Tochter Theobald Marchands [und Gattin des Kapell- meisters,')] und den oben erwähnten Tenoristen Benedikt Schack.

An Opernnovitäten wurden nur Wranitzkys „Oberon" und Paesiellos „Nina oder Wahnsinn und Liebe" gegeben. Paul Wranitzky gehörte zu jener Gruppe deutscher Komponisten, welche als Zeitgenossen von Haydn, Mozart und Beethoven durch massenhaft produzierte Kammer-, Symphonie- und Konzertmusik viel dazu

H Schiedermair, Beitr. z. Gesch. der Oper I. Simon Mayr. 1907, S. 17.] [*) Vergl. Hermann Kretzschmar, Die musikgeschichtl. Bedeutung Simon Mayrs. Jahrb. Peters. XI. 1904.] [') Reip- schläger, S. 60ff.]

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beitrugen, das Verständnis für die beiden ersteren zu verallgemeinern, sich aber dafür von dem schnell aufsteigenden, helleuchtenden Gestirn Beethovens verdunkeln lassen mußten, um wohl nie wieder ans Tageslicht gezogen zu werden. Unter ihnen war Gyrowetz am meisten für die Oper tätig, während Pleyel, Schüler Joseph Haydns und in London sogar sein Rival, und Andreas Romberg, der edelste unter ihnen, sich vorwiegend auf die Instrumentalmusik verlegten. Das Kapitel „Göttliche Philister" in Heinrich Riehls »Musikalischen Charakterköpfen" gibt über diese immerhin ehrwürdigen alten Herren einen wünschenswerten Aufschluß in amüsanter Darstellung.

Graf Seeau, der nach Rudharts Urteil „keine einzige" von jenen Eigenschaften besaß, die er als Intendant hätte haben sollen, zeigte dafür in diesem Jahrgang eine solche, welche im Metier eines Intendanten unter allen Umständen ausgeschlossen sein sollte: einen sträflichen Leichtsinn im Geldausgeben aus purer Laune. Während er im Dekorations- und Kostümwesen sein „Sparen" bis zum Skandal trieb, bezahlte er einem tanzenden Ehepaar Viganö, dem allerdings ein großer Ruf vorhergegangen war, für fünf Vorstellungen, mit einem hierzu eigens dazu eröffneten Abonnement bei erhöhten Preisen, die Summe von 3000 fl. aus. Da die in diesen Vorstellungen ein- gelegten Pas de deux, ein „rosenfarbenes", dann ein „weißes" usw., in der Regel nicht über sechs Minuten dauerten, berechnete man schon nach der dritten Vorstellung, daß jede Minute 100 fl. koste und in der letzten, der Benefiz-Vorstellung bewirkte der passive Widerstand, daß sich die Einnahme trotz der erhöhten Preise nur auf un- gefähr 280 fl. belief.') Diese Aff^äre berührt die Oper nicht unmittelbar, wiewohl man immer annehmen kann, daß auch diese die also verschwendete Summe zu notwendigen Anschaff'ungen wohl hätte brauchen können; doch paßt sie zur Gesamtcharakteristik der Seeauschen Eigenschaften, welche nunmehr bei seinem vorgerückten Alter ein immer trüberes Bild geben. Zwar versucht Jakob Klaubauf (pseudonym für T. E. Reischel, kgl. preuß. Hofrat und von 1779 1800 Kustos der kurfürstlichen Bibliothek zu München) eine Ehrenrettung des Grafen in dem Schreiben an seinen Freund, den Grafen T., über eine in Berlin erschienene Kritik des Münchner Theaters unter dem Titel: „Theater-Nachrichten", welches zu Neujahr 1797 im „Dramatischen Briefwechsel" erschien. Diese Verteidigung fällt aber eher zu Un- gunsten des Verteidigten aus, indem der Verfasser nach langen gewundenen Tiraden von Gerechtigkeit und Menschenliebe und nach herber Verdonnerung allzu weiser Kritiker, die einmal selbst erproben sollten, wie schwierig die Stellung eines Theater- intendanten sei, die wesentlichen Angriff'spunkte: ungenügendes Repertoir, Mißwirt- schaft, Geiz und Roheit, eigentlich unwiderlegt lassen muß. Das Repertoir schiebt er auf das Zensurkollegium, schlechte Einnahmen auf Todesfälle der Schauspieler und auf Kriegszustände, den Geiz setzt er gar in „Wirthlichkeit" um, und das rohe Gebaren entschuldigt er mit mangelhafter Erziehung in des Grafen Jugend, „da man weiß, wie es vor 60 Jahren noch um unsere Pädagogik und vorzüglich im südlichen Teile von Deutschland stand". Dabei kämen auch die frühere Stellung des Grafen

n Grandaur, S. 44.]

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als Jagdkavalier und ein längerer Dienst im österreichischen Heere in Betracht. An Stelle der erwarteten sachlichen Widerlegung aller gemachten Vorwürfe bringt Klaubauf ganz irrelevante Dinge vor, welche das gute Herz des Grafen beweisen sollen. Er sei es, durch welchen an den Ufern der Isar mehrere Personen mit nötigen Maschinen zur Rettung der in diesem Strome Verunglückten ins Leben zurückgerufen worden seien; er sende jeden Quatember die Einnahme eines neuen Stückes dem Armeninstitute zu und mache sich um die Münchner Jugend dadurch lieb, daß er ihren Müttern zuweilen gestatte, auf ihr Billett auch ihre Tochter ins Schauspiel führen zu dürfen. Schließlich gibt Klaubauf zum Beweise seiner Un- parteilichkeit zu, daß er „in jenen Klagen, in jenem Tadel, welchen der V. über Dekorationen, Kostüm, Maschinerien, Beleuchtung usw. führt, mit ihm völlig über- einstimme". Von den Summen, welche der Kurfürst über seine Zusage hinaus beisteuerte und deren Verwendung mit keinen Buchstaben nachgewiesen ist, schweigt die Verteidigung. Der bezeichneten Stellung des Schreibers nach zu urteilen, war vielleicht die Schrift nicht in letzter Linie ein Akt fremdländischer Loyalität gegen den Münchner Hof, von welchem Seeau offenbar gehalten wurde; als ganz un- offiziös, so feierlich der Verfasser dies versichert, kann sie schwerlich betrachtet werden. Damit jedoch auch nichts verschwiegen werde, was zur Ehrenrettung des Grafen beitragen kann, sei hier nachträglich eine Stelle aus Westenrieders Jahrbuch der Menschengeschichte, Jahrgang 1783 pag. 198 zitiert: „Bei diesen Umständen macht der Preis, welchen der hiesige Theaterintendant Titl. Graf Seeau auf das beste Stück über die inländische Erziehung ausgestellt hat, demselben eine wahrhafte Ehre, nicht der Belohnung wegen (denn ein großer Kopf ist nicht feil), sondern der Aufforderung wegen, durch welche gezeigt wird, daß es Ernst sei, unsre Schaubühne national und vaterländisch zu machen. Und gleich wie dies das erste öffentliche Beispiel, die erste öffentliche Ermunterung dieser Art in Deutsch- land ist, so zweifle ich nicht, es werde für unsre guten Köpfe, zumal für diejenigen, welche sich so höchst rühmlich hervorgetan haben, ein mächtiger Antrieb sein, sich, wenn eben nicht um und durch den Preis, doch um des Vaterlandes und unsrer Ehre willen durch meisterhafte Arbeiten um die wahre Aufnahme und Bestimmung der Güter verdient machen." Diese beiden Artikel aus entlegenen Zeiten dokumentieren übrigens, daß die einflußreichere Presse Münchens dem Grafen und seiner Bühnenleitung freundlich gegenüberstand.

Im Jahre 1797 verlor das Hoftheater ein, wie es scheint, im Doppelsinn „beliebtes Mitglied", die „vielumworbene" Sängerin Mad. Antoine, Gattin des Hofmusikers Heinrich Antoine, dadurch, daß sie „mit einem ihrer bevorzugteren Liebhaber" heim- lich durchging.^) Die Opernnovitäten dieses Jahres waren Süßmayers „Spiegel von Arkadien" oder auch „Die neuen Akadier", Pae siel los „Müllerin", Winters „Unterbrochenes Opferfest" und Dimmlers „Guckkasten". Mit Ausnahme des letztgenannten Werkes waren alle, besonders aber das Wintersche, von nachhaltigem Erfolge begleitet.

') Grandaurs Chronik [S.44ff.]

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Die Novitäten des Jahres 1798 waren Winters „Elise Gräfin von Hildburg" 1798 i und „Der Sturm", Cimarosas „Heimliche Ehe" (Text von Bertalli) und Mehuls „Der Milzsüchtige" (Text nach Hoffmanns „Euphrosine et Corradin ou le Tyran \

corrige" von Gieseke); letztere dadurch merkwürdig, daß sie die ersten in München :

gegebenen Werke ihrer Schöpfer sind. „Die heimliche Ehe" (II matrimonio segreto) i

ist eine der spätesten Opern Cimarosas, er schrieb sie 1792 in Wien und hatte damit den einzig dastehenden Erfolg, daß sie auf Befehl des Kaisers Leopold II. noch am selben Abend, nachdem man inzwischen dem Personal ein Souper bereitet, von j

Anfang bis zum Ende wiederholt werden mußte. Daß Mehuls „Euphrosine \

et Corradin" zu dem grausamen Titel „der Milzsüchtige" kam, deutet auf keinen \

besonderen Geschmack des Übersetzers noch des Regisseurs (denkt wohl der Leser), der solches hingehen ließ; es gab aber noch keinen Regisseur. |

Die Oper war eine der frühesten des Meisters; sie wurde zum erstenmal in j

Paris von der Opera comique 1790 gegeben, und zwar als des Komponisten erster !

und vielversprechender Versuch. i

Am 16. Februar 1799 starb Kurfürst Karl Theodor, und in dem Kurfürsten 1799 1 Max Joseph IV., welcher am 20. darauf in München einzog, erhielt Graf Seeau seinen dritten Herrn. Die ganz auffällige Gunst, welche auch Karl Theodor diesem Sohne des \

Glückes zugewendet hatte, übertrug sich nicht auf den über die Verhältnisse augen- scheinlich gut beratenen Thronfolger. Derselbe verlegte das deutsche Theater ohne Zweifel wegen der bereits zu großer Gefahr gediehenen Baufälligkeit des zugleich j

seines Schmutzes halber ungesund und „ekelhaft" genannten alten Hauses am Salvator- i

platz in das neue Opernhaus (Residenztheater) und erhöhte, weil dieses weniger Menschen faßte, die jährliche Subvention von 35000 fl. abermals um 4000 fl.^) i

Aber Seeau beantragte, damit nicht zufrieden, eine weitere Erhöhung um 2000 fl., j

und weil diese abgeschlagen wurde, erbat und erhielt er die Enthebung von j

dem Amte, welches er 46 Jahre weniger ein Monat geführt hatte. Durch -

kurfürstliches Dekret vom 13. März ging die Intendanz an eine Kom- mission über, der der Bücherzensurrat und geheime Sekretär Franz Marius Babo vorstand. Graf Seeau hatte die einschneidende Lebensveränderung ;

nur zwölf Tage zu tragen; sein am 25. März erfolgter Tod sorgte dafür, daß ein j

über ihm schwebendes Damoklesschwert nicht zum Fallen kam. Nach einem „Vor- |

trag über die Theater Garde de Robes" (welche sich in einem so schauderhaften Zustande befand, daß man allgemein mutmaßte, die vielen dafür erbetenen Extra- \

bezahlungen hätten höchstens zum geringsten Teile die „versio in rem" erfahren) befahl ein höchstes Reskript, ebenfalls vom 13. März, „daß die Garde de Robes der deutschen Schaubühne und Oper inventiert und abgeschätzet, sodann nebst den Theatermusikalien und Manuskripten übernommen, endlich, da dem Grafen von Seeau aktenmäßig sehr ansehnliche Summen gegen Rechnungspfliege bewilligt worden, und ihm außerdem gute Unterhaltung und beständige Ergänzung oblagen, solch alles ordentlich hergestellt, hiernach dem Grafen von Seeau die Rechnung gemacht und

H Grandaur, S. 46.]

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derselbe nicht nur wegen des allenfallsigen Abganges, sondern auch den sich bezeigenden Deteriorationen der Oper und deutschen Schaubühne Garde de Robes zur Rechenschaft gezogen und zum Ersatz angehalten werden solle". Indessen hatte der Graf das Zeitliche gesegnet, ehe das Reskript in Wirksamkeit gesetzt werden konnte, und die anbefohlene Schätzung unterblieb vorläufig, da die Schätzleute vor dem Wirrwarr ratlos standen. Gleichwohl hatte also die Hofkammer im neuen Kurse Oberwasser gewonnen. Mit verspätetem Erfolge geht gegen die Gesamtwirtschaft des Grafen ein vom kurfürstlichen Hofzahlamt dd. 17. Februar 1802 verfaßtes Verzeichnis „der vom 1. Oktober 1778 bis Ende Februar 1799 dem kurfürstlichen Hofmusik-Intendanten Titl. Herrn Grafen von Seeau zur Bestreitung der Theater- Ausgaben diesorts bezahlten Geldbeträge" zu Gericht, welches ich hier anführen muß. Dasselbe weist unter genauer Aufführung der einzelnen Posten für jeden Jahrgang die damals erstaunliche Summe von 944714 fl. 58 Kr. auf also eine Million weniger 55286 fl. 2 Kr. innerhalb 20 Jahren 5 Monaten. Daß trotz dieser amtlich feststehenden Leistung seitens des Kurfürsten beim Rücktritt bezw. beim Tode des Grafen Seeau die deutsche Schaubühne sich in einem trostlosen Zustande in jeder Beziehung befand, macht nur das Sprichwort hinfällig: Wem Gott ein Amt gibt, dem gibt er auch Verstand. Der Graf war eben durch Geburts- vorrechte an ein Amt geraten, zu dessen Führung es ihm an Wissen und Talent gebrach.^) Daß aber für alle die Ausgaben, zu deren Deckung er die Schatulle des Kurfürsten fort und fort in Anspruch nahm, nach seinem Tode nicht ein schrift- licher Beleg zum Vorschein kam, daß Rechnungen, Quittungen, Kassabücher (wenn je solche existierten) einfach spurlos verschwunden waren, das mag sich jeder nach seinem Calcul zurechtlegen. Bezüglich dieses schon von Rudhart vergeblich gesuchten Nachlasses^) scheint Grandaur (Vorrede zur Chronik) das Richtige gefunden zu haben: „. . . und die Kassenbücher, ein Eigentum des Entrepreneurs S. sind, wofern sie nicht ein mir unbekanntes Privatarchiv birgt, wohl längst makuliert worden." Nun ist es aber die erste Pflicht eines jeden mit einer Kasse betrauten öffentlichen Beamten, zur Wahrung seiner Integrität seine Rechnungsnachweise jederzeit jeder Kontrolle offnen zu halten, nicht dieselben ins Dunkel des Nichts verschwinden zu lassen. Die dreifache Amtstätigkeit des Grafen als Hofmusik-, Hoftheater-Intendant und kurfürstl. Kämmerer trug ihm für jedes dieser Ämter 1000 fl., hiemit zusammen 3000 fl. ein. Nach damaligem Geldwerte würde das heute ungefähr einem Minister- gehalt entsprechen. Aber nach einer nicht allzufreundlichen Kritik eines französischen Zeitgenossen, welche Rudhart [S. 134] zitiert, scheint der Graf starke Ansprüche an das Leben gemacht zu haben. „II a ete", heißt es da, „libertin jusque dans ses vieux jours, grand amateur de la table et du vin". Indes ist hinsichtlich dieses Punktes unsere Zeit feinfühliger geworden und man darf nicht außer acht lassen, daß das 18. Jahrhundert darin weit weniger skrupulös war. Damals sah man nichts Außergewöhnliches darin, wenn hochgestellte Herren den Bibelspruch: „Du sollst

') Devrient, 2. Bd., S. 401: Das Theater, „eine industrielle Unternehmung unter vornehmen Formen". [') Verlassenschaftsakten Seeaus befinden sich im bayer. Reichsarchiv.]

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Kapellmeister und Komponist Peter Winter 1778 1825

dem Ochsen, der da drischet, nicht das Maul verkörben", mit weisem Bedacht für sich in Anwendung kommen ließen. Daß Kurfürst Karl Theodor dem Intendanten bei seinen vielen Mehrforderungen trotz unzweifelhafter Gegenwehr des Hof- zahlamtes — immer wieder durch die Finger sah, läßt fast vermuten, daß sich der Graf durch einen anderen Vorzug unentbehrlich zu machen wußte, den aber näher zu bezeichnen ich mich nicht für berufen halte. Inwieweit der Kämmererdienst die Arbeitskraft des Grafen in Anspruch nahm und vielleicht von seinen Intendanz- obliegenheiten abzog, entzieht sich meinem in höfischen Dingen kaum laienhaften Wissen. Was die Hofmusikintendanz belangt, so präsentiert sich auch diese Stelle des Grafen als reine Sinecure, wenn man nicht übersieht, daß ihm schon seit 1784 ein Vizehofmusikintendant in der Person des Grafen Törring-Seefeld an die Seite gegeben war, welcher wahrscheinlich alle laufenden Geschäfte besorgte. In Bezug auf die Hofmusikintendanzleitung ist aus massenhaften Akten, in denen es sich um Bittgesuche der Hofmusiker in Gehalts- oder Aufbesserungsfragen, auch um Personenschutz durch die Intendanz usw. handelt, zu ersehen oder kommt, da Seeau wenigstens unterschrieben hat, auf dessen Rechnung: daß seine Leute an ihm in der Regel einen gerechten und energischen Vertreter hatten, so daß der Fall Winter in der Tat als eine Ausnahme zu betrachten ist. Möglich, daß dieser als „Krischer** oder „Enner von unne ruff" manchmal dem Grafen gegenüber kein Blatt vor den Mund genommen hat, und daß dadurch die nationalen Gegensätze von Rheinpfälzer und Altbayer in Reibung geraten sind wobei nach des Grafen Autoritätsbegriffen selbstverständlich der Untergebene den Kürzeren zu ziehen hatte.

Ein Rückblick auf das Opernrepertoir dieses Zeitraumes (vom Frühjahr 1788 bis zum 25. März 1799) zeigt uns nicht nur das nach Aufhebung der Opera seria selbstverständliche Überwiegen der deutschen Opernkomposition über die italie- nische, sondern ein gleiches auch über die französische Spieloper. Da, wie schon erwähnt. Glucks Opern noch nicht übersetzt waren, auch andere Gründe ihre Ein- führung verhinderten, waren große, durchkomponierte Opern überaus selten, sowohl die ins Deutsche übersetzten italienischen und französischen, wie die deutschen Opern waren ihrem richtigen Titel nach Singspiele, d. i. Opern mit gesprochenem Dialog. In 46 Novitäten dieser Gattung teilten sich um es noch einmal zusammenzufassen während des bezeichneten Zeitraumes 24 Kom- ponisten, darunter 15 deutsche: Benda, Danzi, Destouches, Dimmler, Dittersdorf, Ferd. Franzi, Lasser, Mozart, Wenzel Müller, Schack, Schuster, Süßmayer, Winter und Wranitzky; dann 5 italienische: Anfossi, Cimarosa, Martin, Paesiello und Salieri; endlich 4 französische: Dalayrac, Dezede, Gretry und Mehul.

Eine Statistik der Wiederholungen der sowohl in diesem wie in dem voraus- gehenden Zeitraum (von 1778 bis Ende 1787) eingeführten Opern oder Singspiele, woraus sich erst ein klares Bild vom gesamten Repertoir, von der längeren oder kürzeren Lebensdauer der einzelnen Werke ergeben würde, ist darum unmöglich, weil die spärlichen Zeitungsnachrichten darüber vollständig schweigen und die Zettel- bände des Münchner Hoftheaters nicht lückenlos erhalten sind.

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Der neue Lenker der Theatergeschicke, Jos. Marius Babo, genoß anfänglich noch nicht des hohen Titels eines Intendanten, sondern war nur Vorstand der unterm 13. März 1799 eingesetzten Theaterkommission, dazu auch nur bürgerlichen Geblütes, überragte aber dafür seinen Vorgänger in jeder Eigenschaft, welche bei einem Bühnenvorstand in Frage kommt: an Wissen, Bildung, künstlerischem Beruf und Streben, humanem Gebahren und männlichem Charakter. Dagegen kann man sagen, daß das Glück, welches sich an die Fersen Seeaus geheftet hatte, um ihn noch in den letzten Lebenstagen nicht loszulassen, dem Nachfolger weder im Anfang lächelte, noch ihn später bis zum Überdruß verfolgte, daß im Gegenteil ein trübes Verhängnis diesem besseren Manne eine Reihe von Hindernissen in den Weg warf, seine hervorragenden Eigenschaften mit dem wünschenswertem Erfolge zu ver- werten und dem ihm unterstellten Kunstinstitute jene Beschaffenheit wiederzugeben, welche die Mißwirtschaft des Vorgängers demselben genommen hatte, diesen war zur „Deterioriation" eine lange Zeit gegeben; an ihn aber trat die Forderung un- erbittlich heran, das Verschlechterte in Eile gutzumachen. Anstatt durch ruhige, konsequente geistige Arbeit das Kunstinstitut nach seinem klaren Sinne und seinen redlichen Absichten heben und fördern zu können, mußte er die ersten Jahre hindurch seine ganze Kraft auf Säuberung des ihm hinterlassenen Augiasstalles verwenden, wozu ihm aber die nötige herkulische Kraft, die in einem großen vollen Geldbeutel hätte bestehen müssen, versagt war; hiemit im Zusammenhang stand eine ausgebreitete gutachtliche Tätigkeit, in welche Babo als Theaterkommissär dadurch verwickelt wurde, daß wegen der von Seeau hinterlassenen Theater- garderobe ein langwieriger Prozeß zwischen dem kurfürstlichen Kabinett und den Seeauschen Relikten entstand (welcher erst im Mai 1805 mit einem gütlichen Ver- gleich endete.^) Nachdem Babo in diesem Jahre endlich zum Intendanten ernannt worden, mußte er sich, da die Theatergeschäfte infolge der unsicheren, kriegerischen Zeiten immer schlechter gingen, im verhängnisvollen Jahre 1809 die Assistenz oder Kontrolle eines „Ökonomierates" in Person seines Nachfolgers, Delamotte, gefallen lassen, gegen dessen bald durchschaute Intriguen bei Hofe in Kampf zu treten seinem vornehmen Charakter widerstand. Wenn er daher diesem Mann freiwillig das Feld räumte, ohne auch nur die Hälfte seiner künstlerischen Intentionen zum Heile der Anstalt durchgesetzt zu haben, so hindert dies nicht, ihm das Lob eines ganzen Mannes, eines ehrenhaften Charakters zuzuerkennen.

Geboren war Babo am H.Januar 1756 zu Ehrenbreitstein bei Koblenz, wo er als Schüler des Jesuitengymnasiums in den zum Jahresschluß gegebenen „actus* (Theatervorstellungen) vermutlich die Lust zur dramatischen Laufbahn einsog. Dieser folgend zog es ihn bald in die künstlerisch rege Stadt Mannheim. Als „Hofpoet« des Kurfürsten Karl Theodor, wie man ihn wenigstens nannte, folgte er diesem nach München, schrieb daselbst seinen „Otto von Witteisbach", welcher, da er der lokalen Eitelkeit schmeichelte und zugleich das erste zur Aufführung sich eignende Ritterschauspiel war, bei der Premiere 1782 sich großen Beifalls erfreute

[') Legband, S. 177 Anm. 2: Die Rechtsnachfolger des Grafen erhielten 4000 fl. ausbezahlt.]

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und bald an mehreren anderen deutschen Bühnen Eingang fand. Zu genauerer Verfolgung seiner Dichterkarriere ist hier der Raum nicht gegeben; nur sei in Bezug auf diese erwähnt, daß ein erster Band von Babos Schauspielen 1793 in Berlin erschien, welchem „ein Band neuer Schauspiele" (Berlin 1804) folgte. Außer- dem war er Verfasser von diversen Operntexten, wenn in diesen auch seine Stärke nicht bestand, und gab in München gemeinschaftlich mit Aretin die Zeitschrift „Aurora", die freilich nur drei Jahre Bestand hatte, heraus. Dieser poetisch-schrift- stellerischen Laufbahn vielleicht in erster Linie, soweit sie sich aufs Theater bezog dankte Babo seine gesicherte bürgerliche Stellung. Er war nicht nur (seit 1784) geheimer Sekretär an der deutschen Schaubühne, sondern Professor der Philologie und Ästhetik am Münchner Lyzeum und Studienrektor an der Militär- Akademie (den auf letztere Stellung bezüglichen Akt siehe im Anhang). Seine Erfahrungen im Bühnenleben schienen den geraden Charakter tief verstimmt zu haben. In seiner hiedurch veranlaßten Zurückgezogenheit wurde er vom König Maximilian Joseph L mit dem Ritterkreuz des Zivilverdienstordens und dem Adels- diplom geehrt.

Die erste Vorstellung unter Babos Regime am 26. März 1799 einem Tag nach Seeaus Tode war die Oper „Das unterbrochene Opferfest«, und zwar im „neuen Opernhaus", d. i. Residenztheater, in welchem von nun an wegen völliger Unbrauchbarkeit des alten „Haberkastens", wie das alte Opernhaus schon im Anfang des Jahrhundertshieß, ausschließlich gespielt wurde (im Jahre 1802 wurde dieses Prunkgebäude abgetragen). Der Oper voraus ging ein von Babo verfaßtes Festspiel „Der Frühling", von welchem der Verfasser wie im freudigen Vorgefühl kommender glücklicher Zeiten, im Nachwort sagt, es gleiche dem Freudengeschrei eines Verliebten oder unvermutet Geretteten.^) (Grandaur, S. 51). Leider sollte dieser allegorischen Erhebung von naivem Hoffen eine trübe Wirklichkeit auf dem Fuße nachfolgen. Der neue Lenker der Dinge sah vor sich eine aufs äußerste herabgekommene Garderobe, eine Theaterbibliothek, die soviel wie keine war, und Dekorationen, über die der Unbeteiligte lachen, der Beteiligte aber nur weinen konnte. Zudem war der „Theaterkommissär" durch kurfürstliches Dekret vom 26. März (seinem fröhlichen Antrittstag) gehalten „zweck- mäßige Vorschläge zur Ersparung und Beschränkung des Aufwands, sowie zur Verbesserung des Theaters zu machen". Wie sich Babo mit diesem Befehl dritthalb Jahre lang abfand, ist mir unbekannt, erst durch einen Bericht vom 24. August 1801 scheint er einem unvermeidlichen Defizit mit aller Energie vorbeugen zu wollen; dieser hebt hervor:

„Das Haus fasse kaum neunhundert Menschen und sei daher viel zu klein. Beim Theatermechanismus sei weder auf Leichtigkeit noch auf Geschwindigkeit gesehen worden. Die Dekorationen und Bewe- gungen seien kolossalisch angelegt. Schon bei der italienischen Oper, obwohl im Winter nur einmal

[*) Der Titel lautet: „Der Frühling, ein Vorspiel. Aufgeführt auf dem kfstl. Hof- und National- theater zu München 1799, als Maximilian Joseph und Karoline diese Schaubühne zum erstenmal mit ihrer Gegenwart beglückten. München." (Bibliothek des Histor. Ver. von Oberbayern.)]

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jede Woche gespielt wurde, sei die Unbehilflichkeit der Maschinerie fühlbar geworden. Da es aber bei diesen ausländischen Spektakeln gar nicht auf Ökonomie angekommen sei, sondern ihr Wert nach den großen Summen, die sie gekostet, geschätzt wurde, so würde man vielleicht durch Antrag auf leichtere und wohlfeilere Einrichtung dem Glänze des Hofes Abbruch zu tun geglaubt haben. Im alten Hause hatten die Ausgaben auf Beleuchtung, Arbeitslohn, Komparsen und Choristen gerade halb so viel wie beim jetzigen Theater betragen, wogegen das alte Theater 14 Logen (in einer Etage) und ein größeres Parterre gehabt habe, weshalb auch Graf Seeau, so oft die deutschen Schauspiele im neuen Hause gegeben wurden, das bedungene Ärarial-Aversum von jährlich 35000 fl, mit 4000 fl. vermehrt erhielt. Um aber die Versetzung des Schauspiels in das kostspieligere Hoftheater zu ver- hindern, habe er fast alle dort befindlichen Dekorationen verschneiden und dem alten Theater anpassen lassen, so daß vom Anfang der neuen Theaterregie nicht ein Stück ohne neue Dekorations- ausgaben aufgeführt werden konnte. Ferner sei es durch die weltberühmte Sparsamkeit des Grafen Seeau in Garderobe und Dekorationen gekommen, daß er in 20 Jahren nicht so viel ausgegeben habe, als die jetzige Leitung in 2 Jahren." (Grandaur, 52 f.)

Eine Arbeit war Babo von Anfang an abgenommen oder konnte ihm als Bürger- lichem nicht anvertraut werden; Die Überwachung der Hofmusik. Die Stelle des ersten Hofmusik- Intendanten war dem Grafen Törring-Seefeld übertragen, während Freiherr Sigismund von Rumling Törrings bisherige Charge als Vize-Hofmusik-Intendant und Musikintendant des deutschen Hoftheaters erhielt unter Ernennung zum Geheimen Rat (6. April).*) Ein kurfürstlicher Erlaß vom S.Mai, welcher die Kompetenzverhältnisse zwischen diesen beiden Herren regelt, ist zugleich für die Musikverhältnisse der Oper zu wichtig, als daß er hier nicht abschriftlich Platz finden sollte:

An den Freiherrn von Rumling, Vizeintendanten der kurfürstlichen Hofmusik.

Wir finden uns zur Abschneidung aller collissionen gdgst. bewogen, dem Hofmusik Intendanten Frhr. v. Rumling das Orchester des deutschen Hoftheaters insbesondere und private hiemit der- gestalt unterzuordnen, daß er das zur hinreichenden Besetzung des erwähnten Orchesters bei Proben und Vorstellungen nötige Hofmusik Personale nach der von dem ersten Intendanten zu bestimmenden abwechselnden tour unter denselben, wovon keiner deren Hof Musici befreyet werden soll, übernehmen, anordnen, unter seiner Aufsicht zur ordentlichen und fleißigen Dienstleistung anhalten, die größte Genauigkeit und Vollständigkeit des gedachten Orchesters jedoch unter möglichster Vermeidung aller coUisionen mit dem einen ersten Hof musikintendanten |: als welcher nun von aller Geschäftsbeteiligung an dem deutschen Theater Wesen befreyet ist :| zugestehenden sonstigen Hofkirchen- und etwaigen italienischen Opern-Dienste besorgen, über alle während und gelegenheitlich des deutschen Theater- dienstes bei der instrumental Musik vorkommende Fälle sich mit der gdgst. angeordneten cameral- Comission benemmen, dieselbe in allem, was das Beste des Hoftheaters betreffen und befördern mag, nach Kräften unterstützen und die hier abschriftlich beiliegende im Theaterwesen unterm 13. März und 20. April erlassene höchste Rescripte, so viel sich hieran auf die Musik beziehet, genauest befolgen soll. München, den 8. May 1799.

Dieser Erlaß wird Unserer general-Landes Direktion am selben Datum unverhalten. Max Jos. Churfürst. vt. Frh. v. Hompesch.

Wenn sich der Leser von der beklemmenden Wirkung dieses Amtsstiles, wie ihn der Bureaukratismus des 18. Jahrhunderts ausgebildet hatte, erholt hat, wird er finden, daß das Reskript nicht nur den Kompetenzkonflikten zwischen den beiden

[*) Vergl. auch Legband, S. 211.]

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Intendanten vorzubeugen sucht, sondern deutlich darauf hinweist, daß Kurfürst Maximilian IV. bereits dieWiedererweclcung der italienischen Oper im Sinne hat. Ins Werk gesetzt wurde der Gedanke erst nach sechs Jahren, wo die Überraschung für Babo noch früh genug kam.

Als Dirigenten an der Oper fungierten beim Antritte Babos vermutlich die in den Hofkalendern noch bis 1801 (von wo an diese aufhören) aufgeführten Musik- direktoren Ignaz Franzi und Friedrich Eck, möglicherweise bekam auch Franz Danzi einen Anteil an der Operndirektion. Derselbe war durch Reskript vom 18. Mai 1798, desselben Datums, an welchem die Besoldung Winters wegen Urlaubs- überschreitung eingezogen werden sollte, vom Hofvioloncellisten zum Vize-Kapell- meister unter der Bedingung befördert worden, daß er „einen förmlichen ad acta zu nehmenden Revers ausstelle, daß er sich mit dem gegenwärtigen Gehalte begnüge und auf alle weitere Zulage oder sonstige Begünstigung ex aerario insolange Ver- zicht leiste, bis ihn durch Abgang eines oder des andern zu ersetzen wieder not- wendigen Kapellmeisters die Vorrückung und der Bezug des fixiert statusmäßigen Gehalts ohne Präjudiz anderer treffen mag." Diese Kautele beweist, daß man den Gehalt von mehreren, mindestens noch einem Kapellmeister neben Winter zu sichern hatte, und dieser eine kann nur Grua gewesen sein.

Das Sängerpersonal, über welches Babo bei seinem Antritte zu verfügen hatte, war knapp genug bestellt. An Sängerinnen waren aus dem Bestände von 1788 nur noch die Frauen Franziska Lang (Opernsoubrette), Eva Brochard und Elise Peierl geblieben. Letztere sang noch erste Gesangspartien, Ob man das Gleiche auch von der Brochard sagen kann, ist zweifelhaft, da sie bereits eine Tochter hatte, welche schon im Jahre 1790 als Schauspielerin und das Jahr darauf als Sängerin in München debütiert hatte, nämlich die geniale Doppelkünstlerin Maria Johanna Brochard, die aber als Frau Renner-Brochard leider schon 1797 nach Mannheim abgegangen war. Als Vierte im Bunde wirkte die seit 1796 engagierte Mad. Margaretha Danzi. Zu diesen vier Damen gesellt sich noch die im Jahre 1793 zugleich als zweite Lieb- haberin engagierte und nicht sehr bedeutende Soubrette D'iS. Klotz. Die Sänger waren die noch vom alten Bestand gebliebenen Herren Piloty, Langlois, Sedl- meyer, Peierl nebst dem 1789 dazu gekommenen Muck; mit Ausnahme des zweitgenannten, eines Tenor buffo, lauter Bassisten, und der einzige im Jahre 1796 engagierte Tenor Schack. Zum Glück erhielt dieses Personal alsbald einen größeren Zuwachs, wogegen leider der Tod wieder vorzügliche Mitglieder dahinraffte.

Eine für die innere Theaterleitung wichtige Neuerung des Jahres 1799, welche Babos Tätigkeit vielfach entlasten, möglicherweise aber ihn als Chef auch ver- drießen mochte, war die Berufung eines artistischen Direktors in der Person des Schauspielers und Lustspieldichters Heinrich Beck und die gleichzeitige Einführung des Institutes der Regisseure. Die Regie des Schauspiels ward dem Schauspieler Franz Xaver Heigel, die der Oper dem Sänger Peierl übergeben. Das Gesangs- personal vermehrte sicp durch den Sänger Tochtermann, der für zweite Tenor- partien engagiert wurde, und die erste Sängerin Josepha Beck (Gemahlin Heinrich

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Becks), geb. Scheefer. Auch Frau Renner-Brochard ward, da Dy?. Klotz nicht ausreichte, wieder gewonnen (Grandaur, S. 53).

Als zur Operngeschichte eigentlich nicht gehörig mag hier nur beiläufig erwähnt werden, daß in diesem Jahre durch Ordonnanz vom I.Juli beschlossen wurde, „künftighin nur einen Ballettmeister in der Person desCrux beizubehalten und keine heroischen Ballette, sondern nur mehr Tanzspiele oder Pantomimen ländlichen oder komischen Inhalts" zu geben. Diese Verordnung, welche einen Rückblick auf eine uns nicht mehr verständliche Betätigung dieses Kunstzweiges erschließt, bedeutet zugleich die löbliche Absicht einer vernünftigen Einschränkung weniger nötiger Ausgaben, und würde, wenn man nicht bald wieder davon abgegangen wäre, der Entfaltung der Oper, auf welche die „heroischen Balletts" wie ein Alp gelegen sein mochten, in jeder Hinsicht, wie z. B. durch größere Verfügung über Raum und Zeit bei Bühnenproben, zugute gekommen sein. Welch große und den übrigen Theater- künsten völlig gleiche Berechtigung aber damals der Ballettkunst zuerkannt und mit welchem Ernste, welcher Wichtigkeit dieselbe von Seiten der Tageskritik behandelt wurde, beweist unter vielen anderen eine ebenfalls im „Dramatischen Briefwechsel" enthaltene Besprechung über ein Ballett von Crux: Der erste Tod, dessen biblischer Stoff an sich schon einen von unserem heutigen weitentfernten Standpunkt bezeichnet. Dieselbe lautet: „....Zum Beschluß ward gegeben: Der erste Tod, ein Ballett von Herrn Crux. Dies große pantomimische Ballett besitzt einen Reichtum an malerisch schönen Gruppen und ist reichhaltig an Handlung und Interesse. Es wird mit allem Fleiß aufgeführt. Die richtige Pantomime des Herrn Crux als Kain, der leichte und anmutige Tanz des Herrn Renner als Abel, die kunstmäßigen Attitüden und Wendungen der Mde. Danner als Tirza (Abels Gattin), endlich die ausdrucksvolle Musik" (Komponist leider nicht genannt !) „dieses schönen Balletts gewährten dem Auge und Ohr einen nicht gewöhnlichen Genuß. Auch muß man sämtlichen Mittänzern das Lob zusprechen, keine, auch nicht eine der mannigfaltigen Gruppen durch Unaufmerksamkeit ver- dorben zu haben. Dies Ballett, das im Grunde wegen der Enge des Lokales, Mangel an guter Deko- ration und anderer Ursachen mehr hier nur gleichsam als Fragment aufgeführt werden kann, dient zu einem Beweis, was unser Crux leisten könnte, wenn er gehörig unterstützt würde, wenn sich die Tatkraft mehr ausbreiten könnte." Dieses biblische Ballettstück mit seinen schlechten Dekorationen wurde noch unter Seeaus Regime (einmal zum Schluß nach Shakespeares „Kaufmann von Venedig") aufgeführt; ich versparte mir aber die Klaubaufsche Besprechung bis zu dieser Stelle als dem Gegen- stande nach hieher gehörig.

Indes richtete Babo, wenigstens in seinem Antrittsjahre, sein Augenmeric fast aus- schließlich auf eine reiche Betätigung des Schau- und Lustspiels. Der Regierungs- wechsel hatte sich auch der Freiheit in der Wahl des Repertoirs günstig erwiesen, insoferne wieder vaterländische Schauspiele gegeben werden durften (Karl Theodor hatte diese im Widerspruch mit seiner früheren Tendenz verboten) und das Zensur- kollegium [seine Anschauungen etwas milderte]. Genug, über die Sorge für das Schauspiel kam die Oper zu kurz, sie brachte nur drei unbedeutende Novitäten am 14. April von unbekannten Verfassern: „Das bezauberte Schloß", dann am 27. Juni Franz Danzis „Der Kuß", und am 3. November Dalayracs „Georg von Asten" (Renaud d'Aste). Über den Münchener Erfolg dieses Werkes, welches in Paris am 19. Juli 1787 zur erstmaligen Aufführung gekommen war, verlautet nichts. Eine Romanze aus dieser Oper hielt unterm Kaiserreich mit unterlegtem Text als Volkshymne her.

Das Jahr 1800, fin de siecle, brachte der Münchner Oper Schlimmes mehr denn Gutes. Fürs erste zeigte sich als eine der Nachwehen vom Seeauschen Regimente die Lockerung der Disziplin auf der Bühne in einer kaum mehr erträglichen Weise.

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Während einer Aufführung der „Zauberfiöte" extemporierte Peierl (Papageno) gegen einen der Priester: „Aber in Eurer Wohnung ist ein Lärm, daß man sein eigenes Wort nicht versteht." ^) Ob diese Zustände das ihrige dazu beigetragen haben, daß Beck schon zu Ende Januar sein Amt als artistischer Direktor wieder niederlegte, wäre an sich für die Oper belanglos, wenn nicht durch seinen Abgang aus München (Ende April des folgenden Jahres) eine erste Opernkraft in seiner mit ihm ziehenden Frau dem Theaterverbande entrissen worden wäre.

War dem Mißstand der Disziplinlosigkeit immerhin durch persönliche Energie und geeignete Maßnahmen beizukommen, so mochte Babo der nicht mehr zu ver- hüllenden Unzulänglichkeit der Dekorationen ratlos gegenüberstehen er, der Vorschläge zur Ersparung und Beschränkung des Aufwandes, zur Verbesserung des Theaters machen sollte I Solchem mit der Würde eines Hoftheaters schwer zu ver- einbarenden Elend ohne Geld Abhilfe zu leisten, soll zu den schwersten Aufgaben eines Bühnenvorstandes gehören. Indes zeigte sich auch in diesem Fall, daß nicht jedes Gericht so heiß gegessen wird, wie es gekocht ist. Babo wußte es doch durchzusetzen, daß laut Bericht der kurfürstlichen Rechnungs-Justifikation (datiert München, den 6. Juni 1804) für Neuanschaffung von Garderobe-Gegenständen, ohne die unberechenbare „Anstuck-und Ausbesserung" der (verschnittenen) Dekorationen, in den vier Jahrgängen von 1799/1800 bis 1802/1803 die nicht unansehnliche Summe von 19 165 fl. verausgabt wurde.

Schmerzlicher als die finanziellen Sorgen waren wohl die Lücken, welche der Tod in das Sängerpersonal riß. Am 10. Juni starb die gefeierte Sängerin Margaretha Danzi, am 21. August der vortreffliche Sänger und Regisseur Peierl, am 22. No- vember der hochverdiente Direktor Theobald Marchand, welcher ohne Zweifel noch in allerhand Sprechrollen (Väter, Onkel usw.) der Spieloper beschäftigt war. Zu allem Unglück verließ München gegen Ende des Jahres auch noch der aus- gezeichnete Bassist Georg Gern. Den einzigen Zuwachs gegen einen vierfachen Personenverlust erhielt die Oper durch das Engagement der Sängerin Madame Cannabich, geb. Woralek, Gattin des an der Hofkapelle wirkenden Konzert- meisters Karl Cannabich.^) Zum Glück für die Oper gastierte der Bassist Franz Anton Maurer mit so großem Beifall, daß er als Ersatz für Gern gelten konnte.

Die zum erstenmal gegebenen Opern dieses Jahrganges waren (neben 14 Novi- täten des Schauspiels!) Wenzel Müllers „Das neue Sonntagskind" am 14. Januar, P.Winters „Maria von Montalban", am 28. Januar zur Namensfeier der Kurfürstin Karoline gegeben; zwei Einakter: „Der kleine Matrose" von Gaveaux und „Der Gefangene" von Della Maria, welche im März und Mai herauskamen; weniger Glück hatte Sacchinis „Ödipus auf Kolonos" am 15. Juli. Ob mit Recht oder durch mangelndes Verständnis seitens des Publikums der Münchener Geschmack war ja griechischen Stücken niemals hold ist schwer zu sagen. Reichardt (ver- traute Briefe) erlebte zwar ein ähnliches Schicksal der Oper 1802 in Paris, aber

') Münchener Theaterjournal von A. J. von Guttenberg, München 1800. S. 89. [*) Grandaur sagt S. 56, beide wären gleichzeitig nach München berufen worden. Vergl. dagegen E i t n e r , Quellen-Lex.]

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unter abnorm widerlichen Umständen. Er berichtet, daß die Hälfte des Publikums weder auf das vortreffliche Stück, das Ödipus als Operngedicht wirklich sei, noch auf die schöne Musik gehört, sondern unter Plaudern und Schäckern das Ballett erwartet habe, für welches, sobald es anging, das ganze Haus StI StI StI rief. Die geschäftlich interessanteste, wenn auch nicht die glücklichste Erscheinung war jedenfalls Haydns „Ritter Roland", aufgeführt im Dezember. Haydn genoß damals in München bereits die größte Verehrung seitens der Musikkenner. Die Münchener „Oberdeutsche Staatszeitung" berichtet am 11. März 1800: „Gestern abends nach 6 Uhr wurde zu Ehren des französischen Generals Moreau das Oratorium ,Die Schöpfung von Haydn' auf dem dreifach beleuchteten Redoutenhause aufgeführt." Der schon feststehende Erfolg dieses Werkes rechtfertigte wohl den Versuch der Theaterleitung, auch ein Bühnenwerk des großen Meisters in München einzuführen. [„Ritter Roland" war seine berühmteste Oper und wurde überall in Deutschland gegeben. Freilich war sie, wie seine übrigen Bühnenwerke, „zu sehr an das Per- sonal und an die Verhältnisse des fürstlichen Theaters in Esterhäz gebunden", als daß sie außerhalb ihres Kreises eine längere Lebensdauer hätte haben können.^)] Nicht unmöglich ist es, daß Kapellmeister Winter durch persönliche, während eines Wiener Aufenthaltes mit dem Meister angeknüpfte Beziehungen in den Besitz des Manuskriptes oder einer Abschrift dieses „Orlando Paladino", wie er ursprünglich hieß, gelangte und von ihm das Recht der Aufführung erwirkte. Über die Musik macht ein Bericht in den „Briefen eines Franzosen über das Theaterwesen in Esterhäz" (Hamburg 5. April 1805) ungefähr dieselben Ausstellungen, wie sie später gegenüber Franz Schuberts mißglückten Opern am Platze waren. Lange Ritornelle, Adagios usw., welche die Handlung aufhalten, beeinträchtigen die Wir- kung; Haydn könne sich im Theater nicht zurechtfinden; doch habe die Oper auch schöne Musiknummern aufzuweisen, z. B. eine Cavatine im 3. Akt. An Spektakeln fehle es nicht: das ganze Elysium sei zu sehen, der Schildknappe Rolands singe eine Arie zu Pferd usw.

Französische Generäle, welche am 20. Juni mit ihren Truppen in München einzogen, zeigten sich als begeisterte Freunde der Mozartschen Muse. Auf ihren Wunsch wurde am 28. Juni „Don Juan", dann am I.Juli „Die Zauberflöte" und am 18. Juli wieder „Don Juan" gegeben, endlich am 20. Juli abermals „Die Zauberflöte". Nach den Be- schreibungen von der damaligen dekorativen Mangelhaftigkeit war es jedenfalls die Musik und ihre treffliche Aufführung allein, welche die Franzosen anzog und begeisterte. 1801 Im Jahrgang 1801 gingen zunächst mehrere zumeist vorteilhafte Veränderungen im Personal vor sich. Der Bassist Gern wurde durch Franz Anton Maurer er- setzt; Tochtermann rückte zum ersten Tenoristen auf; als Opernsoubrette wurde Antonie Schack, Tochter des Tenoristen, gewonnen. Außerdem wurde Konzert- meister Cannabich [am I.August] zum Musikdirektor ernannt.^) Die Stelle des verstorbenen Architekten Julius Quaglio übernahm sein Bruder Joseph.

l) E. Mandyczewski, J. Haydns Opern. Programmbuch der Haydn-Zentennarfeier 1909. Vergl. auch C. F. Pohl, J. Haydn. II, 193 f.] P) Eitner, Quellen-Lex.]

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Intendant Josef Marius Babo 1799 I8l0

In diesem Jahrgang sehen wir das Münchener Theater eine geradezu erstaunliche Tätigkeit entwickeln. Neben nicht weniger als 23 Novitäten des Schauspiels erfreute sich das Opernrepertoir folgender teilweise glänzender Erscheinungen an größeren Werken: Mozarts „Titus", Cherubinis „Wasserträger", Paers „Camilla" und Salieris „Axur, König von Ormus", zu welch letzterem der produktive Karl Cannabich die Ballettmusik schrieb. Hinzu kamen noch die einaktigen Operetten „Adolf und Clara* von Dalayrac und „Das Singspiel" von Della Maria. Von einer Oper „Cora", welche ebenfalls in diesem Jahrgange noch gegeben wurde, fehlen nähere Angaben. [Winter hat 1778 ein Melodram dieses Namens mit Text von Babo (nach Marmontel) komponiert.]

Da die italienische Oper in München noch nicht wiedererstanden war, wurde „Titus" (italienisch „La clemenza di Tito" nach Metastasios öfter komponierter Dichtung) jedenfalls nicht im Original, sondern wie die bisherigen italienisch geschriebenen Opern Mozarts in deutscher Übersetzung, mit Dialog an Stelle der Seccorecitative gegeben und wurden die zwei Kastratenrollen Sextus und Annius ein damals noch neuer Fall von Damen gesungen. Die Erstaufführung war am 10. Februar.

Das bedeutendste Ereignis in diesem Jahrgang war aber die erstmalige Inszenierung eines Werkes von Cherubini, dessen frischer und mächtiger Eindruck damals die musikalische Welt erfüllte: des „Wasserträger" (franz. „Les deux journees"). Diese Oper war 1800 zum erstenmal aufgeführt in der Opera comique zu Paris, wobei eine Freude, wie sie schon lange kein musikalisches Werk auf der Bühne mehr erregt hatte, sich bis zur Berauschung steigerte. Der Erfolg der Münchner Aufführung muß ebenfalls groß gewesen sein, sonst hätte nicht der schlaue Schikaneder im Jahre darauf seinen Kapellmeister Seyfried behufs Gewinnung einer Abschrift der Partitur nach München geschickt.

Paers zweifellos beste Oper „Camilla" war schon 1799 in Deutschland an zwei Orten zur Aufführung gekommen, deutsch in Frankfurt a. M., italienisch (als „Camilla ossia il sotteraneo") am k. k. Hoftheater zu Wien; in der Frankfurter Aufführung hatten Madame Cannabich und Fr. Maurer mitgesungen. Auch Dalayrac hatte ungefähr gleichzeitig eine „Camille ou le Souterrain" geschrieben, welche zu Paris in der Opera comique 1805 wieder aufgeführt wurde, während die italienische Opera buffa daselbst bei ihrer Camilla mit Paers Musik blieb. Ein Pariser Blatt bemerkt hiebei: Paer hat das Metier mehr in der Gewalt, hat eine bessere Harmonie, Dalayrac mehr Geist und Witz. Das ist aber der allgemein wahrzunehmende Gegensatz zwischen den Komponisten der französischen Spieloper von Philidor bis Isouard, und der italienischen Opera buffa von Piccini bis Paer. Die Franzosen vertragen in Bezug auf Korrektheit des Satzes, namentlich der Baßführung, keine allzustrenge Kontrolle, sind aber immer geistreich und pikant; die Italiener haben fast durchweg eine tadellose Harmonie und wissen mehr durch melodischen Reichtum als durch Witz und Laune zu fesseln, bis endlich Rossini in seinem „Barbier" die Franzosen auch in dieser Richtung noch weit übertrifft.

n 81

Die Aufführung von Salieris „Axur, König von Ormus* ist als eine hoch- bedeutende Leistung der Münchner Oper zu bezeichnen, indem sie die höchsten Anforderungen nicht nur an ein großes Gesangspersonal, namentlich in deklamato- rischer und darstellerischer Hinsicht, sondern auch an die Künste der Inszenierung stellt, und ohne eine charakteristische und glänzende Ausstattung gar nicht zu denken ist.

Bei dem Einakter „Adolf und Clara" läge wieder eine Kontroverse bezüglich des Autors nahe (indem eine Operette gleichen Namens von Franzi existierte, welche 1800 in Frankfurt aufgeführt wurde) ; wenn nicht in der Theateranzeige vom Q.Juli 1802, an welchem Datum dieOper wiederholt wurde, ausdrücklich Dalayrac als Komponist angegeben wäre. Die Operette „Das Singspiel" von Della Maria war erst 1798 (am 10. Juli) zum erstenmal in Paris aufgeführt worden, überhaupt ist es bemerkens- wert, daß die Entstehung aller in diesem Zeitraum am Münchener Theater gegebenen Opern nur auf wenige Jahre zurückdatiert, insbesondere die Mozartschen schon zu den ältesten gehören. Die Bühnenleitung ließ es also an Eifer, dem Publikum immer Neues zu bieten, nicht fehlen.

Die im September des Jahres 1801 vorgenommene Restauration des Zuschauer- raumes des Residenztheaters beschäftigte auch den Galeriedirektor J. Christ. Mann- lich, der die Deckenmalerei neu herzustellen hatte. Unter anderem wurden bei diesem Anlaß auch zahlreiche neue Dekorationen gemalt. [Grandaur, S. 57.]

Im nächsten Jahre, 1802, ging die Hoftheaterverwaltung durch Dekret vom 24. Februar an das kurfürstliche Kabinett über. Am 1. März wurden die seit dem Regierungsantritte Max Josephs IV. unbestimmten Ärarial- Beiträge auf 31 000 fl. festgesetzt; im Februar war auch bereits das Eintrittsgeld erhöht worden.

Gegenüber 13 Schauspielnovitäten brachte die Oper, an welcher seit Juni auch der Hofsänger (und Komponist) J. B. Lasser und seine Frau, ohne engagiert zu sein, gegen Spielgeld auftraten, folgende vier neue Werke: „Das Haus ist zu ver- kaufen" von F.A.Maurer, „Orpheus" von K. Cannabich, „Elbondokani" von Fr. Danzi und „Achilles" von Paer. Mit Ausnahme des letztgenannten haben wir es mithin in diesem Jahre nur mit Werken von Angehörigen des Hauses zu tun, und selbst zu jener hatte der Sänger und Komponist Maurer die Übersetzung (nach St. Just und G. Lambrecht) besorgt. Der Text der Maurer'schen Oper „Das Haus ist zu verkaufen" ist, wie der Titel, einfach eine Übersetzung der von Alex. Duval gedichteten, von Dalayrac komponierten Oper „Maison en vendre", welche erst am 23. Oktober 1800 im Saale Favart (opera comique) zur ersten Aufführung gelangt war. Die Zeit, in welcher dieses dreiste Verfahren auf zivilrechtliche Beanstandung stieß, war damals noch lange nicht in Sicht. Das einzig Neue der deutschen Über- setzung war die Ausdehnung auf drei Akte, während sich das französische Original auf einen Akt beschränkte. Übrigens scheint Maurers Musik gefallen zu haben. Über den Erfolg des Cannabich'schen „Orpheus", welcher als ein Drama in einem Akt bezeichnet ist, verlautet nichts.

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Der folgende Jahrgang 1803 hat schon im Frühling wieder einen schweren Per- 1803

sonenverlust durch den Tod zu verzeichnen, welcher am 19. April den noch so jung- ]

kräftigen, vielseitigen F. A. Maurer ereilte. An seine Stelle trat Felix Reiner, !

ein Sohn des berühmten Fagottisten, nachdem er, in der Gesangkunst ein Schüler '

Winters undDanzis, die Bühne zum erstenmal mit entschiedenem Glück als Sarastro i

betreten hatte. Die Übung, Bassisten in dieser Rolle debütieren zu lassen, ist mithin \ schon über ein Jahrhundert alt. Auch die Hofsängerin Helene Harlas wurde in diesem Jahre engagiert. [Grandaur, S. 59.]

Gegenüber den nur neun Novitäten des Schauspiels war in diesem Jahre die Oper mit folgenden sechs neuen Werken verhältnismäßig obenauf. „Teniers" von Maurer, „Der Corsar" von Weigl, „Michel Angelo" von Isouard, „Palmer und Amalie" von Cannabich, „Leon oder Schloß Montenero" und „Macdonald* von Dalayrac. Das Sujet des „Teniers" ist ein, wie es scheint, wirksames Künstler- zeitbild und behandelt eine hübsche Anekdote, welche sich zwischen dem Künstler | und dem Kaiser Leopold in einem flandrischen Dorfe, wohin sich jener zurück- \ gezogen und wo dieser zufällig durchreist, zugetragen hat. Da die Oper schon am 28. Januar aufgeführt wurde, hat sie der Komponist vermutlich noch persönlich mitgemacht. Von Weigls „Corsar", welcher zum erstenmal in Wien am 15. Ok- tober 1797 gegeben wurde und nun auch (wie alle übrigen Opern des braven Meisters mit Ausnahme der „Schweizerfamilie") in den Bibliotheken ruht, ist jetzt nur noch interessant, daß Beethoven (nach Thayer) in seinem Trio op. 11 ein Thema daraus verwendet hat, was dem musikalischen Wert der Oper kein schlechtes Zeugnis gibt. , Der „Michel-Ange" hat in kürzerer Frist als alle die bisherigen französischen Spiel- ; Opern den Weg nach München gefunden; er wurde erst am 11. Dezember 1802 im , Feydeau -Theater zum erstenmal gegeben. Schade, daß dieser Einakter eine gar unbe- deutende Anekdote behandelt, welche mit dem bewegten Leben des großen Künstlers | nichts gemein hat, denn Isouards melodisch reizende Musik würde vielleicht noch i heute ihrer prickelnden Wirkung nicht ermangeln. Cannabichs „Palmer und Amalie" | hatte unter allen Opernnovitäten dieses Jahrgangs den größten Erfolg; Dalayracs | „Leon oder Schloß Montenero", auch „Das Schloß von Montenero" betitelt und nach ^ einem französischen Räuberroman „Les mysteres d'Adolphe" bearbeitet, war 1798, ^ sein „Macdonald" aber erst 1801 (12. Dezember) in der Opera comique zu Paris auf- [ geführt worden; über den Erfolg beider Opern in München war nichts zu erkunden. j

Das Jahr 1804 ist durch zwei Maßnahmen der Krone markiert: Das Hoftheater | wurde dem Finanzministerium unterstellt und der Ärarialbeitrag von 1804 |

31000 auf 48000 fl. erhöht. Die erstgenannte Maßregel blieb bis 1834 in Geltung I

und hatte die praktische Folge, daß die Theaterakten von 1804—23, welche beim !

Brande des neuen großen Hoftheaters 1823 sicher zugrunde gegangen wären, jetzt i

noch erhalten sind. Die kurfürstliche Entschließung, welche die zweitgenannte Ver- j

fügung enthält, finden die Leser im Anhang. |

Die Oper verlor ein wichtiges Mitglied durch Verheiratung von Antonie Schack

im Dezember. Neu gegeben wurden nur „Der Kapellmeister" von Lasser, der i

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einmal wiederholt werden konnte, Paers „Sargino" (13. Juli), übersetzt von Cäsar Max Heigel, und seine „Griselda" (21. Oktober), übersetzt von dem Schauspieler G. Lambrecht. Daß zu wiederholten Malen Bühnenmitglieder sich an der Instand- setzung des Opernrepertoirs als Bearbeiter oder Übersetzer von Textbüchern betei- ligten, gibt Zeugnis von einem regen geistigen Zusammenarbeiten unter Einwirkung des Vorstandes, wie es unter allen folgenden Regimes kaum zum zweitenmal statt- gefunden hat. Nur gegen seine im Hause beschäftigten „Komponisten", waren es Dirigenten oder Sänger, scheint Babo, in gütiger Berücksichtigung ihrer Haus- angehörigkeit manchmal etwas weit gegangen zu sein. Die Aufführung der beiden Opern von Paer, der damals zu den beliebtesten Komponisten in Italien, Frank- reich und Deutschland zählte, verstand sich von selbst und war sozusagen eine Ehrensache. „Sargino ossia l'Allievo dell' amore** war kurz vor der Münchner Premiere in Dresden (am 26. Mai) mit großem Beifall aufgeführt worden, nur das letzte Finale hatte man dort etwas abfällig befunden. Während des Regimes der drei letzten Intendanten kam diese Oper mit dem Titel „Sargines" zu oftmaliger Aufführung.

Wie schon bemerkt, hatte der Theaterkommissär Babo erst in dem folgenden Jahrgang 1805 die Ehre, zum Intendanten ernannt zu werden. Daß diese einem Bürgerlichen zuteil werden konnte, gehört zu den vielen von den veränderten Zeitverhältnissen gebrachten Fortschritten. Aber das gleiche Jahr brachte einen schlimmen Rückfall: Durch kurfürstliche Entschließung vom 3. Mai wurde ange- ordnet, daß künftighin jedes Jahr zwei große italienische Opern zu geben seien. Vom 1. Oktober ab wurde Antonio Brizzi, der erste Sänger der Oper auf Lebensdauer zum Regisseur ernannt; er wurde verpflichtet, während der ersten sechs Jahre vier Monate vom März bis Juli und nach Ablauf derselben „zu einer beständigen Domizilierung und Funktionseintretung" anwesend zu sein. So waren Babos Hoffnungen auf eine würdige Instandsetzung des Hoftheaters durch einen stetig zu führenden vernünftigen Haushalt mit einem Schlage vernichtet.^) Denn wie die vorauszusehende offizielle Kostspieligkeit dieser italienischen Oper durch die geringen Einnahmen des viel zu kleinen Hauses selbst bei den um 17000 fl. vergrößerten Zuschuß (der sich nun nicht mehr als bloße Freigebigkeit entpuppte) wettgemacht werden könnte, entzog sich wohl allem Kopfzerbrechen des Inten- danten. Und seine Sorge war nicht eitel: Später konnte er berichten, daß in einer der Opern, die Brizzi während seines Gastspieles neu inszenierte (Paers „Achilles**, Simon Mayrs „Ginevra" und Mozarts „Titus**), auf dessen unbedingte Anord- nung sich 230 Personen zu Fuß und zu Pferd (aber nicht alle auf einmal) auf der Bühne befanden, von denen 208 ganz neu und größtenteils kostbar gekleidet waren [Graundaur, 62.] Wer die engen und unpraktischen Räume zu den beiden Seiten und hinter der Residenztheater-Bühne kennt, die dem Gemäuer nach doch unver- ändert geblieben sind, kann sich schwer einen Begriff machen, wie eine so große

[') Vergl. auch Reipschläger, S. 69ff.]

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Komparsen- und Pferdegesellschaft, selbstverständlich nur truppweise und auf verschiedene Zeiten des Abends verteilt, untergebracht werden konnte. [Die ge- steigerten Forderungen Brizzi's führten schließlich zu fortwährenden Aufwänden für die italienische Oper auf Kosten der deutschen. Cimarosas „Orazi" erheischten neue Dekorationen und zahlreiches Personal in neuen Kostümen.^)] Das Logen- abonnement wurde erst im Oktober 1806 eingeführt. Engagiert wurden noch: der Bassist Joseph Hanmüller, die Sängerinnen Margaretha Lang, Antonie Peierl und Regina Hitzelberger. Dagegen entzog sich wieder der Bühne die Sängerin Helene Harlas durch Verheiratung. Für Schack übernahm die Regie der Oper Tochtermann.

Die sechs neuen Oper dieses Jahres waren: Winters „Castor und Pollux* (Text von Bernard) und „Frauenbund* (Text von Babo), Blanginis „Kalifenstreich", Paers „Ginevra", Himmels „Fanchon" und „Kallirrhoe", ein „thespisches Trauer- spiel oder ein Trauerspiel in der Gestalt, die ihm bei seiner Entstehung war."

Der Text, der von Winter komponierten Oper „Castor und Pollux" ist derselbe der Voglerschen Oper gleichen Namens, welche zum erstenmal in München an der italienischen Oper 1787 aufgeführt worden war. Winter hatte die Oper für London geschrieben, wo sie nicht zur Aufführung kam. Es liegt hier ein Fall vor, welcher an Unverfrorenheit die üblichen Entlehnungen in der Opernmusik des 18. Jahrhunderts noch erheblich übertrumpft. Denn selbst wenn wir uns auf den damaligen „Rechtsstandpunkt" stellen, wo nämlich von keinem Autorrecht die Rede war, so ist es uns doch schwer verständlich, wie ein Musiker das Werk seines freundlichen Mentors, dessen Existenz mindestens bekannt sein mußte, noch einmal komponieren, es an derselben Stelle, wo jener sein Amtsvorgänger war, zur Aufführung bringen konnte. Hier hat das Selbstbewußtsein alle menschliche Pietät überwuchert. Damals erhob sich jedenfalls keine Stimme dawider. Winters Werk wurde in München zum erstenmal am 13. Januar 1805 gegeben und am 22. Februar wiederholt. (Nicht ein volles Jahr darauf konnte Winter den Vergleich zwischen seinem und Voglers Werk praktisch ziehen; siehe darüber die dreimalige Aufführung des Voglerschen „Castor und Pollux".) Die deutsche Übersetzung wurde getadelt. Die für die Bellington in London geschriebene Partie der Telaira wurde von Madame Elise Lang trefflich gesungen; die Oper scheint namentlich den französischen Gästen gefallen zu haben, denn sie wurde am 19. August 1806 auf dem kaiserlichen Operntheater in Paris aufgeführt. „Der Frauenbund" gehört wieder zu den Opern, welche Winter speziell für München schrieb: er machte kein Glück, indem er wegen Zweideutigkeiten im Texte zurückgelegt werden mußte. Sonderbar: der vieljährige Bücherzensurrat Babo^) mußte sich diese Zensur vom Publikum gefallen lassen. Von Giuseppe Maria Feiice Blangini heißt

[*) Vergl. die Beispiele bei Grandaur, S. 62.] ^) In seinem „Gemälde aus dem Leben der

Menschen" sagt Babo: „Ohne Sittlichkeit ist keine Staatswohlfahrt möglich Wo man sich nicht

durch zweckdienliche Mittel dem, was die guten Sitten schändet, entgegensetzt, da ist es wahrhaftig nicht um die Wohlfahrt zu tun." Diesen Satz zitiert Klaubauf im dramatischen Briefwechsel.

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es, daß er bei Gelegenheit der 1805 am 28. Juni in München aufgeführten Oper zum Hofkapellmeister ernannt worden sei. Für diesen Jahrgang ist die Ernennung nicht festzustellen, weil in demselben ein Hofkalender nicht herausgegeben wurde; dagegen ist noch in dem von 1812 Felix Blangini als bayerischer Hof- kapellmeister aufgeführt. Ob er als solcher Gehalt bezogen oder nur den Titel genossen, ist nicht sicher; denn außerdem sollen ihn die Prinzessin Borghese, Napoleons Schwester, 1806, und König Jerome zu Kassel, 1809, zum Kapellmeister ernannt haben.

Paers „Ginevra" war schon durch ihre italienische Aufführung und grandiose Ausstattung garantiert. „Fanchon, das Leyermädchen", Singspiel in 3 Akten von Kotzebue, Musik von Friedrich Heinrich Himmel, ein wenngleich sehr naives, doch auch äußerst anmutiges Liederspiel (wie man es speziell nennen möchte) ist unter den nicht allzu zahlreichen Bühnenwerken desselben Komponisten am bekanntesten geworden. Das Sujet ist dem wirklichen Lebensgange eines savoyschen Leyermädchens Fanchon, welches in Paris durch Schönheit und Gesang großes Aufsehen machte und ein großes Vermögen erwarb, entnommen. Der Münchner Erfolg am 24. Januar 1805 scheint Himmel ermutigt zu haben; denn er war im April und Mai des Jahres 1808 wieder in München, eine Anstellung zu erhalten. Am 25. Oktober wurde zu Ehren Napoleons, der tags vorher in München einge- zogen war, das „Unterbrochene Opferfest" von Winter, am 27. Mozarts „Don Juan* gegeben. 1806 Mit der Erhebung des pfalzbayerischen Kurfürsten Max Joseph IV. zum König Maximilian I. von Bayern am I.Januar 1806 erhielt die Münchner Bühne, wie es sich von selbst verstand, den Titel eines Kgl. Hof- und Nationaltheaters.

Künstlerische Veränderungen in diesem Jahrgange waren: 1. Das Engagement der Sängerin Josepha Marchetti-Fantozzi, 2. die Berufung des Ferdinand Fränzel zum Musikdirektor an Stelle des am 1. Mai verstorbenen Cannabich.

Der stolzen Summe von 22 Schauspielnovitäten standen im Opernrepertoir diesmal nur fünf neue Werke gegenüber und zwar, wenn man Voglers „Castor und Pollux" als Novität rechnen will. Sie mußte freilich durchaus neu einstudiert werden; die der Voglerschen Partitur nach für Kastraten geschriebenen Partien, wie die in Mozarts Titus, konnten nunmehr nur von Damen gesungen werden; auch wurde die Oper nicht mehr, wie im Jahre 1887 mit dem italienischen Urtext, sondern gleich der Winterschen Oper gleichen Namens in deutscher Übersetzung gegeben. Die erste Aufführung fand am 16. Januar zur Feier der Vermählung der Prinzessin Auguste mit Eugen, Vizekönig von Italien, unter Anwesenheit der kaiserlichen und königlichen Majestäten statt; dann wurde das Werk am 10. und 11. März wiederholt. Mit dem Jahr 1806 beginnen, ohne auf Vollständigkeit Anspruch zu machen, die Hoftheaterzettelbände der Münchener Staatsbibliothek. Der im ersten Bande enthaltene Zettel vom 11. März weist folgende Besetzung von „Castor und Pollux« auf:

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PoUux Herr Tochtermann

Castor Dem. Peierl

Phöbe Mad. Elise Lang

Telaira Dem. Hitzlberger j k. b. Hofsänger

Jupiter Herr Reiner

Merkur Dem. Lang

Hebe Dem. Metzger

Diese Besetzung ist, soweit es den Pollux und den Merkur anbelangt, mit der Partitur nicht in Einklang zu bringen; denn ersterer ist, wie der Busenfreund Castor, zweifellos für einen Kastraten im Violinschlüssel, der Merkur dagegen offenbar für einen Haut-contre (Tenor) im Altschlüssel gesetzt; von einer Dame müßte dieser um eine Oktave höher gesungen worden sein, was in den Ensembles musikalisch nicht zulässig wäre. Indes waren Umarbeitungen für den jeweiligen Personalbestand in jener Zeit so an der Tagesordnung, daß schließlich die obige Stimmenverschiebung, wiewohl geschmacklos im höchsten Grade, wohl begreiflich erscheint. Das Libretto hat unter vielen seinesgleichen in jener Zeit den Vorzug, daß die mythologische Handlung einmal nicht auf die Verherrlichung höchster Herrschaften abzielt; sonst führen die gegensätzlichen Leidenschaften zu den damals nicht mehr neuen Seelenkonflikten. Die Oper wurde nur für die von dem kurfürst- lichen Hofe Eingeladenen gegeben, welche die Logen einnahmen, und das Parterre war für die Hofbediensteten, das Hofgesinde, bestimmt. Von einem Eintrittspreise konnte natürlich keine Rede sein. Sapienti sat.

Die vier wirklich neuen Opern in diesem Jahrgange waren Cimarosas „Horazier und Curiazier", welche von Brizzi inszeniert, in italienischer Sprache am 13. Juli, dem Geburtstag der Königin, gegeben und dreimal wiederholt wurden, und Cheru- binis „Faniska", zum erstenmal am 14. November aufgeführt, dann die beiden Spiel- opern „Die Intrigue durch das Fenster" von Isouard und „Die Opernprobe", Text und Musik von J. N. von Poissl.

Das erstere von diesen beiden Singspielen, aufgeführt am 16. Mai, soll ver- möge seiner schönen, originellen Musik außerordentlich gefallen haben. Daß Freiherr von Poissl, von dem noch die Rede sein wird, Text und Musik zu seinem ersten Bühnenwerk geschrieben hat, ist an sich schon interessant. Das Sujet, welche seiner älteren italienischen Oper „La prova d'un opera seria" entlehnt sein dürfte, wurde nicht glücklich befunden, dagegen gefiel die Musik wegen ihrer Gefälligkeit, namentlich das erste Finale. Die Premiere, zugleich von Poissl erstes Debüt, war am 23. Februar.

Daß die pompreiche Auff^ührung „Horazier", die Babo schon im Voraus so viel Schmerzen bereitete, Eindruck machte, ist durch die drei Wiederholungen in einem Jahre (für München schon viel!) bewiesen. Weniger scheint „Faniska" imponiert zu haben. Überhaupt ereifern sich die Zeitgenossen nicht übermäßig mit Lob; so sagt Reichardt in einem Brief aus Wien (wo sie am 6. Februar 1806 unter Cherubinis persönlicher Leitung zum erstenmal aufgeführt wurde), sie habe viele einzelne

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Schönheiten, auch einige recht große Sachen, sei aber im ganzen ungleich, werde zuletzt matt und endige „fast gemein" (I). Der Zettel ihrer Erstaufführung in München ^) der einzige, der überhaupt von den vier genannten Novitäten samt ihren Wieder- holungen erhalten ist weist folgendes Personal auf: Die Damen Peyerl, Elise Lang und Altmutter, die Herren Tochtermann, Reiner, Muck und Mittermayr.

Demnach ist das Sängerpersonal also noch gegen Schluß des Jahres um zwei vor- zügliche Kräfte vermehrt worden: die ausgezeichnete Koloratursängerin Altmutter und den berühmten Bassisten Gg. Mittermayer, welcher, wie wir hören werden, die seltene Eigenschaft hatte, bei Erkrankung des ersten Tenors für diesen ein- springen, überhaupt tiefe Baß-, Heldentenor und lyrische, auch komische Tenor- partien singen zu können. 1807 Dazu kamen im Jahre 1807 der Tenorist Georg Weixelbaum und die Sängerin Josephine Lang, eine Tochter der Marianne Lang, für Madame Renner, die aus dem Verband des Hoftheaters schied. Margaretha Lang und Vizekapellmeister Franz Danzi wurden nach Stuttgart berufen.

Gegenüber 24 Novitäten des Schauspiels wurden folgende sechs neue Opern gegeben: „Iphigenia in Aulis" von Danzi, „Der Schatzgräber" und „Die beiden Füchse" von Mehul, „Kalypso" von Winter, „Zwei Worte" von Dalayrac, „Aline, Königin von Golkonda" von Berton und „Das Geheimnis" von Solie.

Daß Danzis „Iphigenia" nur einmal wiederholt wurde, läßt sich eher begreifen, als daß auch ein Produkt Mehuls „Der Schatzgräber" das gleiche Schicksal geteilt haben soll. Man hat die Oper im Jahre 1852 wieder hervorgesucht und am 22. Juni mit den Damen Hefner und Diez und den Herren Sigl und Lang gegeben; seitdem hat man sie nicht wieder gehört, dagegen wurden „Die beiden Füchse" schon im Jahrgang 1807 im ganzen fünfmal gegeben. Der Zettel der Premiere (Freitag, den 17. Juli) ist erhalten, die einzige weibliche Rolle sang DUl Hitzelberger. Die Oper ist bis in die fünfziger Jahre auf der Münchner Hofbühne öfters wieder erschienen; nun gehört sie zu den vielen, welche das Unrecht, nicht mehr gegeben zu werden, nicht verschuldet haben. Auch Winters „Kalypso" hatte Glück, sie wurde, ebenfalls an einem Freitag (17. April) zum erstenmal gegeben, im selben Jahre viermal wiederholt. Die Opern Bertons und Dalayracs erhielten sich längere Zeit auf dem Repertoir. Auch Solies „Geheimnis", ein Einakter, erschien in den Jahren 1821 (18. Oktober) und 1823 (31. August) wieder vor den Rampen. Historisch wichtiger als diese Arbeit ist jedenfalls ihr Schöpfer, welchen man mit einer gewissen Berechtigung „den ersten Bariton" nennen kann. Jean Pierre Solie (gest. zu Paris 1812) war ursprünglich Tenorist, hatte aber wenig Erfolg, bis sich seine Stimme zu einem Bariton von angenehmem Vollklang umbildete, einer Stimmart, die bis dorthin wenigstens in der komischen Oper ganz neu war; das machte ihn zum Helden des Tages, denn alle möglichen Komponisten schrieben nun speziell für ihn. Erst 1790 trat er selbst als Komponist auf.

') Charakteristisch für die Zeit ist auf demselben die Angabe: Mit Musik von Herrn Cherubini, Inspektor des Konservatoriums zu Paris.

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Kapellmeister Karl Cannabich 1800 1806 (f)

Anlangend das Gebiet der italienischen Oper, mit welcher von nun an wieder i

bis Ende 1823 zu rechnen ist, befahl der König im August dem Intendanten Babo und dem „ebenfalls nach Nymphenburg berufenen" Musikdirektor Franzi, daß zum Empfang der Königin, welche damals aus Piemont zurückkam, die Oper „La clemenza di Tito" mit der „ehemaligen Sängerin" Cannabich als Sextus gegeben werden soll. Die Ausgaben für diese am 27. September gegebene italienische Opern- i

Vorstellung betrugen 1488 fl. 55 Kr., die Einnahme war aber nur 266 fl., und zudem entging dieser Betrag, wie Babo in einem späteren Berichte richtig bemerkt, wieder der Theaterkasse, weil ein solcher von jedem deutschen Schauspiel hätte erworben werden können. Die in diesem Bericht enthaltene Bitte um Zahlungsanweisung für den Passivrest von 1222 fl. und eine besondere Belohnung des italienischen Sprach-

meisters Friggeni, welcher als Souffleur gedient hatte, ward genehmigt und beides von der Zentralstaatskasse „auf die Exigenz der Empfangsfeierlichkeiten" ausbezahlt.

Gegen Ende des Jahres gelang es Babo nach langen Kämpfen, für das deutsche Theater eine Erhöhung des Ärarial Zuschusses von 48 auf 52000 fl. (per Woche 1000 fl.) durchzusetzen.

Die zwei letzten aus dem Jahre 1807 erhaltenen Theaterzettel der deutschen Oper \

haben einen weiten Zwischenraum: der erste, von Paers „Camilla", trägt das Datum i

31. Juli; der zweite, von Salieris „Axur, König von Ormus", den 14. Dezember. i

Die Jahrgänge 1808 bis inkl. 1810 fehlen dort ganz, sind aber glücklicherweise im

Besitz des Hoftheaters. i

Ob es in diesem Jahre noch zur Auff'ührung von Zingarellis „Romeo und 1808 Giulietta" kam, konnte ich nicht feststellen; gewiß ist nur, daß SimonMayrs !

„Adelasia ed Aleramo" am bestimmten Tage als Festoper zur Vermählung der 1

Prinzessin Charlotte Auguste mit dem Kronprinzen von Württemberg am 9. Juni, l

bei freiem Eintritt, gegeben wurde. Bei der Premiere fand man das Buch lang- i

weHig, die Musik als ein Mixtum aus allen möglichen Opern. Wenden wir uns nun !

zu den Schicksalen und Taten der deutschen Oper in diesem Jahrgang. ^

Bezüglich der Sängerin Madame Cannabich war nicht zu eruieren, ob ihrübertritt zum Schauspiel, wie Grandaur annimmt, in diesen oder in einen früheren Jahrgang fällt; für letztere Annahme spricht der Umstand, daß sie schon im Jahre 1807 vom j

König selbst „die ehemalige Sängerin" genannt wurde. Außer ihr verlor die i

Oper leider die vortrefflichen Bassisten Reiner und Sedlmayer durch den Tod. Dagegen findet sich, was von nun an bei mehreren Mitgliedern der Fall war, die Hof- i

Sängerin Creszenzia Valesi, eine Tochter des berühmten Johann Valesi, unter den ]

Mitwirkenden der deutschen und italienischen Oper verzeichnet. Antonie Peyerl (Peierl) heiratete den Architekten Karl v. Fischer, den nachmaligen Erbauer des großen Hof- und Nationaltheaters, und figuriert von nun an als Frau v. Fischer i

auf den Zetteln. Regina Hitzelberger (die Sängerin der Telaira) heiratete den \

Hofmusiker Theobald Lang, ihre Ehe brachte dem Schauspiel einen historischen ;

Segen, indem sie die Mutter des genialen Komikers Ferdinand Lang wurde. [Grandaur, S. 66.]

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Das Repertoir der deutschen Oper enthielt fünf Novitäten, darunter eine höchst wichtige: Glucics erhabene „Iphigenia auf Tauris". Die übrigen waren „Der Raub der Proserpina" von Winter, eine der für London geschriebenen Opern, Antigonus* von Frh. v. Poißl, ,,Zwei Posten" von Tarchi, „Pächter Robert" (ein Einakter) von Lebrun und „Gulistan" von Dalayrac.

Den Text der Oper „Antigonus" nach Metastasio [in deutscher Sprache] scheint sich Johann Nepomuk von Poißl selbst zurechtgerichtet zu haben; sie war sein zweites Debüt auf der Münchner Bühne. Die Musik fand man „gut gearbeitet, die Instrumentation zu sehr für die Virtuosen der Kapelle berechnet". Daß damals jeder Komponist, welcher mit dem Mannheim-Münchner Orchester arbeiten durfte, diesem Lokal- und Zeitcharakterismus Rechnung trug, ist nur natürlich. Die Sänger bei der Premiere der Oper am 12. Februar waren die Damen Peyerl und Marchetti- Fantozzi, die Herren Hanmüller, Tochtermann und Mittermayr. [Der Beifall des Publikums war groß und steigerte sich besonders bei der Wiederholung. Der Komponist bekam, wie wir aus Reipschlägers Buch ersehen,*) vom König eine Gratifikation von 1000 fl. Die Bedeutung des Werkes aber liegt in seiner Absicht, als durchkomponierte Oper, wenn auch im italienisch-französischen Stil, die Mannheimer Tradition fortzupflanzen. Der „Antigonus" ist also eine deutsche große Oper. Nach dem geringen Erfolg seiner „Opernprobe" hatte Poißl den Entschluß gefaßt, sich nach dem Vorbild seines Lehrers Danzi, dessen „Iphigenie" ihm den stärksten Eindruck hinterließ, dem Musikdrama zuzuwenden. Er war als Zwanzig- jähriger, etwa um 1805, nach München gekommen, um sich der Musik zu widmen. Sein Lebensweg ist in seiner längeren ersten Hälfte ein fortwährender Kampf ums Dasein. Mittellosigkeit, Mißgeschicke und Standesvorurteile, die ihm als Baron den Genuß der Früchte seines Talents noch erschwerten, verleihen dem Bild dieses geraden, kerndeutschen Mannes einen Schimmer von Tragik. In einem Bericht der Wiener Allgemeinen musikalischen Zeitung (1820) geißelte er einmal in ebenso feiner als für sein Volk beschämender Weise das Los des deutschen Komponisten, das auch sein eigenes war.^) In diesen Gedanken und in seiner Sehnsucht nach einer deutschen Kunst fand er sich mit Karl Maria von Weber, dem er 1811 durch Danzi näher trat und in dauernder Freundschaft verbunden blieb. Weber seinerseits schätzte den vortrefflichen Künstler und Menschen und förderte seine Werke. So nahm Poißl auch späterhin im Geiste seines Lehrers besonders in seiner „Athalia" (1814), die denn auch als „nationale Tat" gepriesen wurde, die Idee eines deutschen Musik- dramas wieder auf. Freilich kopierte er hier wie in den übrigen großen Opern: „Der Wettkampf zu Olympia" (1815), „Nittetis" (1817), „Issipile" (1818), soviel Eigentümliches sie bringen, eben ausländische Muster. Seine Texte, die er sich bis auf die „Athalia" selbst dichtete, entnahm er, nach der auch von Weber noch 1820 vertretenen Ansicht über das Wesen der großen Oper, der antiken Welt. Wie Danzi und Winter verschmolz er in seiner Musik italienische und französische Elemente. Als Komponist konnte er das Schicksal der deutschen Oper in München

V) S. 122fF.] P) Reipschläger, S. 146 ff.]

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nicht entscheiden.^) Die eigene deutsche Weise fand erst Weber in seiner „Euryanthe", indem er, nicht zum wenigsten durch Poißls Beispiel eines Bessern belehrt, vom deutschen Singspiel aus den Weg zur nationalen Oper einschlug.^) Außer den genannten Werken schrieb Poißl noch die italienischen Opern „Ottaviano in Sicilia* (1812) und „La Rapressaglia" (1820) und die komischen Opern „Aucassin und Nicolette" (Dialogoper, 1813) und „Dir wie mir" oder „Alle betrügen" (1816). Erst in seinen letzten Werken „Die Prinzessin von Provence" (1825), „Der Unters- berg" (1829) und „Zayde" (1843) wandte er sich der deutschen romantischen Oper zu. Sie fallen in die glücklichere Hälfte seines Lebens, da er als Intendant seinem Ideal in anderer Weise nachleben durfte.^) Wir werden darüber, wie über Einzel- heiten seiner Bühnenwerke noch berichten.]

Die Oper „Die zwei Posten" (D'auberge ä auberge) war unter einigen franzö- sischen Spielopern des Italieners Angelo Tarchi die einzige, welche in Paris (Theatre Feydeau) Glück hatte. Sie ist in doppelter deutscher Ausgabe (in Ham- burg als „Von Gasthof zu Gasthof", in Wien als „Die zwei Posten") in Druck erschienen. Nach der Münchner Erstaufführung urteilte man, es sei ein inter- essantes Buch durch eine schlechte Musik verdorben.

Sehr gefallen hat dagegen der „Pächter Robert" von Louis Sebastien Lebrun. Die Premiere des Stückes war am 7. Oktober. Über die Aufführung von Dalayracs „Gulistan" (18. November) sagt Bertuch:*) Die Oper hat sehr gefallen, trotzdem die Ausstattung ungenügend war. Die Besetzung der Gluckschen „Iphigenia auf Tauris" bei ihrer Erstaufführung am 21. Oktober war:

Iphigenia Antonie Peyerl

Orestes Tochtermann

Pylades Weixelbaum

Thoas Hanmüller

Diana Altmutter

Daß das Werk gefallen und soweit dies bei dem von Babo beschriebenen Besuch des Publikums überhaupt festzustellen ist, sich spontan gehalten hat, beweisen die Wiederholungen in den Jahren 1811 und 1812, welche die nächstnachweisbaren sind. Eine Zusammenstellung meines emsigen Vorarbeiters Rudhart, wann und wo vor und nach Gluck derselbe Stoff von andern Komponisten zur Oper ver- wendet worden ist, wird dem Leser nicht uninteressant sein: 1704 von Desmarets (Kammermusiker Ludwigs XIV.) in Paris; 1713 Scarlatti (Alessandro) in Rom; 1719 Orlandini in Bologna; 1725 Vinci in Venedig; 1751 Jomelli in Rom; 1756Mazzoni

n Reipschläger, S. 121.] [») Reipsch läger, S. 138, 154.] [«) Den in Wien und in anderen Städten angeregten Gedanken, die deutsche Operndichtung tatkräftig durch Preisausschreiben oder sonstwie zu fördern, griff auch Poissl auf. Bald nach seiner Ernennung zum Intendanten brachte er einen Bühnen verein zur Unterstützung deutscher Operndichter und Komponisten in Vorschlag. Seine Ideen haben sich später im Tantiemenwesen in ungeahnter Weise erfüllt.] *) Redakteur und Herausgeber des „Münchner Theater Journals", von dessen meist lakonischen Enuntiationen von nun an, in Ermangelung besserer, Gebrauch gemacht wird.

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in Treviso; 1765 Agricola (Schüler Sebastian Bachs) in Berlin; 1781 Piccini in Paris; 1784 Monza für Mailand ; 1785 Tarchi (der obige) für Venedig; 1817 Caraffa für Neapel,')

Wir kommen nun zum Unglücksjahr 1809, dessen Schicksalsschläge nicht ohne tiefgehende Wirkung auf das Theaterwesen in der bayerischen Hauptstadt bleiben konnten. Mit der Zunahme der politischen Unsicherheit und der Abnahme des Geld- beutels schwand, obwohl dieser Zustand damals ein guter alter Bekannter war, doch aufs neue wieder die Lust an Schauspiel und Oper, wie an jedem öffentlichen Vergnügen. Schon im Herbste des Vorjahres war man, um dem Mißverhältnis zwischen Soll und Haben in der Theaterkasse abzuhelfen, zur Ernennung eines Ökonomierates in der Person des pfälzischen Regierungsrates Delamotte ge- schritten. Es war, abgesehen von besonderen Einflüssen und Beweggründen, ein Akt begreiflicher Nervosität; die daran geknüpften Hoffnungen sollten sich, wie wir sehen werden, nicht erfüllen.

In diesem Jahre heiratete DB Klotz den seinerzeit als Komponisten geachteten Hofmusiker Franz Gramer. Eine andere Heirat, die des Tenoristen Weixelbaum mit der Marchetti, hatte für das Publikum die komische Wirkung, daß der Ehegatte in allen zärtlichen Rollen mit anderen Damen eben nicht nach Vorschrift zärtlich sein durfte, wenn er nicht einen häuslichen Sturm herbeiführen wollte. [Grandaur, S. 69.]

An angestrengter Tätigkeit ließ es die Direktion in diesem bedrängten Jahrgang nicht fehlen, indem sie nicht weniger als neun Opernnovitäten herausbrachte; doch entsprach der Erfolg im ganzen nicht der Arbeit. Mit Mehuls „Joseph«, auf dem Zettel mehrere Dezennien lang als Jakob und seine Söhne", dann als „Joseph in Ägypten« bezeichnet, jenem unvergleichlichen Werke, welches sich schnell in ganz Deutschland Bahn brach, um vorläufig auf ein Jahrhundert sich festzusetzen, ward freilich ein großer Treffer für die Zukunft gezogen, der augenblicklichen Ebbe in der Theaterkasse war damit aber begreiflicherweise nicht abgeholfen. Schon am 6. Januar zur erstmaligen Aufführung gelangt, wurde es, wie Bertuch versichert, mit großem Beifall aufgenommen. Das Kunstverständnis der Münchner müßte ja, wenn es anders gewesen wäre, weit hinter dem in Alldeutschland zurückgeblieben sein, welches sich von dem Grundzug des edlen Werkes, seiner Innerlichkeit und Gemütstiefe, nachhaltig einnehmen ließ. Gerade die Nachhaltigkeit des Erfolges stieß in Frankreich, besonders in Paris, wo es am 17. Februar 1807 zur ersten Aufführung kam, auf das Hindernis des inneren Widerspruches, welches zwischen dem großartigen (pathetischen) Inhalt und der äußeren Form: Spieloper mit Dialog statt der Rezitative, waltete. Alexander Duval hatte die Dichtung für die große Oper erdacht und angelegt, aber das Werk mußte in der komischen Oper gegeben werden, weil Mehul zufällig mit der Direktion der großen Oper auf gespanntem Fuß stand und außerdem von den zwei Monaten, welche ihm zur Komposition nur vergönnt waren, die Zeit für die Rezitative nicht erübrigen konnte.') An der

n Vergl. dazu Riemanns Opernhandbuch.] ^) Man hatte den guten Geschmack gehabt, den „Joseph« nicht als komische Oper, sondern als „drame en trois actes, mel6 de chant(!)" auf dem Zettel zu bezeichnen. Vergl. Pougin, Mehul, sa vie, son genie, son charactere. Paris 1889.

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komischen Oper waren zudem die Rezitative ausgeschlossen, weil für diese die große Oper das Monopol hatte. Die Besetzung der Münchner Premiere war: Jakob . . . Mittermayr, Joseph . . . Weixelbaum, Benjamin . . . Regina Lang, Simeon . . . Tochtermann, Utobal . . . Hanmüller.

Nachdem schon 13 Tage darauf, am 29. Januar, Weigls dreiaktige Oper „Kaiser Hadrian" herauskam, welche aber nach Bertuch „trotz glänzender Ausstattung" und vielen Schönheiten der Musik an ihrem äußerst langweiligen Text zugrunde ging, hatte den größten äußeren Erfolg dieses Jahrgangs seine Oper „Das Waisenhaus" (Text von Moll, in zwei Akten); sie wurde zum erstenmal am 28. Juli gegeben; ein Duett zwischen Gustav (Fr. Lang) und Therese (Fr. v. Fischer) mußte in vier Aufführungen jedesmal wiederholt werden; außerdem wurde die ganze Musik aller- liebst, der Text interessant befunden. Reichardt (Vertraute Briefe) urteilt gelegent- lich der Wiener Aufführung im November 1808; „Das Stück fing übel an, als hätt' es ein wohlgesinnter protestantischer Magister gemacht, gewann aber bald Interesse durch die Rolle der Aufseherin der Anstalt, welche von der Milder trefflich gesungen und gespielt wurde. Die Musik Weigls ist durchaus angenehm, gefällig und in den Hauptszenen von lebhaftem Ausdruck, die Instrumentation überaus reich und reizend. Das Stück war 17 mal nacheinander bei vollem Hause gegeben. Der Direktion war das Buch von dem Verfasser mit einer schlechten Musik zugeschickt, sie schickte die Musik zurück, behielt das Buch und zahlte es gut, so daß man es gerne hergab. Weigl, dem die Komposition übertragen ward, fand gerade in dem sentimentalen Charakter Gelegenheit für sein Talent." Außer dieser wertvollen Charakteristik eines nun völlig vergessenen Werkes (das vielleicht der Wiederbelebung fähig wäre) zeigt dieser Fall den großen Unterschied zwischen der Situation der Bühnenleitung in einer kleinen und in einer großen Stadt. Während ein und dasselbe Werk in Wien, das doch erst recht nicht in süßen Frieden gebettet war, 17 mal nach- einander gegeben werden konnte, mußte man in München bei mindestens gleichen Anstrengungen in der Ausstattung mit vier, vielleicht etwas über halbbesetzten Vorstellungen zufrieden sein. Berücksichtigt man dabei noch die niedrigen Preise der nicht abonnierten Plätze, 1. Parterre 48 Kr., 2. Parterre 24 Kr., Mittelloge im vierten Range 15 Kr., so kann man sich einen Begriff machen von dem Kämpfen und Ringen eines Babo, der, um Überschreitungen des Etats vorzubeugen, aus der Nötigung, das Publikum stets durch neue Stücke und Opern mit möglichst effekt- voller Ausstattung zu fesseln, nicht herauskommen konnte.

Zwischen die Premieren der beiden Weiglschen Opern fielen die von „Elisene" von Rösler am 16. April, „Holnara" von Roth am 9. Juni und „Das Wirtshaus im Walde" von Seyfried am 16. Juni bei beiden letzteren also nur eine Woche auseinander (!). Wie alle drei Werke längst verschollen sind, so ist nur der Komponist der letztgenannten bekannt durch seine persönlichen Beziehungen zu Beethoven, als dessen „Freund" er sich auf seinen Visitenkarten überall präsentierte. Von den Zeitgenossen wurden jedoch alle drei nicht ungünstig beurteilt. Über die dreiaktige „Elisene" sagt Bertuch: „Die an Schönheiten reiche Musik ist doch mehr eine

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Blumenlese aus andern Kompositionen"; und Reichardt, der sie im April 1809 in Prag sah: „Sie hat viele gefällige, wenn auch nicht neue eigene Melodien, aber eine effektvolle Instrumentierung und einen hervorstechenden Satz für Blasinstrumente." Rösler war Kapellmeister des Fürsten Lobkowitz. Er schrieb die Oper für Prag, wo sie im Oktober 1807 zum erstenmal mit Beifall aufgeführt wurde, der sich aber nach der vierten Aufführung „merklich abschwächte". An der Münchner Premiere wurden wieder „schöne Dekorationen" von Quaglio gelobt; trotz derselben wurde die Oper nach der dritten Aufführung, wie es scheint, für immer zurückgelegt. Noch schlimmer ging es der Oper „Holnara", welche, obwohl Bertuch die Musik und die Aufführung lobt, nur eine Wiederholung erlebte. Auch das „Wirtshaus im Walde" konnte es, wenngleich mit Beifall aufgenommen, nur zu zwei Auf- führungen bringen.

Über Winters zweiaktige Oper „Colmal" urteilt Bertuch: „Die Poesie ist nach Ossian bearbeitet. Die Musik hat neben vielen Reminiszenzen doch manch neue Gedanken. Die Dekorationen herrlich; Sänger und Orchester vortrefflich." Gegen- über dem kräftigen Lob auf die Ausstattung und Ausführung der Oper läßt die sehr nüchterne Anerkennung der Musik durchblicken, [daß sie nicht verstanden wurde; wie bemerkt ist sie Winters bedeutendste Schöpfung.] Aber wieder „herr- liche Dekorationen" und offenbar kein nennenswerter Erfolg!

Auch die Komponisten Blumröder und Eule, von denen der erste eine„Turandot" nach Gozzi-Schiller, der letzte den Einakter „Der Unsichtbare" verbrochen, sind vergessen. Während über die „Turandot" Bertuch urteilen konnte: „Das Buch ist mißraten; die Musik erhebt sich über das Mittelmäßige und läßt mit der Zeit noch Besseres vom Komponisten hoffen", scheint der Komponist des „Unsichtbaren" seine Verschollenheit verdient zu haben; denn derselbe Kritiker berichtet über die erste Aufführung: „Wurde wegen der miserablen Musik und des faden possen- haften Inhalts halber mit lautem Mißfallen aufgenommen." Turandot wurde zweimal, der Unsichtbare einmal gegeben, wäre also besser auch un hörbar geblieben.

Trotz aller, wie es scheint, noblen Ausstattung und der erstaunlichen Leistung des Personals, dem noch dazu seit F. A. Maurers Tode ein eigentlicher tiefer Baß fehlte, war das Jahr 1809 für die Bühnenleitung in materieller Richtung ein verlorenes.

Was den Gang der Dinge an der italienischen Oper um diese Zeit betrifft, so konstatiert wohl sehr zur Rechtfertigung der Klagen Babos ein Bericht des Finanzministeriums, datiert 31. Januar 1809 (gezeichnet v. Hompesch), daß die sieben im Jahre 1808 gegebenen Vorstellungen 13329 fl. 22 Kr. gekostet, die Einnahme aus fünf Vorstellungen (da eine ganz frei, eine andere für die Armen gegeben wurde) nur 867 fl. 3 Kr. betragen habe, daß demnach von der Zentralstaatskasse als Defizit die Summe von 12462 fl. 19 Kr. zu bezahlen sei. Dieses Defizit wird jedoch, nachdem die im Jahre 1805 gegebenen sechs Vorstellungen 22929 fl. 11 Kr. gekostet hätten, als sehr mäßig befunden. Darum werden auch die von Babo vorgeschlagenen Gratifikationen für die mitwirkenden deutschen Sänger und den Balletmeister Crux befürwortet und bewilligt. Nachdem in diesem Jahr der König freiwillig

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angeordnet hatte, daß keine neue italienische Oper zu geben sei, fragt Babo am 27. Mai an, welche älteren Opern, ob z. B. „Achille« oder „Clemenza di Tito* gewünscht werden. Die beiden eigneten sich als die populärsten zu wohltätigen Zwecken, für die durch den Krieg heimgesuchten Einwohner von Stadtamhof oder für die verwundeten Soldaten. Bezüglich der Besetzung fragt der Intendant an, ob nicht eine dem Theater nicht angehörige Sängerin, nämlich die Hofsängerin Helene von Geiger (geb. Harlas, siehe darüber im II. Kapitel) beigezogen werden dürfte, ohne welche, als Briseis, die Oper „Achille" gar nicht zu geben sei, und welche nach der Meinung des k. Musikdirektors Franzi die Rolle des Sextus oder auch die der Vitellia im „Titus" übernehmen könnte, in welch letzterem Fall sodann die Marchetti-Weixelbaum die von ihr auch schon gespielte Rolle des Sextus beibehalten könnte. Die Unkosten für teilweise neue Kostümierung, besonders der zahlreichen Comparsen (80 Mann Militär) werden auf 1974 fl. berechnet. Nach umständlicher Prüfung dieser Anfrage durch das Finanzministerium wird (6. Juni) genehmigt, daß in diesem Jahre „Achille" und „Clemenza di Tito" aufgeführt und von jeder zwei Vorstellungen und zwar die eine außer, die andere im Abonnement gegeben, und die Einnahme für die durch die jüngsten Kriegsereignisse verun- glückten Stadtamhofer verwendet werden solle. Ihr Gewinn soll ziemlich bescheiden ausgefallen sein.

Inzwischen hatte sich Paer „Directeur en Chef des Spectacles de la Cour et Compositeur de la Musique particuliere de sa Majeste", wie er sich unterschrieb, doch zur Komposition des „Machwerks" Numa Pompilio entschlossen. Der Mini- sterialreferent schreibt darüber am 19. Juni: „Auf Befehl Sr. Exzellenz des Herrn Finanzministers mußte sich der Unterzeichnete mit dem k. k. Kapellmeister Paer zu Paris in Korrespondenz setzen, um die Partitur seiner neuen Oper ,Numa Pompilio* nebst dem Drama zu erhalten. Paer antwortete mir einige Wochen nachher, daß er diese Partitur nebst dem Texte und mit vollständigen Balletten um 100 Louisd'or mit dem Vorbehalte zu überschicken bereit sei ,qu'elle ne soit donne ä copier qu'apres un an, comptant du jour de l'Expedition pour Munich'". Dagegen war ungefähr zur selben Zeit die Aufführung der Opern Achille" und „Tito" auf ein bald überwundenes Scheinhindernis in der nicht geringen Anmaßung des Brizzi gestoßen, welcher prätendierte, daß er auf Grund seiner Anstellung um die Mitwirkung in einer „über- jährigen" Oper gebeten werden müsse.^) In dieser heißt es allerdings; „Antonio Brizzi ist während der viermonatlichen Anwesenheit zum Gesangsdienst bei allen Festen, Konzerten und Akademien des Hofes und zur Vorstellung zweier neuer großen italienischen Opern verbindlich." Daraus leitete Brizzi buchstäblich ab, daß er von der Verbindlichkeit in einer überjährigen Oper mitzuwirken, vollständig befreit sei. Babo zeigt dies dem König in einer Vorstellung unter Bedauern an, indem er bemerkt: Nachdem er den Künstler mündlich schon zweimal „de- und wehmütig" gebeten habe, könne er ihn doch nicht schriftlich also im Namen des Königs? bitten, was er aber verlange. Doch sei die Sache nicht zu tragisch zu nehmen; man

[') Vergl. auch Reipschläger S. 69ff.]

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hasche durch eine Dienstleitung, deren Pflicht nicht auf Schwarz und Weiß buch- stäblich vor- und nachgewiesen werden könne, nach Gratifikationen und Ge- schenken. Brizzi könne es nicht vergessen, daß Madame Cannabich für die im September 1807 „sehr schlecht gesungene" Rolle des Sextus 100 Louisdor, er aber trotz Verlängerung seines bedungenen Aufenthalts in München nichts erhalten habe, »hinc illae lacrimae". Am 1. Juli muß Babo anzeigen, daß die beiden Vor- stellungen von „Achille" trotz einer königlichen Zubuße von 300 fl. (statt der gewöhnlichen 42 fl. für fünf Logen) zusammen nur 1048 fl. ertragen haben. Auf Befehl vom 29. August erhält die Kammersängerin Helene v. Geiger für ihr vier- maliges Auftreten in den beiden Opern „Achille" und „Tito" eine Gratifikation von 1600 fl., aus der Theaterkasse zu zahlen, was die Gesamtausgabe auf 2934 fl. erhöht. Da aber mit allen acht Vorstellungen nur eine Einnahme von 1873 fl. 57 Kr. erzielt wird, muß auf Bitten Babos (und des hier zum erstenmal mitunterschrie- benen Delamotte) die Zentral-Staatskasse den Passivrest von 1060 fl. büßen.

Diese fortwährenden finanziellen Diff'erenzen in einer dem Intendanten ohnedies sehr unsympathischen Branche und die durch die Vorliebe des Hofes für letztere nun einmal bedingte Unmöglichkeit, ein befriedigenderes Finanzresultat herbei- zuführen, war ohne Zweifel einer der hauptsächlichsten Gründe, warum sich der vom besten Willen beseelte und über eine starke Arbeitskraft verfügende Babo 1810 schon im Anfang des Jahres 1810, des Theaters herzlich müde, mit Rücktritt- gedanken trug. Zudem bereitete ihm, von gewissen anderen Bedenken abgesehen, das zusammengeschwundene und gealterte Künstlerpersonal, welches zu ersetzen und aufzufrischen, bei den damaligen Kassaverhältnissen, keine Aussicht vorhanden war, eine nicht zu bannende Sorge. Dem König mochte seine große Befähigung zum Bühnenlenker trotz beständiger Kontroversen, wobei es Babo, wie wir gesehen, nicht an Aufrichtigkeit fehlen ließ nicht entgangen sein; denn erst auf mehrmaliges Ansuchen wurde ihm seine längst ersehnte Enthebung von seinem dornenvollen Amte durch Dekret vom 11. September unter Belassung seines vollen Gehaltes gewährt. Am 30. September übernahm die Führung der Intendanz und erreichte somit das Ziel seiner Wünsche der Ökonomierat Delamotte.

Die unter Babo noch gegebenen neuen Opern waren: Weigls „Schweizerfamilie" (ein Haupttreff'er), Mehuls „Helene" und „Die Blinden von Toledo", Blumröders „Jagd" und Kienlens „Claudine von Villa Bella". „Die Schweizerfamilie", deren Erfolg bekanntlich in ganz Deutschland ein starker und andauernder war, erhielt sich auch im Münchner Repertoir als Lieblingsoper über fünf Dezennien lang. Bei der Premiere am 28. Januar 1810 waren die Rollen folgendermaßen besetzt: Graf. . . Hanmüller, Emmeline . . . Madame Lang, geb. Hitzelberger, Jakob . . . Mittermayr, Richard . . . Muck, Paul . . . Tochtermann. Hier ist bemerkenswert, daß Mittermayr als lyrischer Tenor, Tochtermann bereits als Tenor buffb mit überwiegendem Dialog verwendet ist. Bertuch schreibt über das Werk im allgemeinen: „Einige fanden das Ganze zu sentimental, aber die Mehrheit des Publikums entschied sich zu Gunsten der Oper." Sehr interessant

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Herr Weinmüller als WastI in „Der Tiroler WastI"

Georg Mittenmayr

als Don Juan

Mad. Weinmüller

als LIesI in „Der Tiroler WastI"

Karl Flenx

in dem Ballet „Der Mechaniker"

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Josef Staudacher

als Darius in „Palmira"

Georg Weixelbaum

als Josef in „Jakob und seine Söhne"

Der Tänzer Hofmann

alsLeancer in der Pantomine „Der singende Amon"

Friedrich Augusti

als Paul in „Die Scliweizerfamilie"

ist die objektive Beurteilung Reichardts (vertraute Briefe aus Wien II, 38) nach der Erstaufführung des Werkes am Kärnther Tortheater, 14. März 1809, wo es mit Enthusiasmus aufgenommen wurde: „Wir sahen Weigls neue Operette, die wir einige Wochen länger erwarten mußten, da der Komponist bei einer der ersten Proben von einer Ohnmacht befallen wurde, die einen Stickfluß fürchten ließ, was ihn einige Wochen ans Bett fesselte; die erste zu seinem Benefiz bestimmte Vorstellung war überfüllt. Die Musik ist von Anfang bis zu Ende angenehm und gefällig, hat aller- liebste Melodien und sehr effektvolle Ensembles; das Buch hat mir gar nicht gefallen. Die Hauptrolle ist eine Art Nina (wir erfahren hieraus den Charaker dieser Rolle), aber der Charakter streift mir an Verrücktheit und ist dem echten Schweizer- charakter fremd.« Dieses Urteil über beides, Text und Musik, möchte ich noch heute unterschreiben, nachdem ich die Oper seinerzeit unter Lachners vorzüglicher Leitung und in herrlicher Besetzung (Josephine Hefner als Emmeline, Härtinger als Jakob, Kindermann als Richard) soweit es die Musik anbelangt mit solchem Entzücken genossen habe, daß ich die Übersüßigkeit des Textes gar nicht bemerkte. Seit seiner ersten Aufführung in München wird es wohl Tausenden daselbst ebenso ergangen sein. Heute möchte ich, so sehr es mir um die durchaus herrliche Musik leid tut, bei einer allenfallsigen Wiederaufführung des Werkes für den Erfolg nicht mehr einstehen, weil die in der Dichtung ausgesprochene Kunst- Richtung das Gegenteil unserer Modernität ist. Damals, in den schrecklichen Kriegszeiten, bewährte sich das Werk gerade auch durch den Text in der Lösung der der Kunst zukommenden Aufgabe, auf die Gemüter beruhigend, erlösend zu wirken. Bezeichnend hierfür ist wohl die Tatsache, daß der blutige Napoleon das sentimentale Stück sich überall, wo es nur ging, aufführen ließ.

Wie der Leser bereits gesehen, ist Mehul damals auf der Münchner Bühne besonders heimisch geworden. Seine dreiaktige Oper „Helena" (Text von Bouilly), welche ihre Premiere am 6. April erlebte, scheint jedoch nicht zu seinen besseren Erzeugnissen gehört zu haben. Bertuch meint: „Die Oper verdankt die gefundene gute Aufnahme mehr der lieblichen Komposition, als dem gar zu locker gearbeiteten Texte." Carl Maria v. Weber, Mehuls erklärter Verehrer, schreibt in seinen „Dramatisch musikalischen Notizen" (Dresden, 19. April 1817)^), nachdem er erwähnt, daß „Helena" uns ein heiteres, ländliches Leben mit dem schön eingeflochtenen Gegen- satze leidenschaftlicher Erregung und Charaktere zu vernehmen gebe: „Obwohl in ganz anderer Gattung und Kolorit wird doch dem aufmerksamen Hörer auch hier wieder das sich selbst treu Bleibende und Selbständige des Komponisten unver- kennbar sein." Dagegen läßt sich Reichardt (vertraute Briefe aus Paris) desto schärfer also vernehmen: „Das Stück hat nicht die erwartete Wirkung getan. Der Text ist mittelmäßig, eine Kopie der „deux journees"; die gar zu große Ähnlichkeit hat bereits zu einem Witze über den Namen des Dichters Anlaß gegeben, man sagt:

^) Siehe C. M. v. Weber von Max M. v. Weber III, 141. Der Zweck des Dresdner Hofkapell- meisters war selbstverständlich mehr eine Reklame für die von ihm aufgeführten Opern, als eine Kritik über dieselben.

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c'est du bouilli rechauffe (aufgewärmtes Fleisch). Mehuls Musik fehlt es nicht an einzelnen Schönheiten, ist aber nicht von hervorragender Bedeutung und nicht mit dem Cherubinischen ,Wasserträger' zu vergleichen. Nur mit Mühe konnten Mehuls Freunde das Stück vor dem Auspfeifen retten etc." Der Erfolg in München war indes relativ gut, wie auch der der nächsten Mehulschen Oper „Die beiden Blinden von Toledo«, welche zum erstenmal am 20. Juli gegeben wurde. Indes mochte nicht leicht eine Oper an verschiedenen Orten eine so verschiedene Auf- nahme gefunden haben, wie diese. Nach der Münchner Aufführung urteilte Bertuch: Das Sujet ist sehr belustigend, die Musik lieblich und der Handlung angemessen (Muck und Hanmüller sangen die beiden Blinden, Madame Lang die Hyazinthe). In Königsberg (25. Dezember 1810) hieß es: Schleppende Handlung; gefällt nicht. In Leipzig (1812): Sehr unterhaltliche Handlung; vortreffliche Musik, gefiel sehr. In Mannheim (1812): Die Musik muß durch ein sehr gutes Spiel gehoben werden; ein Quartett wundervoll. Berlin (im selben Jahr): Spricht nicht an.

Von Blumröders „Jagd" hat sich nur ein für den Patriotismus der Münchner zeugender Vorfall erhalten: Als bei der Premiere, welche am Geburtstag des Königs, 27. August, stattfand, gegen Schluß der Oper der [aus Hillers „Jagd" berühmte Kanon mit] Chorrefrain „Es lebe der König" gesungen wurde, sang das Publikum mit; sonst hat das Werk nicht gefallen [!] und erlebte, wie auch Kienlens „Claudine von Villabella", Singspiel in drei Akten (Dichtung von W. v. Goethe) nur zwei Aufführungen. Gleichwohl schreibt Bertuch über das letztgenannte Werk: „Schon die Wahl des Textes spricht zu Gunsten des Komponisten, welcher es verschmäht hat, dem dermaligen dominierenden Operngeschmack zu huldigen; aber man muß gestehen, daß die Komposition entschieden originell, manchmal etwas wild, aber im ganzen kühn und erhaben ist." Wer da Recht hatte, der Kritiker oder das Publikum, ist nun heute nicht mehr zu entscheiden. Das Schicksal hat dem letzteren Recht gegeben, aber nicht immer läßt selbst das Schicksal dem Künstler sein Recht widerfahren.

Eine Rückschau auf die unter Babo zum erstenmal gegebenen Opern ergibt, wenn man Cherubini nach dem Lande seiner Wirksamkeit und nach seiner vor- wiegend französisch-deklamatorischen Schreibweise zu den Franzosen, und Simon Mayr aus dem ersteren Gesichtspunkte (wohl auch seiner Abtrünnigkeit halber) zu den Italienern rechnet, folgende Statistik der Werke, beziehungsweise Kompo- nisten nach ihrer Nationalität. Vertreten waren: 1. 20 Deutsche mit 34 Werken, 2. 9 Franzosen mit 21, 3. 7 Italiener mit 12 Werken. Dieses numerische Über- gewicht der deutschen Nationalität [scheint zunächst] ein wirkliches, künstlerisches [nicht zu sein]; denn von deutschen Komponisten ersten Ranges sind in den Novi- täten nur Mozart mit seinem im Stil der italienischen opera seria geschriebenen „Titus" und Gluck mit der „Iphigenie auf Tauris" vertreten. Haydn mit seinem „Roland" kommt nicht in Betracht, und Vogler, Winter, Himmel und Weigl sind zweiten Ranges. Unter diesen hat der fruchtbare Winter (in den nicht ganz 11 Jahren) allein fünf große Opern geliefert, während der unter allen Umständen

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bedeutendere Weigl nur mit drei Nummern vertreten ist. Franz Danzi, von welchem drei, Cannabich, von welchem zwei neue Opern zur Aufführung kamen, und Poissl mit zwei Werken gehören, wie die noch übrigen deutschen Kunst- kollegen, zu den heute, wenn auch nicht ihrem Namen, so doch ihren Werken nach völlig Vergessenen. [Man muß sich aber stets vergegenwärtigen, daß mag auch die deutsche Opernkomposition am Beginn des neuen Jahrhunderts nicht eben hervorragen in Danzi und Poissl zwei wichtige Vertreter der nationalen Richtung zu Worte kamen. Damit gewinnt die deutsche Novitätengruppe für den Kundigen an Bedeutung, und das scheinbare Übergewicht wird doch zum tatsächlichen.]

[Gegen die italienische Gruppe steht die französische der deutschen bedeutend näher. Bis zum Jahr 1816 halten wie gleich bemerkt sei die Deutschen und Franzosen einander die Wage. Erst mit dem Eintreffen der italienischen Opern- truppe Gera neigte sich die Schale rasch und tief wieder zu Gunsten der Italiener. Damit war auch München in den Trubel der Rossinibegeisterung gerissen.] Daß man vorher die Franzosen im Repertoir stärker als die Italiener berücksichtigte, mag damals in München auch seinen politischen Grund gehabt haben. Der mit sechs neuen Singspielen vertretene stets heitere Dalayrac mochte für den leichteren Genuß sorgen. Sinniger, empfindungsreicher und durch Charakteristik mehr mit Mehul verwandt war schon Isouard. Della Maria, welchen Reichardt einen liebenswürdigen hoffnungsvollen Komponisten nennt, nahm leider ein viel zu frühes trauriges Ende in dem lustbietenden Paris, ^) sonst hätte er sich vielleicht zu den Großen aufgeschwungen. Von Mehul und Cherubini kam in diesem Zeitraum nur je ein hochbedeutendes Werk zur Aufführung: „Joseph" und „Der Wasser- träger*; vier nebensächlichere Werke des ersteren bestätigten mit freundlichen Erfolgen seine Vielseitigkeit. Mit nur je einer Nummer waren Gaveaux, B ertön, Solies und Le Brun vertreten. Die Italiener hatten außer dem ungemein populären und stets erfolgreichen Paer, welcher mit sechs neuen großen, zum Teil italienisch gegebenen Opern vertreten war, einen bedeutenden Erfolg nur noch mit Salieris „Axur" zu verzeichnen, während der der „Horazier* von ihrem größten Meister Cimarosa nur offiziell war. Sacchini fiel durch (wenn auch vielleicht nicht mit Grund) und an Simon Mayr, dem italienisierten Bayern, hatten sie einen namhaften Bundesgenossen. Aber gerade die etwas mäßigen Erfolge der wieder eingeführten italienischen Oper (nämlich der offiziellen) sind trotz aller kostbaren Ausstattung von kunstgeschichtlicher Bedeutung. Es konnte nicht mehr gelingen, daß der Rück- fall zum bereits überwundenen Standpunkt einen ernstlichen Einfluß auf die Ent- wicklung übte. Man ging, ob zahlend oder eingeladen, in die italienische Oper, um sich ihren Prunk anzusehen (der nicht allzulange herhielt) und ihre ausgezeichneten Sänger zu hören. Mit der einstigen Herrschaft des Kunstgenres war es vorbei. Diese ließ schon der Vergleich mit der im Redoutensaal gepflegten deutschen Instrumental- musik, mit den Opern Mozarts, Cherubinis, Glucks etc. nicht aufkommen. Die

*) Reinhardt erzählt in seinen „Vertrauten Briefen" (aus Paris) 1, 119 die diesbezügliche nicht wohl wiederzugebende Schauergeschichte seines unheimlichen Todes.

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italienische Oper nach altem Schnitt, mochte auch Mozarts „gelehrter" Titus als weißer Rabe dabei sein, war nur mehr eine protegierte Spezialität. Ihre einzige und zwar dankenswerte Mission war auch nur die zu ihrer Ausführung nötige Pflege einer musterhaften Gesangskunst. Daß diese von der deutschen und französischen Opernrichtung nicht festgehalten wurde, beruht auf dem noch heute grassierenden Irrtum der meisten Sänger, als sei zu einem ausdrucksvollen deklamatorischen Gesang nicht ebenso, wie zur Koloratur, die feinste Ausbildung, die höchste Volubilität der Stimme nötig. Was das gesamte Opernrepertoire betrifft, so läßt auch in diesem Zeitabschnitt zuerst das Fehlen, dann die Lückenhaftigkeit der erhaltenen Zettel- bände eine Statistik aller überhaupt gegebenen Opern nicht zu, und es ist daher nicht mit Bestimmtheit zu sagen, welche Nationalität quantitativ tiberwog. In Bezug auf Qualität haben die verhältnismäßig oft gegebenen Opern Mozarts und Glucks Iphigenie dem Deutschtum ohne Zweifel den Sieg verliehen. Ihnen an Bedeutung am nächsten stehen Mehul, der Franzose, und Cherubini, jener große Italiener von Geburt, der die Vorzüge der italienischen, französischen und deutschen Musik in sich vereinigte.

Der Intendant Joseph Maria Babo hat sich durch peinliche Gewissenhaftigkeit in der Amtsführung, durch klaren Blick in allen Verwaltungsbranchen und eine diesem entsprechende Sparsamkeit ohne unkünstlerische Knickerei, durch unver- brüchliche Gerechtigkeit gegen seine Untergebenen, aber auch durch treue Fürsorge für diese und das Kunstinstitut, endlich durch eine unbeugsame Charakterfestigkeit in mitunter widerlichen Lagen einen schönen Nachruf errungen und eine Reihe von positiven Errungenschaften gab auch nach seinem Rücktritte Zeugnis von seiner rühmlichen Tätigkeit. Zu großer Ehre, wenn auch nicht zu dauerndem Glück, gereichte ihm von Anfang an seine stets offene und ehrliche Behandlung der Finanz- frage, mit welcher wir uns nun eingehender befassen müssen.

Im Gegensatz zur ägyptischen Finsternis in den Geldverhältnissen der voraus- gegangenen Epoche macht der „Summarische Auszug der von einer kurfürstlichen Hoftheater- Kommission verfaßten ersten Jahresrechnung vom 1. März 1799 bis zum letzten Februar 1800", welchen der Leser im Anfang des Kapitels abgedruckt findet, schon einen vertrauenerweckenden Eindruck, da derselbe von Babo augen- scheinlich nicht aus äußerem Antrieb, sondern im eigenen Pflichtgefühl hergestellt ist. Wenn er den hier nachgewiesenen Ausgleich zwischen Soll und Haben ohne Angriff auf die kurfürstliche Schatulle auch nur dadurch erreichen konnte, daß er sich vorzugsweise auf das stets weniger kostspielige Schauspiel warf, so war dies zur Sanierung der überkommenen grauenhaften Zustände absolut notwendig. Daß es auch unter ihm mit der Rechnung nicht immer so glatt abgehen konnte, wurde durch die bald wieder erwachte Vorliebe des Hofes am Ballett und die Wiederaufnahme der italienischen Oper verursacht. In einer Reihe von eingehenden Berichten und Vorstellungen sucht er mit ebensoviel Sachkenntnis als männlichem Freimut gegen diese beiden Feinde der Theaterkasse anzukämpfen. Bei genauer Einsicht der auf diesen zähen und für Babo anfänglich fast aussichtslosen Kampf

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bezüglichen Akten gewann ich den Eindruck, daß jener es weit weniger mit den kurfürstlichen, später königlichen Herrschaften, als vielmehr mit einem (geheimen oder ihm wohlbekannten?) Feinde im Kabinett zu tun hatte, welcher die gegen- seitigen Meinungsverschiedenheiten bezüglich des Balletts und der italienischen Oper ebenso schlau als rücksichtslos zu Ungunsten des Intendanten und mit der Absicht, ihn zu stürzen, auszubeuten suchte. In einer Vorstellung vom 15. Mai 1805, betreffend die italienische Oper, hebt Babo hervor: Da schon die deutsche Vor- stellung aller großen Opern, bei bescheidener Einrichtung, der Theaterkasse einen beträchtlichen und sicheren Verlust verursache, so sei dies um so sicherer bei der italienischen Darstellung vorauszusehen gewesen, indem die Belohnung des ersten Sängers, die Befriedigung des allen italienischen Virtuosen eigenen Ge- schmackes für Glanz und Pracht, und der nur durch viele Proben zu gewinnende erträgliche Vortrag einer fremden Sprache von einem mit derselben gänzlich unbe- kannten Personal (das also in jeder Szene eine italienische Lektion zu absolvieren hatte!) einen besonderen Aufwand nötig machten. Die sechs Einnahmen im Total- betrag von 3512 fl. 51 Kr. seien die stärksten, welche jemals im Residenztheater gemacht oder für möglich gehalten wurden. Er habe sie, in Rücksicht auf Brizzis Talent und die Neuheit der Sache selbst nicht geringer angenommen, und dennoch sicheren Verlust erwartet. Mit Sachkenntnis sei einzusehen, daß ein Theater, welches nicht viel über 600 fl. eintragen und ein Publikum, welches im Durchschnitt nur jährlich 48000 fl.^) zur Befriedigung seiner Theaterlust ausgeben könne, nicht im Stande sei, neben dem deutschen Schauspiele noch große italienische Opern, auch nur auf kurze Zeit, zu erhalten. Selbst in Wien, wo das Theater 1600 fl. einbringen und bei der starken und reichen Population sehr voll werden könne, bestehe die italienische Oper größtenteils auf Kosten des Hofes. Auch seien die Münchner Einnahmen mit jeder der sechs Vorstellungen der zwei beliebtesten Opern immer kleiner geworden, und es würde nach aller Wahrscheinlichkeit bei einer zehnten Vorstellung das Haus leer geblieben sein, während anderswo auch die zwanzigste noch Vorteil bringe.

Auf die nach weiteren umständlichen Ausführungen in diesem Berichte vor- gebrachte Bitte, es möge der „aus der Bilance zwischen der italienischen Opern- Einnahme und -Ausgabe entstandene Rest per 1590 fl. 1 Kr. zur Bezahlung an die deutsche Theaterkasse um so eher gnädigst angewiesen werden, als diese italienischen Vorstellungen, worin einer der ersten damaligen Sänger von Europa sich so be- wundernswürdig ausgezeichnet, dem höchsten Hofe zu einer beliebten und würdigen Unterhaltung und höchstdessen erhabenem Kunstgeschmacke zum größten Ruhme gedient hat","^ ist nach den vorhandenen Akten eine höchste Verfügung vorläufig nicht erfolgt. In einer Vorstellung vom 22. April 1807 erinnert Babo, er habe schon in vielen Berichten und zuletzt in einem Promemoria vom 20. Dezember des vorigen Jahres rechnungsmäßig bewiesen, daß die Hoftheaterkasse durch die im Jahre 1804

*) Diese Summe wurde bei der Erteilung des ärarialischen Zuschusses offiziell als sicher voraus- gesetzt, ohne es deswegen auch unbedingt zu sein. *) Antonio Brizzi.

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bestimmte Aversional- Beitrags- Summe von 48000 fl. gegen die vorher seit 1799 empfangene Ärarial- Unterstützung um jährlich 2400 fl. verkürzt; daß nebst und ungeachtet dieser Verkürzung auch seit jener Aversionaibestimmung der Kasse nicht allein mehrere teils ständige, teils momentane der Theaterwirtschaft ganz fremde und nutzlose Ausgaben aufgebürdet, sondern auch verschiedene ordentliche theatra- lische Erwerbsmittel benommen oder beschränkt; daß endlich durch das Zusammen- wirken dieser sattsam entwickelten Ursachen ein proportioneller Schuldenstand ent- wickelt worden sei, in welchem der seit zwei Jahren rückständig gebliebene Mietzins für den (der Intendanz zum Gebrauch unterstellten, aber den gräflich Seeauschen Erben gehörenden) Redoutensaal an der Prannerstraße obenan stehe. Hier wird hervor- gehoben, daß durch Verwendung dieses Saales zu Festlichkeiten für die französischen kaiserlichen Herrschaften (gerade „während München von Fremden wimmelte*!), der Theaterkasse eine Balletteinnahme von 1500 fl. entgangen sei, während anderseits auch diverse Konzerteinnahmen dadurch ausgefallen seien, daß der Saal zur Her- stellung von Dekorationen etc. für die italienische Oper zwei Jahre hindurch habe benützt werden müssen. Die Eingabe schließt mit der Bitte, es möge der gedachte Mietzins von 1600 fl. als eine partielle Entschädigung der Theaterkasse aus der Zentralstaatskasse überwiesen werden und mit dem freilich etwas gewagten Antrag, es möchten alle künftighin allergnädigst gefälligen oder als notwendig sich darstellenden ständigen und etwas beträchtlichen Ausgaben nicht mehr durch Kabinetts- Ordres und -Entschließungen, sondern in dem ordentlichen Geschäfts- gange durch das kgl. geheime Ministerial-Finanz-Departement, damit dasselbe in steter Übersicht des Ganzen bleibe, bewerkstelligt werden.

Hierauf ward durch Reskript vom 24. April in folgender Weise geantwortet: 1. daß es bei dem bisherigen Zuschüsse von 48000 fl. zu verbleiben habe; 2. daß die für eine jedesn^alige Aufführung einer italienischen Oper ausschließend erlaufenden Kosten mittels einer besonderen Berechnung vorgelegt werden, und daß, insofern von den vergangenen Vorstellungen solcher Opern noch Zahlungsretardaten vorlägen, diese in eine Berechnung zusammengefaßt und mit Einhaltung des rückständigen Mietzinses vorgelegt werden sollen; 3. nach dem allgemeinen Mißfallen, welches der Probe der Braunschweiger Tänzer zuteil geworden sei, werde die Intendanz mitdem Versuche besserer Acquisitionen beauftragt.

Auf diesen Bescheid, der statt einer Erhörung im Hauptpunkte noch einen mit den Geldsachen in keinem Zusammenhang stehenden Tadel in künstlerischer Richtung brachte, ließ es nun Babo in seiner Replik an Ernst und Kühnheit nicht fehlen. Er legte eine, den Finanzstand ziff'ermäßig nachweisende Nota des kgl. Zentral- Staatskasse-Kontrolleurs (Xaver Grosch) vor, mit dem Bemerken, die am Ende dieser Nota angeführte Besorgnis sei so wahr und nahe, daß man nicht verbürgen könne, ob in dem nächsten Monat Mai die Theater- Vorstellungen ihren Fortgang haben werden, indem soeben auch der bürgerliche Seifensieder Heering wegen sich stets häufender Zahlungsrückstände die fernere Lieferung des Beleuchtungsmaterials aufgekündet habe. Nach diesem drastischen Hinweis auf die Wirklichkeit erinnert

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Babo, daß er schon in einem Berichte vom 20. April 1805 das Aversum von 48000 fl. als ungenügend erklärt und als Ehrenmann bemerkt habe, daß wenigstens er nicht imstande sei, die Verwaltung des Theaters unter solchen Verhältnissen zu führen ohne entweder Amtsschulden zu häufen oder ergiebige Geldhilfe zu empfangen. Um wie viel dringender, fährt er weiter, müsse er nun, da bei gänzlich erschöpftem Amtskredit diese Verhältnisse zweimal schlechter stehen und der ihm erwachsene Kummer seine Gesundheit vollends zu Grunde richte, diese Erklärung wieder- holen: „Frei von aller Schuld, gerüstet mit Wahrheit und Tatsachen gegen jeden Vorwurf, nicht nur mir selbst bewußt, sondern auch zu dem vollständigsten, allen- falls öffentlichen Beweise bereit, mehr, als meine Pflicht erheischte, getan und gelitten zu haben, empfehle ich mich zu allerhöchster Huld etc. München, den 28. April 1807. Babo."

Weit entfernt, sich durch diese energische Gegenwehr auch nur eine Rüge zuzuziehen, erhielt der Intendant durch Reskript vom 1. Mai 1807 3000 fl. zur Befriedigung der dringendsten Forderungen bewilligt, doch mit der Bedingung: Der Rechnungsführer der Theaterkasse soll, damit die Berichtigung der ganzen Forderung verfügt werden könne, zur Abgebung der noch rückständigen Erläute- rungen über die Revisionsprotokolle für die letzten drei Rechnungsjahre, sowie auch zur Rechnungsstellung für das Jahr 1805/06 angehalten werden. Hierauf wendet Babo ein, die erwähnten Revisionsprotokolle enthielten solche auffallende Zweifel und Bedenken, daß, weil sie größtenteils nur das Formelle der Rechnungen beträfen und eine gänzliche Unkenntnis des Theaterwesens an den Tag legten, eine alles verdeutlichende schriftliche Beantwortung weit mehr Zeit erfordern würde, als dem diesortigen Kassier und Rechnungsführer zugleich Kontrolleur bei der Zentral-Staatskasse für dieses Nebengeschäft übrig bleibe. Hiemit war die hinter- rücks tätige bureaukratische Nörgelei, welcher die allerhöchste Person des Monarchen selbstverständlich fernstand, richtig bezeichnet, aber nicht beschwichtigt, sie machte sich bei kommenden Gelegenheiten beharrlich geltend.

Am schönsten zeigt sich Babos durchaus edler und vornehmer Charakter in einer (in Ansehung des zu erreichenden Zweckes nur allzu langen) Vorstellung vom 30. September 1807, nachdem von selten des Hofes der Wunsch geäußert worden, das Ballett mit einem Paar Tanzkünstler von der ersten Sorte vermehrt zu sehen. Zur Entschuldigung, diesem Verlangen selbst auf die Gefahr, das allerhöchste Mißfallen sich zuzuziehen nicht stattgegeben zu haben, führt da der Intendant aus:

Nach allerhöchst dero Regierungsantritte 1799 sei das Ballett (dessen Etat anliege) abgeschaflft worden, so zwar, daß dem damals schon pensionierten Tanzpersonal kein Gnadengehalt mehr verabreicht, dem noch dienenden keiner bestimmt werden sollte. Die Wirkung dieser Verfügung sei nicht die zu erwartende gewesen, indem das Ballett, anfangs eine bloße Verzierung der Oper, doch beibehalten, sodann als selbständig allerhöchsten Orts beliebt geworden sei, mehrere Tänzer aus dem Kabinett Geschenke und anstatt Entlassung Zulagen erhalten hätten. Endlich habe der Ballettmeister Crux im Sommer 1806 die allerhöchste Erlaubnis erhalten, eine Reise nach Paris zu machen. Der Zweck derselben sei nicht erfüllt worden, weil die Forderungen der Pariser Tanzkünstler

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die Verhältnisse der Münchner Theaterkräfte weit überstiegen hätten. Crux sei, nachdem er440fl. verreist habe, unverrichteter Dinge zurückgekehrt, habe aber den Ballettmeister Gardel in Paris beauftragt, Nachrichten über brauchbare Subjekte hieher gelangen zu lassen. Gardel habe nun Crux einen hoffnungsvollen Tänzer Anatole in Vorschlag gebracht, der aber 4000 L. Gehalt, 1000 L. für die Reise und ein auf 2000 L. garantiertes Benefice verlange. Von einer für München noch viel nötigeren Tänzerin habe nichts verlautet. Nun habe Babo mit dem Wiener Kunsthändler Artaria (welchen er eben im Vorzimmer Seiner Majestät getroffen habe, als er AUerhöchstderselben den Brief Gardeis an Crux vorlegen wollte) ein Übereinkommen getroff'en, wonach dieser eine Unterhandlung mit dem in Wien befindlichen Ehepaar Coralli anbahnen solle, was Seine Majestät nach Bericht gut geheißen habe mit der Folge, daß vorläufig das Engagement des Pariser Tänzers unterbleiben soll.

„Inmittelst wurde das hiesige Ballett durch die Tanzschule und die darin gebildeten Subjekte erhalten, welche dermalen auch den besseren und den Hauptbestand desselben ausmachen. Diese Tanzschule, welche unter allerhöchster Gutheißung errichtet worden ist, besteht jetzt aus (in einer Anlage benannten) Kindern sehr armer Eltern. Die Theaterkasse bezahlt den Tanzlehrer (Petri), versieht die Kinder notdürftig mit Schuhen, hat nach allerhöchster mündlicher Bewilligung den brauch- barsten und unentbehrlichsten eine jährliche Unterstützung von 100 fl. oder 50 fl. angesetzt und gibt einem jeden für jede Vorstellung, worin sie tanzend oder als Komparsen auftreten, einen Gulden. Hierin besteht der ganze Lebenserwerb dieser Unglücklichen, außer den Schlägen, welche sie reichlich erhalten und auch verdienen. Mehrere würden vor Elend umgekommen sein (und wirklich erkrankten einige schwer aus Mangel an Nahrung, Inanition nach starker Anstrengung), wenn sie nicht das Mittel aufgefunden hätten, die allerhöchsten Personen mit ihren Jammergestalten zu umlagern und dort von der kgl. allerhöchsten Milde manche Gabe an Geld und Kleidungsstücken zu erhalten. Die ärmsten unter ihnen betteln ohne Unterschied überall, wo sie etwas zu bekommen hofften, wie ich selbst mehr als einmal sah, Rettiche von den Gärtnerweibern auf dem Markt.

Eurer königl. Majestät darf ein Mann, der menschlich fühlt, wohl das Bekenntnis ablegen, daß es seinem Herzen sehr wehe tut, von mehreren tausend zur Engagierung fremder Solotänzer zu bestimmenden Gulden zu hören und reden zu müssen, während er bei einem sehr mäßigen Gehalt manchen Gulden aus seiner Tasche hingab, um inländische Tanzschüler im eigentlichen Sinne vor dem Hungertode zu retten. Und dennoch haben sich in dieser ärmsten und unbekanntesten aller Schulen brauchbare und treffliche Talente entwickelt. Die Brauchbaren machen den größten Teil des damaligen Corps der Figuranten aus, welches nach dem Urteil der Kenner alles und mehr leistet als irgendwo (mit Ausnahme besserer Haupttänzer) geleistet wird. Die Trefflichen erhalten jetzt schon, als Kinder, in pas seuls und pas de deux vollkommen Beifall und versprechen bald gute HaupMänzer zu werden." Sodann verbreitet sich Babo über diesen Gegenstand noch weiter zum Lobe der ihm unterstellten inländischen Tänzer, welche bereits die Aufmerksamkeit des Auslands auf sich gelenkt hätten, so daß Gefahr bestände, sie möchten durch hohe Anerbietungen von München weggelockt werden. Nach weitläufigen Auseinandersetzungen der Nachteile, welche das Engagement von 2 oder 4 auswärtigen kostspieligen Tanzkünstlern dem Kunstinstitute bringen würde, und nach dem auf authentische Zahlen gegründeten Nachweis, daß überhaupt das Ballett (mit Hilfe der ihm jedesmal zugegebenen Schau- und Singspiele) binnen acht Jahren sieben Monaten 38602 fl. einge- tragen, aber 130000 fl. gekostet, folglich nur etwa den vierten Teil seines Besoldungs- und Pensions- betrages der Theaterkasse ersetzt habe, macht Babo gegen Schluß seines Berichtes die historisch interessante Bemerkung: „Sollte aber der allerhöchste Beschluß, das Engagement fremder Solotänzer betreffend, in Vollzug gesetzt werden, so wäre jetzt die beste Gelegenheit dazu vorhanden, indem nach einem von Berlin an Crux dieser Tage eingelaufenen Schreiben Seine Majestät der König von Preußen die gesamte italienische Oper und das Ballett, unter welch letzterem sich sehr gute Künstler befinden sollen, aus Ersparungsgründen verabschiedet haben." Doch verwahrt sich Babo dagegen, die Kosten für allenfalls erwünschte Probe-Debuts zu übernehmen und beantragt deshalb, das ganze Engagierungs-Geschäft der fremden Solotänzer und alle damit verknüpften Ausgaben in besonderer Rechnung unter der zur bloßen Hoflust gehörigen Rubrik führen zu dürfen.

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Der Wirkung dieser ebenso sachlichen und energischen als im Grunde auch patriotischen Vorstellung entsprach es, daß nicht nur von einem Engagement fremder Tänzer abgesehen werden durfte, sondern auch mittels Reskripts vom 20. Oktober 1807 als Aversal-Beitragssumme aus der Zentral-Staatskasse statt der bisherigen 48000 fl. wöchentlich ein Tausend folglich für das Jahr 52000 fl. für das Hoftheater angewiesen wurden, „wodurch sich die Gesamteinnahmen, insofern die aus dem Vermögen des Publikums noch dazukommenden Eintrittsgelder 48000 Gulden betragen, auf eine Totalsumme von 100000 fl. erheben". Artikel II dieser Entschließung bestimmt, daß hieraus die Intendanz die Kosten des deutschen Theaters und des Balletts, sowie die aus beiden Teilen hervorgehenden und gegenwärtig bestehenden Pensionen zu bestreiten habe. Nach Artikel III werden auf die außerordentliche Exigenz des Hofetats alle Kosten der italienischen Oper übernommen; dieselben müssen aber jedesmal zuvor in einen berichtlichen Anschlag gebracht und nach allerhöchster Genehmigung und geschehener Aufführung in einer besonderen Rechnung dargelegt werden, wobei die Theatereinnahmen aus den Eintrittsgeldern in Abrechnung kommen.

War dies schon eine Errungenschaft, so konnte sie doch nicht lange anhalten, da der für habituell gehaltene Posten von 48000 fl., welchen das Publikum einzu- bringen hatte, von Wind und Wetter, Gesundheit und Krankheit, Frieden und Krieg, Wohlstand und Armut abhing, und in trüben Zeiten vergeblich hat auf sich warten lassen. Der finanziellen Kalamität fiel Babo, trotz redlichster und mutigster Gegen- wehr, zum Opfer, doch hinterließ er in nicht hoch genug anzuschlagendem Gegensatz zu seinem Vorgänger der von ihm mit Umsicht geleiteten Kunst- anstalt, im ganzen geordnete Zustände, eine sehr beachtenswerte Bibliothek und einen reichen Vorrat von schönen geschmackvollen Dekorationen. Von noch größerem Werte war aber der unter seinem Regiment allmählich einge- führte gute Ton in allen Kategorien der ausübenden Künstler und Theaterbediensteten, welcher von der früheren Disziplinlosigkeit aufs erfreulichste abstach. Wahren Patrio- tismus und wahre Treue gegen seinen König bewies er gerade dadurch, daß er, weit entfernt, bei Kontroversen den Rücken zu höfischer Unterwerfung zu krümmen, stets nur das Interesse der ihm anvertrauten Kunstanstalt im Auge behielt und auf Gefahr der Ungnade mit der Unerschrockenheit des deutschen Mannes unentwegt dieselbe vertrat. Das hat ihm auch die Achtung seines Königs gewahrt, wie es dieser durch die erwiesene Gnade bei seinem Rücktritt am besten bezeugte.

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II

DELAMOTTE, STICH, FREIHERR VON WEICHS (VOM 16. MÄRZ 1811 BIS 1824)

D'

|IE hervortretenden Ereignisse dieses Zeitabschnittes, durch welchen sich im allgemeinen wieder der vergebliche Versuch, Einnahmen und Ausgaben in Einklang zu bringen, wie ein roter Faden hindurchzieht, sind: Die Gründung des 1811 Theaters am Isartor im Jahre 1811 und 12, der Bau des neuen großen Hof- und Nationaltheaters, welches im Jahre 1818 eröffnet wurde, und der unselige, denk- würdige Brand des letzteren am H.Januar 1823.

Was die den obengenannten Bühnenleitern gemeinsame Geldmisere anbelangt, so wird der Leser nachgerade den Eindruck gewinnen, daß die Geschichte des Münchner Theaters die Geschichte der Defizite sei. Man kann dieser Bühne daraus einen besonderen Vorwurf nicht machen; an andern Hoftheatern wird man zu allen Zeiten ein ähnliches Lied haben singen hören, und wir werden, sofern wir die Geschichte überhaupt als Lehrmeisterin gelten lassen, im ganzen genommen unsere Münchener Intendanten, vom Grafen von Seeau bis zum gegenwärtigen Leiter der Dinge, in diesem Punkte etwas milder zu beurteilen geneigt sein.

Das Unglück des großen Theaterbrandes war weder das einzige noch das größte in jenem Zeitraum. Die Konkurrenz des Isartor-Theaters, welches durch Initiative des Hofes erstehen und von diesem bevorzugt und gehätschelt werden konnte, obwohl die Idee eines neuen großen Prachtbaues schon im Jahre 1792^) aufgetaucht war und König Max bereits 1810 von Paris aus den Befehl zur Erbauung eines solchen nach dem Muster des dortigen Odeons erteilt hatte, war in der damals noch winzig kleinen Stadt von weit unter 50000 Einwohnern sowohl für das alte Residenztheater mit seiner deutschen und italienischen Oper als auch noch für das neue große Hof- und Nationaltheater von schlimmerer Wirkung, als ein vollstän- diger Theaterbrand je sein kann. War schon die materielle Schädigung des alten Residenztheaters (die sich später auch noch im neuen großen Hause fühlbar machte)

[') Siehe Legband, Seite 212fF. und Ludwig Malyoth: Gründung und Aufbau des k. Hof- und Nationaltheaters am Max Josephplatz in München. Das Bayerland Jahrg. 30. 1918, Nr.2. Pläne zu einem neuen Theater lieferten u. a. der Hofbaumeister Verschaffelt, der Architekt Valerian Funk und Lorenz Quaglio, dessen Theater aber schon am Kostenvoranschlag scheiterte. Es sollte etwa an der Stelle des späteren Hof- und Nationaltheaters nach Abbruch der damals noch auf dem Max Josephplatz befindlichen Häuser erstehen. Das bis 1795 benützte alte Opernhaus wurde 1802 abgetragen, das Residenztheater, das für Oper und Schauspiel zugleich diente, 1801 vom Galeriedirektor v. Mannlich restauriert. Damals beschäftigte man sich von neuem mit einem künftigen großen Opernhaus, be- sonders seit 1804 unternahm Akademieprofessor Karl v. Fischer Vorarbeiten für einen Entwurf.]

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eine doppelte, indem einerseits der Besuch des Publikums merklich nachließ und sich dem Theater am Isartor zuwendete, anderseits aber durch Ausborgen nicht nur des ganzen Inventars, sondern auch der darstellenden Künstler, sowie durch Zersplitterung der Intendanzgeschäfte in zwei weit auseinanderliegende Lokale all- mählich Zustände geschaffen wurden, welche die schönen Zeiten eines Seeau wieder- zubringen schienen, so war der künstlerische Nachteil, welcher in einer unleugbaren Geschmacksverwilderung des bereits der Aufklärung sich zuneigenden Publikums durch das Repertoir des Isartor-Theaters hervorgerufen wurde, ein noch viel schlimmerer, um so mehr, als von den drei Intendanten keiner im Stande war, dem Sinken des Geschmackes durch Bildung und Kenntnisse Einhalt zu tun. Wenn schon die Wahl des ersten dieser drei Herren nicht künstlerischen Erwägungen entsprungen war, sondern derselbe seine Erhebung auf den verhängnisvollen Posten, ähnlich wie einst Seeau, einer Art Prädestination verdankte, so war das gleiche, nur unter andern Umständen, auch bei den zwei an mindestens gleicher Bedeutungs- losigkeit leidenden Nachfolgern der Fall.

Karl August Delamotte (häufig auch De la Motte geschrieben) war vor seiner Ernennung zum Intendanzrat bereits königlicher Regierungsrat. Sein Vater, der „Hofrat Delamotte", hatte den Kurfürsten Max Joseph IV. gebeten, „rücksichtlich seines Alters" die demselben bisher anvertraut gewesene Administration der Lor- bacher Güter, sowie auch der sogenannten Dotal- und Juwelengelder seinem Sohne, dem Regierungsrate Karl August Delamotte, resignieren zu dürfen." Diesem Gesuch war mittels Reskripts vom I.Juli 1801 mit der äußerst gnädigen Motivierung statt- gegeben: „Da Wir in mildester Anbetracht der von dem Bittsteller Weyland unsres seligen Herrn Vaters und Bruders Liebden, auch Uns geleisteten 56jährigen treuen und ersprießlichen Diensten diesem devotesten Gesuche huldreichst zu willfahren geneigt sind." Selbstverständlich verblieb dem alten Hofrat der fortwährende Genuß seiner Dienstesemolumente, während seinem Sohne, dem Regierungsrat, ein neuer Gehalt angewiesen wurde. Letzterer war also, wie man zu sagen pflegt, „in der Auswahl seines Vaters klug" gewesen, denn derselbe scheint von Jugend an die Gunst des höchsten Hauses Pfalz-Bayern-Zweibrücken genossen zu haben. Außer- dem scheint dem von Glück begünstigten Sohne ein gewisses leidliches Geschick in Wahrnehmung seiner Interessen und Benützung günstiger Augenblicke nicht gefehlt zu haben, wenn es nämlich wahr ist, daß nicht jede Ernennung im Staate auf die Initiative der Regierung oder des Staatsoberhauptes zurückzuführen ist, sondern auch oft durch stille Rührigkeit des Bewerbers auf Umwegen erreicht wird. Der Wortlaut des vom 6. Mai 1808 datierten Reskriptes, in welchem der Intendant Babo eine etwas überzuckerte, aber im Wesen desto bittere Aufklärung seiner bereits unterminierten Lage erfährt, scheint die Vermutung zu rechtfertigen, daß der Herr Regierungsrat seine „guten Dienste" zur Aufbesserung der darnieder- liegenden Theaterverhältnisse wohl selbst angeboten oder wenigstens in das Bereich der Beachtung gerückt haben dürfte. Es lautet: „In der Absicht, der k. Hoftheater- Intendanz in ihrem mit einem vielseitigen beschwerlichen und durch die italienischen

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Opern vermehrten Geschäfts-Detail ausgefüllten Funktionskreise, die erforderliche, mit dem Beispiel der andern Hofstellen übereinstimmende Geschäftshilfe eines Ökonomierates angedeihen zu lassen; wird demselben in der Anlage der von dem Regierungsrate Delamotte übergebene Entwurf der Kompetenz dieser Stelle (!) zu dem Ende mitgeteilt, um benehmlich mit demselben eine nach diesen Grundlinien bemessene Instruktion zu entwerfen und mit gutachtlichem Berichte vorzulegen, worauf sodann sowohl wegen der Nomination des Okonomierats als wegen der Instruktion seines Dienstes der definitive Beschluß gefaßt werden wird." Dem Intendanten blieb keine andere Wahl, als entweder zu gehen oder sich zu unter- werfen, und der neue Mitarbeiter auf dem Intendanzbüro war in letzterem Fall in der exempten Lage, nach selbstgeschaffenen Direktiven zu arbeiten, d. h. gegen seinen Vorstand gelegentlich zu operieren. Allzulange hat dieser auch, wie wir gesehen haben, die Stelle unter der Kontrolle seines Okonomierats nicht ertragen. Die Folge seiner wiederholten Gesuche um Enthebung war, daß dem Okonomierat Delamotte durch Dekret vom 11. September 1810 die provisorische Verwaltung der Theaterintendanz „einstweilen, bis ein neuer Intendant gerufen werde", über- tragen wurde. Ob damals die Absicht seiner wirklichen Ernennung zum Intendanten schon feststand, ist mit Bestimmtheit nicht zu sagen. Vielleicht hat sich kein anderer für den schwierigen Posten gefunden, und im Punkte der Finanzen wenigstens erhoffte man von ihm große Dinge. Wie gründlich er diese Hoffnungen enttäuschte, zeigen schon, nachdem er am 26. März 1811 zum Intendanten ernannt worden, seine ersten Jahresabschlüsse. Was seinen Charakter im großen und ganzen betrifft, so war er so ziemlich das Widerspiel seines hochachtbaren Vorgängers Babo: er war ein Leisetreter, dessen stiller Schritt aber um so sicherer bemessen war. Einen der vielen Belege hierfür liefert schon, außer seinem eben beschriebenen Entree, sein Verhalten in seiner Besoldungsaffaire. Der König hatte ihn unter Belassung seines bisherigen Okonomierats-Gehaltes, welcher von llOOfl. auf 1400 fl. gestiegen war, zum Intendanten befördert, aber zugleich bestimmt, „daß derselbe am Ende des Etatsjahres mit einer seinen Verrichtungen und dem Stande der Theaterkassa ange- messenen Gratifikation belohnt werden solle." Hierüber äußert sich Delamotte in einem Bittgesuch vom 4. April 1811 folgendermaßen: „....Die allerhöchste Zu- friedenheit, mein Dank und Ehrgefühl sind die einzigen Führer zu jenem hohen Ziele, welches mir diese ehrenvolle Stelle darbietet, dagegen würde eine jede Grati- fikation, nach dem Stande der Theaterkasse bemessen, selbst schon die Aussicht darauf, allen meinen Handlungen den gehässigen Anstrich eines persönlichen Eigen- nutzes geben, welchem ich mich, bei der mir zugeteilten Gewalt, auf das persönliche Mitwirken eines jeden Inidividuums, zum Besten der Sache zu entziehen verbunden bin. Daher fühle ich mich hochgeehrt, wenn Ew. k. Maj. mir gnädigst erlauben, diese Stelle so lange mit meinem bisherigen Gehalte zu versehen, bis mein allergnädigster König, aus höchsteigener Überzeugung, mich des mit dieser Stelle verbundenen baboischen Intendanz-Gehaltes von 2500fl. Gehalt würdig finden, da ich aber nicht in der Lage bin, die mit dieser Stelle notwendig verbundenen Anstands-Ausgaben

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zu machen, so geruhen Ew. k. Maj. gnädigst zu erlauben, diese in Rechnung bringen zu dürfen. Ew. k. Maj. allerunterth. De la Motte, Intendant." Hier ist unter idealer Maske der sehr praktische Standpunkt verborgen, erstens eine Ablohnung nicht von dem unsicheren Kassabestande abhängig wissen zu wollen, zweitens möglichst bald zum pragmatischen Gehalt zu gelangen. Die Folge der Eingabe war auch, daß ihm durch Dekret vom 24. Mai jährlich eine Summe von 800 bis 1000 fl. für Anstands- ausgaben gegen detaillierte Verrechnung und durch ein weiteres Dekret vom 24. Ok- tober der volle Intendanzgehalt von 2500 fl. bewilligt, dagegen natürlich die Stelle des Ökonomierats samt Besoldung und den Repräsentationsgeldern eingezogen wurde. Hätte nun Delamotte die stets zum Ziele führende Sicherheit in der Verfolgung seiner persönlichen Interessen auf die ökonomische und artistische Theaterleitung zu übertragen vermocht, so wäre der Münchener Bühne in beiden Richtungen zu gratulieren gewesen. Leider aber war er in künstlerischen Dingen so völlig unbewandert, daß er, ganz auf den guten Willen und das Können seiner Unter- gebenen angewiesen, die Dinge gehen lassen mußte, wie sie eben gingen, wofern es ihm nicht zeitweise durch dilettantisches Eingreifen gelang, eine eklatante Blamage herbeizuführen, und in der ökonomischen Verwaltung brachte er es, obgleich für einen geriebenen Finanzmann gehalten, unter der steten peinlichen Kontrolle des Finanzministeriums schließlich zu nichts anderem, als zu perennierenden Verlegen- heiten, wie sie dem von ihm aus dem Sattel gehobenen Babo nie passiert waren, weil dieser stets wenigstens seinen Charakter zu wahren wußte. Zwar gebrach es ihm nicht an einer gewissen Kassier-Findigkeit, wie aus einem von ihm noch in seiner Stellung als Ökonomierat verfaßten Vorschlag, die Logen betreffend, hervor- geht. Ich reproduziere denselben aber mehr aus dem Grunde, weil er zugleich die erste Kunde über den Stand des damals schon projektierten Baues des neuen großen Hoftheaters bringt: „Bei dem Tod des Herrn N. N. wurde dessen Theaterloge im dritten Rang Rechts Nr. 7 von der Theater-Intendanz zurückgenommen und wegen der häufigen Nachfragen um Logenplätze, wodurch sich das drückende der jetzt gebräuchlichen monopolartigen Verstiftung ganzer Logen recht auffällig zeigte, diese Loge in sechs Plätzen eingeteilt und so platzweise an eine sich zusammen- gefundene anständige Gesellschaft verstiftet, nämlich vier Plätze zu 100 fl., einer zu 60fl. und einer zu 40 fl., so daß diese Loge nun 500 statt 410fl. wie vormals rentiert. Es ist nicht zu bezweifeln, daß diese Verstiftungsweise, wenn man im nämlichen Ver- hältnis alle vier Rang von Nr. 1 bis 7 hinauf steigt, die Intraten des Hoftheaters um 10000 fl. vermehrt, ohne darum in Gefahr zu kommen, leere Logen zu haben. Doch wäre es allerdings ratsamer, dieses nur nach und nach einzuführen, wie nämlich einHauptlogenstifter abgeht. Es behielten alsdann die schon darinnen befindlichen Afterstifter den Vorzug auf ihre Plätze mit den erhöhten Preisen. Der Vorteil für das k. Hoftheater wird zwar, da diese Einrichtung nur nach und nach geschieht und der neue Theaterbau dieselbe wieder hemmt, nicht mehr sehr groß sein; indessen wird dadurch denen Aktionärs des neuen Theaters gezeigt, wie sie ihr Kapital können geltend machen und die Abnahme dieser Aktien

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wird rascher vorangehen, wenn Ew. k. Maj. geruhen werden, die sukzessive Einführung dieser Verstiftungsweise allergnädigst zu genehmigen. München 22. De- zember 1810. etc. k. b. Theater-Intendanz-Verwaltung. De la Motte, ökonomierat.« Dieser Kalkül in einer unbedeutenden Angelegenheit mag den tatsächlichen Ver- hältnissen entsprochen haben; es wurde der vorgeschlagene Stiftungsmodus unter der Bedingung der Vorlage von Fall zu Fall auch genehmigt: in der ganzen Ver- waltung der Kunstanstalt aber bewährte Delamotte keineswegs den weiten und hellen Blick, der seine Ernennung auf Kosten eines Babo gerechtfertigt hätte. Welches Geistes Kind er in dramaturgischer Hinsicht war, dafür liefert der Fall „Wilhelm Teir gleich zu Anfang seines Regimes einen sprechenden Beleg. Auf dem Zettel des Schauspiels stand die Bemerkung: „für die Vorstellung gekürzt" und eine der hauptsächlichsten Kürzungen bestand darin, daß Attinghausen ganz beseitigt und Ulrich von Rudenz zum Neffen Geßlers gemacht war. Da Herr Delamotte hiefür von Seite der Presse übel mitgenommen wurde, trat Attinghausen (bis zum Jahre 1822 überdies als „Artinghausen" bezeichnet) schon im nächsten Jahre wieder in seine Rechte ein. [Grandaur S. 75 und 77].

Wieweit des Intendanten musikalische Kenntnisse reichten und ob er über- haupt deren aufzuweisen hatte, darüber vermochte ich in den weitläufigen Akten nicht den geringsten Anhaltspunkt zu finden. Daß er in allen musikalischen Dingen so ziemlich das fünfte Rad am Wagen gewesen sein dürfte, geht daraus hervor, daß er für C. M. v. Weber während dessen langem Aufenthalt in München, wo es sich doch um die Aufführung des „Abu Hassan" handelte, nicht existierte, worauf wir demnächst kommen werden.

Als Operndirigent fungierte noch der nach Cannabichs Tode (1. Mai 1806) berufene Hofmusikdirektor Ferdinand Franzi. Dies ist u. a. beglaubigt durch einen in den Personalakt Delamottes verirrten Brief des Intendanten Babo an den Schauspieler und Bassisten Lanius, datiert 2. September 1810, in welchem

es heißt: nicht ich allein, sondern auch der Herr Musikdirektor

Franzi und der Herr Regisseur Heigel haben sich durch Ihre hier gespielten Gastrollen überzeugt, daß Ihre Anstellung bei den k. Hoftheatern für die Oper sowohl wie für das Schauspiel von großem Nutzen sein würde." Ihm zur Seite als fungierender Dirigent in Proben und Aufführungen stand aber schon damals, wie durch das Zeugnis C. M. v. Webers außer Zweifel gestellt ist, der spätere unmittelbare Vorgänger Franz Lachners, Joseph Moralt; daß dieser als tüchtiger und namentlich feuriger Dirigent renommiert gewordene [in jungen Jahren (1776) als Kammermusiker] angestellt wurde, [erfährt man aus der Niederrheinischen Musikzeitung 1855^)]; Grandaur weiß um diese Zeit noch gar nichts von ihm; ein mir bekannter Pokal trägt die Widmung: „Dem k. b. Hofmusikdirektor Herrn Joseph Moralt am Tage seines 50. Jubiläums in tiefer Verehrung überreicht von den Mitgliedern der k. Hofkapelle und des k. Hoftheaters, München 5. März 1836."

[1800 wurde er Konzertmeister in München, 1855 Musikdirektor.]

[') Vergl. Eitner-Quellen-Lexikon.]

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Was das im vorigen Kapitel gemeldete Zusammenschmelzen des Künstlerpersonals betrifft, so galt dies im ganzen mehr vom Schauspiel und dem damals noch sehr wichtig gehaltenen Ballett als von der Oper, deren weibliche Gesangskräfte sogar vorzüglich waren und auch an Zahl mit dem allerdings mehr zusammengeschrumpften und einer Aufbesserung bedürftigen Sängerpersonal außer Verhältnis standen. In erster Linie ist unter den Sängerinnen Madame Regina Lang, geb. Hitzelberger, und Tochter der Sabina Hitzelberger zu nennen, welche, nachdem sie im Jahre 1805 engagiert worden, 1806 in Voglers „Kastor und Pollux" die Telaira sang und 1807 den Hofmusikus Lang geheiratet hat. Wenn sie jene Bravourarie in der genannten Oper, welche im vorigen Kapitel erwähnt ist, ungekürzt, unpunktiert und untrans- poniert sang, so war sie eine Virtuosin, welche ihre Kolleginnen von heute samt und sonders, wie man sagt, in Grund und Boden singen würde.^) Leider war das Glück der Münchner Bühne, sie zu besitzen, nur mehr von kurzer Dauer. Ihr zur Seite stand Frau Antonie v. Fischer, geb. Peierl, Tochter der Elise Lang aus deren erster Ehe, in ihrer Art vielleicht kaum minder bedeutend. Dann die Frau des Tenoristen Weixelbaum, die frühere Signorina Marchetti-Fantozzi, jene mit dem „Thespiskarren" aus Berlin nach München gekommene Primadonna, welche sich besonders durch eine temperamentvolle Darstellung hervortat, und doch auch gesanglich Vorzügliches leistete. Sodann die frühere Josepha Lang, Tochter der Marianne („Anne") Lang, welche 1807 engagiert worden und jetzt, seit 1810 mit dem Tänzer und Komiker Flerx verheiratet war. Der „feurige Gesang" dieser Künstlerin ist durch C. M. v. Weber ausdrücklich konstatiert. (Siehe unten über die Aufführung des „Abu Hassan.") Endlich war Helene Harlas, welche sich 1805 behufs Verheiratung mit einem höheren Beamten (v. Geiger) von der Bühne zurückgezogen hatte, dann aber durch Scheidung frei geworden war, wieder in den Verband des Hoftheaters getreten, um alsbald zu dessen Zierden und zu den Lieblingen des Publikums zu gehören; sie hatte inzwischen von 1808—10 als Signorina Geiger an der italienischen Oper gewirkt, was schon den Grad ihrer Technik dokumentiert.

Außer diesen höchst bedeutenden Künstlerinnen figurieren auf Theaterzetteln dieser Zeit in Sopranrollen noch eine Mad'il. Tausch, eine Mad. Müller, eine Mad. Stentzsch (letztere z.B. als Blondchen in der „Entführung") und eine Mad. Neu mann (mitunter in nicht unbedeutenden Partien, von welchen allen Grandaurs „Chronik" nichts weiß, ebensowenig, wie von unterschiedlichen Sängern, welche auf den Zetteln zu finden sind, wenn man sie suchen will.)

Diesen nicht weniger als neun Sopranistinnen gegenüber wäre nur ein einziger Alt, nämlich die bereits auch etwas alte Mad. Elise Lang (Mutter der Frau V. Fischer) gestanden, wenn nicht Mad. Altmutter wegen Abnahme ihrer Höhe sie hatte früher die Gräfin in „Figaros Hochzeit" und die Diana in Glucks

') Daß sie während Webers Anwesenheit in München die einfacher und tiefer liegende Partie des Benjamin und zwar mit Auszeichnung sang, spricht entweder für ihre Vielseitigkeit, oder es hatte damals ihre Höhe schon bedeutend abgenommen.

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„Iphigenie" gesungen in tieferen (Mezzosopran-) Rollen verwendbar geworden wäre, was ihr späteres Übergehen zum Schauspiel vorbereitet haben mag. Fast ebenso schlimm war es numerisch mit dem Tenor bestellt. Benedikt Schack, welcher schon bei seinem Engagement 1796 die Jugend hinter sich hatte, konnte nur mehr in kleineren Partien ohne Höhe Verwendung finden. Dagegen war Tochtermann, der ihn in seinem Amte als Regisseur abgelöst hatte, als Heldentenor in seiner vollen Kraft. Der Umstand, daß er in Glucks „Iphigenie" den Orest und im ,Joseph" den Simeon sang, beweist seine tiefere Stimmlage. Als hoher lyrischer Tenor war nur der vortreffliche Weixelbaum da. Obwohl man sich dieser beiden Künstler herzlich erfreuen konnte, so war es doch mißlich, daß für beide in Krank- heitsfällen ein Ersatz nicht vorhanden war. Auch mit der Charge des Tenor-buffo wäre es in dieser Zeit schlimm bestellt gewesen, wenn nicht der Bassist Georg Mittermayr, welcher vermöge seines merkwürdig ausgebildeten Falsetts noch in späteren Jahren aushilfsweise nicht nur den Max im „Freischütz", sondern sogar den Florestan im „Fidelio" und ohne Anstrengung den Mehulschen Joseph sang, somit unter Umständen „das Mädchen für Alles" sein konnte, seine Allseitigkeit tatsächlich auch für diese Sparte ausgedehnt hätte. Er war als bereits angestellter Hofsänger fürs Theater 1805 engagiert worden und zählte fast drei Dezennien lang zu den Zierden der Münchener Hofbühne. Eine ziemlich frische Kraft dürfte auch um diese Zeit noch der 1789 engagierte, damals freilich ausgezeichnete Bassist Alois Muck gewesen sein; im Anfang des Jahres 1811 figuriert er auf dem Zettel von Lindpaintners „Demophoon" (29. Januar) als Oberpriester, im nächsten Jahr auf dem von „Cosi fan tutte" (resp. „die Wette" etc.) als Alfonso, endlich in dem- selben Jahre am 23. Dezember als dritter Stammvorsteher in „Jephtas Gelübde" von Meyerbeer. Der auf demselben Zettel über ihm als zweiter Vorsteher notierte Herr Meiers (Tenor oder Baß? wahrscheinlich das letztere!) ist einer der von Grandaur nicht gekannten Sänger; ein anderer, wahrscheinlich bedeutenderer, ist der ebenfalls auf diesem Zettel als erster Bote genannte Unhoch; von seinen beiden Partnern, dem zweiten und dritten Boten, einem Hermann und einem Friedrich Augusti, kennt Grandaur [S. 76] nur den letzteren und teilt von ihm mit, daß er, gleichwie Lanius im Jahre 1811 als Schauspieler und Sänger für erste Baßpartien (I) engagiert worden sei. Von mehr Wert und Bedeutung dieser beiden zusammen war vielleicht der schon im engagementreichen Jahre 1805 gewonnene Bassist Johann Hanmüller; derselbe hatte im Jahre 1806 nach Ausweis des Zettels in der von Brizzi geleiteten italienischen Aufführung des Paerschen „Achille" den Agamemnon gesungen. Endlich ist noch auf dem erwähnten Zettel des Lind- paintnerschen „Demophoon" ein Herr Franz als „Adrastes, Anführer der k. Leib- wache" verzeichnet, von welchem Grandaur ebenfalls nichts weiß; möglicherweise war er nur eine Chor-Koryphäe, welche aushilfsweise zum Solo verwendet wurde. Demnach gravitierte das männliche Gesangsmaterial sehr nach der Tiefe und stunden drei Tenoristen, wovon nur zwei sich noch der vollen Blüte erfreuten, mindestens sechs Bassisten verschiedener Qualität gegenüber. Mit diesem glänzenden, aber

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lückenhaften, im ganzen also unverhältnismäßigen Personal ein Repertoir von ge- höriger Abwechslung und Zugkraft zu stellen, war keine leichte Aufgabe, insofern gar manche beliebte und schöne Oper, in welcher eine oder zwei der trefflichen Sängerinnen hätten brillieren und das Publikum heranziehen können, wegen Mangels an geeigneten männlichen Partnern nicht gegeben werden konnte die Dürftigkeit der sowohl im letzten Quartal des Jahres 1810, als im Verlauf der von 1811 ge- gebenen Novitäten mag hierin größtenteils ihre Entschuldigung finden. Die zwei 1810 noch gegebenen Opern waren Ferdinand Franzis „Carlo Fioras" und Anton Fischers „Festung an der Elbe". „Carlo Fioras oder der Stumme in der Sierra Morena", Oper in drei Akten nach dem Französischen, frei bearbeitet von Vogel, Musik von Ferdinand Franzi, am 16. Oktober zur Vermählungsfeier des Kron- prinzen Ludwig von Bayern gegeben, scheint bei der Erstaufführung nicht sonderlich gefallen zu haben, da man sie im Jahre 1810 nur noch einmal, am 2. November, wiederholte, dann aber zwei Jahre liegen ließ. Auch als man sie 1813 wieder hervor- gesucht und am 15. Januar herausgebracht hatte, konnte sie nicht festen Fuß fassen, obwohl noch zwei Wiederholungen in diesem Jahre zustande kamen. Später wurde sie noch in drei voneinander entlegenen Jahrgängen zu halten versucht. Von weit fraglicherem Werte wird „Die Festung an der Elbe", Oper in drei Akten nach dem Französischen von Castelli gewesen sein. Bertuch sagt darüber lakonisch: „Eine der vielen Rettungsgeschichten, in welche einige neue Ideen eingewebt sind, die Musik gefiel nicht, gespielt wurde gut." Von den Hauptpersonen hebt er Tochtermann, Frau von Fischer und Augusti hervor. Nur eine Wiederholung fand statt.

Gegenüber dem Opernrepertoir, welches Babo in den letzten Jahren noch durch- gesetzt hatte, nehmen sich die vier Novitäten des Jahres 1811 um so bescheidener aus, als sie auch nicht unter dem Druck einer übergroßen Tätigkeit des Schauspiels zu leiden hatten. Diese vier Opern waren: „Demophoon" von Lindpaintner, „Agnes Sorel" von Gyrowetz, „Aschenbrödel" von Isouard und „Abu Hassan" von C. M. von Weber.

Peter Joseph von Lindpaintner (der Adel rührt von einem württembergischen Orden her) gehört seiner Blüte nach jener Gruppe halb romantischer deutscher Tonsetzer der Nach-Beethoven-Weberschen Epoche an, welche ihr freundliches Talent und ihre gediegenen theoretischen Kenntnisse, sowie auch volle Sicher- heit im Vokal- und Instrumentalsatze ehrlich und schlicht auf dem Gebiete der dramatischen Komposition versuchten, der deutschen Opernliteratur auch einzelnes Gelungene, wenn auch nicht für die Dauer, lieferten, im ganzen aber jene Gattung von Musik produzierten, die man späterhin mit dem odiosen, aber treffenden Namen „Kapellmeistermusik" (waren es doch meistens tüchtige und wohlbestallte Kapell- meister) bezeichnete, jene Musik nämlich, welche, da es ihr an eigentlicher Originalität und jenem kühnen Schwünge fehlte, ohne den nichts Neues hervorgebracht wird, ein dauerndes Interesse nicht beanspruchen konnte. Was Lindpaintner als Dirigent Vortreffliches geleistet, davon weilj man in Stuttgart heute noch viel zu erzählen, denn er machte der dortigen königlichen Kapelle als langjähriger Hofkapellmeister

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ein vorzügliches Renommee. Ziemlich unbekannt wird es aber sein, daß Lindpaintner in den Jahren 1812 bis inkl. 1820 Musikdirektor am Münchner Isartor-Theater^) war. Man hatte ihm diese Stelle vermutlich infolge der Aufführung dieses dramatischen Erstlingswerkes „Demophoon" anvertraut, obgleich dasselbe, wie es scheint, nur einen vorübergehenden Achtungserfolg erringen konnte. Bertuchs kurze Notiz über „Demophoon", große Oper in drei Akten, Text von Castelli nach dem Französischen des Defriaux, Musik von Lindpaintner, lautet: „Der Text ist aus dem Libretto Meta- stasios bekannt, von welchem ihn Defriaux entnahm und nun Castelli für die deutsche Bühne bearbeitete. Der Komponist ist ein Schüler Winters" (durch seine Lands- mannschaft als Rheinländer naheliegend). „Die Aufführung wurde beifällig aufge- nommen. Die Oper wurde noch am 8. Februar repetiert und dann zurückgelegt." Die Premiere hatte am 29. Januar stattgefunden.

Von „Agnes Sorel", Oper in drei Akten nach dem Französischen des Bouilly von Sonnleithner, komponiert von Gyrowetz, deren Premiere am 14. Februar statt- fand, sagt Bertuch noch kürzer: „Mäßiger Beifall, da der Schluß der Oper sehr abfällt." Die Oper war für Wien geschrieben, wo sie zum erstenmal 1808 aufgeführt wurde. In München erlebte sie nur eine Wiederholung, obwohl sie mit den besten Kräften besetzt war.

Bezüglich des Kunstwertes, welchen die in Paris enthusiastisch aufgenommene Oper „Aschenbrödel" (Cendrillon) von Etienne, Musik von Isouard, allenfalls beanspruchen kann, darf wohl das Urteil Karl Maria von Webers gehört werden, welcher zur einschlägigen Zeit in München weilte und über die Erstaufführung der Oper am 7. Mai eine ausführliche Kritik, datiert vom 15., ungefähr folgenden Inhaltes schreibt. Erst führt Weber unter Anführung von Tatsachen aus, daß in Paris zur Sicherung des Erfolges alles Erdenkliche geschehen sei, und auch der Komponist nicht ermangelt habe, alles zu benutzen, wovon er sich ein Applau- dieren versprechen konnte. Dies trete aber auch in der durchgängigen Äußerlichkeit

hervor „Der Hauptmoment im zweiten Akte, wo jede Schwester die andre zu

übertreffen sucht, hätte durch allen Zauber der Melodie und Instrumentierung bei Aschenbrödels Romanze so hervorgehoben werden müssen, daß er wie ein glänzender Stern über den Talenten der andern schwebte. In seiner gegenwärtigen Gestalt ist er aber eine unbedeutende Melodie, von der man gar nicht die hinreißende

Wirkung begreifen kann, die sie hervorbringen soll Am gelungensten ist

unstreitig das Duett zwischen dem König und der Cendrillon im dritten Akte, das er besonders glücklich durch die darin verwebte Melodie des vorerwähnten Liedchens im zweiten Akte, durch das sie des Prinzen Liebe gewann zeichnete.^) Nach

>) Auf einem Zettel dieses Theaters vom 20. Februar 1819 steht unter dem Titel „Die drei Wahr- zeichen, ein großes romantisches Spektakel-Lustspiel in fünf Aufzügen von Holbein": Die Musik ist vom Herrn Hofmusikus und Musikdirektor Lindpaintner. [Nach Fetis, Biogr. univ., der sich auf persönliche Mitteilungen stützt, wurde er bereits 1819 nach Stuttgart berufen,] ^) Ein inter- essantes, zum Nachdenken reizendes Beispiel, wie Unbedeutendes durch leitmotivische Ver- wendung zu bedeutender Wirkung gelangen kann.

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weiterem Detail, das hier füglich zu übergehen ist, kommt Weber zum Schlüsse, daß „der musikalische Teil der Oper gewiß nirgends ihr Glück gründen wird". Hierin hat er sich nun geirrt, denn im lustigen Wien ward die Oper schon vier Tage vorher, am 3. Mai mit enormem, darauf in Berlin am 14. Juni wenigstens mit großem Beifall aufgenommen. Von besonderer Bedeutung ist aber Webers Urteil über die Mitwirkung unserer Sänger bei dieser Erstaufführung: „Aschenbrödel" (Die Partnerin, Mad. Regina Lang-Hitzelberger, vergißt er zu nennen) bot alles auf, die Rolle mit all dem ihr eigenen Interesse zu geben. Sie spielte das bei inniger Herzensgüte und reiner unverdorbenen Seele, gleichwohl unbeholfene, bildungslose Mädchen mit vieler Wahrheit und Naivität. Madame Harlas als Clorinde und Frau von Fischer als Thisbe bezeichneten, besonders erstere, das Alberne eines hochtrabenden Adelsdünkels in vielen Stellen sehr treffend; doch würde Thisbe im Duett des ersten Aktes ihr Spiel weit mehr charakterisiert haben, hätte sie es im Kontraste zu der Singprobe ihrer Schwester, durch geeigneten Tanz wozu sie sich selbst die Melodie trillert mehr markiert und emporgehoben. Herr Muck als Montefiascone war diesmal ganz in seiner Sphäre; weit weniger Herr Mittermayer als Ritter Dandini. Sein Fleiß verdient gerechtes Lob, doch fehlt seinem Vortrag in dergleichen Rollen noch die erforderliche Gewandtheit. Ramiero, Herr Weichselbaumer (Weixelbaum), sang vorzüglich das Duett mit Aschenbrödel im dritten Akt mit Ausdruck und Bewegung." Die Erstaufführung des Weberschen „Abu Hassan" ward nicht so fast in Ansehung des Kunstwertes, welchen das an- mutige Jugendwerk (in dem der Vater der deutschen romantischen Oper noch kaum zu ahnen ist) allenfalls beanspruchen kann, als vielmehr dadurch zum Ereignis für München und die Geschichte seiner Oper, daß mit derselben ein langer Aufenthalt des nachmaligen Komponisten des „Freischütz" in der damals bescheiden auf- blühenden Kunststadt und ein mehr oder weniger intimer Verkehr des genialen Anfängers mit damaligen Notabilitäten aus verschiedenen Kreisen, selbstverständlich auch den musikalischen, verknüpft war, und daß dieser Aufenthalt insbesondere wertvolle kritische Äußerungen, wie die eben gebrachte, über die Aufführung der „Cendrillon", seiner gewandten Feder entlockte, welche manches Interessante über die Qualitäten der damaligen Mitglieder und des Orchesters enthalten. Ehe ich zur Aufführung des fraglichen Werkes übergehe, halte ich es für angezeigt, einiges über die Einführung Webers in München und sein Tun und Treiben daselbst aus der Dar- stellung Max Maria von Webers (II. pag. 253 bis 281) in gedrängter Kürze voraus- zuschicken. In München bestanden damals zwei sehr schöne Privatgesellschaften: Die „Harmonie", in welcher Madam Dülken, Tochter des berühmten Oboisten Lebrun, die beste Klavierspielerin Münchens, oder des berühmten H. J. Bärmann seelen- volle Klarinette, oder die Frlns. Valesi und Blangini (Tochter des Kapellmeisters) mit ihren lieblichen Duetten, oder auch Mad. Harlas, früher verehelichte von Geiger, mit ihrem vortrefflichen Liedergesang die Zuhörer bezauberten und das „Museum", wo die Musik in etwas strengerer Form gepflegt wurde, und dessen oft sehr umfang- reiche, starkbesetzte Konzerte von dem trefflichen Musikdirektor Ferdinand Franzi

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geleitet wurden. In diese beiden Gesellschaften alsbald eingeführt zu werden, war für Weber, der mit einer Unmasse von Empfehlungsbriefen an Baron von Aretin, Mad. Dülken, den allmächtigen geheimen Staatsminister Grafen von Montgelas, den Baudirektor Wiebeking u. a. angekommen war, keine Schwierigkeit. Seine wichtigste Empfehlung waren aber Briefe des großherzoglichen Paares von Darmstadt an die Königin Karoline von Bayern. Graf Montgelas, welcher Weber überaus herzlich empfing, erwirkte für ihn eine Audienz bei der Königin schon am fünften Tage nach seiner Ankunft; die hohe Frau gab ihm im Namen des Königs die Erlaubnis zu einem Konzert. Im Wiebekingschen Hause lernte Weber seinen nachmaligen unzertrenn- lichen Freund Bärmann kennen, für den er auch sehr bald sein Konzertino in Es schrieb. Am wenigsten wollte es ihm von allen Berühmtheiten mit Peter Winter glücken, der fürchtend, daß in dem jungen rührigen Künstler, dessen Ruf aufzu- blühen begann, ihm etwa ein „genierender Kollege an die Seite gesetzt" werden könnte, ihn lauernd und abweisend, fast grob behandelte, wogegen die Kapell- mitglieder, im „Schwarzen Adler", in der „Harmonie" und im „Museum" mit dem jovialen jungen Manne verkehrten, ihn spielen und phantasieren hörten, lieb ge- wannen und schätzen lernten. In einem Brief an Gottfried Weber schreibt Carl

Maria am 23. März: Gesehen und gehört habe ich gestern den Don Juan, wo

am Ende der Furienchor aus Castor und Pollux gemacht wird von Vogler. Was hätte ich gestern gegeben. Euch an meiner Seite zu haben. So ein Orchester hebt einen gen Himmel wie Meereswogen, wenn das Finale losgeht und die Ouvertüre und der Furienchor!!! Mordelement, was hat der Kraft, es packt mich so, wenn ich daran denke, daß ich vor Ungeduld die Feder wegwerfen könnte. Desto weniger war ich mit dem Gesänge zufrieden. Die Weiber sangen falsch und konnten nichts. Die Donna Anna verfehlte sogleich ein paar Takte im ersten Terzett usw. (Dies scheint eine Ausnahme gewesen zu sein; in seinen späteren Kritiken wird Weber, wie wir sehen werden, den „Weibern" gerecht.) Übrigens befinde ich mich recht wohl hier und werde selbst vom Orchester (welches den Teufel im Leib hat und nicht wenig arrogant ist), sehr fetirt. Mit dem neidischen Winter gings mir komisch; wie ich ihn besuchte, hielt er mich für einen Dilettanten und war erstaunt artig und freundlich. Das dauerte ein paar Tage, bis er hörte, wie die Sachen eigentlich stehen, und nun sah er mich nicht mehr an und war so grob, daß die dabeistehenden Musiker ihn laut ein Vieh nannten, um das ich mich nicht kümmern dürfe." Das projektierte Konzert kam am 5. April im Residenztheater zustande. Er brachte eine Symphonie (nicht seine stärkste Seite), die, bis auf das letzte Allegro, ziemlich ungenügend (!) gespielt wurde und den „Ersten Ton", den der Schauspieler Kürzinger (an Stelle des erkrankten Max Heigel, Webers Freund) mittelmäßig sprach, zu Gehör. Der beliebte Direktor Franzi, der längere Zeit abwesend war, dirigierte nicht nur das Konzert, sondern spielte auch ein von ihm komponiertes Violin- konzert vortrefflich. Regina Lang sang eine Szene von Paer sehr lieblich, und die Treffer des Abends taten Weber selbst mit seinem sehr gut gelingenden Klavier- konzert und Bärmann mit dem Konzertino in Es, welches den König Max so

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erfreute, daß er sogleich persönlich zwei Klarinettenkonzerte bestellte. Weber schreibt

über das Konzert an Gottfried W. am 30. April: Ich habe nicht selbst dirigiert

in meinem Konzert, weil man sich auf Direktor Franzi verlassen kann und es auch hier nicht Sitte ist, daß irgendein Fremder hier dirigiert, aber ich sage Dir, es war eine Wonne zu sehen, mit welchem Eifer und Aufmerksamkeit das Orchester beseelt war (das stimmt nicht mit der obigen Behauptung Max Marias vom

„ungenügenden" Spielen der Symphonie.) Seit ich für Bärmann das Konzertino

geschrieben habe, ist das ganze Orchester des Teufels und will Konzerte von mir haben. Sie überlaufen den König und die ganze Intendance (hier ist sicher die Hof- musikintendanz gemeint). „Auch ist's des Orchesters und aller Menschen Wunsch, mich hier als Kapellmeister angestellt zu sehen. Du weißt aber, was ich davon zu halten habe Über alles dies hebe ich hier den himmlischen Genuß des herr- lichen Orchesters, das mich auf Händen trägt Mit Winter stehe ich vor- trefflich. Es mag ihm nun Ernst sein oder nicht, kurz er ist höllisch freundlich gegen mich. Ich lasse ihm aber auch an Weihrauch nicht fehlen und vielleicht rührt ihn das. Herr Lindpaintner, ein junger Komponist, Schüler von ihm, hat für eine Messe, die auf Ostern aufgeführt wurde, vom König eine schöne Tabatiere erhalten. Er hat auch früher schon die Oper Demophoon hier gegeben. Er hat Talent, aber keinen Kirchenstil" (nun Webers Urteil über Kirchenmusik ist durch seine eigenen Arbeiten auf diesem Gebiete auch nicht außer Frage gestellt). „Ob meine Opern hier gegeben werden, weiß ich noch nicht bestimmt, hoffe es aber." Und schon anfangs Mai kündigte ihm Winter, den unbekannte Einflüsse freundlich und geschmeidig gemacht hatten, an, daß die Proben zu „Abu Hassan" sehr bald beginnen könnten, und in der Tat hatte die erste schon am 24. Mai stattgefunden. Das Gerücht, daß Weber als Kapellmeister in München fixiert werden würde, nahm an Konsistenz zu und wurde, wie es Max Maria fast etwas großsprecherisch für seinen Vater ausführt und breitdrischt, zur Veranlassung, daß nunmehr die Münchner Damenwelt außer- und innerhalb des Theaters (hier um so mehr, als das Einstudieren des „Abu Hassan" manche erwünschte Gelegen- heit dazu gab) für ihn zu schwärmen und es ihm deutlich genug erkennen zu lassen anfing, ein Loblied auf unnahbare Strenge der damaligen Münchnerinnen höherer Gesellschaft kann diese Darstellung Max Marias nicht genannt werden. Genug, der „Abu Hassan" ging (wie Max Maria wörtlich schreibt), nachdem die vier Proben, die Winter davon halten ließ, da die eigentliche Last des Ein- studierens aufdesKonzertmeisterMoralts Schultern ruhe te, das Orchester mit Eifer und die bequeme Musik mit Leichtigkeit spielte, den vierten Juni in Szene. Hiemit scheint mir bestätigt, was ich zu wiederholten Malen über das Ver- hältnis der Kapellmeister einerseits und der Konzertmeister und Musikdirektoren andererseits gesagt habe: Letzteren oblag die eigentliche Leitung, das Taktieren und Zusammenhalten der Massen in der Oper und in deren Proben, während die amtliche Tätigkeit der ersteren auf die Einrichtung der Partituren nach Maßgabe der eben möglichen Rollenbesetzung (wozu die üblichen Striche, Transpositionen,

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Punktationen etc. gehörten), dann aber auf den Dienst in der Kirche und in den Hofkonzerten sich beschränkte. Dagegen deutet der Ausspruch, daß Winter die Proben „halten ließ« daraufhin, daß der Herr Hofkapellmeister allerdings auch im Theater der tonangebende Mann, der Oberdirektor war, dessen Stimme bei der Wahl der Opern, beim Ansetzen der Proben etc. den Ausschlag gab. Jedenfalls ist es aber gewiß, daß Winter die Aufführung des „Abu Hassan" weder selbst dirigierte, noch dazu amtlich verpflichtet war. Denn hätte er die Oper dirigiert, würde Weber kaum versäumt haben, in seinem Briefe über die Aufführung etwas von seiner Direktionsart oder seiner Auffassung einfließen zu lassen. Und wäre er zur Direktion verpflichtet gewesen, so hätte er, nachdem ihm noch inbesonders ein geheimnisvoller Wink (etwa von Montgelas oder den Majestäten selbst) gegen Weber freundlich gemacht hatte, auch die Proben nicht von einem andern leiten lassen, sondern er hätte sich beeilt, beides, die vier Proben und die Auf- führung zu leiten; denn nicht leicht riskiert selbst der gewiegteste Dirigent, eine erste Aufführung zu dirigieren, die ein anderer einstudiert hat. Über den Verlauf

der Aufführung erzählt nun Max Maria von Weber: Kaum war die lebhaft

vom vollen Hause applaudierte Ouvertüre vorüber und Mittermayer und Mad. Flerx, die den Hassan und die Fatime voll Feuer und Liebenswürdigkeit sangen, hatten die ersten Takte ihres ersten so außerordentlich zierlichen und reizvollen Duetts: „Liebes Weibchen, reiche Wein!« gesungen, als blinder Feuerlärm das Auditorium wild durcheinander jagte, der Vorhang fallen mußte und es lange dauerte, bis soweit Ruhe hergestellt war, um das Publikum . . . wieder empfänglich zu machen. Die Oper ging allerliebst, die nicht stark, aber mit den besten Sängern besetzten Chöre besonders wirkten durch ihre unvergleichliche Präzision und frische Auffassung, so daß fünf Piecen der kleinen Oper lebhaft applaudiert wurden und Weber sich über die Stimmung, die sich in Bezug aufsein Werk unter Künstlern und Laien zeigte, wohl froh und so gehoben fühlen durfte, daß er an Gänsbacher

schreiben konnte: , Ich warte mit Schmerzen auf einen neuen guten Operntext,

wenn ich keine Oper unter den Fäusten habe, ist mir nicht wohl!*" Und doch war der nächste Operntext erst volle zehn Jahre darauf der „Freischütz!" Der Erfolg war also, auch dieser selbstverständlich nicht unbefangenen Darstellung nach, nur „ein freundlicher", wie ihn auch das liebenswürdige Jugend werk nicht höher beanspruchen konnte, insbesondere bedeutet das Hervorheben der außerordentlichen Chorleistung dem Unbefangenen, daß die Solopartien nicht recht gezogen haben. Nach einem Brief Webers ward die Oper am 11. Juni wiederholt, um dann bis 5. September zu ruhen. Erst das Jahr 1814 brachte wieder zwei Aufführungen des Werkes und nach einer einzigen im Jahre 1815 verschwand es vom Repertoir, um erst im November 1823 und im Juli 1824 wieder hervorgesucht zu werden. Von da an ruhte es bis zu Lachners Zeiten.

Nicht ohne Bedeutung für das Münchner Musik- und Theaterleben ist es, wie erwähnt, daß Weber durch seinen alten Freund, Kapellmeister Franz Danzi „seinen Mentor aus der Stuttgarter Nachtperiode", welcher um diese Zeit nach München

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kam, mit dem nachmaligen Intendanten J. N. Freiherrn von Poißl, Danzis Schüler, bekannt gemacht wurde und mit diesem in innigere Beziehungen trat, denn diese Verbindung förderte jedenfalls die Pflege der Weberschen Bühnenwerke, welche unter Poißls Intendanz hervorragend war. Am 7. August war in Nymphenburg Konzert vor dem königlichen Hofe, wobei Bär mann Webers Konzert in Fmoll spielte; die Majestäten dankten dafür so großmütig in klingender Münze, daß Weber getrost seine projektierte „Schweizer Kunst- und Naturkneip-Reise" antreten konnte und am 9. August München verließ.

Wir aber können nicht vollen Abschied von ihm nehmen, ehe wir nicht die Fortsetzung der während dieses Aufenthaltes entstandenen Kritiken, womit er uns die wertvollsten Aufschlüsse über das damalige Sängerpersonal und verschiedene Eigentümlichkeiten der damaligen Opern-Aufführungen gab, in chronologischer Ordnung mit den des Raumes wegen nötigen Kürzungen folgen lassen. (Gleich die erste ist so wichtig und interessant, daß ich sie ohne Abstrich wiedergeben muß): Ober „Ginevra", Oper von Simon Mayr. (München, 27. Juni 1811.)

Den 25. Juni gewährte die zweite Vorstellung von „Ginevra", Opera seria in zwei Akten von Simon Mayr, allen Kunstfreunden einen so herrlichen Ohrenschmaus, als sich Referent seit langer Zeit nicht erinnert, im hiesigen Theater gehört zu haben. Unser herrlicher Brizzi') als Polinesso schien sich heute selbst zu übertreffen, und wenngleich körperliche Umstände seine Intonation oft sehr zweideutig machen, so überwiegt sein vortreffliches Spiel, die Leichtigkeit und Sicherheit seiner Passagen, das Kraftvolle seiner Deklamation und das rein Vollendete seiner Meisterschaft, was auf seinen Darstellungen liegt, so bedeutend diesen Obelstand, daß man ihn vergißt und sich bloß vom vortrefflichen Ganzen hinreißen läßt. Nächst ihm verdient Mad. Harlas (Ginevra) die ehrenvollste Erwähnung. Sie ist für diese Art Rollen geschaffen und das wahrhaft Große ihres Gesanges, die sichere Kühnheit ihrer glockenreinen Stimme und ein ungewöhnliches Feuer im Vortrage, das sie heute beseelte, ließen sie würdig mit Herrn Brizzi um die Palme ringen. Herr Mittermayer als Ariodante zeigte neuerdings, wie sehr sein rühmliches Streben zu den schönsten Erwartungen berechtigt. Seine herrliche, klangvolle Stimme hat Biegsamkeit genug, alle Forderungen zu ihrer Vollendung zu befriedigen. Möchte doch derselbe durch eine deutlichere Aussprache seinem Gesänge mehr Charakter verleihen, und überhaupt etwas feuriger und belebter sein. Referent bemerkt hier unter anderem das übrigens vortrefflich gesungene Duett mit Polinesso im ersten Akt und besonders auch die Szene im zweiten Akt, wo ihm der Priester den bevorstehenden Tod der Ginevra entdeckt, und wo der Held im Gefühle seiner Kraft auflodert und das „non morirä" in dem Bewußtsein aus- spricht, daß die Unüberwindlichkeit seines Armes sie retten wird und kann. Referent bittet Herrn Mittermayer, diese kleine Bemerkung als einen Beweis der Achtung anzusehen, die er für sein schönes Talent hegt. Was die Musik der Oper überhaupt betrifft, so hätte man füglich auf den Zettel setzen sollen: Von Weigl und Simon Mayr und Comp., da beinahe alle bedeutenden Musik- stücke von Weigl waren, z. B. die Arie des Polinesso, die liebliche erste Arie des Ariodante usw. Die Arie der Ginevra im zweiten Akte war auch von einem andern Meister, und die herrliche Ouvertüre der Semiramis von Catel beginnt die Oper. So ein großer Feind Referent von Ein- lagen fremder Musikstücke ist, so kann er doch nicht umhin, es bei dieser Oper sehr wohlgetan zu wissen. Herr Simon Mayr hat so gänzlich in seiner Komposition seinen deutschen Ursprung

^) Der Leser wird sich vergegenwärtigen, daß es sich hier um die Zeit handelt, in welcher Brizzi nicht mehr auf jährlich vier Monate, sondern bereits dauernd in München engagiert war, und die Mitglieder des deutschen Theaters, wie unter Babo, der sich darüber beklagte, in der italienischen Oper noch mitzuwirken hatten, was erst im Jahre 1816, wie wir sehen werden, anders werden sollte.

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verleugnet, und dagegen nur das Flache der italienischen Schule angenommen, daß man ihm von Herzen diese Einschiebsel gönnen kann und nur bedauern muß, daß so gute Musikstücke unter seiner Firma vorgetragen werden. Die Chöre gingen gut, die Kleidung war schön und reich, aber das Publikum kleiner, als ich erwartet hätte, und allerdings muß es kränkend sein, vor einem halb- leeren Hause zu singen. Der laute Beifall und das Würdige dieses zwar kleinen, aber gerechten Publikums mußte indes ein desto angenehmerer Sporn für die Darstellenden sein, denn man kann annehmen, daß der bessere Teil vorhanden war, und wenn die übrigen nicht einmal 20 Pferde ins Theater ziehen können, was bleiben da der armen Kunst noch für Mittel übrig!

* Ober „Der Wasserträger", Oper von Cherubini. (2. Juli 1811.)

(Nach einem begeisterten Panegyrikus auf dieses Werk mit seiner „göttlichen Musik", dessen Lektüre unsern Modernen sehr zu empfehlen wäre, sagt Weber): Die Ouvertüre begann und ließ mich das Schönste hoffen, denn wahrlich, sie wurde mit einem Feuer, einer Nettigkeit und Kraft vorgetragen, wie sie nur das Münchner Orchester zu leisten imstande ist, und jubelnd

stimmte ich in den rauschenden Beifall des Parterres mit ein Das erste Terzett sah ich zu

meinem Staunen in ein Duett verwandelt. Ich traute meinen Ohren nicht, sondern nahm ein Per- spektiv zu Hilfe, und sah denn da auch, daß der Vater des Wasserträgers nicht sang. Ich kann nicht leugnen, daß mich eine gewisse Unbehaglichkeit befiel, wenn ich an das Finale des ersten Aktes dachte ohne Baß!!! Sollte denn das Personal nicht noch einen Baßsänger zu dieser Rolle habe liefern können?*) Das Terzett zwischen Armand, seiner Gattin und Mikely war stark gestrichen, doch entschädigte der gute Vortrag. Das Duett zwischen Armand und Constanze wurde stellenweise vortrefflich gegeben, der Moment seines Anfangs aber ganz vergriffen (wird nicht

ganz verständlich motiviert) Beim Finale des ersten Aktes war Mikelys Vater nicht sichtbar.

Sollte er keinen Anteil nehmen? etc. Höchst unangenehm aber ward ich durch eine Verballhornung der Komposition im Finale überrascht, eine der himmlischsten Stellen wird aus mir völlig unbegreif- lichen Ursachen ganz ihrer Wirkung beraubt. (Weber beschreibt hier, wie in der rührenden Szene, wo Marcelline von Vater und Bruder überredet wird, ihren Reisepaß der Gräfin zu überlassen und auf den Besuch der Hochzeit zu verzichten, um die beiden Flüchtlinge zu retten, das von Cherubini gesetzte Klarinettsolo nicht nur von einer Oboe geblasen, sondern sogar harmonisch akkompagniert wird, ehe Cherubini selbst das Fagott und das Cello hinzutreten läßt.) An Orten, fährt er weiter, wo es an guten Klarinettisten fehlt, ließ ich es mir noch höchstens gefallen, daß diese Stelle von der Flöte vorgetragen wird, aber daß man eine Begleitung dazusetzt, ist unerhört, und hoffe ich es von den anerkannten Einsichten des Herrn Direktors Franzi, daß er diesen großen Mißgriff, für dessen Existenz er nichts kann,^) verbessern wird, und, mit mir vereint, bitten gewiß alle Ver- ehrer der Cherubinischen Muse darum. Die sehr schwierigen Chöre im zweiten Akte gingen vortrefflich (das ist historisch äußerst bemerkenswert!), mit Präzision und Feuer wurden sie gesungen und gespielt (!). Überhaupt war der zweite Akt gerundeter und lebendiger. (Im dritten Akt bedauert Weber wieder die Weglassung einiger schönen Stellen und schließt dann:) Am auszeichnungswertesten war Herr Muck als Wasserträger, er gab den biedern, fröhlichen, offenen Kopf, der durch das Bewußt- sein einer guten Tat sich zu allen Wagnissen ruhig befähigt hält, sehr brav, und der laute Beifall des Publikums zeigte ihm die Anerkennung seiner Bemühung etc.

* Ober „Joseph in Ägypten", Oper von Mehul. (3.Juli 1811.)

Mit Freuden sah Referent den 3. Juli bei seinem Eintritte ins Theater das wohlgefüllte Haus, indem er sich dadurch neuerdings überzeugte, daß das Münchner Publikum wahre Meisterwerke zu schätzen und zu würdigen wisse. Wen sollte aber auch nicht eine Musik, wie die der Oper: „Jakob

') Hiemit ist die oben beschriebene Lückenhaftigkeit des Sängerpersonals bestätigt. ^) Sollte hiemit nicht etwa auf ein geschmackloses Eingreifen des gern „reorchestrierenden" Winter hingedeutet sein ?

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und seine Söhne", ergreifen und mit sich unwiderstehlich fortreißen! (Folgt nun eine wunderbare Würdigung auch dieses Meisterwerkes in kurzen, bestimmten Zügen.) Die heutige Darstellung war aber auch in jeder Hinsicht gediegen und in sich geschlossen zu nennen. Kein Mißgriff, kein unan- genehmer Zufall störte die Wirkung des Ganzen. Sänger und Orchester kämpften den entzückendsten Kampf um den Vorzug der vollkommenen Ausführung. Herr Mittermayer gab in Abwesenheit des Herrn Weixelbaumer die Rolle des Josephs. Unter beinahe allen Rollen des Herrn Weixel- baumer ist diese am meisten seiner Individualität angeeignet und daher auch eine seiner besten; zudem ist jedes Publikum immer gewohnt, sein Urteil nur vergleichsweise zu fällen und nie auf die gegenwärtige Darstellung rein zusehen, sondern immerzu sagen: Der machte dies besser, der andere jenes. Es gereicht daher Herrn Mittermayer zum ausgezeichnetsten Triumphe seines Strebens, daß er allgemein gefiel und befriedigte.^) Mit Vergnügen bemerkte Referent, daß er deut- licher wie gewöhnlich aussprach, und dadurch besonders die liebliche Romanze: „Ich war Jüngling noch an Jahren" einen neuen beim Herrn Weixelbaumer vermißten Reiz verlieh. Oberhaupt war sein Gesang und Spiel herzlich und dankend sei es hiemit gesagt, ohne unnötige Verzierungen, die, auch noch so klein in dieser rein deklamatorischen Musik unerträglich sind. Erlaube uns Herr Mittermayer nur die leise Hindeutung auf ein paar Momente, die er wärmer in Hinsicht des Spiels zu sehen gewünscht hätte (werden genannt und erklärt). Es wäre überflüssig über Herrn Tochtermann als Simeon etwas erwähnen zu wollen, so anerkannt ist sein hohes Verdienst in dieser Rolle. Er gibt sie mit höchst erschütternder Wahrheit; alles ist tief durchdacht und bezeichnet den herrlichen Künstler. Jakob wurde von Herrn Lanius mit Fleiß gesungen und gespielt, besonders im Duett mit Benjamin im dritten Akt gab er sich herzlich. Daß er bei seinem Erwachen im zweiten Akt während des feierlichen Gebetes nicht niederkniet, war wohl nur augenblickliche Vergessenheit, es störte aber sehr die andächtige Haltung dieses Moments. Etwas zu rasch und kräftig schien auch manchmal Referent das Spiel des Herrn Lanius gewesen zu sein. Mad. Regina Lang ist als Benjamin eine freundliche Erscheinung, die diesen Charakter mit all dem kindlichen Liebreize ausstattet, der in ihm ruht. Danken müssen wir ihr, daß sie, trotz eines Katarrhs, uns keines Musikstückes beraubte. Die Chöre der Brüder gingen vortrefflich, sowie auch die Gruppen und ihr lebendiges Spiel sehr ergreifend waren. Der schöne Schluß des dritten Aktes ist vom Herrn Direktor Franzi (in dem Klavierauszug von G. F. Kogel irrtümlich als Karl Franzi bezeichnet, während es unser Ferdinand Franzi war). Und nun noch den herzlichsten Dank unserm Orchester, das durch den vortrefflichen Vortrag dieses Meisterwerkes sich einen neuen Lorbeerzweig in den Kranz seines alten Ruhmes flocht.

Während dieses Erscheinen Karl Maria von Webers und sein langer Aufenthalt in unserm lieben München die Lichtseite des Jahrganges 1811 genannt werden muß, hat dieser selbe Jahrgang als verhängnisvolle Schattenseite ein Geschehnis zu ver- zeichnen, welches der Ausgangspunkt einer langen schweren, kampfreichen Zeit für die Hofbühne wurde, innerhalb welcher sie sich mehr als einmal vor die Frage des dänischen Prinzen „Sein oder Nichtsein?" gestellt sah.

[Anfangs März war das an der Isar aus Holz erbaute Possentheater des Direktors Weinmüller abgebrannt. Auf königlichen Befehl wurde ihm und seiner Truppe der Theatersaal im Herzogsgarten zur Verfügung gestellt. Weinmüller erhielt den Titel kgl. Regisseur; sein Theater als „Königliches Vorstadt-Theater vor dem Karls- tor" der Hofverwaltung unterstellt, wurde der unmittelbare Vorgänger des Isartor- Theaters,^) das sich zu einem Schädling für das höhere Kunstlebens Münchens auswuchs. Davon später.]

') Die Merkwürdigkeit des Phänomens, daß ein Bassist die ziemlich hochgelegene Tenorpartie des Joseph sang, betont Weber gar nicht; es scheint, daß man sich in München schon daran ge- wöhnt hatte. [-) Grandaur, S. 76.]

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Vom Jahrgang 1811 ist noch nachzutragen, daß im Monat August Frau Milder- Hauptmann aus Wien drei Gastrollen: die Iphigenie in „Iphigenie auf Tauris* und die Emmeline in der „Schweizerfamilie", letztere zweimal, gab; daß am Schluß des Jahres, noch am 20. Dezember, Mad. Schönberg, geb. Marconi (woher sie kam, ist auf dem Zettel nicht vermerkt) ein weiteres Gastspiel, aber in Tenorpartien, mit dem Belmonte in der „Entführung aus dem Serail" eröffnete, um solches nach zweimaligen Auftritt als Sohn Karl in Paers „Sargines", sowie als Graf Loredan in dessen „Camilla" mit dem Joseph in „Jakob und seine Söhne" am 23. April des darauffolgenden Jahres zu beschließen, und daß endlich ein Schlag für die Oper! im November die herrliche und vielseitige Regina Lang der Bühnenlaufbahn ent- sagte, um fortan nur ihrem Beruf als Hofsängerin zu leben.

Das Jahr 1812 begann mit einem für das Schauspiel höchst erfreulichen Ereignis, welches aber als sehr traurig in der Operngeschichte erwähnt werden muß, weil dadurch der Oper abermals eine ausgezeichnete Kraft entrissen wurde. Frl. Alt- mutter hatte sich mittlerweile zu einer vortreftlichen Schauspielerin ausgebildet und debütierte am 2. Januar in der Premiere von Schillers „Jungfrau von Orleans" als Jeanne d'Arc mit größtem Glück. Die Erscheinung, daß gerade eine Koloratur- sängerin mit leichter Höhe die sonoren Brusttöne findet, welche bei dieser Heroinen- rolle unentbehrlich sind, wird zu den Seltenheiten gehören. Das genannte Drama erlebte im selben Jahre 13 Wiederholungen, von denen nur drei im Abonnement stattfanden, ein in München außergewöhnlicher Erfolgt), von dem die Künstlerin gewiß einen guten Teil für sich beanspruchen durfte. Ein früheres Mitglied der Münchner Hofbühne, die vortreffliche Sängerin Margaretha Lang (dieselbe, die im November 1807 einem Ruf nach Stuttgart gefolgt war), trat wieder in den Verband derselben, aber leider auch nicht als Sängerin, denn auch sie war mittlerweile zum Schauspiel übergegangen. Ihr Engagement war die Folge eines sehr befriedigenden Gastspiels; sie war es, welche im Jahre darauf den Schauspieler Carl (Carl von Bernbrunn), späteren Direktor des Isartor-Theaters, heiratete, was, da sie im Verbände des Hoftheaters blieb, diesem in der Folge zu großem Nachteil geriet, indem Carl durch sie die Geheimnisse des Repertoirs erfuhr und dieses als Kon- kurrent oft genug durchqueren konnte. Die Verluste der Oper im weiblichen Ge- sangspersonal wurden einigermaßen aufgewogen durch Gewinnung des Tenoristen K.A. Bader, welcher den ihm vorausgegangenen großen Ruf auch rechtfertigen sollte.

Das Repertoir dieses Jahrgangs war ein höchst respektables. Wie das Schauspiel sich auffallend dem Klassischen zuwendete, indem es außer der „Jungfrau" auch „Emilia Galotti", „Clavigo", „Kabale und Liebe", „Don Carlos", „Maria Stuart", „Teil", „Macbeth" und „Hamlet" wiederholte („Egmont" als Novität, ohne Nennung des Dichters, hatte mit der Altmutter als Klärchen nicht gefallen), so war das Repertoir der zum erstenmal gegebenen deutschen Opern, wenn auch nicht gleich- wertig, doch im ganzen mindestens sehr interessant. Spontinis „Vestalin", Fiora- vantis „Dorfsängerinnen", „Das Junggesellen-Frühstück" von einem Pseudonymen

[') Grandaur, S. 78.]

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Monsieur Auguste, „Der Augenarzt" von Gyrowetz, B. A. Webers „Wette" und „Jephtas Gelübde" von Meyerbeer. Die „Vestalin", Oper in drei Akten, Text von Jouy, ist jenes Werk, welches den Ruhm seines Schöpfers, nachdem derselbe in seinen Erstlingsopern sich an den flachen Stil der damaligen italienischen Vielschreiber angelehnt und dadurch ein schiefes Urteil der Pariser Autoritäten sich zugezogen hatte, plötzlich wie mit einem Schlage begründete und nun in alle Lande trug. Bei der ersten Aufführung in Paris am 15. Dezember 1807 entfachte die Oper die höchste Begeisterung des Publikums, und Spontini gewann mit ihr auf das einstimmige Urteil der Herren Mehul, Gossec und Gretry den alle zehn Jahre zu erteilenden großen Napoleonspreis. Ob die „Vestalin" dem Pariser Publikum wirklich durch die unerwartete musikalische Vertiefung und den in den Höhepunkten stets wahren und oft gewaltigen dramatischen Ausdruck imponierte, womit Spontini geradehin der Gluckschen Größe sich näherte, mag dahingestellt bleiben. Von den unbestreitbaren Herrlichkeiten des Werkes eingenommen, ging Richard Wagner in seiner Verehrung so weit, daß er in seinem Bericht über eine in München zu gründende Musikschule an den König Ludwig IL vorschlug, in derselben zur Ge- winnung eines dramatischen Stils die „Vestalin" als vorzüglichste Studie einzuführen. Trotzdem dürfte heutzutage die Frage, ob die „Vestalin" zu den wirklich klas- sischen Opern gehört und Spontini wirklich ein Klassiker sei, definitiv spruchreif geworden, und zwar mit einem entschiedenen „nein" zu beantworten sein aus dem einfachen Grunde, weil zur Klassizität vor allem Einheit und Reinheit des Stiles gehört, die Musik der „Vestalin" sich aber in zwei Richtungen spaltet: die von Lully und Rameau inaugurierte und von Gluck vollendete dramatisch-deklamatorische und, wenn auch in weitaus geringerem Maße, die süß-sentimentale melodische Richtung des Vollblut-Italieners, welche mitunter gerade an der unrechten Stelle naiv durch- schlägt und ihr natürliches Recht geltend macht. Dies täte aber der Gesamtwirkung des im ganzen packenden Werkes vielleicht heute noch keinen Eintrag, hätte man für dasselbe nur die Rollenbesetzung von 1812 oder auch noch die in den 50 er Jahren (ich rede nur von der Münchener Bühne) noch zur Verfügung. Im Jahrgang 1812 war bei der Premiere am 14. Januar und bei der ersten Wiederholung am 16. Ja- nuar folgende Besetzung: Julia Frau von Fischer; Licinius Herr Weixel-

baum; Cinna Herr Mittermayer; Oberpriesterin Mad. Flerx-Lang;

Pontifex . . . . Herr Hanmüller. Daß die Oper auch in München ihrer großen Wirkung nicht ermangelte, beweist die Tatsache, daß sie sich beständig, und zwar so lange auf dem Repertoir erhielt, als Pellegrini noch den Pontifex sang unter Franz Lachner. Daß die „Dorfsängerinnen" (auf dem Zettel stets „die Sängerinnen auf dem Lande" genannt), komische Oper in zwei Akten, von Fioravanti, einem der liebenswürdigsten italienischen Komponisten während des Überganges vom 18. aufs 19. Jahrhundert, bei der Premiere am 14. Februar (also nur ein Monat nach der „Vestalin*!) sehr gut aufgenommen wurde, steht fest und mag nicht wunder- nehmen, indem mit ihr auf den ernsten und schwereren Genuß jenes Dramas auf hohem Kothurn das liebliche Gericht einer reizenden gesungenen Lachkomödie

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geboten war, deren Erfolg noch dazu durch die Mitwirkung der Harlas, des Weixelbaum und Muclc schon ziemlich garantiert war. Der Verfasser hat nur ein- mal ein Terzett dieser kreuzfidelen Dorfsängerinnen in einem Konzert der Münchner Musikalischen Akademie gehört und erinnert sich noch heute mit Vergnügen jenes durch reine Grazie bereiteten Hochgenusses. Dagegen hat der Einakter „Das jung- gesellenfrühstück", dessen Komponist mit seinen Namen vorsichtig im Hintergrunde blieb, keine Wiederholung erlebt, die „Premiere" war am 19. April. Bertuch bemerkt darüber: „Enthält einige dem Ohr angenehme Musikstücke, das Sujet hatte man bereits als Lustspiel gesehen, als welches es nicht angesprochen hat." In der Tat war auch „Le rendez-vous bourgeois" (Text von Hoffmann) mit Musik von Isouard 1807 in Paris aufgeführt worden und wurde dann unter dem Titel „Das Junggesellen- frühstück" 1813 in Berlin gegeben. Desselben Komponisten zweiaktige Operette „Der Augenarzt", Text nach dem Französischen (Les deux aveugles de Franconville), wurde bei der Premiere am 28. Juli nur mit mäßigem Beifall aufgenommen. Das Urteil der Münchener war also strenger als das der Wiener, welche die Novität im Kärnthnertor-Theater am I.Oktober 1811 sehr beifällig aufgenommen hatten. Am Orte seiner Wirksamkeit mochte der immerhin tüchtige und (nach dem Zeugnis Mozarts) talentvolle Komponist etwas für sich voraus haben, was in München natürlich wegfiel. Wenn man daselbst an der Musik Kraft und Gehalt vermißte, so mag sich das hauptsächlich auf den Schluß bezogen haben, wo der Ausdruck der Musik hinter der Rührung der Szene zwei durch den Augenarzt von der Blindheit geheilte Kinder sehen plötzlich alle ihre Lieben bedeutend zurückbleibt. Sonst ist die Erfindung im ganzen durchaus nicht so matt, die Ouvertüre ist flott und aus dem Rahmen der musikalischen Tüchtigkeit tritt manches Charakteristische hervor. Übrigens war die Oper noch im selben Jahre zweimal wiederholt und in späteren Jahrgängen ziemlich oft wieder hervorgesucht.

Daß dagegen dem Einakter „Die Wette" nach dem Französischen „Un quart d'heure di silence" von Bernhard Anselm Weber das Münchner Publikum keinen Geschmack abgewinnen konnte, so daß man nicht einmal eine Wieder- holung wagte, ist diesem wahrlich nicht zu verübeln. Ich habe den bei Rudolf Werckmeister in Berlin erschienenen Klavierauszug dieser Operette in der Hand und kann nur sagen, daß die Musik bei aller technischen Gediegenheit eines damaligen Kapellmeisters so biedermeierisch platt wie der Text und dabei ohne jede Spur von eigenartiger melodischer Erfindung ist. Man ist bei so zweifel- haftem Genüsse versucht, eine talentvolle Abirrung zum minder Vornehmen solcher Wohlanständigkeit vorzuziehen. Obwohl Schüler Voglers, ahmte B. A. Weber als Bühnenkomponist mehr Gluck nach, ohne dazu das entsprechende Genie zu besitzen. Unter seinen heroischen Opern ist „Hermann und Tusnelda" zu er- wähnen, wie er denn einer der Ersten war, welcher sich u. a. auch germanischen Stoffen zuwandte.^)

[') Das Interesse an nordischen und altdeutschen Stoffen in der Oper ist schon im 18. Jahr- hundert rege.]

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Nächst der „Vestalin" ist „Jephtas Gelübde" eine ernsthafte Oper in drei Auf- zügen mit Ballett, Gedicht von Professor Alois Schreiber, in Musik gesetzt von J. Meyerbeer, welche noch am 23. Dezember, also unmittelbar vor Weihnachten, herauskam, die historisch interessanteste Novität in diesem Jahrgange. Das Werk gehört jedenfalls zu denjenigen des noch jungen genialen Tonsetzers, deren ab- sprechende Beurteilung von Seiten der deutschen „Kritiker" ihn mit gerechter Ver- bitterung erfüllte, und nach Italien trieb, wo er das lernen sollte, wovor ihn sein wachsamer Lehrer Abbe Vogler (vielleicht an die eigene Brust pochend) streng zu bewahren bestrebt war den äußeren Effekt. Den Abdruck des Theaterzettels von dieser Premiere findet der Leser unter den Beilagen dieses Kapitels als Nr. IL Angesprochen scheint das Werk vermutlich wegen seines mehr oratorischen als theatralischen Stiles nicht zu haben, denn es erlebte nur noch eine Wiederholung, am 28. des gleichen Monats.

Während in der deutschen Oper alles glatt und ohne Geräusch vonstatten ging, weil der Direktion in der Wahl des Repertoirs niemand einredete, hatte auf dem Ge- biete der italienischen der geschmeidige Delamotte genau dieselben Erfahrungen wie sein Vorgänger im Amte, insbesondere dieselben Geldschmerzen durchzumachen. Aus einer Vorstellung desselben am 12. April geht hervor: daß weder für die neue Oper „Numa Pompilio", welche im Sommer 1810 mit aller Pracht gegeben wurde, noch für die im Oktober desselben Jahres gegebene Oper „GH Orazi ed i Curiazi", noch für die im Sommer 1811 wiederholten Opern „Numa Pompilio" und „Ginevra" noch endlich für die im Januar 1812 zum Namensfeste Ihrer Majestät gegebene Oper „Ginevra" ein Vorschuß gegeben worden sei. Durch die Ausgaben für alle diese Vorstellungen sei die Theaterkasse außer Stand gebracht, dieses Jahr irgendeine Zahlung, welche nicht bestimmt das deutsche Theater betreffe, wenn auch nur vorschußweise, zu machen. Und da für dieses Jahr die Wiederholung des „Achille" und die Premiere der „Sophonisbe" von Paer allerhöchst bestimmt wurde, so müsse die Intendanz für die Inszenierung dieser beiden, besonders der letzteren neuen Oper um Anweisung eines Vorschusses von 5— 6000fl. bei der kgl. General- staatskasse gegen Haftscheine bitten. Vom Finanzministerium zu genauer Bericht- erstattung aufgefordert, zeigt die Intendanz an, daß die Vorstellung der Oper „Ginevra" zur Feier des Namensfestes Ihrer Majestät am 29. Januar, ferner die drei Vorstellungen von „La demenza di Tito" am 4., 5. und 7. März nach der vom Kassier von Mendl gefertigten Ausscheidung aus der deutschen Hoftheater-Kasse, vorschußweise verwendet, 2249fl. gekostet, aber alle vier Vorstellungen mit und ohne Abonnement nur 648 fl. eingetragen haben, somit der Hoftheater-Kasse 1601 fl. zu vergüten bleiben. Dabei müsse sie bemerken, daß durch diese vier italienischen Vor- stellungen die Einnahme für ebensoviele deutsche Opern und die zum Einstudieren einer deutschen, weit einträglicheren Oper kostbare Zeit verloren sei, daß ferner die Rechnungen der italienischen Oper nicht mehr separat geführt werden dürfen (hiemit ist ein Grund zu den nun folgenden perennierenden Defiziten gelegt, einen anderen liefert die Verquickung der Geschäfte des Residenz- und des

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Isartor-Theaters, die Ausborgung des Inventars und des Personals an letzteres). Die Intendanz sehe sich außer Lage, auch nur einen schwankenden Kostenvoranschlag zu machen, da für den Monat Juni eine Oper „Ottaviano" (von Poißl) und für August und September noch eine andere neue Oper, deren Partitur stündlich erwartet werde, zur Aufführung bestimmt, die Kosten aber für beide unberechenbar seien und da außerdem Vieles von dem Ergebnis der eben schwebenden Unterhandlungen mit der „italienischen" Primadonna Signora Häser abhänge. Daraufhin wird der Intendanz der Ersatz für jene vier Vorstellungen, sowie ein Vorschuß von 2000fl. für die Aufführung des „Ottaviano", andererseits aber auch der Signora Häser aus Mailand für ihr Auftreten in der Oper „Merope" und „Gli Orazi etc." in je vier Aufführungen die Summe von dreihundert Dukaten nebst Reisevergütung und freiem Logis, außerdem ein kostenfreies Konzert bewilligt. Dieses Honorar mit inbe- griffen schlägt Delamotte die Kosten für die „Merope" auf 4000, die der „Horatier" auf 2000 fl. an und bittet um Anweisung dieser 6000 fl. um so dringender, als sich die Kasse in einer „sehr geldbeschränkten Lage" befinde. Als davon durch Ministerial- reskript vom 25. August nur 2000 fl. genehmigt wurden, fragt Delamotte an, woher, da diese Summe, selbst alle Einnahmen der dreimaligen Wiederholung, der „Merope" eingerechnet, höchstens für Kopiatur, Übersetzung, Choristen, Statisten, Beleuchtung, Zimmerleute und andere Taglöhner (diese in aller Welt geheiligten Zahlungen, denen selbst die Besoldungen nachstehen müssen), woher die der Häser zu bezahlenden 300 Dukaten (1650 fl.), woher ihr Hauszins mit 192 fl. 30 Kr., ohne deren Berichtigung der Mietsherr sie schwerlich wird abreisen lassen, woher endlich die Kosten ihres Konzertes mit 106 fl. 27 Kr. bezahlt werden sollen etc. Darauf wird der ursprünglich erbetene Vorschuß nachträglich genehmigt.

Das künstlerische Facit dieser Kasse- Rechnungen war, daß im Jahr 1812 als italienische Novitäten die Opern „Ottaviano in Sicilia" nach Tindario von Baron von Poißl [in italienischer Sprache] am I.Juli und die „Merope", Text von Apostolo Zeno, Musik von Nasolini, mit der Häser in der Titelrolle, am L September gegeben und letztere noch dreimal wiederholt wurde. Abänderungen im Text hat Professor Joseph Schlett (der den Besuchern der St. Michaelskirche wohlbekannte Kirchenkomponist) besorgt, [zehn] dadurch notwendig gewordene neue Musikstücke samt Ouvertüre aber Baron von Poißl dazu komponiert. [Der Erfolg der beiden Opern war groß.^)] 1813 Die Winterstürme des Jahres 1813 wichen noch nicht dem Wonnemond, als es dem Intendanten schwül, sehr schwül wurde ob der unausbleiblichen Entdeckung der Differenzen im Haushalt, welcher seit der Eröffnung des Isartortheaters am 10. Oktober des vorigen Jahres ein doppelter geworden war. Von einem allzu mit- leidigen Herzen nicht behindert, dachte er zunächst an eine Pensionierung älterer Mitglieder in einem etwas größeren Maßstabe und hoff'te dabei auf die Übernahme dieser Pensionen durch die Zentral-Staatskasse. Nachdem schon zwei Vorstellungen in diesem Sinne an die allerhöchste Stelle vorausgegangen, erinnert er in einer dritten

[') Reipschläger, S. 124, 126.]

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vom 10. März, daß, ohne schnelle Abhilfe durch Abnahme der in jenen Berichten bezeichneten Besoldungen von ca. 15400fl. des dienstuntauglich gewordenen Per- sonals, selbst dieses nicht weiterbezahlt werden könne, da der geldverdienende Teil des Personals vorzüglich zu bedenken sei und die Ausgaben auf Taglöhner, Choristen etc. nicht zurückbleiben können, ohne das Ganze einer Stockung aus- zusetzen. Schon mehrere Individuem stünden mit ihren Pensionen und Besoldungen zurück, ja selbst der Intendant habe seit dem Oktober 1812 keinen Gehalt mehr empfangen, weil es seinem rechtlichen und menschlichen Gefühle widerstrebt habe, als Chef der Kunstanstalt sich bezahlt zu machen, solange noch Gehälter oder Pensionen der übrigen Mitglieder zurückständen. Es ist hier zu erinnern, daß Engagements und Zulagen von selten des Kabinetts nur immer unter der Bedingung bewilligt wurden, daß der Ärarialzuschuß von 52000 fl. nicht überschritten werde; daher empfahl sich die Maßregel, die älteren Mitglieder als Ballast auszuwerfen. (Unter denselben befand sich von Mitgliedern der Oper der hochverdiente Benedikt Schack.) Dies aber durchzusetzen, war bei der Herzensgüte des Königs, welcher dem Andringen des Intendanten große Vorsicht entgegenstellte, keine leichte Sache, und die erst nach Erörterung peinlicher Vorfragen erfolgte Pensionierung (deren Dekretierung ich in den Akten nicht finden konnte) scheint unter besonders angelegent- licher Mitwirkung des Grafen von Montgelas zur vollsten Befriedigung der Be- troffenen erlassen worden zu sein; denn Delamotte schreibt unterm 14. Mai an den Grafen nach salbungsvoller Einleitung: „Das kgl. Hoftheaterpersonal wünsche Seiner hochgräflichen Exzellenz durch eine Deputation die Gefühle des heißesten Dankes für die edle und menschenfreundliche Weise, ewig merkwürdig in den Annalen des kgl. Hoftheaters, persönlich darzubringen, mit welcher Hochdieselben das Schicksal ihrer alten Kameraden zu dem mildesten und glücklichsten geschaffen haben, dessen ein alter Diener sich nur in dem Staate zu erfreuen hat, wo der menschenfreundlichste König das Schicksal seiner Diener den würdigsten Händen anvertrauet."

Allein auch diese Staatshilfe glich in der Finanznot der Theaterintendanz nur dem Tropfen Wasser auf den heißen Stein. Denn zu gleicher Zeit traten die Klagen der schon jahrelang mit Versprechungen hingehaltenen Lieferanten und Geschäftsleute mit elementarer Gewalt hervor. Am 30. März wurde das geheime Ministerium mit einem „Promemoria" überrascht, worin eine sehr hohe Dame^) anzeigt, daß sie von einem Bürger auf Ansuchen eine Forderung an die Theaterintendanz im Betrage von 1176 fl. an Zahlungsstatt angenommen, dieselbe auch in Voraussetzung voller Sicherheit sofort dem Intendanten präsentiert und ihn um Bezahlung ersucht habe; derselbe habe monatliche Abschlagszahlung versprochen, aber es sei keine erfolgt, und nun vertröste er sie auf unbestimmte Zeit, wann nämlich das Ministerium nach revidierter Rechnung das erscheinende Defizit ersetzt haben werde. Durch diese Anzeige und Bitte um Abhilfe kam eine mühsam und künstlich zurückgehaltene Bewegung in Fluß. Auf einen Auftrag des Ministeriums, die Forderung der Dame zu befriedigen, antwortete Delamotte: Die betreffende Dame habe »einige Scheine

*) Die steinreiche Witwe Karl Theodors, Maria Leopoldine, geb. Erzherzogin von Este.

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eines Wachslieferanten an sich gebracht", davon seien ihr zwei „aus schuldiger Verehrung" bezahlt worden; dieser dritte weit größere aber sei in der beim obersten Rechnungshof liegenden Rechnung pro 1811/12 als nicht bezahlt vorgetragen und könne erst eingelöst werden, wenn der sich auswerfende Rest hieraus (für das genannte Etatsjahr) angewiesen und bezahlt würde. Alle das kgl. Theater bedienenden Kaufleute und Lieferanten, welche so große Forderungen haben, lassen sich, laut deren Rechnungen seit dem Jahre 1799 (!), diese „Nachsicht" gefallen, und jede Begünstigung für einen oder den anderen würde die gerechte Unzufriedenheit der übrigen und besonders bei verkauften Scheinen sonderbare Folgen nach sich ziehen. Übrigens bestehe der sich ergebende Rechnungsrest pro 1811/12 in 30676 fl. Da nun aber ungefähr eine gleiche Summe auch für das vorgängliche Etatsjahr als rückständig an die Staatsschuldentilgungskasse überwiesen worden war, glaubte man im Ministerium den Zeitpunkt gekommen, die Intendanz zu einer gründlichen Revision der Einnahmen und Ausgaben von 1799 an anzuhalten. Aber ein mehr- tägiges Zusammenarbeiten des Rechnungsführers von Mendl mit dem ehemaligen Rechnungsführer und Oberbuchhalter Grosch vermochte ein entsprechendes Re- sultat nicht zu Tage zu fördern. Mit dem 16. Juli, bei dem man im Zuge der Unter- handlungen bereits angekommen war, bemerkt Delamotte in einer Eingabe um Beschleunigung der Justifikation seiner Rechnungsablage: wenn der ob. Rechnungs- hof auch seiner Bitte willfahre, so scheine sich doch die Bezahlung des Rechnungs- restes von 1811/12 noch solange hinauszudehnen, daß die sich dareinteilenden Kauf- leute und Lieferanten diese ungewöhnlich lange Verzögerung gewiß zum Schaden der Kasse bei ihren künftigen Lieferungen mißbrauchen werden, und da jene Dame wegen eines erkauften Scheines, der Buchdrucker A. und der Seifensieder B. sich schon zur höchsten Stelle gewendet und der Kaufmann C. sogar den ferneren Kredit gekündigt habe, so müsse er die Bitte wagen, daß der kgl. Hoftheaterkasse eine Abschlagszahlung von 12000fl. auf ihren Rechnungsrest von 1811/12 gegen Haftschein, wie in früheren Jahren, an die Zentralstaatskasse angewiesen werde, um damit die so laut schreienden Rückstände zu decken.

Aber damit kam er schief an. Ein Reskript vom 6. August, in welchem dem Inten- danten alle bisherigen Überschreitungen des gesetzlichen Zuschusses von 52000 fl. als sehr befremdend vorgehalten werden (wodurch die in drei Jahren auf das Ärar in Anspruch genommene Summe bis auf 92277 fl. gestiegen sei), hebt hervor, daß man an allerhöchster Stelle, gerade in Erwägung der früher immer zunehmenden Ausgaben, die Theater-Ökonomie zweckmäßiger zu bestellen gedacht und in dieser Beziehung auf die Tätigkeit und Kenntnis des gegenwärtigen Intendanten Zutrauen gefaßt habe und kommt zu dem Schluß, daß man sich in einer Zeit, wo die Staatskassen kaum zu den dringendsten und wichtigsten Staatsbedürfnissen die nötigen Mittel finden, betreff^s der erbetenen Anweisung keine Entschließung fassen könne, ehe nicht die Intendanz in einem umständlichen, durch alle Rubriken der Ausgaben durchgeführten Rechenschaftsbericht die Ursachen dieser vermehrten Ausgaben genugtuend erläutert und gerechtfertigt habe. In dem hierauf erfolgten Rechenschaftsbericht, welcher

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23 Seiten in Aktenformat umfaßt, spielt der Intendant mehr pikiert als loyal auf seine Stellung in Dingen der italienischen Oper an, findet aber für gut, im Schluß des Nachsatzes wieder einzulenken: „Dieses Verhältnis kann einem kgl. geheimen Ministerium so wenig unbekannt sein, so gewiß höchstdasselbe auch bemerkt haben wird, daß die italienische Oper, aus Rücksicht weiser Ersparnis auch im Kleinen, in dem laufenden Jahre allerhöchsten Ortes untersagt wurde." Daran reiht sich der erste schriftliche Versuch Delamottes, sich der italienischen Oper zu entledigen: „Die alleruntertänigste Stelle bittet, wenn diese, ganz außer ihrer Befugnis liegende Ausgabe ihr das Mißfallen des kgl. Finanzministeriums zuziehen sollte, sie von dieser ohnehin sehr unangenehmen Branche zu befreien." Folgt nun um- ständliche, zum Teil mit artistischen Gründen motivierte Rechnungsablage in den Rubriken: Besoldungsetat, ^) Gratifikationen und Gastrollen, Malerei, Maschinen- und Dekorationswesen, Garderobe, Beleuchtung, Bücher und Musikalien, Choristen und Statisten, Tag- und Wochenlöhne, maskierte Akademien und Redouten; „sonderbare" Ausgaben mit den entsprechenden Zahlen.

Zur Begutachtung dieses Intendanz-Berichtes wird vom Ministerium nun auch die kgl. Zentral-Buchhaltung zugezogen. In ihrer Erinnerung vom 9. September, welche im Ganzen der Intendanz günstig ist, verdient unter 13 aufgestellten Punkten der zehnte Erwähnung, dem alljährlichen Verlaufe der Finanzierung nach sehe sich die Intendanz stets genötigt, die Conti für die stärksten Bedürfnisse, als z. B. für die Beleuchtung, erst zuletzt zu bezahlen. Daher komme es, daß dem Vorstadttheater, bei welchem das Beleuchtungsmaterial alle drei Monate richtig bezahlt wird, der Zentner Unschlitt nur 38 fl. kostet, während derselbe beim Hoftheater um 50 fl. bezahlt werden muß; dieses betrage eine Mehrausgabe von ungefähr Vs oder 1000 fl. Das Gegengutachten des Ministerialreferenten, welches mit der Intendanz viel strenger ins Gericht geht, betont, man habe bei der Anstellung des Delamotte, zuerst als Ökonomierat, dann als Intendant geglaubt, auf Verbesserung der Bilanz, und nicht auf Verschlimmerung derselben rechnen zu dürfen. Der ziffermäßige Rechnungsver- gleich der Jahre von 1799 bis 1811/12 (für welch letzteres die Ausgaben des deutschen Theaters die Summe von 83473 fl. erstiegen haben) ergebe aber unwidersprechbar: a) daß die Kosten des Theaters unter der gegenwärtigen Intendanz um ein beträcht- liches vermehrt, statt vermindert worden sind; b)daß die Kosten des Jahres 1811/12 die Ausgaben aller früheren Jahre aus der Verwaltungsperiode der vorigen Intendanz um beträchtliche Summen übersteigen, obwohl in diesem Jahre 1811/12 keine Hof- feierlichkeiten, wie in früheren Jahren, stattgefunden hatten.

Während die Justifikation der verhängnisvollen Rechnungsablage in der Schwebe war, schrieb Delamotte an den Grafen Montgelas folgenden Brief:

Hochgeborener Herr Graf! Hochzuverehrender Herr Geheimer Staatsministerl

Bis zu diesem Zeitpunkt habe ich mir unendliche Mühe gegeben, dem An- dringen der in obigen Rechnungsrest sich teilenden Gläubiger zu begegnen, ich

') Im Etatsjahre 1812/13 mit 85 754 fl. n 129

habe meine eigene, ärmliche Ersparung vorgeschossen, ich habe mit seltener Un- eigennützigkeit seit dem Jänner dieses Jahres keinen Gehalt empfangen, um den Betrag der dringendsten Gläubiger ausbezahlen zu lassen, ja ich habe vor acht Tagen meinen für das nächste Zinsziel zurückgelegten Hauszins an Hoftheatergläubiger hingegeben, welche mich auf meinem Bureau förmlich in Belagerungszustand erklärten. Zu diesem persönlichen Opfer sehe ich mich täglich genötigt, viele kostbare und der Kunst gehörende Zeit auf die überredende Beruhigung der sich meidenden Gläubiger zu verwenden, so zwar, daß selbst das der Stelle nötige Ansehen nicht selten kompro- mitiert wird. Eure hochgräfliche Excellenz geruhen zu glauben, daß ich meinen persönlichen Aufopferungen und meiner Uneigennützigkeit im Staatsdienst auch die Versicherung beifügen darf, mein reines Attachement an die Allerhöchste Person meines Allergnädigsten Königs nie durch eine mich betreffende Bitte oder durch eine empfangene milde Gabe, entweihet zu haben; ja die einzige an Seine Majestät gewagte und gewährte persönliche Bitte bestund darin, daß Allerhöchst dieselben mir erlaubten, auf die aus älteren Zeiten bei der kgl. Privatkassa bezogenen jähr- lichen Vierhundert Gulden mit dem heissesten Dank verzichten zu dürfen, als das kgl. Geheime Finanz (sie) mich mit der Besoldung des Hoftheater-Intendant würdig befunden hat etc. (Die nicht ganz standesgemäße Orthographie, sonst bei Delamotte nicht gar so auffallend, scheint die wirkliche Erregung des Mannes über seine nicht beneidenswerte Lage zu bezeugen; im Hervorheben seiner Uneigennützigkeit bleibt er seinem Charakter getreu).

Der vom Hoftheaterkassier v. Mendl ausgerechnete Passivrest des Jahres 1811/12 im Betrage von 31 473 fl. wird mittels Entschließung vom 8. Oktober der kgl. Zentral- staatskasse zu fristenweiser Zahlung nach Tunlichkeit angewiesen; dies geschieht mit dem Bemerken, daß dergl. Rechnungspassivreste nimmermehr statthaben dürfen, und unter dem Vorbehalt, bei der demnächst erfolgenden Anstellung eines eigenen Theater-Ökonomen diejenigen Maßregeln festzusetzen, welche für eine bessere Ein- richtung des ökonomischen Haushaltes beim Hoftheater für nötig und zweckmäßig erachtet werden.

Da in diesem Jahre der allerhöchste Hof in Berücksichtigung der mißlichen Finanz- lage auf jede italienische Oper verzichtete, ließ es sich die Intendanz offenbar ange- legen sein, dem Publikum des deutschen Theaters desto mehr zu bieten; denn sieben Novitäten, welche sie zustande brachte, sind eine Leistung, welcher sich heutzutage wenige Bühnen, welche nicht ausschließlich auf eigenen Erwerb angewiesen sind, rühmen werden. Aber vieles im Kunst- und Theaterleben macht der Zufall, und diesem beliebte es nicht, der Bühnenleitung ^) trotz ihres eifrigen Strebens einen nennenswerten Erfolg zu gönnen. Unter den sieben Werken waren zwei von be- rühmten, und eines von einem bereits Aufsehen erregenden Komponisten und doch hatten alle drei eigentlich nur einen Achtungserfolg. Der chronologischen Folge nach waren es: Boieldieus „Johann von Paris", welcher nur eine Wiederholung, Paers

') Unter dieser verstehe ich nie den Intendanten allein, sondern vorzugsweise die Dirigenten und Regisseure.

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„Leonore", welche zwei, und Cherubinis „Lodoisca", welche wieder nur eine Wiederholung erlebte. Boieldieu erschien noch dazu zum erstenmal auf der Münch- ner Bühne; sein Ruf mußte schon dorthin gedrungen sein, und es zeugt jedenfalls von Rührigkeit der Leitung, war es nun Delamotte oder einer der Operndirektoren, daß sie das Werk noch nicht ein ganzes Jahr nach der Premiere in Paris (im Feydeau- Theater am 4. April 1812) zur Aufführung brachte. Daß es vorläufig keinen größeren als den erwähnten Erfolg errang, mag vielleicht darin gelegen sein, daß die prickelnd lebendige Tenorpartie des Johann wieder von dem wahrscheinlich nicht sehr mobilen Mittermayr, dem Amphibium zwischen Tenor- und Baßschlüßel, gesungen und gespielt wurde. Die übrige Besetzung war ja vortrefflich: Prinzessin . . . Frau von Fischer, Seneschall. . .Lanius; Page Olivier . . . Mad. Flerx. Später wurde die Oper auch wieder hervorgezogen, und zu den Zeiten, als ein Alois Bayer den Johann und eine Metzger die Prinzessin sang, erkannte man auch in München den Wert dieser durchaus originellen, frischen und anmutigen Spieloper, welche namentlich an Feinheit der Charakterzeichnung dem „Rotkäppchen" und der „Weißen Dame" mindestens nicht nachsteht. Von den rechten Sängern gesungen, wäre sie auch heute noch eine kostbare Perle für unser Residenztheater.

Im Gegensatz zu ihr gehört Paers „Leonore", wie alle dessen Werke, nun seit Rossinis Siegeszug zu den Toten, und wäre auch durch die Sänger von damals nicht mehr zum Leben zu erwecken. Was diese noch in Dresden geschriebene „Eleonora, ossia l'amore conjugale" historisch interessant macht, ist, daß ihr dasselbe Sujet wie dem Beethovenschen „Fidelio" zu Grunde liegt, dem sie auch eine Zeit- lang durch die ungeheure Popularität ihres Schöpfers noch im Wege stand, wie dem Rossinischen „Barbier" der von Paesiello.

Daß die etwas späte Erstaufführung der bereits 22 Jahre alten „Lodoisca", Oper in drei Akten nach dem Französischen des Fillette-Loroaux von Cherubini, nur einen matten Erfolg erringen konnte, während dasselbe Werk an der Hofoper zu Wien im Jahre 1803 den Ruhm seines Schöpfers begründet hatte, ist fast sicher auf den Zufall zurückzuführen, daß in München eben zuerst der „Wasserträger" dasjenige Werk Cherubinis gegeben und bereits anerkannt worden war, welches alle Vorzüge der Cherubinischen Muse die in der „Lodoiska" sich teilweise finden, konzentriert darbietet. Wären die beiden Opern in chronologischer richtiger Reihe erschienen, so hätte in München wahrscheinlich auch die „Lodoiska", wie in Wien, durchge- schlagen, und der „Wasserträger" wäre nur ein erhöhter Triumph des Meisters gewesen, ohne daß er notwendig die Vorgängerin verdunkelt hätte. Dieses von zwei Werken eines Meisters gegebene historische Beispiel rechtfertigt vollständig C. M. von Webers Äußerung: „Wenn man den Gang der Kunsterscheinungen und deren Erfolge auf den Theatern Deutschlands beobachtet, so drängt sich gewaltsam die trübe Überzeugung auf, daß meistens nur Zufall und Glück das Gelingen der ersteren bestimmen.*) Dieser Zufall aber konnte von den Lenkern der Kunstanstalten

') Weber III, 213 über: „Emma di Resburgo", Oper von Meyerbeer.

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größtenteils dadurch in engere Schranken gebannt werden, daß sie neu erscheinende Werke nicht nur überhaupt, sondern vor allem zur rechten Zeit aufführten.

Das Schicksal nur einer Wiederholung teilte also auch die am 28. Mai zum ersten- mal [mit geringem Beifall] gegebene [Dialog-] Oper „Aucassin und Nicolette" von Poißl, [Text von F. C. Hiemer, der auch für Danzi und Weber arbeitete und wohl durch sie an Poißl empfohlen war]. Ein fachmännisches, wenn auch infolge persönlich vertraulicher Beziehungen nicht ganz verläßiges [Urteil über ihn sei hier eingeschaltet; es ist] wieder eine Kritik CM. von Webers (vom 13. März 1820), welche zwar über eine Oper Poißls „Der Wettkampf zu Olympia" geschrieben ist, aber zugleich sein ganzes dramatisches Wirken zusammenfaßt. Nach Allgemeinem über den Begriff „Große Oper", einem Geschöpf der Franzosen, welches Gluck zu einer bis jetzt noch unerreichten Höhe gebracht habe,') führt Weber aus: „Wir haben in Deutschland nicht sehr viele dieser Klasse angehörige Original- Werke, und der, besonders jetzt, zum Romantischen sich neigende Zeitgeist wird ihrer Vermehrung immer bedeutender in den Weg treten. Außer den trefflich ge- dachten Opern Salem und Cyrus des Herrn von Mosel in Wien, und einigen andern Versuchen, hat Herr von Poißl sich mit Vorliebe dieser Gattung geweiht, und durch mehrere gelungene Werke Beifall und Anerkennung gefunden. Der Kunst bestimmte er seine Kraft und Zeit. Eignes Studium und Freundes Rat, des hoch- zuverehrenden Kapellmeisters Danzi, waren seine zweckdienlichen Hilfsmittel.^) Mit wissenschaftlichen Kenntnissen, ja selbst mit dichterischem Talente ausgerüstet, hatte er das Glück, einen großen Schritt zur vollendeteren Kunstbildung voraus zu haben. Besonders eigentümlich ist Baron von Poißl neben großer Sorgfalt für die Wahrheit der Deklamation, reicher Harmonienfolge und zweckmäßiger, mannig- faltiger Instrumentation fließende klar hingestellte Melodie, die, neben ihrer Weich- heit, noch das Verdienst einer großen Sangbarkeit, und das gewisse Kehlgerechte hat, welches zu vernachläßigen man so oft den deutschen Komponisten, und zwar nicht ganz ohne Grund, zum Vorwurfe machen kann." In dieser offenbar freund- lichen Kritik sind trotzdem nur die Eigenschaften hervorgehoben, welche für die Aufführbarkeit jedes musikalischen Bühnenwerkes eigentlich vorausgesetzt werden müssen; die Spitze fehlt: Das Wort „Originalität" kommt nicht vor. Über Poißls nicht geringes Selbstvertrauen erhielt sich im Orchester lange Zeit eine Anekdote, die mir in meinen Jugendjahren einmal ein alter Hofmusiker erzählte. Nach einer Oper Poißls, die gefallen hatte, fragte dieser einen Hofmusiker: „Nun, was meinen Sie Don Juan und meine Oper?" Und mit beneidenswerter Schlag- fertigkeit antwortete der also Angeredete: „Ah, Herr Baron da is ja gar kein Vergleich!"

Über die am 24. September aufgeführte Oper „Dichter und Tonkünstler" in drei Akten aus dem Französischen des Dupaty von Lambrecht, Musik von Roth (Roeth)

[•) Vergl. Reipschläger, S. 138f.] ^) Weber, Danzi und Poißl nennt Max M, v. Weber ein „Kleeblatt«.

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konnte ich, außer daß auch sie eine Wiederholung erlebte, ebensowenig wie über die Personalien des Komponisten erfahren.^)

Bezüglich der am 5. November zum erstenmal gegebenen Oper von Konradin Kreutzer „Feodora" war außer nachstehender Notiz aus den Verwaltungsakten, nur aus den Zetteln festzustellen, daß sie am 19. November noch einmal gegeben wurde. Am Schluß jenes dreiundzwanzig Seiten langen Rechenschaftsberichtes von Delamotte, den 11. August heißt es: „In der Rubrik Bücher und Musikalien befinden sich auch die auf allerhöchst mündlichen Befehl gemachten Anschaffungen für die Komposition des kgl. Württemberg. Kapellmeister Kreutzer, der Oper „Teodore" (sie), mit 220 fl. und für die Komposition der „Fee Urschel" (!) von dem Kapell- meister Blangini mit 137 fl. 30 Kr."

Daß Peter Ritters, des Mannheimer Kapellmeisters lieblicher Einakter „Der Zitherschläger" es nicht einmal zu einer Wiederholung brachte, läßt auf eine sehr zugeknöpfte Haltung des Münchner Publikums (in den Kriegsjahren 1813) schließen. C. M. von Weber äußert sich über die Musik in einem Briefe aus Mannheim im April 1810 fast begeistert: „Sie ist wahr und acht dramatisch, die Situationen sind mit einer solchen Wärme und Herzlichkeiten ergriffen und gehalten, daß Referent sich langer Zeit nicht erinnert, so sehr von Musik angesprochen worden zu sein. Freilich trug auch die treffliche Darstellung das Ihrige dazu bei." An dieser mag es, vielleicht gerade in Bezug auf die Titelrolle, welche Weber als von einem gewissen Berger besonders hinreißend gespielt hervorhebt, in München gerade gefehlt haben. Eine andere einaktige Operette von P. Ritter „Der Mandarine oder die gefoppten Chinesen", welche ich zufällig besitze, macht mir den Eindruck als ob sich hier zum Teil ein gewisser romantischer Zug über den damals landläufigen Opernstil, den ich den Winter sehen nennen möchte, zu erheben anfange. In einem Duett (A-dur) zwischen Sopran und Tenor überrascht plötzlich die Phrase: „Und hast Du auch vergeben", nur ist, da der Vers trochäisch ist, der Aufstreich der untern Oktave weggeblieben. Von Franz Cramers, des Münchner Hofmusikers, Oper „Hidallan" der Harfner, ist, außer daß sie ebenfalls nur einmal gegeben wurde, nur das Datum der Premiere, der vierte Mai, und der Umstand, daß sie mit den vorzüglichsten Kräften besetzt war, festgesetzt.*)

Auch im Jahre 1814 ist der Intendant über seine Finanzschwierigkeiten nicht 1814 hinweggekommen. Am 6. Mai muß er dem Ministerium anzeigen, daß die Abrech- nung des Etatsjahres 1812/13 einen Passivrest von 14434 fl. ergebe, und bittet daher um Nachgenehmigung. „Diese Überschreitung ist allein in den unglücklichen Zeit- verhältnissen zu suchen, wie dieses der Rechnungsführer bei jeder Einnahmsrubrik sehr richtig auseinandergesetzet und daraus eine Verminderung der Einnahmen um

P) Nach Fitis, Biographie universelle, schrieb Philipp Roeth (ein geborner Münchner) bereits 1809 eine Oper „Holnara" für München (s. S. 93 f.), der 1811 die komische Oper „Pächter Robert", später Ballette und Operetten folgten. 1825 ging er nach Wien, kehrte aber 1828 wieder zurück. Die Oper „Dichter und Tonkünstler" wird von Fetis nicht erwähnt.] p) Klavierauszug in der Bibliothek des Historischen Vereins von und für Oberbayern.]

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10000 fl. nachgewiesen hat. Unter diesen Zeitverhältnissen erliegt sogar jedes auf das Bedürfnis der Menschen berechnete Geschäft, folglich kann eine, einzig der Unter- haltung gewidmete Branche nicht von diesem allgemeinen Druck befreyet werden." Darauf aber bemerkt der Finanzminister Montgelas, er sehe keinen Grund, bei dem außerordentlich bedrängten Zustand der Staatskasse diese Etats-Überschreitung so leicht zu genehmigen, sondern müsse die Intendanz zur Deckung der Ausgaben durch künftige Ersparungen anhalten, dem obersten Rechnungshof aber eröffnen, daß eine zweckmäßige Instruktion für den Ökonomen zu entwerfen und zur Genehmigung einzusenden sei. Wie Delamotte von dieser Seite kein Glück hatte, so wiederholten sich auch in diesem Jahre die gefürchteten Immediat-Eingaben diverser Geschäfts- leute um endliche Begleichung unbezahlter Rechnungen für gelieferte "Waren, bezieh- ungsweise Arbeiten.

Ausgezeichnet ist der Jahrgang durch die glückliche Akquisition des später berühmt gewordenen und lange zu den Perlen der Münchner Oper gehörenden Bassisten Joseph Staudacher.

Die aus den Zeitverhältnissen resultierende gedrückte Stimmung, deren Delamotte so tragisch erwähnt, scheint die Tätigkeit der Münchner Bühne, welche im Schauspiel nicht weniger als dreizehn Novitäten, darunter Lessings „Nathan" herausbrachte, nicht sonderlich beeinflußt zu haben. Der neu gegebenen Opern waren freilich nur fünf, und diese hatten wieder keinen nennenswerten Erfolg. Die „Sofonisbe", Text von Zanetti, Musik von Paer, wurde übersetzt als deutsche Oper gegeben. Ihre Premiere, welcher nur eine Wiederholung folgte, war am 8. Februar. Außer ihr brachte die deutsche Oper nur mehr von Poißls „Atalia", am 3. Juni, mit einer Wiederholung in diesem Jahre, und die „Wegelagerer" von Paer am 16. Dezember,

Über die „Athalia", Text (nach Racine) von [G.] Wohlbrück heißt es in der Weberbiographie (I, 519): Seitdem Baron Poißl in München seine schöne, von ihm selbst gedichtete und komponierte Oper „Athalia" mit ihm durchgegangen hatte, war Weber erfüllt von den wahrhaft großen Schönheiten dieses Werkes,^) wenn seine Begeisterung für dieselbe auch nicht soweit ging, wie die des Großherzogs von Darmstadt, der, nach der Aufführung der „Athalia" bei den Proben zu Mozarts „Titus" zu seiner Kapelle, die sich etwas schlaff zeigte, sagte: „Ja, ich verdenke es Ihnen nicht, meine Herren, nach der Poißlschen Oper schmeckt der alte Mozart doch nicht mehr recht." Da hätten wir ja (wenn man allerdings den „Titus" dem Don Juan gleichstellen könnte) den obigen Orakelspruch des Münchner Hofmusikers in umgekehrter Deutung! Auch Louis Spohr erwähnt in seiner Selbstbiographie (1, 237) desselben großherzoglichen Vergleiches, nur mit dem Unterschied, daß es hier wirk- lich heißt: „Nach der Poißlschen Oper will der ,Don Juan* doch nicht mehr schmecken." Nachdem Spohr das Musikverständnis des Großherzogs „der wohl

[') In einem Vorbericht in der Prager Zeitung: „Die Oper ,Athalia' gehört mehr der deklama- torischen Richtung an. ... Sinnig sind die Hauptmomente der Handlung und des Gefühls durch gewisse eindringende und herrlich wiederkehrende Motive zusammen gehalten und bezeichnet. ...Voll dramatischer Wahrheit schreitet alles fort."]

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unter den Großherzögen der beste Operndirektor sein mag, womit aber noch nicht gesagt ist, daß er ein guter sei" an Beispielen gezeigt und den schädlichen Ein- fluß seines Dirigierens auf die Vorstellungen der Darmstädter Oper auseinander- gesetzt, kommt er auf die „Athalia" (die während seiner Anwesenheit nach dreißig Theaterproben in der endlichen Aufführung doch noch voll von Fehlern war) selbst zu sprechen: „Von der Musik läßt sich nicht viel Rühmliches sagen. Sie ist zu gewöhnlich, zu oft schon dagewesen. Mehrere Musikstücke sind den allgemein bewunderten von Mozart und Cherubini nachgebildet, ohne daß dadurch etwas anderes gewonnen wäre, als daß sie an jene erinnern, so z. B. der ,PriestermarschS der mit seinen einzelnen Paukenschlägen ganz dem der Zauberflöte während der Feuer- und Wasserprobe gleicht. Ebenso das Schlußallegro des ersten Aktes, welches auffallende Reminiszenzen aus dem Finale des Don Juan enthält u. dergl. mehr. Der erste Akt wird noch durch den Umstand besonders langweilig, daß so viel lang- same Tempi und Gebete unmittelbar aufeinanderfolgen, sowie es denn überhaupt der Oper an Leben und Bewegung fehlt." ^) Wir sehen also hier zwei gleichzeitige Urteile von zwei großen Musikern sich fast diametral einander gegenüberstehen. [Weber sah eben den kunstgeschichtlichen Wert der Oper, wo Spohr im Musi- kalischen befangen blieb.^)] Die „Athalia" wurde in München, obwohl die Premiere schon am 3. Juni war, im selben Jahre nur einmal wiederholt. [Die Münchner Kritik nahm das Werk mit Beifall auf und betonte seine nationale Geltung. Nach Jahresfrist wurde es auf zahlreichen deutschen Bühnen gegeben. Auch in Prag, wo Weber sich dafür eingesetzt hatte. In Darmstadt wurde es Repertoirstück. In Berlin erntete es 1817 bis 1820 großen Erfolg.]

Die übrigen zwei neuen Opern in diesem Jahrgang waren italienische; Blanginis „Trajano in Dacia" und Paesiello's „Barbiere di Seviglia".

Gegen Ende Mai berichtet Delamotte: „Seine königliche Majestät haben aller- gnädigst befohlen, zum Empfang seiner kaiserlichen Majestät von Österreich die italienische Oper ,Numa Pompilio' aufzuführen und zum Geburtsfest Ihrer Majestät der Königin die Allerhöchstderselben von dem königlichen bayerischen Kapell- meister Blangini gewidmete italienische Oper ,Trajan' in Szene zu setzen. Auch haben Majestät Königin schon vor Ihrer Abreise den allerhöchsten Willen geäußert, die Oper ,Der Barbier von Sevilla' italienisch zu sehen." Da der Intendant einen sicheren Kostenvoranschlag zu machen nicht imstande ist, wird ihm mittels Reskript vom 7. Juni ein Vorschuß von 4000 fl. „einstweilen" bewilligt. Die Opern kosteten aber 13377 fl. und blieb daher ein Passivrest von 9377 fl., wovon jedoch nur 4000fl. nachgenehmigt wurden. Der „Trajano" kam rechtzeitig am Geburtstag der Königin, 14. Juli, heraus und erlebte zwei Wiederholungen (was aber auf eine Entscheidung des Publikums nicht schließen läßt). Paesiello's „Barbier" in italienischer Sprache von meist italienisch gebildeten Sängern, wie sie München damals besaß, zu hören,

[1) Vergl. Reipschläger, S. I30ff.] P) Siehe im II. Teil das 1. Kapitel, S. 90. Sehr richtig weist Reipschläger, S. 132, Anm. 6, auf die Befangenheit Spohrs hin. Wußte dieser doch auch den „Frei- schütz" nur zu tadeln!]

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mag mit dem deutschen holperigen Text immerhin ein relativer Genuß gewesen sein, aber man war damit auffallend spät daran, man hätte nur noch zwei Jahre auf den Rossini sehen Barbier zu warten brauchen. Nach Thayers Versicherung (Beethoven, I) hatte der von Paesiello in Bonn schon in den neunziger Jahren, noch während Beethovens Anwesenheit, nicht mehr recht gezogen; in München erlebte er außer der italienischen Erstaufführung in diesem Jahre noch eine Wieder- holung. 1815 Die erste Verwaltungssorge im Jahre 1815 drehte sich um die Anschaffung neuer Sitzbänke (an Stelle der alten bereits völlig ruinös gewordenen) im Residenztheater, das heißt, um die Rechtsfrage, wem die Anschaffung zukomme. Nachdem schon am 18. Dezember des Vorjahres die Intendanz beim Oberhofmeisterstab dienst- freundlich angefragt, ob sie nicht, bei bevorstehender Ankunft des Kaisers von Rußland, neue Parterrebänke werde herrichten lassen, frug dieser erst bei der höchsten Stelle an (23. Dezember), ob, da die Intendanz behaupte, das Theater sei ein Teil der Residenz und gehe sie daher die Bestellung der Logen und des Parterre nichts an, nicht bei der Ankunft des Kaisers von Rußland der Mißstand wegen der Unterlassung der Herstellung der fraglichen Bänke ihm aufgeschuldet werde. Nach- dem darauf die kgl. bayerische Hofbau-Intendanz (Gärtner), scheinbar auf Anfrage, am 11. Januar berichtet, daß von ihr die Sitzbänke, die glaublich so alt wie das Theatergebäude selbst, weder hergestellt noch bisher repariert wurden, bleibt die Sache an dieser Behörde hängen und wird der ihr abgeforderte Kostenvoranschlag auf 846 fl. 12 Kr. 2 dl. mit 24. Februar genehmigt. Der Kaiser aller Reußen sah auf neue Bänke.

Eine ernstere Sorge bereitete dem Intendanten die Nachgenehmigung seiner Etats- überschreitung pro 1812/13. Der zum Gutachten über diese und zugleich zum Ent- wurf einer neuen Instruktion für den Theaterökonomen aufgeforderte oberste Rech- nungshof äußert sich in seinem Bericht vom 14. März ungefähr folgendermaßen: Es handle sich darum, ob der Theaterökonom in seiner früheren mehr subordinierten Stellung zum Intendanten belassen, oder ob ihm eine mehr koordinierte mit diesem eingeräumt werden soll. Im allgemeinen verspreche man sich nicht viel von einer vermehrten, allzu peinlichen Kontrolle, welche erfahrungsgemäß neben Vorteilen immer an Gebrechen kranke. Obwohl nach den Etats- überschreitungen pro 1811/12 und 1812/13 der Intendanz aufgetragen worden sei, den Passivrest durch künftige Einsparungen etc. zu decken, liege pro 1813/14 ein neuerliches Defizit von 11492 fl. vor. Als vorzüglichste Ursache des Defizits von 1811/12 sei die verminderte Einnahme durch die Entregelder zu bezeichnen. Diese betrug (inklus. derer für die italienische Oper von 2235 fl.) im ganzen 32986 fl., wurde aber im Jahre 1812/13 infolge des unverkennbaren allgemeinen Zeitdranges und durch die Konkurrenz des Isartortheaters in den beiden darauf folgenden Jahrgängen je um 10000 und darüber vermindert. Wohl sei die Intendanz wiederholt angewiesen worden, mit dem bestimmten Aversum von 52000 fl. auszukommen, aber eine Ersatzverbindlichkeit könne ihr, da sie ihre Mehrausgaben stets rechnungsmäßig nachgewiesen habe, nicht aufgebürdet werden (diese war nämlich wirklich schon in Erwägung gezogen worden). Und da sich die Er- wartung von Ersparungen auch im Jahre 1813/14 nicht erfüllt habe, müsse der oberste Rechnungshof schließlich die endliche Anweisung des Passivrestbetrages auf die Zentralstaatskasse beantragen, „um nicht den Kredit des Hoftheaters durch beständiges Hinhalten der drängenden Gläubiger zu vernichten".

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t. V

Giuseppine Manchetti (Weixelbaum)

als Orazia in „Gli Orazi e Curiazi,,.

Georg Mittermayr

als Figaro

Demoiselle Petin

als Sidi in „Die Zauberzither"

Josefa Flerx

als Zerline in „Don Juan"

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Antonio Bnizzi

als Achilles in der gleichnamigen Oper

Antonie von Fischer (Peierl)

als Jphigenia auf Tauris

Mad. Weichselbaum

als Emmeline in „Die Schweizerfamilie"

Philipp Tochtermann

als Simeon in „Jakob und seine Söhne"

Nachdem hierauf unterm 11. März erklärt worden, daß kein weiterer Antrag zur Deckung von Passivresten mehr gestellt werden dürfe, bis nicht die Hoftheater-Intendanz einen Plan zu einer Entreprise auf eigene Rechnung werde vorgelegt haben, legt Delamotte einen solchen Plan, datiert 14. April, wirklich vor und bittet zugleich um Überweisung der beiden letzten Rechnungsreste an die Staatskasse. Dieser Plan wird aber von dem einschlägigen Referenten des Finanzministeriums für unannehmbar erklärt, indem er nur das Postulat der Bedingungen enthalte, welche die Regierung dem Intendanten als Unternehmer zu leisten haben würde, dagegen der Regierung von selten des Unternehmers für die Verpflichtung nicht die mindeste Sicherheit gewähre. Referent schlägt daher die Stellung einer Kaution von mindestens 20000 fl. vor, weil trotz allen Verboten der Etat von 52000 fl. voraussichtlich doch alle Jahre überschritten würde und die Forderungen der Gläubiger ohne diese Kaution nicht bezahlt werden könnten. Es werde darauf ankommen, ob der Verlegenheit der Intendanz, „welche allein nur das vorliegende Projekt beschleunigt und erzeugt zu haben scheint", durch einen außerordentlichen Zuschuß abgeholfen werde wolle

Ungeachtet einer wiederholten drängenden Eingabe Delamottes um Überweisung der Rechnungs- reste an die Zentralstaatskasse, beantragt das Finanzministerium unterm 27. April, den von Delamotte eingereichten Plan zur Entreprise vorher noch der Steuer- und Domänensektion zuzuschließen mit dem Auftrage, nach Vernehmung des Intendanten, wenn solche nötig sein sollte, den Entwurf der Bedingungen vorzulegen, unter welchen die Entreprise stattfinden möge. Ehe dies nicht erfolgt sei, könne der Antrag zur Überweisung der Passivreste nicht gestellt werden.

Das äußerst verständige, auch in die Zukunft sehende Gutachten der Steuer- und Domänensektion vom 19. Mai lautet in seinen Hauptpunkten: Die Sektion möchte in keinem Fall die Verpachtung des Hoftheaters, wohl aber die des Isartortheaters— mit Beibehaltung des Hoftheaters und des Redoutenhauses unter eigner Regie befürworten. Sie hat, indem siedle schlimmen Resultate der Theaterregie vorzüglich auf die Vereinigung des I sar-Vorstadt- theaters mit dem kgl. Hoftheater zurückführt, die Überzeugung, daß durch Wiederauflösung dieser Vereinigung nämlich durch Verpachtung des Isartortheaters alle jene Zwecke erreicht würden, welche das Finanzministerium bezeichnet habe. Diese Verpachtung an einen ver- ständigen und verbürgten Entrepreneur (nur der Intendant des kgl. Hoftheaters könnte als solcher nicht dieser Entrepreneur sein) würde ohne Zweifel einen nicht unbedeutenden Pachtschilling ein- tragen. Für sich wieder allein bestehend, würde das kgl. Hoftheater auch wieder eine einfachere Regie haben und ihr Etat könnte sicherer gestellt werden. Selbst die Einnahmen des Hoftheaters, da die Intendanz über Personal, Garderobe, Dekoration etc. wieder ungeteilt disponiere und also

Besseres leisten könnte, dürften sich vermehren Es bleibe in der Macht der Regierung, das

Hoftheater als Kunstanstalt zu handhaben; für das Bedürfnis des Volkes würde wieder durch ein eignes Theater gesorgt, die Rivalität zwischen zweien in ihren Interessen ganz verschiedenen Theatern würde gesunde Verhältnisse herbeiführen. Schließlich sei bei jeder Verpachtung, an wen immer, auch auf das neu zu erbauende Hoftheater Rücksicht zu nehmen, um seinerzeit in Benützung desselben keine Hindernisse zu befahren zu haben.

Diese vernünftigen Vorschläge offiziell zur Tat werden zu lassen, dazu war eben aus vermeint- lichen offiziellen Rücksichten, die Situation noch nicht reif. Wohl war, wie aus einer SOseitigen Abhandlung vom 18. Juni hervorgeht, auch das Ministerium mit sämtlichen Unterbehörden der Überzeugung, daß das hauptsächlichste Unheil in der Vereinigung der Regie des Isartor-Theaters mit der des Hoftheaters, sowie in der fatalen Konkurrenz des ersteren mit dem letzteren liege, aber es beschränkte sich vorderhand darauf, mittels Reskripts vom 23. Juni die Oberweisung des Passivrestes an die Staatskasse anzuordnen freilich unter der Bedingung, daß die Intendanz ein vollständiges, vom obersten Rechnungshof anerkanntes Verzeichnis der Gläubiger vorlege, damit die Zentralstaatskasse zur Berichtigung der Forderungen in mäßigen monatlichen Fristen angewiesen werden könne. Zugleich werden der Intendant und der Ökonom für jede künftige Etatsüberschreitung haftbar erklärt eine Maßregel, die nie realisiert werden konnte!

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Mit dieser Entschließung ziemlich divergierend schreibt der Ministerialreferent schon unterm 27. Juni an die Steuer- und Domänensektion, man sei aus Gründen, welche genannte Sektion in ihrem Gutachten vom 19. Mai ausgesprochen, an allerhöchster Stelle nicht ungeneigt, die Regie des Hoftheaters von jener des Theaters amisartor zu trennen, das erstere in allerhöchst eigener Regie ferner beizubehalten und letzteres dagegen in Pacht zu geben. Es werde daher von der Sektion ein wohlerwogenes Gutachten erwartet, unter welchen Bedingungen eine solche Ver- pachtung eingeleitet werden dürfte, damit der bisherige Mißstand, die Rivalität des Isartor- theaters mit dem Hoftheater, der schädliche Einfluß des ersteren auf den Besuch und die Einnahmen des letzteren beseitigt und das Hoftheater wieder als eine eigentliche das Vergnügen mit der Bildung verbindende Kunstanstalt erhalten werde. Ehe es jedoch dahin kam, sollte noch viel Wasser die Isar hinabfließen. Vorläufig werden mit diesem Bericht die sämtlichen Akten über den Bestand des Isartortheaters seit seiner Entstehung der Sektion zur sachlichen Begründung ihres Antrages zugeschlossen. Aber erst nach dreieinhalb Monaten, etwa Mitte November, macht der oberste Rechnungshof die Erledigung des allerhöchsten Auftrages wegen des Instruktionsentwurfes noch von der Frage abhängig, ob dem Ökonomen Mallinger, welcher die ihm mit zugeschobene Haftung bei Etatsüberschreitungen, auf Grund seiner subordi- nierten Stellung gegenüber dem Intendanten, ablehne, eine mehr koordinierte Stellung einzuräumen sei oder nicht. Derselbe erkläre nämlich, daß die allgemeinen Klagen über die schlechte Bestellung des Kassawesens in der bei der Direktion zweier Theater manchmal notwendigen temporären Aushilfe ihren Grund haben, und daß nicht nur das verderbliche Ausborgen von Dekorations- und Garderobestücken, sondern auch vorzüglich „die übrigen vielen Vorfälle, welche auf Rechnung dieses Theaters statthaben", auf die Hoftheaterkasse nachteilig ein- wirken, indem bei den jedesmaligen Recherchen über die vorkommenden Ruinositäten gewöhnlich die Antwort erfolge, daß die betreffenden Effekten im Isartortheater so zugerichtet werden. Daraus scheine hervorzugehen, daß das Kassawesen des Hoftheaters nicht vollkommen getrennt sei, und daß insbesondere die Kassa des ersteren mit Ausgaben, welche in die Rechnung des letzteren gehörten, in Anspruch genommen werde. Auf diesen Bericht hin werden nunmehr die Akten des Isartortheaters dem obersten Rechnungshof zugesendet, um aus denselben das Verhältnis dieses Theaters zur Hoftheaterintendanz selbst zu entnehmen, wobei zugleich bemerkt Wird, daß in den abgeforderten Instruktionsentwurf alle jene Bestimmungen aufgenommen werden müssen, ohne welche die Verantwortlichkeit des Ökonomen nicht wohl gedacht werden kann.

Daß unter solchen Umständen die Arbeits- und Willenskraft des Intendanten, dessen Tätigkeit nachgerade ausschließlich auf die Abwehr oder Verzögerung unan- genehmer Eventualitäten, und zu diesem Zwecke auf allerlei Machenschaften sich beschränken mußte, nicht mehr ausreichen konnte, um seine eigentliche Aufgabe, die Bestellung eines den künstlerischen Anforderungen entsprechenden Repertoirs in Schauspiel und Oper, zu erfüllen, liegt auf glatter Hand, und es kann daher die Magerkeit des Novitätenrepertoires, auf beiden Gebieten, womit sich das Jahr 1815 wirklich auszeichnet, nicht wundernehmen. Während man, was das Schauspiel betrifft, in der Planlosigkeit oder auch Gleichgültigkeit gegen die künstlerische Bestimmung des Hoftheaters z. B. so weit ging, daß man die Aufführung von „Der Widerspenstigen Zähmung" dem Isartortheater überließ, teilten sich in die Novitäten der deutschen Oper mit Ausnahme Boieldieus mit „Der neue Guts- herr", einer anmutig komischen Operette in einem Akt, welche in der Besetzung, Bader, Mittermayr, Muck, Hermann und Friedrich Augusti und Madame Flerx zum erstenmal am Q.Juni mit gutem Erfolg gegeben, aber seltsam genug nicht wiederholt wurde die unter den beschriebenen Umständen um so leichter

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zu Wort kommenden, an der Quelle sitzenden einheimischen Komponisten: Ferdinand Franzi und Baron Poißl. Von ersterem ward eine Oper „Hadrian Barbarossa", Text von Wohlbrück, am 10. März, von letzterem die schon erwähnte, von C. M. von Weber so günstig rezensierte Oper „Der Wettkampf zu Olympia", Text vom Komponisten nach Metastasio [„Olimpide"] am 21. April zum erstenmal gegeben.

Über Fräjizls Oper läßt sich die A.M. Z. im Mai dieses Jahrgangs in einem längeren Berichte aus München schreiben: „Herr Direktor Franzi hat eine neue Oper: Hadrian Barbarossa auf die Bühne gebracht. Ein gut durchgeführtes Sujet, richtig gezeichnete Charaktere und eine durchaus reine Sprache herrschen durch das ganze Gedicht und beurkunden den richtigen Blick des Verfassers der ,Athalia' (Wohlbrück). Die Musik selbst ist voll kühner und neuer Stellen: Harmonie und Kraft werden nirgends vermißt. Die Ouvertüre überrascht durch ihre seltenen Kombina- tionen und neuen Wendungen; auch ist sie vortrefflich durchgeführt. Die Finalen sind mit vielem Fleiße und großer Einsicht bearbeitet. Madame Harlas sang, wie das seit langer Zeit der Fall ist, die Hauptrolle des Stückes, dem sie durch ihren trefflichen Gesang, besonders in einer Cavatine des ersten, und einer Arie des zweiten Aktes, die vorzüglichste Aufnahme verschaffte.** Für den „Wettkampf zu Olympia" wäre es vielleicht von Vorteil gewesen, wenn C. M. von Weber, welcher am 18. Juni wieder nach München kam, früher dorthin gekommen wäre. Poißl, welcher dem jugendlichen Meister seine Arbeiten vorzulegen pflegte, hätte dann rechtzeitig manchen Wink benützen können. Max Maria schreibt darüber (Weber I.

483 f.): ja er (Poißl) änderte sogar an der am 21. April 1815 sehr ehrenvoll

gegebenen, von ihm sowohl gedichteten als komponierten Oper ,Der Wettkampf zu Olympia* auf Webers Vorschlag Mehreres" [Poißl war, wie er im Vorwort seines Textbuches zu erkennen gibt, von der Vorzüglichkeit der Dichtung erfüllt und betont die Wichtigkeit der Textfrage für den Musikdramatiker. Im Anschluß daran erörtert dann auch die Kritik diesen Gedanken oder nimmt ihn zum Aus- gangspunkt neuer Darlegungen über das Problem der deutschen Oper großen Stils.] In dem eben zitierten Münchner Berichte der A. M.Z. wird über diese Oper und Herrn von Poißl ein Panegyrikus losgelassen, dessen Superlative nicht zu gering wären, wenn es sich um ein neues Werk eines Unsterblichen handelte. Es heißt da unter anderm: „Die Ouvertüre ist meisterhaft, aus dem tiefsten Wesen der Oper gegriffen auf eiine einzige Idee (die Idee des großen Finales im zweiten Akte, nur mit veränderter Taktart) gebaut, und schließt mit hinreißendem Feuer, welches auch der rauschende Beifall am Schlüsse genügend dargetan hat. Mit dem Anfange des zweiten Aktes beginnt der Kampf der Leidenschaften, Der Verfasser hat bedacht, daß der Weg dieser Kunst durch das Ohr zum Herzen geht, und darum jeden Augenblick benützt, wo eine schöne Melodie anzubringen war: doch ist der Wahrheit des Ausdrucks, der Richtigkeit der Deklamation deswegen nichts vergeben, wie die herrlichen Scenen der Argene, des Megakles und der Aristea zur Genüge be- weisen. Der höchste Moment ist das Finale, welches aber auch so einzig aufgefaßt

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ist, daß Referent sich niclit erinnern kann, je ein größer angelegtes und vollendeter durchgeführtes gehört zu haben. Hier vereinigt sich Melodie und die erschütterndste Kraft der Harmonie zu dem gemeinsamen Zweck, ein großes charakteristisches Ganzes zu liefern. Dabei herrscht in diesem ungeheuren Kampfe der Leidenschaften, bei dieser Glut der Phantasie, eine Klarheit, die allein schon die vollständige Ur- kunde für die höchste Kunstausbildung des Komponisten ist. Der lauteste Beifall bewies auch hier, daß der Komponist alle Herzen mit sich fortgerissen habe usw." Was will man mehr? und nun? Vorsichtig knüpft übrigens die Redaktion der A. M.Z. an die Spitzmarke „München" die Vorbemerkung, daß die Münchner Verfasser fast alles, was München angehört, sehr rühmen, vieles sogar beinahe über alles Maß, was aber als fremd dort auftritt, desto strenger beurteilen.^) [Es ist nicht ausgeschlossen, daß der Münchner Berichterstatter dem Musikreferenten des „Münchner Theaterjournals" nahestand, das von dem Hofschauspieler Carl heraus- gegeben wurde. Carl war die „rechte Hand" des Intendanten.^) Die optimistische Haltung des Journals und seiner Anhänger in allen Angelegenheiten der kgl. Theater fände damit ihre Erklärung. Der äußere Erfolg des Werkes war in München und anderwärts, namentlich in Dresden, wo wieder Weber sich seiner annahm, sehr ansehnlich.^)]

Über das Schicksal von Boieldieus Oper „Der neue Gutsherr" bei ihrer Erst- aufführung am 9. Juni vermochte ich keine Nachricht zu finden, erst im Jahre 1824, wo sie wieder hervorgesucht wurde und die Koryphäen S i g 1 (-Vespermann), A. Bayer, und Staudacher mitwirkten, hatte sie vollen Erfolg.

Einigermaßen zurückgedrängt wurde das Interesse fürs Theater sicher durch die politische Erregung des bedeutungsvollen Jahres 1815, welche sich mit Allgewalt auch der bayerischen Hauptstadt bemächtigte. Max M. von Weber erzählt, wie während der Anwesenheit seines Vaters gerade am Tage, als er mit Poißl dessen Opern durchging und bei ihm Frl. Wohlbrück,*) die Tochter des Schauspielers und Dichters W. kennen lernte in München die Nachricht vom Siege bei Waterloo eintraf, welche die ganze Stadt in einen Freudentaumel versetzte und mit Beleuch- tungen, Feuerwerk, Te deums, Kanonendonner gefeiert wurde. „Die Stadt schmückte sich wie durch einen Zauberschlag, der Bann, der durch die hundert Tage auf Deutsch- land gelastet hatte, war gelöst, auf offner Straße fielen sich die jubelnden Menschen in die Arme, und während Weber . . . hochgehobener Stimmung in der Michaels- kirche dem majestätischen Tönestrom des Te deums lauschte, erzeugte sich in ihm der starke Drang, das große Ereignis durch eine bedeutende Tat seiner Kunst zu

') Dieser Bericht enthält noch zwei interessante Notizen von der Münchner Oper. Die eine betrifft eine Reise Brizzis und seiner „trefflichen" Tochter Karolina durch einen Teil des Königreichs; die andere meldet die von zwei Wiederholungen der Oper 5,Vestalin" und der Neubesetzung der Titel- rolle durch Madame Harlas, welche durch Natürlichkeit und Innerlichkeit ihre Vorgängerin Frau von Fischer weit übertroffen zu haben scheint. ['■') Grandaur, S. 83.] [°) Reipschläger, S. 136.] *) Wie Weber bestätigt, hatte diese Dame in Poißls „Athalia" 1814 den Joas gesungen, ob dies nur ein theatralischer Versuch war, oder ob die Sängerin dem Verbände des Hoftheaters ange- hörte, vermochte ich nicht zu ermitteln. Auch über sie schweigt Grandaurs Chronik.

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feiern, und das Bild einer Siegeskantate schwebte ihm in unbestimmten Umrissen vor." Beim Herausgehen aus der Kirche traf er Wohlbrück und teilte ihm erregt seinen Plan mit. Dieser ging mit Begeisterung darauf ein, und so entstand durch die Waterloo-Feier in der Münchner Michaelskirche Webers „Kampf und Sieg"!

Daß diese allgemein herrschende patriotische Stimmnng auch das Interesse für die italienische Oper dämpfte, läßt sich denken. Dessen ungeachtet war das italienische Novitäten-Repertoire bisher noch nie reicher gewesen, als in diesem Jahr. Es wurden gegeben: „Antenore" (Textdichter nicht genannt) von Piloti aus Bologna, welchem der rastlose von Poißl noch mit einigen Nummern seiner Komposition unter die Arme gegriffen hat, am 7. April; dazu am selben Abend „L'Addio d'Ettore" (Ab- schied des Hektor), ein Pasticcio in der Art, wie sie zu Glucks Zeiten in London beliebt waren, nämlich eine Zusammenstellung von Arien, Duetten etc. verschiedener Meister zu irgendeiner dramatischen Handlung. Bei dem in Rede stehenden soll Peter Winter am stärksten beteiligt gewesen sein und D'Jl Brizzi in den Duetten exzelliert haben. Hierauf kam als nächste italienische Oper „Marte et Fortuna" von Lindpaintner eine allegorische Festoper in einem Akt, am 14. April, zur ersten Aufführung. Der junge Musiker fand hierdurch die vielleicht gesuchte Gelegenheit, die Aufmerksamkeit des Hofes auf sich zu lenken. Am 17. Mai ward „II Convito degli Spiriti" (das Gastmahl der Geister), monodramma comico von Catterino Cavos gegeben. Während in München über den Erfolg desselben nichts verlautet, soll es in Berlin, wo es am 27. September 1814 unter dem Titel „II calzolario, deriso ossia II convito etc.* als opera buffa in zwei Akten gegeben wurde, hübsch befunden worden sein, obwohl der Sänger, Pucci aus Palermo, seine Stimme bereits verloren hatte. Am I.Juni zum erstenmal gegeben und am 3. und 29. Juni wiederholt wurde „Adelina", farsa in un atto, Text von Romanelli, Musik von Generali. Dieser fruchtbare Komponist gehörte zu jenen unmittelbaren Vorläufern Rossinis (er ist neun Jahre älter als dieser), welche sich von dessen rasch aufgehendem Glanz- gestirn verdunkeln lassen mußten. Ich kenne von seinen mehr als 52 Opern, die er für italienische Städte schrieb, nur seine „Bacchanten", die zu seinen besten gezählt wurde, und finde, daß die Schreibweise mit derjenigen Rossinis in seiner früheren Epoche leicht zu verwechseln wäre, wenn sie nicht noch einiges vor ihr an Leichtigkeit voraus hätte. Fast will es scheinen, als ob jener glücklichere Sohn der Musen das Schema des Vorgängers mit seinem lebendigen Esprit und seiner Genialität erfüllt und so für ein paar Dezennien haltbar gemacht hätte. Indes war Generali an den deutschen Höfen, welche damals noch eine italienische Oper hielten, mit Rossini eine beliebte Größe. Und wir dürfen darüber nicht einmal rigoros urteilen, ja wir können es nicht, wenn wir uns nur erinnern, wie selbst heute noch in alt-italienischer Methode gebildete Gesangskünstler (welche ab und zu noch auf der Bildfläche erscheinen) ein selbst geradezu gemeines Motiv, nach- dem es uns nämlich als Ritornell so erschienen war, durch seelenvollen Gesang zu vergeistigen und zu veredeln wissen. Denken wir uns nun ein ganzes Ensemble

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solcher miteinander rivalisierender Künstler, so würden wir einen solchen Gesangs- abend zur Abwechslung einmal gewiß auch nicht verschmähen. Am 28. Juni kam in München, gerade vor der zweiten Wiederholung der Farce „Adelina", noch ein anderes Werk von Generali, die heroische Oper „Ero e Leandro" zur erstmaligen Aufführung.

Mit welchen Mitteln Delamotte diese jedenfalls wieder sehr splendiden italienischen Vorstellungen bestritt, wie es mit dem üblichen Vorschuß der gewohnten Etats-Über- schreitung, der ständigen Nachgenehmigung bestellt war, darüber herrscht diesmal volles Dunkel. Jn dem armsdicken Aktenkonvolut, welches darüber Aufschluß geben müßte, ist das letzte Aktenstück aus dem Jahre 1814 dasjenige vom 12. September, welches eine Nachgenehmigung betrifft, und das erste vom Jahre 1816 eines vom 24. März, in welchem der Intendant dem Ministerium einen Kontrakt mit dem Impressario Gera vorlegt. Indem somit ein Jahr und fünf Monate dem Ministerium keine Akten über die Theaterverwaltung angefallen sind, ruhen die Geschehnisse innerhalb derselben während dieses Zeitraumes in ewiger Vergessenheit.

In diesem Jahrgang riß das Ausscheiden dreier hervorragender Mitglieder, der aus- gezeichneten Tenoristen Bader und Weixelbaum, sowie der Gattin des letzteren, der geborenen Fantozzi, welche alle drei von München fortgingen, ein große Lücke in das Gesangspersonal. Für Bader wurde August Klengel engagiert, der ihn aber nicht ersetzen konnte, während die Stelle des trefflichen Weixelbaum unbesetzt blieb. Nur für die Fantozzi fand sich, wenn auch nicht unmittelbar, ein Ersatz durch die mit herrlicher Stimme und großem Talent begabte Klara Metzger, einer Schülerin Peter Winters, welche ihren ersten Versuch in dessen Oper „Zaire" alsMyrrhaam 3.Mai mit großem Glück machte. Leider verließ auch Mad. Flerx-Lang, die Gattin des talentvollen Komikers und Tänzers Flerx, der in diesem Jahre starb, die Bühne.

Unter solchen Umständen war die Tätigkeit der deutschen Oper, welche trotz derselben fünf Novitäten, darunter zwei große. Glucks „Iphigenie in Aulis" und Spontinis „Ferdinand Cortez" herausbrachte, immerhin eine sehr respektable zu nennen. Die erste derselben am 5. Januar war „Joconde oder die Abenteurer", komische Oper in drei Akten von Nicolo Isouard. Was für einen Erfolg sie hatte, ist wieder nicht bekannt. Weber, der das jedenfalls anmutige und unterhaltliche

Werk in Prag aufführte, schreibt darüber: Der Komponist des Aschenbrödels

und so mancher anderen gern gesehenen komischen Oper hat hier nebst den an ihm schon gekannten Vorzügen, einer echt heiteren Laune, Kenntnis des Theater- Effektes etc., sich auch selbst sogar hin und wieder bis zur italischen Gesangs- lieblichkeit gewendet und dadurch nicht die Zahl seiner Verehrer vermindert."

Auf diese technisch jedenfalls nicht leichte Spieloper folgte wieder in der erstaun- lich kurzen Zeit von 24 Tagen was in unserer Gegenwart nicht denkbar wäre am 29. Januar das große Glucksche Werk „Iphigenie in Aulis" mit folgender

Besetzung: Iphigenie Frau von Fischer, Klytämnestra Elise Lang,

Achilles Mittermayr, Agamemnon Hanmüller, Patroclus Stau- dacher, Arkas Frau Augusti. (Mittermayr hatte in diesem Jahrgang infolge

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Ausscheidens der beiden ersten Tenöre wieder reiche Gelegenheit, sich in den Tenor- schlüssel hinaufzuschrauben.) Als im Jahre 1869 das erhabene Werk in München zum erstenmal mit Wagners Instrumentierung und textlicher Bearbeitung aufgeführt wurde, glaubte man namentlich erstere als einen unerlaubten Eingriff in das Werk eines Klassikers bezeichnen zu müssen. Aber bei vernünftiger Prüfung stellten sich die Orchester-Retouchen, vielleicht mit Ausnahme einiger etwas zu üppig gewordenen Blecheffekte als notwendige Folge der poetischen Umarbeitung heraus, und diese ist es, welche unwiderleglich das Werk einer späteren Zukunft gerettet hat: mit dem alten verunglückten Ausgang und der Unmasse der (nur dem Pariser Ge- schmack entsprechenden) Ballette, welche Wagner auf ein Minimum reduzierte, wäre die Oper trotz ihrer gewaltigen Momente einfach nicht mehr zu genießen. Wenn aber ein damaliger Kapellmeister ohne das nötige poetische Verständnis, lediglich einem marottenhaften Zeitgeschmack folgend, das Werk „reorchestrierte*', wie es Peter Winter getan hat, so bezeichnet diese Tatsache die unselige Manie der musikalischen Machthaber jener Zeit, nichts unangetastet zu lassen, sei es durch Auslassungen oder Einlagen oder sonstige „Verbesserungen". In also „verbesserter" Auflage, die vermutlich beim Brande 1823 zugrunde ging,^) wurde das Werk bei seiner Premiere dem Münchner Publikum dargeboten; es verhielt sich (was aber kaum auf die Reorchestrierung zu schieben ist) bei derselben äußerst reserviert, erst bei den folgenden drei Wiederholungen stellte sich Verständnis ein und steigerte sich der Beifall stetig.

Am 17. Mai kam „Kunstsinn und Liebe" von Lindpaintner und schon zehn Tage darauf am 27. Mai „Zaire" von Peter Winter zur ersten Aufführung. Erstere scheint eine Wiederholung nicht erlebt zu haben, letztere wurde erst am 29. Mai 1820, wahrscheinlich wegen der Metzger wiedergegeben.

Die größte und schwierigste Leistung in diesem Jahre war die vom König bestellte Inszenierung der pompreichen Oper „Cortez Fernando" von Spontini, welche auch erst nach längerer Vorbereitung am 2. November zustande kam. Was den inneren Kunstwert dieser grotesk unhistorischen „historischen Oper" belangt, so steht derselbe hinter dem der Vestalin so weit zurück, daß man in ihr die schöpferische Kraft, welche uns in letzterer überzeugt und hinnimmt, schlechterdings nicht wieder- zufinden vermag. An Stelle der wahren Leidenschaft ist ein erkünsteltes, geschraubtes Pathos, an Stelle eines im ganzen edlen Stiles Manieriertheit, an Stelle des Ge- waltigen verletzende Gewaltsamkeit getreten, welch letztere sich nicht minder in sprunghaften Modulationen als in betäubendem Lärm und Überladung in jedem Sinne äußert. Die auffällige Unreinheit der Harmonie und die oft grausam dilet- tantische Stimmführung, welche nicht überall von Spektakel zugedeckt wird, macht fast den Eindruck, als ob der große Musiker des Kaiserreiches bei der Komposition der Vestalin Helfershelfer gehabt und sich deren, durch den Erfolg jenes Werkes zu selbstvertrauend geworden, zu früh entledigt hätte. Dagegen gefällt sich der Komponist, als ob er gerade mit seinen Kenntnissen imponieren wollte, in Tonarten

[') Im Archiv des Hoftheaters sind noch Orchester- und Chorstimmen aus dieser Zeit vorhanden.

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mit dicker Vorzeichnung, welche bei der damaligen Instrumentaltechnik weder in den Blasinstrumenten gestimmt, noch in den Geigen geklungen haben können. Dieselbe Rücksichtslosigkeit in Bezug auf die Ausführung zeigt sich auch in den Chören, welche sowohl durch ihre Masse und Länge als durch Treffschwierigkeit (die immer durch Ungeschicklichkeit in der Stimmführung herbeigeführt wird) unerhörte Anforderungen an das Chorpersonal stellen. Prätension und Haschen nach dem Ungewöhnlichen, dessen Resultat aber meistens Barockheit ist, sind die Grundzüge des Werkes, die Innerlichkeit der „Vestalin" ist, mit Ausnahme einiger besserer Gesangsnummern und einzelner hervorragender Stellen, die sich trotz alle- dem noch finden, eitler Prunksucht und Effekthascherei gewichen. Das stimmt aller- dings mit der Dichtung des Jouy überein, die, ein würdiger Vorläufer der späteren Pariser Pompoper eines Halevy oder Meyerbeer, bereits überwiegend auf die rohen Instinkte des Theatermobs berechnet ist. Sie bietet der Schaulust durch Dekorationen und Kostüme, den Nerven, welche stärker gekitzelt werden wollen, durch Geschehnisse, die man nicht alle Tage sieht, das damals noch Unerreichte; und zwar wird man kaum irre gehen, wenn man diese Richtungsänderung auf Rechnung des ruhmsüchtigen Komponisten setzt, nachdem der Dichter seine vorauf- gegangene „Vestalin" so durchaus vornehm gehalten hatte. Im zweiten Akt läßt Cortez (um den Mexikanern zu beweisen, daß er nicht zurückweichen werde) seine ganze Flotte verbrennen „einige Schiffe fliegen auf, alle übrigen gehen unter"; im dritten Akt wird die Rückwand eines mexikanischen Tempels von den spanischen Kanonen eingeschossen und man hat die Aussicht auf das eroberte Mexiko. Den Sieg feiert Cortez durch Versöhnung mit dem (in Wirklichkeit von den Spaniern bekannt- lich wegen Verweigerung seiner Schätze lebendig gebratenen) König Montezuma und seiner Familie, mit dessen Tochter Amazily, welche die Vermittlung herbeigeführt hatte, er sich verlobt. Nachdem schon im zweiten Akt ein Ballett, in welchem pikant kostümierte Mexikanerinnen die spanischen Soldaten bezaubern, fast eine Viertel- stunde gedauert, beschließt nun ein ebenso langes Tanzen bei sehr magerer musikali- scher Erfindung „eine Art Friedensfest"! Wie sich das schwerfällige Spektakelstück mit seiner zum Teil furchtbar dröhnenden Musik im kleinen Residenztheater aus- genommen haben mag, ist schwer zu denken. In diesem Jahr blieb es vorläufig bei der einen Aufführung.

In der italienischen Oper ging es hoch her, und durch den riesigen Erfolg der vielen in diesem Jahre gegebenen Werke beim königlichen Hofe wurde der Grund zu einem ständigen Unternehmen gelegt, welches erst von König Ludwig I. wieder aufgehoben wurde. Am 24. März legte Delamotte dem Finanzministerium folgenden Kontrakt zur Genehmigung vor: Die königlich bayerische Hoftheater- Intendanz gestattet dem Herrn Antonio Cera in Bologna mit seiner Gesell- schaft italienischer Sänger zwölf Opernvorstellungen auf dem königlichen Theater, und zwar die erste am 18. Juni und die letzte am 31. Juli 1816 unter folgenden Bedingungen: I. Die zu gebenden Vorstellungen sind: 1. Marcantonio; 2. L'amico dell' Uomo, 1' Adelina; 3. Marcantonio; 4. La Scelta dello Sposo, Elisa;

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-~JP»'

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Klara Metzger-Vespermann

1816 1827 Katharina Sigl-Vespermann

1820 1833

Franz Löhle

1819 1833

Nannette Schechner

1822 1834]

Julius Pellegrini

1822 1855

Caroline Hetznecken

1839 1849

Aloys Bayer

1826 —1843

Wiliielmine v. Hasselt

1834 1839

5. L'amico deirUomo, l'Adelina; 6. L'Italiana in Algeri; 7. Le lagrime d'una Vedova e sei cento mille franchi; 8. La Scelta dello Sposo, Elisa; 9. L'Italiana in Algeri; 10. Le lagrime etc.; U. und 12. Tancredi. (Die Intendanz verlangt und erhält für diese Vorstellungen den Zuschuß von 5000 fl.) II. Der Herr Gera besorgt die Garderobe und die Kopiatur-Ausgaben, dagegen trägt die Hoftheater-Intendanz die Beleuchtung, die Dekoration und fernere Tagesausgaben und stellt auf ihre Rechnung den Ghor und die Statisten nebst ihren Kleidungen. III. Das Orchester wird von Seiten der kgl. Intendanz besorgt und verbleibet, ohne fremde Einsprache, unter seiner bis- herigen Direktion. IV. Die königliche Hoftheater-Intendanz hat das Recht, von sechs Opern Text und Partitur zu ihrem Gebrauch (wieder charakteristisch für diese Zeit!) abzuschreiben und müssen (diese) bis zur Abreise des Herrn Gera beendigt sein. V. Die königliche Hoftheater-Intendanz empfängt alle Einnahmen und bezahlt dagegen dreißig Louisdor für jede Vorstellung an Gera. VI. Herr Gera schickt die hinreichenden Orchester- und Ghorstimmen der zu gebenden ersten Oper hieher, so daß diese drei Wochen vor der ersten Vorstellung eintreffen. VII. Wenn Herr Gera mit diesen Bedingungen einverstanden ist, so muß er seine Erklärung, welche die Kraft eines förmlichen Kontraktes in sich trägt, bis zum 1. Mai 1816 hieher gesendet haben. VIII. Der Fall eines Krieges hebt obige Über- einkunft auf. Sowohl dieser Kontrakt als auch die Geldbedingungen, welche die Intendanz dem Ärar stellt, werden mit Reskript vom 10. April genehmigt. Die zwölf Vorstellungen aber gefielen der Königin so sehr, daß der König, welcher nur eine derselben hatte hören können, am 22. Juli auf die Bitte des Impresario noch sechs weitere Vorstellungen und eine siebente zum Benefize des letzteren genehmigt und die Zentralstaatskasse anweist, der Intendanz in der ersten Hälfte im August 2500 fl. für diese Vorstellungen zu bezahlen. Auf mündlichen Wink des Grafen Montgelas kontrahiert Delamotte mit Gera noch weitere zwölf, vom 2. Sep- tember bis 14. Oktober zu gebende Vorstellungen, wofür die Zentralstaatskasse abermals ihre 5000 fl. zu leisten hat, und auf Befehl vom 25. Oktober wird ein abermaliger Kontrakt auf vier Wochen und acht Vorstellungen, mit verhältnis- mäßiger Inanspruchnahme der genannten Kasse, geschlossen.

Zu diesen im ganzen neununddreißig Vorstellungen italienischer Opern kam noch als vierzigste die am 27. Oktober zur Verlobungsfeier der Prinzessin Gharlotte Auguste zum erstenmal gegebene Oper „Giro in Babilonia" von Rossini, welche König Max zugleich mit Spontinis „Gortez" bestellt hatte. Das Hoforchester, welches neben den deutschen Opern alle diese italienischen „ohne fremde Einsprache unter seiner bisherigen Direktion" in Proben und Aufführung zu begleiten hatte, wird sich über Mangel an Arbeit in diesem Jahrgange nicht beklagt haben.

Ein Vergleich mit den Theaterzetteln dieses Jahrgangs zeigt, daß sich die Gesell- schaft nicht durchwegs strikte an die kontraktlich bedungenen Vorstellungen (vom 18. Juni bis 31. Juli) hielt. So ist, vermutlich infolge von Hindernissen, gleich die erste Oper „Marc-Antonio" von Pavesi erst am 20. September, „L'amico dell' Uomo" gar nicht gegeben worden, dagegen fallen die Erstaufführungen der Opern

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„L'inganno felice", farsa von Rossini (25. Juni) und „La Burla fortunata« (der ge- lungene Streich) „ossia i due Prigionieri* von Puccita (26.Juli), welche beide in der kontraktlichen Serie nicht enthalten sind, in diese Zeit. Eröffnet hat die Gesellschaft ihre Vorstellungen mit Rossini's „L'Italiana in Algeri", der ersten Aufführung dieser Oper in München. Auf weitere Bestellung gab die Gesellschaft bis zum Schlüsse des Jahres folgende Vorstellungen:

Agnese", dramma semiserio in zwei Akten von Paer, erste Aufführung 18. August.

„II Filosofoseducente",op.buffa, von Giuseppe Mosca, erste Aufführung 21. August.

„Adelina" in einem Akt zusammen mit „Le lagrime d'una vedova« von Paer, erste Aufführung 26. August.

„Un Avvertimento ai Gelosi," farsa in einem Akt von Pavesi, erste Aufführung 31. August.

„II Corradino, oss. il Trionfo delle Belle,« farsa in einem Akt von Pavesi, erste Aufführung 14. September.

„Ser Marcantonio" von Pavesi, erste Aufführung 20. September.

„La contessa di colle Erboso", dramma in zwei Akten, von Generali, erste Aufführung 24. September.

„La Pamela nubile", dramma sentim., in einem Akt von Generali. „Mathilde DuchessadiSpoleti",op.seria in einem Akt, von Generali, ersteAufführung4.0ktober.

„La Capricciosa pentita", op. buffa in zwei Akten von Fioravanti, erste Auf- führung 11. Oktober.

Von all diesen und noch einer großen Zahl der bis einschließlich 1825 in München gegebenen italienischen Opern ist im ganzen zu sagen, daß, wenn auch der süß sinn- liche Gehalt ihrer Musik jenen tieferen geistigen, welchen wir Deutsche in Musik- werken suchen, in zweite Linie stellt, wenn das Geheimnis ihrer oft verblüffenden Wirkung auf das Publikum ihrer Zeit zumeist darin lag, daß die Hauptrollen immer für bestimmte Gesangskräfte mit raffinierter Berechnung ihrer individuellen Eigen- art geschrieben waren, man doch ja nicht glauben darf, daß heute ein Zuhörer, selbst ein strengerer, in Bezug auf echte originale Erfindung ganz leer ausgehen würde; vielmehr würde man erstaunt sein, mitten auf der breiten Fläche des Singens und Klingens hier und dort auf feine Charakteristik, auf überraschend geistreiche Einfälle und auf einzelne besonders hervorragende Musiknummern zu stoßen, deren Erfindungs- und Gestaltungswert auch heute noch nicht bestritten werden könnte. In der Regel hatten diese Opern, bei meist schlechtem Text, ihre bestimmten, ge- wöhnlich dacapo gesungenen Lieblingsnummern, wodurch sie sich dem Publikum empfahlen allerdings einem Publikum, welches seinen Grundtypus, eine immer- hin gesunde Oberflächlichkeit, noch nicht so vorsichtig, wie das heutige, zu ver- bergen suchte. 1817 Was den Stand des Gesangspersonals in diesem Jahrgange betrifft, so trat in demselben durch die Pensionierung jenes berühmten Künstlers, unter dessen Ober- leitung bis zu Geras Ankunft die italienischen Opern mit deutschen Sängern ge- geben worden waren, des Antonio Brizzi, sowie durch das Ausscheiden August

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Klengels, welcher anderswo nach besseren Lorbeeren suchen mochte, die tenor- lose, die schreckliche Zeit ein, wenn nicht der unverwüstliche Mittermayr seines oberen Stimmregisters Herr blieb, von dem allerdings noch im Klingemann'schen Theater-Almanach für das Jahr 1822 zu lesen ist: „Herr Mittermayr singt erste Tenor- und Baßpartien." Tochtermann, de^ schon im Jahre 1799 engagiert worden war, konnte nur mehr in wenigen Partien Verwendung finden. Von der längst zum Schauspiel übergegangenen, einst vortrefflichen Sängerin, Mad. Joseph a Cannabich ist noch zu erwähnen, daß sie in diesem Jahre von der Bühne zurücktrat, um einen Fürsten von Isenburg-Birstein zu heiraten. [Vgl. Grandaur, Seite 85 f.]

Unter diesen Umständen mußte die deutsche Oper der italienischen widerspruchs- los die Herrschaft überlassen, nachdem sie am 31. Januar und 23. März noch zwei Novitäten, Catels „Bajaderen" und Generalis „Bacchanten" zu Stande brachte,— die Bezeichnung „deutsch" ist hier, wie bei ungezählten früheren Opern nur in- sofern zutreffend, als beide Werke von deutschen Sängern in deutscher Sprache gegeben wurden. „Die Bajaderen", große Oper in drei Akten, Text von Jouy, übersetzt von Castelli, Musik von Catel, hatten 1813 in Wien nicht sehr gefallen, weil daselbst die Ausstattung des Ballets, auf dessen Pracht die Oper berechnet ist, nicht genügte; interessant ist, daß sie einige auffallende Reminiscenzen aus der „Zauberflöte" enthält. Über den Münchner Erfolg hat nichts verlautet, ebensowenig über den der „Bacchanten" von Generali. [Nach 1816 ist die deutsche Oper in München dem Verfall ausgeliefert. Leistungen und Besuch gehen auffallend zurück. Schließlich greift man, um das Publikum wieder anzulocken, zu bedenklichen Mitteln, Vorstellungen von Feuerwerken, ungarischen Seiltänzern, Bauchrednern und der- gleichen Zirkusspäßen.^)]

Aber an ein Italienisch-Singen ging es in diesem Jahre 1817, wie es die Räume des Residenztheaters zu Zeiten des Kürfürsten Max Joseph IIL nicht erlebt hatten. Die italienische Oper hatte in München (seit 1817) vorläufig gute Tage, indem sie sich der besonderen Sympathie des kgl. Hofes und, wohl in erklärlicher Folge dessen auch einer sanften Behandlung von Seite des neuen Ministeriums Lerchen- feld zu erfreuen hatte; außerdem ließ es der einstweilen titellose Führer des Unter- nehmens scheinbar an strammer Ordnung im Haushalt: allmonatliche Vorlage des Besoldungs- und Regieetats etc., nicht fehlen.

[Inzwischen war der vom König befohlene Bau des neuen Theaters fortgeschritten und nur durch die Kriegsereignisse vorübergehend, nachdem der Hauptteil 1813 unter Dach gebracht war, bis 1816 unterbrochen. Im April 1817 brannte auf dem Platz der Zimmerleute der Dachstuhl des Bühnenteils ab.'-^)] Der am 1. Mai 1817

[') Zur Zeit, da Goethe in München weilte, herrschten auch im alten Opernhause solche Unsitten. Vergl. Beilage zur Allgemeinen Zeitung 1869, Nr. 239 „Goethe in München". Übrigens noch in den vierziger Jahren, und an zahlreichen deutschen Bühnen von Bedeutung, liebte man Vorstellungen von Zwergen, Athleten, Magiern, Rechenkünstlern u. dergl. Vergl. O. Lieb seh er. Fr. Dingelstedt, Halle a/S. 1909. S. 49 f.] P) Vergl. die eingehende Darstellung in Malyoths Archiv-Studie „Grün- dung und Aufbau des K. Hof- und Nationaltheaters am Max Josephsplatz in München" (im „Bayer- land" 1918, 2. Oktoberheft.)]

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zum Vorstand der Baukommission ernannte Ministerialrat von Plank ward sofort beauftragt, alle infolge des Dachstuhlbrandes notwendigen Vorkehrungen zu treffen, damit das gerettete Material bewahrt, das erforderliche Bauholz angeschafft und die unerläßliche Herstellung des Malersaales möglichst beschleunigt werde. Somit war die baldige Vollendung des „Mittelbaus" definitiv gesichert und man konnte mit ziemlicher Gewißheit der Eröffnung der neuen Bühne im Herbst des nächsten Jahres entgegensehen. 1818 Durch Entschließung vom 12. Januar 1818 ward der Intendanz eine Etatserhöhung vom Zeitpunkte der Eröffnung des neuen Hoftheaters in Aussicht gestellt und dieselbe dadurch etwas erleichtert, daß endlich der Passivrest von 1814/15 der Staats- kasse zur Ausbezahlung überwiesen wurde. Auch legte ein Bericht des obersten Rechnungshofes über den im Vorjahre vorgenommenen Kassasturz, dem Kabinett die Notwendigkeit nahe, den Ärarialzuschuß zu erhöhen. Nachdem ferner Delamotte einen ähnlichen Passivrest für das Etatsjahr 1815/16 eingestehen, der oberste Rech- nungshof aber durch wiederholten Kassasturz einen weit größeren (von 32082 fl.) für das Jahr 1816/17 konstatieren mußte, wird „zur Vermeidung gerichtlicher Klagen seitens der Gläubiger" die Überweisung dieser beiden Passivreste an die Staatskasse prinzipiell genehmigt und vorerst die Berichtigung der dringendsten Posten in tun- lichen Fristen angeordnet.

[Im Herbst war der Bau bis auf das Vestibül vollendet. Am 12. Oktober erfolgte die feierliche Eröffnung mit dem von A. Klebe gedichteten und von Ferdinand Franzi komponierten Festspiel die „Weihe". 0 Auch zwei Schauspiele aus der bayerischen Geschichte, die durch Preisausschreiben vom Jahre 1817 erwählt wurden, gelangten bei diesem Anlaß zur Aufführung. „Heimeran" von A. Erhardt mit Musik von Peter Winter und „Hiltrude" von W. von Mannagetta und Lerchenau mit Musik von Li n dpain tner am 26. Oktober und 7. Dezember. (Grandaur, Seite 87 ff.^)]

Bezüglich des Personalstandes, resp. seiner Besoldungsverhältnisse finden wir in diesem Jahrgang einzelne Aufschlüsse in dem vom Intendanten am 14. Oktober vor- gelegten Besoldungsetat, aus welchem wir zugleich einiges von der Qualität der betreffenden Künstler erfahren. Vom Tenoristen Löhle, der nachmals eine große Bedeutung erlangte, heißt es: Der erste Tenorsänger Franz Löhle findet sich als neu engagiertes Mitglied mit 2000 fl. Gehalt und 500 fl. Gratifikation eingetragen. Dieser vorzügliche Tenorsänger wurde mit allergnädigster mündlicher Be- willigung^) Seiner Majestät und auf Befehl des Herrn Finanzministers Exzellenz Grafen von Lerchenfeld engagiert. Die Sängerin und Schauspielerin Löhle wurde in dem mit ihrem Manne abgeschlossenen Kontrakt mit 1000 fl. aufgenommen. Über

[') Textbuch in der Bibliothek des Histor. Vereins von und für Oberbayern.] P) Baumgartner, Schilderungen bei Gelegenheit der feierlichen Eröffnung des großen neuen K. B. Hof -Theaters in München, den 12. Oktober 1818. München 1818. Ferner J. Sendtner, Einige Bemerkungen in Be- ziehung auf die Münchener dramatische Preisaufgabe vom 4. Dezember 1817.] ') Die nicht seltenen mündlichen Empfehlungen, womit König Max I. die Laufbahn hervorragender Gesangskünstler begründete, bezeugen unwiderleglich sein richtiges Urteil in der Gesangskunst.

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Staudacher sagt die Vorlage: Für den Bassisten Staudacher hat die unterzeichnete Stelle eine Zulage von 400 fl. in Antrag gebracht; dieser junge Künstler hat seit zwei Jahren so große Fortschritte gemacht, daß ihm diese zu seiner Lebsucht not- wendige Zulage nicht wohl versagt werden kann, da er für das Hoftheater unent- behrlich ist und, seiner mehrjährigen Anstellung bei der Hofmusik-Intendanz und dort wesentlich geleisteter Dienste ungeachtet, von dort aus keinen Kreuzer be- zieht (!). Über Klara Metzger: Die Hof- und Kapellsängerin Klara Metzger wurde mit allergnädigster Bewilligung Seiner Majestät und auf Befehl des Herrn Grafen von Lerchenfeld mit 1000 fl. Gehalt und 400 fl. Gratifikation, zugleich mit einem Interimsgehalt von 600 fl. engagiert, bis der seit Entlassung der Weixelbaumschen Eheleute von der Hofmusikintendanz zurückbehaltene Gehalt von 1000 fl. (wie bei Löhle) angewiesen werden könne.

Außer dem Tenoristen Löhle ward in diesem Jahr auch ein neuer Bassist in der Person des später durch seine unleidliche Grobheit berüchtigt gewordenen, als Künstler aber vorzüglichen J oseph Fischer engagiert. Die Witwe Josepha Flerx kehrte wieder in den Theaterverband zurück. Dafür ging der treffliche Lanius ab, und einen unersetzlichen Verlust erlitt die Oper durch den Tod der überaus beliebten und auch (nach Webers Urteil) wunderbaren Sängerin Harlas. Auf dem Zettel der Oper „Sargines" von Paer am 20. September hat eine teilnehmende Hand ge- schrieben: „In dieser Oper trat Madame Harlas zum letztenmal auf." Sie starb am 18. Oktober 1818.

Mit ihrem noch nicht vervollständigten, wohl auch nicht genügend zusammen- studierten Personal brachte die deutsche Oper nur zwei Novitäten zustande: „Nitettis*, heroische Oper in drei Akten (eine Übersetzung des ursprünglichen italienischen Textes von Metastasio) von Poißl, welcher am 30. Januar, wie es scheint, mit wenig Erfolg gegeben und nach einer Wiederholung am 15. Februar zurückgelegt wurde und „Apollos Wettgesang", komische Oper in drei Akten, Musik von Sutor, am 14. Juli, deren einzige Wiederholung am 14. März 1819 im neuen großen Hoftheater stattfand.

Desto mutiger und siegreicher konnte die nun konstituierte und, wie Delamotte bei Gelegenheit zu betonen nicht ermangelte, besser dotierte italienische Oper ihre Reize entfalten. Die in diesem Jahre, dem ersten unter Baron Ludwig Priulis Leitung 0 in München zum erstenmal gegebenen Vorstellungen waren der chrono- logischen Reihe nach: „Celanira", melodrama eroico in 2 atti, Poesia di Prossi, Musica di Pavesi, am 8. Februar (der Text soll unter aller Kritik, die Musik ä la Rossini, nur etwas armseliger und ohne neuere Knalleffekte gewesen sein); „I pretendenti delusi" opera buff'a von Mosca, 19. Februar; „Elisabetta, Regina d' Inghilterra" op. ser. (Text von Schmid?) di Rossini, 22. Mai; „II Trionfo delle Belle ossia Corradino" in un atto von Pavesi, 24. Juni; „La prova

[') 1819 erhielt die italienische Oper eine vom kgl. Hoftheater getrennte Administration mit dem Freiherrn Priuli als Intendanten; damit scheidet sie eigentlich aus der Geschichte der deutschen Hofoper aus._(Grandaur, S. 89.)]

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d'una Opera seria" in 2 atti, Text und Musik vonGnecco, 22. Juli; „Evellina" op. ser. in 2 atti von Coccia, 6. August; „Cenerentola*, Text von Fenelli, Musik von Rossini, 30. August; „Otello ossia l'Africano di Venezia" von Rossini, 13. September; „Carlo Magno" von Niccolini, 8. Oktober. Außer dem schon öfter erwähnten Pavesi haben noch zwei hier genannte Komponisten, nämlich Mosca und Niccolini, an jenem eben erwähnten 100 Opern-Repertoire nicht einmal einen Anteil, was wohl auf die Existenz einer erklecklichen Anzahl beliebter italienischer Opernkomponisten jener Zeit schließen läßt.

Indes gingen die Geschäfte auch dieses Unternehmens bei weitem nicht so glänzend, wie man erwartet haben mag. Das Ministerium nahm daher an dem Umstände, daß der Kontrakt mit den Mitgliedern der Gesellschaft (als deren Fortsetzer Priuli nur betrachtet wurde), wenn er nicht mehr erneuert werden sollte, sechs Monate vor dem 15. November gekündigt werden müßte, gerne rechtzeitig Veranlassung, das Fort- oder Nichtfortbestehen dieser Oper der allerhöchsten Entscheidung^anheim- zustellen. In derselben Zeit ging es auch dem Lenker der italienischen Angelegen- heiten, Herrn von Priuli, mit den Rückständen von Zahlungen an Geschäftsleute nicht anders, als dem deutschen Intendanten. Letzterer ergreift, „da nach der beim obersten Rechnungshof schon vorliegenden italienischen Opern- Rechnung vom 1. November 1817 bis Ende November 1818 sich ein Passivrest von 14640fl. aus- weiset und die Teilhaber desselben mit großem Ungestüm sich zur unterzeichneten Stelle drängen", gerne die Gelegenheit, bei allerhöchster Stelle um Anweisung dieser Rückstände an die Zentralstaatskasse zu bitten, und macht dann unterm 20. Januar die schadenfrohe Anzeige, daß sich in jenen Passivrest „Choristen und noch viele andere kleinere Individuen teilen, daß das Andringen und Geschrei dieser Menschen bis zum Unanständigen gehet und wohl zu befürchten ist, daß sie ihre ferneren Dienst- leistungen bei der italienischen Oper versagen, um ihre Bezahlung zu erzwingen".

Um das Verhältnis, in welchem die Direktion der italienischen Oper zur Inten- danz des deutschen Hoftheaters stand, klarzustellen, genügt folgendes Schreiben des ersteren an die letztere, welches ich darum in seinem ganzen "Wortlaut reproduziere:

„Die kgl. Intendanz der italienischen Hofoper an die kgl. Hoftheater-Intendanz. Man hat die Ehre, die kgl. Hoftheater-Intendanz in Kenntnis zu setzen, daß Seine Majestät der König der italienischen Hofopern-Intendanz neuerdings für eine Vor- stellung das neue kgl. Hoftheater allergnädigst anzuweisen geruhet haben, und zwar für kommenden Mittwoch dem Sänger Herrn Velutti^) zu dessen Benefice über- lassen, welcher demnach am 31. März zu seinem Vorteil im neuen kgl. Hoftheater mit aufgehobenem Abonnement die Oper „Carlo Magno" geben wird. Die kgl. Inten- danz der italienischen Hofoper stellt das höfliche Ansuchen an die kgl. Hoftheater- Intendanz, ihr für diese Vorstellung mit der nötigen Komparsen- und Choristen- garderobe des neuen Hoftheaters freundschaftlich auszuhelfen, indem die italienische

') Givo. Batt. Velutti war einer der letzten in Deutschland noch wirkenden Castraten. Er war ebenso ausgezeichnet durch seinen umfangreichen prächtigen Sopran als durch seine enorme Virtuosität. Die Franzosen nannten ihn „le dernier Sopraniste celebre".

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Hofopern-Garderobe dermalen noch nicht so angewachsen ist, um auf dem neuen Hoftheater eine große Oper würdig in Szene setzen zu können; man bürgt der kgl. Hoftheater-Intendanz für jede Beschädigung. Unter einem (sie) stellt man noch höflich die Anfrage, ob die kgl. Hoftheater-Intendanz auch diesmal wie bei der Einnahme der Düi S c h i a s e 1 1 i die Tageskosten bestreiten, und sie dann dem Sänger Herrn Velutti gefälligst in Rechnung bringen wolle. Mit vorzüglicher Hochachtung verharrend. München, 27. März 1819. L. Bar. Priuli,

Chamb. d. S. Maj. le Roi de Baviere."

Mit ihrem noch immer mangelhaften Personal brachte die deutsche Oper in 1819 diesem Jahre nur vier Novitäten zu stände. Drei derselben: „Mahomet", roman- tische Oper von Peter Winter, welche am 28. März herauskam, „Die Brüder als Nebenbuhler", Singspiel in zwei Akten von demselben, welche am 20. Juli in Szene ging, und „Romeo und Julie", ernsthafte Oper in drei Akten von Zingarelli am 22. August gegeben, scheinen durchaus nicht gefallen zu haben. »Mahomet" und „Die Brüder" etc. erlebten nur je eine Wiederholung und „Romeo und Julie" keine. Von allen vieren, zu denen als letzte einzig brauchbare Boieldieus „Rotkäppchen" (12. Oktober bei beleuchtetem Hause) gehörte, war nur das Singspiel „Die Brüder als Nebenbuhler" eigentlich deutsch zu nennen. Denn die Opern von Zingarelli und Boieldieu waren selbstverständlich nur deutsche Übersetzungen, und Winters „Mahomet" war ursprünglich auf italienischen Text (für Mailand 1817) geschrieben. Daß Zingarellis „Romeo" gänzlich durchfiel, hatte vielleicht den entgegengesetzten Grund; was gab es einfältigeres, als italienische Opern deutsch zu geben, während man die beste Italiener-Gesellschaft allwöchentlich bewundern konnte! Kaum leuchtet aus einem solchen Repertoire ein gesunder Laienverstand hervor. Nur Boieldieus überaus anmutiges „Rotkäppchen" muß vollkommen eingeschlagen haben, indem es im selben Herbst noch zweimal wiederholt werden konnte; und blieb es bei dieser Zahl auch vorläufig im darauffolgenden Jahre, so hielt es sich auf der Münchner

Bühne bis in die 70er Jahre. Die damalige vortreffliche Besetzung war: Rudolf

Mitter mayr, Hugo Löhle, Jakob Staudacher, Röschen DM

Metzger, Nannette DMa Peßl, Waldbruder Hanmüller.

Abgesehen von diesem köstlichen Werk, welches sich erst später als wahrer Treffer erwies, stimmte die Wahl der übrigen Novitäten ganz und gar nicht zur gespannten Lage gegenüber der italienischen Oper, mit der es doch so gut wie möglich zu rivalisieren gegolten hätte. Diese aber hatte als glückliche Einweihung des Jahres und zwar gleich am Neujahrstag selbst das unerreichte Muster der modernen komischen Oper, den herrlichen „Barbiere di Seviglia" von Rossini gebracht und sich damit den Sieg über das deutsche Theater von vorne herein einwandlos gesichert, um ihn am Schlüsse des Jahres, durch die Aufführung von Fioravantis „Cantatrici villane" im Dezember, ebenso entschieden festzuhalten. Man denke sich die erhöhte Wirkung dieses Werkchens in italienischer Sprache, nachdem man es zuerst in einer jedenfalls holperigen deutschen Übersetzung gehört,

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die erfahrungsgemäß die Musik um ein gut Dritteil des Verständnisses beraubt. Aus der Reihe der acht übrigen Novitäten von den sechs italienischen Komponisten Coccia, Generali, Niccolini, Paccini, Rossini und Trento, hebe ich nur noch Rossinis „II Turco in Italia" hervor, welcher ebenfalls noch in Dezember zur Aufführung kam.

Die am 22. September 1818 getroffene Anordnung der Vorstellungen wurde schon in diesem Jahre mittels Entschließung vom 22. August dahin geändert, daß nunmehr vom 21. Oktober angefangen die drei wöchentlichen Vorstellungen des deutschen Theaters im neuen Hoftheater stattfinden und die unterm 20. Dezember 1818 suspendierten Logenkontrakte in Kraft treten sollten. Bei dieser Gelegenheit wird die Intendanz wiederholt verantworlich gemacht, mit der ihr bewilligten Etatssumme von 68000 fl. um so sicherer auszukommen, als die von ihr selbst anerkannten Vorteile aus dem neuen Hause ihrer künftigen Verwaltung zu Gute kämen, doch läßt Delamotte schon in einem Bericht über das Besoldungswesen vom 3. Oktober, in welchem die Notwendigkeit einer ziemlichen Aufbesserung des Ballets betont wird, starke Zweifel durchblicken, ob er mit jenem Etat auskommen könne.

Im Spätsommer dieses Jahres beginnen bereits, und zwar noch ehe Baron von Priuli offiziell zum Intendanten ernannt ist, die vom Finanzministerium von diesem Ernennungsakt gefürchteten Reibungen zwischen der italienischen und der deut- schen Bühnenleitung. Nachdem der Architekturmaler Quaglio, wie es scheint, auf Priulis Befehl und ohne Anfragen bei der deutschen Intendanz Farben zu Dekora- tionen der italienischen Oper aus dem Vorrat der deutschen Opernregie genommen, läßt es Delamotte in einer berichtlichen Erläuterung vom 6. August, worin er sich auf ein so zu nennendes Organisationsreskript für die italienische Oper vom Jahre 1818 beruft, an scharfer Beleuchtung, der wahrscheinlich tatsächlichen Übergriffe Priulis in Aneignung von Dekorationen, Garderobe, auch in Wochenlohn stehendem Per- sonal etc. der deutschen Oper nicht fehlen, und schließt seinen Bericht mit der Bemerkung, es sei der deutschen Theater-Intendanz nicht zuzumuten, daß sie auch noch das verbrauchte Material für eine Anstalt bezahlen soll, welche dreifach stärker fundiert sei als sie selbst auf diese Weise sei es wohl möglich, bei der Rechnung- stellung sich ohne Passive zu befinden, wenn nicht diesem glatten Rechnungsende noch die Frage entgegenstünde: nachdem die italienische Oper mit ihrer monatlichen Fundation (2000 fl. von der Staatskasse und 1600 fl. vom Kabinett) so glücklich geendet hat, warum hat sie für die Folge eine größere Fundation von monatlich 1400 fl. bedurft? Daß letztere Aufbesserung dem Finanzministerium keinerlei Be- denken einflößte, bekundete es mit einem Antrag auf Genehmigung derselben, datiert vom 11. September. Mit demselben Datum wird der Zentralstaatskasse eröffnet, daß sie auch das nächste Jahr 1820 dem Baron von Priuli die vierzehntausend Gulden zu bezahlen habe.

Mit 9. Oktober zeigt Priuli an: „Bei dem Entwurf des ernötigenden Geld-Fondes zur Bestreitung aller Ausgaben für die italienische Hofoper hat unterzeichnete Stelle auf die von einem hohen kgl. Finanzministerium angewiesenen und von der

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kgl. Hoftheater-Intendanz dann auch zugesagte Aushilfe des dienenden Personals des deutschen Hoftheaters für den Dienst der italienischen Oper gerechnet. Die kgl. Hoftheater- Intendanz hat jedoch erst unterm 8. d. Mts. folgenden Individuen (werden genannt) die Dienstleistung bei der italienischen Oper untersagt. Alle diese Individuen durften während der verflossenen sieben Monate, in welchen die italie- nische Oper statthatte, bei derselben Dienste leisten; nun aber ist unterzeichnete Stelle genötigt, sich an dem Platze der verweigerten Individuen andere, welche sodann wie bei dem deutschen Theater, für die ganze Woche bezahlt werden müssen, anzustellen, wodurch die Ausgaben für die italienische Oper sich nunmehr um Ein Tausend und mehrere Gulden während dieser acht Monate vermehren werden." Hierüber reicht nun Delamotte auf Anforderung eine lange rechtfertigende Note ein, muß jedoch schließlich nachgeben und die nötige Bedienungsmannschaft wieder stellen.

Gerade in diese Zeit der Scharmützel fällt, zu einer Deutung vielleicht nicht un- geeignet, die kgl. Entschließung:

„Wir finden Uns bewogen Unseren Kämmerer und St. Georgi-Ritter Ludwig Freiherrn von Priuli, welchem wir schon bisher die temporäre Leitung der italienischen Oper mit einem Gehalt von zweitausend Gulden übertragen haben, zu Unserm Intendanten des italienischen Theaters solange dieses Theater bestehen wird, allergnädigst zu er- nennen, wobei Wir demselben Unsere allerhöchste Zufriedenheit mit seinen bisherigen Diensten zu erkennen geben.

München 21. Oktober 1819. Max Joseph. König.

Zu notifizieren der königlichen Hoftheater- Intendanz und einzurücken in das allgemeine Intelligenzblatt. von Neumayr.

Wie sicher sich Delamotte, trotz dieser sprechenden Auszeichnungen seines Rivalen, auf dem eigenen Posten fühlte, geht aus dem Schreiben an das Kabinett hervor, welches er dieser Notifizierung in fünf Tagen folgen ließ: „Die gehorsamst unter- zeichnete Stelle hat, ihre Forderung an die italienische Oper für verwendetes Material von 417 fl. 19 Kr. betreffend, am 31. Juli d.Js. untertänigsten Bericht erstattet und hat ebenso auf den erhaltenen allerhöchsten Befehl am 6. August in dem nämlichen Betreff gehorsamst berichtet; da aber noch keine allerhöchste Entschließung darüber er- lassen, und von dem in einem ziemlich offiziellen Artikel der politischen Zeitung hoch- gepriesenen italienischen Intendanten noch keine Zahlung geleistet worden ist, so bittet die etc. Stelle, Euere kgl. Majestät wollen allergn. geruhen, dieser so sparsam erscheinenden Intendanz die Bezahlung dieses kleinen Postens an die noch sehr verschuldete deutsche Hoftheater- Intendanz anbefehlen oder doch mit demselben die bei dem obersten Rechnungshofe sich befinden sollende italienische Opern- rechnung von 1818/19 zum Vorteil der etc. Stelle belasten zu lassen."

Da der stichelnd allegierte Artikel der Münchener politischen Zeitung (Sonn- abend 23. Oktober 1819, Nr. 252) für uns reines Geschichtsmaterial ist, soll

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er hier folgen; die gesperrt gedruckten Sätze schließen allerdings eine direkte In- spiration seitens des italienischen Intendanten nicht aus:

München, den 20. Oktober. Nach viermonatlichen Ferien wurden am verflossenen Freitag die italienischen Opern mit der Vorstellung der komischen Oper „La colpa emendata dal Valore" wieder eröffnet. Die Musik von Paccini ist lebendig und erheiternd, der Komponist hat sich Rossini zum Muster gewählt, hinter welchem er aber, wie jede Kopie hinter dem Originale, zurückbleibt. Die italienische Hofoper bereitet uns neben vielen Genüssen, die wir ihr verdanken, auch noch die Neuheit rücksichtlich ihrer engagierten Mitglieder. So zählen wir in diesem Jahre unter den neu acquirierten Individuen Herrn Zamboni, der seit einer Reihe von Jahren in Italien als der erste und beste Buffo berühmt ist. Er trat in genannter Oper zum erstenmal vor uns auf. Er ist ganz, was die Italiener so nennen, ein Buffo nobile, und hat alle Eigentümlichkeiten seines Charakters mit Feinheit und origineller Behandlung des Komischen gegeben. Der Beifall unseres Publikums, dessen Sinn für wahre Kunst durch Anschauung so vieler guter Muster, die fremd oder einheimisch ihm Stoff zur Beurteilung geben, nicht anders als höchst ausgebildet sein kann, wurde Herrn Zamboni auch im ersten Augenblick zu Teil, hatte aber den höchsten Grad in der von ihm meisterhaft gespielten Szene im zweiten Akt erreicht, wo er nämlich den Kontrast der Hinfälligkeit eines Invaliden im Vergleich mit den Tagen seiner Kraft heraushebt und bei dieser Gelegenheit seine in einem Gefechte mit den Türken einstmals bewiesenen Heldentaten auf eine höchst malerische Weise erzählt.^) Das Publikum hatte ihn mit stürmischen Bravos hervorgerufen. Herr Ranconi, welcher für Väterrollen eine vortreffliche Acquisition ist, kann als Singemeister für unsere Stadt von großem Vorteil sein, da er sich in Italien als solcher einer ausgezeich- neten Anerkennung erfreute. HerrZucholi ist Anfänger, betrat an jenem Abend zum erstenmal die Bühne und verriet sehr viele Anlagen. Seine Baßstimme hat viel Umfang in der Höhe, Aus- druck und eine gute Schule usw. Soviel von den neu engagierten Mitgliedern. Herr Rubini erntete mit seinem lieblichen Gesänge, besonders in sdner Arie im zweiten Akte, den rauschendsten Beifall und es war wieder ein hoher Genuß für uns, eine so schöne aber auch zugleich ausgebildete Tenor- stimme nach langer Pause zu hören. Auch Herr Santini wurde mit Beifall gehört, doch können wir nicht umhin, diesem trefflichen Sänger für sein Spiel in dieser und ihr ähnlichen Rollen mehr Noblesse zu empfehlen.^) Unparteiische Kunstfreunde, zu denen Referent sich immer zählte, erkennen die mehrjährigen Leistungen der italienischen Oper mit der größten Offenheit an. Gewohnt, beinahe jeden Monat eine neue Oper, jedes Jahr neue Mitglieder zu sehen, muß man über dies alles erstaunen, wenn man die geringen Mittel damit vergleicht, welche der kgl. italie- nischen Hofopernintendanz zu Gebote stehen. Sie bezog für sieben Monate imjahre vom Staate nicht mehr als 14000 fl., zu welcher Summe das Kabinett noch einen Zu- schuß von 11250 0. erteilte, und dann hat sie nichts mehr als die Einnahme, welche die Vorstellungen tragen, deren in jeder Woche eine stattfindet (was soll sie denn noch haben?) Daß letztere nicht immer sehr reich ausfällt, liegt in dem Umstände, weil die italienische Oper kein National-Spektakel ist. Und doch bestreitet sie alle ihre Bedürfnisse, doch bezahlt sie ihr Personal, ihre Kaufleute, Arbeiter usw. (bis auf

■) Wie noch jetzt, war von jeher ein durchdachtes und routiniert ausgeführtes Spiel eine starke Seite der italienischen Opernsänger, und es gelang ihnen dadurch oft, selbst die oberflächlichste Musik zu einer Wirkung zu bringen, die ihr kein Deutscher ansehen würde. ") Dieser leichte Tadel bemäkelt vielleicht gerade jenen hervortretenden Charakterismus, eine gewisse derbe Ur- wüchsigkeit des hochberühmten Basso profondo, womit derselbe später, als er in der deutschen Oper öfters gastierte, jene ergreifenden dramatischen Wirkungen hervorrief, von welcher mir noch ein Ohrenzeuge, Xaver Pentenrieder, erzählte. So habe er in der Kirchhofsszene im Don Juan als Leporello mit dem „Herr, was ist nun zu sagen!", wobei er wie besessen und zähneknirschend an die Rampen stürzte, einen wahren Schrecken im Publikum hervorgerufen, als ob wirklich die Statue ihr Ja gesprochen hätte.

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diejenigen, die sie nicht bezahlt) mit einer Genauigkeit, die alles aufmuntert, ihre Dienste j

ihr anzubieten. Es ist nicht schwer, der Lobredner einer Sache zu sein, die sich '

dem Auge jedes Unbefangenen beim ersten Blicke von selbst empfiehlt. Es gehört '

freilich strenge Ordnung und eine tätige und in ihrem Kalkül scharfsinnige Inten- '

danz dazu, um mit Mitteln, die oben angegeben sind, ein Personal zu erhalten, wie '

es die ersten Bühnen Italiens wohl nicht auserlesener besitzen. Wir hatten voriges '

Jahr zugleich eine ausgezeichnete Opera seria neben der Opera buffa, und Velutti kam zweimal !

hieher, um uns mit seinem ebenso kunstreichen als gefühlvollen Gesänge zu entzücken. Die ; Intendanz bestritt sein Engagement und das einer eigens für die Opera seria „skritturierten" Prima- donna, sowie eines ersten Tenors. Und die Opera buffa zählte die Damen Schiasetti und Valsovani, den Tenoristen Rubini'), den Bassisten Santini unter ihren ausgezeichnetsten Mitgliedern. Die

Intendanz bestritt noch dazu die Kosten zur Reise ihres Regisseurs, um einige der j

Genannten in Italien zu acquirieren. Haben uns von den oben angeführten Mitgliedern jetzt j

wieder mehrere verlassen, so besitzen wir, vorzüglich in der Signora Schiasetti, in den Herren 1

Zamboni, Rubini, Vecchi, Santini, Corbetta und Zucholi ein Personal, welches in Verbindung i

mit einer Primadonna, die täglich erwart et wird, ganz dazu geeignet ist, in komischen '

und halb ernsten Opern uns die abwechselndsten Genüsse zu verschaffen. |

Während Delamotte, wie schon erwähnt, in einem Bericht über den Besoldungs- 1820. etat vom 3. Oktober 1819, in welchem u. a. an Stelle des bereits im vierundfünfzigsten Dienstjahr stehenden Cruce die Anstellung Taglionis als Ballettmeister mit 3600 fl.

Besoldung beantragt wird, die Möglichkeit, mit dem neuen Etat von 68000 fl. auszu- |

kommen, in Zweifel gezogen hatte, bringt die Feststellung des Etats, datiert 25. Ja- | nuar 1820, als ersten Paragraphen, daß jene Zuschußsumme als unübersteigliches

Maximum auch für das laufende Etatsjahr 1819/20 ausgesprochen und die Intendanz i

für jede Überschreitung verantwortlich und selbsthaftend ein für allemal erklärt '

wird (!). Noch unangenehmer als diese Erklärung wird dem Intendanten folgende j

direkt gegen ihn gerichtete Maßregel gewesen sein; I

Durch Reskript vom 18. März wird mit der Motivierung, daß bei dem bereits !

auf 68000 fl. erhöhten Zuschüsse bedeutende Defizits als Theaterschulden neuerdings i

zu übernehmen und auf die Staatskasse zu überweisen waren „um einerseits j

diesem Übelstande Schranken zu setzen, andererseits in der Erwägung, daß die Er- Weiterung, welche die Kunstanstalt durch den Bau eines neuen Hoftheaters erhalten

hat, zu der Rücksicht auffordert, die auch artistisch gesunkene Bühne wieder

zu ihrer Bestimmung und der ihrer Erweiterung angemessenen Würde

zu heben zum Zweck ökonomischer und artistischer Kontrolle ein Intendanzrat ' in der Person des bisherigen Regierungssekretärs (Isarkreis, Kammer des Innern) Joseph Stich mit lOOOfl. Besoldung ernannt; der Ökonom Wallinger wird pensioniert und an seiner Stelle ein Offiziant mit 600 fl. angestellt". Somit erlebte Delamotte

das gleiche Schicksal wie jenes, welches durch seine Ernennung zum Ökonomierat i

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») Ob dieser Künstler identisch mit dem später weltberühmten Giov. Batt. Rubini ist, welcher ]

in Paris als Ottavio in der B-dur-Arie mit seinem den Violinen abgenommenen Triller auf a b dem j Publikum den ganzen Don Juan vergessen machte (in Wien soll es fast ebenso gewesen sein), weiß

ich nicht zu sagen; doch spricht dafür die Wahrscheinlichkeit, da er 1795 (zu Romano bei Bergamo) 1 geboren ist, und wenn ihn sein Impressario Barbaja in Neapel losließ, wohl zu der in Rede stehenden

Zeit nach München gekommen sein kann. I

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seinem Vorgänger Babo bereitet worden war. Die von ihm 1816 bis 1818 ge- machten Theaterschulden im Betrage von 49822 fl. werden mittels Entschließung vom 26. Februar an der Zentralstaatskasse zu sukzessiver Bezahlung übernommen. Außerdem geht aber aus Akten dieser Behörde vom August 1820 hervor, daß Delamotte dem Isartor-Theater, welches nicht auskommen konnte, da ihm sein jähr- licher Zuschuß von 9000 fl. in den Jahren 1817 18 und 1818 19 nicht ausbezahlt wurde, aus der Hoftheaterkasse einen Vorschuß von 13517 fl. gegeben habe, die dann von der Zentralstaatskasse hätten wieder übernommen werden sollen, was ihm aber nicht genehmigt wurde.

Etwas ominös trat der Intendanzrat Stich seinen Dienst am 1. April an. Am 5. des- selben Monats wurde als Offiziant für den untergeordneten Ökonomiedienst ein gewisser David Steiner aus Memmingen, der Buchführer bei Lorcy und Krempl- huber war, installiert.

Lange hat auch Delamotte seine Überwachung durch einen Nachfolger nicht ertragen. Ein Blutbrechen, welches ihn vielleicht infolge der widerfahrenen (von ihm gewiß unerwarteten) Kränkung etwas eher überfiel, als es andererseits in nicht unnatürlicher Folge beständiger, meist selbst aufgehalster Sorgen und Aufregungen, ja eines martervollen Lebens, hätte schließlich doch kommen müssen, versetzte ihn plötzlich in die Lage, mit ärztlichem Attest um Urlaub (15. April) einzukommen; am Tage darauf machte der Intendanzrat Stich die Anzeige, daß er wegen Erkrankung des Intendanten ordnungsgemäß die Führung der Geschäfte übernommen habe; am 22. April erfolgt die Genehmigung des Urlaubs des Intendanten und am 5. August bedankt sich dieser dafür und bittet zugleich, sich jetzt aufs Land und später in ein milderes Klima begeben zu dürfen, was am 8. August vom König genehmigt wird.

Welchen besonderen Umständen der Regierungssekretär Stich seine Wahl zum Intendanten, vorläufig zum Intendanzrat, zu danken hatte, von der man sich eine „Hebung der artistisch gesunkenen Bühne" versprach, ist in tiefes Dunkel gehüllt. Grandaur sagt in seiner Chronik [S. 90], Stich habe sich wie man erzählte bei einem Liebhabertheater in Ingolstadt vorteilhaft hervorgetan. Daß er die löb- liche Absicht hatte, namentlich die Oper auf ein besseres Niveau zu heben,') geht aus seinen diesbezüglichen Vorstellungen und Anträgen hervor, auf die wir kommen werden, und sein Vertrauen aufsein Talent machte ihn so sicher, daß er im Anfang seines Regimes nicht übel Lust zeigte, als Reformator aufzutreten; aber wir werden sehen, zu welch kläglichem Ende diese Selbstüberschätzung in nur allzu kurzer Zeit geführt hat. In seinen Engagements war ihm das Glück günstig, denn er gewann, noch als Intendanzrat, im Jahre 1820 (außer dem großen Eßlair für das Schauspiel) die Katharina Sigl (später Sigl-Vespermann) für die Oper. [Noch im gleichen Jahr legte er in seinen Etatsberichten dem König die bedenkliche Lage der deutschen Oper dringend nahe, und forderte zu ihrer Hebung gegen die Konkurrenz der italienischen Oper eine Vermehrung des Personals und größere Abwechslung im Repertoire.] Eine Änderung auf dem Gebiete der Oper, welche noch unter Delamottes

[') Vergl. auch Reipschläger, S. 120ff.]

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Regime vor sich ging, war zum Erstaunen gewiß jedes Lesers spät genug! die mit 1. April^) vollzogene Errichtung eines eigens engagierten Singchors. Bis dahin hatte nämlich der „Oberchorist" die hiezu nötigen Kräfte aufzutreiben und einzustudieren; außerdem mußten die für zweite und dritte Fächer enga- gierten Mitglieder im Chor mitsingen [Grandaur, Seite 91].

Teils noch von Delamotte angeordnet, teils schon unter die Amtsvertretung Stichs fallend, brachte die Oper in diesem Jahrgange folgende acht Novitäten: „Der Sänger und der Schneider« von Peter von Winter am 20. Januar; „Nachtigall und Rabe«, Oper[ette] in einem Akt von Weigl am 24. Mai; „Die wandernden Komödianten«, komische Oper in zwei Akten von Fioravanti am 4. August; „Die Alpenhütte«, Einakter von Konradin Kreutzer am 20. August; „Heinrich IV. zu Givry«, Oper in zwei Akten, Gedicht von Sendtner, Musik von Hartmann Stuntz am S.September; „Die Verwechslung«, Singspiel in einem Akte, Dichter und Komponist nicht genannt (!) am 22. September; „Adelaide und Comingio«, musikalisches Drama in zwei Akten nach dem Italienischen, Musik von Paccini und „Floresca", ernst- komische Oper in zwei Akten von Soliva (in deren Titelrolle DL^ Sigl debütierte) am 26. November. „Der Sänger und der Schneider« war das letzte Bühnenwerk, welches der greise Winter schrieb, und zwar für München, wo es sehr gefiel und noch im Jahre 1843 neu einstudiert wiedergegeben worden ist.') Daß man die „Wandernden Komödianten« (I virtuosi ambulanti), wie so viele italienische Opern jener Zeit, in deutscher Übersetzung gab, sobald nur eine vorhanden war, ist im allgemeinen wohl auf die damals schon fühlbare Ebbe in der Produktion brauchbarer deutscher Opern, in München zum Teil auch auf das bereits vermerkte törichte Rivalisieren mit der nun wieder ständigen italienischen Oper zurückzuführen, das von vornherein zu keinem Sieg führen konnte. Nur gute deutsche Opern, ob alt oder neu, hätten in entsprechender Besetzung mit den stets exquisit gegebenen, aber meistens bedeutungslosen italienischen Opern rivalisieren können. Von den übrigen fünf Novitäten ist nur „Heinrich IV. zu Givry« insofern bemerkenswert, als diese Oper sicher das dramatische Erstlingswerk des später als bayerischer Hof- kapellmeister hochangesehenen Hartmann Stuntz (eines Klassikers des deutschen Männergesanges) war, der unter anderem auch das berühmte Walhalla-Lied ge- schrieben hat. Mit seinen Opern hatte er durchaus kein Glück, denn obwohl Schüler Salieris und von diesem in den Stil Glucks eingeweiht, gebrach es ihm gerade an des letzteren hauptsächlicher Stärke, einen dramatisch wirksamen Stoff zu finden und dessen textliche Bearbeitung als Musiker leiten zu können.

Die Fortsetzung der italienischen Oper ward vom Ministerium auch in diesem Jahre in bisheriger Weise beantragt, wenn sie nicht mehr als 14000 fl. ex aerario

1) Obwohl, oder gerade weil diese Neuerung mit der Installierung des Intendanzrates Stich auf diesen 1. April zusammenfällt, dürfte der Gedanke, daß dieselbe der Initiative des letzteren zuzu- schreiben sei, ausgeschlossen sein. [^) Partitur im Opernarchiv des k. Hoftheaters. Das Buch demonstriert die Macht des Gesanges. Der Sänger Cavatini bringt den Schneidermeister Stracks, einen Musikschwärmer, durch eine Arie dahin, seine Tochter dem Diener Sacchini zur Frau zu geben.]

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beanspruche, und so wird dieselbe nun von Jahr zu Jahr, da Graf von Lerchen- feld die Ausgabe aus dem Finanz-Reservefond immer leicht bestreiten kann, weiter dekretiert. Novitäten gab es in diesem Jahre acht, darunter drei von dem bereits auf seinem Triumphzug durch Europa begriffenen Rossini, und unter diesen eine seiner berühmtesten Opern: „La Gazza ladra" (Die diebische Elster)^), auch zwei italienische Opern von deutschen Komponisten: „Emma di Resburgo", ein Jugend- werk Meyerbeers, und „La Rappressaglia" (die Wiedervergeltung) von Poißl sind darunter. [Poißls Oper hat denselben Text, wie die von Stuntz für Mailand komponierte „Rappressaglia".] (Daß damals eine Masse deutscher Musiker, wie Weigl, Gyrowetz, Meyerbeer, Lindpaintner, Poißl, Stuntz, Aiblinger und viele andere noch mit Vorliebe italienische Opern schrieben, ist ein musikgeschichtlich nicht sehr erhebendes, aber durch die Verhältnisse erklärtes Charakteristikum der Zeit.)

Bezüglich des seiner Vollendung seit der Eröffnung der Bühne etwas langsam entgegenschreitenden Ausbaues des neuen Hoftheaters ist hier noch nachzuholen, daß die Kosten für die nach der Bühneneröffnung noch herzustellenden Teile des Portikus und der Fassade, der Vorhalle und des Vestibüls, der Treppenhäuser, Nebensäle des kgl. Salons, des Logenhauses, der Bühne, der beiden Garderobe- flügel etc. laut Bericht der Theaterbaukommission vom 15. Januar 1819 in Summa summarum noch auf 130418 fl. veranschlagt waren.

Am 12. Februar (1820) berichtet die Baukommission: „Baurat und Professor von Fischer ist nach einer vorausgegangenen langwierigen Krankheit gestern nachts zwischen elf und zwölf Uhr mit dem Tode abgegangen."^) Hieran nimmt der Vorstand der Baukommission, Ministerialrat von Plank, Anlaß zu beantragen, daß l.die bisher bestandene Theaterbaukommission aufgelöst, 2. der Unterhalt des schon bestehenden Baues sowohl als die fernere Fortsetzung desselben, jedoch genau nach den bestehenden Planvorlagen, der kgl. Hofbauintendanz (Leo von K lenze) unterstellt werde. Nebenbei schlägt Plank vor, den vortreff- lichen und in alle Geheimnisse des Baues allein eingeweihten Bauzeichner Weiß der Hofbauintendanz als Beamten einzuverleiben. Er selbst bittet bei diesem Anlaß zurücktreten zu dürfen. Diesem Antrag wird nach seinem vollen Umfange mittels zweier Entschließungen an demselben Datum, 12. März 1820, stattgegeben: „Durch die erste wird die bisherige Hoftheaterbaukommission unter Eröffnung allerhöchster Zufriedenheit aufgelöst, dem Vorstand v. Plank und dem Hofbau-InspektorThurn für besondere Auszeichnung in ihren Funktionen jedem eine Remuneration von 500 fl. ausgesprochen; gemäß der zweiten hat die Hofbauintendanz das neue Theater- gebäude auf ihren Kataster zu übernehmen und die Fortsetzung, eigentlich letzte

[') In dem zweisprachigen Textbuch aus dem Jahre 1819 (München, bei F. S. Hübschmann) sind u. a. die Damen Depaoli (als Lucia), Albertini (als Ninetta), Schiasetti (als Pippo) und die Herren Corbetta (als Fabrizio Vingradito), Vecchi (als Gianetto), Zamboni (als Fernando), Santini (als Gottardo) ge- nannt.] — '') Der verdienstvolle Mann wird wohl den beständigen Aufregungen, welche ihm der langwierige Werdeprozeß seines Werkes, verbunden mit Kränkungen und Sorgen, bereitete, erlegen sein. Er sollte die Eröffnung desselben nicht erleben; s. auch L. Malyoth „Ein vergessener Baukünstler Münchens", Allgemeine Zeitung Nr. 42 u. 43 (Oktober 1918).

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Vollendung dieses Baues an der Front und, sobald tunlich, an den Seitenflügeln, wobei sie sich genau an den sanktionierten Bauplan zu halten hat, zu besorgen. Das ganze spezifizierte Bauinventar wird der Hofbauintendanz extradiert; der j

Bauzeichner Weiß ist unter die Beamten derselben einzureihen. Vor seinem Aus- scheiden am 8. April hat Ministerialrat von Plank noch ausgerechnet, daß mit Umgehung der früher aus den Zuschüssen der Aktionäre etc. bestrittenen Kosten, wofür die Rechnungen der Intendanz und des Bankier Straßburger Ausweis geben 1

müßten , die von der Zentralstaatskasse für den Bau verausgabten Summen zu- sammen 1,335,230 fl. 11 Vi Kr. betrugen, und dabei war, wohl gemerkt, für den mit- ; projektierten südlichen Flügel, das Redouten- und Konzerthaus, noch kein Fuß Erde ausgegraben, auch war es selbstverständlich mit jener Summe noch lange | nicht abgetan. !

So hatte sich das zweite „Aktien-Unternehmen" des Intendanten Delamotte |

gestaltet. |

Im Jahre 1821 ging es mit seiner öffentlichen Tätigkeit definitiv zur Neige. Als 1821 i Aufenthalt in einem „milderen Klima" hatte er unterdessen Paris gewählt. Von dort aus suchte er (3. Januar) um Enthebung von den Intendanzgeschäften unter Bei- behaltung seines Ranges und vollen Gehaltes nach, was ihm beides durch Reskript j vom 13. Januar genehmigt wurde. Das eingangs dieses Kapitels über den Charakter dieses Mannes Gesagte wird der Leser im Verlauf desselben gerechtfertigt gefunden , haben; besonders sprechende Belege dafür sind die Rollen, die er in den beiden i von ihm eingeleiteten Theaterbauten zu spielen wagte. Daß der Bau des großen Hof- theaters, welches trotz allen späteren Kunstbauten des großen Königs Ludwig I. 1 noch heute zu den monumentalsten Besitztümern der Stadt München gehört, min- | destens in zweiter Linie ihm zum historischen Verdienst angerechnet werde, hat er dadurch verscherzt, daß er seine im Anfang zur Überstürzung treibende Tätigkeit ; von dem Moment an, wo die Sache schief zu gehen schien, ohne Rücksicht darauf, was aus der „neuen Ruine" werden soll, hartnäckig zurückzog , wofür ihm auch das Finanzministerium die verdienten Wahrheiten sagte. Zu welch beschämendem Byzantinismus er sich hinwiederum erniedrigen konnte, und wie er es verstand, \ seinem gutmütigen Monarchen sich als unschuldig verfolgten Märtyrer hinzustellen, \ davon gibt das Danksagungsschreiben für seine generöse Enthebung (Paris, 7. Ja- nuar 1821) ein trauriges Zeugnis. Einiges daraus mag genügen:

Ich habe seitdem oft versucht, die heilige Pflicht des Dankes zu erfüllen, allein so sehr j

ich auch geglaubt hatte, mich gesammelt zu haben, so zitterte die Hand, und ich mußte dankbar j

weinen Eure k. Majestät haben, geleitet von Ihrem göttlichen Willen, Menschen zu beglücken, ^

und mit der Gewalt versehen, dem Rufe Ihres Herzens folgen zu können, viele, recht viele Menschen j

sehr glücklich gemacht; allein ich kann behaupten, daß ich der glücklichste unter allen bin, weil ]

ich der unglücklichste unter allen war Eure k, Maj. haben mich also sehr hoch beglückt, und

diese Erkenntnis wird ewig in meinem dankerfüllten Herzen leben; sie kann aber die Anhänglichkeit 1

und Liebe für Ihre Allerhöchste Person nicht vermehren, denn diese haben längst den höchsten !

Grad erreicht für meinen einzigen Königlichen Beschützer gegen alle, mir so oft angedrohte und j

gewiß nicht verdiente, Übel. Mein einziges Bestreben in meiner glücklichen Zukunft wird sein, \

meinen Feinden zu verzeihen etc." j

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Als er aber erfuhr, daß durch ministeriellen Antrag (vom selben 13. Januar) die Besoldung von 1200 fl., welche er als Intendant des Vorstadttheaters am Isartor ab 1814 jährlich selbst in Rechnung gebracht hatte, mit der Begründung gestrichen wurde, daß diese Besoldung schon durch ein Reskript vom 5. August 1818 als bloße Funk- tionszulage, die bei jeder Veränderung zu erlöschen habe, erklärt worden sei, begann der ungerecht Verfolgte darüber Streit mit dem Fiskus, den er dann im November 1821 beim Appellationsgericht wegen Vorenthaltes der bei dem Isartortheater bezogenen 1200 fl. verklagt. Da sich der Prozeß aber ungünstig für ihn wendet, fleht er wieder demütig die Gnade des Königs an. Der Schlußsatz seiner diesbezüglichen Eingabe

heißt: „Diese Rechtssache ist zu einer reinen Gnadensache geworden Was

E. K. Maj. auszusprechen geruhen werden, sei es noch so wenig, ich werde es als eine große Gnade erkennen, mich dankbar dabei beruhigen und also sogleich die Gerichtsstelle in Kenntnis setzen, daß kein Rechtsstreit wegen meiner Person weiter obwaltet" etc. Der allzeit gütige König signierte darunter: „Ich wünsche, daß nach dieser Erklärung für Delamotte eine verhältnismäßige Entschädigung ausgesprochen wird."

Im Personalakte des Intendanzrates und späteren Intendanten Stich fand ich folgende Daten seines Vorlebens: Derselbe wurde am 30. Juni 1806 vom Archivs- gehilfen in Ulm zum Landesdirektionssekretär daselbst ernannt, bald darauf als Kreisregistrator am Landeskommissariat des Innkreises nach Innsbruck versetzt, diente seit 1814 als Hauptmann im Freiwilligen Jägerbataillon des Illerkreises, erhielt als solcher am 9. Januar 1816 seine Entlassung, supplizierte dann wiederholt um Reaktivierung oder um Wiederverwendung im Staatsdienste und erhielt einstweilen eine Funktion als Sekretär am kgl. General-Kommissariat des Isarkreises zu München. Von letzterer Stellung ward er zum Intendanzrat des k. Hoftheaters berufen (!).

Ein gewisses Finanztalent, soweit es nämlich für sein persönliches Bedürfnis aus- zureichen hatte, mochte auch er durch eine stattliche Reihe von wohlmotivierten Eingaben um Gehaltsaufbesserung, die seinen Personalakt füllen, bekundet haben. Daß es ihm in seinem neuen Amte nicht ausreichte, und er für dasselbe, alles in allem genommen, noch viel weniger als sein Vorgänger geeigenschaftet war, werden uns die Tatsachen eilig lehren.

Dem Dekret, welches seine Anstellung zum Intendanzrat enthielt, waren Instruk- tionen beigegeben, durch welche die Kompetenzverhältnisse zwischen dem Inten- danten und ihm aufs vorsichtigste geregelt waren. In denselben erging an beide Beamte die Mahnung, gemeinschaftlich darüber zu wachen, daß die für die könig- lichen Theater, also auch für das Isartortheater, bewilligten Zuschußsummen durchaus, bei persönlicher Haftung, nicht überschritten, sondern mit diesen und den eigent- lichen Einnahmen dieser Theater dieselben in gutem Zustande, zur Befriedigung der gerechten Anforderungen des Publikums erhalten werden. Die letzten Bestimmungen lauten: „Es wird den Beiden hiemit aufgegeben, über das bestehende amovible Personal des Theaters, und dessen Qualifikation, mit motivierten Anträgen über künftige Beibehaltung oder Entlassung gemeinschaftlichen Bericht unverzüglich zu

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zu erstatten, da es nur durch Beschränkung des Überflüssigen und Unnützlichen hierin möglich gemacht wird, den ausgezeichneten Individuen nach Umständen verhältnis- mäßige Gehaltsverbesserungen zu bewilligen." In artistischer Hinsicht, vorzüglich bei der Wahl neuer Individuen, neuer Stücke, AnschaflPung neuer Dekorationen etc., wird die Intendanz^durch einen beiratenden Ausschuß von Schauspielern und Sängern welcher erneuert werden soll unterstützt werden, ohne dessen Verhörung und Beirat hierin nichts berichtet, noch weniger beschlossen werden soll. Aus dieser letzten Maßregel ist zu ersehen, daß das Vertrauen, welches man in artistischer Richtung auf die beiden Herren setzte, kein allzu großes war. Das Mißtrauen gegen Delamottes Verwaltung hatte aber seine Bestätigung in einem am 4. April (1820) plötzlich verhängten Kassasturz unter kontrollierender Ver- gleichung der bereits vorgelegten Theaterrechnungen, verbunden mit einer peinlichen Revision aller Dekorations-, Garderobe- und Requisitenstücke durch einen eigens dazu aufgestellten Kassasturz- und Extraditions- Kommissär erhalten, worin auch Kasse und Inventar des kgl. Hoftheaters am Isartor mit einbegriffen waren. Ob wohl Intendanzrat Stich, welcher zu diesem Akte gemeinschaftlich mit dem Chef beigezogen war, auf diese Weise einen Begriff vom Ernste seiner Lage erhielt? Notwendig wäre es wohl gewesen, denn im Anfang scheint er seine Stelle sehr sorglos aufgefaßt zu haben. Das erste, womit er sich offiziell bemerkbar machte, war folgende Eingabe an den König: „. . . Nachdem E. k. Maj. durch allerh. Reskript vom 18. Mai d. Js. mich zum Intendanzrat bei den k. Hoftheatern zu ernennen geruht haben, so wage ich es nunmehr, die gehorsamste Bitte um die besondere allerh. Bestimmung meines Rangverhältnisses in der Klasse der Staatsdiener und der mir gebührenden Uniform in jener allertiefsten Ehrfurcht zu stellen, worin ich ver- harre etc. Jos. Stich, Intendanzrat. " Also Rang und Uniform waren seine ersten Sorgen. Das Finanzministerium befürwortet hierauf Rang und Uniform eines Re- gierungsrates, was mit 12. Mai genehmigt wird. Desto ernsthafter rechnete das Ministerium auf seine Tatkraft als Verwaltungsbeamter. Da das zweite Hoftheater am Isartor sich bereits „in einem Zustande des Verfalles befand, in welchem es, wenn nicht seine gänzliche Auflösung herbeigeführt werden soll, nicht mehr länger belassen werden kann", so wird, um diesem Theater eine neue Stellung und Ein- richtung zu geben, durch Entschließung vom 29. September dem Intendanzrat Stich versuchsweise auf ein Jahr die „obere, ausschließende und unabhängige Leitung" dieses Theaters mit Vorstandstitel ohne Gratifikation (welche eingezogen wird) und gegen den bloßen Bezug seiner statusmäßigen Besoldung übertragen (sein übriges Dienstverhältnis bleibt dabei das nämliche).

Nach dem definitiven Ausscheiden Delamottes wurde Stich nicht sofort zum Intendanten ernannt, sondern ihm, da er die Stelle seit Delamottes Krankheit, „bereits ein halbes Jahr lang zur Zufriedenheit versieht, und das Nebentheater am Isartor seiner Aufsicht und Leitung ohnehin bereits ausschließend unterstellt ist", die Versehung der Hoftheater-Intendanz provisorisch gegen Bezug einer jähr- lichen Gratifikation von 500 fl. übertragen, (wobei ihm selbstverständlich seine

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statusmäßige Besoldung von 1600 fl. blieb). So war nun Stich, nachdem er zehn Monate zuvor noch den Aktenstaub in einem untergeordneten kgl. bay. Bureau geschluckt, durch kurze Entwicklungs-Etappen hindurch zum Herrn und Gebieter in drei kgl. Theatern emporgeschritten, zum unumschränkten, wenn nicht ein hohes Finanzministerium den süßen Allmachtstraum verscheuchte. Und daß dies geschah, war gut für ihn. Denn durch die meisten der von ihm herrührenden Schriftstücke geht ein Zug des Selbstvertrauens, welches zwar die erklärliche Folge seines von ihm wohl am wenigsten erwarteten schnellen Emporkommens war, aber eben des- wegen eingedämmt werden mußte, wenn er sich nicht zum Größenwahn entwickeln sollte. Vor letzterem bewahrte ihn nebst dieser unerbittlichen Bevormundung vor- läufig ein ganz außerordentliches persönliches Pech, welches ihn im Gegensatze zu seinem Vorgänger, dem das Verwegenste ungestraft durchging überall und bei allem, was er nur anrührte mit rührender Treue verfolgte. So brach er sich denn schon nach zwei Monaten seiner Intendanzverwesung, als er sich vom Hof- theater ins Isartortheater begab, das linke Wadenbein und mußte den König um Geld für Fuhrlohn bitten, wobei er allerdings eine „überhauptige Unterstützung" von 150 fl. und zugleich zwei Pferderationen (aus der Regie des Isartortheaters) herausschlug. Dann mußte gerade er es sein, unter dessen Regime, ohne daß ihm eine direkte Schuld nachgewiesen werden konnte, das neue große Nationaltheater von Grund aus abbrannte, bevor es ausgebaut war. Endlich war er nach seinem baldigen Sturz, dessen Gründe er gar nicht einzusehen vermochte, noch der gefoppte Gläubiger zweier Bühnenmitglieder, denen er als „guter Kerl", wie wir zu sagen pflegen in den Tagen des Glanzes mit Darlehen ausgeholfen hatte. Diese wenig einträgliche, aber Mitgefühl verdienende Eigenschaft ward wieder verdunkelt durch eine wahr- lich unverfrorene Neigung zu fortwährenden Bittgesuchen in seinem persönlichen Interesse, welche Delamotte mit bester Wirkung schlau zu vermeiden gewußt hatte, mochte es sich dabei um neue Fuhrlöhne und Pferderationen, Überlassung einer Stallung, Präzisierung von Rang, Titel und Uniform handeln. Gleich nach Antritt seines Amtes als Intendanzverweser kehrte er übrigens eine Seite vor, durch die er sich von seinem ganz im Materiellen aufgehenden Vorgänger sogar sehr vorteil- haft unterschied, ein sichtliches Interesse am Stande der Oper und ihres Personals. In einer Erinnerung an die kgl. Staatsbuchhaltung der Finanzen heißt es: „Mittermayr, welcher 1500 fl. Gehalt bezog, wurde zu 300 fl. ständiger Zulage mit der Bemerkung begutachtet, daß er dafür die Direktion des Chores zu übernehmen habe, der bei der hiesigen Bühne sehr heruntergekommen ist." (Diese Maßnahme beweist jedenfalls eine musikalische Einsicht und einen guten Willen Stichs, wofür ihm die Münchner Bühne zu Dank verpflichtet ist); „Staudacher, welcher 800 fl. bezieht, wurde mit 500 fl. Zulage begutachtet, die er hinsichtlich seines ernsten Strebens zur Vervollkommnung seiner Ausbildung, sowie wegen seines Fleißes wirklich verdient." Über das Löhlesche Ehepaar besagt der Bericht: „Die Sängerin Löhle bezog bisher 1000 fl., die Intendanz bringt solche unter den Heimfällen in Abgang, indem sie bemerkt, daß Löhle als Sängerin und Schauspielerin

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sehr unbedeutend und ganz entbehrlich sei:') da sie aber lebenslänglich mit ihrem Manne angestellt wäre; so sei ihr Gehalt demselben zuzuteilen und auf die Hof- musik-Intendanz zu übertragen, da Löhle als Kapellsänger keine Besoldung beziehe und daselbst alle Kirchendienste mit wesentlichem Nutzen leiste.

Auch gegenüber der Musikalischen Akademie erwies sich Stich einsichtsvoll und entgegenkommend. Als dieselbe durch Immediateingabe vom 18. Januar um Freigabe der Beleuchtungs- und Beheizungskosten für ihre seit 1818 vom Redouten- hause ins neue Hoftheater verlegten Konzerte nachsuchte, befürwortete er diese Bitte im Hinblick auf die von der trefflichen Korporation dem Hoftheater stets geleisteten wesentlichen Dienste und ihrer verringerten Einnahmen im Hoftheater aufs wärmste, und hatte den Erfolg, daß ihr die betreffenden Kosten für sechs vorausgegangene Konzerte und alle nachfolgenden erlassen wurden.

In einer Vorstellung am 29. März, betreffend den Etat 1820/21, macht der Intendanz- verweser Bemerkungen, welche von seinem starken, fast zu Reformatorsgelüsten sich versteigenden Selbstbewußtsein Zeugnis geben. „Das Mindernötige dem Nötigen unterzuordnen, würde leicht zu lösen sein, wenn das unumgänglich Nötige nur erst vollständig vorhanden wäre; dann möchte allerdings eine allmählige Für- schreitung der vorgeschlagenen Verbesserungen und Erweiterungen nach Maßgabe der vorhandenen Deckungsmittel von Nutzen sein, weil alsdann nur das Minder- wesentliche nachzuholen wäre; aber in diesem Augenblicke, wo die ersten jugend- lichen Fächer des Schauspiels mit Ausnahme des durch seine Individualität be- schränkten Schauspielers Urban gar nicht, oder unter aller Kunstwürde besetzt, und auch vorhandene bedeutende Lücken auszufüllen sind wo die Oper einer bedeutenden Restaurierung bedarf, wo das Ballet seine ersten Tänzerinnen verloren hat ... . und die Maschinerie ohne verständige Leitung gehandhabt wird, ist mit dem Ausflicken nichts getan, es bedarf eines großen Umschwunges, um das hiesige Theater zu der Kunsthöhe emporzuheben, worauf es in seinen vielseitigen und wichtigen Beziehungen für das bürgerliche und öffentliche Leben stehen soll.* Auf den also schwungvoll eingeleiteten Antrag, es möchte eine in jährlichen Raten zurückzubezahlende Vorschußsumme oder hypo- thekarisch versichertes Anlehen bewilligt werden, woraus die volle Naivetät des Antragstellers als eines Anfängers im Schuldenmachen hervorleuchtet, antwortet aber das Ministerium durch Reskript vom 21. April in nakter Prosa: „Der Ärarial- zuschuß von 68000 fl. dürfe in keinem Falle und unter keinem Vorwand über- schritten werden; mit dieser Summe sei soviel gutes zu leisten als nötig ist, um dem Zwecke artistischer Vollkommenheit allmählich sich zu nähern ; dies sei die Aufgabe der Intendanz, welcher in dieser Beziehung auch das allerhöchste Zutrauen geschenkt worden sei, und dabei habe es unabänderlich zu bleiben. Da durch neue Anstellungen den dringendsten Bedürfnissen der Bühne bereits begegnet sei, sollen neue Vorschläge solange zurückgehalten werden, bis solche ohne Überschreitung

*) Dieses Urteil ist durch die Theaterzettel jener Zeit, auf denen sie durch Abwesenheit glänzt, genügend bestätigt.

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jener Ärarialsumme eintreten könnten. In jedem einzelnen Falle werde ohnehin der vorangehende Bericht der Intendanz mit angelegtem Gutachten des angeordneten Künstlerausschusses erwartet. Da unter den nun folgenden Genehmigungen oder Ablehnungen der Gehaltszulagen-Vorschläge Mittermayr umgangen ist, ver- wendet sich Stich für ihn abermals, datiert 10. Mai, unter Betonung seiner Ver- dienste für die Chorleitung.

Um den Stand der Diensträume und ihres Ameublements, welche bei der über- stürzten Eröffnung der Bühne offenbar nicht in gehörige Acht genommen waren, sehen wir ihn geschäftig bekümmert. Am 12. August bittet er um Ratifizierung von 016 fli. und deren Anweisung an die Zentralstaatskasse, welche dazu verwendet werden mußten, um „das unter der vorigen Intendanz bis zum Ekel beschmuzte Intendanzbureau zu säubern, anständige Bureaus für die Regisseure zu schaffen, die aller Decenz mangelnden, skandalösen Garderoben der Damen in menschen- würdige umzuwandeln, endlich Spiegel zu kaufen, weil wegen Mangels solcher die Damen genötigt waren, ihre Garderobestücke nach Hause zu nehmen, um sich richtig anziehen zu können." Seine Etatsberichte für 1821/22 vom 9. September (1821) lasse ich hier, soweit er sich mit der Oper befaßt, aus dem Grunde folgen, weil aus denselben der ganze Personalstand der Oper unter seinem Regime ersichtlich wird. Hier empfiehlt Stich wiederholt und aufs dringendste die Zulagen für die Sänger Mittermayr und Staudacher, die Sängerin Vesper mann (identisch mit der Clara Metzger, welche inzwischen den berühmten Schauspieler Vespermann geheiratet hat), sowie das Engagement eines zweiten Tenoristen Schimon, über welchen er folgendes bemerkt: „Die Notwendigkeit der Aufnahme eines zweiten Tenoristen ist schon in den vorigen Etatsberichten ausführlich dargestellt. Da Schimon schon sehr brauchbar ist und bei zu erwartender vollkommener Ausbildung ein angenehmer Sänger zu werden verspricht, so zweifelt man umsoweniger an der Allerh. Genehmigung seines in Antrag gebrachten Engagements, da gegenwärtig selbst die mittelmäßigen Tenorstimmen sehr teuer bezahlt werden (!) und die etc. Stelle sich Glück wünschen darf, den Sänger Schimon um einen Gehalt von 1000 fl. erhalten zu haben." In der dem Bericht anhängenden General- Übersicht der Etatsposition sind nachstehende Sänger und Sängerinnen mit ihren respektiven Besoldungen aufgeführt: „Jos. Fischer, Bassist: 4000 fl.; Jos. Han- müller, Bassist: 1000 fl.; Franz Löhle erster Tenor: 2500; Jos. Mittermayr, Baryton: 1500 fl.; Jos. Muck, Bassist: 900 fl.; Jos. Staudacher, Bassist: 1300 fl.; Phil. Tochtermann, Tenor: 1600 fl.; Schimon, zweiter Tenor: 1000 fl.; Sänger- innen: Sophie Löhle: 1000 fl.; Clara Vespermann: 2500 fl.; Neumann: 800 fl.; Nanette Peßl: 600 fl.; Kathrine Sigl: 1200 fl. Außerdem sind für einen noch zu gewinnenden „hohen Sopran zu Bravour- und ersten Partien" 2000 fl. beantragt. Dazu ist zu bemerken, daß in diesem Jahre die ausgezeichneten Sängerinnen Frau Flerx und von Fischer leider zum Schauspiel übergingen. Mithin betrug die Besoldung der Sänger 13800 fl., der Sängerinnen 8100 fl.; rechnet man hiezu die des Chorpersonals, a) des männlichen (20 Individuen) 4750 fl., b) des weiblichen

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(12 Individuen) 3050 fl., die des Musikdirelttors ^) mit 800 und der Korrepetition mit 750 fl., so kam die Bezahlung des ganzen Opernpersonals auf 31250fl.

Nach Anträgen des Finanzministeriums vom 8. und 21. November wird die definitive Beförderung des Intendanzrates Stich zum wirklichen Intendanten mit dem ständigen Gehalt von 2500 fl. und besonderer Gratifikation von 500 fl. (an Stelle der Pferde- rationen, solange die Kommunikation des Hoftheaters mit dem Isartortheater not- wendig), unter Einziehung der Intendanzratsstelle mit Reskript vom 22. November ausgesprochen. Und schon in seiner Danksagung am nächsten Tag kann sich der Intendant nicht enthalten, den König um allergnädigste Bestimmung der ihm in dieser neuen Eigenschaft zukommenden Rangverhältnisse und Uniform alleruntertänigst zu bitten, wofür aber das Ministerium eine Begutachtung nicht zu begründen weiß.

Aus diversen Referaten und Gutachten dieses Jahrgangs geht noch hervor, daß auch das Ministerium den Ärarialzuschuß von 68000 fl. für unzureichend befindet; doch läßt sich dasselbe nur auf einen momentanen Vorschuß von 6000 fl. ein, welcher von der Intendanz nach einem bestimmten Regulativ aus, den Umständen gemäß zu erwartenden Mehreinnahmen der nächstenjahre allmählich zurückbezahlt werden soll.

Wie aus dem obigen Sängerverzeichnis, zu welchem sich auch noch der zugleich in der Oper verwendete Schauspieler Friedrich Augusti, gesellte, ersichtlich ist, hatte sich allgemach das numerische Überwiegen des weiblichen Geschlechtes, wie es im Anfang dieses Kapitels zu konstatieren war, fast ins Gegenteil verkehrt, Delamotte hatte ja bei seinen vielen anderen Geschäften und Sachen nicht Zeit, auf den richtigen Ausgleich in den Engagements zu sehen. Obwohl der von Stich, seltsamer Weise, gesuchte hohe Sopran durch Katharina Sigl vertreten war, so hatte doch das Sängerinnenpersonal große Lücken; so konnte man beispielsweise, wenn man nicht drei Singknaben zur Verfügung hatte, die Zauber flöte nicht geben. Um so stattlicher erscheint das Novitäten-Repertoire in diesem Jahrgang, welches aus nicht weniger als neun, meistens großen Opern darunter dem unsterb- lichen Fidel io (freilich mit einer gastierenden Leonore!) bestand. Die erste der- selben war „L Abbe Lataignant" vom alten Danzi, welche am 23. Januar heraus- kam. Sie scheint kein großes Glück gemacht zu haben; denn die „Flora" 2) urteilt darüber: „Text und Musik sind gleich schlecht, das Stück wurde ohne alle Teil- nahme hingenommen, man glaubte, der Komponist müßte die Musik im Schlafe gemacht haben." Die Wahl des also jedenfalls aussichtslosen Werkes fällt bereits ausschließlich Stich zur Last, dessen eigentliche Musikkenntnisse wohl nicht hoch über denjenigen seines Vorgängers standen. Hierauf kam am 1. April „Adrian von Ostade", eine Operette von Weigl (Text von Treitschke) zur Aufführung. Die „Flora" schreibt darüber: „Die Musik ist gefällig und anspruchslos, die Hand- lung nicht uninteressant. D'i? Sigl und Frau Mittermayr sangen die Hauptrollen sehr brav." Die A. M. Z. bringt günstige Berichte darüber aus Wien, Berlin,

') Ohne Zweifel waren stets zwei Musikdirektoren in Funktion; die Besoldung eines von diesen stand auf dem Etat der Hofmusikintendanz. *) Ein Münchner Blatt, dessen Theaterreferent es an Schneidigkeit jedenfalls nicht fehlen ließ, wenn die Berechtigung dazu auch nicht immer außer Frage steht.

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Königsberg, Straßburg, Dresden und Weimar. Zum letztenmal erschien sie 1848 in Hamburg. Das nächste Werk: „Rodrigo und Ximene", heroische Oper in zwei Akten, Text von Professor Sendtner, Musik von Johann Kaspar Aiblinger, welches am 1. März gegeben wurde, war nicht sehr glücklich. Für uns hat es das historische Interesse, daß es vermutlich das dramatische Erstlingswerk des später ebenfalls sehr angesehenen Hofkapellmeisters ist, welcher die Besucherinnen der Allerheiligenkirche einige späteren Dezennien hindurch mit marianisch süßer Musik entzückte. Die „Flora" schreibt darüber: „Der Text ist nach Corneilles ,Cid' be- arbeitet. Die Oper war brillant ausgestattet, das Orchester und die Chöre verstärkt, neue Dekorationen etc. Die Musik ist eine Sammlung von Reminiszenzen an Rossini,

Paer, Cherubini, Winter u. a. Rodrigo Madame Vespermann (die Partie ist

schwierig und nicht dankbar), Ximene Frl. Sigl, König Staudacher,

Gormaz Schimon, Diego Mittermayr. Die Oper wurde am 7. Mai

repetiert. Getadelt wird, daß die Hauptrolle, die des Helden, einer weiblichen Stimme übertragen wurde (wir können heute diese entsetzliche Geschmacklosigkeit nur als ein anachronistisches Festhalten an den geheiligten Traditionen der opera seria auffassen, wobei nunmehr das Weib den herrlichen Beruf erfüllte, die immer seltener werdenden Kastraten zu ersetzen); daß alle Charaktere des Stückes mit Ausnahme der Titelrollen als Nebenpersonen behandelt sind, so, daß zwei Soprane die ganze Oper halten müssen; daß ferner alle Musikstücke entsetzlich lang sind. Das Beste in der Oper sind die Chöre; alles in allem erscheint Aiblinger als ein talentvoller, gründlich gelehrter Tonsetzer, dem aber der eigentliche Genius: selbstschöpferische Kunst und innere Poesie, vollständig fehlt. Gleich seinem Vorbild und Lehrer Simon Mayr gilt auch von ihm der Satz: Er ist Gestalter, aber nicht Schöpfer; das Talent verständiger Anordnung eines Kunstwerkes trägt bei ihm den Sieg über das Genie geistiger Erfindung davon. Außerdem durfte man erwarten, daß der Tonsetzer, welcher von der Intendanz beauftragt war, ein Werk fürdiedeutsche Oper zu schreiben, sich bemühen werde, in deutschem Stile zu schreiben; es ist nicht geschehen, die Oper bewegt sich in den Formen der opera seria und der französischen großen Oper." Aus dieser für ihre Zeit hochschätzbaren Kritik leuchtet hervor, daß man auch in München der alten abgehausten Opernformen, besonders, wenn ein deutscher Komponist sich von ihnen nicht lossagen konnte, bereits gründlich satt war, und daß man in der Publizistik [wie für die deutschnationale Oper, so auch] für den in der Luft liegenden notwendigen Schritt zur Romantik, trotz der vom Hofe noch festgehaltenen Pflege der opera seria, kräftig und entschieden eintrat.^) Daß die Oper „Rodrigo und Ximene" von der Intendanz beim jungen Komponisten bestellt war, deutet auf Stichs guten Willen, dem Kunstinstitut ein gutes Werk zuzuführen und zugleich die vaterländische Produktion zu fördern. Aiblinger erhielt für die Oper, wie Stuntz für seinen Heinrich IV., ein Honorar von 400 fl.; außerdem ward ihm von der Intendanz „die Komposition sämtlicher Rezitative" zu

[') Auch andere Münchner Zeitungen, wie das „Bayr. Nationalblatt", wetterten gerade damals scharf gegen die Auswüchse der italienischen Oper.]

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Titus (worunter wahrscheinlich nur das Aussetzen der Streicherstimmen nach dem Basso continuo zu verstehen ist), sowie die Komposition von Chören zur Oper „Tancredi" übertragen, für erstere erhielt er 55 fl., für letztere 66 fl.^)

Das erste Meisterwerk im 19. Jahrhundert, „Beethovens Fidelio", be- glückte München zum erstenmal am I.Juli 1821; die erste Leonore da- selbst war Madame Henriette Eberwein aus Weimar, welche eben ein

Gastspiel absolvierte. Die übrige Besetzung war: Minister Hanmüller;

Pizarro Mittermayr, Florestan L ö h 1 e , Rocco Staudacher,

Marcelline Sigl und Jacquino Schimon. Nachdem die Eberwein noch

ein zweitesmal, am 27. Juli, die Partie der Leonore gesungen hatte, reiste sie ab, und Fidelio blieb einstweilen liegen (warum nicht von vorneherein die herrliche Metzger-Vespermann mit der Rolle betraut wurde, konnte seinen Grund nur in der nicht ganz sicheren Höhe derselben haben). Über den ersten Eindruck des Werkes auf das Münchner Publikum ist nichts bekannt, die „Flora" bringt über die Oper vorerst nichts, als die Nachricht, daß Madame Ebe rwein vom zahlreich versammelten Publikum mit vielem und verdientem Beifall aufgenommen wurde; erst fünf Tage später heißt es: „Die ganze Komposition ist charakteristisch gehalten, besonders schön sind die Chöre, der harmonische Teil und die Instrumentierung sind mit Vorliebe vor den Melodien behandelt. Die Stimme der Madame Eberwein ist nicht mehr ganz jugendlich, ihre Methode gehört der alten Schule an, ihr Spiel ist feurig und lebendig." Wenn ich diesem nüchternen und beschränkten, vor allem nur teilweisen Lobe die Kritik der Allgemeinen Musikzeitung (VIII. 1806, Nr. 15, S.237 f.) gegenüberstelle, welche auch O.Jahn in der Vorrede zu seinem Klavierauszug der „Leonore" (in zweiter Bearbeitung) mitteilt, so erscheint der Kritiker der „Flora" immer noch als eine Art Genie, welches sich wenigstens nicht ganz unbedacht und würdelos zu äußern vermag. Freilich hatte man auch im Jahre 1821 schon etwas anderes über Beethoven denken gelernt, als es 1806 zur Probe noch möglich war. Zur Probe hievon nur folgendes aus jenem Aufsatz: „....Das ganze ist weder durch Erfindung noch durch Ausführung hervortretend. Die Ouvertüre besteht aus einem sehr langen, in allen Tonarten auschweifenden Adagio, worauf ein Allegro in C-dur eintritt, das ebenfalls nicht vorzüglich ist und mit anderen Beethovenschen Instrumentalkompositionen auch nur z. B. mit seiner Ouvertüre zum Ballett Prometheus, keine Vergleichung aushält. Den Singstücken liegt gewöhnlich keine neue Idee zugrunde, sie sind größtenteils zu lang gehalten, der Text ist unaufhörlich wiederholt, und endlich auch zuweilen die Charakteristik auffallend verfehlt woran man gleich das Duett im dritten Akte, aus G-dur, nach der Erkennungsszene zum

Beispiel nehmen kann Die Chöre sind von keinem Effekte, und einer derselben,

der die Freude der Gefangenen über den Genuß der frischen Luft bezeichnet, ist

*) Von seiner Tätigkeit als Komponist abgesehen, scheint Aiblinger damals zu den ersten Autoritäten im Gesangswesen gehört zu haben; denn er wurde (laut einer Anzeige Stichs vom 9. September 1823) von diesem mit dem Regisseur der italienischen Oper, Massa, nach Italien abgeordnet, um daselbst mehrere für das Institut nötige Sänger und Sängerinnen zu gewinnen.

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offenbar mißraten." Dergleichen Auslassungen gegenüber, womit sich der Bericht- erstatter der A. M. Z. schon einige Jahre vorher Beethovens Gegenkritik: „Leipziger Ochsen" zugezogen hatte (siehe Thayer II), ist nicht zu vergessen, daß es eben die machtvolle Erscheinung Beethovens war, welche zu dem in der Zeit be- gründeten Umschwung in der musikalischen Fachkritik den Anstoß gab. Auch ist zu beachten, daß es die Münchner Kritik bereits mit der dritten Bearbeitung des Werkes zu tun hatte, wodurch es erst die uns heute bekannte Gestalt und Voll- kommenheit erlangte. Aus der dreiaktigen Oper „Leonore" war durch Zusammen- ziehung der zwei ersten Akte der zweiaktige „Fidelio" (zehn Jahre später) geworden; drei dramatisch störende Nummern wurden gestrichen; statt des auch musikalisch unbedeutenden Finale D-moll im (zweiten jetzt) ersten Akt, ward das Stimmungs- volle in B-dur, sowie das Rezitativ der Leonore „Abscheulicher!" und das Allegro

F-dur in Florestans Arie: „Schon fühl ich " (für ein ziemlich mattes Andante in

F-moll) neu komponiert Glanzpunkte von entscheidendem Gewicht für den Ge- sangserfolg! Auf den „Fidelio" folgte nun am 19. August wieder eine deutsche Erst-Auf- führung einer italienischen Oper, und zwar einer relativ besseren Rossinischen Oper „Richard und Zoraide", Text nach Berio von Grünbaum, wogegen ein Teil der Presse mit der Motivierung, daß man genug (?) deutsche Originalwerke habe, Protest erhob. In der genannten Oper waren als Mitwirkende die Damen Sigl und Peßl, die Herren Löhle und Mittermayr beschäftigt. Die Ausstattung war gut, der Beifall des Publikums allseitig. Die Musik wurde reich an Schönheiten gefunden, besonders das erste Finale, ein Duett der beiden Tenöre (wovon einer wieder Mittermayr war) und ein Quartett im zweiten Akte. Im Gesänge wie im Spiele der Darsteller vermißte man (wohl ganz natürlich!) die südliche Lebendigkeit. Als man des ersten Protestes ungeachtet am 2L September auch den „Tankred" in deutscher Übersetzung gab, ließ sich die „Flora" darüber in folgender Weise aus: „In München, wo wir acht Monate des Jahres hindurch das Vergnügen haben, italienische Opern in ihrer Ursprache und aller Vollkommenheit hören zu können, erscheint eine Übersetzung solcher Opern nur überflüssig; man gebe die vielen deutschen, oder wenn man diese nicht will, aus dem Französischen übersetzte Opern, welche noch nie hier gegeben wurden." Gegen diesen Artikel erschien ein zweiter, welcher ausführt, daß die Darstellung der Opern des allbeliebten R o s s i n i in deutschem Gewände eine Notwendigkeit sei, wie dies auch anderswo geschehe, da Rossini alle Bühnen beherrsche, weil die mit großen Opfern auf die Bühne gebrachten neuen deutschen Opern in keiner Weise reüssierten (im ganzen leider sehr richtig). Man gebe ja auch Mozarts ursprünglich italienischen Opern und finde dabei reichlichen Genuß. Diese jedenfalls inspirierte Erklärung, welche ja auf praktischer Beobachtung beruht, setzt andrerseits kein großes Vertrauen der Intendanz auch auf den im Juli gegebenen Fidelio oder kein Verständnis für denselben voraus, Rossini be- herrschte eben die Zeit! Indes hatte der deutsche Tankred gegenüber dem italienischen Tancredi schon der Besetzung wegen einen harten Stand, da die Partie des Tankred der Madame Vespermann zu tief lag.

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offenbar mißraten." Dergleichen Auslassungen gegenüber, womit sich vier Bericht- erstatter der A.M.Z. schon ei- r Beethovens Geg< "^er Ochsen" zugezogen h-- ..; -- -s,, ist nicht zu verge.-w. , ._:. cen die machtvolle Ersc: cthovcns war, welche zu dem in der Zeit be- gründeten Umschwung in der musikalischen Fachkritik den Anstoß gab. Auch ist zu beachten, die Münchner Kritik bereits mit der dritten Bearbeitung des Werkes zu ? -odurch es erst die uns heute bekannte Gestalt und Voll- kommenhett js der dreiaktigen Oper „Leonore" war durch Zusammen- zi r zwei ersten Akte der zweiaktige «Fidelio" (zehn Jahre später) geworden; üi^: ..i.:,iiatisch störende Nummern wurden gestrichen; statt des auch musikalisch unbedeutenden Finale D-moll im (zweiten jetzt) ersten Akt, ward das Stimmungs- volle in B-dur, sowie das Rezitativ der Leonore „Abscheulicher!« und das AUegrc

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Diesem zweiten Experiment folgte das dritte mit Rossinis „Othello, der Mohr von Venedig", welcher noch am 4. Dezember mit der Metzger- Vespermann (Desdemona), mit Mittermayr (Othello), Schimon (Jago),Löhle(Rodrigo) gegeben wurde. Leider folgte diesen jedenfalls nur halben Erfolgen mit italienischen Opern kein ganzer mit der zuletzt, am 30. Dezember, gegebenen Oper unseres deutschen Spohr „Zemire und Azor" nach, deren Aufnahme, wenn nicht ganz ablehnend, doch ziemlich kalt war. Das Schicksal, welches diese Oper überall, wo sie aufgeführt wurde, erlebte, daß sie nämlich, statt die Musik Gretrys zu demselben Sujet (in Marmontels Bearbeitung) vergessen zu machen, dieselbe nach etwa fünfzig dahin- geschwundenen Jahren wieder in liebe Erinnerung brachte denn Gretry hatte gerade mit dieser Oper alle Welt bezaubert, scheint auch in München, wo Gretrys Werk im Dezember 1778 zum erstenmal aufgeführt worden war, dasselbe gewesen zu sein, wiewohl die Hauptpersonen von den besten Kräften: DUl Sigl (Zemire), Löhle (Azor) und Mittermayr (Ali) vertreten waren.

Bemerkenswert ist in diesem Jahrgang eine kritische Stimme aus München, welche in der Leipziger A. M. Z. (Jahrgang 1821, Nr. 22) eine sehr dezidierte Verurteilung der Aufführung des „Don Juan" unter dem gealterten Ferdinand Fränzel bringt, der jedoch, wie damals üblich, nicht genannt wird. Erst spricht sich der Korrespondent sehr bitter über die übereilten Tempi aus: „Wenn es jedermann" (besonders ist die Metzger-Vespermann als Zerline gemeint) „erlaubt ist, nach Laune, langer Weile oder Begierde nach einem baldigen Ende fortzueilen und für sich zu singen und zu spielen, so ist es schwer, den Vorwurf wegzubringen, daß es dieser Kunstanstalt an einer Zentralkraft fehle, welche das Ganze in geregelter Bahn zu erhalten wisse oder wolle." Dann über den Unfug im Finale: »Wie schwer im Finale des zweiten Aktes ein an Musik gewöhntes Ohr das As-dur des angehängten Vogler sehen Furienchores aus Castor und Pollux nach dem D-minor, in welchem mit seinen verwandten Tönen es sich so lang und genialisch verweilt, auffaßt, ist kaum zu sagen. Vogler selbst, wir können es versichern, war damit unzufrieden, und dem Sohn des großen Komponisten dieser Oper, der sich eben jetzt hier aufhält, mag es auch nicht gefallen haben, daß man das unsterbliche Werk seines Vaters noch am Ende entstellte. Doch diese Verstümmlungssucht ist auf hiesigen Opern- theatern einheimisch. Schon vor mehr als dreißig Jahren hörte man bei den Worten: ,Vieni! c' e un mal peggior' auf" (hier schüttet der sonst vernünftige Tadler das Kind mit dem Bade aus, denn bei diesen Worten versinkt der Bösewicht, das einzig richtige Ende!) „ließ alles Folgende weg, um das Ballett der Höllen- geister" — mit der Haupttonart As-dur! „anzubringen. Die Kunst geht oft nach Brot, dafür hält sie sich oft lange genug an den Schlendrian." (Für den rück- ständigen Zeitgeist charakteristisch ist überhaupt schon die Tatsache, daß weder die Kritik noch das Publikum die ganze höchst geschmacklose Voglerei in Mozarts genialstem Werk perhorreszierte.)

Was die geschäftlichen Vorgänge an der italienischen Oper in diesem Jahrgange angeht, so bittet Baron von Priuli mit Vorstellung vom 8. März, worin er sich

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über das Herunterkommen und die teilweise Unbrauchbarkeit der Dekorationen und Kostüme beklagt, flehentlich um ein Darlehen von 4000 fl. zu dringend nötigen Anschaffungen, worauf ihm 3000 fl. bewilligt werden. Dann kam es anfangs Juni zu heftigen Diff'erenzen zwischen der italienischen und deutschen Intendanz wegen angeblich von letzterer zum Nachteil der ersteren usurpierter Geschäftsräumlich- keiten im alten Residenztheater; der zur Untersuchung der Angelegenheit beauftragte Vorstand der Theaterbaukommission, Ministerialrat von Plank, muß nach ein- gehender Besichtigung die Maßnahmen Stichs als praktisch und zu Recht bestehend erklären. Die bisher siebenmonatliche Opernsaison findet Priuli in diesem Jahrgang auf eine achtmonatliche auszudehnen angezeigt, was er mit Engagementsverhältnissen der Gesellschaft in ihrer Heimat Italien begründet. Er gibt zu diesem Zwecke am 8. August um Erhöhung des Zuschusses auf 16000 fl., pro Monat auf 2000 fl., ein, worauf aber nicht eingegangen wird. Dagegen wird auf Antrag der italienischen Intendanz durch Entschließung vom 14. September angeordnet, daß das erste Parterre zu 48 kr. aufgehoben werden, und nur ein Parterre zu 24 kr. bestehen, dann aber Sperrsitze zu je 1 fl. eingeführt werden sollen. In diesen Jahrgang fällt augen- scheinlich die Gründung einer Gesangschule an der italienischen Oper unter Leitung des Maestro Orlandi. In den Akten des Finanzministeriums war darüber nichts zu finden, doch heißt es im Personalakt der berühmten Nannette Schechner; Die Königin ordnete an, daß sie (Schechner) an der 1821 errichteten Gesangs- schule teilnehme. Außer ihr scheint auch die Katharina Sigl aus dieser treff^Üchen Schule hervorgegangen zu sein.

Der Novitäten sind in diesem Jahre nicht besonders viele, aber sie sind zum Teil von besonderem Interesse. Die am 12. Januar gegebene Opera buff'a „L'amor di marinaro", Text von Gamera, Musik von Weigl, für das k. k. Hoftheater in Wien auf italienischen Text geschrieben und daselbst im November 1797 zum erstenmal aufgeführt, war in München als deutsche Oper unter dem Titel „Der Corsar" schon 1803 gegeben worden. Diesem Werk folgte schon am 26. Januar „Eduardo e Cristina", eine der bälder verschwundenen Opern Rossinis, und dieser wieder ein Werk von Simon Mayr „II Fanatico per la musica".^) Ein [viel- leicht in den Bahnen der berühmten Pygmalion-Szene von Rousseau wandelndes] Werk mag der Monologo in due Atti „Pimmaglione" von Cimadoro (geb. 1761, gest. 1808 in Baden) gewesen sein.^) Einen Ehrentag aber feierte das Institut am 21. März mit der ersten Wiedergabe eines in italienischer Sprache geschriebenen Meisterwerkes aus deutschem Geiste Mozarts unsterbliche Oper „Le Nozze di Figaro". Welche Wonne mögen dabei die Münchner Musikkenner aus den göttlichen Arien, Duetten, den großen Finales bei jedenfalls klassischem Vortrag und

[') Die Oper ist unter dem Titel „Che Originali" (1798 zum erstenmal in Venedig) auf zahlreichen Bühnen gegeben worden. Sie ist eine der besten komischen Opern Simon Mayrs und vornehmlich wegen ihres gegen musikalische Modetorheiten gerichteten satirischen Gehalts mit lebhaftem Beifall aufgenommen worden. Vergl. Seh i eder m a ir, a.a.O. S.53ff,] ['^) Vergl. Fetis, Biogr. univ. Das Werk wurde 1788 mit starkem Beifall aufgeführt.]

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lebendig-graziöser Darstellung das Münchner Orchester nicht zu vergessen geschlürft haben!

Ein Teil dieser Opern, besonders der „Figaro", hat viele Repetitionen in diesen und den folgenden Jahrgängen erlebt. Die erst am 8. Dezember gegebene Ros- sinische Oper „La Donna di Lago",Text von Tottola (nach Walter Scotts „Fräulein vom See"), scheint eine neue „acht Monat-Saison" eingeleitet zu haben. Sie hatte das seltene Schicksal, wegen mangelhafter Aufführung nicht zu gefallen. Die Elena war der sechzehnjährigen Saglia^) anvertraut, welche mit ihrer schwachen Stimme nicht durchdrang und ganz trocken und ledern im Spiel war. Rubini als Malcolm soll ganz ungenügend gewesen sein, dagegen Vecchi gut und Santini als Douglas vortrefflich.

Was den weiteren Ausbau des großen Theaters in diesem Jahre anbelangt, so ist nur zu erwähnen, daß die für die Kolonnade veranschlagte Summe von 152835 fl. mit 25. Januar genehmigt wurde.

Auch im Jahre 1822 legen die Abrechnungen über die letztvergangenen Jahre der 1822 Staatskasse große Lasten auf. Mit Einschluß von 18 Postulaten ebenso vieler noch unbefriedigter Gläubiger des Hoftheaters (Geschäftsleute und Lieferanten von denen nicht mehr zu reden ich nur unwiderruflich versprechen will), welche zu- sammen die Kleinigkeit von 23439 fl. ergeben, berechnet der oberste Rechnungshof den Passivstand pro 1820/21 auf 31516fl.

Im Opernpersonal gingen dieses Jahr zwei bedeutende Veränderungen vor sich: eine künstlerisch sehr bedauerliche, indem der König auf Grund verschiedener Klagen sich veranlaßt fühlen mußte, dem ausgezeichneten Bassisten Joseph Fischer ein noch dreijähriges Engagement abzukaufen, um die Bühne und, wie man sagte, selbst das Publikum vor Insulten und exzessivem Benehmen, vor denen man bei diesem Herrn nie sicher sein konnte, zu bewahren; und eine außerordentlich erfreu- liche, indem die später so unvergleichliche Sängerin Nannette Schechner, welche im Vorjahre an der italienischen Oper, nach Grandaur für kleine Partien, nach anderen Berichten als Choristin engagiert war, durch einen glücklichen Zufall, der ihre außerordentliche Begabung offenbarte, aus ihrer drückenden Stellung erlöst und für die Münchner Bühne gewonnen wurde. Außerdem ging der vortreffliche Heldentenor Tochtermann wegen Abnahme seiner Stimme als offizieller Sänger in Pension, um nur mehr als Regisseur mit dem Titel Operndirektor zu wirken und im Bedürfnisfalle ausnahmsweise noch hie und da aufzutreten.

Das große Ereignis des Jahres war die erste Aufführung des „Frei- schütz" am 15. April.2) Außer diesem, dem zweiten deutschem Meisterwerk im 19. Jahrhundert, und hauptsächlich wohl infolge seiner ungeheueren Zugkraft, konnten

^) Eine unsinnige Gepflogenheit der damaligen Zeit war, Sängerinnen in jugendlichem Alter aus- zubilden und auftreten zu lassen, wodurch gar mancher derselben die Dauer ihrer Blüte verkürzt wurde. ') Mein Vater, Dr. Xaver Zenger, Professor der Rechte in München, erzählte mir, daß er den „Freischütz" schon zwei Jahre vor der Münchner Aufführung im Augsburger „Komödienstadel", wohin er als Praktikant in Göppingen wallfahrtete, mit stetem Entzücken gesehen habe. Der Verf.

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nur noch zwei Novitäten in Szene gehen: das „Lotterielos", Oper in einem Akt nach dem Französischen von Isouard, welche ihm am 27. Februar vorausgegangen war, und Rossinis „Zelmira", Oper in zwei Akten, Text von Tottola, welche erst am 22. November bei festlich beleuchtetem Hause und freiem Eintritt zur Ver- mählungsfeier der kgl. Prinzessin Amalie mit dem Prinzen Johann von Sachsen, mit großem Aufwand an Kostümpracht, gegeben wurde. Über die erstgenannte Operette schreibt C. M. von Weber: . . . . Das Lotterielos gehört offenbar mit zu den lieb- lichsten Schöpfungen, in welchen er (Isouard) sein ausschließend der Konversations- oper angehöriges Talent auf das Bestimmteste durch blühende Melodien und wahrhaft dem reinsten Frohsinn angehörige Farbengebung bewährt." Daß das „Lotterielos" der Münchner Bühne zum Treffer geworden wäre, das vereitelte schon das allzu schaellfolgende Erscheinen des „Freischütz", der das Herz des Volkes, wie in allen deutschen Landen, so auch hier in seinem Mittelpunkt getroffen hat [und wie überall den Einfluß der italienischen Oper endgültig brach. Er gab dem Existenzkampf der deutschen Oper in München mit einem Schlage eine neue Wendung]. Die ganz ungeahnt neue Richtung: die von den deutschen Dichtern längst vorbereitete, aber in der Opernmusik noch nie mit so zündender Kraft in Erscheinung tretende Romantik, die Gegensätze des dämonisch Bösen und des zum Sieg sich durch- ringenden Guten, die meisterhafte Zeichnung der diese Gegensätze vertretenden Charaktere, die kernigen, echt volkstümlichen und doch edlen Melodien, dazu das theatralische Unikum der Wolfsschlucht mit ihren schreckhaften Harmonien und Instrumental-Effekten: sie verfehlten nach dem Zeugnis von Zeitgenossen, aus deren begeistertem Munde Verfasser in seiner Jugend es noch erfuhr, auch in München nicht jene allgewaltige, entzückende und berückende Wirkung, welcher sich damals kein deutsches Gemüt entziehen konnte (und noch heute entziehen kann). Beweis für diesen, selbst den der „Zauberflöte" noch übertreffenden Erfolg sind die in München bisher unerhörten dreizehn Wiederholungen des Werkes in dem einen Jahrgang 1822.^) Die Ouvertüre war bereits am 16. November 1821 im zweiten Abonnementskonzert der Musik-Akademie zum ersten Male aufgeführt und „bei- fällig aufgenommen".

Nach den ersten drei Aufführungen der Oper schreibt die „Flora": „Weber hat mit dieser Oper eine neue Bahn im Gebiete der Musik eröffnet und in das- selbe alle Strahlen seines großen Talents konzentriert." Referent ist voll Bewun- derung, bemerkt aber, daß das letzte Finale bedeutend gegen alles Vorgehende abfalle. „Auf die Inszenierung war alle Sorgfalt verwendet. Trotz der in den letzten Tagen herrschenden herrlichen Frühlingswitterung war das Theater jedesmal gedrängt voll. Agathens erste Arie veranlaßte jubelnden Applaus. Die Wolfsschlucht war

^) Am 2. Juni kam auch P, A.Wolfs Schauspiel „Preziosa" mit Webers fast nicht minder be- deutender Musik zur erstmaligen Aufführung. Hiedurch trat Weber als Führer der deutsch-roman- tischen Richtung auf zwei verschiedenen Gebieten in den Vordergrund des musikalischen Interesses, dem welschen Rivalen Rossini, der gerade seine stärksten Trümpfe in München ausspielte, kühn die Spitze bietend und sein nicht fernstehendes Unterliegen verkündend.

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vom Ballettmeister Horschelt in Szene gesetzt (!), die Maschinenleitung hatte Schütz, die Dekoration Klotz und Quaglio. Der Chor war brillant; der Jägerchor mußte repetiert werden. Samiel war mit gestrecktem Brustlatz wie ein Kunstreiter ausstaffiert" (das gehört doch auch zur Inszenierung, oder nicht?) „Bei d^r dritten Aufführung war Löhle (Max) erkrankt und übernahm Mittermayr die Partie und führte sie mit Erfolg durch; auch Staudacher (Kaspar) fand sich jetzt erst in die Lebendigkeit seiner Rolle/' (Merkwürdigerweise soll er sie zuerst mehr als greisenhaft alten Spitzbuben, denn als robusten Bösewicht gegeben haben.) Die voll- ständige erste Besetzung war: Ottokar Mittermayr; Kuno Fries (ein

nach Bedürfnis zum Sänger verwendeter Schauspieler, welchem auch die Aufsicht über

das Kostümwesen oblag); Agathe Metzger-Vespermann; Annchen Sigl;

Kaspar Staudacher; Max .....Löhle; Eremit Hanmüller;

Kilian Augusti. Auffallend und für die damaligen Anschauungen charakte- ristisch ist, daß die Wolfschlucht nicht vom Opernregisseur Tochtermann, sondern vom Ballettmeister inszeniert wurde. Es mag sich dabei um die Bewegungen und Gesten spuktreibender Geister mehr gehandelt haben, als es der Absicht der Dichtung entsprach.

Von der im November erschienenen Oper „Zelmira" von Rossini ist noch zu sagen, daß in ihr, trotz eines seichten und durch die Übersetzung vollends gehaltlos gewordenen Textes, Rossini sich dem ernsten Stile nähert und dadurch zu Ver- gleichen mit klassischen Tonsetzern herausfordert.

Bald nach Beginn des Jahres 1823, in der Nacht vom 14. auf 15. Januar, brannte 1823 das große neue Hoftheater noch ehe man sagen konnte, daß die Zeit seines endlichen Ausbaues nahe sei von Grund aus nieder, und bei der furchtbaren Schnelligkeit, womit das verheerende Element sich erst des Bühnen-, dann des Zuschauerraumes, alsbald auch aller Ausgänge bemächtigte, ist es ein in der Geschichte der Theaterbrände fast einzig dastehendes Wunder, daß dabei kein Menschenleben zum Opfer fiel.^) Außer einigen obligaten Quetschungen und Kon- tusionen, einigen Erkältungen, welche das notwendige Zurücklassen der Garderobe bei grimmiger Kälte mit sich brachte, auch einigen respektablen Brandwunden, welche die zum Löschen beorderten Militärmannschaften davontrugen, kamen sowohl sämt- liche auf der Bühne und im Hause Beschäftigten als auch das ganze Publikum mit heiler Haut und dem ausgestandenen Schrecken davon. Der am schlimmsten Mitgenommene war der im Hause wohnende Hauptkassier Bomhard. Derselbe lag im Moment des Ausbruches krank im Bette, auch seine Frau und zwei Kinder waren leidend. Das Unglück kündete sich durch plötzliches Zerspringen aller Fenster- scheiben an. Frau und Kinder, Hab und Gut im Stiche lassend, eilte Bomhard ins Amtszimmer, und es gelang ihm, 9000 fl. aus der Kasse und die Rechnungspapiere zu retten. Inzwischen konnten seine Frau, Mutter und Schwiegermutter mit Mühe

') Wenigstens ist in den bezüglichen Akten ein solcher Unfall nicht konstatiert. [Vergl. auch E. V. Destouches, Gedenkblatt auf die Säkularfeier des kgl. Hof- und National-Theaters. Münchner Gemeindezeitung. Festnummer, 12. Oktober 1878, S. 4ff.]

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sich und die Kinder in Sicherheit bringen. Freunde, welche Hilfe leisten wollten, wurden durch das Gedränge abgehalten, dagegen drangen Fremde ein, welche sich mit „Rettung" von Habseligkeiten beschäftigten, von denen aber Bomhard kein Stückchen wieder sah. Das Feuer entstand gegen SV* Uhr, als gerade das Finale der Oper „Die beiden Füchse" von Mehul begonnen hatte, welcher noch ein Ballett hätte folgen sollen. Außer diesem Tatbestand konstatiert der Bericht der Polizei- direktion vom 17. Januar:

„Durch die einstimmigen Aussagen ist hergestellt, daß zuvor ein Gazevorhang, das wilde Heer in der Oper „Der Freischütz" vorstellend, brennend wurde. Es ist gewiß, daß derselbe noch von der letzten Vorstellung des Freischütz, Sonntag den 12. Januar, her auf der Bühne an der linken Seite derselben, in einem Pack zusammengeschoben, aufgehangen war. Daß derselbe zuerst am un- tersten Ende gegen die Bühne zu brannte, ist durch Aussage von Augenzeugen erhoben; ebenso daß er in größter Schnelle durch Entzündung der daranstoßenden Soffiten und der ober der Bühne aufgehängten Vorhänge die Flamme verbreitete. Den Fortgang des Brandes betreffend wurde er- hoben: 1. Die sämtlichen Brunnkästen auf, über und unter der Bühne waren beim Ausbruch des Brandes verschlossen, die Brunnleute nicht bei denselben, und augenblickliche Hilfe durch Wasser wurde nicht geleistet. 2. Außer den für das Stück des Tages erforderlichen Dekorationen und Vorhängen war eine große Anzahl von solchen auf und über der Bühne aufbewahrt, welche das Feuer schnell fortpflanzten. 3. Ein Teil des Personals bemühte sich zwar, dem Feuer Einhalt zu tun, die Verwirrung war aber sehr groß; die Idee, daß nichts mehr zu retten sei, ergriff in kürzester Zeit alle Anwesenden." Folgen nun vage Beobach- tungen über nicht eingehaltene Instruktionen und die sonderbare Schlußbemerkung: „Bis jetzt hat sich eine grobe Fahrlässigkeit von der Art, daß hiedurch die weitere Behandlung sich vor dem Kriminalgerichtshof eignete, nicht dargetan." Dagegen hat nach einem weiteren Bericht der Polizei- direktion die Fortsetzung der Untersuchung ergeben, daß drei Individuen allerdings sich jenen Grad von Fahrlässigkeit zu Schulden haben kommen lassen, daß sich die Behörde nicht weiter mehr kompetent halten kann. Außerdem stellt es der Bericht als noch unentschieden hin, ob und inwiefern das Kriminalgericht Veranlassung nehmen wird, die Untersuchung gegen den als Vorstand für jene Fahrlässigkeiten verantwortlichen Intendanten einzuleiten. In richtiger Erkenntnis jedoch, daß der wichtigste Punkt der Zustand des Löschapparates im Moment des Feuerausbruches sei, beauftragte das Finanzministerium am 25. März die Polizeidirektion, anzuzeigen, ob durch Vernehmung des Personals des k. Münzamtes hergestellt sei, inwiefern die Wasserreserven im abgebrannten Hof- theater, deren Wasservorrat Sonntag, den 12. Januar zum Wasserfall im Freischützen benützt worden, bis zum H.Januar, als dem Tage des Brandes, wieder vorschriftsmäßig gefüllt wurden oder nicht. Nach Bericht der Polizei vom S.April hat der Münzstreckmeister Säger, auf Handgelübde an Eidesstatt vernommen, ausgesagt: Nachdem der Brunnmeister Negele am Samstag, den Z.Jänner gekommen und die Füllung des Reservoirs besorgt habe, sei er bis zur Entstehung des Brandes nicht mehr gekommen, um das Wasserrad im Münzstreckwerke in Gang zu setzen. Es sei also der Abgang des Wassers, welches beim Freischütz benützt wurde, nicht mehr ersetzt und das Reservoir nicht mehr gefüllt worden. Diese so viel als beschworene Tatsache erklärt auch das Benehmen des Beschuldigten im Augenblick der ausgebrochenen Gefahr, welches der Intendant Stich beobachtet hatte. Derselbe erzählt in einer detaillierten Beantwortung von 16 peinlichen Fragepunkten, welche ihm die Polizei infolge der ihr übertragenen Untersuchung mit 21. März vorgelegt hatte: wie er, in seiner Dienstloge anwesend, im ersten Augenblicke des Feuer- lärms auf die Bühne durch die ihn aufhaltende flüchtende Menschenmenge geeilt und zu seinem Schmerze wahrgenommen habe, daß die Flamme schon mächtig um sich gegriffen und mit unglaub- licher Schnelligkeit sich ausgebreitet hatte; wie er den Brunnmeister Negele in halb sinnlosem Zustande, von zwei Männern geführt, getroffen und nur die Antwort erhalten habe, „daß er er sich nicht zu helfen wisse." Die weitere Beschreibung gibt ein ziemlich anschauliches Bild, wie der

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Intendant mit Lebensgefahr der allgemeinen Verwirrung zu steuern suchte, aber von dem Opern- direktor Tochtermann mit Gewalt entfernt wurde, da schon alle Ausgänge vom Feuer bedroht waren. Er begab sich hierauf in sein Büro, um Manuskripte, Partituren und die in der nahen Kanzlei befindliche Registratur in Sicherheit zu bringen, wobei außer den Hausbeamten einige Offiziere Hilfe leisteten usw. Durch rühmliche Pflichterfüllung jedes einzelnen sei alles zur Rettung geschehen, was geschehen konnte bis zum letzten Augenblicke, wo das Feuer und der erstickende Qualm jeden zur Selbsterhaltung zwang. Zum Zwecke von Vorkehrungen verschiedener Art hielt der Inten- dant in Räumen, von welchen das Feuer abgehalten werden konnte, bis V26 Uhr morgens aus und mußte dann nach Hause geführt werden.

Die Gefährlichkeit des Brandes für die nächste Umgebung, insbesondere für das Residenztheater und für die Residenz selbst erhellt aus dem Berichte des Hofbau-Intendanten Leo Ritter v. Klenze: Nachdem man sich von der Herbeiführung der Löschgeräte (in Abwesenheit des krank darnieder- liegenden Hofbrunnenwesens-Inspektors von Baader) durch den Kondukteur Jodl und den Kontrolleur Arnold überzeugt hatte und die Gewalt und Nähe des Feuers keine Zeit und keine Hoffnung mehr Heß, die beiden Verbindungsflügel des alten und neuen Theaters soweit zu demolieren, daß hiedurch mit Sicherheit der Brand von dem alten Theater und der Residenz abgehalten werden konnte, ward dem Hofbau-Inspektor Schauß nebst dem Baurat Baumgartner die Wache über das innere und äußere Dach des alten Theaters, wo die Gefahr am dringendsten war, übergeben; der Hofbau- Inspektor Thurn ward, nachdem er im Theater selbst gegenwärtig, mit löblichem Eifer schon die gewöhnlichen Anstalten, sowie den Abbruch des alten hölzernen Dekorationsmagazins ange- ordnet, mit Demolierung des Daches beauftragt, welches die Residenz in unmittelbare Verbindung mit dem bedrohten alten Theater setzte. Auf diesem Punkte ward ein gehöriger Wasservorrat und beständige Wache gesichert und unausgesetzt bis zum Verschwinden aller Gefahr erhalten. Die Baukondukteure Weiß und OhlmüUer wurden nebst den nötigen Arbeitern auf den Böden über der Verbindungsgalerie des schwarzen Saales und der Residenz und über den Zimmern Ihrer k. Hoheit der Frau Kronprinzessin postiert mit der Weisung, diese Dächer demolieren zu lassen, wenn das Feuer das Hauptdach des alten Theater ergriffen hätte. Währenddem war der Baudirektor Lang bemüht, die Pläne, Zeichnungen und Modelle aus dem Kommissionszimmer des brennenden Theaters zu retten, welches aber nicht mehr gelingen konnte, da hier gleich von Anfang her alles in Flammen stand. (Folgt nun unbedingte Anerkennung der tadellosen Pflichterfüllung aller hier genannten Männer).

Was die weitere Untersuchung gegen die am Brande etwa Schuldigen betrifft, so erklärt ein Kon- klusum der k. Regierung des Isarkreises, Kammer des Innern, vom 20. März den Brand als durch Fahrlässigkeit entstanden und übersendet daher den Untersuchungsakt an das k. Appellgericht des- selben Kreises. Unter den Gründen figuriert zuvörderst der obenerwähnte Gazevorhang, welcher nach Aussage von 24 Zeugen in der Schlußszene der beiden „Füchse" durch eine Lampe des an der 7. Kulisse gestandenen Beleuchtungswagens entzündet wurde. Dieser Vorhang, dessen Hinweg- nahme am Nachmittag des 14. Januar durch den Palier Weiß verhindert worden war, wurde durch den Zimmermann Winter, und zwar nach seiner Behauptung auf Anordnung eben des Weiß, an den zweiten Wagen der 7. Kulisse gleich nach dem Anfange der Oper mit einem Seile dergestalt befestigt, daß sämtliche Zeugen, welche dies zu beobachten Gelegenheit hatten, die hiedurch hervor- gerufene Feuersgefahr erkannten (ohne jedoch dagegen etwas zu tun! Anm. des Verf.). Eine noch größere Fahrlässigkeit wird dem Beleuchtungsdiener Luther zur Last gelegt, der auf der linken Seite die Beleuchtung zu besorgen hatte. Während der Oper erstreckte sich nämlich die Lampenbeleuch- tung nur bis zur 3. Kulisse und wurden die Lampen der übrigen Beleuchtungswagen bis zur 8. Kulisse erst gegen Schluß der Oper für das nachfolgende Ballett angezündet. Eben dadurch begründet sich gegen besagten Luther die Beschuldigung, daß er beim Zurückziehen des Beleuch- tungswagens der 7. Kulisse zum Anzünden der Lampen diese letzteren dem an den zweiten Kulissen- wagen angebundenen Gazevorhang so nahe brachte, daß dessen Entzündung als notwendige Folge leicht vorauszusehen war.

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Hiemit war man ohne Zweifel auf die wirkliche erste Veranlassung des Brand- unglückes gekommen: zwei sich entgegenkommende Akte der Fahrlässigkeit lagen vor, die man halb mit Stumpfsinn oder Dummheit entschuldigen konnte. Von der weit größeren Verschuldung, welche darin lag, daß die vorschriftsmäßige und selbst- verständliche Wiederfüllung des geleerten Wasserreservoirs, überhaupt die Besor- gung des ganzen Brunnenwesens unterlassen worden war, ist weiter nicht die Rede. Die ganze Untersuchung endete im Jahre 1824 vorläufig damit, daß das Appellgericht des Isarkreises, datiert 13. November, als Zivilstrafgericht I. Instanz zu Recht erkannte: Die Generaluntersuchung a) gegen den Beleuchtungsdiener Luther wegen Verdachts einer allenfalls fahrlässigen Brandstiftung ist definitiv, b) gegen den Palier Weiß, den Zimmermann Winter wegen gleichen Verdachtes einstweilen aufzuheben, und hat das Staatsärar die hierauf erlaufenden Kosten zu tragen. Hiebei ist es dann nach einigen nachträglichen, juristischen Stilübungen, Kompetenzrechte be- treffend, geblieben. Da durch den Brand auch das Residenztheater für den Moment spielunfähig geworden war, mußte auch dieses behufs Reparatur geschlossen und konnten die Vorstellungen in demselben erst am 16. Februar wieder aufgenommen werden, vorläufig mit sehr bescheidenen Mitteln, weil fast die ganze Garderobe ein Raub der Flammen geworden war. Von dieser hätte nämlich viel gerettet werden können, wenn nicht das mit der Rettung erfolgreich beschäftigte Aufsichtspersonal von den Soldaten zum Wasserschleppen gezwungen worden wäre.

Selbstverständlich war der erste und allgemeine Gedanke nach der Katastrophe der Wiederaufbau des, wie es sich zeigte, mit Ausnahme der Umfassungsmauern von Grund aus zerstörten Theaters, nachdem Stich durch Freiherrn vonWeichs ersetzt worden war.^)

In einem schon am 24. Januar abgehaltenen Ministerrat übernahm das Ministerium des Innern die Einleitung, durch die Münchner Bürgerschaft den Fond zur Wiedererbauung und Anschaffung der Dekorationen und Garderobe wechselweise gegen Deckung durch längere Überlassung des Bierpfennigs herbeizuschaffen. Hiemit war für das Finanzministerium die Basis gegeben, die Ernennung einer Spezial-Baukommission zu beantragen, deren Mitglieder der Ministerialrat v. Plank, der Direktor des Ministerial-Bureaus für den Wasser-, Brücken- und Straßenbau von Reichenbach, der Hofbau-Intendant und Oberbaurat Leo Ritter von Klenze, der Hoftheaterintendant Stich und der magistratische Baurat Probst letz- terer „wegen des unmittelbaren Interesses des Magistrates, vielmehr der Kommune, an dem Bau des neuen Hoftheaters", sein sollten. In der Entschließung vom 18. Fe- bruar, welche die Genehmigung dieses Antrags enthielt, wurde der Grundsatz aus- gesprochen, daß, was die architektonischen Formen betrifft, durchaus der Plan des verstorbenen Professors v. Fischer beibehalten werde, insofern nicht Abweichungen

[') Vergl. Stich „Über die Administration des k. Hoftheater-Intendanten zur Beleuchtung seiner Dienstentlassung", München 1824 und „Schreiben des k. Hoftheater-Intendanten an den Finanz- minister Freiherrn v. Lerchenfeld", München 1824. Dazu C. A. Delamotte „Prüfung der von dem ehemaligen Intendanten des k. Hoftheaters Stich verteilten Schrift über die Administration etc." München 1824.]

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hievon, bei der inneren Einrichtung der Büline und des Logenhauses, mehrere Bequemlichkeiten und Versicherung vor künftiger Feuersgefahr zum Zwecke hätten. Durch das wichtige Reskript vom 31. März wird die ganze Angelegenheit definitiv geregelt: Das von gesetzlichen Vertretern, Vorstehern und Beamten der Ge- meinde München gemachte Anerbieten, die Kosten der Wiederherstellung des abge- brannten Hoftheaters aus Gemein de mittein bestreiten zu wollen, soweit nicht diese Kosten durch die Entschädigung der Assekuranz-Anstalt etc. gedeckt sind, erhält hiedurch die Genehmigung mit dem Beisatze, daß die Kosten der Haupt- fassade auf die Staatskasse übernommen sind und die Herstellung von Neben- gebäuden, welche dem früheren Plane gemäß hätten aufgebaut werden sollen, nach dem damaligen Plane zu unterbleiben hat." (Mit dieser letzten aus Geldmangel getroffenen Bestimmung ist das Hindernis der späteren Durchführung der Maximilian- straße gefallen, welches in dem Fischerschen Gesamtplan, wäre er zur Ausführung gekommen, unbedingt gelegen gewesen wäre.) „Als erbetenes Mittel zur Realisierung dieses Anerbietens wird der Stadtgemeinde die Fortsetzung des bestehenden Malz- aufschlages in solange noch gestattet, bis der Gemeinde durch denselben die effektiven Kosten in Kapital und Zinsen vollständig ersetzt sind. Diese Bewilligung beruht jedoch auf der Voraussetzung, daß die Gemeinde eine noch zu bestimmende Aversalsumme für Dekorationen, Garderobe und innere Einrichtung des Hoftheaters auf den Ertrag des Lokal-Malzaufschlages um so mehr übernehmen werde, als das wiederhergestellte Theatergebäude ohne die bezeichneten Requisiten nicht benützt, folglich auch der unterm 2L Januar^) von der Gemeinde selbst lebhaft ausge- drückte "Wunsch einer schleunigen Wiedereröffnung nicht erfüllt werden kann."

Am 19. Februar macht die obdachlos gewordene Intendanz die (für die Gegenwart nicht uninteressante) Mitteilung, daß sie seit einigen Tagen Lokalitäten im Cafe Tambosi am Hofgarten (später Dengler, dann Putscher) bezogen habe, um zum Teil das Bedürfnis an Geschäftszimmern für sich und die Regisseure zu befriedigen, und zugleich den benötigten Platz zu Proben des deutschen Schauspiels (wohl auch der deutschen Oper?) zu gewinnen, weil zur Vermeidung aller Kollisionen mit den Übungen des italienischen Opernpersonals im alten Hoftheater kein anderer Ausweg geblieben sei.

Was man übrigens bei so beschränkten Raumverhältnissen, bei solcher Not an Dekorationen, Kostümen und vor allem an Geld dennoch zu leisten vermochte, beweist in Übereinstimmung mit den Zetteln ein vom letzten Juni datiertes Ver- zeichnis aller vom 16. Februar bis zu diesem Datum im alten Hause gegebenen Vorstellungen. Gegen 56 Vorstellungen des Schau- und Lustspiels und des Balletts brachte die deutsche Oper allerdings nur deren 14 zustande, und zwar: „Graf Armand", „Das Geheimnis", „Die Schweizerfamilie" (2mal), „Sargino" „Die Vestalin", „Jakob und seine Söhne", „Doktor und Apotheker" (2mal), „Die Entführung aus dem Serail" (2mal), „Johann von Paris", „Othello". Gute Einnahmen erzielten: „Graf Armand"

*) Durch dieses Datum ist erwiesen, daß die sehr generöse Hilfeleistung der Bürgerschaft aus deren eigener Initiative und keineswegs aus einer Insinuation von oben hervorging.

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mit 164 fl. 30 Kr., „Die Schweizerfamiiie" mit 182 fl. 18 Kr. (drei Tage darauf 114 fl. 24 Kr.), „Die Entfüiirung" mit 156 fl. 15 Kr. (nach zwei Tagen freilich nur 76 fl. 57 Kr.), „Johann von Paris" mit 155 fl. 45 Kr. und „Othello" mit 172 fl. 30 Kr., „Jakob" und „Die Vestalin" trugen merkwürdigerweise nur 87 resp. 85 fl. ein. Die höchste Einnahme mit 189 fl. 15 Kr. fiel auf des noch immer beliebten Babo Vater- ländisches Schauspiel „Otto von Witteisbach".

Um gleich bei den OpernaufFührungen dieses Unglücksjahres zu bleiben, so muß es als durch die Umstände erklärt bezeichnet werden, daß nur eine Novität, und zwar erst am 24. August zustande kam; diese war „Webers Bild" von Täglichsbeck und leider fiel auch diese durch eine etwas vorsichtigere Wahl wäre gerade in diesem Falle recht zeitgemäß gewesen. Thomas Täglichsbeck [ein gebürtiger Ansbacher] dürfte damals als Violinist und zeitweise stellvertretender Dirigent dem Münchner Theaterorchester angehört haben, in welches er 1817 in ersterer Eigen- schaft eingetreten war; 1827 wurde er Kapellmeister beim Fürsten von Hohenzollern- Hechingen. Die damalige Aufführung der genannten Oper verdankte er vermutlich seiner Stellung im Münchner Orchester.

Außer dieser Novität ist noch eine einmalige Aufführung des „Fidelio" zu verzeichnen, welche München dem Gastspiel der Madame Henriette Spitzeder zu verdanken hatte. Dabei ereignete sich wieder der Fall, daß Mittermayr, da Löhle auswärts gastierte, den Florestan sang. Wie die Geschäfte bei vorrückender Sommerszeit immer schlechter gingen, zeigt das (wohl zum Zweck, dieses zu be- weisen) angelegte Verzeichnis der Kosten für die Vorstellungen während des Juli, worin die höchsten Tageseinnahmen auf „Fidelio" (Gastvorstellung mit 101 fl. 51 Kr.I) und die „Schweizerfamilie" mit 113 fl. 45 Kr. treffen, alle übrigen Einnahmen aber zwischen 43 und 74 fl. sich bewegen.

Während noch im zweiten Kapitel eine statistische Übersicht über sämtliche zur Aufführung gelangten Opern aus dem Grunde nicht möglich war, weil die erhal- tenen vollkommenen Zettelbände nur bis Anfang des Jahres 1808 zurückreichen, man also außerstande war, auch nur annähernd das Zahlenverhältnis zwischen den deutschen, französischen und italienischen Opern zu ergründen, so ist vom Zeitpunkt an, wo dieses Kapitel beginnt, dieses Hindernis zur Freude des Chronisten gehoben, und kann nunmehr auf Grund des Zettel-Studiums jene lang ersehnte Statistik sämtlicher Opernaufführungen und der darin sich teilenden Komponisten nach ihrer Nationalität mit ziemlicher Unfehlbarkeit gegeben werden.

Wie nach der geschilderten Bevorzugung der italienischen Oper von Seite des königlichen Hofes nicht anders zu erwarten ist, überwiegt das italienische Element in diesem Zeitraum das deutsche und das französische sowohl an Zahl der Komponisten als auch der Opern und deren Wiederholungen ganz bedeutend. Vom Spätherbst 1810, wo das Repertoire noch mit den letzten Dispositionen Babos zusammenhängt, bis inkl. April 1824 sind gegeben worden: 237 Vorstellungen von Opern deutscher Komponisten, 150 solche von Opern französischer Komponisten mit Einschluß Cherubinis, und 471 Vorstellungen von Opern italienischer

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Komponisten mit Einschluß des italienisierten „Simone Mayr": im ganzen also 858 Opern, wofür ich jedoch eine absolute Garantie nicht übernehmen möchte. Von diesen 471 Vorstellungen italienischer Opern entfielen jedoch 78 in deutscher Übersetzung auf das deutsche Theater, und zwar waren darunter Paer mit den 5 Opern „Camilla", „Sargines", „Die Wegelagerer", „Leonore (Fedele) oder das Staatsgefängnis von Sevilla" und „Sophonisbe" (die von den Italienern im Originaltext gegebenen gehören nicht hierher) in 43 Vorstellungen, Rossini mit „Tankred", „Othello oder der Mohr in Venedig" und „Richard und Zoraide" in 12, Fioravanti mit den „Sängerinnen auf dem Lande" (die Dorfsängerinnen) und „Die wandernden Komödianten" in 10, Paesiello mit der „Müllerin oder die Launen der Liebe" ebenfalls mit 10, und Soliva mit „Floreska" in 3 Vorstellungen vertreten. Durch diesen Zuwachs würden sich die Vorstellungen des deutschen Theaters auf 315 summieren, wenn letzteres nicht wieder 23 Vorstellungen von Opern, welche von deutschen Komponisten auf italienische Texte und für die ita- lienische Bühne geschrieben waren, an die offizielle italienische Oper abgegeben hätte. Diese sind: von Mozart „La Clemenza di Tito" (3mal), „Le Nozze di Figaro" (4 mal) und „Don Giovanni" ') (3 mal); von Meyerbeer „Emma di Resburgo" (4 mal), „Margherita d'Anjou" 2mal und „Romilda e Constanze" (nur Imal), wenigstens bis Mai 1824), von Poißl „Ottaviano in Sicilia" und „La Rapressaglia" (jede 2mal), von Weigl „L'Amor marinaro" (dieses Werk ist nichts anderes als das italienische Original der vorher in deutscher Übersetzung gegebenen Oper „Der Corsar") und von Lindpaintner „Morte e la fortuna su le sponde dell'Isar", jede nur Imal).

Das Verhältnis der Vorstellungen verschiebt sich also (ohne das der Kompo- nisten zu alterieren) folgendermaßen: Am deutschen Theater wurden mit Einschluß der 150 Vorstellungen französischer Opern in deutscher Sprache im ganzen ge- geben (237+150+78—23=) 442 Vorstellungen. Die (früher nur ausnahmsweise zu- standegebrachte, seit 1816 aber offizielle) italienische Oper kommt mit (471 —78+23=) 416 Vorstellungen obiger dreifach kombinierten Zahl jedoch schon ziemlich nahe. Die Gesamtsumme der in diesem Zeitraum gegebenen Opernvorstellungen ist dem- nach 858 im Vergleich mit unserem gegenwärtigen Opernbetriebe (ich möchte sagen „Getriebe"!) eine bescheidene, für das damalige Publikum aber vielleicht genuß- reichere Leistung!

Unter den großen Komponisten der drei Nationalitäten steht der Italiener Rossini, damals der „Allsieger im Kampf", sowohl mit der Anzahl der Opern als mit deren durchschnittlichen Wiederholungen nicht zu vergessen: erst von Mitte 1816 an, wo er zum erstenmal auf der Bildfläche erscheint weitaus obenan. Was die Statistik der Wiederholungen an der offiziellen Italienischen Oper betrifft, so gestehe ich, daß ich die der drei letzten Jahrgänge 1821/22 und 1823 nicht mehr nach Namen der Opern und Komponisten ausgeschieden habe, da doch bei der gänzlichen Verschollenheit sämtlicher Werke mit Ausnahme des Rossinischen

*) Auf den Münchner Zetteln stets „Dramma semiserio", nicht „giocoso" genannt.

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„Barbier" die peinliche Arbeit sich wahrscheinlich nicht lohnte. Es sind ihrer im ganzen 88, wovon Rossini wieder ein gutes Viertel für sich in Anspruch nehmen darf. Diese letzten ungefähr 22 Vorstellungen (nur Wiederholungen) miteingerechnet treffen auf Rossini allein in runder Summe mindestens 100 Vorstellungen, und zwar a) an italienisch gegebenen Opern: „L'Italiana in Algeri« 14, „L'Inganno felice" 9, „Tancredi" 10, „Giro in Babilonia" 2, „La Gazza ladra" 3, Elisabetha Regina d'In- ghilterra" 2, „II Barbiere di Seviglia" 7, „Generentola" 10, „II Turco in Italia" 4, „La Pietra de Paragone" 2, „Demetrio e Polibio" 2, „Torvaldo e Dorlissa", „Otello", „Bduardo e Ghristina" je 1, an welche sich b) die 12 genannten deutschen Vorstel- lungen von „Tancred", „Othello oder der Mohr etc." und „Richard und Zoraide", die Zahl 80 vollendend, anreihen, 80+20=100. Ihm zunächst kommen unter seinen Landsleuten der um 21 Jahre ältere Paer mit im ganzen ungefähr 52 Vorstellungen, Stefano Pavesi mit etwa 23, dann der schon 1804 verstorbene (1727 geborene) Pietro Guglielmi mit ungefähr 20 Vorstellungen, worunter die Opern „Ser Marcantonio", „La Burla fortunata" und „La Distruzione die Gerusalemme" die Hauptrolle spielen. Die nächsthöchsten Ziffern 14 und 13 erreichen Nicolini und Generali. Zu nur 4 Aufführungen seiner „Gli Orazi ed i Curiazi" brachte es der Italiener größter Meister Cimarosa (vielleicht nur weil Brizzi die Oper gar zu kostspielig in- szeniert hatte) und sein Meisterwerk „II Matrimonio segreto" erlebte seine Premiere spät genug am 26. Mai 1817, um dann nur einmal oder zweimal wiederholt zu werden. Auch Paesiello kam an der Italienischen Oper nur etwa viermal zu Worte, Mer- cadante, Rossinis einziger wirklicher Rival, nur zweimal mit der Oper „Melara". Eine Ausnahmestellung unter den italienischen Komponisten nahm Spontini ein, dessen auf französischen Text geschriebene und damals nur deutsch übersetzte Oper „Vestalin" im bezeichneten Zeitraum am deutschen Theater 19 mal gegeben wurde, um später ihre Zugkraft noch mehr zu bewähren. Desto schlimmer ging es anfänglich seinem „Cortez Fernando", der vorläufig nur eine Wiederholung erlebte. Die meisten Aufführungen unter allen in diese Zeit fallenden Opern hat indes der Franzose Mehul mit seinem „Jakob und seine Söhne" aufzuweisen. Bereits anfangs Januar 1809 zum erstenmal erschienen, wurde das höchst sympathische Werk im bezeichneten Zeiträume mit gleichbleibendem Beifall 27 mal gegeben. Mit dieser und drei anderen Opern: „Die beiden Füchse" (15 mal), „Helene" (13 mal) und „Die beiden Blinden von Toledo" (3 mal) erreichte Mehul die höchste Zahl der Vorstellungen nach Rossini, nämlich 58, über ein Dritteil der der übrigen fran- zösischen Opern. Weit unter ihm steht Cherubini mit 18 Aufführungen von „Graf Armand" und 2 von „Lodoisca" (März und April 1813), zusammen 20 Vor- stellungen. Nicolo Isouard erreichte mit „Aschenbrödel", welches nach seiner 9. Aufführung von Rossinis „Cenerentola" verdrängt wurde und mit den weiteren Opern „Die Intrigue durchs Fenster" (3 mal), „Joconde" (2 mal) und „Lotterielos" (nur einmal) 15 Vorstellungen, wogegen Bertons „Aline, Königin von Golkonda" allein llmal gegeben wurde. Der früher so außerordentlich populäre Gretry figuriert nur mehr mit seinem „Richard Löwenherz", welcher 9 mal gegeben wurde; von

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dem einst kaum minder beliebten d'Alayrac kamen nur mehr zwei Aufführungen des „Macdonald*, eine von „Leon oder das Schloß von Montenero" und zwei von „Gulistan oder der Hulla von Samarkand" zustande ; der liebenswürdige D e 1 1 a M a r i a blieb auf eine Aufführung der einaktigen Operette ,,Das Singspiel" beschränkt, und Dezede ist bereits ganz vom Repertoir verschwunden. Nur Solle (der „erste Bariton") kam mit 4 Aufführungen seiner Oper „Das Geheimnis" auch noch zu Gehör. Wie auf diese Weise die älteren munteren Meister der französischen Spiel- oper eigentlich recht schnell der Vergessenheit anheimfielen woran den größten Schuldanteil wohl Rossinis unwiderstehlicher Gesang hat, der ja in vollen Zügen genossen sein wollte und kaum gleichzeitigen Erscheinungen noch Raum gönnte so taucht dafür am französischen Theaterhimmel auf sicherer Bahn ein neuer freundlicher Stern auf: Fran^ois Adrien Boieldieu, dessen geistreich zierlicher „Johann von Paris" anfänglich in München nicht recht verstanden wurde, sich aber später, von 1818 an, im Repertoire festsetzte. Mit 2 Aufführungen „Der neue Gutsherr, 13 dieses „Johann von Paris" und 5 des „Rotkäppchen", welches sofort einschlug, kam Boieldieu in dieser Zeit auf 20 Vorstellungen.

Unter den deutschen Komponisten siegte nach der Zahl der Opern und der Vor- stellungen, welch letztere 52 waren, Mozart. Wäre es nicht der göttliche Meister, so würde sich dieses Resultat zum Teil auch dadurch erklären, daß unter den deutschen Opernkomponisten schon damals (wie auch später!) verhältnismäßig überhaupt so wenige „Meister", dafür einige darunter waren, welche, es zu sein, nur den guten Glauben hatten. Gegeben wurden von Mozart 6 aus der Zahl der- jenigen Opern, welche seinen Namen unsterblich machten: „Die Entführung aus dem Serail" (10 mal), „Don Juan" (13 mal), „Die Hochzeit des Figaro" (11 mal), „Titus" (6 mal, die zwei letzteren deutsch und italienisch) „Cosi fan tutte" mit dem Titel „Die Wette oder Mädchenlist" (2mal) und „Die Zauberflöte" (von 1818 an neu ein- studiert (lOmal). Es fehlte vom ganzen Hauptzyklus nur die erste, für München geschriebene „Idomeneo". Sie wäre auch damals schwerlich zu halten gewesen. Der nächste an der Zahl der Vorstellungen, nämlich 39, war der tüchtige Wei gl; und zwar wurden von ihm gegeben: „Die Schweizerfamilie" (25 mal), damit gesellt sich dieselbe zu den drei Haupttreffern der 14jährigen Epoche; die beiden anderen sind: Mehuls „Jakob und seine Söhne" und Spontinis „Vestalin", „Der Corsar" (die deutsche Bearbeitung der ursprünglich italienischen Oper „L'Amor marinaro", 8mal), „Das Waisenhaus" (4 mal), „Nachtigall und Rabe" und „Adrian von Ostade" (je nur Imal). Auch der alte Peter von Winter erlebte, wenngleich „Das unterbrochene Opferfest" 20 mal gegeben wurde, bereits einen Rückgang seiner Popularität, indem außer diesem von seinen übrigen zahlreichen Opern nur noch „Calypso", „Zaira" und „Mahomet" je 1 mal, „Maria von Montalban", „Die Brüder als Nebenbuhler" und „Der Sänger und der Schneider" (sein jüngstes und letztes Bühnenwerk) je 2 mal aufgeführt wurden, was ihm zusammen 29 Vorstellungen eintrug. Im Verhältnis zu seiner Größe und kunstgeschichtlichen Bedeutung am wenigsten wurde Meister Gluck mit 7, sage sieben, Vorstellungen seiner beiden Iphigenien geehrt. Ich

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halte es der Mühe wert, die Daten dieser so seltenen Vorstellungen zu nennen. „Iphigenie in Tauris" wurde 3mal, am 11. August 1811, am 23. Oktober 1812, und am 12. November 1813, „Iphigenie in Aulis" 4 mal, am 29. Januar, 16. Februar, 5. März und 3. April 1816 dann beide vorläufig nicht wieder gegeben. Bezüglich der „Iphigenia in Aulis" ist bemerkenswert, daß zwischen den einander auffällig schnell folgenden Darstellungen das übrige Opernrepertoire äußerst mager bestellt war. Zwischen der ersten und zweiten Aufführung wurde nur die Operette „Das Sing- spiel" von Della Maria, zwischen der zweiten und dritten nur „Graf Armand", zwischen der dritten und vierten gar keine Oper gegeben. Das Werk scheint demnach ungeheure Anstrengungen gekostet zu haben, die sich aber leider nicht lohnen sollten. Nicht besser ging es ja anfänglich auch dem Gewaltigen des 19. Jahr- hunderts, unserem Ludwig van Beethoven, mit seinem im Doppelsinne „einzigen" Fidelio. Derselbe wurde, nachdem er im Juli 1821 nur wegen des Gastspiels der Mad. Eber wein zweimal aufgeführt worden, noch einmal am 22. Juli 1823 gegeben^ wobei DE Spitzeder als Leonore den ersten theatralischen Versuch machte, und dann wieder liegen gelassen. Seine sehr langsame Einführung ins eigentliche Re- pertoire gehört dem nächsten Kapitel an. Der durch die ausgesprochene, mit nichts zu vergleichenden Popularität des „Freischützen" (auf dem Zettel stand konsequent „der Freischütze") erfolgreichere C.M. von Weber hatte außer den 14 Vorstellungen dieses Werkes, welche vom 15. April 1822 bis zum 12. Januar 1823 stattfanden, noch acht von „Abu Hassan", also zusammen 22 zu verzeichnen. Himmels „Fanchon, das Leyermädchen" wurde fünfmal gegeben. Von den übrigen Mozart-Epigonen ist außer Weigl nur noch Gyrowetz auf dem Plan geblieben; er hat mit „Agnes Sorel" (2 mal) und „Der Augenarzt" (5 mal) sieben Vorstellungen zu verzeichnen. Meyerbeer hat es mit „Jephtas Gelübde" (zweimal) und „Emma di Resburgo" (letztere 4 mal an der italienischen Oper) zu sechs Vorstellungen gebracht. Hier sind noch die Opern von Münchner Tonkünstlern (außer Winter) mit zu registrieren. Unter diesen steht der unermüdlich komponierende Baron von Poißl mit 14 Vor- stellungen obenan; drei von „Ottaviano in Sicilia" (italienisch), drei von „Athalia" und je zwei von „Aucaßin und Nicolette", „Wettkampf zu Olympia", „Nitettis" und „La Rappressaglia" (letztere ebenfalls italienisch gegeben). Außerdem beschäftigte sich Poißl s Fruchtbarkeit auch in einer ergiebigen Mitarbeiterschaft bei Opern anderer Komponisten. Auf dem Zettel der Oper „Merope" heißt es: La Musica e del Signr. Sebast. Nasolini e del Giov. Nepom. Barone di Poißl. Der Einakter „Antenore" von Piloti soll zur Hälfte von Poißl gewesen sein. Ebenso vermeinte dieser dem „Doktor und Apotheker" von Dittersdorf bei seiner Neueinstudierung im April 1823 durch sechs neue Musikstücke, mit denen er von nun an aufgeführt wurde, auf die Strümpfe zu helfen. Der kgl. Musikdirektor Ferdinand Fränzel brachte es mit „Carlo Fioras oder der Sturm in der Sierra Morena" zu neun, mit „Hadrian Barbarossa" zu zwei, im ganzen zu elf Vorstellungen; der kgl. Hofmusiker und Musikdirektor Lindpaintner kam mit seinem zweimal gegebenen „Demophoon", Liem Festspiel „Marte e la Fortuna" und dem Einakter „Kunstsinn und Liebe" auf

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vier, die nachmaligen Kapellmeister Stuntz und Aiblinger mit ihren respekt. Opern „Heinrich der Vierte zu Givry" und „Rodrigo und Ximene", je zweimal gegeben, zu vier Vorstellungen. Noch drei andere Opern mit einer Wiederholung sind zu verzeichnen: „Der Dichter und der Tonkünstler oder Wo nehme ich einen Plan her?" vom Hofmusikus Roth, „Feodora" von dem damaligen Stuttgarter Kapellmeister Konradin Kreutzer, und „das Wirtshaus im Walde", Einakter von Seyfried (zum erstenmal im Jahre 1808 gegeben). Diesen schließen sich noch einige Eintagsfliegen an, von welchen eben der später durch sein „Nachtlager" so beliebt gewordene Kreutzer drei: „Die Alpenhütte", „Libussa" und den Einakter „Cordelia" geliefert hat. Außer diesen hatten das Schicksal, „einmal hintereinander" gegeben zu werden: „Die Wette" von Bernh. Anselm Web er, „Hidalan der Harfner" von Hofmusikus Gramer, „Apollos Wettgesang-' von Sutor,„Abbe Lattaignant, von Danzi, „Webers Bild" von Täglichsbeck und „Zemire und Azor" von Spohr!

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III

DIE INTENDANTEN FREIHERR VON POISSL UND VON KÜSTNER (1824 BIS 1841/42)

NACH langem Harren sah der königliche Kämmerer Johann Nepomuk v. Poißl im Herbste des Jahres 1823 seinen sehnlichen Wunsch erfüllt: in die Hof- musik-Intendanz berufen zu werden. [Zunächst in provisorischer Anstellung als zweiter Intendant der Hofmusik, zur Unterstützung des alten Intendanten Freiherrn von Rumling, der ihn dem König für das Amt persönlich vorgeschlagen hatte.]

[Am 1. Mai 1824 wurde er provisorisch, als Nachfolger des Freiherrn von Weichs, zugleich zum Intendanten des Hoftheaters ernannt. Am S.Juni des nächsten Jahres beim Tode Rumlings (7. Mai 1825) erfolgte seine definitive Anstellung in beiden Ämtern.^)]

Die für das neue Regime vor allem wichtige Dirigentenfrage war noch unter der kurzen Intendanz Weichs dahin geregelt worden, daß die eigentlichen Kapellmeister- funktionen an der Oper der bisherige Vizekapellmeister Jos. Hart mann Stuntz dem alternden Ferdinand Franzi abzunehmen hatte. In einem Berichte der Hof- theaterintendanz über die Funktion des Orchesterdirektors bei der deutschen Oper, datiert 26. November 1823 heißt es: „Der Hofmusikdirektor Franzi genießt aus der Theaterkasse einen jährlichen Gehalt von 800 Gulden, um dafür a) die in Vor- schlag kommenden Opern durchzusehen, b) jede Abänderung und neue Komposition dazu zu verfertigen, c) bei dem Einstudieren gegenwärtig zu sein, d) alle Abände- rungen der einzelnen Partien in Bezug auf das hiesige Sängerpersonal vorzunehmen, e) die Zuteilung der Rollen nach Stimmlage und Charakter zu bestimmen, f) das ganze Orchester bei der Darstellung zu dirigieren. Allein seine anderweitigen Berufs- geschäfte (?) und sein herannahendes Alter veranlassen, daß er nur dem geringeren Teil dieser Verpflichtungen nachkommen kann. Für die sämtlichen Dienstleistungen des etc. Franzi erlaubt sich die Intendanz ein ebenso geschicktes als tätiges Subjekt und Kompositeur in der Person des Vizekapellmeisters Stuntz^) allerdevotest vorzu- schlagen. Derselbe würde allen Anforderungen vollkommen entsprechen. Er müßte sich in einem mit ihm zu errichtenden Kontrakte noch über dies anheischig machen, jährlich wenigstens eine neue Oper ohne besonderes Honorar zu liefern, wofür er lediglich den Gehalt von 800 Gulden bezöge. Bei der anerkannt guten Reputation, die Stuntz hat, und bei der Energie, die er besitzt, ist nur Vorzügliches von ihm zu erwarten und er kann unendlich viel dazu beitragen, daß die Oper auf jenen würdevollen und rühmlichen Standpunkt gelange, auf dem sie an einer Hofbühne

[') Vergl. E. Reipschläger, S. 151 ff.] ^) Gewandtheit und Agilität waren nun gerade nicht die starken Seiten dieses sonst hochachtbaren und vornehmen Künstlers.

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Intendant Johann Nepomuk Freihern von Poissl 1824 1833

unstreitig sein solle. Damit er aber auch in persönlicher Beziehung das so not- wendige Ansehen als Dirigent des königlichen Orchesters erhalte, wagt die Inten- danz noch die Bitte, Ew. k. Maj. wollen geruhen, ihm den Titel eines wirklichen Kapellmeisters allergnädigst zu verleihen." Darauf reskribiert das Finanzministerium Lerchenfeld erst am 7. Januar 1824, daß die Hofmusikdirektion bei der deutschen Oper in der Art, wie solche im Berichte der Intendanz von a bis f bezeichnet worden sei, dem Vizekapellmeister J. H. Stuntz übertragen werden solle. „Hierbei wird erklärt, daß diese Direktion künftig als keine ständige Stelle, sondern als eine bloßeFunktion(!) anzusehen ist, wofür dem Vizekapellmeister Stuntz eine jährliche Remuneration von 600 Gulden bewilligt wird.^) Demselben ist hiebei noch die Ver- sicherung zu geben, daß er jährlich für eine Oper, welche er für das königliche Hoftheater schreibt und die mit Beifall auf die Bühne gebracht wird, eine besondere Remuneration von 150 Gulden aus der Regie des Theaters zu erhalten hat."

Auf diese Weise, und zwar namentlich dadurch, daß auch die persönliche Direktion des Orchesters bei den Darstellungen Stuntz übertragen wurde, war der Konzert- meister Joh. Moralt, der von all den verlangten Funktionen eben nur diese eine verrichten konnte, vom Dienste an der Oper verdrängt. Daß Stuntz auch die Oper vom Februar 1824 bis zum Spätherbst 1827 allein dirigiert haben muß, geht mit Evidenz aus der von König Ludwig I. um diese Zeit verlangten Veränderung in der Operndirektion hervor, worauf ich an geeigneter Stelle kommen werde.

Von den im Anfang des vorigen Kapitels aufgeführten Sängerinnen waren zur Zeit von Poißls Amtsantritt mit Ausnahme von Mad. Amalie von Neumann, welche sich übrigens vom Sopran mehr in die Altregion herunterbegab, bereits alle aus- geschieden, und zwar, um vorerst die vorzüglichsten zu nennen; Frau Regina Lang schon seit November 181 1 , in dem sie sich auf ihren Beruf als Hofsängerin beschränkte, Dlil: Altmutter, die am 2. Januar 1812 ihr glänzendes Debüt als Jeanne d'Arc feierte, Frau Weixelbaum-Fantozzi, welche 1816 mit ihrem Gatten einem aus- wärtigen Rufe folgte, Frau von Fischer und Frau Josepha Flerx(-Lang), welche beide 1821 ebenfalls zum Schauspiel übergingen, und die unvergeßliche Harlaß, welche schon 1818 der Tod dahinraffte. Mit diesen hatte die Münchner Bühne in kurzer Zeit nacheinander fünf Koryphäen verloren, an deren vollgültigen Ersatz schwer zu glauben war; aber die damalige Zeit war noch zu reich an Sangesgrößen, als daß selbst der schwerste Verlust hätte entmutigen können schon waren neue Sterne erster Größe teils gewonnen teils in Sicht. Auch Mad. Stentsch, welche im Jahre 1811 und später das Blondchen in Mozarts Entführung und andere wichtige Sopranrollen sang und die Altmeisterin im Doppelsinne Frau Elise Lang (Mutter der Frau von Fischer), welche noch die Obervestalin und die Klytemnestra kreiert hatte, sowie die seit 1811 in kleineren Rollen verwendeten Damen Tausch und Müller, auch die im späteren Verlaufe aufgetauchten Düi Reger (Hannchen im „Figaro«, Benjamin, Lorette in den „wandernden Komödianten"), Düg^ Schiet t

*) Hiemit ist der Standpunkt des Bürokratismus im damaligen Bayern mehr als zur Genüge bezeichnet. Traurig, daß er maßgebend war.

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(in deutschen und italienischen Opern), DE Louise Wohlbrüclt (in Poißls „Athalia« 1814): sie alle sind in jener Generalübersicht der Etatspositionen von 1821 nicht mehr aufgeführt, können mithin dem Bühnenverbande in diesem Jahrgange nicht mehr angehört haben es müßte denn eine oder die andere, wie es damals oft der Fall war, zugleich Schauspielerin gewesen sein und ihre Besoldung vom Schau- spieletat bezogen haben.

Neben dieser einzig übrig gebliebenen Neumann sind aber in der Generalüber- sicht bereits an Sängerinnen Frau Sophie Löhle, Clara Vespermann, Nanette Peßl und Katharina Sigl aufgeführt. Frau Löhle, welche eingestandenermaßen nur ihres Gatten wegen gehalten und gagiert wurde, kommt nicht in Betracht; ich habe auch ihren Namen auf keinem einzigen Opernzettel gefunden. Dagegen war die Neumann eine vorzügliche vielseitige Sängerin. Sie hatte sich im Januar 1812 durch ein Gastspiel in Paers „Sargines" eingeführt, sang naiv-muntere Rollen wie die Nanette (Despina) in „Cosi fan tutte", die Lorezza im ,Johann von Paris", aber auch tragische in der italienischen Oper und sentimentale, wie die Emmeline in der „Schweizerfamilie". In der Clara Metzger seit Mitte Januar 1823, Mad. Vesper- mann ^) hatte bereits Delamotte in der Katharina Sigl-Stich einen außerordentlich glücklichen Fang gemacht. Erstere eignete sich wegen ihres volltönenden Mezzosoprans vorzüglich für dramatische, letztere wegen ihres ausgesprochen hohen und beweg- licheren Soprans mehr für Koloraturpartien; doch konnte sich je nach Bedürfnis der Rollenkreis der beiden Künstlerinnen merkwürdig erweitern. Beide gehören zu den glänzendsten Perlen an der Münchner Bühne; beide hatten sie, zuerst die Metzger, dann, nach deren früh erfolgtem Tode, die Sigl ein und denselben glücklichen Mann, den Schauspieler und Regisseur Vespermann zum Gatten. Neben diesen großen Künstlerinnen war stark im Repertoire beschäftigte DE Peßl (auch Pesl geschrieben resp. gedruckt)^). Auch sie war von erstaunlicher Vielseitigkeit, nament- lich in Bezug auf die darzustellenden Charaktere. In dem Jahrgang 1822 sang sie das „Liebröschen" (früher von der Metzger gesungen) in Boieldieus „Rotkäppchen" und die Titelrolle in „Helene" von Mehul, zwei ausgesprochen lyrische Rollen, aber auch den Tankred, die hochdramatische Castratenrolle, dann wieder den Olivier in Boieldieus „Johann". Der in frischem Jugendglanze strahlende Stern der Nannette Schechner leuchtete der deutschen Oper nur bis zur Hälfte dieses Jahres, in dem sie am I.Juli wieder ganz zur italienischen Oper überging. In kleineren Partien wirkend sind auf Theaterzetteln von diesem Jahrgang an noch aufgeführt: Die MM Mauermair, Wittenhofer, Pesl (oder Peßl) jun., wie es scheint, eine jüngere Schwester der obigen, die aber Alt sang; dann eine Madame Schneider (Lorezzo

') Unter diesem Namen trat sie zum erstenmal am 20. Januar dieses Jahrganges als Desdemona in Rossinis „Othello" auf. ^) Ein für den Chronisten nicht angenehmer Zug im ersten Viertel des 19. Jahrhunderts ist der allgemeine Leichtsinn in der Orthographie der eigenen Namen. Von den verschiedenen Mai er oderSchmid abgesehen, machen die Namen neu engagierter Mitglieder oder Gäste auf den Zetteln gewöhnlich zwei bis drei Wandlungen durch, bis sie endlich richtig geschrieben sind.

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im „Johann von Paris"); von 1823 an eine DMWeitner, welche 1823 ihren ersten Versuch als Gräfin Armand machte, bald darauf aber als Blondchen ohne weiteren Vermeric auf dem Zettel erscheint, endlich Düi Mailhammer, die sich noch unter Weichs als Fanny in „Richard Löwenherz" versuchte und mit der Rolle der Gitta in Paers „Camilla" am 21. März 1824 (zehn Tage vor Poißls Antritt) ins Engagement trat. Diesen neun Sopranen gegenüber ist als einzige Altistin Dlt= Clementine Moral t, die nachmalige Gattin Pellegrinis zu verzeichnen, welche schon im Mai 1820 ihren ersten theatralischen Versuch an der italienischen Oper in „Emma di Respurgo" von Meyerbeer machte und darauf an der italienischen Oper engagiert worden war. Zum erstenmal an der deutschen Oper erscheint sie als Emma in der Rossinischen Oper „Zelmira" im November 1822. (Einmalige Auftritte im Jahre 1823 waren die von DESpitzeder erster Versuch als Fidelio am 22. Juli, von Dlil:Wanney und Mad. Gramer, welche aber zu einem Engagement nicht führten.) Wie diese Vereinigung von teils ausgezeichneten, teils tüchtigen weiblichen Gesangskräften eine glückliche Opernzeit verkündete, so hätte auch das Sänger- personal nicht leicht besser und hoffnungsreicher bestellt sein können. Von den Sängern der bezeichneten Zeit (von 1811 an) sind in der Generalübersicht von 1821 nicht mehr aufgeführt: a) von den Tenoren der inzwischen sehr gealterte und noch unter Delamotte pensionierte Altmeister Schack; b) von den Bassisten zum Glück gerade die weniger wichtigen: Unhoch, die beiden Augusti, Meiers und Franz. Geblieben sind dagegen der freilich bereits im Abnehmen begriffene Heldentenor Tochtermann, der sich auch schon das Jahr darauf in sein Amt als Regisseur zurückzog; von den Bassisten dagegen der phänomenale, unermüdete Mittermair, der noch immer kräftige Muck und der vielgelobte Hanmüller. Als neu zuge- gangene Kräfte sind in der Übersicht verzeichnet die Tenore Franz Löhle und Ferdinand Schimon und die Bassisten Johann Fischer und Staudacher. Löhle ließ bald die Vorzüge erkennen, womit er später den trefflichen Weixelbaum zu ersetzen vermochte. Schimon war in zweiten Partien ein äußerst verdienstvoller Sänger. Fischer (wie es scheint einer der gröberen unter den Bassisten) stand im Jahre seines Engagements (1818) im Zenith seines Ruhmes, denn er ließ sich nur um die damals seltene Summe von 4000 Gulden gewinnen; aber sein Bleiben reichte nicht bis zu Poißls Regime, schon 1822 ward man gern seiner los. Mit desto größerem Interesse blickte man auf den jugendlichen Staudacher, der auch die Erwartungen, die man von ihm hegte, bestätigen sollte.^) Um aber den wichtigsten bisher noch unbesetzten Posten auszufüllen, ward noch unter Weichs der nach- mals berühmte Heldentenor Alois Bayer in Betracht gezogen, und debütierte der- selbe als Joseph mit solchem Glück, daß daraufhin sein Engagement (erst unter Poißl vollzogen) eine beschlossene Sache war. Auf das hierdurch komplett ge- wordene Ensemble, in welchem aus dem Rahmen künstlerischer Tätigkeit europäische Berühmtheiten wie die Metzger-Vespermann, die Sigl und die Schechner,

*) Der herrliche Pellegrini blieb seit seinem ersten Auftritt in „Mose etc." 1822 vorläufig an der italienischen Oper engagiert (ebenso Diie Moralt, seine nachmalige Gattin.)

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in welchem ausgezeichnete Zugkräfte wie Löhle, Bayer, Mittermair und Staudacher hervorleuchteten, kann der neue Intendant nur mit tiefster Befriedigung, mit sicherer Hoffnung in die Zukunft geblickt haben. Wahre Mustervorstellungen müssen mit diesem Ensemble, außer den Mozartschen Opern, „Die Schweizer- familie", „Der Wasserträger", Aubers damals neugefallener „Schnee", Boieldieus „Johann von Paris" etc. gewesen sein.

Und doch erlaubte sich Poißl schon im ersten Monat seiner Amtsführung den Luxus, die Schröder-Devrient zum Gastspiel als Leonore im „Fidelio" und als Emmeline in der „Schweizerfamilie" einzuladen, Luxus insoferne, als nach da- maliger Anschauung in München auch die Vespermann, wenn man sich nämlich zum üblichen Punktieren bequemte, die nötige Kraft zur dramatisch- gesanglichen Durchführung beider Partien geboten hätte, eine weiter sehende künstlerische Tat aber, als durch die Empfindungs-Intensität der Schröder-Devrient und ihr Sich- versenken in den Geist hochdramatischer Rollen, womit sie später selbst einen Einfluß auf Richard Wagners Entwicklung (wie dieser mit Entzücken erzählt) gewann, namentlich die Beethovensche Leonore für alle Zeiten mustergültig gestaltet worden ist, was auch in München nicht ohne Wirkung auf das allgemeine ästhetische Verständnis des Werkes geblieben sein kann. Die Bedeutung dieser Darstellung festlich zu markieren, gab Poißl den Fidelio (am 27.) bei beleuchtetem Hause, selbstverständlich da der Ausbau des großen Hoftheaters noch nicht vollendet war, im Residenztheater.

Mit gleicher Feierlichkeit beging er die Wiederaufführung von „Cosi hn tutte" in der Neugestaltung von Herklots mit dem Titel „Die verfängliche Wette oder Weibertreue" am 16. Juli, wobei Bayer als Urbino-Ferrando zum erstenmal im Engagement auftrat. Die übrige Besetzung war: Isabella Fiordiligi . . . . DE Sigl,

Rosaura Dorabella Mad. Vespermann, Nannete Despina DE Mailhammer,

Marquis Cornelio Don Alfonso Staudacher, Ricardo Guglielmo .... Frieß^).

Welch ein herrliches Ensemble! Wer möchte, wenn er heutzutage das Werk in lobenswerter Besetzung hört, daran glauben, daß die damaligen eminenten Sänger mit den göttlichen Melodien, mit dem Zauberklang des Ensemblesatzes keine bessere Wirkung zustande brachten, als daß die Oper abermals, und zwar bis zum März 1825 liegen bleiben mußte, wo sie wieder auf eine Aufführung beschränkt blieb? Her- klots Bearbeitung, in welcher aus den zwei Liebhabern vier gemacht waren, scheint der Dichtung, anstatt ihre Wirkung zu erhöhen, eine nur verschlimmernde Gewalt angetan zu haben.

Ein Fortschritt in der allgemeinen Leistungsfähigkeit der Oper ist nunmehr darin zu erblicken, daß der Chor seit seiner Organisation sich ansehnlich vermehrt hatte und bereits aus 30 Choristen, 24 Choristinnen und 10 Singknaben bestand; bei Darstellung von großen Opern soll diese Zahl bis auf 80 erhöht worden sein (?)

*) Es war dies der ebenso im Schauspiel wie in der Oper verwendete Künstler, welchen Stichs Protektion widerrechtlich zum Vorstand des Garderobenwesens gemacht hatte. Daß er in dieser Rolle Verwendung fand, spricht für seine Tüchtigkeit als Sänger.

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behauptet wenigstens Grandaur; eine aktenmäßige Bestätigung darüber habe ich nicht gefunden, ist auch nicht recht wahrscheinlich.

Bezüglich der Finanzlage war leichtbegreiflicherweise auch Freiherr von Poißl nicht besser als seine Vorgänger daran, namentlich darum, weil, worauf wir noch kommen werden, die magistratischen Zuschüsse für neue Kostüme von Stich mit größter Unverforenheit im Voraus zum Betrieb der Opernaufführungen im alten Hause verschwendet worden waren; so daß bei Eröffnung des neuen, statt des zu erwartenden befriedigenden Materialbestandes, im Garderobemagazin sich eine trostlose Leere zeigte.

Vorderhand aber drängte die letzte Erfüllung einer großen Aufgabe den unaus- bleiblichen bisher von jedem Intendanten geteilten materiellen Kummer in den Hintergrund. Galt es doch, einem seit 13 Jahren begonnenen, oft und scheinbar hoff- nunglos unterbrochenen, dann nahe an seinem Abschlüsse vom Feuer zerstörten, endlich mit fast übermenschlicher Anstrengung wiederhergestellten Monumentalbau, Thaliens geweihten Tempel in Isar-Athen, nunmehr mit Aussicht auf eine lange gedeihliche Zukunft die letzte heißersehnte Vollendung zu geben. Während innen die Bühne mit ihrer technischen Einrichtung, das Auditorium, das Logenhaus, die beiden gewaltigen Haupttreppen, die königlichen und die Seitensäle, die unteren Vorräume mit ihrer neuen dekorativen Ausstattung (nach Fischers Zeichnungen), die Magazine, die Garderoben, Probe- und Diensträume (letzlere nunmehr zahl- reicher als nach dem Fischerschen Plane) etc. ununterbrochen, auch an Sonntagen und viel zur Nachtzeit, fast alle Arbeiterzünfte der Stadt beschäftigten; während außen nach kolossaler Fundierung die schwierige und zeitraubende Aufstellung der acht Säulen des Portikus mit dem wunderschönen unteren Giebeldach, die Dachdeckung mit dem prachtvollen oberen Giebel, sowie die Konstruktion der breiten äußeren Treppe langsam, aber sicher vorwärts schritten, wurden auch das Ministerium der Finanzen und die Bühnenleitung nicht müde, ihrerseits die Grund- bedingung für die Eröffnung des neuen Hauses zu erfüllen, d. h. die schleunige Beschaffung der nötigen, nicht geringen Anzahl von Dekorationen zu bewerkstelligen.

Zur Wiedereröffnung schreibt Poißl am 30. September: „Nachdem die für den Bau des neuen großen Hoftheaters allerhöchst angeordnete Spezial-Baukommission nunmehr mit Bestimmtheit erklärt hat, daß im Laufe des Monats Dezember der Bau vollendet und das vollkommen fertige Haus der kgl. Hoftheater-Intendanz extradiert werden wird, so glaubt der etc. Amtsvorstand Vorschläge über die Eröffnung Seiner

königlichen Majestät zu Füßen legen zu dürfen Nicht mit einem einzigen Werk,

sondern mit einer ganzen Eröffnungsepoche soll die wichtige Feier begangen werden, und zwar: Erster Abend: Prolog, von Eßlair gesprochen, dann das neue Ballett „Aschen- brödel" in drei Akten von Horschelt; zweiter Abend: Egmont; dritter Abend: ein ausgezeichnetes Lustspiel in zwei oder drei Akten mit Wiederholung des Balletts; vierter Abend: Wilhelm Teil; fünfter Abend: Die Prinzessin von Provence, große Zauberoper in drei Akten von Poißl; sechster Abend: Wiederholung dieser Oper." Die Aufführung der letzteren motiviert der Intendant damit, daß „unter den zu Gebote

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stehenden Werken kaum eines zu finden sein dürfte, welches sich glücklicher der Individualität der hiesigen Sänger und Sängerinnen aneignete, und zugleich mehr Gelegenheit böte, vereinigt mit Chor und Ballett, aber ohne übertriebene Statisterei, als abgeschlossenes Kunstwerk auf das Publikum zu wirken." Liegt in der Betonung dieser äußeren Zweckmäßigkeit schon das Eingeständnis eines fortschrittfeindlichen, zopfigen Standpunktes, wobei noch immer fraglich bleibt, ob wirklich von Poißls neue Oper die einzige war, welche diese Außenseite zu erfüllen vermochte, so war damit die Unbescheidenheit des Intendanten, gerade bei diesem festlichen Anlaß anerkannte Meisterwerke zu seinen persönlichen Gunsten zu verdrängen, wahrlich schlecht verhüllt. Der nächstliegende Akt künstlerischer Pietät wäre gewesen, am fünften und sechsten Abend Mozarts „Don Juan" und den hinter dem „Freischütz" zurückgebliebenen „Fidelio" in möglichster Mustergültigkeit, statt das liebe eigene Produkt gleich zweimal nacheinander zur Aufführung zu bringen. Auch erscheint durch die in diesem Spielplan gelegene Bevorzugung des Balletts und des Schauspiels die wahre Bedeutung des Kolossalbaues, welche darin bestand, daß seine mächtige Akustik in einem vorher unbekannten Maße die Klangwirkung der Oper erhöhte, zum zweitenmal total verkannt.

Durch Reskript vom 1 1 . Oktober ward bestimmt, daß die Eröffnung am 2.Januar 1825 stattzufinden habe. Zu dieser Eröffnung plante die Spezial-Baukoramission eine solenne Bekränzung, sowie eine voraufgehende Nivellierung des damals noch ganz gebirgigen Max Joseph-Platzes gemäß dem Niveau der untersten Stufe der eben im Aufbau begriffenen großen Treppe. Die Kosten der Bekränzung hatte der Magistrat über- nommen. Nach der Nivellierung war eine Ausschmückung des Platzes mit Garten- pflanzungen durch die kgl. Hofgarten-Intendanz in Aussicht genommen. Am 27. De- zember konnte Ministerialrat von Plank der Majestät berichten: „Das Innere wie Äußere des Baues ist dergestalt vollendet, daß die Intendanz schon mit ihrem ganzen Personal davon Gebrauch macht und sich in allen Fächern der Kunst bereits einübt, und die Eröffnung kann ohne den geringsten Anstand am 2. Januar 1825

stattfinden Und da nur noch die beiden Theaterhöfe gegen das Zeughaus zu

mit den planmäßigen Brüstungsmauern und den eisernen Gittern zu schließen und zu pflastern sind, verlohnt es sich nicht mehr der Mühe, daß die etc. Kommission noch länger in Tätigkeit bleibe."

Um der denkwürdigen Feierlichkeit auch einen historischen Charakter zu ver- leihen, wurde auf Antrag des Finanzministeriums eine Denkmünze in Gold und in Silber geprägt, welche auf der Aversseite das Brustbild des Königs, auf der Revers- seite die Front des Theatergebäudes mit der Inschrift: „Igni absumtum XlV.Jan. 1823. Restauratum 1824" zeigte. Mit der goldenen Denkmünze wurden dekoriert: Die sämtlichen Mitglieder der Spezial-Baukommission samt den magistratischen Bei- sitzern, den Räten von Teng und Schindler, die beiden Bürgermeister Fr. Paul von Mittermair und Jakob Klar, und die Gemeindebevollmächtigten von Maffei und Wendling; ein goldenes Exemplar erhielt auch die Stadt für ihr Archiv. Die silberne Denkmünze bekamen alle übrigen Gemeindebevollmächtigten und verschiedenes

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bautechnisches Personal. Inhaltlich Reskriptes vom 7.Januar 1825 war dem Brunn- Palier Negele (I) der „vergessen" war, nachträglich die goldene Medaille zu- j erkannt;^) der Polizeidirektor von Rineker und die beiden Hoftheaterbaurechnungs- i Führer Arnold und Müller erhielten die silberne.

Wir kommen zum ereignisreichen Jahre 1825. Die Teilnahme des Publikums an 182 der Eröffnungsfeier, welche ihrem ganzen Umfang nach vom 2. bis zum 24. Januar dauerte, scheint nicht sehr stark gewesen zu sein, wenn auch die am ersten Abend j Anwesenden es selbstverständlich an herzlichen Ovationen für den hocherfreuten König nicht fehlen ließen; denn in einem Bericht, in welchem es sich um Ersatz ' der fehlenden Einnahme gehandelt, weil diese den Stadtarmen zuerkannt worden war,^) bemerkte Baron von Poißl, daß „die Ausweisung der Kosten leicht eine i Summe herstellen könnte, welche sich von der Einnahme nicht viel unterscheiden i würde". Wurde die Wichtigkeit der definitiven Einweihung des nun in seiner I ganzen Schöne und Größe prangenden Kunsttempels von den damaligen Durch- j Schnittsmünchnern nicht erkannt, oder war selbst die gewiß klug auf die Massen berechnete Einweihungsvorstellung ein neues Ausstattungs-Ballett von dem beliebten Horschelt nicht nach ihrem Geschmack: Die Tatsache der geringen ; Teilnahme, welche das Gros der Bevölkerung einem der bedeutendsten Momente \ in der Kunstgeschichte der Stadt entgegenbrachte, ist und bleibt eine für dasselbe j wenig rühmliche. Aber alle Achtung muß man der, um mit Babo zu reden, etwas 1 „consumtibleren" Betätigung des Kunstsinnes und des Patriotismus zollen, welche | es zustande brachte, daß der vornehme herrliche Bau fast einzig und allein durch j den (allergnädigst prolongierten) Bierpfennig hergestellt wurde. Es lebe darum die Tugend, worin die alten Münchner den alten Deutschen es gleich taten, der echte biedere, bajuwarische Durst! j

In Betreff der Brandaffäre schreibt am 24. März 1825 das Finanzministerium an das Ministerium des Innern, daß man, nach der Lage der Akten, „bei der An- sicht des erkennenden Kollegiums, wie solche aus dem Schreiben des Appell- gerichts an die Regierung vom 13. November vorigen Jahres sich dargestellt, bei '. dem Ausflusse einer Zeit von bereits mehr als zwei Jahren seit dem unglücklichen Ergebnisse, und bei der Schwierigkeit, aus dem ungeheueren Detail sich durch- kreuzender Aussagen eine Schuld des Einzelnen auszumitteln, diesen ganzen Gegenstand auf sich beruhen zu lassen hierorts beschlossen hat." Dieses stolze Ergebnis einer Kriminaluntersuchung haben damalige Juristen der Haupt- stadt Bayerns fertig gebracht!

Mit Reskript vom 29. Jänner wurde die Spezial-Baukommission unter alier- gnädigster Belobigung ihres ersprießlichen Wirkens aufgehoben; zugleich dem Magistrat der Haupt- und Residenzstadt München über seine tätige und ausgezeichnete

') Risum teneatis amici: Siehe im vorigen Kapitel! ^) Ob diese menschenfreundliche Verfügung nur für die erste, die eigentliche Einweihungs-Vorstellung (Prolog, Volkslied und Ballett) oder, was freilich der Kostspieligkeit wegen sehr unwahrscheinlich wäre, für den ganzen Festzyklus gegolten habe, geht aus dem Berichte mit Deutlichkeit nicht hervor.

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Verwendung und Mitwirkung beim Tlieaterbau die allerhöchste Zufriedenheit aus- gesprochen.

Aber die vielköpfige Spezial-Baukommission hatre wieder einem höchst wichtigen Bedürfnis Rechnung zu tragen vergessen. Auch dem neuen Kolossalbau fehlte es an einem geeigneten Raum zur Aufbewahrung von Dekorationen, ein Mißstand, welcher, wie wir wissen, das Verhängnis des Brandes gefördert und beschleunigt hatte. Nun unterhandelte man mit dem Kriegsministerium um Ablassung einiger großer Räume im alten Zeughaus, aber vergeblich. Dann nahm man seine Zuflucht zur alten Reitschule, deren disponible Räume aber, obwohl sehr groß, bald überfüllt waren. Dann, als diese abgebrochen werden sollte, kam man auf die Idee, die Dekorationen in die ehemalige Salvatorkirche (jetzt die griechische) zu transferieren, wogegen sich aber, als einem ganz unpraktischen Unternehmen, da die Kirche nicht den vierten Teil der Kulissen etc. fassen konnte, der Ökonom Braun und der Inspektor Meiser mit ausführlichen Gutachten erklärten. Die Intendanz wurde nun beauftragt, die alten nicht mehr brauchbaren Dekorationen auszuschließen, die neuen in der Salvatorkirche unterzubringen, da zu allem Unglück der Abbruch der Reitschule sogleich zu beginnen hatte. i/25 Zum Zwecke des Zusammenhanges in unserer Geschichte etwas vorausgeeilt, müssen wir noch einmal zu den künstlerischen Ereignissen des Jahres 1824 zurück- kehren. Als vollkommene Novitäten des Jahrgangs sind nur die Opern „Der Schnee" von Auber, dessen Genius mit diesem äußerst populär gewordenen Werke zum erstenmal sich in München einführte, und das einaktige Singspiel „Der Faßbinder" von dem nun gealterten Ferd. Franzi zu verzeichnen. „Der Schnee", komische Oper in vier Akten von Scribe und Delavigne, deutsch von Castelli, Musik von Auber, wurde zum erstenmal am 30. Juli gegeben; die zweite Vorstellung am 6. August fand im „besonderen Abonnement für die Kunsteleven" statt ^) und das Werk erlebte im selben Jahr unter gleichbleibender Mitwirkung der Herren Löhle, Bayer, Staudacher, Mittermair und Augusti und der Damen Sigl, Metzger- Vespermann und Neumann nur noch zwei Wiederholungen. Auch bei dieser Oper ist die baldige Einverleibung ins Münchner Repertoire hervorzuheben; denn „La Neige ou le nouvel Eginhard" wurde zu Paris erst am 8. Oktober 1823 zum erstenmal gegeben. Merkwürdig genug schweigt sich die „Flora" über Musik und sonstige Beschaffenheit der Novität gründlich aus. Das einzige, was sie erst am 29. August unter den Miszellen darüber verlauten läßt, ist folgende Bemerkung: „In der Reihe der Vorstellungen, welche zum Vorteil der Kunstzöglinge außer dem Abonnement gegeben werden, sieht das Publikum seinen wohlwollenden Sinn für die Kunst und ihre Jünger ebenso belohnt, als diese selbst durch ihren (!) zahlreichen Besuch gewinnen. Der Schnee ward für sie zum goldenen Regen, welcher annehmlicher ist, als dieser lange entsetzliche (wohl wirkliche Regen?)...."

^) Das Nähere über die Kunsteleven konnte ich aus den Akten nicht erfahren. Es dürfte sich hier um die im Jahre 1821 von Stich ohne Genehmigung gegründete „Theatersingschule" handeln, welche man demnach bis jetzt nicht aufgehoben und mit solchen Sonderabonnements sustentiert zu haben scheint.

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Intendant Karl Theodor Küstner 1833-1842

über Franzis „Faßbinder", welcher erst am 21. Dezember herauskam und dann nicht wieder aufgeführt wurde, äußert sich dasselbe Blatt apodiktisch genug: „Mißfiel allgemein, eine wahre Mißgeburt!" Um zarte Umschweife in ihrem Urteil scheinen sich die damaligen Kritiker in München nicht übermäßig bemüht zu haben, und so ist dieses „Herunterreißen", mag das Werkchen noch so unbedeutend oder verfehlt gewesen sein, um so bemerkenswerter, als es einem seit vielen Jahren hochverdienten und mitten im Münchner Musikleben stehenden Künstler geschah. Ob der damalige Herr Referent der „Flora" ebenso wenig wie das Gros seiner heutigen Kollegen den Befähigungsnachweis für sein jedenfalls leicht genommenes Amt zu liefern vermocht hätte, ist heute nicht mehr zu untersuchen.

Außer Mozarts „Die verfängliche Wette etc." am 13. Juli erschien als neu ein- studiertes Werk am 27. August Boieldieus „Der neue Gutsherr", diesmal mit der Besetzung: Bayer, Löhle, Staudacher, Frieß, Augusti und Dlll:Sigl. An Zugkraft konnte sich die Oper mit den übrigen desselben Meisters nicht messen; in diesem Jahrgang wurde sie nur noch einmal, und dann erst wieder im Sommer 1826 gegeben, um nun bald von der neu erscheinenden „Weißen Frau von Avenell" ganz verdrängt zu werden. Im Repertoire der wiederholten Opern ist es auffällig, daß sich in dasselbe sofort auch italienische eindrängten, die allererste unter Poißl im großen Hause am 5. Mai gegebene Oper sogar eine italienische, nämlich Rossinis „L'Inganno felice" (zusammen mit einem Lustspiel) war, und dieser schon am 28. Mai „II Fanatico per la Musica" folgte. Man scheint demnach von der festgesetzten Regel, die italienische Oper auf das Residenztheater zu beschränken, gar bald wieder abgegangen und hiezu ohne Zweifel durch die Eifersucht der italienischen Sänger gedrängt worden zu sein, welche sich im kleinen Hause, wo sie zum Teil auch mit minderwertigen Dekorationen vorlieb nehmen mußten, zurück- gesetzt fühlten. An einer Aufführung der äußerst beliebt gewordenen Oper „Othello oder der Mohr von Venedig" ist die erstmalige Besetzung des Jago durch Bayer hervorzuheben, wie denn überhaupt dieser Künstler von nun an neben Löhles hohem Tenor eine ergiebige Verwendung in tieferen und vorzugsweise dramatischen Tenorpartien findet. Eine Aufführung von Paers „Sargines" am 6. September ist dadurch bemerkenswert, daß in derselben zum erstenmal der Bassist Leopold Lenz (in der Rolle des Phil. August, Königs von Frankreich), und zwar sogleich im Engagement auftrat, jener tief musikalische Sänger, welcher von nun an zu den meistbeschäftigten und unentbehrlichsten Mitgliedern der Münchner Bühne auf drei Jahrzehnte gehörte, auch bald zum Frommen des Instituts die Regie der Oper über- nahm. Endlich ist noch eine Wiederaufführung der Win ter sehen Oper „Calypso" am 14. Dezember von Interesse, weil in derselben vier neue Sängerinnen, Dül: Hechen- thaler, eine „ältere" Unhoch, eine Dlll:Mark und eine DH^Traub jun. auftraten, wahrscheinlich lauter „Kunstelevinnen".

Die italienische Oper hatte noch unter Weichs (am 2. April) eine Farsa in Musica, „Zilia" del Maestro Mellara, einem bis jetzt noch nicht zu Wort gekommenen Komponisten, gebracht. Dagegen trat sie unter Herrn von Poißl am 21. Mai mit

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der denkwürdigen ersten Aufführung von Mozarts,, Don Giovanni", Drama semi- serio, im italienischen Original mit den Seccorezitativen hervor. Die brillante Be- setzung war folgende: Giovanni .... Sign. Santini; Donna Anna.... Sigra. Meric-

Lalande; Commendatore Sign. Pellegrini;^) Ottavio Sign. Vecchi;

Elvira Sigra. Schechner; Zerlina Sigra. Schiasetti; Leporello Sign.

Ranfagna; Masetto Sign. Trezzini. Unter den etwa zwanzig wiederholten

Opern befinden sich noch zwei Darstellungen von „Le Nozze di Figaro" und eine des „Don Giovanni", unter den übrigen überwiegt Rossini ungeheuer.

Ehe ich nun im weiteren Repertoire der deutschen und der italienischen Oper in dem bereits angeschnittenen Jahrgang (1825) fortfahre, muß ich auf die letzten Schicksale desjenigen Instituts zu sprechen kommen, welches als der leidige Krebsschaden in den damaligen Theaterverhältnissen Münchens zu betrachten ist, des glücklicherweise in den letzten Zügen liegenden kgl. Theaters am Isartor. Zu diesem Zwecke muß ich im Gang der Geschichte wieder etwas zurückgreifen. Um den Charakter, oder vielmehr die Charakterlosigkeit des unter ganz unfähiger Leitung zusammen- gewürfelten Repertoires zu zeigen, brauche ich nur das Wesentliche aus den in der Registratur des kgl. Hoftheaters befindlichen Zettelbänden der Jahrgänge 1818 und 1819 hervorzuheben, und man wird daraus erkennen, daß hier eine Spur von künstlerischem Wollen und Bewußtsein, oder gar von einem bestimmten System eben nicht zu erkennen ist. Es wurden da im kunterbunten Durch- einander neben den flachsten Possen und tollsten Ritterstücken gar merkwürdig auch Schauspiele von Bedeutung, welche offenbar ins Hoftheater gehört hätten, wie z. B. außer dem schon genannten „Kätchen von Heilbronn" (als „romantischem Ritterschauspiel") von Kleist und Schillers„Räubern" (weil diese ja ein ^Räuberstuck" waren), Klingemanns fünfaktiges Trauerspiel „Faust" und des- selben Dichters (allerdings etwas gruslig-romantisches) Schauspiel „Die Grube zur Dorothea", dann Theodor Körners dreiaktiges Schauspiel „Hedwig, die Banditenbraut" und anderes von besserem Genre aufgeführt. Daneben blühte freilich noch mehr als im Hoftheater zu Babos Zeiten die Muse Kotzebues in Stücken wie „Sorgen ohne Not und Not ohne Sorgen", einem beliebten Lustspiel, dann die „Kreuzfahrer", „Der Rotmantel", „Der Rehbock", „Der Schutzengel", „Das Dorf im Ge- birge", „Das Kind der Liebe", „Die deutschen Kleinstädter" etc. Diesem immerhin unbestrittenen Talent gegenüber standen wieder Schöpfungen von zweifelhafterem Werte, wie die „Donaunixe" (2. Teil), ein romantisch-komisches Volksmärchen mit Gesang in drei Akten von K. Friedrich Hensler, „Die Waise und der Mörder", Schauspiel in fünf Akten von Castelli mit Zwischenaktsmusik von Ritter V. Seyfried, „Salomons Urteil", historisch-musikalisches Drama nach dem Französischen, Musik von Quais in und andere mehr. Die Ritter-, Räuber- und Schauerliteratur erblühte aber aufs groß- artigste in „Abällino, der große Bandit", Schauspiel in fünf Akten (Dichter ungenannt), „Die Edelfrau von Bosenstein oder das Urteil über sich selbst", Trauerspiel von Logier (als ein Gemälde der Barbarei nach einer Volkssage aus dem 13. Jahrhundert), „Das Vehmgericht", ein Schauspiel in vier Akten (ebenfalls ohne Dichter), „Klara von Hoheneichen", ein Ritterschauspiel aus dem 15. Jahr- hundert in vier Akten von Spieß, „Hans Dollinger oder das heimliche Blutgericht", Ritterschauspiel in drei Akten (wieder ohne Dichter). Die Operette oder überhaupt das musikalische Element (die ernstzunehmende Oper war glücklicherweise ausgeschlossen) vertrat vorzugsweise Wenzel Müller. Beispiele davon sind: „Die Belagerung von Ypsilon oder Evakathl und Schaudi", eine Karikatur in zwei Akten, in Knittelversen mit Gesang von Joachim Per in et, und „Taddädl, der dreißig- jährige ABC-Schütz", komische Oper von K. Friedrich Hensler. Lindpaintner, der königliche

') Daß nicht umgekehrt der als Basso profondo geltende Santini den Commendatore, dagegen der in seiner Jugend mehr zum bei canto neigende Pellegrini den Giovanni (wie später) sang, ist auffallend, aber nicht unbegreiflich, weil einerseits Santini die geringe Höhe der Giovanni-Partie leicht bringen konnte und es sich für ihn als den älteren Künstler um das Vorrecht der Titelrolle handelte, anderseits der jüngere Pellegrini in der Geistszene wahre Bombentöne loslassen mochte.

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Hofmusiker und vieljährige Musikdirektor am Isartortheater, beteiligte sich während jener zwei Jahr- gänge als Komponist mit Musiken zu „Die Sterne-Königin", romantisch-komisches Volksmärchen | mit Gesang, und „Moses Errettung", Melodrama mit Chören in zwei Akten (in beiden wieder der i Dichter verschwiegen die allgemeine heillose Wirtschaft zeigt sich ja auch in der Redaktion der ' Zettel). Den schon in einigen Beispielen angedeuteten Geist der Komik, welcher an dieser Kunst- anstalt herrschte und den Geschmack des damaligen „Münchner Publikums" bilden sollte, wird der i Leser des weiteren unschwer aus folgenden Titeln erkennen: „Die Bürger in Wien", Lokalposse, „Staberls Hochzeit", zweiter Teil der „Bürger in Wien" von Ad. Bäuerle, „Rochus Pumpernickel ; oder die Zusammenkunft im Apollosaal", ein musikalisches Quodlibet von Stegmayr, Musik i von verschiedenen Meistern, „Staberls Reiseabenteuer in Frankfurt und München" von ; Direktor Carl, „Der dravestierte Hamlet", Posse mit Gesang von Gieseke (Musik von Tutschek), „Faschingsstreiche oder der Tanzmeister Pauxl", Posse mit Musik in drei Akten, „Signora Catalani ; in Krähwinkel", Posse mit Gesang in zwei Akten von Adam Bäuerle. Nun ein Schlußtableau; j „Roderich und Kunigunde oder der Eremit vom Berge Prazzo, oder die Windmühle j auf der Westseite oder die triumphierende Unschuld". Ein Gallimathias mit Musik» J als Parodie aller RitterstOcke und Rettungskomödien, in vier Akten mit einem 1 Zwischenakt. Mit vier verschiedenen Dekorationen geziert, mit Gefechten und Evolutionen aufgeputzt, durch viele Räuber und einen Tyrannen schauerlich, durch eine heimliche Ehe interessant gemacht und zuletztdurch eine Feuersbrunst i erwärmt. Von Castelli. Die Musik ist von dem k. k. Kapellmeister Herrn Seyfried | zusammengesetzt. (Die Namen der beiden Autoren beweisen übrigens, daß das Machwerk samt \ der geistreichen Selbstparodie aus Wien kam.) ,

Das Schlimme dieser seltsamen, heute kaum mehr begreiflichen „Komik" war aber, daß dadurch

der Geschmack des Münchner Publikums, welcher sich am Ausgang des 18. und 19. Jahrhunderts

so erfreulich zu heben begonnen hatte, wieder tatsächlich tief und tiefer sank. Beweis dafür ist^ \

daß man, nachdem das Isartor-Theater endlich geschlossen war, es zur Befriedigung der Gesamtheit j

für nötig erachtete, nicht nur die harmlosen Staberliaden, „den Tanzmeister Pauxl etc.", welche J

wegen ihres immerhin gesunden, derben Witzes (namentlich in Zeiten der Bedrängnis und Not) j

ihre Berechtigung haben mochten, sondern sogar auch jenes letztgenannte Exemplar der höheren j

Geschmacklosigkeit dem Repertoire des Hoftheaters, des neuen großen Hoftheaters einzuverleiben: \ zu meinem Staunen habe ich es mit seinem ganzen famosen Titel in zwei einander folgenden Jahr- gängen unter Poißls Regime wieder gefunden.

Über das Opernrepertoire des Hoftheaters im Jahre 1825 ist vor allem nachzu- 1825; tragen, daß die „Eröffnungs-Epoche" nicht ganz programmäßig verlief, indem am zweiten Abend statt Goethes „Egmont" Dittersdorfs „Doktor und Apotheker« i gegeben wurde, eine gerade für diese festliche Gelegenheit etwas sonderbare Wahl, i wenn man nicht respektvoll in Anschlag bringt, daß das Werk mit sechs Musik- j stücken des Herrn Intendanten von Poißl ausgestattet war. Desselben | Komponisten „Prinzessin von Provence" wurde, nachdem sie am fünften und j sechsten Abend des Festzyklus paradiert hatte, am 3. Februar gleich wieder gegeben ; und im selben Jahrgang noch einmal, am 26. Juli, wiederholt. Die „Flora" weiht dem Ereignis der Premiere zwei eingehende, geradezu verhimmelnde Artikel. Der von ihr vertretene Standpunkt ist schon mit dem Eingang des ersten als der einer offiziell ersterbenden Anerkennung präzisiert; er lautet:

„Den Zyklus der ersten sechs Vorstellungen in unserem neuen Musentempel würdig zu schließen, ward von Seiten der königlichen Intendanz die ungemein prachtvolle Aufführung dieser Oper gewählt, und hierdurch dem Beurteiler ein höherer als der gewöhnliche Standpunkt um so mehr angewiesen,

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als dieselbe in der Reihe der ersten Meisterwerke unsres vaterländischen Schauspieles, wie unsrer

Tragödie hervortrat Die Wahl einer Zauberoper ist vollständig zu billigen, denn derlei Stoffe

bieten der Phantasie des Dichters wie des Tonsetzers Poißl ist beides einen fast unbegrenzten Spielraum dar, sowie überhaupt in der Romantik die Musik, unterstützt durch anziehende Szenerie, außerordentlich wirkend ist. Von dieser ist in dem Gedichte ein weit ausgedehnter Gebrauch gemacht; das Auge ist fortwährend und mit Interesse beschäftigt, die prachtvollsten und überraschendsten Anblicke überbieten sich Schlag auf Schlag." Wird nun die ganze Handlung, ein Wiederkäuen des alten Kampfes von Gut und Böse mit neuen Variationen des Zauber-Unsinns, wie er allenfalls in Marionettenspielen für Kinder paßte, in extenso erzählt und gutgeheißen. Erlaubt sich der Ver- fasser im ersten Artikel noch einige dämpfende Bemerkungen in das im Ganzen hochtönende Lob der Musik schüchtern einzustreuen, so bläst er dafür im zweiten Artikel mit vollen Backen in die Lobesposaunen: „Von Seiten des musikalischen Teiles hat sich der durch mehrere Werke rühmlich bekannte Tonschöpfer auf einer neuen Bahn mit glänzendem Erfolge gezeigt. Seine uns bekannten früheren Gebilde sind fast durchgehends im grandiosen und erhabenen Stile des deklamatorischen Gesanges gehalten und atmen Gluckschen Geist mit Spontini scher Kraft. In der „Prinzessin von Provence" aber vereinigen sich aufs Glücklichste zwei Elemente der Tonkunst: Anmut und Milde in freundlichen Melodien mit der Majestät und Größe kräftiger Harmonie. Von der ausge- zeichneten schönen und effektreichen Ouvertüre an bis zum Ende der Oper wechseln diese beiden Elemente auf die sinnvollste Weise miteinander ab und gewähren sowohl dem Geiste, als dem Gefühle einen anhaltenden Genuß." Unter „dem vielen Schönen, welches das Werk darbietet", muß der Verfasser „als ganz vorzüglich gelungen" nicht weniger als elf Nummern hervorheben, wobei es an Superlativen wie: „klassisches Werk, das den vollen Wert mancher Oper in sich trägt", oder „erschütternd", „ergreifend" etc. nicht fehlt.

Wohin sich nun all diese Herrlichkeit verflüchtigt haben muß, daß wir jetzt nichts mehr davon wissen I^)

Außer dieser Novität wurden in dem Zeitraum dieses Jahrgangs bis zu jener Katastrophe, welche München und Bayern mit tiefster Trauer erfüllte, noch zwei, „Constantin«, große historische Oper in zwei Akten, aus dem Italienischen des Tindario, übersetzt von Bruckbräu, Musik von Stun tz, am 19. April, und „Leocadie", lyrisches Drama in drei Akten, nach Scribe und Mellesville von K. A. Ritter, Musik von Auber, am 12. Juli gegeben.

Über die Auber sehe Oper schreibt die „Flora": „Man darf sich keine soge- nannten Bravourarien erwarten, die charaktervolle und mit Umsicht gearbeitete Komposition bietet eine Fülle von Schönheiten, besonders in den Ensemblesätzen und in der Instrumentation!" F.Mendelssohn schreibt über die Oper aus Paris, nachdem er sie im Feydeau-Theater gehört, am 25. April 1825, daß man sich ähnlich Erbärmliches wie diese Musik von Auber nicht vorstellen könne, sie sei ohne Feuer und Originalität, voll von Reminiszenzen an Cherubini und Rossini, selbst die Instrumentation schlecht genug für einen Mann von grauen Haaren (?) Auber war 1825 erst 43 Jahre alt . Aber nach dem prüde befangenen Urteil über „Fra Diavolo" dürfte doch Mendelssohns Urteil in Sachen der damaligen modernen Oper mit einiger Vorsicht aufzunehmen sein. (Er war damals erst ein Junge von

[^) Wie der Herausgeber schon früherauf Poißls musikgeschichtliche Geltung hinwies, muß er auch hier dafür einstehen. Der Verfasser mag mit seinem Spott über den Kritiker vielleicht im Recht sein, er übersieht aber den positiven Kern des Artikels.]

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16 Jahren, wenn auch frühreif.) In München erlebte die Oper, nachdem man sie zuerst bei beleuchtetem Hause gegeben, allerdings nur eine Wiederholung.

Der „Constantin" von Stuntz hatte nicht einmal diesen geringen Erfolg, was um so merkwürdiger ist, als die „Flora", deren Stimme an zuständiger Stelle unmöglich gleichgültig vernommen werden konnte, gar tapfer eine Lanze dafür einlegte. Es scheint wirklich, daß diesem hochtalentierten und fein gebildeten Musiker zur Beurteilung eines Opernlibrettos jeder Gesichtspunkt, sei es in An- sehung des poetischen Wertes oder der äußeren Wirksamkeit, ja nur Bühnen- möglichkeit, gefehlt hat. Die Darstellung, welche der als „Titus" unterzeichnete Referent der „Flora" (erst am I.Mai) von der Handlung dieser Oper bringt, zeigt, daß es sich hier um ein klägliches Machwerk handelt, dem selbst der Fluch der Lächerlichkeit nicht ferngeblieben ist. Dagegen wird der Musik ein ernstes und überaus kräftiges Lob gesprochen, das sich von dem sichtlich offiziös aufgebauschten auf die „Prinzessin von Provence" wohltuend unterscheidet. Nicht ohne Interesse ist das Erstaunen des Referenten, „mit diesem vortrefflichen Werke erst jetzt, nachdem der verdienstvolle Kompositeur schon so lange in München weilt, bekannt geworden zu sein". Aber auf den hier angefügten Wink, man sehe dafür einer baldigen Wiederaufführung desto sehnlicher entgegen, als die heutige keineswegs vollkommen gelungen zu nennen sei, ward von selten der Intendanz nicht reagiert. Auffallend bleibt es jedenfalls, daß an Stuntz' Opern die Unzulänglichkeit immer sofort erkannt wurde, während es Poißl, von dessen Kompositionstätigkeit man überhaupt sehr wenig wüßte, wenn sie nicht der Münchner Theatergeschichte angehörte, zu einer Art „Blüte" brachte.

Die offizielle italienische Oper hatte als einzige Novität im Jahre 1824 (am 29. September) noch „L'Abitatore del Bosco" von Pavesi gebracht. Es war, ohne daß es damals irgend jemand geahnt hätte, ihre letzte; unter den fünfunddreißig Wiederholungen des Jahres 1825 befindet sich zweimal „II Crociato in Egitto" von Meyerbeer, wieder einmal „Don Giovanni" und zweimal „Le Nozze di Figaro" während Rossini, wie immer, bedeutend überwiegt.

Am 11. Oktober ward, als am Vorabend des Namensfestes Seiner Majestät des Königs Max Joseph I., bei beleuchtetem Hause Bertons „Aline, Königin von Golkonda", eine wahrscheinlich dem Könige besonders sympathische, übrigens damals in München außerordentlich beliebte Oper, gegeben. Auf dem betreffenden Theaterzettel steht, scheinbar von derselben Hand, welche den Tod der Harlaß notierte, die Bemerkung geschrieben: „Diese Vorstellung war die letzte, bei welcher unser guter König Maximilian Joseph beiwohnte und wo er unter freudigem Zuruf empfangen wurde." Ja, es war die letzte. Der König blieb nur einen Akt lang, denn er fühlte sich ungewöhnlich ermüdet und verlangte nach Schloß Nymphen- burg, wo er eben residierte, zurückzukehren. Doch erlebte er den 12. in solcher Frische, daß er die zahlreichen Gratulationen der königlichen Familie und der Offiziellen des Landes ungestört entgegennehmen konnte. Erst am Abend trat wieder eine größere Mattigkeit ein. In seinem Kabinette ausgekleidet, sagte er

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zum Kammerdiener: „Jetzt ist mir wieder wohl. Laßt mich morgen eine Viertel- stunde länger schlafen, dann weckt mich!" Der Kammerdiener trat zur bezeichneten Stunde, ein Viertel nach fünf Uhr, leise ins Schlafgemach des Königs der Engel des Todes hatte sein Antlitz friedlich verklärt, ein Schlagfluß das edle Leben geendet. An dieser Stelle ist zurückzuerinnern, daß fünf Tage später, in der Nacht vom 17. zum 18. Oktober der Tod, der alles gleich macht, einen berühmten bayerischen Tonkünstler, den königlichen Hofkapellmeister Peter von Winter (siehe Kap. I Seite 51 ff) in seine Arme schloß. Er liegt im südlichen, sogenannten alten Kirchhof begraben.

Wie die Trauer um den so schnell und unerwartet dahingeschiedenen guten Vater Max im ganzen Bayerlande, sowie selbstverständlich in der Hauptstadt München eine allgemeine und tiefinnige war, so mußte die schnell verbreitete Todesnachricht ganz besonders alle Mitglieder des Hoftheaters, von der Person des Intendanten bis zum letzten Diener herab, wie ein Donnerschlag berühren. Denn alle, besonders die vorzüglicheren unter ihnen, hatten sich der persönlichen Teilnahme des theaterfreundlichen, gemütvollen allerhöchsten Herrn erfreut, die meisten in entscheidenden Augenblicken seine stets huldreiche Hand zu ihren Gunsten gefühlt. Am tiefsten in ihren Interessen berührt mögen sich die Mitglieder des ohnehin nur noch vegetierenden Isartortheaters und die der königlichen italienischen Oper gefühlt haben; denn daß der Nachfolger Max Josephs diesen beiden Instituten gegenüber ganz anderer Anschauung war, mußte längst bekannt sein.

Das Isartor-Theater war, wie wir gehört, bereits an jenem Punkte angelangt, wo seine offizielle Auflösung nur noch eine Frage allerkürzester Zeit war. Den Italienern wird es mehr um den liebgewordenen Aufenthalt in dem damals noch wohlfeilen München als um ihre, durch ihre Vorzüglichkeit allerwärts garantierte, Existenz zu tun gewesen sein.

Die Auflösung beider Institute durch König Ludwig I. war eine seiner ersten öffentlichen Verfügungen kurz nach seiner Thron- besteigung; die des Isartortheaters ward durch allerhöchstes Reskript vom 8. November, die der italienischen Oper durch ein gleiches vom 11. November 1825 dekretiert.

Dagegen konnte das Hoftheater, nunmehr von jeder störenden Konkurrenz be- freit, wie alle übrigen Kunstinstitute in München und Bayern, den kommenden Zeiten unter dem Szepter des genialen Ludwig, dem höchst begeisterten Ver- ehrer und Förderer aller Künste, mit vollkommener Ruhe entgegenblicken, in- soferne nicht etwa minder Fähige oder minder Dienstbeflissene das scharfe, stets wachsame Auge des neuen Monarchen zu scheuen hatten, zu dessen nornehmsten Herrschertugenden bei aller Begeisterung für Kunst und Künstler eine weit- sichtige Staatsökonomie, ein prononzierter Sinn für unbedingte strenge Ordnung und weise Sparsamkeit waren. Am 21. Dezember kam Webers „Euryanthe* zur ersten Aufführung und konnte wenigstens sofort (am 23. desselben Monats) wieder und im folgenden Jahrgang dreimal gegeben werden, worauf es freilich

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mit Überspringung des Jahres 1827 in den nächsten drei Jahrgängen nur je einmal wieder erschien, um dann in einen vieljährigen Ruhestand zu treten. Dieser kaum halbe Erfolg, welcher unter anderen Verhältnissen überall fast der gleiche war, hatte seinen Grund bekanntlich nicht in der Musik, in welcher Webers Genius sich eigentlich am tiefsten und reichsten zeigt, welche sogar unter den deutschen Musikern mehr als die des „Freischütz« Epoche und tatsächlich Schule gemacht hat, sondern in der an dramatischer Unfähigkeit krankenden, dazu sprachlich über die Maßen schwulstigen Blaustrumpfdichtung der Frau Wilhelmine Chezy. Hier darf übrigens erwähnt werden, daß merkwürdigerweise der sonst so kritische Weber das Sujet selbst verderben half, indem er, freilich aus Sittlichkeitsbedenken, statt des in der Gerhardsage enthaltenen und von der realistischeren Poetin ur- sprünglich beibehaltenen Geheimnisses (eines Muttermals unter Euryanthes Brust, welches die Feindin Eglantine dem Lysiart verrät) die ganze Ritter- und Geister- geschichte von Emma und Udo mit dem gifterfüllten Ring hereinzog, wogegen ihm aber der immer noch größte dramatische Fehler entging, welcher darin besteht, daß Euryanthe im Moment, wo sie ihre Unschuld durch Reden erweisen würde, schweigen muß, um nicht die Oper um einen ganzen langen Akt zu verkürzen. Konnte sich der größere Teil des damaligen Publikums, welches ja manchen holden Opernunsinn willig hinnahm und namentlich durch die italienischen Texte daran gewöhnt war, diese Gebrechen auch nicht zergliedern, so trugen sie doch gewiß zum Gefühle der Langweile bei, und zwar um so mehr, als gerade die tiefsten musikalischen Schönheiten vermöge ihrer Neuheit nicht sofort erfaßt wurden, vielmehr eines weit öfteren Vorführens bedurft hätten, von den man aber teils wegen der damals beträchtlichen Schwierigkeiten, teils wegen der geringen Kassen- erfolge nach wiederholten Versuchen immer wieder abstehen mußte. Webers „Schmerzenskind" genoß in München gewiß den mächtigen Schutz von zwei per- sönlichen Freunden, dem Intendanten Freiherrn von Poißl und dem König selbst (über des Letzteren Jugendverhältnis zum Meister siehe Max Maria von Webers Biographie). Es ist also sicher anzunehmen, daß zur würdigen Vor- bereitung und Ausstattung des Werkes alles geschah, was persönliche Einflüsse erwirken können. Weniger Garantie bot dagegen die musikalische Leitung, welche sich in den Händen des Kapellmeisters Stuntz befand. Als Schüler Salieris und nebenbei auch mit einer starken Neigung für den gleichzeitigen französischen Opernstil behaftet, konnte er sich anfänglich unmöglich anders als ablehnend gegen eine Kompositionsweise verhalten, über welche sich selbst der Romantiker Franz Schubert, ebenfalls ein Salieri-Schüler, mit scharfem Tadel vom Standpunkt der musikalischen Formgesetze vernehmen ließ. Widersprach doch die in der Euryanthe deutlich hervortretende leitmotivische Behandlung der Rezitative, jener auf den Wagnerschen Sprechgesang („unendliche Melodie") direkt hinweisende Übergangs- stil ganz und gar der eingewurzelten Anschauung der beiden Musiker. In der Tat erzählten mir Hofmusiker, deren Jugend noch in diese Zeit fiel, Stuntz habe beim Einstudieren der Euryanthe mehrmals die Partitur von sich geworfen und in alle

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Höllen verflucht, was schon keinen günstigen Einfluß auf die Mitwirkenden geübt haben mag. Doch soll er sich dann überraschend schnell in den Geist des Werkes hineingearbeitet haben, und mir gegenüber fand mein verehrter Mentor es war gegen Ende der fünfziger Jahre nicht Worte genug, um seiner Begeisterung für das edle, kerngesunde, echt deutsche Werk Ausdruck zu geben. Stuntz war eben selbst ein echt deutscher Künstler, der nur, wie Schubert, in seiner Jugend durch welschen Unterricht für den neuen deutsch-dramatischen Stil unempfänglich gemacht war: an Schuberts erfolglosen Bühnenwerken hat sich dies verhängnisvoll gezeigt, im Liede war er der ergreifende Dramatiker; die zwingende Einwirkung der nächsten Zeit, welche ihn auch auf den weltbedeutenden Brettern in die neue Bahn gebracht hätte, hat er nicht mehr erlebt. Auch Beethoven stand dem Werk fremd gegenüber. Er soll darüber bemerkt haben: „Herr Weber hat sich dabei zu viele Mühe gegeben." Dieser lakonische Ausspruch scheint aber darauf hinzu- deuten, daß auch er den ihm zum erstenmal begegnenden Stil nicht mühelos, etwas deutlicher gesagt: schwulstig fand. Die „Flora" spricht in einem kurzen Bericht nur über die Aufführung der Premiere, welche von dem Erfolg begleitet gewesen sei, „daß mehrere Musikstücke und insbesondere die schönen Chöre wiederholt werden mußten und am Ende die Sängerinnen^) (nicht auch die Sänger?) mit einstimmigem Applaus hervorgerufen wurden." Was sie in einem zweiten sehr eingehenden Artikel in der Neujahrsnummer 1826 nach einer vollständig richtigen Beurteilung des Textes über die Musik sagt, kann ich Verbotenes zu reproduzieren mir aus dem Grunde nicht versagen, weil es die allgemeine Stimmung, welcher das Werk damals begegnete, getreu wiedergibt und zum Schluß eine Prophezeiung bringt, welche sich buchstäblich erfüllt hat:

„Sollen wir uns über die Musik ohne Wortgepränge äußern, so sagen wir, daß Weber technische Vollkommenheit, Strenge im Satz, Beachtung des Charakters und der Situation, dann des harmo- nischen Baues größtenteils als oberstes Prinzip anerkenne, und die Melodie nur insofern gelten lasse, als sie aus den Intellekt zusammengefundenen Harmonien von selbst sich ergibt." (Mir, und wahr- scheinlich andern, zwar nicht verständlich, aber ein sichtbares Ringen nach Klärung in einer unver- standenen Sache). „Vielleicht entwickelt kein neueres musikalisches Werk eine solche Masse imposanter Denkkraft und Gelehrsamkeit wie diese Euryanthe, worin alle möglichen Dissonanzen erscheinen, darunter zwei Dritteile der möglichen Harmonien, und nebenbei zahllose Transitionen der Nuancen. Wunderherrliche, das Innerste ergreifende Melodien entströmen der Brust des seltenen Meisters, und steigen auf gleich Leuchtkugeln; aber kaum bemerkt sie der Meister, husch, bläst er darein und löscht sie aus, und das Auge des Herzens (!) zuckt schmerzlich und das Ohr findet sich nur zu schwer in andern fremden Tonwelten wieder zurecht, der innere Zusammenhang liegt zu tief verborgen, und kann oft dem Kundigen nur mittelst des Blicks in die Partitur klarer werden, da dem Ohre keine Ruhepunkte gegönnt sind und eine nie befriedigte Spannung in sich selbst erschöpft wird. Einzelne Gesangstücke wecken den Enthusiasmus. Das Duett Euryanthens und Eglantinens etc., Adolars Rezitativ und Arie, das Finale des ersten und zweiten Aktes, der Chor der Jäger etc., dennoch ist der Totaleindruck nicht befriedigend, und würde es auch nie vollkommen sein können, selbst wenn die Darstellung die vollkommenste wäre. Man sucht den Grund einer gewissen Unbehaglichkeit, Langweile (?) in der Länge einzelner Musikstücke und besonders der Rezitative. Kürzt sie auch der Meister ab, dem Übel wird dadurch nicht gesteuert, denn die Langweile

') Euryanthe Katharina Si gl, Eglantine Metzger-Vespermann (!).

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Kapellmeister Hippolyt Chelard

Das Ehepaar Diez im Alten

entspringt aus dem undramatischen Wesen des Buches (wir fügen noch bei: aus der Unverständ- lichkeit der Sänger) und aus der leidenschaftslosen Stellung der mehrsten Recitative. Weber hat j ein Werk erschaffen, welches ihm und seiner Nation Ehre macht und auf späteste Enkel übergehen wird, wenn auch weniger auf der Bühne, mehr auf dem Pulte der Schüler und dem Fortepiano der Tonsetzerund der Musikfreunde, als ein praktisches und anschauliches Lehrgebäude, wie viele Bücher es nicht sind."

An dem Repertoire des Jahrgangs 1826 ist es im allgemeinen auffällig, daß die Vor- 18 Stellungen (sowohl des Schauspiels als) der Oper an Zahl nicht ganz in dem Maße zu- nehmen, als nach Schluß der Italienischen Oper und des Isartortheaters in Bezug auf dieses der vermehrten Spieltage wegen möglich und, wenn einer größeren i Anzahl von Vorstellungen mit Notwendigkeit ein größerer Kassebestand entspräche, angezeigt gewesen wäre. Aber gerade in der Mäßigung, welche es zu dieser arithmetisch proportioneilen Vermehrung der Darstellungen nicht kommen ließ, glaube ich eine Folge höherer Beeinflussung in ökonomischer Richtung zu erblicken. Um die nun i ausfallenden italienischen Opernabende mit ebensovielen deutschen zu ersetzen, j müßten in diesem Jahre nicht 51 sondern 66 die Durchschnittszahl der italienischen | und deutschen Opern in den beiden Vorjahren zusammen gegeben worden sein. Man kannte aber die eben nicht hohe Leistungsfähigkeit des Münchner Säckels und hatte wohl auch die Erfahrung gewonnen, daß im Hinblick auf die laufenden Tages- kosten, welche bei vollem und leerem Hause die gleichen sind, eine geringere Anzahl i gut besuchter Vorstellungen der Kasse förderlicher ist, als eine größere Anzahl schlecht besuchter. |

Dafür begegnen wir in diesem Jahrgange etlichen Gastspielen, welche weder auf \ ein Engagement abzielten was auch bei dem kompletten Stande des Personals nicht nötig war noch durch die Interessantheit der Gäste gerechtfertigt waren. ,

Zum größten Schaden der Bühne ging aber die durch niemand zu ersetzende Schechner mit 1. Mai nach Wien ab, und zwar, wie es schien, in der Absicht dort j zu bleiben. ;

Die Novitäten waren teils absolute, teils bedingte. Erstere waren: „Das Konzert am Hofe", Oper in einem Akt, Text von „Scribe und Melesville", Musik von Auber, \ am 22. April; „Der Dorfbarbier", komische Oper in einem Akt, von Schenk, am | 14.Juni; „Faust„ von L. Sphor, am 20. Juli, und, wieder einmal ein Haupttreffer, I „Die weiße Frau" von Boieldieu, am 26. November. Zu den bedingten sind zu zählen: Kauers berühmtes „Donauweibchen" und „Die Schwestern von Prag" von i Wenzel Müller, weil diese beiden schon früher am Isartortheater gegeben waren, I dann Poißls „Octavian in Sicilien", „Moses und die Israeliten in Ägypten" von Rossini, „Der Kreuzfahrer in Ägypten" von Meyer beer und „Die diebische Elster" von Rossini, weil auch diese vier Werke früher von der offiziellen italienischen \ Oper im Originaltext aufgeführt waren. Den Mitgliedern waren jedenfalls die Rollen ] auch dieser Halbnovitäten wieder neu, insbesondere mochte dem Pellegrinischen Ehepaar das Umlernen der italienischen zu schaffen gemacht haben. Darum kann man eine solche Jahresleistung des Personals nur anstaunen.

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Poißls neuerstandener „Octavian in Sicilien", welcher italienisch schon 1812 (siehe Seite 126) nur einmal gegeben wurde, brachte es nun auch in der deutschen Fassung zu keiner Wiederholung, obwohl die „Flora", die sein langes Ausbleiben bedauert, ihr Bestes an Speichelleckerei gibt, ja sogar diese Oper als eine der aus- gezeichnetsten Kompositionen dieses Meisters erklärt. Damit konnte sich der Kom- ponist trösten.

Dagegen fand Aubers „Konzert am Hofe", wofür die „Flora" nur ein kühles Lob hat, eine sehr beifällige Aufnahme; die öftere Wiederholung der Operette war auch dadurch begünstigt, daß sie sich als amüsanter Einakter leicht mit kurzen Lustspielen zusammen geben ließ.

Schenks drollig-komischer „Dorfbarbier", welcher bei nicht verkennbarer Ver- wandtschaft mit Dittersdorfs Operetten manche feineren Züge als diese trägt und außerdem auch einen Fortschritt zu einem modernen Stil aufweist, war bei der

Premiere folgendermaßen besetzt: Dorfbarbier Fries, Suschen Mad. Hölken,

Schulmeister Lenz, Joseph ... . Schimon, Adam.... Löhle, Frau Marge-

reth Fr. V. Neumann, Peter Sedelmeier. Daß das hübsche, freilich sehr

harmlose und aller Schlageffekte entbehrende Werkchen ebenfalls keine Wieder- holung in diesem Jahrgang erlebte und dann erst nach einem langen Zeitraum wieder erscheinen konnte, gehört zu den bekanntlich nicht seltenen Unbegreiflichkeiten im Opern- und Theaterleben. Die „Flora" bringt nicht einmal eine Notiz darüber. Vielleicht haben die damals Mitwirkenden zu viel gesungen und zu wenig gespielt, um den Humor zu gehöriger Geltung zu bringen. Als ich die Operette in den fünfziger Jahren unter Fr. Lachners Direktion und Ferd. Längs urkomischer Mit- wirkung hörte und sah, hätte ich es nicht geglaubt, wenn man mir gesagt hätte, daß sie einst vor unseren Altvorderen so wenig Gnade gefunden habe.

Die Besetzung des Spohrschen „Faust" war folgende: Faust Staudacher,

Mephistopheles Fries (dürfte demnach ein sehr respektabler Bassist gewesen

sein oder man wollte Pellegrini die Partie aus „besonderen Erwägungen" nicht

geben!), Graf Hugo Löhle, Kunigunde Sigl, Ritter Gulf . . . . Sedelmeier

(der Chorführer), Fausts Gefährten Lenz, Schimon, Bürchl, Traub,

Röschen Mad. Vespermann, Franz .... Bayer, Sycorax Hechenthaler.

Dieses vielleicht musikalisch gehaltvollste Werk des ehrwürdigen Instrumental- komponisten und Kapellmeisters Louis Sphor, das aber an dramatischer Kraft und Wirksamkeit, unter dem Drucke eines schon im Veralten begriffenen Formalismus, gegenüber dem kühnen Vorwurf bei dessen Bearbeitung zur Oper man nicht an Goethe denken darf weit vom Ziele bleibt, hat es in München wenigstens zu einer Wiederholung (vier Tage nach der Premiere am 25. Juli) und zu einer dritten Auf- führung im Jahre 1827 (am 21. Januar) gebracht. Möglich ist , daß weitere geplante Vorstellungen des immerhin hochachtbaren Werkes durch den Tod der herr- lichen Metzger-Vespermann, welche in dieser dritten Aufführung als Röschen zum vorletztenmalaufder Bühne erschien, verhindert worden sind. Auch liegt, wenn man das Repertoire der folgenden Jahre betrachtet, in welchem sich

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Novitäten von schlagender Wirkung nur so überstürzen, der Gedanke nicht weit, daß man sich ernstlich besinnen mochte, wo man garantierte Erfolge vor Augen hatte, auf diesen soliden und zugleich recht schwierigen „Faust" zurückzugreifen. Dabei bleibt noch immer die Frage offen, ob es gerade damals, als die inhaltsschwere Musik noch ziemlich neu war, sich geziemte, die Zeit, welche man dem Werke eines Spohr hätte widmen können, der Pflege von Intendantenopern zu opfern. Spohr, welchem Theodor Körner in Wien gerade zuvor noch eine andere Operndichtung „Rübezahl" zugesagt hatte, schreibt über die Entstehung des Werkes in seiner Selbstbiographie 1, 191: „Es kam mir daher gelegen, daß Herr Bernard seine Bearbeitung des Faust mir zur

Komposition antrug Einige Abänderungen, die ich wünschte, wurden vom Dichter

während meiner Reise nach Gotha vorgenommen, so daß ich nach meiner Rückkehr augenblicklich beginnen konnte. Aus dem Verzeichnisse meiner Kompositionen ersehe ich, daß ich die Oper in weniger als vier Monaten, von Ende Mai bis September, geschrieben habe. Noch jetzt ist mir erinnerlich, mit welcher Begeisterung und Ausdauer ich daran arbeitete. Hatte ich einige Nummern vollendet, so eilte ich damit zu Meyerbeer, der sich damals in Wien aufhielt, und bat ihn, sie mir aus der Partitur vorzuspielen, worin dieser sehr exzellierte .... Meyerbeer nahm großes Interesse an dieser Arbeit, welches sich bis in die neueste Zeit erhalten zu haben scheint, da er während seiner Leitung der Berliner Oper den , Faust* von neuem in Szene setzte und mit großer Sorgfalt selbst einübte." Der Jahrgang, in welchen Spohr sich hier zurückversetzt, war 1813, die Oper also in diesem Jahre schon vollendet. Im Vergleich mit der Eile, womit man in München alle französischen Opern zur Aufführung brachte, kam also dieser „Faust" daselbst auch etwas ver- spätet vor die Rampen. Daß freilich die Franzosen im Großen und Ganzen die Kunst, wirksame Opern zu schreiben, besser als wir Deutsche verstanden, und daher bei den deutschen Impressarien mehr Kredit hatten, können wir ihnen bei größter Vaterlandsliebe nicht ableugnen. Namentlich tritt auch in diesem Fall („Faust") die alte Klage, daß es den deutschen Komponisten immer an brauchbaren Texten gebrach, worüber sie sich aber nie vor Beginn der Komposition eine Rechenschaft geben konnten, wieder in den Vordergrund. Über diesen Punkt besser als in musi- kalischer Richtung beraten, sagt der Referent der „Flora" vielleicht richtig, daß von den vielen Bearbeitungen der Faustsage die der gegenwärtigen Oper weitaus die schlechteste sei und vor denjenigen, welche man in früheren Zeiten auf Puppen- theatern gesehen habe, in der Anlage des Planes wenig voraushabe. Namentlich rügt er, daß in dieser der geniale Mann, der das Licht in seinem Zeitalter angezündet habe, zum Sklaven seiner Sinne, zum Wollüstling und gemeinen Menschen, und hiemit zu einer gehaltlosen Nachbildung des früher schon auf der Bühne erschienenen „Don Juan" herabgesunken sei womit allerdings die Unhaltbarkeit des Werkes und wäre die Musik die denkbar genialste gewesen, unbedingt begründet ist.

Mit der Aufnahme der besten Oper Boieldieus, der reizenden, zum Teil hin- reißenden „Weißen Frau" ins Münchner Repertoire haben sich der Intendant von Poißl und (vielleicht auch) der Kapellmeister Stuntz eines ihrer größten Verdienste

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erworben. Die Besetzung war: Gaveston Mittermair, Anna Sigl, George

Brown Löhle, Dickson Schimon, Jenny Mailhammer, Margarethe

Frau V. Neumann (also eine ausgesprochene Altistin), Friedensrichter .... Lenz. Daß diese Oper, nachdem sie erst am 26. November herausgekommen, in diesem Jahre nicht mehr repetiert wurde, hat wohl seinen hauptsächlichen Grund in dem Dazwischentreten von vier Abonnementkonzerten der musikalischen Akademie (in deren letztem am 21. Dezember Beethovens C-moll-Simphonie zum erstenmal auf- geführt wurde). Da ohnedies schon durch zwei Konzerte der Catalani im November der Geldbeutel der Münchner Musikfreunde gehörig in Anspruch genommen war, durften die Einnahmen der Akademie nicht durch ein neues Zugstück, welches „Die weiße Frau" ohne Zweifel war, gefährdet werden, denn Poißl war Intendant beider Anstalten und als solcher verpflichtet, die Interessen beider schützend wahrzu- nehmen. Auch das erwähnte Gastspiel der Stern, welche am 17. Dezember als Elvira in „Don Juan" auftrat, sowie eine offizielle Aufführung des „Titus" zum „Besten notleidender Griechen" (Vitellia .... Sigl, Titus ....Mittermayr (!),

Sextus Vesper mann, Annius Mad. Pellegrini, Servilia Hechen thaler,

Publius Staudacher) kamen dazwischen. Die „Flora" zeichnete sich aber am

28. November mit folgender Leistung aus: „(München) die Oper: la Dame blanche (Die weiße Frau), von Boieldieu ist am vorigen Sonntag im neuen kgl. Hoftheater zum erstenmal aufgeführt worden. Die Musik hat einen bestimmten Charakter und manche schöne Nummern, die mit Beifall gehört wurden. Die Rolle der weißen Frau wurde von DE Sigl mit Einsicht und großer Kunstfertigkeit dargestellte**

„Das Donauweibchen", Oper in drei Akten (recte romantisch-komisches Volks- märchen mit Gesang) von Hensler, Musik von Kauer, scheint ursprünglich aus drei getrennten Teilen bestanden zu haben. Ein erster Teil mit dem Titel „Die Donau-Nixe" war bereits 1812 auf dem Isartortheater, die zweite aber schon 1808 auf derselben Bühne zur Aufführung gekommen. Zur Neuauffrischung in diesem Jahrgange mit erheblichen textlichen Veränderungen hatte Stuntz eine Reihe neuer Musikstücke komponieren müssen, und auch von Poißl gab noch eins für den dritten Akt zum Besten. Sowohl die Vorgeschichte als die Notizen über das spätere Schicksal dieses Sensation machenden Volksstückes nehmen einen mit seinem Wert in keinem Verhältnis stehenden Raum in der Theatergeschichte ein. Nachdem der erste und zweite Teil im Jahre 1801 und 1802 zu Berlin und Dresden (trotz äußerster Trivialität der Musik oder vielleicht gerade darum) mit überlautem Beifall zur Aufführung gekommen, komponierte 1805 der sehr fruchtbare Dresdener Komponist Bierey^) einen dritten Teil dazu, welcher in beiden Städten wieder enthusiasmierte. In den zwanziger Jahren kam das Stück allenthalben wieder in die Mode, doch schlug 1829 der Versuch des Theaters an der Wien fehl, ihm mit neuen Musikeinlagen aufzuhelfen. Der letzte Versuch damit ward 1849 in Magdeburg gemacht. Auch für die in Rede stehende Münchner Aufführung hatte sich Stuntz mit seiner Musik vergeblich geplagt. Desgleichen mißglückte der

') Unter 24 Operetten ist dieses Donauweibchens dritter Teil seine neunte derartige Arbeit.

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seltsame Versuch, Wenzel Müllers „Schwestern von Prag" auf dem Hoftheater ] heimisch zu machen, die schönen Tage des Isartortheaters waren für München 1 vorbei, wenn man auch, unbegreiflich genug, von Zeit zu Zeit daran erinnern zu j müssen glaubte. ^

In „Moses oder die Israeliten in Ägypten« ließ Pellegrini, welchen man . seither zu Gunsten seines deutschen Sprachstudiums, das seiner Zunge viel Be- j schwer machte, Schonzeit gönnte, zum erstenmal als deutscher Moses des Basses \ Grundgewalt erschallen. Meyerbeers „Kreuzritter in Ägypten", in welchen j Pellegrini, Schimon und Mittermayr, die Sigl, Mauermaier, Metzger- : Vespermann und Madame Pellegrini beschäftigt waren, wurden in diesem : Jahre noch einmal am 14. November gegeben und hielten sich dann in langen Intervallen am Repertoire, bis sie von „Robert dem Teufel" verdunkelt und zuletzt | beseitigt wurden. \

Im übrigen Repertoire des Jahrganges ist bemerkenswert, daß am 28. Juli „Der j Freischütz" als Benefiz-Vorstellung für C. M. von Webers Relikten gegeben | wurde laut Ausweis der Kassabücher; zufällig ist gerade dieser Zettel verloren ! gegangen. i

Baron Poißl schrieb in diesem Jahre auch eine musikalische Einleitung und ] Chöre zu dem romantischen Schauspiel „Belisar" von Schenk, welches im Februar i zur erstmaligen Aufführung (mit dem berühmten Eßlair in der Titelrolle) gelangte und einen sensationellen Erfolg hatte.

Wenden wir uns zu den weiteren Vorgängen der Oper und deren Leistungen 182' im Jahre 1827. Zunächst sind massenhafte Gastspiele, diesmal aber vorwiegend illustre, zu verzeichnen. Ein glänzender Stern leuchtete dem Münchner Theater- himmel vor allem in der Person des allverehrten, seinen Zeitgenossen unvergeß- lichen Breiting aus Mannheim, welcher für diesesmal wieder nur in der einen Partie des George Brown (am 22. Mai) auftrat, aber auch in dieser allein durch den unvergleichlichen Schmelz seines umfangreichen Tenors, sowie durch eine Gesangsleistung ersten Ranges und vornehme Darstellung alle Herzen berückte und unserem braven L öhle schwere Konkurrenz machte. Dann traten am 19. Juni in Rossinis „Othello oder der Mohr von Venedig" zugleich zwei Gäste, ein Herr Schäffer aus Neustrelitz als Othello, und DM Schweizer (später wieder „Schweitzer" geschrieben) als Desdemona, auf. Ersterer scheint nicht gefallen zu haben, denn er ließ seine Partnerin, welche in der Wiederholung wieder die Desdemona sang, sofort in Stich. Zwischen den beiden Vorstellungen sang DM Schweizer die Prinzessin in „Johann von Paris", darauf die Julia in „Die Vestalin" und zuletzt die Agathe im „Freischütz", welcher sogar zu ihrem Benefiz gegeben wurde, worauf auf einen vollen Erfolg der Künstlerin zu schließen ist. Diesem längeren Gastspiel folgte das auf zwei Vorstellungen beschränkte der Amalie Spitzeder aus Hamburg als Sophie in „Sargines" von Paer am lö.Juni und als Leonore in „Fidelio" am 31. Juli. Ein sehr interessantes längeres Gastspiel war das nun folgende der Mad. Grünbaum aus Wien, nach den von ihr gegebenen

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Rollen zu schließen, ein dem Alt zuneigender dramatischer Mezzosopran.^) Auch sie trat zuerst (am 21. August) als Sophie in Paers „Sargines", dann dreimal als Obervestalin in „Vestalin", inzwischen als Rosine im „Barbier von Sevilla" auf, um den Gastzyklus als Prinzessin in „Johann von Paris" zu schließen. In den drei Vorstellungen der „Vestalin" hatte sie und das Münchner Publikum die Ehre, den berühmten und im höchsten Ansehen stehenden Schöpfer des Werkes am Dirigentenpult zu sehen. Auf den Zetteln steht: ^Der eben hier anwesende kgl. preuß. Generalmusikdirektor Herr Ritter von Spontini wird auf Ersuchen der kgl. Hof- theater-Intendanz diese nach der Originalpartitur in Szene gesetzte Oper selbst zu dirigieren so gefällig sein."

Das hochgesteigerte Gastspielwesen rechtfertigte sich zum Teil durch den dop- pelten Verlust, welchen die Anstalt zuerst durch eben den Abgang der Schechner im Vorjahre, dann durch den Tod der Vesper mann, am 6. März, zwei kaum zu überwindende Schläge, erlitten hatte. Was letztere betrifft, so hatte das im Dezember des Vorjahres stattgefundene Gastspiel der DE Stern noch zu rechter Zeit, ohne daß man dies hätte voraussehen können, zu einem Ersatz wenigstens der Stimm- lage nach geführt. Die DE Stern trat am 28.Januar in der „Vestalin" zum erstenmal als engagiertes Mitglied in der Rolle der Obervestalin auf. Sie scheint ein pflicht- getreues, bescheidenes Mitglied gewesen zu sein; denn wie sie der Pellegrini den Tankred willig überließ, weigerte sie sich auch nicht, sie, der man sofort die Constanze in Cherubinis „Wasserträger" anvertraut hatte, die kleine Altpartie der Margarete in der „Weißen Frau" zu übernehmen. Am 10. Mai starb Mad. Regina Lang, welche als Reg. Hitzelberger einst die Bravourpartie der Telaira in Voglers „Castor und Pollux" kreiert, später als Benjamin C. M. v. Weber entzückt hatte, in Zurückgezogenheit als kgl. Hofsängerin. Die „Flora" bringt darüber eine Notiz voll Ungenauigkeit, nennt sie z. B. eine Altistin.

Der zurückgelassene Gatte Vespermann scheint sich bald getröstet zu haben: in einer Vorstellung der „Entführung aus dem Serail" am 6. November (I) trat die Sigl (Constanze) zum erstenmal als Madame Sigl-Vespermann auf.

Nachdem der Tenorist Wepper (siehe Jahrgang 1829) am 11. Dezember noch seinen ersten Versuch als Roka in Winters „Unterbrochenem Opferfest" gemacht, wurden die Opernvorstellungen mit Poißls „Prinzessin von Provence" geschlossen, welches Opus hiermit zum viertenmal in diesem Jahr erschien.

An Novitäten gab es, zum Teil wohl infolge der vielen Gastspiele, nur zwei, von denen aber die erste nur bedingungsweise so genannt werden kann, diese war Rossinis „Barbier von Sevilla" in der deutschen Übersetzung von Kollmann, am 11. Mai, mit Bayer als Almaviva, Staudacher als Bartolo, DE Sigl als Rosina (etwas seltsam, da die Sigl ein hoher Sopran war), Mittermayr als Basilio, Fries als Figaro (I) und Schimon als Fiorillo, dann „Der Maurer und der Schlosser" von Auber am 21. August mit folgender Besetzung: Maurer .... Bayer, Mad. Betram DE Stern, Offizier Löhle, Schlosser Mittermayr,

') Sie hatte in Wien die Eglantine in Webers „Euryanthe" creiert.

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Henriette . . . . DIk Sigl, Irma .... Mad. Hölken, Gespielin .... DE Mauermaier, j

die beiden Türken Lenz und Scliimon. Daß der „Barbier von Sevilla« und !

die an feiner Komik und Charakterzeichnung diesem fast ebenbürtige Oper Aubers \

längst zu kostbarsten Kleinodien im Münchner Repertoire geworden und vorläufig |

bis in unsere Tage geblieben sind, weiß jedermann; daß der „Barbier« gleichwohl \

in diesem ersten Jahrgang nur einmal, „Maurer und Schlosser« gar nicht repetiert ,

wurde, scheint fast zu beweisen, wie viel wichtiger dem Intendanten seine eigenen j Produkte erschienen, zugleich aber auch, wie wenig die beiden Operndirektoren beim Repertoiremachen dareinreden durften. Seltsamerweise ging die Zahl der

Opervorstellungen in diesem Jahrgang gegen das Vorjahr um 8 zurück, indem [

nur 43 stattfanden. Im folgenden Jahre 1828 gab es gar nur 39, im Jahre 1829 j wieder 49 Vorstellungen. Im Jahre 1830 erhebt sich die Zahl zu 59, 1831 auf 60

und steigt 1832, dem letzten Amtsjahre von Poißls, auf 72. '

Das denkwürdige Kunstereignis des Jahres 1828 war die Eröffnung des inzwischen I82ä

von König Ludwig I. zum Zweck einer glänzenden Entwicklung des Konzert- j

lebens erbauten Odeons, welche am 7. Januar mit einem Bai pare begangen wurde. !

Für das Hoftheater bedeutete dies die Entlastung von den Konzerten der musi- j kaiischen Akademie, welche seit der Überweisung des Redoutenhauses an die bayerische Ständeversammlung in Thalias Tempel stattgefunden hatten. Noch am

Palmsonntag des Vorjahres z. B. hatte die vom König befohlene Aufführung des ;

Händeischen „Messias« (wobei die Damen Ekner^) und Pellegrini, die Herren ^

Löhle und Pellegrini die Solopartien sangen) im Theater stattfinden müssen. '■

Von den zwei Novitäten, welche der opernkarge Jahrgang brachte, war die erste j Chelards „Macbeth«, welche jedoch erst am 25. August herauskam, eine überaus

glückliche; die zweite, „Der Vampyr« von Lindpaintner, erlebte nur zwei Wieder- \

holungen im selben Jahr, um dann auf immer zu ruhen. „Macbeth«, heroische \

Oper in drei Akten, nach dem Französischen von Gas. Max Heigel, Musik von \

Ghelard, hatte bei der Premiere folgende glänzende Besetzung: Dunkan Stau- j

dacher, Moina Sigl-Vespermann, Douglas Löhle, Macbeth Pelle- grini, Lady M Diu Schechner, Lonox Lenz, Galton Wepper, ;

Hexen Schmid (oder Schmidt), Mauermaier und Pellegrini.

Die zum Teil überraschende und in allen Hauptszenen dramatisch ergreifende Musik des Werkes ]

läßt es lebhaft bedauern, daß der französische Librettist Rouget de l'Isle ist sein Name^) das '

Shakespearesche Sujet noch viel grausamer verballhornt hatte, als es ungefähr um dieselbe Zeit j die Herren Jouy uncT Bis mit dem Schillerschen „Teil" für Rossinis Komposition machten (siehe

Jahrgang 1833). Zu Gunsten eines eitlen, aufdringlichen Musizierens und Singens in der wieder

recht beliebt gewordenen alt-italienischen Manier wurde unter Weglassung wichtigster Personen, \

wie z. B, man sollte es kaum glauben des Banquo, des Macduff etc. die großartige Tragödie '■

auf den Königsmord durch Macbeth beschränkt; dieser gelangt gar nicht auf den Thron, sondern |

erliegt seinem Schicksal, indem die Lady im somnambulen Zustande die Untat den Angehörigen i

^) Mad. Ekner war k. Hofsängerin, figuriert häufig als solche auf den damaligen Konzertzetteln, sang aber auch, wie es scheint, aushilfsweise am Hoftheater, wie z. B. im Juli 1825 die Gertrude

in der „Schweizerfamilie". ^) Dichter und Komponist der Marseillaise. >

I

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des Königs verrät. Dafür ist in den drei naturgemäß sehr handlungsarmen Akten Allerunwichtigstes in unendliche Länge gezogen. Im ersten Akt wollen die Kriegerchöre, im zweiten die Festgesänge und anderes Entbehrliche kein Ende nehmen. In letzterem gibt die Besorgnis des Königs darüber, daß Macbeth dem Thronfolger truglos den Eid der Treue zu schwören zaudert (wobei zur Erhöhung des Opern-Unsinns die drei Hexen, nur für Macbeth seh- und hörbar, ihm als streng recht- liche Hexen von der Eidesleistung abraten!) zu einem Gesangsensemble Anlaß, dessen Ende man nicht zu erleben glaubt. Geradezu widerlich ist es aber, daß im dritten Akt nach der furcht- baren Mordkatastrophe zwischen den beiden Liebenden Moina (der Königstochter) und Douglas ein gegenseitiges An- und Zusingen mit obligatem schottischen Hochlands-Gejodel sich entspinnt, bis endlich die bei Tage nachtwandelnde Lady durch Ausplaudern des Geschehenen der langen Fadigkeit ein Ende macht, und den eiligen Schluß der Oper herbeiführt. Und trotzdem hat die Oper in München (wofür sie der Komponist, nachdem sie ein Jahr vorher in Paris, gerade des auch dort langweilig befundenen Textes wegen, fast durchgefallen war, neu bearbeitet hatte) so außerordentlich gefallen, daß sie noch im selben Jahre einmal wiederholt wurde, dann aber sich so lange auf dem Münchner Repertoire erhielt, als Pellegrini, den bekanntlich nur seine zunehmende Dickleibigkeit zu früh von der Bühne vertrieb, die Titelrolle noch spielen konnte. Dieser andauernde Erfolg gründete sich, abgesehen davon, daß die Kreierung der beiden Hauptrollen, des Macbeth und der Lady, dem glänzenden Künstlerpaar Pellegrini und Schechner anvertraut war, lediglich auf die kräftige, lebendige, auch in nebensächlichen Szenen oft die Schwäche der Dichtung verdeckende Musik. So ist nach einem prächtig einleitenden, feurigen Kriegerchor gleich das Hexenterzett eine Nummer von starker dramatischer Verve und, gut gesungen, ohne frenetischen Beifall kaum zu denken. Aber die dramatische Wirkung steigerte sich in der Szene des verirrten Macbeth mit den Hexen, deren Prophezeiung: „Dein wird der Thron, Macbeth" (die dann dummerweise sich nicht erfüllt!) an Großartigkeit ihresgleichen sucht. Wird diese dramatische Höhe in Macbeths nachfolgender Arie auch nicht mehr erreicht, so ist diese als Ausdruck soldatischer Treuherzigkeit doch ein herrliches Gesangstück, dessen Wirkung durch Pellegrinis Meistergesang selbstverständlich noch erhöht wurde. In dem Schluß-Allegro sind durch abwechselnde Modulation sich steigernde Koloraturkadenzen angebracht, welche aber dem dramatischen Ausdruck nicht widersprechen. Überhaupt zeigt Chelard ein ganz besonderes Talent, den kolorierten Gesang gerade dem dramatischen Zweck zu unter- stellen. So ist zu dem Arioso der Lady Macbeth (H-dur, Allegro, V* mit Chor) im zweiten Akt die Koloratur gerade zum sinnigsten Ausdrucksmittel der mit Schlangenlist verbundenen Energie und Kühnheit des herrschsüchtigen Weibes geworden, und der vorausgenommene Triumph über das Gelingen der zu verübenden Tat könnte nicht besser als durch jene gezeichnet sein. Das nun folgende Duett zwischen der Lady und Macbeth, zu welchem letzterer unter dem Leitmotiv des „guten Vorsatzes": „Mutig und stark, wie durch mein ganzes Leben" soldatisch auftritt, bringt einen imposanten Höhepunkt des Aktes; von ergreifender Schönheit ist namentlich der Mittelsatz, in welchem es für den Komponisten folgende Gegensätze zu vereinen galt:

Lady. Gewissen und Zweifel und Ehre, Feiger, sind Wahn, sind nur Chimere! Ach, besiegt sie denn nie mein Schmerz!

Macbeth. Hinweg mit dieser falschen Lehre! Heilige Pflicht und Du, Heldenehre. Ihr, nur ihr beseelet dieses Herz.

Nur wahres Genie konnte hier, unter Voraussetzung richtiger Färbung von selten der Sänger, die für beide Gegensätze gleichtaugliche Melodie erfinden, und dies ist Chelard in einer Weise gelungen, daß der Fall geradezu als klassisches Muster für die Vieldeutigkeit der Melodie gelten kann. Es muß hochinteressant gewesen sein, von zwei so temperamentvollen Gesangskünstlern, wie die

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Qint ganjc ^o^e int 4^"» Ütang s ft^. (*in ^Dijcnpla^ . . . * 36 fr. (*in©perrfioauf ber it««(^aUeric I p. 12 fr. (Sin ©pcrrfiö auf Dem parterre 1 fl. fr. 13artcrrc . . . . - # 36 fr. ©allerte < 15 fr.

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©er üfnfanä ift um 6 iil)r, baS (Snt)e um ^aI5 9 Ufer*

SiOe 55ill£tö fmö nur für bai ©c^aufplel beö '5;aacö, an welchem |le gelSfet rcetDcn, gültig.

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Schechner und Pellegrini, nacheinander selbstverständlich nicht homophon zusammen- gesungen — diese eine Melodie, gemäß den Textesworten in grundverschiedener Interpretation vorgetragen zu hören. (Wir werden im Verlauf dieser Geschichte auf Beispiele geraten, wie ein vielgerühmter Meister den Verstoß des terzenweisen Zusammensingens widersprechender Textworte ohne Aufsehen wagen konnte.) Aber das Größte soll erst kommen. Nachdem der alte König von den Barden mit einem (allerdings reizenden, von Harfen anmutig begleiteten Gesang), endlich zur Ruhe gesungen ist, ertönen dumpfe zwölf Schläge der Mitternacht, und es beginnt das furchtbare Zwiegespräch zwischen Macbeth und der Lady, welche ihm den Mord zu suggerieren sucht, indem sie ihm vorstellt, daß sie und ihr Sohn (der bei Shakespeare nicht existiert)^) zum Knechtesjoch verdammt seien. Er scheut den Verrat: „Mein Fürst, mein Gast, hier im Palast ohne Waffen und im Schlaf!" Hier hat der Dichter seinen einzigen guten Einfall, den aber wieder die Rücksicht auf die Musik erzeugt hat. Er läßt die Lady ausführen, was sie bei Shakespeare nur erzählt. Sie ent- reißt ihm, indem er zaudert, den schon gezückten Dolch und stürzt mordlustig in Dunkans Schlaf- gemach, erscheint aber nach einer langen Pause totenbleich mit den Worten wieder: „Ich töte nicht den Greis, deß Haar, so silberweiß, mir ruft zurück den Vater." Diese momentane Rückkehr des weiblichen Dämons zum kindlichen Gefühle, dann wieder die erneute Aufreizung zum Morde, der wilde Triumph, als sich Macbeth endlich entschließt, die atemlose Erwartung während der Tat, des wiederkehrenden Macbeth Zusammenbrechen, der wenn auch leider gründlich erlogene Ruf der auftretenden Hexen: „Tu voila roi Macbeth" (mit der leitmotivischen Musik wie im Anfang), und endlich das losbrechende, das Grausen der Untat noch äußerlich symbolisierende Gewitter; diese ganze furchtbare Szene hatChelard mit geradezu markerschütternden Tönen widergegeben; der französische Opernkomponist ward auf eine Weile zum Heros, zum Giganten, und ich möchte behaupten, daß diese Szene in Chelards „Macbeth", freilich nur diese einzige, vermöge der der Musik innewohnenden Kraft, auch das Schreckliche schrecklicher zu geben, als das Wort es vermag, an Intensität der Wirkung noch über dergleichen in Shakespeares Meisterdichtung steht. Nach dem schon erwähnten Singsang im gänzlich abfallenden dritten Akte gemahnt nur noch das Schlafwandeln der Lady, daß es sich hier um den beklagenswerten Untergang eines zu Höchstem berufenen Genius durch die Unfähigkeit der Dichtung und die gänzlich verrotteten Anschauungen einer dramatisch unreifen Zeit handelt, von denen sich naturgemäß auch der Komponist selbst nicht zu emanzipieren vermochte. Bemerkenswert in dieser Szene ist schon das „Oh!" der Lady, welches Chelard mit einem Schleifen vom gis abwärts zur großen Sexte h ausdrückt eine augenscheinliche musikalische Nachahmung jenes vom gebrochenen Herzen wiedertönenden „Oh!" an gleicher Stelle, womit sich die Sophie Schröder, welche Chelard in München als Lady sehr leicht gesehen und gehört haben kann, einen Denkstein in der Geschichte der Schauspielkunst gesetzt hat. Aber die breitgesponnene, getragene Melodie (Es-dur, */*, Adagio), welche über dem Tremolo des Streichor- chesters und dessen schaurigen, damals noch sehr kühnen Modulationen, dahinziehend, das Grausen über die nicht zu tilgenden Blutflecken an der Hand, von der Macht des Traumes gedämpft, aus- drückt, ist ein Unikum an Schönheit, an ergreifender dramatischer Wahrheit so daß, wer sich in die Zeit nicht hineindenken kann, vor dem Rätsel steht, wie es nur möglich war, daß ein Geist, dem so Herrliches gelingt, sich mit unzweifelhaftem Behagen auch zum Mittelgut der Alltäglichkeit herabbegeben kann. Aber selbst auf diesem bescheideneren Niveau wahrte sich Chelard einen dankenswerten Vorzug: er schrieb nirgends Kapellmeistermusik. Mochte er prunkvoller oder harmloser, glänzender oder einfacher schreiben, stets floß ihm eine reiche Melodik, neues Figuren- werk, sowie auch manches harmonisch Pikante mühelos zu, und es käme nie das Gefühl der Lange- weile auf, wenn nicht die Dichtung dies so reichlich besorgte. Aber wenn auch, lediglich durch die Schuld der letzteren, das Werk als Ganzes nicht seinerzeit verfallen wäre, so wäre seine Aufführung jetzt ein Ding der Unmöglichkeit, weil die Gesangskunst, die es erfordert, um verstanden und gewürdigt zu werden, uns völlig abhanden gekommen ist. Nach Pellegrini gab es in München keinen Macbeth,

^) Das herrschsüchtige Weib gerade eines Sprossen entbehren zu lassen, ist einer der stärksten unter Shakespeares dramatischen Hebeln!

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nach der Hetznecker (über diese Sängerin später) keine Lady mehr! Sei es Zufall oder nicht zu ergründende Absicht, so ist jedenfalls höchst auffallend, daß gerade über diese Oper, welche in München unbestreitbares, nachhaltiges Furore gemacht hat, die „Flora" außer den gewöhnlichen Theateranzeigen über die Premiere und auch weitere Aufführungen nicht ein Sterbenswörtchen bringt. Am 11. September steht unter „Kleine Notizen": „Hr. Chelard, der Komponist der Oper „Macbeth", ist zu Berlin angekommen, wo man seine Opern zu hören hofft." Dann beschäftigt sich das Blatt mit der anstrengenden Partie der Lady, am 12. Oktober: „Die Aufführung der Oper: ,Der Vampyr'^ welche am Freitag zum erstenmal statthaben sollte, mußte wegen einer Unpäßlichkeit der Dlif Schechner, wovon sie nach der letzten Vorstellung des „Macbeth" befallen wurde, verschoben werden. Wirklich scheint diese Oper in der Hauptrolle Dii| Schechner allzu angreifend zu sein, um öfter nacheinander ohne Nachteil für die Sängerin gegeben werden zu können." Das war alles gegenüber dem Doppelereignis: Wiederkehr des verloren geglaubten Lieblings und Einschlagen einer großen Novität!

Das Verdienst, die Oper in München zur Aufführung gebracht zu haben, gebührt ausschließlich dem Intendanten Freiherrn von Poißl, der sich durch den Pariser Mißerfolg nicht abhalten ließ, sie anzunehmen und mit den besten Kräften zu besetzen. Auf die Sympathie Deutschlands hoffend, dessen Meister er sich vorzüglich zum Muster genommen, schickte Chelard die Partitur an Poißl, dem er empfohlen war, und kam zur Überwachung der Übersetzung und zu den als nötig erkannten Umarbeitungen selbst nach München. Nach dem glänzenden Erfolg der Premiere beehrte ihn König Ludwig I. sofort mit dem Titel eines königlichen bayerischen Hofkapellmeisters ohne amtliche Ver- pflichtungen. Durch dieses Ehrenzeichen wieder zu Selbstvertrauen gelangt, kehrte er im Herbst dieses Jahrgangs nach Paris zurück, [ohne jedoch dort als Dramatiker durchzudringen. Später kam er wiederholt nach München.] 0 Er brachte in der Münchner Hofkirche eine Messe und in Kon- zerten effektvolle große Chöre, Kantaten und Kammermusikstücke zur Aufführung, welche seinen Namen durch ganz Deutschland trugen. [1835 kam seine neue große Oper „Die Hermannschlacht" zur Aufführung], mit welcher er der deutschen Schule, die er hoch verehrte und der er stets nach- zueifern suchte, seine Huldigung darlegen wollte, sein bestes und gründlichstes Werk. Von 1836 an nahm er seinen Aufenthalt in Augsburg, wo er auch die Oper und Konzerte leitete, bis er 1840 nach Hummels Tode als großherzoglicher Hofkapellmeister nach Weimar berufen wurde. Der Ansicht, Chelard sei zwar „ein gewandter, geschickter und erfahrener, aber kein so originaler Tonsetzer gewesen, daß er sich durch Eigentümlichkeit und Bedeutsamkeit seiner Gedanken ausgezeichnet hätte", möchte ich mit obiger Analyse des „Macbeth" nicht umsonst entgegen getreten sein. Was aber den [eben dort] bemängelten „Mischstil" Chelards, eine immer- hin relative Bezeichnung, betrifft, so erklärt sich ein solcher, wenn er wirklich vorhanden ist, aus der ehrfurchtsvollen Hinneigung des feurigen Franzosen zur deutschen Kunstrichtung, die uns Deutschen nur freudige Anerkennung entlocken, den Franzosen aber nicht hindern kann, Franzose zu bleiben, der nun einmal des „Effektes" nicht entraten kann. Durch diesen hat Chelard jedenfalls dem schlimmsten aller Übel in der Kunst, der Langeweile, vorgebeugt. Mancher zeit- genössische und spätere deutsche Komponist hätte sich gratulieren dürfen, wenn er sich im glück- lichen Besitze dieses Schutzmittels gegen jenen Erzfeind befunden hätte. Nicht „der unvermittelt auftretende Mischstil" ist „sicherlich der Grund, weshalb Chelards große und durchaus nicht unbedeutende Werke keinen dauernden Boden, weder in Deutschland noch in Frankreich zu ge- winnen vermochten", sondern seine durchaus schlechten Texte, verbunden mit seinen oft übertriebenen Anforderungen an die bereits allenthalben im leisen Niedergange begriffene Gesangskunst.

Lindpaintners Oper „Vampyr«, Text nach Lord Byrons Dichtung von Cäs. Max Heigel, ging, nachdem sie zuerst in Stuttgart am 21. September desselben Jahr- ganges aufgeführt worden, in München am 19. Oktober mit folgender Besetzung in Szene: Aubri Pellegrini, Port d' amour Lenz, Isolde Schechner,

^) Siehe die Jahrgänge 1831 und 1832.

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Hippolit . . . . L ö h 1 e , Morton Mittermair, Lorette V i a 1 , Lavigne

Schimon. Die zweite Aufführung am 25. dirigierte der Komponist selbst. Dann wurde sie noch einmal am 18. November und weiter nicht wieder gegeben. Die Kurzlebigkeit auch dieser Oper Lindpaintners steht teilweise im Zusammenhang mit dem baldigen Erscheinen von Marschners „Vampyr", der zu dieses weit '

kräftigeren und entschiedeneren Romantikers besten Schöpfungen gehört. In einem nach der zweiten Aufführung des „Vampyr" geschriebenen Artikel der „Flora« '

heißt es nach einem mäßigen Lobe der Musik über das Buch, daß die Idee der \

Vampyrsage „mit zu vieler höflicher Konvenienz aufgefaßt worden sei. Warum j

erhält der Vampyr, der sich nicht mit Ohnmächten begnügt, kein Opfer? Und wie '■

unwahrscheinlich ist es, daß bei diesem blutsaugenden Gespenster-Ungetüm alles \

bei Leben bleibt! Es wäre für das Publikum von vielem Interesse, bald den Vampyr \

von Marschner, in welchem Deutschland Hoffnung zu einem zweiten Weber nähren |

darf, aufführen zu sehen. Wohlbrück, welcher das Gedicht dazu gefertigt, scheint \

Byrons geniale Sagen-Erzählung besser aufgefaßt zu haben." Zum Schlüsse dieser

zweiten Aufführung mußte der Komponist mit der Schechner vor den Rampen erscheinen. Die A.M.Z. enthält im November Nr. 46 folgende Notiz aus Stuttgart i

am 28. Oktober. Eben kam der Herr Kapellmeister Lindpaintner aus München, |

wo er sich 3 Wochen aufhielt, wieder zurück. Er hat dort seine neue Oper, den |

Vampyr, glücklich in die Szene gesetzt und selbst dirigiert. Der Erfolg, so drückt er sich selbst aus, übertraf noch seine Erwartungen. Düi Schechner soll ausge- \

zeichnet gesungen haben. Neu einstudiert wurde am 5. Dezember noch Poißls „Athalia« mit der Schechner, der Sigl-Vespermann, Herrn und Frau i

Pellegrini, Lenz, Fries und Traub gegeben, doch war auch dieser Belebungs- \

versuch erfolglos die Zeit ging zu schnell und zu mächtig vorwärts und vor ;

dem Neuen verblaßte das Alte, soweit es nicht durch Genialität gefeit war, wie über Nacht.

Der Jahrgang 1829 ist dadurch ausgezeichnet, daß in demselben nach vieljähriger 1829 Ruhe Glucks „Iphigenie auf Tauris" wieder zur Aufführung gelangte. Der bei- spiellose Erfolg, welchen Nannette Schechner mit der Titelrolle des erhabenen \ Werkes bei ihrem glänzenden Gastspiel in Berlin im Jahre 1827 errungen hatte i (wo sie Gluck tatsächlich erst kennen lernte!), mag in Herrn v. Poißl der Gedanke j gereift haben, auch den Münchnern die Schechner als Iphigenie zu zeigen. Die übrige i

durchaus unübertreffliche Besetzung der Oper war: Orestes Bayer, Pilades :

Löhle, Thoas Pellegrini, Diana Hölken, die beiden Priesterinnen j

Madame Pellegrini und DMi Schaudig. Nachdem sie zum erstenmal am 30. Januar \

herausgekommen, wurde sie am 10. Februar und 14. Mai wiedergegeben und mußte, da inzwischen die Schechner wieder zu einem langen Gastspiel nach Berlin ging, bis zum 10. November ruhen. Daß zur Einstudierung des Werkes der „Vokal- \

Operndirigent" Stuntz seine ganze Kraft eingesetzt hätte, steht bei seiner Ver- \ ehrung und Kenntnis des Meisters außer Zweifel : Für eine fünfte Aufführung war das Publikum, das dabei genug zu sehen bekam, trotz aller Musterleistungen der

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Sänger und des ausgezeichneten Orchesters nicht mehr zu haben; im nächsten Jahre wurde noch eine am 30. April gewagt.

Gleich zu Beginn des Jahrgangs machte die Intendanz einen glücklichen Fang in dem am 1. Januar seltsamerweise als Chorsänger aufgenommenen Tenoristen Wepper, welcher, nach seiner baldigen Verwendung zum Konzertgesang zu urteilen, mit einer sehr angenehmen Stimme auch gute Vortragsmanieren verbunden haben muß. Seine nächste Bestimmung mochte sein, dem vielbeschäftigten Ferdinand Schimon einen Teil der kleineren Tenorpartien abzunehmen; doch wurde er, wie wir hören werden, bald zu Besserem herangezogen. Einen beträchtlichen Zuwachs an Sängerinnen für kleinere Rollen zeigt, außer Dlll= Schaudig (siehe oben) der erste Oberonzettel (siehe die Besetzung dieser Oper). Auch erscheint in einer Nebenrolle des „Rotkäppchen" eine DMi Schmidt zum erstenmal, und als erste und zweite Dame in der Zauberflöte lernen wir die DüiHetzel und Neu kennen. An Gastspielen gab es nur drei. Am 17. Februar trat eine gewisse DE Susanne Raine in Rossinis „Tankred", und zwar in der Titelrolle auf. Sie war auf dem Zettel als erste Sängerin an der italienischen Oper zu Moskau angekündet, fiel aber schon im ersten Akt so entschieden durch, daß Frau Pellegrini die Rolle zu Ende singen mußte. Dann ließ sich, erst spät am 29. September, Herr Spitz- eder, ein ausgezeichneter Baß buffo (siehe Jahrgang 1832), als Apotheker in Ditters- dorfs „Doktor und Apotheker" hören. Endlich scheint eine Mad. Müller aus Stutt- gart am 19. November (da um diese Zeit die Sigl-Vespermann beständig unpäßlich war) die Wiederaufführung der Zauberflöte ermöglicht zu haben.

Die erste Novität des Jahres war eine höchst erfreuliche: C.M. von Webers herrlicher „Oberon", der durch seinen Melodienreichtum fast wie der „Freischütz" einschlug und, zum erstenmal am 29. März in Szene gegangen, noch fünfmal im

selben Jahre wiederholt werden konnte. Die Besetzung: Oberon.... Bayer, Puk

Mad. Pellegrini, Droll .... Lang (Der Komiker), Rezia Sigl-Vespermann,

Fatime .... Schechner (die sich höchst merkwürdig für diese Altrolle verwenden ließ!), Hüon Löhle, Scherasmin....Mittermair. Statt eines oder zweier Meer- mädchen hatte man vier: die Damen Scheidauf, Rößner die Jüngere, Unhoch die Ältere, und Traub, die Jüngere, zur Verwendung gebracht und dadurch dem Gesang (E-dur, Vs mit obligatem Hörn) hinter der Szene eine vielleicht nicht zu tadelnde Chorwirkung gegeben. In den weiteren Aufführungen des Oberon war es aber, wo das Talent Weppers zuerst in seiner Bedeutung erkannt wurde. Bayer mochte sich als Oberon nicht recht wohl fühlen, da einerseits „sein hoher Gang" mit dem zarten Luftgeist gar nicht harmonierte, andrerseits er mit dieser dramatisch ganz bedeutungslosen Figur gegenüber dem Helden Hüon, vom minder dramatischen Kollegen Löhle dargestellt, doch gar zu sehr den Kürzeren zog, und es ist aus beiden Gründen natürlich, daß er die Rolle je eher je lieber abgab. Wepper aber, der, nachdem er am 1. Dezember zum Solosänger avanciert war, den Oberon am 4. zum erstenmal sang, gefiel so sehr, daß man schon seinetwegen die Oper noch ein paarmal repetierte. Für die Schönheit seines Gesanges spricht die Tatsache,

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daß er dem Zauberer auf der Violine, Nicolo Paganini, als Mitwirkender in seinen Konzerten genehm war. Derselbe gab deren im November drei. Im ersten sang Wepper eine Arie von Paccini, im zweiten sangen Mad. Pellegrini, die Herren Wepper und Pellegrini ein Terzett, im dritten wieder der Wepper eine Arie von Rossini und die Herren Vecchi und Pellegrini ein Duett von demselben. In diesem Rahmen scheint Wepper fraglos bestanden zu haben.

Über die textliche und musikalische Beschaffenheit des Oberon bringt die „Flora" eine sehr beachtenswerte mitM*** unterzeichnete Besprechung in nicht weniger als sieben Fortsetzungen, welche nur zum kleinsten Teil zu reproduzieren ich mich lediglich in Betracht des hier gebotenen Raumes entschuldigen kann, da sie einen höchst erfreulichen noch heute nicht veralteten Standpunkt der musikalisch- dramatischen Ästhetik von damals bezeichnet:

Gegen die Musik ist nun nichts einzuwenden, und jeder Kunstfreund wird darin ein- stimmen, daß Weber, der herrliche Sänger der Liebe und Romantik, ein würdiges Schwanenlied gesungen habe; aber seine herrliche Musik gleicht leider der Stimme des Propheten in der Wüste, einer Rose unter Nesseln; mit einem Worte, das Buch ist schlechter, als es sich die geringste Erwartung hätte träumen lassen können, ja wir behaupten, daß selbst Euryanthe, mit all ihren zarten Labyrinthen des Verstandes, noch golden gegen dieses tolle Getriebe einer bunten Guck- kastenwelt sei . . . ." Nachdem nun der Verfasser Webers eigene Worte aus dem von Th. Hell herausgegebenen Werke „Aus dem Leben eines Tonkünstlers" über das Wesen und die Natur der Oper zitiert, fährt er weiter: „Wenden wir nun diese Forderungen, die Weber an die Oper, also auch an den poetischen Teil derselben macht, auf sein Oberonsbuch an, so werden wir finden, daß es einen grellen Gegensatz zu dem oben Gesagten bildet. Um so weniger also würde jeder Unparteiische diesen argen Verstoß, den der Compositeur in diesem Falle gemacht hat, verzeihen, wenn nicht so viele Privatverhältnisse mit ins Spiel kämen, die sich in Webers letzter Lebensperiode ergaben, und die die Sache ebenso gestalteten, wie sie ist, selbst gegen den Willen des großen Meisters." Werden nun historisch getreu dargelegt. „Es ist nicht zu leugnen, daß die Fabel von Oberon und dem Abenteuer des Hüon die besten Materialien für die romantische Feenoper liefern würde, wenn man nur einigermaßen mit Sinn und Verstand die weiten Episoden des Wielandschen Gedichtes unter einen zweckmäßigen Rahmen fassen und die Reize und die Macht der orien- talischen Zauberwelt mit den Leidenschaften und Interessen der handelnden Erdgeborenen in Berührung bringen würde. Aber mit absichtlich scheinender Vernachlässigung sind alle Gelegen- heiten versäumt, um Szenen herbeizuführen, worin durch Hinzutritt der höheren Mächte oder die entgegenstrebenden Interessen der Menschen Ensemblesätze aufgestellt wären, worin der Compositeur

Spielraum gehabt hätte, durch die Macht der Phantasie große charakteristische Bilder zu schaffen

Zudem sind jene Personen, von deren Zutun eigentlich das Interesse der Oper ausginge, in den Schatten einer erbärmlichen Prosa gestellt, ohne einen musikalischen Laut von sich zu geben; dadurch werden also die breitesten Dialoge herbeigeführt, und die Musikstücke stehen am Ende nur als Lückenbüßer zwischen dem Spektakel der Szenerie und der Maschineneffekte, von deren Gelingen doch das Schicksal der Oper abhängt. Abstrahiert man nun aber von all den Obel- ständen, die durch die Erbärmlichkeit des Buches für den Compositeur hervorgegangen, und nimmt man die Partitur oder auch nur den Klavierauszug des Werkes vor, und bildet sich in eigener Phantasie den Schauplatz der Handlung dazu, die Palmenwälder von Bagdad, den Palast des Kalifen, das Gewimmel von Oberons lustigen Elfen, so leicht wie sie nur immer in Shake- speares Sommernachtstraum tanzen, dazu noch eine Wielandsche Rezia, wie die Houris, die im Paradiese den großen Propheten umgaukeln so haben wir einen Genuß, wie ihn uns nur Weber geben konnte, der mit allen Zauberkräften seiner Kunst auch die schöne Gabe besaß, seinen Bildern auch die herrlichen Tinten einer südlichen Sonne zu geben Wenn man nun

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im allgemeinen behaupten kann, Weber sei für das Lied, für die eigentliche Sprache der Empfin- dung, die im Momente entsteht und eine in sich selbst abgeschlossene Form bildet, geboren, und er sei mit diesem rein lyrischen Organismus seines Kunstgenius ins Fach der dramatischen Musik getreten, so müssen sich auch notwendig alle seine Schöpfungen auf diese in seinem Inneren

fest gegründete Basis, als von da ausgegangen, zurückbringen lassen Zu diesem schönen

Berufe also gab ihm Mutter Natur außer einem weichfühlenden Herzen einen hellen Geist, einen durchdringenden Verstand und den feinsten Geschmack, er war kein Universalgenius, wie Mozart, dessen Wirken mehr Resultat einer unwillkürlichen Schöpfungskraft war, er hatte sich zum Talent gebildet, aber in der weitesten Bedeutung des Wortes. Während sich nun all seine dramatischen Erzeugnisse in jener engeren Grenze bewegten, die wir durch seinen Beruf angedeutet, gewannen sie in dem Maße, als sie an Größe der Anlage und Ausführung an kontrapunktischer Bedeutung entbehrten, an innerem Werte, das heißt, an Wärme der Empfindung, an Kühnheit und Eigentümlichkeit der Melodien und an Charakteristik der Schattierung, wie ich die Harmonie nennen möchte. Je beschränkter nun die Sphäre war, in der sich Weber, der offenbar wie Gluck, kein glänzender Kontra- punktist war, bewegte, desto mehr ging sein Streben dahin, seine Melodien, die ihm, wie vielleicht außer Mozart keinem, in Fülle zuströmten, nach außen hin auszubilden, und sie mit dem reichen Gewände der Instrumentalmusik in feinster Charakteristik zu schmücken. So auffallend nun, und seltsam diese Formen manchmal sich zeigen, so natürlich erklären sie sich aus Webers Individu- alität, aus der eigentlichen Grundform und Grundfarbe seiner Produktionsgabe Auf deutschem

Boden ist die Eiche aufgewachsen und steht auf dem deutschen Parnaß zu unserm Stolze und zur Bewunderung des Auslandes, und so sei sie uns heilig die wunderbare Wodanseiche; in ihrem Schatten wollen wir uns noch lange glücklich tun!" Etwas tief läßt die Bemerkung blicken: „Über die Dar- stellung und das Arrangement der Oper hätten wir wohl auch manches zu sagen; allein, wir schweigen, warum? weil wir unsere Gründe haben." Mit dieser geheimnisvollen Andeutung war wohl einem wahrscheinlich begründeten Tadel ausgewichen, den man gegen die Intendanz Poißl nicht direkt aussprechen wollte. In der nun folgenden, ebenso pietätvollen als kritisch richtigen Analyse der einzelnen Musikstücke ist auch jedesmal der momentane Erfolg (bei der Premiere) angegeben, und da ist es von Interesse zu verfolgen, wie das Publikum durchgängig auf den äußeren Effekt, nicht aber auf die innere poetisch musikalische Bedeutung mit Applaus reagierte. Das Ganze schließt mit folgender herzerfreuender Apotheose des Meisters: „Und so haben wir nun den südlichen Zauber- garten durchwandelt, und uns aufs neue gestärkt an dem balsamischen Duft der lieblichen Blumen; habe Dank, du wackerer Gärtner, der du sie erzogen und gepflegt! Du ruhst in einem fremden Lande, das dich von uns rief, um dich zu belohnen und dein Verdienst zu ehren; so sammeltest du noch auf jener britischen Insel, wie die großen deutschen Männer vor dir, wie Händel und Haydn, die letzten Lorbeeren auf deinem starken Haupte, während die kranke Brust dem Drucke eines strengeren Klimas erlag. Ferne von deinem Vaterlande und deinem eigenen Herde mußtest du dahingehen ins Land der Toten, wo dich Mozart und Gluck freudig empfingen, und wohin dir auch Beethoven leider so bald folgte. Doch lebt dein Andenken in deinen Werken, und wird leben, so lange es fühlende Herzen gibt, die für die heilige Kunst der Musik erglühen. Und so nimm auch diese Zeilen, du großer Sänger, als bescheidenes Totenopfer auf dein einsames fernes Grab: Was wir hier über dein letztes Vermächtnis gesagt, ist nicht bloß individuelle Ansicht, nein, die Stimme aller gebildeten Freunde der Kunst (ängstliche Pedanten und vorurteilsvolle Schwätzer gehören nicht hieher) haben sich zu deinem Preise vereinigt: Wir sind nur das Organ einer allgemeinen Empfindung." Ähnlich, wenn auch nicht so begeistert, spricht sich der Münchner Korrespondent der Leipziger A. M. Z. (Juni 1829 Nr. 4) aus: „....Mit Fleiß und nach langer Vor- bereitung dargestellt, hat, einige mißlungene Maschinerien ausgenommen, das Ganze alle seine große Wirkung hervorgebracht; es hatte diese so genialisch angelegte, mit Laune und phantasie- reicher Durchführung so ausgezeichnete Komposition die oft weitgetriebene Erwartung nicht getäuscht. Man bewundert des Tonsetzers Eigenheiten und Originalität, ohne jedoch, wie es uns schien, so ergriffen zu sein, als man mit einiger Zuversicht hätte voraussetzen können. Wir unseres Teiles

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sind der Meinung, daß keine der drei berühmt gewordenen Opern dieses großen Meisters durch ihren musikalischen Charakter der zu Grunde liegenden Dichtung so sehr entspricht, als eben diese; daß das lustige, ätherische Spiel dieser außer dem Bereiche der Sinncnwelt liegenden Wesen nirgends trefflicher aufgefaßt worden, als es eben hier geschehen, daß sozusagen eine ganz neue Welt von Tönen und Harmonien sich uns eröffnet, daß aber dem ungeachtet sie, diese Oper, dem Freischütz im ganzen immer nachstehen wird und nicht so lange, nicht so häufig besucht, als er, auf der Bühne sich erhalten könne," Der Verfasser erklärt dies aus der geringen Sympathie, welche man, im Vergleich zu dem Jägerleben, zum Kugelgießen des Kaspar etc. „jetzt da Wieland nicht mehr so häufig gelesen wird und die Realität der Weltereignisse diese Märchenwelt außer Kurs gesetzt hat, der Emsigkeit der Elfen, dem Home Hüons u. dergl. Dingen" entgegenbringe. Dann tadelt auch dieser Kritiker in breiter Auseinandersetzung das Überwiegen des Dialoges und meint, ein Bühnenstück dürfe alles eher, abgeschmackt, possierlich, läppisch, aber nur nicht langweilig sein. „Dies Wort klingt ominös!" „Herr Weber konnte nicht wählen, er mußte nehmen, was man ihm darbot; seine Schuld ist es demnach nicht, wenn der Ausspruch (langweilig) begründet sein sollte."

Die zweite Novität des Jahres lieferte Intendant von Poißl mit einem Griff ins Zwerg- und Gnomenleben: „Der Untersberg", einer romantischen Oper in drei Akten, Dichter diesmal nicht genannt. Dieses jüngste Kind eines fruchtbaren Vaters scheint sich wieder mit großem Glück „der Individualität der hiesigen Sänger und Sängerinnen angeeignet" zu haben, denn es erschien, nachdem es am 30. Oktober aus der Taufe gehoben, am 3. und 15. November gleich wieder auf den Brettern, um dann in den zwei dem liebenden Papa noch zur Fürsorge ge- gönnten Amtsjahren je einmal durchgedrückt zu werden. Nach dem Berichte der „Flora" hatte indes auch dieses Werk des, wie es scheint, in München sehr beliebten Komponisten bei der Premiere wieder den denkbar günstigsten öffent- lichen Erfolg. Sie schreibt:

„Am verflossenen Freitage hatte die erste Aufführung der romantischen Oper „Der Untersberg", Musik von Freiherrn v. Poißl, vor einer sehr zahlreichen Versammlung statt. Wenn die aus alten Zeiten herübergekommene Sage von dem berühmten Untersberge bei Salzburg einen vorzüglich geeigneten Stoff bot, welcher von den zwar ungenannten, doch leicht durch den Wert der Dichtung zu erkennenden Verfasser auf die geschickteste Weise benützt wurde, so ging mit ihm der Ton- setzer Hand in Hand, um Geist und Gemüt zu erfreuen und zu beschäftigen. Die Ouvertüre der Oper gehört zu den vorzüglichsten Arbeiten des Compositeurs und gefiel so sehr, daß ihre Wieder- holung unter den lebhaftesten Beifallsbezeugungen verlangt wurde. Mehrere andere Musik- und Gesangstücke wurden ebenfalls mit allgemeinem Beifalle aufgenommen. Die äußere Ausstattung der Oper gehört zu den Vorzüglicheren. Die neuen Dekorationen und Maschinerien sind von den Herren Hoftheatermalern Quaglio, Klotz, Schnitzler und Fries in großer Vollendung und Schönheit ausgeführt worden. Insbesondere machte die Schlußdekoration, das Innere des Untersberges dar- stellend, eine schöne Wirkung und wurde mit großem Vergnügen gesehen. D^ Schechner, Herr Löhle und Herr Pellegrini wurden am Schlüsse herausgerufen. Der allerhöchste Hof wohnte dieser Vorstellung wegen der eingetretenen Trauer nicht bei."

Im sonstigen Repertoire dieses Jahres ist erwähnenswert eine Aufführung von „Figaros Hochzeit", in welcher Pellegrini den Almaviva, Nanette Schechner die Gräfin, Sigl-Vespermann die Susanne, Frau von Neumann die Marcelline, Mitter mair den Figaro, Mad. Hölken den Pagen, Staudacher den Bartolo, Schimon den Basilio, Wepper den Don Guzmann und DülzSchaudig das Bärbchen sang, und die Wiedereinstudierung von Boieldieus „Rotkäppchen", sowie der

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längere Zeit nicht mehr gegebenen „Zauberflöte". Mitwirkende der ersten Oper waren Löhle, Bayer, Staudacher, Sigl-Vespermann/) Frau von Neumann, Dyi: Schmidt, Herren Lenz und Wepper. Die Besetzung der „Zauberflöte" war:

Königin der Nacht (wie schon erwähnt) Mad. Müller aus Stuttgart, Sarastro

Pellegrini, Tamino Bayer, Sprecher .... Staudacher, die zwei Priester

Wepper und Traub (ein inzwischen gewonnener Bassist für kleine Rollen),

Pamina Nan. Schechner, die drei Damen Dli|:Neu, Hetzel und Mad.

Pellegrini, die drei Genien .... kl. Niest, kl. Hüber, kl. Schmidt (vermutlich

heißt das „kl" kleiner und waren es also Knaben), Papageno Fries und

Papagena .... Hölken. Auf dem Zettel der „Euryanthe" vom 9. April steht: „Zum Vorteil des neubegründeten Pensionsvereins", und dieser Vermerk wiederholt sich auf dem Zettel der „Zauberflöte" vom 19. November. Auf die Geschichte dieses Vereins zurückzukommen, ist mir wegen Überfülle des Materials leider nicht gegönnt. 830 Das Jahr 1830 brachte der Oper nicht weniger als zehn Gäste; auch die „ersten Versuche" waren zahlreicher als je zuvor. Welcher technische Grund dazu vor- gelegen, welche Vorteile für das Institut man sich davon versprochen haben mag, wäre ganz unerfindlich, wenn man nicht wüßte, daß von Poißl in das eigene Personal durch allzu freigebige Urlaubserteilungen beständig Lücken riß, welche dann allerdings nur auf diese Weise auszufüllen waren. Unter den zehn Gästen befindet sich ein einziger berühmter Name, der der Heinefetter, welche, von der italienischen Oper zu Paris kommend, die Rosina im „Barbier"^ und die Desdemona sang.

Etwas glücklicher war die Bühne mit den „ersten Versuchen", welche bis auf zwei, den der D]l^ Puck(?) als Prinzessin im „Johann von Paris" am 30. April und den der Dül: Ger v er (?) als Tankred am 19. Oktober, alle zu einem Engagement führten. DlilHaibl debütierte als Irma in „Maurer und Schlosser" am 15. Februar, übernahm am 1. April „in kürzester Zeit" die Marcellina im „Fidelio" und trat in dieser Rolle zum erstenmal am 6. Juni als engagiertes Mitglied auf. Dlii: Vial versuchte sich zweimal (am 7. und 12. März) als Rosina und erschien als Aschen- brödel in der Rossinischen Oper gleichen Namens am 4. Mai bereits als engagiert. Wie Grandaur behauptet, soll sie den Erwartungen, welche man an sie als Schülerin der berühmten Pisaroni stellte, nicht ganz entsprochen haben. Dieses scheinbar vorgefaßte Urteil des Chronisten finde ich nun in mehreren Rezensionen der „Flora" wie auch der „A. M. Z." über diese Künstlerin nicht bestätigt. Nach ihrem Personalakt berichtete Baron v. Poißl am 26. Januar an den König, daß sie, von der Fürstin Wrede und Öttingen-Spielberg empfohlen, aus Nürnberg angekommen sei. Er habe sie gehört und müsse konstatieren, daß sie, von der Natur mit höchst glücklichem Talent begabt, im Besitz einer vorzüglichen Stimme sei, eine gute

*) Diese ausgezeichnete Koloratursängerin mit hohem Sopran war hier, wie öfters, an die falsche Stelle gesetzt; das Röschen gehörte unstreitig der Schechner, die mit ihrem Gemüt und vollem Mezzosopran die reizende Oper auch hätte halten können.

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Schule, viel Geschmack und Ausdruck habe und mit entsprechender Routine auf jeder Bühne in ersten Partien ehrenvoll bestehen werde, sie müsse also zuvor einige Rollen studieren. Darauf dekretierte der König schon am 27. Januar: „Sängerin Vial ist sogleich zu unterrichten, daß sie anzeige, wann sie sich für vorbereitet hält, in Proberollen aufzutreten und in welchen, wobei mir dann unverzügliche Anzeige zu erstatten ist." Hierauf kam es zu dem bereits genannten Auftritt. Am 14. März schrieb der König: „Auf ein Jahr darf die Sängerin Vial mit einem Gehalt von 1200 fl. engagiert werden, wonach ich weiter beschließen werde." Am 15. März wurde der Kontrakt geschlossen. Wohl diente sie bei den vielen Krankheiten und Urlauben der beiden ersten Sängerinnen Sigl-Vespermann und Schechner als Lückenbüßerin, bestand aber als solche, was viel heißen will, mit allen Ehren. Düi Fuchs trat am 5. September als Sophie in „Sargines", am 11. November als Elvira im „Unterbrochenen Opferfest", jener außerordentlich schweren Partie, auf und wurde am 1. Dezember für hohe Sopranpartien engagiert. Musikalisch gut brauchbar und als Mitglied willig und gewissenhaft, soll sie ebenfalls mit Grandaur an Schärfe der oberen Stimmlage gelitten haben.^)

Endlich macht noch Düi Neureuther ihren ersten Versuch als Irma in „Maurer und Schlosser", um dann, bereits engagiert, als erste Dame in der „Zauberflöte" am 10. Oktober aufzutreten. Wenn man auch in ihr eine Vertreterin so hoch liegender Sopranpartien suchte, so war es mindestens sonderbar, sie in einer Rolle von so gemütlicher Lage, wie die Irma in „Maurer und Schlosser", erproben zu wollen.

Am 6. November war Mozarts „Titus" zum Benefiz der Nannette Schechner mit dieser als Sextus gegeben, wobei DM Caroline Schechner, jedenfalls eine jüngere Schwester der Nannette, die Rolle der Vitellia sang. Dieser Auftritt ist auf dem Zettel als „erster Versuch" bezeichnet. Weiteres war über Caroline Schechner nicht zu erkunden, als daß sie in dieser Rolle nicht ganz genügend befunden wurde.

Einen schweren Verlust erlitt die Oper durch den frühen Tod des zu so schönen Hoffnungen berechtigenden Wepper. Am 16. April mußte für ihn, weil er un- päßlich geworden, Löhle als Aron im „Moses" einspringen, dann sang er noch als bescheiden williger Künstler am 23. April die ganz kleine Baritonpartie des Scythen in Glucks „Iphigenia auf Tauris" und starb drei Wochen darauf am 13. Mai.

Durch die Aufführung des „Freischütz" am I.Januar glücklich begonnen, brachte das Jahr 1830 zwar nur zwei vollkommene Novitäten; die erste davon war aber für die Münchner Bühne ein Treffer erster Klasse: des genialen Auber hoch- dramatische „Stumme von Portici", welche nicht ein ganzes Jahr zuvor, am 29. Februar, in Paris zum erstenmal in Szene gegangen war. Diese herrliche Oper, in welcher das französische Kompositionstalent, trotz der bekannten Leichtfüßigkeit, die nun einmal den Franzosen kennzeichnet, seinen Parnaß erstiegen haben dürfte,

^) Ich glaube, sie in älteren Tagen noch als Frau Wühr in der Allerheiligenkirche gehört und allerdings, in dieser späten Zeit kein Wunder mehr, einen diese Behauptung bestätigenden Eindruck erhalten zu haben.

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die zugleich das begeisterte und begeisternde Geschöpf einer großen politischen Gärung war, es ermangelte auch in dem politisch harmlosen München nicht, wie allerorten, jener zündenden Wirkung, welche den dauernden Erfolg eines Bühnen- werkes festzusetzen pflegt, obwohl seltsamerweise die Rollenbesetzung bei der Premiere nicht einmal so musterhaft war, als man sie mit dem damaligen Solo- personal hätte herstellen können: Masaniello . . . . Löhle, Fenella .... von Hagn,

Alphonso Wepper, Elvira Sigl-Vespermann, Pietro Mittermai r,

Borella ....Lenz, Morena T r au b , Lorenzo ( AlphonsosVertrauter) Schimon,

Selva (Offizier) ... . Fries, eine Dame D}^ Unhoch (die Ältere). Hiervon waren

zwei Rollen, und gerade die hauptsächlichsten, verkehrt besetzt. Der Masaniello gehörte nicht dem ersten lyrischen, sondern dem dramatischen, dem Heldentenor, und dieser war Bayer. Dem Pietro, der so hervorragende Gesangsszenen hat, nicht Pellegrini, sondern dem bereits alternden Mittermair zu geben, der schon nahe daran war, seine Stimme zu verlieren, gibt für zweierlei Vermutungen Raum: entweder man unterschätzte die Bedeutung der Partie, oder man wollte gar den Erfolg der Oper, anstatt ihn zu fördern, etwas dämpfen, was auch schon da war;^) doch liegt es mir fern, dergleichen zu behaupten. Ein Verdienst war es dagegen, die Rolle der Fenella nicht, wie es später vorwiegend der Fall war, von einer Tänzerin, sondern von der berühmten Schauspielerin Charl. v. Hagn darstellen zu lassen. (Möglicherweise geschah dies bereits im Hinblick auf die Dispositionen, welche man in diesem Jahre dem Ballett zugedacht hatte. Man war nämlich wieder einmal etwas zu spät zur Einsicht gelangt, daß das Ballet größere Summen verschlinge, als seiner künstlerischen Bedeutung zukomme, und machte den Anfang einer Einschränkung, indem man den Ballettmeister Horschelt und seine Frau pensionierte und den zu Ende gehenden Kontrakt mit einer Mad. Thoms nicht mehr erneuerte.) Noch in diesem Jahrgang wurde „Die Stumme von Portici" siebenmal wiederholt. Die „A. M. Z." bringt im Mai Nr. 20 über die Premiere folgenden, gegenüber der Bedeutung des Werkes gewiß sehr wenig sagenden

Artikel aus München:

„In der Stummen von Portici hat Mad. Vespermann, die man so lange nicht mehr gesehen und deren Wiedererscheinen auf der Bühne man mit einer Art von Sehnsucht entgegensah, im Gesänge und Spiele allen Erwartungen entsprochen. Wir sagen nichts weiter über diese Künstlerin, die ihren Ruf bei Kennern und Nichtkennern seit langem so tief begründet hat." (Was hat dies bei dem Ereignis Erstaufführung der Stummen zu sagen? Was bedeutet da schon die Nebenrolle der Elvira?) „Auch Herr Löhle hatte allgemein befriedigt; die geniale Komposition voll Feuer und Lebendigkeit war von großer Wirkung; der Terz-Quartenakkord, womit die Ouvertüre anfängt, war neu und über- raschend in einer Oper (Beethoven hat eine seiner Symphonien mit dem Septimen-Akkord ein- geleitet.) Auber (der Komponist nämlich) versetzt uns sozusagen gleichsam schon bei der Vor- bereitung in die Mitte der Handlung, und führt uns, ohne Längen und ohne zu ermüden, bis ans Ende fort. Die Ballette waren hin und wieder gekürzt, das übrige wurde ohne Veränderung im Original gegeben." Folgt nun ein allgemeines Lob über die Aufführung.

^) Grandaur behauptet zwar, daß Pellegrini bei der Premiere den Pietro gesungen habe; auf dem Zettel steht aber Mittermair. Später sah man allerdings den Fehler ein und korrigierte ihn mit der Besetzung der Rolle durch Pellegrini; bald löste auch Bayer den Löhle als Masaniello ab.

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Sehr eingehend befaßt sich daher mit dem Werk und seinen Eigentümlicfikeiten ein mit E. A. R. unterzeichneter Referent der „Flora" (wieder in sechs fortlaufenden Artikeln), welcher aber vor theoretischer Strenge oder besser gesagt: steifherziger Nörgelei nicht warm werden kann und, wie er selbst sagt, gegen den Strom (des allgemeinen Enthusiasmus) schwimmt. Ich kann davon des beschränkten Raumes wegen nur wenige Proben geben:

Schon in früheren Blättern dieser Zeitschrift haben wir bei Gelegenheit der ersten Auf- führung des Auberschen , Maurers' unsere Ansicht über den weichen gallo-italischen Charakter der Auberschen Muse zu Tage gebracht. Damals schwebte die zarte Schöne auf einem Soccus, der würdig des ersten Pariser Damenschuh-Künstlers seine moderne Abkunft auf keine Weise ver- leugnen konnte. Nun aber schreitet die Holde zum erstenmal im Kothurnus einher, und wahrlich mit einem Anstände, den wir ihr nicht zugetraut hätten." Hier folgt eine kurze Beschreibung der Handlung auf dem sympathischen neapolitanischen Schauplatze. „Im Besitze solcher Mittel konnte nun Auber mit seinem gewiß nicht unbedeutenden Talent vieles leisten, wenn ihn auch die Natur mehr zur Opera buffa, als zur seria bestimmt hat. Denn es geht unserem Meister hier, wie im gewöhnlichen Leben gewissen Leuten, die sich durch Humor und Lebenslust ihrer Umgebung an- genehm, ja unentbehrlich machen, durch Ernst aber und gründliche Überredung nichts gewinnen, weil man ihnen nicht glaubt, und hinter dem finstersten Gesichte noch immer Scherz oder Ver- stellung vermutet. Die großen, echt tragischen Momente dieser Oper, z. B. die Wahnsinnsszene des letzten Aktes, machen darum in musikalischer Beziehung wohl eine Wirkung, aber meines Erachtens nicht die rechte; denn selbst die Anklänge an das Fischerlied des zweiten Aktes treten in dieser Nacht der Geisteszerrüttung zu freundlich auf und nötigen die zum Mitleid herabgestimmten Mund- winkel zu einem gemütlichen Lächeln .... Wie weit der Wahnsinn des Masaniello, wiewohl durch andere Motive erzeugt und in dem Gehirne eines Fischers ausgebrütet, von dem eines Orest, einer Lady Macbeth verschieden sei, dies zu untersuchen lassen wir der Forschungsgabe eines verehr- lichen Publikums anheimgestellt. Worte, nichts als Worte, sagt Hamlet. Wir aber meinen: Noten, nichts als Noten habe Masaniello gesungen^) und sein Delirium sei um v/enig mehr gewesen, als eine noble Zerstreuung des durch sein schnelles Avancement etwas konfus gewordenen Fischer- helden. Ebensowenig (ich meine: viel weniger, als jene immerhin, wenn auch nur durch geschickte Täuschung ergreifende Wahnsinnsszene!) verspürt man tragische Gewalt in dem großen Ensemble- stücke des vierten Aktes in Masaniellos Hütte. Wo sich so wichtige Interessen, so glühende Leiden- schaften, so hochherzige und edle Gefühle vereinen, ließe sich unseres Bedünkens etwas mehr geben, als ein italienisch-modernes Adagio a quatro, wo erst der Tenor seine Meinung in der Tonika angibt und der damit nicht einverstandene Baß um eine Quart tiefer in denselben Tönen antwortet Wenn dann ein zweiter Tenor und ein Sopran bei augenscheinlicher Lebensgefahr in der höchsten Angst des Todes ganz unbefangen dasselbe Thema aufnehmen, damit die Form fertig ist, wie sie die Zeit vorschreibt, so fällt freilich nur dieser die Hälfte einer Sünde gegen die gesunde Vernunft zur Last. Unter anderem leidet unbestreitbar die Gehirnkammer des Kopfes, die Ouvertüre, an einem Wasserabsatze von Bedeutung. Aubers Ouvertüren sind überhaupt nicht seine stärksten und gesündesten Kinder, diese aber schien uns mehr eine gewöhnliche Dedikationsformel als eine ver- nünftige Vorrede, denn es ist nicht zu verkennen, daß der Autor seinem Kollegen und Vorbilde

Maestro Rossini die Partitur der Oper zueignen wollte " Nach einigen Exkursionen über den

Verfall des Geschmackes der Zeit heißt es über die Ouvertüre: „Sie ist die erste, aber schwächste Nummer der Partitur und mit Ausnahme des Crescendos ganz nach Rossinischem Leisten gearbeitet. Von thematischer Bearbeitung keine Rede, von Charakter ebensowenig, keine Haltung, keine Kraft. . . . Die letzten ohrenzerschmetternden Kadenzen sind die letzten Zuckungen des ohnmächtigen Wesens,

*) Hätte Bayer statt Löhle den Masaniello gesungen, würde der kalte Rezensent vielleicht auf dieses unsinnige Urteil nicht verfallen sein.

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das vom verminderten Terzquartakkord seines Entstehens an bis zum letzten Paukenwirbel fort- während Zeugnis seiner unglücklichen bastardischen Abkunft gibt. Und dennoch rauschender Beifall. Wahrlich ein notgetauftes Kind! O temporal" In eingehender, mitunter auch geistreicher, aber immer zugeknöpfter Analyse tadelt der Referent schonungslos die konventionelle, flache Behandlung des faden Liebespaares Elvira und Alfonso, hebt aber dagegen die frischen kräftigen Volksszenen, die Fischerchöre etc., worauf sich die neue packende Wirkung des Werkes gründet, richtig hervor, nur hat er die hochkünstlerische Bedeutung der pantomimischen Musik, welche die Seelenkämpfe der Fenella so eindringlich illustriert, sehr unterschätzt. Im Eingang des langen Berichtes, in welchem (um eine kurze Gegankritik zu üben) der deutsche Schulmeister aus allen Ecken hervorlugt, rügt der Verfasser, „daß unsere Nachbarin, die alte Augusta, einen hohnlächelnden Blick des Mit- leids aus Schwaben auf uns herüberwarf, weil das stumme Mädchen von Portici, das die Pariser schon längst wieder vergessen haben, uns nicht auch schon den Kopf verrückt und die Taschen geleert hat." Augsburg war nämlich mit der Aufführung der Stummen dem Münchner Hoftheater, wie überhaupt schon öfter,') zuvorgekommen.

Durch den kolossalen Erfolg eben der „Stummen", wie es scheint, vertrauens- selig geworden, betrieb Herr von Poißl sogleich auch die Aufführung von Aubers nächster Oper „Lafiancee", zu deutsch: „Die Verlobte" (ein bürgerliches Genrestück wie „Maurer und Schlosser"), welche am 3. August in Szene ging, aber zu all- gemeiner Enttäuschung eine Eintagsfliege blieb. Möglicherweise lag die Schuld mehr am Text. Der Bearbeiter hatte die Szene nach Wien verlegt, was insofern störend wirkte, als die handelnden Charaktere und Situationen ausschließlich französisch gedacht und durchgeführt sind und in Deutschland, speziell auch in Wien, wo die Oper ebenso erfolglos war, zu den Unmöglichkeiten gehören.

Einen nur bescheidenen Erfolg hatte, wenigstens im Anfang, die Oper „Der Seeräuber" (II pirata) von dem bis jetzt in München noch unbekannten Bellini. In diesem Jahre blieb es bei der am 31. Oktober stattgehabten Premiere. Erst im Januar 1834 unter der nächsten Intendanz taucht sie, sicher durch das Gast- spiel der Hasselt veranlaßt, wieder auf.

Eine nicht vollkommene Novität war Rossinis „Cenerentola" in deutscher Übersetzung und mit deutschem Namen „Aschenbrödel". Mitwirkende waren: Bayer, Mittermair und Lenz, DM Neu, Mad. Hölken und DMVial, welch letztere, wie schon erwähnt, mit der Titelrolle ihr Engagement antrat.

Wir werden sehen, daß das Festhalten an Rossinis populärsten Opern, sei es in deutscher Übersetzung oder auch im italienischen Original, noch nicht allzu schnell nachläßt; vielmehr weist das Repertoire der nächsten Jahrgänge in München, zum Teil auch noch unter der nächsten Intendanz, deren eine hübsche Zahl auf. Der Umstand, daß alle auswärtigen Gäste mit Rossinischen Rollen gewappnet waren und gerne in solchen auftraten, beweist genügend, wie Rossini der alte Rossini , abgesehen von dem erst kommenden „Teil", noch in ganz Deutschland in Blüte stand. Der technische Gewinn hievon (indem man später auch wieder Cimarosa und Mozart im Original in den Kreis zog) war jedenfalls eine längere Erhaltung des Belcanto, der alten italienischen, das heißt der einzig zum Ziel

') Man erinnere sich, daß in Augsburg auch der „Freischütz" fast zwei Jahre vor der Münchner Premiere aufgeführt wurde. Siehe S. 171 Anm. 2.

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führenden Gesangsmethode. Daß das deutsch gesungene Aschenbrödel bei seiner I Premiere am 4. Mai ebenso, wie dereinst das italienische, angesprochen habe, ist ! durch seine zwei Wiederholungen in diesem Jahre mindestens nicht festgestellt. Das ] gesamte Repertoire in demselben war reichhaltig, interessant und abwechslungsvoll.

Wir kommen zum Jahrgang 1831. Auf dem Zettel des „Freischützen" vom 1831 5. Mai sehen wir einen neuen Bassisten Degele, der den Eremiten sang, auf dem der „Zauberflöte" vom 11. Juli drei neue weibliche Genien, die Düi Wagner, Winkler und Mucken thal (vielleicht nur Chorkoryphäen) verzeichnet. '

An Gästen brachte das Jahr einige sehr berühmte und bedeutende. Am 6. und 27. Februar trat Mad. Garzia-Vestris als Rosina in Rossinis „II Barbiere di Seviglia" auf, den man scheinbar ihretwegen in der Ursprache (unter Mitwirkung unserer deutschen Mitglieder) gab. Am 26. April sang die Wilhelmine Schröder- j Devrient eine ihrer Glanzrollen, die Julia in der „Vestalin", mit aufgehobenem | Abonnement, um dann leider wieder der Stadt den Rücken zu kehren. Nach diesen | vorübergehenden Gastspielen eröffnete im August ein um so größeres die vor- ! treffliche und vielseitige Sabine Heinefetter (wie die Schröder-Devrient in München I schon bekannt), nunmehr vom Kärntnertheater in Wien kommend. Sie sang im Zeitraum vom T.August bis zum 13. September zweimal die Desdemona in Rossinis „Othello", die Ninetta in desselben „Diebischer Elster", die Elvira in der „Stummen", die Susanna in „Figaros Hochzeit", den Sextus im „Titus", die Rosina im italienisch i gegebenen „Barbier", die Agathe im „Freischütz" und die Donna Anna im „Don Juan". Gleichzeitig mit ihr gastierte der an der Münchner Bühne wohlbekannte K.A.Bader, ihr einstiges geschätztes Mitglied, der jetzt aus Berlin kam, als Masaniello in der „Stummen von Portici" und als Max im „Freischütz". Sein ] Eindruck ist vielleicht in schnelle Vergessenheit geraten durch die sieghafte Er- scheinung seines bereits mit Begeisterung erwarteten Nachfolgers Ed. Breiting, ; welcher mit zwei Darstellungen des Masaniello (am 9. und 23. Oktober) die Herzen ! der Münchner entflammte. Auf dem Zettel seines ersten Auftrittes ist bemerkt: ; „Wegen Unpäßlichkeit des Herrn Bayer übernimmt Herr Löhle den Prinzen und Herr Breiting als Gast den Masaniello (die Rolle Löhles)." Zur Erkenntnis, j daß die beiden einheimischen Künstler sowohl ihrer Stimmgattung als ihrem sonstigen Naturell nach an den verkehrten Platz in der Oper gestellt seien, war man also noch immer nicht gelangt. i

Von den zwei Novitäten dieses Jahres war die erste wieder eine überaus glück- ] liehe, die zweite eine leider ganz vergebliche. Und wieder war es der geniale und unerschöpfliche Auber, welcher sich in seinem „Fra Diavolo" von einer ganz neuen, wenn auch nicht so hochbedeutenden Seite wie in der „Stummen", zeigte, 1 und mit einem Strom von neuen Melodien das Publikum fesselte und mit sich riß. ] Bei seiner Premiere am 13. März hatte das liebenswürdige Werk, das sich sofort \ im Repertoire festsetzte und dem man auch heute noch kein Veralten anmerkt, I

folgende Besetzung: Fra Diavolo Bayer, Lorenzo Löhle (hier war das j

Verhältnis der beiden Tenöre richtiggestellt, was den fauxpas in der „Stummen" um

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so unbegreiflicher macht), Lord Mittermair, Pamela Höllcen, Zerline

Vial, Matheo Staudacher, Banditen Schimon und Fries. Die fünf

Wiederholungen, welche die Oper in diesem Jahrgang erlebte, sprechen um so mehr für ihren glänzenden Erfolg, als ihr fünf Aufführungen der „Stummen", ebensoviele des „Barbiere di Seviglia", die vielen Gastspiele und manches andere den weiteren Raum wegnahmen. Auber kam mit Einrechnung von noch zwei Auf- führungen des beliebten „Schnee", den er aber von jetzt an selbst verdunkelte, auf dreizehn Vorstellungen.

Beim Einstudieren des „Fra Diavolo" passierte dem nicht allzu arbeitseifrigen Kapellmeister Stuntz ein kleines Malheur, welches einer komischen Seite nicht ermangelte. In einem Schreiben an die Intendanz vom 15. Februar erklärt derselbe, daß, nachdem die Proben zu dieser Oper von den Mitgliedern bisher sehr nach- lässig besucht worden seien, er die nächste Probe nicht eher beginnen werde, als bis jedes Subjekt sich gehörig dazu eingefunden habe, und lehnt zugleich jede Verantwortung für Einhalten der bestimmten Zeit der Aufführung ab. Hierauf wird reskribiert, daß es in den Pflichten des Herrn Hofkapellmeister Stuntz liege, die Vermeidung solcher Hindernisse durch die Intendanz zu veranlassen, der mangelhafte Probenbesuch als Grund einer Verzögerung der Aufführung also nicht gelten könne. Und nach einigen Tagen kam gar folgendes Schreiben: „An den königlichen Hofkapellmeister Herrn Stuntz! Nachdem die Klagen darüber immer häufiger werden, daß der königliche Hofkapellmeister Stuntz zu den Klavier- proben des königlichen Hoftheaters fast nie rechtzeitig sich einfinde und das be- treffende Gesangspersonal oft stundenlang warten lasse, so darf die unterzeichnete Stelle hiewegen um so weniger gleichgültig bleiben, als durch solche Vernach- lässigung des Dienstes allerhöchste Befehle, welche für die Aufführung bestimmter Opern selbst den Tag ansetzen, erschwert, wo nicht gar unmöglich gemacht wird etc. etc. Es wird demnach N. N. hiermit zur künftig regeren Teilnahme an dem königlichen Dienste aufgefordert, unter Inaussichtstellung der Anwendung von Disziplinar-Verordnungen auch gegen ihn. Hoftheater-Intendant von Poißl." Stuntz saß eben gern behäbig zu Hause beim Komponieren, ein Freund vom Probenhalten war er nicht. Je nun, jeder ist seines Glückes Schmied. Wäre Stuntz ein ebenso fleißiger Arbeiter wie vortrefflicher Musiker gewesen, so wäre er von seinem Nachfolger Lachner nicht so mühelos verdrängt worden!

Über den „Fra Diavolo" erschien bald nach der Erstaufführung wieder eine äußerst asketische, ja philisterhafte, zwar manche Wahrheiten enthaltende, den eigentlichen Schwerpunkt aber, nämlich die durchgängig feine Charakterzeichnung fast ganz ignorierende Kritik in der „Flora", über welche, als eine ernste Stimme, immerhin nichts einzuwenden wäre, wenn nicht dasselbe Blatt über die sämt- lichen Opern des Baron von Poißl, welche kaum ein Lustrum nach ihrem Er- scheinen vollkommen verschollen sind, Lobeserhebungen gebracht hätte, wie sie Mozart und Beethoven nie erlebt haben. Ich gebe aus jener „Kritik" nur einige Beispiele:

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„Obwohl sich die Fertigkeit, pikante Melodien zu erfinden, die den französischen Musikern so eigen und geläufig ist, auch in dieser Auberschen Oper vielfach kundgibt, so ist doch dadurch niemals der Bau irgend eines größeren Stückes vollbracht." (Das war ja auch nicht die Absicht!) „Da, wo der deutsche, gründliche Musiker anfängt, seine Kräfte zu zeigen, in vielstimmigen Stücken, im Finale, in größeren Chören, gerade da hört Auber auf, etwas zu leisten .... Dagegen läßt sich nicht leugnen, daß wir in kleineren Stücken, z. B. in der Romanze , Erblickt auf Felsenhöhen', in der artigen (ziemlich frivolen) Szene, wo Zerline sich allein glaubt und entkleidet etc., das Geschick des Komponisten für Handzeichnungen erkannt haben .... Dagegen mißlingen schon die größeren Arien, z. B. die des ,Fra Diavolo' im dritten Akt, obwohl sie einige gute komische Züge und einzelne Stellen enthält" (doch?). Über die Finales, Chöre und die Ouvertüre ist das Endurteil: „Jeder Sach- verständige muß dabei ausrufen: ,Welch' ein mittelmäßiger Komponist, wie flach, wie ungeschickt

(sie.!), wie flüchtig! Eine ganz andere Gestalt gewinnt die Oper, sobald wir sie mit all ihren

Äußerlichkeiten ausgestattet, auf der Bühne sehen" (für diese dürfte sie doch bestimmt sein). „Auber, der, rein als Musiker betrachtet, kaum als Schüler besteht, zeigt sich als Theater-Komponist absichtlich unterschieden durch diese Benennung vom dramatischen Komponisten dem ge- schicktesten Meister gewachsen. Das, was wir an ihm loben müssen, ist keineswegs jene Rossinische Art, durch falsche Mittel die Menge zu blenden, sondern es sind lauter Dinge, deren Nachahmung man empfehlen, deren genaue Kenntnis nur vorteilhaft für andere Komponisten sein kann. Zuerst wählt er sein Sujets nicht mit glücklicher, sondern mit geschickter Hand und einsichtsvollem Blicke." Wird hiemit das glückliche, gegenseitige Einvernehmen der französischen Dichter und Komponisten beleuchtet. ... „Von (dergleichen) Ungeschicklichkeiten der deutschen Komponisten findet sich bei Auber nichts; er macht oft sehr unbedeutende Musik, aber an der Stelle, wo sie steht, ist sie nie ungelegen, fast immer notwendig. Es ist also nicht das musikalische Talent, sondern das, die Musik auf dem Theater anzuwenden, wodurch Auber seine Wirkung erreicht. Alle seine Finales erhalten,

sei es durch die Verwicklung der Situation, sei es durch irgend ein äußeres Hilfsmittel des Theaters

immer etwas, woran der Faden des Interesses sich schnell und ohne abzureißen fortspinnt. Die Musik ist in den meisten ganz unbedeutend, aber wir hören sie gerne, erstlich weil sie melodisch ins Ohr fällt, zweitens, weil sie, ohne unsere Aufmerksamkeit in Anspruch zu nehmen, dennoch unsere Empfindungen natürlich begleitet, indem sie sich der Handlung auf der Bühne stets eng anschließt und so immer wirksam bleibt. Diesem Umstände und dem oft glücklichen Auffinden recht pikanter Melodien, welche kleine geistreiche Schattierungen des Gedichtes fein wiedergeben, muß man es zuschreiben, daß selbst der, welcher alle Mängel des Theater-Komponisten Auber durchschaut" (o glücklicher Rezensent!) „ihm dennoch ge-wogen bleibt und seine Opern gern sieht und hört. Die Ausführung war in mancher Hinsicht zu loben. Di^Vial (Zerlina) und Herr Bayer (Fra Diavolo) erwarben sich durch gutes Spiel und schönen Gesang den Beifall des zahlreich ver- sammelten Publikums."

Die zweite Novität, Chelards „Mitternacht", romantische Oper in drei Akten, ging zum erstenmal am 19. Juni mit ausgezeichneter Besetzung in Szene. Daß man sie mit aufgehobenem Abonnement gab, beweist die hohen Erwartungen, welche man von dem Komponisten des „Macbeth" hegte. Aber sie sollten sich nicht erfüllen: obwohl Chelard sein neues Werk persönlich dirigierte auf den Zetteln stand die Ankündigung: „Musik vom kgl. Kapellmeister Herrn Chelard, welcher die Oper zu dirigieren die Ehre haben wird" scheint es doch höchstens einen offiziellen Achtungserfolg errungen zu haben und ward nur einmal, am 21. Juni, wiederholt. Die „Flora" schreibt darüber: „Es wird wenig schlechtere Textbücher geben, als diese Mitternacht, in welcher alles dem Publikum bis zum Schlüsse so dunkel bleibt, daß selbst die zahlreichen Fackeln, welche das Ende beleuchten, keinen Auf- schluß geben. Unbegreiflich ist, wie der Tonkünstler solchem Texte seine schöne

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Musik leihen konnte. Ouvertüre vortreftlich; Introduktion und die ersten Chöre erregten große Erwartungen aber das Interesse erlahmte an unerträglicher Lang- weile und Unverständnis des Textes. Orchester, Chor, Inszenierung vortrefflich. Mitwirkende: Pellegrini, Bayer, Löhle, Sigl-Vespermann und Schechner. Der Komponist (zu dessen Vorteil die Oper gegeben wurde) ward am Schlüsse gerufen; er hatte die Oper selbst dirigiert." Die Oper ward also am 21. repetiert und zwar mit den von dem Komponisten vorgenommenen Kürzungen. Im sonstigen Repertoire ist hervorzuheben, daß auch in diesem Jahre eine Aufführung der Gluckschen „Iphigenia auf Tauris", sowie eine solche von Cherubinis „Graf Armand" und von Mehuls „Helene", letztere in neuer Einstudierung stattfand. Eine Oratorien-Aufführung am 24. und 29. März ist für die Geschichte der Münchener Oper insofern nicht ohne Bedeutung, als man dadurch auf einen vor- trefflichen Musiker aufmerksam wurde, welchem man später, im Jahre 1837, einen Teil der Operndirektion anvertraute. Es war die „Messiade", Oratorium in drei Teilen, von Musikdirektor Röder im großen Saale des Odeons mit allerhöchster Genehmigung aufgeführt. Das jedenfalls tüchtig gearbeitete Werk scheint, obwohl die Münchner „Kunstfreunde" durch großartige Abwesenheit glänzten (A. M. Z.) einen tiefen Eindruck gemacht zu haben, denn die Wiederholung in fünf Tagen geschah, wie es auf dem zweiten Zettel heißt: „auf allgemeines Verlangen". 832 Das Jahr 1832 brachte folgende Neuigkeiten im Personalstande: Am 29. Januar machte der jüngere Bruder der Sigl-Vespermann, der bisher als Cellist im Hoforchester beschäftigte Eduard Sigl, der nachmalige allbeliebte Baß-buffo, den seine Freunde und Verehrer zuletzt nur noch den „Papageno-Sigl" nannten, seinen ersten theatralischen Versuch in einer Rolle, welche mit seinem späteren Berufe nicht weniger hätte gemein haben können, nämlich als Villac-Umu (!) in Winters „Unter- brochenem Opferfest". Wer ihn dazu veranlaßte, müßte sich doch später, wenn er seinen Gil Vargas in „Teufels Anteil", seinen Bartolo im „Barbier", seinen Papageno etc. gesehen hätte, vor die Stirn geschlagen haben. Vorläufig verblieb Sigl in seiner Stellung als Hofmusiker, machte sich aber durch sein Auftreten bei verschiedenen Anlässen als Sänger nützlich. Näheres über ihn später.

Auf dem Zettel des „Moses" am 5. Februar erschien Nannette Schechner zum erstenmal als Mad. Schechner-Waagen. Am 15. März verließ D^M Vial die Münchner Bühne. Bei der Erstaufführung von Aubers „Der Gott und die Bajadere" (darüber weiter unten) am 25. März machte DMl Karoline Deisenrieder ihren ersten Versuch als Ninka; bei der zweiten Wiederholung dieser Oper trat sie in derselben Rolle bereits als engagiertes Mitglied auf. Man scheint sie vornehmlich für das jugendlich-lyrische Fach bestimmt zu haben, indem man ihr die Zerline in „Fra Diavolo", den Benjamin in „Joseph" etc. gab. Aber auch Mad. Betty Spitz- eder,geb.Vio, debütierte in Rollen desselben Faches: als Myrrha im „Unterbrochenen Opferfest" am 4., als Röschen in Paesiellos „Müllerin" am 18., und als Ninetta in der „Diebischen Elster" am 28. Oktober. Diese drei Auftritte sind auf den Zetteln mit „erstem, zweitem und drittem Debüt" bezeichnet, doch scheint die Künstlerin

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Figurine zur ersten Aufführung der Oper „Catharina Cornaro"

von Franz Lachner

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schon vorher in Gemeinschaft mit ihrem Gatten, dem Baß-buffo Joseph Spitz- eder, welcher einmal am 30. September, und zwar als Hahn im „Schatzgräber", der wahrscheinlich seinetwegen wiederhervorgesuchten Oper Mehuls, auftrat und leider schon am 13. Dezember starb Mitte September in den Verband des Hof- theaters getreten zu sein. Auf zwei Zetteln des „Oberon", dem vom 29. April und 16. Juni, erscheint ohne Ankündigung oder weiteren Vermerk als Vertreter der Titelrolle ein Herr Hermann. An Gästen, männlichen und weiblichen, berühmten und unberühmten, deutschen und italienischen, wimmelte es in diesem Jahre wie noch nie. Den Anfang machte im Februar Sabine Heinefetter, welcher es in München so gut gefallen mochte, wie sie den Münchnern gefiel. Doch beschränkte sie sich diesmal auf zwei Rollen, die Rosina in dem wieder italienisch gegebenen „Barbiere di Seviglia" und die Desdemona im deutsch gesungenen „Othello". Ihr auf dem Fuße folgte der angebetete Breiting als Masaniello am 11. und als Max am 18. März. Am 31, März traten Herr und Mad. Cornet aus Braunschweig zusammen als Masaniello und Elvira in der „Stummen von Portici", dann am S.Juni als Fra Diavolo und Pamela auf; inzwischen sang Mad. Cornet noch die Sophie in „Sargines". Am 28.Juni wurde Rossinis „Cenerentola" im italienischen Original mit den illustren Gästen Santini (als Dandini) und der Schiasetti (als Angelina), früheren Mitgliedern der kgl. italienischen Oper in München, gegeben, wobei selbst- verständlich die übrigen Rollen wieder von unsern deutschen Sängerinnen italienisch gesungen wurden. Darauf kam im Juli ein auf fünf Rollen ausgedehntes Gastspiel der Mad. Wallbach-Canzi aus Stuttgart, sie sang die Amenaide im „Tankred", die Bertha von Mildheim in Aubers „Schnee", das Röschen in Paesiellos „Müllerin", die Zerline im „Fra Diavolo" und die Susanne im „Figaro". Als Partner in der „Müllerin" und im „Figaro" hatte sie Herrn Freund aus Mannheim, welcher dort den Knoll, hier die Titelrolle sang. Letzterer gab auch noch den Leporello in einer Aufführung des „Don Juan" am 27. Juli, worin DM Haus aus Stuttgart ihr Gastspiel als Donna Anna eröffnete. Die weiteren Rollen derselben waren : Leonore im „Fidelio", Anna in der „Weißen Frau" und Julia in der„Vestalin". Am 29. August ward wieder einmal Mozarts „Don Giovanni", drama semiserio in zwei atti, mit den übrigen Gästen Schiasetti und Santini als Zerlina und Leporello, gegeben; dabei war

die übrige Besetzung: Don Giovanni Pellegrini, Donna Anna Schechner-

Waagen, Commendatore Lenz, Donna Elvira Fuchs, Masetto Ed. Sigl

Eine Bemerkung auf dem Zettel besagt: „Die verehrlichen Gäste Schiasetti und Santini geben aus freundlicher Teilnahme an den Interessen des Pensionsvereins ihre Rollen, indem sie alle Vergütung ausschlugen" (in der Wiederholung am 2. Sep- tember hat ihnen das Publikum hoffentlich die Möglichkeit gegeben, diese Vergütung herauszuschlagen). In einer italienischen Aufführung der „Semiramide" sang Sigra. Schiasetti noch die Kastratenrolle des Arsace und in einer abermaligen Auf- führung des „Don Giovanni" nochmals die Zerlina.

Was alle diese Gastspiel-Abende, im ganzen nicht weniger als 21, bezwecken sollten, da man insbesondere den gesuchten Personalzugang in diesem Jahre aus

29 225

einheimischem Material gewann, ist völlig unerfindlich. Ohne Zweifel hat sich Herr von Poißl durch diese ungewöhnlichen Anstrengungen, mit denen er vielleicht das Interesse des Publikums und den Bestand der Kasse zu erhöhen hoffte, gerade seinen Sturz geholt, zum mindesten beschleunigt. Hatte er während seiner ganzen Amtsleitung manchen Tadel dadurch sich zugezogen, daß er auf einzelne Stücke, für die er sich besonders interessierte, große Summen verwendete, während er bei anderen durch eine Sparsamkeit, welche es zu keiner stilvollen Wiedergabe kommen ließ, das Verlorene wieder hereinzubringen suchte, so vermochten auch die letzten, mit wahrer Nervosität gesteigerten Mittel nicht die durch seine Schuld gesunkene Theaterlust soweit zu heben, daß die Einnahmen, die, wie man sich denken kann, enormen Gastspielhonorare aufgewogen hätten. Selbstverständlich konnte die stetig angewachsene Schuldenlast, welche schließlich die Errungenschaft auch dieses Intendanten war, der Wachsamkeit des haushälterischen Königs nicht entgehen, und mochte sich derselbe, diesen Zuständen ein Ende zu machen, um so stärker gedrängt fühlen, als er als strenger Wächter der Verfassung Überweisungen von Theaterschulden an die Staatskasse um jeden Preis zu vermeiden sich ver- pflichtet hielt. Dazu kam noch, daß unter Poißl infolge seiner persönlichen Gut- mütigkeit (einer Eigenschaft, welche Theater-Intendanten nun einmal nicht zuträglich ist) die Disziplin im Personal sich allmählich bedenklich gelockert hatte und die Notwendigkeit, daß ein strammeres Regiment eintrete, allseitig sich fühlbar machte.^)

Ein solches erhoffte sich der König in der Person des in der Theaterleitung bereits geübten und bewährten Intendanten des großherzoglichen Hoftheaters zu Darmstadt, des Herrn Hofrates Karl Theodor von Küstner, dessen Stellung zu- fällig durch dortige Verhältnisse man „hoffte" daselbst, daß sich diese „für die Wiedereröffnung des Darmstädter Hoftheaters bald wieder günstiger gestalten würden" sehr unsicher geworden war. Ich entnehme diese Notiz Küstners sehr lesenswertem Buche „Vierunddreißig Jahre meiner Theaterleitung in Leipzig, Darmstadt, München und Berlin" [Leipzig, 1853], welches außer einer Menge schätzenswertester Anhaltspunkte für den nächsten Verlauf unserer Geschichte auch authentischen Aufschluß über die Art seiner Berufung nach München gibt. Ich lasse Küstner hier selbst reden:

„Gegen Ende des Jahres 1832 erhielt ich durch den kgl. bayerischen Staatsrat und Regierungs- präsidenten des Regenkreises, Herrn Eduard von Schenk, der früher Minister war, einen Antrag zur Übernahme der Intendanz bei dem Hoftheater zu München mit sehr vorteilhaften Bedingungen in Bezug auf Gehalt und Pension. Es mußte der Ruf von einem der kunstsinnigsten Fürsten Deutschlands, dem König Ludwig von Bayern, durch den hochgeschätzten Dichter v. Schenk, den Verfasser von „Belisar" und anderen Dramen, für mich höchst ehrenvoll sein. Dessenungeachtet konnte nur die fortdauernde Unsicherheit über ein wieder zu eröffnendes Hoftheater in Darmstadt mich bewegen, den in jeder Hinsicht sehr angenehmen Verhältnissen daselbst unter dem Befehl

[') Später sah sich Poißl gezwungen, gewissen Angriffen entgegenzutreten in zwei Schriften: „Beleuchtung eines Artikels in Nr. 64 des heurigen Jahrgangs der ,Leipziger Theater-Chronik', be- titelt ,K. Hof- und Nationaltheater zu München, Intendant K. Th. Küstner'", München 1834, und „Schlußerklärung gegen anonyme Verläumdungen", München 1834.]

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eines so gerechten als gütigen Herrn zu entsagen. Ich folgte dem Rufe und reiste im Februar 1833 nach München, von dem lebhaften Triebe beseelt, meine Tätigkeit und Erfahrung wieder der theatralischen Kunst und ihren höchsten Zwecken mit Liebe und Eifer zu widmen etc."

Ehe ich mich jedoch zum Antritt des neuen Intendanten wenden kann, muß ich noch der Geschehnisse im letzten Amtsjahre des alten gedenken. Die drei Novitäten, welche er neben den massenhaften Gastspielen noch zustande bringen konnte, waren: „Der Student", Operette in einem Akt von Chelard, zum ersten- mal am 19. Februar. „Der Gott und die Bajadere" von Auber, am 25. März, und „Zampa" von Herold, welcher aber, da er erst am 30. Dezember erschien, als ein zu spät gebrachtes Schlußtableau vorläufig nutzlos verpuffte.

Die Singrollen der Chelardschen Operette (in Paris unter dem Titel „La Table et le logement", paroles de Gabriel et Dumerson, am 24. Dezember 1829 gegeben) waren mit den Damen Fuchs, Vial und Pellegrini, mit den Herren Stau- dacher, Bayer und Degele besetzt. Nach einem Bericht der „Flora" wäre der Text zu der bereits fertigen Musik erst gemacht worden, was wohl zu bedeuten hat, daß der Komponist die Oper mit dem französischen Text in München ein- reichte, worauf dann erst der (ungenannte) deutsche Bearbeiter die Aufführung des Werkchens ermöglichte. Der Gang der Handlung sei rasch und lebendig, der Dialog humoristisch gewesen. Die erste Wiederholung geschah zum Vorteil des Komponisten unter allgemeinem Beifall, wie bei der Premiere; Chelard wurde gerufen und dem „Studenten" ein gutes Prognostikon gestellt.

Die Besetzung von „Der Gott und die Bajadere", Oper in zwei Akten mit Ballett und Pantomime nach Scribe, bearbeitet von Lichtenstein, war: Unbekannter....

Bayer, Oberrichter Staudacher, Tschobedes ,... Schimon, Offizier....

Degele, Ninka Deisen rieder (siehe oben), zweite Bajadere Fanny

Scherzer (Balleteuse). In dieser Oper war nämlich Auber, dem die Pantomime der „Stummen" so herrlich gelungen war, nach dieser Seite einen bedenklichen Schritt weitergegangen, er ließ die Hauptperson, auch ohne daß sie der Dichtung nach als stumm anzunehmen wäre, ihre Gefühle und Arien gleich direkt tanzen, womit er vielleicht den Pariser Gourmands eine Lockspeise hinwarf, in das Genre der Oper aber einen neuen Widerspruch brachte. Warum gerade die Geliebte des Gottes nicht singt, während die nicht begnadete Schwester sich dieses edleren Ausdrucksmittels bedient, hat wohl noch niemand, der darüber nachdachte, be- griffen. Bei dieser Oper stimmen die Berichte der „Flora" und des Münchener Korrespondenten der „A.M.Z." überein. „Flora":

Was den Text betrifft, so kann er Jedem, der Goethes Gedicht kennt, nur erbärmlich dünken.

Scribe hat aus Mahadah einen Pariser Gott, und aus der Bajadere eine Pariser Tänzerin gemacht. Die Musik aber steht in demselben Verhältnis zu Aubers Stummen von Portici, wie Scribes Text zu Goethes Gedicht usw." Von größerem Interesse für unsere Theatergeschichte ist das Lob der Deisenrieder: „Sie hat eine schöne Stimme, und wie es schien, eine gute Vorbildung, sang ihre Cavatine im zweiten Akt sehr gut, wurde mit Recht applaudiert und zum Schluß gerufen." „A. M. Z." Mai Nr. 20: „Am 26. März kam der Gott und die Bajadere in der Lichtensteinschen Bear- beitung zuerst auf die Bühne. Der Inhalt dieser zusammengereihten Tänze mit unterlegtem Gesänge ist den Lesern der ,A. M. Z.' ohnehin bekannt. Eine hiesige Zeitschrift ernsteren Gehalts hat diesen

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Artikel, begleitet mit einer bitteren Apostrophe an die Theaterdirektion, abdrucken lassen; auch ein anderes, sonst nur dem heiteren Scherz und humoristischer Schilderung gewidmetes Blatt hat das Schmähliche und Abgeschmackte dieses Produktes sinnreich und treffend dargestellt. Das Publikum selbst hat das Unedle und Unanständige desselben nicht sogleich in seinem ganzen Umfang auf- gefaßt, welches wir eben nicht zu tadeln gedenken, doch sogleich eingesehen, daß es mit dem echt poetischen Zarten des deutschen Gedichtes keinen Vergleiich eingehen kann." Nach einem nicht übertriebenen Lobe der Deisenrieder und der sämtlichen Mitwirkenden heißt es am Schluß: „An dem Orchester vermißt man nie, oder doch nur selten jene Seele, welche es auch an einer seelen- losen Komposition, wozu diese Aubersche ohne Zweifel gehört, einzuhauchen vermag."

Gegen die Musik dürfte doch der puritanische Zelotismus der damaligen Münchner Kritiker etwas zu weit gegangen sein; denn sie enthält neben vielen Plattheiten, zu welchen vorzüglich das Überwiegen des Balletts Veranlassung gab, doch auch manches Schöne, manche feine, echt Aubersche Charakterzeichnung.

Einer zündenden Wirkung gleich der „Stummen" und dem „Fra Diavolo" scheint sich die Oper freilich nicht erfreut zu haben, denn sie erlebte in diesem Jahre nur die eine Wiederholung, in welcher Düi Deisenrieder (Ninka) zum erstenmal als engagiertes Mitglied erschien, und ward dann auf viele Jahre zurückgelegt.

„Zampa oder die Marmorbraut" hatte das besondere Glück, in Bayer einen unübertrefflichen Vertreter der Hauptrolle zu finden. Der Zampa war und blieb eine seiner unvergessenen Glanzrollen. Die übrige Besetzung war: Alfons . . . .

Löhle, Camilla Schechner- Waagen, Daniel Capuzzi Staudacher,

Ritta Hölken, Dandolo Schimon, Corsar Degele. Der Umstand,

daß die Oper gerade zum Jahresschluß kam, und das Dazwischenkohimen des großen berühmten Balletts von Taglioni: „Danina oder Jocco der brasilianische Affe", wozu Lindpaintner seine beste Musik geschrieben hatte, mag trotz der ausgezeichneten Darstellung des Zampa durch Bayer Wiederholungen auch dieser Oper unmöglich gemacht haben, bis eine solche endlich, wahrscheinlich durch das Gastspiel eines Herrn Schmitt als Alfons von Monza am 29. August 1833 herbei- geführt wurde, welcher dann vorläufig nur noch eine am 15. Oktober folgte. Die „A. M. Z." läßt sich über das Werk nach der Erstaufführung schreiben:

„.... Französische Kunstrichter nannten dieses sein letztes, sowie ein vorhergehendes Opern- gedicht ,des poemes absurdes'." (Daß der „Zampa" eine unfreiwillige französische Parodie auf den „Don Juan" ist, scheinen die Münchner Kritiker damals nicht empfunden zu haben.) „Zampa hat unsere Kenner nur halb befriedigt, ein zu großer Aufwand von Harmonien, Instrumentenspiel, zu viel an Rossini erinnernd, zu wenig Neues; konnte bei dem ersten Eindrucke allgemein nicht tief wirken." Sowohl dem ganzen als einer Reihe einzelner Musikstücke, deren Vortrefflichkeit in gewissem Sinne noch heute außer Frage steht, wird der Referent in eingehender Analyse gerecht, deren Lob- sprüche den großen Eindruck, welchen der Zampa auf die ganze Theaterwelt ausübte, wiedergeben. Außerdem sind in dem Berichte die Leistungen dreier hervorragender Mitglieder mit solcher Anschaulichkeit beschrieben, daß ich nicht umhin kann, das wichtigste davon zu reproduzieren. Ober Bayer heißt es: „Sein Zampa überraschte allgemein, sowohl durch höchst gelungenen treff- lichen Gesang, als auch durch ausgezeichnet wackeres Spiel; man sah es ihm an, daß es ihm Ernst um die Sache, daß er von der Musik begeistert sei, und der enthusiastische Beifall, der ihm wieder- holt zuteil wurde, war wohl verdient." (Kommt die Bemerkung, daß die Partie eigentlich für Bariton sei, eine Schwierigkeit, die Bayer völlig überwunden habe.) „In seinem Gesang wie im Spiel war

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Feuer und Leben, alles, was er tat, war wohl berechnet, und besonders lobenswert ist der Vortrag 1 der zarteren Stellen, wie z. B. der Cavatine im letzten Akt an die ohnmächtige Camilla. Nicht genug 1 zu loben ist Herr Bayer für den wohlbedachten Unterschied, welcher in seiner Darstellung des ' Zampa als eines kühnen Frevlers, eines Helden, den mehr wilder, unbeugsamer Sinn als Hab- sucht zum Piraten machte und der des Fra Diavolo ist des gemeinen Banditen und Beutel- \

Schneiders " Madame Schechner-Waagen als Camilla hatte sehr schöne Momente, und wenn j

man hier und dort den gewohnten Klang der herrlichen Stimme nicht so rein fand wie sonst, so .j

ist dies zuverlässig nur an ihrem vorgerückten Zustand zu suchen; man muß es dieser treff- 1

liehen Künstlerin Dank wissen, daß sie die Darstellung der Oper nicht verhinderte, und sich gefällig |

für das Wohl des Ganzen opferte Daß sie in den beiden schönen Duetts mit Alfonso nicht :

wirken konnte, darf nicht ihr zugeschrieben werden, aber Duette, nur von einer Stimme gesungen, ; müssen fallen. Von Herrn Löhle als Alfons können wir nichts weiter sagen als: siehe Flora „Die Stumme von Portici." (Dort war, nicht das erste- und letztemal in Münchener Blättern, gerügt, daß die Vorstellung durch Herrn Löhles Trunkenheit gestört wurde, worüber auch sein Personalakt

traurige Aufschlüsse gibt.) Dann wird, wie es scheint, richtig bemerkt, daß die Partie der Ritter i

mit Madame Hölken falsch besetzt gewesen sei, man hätte sie der koloraturkundigeren Spitzeder j

geben sollen. In den folgenden Jahrgängen wird durch häufigere Aufführungen der Oper das Ver- j säumte nachgeholt.

Mit der Ernennung des Hofrats von Küstner zum Intendanten erhielt das Münchner 1833

Hoftheater zum erstenmal seit dem wackeren Babo wieder einmal einen Chef, i

den man als wirklichen Fachmann in seiner Branche bezeichnen konnte. Als solcher ] hatte sich Küstner, ehe der Ruf nach München an ihn ergangen, bereits bewährt

durch die Leitung des Leipziger Stadttheaters von 1817—1828^) und durch die ihm j anvertraute, unter schwierigen Verhältnissen vollzogene Neuorganisierung des Hof- theaters von Darmstadt, welches jedoch der damalige Großherzog aus Staats- und

Familienrücksichten nach zehn Monaten artistisch blühenden Bestandes (vom 1. Sep- i

tember 1830 bis 13. Juni 1831) wieder zu schließen gezwungen war. Diese Lage 1

der Dinge, deren Besserung in nächster Zeit nicht in sicherer Aussicht stand, war :

es, welche Küstner nach einer sehr verdienstvollen Tätigkeit in Darmstadt wieder ;

frei und für München disponibel machte. Die lobende Kritik, welche der ausge- j

zeichnete Theaterdirektor A. Klingemann in seinen „Reisebildern" über Küstner |

und seine Leitung des Leipziger Theaters im Jahre 1817 schreibt, darf hier wohl |

aus dem einen Grunde Platz finden, weil sie Aufschlüsse zur Charakteristik des 1

Mannes und zugleich über die Kunst und Schwierigkeiten einer Theaterleitung ] von sachkundigster Seite gibt:

„Der Theatervorstand, Herr Hofrat Küstner, ist ein Mann mit dem besten Willen für die Sache selbst, und es ist ihm offenbar minder um Gewinn als um die Ehre zu tun, ein echt künstlerisches Institut begründet und erhalten zu haben, welches den höheren Anforderungen der Kenner ent- spricht. Diesen leidenschaftlichen Enthusiasmus glaubte ich überall in ihm zu erkennen, und er i muß, wenn er mit eigner selbstherrschender Kraft gepaart wird, durchaus hier etwas Gutes be- j fördern. Das Satrapenwesen taugt überall da nichts, wo man sein Gebiet monarchisch selbst über- j sehen kann, und man muß die Monarchenkunst studieren, um sie im Reiche des Bühnenwesens als die einzige durchaus vollkommene Regierungsform einzuführen. Dazu gehört übrigens Zeit, und ein guter Theatervorstand wird ebensowenig als ein höheres Oberhaupt geboren, sondern muß erst : in die Schule der Erfahrung durch alle Klassen durchwandern. Aus diesem Grunde sind ihm auch ;

[*) Friedrich Schulze, Hundert Jahre Leipziger Stadttheater, Leipzig 1917, S. 18ff.]

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bei der Übernahme seines Amtes und vor allen Dingen, wenn er, selbst in seinem Amte debütierend zugleich eine ganz neu organisierte Bühne debütieren läßt, unvermeidliche Mißgriffe nicht zur Last zu legen; sowie es denn an sich die höchste Kunst ist, die an den verschiedensten Orten ausge- wählten Künstler, gleichsam auf einem, nur in der Idee existierenden Theater zu verbinden, und im Voraus mit Sicherheit zu entscheiden, ob sie an Ort und Stelle wirklich miteinander vereinigt, sich auch zu einem echt künstlerischen Ganzen fügen, und demselben nicht etwa im Gegenteil durch absolutes Disharmonieren schaden werden".

Nachdem Küstner, welcher nach seiner nicht zu leugnenden Weise, gern und viel pro-domo zu reden, diesen Artikel Klingemanns in „Vierunddreißig Jahre meiner Theaterleitung" selbst zitiert, das Thema über die vielseitigen Schwierigkeiten, welche sich einem Bühnenvorstande entgegenstemmen, mit offenbar gleicher Sachkenntnis weiter gesponnen, sagt er zum Schluß: „Diesen Schwierigkeiten gegenüber berücksichtige man die Erfordernisse, die man an einen tüchtigen Direktor stellt: gründ- liche Kenntnis der schönen Wissenschaften und Künste, und insbesondere der dramatischen Dicht- und Schauspielkunst mit Hinsicht auf unsere Bühne und deren Anforderungen, Poesie, Liebe und Hochachtung für die dramatische Kunst und deren höchste Zwecke, Geschmack und Bekanntschaft mit den Schwesterkünsten, als Dekorationsmalerei, Kostüme und so weiter, Vertrautsein mit der Künstlerwelt und ihren Eigentümlichkeiten, Erfahrung und Praxis im Direktionsgeschäft, Kenntnis der Thea-terwirtschaft in allen ihren unendlichen Details, sowie endlich Würde, Energie und klare Übersicht des Ganzen, in artistischer und finanzieller Hinsicht."

Wenn in dieser Darstellung des Ideals einer guten Bühnenleitung das musi- kalische Moment und speziell die Direktion der Oper nicht besonders hervor- gehoben und betont ist, so hat dies seine volle Berechtigung darin, daß in der Tat die allererste Aufgabe eines guten Bühnenvorstandes nicht die Bestellung der Oper, sondern die des rezitierten Dramas ist. Dies ist so unumstößlich, als der oberste Zweck des Theaters die Bildung des Volkes ist, welche in erster Linie durch ein gutes Schauspiel erreicht wird. Die Oper wendet sich schon mehr an den Gebildeten, der einen ästhetischen Genuß aus ihr zieht, indem er ihren inneren Gattungswiderspruch durch seine Phantasie versöhnt. Auch ein praktischer Grund weist die vorzüglichere Tätigkeit des Bühnenvorstandes dem Schauspiel zu. Für die Leitung der Oper war in erster Linie allerdings vorbehaltlich der dem Chef zustehenden Genehmigung und Kontrolle in der Auswahl der zu gebenden Werke der Kapellmeister als diejenige Person verantwortlich, in deren Händen die ganze musikalische Ausführung, die Zuteilung der Gesangsrollen, die Bestimmung des Vortrags im vokalen und intrumentalen Teil liegt. Darum ist es kein Unglück, im Gegenteil ein Glück, wenn der Vorstand kein musikalischer Fachmann, kein selbstausübender Musiker ist, weil er alles unnütze, leicht desorganisierende Darein- reden ins Detail weise unterlassen und sich auf die ihm zukommende Oberaufsicht beschränken wird. Der Mann aber, welcher durch universelle Bildung, durch ge- nügende Kenntnisse in der dramatischen Literatur befähigt ist, das Schauspiel seine rechten Wege zu leiten, ermangelt auch nicht des nötigen Scharfblickes im Wesen der Oper, ja seine Unbefangenheit und Objektivität bei nicht eingehender Fach- kenntnis befähigt ihn, musikantische Einseitigkeit und Kurzsichtigkeit, in welche sehr leicht Musiker, wenn sie sich nicht ebenfalls einer höheren Bildung erfreuen, verfallen können, nötigenfalls zu paralysieren. Als einen Mann von solcher Art dürfen wir uns aber den neuen Intendanten von Küstner unbedingt vorstellen. Ihm

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stand es klar vor Augen, welche praktischen Aufgaben im Großen und Ganzen auch die Oper seiner Zeit zu erfüllen hatte, mag dieser offene Blick menschlicher- weise sich auch nur nach den Anschauungen eben dieser Zeit gerichtet haben, und seine durch viele Reisen und allerlei persönliche Beziehungen zu den be- deutendsten Theatern Deutschlands gewonnene Personenkenntnis verhalf ihm dazu, gerade denjenigen Künstler zu finden, durch dessen Kenntnisse und Charakter- veranlagung den gesunkenen Verhältnissen an der Münchener Oper, welche ganz besonders der oben besprochene Dualismus in der musikalischen Direktion herbei- geführt hatte, eine gesunde Remedur geschaffen werden konnte. Es war Franz Lachner, welcher mit einer unfehlbaren Direktionskunst und -Gewandtheit bei tiefen theoretischen Kenntnissen jene persönliche Überlegenheit, jenen unbeugsamen Mannesmut verband, womit allein die gelockerte Disziplin in großen Kunstkorpo- rationen wieder neu gewonnen und ein gemeinsames, einheitliches Zusammenwirken erzielt und dauernd erhalten werden kann. In Lachner war Klingemanns Idee von der „monarchischen Regierungsform" am Theater, soweit es die Oper betrifft, aufs kräftigste verkörpert. Daß Küstner sich mit diesem für die Lösung der neuen großen Aufgabe wie geschaffenen Manne verband, ist das bleibende Ver- dienst, welches er sich um die Münchner Oper auf einen über seine Intendanz- führung weit hinausreichenden, langen Zeitraum erwarb. Was hiebei besondere Anerkennung verdient, ist, daß er sich in diesem Gewaltigen, mit vollem Bewußt- sein eben keinen „Satrapen", sondern einen zweiten, in seiner Sphäre ebenbürtigen „Monarchen" an die Seite gesetzt hat. Aber Küstner mochte in sich jene Übermacht des Wissens und der Bildung fühlen, welche es ausschloß, daß der einfache Musiker trotz seines Könnens und seiner Schneidigkeit, die ihm vertrauensvoll übertragene Macht je gegen ihn mißbrauchen werde. So war und blieb auch das Verhältnis der beiden Männer das der vollen Eintracht, der gegenseitigen Unterstützung und Förderung zu Nutz und Frommen der Oper, ja der ganzen Kunstanstalt, welche, was Einheitlichkeit der Führung und Trefflichkeit der Leistungen betrifft, nie eine glücklichere Periode erlebte. Ein anderes, fast entgegengesetztes Urteil über Küstners Bühnenleitung würde gerade der Verfasser einer Münchner Schauspiel- geschichte zu fällen haben. Das Schauspiel hat er nicht gefördert, weil er in der Größe des Hauses ein nie zu besiegendes Hindernis seiner er- sprießlichen Pflege sah. Um so mehr verband er sich mit Lach n er zur Hebung der Oper.

Hiemit ist, da Lachner erst 1836 nach München kam, dem Laufe unserer Ge- schichte zur Klärung der Gesamtlage wieder vorgegriffen. Abgesehen von dieser wichtigsten, vielleicht schon in Aussicht genommenen Personalveränderung hatte Küstner im Ressort der Oper vorher noch gewaltige Schwierigkeiten zu überwinden und umfassende Vorbereitungen zur beabsichtigten Reform zu treffen vor allem nach einem Ersatz der ins Personal eingerissenen schmerzlichen Lücken zu suchen. Ich kann dieses Thema nicht praktischer behandeln, als indem ich auszüglich wieder- gebe, was Küstner darüber im dritten Abschnitt des gesamten Buches, überschrieben:

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„Das Hoftheater zu München" freilich erst im Jahre 1853, also wohl meistenteils aus dem Gedächtnis, niedergeschrieben hat:

Nachdem mir am Abend vorher von den Angehörigen des Hoftheaters ein Ständchen gebracht, reiste ich am 3. Februar 1833 von Darmstadt ab und nahm meinen Weg nach München über Regens- burg, — wohin mich Herr von Schenk, der als Präsident des Regenkreises sich daselbst aufhielt, ein- geladen hatte. Da er die Veranlassung zu meiner Anstellung in München gegeben, so hielt er es für seine Pflicht, mir die dasigen Verhältnisse genau mitzuteilen, und machte mich mit folgendem vertraut: Als Nichtbayer und Fremder zu einer Stelle berufen, die nicht gerade vakant und von vielen ambiert würde, die sich vermöge ihres Ranges oder ihrer Geburt oder sonst dazu qualifiziert

hielten, hätte ich eine große Opposition und mannigfache Anfeindung zu erwarten Auch von

Mitgliedern des Kunstpersonals und der Regie, meinte Herr von Schenk, hätte ich ein feindliches Benehmen zu erwarten, und gerade von den bedeutendsten älteren Künstlern, die, an den bisherigen Gang gewöhnt, bei einem Wechsel des Chefs Veränderungen besorgten; dasselbe stände mir von Individuen des Administrationspersonals bevor, wenn es auch so manche brave und dienstbeflissene

Mitglieder zählte Ebenso machte mich Herr von Schenk auf die Mängel und Unvollständigkeit

der Münchner Theatergesetze aufmerksam und auf die dadurch herbeigeführte Indisziplin, welche einem Theater höchst verderblich sei. So unangenehm mir diese Mitteilungen sein mußten, die sich auch später vollkommen bestätigten, indem mir noch lange nach meinem Dienstantritt viele Ver- drießlichkeiten bereitet wurden, so ging ich doch, auf meine Erfahrungen und den besten Willen für die Sache bauend, guten Mutes und im Vertrauen auf die Gerechtigkeit und Güte Seiner Majestät des Königs nach München. Dieses Vertrauen betrog mich auch nicht, und gegen alle Machinationen und Intriguen in und außer dem Theater unterstützte derselbe mich aufs kräftigste. Er verstand es, den von ihm erwählten Chef zu halten. Er bezeigte denen, die gegen mich agierten, ohne Unter- schied des Standes seine Unzufriedenheit, was bald im Publikum sich verbreitend, von großer Wirkung war und zum Vorteil der königlichen Anstalt das Ansehen und die Kraft ihres Vorstandes verstärkte. So wurde es auch bald in München bekannt, als der König, im Begriffe im Jahre 1835 nach Griechenland zu reisen, zwei der ersten Mitglieder des Hoftheaters, denen er im Englischen Garten begegnete, auf das ernsteste ermahnte, während seiner langen Abwesenheit und weiten Ent- fernung durch ihr Benehmen gegen ihren Vorstand seine Gnade nicht zu verscherzen. Alles dies, was ich mit tiefster Dankbarkeit anerkenne, erleichterte meine Stellung in München, wenn es mich auch von mannigfachen Angriffen und Anfeindungen nicht befreien konnte".

Hier verbreitet sich Küstner über dergleichen Anfeindungen und Erschwerungen, welchen mehr oder weniger jeder Intendant ausgesetzt sei, insbesondere über die raffinierte Verbreitung nachteiliger Gerüchte über ihn und seine Maßregeln, welche, bis in die höchsten Regionen getragen, ihm das Leben sauer machen, worüber auch Iffland und andere sich zu beklagen vielfach Ursache gehabt hätten.^) Zu diesen Leiden eines Theaterintendanten gesellten sich auch noch folgende andere:

„Es gelingt nämlich manchen Wünschen und Gesuchen, sei es um die Anstellung oder Gast- spiele, oder Benefize oder um Darstellung von Stücken, ja um Einteilung von Rollen u.s.w. mit Umgehung des Intendanten auf den verschiedensten Wegen bis zur höchsten Stelle zu gelangen. Werden diese Gesuche ohne Wissen des Vorstandes erfüllt, so kann dies nur zum Nachteil des- selben und seiner Autorität, sowie zu dem der Anstalt selbst gereichen, ja es muß mit der Verant- wortlichkeit des Administrators für das Gleichgewicht der Einnahme und Ausgabe kollidieren

*) Im Zusammenhang mit gewissen Erinnerungen des männlichen Personals am Müncherier Hof- theater erklärt gerade die Berufung auf Iffland, welcher derselben Neigung wie Küstner beschuldigt ward, einen besonderen Betreff jener „nachteiligen Gerüchte" deutlicher, als mit der Klage darüber beabsichtigt war.

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Bei dieser allgemeinen Bemerkung muß ich hinzufügen, daß ich, so wenig es immer die Verhältnisse zulassen, von diesen Nachteilen in München zu leiden hatte, wo die Wege zu dergleichen Gesuchen möglichst versperrt waren".

Hierin liegt einer der charakteristisclien Gegensätze im Verfahren König Ludwigs I. gegen dasjenige seines Vorgängers auf dem Throne, dessen offenkundige Herzens- güte nur allzuoft ein Sporn zu solchen, manche Berechnung des Bühnenvorstandes umstoßenden Gegenoperationen war. Von größter Wichtigkeit für unsere Theater- geschichte sind die sich hier anreihenden Mitteilungen über die Stellung des Intendanten zum Könige.

Nachdem Küstner erwähnt, daß die Ausweisung des abtretenden und die Hin- weisung des eintretenden Intendanten in München durch eine Kommission der Rechnungskammer und durch die erste Hofstelle, den Obersthofmeisterstab, ge- schehe, welch letzterer den Intendanten vereidet und dem Gesamtpersonal des Hoftheaters vorstellt, sowie daß auch eine Instruktion genau seine Befugnisse und Pflichten bestimme, sagt er über die dienstliche Stellung des Intendanten:

„Er steht unmittelbar unter Seiner Majestät, dem Könige, nicht unter dem Ministerium des königlichen Hauses oder einem andern Ministerium. Er berichtet unmittelbar dem König, legt demselben Rechnung ab, die von der Rechnungskammer geprüft wird, und empfängt von ihm die

Resolutionen Was dadurch gewonnen wird, ist jedem Theaterkundigen, ja jedem Laien klar.

Infolge dieser Stellung zum Intendanten entscheidet allein und schnell der allerhöchste Wille, und jede Zwischeninstanz fällt weg, die jedenfalls hemmt, wenn sie nicht noch den Übelstand herbei- führt, daß sich fremde Intentionen und Protektionen eindrängen .... Den Vorzug dieser unmittel- baren Stellung des Intendanten lernte ich in München um so mehr schätzen, als ich die aller- höchsten Entscheidungen äußerst schnell, und wenn dringlich, in weniger als 24 Stunden empfing".

Hier kommt nun Küstner auf das ihm weniger tauglich dünkende Verhältnis des Orchesters und seiner Dirigenten zur Theaterleitung zu sprechen, indem er sagt:

„Nicht so günstig war in München, daß die beim königlichen Theater diensttuende Kapelle nicht dem Hoftheaterintendanten untergeben war, sondern einem besonderen Hofmusikintendanten hatte." (Der Leser weiß, daß in der Person Baron Poißls beide Intendanzen wie man annahm, zum Vorteil des Theaters vereinigt waren, welches Verhältnis sich mit Poißls Rücktritt von der Theaterleitung wieder löste prinzipiell und voraussichtlich nicht zum Gewinn des neuen Theaterintendanten). „Theater und Kapelle sind Teile eines Ganzen und können ohne Nachteil für die erforderliche Einheit und Disziplin sowie für den nötigen schnellen Geschäftsgang nicht getrennt und unter verschiedene Vorstände gestellt werden. Dieser Nachteil wurde allerdings in München, wenn auch nicht ganz beseitigt, doch dadurch vermindert, daß die bei der Kapelle angestellten Kapellmeister und Musikdirektoren in Bezug auf den Theaterdienst dem Hoftheaterintendanten unterwiesen wurden, sowie nötigenfalls der allerhöchste Wille schnell eintrat und die Hindernisse beseitigte".

Die letzte Bemerkung scheint anzudeuten, daß Herr von Poißl, auf den Hof- musikintendanten reduziert, bisweilen wirklich nur eine Seele in seiner Brust fühlte, und seinerseits kleine Reibungen als Folgen einer menschlichen Schwäche nicht ausgeschlossen waren.

In der Theatergeschichte kehren gewisse unheilvolle Zustände, wie in der Ge- schichte der Heilkunde das Auftreten von Epidemien, periodisch wieder. Wenn der Leser die Finanzwirtschaft der Intendanzen Seeau oder Stich mit nachstehenden

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Mitteilungen vergleicht, welche Küstner von der Verwaltung seines unmittelbaren Vorgängers macht, wird er wieder einmal Ben Akibas geflügeltes Wort be- stätigt finden.

„Als ich die Münchner Intendanz antrat, war das Erste, worauf ich von allerhöchster Seite aufmerksam gemacht wurde, daß die gesamte Administration sich in einem höchst mangelhaften Stande befände, den man mit dem Namen Augiasstall zu bezeichnen beliebe. Es lag mir demnach die herkulische Arbeit ob, diesen Augiasstall ') zu reinigen, sämtliche Zweige der Administration neu zu organisieren und darin die vollkommenste Ordnung und möglichste Ökonomie einzuführen .... wozu fünf bis sechs Jahre gehörten. Die erwähnte allerhöchst gewählte Bezeichnung war daher nur eine zu richtige und zeugte von einer gründlichen Sachkenntnis. Die Reorganisation einer großen Administration ist mit mehr Mühen und Unannehmlichkeiten als die Kreierung einer neuen verbunden .... Am meisten Mühe nahm bei dieser Reorganisation die Garderobenbranche in Anspruch. Es war zwar dabei die ganz zweckmäßige Einrichtung getroffen, daß die Anfertigung und Reparatur der Garderobe im Theater selbst durch Angestellte und Aushilfsschneider geschieht, was die Ordnung, die Ökonomie und Vermeidung aller Unterschleife, die oft nötige Eile etc. notwendiger- weise erheischt. Bei dieser Einrichtung waltete jedoch eine Menge von Mißbräuchen, unter andern, daß, um Ersparungen zu erzielen, früher die Garderobe nicht neu gemacht, sondern zu allen vor- kommenden Fällen abgeändert worden war, wodurch die Deteriorierung derselben, sowie bedeutende Unkosten für Arbeitslöhne herbeigeführt wurden".

Demnach war man auf die unter Seeau berüchtigt gewordene Methode, ein Kostüm von gutem Stoff so viele Metamorphosen durchmachen zu lassen, bis es wertlos war, unter späteren Intendanzen sachte zurückgekehrt. Indem Küstner versichert, daß er dies Verfahren allerdings mit bedeutenden Ausgaben für neue Anschaffungen abgestellt habe, so daß die Garderobe wie alle Inventariengegen- stände und Administrationszweige überhaupt im besten geordnetsten Stande sich bei seinem Abgange befunden haben (was sein Nachfolger mit Freude und Dank anerkannt habe!), kommt er auf zwei weitere wichtige Angelegenheiten in der Administration zu sprechen:

1. Es sei von bedeutendem Nutzen, in Bezug auf viele sogen. Regie- oder sächliche Ausgaben in allen jenen Fällen Akkorde abzuschließen, wo für die Qualität des zu liefernden Gegenstandes nichts zu fürchten ist. Diese Akkorde hätten den Vorteil, daß die im Etat veranschlagten Ausgaben für den betreffenden Gegenstand nicht überschritten werden können, was den Etat in allen Zweigen der Ausgabe, welche in Akkord gegeben, untrüglich mache. Dieser Akkorde beständen offenbar erst unter seinem Regime, was zu sagen unterlassen ist, in München 24, wo von Küstner nur die für Saitenanschaffung, Kopiatur, Heizungs-, Beleuchtungs- und Garderobegegenstände, für Reinigung und Färbung der letzteren, für Verfertigung der Dekorationen, für Stellung des Theater- wagens und Hausreinigung namentlich angeführt. Diese Maßregel der Administration hat Küstner in Italien kennen gelernt, wo sie, wie er sagt, noch viel weiter ausgedehnt werde; 2. sei das müh- selige und bei fortlaufendem Gange der Theateranstalt sehr schwierige Werk der Inventarisierung sämtlicher Theatergegenstände unter ihm durch zweijährige Anstrengung bewerkstelligt worden. Die Inventarien bestünden in denen der Garderobe (42000 Stücke mit 82000 Gulden ge- schätzt), der Dekorationen (4000 Stücke), der Requisiten (3100 Stücke) und der Bibliothek der Bücher und Musikalien (100000 Stücke); durch diese Inventarisierung sei somit ein großes königliches Eigentum festgestellt und gesichert worden.

Diese „Administrationsübersicht" schließt Küstner mit der Aufführung folgender unter ihm in München getroffenen Einrichtungen:

') Nunmehr den zweiten oder dritten in dieser Geschichte.

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1. Die vorgefundene Menge von Freibilletts und freien Entreen wurde auf allerhöchsten Befehl in einer für die Kasse und das Publikum vorteilhaften Weise beschränkt.

2. Mit der bestehenden Pensionsanstalt für die Mitglieder des Theaters wurde noch eine andere für die Witwen und Waisen derselben verbunden.

3. Dem Mangel eines geräumigen und eleganten Foyers wurde durch die Einrichtung eines solchen im ersten Range abgeholfen.

4. Die Maskenbälle im Theater erhielten eine bessere Einrichtung und dadurch einen höheren Ertrag der Einnahme; die früher massenhaften Freibilletts oder wohlfeiler kolportierten Billetts wurden aufgehoben; ein bisher mangelnder, eleganter und großer Speisesaal wurde dicht hinter der Bühne, verziert mit Mooswänden, Kronleuchtern, Spiegeln und Fontänen neu eingerichtet, sowie ein gleichfalls bisher fehlendes anständiges Lokal für Biertrinker.

5. Der Druck der Komödienzettel wurde dem Buchdrucker J. Rösl übertragen, welcher ihn für seine Rechnung bewirkte und teils einzeln die Zettel in der Buchdruckerei des Morgens und im Theater des Abends für einen Kreuzer verkaufte, teils gegen einen jährlichen Abonnementsbetrag von einem Gulden absetzte. Die Kosten des Drucks wurden dem Unternehmer durch den Betrag des Abonnements und durch den Verkauf der Komödienzettel ersetzt, und es verblieb ihm noch ein verhältnismäßiger Gewinn. Durch diese Einrichtung machte die Intendanz eine Ersparung von 1000 fl., die bisher auf Trinkgelder angewiesenen Zettelträger erhielten Anstellung und Besoldung im Theater, und das Publikum zahlte nicht mehr als früher. Nach Vollendung der Eisenbahn von München nach Augsburg wurden früh am Tage der in München statthabenden Theatervorstellung die Zettel ebenso wie daselbst auch zugleich in dem 17 Poststunden entfernten Augsburg ange- schlagen — „das erste Beispiel dieser Art".

6. Da die Theatergesetze mangelhaft und in viele einzelne Anordnungen verteilt waren, so wurde auf allerhöchsten Befehl von Küstner ein „vollständiges Gesetzbuch" ausgearbeitet und vor seinem Abgange von München publiziert, ja die von ihm erbetene Entlassung selbst von der Vollziehung dieses Befehles abhängig gemacht.

7. Während bisher keine Kontrolle (!) bestand, wurde eine solche „in sehr zweckmäßiger und durchgreifender Weise" für Parterre und Gallerie am Eingang dieser Plätze eingeführt. Durch die- selbe wurde bedeutend gewonnen: „Die Tageseinnahme im Monat Juni, mit dessen Anfang die Ein- richtung begann, brachte 1000 Gulden mehr ein, als die des vorausgehenden Monats Mai, bei gleichen Umständen in Bezug auf das Repertoire und die Jahreszeit". (Soll dieser Angabe Glauben geschenkt werden, so muß bisher die Einschmuggelung von Nichtberechtigten ins Unerhörte getrieben worden sein, und müssen die Kassiere immer so viele Billetts zu wenig ausgegeben haben, als diese sauberen Elemente, die Nichtzahler Plätze brauchten. Bei der damaligen Beleuchtung durch ein paar Talg- lichter, welche eigentlich nur dazu da waren, um die ägyptische Finsternis des fast unheimlich groß erscheinenden Raumes festzustellen, bis endlich, nach dreiviertel Stunden von der Eröffnung des Theaters an, der große Kronleuchter von der Mitte des Plafonds heruntergelassen wurde diesen Zustand habe ich noch miterlebt und lange bewundert ist allerdings ein solcher Unfug um so weniger undenkbar, als bei dem Andrang der Massen, welcher in den ersten zehn Minuten nach der Eröffnung des Theaters am stärksten und ungehobelsten war, den drei Billetteuren des Parterres und den zweien des Olymps, rechts und links einem, mancher sich bückende Gast, manches gewandte Frauenzimmerchen unbemerkt durchschlüpfen konnte).

8. In Verbindung mit dieser nicht näher bezeichneten Kontrolle wurden auch die sogenannten Queues eingeführt, eine Einrichtung zugunsten der Ordnung und Humanität, indem ohne dieselben das Publikum im Gedränge Unannehmlichkeiten und Unanständigkeiten vieler Art ausgesetzt ist.^)

^) Zu meiner Jugendzeit war diese löbliche Einrichtung wieder längst abgekommen, und ging es wenn der „Freischütz" oder „Robert der Teufel" etc. gestürmt wurde, fast nie ohne mörderisches Geschrei der halberdrückten Frauenzimmer ab. Der Verfasser.

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9. Unbegreiflicherweise und jedem Fremden auffallend fuhren früher die Wagen nicht unter dem schönen und zweckmäßigen Säulenportal der Vorder- und Hauptfagade an und ab, welcher vom Architekten eigens dazu bestimmt ist, daß die Anfahrenden trocken aus- und einsteigen, sondern sie fuhren an beiden Seiten ab, wo, um in etwas die Aussteigenden vor Regen zu schützen, Mar- quisen von grauer Leinwand angebracht waren, die teils diesen Zweck nicht gehörig erfüllten, teils des schönen Gebäudes unwürdig, dasselbe entstellten. Dafür wurde folgende Ordnung eingeführt: Die Wagen fuhren vom Postgebäude her, unter dem großen bedeckten Säulenportal an nach dem Königsbau ab; die Aus- und Einsteigenden waren sonach vollkommen gegen Wind und Wetter geschützt. Die zwei Seitentüren an den Seitenfagaden rechts und links, wo bisher die Wagen an- fuhren, wurden ausschließlich für die Fußgänger bestimmt, welche, ohne im mindesten mit den Wagen zu konkurrieren, rechts auf dem Trottoir des königlichen Postgebäudes, links auf dem Trottoir des Königsbaues und durch die Höfe der alten Residenz ankommen und abgehen konnten.

Aus dieser ganzen Administrationsübersicht, wie sie Küstner nennt, wird für uns ersichtlich, daß er die Situation, welche seiner wartete, durchaus erkannte, und daß er die vorliegenden Mängel und Mißbräuche abzustellen entschlossen und fähig war.

Viel größere Schwierigkeiten begegneten ihm jedoch auf dem artistischen Gebiete, Schwierigkeiten, welche selbst seiner Erfahrung und Energie anfänglich fast zu spotten schienen und, sollte er sie überwinden, in der Tat einen ungewöhn- lichen Mannesmut erheischten. Nur ganz im allgemeinen und, wie gesagt, aus dem Gedächtnis erzählt er im genannten Buch (Seite 142):

„Als ich im Herbst 1832 durch den Minister Eduard von Schenk den Antrag zur Leitung des Münchener Hoftheaters erhielt, war des letzteren Kunstpersonal so vollständig als vortrefflich und zählte die Kunstkoryphäen: Eßlair, Vespermann, Sophie Schröder, Charlotte von Hagn, Urban,') Spitzeder, die Sigl -Vespermann und die Schechner-Waagen" (die Sänger Bayer und Pellegrini, deren volle Kräfte ihm während seiner ganzen Amtsleitung noch zur Verfügung standen, vergißt er hier). „Wie fand ich nach mehreren Monaten, im Januar 1833, dies Personal! Nach meiner Ankunft erhielt ich sofort den Befehl, die Sigl-Vespermann, eine in italienischer Schule trefflich gebildete Bravour- sängerin, zu quieszieren, weil sie fortdauernd leidend und außerstande sei, den Theaterdienst zu bestreiten. Die Schechner fand ich im Urlaub; aus demselben zurückgekehrt, sang sie noch einigemal in „Fidelio", „Zampa", „Freischütz", „Schweizerfamilie" und „Figaros Hochzeit", zum letztenmal die

Gräfin in besagter Oper am 27. Oktober.^) Im Jahre 1834, nachdem man bis dahin vergeblich

die Rückkehr ihrer Stimme gehofft" (Küstner führt den Verlust derselben auf ihre vielen und anstrengenden Gastspiele, namentlich das in Berlin, zurück, während die Münchener Volkstradition hartnäckig daran festhält, daß sie die Stimme infolge einer schweren Geburt verloren habe; beides ist gleich wahrscheinlich und wird wohl zusammengetroffen sein), „mußte auch sie, wie die Sigl- Vespermann, pensioniert werden."

Ebenso beklagt Küstner den frühen Tod des im Dezember 1832 dahingeschiedenen ausgezeichneten Baßbuffo Spitzeder. Sein Fach war, wenn auch nicht ganz verwaist, doch nur ungenügend besetzt, denn einerseits war Mittermair, der neben vielseitiger Tätigkeit auch dieses Fach besorgt hatte, schon im September 1831 an einer „rheumatischen Brustaffektion", wie es die Ärzte nannten, erkrankt und konnte

1) Dem Leichenzuge dieses großen unvergeßlichen Schauspielers, der selbst mit Eßlair um die Palme streiten durfte, begegnete Küstner bei seiner Ankunft in München. ^) Stimmt nicht genau, weil nach dem Zettel Mad. M6eric als Gast an diesem Abend die Gräfin sang; die Schechner-Waagen ist, wie in deren Lebensbeschreibung erwähnt, am 31. Oktober als Elvira in „Don Juan" zum letzten- mal aufgetreten.

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sich seit dieser Zeit nicht mehr erholen, so daß z. B. im Januar 1833 Ed. Sigl für ihn als Baptist in „Maurer und Schlosser" eintreten mußte, andererseits war dieser junge Künstler, abgesehen davon, daß er überhaupt als Sänger noch nicht engagiert war, gerade für den Rollenkreis, welchen er später meisterhaft beherrschte, noch zu unerfahren und ungewandt, um darin mit Erfolg zu bestehen. Auch für den schwer erkrankten Hofoperndirektor Jak. Phil. Tochtermann, welcher bereits am 2. April dieses Jahrganges (im 58. Lebensjahre) starb, mußte eiligst ein Ersatz gefunden werden.

Zum Glück stand der Mann, welcher ihn ersetzen konnte, in der Person des Bas- sisten Staudacher, ei.nem Künstler von großer Intelligenz und Bildung, bereits vor Tochtermanns sicher erwartetem Tode zur Verfügung. Nachdem Hofrat von Küstner die Intendanz am I.März übernommen hatte, war tags darauf seine erste amtliche Äußerung der Antrag an den König, Staudacher zum Regisseur der Oper zu ernennen: „Derselbe funktioniert schon sechs bis acht Monate als Opernregisseur und bittet um eine endliche Entscheidung, ob ihm nach erfolgtem Tode des Direktors

Tochtermann die Opernregie übertragen werden wird." „Staudacher ist ein

Mann von Bildung und musikalischen Kenntnissen, soviel mir immer bekannt, von Rechtlichkeit und Unparteilichkeit, sowie endlich von großer Tätigkeit und gutem Willen." Küstner schlägt für Staudacher den gewöhnlichen Gehalt von 200 fl. (!) vor. Das Marginalsignat des Königs lautet: „Nicht als Gehalt, sondern als Funktionsbezug, bewillige ich, daß mit dem nächsten I.Oktober anfangend Staudachern des Jahres 200 fl. auf solange gegeben werde, als er die Funktion eines Opernregisseurs haben wird. München, 3. März 33. Ludwig."

Hiermit nicht zufrieden, bittet Staudacher, daß 1. der Funktionsbezug auf jährlich 300 fl. erhöht werde, 2. derselbe vom ersten gegenwärtigen Monats (Mui) beginne und 3. ihm gleich den Regisseurs des Schauspiels mit diesem Bezüge dem Pensions- verein beizutreten gestattet werde. Wie Küstner in dem diesbezüglichen Antrag vom 22. Mai bemerkt, motiviert der Bittsteller den ersten und zweiten Punkt damit, daß er bereits seit zwei Jahren den in dieser Zeit durch Krankheit häufig abge- haltenen Direktor Tochtermann ersetzen und seinen Nebenverdienst als Gesangs- lehrer opfern mußte, übrigens unter den gegenwärtigen Verhältnissen und da nach den allerhöchsten Befehlen wöchentlich zwei Opern gegeben werden sollen,^) die Regiegeschäfte dieses Kunstzweiges um so erheblicher und mühevoller seien, als die Opern überhaupt und insbesondere die neueren großen Werke viel schwieriger als das Schauspiel in die Szene zu setzen, folglich die von einem jeweiligen Opern- regisseur zu lösende Aufgabe ohne Vergleich gegen jene der für das rezitierende Drama bestellten drei Regisseurs bedeutender, und daher einen Anspruch auf ver- hältnismäßig größere Belohnung zu rechtfertigen imstande sei. Da die Intendanz diese Motive als der Wahrheit entsprechend bestätigen muß, beantragt sie die

*) Bisher war dies noch nicht offiziell eingeführt und ist es auch jetzt und noch lange nicht zu den zwei Wochen-Vorstellungen der Oper gekommen. Der jedenfalls verlässige Zettelband von 1833 weist auch nur 62 Opernvorstellungen auf.

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Ausbezahlung des Funktionsgehaltes schon vom 1. Mai an, stellt die Erhöhung auf 300 fl. dem allerhöchsten Ermessen anheim und findet das Anlangen, mit frag- lichem Funktionsbezuge dem Pensionsverein beitreten zu dürfen, dadurch erledigt, daß „solches bereits erlaubt und fortwährend geschehen ist". Marginalentschließung: „Ich bewillige, daß die Funktionszulage von 200 fl. mit dem 1. dieses Monats beginne, ein Beitritt mit diesem widerruflichen Bezüge zum Pensionsvereine hat nicht statt. München, 24. May 1833. Ludwig." Hierbei blieb es denn auch, trotz- dem Küstner sich unter Vorlage eines besseren Kontraktes nochmal entschieden für Staudacher verwendete.

Die Klagen Küstners über die Lückenhaftigkeit und teilweise Unzulänglichkeit des bei seinem Amtsantritte von ihm übernommenen Sänger- und Sängerinnen- personals sind vollkommen gerechtfertigt. Was das letztere belangt, so war die beim Antritte Poißls schon gealterte, sehr verdienstvolle Amalie von Neumann bereits seit 1826 nicht mehr auf dem Zettel zu finden (was für einen Abgang sie genommen habe, war nicht zu ermitteln, wie ich überhaupt auch nach ihrem Personalakt vergeblich suchte). Die berühmte Metzger-Vespermann war am 6. März 1827 der Anstalt durch den Tod entrissen worden, die Karoline Stern nach kaum zweijährigem Wirken am 1. September 1828, wie auch die Vial eben- falls nach kurzer Tätigkeit am 16. März 1832 abgegangen. Somit beschränkte sich das weibliche Opernpersonal eigentlich auf fünf Kräfte, mit denen noch zu rechnen war: Auguste Hölken, die anmutige Soubrette, DMl^ M. Fuchs, ein verdienstvolles, solides Mitglied, dem es nur an Schmelz der Stimme fehlte, Mad. Betty Spitzeder, eine allerdings hervorragende Künstlerin, die in hohen Partien sehr verwendbare Dü^ Katharina Deisenrieder und die brave Altistin (Moralt-)Pellegrini.

Die beiden berühmten Koryphäen aber, die S i gl-Ve spermann und die S c h e c h n e r- Waagen gingen, wie wir gehört, dem Ende ihrer Bühnenlaufbahn mit rapiden Schritten entgegen: Küstner mußte die erstere schon im ersten und die letztere im zweiten Jahre seiner Amtsführung pensionieren.

Nicht besser sah es im männlichen Personal aus. Von den unter Poißl tätigen Sängern war der Bassist Hanmüller am ersten November 1828 pensioniert worden. Mittermair lag an einer chronischen Halskrankheit bereits hoffnungslos darnieder. Löhle, der sich leider dem Trunk ergeben hatte, war, wie jener, pensionsreif. Der zu großen Hoff'nungen berechtigende J. Spitzeder war im Jahre seines En- gagements, 1832, am 13. Dezember gestorben. Es blieben hiermit nur noch der (zugleich als Kostümier fungierende) Bassist Chr. Fries, der noch sehr rüstige Tenorist Schimon, der vortreff'liche Lenz, die beiden Koryphäen Bayer und Pellegrini, sowie der als Darsteller vorzügliche Staudacher, auf deren un- geschwächte Gesundheit der neue Intendant noch rechnen konnte. Daß mit diesem numerisch viel zu geringen Personal den damaligen Anforderungen an die Opern- leitung nicht entsprochen werden konnte, liegt auf der Hand.

Unter diesen Umständen war die Massenhaftigkeit der Gastspiele, welche Herr V. Küstner in seinem ersten Amtsjahre bewerkstelligte, erklärlich und gerechtfertigt.

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Hatte doch auch Baron von Poißl, offenbar um einen Ersatz für Mittermair bemüht, noch im Januar des Jahres 1833 einen Herrn Siebert (ungenannt woher) gastieren lassen. Die Wahl desselben war sehr unpralctisch, denn er trat als Seneschall in „Johann von Paris", einer hohen Bariton-, dann als Sarastro, einer tiefen Baßrolle, auf. Dazu ist der Seneschall eine fein komische, aber keine Buffo- Partie. Auf Besetzung dieses Faches konnte nur das Auftreten des vom Vorjahre schon be- kannten und von Küstner wieder berufenen Herrn Freund aus Mannheim hin- zielen, welcher am 15. März als Baptist in „Maurer und Schlosser* auftrat, aber auch nicht entsprochen zu haben scheint.

Unter den übrigen, nicht weniger als zweiunddreißig Gastspieldarstellungen, welche das Jahr 1833 unter Küstner noch brachte, waren elf solche, worin zwei Gäste zugleich auftraten. Das erste Gastspiel erstreckte sich auf drei Rollen des Bassisten Schinn aus Pesth im April: Gottardo in der „Diebischen Elster", Bartolo im „Barbier von Sevilla" und Kaspar im „Freischütz";^) zu einem Engagement hat es ebenfalls nicht geführt. Darauf eröffnete Frau Kraus-Wranitzky aus Wien einen Gastrollenzyklus, dessen Bewältigung die Zeit vom 30. April bis zum 9. Juli in Anspruch nahm und folgende Rollen umfaßte: Prinzessin in „Johann von Paris", Desdemona in „Othello oder der Mohr von Venedig", Anna in „Die weiße Frau", Donna Anna in „Don Juan", Agathe im „Freischütz", Cenerentola in der gleich- namigen Oper Rossinis, welche, zugleich mit Santini als Don Magnifico (im übrigen mit deutschem Personal) italienisch gegeben wurde, wieder Donna Anna, aber diesmal im italienischen „Don Giovanni" mit Santini als Leporello, dann noch zweimal Cenerentola mit Santini als Magnifico, einmal Donna Anna mit dem- selben als Leporello, Rosine im „Barbier von Sevilla" und endlich zweimal in Cimarosas „II matrimonio segreto" mit Santini als Geronimo, welche reizende Oper Küstner hatte im Original wieder neu einstudieren lassen. Die Kraus- Wranitzky hatte somit dreizehn Auftritte in neun verschiedenen Opern, Santini, dessen paralleles Gastspiel zugleich zu erwähnen war, hatte deren sechs in vier Opern. Inzwischen war im Juli auch ein Herr Berthold aus Leipzig als Bartolo im „Barbier" und als Meister Stracks in Winters „Sänger und Schneider", also wieder ein Baßbuffo, aufgetreten. Auch dieser scheint als solcher nicht befriedigt zu haben, denn schon im September gastierte Herr Gerstel aus Lübeck als Lord in „Fra Diavolo", als Papageno und als Bartolo (Barbier). Das Gastspiel eines Herrn Eicke aus Nürnberg sowie das einer Düi Berghofer (unbekannt woher) beschränkte sich auf einen gemeinsamen Auftritt als Max bezw. Annchen im „Freischütz". Ein kaum minder umfangreiches Gastspiel als das der Kraus- Wranitzky war das der Mad. Henriette Lalande-Meric (meist Meeric geschrieben), es umfaßte vom 9. Oktober bis zum 29. November folgende Rollen: je einmal die Susanne, dann die Gräfin in „Figaros Hochzeit", die Donna Anna in „Don Giovanni", Rosina in „II Barbiere di Seviglia"; je zweimal die Ninetta in „Die

*) Erst seit Küstners Regime steht auf den Zetteln nicht mehr „Der Freischütze", sondern „Der Freischütz".

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diebische Elster", Elvira in der „Stummen von Portici" und Julia in der „Vestalin". Die Vielseitigkeit, welche in dem Repertoire dieser beiden berühmten Sängerinnen sich ausspricht, wird, auch wenn ihr Gastspiel nicht auf ein Engagement abzielte, der Bühnenleitung zu statten gekommen sein, um überhaupt alle jene Opern geben zu können, welche hätten liegen bleiben müssen, da von den beiden bisherigen Vertreterinnen ihrer ersten Sopranpartien die eine schon quiesziert, die andere bereits quieszenzreif war.

Von diesen Gastspielen führte nur das des Baßbuffo Gerstel zum Engagement; dasselbe begann mit dem Monat Oktober. Dagegen wurde als lyrischer Tenor eine einheimische Kraft, Herr Friedrich Schmitt, gewonnen, nachdem sich der- selbe im August als Alphonso in der „Stummen" und als Alphons von Monza in „Zampa oder die Marmorbraut" versucht hatte. Zum erstenmal im Engagement trat er als Lorenzo im „Fra Diavolo" am 26. Dezember auf; er ist identisch mit dem späteren Verfasser der „großen Gesangsschule für Deutschland", welche seinerzeit viel Staub aufwarf, ohne daß dadurch meines Wissens eine „deutsche" Gesangsmethode begründet worden wäre.

Ein großes Verdienst Küstners war es, daß er (schon im zweiten Monat seiner Amtsführung) den unter Poißl heruntergekommenen Chor durch Anstellung von einundzwanzig Choristen und vierzehn Choristinnen regenerierte und leistungsfähig machte. Daß Poißl diesen wichtigen Faktor der Oper allmählich so vernachlässigen konnte, beweist unter anderem, da er die Chöre in seinen eigenen Opern gewiß lieber besser gehört hätte, seine peinliche Finanzlage. Mochte Herrn von Küstner der armselige Klang der Chöre schon in den alten Opern, die er mit anhören mußte, zu dieser ersten wichtigen Tat veranlaßt haben, so war diese geradezu die Bedingung der Möglichkeit, die von ihm beabsichtigte erste Novität Rossinis „Teil" mit ihren massenhaften, zum Teil wuchtigen Chören man denke nur an die Rütli-Szene würdig und erfolgreich zur Aufführung zu bringen. Über diese Erstaufführung des musikalischen Prachtwerkes schreibt er in seiner Weise etwas stark ruhmredig selbst:

„Das erste Zeichen von der Tätigkeit der neuen Leitung, worin, wie sich die Blätter ausdrückten, man einen Erguß von Jugend und Frische in die Pulse der Anstalt erkennen wollte, war die kurz nach Übernahme derselben in neunzehn Tagen ^) einstudierte große Oper „Teil" von Rossini, eins der vorzüglichsten Werke dieses Meisters, welches München, obwohl es schon längere Zeit erschienen,*) noch nicht kannte. Mit diesem für die große Oper in Paris geschriebenen Werke, das sich ganz von den früheren für Italien geschriebenen unterschied, begann Rossini eine neue Periode und zeigte, daß er sich zu einer tragischen Größe, verbunden mit einer treuen Charakteristik und Einfachheit, sowie mit den reizendsten, ergreifendsten Melodien, erheben konnte, ohne durch unpassende Ver- zierungen aller Art der Mode des Tages" (das heißt: der vornehmlich selbst geschaffenen Mode!) „zu huldigen. Auf meiner Reise nach Italien im Jahre 1842 lernte ich in Bologna diesen großen Maestro

*) Das Kunststück, in dieser Zeit ein etwa gleichschwieriges und umfangreiches Werk fertig vor das Publikum zu stellen (wobei allerdings ausgeschlossen ist, daß der dekorative Teil nicht auch unter Küstner eine längere Vorbereitung brauchte), wird heutzutage keine Bühne fertig bringen, wenn es überhaupt wahr ist! ^) Die erste Aufführung an der Großen Oper in Paris war am 3. August 1829.

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Oben: Scenenbild zu „Robert der Teufel" Unten: Scenenbild zu „Figaros Hochzeit"

kennen, der schon damals zu meinem Bedauern erklärte, daß er für die Bühne nichts mehr schreiben würde. Ein neu von mir aus frischen Kräften errichteter Chor, die treffliche Besetzung der Haupt- rollen durch Pellegrini, Bayer und die Spitzeder, die von mir angeordnete mise en scene, eine Dekoration von Schnitzler, mit der Verwandlung des Mondlichts in das Morgenrot und einer dem- entsprechenden wechselnden Beleuchtung der Gletscher, durch alles dies hatte die Oper einen solchen Erfolg, daß man sie als eine neue Erscheinung, als ein Evenement, wie die Franzosen sagen, betrachtete." Die vollständige Besetzung der Oper bei der Premiere am 3. Mai (einem Freitag),

war folgende:Tell....PeIlegrini, Walter Fürst Lenz, Melchthal Mitter-

mair, Arnold Bayer,^) Leuthold Staudacher, Hedwig Mad. Pelle- grini, Gemmy DE Deisenrieder, Geßler Frieß, Mathilde Mad.

Spitzeder, Harras Schimon, ein Fischer Löhle.^) Der Titel auf dem

betreffenden Theaterzettel lautet: Königliches Hof- und Nationaltheater. München, den 3. Mai 1833. Zum ersten Male „Teil", Große Oper in drei Akten nach dem Französischen des Jouy und Bis von Th. Haupt, Musik von Rossini. Nicht nur bei der Premiere, sondern auch bei der vierten Aufführung am 22. September, deren Zettel den auffälligen Vermerk trägt: „nach des Komponisten neuester Einrichtung für die Pariser Bühne", sowie fortan bis zum Jahre 1862 wurde also die Oper in drei Akten gegeben. Dabei erhielt das Drama durch einen geradezu tollkühnen Saltomortale einen gar merkwürdigen, rapiden Abschluß. Teil reißt sich unmittelbar nach seiner Verhaftung (nach der Apfelschußszene) von seinen Häschern los und erschießt, von der allgemeinen Volkserhebung begünstigt, den Geßler, indem dieser über eine im Hintergrunde angebrachte Brücke reitet, mit dem „zweiten Pfeil" (dessen aber aus Rezitativscheue keine Erwähnung geschieht). Im selben Augenblick rötet sich aber auch der Himmel schon von den Flammen der zerstörten Zwing- burgen und die musikalisch so herrliche Apotheose der Freiheit macht szenisch einen „unglaublichen" Eindruck, weil man annehmen muß, daß die Schweizer, welche soeben noch vor der Hutaffäre ihren Landvogt mit einem viertel- stündigen Ballett gefeiert hatten, dies alles im Handumdrehen fertiggebracht haben wahre Teufelskerle! So habe ich den „Teil" in meiner Jugend selbst noch einige Male gesehen. Aber auch die spätere "Wiederanfügung des vierten Aktes rettet nicht mehr viel von der Größe des nun einmal verballhornten Schillerschen Gedichtes. Der Akt verläuft, indem er gerade die unwesentlicheren Szenen aus den beiden Schlußakten Schillers bringt, bis zum erhebenden Finale in epischer Impotenz, welche sich notwendig auch auf die Musik überträgt, ja, er schwächt sogar noch die brillante Wirkung der drei vorausgegangenen lebendig-dramatischen Akte, soweit es möglich ist, ab. Durch die grausame Verstümmelung einer der großartigsten deutschen Dichtungen (welche aber nach der dramatischen Seite selbst schon nicht ein- wandfrei ist), sinkt der ethische Wert des ganzen Werkes, es wird zur Schablone

^) Die Besetzung und Durchführung des Arnold durch Bayer beweist hinlänglich, daß dieser ausgesprochene Heldentenor sich gefahrlos auch in die Höhe begeben konnte. Daß die kleine Rolle des Fischers vom ersten lyrischen Tenor an einer Bühne ersten Ranges gesungen wurde, ist löblich und nachahmenswürdig; übrigens war Löhle auch schon Kandidat der Quieszenz.

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der Pariser Pompoper herabgedrückt, die, von anderen Inkonvenienzen abgesehen, ihren zahlenden Roues nun einmal im dritten Akt ihr obligates Ballett bieten muß, ob es auch, wie hier, paßt, wie die Faust aufs Auge. Dies ist um so mehr zu be- klagen, als sich gerade in diesem Werke Rossinis Muse zu einer Höhe melodischer Schönheit und harmonischer Kraft erhebt, welche selbst einem Mozart Achtung eingeflößt haben müßte. Wenn nun ein gebildeter und gewürfelter Theaterkenner, wie Küstner, den hier vorliegenden Kontrast einer wunderbaren Musik und einer miserablen Dichtung nicht fühlte, wenigstens nicht für verwerflich fand, wenn die ganze Zeit und die dauerte noch gehörig lange überhaupt den „holden Unsinn" der Oper (von welchem völlig emanzipiert zu sein sich nur blutwenige vorzügliche Werke rühmen können) mit vollem Behagen genoß, so gehört dies zu den uns schwer begreiflichen Tatsachen in der guten alten Zeit, an denen nun einmal nicht zu rütteln ist. Desto erfreulicher, herzerquickender ist aber das Phänomen gerade im Werke eines Vollblut-Italieners vielleicht zum erstenmal in so bedeutender Art jener vollkommensten Vereinigung, möchte sagen, Verschmelzung von Wort undTon, jenem gegenseitigen Aufgehen beider ineinander zu begegnen, dessenWirkung unausbleiblich, wie unsere deutschen Meister in ungezählten Beispielen zeigen, die tiefste dramatische Erschütterung und Überwältigung ist. Zu jener großen dramatisch- musikalischen Szenenanthologie, in welcher sich Gluck, Mozart, Beethoven, Weber und zuletzt Wagner verewigten, hat aber Rossini in seinem heute auch musika- lisch benörgelten „Teil" einen wahrlich nicht abzuweisenden Beitrag geliefert. Wie er zum Zwecke der dramatischen Wahrheit sein bisheriges Tändeln vollkommen ablegen kann, zeigt er, überraschend, sogleich in der Indroduktion, wo „Teil" seinem Schmerze über sein unterdrücktes Vaterland so gewaltigen Ausdruck verleiht; bei Arnolds verzweifelter Klage über den Tod seines Vaters bleibt gewiß kein Herz unergriff'en, und wer fühlt sich nicht im Innersten gehoben bei der mächtigen Rütli- szene, wo der Männergesang, wie ihn kein Deutscher kraftvoller je geschrieben, so feurig als treu die Apotheose der Freiheit singt, triumphierend im Strahlenglanze orchestraler Pracht! Den Höhepunkt der menschlichen Rührung erreicht aber der so gereifte Künstler begünstigt freilich durch eine von deutscher Sage und deutscher Dichtung geschaffene erschütternde Situation in der berühmten Apfelschuß- szene. Um ganz zu fühlen, wie hier sich Wort und Ton zur Wiedergabe der denkbar tiefsten psychischen Erregung, dann aber auch des seelischen Entzückens vereinigen, muß man freilich Mensch um es laut und freudig zu bekennen, ein vom gegenwärtigen modernen Terrorismus nicht berührter Mensch sein. Zugegeben muß trotz alledem werden, daß der unverbesserliche Defekt im Libretto dem genialen Tonsetzer ein unüberwindliches Hindernis auf dem Wege zur Voll- kommenheit war. Die vollkommenste von Rossinis Schöpfungen ist daher auch nicht der ernste „Teil", sondern der ewig frische komische „Barbier".

Nach einer Wiederholung, welche der Münchener Premiere unmittelbar folgte, konnte der „Teil" der vielen Gastspiele wegen in diesem Jahr nur noch zweimal gegeben werden; für die nächsten zwei Jahre holte ihn, wie früher in Paris, nun

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auch in München Robert der Teufel.^) Die A. M. Z. läßt sich von München über die zwei ersten Aufführungen schreiben: „Der lang erwartete, oft besprochene (?) ,TelI* lief endlich am 3. des Monats" (der im Mai eingesandte Artikel ist erst im Juli erschienen) vom Stapel, mit jenen Abänderungen und Verkürzungen, die Rossini selbst (!) mit ihm vorzunehmen für gut befunden hat; die erste unter der neuen Theaterverwaltung des Herrn Re^ierungsrates (sie!) von Küstner auf die Bühne gebrachte Oper, trefflich geordnet, einsichtsvoll ausgestattet in Dekorationen, Ko- stümen und allem, was von der Einsicht eines dirigierenden Oberhauptes abhängt und geleitet wird. Man bemerkte zuerst, und öffentliche Blätter machten wieder- holt darauf aufmerksam, die ganz neue kräftige Wirkung des Chores, der nicht mehr aus zusammengerafften, kläglich bezahlten Individuen besteht, sondern durch Veranlassung der Intendanz in ein volles Ganzes mit regelmäßigem, nicht prekärem Gehalte umgestaltet ist und 48 Mitglieder enthält. Er hat schon diesesmal kräftig mitgearbeitet und wird den herben Tadel, dem er so oft ausgesetzt war, nicht mehr zu scheuen haben". Von den Mitwirkenden ist nur Pellegrini als Teil und merk- würdigerweise — Frau Pellegrini in der winzigen Partie der Hedwig genannt. Aufs Detail läßt sich der Verfasser nicht ein, beweist aber mit einem sehr unzu- länglichen und halb konfusen Urteil über Rossini, daß ihm die erdrückende Fülle der Schönheiten des Werkes über den Kopf gewachsen ist. Die zweite Novität des Jahres, Boieldieus „Kalif von Bagdad" scheint nicht gefallen zu haben; sie erlebte außer ihrer Premiere am 25. August ihre einzige Wiederholung kurz vor Jahresschluß am 27. Dezember.

Einige Tage vorher, am 15. Dezember, kam als dritte Novität „Der lustige Schuster", eine komische Oper in zwei Akten von Paer, dem alten, durch die Oper „Sargines" noch immer in Ansehen stehenden Pariser Maestro, zur Aufführung. Welcher Zeit aus seiner langen Laufbahn die Komposition entstammt, weiß ich nicht anzugeben. Das Sujet ist identisch mit dem des uralten, aus England gekommenen Stückes „Der Teufel ist los", welches um die Mitte des 18. Jahrhunderts von ver- schiedenen deutschen Musikern, u.a. auch von Hiller für Leipzig, später von dem Italiener Portogallo für Dresden komponiert worden ist. Die Paersche Kompo- sition kam in München jedenfalls zu spät, um unter den großen Effektopern noch ernste Beachtung zu finden. Von ungleich größerer Bedeutung war die am T.Juli erfolgte Wiederaufführung von Cimarosas „Matrimonio segreto", welche bei Auf- zählung der Gastspiele schon erwähnt wurde, im italienischen Original. Die höchst verdienstvolle Neueinstudierung dieses reizenden Werkes war vielleicht von selten Küstners ein Akt besonderer Loyalität gegen König Ludwig, welcher durch Auf- stellung der Büste Cimarosas im Odeonsaal seine große Verehrung für den Meister bekundet hatte.^) Über die Aufführung und den Erfolg äußerte sich Küstner: „Einen

^) Dieser treffende Witz Rieh. Wagners wird wohl den meisten Lesern bekannt sein. [") Die Büste Cimarosas ist im Laufe der Jahre mit den Büsten der Komponisten Winter, Vogler, M6hul und Rossini entfernt worden. S. Bihrles Festschrift: „Die musikalische Akademie in München", 1911, Seite 21.]

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ganz von ,Tell' verschiedenen, aber deshalb nicht minder ergötzenden Eindruck machte die durch Pellegrini und Frau, Bayer und die Gäste Santini und die Kraus-Wranitzl<;y trefflich besetzte und in Spiel wie Gesang ausgeführte Oper ,Die heimliche Ehe* von Cimarosa. Welch ein unerreichbarer Buffo Santini war, weiß jeder, der ihn in Paris oder München sah. Dergleichen komische Opern und Darsteller dafür gehören jetzt zu den Seltenheiten." In diesem letzten Satze haben wir bereits eine bemerkenswerte Andeutung des beginnenden Verfalles der Gesangskunst, wenigstens in spezieller Richtung des Komischen, zu erblicken. 1834 Das Jahr 1834 brachte eine die Verwaltung des Hoftheaters berührende Ver- änderung des bayerischen Staatshaushaltes: Durch Gesetz vom I.Juli ging der Etat des Hoftheaters auf die Zivilliste überj nur die Erhaltung des Gebäudes verblieb dem Staatsetat.

Was die einzige aber wichtige Personalveränderung in diesem Jahre betrifft, so genügte eine Gastrolle der Wilhelmine von Hasselt als Königin der Nacht am 30. Januar, um sie für die Münchner Bühne zu gewinnen. Am 2. Februar trat sie bereits als engagiertes Mitglied in Bellinis „Seeräuber" als Imogene auf. Diese beiden Partien sowie die von ihr bald darauf gesungene Rolle der Isabella in „Robert der Teufel" bezeichnen mit Bestimmtheit ihr Fach als das einer Koloratur- sängerin mit viel Höhe und dramatischem Anhauch. Als solche scheint sie auch, so schwer es dünken mochte, einen ziemlich vollgültigen Ersatz für die Sigl- Vespermann geboten zu haben. Als Imogene in der Bellinischen Oper gefiel sie so sehr, daß dieselbe gleich zweimal wiederholt werden konnte, was ihr früher nicht passiert war.

Der Panegyrikus, welchen ihr Küstner (Seite 150 und 151 des genannten Buches) widmet, scheint über ihre künstlerische Bedeutung und ihr ganzes Wesen einen ziemlich authentischen Aufschluß zu geben. Er schreibt:

„Zuerst gedenke ich dessen, was von Wilhelmine von Hasselt geleistet wurde. Sie war eine Schülerin des rühmlichst bekannten Bassisten Fischer, früher in Berlin, später in München. Hierauf ging sie nach Italien, dem Lande der Gesangsschulen, und bildete ihre klangvolle, hohe Sopran- stimme auf das vortrefflichste aus. Sie trat mit dem einstimmigsten Beifall in München auf und wurde sofort angestellt. Sie war nicht nur eine tüchtige Bravoursängerin, die alle Schwierigkeiten, als Triller, akromatische (sie!) Tonleitern usw., mit Leichtigkeit überwand, sie war auch im getragenen Gesänge eine Meisterin. Wenn sie in Partien, wie die Prinzessin im „Robert der Teufel",') und als Norma einen nicht endenwollenden Beifall erhielt und daher den Sukzeß von „Robert" und „Norma" in München hauptsächlich mitbegründete, so gab sie auch die Rolle der Donna Anna ') im „Don Juan", des Pagen in „Figaros Hochzeit" und der Rebekka ') in „Templer und Jüdin" zur vollsten Zufriedenheit der Kenner dieser Gattung von Musik. Die sogenannte Briefarie der Donna Anna habe ich nie vollendeter gehört, und ganz im Stil dieser Musik. Die Hasselt war bis gegen Ende meiner Intendanz eine Zierde der Münchner Oper. Wie sehr sie glänzte und wie sehr sie auch natürlicher- weise den Neid erregte, beweist folgender Vorfall, den ich wegen seiner Neuheit anführe. Kurz vor dem Beginn einer Vorstellung der „Norma" wurde ihr im Theater eine verschlossene Schachtel

*) Nach Münchner Berichten der „A.M.Z." hat sich Herr von Küstner in diesem Punkte doch einigermaßen geirrt. Eine sehr ernste Kritik über „Robert der Teufel" (siehe S. 471) enthält gerade eine Warnung, die Sängerin mit dramatischen Partien, die über ihre Kräfte gehen, nicht vorzeitig zugrunde zu richten.

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zugestellt, mit dem Bemerken, daß sie noch ein nötiges Requisit zu ihrer Rolle enthalte. Eilig machte sie die Schachtel auf und findet darin zu nicht geringer Bestürzung eine Abbildung der Norma mit einem höchst abschreckenden Totenkopfe. Es ergab sich hieraus die schändliche Absicht, nicht nur die Künstlerin zu kränken und zu alterieren, sondern auch die Vorstellung der unmittelbar nach der Eröffnung der Schachtel beginnenden Oper möglichst zu stören. So erschüttert Wilhelmine von Hasselt war, so führte sie doch nach kurzer Pause ihre Partie aus."

Was Küstner hier über das Verhältnis der später angestellten Mink anknüpft, findet der Leser im Jahrgang 1837 an einschlägiger Stelle reproduziert.

Ein am 25. April beginnendes Gastspiel Santinis erstreckte sich bis zum S.Sep- tember und umfaßte in dreizehn Vorstellungen vier verschiedene Rollen (ein Wahr- zeichen des Virtuosentums); er trat auf als Geronimo in „Matrimonio segreto" dreimal, als Leporello viermal, als Bartolo im „Barbiere di Seviglia" und als Taddeo in „L'Italiana in Algeri" je dreimal. Man konnte sich demnach in diesem Jahrgang kräftig an die Zeiten der Königlichen Italienischen Oper in München erinnern. Dem illustren und enthusiastisch verehrten Gast zuliebe hat Küstner sogar die „Italienerin in Algier" wieder im Original einstudieren lassen. In all diesen Opernvorstellungen sangen die Münchner Mitglieder selbstverständlich wieder italienisch mit. Inzwischen absolvierte auch eine Mad. Fischer-Schwarz- böck, großherzoglich badische Hofsängerin, ein Gastspiel mit drei Auftritten: als Leonore im „Fidelio", Alice in „Robert" und Julia in der „Vestalin". Im November trat ein weiterer Gast, Düi Henriette Carl, als Donna Anna, zweimal als Desdemona und zuletzt als Prinzessin im „Johann von Paris" auf und endlich im Dezember noch einmal eine D^2L Francilla Pixis als Romeo in Bellinis „Die Capulets und Montagues", wodurch diese Oper zu größerer Würdigung kam.

Am 17. Juli trat ohne weitere Ankündigung der Tenorist Eduard Hoppe zum erstenmal in „Maurer und Schlosser" als Roger (Maurer) auf. Er war ohne voraus- gegangenes Gastspiel für den bereits wieder abgegangenen Friedrich Schmitt engagiert worden. Der Tausch kam jedenfalls der Münchner Bühne zustatten, als deren verdientes Mitglied Hoppe, nachdem er viele Jahre ein wackerer Ver- treter sowohl undankbarer Prinzen als ergötzlicher Buffo-Rollen gewesen, noch in den späteren siebziger Jahren tätig war.

Dagegen kann dieses Jahr trotz diesem und dem glänzenden Engagement der Hasselt wohl ein Trauerjahr für die Münchner Oper genannt werden, indem ihr zwei ihrer verdientesten und auserlesensten Mitglieder, der treffliche Bassist (und leider auch Tenorist) Georg Mittermair und dieNannetteSchechner- Waagen, durch unabwendbaren Verlust ihrer Stimmen entrissen wurden. Ersterer wurde schon am 27. März durch eine Marginalentschließung, welche König Ludwig auf einen, die wahrscheinliche Unheilbarkeit des Sängers prognostizierenden Be- richt Küstners schrieb, in temporäre Quieszenz auf ein halbes Jahr, beginnend vom 1. April, gesetzt; aber am 16. September mußte Küstner dem König berichten, Mittermair habe sich nicht mehr erholen können, sondern liege krank darnieder, so daß man nicht wagen könne, ihm den Arzt zur Untersuchung behufs Reakti- vierung zu schicken (was der König befohlen zu haben scheint). Der Marginalbefehl

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hierauf lautet: „Dermalen befindet sich Dr. Schrettinger (des Königs Leibarzt) wieder in München, der, wenn es nicht auf Mittermairs Gesundheitszustand nachteilig wirken kann, zu ihm sich verfügen und sein Gutachten dann abgeben soll. Asco- gnano,6. Okt. 34. Ludwig." Darauf berichtet Küstner am 7. November: „Indem durch die devoteste Überreichung des von dem käniglichen Regimentsarzte Dr. Furtner als Ordinarius des quieszierten Sängers Mittermair ausgestellten und von dem königlichen Hofstabsarzte Dr. Schrettinger nach vorgängiger Untersuchung durch seine Mitunterschrift als durchaus richtig bestätigten Pareres, E. K. Majestät aller- höchstem Marginal -Auftrage treugehorsamst nachkommt, erstirbt in tiefster Ehr- furcht etc. etc. Küstner." Die Bestätigung war aber der definitive Verlust der Stimme, die sich der beklagenswerte Sänger durch die unnatürliche Überanstrengung seiner für unverwüstlich gehaltenen Stimmbänder zugezogen hatte. Er starb jedoch erst am 17. Januar 1858; 28 Jahre hat er dem Theater als pflichttreuestes und fleißigstes Mitglied seine ganze Kraft gewidmet und während dieser Zeit nach- gewiesenermaßen mit zwei einzigen Ausnahmen einmal wegen Krankheit, das andere Mal zum Zweck einer Kunstreise nie einen Urlaub genommen. Zur Bestätigung sowohl dieser ausgezeichneten persönlichen Führung als der ganz eminenten Leistungen des hochverdienten Künstlers sind aus seinem Personalakt noch zwei sprechende Gutachten des Intendanten von Poißl hervorzuheben. Dieser schreibt am 16. November 1826 gelegentlich eines Urlaubsgesuchs Mittermairs an den König: „Bittsteller ist in Beziehung auf das Talent eines der vorzüglichsten Mitglieder der königlichen Hofbühne, im Diensteifer und der Bereitwilligkeit, Störungen vom Gange der Anstalt mit Resignation auf die Rücksicht gegen sich selbst abzuhalten, dürfte ihm nur die Schauspielerin (?) (unleserlich) an die Seite

gestellt werden Er hat seit neun Jahren keinen Urlaub genossen, weil es

ihm bei der seltenen Ausbildung seines Bariton, wiewohl mit offenbarer Gefahr für diesen, allein möglich war, die Oper zu einer Zeit in Wirksamkeit zu erhalten, wo die Bühne entweder über keinen ersten Tenoristen verfügen konnte oder derselbe auf Kunstreisen abwesend oder krank gewesen ist, sowie er jetzt vor- kommendenfalls den Bassisten Staudacher ersetzen muß." Am 19. Juli 1831 be- antragt von Poißl: „Am 6. vorigen Monats waren es fünfundzwanzig Jahre, daß Georg Mittermair seine Wirksamkeit bei der Oper in theatralischen Versuchen begonnen und durch das dabei nachgewiesene vorzügliche Talent auch seine am I.Oktober 1806 erfolgte etatsmäßige Anstellung als Opernsänger motiviert hat." Nach einem umfassenden Lobe besonders seiner Doppelleistung als Bassist und Tenorist wird gebeten, daß dem verdienten Kunstmitgliede zur gerechten An- erkennung seiner fünfundzwanzigjährigen höchst nützlichen Tätigkeit ein Dekret erteilt werde, welches ihm die aus seinem Gehalt von 1800 fl. nach der Dienst- pragmatik vom Jahre 1818 einstens treff'enden Pension mit neun Zehntel rechts- kräftig zugesichert werden möge." In einem Gesamtberichte über das gesamte Opern- personal in der A.M.Z. im April 1834 bezeichnet ihn der Münchner Korrespondent als einen „vormals höchst ausgezeichneten Sänger und eines der verdienstvollsten

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Mitglieder der hiesigen Oper, dem jeder rechtliche Kunstfreund wünscht, daß er die wohlverdiente Ruhe genieße, und man ihn nicht zwinge, sich, ganz gegen seinen eigenen Willen, selbst zu überleben".

Daß er, trotz seines Halsübels, welches sich wohl später wieder besserte, ohne deswegen Grund zu einer Reaktivierung zu geben, seinen Kollegen Löhle, der schon am 29. Januar 1837 starb, um einundzwanzig Jahre überlebte, ist leider wohl auf das minder mäßige Leben dieses sonst nach Stimme und Methode gleich ausgezeichneten Sängers zurückzuführen.

Wir kommen nun zu den Novitäten des Jahres 1834. Obenan steht und wurde schon am 22. Januar gegeben Meyerbeers weltberühmter „Robert der Teufel", Text von Scribe, in folgender Besetzung: Robert .... Bayer, Bertram .... Pelle-

grini, Isabella von Hasselt, Alice Spitzeder, Raimbaut Schmitt

(später durch Hoppe ersetzt), Zeremonienmeister .... Lenz, Waffenschmied .... Schimon. Über das Werk und seine Aufführung schreibt Küstner:

„Im Anfang des Jahres 1834 wurde die Oper „Robert der Teufel" zum erstenmal gegeben, nachdem sie bis zum Antritt meiner Intendanz ohne Darstellung geblieben war. Schon vor meinem Abgange von Darmstadt im Jahre 1833 hatte ich von dem genialen Kompositeur der Oper, der damals im nahen Frankfurt sich aufhielt, seine Ideen über die Aufführung erhalten und tat alles, um sie zur würdigen Aufführung zu bringen. Die Oper hat überall einen glänzenden Erfolg gehabt; der in München war für diesen Ort ohne Beispiel und übertraf weit den von mir früher gegebenen „Freischütz". „Robert der Teufel" wurde ungefähr doppelt so oft als letzterer wiederholt und feierte nach vier bis fünf Jahren ein fünfzigjähriges (soll wohl heißen fünfzigstes) Jubiläum,') was nie in München dagewesen war. Ich spreche nur die allgemeine Stimme aus, wenn ich die Vorstellung eine in allen Teilen vollendete nenne. Die großartige Musik, die treffliche Besetzung der Hauptrollen durch Sängerinnen von Hasselt und Spitzeder, die Sänger Bayer und Pellegrini, alle im Zenith ihrer Kunst, die gelungene mise en scene, die reiche Ausstattung durch Dekorationen, Kostüme und Maschinerie, alles trug dazu bei, ein vollendetes Ganze zu geben, das aber auch den allgemeinsten, größten Enthusiasmus erregte."

Dieser Enthusiasmus aber, welchen sich auch der Intendant durch den Erfolg suggerieren ließ und von welchem er nach neunzehn Jahren noch nicht geheilt war, zeigt uns deutlich, daß auch sein Urteil in Sachen der Opernmusik nach ihrer ethischen Seite hin ein laienhaft beschränktes, in der allgemeinen Zeitströmung dahinschwimmendes war. Sonst müßte ihm die von ihm konstatierte Tatsache, daß gerade der »Robert" über den „Freischütz" siegte und nebenbei den noch weit edleren „Teil" verdunkelte, eher geschmerzt als gefreut haben. Daß die maß- gebende Theaterwelt von anno dazumal nicht merkte, was auf dem Gebiete der Oper eigentlich vorging, wie, nachdem Weber tot war und Rossini abgeschlossen hatte, eines der stärksten Talente sich die Opernherrschaft errang, indem es seine stolze Kraft einer unlauteren Tendenz unterstellte, nebenbei auch, was das rein Musikalische betrifft, zum Teil den niedrigeren Elementen huldigte, dies könnte

*) Hierin täuscht sich Herr von Küstner in der Tat nur um eine Kleinigkeit. Nachdem die Oper im ersten Jahrgang siebzehnmal gegeben, erreichen die gesamten Vorstellungen am Ende des fünften Jahres die Zahl 44, dagegen fand das fünfzigste Jubiläum erst am 28. Juli 1840, also erst im siebten Jahre nach der Premiere statt, was immerhin, nicht zum Lobe des Münchner Geschmacks gesagt, den Erfolg des „Freischütz" tatsächlich überbietet.

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uns heute billig wundernehmen, denn auch damals hatten sie das „Gesetz und die Propheten", unter letzteren Gluck, Mozart und Beethoven. Aber Meyerbeer verstand es gerade darin lag seine verführerische Stärke auch die besseren Elemente gefangenzunehmen, indem er sowohl auch die bezeichnete Tendenz als auch gewisse mit unterlaufende musikalische Trivialitäten, welche direkt nur auf den zahlenden Theatermob berechnet sein konnten, durch eine Fülle wahrer Schön- heiten, deren jeder sich freuen mußte, wenn nicht aufwog, doch verdeckte. So hat, um nur ein Beispiel anzuführen, gerade die frivole Kirchhofsszene, welche nicht nur des mittelalterlichen Klosterwesens, sondern überhaupt aller mensch- lichen Pietät spottet, die genialste, schönste, packendste Musik. Bezüglich der religiösen Schwierigkeiten, auf welche die Aufführung eines „Robert" im damaligen München stieß, äußert sich Küstner: „Es glückte mir auch, ,Robert der Teufel' ungehindert passieren zu lassen, wenn schon in den Kirchen dagegen gepredigt und manches im Stück verändert wurde: der Klosterhof wurde in einen gewöhn- lichen Kirchhof, die Nonnen in weltliche Sünderinnen verwandelt; von der Kirche im fünften Akt erblickte man nur das Äußere usw." Charakteristisch für „Monachio monachorum" bleibt, daß die Verwandlung der im Leichenhemd erstandenen Toten in pikante Phrynen nicht anstößig erfunden wurde, wenn die Sünderinnen nur keine Nonnen waren.

Diesem theatralischen Weltereignis trat nun in aller Bescheidenheit das grund- naive Produkt des jugendlichen Bellini „Die Capulets und Montagues" gegenüber. Es erschien zum erstenmal vor den Rampen am 17. April mit folgender Besetzung:

Capulet Lenz, Julia .... von Hasselt, Romeo Deisenrieder, Tybald ....

Bayer, Lorenzo Schimon. Vernehmen wir über das Werk und seine Auf- führung die Anschauung des Referenten der A. M. Z., augenscheinlich desselben, welcher sich durch seine Kritik über den „Robert" unter den Münchner Musik- schriftstellern jener Zeit bemerkenswert gemacht hat:

„München im July. Im Theater haben wir seit der oben genannten Oper (Robert) nur die Capuletti und Montecchi von Bellini gehabt, alles sonst Gegebene war Wiederholung. Bellinis Oper hat manche recht schöne Musikstücke, aber auch sehr viel höchst Mittelmäßiges, und man kann von diesem Werke, ohne ungerecht zu sein, sagen : sunt bona mixta malis, „Schöne Kantilenen, glänzende Gesangs- partien, manchmal sogar inniges Gefühl und Wahrheit des Ausdrucks und dennoch im Ganzen kein wirklich hinreißender Moment, keine durchgeführte szenische Charakteristik, keine wahrhaft ergreifende Leidenschaft. Die Herren Bayer und Lenz taten ihr möglichstes, allein aus nichts kann nur Gott etwas machen. Wenn Händeklatschen und Hervorrufen die einzigen Zeichen des Beifalls sind, so hat diese Oper sehr gefallen, wenn aber durch oft wiederholten Besuch des Publikums sich der wirkliche Beifall ausspricht, so hat sie gar nicht gefallen, denn bei der zweiten Vorstellung war das Haus kaum zur Hälfte besetzt, und bei der dritten völlig leer, seither wurde sie nicht mehr wiederholt."

Doch ermöglichte das im Dezember beginnende Gastspiel der Francilla Pixis noch eine vierte Aufführung, welcher dann noch zwei weitere im Januar 1835 folgten.

Die dritte und letzte Novität dieses Jahres war die am S.Oktober erschienene Oper Heinrich Marschners „Der Templer und die Jüdin", Dichtung nach Walter Scotts populärstem Roman „Ivanhoe" von Wohlbrück, mit folgender Besetzung*

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Oben: Scenenbild zu „Templer und Jüdin" Unten: Scenenbild zu „Oberon"

Großmeister Lenz, Bois-Guilbert Pellegrini, Albert Malvoisin Als- dorf,') Maurici de Bragy .... Schimon, der schwarze Ritter .... Fries,

Cedric C. Mayer, Ivanhoe Bayer, Rovena Düi Fuchs, Adelstane

Heß, Narr Hoppe, Tuck Gerstel, Rebekka von Hasselt. Die erste

Wiederholung am 15. Oktober fand bei beleuchtetem Hause statt, was erfahrungs- gemäß auf eine besondere Sympathie des Hofes schließen läßt (doch hat diese Auszeichnung, wie wir sehen werden, auch noch eine andere Auslegung erfahren). Der vornehme, rein deutsche Stil, welchen Marschner in diesem seinen ersten Hauptwerke (wie auch in den späteren) eigentlich konsequenter, man möchte sagen : asketischer durchführt als sein älterer Kollege Spohr und selbst C. M. von Weber, mochte den durch und durch deutsch gesinnten König Ludwig immerhin besonders angemutet haben. Wenig stimmt dazu die „Verbesserung", welche man auch diesem Werk angedeihen zu lassen nötig und erlaubt fand. Seit der zweiten Aufführung enthalten die Zettel folgenden Vermerk: „Die für Nummer 11 eingelegte Szene und Arie (nämlich in der Rolle des B. Guilbert) ist vom k. Hofkapellmeister Stuntz." Wenn die ursprüngliche Komposition Marschners auch Pellegrini nicht recht in der Kehle liegen mochte, so war es doch nicht in der Ordnung, selbst dem mit Recht angebeteten Sänger zuliebe ein fremdes Element in das einheitliche Werk zu tragen, auch wenn Marschner in Bezug auf Kantabilität anfechtbar und Stuntz (ich kenne das fragliche Stück nicht) der Mann war, ihn zugunsten des Gesangseffektes zu korrigieren, was man beides zugeben mag. Mit Wissen und Willen Marschners, dem es noch dazu an Selbstbewußtsein nicht fehlte, wird die Einlage nicht komponiert und gesungen worden sein. Daß man damals, im Jahre 1834, das Unrecht eines solchen Eingriffes in die Autorrechte eines lebenden Komponisten noch nicht einsah, möchte ich hiermit historisch festgelegt haben.

Dem Bericht, welchen der uns nun schon bekannte ^Münchner Korrespondent der „A. M. Z." sonderbarerweise erst im April 1835 bringt, ist folgendes zu entnehmen:

„Diese Oper leidet an und für sich, als große Oper betrachtet, neben anderen Hauptgebrechen, an dem bedeutenden Fehler, daß sie zu gedehnte Rezitative und zu wenig planmäßig durchgeführte größere Musikstücke hat" (?!) „und dieser Fehler wurde hier teils durch die Art und Weise des Abkürzens, teils durch den ganz und gar nicht befriedigenden Vortrag der Gesangsstücke des Ein- siedlers und des Narren, welche sonst, gut gesungen, einiges Interesse erregen könnten, noch auf- fallender. Die drei Hauptrollen: Rebekka, der Templer und Ivanhoe wurden durch Di|i von Hasselt und die Herren Pellegrini und Bayer mit vielem Fleiße dargestellt, verfehlten aber dennoch großen- teils ihre Wirkung, weil ganz bestimmt der Templer keine Rolle für Pellegrini und D]]?^ von Hasselt nicht für die Rebekka geeignet ist. An szenischem Aufwände hatte die Intendanz nichts versäumt, und es mußten sogar fünf Pferde aus einem ausgezeichneten hiesigen Marstalle dabei paradieren und die arme Rovena zu Pferde sitzend singen; allein demungeachtet war der Erfolg ein höchst mittelmäßiger, der Beifall ein erzwungener und der Besuch, welcher schon bei der dritten Vorstellung sehr abgenommen hatte, würde bald noch spärlicher geworden sein, wenn man nicht die unschuldige Kriegslist gebraucht hätte, die Oper bei zwei festlichen Gelegenheiten, dem Allerhöchsten Namens- feste Ihrer Majestät der Königin und beim ersten Erscheinen Seiner Majestät des Königs im Theater

') Gehörte seit 1833 dem Hoftheaterchor an und trat 1835 zum Schauspiel über. 32 249

nach Allerhöchstdessen Rückkehr aus Italien, zu geben. Im ganzen ist die Oper bis jetzt sechsmal, das letztemal bei fast leerem Hause, gegeben worden und die Meinung der Sachverständigen" (wo sind diese?) „so ziemlich allgemein dahin festgestellt, daß, wenn sie sich ja auf dem Repertoire erhalten sollte, höchstens der schaulustige Teil des Publikums wegen der Pferde und des Schloßbrandes einigemal hinlaufen wird; daß aber ein paar gelungene Chöre und Lieder noch lange keine große Oper ausmachen und die Intendanz, wenn sie Herrn Marschner hier zu einer Reputation verhelfen will, bessere Werke desselben aufführen muß, als diese sogenannte große Oper." Es ist unglaublich ! In Bezug auf die Besetzung des Templer und der Rebekka mochte indes der übergescheite Rezensent buchstäblich recht haben. Pellegrini war nun einmal zu sehr Italiener, um sich in spezifisch deutsch-romantische Charaktere finden zu können (auch stund die Partie eine Terz über seiner Lage) und eine Koloratur- sängerin kann mit Erfolg nie eine gemütvoll dramatische Partie singen. Die geradezu hochmütige Ablehnung des Werkes zeigt aber, wie hart man damals noch daranging, an Marschners Beruf in Fortsetzung der Weberschen Romantik zu glauben, wenn überhaupt theoretische Erwägungen von Einfluß auf das allgemeine Urteil damals schon sein konnten.

Das gesamte Opernrepertoire dieses Jahres brachte das Heterogenste in Bezug auf Alter, Richtung und Nationalität in wirklich bunter Mischung nebeneinander. Dem efi'ektreichen Kosmopoliten Meyerbeer mit seinem oft gegebenen „Robert" war in den „Capulets etc. etc." und im dreimal gegebenen „Seeräuber" der echteste aller Italiener, Bellini, diesen beiden der ernste, fast spröde deutsche Marschner im „Templer" gegenübergestellt. Die deutsch-klassische Muse war durch die „Zauberflöte", den „Don Juan" und den „Fidelio" sowie durch den zur Klassizität bereits herangerückten „Freischütz" vertreten. Mozart, Cimarosa und Rossini gingen Hand in Hand, indem des Ersteren „Don Giovanni" im Urtext mit „Matri- monio segreto" und „Barbiere di Seviglia" wechselte. Dafür war Rossini neben seinem modernen „Teil" durch die älteren Opern „Diebische Elster" und „Othello" in deutscher Sprache vertreten. Die zu Wort kommenden Franzosen waren: Boieldieu mit der „Weißen Frau" und „Johann von Paris", Auber mit „Fra Diavolo", „Maurer und Schlosser" und der „Stummen", Herold mit dem lang ignorierten, neu einstudierten „Zampa", welcher sich von nun an im Repertoire festhielt. 1835 Das Jahr 1835 brachte als einzig wichtige Personalveränderung das Engagement des Fräuleins^) Auguste von Faßmann aus Augsburg am 1. August, nachdem dieselbe im Juli als Agathe, Emmeline und Alice gastiert hatte. Außerdem erscheint auf dem Zettel von „Robert der Teufel" am 27. Dezember ein Herr Schmid als Raimbaud in Vertretung des unpäßlich gewordenen Hoppe; es wird wohl Ludwig Schmid, der später in kleineren Rollen so verdienstvolle Sänger, gewesen sein(?). Außer dem Gastspiel der schon genannten Francilla Pixis, welches sich vom Vorjahre über die Jahreswende herüber erstreckte und nun einen zweiten Auftritt als Romeo und zwei solche als Armand in Meyerbeers neu einstudiertem „Kreuz- ritter" umfaßte, ließen noch als Gäste sich hören: der zwischen Tenor und Bariton

') Diese deutsche Standesbezeichnung erscheint hier zum erstenmal auf einem Münchener Theater- zettel, doch wird sie sofort wieder von den Demoiselles verdrängt.

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schwankende Herr Wild aus Wien in den Rollen des Othello, Masaniello, Robert, Don Juan, Zampa und Fra Diavolo, während des Monats Mai; die soeben genannte Faßmann in den bezeichneten Rollen während des Juli; ein Herr Schmezer (unbekannt woher) als Masaniello, Othello und Tamino, im September; Herr Hammermeister aus Berlin einmal als Bois Guilbert, und endlich Dll|:Vial aus Venedig (ohne Zweifel identisch mit dem im Jahre 1832 abgegangenen früheren Mitglied) einmal als Rosine, beide im Dezember.

Als Kuriosum in diesem Jahrgang ist zu verzeichnen, daß im Monat Mai gar keine Oper gegeben wurde. Dies hatte seinen Grund wahrscheinlich darin, daß die Mitglieder durch die acht Gastdarstellungen Wilds im April mehr als ge- wöhnlich angestrengt waren und das hiebei etwas vernachlässigte Schau- und Lust- spiel nun auch zu seinem Rechte gelangen wollte.

An Novitäten kamen in diesem Jahre nur zwei, und diese etwas spät, zustande: „Die Hermannsschlacht", Oper in vier Akten von C. Weichselbaumer, Musik von Chelard, am 12. September, und Bellinis edle, von ergreifenden Melodien über- fließende und nach dieser Seite unsterbliche „Norma" erst am 6. November.

Der Erfolg der „Hermannsschlacht" schien sich anfänglich dem des „Macbeth" an die Seite zu stellen, denn die Oper konnte in der kurzen Zeit bis zum Jahres- schluß viermal wiederholt werden, doch verschwand sie schon im nächsten Jahre vom Repertoire. Schuld daran kann folgende Besetzung nicht gewesen sein: Her- mann .... Pellegrini, Segest .... Staudacher, Thusnelda.... von Hasselt,

Oberpriester Lenz, Varus Gerstel, Unterbefehlshaber .... Bayer,

Valerius .... Schimon, Cäcinna .... Fries. Von diesem Werke Chelards, welches sein bestes genannt wird, vermochte ich außer einem neugedruckten vierhändigen Klavierauszug der Ouvertüre nichts mehr aufzutreiben. Diese Ouvertüre erinnere ich mich, in einem Abonnementkonzert der Musikalischen Akademie etwa Mitte der fünfziger Jahre gehört zu haben. Sie war ein Effektstück dieser Korporation, dürfte aber, wie es mir jetzt erscheint, zu den bedeutenderen Nummern der Oper nicht gezählt haben. Schon im April kündigt ihr baldiges Erscheinen der Münchner Korrespondent der „A. M. Z." also an:

„Einer unserer geachtetsten Dichter, der Geheime Sekretär Weichselbaumer, hat für den Kapell- meister Chelard ein sehr gelungenes Opernbuch, die Hermannsschlacht, geschrieben und dieser es mit großer Liebe und jener vernünftigen Muße in Musik gesetzt, welche die Komposition eines großen Werkes nun einmal durchaus erheischt. Kenner, welche Buch und Partitur gesehen, rühmen beide sehr und stellen dies Werk an innerem Gehalte und Wirkungsfähigkeit dem trefflichen Macbeth des nämlichen Meisters gleich. Ich freue mich auf die nahe bevorstehende Darstellung und ver- spreche Ihnen einen gewiß ebenso unparteiischen als umfassenden Bericht über dieselbe."

Aber die Darstellung ließ fünf Monate, der Bericht fast zwei Jahre auf sich warten, indem der Verfasser in einem allgemeinen Münchner Brief vom Ende Januar 1837 vier nicht umfassende, sondern kursorische Berichte über diese „Hermannsschlacht" und die inzwischen gegebenen Opern „Norma", „Maskenball" und jjessonda" zusammenfaßt. Hören wir zunächst, als hierher gehörig, den Bericht über die erstgenannte Oper. Er lautet:

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„Die ,Hermannsschlacht', große Oper in vier Aufzügen, gedichtet von E. Weichselbaumer, kom- poniert vom königlich bayerischen Hofkapellmeister Chelard, ist noch weit herrlicher als sein Macbeth. Leider wurde sie schon seit einem vollen Jahre nicht mehr aufgeführt, und unbegreiflicher- weise ist sie damals in keinem Blatte gebührend besprochen worden;^) gerade aber dieses Werk, wohl das größte und genialste, welches die neueste Zeit hervorgebracht hat (!), erheischte vor allem die aufmerksamste Beachtung, und dessen weitere Verbreitung wäre besonders bei dem jetzigen Stand der dramatischen Oper von höchstem Interesse. Die Kräfte unseres Personals reichten leider nicht hin, um die Hermannsschlacht vollkommen würdig geben zu können. Dennoch waren die vier Vorstellungen derselben ungemein zahlreich besucht, und der Komponist, welcher sein Werk immer selbst dirigierte, wurde bei jeder derselben enthusiastisch auf die Bühne gerufen. Es ist der dringendste Wunsch aller hiesigen Freunde wahrhaft großartiger, gediegener Musik, daß diese Oper baldmöglichst wieder zur Aufführung komme, und wird dieser Wunsch erfüllt, so werde ich nicht säumen, einen ausführlichen Bericht darüber zu erstatten,"

Aber zur Erfüllung dieses zweiten Versprechens kam es nicht, denn man ließ die Oper fallen. Es war, wenn die Berichterstattung der „A.M.Z." einigermaßen der Wahrheit entspricht, ein Verbrechen an dem zweifellos hochachtbaren Werk, wie solche, mit oder ohne Absicht, an der Münchner Hofbühne wohl nicht ver- einzelt geblieben sind.

Die „Norma", große Oper in zwei Aufzügen, von Felix Romani, Musik von

Vincenzo Bellini, war bei der Premiere folgendermaßen besetzt: Sever Bayer,

Orovist Pellegrini, Norma von Hasselt, Adalgisa Spitzeder,

Clotilde Hölken, Flavius Schmid. Auf dem Zettel ist was bisher

noch nie da war die Regie mit den Worten: „inszeniert von Herrn Stau- dacher" angezeigt. Was aber die Regieführung unter Herrn von Küstner an- belangt, so weiß man nach einer diesbezüglichen Bemerkung desselben nicht, welcher Grund von Selbständigkeit dem Regisseur zukam. Er schreibt: „Ich hatte in München bei allen größeren Werken, sei es des rezitierenden Schauspieles, sei es der Oper, einen unmittelbaren Anteil an der Darstellung der Stücke. Er bestand in der Einrichtung des Manuskripts für die Darstellung, in der Anordnung der Dekorationen, Kostüme usw., in der mise en scene und endlich der Be- setzung, welche Einsicht, Erfahrung und das Durchdringen des vorliegenden Stoffes wie der Kräfte des Darstellers erfordert, und von der wesentlich der Erfolg des Stückes abhängt." Demnach wäre dem Regisseur fast nur die praktische Ausführung der „mise en scene" nach Angabe des Intendanten und der laufende Dienst bei den Wiederholungen geblieben. Obwohl die Oper in diesem Jahre nur einmal wiederholt werden konnte, so setzte sie sich im folgenden mit sieben Vor- stellungen desto fester ins Repertoire. In jenem Münchner Brief der „A. M. Z." heißt es kurz: „Es geht hier mit dieser Oper wie an anderen Orten in Deutsch- land. Man läßt sich von ihr unterhalten und hört sie gerne und oft. DB. von Hasselt singt die Titelrolle. Diese paßt nun freilich nicht durchgehends für sie, indes nimmt man es hier bei einer beliebten Sängerin nicht so genau und applaudiert auch ihre Schwächen. Die übrigen Partien sind gut besetzt und die Oper hält sich."

^) Hiezu ist zu erwähnen, daß die von Dr. Birch redigierte „Flora" mit Schluß des Jahres 1832 zu existieren aufhörte.

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Wie leicht tut sich doch, könnte man hier ausrufen, so ein Rezensent in der Beurteilung eines Werkes, das ein Meister mit seinem Herzblut geschrieben hat! Wohl reißt ja öfters mitunter gerade an der unrechten Stelle der modische Sing- sang (ohne den auch dieses Werk mit hundert anderen nie gesungen worden wäre!) den Hörer aus der Stimmung, aber diese ist die Stimmung der Überwältigung durch tiefgehende, echte Tragik. Außerdem ist die Oper ausgezeichnet durch ihre außerordentliche Kantabilität; sie bietet der Sängerwelt vier Musterrollen, in denen diese fortan debütierte und gastierte. Jede Primadonna mußte von nun an die Norma, jeder Tenor den Sever, jeder wirkliche Bassist den Orovist im Repertoire haben, und eine reizendere und zugleich entscheidendere Rolle für Debütantinnen im lyrischen Fach hat es nie gegeben, als die Adalgisa.

Die Neueinstudierung des Meyerbeerschen „Kreuzritter" in diesem Jahre erwies sich als etwas verspätet. Im Strahlenlichte des Effektes, mit welchem der nagelneue „Robert" aller Augen blendete, mußte die frühere Tüchtigkeit und Solidität des gemeinsamen Schöpfers notwendig verblaßt und nüchtern erscheinen.

In einer Aufführung von Paers „Der lustige Schuster" am 22. März macht sich Xaver Pentenrieder, ein nachmaliges Original von Alt-München, zum erstenmal als Komponist mit drei Einlagen bekannt. Auf dem Zettel steht: Das Lied der Rosina im ersten Akt, das Quodlibet derselben im zweiten Akt und die Tenorarie sind von der Komposition des Herrn Pentenrieder. Wir werden von diesem ohne Zweifel talentvollen Musiker, aber etwas sonderbaren Kauz noch öfters hören.

Von großer Wichtigkeit für die Geschicke der Oper ist ein Konzert, das dritte Abonnementkonzert der Musikalischen Akademie am 12. April dieses Jahres , in welchem Franz Lachners Symphonie F-dur unter des Komponisten eigener Leitung zur Aufführung kam.^) Die Einladung hiezu war an den damals in Mann- heim als Hofkapellmeister wirkenden und dort sich großer Beliebtheit erfreuenden jungkräftigen Meister von selten des Hofrats von Küstner ergangen. Der Erfolg der Symphonie sowohl, als der vom Komponisten zur Schau getragenen Direktions- kunst war so groß, daß man sich in maßgebenden Kreisen sofort mit dem Ge- danken trug, Lachner als Dirigenten für München zu gewinnen und einstimmig sich über den hohen Wert einer solchen Erwerbung aussprach. Vor allem war es der musikliebende Minister Graf von Seinsheim, welcher die Vorteile dieser Akquisition dem König Ludwig I. nahezulegen wußte. Indes war Lachner in Mann- heim auf Lebenszeit mit Pensionsanspruch angestellt und bedurfte es erst diplo- matischer Verhandlungen, um die Lösung seines dortigen Kontraktes innerhalb Jahresfrist durchzusetzen. Andererseits galt es zugleich, die beiden noch fungierenden Dirigenten Moralt und Stuntz auf geräuschlose Weise zu beseitigen, was, da sie einen eklatanten Anlaß dazu nicht gaben, seine Schwierigkeiten hatte.

Erst in einem Bericht vom 9. November kommt der in solchen Dingen nicht ungewandte Küstner auf den Nachteil jenes Dualismus in der Operndirektion zurück,

P) H. Bihrle, Festschrift, S.24,41fT.]

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welcher dadurch herbeigeführt worden sei, daß man im Jahre 1827 (siehe darüber diesen Jahrgang) die vokale Direlction von der instrumentalen getrennt, erstere dem theoretisch gebildeten Stuntz, letztere dem temperamentvolleren Moralt zuerteilt habe. Dazu komme, daß Moralt jetzt alt und stumpf geworden sei, und Stuntz, seit ihm die Instrumentaldirektion genommen worden, kein Interesse mehr an seiner Funktion habe. Letzterer, „der seine Unfähigkeit bewiesen habe", sei zu pensionieren, Moralt könne für die Opernleitung als Aushilfe beibehalten werden. (Rücksichtsvoll kann dieses Vorgehen gegen einen immerhin hochbegabten Künstler wie Stuntz nicht genannt werden, aber eine zielbewußte Intendanz kann sich auch auf Rücksichten nicht einlassen.) Etwas sonderbar nimmt sich in diesem Bericht die Hinweisung auf andere Persönlichkeiten aus, von denen jede aus einem anderen Grunde außer Betracht stand: Lindpaintner sei zu alt, Chelard habe kein Direktionstalent; Mendelssohn,^) ein gleichfalls zu berücksichtigender Kandidat, sei in mehrerer Hinsicht nicht so ge- eignet wie Lachner, somit letzterer besonders zu empfehlen. Hierauf folgt am selben Tage durch Marginalsignat die königliche Entschließung, Lachner sei mit 3000 Gulden Gehalt, wenn er nicht wohlfeiler zu bekommen wäre, als Kapellmeister zu engagieren. Das Anstellungsdekret vom S.Juni 1836 lautet auf I.Juli desselben Jahres, zu welchem der Verfolg dieser Angelegenheit uns nunmehr geführt hat. 1836 Stellt sich das Jahr 1836 durch das Erscheinen Lachners als eines der wichtigsten in der ganzen Geschichte der Münchner Oper dar, so ist es außerdem merkwürdig durch eine bisher noch nicht erreichte Menge von Gastspielen, vor allem dem der berühmten Schröder-D evrient (sächsische Hofsängerin), welche in neun Vor- stellungen vom 29. Februar bis 21. März dreimal den Romeo in den „Capulets und Montagues", zweimal die Norma, je einmal den Fidelio, die Emmeline, Desdemona und Julia sang und außerdem mit der Sophie Schröder, der Hasselt, mit Bayer und andern in zwei eigenen Konzerten auftrat. Nach ihr gab ein Gast dem andern die Hand, so daß die Vorstellungen, in welchen kein Gast auftrat, zu den Aus- nahmen gehörten; und zwar waren es überwiegend Künstler von großem, manche darunter von europäischem Ruf. Wenn dabei Herr von Küstner seine Rechnung fand, und er scheint sie gefunden zu haben, so hat das noch immer sehr kleine München den Geldbeutel gehörig angestrengt. Zunächst war es Franz Hauser, damals eben als Bariton in Berlin engagiert (identisch mit dem späteren Direktor des „alten" Konservatoriums in München), welcher im Mai als Don Juan, Figaro im „Barbier", Lord im „Fra Diavolo" und Figaro in „Figaros Hochzeit" gastierte, ohne jedoch, wie sich die „A.M.Z." aus München schreiben läßt, zu gefallen. Zu- gleich mit ihm trat der Tenorist Cramolini vom königlich kaiserlichen Hoftheater in Wien als Almaviva im „Barbier" und als Fra Diavolo auf. Eine Gastin zur selben Zeit war Dlli Urban aus Augsburg, als Zerline in „Fra Diavolo" und Susanne im „Figaro". Eine Aufführung der „Zauberflöte" am 24. Mai vereinigte das vier- fache Gastspiel des Wiener Meistersängers Staudigl (Sarastro), des Cramolini

1) Daß dieser große Künstler zu besagtem Zwecke nicht nach München kam, war ein Glück für ihn und München, die nicht zusammengepaßt hätten.

254

(Tamino), der Urban (Pamina) und unseres einheimischen Eduard Sigl, welcher bei dieser Gelegenheit seine spätere Glanzrolle Papageno zum erstenmal sang, im übrigen auch schon zugleich mit Haaser im „Don Juan" als Leporello „gastiert" hatte. Die Anwesenheit der beiden Wiener Gäste zu gleicher Zeit scheint die Inten- danz zu einer „dramatisch-musikalischen Vorstellung" (am 26. Mai) veranlaßt zu haben, welche folgendes Programm hatte:

I. Abteilung: Ouvertüre und fünf Gesangsnummern aus „Entführung aus dem

Serail«. Belmonte Hoppe (!), Pedrillo Cramolini (die Rollen zu tauschen,

war wohl näher gelegen), Osmin Staudigl.

II. Abteilung: Spanischer Tanz von Fanny Scherzer. Arie aus der „Diebischen Elster" Staudigl. Arie aus „Capulets etc." .... Cramolini.

III. Abteilung: Szene aus Weißvogels „Witwenstand" Ferdinand Lang als

Alsdorff. Arie aus „Zampa" Cramolini. Duett aus „Semiramis" Hasselt

und Staudigl. Das Ganze: ein Varietetheater der guten alten Zeit!

Nachdem ferner in einer Vorstellung der „Norma" die Gäste Cramolini, Staudigl und Urban als Sever, Orovist und Adalgisa aufgetreten, gastierte im Juni, wie es scheint mit unterlegtem Kontrakt, Herr Diez vom Hoftheater zu Mannheim zunächst als Ottavio und Robert, wobei er Staudigl als Leporello und Bertram zum Partner hatte, dann als Tamino, Belmonte und George Brown. Ihm folgte im Juli Herr Wurda aus Hannover als Masaniello, Belmonte, Othello, Joseph (zweimal) und Gualtiero im „Seeräuber". Nebenher erstreckte sich das Gastspiel der Urban noch auf die Blonde und die Susanne. Ein vierter Tenor- gast war Herr Rauscher aus Hannover, welcher im September den Nadori in der ersten Wiederholung der „Jessonda", den George Brown, Max und Othello sang; der fünfte: Breiting aus Wien, welcher seine Verehrer mit Darstellung der Rollen Zampa (bekanntlich einer Baritonpartie), George Brown, Fra Diavolo, Masaniello, Robert, Sever und Herzog Oskar (in Aubers „Maskenball") erfreute. Darauf ver- vollständigten im Spätherbst noch der Bassist August Fischer vom Königstädter- theater in Berlin als Figaro (im „Barbier"), Jakob, Teil und Mikeli (zweimal), Dil^ Burghardt aus Bremen als Annchen, Zerline in „Don Juan" und Henriette in „Maurer und Schlosser", sowie nochmal ein Bassist, Herr Schumann aus Bremen, als Kaspar, Leporello und Mikeli die lange Reihe der Gastspiele, welche nach Köpfen gezählt gerade ein Dutzend, nach Vorstellungen (wovon in elfen je zwei Gäste auf- traten) neunundvierzig waren, unter fünfundsechzig Vorstellungen überhaupt!

Im Gegensatz zum Vorjahre, in welchem man sich auf siebenundfünfzig Vor- stellungen beschränkt hatte, ist diese bis jetzt höchste Ziffer besonders beachtens- wert und das Arbeitsresultat um so respektabler, als im Herbste dieses Jahres zum erstenmal ein gar umheimlicher Gast, die Cholera, ihren Einzug in München hielt, ohne freilich, so weit bekannt wurde, ein hervorragendes Mitglied der Oper, wie es beim zweiten Auftreten der Epidemie leider geschah, dahinzuraffen.

Küstner hat sich für seine Wirksamkeit gerade in der Saison 1836/37 folgende Resolution seines Allerhöchsten Herrn erworben: „In der dem Theater so feindseligen

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Zeit bewährt sich recht meines Intendanten Tüchtiglceit; es war eine schwere, treftiich gelöste Aufgabe, in dem von der Cholera heimgesuchten Jahre ohne Ausfall auszukommen."

An Novitäten brachte das Jahr nur zwei: „Der Maskenball", große Oper in fünf Akten von Scribe, übersetzt von Freiherrn von Lichtenstein, Musik von Auber, am 11. April, und „Jessonda", romantische Oper in drei Akten, von F. Gehe, Musik von Louis Spohr, am 6. September. Der Erfolg von beiden Werken war zum mindesten kein bedeutender. Bei Aubers „Maskenball" begreift sich dies etwas leichter, denn die Intensität der Eindrücke, wodurch sich „Die Stumme" beim ersten Erscheinen aller Gemüter bemächtigte, ist hier einer ge- wandten Seichtigkeit gewichen und der Erfindungswert nach rein musikalischer Seite gleicht nicht von fern dem jenes Meisterwerkes; darum wurde Aubers „Maskenball" später auch überall von dem empfindungstieferen und charak- teristischeren „Un ballo in maschera" von Verdi ausgestochen. Besetzt war die Oper durch die Damen Faßmann, von Hasselt und Fuchs, durch die Herren Bayer, Pellegrini, Lenz, Hoppe, Fries, Gerstel und Schimon. Sie ward zweimal im April, dann in diesem Jahre nur noch einmal im Oktober wiederholt, in welch letzterer Vorstellung Breiting als Herzog Oskar gastierte. In seinem schon erwähnten Sammelbericht schreibt der Münchner Korrespondent der„A.M.Z." sehr lakonisch: „Aubers ,Maskenball' fiel trotz der guten Besetzung und der überaus reichen und prächtigen Ausstattung das erstemal (am 11. April 1836) durch und das zweitemal war das Haus fast leer. Während des Oktoberfestes trat Breiting zweimal bei sehr vollem Hause darin auf, doch mögen wohl Fremde die Mehrzahl der Zuhörer gebildet haben. Vor kurzem wurden von der Oper bloß der Maskenzug und die Tänze aufgeführt."

Spohrs „Jessonda" war die erste Oper, deren Premiere in München von dem neuen Hofkapellmeister Franz Lach n er vorbereitet und dirigiert worden ist. Sowohl

dieser Umstand als die Besetzung: Jessonda .... von Hasselt, Amazili Deisen-

rieder, Dandau Pellegrini, Nadori Bayer, Tristan Lenz, bürgen

dafür, daß die Aufführung eine nach allen Seiten vorzügliche war; gleichwohl wurde sie nur einmal, in fünf Tagen darauf und noch am 11. Dezember wieder- holt, um dann nach einer einzigen Aufführung im nächsten Jahre unter Küstners Regime nicht wieder gegeben zu werden. Dies wird jedem Kenner des musikalisch schönen Werkes unbegreiflich scheinen. Man sollte meinen, daß die herrlichen Chöre, der zarte romantische Duft, mit welchen die beiden Frauengestalten um- woben sind, und so viele reizende lyrische Einzelheiten, wie z. B. das Duett zwischen Amazili und Nadori im zweiten Akt, das Publikum (wie ja später geschah) völlig hingerissen und öftere Vorführungen des Werkes dringend gefordert haben müßten, aber mit des Theaters Mächten ist kein fester Bund zu flechten; vielleicht hat doch Küstners Bevorzugung des Effektes gegen die künstlerische Einsicht Lachners, der Spohr sehr hoch achtete, in diesem Fall gesiegt. Im obigen Sammel- bericht der „A.M.Z." ist es mit folgendem abgetan: Spohrs „jessonda" (zum

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Figurinen zu Meyerbeers ,,Anglii<aner und Puritaner'

erstenmal 6. September 1836 gegeben) machte zwar nie ein sehr volles Haus,

erregte aber viel Interesse und Beifall." j

Nach langer Ruhe ward zum Schluß dieses Jahres wieder einmal Cherubinis '

„Graf Armand" hervorgesucht und dreimal gegeben; ob es nur die Gastspiele veranlaßten oder ob Lachners Klassizitätsbestrebungen dabei im Spiele waren, j

muß dahingestellt bleiben.

Im Jahre 1837 wurde also Valentin Röder, seit 1830 Musikdirektor in Augsburg, 1837; im übrigen quieszierter Hofmusiker aus Würzburg, wo er schon Opernaufführungen i

geleitet hatte, zum Musikdirektor an der Hofoper ernannt. Was er in dieser unter- j

geordneten Stellung künstlerisch leisten konnte und durfte, ist kaum nennens- '

wert. Wir werden darauf im Zeitpunkt seiner Erlösung zurückkommen.

Während Eduard Sigl durch sein Gastspiel im Vorjahre (1836) endlich sein lange !

gesuchtes Engagement am 30. April erreicht hatte, handelte es sich gleichzeitig um die 1

Akquisition des Tenoristen Friedr. Diez, der aber in Mannheim fest engagiert und dessen Loslösung von der dortigen Bühne nicht ohne bedeutende Differenzen mit ]

derselben zu erreichen war, auch ohne freundnachbarliche Rücksicht des badischen j

Hofes auf den Wunsch des Königs von Bayern kaum erreicht worden wäre. Am ^

15. März 1837 schloß die Münchner Intendanz mit Diez einen Kontrakt vorläufig auf '

zehn Jahre ab; in ihm wurde eine äußerst solide und ausdauernde, aber auch künst- !

lerisch wertvolle Kraft gewonnen. Franz Lachner hatte die Qualitäten des Sängers '

nicht zuerst in Mannheim, sondern schon früher in Wien kennen gelernt, wo er einer der ersten war, welche durch Vortrag der Schubertschen Lieder zur Propaganda dieses Meisters beitrugen. Diez hatte einen hohen, echt lyrischen Tenor von etwas dunklem Timbre und befleißigte sich eines vorsichtig gedeckten Ansatzes, welcher, wie ich mich noch wohl erinnere, später auffällig mit Härtingers offenem Kernton kontrastierte. Nicht förderlich auf der Bühne war ihm seine kurze, bald etwas rundliche Gestalt; daher sein baldiger Rücktritt bei fast noch voller Stimme. Auf dem Zettel einer „Joseph "-Aufführung vom 19. September, steht ein Herr Stolte als neuangestelltes Mitglied mit dem Vermerk: „Erste Antrittsrolle". Man scheint diesen Sänger an Stelle des mittlerweile nach Wien abgegangenen Hoppe versuchsweise engagiert, aber damit nicht den rechten Ersatz für diesen gefunden zu haben. Ein zweites höchst glückliches Engagement war das einer einheimischen Kunstnovize, der DM Sophie Hartmann, der talentvollen Schülerin des Sängers und Komponisten Lenz. Nachdem man die junge Dame am I.Januar als Zobeide (Irmas Gespielin) in „Maurer und Schlosser" ohne weiteren Vermerk auf dem Zettel auftreten lassen, hiemit so recht auf die Bühne geschmuggelt hatte, war ihr offizieller erster Versuch die Rolle des Benjamin am 23. Januar, wonach ihr En- gagement am 1. April erfolgte. Ein Zufall wollte es, daß dasselbe nur um 15 Tage mit dem ihres nachmaligen Gatten, des Tenoristen Friedr. Diez, differierte, welcher sich aber zur Zeit noch in den Banden erster Ehe befand. Sophie Hartmann erfüllte gar bald die stolzen Hoffnungen, welche man auf sie gesetzt hatte, indem man in ihr eine tüchtige Vertreterin des Soubrettenfaches, einen Ersatz der im

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Vorjahre abgegangenen Betty Spitzeder suchte. Gleich im Anfange ihres Wirkens, noch bevor sie ihren Kontrakt erhielt, war sie auch vom Glück begünstigt, indem ihr eine Unpäßlichkeit der Deisenrieder Gelegenheit gab, das Ännchen im „Frei- schütz" „in kürzester Zeit zu übernehmen", eine ihrer späteren Glanzrollen. Sie setzte sich nun schnell in der Gunst des Publikums fest, dessen Liebling sie als nachmalige Frau Diez bis Mitte der siebziger Jahre blieb. Ein kurzes Engagement war das von Fräulein Karoline Stetter (hoher Sopran), von Anfang Mai bis Ende August; an ihre Stelle trat am 1. Oktober Fräulein Eleonore Urban, welcher jedoch eine größere Bedeutung nicht zukam. Ein sehr verdienstvolles und beliebtes Mit- glied verlor die Bühne an Frau Auguste Hölken, welche am 4. Dezember nach längerer Krankheit der Tod dahinraffte; sie war am 22. Dezember 1836 als Mad. Bertrand in „Maurer und Schlosser" zum letztenmal aufgetreten.

Auch dieser Jahrgang ist mit Gastspielen reich gesegnet. Das erste derselben war für die Bühne von großem Gewinn, denn es führte zum Engagement einer Künstlerin, welche wieder viele Jahre zu ihren Zierden gehörte. Therese Mink, genannt die „ungarische Nachtigall", war es, welche im April als Norma, Agathe, Donna Anna, Julia und Desdemona die Herzen der Münchner eroberte. Da dieses Gastspiel ausgesprochenermaßen auf ein Engagement abzielte und dieses von der Intendanz sicher schon eingeleitet war, handelt es sich bei dem nächsten, welches eine Mad. Pirscher in fünf vorwiegend deklamatorischen Rollen absolvierte, nur um Ausfüllung dieses von der Hasselt nur teilweise vertretenen Faches. Sie trat auf als Leonore im „Fidelio", als Donna Anna, Rebekka in „Templer und Jüdin", Norma, Alice und zweimal als Iphigenie (auf Tauris). Nun kam ein Hochbariton, Herr Richter aus Leipzig, welcher den Figaro im „Barbier", den Zampa und den Bois Guilbert, und ein Bassist Reichel aus Karlsruhe, welcher den Sarastro, Figaro, Teil und Bertram sang (was letzteres wahrscheinlich mit dem kontrakt- mäßigen Sommerurlaub Pellegrinis zusammenhing). Im Oktober absolvierte Dlii Caroline Schechner, jetzt aus Breslau kommend, ein Gastspiel von nur zwei Rollen: Agathe und Romeo; dann beschloß DHi Agnes Schebest im Dezember den Reigen als Alice, Leonore, Emmeline, Norma und Zerline im „Fra Diavolo" (diesem Repertoire nach wieder eine sehr vielseitige Künstlerin). Die Fortsetzung dieses sehr langen und, wie es scheint, von der Intendanz sehr protegierten Gast- spieles siehe im nächsten Jahrgang. Auf dem Zettel der „Zauberflöte" vom 4. August ist mir aufgefallen, daß als zweite Dame DE Hetznecker, die später sehr beliebte, vornehme Künstlerin wieder ohne weiteren Vermerk (was damals so im Gebrauch gewesen sein muß) verzeichnet ist. Ihr Engagement erfolgte erst im Jahre 1839 (und war auch da noch nicht definitiv).

Im Laufe des Jahres hat sich DE Deisenrieder in den Ehestand begeben; sie erscheint auf dem Zettel des „Zampa" in der Rolle der Camilla zum erstenmal als Mad. Schön-Deisenrieder.

An Novitäten brachte das Jahr drei. Die erste war „Die Unbekannte" (italienisch „Straniera") romantische Oper in zwei Akten nach Romani, Musik von Bellini,

258

mit folgender Besetzung: Alaide (Die Unbekannte) v. Hasselt, Hugo Sigl,

Isoletta Deisenrieder, Arthur Bayer, Witwe Waldburg.... Pellegrini,

Comthur....Lenz, Kastellan.... Schm id. Auf dem Zettel der Premiere (20.Januar) und der Wiederholungen ist ein Überblick des etwas wirren und gräßlichen Sujets gedruckt. Die Musik scheint viel Schönes enthalten zu haben, denn wie die Oper schon im ersten Jahre trotz der vielen Gastspiele drei Wiederholungen erlebte, er- reichte sie dieselbe Zahl auch im nächstfolgenden, und vielleicht ist sie im Jahre 1840, wo sie noch einmal gegeben wurde, nur der neuen, viel populäreren „Nachtwandlerin" desselben Meisters erlegen. „A.M.Z.": Bellinis „Straniera" wird gut gegeben, gefällt auch, aber weniger als „Norma". Die zweite Novität, welche erst am 26. September herauskam, war „Das Nachtlager von Granada", romantische Oper in zwei Akten, nach Friedrich von Kinds Schauspiel, bearbeitet von Braun, Musik von Konradin Kreutzer. Die erste Besetzung dieses allerliebsten Werkes voll reizender Melodien, welches darum auch heute noch sein Publikum hat, mag mit das ihrige zum ent- schiedenen Erfolge, den es errang, beigetragen haben: Gabriele Hasselt,

Gomez Bayer, Jäger Pellegrini, die drei Hirten Fries, Sigl und

Lenz, Otto Schmid. In den noch übrigen drei Monaten dieses Jahres, von denen

aber der letzte noch vom Gastspiel der Schebest in Beschlag genommen war, vier Wiederholungen! Der „Blitz", Oper in drei Akten nach dem Französischen der St. Georges und Renard von Friederike Elmenreich, Musik von Halevy, scheint dagegen in später Jahreszeit, am 24. November, nicht eingeschlagen zu haben. Die etwas kuriose Idee, die ganze Handlung und Musik einer dreiaktigen Oper auf vier Personen, zwei Soprane und zwei Tenöre ohne Chor und auch nur einen einzigen Baßklang zu stellen, scheint, obwohl die Musik sehr hübsche Nummern und pikante Einzelheiten enthält, nicht viel Anklang gefunden zu haben. Die Träger der also exponierten Rollen waren die Damen von Hasselt und Urban, die Herren Diez und Bayer. Der Blitz zündete auch bei der ersten Wiederholung nicht und ward auf Dezennien nicht mehr gesehen.

Ein besonderes und erhebendes Ereignis war die am 15. August veranstaltete Mozart-Gedächtnisfeier zum Vorteile des Mozartdenkmals in Salzburg. Sie begann mit dem ersten Akt des „Don Juan", dann folgte ein Gedicht mit lebenden Bildern, aus Idomeneo, Entführung, Weibertreue, Figaro, Don Juan, Zauberflöte und Titus mit Schlußchor aus Idomeneo von Heinrich Sieglitz, gesprochen von Herrn Hofschauspieler Friedrich Dahn. Der mit besonderer Be- friedigung gegebenen ausführlichen Beschreibung Küstners, welcher das ganze, allerdings sehr weihevolle Gedicht reproduziert,^ entnehme ich die Folge der von diesem erläuterten Bilder.

Introduktion. Die Ouvertüre aus „Idomeneo" beginnt. Mit ihren letzten Tönen tritt der Sprecher auf zu einer schwungvollen, sprachlich nur etwas gar zu schwulstigen Apotheose von Mozarts Genius. Hierauf das erste Bild aus „Belmonte und Constanze": Belmonte und Constanze nebst Blondchen und Pedrillo auf der

') Leider ward der talentvolle Dichter, wie Küstner klagend berichtet, in Venedig ein Opfer der Cholera.

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Flucht ergriffen, bei Nacht und Fackelschein. Die türkische Wache, Osmin an der Spitze, will die Liebenden gewaltsam trennen und zum Tode führen. Nach den Worten: „Denn treue Lieb' allein, Kann Schmerz und Qualen freudig über- winden. Und in der Marter selbst ein Ende finden" fällt die Musik hinter der Szene ein in das Duett: „Mit der Geliebten sterben etc. etc." Nach der Strophe, in welcher der Dichter auf „Cosi fan tutte" übergeht, ertönt ein Terzett aus dieser Oper. Von den nächsten Versen hervorgerufen, zeigt das zweite Bild, aus „Figaros Hochzeit", den Pagen auf dem Lehnstuhl, vom Grafen, der den Vorhang wegzieht, entdeckt; Susanne in Verwirrung, Basilio in hämischer Freude. Hinter der Szene die Romanze: „Ihr, die ihr Triebe des Herzens kennt." Bei der Verdammung des Frevlers Juan tritt die Musik ein zu den Worten des Comthur: „Verwegner, gönne Ruhe dem Entschlafenen!" und nach den Schlußworten dieses ernsten Ab- satzes zeigt das dritte Bild aus „Don Juan" den Comthur als Geist, Don Juan an der Hand ergreifend, Leporello in furchtsamer Stellung, im Hintergrunde lauernde Dämonen. Hierzu der Furienchor. Zum nächsten Schlußwort: „Durch Fahr und Müh' zur heitern Morgenröte Führt sicher sie des Meisters Zauberflöte!" sieht man als viertes Bild aus der „Zauberflöte" Tamino mit der Flöte und Pamina zwischen Felsen, aus denen die Glut des Feuers strahlt, und einem Wasserfall hindurchschreiten; über ihnen schweben drei Genien. Im Hintergrunde der Tempel der Vollendung mit Sarastro. Musik zur Feuer- und Wasserprobe nebst dem darauffolgenden Chor. Nachdem noch das fünfte Bild aus „Titus" den Welt- beherrscher gezeigt, wie er dem Sextus die Fesseln abnehmen läßt, wozu der Chor: „Daß der Herrscher aller Welten" ertönt, gedenkt der Dichter des Requiems und es fällt, indem der Sprecher sich zurückzieht, der Gesang mit voller Instrumental- begleitung ein zum Chor: „Requiem aeternam dona eis. Domine!"

„Zu der Vorstellung der Gedächtnisfeier," schreibt Küstner weiter, „wurde die Witwe Mozarts, die damalige, jetzt verstorbene Etatsrätin von Nissen, von mir im Auftrage des Königs Ludwig eingeladen, welchem enthusiastischen Verehrer Mozarts das ihm gesetzte Denkmal in Salzburg sein Dasein verdankt, sowie er das Höchste und Schönste, was die Architektur, Plastik und Malerei in der Neuzeit geschaffen, ins Leben gerufen hat. Die Witwe Mozarts wurde feierlich von mir eingeführt und vom Publikum empfangen. Die Vorstellung dieser Apotheose, durch den warmen Vortrag des Schauspielers Dahn gehoben, machte auf das, man kann sagen, andächtige Publikum einen rührenden, erschütternden Eindruck. Die Ein- nahme lieferte einen Beitrag von 600 fl. für das Denkmal."

Vielleicht auf die Wirkung dieser Mozartfeier in weiteren Kreisen rechnend, hatte man „Cosi fan tutte" in der Bearbeitung von Bretzner, aber unter Belassung des Herklotschen Titels „Die verfängliche Wette oder die Weibertreue" neu ein- studiert, und ging die Oper nur fünf Tage später, am 20. August, mit folgender

Besetzung in Szene: „Charlotte von Hasselt, Julia Fuchs, Nannette

Stetter, Fernando Diez,Wilhelm Lenz, Alfonso Sigl". Aber die Hoff- nung, das musikalisch entzückende Werk zu halten, scheiterte wieder am Text, den

260

man „albern" fand, und wieder war es mit zwei Wiederholungen für dieses Jahr !

abgetan. Auf eine Aufführung im Dezember 1838, in welcher die zweite Schwester i

von der Hart mann, die Nanetta (Despina) von der Urban gesungen wurde, folgte ]

nur noch eine im Januar des nächsten Jahres; man sieht aber aus den wieder- ; holten Versuchen den guten Willen der Opernleitung, das Werk zu halten.

Zum Vorteile des Pensionsvereines fand am 18. November mit aufgehobenem

Abonnement eine Mischvorstellung statt, welche folgendes kuriose Programm hatte: i

„Die Entführung aus dem Serail", 1. Akt; Grotesk-Finale aus einem Ballett von j

J.Schneider mit Musik von Stuntz; „Macbeth" von Chelard, I.Akt. Mit Ein- j

Schluß dieses Pasticcio und der Mozart-Gedenkfeier beliefen sich die sämtlichen i Opernvorstellungen des Jahres auf fünfundsiebzig.

Die wichtigste Personalveränderung des Jahres 1838 war das mit I.April begin- 1838 nende Engagement der Mink, deren Auftreten als Desdemona auf dem Zettel des „Othello" am 22. dieses Monats als „erste Antrittsrolle des neu angestellten Mit- gliedes" besonders hervorgehoben ist.^) Über das Verhältnis der Künstlerin zu \ ihrer Kollegin Hasselt spricht sich Küstner folgendermaßen aus: „Ihre Stellung j zur Hasselt war eine höchst passende; für die Rollen geeignet, die früher die Schechner gegeben, sang sie die der Valentine in den , Hugenotten', der Alice in ' , Robert', der Gräfin in , Figaros Hochzeit', sowie der Iphigenie und Alceste in den i Gluckschen Opern." Hatte man somit in diesem Engagement einen Haupttreffer j gezogen, so war es dagegen auch nicht gleichgültig, daß die überallhin verwendbare Schön-Deisenrieder gegen Ende Mai von der Bühne abging, an welcher sie diesen Namen nur kurze Zeit getragen hatte. Noch im November des Vorjahres : hatte man ihr die Camilla in „Zampa" und sogar die „Norma" anvertraut. Sie \ gehört nicht zu den berühmtesten und vorzüglichsten, wohl aber zu den verdienst- j und wertvollsten Sängerinnen der Münchener Oper. Auch der Tenorist Stolte ging j um die gleiche Zeit von München ab, und Hoppe trat, von seinem Wiener Aus- ; fluge zurückkehrend, wieder für ihn ein. Einen schmerzlichen Verlust erlitt aber ] die Bühne durch den Tod Jos. Staudachers, welcher laut Todesanzeige vom ! 13. Juni an diesem Tage im Alter von 45 V2 Jahren „schnell und unerwartet" ge- | sterben ist, nachdem er noch am 27. Mai zum letztenmal als Regisseur (in der j von ihm inszenierten Oper „Die Anglikaner und die Puritaner", welche zum ersten- j mal am 10. Mai gegeben wurde) auf dem Zettel gestanden war. Zum Glück ward j der Mann, welcher ihn in der Regieführung ersetzen konnte, in der Person des { ausgezeichneten Leopold Lenz gefunden.

Nachdem DHl= Agnes Schebest die von ihrem im Dezember des Vorjahres be- gonnenen Gastspiel noch restierenden Rollen: Romeo, Alice und zweimal Armand : von Orville im abermals neu einstudierten „Kreuzritter in Ägypten" absolviert hatte, i gab DH^ Vial, welcher München nicht aus dem Sinn zu kommen schien, einmal die j Norma; dann ruhten die Gastspiele bis zum Juli, wo ein Baritonist Biberhover 1 aus Frankfurt gleichzeitig mit der berühmten Lutzer, k.k. Kammersängerin aus

^) Erst von hier an wird dieser Gebrauch bei neu eintretenden Mitgliedern fortgesetzt. 1

261 !

Wien, gastierte. Ersterer sang den Simeon in „Joseph", den Jäger im „Nachtlager" und den Rudolf in der „Nachtwandlerin"; letztere die Norma und Gabriele, je zweimal die Amine und Madelaine, zuletzt die Susanne, also hochdramatische, lyrische und Soubretten-Rollen durcheinander, und gefiel in allen außerordentlich. Die Künstlerin hatte wohl damals keine Ahnung, daß sie 13 Jahre später an der Seite ihres Gatten Fr. von Dingelstedt in der Intendanzloge sitzen werde. Nach dieser glänzenden Erscheinung hatte das Auftreten einer Dlll=Jos. Mutsch lechner als Zerline im „Don Juan" und „Fra Diavolo" wohl keine große Bedeutung.

Im September trat das vor zwei Jahren nach kurzem Engagement von München abgegangene Fräulein von Faßmann, jetzt königlich preußische Hofsängerin, als Iphigenie (auf Tauris) und als Donna Anna auf. Dann gastierte noch ein Tenorist Waldheim (ungenannt woher) im November und Dezember als Othello (zweimal), Fra Diavolo und Zampa.

Novitäten gab es nur zwei, die aber in künstlerischer und materieller Hinsicht ein ganzes Dutzend überwogen: Ad. Adams „Der Postillon von Lonjumeau", Text nach dem Französischen des Leuven und Brunswik von Friedrich, und Meyerbeers zweite Hauptoper „Die Hugenotten". Die Premiere der erstgenannten, feinkomischen Oper, welche sich an Lieblichkeit und Erfindungsfrische den besten Erzeugnissen gleichen Genres von Boieldieu und Auber an die Seite stellt, fand am 16. März mit folgender Besetzung statt: Chapelou Bayer, Bijou Sigl (noch im vor- geschrittenen Alter eine seiner besten Rollen), Marquis de Corcy Staudacher,

Madelaine Hasselt, Rose Hartmann, zweiter Chorführer Fries. Die

Oper war die vorletzte von Staudacher inszenierte Novität; für ihren glänzenden Erfolg sprechen die sieben Wiederholungen in diesem Jahrgang, trotz des übrigen herrlichen Repertoires, für ihren Kunstwert ihre noch nicht verringerte Geltung in der Gegenwart. Eine schwere Geburt war die der „Hugenotten" unter dem Titel „Die Anglikaner und die Puritaner", worüber Küstner Seite 112 und 113 des genannten Buches sich also vernehmen läßt:

„Viele der größeren Theater Deutschlands brachten diese Oper später, so zum Beispiel das Ber- liner im Jahre 1842. Die Darstellung der blutigen Bartholomäusnacht in der altkatholischen Residenz fand nicht zu beseitigende Hindernisse, und doch konnte diese Oper nicht dem Repertoire fehlen! Ich fand nach mannigfacher Überlegung folgenden Ausweg, der auch genehmigt wurde« (selbstver- ständlich vom König selbst. Anmerkung des Verfassers). „Ein Religionsstreit, wie es der der Katho- liken und Hugenotten in besagter Oper ist, mußte beibehalten werden; einen politischen Streit an die Stelle zu setzen, wie man es in Wien tat, wo man den Kampf der Ghibellinen und Guelphen wählte, war gegen den Charakter der Musik, in der der Choral „Ein feste Burg ist unser Gott" anf einen religiösen Konflikt deutet.^) In der englischen Geschichte bietet sich ein äußerst blutiger Religionskampf unter Karl I. dar, der der Anglikaner und Puritaner. Ein Blutbad kommt darin vor, das man gleichfalls die Bartholomäusnacht nannte. Es konnte demnach kein besseres Surrogat, welches freilich immer Surrogat bleibt, gewählt werden als dies. Die Handlung wurde von Paris

') „A.M.Z." Februar 1839. „Welche Metamorphosen müssen sich die armen Hugenotten gefallen lassen! In München hat man sie und ihre Gegner in Anglikaner und Puritaner verwandelt. In Wien lauft man sie jetzt in Ghibellinen und Guelfen um. Die Bühnendirektoren müssen jetzt Geschichte studieren, um dergleichen Parallelen zu finden."

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nach London in die Zeit der Regierung Karls I. verlegt, an die Stelle der Margaretha von Valois trat Henriette von England, die Tochter Heinrichs IV. und Gemahlin Karls I. Die Anglikaner traten an die Stelle der Katholiken, die Puritaner, deren Charakter und Farbe sehr denen der Hugenotten glich, an die der letzteren; der V. Akt schloß mit dem Brande von London, einer effektvollen und wenig verbrauchten Aufgabe für den Maler; die Veränderung im Text war derart, daß Gäste wie Tichatscheck und andere, ohne Störung in der Münchener Bearbeitung auftreten konnten".

Dabei verschweigt Küstner etwas komisch, daß diese Bearbeitung von der Frau Birch-Pfeiffer besorgt wurde, und wie sie dazu kam, ob auf eigenen Antrieb oder auf Einladung der Münchner Intendanz. Den vollständigen Theaterzettel der Premiere findet der Leser unter den Beilagen zu diesem Kapitel als Nr. 3.

Über Aufführung und Erfolg des Werkes schreibt Küstner: „Die , Hugenotten*

fanden in der Besetzung (Mi nk.. ..Valentine, Hasselt Königin, Pellegrini ....

Mareen, Diez Ludlow (Raoul), Hartmann Page), sowie in der Ausstattung

durch Dekorationen von Quaglio und Schnitzler und die Kostüme nach Angabe des rühmlichst bekannten Malers Monten, eine ebenso glänzende und gelungene Darstellung wie , Robert der Teufel', wenn der Erfolg auch nicht derselbe war, ein Fall, der beinahe überall eintrat, wenngleich die Musik der des , Robert' nicht nach- steht, ja von vielem letzteren vorgezogen wird."^ Hiemit ist über das damalige Publikum von „beinahe überall" ein schlimmes Urteil gesprochen; denn die heutige Musikwelt ist doch darüber einig, daß die Musik der „Hugenotten" im ganzen ziemlich hoch über der des „Robert" steht; daß triviale, um nicht zu sagen: gemeine Stellen, welche im „Robert" (neben Schönem und Großartigem) nicht selten vorkommen, in den „Hugenotten" auf ein weit geringeres Maß reduziert sind, daß endlich der Kunstwert des vierten Aktes allein den des „Robert" aufwiegen dürfte, wie denn überhaupt das Erfindungsmaterial dieses grandiosen Aktes in seiner Art ein Unikum der Opernliteratur anderen, nicht schlechten Komponisten für eine ganze fünfaktige Oper ausreichen würde. Übrigens erklärt sich in München, wo man der Musik schon durch Entfernung der textlichen Pointe ins Mark geschnitten, der geschmälerte Erfolg auch noch durch einen anderen Umstand, welchen Küstner verschwiegen haben dürfte, um kein schiefes Licht auf seinen Günstling und Freund Lachner^) kommen zu lassen. Wie mir durch Tradition in Sängerkreisen, denen ich stets nahe stand, bekannt wurde, war gerade Tichatscheck als Gast erstaunt, mehreres Hervorragende, wie z. B gleich die reizende Intrada Raouls gestrichen zu sehen, was dann seinetwegen wieder aufgelassen werden mußte. Indes erlebte das Werk selbst in dieser doppelt beeinträchtigten Darstellung im ersten Jahre schon fünf, im nächsten vier Wiederholungen; im Jahre 1840 dagegen blieb es ganz liegen; seine Propaganda beginnt erst mit der Wiederherstellung des Originaltextes unter dem Titel „Hugenotten" welche das Jahr 1848 brachte.

WieübrigensdieMusikder„Hugenotten" von zeitgenössischen Sachverstand igen beurteilt wurde, geht aus einem geradezu pietätvollen Artikel der „A. M. Z." 1837,

^) Die alte, namentlich für Historiker geltende Satzung, den Menschen vom Künstler zu trennen, kann hier leider nicht als bindend erachtet werden; denn hier liegt der Fall vor, daß die menschliche Schwäche der künstlerischen Pflichterfüllung in den Weg tritt.

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Nr. 11 hervor, welcher betitelt ist: „Über die musikalische Komposition der großen Oper: ,Die Hugenotten* von E. Scribe, mit deutscher Übersetzung von I. F. Castelli, in Musik gesetzt von Giacomo Meyerbeer." Nach einer ziemlich minutiösen Be- schreibung des Ganges der Handlung und der einzelne Musikstücke an der Hand des bei Breitkopf und Härtel eben erschienenen Klavierauszuges, wobei der Ver- fasser die weit erhöhte Wirkung durch die Instrumentation und szenische Aus- führung mit einem sicheren Ahnungsgefühl voraussetzt, will er schließlich „das Talent des dramatischen Dichters in der Wahl zeit- und ordnungsgemäßer Stoffe für seinen Zweck nicht verkennen", erteilt dagegen dem Komponisten das Lob: „Höheren Schwung hat indes der Geistesflug des Tonsetzers genommen, dessen durchdringender Verstand, tiefes Gefühl, feiner Geschmack sich mit Kenntnis der Harmonie, natürlicher Gabe schöner Melodien und reicher szenischer Erfahrung vereinigte, um namentlich für die große Oper zu Paris ein höchst achtungswertes, weit umfassendes Werk aufzustellen, welches den bewährten Ruf des deutschen Meisters noch mehr erhöhen mußte, als seine früheren dramatischen Tondichtungen. Der Klavierauszug bietet den Musikfreunden bis zur künftigen Aufführung er- wünschte Gelegenheit dar, die interessante Komposition kennen zu lernen, und sich damit, behufs des nicht ganz leichten Verständnisses der teilweise ziemlich komplizierten Musik vor der Aufführung bekanntzumachen." Vergleicht man diese äußerst wohlwollende „Anzeige" (wie sie der Verfasser, ein Herr I. P. Schmidt, nennt) mit jenem im Grundzuge vernichtenden Artikel eines Münchners über den „Robert" in derselben „A. M. Z." (siehe Jahrgang 1834, S, 468), so deutet, wenn auch die beiden Autoren nicht dieselben sind, das in beiden Fällen grundverschiedene Verhalten des angesehenen und damals ausgezeichnet redigierten Blattes darauf hin, daß in Kennerkreisen die „Hugenotten" als ein großer Fortschritt gegen den „Robert", sowohl in textlicher als ganz besonders in musikalischer Beziehung angesehen wurden.

Als ein etwas auffallendes Vorkommnis muß es erscheinen, daß, nachdem Lenz unmittelbar nach Staudachers Tode die Regie übernommen, „Die Nachtwandlerin" vom Schauspielregisseur Hölken in Szene gesetzt wurde. Die Anzahl der in diesem Jahre gegebenen Opernvorstellungen ist 76. 1839 Die wichtigste Personalveränderung, welche das Jahr 1839 brachte, war eine äußerst mißliche: Die Hasselt ging in der Blüte ihrer unschätzbaren Kraft von der Münchner Bühne ab, nachdem sie zum letztenmal am 30. April als Norma aufgetreten war. Auch der im September erfolgte Abgang der Leonore Urban mag, da sie eine vielfach verwendbare, verlässige Repertoiresängerin war, unangenehm genug emp- funden worden sein. Sowohl das Wiedereintreten der Antoinette Vial am I.Mai, als das etwas früher erfolgte Engagement der Karoline Hetznecker waren nicht geeignet, diese Verluste zu ersetzen. Letztere trat zuerst äußerst bescheiden (und wieder ohne Vermerk auf dem Zettel) als Berta in „Euryanthe" am 9. Februar, dann in der schon bedeutenden Rolle der Isoletta in der „Unbekannten" von Bellini, zum drittenmal aber mit der Bezeichnung als „erster dramatischer Versuch" (I)

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'-■<\

Sophie Hartmann (Diez)

1837 1878

Henriette Rettich

1842 1854

Friedrich Diez

1837 1849

Dr. Martin Haertinger

1843 1855

-•^ ir.

Franziska Schwarzbach 1854 1864 Eduard Sigl 1832 1879

Magdalena Behrend-Brandt

als Fides in „Der Prophet"

1854 1856 Moritz Grill 1857 1867

als Pamina, und zwar mit glücklichstem Erfolg auf. Doch war ihr Wirken vorläufig nicht von Bestand; man beschäftigte sie dieses Jahr über nur noch mit einigen kleinen Rollen, wie die Barbarina im „Figaro", und schickte sie, obwohl sie, wie die Hartmann, bereits von Leopold Lenz unterrichtet war, am Anfang des nächsten Jahres zu weiterer Ausbildung an das Konservatorium in Mailand, wovon sie erst im September 1841 zurückkehrte. Küstner schreibt darüber, der Wohllaut ihrer Stimme habe die Augen der Intendanz und vieler Kunstfreunde auf sich gezogen, durch deren „gemeinsame Unterstützung" ihre Ausbildung in Mailand bestritten worden sei; das dortige Direktorium habe sie als die erste Schülerin und als eine besondere Zierde des Konservatoriums betrachtet. Die Vial trat im Mai als Amine in der „Nachtwandlerin" und als Rosine auf, wird aber von Küstner, der seinen Künstlern gern Lobreden widmet, gar nicht erwähnt, ein ziemlich sicherer Beweis, daß sie wenigstens die Hasselt nicht ersetzte. Außer ihr ward, weniger in künstlerischem Interesse, als dem ausgezeichneten Schauspieler Jost zu Gefallen, dessen Gattin Theophila Jost als Sängerin von untergeordneten Partien engagiert. Von nicht viel höherer Bedeutung war auch das gleich bei Beginn des Jahres erfolgte Engagement des Baritonisten August Thomas. Auch eine DÜi Berghofer fand nach Zetteln dieses Jahrgangs Verwendung in kleinen Partien, wie die Clotilde (Priesterin) in der „Norma", Zobeide (Gespielin der Irma) in „Maurer und Schlosser" etc.

Unter 83 Vorstellungen, bis jetzt der höchsten Zahl, waren 16 mit je einem Gast, fünf mit zwei Gästen. Als solche traten auf: der Bassist Leser, ungenannt woher, als Bijou im „Postillon", Barbier im „Barbier von Sevilla" und Orovist (in jener Vor- stellung der „Norma", in welcher sich die Hasselt verabschiedete); der berühmte Tenor und spätere Wagner-Interpret J. A. Tichatscheck aus Dresden je zweimal als Masaniello und Cecil Ludlow (Raoul), dann als George Browne, Elvin („Nacht- wandlerin") und Sever; zugleich mit ihm DEJacede aus Frankfurt zweimal als Valentine und einmal als Norma, Donna Anna und Amine. Ihr Gastspiel zielte auf ein Engagement an Stelle der Hasselt (oder auch der Vial oder beider), welches auch im nächsten Jahre zustande kam; ihr folgte DM Kreutzer (höchst wahr- scheinlich eine Tochter Konradin Kreutzers, doch auf dem Zettel wieder nicht genauer bezeichnet) als Gabriele im „Nachtlager" und Adalgisa; Mad. Pirscher, diesmal aus Darmstadt kommend, sang die Rezia, Norma und zweimal die Iphigenia aufTauris; im Dezember gab noch eine DMSchrickel (?) die Donna Anna, zwei- mal die Isabella, dann die Julia in „Capuletti" und die Amine.

Die fünf Novitäten dieses Jahres geben wieder einmal Zeugnis von großer Rührig- keit und Arbeitskraft unter Küstners und Lachners Regime. Am 25. Januar ging Adams „Zum treuen Schäfer", am 12. April Franz Lachners „Alidia", am 30. Mai Donizettis „Liebestrank", am 6. August Adams „Brauer von Preston" in Szene; zwischen dieser Oper und Aubers „Der schwarze Domino" war die längste Pause, sie erschien am 17. Dezember.

„Zum treuen Schäfer", Oper in drei Akten von Scribe und St. Georges, deutsch von Freiherr von Lichtenstein, war mit dem Titel „Le fidele Berger" erst im

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Vorjahre 1838 zum erstenmal zu Paris an der Opera comique gegeben worden. Die MünchenerTradition, alle Pariser, resp. alle in Paris zur Aufführung gelangten Opern sobald als möglich herauszubringen, hatte damals noch keine Einbuße erlitten. Hie- für war auch ein nur zu guter Grund vorhanden: die deutsche Opernproduktion war seit Webers Tode der Hauptsache nach auf Meyerbeer (dessen Stern ja auch in Paris aufging). Marschner und Spohr beschränkt, so lange nicht der brave Lortzing mit seinen Opern bürgerlich-komischen Genres das Repertoire erweiterte. Und gerade der traurige Umstand, daß die deutsche komische Ader seit Dlttersdorf unter- bunden schien, rechtfertigt vollkommen die eifrige Pflege der fein-komischen Opern eines Boieldieu, Auber und Adam an der Münchner und allen damaligen Bühnen Deutschlands. Die in Rede stehende Oper Adams hatte bei der Premiere nach- stehende Besetzung: Isidor Coquerel, Konditor an der Lombardstraße „Zum treuen Schäfer" in Paris.... Herr Bayer; Mad. Bergamotte, seine Nachbarin, eine Parfü-

meuse Mad.Jost; Caroline, ihre Tochter DMl: von Hasselt; der Graf von

Coaslin Herr Lenz; die Gräfin von Coaslin DEUrban; Serrefort, Polizei- gefreiter .... Herr Sigl; Dubois, Kammerdiener .... Fries; Germain, der Gräfin Diener .... Obermaier; Toinon, Ladenmädchen bei Coquerel .... DM Probst (die beiden letzteren dürften dem Schauspiel angehört haben). Als Regisseur ist Lenz bezeichnet. Der Erfolg scheint mäßig gewesen zu sein, denn die Oper erlebte nur drei Wiederholungen. Doch kommt hier in Betracht, daß sie in die erdrückende Konkurrenz einer wahren Blütenlese noch ziemlich neuer französischer, italienischer und deutscher Opern (neben den guten alten) geriet, insbesondere mit dem bereits beliebten „Postillon" und dem allzuschnell folgenden „Brauer von Preston", zwei entschieden bedeutenderen Produkten ihres Schöpfers selbst, zu kämpfen hatte.

Ein Mißgeschick anderer Art drohte der ersten Oper Franz Lachners, „Alidia", indem nach der Premiere das Ausscheiden der Hasselt, welche die Titelrolle noch kreirt hatte, die Aufführungen vorläufig einstellte. Die übrige Besetzung der Oper

war: Almore Diez, Palmire Mink, Morgano Pellegrini, Lisardo....

Lenz, Leviarda Hartmann, Sprecher Fries. Mit der Inszenierung war,

wie von nun an mit der aller Opern auf viele Jahre hinaus, Leopold Lenz betraut; man gab die Erstaufführung mit aufgehobenem Abonnement. Die erste Wiederholung fand erst am 27. Juni statt, nachdem inzwischen die neu eingetretene Via 1 sich einiger- maßen in der Gunst des Publikums festgesetzt und vielleicht eine Probe davon mit der Kreierung der Adine im „Liebestrank", der nächsten Novität, abgelegt hatte. Von da an wurde die Oper in diesem Jahre noch dreimal, also im ganzen fünfmal gegeben; im Jahre 1840 sind nur zwei, im Jahre 1841 nur mehr eine Aufführung zu verzeichnen. Mit der „Catharina Cornaro", der glänzenden Erscheinung des Jahres 1841, scheint sie ihr Schöpfer selbst in dauernde Vergessenheit gedrängt zu haben.

Als dramatisches Erstlingswerk, welches der größte und einflußreichste Dirigent der Münchner Oper für diese geschrieben hat, soll es nach dem Bericht eines Münchner Korrespondenten, der uns in Bezug auf die vier letzten vorausgehenden

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Opern-Novitäten leider im Stich gelassen hat, näher beleuchtet werden. Zunächst erfahren wir in diesem über das Buch, daß das Sujet dem Bulwerschen Roman „Die letzten Tage von Pompeji" entnommen, aber nach Chile verlegt ist und im Jahre 1647 spielt. „Aus dem Isispriester Arbaces ist ein El Morgan© geworden, der von Abkunft ein Morisco, Edelmann und nebenbei ein Schwarzkünstler ist und vom verstorbenen Vater der Palmira letzterer zum Vormund bestimmt wurde. Alidia ist das blinde Blumenmädchen Nydia; der Dichter hat ihr, was wir nicht tadeln können (? damit ist ihr ja das poetische Interesse genommen!), das Augenlicht gelassen. Jone ist Palmira, Tochter des verstorbenen Vizekönigs von Mexiko, Glaukus ist Almore, Neffe des Vizekönigs. Der Bruder der Jone ist Don Lisardo, ein Verwandter Palmirens. Zur Zauberin Leviarda und zum Schenk- wirt Vasco finden sich die Parallelen von selbst." Eingangs des Berichts wendet sich der Verfasser gegen die leichtsinnigen und voreiligen Ausstreuungen über einen halben Erfolg, insbesondere gegen eine Notiz der „A. M. Z." vom Mai 1839 selbst, welche lautet: „in München Alidia, erste Oper von Lachner; geteilter Beifall." Die Musik wird also beurteilt:

„Lachners Komposition ist höchst bedeutsam, man mag sie vom allgemein ästhetischen Stand- punkte aus oder insbesondere in ihrem Verhältnisse zu der Gestaltung betrachten, welche das Opernwesen in der neuesten Zeit angenommen oder erlitten hat. Die schöpferische Kraft seiner Phantasie bewährte der Tonsetzer durch eine üppige Fülle von Melodien, die gleich entfernt von der Gespreiztheit einer gewaltsam erkünstelten Originalität wie vom Ordinären und Trivialen, durchweg die eigentümliche künstlerische Individualität ihres Urhebers widerspiegeln und, wie sie frisch und lebenskräftig dem Herzen entquollen, den geraden Weg zu demselben nicht verfehlen können. Dasselbe gilt auch von der Fortführung der Melodien und deren Verbindung, selbst wenn zwei oder drei verschiedene zu gleicher Zeit erklingen. Gestand hier Lachner den Anforderungen der Zeit und des größeren Publikums soviel zu, als er als Künstler nur immer durfte, so stellte er nicht minder den musikalischen Verstand, welcher Gediegenheit der Arbeit und der Form überhaupt verlangt, in reichem Maße zufrieden und ging auch hierin so weit, als es den Anforderungen des dramatischen Elementes unbeschadet tunlich war Als Meisterwerke dramatischer und musikali- scher Durchführung nennen wir außer der Ouvertüre die drei großen Finales. Einen nicht minder befriedigenden Eindruck machen die (fünf!) Terzetten und drei großen Duetten". Kommt sodann noch ein Lob auf die Rettung der in neuerer Zeit vielfach stiefmütterlich behandelten Form der Arie, auf die charakteristische, lärmfreie Instrumentation, die anmutige, nicht zu lange Ballett- musik etc. „Sämtliche Darstellende leisteten Ausgezeichnetes, und das Orchester führte seine bis- weilen sehr schwierige Aufgabe unter der Leitung des Komponisten auf eine bewunderungswürdige Weise aus. Die vorkommenden Tänze und die beiden neuen Dekorationen fanden allgemeinen Beifall, ebenso die Kostüme. An der übrigen Inszenierung aber gäbe es noch mancherlei zu ver- bessern. Ungeachtet des herrlichsten Wetters und der fast unerträglichen Hitze waren Logen und Parterre wieder sehr voll, und der Beifall nichts weniger als geteilt. Am Schlüsse wurden alle und auch der Komponist rauschend gerufen."*)

„Der Liebestrank", komische Oper in zwei Akten von Donizetti (italienisch: L'elisire d'amore) ist nur eine gekürzte Bearbeitung der bereits von Auber kom- ponierten und 1831 in Paris zum erstenmal aufgeführten Oper „Le Philtre" von Scribe. Nach Angabe der „Allgemeinen Musikzeitung", XXXIV, 568 und A. Ch. Adams

l) Vergl. O. Krön seder. Fr. Lachner. Altbayer. Monatsschrift, Jahrgang IV. 1903. Heft 2 u. 3.]

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(Souvenirs. 11,305) hatte sie Donizetti zum erstenmal 1832 auf dem Theater alla Canobbiana in Mailand mit großem Beifall zur Aufführung gebracht. Ihre erste Aufführung an der Italienischen Oper in Paris ging der Münchner Premiere nur viereinhalb Monate vorher. Hier waren die Rollen folgendermaßen besetzt: Adine....

Vial, Ramoria Diez, Belcore Thomas, Dulcamara Sigl, Gianetta

Hartmann. Vielleicht lag in dieser nicht durchaus vorzüglichen Besetzung, der ein geeigneter Bariton fehlte, die Ursache, warum der Erfolg, der sowohl durch komische Effekte als anmutige Gesangsnummern ausgezeichneten Oper nicht größer war. Nach zwei Wiederholungen in diesem Jahre erlebte sie vorläufig nur je zwei Aufführungen in den Jahren 1840 und 1841, um dann nach einer einzigen im Jahre 1842 auf lange Zeit zurückgelegt zu bleiben.

Einen entschiedenen Erfolg errang dagegen „Der Brauer von Preston", komische Oper in drei Akten, Text von De Leusen und Brunsvick (deutsch von Cornet), Adams zweite Novität in diesem Jahre. Auch diese Oper war nur dreiviertel Jahre vor der Münchner Premiere in Paris (am 1. November 1838) zur erstmaligen Aufführung gekommen. In der Münchner Besetzung ragte besonders Bayer als Brauer Robinson hervor, der diese Rolle zu seinen besten zählen durfte; die übrigen Mitwirkenden waren: Sigl, Fries, Thomas, Hoppe, Lenz und die Hartmann. Die Oper brachte es in diesem Jahre zu sechs Wiederholungen und erhielt sich neben dem „Postillon" lange auf dem Münchner Repertoire, bis sie diesem endlich das Feld allein ließ.

Die fünfte und letzte Novität, „Der schwarze Domino", komische Oper in drei Akten von Scribe (deutsch von Freiherrn von Lichtenstein), Musik von Auber, war nicht die geringste in diesem Jahre; sie gesellte sich zu den Treffern unserer Bühne und erhielt sich auf dieser durch ihre pikante Handlung und teilweise reizende Musik bekanntlich ebenfalls bis in unsere Tage. Personen der Premiere:

Horatio Bayer, Juliano Hoppe, Lord Elfort Lang, Gil Perez

Sigl, Angela Vial, Brigitta .... Hartmann, Claudia Fuchs, Ursula....

Madame Jost, Gertrude M. Pellegrini. Da die Oper erst am 17. Dezember

erschien, konnte wegen eines noch zu absolvierenden Gastspieles keine Wieder- holung mehr zustande kommen; auch während der nächsten Jahrgänge vermochte sie sich in dem überaus reichen Repertoire, welches sich während der Intendanzen Poißl und Küstner angehäuft hatte, nur mühsam durchzudrücken allein die Gegenwart kennt und schätzt den „Schwarzen Domino".

Was der musikalischen Leitung in diesem Jahre zur besonderen Ehre gereicht, ist die Neueinstudierung der „Euryanthe", welche am 9. Februar und 7, März, an diesem Datum mit aufgehobenem Abonnement zum Vorteil des Pensionsvereins, in Szene ging. Leider vermochte dieses pietätvolle Hervorsuchen und die gewiß ebenso pietätvolle Wiedergabe des Werkes zur gewünschten Popularisierung des- selben in München nichts beizutragen; man mußte es wieder liegen lassen. Dabei ist es nicht recht faßlich, wie Küstner und Lachner unmittelbar nach der ersten Wiederaufführung der „Euryanthe" Wenzel Müllers ebenfalls neu einstudiertes

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Singspiel „Die Schwestern von Prag" als süße Erinnerung an die schönen Tage des Isartortheaters zum Besten geben konnten. Auf solche Weise wurde der stets lenkbare Geschmack des Publikums, das damals in der kleinen Stadt immer dasselbe war, eben nicht gelenkt, und es verrät mindestens eine große Schwäche, während man die besseren Elemente zum Edlen heranzuziehen sucht, den schlech- teren als versöhnende Konzession das Gegenteil hinzuwerfen. Im übrigen sind auch „Die Schwestern von Prag" nach zweimaligem Erscheinen wieder verschwunden. Eine interessante Neuerung wurde, ohne Zweifel auf Anregung Lachners, bei der Aufführung des „Don Juan" vorgenommen. Auf dem Zettel dieser Oper vom 24. Oktober heißt es: „Mit Beibehaltung der von Mozart ursprünglich kompo- nierten und bisher weggebliebenen Schlußszene des zweiten Aktes." Der Leser erinnert sich an die begeisterte Kritik, welche C. M. von Weber über den an Stelle dieses Mozartschen Schlusses in München angefügten Furienchor aus Abt Voglers „Castor und Pollux" an Gottfr. Weber schrieb (siehe Jahrgang 1811). Ob dieser Unfug, welchen Weber nur aus überschwenglicher Verehrung für seinen Lehrer Vogler billigen konnte, bis zu Lachners Regiment sich erhalten habe, weiß ich nicht zu sagen. ^) War es aber so, dann wäre Lachners Verdienst, ihn abgestellt zu haben, größer gewesen, wenn er nicht zugleich auf diesen Original- schluß Mozarts zurückgegriffen hätte, welcher die großartig erschütternde Wirkung der Geist-Szene und des Untergangs des „dissoluto punito" tatsächlich abschwächt, den ergriffenen Zuhörer gleichsam mit kalter Douche begießt. Später hat Lachner diesen dramatisch verfehlten und zugleich musikalisch relativ unbedeutenden komischen Epilog wieder ausgelassen,^) um ihn noch später (im Anfang der sechziger Jahre) abermals aufzunehmen.

Im Frühling des Jahres 1840 verlor die Oper fast gleichzeitig zwei nicht un- wichtige Mitglieder, indem gegen Ende April der früher hochverdiente Tenorist Schimon,^) welcher aber nun die Stimme verloren hatte, in Pension ging, und die Vial, welche nunmehr nach verschiedenen Berichten der „Flora" und der „A. M. Z." sich die Achtung der Kenner errungen hatte, am 1. Mai wieder abtrat. An Stelle der letzteren trat Adele Jacede, welche als Antrittsrolle die Isabella

^) 1828 hat derselbe jedenfalls noch bestanden. [Vergl. auch Jahn, Mozart. 3. Aufl. II. S. 452 ff.] ^) Diese Tatsache bestätigend schreibt Küstner über die Affäre: „Bei Gelegenheit der vorerwähnten Opern bemerke ich für Kenner derselben, daß dem Meister zu Ehren im ,Don Juan' die ursprüng- lich komponierte, später aber weggelassene Schlußszene des zweiten Aktes wieder hergestellt wurde. Man überzeugte sich jedoch von neuem, daß sie den Effekt des Schlusses schwächte, und ließ sie später auch wieder weg." *) Indem wir hier von diesem braven Sänger in unserer Geschichte Abschied nehmen, müssen wir nachträglich auch die Verdienste erwähnen, welche er sich als bildender Künstler, und zwar als solcher wieder um die Musik erworben hat: Er ist es, dessen Malkunst die Welt so ziemlich die frühesten, allgemein bekannt gewordenen Porträte Beethovens, Webers und Spohrs zu danken hat. Sein Sohn Adolf Schimon, geb. am 25. Februar 1820 zu Wien, gest. 1887 zu Leipzig, war ein vielseitig begabter Komponist und gesuchter Gesanglehrer. In letzterer Eigenschaft wirkte er bekanntlich viele Jahre an der Münchner Musikschule, wo ich ihn als Kollege in demselben Lehrfache kennen gelernt habe. Der Verf.

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in „Robert der Teufel" gab, dann bald darauf als Konstanze in der „Entführung", als Julia in „Die Capulets und Montagues" und als Königin in „Die Anglikaner und Puritaner" auftrat, demnach dem dramatisch kolorierten Fache angehörte. Zu den be- deutenden Sängerinnen scheint sie nicht zu rechnen zu sein. In Küstners Buch findet sich nur die eine hingeworfene Notiz: „Wie die Hasselt durch die Jacede und Rettich (durch diese viel später!), so wurde die kurz vor meinem Scheiden abgegangene Mink durch die Hetznecker ersetzt." Jener Ersatz für eine Hasselt dürfte jedenfalls kein wirklicher gewesen sein, sonst hätte Küstner mehr darüber zu sagen gewußt.

Ein entschieden großer Gewinn war dagegen die am I.Juli erfolgte Anstellung des ausgezeichneten Bassisten Krause, dessen Erscheinen nach dem Verluste Staudachers ein heiß ersehntes sein mochte. Seine umfangreiche Stimme erlaubte ihm den Don Juan und den Osmin, den Grafen und den Figaro zu singen. Obwohl ihm vorteilhafte Anerbieten von Wien und Berlin gemacht waren, wollte ihn Herr von Küstner nur auf ein Jahr binden und zwar ohne vorhergehendes Gastspiel (um das Honorar zu sparen), und der König genehmigte sogar nur einen Kontrakt auf neun Monate (bis Ende März 1841). Wie weiter mit diesem ausgezeichneten Künstler verfahren wurde, wird bei Gelegenheit seines schon 1844 erfolgten Ab- ganges nachgeholt werden. Für untergeordnete Partien wurde im März dieses Jahres eine Sopranistin DE Deiböck (später wieder Deybeck) engagiert, nachdem sie im Januar erste Versuche als Irma („Maurer") und Fräulein Mitzerl („Schwestern von Prag") gemacht hatte.

Die Gastspiele dieses Jahrganges sind bei neunzig Vorstellungen verschwindend wenige. Außer einem Tenoristen Seh unk, dessen „letzte" Gastrolle alsSever ich nur auf den Zetteln gefunden habe, trat einmal ein Herr Hölzel aus Zürich als Figaro im „Barbier" und eine DM Zerr aus Karlsruhe als Amine und Julia („Capuletti") auf. Ein erster Versuch einer DM Spitzeder als Gabriele (wahrscheinlich die nach- malige berüchtigte Bankgründerin!) scheint zu nichts Weiterem geführt zu haben.

Das Jahr brachte sechs, genau genommen sieben Novitäten: „Guido und Ginevra", große Oper mit Ballett in vier Akten von Scribe, Musik von Halevy (nach des Komponisten Einrichtung für die Münchener Bühne) am 21. Februar; „Die Eintags- königin", komische Oper in drei Akten nach „La reine d'un jour" von St. Georges, bearbeitet von Lichtenstein, Musik von Ad. Adam, am 23. März; Glucks „Alceste" am 8.Juli; Albert Lortzings „Die beiden Schützen", komische Oper in drei Akten, am 11. August; „Die Nacht von Paluzzi", romantische Oper nach einem franzö- sischen Drama von Forst, Musik von Xaver Pentenrieder, am 2. Oktober und „Die Puritaner", Oper in drei Akten nach dem Italienischen von Fr. EUmenreich, Musik von Bellini, am 12. November. Diesen Opernpremieren hinkte noch am 23. Dezember die einaktige Operette „Der Alchimist" von Franz Graf von Pocci nach, in welcher die Damen Jacede und Hartmann, die Herren Bayer, Krause und Sigl mitwirkten. Eine Wiederholung beschloß ihr kurzes Dasein.^)

1) Am 1. Dezember fand eine Aufführung des „Dorfbarbier" von Schenk statt; aber die Mühe der Neueinstudierung, zu der sich Küstner und Lachner aufgerafft hatten, war wieder vergeblich.

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Bezüglich der Erstaufführung von „Guido und Ginevra" irrt sich Küstner um zwei Jahre, indem er sie ins Jahr 1838 zurückversetzt.

„Sie wurde", schreibt er, „mit vollständigem Erfolge aufgeführt; der vierte und fünfte Akt war in einen zusammengezogen und die schaudererregenden, sich auf die Pest von Florenz beziehenden Szenen entfernt. Ich gedenke der Oper besonders deshalb, weil durch sie und „Catharina Cornaro" die neuen in Paris kreierten dioramartigen Dekorationen in München eingeführt wurden. Sie gewähren allerdings besondere Vorzüge in Bezug auf Wahrheit und Schönheit. Die früher eingeführten Kulissen, auf beiden Seiten gleichmäßig aufgestellt, ich möchte sagen, in Reih und Glied aufmarschiert, haben eine symmetrische Monotonie und zerreißen die Zeichnung, sei es eines Saales oder Zimmers' sei es einer Landschaft; sie wurden eingeführt, um das Kommen und Gehen der Schauspieler zu befördern, um die Bühne gehörig zu beleuchten, endlich der vielen in deutschen Stücken vorkommenden Verwandlungen willen, in welcher Hinsicht sie allerdings in so manchen Stücken unentbehrlich sind. Die dioramartige Aufstellung der Dekorationen bei Werken der Architektur wie der Landschaft nähert sich allerdings weit mehr der Natur und Wirklichkeit, und wie diese oder wenigstens ähnlicherweise

gibt sie die darzustellenden Gegenstände wieder.^) Mit diesen dioramartigen Dekorationen sind

die Salons fermes verwandt, welche gleichfalls mit Entfernung der Kulissen, die Zimmer, wie

sie in Wirklichkeit sind, geschlossen wiedergeben Diese Salons fermes wurden nach meiner

Rückkehr von Paris, wohin mich der Dekorationsmaler Quaglio und der Maschinist Schütz begleitet hatten, im Jahre 1839 in München, und, soviel ich glaube, auch in Deutschland zuerst und bald darauf in Berlin im Jahre 1840 eingeführt."

Halevys Werk war folgendermaßen besetzt: Cosmus von Medicis Pelle-

grini, Ginevra Mink,Manfredi Thomas, Guido Diez, Ricciarda

Hartmann, Anführer der Landsknechte Bayer, Ehrendame Madame Jost,

Lorenzo, Intendant Sigl, Bruder Teobaldo Fries. Die Ausstattung muß

nach Küstners Zeugnis großartig gewesen sein und konnte daher auch der große Erfolg der an vielen Schönheiten reichen Oper nicht fehlen. Sie wurde im selben Jahre noch achtmal, im darauffolgenden, wo sie wieder mit anderen wirksamen Novitäten zu kämpfen hatte, fünfmal gegeben und erhielt sich überhaupt bis in die neuere Zeit auf dem Münchener Repertoire.

Adams „Eintagskönigin", in deren Premiere die Herren Diez, Hoppe, Sigl und Fries, die Damen Hartmann, Kellermann^) und Jost mitwirkten, konnte sich als eine der minder bedeutenden Schöpfungen des liebenswürdigen Komponisten

^) Selbstverständlich bezeichnet diese Erfindung der Franzosen einen großen Fortschritt in der Theatertechnik an sich, sie bringt aber zugleich einen damals vielleicht nicht geahnten, keineswegs glücklichen Umschwung im Betriebe der ganzen darstellenden Kunst und noch mehr im Verhalten des Publikums zu derselben, insbesondere im Bereiche der Oper mit sich, welche durch diese Annäherung an „die Natur und Wirklichkeit" immer mehr ihrer Veräußerlichung zutreibt. In dem- selben Maße, als sich das große Publikum mit der Kontrolle dieser „Naturwahrheit" beschäftigte und seine Blicke mit Bewunderung an besonders naturgetreuen Dekorationen hafteten, verlor es allgemach allen freieren Sinn für die inneren Schönheiten der dargebotenen Kunstwerke, und sowohl Autoren als Theaterdirektoren wurden immer mehr gezwungen, den wachsenden Gelüsten nach realistischer Vollkommenheit zu frönen. Eine durchaus zweckmäßige Erfindung waren dagegen die Salons fermes. Sie förderten durch Abschließen des inneren Bühnenraumes die Akustik, was namentlich auf so großen Theatern, wie das Münchner, allen komischen Opern und Operetten mit ihren überwiegend vielen Zimmerdekorationen zugute kam. ^) Eine, wie es scheint, nur temporär für kleine Partien verwendete Sängerin.

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im Repertoire nicht festsetzen. Sie erlebte in diesem Jahre zwei Wiederholungen nahe der Premiere, im nächsten noch eine. Möglich ist, daß zu diesem Schicksal der Vergleich mit desselben Meisters trefflichen Opern „Der Brauer von Preston" und der „Postillon" vieles beitrug.

Das denkwürdigste Kunstereignis war die erste Aufführung von Glucks „Alceste", des zweiten Werkes des Großmeisters bayerischer Nation, mit welchem dieser seine historische Opernreform begründete. Das Werk hat auf sein erstes Erscheinen im Vaterlande des unsterblichen Schöpfers lange genug warten müssen. Sicher auf Befehl des Königs, der die volle Bedeutung des Ereignisses würdigte, wurde dieses festlich durch Beleuchtung des Hauses markiert. Die ganz vorzüg- liche Besetzung der Hauptrollen war: Admet Diez, Alceste Mink, Ober- priester Pellegrini, Herakles Lenz, welch letzterer selbstverständlich

auch die Regie hatte. Küstner schreibt über die Aufführung: „Die Oper Alceste fand in der trefflichen Gesamtdarstellung einen Beifall, der noch den derselben Oper in Berlin überbot, wo die Glucksche Musik die meisten Verehrer hat." Da er unmittelbar fortfährt: „Auch die Norma der Mink war sehr brav," ist anzu- nehmen, daß er beim Erfolg der „Gesamtdarstellung" in erster Linie diese Künstlerin als Vertreterin der Titelrolle im Auge hatte. Nun aber kommt zu dieser erfreu- lichen Post der hinkende Bote—: Feuilleton der„A.M.Z." April 1841: „In München ist Glucks , Alceste* wieder in (sie) auf die Bühne gebracht worden; allein so sehr auch die Kunstfreunde und Kenner darüber erfreut waren, so fand doch die Wieder- holung der Oper am 28. Februar 1841 vor leerem Hause statt. Namentlich zeigte sich eine auffallende Leere in den Logen der vornehmen Welt und auf den Plätzen des bloß wegen der Schaulust das Theater besuchenden Publikums." Mit diesen sind das Parterre und die Galerie (Olymp oder Juchhe), also diejenigen Plätze gemeint, welche heutzutage mehr der Gebildete frequentiert, weil er den Parkettsitz nicht mehr erschwingen kann. Wenn aber damals in jenen Räumen die Frage Hamlets paßte: Was ist ihnen Hekuba? so müßte man doch jetzt mit dem Berichterstatter die Leere in den Logen der Vornehmen „auffallend" finden, wo es eben jetzt in ähnlichen Fällen anders wäre. Außer dem damaligen Publikum Münchens, welches sich zwanzig Tage nach dieser Premiere zum fünfzigsten Jubiläum von „Robert der Teufel" zur Freude des Intendanten drängte, hatte Vater Gluck der Freunde, die ihm huldigten, immerhin genug in seinem (oft entweihten) Hause

versammelt.

Durch „Die beiden Schützen" wurden die Münchener zum erstenmal mit Albert Lortzing, jenem hochwichtigen Meister bekannt, welcher zum Entzücken des deutschen Volkes die seit Dittersdorf und Schenk schlafen gegangene deutsche komische Oper, soweit sie künstlerisch „ernst" zu nehmen, das heißt nicht durch Bänkelsängerei ä la Wenzel Müller erniedrigt war, zu neuem, warm pulsierenden Leben erweckt hat. Indem Lortzing seine Texte selbst verfaßte, war er zwar nicht, wie uns ein tragisch-romantischer Dichterkomponist im Verlaufe dieses Kapitels belehrt hat, der erste, aber ein berufener Vorgänger Richard Wagners auf dem komischen

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er

o

Gebiete. Wie es mit diesem damals in München bestellt war, so wirkten nicht haupt- sächlich Mitglieder ersten Ranges in dieser Novität mit; die Besetzung war: Amt- mann Wall Lenz, Caroline Hartmann, Wilhelm . . . .Thomas, Peter

Lang (der Komiker), Gastwirt Busch Sigl, Suschen .... Kellermann (siehe

oben), Gustav Hoppe, Jungfer Lieblich Fuchs, Dragoner Schwarzbart ....

Fries. Ob dieses Personal zum Teil vielleicht nicht ganz geeignet war, den Humor des fidelen und dab«i doch musikalisch sehr gediegenen Werkchens, das noch heute unterhält und erfreut, wiederzugeben, oder ob es an der nötigen Gewissenhaftigkeit im Einstudieren infolge einer Unterschätzung der Schwierigkeit mangelte, oder ob die Münchener, welche in der komischen Oper nur französische und italienische Kost gewöhnt waren, die neue Erscheinung nicht begriffen: der Erfolg war kaum ein halber, indem die Oper im selben Jahr nur zwei Wiederholungen erlebte, um dann auf lange, lange Zeit ignoriert zu bleiben.

Das Sujet der „Nacht von Paluzzi" dürfte mit dem eines 1826 in Berlin auf- geführten Melodrams „Die Schreckensnacht im Schlosse Paluzzi" identisch sein. Die Premiere dieser Oper, an welcher als Darsteller die Herren Pellegrini, Krause, Bayer, Hoppe, Thomas, Degele, Schmid und Sigl, und die Damen Mink und Hartmann beteiligt waren, brachte dem Komponisten einen jener frühen Triumphe, welche für den Anfänger selbstverständlich sehr erfreulich und ermun- ternd sind, aber auch leicht die Ursache späterer Enttäuschungen sein können. Pentenrieder hat es an sich erfahren. Die „A. M. Z.* bringt im Oktober 1840 die Notiz: „In München wurde am 2. Oktober zum erstenmal eine neue Oper: ,Die Nacht auf Paluzzi* von einem jungen einheimischen Komponisten Pentenrieder mit großem Beifalle gegeben; der Tondichter wurde nach jedem Akte gerufen." Das war doch was anderes, als bei der Lortzingschen Oper! Aber bei den Opern- komponisten kann es gehen, wie im himmlischen Reich: Die Ersten werden die Letzten werden I

Die letzte Novität des Jahres, Bellinis „Puritaner", war nicht die schlechteste. Die Oper vereinigt mit den früheren Vorzügen des edlen Maestro, seinem großen schwärmerischen Zuge und der außerordentlichen Kantabilität der Gesangspartien eine auf ernstem Studium deutscher Meister basierende harmonische Vertiefung und eine sorgfältigere Behandlung des Orchesterparts, so daß die Partitur dieser Oper seine reifste und beste genannt werden muß. Sie hatte bei der Premiere in München

folgende Besetzung: Sir George Pellegrini, Lord Valton .... Sigl, Elvire

Jacede, Lord Talbot Bayer, Sir Rieh. Forth Krause, Henriette, Witwe

Karl I Fuchs, Sir Roberton .... Schmid. Durch die zwei Wiederholungen,

welche die Oper noch in diesem Jahre (nach dem 12. November), dann die fünf weiteren, welche sie im nächsten, trotz starker Konkurrenz neuer glücklicher Er- scheinungen, erlebte, stellt sich der Erfolg als ein vollkommener dar.

Gelegentlich eines Lobes auf Pellegrini bringt Küstner folgende Notiz über eine Einzelheit der Aufführung: „Der Baritonist Krause, früher in Wien, jetzt in Berlin, teilte mit Pellegrini den Beifall, namentlich in den ,Puritanern* als Richard. Das

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Duett in den ,PuritanernS von ihm und Pellegrini gesungen, erregte stets einen Beifallssturm und den Ruf: Da capo."

Im ganzen Repertoire des Jahres ist die schon erwähnte SO.Vorstellung von Mey er- beers „Robert der Teufel« (am 28. Juli) nach 6 V2 Jahren seiner Erstaufführung von hervortretender, sprechender Bedeutung. Im übrigen kann sich mit diesem Jahr- gang nicht leicht einer der vorhergehenden (in unserer ganzen Geschichte) in bezug auf Bedeutung und Abwechslung des Repertoires messen. Vertreten waren neben Gluck mit der „Alceste«: Adam (außer mit der „Eintagskönigin«) mit dem „Brauer von Preston« viermal, mit dem „Postillon« dreimal; A üb er mit „Gott und Bajadere« (neu einstudiert) zweimal, mit „Fra Diavolo", „Maskenball", dem „Schwarzen Domino" und „Maurer und Schlosser" je einmal; Bellini mit „Norma", den „Puritanern" und der „Unbekannten" je dreimal, mit den „Capuletti" und der „Nachtwandlerin" je zweimal; Cherubini und Chelard je einmal mit„Graf Armand" und „Macbeth"; Donizetti mit dem „Liebestrank« zweimal, Lachnermit„Alidia«einmal; Kreutzer mit dem „Nachtlager« dreimal; Mey er beer mit dem „Robert« dreimal, mit den „Anglikanern und Puritanern" zweimal; Mozart mit der „Entführung" einmal, mit „Don Juan" zweimal; Rossini mit „Moses" zweimal, mit dem „Barbier" einmal; Schenk mit dem ebenfalls neu einstudierten „Dorfbarbier" zweimal, endlich Weber mit dem „Freischütz" einmal, dem „Oberon" zweimal.

Im Jahre 1841 kam eine schon 1838 entstandene und seither nicht ausgeglichene Finanzkontroverse zwischen Therese Mink und der Intendanz in einer für die Oper höchst nachteiligen Weise zum Austrag, indem die Mink durch fortgesetzte Verweigerung ihrer, nach ihrem Standpunkt nicht ungerechten, Ansprüche geärgert, die Gelegenheit eines Urlaubs zu einem Gastspiel in Pest benützte, um von dort als „Ungarische Nachtigall" nicht wieder zurückzufliegen. Im Sommer 1838 berichtet Küstner über die Künstlerin: „Es wird notwendig sein, entweder durch Prolon- gierung ihres Kontraktes (der im April 1837 mit 4000 fl. Gehalt bis April 1839 abgeschlossen war) sie zu halten oder für einen Ersatz zu sorgen. Sie hat selbst neben der Lutzer und Hasselt ungeteilt gefallen und sich besonders wegen ihrer klangvollen Stimme und ihres gefühlvollen Vortrags zum Liebling des Publikums gemacht. So hat sie als Gräfin in , Figaros Hochzeit* neben der Lutzer (Susanne) gleich großen Beifall wie die letztere erhalten.« Vom Intendanten über ihr Ver- bleiben sondiert, bittet die Mink um Prolongierung ihres Kontraktes auf 9 Jahre, das ist bis Ende März 1848. Auf diesbezüglichen Antrag Küstners genehmigte der König nur eine Verlängerung bis Ende März 1838. Darauf berichtet Küstner ihre Erklärung, daß sie bei einem nur fünfjährigen Kontrakte, der ihre Zukunft nicht gänzlich sicherte, sich mit ihrer Gage von 4000 fl. nicht begnügen könne, um so mehr, als ihr von Hamburg 4600 Thaler geboten worden seien, und sie daher den fünfjährigen Kontrakt nur dann annehmen könnte, wenn sie mit der Hasselt, die zu 4000 fl. aus der Hoftheaterkasse auch noch 800 fl. aus der Hofmusikkasse be- ziehe, gleichgestellt würde. Diese nebensächliche, von Küstner seltsam genug, negativ begutachtete Angelegenheit nur streifend, erläßt der König folgendes Marginalsignat:

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„Solche lange Kontrakte mit Sängerinnen will ich durchaus nicht schließen. Die Sigl- Vespermann und die Schechner-Waagen liefern teure Beispiele von deren Ge- fährlichkeit, auch kann meine Hofkapelle nicht dazu dienen, die Begehrlichkeit dieser Sängerinnen (die Mink hatte sich mündlich mit 600 fl. aus der Hofmusik- kasse zufrieden erklärt) zu befriedigen. Ihr Zweck ist der Kirchendienst. Ich genehmige daher diesen Antrag nicht. München, 30. August 1838. L.« (In demselben war nebenbei daraufhingewiesen, daß die Hasselt mit 30. April 1839 abgehen werde.) Hiemit mußte sich die Mink unter Verzicht auf das Hamburger Angebot, dessen Annahme ihr 4000 Gulden Konventionalstrafe gekostet hätte, bescheiden, und ruhte die Sache einstweilen. Nun findet sich im Personalakt der Künstlerin ein Schreiben der Intendanz an die Königliche Polizeidirektion München vom 8. August 1841, bei dessen Anblick wir uns erinnern müssen, daß wir uns noch in der Zeit vor dem Jahre 1848 befinden. Es lautet:

„Durch öffentliche Blätter sowohl, als durch das allgemeine Gerücht ist bereits auch der König- lichen Direktion bekannt, daß die gegenwärtig zu Pest sich befindenden Kunstmitglieder, nämlich der Hofschauspieler Forst und die Hoftheatersängerin Therese Mink um ihre Entlassung ein- gekommen sind, und zwar letztere mit der Modifikation, daß ihre fragliche Entlassung mit dem 30. Dezember 1841 erteilt werde, wogegen sie noch bis dahin ihre kontraktlichen Verpflich- tungen zu erfüllen bereit sei. Um nun die Mink vielleicht eher zu bestimmen, daß sie vorgedachte Zusage erfüllte, glaubt man ein Mittel hiefür darin zu finden, wenn ihrer noch hier befindlichen Mutter und Schwester, die zu einer ebenfalls beabsichtigten Entfernung aus München erbetenen Reisepässe bis auf weiteres verweigert würden. Zu diesem Behufe wird die Königliche Polizeidirektion geziemend ersucht, im Falle sich besagte Frauenzimmer um einen Reisepaß melden sollten, denselben ohne diesseitige Zustimmung nicht zu erteilen und auch die Ausfertigung eines solchen vom Ministerial-Paßbureau auf dem eingeführten Geschäftswege zu verhindern. Küstner.** Am 14. September wurde dieser Antrag zurückgenommen, „nachdem die Gründe der Verweigerung nicht mehr bestehen.**

Das heißt: Das Gefangenhalten der beiden verwandten Damen bringt die Ent- flohene doch nicht wieder. Sie zu ersetzen, war für die mittlerweile aus Mailand zurückgekehrte jugendliche Hetznecker eine schwere Aufgabe, welche dieser selbst- verständlich auch nur allmählich, vielleicht nie vollständig gelingen konnte. Der Baritonist Thomas ging schon am 1. März dieses Jahres von der Münchener Bühne ab. Außerdem hat der Chronist zwei Heiraten zu verzeichnen: DE Fuchs erscheint vom Monat Mai an als Mad. Wühr, die Hart mann vom Ende November an als Mad. Diez auf den Zetteln. Der Tod von Ernst Friedrich Diez' erster Gemahlin Elisabeth, gebornen Baader, war laut erhaltenem Zettel am 21. März erfolgt. Eine im Vorjahre für kleine Rollen engagierte Schauspielerin Lysinka Darcourt scheint zugleich eine brauchbare Sängerin gewesen zu sein, denn sie konnte, als am 20. Mai die Hartmann für die Mink als Pamina eintrat, die Rolle der Papagena übernehmen. Wieder ohne nähere Bezeichnung figuriert auf zwei Zetteln des Jahrgangs, einmal als Mathilde in der 25. Vorstellung des „Teil" am 24. Januar, das andremal als Irma in „Maurer und Schlosser" am 3. März, eine DMMittermair, vermutlich die Tochter des unvergeßlichen Baritonisten, von welcher im nächsten Kapitel die Rede sein wird.

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Den wenigen Gastspielen des Vorjahres stellt dieser Jahrgang deren wieder eine ganze Menge entgegen. Außer dem nachmals berühmten Tenor Mantius aus Berlin, welcher im Mai als Elvin (Nachtwandlerin), Tamino und Arthur (Puritaner) auf- trat, hielt man sich, um die durch das Verduften der Mink im Repertoire ent- standenen Lücken auszufüllen, um so mehr an weibliche Gäste, als die erst mit I.Oktober eintretende Hetznecker noch eine Anfängerin ohne Repertoire war. Nachdem die Mink zum letztenmal (was man freilich noch nicht wissen konnte) am 27. Juni als Valentine aufgetreten war, kam zunächst Dli5= Rettich vom Stadt- theater zu Grätz, das nachmalige, so außerordentlich beliebte Mitglied unserer Oper an die Reihe. Sie sang vom 4. bis zum 20. Juli die kolorierten Rollen Adine (Liebes- trank), Elvire (Puritaner), Königin (Anglikaner und Puritaner), Alice und Amine, wozu sich seltsam genug die ihr gewiß nicht liegende Agathe gesellte. Nach ihr trat DÜI=Evers aus Stuttgart nur als Norma und als Anna (Weiße Frau), dann DE Marx aus Dresden als Ginevra, Valentine, Donna Anna und Isabella, und DE Halbreiter aus Hamburg als Rezia und Agathe, alle drei im Monat August, auf, nachdem die Fahnenflucht der Mink wahrscheinlich schon gewiß war. Das längste, vom 26. September bis zum 26. November währende und neun Rollen um- fassende, Gastspiel war das der berühmten Stökl-Heinefetter aus Wien; die Rollen waren: Valentine (zweimal), Rezia, Norma, Melanie („Maskenball"), Iphigenie auf Tauris, Alice, Elvira, Fidelio und Romeo.

Das neue Mitglied DE Heuznecker sang als Antrittsrolle die Alaide in Bellinis neu einstudierter Oper „Die Unbekannte" am 20. Oktober.

Unter den vier Novitäten des Jahres waren drei glückliche Griffe: Marschners „Vampyr", Lortzings „Czaar und Zimmermann" und Lachners „Catharina Cor- naro." Zwischen den beiden letztgenannten jedoch ward eine Niete gezogen, mit der letzten Arbeit eines Meisters, dem solches im Leben kaum einmal geschehen war: Es war des alten Rossini „Graf Ory", komische Oper in zwei Akten, Text nach dem Französischen von A. Ritter, welche in guter Besetzung am 1. Oktober zur ersten und einzigen Aufführung kam.

Der „Vampyr", Oper in zwei Akten nach Byrons Erzählung von Wohlbrück, musikalisch ohne Zweifel H. Marschners bestes Werk, hatte bei der Premiere

am 28. März folgende Besetzung: Sir Humphrey.... Pellegrini, Malvina

Jacede, Edgar Aubry Diez, Lord Ruthan Krause, Sir Berkley Lenz,

Janthe Fuchs, Georg Dibdin Hoppe, Jon Perth Racke (vermutlich

ein etwas singender Schauspieler), Emmy Hartmann, Landleute Sigl,

Haunstätter, L. Schmid') und Mack (drei bessere Chormitglieder), Suse

Jost. Sei es, daß die Frauenrollen im ganzen hätten besser besetzt sein können, oder daß das überaus gruselige Sujet nicht nach dem Geschmack des Publikums war, die Oper konnte es in diesem Jahre nur zu zwei Wiederholungen im Sep- tember bringen, um vorläufig das nächste Jahr liegen zu bleiben; doch gehört sie

^) Entwickelte sich später als liebenswürdiger, wenn auch nicht großer lyrischer Tenor mit be- deutendem Spieltalent.

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zu denjenigen, welche, ihrer bedeutenden Musik wegen immer wieder hervor- gesucht, ähnlich wie Webers „Euryanthe" sich schließlich im Repertoire erhalten haben. Einen weit entschiedeneren Erfolg als dieses furchtbar ernste, für viele unheimliche Werk hatte der in ganz Deutschland schnell populär gewordene „Czaar und Zimmermann." Er wurde zwar, nachdem die Erstaufführung am 22. Juli stattgefunden, in diesem Jahre nur noch zweimal, dafür aber im nächsten sechsmal gegeben, was bei der schwierigen Konkurrenz mit der letzten Novität des Jahres, auf die wir sofort zu sprechen kommen, etwas heißen wollte. Die Besetzung bei

der Premiere war: Czaar Krause, Peter Iwanoff Hoppe, van Bett....

Si gl, Marie.... Hartmann, russischer, englischer und französischer Gesandter

Lenz, Fries, Diez, Witwe Brown Wühr. Wie die Oper dem Münchener

Repertoire, so war auch diese Besetzung der Oper lange Zeit anhänglich; drei Mitglieder: Hoppe, Sigl und die Diez (=Hartmann) hatten noch in den sech- ziger Jahren ihre respektiven Rollen inne, und brillierten darin, wie im Anfang.

Das hervortretende „Ereigniß'' des Jahres war indes die Inszenierung von Franz Lachners „Catharina Cornaro", welche das Licht der Rampen zum erstenmal am 12. Dezember erblickte und folgendermaßen besetzt war: Lusignan.... Bayer,

Andrea Cornaro Krause, Onofrio Pellegrini, Catharina Cornaro

Hetznecker,^) Marco Vernero.... Diez, Banditen Lenz und Sigl. Wohl dem Komponisten heutiger Tage, welchem das Glück beschieden wäre, seine Oper in solchen Händen zu wissen; er wäre dadurch der Sorge, ganz oder zum Teil un- verstanden zu bleiben, enthoben I In dieser Besetzung lag für den Komponisten die Garantie, daß alle seine Intentionen bis zum leisesten Zug zur Geltung kommen mußten; ein besonderer Anziehungspunkt war die junge Hetznecker, welche die Rolle der Catharina in kurzer Zeit kreiert hatte; das Orchester hing nach fünf Jahren geistiger Hebung an den Winken seines genialen Führers, welcher Proben und Aufführung mit der ihm innewohnenden Kraft und Taktik leitete, und die Inszenierung und Austattung, von welcher Küstner ausführlich spricht, blieb wahrlich nicht zurück, die Aufführung zu einer besonders glänzenden und musterhaften zu gestalten. Sowohl über diese, als über die Vorgeschichte und das nächste Schicksal der Oper, welche alsbald förmlich zum Wahrzeichen Münchens gleich den beiden Frauentürmen geworden ist, gibt wieder der nächstbeteiligte Inten- dant von Küstner Aufschlüsse, welche auch vom allgemeinen historischen Stand- punkt interessant genug sind, um hier auszüglich reproduziert zu werden.

„Es ist eine Tatsache," schreibt er, „deren Wahrheit alle Komponisten unisono bestätigen, daß in Deutschland an guten Opernbüchern ein großer Mangel ist. Nicht bloß Lachner, sondern noch so manche andere Komponisten haben gegen mich Klagen über diesen Mangel

geführt Einen seltenen Fund tat Weber im Libretto des Freischützen von Kind, und selbst

dieser Stoff war den Gespenstergeschichten von Laun und Apel entlehnt. Um so weniger glücklich war das Buch zu der andern Oper Webers: „Euryanthe". Dieser Mangel veranlaßte Meyerbeer, französische OpernbOcher zu komponieren, um so mehr, als er für die große Oper in Paris schrieb.

^) Geschrieben war die Partie ursprünglich für die Mink, vor deren nicht vorhergesehenem Abgang die Oper vollendet war.

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Seine Operntexte werden vielfach getadelt; daß sie aber sehr wirksam, daß sie dem Komponisten durch Darstellung von Leidenschaften, reiche Handlung und interessante Situationen Gelegenheit bieten, sein Talent zu zeigen, wird niemand leugnen. Unter so bewandten Umständen konnte die Klage 'des Kapellmeisters Lachner über den Mangel eines geeigneten Operntextes nicht entfremden; dazu kam, daß die Intendanz ein großes Interesse daran haben mußte, daß ei^ie neue von ihm zu komponierende Oper mit Erfolg gegeben würde, und daß sie die großen Mühen und Kosten, die sie verursachte, rechtfertigte. Alles dies veranlaßte mich, auf einer Reise nach Paris im Jahre 1839, Herrn St. Georges, den bekannten Verfasser vieler so interessanter und wirksamer Libretti, um eines dergleichen zu ersuchen. Er teilte mir das der venezianischen Geschichte entlehnte Libretto der „Catharina Cornaro", nachherigen Königin von Cypern, in der Skizze mit; und da ich es, was der Erfolg bewährte, als ein treffliches befand, so vereinigten wir uns über die Überlassung desselben an Lachner. So bedeutend das Honorar dafür um 2000 Francs, oder 533 Taler, erscheint, so muß man doch bedenken, daß die Tantieme, die in der großen Oper zur Hälfte dem Dichter, zur Hälfte dem Kompositeur zufällt, noch einen größeren fortlaufenden Gewinn bringt. St. Georges arbeitete die Oper aus, und Akt für Akt wurde durch gemeinsame Verständigung des Dichters, Kompositeurs und mir in Paris und München gefördert, aus fünf Akten wurden, die gefährliche Länge der Oper für Deutschland im Auge, vier gemacht; so kam das französische Buch zustande. Eine neue Arbeit begann, die Übertragung desselben ins Deutsche, welche Herr Bussel ») mit meiner und des Kom- positeurs Zuziehung unternahm; so gewann das Buch die Vorzüge eines in deutscher Sprache geschriebenen Werkes. Wenn das Publikum dem Texte, wie der trefflichen, edlen und deutschen Musik volle Gerechtigkeit widerfahren ließ, in München wie später in Berlin und an anderen Orten, so griffen doch viele Blätter die notgedrungene Erwerbung eines französischen Buches hart und vielfach an.») Die beste Entgegnung wird in der Erscheinung tüchtiger interessanter Opernbücher bestehen. Dieselbe Mühe, wie auf das Opernbuch, ward auf die mise en scene verwandt, namentlich auf die des dritten Aktes, wo auf den Markusplatz in Venedig, einem der schönsten, die es überhaupt gibt, der Hochzeitszug des Königs von Cypern und der Catharina Cornaro, vom Dogen, der Dogessa und' allen Würdenträgern der Republik begleitet, aus dem Dogenpalast in die Markuskirche zieht. Dies bot die Gelegenheit, die Pracht, Größe und Eigentümlichkeit der alten venezianischen Republik mit aller Treue vorzuführen und ein so historisch interessantes als schönes Schauspiel im Schau- spiele zu geben. Hier wurde auch durch gleichzeitige geistliche Musik in der Markuskirche mit der Musik zu den Tänzen der Gondoliere vor der Kirche dem Komponisten eine ähnliche Ge- legenheit geboten, wie im ,DonJuan' im Finale des ersten Aktes, wo in verschiedenem Taktmaße drei Tänze getanzt werden. In den Kostümen wie Dekorationen fand sich der schöne Gegensatz der ernsten, weiten venezianischen Tracht zu der bunten anliegenden von Cypern, sowie der venezianischen Architektur zur cyprischen. So konnte es nicht fehlen« (dieser Satz zeigt im gleichen Maße Küstners Hang zur Äußerlichkeit und Ruhmredigkeit), „daß die Oper, in München wie in Berlin unter meiner Leitung gegeben, den größten Beifall fand. In München wurde sie« (wieder ein Gedächtnisfehler) „am 3. Dezember 1841 zum erstenmal gegeben und bis jetzt« (1853?) „an fünfzigmal wiederholt, in Berlin zum erstenmal am 15. Oktober 1845 zur Geburtstagsfeier Seiner Majestät des Königs und zwanzigmal wiederholt, bis der Abgang der Sängerin Marx sie temporär vom Repertoire entfernte.« Ein erhöhtes Interesse gerade in unserer Gegenwart dürfte der hier anschließende Satz gewonnen haben: „Eine Wiedereinstudierung derselben (im Jahre 53) wäre um so mehr zu wünschen, als die Rolle der Catharina dem Fräulein Johanna Wagner (nachmalige Frau Jachmann -Wagner) eine dankbare und für ihre Stimmlage geeignete Partie bietet«, während der zweite Teil dieses Satzes zugunsten der Bedeutung des Werkes lautet: „und als sich die Musik, ') Mit diesem Herrn hatte ich die Ehre persönlich bekannt zu werden, weil er der Vater meiner besten Schülerin, der nachmals ausgezeichneten Sängerin Frau Morning am kgl. preuß. Hoftheater zu Kassel war. ') Bekanntlich erwartete Felix Mendelssohns Vater das einzige Heil seines genialen Sohnes auf dramatischer Laufbahn von der Akquisition eines guten französischen Librettos, wozu sich aber letzterer gemäß seinem idealen Streben nie verstanden hätte.

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namentlich die des letzten Aktes, welche ohne äußere laute Effekte allein durch sich selbst wirkt, des besonderen Beistandes (?) Seiner Majestät des Königs von Preußen, des hohen Beschützers der klassischen Musik von Gluck und Mozart, zu erfreuen hat."

Ein Beweis für den großen und nachhaltigen Eindruck, welchen das "Werk auf das Münchener Publikum ausübte, ist die Tatsache, daß es, nachdem in der zweiten Hälfte des Dezembers 1841 nur mehr eine Wiederholung hatte stattfinden können, im nächsten Jahre (vom 1. Februar an bereits unter einer neuen Intendanz) nicht weniger als zehnmal im damaligen München eine hohe Zahll gegeben werden konnte.

Als das hauptsächlichste Bühnenwerk des für die Münchener Musikverhältnisse über ein Vierteljahrhundert allein maßgebenden Meisters verdient „Catharina Cor- naro" ebenso wie Voglers „Castor und Pollux" und Winters „Unterbrochenes Opferfest" ihre ernste Würdigung, wenn sie auch, in einem ähnlichen Verhältnis wie jene beiden in der heutigen Anschauung nicht mehr völlig als das erscheint, als welches sie die fast überschwengliche Bewunderung Altmünchens bezeichnet hat.

Vor allem ist das Textbuch nicht gar so vorzüglich, wie es Herr von Küstner und, wie es scheint, die ganze damalige Zeit gefunden hat. Um zunächst das Dramatische daran zu untersuchen, so beruht die Existenzmöglichkeit der Oper auf einem schlecht erfundenen, in Romanen längst verbrauchten Zufall. König Lusignan muß, bevor die Handlung der Oper beginnt, seinem Nebenbuhler Marco im nächtlichen Kampfe mit Banditen das Leben gerettet haben, damit dieser, von Catharina scheinbar verraten, seinen Vorsatz, ihn beim Kirchgang an der Seite der (ihm vom Rate zugesprochenen) Braut zu erdolchen, als edler Mann aufgeben muß. Würde dieses Attentat durchgeführt, so wäre dadurch der Plan der Republik, durch die Heirat der Patriziertochter mit dem danach zu vergiftenden König von Cypern dessen Land an sich zu bringen, schon vorweg vereitelt und die Oper zu unangenehmster Überraschung mit dem dritten Akt zu Ende. Was die formelle Gestaltung betrifft, so schließt sich diese der damals mit so riesigem Erfolg aufgetauchten Schablone der großen Pariser Pomp- und EfFektoper, die man naiv die „historische" nannte, mit allen ihren zum Teil naturwidrigen Konvenienzen an. Eine der schlimmsten derselben ist, daß, um möglichst viele einheitliche Musikstücke, vorwiegend Ensemblesätze, zu gewinnen, Personen von verschiedenem Charakter bei direkt widersprechender Willensäußerung gleichgereimte Versgruppen zum Zusammensingen zugeteilt werden, welche immer, nachdem man inzwischen eine verhältnismäßige Zeit dem Fortgang der Handlung obgelegen, periodisch, gleichsam als Conclusa, wiederkehren, wobei nie eine Wahrheit herauskommen, der Komponist aber mit effektvollen Steigerungen brillieren kann. Zwei solche innerlich unwahre Nummern sind besonders das Duett zwischen Andrea Cornaro und Onofrio (Mitglied des Rats der Zehn) im ersten, und das Terzett zwischen Marco und den beiden Banditen im dritten Akt. In ersterem, welches, den Boten der Republik verkündend, prachtvoll gravitätisch beginnt, kommt es nach einer charakteristisch vornehm gehaltenen Exposition der Sachlage gleich zu einem flotten Marsch, den die beiden auf folgenden Text zusammensingen:

Andrea:

Ach, welch' ein herbes Mißgeschick

Vernichtet Glück und Ruhm und Treu'!

Von mir verlangt die Republik,

Daß ich des Kindes Wohl ihr weih'.

Onofrio: Was kümmert sich die Republik Um Liebestand und Glück und Treu'! Es will die strenge Politik, Daß jeder seinen Dienst ihr weih'.

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Wie konnte, möchte man ausrufen, jemals ein Musiker diese gereimte Prosa überhaupt kompo- nieren! Und der Widerspruch, wie ist er zu versöhnen? Der Musiker tut es auch nur scheinbar, nur äußerlich, dafür sind Terzen und Sexten und der gleiche Rhythmus da. Aber sein Herz ist so wenig dabei, wie die Ästhetik. Das Marschartige resultierte dem Komponisten jedenfalls aus der dezidiert ausgesprochenen Rücksichtslosigkeit des Onofrio. Die weiche Schmerzensstimmung des guten Vaters zugleich auszudrücken, war ihm unmöglich. Er verzichtete darauf zugunsten der Wirkung. Und diese blieb nicht aus. Wo zwei singende Brüder oder Freunde zusammen waren, sangen sie ich erinnere mich dessen noch aus meiner Jugendzeit das Duett mit dem Aplomb der Begeisterung. Eine ähnliche, höchst beliebte Effektnummer war das genannte Terzett (nur war dafür der Tenor schwer aufzutreiben). Hier wiederholt sich nach und zwischen der Abmachung, daß die Banditen den Marco (nach Ausführung seines Attentats auf Lusignan) töten sollen, im ganzen achtmal quasi als Chorrefrain der homophon zusammengesungene Text:

Marco: Der Rache dienet ihr um Sold Und mutig trotzt ihr der Gefahr!

Die Banditen: Der Rache dienen wir um Sold Und trotzen mutig der Gefahr.

Es ist ja wahr, die Konjugation ändert nichts am Sinn der Worte. Es ist aber ein großer Unter- schied, ob sie von Buben, denen der Mord Handwerk ist, oder von dem gesprochen werden, der sich ihren Dolchen aus Verzweiflung über verschmähte Liebe ausliefert. Im harmonischen Zusammen- singen der Drei liegt eine komponistische Lüge ohnegleichen. Man könnte die beiden erwähnten Fälle nicht begreifen, wenn man nicht wüßte, daß Franz Lachners humanistische Bildung ebenda aufhörte, wo sie angefangen hätte, ihm dereinst als Dramatiker zum ästhetischen Anhaltspunkt zu dienen. Vor dem damaligen Publikum schadete ihm diese Skrupellosigkeit nicht, im Gegenteil sind gerade durch diese die beiden Musikstücke mit ihrem zwingenden Rhythmus so eingänglich, so populär und besonders das letztere so lustig geworden. Hat doch in diesem der Komponist dem Tenoristen acht hohe Ais, ebenso viele hohe b und noch ein Ces zugeteilt und damit seine Gefälligkeit gegen diesen und das dankbare Publikum an den Tag gelegt. Der erste Akt entspricht den An- forderungen, die man an einen solchen stellen kann, indem er den Kausalnexus der kommenden Handlung klar und wirkungsvoll vor Augen führt. Er gliedert sich in die Hauptmomente: Glück der beiden Liebenden, Einsprache des Rats der Zehn unter Todesandrohung, Einstellung der Ver- lobung durch Andrea Cornaro (leidenschaftliches Finale). Von großer szenischer Wirkung ist der zweite Akt; auf ihn ist der Erfolg der Oper gestellt. Die bereits als Braut dem König Lusignan zugesprochene Catharina findet in ihrem Gebetbuch ein Billett von Marcos Hand, mit welchem dieser ihr ankündet, daß er zur zwölften Stunde in einer Gondel kommen werde, sie zu entführen, was zu einer schwungvollen Entzückensarie Veranlassung gibt. Nach einer Zwischenszene, in welcher Onkel Andrea die bereits wieder Hoffende ermahnt, sich weise in ihr Schicksal zu fügen, ertönt vom Meere her Marcos Gesang: „Wie schimmert das Meer" usw. Zu gleicher Zeit ruft es aus dem Vorhang hervor: „Catharina Cornaro! Höre, was der Rat befiehlt! Willst du Marcos Leben retten, so erkläre an dieser Stelle, daß dein Herz ihn nicht mehr liebt und nach höherem Glänze strebt!" Es sind zwei gedungene Banditen (sei es mit Absicht oder zum Zweck der musikalischen Ökonomie) dieselben, mit welchen dann Marco im dritten Akt paktiert.

Die Seelenvergewaltigung, welche durch dieses Schreckensgebot über Catharina verhängt wird, das Staunen, Zweifeln und zuletzt Verzweifeln Marcos, wie auch Catharinas, welche das lösende Wort nicht sagen, auch kein Zeichen geben darf, sind bei entsprechend lebendiger Darstellung (an welcher es niemals gefehlt hat) drastisch genug, um selbst abgehärtete Theaternerven in eine gewisse Aufregung zu versetzen. Marco entfernt sich, in der vollen Oberzeugung von Catharina verraten zu sein, mit dem Zuruf: „Fort, ewig flieh ich dich!" Catharina fällt in Ohnmacht; die beiden Banditen

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Kapellmeister Franz Lachner 1836 1863

blicken triumphierend mit erhobenen Dolchen dem Entweichenden nach. In diesem Akt zeigt der Komponist sowohl eine imponierende musikalische Erfindung gleich die genannte Arie bestätigt diese als auch eine entschieden dramatische Begabung. Waren beide hier durch die Geschick- lichkeit des bühnengewandten Dichters in besonderem Grade erregt worden, so erlahmen beide auch folgerichtig im dritten Akt, wo der Dichter das Publikum mit einer offiziellen Huldigung des Königs vor Catharina langweilt, die noch dazu unnötig ist und ohne Sinnstörung wegbleiben könnte, bis, abgesehen von einem pompreichen Aufzug, der die Schaulust befriedigt, durch die Banditen etwas Leben in die dürftige Handlung kommt. Eigentlich beschränkt sich diese auf die Erkennungszene zwischen Lusignan und Marco, wobei letzterer mit dem Ausruf: „Ja, Marco, den er gerettet! der ihn schont und ihn verflucht!" den Dolch wegwirft kurz vor dem Fallen des Vorhanges. Der vierte Akt eigentlich nur ein ins Epische zurückfallender Epilog, beginnt mit der Unwahrscheinlichkeit, daß Catharina, die nunmehrige Königin auf Cypern, ihren dahinsiechenden Gatten ahnungslos dem von Venedig geschickten(!) Arzt anvertraut. „Zum Heil hat uns Venedig dich gesandt. Du edler Mann, nur deiner treuen Sorge verdank' ich des Königs mir so teures Leben." Das Publikum ist gescheiter, es errät beim Anblick dieser stummen Figur sofort den von ihr herbeigeführten Ausgang. Nachdem man nun aus einem Monolog Catharinas, wozu Lachner seine schönste Musik geschrieben, deren Resig- nation und treue Hingebung zum edlen Gemahl, dann aus einem Zwiegespräch mit diesem erfahren, daß er längst über das Verhältnis beider zueinander aufgeklärt sei und die edle Dulderin beklage und bewundere, wird ein Ritter aus Rhodus angemeldet, welchen aber der kranke König zu empfangen außerstande ist. Die Königin empfängt ihn. Es ist der inzwischen Rhodiserritter gewordene Marco. Die einstigen Liebenden fallen auf einige Zeit aus ihrer Rolle, oder vielmehr in dieselbe zurück, dann erfolgt die zwischen ihnen nötige Aufklärung, endlich (nachdem die Form dieses dritten Liebesduettes der Oper glücklich und energisch abgeschlossen ist !), besinnt sich Catharina auf sich selbst, indem sie ruft: „Unglücklicher, was suchst du hier? Flieh, auf ewig trennt uns die unbeugsame Macht der Pflicht!" Da fällt auch Marco beim „Lebe wohl!" noch ein, daß er dem König, dessen Arm ihn einst befreit, zu Dank verpflichtet sei: „Sein Leben ist bedroht, ich will es retten." Darauf— erste Überraschung das Donnerwort: „Es ist zu spät", gesprochen von dem Ratsmitglied Onofrio, welcher sich nach Art seiner Banditen vermutlich von hinten eingeschlichen hat. Und nun weiter: „Der König stirbt, nichts rettet mehr sein Leben, ein schleichend Gift bringt ihm den sichern Tod. Du, Witwe Lusignans, bedenk' es wohl, durch uns nur kannst du herrschen oder nie, triff deine Wahl!" Und als diese stolz erwidert, sie werde den nun selbst bekannten Königsmord enthüllen, fragt er höhnisch: „Wird man dir glauben? Ich aber will es laut dem Volk verkünden, daß fremde Liebe du im Herzen nährst, daß dieser hier dein Buhle ist, daß er des Königs Mörder ist. Wer wird ihn dann beschützen, wer dich retten?" Zweite Überraschung: „Ich!" der König, der bereits zugehört, hat's gesprochen. Darauf die entsprechenden Reflexionen des nun vollständig gewordenen Quartetts. Onofrio gibt der inzwischen angekommenen Flotte Venedigs ein Zeichen zum Bombardement und wird dafür auf des Königs Befehl gefangen genommen. Es geht zur Schlacht. Die Cypriner unter Marco siegen. Der König stirbt mit Hinterlassung eines Söhnchens, das er, wie die Mutter, dem Schutze des Rhodisers empfiehlt. Obgleich dieser dichterisch wieder mäßig gelungene vierte Akt in Bezug auf Handlung kein neues Interesse mehr bietet, hat er dem Komponisten doch manche Gelegenheit zur Entfaltung einer bis jetzt nur sparsam gezeigten Innerlichkeit gegeben. So ist gleich die Arie der Catharina: „Dulde, schweige, mein Herz" mit dem vorangehenden Rezitativ: „Zwei Jahre sind dahin seit jenem Unglückstag" ein Stück voll wahrer, rührender Empfindung, und hier und dort erhebt sich die Musik bei größter Einfachheit zu tragischer Höhe. Stellen, wie die des siechenden Königs: „Wenn du vergißt, daß du durch mich zu Qual und Schmerz berufen bist, wenn deine Träne nicht mehr fließt und du verzeihst!" oder der kleine Instrumentalsatz, wo Catharina den Gatten aus dem Gemach führt, und so manches Detail könnte in einer Gluckschen Oper stehen. Ein ungemein wirkungsvoller Satz ist das große Quartett (Catharina, Marco, Lusignan, Onofrio), wo sich der tüchtige deutsche Musiker im Gebrauch der Mittel den westlichen Nachbarn Rossini, Meyerbeer, Halevy, Herold vollkommen gewachsen zeigt, ohne doch seine deutsche Art zu verleugnen.

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Lachners vierter Akt ist entschieden sein bester. Zwei Schattenseiten seiner Kompositionsweise sind es freilich, welche sich die ganze Oper hindurch geltend machen: Ungleichwertigkeit der Erfindung und ungebührliche Länge der einzelnen Musikstücke. Man darf bei jedem auftretenden musikalischen Gedanken, sei er bedeutend oder nicht, mit Sicherheit erwarten, daß er im selben Tonstück, acht bis sechzehnmal unverändert wiederkehrt, ein Musikmachen ohne Ende. Eine außer- halb des eigentlich Musikalischen liegende Schwäche ist die mitunter verletzende Fehlerhaftigkeit der Deklamation. Um ein Beispiel anzuführen, so sind in dem an sich so stimmungsvollen Duett zwischen Catharina und Lusignan (vierter Akt) nachstehende Worte also betont:

*!* Andante.

Alles weiß l.^L längst schon quälet { ^j"tj der namenlose Schmerz

(Die Manier, einen männlichen Versausgang nicht mit einer, sondern mit zwei Noten, also weiblich, wiederzugeben, ist ebenfalls bei Lachner ziemlich stabil.) Und gerade dieses Duett ist mir an sich von jeher wegen seines innerlichen Mittelsatzes in D-dur, einer Apotheose der Gesundheit, vom Kranken und der Mitleidenden sehnend ausgesprochen, besonders sympathisch gewesen. Mit Aus- nahme dieses Duettes und jenes leidenschaftlichen zwischen Catharina und Marco im zweiten Akt war der Komponist gerade mit den Duetten im Ganzen nicht besonders glücklich. So sinkt in jenem zwischen den beiden Liebenden im ersten und dem im vierten Akt (Wiedersehenszene) die Erfin- dung bedenklich auf das Niveau des Konventionellen herab, und zu dieser in der Kunst wenig schaffenden Gattung gehört leider auch, sichtlich von der Langweiligkeit der Situation beeinflußt, die aus ihrer Grundtonart (F-dur) und ewigen Textwiederholungen nicht herauskommende Huldigungs- arie Lusignans mit anschließendem Frauenchor (dritter Akt) an. Die Rettung des ganzen dritten Aktes besorgt überhaupt neben dem effektvollen Banditenterzett der nicht mit Unrecht berühmt gewordene Marsch, der zwar als ein echt deutsches, vielleicht bajuwarisches Tonstück außer den dazu verwendeten zwei Meter langen Silbertrompeten nichts mit dem Venezianischen gemein hat, aber ein Unikum jener kernigen, zyklopenhaften Kraft ist, welche man später als einen Charakte- rismus der Lachnerschen Instrumentalmusik erkannt hat. Daß letztere sein eigentliches Element ist, in welchem er sich sattelfester, glücklicher und mächtiger fühlt als im Vokalsatz, kommt am deutlichsten zum Ausdruck in der Arie Catharinas im zweiten Akt, wo die Singstimme im Anfang des Allegro (Es-dur) mit zwei aufsteigenden Triolenrouladen dem Gefühls-Impuls nur den Anstoß gibt, während ihn die pomp- und schwungreiche Antwort des Orchesters was im bekannten Wechsel von Tonica und Dominante einer- und Dominante und Tonica andrerseits sich wiederholt, erst vollendet. Das von Küstner erwähnte Kunststück zweier kontrastierender Musiken zu gleicher Zeit, des Kirchengesangs und des Balletts vor der Kirche, hat sich Lachner, der als Schüler Sechters ein Meister im doppelten Kontrapunkt war, ziemlich leicht gemacht. Mit der viel komplizierteren und zugleich kontrapunktisch absolut reinen, dreifachen Ballmusik in Mozarts „Don Juan" ist das Stück nicht zu vergleichen. Im ganzen aber zeigt jede Nummer der Oper den gewissenhaften, vollkommenen deutschen Musiker, der auch schöne Chöre zu setzen und mit einer ausnahmslos wohlklingenden, an geeigneter Stelle brillanten Instrumentation, die zudem den Gesang niemals beeinträchtigt. Hervorragendes noch zu heben, minder Bedeutendes aufzuputzen weiß. Alles in allem genommen dürfte die Annahme nicht verfehlt sein, daß am Erfolg der „Catharina Cornaro" der Löwenanteil nicht dem Dichter, sondern dem Komponisten gebührt. (Herr St. Georges hat bekannt- lich dasselbe Opernbuch mit dem Titel „La Reine de Cypre" gleichzeitig an Halevy, und dieser die von ihm komponierte Oper an deutsche Bühnendirektionen verkauft.) Zu einem Turnier der beiden Komponisten an einem Orte ist es, eigentlich bedauerlicherweise, nicht gekommen. Diese meine persönliche Anschauung über das Werk habe ich in dem Bewußtsein, daß jetzt nach 63 Jahren ») und den dieser Zeit entsprechenden musikalisch-dramatischen Erfahrungen um gar vieles leichter

^) Geschrieben im Jahre 1904.

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darüber zu urteilen ist, als es dem Zeitgenossen Lachners möglich war, nicht ohne vorausgehende ernsteste Gewissenserforschung niedergeschrieben, wohl aber, ohne vorher die Stimme der Zeit zu hören, welche in einem Artikel: „Franz Lachners Catharina Cornaro" in der „A.M. Z." 1842, Nr. 23, aus dem damaligen allgemeinen Eindruck herauszusprechen scheint. Zu meinem nicht geringen Erstaunen, aber auch zu großer Befriedigung sehe ich, daß das Urteil des Referenten mit dem meinigen in den wesentlichen Punkten nicht so sehr divergiert, als es der inzwischen liegende Zeit- raum natürlich erscheinen ließe. Er konstatiert zunächst den Erfolg: „Seit dem 3. Dezember vor.Js. hat diese Oper neunmal die weiten Räume des Hoftheaters zu München gefüllt. Das Interesse des Publikums steigerte sich von Wiederholung zu Wiederholung; viele Melodien sind bereits im Munde des Volkes; auch hat jenes Geräusch, welches beinahe immer in Opern und Konzerten durch Fort- gehen der Zuhörer vor dem Schlüsse sich vernehmen läßt, bis jetzt in Lachners ,Catharina* noch nicht gestört, obschon das Interesse der Handlung gegen den Schluß etwas nachläßt" (diese anbe- langend geht aus der Beschreibung des Textes hervor, daß dem vierten Akt durch eine spätere Umarbeitung, nach welcher der Klavierauszug gemacht ist, sowohl in Bezug auf musikalische Wir- kung — das pompöse Quartett war gar nicht darin enthalten als auf Gedrängtheit, Korrektheit und selbst Poesie der Handlung bedeutend nachgeholfen ist). „Soweit die ,Stimme des Volkes', welche freilich nicht immer als eine ,göttliche' gelten kann. Großen Anteil an diesem glänzenden Erfolge schreiben wir allerdings der prächtigen szenarischen (sie!) Ausstattung und dem trefflichen Libretto zu. Obwohl letzteres dem neuen melodramatischen Genre angehört und der Unwahrschein- lichkeiten so manche enthält, so müssen wir es doch zu den besten und effektvollsten Opern- büchern zählen.... Mit einerreichen schöpferischen Kraft begabt, paart Lachner üppige Melodien- fülle mit redlicher, deutscher Kunsttreue. In Bezug auf letztere ist sein Werk gewissermaßen reagierend, zwar nicht in der Art, daß seine melodischen Konzeptionen das Gepräge älterer Kunst- perioden oder Individualitäten trügen, sondern insoferne als er an einen Stil, den deutschen sich hält, die rhapsodische, abgerissene Form verschmäht, und seinen Tonstücken jene Rundung und Durchbildung gibt, wie sie ein tüchtiges Kunstwerk erfordert. Dabei bleibt er aber immer dramatisch" (so konnte ja jene Zeit mit allem Recht noch urteilen), „enthält sich jedes unzeitigen kontrapunktischen Prunkes, ist klar und ungezwungen, wo er wirklich ,gelehrt' schreibt, und wendet die Effekte moderner Instrumentierung in vollem Maße, aber auch mit gebührender Umsicht an." Indem nun der Verfasser in einer nicht zu breiten Analyse der einzelnen Nummern den Auftritt Onofrios „ernst und starr", das darauffolgende Duett mit Andrea „grandios, nur etwas zu weit aus gesponnen" nennt, dem ganzen zweiten Akt, der „vorzugsweise das Publikum elektrisierte", das Lob der Meisterschaft erteilt, dann die Arie des Königs im dritten Akt sich etwas wärmer wünschte, dagegen das Banditenterzett als sehr „effektvoll" hervorhebt und endlich den vierten Akt als den musikalisch gelungensten bezeichnet, schließt er seine nicht enthusiastische, aber gemessen aner- kennende Besprechung mit den Worten: „Mit vollster Oberzeugung sprechen wir es aus: mit dieser Oper ist die deutsche Schule um ein dramatisches Werk reicher geworden, welches unter den ihr angehörigen zu den genialsten und gediegensten gezählt zu werden verdient".

Indem Küstner diesem unter allen Umständen hochachtbaren Werke, an dessen Entstehung ihm schon ein starker Anteil gebührt, alle Sorgfalt angedeihen ließ, um ihm, was auch gelungen ist, einen glänzenden und dauernden Erfolg zu sichern, hat er zugleich sich selbst, wie es ja seinem nicht selten zur Ruhmbegierde ge- steigerten persönlichen Ehrgeiz entsprach, einen dankbaren Abgang von der Arena bereitet, deren Spiele er nunmehr neun Jahre mit ebenso viel Geschick als Glück geleitet hatte. Unter allen bisherigen Intendanten des Münchner Hof- und National- theaters war er der erste, welcher diesen Abgang in absolut frefer Selbstbestimmung: nicht infolge eines Verschuldens oder einer Unzulänglichkeit, oder irgendwelcher ungünstiger Verhältnisse, z. B. der in München bisher permanenten Erscheinung

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eines stattlichen Defizits, sondern lediglich gemäß besonderer Erwägung nahm, und diese Erwägung war, daß er seine Kenntnisse und seine Tatkraft als Bühnen- leiter in Berlin, wo man ihm das gleiche Amt angetragen hatte, mit noch größerem Erfolg, sowohl nach Seite des Ruhmes als auch der materiellen Ablohnung, ver- werten könne als in München. Selbstredend konnte Küstner es sich nicht ver- sagen, in dem oft zitierten Buche einen Panegyrikus, welchen zu seinem Abgang ein Professor Dr. Rudolph Margraf? in den „Berliner Gesellschafter" einrückte, in extenso mitzuteilen, welcher dem allgemeinen Bedauern, daß Küstner München verlasse, um „im Mai die Generalintendantur der K. Schauspiele in Berlin an- zutreten", unter Aufzählung seiner Vorzüge und Errungenschaften Ausdruck gibt. In demselben wird namentlich Küstners Verdienst, einerseits eine der Billigkeit und Wirtschaftlichkeit entsprechende Reduktion der Ausgaben, andererseits eine Erhöhung der Kassaeinnahmen erzielt zu haben, gebührend hervorgehoben, wie dies auch schon von seiner Direktion in Leipzig und Darmstadt bekannt geworden sei. Diesen Ersparungen in der Ausgabe und Mehrbeträgen der Einnahme habe eine Vervollständigung der vor ihm lückenhaften Rollenfächer, eine bedeutende Erhöhung des Besoldungsetats, eine Vermehrung der Ausgaben für Manuskripte und Partituren an Dichter und Komponisten, sowie eine des königlichen Theaters würdige, reiche Ausstattung an Dekorationen, Kostümen usw. entsprochen „Nament- lich weisen die Repertoireübersichten ein sowohl durch Novitäten ausgezeichnetes, als aus älteren gediegenen Werken zusammengesetztes, stehendes Repertoire nach."

„Bis jetzt hat der König noch niemand gefunden, den er mit Vertrauen an

Herrn von Küstners Stelle berufen könnte; und es wird auch in der Tat ein nicht unbedeutendes Geschick dazu gehören, um das Institut nur auf dem Punkte zu erhalten, auf welchem es gegenwärtig steht, während es unter der ferneren Leitung des Herrn von Küstners in der Entwicklung weiter vorwärts geschritten wäre." Und dieses Urteil war keine Schönrärberei: es ist während des nun folgenden Zeitraums von abermals neun Jahren, in welchem die Oberleitung viermal wechselte, die Initiative von dieser wieder sachte zu den ausführenden Organen überging und die alte Misere der Etatsüberschreitung aufs neue wiederkehrte, durchschnittlich, wenn auch in verschiedener Weise, bestätigt worden. Daß auch König Ludwig I. in Voraussehung dessen, was kommen werde, die tatsächlich nicht geringen Ver- dienste seines Intendanten wohl zu würdigen wußte und dies gelegentlich gern bekannte, beweisen außer dem im Cholerajahre 1836/37 ihm gespendeten Lobe folgende teils offizielle, teils private schriftliche Äußerungen. Aus Athen, de dato 4. Februar 1836: „Über das Meer herüber aus der Stadt, in der vor Jahrtausenden das Theater am meisten blühte, drücke ich wiederholt die Zufriedenheit mit der Leitung der Münchner Bühne aus. Mit Bedauern vernehme ich Küstners Krankheit; kein Wunder, wenn der Hoftheaterintendant das Gallenfieber bekommt." In der Entlassungsordre vom 30. Januar 1842: „Bei Bewilligung ihres Entlassungsgesuches finde ich mich Allerhöchst bewogen, Ihnen meine volle Zufriedenheit, sowohl in ökonomischer als artistischer Beziehung, mit Ihrer neunjährigen Geschäftsleitung

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zu erkennen zu geben, der Ich Ihnen mit königlicher Huld und Gnade zugetan bin.* Bei Gelegenheit der Vermählung des Kronprinzen von Bayern mit der Prinzessin Marie von Preußen (im selben Jahre, als Küstner bereits in Berlin fungierte): „Auch benutze ich gern diese Veranlassung, Ihnen wiederholt schriftlich meine Zufriedenheit mit der meisterhaften Leitung des hiesigen Hof- und National- theaters zu erkennen zu geben, welche Ihre Verwaltung dieser Anstalt ausgezeichnet hat.* Auch aus Rom, unterm 8. Mai 1839, hatte der Monarch die Versicherung gegeben, „noch keinen so guten Intendanten wie Herrn von Küstner gehabt zu haben".

Die eigentliche Verabschiedung Küstners und seine Reise nach dem neuen Schauplatz seines Wirkens vor welcher er sich noch einen Urlaub erbeten und erhalten hatte, um die Natur und die Kunst in Italien anzuschauen und daselbst auf das Theater bezügliche Studien zu machen, fand erst im Februar des nächsten Jahrgangs 1842 statt, in welchem sie das wichtigste und leider nicht das erfreulichste Ereignis bildet. Unstreitig gebührt Herrn von Küstner das Verdienst, die Münchner Oper, soweit es damals bei dem unleugbar bereits beginnenden Verfall der Ge- sangskunst (im großen und ganzen) eben noch möglich war, gehoben zu haben. Es gelang ihm dies, indem er gleich nach seinem Antritte den heruntergekommenen Chor regenerierte, sodann die höchst mißlichen Lücken im Solopersonal in ziem- licher Schnelle ausfüllte, wobei ihm seine Vertrautheit mit den Personalverhältnissen aller hervorragenden deutschen Bühnen und ein sicherer Blick in der Auswahl geeigneter Kräfte, die er durch Gastspiele erprobte, zustatten kamen. Zugleich erfüllte er mit diesen Gastspielen, die der Mehrzahl nach glänzende waren, den Zweck, beliebte und einträgliche Opern, welche ohne dieselben hätten liegen bleiben müssen, oft und öfter zu geben, wie er denn auch die Zahl der Opern- vorstellungen im Gegenhalt zu den früheren Epochen, und zwar zugunsten der Kasse, um ein Bedeutendes erhöhte. "Welch praktischer Blick ihm in der Aus- wahl der Novitäten zu Gebote stand, beweist die Tatsache, daß unter den ein- unddreißig von ihm zur Aufführung gebrachten sich folgende sechzehn Treffer befanden: „Teil", „Robert der Teufel", „Templer und Jüdin", „Die Capulets und die Montagues", „Norma", „Jessonda", „Das Nachtlager von Granada", „Der Postillon von Lonjumeau", „Die Anglikaner und die Puritaner", „Die Nacht- wandlerin", „Der Brauer von Preston", „Der schwarze Domino", „Guido und Ginevra", „Die Puritaner", „Czaar und Zimmermann", „Catharina Cornaro". Dabei verdiente er sich das nicht geringe (und bekanntlich nicht jedem Bühnenleiter zukommende!) Lob, all diese Werke nicht nur gegeben, sondern nach gehöriger Vorbereitung möglichst richtig, d.h. in möglichst entsprechender Besetzung, auch mit einer Ausstattung gegeben zu haben, wie sie ohne Überlastung der Kassa nur immer herzustellen war, so daß das Publikum Interesse daran nehmen, und sie sich halten konnten.

Daß eine solche Bevorzugung der Oper nicht ohne Beeinträchtigung des Schau- spiels, schon in Bezug auf die Zahl der Vorstellungen, geschehen konnte, ist einleuch- tend. Und darin läge, sofern das Ideal einer guten Bühnenleitung ohne Zweifel in einer

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vorzüglichen Bestellung des Schauspiels in erster Linie zu erblicken ist ein großer, berechtigter Tadel gegen Küstners Regime. Wer aber die Stellung des Münchner Schauspiels, welche bis auf den heutigen Tag dieselbe geblieben ist, mit offenen Augen ansieht, wird diesen Tadel nicht aussprechen. Küstner war unter allen, die seit der Erbauung des Hof- und Nationaltheaters dessen Geschicke zu leiten hatten, der erste, welcher einsah, daß die Größe des Hauses das menschliche Sprechorgan überfordere und daher das Schauspiel, da einerseits die Spielenden sich bis zur Unnatur anstrengen müssen, andrerseits aber das Publikum sie strecken- weise (namentlich im Anfang, bei der Exposition) doch nicht versteht, von vorn- herein ein mehr oder weniger verlorner Posten sei; welcher aber auch nach dieser Erkenntnis, die vielleicht andere sich nur nicht gestehen wollten, seine Maß- nahmen einrichtete, indem er, damit doch etwas von Bedeutung erreicht werde, sich auf Vervollkommnung der Oper verlegte. Daß er dem Schauspiel als Mann von jedenfalls weltmännischer Bildung und Intelligenz nicht abhold war, bewies er hinlänglich, indem er den Antrag auf Erbauung eines eigenen Schau- spielhauses stellte, dem aber, ohne Zweifel aus staatsökonomischen Rücksichten, nicht stattgegeben wurde. Daß sein literarischer Standpunkt sich „über den Ge- schmack seines Publikums ungleich mehr hätte erheben" sollen (wie in Grandaurs „Chronik" [Seite 128] zu lesen ist), hatte ich zu untersuchen keine Veranlassung. Da er den Bühnenmitgliedern gegenüber streng auf Disziplin hielt und dieselbe, nachdem sie unter seinem Vorgänger arg gelockert war, energisch wieder einzu- führen und zu erhalten wußte, ist die in München lange erhalten gebliebene üble Nachrede, daß er im Verkehr eine „nichts weniger als angenehme Persön- lichkeit" gewesen sei, vielleicht doch mit einiger Vorsicht hinzunehmen. Anders verhält es sich freilich mit einer ebenfalls erhaltenen Tradition, wonach es ziemlich stadtkundig geworden sei, daß Herr von Küstner einer gewissen „antikisierenden Neigung", infolge welcher die Damen des Theaters vor dem Intendanten (was nicht immer der Fall sein soll) Ruhe haben, ziemlich unverhohlen gehuldigt habe. Mein späterer Gönner und Freund, Aloys Bayer machte mir einmal eine diesbezügliche drastische Andeutung. Und Küstner zog nach Berlin!

Bleibende Verdienste hat er sich erworben, indem er mit vollem Erfolg für Gründung des deutschen Bühnen-Kartellvereins und Einführung von Tantiemen für dramatische Dichter eintrat.^)

So nehmen wir denn Abschied von einem Manne, welcher unter den Intendanten der Münchner Hofbühne jedenfalls zu den leistungsfähigsten, in der ökonomischen Verwaltung gewiegtesten und erfolgreichsten, für den Kunstzweig der Oper verdienst- vollsten im praktischen Sinne gehört.

Es folge nun eine Statistik der unter Poißl und Küstner gegebenen Opern:

Im Ganzen gegeben wurden 1125 Opervorstellungen, 474 deutsche, 304 italienische und mit den Cherubinischen 347 französische.

[') Man erinnere sich aber auch der Vorschläge Poißl s.]

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Unter den deutschen Komponisten siegt abermals Mozart, welcher mit sechs Opern gerade auf 100 Vorstellungen kommt; von diesen treffen 12 auf die „Ent- führung etc.", 15 auf „Figaros Hochzeit", 41 auf „Don Juan", 8 auf die „Verhängnis- volle Wette" (Cosi fan tutte), 18 auf die „Zauberflöte" und 6 auf „Titus". Hierzu muß bemerkt werden, daß auf die ersten neun Jahrgänge nur 33, dagegen auf die zweiten neun Jahrgänge 67 Mozartsche Opern treffen, was sich zum Teil dadurch erklärt, daß Herr von Küstner die Poißlsche Opernliteratur kaltstellte. Mozart fast gleich kommt C. M. von Weber mit 96 Vorstellungen, wovon 52 auf „Frei- schütz", 34 auf „Oberon" und nur 10 auf „Euryanthe" treffen. Und hart an ihn drängt sich wieder Meyerbeer mit 90 Vorstellungen von ebenfalls nur drei Opern, dem „Kreuzritter in Ägypten", dem „Robert" und den „Anglikanern und Puritanern* (Hugenotten). Erstere wurde nur zehnmal, dagegen der „Robert" von 1834 an 57 mal, die „Anglikaner" von 1838 an 23mal gegeben. Mit der abnormen Bevorzugung des am meisten Spektakel bietenden „Robert" hat das Münchener Publikum das Urteil fast all seiner Theaterintendanten, wonach es in erster Linie der Schaulust fröhne, vollauf bestätigt. Nach dieser Hausse eröffnet die weitabstehende Baisse Baron von Poißl mit 24 Vorstellungen von vier Opern, welche mit seinem Rücktritt von der Intendanz beendigt sind. Meister Gluck hat sich gegen den Zeitraum des zweiten Kapitels, an welchen er mit den zwei Iphigenien auf 7 Vorstellungen kam, etwas „verbessert", indem er mit der „Iphigenia auf Tauris" und der „Alceste" (letzterer freilich nur 5 mal) 22 mal vertreten war. Beethovens „Fidelio" kam 18 mal, also durchschnittlich was so ziemlich eingehalten wurde alljährlich einmal zur Aufführung. Die Frequenz der beiden Großmeister, das heißt die Ent- haltsamkeit von denselben gibt die Gegenprobe für den Geschmack am „Robert", Auch Marschner fand damals wenig Gnade, sowohl vor der Kritik als vor dem Publikum Münchens, mit seinen Opern „Templer" und „Vampyr", deren erste nur 14mal innerhalb sieben Jahren gegeben wurde, während letztere im letzten Jahr- gang nur dreimal daran kam. Mehr Glück hatte noch immer der alte Weigl mit 16 Aufführungen seiner „Schweizerfamilie" die Emmeline war eine Lieblings- rolle für einheimische und gastierende Sängerinnen. Peter Winter zeigt mit 14 Vor- stellungen von drei Opern, 7 vom „Unterbrochenen Opferfest" nur ein schwaches Fortleben nach dem Tode (17. Oktober 1825). Lachner, dessen Blüte dem nächsten Zeitraum angehört, ist mit 7 Vorstellungen der „Alidia" und 4 der „Catharina Cornaro", zusammen 11, vertreten. Conradin Kreutzer kommt mit den je einmal gegebenen Opern „Libussa" und „Cordelia", die seitdem verschollen sind, und 18 Aufführungen des „Nachtlager von Granada" (seit 1837) zusammen auf 20 Vor- stellungen. Spohr mit dreimaligem „Faust" und viermaliger „Jessonda" (schmach- voll!) auf sieben, Lortzing mit den „beiden Schützen" und dem im letzten Jahre fünfmal gegebenen „Czaar und Zimmermann" (der von nun an schnell populär wird) auf acht, Lindpaintner mit einmal „Der blinde Gärtner" und fünfmal „Vampyr" auf sechs Vorstellungen. Dittersdorfs „Doktor und Apotheker" wurde während des Zeitraums achtmal gegeben; vom „Roten Käppchen" und „Hieronymus Knicker"

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war nicht mehr die Rede. An den alten Musikdirektor Ferdinand Fränzel erinnerten noch drei Aufführungen seines „Carlo Fioras"; Xaver Pentenrieder erfreute sich seiner fünfmal gegebenen „Nacht von Paluzzi", je zweimal wurden die Operetten „Der Dorfbarbier" von Schenk und „Der Alchymist" von Franz Graf von Pocci, je einmal „Die Verwandlungen" von Fischer (?), die große Oper „Konstantin" von Stuntz und die Operette „Der Fassbinder" von Ferdinand Fränzel gegeben. Von den 304 Vorstellungen italienischer Opern fallen nicht weniger als 154 (also um zwei mehr als die Hälfte) auf Maestro Rossini, es war die letzte, aber glänzende Äußerung seiner internationalen Herrschaft auf bajuwarischem Boden. Nur 23 davon kommen auf sein reichhaltigstes, tiefstes Werk, den seit 1833 gegebenen „Teil", dafür 42 auf seine im eigentlichen Sinne klassische Oper, den goldigen „Barbier von Sevilla". In die übrigen 89 Vorstellungen teilen sich die Opern älterer Ord- nung: „Othello«, „Die diebische Elster«, „Tankred«, „Moses«, „Die Belagerung von Korinth«, „Richard und Zoraide«, „Semiramide«, „La Pietra del Paragone«. „L'Inganno felice«, „Aschenbrödel«, „L'Italiana in Algeri«, und „Graf Ory" die einzige einmal gegebene Oper Rossinis. Einige von den hier deutsch geschriebenen wurden, je nachdem es für italienische Gäste nötig war, auch im italienischen Original gegeben. (Wie alle diese Opern, mit Ausnahme des „Othello«, plötzlich verschwunden sind, wie nur »Teil« und „Barbier« bleiben und die Opernweltherrschaft an den Kosmopoliten Meyerbeer übergeht, wird der Verlauf des nächsten Kapitels zeigen.) Mit auffälliger Schnelle rückt auch VincenzoBellini dem Maestro, den er im Vater- lande Italien bereits zu entthronen im Begriffe steht, von 1834 an im Münchener Repertoire mit 90 Vorstellungen nach, wovon auf die „Norma« 31, auf die „Capulets und Montagues" 18, auf die „Nachtwandlerin" 17, auf die „Unbekannte" 7, auf den „Seeräuber" 5 treffen; diese alle sind mit Ausnahme zweier Vorstellungen vom „Seeräuber" im Jahre 1830 innerhalb der letzten sieben Jahre gegeben worden (I). Nun wieder der weite Abstand: Spontini mit 21 Aufführungen seiner „Vestalin", deren letzte (in diesem Zeitraum) 1837 stattfand. Wir werden sie, obwohl sie zwei für Gastspiele geeignete Frauenrollen, die Obervestalin und die Julia, hat, nach Maßgabe neu auftauchender Favoritrollen in Abnahme geraten sehen. Dem alten, früher sehr beliebten Paer gönnte man bis 1835 noch 14 Vorstellungen von vier Opern, worunter der „Lustige Schuster" in den drei letzten Jahrgängen erschien. (Er starb zu Paris am 3. Mai 1839, nachdem er den allgemeinen Hingang seines Ruhmes erlebt hatte.) Von Paesiello, der schon 1816 in Neapel gestorben war, ist noch die „Müllerin" zum letztenmal 1834, im ganzen zwölfmal gegeben worden. Der erst 1839 mit dem „Liebestrank" eingeführte Donizetti brachte es mit diesem zu 7 Vorstellungen, mit seiner Propaganda in München wird es von nun an schnell gehen. An den ehrwürdigen Cimarosa, um dessen Klassizität man sich in München nie stark kümmerte, erinnern 5 Aufführungen von „II matrimonio segreto" im Urtext, welche Küstner, wahrscheinlich um König Ludwig eine Freude zu machen, in den Jahrgängen 1834 und 35 besorgte. Zwei Eintagsfliegen waren „II Fanatico per la musica", Farsa von Simone May r, und der obengenannte „Graf Ory" von Rossini.

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Die 6o(lüme6, nanienflid) bi« be8 3fen u. 4ten Äufjuge« gtopcntfjeilä mu, finb nad) ber Angabe bc8 eofhimiet« gtie« ocrfertigt.

^crtbiicfjer bicfer Oper finb, baö @tii(f jU 18 fr., an bcr Äoffc Ju f)ab<n.

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Sin« l'cgt Im II. Oloiij . . . (^in l'ogtnpidl;

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©m« üogc im IV. Olong . . . . 5 ff. fr.

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Auch unter den Vorstellungen französischer Opern ragen die einem einzigen Komponisten gehörenden ganz unverhältnismäßig hervor, nur mit dem Unterschiede, daß dieser Eine schon den nächsten in respektvoller Entfernung von sich hält. Nach A über mit 147 kommt als Nächster Boieldieu mit nur 48 Vorstellungen. Die Auberschen teilen sich ein wie folgt: „Stumme von Portici" 38 mal (von 1830 an), »Fra Diavolo" 29 mal (von 1831 an), „Maurer und Schlosser" 23 mal (von 1827 an), „Der Schnee« 18mal (von 1824—1833), „Der Maskenball« 12mal (von 1836 an), „Das Konzert am Hofe« 11 mal (von 1826—1835), „Leocadia« ward 2 mal im Jahre 1825, „Gott und Bajadere« 7mal (von 1830—1840), „Die Verlobte« 4 mal (von 1830 1832), „Der schwarze Domino« (merkwürdigerweise!) nur je Imal 1839 und 1840 gegeben. Von Boieldieus beiden Hauptopern wurde „Die weiße Frau« (vom Jahrgang 1826—1841) 26mal, der schon im vorigen Zeitraum auf dem Repertoire befindliche „Johann von Paris« (bis 1837) 14 mal gegeben. Der ebenfalls schon früher gegebene „Neue Gutsherr« verschwand nunmehr nach 3 Aufführungen; „Rotkäppchen« mußte sich diesmal mit 3, „Der Kalif von Bagdad« überhaupt mit 2 Vorstellungen begnügen. Adam kam vom Jahrgang 1838—1841 auf 39 Vor- stellungen; „Der Postillon von Lonjumeau« 17mal, „Der Brauer zu Preston« 14mal, „Zum treuen Schäfer« und „Eintagskönigin« je 4 mal. Mehul ward in 24 Vor- stellungen mehr und mehr auf seinen „Joseph« (unter dem Titel „Jakob und seine Söhne in Ägypten«) beschränkt, welcher 18 mal gegeben wurde, während die 6 übrigen Vorstellungen sich auf „Die beiden Füchse«, „Helene« und den „Schatzgräber« verteilten; in den Jahrgängen 1833 1835 und denen von 1839 1841 pausierte er ganz. Der bayerische Titularkapellmeister Chelard, dessen Blüte, wenn man sie so nennen kann, in diesen Zeitraum fällt, um dann im nächsten eilig zu erblassen, kam mit dem glänzend aufgenommenen „Macbeth« auf 17, mit „Mitternacht« und „Student« auf 5, mit der ebenfalls siegreichen „Hermannsschlacht« auf 6, im ganzen also auf 28 Vorstellungen. Daß die „Hermannsschlacht« nach 6maliger Auf- führung in dem Jahrgang ihres Erscheinens für immer zurückgelegt wurde, glaube ich mit dem richtigen Ausdrucke bezeichnet zu haben. Herold hat (vom Jahr- gang 1832 1839) 19 Aufführungen seines „Zampa« aufzuweisen. Der zwischen Gluck und Beethoven stehende Cherubini war bereits auf seinen „Wasser- träger" (oder „Graf Armand«) beschränkt, von welchem in diesen 18 Jahren 12 Auf- führungen stattfanden. Des alten Isouard (Nicolo de Malte) „Joconde oder der Abenteurer" ward neu aufgegriffen, 4 mal im Jahrgang 1839, dessen „Aschen- brödel" 3mal 1841 gegeben. Restieren noch 3 Aufführungen von Bertons einst sehr beliebter „Aline, Königin von Golkonda" und d'Alairacs neueinstudierten Opern „Leon oder das Schloß von Montenero" und „Macdonald", von welchen nur letztere eine Wiederholung fand, und Gretrys „Richard Löwenherz", dessen für jetzt späteste Aufführung am 11. Januar 1824 hiemit nicht umsonst eigens betont werden soll. Vergleicht man dieses statistische Resultat mit dem des vorigen, im 2. Kapitel behandelten Zeitraums von 14 Jahren, in welchem wir die Zahl der gegebenen Opernvorstellungen getrost auf 890 festsetzen dürfen, so

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ergibt sich, wenn man die bloße Zahl in Betracht zieht, nicht nur keine Steigerung, sondern eine ganz kleine Verringerung der geleisteten Arbeit. Denn bei 890 in 14 Jahren gegebenen Vorstellungen ist die jährliche Durchschnittszahl 63 V^, bei den 1125 in 18 Jahren gegebenen 62 Vs. Der Rückgang der Vorstellungenzahl im letzteren Zeitraum wäre sogar weit merklicher geworden, wenn nicht Herr von Küstner die unter Baron von Poißl ermattete Tätigkeit energisch angefrischt und erheblich gesteigert hätte. Unter Poißl sind 463, unter Küstner 662 Opernvorstellungen gegeben worden; unter ersterem war die niedrigste Zahl 37 (im Jahre 1828), die höchste 72 (im Jahre 1832), unter letzterem die niedrigste 62 (in seinem Antrittsjahr), die höchste 93 (anno 1840); unter ersterem mehr Fluktuieren, unter letzterem mehr Stetigkeit. Daß diesmal die Deutschen in der Zahl der Vorstellungen so sehr über die Italiener obsiegen, ist weniger begründet durch di-e Aufhebung der offiziellen italienischen Oper (im Herbste 1825), als durch die Tatsache, daß, mit Ausnahme eines C imarosa, Paer,Paesiello,alleVor-Rossinischen Komponisten, die Mosca,Pavesi,Fari undMarinelli, Alexandri, Coccia, Trento, Melara, Nassolini, Paini etc., (Gott sei Dank für immer I) von der Bildfläche verschwanden. (Dies hatte zugleich die Folge, daß Rossini, nunmehr alleiniger Herr, den etwas über 100 Vorstellungen des vorigen Zeitraumes gegenüber auf deren 154 kommen konnte, um alle Kom- ponisten der Welt noch einmal hinter sich zu lassen.) Der nächste Zeitraum ist der seines jähen Falles und der Erhebung Meyerbeers an seine Stelle, wie in München, so in der Welt. Über die neue, völlig veränderte Stellung, in welche seit den letzten neun Jahren die italienische Oper, ähnlich wohl wie an allen deutschen Hauptorten, aber ganz besonders in München, sukzessive eingerückt ist, kann sich hier der Verfasser einige Worte der Betrachtung nicht versagen. Aus der Protektion und Vormundschaft des Hofes, die ihr noch fette Jahre bereitet hatte, plötzlich entlassen, war sie nun auf sich selbst gestellt, und sie hätte sicher eine Reihe recht magerer Jahre erlebt, wenn nicht der einzige Rossini, ein ägyptischer Joseph, ihre Truhen aufs neue gefüllt hätte. Aber der Reichtum war nicht solid und konnte nicht lange herhalten; denn er war zum großen Teil geborgt vom Glauben des Publikums, der zur Mode geworden und den Rossini mit seinem „Teil" selbst zerstörte, nachdem er schon früher die erste Anregung zu einer neuen, roman- tischen Richtung durch seinen „Tankred" gegeben hatte. Der erste und vorläufig edelste Vertreter dieser Richtung, in welcher sich bereits ein Hervortreten des dramatischen Elements geltend machte, war Vincenzo Bellini. Seine schnelle Pro- paganda auch in Deutschland, wovon uns das Münchner Repertoire der letzten Jahre ein Beispiel zeigte, wird dem Altmeister zu denken gegeben haben. So hat denn die italienische Oper, nachdem ihr ein gütiges Schicksal, wie wir es nennen dürfen, in Deutschland (wohl zuletzt in München) die Protektion genommen, auch des Monopolismus sich entledigt. Jeder italienische Komponist, jede einzelne italienische Oper konnte, durfte aber auch von nun an, mit eigenen Waffen kämpfen: es war die Stellung ehrlichen Wettbewerbes unter den übrigen Nationalitäten. Für Deutsch- land hatte dies die gute Folge, daß nur mehr die Erzeugnisse wirklicher Meister

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durchdringen und, soweit sie es eben wert waren, sich halten Iconnten. Jenes große Geldgeschäft, welches, von auserlesenen Gesangsköniginnen und gar noch Castraten betrieben, auch geringere Ware mitschleifte, konnte von Wien, Berlin, Dresden und dem armen München schon lange nicht mehr bezahlt werden, es beschränkte sich auf Paris, Petersburg, London und allenfalls New-York. Das Glück, welches aber die besten neuitalienischen Meister, Bellini, Donizetti und Verdi, trotz der von ersterem nicht ganz, von den beiden letzteren gar nicht gemiedenen „Drehorgelmusik" in Deutschland mit- und nacheinander gemacht haben, beweist genügend die unwiderstehliche Macht jener musikalisch-theatralischen Verve, worin die Italiener uns und den Franzosen über sind, und zwar um so mehr, als nun die italienische Oper, wie in ganz Deutschland, so auch in München, auf ein per- manentes Hindernis in der Ausführung stieß. Wie bekannt, hat sich das Vorurteil der deutschen Landesväter, daß sie ihre musikalischen Landeskinder, damit Musiker aus ihnen werden, nach Italien schicken müssen, zu Beginn des 19. Jahrhunderts in völlige Gleichgültigkeit gegen jene verwandelt. Die allmähliche Folge davon war, daß die italienischen Opern wohl oder übel nicht nur überhaupt von deutschen, sondern auch des italienischen Idioms völlig unkundigen Kapellmeistern einstudiert und dirigiert werden mußten. Von München gingen, als die letzten, zwei Musiker nach Italien und erhielten nach ihrer Rückkehr auch jeder einen Kapellmeisterposten: Stuntz und Aiblinger. Unter Stuntz konnte, obwohl man ihm Mangel an Tem- perament nachsagte, selbst die Rossinische Oper älterer Ordnung unbeschadet ihrer Eigenart florieren (er hat dies in seinen verschiedenen Stellungen an der deutschen Oper gezeigt); denn er hatte in Italien den Gesang und die spezifischen Eigentüm- lichkeiten des Vortrages, die bekanntlich nicht auf dem Tempo allein beruhen, kennen gelernt. (Aiblinger hatte mit der Oper nichts zu tun.) Nicht so sicher gebettet waren die Werke der nun anrückenden Neuitaliener in der kühleren Be- handlungsweise Franz Lachners, welcher denselben als ein rein deutscher Musiker, der von der italienischen Luft ganz unangehaucht blieb und in dessen vielen vor- trefflichen Eigenschaften überhaupt gerade die Grazie einen minder bevorzugten Platz einnahm, ein warmes Interesse, die erste Bedingung ersprießlicher Leitung, von vornherein nicht entgegenbringen konnte. Lachner vermochte sich in die schärfere Rhythmik, mitunter auch in die feinen Pointen der Franzosen, z. B. eines Auber, recht gut hineinzufinden; für die Lebendigkeit, das Temperament im Vortrag, wodurch eine italienische Gesangsnummer oft erst ihre packende Wirkung erreicht, für die Steigerung der Effekte zu rechter Zeit, hatte er keine Empfindung, gravitierte doch sein Talent überhaupt nicht zur Vokal-, sondern zur Instrumentalmusik, welche bei den Italienern bekanntlich eine untergeordnete Rolle spielt, bis Verdi sich auch dieses Faktors mit souveräner Meisterschaft bedient. In gleicher Weise ging es um diese Zeit, nach der Pensionierung der Sigl-Vespermann und der Schechner- Waagen, nach dem Abgang der Spitzeder, der Hasselt, auch mit dem temperamentvollen kolorierten Gesang zur Neige; kurz, die Prämissen einer voll- kommen stilgerechten Vorführung der italienischen Opern waren von nun an nicht

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mehr gegeben. Lachner, der sie selbstverständlich schon beim Repertoiremachen nicht protegierte, dirigierte sie, weil es seine Pflicht war, wie alles mit der ihn auszeichnenden Sicherheit, aber ohne Interesse, mag auch einige Vorstellungen derselben bald an seinen Bruder Ignaz abgegeben haben,^) welchem er zur Stelle eines königlichen Musikdirektors für den ausscheidenden Valentin Röder verhalf. Trotz dieser Stiefkindstellung, bei welcher über mancher Vorstellung der Hauch der Langeweile schweben mochte, der die Vorzüge zurück-, die Schwächen hervor- treten ließ, trotz alledem behaupteten sich die beiden Hauptträger der neueren italienischen Richtung, Bellini und Donizetti, im Münchner Repertoire mit zäher Beharrlichkeit (ersterer mit „Norma" und „Nachtwandlerin" weit über seinen frühen Tod hinaus) und wurden auch durch den neuen Aufschwung, welchen der Italianismus durch Verdi erhielt, nicht verdrängt, ein Beweis, daß, abgesehen vom „italienischen Gedudel", in den welschen Schöpfungen doch ein lebensfähiger, gesunder Kern stecken muß, welcher selbst ohne besondere Pflege gedeiht. Auch die Primadonnen- losigkeit, an welcher, wie wir sehen werden, die Münchner Oper von nun an krankt, ging begreiflicherweise am fühlbarsten an der italienischen Oper aus. Viel- leicht hätte sie damals völlig Schiftbruch gelitten, wäre nicht ihr Rettungsanker der Geschmack des Münchner Durchschnittspublikums gewesen, welchem die nun einmal süß eingängliche italienische Melodie selbst bei temperamentlosem Vortrag mehr Genuß bereitete als eine Opernmusik, bei der es hätte denken sollen. Siehe die matten Erfolge Glucks!

*) Eine naheliegende Vermutung des Verfassers, deren Richtigkeit nicht nachweisbar ist, weil der heutige Gebrauch, die Dirigenten auf den Zetteln zu nennen, noch nicht existierte.

292

IV I

]

GRAF YRSCH, BARON FRAYS UND BARON POISSL. |

HOFRAT FR. DINGELSTEDT (1842 BIS 1857) |

NACHDEM die vorangegangenen Kapitel mit Notizen über Herkunft, Charakter- 1842 eigenschaften der respektiven Bühnenleiter, soweit Akten und sonstige Quellen

darüber Auskunft gaben, eingeleitet worden sind, wird der Leser ein gleiches über |

die Männer, deren Regime jetzt an die Reihe kommt, um so mehr erwarten, als j

ihr Leben unserer Gegenwart bereits näher liegt. Allein das Dunkel, welches j

gerade über ihnen schwebt, macht es recht anschaulich, wie schnell jede persön- ,i liehe Erinnerung erlischt, sofern sie nicht dokumentarisch festgehalten ist. Die

Personalakten sowohl des Grafen Eduard Yrsch^) als seines nächsten Nachfolgers ;

August Freiherrn von Frays sind aber so überaus dürftig und handeln so aus- !

schließlich von ihrer Ernennung, ihren Besoldungs- und Quieszenzverhältnissen, |

daß sie einen Schluß auf ihre individuellen Qualitäten, ja nur auf einzelne Äuße- |

rungen derselben innerhalb der Zeit ihres Regimes schlechterdings nicht zulassen. ]

Eine Berufenheit zur Leitung eines Theaters konnte gewiß keiner der beiden ^

Herren nachweisen, aber im Falle, wo eben diese Berufenheit zur Leitung der j

anvertrauten Maschine fehlt, ist die Enthaltung von impulsivem Eingreifen in deren \ Funktionen auch ein Verdienst und dieses Verdienst haben sich die beiden Ge- nannten — in erfreulichem Gegensatze zu ihren viel minder berufenen Vorfahren

Stich und Weichs erworben, indem sie mit Verzicht auf Initiative in allen vor- \

zunehmenden Handlungen und Bestimmungen sich auf das Präsidium im Rate j

der untergebenen Sachverständigen, denen sie klüglich vertrauten und auf das !

selbstverständliche Genehmigungsrecht beschränkten. So ist vom Grafen von Yrsch, , mit dessen kurzem Regime wir uns zunächst zu befassen haben, nichts bekannt,

als daß er im März 1843 eine Reise nach Augsburg, um den Schauspieler Herwegh ;

zu sehen, und im August eine solche nach Zürich unternahm, um daselbst eventuell ]

den Schauspieler Dettler zu engagieren. Ebenso verrät auch von der amtlichen |

Tätigkeit des Barons von Frays dessen Akt nichts weiteres, als daß er gleich '

beim Antritt seiner Geschäftsleitung, am 7. Februar (1844), den König in einem i

Bericht aufmerksam macht, daß sich der Theaterbesuch in den letzten Jahren j

bedeutend vermindert habe, besonders das Abonnement stark zurückgegangen sei. j

Schon bald nach seinem Amtsantritte hatte Graf Yrsch das Glück, an Stelle -

der Adelaide Jacede, deren Kontrakt mit dem 30. April ablief, in DE Henriette

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*) Zwei zum Glück erhaltene Briefe dieses hochachtbaren Edelmannes an Dr. Härtinger beweisen ]

wenigstens seine sich auf Verständnis gründende Liebe zu Kunst und Künstlern. \

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Rettich eine Koloratur-Sängerin zu gewinnen, welche in Ansehung der Stimme, eines glockenhellen Soprans, sowie einer tadellosen Schule ihre Vorgängerin entschieden in den Schatten stellte. Gerade ein Jahr zuvor hatte Herr von Küstner eine Ein- gabe an den König um Verlängerung des Kontrakts der Jacede damit motiviert, daß gegenwärtig hohe Bravoursoprane schwer zu finden seien und die in Rede stehende Sängerin, obwohl sie die Hasselt nicht ersetze, doch Volubilität der Stimme und eine gute Schule besitze. Darauf hatte König Ludwig die Genehmigung ausdrücklich nur wieder auf ein Jahr mit den Worten erteilt: „Während des Laufes dieses Jahres ist um eine andere gute Sängerin zu sehen, Jacede lasse ich nach Ablauf des Jahres in keinem Fall mehr engagieren." Graf Yrsch hatte aber auch von der Rettich keine allzuhohen Begriffe, indem er sie vor Antritt ihres Engagements dem König so schildert, wie ich hier wörtlich wiedergebe: „Die Rettich ist, ohne hübsch zu sein, nicht unangenehm. Ihre Schule ist gut und korrekt, ihr Spiel anständig und genügend, wenn auch keineswegs bedeutend, ihre Stimme endlich sonor, wenn auch nicht stark. Nach allem ist die Rettich durchaus keine eminente Erscheinung, weder in Bezug auf Stimme, Spiel noch äußere Erscheinung, welche enthusiasmiert und hinreißt, aber sie ist eine schätzenswerte Sängerin, die höchst beachtenswert (!) ist. Der Korrektheit ihres Gesanges und ihrer guten Schule ist es besonders beizumessen, daß sie sehr gefällt und der Wunsch ihres Engagements vielfach zum Ausdruck kam." Um so mehr mag sich der Graf gefreut haben, als in kurzer Zeit die Leistungen der Künstlerin sein Gutachten als ein äußerst zurückhaltendes erscheinen ließen. Ein weiteres, aber weniger glückliches Engagement, welches übrigens noch Herr von Küstner abgeschlossen hatte, war das des Tenoristen K. Theod. Wide mann; er trat dasselbe als Arthur in den „Puritanern" am 28. März, nachdem er am 24. Februar in derselben Rolle gastiert hatte, an. Im Laufe des Jahres erscheint er noch 12 mal als Mitglied auf dem Zettel, zum letztenmal als zweiter Priester in der „Zauberflöte" am 30. Oktober, scheint hiermit nicht prosperiert zu haben.

Die vier Novitäten des Jahres waren: Donizettis „Lucia von Lammermoor", tragische Oper in drei Aufzügen, Text nach dem Italienischen des Salvator Cam- merano, zum erstenmal aufgeführt am 16. März; Aubers „Die Krondiamanten", ebenfalls dreiaktig, Text von Scribe und St. Georges, Erstaufführung am 15. Juli; Donizettis „Belisar", zum erstenmal am 16. September, und „Die Schweden in Prag", große heroisch-romantische Oper in drei Akten, frei bearbeitet nach einer Erzählung der C. Pichler von I. G. Grötsch, Musik vom königl. Kapellmeister J. Val. Röder.

Die beiden Opern Donizettis gehören zu seinen weltberühmten; sie haben sich wie überall, auch im Münchner Repertoire, ohne freilich schon im ersten Jahre besonders zu ziehen, gehalten, obwohl hier den Vertreterinnen der weiblichen Hauptrollen in der ersten der Hetznecker als Lucia, in der zweiten der Rettich als Antonina, immer ein Attribut zur Erreichung der Vollkommenheit fehlte. Wäh- rend es ersterer bei vornehmem dramatischen Vortrag und tiefer Innigkeit der

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Brust- und Mitteltöne an leichter Höhe und Grazilität der Koloratur gebrach, konnte letztere, welche sich gerade dieses Vorzugs erfreute, den dramatischen Anforderungen nicht genügen. An lebhaftem italienischen Temperament fehlte es selbstverständlich den beiden hochverdienten deutschen Sängerinnen. Seine letzte eigentliche Prima- donna hatte München, wie schon erwähnt, in der Therese Mink gesehen. Die „Lucia" hatte bei der Premiere folgende Besetzung der Hauptrollen: Lord Heinrich

Aston . . . . H. Krause, Miß Lucia Dlli Hetznecker, Sir Edgar von Ravens-

wood H. Diez, Lord Arthur Buklav H. Hoppe, Raimond H. Lenz

(dieser hatte die Regie der sämtlichen Novitäten). Außer einer DUi Mey, welche die Dienerin und Vertraute der Lucia sang und als solche zum erstenmal auf dem Zettel figurierte, erscheint auf demselben auch ein Herr Haunstetter, dessen Rolle, Befehlshaber der Reisigen von Ravenswood, aber von Herrn Wide mann „schnell übernommen" worden war. Zu diesen gesellen sich auf den Zetteln der nächsten Novitäten (und Vorstellungen) die Herren M. Schmidt, der (schon er- wähnte) L. Schmidt, dann Obermayer und Küchler, auch eine Mad. Berger. Sie alle, vermutlich dem Chor entnommen, komplettieren nach Seite der kleinen Nebenrollen das oben aufgezählte nicht allzu zahlreiche Personal.

Über diese Premiere der „Lucia" erschien im „Landboten" ein wenig sagender Bericht; bezüglich der Aufführung wird darin bemerkt, daß die Hauptpartien durch die Herren Krause und Diez als „Asthon" und „Edgar", und besonders durch „unsere wackere D^}t Hetznecker" als „Lucia" sehr gut besetzt waren. Alle drei ernteten fast bei allen einzelnen Nummern verdienten Beifall, und DM Hetznecker und Herr Diez wurden nach dem ersten Akt gerufen. Der Bericht desselben Blattes über die zweite Aufführung am 19. April, welche aber, wie es meint, wegen des eben eingetretenen Frühlingswetters nicht nach Erwarten gut besetzt war, zählt bereits eine ganze Reihe von Nummern, darunter die (wirklich bedeutende) Wahnsinns- szene im dritten Akt auf, welche das Publikum besonders bevorzugt und mit starkem Beifall belohnt habe. Zu den schwächsten Punkten seien dagegen die letzten Sätze zu zählen, in denen sich die Musik und Handlung zueinander verhielten, wie das „le roi est mort, vive le roi", Lust und Schmerz in Einem, und dazu Schwächung des Interesses durch ein fortgedehntes Endigen, welches gleichwohl nicht zum Schluß kommen kann.

Ehe ich zur Besprechung der zweiten Novität übergehe, muß ich eines Berichtes des „Landboten" über eine Aufführung der „Nachtwandlerin", in welcher dieRettich als Antrittsrolle im Engagement die Amine wie bemerkt wird, etwas indisponiert und befangen, aber doch mit großem Beifall sang, aus dem Grunde erwähnen, weil wir aus demselben erfahren, daß jene obengenannte D'ii Mey noch eine sehr unfertige Anfängerin war, mit der man sich in Ermangelung einer besseren Kraft (zu deren Akquisition eben der Etat nicht ausreichte) behelfen zn können hoffte. Es heißt da: „Vor allem machte die andauernde Kränklichkeit der Mad. Diez das Übertragen der Partie der Lise aus den Händen derselben in jene der Düi Mey notwendig. Die Unfähigkeit dieser angehenden Künstlerin, ihrer Aufgabe auch nur

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entfernt zu genügen, wirkte in natürlicher Folge wieder auf das Ganze. So mußte gleich in der ersten Szene, in welcher Mad. Diez so anmutig ist, die Nummer , Dieser Jubel, diese Freude' und der ganze Wechselgesang zwischen Lise und Alexis wegfallen. Wieder aus demselben Grund fielen im zweiten Akt (Nr. 14) Recitativ, Arie und Chor weg. Ein wenig mehr Mut und Fleiß hätte die keineswegs talentlose Sängerin doch wohl in den Stand gesetzt, billigen Ansprüchen, denn andere wird das Publikum an ihre Leistungen nicht machen, besser zu genügen." Von der hiedurch erwiesenen Lückenhaftigkeit des Personals abgesehen, scheint die gerügte Tatsache auch kein Lob auf den Dirigenten zuzulassen, der sich über eine solche Verstümmlung einer italienischen Oper wohl nicht übermäßig aufregte. DMi Rettich wird, obwohl sie dem Referenten nicht ganz als dieselbe wie bei ihrem glänzenden Gastspiel erscheint, im Verlaufe des Berichtes herzlich willkommen geheißen, und in weiteren Rezensionen über sie wächst seine Anerkennung zur Bewunderung.

In Aubers „Krondiamanten" wurden die Hauptrollen gesungen bezw. gesprochen von den Damen Rettich und Hetznecker, von den Herren Lenz, Bayer, Hoppe und Krause; Nebenrollen hatten die Herren Schmidt, Ober meyer und Küchler Sie scheint nicht sonderlich, wenigstens nicht allgemein gefallen zu haben, was jeden- falls mehr das Sujet und die textliche Bearbeitung in holperiger Übersetzung, als die Musik verschuldet haben wird, welch letztere an Genialität der Erfindung hinter den besten Erzeugnissen Aubers nicht viel zurückstehen dürfte. Über die Aus- gestaltung des sehr einfachen Stoffes liegen sich im „Landboten" zwei Bericht- erstatter in den Haaren. Der eine, wahrscheinlich ein Einsender, der die als viel zu lang bemäkelte Prosa größtenteils überhört zu haben scheint, kann gar keinen Zusammenhang finden und meint, daß „dieses Scribe-St. Georges-Swobodasche Libretto an Unsinn aller Art keinem anderen nachstehe". Der andere, augenschein- lich der ständige Referent sucht jenen zu widerlegen, läßt aber dessen Ausstellungen eigentlich unwiderlegt. Über die Musik schweigen sich beide kräftig aus, wohl aus einem naheliegenden Grunde. Wertvoll ist das Buch freilich nicht, sonst gehörte die Oper nicht schon mehrere Dezennien zu den vergessenen. Auffallend ist, wenn man sich vergegenwärtigt, daß Lachner die Novität dirigierte, die Auslassung des ersten „Kritikers" über die Aufführung. Diese sei keineswegs so vollendet gewesen, wie es den vorhandenen Mitteln gemäß hätte sein sollen. „Es war kein rechtes Ineinandergreifen des Orchesters und des Ensembles auf der Bühne vorhanden, ja es ließe sich eine Menge kleiner und größerer Verstöße anführen, deren Vor- kommen mehr an eine Probe als an eine Aufführung erinnerte." usw. Also auch in französischen Opern klappte es nicht immer!

In der Erstaufführung des „Belisar", heroisch-tragische Oper nach dem Trauer- spiel Eduards v. Schenk (wie auf dem Zettel steht), aus dem Italienischen übersetzt

von Keßner,Musik von Donizetti, waren die Hauptrollen also besetzt: Justinian

Herr Lenz, Belisar Herr Pellegrini, Antonina DÜ5= Rettich, Irene

Mad. Diez. Die mitgegebene Bezeichnung der Übersetzung würde ein Rätsel auf- geben, wenn sie nicht eine Erklärung fände in einem erst am 17. Dezember gelegentlich

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Julius Pellegrini als „Onofrio"

Figurine zur ersten Aufführung der Oper „Catharina Cornaro"

von Franz Lachner

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eines Gastspiels des Herrn F. Wild (Wien) erschienenen Berichte des „Landboten*, aus welchem man überhaupt zum erstenmal etwas über die Oper und deren Auf- nahme seitens des Publikums erfährt. Der Titel heißt hier: „Belisar", heroisch- tragische Oper in drei Akten, nach dem Trauerspiel Eduards v. Schenk, von Gaetano Donizetti. Der Dichter ist identisch mit jenem bayerischen Staatsrat und Minister, später Präsidenten von Oberpfalz und Regensburg, welcher die Berufung Küstners zum Intendanten vermittelt hat. Sein „Belisar* hat, in München namentlich durch die erschütternde Darstellung des berühmten E ß 1 a i r (Titelrolle) gehoben, auch ander- wärts imponiert, was den italienischen Dichter Cammerano veranlaßt haben wird, das Stück für Donizetti zur Oper umzugestalten; der Übersetzer scheint einzelne Versgruppen Schenks in den Text aufgenommen zu haben, wie dies später im Gounodschen „Faust" mit Goetheschen Worten geschah. Über die Oper schreibt der „Landbote":

„Donizettis ,Belisario' gefällt hier nicht, gehört zu den wenigen Opern, die das Haus leer lassen, und in denen dies selbst ein namhafter Gast nicht zu füllen vermag. Da kann sich denn dieser selbst nicht von seiner Rolle getragen wähnen, und das kältere Publikum nimmt ihn auch mehr nach seiner eigentlichen Individualität. Für ihn steigerte sich der Beifall aller Zuhörer von der ersten Szene bis zur letzten immer mehr und mehr, mitunter zum wahren Enthusiasmus. Für uns hat durch seine Auffassung und Durchführung der Partie A 1 a m i r s nicht nur diese selbst an Bedeutung gewonnen, sondern, täuschen wir uns anders nicht, auch die ganze Oper. Namentlich trug sein feuriges Spiel und sein kräftiger Gesang viel zur Belebung der mehrstimmigen und Ensemble- nummern bei, die gerade in dieser Oper von der vorzüglichsten Bedeutung sind."

Hiemit ist ziemlich deutlich ein Grund genannt, warum die Oper das Publikum anfänglich nicht angesprochen hat. Die zweifellos sehr wenig „feurige Vertretung« einer wichtigen Partie durch Herrn Diez, der, wie ich mich noch überzeugen konnte, im Spiel überhaupt temperamentlos war, mag lähmend auf das Ganze gewirkt haben. Und daß der Referent, von den übrigen Partnern abgesehen, Gesang und Spiel der im Engagement noch neuen Dill: Rettich als Antonina übergeht, weist darauf hin, daß auch sie der hochdramatischen Rolle nicht gewachsen war. Hätte das konservativ-patriotische Blatt nicht gerne zwei verdienten Mitgliedern einen motivierten Tadel erspart, so würde es wahrscheinlich mit dem ersten Bericht über die Novität nicht drei Monate gewartet haben.

Dieselbe vorsichtige Haltung bewahrte es auch gegenüber dem nun kommenden „Münchener Ereignis": Der Erstaufführung von Val. Röders „Die Schweden in Prag", welche sich durch die Taktlosigkeit eines Teiles des Publikums fast zu einem kleinen Vorspiel des späteren „Bacherlskandals" unter Dingelstedt gestaltete. Diesen Vorgang völlig ignorierend, betont der Referent die Schwierig- keit, über ein großes Tonwerk nach einer ersten Aufführung urteilen zu sollen. Jedermann würde sich darin leichter getan haben, wenn die Intendanz als Gegen- satz für die nächstfolgende Produktion hätte Donizettis „Belisar" wählen wollen. „Zwischen den beiden Extremen liegt die goldene Mitte und in ihr wäre zugleich der Maßstab der Beurteilung gegeben. Beschränken wir uns jedoch auf die Er- wähnung der Aufnahme des Stückes von selten des Publikums. Zunächst wurde

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der geniale Kompositeur dreimal stürmisch gerufen, eine Ehrenbezeugung, zu der wir ihm um so freudiger Glück wünschen, je inniger wir von dem hohen Wert seines Werkes überzeugt sind, obschon wir seiner Geschmacksrichtung im allge- meinen einen unbedingten Beifall nicht zuzuerkennen vermögen. Die Mitwirkenden, sowohl Orchester als Darstellende, taten ihr allermöglichstes, um dem Stück eine günstige Aufnahme zu sichern und fanden ebenfalls für ihre Bemühungen eine gerechte Anerkennung." (Die Hauptrollea lagen in den Händen der H.H. Krause, Lenz, Diez, Hoppe und Pellegrini und der Damen Hetznecker und Rettich.) „Nicht minder wurden die Dekorationsmaler gerufen, und zweifelsohne wäre auch dieselbe Ehre auch J. G. Grötsch widerfahren, wenn es Sitte wäre, Librettisten dergleichen zu erweisen. Das Haus war in all seinen Teilen zum Erdrücken gefüllt." Während sich so der Patriot mit Grandezza aus der Affäre windet, geht ein aus- führlicher Artikel der „Allg. Musik. Zeitung" (zugleich das einzige Lebenszeichen aus München in der nun vor uns liegenden Reihe von Jahren) der Sache nach allen Seiten, fast etwas hart, auf den Grund, freilich, wie man zugeben muß, nicht ohne Provokation. Nach einer kurzen Einleitung über den Komponisten, seine Stellung, seine Werke (z. B. „Die Messiade", mehrere „vorzüglich schöne Messen und Vesperpsalmen") sagt der Autor:

„Erst jetzt in seinem vorgerückten Alter (der Mann ist gegen 70 Jahre alt) begann er eine Oper zu schreiben. Ihre Annahme an hiesiger Bühne soll nicht ohne Hindernisse erfolgt sein. Kurze Zeit vor ihrer Aufführung veröffentlichte der Librettist in den hiesigen Blättern ein Schreiben, das er von unbekannter Hand erhalten haben wollte, beiläufig des Inhalts: , Seien Sie auf der Hut, man bereitet eine schändliche Lüge gegen Ihr Werk und will es nicht zu Ende spielen lassen.* Ober die Proben gingen die widersprechendsten Gerüchte, lobend und tadelnd, beides im reichsten Maße. Auch erfuhr man, die Polizeidirektion habe an ihre Untergebenen gemessene Befehle gegen jeden etwaigen Unfug erlassen dazwischen wieder, wie prächtig die Oper an Kostümen und Dekorationen ausgestattet sein würde, so daß sich die Kosten auf 6000 fl. beliefen usw. An Reizmitteln, die Er- wartung aufs höchste zu spannen, hat es somit nicht gefehlt und zur ersten Aufführung konnte auch eine Menge Leute keinen Platz mehr erhalten. Der Totaleindruck war für uns kein günstiger. Billig stellen wir an die neue Oper die Fragen: Ist Schwung der Phantasie da, dramatisches Talent, Charakteristik, romantisches Element, schöne Rezitative? Sind die Formen der einzelnen Musik- stücke klar, faßlich, abgerundet? Aber keine dieser Fragen kann unbedingt bejaht werden. Man hat im voraus viel von der Gelehrsamkeit gesprochen, die der Tonsetzer in dieser Oper an den Tag gelegt. Allerdings fehlt es nicht an schönen Kombinationen, wären nur auch die Figuren und die Motive interessanter, die er dazu verwendet! Da findet sich aber eine große Menge von kontra- punktischen Gemeinplätzen, wie man sie wohl in Vespern, Litaneien u. dergl. zu hören gewohnt ist." (Zwei Notenbeispiele, bekannteste Sequenzen phantasieloser Organisten, geben davon einen genü- genden Begriff.) „So schwankt der Stil zwischen Oper und Oratorium und das Werk ist weder das eine noch das andere. Die neuen Italiener und Franzosen haben auf die Schreibart des Komponisten freilich keinen Einfluß geübt. Triviales bringt er ebenfalls nicht reicht aber das hin? Vielleicht befreunden wir uns noch mit mehreren Nummern" (hier nennt der Verfasser einige teils frommen, teils patriotischen Inhalts, denen er das Lob „ausgezeichneter Schönheit" erteilen kann). „Die Instru- mentierung läßt eine geübte Meisterhand nicht verkennen, ist aber großenteils sehr lärmend, so daß selbst Pellegrinis kolossale Stimme und der Chor oft nicht durchzudringen vermochten. Am meisten wunderten uns ästhetische Mißgriffe in Behandlung von Worten und Situationen." Hier wird unter verschiedenen Ungehörigkeiten, die mit Sicherheit auf das abnehmende Urteil des greisen Ton- setzers schließen lassen, die Klage der Grafentochter Johanna um den vermeintlich erschlagenen

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Geliebten erwähnt, welche aber eine brillante Koloratur-Arie einer Primadonna alten Stiles, zudem aus des Komponisten „Messiade" herübergenommen sei, wo sie die Szene Marias unter dem Kreuze war (schlimm !). „Dann Text-Repetitionen wie folgende : Heinrich singt von dem Mädchen, das er geliebt, andante und vernehmlich: ,Ich habe sie, ich habe sie, ich habe sie geachtet, geliebt mit treuem Sinn', und sein Freund Jaromir, der ihm entdeckte, daß sie einen andern liebe, accompagniert: ,Sie hab' ich nie, sie hab' ich nie, sie hab' ich nie usw.' Helene sagt zu Odowalski: ,Ich lasse, ich lasse, ich lasse dich nicht.' Johanna: ,Den so sehnend, so sehnend, so sehnend, den so sehnend sucht mein Blick.' Königsmark: ,Was ists, das er mir, was ists, das er mir, was ists, das er mir sagen kann?'! .... Das Buch ist abgesehen von des Verfassers handgreiflicher Unkenntnis der Bühne ein Konglomerat von Albernheiten in Handlung und Ausdruck und eine wahre Folterbank von Lange- weile" (dieses Urteil klingt allerdings schroff, scheint aber nicht übertrieben zu sein). „Die Auf- nahme des Werkes von selten des Publikums steht mit unserem Urteile bis jetzt freilich in direktem Widerspruche. Während des ersten, sehr langen Aktes war der Applaus etwas furchtsam, doch zeigte sich keine Opposition. (Eine Ouvertüre hat die Oper nicht.) Nun erschien die Moldau- brücke von der Kleinseite nach der Moldau zu, so treffend und täuschend nachgeahmt, daß man sich nach Prag versetzt glaubte. Die Brücke ward von den Schweden erstürmt und auf ihr gekämpft. Während Kampfszenen auf hiesiger Bühne selten ohne Gelächter des Publikums ablaufen, hatte diesmal Ballettmeister Horschelt ein wahres Meisterstück von Arrangement gemacht. Dazu das Geläute der Glocken, die Schläge des Tamtams, das Knallen der Gewehre das alles ließ vom Orchester und Chor nur hie und da noch eine Spur durchbrechen und brachte eine elektrische Wirkung hervor. Anfangs war durch den hageldichten Applaus und das Pochen mit Stöcken und Füßen (welches hier auch als Beifallsbezeugung gilt) noch die Rufe: , Horschelt! Röder! Raus! Da capo!' vernehmbar. Aber bald steigerte sich der Lärm zu einem, man möchte sagen, furcht- baren Geheule, bis sich der dirigierende Tonsetzer auf der Bühne gezeigt hatte. Während des zweiten Aktes war der Beifall seltener, aber stärker als während des ersten. Nach dem Finale erstickte ein vielstimmiges Zischen den begonnenen Applaus, der aber, schon aufgehört, von neuem sich crescendo erhob und beinahe die Stärke des Lärmes nach dem ersten Akte erreichte. Am Schlüsse wurden alle gerufen, auch die Dekorationsmaler (welch letztare sich noch durch zwei weitere Schlußdekorationen, ebenfalls Ansichten von Prag, ausgezeichnet hatten). Alle diese Äuße- rungen von Beifall, oder wie man das Ding nennen will, gingen vorzugsweise von der Galerie (5. Rang) und dem Parterre aus. Die Leute auf den Sperrsitzen partizipierten daran nur teilweise, die in den Logen sehr wenig." Zum Schluß bemerkt der Verfasser, die durch das anonyme Schreiben (worüber die Meinungen geteilt seien) angekündigte Opposition habe sich nicht gezeigt, das Zischen nach dem zweiten Akt könne nur als eine Demonstration des ruhigeren Teiles des Publikums gegen den maßlosen Lärm der übrigen gegolten haben. „Wie dem sei die Zukunft muß es lehren, ob sich unsere Enthusiasten konsequent bleiben werden."

Und sie blieben sicli natürlich nicht konsequent. Nach einer Wiederholung des Werkes am Sonntag, den 4. Dezember, wobei der Lärm verstummt war, konnte sich der greise Komponist wieder in sein stilles Altötting zurückziehen, um von dort aus die große Enttäuschung, die ihm eine dumme Hetze ganz unnötig bereitet hatte, wehmütig zu überblicken. Das nächste Jahr zählte „Die Schweden in Prag" zu den durchgefallenen Opern. Das war das Schicksal eines von Haus aus keines- wegs unbedeutenden Musikers, dem es nur, nach dem biblischen Worte: „Viele sind berufen Wenige auserwählt" nicht vergönnt war, sein Talent am geeigneten Ort zu bilden und noch zu rechter Zeit zu verwerten.

Neueinstudierungen dieses Jahrganges waren „König Axur" von Salieri am 14. Januar, welcher wahrscheinlich veraltet anmutend, keine Wiederholung erlebte, dann „Figaro* am 15. Februar und „Der Barbier" am 15. April.

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Daß es der Intendanz Yrsch ernstlich darum zu tun war, einen Zuwachs des Sängerpersonals zu gewinnen, beweist außer einem Gastspiele von momentaner Bedeutung (auf welches wir dann kommen werden) die Heranziehung dreier weiblicher Gesangskräfte zu ersten Versuchen: einer Dill Achilles am S.Juni als erste Dame („Zauberflöte")» einer DE Oswald, welche im November als Irma, Julia („Capuletti"), Emilie („Othello") und Donna Elvira („Don Juan«) auf- trat, und der Altistin Magdalena Zehetmaier, deren Versuch als dritte Dame („Zauberflöte«) am 30. Oktober allein zu einem (im nächsten Jahr geschlossenen) Engagement führte.

Unter den Gastspielen sind, außer dem des Herrn W idemann am 24. Februar, von minder wichtigen, weil sie mit keiner weiteren Absicht verbunden waren, das einer Mad. Ernst-Seidler aus Wien, das der DE Evers aus Stuttgart und das des in München bereits bekannten Tenor-Baritons oder Bariton-Tenors Herrn F. Wild aus Wien zu nennen. Erstere trat nur einmal als Norma im April auf. Die Evers sang im August die Amine, Norma, Isabella („Robert«) und zweimal die Valentine; Wild im Dezember den Alamir („Belisar* siehe oben), Robert, Othello, Don Juan und Fra Diavolo.

Das Gastspiel, welches auf ein Engagement abzielte und auch ein solches zur Folge hatte, war das des Herrn (Dr. med.) Martin Härtinger vom Hoftheater in Mannheim, eines Schülers von Alois Bayer; derselbe trat vom 9. bis zum 27. Juni auf als Max und zweimal als Marco Vernero, Masaniello und Licinius. Da wir auf diesen Künstler, den wir, wie die Schechner unter den Frauen, für die be- deutendste Erscheinung unter den Männern der Münchner Oper erachten, noch zu sprechen kommen, wollen wir uns auf die Tatsache beschränken, daß sich bei diesem Gastspiel der Beifall der Kenner wie des großen Publikums von Rolle zu Rolle bis zur Begeisterung steigerte. Auf Härtinger aufmerksam gemacht war man in München, wo er seine Studien vollendet hatte, wohl schon durch Mannheimer Berichte. Rezensionen, wie die nachstehende des „Mannheimer Morgenblattes" vom 28. Juni 1841, mochten die Erwartungen aufs höchste gespannt haben:

„Ein angehender Tenorist übt in gegenwärtiger Zeit eine stärkere Anziehungskraft aus als eine Aktie der Taunus- oder gar Münchner-Augsburger-Eisenbahn. Man drängt sich bei solchen Gelegen- heiten scharenweise in die Hallen des Kunsttempels, man wägt, prüft, stellt Vergleiche, versucht die Zukunft vorherzusagen etc. Es konnte daher bei der Ankündigung des Herrn Härtinger als Tamino nicht fehlen, daß das Haus gut besetzt war, der Überfüllung stand das schlechte Wetter im Wege. Wir müssen gestehen, daß wir mit großen Erwartungen das Haus betraten, denn dadurch, daß Härtinger von Franz Lachner empfohlen wurde, bekam derselbe keine geringe Wichtigkeit, und dann kam er auch aus einer Stadt, wo jedes Talent, schlummere es auch noch so winzig in der Brust, durch Anschauen oder auch Anhören der Meisterwerke jeder Art, geweckt werden muß. Daß Herr Härtinger unsre Erwartungen befriedigt, ja bei weitem übertroffen hat, bekennen wir freudig!" Nachdem nun der Verfasser sowohl seiner Stimme als seiner Tonbildung ein unbedingtes Lob erteilt, hebt er als Glanzpunkte seiner Leistungen die Bildnis-Arie nebst dem Rezitativ und der Arie im ersten Finale hervor, überhaupt habe seit langer Zeit kein Sänger eine solche Sensation im Publikum hervorgerufen wie Härtinger. „Auch sein Spiel verriet durchaus nicht den Anfänger, indem überall Sicherheit und Gewandtheit hervorleuchteten." Nach einer sehr scharfen Kritik über

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alles übrige lautet das Schlußwort: „Wir sprechen hiemit den Gesamtwillen des Publikums aus, \ wenn wir der Verwaltung ans Herz legen, Herrn Härtinger für unsere Bühne zu gewinnen!" Was ' aber das glänzende Lob des Künstlers noch erhöht, ist folgender Schluß im zweiten Teil dieses \ Berichtes (über die Wiederholung einer Oper „Sita" von Esser). „Die AufFührung ging gerundeter i als das erstemal, nur glaubte Smith, daß er die Verdienste Härtingers herabsetzen könne, wenn ] er recht stark sänge; die Stärke macht nicht den Sänger; es konnte höchstens dazu dienen, die j wirklichen Verdienste Härtingers erst ins rechte Licht zu setzen bei solchen nutzlosen ' Anstrengungen kann man nur lächeln. Wenn Härtinger und Dettmer engagiert werden, dann hat Smith nicht Ursache, sich Glück zu wünschen."

Der öffentlichen Meinung sicti anschließend, gewann die Mannheimer Bühnen- i Verwaltung Härtinger als Mitglied wirklich, aber nur für ein Jahr, in welchem j noch dazu seine Tätigkeit durch das erwähnte Gastspiel in München, wie durch I ein weiteres in Berlin stark genug unterbrochen wurde. Aus der Empfehlung des ' Künstlers durch Franz La ebner, worauf der Mannheimer Berichterstatter hin- j weist, wird dessen kluger Plan ersichtlich, wonach ihm der durch Vermittlung Bayers jedenfalls bereits wohlbekannte Kunstjünger, dessen Fortschritte er beim Meister verfolgen konnte, seine Spolien sich erst im Auslande verdienen sollte, \ um dann in die Lücke des Münchner Personals, welche durch die bedenkliche ] Abnahme von Bayers Stimme in nahe Aussicht gestellt war, schon mit einiger 1 Routine eintreten zu können. "Wenn aber bei Regelung dieser hochwichtigen Tenor- frage die Initiative Meister Lachner zuzumessen ist, so darf auch an der nach- | drücklichen Mitwirkung bei diesem Vorgang von selten des Intendanten Grafen I von Yrsch nicht gezweifelt werden, welcher Härtinger im vollen Entzücken geradezu freundschaftlich entgegenkam. Sein kurzes Regime hat er dadurch zu einem höchst verdienstvollen gemacht, daß er die dargebotene Gelegenheit, diesen auserlesenen \ Künstler für die Münchner Bühne zu gewinnen, mit aller Energie ergriff und die i Maßnahmen zu seiner Installierung leitete. Unter Yrsch ist Härtinger unser geworden.

Schon im Juni dieses seines ersten Amtsjahres gastierte Härtinger als Tamino, Max, Marco, Masaniello und Licinius. Im Bericht über die erste Rolle sagt der ! „Landbote": „Sich beim Vortrag Herrn Härtingers an seinen vortrefflichen i Lehrer zu erinnern, kann man kaum vermeiden, selbst in der Stimme des glück- | liehen Schülers, die eine ebenso metall- und umfangreiche wie kräftige ist, liegt etwas, namentlich in den mittleren Tönen, was an die Gesangsweise Herrn Bayers ' in früheren Tagen unwillkürlich mahnt."

Das wichtige Ereignis im Jahre 1843 und zugleich das glücklichste seit mehreren 184. und für mehrere Jahre war eben der definitive Eintritt Dr. Martin Härtingers j in den Verband der Münchner Hofbühne am L März, ein recht trauriges, aber \ nach unerbittlichen Gesetzen der Natur unabwendbares und darum schon länger I vorausgesehenes die Pensionierung des hochverdienten und genialen Heldentenors Alois Bayer am 1. Oktober. Nachdem dessen Stimme schon während der letzten Jahrgänge immer deutlicher an die Vergänglichkeit alles Irdischen gemahnte, ver- sagte sie ihm in diesem zeitweise so entschieden den Dienst, daß er alsbald

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resigniert in den Ruhestand trat, nachdem er von dem, ihn noch immer ver- götternden, Publikum am 1. Oktober als Lusignan in „Catharina Cornaro" rührenden Abschied genommen. Er konnte diesen Schritt um so beruhigter tun, als er der Bühne und dem Publikum einen vollkommenen Ersatz in seinem Schüler Härtinger hinterließ. Derselbe hatte sich bereits am 5. März als Marco aufs glänzendste eingeführt, um allmählich unter steter Bewunderung des Publikums in Bayers Rollenfach einzutreten.

Leider war in diesem Jahre auch die Pensionierung der hochverdienten Altistin Mad. Clementine Pellegrini ebenfalls wegen Verlustes der Stimme notwendig geworden. Der Leser wird sich ihrer als Mitglied der italienischen Oper, von welcher sie nach deren Auflösung 1825 mit ihrem herrlichen Gemahl zur deutschen übergetreten ist, erinnern. Namentlich in letzterer gab es nicht leicht eine Altrolle, welchen Genres es auch sei, welche man nicht mit Aussicht auf zufriedenstellenden Erfolg ihrer fleißigen Vertretung anvertrauen konnte. Ihrem Gatten, der sie nach verschiedenen Andeutungen in seinem Personalakt sehr hoch gehalten zu haben scheint, war sie eine treue, verständige, unentbehrliche Lebensgefährtin.^) An ihre Stelle trat mit I.Juli die im Vorjahre schon engagierte Magdalena Zehetmaier, ein prächtiger sonorer Kontraalt, der aber wegen fehlender Höhe nur in tiefsten eigentlichen Altrollen, z. B. von der Lage der dritten Dame und des dritten Genius in der „Zauberflöte", zu verwenden, mithin ein vollgültiger Ersatz für Frau Pellegrini, welche dramatische Altpartien, wie z. B. die Obervestalin, mit vollem Gelingen sang, nicht war.

Am 24. Januar bis Ende März fanden sechs Gastvorstellungen einer italienischen Operngesellschaft unter Direktion des Impresario Luigi Romani statt. Für die zwei ersten derselben öffnete die Intendanz des Hoftheaters ihre Räume, die übrigen wurden im großen Odeonsaal und zwar, wie es heißt, auf einer sehr beschränkten Bühne gegeben. Die Urteile über die Leistungen der Truppe im Publikum sowohl, als in der Tagespresse waren sehr verschieden, ja sie standen sich allmählich diametral gegenüber, und München erlebte dadurch, vielleicht in diesem Grade zum erstenmal, die Erscheinung öff'entlicher Parteiung in Kunstsachen. Nament- lich war es der sofort gezogene Vergleich der fremden italienischen Gäste, der Signora Leva und Adelaide und des Signors Tosi (Tenor) mit den einheimischen Bühnenkräften, welche dem Streit eine unnötige Heftigkeit und Bitterkeit verlieh. Ob gegenseitige Gehässigkeiten und Minenlegungen zwischen den Künstlern selbst, wie öffentliche Stimmen munkelten, auf Wahrheit beruhten, oder ob nur die schon recht muntere Hetze der Blätter diese Gespenster beschwor, geht aus der Dar- stellung des „Landboten", der vielleicht ausnahmsweise selbst das Gleichgewicht verlor, mit Bestimmtheit nicht hervor. Da die Sache sowohl für die Münchner Hof- bühne als für die Kunst, soweit diese von jener vertreten war, belanglos verlief, genügt es hiemit, den Fall historisch festgelegt zu haben.

') Frau Pellegrini starb schon zwei Jahre darauf, am 7. Juli 1845, im 48. Lebensjahre. Auf dem Totenzettel sind außer Julius Pellegrini zwei Töchter, Maria und Louise, unterzeichnet.

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Eigentliche Hoftheater-Gäste waren Franz Wild, das Stimmphänomen, welcher als solcher wieder Rollen verschiedenster Lagen, den Don Juan und Zampa (tiefer und hoher Bariton), den Arnold im Teil und den Licinius in der „Vestalin" (hoher und dramatischer Tenor), endlich den Adrian Montfort im „Kreuzfahrer" (dem Verfasser nicht bekannt) zur Darstellung brachte, mit allen durch die unglaublich geschickte Behandlung seiner Stimme interessierte, mit der letzten Rolle aber hin- riß; und das früher beliebte Mitglied Hasselt, jetzt als Mad. Hasselt-Barth und k. k. österreichische Hofopernsängerin, welche als erste Gastrolle die Norma, als zweite die Rebecca in „Templer und Jüdin", als dritte und vierte Antonie in „Belisar" und die Valentine in „Anglikaner und Puritaner" gab. Während man sie in der ersten und den beiden letzten Rollen als künstlerisch sehr fortgeschritten anstaunte, wobei man sich nur darüber, ob auch die Stimme noch den früheren jugendlichen Schmelz vollauf besitze, anfangs kein Urteil erlaubte, kann der „Land- bote" ihr Auftreten als Rebecca in „Templer und Jüdin" mit der Begründung nicht billigen, daß erstens die Marschnersche Oper nichts verloren hätte, wenn statt des Gastes DE Rettich diese Partie übernommen hätte, daß zweitens dem Publikum dadurch der Genuß entzogen wurde, den nur kurze Zeit verweilenden Gast in einer Rolle zu hören, die ihn zur vollen Entwicklung seiner Kraft und Kunst ausreichende Gelegenheit gegeben hätte. Es scheint demnach die Künstlerin dem deutsch-drama- tischen, fast rein deklamatorischen Stile Marschners vermöge ihres mehr leichten, zu melodiöser Grazie tauglicheren Stimmorganes nicht ganz entsprochen zu haben. Münchener Kritiken der „A.M.Z." hatten das zu Küstners Zeiten schon bemängelt, der sie eben nach Seite der dramatischen Kraft sehr überschätzte. Diese schwache Seite bestätigt auch der „Landbote" in seinem schwächeren Lob auf ihre Antonina, einer Partie, die neben vieler Koloratur auch stärkste dramatische Akzente fordert. In seinem dagegen begeisterten Bericht über ihre Valentine hebt er aber auch die VerdienstederheimischenMitgliederhervor:DieHerrenPellegriniundHärtinger als Marcel und Cecil (Raoul), der erstere in dieser Partie unübertrefflich, letzterer diesmal besonders gut bei Stimme, rangen in edlem Wetteifer um den Preis, und das- selbe gilt unbestreitbar von den Damen van Hasselt-Barth undRettich als Valentine und Henriette (Königin). Erinnert unser gefeierter Gast aus Wien in jeder Rolle an ein uns verlorenes Gut, so zeigt uns DMl Rettich bei jedem Auftreten nicht minder, wie sehr wir Ursache haben, uns deren Besitzes zu erfreuen. Diesem ursprünglich projektierten Gastspiel mußte die Künstlerin als fünften Auftritt noch die Norma zugeben, mit der sie im höchsten Grade begeisterte und außerdem als in einer letzten Gastdarstellung (welch trauriges Wort nur „abzuschreiben" dem „Landboten" schon Gram bereitet) noch in einer Art Pasticci mitwirken, das man in der Verlegenheit durch Erkrankungen etc. nicht allzu geschmackvoll zusammengewürfelt hatte. Es kamen da außer den Ouvertüren zu »Egmont" und „Lodoiska" ein Pas de deux, getanzt von DE Holler und Herrn Opfermann, Szenen aus „Belisario" von Donizetti und der vierte Akt aus „Anglikaner und Puritaner" zur Aufführung. Dieser Abschied der Hasselt-Barth rief allseitig den lebhaftesten Wunsch baldigen Wiedersehens hervor.

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Als neu einstudiert erschienen in diesem Jahre: „Der Kreuzritter in Ägypten", „Das rote Käppchen oder Hilfts nicht, so schadts nicht", komisches Singspiel von Dittersdorf, „Der Templer und die Jüdin" (wohl hauptsächlich zum Zweck des Gastspieles), „Der Schnee", „Euryanthe".

Diesen fünf Neueinstudierungen entsprachen auch fünf Novitäten. Diese waren: Am 17. März „Marie, die Tochter des Regiments", komische Oper von Donizetti.

Besetzung der Hauptrollen : Marchese Mad. h r , Tonio .... Herr D i e z , Sulpiz ....

Herr Sigl, Maria Mad. Diez. Am 15. Juni „Der Guitarrespieler", Oper von

Halevy. Erste Mitwirkende: die Herren Bay er, Här tinger, Sigl, Krause, Hoppe. Am 6. September „Die sizilianische Vesper", große Oper mit Ballett von Heribert Rau, Musik vom k. württ. Kapellmeister L i n d p a i n t n e r unter persönlicher Leitung des Komponisten. Erste Mitwirkende: Die Herren Krause, Diez, Härtinger, Lenz, Pellegrini, Sigl; die Damen Hetznecker und Zehetmaier. Am 9. November „Zayde", große romantische Oper mit Ballett, Gedicht und Musik von Freiherrn von Poißl. Mitwirkende: Die Herren Lenz, Pellegrini, Härtinger, Krause und Hoppe; dieDamen Hetz neck er, Rettich und Zehetmaier. Am 23. Dezember: „Der Anteil des Teufels«, komische Oper von Au ber. Besetzung: Ferdinand VL, König von Spanien Herr Krause, Maria Therese von Portugal, seine Ge- mahlin D^^ Zehetmaier, Rafael d'Estuniga Herr Härtinger, Gil Vargas,

sein Hofmeister Herr Sigl, Carlo Broschi Mad. Diez, Casilda, seine

Schwester DllL Hetznecker, Fra Antonio, Großinquisitor Herr Lenz. Daß

Donizettis „Regimentstochter", wie der geläufige Name heißt, einer der vorzüg- lichsten Treffer der Münchener Bühne, wie jeder anderen in Deutschland war, und daß sie noch heute ab und zu mit bestem Erfolg gegeben werden kann, ist allbekannt. In ihrer leichtatmigen, durch französisch-soldatische Rhythmen gewürzten und doch keineswegs trivialen Musik mit einzelnen feinen Zügen lag die Gewähr einer schnellen Popularität, die sich dann auch als nachhaltig erweisen sollte, wozu noch der fördernde Umstand trat, daß die Titelrolle eine neue glänzende Aufgabe für ausgezeichnete Sängerinnen bot. Über die Premiere äußert sich der „Landbote" unter anderm: „Das Sujet ist, Text und Interlokution zusammengenommen, ein recht erträgliches, vollkommen novellenartiges. Die Musik im allgemeinen anlangend, so ist ihr Charakter offenbar weit weniger der italienische, als der französische. Ohne den Meister schon voraus zu kennen, dürften gewiß viele ihrem Gehör nach eher an Auber als an Donizetti gedacht haben." (Diesen Eindruck machten eben die französischen Marschrhythmen, sonst ist der melodische Fluß doch recht italienisch.) . . . Die Manier der Komposition ist von der Ouvertüre an bis zum Schluß der Oper eine elegante, leichte, aber keineswegs unkräftige. Man möchte fast meinen, Maestro Donizetti habe bei dieser kleinen Oper mehr gedacht und gefühlt, als bei mancher

seiner großen" (nicht unrichtig!) Die Aufführung glich teilweise noch einer

letzten Probe" (unter Lachner). Mad. Diez hat in der Partie Mariens eine neue

bleibende Glanzrolle für ihr Repertoire gefunden." Die hübsche Oper hat jeden- falls gleich von Anfang gefallen, ihrem Verständnis stand ja kein Hindernis im

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Wege; daß sie aber in diesem Jahrgang doch nur viermal aufgeführt wurde, ist durch den Raum, den die vier übrigen Novitäten und die Neueinstudierungen in Anspruch nahmen, immerhin erlclärt. Ein destoweniger bekanntes Werk ist Halevy s „Guitarrespieler**. Daß die Oper weder in München, wo sie im ersten Jahr etwa drei Aufführungen erlebte, noch irgend anderswo Fuß fassen konnte, lag wohl größtenteils in der Mangelhaftigkeit des Textes, in welchem die Prosa wieder einmal einen viel zu großen Raum einnahm. Diesen Grundfehler tadelnd, urteilt der „Landbote": „Der ,Guitarrespieler' ist als komische Oper angekündet; aber wo ist das komische Element? Manch Quidproquo kommt allerdings vor, das einem Lustspieldichter willkommen sein möchte, aber wenn von a bis z die Köpfe dabei auf den Sprung stehen, wenn die Intrigue so angelegt ist, daß ein einziger Federzug am Schluß die Komödie in eine Tragödie verwandeln könnte, dann ist es denn doch so ein eigen Ding mit dem Lachenmachen und Lachen. So auch die Musik. Sie entbehrt der Bestimmtheit. Melodienarm ist die Oper nicht, aber die Melodien sind so flüchtigen Eindrucks, weil sie mehr zum Ohr als zum Herzen sprechen "

Nach dieser sanften Ablehnung des französischen Werkes scheint der in München als Komponist und noch mehr als Dirigent hochangesehene Lindpaintner mit seiner „Sizilianischen Vesper", abgerechnet die üblichen offiziellen Loyalitätsver- sicherungen, ein eklatantes Fiasko erlebt zu haben. Gehörte doch von vornherein ein wirkliches dramatisches Genie dazu, um nach Meyerbeers „Hugenotten" noch mit einem gleichartigen Blutbads-Stoffe zu wirken und durchzudringen; als ein solches hatte sich aber der gute Musiker Lindpaintner durch seine bisherigen Werke, auch den »Vampyr", nicht erwiesen, und der neue Stoff überforderte augen- scheinlich erst recht seine bescheidenen Kräfte. Nach Hervorheben des „hohen Talentes und der Genialität" des „geistreichen" Komponisten behält sich der „Land- bote" sein Urteil über die Musik (über das Textbuch wird überhaupt geschwiegen!) „für die morgige Aufführung" vor. Darauf läßt er aber die Leser bis zum 12. Ok- tober, nach der dritten Aufführung, warten, also schreibend: „Die Teilnahme, welche unser Publikum der angezeigten Oper bei den verschiedenen Wiederholungen der- selben geschenkt hat, beurkundet wohl am besten, in wie hohem Grade es deren Wert zu schätzen weiß. Der diesmaligen Aufführung des schönen Tonwerkes wurde ein außerordentlicher Reiz noch dadurch verliehen, daß Ihre Majestäten der König und die Königin zum erstenmal wieder das Theater besuchten" (folgt eine drei Zeilen lange patriotische Kundgebung). Das war die vorbehaltene Kritik über die Einzel- heiten der Lindpaintnerschen Oper. Sie ward nach den vier Aufführungen in diesem Jahre, die zum Teile wohl ihren Grund in freundnachbarlicher Höflichkeit hatten, für immer zurückgelegt.

Auch die Oper „Zayde", das letzte Kind von Herrn v. Poißls, des Dichter- Komponisten Laune, scheint in der nunmehr sehr veränderten Lage dieses Autors keine stärkere Teilnahme, als gerade für drei Vorstellungen in diesem Jahre aus- reichte, gefunden zu haben, obwohl nach einer ausführlichen Darlegung des „Land- boten" zu schließen, wonach dieser mit Einsendungen über diese Novität von

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verschiedenster Haltung, lobhudelnden und leidenschaftlich verunglimpfenden über- laufen worden sei, ein Parteikampf rege wurde, welcher einem lebensfähigen Werke eher zum Vorteil gewesen wäre. Da alle Einsender in Lob oder Tadel über das Ziel hinausschössen, nahm die Redaktion nichts auf außer der aus allem erhellenden Tat- sache, daß, womit auch das Publikum einverstanden war, „die Intendanz nichts ver- säumt habe, was nur einigermaßen zur Unterstützung des Werkes beitragen konnte." Wenn je im Theaterleben das Sprichwort: „Ende gut, alles gut" zur Geltung kam, so geschah dies durch die erst unmittelbar vor Weihnachten erfolgte Erstaufführung von A über s reizender Oper „Der Anteil des Teufels", welcher noch vor Jahres- schluß zwei Wiederholungen folgten. Nicht „schnell fertig, wie die Jugend« in ihrem Urteil, äußert sich der „Landbote" darüber: „Des inmitten liegenden hohen Festtages halber kann Referent der erstmaligen Aufführung der angezeigten Oper erst heute gedenken, wo er durch deren Ankündigung der Wiederaufführung daran erinnert wird, jedes Urteil über deren Wert bis nach dieser auszusetzen. Nur das eine kann schon jetzt bemerkt werden, daß ,Der Ant. d. T.S und dies zwar in jeder Beziehung mit Recht, das überaus zahlreiche Publikum mehr anzusprechen schien, als irgendeine Novität der jüngsten Zeit. Ein gutes Sujet, eine höchst ansprechende Musik, dann die fleißigste Aufführung, alles vereinigt sich, diese Oper zu einem Lieblingsstück des Publikums zu machen." Das ist sie noch heut- zutage — mitten im Wagner-Kultus, neben Mozarts Meisterschöpfungen. Um das Maß ihrer LebensFähigkeit gleich historisch festzulegen, bestätigt hiemit der Ver- fasser, daß er sie 14 Tage, bevor er diese Worte (im Jahre 1905) niederschrieb, unter Generaldirektor Felix Mottls Leitung in unverwelkter Frische hat vor sich gehen sehen. Das sind 62 Jahre. Eine naheliegende Prophezeiung daran zu knüpfen, ist nicht des Chronisten Sache.

Bei der Abschiedsfeier Alois Bayers am I.Oktober d. Js. überreichte Dy^ Hetznecker dem Jubilar am Schlüsse der Vorstellung nach endlosen Hervor- rufen einen Lorberkranz, auf dessen Bandschleifen folgendes Sonett gedruckt war:

An Herrn A. Bayer, k. Hofsänger.

„Wohin ich auch im Kreis das Auge wende,

Ich seh nur Tränen, die bewegte Miene

Von allen sagts: Du scheidest von der Bühne,

Dein schönes Künstlerleben ist zu Ende.

Reicht ihm das eine-, letztemal, die Hände,

Ihr alle wißt, wie sehr er es verdiene.

Der Lorber ist der Preis, der ewig grüne.

Den ich mit Freuden nun dem Sänger spende!

Die Muse schweigt und voll des süßen Dranges,

Küßt sie den Liebling, seine Stirn umkränzend.

Denn ruhmgekrönt beschließt er ihre Sendung.

So scheide denn, Du Meister des Gesanges,

Du schöner Stern, im Untergeh'n noch glänzend,

Du Mime hoher, herrlicher Vollendung!" *

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Am 18. Januar 1844 wurde mit dem Recht auf jederzeitigen Rücktritt in die Armee 1844 und mit einem Gehalt von jährlich 3000 fl. der Major Freiherr August v. Frays zum Intendanten ernannt [als Nachfolger des Grafen Yrsch, der am 1. Februar die erbetene Entlassung erhielt (Grandaur, S. 136)].

Die Neueinstudierung von nicht weniger als acht Opern: „Titus", „Die Müllerin" (Paesiello), „Fra Diavolo", „Jessonda", „Das unterbrochene Opferfest", ,Jakob und seine Söhne", „Die beiden Schützen", „Johann von Paris" und „Die weiße Frau" bewies, daß der neue Intendant es an äußerer Rührigkeit nicht fehlen lassen wollte.

Anlangend Winters „Unterbrochenes Opferfest" ist es höchst interessant, daß die Oper nach der Versicherung des „Landboten" damals (1844!) noch zu den Stücken gehörte, welche im voraus der vollen Teilnahme des Publikums sicher sind. „Die Wiederaufführung dieser lieblichen (?) Oper war schon lange von den verschiedensten Seiten her öffentlich verlangt worden und scheint das Werk des einheimischen Tonsetzers von seiner Popularität noch immer nicht viel verloren zu haben." Nicht viel, aber doch etwas. Mit einer einzigen Aufführung am 2. Juli dieses Jahres verabschiedete sich das berühmte Werk für immer von der Bühne.

Mit der Wiedererweckung von Spohrs „Jessonda", welche von nun an dem Münchner Repertoire treuer blieb, erwarb sich Franz Lachner eines seiner blei- benden Verdienste.

Novitäten brachte das Jahr nur drei, aber die erste derselben, Halevys ,Jüdin", welche am 18. April herauskam, war wieder ein Treffer für viele Dezennien, dem politischen und religiösen Dunkel, welches damals über München lag, entsprach es, daß, wie vorher mit Wiener Metternich-Vorsicht geschehen, der Kardinal zum Großkomthur der Templer, der Kaiser (stumme Figur) zum Herzog, der Erzherzog zum Grafen und die Prinzessin zur Gräfin degradiert werden mußte, als ob dadurch Inhalt und Tendenz der Dichtung eine Veränderung erfahren hätten. Die Besetzung

der Hauptrollen war: Großkomthur Pellegrini, Leopold Diez, Eudoxia....

Rettich, Eleazar.... Här tinger, Recha Hetzn ecken Der „Landbote" brachte

in einem höchst naiven Bericht folgende historisch nicht uninteressante Bemerkung: „Gewiß ist, daß die ,Jüdin* nicht bloß durch ihren inneren reichen Gehalt, sondern auch in ihrem Umfang zu den größten Opern der Neuzeit gehört, zu jenen Riesen- opern, welche für den Zuhörer ebenso genußreich als ermüdend, ja völlig erschöpfend sind." Was würden damals die guten Münchner zu einem „Tristan" oder zum „Nibelungenring" gesagt haben? Also auch in Bezug auf Genußfähigkeit ist die Zeit erzieherisch (wenn es nämlich wahr ist!).

Die unverhüllte Tendenz des Librettos ist: durch Darstellung einer zwar mög- lichen, aber jedenfalls frei erfundenen Episode aus der Judenverfolgung während des Konzils zu Konstanz die daran beteiligte christliche Gesellschaft schonungslos an den Pranger zu stellen. Ob die Musik sich zur Verherrlichung von derlei Tendenzen hergeben soll oder darf, darüber ist das Forum der Ästhetik zuständig, und dieses hat meines Wissens die Frage längst mit Nein entschieden. Aber wenn auch keine würdige, so ist die Vertonung des Fanatismus jedenfalls eine

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äußerst dankbare Aufgabe der Musik, welche wie keine andere Kunst in die Tiefen der hier erregten Leidenschaft greifen kann. Dies hat Halevy bewiesen, indem gerade die Szenen, in welchen die moralische Erhebung des Judentums über das Christentum durchgeführt wird, die ergreifendste Musik bringen neben vielen Flachheiten und Trivialitäten, welche wieder dem Pariser Theatermob als traurige Konzession hingeworfen sind. Ist doch auch der fünfte Akt, in welchem an zwei Menschen der schauerliche Justizmord durch Verbrennen verübt wird, ein Unikum genialer Erfindung und Einheitlichkeit. Über die hauptsächliche Besetzung äußert sich der „Landbote": „Herr Pellegrini als Komthur ist in dieser wie in allen derartigen Rollen eine wahrhaft kolossale, herrliche Erscheinung. Wäre die Partie des Eleazar für H. Härtinger selbst geschrieben, sie hätte für ihn kaum noch günstiger sein können. Ebenso sind die Damen Rettich als Isabella undHetznecker als Recha an ihrem Platze, und namentlich letztere vermag hier ihre ganze, so reiche Kraft wiederholt zu ihrem Vorteile zu entwickeln."

Als zweite Novität ging am 12. Mai Lortzings „Wildschütz oder die Stimme der Natur" nach Kotzebues „Rehbock" vom Komponisten als Oper bearbeitet, in Szene. Besetzung: Graf Eberstein.... H. Krause, die Gräfin .... Dill: Hetznecker,

Baron Kronenthal H. Härtinger, Baronin Freimann.... Mad. Diez, Nanette....

DIU Molendo^), Bakulus H. Sigl, Gretchen, seine Braut Diä Rettich,

Pankratio, Haushofmeister H. Lang. 2) Über die Musik meint der „Landbote«

in seinem Laienverstande: „Der reichbegabte Kompositeur hat hier, um jeden weiteren Vergleich zu vermeiden, lange nicht das erreicht, was seinem ,Czaar und Zimmermann* einen dauernden Wert gibt, denn wir finden weder einen bestimmten Charakter scharf ausgeprägt, noch schwingt sich der Verfasser zu einer ungewöhn- lichen Höhe empor" (das tut er auch im Czaar nicht), „noch endlich tritt uns ein ähnlicher Melodienreichtum entgegen. Vielmehr hören wir oft Kräftiges rasch in bloße Tändelei übergehen und nicht selten verliert sich Tüchtiges, was wir zu vernehmen glauben, in alltägliche Oberflächlichkeit." Sogenannte Schlager, Stücke, welche sich sofort die Vorliebe des Publikums erringen, hat die Musik des „Wild- schützen" freilich nicht. Im Bedürfnis nach solchen hat der Referent übersehen, daß hier die musikalische Behandlung mehr dem höheren Gebote der Einheit- lichkeit folgt und daß es Lortzing dadurch gelungen ist, eine echte Lustspiel- musik zu schaffen. Daß und wie sich der „Wildschütz" in München und in ganz Deutschland gehalten hat, ist bekannt.

Ein nur kurzes Leben dagegen fristete Aubers komische Oper „Sirene", welche zwar bei ihrer Erstaufführung am 14. November vom Publikum überaus freundlich

') Eine in diesem Jahr für kleinere Partien engagierte Sängerin, welche in dieser Rolle zum erstenmal auftrat. Von ihr existiert kein Personalakt. '') Es ist Ferdinand Lang, der Sohn der berühmten Sängerin Regina Lang, sicher der größte Komiker in der Geschichte des Münchener Schauspiels, welcher seine unerreichte vis comica wohl über 40 Jahre auch der Münchner Oper, meist im Vereine mit dem ebenfalls unübertroffenen Baßbuffo Eduard Sigl, zugute kommen ließ. Nur geschah es infolge eines leidigen Sparsystems, daß man ihm oft Opernpartien zumutete, wozu eine wirkliche Singstimme gehört hätte.

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aufgenommen, von einigen sogar dem „Anteil des Teufels" an die Seite gestellt wurde, wahrscheinlich aber gerade diesem gegenüber nur zu bald verblassen und der Vergessenheit anheim fallen mußte. Die Hauptrollen waren besetzt mit den Herren Allfeld, Sigl, Härtinger, Hoppe und dem neuen Bariton Hirsch, mit den Damen Rettich und Zehetmaier. Während der „Landbote" dem Herrn Hirsch für seine ersten Auftritte als Cornaro und Seneschall („Joseph von Paris") einiges Lob gespendet hatte, schweigt er über seine Mitwirkung in dieser Oper ganz. Die dem Engagement dieses vom Breslauer Stadttheater gekommenen Sängers vorausgegangenen Gastrollen waren Belisar, Figaro (im „Barbier") und Bertram gewesen; man scheint die Prüfung, wozu diese Rollen reiche Gelegenheit gegeben hätten, nicht streng genug genommen zu haben.

Andere, nicht erhebliche Gastspiele in diesem Jahre waren die eines Herrn Ober hoff er aus Karlsruhe als Jäger und Figaro („Figaros Hochzeit"), einer Mad. Hahn aus Strelitz als Romeo, einer DM Neureu ther, k. russische Hof- sängerin, als Isabella im „Robert" und Julia in der „Vestalin", und endlich eines Herrn Meisinger (Tenor-Buffo) als Peter in Lortzings neueinstudierten „Beiden Schützen". Da die Besprechung, welche der „Landbote" diesem letztgenannten widmet, auch über Hirsch, wie es scheint, genügenden Aufschluß gibt, sei sie hier dem Wesentlichen nach reproduziert: „9. August. Die beiden Schützen etc. Wenn das Gastspiel Herrn Meisingers dazu beigetragen hat, das angezeigte Stück zur Wiedereinführung zu bringen, dürfen wir uns ihm zum doppelten Danke ver- pflichtet fühlen, denn dasselbe wird nun hoffentlich wieder manchen unterhaltlichen Abend für unser Theaterpublikum schaffen. Alle wichtigeren Rollen waren in guten Händen. Herr Hirsch sollte uns als Wilhelm zum erstenmal erinnern, daß Herr Krause nicht mehr der unsrige ist. Um ganz erlöschen zu können, ist das Andenken des Geschiedenen ein zu begründetes." (Und doch hat der „Landbote" etwas über Krauses Abschied als Czaar am 28. Juli zu bringen, gänzlich versäumt.) „Von Herzen wünschen wir dagegen, daß Herr Hirsch je länger desto mehr im Stande sein werde, im Urteil unsres Publikums eine gleich hohe Stelle einzunehmen, wie sein Vorgänger. Überaus ergötzlich war unser geehrter Gast (Meisinger) als Peter, und was sein gewandtes und ansprechendes Spiel allenfalls noch unerreicht ließ, das bezweckten seine gutgewählten Kuplets, nämlich den allseitigen rauschenden Beifall."

Daß ein Buffo-Tenor, selbst von hervorragendem Talent, in München Fuß fasse, war damals durch die überaus possierlichen Leistungen Hoppes bei musikalisch- gesanglicher Gediegenheit (z. B. als Paul in der „Schweizerfamilie" und in den Lortzingschen Bufforollen, wie sie eben an die Reihe kamen) von vornherein eine Unmöglichkeit.

Zum Schluß des Jahres gab der treffliche Musiker Ignaz Lach n er, der bisher als Musikdirektor wohl auch nicht viel mehr als sein Vorgänger Valentin Röder in den Vordergrund des Theaterlebens getreten war, den Münchnern ein niedliches, sie lange ergötzendes Geschenk mit der Alpenszene „'s letzte Fenster In", gedichtet von Gabriel Sei dl, welche gerade noch am 30. Dezember, wie ein

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herzlicher Neujahrsgruß, herauskam. Die beiden ganz allein spielenden Personen, „Mathies, a Jaga" und „Rosel, a Senderin* ^) wurden von Herrn Sigl und Mad. Diez den in diesem Stück gegen 20 Jahre unzertrennlichen Partnern zu höchstem Entzücken des Publikums gespielt und gesungen, was wohl der nächste Grund der langen Zugkraft war. Diesem grundharmlosen Liederspiel im Bauernkostüm kommt vielleicht die kunstgeschichtliche Bedeutung zu, musikalischerseits mit zur Entstehung jener breiten Theaterliteratur beigetragen zu haben, welche man mit „Lederhosen- Poesie" zu benennen pflegt. Die Herren Seidl und Lachner können nichts dafür.^) Am 4. April des nächsten Jahres brachten sie als „zweiten Teil" dieses Poems „Drei Jahrin nach'm letzten Fensterin", wodurch nun eine selbständige Biologie entstand, die oft und immer wieder gegeben wurde.

Nicht eine Personalveränderung, sondern eigentlich die Schaffung eines neuen Postens in der Opernpflege war es, womit sich v. Frays ein großes Verdienst und den Dank aller einsichtigen Opernfreunde erwarb, indem er im Jahre 1845 die bisher höchst eigentümlich besorgte Leitung des Chors einem gewiegten musika- lischen Fachmann in der Person des später durch seine Männerchöre berühmt ge- wordenen Konrad Max Kunz übergab. Am 20. März berichtete die Intendanz: „Es haben sich Anstände bezüglich der Leitung des Opernchores ergeben; bisher hatte der Hofmusikus Steigenberger das Einstudieren der Chöre gegen einen Gehalt von 400 fl. zu besorgen, der dieser Aufgabe nicht gewachsen ist." (Warum auf einmal? Er wird es wohl von Anfang nicht gewesen sein!) „Außerdem ist der bisherige Leiter der Bühnenmusik, General-Militär-Musikdirektor Legr^and, dem unterzeichneten Intendanten während seiner bisherigen Amtsführung noch nicht zu Gesicht gekommen. Für die beiden Funktionen wird der von Franz Lachner empfohlene Musiklehrer und Dirigent der Münchner Liedertafel, C. M. Kunz, für ein Probejahr in Vorschlag gebracht, v. Frays." Aber erst vom 1. Juli 1845 wurde Kunz mit einem Gehalt von 500 fl. als Chordirigent angestellt, wobei er alle Bühnen- musik einzustudieren und zu dirigieren hatte. Wenn man bedenkt, daß im Anfang dieses Jahres Mozarts „Idomeneo" mit seinen prachtvollen, zum Teil nicht leichten Chören gegeben wurde, kam die Akquisition dieses bedeutenden Musikers, welche den gewiß sehr heruntergekommenen Zuständen im Chorwesen ein Ende bereiten sollte, wahrlich spät genug, in diesem Jahre post festum. Kunz war am 30. De- zember 1812 zu Schwandorf in der Oberpfalz als Sohn des dortigen Stadttürmers geboren, der ihm den ersten Musikunterricht gab, ihn aber auch durch Besuch des Amberger „Maltheser"-Gymnasiums, das er mit Auszeichnung absolvierte, huma- nistische Bildung gewinnen ließ. Von da zog Kunz nach München, um sich an der Universität zum Mediziner auszubilden, aber die Mittellosigkeit zwang ihn, seine akademischen Studien nach vollendetem Philosophenjahr aufzugeben, und seinen Lebensunterhalt durch Musiklektionen zu suchen. Ein guter Stern führte ihn bald zu Hofkapellmeister Stuntz, der sich lebhaft für ihn interessierte und ihn als

') Sennerin. [') Ob nicht schon M. Haydns Singspiele („Die Hochzeit auf der Alm", „Der Baßgeiger von Wörgl") den Anfang der Lederhosen-Poesie bezeichnen?]

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Kompositionsschüler annahm. Ein damaliger Gesangverein „Neu-England" wählte ihn zum Dirigenten, und nachdem er diesen einige Jahre hindurch mit gutem Erfolg geleitet, wurde er Mitbegründer und zugleich Dirigent der Liedertafel. Sowohl durch diese Tätigkeit als mehr noch dadurch, daß Kunz die Bestrebungen Lach- ners, Beethoven und ältere Heroen der Tonkunst in München zu popularisieren, in der Presse unterstützte, ward dieser mächtige Mann auf ihn aufmerksam und dankte ihm für seine uneigennützigen Bestrebungen durch warme Empfehlung zur Chordirektorstelle. Seitdem der wackere Kunz diese nun bekleidete, schwang sich der Münchener Theaterchor zu einem der vorzüglichsten in ganz Deutschland auf. Wir werden noch auf ihn zu sprechen kommen. Höchst auffallend ist es, daß der Chronist Grandaur diesen hervorragenden Künstler warum? das weiß der Himmel mit Stillschweigen übergeht. Zu zwei dankenswerten Neueinstudierungen, Chelards „Macbeth" am 27. April und Cherubinis „Graf Armand" (noch immer nicht „Wasserträger") am 13. Juli brachte das Jahr 1845 fünf Novitäten: die erste derselben und als solche gewiß die merkwürdigste in unserer Operngeschichte war Mozarts „Idomeneus, König von Kreta". Die Überschrift „zum ersten Male" wird damals jeder Gebildete bemängelt haben, weil er wußte, daß das Werk schon im verflossenen Jahrhundert unter Karl Theodor im Residenztheater aufgeführt worden war, man hätte hinzusetzen müssen: „im kgl. Hof- und Nationaltheater". Ein Unikum unter den Unbegreiflichkeiten in der deutschen Theatergeschichte ist es aber, daß das Werk von jener Aufführung am 29. Januar 1781 bis zu dieser angeblichen ersten am 12. Januar 1845, das sind 64 Jahre weniger 7 Tage wohlgemerkt in der Stadt, für welche der größte aller Opernkomponisten es geschaffen auf seine Wiedererstehung warten mußte. Der Zettel der nun in Rede stehenden zweiten Erstaufführung des „Idomeneus" hat den weiteren Vermerk: „nach dem italienischen Libretto des Varesco bearbeitet und in Szene gesetzt vom Regisseur Lenz." Grandaur versichert in seiner Chronik, daß Lenz den Text „übersetzt" habe. Notwendig ist das ohne Zweifel gewesen, denn die Übersetzung von Andreas Schachtner, welche bei der Aufführung von 1781 gebraucht wurde, kann nur, wie alle aus jener Zeit, himmelschreiend gewesen

sein. Besetzt war die Oper folgendermaßen: Idomeneus Här tinger, Idamantes,

sein Sohn DM^ Hetznecker, Ilia, Tochter des Priamus Mad. Diez, Elektra,

Tochter des Agamemnon Dill: Rettich, Oberpriester des Neptun H. Diez,

Arbaces, Vertrauter des Idomeneus . . . . H. Hoppe, Kretensische Mädchen ....

DHiMolendo und Zehetmaier, Kretensische Männer Herren M.Schmidt und

Allfeld. Der „Landbote" schreibt über die Aufführung am ersten Abend: „München, 13. Januar. Unsere Bühne erhob sich am Gestrigen über den Zweck eines ein- fachen auf herkömmliche Abendunterhaltung abzielenden Kunstgenusses: Mozarts ,Idomeneus' vor mehr als 60 Jahren für und auch zum Teil in München geschrieben, seither aber unbenutzt in der Repositur der deutschen Oper ruhend, ward auf Befehl Sr. Majestät des Königs aus dem Staube der Vergessenheit hervor- geholt und in glänzendster Restauration auf die Bühne gebracht Zunächst

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bestätigte der außerordentliche, alle Räume des Hauses überfüllende Zudrang des Publikums die begeisterte Spannung, womit dieses den Gang der über drei Stunden langen Oper verfolgte, sowie der rauschende und enthusiastische Beifall, womit es Nummer für Nummer derselben auszeichnete, mit welch inniger Pietät wir immer noch zum Genius ihres großen Schöpfers aufblicken und wie wenig wir noch unseren Geschmack an der minder ätherischen Kost verdarben, womit uns die Meister der Gegenwart unter wenig Ausnahmen zu bewirten pflegen. Dann ward eben durch diese glänzende Aufnahme der Oper der erfreuliche Beweis gestellt, daß ihre Auf- führung überhaupt, und besonders aber darum noch möglich sei, weil der geniale, noch allen Zauber frischer Jugend atmende Schwung der Musik die in Mozarts gleichzeitigen Briefen selbst am richtigsten beurteilten Mängel des Librettos ver- deckt, welche hauptsächlich in ermüdenden Längen, geringer Bühnengerechtigkeit und einer ihm freilich nicht ursprünglichen, sondern erst aus den Umwälzungen des Geschmacks datierenden Unzulänglichkeit für modern-dramatische Anforderungen bestehen. Endlich aber war die Restauration dieser von Mozart schon in seinem 24. Jahre geschriebenen Oper von ebenso lehr- als genußreicher Wichtigkeit für den kennerischen Teil des Publikums. Wer fühlte nicht, daß Mozart auch hier nur echtes, lauteres Gold der Kunst verarbeitete, aber noch mit jugendlich un- sicherer und doch das Höchste versprechender Hand " Das große Lob auf

die Begeisterung des Publikums, welche an dem einen Abend aufgelodert sein mag, ist doch eine kleine Ruhmredigkeit des Referenten, welcher sich bei dem patriotischen, festlichen Anlaß ja selbst zu einer ungewöhnlichen kritischen Leistung aufschwang, um vielleicht schon während des Niederschreibens an der Nachhaltig- keit des glänzenden Erfolges zu zweifeln. Daß auch die Bühnenleitung an eine solche nicht glaubte, bewies sie am besten dadurch, daß sie die erste Wieder- holung bis auf den 27. Februar (46 Tage) hinausschob ein Verfahren der Vorsicht, welches sich übrigens in gleichen Fällen nie bewährt hat. Dann folgte noch eine Vorstellung am S.Mai und der Mohr Lokalpatriotismus denn dieser hat wohl zumeist den Applaus gemacht hatte seine Schuldigkeit getan. Es ist eine alte Geschichte, doch wird sie ewig neu bleiben: Die wahren Musikverständigen befinden sich im Theater in einer ungeheuren Minorität. Das große Publikum konnte und kann wohl an „Figaro", „Zauberflöte" und „Don Juan" Geschmack finden, das Verständnis des „Idomeneo" blieb und bleibt ihm verschlossen wie das der Gluckschen Opern. Ja, es hatte, um bei der in Rede stehenden Zeit zu bleiben, wahrscheinlich noch mehr Genuß bei diesen, als gerade beim „Idomeneo", dessen tiefgründende, keineswegs ganz einfache Musik einerseits schon sehr gebildete Musikfreunde als Zuhörer voraussetzt, dessen große Textmängel und Schwächen aber anderseits dem Zuschauer das verweigern, was die Gluckschen Opern (be- sonders „Orpheus" und die beiden „Iphigenien") auch ihm noch bieten: eine concise verständliche dramatische Handlung mit vernünftiger Schürzung und Lösung des Knotens, wogegen der ganze Stoff' des „Idomeneo" in eine endlose, monotone epische Breite ohne Licht und Schatten auseinanderfällt. Dies ist der größte Fehler gegenüber

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Intendant Franz Dingelstedt 1851 1857

gerade dem minder gebildeten, also dem großen Publikum, dessen instinktives Ver- langen nach Klarheit des Textes vor allem andern erfüllt werden muß, wenn das vorgeführte Stück Aussicht auf dauernden Erfolg haben soll. Dazu kommt noch die Fremdheit des antiken, des griechischen Stoffes („alle griechischen Stücke sind langweilig", sagte der bekannte Logendiener), welche dem Empfinden des Durch- schnittszuschauers näher zu bringen alle Bestrebungen Ludwigs L, des Hellenisten, nichts halfen. Dies sind die Klippen, welche das größte musikalische Genie nicht zu umschiffen, dies der Strom, gegen welchen es mit Anspannung all seiner jugend- lichen Kraft nicht zu schwimmen vermochte. Und dieser Fall ist wahrlich das größte Unglück, welches die dramatische Tonkunst je erlitten hatte. Denn gerade in diesem „Idomeneo" schlägt Mozart die Saite des echten tragischen Pathos mit einer Gewalt an, welche selbst seinen Vorgänger Gluck hinter sich läßt und welches er in keiner seiner späteren Opern (die sich ja durch andere Vorzüge auszeichnen) auch nur entfernt wieder erreicht. Sollte es heutzutage einen Musiker geben, welcher über die Richtigkeit der Wagnerschen Maximen, soweit sie sich auf die Textfrage beziehen, noch im Zweifel wäre, der Fall Idomeneo müßte ihm eine gründliche Aufklärung geben. Hier ist die genialste Musik unter der Unfähigkeit des Textes zu Grunde gegangen; wohl ist sie Eigentum aller echten Musiker, nie aber des Publikums geworden.^)

Und gleich das Schicksal der nächsten Novität sollte genau dieselbe Lehre geben. Über die Oper „Maria Rosa" von Hartmann Stuntz, welche am 23. Februar zur erstmaligen Aufführung kam und eine Wiederholung erlebte, berichtet der „Land- bote": „München, 24. Februar. Der gestrige Abend brachte Stuntz' große Oper ,Maria Rosa* zum erstenmal auf die Bühne. Der Zudrang zu derselben war außer- ordentlich, der Beifall groß, denn das Werk entsprach in musikalischer Hinsicht den Erwartungen, zu welchen der Name des Tonsetzers berechtigt. Ein anderes ist es mit dem Libretto. Denn obwohl der Stoff, aus welchem es schöpfte, keines- wegs ein undankbarer ist, läßt es mehr als viel zu wünschen übrig. Da das Tonwerk selbst übrigens mit jener geistigen Tiefe durchgebildet und künstlich gegliedert ist, welche den Genius der deutschen Musik charakterisiert, so kann von einer detaillierenden Besprechung erst nach seinem wiederholten Genüsse die Rede sein." Am 6. März war die Wiederholung, aber der „Landbote" schenkte sich den ver- sprochenen Bericht. Die Sänger, welche bei diesem erneuten Versuch des Kompo- nisten, auf den weltbedeutenden Brettern zur Geltung zu kommen, mitgewirkt hatten, waren: Pellegrini, Hirsch, Härtinger, Sigl und (außer noch vier nebensäch- lichen Herrenrollen) die einzige Dame Hetznecker.

Inzwischen liefern vier Produktionen von Nebelbildern ein Beispiel von der Vorstellung des Intendanten, wofür ein Hoftheater da sei. Der „Landbote" schreibt darüber am 10. März: „Döbler, der Magier, gab gestern die vierte und ,allerletzte* Vorstellung seiner Nebelbilder. Das Haus war jedesmal voll ,zum Brechen* oder

*) Vergl. auch unsere Bemerkungen im I. Teil. 40 313

,daß kein Apfel konnte zu Boden fallen*. Die Gründlinge des Parterres, wie sie Shakespeare nennt, oder vielmehr die Heringe des Parterres, denn sie standen so gedrängt als diese je sich in der Tonne pressen, fanden kaum Raum, die Hände zum Applaudieren zu regen. Am besten tat, wer die Hände den ganzen Abend in die Höhe gestreckt hielt etc." Bei solchen Schaustellungen ist es ja kein Wunder, wenn dem Publikum kein Interesse mehr blieb für Opern, besonders für solche mit schlechten Texten.*)

Schon am 11. April folgte als dritte Novität Heinrich Essers Oper „Die zwei Prinzen" in nachstehender Besetzung: Die Herren Hoppe, Hirsch, All fei d. Lang, Härtinger, Sigl und M. Schmidt, die Damen Rettich, Diez und Seebach (eine Schauspielerin). Auch dieses, wie es scheint, achtbare "Werk, dessen Autor sich jedoch einen größeren Namen auf dem Gebiete der Liederkomposition sowie als Dirigent gemacht hat, ging dem Schicksal baldiger Vergessenheit (nach zwei Wiederholungen) entgegen, wiewohl diesmal der Text nicht alle Schuld getragen haben dürfte. Der Bericht des „Landboten* mag hier als freundlicher Nachruf stehen: „München, 13. April. Essers ,Zwei Prinzen*, Oper in drei Aufzügen, wurden gestern hier zum erstenmal gegeben und fanden, wie sie es in der Tat verdienen, die bei- fälligste Aufnahme. Das Buch, nach Scribe und Malesville von Friedrich, behandelt einen recht dankbaren Stoff mit einer szenischen Routine, die man von jenen über- fruchtbaren Dramaturgen gewohnt ist und hauptsächlichst darin besteht, ein noch so handwerksmäßig zusammengezimmertes Gerüste mit farbenreichen, aber oft mehr künstelnd als künstlerisch verschlungenen Draperien zu verkleiden. Die Musik ist ungemein reizvoll, zur Seele sprechend, höchst wirksam durch die glücklichsten Gegensätze des Pathetischen, Komischen und Sentimentalen, und über ihr Ganzes den holden Zauber phantastischer Intuition verbreitend. Ihrer harmonischen Gründ- lichkeit ungeachtet dürften sich nicht allzuviele der neuen deutschen Opern an melodischer Fülle mit ihr messen. Der Tondichter, seines Standes Kapellmeister in Mainz, wurde durch wiederholtes Hervorrufen geehrt, und hinwiederum gereichte es den Münchnern zur Ehre, den deutschen Landsmann nicht etwa lokalen Eifer- süchteleien geopfert zu haben." Demgegenüber erscheint das gar so schnelle Ver- schwinden des Werkes doch etwas auffällig.

Donizettis „Linda von Chamounix**, welche am 22. Mai ihre Münchner Premiere unter Mitwirkung der Herren Härtinger und Pellegrini und der DE Rettich als Hauptpersonen erlebte, veranlaßte, da sie gerade in den wunderschönen Mai fiel, den Referenten des „Landboten" zu folgender launigen Einleitung seines Berichtes: „Linda von Chamounix (warum nicht Chamouny?) hätte gestern beinahe kein Publikum gefunden. Ein anderes als das Hoftheater, das große theatrum mundi, hat gestern nach langer Wintersperre bei (sonnen-) beleuchtetem Hause freien Eintritt gewährt und da gingen die Leute lieber den Linden als der Linda, lieber den Primeln als der Primadonna, lieber einem Hirsch im Tiergarten als dem

[') Ähnlich liegen die Verhältnisse in den Kampfjahren der deutschen Oper, besonders im Anfang des 19. Jahrhunderts, wo Seiltänzer und Feuerfresöer das Hoftheater unsicher machten.]

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kgl. bayer. Hof- und Nationaltheaterbassisten gleichen Namens nach." Über die Musik dieser Oper, welche damals (wie noch heute) als eine der besten Doni- zettis galt, urteilt der Referent nicht ganz unrichtig, daß ihr „bei allem äußerlich feurigen Leben, bei einer Fülle von Melodien und oft südlicher Leidenschaftlichkeit, die Tiefe und Innerlichkeit eben deutschen Wesens mangele." Dieser Mangel wird aber, wie Verfasser sich hundertmal überzeugt hat, immer nahezu aufgehoben, wenn eine rassige Italienerin, sofern sie die von Donizetti verlangte immense Virtuosität besitzt, durch temperamentvollen Vortrag den Themen erst den Atem des Lebens einhaucht. Wenn nun der Rettich (gewiß mit Recht) nachgerühmt wird, daß ihr schwerlich eine deutsche Sängerin den Part der Linda mit gleichem Erfolg nachsingen dürfte, so verweise ich hier gegenüber diesem doch nur relativen Lob auf das am Eingang dieses Kapitels über die Stellung der italienischen Oper in München Gesagte. Die italienische Oper zog seit dem Abgang der Mink ent- schieden den kürzeren gegenüber der deutschen und der französischen Oper, darum hielten sich besonders die Opern Donizettis im Münchner Repertoire fast nur dadurch, daß man sie als Culmination italienischer Gesangsvirtuosität immer für illustre Gäste bereit halten und von Zeit zu Zeit wieder einstudieren mußte.

Eine gleich liebliche und erfreuliche Erscheinung deutscher Nationalität war Fr. von Flotows romantische Oper „Allesandro Stradella", welche am 26. Sep- tember zum erstenmal das Licht der Lampen erblickte. Härtinger sang den Stradella, Hoppe und Sigl die beiden Banditen, Mad. Diez die Leonore (welche dem Genre nach eigentlich mehr der Rettich gehört hätte) und Allfeld den Baß. Diese im ganzen ausgezeichnete Besetzung trug sicher das ihre zu einem Erfolge bei, welcher durch den anziehenden Stoff bei geschickter bühnengerechter Gestaltung und eine durchaus eingängliche, zum Teil melodisch reizende, zum Teil recht charakteristische Musik, der man auch eine Trivialität nicht nachsagen kann, ohnehin gewährleistet war. Obwohl erst Ende September herausgekommen, fand die Oper noch in diesem Jahr vier Wiederholungen und ward auch im nächsten Jahr fünfmal gegeben. Der Referent des „Landboten" äußert sich über das Werk u. a.: „. . . . Dieses anziehende, auf seinen dramatischen Verlauf kunstreich spannende, und vermöge einzelner trefflicher Charakterzeichnungen höchst wirk- same Thema wird von einer Musik getragen, welche eben keine Ansprüche auf außerordentliche Tiefe macht, dagegen deutsche Gemütlichkeit mit französischer Grazie und leichtem Fluß des Ausdrucks verschmilzt und in dieser Weise ein eigen- tümliches, zwischen Auber und Adam (?) sich bewegendes Genre des noch jungen

Komponisten darlegt Allerorts wird insbesondere die Lokalfärbung der Musik,

welche wirklich französische Karnevalslust und römische Liebes- und Lebensfröhlich- keit atmet und auch dort, wo sie drastisch aufträgt, wie in den Figuren der Banditen, nationeller Wahrheit nie ungetreu wird, deren Effekt sichern." Auch dieses harmlose Werk hat sich an der Münchner Bühne bis zur Gegenwart, also gute sechs Dezennien lang, gehalten, es gehört zu jenen alten Opern, in welche sich ab und zu gar mancher gern aus dem Überschwang (oder auch der Impotenz?) modernster Kraftleistungen flüchtet.

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über die am 28. Oktober herausgekommenen „Haimonskinder" von M.W. Balfe, dem ersten englischen Komponisten, welcher den Kontinent mit seinen (nach italienischem Rezept) gemachten Opern beglückte bezw. über den zur Oper verarbeiteten Stoff schreibt der „Landbote" nach einer Einleitung, welche die Erscheinung von vornherein als nicht recht diskutabel bezeichnet, folgendes:

„Diese , Haimonskinder' haben mit denen der Sage nichts gemein als den Umstand, daß auch sie vier Brüder sind. Mit gleichem Fuge hätte man die Oper auch ,Die Rothschildskinder' betiteln können, wären deren in Wirklichkeit nur viere statt fünfe. Der witzige Kontrast zwischen den Haimonschen und Rothschildschen Vermögensumständen, und hinwiederum die Obereinstimmung, daß der alte Rothschild wie der alte Haimon seinen Kindern den Grundsatz hinterließ: Seid einig und teilet alles, hätte diesen Operntitelvarianten nur um so plausibler gemacht. Doch genug; die Oper heißt mit Recht oder Unrecht ,Die Haimonskinder' und ihr Sujet ist eine in Musik gesetzte Heirat nach Geld. Die vier heruntergekommenen Junker singen: , Durch eine reiche Frau wird unser Himmel blau, vor- trefflich ist der Plan, Fortuna lacht uns an', und führen diesen trefflichen Plan mit Hilfe ihres Maschores Ivo des aus Scotts , Braut von Lammermoor' gestohlenen Caleb glücklich durch, indem sie den freiherrlichen Filz Beaumanoir, an welchem jeder Zoll ein Mauschel, um seine Tochter und drei Mündel düpieren. Ein doppeltes Heiratsquartett assoziert die Häuser Haimon und Beaumanoir und wie der Schlußchor singt: ,Haimons Stern glänzt neu.' War schon dieser Text, dessen Fäden etwas wirr ineinanderspielen, nicht recht geeignet, ein Publikum in sein Interesse zu ziehen, welches statt dieser Glücksritter im modernen Stile die alten Recken der Sage erwartet haben mochte, zu vieren ein Roß reitend, wie auf dem Holzschnitte des Volksbüchleins, so war auch die Musik nicht imstande, die Hörer recht zu kalmieren und über ihre getäuschte Erwartung zu erheben, so viele Schönheiten (?) sie auch unter leichter melodischer Spreu verbirgt **

Nach einer Wiederholung waren die „Haimonskinder" begraben. Balfe begegnet uns noch einmal mit seiner „Zigeunerin".

Von Mitte Mai bis Mitte August fanden in diesem Jahre im ganzen 20 Gast- vorstellungen statt, in welche sich acht Gäste teilten. Mit Ausnahme der zwei Auftritte der Dlil= Oswald vom Hoftheater in Stuttgart (ohne Zweifel derselben, welche schon im Jahre 1843 in München gastierte) als Zerline in „Fra Diavolo" und als Gabriele im „Nachtlager", beide im Mai, und einem auf fünf Rollen aus- gedehnten Gastspiel der Stöckl-Heinefetter vom Hoftheater zu Wien (zweimal Fidelio, dann Norma, Elvira im „Don Juan" und Valentine), ließen sich nicht weniger als fünf Baritonisten hören, und zwar im Juni [der später als Schriftsteller und Theaterdirektor bekannt gewordene Ernst] Pasque vom Hoftheater in Darm- stadt als Belisar, Tristan in „Jessonda", Don Juan und Czaar. Der nachmals berühmte Karl Formes vom Hoftheater in Mannheim als Orovist und Kaspar, ein Herr Schiffbenker aus Brunn als Jäger und Graf Rudolf in der „Nachtwandlerin", ein Herr Meinhardt (?) als Czaar und Zampa und endlich in ebendenselben Rollen der ungemein feinsinnige Pischek. Die bald gewonnene Erkenntnis, daß Hirsch seiner Aufgabe nicht gewachsen sei, wird ohne Zweifel diese Jagd nach Baritonisten veranlaßt haben. 1846 Dieselbe fand auch im Jahre 1846 ihre Fortsetzung. Vom 30. April bis 17. Mai absolvierte der bereits damals angesehene Anton Mitterwurzer vom Hoftheater zu Dresden ein Gastspiel, welches auf die Rollen des Orest, Bois Guilbert, des Czaaren, Richard („Puritaner") und Don Juan ausgedehnt war. Da Mitterwurzer in

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Dresden (seit 1839) festsaß, konnte seine Berufung als Gast nur den Zweck haben, Opern überhaupt geben zu können, in deren bezüglichen Rollen Hirsch nicht mög- lich gewesen wäre. Daß Mitterwurzer auch den Orest sang, welchen in München bald darauf Härtinger übernahm, beweist, daß er sich des Glückes einer außer- gewöhnlichen Höhe erfreute. Nun aber kam das fruchtbare Ereignis des Jahres, das Gastspiel, womit die Baritonfrage für München endgültig und gleich auf vier Dezennien gelöst wurde. August Kindermann vom Stadttheater zu Leipzig, der mit göttlicher Stimme begabte Sänger, welcher alsbald einer der größten Lieblinge des Münchner Publikums werden sollte, kam zu einem aus vier Rollen (Graf Alma- viva, Jäger, Teil und Belisar) bestehenden Gastspiel, nach dessen Beendigung in 11 Tagen (Juni) er das Cäsarische Wort: „Veni, vidi, vici" sprechen konnte, denn schon am 20. August darauf sang er als engagiertes Mitglied seine An- trittsrolle als Czaar. Brachte das Erscheinen dieses (damals freilich noch in der Ausbildung begriffenen) Künstlers der Bühne und dem Publikum einen unschätz- baren dauernden Gewinn, so ist das Gastspiel der „kgl. schwedischen Hofsängerin" Jenny Lind, „der schwedischen Nachtigall", wie sie allgemein genannt wurde, eine der glänzendsten Episoden in der Geschichte der Münchner Oper zu nennen eine der glänzendsten, weil sie Gelegenheit gab, die phänomenalste Gesangs- künstlerin der Vierziger-Jahre, noch eine herrliche Nachblüte der Gruppe Catalani, Pasta, Sabine Heinefetter, Wilder, Schechner etc., in einem Rollenzyklus be- wundern zu können, worin sie den ganzen Reichtum ihrer, von Meisterhand') ausgebildeten Naturgaben vorführte; eine weniger erfreuliche, ja gewiß sehr ernste dagegen, weil sie jedem Denkenden die Augen darüber öffnen mußte, daß die Münchener Oper, konnte man auch der Tüchtigkeit der gegenwärtigen Sängerinnen die Anerkennung nicht verweigern, die Blüte ihrer Gesangskunst, nämlich in weib- licher Vertretung, hinter sich habe. Jenny Lind trat vom 23. Oktober bis 20. Dezember zweimal als Amine in der „Nachtwandlerin", dreimal als Maria in der „Regiments- tochter" und je einmal als Norma, Agathe, Donna Anna und Susanne auf. Wie mir in späteren Jahren von gesangskundigen Autoritäten versichert wurde, impo- nierte die Künstlerin weniger durch ungewöhnliche Größe oder Umfang der Stimme, als durch absolute Reinheit des Tones und eine geradezu verblüffende Technik der Koloratur, in der sich ein „nie dagewesener Triller" ganz besonders unver- geßlich machte; weit mehr aber noch durch Gefühlstiefe in der Kantilene, wozu ein wohliger, geradezu sirenenhafter Ton das unfehlbar faszinierende Mittel gab. Wie sie durch diese beiden Vorzüge unbedingt die erste Vertreterin der Norma und Amine (und sicher aller Bellinischen Rollen) in dieser und für alle Zeiten war, assimilierte sich ihr skandinavisches Naturell auch vollkommen der gemütvollen deutschen Agathe; auch reichte ihre Kraft selbst für die dramatischen Akzente der Donna Anna noch aus, wiewohl diese Partie nicht gerade ihre stärkste

0 Garcia, während ihres Aufenthaltes in Paris, wo sie aber 1841 an der großen Oper Probe sang, ohne ein Engagement erhalten zu können (wofür sie sich ihr Lebtag an den Parisern durch Ablehnung jeder Einladung rächte).

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genannt wurde, während sie den Gipfel der Vollkommenheit wieder in der munteren Susanne erklomm.

Seltsamerweise hüllt sich sowohl diesen hochbedeutenden Gastspielen als auch den drei Novitäten des Jahrganges gegenüber der „Bayerische Landbote" in un- verbrüchliches Schweigen. Nur über „Lucrezia Borgia" von Donizetti, welche am 24. Juni ohne Gast herauskam, läßt sich das Blatt nach der zweiten Aufführung am 2. Juli vernehmen: „Donizettis , Lucrezia Borgia' ließ auch bei ihrer Wieder- holung kühl. Das Libretto ist uninteressant und zu allem Überfluß für die große Menge nicht durchsichtig genug, und auch der Musik fehlt es an innerer Wärme, Glanz und genialen Schlaglichtern. Warum gab man nicht eine neuere deutsche Oper, z. B. Lortzings Undine?" Es werden nun eine Reihe kleinere und zwar erfolglose Werke dieses Meisters genannt, zuletzt der Waffenschmied „wovon sich das meiste mit Donizettischem Klingklang messen dürfte". Zufällig ist gerade der Lucrezia gegenüber das Verdammungsurteil des „Landboten" nicht ganz zutreffend. (Ich erinnere mich einer Münchener Aufführung mit Frl. Ternina und Dr. Raoul Walter, in welcher das Gift- und Gegengift-Duett zwischen Lucrezia und Gennaro vom Publikum fast rasend applaudiert wurde, es war 1896, mitten im Wagner- Kultus!). Vielmehr ist die dam^alige geringe Wirkung der Oper größtenteils auf die Besetzung zurückzuführen. Zwar gab Härtinger den Gennaro, aber der Tenor kann eine italienische Oper nicht halten, wenn die weibliche Haupt- und Titelrolle von einer soliden deutschen Sängerin ohne Temperament und stilgerechtem Aplomb gesungen wird. Frl. Rettich hat sich wohl selbst nicht eingebildet, eine gute Lucrezia zu sein, und die dritte wichtige Partie, den Herzog, sang Herr Hirsch, der, durch Kindermanns siegreiches Gastspiel verdrängt, am 28. Juni gerade mit dieser Rolle seinen wahrscheinlich recht ruhigen Abschied nahm.

Einen anfänglich vielversprechenden Erfolg muß Ignaz Lachners romantische Oper „Loreley", Dichtung von Molitor und Wendling, welche unter Mitwirkung der Damen Rettich, Diez und Hetznecker (Titelrolle) und der Herren Allfeld, Kindermann, Härtinger und Sigl zum erstenmal am 16. September herauskam, erzielt haben, sonst wäre dieselbe nicht dreimal in den noch übrigen Monaten des Jahres wiederholt worden. Aber es blieb schließlich doch bei einem ehren- vollen Achtungserfolg, welcher der wackeren Arbeit des ohne Zweifel talentvollen Komponisten gezollt wurde, und es wird wahrscheinlich wieder beträchtlich am Text gehapert haben, dessen Stoff später unter der bildenden Hand eines Em. Geibel (Mendelssohn, Bruch) sich als dramatisch bedenklich erwies. Mit noch zwei Auf- führungen im folgenden Jahre ward auch dieses Werk begraben. Eine frühe Jugend- erinnerung ist es mir, die recht hübsche Ouvertüre zur Loreley auf der Wacht- parade spielen gehört zu haben.

Als dritte und letzte Novität erschien am 13. November (vielleicht auf die An- regung des „Landboten" hin?) Lortzings späterhin so außerordentlich beliebt gewordener und ebenfalls noch heute im Repertoire stehender „Waffenschmied*. Daß er nicht sofort allgemein gefiel, man ihn sogar nach einer Wiederholung

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zurücklegte, ist in umgekehrter Weise auf dasselbe nationale Hindernis zurück- * zuführen, welches die „Lucrezia" zu Fall gebracht hatte. Pellegrini, der italienische Meistersänger, konnte sich im Charakter des deutschen „Waffenschmied" nicht zurechtfinden und gab die Rolle wirkungslos, was um so schlimmer auf den Gesamt- erfolg drücken mochte, als das Publikum ihm mit Recht vollkommen vertraute und \ den Grund seiner Nichtbefriedigung lieber in der Komposition suchte. Grandaur sagt in seiner Chronik: Zum Repertoirestück wurde die Oper erst, nachdem Kinder- mann den Stadinger übernommen hatte (was erst nach der Verabschiedung Pelle- grinis füglich geschehen konnte). Die übrige Besetzung der Oper in ihren Haupt- - rollen war: Maria .... Mad. Diez; Graf Liebenau . . . . Kindermann; Georg, ,

Knappe Hoppe; Ritter Adelhof.... Sigl; Irmentraut, Erzieherin Mad.Wühr. j

Zu einer Neueinstudierung kam es in diesem Jahre nicht, die Instandsetzung der

zum Zweck der vielen, zum Teil illustren Gastspiele nötigen Opern kostete der Direktion und den Mitgliedern neben dem fortlaufenden Repertoire Arbeit genug.

Von besonderem Kunstinteresse ist darunter die einmalige Wiederholung des -

Mozartschen „Idomeneo" am 27. Februar, welcher von da an wieder bis 1859 i

liegen blieb. Sonst war das Jahr der Mozartschen Muse ziemlich freundlich, indem i

„Figaro" und „Don Juan" je dreimal, die „Zauberflöte" und die „Entführung" je \

zweimal zur Aufführung kamen. Weber ist mit sechs Aufführungen* des „Frei- ]

schützen" und je zwei des „Oberon" und der selteneren „Euryanthe" über '

Meyer beer, der sich mit einer Aufführung des „Robert" bescheiden mußte, einmal ausnahmsweise Herr geworden. In dem im ganzen vorzüglichen Repertoire sind noch drei Vorstellungen des „Grafen Armand" und zwei der „Jessonda" hervorzuheben. I

Gegen Ende des Jahres gaben im Hoftheater die berühmten Geigerinnen Theresa j

und Maria Milanollo, das edle Schwesternpaar, sechs Konzerte. Wenn sich die Räume des Kunsttempels für Ausübung solchen Zaubers öffnen, sind sie nicht ent- ;

weiht; dem Herrn Intendanten dürfte es mehr um den Zauber des Silberklanges, der ihm nicht immer stark genug war, zu tun gewesen sein.

Wie in diesem Jahr keine Personalveränderung stattfand, so war die einzige im 1847 i Jahre 1847, wenn man sie schon so nennen will, eine kaum spürbare, indem die |

immer weniger beschäftigte Mad. Theophila Jost, welche, wie wir gehört. Küstner '.

nur engagiert und gehalten hatte, um ihrem Gatten, dem großen Schauspieler Jost, i

einen Gefallen zu tun, sachte von der Bühne zurücktrat. Auch die drei Gastspiele, |

merkwürdigerweise lauter Tenöre, hatten nicht viel zu bedeuten, wenn sie nicht 1

Lücken im Opern-Repertoire ausfüllen mußten, welche durch einen längeren kon- traktlichen Urlaub Härtingers hervorgerufen wurden. Sang da im Juni ein Herr \ Reichard, k. Hofsänger und fürstl. Esterhazyscher Kammersänger, den Grafen j Almaviva (Barbier), den Tonio (Regimentstochter) und den Tamino; dann im Juli j und August ein Herr Reer, Kammersänger des Herzogs von Sachsen-Koburg- Gotha, den Stradella, Robert, Chapelou (Postillon), Cecil (Anglikaner) und Alamir ^ größtenteils Rollen Härtingers; endlich ein Herr Eppich vom Stadttheater

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zu Graz den Tamino und George Brown. Dazu machte noch ein Herr Karl Wild im August einen ersten theatralischen Versuch als Max ohne weitere Folge.

Unter fünf Novitäten hatte Xaver Pentenrieders komischer Einakter „Das Haus ist zu verkaufen" den Vortritt. Der „Bayerische Landbote", der den sonder- baren Streik vom Vorjahre beendete und die Arbeit der Berichterstattung wieder aufnahm, sagt darüber:

„München. Am 4. März zum erstenmal ,Das Haus ist zu verkaufen*, Singspiel in einem Akt von F. X. Pentenrieder. In dieser seiner neuesten Schöpfung hat sich der bereits rühmlichst bekannte, unter uns weilende Komponist abermals als Meister bewährt, um so mehr als er hier sich zuerst der komischen Tondichtung zuwandte und uns in jeder Nummer seine Fertigkeit im Schaffen leichter, ansprechender, melodienreicher Musikstücke bewies. Das Singspiel fand eine so glänzende Auf- nahme von selten des Publikums, daß der Komponist und sämtliche im Stücke beschäftigten Künstler am Schlüsse gerufen wurden. Wir sind überzeugt, daß die Operette sich, wenn möglich, noch eines glänzenderen Erfolges zu erfreuen gehabt hätte, wäre der eine sehr lange Akt in zwei geteilt worden; eine Änderung, die sich auch noch ohne große Schwierigkeiten vornehmen ließe."

Durch die Damen Hetznecker und Diez, die Herren Härtinger, Kinder- mann und Sigl war die Operette mustergültig besetzt; nach einer Wiederholung verschwand sie auf immer.

Die zweite, sehr interessante Novität des Jahres war Halevys große lyrische Oper „Die Musketiere der Königin", welche unter Mitwirkung der Damen Rettich, Hetznecker und Zehetmaier und der Herren Härtinger, Kindermann, Pellegrini, Lenz etc. am 18. März herauskam. Der große Erfolg der „Jüdin", welchem schon in den dreißiger Jahren der nicht viel geringere von „Guido und Ginevra" vorausgegangen war, dürfte die Bühnenleitung zu der Eile veranlaßt haben, womit sie das erst im Jahre 1846 vollendete Werk („Les mousquetaires de la reine", Paris) zur Aufführung erwarb. Der „Landbote" schreibt am 21. März über die Premiere:

„Halevys schon seit längerer Zeit einstudierte Oper ,Die Musketiere der Königin' kam endlich am Donnerstag zum erstenmal zur Aufführung und erfreute sich einer beifälligen Aufnahme. Die geistvoll entworfene Musik ist pikant, ansprechend und dabei die Kräfte der Sänger nicht in zu hohem Grade in Anspruch nehmend. So tändelnd und lieblich spielend die Musik dieser, etwas lang ausgesponnenen Oper im allgemeinen ist, sie enthält doch auch der kräftigen Stellen gar manche und müssen wir als solche namentlich das zweite Finale die Ballszene hervorheben. Die Musik erinnerte uns mehrfach an ,Die Braut', sowie sich Halevy überhaupt in seinen lyrischen Schöpfungen der Auberschen Muse zu nähern scheint (?)... . Frl. Hetznecker, Frl. Rettich, die Herren Härtinger, Pellegrini und Kindermann führten ihre Partien aufs beste durch und wurden mehrfach lebhaft beklatscht. Die Herren Pellegrini und Kindermann wurden im dritten Akt, am Schlüsse alle gerufen."

(Die Bezeichnung Fräulein statt Demoiselle bei den Damen tritt hier zum ersten- mal in der Presse auf; wir werden auf diesen sehr verspäteten Tausch auf- merksam machen, wann er offiziell auf den Zetteln eingeführt wird.) Geht aus diesem lobenden Bericht schon die gute Aufnahme der Oper seitens des Publikums hervor, so wird diese bestätigt durch sechs Wiederholungen in diesem Jahre, worauf im nächsten zwei, 1849 drei folgten. In dieser guten Aufnahme des franzö- sischen Werkes steht aber München gegenüber anderen deutschen Städten isoliert da.

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Sophie Stehle 1860 1874 Anna Deinet - Possart 1863 1878

Eduard Lindemann 1856 1862

August Kindermann 1846 1887

Die „Allgemeine Musikal. Zeitung" schreibt darüber (1847, Juli, Nr. 29):

„Diese Oper hat in Frankreich überall großes Glück gemacht und ist in Deutschland fast überall

durchgefallen Ich rede nicht vom Texte zu den ,Musketieren', der schlechteste französische Text

ist immer noch besser, als der beste deutsche. Die Handlung in den ,Musketieren' ist nicht schlecht, sondern nur zu fein für die Ungeschicklichkeit der meisten deutschen Sänger. Daran bloß ist diese Oper in Deutschland gescheitert." Das ist unbewußt das denkbar größte Lob auf unsre Münchner Sänger, welche, mit dieser Ungeschicklichkeit nicht behaftet, die feine Handlung dem Verständnis ihres Publikums übermittelten und dadurch der Oper den Erfolg retteten. Weiteres in diesem Artikel charakterisiert den damaligen, heute erst voll gewürdigten Standpunkt der deutschen Fachkritik (für deren Aussprache in München leider die Stimme fehlte): „Was hat die deutsche Kritik mit der Musik eines französischen Opernkomponisten zu schaffen? Die deutsche Kritik blickt allein auf die Natur in der Kunst; der französische Komponist allein auf die Tantiemen. Da ist kein Gedanke, der eine Athenais, Bertha, ein Olivier, Hektor, Roland, ein Musketier usw. wäre, es sind lauter Halevyer. Und ebenso sind die Gefühle nicht Pulsschläge der Natur, sondern Konditorabdrücke in Traganth und Zucker. Alles hüpft, die Freude, der Schmerz, die Wut. Der alte düstere Haudegen Roland sogar tanzt in Halevys Tönen als leichter Springinsfeld an das deutsche Ohr, natürlich nicht ins deutsche Gemüt. Da sollen Musketiere der Königin in der Indroduktion aus dem grünen duftenden Wald voll Wild und Hörnerklang kommen, aber wir sehen gleich, daß es nur verkleidete Pariser Choristen sind, die eben die Garderobe verlassen. Nicht Jagdklänge, eine Jagd nach modernen Moderhythmen nur erkennen wir. Kurz, Personen, Charaktere, Situationen und Gefühle gehen die Musik gar nichts an, die hat ihren eigenen Kopf usw."

In diesem Jahr kam Halevy mit den sieben Aufführungen der „Musketiere", drei der „Jüdin" und je einer von „Guido und Ginevra" und „Guitarrespieler" auf zwölf Vorstellungen.

Am 13. Mai erschien zum erstenmal und zwar, wie man mit Recht sagen kann, um zehn Jahre zu spät^) Heinrich Marschners „Hans Helling", Dichtung von Ed. Devrient, in folgender Besetzung vor den Rampen der Münchner Bühne:

Königin der Erdgeister Dül= Hetznecker; Hans Helling, ihr Sohn Herr

Kindermann; Anna, seine Braut Dlil. Diez; Gertrude, ihre Mutter

DE Zehetmaier; Konrad, burggräflicher Leibschütz Herr Diez; Stephan und

Nikiaus, Bauern Herren Sigl und Zängl (letzterer ein Chorist). Über Werk

und Aufführung leistete sich der „Landbote" folgende, einer Konzertankündigung angehängte Notiz: „Marschners Oper ,Hans Helling*, welche hier am Donnerstag zum erstenmal zur Aufführung kam, hatte sich der beifälligsten Aufnahme zu erfreuen. Die Musik ist sehr ansprechend und namentlich ist die Partie des Herrn Kindermann eine ausgezeichnet schöne zu nennen." Man glaubt das Urteil eines Logen-Abonnenten mittleren Schlages zu hören. Von der künstlerischen Bedeutung des Werkes hat also der Referent keine Ahnung. Und doch sollte man meinen, ein gesunder Laien verstand hätte herausfinden können, daß hier die Konsequenzen der Weberschen Romantik im musikalischen Sinn mit Kraft und individueller Eigenart gezogen sind. Wenigen mag es allerdings klar gewesen sein, daß, um die Schwäche, ja Unmöglichkeit des dramatischen Vorwurfes vergessen zu machen Erdgeister und Menschenkinder können sich nun einmal nicht ehelich verbinden, und daß der Versuch dazu unglücklich ausfallen muß, ist schon im Vorspiel entschieden, der

') Die Erstaufführung des historisch bedeutsamen Werkes hatte schon 1833 in Hannover stattgefunden.

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Musik eine geradezu herkulische Kraft zugemutet war. Merkwürdig, daß gerade ein gewiegter Dramaturg wie Eduard Devrient dies nicht durchschaute; wir haben es eben hier mit einem der vielen kranken Auswüchse der Romantik zu tun, von welchen der blutsaugende „Vampyr" das stärkste Exempel ist. Und diese Grundschwäche überwand die Musik mit ihren vielen hervorragenden Nummern wozu nur die Ouvertüre und einige mehr schulmäßig gemachte als intuitiv geschaffene Teile nicht gehören bei allen Musikfreunden in der Tat. Die Oper setzte sich, wiewohl sie im Jahre 1847 nur drei Wiederholungen erlebte und dann bis 1853 (was wohl verschiedene Beurteilung zuläßt) zurückgelegt wurde, später doch langsam im Münchner Repertoire fest. Daß ein kräftiger Anteil daran dem Verdienste Kinder- manns als Vertreter der Titelrolle gebührt, soll nicht geleugnet werden.

Die vierte, etwas hereingeschneit erscheinende Novität war: „Die Königin von Leon" von Xavier Boisselet, welche unter Mitwirkung der Damen Hetznecker und Diez und der Herren Kindermann, Härtinger und Sigl am 3. Oktober (also während oder unmittelbar vor dem Oktoberfest, was immer einen Kassen- grund hatte) zur erstmaligen Aufführung kam. Da sich darüber der „Landbote" abermals in Schweigen hüllt, ist über den Erfolg der Oper nichts Bestimmtes zu berichten, wenn nicht der Umstand, daß sie noch in diesem Jahre zwei, in den beiden folgenden je eine Wiederholung erlebte, dafür spricht, daß sie doch einigen Anklang gefunden haben muß.

Gegen Jahresschluß, am 16. Dezember, kam noch der komische Einakter „Der Schauspieldirektor", Text von L. Schneider, in nachstehender Besetzung zur erst- maligen Aufführung: Schikaneder, Schauspieldirektor.... Herr Sigl; Philipp, dessen

Neffe, Konzertmeister Herr L e i g h (ein Schauspieler) ; Wolfgang Am. Mozart

Herr Härtinger; Antonie Lange, Mozarts Schwägerin, Sängerin Mad. Diez,

Mademoiselle Uhlich, Sängerin.... D^^ Rettich. Voraus ging ebenfalls eine Novität „Fräulein Gattin", Lustapiel in einem Akt nach Lefranc von Friederich. Während sich der „Landbote" über dieses Stück ziemlich breit vernehmen läßt, schreibt er über den „Schauspieldirektor" desto kürzer: „Dieser Novität folgte eine zweite : ,Der Schauspiel- direktor', die sich einer so beifälligen Aufnahme erfreute, wie seit langer Zeit keines der vielen Stücke, die uns als Neuigkeiten vorgeführt wurden. Das Sujet zu dieser komischen Operette, zu welcher die Musik aus den weniger bekannten (sie!) und aus später umgearbeiteten Kompositionen Mozarts genommen ist, liefert eine Anekdote aus dem Leben des großen Tondichters. Die Hauptrollen lagen in den Händen der Damen Diez und Rettich und der Herren Härtinger und Sigl, eine genügende Bürgschaft für die meisterhafte Aufführung." Die meisten Leser wissen aus Otto Jahns Mozart-Biographie, daß das Stück mit gleichem Titel, aber anderen Figuren für ein Lustfest in Schönbrunn, welches der Kaiser Joseph IL niederländischen Gesandten (im Februar 1786) gab, von Mozart komponiert, d. h. mit einer Ouvertüre und etlichen Musikstücken versehen wurde. Jahn sagt über Louis Schneiders „Mißhandlung" dieser Operette, wodurch Mozart selbst zum Helden des Stückes gemacht war: „Es ist unglaublich, daß der Meister, dessen

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Andenken durch die Wiederbelebung seiner Musik geehrt werden soll, hier gegen alle Wahrheit als ein unbesonnener verliebter Fant lächerlich gemacht wird vor dem Publikum, das sich an der Musik erfreut und dabei solche Sottisen geduldig erträgt." Hiergegen ist einzuwenden, daß ohne diese Wandlung das Stück im [

19. Jahrhundert wohl schwerlich irgendwo zur Aufführung gelangt wäre, und daß i

gerade die Gestalt Mozarts, welche nur dezenter behandelt sein müßte, jetzt ;

eigentlich der Anziehungspunkt des Stückes ist. Ebenso glücklich ist das Herein- ziehen der populären Figur Schikaneder (an Stelle eines alten italienischen Im- presarios und einiger neu eingelegter Stücke aus Mozarts Feder). ^) Aus einer i herrlichen Aufführung des Werkchens im Jahre 1853 ist mir erinnerlich, daß j Härtinger, aus dessen künstlerischer Behandlung freilich jede Rolle, wenn sie es j bedurfte, edler hervorging, in seinem Mozart den gewinnenden Humor des Meisters so geschickt in den Vordergrund stellte, daß man die ihm angedichteten Takt- losigkeiten ganz vergessen konnte.

Am 1. Januar 1848 ging die Leitung des Hoftheaters wieder an den 1848 einstmaligen Intendanten Freiherrn v. Poißl über. Ob Baron v. Frays , um Enthebung von seinem Posten nachgesucht oder ob König Ludwig aus eigenem ' Antrieb seine Entlassung verfügt habe, entzieht sich meinem Wissen, weil bezügliche Aktenstücke nicht vorhanden sind. Daß die Theatermaschine unter seinem Regime ebensowenig stillestand, wie unter den früheren nicht mehr, denn er, berufenen Leitern, \ haben, wenn auch die Taschenspieler und andere wenig passende Produktionen dem \ Institute hätten erspart bleiben können , die verschiedenen nutzbringenden Gast- j spiele und das gewiß nicht schlechte Opernrepertoire mit seinen Novitäten bewiesen. j Daß in der Oper keine Entgleisung eintreten konnte, dafür sorgten schon drei „L.": j Der Hofkapellmeister Lachner, der Regisseur Lenz und der König Ludwig, wenn j auch des letzteren Kontrolle in den letzten paar Jahren aus Gründen der politischen ' Lage an Schärfe nachgelassen haben sollte. Wenn eine künstlerische Dekadence des Instituts sich bemerkbar machte, so war es in der Branche des Schauspiels, wo das Überhandnehmen von Stücken leichteren Genres empfindlich auf die Pflege der Klassiker zu drücken anfing. War aber schon ein Wechsel in der Intendanz- j führung angezeigt, so mochte es für Theaterangehörige wie für Theaterfreunde i mindestens überraschend gewesen sein, daß die Wahl auf einen Mann zurückgreifen i konnte, der während seines neunjährigen Regimes für künstlerische Führung nur ein fragliches, für wirtschaftliche aber gar kein Talent an den Tag gelegt hatte. [

Herr v. Küstner in Berlin, dem aus authentischer Quelle bekannt war, daß Herr V. Poißl das Münchner Hoftheater ihm als „Augiasstall" hinterlassen hatte, mag j die Nachricht von seiner Wiederernennung mit selbstzufriedenem Schmunzeln '

empfangen haben. Indes war Herrn v. Poißl eine dauernde Behauptung der wieder-

erlangten Würde nicht bestimmt. Ein Wechsel von größerer Bedeutung im Lande \

Bayern, welchen das ereignisreiche Jahr 1848 brachte, hatte wohl seinen gemessenen j

[*) Wie bedenklich aber solche Bearbeitungen sind, hat der moderne Operettenunfug erwiesen, |

der mit dem „Dreimäderlhaus" begann und nun immer weitere Kreise zieht.] \

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Anteil daran, daß er sich in den alten Diensträumen aufs neue kaum recht ein- wohnen, in seine alte Stellung unter neuen Verhältnissen kaum wieder einleben konnte, bis der Wille des neuen Herrschers ihn von seinem Posten wieder abrief.

Am 5. Juli erging ein Reskript des Königs Max IL, in welchem der nunmehrige Oberst extra statum Freiherr von Frays vom ö.Juli unter Vorbehalt der Wiedereinreihung in die Linie wieder zum Intendanten ernannt wurde, mit einem nichtpragmatischen Gehalt von 3500 fi. „Sollte er dieser Funktion wieder enthoben werden, bevor er seiner dermaligen Anciennität nach zu einer höheren Militärcharge vorgerückt wäre, wird ihm zu seiner Obersten-Pension eine weitere von jährlich 700 fl. aus der Theaterkasse zugesichert und bleibt ihm sein Militär-Avancement, ebenso seine Wiedereinreihung in die Armee gewahrt."

Da die sonstigen Personalveränderungen in diesem Jahre erst vom l. Oktober, dem damaligen Beginn des Etatsjahres, datieren, sei zuerst der wenigen Gastspiele dieses Jahres gedacht. Den nicht großen Reigen derselben eröffnete die München sehr anhängliche, diesem aber auch stets willkommene Stöckl-Heinefetter aus Wien, indem sie vom 6. bis 16, Januar je einmal die Norma, die Valentine in „Anglikaner und Puritaner", die Elvira im „Don Juan" und die Recha in der „Jüdin" sang. Anlangend die „Anglikaner und Puritaner" sei gleich hier bemerkt, daß die Oper— als erste Errungenschaft des Jahr es 1848 für das Theater! ab 1. November ihren ursprünglichen Namen „Die Hugenotten" und selbstver- ständlich ihre ursprüngliche in Paris spielende Handlung zurückerhielt, wodurch erklärlicherweise die Musik erst zu ihrem wahren Verständnis gelangte. Daß im Mai ein Herr Turwald den Hernani in der neu erschienenen gleichnamigen Oper und eine D^M Schwarz vom Hoftheater in Wien im September einmal die Nancy in der gleichfalls neuen Oper „Martha" sang, ist nur von chronistischem Interesse. Von aktueller Bedeutung sind das einmalige Auftreten der DM Fastlinger als Agathe (3. Oktober) und die drei Auftritte des Herrn Brandes vom Hoftheater zu Wien (Ende Oktober und Anfang November) als Tamino, Ottavio und Tybalt, weil ersteres zu einem sofortigen Engagement führte, während letztere ein solches im nächsten Jahr zur Folge hatten. Frl. Fastlinger war eine sehr talentvolle, mit schöner Stimme begabte junge Sängerin. Aus einer späteren Erzählung Alois Bayers geht mit Bestimmtheit hervor, daß er sie eine Zeitlang unterrichtete. Ich sah sie im Herbst 1849 einmal als Emmeline in der „Schweizerfamilie" und würde meinem sie vergötternden Urteil (als Knabe von 12 Jahren) selbstverständlich nicht trauen, wenn nicht die allgemeine Stimme sehr zu ihren Gunsten gesprochen hätte. Darum war es auch, wie ich mich erinnere, niemand recht verständlich, daß sie sobald wieder aus dem Engagement trat.

So sehr die einschneidenden politischen und sozialen Vorgänge des denkwürdigen Jahres die Gemüter in Aufregung brachten und erhielten, so blieb davon die Tätigkeit des Hoftheaters und namentlich die Oper ganz unbeeinflußt, es gab neben dem sonstigen reichlichen Repertoire fünf Novitäten, von denen die zweite „Martha oder

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der Markt zu Richmond" sich eines Zulaufes erfreute, welcher mit dem Ernst der Zeit wahrlich nichts gemein hatte. Nur die Presse scheint von der Politik und der gedrängten Folge überraschender Geschehnisse so sehr in Anspruch genommen worden zu sein, daß sie für Theaterberichte weder Zeit noch Raum hatte. So müssen wir darauf verzichten, vom „Landboten" etwas über die Aufnahme von Gustav Schmidts „Prinz Eugen, der edle Ritter" (27. Januar), Flotows „Martha" (27. Februar) und Verdis „Hernani" (13. April) von Seiten des Publikums zu erfahren, was übrigens nicht gar so sehr zu beklagen ist. Daß der „Prinz Eugen", dessen singende Personen Pellegrini, Kindermann, Sigl, Herr und Frau Diez waren, seine Verehrer gefunden hat, geht aus den vier Wiederholungen her- vor, die noch im selben Jahre stattfanden. Sein Kunstwert ist dadurch freilich nicht erwiesen, und wenn seine Musik auf demselben Standpunkte wie desselben Komponisten spätere Oper „Die Weiber von Weinsberg" stand, entspricht es der kunsthistorischen Gerechtigkeit, daß sie nach diesen fünf Aufführungen für immer von der Bildfläche verschwand. Anlangend Flotows „Martha" wird jeder Musikalische zugestehen, d^ß Flotow die schönen Erwartungen von seinem Talent, welche sein origineller, anmutiger, frischzügiger „Stradella" erregte, nicht erfüllt hat. Einem zwar geschickt gemachten, dem Stoff nach aber heute allseitig als fad erkannten Texte entsprechend, sinkt hier die Melodik samt Begleitung zu einer Flachheit herab, welche deutlich die Spuren des Pariser Mode-Einflusses trägt, des größten Übels, welchem der sichtlich begabte Komponist verfallen konnte; doch ist dieser Einfluß noch insofern ein relatives Glück, als durch die französische Eleganz die Musik wenigstens vor Ordinärem, Bänkelsängerischem bewahrt blieb. In späteren Zeiten erzählte mir Här tinger einmal, daß ihm und seinen Kollegen beim Studieren der Rollen immer größere Zweifel über den Erfolg der Oper auf- gestiegen seien und daß sie nach der Generalprobe alle darin eins waren, die Oper könne unmöglich gefallen. Aber welche Überraschung! Sie war mit einem lange nicht erlebten Jubel aufgenommen, nicht nur vom Durchschnittsmünchner, sondern auch von der „gebildeten Gesellschaft", namentlich vom weiblichen Ge- schlecht, welches schon höchlichst amüsiert von der Marktszene mit dem gar so leicht zu merkenden „Ich kann nähen" in einen Taumel des Entzückens geriet, als sie ihre Lieblinge Kindermann und Härtinger spinnen sahen (es ist ein altes Gesetz, jede Oper soll etwas ganz Neues bringen, das war etwas ganz Neues!). Dazu kamen, die beste Seite der Komposition, die volkstümlichen Liedsätze, „Die letzte Rose", die man bald vor allen Fenstern leiern hörte, das robuste Porterlied etc., kurz, die Oper gefiel jung und alt, groß und klein und konnte infolgedessen im ersten Jahre achtmal gegeben werden, um dann in den nächsten Jahren dem oft gegebenen „Stradella" schwere, siegreiche Konkurrenz zu machen. Denn sie war noch mehr wie dieser etwas fürs Volk (dessen Stimme aber nicht immer Gottes Stimme ist!). Daß zur schnellen Popularisierung des Werkes die köstlichen Leistungen des

Ensembles: Lady Rettich, Nancy Hetznecker, Lyonel Härtinger,

Plumkett .... Kindermann das ihrige redlich beitrugen, versteht sich von selbst.

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über die am 13. Juli zum erstenmal in Szene gegangene Oper „Maria oder Verborgene Liebe" von Herold bringt der wieder leistungsfähige „Landbote", der sich jetzt ein Feuilleton beigelegt hat, einen Bericht von so vielfach aktuellem, insbesondere lokal-historischem Interesse, daß ich es angezeigt fand, ihn verbotenus wiederzugeben:

„München (Theater). Am 13. d. Mts. erschien noch als Nachlaß des vor wenigen Tagen abge- tretenen Intendanten eine neue Oper: ,Maria oder Verborgene Liebe' in drei Akten von Herold, dem Komponisten des ,Zampa*. Die Oper hat eigene Schicksale gehabt, bis sie vor dem Lichte unserer Lampen erschien. Komponiert wurde sie etwa vor 17 Jahren; Herr von Poißl, bekanntlich wohl einer der gediegensten Musikkenner, kaufte sie damals an, als er zum erstenmal die Intendanz führte, und hatte sie zur Aufführung vorbereiten lassen, als Herr von Küstner ihm plötzlich in seinem Amte folgte und in blinder Opposition die Oper beiseite schob. Nach fünfzehnjähriger Ruhe ward sie von Herrn von Poißl bei seiner jetzigen Leitung wieder hervorgeholt und in dem Augen- blicke einstudiert, als plötzlich wieder ihm die Intendanz genommen wurde. Herr Baron von Frays hat wohl daran getan, nicht so egoistisch wie Herr von Küstner zu verfahren, und die Oper zu geben. , Maria' ist eines der reizendsten Musikwerke im Genre der Konversationsoper. Die einfachen, aber zum Herzen sprechenden Melodien tragen, analog mit dem Sujet, einen elegischen, dabei aber von süßlicher Sentimentalität freien Charakter. Die Orchesterbegleitung is.t frisch wie die Gesangs- melodien, natürlich aber nicht mit Pauken, Trompeten und Janitscharenmusik lärmend hinein- rauschend, was ein Sitznachbar bei der Vorstellung, der sich lächerlich genug das Ansehen eines Kunstkenners geben wollte, mit störender Dummheit verlangte. Was hatte der ,gelehrte Thebaner' wohl für eine Ansicht von einer Konversationsoper und deren Erfordernissen? Nun, es muß auch solche Käuze geben, wenigstens dienen sie als bornierter Gegensatz zu dem gesunden Urteil, das sich durch reichlichen Beifall unseres verständigen Publikums über die liebliche Oper aussprach.*) Die Aufführung war von den Damen Hetznecker, Rettich, Diez und von den Herren Härtinger, Lenz, Sigl, Hoppe und selbst Herrn Diez, aus dessen Kehle freilich nur noch einige hübsche Stimmfragmente herausklingen, vortrefflich, wie wir es von unserem Opernpersonal gewohnt sind. Wie reizend müßte aber zum Beispiel die Romanze des Herrn Diez im ersten Akte erscheinen, wenn sie von einer zarten jungen Stimme gesungen würde. D|ii Rettich erfreute wieder durch eminente Koloraturen, Mad. Diez durch die anmutige Keckheit in Spiel und Gesang. Die Partie des Herrn Härtinger ist zu wenig hervortretend, um dem unübertrefflichen Sänger Gelegenheit zur Auszeichnung geben zu können. Möchte Herr Intendant von Frays die von seinem musikalisch gebildeten Vor- gänger bereits zur Aufführung bestimmten Opern ja recht bald benützen. So wird Aubers ,Haydee*, bei der natürlich in würdiger Ausstattung nicht gegeizt werden darf, Furore und Kasse machen, Flotows , Förster' Herrn Kindermann neue Triumphe bereiten und Balfes ,Zigeunerin' entschiedener ansprechen als die ,Haimonskinder' desselben Komponisten."

Aus diesem Berichte geht hervor, daß Herr von Poißl, im Gegensatz zu dem persönlich nie beliebten Küstner, sich immer noch einer gewissen Popularität, namentlich bei der Presse, erfreute, letztere aber auch gelegentlich zu benützen verstand. Die Mitteilungen über den frühen Ankauf etc. der Oper „Maria" können nur direkt aus offizieller Quelle geschöpft sein. Und Baron von Frays gab richtig noch die beiden vom „Landboten" gewünschten Opern, „Haydee" von Auber und den „Förster" von Flotow. Beide, am 8. bezw. am 24. Oktober herausgekommen, waren zwar keine Eintagsfliegen, weil beide ja eine Wiederholung (der „Förster" sogar eine zweite im nächsten Jahre) erlebten, aber totgeborene Kinder, von denen weiter nicht die Rede war. In beiden war das in diesen Zeiten zusammenhaltende

') Dem Referenten scheint die Preßfreiheit den lange geknebelten Mund ordentlich geöffnet zu haben.

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exquisite Ensemble Härtinger, Kindermann, Hetznecker, Rettich, Diez beschäftigt, aber Kindermann konnte die versprochenen Lorbeeren als Förster nicht erwarten und hatte die gleichnamige Oper nur das eine Merkwürdige, daß in derselben DE Fastlinger (Gräfin Rosenthal) zum erstenmal als engagiertes Mit- glied auftrat. Der „Landbote" schwieg sich, als schämte er sich seiner Empfehlung, über beide Novitäten gründlich aus.

Einer Notiz der „Augsb. Allg. Ztg.", welche auch in die „A.M.Z." übergegangen ist, entnehme ich, daß im Oktober d. Js. das überlebensgroße Standbild Glucks, welches im Auftrage und aus Privatmitteln des Königs Ludwig von Friedrich Brugger modelliert und in der Millerschen Erzgießerei gegossen worden ist, auf dem Odeons- platz zur Aufstellung kam (später wurde es noch zu Lebzeiten Ludwig L auf den Promenadeplatz transferiert, wo es große Gesellschaft hat). Eine Aufführung von Glucks „Iphigenia auf Tauris" am 15. Oktober, wobei ein nie wiederbringliches Ensemble! Pellegrini den Toas, Hetznecker die Iphigenia, Härtinger den Orestes, Diez*) den Pylades, Frau Diez die Diana gab, dürfte wohl in Beziehung zu dieser festlichen Begebenheit gestanden haben. Eine Wiederholung fand natürlich das edle Werk, das man ad hoc einstudieren mußte, wieder nicht. So viele Änderungen das Jahr 1848 brachte, am Geschmack des Münchner Publikums änderte es nichts.

Gegen Ende des Jahres ging ein sehr fleißiges, wenn auch stimmlich nicht hervor- ragendes Mitglied, Mad. Wührgeb. Fuchs, in Pension. Das gleiche tat der gealterte Ballettmeister Horschelt. An seine Stelle trat Johann Fenzl, dessen Sohn Franz Fenzl als erster Solotänzer engagiert wurde. Während in diesem Zeiträume das Ballett als Kunstbranche immer mehr an Selbständigkeit verlor und eigent- liche Ballette immer seltener, meist nur zum Zwecke von Gastspielen berühmter Tänzerinnen, wie der Fanny Eisler, der Taglioni, später der Lucil Grahn gegeben wurden, gewinnen Engagements wie das des ausgezeichneten Franz Fenzl um so mehr Bedeutung für die Oper. Man kann wohl sagen, daß die importierte Pariser Große Oper (Rossini, Meyerbeer, Halevy) in Deutschland, insbesondere auch in München das Ballett absorbiert hat, indem sie seine Kräfte für sich fast allein in Anspruch nahm. Das Ballett in der Oper ward nun das ergiebige Feld für Fenzls Tätigkeit einstweilen, so lange sein Vater lebte als ausübender, Kraft mit Schönheit paarender Tanzküastler; dann, nachdem er die Leitung des Ballettkorps über- nommen, als umsichtiger Vorstand und Regisseur, dessen Pflichteifer und eiserne Disziplin seinen Untergebenen und Kollegen den Ruhm einer durchaus verlässigen, tadellosen Korporation erworben hat.

Was das nunmehrige Verhältnis der Bühnenleitung zur Krone anlangt, so erlitt dasselbe eigentlich keine Veränderung, insofern nach wie vor alle wichtigen Personal-Angelegenheiten, Engagements bezw. Anstel- lungen, Quieszenzen, Haushaltsbestimmungen etc. der unmittelbaren

s

^) Die Größe der Aufgabe half ihm an jenem Abend über die Gebrechen seiner Stimme hinweg was ein donnernder Applaus nach seiner Arie im 2. Akt bestätigte, sonst würde ich nicht wagen mich, der ich damals 11 Jahre zählte, als Zeugen zu nennen.

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Genehmigung des Königs durch Resicripte (Marginal-Entschließungen Icamen seltener vor) unterlagen. Ein offiziell vermittelndes Kabinett gab es auch unter König Max II. noch nicht, wiewohl eine wahrscheinlich oft beengende Finanzkontrolle von selten des (sehr mächtigen) Hofkassiers Hof- mann „unter der Hand" keine unbedeutende Rolle spielen mochte. 1849 Das Jahr 1849 brachte eine Reihe wichtiger, zum Teil erfreulicher, zum Teil recht bedauerlicher Personalveränderungen. In der naheliegenden Voraussetzung, daß man Diez wegen Stimmabnahme bald verlieren werde, hat man sich recht- zeitig um einen Ersatz umgesehen und zu diesem Zweck Wilhelm Brandes im Vorjahre in den oben bezeichneten Rollen gastieren lassen. Die Folge dieses Gastspiels war dessen mit 1. Mai d. Js. beginnendes Engagement. In Brandes, der sich gegenüber dem kurz-rundlichen Vorgänger durch einen schlanken, strammen Körperbau auszeichnete, überhaupt ein hübscher, der Damenwelt in die Augen stechender Mann war, gewann die Bühne einen lyrischen Tenor, welcher nötigenfalls auch für dramatische Partien ausgereicht hätte. Die Stimme war von angenehmem, vollem Klang und von beträchtlicher Höhe und Tiefe. Auch war Brandes sehr musikalisch (sogar im stillen Liederkomponist), was ihn aber verleitete, das Studium der Partien nicht immer genau zu nehmen, um dann gelegentlich zu „bocken". Auch fiel er in München als einer der ersten Tenoristen auf, welche den Gebrauch des Falsets völlig ausschlössen der erste verhängnisvolle Schritt zur jetzigen Decandence der Gesangskunst unter den Tenoristen, ja zum Ruin der Tenorstimmen. Was seinen Vortrag betrifft, so glänzte er überall, wo es Stimme, natürlich Bfuststimme auch in den höchsten Lagen, zu zeigen galt; an Feinheit der Cantilene und Beweg- lichkeit des Organs, überhaupt an Singen konnte er sich mit Diez nicht messen. Er war ein trefflicher Deklamator, in dem etwa ein damaliger Prophet den Über- gang vom Gesang zur Deklamation, wie wir ihn heute im „Sprechton" haben, hätte sehen können. Bezüglich des Datums, an welchem Diez, der gründliche, fleißige, feingebildete Sänger, in den Ruhestand getreten ist, besteht zwischen dem Personal- akt, in welchem der 3. Juli angegeben ist, eine Kontroverse mit Grandaur, welcher den 1. August annimmt und dazu bemerkt, daß der Sänger noch am 22. Juli als Belmonte aufgetreten sei. Der als Orakel befragte Zettel gibt dem Chronisten recht: am 22. Juli war „Die Entführung aus dem Serail" und sang Diez den Belmonte. Am 3. Juli erhielt er demnach wohl die Zustellung seiner Quiescenz. Mit ihm schied von der Bühne ein Vertreter edelster Gesangskunst, deren vorzüglichstes Ergebnis eine entzückende Cantilene war. Schade, daß mit der Wärme des Aus- drucks, welche seinen Gesang immer belebte und ihn insbesondere zu einem vor- trefflichen Mozartsänger machte, eine entsprechende Lebhaftigkeit des Spiels nicht Hand in Hand ging.

Von Josephine Fastlinger sagt Grandaur [S. 143], „sie erfüllte die Hoffnungen, die man auf ihr Engagement setzte, nur zum Teil. Man sah deshalb von der Verlängerung ihres am 30. September ablaufenden Vertrages ab." Wer einmal beim Theater war, weiß, daß ein Personalwechsel auf diesem Boden nicht immer

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SMcnftag ku 22. ?öiai 1838.

5(u^erovbentIid)e SSorftellung mit aufge()obenem Slbonnemenr. 3um ^tftctttnale:

©fe Inglitaiitr unt» fnritaiKr,

gvo^e Opei' in fünf ülnfaüöen,

nacf) väcribc'« „^usjeiiottcn" unb t>tT eatTcllffdxn Ucbctfcßung für bag Ä, |)tft!)eatcv ju OTüiid)cn bearbeitet Bon gl)arlctte 58irc^ < Pfeiffer.

iltuöik von ©ittccimo iUei]ci-bcf r.

3n bie ©ccne gefcßt «om SKcgiffeur ® t n u b a cf) e r. "Die jur |)anMun3 gef)6tigen läm finb bbw fönigl. 93allctmeifter ^ovfcfjelt.

Henriette oon grantrcid), 3;od)ter ^f inrief) IV., ®e«

maljlin ßad I., Sdnigä »oit (Snglont, . 2)tm.»im^a|Telt,

.^evjog oon Sufingfjam, (Souoemeut beS SorettS,

Xnglicaner, ^trt Smj

Salentine, ßDtlftduUin, tclfen Zo6)ta, . a»aS. SRinC

(Sraf »on ©ttajfotb, \ . ^«t Siel,

^ampton, i . ^evt ^oppe.

SBafefielb, J anjiKunifit »bciicuie, . ^err @d)imon.

S55otcf)t(let, ) . i)trp SKad.

Gecil fiublo», puritanifdjec gbelmonn, . . ^etr Eiej.

3Rarce(, fein Wiener, g)uritancr, . . . ^ett ^tUfärini

Utbain, 5)09« bet Äänigin, . . ' . . iJcm. ^arlmann

|)f reont n:

6inc 6f)tcnbamc b<r Äänigin,

ÜRacbonolb, fin, jung« pucitanifdjef ©olbot.

äBolnep, (in angticanifd)(i: gbdmanii.

ein Sdc^tcr.

2)rti Sf)etif5.

2Cnglicanif(J)e ebdlcutf, Stubenten unb Bürger.

^uritanifd)e gbelleute, (Solbaten unb Bürger.

^uritanifd)e unb anglicamfdje Bürgerinnen.

ebelbamen, 5>ogen, Diener unb (Sarben ber Ä6nigin.

Pagen unb ©icncr be« ©tafen Strajforb.

Sigeuncr unb äigeunerimien.

(StaBnieifier unb ©Mtftncdjte.

ÜRaSten, ^ebette unb 9)olijcimad)en.

9Küb. ^etlegi'ini.

2)aä @tü(f fpiclt unter ber Slfflietung Carl L, SönigS oon ©nglanb, im tvften Xtte auf bem ganbfi^e bcä trafen oon Strafforb, in ber SfJälje

oon SBInbfor, im }mtitcn Zfte in ben ©örti-n oon SJinbfor, in bcn fpdtcren Ätten in Sonbon

Die Wnjf raecbeu oon ben SDemcifefleä <3*cr}cr, 33aUo<)b unb 3Bt^^er unb 9)?ab. 8. '^titi fo »ie »on ben ijetrcn So 3lo«*c

unb bem ßorpä be BaUet auSgefüljtt.

Die neuen 2£rd)ite;fiir=2)eforationcn, namentlid) bie beslnaVifen ^JfEteä mit bem'ec^ioitc" üBinbfor unb bie beä fünften 5Cfte6 finb oon ber aompo|i--

tion beä ^oftlpeatemialerS .Qua<)lio ; bie Tieuen SanbfdjaftS = 2)eforationen , fomic bie anfid)t oon Sonbon am Sdjluffe ber Sper finb oon bem

.^oft^ieatermaler (Scbtli^iev gematt; bie (So(hJmeg jmb 00m .^crrn üKalec SRontCU angegeben.

5:e;tbüd;er bicfei- Dpev lltib ^lai ©ti'icf ju 18 fr., an ber Äajfc ju f)aben.

ginegogeiml.aangäTPerfoncn I2p. fr.

ein Sogeaplaft 2 fl. fr.

eine Soge im U. Stung . . 12fl. fr. ein ?egenpla| 2 fl. fr.

eine Soge im Iil. Stanj . . 8 fl. fr.

ein SogenplaS . . .' . . 1 fl. 12 fr.

eine goge im IV. SRung . G fl. fr.

ein Sogenplal . . . . 1 fl. fr.

ein ®penfi|auf berl. ®aa«.-ie 2 fl. fr.

ein ©perrfig ouf bem ?>arterr« 1 fl. 12 fr.

9>artcrre fl. 48 Ir.

(SaDcrie fL 18 fr

SCnfanfl um 6 Hftr, ^nbc flCftcu 10 H^t>

^tx fvfic eintritt ift auf(iel)ol>fn mit aUeinigei* ^u^nal)me be^jenigen, Dei* (gut bec Manen ^\Mi für cMt ^erfteüimgen gültig ift>

^uf bie geföaigen Befleaungen ber Sitl. :»bonnenten wirb bi6 Sienflag ben 22. 3Hai ffiormittagS 10 Ut)r geroartet, bann aber, roie gen3of;nlid), über biejenigcn Sogen unb Spertfije, roAä)t nid)t beibebalfen rcorben finb, biäponirt.

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4 ^ p

Figurinen zu ,.Anglil<aner und Puritaner' Cecil Ludlow Herzog von Buckingham

ausschließlich aus künstlerischen Gründen stattfinden muß. Wahrscheinlicher ist, daß man von ihr als Münchnerin verlangte, um billigeren Lohn zu bleiben, worauf sie nicht einging. Sie erhielt nach einigem Herumsuchen ein Engagement in Weimar und gastierte im August 1852 in Leipzig mit großem Erfolg. Ihre Ent- lassung von der Münchner Bühne war ein Glück für eine Kollegin von gewiß gleichem Werte, Josephine Hefner, welche mit ihrem ersten Versuch als Agathe am 16. September einen entschiedenen Erfolg erzielte, momentan aber ein unver- zeihlicher Fehler der Intendanz, welche die Fastlinger jedenfalls noch ein Jahr hätte halten müssen.

Denn zur großen und bitteren Überraschung ihrer Verehrer (nicht der Intendanz) zog sich Karoline Hetznecker am I.Juli von der Bühne zurück, um sich mit dem damaligen Landrichter, späteren Regierungsrat von Mangstl zu vermählen. Der Verlust, den dadurch die Oper plötzlich erlitt, war um so härter, als die Künstlerin den Schritt tat, ehe noch ihre Kräfte auch nur im geringsten nachzulassen anfingen. Dies bewies sie am besten, indem sie den kolossalen Anforderungen der von ihr zum Abschied gewählten Rolle der Lady in Chelards „Macbeth" (am 29. Juni) mit aller Brillanz genügte. Das Publikum nahm an diesem denkwürdigen Abend, ohne sich dessen bewußt zu sein, einen doppelten Abschied von einem seiner Lieb- linge und von der musikalisch so großartigen Oper, die, da Pellegrini hinfällig wurde, aus praktisch-technischen, später in Ansehung des Textes aus ästhetischen Gründen nicht mehr möglich war. Mit dem Rücktritt dieser hochschätzbaren Künstlerin war ein ebenso umfangreiches wie nach Charakter und Stimmlage viel- seitiges Rollenrepertoire völlig verwaist. Um nicht zurückzugreifen auf die Anfänger- partien, welche man ihr während der Jahrgänge 1838 und 39 (bevor man sie ans Mailänder Konservatorium schickte) anvertraute, wozu eine Brautjungfer im „Frei- schütz", ein zweiter Knabe in der „Zauberflöte", die Bertha in „Euryanthe" (ja sogar die Agnes im „Elias Regenwurm" und das Reserl im „Lumpazivagabundus"), aber auch schon die Pamina und die Adalgisa gehörten, ist nur zu konstatieren, daß sie seit dem festen Kontrakt, welchen sie nach ihrer Rückkehr von Mailand im Oktober 1841 erhielt, bis zu ihrem Abschied, also in nicht ganz acht Jahren in 56 verschiedenen Opern 390 mal aufgetreten ist. In diesen Opern, bezw. in den einschlägigen Rollen sind alle Lagen, vom wirklichen Alt bis zum hohen drama- tischen Sopran, aber auch jedwedes Genre, das komische, lyrische, dramatische, romantische und hochtragische mit allen Zwischennuancen in bunter Mischung vertreten. Wenn wir uns vergegenwärtigen, daß dieselbe Sängerin, welche den Romeo, den Orsino, Sextus, Idamantes, welche die Obervestalin, die Desdemona, Lady Macbeth, Rosine sang, sich unweigerlich in die höhere Region der Pamina, Agathe, Leonore, der Gräfin im „Figaro", der Constanze im „Wasserträger", der Iphigenia, zuletzt noch der Norma begab, und daß, um nur ein Beispiel vielseitiger Schauspielkunst anzuführen, die klassische Darstellerin der Iphigenia gerade so wirksam die Nancy in der „Martha" spielte, so werden wir hier wieder eine Universalität gewahr, welche man der unseres Sängerinnen-Kleeblattes Metzger,

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Sigl, Schechner billig an die Seite stellen darf. Hiebei muß freilich zugegeben werden, daß nach übereinstimmender Beschreibung von Sachverständigen, die ich später bei Beobachtung der Künstlerin im Konzertsaal bestätigen mußte, dieselbe von Natur doch ein Alt war, welchem aber durch sorgfältige, vorsichtige Schulung eine Erweiterung nach oben angebildet wurde, was, wie jeder Gesangskundige weiß, durch richtige Übung der Kopfstimme unbeschadet des Mittel- und Brustregisters sehr wohl geschehen kann. Auf diese Weise haben die italienischen Gesangsmeister auch aus Altstimmen ihre Primadonnen gebildet die Hetznecker wird nicht die erste dieser Art gewesen sein. Dabei ist es aber selbstverständlich, daß sich die Sängerin in tiefergelegenen Rollen, wie z. B. den oben genannten, stets wohler und freier fühlte, der Vollendung näher kam als in den hochgelegenen, insbesondere in der Höhe auch getragenen, wie z. B. gerade in der von ihr so vornehm interpretierten Iphigenia, wo die Vorsicht hier und dort die Freiheit, den Schwung des Ausdrucks beeinträchtigt haben mag. Alles in allem genommen hat Karoline Hetznecker die hochgespannten Hoffnungen, welche man auf sie in ihrer frühen Jugend setzte, nachgerade tatsächlich erfüllt. Mit ihr schied eine Meisterin des Kunstgesanges, eine vortreffliche Darstellerin, eine vornehme Künstlerin von der Bühne. Ins Privatleben zurückgezogen, erfreute sie ihre Vaterstadt München noch oft durch herrliche Darbietungen auf dem Konzertboden. Insbesondere lieh sie ihre edle Kraft in späteren Tagen auch dem Münchner Oratorienverein, in dessen Konzerten sie des öfteren die Altpartien Händelscher Oratorien unter den Dirigenten Baron von Perfall, Joseph Rheinberger und meiner Wenigkeit mit tiefstem Verständnis des Altmeisters vortrug.

Dieser vielfache Personenwechsel hatte jedenfalls auf die Tätigkeit der Oper im ersten Quartal keinen Einfluß und es konnte G. Spontinis „Ferdinand Cortez" in neuer Bearbeitung noch unter Mitwirkung der DE Fastlinger und des Herrn Diez am 25. März zur erstmaligen Aufführung kommen. Ob die Umarbeitung dem Werke eine künstlerische oder auch nur praktische Verbesserung brachte, weiß ich nicht zu sagen, ist auch, da es wohl nie mehr zum Leben erweckt werden wird, völlig gleichgültig. Wie mir Alois Bayer erzählte, war er es, welchem der damals allmächtige Generalissimus in Berlin die neue Partitur bei einer gnädigen Audienz persönlich zwecks Überbringung nach München in die Hände gab. Bei dieser Gelegenheit sprach der Maestro das geflügelte Wort: „Singen sie nur große ernste Partien, nicht so kleine Teufeleien wie diesen Freischütz!" ^) Das war im Sommer 1835, seitdem war also die Umarbeitung in der Bibliothek der Münchner Intendanz ruhig liegen geblieben. Der Erfolg zeigte, daß Opernpartituren nicht wie die Zigarren durch Abliegen besser werden. „Cortez* wurde einmal, und dann vier Tage darauf

') In den 70er Jahren erzählte Richard Wagner meinem Freunde L, v. Bürkel: „Als ich Spontini meine Aufwartung machte, sagte er: Sie sind also Opernkomponist; lassen Sie das lieber, in der Oper ist, seitdem ich den verminderten Septakkord eingeführt habe (sie!), nichts Neues mehr zu machen, und zu so kleinen Teufeleien, wie dieser , Freischütz', sind Sie ein zu ernsthafter Musiker." Also eine buchstäbliche Übereinstimmung! M. Z.

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noch einmal aufgeführt, seitdem nicht wieder. Eine Kabale sowohl seitens der Direktion als der Mitwirkenden (Härtinger, Lenz, Kindermann, Fastlinger, Pellegrini, Fr. Diez, Allfeld) muß, da man in München den Komponisten der „Vestalin" in höchsten Ehren hielt, als ausgeschlossen gelten. Es war eben mit vieler Mühe wieder einmal ein Schlag ins Wasser getan.

Nach dieser relativen Novität kam am 6. Juli eine kleine komische Oper von Adam „Die Sennhütte" heraus, in welcher nur drei Personen spielen. Sie brachte es zu drei Aufführungen, um ebenfalls für immer zu verschwinden. Auch hier kann die Schuld des geringen Erfolges gewiß nicht den Mitwirkenden und zwar um so weniger zugemessen werden, als die Vortrefflichkeit Kindermanns und der Fr. Diez unter allen Umständen garantiert und der neue Tenor Brandes gewiß von einigem Interesse war.

Es war also um die Novitäten dieses Jahres recht mager bestellt. Was die Oper versäumt, machte zum Glück das Schauspiel gut, welches am 8. September Shake- speares „Sommernachtstraum" mitMendelssohns genialer Musik in ausgezeichneter Besetzung zum Entzücken aller Freunde hoher dramatischer Kunst herausbrachte. Hier trafen alle Bedingungen zu, dem Werke den bekannten nachhaltigen Erfolg zu sichern.

Gerade das Gegenteil ist leider von der dritten Novität dieses Jahres, Franz Lach n er s „großer" Oper „Benvenuto Cellini" zu sagen, welche zur erstmaligen Aufführung am 7. Oktober kam, um dann im selben Monat noch zwei Wiederholungen zu erleben. In fataler Übereinstimmung mit einem in jeder Beziehung mißlungenen, selbst in der Diktion auffallend platten Texte zeigte die Musik bei höchst solider und geschickter Mache, wie man sie von einem Lachner voraussetzte, nicht im geringsten den dramatischen Schwung und den Melodienreichtum der „Catharina Cornaro", und vermochte auch nicht eine Szene ein ähnliches dramatisches oder musikalisches Interesse zu erwecken, welches jenes für seine Zeit meisterhafte Werk so lange in größter Beliebtheit erhielt (gleich in diesem Jahre ward es wieder dreimal gegeben). So ließ sich damals die allgemeine Stimme vernehmen. Der „Landbote", welcher in diesem Jahre wegen Andrang an politischem Stoff das Theater ganz beiseite läßt, drückt sich dadurch um ein unpatriotisches Urteil herum. Lachner selbst scheint den Glauben an die Lebensfähigkeit dieses neuen Bühnen- werkes verloren zu haben. Die „A.M.Z." meint, er habe die Flinte vielleicht zu früh ins Korn geworfen. An irgend einer anderen Bühne kam „Benvenuto Cellini" nicht zur Aufführung; es erschien auch meines Wissens kein Klavierauszug im Druck. Die Sänger, welche sicher schon aus Achtung für ihren Kapellmeister alle Mühe und Sorgfalt zu Gunsten des Werkes verwendet hatten, waren Härtinger, Pellegrini, Sigl, DM Rettich, Mad. Diez, Kindermann, Hoppe und Allfeld. Das Urteil eines 12jährigen Knaben ist nicht maßgebend. Als solchen hatte mich meine Mutter in die Erstaufführung (am Oktoberfest-Sonntag) mit auf den Sperrsitz genommen. Mir gefiel die Musik, weil sie Musik war; aber die Entzückung, welche sich meiner in den vorher gehörten Opern „Stumme von

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Portici", „Schweizerfamilie«, Zauberflöte" bemächtigt hatte, kam nicht über mich. Ich legte mir dies später dahin aus, daß der Oper das Packende in der Musik gefehlt haben muß. Gegen Ende des Schlußaktes fiel mir meine Kappe auf den Boden. Als ich mich bückte und sie nicht gleich fand, stieß mich meine Mutter an: „Wo bist du denn? Jetzt kommt ja gerade das Schönste!« Und das „Schönste" war der eben aus der Versenkung heraufgezogene, prächtig funkelnde Perseus mit dem Haupte der Medusa. Nicht ganz vor einer Viertelstunde war das fließende Erz in „Die Form aus Lehm gebrannt« hinabbefördert worden. Man sah es dampfen und schon prangte die hehre Figur fertig und blank als ihres Schöpfers Retterin vom Tode. Mir mußte die Kühnheit dieser poetischen Lizenz erst erklärt werden, denn ich wußte noch nichts vom Erzgießen und hatte Schillers Lied von der Glocke noch nicht gelesen. Der im Libretto eingenommene Standpunkt der Versifikation erhellt merkwürdig genug aus der Szene im ersten Akt, wo eine Entführung verabredet wird, während der Intrigant lauscht. Daraus sind mir die Verse in Erinnerung geblieben:

Benvenuto Cellini: Der Mönch mit der weißen Kutte bin ich. Bianca: Der Mönch mit der weißen Kutte bist du. Feramosca: Der Mönch mit der weißen Kutte ist er. So gedruckt, gesungen und (wahrscheinlich) komponiert im Jahre des Heils 1849. Während diese verunglückten Versuche zur Bereicherung des Opernrepertoires nichts beitragen konnten, zeichnete sich dasselbe in diesem Jahre erfreulich aus, durch ZV/ei Aufführungen der Gluck sehen „Iphigenie auf Tauris", durch eine ziemlich ergiebige Pflege der Mozart sehen Muse und eine kräftige Belebung der „Hugenotten", deren eigentliche Zugkraft mit ihrer Restitution erst beginnt, in vier Aufführungen. Die einzige Neueinstudierung war „Der lustige Schuster" des alten Paer, es wäre aber besser gewesen, auch ihn ruhen zu lassen, da er sich mit der Welt und die Welt mit ihm nicht mehr zurecht finden konnte. Davon abgesehen, ist die Gesamtleistung ehrenwert in einem Jahr, dessen zweite Hälfte durch den plötzlichen Rücktritt einer so vielseitigen und vielbeschäftigten Sängerin wie die Hetznecker und die gleichzeitige Entlassung der Fastlinger in den Zustand perma- nenter Besetzungsverlegenheit versetzt wurde. Da wimmelte es denn in diesem zweiten Halbjahre von weiblichen Gästen bezw. Debütantinnen. Erst gastierte am L und S.Juli, also schon viel zu spät, um rechtzeitig zu einem Ziel zu gelangen, DM Haller als Donna Anna und Agathe, dann Ende Juli und Anfang August das frühere Mitglied DMMolendo, jetzt vom Hoftheater zu Kassel kommend, als Adalgisa, Maria in „Regimentstochter" und Effie (Brauer von Preston). Inzwischen kam nun am 16. Sep- tember der sehr glücklich ausgefallene erste Versuch der Josephine Hefner als Agathe, welcher zu deren späterem „lebenslänglichem" Engagement führte. Aber die Gastspiele nahmen, um die Aufführung der nötigsten stehenden Repertoireopern zu ermöglichen, ihren Fortgang: Frau Viala-Mittermayr, herzogl. Kammer- sängerin aus Meiningen, sang im September die Valentine, die Gräfin im „Figaro" und die Rezia; Frau Gundy, vom Hoftheater in Mannheim, im November und

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Dezember die Recha, Catharina Cornaro, Alice und Valentine. Außerdem ist noch ein erster Versuch von Dül: Epple als Barbarina im „Figaro" zu verzeichnen, welcher zu einem Engagement ohne großen Gewinn führte. Zwischen den Gastspielen der Frau Mittermayr und der Frau Gundy trat DM Hefner im Oktober als Agathe, Pamina und Amazili (Jessonda) auf, und sind diese Auftritte auf dem Zettel ebenfalls noch als Gastspiele bezeichnet. Sie hatte ihre bisherige Ausbildung im heute sogen, „alten" Konservatorium unter Hauser erhalten und datiert ihre Auf- nahme als Mitglied an der Hofbühne vom 1. November 1849 bis 30. Juni 1850 mit 600 fl. Gage und 10 fl. Spielhonorar!

War mit dieser vielversprechenden Anfängerin wieder eine ausgezeichnete Kraft für 1850 die kommenden Jahre gewonnen, so enthüllte die Situation im Anfange des Jahres 1850 einen zweiten unglaublichen Mißgriff der Intendanz,bezw. der musikalischen Direktion, darin bestehend, daß man in D^2L Haller eine völlig unbrauchbare Sängerin engagiert hatte, die darum, wie die Zettel ausweisen, während ihres ganzen Engagements (bis zum 1. Juli) nicht zum Auftreten kam. Die dadurch hervorgerufene grause Ver- legenheit steigerte sich noch dadurch, daß auch die Altistin Zehetmaier die Stimme verloren hatte und demgemäß aus dem Verbände des Hoftheaters austreten mußte. Aber nicht genug: Den faut pas mit dem Engagement der Haller voll- ständig zu machen, hatte man auch der inzwischen engagierten Josephine Hefner zum Zwecke weiterer Ausbildung in Paris (bei Bordogni) einen sechsmonatlichen Urlaub gewährt. Um für sie einen kleinen Ersatz zu bieten, wurde ein Fräulein Eisenhofer zu theatralischen Versuchen als Rosine und Pamina zugelassen. Die Zehetmaier wurde durch ein Frl. Stanko, die man mit 1. Februar aufs gerade- wohl engagierte, zur Not remplaziert, aber sicher nicht ersetzt, weil auch diese Anfängerin sich ins Repertoire erst einlernen mußte. So war das Opernrepertoire auf die Damen Diez und Rettich gestellt und die Oper in dringender Gefahr, ihre Geschäfte einstellen zu müssen. Da trat als Retterin in der Not fast für drei- viertel Jahre, Frau Viala-Mittermayr, die Tochter des einst so beliebten und berühmten Georg Mittermayr, mit einem Gastspiel in die Schranken, welches sich vom 21. April bis zum 27. November erstreckte, und aus 28 Auftritten in 17 ver- schiedenen Rollen bestand. Wir werden auf dieses brillante Gastpiel der geborenen Münchenerin, welcher vorher kein Platz in ihrer Vaterstadt gewährt worden war, weiter unten zurückkommen. An Herren gastierten: Im Juni ein Tenorist Ditt, als Stradella und Masaniello und auf ein Engagement abzielend, im August der Bassist Hof er als Bertram und Kaspar. Ersterer machte namentlich als Masaniello, den er grausam mißhandelte, ein vollständiges Fiasko; letzterer gefiel durch seine sonore, markige Baßstimme und ward als längst begehrte Akquisition, da Pellegrini voraussichtlich nicht lange mehr bleiben konnte und Allfeld wegen seiner Körper- länge nicht überall zu brauchen war, für ein im Jahre 1851 beginnendes Engagement in Aussicht genommen.

In dieses Jahr, am U.Juli, fiel die hundertste Aufführung des „Freischütz* in folgender Besetzung:

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Fürst Ottokar Herr Sigl

Kuno, Erbförster Lenz

Agathe, seine Tochter *

Annchen, deren Freundin .... * *

Kaspar, Jäger Herr Kindermann

Max Brandes

Kilian, ein Bauer Lang

Samiel Büttgen

Brautjungfer DE Hieber

* Agathe: Frau Viala-Mittermayr als Gast ** Annchen: von DM Epple übernommen.

Welchen Sinn das Jubiläum in dieser Besetzung haben sollte, ist eigentlich unergründlich. Ohne Frau Viala, welche mit der Agathe hinriß, wäre es momentan unmöglich gewesen, man hätte aber auf das Debüt Hefner warten können. Das Annchen mit einer Anfängerin zu besetzen, welche man später für „untergeordnete Rollen" engagierte (Frau Diez muß also krank oder beurlaubt gewesen sein), war ein Wagnis, das nur zufällig besser ausfiel, als zu erwarten war. Unbegreiflich aber erscheint es heutzutage, wie man Sigl als Fürst Ottokar, Lang überhaupt als Sänger verwenden konnte. Ersterer, als Komiker fast unerreicht, kann hier nur von unfreiwilliger Komik gewesen sein, letzterer wirkte mit seiner Stimme in Raimundschen Stücken unbeschreiblich ergötzlich; ihn in einer Oper zu ver- wenden, war ein Unrecht an dieser und an ihm.

Trotz der großen Sängerinnen-Calamität kam es zu drei Novitäten, worunter eine kolossale, der langerwartete „Prophet" sich schon Monate lang vorher in aufregenden Vorbereitungsschmerzen ankündigte, und außerdem zu vier Neueinstudierungen „Die beiden Füchse" von Mehul, „Das rote Käppchen" von Dittersdorf, „Die beiden Schützen" von Lortzing und „Lucrezia Borgia" von Donizetti.

Ehe ich hier weiter fahre, muß ich erwähnen, daß das Münchener Theaterleben in diesem Jahre wieder erhielt, was ihm seit dem Eingehen der von Dr. Birch redi- gierten „Flora" und dem Saphirschen „Bazar" fehlte: ein Kunstblatt, dessen Mit- arbeiter mit dem wichtigen Attribut der Unabhängigkeit einen schätzbaren Grad von künstlerischem Wissen verbanden, um, wenn auch nicht immer einwandfrei (namentlich zum Teil nicht ganz leidenschaftslos) doch im allgemeinen verdienstvoll, die Darbietungen des Hoftheaters besprechen und das öffentliche Interesse an ihnen fördern zu können. Dieses nicht zu unterschätzende Amt besorgte von nun an der „Münchener Punsch, ein satyrisches (!) Originalblatt" von M. E. Schleich, welches zwar schon mit Anfang 1848 gegründet worden war, für seine „Theater- pfeile" aber vermutlich wegen Andrangs des politischen Stoffes die ersten zwei Jahre keinen Platz hatte, wie dies auch beim „Landboten" der Fall war, den wir jetzt getrost verabschieden können. Nun sind die Besprechungen über Novitäten, einheimische und fremde Sänger etc. in diesem Blatte so reichhaltig und teilweise

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interessant, daß eine große Enthaltsamkeit dazu gehört, ihnen nicht einen größeren Raum, als hier statthaft ist, zu gewähren.

Über die Neueinstudierung des „Roten Käppchen" schreibt ein Referent*) wenig entzückt: „. . . . Zweimal ohne Beifall gegeben, schien das veraltete Ding vor sieben Jahren endlich zur ewigen Ruhe eingegangen, als auf einmal im Jahre 1850, wo überhaupt soviel Altes und Dagewesenes uns wieder heimsucht, auch das alte „Rote Käppchen'^ durch besondere Gunst unseres Herrn Kapellmeisters wieder als Fastenspeise seine submisseste Aufwartung macht natürlich nicht, ohne daß vorher von gewisser Seite (?) ins Hörn gestoßen worden wäre u. s. w."

Von den übrigen drei Einstudierungen haben sich die Theaterpfeile nur noch Donizettis „Lucrezia Borgia" zum Ziel genommen. Über die Aufführung (26. Sep- tember) schreibt der St.-Referent:

„Die gestrige Auffüiirung hat uns im allgemeinen nicht befriedigt. Wenngleich Frau Viala nach Kräften ihre Partie sang, so reichten ihre Mittel doch nicht vollständig zur Bewältigung ihrer Aufgabe hin. Anders bei Herrn Kindermann, dessen Stimme so recht am Platze war, der jedoch wieder die für den italienischen Gesang so sehr förderliche Gelenkigkeit und Biegsamkeit fehlte. Herrn Brandes sah und hörte mans an, daß er in Wien schon gute Vorbilder gesehen und daß er den guten Willen habe. Nun aber Frl. Stanko als Orsini! Welche Blasphemie des guten Geschmacks, welche Kühnheit, dem Publikum diese Rolle in solcher Besetzung zu präsentieren. Frl. Stanko hat nichts gelernt und man gibt ihr diese Partie! Das herrliche (?) Lied im dritten Akt, das anderswo als ein Glanzpunkt der Oper gilt, weil große Sängerinnen diese Partie übernehmen, ging wie ein Schnaderhüpferl vorüber und gar das Finale im ersten Akt, wo noch die anderen , Helden in Steif- leinen' mitwirkten, da war von keinem Ansatz, von keinem Gefühl, von gar keiner Modulation die Rede. Es leuchtete hervor, daß die der Aufführung vorangegangenen Proben nicht mit dem nötigen Ernst betrieben wurden. Machen sich doch die musikalischen , Deutschtümler' gern über die Italiener lustig, spotten über die einfache Instrumentation usw. und, kommt es ans Treffen, wie steht es da? Das Akkompagnement war lustig, zeigte keine Nuancierung, die Rezitative wurden ohne Licht und Schatten, ohne daß das Orchester den Sängern gehörig nachgegeben hätte, begleitet, von den Ensembles wurde nur eins gut gesungen, nämlich das Terzett der Frau Viala und der Herren Kindermann und Brandes im zweiten Akt, aber auch da nahm die Begleitung nicht genug Rück- sichten, mochte auch der Herr Kapellmeister, der, wie uns bedünkte, die Mängel zu fühlen schien, sich noch so viel Mühe geben, das in den Proben Versäumte wieder gut zu machen. Noch nie ist die Battuta des Herrn Kapellmeisters so oft durch heftige Schläge auf die Partitur hörbar gewesen, als in der Aufführung der Lukrezia. Wie kommt das?"

Das scheint doch auffällig mit dem zu stimmen, was ich am Eingang dieses Kapitels über die Stellung der italienischen Oper unter Lachner gesagt habe.

Wenden wir uns nun, ehe wir uns mit den Novitäten befassen, zu einzelnen Besprechungen, welche dasselbe Blatt dem Gastspiel der Frau Viala an sich widmet. Nachdem ein Referent bei ihrem ersten Auftreten als Valentine die Ein- heimische mit den Worten willkommen heißt: „Wie den ersten Frühlingsstrahl nach vielen trüben Tagen, so begrüßen auch wir diesen Boten des wonnereichen

^) Es sind deren nämlich mehrere, teils mit Anfangsbuchstaben bezeichnete, teils ganz anonyme. Unter dem St. wittere ich meinen nachmaligen Freund HektorStuntz, den Sohn des Hofkapell- meisters Hartmann Stuntz, der eben als solcher gegenüber Lachner nicht die nötige Unbefangenheit besaß, sich dafür aber auf den Gesang verstand.

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Lenzes, die in ihre Heimat zurüci^gekchrte Lerche als Spenderin herrlicher, lang- entbehrter Lieder", und dann der Kalamität der Oper, der primadonnenlosen, traurigen Zeit gedenkt, in welche diese durch ein unverzeihliches System der Unterlassung gestürzt worden sei, sagt ein NichtUnterzeichneter über ihreDesdemona:

„Die zweite Gastrolle der Mad. Viala-Mittermayr als Desdemona in Rossinis ,Othello' gewährte einen wohltuenden Sonnenblick in das immer mehr verödende Reich dramatischer Gesangskunst. Zeigen sich auch ihre Stimmittel hie und da etwas ermüdet, so besitzt sie doch eine Schule, wo Kor- rektheit und prägnanter Geschmack sich schwesterlich die Hand reichen. Die Gefühlsinnigkeit bis zum Momente des leidenschaftlichen Ringens mit dem blutdürstenden Gemahl war ein natürlicher Schmelz wahrer und warmer Empfindung, wobei die Grenzen des Schönen keinen Augenblick ver- lassen wurden. Das Duett mit Emilie, das Finale des zweiten Aktes, vorzüglich aber die Preghiera bildeten die Glanzpunkte ihrer Gesangsleistung, während das Finale des dritten Aktes als Musterbild dramatischer Darstellung erschien."

Interessant ist folgendes über Brandes: „Überrascht waren wir von dem Rodrigo, eine bei früheren Darstellungen (Diez?) fast fad scheinende Rolle, die aber durch den wackeren Vortrag und kernigen Gesang des Herrn Brandes, der diesmal wirklich ,sich selbst übertraf^ bedeutend an Interesse gewann. Herr Brandes erntete mehrfachen stürmischen Applaus." Dieses Lob hatte nämlich die sonderbare Folge, daß derselbe Kritiker dem Sänger nach einer späteren Aufführung des „Othello" (am 27. Oktober) sagen mußte: „Herrn Brandes, dem wir neulich unser Lob spendeten, müssen wir heute bemerken, daß er die Partie des Rodrigo nicht gesungen, sondern geschrieen hat." Über die Norma der immer mehr Anerkennung gewinnenden Gastin sagt ein Einsender:

„Vergangenen Sonntag, den 5. Mai, hörten wir als dritte Gastvorstellung Mad. Viala-Mittermayr als Norma, und es ist wirklich nicht zu viel gesagt, wenn wir die Behauptung aufstellen, daß in Deutschland gegenwärtig keine Sängerin lebt, die in dieser Rolle unserem geschätzten Gast an die Seite gestellt werden könnte. Einsender dies hat seit 20 Jahren beinahe alle deutschen und italienischen Sängerinnen von Ruf und Bedeutung gehört, aber eine gediegenere Schule, einen edleren, korrekteren Vortrag, wie ihn Mad. Viala-Mittermayr sich zu eigen gemacht, hat von den gefeiertsten Primadonnen keine im höheren Grade, als dieser unser Gast."

Daran wird unter dem Hinweis, daß eine Lücke ausgefüllt werden würde, woran die Münchner Oper schon über 10 Jahre leide, der dringende Wunsch geknüpft, daß dieses Talent für dieselbe gewonnen werden möchte: „und kehrte auch DE Hefner mit allen Talenten ausgerüstet (aus Paris) zurück, so kann Mad. V. dieser wie jeder anderen zum Vorbild dienen etc." Derselbe Wunsch wird gleich in der nächsten Besprechung über ihre Darstellung der Jüdin in Halevys gleich- namiger Oper wiederholt, nachdem ihr das Lob gezollt, daß sie diese Partie, welche sie erst jüngst in München einstudierte, dennoch mit einer solchen Präzision und künstlerischen Vollendung vortrug, wie es eben nur von einer Sängerin von solcher Bildung und Schule zu erwarten ist! In dieser durchaus anerkennenden Weise wird eine Reihe nun folgender Gastrollen besprochen, so die Elvira, welche sie in Berücksichtigung der Münchner Verhältnisse (statt der ihr gehörigen und geläufigen Donna Anna) mit großartigem Erfolg übernommen, die Anna in der „Weißen Frau", die sie für die unpäßlich gewordene Rettich sozusagen von der

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Hans von Bülow 1866—1869

Eisenbahn weg übernahm und „mit der an ihr gewohnten Präzision und Klarheit" durchführte, die Gräfin Armand, als welche sie, von Härtinger bestens sekundiert, „Fülle, Kraft und Erhabenheit der Cherubinischen Musik" zur Geltung brachte und andere mehr. Nur gegenüber ihrer Maria in der „Regimentstochter" nimmt der St.-Referent einen kritischen Standpunkt ein, indem er schreibt;

„Unser Urteil über Mad. Viala als Künstlerin im allgemeinen steht fest: wir haben in ihr die durch- weg gebildete, musikfeste und denkende Künstlerin kennen gelernt. Etwas anderes ist es mit den einzelnen Partien, und fassen wir die vorliegende ins Auge, so bedauern wir, hier unser Lob modi- fizieren zu müssen, und zwar aus dem einfachen Grunde, weil diese Partie gar nicht für Mad. Viala paßt. Ist gleich Mad. Diez in derselben nicht unser Vorbild, so hat doch deren angeborene Gewandt- heit und brauchbare Volubilität der Stimme manche Härten und Schärfen vergessen gemacht. Das Organ unseres geschätzten Gastes dagegen kann nur im getragenen Gesänge von Wirkung sein, gar nicht geschaffen ist es aber zur Darstellung der Maria", was nun weiter aus dem musikalischen Charakter der Rolle herausmotiviert wird.

Dagegen äußert sich ein mit P. unterzeichneter Referent über ihre Agathe (in der Jubiläumsvorstellung, deren aber gar keine Erwähnung geschieht): „Nachdem sie sich vorher im leichteren Genre versucht hatte, war sie wieder ganz auf ihrem Gebiete und riß zur allgemeinen Bewunderung hin, namentlich wurde sie nach der kraftvollen ersten Arie stürmisch gerufen, vortrefflich sang sie auch die Arie ,Und ob die Wolke sie verhülle'."

Im „Allgemeinen Theater -Sprechsaal" (einer stehenden Rubrik der „Theater- pfeile") ist am 25. August zu lesen: „Die Sängerin, Frl. Hall er, seligen Ange- denkens in München, gastiert gegenwärtig in Mannheim auf Engagement, dort pflegt man nämlich die Katze nicht im Sack zu kaufen." Ob der Hieb auch nicht ganz gerecht war (denn die Haller hatte ja vor ihrem unglücklichen Engagement zwei Proberollen gesungen), gesessen mag er darum an rechter Stelle doch sein. Diese war aber unempfindlich gegen solche kleinen Attaquen, wie auch gegen die wieder- holten eindringlichen Mahnungen, daß man doch die schöne Gelegenheit, in Frau Viala-Mittermayr wieder eine erste Sängerin zu gewinnen, sich nicht entrinnen lassen solle. Aber gerade die Übereilung im Falle Haller mochte die Direktion jetzt zur Vorsicht anspornen. In der Rubrik „Münchener Zuschauer" bringen die „Theater- pfeile" einen längeren, sehr sachlich ausgeführten Artikel über diese Angelegenheit, worin bei aller (oft ausgesprochenen) Verehrung der trefflichen Sängerin darauf hingewiesen wird, daß diese, wie bereits bekannt sei, ihre vorteilhafte Stellung in Meiningen nur gegen einen zehnjährigen Kontrakt mit lebenslänglicher Pension aufgeben wolle. Dabei müsse es aber für die Theaterleitung in die Wag- schale fallen, daß Frau Viala-Mittermayr jetzt bestenfalls im Zenith ihrer Kraft stehe, deren Zunahme also kaum zu hoffen, deren Abnahme, vielleicht schon in vier oder drei Jahren, sehr zu fürchten sei. Wenn dann Frau Viala-Mittermayr voraussichtlich als Primadonna nicht mehr fungieren könne, sei man wieder beim jetzigen Standpunkt angekommen; dann sei aber die Kasse durch die vielleicht lange Verbindlichkeit gegenüber der abnehmenden Sängerin außer Lage gesetzt, neben ihr eine junge erste Sängerin zu bezahlen. Und dieser richtige Kalkül wird auch

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für die Direktion den Ausschlag gegeben haben. So waren die Hoffnungen einer bereits großen Anhängerschaft leider getäuscht.

Am 11. April erschien als erste Novität: „Die Zigeunerin", romantische Oper mit Ballett in drei Akten, nach dem Englischen von Kupelwieser, Musik vonM. B alf e.

Die Besetzung der wichtigeren Rollen war: Graf Alban, Oberrichter in Edinburg

Kindermann; Arline, seine Tochter (im ersten Akt kl. Diez); im zweiten und dritten Akt Fr. Diez; Frederic .... Hoppe; Devilshof, Zigeunerhauptmann ....

Allfeld; die Zigeunerkönigin Frau Rohrleitner. Über diese Dame, welche

hier zum erstenmal als Solistin figuriert, geben uns die „Theaterpfeile" gelegentlich der Aufführung der „Regimentstochter" am T.Juli mit der Viala-Mittermayr, die etwas ungalante Auskunft: „Mad. Rohrleitner spielte die Marchesa; wir haben diese Säule des Weiberchors schon in naturwüchsigen Kobellschen Schnaderhüpflszenen bei obligatem Bier und Bratl glänzen sehen und bewundert, können und wollen aber nicht glauben, daß man sie zur Darstellung von Marchisen und Komtessen, zu Solo- partien ständig zu verwenden gedenkt." Nun, sie wurde, nachdem man sie hier gelegentlich zur Zigeunerkönigin erhoben und sonst „aushilfsweise" zu kleinen Partien verwendet, mit einer gewissen Verschämtheit erst am 1. Dezember 1851 für „Zweite Sopranpartien mit hoher Lage" engagiert, in welcher Stellung sie sich auch musikalisch recht gut anließ. Sie war eine Schwester der Frau Diez, aber korpulenter und um einen Kopf größer als diese. Die Zigeunerin ist eine Auf- wärmung der Wolffschen „Preziosa", auf englisches Gebiet versetzt, nur hat der Dichter es für wirksamer gehalten, dem Publikum in einem ersten Akt den Raub des Kindes vor Augen zu führen und hat dann nach glücklicher Auffindung der Erwachsenen die Handlung mit einem möglichst absurden Zusatz versehen, der nur noch eine Steigerung ins Lächerliche bringt. Der traurige Anfang der englischen Operndichtung bestand also darin (siehe Haimonskinder) den kontinentalen Opern- Unsinn womöglich zu übertrumpfen.

„Also eine romantische Oper!" sagen die „Theaterpfeile", „wir begegnen in unseren Tagen gar manchem Erzeugnis, das von Poesie nackt und ledig, seine Blößen mit Firlefanz deckt, und solch bunten Anzug nennen sie romantisch. So ist denn auch das Gewand dieser Zigeunerin ein elendes Fiickwerk, aus allen erdenklichen Zigeuneriaden zusammengestoppelt, locker, Symmetrie- und ein- heitslos." Mir, dem 13jährigen Jungen, hat der Schlußeffekt des ersten Aktes imponiert: Läuft da der Zigeunerhauptmann (der lange Allfeld, wie man ihn nannte) mit dem Kind im Arm auf einem quer über dem Bühnenraum in einer Höhe von ca. 10 m schwebenden Baum und stößt diesen, nachdem er glücklich hinübergekommen, in die Schlucht hinab, gerade im Moment, in welchem sich drüben auch schon die Häscher sehen und mit ihrem Verfolgungschor (den sie vor der Ver- wandlung angestimmt, nachdem der Raub des Kindes entdeckt worden) auch hören lassen, um mit langer Nase abzuziehen. Heute, nach 55 Jahren, sagt mir die Lektüre der „Theaterpfeile", daß dies mit der Zeitrechnung nicht recht stimmt, denn der Räuber wird nicht gleich verfolgt, die Jäger zünden erst Fackeln an und beten und singen gewiß ein dutzendmal:

Folget ihm, folget ihm mit tapferem Arme,

Folget ihm, folget ihm, und schützet vor dem Harme

Den Stolz von Albans Stamm,

Entreißt dem Wolf das Lamm.

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Der Referent (jedenfalls nicht der St.) erzählt nun die Handlung mit einer Genauigkeit, die fast als überflüssige Höflichkeit erscheint und zitiert dabei noch einige Beispiele geistreicher Versifikation So singt der Oberrichter Alban, nachdem er seine Tochter erkannt:

Preist den Himmel, der ins Leben Mir das Licht der Gnade gießt. Der die Tochter mir gegeben, Sie, die ich solang vermißt. Arline, Thomas, Frederic, Devilshof, der Chor singen der Reihe nach dieselben Worte mit der Variation von mir, dir, ihr und sie."

Stimmt das nicht mit dem „Möncii in der weißen Kutte?" Für die Musik hat der Referent, der augenfällig um einige eingängliche Melodien froh ist, ein bescheidenes Lob. Mir schien sie mit Ausnahme eines recht hübschen Quartetts und einiger anderer Kleinigkeiten etwas stark trivial. Diesen Eindruck dürfte sie auch dem besseren Teile des Publikums gemacht haben, das die Oper sichtlich nicht zu halten bestrebt war, so gern man auch die Mitwirkenden, insbesondere Frau Diez, die Zigeunerin, für ihre wackeren Leistungen beklatschte. Die Oper wurde in diesem Jahre nur einmal am 14. April, dann im nächsten Jahre noch einmal wiederholt, um von da an bis zu einem zufälligen Gastspiel zurückgestellt zu werden. Nur die Biermusiken, welche seit dem Jahre 1848 wie eine ägyptische Landplage über München und Umgebung hereinbrachen, wollten die importierten englischen Gassenhauer nicht zur Ruhe kommen lassen. Das Weltwunder, dessen marktschreierischen Verkündigern Heinrich Heine das bekannte Festgedicht „Beerenmeyer, Meyerbeer! usw." gewidmet, welches den Parisern und den deutschen Großstädtern (zu denen sich die Münchener noch nicht rechnen durften) die Köpfe verrückt, auch die Münchener durch lange geräuschvolle Vorbereitungen in gewaltige Aufregung und Spannung versetzt hatte, die Oper „Der Prophet", gedichtet von Scribe, übersetzt von Rellstab, komponiert von Giacomo Meyerbeer, sie kam nun endlich auch in München zur erstmaligen Aufführung am 10. November, in folgender Besetzung:

Der Prophet (etc.)

Johann von Leyden Herr Härtinger

Fides, dessen Mutter *

Berta, seine Braut Frl. Rettich

Jonas Herr Brandes

Mathisen, Wiedertäufer Allfeld

Zacharias Pellegrini

Graf Oberthal Kindermann

Kriegshauptleute der Wiedertäufer . l " Cchmidt

Ein Soldat Mehrmann

r^.. . . i Frl. Epple

r, . n.. [Herr Stich

Zwei Burger | __ Kopp

Ein Bauer Meß

* Fides: Frau Viala-Mittermayr als Gast

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Das seinerzeit vielgepriesene, jetzt vielgeschmälite Werk dürfte in Anbetracht der in ihm verwendeten Ausdruclcs- und Effektmittel die Kulmination der „Alten Oper" im Gegensatze zu dem heute den Sieg behauptenden „Musikalischen Drama" zu nennen sein. Objektiv nur nach seinem musikalischen Gehalt beurteilt, zeigt es immerhin eine erstaunliche Fülle schöpferischer Kraft, wenn diese auch nicht so glücklich, wie es die bessere Dichtung der „Hugenotten" gestattete, dem dra- matischen Elemente dienen konnte. Die ästhetische oder kunsthistorische Frage des weiteren zu erörtern, ist hier nicht der Platz. Für uns handelt es sich, wie sich die Kräfte der Münchner Oper in der Lösung der wahrlich nicht leichten Aufgaben, welche das Werk in jeder Richtung stellte, bewährt haben. Da ist es nun zuvörderst bekannte Tatsache, daß die Anforderungen an die Bühnentechnik, welche in Herstellung der aufgehenden Sonne, des Schlittschuhballets, des krachenden Einsturzes des Prunkpalastes gestellt waren, aufs glänzendste erfüllt wurden. Von der übrigen Ausstattung schreibt der St.-Referent der „Theaterpfeile":

„Die Dekorationen sind durchgängig neu und wahre Kunstwerke, wie sie eben nur in der Kunstmetropole München geschaffen werden. Die zahlreichen Fremden, welche den Anblick dieser Prachtwerke, unter denen der Dom zu Münster obenan steht, genossen haben, werden Herrn Quaglios Ruhm neuerdings über die Grenze tragen. Der Krönungszug entwickelte einen nie geahnten Aufwand an Kostümen und war von imposanter Wirkung, einen Ungeschickten abgerechnet, der die Krone mit dem Kissen auf den Boden fallen ließ. In jetziger Zeit ist es selbst auf der Bühne gut (zeit- gemäße Anspielung), wenn man Kronen klug befestigt."

Bezeichnend für die in der Oper eingeschlagene Richtung des Effekts ist es, daß man zuerst von den Leistungen der Bühnentechnik und der dekorativen Aus- stattung, und erst in zweiter Linie von denen der Sänger (der Solisten und des Chors) und allenfalls noch des Orchesters sprach, wiewohl diesen Korporationen nicht minder kolossale Aufgaben zugeteilt sind. Was die Solisten betrifft, so galt damals der erste öffentliche Dank der Frau Viala-Mittermayr nicht bloß dafür, daß durch ihre Mitwirkung die Vorführung der großen Novität (nebst vier Wieder- holungen derselben) überhaupt möglich geworden war, sondern daß sie die Fides auch vortrefflich spielte und sang, und daß aus ihrer imposanten Gesamtleistung die beiden Arien sich als rührende Stimmungsbilder abhoben.

Hinter den beiden Rollen des Propheten und der Fides traten alle übrigen mehr oder weniger zurück, besonders die der Berta, deren Vertreterin, Frl. Rettich, darum auch vom St.- Referenten entweder ganz vergessen oder aus Schonung über- gangen wurde, weil sie einfach langweilig war. Die Kompilierung von Effekten, worauf die ganze Absicht des Dichters gerichtet war, hat eine hauptsächliche Kraft des Tonsetzers, die Kunst, dankbare Rollen zu schaffen, nahezu paralysiert. Die drei Wiedertäufer, welche immer unerwartet, wie Unglücksraben, geflattert kommen, dürften wie die Götter singen und würden sich doch beim Publikum nie ein- schmeicheln; so hatten auch die drei Vertreter für ihre ganz kräftige Leistung keinen Dank; auch Kindermann war als Graf Oberthal aufs Hintertreffen be- schränkt. — Vom Dasein und von den Aufgaben der Regie hatte ich damals wenig Begriff, ja vor lauter Schauen und Horchen keine Zeit, nur daran zu denken;

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wenn ich mich aber zurüci^erinnere, wie da alle Vorgänge auf der Bühne klar und verständlich waren und wie alle Evolutionen klappten, muß ich noch heute vor dem braven Leopold Lenz den Hut abziehen. Wie in den bisherigen Opern Meyerbeers, ja fast noch mehr als in diesen, hängt die Gesamtwirkung im „Propheten" auch von der Vorzüglichkeit des Orchesters ab, welches nicht nur den Prophetenmarsch schwungvoll oder matt spielen, sondern hundert und hundert charakteristische Zeichnungen bringen oder ignorieren kann. Daß das Münchner Orchester unter der diesmal ganz besonders energischen und feinsinnigen Leitung Fr. Lachners seine Aufgabe mit Auszeichnung löste, hat das allgemeine Urteil bestätigt. Auch die Chöre, namentlich der Chor der revoltierenden Bauern (ein hervorragendes Stück!) verdienten und fanden alles Lob. Hier machte sich glänzend der Einfluß des vorzüglichen Chordirektors Kunz geltend.

Für die Nachhaltigkeit des äußeren Erfolges, welchen der „Prophet" in München errungen hatte, sprechen außer den fünf Aufführungen dieses Jahres (vom 10. No- vember an) deren zwanzig im nächsten und elf im dritten Jahre, von wo an er dann mit „Robert" und den „Hugenotten" gleichmäßig rivalisiert.

Kurz vor Weihnachten, am 19. Dezember, kam noch eine Erstaufführung von „Das Tal von Andorra", romantisch- komische Oper in drei Akten, nach dem Französischen des St. Georges, frei bearbeitet von Rellstab, Musik von Halevy, zustande. Sie gehört zu jenen harmloseren Arbeiten im Genre des „Blitz", welche der hochstrebende Meister gern zwischen große Würfe, wie „Die Pest von Florenz", „Die Judenverfolgung", den ,Juif errant" gewissermaßen als Ruhe-Etappen einschob, welche aber vermöge ihrer musikalischen Pikanterie doch nicht harmlos, somit überhaupt nicht wirkten.

Diesmal hatte auch der französische Librettist gar keine Lorbeeren errungen: „Die Erinnerung an die Schäfer-Republik Andorra inmitten der Pyrenäen", meint der St.-Referent der „Theaterpfeile", „ist wohl nur zur Vermehrung der geographischen Kenntnisse des Publikums beliebt worden, sonst könnte das Stück ebensogut überall anderswo spielen." Das Sujet wird „höchst mager" genannt; „am wenigsten verdient die Oper die Bezeichnung romantisch-komisch. Die Ouvertüre ist gut gearbeitet, das Thema in moU ist lieblich, dagegen der Mittelsatz trivial, die Instrumentation steht der Auber- schen nach. Die Partie der Georgette, eines Bauernmädchens, das nichts wie Passagen und Fiorituren zu singen hat, hat etwas Widerwärtiges und Unnatürliches. Das Ganze ist auf ein äußerst lebhaftes und schnelles Spiel berechnet, wozu aber Franzosen gehören. Im ganzen wurde die Oper gut gegeben; die Herren Härtinger und Kindermann machten aus ihren Rollen, was nur daraus zu machen war, während sich Herr Brandes im Spiel schläfrig bewegte. Frl. Hefner (Mairose), deren Rolle das meiste Spiel erfordert, bestrebte sich, hierin etwas zu leisten, sang auch mehrere Stellen mit Gefühl. Wir erwähnen das, um der Anfängerin Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, wie es auch das Publikum durch öfteren Beifall getan hat. Frl. Seehofers Organ scheint nicht klanglos zu sein; dessen Ausbildung zu beurteilen, hatten wir gestern zu wenig Gelegenheit. Der Beifall war ein mäßiger."

Und der Erfolg war: eine Wiederholung am 17. Januar 1851. Mitten in das weit ausgedehnte Gastspiel der Viala-Mittermayr fielen (in der zweiten Hälfte des August) auch drei Gastrollen der in München immer noch angebeteten Hasselt- Barth. Doch ist aus unverhohlenen Bemerkungen, welche ein R.-Referent der

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„Theaterpfeile" sich gleich über ihre Isabella im „Robert" gestattete, zu ersehen, daß man es bereits, wie ja ganz natürlich, mit einer angehenden Ruine zu tun hat. Er schreibt:

„Frau von Hasselt vom Kärntnertor-Theater in Wien begann ihr von zahlreichen Verehrern ersehntes Gastspiel als Isabella, einer ihrer früheren Glanzpartien, an die sich die schönsten Erinne- rungen an eine Zeit knüpfen, wo die Münchner Oper noch herrlich blühte und diese gefeierte Künstlerin eine ihrer Zierden war. Ihr Vortrag ist graziös und elegant, und läßt uns häufig vergessen, daß die Stimme ihres einstigen Schmelzes entbehrt und sich zuweilen nicht ungestraft in die höheren Töne ergehen darf. Was übrigens die Künstlerin an Stimmfrische verloren, weiß sie teils vorsichtig zu maskieren, teils wird uns dies durch den höchst geschmackvollen Vortrag reichlich ersetzt. Daher der große Beifall, der ihre ganze Darstellung begleitete." Etwas stärker flickt derselbe Referent ihr am Zeuge betreffs ihrer Giulietta in „Capulets und Montagues". Es wird da von vielem Parlando, vom Dehnen in einzelnen Momenten, von unartikulierten Ausrufen bei tragischen Steigerungen, die nachgerade unschön seien, usw. gesprochen, worin lauter Notbehelfe der stimmlichen Dekadence zu sehen sind. Dazu der Triumph der Partnerin als Romeo. „Der an diesem Abend gleichsam vor Augen geführte musikalische Wettkampf zwischen dem verehrten Gaste undMad. Viala-Mittermayr war jedenfalls dem zahlreichen Publikum sehr interessant. Letztere zeigte heute ihre klangvolle und umfangreiche Stimme in ganzer Schönheit, und was ihre Schule anbelangt, so hat diese Künstlerin den strengsten Vergleich ohnehin nicht zu scheuen. Sie wurde mit Beifall überschüttet, ja sie errang den vollständigsten Sieg." Der Hasselt dritter Gastrolle, Norma, ward nur die Notiz gewidmet: „Mad. von Hasselt-Barth hat München wieder verlassen, nachdem sie am Sonntag als Norma ihre letzten Triumphe in München genossen." Es waren ihre letzten.

Auch zwei Gastrollen Hof er s (vom Hoftheater zu Koburg) um diese Zeit sind zu erwähnen. Über die erste, Bertram im „Robert", welche der angehende Künstler am gleichen Abend mit der Isabella der Hasselt sang, schreibt der Referent (in obiger Besprechung): „Herr Hofer vermochte uns trotz seiner überwältigenden Stimme unseren Pellegrini in dieser Partie nicht zu ersetzen" (war auch ein sonderbares Verlangen). „Sein Vortrag ist höchst mangelhaft, die Töneverbindung falsch und die immer wiederkehrenden Gaumentöne unangenehm." Und doch mußte man froh sein, diese unausgebildete Kraft zu gewinnen; leider sollte der Diamant seinen Schliff nicht erleben!

Die Rückkehr der Josephine Hefner aus Paris gibt dem St.-Referenten des „Punsch" Anlaß, auf Grund seiner sehr respektablen Gesangskenntnisse Beobach- tungen anzustellen, welches Resultat denn der sechsmonatliche Unterricht bei Meister Bordogni eigentlich geliefert habe. Er muß durch sein Urteil über die beiden Antrittsrollen Rosina und Agathe durchblicken lassen, daß die Fortschritte der Kunstnovize vorderhand eben als so mäßige erschienen, wie man bei der kurzen Zeit eines halben Jahres hätte voraussehen können. Auf einen deutschen Stamm ein italienisches Reis zu propfen, braucht eine längere Zeit, und was die Hefner nun zurückbrachte, glich eher einem äußeren Aufputz als einer inneren Umgestaltung. Vorerst wundert sich St. übrigens darüber, daß jener Lehrer der Schülerin als An- trittsrolle die Rosina bestimmt habe, denn: „Das Organ des Frl. Hefner ist Hoch- sopran, und die Partie der Rosina fordert vielmehr einen Mezzosopran. Daher kam es, daß Frl. Hefner fast jedesmal, so oft sie intonierte (und die Intonationen sind gerade alle der tieferen Stimmlage gegeben), äußerst unsicher war und erst

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dann ihre Stimme Festigkeit erlangte, wenn sie zur höheren Stimmlage aufstieg." Indem er nun ihrem herrlichen, einnehmenden Organ, verbunden mit einer jugendlich frischen Erscheinung volle Verehrung zollt und zugleich bekennt, daß sie in Bezug auf Gesangsmethode viel gelernt und auch das Geschick habe, das Gelernte vorzutragen, kommt er in einem förmlichen technischen Gutachten auf die an ihr eben noch nicht ganz vollzogene Stimm- und Tonbildung zu sprechen, die er nur damit erklärt, „daß Frl. Hefner den Unterricht in Paris zu kurze Zeit genossen habe!" Damit verbindet er die warnende Bemerkung: „Die wärmsten Freunde ihrer Leistungen" (es wird bereits viel von Hefnerianern gesprochen) „und gewiß auch sie selbst wird die Demonstrationssucht einiger Leute lächerlich finden, die eine Jüngerin, die eben erst den Pfad, der sie zur Vollendung führen soll, antritt, schon mit Siegeskränzen überschütten und mit Applaus bestürmen." Dieser Antrittsrolle am 12. folgte sogleich die zweite am 15. September. Der mit dieser sich befassende Artikel des St.-Referenten könnte heutige „Kritiker" be- lehren, wie man auf Anfänger bildend zu wirken suchen kann, ohne durch un- verblümte Wahrheit zu verletzen:

„Sonntag, 15. September: , Freischütz.' Ja, im deutschen Gesang, da leistet Frl. Hefner gewiß Vortreffliches; das ist etwas für sie, die deutsche Sängerin, so räsonierte eine Partei, die wir die Kunstdeutschtümler nennen möchten. Nebenher war wohl die leise Hoffnung da, die Ehre der ver- frühten Kränze auf Sonntag hinüberspinnen zu können. Aber zu früh am Donnerstag, zu früh am Sonntag! Recht deutlich wurde uns heute wieder der alte Satz, daß es eben keine deutsche, keine französische und keine italienische Kunst oder Schule gibt, sondern nur eine, die gute Schule, die wahre Kunst. Die Agathe will ebenso gut gesungen sein, als die Rosine, d.h. man muß gelernt haben, man muß Gefühl besitzen, da wie dort. Den Eindruck, den Frl. Hefner als Rosine auf uns machte, haben wir neulich in diesen Blättern niedergelegt, heute machte sie gar keinen Eindruck, sie wurde sogar von ihrem Organ verlassen, und die herrliche Arie im zweiten Akt ging spurlos vorüber. Um kurz zu sein: wir fragten eifrige Hefnerianer nach ihrem Urteil, und sie antworteten: ,Vor der Reise nach Paris hat sie diese Rolle viel besser gesungen' Ceterum censeo und dies werden wir immer wiederholen: Man lerne! usw."

Nichts ist natürlicher, als daß die Anfängerin in naiver Anwendung italienischer (virtuoser) Gesangsmanier, welche sie soeben erlernt hatte, auf einen kerndeutschen Gesang, welcher in Bordognis Unterricht gewiß beiseite gelegen, auf offener Szene coram publico mit sich selbst in Widerspruch geraten mußte, was freilich jede Wirkung auf dieses vereitelt haben wird. Sei es, daß die junge Künstlerin die kräftigen Mahnungen ihres wohlmeinenden Kritikers sich zunutzen machte, oder daß sie aus eigenem Kunstdrange allmählich zur Herrschaft ihrer Mittel gelangte und die Widersprüche zweier Richtungen in sich versöhnte, so viel ist gewiß, daß sie aus jenem Zustande der Halbheit und Unfertigkeit bald herauskam und sich aufs neue in der allgemeinen Gunst und Beliebtheit, diesmal aber dauernd, festsetzte. Wenn sie in tiefer gelegenen und ernsteren Rollen die Hetznecker, für die man sie, merkwürdig genug, engagiert hatte, nicht ganz ersetzen konnte, so erhielt durch ihren angenehmen hohen Sopran und ihr frischanmutendes Naturell, mit dem sie siegreich wirken konnte, das Rollenfach der jugendlich lyrischen und jugendlich dramatischen Sängerin ein neues Leben. Zu ihren vorzüglichsten Rollen gehörten

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alsbald (gerade) die Agathe, die Pamina, Emmelinc, auch die beiden etwas tiefer- liegenden der Casilda (in „Teufels Anteil") und Amazili (in „Jessonda"), während sie den Gipfel ihrer Leistungsfähigkeit als Julia in Spontinis „Vestalin" erstieg. In dieser Rolle habe ich sie zugleich mit dem unvergeßlichen Härtinger im Mai 1852 zu bewundern Gelegenheit gehabt. (Siehe Jahrgang 1852).

Einen sich gleichbleibenden, desto geringeren Erfolg hatte die Altistin Stanko. Während ihre Vorgängerin Zehetmaier in ihren bescheidenen Rollen nie etwas ver- darb und durch ihren volltönenden Alt das Ensemble stets kräftig unterstützte, fand man Gesang und Persönlichkeit der Stanko gleich unsympathisch, daher ihr Engagement recht unbegründet. Die „Theaterpfeile" nehmen gegen letzteres "Wider- spruch zu erheben Anlaß in einer Besprechung des Rossinischen „Teil", welcher überhaupt einer Philippica gegen die dermalige Opernleitung gleicht:

„Daß unserer Oper eine Altistin abgeht, dies wird jedermann begreifen, der sich dafür interessiert, und gleichzeitig auch einsehen, daß es nicht D}}1 Stanko ist, die man sich wie herkömmlich, als solche aufdrängen lassen wird. Warum aber D]}^ Müller (soll heißen Miller, eine Schauspielerin, welche jugendliche Liebhaberinnen spielte), die mit einer gebildeten Stimme, gebildetem Vortrag zur allgemeinen Zufriedenheit einmal die Königin in ,Teufels Anteil' sang, seit dieser Zeit von der Bühne (?) verschwunden ist, das begreifen wahrscheinlich nur jene Druiden, die in den Mysterien der Isis et Osiris besser eingeweiht sind als wir." Noch eindringlicher wird diese junge Dame als die geeignete Altistin empfohlen gelegentlich der ganz unbegreiflichen Besetzung der Nancy (nach Rücktritt der Hetznecker) durch Frau Diez: „Wie wäre es denn, wenn man seitens der Intendanz den Versuch machen wollte, die Partie der Nancy, die doch nun einmal für Alto geschrieben ist, von Frl. Müller (Miller) singen zu lassen. Die Stimme des Publikums spricht sich über dieses Mitglied unserer Bühne nur günstig aus. Sie hat eine gute Stimme, ein hübsches Äußeres und verrät großen Fleiß. Baron Frays, der bei seiner Anwesenheit in Paris Gelegenheit hatte, die Alboni zu hören, wird sicherlich zugeben, daß man Partien, die für Alt geschrieben, auch womöglich durch Altistinnen besetzen soll, zumal wenn die Mittel vorhanden sind und nichts fehlt als der gute Wille, ein jugendliches Talent anzueifern, zu ermutigen und dadurch der Anstalt nützlich zu machen."

Ergötzlich wird hier auf den Sack geschlagen, während der Kapellmeister gemeint ist, dem die Fach- und Rollenbesetzung zunächst obliegt. Welche Mißgriffe diesem, in diesem verantwortungsvollen Amte gelegentlich unterlaufen sind, davon haben wir ein Beispiel in der Besetzung des Fürsten Ottokar durch Sigl, hier nun ein weiteres, wenn auch immer noch erträgliches, im Fall Nancy-Diez gesehen.

Geradezu verblüffend aber war für mich die Entdeckung durch Theaterzettel und eine Bemerkung im „Punsch", daß Sigl noch im Jahre 1850, nachdem Kindermann schon vier Jahre der Oper angehörte, den Mikeli in Cherubinis „Wasserträger" sang. Wer Sigls Stimme und Gesangsweise gekannt hatte, dem gibt die Tatsache der Besetzung unter Lachner unauflösbare Rätsel auf. Die „Theaterpfeile« schreiben

über den Fall sehr gemäßigt:

„Diese Partie wird überall von den ersten Bassisten gesungen, und wenn eine Anstalt deren zwei besitzt, wie wir in den Herren Pellegrini und Kindermann, so sollte man in einem solchen klassischen Meisterwerk die besten Kräfte verwenden und überhaupt nichts Halbes geben, wenn man Ganzes zu bieten vermag. Wir wollen damit nicht sagen, daß wir die ausgezeichneten Verdienste des Herrn Sigl im allgemeinen nicht anerkennen, gewiß nicht; Herr Sigl ist eines der verdienstvollsten Mit- glieder unserer Bühne, und gewiß auch eines der fleißigsten. Aber für den Mikeli Herrn Pellegrini oder Herrn Kindermann zu wählen, wird sicher jeder Musikfreund mit uns wünschen.

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Das mußte sich ein Lachner sagen lassen? Kindermann sang die Rolle zum

erstenmal erst im Jahre 1853, er zählte den Mikeli seitdem gesanglich und dar- I stellerisch zu seinen köstlichsten Rollen. Zum Beschluß dieses Jahrgangs muß noch

erwähnt werden, daß am 1. April den Lesern des Theaterzettels eine Überraschung \ bereitet wurde, darin bestehend, daß von nun an die mitwirkenden Damen

nicht mehr mit „Madame" und „Mademoiselle", sondern mit „Frau" und <

„Fräulein" bezeichnet werden. Ob dieser dem Fortschritt des Jahres 1848 so j

langsam nachhinkende „Deutschchauvinismus" bei der kräftig arbeitenden Reaktion : nicht bereits riskiert war?!

Die erste leider belanglose Personalveränderung des Jahres 1851 bestand darin, 1851 daß der mit prächtiger Stimme begabte, aber noch nicht künstlerisch gebildete

Bassist Hofer mit I.Januar ins Engagement trat, um schon am 29. März zu sterben. i

Von großer Tragweite dagegen war die am 1. Februar erfolgte Ernennung des j

Schriftstellers und Legationsrats Dr. Franz Dingelstedt zum „Verweser" i

der Hoftheaterintendanz. <

Bekanntlich wendete König Maximilian IL ein hohes Interesse der Pflege der Dichtkunst und den Wissenschaften zu, und betätigte dieses, indem er vorzügliche

Dichter an seinen Hof zog und hervorragende Gelehrte aller Fakultäten (natürlich |

mit Ausnahme der theologischen) an teils vakante, teils nicht genügend besetzte i Lehrstühle der Münchener Universität berief. Der letzte ethische Zweck, welchen

der Monarch dabei im Auge hatte, war natürlich die Hebung der allgemeinen <

Volksbildung im Lande Bayern. Doch verhehlte er sich nicht, daß diese auf dem I

Wege akademischer Belehrung nur langsam und indirekt vorbereitet, nie aber ohne j

praktische Nachhilfe erreicht werden könne. Als solche aber konnte nichts wirk- 1

samer eintreten, als ein mustergültiges „Schauspiel", mustergültig in Auswahl der \

Stücke, wie in deren Ausführung durch ein tüchtiges und vollzähliges Personal. j

Daß diese wichtige Branche der Bühne seit dem Beginn der Intendanz Küstner, \ unter welcher auch erste Kräfte schon seltener geworden waren, nicht gehoben wurde, sondern nachgerade den letzten Schimmer des alten Glanzes verloren hatte,

konnte dem beobachtenden Auge des Kronprinzen wie des Königs Max nicht ent- 1 gangen sein. Sein Volksbildungssystem müßte eine empfindliche Lücke gehabt

haben, wenn er nicht auch die Berufung eines ebenso energischen wie literarisch ;

gewiegten Reformators dieses bedenklich heruntergekommenen Kunstzweiges ins i

Auge gefaßt hätte. Für diese Mission ausersehen, mußte es Dingelstedt als seine ! nächste Aufgabe betrachten, das Schauspiel an der Münchener Bühne zu heben,

und dieser Aufgabe hatte er sich mit glänzendsten Erfolgen unterzogen. Da aber ]

niemand zwei Herren dienen kann, so war die notwendige Hebung des Schau- j

Spiels, wenn nicht die Vernachlässigung, so doch eine minder sorgsame Pflege j

der OpeV. Und in der Tat: Dingelstedt wurde so ziemlich die Antipode Küstners. j Küstner hob die Oper auf Kosten des Schauspiels, Dingelstedt das Schauspiel auf i

Kosten der Oper, wenn ihm auch die Absicht, solches zu tun, nicht geradehin \

unterzuschieben ist. j

!

44 345 I

Wie dem König bei der Wahl der zu berufenden Gelehrten und Dichter der viel- bekämpfte Legationsrat Dönniges als Berater zur Seite stand, war dieser auch der intellektuelle Urheber der Gewinnung Dingelstedts zum Theaterintendanten. Aus Dingelstedts „Münchner Bilderbogen",^) welche in sehr amüsanter Darstellung einen genauen Einblick in seine Erlebnisse vor und während der Münchener Intendanz- führung geben, erfahren wir auch die erste Ankündigung seiner Ernennung. Gustav Kolb, der einflußreiche Redakteur der altehrwürdigen Augsb. Allgem. Ztg." schreibt ihm am 18. Oktober 1850: „Lieber Freund! Es wird dieser Tage aus München die Frage an Sie gelangen, ob Sie geneigt sind, die Leitung des dortigen Hoftheaters zu übernehmen. König Max, der berühmte Dichter an seinen Hof, hervorragende Gelehrte an die Universität berufen will, möchte auch sein Theater in den Kreis dieser reformatorischen Bestrebungen ziehen. So meldete mir, streng verantwortlich, Legationsrat Dönniges, dem wohl die Initiative in all diesen Plänen zuzuschreiben

ist " Auf den klugen Rat seiner theaterkundigen Gattin, der Sängerin Luzer,

ging Dingelstedt unter dem Vorwande, sein eben angenommenes Stück „Das Haus der Barneveldt" selbst zu inszenieren, gegen Mitte Dezember nach München, erhielt in den Proben des Barneveldt einen erschreckenden Einblick in die wirklichen Reformbedürfnisse des damaligen Schauspiels, ließ sich nach erfolgreicher Auf- führung des blutigen Stückes als „verehrter Dichter" verschiedentlich huldigen und empfing, dagegen fast gleichgültig, am 31. Dezember aus der Hand des Kabinetts- sekretärs von Pfistermeister das Kabinettsschreiben:

„An Seine des kgl. württemb. Legationsrates und Hofbibliothekars, Herrn Dr. Fr. Dingelstedt, Hoch- wohlgeboren. Sehr verehrter Herr! Seine Majestät der König, mein allergnädigster Herr, haben sich unter dem heutigen zu entschließen geruht, die Leitung des Kgl. Hoftheaters dahier Ihnen als Intendanzverweser und zwar vorläufig auf die Dauer von drei bis fünf Jahren in provisorischer Eigenschaft, mit einem jährlichen Gehaltsbezuge von 2500 fl,, dann 500 fl. Umzugsgebühren, sowie mit einem Rücktrittsgehalte von 1000 fl. für den Fall unverschuldeter Dienstunfähigkeit von einem Allerhöchst selbst zu bestimmenden demnächstigen Zeitpunkte an zu übertragen. Ansprüche auf Witwenpension und Waisenalimentation sind für die ersten drei Jahre des Provisoriums nicht ver- bunden. Ew. Hochwohlgeboren werden vor dem Dienstesantritt die zur Erlangung des bayerischen Indigenates nötigen Schritte einzuleiten belieben. Indem ich mich beehre, Allerhöchstem Befehle gemäß vorstehendes Ew. Hochwohlgeboren ergebenst mitzuteilen, verbleibe ich unter Versicherung der ausgezeichnetsten Hochachtung Ew. Hochwohlgeboren ganz ergebenster Pfistermeister, Sekretär des Königs, München, 31. Dezember 1850."

Am I.Januar reiste Dingelstedt nach Stuttgart. Im Posthofe zu Augsburg empfingen ihn die Freunde Kolb und Oskar Peschel. Sie deuteten ihm an:

Der jMünchner Volksbote' und unsere Kollegin, die ,Augsburger Postzeitung*, die schlagen

derber drein, als der »Stuttgarter Beobachter*. Solange Sie Gast gewesen im Hoftheater, ging alles gut ab. Von dem Augenblick an, wo Sie die Intendanz übernehmen, ändert sich die Szene. Jetzt sind Sie ein Fremder, ein Eindringling, ein Emporkömmling; vom ,Preuß* und , Ketzer* nicht zu reden." Und der von den Augsburger Wettermachern verkündete Sturm brach richtig und tüchtig los. Kaum daß Dingelstedt inzwischen vom König Wilhelm in Württemberg am 6. Januar schriftlich, am 10. mündlich aus seinen Diensten entlassen war, stürzte nun jeden Morgen ein Schauer von

') Münchner Bilderbogen. Berlin 1879, I. Betreff: Auspfeifen des neuen Intendanten. II. Dode- kameron. III. Der Anfang des Endes. IV, Das Ende des Anfangs.

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Briefen auf sein Bett. Anonyme Drohungen bildeten eine stehende Rubrik darunter. Auch an wohl- gemeinten Warnungen echter und falscher Freunde fehlte es nicht, zurückzutreten, solange es noch Zeit sei. Und unter Kreuzband, welches Kreuz von Tagesblättern! In einem wurden die Sonette abgedruckt, die vor zehn Jahren „der kosmopolitische Nachtwächter" an das Münchner Kindl getutet. Ein anderes brachte eine Biographie, Wahrheit und Dichtung, letztere durch Kühnheit und Bosheit gleich ausgezeichnet. Das dritte hetzte die Mitglieder des Hoftheaters auf zu einem öffentlichen Protest gegen den neuen Intendanten. Da der Lärm kein Ende nahm, wohl aber Dingelstedts in Kolbs Hände gelobte passive Geduld, konstituierte sich seine Frau und „der dicke Haus- und Herzensfreund" Hackländer als Quarantäne-Kommission. Alle Einlaufe von der Post mußten ihre Zensur passieren. Unterdessen regte es sich in der Münchener Presse zu einem lustigen Partei- kampf.^) Voran im schmutzigen Fahrwasser wühlte der edle „Volksbote", derselbe, der dreizehn Jahre später auch dem König Ludwig II. das Leben sauer machte. Er befaßte sich mit dem Volk und seinen niederen Instinkten, während die „Historisch- politischen Blätter" die Gebildeten (auch den großen Anhang der nicht Berufenen) zu haranguieren suchten, ohne jedoch viel Beachtung zu finden. Von anderen Blättern, wie der „Landbötin" („Der Landbote" schlug den goldenen patriotischen Mittelweg ein) und den damaligen „Neuesten Nachrichten", einem Blättchen in Oktavformat, welche in das Hörn der Römlinge stießen, ist zu schweigen. Daß die „Augsburger Allgemeine" ihr gewichtiges Wort zugunsten der Intelligenz einlegte, ist selbstver- ständlich, wie auch, daß sie von der Postzeitung bekämpft wurde. Der „Punsch", welcher in dieser Frage seine kulturelle Aufgabe als Witzblatt mit rühmenswertem Ernst erfaßt, schildert in seinem artistisch-literarischen Teil die Lage, in welche der neue Intendant geraten mußte, wie folgt:

„München, 24. Januar. Die gutmütigen Münchner, die zuversichtlich an eine Auferstehung des Fleisches glauben, waren auch von einer Auferstehung der Kunst überzeugt, als das dramatische Prüfungskomitee bebte,") Herr Hölken*) sich verfinsterte und einzelne journalistische Posaunen den jüngsten Tag der gegenwärtigen Intendantur und die Ankunft Dingelstedts verkündeten, der da kommen sollte, um für eine entsprechende Besoldung zu richten über die guten und bösen Schau- spieler, über die lebendigen und toten Stücke. Als letztes Vorzeichen der nahenden Katastrophe erschien das Komturkreuz auf der Brust des Herrn Baron von Frays und es ist nun gewiß: Der Legationsrat Dingelstedt ist zum wirklichen Gesandten des Himmels ernannt, der die artistischen Zustände Münchens retten, mit dessen Ankunft eine neue Ära der dramatischen Kunst beginnen soll. Auf unsere bisherigen Theaterregenten zurückblickend, wollen wir nicht untersuchen, wie viele davon Proben des Wissens und der praktischen Bildung abgelegt haben. Aber ahnenprobhaltig waren die meisten*); daher man immer auf eine kleine Partei gefaßt sein durfte, welche die Kunst so hoch anschlägt, daß sie nur Adelige zu ihren Tempelvorstehern berufen haben will. Doch war auch Herr von Küstner kein Georgiritter und hatte selbst Baron Frays von der Pike auf gedient, so daß man hoffen konnte, die Altadelspartei werde sich durch das Ausgezeichnete der Intendanzführung für den Mangel an Ebenbürtigkeit entschädigen lassen. Diese Hoffnung faßten wir um so zuver- sichtlicher bei der Kunde, daß die Neigung des Königs selbst den Dichter an diesen ehrenvollen Posten berufen hatte, nicht nur zur Leitung der mühevollen Theatergeschäfte, sondern auch zu seiner

^) [Vergl. auch O. Liebscher, Fr. Dingelstedt, 1909, S. 60ff.] ") Dieser Anspielung scheint ein wirklicher Vorgang zu entsprechen. *) Hölken war Regisseur des Schauspiels, er scheint seinem genialen Vorgänger Heigel nicht geglichen zu haben. *) Stimmt nicht ganz: vier Adeligen, den Grafen Seeau, Yrsch und den Baronen Poißl und Frays entsprachen die bürgerlichen Herren Babo, Delamotte, Stich, und die Herren Weichs und Küstner, die sich des bescheidenen „von" zu erfreuen hatten.

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persönlichen literarischen Unterhaltung. Was kann auch einen Monarchen für die Mühsale der Wirklichkeit besser entschädigen, als der Umgang mit einem Dichter, was kann ihn den Parteiblicken besser entziehen, als die Freundschaft mit der Poesie, die keinen Unterschied des Standes kennt ? Doch es gibt eine Partei, der außer ihren eigenen Empfindungen nichts heilig ist, und ist Dingelstedt an der aristokratischen Scylla vorüber, so droht ihn die ultramontane Charybdis zu verschlingen. Die Frömmelei ist auch eine Poesie, wenn auch eine Abart derselben, und ihren schwarzen Fittichen will man die bisher unter militärischer Obhut gestandenen Musen übergeben.

Unseres Wissens ist zwar in den Freisinger Forderungen von der Notwendigkeit einer kirchlichen Beaufsichtigung des Theaters nichts enthalten, aber demungeachtet scheinen die besten politischen Legitimationen nicht zu genügen, ohne nachgewiesene fromme Einfalt der Gesinnung. Dingelstedt ist Legationsrat, Diplomat und Günstling des nach § 89 regierenden württembergischen Königs; das ist alles recht schön und gut, allein ihm fehlt der Glaube, und das ist die Hauptsache, welche wichtige, wenn auch etwas späte Entdeckung wir den , Historisch-politischen Blättern' verdanken. Was ist das für ein Journal? fragt mancher Leser. Die , Historisch-politischen Blätter* sind redigiert von Dr. Philipps und Guido Görres und gehen mit dem Politischen sehr historisch und mit dem Historischen sehr politisch zu Werke. Dr. Philipps, der bekannte kleins Jurist, mit sehr beweglichen Gliedmaßen, war die Zeit über zu sehr beschäftigt, nach dem heiligen Rechtsboden zu wühlen, für welchen Fleiß seine Scherhaufen in den ,Historisch-politischen Blättern* Zeugnis gaben; er bekümmert sich kaum um die dramatischen Weltläufe.

Näher liegt ihnen vielleicht sein Mitredakteur Guido Görres,^) ein blasser, in alle weiblichen Heilige verliebter und dermaßen frommer Dichter, daß eingeweihte Personen, die sich öfters bei ihm im Dunkeln befinden, nicht selten einen phosphorartigen Heiligenschein um sein blondes Haupt bemerken. Wahr- scheinlich ist es er, der in Dingelstedts , Kosmopolitischem Nachtwächter' einen seinerzeit von den Liberalen sehr gefeierten Zyklus von Gedichten, ein injuriöses Sonett auf das Münchner Kindl ent- deckte, das er, um die Gottlosigkeit des neuen Intendanten zu entlarven und den Hof und das gläubige Volk vor einem solchen Atheisten zu warnen, in seinen , Historischen Blättern' abdruckte. Die Inseratenabteilung der , Münchner Neuesten Nachrichten', die sich um Bildung des Volks- geschmackes schon mehrfache Verdienste errang, mußte auch für das hiesige Seelenheil etwas tun und das Gedicht ebenfalls abdrucken, um die sittliche Entrüstung der biederen Hauptstadt gegen Dingelstedt aufzureizen. Daß die ,Augsburger Postzeitung', auch ein Organ der Lassaulxschen^) Ästhetik, gleichfalls ihren Senf dazu gab, um das drohende Unheil von der Kunstanstalt zu wenden, versteht sich von selbst; glücklicherweise, sagt sie, ist die Ernennung noch nicht offiziell verkündigt und so hofft die löbliche Tartüffenschar durch fromme Denunziationen den dramatischen Antichrist zu vertreiben. Sollte es einmal die liberale Presse wagen, eine allerhöchste Ernennung mit solch bübischem Ingrimm zu begeifern! Hoffentlich ist es noch nicht so weit gekommen, daß sich die ultramontane Bevormundung auf die Privathandlungen und persönlichen Neigungen des Königs erstreckt; hoffentlich hat sich Dingelstedt mit dem König bereits so ins Vertrauen gesetzt und wird von ihm in solchem Maße anerkannt, daß die Anschwärzungen jener arroganten Partei ohne Wirkung bleiben. Wir können es nur mit Freuden begrüßen, daß ein Mann von so bewährtem Talent in die Umgebung des Monarchen kommt; sein Einfluß kann für die Kunst und vielleicht auch in weiterer Beziehung nur wohltätig sein! (Beiläufig gesagt, begeht der Verfasser, höchstwahrscheinlich der Redakteur Martin Schleich selbst, mit den letzten sechs Worten einen taktischen Fehler. Mit der »weiteren Beziehung' begibt er sich, vom objektiven Kunstgebiet hinweg, auf ein Feld, zu dessen Bebauung er sowenig Recht hat, wie die Ultramontanen.)"

*) Die Bedeutung dieses Mannes im Gegensatze zu seinem berühmten Vater Jos. Jak. von Görres glossiert Heinrich Heine mit der Strophe im Exnachtwächter: Dieses Raubtier hat ein Sühnchen hinterlassen, doch es ist nur ein giftiges Kaninchen, welches Nonnenf . . . frißt. ^) Ernst von Lasaulx (nicht Lassaulx) hauptsächlich Altertumsforscher, gehörte, wie Philipps zu dem noch unter dem Ministerium Abel geschlossenen ultramontanen Ring an der Münchner Universität, dessen Alterspräsident und Spiritus rector der alte Görres, Verfasser der „Christlichen Mystik" usw. gewesen war, jedoch schon 1848 mit Tod abging.

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Inzwischen war Dingelstedt so klug, beim Stuttgarter Intendanten, Baron v. Gall, zu hospitieren, welcher mit freundschaftlicher Bereitwilligkeit ihn einweihte in die Geheimnisse der Holbeinschen Repertoiretafel und der statistischen Tabellen frei nach Küstner, und ihm einen theoretischen Leitfaden durch das zu betretende Labyrinth in die Hand gab. Mittwoch, den 29. Januar 1851, Ankunft in München. Donners- tag, Meldung im Theater und beim Obersthofmeisterstab. Freitag (I) Audienz bei König Max. Sonnabend feierliche Eidesübergabe bei Obersthofmeister Graf Sandizell; hierauf Vorstellung vor dem im großen (und eiskalten) Foyer vollzählig versammelten Kunstpersonal. Nachdem diese kalt, wie das Lokal vor sich gegangen, trat der Haus- inspektor Schmitt, „militärisch salutierend" herein und rapportierte Dingelstedt ins Ohr: „Der Polizeidirektor Graf Reigersberg wünscht den Herrn Intendanten zu sprechen." »Jetzt, und hier?" „Es ist dringend." Dem vorauseilenden Inspektor durch den langen Gang folgend, fand Dingelstedt im Empfangszimmer seiner harrend, den Grafen, der ihm ein Aktenstück übergab, Rapport vom 30. Januar 1851 ; Rubrum. Betreff: „Auspfeifen des Intendanten." Der Text lautete ungefähr: „Gestern und schon seit ein paar Tagen werden in verschiedenen Schanklokalitäten, auch in der Au, von Stammgästen und weniger bekannten Persönlichkeiten Verabredungen gepflogen, die den neuen Herrn Intendanten des Theaters angehen. Er soll ausgezischt und aus- gepfiffen werden, sobald er zum erstenmal in seine Loge tritt. Da dies Sonntag der Fall sein dürfte, bei voraussichtlich starker Frequenz, empfehlen sich Vorsichts- maßregeln." Nach einer schwülen, beiderseits vertrauensvoll geführten Unterredung wird beschlossen, daß der Polizeidirektor vorderhand den Rapport dem König sekre- tieren, Dingelstedt aber selbst dem König Meldung machen soll. Nachdem Graf Reigersberg verschwunden, Dingelstedt aber in Gedanken auf den Max Josephsplatz hinunterstarrte, stürmt der Theaterdiener Bitzl herein mit der Frage, ob er die Herrschaften noch länger beisammen halten solle. Die lange Harrenden mußten endlich entlassen werden.

Vom Theater fuhr Dingelstedt gleich zu Dönniges. „Der König," meinte dieser, „hat Sie erwählt und gerufen. Er muß Sie halten und wird Sie halten. Jeder Angriff auf Sie, jetzt unternommen, ehe Sie irgend etwas getan haben, trifft mehr den König, als Sie. Später ändert sich das, sobald Sie in die Gefechtslinie treten. Daß Sie auf Kampf gefaßt sein müssen, wußten Sie. Auf die Wiederkäuerei der Satiren des Nachtwächters braucht kein Wert gelegt zu werden. Unser Volk liest nicht viel. Hat es aber vor zehn Jahren die Sonette gelesen, was zu bezweifeln ist, so hat es sie heute zweifellos vergessen. Auf Sympathien von dieser Seite dürfen Sie freilich nicht rechnen .... im besten Falle ist ihnen vollständige Gleichgültigkeit gewiß. Für das Theater interessiert sich München überhaupt ungleich weniger als Wien, Berlin, Dresden. Dies Interesse zu wecken, im Theater Fuß zu fassen, sich einen Anhang im Personal zu schaffen, Gäste und neue Mitglieder zu erwerben, Novitäten zu liefern, das ist Ihre nächste Aufgabe. Greifen Sie frisch an, mutig darein . . . Eine ganze Reihe von Gelehrten, Lehrern, Dichtern ist vom Auslande her im Anmarsch. Sie werden Ihre natürlichen Bundesgenossen werden. Bis dahin Hahnemann,

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geh' du voran! Wozu hat Ihnen Mutter Natur und Heine die langen Fortschritts- beine gegeben? Kein Verkriechen, kein Rückzug vor der Schlacht! . . . Morgen tun Sie, was Sie als das allein Richtige erkannt haben. Keine Polizei-Intervention, keinen Belagerungszustand. Wenn Sie den König ins Theater abholen, melden Sie ihm kurz, ernst, klar, was Sie vom Grafen Reigersberg erfahren. Zeigen Sie ihm keine Scheu, damit Sie nicht die seinige erwecken. Was kann geschehen? Ich wette: nichts. Treten Sie ruhig in ihre Dienstloge. Ich besuche Sie im Laufe der Vorstellung. Gleich vom Anfang will ich nicht bei Ihnen gesehen werden, vielleicht zog' ich doch den Blitz an, anstatt ihn abzuleiten."

„Und so geschah es," erzählt Dinglstedt weiter. „Kurz vor Vz? Uhr abends, dem Beginn der Theatervorstellung, ließ ich mich in den Gemächern der neuen Residenz melden .... Als König Max, die Königin Maria am Arm, aus den inneren Gemächern herauskam wahrlich das Bild eines stattlichen Herrscherpaares näherte ich mich und bat um Gehör und trug vor ,kurz, klar, ernst*, daß ich durch den Polizei- direktor vor einem mir zugedachten üblen Empfang seitens des Publikums gewarnt worden sei, und es für meine Pflicht halte, die Majestäten zu prävenieren. Ohne eine Miene zu verziehen, sei es nur zum mißfälligen Stirnrunzeln oder zu beschwich- tigendem Lächeln, erwiderte der König: ,Es wird ja wohl so schlimm nicht werden* und winkte zum Aufbruch. Wir langten im Theater an, als eben der erste Aufzug der jjüdin' zu Ende war. König und Königin nahmen in der Proszeniumsloge des ersten Ranges Platz. Mich beschied eine gnädige Handbewegung des Königs aus dem Vor- zimmer, da ich mich zurückziehen wollte, in die Loge hinein, dicht an die Brüstung. Ich fühlte die Augen und die Gläser des gedrängt vollen Hauses auf mir brennen, als ich, zwischen den beiden Majestäten stehend, durch ein mit demonstrativer Leut- seligkeit geführtes Gespräch festgehalten wurde, solange der Zwischenakt dauerte. Und er dauerte sehr lang dieser Zwischenakt. Erst als der Vorhang wieder aufging, wurde ich entlassen und trat nun in die Intendantenloge ein. Alles still, kein Lärm im Zuschauerraum störte das Gebot des alten Bundes auf der Bühne ein ge- wöhnlicher Theaterabend: , Die Jüdin', große Oper in 5 Akten. Härtinger heraus! Dingelstedt? . . . is nich! o vanitas vanitatum! Der zweite Akt war noch nicht zu Ende gespielt, als die glückwünschenden Besuche in der Intendanzloge begannen und einander, bis zum späten Schluß der Vorstellung, in ununterbrochener Prozession die Tür in die Hand gaben." (Werden nun aufgezählt). „Es war fast 1 1 Uhr nachts, als ich, von beiden Majestäten gnädig verabschiedet, zu einem stillen Tee bei Dönniges eintraf."

So endete der geplante Auspfeif-Skandal, die Aufwiegler hatten die Tüchtigkeit ihres Materials überschätzt.

Was von hier aus der erste Teil vom „Münchener Bilderbogen" weiter erzählt, sei nun als integrierender Teil unserer Geschichte mitgeteilt, wenn auch eine kleine Ruhmredigkeit des Erzählenden la Küstner) vielleicht abzurechnen ist.

Des andern Tags legte Dingelstedt bereits Hand an der Verwaltung des Hoftheaters an. „Mein Tabellenschatz wurde ausgepackt, das Beamtenpersonal auf Kassen- und Ökonomieübersichten, auf Tagesrapporte und Wochenabschlüsse, auf Beschäftigungs-,

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Krankheits-, Urlaubsjournale, auf Regiebücher und Novitätenlisten gedrillt. Man stutzte. Unter einem Schriftsteller hatten sich die übrigens wohlgesinnten Herren einen unpraktischen Büchermenschen vorgestellt, dem man imponieren, den man zuerst irre machen, dann an die Wand drücken, zu guter Letzt hinausmanövrieren könnte. In 14 Tagen schienen sie anderen Sinnes geworden und nach 4 Wochen war eine vollständig neue Organisation mit festen Geschäftsformen und Normen ein- und durchgeführt. Dann erst ging es an die künstlerische Arbeit. Ererbte Schulden mußten abgetragen, angenommene Neuigkeiten erledigt werden, darunter manches kurzlebige Stücklein: Die Oper „Großfürstin" etc. etc. Auf eigenem Grund und Boden baute ich erst mit Hackländers „Geheimem Agenten" und mit der „Judith" von Hebbel. In der Oper half bei gänzlichem Mangel an neuem Material eine durchgreifende Reform (?) klassischer Werke, Iphigenias, Fidelios, momentan aus. Das Ballett endlich brachte Lucile Grahn auf die Beine, mein erster, eben- falls schon in Stuttgart geworbener Gast, deren eminentem Talente als Tänzerin und Ballettmeisterin ich die entscheidenden Erfolge meiner jungen Intendanz, sowohl in der Kasse wie in der Kunst, dankte. Darüber ging der Winter hin, kam das Früh- jahr heran mit immer wachsenden Resultaten. Aber ganz fest im Sattel fühlte ich mich und die Zügel in eigener Hand, als ich nach einem heißen Sommer ohne Theaterferien am 28. November (1851) zur Feier des Geburtstages von König Max die Antigone" auf die Bühne brachte. Mit ihr war die Universität, die Akademie, die Jugend gewonnen. Der Herbst brachte denn auch nicht nach drei- bis fünfjährigem Provisorium, sondern nach einer neunmonatlichen Probezeit meine definitive Er- nennung zum Intendanten mit der bescheidenen Gehaltszulage von 500 ü. jährlich. Und als ich zu Neujahr 1852 in dem Rechenschaftsbericht an Se. Majestät den König ziffernmäßig beweisen konnte, daß im ersten Jahr meiner Verwaltung die Einnahmen um volle 6000 fl. im Vergleich zum Vorjahre zugenommen hatten, 3000 fl. im Abonne- ment, 3000 fl. in der Tageskasse, da belohnte mein Bemühen das folgende Aller- höchste Signat:

„An die K. Hoftheater-Intendanz. Aus dem mir vorgelegten Rechenschaftsberichte habe ich mit Vergnügen ersehen, daß Mein Hoftheater nicht allein allen artistischen Anforderungen immer mehr zu entsprechen strebt, sondern auch die Hauswirtschaft desselben mit Sorgfalt und Umsicht geleitet wird. Indem Ich hiefür meine Anerkennung ausspreche, bemerke Ich zugleich, daß Ich ungeachtet des lebhaften Anteils, welchen Ich an diesem für Bildung und Gesittung so wichtigem Institute nehme, doch durch die Verhältnisse außer Stand gesetzt bin, mehr für dasselbe aufzuwenden als bisher, und es deshalb lediglich Meiner Intendanz überlassen muß, durch bemessene Beschränkung der Ausgaben und kluge Förderung des Besuches die Mittel herbeizuschaffen, welche zur weiteren Hebung erforderlich sein dürften. München, den 24. Januar 1852. Max."

Mit diesem Resultat konnte Dingelstedt, konnte das Theater und die Kunststadt München zufrieden sein. Denn wieder stand nach langem Walten wohlmeinenden Dilettantismus, der [nur] durch Poißls kurzes Interregnum unterbrochen wurde , an der Spitze der Theaterleitung ein Fachmann, der wenigstens eine Hauptbranche mit Auszeichnung beherrschte, in der ökonomischen Führung des Ganzen aber energische Tatkraft und steigende Kenntnis verriet. Was die andere Hauptbranche,

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die Oper, betrifft, so ist es auffallend, wie Dingelstedt von „durchgreifenden Reformen" klassischer Werke spricht, da doch alle ausführenden Kräfte dieselben geblieben sind und die musikalische Direktion gewiß auch kein Objekt der Reform war. Da Dingel- stedt in seiner ganzen Auslassung nicht ein Wort von Lachner sagt, nicht einmal seinen Namen nennt, liegt die Vermutung nahe, daß die Beziehungen zwischen den beiden Persönlichkeiten nicht die allerintimsten gewesen sein dürften, ein Verhältnis, welches wohl auch während der ganzen Dauer von Dingelstedts Intendanzführung keine Veränderung erfuhr. Zu einem Renkontre der beiden ist es in keinem Augen- blick gekommen, dafür waren sie auch beide Diplomaten. Und besonders Dingelstedt hatte alle Ursache zur Vorsicht, denn die geringste derartige Differenz wäre, einmal in die Öffentlichkeit gelangt, von der Partei der „Nichtberufenen" sofort zu seinem Nachteil ausgenützt worden.

Die Not an Sängerinnen und die dadurch erzeugte Schwierigkeit, ein zufrieden- stellendes Repertoire zustande zu bringen, dauerte natürlich auch im Jahre 1851 noch an. Abhilfe mußten wieder die Gastspiele leisten. Glücklicherweise führte gleich das erste, das der Frau Palm -Spatzer, welches sich auf vierzehn Auftritte von Anfang Januar bis Ende März erstreckte, zu einem am 21. September beginnenden Engagement. Von diesen Auftritten trafen acht auf die Rolle der Fides im „Propheten", die übrigen sechs Rollen waren Lucrezia, Alice, Recha, Rezia, Gabriele („Nachtlager") und Valentine, wobei wieder einmal so ziemlich jedes Genre außer dem komischen vertreten war. Über ihre Fides schreibt der „Punsch", der mit diesem Jahre seine „Theaterpfeile" (vielleicht als zu scharf befunden) beiseite gelegt hatte, im artistisch- literarischen Teil:

„5. Januar. ,Der Prophet* von Meyerbeer. Die unterbrochenen Aufführungen dieser Oper des Tages sind dank der rettenden Dazwischenkunft der Frau Palm wieder aufgenommen. Wie man versichert, hat die Gefeierte die Partie der Fides erst in München einstudiert mag dieses Gerücht wahr sein oder nicht, jedenfalls hielten wir es mehr für nützlich als nachteilig, indem es einer Oberspannung der Erwartungen vorbeugte. Nun sahen und hörten wir diese Fides und gewannen die Überzeugung, daß sie einer solchen Erleichterung nicht bedürfe. Wir lernten den Umfang ihrer Stimme kennen, der uns mehrfach überraschte, und schreiben den manchmal über die Mitteltöne ziehenden Schleier dem Eindruck zu, welchen das Debüt in so kolossalen Räumen auf die Künstlerin machen mußte. Frau Palm faßt die Partie in der edelsten Weise auf, erst durch sie wurden wir mit der Wahrheit der Gefühle einer liebenden Mutter, wie die Fides, vertraut, ihre Erscheinung erst hat den dramatischen Wert dieser Rolle erkennen lassen."

Hiermit und mit Hervorheben einzelner Nummern stellte der Referent (St.) die Palm-Spatzer entschieden über die Viala-Mittermayr. Dasselbe tat auch eine der ersten Münchener Gesangs-Autoritäten, Mart. Här tinger, der noch in späteren Jahren mit Begeisterung von dieser Künstlerin sprach. Auch über die Lucrezia der Frau Palm spricht sich „St." sehr anerkennend aus, hebt namentlich den großen Umfang ihrer Stimme, die Sicherheit ihres Spieles hervor, findet aber doch, daß sie „weniger zum Vortrag des italienischen Gesanges, als zu dem deutscher Kom- positionen" geeignet sei. Und über ihre Alice in „Robert" äußert er sich: „In Frau Palm begrüßten wir wieder die denkende und fühlende Künstlerin, ihre Szene im

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Caroline Hetznecker als „Catharina Cornaro"

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dritten Akt ließ uns nur recht oft an die in dieser Partie noch nicht erreichte Spitzeder erinnern, vorzüglich brillierte der Gast auch im Terzett des letzten Aktes. Während dieses Gastspiel jedenfalls noch im Vorjahre kontrahiert worden war, kommt nun ein ebenso großes, das der Frau Behrend-Brandt vom Stadttheater zu Frankfurt, welches mit großen Unterbrechungen vom 8. Mai bis zum 14. September dauerte und sieben Darstellungen der Fides in sich schloß, vielleicht schon auf Rechnung des neuen Intendanten. Die übrigen sechs Rollen, Martha, Norma, Donna Anna, Valentine, Recha, Antonia, stellen weite Entfernungen von der Stimmlage der Fides dar. „St.", der Lobredner der Palm-Spatzer, der dieser für ihre vermeintliche Abschiedsrolle Valentine noch einen Panegyrikus nachsendete, ist nun auch von Frau Behrendt-Brandt, vorerst von ihrer Fides entzückt. „. . . . Eine schöne noch jugend- liche Gestalt" (daran auch ich mich gut erinnern kann, während mir das Bild der Palm-Spatzer ganz aus dem Gedächtnis schwand), „feurige Augen, zarte und natür- liche Bewegungen, dies alles im Verein mit einem wahren ungezwungenen Spiel konnte nicht verfehlen, gleich im ersten Augenblick einen günstigen Eindruck hervor- zurufen. Fügen wir hinzu, daß das Organ des geehrten Gastes ein volltönendes und sehr umfangreiches ist, so glauben wir jenen Eindruck des kunstfreundlichen und kunstkennerischen Publikums bezeichnet zu haben." Der Referent plädiert nun in ähnlicher Weise für ein Festhalten des Gastes an der Münchener Bühne, wie er es wiederholt beim Gastspiel der Palm-Spatzer getan, und kommt dann zu folgendem Endurteil: „Die Partie der Fides ist zwar nicht geeignet, eine Sängerin in ihrem ganzen Wesen kennen zu lernen, aber wir sind der Zuversicht, daß der heute schon laut gewordene Enthusiasmus des Publikums sich erneuern wird, wenn wir Frau Behrend in gesanggeläufigeren Partien zu hören bekommen, was bald- möglichst geschehen mögel" Während demnach die Kritik und das Publikum noch zwischen den beiden Künstlerinnen behufs Gewinnung für die Bühne wählen zu können glaubten, waren auf dem Intendanzbureau die Würfel zu Gunsten der Erst- gekommenen bereits gefallen, ohne daß es die Intendanz vernünftiger Weise ver- lautbaren ließ. Als Frau Behrend-Brandt im August die Valentine sang, entzog sich der„St."-Referent dem nahe liegenden Vergleich zwischen den beiden Künstlerinnen, indem er schrieb: „Zum letztenmal hörten wir diese Oper mit Frau Palm-Spatzer als Valentine, heute war diese Partie in den Händen der Frau Behrend-Brandt, welche die genannte Rolle erst hier studierte. Der hierüber laut gewordene Beifall des Publikums schließt auch unser Urteil in sich, und ohne uns über die Vorzüge des Gesanges und Spieles verbreiten zu wollen, heben wir nur die eine Tatsache hervor, der wir bei so vielen Valentinen nicht begegneten, daß die Stimme unsres Gastes bis zur letzten Note ausdauerte, was bei einer so anstrengenden Partie viel sagen will."

Das Gastspiel eines Herrn Ellinger vom Stadttheater zu Graz, womit unter andern wieder zwei „Propheten" auf die Beine geholfen wurde, scheint wieder dem Zwecke, Urlaubslücken auszufüllen, gedient zu haben. Der „Punsch" schreibt über ihn: „Sein unbeholfenes, erstes Erscheinen, den ausdruckslosen Vortrag,

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besonders der Rezitative, hielten wir für eine erlclärlictie Befangenheit, bis im weiteren Verlaufe sich die Gewißheit auftat, daß hier Mangel an Vorbildung zugrunde liege. Die Stimme des Herrn Ellingeran sich wäre gut und hat namentlich hübsche Brust- töne, entbehrt aber der nötigen Ausbildung und scheint uns der Gast von Auffassung und Darstellung einer Rolle, wie der Prophet, keinen Begriff zu haben."

Außer diesem Tenor gastierten im Herbst noch zwei Bassisten, ein Herr Conradi aus Hannover, als Figaro (in „Figaros Hochzeit") und Marcell, und ein Herr Stahl, Hofkonzertsänger aus Petersburg, einmal als Leporello. Über des Ersteren Figaro schreibt der „St."-Referent: „Herr Conradi hat, wie man zu sagen pflegt, kein Spiel, keine Stimme, oder wenn einmal eine solche zum Durchbruch kommt, eine aus- gesungene, ferner keine Gesangsmethode, und ist unfähig, irgendwie verständlich auszusprechen." Der „Petersburger Hofkonzertsänger" wird ignoriert. Nach diesen geringen Erfolgen mit minderwertigen Herren der Schöpfung war wieder ein ge- lungener Wurf das Gastspiel der Wiener Hofopernsängerin Frl. Wildauer, eines Phänomens, welches die Zuschauer ebenso entzückte und entflammte als Koloratur- sängerin und Opernsoubrette, wie als muntere Liebhaberin im Schauspiel. An Opern- rollen gab sie (im Juli) die Linda von Chamounix, die Maria in der „Regimentstochter" und die Arline in der „Zigeunerin". Über ihre Linda schreibt der „St. "-Referent:

„Eine freundliche, wenn nicht neckische Gestalt, schöne Augen und blonde Haare, ein liebens- würdiges, nicht ohne Vorbedacht zur Schau getragenes Füßchen, diese äußeren Merkmale sind schon geeignet, gleich im ersten Augenblick Eindruck zu machen. Gehen wir zur Beurteilung der , Künst- lerin' über, so begegnen wir einer klangvollen, äußerst biegsamen und angenehmen Stimme, ver- bunden mit einer guten Gesangsmethode, bis zur großen Routine geübt an den guten Vorbildern der italienischen Oper, wie deren in Wien ständig vorhanden sind; dazu kommt ein unleugbares Bühnentalent und eine Gewandtheit der Bewegung, wie wir sie an wenig Sängerinnen zu bemerken Gelegenheit hatten. Daß aber das ganze Wesen, wie wir es eben schilderten, nicht das einer Linda ist und namentlich im ersten Akte nichts weniger als das des schüchternen, unerfahrenen Land- mädchens, wird uns jedermann zugeben, desto mehr am Platze war das Spiel des Frl. Wildauer im zweiten Akt, in welchem auch ihr Gesang am vortrefflichsten war. Durchweg aber ist Spiel und Gesang etwas chargiert und nach jeder größeren, allerdings auf das fertigste durchgeführten Passage oder Kadenz glaubt man eine Tänzerin oder kühne Amazone vor sich, die eben nach einem kecken Sprunge dem Publikum sich präsentiert, als wollte sie sagen: ,me voilä!'"

Also Wiener „Schick und Feschheit" in manierlicher Kunstanwendung. Das wirkt immer, zumal in Verbindung mit der beschriebenen graziösen Erscheinung. Mit so unwiderstehlichen Mitteln ausgestattet versetzte die Diva denn auch als Regiments- tochter an einem heißen Juli-Sonntag die Münchener in einen „beispiellosen Applaus- rausch" und als Arline in der „Zigeunerin" gelang ihr das Kunststück, diese Oper in einer Weise zu heben, daß man meinte, man habe sie bis jetzt doch noch nicht richtig gehört. Nicht mindere Bewunderung ward ihr gezollt in den damals neuen Alpenszenen „Das Versprechen hinterm Herd" und „Der Freiherr als Wildschütz," in denen sie die Steyermärker Almerin mit jener Seeleneinfalt und Gemütsinnigkeit spielte, wie sie nur jenen naturwüchsigen Alpentöchtern eigen ist. Und als Kammer- kätzchen Franziska in „Minna von Barnhelm" erwarb sie sich die Anerkennung strengster Kritik durch dieselbe zwingende Wahrheit.

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Novitäten kamen in diesem aufgeregten Jahre nur zwei zustande. Die erste, am 6. April erschienene, war nach Dingelstedt „ein kurzlebiges Stückchen": „Die Groß- fürstin", romantisch-komische Oper in zwei Abteilungen (4 Akten) von Charl. Birch- Pfeiffer, Musik von F 1 o t o w. Nach eingehender Beschreibung der Handlung kritisiert der „St."-Referent das Produkt folgendermaßen:

„Diese Handlung bietet so starke Schwächen, daß es einen glänzenden Dialog und mehrere Knall- effekte von 50 Birch-Pfeiffer-Kraft erforderte, um für blöde Augen einigermaßen zu maskieren. Aber Flotow war mit seiner Musik womöglich noch unglücklicher und schwächer. Von einer Originalität der Erfindung ist kaum eine Spur zu finden, wenn man nicht etwa das kosakische Motiv als originell gelten lassen will, nämlich als originelle Trivialität, und zwar der glattesten Art. Nebenher begegnet man auch förmlichen Plagiaten aus Bellini, Meyerbeer usw. Dazu kommt noch, daß diese Vor- bilder, z. B. das Duett der Adalgisa und Norma in einer anwidernden Weise reproduziert, daß sie gewissermaßen travestiert sind usw."

Annahme und Vorbereitung des Meisterstückes kommen, wie erwähnt, noch ä conto der vorigen Intendanz. Erst zum Schluß des Jahres, am 21. Dezember, kam Grisars reizende Operette „Gute Nacht, Herr Pantalon« heraus. Derselbe Referent schreibt darüber in Betreff der Ausführung:

„Zum erstenmal sahen wir eine komische französische Oper mit Lust, Humor und Bühnen- taktik durchgespielt, wir verweisen nur auf Herrn Brandes, der durch seine eifrige und lebendige Darstellung gezeigt hat, daß ihm eine Biegsamkeit innewohnt, die nur einer geschickten und willigen Hand bedürfte, um sich zum Guten zu kehren. Frau Diez war eine durch und durch humoristische Columbine und sah allerliebst aus. Betreffs der Frl. Epple, die vielleicht recht brav am Klavier singt, müssen wir bedauern, daß ihr unübersteigliche Hindernisse entgegenstehen, um eine Theater- sängerin werden zu können. Was hilft der Soldat, der zu Hause gut exerziert, und in der Schlacht das Kanonenfieber bekommt! In Herrn Sigl konzentrierte sich die Heiterkeit des Abends, und erregte sein unermüdliches, höchst komisches Spiel wahren Jubel. Das Stück erfreute sich der glän- zendsten Aufnahme, wobei wir nur bemerken, daß auch dieses in Wien ,durchgefallen' ist. Es scheint eben doch darauf anzukommen, wie ein solches Produkt dem Publikum vorgeführt wird."

Der stark vorgerückten Jahreszeit wegen konnte keine Wiederholung dieses modernen Kabinettstückes französischer Grazilität mehr stattfinden, dagegen brachte das nächste Jahr deren sechs.

Nicht eine Novität, wie der Zettel ankündigte, sondern nur eine Übersetzung vom Italienischen ins Deutsche war Cimarosas „II matrimonio segreto", jetzt „die heimliche Ehe", welche in diesem Jahre zum erstenmal, am 6. April, in Szene ging. Herr „St." schreibt darüber:

„Da die oftmalige Aufführung dieses Werkes in den ersten zwei (?) Dezennien dieses Jahrhunderts im italienischen Urtext geschah,^) so ist die Bezeichnung: ,Zum ersten Male' allerdings richtig, denn die heutige Aufführung im deutschen Texte war als solche die erste. Offen gestanden: leider hörten wir sie mit verdeutschtem Texte, denn ist schon an und für sich Herrn Lewaids Bearbeitung eine höchst mittelmäßige, so bleibt es auch immer wahr, daß italienische Musik ohne italienische Sprache, d. h. ohne das italienische Idiom par excellence nie von eigentlichem Originaleindruck sein kann. Jedenfalls begrüßten wir, und wir glauben auch das Publikum, mit Freuden die Musik des alten Meisters, der in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts mit solcher Auszeichnung wirkte, daß er zur Autorität wurde, als Kompositeur überhaupt wie als Vater der komischen Musik, als dessen Jünger in dieser Beziehung wir Meister Mozart, Auber, Rossini und andere bezeichnen."

*) Die letzte italienische Aufführung der Oper fand im Juli 1833 unter der Intendanz'Küstners statt. Siehe diesen Jahrgang.

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Hiermit ist nun dem Enthusiasten für italienische Musiic ein grausamer Lapsus historiae passiert, indem Mozart das Meisterwerk der komischen Oper, seinen „Figaro" 1785, Cimarosa seinen „II matrimonio segreto" erst 1792 (in Wien) ein Jahr nach Mozarts Tode (mit bekanntem unerhörten Erfolg) geschrieben hat. In den ersten sechziger Jahren erzählte mir C. M. Kunz, daß er gleich nach dem Erscheinen dieses Berichtes den Redakteur, Herrn Martin Schleich, auf den Irrtum aufmerksam gemacht habe, worauf dieser über den „St."-Referenten sehr aufgebracht gewesen sei.

Jede der „Novitäten" brachte es in diesem Jahre zu zwei Vorstellungen, im nächsten zu einer, doch hatte „Die heimliche Ehe" das Glück, noch ins dritte Jahr mit zwei Aufführungen vorzudringen.

Neu einstudiert wurden gegeben: „Der Gott und die Bajadere" von Auber am 25. Mai; die „Hochzeit des Figaro" am 7. August; „Iphigenie in Tauris" am 25. September; „Weibertreue" („Cosi fan tutte") am 13. November; „Fidelio" am 23. November.

Mozarts Figaro mit einem Gast, der „kein Spiel und keine Stimme hat", neu einstudiert aufzuführen, war kein glücklicher Wurf, um so weniger als auch die wichtige Figur des Pagen viel zu wünschen übrig ließ. „Alle Rücksicht und Schonung für ein junges Talent," sagt „St.", „aber wir können unser Bedauern nicht unter- drücken, daß man Frl. Epple so geradewegs mit der schwierigen Partie des Pagen plantierte, denn es war eine Quälerei, dies Abmühen nur anzusehen, geschweige zu hören." Über die „Iphigenie in Tauris" schreibt ein ungenannter Referent:

„Glucks klassische Oper verfehlte nicht, ein großes kunstverständiges Publikum anzuziehen. Fr. Palm" (dieselbe hatte kurz vorher in der Rolle der Fides debütiert), „zeigte wieder in Erscheinung und Vortrag ihre angeborene Noblesse. Herr Härtinger zeigte, abgesehen von dem trefflichen Gesänge, in der ganzen Auffassung des Orest den Mann von klassischer Bildung. Auch Herr Brandes sang mit soviel Wärme und Gefühl, daß ihm zu wiederholtem Male stürmischer Applaus und Hervorruf zuteil wurde. Die große Arie des Herrn Pellegrini (Thoas) zündete auch diesmal."

Während der „St."-Referent über die Neuaufführung des „Cosi fan tutte" nur konstatiert, daß die Leistungen der Damen Rettich, Diez und Hefner, dann der Herren Kindermann, Sigl und Brandes alles Lob verdienen, und das Haus gut besetzt war, erhebt er sich gelegentlich der Fidelio-Vorstellung zu folgender politisch angehauchter Lobpreisung:

„Wie in neuerer Zeit ein genußreicher Abend dem anderen die Hand bietet, so war es auch wieder Beethovens unsterblicher , Fidelio', der das kunstsinnige Publikum massenweise ins Theater zog. Frau Palm sang die Titelrolle; obwohl die vorhergehenden Tage unpäßlich, schöpfte sie, wie jede echte Künstlernatur, aus den Harmonien der Ouvertüre (welcher?), aus dem Beginn des Ton- werkes neues Leben, und ihre Stimme entfaltete in der Tat um so mehr Stärke und Volltönigkeit, als sie das Feuer ihrer Darstellung und die geistige Ekstase über physische Zufälle erhob. Frau Palm wurde unterm Akte und am Schluß stürmisch gerufen. Herr Härtinger riß durch erschütternd wahres Spiel und seinen von Gefühl überströmenden Gesang alles zur Bewunderung und Rührung hin. Möchten die Empfindungen, die durch das Zusammenwirken dieser beiden Künstler in allen Zuschauern erzeugt wurden, nie erlöschen, ins Leben übergehen und die Parteiwut, die heute so viele soziale Verhältnisse unbarmherzig zerreißt, mildern. Florestan ist ein politischer Gefangener.

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Der Chor seiner Leidensgenossen, als diese in den Hof gelassen werden und das Licht, die Luft, den Himmel begrüßen, erregte Tränen der Rührung. Möchten mehrere Zuschauer einen Teil dieser edlen Sympathie von den theatralischen Gefangenen auch auf jene Armen übertragen, die dieses Los in Wirklichkeit erdulden.*) Es herrschte unter allen Mitspielenden ein Wetteifer, die Vorstellung zu einer glänzenden zu machen, was auch gelang."

Von einer Reform und gar von einer „durchgreifenden Reform" scheint keiner der Rezensenten an der Aufführung dieser drei klassischen Opern etwas bemerkt zu haben. Die erst 1879 in Druck erschienenen „Münchener Bilderbogen* sind zum Teil wohl auch wie die „Vierunddreißig Jahre meiner Theaterleitung" Küstners aus dem Gedächtnis, das etwas weit zurückgreifen mußte, geschrieben, Dingelstedt war vielleicht mit Reform-Ideen auch für die Oper nach München gekommen und hielt später in seinem Selbstbewußtsein, das hinter demjenigen Küstners wahrlich nicht zurückblieb, den Willen für das Werk. Ein reformatorisches Eingreifen in Sachen der Oper war, wenn auch einzelne falsche Rollenbesetzungen vorgekommen waren, weder nötig, noch brauchte sich Lachner ein solches gefallen zu lassen. Bei Aus- bruch allenfallsiger Kontroversen in diesem Betreff hätte Lachner immer die öffent- liche Meinung auf seiner Seite gehabt, er, dessen Stärke gerade die künstlerische Auslegung aller klassischen Werke war. Nie und nirgends hat man wohl die Iphi- genie, Fidelio, Don Juan, die Zauberflöte etc. stilgerechter gehört als unter seinem berufenen Herrscherstab.

Die glänzende Erstaufführung von Sophokles „Antigone" (mit Mendelssohns Musik) am 29. November, zeigte jedem Gebildeten, wo Dingelstedts schöpferische, nicht bloß reformatorische Tätigkeit zu suchen sei. Insbesondere ist es ihm gelungen, die Schwierigkeiten zu überwinden, welche in der Erfüllung der antiken, szenischen Forderungen bei den diesen durchaus widersprechenden, lokalen Verhältnissen unsrer gegenwärtigen Theater liegen. Auch das Lob, welches die Kritik den Schau- spielern, Frl. Dam bock als Antigene, Herrn Dahn als Kreon etc. für ihre würdige Auffassung und für die korrekte Behandlung der sophokleischen Verse spendet, fällt auf ihn als die Seele der geglückten künstlerischen Tat zurück. Sicher ist, daß München einen Dramaturgen, wie er, bisher noch nicht gehabt hat, und zwar erstreckte sich diese seine starke Seite nicht nur auf Herstellung eines auserlesenen, die Klassiker in erste Reihe stellenden, alles Minderwertige möglichst beschränkenden Schauspielrepertoires, sondern er legte auch seine bildende Hand auf den ausführenden Körper, die einzelnen Schauspieler, mit sichtbarem Erfolg. Dabei entgingen junge unerkannte Talente seiner scharfen Beobachtung nicht, die er dann mit größtem Gewinn aus dem Verborgenen zog. Ein grandioses Beispiel der Art war Frl. Muscheck, eine Balle ttfigurantin ohne jedwede Bildung, die er durch kurze Unterweisung dahin brachte, daß sie den Ariel in Shakespeares „Sturm" zum allgemeinen Entzücken spielte und, für die Münchnerin keine Kleinigkeit, dialekt- frei sprach. Ich erinnere mich noch heute dieser überhaupt wunderbaren Sturm- vorstellung (mit Tauberts Musik).

') Bezieht sich natürlich auf die Opfer des Jahres 1848.

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1852 Ein hervortretendes Ereignis des Jahres 1852 war, daß Hofkapellmeister Franz Lachner am 1. Februar den Titel eines k. b. Generalmusikdirektors erhielt. Lachner hatte für den Beginn des Jahres von Wien aus eine Einladung zur Direktion seiner G-moll-Symphonie Op. 100 erhalten. Die Aufführung des Werkes gestaltete sich zu einer Huldigung der gesamten kunstsinnigen Bevölkerung Wiens; selbst der Hof war enthusiasmiert und um die schätzenswerte Kraft wieder für die Kaiserstadt zu gewinnen, bot man Lachner unter glänzenden Bedingungen den Titel eines kaiser- lichen Hofkapellmeisters an. Doch König Max, von den Verhandlungen unterrichtet, paralysierte die Anziehung dieser Offerte eben durch Verleihung jenes (damals noch seltenen) Ehrentitels, dem auch eine Erhöhung des Gehaltes entsprach. Welcher Art auch die Verhältnisse zwischen Dingelstedt und Lachner gewesen sein mochten, in dieser Allerhöchsten Gunstbezeigung des Monarchen, wodurch Lachner aufs neue in seiner Machtstellung sich befestigt fühlen konnte und nunmehr immer an München gekettet war, lag für jenen gewissermaßen auf alle Fälle eine stille Warnung, ein „noli me tangere". Gleichwohl werden wir auf einen Fall kommen, welcher ziemlich klar durchblicken läßt, daß Dingelstedt Lust hatte, ihn anzurühren.

Am 1. März berichtete Dingelstedt an den König: „Der seit 26 Jahren angestellte Sänger Pellegrini leide schon mehrere Jahre hindurch an stets zunehmender Fett- sucht, welche ihm seine Dienstleistung öfters unmöglich mache. Er müsse geschont und jährlich im Sommer auf mehrere Monate beurlaubt werden, was, da zu seinem Ersatz kostspielige Gastspiele eintreten müßten, zugleich eine starke Belastung der Kasse bedeute. Er selbst fühle das und habe sich geäußert, daß ihm seine Pensionierung nicht unerwünscht käme. Schon vor zwei Jahren wurde zu seiner Entlastung Hofer engagiert, der aber inzwischen gestorben sei. Nun habe sich die Intendanz mit dem ersten Bassisten des Berliner Hoftheaters Herrn Rud. Heinrich Salomon in Ver- bindung gesetzt, einem gebildeten 32jährigen Manne mit guten Mitteln. Er verlange zehnjährigen Kontrakt, Pension und sechswöchentlichen Urlaub." Der König geneh- migte unter der Bedingung, daß der Gehalt 3000 fl. mit lOfl. Spielgeld nicht überschreite. Der Vertrag wurde abgeschlossen am 4. Mai auf 1. August 1852 bis 1. August 1862 lautend. Nur behielt sich die Intendanz das Recht vor, den Sänger am 31. De- zember 1853 nach vorhergegangener zweimonatlicher Kündigung zu entlassen. Hiermit war wieder eine empfindliche Lücke, leider nur auf kurze Zeit, wie wir sehen werden, ausgefüllt. Salomon hatte eine schöne, volle Baßstimme mit mehr Schmelz als Hofer, dazu auch eine vornehme Erscheinung und ausreichendes Spiel, konnte aber das Münchener Klima nicht vertragen. Noch schlimmer stand es nunmehr um die untergeordneten Sopranpartien, da Frl. Therese Epple, nachdem man schließlich an ihrer Unbrauchbarkeit nicht mehr zweifeln konnte, am 1. Sep- tember abging.

Als „Zum ersten Male" auf den Zetteln angekündigt, kam am 6. Januar Gretrys alter „Richard Löwenherz" in einer neuen Übersetzung von Jos. Seyfried nach der von Ignaz Seyfried überarbeiteten Partitur (im Original wäre er, wie alle fran- zösischen Opern dieser Zeit, nicht mehr möglich gewesen) zur Wiederaufführung.

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Zum Anfang dieses Kapitels zurückblätternd, findet der Leser die letzte Aufführung dieses Werkes in der dort nachgeholten Statistik des vorangehenden Zeitraums von 1811 bis 1824 verzeichnet: sie hatte am 11. Januar 1824 stattgefunden. Die Oper nach 28 Jahren ihrer letzten Aufführung öffentlich als Novität zu stempeln, ist doch stark naiv, und es scheint die Regie auf den Gedanken, die Zettelbände nachzu- sehen, gar nicht gekommen zu sein. Die Besetzung der Hauptrollen war: Richard.... Brandes; Margaretha, Gräfin von Flandern .... Frau Palm; Blondel, Minne- sänger Härtinger; Williams Kindermann; Fanny, seine Tochter ....

Frau Diez. In einer langen Besprechung schreibt der „Punsch" über die Ausführung seitens der Sänger:

„Herr Brandes war diesmal ein treuer Arbeiter, der sein Pfund nicht vergrub, sondern es herausgab und dafür reichliche Beifallszinsen erntete. Herr Härtinger lieferte als Blondel aber- mals Beweise seiner vielseitigen Auffassung und läßt sich über sein Spiel und Gesang kaum mehr etwas Neues sagen. Das Erkennungsduett im zweiten Akte (Blondel vor der Mauer, Richard auf dem Turm), die Glanzstelle der Oper, erregte einen Beifall, wie wir ihn nicht leicht so stürmisch vernahmen. Frau Palm bot wieder eine grandiose Erscheinung und ihre im letzten Akt eingelegte, bis ins b steigende Arie von Weber (?), obwohl nicht dankbar, wurde doch applaudiert."

Mir blieb dieses Duett: „Mich brennt ein heißes Fieber" eine der schönsten Opernerinnerungen in meinem Leben. Von Frau Palm ist mir nur erinnerlich, daß sie eine lange Arie zu Pferd sang, wozu sieben andere Vierfüßler recht unruhig accompagnierten.

Zur Wahl der drei wirklichen Novitäten dieses Jahres hatte die Intendanz auf dem neuesten ausländischen Markte tüchtig Umschau gehalten. Über Aubers „L'enfant prodigue" (1850 zu Paris) und seine ägyptischen Dekorationen hatten die Zeitungen schon so vieles Herrliche erzählt, daß man schon das von der Oper gebotene Schau- gepränge den Münchenern nicht gerne vorenthalten wollte. Die Lorbeeren Meyer- beers und Halevys, die sich gegenseitig überboten, ließen auch den älteren Auber, der ihrer eigentlich so wenig bedurfte, nicht ruhen oder sein Librettist, der findige Scribe, bildete sich ein, daß er auch für ihn nach Unerhörtem, nie Dagewesenem greifen müsse, um ihn neben den übrigen Pariser Größen auf dem Plan zu er- halten. Da sollten außer einem riesigen Aufwand von Dekorations- und Kostüm- pracht zur Abwechslung einmal über die Bühne wandelnde Kamele das Interesse erhöhen. Dieser äußere Apparat hängte sich wie Bleichgewicht an die sonst so leichtlebige Muse und war doch viel zu wenig, um neben den Wundern des „Pro- pheten" noch aufzufallen. Dazu war der an sich rührende biblische Stoff ohne einen Begriff seines Tiefsinnes mit echt französischer Oberflächlichkeit verball- hornt, lediglich zum Substrat für Effekte ausgenützt.

„Diese Knalleffekte", sagt der „Punsch", „die zufällig gar nicht knallen, erscheinen neben dem einfachen Stoff der Parabel in ihrer ganzen modern-französischen Korruptheit. Die Musik erfreut sich keines charakteristischen Stiles; wir fühlen in ihr weder die Glut der Zone, unter der die Handlung spielt, noch wandelt uns die patriarchalische Zeit daraus an. Das Beste in Bezug auf Handlung und Musik ist der vierte Akt, wo ,der verlorene Sohn' im Elend beschließt, in seines Vaters Haus, das ihm als Traumbild erscheint, zurückzueilen. Wenn auch der Gefühlsaufwand des Herrn Härtinger, der diese Szene mit mimischer Meisterschaft durchführt, viel zu dem Effekte

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beiträgt, so können doch hierin auch der Musilc ihre drastischen (?) Schönheiten nicht abgesprochen werden. In den ungekünstelten, psychologisch begründeten Szenen schwingt sich auch der Komponist zu einer besseren Höhe; im übrigen geht die Oberflächlichkeit der Handlung, des Dialogs und der Musik Hand in Hand."

Einen großen Raum gewährt der Rezensent der Beschreibung der vielen Deico- rationen, worunter wieder eine von S. Quaglio (aus der großen Familie der an- gestammten Münchener Theatermaler) den Vorrang einnimmt, während andere ge- tadelt werden. Ob wohl die Kosten mit den sechs Aufführungen in diesem Jahre, zu welchen sie jedenfalls beitrugen, verdient wurden? Das Jahr 1852 brachte noch zwei, die nächsten zwei Jahre je eine Vorstellung der kostspieligen Oper. Die Haupt- rollen lagen in den Händen der Damen Palm, Rettich und Diez (ein junger Kameltreiber) und der Herren Hart ing er, Kindermann, Pellegrini, L. Seh mid und All Feld, welch' letztere drei als Isisdiener ein Pendant zum Wiedertäufer- Terzett darstellten.

Ein etwas verspäteter Griff war Verdis „Nabucco", zu deutsch: „Nabucho- donosor", einer zwei Jahre vor dem „Ernani" komponierten Oper älterer Richtung, welche zum erstenmal am 5. Oktober in Szene ging, verspätet, insofern, als der fortschrittliche „Rigoletto" bereits ein Jahr alt war. Über die Aufführung des Werkes schreibt ein nicht bezeichneter Referent des „Punsch":

„Daß Herr Brandes eine Arie von fremder Komposition einlegte,^) finden wir nicht am Platze. Herr Kindermann (Nabuchodonosor) fand Gelegenheit in Menge, seine Fülle von Naturmitteln glänzen zu lassen und man sah, daß er sich in diese Musik so recht mit Lust hineingelebt und eingesungen. Aber nicht nur mit der Kraft erschütterte, sondern auch mit dem Gefühl bezauberte er. Gleichfalls vielen Effekt erzielte Frau Palm als Abigail durch Feuer im Spiel und Gesang. Sie wußte die vielen Glanzpunkte dieser herrischen Partie recht hervorzuheben. Sowohl sie, als Herr Kindermann wurden durch öftere Hervorrufe ausgezeichnet. Herrn Salomons Töne waren eben wieder unsicher und unrein. Die Oper im ganzen gefiel."

Mit einer Wiederholung in diesem und zweien im nächstfolgenden Jahre war die Lebenszeit auch dieser Oper in München beendigt. Noch von kürzerer Dauer war „Der Traum einer Sommernacht", Oper „nach dem Französischen", Musik von Ambroise Thomas, dem späteren Komponisten der „Mignon" und des „Hamlet". Nachdem die Oper unter der Mitwirkung der Damen Hefner (Elisabeth) und Diez, der Herren Här tinger (Shakespeare), Kindermann (Falstaff), Brandes, Sigl etc. am 21. November, wie es scheint, mit mäßigem Erfolg zum erstenmal in Szene gegangen, wurde sie in diesem Jahre noch zweimal wiederholt und der Traum der Sommernacht war vorbei! Der „Punsch" urteilt darüber: „Liest man Titel und Personenverzeichnis, worauf Shakespeare selbst figuriert, so denkt wohl jeder an das duftige Märchen von Lysander und Hermia, Flaut und Zettel, und daß dieses Opernsujet uns zeigen werde, wie der große Dichter nächtlicher- weile die Blumen zu jenem Phantasienstrauß gepflückt, wie er durch den Traum einer Sommernacht zu der Idee des Sommernachtstraumes gekommen sei". Statt

') Daß der althergebrachte Unfug, fremde Musikstücke in eine Oper einzulegen, noch im Jahre 1 852 unter Lachner möglich war, gehört zu den wunderlichsten Erscheinungen, welche mir bei Bearbeitung dieses Buches aufgestoßen sind. M. Z.

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dessen wird nun eine ziemlich wirre Handlung erzählt, in welcher Elisabeth eine höchst romantische Rolle spielt, wobei der Dichter im Zweifel gelassen wird, ob das von ihm Erlebte Wahrheit oder Traum war, die Musik aber, das ist das Schlimmste, einen kaum notwendigen Teil des Ganzen bildet. Über diese Musik heißt es nun:

„Der talentvolle Thomas" (als Schüler des Pariser Conservatoire national Inhaber des großen Römerpreises!) „leistet Treffliches in vielen Einzelheiten, aber sein ,Werde' erstreckt sich nicht auf die Hervorrufung eines harmonischen Ganzen. Belesenheit und theoretische Kenntnis reichen für eigenes Schaffen nicht aus, und so liefert er, gleich der ganzen jüngeren Komponistengeneration, der er angehört, nicht selten nur den Abklatsch der Vorbilder, die er sich durch Studium zu eigen gemacht hat. Thomas hascht nach origineller Melodie, findet sie nicht, springt von einem Motiv aufs andere und wird nicht originell. Daß indes alles zierlich gearbeitet ist, und eine gewisse agile Anständigkeit dem Ganzen den Stempel des Angenehmen aufdrückt, kann nicht geleugnet werden. Frl. Hefner hatte als Elisabeth eine gewisse Koloraturpartie, deren Schwierigkeiten sie nicht alle überwinden konnte. Herr Härtinger spielte und sang mit viel Feuer und Fleiß. Den meisten Effekt erzielte der Falstaff Herrn Kindermanns, dessen kolossale Stimme und humoristisches Darstellungstalent Hand in Hand gingen, um die Leistung drastisch zu machen."

Neueinstudierungen des Jahres waren: „Graf Armand" von Cherubini, „Die Vestalin" von Spontini, „Der Schatzgräber" (komisches Singspiel) von Mehul, „Der Liebestrank" (komische Oper) von Donizetti und „Der Templer und die Jüdin" von Marschner. Während einige „Dem Schatzgräber" ein Altern anzu- merken glaubten, wirkte der „Liebestrank" mit frischem Zauber, ward sogar besser verstanden und gewürdigt als bei seinem ersten Erscheinen.

Von größtem Eindruck war aber noch immer „Die Vestalin", an deren nun baldiges Verschwinden damals noch niemand geglaubt hätte. Über die Aufführung des Werkes, welches mir Dezennien lang nicht aus dem Gedächtnis kam, schreibt der „Punsch":

„Sonntag, 2. Mai (neu einstudiert) ,Die Vestalin', große Oper von Spontini. Sowohl jener Teil des Publikums, dem noch eine erinnerungsreiche Zeit vor Augen und Ohren schwebt, als auch überhaupt alle, die von der Größe und Schwierigkeit des Tonwerkes Kenntnis haben, betraten das Haus mit neugieriger Erwartung. Von den männlichen Hauptpartien ließ sich durch die Herren Härtinger und Kindermann eine gute Durchführung voraussehen, und sie haben auch wirklich, letzterer durch den Zauber seiner herrlichen, zur Zeit wohl einzigen Stimme, ersterer durch seinen wohl modulierten, tiefempfundenen und durch vollendetes Spiel getragenen Gesang zum lebhaftesten Beifall hingerissen. Einiges Bangen erfüllte uns wegen der weiblichen Repräsentation. Frl. Hefner, deren treffliche Stimmittel durch tüchtige Beschäftigung die beste Routine erhalten könnten, trat nun plötzlich in der grandiosen Partie der Julia vor das ihr durch viele Muße fast entwöhnte Publikum. Bedenkt man, wie wenig praktische Erfahrung Frl. Hefner genießt und wie arg die Rolle der Julia einer Sängerin zusetzt, so kann der Erfolg, womit sie die schwierige Aufgabe gelöst, nur ein be- friedigender genannt werden. Durch vieles Singen in großem Räume müßte sie auch die Vokalisation verbessern. Frl. Hefner erntete zu wiederholten Malen lauten Beifall. Was die Oberpriesterin der Frl. Stanko betrifft, so konnte diese Besetzung natürlich weder in Bezug auf sängerische Durch- bildung, noch auf äußere Repräsentation entsprechend erscheinen, und wir bedauern, daß sich die Intendanz nicht an Frau Palm gewendet hat, damit diese die Partie übernehme."

Ein Präzedenzfall für eine solche Aushilfe durch den dramatischen Sopran war ja in München gegeben, indem seinerzeit Nannette Schechner, als junge Kunst- novize, diese im Altschlüssel geschriebene Mütter-Partie singen (und spielen!) mußte.

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Daß Frl. Stanko von den vielen ergreifenden Stellen, womit die Rolle ausgestattet ist, keine zur Geltung brachte, wurde mir erst später durch das Studium des Klavierauszuges klar, während ich an den großen Eindruck, den mir die Hefner als Julia machte, fast durch jeden Takt erinnert wurde.

Der Gastspiele gab es von Mitte Mai bis zum Schluß des Jahres eine lange Reihe. Den Anfang machte eine Gesangskünstlerin allerersten Ranges, welche durch eben diese Gesangskunst, der ewig einzigen, den Eindrücken der Zeit getrotzt hatte, Henriette Sontag. Sie hatte im Oktober 1823 als siebzehnjähriges Mädchen, das C. M. von Weber noch etwas „gansig" gefunden, in Wien unter des Meisters Augen die „Euryanthe" kreiert, und es kursierte darauf das Bonmot: „Das Ganserl ist halt das Best' von all' Eure Anten!" Im Jahre 1827 schuf sie sich in Berlin einen Kreis von enthusiastischen Verehrern, ward aber von der „Münchner Nachtigall", unsrer Nannette Schechner in Schatten gestellt. Von da an stieg sie zu immer höheren Stufen echter Künstlerschaft, und als sie endlich in diesem Jahre 1852 nach München kam, konnten die Münchner sagen: „Das Gute kommt nie zu spät.* Zu allgemeinem Entzücken sang sie vom 18. Mai bis 4. Juni die Rollen: Amine, Maria (Regimentstochter), Susanne, Rosine Martha, Zerline (Don Juan), Lucrezia Borgia. Der „Punsch" widmet ihr nachstehende Apotheose:

„Dienstag, 18. und Freitag, 21. Mai. Gastspiel von Henriette Sontag in Bellinis ,Nachtwand- lerin' und Donizettis , Regimentstochter'. Was läßt sich über die Fürstin der Töne, die , Mutter des Gesanges', die schon Goethe in Entzücken versetzte und welcher Börne den Zoll seiner geistreichen Bewunderung brachte, dermalen Besseres sagen, als daß sie der allmächtigen Zeit widerstanden. Eine zauberhafte Erinnerung, von welcher die älteren Kunstfreunde Dezennien hin- durch gezehrt haben, gewinnt nun plötzlich wieder Fleisch und Blut, tritt noch einmal vor eine neue Generation, um ihr zu zeigen, was Gesangskunst vermag. Wie ein flinker Schreiber mit den Buchstaben, so verfährt sie mit den Tönen, um den Ausdruck der herrlichsten Gefühle mit unauslöschlichen Zügen in die Herzen einzuzeichnen. Möchten alle unsere Gesangsjüngerinnen mit Andacht auf dieses Vorbild blicken. So gestaltet sich der Mund, wenn er als physisches Werkzeug mit der geistigen Schönheit des Gesanges harmonieren soll, so muß man die Töne an sich halten und losstürmen lassen, muß Licht und Schatten wechseln, so muß das Forte angewendet werden, wenn es selbst mit mäßiger Stärke eine große Wirkung machen soll. Henriette Sontag ist ein psychisches und ein physisches Phänomen, siegend über Zeit und Schicksal. Wollte man sogar dieses liebliche Gesicht für ein Meisterwerk der Kosmetik halten, so zeigt der runde Arm, der volle Nacken und das zierliche, flinke Füßchen, daß die Natur hier ein Wunder gewirkt hat. Man erlasse uns, auf die Rollen im einzelnen einzugehen, das Auftreten der Sontag ist ein Ausnahme- zustand; wir sehen hier keine fortschreitende Künstlerin, die noch eines Fingerzeiges bedarf, sie ist der Prototyp einer vollkommenen Meisterin des Gesanges, die Repräsentantin einer schönen, leider entschwundenen Kunstepoche, eine Erscheinung, die in der europäischen Kunstgeschichte ihren sicheren Platz längst errungen hat. Es ist kaum nötig, zu bemerken, wie oft und stürmisch der merkwürdige Gast gerufen wurde."

In einer zweiten Besprechung des Gastspiels (über die Susanne im „Figaro") finden wir folgende, für das Münchener Personal wichtige Stelle:

„Zur Ehre gereicht es unserer Kunstanstalt, daß es einem Mitglied desselben gelang, sich neben dem Vorbild aller Sängerinnen auch noch Geltung und zwar laute und gerechte Geltung zu ver- schaffen; nicht leicht hörten wir Frl. Hefner (Gräfin) mit solchem Eifer und Feuer eine Partie durchführen. Es galt in der Tat, in der schwierigen Stellung eine bleibende Ehre zu erringen, und

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der Beifall, der ihr Streben belohnte, gab ihr Kraft, es durchzuführen. Das Briefduett wurde mit wahrem Enthusiasmus da capo verlangt."

Wenn derselbe (anonyme) Referent das Gastspiel bis zum Ende mit gleicher Bewunderung verfolgt, gebietet uns die Rücksicht auf den Raum, von der gefeierten Künstlerin Abschied zu nehmen. Leider ist es der Abschied, den unsere Geschichte von der letzten Glanzepoche des Gesanges überhaupt nimmt, wenn auch noch einzelne glückliche Phänomene an dieselbe erinnern mögen.

Herr Hauser, Sohn und Schüler des Direktors des „Alten Konservatoriums" in München, Franz Hauser, gab zwei Gastvorstellungen als Almaviva (im „Figaro") und Don Juan, in beiden als Partner der Sontag. Über die erste sagt der Referent des „Punsch": „Herr Hauser gab den Grafen Almaviva zwar etwas befangen, doch zeigte er gute Schule." Über die zweite: „Herr Hauser hatte die schwierige Aufgabe, unserm Kindermann in einer seiner besten Rollen zu succedieren. Wir müssen sein Bestreben anerkennen, durch noble Haltung und chevalereske Manieren das zu ersetzen, was allenfalls seine Stimme zu wünschen übrig läßt, die vielleicht von den herrschenden 26 Graden Hitze belastet war." Dasselbe Glück oder Unglück, als Partner der Sontag zu gastieren, hatte ein Herr Maier aus Linz. Er gab den Figaro im „Barbier", den Plumkett und den Alfons in „Lucrezia Borgia". Über die erste Partie schreibt der „Punsch" : „Herr Maier, der während der Abwesenheit Kindermanns zur Aushilfe einige Partien desselben übernimmt, hat für den ungeheueren Raum freilich nicht die Stimmittel, ist jedoch nicht ohne musikalisches Verständnis und wirkte nicht störend." In der zweiten wird über ihn geschwiegen, für die dritte ihm ein gemessenes Lob gesprochen.

Vom 8. Juli bis 29. August gastierte Herr Sontheim vom Hoftheater zu Stuttgart als Othello, Stradella, Edgard (Lucia von L.), Masaniello, Lionel, Nemorin (Liebes- trank), Robert, Fra Diavolo, Eleazar, Graf Almaviva und Max, also so ziemlich in allen landläufigen Tenorpartien der damaligen Zeit.

In der Besetzung seines „Othello" rühmt der Rezensent des „Punsch" seine großartigen Stimm- mittel, „welche mit wohltuender Frische zum Auditorium drangen. Das häufige Tremolieren und einige andere Manieren, die wir doch seiner renommierten Tätigkeit im Bereiche der italienischen Musik zuschreiben, verhindern uns keineswegs zu erkennen, mit welchem Verständnis Sontheim seine Partie auffaßt, mit welchem Fleiße er sie in allen Nuancen sich zu eigen macht. Dazu kommt eine große Deutlichkeit des Vortrags, so daß der Gast bei der Fülle seiner physischen Mittel und der Liebe zur Sache, welche sie unterstützt, auf das Prädikat eines guten Sängers im vollsten Sinne des Wortes Anspruch hat."

Indem der Referent nun wünscht, Sontheim möchte auch im „Liebestrank" von Donizetti auftreten, zugleich aber durchblicken läßt, es könnte ein Hindernis für die Aufführung dieser Oper vorliegen, macht er die für uns interessante Bemerkung: „Von einer Einseitigkeit, von Behauptung eines Geschmackmonopoles etwa von Seiten unserer höchsten Behörden, der Generalmusikdirektion, kann um so weniger die Rede sein, als die Wahl der Opern und die Festsetzung des Repertoires ganz allein der Intendanz überlassen ist und diesselbe hierin unumschränkt dominiert." Ob diese dezidierte Behauptung der Wirklichkeit völlig entsprach, muß natürlich

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dahingestellt bleiben. Wären nicht Gerüchte vom Gegenteil ins Publikum gedrungen, so hätte die Presse keine Veranlassung gehabt, die Frage über das Autoritätsverhältnis zwischen Intendanz und Generalmusikdirektion, Dingelstedt und Lachner, über- haupt anzuschneiden. Denn nur diesen Zweck kann die Bemerkung gehabt haben. Als Sontheims beste Partie wird der Lionel in „Martha" bezeichnet, während sein Masaniello zu schlicht und farblos gefunden wird. Der naheliegende, ja unvermeid- liche Vergleich mit Härtingers ergreifend dramatischer Auffassung gerade dieser Rolle konnte dem Gast trotz seiner weit größeren und mächtigeren Stimme nicht günstig sein. Übrigens war es Härtinger, welcher ihm den Eleazar, den er dann etwa 80mal mit besonderem Erfolg sang, einstudierte.

Fast von größerem Interesse war der von Stuttgart kommende weibliche Gast Frau Howitz-Steinau, welche vom 29. Juli bis 12. August die Martha, die Berta im „Propheten", Maria (Regimentstochter) Isabella und Susanne sang. Schon durch eine „reizvolle Erscheinung" glücklich eingeführt, überraschte sie als Martha trotz einiger Befangenheit durch feine gesangliche Vorzüge, und über ihre Berta heißt es:

„Einen höchst angenehmen Eindruck machte Frau Howitz-Steinau als Berta, welche Partie durch das teilnahmslose Spiel der Frl. Rettich bisher förmlich verloren gegangen war. Schon im zweiten Akte, wo Berta, verfolgt, zu Johann flüchtet, wurde dieser Unterschied bestens empfunden. Sie zeigte einen großen Vorrat von Gefühl, und Gefühl ist es, was der Stimme erst den lebendigen Odem verleiht. Frau Howitz zeichnete sich in dem Duett mit Frau Palm im fünften Akt ganz besonders aus und erhielt großen Beifall." Noch höheres Lob war ihrer Regimentstochter gezollt: „Als Regiments- tochter bewährte sich Frau Howitz-Steinau nicht nur als Sängerin, sondern als treffliche Schauspielerin. So sehr man sich kürzlich vor einer hochgerühmten Regimentstochter, die in dem Errungenschafts- jahr, nämlich in dem 48er steht (nicht sehr delikat) und deren hübsches Aussehen ein Wunder war, gebeugt hat, so wohltuend wirkte unser jugendlicher Gast, dessen Erscheinung eben natürlich ist. Frau Howitz-Steinau gehört zu jener Gattung von Geschöpfen, welche man in Wien ,G'schmacherIn' nennt, was sie spricht, was sie tut, wenn sie schmollt, wenn sie grollt, alles steht ihr gut, so wie sie auch nach der Szene, wo sie dem Sergeanten den Gehorsam kündigt und nur zu sprechen hat, stürmisch gerufen wurde. Schließlich wird sie im Vergleich zu den Preisen der Son tag ein ,Sparöferl* genannt, welches den etwas kalten Münchnern ordentlich eingeheizt habe. (Kalt waren die Münchner nie, aber . . .)."

Gleichzeitig absolvierte auch Herr S a I o m o n aus Berlin, sein Engagement als seriöser Baß bereits in der Tasche, ein Gastspiel von drei Rollen. Als Bertram war er zugleich Partner der beiden obigen Gäste. Über diese Vorstellung schreibt der „Punsch":

„Die Aufführung des ,Robert* vom 8. August wurde durch den seltenen Umstand interessant, daß drei Gäste mitwirkten. Herr Sontheim sang die Titelrolle mit Kraft und Bestimmtheit, aber seine ganze Auffassung ermangelt der höheren Weihe, sein Gesang hat keine Flügel und Spiel und Ton atmen einen Realismus, der ein gebildetes Publikum nimmer begeistern kann. Ganz das Gegenteil finden wir bei Frau Howitz-Steinau. Ihre Gesangsmethode hat allerdings noch nicht jene bestimmte Sicherheit, aber man verzeiht die theoretischen Mängel um so eher, als sie einen tiefen Fonds von Gefühl besitzt, eine echte künstlerische Wärme; der Gast, auf den sich die meiste Auf- merksamkeit konzentrierte, schon weil wir ihn bereits den unsern nennen, war Herr Salomon, bisher am Hoftheater zu Berlin. Eine imponierende Gestalt, ein sprechendes Auge, eine angenehme Noblesse der ganzen Persönlichkeit überhaupt und des Gesangsvortrages insbesondere ließen die Akquisition von vornherein als eine höchst vorteilhafte erscheinen." Ober Salomons Grafen im „Figaro" heißt es kurz: „Am Donnerstag stunden in , Figaros Hochzeit' Salomon (Graf Almaviva) und Kindermann

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(Figaro) nebeneinander und das Publikum fand sich im Besitze eines Stimmpaares, wie es wohl keine deutsche Bühne aufzuweisen hat," In der eben so kurzen Notiz über seinen Sarastro erfahren wir zu- gleich etwas Vorteilhaftes über die , Säule des Weiberchors', wie der „St."-Referent Frau Rohrleitner (wenig respektvoll) genannt hatte. „Letzten Sonntag (15. August) wurde wieder einmal mozärtlich zaubergeflötet. Frau Rohrleitner wurde als Königin der Nacht nach jener schwierigen Arie, an der schon viele Sängerinnen scheiterten, stürmisch gerufen! Herr Salomon (Sarastro), dem wahr- scheinlich das biedere Münchner Klima schon den Bruderkuß aufdrückte, schien etwas heiser und detonierte einigermaßen." Ich erinnere mich dieser Vorstellung und namentlich an die Überraschung, die Frau Rohrleitner mit der sicheren Bewältigung der Staccato-Arie, überhaupt aber mit ihrem glockenhellen und zugleich wohligen Sopran bot, während ihr Spiel freilich nicht in Betracht gezogen werden durfte.

Ein sehr bescheidenes Gastspiel war das des Baß-Baritons Strobel als erster Priester (Zauberflöte) und Kuno (Freischütz), doch scheint es den Grund zu einem späteren Engagement dieses nicht eben unbrauchbaren Künstlers gelegt zu haben.

Den langen Reigen schloß in der zweiten Hälfte des Oktober die im Beginn ihres Ruhms stehende Anna Falconi mit Norma, Fidelio, Donna Anna und Fides. Die Kritik des „Punsch" bezeichnet sie als eine Künstlerin jener damals in Italien beginnenden Richtung, welche sich vom geweihten Boden der Kunst allmählich zur extremen Virtuosität wendet:

„Am Sonntag eröffnet Frl. Falconi vom Scalatheater in Mailand ein Gastspiel als Norma. Schon in der ersten Arie begann sie die ,stärkste von ihren Künsten' loszulegen, um ihren Gesang mit dem ganzen Schmuckkasten der italienischen Schule zu überladen. Was sie im Kopf und in der Kehle hatte, mußte heraus, teils passend, teils unpassend, teils trefflich ausgeführt, teils verunglückt. Das Publikum lauschte andächtig ihren Trillern und Fiorituren und brach zu öfteren Malen in Jubel aus. Doch nahm von Szene zu Szene ihre Kraft ab, sie hatte mit vollen Armen ausgeschüttet und war nun entblößt. Der anfangs flutende Applaus quoll immer spärlicher. Ihre Stimme hat einen großen Umfang, obwohl die Tiefe nicht wohltätig, sondern etwas hohl klingt usw."

(Auch das Heraufziehen der Brusttöne bis ins f oder gar g, wodurch jener hohle, besser gesagt, rohe, unweibliche Klang erzeugt wird, der aber bei denen, die nicht alle werden, Effekt macht, gehört dieser decadentenSchuleals leidiges Charakteristikum an). Zum Schlüsse heißt es: „Als Fidelio, den sie gestern mit Feuer und Kraft- aufwand sang, wurde Frl. Falconi unter der Szene und am Schluß gerufen".

Der Herbst dieses Jahres brachte für München den ersten Vorboten einer neuen Aera der Oper und der Musik überhaupt,^) indem im Allerheiligen-Konzert der musikalischen Akademie „unter Lachners waltender Hand" zum erstenmal Wagners „Tannhäuser"-Ouvertüre zur Aufführung kam. Der „Punsch" schreibt darüber:

„Eine zweite Novität" (die erste war ein Violin-Duo von Mozart) „war für uns Wagners Ouvertüre zu seiner Oper ,Tannhäuser', die, obwohl trefflich ausgeführt, nicht den erwarteten Erfolg hatte. Die Motive sind manchmal großartig, aber dem Ganzen fehlt die harmonische Einheit und alles verrauscht in einem chaotischen Getöse." Nach einem durchaus klassischen Programm, worunter die Eroica in meisterhafter Vorführung und der Konzertgesang der Falconi das Interesse schon vor- weggenommen, ohne jede instruktive Vorbereitung des Publikums noch zum Schluß gebracht, konnte das Werk in seiner totalen Neuheit und vielleicht eben nicht trefflich ausgeführt einen andern als den verkehrten Eindruck nicht machen. Daß es vom Publikum teils durch Schweigen, teils durch

[*) Vergl. Seb. Röckel, Ludwig II. und Richard Wagner. I. Teil, 1913, S. 1.]

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vernehmliches Zischen abgelehnt wurde, verschweigt der Referent des „Punsch" mit löblicher Wohl- anständigkeit. Drei Jahre darauf erlebte die Tannhäuser-Ouvertüre im Theater, ihrem richtigen Platz und wohl etwas besser aufgeführt , einen andern Erfolg; das nun erkannte Manöver, die Ouvertüre zu plantieren, um das Vorurteil gegen die Oper zu erwecken, hat nicht lange hergehalten. Auf die Pflichtversäumnis, welche sich dem neuen deutschen Genius gegenüber die Intendanz oder die Generalmusikdirektion oder beide bereits zu Schulden kommen ließen, werden wir an geeigneter Stelle zurückkommen.

Wenn öffentliche Skandale, in welche Intendanten verwickelt sind, zu den „Ereignissen" an den von ihnen geleiteten Theatern gehören, so darf nachstehende Episode, welche im Sommer dieses Jahres spielt, um so weniger verschwiegen werden, als sie über einen Charakterzug Dingelstedts Aufschluß gibt, welcher geeignet war, seine ohnehin schwierige Lage noch schwieriger zu machen, indem er auch in den ihm wohlgesinnten Kreisen die ihm entgegengebrachten Sympathien sicher nicht vermehrte.

Er selbst erzählt die Affaire etwas anachronistisch im III. Teil der Münchener Bilderbogen „Der Anfang des Endes", obwohl sie schon mehr in den „Honigmonaten seiner Ehe mit der Bühne" sich ereignet hatte. „Eine Landpartie auf Leiterwagen, die wir" (die Gesellschaft der Berufenen) „aus der Sommerfrische in Tegernsee auf das nahe Bad Kreuth machten, gab Veranlassung zu der Anklage: Das wilde Heer der , Fremden' habe die Ruhe der Kranken gestört, die sozusagen doch Gäste des Prinzen Karl seien, als des hohen Eigentümers des Bades Kreuth. Ein Revolver-Journalist niedrigster Gattung verunglimpfte die weibliche Ehre meiner Frau in seinem Sudelblatte, und als ich die einzig mögliche Genugtuung an ihm genommen durch einige Streiche mit meinem Spazierstöckchen, verfolgte der Staatsanwalt durch drei Instanzen diesen Akt strafbarer Selbsthilfe, den ich, allerdings wohlfeil genug, durch dreitägigen Polizeiarrest abzubüßen hatte." Der „Revolver-Journalist" hatte nämlich in seinem Artikel über die Leiterwagenpartie einfließen lassen, daß der König von Württemberg während einer Theatervorstellung der Frau Dingelstedt einen Shawl in die Loge geschickt habe, damit sie ihre Blöße bedecken könne. Für die Bekanntgabe dieser Tatsache in München mußte der „kleine Vogt", wie man ihn nannte, mit Stockschlägen büßen, die ihm ein Hüne verabreichte (das „Spazierstöckchen" ist wohl sehr euphemistisch zu nehmen!). Nun war aber Vogt, ich erinnere mich seiner genau, ein höckeriges Männchen, auf einem Paar Stelzen von Beinen, eine Jammergestalt, welche tätlich zu verunglimpfen ein völliges Vergessen der Manneswürde voraussetzt. Und die Tat ward nicht in der ersten Aufwallung des Zornes, sondern überlegt und mittels Aufpassens im engen Torgang des Odeons verübt. Der „Punsch" witzelt in Nr. 29, 11. Juli über die Gerichtsverhandlung also: „Ein neuer Barometer!" Herr Schriftsteller Vogt hat in der bekannten Stadtgerichtsverhandlung auf die Frage, ob er von der Dingelstedtschen Polemik noch Nachwehen spüre, geantwortet: Ja, ich spüre am Kopf das Wetter immer 24 Stunden vorher!"

Dies wird illustriert durch zwei Abbildungen: Der Schriftsteller Vogt'sche Kopf bei schönem Wetter, Der Schriftsteller Vogt'sche Kopf vor schlechtem Wetter.

Das Jahr 1853 brachte fünf Personalveränderungen. Mit dem I.Januar ward ein Ehepaar Wirth, der Mann für untergeordnete Baßpartien, die Frau als Sängerin und Schauspielerin für einen ebenfalls nicht anspruchsvollen Wirkungskreis etwa als Ersatz für die im Vorjahre verabschiedete Frl. Epple engagiert. Die Probe- rolle der Frau war die „Jugend" in „Bauer und Millionär" gewesen. Ihr vorerst einjähriger Kontrakt ward im nächsten Jahre bis 1861 verlängert. Ich erinnere mich nicht, vom Wirken dieser beiden Mitglieder eine andere Kenntnis genommen zu haben, als daß sie ihren vielen kleinen Aufgaben mit Fleiß oblagen. Die Niedrigkeit der von beiden bezogenen Gagen war eines Hoftheaters nicht würdig, noch weniger daß Frau Wirth wegen Schwangerschaft entlassen wurde. (!)

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Um Mitte Februar trat der Bassist Salom on von seiner Stellung zurück, nachdem

es sich im Vorjahre immer deutlicher gezeigt hatte, daß er im Kampfe mit dem

Münchener Klima nicht bestehen werde. Er war der erste nicht. Der „Punsch"

brachte darüber ^ ^

Sprüche Salomons.

Die Furcht vor dem Klima ist der Heiserkeit Anfang.

Viertausend Gulden sind eine schöne Gage, aber ich kann sie nicht verdienen, denn mein Baß will nicht hervorkommen und der Baß ist der

Schlüssel Salomons. Darum höre:

Salomon der Weise spricht,

Nein, in München bleib' ich nicht. Zum Glück war für den vorzüglichen Künstler bereits ein wenigstens leidlicher Ersatz in Philipp Kremenz vom Hoftheater zu Kassel gefunden, welcher auch schon am 1. März eintrat.

Eine neue Verlegenheit erwuchs der Oper durch den neuen Austritt der Frau Palm-Spatzer am I.September. Den Grund desselben konnte sich damals niemand erklären, denn die Künstlerin war in jeder Hinsicht hervorragend und genoß dem- gemäß allgemeine Verehrung. Ein Blick in den Personalakt der Frau Behrend- Brandt, ihrer Nachfolgerin, gibt darüber eine Aufklärung. Am 21. März 1851 wurde mit ihr ein Gastspielvertrag abgeschlossen, für sechs Rollen im Monat Mai. Dieser Kontrakt wurde veranlaßt durch „die hohen Anforderungen" der Frau Palm-Spatzer (lOjähriger Kontrakt mit 4000 fl. Gehalt und 1200 fl. Pension, oder 8 jähriger Kontrakt mit eOOOfl.) und vom Könige mit dem Bemerken genehmigt, daß die Unterhandlungen mit Frau Palm-Spatzer abzubrechen seien. Diese trat demnach mit Ablauf ihres ursprünglichen Kontraktes aus. Es trifft also den Intendanten, welcher nach könig- lichem Befehl handelte, kein direkter Vorwurf, dem Kunstinstitut die wertvolle Kraft nicht länger erhalten zu haben. Die Begleitumstände aber, unter welchen die Künstlerin ausschied, werfen auf das persönliche Gebaren Dingelstedts nicht das allergünstigste Licht. Bekannt wurde damals nur, daß Frau Palm-Spatzer ihre Kontraktkündigung am 2. Juni auf die Post gab und daß mit dieser die vom 3. Juni datierte Kündigung des Herrn Dingelstedt sich kreuzte. Im Personalakt des letzteren aber befindet sich ein dicker Konvolut eines Injurienprozesses, welchen Dingelstedt im September gegen Herrn Palm, Leutnant im preußischen Heere, anstrengte, weil dieser ihm brieflich vorgeworfen hatte, er habe seiner Frau die letzte fällige Gage aus „gemeiner Ranküne" vorenthalten. Der Prozeß ging durch drei Instanzen und wurde zuletzt vom Apellationsgericht (am 7. Juli 1855) zu Ungunsten des Klägers kostenfällig entschieden, was darauf schließen läßt, daß dem Verklagten der Wahr- heitsbeweis gelungen ist. (Nicht sehr vornehm mutet es auch an, daß am 1 I.April 1858 die Intendanz um Bereinigung der Prozeßkosten von 63 fl. 24 kr 1 Pf. durch die Kasse des Hoftheaters nachsuchen mußte. König Max bewilligte das Gesuch mit dem Vermerk, daß zum Beginn des Rechtsstreites seine Einwilligung einzuholen gewesen wäre.) Geradezu komisch ist die Erklärung des allzeit schnell fertigen

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Chronisten Grandaur (S. 152) über das Ausscheiden der Palm -Spatzer: „Ihre Leistungsfähigkeit entsprach den gehegten Erwartungen nur teilweise, weshalb eine Erneuerung des abgelaufenen Kontraktes nicht angezeigt erschien."

Der seit Januar 1842 angestellte Hofmusikdirektor Ignaz Lachner hatte, nachdem ihm gegen Ende des Jahres 1852 die Kapellmeisterstelle am Stadttheater zu Hamburg unter vorteilhaften Bedingungen angeboten wurde, 2000 fl. Gehalt und den Titel eines Hofkapellmeisters verlangt; aber der König dekretierte noch am 26. Dezember: „So gerne Ich auch den Wünschen der bei mir Angestellten um Verbesserung ihrer Lage, soweit tunlich, entspreche, so gestattet doch die dermalige Belastung der Hoftheater- und Hofmusikkasse die vom Musikdirektor Ignaz Lachner begehrte Ge- haltserhöhung nicht, weshalb Ich, um nicht bessere Gestaltung seiner Lage zu ver- hindern, ihm die Erlaubnis erteile, dem aus Hamburg erhaltenen Rufe zu folgen." Lachner bat nun, ihn bis zum 1. Oktober 1853, dem Tag seines Dienstantrittes in Hamburg, in seiner Stellung zu belassen. Der König schrieb: „Indem Ich bedauere, daß es nicht tunlich war, die das Verbleiben des Musikdirektors Lachner in Meinen Diensten bedingenden Wünsche zu erfüllen, erteile Ich demselben vom 30. Sep- tember ab die nachgesuchte Entlassung." Da mit ihm ein bedeutender Musiker aus München schied, sollte hier seine Tätigkeit an der Münchener Bühne festgelegt werden. Da aber der Brauch, den Dirigenten auf dem Theaterzettel zu nennen, erst neuesten Datums ist, können an Stelle des Wissens in diesem Punkt nur Ver- mutungen treten. Diese sagen uns, daß Ignaz Lachner während seiner elfjährigen Tätigkeit jedenfalls die vier Aufführungen seiner Oper „Loreley", dann die Musik- stücke zum „Letzten Fensterin", sämtliche Schauspielmusiken (mit Ausnahme von „Egmont", „Sommernachtstraum" und „Antigone", die sich Franz Lachner vor- behielt), also alle Entreakte, endlich alle Ballette, vielleicht auch die hauptsächlich aufs Ballett gestellte Oper „Der Gott und die Bajadere" dirigiert haben wird. Letztere boten ihm, da illustre Gäste, wie Fanny Elsler und Lucile Grahn, mitwirkten, einen ziemlich verantwortlichen Wirkungskreis. Im letzten Jahr, 1853, hatte er auch einmal die Ehre, statt seines unpäßlich gewordenen Bruders Franz ein Konzert der musikalischen Akademie zu dirigieren. Im ganzen wird er eine viel angenehmere Stellung als sein Vorgänger, Valentin Röder, kaum eingenommen haben. Grandaur, dem es auf eine Ungenauigkeit mehr oder weniger nicht ankommt, läßt ihn (S. 152) wieder „einem sehr ehrenwerten Ruf nach Stockholm" folgen, wo er aber erst nach seiner Hamburger Zeit Stellung fand.

Die Stelle der Frau Palm-Spatzer blieb vorläufig unbesetzt und es hatte die Oper wieder eine geraume primadonnenlose Zeit diesmal von acht Monaten durchzumachen, da Frau Behrend-Brandt erst am I.Juni 1854 (siehe diesen Jahr- gang) ins Engagement trat.

Die Gastspiele des Jahrgangs 1853 eröffnete Philipp Kremenz mit zwei Probe- rollen, Sarastro und Orovist, um dann als Sir George (Puritaner) sein Engagement am 11. März anzutreten. Über seinen Sarastro urteilt der „Punsch": „Wenn wir auch daran verzweifeln müssen, für Herrn Pellegrini einen Ersatz zu finden

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Intendant KanI Freiherr von Perfall 1867—1893

oder einen Baß zu gewinnen, der neben der Vollkraft Kindermanns nicht ver- liert, so brauchen wir doch einen sicheren, verlässigen Sänger, dessen Stimme Klang und Tiefe besitzt. Herr Kremenz zeigte sich weder durch Umfang noch durch Kraft diesen Forderungen gewachsen." Ein weit günstigeres Urteil fällt er dagegen über ihn in der Besprechung der „Puritaner"-Aufführung, in welcher der Tenorist Grimminger, ein sehr talentvoller Schüler Bayers (seinen ersten Versuch), als Arthur mit großem Erfolg machte. Über letzteren schreibt er:

„Letzten Freitag, den 11. März, debütierte Herr Grimminger, Schüler des unvergeßlichen Bayer, als Artur in den Puritanern. Nicht leicht war ein ,erster theatralischer Versuch' von einem so außer- ordentlichen Erfolg gekrönt. Schon bei seiner ersten Nummer durchflog das Haus ein Geflüster der Verwunderung, das sich alsbald in einem Sturm des Beifalles Luft machte. Herr Grimminger, eine ebenso jugendliche als angenehme Bühnenerscheinung, ist mit den schönsten Stimmitteln aus- gestattet: Die Natur verlieh ihm aber noch eine Gabe, die dem Metall der Stimme erst den rechten Reiz, das eigentliche Leben verleiht, und diese Gabe heißt Gemüt. Bei ihm singt nicht nur die Brust, es singt auch die Seele. Seine Töne kommen aus dem Herzen, und das ist es, womit er die Zuhörer hinriß. Außer den treffenden Nuancen seines Gesanges, der schönen Verteilung von Schatten und Licht, bekundete der Debütant auch ein Spiel voll Anstand und natürlicher Leichtigkeit; kurz aus seinem ganzen Wesen spricht nicht nur Talent, sondern auch Bildung, und somit bringen wir diesem neugeweihten Priester der Kunst zu diesem so günstigen Anfang unsern herzlichen Glückwunsch. Von den vielen Beifallsbezeugungen nennen wir nur noch den schließlichen Hervorruf des Meisters Bayer mit seinem Jünger. Betreffs der übrigen Aufführung ist noch zu erwähnen, daß Herr Kremenz diesmal eine Gewalt der Stimme entfaltete, die deren etwas beschränkten Umfang vergessen ließ. Das bekannte Duett mit Herrn Kindermann war ein Zusammenfluß von zwei Stimmen, wie man sie selten zu hören bekommt."

Außer einer Wiederholung der Partie des Arthur, wobei er einen weniger glück- lichen Debütanten, Herrn Degele als Richard zum Partner hatte, trat Grimminger^) mit gleich gutem Erfolg noch als Joseph und Stradella auf.

Um diesselbe Zeit, im April, trat noch ein jugendlicher weiblicher Gast, Frl. Löwenstein vom Stadttheater als Donna Anna, Valentine und Martha auf, um bei sympathischen Stimmitteln, die aber in den großen Räumen nicht ausreichten, einiges Talent zu bekunden. Geradezu mißlungen war aber das im Juni folgende Gastspiel einer Frl. Kern vom Hoftheater zu Mannheim, worüber der „Punsch" sehr ungalant schreibt:

„Im Gebiete der Oper ragte, wenigstens physisch, ein weiblicher Gast hervor, Frl. Kern aus Mannheim, eine höchst voluminöse Erscheinung, die ihre scharfen eckigen Töne wie abgeschlagene Felsstücke aufeinander häuft, um den Beifallshimmel zu erstürmen. Sie reiht sich in der Tat an jene Schar, die der Dichter bezeichnet als Terrigeni fratres, vasta se mole moventes (erdentsprossener Stamm von ungeheuerem Gewichte). Die verehrte (?) Gastin legt besondere Vorliebe für faltenreiche Priesterinnen an den Tag, denn sie spielte bisher Vestalin, Norma und Iphigenie, lauter urwäldliche

^) Grimminger war ein Mann von vielseitiger künstlerischer Begabung. Er war ein guter Bild- hauer und fertigte als solcher ein Hautrelief-Porträt Härtingers von sprechender Ähnlichkeit und geistvoller Auffassung. Er war aber auch ein nicht unbedeutender, gemütvoller Dichter, wovon besonders einige Lieder im schwäbischen Volkston Zeugnis geben. Einige davon zu vertonen, konnte sich u. a. der Verfasser nicht versagen. Leider verfiel Grimminger als Sänger später ins Tremolieren, woran wohl die Oberanstrengung seines rein lyrischen Tenors durch große dramatische Partien, wie Eleazar und Tannhäuser, schuld war.

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Wesen, die sich nur zwischen heiligen Eichen und mächtigen Tempelsäulen bewegen; der Nachbar- schaft eines modernen kleinlichen Möbels, eines Stuhles oder Tisches, scheint Frl, Kern auszuweichen. Ihre Vokalisation ist ungleich und unrein, ihre Töne schneiden ins Gehör, ihr Pathos findet sich meistens an der falschen Stelle. Das forzierte Vorschreiten, plötzliche Stehenbleiben und dann das Auffahren mag wohl Kinder und Unerfahrene verblüffen, aber Vernünftige werden solche Grotesken nie für ,gutes Spiel* halten. Ungeachtet nun dem Gast zu einer ersten Sängerin, als welche sie sich klassifizieren zu wollen scheint, fast alle Eigenschaften fehlen, so waren doch die nötigen Kern- truppen vorhanden, um zur rechten Zeit im Beifallsturmschritt anzurücken. Eine vernünftige Seite läßt sich diesem Toben, Klatschen, Schreien nicht abgewinnen; entweder ist es bestellte Arbeit oder Unkenntnis und Lärmsucht. Ingeminant plausum Tyrii, Troesque sequuntur, zu deutsch: Eines schreit dem andern nach."

Eine Kritik im fünften Jalire der Preßfreiheit. Heutzutage würde eine solche ganz gewiß eine Beleidigungsklage und mit ziemlicher Gewißheit die Verurteilung des Kritikers zur Folge haben.

An diesen Tadel reiht sich ein nicht minder entschiedenes Lob über den nächsten weiblichen Gast, welcher vom 1. bis 5. Juli als Romeo, Fides und Donna Anna auftrat:

„Eine dieser Heidenpriesterin entgegengesetzte Erscheinung betrat gestern unsere Bühne: Frau Eugenie Nimbs vom Stadttheater zu Breslau in der Partie des Romeo. Diese Künstlerin, die das gebildete Publikum gleich im ersten Augenblick für sich gewann, hat einen merkwürdigen Umfang und eine demselben ganz entsprechende Kraft der Stimme. Jeder Ton und jede Steigerung oder Minderung desselben tritt auf das bestimmteste und am rechten Platze hervor, und wenn ihr Forte mitten im Chor und Orchester sich auf der Oberfläche erhält, so ist ihr Piano von einem solchen Wohllaut, wie es nur die schönsten Naturmittel im Verein mit der vollendetsten Schule hervorbringen können. Ihr Spiel bewahrt auch bei der lebhaftesten Routine eine gewisse Naivität, eine gemütliche Grundlage, die den angenehmsten Eindruck nicht verfehlen kann. Schon während des ersten Aktes wurde Frau Nimbs bei offener Szene zweimal gerufen, ein Überzeugungsbeifall, den alle Seiten des Hauses mit gleicher Entschiedenheit vernehmen ließen." (Hätte sich des Maßhaltens, das diese Künstlerin auszeichnete, nur auch der Kritiker in allen Fällen beflissen!) Nach einer späteren Notiz des „Punsch" hat Frau Nimbs auch als Fides und Donna Anna „neue Beweise ihrer Spiel- und Gesangsroutine an den Tag gelegt" (was schon weniger enthusiastisch klingt).

Was diese mehr oder weniger glücklichen Gastspiele im Fach der ersten drama- tischen Sängerin bedeuten sollten, wäre nicht recht verständlich, wenn nicht nach höherem Entschluß die Tage der Frau Palm-Spatzer bereits gezählt gewesen wären.

Eine hochinteressante Erscheinung im Münchner Kunst- und Theaterleben war das Gastspiel des berühmten Roger, ersten Tenors der Academie Imperiale de Musique und der großen Oper zu Paris, für dessen Entrierung München Herrn Dingelstedt historischen Dank schuldet. Es erstreckte sich vom 10. bis 24. Juli auf die Rollen Raoul, George Brown (diese zweimal), Prophet, Edgar und Eleazar. Nach den beiden ersten Partien urteilt der Referent des „Punsch" über die euro- päische Notabilität:

„Gustav Roger, dem figürliches Gold aus dem Munde und wirkliches in die Tasche floß, der jetzt noch an der großen Oper eine Jahresgage von 100000 Frcs. genießt, Roger, der noch ,in seiner Töne Maienblüte' einst nach Deutschland kam, der namentlich am preußischen Hofe so enormen Effekt erzielte, muß ein ausgezeichneter, ein großer Sänger sein. Wenn dennoch Einiges einigen nicht gefiel, so beruht dieses, abgesehen von der Ebbe des Stimmstromes, wohl auf nationalen Unter- schieden. Die Mitteltöne haben den gesunden Erzklang nicht mehr und eine Kraftanstrengung gereicht ihnen am allerwenigsten zum Vorteil; mit Forte und Pianissimo kann das Kehleninstrument schalten,

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während ihm die Übergänge schwer fallen. Die Hauptwirkung dieses Sängers besteht überhaupt nicht in der Wucht der Stimmittel, Hauptsache ist ihm jetzt der Vortrag. Mehr als der Körper des Gesanges: Der Ton gilt ihm als das Geistige des Tones, die Bedeutung des Wortes, der Vortrag aber macht nicht nur des Redners, sondern auch des Sängers Glück, und er ist gerade ein Haupt- vorzug der Franzosen. Eleganz, sprudelnder Geist, Humor, das sind die dramatischen Erbteile dieser Nation, die uns Mitglieder der Nation der Denker und Dichter anfangs billig verblüffen. J.J. Rousseau sagt: ,Si les Frangais savaient chanter des sentiments, ils ne chanteraient pas de l'esprit' und Geist, Leben ist Rogers Vortrag. Wenn er auch als Raoul in den gewaltigsten Momenten keinen hohen Grad von szenischer Bedeutung errang, und den Klassizismus der Tragödie nicht so nachdrücklich handhabte, wie z. B. Härtinger, so bemerkten wir andererseits seine mimische Kombination gleich im ersten Akt, wo er nicht burschikos, sondern höchst bescheiden in den Kreis der Kavaliere tritt, in deren Gesellschaft er sich zum erstenmal befindet. Entschiedener Erfolg begleitete seinen , George Brown* in der ,Weißen Frau*. Die natürliche Grazie in jedem Wort, in jeder Bewegung, seine Non- chalance, sein Humor, alles vereinigte sich zu einem höchst amüsanten, liebenswürdigen Ganzen. Während der Fleiß, den er auf die Aussprache des Deutschen verwendet, seinem Gesang eine Deut- lichkeit verleiht, deren sich nicht allzuviele germanische Sänger erfreuen, hat dieser Akzent im Dialog etwas Drolliges, das hier vortrefflich zur Rolle paßt. Reiche Beifallsbezeugungen lohnen die angenehmen Eindrücke, die dieser Gast hervorruft, und der ihm gestern gespendete Kranz ist eine seiner Künstlerschaft gebührende Anerkennung."

Als Edgar in „Lucia" riß der berühmte Gast das Publikum, als Prophet dieses und den Kritiker zur höchsten Begeisterung hin, ohne Zweifel mit Recht. Doch soll er der Kassa, die ihm 60 Louisdor für den Auftritt bezahlte, „einige leichte Wunden" beigebracht haben. Solche mochte auch das Säckel der kunstliebenden Münchner um so mehr davontragen, als mit seinem Gastspiel das eben so anziehende des trefflichen Davison zusammen fiel, was als ein Fehltritt gegen eine alte Theater- regel seitens der Intendanz bezeichnet wurde.

Im September gastierte die kgl. preuß. Hofopernsängerin Johanna Wagner als Fides, Romeo, Valentine und Leonore (Fidelio). Auch in ihrem Lobe kennt der Referent des „Punsch" keine Grenzen:

„Die hervorragende Stellung dieser Künstlerin an der ersten deutschen Hofbühne (Berlin [?!]), der Ruf, der aus ,Ihrer Majestät Weltstadt' an sie erging, sowie der Kampf, den die zwei großen Londoner Direktoren, die Tonangeber für europäische und amerikanische Sängerglorie, um ihren Besitz führten, hatten auch hier für diese Erscheinung ein Interesse erweckt, welches sich in einer bedeutenden Füllung des Hauses kundgab. Johanna Wagner sang und spielte als erste Gastrolle die Fides. Sie ist eine junonische Gestalt, die schon imponiert, bevor man von der Macht ihrer Töne eine Ahnung hat. Die Kunstgeschichte kennt nur wenig Beispiele, welche die letzteren in der mittleren und tieferen Lage in solcher Vollkraft und bewältigenden Metallfülle aufgewiesen hätten. Bei allem Heroismus bewegt sich ihre Stimme in einem Wohlklang, der sie manchmal mit dem Tonschwall einer Orgel vergleichen läßt. Mit solchen organischen Kräften verbindet sich ein hoher Grad von schauspielerischer Intelligenz, wir verweisen nur auf die Eingangsszene im , Propheten', mit welch unbefangener Heiterkeit und gemütvoller Zuversicht sie die zagende Tochter ermuntert und dem Grafen als Braut vorstellt; nur ein solches Spiel macht die Situation deutlich und den darauf folgenden tragischen Gegensatz dramatisch wirksam usw."

Bei diesem hochtönenden Lob über Erscheinung, Stimme und Spiel ist jede Bemerkung über die Gesangsmethode des Gastes, worauf es in erster Linie ankäme, unterlassen. Dies beweist, daß der gesangskundige „St."-Referent als Mitarbeiter des „Punsch" bereits ausgeschieden ist. Schade, denn es wäre von großem Interesse

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gewesen, von fachkundiger Seite Genaues über die Gesangstechnik gerade dieser jedenfalls interessanten Künstlerin in ihrer Blütezeit zu hören, welche später als Lehrerin den Beweis, daß sie in Bezug auf Stimmbildung etc. den rechten Weg gegangen sei, eben nicht erbrachte. Über die drei anderen Rollen, von denen sie den Romeo zweimal sang, schreibt derselbe Berichterstatter kurz:

Gestern beschloß Frl. Wagner in der wiederholten Vorstellung der ,Capulets und Montagues' ihr ruhmreiches Gastspiel, nachdem sie noch als Fidelio, an welchem Abend ihre Stimme belegt schien, sich als Darstellerin bewährt hatte. Ihre Leistungen im vierten Akt der Hugenotten und zweiten Akt des Fidelio werden dem Münchner Publikum als Muster einer vollendeten und wahrhaft dramatischen Rezitation in unvergänglicher Erinnerung bleiben."

Vom eigentlichen Singen ist also wieder nicht die Rede. (Zu meinem Bedauern ist mir als 16jährigem Jungen dieses Gastspiel ganz entgangen; es handelte sich nämlich um die Entscheidung der [von altern Zeitgenossen aufgeworfenen] Frage, ob es der Dame nicht etwas an musikalischer Sicherheit gefehlt habe. Daß sich, allerdings in einer viel späteren Zeit, ihr eigner Herr Onkel über diese Frage klar war, bewies dessen von Ohrenzeugen kolportiertes Urteil über ihre Mitwirkung in der neunten Symphonie bei der Grundsteinlegung des Festspielhauses in Bayreuth.)

Den Schluß der Gastspiele machte eine Frau Kaiser-Ernst vom Nationaltheater zu Pest, welche als Fides, Valentine und Lucrezia die Gunst des Publikums be- sonders durch ihre liebliche jugendliche Erscheinung gewann. (Ob die jugendliche Erscheinunggerade der Darstellungder Fides förderlich ist, darf dahingestellt bleiben.)

Von den zwei Novitäten des Jahres war nur die erste so zu nennen: Sacontala, romantische Oper von A. Teichlein, Musik von Karl Freiherrn von Perfall, welche am 10. April zum erstenmal in Szene ging. Die Tatsache, daß bei dieser ersten Aufführung der Komponist nach dem zweiten und vierten Akt „stürmisch gerufen" wurde, bei der zweiten und letzten aber „das Parterre so leer war, daß man das Tischrücken (die bekannte Modekrankheit jener Zeit) leicht probieren konnte", würde zwar an sich eine weitere Besprechung des Werkes als unnötig erscheinen lassen, da aber der Komponist sich später als der prädestinierte Leiter der Kunstanstalt entpuppte, welchem er dieses Erstlingswerk anvertraute, ist es Chronistenpflicht, ein über dasselbe gefälltes Urteil hiemit historisch festzulegen. Nach einer ausführ- lichen Beschreibung des Textes, aus welcher sich herausliest, daß derselbe viel Ungeschicktes, Unverständliches und Langweiliges enthält, wobei dem Dichter bemerkt wird, daß er als „artistisch ästhetischer Tonangeber" zu einer strengeren Kritik herausfordere, urteilt der „Punsch" über die Musik und ihren Schöpfer im

allgemeinen:

„Selbst ein geübter Komponist hätte Mühe gehabt, zu einer Handlung, die hauptsächlich im Schlafen besteht, eine wirksame Musik zu schaffen, und nun ein Anfänger! Von Frh. v. Perfall hörte man bereits einige hübsche Karnevalspiecen, und man war ihm noch beim letzten Künstlerball für den Pfeifer von Hameln dankbar; dies durfte ihn aber nicht veranlassen, nun gleich mit einer großen vieraktigen Oper aus dem Gebiete des Dilettantismus in das der Kunst überzuspringen. Wer auf der Komponistenhöhe schweben will, hat verschiedenen kleinen irdischen Gottheiten zu opfern, als da sind: Geschmack, Melodie, Schule, Kompositionstechnik usw. Kann man sie nicht befriedigen, so werden sie Titanen, die den Himmel der gloriosen Selbstzufriedenheit stürmen und einreißen.

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Statt des Geschmackes finden wir ein Abweichen von Regel und Symmetrie des Gedankens, worin der Komponist wohl irrigerweise ein Mittel zur Originalität sieht; wo bleibt da Melodie, wenn kein musikalischer Gedanke ein reines klares Entstehen, keiner einen naturgemäßen Abschluß nachweist? Wo bleiben Technik und Schule, wenn nichts in einer schönen Abgrenzung hervortritt, sondern alles ineinanderschwimmt?"

Und auf einzelnes eingehend sagt der Referent: „Die Ouvertüre oder Einleitung beginnt mit einem Thema, das sich im Verlaufe mehrmals wiederholt, durch seine Unbedeutendheit aber nichts weniger als geeignet ist, einen gewissen Typus oder einen Charakterzug der Handlung darzustellen; der übrige Gang wird unverständlich. Dasselbe gilt von dem Entreakte zwischen dem dritten und vierten Akte. Die Chöre teilen sich in Priesterchöre und Wasser- und Laubnymphengesang. Bei den ersteren vermissen wir die durch verschiedene Momente geforderte Charakteristik, beim zweiten jedwede

Originalität Zu den einzelnen Gesangsnummern gehört in der Tat jene aufopfernde Tätigkeit, die

unsere Künstler einheimischen Genies so gerne widmen, um sich diese anstrengenden Motive und Bewegungen eigen zu machen. Eine einzige Nummer der Sacontala (die Arie ,Euch leg' ich alles') macht davon eine rühmliche Ausnahme, denn in ihr findet man doch etwas Ganzes und Klares. Gedenken wir noch der matten Pantomimen- und der schleppenden Ballettmusik (mit Ausnahme einer kleinen Bewegung im vierten Akte), und wir haben genug Beweise für die vorhergehenden Behauptungen, die nicht einem zufälligen oder persönlichen Urteil, sondern der aufrichtigen Liebe zur wahren, edlen Musik, der Verehrung für die Autorität der Schule und dem Streben zur Erhaltung eines reinen und gesunden Kunstsinnes entsprossen sind.

Das Theater war bei der ersten Aufführung ganz ,hausvoll'. Der mondbeschienene heilige Teich im zweiten Akt durchbrach zuerst die Schleusen des Beifalls, sowie überhaupt sämtliche Dekorationen: Hain, Tempel und Hauptstadt einen prächtigen Anblick gewährten und der Meisterschaft der Herren S. und A. Quaglio zu neuem Ruhme gereichen. Die Herren Härtinger und Kindermann und Frl.Hefner erhielten für ihre bewunderungswürdigen Leistungen öfteren Applaus, namentlich letztere nach der schon erwähnten hübschen Arie."

Außer dem geringen künstlerischen Erfolg hatte der Komponist noch einen kleinen materiellen Nachteil. Das „Augsburger Tagblatt" ließ sich aus München schreiben: „Die Oper Sacontala wird nicht mehr zur Aufführung kommen. Als Anfänger erhielt der Komponist kein Honorar; auch mußte er die Kopialkosten tragen, wogegen ihm die Nettoeinnahme der dritten Vorstellung zugesichert wurde, die jedoch nicht mehr stattfindet."

Wieder etwas sonderbar hatte der schon im Jahre 1826 unter Poißl gegebene „Faust" von Louis Spohr als Novität zu figurieren.') Nun waren daran eine von Meister inzwischen vorgenommene Bearbeitung und „Original-Rezitative" (welch letztere, da sie auf dem Zettel besonders genannt wurden, früher ver- mutlich weggelassen worden waren). Diesmal war die Besetzung des "Werkes,

welches am 12. Juni herauskam, folgende: Faust Herr Kindermann; Mephi-

stopheles Herr Kremenz; Graf Hugo Herr Brandes; Kunigunde, seine

Verlobte Frau Palm; Gulf, ein Ritter Herr Lenz; Fausts Gefährten....

die Herren Allfeld, L. Schmid, M. Schmid und Wirth; Rös'chen, ein Bürger- mädchen.... Fräulein H e fn e r ; Franz, Goldschmiedgeselle .... Herr H o p p e ; Sycorax, Hexenführerin Frau Wir'th; eine Hexe Frau Rohr leitner. Ein Bericht- erstatter des „Punsch" schreibt nicht allzu begeistert über die Erstaufführung:

') Auch im Jahre 1847 (im Januar) sind zwei Vorstellungen des Werkes zu verzeichnen, was hiemit nachgetragen sei,

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Am Sonntag hörten wir die Spohrsche Oper , Faust' in neuer Bearbeitung und mit den Original- Rezitativen. Die Musik enthält zwar einzelne Gesangstücke von großer Schönheit, doch fesselt sie mehr den Kenner durch den trefflichen Harmonienbau, als den Laien durch melodischen Effekt. Besonders ermüdend wirkten die allzu gedehnten Rezitative. Von lyrischer Zartheit ist die Arie Fausts (Herr Kindermann) , Liebe ist die zarte Blüte' usw. und das Duett zwischen Faust und Röschen (Frl. Hefner): ,Froh bewegt es mir die Brust usw.' Bravourstücke sind die beiden Arien Kunigundens (Frau Palm) ,Ja ich fühl' es, treue Liebe' usw. und ,Wie dich nennen, seltsam neues Sehnen?' worin besonders die obligate Klarinette Effekt macht. Ritterliche Begeisterung endlich tönt aus der Arie Hugos (Herr Brandes): ,Ja hoffe, Kunigunde!' Ein Glanzpunkt des Ganzen ist die schwungvolle melodiöse Polonaise im dritten Akt. Von den Mitwirkenden nennen wir besonders Herrn Kinder- mann, der das Metall seiner Stimme mit dem Feuer seiner Kraft zerschmolz" (sonderbare Metapher, mehr kühn als verständlich!); „Frau Palm, die für die schwierigen Aufgaben ihrer Partie besonders disponiert, mit großem Nachdruck sang und spielte, Frl. Hefner und Herrn Brandes. Gar wenig Charakteristik entwickelte der Mephisto des Herrn Kremenz. Als vorzüglich müssen die Leistungen der Chöre angeführt werden."

Eine bitterere Kritik als diese über einen „Faust", worin eine Polonaise als vorzüglichste Nummer hervorgehoben und das „Faust-Thema" gar nicht berührt wird, läßt sich wohl nicht denken. Sie ist zwar nicht die Arbeit eines Fachmusikers, gibt aber den allgemeinen Eindruck, das ist die volle Eindruckslosigkeit wieder, zu welcher eine gute Musik durch einen schlechten Text im voraus verurteilt war. Horribile dictu blieb der Spohr'sche „Faust", auf den der brave Meister so viel ernste Arbeit verwendet hatte, in München diesmal und nun für immer eine Eintagsfliege.

Mit den „Novitäten" war es also nichts in diesem Jahre. Neueinstudiert er- schienen: am I.Januar „Jakob und seine Söhne" von Mehul, am 23. Januar „Guido und Ginevra" von Halevy, am 6. Februar „Der Maskenball" von Auber, am 17. Juni Mozarts „Entführung aus dem Serail", am 28. September „Der neue Gutsherr" von Boieldieu.

In Bezug auf die Wiederaufführung des Mehulschen Werkes, in welchem besonders Kindermann als Jakob durch „begeisterten, erhabenen und ergreifenden Gesang" exzellierte, macht der „Punsch" folgende historisch bedeutsame Bemerkung, die ich hiemit nicht umsonst wiedergebe: „Die viele und erbärmlich stilisierte Prosa des Stückes wirkt unangenehm. Es wäre der Mühe wert, diesen Dialog umzuarbeiten und der Zeit der Handlung und der Erhabenheit der Musik anzupassen. Warum geschieht das nicht?" Es ist bis zur Stunde nicht geschehen. Der heute näher- liegende Gedanke, den langen und stilwidrigen Dialog durch stilistisch passende Rezitative zu ersetzen, konnte in der noch rezitativfeindlichen Zeit nicht erstehen.^) Aus einem andern Grunde interessant ist der Bericht über die Wiederaufführung der Mozartschen „Entführung": „Zum Besten des Pensionsvereins gab man ,Die Entführung aus dem Serail' (neu einstudiert), Galerie noble flau Logen wenig Nachfragen Sperrsitze und Parterre befriedigend das ist so unser theatralischer Wohltätigkeitskurszettel. Im vierten Rang waren ganze sechs Personen! Die

[•) M. Z enger ließ später eine neue deutsche Bearbeitung (mit Rezitativen) im Drei Masken-Verlag (Berlin) erscheinen; im Vorwort dazu entwickelte er seine Anschauungen.]

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Hauptpartien sangen Frl. Rettich (Constanze), Frau Diez (Blonde), die Herren Kremenz (Osmin), Hoppe (Pedrillo) und Brandes (Belmonte). Der Osmin des Herrn Pellegrini wurde schwer vermißt."

Diesem großen und beliebten Künstler widmet (am 15. Mai) der „Punsch" in offen- bar prophylaktischer Tendenz einen Panegyrikus, in welchem unter Hinweis auf einen glänzenden Empfang, den ihm das Publikum als Roland in den „Musketieren" bereitet habe, die Erhaltung des Unersetzlichen an der Bühne der Intendanz in- direkt zur Pflicht gemacht wird. Diese aber hatte auf die spontane Demonstration des Publikums bereits die nicht mißverständliche Antwort dadurch gegeben, daß sie bei der Neueinstudierung der Mozartschen Oper Pellegrini durch Kremenz ersetzte, und es ist sehr leicht möglich, daß darauf hinwiederum ein großer Teil des Publikums trotz des wohltätigen Zweckes mit Abwesenheit antwortete. Und mit Recht, denn noch im Jahre 1849 war Pellegrini als Osmin mit seiner göttlichen Stimme und seiner meisterhaften Charakterzeichnung die Seele der Oper gewesen.

Große Ereignisse werfen ihre Schatten voraus. Die schon am Anfang des Jahres für das nächste geplante erste allgemein-deutsche Industrieausstellung, welche in dem längst im Bau begriffenen Glaspalast abgehalten werden sollte, konnte unmöglich ohne Einfluß auf das Hoftheater und seine Leistungen vor sich gehen, welch letztere man sich, entsprechend dem großartigen Unternehmen und dem voraussichtlichen ungeheueren Fremdenandrang, nur als eine qualitativ und quantitativ erhöhte, durch besondere Reizmittel anziehende vorstellen konnte. Was geschehen sollte, darüber war sich noch niemand klar, nur wurde vorläufig auf Dingelstedts weitsichtiges Betreiben und zwar mit Hinweis auf die zu erwartende festliche Zeit, der Zuschauerraum des Hoftheaters durchaus neu hergerichtet und spät genug die Gasbeleuchtung eingeführt. Zu Anfang November mußte das Haus geschlossen werden und fanden im Odeon Interimsvorstellungen im Lust- und Singspiel statt; dieselben wurden mit Rossinis „Barbier von Sevilla" eröffnet. Die Wiedereröffnung des Hoftheaters wurde Freitag, den 23. Dezember mit Goethes „Faust" glücklich vollzogen, nachdem Dingelstedt, den erst zwei Stunden vor der Vorstellung fertig gewordenen neuen Kronleuchter mit „Und es ward Licht" begrüßte.

Bezüglich dessen, was nun beraten und vorbereitet wurde, halten wir uns wieder an die eigene Erzählung Dingelstedts in den „Münchner Bilderbogen", nunmehr deren zweiten Teil: Dodekameron.

Zu München an dem äußersten Ende der Arcisstraße, gerade gegenüber dem neu erstandenen Glaspalaste, hatte Liebig, der Chemiker, sein Laboratorium, seinen häuslichen Herd aufgeschlagen. Hier tagten oder nächtigten mehr die ,Berufenen', in deren Reihen Liebig einer der ersten war: Dönniges, der Diplomat, Geibel und Bodenstedt, die Dichter, v.Pfeufer, Arzt und Universitäts- lehrer, Bischoff, der Anatom und Physiologe, Sy bei, der Historiker. „Hierin einerkalten Dezember- nacht saßen und tranken Australierwein zusammen die drei Personen der kommenden Handlung:

ein langer Mann ,ICH', ein dicker Mann Karl Pfeufer, ein großer Mann Liebig. Der

Australier brachte das Gespräch auf die Industrieausstellung, für die er bestimmt war, die in sechs Monaten beginnen sollte. Liebig, zum Mitglied verschiedener Kommissionen ernannt, erzählte von

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allerhand Vorbereitungen. Die Maler sollen ebenfalls eine Bilderausstellung von ganz Deutschland veranstalten. Da lag die Frage nahe, was wird das Theater tun? Aber darüber kam die Beratung der drei Männer zu keinem Ziel." Pfeufer und Dingelstedt, die nach Mitternacht einander bei tiefem Schnee wiederholt nach Hause begleiteten, berieten weiter. Auf dem Weg von der Briennerstraße zum Karolinenplatz kam Dingelstedt plötzlich, wie vom mondbeglänzten Obelisken, ein Rettungs- strahl, ein Heureka, es hieß: „Gesamtgastspiel." Den Rat Pfeufers, die Sache zu überschlafen, befolgte Dingelstedt nicht. Er arbeitete über Nacht den gefaßten Plan embryonisch aus, und als König Max des nächsten Abends beim Hofkonzert ihn mit der Frage ansprach, was er im neuen Jahr zu bringen beabsichtige, antwortete er ä bout portant: „Ein Gesamtgastspiel der deutschen Bühnenkünstler" (sollte heißen: Schauspieler) „auf Eurer Majestät Hoftheater zur Zeit der Industrie- ausstellung." Der König interessierte sich dafür in ungewöhnlichem Grade und zog Dingelstedt in ein langes Gespräch. Schon für den nächsten Morgen konnte Dingelstedt seinen fertigen amtlichen Bericht nebst Kostenanschlag ankündigen, worauf der König entgegnete: „Viel Glück also zum neuen Jahr, zum neuen Plane. Meine Teilnahme, meine Unterstützung ist ihnen gewiß." In wenigen Tagen hatte Dingelstedt bereits die Genehmigung seines Antrags in den anerkennendsten Ausdrücken, schriftlich in Händen.

Die unter schwierigen Verhältnissen durchgesetzte Ausführung des hiermit äußer- lich garantierten Unternehmens gehört dem nächsten Jahre an. 1854 In den Annalen der Stadt München ist das Jahr 1854 als ein arges, als das Jahr der Cholera in ihrer verheerendsten Kraft, verzeichnet. Daß von ihrem Beginn (gegen Ende Juli) an auch das Theater in Mitleidenschaft gezogen wurde, ist selbst- verständlich. Ein merkwürdiger Zufall wollte es aber, daß schon vom Beginn des Jahres eine Reihe unvorhergesehener Vorkommnisse, namentlich viele Erkrankungen und Urlaube, störend und hemmend in die Tätigkeit aller Branchen einwirkte. Was trotzdem von der historischen Großtat des Schauspiels abgesehen auch die Oper leistete, ist geradezu staunenswert.

Schon am 6. Januar ging zum erstenmal in Szene „Der Alte vom Berge" (oder »Die Kreuzfahrer"), große Oper in 5 Akten von Julius Benedikt. Dieser seiner- zeit hochangesehene Komponist gehörte, ähnlich wie Mendelssohn-Bartholdy, zu den wenigen seines Berufes, denen das Schicksal die Wege zur Erreichung ihres Zieles nicht mit Hindernissen bepflastert, sondern von vornherein durch materiellen Wohl- stand geebnet und angenehm gemacht hatte. Er war der Sohn eines jüdischen Bankiers. [Einer seiner Lehrer war C. M. v. Weber (vergl. darüber die Biographie des Sohnes). Seine Wege führten ihn nach London, wo er völlig verengländerte.] Seine Richtung als Opernkomponist war anfänglich naturgemäß die eines Weber-Epignonen, doch brachte es seine Stellung in London, wo mit Vorliebe die italienische Oper gepflegt wurde, mit sich, daß er auch nach dieser Seite opportune Konzessionen machte. Diese Stilvermengung, welche man dem Komponisten bei aller Gediegenheit des Satzes und trefflicher Instrumentierung zum Vorwurf machen konnte, mag zum Teil der Grund gewesen sein, warum „Der Alte vom Berge" mir als jungen Menschen einen anderen bestimmten Eindruck, als daß er manches Alte berge, nicht machen konnte. Der „Punsch" spendet ihm ein ziemlich bombastisches Lob, indem er schreibt:

„Das Abonnement im neuen Jahre ist mit einer interessanten Novität eröffnet worden, mit Bene' dikts großer Oper ,Der Alte vom Berge' oder ,Die Kreuzfahrer*. Der Komponist er behauptet nicht nur durch seine Tondichtungen, sondern auch als Virtuos und vermöge seiner verschiedenen

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Ludwig Schnorr v. Carolsfeld Max Schlosser 1868 1890

Malwine Schnorr v. Carolsfeld Franz Nachbaun 1868 1895

Tristan

Kurwenal

„Wohl etwas reicher - mehr den Rittern ähnlich.

^<

Isolde

,, Das weiße Gewand für alle 3 Akte beizu- behalten, am Schluß des 1. wird der weiche, byzantinische Königsmantel übergelegt; im 2. Akt ganz ohne Mantel."

Brangäne

, Vielleicht etwas reicher, weniger als Magd, mehr

als vertraute Genossin der Königstochter

aufzufassen."

Figurinen zu Tristan und Isolde von Franz Seitz

Die Bemerkungen sind von Richard Wagner darunter geschrieben.

innegehabten Stellungen einen Platz in der neuen Musikgeschichte und schon seine Persönlichkeit erweckt Interesse dirigierte die Oper eigenhändig. Dieses Werk, das unter dem Titel ,The Assassins' von England aus bekannt wurde, und seit fünf Jahren auch in Stuttgart, Hamburg und Breslau zur Aufführung kam, vereinigt in vielen Stellen den Melodienreichtum und die Süßigkeit des italienischen Gesanges mit positiver musikalischer Wissenschaftlichkeit, mit selbständiger Schöpferkraft (!), mit deutscher Gediegenheit. Bei der großen Bevorzugung der italienischen Musik in England, wo Benedikt wirkt, mußte sich sein Talent mit den Rücksichten des Wohlklangs und dem geforderten leichten Fluß der Melodien befreunden, aber, obwohl teilweise Bekenner des modernen Effekts, hat Benedikt die Grundsätze seiner großen Lehrer Hummel und Weber in treuer Brust konserviert, und der bewunderungswerte Kunstbau seiner Instrumentation (?) zeigt den Mann der gründlichsten Bildung und des Geschmackes." Hier eine weitere historische Exkursion. „Ein nicht oberflächlicher, sondern gediegener Glanzpunkt seiner Komponistentätigkeit ist sicherlich die gestern aufgeführte Oper, die auch mit entschiedenem Erfolge durchschlug. Besonders ragen hervor: Das Lied Bohemunds im ersten Akt: ,Was auch dein Los im Leben sei', welches auf stürmisches Verlangen repetiert werden mußte (der Referent vergißt hier zu sagen, daß Härtinger den Bohemund sang!); das Duett zwischen Almea und Ismael im dritten Akt: ,Voll Freude schlägt die Brust'; der Siegesmarsch im vierten Akt, dann das darauffolgende herrliche Vokalquintett: ,Es glänzte mir so schön', endlich im fünften Akt Isoldens Romanze mit obligater Violine und das brillante Schlußduett zwischen Almea und Isolde. Die Leistungen der Herren Kindermann, Härtinger, Pellegrini, Brandes, der Damen Hefner und Diez erfreuten sich der regsten Anerkennung, sowie überhaupt das Fleiß und Liebe zur Sache bekundende Zusammenwirken des ganzen Personals sich um die Dichtung ein ehrendes Verdienst erwarb. Die Ausstattung an Kostümen und Dekorationen ist reich und pracht- voll. Das Arrangement der Tänze, Züge, Kämpfe usw. ist sehr sachgemäß und wurde auf das exakteste durchgeführt. Von Nachmittag 3 Uhr bis zur Eröffnung der Kasse drängte sich eine immer dichter werdende Menschenmasse vor dem Theaterportal und war in den populären Räumen nur Kopf an Kopf zu sehen. Auch wurde angenehm bemerkt, daß das Pfropf- und Pökelsystem in den Logen aufgehört hat, und nur mehr die normale Zahl von Sitzen geduldet wird."

Zum Verständnis dieser letzten Bemerkung bringt dieselbe Nummer des „Punsch" im Voraus eine Szene zwischen zwei Münchener Frauen, worin die eine mitteilt, daß sie „so a 17 Personen alleweil hineingebracht" habe. Eine Loge habe sich, meint sie, rentiert. Auch ein hübscher Zug des Münchener Publikums unter dem Walten des Talglichtes, der aber durch die Gasbeleuchtung abgestellt wurde!

„Der Alte vom Berge" ward vom 6. Januar bis zum 25. Mai sechsmal aufgeführt, mußte 1855 pausieren, um dann von 1856 bis 1861 noch fünf Wiederholungen (wobei wieder zwei Jahrgänge übersprungen wurden), im ganzen 12 Aufführungen zu erleben. Wie schon an anderer Stelle angedeutet, ist es nicht nur Pflicht der Bühnenleitungen, aufführungswürdige Opern überhaupt zu geben, sondern mindestens ebenso wichtig ist es, daß sie dieselben zur rechten Zeit geben und auch zur rechten Zeit wieder- holen, Zufälligkeiten, wie z. B. Austritt oder Tod von wichtigen Mitwirkenden, können plötzlich die Wiederholung auf lange Zeit vereiteln, und dann kann nach dem in der Musik nun einmal herrschenden Gesetz des schnellen Richtungswechsels dem Werk unversehens der Boden entzogen, ein Unrecht an seinem Schöpfer verübt sein, der nun um einen verdienten Erfolg gebracht ist. Das Geschäft des „Alten vom Berge" wurde im Jahre 1855 ohne Zweifel durch das Erscheinen und den unerwarteten Erfolg des „Tannhäuser" eingestellt. Nun war er mindestens 4 Jahre zu spät gekommen und mit dem besten Willen nicht mehr zu halten. Denn keiner

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Richtung war Wagner aus inneren Gründen so gefährlich, als dem ihm unmittelbar vorausgehenden Web er- Epigonentum, was selbst der orginellere und stärkere Marschner gar bald durch allmähliches Verblassen bestätigen sollte. Weit leichter konnte sich neben ihm sein stärkster Gegensatz, die moderne italienische Oper, geltend machen und in Geltung erhalten.

Einen Beweis dafür hätte gleich die zweite Novität dieses Jahres, der am 20. April erschienene „Rigoletto" von Giuseppe Verdi liefern können, die erste Oper dieses Meisters, in welcher derselbe mit den alten Traditionen des Sängervirtuosentums als obersten Prinzipes bricht und das größere Gewicht auf dramatische Be- handlung und Wirkung legt. Aber hier vereitelte den Erfolg wieder das bekannte nationale Hindernis. Frl. Rettich hatte den Gesangspart der Gilda mit dem ihr eigenen Fleiß studiert und brachte davon namentlich den figurativen Teil wieder mit bewunderungswerter Exaktheit zur Geltung; allein wie dramatische Auffassung überhaupt nicht ihre Stärke war, so konnte sie sich das bewegliche, speziell italie- nische Temperament, worauf es in dieser Rolle vor allem ankommt, nun einmal nicht geben. So kam es, daß sie gesanglich imponierte, für sich sehr, für die Rolle gar nicht interessierte. Der Referent des „Punsch" schreibt: „Mit wahrer Bravour gab Frl. Rettich die Gilda. Ihre künstlerisch vollendete Leistung lieferte den Beweis, welches Maß von Wirkung und Ausdauer die natürlichen Stimmittel an der Hand echter musikalischer Bildung zu erreichen vermögen. Die Sicherheit des Ansatzes, die außerordentliche Fertigkeit unbeschadet der Reinheit eines jeden Tones boten ein wahres Muster des figurierten Gesanges." Trotz alledem blieb das Ver- ständnis der Rolle, das allenfalls eine Sontag oder Jenny Lind vermittelt haben würde, den Münchnern vorenthalten, und damit war gerade die sympathische Seite der Oper verloren. Aber auch Kindermann verkannte als Rigoletto seine Auf- gabe, indem er in Stimmgebung viel zuviel, in Charakterzeichnung, der hier ein so großes Feld gegeben, viel zu wenig tat. Daß „auch Herr Brandes seinen Part als Herzog aufs beste sang und spielte", haben andere anders beurteilt, es fehlte ihm nach beiden Seiten an der feinen, gewinnenden Liebenswürdigkeit, welche diesen Tenor singenden Don Juan sympathisch machen könnte. So geschah es, daß diese Oper, welche ohne Schau- und Prunkstück mehr als andere auf persön- liche Leistungen angewiesen ist, scheinbar einen geringeren Erfolg hatte, als der „Alte vom Berge". Sie wurde in diesem Jahre der Wirrnisse nur noch einmal (am 25. April), dann im Jahre 1856 dreimal, 1858 und 1859 je einmal aufgeführt, um nun bis zum Jahre 1871 zu ruhen, wo mir die traurige Aufgabe zufiel, sie mit einer ganz talentlosen Gilda „einmal nacheinander" aufzuführen. Aber sie hat sich tat- sächlich gehalten, denn sie tauchte später wieder auf. Eugen Gura hat während der Zeit seiner Wirksamkeit an der Münchener Hofbühne den Rigoletto unter großem Beifall gesungen und gespielt. Der ideale Vertreter dieser schauspielerisch so hoch interessanten Rolle war d'Andrade, der in München in den 80er Jahren darin gastierte; und während ich dieses niederschreibe, sehe ich in den „Münchner Neuesten Nachrichten" angezeigt: 19. April (19051) neu einstudiert: Rigoletto. Der

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erste Erfolg der Neueinstudierung war ein ausverkauftes Haus nach 51 Jahren seit der Premiere. „Der Alte vom Berge" aber ist verschollen.

Der Erstaufführung der dritten Novität: „Tony", große romantische Oper von E. H. z. S. (Ernst, Herzog zu Sachsen-Koburg), auch als „Tony, der Wildschütz" be- zeichnet, widmet der „Punsch" folgenden loyalen Bericht: „Donnerstag, 22. Juni: Tony, der Wildschütz, romantische Oper in 3 Akten, Text von Frhr v. Eisholz, Musik von Seiner K. H. dem Herzog von Sachsen-Koburg-Gotha. Dieser ausgezeichnete Prinz, der durch seinen Patriotismus (er ist Sieger bei Eckernförde), wie durch seine Liebe zu Kunst und Wissenschaft bei der deutschen Nation in so hohem Ansehen steht, widmet einen großen Teil seiner Mußestun-den der Musik. Von mehreren Leistungen auf dem Gebiete der Tondichtung hat namentlich seine neueste Oper: jSanta Chiara' im In- und Ausland gleiche Anerkennung gefunden." (Ich habe diese Oper in der Saison 1859 und 1860 in Leipzig gehört, und sie hat mir nicht übel gefallen.) „,Tony* gehört zu seinen Erstlingswerken, verrät aber an vielen glänzenden Stellen das schöne Talent seines Schöpfers. Die Musik zeugt von tüch- tiger musikalischer Kenntnis und frischer Phantasie, besonders in einigen Jäger- chören und dem Trinklied im 1. Akt ,Frisch vom Faß die Tropfen rinnen*. Dabei sprudeln die Violinen so lustig wie der Wein. Im 2. Akt spricht namentlich Berthas Romanze an, von Frau Diez mit großem Effekt gesungen. Die schönste Nummer ist wohl der vierstimmige Kanon: ,Ein unerklärlich Bangen etc.' Frau Diez und Herr Kindermann leisteten Vortreffliches, auch die steyerischen Ländler mit obligatem Chorgesang, ausgeführt von den Geschwistern Fenzl, fanden Beifall." Die Oper erlebte zwei Wiederholungen, von denen die letzte, am 17. August, schon in die Cholerazeit fiel.

Hart vor dieser war gerade noch das Gesamtgastspiel zustande gekommen und konnte noch vor dem völligen Publikwerden der sehr rapid und ernst auftretenden Seuche zu Ende geführt werden. Dingelstedt schreibt darüber in den „Bilderbogen" :

„Wenn es eine Vorsehung im Theater gibt Fidelio versichert es mit schwärmerischem Augen- aufschlag in die Kerkersoffiten , so war sein Eigensinn" (der Eröffnung des Glaspalastes zuvor- zukommen) „providentiell. Hätten wir erst nach der Industrieausstellung, erst gegen Ende Juli ange- fangen, so würden wir auch sofort aufgehört haben ; denn Ende Juli trat ein größerer Gast : die C h o 1 e r a in München auf." Dienstag, den 18, Juli, während der ersten Darstellung des „Faust", war Polizei- direktor Düring in Dingelstedts Loge gekommen „zu einer dringenden Mitteilung": „Machen Sie, daß Sie fertig werden (mit dem Gastspiel). Es ist ein Unwetter im Anzüge, das wir nicht lange mehr verheimlichen können. Eben komme ich aus dem Krankenzimmer in Ihrem Hause. Ein junger Bursch ist aus dem Parterre dahin und sofort weiter ins Spital geschafft worden. Armer Teufel! Heut' abend erst ist er aus Zürich zugereist und sofort ins Theater gestürzt, um die Seebach als Gretchen zu sehen. Ehe sie aufgetreten, ward er hinausgetragen. Polizei und Theaterarzt sind einer Meinung Cholera!" Bis gegen Ende Juli ließ sich die öffentliche Panik noch leidlich unterdrücken, namentlich das Gesamtgastspiel bei täglichen Vorstellungen bis zum 31. durchführen. „Dann brach es los, das gräßliche Unwetter, mit elementarer Gewalt, Fremde und Einheimische gleich einer scheuen Herde nach allen Weltgegenden verscheuchend, in der herrlich aufgeblüten Stadt Monate wütend, zuletzt noch in seinem Abgange die gute Königin Therese niederstreckend. Das Hoflager war zuerst nach Nymphenburg, dann nach Berchtesgaden verlegt worden. Friedhof und Leichen- haus waren die einzig frequenten Stellen der verödeten Stadt. Die im Trab fahrenden Leichenwagen

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hatten die glänzenden Hofkutschen und Galaequipagen abgelöst, welche unlängst mit ihrem Lärm noch die weiten Plätze von Isarathen erfüllt." Das Bild zu vervollkommnen, kann ich aus meiner Erinnerung hinzufügen, daß gewöhnlich die Totengräber, welche natürlich die weiten Strecken nicht laufen konnten, zum Schrecken eben Passierender aus dem Leichenwagen, dem dunklen Sargbehälter, gekrochen kamen, in den sie dann wieder den nächsten Sarg beförderten.

In dieser düsteren, gefahrvollen Zeit erprobte sich Dingelstedt durch Uner- schrockenheit und Pflichttreue als ganzer Mann. Er hätte, nachdem ihm die Pflegerin seiner Kinder an der Seuche gestorben und er seine Familie auf Pfeufers Befehl nach Ischl geschickt, gemäß eines Urlaubs, den er nach beendetem Gastspiel vom König erhalten hatte, das Recht gehabt, die Stadt ebenfalls zu verlassen, doch hielt er auf seinem Posten aus, da der König gleichzeitig befohlen hatte, das Theater unter keinen Umständen zu schließen. Wenn der Intendant davonging, konnte man keinem Mitglied zumuten, auszuhalten. So ward seine Hauptbeschäftigung, täglich einen Theaterarbeiter, welcher Branche es sei, zur Erde bestatten zu helfen. „Donnerstag, den 14. September um V24 Uhr morgens verschied ,nach kurzem Leiden', wie die Todesanzeigen euphemistisch zu sagen pflegten, unsere ausgezeich- nete Koloratursängerin Henriette Rettich, als Jettl' in und außer dem Hause populär, nachdem sie Freitag, den 8. September noch ,bei festlich beleuchtetem Hause zur Feier des Allerhöchsten Namensfestes Ihrer Majestät der Königin* die Martha gesungen hatte. Das traurigste Galatheater, dem ich jemals beigewohnt hatte! Dienstag in später Abendstunde ließ mich die Unglückliche bitten, zu ihr zu kommen. Ich fand sie vollkommen bei Besinnen und auf das sichtlich nahe Ende wunderbar gefaßt. Sie übergab mir die Schlüssel zu ihren Schränken und Schatullen, worin ihre Barschaft, ihr Schmuck, ihre Wertpapiere aufbewahrt waren, weil sie keine Angehörigen in der Nähe hatte. Darauf dankte sie mit rührenden, mehr gehauchten als gesprochenen Worten für den letzten Liebesdienst, für alles Gute, was ich ihr erwiesen, und umarmte mich" [eine Cholerakranke umarmt und küßt ihn? Dingelstedt trägt hier schon etwas stark auf I] „zum Abschied auf ewige Zeiten. Ich weiß zur Stunde nicht, wie ich die Treppe heruntergekommen, von der Eiseskälte der blauen Lippen bis ins tiefste Herz durchschauert [1]. Der Kranken- wärter, der mir leuchtete, mußte mich stützen. Er sah mich bedenklich von der Seite an und brummte, während er die Haustüre hinter mir schloß: ,Hätten auch was G'scheiteres tun können, als daher kummen*".

Ein possierliches Gegenstückchen zu dieser Tragik ist Dingelstedts Erzählung,^) wie er sich selbst einbildete, die Cholera zu kriegen, wie seine alten Domestiken ein ganzes Magazin wollener Decken, alle erreichbaren Federpolster etc. auf ihn warfen, damit er ordentlich schwitze, wie Freund Pfeufer, vor Lachen sich schüttelnd, ihn aus dieser Einhüllung befreite, ihn zu einem Ausflug nach Schleißheim mit- nahm und ihn endlich nach Ischl zu den Seinigen schickte. Auf der Landstraße zwischen Salzburg und Ischl begegnete er den kgl. Majestäten. König Max sagte zu

[') Auch diese Erzählung dürfte mehr Dichtung als Wahrheit sein, wie so vieles, vieles andere in den „Münchener Bilderbogen." Der Herausgeber,]

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ihm: „Sind Sie hier, also gehts im Theater besser?* Er: „Majestät, ich habe Wort gehalten, es ist nicht geschlossen worden .... In der Oper wurden die Proben zu den , Lustigen Weiber von Windsor' auf die traurigste Weise unterbrochen durch den Tod der Rettich. Die Labdakiden-Trilogie zu wiederholen, hatte ich aufgeben müssen, weil auf der Probe des ersten Stückes , König Ödipus' die Exposition das wehklagende Volk vor dem Palast von Theben alle Beschäftigten durch die furchtbaren Vergleiche der Wirklichkeit zu tief erschütterte." Und der König gab ihm recht, daß er gegangen, wozu er längst berechtigt gewesen sei.

Welche tiefeingreifenden Folgen die schreckliche Seuche in Verbindung mit vielen andern mißlichen Zufällen für das ganze Theaterpersonal und für die Führung der Geschäfte, insbesondere Bestellung des Repertoires hatte, geht deutlich aus der am I.Januar 1855 veröffentlichten Jahresübersicht hervor, welche Dingelstedt in den „Münchner Bilderbogen" und auch Grandaur in seiner „Chronik" mitteilt:

„Abweichend von den Übersichten früherer Jahre muß die diesmalige, vor dem im K. Hof- und Nationaltheater Geleisteten zunächst auf das Erlittene zurück- blicken. Denn es haben die allgemeinen und öffentlichen Kalamitäten des ver- gangenen Jahres nicht nur unmittelbar auf die Anstalt in verschiedenster Weise eingewirkt, sondern es sind auch innerhalb des Theaters besondere und unge- wöhnliche Zustände dazugekommen, welche jede plan- und regelmäßige Tätigkeit unterbrachen, sowie die Gesamtwirksamkeit allseitig und nachhaltig beeinträchtigten. Vom Beginn des Jahres hatte man infolge der binnen kürzester Zeit und erst am 26. Dezember 1853 vollendeten Restauration des Hauses mit allen Unzukömmlich- keiten neuer Räume und ungewohnter Einrichtungen zu kämpfen. Ebenso währte fast eine ununterbrochene Reihe von Unpäßlichkeiten, Krankheiten und außerordentlichen Urlauben fast sämtlicher erster Mitglieder in allen drei Kunstzweigen. Wie gewaltsam diese unaufhörlichen Störungen in das laufende Repertoire eingriffen, ergibt sich aus der aktenmäßigen Zählung und Zu- sammenstellung, laut welcher sie durch Krankheit oder durch Urlaub:

I. Im Schauspiel:

Herr Dahn 59 Tage Frau Dahn-Hausmann . . 156 Tage

Frau Dahn 83 Frl. Denker 82

Frl. Damböck 122

II. In der Oper:

Herr Brandes 125 Tage Frl. Hefner 205 Tage

Herr Härtinger 259 Herr Pellegrini 163

III. Im Ballett:

Herr Franz Fenzl .... 61 Tage Frl. Haller 84 Tage

Frl. Fenzl 149

dem Dienste des K. Hoftheaters entzogen worden sind, wobei bemerkt wird, daß in dieser Zusammenstellung nur erste Mitglieder und nur diejenigen Fälle auf- geführt worden sind, deren Gesamtzahl die Ziffer von 50 Tagen übersteigt, und

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daß durch eben diese und die andern nicht verzeichneten Verhinderungen von den sämtlichen 255 Vorstellungen, welche im Laufe des Jahres stattgefunden haben, nur 31 dem ursprünglichen Repertoire-Satz entsprechend vor sich gingen, während alle übrigen 204 Abänderungen oft wiederholten, nicht selten am Tage der Vor- stellung selbst, unterworfen waren."

Die Cholera machte bekanntlich kurzen Prozeß, indem sie ihre Opfer nach längstens drei Tagen entweder mitnahm oder losließ. Die auffallend lange Dienst- entziehung der genannten vier Opernmitglieder aber ist auf das Walten eines besonderen Unsterns zurückzuführen, dem es gerade beliebte, zum Schaden der Bühne mit der Seuche zusammenzutreffen. Ob der Tenorist Brandes von seinen 125 Verhinderungstagen nicht einige heruntergebracht hätte, wenn er seine Gesundheit weniger durch Trinken und Nachtschwärmen hätte gefährden wollen, mag dahin- gestellt bleiben. Pellegrini wurde am I.September von der Cholera befallen, doch er genas; die Versäumnisse von dieser Zeit sind durch seine außerordentliche Schwerfälligkeit infolge von Fettsucht hinlänglich erklärt. Anderweitig erkrankt sind in diesem Jahre Här tinger und Josephine Hefner, ersterer an einem chronischen Katarrh des Kehlkopfs und der Stimmritze, welcher ihn nach wieder- holten Störungen schon während der ersten fünf iVIonate, von da an aber dem Dienst endlich ganz entzog (die Ursache dieser Erkrankung war ohne Zweifel eine Überanstrengung der Stimmbänder durch zu häufiges Einspringen für den Kollegen Brandes, oft in Rollen, welche Härtinger nicht lagen); letztere an einem nicht genau genannten, und zwar, wie es scheint, tieferen Leiden.

Für Härtinger genehmigte der König einen Urlaub vom 21. Dezember bis Ostern 1855 zum Aufenthalt in Pisa oder Nizza mit dem huldvollen Vermerk: „...um den Versuch zu machen, ob nicht der seit einer Reihe von Jahren auf der Hof- bühne mit Beifall wirkende und Mir geschätzte Sänger derselben durch eine ange- messene Kur noch für länger erhalten werden könnte. Ich hoffe, daß nach Ablauf dieses Urlaubs die nachhaltige, wenn auch anfangs nur mit Schonung zu verlangende dienstliche Verwendung Härtingers möglich sein wird." Die Hoffnung des Königs, Härtinger auf diese Weise dem Kunstinstitute zu erhalten, sollte sich nicht erfüllen.

Frl. Hefner erkrankte ernstlich im Oktober. Am 1. Dezember machte sie von ihrem Kündigungsrechte Gebrauch, und zwar unter der bescheidenen Annahme, daß sie damit „die Intendanz von einem ständig kranken Mitgliede befreie". Die Kündigung wurde angenommen, jedoch mit der schmeichelhaften Versicherung, daß das Publikum und die Intendanz die beliebte Künstlerin nur ungern scheiden sehen. Darauf zog Hefner die Kündigung zurück, und ihr noch laufender Kontrakt blieb aufrecht, aber vergeblich, wie die Personal veränderungen im nächsten Jahre zeigen.

Für fünf Vertreter erster Fächer, welchen dieses Jahr den Scheidegruß gab, boten die neuen Personalakquisitionen wahrlich kein Äquivalent. Nur für die schon 1853 abgegangene Frau Palm-Spatzer ward endlich ein würdiger, wenn auch nicht voller Ersatz durch Frau Magdalena Behrend-Brandt gefunden, welche in Frankfurt a. M. von Dingelstedt persönlich engagiert, am I.Juni eintrat.

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Auch der Wechsel im Alt-Fach gab keinen Grund zur Unzufriedenheit, indem für die nicht beliebte Stanko (seit 1853 Frau Butz) mit 1. Mai Frl. Emma Seehofer engagiert wurde, welche dann als brauchbares, freilich nie hervorragendes Mitglied der Bühne viele Jahre angehörte. Aber die korrekte und edle Gesangskunst der schnell dahingerafften Rettich blieb ohne ebenbürtige Nachfolge, wenn auch Frl. Franziska Schwarzbach, welche am 1. Oktober eintrat, mit einer anmutigen Sopranstimme ein bewegteres Spiel bei hübschem Äußeren verband. Einen unverwindlichen, nach- haltigen Stoß erlitt das Tenorwesen, indem von den beiden Vertretern desselben, die vorläufig nur erkrankt waren, der eine, Brandes, schon schwer, der andere, Härtinger, überhaupt nie und nimmer ersetzt werden konnte. War es gerade unter diesen Umständen schon ein Wagnis, nach Friedrich Young, einem noch im Stadium des Anfängertums befindlichen, sehr jugendlichen Sänger zu greifen, so muß die Verlegenheit, welche veranlassen konnte, den unter der Intendanz Yrsch mit wenig Ruhm bedeckten und deswegen entlassenen W idemann aufs neue zu engagieren, den denkbar höchsten Grad erreicht haben. Ersterer trat mit I.Juli, letzterer mit 1. Oktober ins Engagement. Daß für den herrlichen Pellegrini, dessen (im nächsten Jahre erfolgendes) Ausscheiden ebenfalls bereits besiegelt war, kein Ersatz gefunden werden konnte, haben bereits drei Bassisten, die Herren Hofer, Salomon und Kremenz, ziemlich anschaulich gemacht.

Überaus wichtig für die Direktion der Oper war die Wiederbesetzung der seit Ignaz Lachners Abgang vakanten Stelle eines zweiten Kapellmeisters (Musik- direktors) durch Friedrich Wilhelm Meyer. Am 31. Mai berichtete Dingelstedt an den König: Die seit 1. Oktober 1853 nicht mehr besetzte Stelle eines zweiten Kapellmeisters sei bisher von „dirigierenden Mitgliedern"^) der Hofkapelle, Mitter- maier und Moralt, zum großen Teil aber von Franz Lachner selbst versehen worden. Dieser sei dadurch überlastet und bedürfe notwendig einer zweiten Kraft. Es haben sich Peter Moralt, Pentenrieder und Kunz beworben; allen dreien fehle aber das nötige Ansehen und Energie. Unter zwölf auswärtigen Bewerbern kämen fünf in Betracht, die aber zu große Anforderungen stellten. Meyer, der Stettiner Kapellmeister, begnüge sich mit dem Gehalte, den Ignaz Lachner gehabt (1200 fi.), und werde daher ein Vertrag mit diesem auf ein Jahr beantragt. (Was die hier ausgesprochene Beurteilung der genannten drei Münchener Kandidaten betrifft, so hat sie der Intendant offenbar etwas leicht genommen. Der Geiger Peter Moralt einerseits und die Komponisten Pentenrieder und Kunz andererseits waren wohl nicht einerlei Kategorie, und unbeschadet der Berechtigung Meyers zu diesem Posten darf wohl ausgesprochen werden, daß mit Konrad Max Kunz ein Berufener ungerecht übergangen wurde.)

An Meyer hatte sich Dingelstedt auf Empfehlung Salomons (wie es im Meyerischen Personalakt heißt) schon gegen Ende April des Jahres mit der Frage um seine Ansprüche gewendet und nach erlangter Antwort ihm am 7. Mai

*) Diesen Titel führten damals bessere oder bevorzugte Orchestergeiger (heute Konzertmeister).

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die Stelle um 1200 fl. Jahresgehalt mit Aussicht auf 1700 fl. im zweiten Jahre an- geboten. Der Antrag vom 31. Mai wurde vom König auf ein Jahr voml. August 1854 bis 1. August laufend genehmigt. Daß sich Dingelstedt den neuen Musikdirektor mit Umgehung des zu einem Gutachten zweifellos berechtigten Generalmusikdirektors von einem Sänger empfehlen ließ (ob diese Empfehlung noch bei dessen An- wesenheit in München gelegentlich oder später brieflich geschah, ist nicht gesagt), Lachner also bei der Wahl seines Kollegen ganz aus dem Spiele blieb, deutet gewiß nicht auf ein einträchtiges, harmonisches Zusammenwirken, sondern wohl eher auf einen inneren Antagonismus der beiden Machthaber. Dingelstedt, dem noch eine jugend- liche Raschheit im Genicke saß, ergriif die Gelegenheit, dem populären Münchener Musiker sein Übergewicht im Reiche fühlen zu lassen, und achtete nicht darauf, daß er ihn dadurch brüskierte, möglicherweise zu Repressalien aufforderte. Lachner, bedächtiger und klüger, wartete ruhig ab, wie sich der neue Kollege qualifizieren werde, und als er sofort erkannte, daß er in ihm den gefährlichen Rivalen, welcher ihm vielleicht zugedacht war, nicht zu fürchten brauche, verhielt er sich, als ob nichts vorgegangen wäre. Friedlich und einträchtig wirkten beide nebeneinander bis zu Lachners Rücktritt im Jahre 1869.

Meyer traf am I.Juli in München ein und trat sofort in Tätigkeit. Seine Witwe, Frau Hofkapellmeister Meyer-Setti, teilte mir mit, daß ihm Dingelstedt (wahrschein- lich in Verhinderung Lachners) sogleich die Direktion des „Propheten" übergab, über- haupt erhielt Meyer einen gemessenen Anteil an der Direktion der Opern, worunter ihm vorzugsweise die nicht klassischen zufielen, so daß also Lachner durch ihn wesentlich entlastet wurde. Welch große Stücke Dingelstedt auf Meyers Urteil gab, geht daraus hervor, daß er auf seine Empfehlung nicht nur „Die lustigen Weiber von Windsor", die letzte Novität dieses Jahres, sondern auch den „Tannhäuser*, der im folgenden Jahr gegeben wurde, zur Aufführung an der Hofbühne bestimmte.^) Als ein etwas starker Beweis von Protektion des neuen Ankömmlings und ge- flissentlicher Nichtachtung Lachners ist es wohl auch anzusehen, daß Dingelstedt die Direktion der »Lustigen Weiber von Windsor", einer so bedeutenden Novität, nicht diesem, sondern Meyer übergab. Merkwürdigerweise nimmt von diesem jedenfalls ungewöhnlichen Vorgang der (schon überhaupt sehr ruhig gewordene) „Punsch" gar keine Notiz, war man doch zu jener Zeit noch immer nicht ge- wohnt, in Kritiken den Dirigenten zu nennen. Er schreibt:

„Freitag, 10. November: Zum ersten Male ,Die lustigen Weiber von Windsor', komische Oper mit Ballett, Text nach Shakespeares bekanntem Lustspiel, Musik von Nikolai (!). Der beste Ruf ging dieser Oper voraus, und das Interesse, womit man sie erwartete, gab sich auch gestern durch ein gutbesetztes Haus kund; wir hörten das vielversprechende Werk eines neuen, leider zu früh ver- storbenen Komponisten^), der das Gebiet des dramatisch-musikalischen Humors, auf dem noch viele Stellen brachliegen, gewiß mit großartigem Erfolg kultiviert hätte. Daß Nikolais Schaffen nicht nur auf Effekterzielung und Routine, sondern auf positiver musikalischer Bildung beruht, beweisen seine

') Wenigstens war Meyers Zureden, den „Tannhäuser" betreffend, für Dingelstedt ein Grund mehr, dieser Sache näher zu treten. ^) Der Dichter Mosenthal, dessen trefflicher Arbeit doch auch ein starker Anteil am Erfolge gebührt, ist dem Referenten in der Feder geblieben.

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in Rom verfaßten italienischen Studien'." (Mit dieser Notiz und einigen andern, die nun folgen, beweist der Referent, daß er sich auf historisches Gebiet nicht hätte begeben sollen. Der Komponist heißt auch Nicolai, nicht Nikolai.) „Das obengenannte Werk, dessen treffliche Aufführung gestern das Publikum amüsierte, ist von aller Nachbildung frei, durchweg frisch und originell, die Instru- mentation ebenso für den Laien genußreich anzuhören, wie für den Kenner interessant. Herr Sigl, verlieh der Rolle des Falstaff sehr viel drastische Charakteristik.') Voll Leben und Humor war Frau Diez als spitzfindige Frau Fluth, das eigentliche lustige Weib von Windsor. Frl. Schwarzbach sang die Partie der Anna mit feiner Nuancierung (?). Herr Kindermann (Fluth), der die plumpe Eifersucht einer viereckigen Mannsperson mit voller Stimmgewalt heraushob, wirkte höchst erheiternd. Herr Hoppe, unser schätzbarer Tenorbuffo, ist für den Junker Schmächtig wie geschaffen. Herr Lang (französischer Doktor) hatte gleichfalls Gelegenheit seinen Vogel abzuschießen, und die Tenor- partie des Fenton fand in unserem fleißigen Young einen wackeren Vertreter. Die Durchführung im Detail wie im Zusammenspiel ist eine höchst gelungene zu nennen. Überraschend war im dritten Akt die von Herrn Fenzl arrangierte Finalszene, wo Falstaff in den Hain gelockt und von angeblichen Feen umgarnt und verdientermaßen malträtiert wird. Die ganze Breite und Tiefe der Bühne schien belebt von tanzenden Kobolden, zierlichen Elfengruppen, es war ein Kaleidoskop von hüpfenden, wiegenden Farben, Blumen und Lichtern. Die Mise-en-scene dieser Oper ist jedenfalls ein höchst schätzbarer Anhaltspunkt unseres Winterrepertoires."

Vergessen oder verschwiegen sind in diesem Berichte All fei d als Herr Reich, der meines Erinnerns aus späteren Vorstellungen sehr wacker war, und Frl. See- hofer, welche das weniger „lustige Weib", Frau Reich, auch entsprechend spielte.

Daß die Oper schon bei der Premiere blitzartig einschlug, erfuhren meine Eltern und ich noch am selben Abend, indem der über uns wohnende Professor Dr. Pfeufer, Dingelstedts Intimus, nach lauten Erzählungen den Seinigen mit voller Baßstimme die Melodie „Wie freu' ich mich" vorsang.

Und die Prophezeiung des „Punsch" ging in Erfüllung. Die Oper erlebte, nachdem sie in diesem Jahre noch viermal gegeben wurde, im nächsten sieben Wieder- holungen, um sich dann stetig im Repertoire zu halten bis zu unseren Tagen, in denen man ihr noch immer kein Veralten anmerkt. Sie ist aber auch ein weißer Rabe; eine deutsche Oper mit gutem Text.

Den Reigen der diesjährigen Gastspiele eröffnete eine Frau Rauch-Wernau vom Stadttheater zu Köln als Fides am 15. Januar. Tag und Vorstellung sind aus- gezeichnet durch die Eröffnung der Gasbeleuchtung. Der „Punsch" schreibt:

„Vergangenen Sonntag trat der ,Prophet' zum erstenmal vor die Gaslampen. Die Sonne verdunkelte sogar den Berliner Lichtverbreiter. Als Fides gastierte Frau Rauch-Wernau von Köln. Sie bekundete eine gute Schule und Bühnengewandtheit; ihre Stimme ist zwar stellenweise nicht mehr vollklingend, doch errang sie sich durch ihren dramatisch markierten Vortrag und ihr lebendiges, abgerundetes Spiel Beifall und nach dem vierten und fünften Akte mit Herrn Härtinger Hervorruf."

Ein aus vier Rollen: Lucrezia, Alice, Norma und Donna Anna bestehendes Gast- spiel absolvierte hierauf ein Frl. Fischer von Tiefensee vom Fenice-Theater in Venedig. Über ihre Lucrezia sagt der „Punsch":

„Diese Künstlerin entwickelte viel Feuer und Lebendigkeit des Vortrages und hat sehr viele italie- nische Gesangsfertigkeiten in ihrer Gewalt, obwohl uns ihre Tonbildung im allgemeinen nicht zusagt. Kunstkenner, die sie in Privatzirkeln hörten, waren voll des Lobes über sie und wir hoffen, daß

*) Daß er stimmlich ein Hohn auf die schöne Baßrolle war, hat der Referent wohl aus Schonung verschwiegen.

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die Mittel des Gastes sich nächstens auch den großen Bühnenräumen akkommodieren." Über ihre Alice sagt er nur, daß sie am Schlüsse mit Herrn Härtinger (Robert) erschien.

Das hierauf, am 23. April, beginnende Gastspiel des Frl. Schwarzbach vom Hoftheater in "Wien, welches sich auf die Rollen der Martha (zweimal), der Maria (Regimentstochter) und Bertha (Prophet) erstreckte, mochte wohl hinterher als ein providentieller Vorgang erschienen sein, denn es führte zu dem erst seit dem Tode der Rettich, den niemand ahnte, notwendig gewordenen Engagement der Künstlerin, welches mit dem 1. Oktober begann. Der „Punsch" urteilt über sie:

„Diese Woche begann Frl. Schwarzbach vom K. K. Hofoperntheater in Wien ihr Gastspiel als Martha und setzte es fort als Regimentstochter. Die außerordentliche Routine im Vortrag, sowie ihre jugendlich frische Erscheinung imponierte dem Publikum vom ersten Augenblick an. Ihre Stimme ist hell und kräftig, die Gesangsmethode nicht sehr streng." (Ein wahres Wort: An Akkuratesse und Sauberkeit der Koloratur konnte sie sich mit der Rettich nicht messen, war daher auch musi- kalisch nicht annähernd ein Ersatz für sie.) „Sie verkehrt von der Bühne herab mit dem Publikum wie mit einem langjährigen Bekannten. So wohltuend die auf Sicherheit gegründete Laune wirkt, so hegen wir doch die leise Besorgnis, daß der Künstlerin das piano der Darstellung, die zarte Empfindung mangelt, und es soll uns freuen, wenn sie schon nächstens uns auch mit diesem Vorzug ihrer liebenswürdigen Individualität bekannt macht. Der Beifall war an beiden Abenden ein sehr lebhafter."

Der Mai brachte München auch den gefeierten Ander, ebenfalls vom Wiener Hoftheater, als hochwillkommenen Gast; er trat mit dem stets gleichbleibenden glänzenden Erfolg als Stradella, Arnold, Lyonel, Johann von Leyden und Gennaro auf. Der „Punsch" schickt seiner ersten Besprechung eine hübsche biographische Skizze voraus und schreibt dann:

„Die Intendanz hat mit der Berufung dieser interessanten Notabilität einen glücklichen Griff getan; es wäre eine Lücke in der Geschichte unserer Kunstanstalt, wenn Ander hier nicht gesungen hätte. Niemals hörten wir eine so sichere umfangreiche Stimme, einen so gediegenen musikalischen Vortrag. Ander hat keine Favorit-Töne, mit denen er kokettiert, alle sind in seiner Brust gleich- berechtigt, weil alle gleich gut. Einfachheit und Natürlichkeit ist sein Wahlspruch in Spiel und Gesang, und das ist es, was seine großen Erfolge herbeigeführt hat. Welch tiefes Gefühl, welch innige Auffassung ihm zu Gebote steht, davon zeugte das in solcher Vollendung noch nie (?) gehörte Duett mit Mathilde im ,Tell' und die beiden letzten Akte der , Martha'." Und über den weiteren Erfolg des Gastspieles heißt es: „Letzten Sonntag sahen wir einen Propheten mit höherer Stimme (?), höheren Preisen, höherer Temperatur, sogar der Lüster war um 6 Zoll erhöht. Ein altes Sprichwort will wissen: ,Vierblättriger Klee bedeute Vergnügen'; das läßt sich aber gewiß auch von einem drei- blättrigen sagen, wenn Herr Ander den Propheten, Frau Behrend-Brandt die Fides und Fräulein Schwarzbach die Bertha singt. Frau Behrend wurde zum Willkomm" (es war ihre Antrittsrolle) „mit stürmischem Applaus und Kränzen begrüßt; auch Herrn Ander wurden Empfangsauszeich- nungen zu Teil, wie überhaupt diese seine kolossale Gesangsleistung, in deren Detail wir hier nicht eingehen können, begeisterte Anerkennung fand. Am Mittwoch verabschiedete sich der berühmte Künstler als Gennaro in ,Lucrezia', nachdem Frau Behrend in kürzester Zeit die Titelrolle übernommen. Der einstimmige Jubel des Publikums hat dem Sänger den schönen Kranz, der im letzten Akte niederflog, aufs Haupt gesetzt. Frau Behrend löste ihre schwierige Aufgabe überraschend."

Gehört Alois Ander, der Wiener Tenor, a priori der deutschen Theater- und Musikgeschichte an, so ist fürwahr der Erfolg nicht gering zu schätzen, den der Künstler in München, der Sieges-Arena Härtingers, errungen hat.

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Dieser großen Erscheinung aus der Tenorwelt folgte eine etwas kleinere, wenn auch darum nicht gerade gering zu schätzende, Herr Young vom Nationaltheater zu Pest, mit fünf Gastrollen: Elvin (Nachtwandlerin), Raoul, Stradella, Johann von Leyden, Sever und Lyonel, über deren erste der „Punsch" kurz, aber nicht unrichtig urteilt:

„Ein fremder Tenor, Herr Young aus Pest, gab den Elvin. Nicht ohne natürlichen Stimmfond, zeigt dieser Gast zuviel Lässigkeit im Vortrag. Da Herr Young wirklich noch jung ist, so könnte er seine Aussprache (,Ich vermog dich nicht zu hassen') noch verbessern und sich die Rutschpartien, die er mit seinen Tönen veranstaltet, abgewöhnen.^) An Beifall fehlte es übrigens nicht." Günstiger, vielleicht mit einiger Oberschätzung, bespricht er dessen zweites Auftreten als Raoul: „Bei dem zweimaligen Hervorruf nach dem vierten Akt und am Schlüsse erschien mit Frau Behrend Herr Young, welcher die schwierige Aufgabe des Raoul zur Zufriedenheit löste. Nach dem, was wir von diesem jungen Gast des weiteren gehört, müssen wir die Wahl seiner ersten Rolle (Nachtwandlerin) als gerade seine schwächste nachträglich bedauern. Herr Young hat eine vollkräftige (?) Tenorstimme, heutzutage eine ebenso seltene als wertvolle Gottesgabe, und braucht nur ein halbes Jahr (?) unter tüchtiger Leitung an der Verbesserung seines Vortrages zu arbeiten. Als Beweis seines Gedächtnisses und seiner zu weckenden Befähigung dient der Umstand, daß er am Vorabend des Fronleichnams- tages den Propheten und den Lyonel probiert und endlich den Stradella ohne Probe und nicht ohne Glück sang."

Der so liebenswürdig behandelte Gast trat sein Engagement am 6. Juni als Lyonel an. In dieser Vorstellung der „Martha" wirkte eine Frau Stolz aus Breslau als Nancy mit. Hierauf absolvierte noch vom 20. bis 27. August, mitten im Wüten der Cholera, der zu dringlicher Aushilfe herbeigerufene Tenorist Widemann vom Stadttheater zu Leipzig ein Gastspiel als Robert, Masaniello und Almaviva, um dann am 19. November als Raoul ein abermals erfolgloses, zum Glück nur kurzes Engagement anzutreten.

Wegen Ablebens der Königin Therese blieb das Theater vom 26. Oktober bis 10. November geschlossen.

Der Rücktritt von vier ersten Mitgliedern, welcher sich, wie gezeigt, im Jahre 1854 durch deren teils wiederholtes, teils permanentes Fernbleiben von der Bühne als unabwendbar ankündigte, ward im Jahre 1855 zur traurigen Tatsache. 1855

Als erster ging mit dem I.Januar nach 33 jähriger ruhmvoller Kunstleistung Julius Pellegrini in Pension. Die Einleitung dieses für das Münchner Theater- und Musikleben denkwürdigen Ereignisses, welches den Abschluß einer glänzenden, nie wiederkehrenden Periode für „des Basses Grundgewalt" bedeutet, datiert schon vom Frühjahr des Jahres 1853 und zeigt den Gang der Verhandlungen, welche gepflogen wurden, bis endlich die Entscheidung kommen mußte, wie sehr die Wichtigkeit des Falles selbst von dem gegen Opernmitglieder sonst nicht allzu rücksichtsvollen Dingelstedt erkannt wurde. Der Personalakt Pellegrinis weist in diesem Betreff bis zur endgültigen Erledigung folgende Schriftstücke auf:

1. eine Entschließung des Königs aus Palermo vom 17. April 1853: „Nachdem der Hofsänger Julius Pellegrini gemäß Berichtes der Intendanz vom 1. d. Mts.^)

1) Daß der Sänger zuweilen recht bedenkliche Kehllaute, die Folge sichtlich übereilter Stimm- bildung, hervorbrachte, hat der Referent nicht bemerkt. ^) Dieser Bericht ist nicht bei den Akten. Vielleicht lagen Gründe vor, ihn zu entfernen.

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den Wunsch hegt, pensioniert zu werden, seine Gesundheitsverhältnisse auch eine angemessene Verwendung auf der Bühne nicht mehr möglich machen, so habe ich beschlossen, denselben vom I.Juni 1. Js. in den Ruhestand treten zu lassen. Meine Hoftheater-Intendanz beauftrage ich, dem Hofsänger Pellegrini meine Anerkennung für seine vieljährigen ausgezeichneten Leistungen auszudrücken. Max.

2. Ein Schreiben der Intendanz an Pellegrini vom 8. Mai 1853, in welchem ihm diese k. Entschließung mitgeteilt und er zugleich aufgefordert wird, eine Abschieds- rolle in Vorschlag zu bringen. Damit steht im Widerspruch:

3. Ein Urlaubsgesuch Pellegrinis vom 7. Juli, aus welchem also geschlossen werden mußte, daß Dingelstedt den Vollzug des k. Dekretes einstweilen aufge- schoben hatte.

4. Ein Bericht der Intendanz vom 16. August: „Auf alleruntertänigsten Antrag der Intendanz haben E. K. M. die Pensionierung des Sängers Pellegrini zu ge- nehmigen geruht. Inzwischen" (vier Monate!) „hat jedoch Pellegrini, welcher früher den Wunsch, pensioniert zu werden, wiederholt ausgesprochen, bei einiger Besserung seiner Gesundheit wieder seine Dienste angeboten und so glaubt der treugehorsamst Unterzeichnete, da zugleich Kremenz als Ersatz für Pellegrini nicht so vollständig entspricht, als man anfänglich hoffen zu dürfen glaubte, von der sofortigen Ausführung der Pensionsgenehmigung abstehen zu sollen und zu dürfen, und bittet um Allerhöchste Genehmigung dieser Maßregel. Dingelstedt." Dieser Antrag wurde genehmigt. Nachdem Pellegrini am 1. September 1854 von der Cholera befallen worden, erklärt er

5. am 14. November sich selbst als dienstunfähig und bittet um seine Pension.

6. Antrag der Intendanz vom 6. Dezember auf Pensionierung Pellegrinis vom I.Januar 1855 und auf Verleihung der Medaille des Verdienstordens der bayer. Krone. Erstere wurde mit dem Ausdruck hoher Anerkennung am 31. Dezember genehmigt, letztere „als bisher nicht üblich" abgelehnt.

Eine Abschiedsvorstellung Pellegrinis, wie sie ihm im oben angeführten Schreiben der Intendanz vom 8. Mai 1853 zugedacht war, fand nicht statt. In der Stadt ging das Gerede, es sei darüber zwischen Dingelstedt und Pellegrini zu einer unangenehmen persönlichen Auseinandersetzung gekommen, was aber sowohl nach jenem Anerbieten Dingelstedts als nach dessen Antrag auf eine [aller- dings nicht eben hohe] Ordensverleihung schwer zu erklären ist.

Der zweite Ausscheidende war Martin Härtinger. Am I.Juni 1855 dekretierte der König: „Wir finden uns bewogen, unsern k. Hofsänger Martin Härtinger unter wohlgefälliger Anerkennung seiner ausgezeichneten Leistungen und Dienste unter dem ausdrücklichen Vorbehalt seiner Reaktivierung im Falle völliger Ge- nesung mit der seinen vertragsmäßigen Rechten entsprechenden Pension in den verdienten Ruhestand treten zu lassen." Hier muß des Zusammenhanges wegen unserer Geschichte etwas vorgegriffen werden. Als Härtinger im Oktober 1856 beim Mozartfeste in Salzburg sang, suchte die Intendanz, ihn zur Wiederaufnahme seiner Bühnentätigkeit zu gewinnen. Härtinger verlangte bedeutende Ermäßigung

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in der Beschäftigung, aber seinen vollen Gehalt. Dingelstedt bot ihm für jede Rolle 100 fl., aber er solle im Pensionsverhältnis bleiben. Dieses seiner künstlerischen Bedeutung gerade nicht sehr entsprechende Anerbieten zurückweisend, blieb Härtinger in Pension. Vom 28. Mai 1854 an hatte er die Bühne nicht mehr betreten.

Als Dritte im Bunde der Ausscheidenden ging Josephine Hefner, da sich ihre Gesundheit nicht gebessert, mit Ablauf ihres Vertrages am 1. Juli ab, wenn auch auf Wiedersehen in zwei Jahren. Vorläufig war, da ihre Stelle nicht besetzt wurde, ihr Rollenfach, das lyrisch-dramatische (Agathe, Pamina, Emmeline, Gräfin im „Figaro", Ginevra etc.) ohne Vertretung.

Der vierte, Wilhelm Brandes, ging, auf Antrag der Intendanz, ebenfalls „unter Vorbehalt der Reaktivierung im Falle der Wiedergenesung" am 1. September in Pension. In diesem Jahre war nämlich Brandes wieder 78 Tage krank und 57 beurlaubt gewesen. So blieb Dingelstedt nichts anderes übrig, als endlich (am 4. August) an den König zu berichten, daß B. dienstunfähig sei, worauf dann die Pensionierung erfolgte.

Zu diesen vier dem Gesang allein dienenden Künstlern gesellte sich als fünfter auch noch ein mit Vorstandspflichten betrauter Sänger, der 1838 (unter Küstner) zum Regisseur ernannte, hochgebildete Leopold Lenz, welcher, vornehmlich um einer drohenden Überanstrengung bei nicht starker Gesundheit vorzubeugen, am 20. April in Pension ging. Hierdurch ward nicht nur, was zwar leichter zu ver- schmerzen, eine immerhin noch ansehnliche Reihe kleinerer Baßrollen der Ver- tretung beraubt, sondern die weit wichtigere Frage laut geworden, durch wen die ausgezeichnete, nie zu Klagen führende und stets den schwierigsten Aufgaben ge- wachsene Regieführung, deren sich die Oper nun seit 16 Jahren als sicherer Stütze zu erfreuen gehabt, nunmehr ersetzt werden solle. Denn nicht auf gemeiner Theater- praxis, sondern auf wissenschaftlicher Bildung muß die Regie (auch in der Oper!) beruhen und hat in Lenz' Händen beruht. Schnell entschlossen ernannte Dingelstedt nun zwei Regisseure in Person der Herren Sigl und Kindermann, vielleicht in der Meinung, durch Arbeitsteilung eher zum Ziele zu gelangen. Was eine lange Theaterroutine, eine ruhige Beobachtung und ein gesunder Mutterwitz (die voraus- zusetzende Gabe gerade eines Komikers) in der Kunst der Regie vermag, hat Sigl, dem auch ein entsprechender Pflichteifer innewohnte, ehrlich geleistet, namentlich so lange er in bereits gegebenen und ihm bekannten Opern der Tradition des trefflichen Vorgängers folgen konnte. Daß es ihm zu stilgerechter Inszenierung neuer Erscheinungen an selbstschöpferischer Kraft, an Ästhetik und (namentlich an historischem) Wissen gebrach, sollte sich nur allzubald zeigen. Wie es aber mit der Befähigung Kinder manns, des gottbegnadeten Sängers, zum Amt eines Regisseurs aussah, läßt sich nach seinen Antecedentien als „Berliner Bäckerjunge" und Leipziger Chorist leicht ermessen. Nun, es war nicht seine Schuld, daß ihm ein Posten anvertraut wurde, für dessen ersprießliche Bekleidung er außer einem bereits mehrjährigen „Anschauungsunterricht" nichts mitbrachte. Ein Weg zur „Reform" der Oper war mit seiner Ernennung jedenfalls nicht gefunden.

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Die traurigen Baß Verhältnisse völlig trostlos zu machen, ging noch mit 1. Oktober der Bassist Johann Bapt. Allfeld, der einzige, der sich neben den drei nacheinander fallierenden Herren Hofer (f), Salomon und Kremenz als tüchtiger Repertoiresänger hielt, unter höchst seltsamen Umständen ab. Aus seinem Personalakt geht hervor, daß er im Jahre 1855 (spät genug!) verschiedene Eingaben um eine bessere Stellung, namentlich um Zusagen erster Partien machte. Seit 1846 war er mit 600 fl. Gage und 3, seit 1848 5 fl. Spielgeld, allerdings nebenbei seiner echten, ungewöhnlich tiefen Baßstimme wegen als Kapellsänger angestellt. Außerordentlich musikalisch, wie er war, wurde ihm jede Partie zugemutet, ob sie für seine Körperlänge und die dadurch bedingte Ungelenkigkeit paßte oder nicht, wie z. B. der Masetto. Sein Verlangen nach Rollen, in welchen er seine in der Tat kolossalen Mittel zur Geltung bringen könnte, war daher berechtigt, um so mehr, als er mit dem Marcel, den man ihm in diesem Jahre endlich und nur aus Verlegenheit anvertraut hatte, eine glänzende, allgemein angestaunte Leistung bot. Eine Antwort auf diese Eingaben war im Akt nicht zu finden, und über seinen Abgang heißt es nur: „Trat am 1. Oktober eine Reise an.* Von da an fehlt jede weitere Auskunft. Sein Kontrakt war ihm seit September 1849 von Jahr zu Jahr prolongiert worden, „bis der König anders verfügen sollte". Diesmal aber ward von der Prolongierung abgesehen; der wert- volle Sänger konnte, wie es scheint, ohne amtliche Verabschiedung, einfach „reisen". Aus Notizen im „Punsch" erfahren wir, daß er in Pest und Leipzig in ersten Rollen erfolgreich gastierte.

Ein großes Interesse des Intendanten für die Oper, ja nur eine gewissenhafte Beobachtung der ihm auferlegten Pflichten gegen dieselbe, ist auch aus diesem Fall nicht abzuleiten.

„Als Ersatz für diese drei Bassisten (Pellegrini, Lenz und Allfeld) trat am 1. August Friedrich Rübsam in den Verband der Hofbühne," sagt Grandaur und bezeichnet damit schon die hierdurch entstandene Baisse des Baßwesens ohne Kommentar. Rübsam war nämlich, wie er durch seine Gast- und Antrittsrolle hinlänglich bekundete, Bari ton ist.

Etwas besser gestaltete sich der Personalstand im Tenorfach, indem für W ide- mann, der gemäß seinem Kontrakt bis zum 1. Oktober bleiben mußte, schon mit 1, August Adolf Auerbach eintrat, der sich in einem vorausgehenden größeren Gastspiel wenigstens als brauchbarer, routinierter Repertoiresänger, wenn auch mit wenig Poesie, erwiesen hatte.

Vom 1. Oktober an war also der ganze (nicht ein volles Jahr sich gleichbleibende) Bestand des Personals: Frau Diez (Soubrette), Frl. Schwarz bach und Frau Rohrleitner (hohe Soprane), Frau Behrend-Brandt (dram. Sopran), Frl. See- hofer (Altpartien), Frl. Wirth (kleine Rollen), Hoppe (Buff'otenor), Young (lyr. Tenor), Auerbach (dram. Tenor), L. und M. Schmidt (Tenore für untergeord- nete Rollen), Kindermann (erster Bariton), Rübsam (zweiter Bariton), Kremenz (seriöser Baß), Sigl (BufFobaß) und Wirth (kleine Partien). Die lyrisch-dramatische oder jugendlich-lyrische Sängerin war nicht vorhanden und der seriöse Baß war

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„Solist" in jedem Sinne. Daß mit diesem arg lückenhaften und nur zum kleineren Teil vorzüglichen Personal nicht mehr allen gerechten künstlerischen Anforderungen genügt werden, daß vielmehr manche aus künstlerischen oder materiellen Gründen wertvolle Oper ohne Gäste gar nicht gegeben werden konnte, leuchtet ein. Und dennoch wollte es ein besonderer Glücksstern, daß gerade in diesem Jahre eklatanter Decadence ihrer Gesangskräfte die Münchner Oper ein überaus wichtiges Ereignis feiern durfte: Die Erstaufführung des Wagnerschen „Tannhäuser«. Betrachten wir indes die Novitäten der Reihe nach; es sind ihrer gegenüber nicht weniger als 20 Schauspielnovitäten nur drei: Lortzings „Undine", Wagners „Tannhäuser" und Donizettis „Favorite".

Was die erste derselben betrifft, so kam sie vor allem leider zu spät. Sie hätte gegeben werden sollen zu einer Zeit, als noch Josephine Hefner gesund und ihrer Stimme mächtig war, um die Rolle der Undine mit ihrer Gemütstiefe zu durch- dringen und dadurch zum Verständnis zu bringen. Von der Innerlichkeit, welche gerade dieses „Wesen ohne Seele« fordert, hatte die gute Schwarzbach, die man in der Rolle deplazierte, keine Spur. Sie war im Gesang und Spiel ganz ober- flächlich, und darum konnte die Oper nicht gefallen, nicht „ziehen«. Das konnte selbst Kindermanns herrlicher, stellenweise ergreifender Gesang als Kühleborn nicht erzwingen. An der unsympathischen Rolle der Berthalda, von Frau B ehrend gewiß trefflich repräsentiert, liegt nicht viel und der liebende Tenor Ritter Hugo durfte zum wenigsten nicht von einem Widemann gesungen werden. So ward, für die romantische Oper schlimm, das größte Interesse fast den beiden komischen Figuren, dem Knappen Veit (Hoppe) und dem Kellermeister Hans (Sigl) zuge- wendet, aber auch dieser letzterer blieb gesanglich gar sehr hinter den Anforde- rungen des Komponisten zurück, gerade so wie in seinem Falstaff, nur fühlten es die Münchner nicht, weil sie an ihren sonst vortrefflichen Buffo eben gewöhnt waren; aber der Oper entging dadurch ein wesentlicher Reiz.

Der „Punsch« schreibt über die Premiere:

„Donnerstag ging Lortzings große Oper , Undine' mit schöner Ausstattung und höchst fleißiger Mise en scene zum erstenmal über unsere Hofbühne. Wenn das Werk demungeachtet wenig Effekt machte, so ist dies wohl dem Umstand zuzuschreiben, daß der gemütlich-humoristische Lortzing sich hier auf ein Feld verstieg, auf dem er noch nicht zu Hause ist, und daß anderseits das Libretto ohne rechtes Geschick behandelt und der märchenhafte Stoff ins Unendliche breitgeschlagen ist. Von den Mitwirkenden nennen wir besonders Herrn Kindermann, Frau Behrend-Brandt und Frl. Schwarzbach."

Hinsichtlich der Inszenierung ist es wohl zweifelhaft, ob es sich hier schon um die erste Tat des neuen Regisseurs Sigl handelt, oder ob mindestens noch Vorarbeiten von Lenz vorlagen. Daß die Oper hinter Lortzings komischen merklich zurückbleibt, hat der Referent richtig beurteilt. Lortzing kann sich des altfränkischen Rockes, der ihm auf dem komischen Gebiet so gut steht, auch auf dem romantischen nicht entkleiden, wo er sich nun etwas gar zu philisterhaft und biedermeierisch ausnimmt. Das wäre aber damals gerade noch vor dem Erscheinen des nach so vielen Seiten klärenden „Tannhäuser« gewiß nicht so sehr empfunden

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worden, wenn die Rolle der Undine in den rechten Händen gewesen wäre. Grandaur schreibt: „Das Werk Lortzings vermochte erst mehrere Jahre später so lange Sophie Stehle die Titelrolle gab sich auf dem Repertoire zu halten", und damit berichtet er eine Tatsache, die ich nicht ohne Bewunderung dieser Künstlerin mit- erlebt habe. Nach der Premiere am 24. Mai wurde die Oper in diesem Jahre noch zweimal, dann bis zum 30. Juli 1865, eben mit der Stehle, nicht wiedergegeben. Nun aber kam am 12. August 1855 die erste Aufführung des „Tannhäuser" von Richard Wagner.

Wer damals den Werdegang dieses Ereignisses hätte verfolgen können, der hätte es vielleicht mit dem Worte Illos bewillkommt: „Spät kommt Ihr, doch Ihr kommt!« Freilich war Generalintendant v. Hülsen in Berlin noch etwas später daran, er brachte die Premiere erst am 7. Januar 1856 zustande, nachdem bis dahin viel- leicht gegen 40 deutsche und auswärtige Bühnen zuvorgekommen waren. Er hatte aber auch eine Reihe genereller Hindernisse zu bekämpfen, worunter die Rücksicht auf den sächsischen Hof (aus bekannten politischen Gründen) ein geringeres, die Zumutung Wagners aber, daß, statt der beiden Berliner Kapellmeister, Franz Liszt das Werk einstudieren und dirigieren solle, ein desto größeres war. Das letztere beseitigte erst Wagner selber, nachdem er 1855 von London aus auf Hülsens freund- liche Vorstellung die Berliner Aufführung (aus Geldnot) bedingungslos freigab.

Von derartigen Hindernissen hatte die Münchner Bühnenleitung keine zu über- winden. Ende August 1852 hatte Wagner seine Schrift „Über die Aufführung des Tannhäuser" überallhin und, wie wir wissen, auch nach München versendet, wo sie, wie wir ebenfalls wissen, uneröffnet in einem Schrank sich wiederfand. Wenn Lachner auf sein eigenes Verständnis bauend, dieser Zusendung keine Beachtung schenken zu dürfen glaubte, so wäre es doch gerade für ihn, auf dessen Stellung- nahme ganz Süddeutschland schaute, recht klug und segensreich gewesen, wenn er gegen Wagner eine kollegialere Stellung eingenommen hätte. Das beste Beispiel hierzu hatte ihm ja der ältere Kollege Louis Spohr in Kassel gegeben, welcher, nachdem er schon zwölf Jahre vorher den „Fliegenden Holländer" auf- geführt 0 und dadurch den glühenden Dank des jungen Meisters erworben hatte, im Jahre 1853 nun auch den „Tannhäuser" (wie er an Moritz Hauptmann schreibt, zuerst am 2. Pfingstfeiertag und dann öfters „bei vollem Hause") aufführte, obwohl er sich, wie er gesteht, an vieles darin erst gewöhnen mußte.^)

1) Louis Spohrs Selbstbiographie, II. Teil, S. 271 u. 273. ") Dieser Brief (Selbstbiographie, II. Teil, S. 356) an Hauptmann lautet wörtlich: „Gestern abend hatten wir den , Tannhäuser' zum drittenmal und wieder bei vollem Haus. Die Oper hat durch ihren Ernst und ihren Inhalt viele Freunde gewonnen, und vergleiche ich sie mit anderen Erzeugnissen der letzten Jahre, so geselle ich mich auch zu diesen. Manches, was mir anfangs sehr zuwider war, bin ich durch das öftere Hören schon gewohnt geworden, nur das Rhythmuslose und der häufige Mangel an abgerundeten Perioden ist mir fort- während störend. Die hiesige Aufführung ist wirklich eine sehr ausgezeichnete, und man wird wenige so präzise in Deutschland hören. In den enorm schweren Ensemblen der Sänger im zweiten Akt ist gestern auch nicht eine Note weggeblieben. Das hindert freilich nicht, daß sich diese an einigen Stellen zu einer wahrhaft schaudervollen Musik gestalten, besonders kurz vor der Stelle, ehe Elisabeth

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Richard Wagner in"'seiner Münchener Zeit

Nach einem Gemälde.

Es irrt der Mensch, so lang er strebt, und namentlich historische Wendepunkte, seien es politische oder kulturelle oder künstlerische, werden in der Regel zu spät erkannt, wonach sich dann allerdings leicht urteilen und verurteilen läßt. Gerade auf Lachners freundliches Entgegenkommen nach dem Beispiel des älteren „Hof- kapellmeisters" wäre es angekommen, dem nun bald entfachten "Wagnerkampf (wenn nicht den ideellen, so doch) den materiellen Grund zu nehmen. Ob nun Lachner in seiner Stellungnahme zur Sache (mit Unterschätzung der für ihn nicht leicht zu erkennenden reformatorischen Bedeutung Wagners) lediglich von seiner Überzeugung als Klassizist ausging, oder auch, wie vielfach behauptet wurde, das Aufgehen des neuen Sterns nicht ganz gleichgültig betrachtete, so war das Motiv, welches Herrn Dingelstedt vermochte, sich gerade in dieser Sache auf Lachners Seite zu stellen, jedenfalls ein viel kleinlicheres. Was ich hierüber zu erzählen habe, ist für den Beginn der Wagnerfrage in München neu:

Durch zwei mir befreundete unantastbare Zeugen, welchen Dr. Martin Här tinger bis zu seinem Tode als väterlicher Freund nahestand, ist mir nach vertraulicher Mitteilung aus dessen Munde übereinstimmend berichtet worden, daß Richard Wagner sich seinerzeit brieflich an diesen Künstler behufs Aufführung des „Tannhäuser" in München mit der Bitte gewendet habe, Härtinger möge nicht nur die Rolle des Tannhäuser, sondern auch die Leitung der Inszenierung, die Regie des Werkes übernehmen.^) Bei selbstverständ- licher Rücksprache mit dem Intendanten über die Angelegenheit habe dieser sich völlig ablehnend ausgesprochen, und es sei „von nun an vom ,Tannhäuser' nicht mehr die Rede gewesen". Aus dieser letzteren Äußerung Härtingers geht deutlich hervor, daß vor diesem Zwischenfall „die Rede vom Tannhäuser" im Rate der Opernleitung wohl gewesen sein muß. Leider fehlt der mir gewordenen Mitteilung, an deren Wahrheit ich nie gezweifelt habe, das Datum, der Jahrgang, genügte mir doch die Tatsache. Dem Umstände nach, daß die Oper im August 1855 heraus- kam und vorher doch ein längerer Zeitraum anzunehmen ist, wo „nicht mehr von ihr die Rede war", läßt fast mit Bestimmtheit darauf schließen, daß Wagner sein übel aufgenommenes Ansinnen im Jahre 1853 stellte. Ob nicht gerade durch diese Affäre das anfänglich gute Einvernehmen zwischen Dingelstedt und Härtinger getrübt wurde, ist eine nicht fernliegende Frage, zu deren Erörterung jedoch die positiven Anhaltspunkte fehlen. Daß aber Wagners sehr begreifliches und im Gegensatze

sich den auf Tannhäuser eindringenden Sängern entgegenwirft. Was würden Haydn und Mozart für Gesichter machen, müßten sie einen solchen Höllenlärm, den man jetzt für Musik ausgibt, mit anhören ! Die Chöre der Pilger (die aber hier piano mit Klarinette und Fagotten unterstützt werden) wurden gestern so rein intoniert, daß ich mich zum erstenmal mit den unnatürlichen Modulationen derselben einigermaßen versöhnt habe. Es ist merkwürdig, woran sich das menschliche Ohr nach und nach

gewöhnt " Wie diese aufrichtige Darstellung ein klassisches Bild der damaligen Anschauung gerade

in den höchsten Musikerkreisen gibt, so zeigt andererseits Spohrs unentwegte Handlungsweise die ganze Vornehmheit des echten Künstlers.

[') Vergl. auch Seb. Röckl, Ludwig H. und Richard Wagner, I, 1913, S. 5, dessen Darstellung durch obige in mancher Hinsicht ergänzt wird.]

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zur Lage in Berlin sehr schickliches Ansinnen die Aufführung des „Tannhäuser" in München mit verzögern half, steht mir außer Zweifel. (Meine beiden Gewährs- männer sind die Herren Ludwig v. Bürkel, langjähriger Hofsekretär des Königs Ludwig IL und Herrn Franz v. Schilcher, k. Oberlandesgerichtsrat a. D. Beide waren zu verschiedenen Zeiten, ersterer in seiner Jugend zu praktischen Zwecken, letzterer im gereiften Alter aus theoretischem Interesse, eifrige Gesangsschüler Härtingers, welches Verhältnis bei jedem in das intimer Freundschaft zum ver- ehrten Lehrer überging. Daß Härtinger das von Wagner erhaltene Zeichen hoher Anerkennung nur diesen beiden Männern privatim anvertraute, entspricht seiner künstlerischen Bescheidenheit. Zum großen Verdruß der Musikwelt ist gerade der Brief Richard Wagners verloren gegangen.)

Dem hier Gesagten zufolge wird nun die von Dingelstedt gegen Musikdirektor Meyer gemachte Äußerung, daß in München für Wagner „keine günstige Stimmung sei", dem Leser nicht mehr so ganz als bare Münze erscheinen. Die Anfeindung von etwas im Grunde noch Unbekannten wäre auch völlig sinnlos gewesen. Im Gegenteil regte sich in nicht offiziellen Kreisen bereitsein großes Interesse, die Musik, über die man so vieles, wenn auch darunter viel Nachteiliges, gelesen, endlich einmal zu Gehör zu bekommen. So macht im Juni 1854 der „Punsch" in Nr. 26 auf einen jungen Musiker, Herrn Eberle, aufmerksam, welcher in einer Privatgesellschaft Kompositionen aus „Tannhäuser" und „Lohengrin" zur Auf- führung bringe, und in Nr. 28 heißt es: „Die Münchner bekamen Wagnersche Musik bisher nur in konzertweisen Bruchstücken zu kosten. Dergleichen hat man letzten Montag wieder im Privat-Musikverein unter Herrn Eberles Leitung exe- kutiert. Bei dem großen Interesse und ebenso großen Schwierigkeiten, welche die Sache bietet, ist die Tätigkeit der Mitwirkenden jedenfalls höchst anerkennenswert. Der Saal war dicht gedrängt voll." Der Boden war also bereitet, der Tannhäuser brauchte nur zu kommen. Daß er endlich kam, war sozusagen freilich erst in letzter Stunde gerade Dingelstedts Werk. Die sich immer mehrenden Nach- richten von Annahme und Aufführung der Oper in allen Zonen des Deutschen Reiches mußten ihm als verantwortlichem Intendanten nachgerade klar machen, daß er nicht schließlich den Vorwurf des Zuspätkommens (nachdem schon eine Stadt wie Stettin zuvorgekommen) riskieren dürfe. Er selbst registriert diese Tannhäuser- Aufführung unter die „Steine des Anstoßes", die seinen Fall beschleunigten, indem er in seinen Münchner Bilderbogen (IV, „Ende des Anfangs", Seite 149) schreibt: „Die Oper, bisher in München nicht gegeben, versprach ein Kassenstück ersten Ranges zu werden; sie hielt auch ihr Wort, denn sie wurde in einem halben Jahre, von Mitte bis Ende 1855, neunmal aufgeführt, darunter achtmal mit erhöhten Preisen, für München ein außerordentlicher Erfolg. Kaum war die Absicht, sie ins Repertoire aufzunehmen, in die Öffentlichkeit gedrungen, so erhob sich der Widerspruch, die Denunziation: ,Der k. b. Hoftheater-Intendant gibt ein Werk des Sozial- demokraten, des Revolutionärs, des roten Republikaners Richard Wagner!' Einer der gesinnungs- tüchtigen Zionswächter verstieg sich sogar in das hochpoetische Gleichnis: , Der Orpheus, welcher im Dresdner Maiaufstande durch sein Saitenspiel Barrikaden gebaut, der landesflüchtige Verbrecher, er findet Unterstand in einem Kunsttempel des Königs von Bayern, des nahen Verwandten des

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Königs von Sachsen, an welchem sich der in contumaciam verurteilte Sträfling durch den schnödesten Undank vergangen. Ins Zuchthaus zu Waldheim gehört er, nicht in das Münchner Opernhaus.' So lauteten die Anklagen, und die Nutzanwendung blieb natürlich nicht aus: daß dergleichen unge- heuerliche Taktlosigkeiten nicht wundernehmen konnten, da ja in dem kosmopolitischen Nacht- wächter ein Parteigenosse Wagners an der Spitze des bayerischen Hoftheaters noch immer sein Unwesen treibe. . . . Mir blieb nichts übrig, als den Handschuh aufzunehmen, um einem Verbote zuvor- zukommen. Ich tat es, indem ich bei König Max einfach auf die Tatsache hinwies, daß Wagners Opern im Dresdner Hoftheater unbeanstandet gegeben würden" (was übrigens nur mit einem kleinen Anachronismus geschehen konnte). „Darauf löste der König den Knoten mit einem seiner in Lapidar- schrift gefaßten Urteile: ,Wir wollen nicht sächsischer sein, als der König von Sachsen.' ,Tanhäuser' (!) ging in Szene. Es war ein heißer Schlachtabend, ungefähr mit demselben Heiden- und Höllenlärm, der im Theater seit 15 Jahren an der Tagesordnung ist, wo eine neue Offenbarung der Zukunftsmusik zur Welt kommt (sic!).^) Aber der Sieg verblieb ihr; als merkwürdigster Trophäe erinnere ich mich des Moments, da Franz Lachner, nach minutenlangem donnerndem Hervorrufe, auf der Bühne erscheinen mußte, trotz begreiflichen Zögerns und Widerstrebens, mußte, um den Löwenanteil des Orchesters sichtbarlich in Empfang zu nehmen. Der Napoleonskopf des berühmten Generalmusikdirektors, mit der, bei der Hitze des Taktierens in die Stirne fallenden Haarlocke und dem willensstark hervortretenden Kinn, hat mir niemals mehr den Eindruck eines Jupiter tonans ge- macht, als da Lachner für Wagner dankte." (Ganz frei von Schadenfreude ist die Bemerkung nicht!) So rang sich Wagners „Tannhäuser" in München zuletzt noch durch die Intrigue einer Partei durch, die es gar nicht so sehr auf ihn abgesehen hatte, sondern nur mit dem „Exnachtwächter" noch ein Hühnchen rupfen wollte. Der erste Zettel lautet:^)

12. August

Zum ersten Male:

Tanhäuser [!]

und

der Sängerkrieg auf der Wartburg.

Große romantische Oper, Text und Musik von Richard Wagner.

Regie: Herr Sigl. Hermann, Landgraf von Thüringen . . Herr Allfeld

Elisabeth, dessen Nichte Frau Diez

Tanhäuser [!] ] [ Herr Auerbach

Wolfram von Eschinbach . . ^ Herr Kindermann

Walther von der Vogelweide i . i Herr Hoppe

Biterolf «..."" Herr Kremenz

Heinrich, der Schreiber . . ^"^^^ Herr L. Schmidt Reimer von Zweter . . . . J [ Herr Wirth

Venus Frl. Schwarzbach

Ein junger Hirt Fr. Wirth

Soweit ich mich an diese für München denkwürdige Erstaufführung, unter deren Zuschauern ich als angehender Musiker nicht fehlen durfte, zurückerinnern kann,

^) Mit dieser Rechnung geht Dingelstedt etwas weit zurück, wenn er nicht etwa Hektor Berlioz' Kämpfe in Paris mit einbezieht, die aber nicht im Theater stattfanden. P) Vergl. auch die Wieder- gabe des Zettels bei Röckl, S. 10.]

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ward mit derselben, dank dem eifrigen Zusammenwirken aller beteiligten Faktoren, der Eindruck der dem Werke innewohnenden Größe im allgemeinen erreicht, wenn auch noch nicht alle Einzelheiten, darunter wohl allerbedeutendste, völlig verstanden, dagegen leichter zugängliche auf Kosten jener, wie der heutige Standpunkt zeigt, sogar überschätzt wurden. Den geringsten Erfolg hatte der seines theoretisierenden Inhalts wegen schon etwas skeptisch erwartete Sängerkrieg, den man allzu gedehnt und ermüdend fand. In dieser Empfindung waren die Münchner eins mit dem Dichter- komponisten selbst, der später bekanntlich dem Übel der Langeweile hier durch unbarmherzige Striche steuerte, wiewohl es um die dem Rotstift fast ganz zum Opfer gefallene Partie des Walther von der Vogelweide eigentlich recht schade war. Steigendes Wohlgefallen erregten die Partien der Elisabeth und des Wolfram. In ersterer ließ Frau Diez, ob ihr auch die nötige Vornehmheit in Erscheinung und Gesten fehlten, ungeahnte Tiefen ihres Gemütes sehen, und Kindermann sang seinen Wolfram herzgewinnend, die Phantasie an den Abendstern berückend. Nicht auf der Höhe seiner Aufgabe stand aber der Vertreter der Haupt- und Titelrolle, der eben (12 Tage vorher) in Stellung getretene, stimmlich mehr als genügend begabte Adolf Auerbach. Hier hatte die Laune des Schicksals einen ihrer schlimmsten Streiche gespielt: es sollte wieder einmal das Herrliche nicht ohne ein Haupthindernis erstehen dürfen. Wäre der Tannhäuser nur um zwei Jahre früher gekommen, wäre er Härtinger zugefallen, und gerade dieser Künstler hätte wie kein anderer den ganzen Zauber des romantischen Helden, sowie hinwiederum seines rein menschlichen Wesens, die ganze Tragik seines Schicksals mit hinreißender Kraft und Poesie veranschaulicht, das Muster der Tannhäuser-Darstellung wäre von München ausgegangen. Der Fleiß und gute Wille Auerbachs brachte es dahin, daß die Absicht des Komponisten, freilich weniger des Dichters, in ihren Grundzügen erkennbar wurde und sogar die Tragik der Erzählung von der Pilgerfahrt nicht ganz verloren ging. In dieser Richtung zeigte übrigens die Münchner Premiere gegenüber der in Dresden im Jahre 1845, wo diese Hauptszene zu Wagners Verzweiflung unverstanden blieb, bereits einen gewaltigen Fortschritt der Aufnahmefähigkeit auf süddeutschem Boden. (Nicht un- interessant ist auch der Vergleich des Münchner Erfolges mit dem in Berlin. Nach einigen dortigen Aufführungen schreibt die „Kreuzzeitung": Was die Komposition anbelangt, so fanden einzelne Musikstücke Applaus, bei anderen machte sich Opposition geltend. Und die „Nationalzeitung": Trotz der ebenso glänzenden als geschmackvollen Ausstattung war der Erfolg kein durchgreifender und das Publikum bewahrte vom Anfang bis zum Ende eine unentschiedene Haltung. (So im „kälteren Deutschland". Zur Beurteilung des Werkes im ganzen sind Kritik und Publikum eigentlich in beiden Städten damals noch nicht gelangt.) Frl. Schwarzbach war als Venus nicht hervorragend, brauchte es aber auch nicht zu sein, weil die Venus in der damaligen ersten Fassung noch nicht dramatisch hervortrat, wie in der späteren Einfügung für Paris. Ganz vorzüglich, ja geradezu imponierend war der damals für außerordentlich schwierig gehaltene, aber auch

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zu außerordentlichen Wirkungen herangezogene Orchesterpart, zu dessen minutiöser Einstudierung Lachner sichtlich seine ganze Kraft mit ernster Hingebung aufgeboten hatte. Am Schluß der Ouvertüre wurden auch nicht mehr, wie bei der Aufführung im Odeon, die bekannten Geigenfiguren über den Choral Herr, sondern umgekehrt durch die Posaunen auf ihr richtiges dynamisches Maß beschränkt. Frenetischer Beifall folgte dem atemlos belauschten Tonstück. Aber auch die Ensembles und Chöre schienen, soweit man es eben bei der Neuheit des Ganzen beurteilen konnte, musterhaft zusammenzugehen. Über Sigls Regie wurde kein Tadel laut, jede Szene war durchaus verständlich; Sigl wird auch seine Direktiven dem vermutlich auf- gehobenen Sendschreiben Wagners entnommen haben. An Kostümen und Deko- rationen war gewiß alles Erdenkliche aufgeboten, wenn letztere auch später zu Gunsten lokaler Echtheit eine starke Korrektur erfahren mußten. Der Erfolg war unbestritten, voll, großartig, ein „veni, vidi, vici". Was die Kundgebung des Applauses betrifft, so ward derselbe durch die neue Form, welche selbständige, abgeschlossene Musiknummern prinzipiell ausschließt, von selbst bereits auf die Aktschlüsse be- schränkt, nach denen er aber um so heftiger losbrach. Das Schlußtableau hat Dingelstedt richtig beschrieben. Der „Punsch" schreibt über die Premiere:

„Letzten Sonntag ging der vielbesprochene ,Tanhäuser') und der Sängerkrieg auf der Wartburg', Text und Musik von Richard Wagner (geb. zu Leipzig 1813), auch über unsere Bühne. Die Oper ist zwar schon an vielen deutschen Bühnen zuerst im Oktober 1845 in Dresden gegeben worden, doch dürfte mit der Münchner Aufführung die Wagnerfrage, wenn neben den vielen andern euro- päischen Fragen auch eine solche angenommen werden will, in ein neues Stadium getreten sein. Die musikalische Direktion, die Virtuosität des Orchesters, der Fleiß der Darsteller, endlich auch der Aufwand an Kostümen und Dekorationen ist so beispiellos, andererseits kam das Publikum, trotz den warnenden Stimmen orthodoxer Musikpropheten, mit solch günstig vorgefaßten Meinungen, mit solcher Empfänglichkeit ins Theater, und äußerte auch richtig sein Entzücken in so eklatanter Weise, daß die Oper, wenn sie sich nach diesen Präzedentien nicht auf dem Repertoire erhielte, trotz der Lisztschen Propaganda nur zu den Ephemeriden gezählt werden müßte. Unserer Ansicht nach kann der Tanhäuser auch hier getrost der Zukunft entgegensehen, wenigstens hat das Werk überall mit der Zeit mehr Fuß gefaßt, wurden seine Schönheiten, je öfter gehört, desto mehr gewürdigt und goutiert. Es ist ein deutsches Werk, man möchte sagen von echt christlich-germanischem Geiste durchweht. Deutsch sind seine Vorzüge, deutsch sind seine Fehler! Wagner will den dramatischen Unsinn aus der Oper entfernen und den Sinn in dieselbe zurückführen, die alte Aneinanderreihung von Arien und Melodien, welche die Komponisten häufig schon fertig haben, bevor sie einen Text besitzen, ist bei seiner logisch-dramatischen Behandlungsweise gar nicht zulässig. Er hat das Wort, welches in der Oper bisher als Magd des Tones dastand, emanzipiert, hat den Text der Musik nicht sub- sondern koordiniert.

Daß Wagner, der auf seiner Bahn so selbständig, so schonungslos gegen das verwöhnte Ohr des Publikums vordringt, Aufsehen machen und Erbitterung hervorrufen, daß er auch wirklich manchmal ins Extreme verfallen mußte, ist natürlich. Jedenfalls steht dieses geistvolle Werk da als hoher Meilenzeiger auf der geschichtlichen Bahn der deutschen Kunst" (bravo!). „Die Aufführung war, wie eben angedeutet, eine Mustervorstellung. Alle Kräfte wetteiferten, das Publikum in Atem und Staunen zu erhalten. Die Palme des Abends um einen beliebten Ausdruck zu gebrauchen errangen Herr Kindermann, dessen Partie: Wolfram von Eschenbach auch am gefälligsten gehalten und von durchaus edler Wirkung ist, und Frau Diez, die alles zur Bewunderung hinriß und uns

M An dieser Orthographie hält auch der „Punsch" merkwürdigerweise fest.

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mit ihrer großartigen Leistung überrascht hätte, wenn wir diese immer frische Fülle von Talent und Fleiß an ihr nicht gewohnt wären. Herr Auerbach (Tanhäuser) führte seine Rolle kräftig*) durch und hatte namentlich im dritten Akt gelungene Momente. Noch erwähnen wir Frl. Schwarz- bach (Frau Venus) und den Landgrafen des Herrn Allfeld, welche Rolle einzig aus schwierigen Rezitativen besteht. Der künstlerische Kostümier Herr Seiz und die Dekorationsmaler Quaglio sen. und jun. und Doli wurden ebenfalls stürmisch gerufen."

Der demonstrative Hervorruf Lachners scheint hier mit Absicht verschwiegen. Alsbald ward in der Rollenbesetzung mehrmals gewechselt. In einer der nächsten Aufführungen im September sang Young den Tannhäuser, Frau Behrend-Brandt die Elisabeth, Rübsam (für Kremenz) den Biterolf, Kremenz den Landgrafen, Durch Youngs feineren, manierlicheren Gesang kamen die lyrischen Stellen des Tannhäusers besser zur Geltung, während es ihm für die leidenschaftlich-drama- tischen an Kraft, für die Gesangsdarstellung ebenso wie Auerbach an Intelligenz fehlte. Frau Behrend übertraf ihre Vorgängerin an Repräsentation, erreichte sie aber nicht in der Gefühlstiefe des Gesanges. Rübsam deklamierte die kleine Partie des Biterolf bei weitem besser als Kremenz, während dieser als Landgraf hinter Allfelds ganz vortrefflicher Leistung sowohl stimmlich als deklamatorisch weit zurückblieb.

Von dem Enthusiasmus, mit welchem München das Werk aufnahm, gibt es einen Begriff, daß es in diesem Jahre von Mitte August an noch achtmal bei stets gedrängt vollem Hause gegeben wurde. Hiebei ist nicht zu vergessen, daß damals noch regelmäßig nur zwei Opern in der Woche (Sonntag und Donnerstag) gegeben wurden. Wenn dann auch die Wiederholungsziffern in den nächsten Jahrgängen 7, 3, 2 (1858 beginnt bereits die Konkurrenz des „Lohengrin") 2, 4, 2 etc. eine besondere Begünstigung von oben nicht erblicken lassen, so ist der immense Gesamterfolg, der gar bald den des „Freischütz" erreichte, in aller Welt bekannt.

In denkbar stärkstem Gegensatz zu diesem rein deutschen auf reformatorischer Basis geschaffenen Werke stand die dritte Novität des Jahres, Donizettis „Favorite", welche am 18. November mit folgender Besetzung der Hauptrollen herauskam: König Alfons von Castilien . . . . Herr Rübsam; Baltasar, Ordens- meister Herr Kremenz; Fernando, dessen Neffe .... Herr Auerbach; Leonore

de Guzman Frau Behrend-Brandt; Don Gaspar, Begleiter des Königs.... Herr

L. Schmidt. Gerade dieses Gegensatzes wegen brauchte sie, da die „Geschmäcker verschieden" sind, noch lange nicht, wie ihr tatsächlich geschehen, durchzufallen. Denn wenn sie auch eine Oper im alten vor-verdischen, virtuosen Fahrwasser ist, wo noch manche „Favorit"-Melodie um ihrer selbst willen paradiert, so hat sie doch im ganzen einen großdramalischen Zug, wovon namentlich der Schlußakt, die erschütternde Kirchhofszene, ein leuchtendes Beispiel ist. Davon überzeugte mich später eine italienische Truppe, welche u. a. auch mit dieser Oper in München gastierte. Da war Alles Leben und Leidenschaft, und das Gespött über das

') Wohl mehr im materiellen Sinn zu verstehen. Professor Dr. Emil Schafhäutl, einer der heftigsten Wagnergegner in München, urteilte über „Tannhäuser" und seinen Vertreter also drastisch: „Zum Singen ist nichts drin, drum kann es ein Hausknecht singen."

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„italienische Gedudel" wich aufrichtigster Anerkennung und einer sehr ernsten Stimmung. Daß die Oper mit der obengenannten Besetzung nicht gefallen konnte, hätten Gesangskundige voraussehen müssen; denn Frau Behrend hatte sehr wenig, die mitwirkenden Herren aber gar keinen Begriff vom italienischen Gesang. Während die „Favorite" in Paris, Wien und ganz Italien mit den geeigneten Sängern sich beharrlich als Zugoper erhielt, war es in München mit der einen Aufführung in diesem Jahre, der dann im nächsten noch eine folgte, abgetan. Non omnia possumus omnes.

Neu einstudiert in diesem Jahre erschienen Webers „Euryanthe", diese schon am 8. März, und Aubers „Verlorner Sohn" am 28. Oktober. Ich erinnere mich noch heute, welchen Hochgenuß bei jener Aufführung meine heißgeliebte „Euryanthe", die ich nach dem Klavierauszug längst auswendig konnte, mir und meinem intimen Freunde gleichen Geschmackes bereitete. Indem wir jeden Takt kontrollierten, fiel uns ärgerlich auf, daß in der Szene, wo Euryanthe der Eglantine die Geistergeschichte erzählt, ein sinnstörender Strich gemacht war, offenbar noch aus Furcht vor der Rezitativscheue des Publikums im Jahre, wo der „Tannhäuser" kam, sah und siegte! Der „verlorne Sohn" bezweckte mit der Neubesetzung der Hauptrolle durch Auerbach nichts, als daß er einen Maßstab für die Größe des Verlustes Härtingers gab, der durch Gefühlstiefe und poetische Gestaltung des Azael im Jahre 1852 die Oper sozusagen allein gehalten hatte.

Den Gastspielen in diesem Jahre kam im ganzen keine große Bedeutung zu. Einigermaßen interessant war wohl das der Marie Cruvelli, der älteren der beiden Schwestern dieses Namens, eigentlich Crüwell aus Bielefeld in Westfalen. Sie trat vom 19. April bis H.Juni als Romeo, zweimal als Fides, dann als Rosine und Orsino auf; die Befangenheit, welche der „Punsch* an ihr rügt, hatte wohl den Grund nicht vollendeter Schule, mit der sie hinter ihrer jüngeren und berühmteren Schwester Sophie, welche an der Großen Oper in Paris 100000 Franken bezog, bedeutend zurückstand. (Sie starb 1868 in Bielefeld, bitter vergrämt über ihre mißglückte Carriere.) Die fünf Proberollen Eleazar, Alamir, Masaniello, Prophet und Max, welche Auerbach absolvierte, führten zu seinem Engagement. Man griff nach ihm in Ermanglung eines Bessern; lang erfreute sich ja die Bühne seines Besitzes nicht. Frl. Kesenheimer, eine Sängerin von prächtiger Sopranstimme, aber noch An- fängerin, welche, nachdem sie von Leopoldine Lenz für die Bühne vorbereitet worden, bei vernünftiger Weiterbildung zu stolzen Hoffnungen berechtigte, brachte es durch theatralische Versuche als Agathe, Donna Elvira und Gräfin ebenfalls zu einem Engagement fürs folgende Jahr.

Eine eigene Bewandtnis hatte es mit dem einmaligen Auftreten eines Herrn Eich- berger vom Stadttheater zu Bremen als Leporello (am 24. Juni). Seitdem Pelle- grini, der in seinen späteren Zeiten auch den Leporello übernommen hatte, nicht mehr unter den Tisch kriechen konnte, um sich vor dem Geist zu verbergen, ward diese Rolle Eigentum Sigls geworden, dessen vieljährigen Masetto man dem „langen Allfeld" zugeschoben hatte. Nachdem nun Sigl den Leporello einigemale ebenso

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wie jede andere Gesangspartie „gesungen" hatte, schlug Eichberger mit wirk- lichem Gesang bei sehr durchdachtem, feinem Spiel dermaßen ein, daß man all- gemein auf seine nächsten Rollen gespannt war; aber sie kamen nicht, obwohl sie projektiert gewesen sein sollen. Die medisante Welt behauptete, Eichberger habe allen Münchnern, nur nicht Herrn Sigl gefallen. Noch ein einmaliges Auftreten war das eines Frl. Johannsen aus Köln als Valentine. Rübsam gastierte vor Antritt seines Engagements (2. September als Biterolf) als Graf im „Figaro" und Alfons in „Lucrezia Borgia".

Im Oktober dieses Jahres fand das von Generalmusikdirektor Franz Lachner ins Leben gerufene aus zwei Monstre-Konzerten bestehende erste Münchener Musikfest im Glaspalast statt. Im ersten Konzert am 4. Oktober kam Haydns „Schöpfung* mit einem Chor von mehr als tausend Sängern und einem Orchester von über zweihundert Mitgliedern nach jeder Seite imposant zur Aufführung. Das zweite am 5. Oktober brachte von Beethoven die C-moll-Sinfonie und das zweite Finale aus „Fidelio", einen Psalm E-moll von Mendelssohn, den zweiten Akt aus Glucks „Orpheus" (der damals in München deutsch noch nicht aufgeführt war!) und das Händeische „Alleluja". Unter den Solisten zeichneten sich besonders Kinder- mann und die Damen Diez und Mangstl (Hetznecker) aus. Die Akustik des Glas- palastes bewährte sich vorzüglich. Lachner, der als Beherrscher der Massen ganz in seinem Elemente war und die ganze Riesenarbeit mit vier Proben bewältigt hatte, erwarb sich durch eine gewiß tadellose Durchführung des klassischen Programms, die kein Teilnehmer je vergessen haben wird, seinen Weltruhm als Dirigent klassischer Musik. Ich erwähne dieses Faktums, weil es zur Würdigung des Künstlers gehört, dessen dreißigjähriger Führung die Münchener Oper (trotz mancher nicht ver- schwiegener Mängel) mehr als irgendeinem Anderen vor oder nach ihm, namentlich nach Seite der Klassizität, zu verdanken hat. Ihm mag es um diese Zeit, nach den Aufregungen der „Tannhäuser"-Affäre, wieder wohl ums Herz gewesen sein.

Nicht ebenso dem Intendanten. Hatte das Gebet des „Volksboten": „A duobus D et ab uno T^) libera nos Domine" in diesem Jahr schon eine teilweise Erhörung gefunden, indem Legationsrat Dönniges, der Dingelstedts Berufung vermittelt hatte, vom König plötzlich aus seiner Stellung entlassen wurde, so fühlte Dingelstedt, daß der nächste, dem dieses Schicksal blühte, er sein werde, um so sicherer, als er das erste Zeichen geminderter königlicher Zufriedenheit bei Stellung der Jahresrechnung pro 1854/55 entgegenzunehmen hatte. Hören wir seine eigenen Worte:

„Für mich stand die Gnadensonne des Roi soleil im Zenith zur Zeit des Gesamtgastspieles. Licht und Wärme hielten sogar noch ein ganzes Jahr vor, bis zum Herbst des kritischen 1855. Da trat die erste Verfinsterung ein, fiel der frostige Frühreif eines Allerhöchsten Signats, welches der Intendanz, statt der bisher üblichen huldreichen Anerkennung, das Befremden Seiner Majestät aussprach über die ungünstigen Resultate des Verwaltungsjahres 1854/55, Dasselbe, beginnend am I.Oktober 1854 bis zum Schlüsse am 1. Oktober 1855, wies zum erstenmal seit meiner Verwaltung ein Defizit auf, den Passivrest von 19985 fl. SV* kr. Reichswährung. Im Vorjahr konnte durch den Reinertrag des Gesamtgastspieles der Ausfall an den Einnahmen während der Choleramonate August, September 1854

*) Von der Tann.

400

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Karikatur von A, Obenländer in den „Fliegenden Blättern" 1880

Aufführung einen Wagnen-Open

in Gegenwant des Meistens.

noch gedeckt und ohne Defizit abgeschlossen werden. Im Jahre 1854/55 aber, welches, eben wegen der Cholera, anfing mit dem Wegfall des für die Theaterkasse sehr fruchtbaren Oktoberfestes, darauf wegen Ablebens der Königin Therese einen 14tägigen Theaterschluß brachte und durch die lange Hoftrauer den Theaterbesuch während des ganzen Winters empfindlich beeinträchtigte, kam, was kommen mußte: das Gleichgewicht zwischen Einnahmen und Ausgaben, nicht ohne Mühe so lange aufrecht erhalten, war gestört, das Defizit da, und mit demselben der Punkt, an welchem der Hebel zu meinem Sturz erfolgreich eingesetzt werden konnte. Dem König (welcher, wie Dingelstedt mit einem sprechenden Beispiel nachweist, ,von dem wahren Wert des Geldes keinen rechten Begriff hatte') ein Defizit von 20000 fl. als etwas Unerhörtes darzustellen, war keine Kunst, obwohl in Wahrheit bei einem Jahresbudget von nahezu 230000 fl. so hoch hatte ich es von übernommenen 200000 fl. gebracht und in einem, von tausenderlei Zufälligkeiten abhängigen schwankungsreichen Haushalt, wie er im Theater natürlich ist, der Ausfall von 20000 fl. fast ein verschwindender genannt werden kann. Abgesehen davon, daß, wenn irgendwo, gewiß hier der Fall einer höheren Gewalt, sozusagen eines Elementarschadens, vorlag, und daß durch den bestimmten Befehl, unter allen Umständen das Theater offen zu halten, meine persönliche Verantwortlichkeit gedeckt sein mußte. Alle diese Momente hatte ich in meinem Jahresberichte klar dargelegt, zur Erläuterung der Sache, nicht zur Rechtfertigung meiner Person, deren ich nicht zu bedürfen glaubte. Umsonst. Das befremdende , Befremden' kam schwarz auf weiß. Es verdroß mich tief. Ich hatte meine Schuldigkeit getan, vielleicht mehr als sie; auch in meinem Finanzexpose, das nichts vertuschte, bemäntelte, schönfärbte, ver- schleppte. Der Ausweg lag ja nahe genug, und er wurde mir von zweifelhaften Freunden noch näher gelegt: Die unbezahlten Rechnungen einstweilen sekretieren, auf ein kommendes Jahr übertragen, durch geschickte Ziffern-Gruppierung einen Abschluß erzielen, der nicht einmal als ein geradezu falscher erscheinen konnte. Dieser heimlichen Falle wich ich aus, fiel aber in die offene Grube hinein. Der König, von Natur ohne jede Ader von Geiz, war in seiner Hofhaltung von peinlichem Ordnungssinn, den liebedienerische Sparmeister ^) in seiner Umgebung zu benützen wußten, um sämt- liche Stäbe und Intendanzen mit einer eisernen Elle zu kontrollieren, zu korrigieren, zu terrorisieren." Hier kommt Dingelstedt darauf zu sprechen, daß die Dotation von 78000 fl., welche seit 30 Jahren trotz stets gesteigerter Ansprüche dieselbe geblieben sei, nur unter der Voraussetzung genügen könne, daß auch die Hilfsquellen des Theaters, die Einnahmen sich proportioneil steigerten, wogegen bei einem Rückgang oder Stillstand derselben der Krach unvermeidlich sei. „Diesen Zustand dem König und seinen Ratgebern ausführlich, ziffernmäßig, unverhüllt darzulegen, schickte ich im Oktober 1855 meinem Rechenschaftsbericht 1854/55 eine umfangreiche Denkschrift nach, illustriert durch die saubersten, sorgfältigsten statistischen Tabellen, worin das Budget des K. B. Hof- und National- theaters von 1800 bis zum Wendepunkt des Krebses 1855 mit der behaglichen Breite eines englischen Lordschatzmeisters vorgelegt und erläutert wurde. Jahr für Jahr, durch mehr als ein halbes Säkulum, hatte ich Einnahmen, Ausgaben, Abschlüsse verzeichnet und namentlich bei denjenigen kritischen Stellen, wo, damals schon, und zwar wiederholt, ein Defizit herausgekommen war, mit dem Zaunpfahl darauf hingewinkt, daß in solchen Fällen bald die Staatskasse, bald die Kabinettskasse Sr. Majestät zu außerordentlichen Zuschüssen sich herbeigelassen."

Unklug war aber, daß er, wie er nun ausführt, durch Hinweise auf die Zukunft, mit denen er zu schwarz malte, den König unruhig, mißtrauisch machte, wodurch seine Gegner gewonnenes Spiel hatten. Die Denkschrift wurde ohne Antwort ad acta gelegt, wiederholte Anträge des Intendanten, es möge das unverschuldete Defizit von der Kabinettskasse gedeckt werden, mit Nein beantwortet, bis „nach fast sechsmonatlichem Hin- und Herzerren" am 15. März des nächsten Jahres der

') In dem mir vorliegenden Exemplar der „Münchner Bilderbogen" ist hier am Rande mit Blei der Name Hofmann geschrieben. Für diesen übereifrigen Finanzmann im Kabinett hatte auch die öffentliche Meinung keine andere Bezeichnung, als die hier von Dingelstedt gebrauchte.

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König genehmigte, „daß die Hofttieateri^asse zur Deckung der Zahlungsrückstände des Etatsjahres 1854/55 ein Anlehen von 20000 fl. bei der Nürnberger Bank auf- nehme, verzinslich mit 3°/o, in fünf Jahren zurückbezahlbar". „Das hieß: Theater, hilf dir selbst. Und es hat sich geholfen. Aber dem Intendanten war nicht mehr zu helfen. An des Märzens Idus, mit derselben Feder, welche das allerhöchste Anlehens- Signat unterzeichnete, wurde der erste Dolchstoß auf den unglücklichen Bühnen- Cäsar geführt." Zum Abschluß dieses trüben Raisonnements zitiert er den die Situation bezeichnenden Vers seines „lustigen Freundes Glasbrenner":

Merkt es euch, ihr Geibel, Heyse, die der Wind beLiebig dreht, Hofgunst ist ein Dingel, das auf einem schwachen Bodensteht.

Der seither in Permanenz erklärte Personalwechsel dauerte auch im Jahre 1856 noch fort. Kremenz, seit Allfelds ganz unmotiviertem Abgang der einzige seriöse Baß, schied am 1. März, mit Ablauf seines dreijährigen Kontraktes, aus. An Herrn Lindemann, welcher während des sonst baßlosen Monats März ein Probegastspiel als Leporello, Orovist und Marceil absolvierte, gewann die Bühne eine tüchtige Kraft, einen verlässigen Repertoiresänger. Seine überaus kräftige Stimme gravitierte leider mehr zur Höhe als zur Tiefe, auch durfte man an den wonnereichen Schmelz in der Stimme Pellegrinis, die nun für immer dahin war, nicht denken, besonders wenn es sich traf, daß er eine ruhige Cantilene zu singen hatte. Weichheit und Sentimentalität, auch wo diese nötig ist, war nicht seine Sache, dazu fehlte ihm schon die Volubilität und die nur bei solcher mögliche Poesie des Tones; dafür stellte er in robusten, mehr grobkörnigen Partien, hauptsächlich in komischen, seinen Mann. Obwohl im ganzen Naturalist, gehörte er doch zum besseren Mittelgut, wie es nunmehr, beim erklärten Verfall der Gesangskunst, immerhin begehrenswert war. Auch kam ihm eine stattliche Repräsentation bei entschiedenem Spieltalent und genügender Routine zugute. Nach ihm hatte Dingelstedt schon im Jahre 1854, als er am Stadttheater zu Hamburg war, gefahndet, aber vorläufig vergebens, es ent- spann sich nun eine längere Korrespondenz. Im Verlaufe derselben, November 1855, teilte Lindemann mit, daß er in Dresden, wohin er sich inzwischen engagiert hatte, wegen Mangel an Beschäftigung gekündigt habe, und bot seine Dienste für München an, worauf dann der Vertrag mit ihm, vorläufig vom 1. April 1856 bis 30. September 1857 laufend, für erste Baßpartien mitSOOOfl. Gehalt und lOfl. Spielgeld zustande kam.

Am selben Datum schied Rübsam nach achtmonatlicher, durchaus nicht zu ver- achtender Tätigkeit aus, um in Joseph Strobel einem ihm stimmlich keineswegs gewachsenen Nachfolger Platz zu machen. Strobel war ein fleißiger, nicht unbe- gabter Künstler, doch wäre es vorauszusehen gewesen, daß seine kleine, noch dazu etwas trockene Stimme bei den Raumverhältnissen des Hoftheaters nicht aus- reichen werde. Hatte Rübsam schon alle Mühe, neben Kindermanns Wunderorgan nur Beachtung zu finden, so konnte Strobel nichts Schlimmeres passieren, als für Kindermann eintreten oder gar neben ihm singen zu müssen.

Am I.Mai wurdemit Frl. Sophie Kesenheimer, deren Engagementsich durch ihre beiden Probedebuts (Gräfin im „Figaro" und Agathe) im Vorjahre wünschenswert

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gezeigt hatte, ein Kontrakt bis zum 30. September 1857 mit 800 fl. Gehalt und 10 fl. Spielgeld 40mal garantiert, abgeschlossen. Es sollte durch dieses Engagement zugleich ein Druck auf Frau Behrend-Brandt ausgeübt werden, welche, sobald sie im Engagement festsaß, seit I.Juni 1854 ein Verhalten einschlug, welches der Intendanz klar machen mochte, daß sie doch klüger getan hätte, Frau Palm-Spatzer (deren „hohe Anforderungen" sicher ihrem Werte entsprachen) durch ein motiviertes Gut- achten an den König festzuhalten zu suchen. Während diese echte Künstlerin an Diensteifer nichts zu wünschen ließ, verlegte sich Frau Behrend in der Zeit von Juni 1854 bis Mai 1856 auf Absagen wegen Unwohlseins in einer Ausdehnung, wie sie bisher in keinem Personalakt zu finden ist. Am 21. Mai dieses Jahres erbat sie ihre Entlassung, weil „in der morgigen Vorstellung des Tannhäuser wieder Frau Diez die Elisabeth singt", und sie nicht als Supplement figurieren wolle. Dingelstedt befürwortet dies Gesuch aus disziplinaren und hauptsächlich aus ökonomischen Gründen, da sie hohen Gehalt (als erste dramatische Sängerin 3000 fl. Gehalt, 15 fl. Spielgeld monatlich, 6mal garantiert, ein Garderobegeld von 500 fl. und sechswöchent- lichen Urlaub) habe und „leicht entbehrlich" (?) sei, sie habe in den letzten acht Monaten 16 mal gesungen. Als der König das Gesuch am 24. Mai genehmigte, sprach sie in einer Immediateingabe ihre höchste Verwunderung aus über die allzu rasche Entlassung, die sie nicht vermutet habe. Der König verlangt Erklärung von der Intendanz, diese beruft sich auf ihren Bericht vom 22. Mai, und so blieb es bei der Entlassung.

Somit war das dramatische Fach wieder auf unbestimmte Zeit unbesetzt, denn Frl. Kesenheimer war, trotz ihres prächtigen vollen Mezzosoprans, vorläufig schon durch ihre Jugend auf das Lyrische angewiesen, vielleicht versuchsweise in jugend- lich-dramatischen Rollen verwendbar. Dingelstedt, der ohnedies in einer Lage war, in welcher er neue Vorwürfe und Anklagen nicht brauchen konnte, durfte daher von Glück sagen, als ihm im Juni, wie uns dünkt zum erstenmal in der Geschichte der Münchner Oper von einer Berliner Theateragentur das Engagement einer dramatischen Sängerin, nämlich der Frau Elise Maximilien vom Stadttheater zu Breslau, angeboten wurde. (Seither hat man diesen Menschen-Zwischenhandel als einen Krebsschaden im Theaterwesen erkannt, ohne ihn los werden zu können.) Indes war dieser erste Griff ins Blaue ein überaus glücklicher. Frau Maximilien gewann sich schon durch ihr kurzes Gastspiel (im September) als Recha, Martha, Fides und Valentine das unbeschränkte Lob der Sachverständigen, indem sie mit einer un- gemein edlen, auf gediegener Schule basierenden Gesangsweise ein ausgesprochenes Darstellertalent vereinigte, das bei großer Vielseitigkeit zum Hochdramatischen neigte. Sie schwang sich aber auch alsbald das brachte ihre süße, faszinierende Mezzo- sopranstimme mit (die indes in der Höhe zeitweise etwas gepreßt klingen konnte) zum Liebling des Publikums empor. Gehört sie doch, obwohl ihr zum Fach ihrer Neigung die Kraft der Stimme nicht immer ausreichte, zu den Unvergessenen an der Münchener Bühne, denn ihre Gräfin Armand, ihr Sextus sind unsterbliche Leistungen, und sie müßte zu den bedeutendsten Persönlichkeiten an derselben zu zählen sein,

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wenn ihr das Schicksal nicht das vor allem anderen nötige Theaterattribut, eine feste Gesundheit, verweigert hätte. Sie ward am 15. September mit 3000 fl. Gehalt, 12 fl. Spielgeld und 500 fl. Garderobengeld vorläufig auf ein Jahr engagiert. Indes suchte Dingelstedt, durch Erfahrung klug geworden, auch Frl. Kesenheimer, welcher inzwischen ein verlockender Kontrakt von Frankfurt a. M. angeboten worden, für die Bühne zu erhalten, indem er ihr Vorteile bot, welche jenen ungefähr aufgewogen hätten. Allein der Frankfurter Vertrag war bereits nicht mehr rückgängig zu machen, und Frl. Kesenheimer bat, daß man ihren bis zum 30. September 1857 laufenden Münchner Kontrakt am I.Juli desselben Jahres löse, was dann genehmigt wurde.

Den nicht allzu großen Verlust Auerbachs, der nach einjährigem Wirken am 1. August abging, zu ersetzen, ward der Versuch mit Karl Heinrich vom Stadt- theater zu Breslau gemacht. Derselbe gastierte schon in der ersten Hälfte des April mit „unterlegtem" (vom 1. April laufenden) Kontrakt als George Brown und Konrad (Hans Helling), fand Gnade vor der Kritik (auch vor dem „Punsch"), gefiel auch dem größeren Teil des Publikums, und ward so der Unsrige auf viele Jahre. Konnte Auerbach vermöge der Kraft und des Charakters seiner Stimme noch als drama- tischer Tenor gelten, so fehlte Heinrich, der ihn ersetzen sollte, dazu jedes Merkmal; zumal in Heldenrollen das bewies sein kläglicher Titus, den man ihm aber dennoch anvertraute, war er, auch wenn man beide Augen zudrücken wollte, nicht zu ver- wenden. Die fünf Monate, in denen er noch mit Auerbach zusammenwirkte, wurde das nicht so ganz fühlbar, bei dessen Abgang aber zeigte sich die ganze Misere des geschehenen Mißgriff'es. Die Bühne hatte keinen dramatischen Tenor und von den beiden lyrischen, Joung und Heinrich, hatte der letztere mehr die Eigenschaften eines ehrsamen Kantors (böse Zungen sprachen sogar von Schulmeister oder Lieder- tafler) denn eines Bühnensängers. Unangenehm, manchmal fast widerlich, war sein Outrieren der Reinheit der Vokale, das er bis zur Karikatur trieb. Beispiele un- vergessener „Heiterkeit", die er damit erregte, sind Stellen wie „Durch die Wälder, durch die Auen" im Freischütz, „Hier die Pastetchen, dort die Zuckertörtchen, alles so fein, so fein, alles ganz heiß" im Nordstern und andere; durch seine musikalische Sicherheit, insbesonders sein strammes Takthalten (Eigenschaften, die ja zu den Grundbedingungen des Gesanges gehören), soll er sich namentlich bei Lachner, der kein Freund vom Nachgeben wegen einer Gefühlsnuance war, insinuiert und schätzbar gemacht haben. Von nicht zu unterschätzendem Werte war seine gesunde, kräftige, in Tiefe und Mittellage sympathische Stimme, deren Erweiterung nach der Höhe leider ein gänzlich ungeschultes, unvermitteltes Falsett immer recht be- denklich machte. Sein Spiel war routiniert und lief nicht leicht Gefahr, bei minder hoher Aufgabe etwas zu verderben. Von Poesie war für Unsereinen an ihm nichts zu entdecken.

Daß dasselbe Publikum, welches noch vor zwei Jahren einem Härtinger, einem Pellegrini zugejubelt hatte, das sich noch jetzt im glücklichen Besitze eines Kinder- mann, einer Diez befand, auch mit diesem Sänger zufrieden war, seine Unarten nicht empfand, liefert den ebenso schlagenden wie traurigen Beweis, daß der

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unverlässigste Faktor in der Entwicklung der Theaterkunst schon früher das liebe Publikum war. Wenn dann noch die Kritik zustimmte, wer sollte den Verfall auf- halten? Der „Punsch", welcher seit der Verabschiedung seines St.-Referenten immer bedenklichere Urteile im Gesangswesen lieferte, eigentlich der ehrsamen Mittelmäßig- keit des „Landboten" schon völlig gleich kam, schreibt über Heinrichs Probegastspiel: „Nachdem das Publikum am letzten Freitag bei der musterhaften Vorstellung von Mozarts ,Hochzeit des Figaro' Gelegenheit hatte, sich über den Besitz des Herrn Lindemann zu freuen, welcher den Figaro im Gesang und Spiel meisterhaft gab, während neben ihm (neu in ihren Rollen) Frau Behrend-Brandt (Gräfin) und Herr Kindermann (Graf) glänzten, wurde uns diese Woche abermals ein Gesangsgastspiel auf Engagement zuteil mit Herrn Heinrich von Breslau, welcher als George Brown in der ,Weißen Frau' und ,Hans Helling' (sie!: soll heißen Konrad in ,Hans Helling') reichen Beifall erntete. Dieser Künstler, von vorteilhaftem Äußeren, scheint bereits sehr routiniert und deshalb schon ein Gewinn für die Oper. Seine hübsche, wenn auch nicht allzu starke Stimme und seine Gesangsbegabung überhaupt neigt sich mehr zu lyrischen Partien hin; die Kan- tilene gelingt ihm besser als der energische dramatische Gesang; man überzeugte sich hievon an den beiden Abenden. Unserer Ansicht nach spricht es auch vorteilhaft für den Gast, daß er nicht ausschließlich ,erste' Partien in Pacht nehmen will, sondern auch sogenannte ,zweite' singt, wie z. B. nächsten Sonntag den Alphons in der Jüdin'."

Das hier Bemerkte ist ja im Ganzen zutreffend. Was aber der Referent nicht be- merkte, war, daß der Gast von der Feinheit der französischen Spielpartie, wie Gesang und Darstellung jedem Kenner bewiesen, keine Ahnung hatte. Er war ganz Mittelgut, was allenfalls für den Konrad, diese spezifisch „deutsche Kapellmeisterschöpfung", ausreichen mochte. Unter solchen Umständen ist das Verdienst des Sängers, daß er auch „zweite" Partien sang, nicht allzu hoch anzuschlagen. Seine beste, ja auf- fallend gute Rolle war der Basilio in „Figaros Hochzeit"; denn auch eine willkür- liche Komik war ihm nicht abzusprechen.

Die nicht wenigen Gastspiele des Jahres sind, soweit sie nicht zu Engagements führten und darum zum Teil Erwähnung fanden, künstlerisch nicht von Be- deutung. Es traten auf: Im Januar ein Frl. Lindner aus Prag als Gräfin (Figaro), im Februar ein Frl. Ehren berg als Martha, im Mai ein Herr Erl als Prophet, Lyonel und Robert (wurde stimmlich schwach befunden); im Juni ein Frl. Leh- mann von der Deutschen Oper in Amsterdam als Norma (2 mal) und Donna Anna, welche namentlich in ihrer ersten Rolle sehr gefiel; ein Schwesternpaar Frl. Klara und Therese Ponta als Julia und Romeo (angeblich ein erster Versuch, welcher vom „Punsch" enthusiastisch besprochen wurde); im August ein Frl. Raftler vom Stadttheater in Würzburg, und endlich im November ein Frl. von Meixner aus Berlin in einem ebenfalls „ersten Versuch" als Leonore in der „Favorite".

Diesen wahrscheinlich nur durch Urlaube oder Unpäßlichkeiten nötigen Gast- spielen gegenüber steht das sehr wichtige des Tenoristen Moritz Grill vom Hof- theater zu Kassel, welches ebenfalls zu einem Engagement im nächsten Jahre führte. Grill trat im Juli als Arnold, Herzog (in „Rigoletto") und Lyonel auf. Zu seiner Charakteristik schreibt der „Punsch" im ganzen ziemlich treffend über seinen Arnold:

„Das Größte an Herrn Grill ist seine Stimme, er singt hoch über sich selbst hinaus" (er war von kurzer, zusammengedrängter Statur). „Das Publikum war mit dem Zirpen dieser Grille ganz

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zufrieden, Herr Grill bewährte sich aber nicht nur als musikalisch bemittelter Sänger, sondern auch als eifriger Darsteller; seine Charakterisierungen, obwohl Produkte seines Verstandes, zeigen Gemüt(?); Kopf und Herz sind nahe beieinander. Schon bei seinem ersten Heraustreten bezauberte (?) er das Publikum durch den wirklich meisterlichen (?) Vortrag seines Rezitativs; als er nun gar anfing, seine hohen Töne auszulegen, wurde die Bewunderung allgemein; ein Volltenor mit kräftiger Höhe, das ist eine rara avis in unserem Opernkäfig." Und über seinen Lyonel heißt es: „In der Oper , Martha' ist schon lange kein so starker Applaus mehr gehört worden, wie letzten Dienstag, wo Herr Grill den Lyonel sang. Derselbe mußte sogar die große Arie im dritten Akte , Martha, du mein Leben' repetieren."

Wie durch das spätere Gastspiel der Frau Maximilien (Recha, Nancy, Bertha im „Propheten" und Valentine) die Primadonnenfrage überaus glücklich gelöst wurde, fand durch das Erscheinen Grills die Tenorfrage eine bedingte, wenn auch nicht durchaus befriedigende Lösung. Zum dramatischen oder gar Heldentenor fehlte ihm Mittellage und Tiefe (worüber den Referenten des „Punsch", der bereits auch zum „großen Publikum" gehörte, die glänzende Höhe hinwegtäuschte), dar- stellerisch vor allem die geeignete Figur. Sonst war sein Wesen das des gebildeten Menschen, sein Streben ein vornehm künstlerisches.

Das Jahr litt an einer auffallenden Kargheit der Novitäten. Es waren ihrer nur zwei: Meyerbeers wieder lange vorher bombastisch angekündigte große Oper „Der Nordstern" und „Jeanettens Hochzeit", ein Einakter von Viktor Masse. Das erstgenannte Werk, eine im musikalischen Sinne recht unverfrorne Überarbeitung des „Feldlagers von Schlesien" (eine Metamorphose vom preußischen ins russische Idiom), kam schon am 2. Februar, als noch Frau Behrend-Brandt und Herr Auerbach der Bühne angehörten, zur ersten Aufführung und erlebte bis zu deren Austritt sechs Wiederholungen. Anzunehmen, daß diesen Erfolg nur die Reklame gemacht habe, hieße dieser zu der in Rede stehenden Zeit eine zu große Gewalt einräumen. Eher beweist er, daß selbst der schwächliche Trieb des alternden Stammes noch seinen Zauber, den musikalischen nämlich, wenigstens auf das große Opernpublikum ausübte, daß aber auch andrerseits sit venia verbo kein Opernunsinn groß genug war, um dieses Publikum, nachdem schon die Morgen- röte einer besseren Einsicht angebrochen, über sein Wesen aufzuklären und dadurch abzustoßen, so lange er nur der Schaulust und der Forderung bunter Abwechslung frönte. Der große Peter erscheint hier zum zweiten Male als Held einer Oper, nur diesmal nicht ganz so gemütlich wie in Lortzlngs „Czaar und Zimmermann", sondern als der typische russische Trunkenbold, der auch seine angebetete Katharina, die er in Wiburg an der finnischen Küste (nicht in Sardam) als Beherrscherin einer Schnapsbude kennen gelernt und die ihm, als Rekruten (an Stelle ihres einberufenen Bruders) verkleidet, nachgereist ist, im Rausche richtig erschießen läßt. Doch wird die nachmals so „berühmt" gewordene Dame, welcher schon bei ihrer Geburt der „Nordstern" Glück und Größe verkündend geleuchtet, auf wunderbare Weise gerettet und zum Schluß als Kaiserin gekrönt. Eine Blütenlese von mehr oder weniger möglichen Zufälligkeiten, die durch Ver- blüffung wirken, bringt dieses für die Menschheit so wichtige Bündnis zustande. Merkwürdig Meyerbeer war vollauf der Überzeugung, daß der Erfolg einer Oper in

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erster Linie von der Beschaffenheit des Textes abhänge, aber er vermochte, durch namenlose Erfolge immer mehr Finanzmann geworden, die ihm vorgelegten Texte nicht mehr vom Standpunkte der Ästhetik, sondern nur nach dem Grade ihrer Wirkung auf das große Publikum zu beurteilen. Eine Katharina von Rußland schon zur eigentlichen Hauptfigur eines musizierten Dramas zu machen und sie dabei zu glorifizieren, bedeutet entweder ethische Verkommenheit oder das unverfrorene Be- kenntnis, daß ja ein nicht ernst zu nehmendes Kunstwerk, sondern nur eine Oper geschaffen werden wollte. Hiemit war aber auch diese Kunstform aus der Grenze ernster Beachtung gerückt und ihre Reform zur kulturellen Notwendigkeit geworden.

Die hauptsächlichsten Mitwirkenden, welche sich wohlverdientes Lob errangen, waren Frau Diez als Katharina man hatte ihr diese Rolle gegeben, weil Frau Behrend-Brandt, der sie eigentlich gehörte, ihrem nahen Ausscheiden entgegen- sah — und Herr Kindermann als Michaelow (Czaar Peter). Die übrigen Herren, Auerbach als Danilowitz, Hoppe als Georg und Sigl als komischer Gritzenko, sowie Frl. Schwarzbach als Praskovia standen verdienstvoll in zweiter Reihe. Wie schon der „Prophet", gehörte auch der „Nordstern", wiewohl jenem an Wunder- schaustücken nicht vergleichbar, zu den Opern, welche vom Publikum mehr gesehen als gehört wurden. Dal3 der Sehbedürftigen in München verhältnismäßig viele waren, beweist folgende Statistik. Im Jahre 1857 fanden fünf, 1858 vier, 1859 drei, 1860 und 1861 je eine, 1862 wieder drei, 1864 und 1865 je vier, 1866 fünf, 1867 zwei, im ganzen also 39 Vorstellungen in zehn Jahren statt. Aus dem Umstände, daß im Jahre 1867 die musikalisch wieder weit bessere „Afrikanerin" auftauchte, könnte geschlossen werden, daß sie das Erlöschen des „Nordsterns" veranlaßt habe, ein Erfolg, der den inzwischen schon massenhaft gegebenen Wagneropern nicht gelang. Aber der Zufälligkeiten, welche auf die Dauer einer Oper influieren, sind zu viele und mannigfaltige, als daß ein derartiger Schluß überhaupt möglich wäre.

Über den Einakter „Jeanettens Hochzeit", dessen Aufführung (am 22. August) mir völlig entging, bringt der „Punsch" folgende Notiz: „Die kleine Oper von Masse: , Jeanettens Hochzeit' hat, dank der überaus fleißigen Darstellung seitens der Frau Diez und des Herrn Heinrich, auch bei der Wiederholung wenigstens, was den musikalischen Teil betrifft angesprochen."

Neu einstudiert wurden in diesem Jahre: „Johann von Paris", „Doktor und Apotheker", „Der Alte vom Berge", „Titus", „Jessonda", „Die Dorfsängerinnen". Am besten rentierte sich Dittersdorfs Oper mit fünf Aufführungen.

Zur Feier von Mozarts hundertstem Geburtstag am 27. Januar 1856 brachte das Hoftheater ein vieraktiges Künstlerlebensbild „Mozart" von L. Wohlmuth, eine geschickte Auslese anziehender und wichtiger Momente aus dem Leben des großen Tonheros. Der Gedanke, dieses Fest der Musik mit Vorführung eines Opernzyklus aus der Hand des Meisters der Oper zu begehen, scheint damals niemand beschäftigt zu haben. Die eigentliche musikalische Feier war der musikalischen Akademie überlassen, welche in einem Festkonzert die Zauberflöten-Ouvertüre, das Adagio aus dem Quartett mit Klarinette (von Karl Bärmann meisterlich vorgetragen),

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„Das Veilchen" (ebenso vortrefflich von Frau Diez gesungen), den Isischor mit mehr als hundert Sängern und zum Schlüsse das Requiem zur Aufführung brachte.

Nicht eigentlich zur Geschichte der Münchner Oper, wohl aber zur Geschichte des Intendanten Franz Dingelstedt gehört der traurig-berühmte [durch Friedrich Halms Drama „Der Fechter von Ravenna" veranlaßte] „Bacherl-Skandal". Wäre derselbe nicht, was zwar kaum glaublich scheint, tatsächlich die äußere Veranlassung zur Kaltstellung Dingelstedts gewesen, ich würde mich als geborner Münchener hüten, daran zu erinnern, denn zur Erhöhung des Renommes meiner Vaterstadt hat er wahrlich nicht beigetragen. Zum Tröste aller Kompatrioten setzte sich die Rotte, welche dazu gebraucht wurde, aus Elementen zusammen, welche sich um nichts weniger als um Schauspiel, Oper, überhaupt um das Hoftheater und seine Angelegenheiten kümmerten. Diese Leute waren, ahnungslos wie immer, die Truppen, welche dem verhaßten Intendanten die Schlacht liefern mußten, in der er auch rite aufs Haupt geschlagen wurde. [Der Streit drehte sich um den gegen den „Fechter" erhobenen Vorwurf des Plagiats, weil Halm seinerzeit als Preisrichter eines dramatischen Wettbewerbs am Wiener Hofburgtheater die bei dieser Gelegen- heit vorgelesene, mit seinem Drama in der Tat auffallend verwandte Dichtung eines oberbayerischen Schullehrers, namens Franz Bacherl, benutzt habe. Als nun der „Fechter* unter Halms Namen auf der Bühne erschien, entlud sich der Zorn über die vermeintliche Vergewaltigung des Landsmannes auf Dingelstedt als Helfers- helfer, und Bacherl wurde als Märtyrer gefeiert.] Dingelstedt schreibt darüber: „Umsonst strengten sich meine Freunde an, die Machinationen meiner Gegner im letzten Stadium zu durchkreuzen. Sie traten, mich verteidigend, in der Presse, in der Gesellschaft, im Theater (?) für mich auf. Geibel ließ sich sogar offen und mann- haft beim König melden, ihm vorzustellen, daß meine Entlassung ein Bruch mit des Königs eignem System sei, wie mit dem Prinzipe, das Hoftheater durch einen

Fachmann leiten zu lassen Liebig und Pfeufer irrten, Hilfe und Rettung für

mich suchend, persönlich umher unter den Hofwürdenträgern, den Ministern, den Vertrauten des Königs; sie begegneten verlegenen Blicken, kühlem Achselzucken, im besten Falle müßigem Bedauern." Durch letzteres Geständnis bestätigt übrigens der Verfasser der „Münchener Bilderbogen" nachträglich etwas naiv, daß es die Partei der Berufenen gegenüber dem Wassertrüben der Patrioten im Legen von Gegen- minen auch nicht fehlen ließ. Während freilich erstere die Grenzen des Erlaubten nicht überschritten, waren letztere sowie auch andere Elemente in der Wahl der Mittel desto skrupelloser. Dingelstedt erzählt weiter:

Mittwoch, den 28. Januar 1857, kurz vor 7 Uhr abends, empfing ich mein

Entlassungsdekret, nachdem am Morgen desselben Tages König Maximilian eine Winterreise nach Italien angetreten, an deren Vorabend ich ihn aus dem Theater, wie gewöhnlich, schweigend, ohne Abschied zu nehmen, in seine Gemächer heim- begleitet hatte . . . Gleichzeitig kam infolge der sogen. Extradition an meinen Amts- nachfolger das wahre Resultat meiner Verwaltung ans Licht. Ich konnte einen Barbestand von mehr als 13000 fl. in der Kasse nachweisen, so daß mehr als die

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Hälfte des Cholera- Anlehens von 20000 fl. nach Verlauf eines Jahres bereits gedeckt erschien." Halb einer Palast-, halb einer Theaterintrigue schrieb Dingelstedt seinen Sturz zu. „Gerade wie bei Dönniges verschwand auch in mir ein Hindernis, so hieß es, das zwischen König und Volk gestanden, ein trüber Fleck in der Popularität des ersteren .... Franz Liszt, mein berühmter und bewährter Freund^ rief mich im Namen des Großherzogs von Sachsen nach Weimar, ,da S. Kgl. Hoheit den Augenblick gekommen glaubte, seine oftmals ausgesprochenen Absichten auf meinen Erwerb für sein Theater zu verwirklichen.'" Nach einigen Bedenken folgte Dingel- stedt diesem ehrenden Ruf, ging in der Karwoche nach Weimar und schloß für den Herbst ab.

Der Charakter des Mannes, dessen Name in der deutschen Literatur- und Theatergeschichte unbestritten einen ehrenvollen Platz einnimmt, ist mit dem in diesem Kapitel über ihn Gesagten mit ziemlicher Klarheit gezeichnet. Er ist eine seltsame Mischung von guten, ja hervorragenden, und wieder weniger sympathischen, aber immerhin menschlichen Eigenschaften. Zu ersteren gehören, neben zweifel- loser Kompetenz im Fach der Dramaturgie, ein durchdringender Verstand und eine außerordentliche Energie und Tatkraft, welche ihn, wie nicht leicht einen anderen, gerade zur Behauptung des schwierigen Postens eines Theaterintendanten befähigten. In ihnen lag die Gewähr einer Theaterleitung, von welcher König Ludwig L, welcher der goldenen Worte so viele sprach, mit Recht urteilen konnte: „Das Theater hat nie einen besseren Intendanten gehabt und bekommt keinen so guten wieder." Zu den letzteren ist einerseits ein fast burschikoses, im Glück bis zum Eigendünkel sich steigerndes Selbstbewußtsein, welches ihn nur zu oft vermochte über berechtigte Anschauungen und Forderungen anderer achtlos hinwegzusehen, andrerseits ein damit schwer vereinbarter Kleinmut in Augenblicken des Umschwunges zu seinen Un- gunsten zu rechnen. Wie er sich durch Rücksichtslosigkeit und hochtrabendes Gebaren selbst mit Freunden und Anhängern, namentlich Künstlern, die er achten durfte, verfeindete, so daß er sich zuletzt ausschließlich auf die Partei der Berufenen, die ihn im Interesse der Solidarität nicht preisgeben durfte, angewiesen sah, so wollte es ein eigentümliches Pech, daß sein gern zur Schau getragenes Zielbewußt- sein in volle Kopflosigkeit umschlagen konnte, gerade in Momenten, wo seine Geistes- gegenwart weit mehr als sonst (z. B. beim Bacherl-Skandal) notwendig gewesen wäre. Das Wort Mephistos: „Wo so ein Köpfchen keinen Ausweg sieht, stellt es sich gleich das Ende vor", scheint sich Dingelstedt nicht hinter die Ohren geschrieben zu haben. Als wunder Punkt in seinem Verhalten tritt leider hervor, daß er gegen Kleine hart, gegen Große sehr biegsam sein konnte. Die Affäre mit dem kleinen Vogt, die ihm nur einige Unterhaltungsstunden auf der Polizei eintrug, hat ihm ganz München verübelt.

Sehr auffallend ist es übrigens auch, daß sein lustiger Freund Martin Schleich, der beim Bekanntwerden seiner Berufung, über die Rolle des Witzblattes sich erhebend, eifrig für ihn Partei nimmt, von da an keine Zeile des Lobes für ihn hat, wohl über den Barometer witzelt, den sich der Journalist Vogt durch die

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Dingelstedtsche „Polemik" am Kopfe zugezogen hat und dem von Dingelstedt in Schutz genommenen Friedrich Halm energisch zu Leibe rückt. Die Auslassungen des „Punsch** spiegeln ebenso ziemlich die Grundstimmung der Unparteiischen wieder, in deren Kreisen die bald publik gewordene Behandlung, welche Dingelstedt gegen ausge- zeichnete Mitglieder der Oper, wie Frau Palm-Spatzer und namentlich Dr. Härtinger, auch J. B. Allfeld für gut hielt, böses Blut machte. Dieses höchst befremdende Ver- fahren steht nun einmal untilgbar in seinem Münchener Schuldbuche. Bei reiferer Erfahrung, die ja auch zu den Vorbedingungen einer vollkommenen Theaterleitung gehört, dürfte er sich vielleicht diesem Vorwurf nicht ausgesetzt haben. Als Dingel- stedt zur Übernahme der Intendanz in München einfuhr, kündigten die Theater- zettel ominös „Die Schule des Lebens" an. Er hat den Läuterungsprozeß, den diese Schule mit sich bringt, tatsächlich, wenn auch in Ansehung der Oper zu spät an sich durchgemacht und durchgekostet, um ihn in seinen folgenden Stellungen in Weimar und Wien kraftvoll zu verwerten. Das Münchener Schauspiel hat er zu einer Höhe der Vollkommenheit emporgehoben, welche es vorher nie eingenommen hat und wahrscheinlich nie mehr einnehmen wird.^) Zugleich war er ein strammer, zielbewußter Verwaltungsbeamter, für einen Poeten doppelt ehrenwert in dieser Beziehung gab er seinem erfahrenen und gewandten Vorgänger Küstner nichts nach. Daß er, auch in der Oper, soweit es das Repertoire betrifft, keine numerische Ein- buße herbeigeführt, vielmehr es vergrößert hat, erhellt aus der nachstehenden stati- stischen Übersicht.

Der in dieser Richtung zu untersuchende Zeitraum umfaßt nur einen Jahrgang weniger, als der vorausgehende, bietet daher einen ziemlichen Maßstab für die Ver- schiebung der Opern- und Vorstellungszahlen innerhalb der beiden Zeiträume. Von 1842 bis inklusive 1857 fanden im ganzen 1530 Opernvorstellungen statt. Dies be- deutet gegen den vorigen Zeitraum, in welchem 1125 Vorstellungen gegeben wurden, den überraschenden Zuwachs von 405 Vorstellungen. In jene 1530 teilen sich die drei Nationalitäten folgendermaßen: 837 deutsche gegen 474, 312 italienische gegen 304, 375 französische gegen 347 des vorigen Zeitraumes. Während also die beiden letzteren sich kaum wesentlich vermehrten, ist die Differenz zwischen den beiden Zeiträumen zu Gunsten der deutschen Vorstellungen eine ganz kolossale, nämlich ein Plus von 363 Vorstellungen im gegenwärtigen gegenüber dem vorigen Zeitraum. Hierbei ist noch des Umstandes zu erwähnen, daß die Vorstellungen italienischer Opern in der Ursprache gänzlich aufgehörthaben. Die neuhinzugetretene Nationalität der Engländer ist nur durch den einzigen Balfe mit sechs Vorstellungen von zwei Opern („Haimonskinder" und „Zigeunerin") vertreten.

Unter den deutschen Komponisten ist der unbestrittene Sieger Meyerbeer, welcher, im Jahre 1851 allein schon mit 20 „Propheten" anrückend, mit diesem, „Robert", „Hugenotten" (erst seit 1848 so benannt) und dem „Nordstern" auf 164 Vorstellungen kommt; er hat nunmehr seinen stärksten Rivalen, Maestro Rossini,

•) [Vergl. O. Liebscher: Fr. Dingelstedt. Halle a/S. 1909, S. 142ff.]

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definitiv überwunden. Sein „Kreuzritter" wurde 1843 mit einer Vorstellung zu Grabe getragen. Ihm kommt zunächst Mozart mit 152 Vorstellungen, von welchen 46 auf „Don Juan", 37 auf „Figaro", 30 auf die „Zauberflöte", je 14 auf die „Ent- führung" und den „Schauspieldirektor", 5 auf „Titus" und je 4 auf „Idomeneo" und „Cosi fan tutte" fielen. Die Bemühungen Lachners, die drei letzten zu halten, stießen auf Gleichgültigkeit des Publikums.

Mit 90 Vorstellungen von 4 Opern, wovon 38 auf „Stradella", 47 auf „Martha" fielen, trat Flotow in diesem Zeitraum siegreich auf den Plan. Die gefällige Muse ist immer glücklicher als die gehaltvolle. Der „Förster" und die „Großfürstin" hatten doch wohl zu wenig Gehalt. C. M. von Weber und Lortzing diff'erieren nur um drei Vorstellungen, indem ersterer mit „Freischütz" (50), „Oberon" (17) und „Euryanthe" (8) auf 75, letzterer mit „Czaar und Zimmermann" (39), „Wild- schütz" (19), den „Beiden Schützen" (4), „Waffenschmied" (3) und „Undine" (7) auf 72 Vorstellungen kam. Warum der „Waffenschmied" nicht zog, ist erwähnt worden. 36 Vorstellungen von Franz Lachners „Catharina Cornaro" bedeuten einen starken Erfolg, an dem das Mißgeschick des „Benvenuto Cellini" (3) nichts rütteln kann. Schlimm dagegen erging es dem guten Ignaz Lachner mit seiner jedenfalls lob- würdigen „Loreley" mit sechs Aufführungen binnen drei Jahren. Daß Marschner mit seinen zwei Opern „Templer und Jüdin" und „Hans Helling" nur auf 22 Vor- stellungen kam, wird manchen überraschen, es ist das auch zu einer Zeit, in welcher Richard Wagner noch nicht auf die Erfolge der deutschen Zeitgenossen drückt, keine erhebende Erscheinung. Auch daß selbst Beethovens „Fidelio" während dieser 16 Jahre nur ebensoviele Vorstellungen erlebte, ist kein rühmliches Zeichen für den Geschmack des Publikums, wenn nicht widrige Verhältnisse, etwa die Not an ge- eigneten Sängerinnen für die Leonore, eine größere Anzahl verhinderten. Lachners Schuld war es sicher nicht. Auch nicht, daß Gluck nur lOmal und überhaupt nur mit der einzigen „Iphigenia auf Tauris" zu Wort kam, während man mit allen andern sehr unrühmlich im Rückstande blieb. An die kleineren Altmeister Dittersdorf und Schenk konnte ihrer vergnüglichen Stoffe wegen pietätvoll erinnert werden, indem man des ersteren „Rotem Käppchen" und „Doktor und Apotheker" 14, des letzteren „Dorfbarbier" aber 10 volle Vorstellungen widmete. Ebensoviele wurden auch der früher so ungemein populären „Schweizerfamilie" des braven Weigl gegönnt, dessen Stern aber mit dem Sinn fürs Harmlose bereits im Erlöschen be- griffen war. Fast unbegreiflich aber wäre es, daß Spohr, abgesehen von seinem nun einmal unweitläufigen „Faust", auch mit der musikalisch so herrlichen „Jessonda" nur sechsmal zu Wort kam, wenn nicht allenfalls die Erkrankung der Jos. Hefner Schuld daran trug. Nicolais „Lustige Weiber" machten mit 19 Vorstellungen während der letzten vier Jahre einen vielversprechenden Anfang; ähnlich Benedicts „Der Alte vom Berge" mit neun Aufführungen. Das erste Versprechen sollte glänzend, das zweite gar nicht in Erfüllung gehen. Ein sehr kurzes Leben fristeten die Opern „Tony" des Herzogs von Coburg in drei, die „beiden Prinzen" von Esser in vier Vorstellungen. Einige Ein- bis Viertagsfliegen sind im obigen Text genugsam erwähnt.

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Ein sehr berühmter und ein sehr fruchtbarer Komponist wurde in diesem Zeit- räume für immer verabschiedet: Peter von Winter, dessen „Unterbrochenes Opferfest" am 2. Juli 1844 zum letzten Male, und Baron von Poißl, dessen letzte Oper „Zaide" überhaupt nur dreimal gegeben wurde. Ein Gleiches ist mit Ferdinand Fränzel schon im vorigen Zeiträume geschehen. Von Schmidt, dessen „Prinz Eugen" fünfmal gegeben wurde, steht Neues in Aussicht.

Unter den 312 Vorstellungen italienischer Opern treffen 104 auf Bellini, 98 auf Donizetti und nur 60 auf Rossini, der mithin auch vor seinen beiden jüngeren Landsleuten in Bezug auf Zahl der Aufführungen, aber auch der Werke in den Schatten gestellt ist. In die 104 Vorstellungen Bellinischer Opern teilen sich die „Puritaner" (dessen Meisterwerk) mit 23, „Norma" mit 37, die „Nachtwandlerin" mit 17, „Capulets und Montagues" mit 27; in die 98 der Donizettischen Opern „Lucia von Lammermoor" mit 11, der „Liebestrank" mit 4, „Belisar" mit 13, „Regimentstochter" mit 34, „Linda von Chamounix" mit 9, „Lucrezia Borgia" mit 19, und „Favorite* mit 8. Von den nur mehr drei Rossinischen Opern kam „Teil* 32, der „Barbier" 24, „Othello" 13mal daran. Die Zahl bewährte ihren Unglücksruf, indem das dem Gesamteindruck nach jedenfalls hervorragende Werk mit der letzten Aufführung am 8. Juli 1852 für immer verabschiedet wurde. Dasselbe geschah in diesem Zeitraum mit fünf anderen Werken und ihren berühmten Schöpfern, in erster Linie leider mit der dramatisch so hochbedeutenden „Vestalin" von Spontini, deren definitives Verschwinden auf Nimmerwiedersehen gewiß niemand erwartete, als sie tatsächlich zum letzten Male mit dem alten glänzenden Erfolg am 24. Juni 1853 aufgeführt wurde. Lachner war für das Werk, wie ich aus seinem Munde weiß, ebenso eingenommen, als man später von Richard Wagner erfuhr, aber es bewährte sich in diesem Falle das richtige Wort C. M. v. Webers, daß das Schicksal einer Oper oft rein nur vom Zufall abhängt. Die anderen vier waren: Salieris „König Axur" (um den es vielleicht am mindesten schade war), einmal im Jahre 1842 gegeben, „Der lustige Schuster" des einst so beliebten Paer, „Die Müllerin" (Molinara) von Paesiello, einst ein Zugstück in München, und Fioravantis „Dorfsängerinnen" in den Jahren 1856 und 1857, zusammen dreimal aufgeführt. Auch Spontini s „Cortez" war nach zwei Aufführungen 1849 verabschiedet. Eine sporadische Er- scheinung war noch Cimarosas „Heimliche Ehe", seit 1851 in deutscher Über- setzung gegeben, dieselbe erscheint aber später noch einmal wieder.

Unter den 375 französischen Vorstellungen figuriert wieder Auber als eklatanter Sieger, und zwar hat er diesmal mit 12 Opern, worunter 5, nämlich „Die Kron- diamanten", „Teufels Anteil", „Die Sirene", „Hayde" (einmall) und „Der ver- lorne Sohn" neu hinzugetreten sind, 147, die gleiche Anzahl wie im vorangehenden Zeitraum erreicht. Davon treffen 39 Aufführungen auf die „Stumme von Portici", 31 auf „Teufels Anteil", 22 auf „Fra Diavolo", je 10 auf die „Sirene" und „Gott und die Bajadere", je 9 auf „Maurer ^und Schlosser" und den „Verlornen Sohn", während sich „Die Krondiamanten" (diese sehr mit Unrecht), „Hayde" (einmal), der nur mehr selten gefallene „Schnee" (einst Lieblingsoper) und „Das Konzert

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am Hofe" in den sehr geringen Rest teilen. Nicht recht begreiflicher "Weise ist in diesem Zeitraum „Der schwarze Domino" ganz ausgefallen. Auf immer verab- schiedet waren außer dem nur im Jahre 1842 (4mal) gegebenen „Krondiamanten" die Opern „Der Schnee", am 10. August 1843 zum letzten Male gegeben, „Hayde" und „Das Konzert am Hofe", beides schwache Erzeugnisse. Auber zunächst, aber in ziemlich weitem Abstände, kommt Halevy mit 82 Vorstellungen von freilich nur vier Opern. Davon treffen 38 auf die „Jüdin", 17 auf „Guido und Ginevra", 18 auf die „Musketiere", 6 auf den „Guitarrespieler", nur 3 auf das „Tal von Andorra". Sehr zu kurz kam gegen die Effektopern dieser Zeit der feine-liebenswerte Boieldieu mit seiner „Weißen Frau" in 16, seinem „Johann von Paris" mit 10 und dem „Neuen Gutsherrn" mit 4, zusammen 30 Vorstellungen. Letzterer wurde ver- abschiedet; ihn wieder vorzusuchen, war überhaupt kein glücklicher Gedanke. Auch daß im ganzen Zeitraum Mehuls herrlicher „Joseph" (noch immer mit dem Namen „Jakob und seine Söhne") nur siebenmal gegeben wurde, bedeutet eine Ver- nachlässigung. Der achtmal aufgeführte „Schatzgräber" und die „Beiden Füchse", welche siebenmal gegeben wurden, haben ihrem leichten Genre nach nicht den Kunstwert des „Josephs". Nach Verhältnis zufriedenstellend schloß Cherubini mit vierzehn Vorstellungen des noch immer „Graf Armand" genannten „Wasserträger" ab. Boisselot ward sein Teil mit sieben Aufführungen der „Königin von Leon", Grisar mit elf von „Gute Nacht Herr Pantalon", Chelards glänzend aufge- nommener und immer stark besuchter „Macbeth" wurde mit der siebenten Auf- führung (zugleich mit der unvergeßlichen Vertreterin der Lady Frl. Hetznecker) am 29. Juni 1849 verabschiedet. „Jeannettens Hochzeit" von Masse verschwand nach drei Vorstellungen.

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VOM ABGANG DINGELSTEDTS BIS ZUM EINTRITT

DES K. HOFMUSIK-INTENDANTEN KARL FREIHERRN

VON PERFALL (1857 BIS 1868)

IN dieses „10jährige Interregnum", wie es Dingelstedt nicht ganz leidenschaftslos nennt, teilen sich ein nomineller und ein wirklicher Leiter.

Ersterer war der „als Notnagel herangezogene" Baron v. Frays, welcher, durch Krankheit vielfach verhindert, seine Aufgabe eigentlich nur dadurch erfüllte, daß er die Würde des Hoftheaters als eines königlichen Institutes mit seinem adeligen Namen, freilich nur auf die kurze Zeit von dreieinhalb Jahren, garantierte, wie es zur Zeit ausgesprochener Reaktion wieder in der Ordnung war. Am I.Februar 1857 zum dritten Male, diesmal mit 1000 fl. Funktionsgehalt zu seinen Militärbezügen, berufen, erhielt er 1860 einen Gesundheitsurlaub vom 27. März bis I.Juli und am 1. August d. Js. schon die erbetene Enthebung von diesem Posten. Während sich seine persönliche Geschmacksrichtung im ersten Jahre seiner Bühnenleitung noch durch die Produktion eines Taschenspielers bemerkbar machte, muß zu seiner Ehre gesagt werden, daß er sich aus bereits bekannten Gründen sonst jedes Eingriffes in die geschäftliche und künstlerische Leitung löblich enthielt, die Maschine gehen ließ, wie sie ging, und ihre Leitung den verantwortlichen Organen überantwortete. Der wirkliche, und zwar sehr kraftvolle und zielbewußte Leiter der Dinge war der bisher in verschiedenen Stellen am Hoftheater beschäftigte Wilhelm Schmitt, über welchen Dingelstadt sagt: „Dieser Schmitt, der Lehrling Küstners, unter Frays" (während seiner zwei ersten Intendanzführungen) „dessen Gesell geworden, mein alter ego er hatte sein Meisterstück an mir gemacht,

und sich auf meinen Stuhl gesetzt " Aber in solchen Affären rechnet der

Geschädigte sehr oft mit feindlichen Einflüssen, mit Intrigue und Beinstellen, während der Vorgang sich natürlich aus den Verhältnissen erklärt. Möglich und sogar wahrscheinlich ist, daß der „liebedienerische Sparmeister" (Hofkassier Hof- mann — einen anderen kann Dingelstedt kaum meinen ) in Schmitt durch amt- lichen Verkehr den Mann erkannte, welcher ihm „zur wirtschaftlichen Leitung" des Kunstinstitutes, wie sie ihm paßte, geeignet schien.

Die einzige wirkliche Novität des Jahres war Adams „Giralda", am 22. Juni gegeben, eine Pseudo-Novität dagegen war „Hieronymus Knicker" von Dittersdorf, die man zu Ehren des Fasching- Dienstags herausbrachte. Über erstere schreibt

der „Punsch":

„Der Kompositeur des überall beliebten ,Postillon von Lonjumeau*, Charles Adolf Adam beschloß seine musikalische Laufbahn mit einer komischen Oper: ,Giralda', die vorigen Sonntag auf unserer

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Hofbühne zum erstenmal in deutscher Übertragung aufgeführt wurde. Spielopern, wie diese, sind zwar nur in der opera comique zu Hause, doch wurde sie auch hier in recht gelungener Weise gegeben. Bei öfterer Wiederholung dürfte sie immer mehr ansprechen. Frische der Musik, tiefe Empfindung und vorzügliche Behandlung komischer Situationen zeichnen dieses Werk vor vielen Erzeugnissen der Neuzeit aus. Die Schule Boieldieus klingt oft recht freundlich heraus. Der Text aus der Scribeschen Fabrik kann zwar durch seine lockere Behandlung seinen Ursprung nicht ver- leugnen, enthält aber die ergötzlichsten Situationen. Die Herren Kindermann, Grill, Sigl, die Damen Diez und Maximilien erwarben sich um die Aufführung die löblichsten Verdienste."

Über die „Novität" „Hieronymus Knicker" läßt sich das Blatt launig vernehmen: „Gibtes auch eine theatralische Verjährung? Der heurige Faschingsdienstag bewies es. , Hieronymus Knicker', komponiert 1787, seit fünfzig Jahren von der hiesigen Bühne verschwunden, erschien als Novität." Im Jahrgang 1807, in welchem nach des Referenten Berechnung das Singspiel zum letztenmal erschienen sein soll, war es nicht zu finden. Dagegen hat die Premiere unumstößlich schon am 12, April 1793, also unter Karl Theodor und der Intendanz des Grafen Seeau stattgefunden, gibt eine Differenz von 64 Jahren. Mithin war der Irrtum verzeihlicher als eine Reihe anderer in der Premierenfrage, welche, wie wir wissen, unseren Zettelmachern passiert sind. Zum Schluß des Berichtes heißt es: „Mit dem Witz ging es bei diesem Hieronymus allerdings etwas knickerisch herunter. Die Herren Lindemann, Sigl und Heinrich, besonders ersterer mit seiner treff- lichen humoristischen Arie: ,Ich höre den Donner, die Trommel', leisteten Treffliches, auch die Damen Diez und Schwarzbach widmeten ihren Aufgaben großen Fleiß." Die Ausgrabung des Stückes im echten Biedermeier-Rokoko kam, was die Dichtung anbelangt (welche noch an der Komik eines Schwerhörigen festhält) wohl etwas verspätet, nicht aber eigentlich im musikalischen Sinne, denn die motivische Harmlosigkeit und der liebenswürdige Humor dieser im Grunde doch recht geistreich konzipierten „Zopfmusik" hatte, wie ich mich wohl erinnere, auf viele einen unwider- stehlichen Reiz. Dabei mußte man freilich dem allernaivsten Standpunkt Rechnung tragen, welcher die mir unvergeßlichen Verse im Duett der beiden Bassisten produzieren konnte:

Der Trichter, der ist Goldes wert,

Er macht, daß man sich besser hört

Und daß man besser sich versteht,

Jetzt gehn wir |: in das Kabinett :|. Das Ganze in Terzen gesungen mit der zwingenden Logik des Schlußsatzes, es war eine Wirkung. Die erwähnte Arie vom Donner und dergleichen, von Lindemann prächtig gesungen, steht an Kompositionswert nicht unter der typisch ähnlichen des Podesta in Mozarts „Pinta Giardiniera".

Die Operette war in diesem Jahre ebenfalls nur einmal wiederholt, doch tauchte sie später unter Lachner noch einigemale im Repertoire auf.

Ein sehr erfreuliches Ereignis war es, daß die hochbegabte Josephine Hefner, welche am I.Juli 1855 von der Bühne abgegangen war, sich der Intendanz wieder zur Verfügung stellte, nachdem sie ihre Gesundheit in Seebädern wiederhergestellt hatte. Sie erhielt jedoch nur einen einjährigen Gastrollenvertrag vom 1. März 1857 bis 28. Februar 1858 mit 50 fl. für jede Rolle. Leider sollte die neuaufgenommene Tätigkeit ihren Talenten nicht recht entsprechen. Um hier chronistisch etwas vor- zugreifen, sei mitgeteilt: Der gleiche Vertrag wurde bis 30. September 1858 ver- längert, die Stimme kräftigt sich wieder, und Frl. Hefner erklärt, mit diesen Be- dingungen nicht weiter auftreten zu wollen; man bot ihr einen Jahreskontrakt bis 30. September 1859 mit 600 fl. Gage und 10 fl. Spielhonorar, den sie in sehr unnötiger Bescheidenheit merkwürdigerweise annahm. Beim Abgang der Maxi- milien (30. September 1859) wurde der Kontrakt unter den gleichen Bedingungen

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auf zwei Jahre verlängert. Im Juni 1861 verlangt sie einen fünfjährigen Kontrakt mit 1800 fl. Gage und 10 fl. Spielhonorar und erhält einen dreijährigen mit 1500 fi. und 10 fl. Spielhonorar. Auf ihr trotz vieler Unterbrechung durch Krankheit doch sehr ersprießliches Gesamtwirken an der Münchener Oper wird im Jahrgang 1862, wo sie ihre Entlassung wegen Verehelichung erbittet, zurückzukommen sein. Über ihr erstes Wiederauftreten als Casilda schreibt der „Punsch":

„Wir wissen uns nicht zu erinnern, daß das Publikum an des ,Teufels Anteil' jemals soviel Anteil nahm, wie vergangenen Sonntag. Betrat ja ein Mitglied der früheren Opernzeit, Frl. Hefner, wieder die Bühne und wurde gleichsam im Triumphe eingeholt. Hoffen wir, daß sich die Stimme der geschätzten Künstlerin durch die Übung wieder so kräftigen werde, daß die Oper an ihr eine jederzeit angenehme Personalabwechslung besitzt. Die Palme des Abends errang Frau Diez als Asmodeus." (Letzteres ist begreiflich und die Erwähnung nur gerecht; denn gerade der Carlo Broschi gehörte zu den besonders beliebten Glanzrollen dieser hoch verdienten Künstlerin.)

Über die Antrittsrolle des Herrn Grill als Arnold im „Teil" am 3. Mai schreibt dasselbe Blatt: „Aus den Huldigungen von selten des Publikums geht hervor, daß man sich diesen ausgezeichneten Künstler nicht so leichten Kaufes wieder entreißen lassen wird. Man ist außerordentlich gespannt, Herrn Grill nun bald in einer seiner Forcerollen: Prophet oder Raoul zu bewundern." Zu seinen „Forcerollen" gehörte aber gerade der Arnold, seiner Höhe wegen, in erster Linie.

Folgender Panegyrikus auf Lachner („Punsch": Münchener Opern- und Schau- spielgucker, Nr. 43, 25. Oktober 1857) gibt, heute gelesen, einen sicheren Anhalts- punkt darüber, welche bedeutsame Stellung gegenüber der damaligen „Gegenwarts- und der Zukunftsmusik" diesem Meister von der öffentlichen Meinung noch ziemlich siegesbewußt zugemessen wurde.

„Die Wiederaufführung der Lachnerschen Oper ,Catharina Cornaro' bildet unstreitig für das heurige Jahr den Glanzpunkt des dramatischen Kunstlebens unserer Hauptstadt. Nicht leicht hatte ein deutscher Tondichter das Glück, ein so lebensfähiges, wirksames Opernbuch zu erstehen, wie Lachner mit dem Werk des Herrn St. Georges, nicht leicht wurde aber auch eine schändlichere Prellerei ausgeführt, als in dem nämlichen Falle, wo das Gewissen des französischen Librettisten weit genug war, um einen doppelten Kaufvertrag zu schließen und das bereits mit deutschem Gelde erworbene Buch gleichzeitig Herrn Halevy preiszugeben. Dazu kommt noch das nationale Ehr- gefühl und der zarte Charakter mancher deutschen Direktion, welche das französische Werk mit dem gestohlenen Text aufführt und dadurch an dem ehrlichen deutschen Komponisten ein doppeltes und dreifaches Unrecht begeht. Dieses Unrecht erscheint noch schmählicher, wenn man bedenkt, daß die Lachnersche Komposition die des Herrn Halevy nicht nur an Gediegenheit und Schönheit der Form, was sich von selbst versteht, sondern auch an äußerem Effekt und Melodienreichtum notorisch hinter sich läßt. Doch genug davon das alles gehört zu den Geschicken desjenigen, der es unternimmt, ,für die Deutschen eine Oper zu schreiben'. Legts' zum übrigen! Lachner hatte die Genugtuung, sein Werk an vielen maßgebenden größeren Bühnen, außer München ganz besonders in Berlin, nach vollem Recht gewürdigt zu sehen. Es stünde traurig um alles, was Kunst heißt, wenn die Wahrheit nicht doch zuletzt Siegerin bliebe, und da Franz Lachner zu den Männern gehört, die vor der Kunst eine angeborene Achtung haben, und es mit ihrem Kultus redlich meinen, so ist ihm in der Geschichte der Musik ein Ehrenplatz gewiß. Wünschen wir uns Glück, daß es noch Männer gibt, die an der Mission, einen guten Geschmack zu konservieren, festhalten, gegenüber einerseitsdenlndustrie-,andererseits den Zukunftsmusikern, von welch letzteren es ein oder der andere gut meinen mag, trotz derMarotte, den Boden zu verdammen, worauf man aus physischer Notwendigkeit stehen muß. Was

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,Catharina Cornaro' betrifft, so ist es bereits im Tagesgespräch wie in der Presse hinlänglich erörtert, ]

welch' eine ausgezeichnete Aufnahme die Oper gefunden, und welche Verdienste sich besonders die |

Herren Kindermann und Grill nebst Frau Maximilien um die Darstellung erwarben." |

Seit vier Dezennien ist "Wagner nun fraglos obenan; aber auch Me|yerbeer und j Halevy sind noch nicht vergessen.

Das Jahr 1858 bildet die zweite Etappe der Richard Wagnerschen Propaganda 185i in München. Seit der glänzenden Aufnahme des „Tannhäuser" im Jahre 1855 ist da- selbst offensichtlich eine Reaktion kühlerer Skeptik gegenüber der „Zukunftsmusik" i eingetreten. Die überraschten Gegner sammelten und stärkten sich wieder zur Abwehr \ dagegen, daß allenfalls die Zügel der musikalisch-dramatischen Reform straffer an- gezogen, die eingänglichen Opernmelodien zugunsten der neuen musikalischen Rhetorik j vollends verabschiedet, die harmonischen und orchestralen Ausdrucksmittel, schon ] „grausam genug" im „Tannhäuser", noch gesteigert werden sollten. In diesem Streben j mochte sie die vorwiegend satirische Behandlung, welche die Wiener Kritik dem ! im Vorjahre erschienenen „Tannhäuser", trotz dem freudigen Entgegenkommen ' des Publikums entgegensetzte, ermutigen. Nach der im Ganzen recht vernünftigen Kritik, welche der „Punsch" über den „Tannhäuser" nach seiner Erstaufführung im Jahre 1855 geschwungen hatte, ist doch nachstehendes Witzeln in Nr. 1 dieses j Jahres recht bezeichnend: j

„Der Komponist des ,Tannhäuser*, bekanntlich seit 1848 als Flüchtling in der Schweiz lebend, soll ' seine Amnestierung nachgesucht haben, um in Deutschland persönlich als Messias der Zukunfts - musik und Stifter eines neuen Harmonienbundes auftreten zu können. Sein Evangelium lautet:

,Den Alten ist gesagt worden: Melodie auf Melodie, Gedanke um Gedanke! Ich aber sage euch, j

wer ein melodisches Thema festhält, der ist der kritischen Verdammnis schuldig!'" ]

Im Gegensatz zu der langen und heftigen Preßfehde, zu den wiederholten, i

Parteinahme wie Widerspruch gleich entfesselnden Ankündigungen, welche die j

Ankunft des „Tannhäuser" von vorneherein zur cause celebre gestempelt hatten, j

trat Wagners zweite dramatische Großtat, der „Lohengrin", am 28. Februar ! kampflos, fast unerwartet, unangefeindet, ich möchte sagen; in aller Stille in Er- scheinung. Daß diese geräuschlose Einführung des neuen Kampfobjektes der Absicht

entsprungen sein sollte, die Flamme des Enthusiasmus nicht noch zu schüren, hieße \

den damaligen Generalen der konservativen Armee zuviel Taktik zutrauen. Es wird j

auch in diesem Fall der Zufall seinen gemessenen Anteil gehabt haben. Eines scheint i man jedoch aus dem Fall Tannhäuser gelernt zu haben: daß man den Siegeslauf

eines vielleicht Berufenen durch Opposition und Hintanhalten nicht hemmen, sondern !

nur das Gegenteil damit bewirken kann. Zu dieser Erkenntnis würde auch stimmen, j

daß man den „Lohengrin" schon fünf Jahre nach seiner ersten Aufführung (1853 i

in Weimar durch Liszt) und zwar unaufgefordert zur Aufführung brachte. Der Erfolg ]

dieses Verfahrens blieb nicht aus. Das Münchener Publikum trat an das neue Werk j

sine ira et studio heran, und da es sein Fassungsvermögen weit mehr als der „Tann- ]

häuser" überforderte, kam es auch nicht zur Hälfte des von diesem im Sturm er- ;

rungenen Erfolges. (Hier ist selbstverständlich nur von den ersten Aufführungen ;

die Rede.) Ich gebe den unter der Rubrik „Kleine Frühstücksplaudereien" (!) ]

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erschienenen Bericht des „Punsch" wieder, weil er, wie ich mich noch erinnere, das Stimmungsmilieu von anno dazumal, worüber die Gegenwart gesittet „Pfui*' sagen mag, ziemlich getreu widerspiegelt:

„Lohengrin, der Leviathan unter den Opern, ist endlich unter Anstrengung vieler Menschen und Instrumente vom Stapel gelaufen, das heißt er schwimmt nun in der hiesigen Öffentlichkeit. Ob er je Fahrwasser finden wird, müssen wir abwarten. Ohne gelehrt aussehende Umschweife sei gleich der Eindruck berichtet, den das Werk auf die Majorität, man kann sagen auf das gesamte Publikum machte, sei also gleich eingestanden, daß der fast gänzliche Mangel an herkömmlichen Melodien, das anhaltende Erdbeben der Bässe und Blechapparate, das unbarmherzige Saitengequik in den höchsten Tonlagen den Zuhörer in einen Zustand der Ermüdung versetzt, infolge- dessen er den Vorhang mit größerem Vergnügen fallen sieht, als bei einer neuen und prachtvoll ausgestatteten Oper der Fall sein soll. Wenn nun wir beide: ich^ Berichterstatter, und du, freundlicher Leser, unter vier Augen uns ganz leise versichern, daß wir uns langweilten, so sind das zwei Seelen und ein Gedanke, zwei Herzen und ein leerer Magen! Aber wir müssen andererseits bekennen, daß es, zumal dem Laien, unmöglich ist, schon nach der ersten Anhörung sich über das Werk ein gegliedertes Urteil zu bilden; man müßte da ein musikalischer Dase sein, der die in einem Haufen Spreu befindlichen Weizenkörner beim ersten Anblick zusammenzählt. Noch mehr hüte man sich selbst zugegeben, daß Lohengrin eine so vorübergehende Erscheinung ist, wie jüngst die wilden Schwäne am Würmsee aus diesem Anlaß über Wagner und seine Richtung selbst abzusprechen. Daß er ein begabter Musiker ist, dem die schwere Kunst der Instrumentierung eigen, das geben auch seine Feinde zu. Daß er ein konsequenter Charakter, keine Buhlerin, sondern ein Mann ist, liegt am Tage; er wußte, wie er das große Publikum gewinnen konnte, aber er verschmäht jede Wirkung, die nicht eine mit seinen Prinzipien vereinbarte Grundlage hat. In dieser Beziehung steht er artistisch-moralisch höher, als so mancher Kunstschacherer, der gerne noch jedem Schusterjungen auf der Galerie') eine eigene Melodie vorpfeifen ließe. Endlich hat Wagner das Verdienst einer groß- artigen Anregung im musikalischen Leben der Gegenwart. Ein solcher Kampf der Meinungen ent- wickelt sich nicht, wenn der aufgestellte Gegensatz alles inneren Wertes bar ist. Das moderne Opernwesen rollte dem Abgrund des Unsinns entgegen. Tragische Situationen, wie Kampf, Mord und Tod, wurden von einem musikalischen Thema begleitet, das sich anderen Tages für einen Parademarsch ebenso schicklich erwies; der Zuhörer wollte in der Oper nicht denken, noch fühlen, nur verdauen, sein Ohr wiegte sich in dem oberflächlichsten Gedudel, sein Auge suchte sehnsüchtig das unvermeidliche Ballett. Die Demoralisation der Komponisten geht mit der Entnervung des Theaterpublikums Hand in Hand. Die Italiener und Franzosen besitzen die abschreckendsten Exempel dieser Verkommenheit. Und für die Deutschen war natürlich die Einfuhr der fremden Fabrikate Lebensbedürfnis. ,Was hat in Paris gefallen?' Diese Frage hörte man ertönen, so weit die deutsche Zunge reicht. Wehe dem Einheimischen, der es gewagt hätte, ein deutsches Buch mit einer gewissen Begeisterung zu komponieren ! ') Ja, er konnte es komponieren, aber niemand achtete auf ihn. Und nicht beachtet zu werden, das ist der grausamste Tod, den ein Talent sterben kann. Da in dieser Zeit der Versumpfung trat Wagner, der schon manche Irrfahrt hinter sich hatte, mit einer Entschiedenheit auf, die ihm augenblicklich eine Partei verschaffte, und niemand kann leugnen, daß durch seine und seiner Anhänger Opposition neues Leben unter die musikalischen Geister fuhr. Wagner bewies, daß es weder Schande noch Verbrechen ist, einer Oper deutschen Stoff und deutsche Tendenz zugrunde zu legen, und daß die Zuhörer, wenn sie sich auch langweilen, doch nicht davonstreben. Der erste Glaubensartikel dieser äußersten Linken, dieser musikalischen Bergpartei lautet: Wiederherstellung der Souveränität der Poesie, Aufhören der Tyrannei der Melodie. Gleichwie bei vielen literarischen Produkten der Neuzeit die Illustrationen die Hauptsache sind,

') „Der Schusterjunge auf der Galerie", dieses beliebte Schlagwort des „Punsch", ist eine reine Er- findung. Ich habe ihn nie gesehen und war doch sehr oft auf diesem wohlfeilsten Platz. Der Verfasser. *) Hier ist leider bloß die große Frage zu stellen: Wo waren denn die deutschen Opernbücher?

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mitunter sogar der Text erst handwerksmäßig zu vorhandenen Holzschnitten fabriziert wird, so schien es auch bisher, als sei die Poesie nur um der (illustrierenden) Musik willen da. Das gewissermaßen revolutionäre Streben, der Poesie wieder zu ihrem Recht zu verhelfen, anerkennen wir dankbarst, müssen aber bemerken, daß, um die Musik mit Recht untertänig zu machen, eine andere Poesie hingestellt werden muß, als die im ,Lohengrin' enthaltene. Daß Herr Wagner, indem er auch Zukunfts-Texte macht, sich als doppelten Heiland der Musik wie der Poesie hinstellen will, ist eine gelinde Arroganz. Ein Komponist wie Beethoven, wenn er betreffs der dramatischen Neugestaltung der Oper mit Wagner einerlei Meinung wäre, könnte eine mustergültige Amalgamierung der Poesie mit der Musik zuwege bringen, wenn ihm ein Dichter wie Goethe oder Schiller den Text lieferte. Freilich werden sich unsere Nachkommen mit geringeren Qualitäten behelfen müssen. Aber auch nur zu dem Behufe, ein solch ideales Tonwerk anzustreben, reichen Verse und Gedanken, wie die im ,Lohengrin< nicht aus.') Richard Wagner ist Musiker und Komponist von Fach" (gerade das bestritten eben damals die älteren Fachmusiker!), „als Dichter Dilettant, und nur das Nationalgefühl, womit er sich an deutsche Stoffe hält, stimmt uns nachsichtig für seine Jamben, die man eigentlich eine Turn- schule für Sängerzungen nennen könnte. Die Aufführung des Interesse erregenden Werkes geschah mit aufopferndem Fleiße. Will der Leser wissen, wer sich ausgezeichnet hat, so beliebe er den Zettel abzulesen. Alle waren sie erfüllt von der Wichtigkeit ihrer Aufgabe, alle waren sie gleich bemüht den Sisyphusstein der ewigen Akkorde hinaufzuwälzen. Man muß die Oper gehört haben, um über den Standpunkt der Reformer auf dem Laufenden zu bleiben und bei dem großen Kampf, der sich ohne Zweifel in den nächsten Jahren entwickeln wird, die nötigen Vorkenntnisse mitzubringen. Um die Bekanntschaft mit dem Werke zu erleichtern, sind, wie wir vernehmen, einige sehr wohltuende Kürzungen vorgenommen worden. Nur wer bei den ungeheuerlichen Gesamtproben ein paar Viertelstunden zugehört hat, vermag zu würdigen, mit welcher Gewissenhaftigkeit General- musikdirektor Lachner die Verkörperung dieser wunderlichen Tondichtung geleitet und ermöglicht hat; bei den Instrumenten gehören einige Passagen rein ins Bereich der Luftschlösser, aber es wurde so lange probiert, bis der harmonische Zusammenklang mit dem Ganzen hergestellt war. Einen aus mehr als 200 Menschen bestehenden Darstellungsorganismus, unter fortwährendem Kampf mit den Instrumenten, den rechten Weg fortzuführen, ist keine Kleinigkeit. Ein Schlachten war's, nicht eine Schlacht zu nennen."

So im Jahre 1858. Wer heutzutage dieses Kuriosum von Kritik liest, das noch dazu den ehrlichen Drang nach Unparteilichkeit zur Schau trägt, ja sogar dem damals verfallenden Opernwesen energisch zu Leibe geht, sieht der Hauptsache nach hier ein drastisch wirkendes Bild von „Einst und Jetzt" vor sich. Zwar muß ich zur Ehrenrettung meiner Zeitgenossen konstatieren, daß das musikalische Urteil des Referenten, welcher die Begabung Wagners vorzüglich nach der schweren Kunst der Instrumentierung bemißt, auch von den damaligen Fachgenossen schon als Laiengeschwätz belächelt wurde, was er aber über den Gesamteindruck des Werkes als eines ermüdenden und schließlich langweiligen schreibt, ent- sprach so ziemlich der Empfindung der musikalischen Laienwelt, also (nach altem

^) War ein Manko der Dichtung vorhanden, so lag es nicht in den Versen. Mein Freund Hans Hopfen stellte den Lohengrin als dramatische Figur tief unter den Tamino, nach der Theorie des antiken Dramas mit Recht. Tamino handelt aus innerem Drange und in freier Selbstbestimmung und gelangt zum Ziel. Lohengrins Wesen und Wirken ist bedingt von einer höheren Gewalt, nach der er nicht einmal gefragt werden darf. Im Augenblick, wo dies geschieht, muß er abreisen, handelt also überhaupt nicht. Aber es ist Musik in dieser mystischen Romantik, und Wagner, der Musikpoet, hat das Problem gelöst mit Umgehung der „tragischen Gerechtigkeit", den Stoff, der ihn gerade als solchen anzog, wirkungsvoll zu gestalten. Zu dieser Einsicht ist erst eine spätere Zeit gelangt. Der Verfasser.

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Gesetz!) der ungeheueren Majorität des in diesem Falle auch vor ein Problem gestellten Publikums. Und wollen wir nur gerecht sein: diese aufrichtige Stimmungs- äußerung eines naiven, aber uneingeschüchterten Publikums ist jedenfalls achtbarer und zugleich der Kunstentwicklung weniger gefährlich, als das nun schon gewohnte passive Verhalten des ganz unmündig gewordenen Publikums unserer Zeit, die es „so herrlich weit gebracht," daß man sich im Theater und Konzert bedingungslos dem Terrorismus und der Suggestion einer zwar nicht gescheiter, aber um so arroganter gewordenen Presse unterwirft, einer Presse, welche, obgleich sie zum Teil sehr fragliche Autoritäten nährt, sich zum unfehlbaren Richter und Unter- richter in Kunstsachen aufwirft. Das damalige Unverständnis gegenüber der über- raschenden Neuheit des „Lohengrin" wich schon in wenigen Jahren, auch in München, der rasch zunehmenden Erkenntnis, daß es sich hier um die konsequente, nahezu schon abschließende Durchführung der im ganzen richtigen dramatischen Prinzipien Wagners handle, welche im „Tannhäuser", zum Teil noch durch Konzessionen an das Melodiebedürfnis des Publikums, die selbst Wagner für nötig erachtete, im vollen Durchbruch gehindert waren.

Auch ich muß bekennen, daß ich etwa fünf Aufführungen (nicht siebzehn wie Wolzogen!) nötig hatte, um den neuen, edlen Schönheiten des Lohengrin völlig gerecht und von ihnen begeistert zu werden. Wie harte Mühe dies damals selbst vielen jungen strebsamen Musikern machte, davon erlebte ich in Leipzig ein Beispiel in der Saison 1859/60 an meinem Studiengenossen Ten Brink. Derselbe war schon von den hohen Violinen im Vorspiel so gereizt, daß er mit der Frage: „Ja, ist das nun Kunst?" davongehen wollte, was ich dadurch verhinderte, daß ich mich auf seine Rockschöße setzte, aber im Verlauf des Werkes war er mir doch dankbar dafür. Zum Schlüsse des obigen Berichtes ist noch zu bemerken: Wohl „geschah die Aufführung des Werkes mit aufopferndem Fleiße", wohl „waren sie alle erfüllt von der Wichtigkeit ihrer Aufgabe"; daß aber der Leser, um zu wissen, wer sich ausgezeichnet habe, nur „den Zettel abzulesen" brauche, war ein naives Schönfärben zu Gunsten des Personals, welches einem weniger laienhaften Beurteiler nicht hätte passieren können. Hierdurch wurde der Löwenanteil an der Wirkung des Werkes den Ausführenden zugeschoben, er gehörte aber unwiderleglich der erfinderischen Kraft des Dichter-Komponisten und dem neuen sympathischen Stoff. Von all den sehr achtbaren Mitwirkenden waren tatsächlich nur zwei vollständig an ihrem Platz: Kindermann als Telramund und Lindemann als Heinrich der Vogler, beide stimmlich vortrefflich, ersterer gesanglich von ungewohnter Leidenschaft, letzterer das Gewicht aufgemessene Ruhe legend. Zwischen beiden konnte Grill, der kurz- gedrungene Gralsritter, keine glaubhafte Figur machen und durch diesen Ausschluß des äußerlich Imposanten litt der Eindruck und das Verständnis dieser ersten Hauptpartie aufs empfindlichste. Niemann hat uns in späteren Zeiten gezeigt, wie das „Hehre" auch körperlich repräsentiert werden muß. Wenn aber unsere treffliche Frau Diez je vor eine unmögliche Aufgabe gestellt war, unmöglich in Stimmlage und Charakter, im Maß der Leidenschaft, überhaupt im Rollenfache,

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so geschah ihr dies als Of trud in diesen ersten „Lohengrin"-Aufführungen. Zer- linchen, Page, Annchen, Carlo Broschi wie reimt sich das zusammen mit Ortrud, dem weiblichen Dämon, zu dessen Besiegung der Gral seinen Ritter aussenden muß! Noch jammert mich die Hilflosigkeit der guten Frau, womit sie den Vorgängen des ersten Aktes gegenüberstand; denn außer einer grüngelben Schminke hatte ihr die nicht minder hilflose Regie sichtlich kein Mittel zur Charakteristik an die Hand gegeben. Wohl hielt sie dann die Partie, soweit es die stimmlichen Anforderungen noch ermöglichten, musikalisch über Wasser, die Darstellung des Tiefleidenschaft- lichen aber mußte notwendig beim wohlgemeinten Versuch bleiben, und dadurch war das Verständnis der Rolle für das Publikum einfach ausgeschlossen, wahrlich nicht zum Vorteil der Wirkung des Ganzen. Wenn irgend etwas bewies, daß es der Münchner Hofbühne damals an ersten dramatischen Sängerinnen fehlte, so war es dieser Fall Diez-Ortrud. Nahe, recht nahe kam dagegen Frau Maximilien^) einer idealen Wiedergabe der Elsa. Ich müßte sie, wäre später nicht Mathilde Mallinger gekommen, die beste Elsa nennen, die ich gehört habe. Die Musiker und „Theaterleute" mochten auch die Schwierigkeiten des „Lohengrin", dem doch der „Tannhäuser" kein allzu zahmer Vorläufer war, etwas stark übertrieben haben, und ein lauernder Berichterstatter bauschte diese Nachrichten zu einem Sensations- artikel auf, dessen dankbarer Schluß war: „Ein Schlachten wars, nicht eine Schlacht zu nennen." Gewiß ist, und darin liegt das beste Zeugnis für die Direktion und sämtliche Ausführende, daß bei der Ankunft Richard Wagners in München (1864 auf den Ruf König Ludwigs II.) der „Tannhäuser" und der „Lohengrin" sich eines ziem- lich allgemeinen Verständnisses erfreuten, bereits.zu den populären Opern zählten. Von einer weiteren Novität war in diesem Jahre aus begreiflichen Gründen abzusehen. Als neu einstudierte Opern kamen heraus: am 19. März „Joseph in Ägypten", am 3. Juni „Euryanthe", am 12. Oktober „Richard Löwenherz" und am 28. November „Templer und Jüdin". Gelegentlich der Mehulschen Oper kann sich der „Punsch" des Ausfalles auf Wagner nicht enthalten. „Post nubila Phoebus post Zukunftsmusik: ,Joseph in Ägypten*! Einen wahren Hochgenuß fand das überfüllte Auditorium am Josephitag in der Aufführung dieses in seiner Ein- fachheit so herrlichen Tonwerkes." Er kann sich also von den Schrecken des Schlachtens noch nicht erholen, und wie wenig geschmackvoll ist es doch, den selbstverständlichen Erfolg dieses alterprobten Meisterwerkes zu einem hämischen Vergleich mit einem neuen, noch nicht verstandenen zu benützen! Vernünftiger an sich ist die zwischen „Lohengrin" und „Euryanthe" gezogene Parallele: „Nach mehrjähriger Pause gab die Münchener Hofbühne in vergangener Woche Webers ,Euryanthe', doppelt interessant, sowohl für die Zukunftsmusiker, wie für die eigentlichen Musiker. Erstere betrachten ihren , Lohengrin* als Fortsetzung der , Euryanthe', letztere finden, daß der Schwanenritter ein Zerrbild ,Euryanthens' ist. So viel ist gewiß, daß das unsterbliche Werk Webers dem aufmerksamen Laien

') Sie war, als erste Dramatische engagiert, die eigentlich lyrische Sängerin, somit hier ganz an ihrem Platze.

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und besonders dem Kenner einen Schatz von Schönheiten aufschließt, der das Ohr entzücict und Herz und Geist erfreut. Die Brendelsche Musiiczeitung macht der ,Euryanthe* zum Vorwurf: man merke, daß sie zur Zeit des Rossini-Kultus entstanden sei." Zu dieser Leistung des Herrn Brendel (Gott hab ihn selig!) ist freilich zu bemerken, daß der höchste Blödsinn immer die Geburt des Partei- fanatismus war. Daß Franz Lachner dem „Lohengrin" gerne die „Euryanthe" gegenüberstellte, war uns jungen Leuten sehr begreiflich, und seine Überzeugung gab ihm ein gutes Recht dazu, es war eine erlaubte Waffe. Er übersah dabei nur, daß die „Mutter" „Euryanthe" eine Schwäche in sich trage, welche dem „Sohne" „Lohengrin" in den Augen der nicht nur musikalisch, sondern auch dramatisch urteilenden Theaterbesucher endlich den sicheren Sieg verschaffen mußte. Von Meister Weber zum Teil selbst gründlich verschustert, ist und bleibt das Buch der „Euryanthe" ein totgebornes Kind, und nur die Musik wird die Musikalischen immer erfreuen, die aber im Theater immer eine ganz geringe Minorität bilden. Wie herrlich es Wagners Dichtergenie gelungen ist, dieselben Operntypen, welche in der „Euryanthe" langweilen, an der Hand der schönen Gralssage in

interessante lebensvolle Gestalten umzuwandeln die Parallele Euryanthe Elsa,

Adolar Lohengrin, Lysiart .... Telramund und die beiden Könige zieht jeder

Unbefangene, und diese Gestalten zu einer verständlichen, ergreifenden, von Ge- suchtheit und Schnitzern freien Handlung zu vereinigen, weiß und würdigt die Welt nun lange genug. Und selbst wer die Empfindung hat, daß der eigentliche Melodien- gehalt des „Lohengrin" dem der „Euryanthe" nicht gewachsen ist (ich erlaube mir noch immer dieser Ansicht zu sein), muß, wenn er nicht befangen ist, entschädigt sein durch die überwältigenden großen und einheitlichen Tonbilder, deren jeder Akt zwei oder drei in schlagender Charakteristik einander gegenüberstellt. Schon das nächste Dezennium urteilte: „Hier gibt es nicht Melodien, sondern eine weitgeschwungene Melodie!"

An Gastspielen war das Jahr wieder reich, fast überreich. Den Anfang machte im Januar Herr Wallenreiter als Großkomtur in der „Jüdin", und eine italienische Operngesellschaft Giordano, welche „Lucia von Lammermoor" und „La Sonnam- bula" ohne besonderes Aufsehen gab. Von Bedeutung war dagegen das größere Gastspiel der Frau Dustmann-Mayer von der Hofoper in Wien, welche im Mai als Donna Anna, Valentine, Norma, Leonore (Fidelio) und Recha (Jüdin) mit stei- gendem Erfolg auftrat. Der „Punsch" schreibt:

„Für die Oper steht durch das Gastspiel der k. k. Opernsängerin Frau Dustmann-Mayer ein erhöhtes Leben in Aussicht. Schon als Donna Anna zeigte Frau Dustmann als Louise Mayer auch weiter bekannt ihre vollkommene Meisterschaft in Gesang und Spiel, nachdem sie im ersten Akt durch ihre Kraft und Sicherheit Bewunderung erregt, zeigt sie in der Briefarie einen künstlerisch

durchgebildeten Geschmack. Der Beifall war außerordentlich Die Bewunderung, die man

dieser Künstlerin zollt, wächst in arithmetischer Progression, wir haben einen Succeß in der höchsten Potenz. Wenn wir auch gerade das dreimalige Herausrufen nacheinander (usw.) mißbilligen (denn wie hätte man dann einst die Leistungen einer Schechner, Metzger oder Sigl -Vespermann belohnen müssen?), so müssen wir gestehen, daß es sich hier in der Tat um eine außerordentliche Erscheinung

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handelt. Frau Mayer ist eine ausgezeichnet geschulte, mit großen Mitteln begabte Sängerin, sie ist aber auch vollendete Schauspielerin." (Letzteres wird weiter ausgeführt.) „Es bleibt nichts zu wünschen übrig, als daß ihr guter Genius sie vor Übertreibung bewahre. Frau Mayer, bisher als Donna Anna, Valentine und Norma aufgetreten, wird ihr Gastspiel leider schon als Fidelio beschließen."

Der Bericht darüber unterblieb. Mir hat die Künstlerin gerade in dieser Rolle, deren Grundwesen auf tiefe Empfindung und ausdrucksvolle Deklamation gestellt ist, mehr imponiert als in den vorausgegangenen, wo die Reinheit ihrer Koloratur doch nicht überall eine absolute genannt werden konnte. Die stürmischen Ova- tionen, welche ihr das Publikum besonders in den übrigen Rollen darbrachte, be- wiesen, wie sehr dieses noch an den glänzenden Primadonnen- d. i. ausgesprochenen Gesangsrollen hing, die ihm aber wieder längere Zeit vorenthalten waren, weil das Repertoire der trefflichen Maximilien, ihrer mehr nach der Tiefe neigenden Stimme wegen, nicht ausreichte. Wir werden Frau Dustmann, welche nun in München „Blut geleckt" hat, bald wieder begegnen. Ihr gleichsam die Türe aus der Hand nehmend, eröffnete Frl. Frassini am 27. Mai ein zweites Gastspiel in München, welches aus den fünf Rollen Amine, Katherina (Nordstern), Gilda, Rosine und Isabella bestand und mit dieser Rolle am 24. Juni zu Ende ging. Sie bewährte ihre Vorzüge, wie sie im Vorjahre erkannt und gerühmt wurden, in ungeschwächter Weise. Aber Frau Dust mann scheint ihr das Wasser getrübt zu haben, von ihrem Glanz geblendet, übersieht diesmal der „Punsch* die Frassini. Vom 20. Juni bis 22. Juli (während Kindermann auswärtige Lorbeeren, namentlich als Don Juan in Hamburg, pflückte) erstreckte sich ein abermaliges Gastspiel des Baritonisten Degele, bestehend aus den Rollen Figaro (Barbier), Hans Helling, Wolfram, Czaar Peter und Tristan (Jessonda). Sein Bariton hatte an leicht ansprechender Höhe zugenommen, so daß seine Acquisition neben Kindermann, dessen herrliches Organ mehr nach der Tiefe gravitierte, eine wünschenswerte Ergänzung des Reper- toires bedeutet hätte, dagegen legte aber die Geldfrage ihr Veto ein, und Kinder- mann, der sich als sein Lehrer bekannte, mochte neben sich nicht leicht andere Götter dulden. Als er hörte, daß Degele am Schluß im Czaarenlied als Schluß- drücker ein hohes as (mit großem Erfolg) eingelegt habe, verwies er ihm dies, wie man sich erzählte, sehr ernst als unkünstlerische Ausschreitung, was der Schüler wohl richtig aufgefaßt haben wird. Der „Punsch" sagt:

„Unser Landsmann Herr Baritonist Degele von Hannover hat an der Bühne seiner Vaterstadt wie im vorigen Jahre, auch heuer wieder einen Gastrollenzyklus eröffnet, der sehr erfreuliche Fort- schritte des jugendlichen Künstlers bekundet. Herr Degele besitzt ein angenehmes weiches Organ, eine gute Schule und lebhaftes Temperament, drei Eigenschaften, die ihm noch einen bedeutenden Namen in der Theaterwelt verschaffen können. Herrn Degeles jüngste Rolle der Wolfram im ,Tannhäuser' (hier zum erstenmal mit zwei ,n') wurde mit allgemeinem Beifall aufgenommen."

Mit der Schlußnotiz ist in unsrer Geschichte das erste Beispiel von der Auf- nahme Wagnerscher Rollen in das Repertoire gastierender Sänger gegeben. Auch einem Frl. Wolf vom Hoftheater in Weimar, welche im Juli als Alice, Lucia, Annchen und Regimentstochter, also mit einem vielseitigen Repertoire gastierte, stellt der „Punsch" ein gutes Prognostiken:

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„Die großh. weimarsche Hofopernsängerin Frl. Louise Wolf, die Tochter des bekannten baye- rischen Geschichtsschreibers, im Münchner Konservatorium gebildet, fand endlich letzten Sonntag Gelegenheit, die Hofbühne ihrer Vaterstadt zu betreten, und zwar als Alice in ,Robert'. Frl. Wolf verriet gleich bei ihrem Auftreten die Bescheidenheit der wahren Künstlerin; die Sicherheit des Gesanges zeigte aber von tiefen und gediegenen Studien, so daß ihre wirklich schönen Stimmittel im Verein mit solcher Bildung voraussichtlich noch zu großen Resultaten führen. Frl. Wolf wurde durch oftmaligen Beifall, Hervorruf bei offener Szene und am Schlüsse ausgezeichnet. Es war kein gemachter, sondern ein wirklicher Erfolg."

Grimminger, der von Bayer ausgebildete trefflich begabte Tenor, vom Hof- theater in Karlsruhe kommend, zeigte in seinen Gastrollen: Edgar (Lucia), Stradella und Masaniello, namentlich in letzterer, daß die anstrengenden dramatischen Partien, die ihm nicht lagen, bedenklich auf die Festigkeit seines eben nur lyrischen Organs eingewirkt hatten. Getragene Töne waren ihm ohne Tremolieren nicht möglich, auch nicht immer das Festhalten der Tonhöhe, er sang oft, gerade in der Mittel- lage, um einen Viertelton zu tief— also Erschlaffung der Stimmbänder. Der „Punsch« ignoriert ihn.

Dagegen schreibt der „Punsch" über das Gastspiel eines Frl. Uhrlaub vom

Hoftheater in Wiesbaden:

„Fräulein Uhrlaub aus Wiesbaden, welche dermalen an der Münchner Hofbühne gastierte, um event. die Stelle einer dramatischen Sängerin auszufüllen, zeigte als Valentine in den Hugenotten, daß sie kräftige Mittel und viel Routine, wenn auch nicht die höhere Weihe der Kunst besitzt. Es ist nun die Frage, ob unsere Oper ,beuhrlaubt' werden soll." Ober ihren Fidelio und ihre Fides heißt es dann: „Das Gastspiel des Frl. Uhrlaub ging mit günstigem Erfolg zu Ende, indem der Gast als Fidelio oftmaligen entschiedenen Beifall erntete. Frl. Uhrlaub ist noch sehr jung und wir glauben, daß sie mit einem tüchtigen Meister an der Seite bei ihren Mitteln für unsere Oper noch ein sehr erwünschtes Mitglied werden könnte. Auch als Fides, die sie mit besonders viel Kraft und Feuer darstellte, bewährte sie ihr Talent, obwohl solche Partien für den wahren künstlerischen Wert keinen Maßstab abgeben (sie!). Nun ist Frl. Uhrlaub abgereist."

An Veränderungen im Personalstande brachte das Jahr eine sehr erfreuliche und eine überaus wichtige. Am 30. September, demselben Datum, an welchem Frl. Hefner ihren Gastrollenvertrag wieder auf ein Jahr fortsetzte, war Frl. Maximiliane Schaum- berger, eine hübsche Dame mit sympathischer Sopranstimme und vielversprechen- dem Talent, vornehmlich für kleinere Soubrettenrollen engagiert. (Hiedurch war die Soubrette par excellence, Frau Diez, in dieser Zeit erneuter Primadonnennot für hochtragische Rollen disponibel, wodurch sie freilich, wie wir gesehen haben und noch sehen werden, zu Unrecht aus ihrer ruhmreichen Sphäre gerissen wurde.) Nachdem der Bassist Wirth, der zwischen dem seriösen Baß Lindemann und dem Komiker Sigl ein riesiges Repertoire wohl oder übel bewältigt hatte, am 1. März gestorben war, fand man nach langem Suchen eine vorzügliche Kraft in dem erst 19 Jahre alten Schullehrer Kaspar Bausewein, in welchem die Münchner Bühne wieder eine kräftige Stütze auf drei Dezennien finden sollte. Bezeichnend für die jederzeit kümmerlichen Finanzverhältnisse ist es, daß dieser Künstler, welchem die Herren Generaldirektor Lachner, Direktor W. Meyer und die beiden Regisseure ein glänzendes Gutachten ausgestellt hatten, mit einem ersten Jahresgehalt von 300 fl. sage dreihundert Gulden zufrieden sein mußte. Sein Anstellungsdekret ist

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vom 1. Oktober datiert und läuft bis zum 30. September 1861. Doch machte er erst am 21. November seinen ersten Versuch als Don Pedro (Don Juan). Die relativ glückliche Bewältigung dieser hochbedeutenden Partie überzeugte die Bühnenleitung, daß man ihm einmal getrost das erste Bassistenfach anvertrauen könne, welches ihm auch nach dem baldigen Abgang Lindemanns (1862) übertragen wurde. Die zwei ersten Jahrgänge seines Personalaktes weisen Unterstützungsgesuche um 20, 10 usw. Gulden Spielhonorar, Aversa für besonderen Fleiß, Gratifikationen für schnelles Einspringen in Rollen wie Kalchas (Iphigenia in Aulis) und Sarastro usw. auf, was aber alles nicht für seine Nahrung hinreicht. Dazu kommt einmal eine niedliche Rückforderung der K. Kreisregierung von Unterfranken für vor- geschossene Seminarlehrgelder (!), welche die Intendanz dem Armen ratenweise in Abzug bringen muß. Künstlerlaufbahnl

Das Jahr 1859 brachte einen Personalwechsel auf ein und demselben Posten, nämlich die Verabschiedung der Frau Maximilien und das Engagement des Frl. Auguste Stöger zu nahezu derselben Zeit im Frühherbst. Während letztere schon ihr Engagement am 14. August als Valentine in den „Hugenotten" und zwar unter dem Beifall eines überfüllten Hauses angetreten der Chronist Grandaur datiert dies wieder auf den 1. Oktober zurück nahm Frau Maximilien ihren Abschied vom Münchner Publikum als Elvira (Don Juan) am 2. Oktober, um von diesem rührende Beweise von Hochachtung und Zuneigung zu empfangen. Im „Punsch" heißt es: „Wir verehrten in ihr eine Sängerin von streng gediegener Bildung, fähig, die großen Meisterwerke, die aus den tosenden Tageseffekten wie Leuchttürme hervorragen, in ihrer klassischen Reinheit zu reproduzieren, eine Sängerin, die keinerlei schauspielerische oder musikalische Gefallsucht, sondern nur die wahre Weihe der Kunst zur Schau trug. Leider haben ihr körperliche Leiden*) nicht erlaubt, in unserem ungeheuren Hause die unausgesetzte Last erster Rollen, zumal bei der heutigen Kompositionsweise, ferner zu übernehmen. Frau Maximilien begibt sich wieder nach Hamburg, und die dortige Presse drückt jetzt schon die Freude der Hamburger aus, ihren ehemaligen Liebling wieder zu hören." Ihr Verlust wurde durch ihre Nachfolgerin nicht ersetzt, und was man bei dem Tausch zu erreichen hoffte, nur zum Teil erfüllt. Wohl erfreute sich Frl. Stöger einer umfangreicheren, kräftigeren und auch in der Höhe leicht ansprechenden Stimme, auch fehlte es ihr durchaus nicht an Empfindung, wiewohl diese nicht mit gleicher Unmittelbarkeit und Rührung zum Ausdruck kam, und ihre Stärke war die Korrektheit und Bestimmtheit der Deklamation, dafür fehlte es ihr voll- ständig an jener Kehlfertigkeit, welche zur Bewältigung einer Norma oder sonstiger italienischer Glanzpartien, ja schon der Briefarie der Donna Anna nötig gewesen wäre, von welchen sie sich also, um diesen Mangel nicht zu zeigen,

') Wann die verehrungswürdige Künstlerin denselben, es war wohl Lungenschwindsucht, erlag, entzieht sich meinem jetzigen Wissen; ich erinnere mich nur, daß die Nachricht von ihrem Tode, der ziemlich bald erfolgt sein muß, die tiefste Teilnahme aller Theater- und Musikfreunde Münchens erweckte, in ihren Herzen hatte sie sich ein Denkmal gesetzt.

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möglichst fernhalten mußte. Mithin war mit ihr die Kraft, die man vorzüglich suchte (wie bemerkt), wieder nicht gefunden und mußte das langgewohnte „Kochen mit Wasser", soweit man nicht fremde Kräfte in Anspruch nahm, seinen leidigen Fortgang nehmen. Die Schuld daran tragen nicht Personen; Schuld allein ist die dem Münchner Kunstinstitute treugebliebene ungenügende Fundierung, an der wir heute (1908) noch leiden.

Die diesjährigen Gastspiele waren, mit Ausnahme des von Frl. Stöger, welches zu deren Engagement führte, von geringer Bedeutung. Da trat im April ein Frl. Maria Carl vom Hoftheater zu Berlin als Elisabeth, Recha und Fidelio auf, man scheint Hoffnungen auf die Dame gesetzt zu haben, die sich auch in der zweiten Rolle zu bestätigen schienen, während man an ihrem Ausreichen für die erste und dritte doch gelinde Zweifel hegte. Ein schon durch Theatervorstellungen des k. Konser- vatoriums bekannter junger Tenorist Künzel, welcher Engagement am Darm- städter Hoftheater gefunden hatte, trat im Mai als Raoul, Joseph und Johann von Leyden auf und war wohl nicht geeignet, den Kredit der Hauserschen Gesangs- schule zu erhöhen. Besser gefiel Hauser jun., welcher nachdem er sich schon im Jahre 1852 in München vorteilhaft eingeführt, im Juni ein Gastspiel als Figaro (Barbier), Tristan (Jessonda) und Czaar absolvierte, er hatte sich durch sein ange- nehmes Organ, gewissenhafte Studien und künstlerische Intelligenz schon damals die Stelle am Karlsruher Hoftheater errungen, welche er bis Ende der siebziger Jahre mit allen Ehren festhielt. Frl. S töger konnte nach ihren vier Rollen Elisabeth, Recha, Lucrezia und Agathe sagen: veni, vidi, vici, und es liegt etwas Ehrenhaftes darin, daß es die Schönheit nicht war, welche ihr diesen Erfolg erringen half, doch spricht der Referent des „Punsch* (audiatur et altera pars) von einer „liebens- würdigen Erscheinung". Mir dünkte die Erscheinung, eine ziemlich hohe Gestalt, mehr zu Heroinen geeignet. Was ihre Koloratur betrifft, so habe ich ihre Lucrezia nicht gehört; da sie aber in der Folge von solchen Partien sich fern hielt oder fern gehalten wurde, wird dies wohl ein toter Punkt gewesen sein. Dramatisches Talent war ihr im hohen Grade eigen. Über das Gastspiel des Bassisten dalle Aste vom Hoftheater zu Darmstadt im August, welches aus den Rollen Sarastro, Sir George (Puritaner), Marcel, Plumkett und Bertram bestand, schweigt sich der „Punsch" mit seltener Gründlichkeit aus, und ich muß, da ich den Künstler nicht hörte und auch in den andern Blättern nichts über ihn gefunden habe, das gleiche tun. Das Jahr brachte zwei Novitäten: „Die Weiber von Weinsberg", komische Oper in drei Akten von Gustav Schmidt, am 6. Januar, und „Der Troubadour", von Giuseppe Verdi, am 15. September. Über erstere berichtet der „Punsch", sie habe durch ihre melodiöse Mannigfaltigkeit das Münchner Publikum sehr ange- sprochen, besonders sei dies bei einigen Nummern der Fall, deren schöne Weisen rasch ins Volk übergehen dürften. Ich weiß nicht, ob dieses schöne Versprechen Folgen hatte, aber in einem der nächsten Jahrgänge darauf (1862?) mußte ich mich, nachdem mir das traurige Los eines Theaterreferenten (Süddeutsche Zeitung) zu- gefallen, über das Werk etwas weniger lobend aussprechen. Namentlich indignierte

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mich das von Kaiser Konrad III. unter Assistenz eines kaiserlichen Trompeters gebrachte Ständchen: „Kannst du so hartherzig sein!" (Delclamiert: Kannst du |

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so| hart I her zigl sein] |, welches eine verzweifelte Ähnlichkeit mit dem altbaye- rischen Schnaderhüpfl hatte: „Wenn die Fischgraten net so stecha taten", nur mit dem Unterschied, daß dieses richtig deklamiert ist). Im übrigen war die Oper die solide Arbeit eines deutschen Kapellmeisters wie er „im Buch steht"; nun ist sie, wie der vorausgegangene „Prinz Eugen", verschollen. Dagegen war Verdis Trou- badour ein Treffer ersten Ranges, er hat sich bekanntlich bis zum heutigen Tage zug- kräftig gehalten, und es wird ihm dieses Glück voraussichtlich noch eine gute Weile blühen. Das liegt, trotz der bekannten Schwäche der Italiener nach unsern Grund- sätzen, in der Wendung zum Dramatischen, welche der Meister seit seinem Rigo- letto eingeschlagen hat. Wir ertragen theatralische Reißer wie die berühmte Stretta und sonstiges lustiges Singen, wo von Gift und Tod die Rede ist, wenn wir vom Ganzen doch dramatisch im Innersten ergriffen worden, und dafür sorgt schon die prachtvolle Hauptfigur der wirklich tragischen Azucena. Die Oper schlug schon bei der ersten Vorstellung ein, obwohl sie nur teilweise, nämlich durch Kinder- mann als Luna, die Stöger als Azucena, Grill als Manrico und Lindemann als Ferrandogutbesetzt war, während Frl. Schwarzbach als Leonore bei sehr fraglicher Koloratur dramatisch alles zu wünschen übrig ließ. Dazu noch die meist schläfrigen Tempi des guten Musikdirektors Meyer, welche ohne Nachgeben oder Steigerung nach Maßgabe der Gefühlsmomente ihren automatischen Fortgang nahmen dann zuletzt, um aus der Verkehrtheit nicht zu kommen, das ergreifend edle Heimat- lied der Zigeunerin im Walzertempo! Ein Italiener hätte sich die Haare raufen mögen. Aber das alles schadete nichts, die Oper gefiel. Der „Punsch" schreibt: „Der Troubadour, eine Oper von Verdi, in welcher weit mehr Gutes und Melo- diöses, als Schwaches und Triviales zu finden ist, ging auf der Münchner Bühne mit Beifall in Szene. Die Frische und Mannigfaltigkeit der Musik fand empfäng- liche Ohren, während man zur Fadigkeit der Handlung (!?) ein Auge zudrückte *

Die „Weiber von Weinsberg" wurden in diesem Jahre dreimal, der „Troubadour" allerdings von Mitte September an nur noch zweimal wiederholt.

Neueinstudierungen waren: Der „Maskenball" von Auber, 13. Februar; „Ido- meneus", 29. Mai; die „Puritaner", 19. Juni; „Oberon", 2. Oktober; „Abu Hassan", 27. Oktober; der „Brauer von Preston", 1. Dezember. Den „Maskenball", nach Verhältnis des dazu nötigen Aufwandes an Mitteln wohl die wenigst bedeutende Oper Aubers, wieder hervorzusuchen, lag kein starkes Bedürfnis vor. Ein anderes war es mit Mozarts in musikalischer Hinsicht so hochstehendem „Idomeneo", doch gelang es Lachner auch diesmal nicht, das Werk dem großen Publikum mund- gerecht zu machen. Es blieb nach einer Wiederholung abermals liegen und lieferte dadurch endgültig den Beweis, daß ein nun einmal unmöglicher Text auch von einem musikalischen Herrgott nicht über Wasser zu halten ist. Freilich litt das Werk zum Teil auch unter einer sehr ungenügenden Besetzung. Der „Punsch'*

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schreibt über die Aufführung: „Die k. Hofkapelle spielte sichtbar selbst begeistert die herrlichen Melodien in vollendeter Weise." (Ich muß dazu bemerken, daß ich nie vorher oder nachher einen schöneren Orchesterklang im Theater gehört habe.) „Von den Mitwirkenden gebührt vor allem Frau Diez als Ilia die Palme, die sich an diesem Abend selbst übertraf. Mit nicht zu entscheidendem Glück rang mit ihr aber Frau Maximilien als Idamantes, welche sich, wie als Sextus im ,Titus*, ebenso mit verdientem Lorbeer bedeckte." Ihnen gegenüber spielten aber Heinrich als ganz unköniglich griechischer König mit sächsischem Philistergesang und ebenso die unheroische Heroine Schwarzbach als Elektra desto kläglichere Rollen. (Mit einer idealen Besetzung der Gesangspartien wäre eine solche zu finden könnte der „Idomeneo" nur vor einem ausschließend musikalischen Publikum gewisser- maßen als dramatische Konzertveranstaltung so barbarisch auch der Gedanke erscheinen mag gehalten werden, die aber eben darum in den kleineren Raum des Residenztheaters zu verlegen wäre.) Ebenso war auch die Wiederaufführung von Bellinis „Puritanern", vielleicht der besten Oper der nachrossinischen Epoche, mit einem Personal, das, dem italienischen Gesangsidiom entfremdet, auch der Haupt- stütze der „Primadonna" ermangelte, ein Schlag ins Wasser. Dabei darf nicht ver- gessen werden, daß, um italienische Opern von ausschließlichem Nationaltypus überhaupt stilgerecht aufzuführen, auch ein italienischer Kapellmeister nötig wäre die Italiener führen ja unsere spezifisch deutschen Opern auch nicht auf. Vollen Erfolg hatte, wie zu erwarten war, nur Webers melodisch reizender „Oberon". Der „Punsch" schreibt darüber: „Zum heutigen ersten Oktober-Sonntag gab die Münchner Hofbühne eine festliche Oper im wahren Sinne, Webers ,Oberon', des großen deutschen Meisters Schwanenlied, mit neuem Fleiße einstudiert, mit neuen, wahrhaft königlichen Mitteln ausgestattet. Könnte man den fremden Gästen^) eine schönere Erinnerung mit nach Hause geben? Der Erfolg krönte die Anstrengung; die Schleusen der Etikette wurden diesmal in gutem Sinne durchbrochen, indem das Entzücken des Publikums trotz vorangegangenem Jubelempfang des Königs sich im Verlauf der Vorstellung dennoch Luft machte . . . ."

Sowohl diese neueinstudierte Oper, als auch die beiden noch folgenden „Abu Hassan" und „Brauer von Preston" zu besuchen, war ich legal verhindert, weil ich in diesem Herbst musikalischer Studien halber nach Leipzig reisen mußte. Über die beiden letztern schweigt der „Punsch", der sich allmählich wieder ganz ins politische Gebiet zurückzieht. 1860 Im Jahre 1860 trat der Intendant Baron Frays, wie schon erwähnt, definitiv von seinem zum dritten Male innegehabten Posten, am 1. August, zurück. Es war aus den schon angegebenen Gründen ein Akt, der auf die Geschicke des Theaters keinen Einfluß haben konnte, zur Ehre des Mannes gesagt, schon deshalb nicht, weil er nichts verdorben hatte. Mit der Leitung der Geschäfte wurde Wilhelm Schmitt betraut. Als hoffnungsreiche Akquisition im Bereiche des Tenors trat

*) Die Zahl der Oktoberfestgäste, welche freilich zum wenigsten aus Besuchern des Hoftheaters bestanden, wurde damals jährlich auf ca. 80000 berechnet.

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am 1. Oktober ein zweiter bayerischer Schullehrer, Herr Leonhard Stiegele, auf den Plan. Mit einer ganz hübschen Stimme und gediegenen musikalischen Kennt- nissen ausgestattet, gehörte er zur stattlichen Reihe nicht zu verachtender Kräfte, welche der Spürsinn des Inspektors Schmitt zu finden wußte; aber viele sind berufen, wenige auserwählt. Stiegele sollte die auf ihn gesetzten, vielleicht auch etwas zu hoch gespannten Hoffnungen nicht erfüllen, dazu hätte es, da er eben Anfänger war, einer konsequenten Ausbildung seiner Anlagen bedurft, wozu Zeit und der rechte Mann nicht vorhanden waren. Wie sein kurzer Personalakt besagt, hatte die Intendanz den Schullehramtskandidaten „Stiegele aus Neuulm" als Ersatz für Hoppe vorgeschlagen. Diesem ward zwar ein am 1. April 1848 bewilligter Kontrakt auf drei Jahre verlängert worden, von wo an er dann bis 16. März 1871 stillschweigend in Geltung blieb, doch machten, bei erklärter Abnahme seiner Stimme, fortwährende Störungen durch Heiserkeit und ein gewisses renitentes Wesen Hoppes eine zum mindesten aushelfende Kraft neben ihm dringend not- wendig. Am 28. Juli 1860 wurde mit Stiegele ein Vertrag auf drei Jahre mit steigendem Gehalt von achthundert bis zwölfhundert Gulden abgeschlossen, den er aber schon am ö. Juli 1861, nachdem ihm das Theater in Rotterdam ein vorteilhaftes Anerbieten gemacht, wieder löste, worauf er am 1. September abging. Aus einem Gnadengesuch von Frau Stiegele geht hervor, daß er auf einer Reise nach Temeswar in Wien plötzlich irrsinnig geworden ist. Im Herbst des Jahres ging aber der Münchner Hofbühne ein Stern erster Größe in der bald berühmt ge- wordenen Sophie Stehle auf. Auch sie war dem Lehrerstande ent- sprossen, nämlich die Tochter eines Schullehrers aus Sigmaringen; aber dieses Lehrerkind leuchtete als glänzendes Meteor in das Dunkel einer gesangsarmen Zeit, was seinen Siegeslauf zwar gewiß nicht begründete, aber wesentlich förderte. Nach drei ersten Versuchen, auf welche ich zurückkommen werde, trat sie am 1. Oktober als engagiertes Mitglied in der Rolle der Emmeline (Schweizerfamilie) mit einem vorher schon gesicherten Erfolge auf.

Gleichzeitig mit ihr wurde Frl. Walburga Eichheim, ebenfalls eine Anfängerin, für jugendliche Partien, also für dasselbe Fach, engagiert; auch sie erfreute sich einer hübschen Mezzosopranstimme und eines mehr als leidlichen Talentes; aber bei einer solchen, von vornherein erdrückenden Konkurrenz zu prosperieren, nur die Beachtung auf sich zu ziehen, hätte es eines außerordentlichen Glücksfalles oder einer unverdrossenen sachkundigen Führung bedurft. Doch blieb Frl. Eichheim ein recht verdienstvolles Mitglied bis in ein würdiges Alter.

Unter den drei Novitäten des Jahres: „Dinorah oder die Wallfahrt nach Ploermel* von Meyerbeer, „Iphigenia in Aulis" von Gluck und „Der Zweikampf" von Herold zeichnet sich wieder eine, nämlich die mittlere, durch die Eigenschaft aus, keine Novität zu sein, worauf dann zurückzukommen ist. Wie bisher jede Meyer beer sehe Oper war auch „Dinorah oder die Wallfahrt nach Ploermel« mindestens ein Jahr vorher in allen französischen und deutschen Zeitungen mit ritualem Pomp angekündet, der kolossale Erfolg in Paris noch sensationell

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aufgebauscht worden. Ebensolang hatte der „Punsch" in allen möglichen Varianten das Hauptereignis, die darin vorkommende Ziege, bewitzelt. Er läßt, nachdem es in München am 15. April zur Premiere gekommen, seinem Witz berufsmäßig noch weiter die Zügel schießen, der aber auch seine ernste Seite hat. Vor allem betont er, daß „die Handlung, bevor der Vorhang aufgeht, schon vorüber" ist. Hoel, ein Hirte, war zum Traualtar gegangen, als plötzlich ein Blitz das Haus seines Schwiegervaters in Asche legte; er sucht ohne seiner Braut etwas zu sagen das Verlorene durch Schatzgräberei wieder zu gewinnen. Dinorah meint, daß sie ihm, weil sie nun ihr Erbgut verloren, wertlos sei.

„So stehen die Sachen beim Beginn des ersten und beim Beginn des zweiten Aktes, so stehen sie eigentlich, von ein paar Gewittern abgesehen, die ganze Oper hindurch. Hoel ist zurückgekehrt, hat aber den Schatz nicht gefunden, sondern verbindet sich zu diesem Zweck erst mit einem Sack- pfeifer Corentin, einem komischen Jungen, dessen Bestimmung auf der Welt gänzlich unbekannt bleibt. Hoel hebt Schatz, Corentin pfeift Sack und Dinorah tanzt' Schatten, Hoel ist unsinnig, Corentin blödsinnig, Dinorah wahnsinnig. Endlich wird die Schwüle der Erwartung durch ein drittes Gewitter beseitigt; Dinorah hat eine Lieblingsziege, der sie eben nachläuft, als der Blitz in den Steg schlägt,

den sie, Dinorah, wandelt; sie fällt ins Wasser, wird von Hoel herausgezogen er hilft sich über

seine hexenmeisterische Vergangenheit mit dem Bonmot hinweg: Dinorah sei der Schatz, den er

gehoben Was die Ziege betrifft, so soll sich ob der Erwerbung und Ausbildung einer solchen

kein Direktor Sorge machen, denn es ändert an der Handlung nicht das geringste, wenn Dinorah statt derselben ein Lieblingskätzchen hat, es kann auch ein Glöckchen führen und Bella heißen. Bella eilt, zum großen Leidwesen eines kunstsinnigen Publikums, nur zweimal über die Bühne, und wird im übrigen vom Orchester aus durch ein Glöckchen signalisiert. Von der Musik müssen wir sagen, daß sie entschieden besser ist als die Handlung, was freilich noch immer kein Kompliment

sein mag Meyerbeer, sonst ein gewaltiger Herr des großen Effekts, hält sich hier in bescheidenen

Grenzen, er wollte vielleicht ein wahres Kunstwerk schaffen und durch edle Einfachheit wirken usw."

In dieser relativen Anerkennung lag vielleicht mehr Wahrheit, als der Referent verstehen und würdigen konnte. In einer der vier Wiederholungen, welche das Werk in diesem Jahre erlebte, überzeugte ich mich, daß die Musik mit ihrer oft sehr feinen Charakteristik eben viel Caviar fürs Volk, vielleicht auch für „Berufs- journalisten" bietet, während sie, einige Trivialitäten, wie z. B. den berühmten Schattentanz, ausgenommen, den gebildeten Musiker mindestens interessiert. Und gerade darin lag nebst dem sinnlosen Text, dem auch die gewohnten Schlager fehlten, ein Hindernis für den Erfolg, der darum auch weit hinter dem in Paris, wie überhaupt hinter dem aller bisherigen Meyerbeerschen Opern zurückblieb. Daß indes auch eine Glucksche Oper ohne Zusammenwirken aller dazu nötigen Voraussetzungen nicht besonders prosperieren kann, bewies die Wieder- nicht Erstaufführung der „Iphigenia in Aulis". Sie war 1816 (siehe diesen Jahrgang) zum erstenmal in Szene gegangen und nun also, horribile dictu, 44 Jahre Hegen geblieben. Wie damals, erlebte sie auch diesmal nur drei Aufführungen (die sich dann allerdings im folgenden Jahre wiederholten). Lachner führte das Werk nicht in der Bearbeitung Wagners^), sondern nach der für Paris geschriebenen Original- Partitur auf. In der französischen Dichtung heiratet aber, geschmacklos genug,

') Ob Lachner überhaupt Kenntnis davon hatte, ist mehr als zweifelhaft.

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Achilles die Iphigenia. Auf diese Weise fehlte aber, ohne daß man sich des Grundes bewußt war, die dramatische Spitze, welche eben Wagner dem Werke rettete, indem er die Iphigenia der Sage getreu durch Artemis in der Wolke entführen läßt wodurch sie dann ohne Widerspruch als „Iphigenia auf Tauris** erscheinen kann. Mit der Aufführung des Werkes in dieser auch musikalisch vorzüglichen Bearbeitung hatte es noch gute Weile. Erst am 12. November 1879 wurde die so gestaltete „Iphigenia in Aulis" dem König Ludwig II. in einer Separat-Aufführung, dann fürs Publikum am 2. Dezember des gleichen Jahres im Hoftheater gegeben. Ein zweiter Mangel lag in der Rollenbesetzung, welche teils an unabänderlichen Personalverhält- nissen, teils an einem nicht überraschenden Irrtum Lachners scheiterte, der nun einmal immer mehr auf die musikalische, als auf die dramatische Vertretung sah. Frau Diez war in der hochtragischen Rolle der Klytämnestra, welche die höchste Leidenschaft bei imponierender Repräsentation erfordert, genau so unzulänglich, ja unmöglich, wie als Ortrud. Ein Vertauschen der beiden Frauenrollen hätte mindestens dem Ziele näher geführt. Frl. Stöger, welcher man, entgegen ihrer Bestimmung als dramatische Sängerin, aber vermutlich ihrer Jugend wegen, die Iphigenia gab, hätte vermöge ihrer Figur und ihrer markanten Gesichtszüge die Heroine und Gattenmordskandidatin glaubhaft und nicht unvornehm repräsentiert, aber auch, vermöge der ihr eigenen Leidenschaft und deklamatorischen Neigung (beides zeigte sie als Fidelio) gewiß zufriedenstellend gesungen, wogegen ihr die ganz besonders zarte Lyrik, die kindliche Unschuld der Iphigenia, als ihren Mitteln widersprechend, ebenso fern lag, wie der guten Frau Diez das heroische Kämpfen und Racheschnauben einer Klytämnestra. Herr Heinrich gab den Zorn des Achilles in sächsisch biederer Abdämpfung. Hier hätte auch die Rücksicht aufs Gesang- liche anders entscheiden können; denn abgesehen von der weniger bedeutungs- vollen Transposition des Duetts im ersten Akt mußten in den sehr hoch liegenden Rezitativen massenhafte Punktationen helfen, die den Ausdruck nicht erhöhten. Aber Heinrich war unfehlbar musikalisch; dies entschied bei Lachner. Diesmal verzeihlich, weil Held Achilles auch durch den kurzgedrungenen Grill nicht ganz auf seine Rechnung gekommen wäre. Gesanglich ungemein kräftig, darstellerisch groß und imposant war Lindemann als Kalchas, eine wahrhaft prachtvolle, un- vergeßliche Leistung. Und wenn Kindermann als Agamemnon in seinen Gesten und Bewegungen auch nicht die Hoheit des Königs der Könige zu erreichen ver- mochte, so brachte er doch das Menschliche in der Partie, die Szenen, worin Vater- gefühl und Herrscherpflicht in Konflikt geraten, herzerschütternd zum Ausdruck. Daß dies auf die meisten Theaterbesucher nicht oder wenigstens nicht so nach- haltend wirkt, daß sich ein so erhabenes Werk ständig auf dem Repertoire erhalten kann, ist eines der Dinge, welche ich nie begreifen konnte, wenn es an der rechten Aufführung im ganzen auch stets gefehlt haben soll. Was den Vortrag des so wich- tigen Orchesterparts betrifft, so bewies derselbe das tiefverständnisvolle, restlose Eingehen Lachners, dessen hohes Verdienst um die Pflege unserer Klassiker an sich nie genug gewürdigt werden kann. Die neue Erstaufführung fand am 31. Mai statt.

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Gegenüber der Heroldschen Oper „Der Zweikampf", ihrer Erstaufführung und textlichen und musiicalischen Qualitäten streikt wieder der „Punsch". Sie muß nicht übel gefallen haben, denn sie erlebte in diesem Jahre, vom 5. Oktober an, nach Ausweis der Zettel noch zwei Wiederholungen, dann 1861 und 1864 je drei Aufführungen, welchen dann noch eine 1877 folgte. Sonderbarerweise ist mir das Werk, welches jedenfalls eine gewisse Berühmtheit erlangte, völlig entgangen; ich ertappe mich hier, wenn nicht Zufälligkeiten mitspielten, auf einer Einseitigkeit, welche mir als Musiker nicht ziemte. An vorzüglicheren Mitgliedern waren in der Premiere beschäftigt die Damen Stöger und Schwarzbach, die Herren Grill, Sigl und Bausewein. Eine französische Spieloper auf dem Repertoire zu erhalten, war dieses Ensemble freilich nicht geeignet.

Von den drei neueinstudierten Opern: „Iphigenia auf Tauris", der „Alte vom Berge" und „Belisar" hatte wieder die Glucksche am längsten geruht. Sie war im Jahre 1853 (29. Juni) als Eintagsfliege zum letztenmal gegeben worden. Die neue Besetzung hielt wohl den Vergleich mit der damaligen, an der noch Pellegrini als Thoas und Här tinger als Orestes teilnahmen, nicht aus, und wieder war es unserer trefflichen Frau Diez (Iphigenia) beschieden, ad hominem zu demonstrieren, in welchem Rollengenre man sie nicht hätte verwenden sollen. Indes die ent- sprechende Vertreterin dieser erhabensten Frauengestalt war nicht zuhanden und gereicht es Lachner immerhin zum Lobe, daß er trotz dieser eben (nur darstel- lerischen) Unzulänglichkeit der Hauptrolle, die er wohl selbst erkannte, des Alt- meisters hehrstes Werk immer wieder aufs neue zu halten bestrebt war. Es erlebte in diesem Jahre, nachdem es am 28. Juni erschienen war, zwei Wiederholungen, in den Jahren 1861, 1862 und 1865 je eine Aufführung, um dann bis 1874 zu ruhen, wo es viermal (!) gegeben wurde.

Nachdem im Mai Friedrich Young und seine schöne Schwester Frau Kapp- Young ein einmaliges Gastspiel als Eleazar und Recha mit ziemlichem Glück absolviert hatten, trat im Juni und Juli der seiner Vaterstadt sehr anhänglich ge- wordene Degele als Don Juan, Wolfram, Hans Helling, Czaar und zweimal als Figaro im Barbier mit dem gewohnten guten Erfolge auf. Dann traten im Sep- tember fast gleichzeitig Frl. Sophie Stehle mit drei ersten Versuchen, und der Bassist Becker (vom Hoftheater zu Mannheim) auf den Plan, ein für letzteren nicht günstiges Zusammentreffen. Denn während man in Frl. Stehle schon bei ihrem ersten Auftreten als Emmeline den künftigen Star der Münchner Oper zu erblicken glaubte, konnten die ganz gediegenen Leistungen des Bassisten als Marcell, Großkomtur (Jüdin) und Bertram, nachdem inzwischen auch Bausewein die besten Hoffnungen erweckt hatte, ein weiteres Interesse nicht erregen. Der durch das Erscheinen der Stehle aus sichtbarer Teilnahmslosigkeit gegen das Theater wieder aufgerüttelte „Punsch" schreibt über ihren ersten Auftritt:

„16. September. Seit einigen Wochen geht ein frischer Hauch durch unsere Theaterverhältnisse; interessante Debüts, Gastrollen und Novitäten folgen sich rasch. Die gegenwärtige Theater-Intendanz- verwaltung sorgt unermüdlich für ein abwechselndes Repertoire, zieht nebenbei Talente heran, kurz,

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es ist ein Leben in der Sache, dessen wir uns nur freuen können. Der theatralische Versuch des Frl. Stehle in der Schweizerfamilie war so gelungen, daß sich das Publikum für die Debütantin förmlich enthusiasmierte. In Frl. Stehle ist, um eine nagelneue Wendung zu gebrauchen, ein neuer Stern aufgegangen, der vorläufig drei Jahre an unserem Horizont bleiben soll."

Der Erfolg rechtfertigte eine Wiederholung der Vorstellung in sechs Tagen; über die Pamina der Debütantin, der sich zugleich der junge Bausewein als Sarastro zugesellte, schreibt der „Punsch":

„30. Dezember. Vorige Woche hatten die Altertumsforscher Gelegenheit, im Münchner Hoftheater einer Art Mustervorstellung beizuwohnen. Altertümliches war dabei weniger zu sehen als sonst, indem vorzüglich mit neuen und vielversprechenden Kräften gearbeitet wurde. Frl. Stehle, welche die Pamina sang, wird allgemein als die wieder auflebende Schechner bezeichnet; den Sarastro gab Herr Bausewein, der sohin zum erstenmal Gelegenheit erhielt, sich in einer größeren Partie zu zeigen. Die herrlichen Stimmittel und die solide musikalische Bildung dieses noch sehr jungen Mannes wurden vom Publikum mit dem lautesten Beifall ausgezeichnet. Die Leistungen dieser jungen Leute wurden förmlich bejubelt, gleichsam als Anzeichen, daß wir wenigstens in Bezug auf die Oper einer besseren Zeit entgegen gehen und die gütige Natur noch nicht aufgehört hat, künstlerische Talente hervorzubringen."

Als Antrittsrolle sang Frl. Stehle (am 8. Oktober) wieder die Emmeline, so daß durch sie Vater Weigl wieder ins Leben zurückgerufen scheint, wie man ihret- wegen überhaupt manches aus guter alter Zeit hervorsuchte, aber auch nach neuen Schöpfungen greifen konnte, die sonst vielleicht noch längere Zeit unbekannt geblieben wären.

Herr Stiegele machte seinen ersten theatralischen Versuch als Tamino soweit mit Glück, als man auch in ihm einen sehr musikalischen Sänger mit angenehmer Tenorstimme erkannte; weiteres war freilich abzuwarten. Über den Stand der Oper im allgemeinen heißt es im „Punsch":

„7. Oktober. Beethovens langentbehrte Oper ,Fidelio' ging diese Woche wieder über die Hof- bühne, und zwar mit einem Effekt, als ob das unsterbliche Werk zum erstenmal gegeben worden wäre. Ewig schön und ewig neu, das sind die Merkmale, die nur deutschen Komponisten nach- gerühmt werden können. Frl. Stöger gab zum erstenmal den Fidelio, eine in Gesang und Spiel in der Tat ausgezeichnete Leistung. Oberhaupt kann sich dermalen unsere Oper, wie man zu sagen pflegt, jSehen' und ,hören' lassen."

Hervorzuheben ist noch, daß in diesem Jahre die 50. Aufführung von Lachners „Catharina Cornaro" stattfand, wobei der Komponist durch Lorbeer und sonstige Ovationen geehrt wurde.

Die Personälveränderungen des Jahres 1861 waren von weniger hervorragender 1861 Bedeutung, doch zeugten auch sie von dem beständigen Streben der „provisorischen" Oberleitung Schmitts, ein den immer gesteigerten Anforderungen gewachsenes Ensemble zu bestellen und bereit zu halten. Am 1. April trat Herr Peter Hart- mann für „zweite", wohl auch dritte und vierte Baßpartien ein. Durch ihn ward die seit dem Tode Wirths bestehende Lücke zufriedenstellend ausgefüllt. An Stimme und Talent eben für sein Rollenfach genügend, zeichnete er sich durch Fleiß und Pflichtgefühl aus und konnte sich dadurch auch längere Zeit an der Bühne halten. Nicht dasselbe Glück hatte der wackere Stiegele, er ging schon am 1. September ab, also nach der kurzen Tätigkeit von sechs Monaten. Wir sahen

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ihn insgesamt mit Bedauern scheiden, denn es wäre, wie gesagt, etwas aus ihm zu machen gewesen. Das Engagement Hartmanns noch dringlicher erscheinen zu machen, schied Strobel, der sich des öftern auch in die Baßregion hatte begeben müssen, aus dem Leben, indem er sich in einem Anfall von Trübsinn zu Schweinfurt (am 5. April) über die Mainbrücke stürzte. Er war ein braver Künstler und Mensch gewesen und ward ihm darob manche Freundesträne geweiht. An Veränderungen in dem der Oper stets unentbehrlichen Ballett gibt Grandaurs Chronik folgende an: Der Ballettmeister Johann Fenzl wurde mit Beginn des Jahres pensioniert und für ihn Franz Hoff mann engagiert. Mit ihm gleichzeitig kam die Solotänzerin Margarethe Roseri, zu der sich am 1. Februar noch Clara Branizka gesellte. Die Solotänzerinnen Holler und Rasp wurden im Verlauf des folgenden Jahres pensioniert. Über das technische Personal heißt es: Joseph Penkmayer übernahm am 1. Oktober die Stelle eines ersten Theatermaschinisten; der bisherige Maschinist Ferdinand Schüz wurde im Mai des vorigen Jahres pensioniert.

Am 11. Juli ward wieder einmal eine Glucksche Oper, nämlich „Orpheus und Euridike", angeblich zum erstenmal gegeben. Diesmal war die Inanspruchnahme der Verjährung wohl durch jeden Gesetzkodex vorgesehen, denn das Werk war im italienischen Original zum wirklich erstenmal unter Kurfürst Max III. im Jahre 1773 aufgeführt worden, was einen Ruhestand von 88 Jahren ergibt. Durch vorausgehende Aufführungen des zweiten Aktes in Konzerten, wofür die Ehre Baron v. Perfall als Dirigenten des Oratorienvereins gebührt, war der Orpheus als begehrenswerte Erscheinung auf der Bühne ins Interesse der Münchner Musikfreunde gerückt worden. So konnte zum erstenmal in unserer Operngeschichte eine Glucksche Oper in einem Jahre fünfmal gegeben werden, doch erhellt aus dem nachstehenden, welch ein besonderer Umstand noch hierzu beigetragen hat. Ich bin hier in der Lage zu reproduzieren, was ich als neugebackener Musikreferent der „Süddeutschen Zeitung"^) nach der ersten Wiederholung des Werkes geschrieben habe.

„21. Juli. Die Aufführung der Oper ,Orpheus und Euridike' von Christoph Ritter v. Gluck konnte in München zu einem Ereignis von historischer Bedeutung werden, hätte damit die Theaterdirektion nur noch ein Jahr gewartet: in diesem Falle war nämlich das hundertjährige Jubiläum der Opern- reform nicht passender zu begehen, als daß man dieses Erstlingswerk der neuen großen Epoche zum erstenmal in Szene gehen ließ. Die Entschiedenheit, womit der deutsche Tonsetzer schon in diesem Werke dem Formalismus der in voller Blüte stehenden italienischen Oper entgegentrat, schlug, wenn nicht schnell, doch sicher durch, und nachdem der Reformator mit seiner ,Alceste' weit größere Erfolge errungen, sehen wir ihn in der Seinestadt jenen siegreichen Kampf beginnen, der von den bedeutendsten Männern der Zeit mit weit größerer Erbitterung gekämpft wurde, als heutzutage ein analoger Streit über das musikalische Drama der Zukunft. Sobald dann trotz der feindlichen Angriffe die Vortrefflichkeit der ,Iphigenia in Aulis' außer Zweifel gestellt war, sah sich Gluck veranlaßt, den Orpheus nach einer Obersetzung und Umarbeitung des Moline, welcher sich ziemlich genau

') Im Februar hatte Lach n er meine zwei Faustszenen „Meine Ruh' ist hin" und „Neige du Schmerzensreiche" in einem Konzert der musikalischen Akademie mit unbestrittenem Erfolge auf- geführt, wozu mir der herrliche Gesang der Frau Diez verhalf. Ad. Wilbrandt engagierte mich, wiewohl widerstrebend, noch im Konzertsaal als ständigen Musikreferenten. Es war für mich der Anfang unseliger Kämpfe, denn Komponieren und Rezensieren verträgt sich nicht.

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an die schon im Jahre 1764 durch Favart besorgte Pariser Ausgabe hielt, für das dortige Personal einzurichten. Die Altpartie (Orpheus) mußte für einen hohen Tenor punktiert und den Sängern zu Gefallen Bravourstellen, ja ganze Arien eingeschaltet werden, welche, den Gluckschen Anschauungen vom Drama widersprechend, das Werk nicht verschönern mochten. Auch die (schon in jener Ausgabe vorgenommene) Einteilung in drei Akte, war besonders für den äußeren Erfolg nicht günstig. So kann z. B. der Entschluß des Orpheus, in die Unterwelt zu steigen, vermöge der Kürze des Aus- drucks keinen effektvollen Schluß bilden; dagegen wäre der Eindruck der Furienchöre ungleich tiefer und erschütternder, wenn (nach Calzabigis Anlage) der Akt mit jener großartigen Szene schließen würde, wo Orpheus mit seinem Gesang die stygischen Unholde zum Gehorsam zwingt.

Soll sich die an rührenden und gewaltigen Szenen überreiche Oper in unseren veränderten Zeiten im Repertoire erhalten, so wäre es vor allem nötig, dieselbe mit einigen Kürzungen wieder in die zwei Akte des Calzabigi, oder so frevelhaft dieser Vorschlag allen Enthusiasten und Puristen klingen mag mit noch größeren Strichen nach dem Vorgang der heutigen Pariser Oper gar in einen Akt zusammenzuziehen. Denn trotz aller Kraft des dramatischen Ausdrucks, trotz jener unsterb- lichen Schönheiten, welche Gluck in den Szenen der Unterwelt entfaltet, konnte er mit seinen drei Personen, wovon zwei im Grunde beständig klagen, die Klippe einer gewissen Monotonie nicht umgehen, und wir müssen unumwunden gestehen, daß wir den begeisterten Applaus, womit das Werk bei der ersten Aufführung besonders nach dem ersten Akt begrüßt wurde, weniger dem geläuterten Kunstsinn des Publikums, als dessen fast naiver Verehrung seines Lieblings zuschreiben, der an diesem Abend zum erstenmal mit Pfeil und Bogen erschien. Der Umstand, daß bei der ersten Wieder- holung die Räume des Parterres ziemlich leer waren, ist nicht geeignet, unsere Ansicht zu widerlegen.

Ober die Aufführung selbst müssen wir vor allem sagen, daß das Orchester dank Lachners energischer Leitung vorzüglich war. Insbesondere war die starke Besetzung der Streichinstrumente, welche Lachner in den Gluckschen Opern überhaupt anzuwenden pflegt, von kolossaler Wirkung; das Echo in Orpheus Klagelied (erster Akt) wurde mit frappierender Täuschung gegeben, und die Soli der Flöte und Oboe mit poetischem Ausdruck vorgetragen. Nur das allgemeine Pizzicato in der Arietta des Eros bedurfte genauer Aufmerksamkeit des einzelnen auf den Dirigenten. Die Chöre waren exakt einstudiert (Meister Kunz!).

Den Orpheus des Frl. Stöger wollen wir zwar nicht dem einer Johanna Wagner an die Seite stellen, dürfen aber deswegen ihre Leistung nicht gering schätzen. Man muß lobend anerkennen, daß Frl. Stöger die Rolle mit Fleiß und Liebe studiert hat und sie in Ausdruck und Deklamation getreu wiederzugeben suchte. Die Partie liegt ihr natürlich stellenweise etwas zu tief, un-d es mußte einiges punktiert werden; aber auch hier ist zu loben, daß Frl. Stöger nicht jenes scheinbar effekt- volle, aber unschöne Heraufziehen des Altregisters anwandte, welches wir unlängst an Frl. La Grua tadeln mußten. Musikalisch störend war jedoch die Transposition des Gesanges mit Harfenbegleitung von Es-dur nach F-dur (im zweiten Akt), wonach der Chor in Es-moll einfiel. Frau Diez gab die Euridike mit ungemeiner Wärme und Empfindung. Gesang und Spiel des Frl. Stehle als Eros waren sehr artig, jedoch nicht so hervorragend, daß der enorme Beifall, der ihr gezollt wurde, motiviert gewesen wäre. Eine so unbedingte Vorliebe wäre der sichere Weg, ein noch größeres Talent zu verziehen. Doch trauen wir der jugendlichen Künstlerin soviel Verstand und Selbstbeherrschung zu, daß sie an Jahre denken wird, in denen nicht mehr persönliche Anmut, sondern nur die künstle- rische Vollendung zur Sprache kommt. Ist sie dann noch der Augapfel des Publikums, so hat sich ihre Kunst als echt bewährt.

Über das Ballettarangement und die Kostümierung der stygischen Ungeheuer wurde in einem hiesigen Blatte bereits das richtige Urteil gefällt." (Letztere waren direkt aus Paris verschrieben, ein Unikum von Lächerlichkeit!) „Bei der zweiten Aufführung glaubte die Regie die Sache dadurch zu verbessern, daß sie über dieses Gauklerballett einen Wolkenflor, wie einen Mantel christlicher Liebe zog; allein die Heiterkeit der Zuschauer ward dadurch nur erhöht. Das Geratenste wäre wohl, da die Tradition der antiken Pantomime doch untergegangen sein dürfte, hier den Tanz ganz weg- zulassen und Glucks herrliche Tonmalerei als Entreeakt zu verwenden."

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Dieses künstlerische Ereignis des Jahres 1861, welches als solches vorangestellt wurde, war flankiert von zwei Novitäten, deren Vorführung wohl besser unter- blieben wäre. Am 22. Februar ward ein Singspiel, „Der Hans ist da", Text von Franz Bonn, Musik von L. Förg, am 21. Oktober die Oper „Dom Sebastian" Text von Scribe, Musik von Donizetti, zum erstenmal gegeben. Mein Referat über die erstere lautete:

„1. März. Am letzten Dienstag kam im Hoftheater eine Novität, welche seit einigen Monaten in Aussicht stand und vom hiesigen Publikum mit Spannung erwartet wurde, bei vollem Hause und unter günstigen Auspizien zur Aufführung. ,Der Hans ist da*, so heißt die neue Operette, wozu ein Staatsanwalt den Text, ein Bürgermeister und z. Z. Landtagsabgeordneter die Musik schrieb. Die Operette wurde zum erstenmal aufgeführt in einer Gesellschaft in Donauwörth, wofür sie vom Dichter und Komponisten berechnet und ausschließlich bestimmt war. In dieser Sphäre mochte sie alle Berechtigung haben, da Text und Musik den bescheidenen Anforderungen einer nicht durch hohe Kunstgenüsse verwöhnten Provinzstadt vollkommen genügten. Unerklärlich aber ist es, wie die Intendanz ein Werk in Szene gehen lassen konnte, das sich in keiner Weise über das Niveau des Dilettantismus erhebt und weder den strengen Anforderungen der Kunst überhaupt, noch ins- besondere den Ansprüchen der Zeit, in welcher es geschaffen ist, irgendwie entspricht. Und daß Forgs Musik veraltet sei, darüber möchte er sich fast selbst im klaren sein. Alle Vorzüge, welche anerkannt zu werden verdienen. Sangbarkeit, wackere Instrumentierung, Formkenntnis usw. können nicht in Anschlag gebracht werden, gegen den Vorwurf eines Hyperkonservatismus, gegen den Vor- wurf, daß in der ganzen Operette auch nicht eine neue Melodie zu finden ist. Mit der Originalität des Textes (von Franz Bonn) sieht es fast noch schlimmer aus. Wie der Dittersdorfschen Muse die Musik, so ist der Stoff speziell dem Doktor und Apotheker mächtig nachempfunden, aber mit wenig Glück verarbeitet. Mit alledem soll weder auf den Dichter, noch auf den Komponisten ein Stein geworfen werden, vielmehr dürften beide von der Schuld, daß ihr Werk auf der hiesigen Hof- bühne aufgeführt wurde, freizusprechen sein. Beide dachten bei der Ausarbeitung ihres Stückes, dessen Anspruchslosigkeit aus jeder Nummer hervorgeht, wohl nicht daran, Gönner zu finden, welche sie aus ihrem bescheidenen Wirkungskreis auf ein Terrain führen würden, das wohl ihrer Persön- lichkeit — wie dies die Teilnahme des Publikums zeigte, das sie am Schlüsse herausrief nimmer aber dem Standpunkt, den sie in diesem Werk der Kunst gegenüber einnehmen, günstig sein kann. Die Aufführung war im ganzen genügend. Frau Diez und die Herren Sigl und Lang vortrefflich. Nur in der Ouvertüre, einem leicht ausführbaren Tonstück, gab es Schwankungen; Lachner hatte diesmal die Leitung nicht übernommen."

Trotz dieser Tatsache war es doch hinlänglich bekannt, daß Lachner die Auf- führung der Operette aus Freundschaft empfohlen, der „Inspektor" Schmitt aber seinen Consens aus Loyalität gegen den Landtag gegeben hatte; aber beide dürften ihre Protektion bereut haben. Über den „Dom Sebastian" sah ich mich veranlaßt, folgenden nach verschiedenen Seiten etwas geharnischten Bericht zu schreiben (den ich mit Abkürzungen gebe).

„31. Oktober. Während der gegenwärtigen Theaterverwaltung ist es allmählich zur Praxis geworden, bei jeder neuen oder neueinstudierten Oper, insofern sie nicht für das gebildete Werktagspublikum geschaffen schien, die Preise der Plätze, insbesondere des Parkettsitzes zu erhöhen. Ob dieses Verfahren gerechtfertigt ist, lassen wir dahingestellt. Gewiß ist jedoch, daß sich in der Oper ,Dom Sebastian' von Donizetti, welche Sonntag den 27. Oktober bei vollem Hause gegeben wurde, die Mehrzahl der Zuhörer in ihren, wenn auch nicht hochgespannten Erwartungen enttäuscht fühlte. Die Oper hat jede Unnatur, jeden Fehler mit den übrigen italienischen Opern gemein, während ihr jener ungeheure Vorzug, wodurch sich die italienische Musik die Welt erobert hat, der Melodien- reichtum, gänzlich abgeht, man müßte denn einige Gassenhauer niedriger Sorte, welche zudem bei

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den unpassendsten Stellen vorkommen, Melodien nennen. Der Musik vollkommen würdig ist der Text, ein Produkt aus der bekannten Fabrik Scribes. Es gehört viel dazu, um all die Unwahrschein- lichkeiten des Stückes zu glauben, bei dem, wenn nicht schon von Anfang an, so doch ganz ent- schieden im dritten Akt alle Vernunft aufhört, und der gänzliche Mangel an Motivierung bis ans Ende fortdauert.

Aber auch die Aufführung war nicht geeignet, die Oper zu heben, vielmehr fehlte es vor allem an einer gelungenen Vertretung der Zayda. Den Beweis ihrer Unzulänglichkeit als Primadonna hat Frl. Stöger von neuem überzeugend geführt. Wir verlangen heutzutage von einer Sängerin in Auf- fassung und Nuancen nicht mehr die Vollendung einer Schechner oder Jenny Lind, wir wollen nur Reinheit der Skala, unmanirierten, erträglichen Gesang. Dies Wenige wird uns jetzt an einer Hof- bühne von einer Primadonna und als solche sollen wir doch Frl. Stöger nehmen manchmal nicht geboten. Man vermißte das mezza voce, dagegen bewies ein unschönes Schreien in Affekt- stellen und die Schülerhaftigkeit im leisesten Anflug von Koloratur, daß der Gesangsunterricht des Frl. Stöger, deren Stimmittel und Talent wir durchaus nicht unterschätzen wollen, viel zu sehr übereilt oder viel zu spät begonnen wurde. Herr Grill gab die Titelrolle verdienstvoll, nur scheint er von dem Wohlklang seines hohen C eine zu gute Meinung zu haben, dächte er anders, so würde ihm allerdings das Lob der Sonntagsgallerie entgehen. Herr Kindermann (Camoens) war als Sänger sehr gut und fand auch gebührende Anerkennung; als Regisseur jedoch fehlt ihm die höhere Einsicht und ästhetische Bildung. Ein bißchen Naivität macht auf den Kritiker eine dem Humor günstige Wirkung, wenn aber der Regisseur in dieser kindlichen Eigenschaft so weit geht, daß er unter dem vom Dichter tragisch genommenen Sturm einen wirklichen versteht, wenn er die Szene verdunkelt, den Blitz und die Donnermaschine arbeiten läßt, dann bei den Worten: ,hell erglänzt die Sonne wieder' die Lampenreihe wieder emporrückt, so wird der Zuschauer unwillkürlich an jene Stufe der Schauspielkunst erinnert, welche uns Shakespeare so possierlich im letzten Akt des , Sommer- nachtstraumes' vor Augen führt. Dieser und noch andere Schnitzer, welche man doch in der Haupt- probe hätte bemerken sollen, könnten nicht vorkommen, wenn es unserer Bühne nicht an einem technischen Oberregisseur fehlte, was wir hiemit wiederholt beklagen. Ein weiterer Stoß geschah der Oper dadurch, daß man die sechs Pferde vor dem königlichen Trauerwagen mit je zwei Menschen darstellte, ein ergötzlicher Einfall, der seine Wirkung auf das Publikum nicht verfehlte. Ist es nicht

unvorsichtig die ,einzige' Pointe einer Oper so ganz außer Augen zu lassen ? Das Publikum

spendete den Sängern nicht weniger Beifall als sonst, verhielt sich jedoch dem Werk selbst gegenüber mindestens passiv."

Meine Frage an die Bühnenleitung, ob sie, um auf die Kosten neuer Delcora- tionen zu icommen, noch eine Wiederholung riskiere, beantwortete diese, indem sie deren zwei anordnete, um deren Erfolg ich mich nicht weiter kümmerte.

Neu einstudiert wurden das „Rotkäppchen" von Boieldieu (28. Februar), „Maria oder verborgene Liebe« von Herold (3. Mai), „Maurer und Schlosser« (7. Juli) und „Figaros Hochzeit" (8. Dezember) gegeben. Einen außerordentlichen Erfolg hatte, dank der herzigen Vertretung der Titelrolle durch Frl. Stehle, das „Rotkäppchen". Es wurde in diesem Jahre noch sechsmal, 1862 zweimal, 1863 fünfmal, 1864 vier- mal, 1865 zweimal, 1866 einmal etc. wieder gegeben. Auch die Opern von Herold und Auber wurden das Jahr über je zweimal wiederholt. „Figaro" machte dafür sechs Besuche im folgenden Jahre.

Die Einsicht, daß man ohne wirkliche Primadonna und eine etwas interessante Koloratursängerin an einer Bühne wie die Münchner nicht auskommen kann, führte wieder zu reichhaltigen Damengastspielen, denen sich nur zwei von Herren (Tenören) anreihten. Der Reihe nach traten auf: Im April Herr Lenk vom Stadttheater zu

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Augsburg als Stradella, welcher hiemit als stimmlich unzureichend registriert sei, im Juni Frl. La Grua vom kaiserlichen Hoftheater zu Petersburg als Norma (zwei- mal) Donna Anna und Leonore (Troubadour) und Herr Schnorr von Carolsfeld vom Hoftheater zu Dresden als Lohengrin, Florestan und Tannhäuser, im August Frl. Geisthardt vom Hoftheater in Hannover als Frau Fluth (zweimal), Madeleine (Postillon) und Isabella (Robert), im September Frl. Hänisch vom Hoftheater zu Braunschweig als Dinorah, Amine (Nachtwandlerin) und Margarethe (Hugenotten), endlich im Oktober Frl. von Edelsberg vom ständigen Theater in Graz als Nancy, Fides (zweimal) und Rosine. Über die Norma und Donna Anna der ziemlich be- rühmten La Grua konnte ich schreiben:

„12. Juni. Die Erscheinung des Frl. La Grua, welche ihren Großrollenzyklus mit der Titelrolle der Norma eröifnete, dürfte zunächst zur endlichen Überzeugung geführt haben, daß die Acquisition einer eigentlichen Primadonna die erste und notwendigste Bedingung für das Fortbestehen unserer Oper wäre. Frl. La Grua, welche wir schon aus diesem Grunde als willkommenen Gast begrüßen, gab uns die Norma mit all den Vorzügen, die der ihr vorangehende Ruf erwarten ließ. Sie vereinigt mit einer edlen Stimme eine enorme Technik: Ansatz und dynamische Schattierung des Tones, Einteilen des Atems; Triller und Koloratur tragen das Gepräge der fertig durchgebildeten italienischen Schule, Mit diesen Mitteln, verbunden mit einem seltenen dramatischen Verstand, kann und muß sie in einer Oper erfolgreich sein, welche den eigentlichen Begründer der neueren italienischen Gesangsweise zum Schöpfer hat. Sie erkennt die Aufgabe, Bellinis Melodien, der stets das Moment der Schönheit im Auge hat, durch Wahrheit und Charakteristik jenen dramatischen Ausdruck zu ver- leihen, welchen der Komponist nur angedeutet und dem Darsteller zur weiteren Interpretation über- lassen hat. Dadurch sowohl, wie durch ihr imponierendes Spiel bringt sie Leben und Interesse in eine Rolle, welche, von Deutschen nach deutschen Begriffen gesungen und gespielt, vielleicht nicht zu gleichem Entzücken hinreißen mag. Jede ihrer Gebärden, jeder Blick ist wahr und schön, und in keinem Moment, von den zartesten Regungen der Liebe bis zu den Aufwallungen blutdürstiger Rache, vergißt sie den edlen Anstand und die Hoheit der tragischen Priesterin. Allerdings ist auch diese Künstlerin bei all diesen beneidenswerten Eigenschaften nicht ganz von Fehlern frei. Das Forcieren des Altregisters (vom kleinen b bis zum eingestrichenen f) ist eine Untugend der Neuzeit, welche man nicht ungerügt lassen darf; die Töne klingen dadurch nicht voller, sondern hohl und kernlos. Das Tremolieren, welches sich hie und da bei besonders akzentuierten Stellen zeigt, ist wohl eine Folge der leider schon etwas in Abnahme begriffenen Festigkeit der Stimme. Daß aber die Dame ihre höheren Töne durch öfteres Anwenden der Kopfstimme und Transponieren höher gelegener Arien zu schonen sucht, ist ihr bei der hohen Stimmung unseres Orchesters nicht zu verdenken." (Die Reduktion auf das frühere Normal-a, worin uns die Franzosen vorangegangen sind, ist späteren Datums.) „Zu unserem Bedauern können wir ihrer Donna Anna in Mozarts , Don Juan' denselben Grad der Vollkommenheit nicht zuerkennen. Ihr Spiel war auch in dieser Rolle durchaus so meisterhaft, das Feuer der gekränkten Spanierin so wahr und edel gegeben, daß sich eine schönere und würdigere Auffassung kaum denken läßt, dazu kam ihr ihre imponierende Gestalt, ihr schönes Auge, das sie zu verwerten weiß, trefflich zu statten, aber unter der Leidenschaft des Spieles litt stellenweise die Kraft und Festigkeit des Gesanges und dies besonders in der ersten Szene, wo sie den fliehenden Don Juan krampfhaft zurückzuhalten sucht. Das etwas langsame Tempo, das wohl in Rücksicht auf das Parlando des Leporello so genommen wurde, mag freilich ihrer Intention nicht ganz entsprochen haben. In den beiden großartigen Rezitativen des ersten Aktes, die allerdings für sehr bedeutende Stimmittel berechnet sind, stellte sich das Tremo- lieren empfindlicher ein, als dies in der italienischen Oper der Fall war. Dagegen entfaltete Frl. La Grua im Terzett ,Gib Kraft zu dieser Stunde', welches da capo verlangt wurde, und noch mehr in der Briefarie alle Reize des Gesanges, die sie so hoch über das Alltägliche erheben. Das Publikum überschüttete die Künstlerin an beiden Abenden mit gleich stürmischem Beifall."

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Mich aber zog es mit Allgewalt in die zweite Vorstellung der „Norma", wo ich mich intimeren Genusses halber in die erste Parkettsitzreihe begab. Dies wurde mir gelohnt durch eine Reihe von Stellen tiefster Seelenerregung, deren fesselnder Eindruck immer von einer Mimik unterstützt war, wie ich sie nie vorher und auch nie wieder nachher an einer Sängerin gesehen habe. Hier traten mir wieder Momente der Selbstentäußerung entgegen, wie Härtinger sie erlebt und ich an ihm bewundert hatte. Und doch wirkte dabei auf eine mir unerklärliche Weise der Reiz des Persönlichen (jene unmittelbare Gewalt, welche im späteren Musik- drama — leider immer mehr zurücktreten mußte). Aber diesem Persönlichen verlieh die Empfindung des ewig Schönen die Weihe der Verklärung. La Grua war nichts weniger als schön, und doch tat es die Stellung ihres Mundes mir an, als ob das ewig Weibliche mich hinanzöge. So, dachte ich mir, muß der Mund sich formen, um mit den Worten: ach, so ergings mir immer (nach der Erzählung Adalgisas von ihren Liebesqualen) das Unaussprechliche zu sagen.

In den Tagen solchen Genusses, den mit mir gewiß sehr Viele teilten, trat Schnorr von Carolsfeld, ebenfalls ein würdiger Priester der Kunst, auf den Plan. Ich schrieb über seinen Lohengrin:

„20. Juni. Nachdem Frl. La Grua in ihrer Abschiedsrolle als Norma die verdienten Lorbeeren gesammelt, trat Sonntags darauf Herr Schnorr von Carolsfeld vom Hoftheater zu Dresden mit nicht minder glänzendem Erfolg als Lohengrin auf. Mag man über die Richtung Richard Wagners denken, wie man wolle, so viel Obereinstimmung dürfte zwischen Freund und Feind herrschen, daß die Intendanz für die Berufung des endgültigen Repräsentanten Wagner scher Musik und Dichtung allen Dank verdient, da den Angehörigen der feindlichen Heerlager durch seine Inter- pretation gewiß ein weiterer Anhaltspunkt der Beurteilung gegeben wurde. Wagner-Enthusiasten, welche in München allerdings noch in geringerer Anzahl sind, können sich keinen Sänger wünschen, der noch gewissenhafter auf die Intention des Dichterkomponisten eingegangen wäre; dazu besitzt Schnorr die so selten in einer Person vereinigten Eigenschaften, die Wagner von seinen Sängern fordert: eine durchaus korrekte und energische Deklamation, eine heldenhafte, kolossale Stimme und ein durchdachtes, edles Spiel. Diejenigen dagegen, die sich als treue Anhänger einer historisch basierten Richtung bekennen, überzeugten sich vielleicht bei Schnorrs vollendeter Darstellung von der Unbestechlichkeit ihrer Grundsätze nur noch mehr."') (Hier machte die Redaktion folgende An- merkung: Bei dem unglücklichen Schicksal des „Tannhäuser" in Paris, haben Wagners Freunde u.a. auch die mangelhafte Darstellung, zur Verteidigung des Meisters ins Feld geführt, und wir können aus eigener Anschauung bestätigen, daß sie in der Tat mangelhaft genug war. Hätte Wagner jetzt bei uns der Aufführung seines Lohengrin beigewohnt, so würde er ungerecht sein, wenn er sich auch hier auf diesen Einwurf zurückziehen wollte.) „Den vollen Genuß hatten die Neutralen, wohl das stärkste Fähnlein, das sich in ungetrübter Naivität allein dem imponierenden Eindruck des Sängers hingab. Herr Schnorr ist aber auch einer der ersten, wo nicht der erste deutsche Heldentenor. Seine Stimme ist bei aller Stärke höchst angenehm, weich und biegsam, seine Text- aussprache tadellos. Trotz seines körperlichen Umfanges ist seine ganze Erscheinung poetisch und Achtung gebietend.

Nicht ganz so in seiner Sphäre war der hochbedeutende Künstler als Florestan, dessen glaub- würdiger Darstellung denn doch seine an Pellegrini erinnernde Korpulenz ein unübersteigliches Hin- dernis war. Auffallenderweise drang auch seine Stimme, obwohl an sich viel stärker als diejenige Härtingers, am Schlüsse der Vision nicht so durch wie diese, und war von dem geradezu rasenden

*) Nur ein Jahr später und ich hätte dies schon nicht mehr zu schreiben vermocht,

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Applaus, welchen jener Künstler ausgelöst hatte, nicht die Rede: man hörte wieder Beethovens herrlichen Orchesterschluß.

Als Tannhäuser gebührt Schnorr von Carolsfeld das große Verdienst, zum erstenmal in München die Erzählung von der Pilgerfahrt in ihrer ganzen dramatischen Wucht und Größe zur Geltung gebracht zu haben; doch war man im ganzen der Meinung, daß die Idealgestalt des Lohengrin seinem unvergleichlich edlen Wesen doch näher liege, als der realistische Tannhäuser."

Leider saß Schnorr in Dresden fest und wäre auch, wenn man damals schon den baldigen Stimmverlust des wackeren Grill geahnt hätte, um einen erschwing- lichen Preis wahrscheinlich nicht zu haben gewesen.

Die beiden Sängerinnen Geisthardt und Hänisch gehörten vorzugsweise dem in München fast nicht weniger unzureichend besetzten Koloraturfach an. Beide waren daher dem von einem „brauchbaren" Mitglied oft hinlänglich gelangweilten Publikum willkommene Erscheinungen; aber das Schicksal hatte in Gestalt eines voreiligen Kontraktes dafür entschieden, daß uns Frl. Schwarzbach noch dreijahre gerettet blieb. Der ersten Gastrolle des Frl. Geisthardt als Frau Fluth beizu- wohnen verhindert, urteilte ich über ihre Leistungen als Madeleine im „Postillon" und als Isabella im „Robert", ungefähr, wie folgt:

„14. August. Zunächst ist es nicht die Größe ihrer Stimmittel, welche ihren Erfolg sichert, auch in der Präzision ihrer Koloratur, so wenig wir diese unterschätzen möchten, ließe sich noch ein höherer Grad von Vollkommenheit denken. Dagegen hat Frl. Geisthardt bei einer unbedingt reinen Intonation die alles überwiegende Gabe des geschmackvollen Vortrags und der feinsten Nuance, vor allem aber eine Mimik, deren sich die beste Schauspielerin nicht zu schämen hätte. Anmut und Grazie, welche selbst von einer ziemlichen Körperfülle nicht gefährdet werden, begleiten ihre durchaus gewählten, mit Verstand bemessenen Aktionen. So gab sie als Madeleine die unerzogene, als Frau von Latour die erzogene Kokette mit ungemeiner Feinheit. Ein Meisterstück lieferte sie in der bekannten komischen Szene im dritten Akt, wo sie in doppelter Person den bedrängten Tenoristen malträtiert. Im , Robert' gab Frl. Geisthardt die Isabella mit höchster Eleganz und Noblesse; an manchen Kraftstellen zeigte sich jedoch ihre Stimme für das große Haus nicht ganz ausreichend."

Mein nächster Bericht galt weniger dem Gast als der Beleuchtung von Zuständen, wie man sie an einer Hofbühne nicht suchen würde. Ich halte mich verpflichtet, auch diese historisch festzulegen:

„18. August. Frl. Geisthardt gab als letzte Gastrolle die Frau Fluth in den ,Lustigen Weibern von Windsor'. So sehr es uns freut, über diese vortreffliche Leistung nur Günstiges sagen, u. a. der Koloratur des Gastes diesmal die vollste Anerkennung zollen zu können, mit ebenso großem Bedauern haben wir ein Gerücht vernommen, wonach die Absicht des verehrten Gastes, als Rosine im , Barbier' aufzutreten, durch Mangel an gutem Willen von Seite einzelner Theatermitglieder vereitelt wurde. Die Möglichkeit solcher Vorkommnisse deutet auf jene dringende Notwendigkeit hin, von welcher in Ihrem Blatte schon mehrmals die Rede war. So lange nämlich der Intendanz nicht ein ebenso unabhängiger als gebildeter ,Oberregisseur' an die Hand gegeben wird, wie dies in anderen Städten, z. B. Stuttgart, Karlsruhe usw., der Fall ist, wird gleich dem Schauspiel auch die Oper von der Willkür und Laune einzelner Persönlichkeiten abhängen und das Gedeihen unserer Kunstanstalt mit ewigen Sonderinteressen zu kämpfen haben. Nicht genug, daß man erst tags zuvor schlüssig werden konnte, welche Oper zu geben sei, so war die Aufführung der ,Lustigen Weiber' derart, daß der Mangel eines höheren Einflusses, einer höheren Instanz, merklich fühlbar wurde. Fast sämtliche Mitglieder, mit Ausnahme des Frl. Eichheim und des Herrn Bausewein, welche als Anfänger doch ihr Mög- lichstes taten, schienen ganz und gar den Begriff des Gastrechtes zu ignorieren, das doch mehr denn irgendwo gerade in der Künstlerwelt Geltung haben muß. In ihre Heimat zurückgekehrt, mag

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sich Frl. Geisthardt eben nicht sonderlich mit Lobreden auf die Unterstützung der Münchner Kollegen echauffieren. Der Oper schien vor allem keine Probe vorausgegangen zu sein (werden spezielle Entgleisungen der Herren Sigl und Kindermann angeführt)."

In einem Bericht vom 25. September, in dessen Eingang ich der Oper „Dinorah", namentlich ihrem Text, noch schärfer zu Leibe gehe, als es nach deren Erstaufführung im „Punsch" geschehen ist (wobei ich mir das Wiedererscheinen derselben über- haupt nur aus dem Mangel an guten neuen Werken und dem Umstände, daß eine fremde Sängerin in der Titelrolle gastiere, erklären kann), urteile ich über diese;

„Soweit wir Frl. Manisch auf das erstemal beurteilen können, hat sie neben kleinen Mängeln große Vorzüge. Daß ihr Spiel noch etwas unsicher war, darf zunächst wohl einer sichtbaren Angst auf Rechnung gesetzt werden, welche die Dame auf der ungewohnten großen Bühne (vielleicht nur fürs erstemal) nicht bemeistern konnte. Außerdem wäre es höchst ungerecht, aus dieser eigentlich ganz unmöglichen Rolle auf das Auffassungs- und Darstellungsvermögen einer Künstlerin schließen zu wollen. Ihre Stimme ist glockenrein, voll Metall, um unter allen Umständen die Räume unseres Theaters mäßig auszufüllen. Ihr Ansatz ist frei und richtig, ihre Koloratur ziemlich bedeutend; die nicht übermäßig schwierigen Passagen gelangen ihr vollständig, der Schattentanz war eine löbliche Leistung." (Wird auf ihre noch in dieser Woche zu gebende Amine als Prüfstein hingewiesen, worüber mir von anderer Seite viel Gutes berichtet wurde.)

„Den Schluß der durchaus interessanten Gastspiele, deren Vermittlung der Rührigkeit Schmitts das beste Zeugnis gab, machte Frl. v, Edelsberg vom Stadttheater zu Graz. Ihr hatte die gütige Natur alle wünschenswerten Theaterattribute: eine seltene Körperschönheit, eine fast phänomenal zu nennende Stimme von großem Umfang (vom kleinen a bis übers hohe c) und ein entsprechendes musikalisches Talent verliehen, wie es in Österreich, ihrem Mutterlande, so häufig zu finden ist. Auch zeigte sie gleich in ihrer ersten Rolle, der Nancy, eine mindestens hinreichende Gesangstechnik, von der die Bewältigung aller Schwierigkeiten zu erwarten war, nicht minder auch Spieltalent, soweit es insbesondere die k o m i s c h e Oper erfordert, was auch wieder in ihrer Rosine bis zu einem gewissen Grade der Feinheit hervortrat. Dagegen zeigte sich in ihrer Fides, welche sie zweimal gab, daß den Zuhörer durch Empfindungstiefe zu rühren, warm zu machen, nicht ihre starke Seite sei. Darunter litten namentlich die beiden Hauptarien, mit denen das eigentliche Pathos des .Propheten* anfängt und endet. Man konnte dabei an den Vers Heines denken: ,Und wenn mein Liebchen ein Herzchen hätt', ich machte darauf ein hübsches Sonett.'"

Alles in allem aber war Frl. v. Edelsberg, sowohl in Ansehung eines prächtigen Materials als auch eines bedeutenden technischen Könnens und bestechender Bühnenerscheinung, eine begehrenswerte Kraft und wurde darum auch mit I.Januar des kommenden Jahres 1862 als erste Altistin, vorläufig bis zum 30. September, mit einem Monatsgehalt von 125 fl. engagiert. Es war dies das glücklich erreichte Resultat des eben beschriebenen Gastspiels. Grandaur konstatiert im Jahre 1861 sechs Opern- gastspiele, ohne nur ein einziges, auch dieses erfolgreiche, mit Namen zu nennen. Damit vermeidet er das Bekenntnis, daß durch das „nervös zu nennende Streben" (Schmitts) „außergewöhnliche Talente zu entdecken" wieder tatsächlich ein solches gefunden worden ist. Daß er aber gerade hier die mißratene Bemerkung einschaltet und ihr eine halbe Seite widmet, erhöht die Komik. Gleichzeitig mit der Edelsberg ward Ferdinand Bohlig als lyrischer Tenor engagiert. Er war schon mit 1. No- vember 1860 als Chorsänger mit 200 fl. Jahresgehalt angestellt gewesen (auch er war Schuldienstaspirant, auch von ihm verlangte das Ministerium die Rückbezahlung der Kosten für seine Erziehung, was ein Fünftel seiner Gage ausmachte); am

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15. Oktober 1861 beantragte Lachner, Bohlig möchte aus dem Singchor genommen und seine Ausbildung zum Sologesang in Angriff genommen werden, da er ein brauchbares Mitglied der Oper zu werden verspreche. Der ihm nunmehr (am I.Januar 1862) gewährte Kontrakt lautete auf 600 fl. im ersten, 800 fl. im zweiten und 1000 fl. im dritten Jahre, mit 3fl. Spielgeld. 1862 In diesem Jahre erhielt der bisherige ^Inspektor" Schmitt den Titel Inten- danzrat am 22. Januar, eine Auszeichnung, auf welche er sicher nicht allzuviel Gewicht legte, wie sie auch auf die weitere Führung der Intendanzgeschäfte keinen Einfluß übte.

Von großer Bedeutung im künstlerischen wie materiellen Sinne war dagegen die Aufnahme von Gounods „Faust" ins Münchner Repertoire, welcher in jeder Hinsicht ausgezeichnet vorbereitet schon am 12. Januar herauskam. Diese Premiere war eine helle Freude für das Münchner Publikum, ein Glück für die Theaterkasse: 19 mal wurde dies Werk in diesem Jahre bei ausverkauftem Hause wiederholt. Und zwar gründete sich dieser außergewöhnliche Erfolg nicht nur auf den äußer- lichen Vorteil einer geradezu blendenden Ausstattung, nicht nur auf das besondere Glück einer genialen Vertretung der Gretchen-RoUe durch Frl. Sophie Stehle, sondern zum großen Teil auch wohl auf die nach dieser Einführung bleibende Tat- sache, daß hier wieder ein Komponist zum erstenmal auf den Plan trat, welcher, mochte er auch nicht zu den Großen gehören, durch individuelle Eigenart bei souveräner Beherrschung aller Ausdrucksmittel interessieren und, es mag nicht zuviel gesagt sein, bestricken mußte. Von der ganzen „Faustfrage" weit absehend, hatten es die Librettisten Barbier und Carre nur auf eine möglichst wirksame Ausgestaltung der Gretchen-Episode abgesehen ein herrliches Substrat für eine lyrische Oper um so mehr, als es sich durch den nun einzigen Gegensatz der mephistophelischen Teufeleien um so eindringlicher hervorheben ließ. Dabei blieb für den Faust, der sich schon nach den ersten fünf Minuten von Philosophie und Sterndeuterei durch den beschworenen Teufel erlösen läßt, kein anderer Beruf, denn als tenorsingender Liebhaber und Unglücksstifter zu figurieren, was beides ein Interesse für ihn nicht aufkommen läßt. Daher auch der richtige Name „Margarete", unter welchem die Oper erst später in München, wie überall in Deutschland gegeben wurde. Mir war dieser auf dem Zettel sorgsam verschwiegene Titel nicht bekannt, daher mein unnötiger Eifer gegen diese „Faustmusik" [in der „Süddeutschen Zeitung"]. Den äußeren Erfolg des Werkes bezeichnen folgende Zahlen: Im Jahre 1862 war der „Faust" 20 mal, im Jahre 1863 10 mal, 1864 7 mal, 1865 6 mal, 1866 und 1867 4 mal, 1868 und 1869 2 mal, 1870 3 mal, 1871 5 mal, 1872 7 mal, 1873 4 mal, 1874, 1875 und 1876 je 6 mal, somit vorläufig in 15 Jahren 92 mal gegeben worden. (Gegenüber dem oft erwähnten konsequenten Fallenlassen Glucks gibt dies doch wieder eine Kennzeichnung des Münchner Geschmackes).

Außer dieser immerhin und wenigstens im praktischen Sinne hochwichtigen Novität wurden im selben Jahre noch zum erstenmal gegeben Aime Maillarts „Glöckchen des Eremiten" am 4. Mai, Offenbachs „Verlobung bei der Laterne"

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am 9. Juli, Franz Schuberts „Häuslicher Krieg" am 23. Oktober und noch ein Liederspiel „Unterm Birnbaum" von Conradi, letzteres meines Erinnerns mit Recht nur einmal gegeben. Über die erstgenannte Oper schrieb ich in der „Süd- deutschen Zeitung":

„Maillart gehört der damaligen neufranzösischen Schule in ihrer Verflachung an, deren Lebens- fähigkeit fast nur mehr an der Gewandtheit in stereotypen Formen und an einer sicheren, auf traditioneller Erfahrung beruhenden Bühnenkenntnis hängt. Von Adams liebenswürdigem Humor, von Boieldieus gewinnendem Melodienschatz, von der treffenden Charakterzeichnung beider ist kaum mehr eine Spur zu entdecken. Dagegen macht die Instrumentation zuweilen, und ohne rechten Anlaß, Anläufe zu Pikanterie und Oberreizung, wie sie in den komischen Opern von Meyerbeer und Halevy bereits ein gespanntes Maß überschreiten, dort aber noch charaktereigen sind. Und dies deckt erst recht die innere Armut auf, wie sie sich in einer Reihe von Quadrillen-Galoppaden und ziemlich trivialen Couplets kundgibt. Das genügte für einige dankbare Unterhaltungsabende, eine Haltbarkeit des Werkohens hatte man gewiß nicht vorgesehen. Man hatte es sicher nur im Hinblick auf die Darstellung der Rose Friquet durch Frl. Stehle gewählt, welche diese immerhin sympathische Figur ganz allerliebst darstellte, mit ihr direkt an die ,Grille' unserer unvergeßlichen Friederike Goßmann erinnerte. Auch die übrigen Partien waren in guten Händen. Vor allem gab Herr Kindermann den galanten Dragonerunterofflzier mit trefflicher Nonchalance und war prächtig bei Stimme. Ebenso war Frl. von Edelsberg sehr gut disponiert und spielte die nicht sehr tugend- same Pächterin sehr flott; wie bedeutsam sie das Wort sprach: ,Ja wenn er nicht läutet' wird wohl kein Zuhörer vergessen haben." Die Oper wurde im selben Jahre dreimal, im darauffolgenden fünfmal, in den beiden nächsten Jahren je zweimal wiederholt.

Die „Verlobung unter der Laterne" von Jacques Offenbach ist außer den erst in den 80er Jahren aufgetauchten „Hoffmanns Erzählungen" das einzige Werk des berühmten Opernkomponisten, welches meines Wissens die Münchner Hofbühne der Aufführung gewürdigt hat. Es ist wohl unter allen das harmloseste, eine aller- liebste Lachkomödie daher sich ihm auch die Münchner Hofbühne öffnete. Ich habe es damals zu meinem Schaden ignoriert; ob es freilich vom damaligen Hofopern-Ensemble (Herr Heinrich, Frl. v. Edelsberg, Frl. Hefner, Frau Diez) so leichtlebig, wie es gedacht ist, gegeben wurde, möchte ich noch heute bezweifeln. Wohl hörte ich, daß es sehr gefallen habe, dem widerspricht aber einigermaßen, daß es nur eine Wiederholung erlebte. An dieser Stelle kann ich das Geständnis nicht unterdrücken, daß mir dieser Jacques Offenbach später insbesondere durch seine parodistischen Stücke „Orpheus in der Unterwelt", „Schöne Helena" etc. immer mehr Respekt vor seiner musikalischen Erfindung und seiner geistreichen Ironie abgewann.

Nachdem unterdessen die „Süddeutsche Zeitung" unter Brater nach Frankfurt a. M. übergesiedelt war, schrieb ich von da ab, der Einladung meines Freundes Julius Knorr folgend, einige Konzert- und Theaterreferate unter dem Zeichen C. K. in die „Neuesten Nachrichten", bezw. deren Unterhaltungsblatt. Mein erster Bericht galt der Uraufführung von Schuberts „Häuslichem Krieg" am 23. Oktober; er lautet:

„Donnerstag, 6. November. Wäre es nicht allein der Name Franz Schuberts, und die an den- selben geknüpften Erwartungen, so müßte schon das seltsame Schicksal, welches die einaktige Operette ,Die Verschworenen oder der häusliche Krieg' im Vaterlande des Komponisten zu er- stehen hatte, ein mehr als gewöhnliches Interesse in Anspruch nehmen. Nachdem das allerdings

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anspruchslose, aber in seinem Genre vollkommene Werk in Wien 1822 komponiert war, wurde es dem Autor von einer dortigen Theaterdirektion angelesen zurückgeschickt und mußte also unbe- kannt bleiben, bis es im vorigen Jahre in derselben Stadt und zwar zuerst im Konzertsaale zur Aufführung kam. Nach diesem Vorgange beeilte sich auch unsere Intendanz, die Operette vorzu- bereiten, doch verstrich auch hier wieder mehr als ein halbes Jahr, bis man mit den zehn oder elf Nummern fertig werden konnte. Der Erfolg der ersten Aufführung war glänzend. Nachdem wir soviel des Ungeheuerlichen, Nervenabi>pannenden gehört, daß sich eine Steigerung nach dieser Richtung kaum mehr denken läßt, kann eine so liebliche, melodienreiche Musik, in der doch auch dramatische Wahrheit liegt, nur den wohltätigsten Eindruck machen. In der Tat erscheint nach jenen sintflutähnlichen Stürmen dieser häusliche Krieg wie eine Friedensbotschaft, wie ein Vor- läufer einer notwendig gewordenen Reaktion und ist darum gerade jetzt zeitgemäß. Auch der Text hat seine großen Vorzüge, wenn ihm auch einige Mängel der Castellischen Muse nicht abzu- leugnen sind. An wirklich komischen Auftritten fehlt es nicht, und es ist besonders hervorzuheben, daß nicht nur die Situationen, sondern auch die Verse durchaus musikalisch sind. In der Schreibart lehnt sich Schubert hier zunächst an Mozart an, ohne jedoch seine reiche Individualität damit zu gefährden .... Von Nr. 3 an steigert sich das musikalische Interesse fort und fort. Die Sitzung der Frauen, welche mit komischem Pathos auftreten, ist ein Meisterstück feiner Charakterzeichnung. In der Musik liegt eine reizende Mischung von ritterlichem Anstand und weiblicher Grazie, welche umsonst nach Strenge ringt, dem Schwur sieht man trotz dem tragischen D-moll, den Tremolandis und rollenden Bässen an, daß er nicht gehalten wird. Der liebliche Eindruck, welchen der darauf- folgende Chor in D-dur macht, ist nicht zu beschreiben. Nach diesen köstlichen Szenen erfolgt der Einzug der aus dem Morgenlande zurückkehrenden Ritter, bei dem die Wirkung zunächst auf dem Kontrast in Rhythmus und Klangfarbe ruht. Desto frischer erhebt sich Schuberts Genius in der nächsten Nummer, wo die feindlichen Heere sich gegenüberstehen. Besonders interessant ist das dem Willkomm der Damen sich anschließende Duo der beiderseitigen Feldherren, des Grafen und der Gräfin, welche ihren Truppen Mut einsprechen. Nach einem reizenden Duett zwischen dem Ritter Astolf (Tenor) und seiner Gemahlin Helene, worin die zarteste Liebe, zugleich aber auch die Verlegenheit und die Furcht, überrascht zu werden, meisterhaft ausgedrückt ist, folgt ein Kapital- stück, nach dessen Vollendung sich Dichter und Komponist selber Bravo zugerufen haben müssen. Der Graf hält in einer Arietta der Gemahlin vor, was er alles für sie gewagt und gestritten habe, wobei mit dem Refrain ,Für dich' äußerst komisch manöveriert wird. Diese Arietta wird eine Terz- lage höher von der Gräfin mit dem Refrain ,Für mich' wiederholt, wodurch die Prahlerei des Grafen (Ich habe hundert Türken erschlagen) auf höchst liebenswürdige Weise parodiert wird. Das Finale leidet an Längen, doch ist der Marsch, mit welchem die Damen in voller Rüstung aufziehen, har- monisch interessant, und der an vokaler Klangwirkung unvergleichliche Ensemblesatz (C-dur) ,Ich stehe beschämt' setzt dem Ganzen die Krone auf." (So urteilte ich damals, heute könnte ich nicht umhin, ein Zuviel des Singens bei so wenig Ursache als unbühnenmäßig zu bezeichnen.) „Der Schwerpunkt des Werkes liegt in den Chören und zur Ehre unseres wackeren Dirigenten Kunz lind des Chorpersonals müssen wir gestehen, daß wir von der ausgezeichneten Durchführung der- selben entzückt waren. Die Solopartien waren außer Herrn Kindermann und Frau Di ez, welche gesanglich Vortreffliches leisteten, in den Händen von Anfängern; doch wurde trotz einiger Mängel in der Hauptsache nichts verdorben."

Bei der Anspruchslosigkeit des Werkes und dem besonderen Umstände, daß der Star der Münchner Bühne, Frl. Stehle, nicht darin beschäftigt war, ist sein prak- tischer Erfolg immerhin ein sehr guter, insbesondere nachhaltiger zu nennen. „Der häusliche Krieg** wurde nach zwei Wiederholungen in diesem Jahre bis zum Jahre 1881 21 mal, mithin im ganzen 24 mal gegeben.

Neueinstudierungen des Jahres waren „DieMontecchi und Capuletti", „Idomeneo", „Teir und „Johann von Paris*.

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An Gästen traten auf: ein Herr Grünewald vom Stadttheater zu Regensburg j

als Jäger, Valentin und Simeon (Joseph); Herr Bohlig als Gomez; es war der erste theatralische Versuch, auf Grund dessen sein Engagement erfolgte; Herr Zottmayer vom Hoftheater von Hannover als Czaar, Jäger und Graf Luna; der i

in München wohlbekannte (Münchner) Herr Degele, jetzt vom Hoftheater zu |

Dresden kommend, als Guilbert, Valentin und Figaro (Barbier); Frau Zottmayer

aus Hamburg als Pamina; der ebenfalls längst bekannte Herr Grimminger als '

Eleazar und Tannhäuser, und ein Herr Kren (?) als Figaro in „Figaros Hochzeit*. j

Auch im Jahre 1863 ward „das Streben, junge Talente zu entdecken", mit bestem 1863 1 Erfolg gekrönt, indem es gelang, an Frl. Anna Deinet eine sehr brauchbare !

Koloratursängerin und auf einen Zeitraum von 15 Jahren ein eifriges pflicht- getreues Mitglied der Bühne zu gewinnen. Generalmusikdirektor Franz Lachner hatte sie in Frankfurt a. M. entdeckt und war vor allem für ihr außerordentliches musikalisches Talent eingenommen, zudem sich eine ergiebige, helle und gleich- mäßig gebildete Sopranstimme mit ziemlicher Höhe und eine große Sauberkeit der Koloratur gesellte. Auch kam ihrem bereits sicheren Spiel eine einnehmende I

äußerliche Erscheinung zustatten, ohne daß sie bei all diesen notwendigen Requi- I

siten eine Akquisition allerneuesten Ranges gewesen wäre. Am H.Juni wurde sie '

von der Intendanz zu einem Gastspiel mit fünf Auftritten (Isabella im „Robert*, Leonore im „Troubadour", Königin der Nacht, Anna in der „Weißen Frau" und Martha) eingeladen und vom 1. Juli 1863 bis 30. September 1866 mit 3000 fl. Gehalt und 10 fl. Spielgeld engagiert. Die für rein dramatische Rollen hochbegabte \

Stöger mußte, von einem unheilbaren Halsleiden behaftet, am 1. September aus- j

treten eine tief beklagenswerte Existenz! Außer Frl. Deinet traten dieses Jahr \

an Gästen auf: im April ein Herr Mayr aus Braunschweig als Eleazar, im Juni ein Herr Griebel aus Darmstadt als van Bett und Alphons (Lucrezia Borgia), im i

August ein Herr Jansen aus Hamburg als Jäger und Figaro (Barbier), alle drei ]

ziemlich belanglos, endlich am 13. September zusammen mit Herrn Fischer aus Zürich als Don Pedro im „Don Juan", ein Frl. Blascheck aus Dessau als Donna Anna, welche sich dann am 27. September durch Frau Dustmann in derselben Rolle verdunkeln lassen mußte.

Zum erstenmal gegeben wurden die Opern „Die Foscari" von Max Zenger (11. Januar), „Lalla Rookh" von Felicien David (15. März), „Der Vetter auf Besuch" von Georg Krempelsetzer (24. Oktober) und „Das Konterfei" von Karl v. Perfall (21. Dezember). Außer Nr. 2, dem Werk des durch seine „Wüste" berühmten, feinsinnigen Franzosen, rührten also die Novitäten von einheimischen Komponisten her, von denen die zwei ersten überdies zum erstenmal auf den Plan traten ein etwas kühnes Experiment in einem Jahre.

Wenn es zutriffst, was C. M. von Weber zu Franz Schubert sagte: „Erste Opern und junge Hunde ersäuft man," so kann ich mit dem Erfolg meines Erstlingswerkes immerhin zufrieden sein, und es bietet mir jetzt als Geschichtsschreiber keine Ver- legenheit, davon zu erzählen. Der Text war ursprünglich von meinem älteren Bruder

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Gustav, einem musik- und poesiebegeisterten Gymnasiasten verfaßt, dem es natürlich an genügender Kenntnis und Bildung nach beiden Richtungen gebrach. An dieses Substrat konnte sich auch nur ein notenwütiger, im gleichen Stadium der Unreife befindlicher Komponistenjüngling wagen, und schon während der Komposition, die ich im 22. Lebensjahre vollendet hatte, war mir die Ahnung, daß ich vielleicht nur zur Übung arbeite, aufgedämmert. Indes nahm ich die so entstandene Partitur im Herbst 1859 mit nach Leipzig, wo mir meine Freundin Lucile Grahn riet, sie dem Generalissimus Meyerbeer zu zeigen, der damals in Berlin weilte, und an den sie mich dringend empfahl. Der Altmeister nahm mich mit großer Liebens- würdigkeit auf, las in meinem Beisein es war eine erregte Stunde die ganze Partitur aufmerksam durch, indem er von Zeit zu Zeit einen eigentümlich stechenden Blick auf mich herübergleiten ließ, und sagte zuletzt mit aufmunternder Bestimmtheit : „Sie brauchen nur gute Texte zu finden, dann werden sie ein vorzüglicher Opern- komponist." Nun wandte ich mich an Gustav zu Putlitz, an den mich Frau Grahn -Joung ebenfalls empfohlen hatte, mit der Bitte, um Umarbeitung des Foscaritextes. Der liebenswürdige, joviale Dichter und Kavalier ging darauf ein und schickte mir im nächsten Frühjahr nach München ein völlig neues Szenar, worin unter Berücksichtigung der von mir bezeichneten Hauptszenen erst eine geschlossene Handlung erreicht und dem Ganzen ein dramatischer Halt dadurch gegeben war, daß aus dem guten Vater Foscari ein Brutus wurde, welcher im ent- scheidenden Moment den geliebten Sohn dem Staatswohl opfert. Die neue Versi- fikation besorgte mein lieber Jugendfreund (und Nachbarssohn) Felix D ahn, der, obwohl kaum drei Jahre älter, mein erster Lateinlehrer gewesen und dem ich seit unseren Ritterkämpfen im Dahnsgarten die tiefste Verehrung bis zum heutigen Tage zolle. Der auf diese Weise aufführbar gewordene Text ward von mir nun mit mehr Bedacht, als ich angefangen hatte, fertig komponiert. Was die Annahme der Oper von selten der Intendanz betrifft, so möchte ich nicht leugnen, daß dabei besonders günstige Umstände, auch etwas Protektion im Spiele waren. Das An- sehen meines Vaters^) als eines der erfolgreichsten Rechtslehrer an der Münchener Universität machte Eindruck auf Lachner wie auf Schmitt; auf letzteren außerdem noch der besondere Umstand, daß mein Vater Seniorenphilister des Chors Suevia war, dem auch er und der mich bereits schätzende Dr. Här tinger, gelegentlich sein Berater, als Philister angehörten. Härtingers Urteil über mich aber sekun- dierte der alte Bayer, dem ich einzelnes aus der Oper vorgeführt hatte. So betrat ich die weltbedeutenden Bretter selbst im eigenen Bewußtsein gewissermaßen als Protektionskind, doch war Lachner für alle Fälle gegen Vorwürfe durch die Er- folge gedeckt, welche ich mit meinen Gretchenszenen und einer Symphonie in Es, letzterer in Gegenwart König Ludwigs L, der mich laut lobte, im Odeonssaal er- rungen hatte. Was den Erfolg der Oper von vornherein erschwerte, war die Gemein- samkeit der Kostüme und Dekorationen (Markusplatz) mit denen von „Catharina Cornaro." Richtig rief auch ein Reisender im Parkett: „Ich hab' schon gemacht *) Dr. Franz Xaver Z enger, o. Prof. des römischen Rechts.

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meine Renzension, es ist alles aus Catharina Cornaro.* Dies hinderte nicht, daß die Mehrzahl der Zuhörer auf meiner Seite war und ich mit der Premiere einen glänzenden Abend erlebte. Abgesehen von den üblichen Hervorrufen zum Schlüsse, die man einem Anfänger gerne gönnt, war mir die Hauptsache, zu fühlen, daß meine Musik den Eindruck eines ehrlichen künstlerischen Strebens vielleicht auch eines mehr versprechenden Talentes hervorrief. Die Aufführung war aber auch ganz vorzüglich. Alle Beteiligten, an der Spitze Frl. Stehle, der ich die Rolle der Theresa „auf den Leib geschrieben" zu haben glaubte, wetteiferten pflicht- getreu, meinen Absichten gerecht zu werden: Bausewein als Doge, Grill als der junge Foscari, Heinrich als spanischer Gesandter, alle taten redlich das ihrige; selbst Kindermann, der mir wegen einer Kritik grollte, gab seinen Contarini dramatisch lebendig und stimmlich grandios. Für weitere Aufführungen wollte er freilich seine Mitwirkung entschieden ablehnen, und es bedurfte ernsten Eintretens der Intendanz zu meinen Gunsten, dem er sich dann widerwillig fügte.^) Das Orchester spielte unter Lachners energischer Führung vorzüglich. Die Oper erlebte zwei Wiederholungen und war bereits eine dritte fürs folgende Jahr geplant, doch mußte diese unterbleiben, weil Grill von einem Gastspielurlaub mit einer stark angegriffenen Stimme zurückkehrte. Schon nach zwei Jahren war ich über meinen Foscari-Standpunkt hinaus und hätte eine Wiederaufführung nicht einmal gerne gesehen. Was ich aber bei der Aff^äre gelernt hatte: dankbare Gesangspartien zu schreiben und sie nicht von einem tollen Orchester übertönen zu lassen, ist mir für meine Laufbahn widerspruchslos geblieben. Und noch ein besonderes Glück ward mir dabei zuteil: Der junge Kronprinz Ludwig, welcher bei der Premiere im Applaus mit meinen Universitäts-Kommilitonen wetteiferte, nahm regstes Interesse für mich im nächsten Jahre war er mein überaus huldvoller Königl Die Presse äußerte sich im ganzen über die Oper anerkennend. Der „Punsch" nannte die „beiden Foscari" ein tüchtig eingesottenes Zengerbräu- Doppelbier.^) Nur Herr Ludwig Nohl das Herausgeben von Mozart- Briefen und ein sich lohnendes Schweifwedeln vor Richard Wagner macht noch keinen Musiker rühmte sich mir selbst gegenüber, die schärfste Kritik geschrieben zu haben.

Über die zweite Novität schrieb ich ins Unterhaltungsblatt der „Neuesten Nach- richten" :

„C. K. Sonntag, den 15. März ging die langerwartete, franzosische Novität „Lalla Rookh", Oper von Felicien David, zum erstenmal über unsere Bühne. Gegenstand der Oper ist die einfache Märchendichtung Thomas Moores, nach welcher die Tochter eines indischen Kahns, Lalla Rookh, welche für einen König als Gattin bestimmt ist, auf der Reise sich in einen Sänger verliebt und ihm zuliebe dem Thron entsagen will, bis sich dieser schließlich als der fürstliche Bräutigam zu erkennen gibt, der sich auf diese Weise ihrer Liebe persönlich versichern wollte. Von dem Komponisten der „Wüste", des „Columbus" u. a. war etwas Unbedeutendes nicht zu erwarten, doch hat uns, offen gestanden, die Wüste einen größeren Eindruck gemacht und weit besser gefallen,

') Nicht alle Differenzen zwischen Künstlern sind unversöhnlich; Kindermann, von Haus aus ein guter Mensch, schied aus diesem Leben als mein Freund. ^) Der Zengerbräu existiert schon lange nicht mehr.

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als z. B. manche Melodie des k. Sängers von Samarkand. Es ist vor und nach der Aufführung von ,L. R/ viel geredet und geschrieben worden von dem orientalischen Typus, welcher dem Komponisten die Grundfarbe der Oper gegeben habe. Damit hat es aber doch eine eigene Bewandtnis. Wer bürgt uns dafür, ob nicht ein Komponist von derselben Begabung wie David einen ganz anderen ,orientalischen Typus* nach Europa gebracht hätte? Der Grundzug, wodurch sich der Orient vom lebendigeren, fortschrittsfähigeren Okzident unterscheidet, ist bekanntlich der einer größeren geistigen Stabilität, eines beschaulichen, träumerischen Lebens. Nachdem uns David hievon schon einmal in der Wüste ein glückliches Bild entworfen hat, mochte er immerhin auf dieser Fährte sich weiter versuchen, sei es auch in einer Oper. Protestieren müssen wir aber, sobald dieser Ton monoton wird und wir gezwungen werden, für etwas, was wir sonst langweilig genannt, den Begriff ,orientalischer

Typus* oder ,indischer Duft* zu substituieren Die Aufführung der Oper war die glänzendste,

welche wir seit den glücklichen Abenden des , Faust* hier gesehen haben. Frl. Stehle war als Lalla R. so vortrefflich, wie wir uns ihrer nur versehen konnten. Frl. v. Edelsberg (Mirza) rivalisierte mit ihr mit verdientem Glück; Herr Grill (Nureddin) war besser als je, und auch Herr Bausewein (Baskir) leistete Vortreffliches. Wir glauben danach nicht zu irren, wenn wir den reichen Beifall als zunächst den Sängern geltend bezeichnen. Dekorationsmaler, Kostümier und Maschinist taten sich rühmlich hervor; namentlich soll hier des äußerst effektvollen Elephanten und seiner graziösen Rüsselmimik teilnehmend gedacht werden. Ob trotz der pompösen Ausstattung ,L. R.' sich zu einer Lieblingsoper des Münchner Publikums emporschwingen wird, dürfte erst abzuwarten sein."

Ehe ich auf die Operette „Der Vetter auf Besuch" (Dichter auf dem Zettel ver- schwiegen) zu sprechen komme, obliegt es mir, Näheres über die Personalien des Komponisten festzustellen. Georg Krempelsetzer, geb. 20. April 1827 zu Vils- biburg in Niederbayern als der Sohn eines Tuchmachers, hatte des Vaters Gewerbe schon längere Zeit ausgeübt, als er dem Drange, sich der Musik zu widmen, nicht widerstehen konnte. Er hatte das Glück, von Franz Lachner als Komposittonschüler aufgenommen zu werden, und brachte es, obwohl bereits über 30 Jahre alt, trotz begreiflicher Mängel in der Technik durch Fleiß und Beharrlichkeit dahin, daß er unter Aufsicht seines Meisters eine Reihe Operetten schaffen konnte, welche durch hübsche melodische Erfindung ein Anrecht auf Aufführung hatten. Die erste davon war dieser „Vetter auf Besuch**. Zur Erweiterung seines naturgemäß etwas provin- ziellen Gesichtskreises und zur Erreichung einesgeselligen Schliffes war er, klug genug, gar bald einem schöngeistigen Vereine „Argo" beigetreten, zu dessen Gründung der Zufall mich ausersehen hatte, und dessen Mitglieder es sich zur Aufgabe gemacht hatten, in allwöchentlichen Abendzusammenkünften durch wissenschaftliche, poe- tische und musikalische Vorträge, welche kritisiert werden mußten, gegenseitige Anregung und Ideenaustausch wachzurufen. Wenn wir auch nicht, wie das berühmte „Krokodil", einen Geibel zum Vorsitzenden hatten, so bürgen doch Namen wie L. V. Bürkel, der spätere Hofsekretär König Ludwigs IL, Jul. v. Gosen, der spätere Redakteur der Allg. Zeitung", Theodor Heigel, der spätere Präsident der K. Akademie der Wissenschaften, Dr. Schröder aus Schwerin, Dr. Woltmann, der Kunsthistoriker, und andere für Zweck und Absicht der „Argonauten". Ein schöner Zug war aber der der gegenseitigen Freundschaft, mit der auch alle, alle unserem lieben Krempel- setzer zugetan waren, der nun schon seit 9. Juni 1871 zu den Toten gehört. Er starb, von aufreibender Tätigkeit als Kapellmeister in Königsberg gekommen, in seiner Vaterstadt Vilsbiburg infolge einer Lungenaffektion.

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über die in Rede stehende Operette konnte ich im Unterhaltungsblatte schreiben:

„1. November 1863. Schon den Versuch, ein Singspiel und heitere Musik zu schreiben, können wir nur mit Freude begrüßen. Es ist ja leider allbekannt, wie wenig verhältnismäßig das Feld der komischen Oper von deutschen Komponisten bebaut wurde, wie mehr oder minder fast alle Talente dem Tragischen sich zugewandt." (Ich skizziere hier kurz den Inhalt der etwas niedrig stehenden Lachkomödie, welcher heute schon gar niemand interessieren kann.) „Wenn Krempelsetzer diese platte, aller Verwicklung bare Geschichte gleichwohl zur musikalischen Bearbeitung sich ausersah, so mag sich dies aus dem bekannten Mangel an nur halbwegs erträglichen Operntexten, nicht minder aber daraus erklären, daß das Buch nichtsdestoweniger musikalisch sehr ausbeutbar ist und in jeder Nummer dem Komponisten zu einer brauchbaren Unterlage dient. Ober die Komposition selbst können wir uns nur lobend aussprechen; alle Stücke zeigen in gleichem Maße eine gefällige Form wie reiche Erfindung; vor allem gilt dies von den im Volkston gehaltenen Liedern, deren Melodien eine ebenso warme Empfindung bekunden, wie ihre Verwendung ein richtiges Erkennen der Aufgabe eines Singspieles bezeichnet. Die Aufführung war im allgemeinen und einige kleine Schwankungen abgerechnet, gut zu nennen; daß Herr Sigl keine Stimme mehr besitzt und Herr Heinrich mit gesanglichen Untugenden behaftet ist, wissen wir ja. Die Aufnahme des Singspieles darf eine warme genannt werden. Wiederholte Beifallsbezeugungen während der Aufführung und zweimalige Hervorrufe zum Schlüsse ehrten den Komponisten verdientermaßen und werden ihm zur Genüge gezeigt haben, daß er sich auf der rechten Bahn befinde, auf der ihm die schönsten Erfolge nicht fehlen werden."

Schlimmer ging es der letzten Novität, Carl von Perfalls „Conterfei", Text von Martin Schleich. Da vor Anfang der Oper König Max empfangen wurde, war nach alter Etikette jeder Applaus ausgeschlossen, aber es fehlten am Schluß die Zeichen, welche trotzdem einen Erfolg konstatiert hätten und eine eilige Wieder- holung noch in diesem, sowie eine weitere im nächsten Jahre (14. Januar) konnten die Tatsachen des gründlichen Mißerfolges nicht aufheben. Der Komponist hatte sich seit seiner „Sakontala" vor gerade zehn Jahren in der Opernfaktur nicht ver- bessert, es fehlte nach Inhalt und Form so ziemlich an allem, was diese Musik unter anderen als den gegebenen Personalverhältnissen als aufführbar hätte erscheinen lassen. Darum ist die Bezeichnung „bodenloser Dilettantismus", in welchem mein nach der dritten Aufführung in den „Neuesten Nachrichten" erschienener Bericht gipfelte, noch heute wahr. Sie wäre auch damals nicht beanstandet worden, wenn sie nicht, was ein hämischer Journalist aufdeckte, von einem „Konkurrenten" ge- schrieben worden wäre. Mochte ich mich nun gerade in diesem speziellen Fall, ganz hors de concours fühlen, die richtende Welt ging nicht darauf ein, daß so ein ver- nichtendes Urteil auch in der künstlerischen Absicht geschrieben sein konnte, zwischen Kunst und Dilettantismus im Kunsttempel eine Grenze zu errichten. Mir war es nicht zum Heil, es hielt mich auf eine Zeitlang untenl

Das Jahr 1864 bezeichnet insofern einen Wendepunkt in der Geschichte der 1864 Münchner Oper, als sie infolge der Berufung Richard Wagners durch König Ludwig II. nicht mehr so ganz, wie bisher, auf sich selbst gestellt blieb, sondern in eine gewisse Abhängigkeit von den Wünschen und Maßnahmen dieses Künstlers und seines hohen Gönners geriet, so wenig dies tatsächlich auch Beide beabsichtigten. Ehe ich dieses Thema weiter berühre, seien vorher noch kurz die Personal Verhältnisse dieses Jahrganges erwähnt und die Gastspiele je nach Be- deutung gewürdigt.

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Am 1. April trat Herr Karl Fischer, ein außerordentlich stimmbegabter Bariton, am 1. Mai die liebliche Soubrette Frl. Klementine Low, am I.Juli als dramatische Sängerin Frau Sophie Förster, am 1. August der Bariton Karl Simons, endlich am 15. August der Tenorist Wilhelm Richard ins Engagement. Alle fünfe waren sie gute, wenn auch nicht höchstwertige Akquisitionen. Frau Rohrleitner wurde im Januar pensioniert, Frl. Schwarzbach trat Ende Juni aus dem Verbände. „Auch im Ballett", sagt Grandaurs Chronik, „vollzogen sich wesentliche Ver- änderungen, da an Stelle des Ballettmeisters Hoffmann am 1. Oktober G. Goli- nelli trat und mit ihm gleichzeitig die Solotänzerin Josephine Galaba engagiert wurde. Die Roseri ging mit Schluß des Jahres ab; Bertha Thierry war schon im abgelaufenen Jahre pensioniert worden".

Unter den zahlreichen Gästen dieses Jahres kommt die größte Bedeutung wohl dem namentlich als Wagnersänger zu großem Ansehen gelangten Herrn Niemann vom Hoftheater in Hannover zu. Er trat vom 14. Februar bis 2. März zweimal als Tannhäuser, je einmal als Manrico, Lohengrin, Joseph, Faust und Masaniello auf. Wenn vorläufig nur gesagt sein soll, daß er in den beiden Wagnerrollen grandios imponierte, so wolle das Nähere zu seiner Charakteristik nach Aufzählung der nun folgenden Gastspiele ersehen werden. Zuerst gab am 10. und 13. April Frau Voggen huber vom Nationaltheater in Pest, eine vortreffliche Sängerin, die 1868 in Berlin engagiert wurde, die Recha und die Norma. Dann erstreckte sich vom 17. April bis zum 26. Juni ein abermaliges Gastspiel der in München bereits beliebten und stets willkommenen Frau Dust mann aus Wien, welche je dreimal die Norma, je zweimal die Valentine, je einmal die Agathe, Donna Anna, Anna in „Hans Helling", Euryanthe, Leonore in „Fidelio" und Rezia sang. Dann absol- vierte der Tenorist Ferenzy vom Hoftheater in Cassel ein Gastspiel vom 6. Mai bis 16. Juni, in welchem er zweimal den Sever und den Raoul, den Eleazar und den Robert gab. Herr Philipp! vom Stadttheater zu Nürnberg trat am 20. Mai als Jäger im „Nachtlager" und am 9. Juni als Figaro im „Barbier" auf. Länger hielt sich der zwar nicht bedeutende, aber immerhin brave Tenorist Stolzenberg vom Hoftheater zu Karlsruhe in München auf, indem er vom 3. Juni bis I.Juli den Chapelou, Grafen Almaviva (Barbier), George Browne, Tamino, Florestan, Hyon, Arnold und zweimal den Lyonel sang. Im Juni trat noch Frau Förster aus Meiningen als Valentine, Donna Anna und Norma auf. Ihr folgten im Juli Herr Simons vom Stadttheater zu Königsberg als Zampa, Czaar und Jäger und Herr Richard vom Hoftheater zu Darmstadt als Eleazar, Tannhäuser, Raoul und Faust. Die letzten drei Gastspiele führten zu den oben genannten Engagements; die Antritts- rolle der Frau Förster als Agathe war am 10. Juli. Außerdem gab noch Herr Reer vom Hoftheater in Coburg im Dezember den Masaniello und Manrico.

Im Unterhaltungsblatt der „Neuesten Nachrichten" schrieb ich über Niemanns Thannhäuser am 21. Februar:

„Wie bekannt, nimmt Niemann unter den wenigen Heldentenören, deren sich die Gegenwart erfreut, einen Ehrenrang ein, und der ihm vorangehende Ruf hatte die Theaterfreunde so alarmiert,

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daß nicht nur für die gestrige Aufführung des ,Tannhäuser' kein Sitzplatz mehr zu haben war, sondern für sämtliche Vorstellungen die Vormerkungslisten bereits gefüllt sind. Die erste Probe rechtfertigte die Erwartungen aller derjenigen, welche sich unter Niemann einen bedeutenden, ebenso stimm- begabten als mit poetischen Anlagen ausgestatteten Sänger vorstellten, und wenn der gewiß reiche und freudige Applaus nicht überall den höchsten Grad des Enthusiasmus erreichte, so lag der Grund hievon zunächst darin, daß, wie es gewöhnlich geht, eine übertriebene Erwartung teilweise Ent- täuschungen nach sich zog. Wollen wir aber immerhin mit der jedenfalls bedeutenden Leistung zufrieden sein! Um vorerst seine Mittel ins Auge zu fassen, so ist seine Stimme ebenso groß und markig als sympathisch, und nähert sich, obwohl in der Baritonlage männlich gedrungen und am meisten ergiebig, mehr als bei solchen Heldentenören gewöhnlich der Fall ist, dem eigentlichen Tenortimbre. Neben häufigem, sehr löblichen Gebrauch einer von der Bruststimme oft kaum unter- scheidbaren voix mixte weiß Niemann dagegen jene, wenn es nötig ist, zur höchsten Glanzfülle zu forcieren, und in solchen Fällen übertönen seine hohen G und A Orchester und Ensemble mit sieghafter Gewalt. Dabei ist die Stimme wenigstens um nicht vorgreifen zu wollen, für den deklamatorischen Gesang außerordentlich biegsam und klingt im mezza voce und pianissimo, wenn auch nicht so metallig, doch schön und wohltuend. Aus diesem Material konnte der talentvolle Künstler einen Reichtum der Nuance gewinnen, welcher es ihm vor allem leicht macht in dem vorwiegend rezitativischen Gesang, wie ihn die Wagnersche Richtung und im ,Tannhäuser' gerade die Titelrolle mit sich bringt, von Moment zu Moment zu interessieren. Wir brauchen hiebei nur an die erste Szene im Venusberg zu erinnern, womit uns der Gast sein intimes Verständnis für Wagner verriet, indem er uns ein wahres Meisterstück von poetischer Gestaltung vorführte. Wenn wir nun trotz dieser unparteiischen Anerkennung in der Beurteilung einer großen Gesamtleistung spezialisieren, so dürften wir hierfür darin Entschuldigung finden, daß eben die gepriesenen Vorzüge des Künstlers nicht in jeder Szene gleich befriedigend hervortraten. So war vielleicht sein zweiter Akt trotz vieler glänzenden Einzelnheiten dem ersten und dritten nicht ganz ebenbürtig. Schön sang er auch hier das Duo mit Elisabeth, vortrefflich war seine Deklamation, vortrefflich das dem Dichtersänger wohlgeziemende Maßhalten der Steigerung im Sängerkrieg: aber da, wo wir die höchste Entfaltung der Kraft erwarteten, im Venuslied, schien er sie gerade feiern zu lassen, und wie konnte der sonst so routinierte Bühnenkünstler die Pointe des Aktes sich so sehr entgehen lassen, indem er die letzten Töne, auf die es angekommen wäre, den Kulissen überantwortete, welche sie gierig verschlangen!

Mochte dies Sichumwenden im bezeichnenden Moment im Interesse der Wahrheit gelegen sein, so sind wir doch überzeugt, daß es Herrn Niemann im Besitze der richtigen Lokalkenntnis unserer Bühne nicht getan hätte. Der Glanzpunkt der Rolle war indes seine Erzählung von der Pilgerfahrt (dritter Akt), worin er zweimal durch anhaltenden, stürmischen Applaus unterbrochen wurde. In der Tat mußte das unübertreffliche Auseinanderhalten der in dieser Szene so wirksamen Gegensätze und die allmähliche, korrekte Steigerung der Leidenschaft künstlerisch vollkommen befriedigen, anderseits aber wiederum die Ungebundenheit und überzeugende Wahrheit, womit der Darsteller so ganz und gar in der Situation aufging, zum höchsten Entzücken, ja zu Tränen hinreißen. Und doch ist seine Auffassung des Tannhäuser wieder ganz verschieden von derjenigen, wodurch uns Schnorr von Carolsfeld entzückte. Jener repräsentierte ganz und gar das idealistische, Niemann mehr das realistische Element.

Beide Auffassungen haben vielleicht gleiche Berechtigung, beide scheinen den individuellen An- lagen der beiden Persönlichkeiten zu entsprechen. Während Schnorr, der liebenswürdige, polierte Künstler, mit feinen Konturen zeichnete und stets bei aller Wahrheit in den Grenzen der Schönheit blieb, malt Niemann, das Original, dem alles wohl ansteht, seiner Wirkung gewiß, mit keckem Pinsel, unbekümmert darum, ob hier oder dort nicht etwas zu grell aufgetragen ist. Diese Art und Weise steht wohl auch in einem charakteristischen Zusammenhang mit seiner riesigen, beinahe Furcht erregenden Gestalt, womit ihm die Natur manche Freiheit verbrieft hat, welche sich ein anderer vielleicht nicht erlauben dürfte. Er ist geboren, auf der Bühne zu herrschen, die Kommilitonen

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gleichsam zu terrorisieren und alles Augenmerk auf sich zu lenken. Trotz seiner Größe sind aber seine Bewegungen doch meistens schön und ebenmäßig und nur selten vermißt man jene feine Abrundung, welche bei kleineren Verhältnissen natürlich leichter erreichbar ist. Möchte dieser will- kommene Gast noch öfter, als bis jetzt bestimmt wurde, zum Auftreten kommen.

Die übrige Aufführung des ,Tannhäuser' war vielleicht die beste, welche wir seit dem Erscheinen dieser Oper auf unserem Repertoire erlebt haben, und zur Ehre unseres immer tätigen und ver- dienstvollen Personals sei es gesagt, daß alle nach Verhältnis ihrer Kräfte dazu beitrugen, dem Gast ein ruhmwürdiges Zeugnis von dem gegenwärtigen Stand unserer Bühne abzulegen. In erster Linie glänztea Frl. Stehle als Elisabeth und Herr Kindermann als Wolfram. Beide wetteiferten in sympathischem Gesang und lebensvollem Spiel, und wir freuen uns zu konstatieren, daß das Publikum die Leistungen dieser Künstler nicht minder ehrte als die des Gastes. Das Orchester tat unter Lachners meisterhafter Direktion Wunder von feinem Zusammenspiel. Chöre und Ensembles gingen untadelhaft, und so wurde diese Aufführung des ,Tannhäuser' zu einem wahren Festabend."

Über Niemanns „Troubadour" urteilte ich im Referat vom 28. Februar:

„Mit dieser Rolle hat Niemann offenbar beweisen wollen, daß er nicht nur mit dem deutschen deklamatorischen Gesang, sondern auch mit der weicheren Melodie des wärmeren Südens vertraut ist. Wirklich ist ihm dieser Beweis der Vielseitigkeit insofern gelungen, als er für die moderne italienische Gesangsweise weit mehr Geschick und Verständnis als die meisten „unserer" Bühnen- mitglieder bekundete, als er sich auch im Spiel der italienischen Manier zu nähern wußte. Damit ist aber nicht gesagt, daß er dieser Aufgabe ebenso gewachsen war, wie der Rolle des Tannhäuser. Wir fordern dies auch nicht von einem deutschen Sänger, sondern müssen es sogar aus vielen Gründen für unmöglich halten."

Im selben Referat schrieb ich über seinen Lohengrin: „Vollendet und zwar nach jeder Seite vollendet war Herr Niemann (Lohengrin). Er bewältigte die Rolle vor allem ohne physische Anstrengung mit seinen kolossalen Stimmitteln, womit er uns aufs neue überraschte. Dabei war sein Vortrag durchaus edel und fein nuanciert, sein Spiel nach Maßgabe der Situation ebenso gewaltig als liebens'würdig. Von besonders rührender Wirkung war unter anderen höchst gelungenen Szenen sein unvergleichlicher Abschied im dritten Akt. Das Publikum ehrte den trefflichen Künstler während und nach Beendigung der Oper durch wiederholten enthusiastischen Hervorruf."

Dieses Urteil über Niemanns zweite Wagner-Interpretation faßte ich so kurz, um für eine Meinungsäußerung über Wagners Gesamtrichtung, wie sie mir damals am Herzen lag, Raum zu gewinnen. Sie lautet der Hauptsache nach:

Richard Wagner hat bekanntlich einen wichtigen Grundsatz, mit welchem zuerst Gluck

reformatorisch hervorgetreten ist und welcher auch von allen bedeutenden Opernkomponisten (nur die Italiener größtenteils ausgenommen) mit mehr oder weniger Nachdruck befolgt wurde, zum erstenmal zum Gesetz erhoben. Dieses oberste Gesetz für die Oper ist, daß bei vorausgesetzter Untrennbarkeit von Wort und Ton das Operndrama, abgesehen von der Musik an sich, einen poetischen Wert habe, daß die Musik der Handlung nicht übergeordnet, sondern nur ihr gleichberechtigt sei und daher kein Musikstück bloß seiner selbst willen Geltung haben soll. Ist nun das Libretto zugleich musikalisch, das heißt, bietet es der Musik hinreichende Gelegenheit, ihre Macht zu entfalten, so ist hiermit das Problem des „musikalischen Dramas" gelöst. Wagner hat hiefür durch seine ebenso dramatischen als dem Gesamtinhalte nach musikalischen Texte den Beweis der Möglichkeit so schlagend geliefert, daß von nun an wohl kein vernünftiger Komponist seinem nun einmal endgültig angenommenen Grundgesetz zuwiderhandeln wird. Wenn also nicht Wagners Musik, wie seine Anbeter verheißen haben, die Musik der Zukunft werden wird, so dürfte doch sicher sein „musikalisches Drama" diese Zukunft erleben jedoch nicht ohne vielfache Modifikationen. Um nicht von seinen nach dem ,Lohengrin' komponierten Opern zu reden, wovon uns nur die Texte bekannt sind, hat sich der Reformator schon in diesem Werk dem Bestehenden in vielen Punkten so schroff gegenübergestellt, daß die Notwendigkeit einer teilweisen Reaktion auf glatter Hand liegt. Von einigen Ungereimtheiten,

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welche auch ihm entschlüpften, abgesehen (wir denken hiebei an das sehr gesuchte Attentat Telramunds, an das unmotivierte Auftreten der Ortrud vor dem Schlüsse des dritten Aktes und die gezwungene Metamorphose des Schwans) ist der Text im ganzen poetisch, neu, spannend und voll ergreifender, großartig aufgebauter Szenen. Die Musik aber macht nicht gerade den Eindruck der Gleichberechtigung, sondern erscheint vielmehr meistens in ihrem Recht eingeengt und geknechtet. So viel Anlaß auch der Stoff zu lyrischen Ergüssen, also auch zu faßlich geformten Gesangsstücken böte, hören wir doch vorzugsweise nur rezitieren, also, richtig bezeichnet, fast keinen Gesang, und nur hier und dort ringt sich eine kleine Melodie von der „großen Melodie des jungfräulichen Waldes" los, welche wir dann nach sehnlichem Warten gierig erfassen. Man wird einwenden: Wagner will nicht diese Melodie, nicht diese hergebrachten Formen, er geht seinen eigenen Weg etc. Aber in dem Nichtwollen dessen, was in des Menschen Natur begründet ist, steckt eben das Übel. Die Musik kann, wie jede andere Kunst, nur in Formen wirken, gleichviel ob diese konventionell oder neu sind denn auch hierin ist die Kunst unerschöpflich , jedenfalls aber müssen sie faßlich und symmetrisch sein. Wenn also Wagners Szenen, so wirksam sie an sich sind, der musikalischen Gestaltung so wenig entgegenkommen, daß sie einen melodischen Fluß, ein abgerundetes Tonstück nicht zulassen, so können wir hierin keinen dramatischen Fortschritt, sondern nur ein ästhetisches Gebrechen erblicken, welches gewiß nicht in seinem System, sondern weit eher in jener kaum bemäntelten Schwäche wurzelt, welche Aesop mit seiner Fabel von „Fuchs und Traube" bezeichnet. (Diese heute nur mehr boshaft scheinende Erklärung entsprach damals dem Sinne aller Ver- ehrer der klassischen Oper.) Mag sich der Komponist immerhin in der großen Waldesmelodie gefallen: Das Publikum und wir mit unserm geringen Ve-rstande sehen in seinem ,Lohengrin* den Wald vor lauter Bäumen nicht und sehnen uns nach Melodien, wie sie sich z. B. im ,Don Juan', ,Freischütz', ,Tell', in der ,Stummen von Portici*, ja selbst, wenn auch spärlicher, im ,Tannhäuser'

vorfinden "

Darüber bin ich nun längst zu einer anderen Anschauung gekommen, denn daß innerhalb des Musikdramas auch der Begriff „Form" kein unbedingt feststehender, sondern ein nach Maßgabe der Kunstentwicklung wandelbarer ist, hat eben das allmähliche Durchgreifen des Wagnerschen Zukunftsdramas bewiesen. Damals, im Jahre 1864, haben die Klassizisten, die sehr in der Mehrzahl waren, an die Mög- lichkeit dieser Begriffswandlung noch nicht geglaubt. An dem in Mozarts unver- welklichen Schöpfungen hingestellten Ideal der Opernkomposition hatte, wie an einem Evangelium, noch die ganze Musikwelt festgehalten. Ihnen allen war ent- gangen, daß Mozarts bannende Größe eben nicht hauptsächlich in seinen an sich unübertrefflichen Formen, sondern weit mehr in dem überreichen, stets entzückenden, beseligenden Inhalt seiner „Nummernoper", wie man sie jetzt im Gegensatz zum Musikdrama nennt, gelegen ist. Daß Mozart diesen Bann auf alle wirklich Musi- kalischen auch heute noch ungeschwächt wie in frischer Jugend ausübt, beweist seine Mission als Heros der Musik. Eine andere Frage ist, ob jene Formen, Lied, Arie, Duett, Ensembles, Finales, überhaupt Nummern, auch genau, wie man an- nehmen sollte, dem Text in dessen Ausdehnung und Gliederung entsprechen. Diese Frage ist nun längst mit „Nein" beantwortet. Die Nummern in ihrer eingänglichen Formenglätte konnten im Gegenteil gar nicht entstehen ohne Vergewaltigung des meist knappen Textes, weil die Wiederholung, oft ganz sinnwidrig die des Anfangs eines Stückes, nötig war, um die Wiederkehr des Hauptthemas und das regelrechte Festhalten der Tonart (nach dem Muster der Instrumentalmusik) zu motivieren. Dem Bestreben, sich darüber klar zu werden, ja nur nachzudenken, war

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der schwelgerische Genuß der musikalischen Schönheit und Charakteristik ein langes Hindernis. Und wollen wir nur offen sein: Die alte Oper war, wie ihre lange Geschichte beweist, ein offenkundiger Kompromiß zwischen Drama und Konzert, wobei der Musik die dominierende Gewalt zukam. Erst Wagners Reform, welche die Dichtung als zeugendes, die Musik als rezeptives Element erklärte, brachte die Erkenntnis, daß Dichtung und Musik materiell und formell ineinander aufgehen müssen. Dagegen sträubten sich noch recht lange die Musikalischen, auch die ge- bildeten unter ihnen, weil sie sich sagten, daß sie ihr dramatisches Bedürfnis ja im Wortdrama befriedigen. Sie sind heute vielleicht defintiv besiegt. Mit welcher Wirkung für die Musik, geben Andeutungen gewisser Musikdramen neuesten Datums, mit welchen der Reformator Richard Wagner jedenfalls nicht einverstanden wäre! Über Niemanns Auftreten als Faust in Gounods Oper schrieb ich: „Wie glaubwürdig versichert wird, hatte sich Herr Niemann mehr aus Courtoisie gegen Frl. Stehle, und um den drängenden Wünschen des Publikums nachzukommen, herbeigelassen, in der Titelrolle der hier so beliebten Oper aufzutreten, als dies seiner eigenen Sympathie entsprechen mochte. Und wir können dem Künstler nur beipflichten, wenn er den Faust aus mehr als einem Grunde nicht für seine glücklichste Partie hält. Wenn wir Herrn Niemann vorzugsweise als deklamatorischen, dramatischen Sänger, als gewaltigen Heldentenor bewundern müssen, so kann es uns nicht auffallen, daß er sich nicht so ganz behaglich fühlt in einer Rolle, welche so wie dieser französisierte ,Faust' aller Heldenhaftigkeit entbehrt, größtenteils aber sentimental, dann wieder ganz farblos ist und überall dem Gretchen gegenüber den zweiten Rang einnimmt. Dazu kommt, daß manche gesangliche Pointe auf eine glückliche Höhe der Stimme berechnet ist eine von uns allmählich erkannte Achillesferse, welche der Gast in dieser Rolle am wenigsten zu verhüllen mochte."

Ober seinen Masaniello in der „Stummen von Portici" mußte ich urteilen: Ohne verschweigen

zu wollen, daß diese Rolle gerade in München von Künstlern, deren Namen in unvergänglichem An- denken stehen, namentlich in gesanglicher Beziehung weit vollkommener und feiner gegeben wurde, so daß also mancher Zuhörer, dessen Erinnerungen in eine blühendere Kunstepoche zurückreichen, nicht so ganz befriedigt von dannen ging, so ist doch nicht zu verkennen, daß Niemann, an dessen Erfolgen Stimmittel, Figur und Darstellungsgabe gleichen Anteil haben, in diesem Masaniello wieder ein imponierendes Gesamtbild ausführte, unter dessen gewaltiger Einwirkung man gewisse Mängel in der eigentlichen Gesangstechnik, welche ja, um es gerade heraus zu sagen, das Charakteristikum unserer Zeit sind, durch die Finger ansehen darf. Diese traten am bedenklichsten hervor im ,Schlummerlied', welches zugunsten seiner tieferen Stimmlage um einen Ton transponiert und unbegreiflich genug gekürzt wurde. Auch das Duett mit Pietro war transponiert und die darin vorkommenden Koloraturen vereinfacht. Mußte also Niemann zu den jetzt üblich werdenden Mitteln der Erleichterung greifen, so waren wieder viele andere Stellen in seinem Gesang anziehend und großartig genug, um diese Schwäche aufzuwiegen. Wir erinnern an den frischen Vortrag des Fischer- liedes, an die Kraftstellen im vierten und an die mächtig ergreifende Wahnsinnsszene im fünften Akt, welch letztere wir als ein unübertreffliches Meisterstück dramatischer Kunst bezeichnen müssen. Was wir an seinem Spiel wiederholt zu loben hatten, trat in dieser Oper wieder in erfreulichster Weise zutage. Niemann versteht die seltene Kunst, in unbedeutenden Momenten das entsprechende Maß zu halten, um dann die bedeutenden mit desto sicherer Wirkung zu markieren. Auch hütet er sich, in Momenten, wo andere Personen in den Vordergrund treten müssen, durch fortwährendes Agieren und Mitspielen die Aufmerksamkeit von diesen ab auf sich zu lenken ein nicht zu unter- schätzender Vorzug. Geistreich und schön war sein Mienenspiel während der pantomimischen Er- zählung der Fenella; der gewaltige Eindruck, den seine heroische Wiedergabe der Rolle im übrigen machte, bedarf nicht mehr der Erwähnung. Zum Schluß der Oper wurden dem geehrten Gast unter andauerndem Jubel des Publikums Kränze geworfen. So war der Gesamteindruck seines siebenmaligen

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Auftretens (sein Joseph, der allgemein unvergleichlich genannt wurde, ist mir leider entgangen) ein bedeutender, wenn auch nicht über jeden Vergleich erhabener. Gratulieren wir uns indes, in unserer gesangsarmen Zeit noch solche Kräfte zu besitzen."

Als Neueinstudierungen dieses Jahrganges waren auf dem Zettel bezeichnet: „Euryanthe" am 1. Mai, „Fidelio" am 23. Juni, „Zampa oder die Marmorbraut" von Herold am 3. Juli, „Der Waffenschmid" am II. August, „Oberon" am 4. Sep- tember. Das einzige Werk, für welches eine völlige Neueinstudierung nach langer Ruhe nötig war, war Herolds „Zampa". Ich schrieb darüber, man hätte dem alten Korsaren seine Ruhe gönnen sollen; denn erstens zeigte sich die Oper als im Ver- alten begriffen, dann war der Vertreter der Titelrolle, Herr Simons, dessen (zwar beträchtliche) Stimmhöhe schon nicht ganz ausreichte, auch durch Erscheinung und darstellerisches Geschick mindestens nicht geeignet, das Interesse für eine im ganzen doch verlorene Sache zu erhöhen. Seit Bayer war eben diese sehr hohe Bariton- partie nicht mehr zu besetzen gewesen.

Die einzige, aber desto interessantere Novität war Richard Wagners „Fliegender Holländer" am 4. Dezember. Ehe ich über die Aufführung und Aufnahme des Werkes berichte, muß ich die Verhältnisse, unter welchen der damals noch viel umstrittene Meister nach München kam, näher ins Auge fassen. Am 10. März starb König Maximilian II. und den Thron bestieg sein kaum neunzehnjähriger Sohn Ludwig IL, ein durchausidealangelegter, schwärmerischer Jüngling, welcher Richard Wagner mit unbedingtem Glauben an seine Künstlergröße und mit einer an Über- schwenglichkeit grenzenden persönlichen Begeisterung ergeben war. In dieser von niemand erwarteten Wendung des Schicksals lag die Begründung von Wagners end- lichem Glück nach langen Leiden, welches mit der definitiven Befreiung von allen materiellen Sorgen die sichere Gewähr zur Erreichung all seiner künstlerischen Pläne nach seiner Angabe unter liebevollster königlicher Fürsorge verband. Und dieser Um- schwung zum Glück trat ein in den Tagen höchster Not, ja im Moment der Verzweiflung.

Sebastian Röckl schreibt in seinem vortrefflichen Buche „Ludwig II. und Richard

Wagner 1864—1865" (S. 28 ff.): Wagner ist aus Penzing vor seinen ungeduldigen

Gläubigern entflohen, wendet sich nach Mariafeld bei Zürich und fällt dort der ihm

befreundeten Familie Wille als Gast ins Haus. Doch auch von hier treibt ihn nach

ungefähr sechs Wochen die Verzweiflung weiter, zunächst nach Stuttgart. Da hofft er

durch den Einfluß des Kapellmeisters Eckert nicht unwichtige Beziehungen an Baron

Gall, Intendanten des Hoftheaters, zu knüpfen. Freilich „wir wissen", schreibt er am

2. Mai tödlich verstimmt an Frau Eliza Wille, „daß die christlicheTugend der Hoffnung

mir meistens zum Verderben gereicht, wenn ich mich ihr hingebe." Indes diesmal

trügt sie nicht. Noch am selben Tage, als er sich gerade vorbereitet, irgendwo in der

Welt zu verschwinden, wo ihn die Dränger nicht finden könnten, als er den Koffer

packt, um in die Einsamkeit der Rauhen Alb zu flüchten, wird ihm ein Besuch gemeldet.

Die Visitenkarte lautet: v. Pfistermeister, secretaire aulique de S. M. le roi de Baviere.^)

') Röckls Quelle für diesen Hergang ist W. Weißheim er (Erlebnisse mit Richard Wagner, Franz Liszt usw.), welcher als treuergebener Freund eben beschlossen hatte, sich dem Meister in der Flucht nach der Rauhen Alb anzuschließen.

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Von Wien nach Stuttgart war der Abgesandte des bayerischen Herrschers dem Flüchtling nachgereist. Er überreichte Wagner eine Photographie des Königs und einen kostbaren Ring und verkündet ihm in dessen Namen, daß, so wie dieser Stein glühe, auch er vom Verlangen, ihn zu sehen, brenne. Nun war kein Weilen mehr; höchst unangenehme Nachrichten aus Wien ergaben für Wagner auch die Notwendigkeit, dorthin zu reisen und seine Gläubiger zu befriedigen. Pfistermeister begleitet ihn nach München und berichtet noch am Tage der Ankunft seinem un- geduldig harrenden Herrn von dem glücklichen Erfolg seiner Sendung. Andern Tags in der Frühe hindert Wagner ein schreckliches Unwohlsein an der Weiter- reise. Doch rafft er sich soweit auf, um nachmittags den König zu besuchen. Noch abends macht er freudetrunken der Freundin in Mariafeld von der wunderbaren Wendung seines Geschickes Mitteilung:

„Sie wissen, daß mich der junge König von Bayern aufsuchen ließ. Heute wurde ich zu ihm geführt. Er ist leider so schön und ge-istvoll, seelenvoll und herrlich, daß ich fürchte, sein Leben müsse wie ein flüchtiger Göttertraum in dieser ge- meinen Welt zerrinnen. Er liebt mich mit der Innigkeit und Glut der ersten Liebe; er kennt und weiß alles von mir und versteht mich wie meine Seele. Er will, ich soll immerdar bei ihm bleiben, arbeiten, ausruhen, meine Werke aufführen; er will mir alles geben, was ich dazu brauche, ich soll die Nibelungen fertig machen, er will sie aufführen, wie ich will. Ich soll mein unumschränkter Herr sein, nicht Kapellmeister, nichts als ich und sein Freund . . . Alle Not soll von mir genommen sein, ich soll haben, was ich brauche . . . nur bei ihm soll ich bleiben. . . . Von dem Zauber seines Auges können Sie sich keinen Begriff machen: wenn er nur leben bleibt; es ist ein zu unerhörtes Wunder . . . ." ^) Dagegen schreibt der König am nächsten Tage an Wagner: „Seien Sie überzeugt, ich will alles tun, was irgend in meinen Kräften steht, um Sie für vergangene Leiden zu entschädigen. Die niedern Sorgen des Alltagslebens will ich von Ihrem Haupte auf immer verscheuchen, die ersehnte Ruhe will ich Ihnen bereiten, damit Sie im reinen Äther Ihrer wonne- vollen Kunst die mächtigen Schwingen Ihres Genius ungestört entfalten können. Unbewußt waren Sie der einzige Quell meiner Freude, von meinem zarten Jünglings- alter an ein Freund, der mir wie keiner zum Herzen sprach, mein bester Lehrer und Erzieher."^) Nach einigen Tagen setzt Wagner seine Reise nach Wien fort. Aus königlichen Mitteln bezahlt der mit Schuldhaft Bedrohte den Betrag von 18000 fl. Diesem ersten materiellen Beweise der königlichen Gunst folgte gar bald ein zweiter, nachdem Wagner aus Wien in seine „neue letzte Heimat" zurückgekehrt war. Am 14. Mai bewillkommet ihn im Auftrag des Königs v. Pfistermeister im Pelletschen Landhaus bei Kempfenhausen am lachenden Starnbergersee. Hier soll er ungestört seiner Muse leben. Von da führt ihn der Wagen in 10 Minuten zu seinem Gönner nach Schloß Berg. „Ich fliege dann immer wie zur Geliebten. Es ist ein hinreißender Umgang. Dieser Drang nach Belehrung, dies Erfassen, dies Erbeben und Erglühen ist mir nie so rückhaltslos zuteil geworden. Und dann diese liebliche Sorge um

') Mitgeteilt von Frau Wille, S. 128. H Vergl. Röc kl, a.a.O. S.33.]

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mich, diese reizende Keuschheit des Herzens, jeder Miene, wenn er mir sein Glück versichert, mich zu besitzen, so sitzen wir oft Stunden da, einer in den Anblick des anderen verloren."^)

Mit gleichem Entzücken schreibt er am 20. Mai an seinen Freund Weißheimer:^) „. . . Der junge König ist für mich ein wundervolles Geschenk des Schicksals. Wir lieben uns, wie nur Lehrer und Schüler sich lieben können. Er ist selig, mich zu haben, und ich ihn. ... Er ist dabei so schön und tief, daß der Umgang mit ihm jetzt täglich hinreißend ist, und mir ein völlig neues Leben gibt.*

Von aktueller Bedeutung für die (jetzt noch nicht geahnte) baldige Veränderung der Lage Wagners in München ist aber der nächste Absatz in diesem Briefe: „Welch ungeheurem Neid ich zu begegnen habe, können Sie sich denken; mein Einfluß auf den jungen Monarchen ist so groß, daß alle, die mich nicht kennen, in der größten Sorge sind. Der große Gehalt, den mir der König ausgesetzt hat" (Wagner hatte im ersten Jahre 4000, im zweiten 8000 fl. Gehalt) „wird deshalb ge- flissentlich geringer angegeben; ich selbst aber halte mich, wie es auch meine Natur und mein Bedürfnis erfordert, gänzlich zurück und beruhige nach allen Seiten hin, so daß allmählich die Furcht verschwindet (?)". Noch merkwürdiger als diese Selbst- beschwichtigung sind die zwei folgenden ganz heterogenen Sätze: „Lachner ist bereits um den Finger zu wickeln" und „der König verachtet mit mir das Theater". Den ersten Satz anlangend, scheint Wagner in begreiflicher Siegesfreudigkeit äußeren Höflichkeiten Lachners, wie sie nicht mehr als schicklich waren, die Bedeutung innerer Sinnesveränderung beigelegt zu haben, die aber keineswegs stattfand. (Darüberspäter.) Daß der König mit überraschender Plötzlichkeit „das Theater verachtet", könnte als das glänzendste Resultat der Suggestion durch den Unterricht des „besten Lehrers und Erziehers" erscheinen. Ein Jahr vorher hat der König, wie ganz München sah, das Theater geliebt, Wagner wollte aber off'enbar sagen : „die Hoftheater", und stund in ihm schon damals der Plan eines eigenen Wagnertheaters fest, daß der König auch für diesen zu gewinnen sei, brauchte er nicht zu zweifeln. Der Schluß des Briefes ist: „Besuchen Sie mich einmal, nur müssen Sie sich Tags über hübsch ruhig halten. Denn Ruhe bedarf ich jetzt vor allem . . ."

Zu dem am 25. August stattfindenden Geburts- und Namensfeste des Königs hatte Wagner mit dem aus drei Münchener Infanteriekapellen gebildeten Orchester eine großartige Huldigung (den bekannten „Huldigungsmarsch") in Hohenschwangau vorbereitet. Doch in letzter Stunde macht eine leichte Erkältung der Königin Mutter, die ebenfalls hier Hof hielt, die Serenade unmöglich. (Sie wurde am 6. Oktober vor dem nördlichen Trakt der Residenz, wo der König hoch oben wohnte, nachgeholt.) So eilt Wagner allein zur Beglückwünschung nach Hohen- schwangau, wo er dem ihn huldvoll empfangenden König die Partitur des Marsches und den im Juli erschienenen Klavierauszug der „Walküre" mit der schwungvollen Widmung überreicht. Da aber Besuch des Königs von Preußen angekündigt ist, kehrt er noch am selben Tage zurück nach München. Als er hier an der Seite

') Wille, S. 128. ») Weißheimer, S.270f.

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des im Hotel „Bayerischer HoP Icranl^ darniederliegenden Bülow verweilt, trifft Liszt, den er seit 1861 nicht mehr gesprochen, am 27. August vom Karlsruher Musiicfest ein, um sich über das Befinden seines Schwiegersohnes zu vergewissern. Die Spannung, welche in den letzten Jahren zwischen den beiden Musikheroen bestand, löste sich bei der warmen Teilnahme, die Liszt dem von ihm vorgeahnten Glück Wagners bewies, wieder in die alte Freundschaft auf.^)

Hier gestatte man mir die Parenthese: Hätte ich damals von dieser plötzlichen Versöhnung der Beiden gehört, würde sie mir kaum glaublich erschienen sein. Denn auch Ich war, vielleicht gleichzeitig mit Liszt, vom Karlsruher Musikfest zurückgekehrt, und mir hatte Liszt, nachdem ich ihm daselbst in der Pause einer von ihm geleiteten Orchesterprobe von den Herren Sigmund Lebert und Ludwig Stark war vorgestellt worden, vor diesen beiden Zeugen wörtlich gesagt: „Sie haben also jetzt Wagner in München. Wenn seine , Nibelungen' aufgeführt werden, werde ich schon auch einmal beigehen, aber persönlich will ich nichts mit Wagner zu tun haben." Die dreijährige Trennung, nicht „Spannung", muß auch ernst gewesen sein, sonst hätte es zur Wiener Finanzkatastrophe, welche Wagner fast vernichtet hätte, schwerlich kommen können. Zu den vielen Freunden, welche die Folgen seiner von niemand geleugneten maßlosen Verschwendung nach Möglichkeit abzuwenden suchten, hatte bekanntlich auch Liszt gehört, vermut- lich mit keinem besseren Dank, wie jeder andere. Durch die neue Wendung der Dinge war nun der steten Gefahr der Entzweiung ein kräftiger Riegel geschoben, und Liszt konnte aufs neue der ungemessenen Sympathie und Bewunderung des Künstlers Wagner (die dann wieder, wie das unter alten Freunden natürlich, auch auf den Menschen Wagner überging) vollen Lauf lassen. Daß sich diese Wieder- vereinigung schneller, als Liszt selbst nur ahnte, vollzog, ist sicher durch die Vermittlung des leidenden Bülow begünstigt worden.

Röckl erzählt weiter [Seite 43]: „...Der Gast liest mit Verwunderung und Ent- zücken des Königs Briefe, staunt, welch hohe Begeisterung für die Kunst und beispiellose Liebe zum Meister aus ihnen spricht und ruft überwältigt von den Eindrücken, die er daraus genommen: ,Salomo hat sich geirrt, es gibt noch etwas Neues unter der Sonne. Du hast einen Freund, der an Receptivität auf vollkommen gleicher Höhe mit deiner Produktivität steht*". Was Wagner darauf antwortete, scheint mir auf den psychologisch gefährlichen Zustand der Überreiztheit zu deuten, in welchen eben der jähe Wechsel des Schicksals ihn versetzt hatte, und dem nur wieder seine abnorm zähe Willenskraft stand halten konnte. Er, der Nichts- glaubende, glaubt an Wunder, wenn sie seine Erhebung bringen oder fängt an, Geträumtes auf spiritistischem Wege zu erklären. Man höre: „Ich entsinne mich aus meinen Jünglingsjahren eines Traumes, wo ich träumte, Shakespeare lebe noch, und ich sähe ihn und spräche mit ihm, wirklich, leibhaftig; der Eindruck hiervon ist mir unvergeßlich, und ging in die Sehnsucht über, Beethoven noch zu sehen (der doch auch schon tot war). Etwas Ähnliches muß in diesem lieblichen Menschen

[') Röckl, s. 40ff.].

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vorgehen, wenn er mich hat. Er sagt mir, er glaube es noch immer kaum, daß er mich wirklich habe."^) Nachdem Liszt auch noch in die Meistersinger-Partitur, soweit diese gediehen, Einsicht genommen, scheidet er nach fünfstündigem Gedanken- austausch, indem er beim Lebewohl den Empfindungen über das Gehörte Ausdruck gibt in den Worten: „Richard, der Leidenreiche gehöre der Vergangenheit, die Zukunft sei Richard dem Glorreichen."

In Wagners Villa kehrt einige Tage später Weißheimer ein, den er seit seiner Trennung von Stuttgart nicht mehr gesehen. Dieser macht über den Besuch folgende Mitteilungen (Weißheimer, S. 311 ff.), welchen ich hier, da sie ebenfalls interessant sind, Raum geben muß:

„In Starnberg stieg ich in einen Kahn und ließ mich nach der linken Seeseite direkt in Wagners Garten fahren; dort hielt mich der Hausdiener resp. Wächter , Franz* an, der mich noch nicht kannte und mich durchaus nicht aussteigen lassen wollte. Es entstand ein lauter Wortwechsel, der erst endigte, als von oben Wagners Stimme hörbar wurde, welcher aus dem Fenster rief: , Franz, dieser Herr passiert! Von der Haustür führte eine lange und schnurgerade hölzerne Treppe in den ersten Stock, wo Wagner, mich erwartend, stand. Schon während des Hinaufsteigens fiel mir seine bunte Tracht auf, die in allen Farben schillerte. Oben angelangt, mußte loh unwillkürlich ausrufen: ,Nun, Sie kommen mir ja wie der Papst entgegen*, worauf er mich herzlich umarmte und lächelnd hinzufügte: ,der bin ich auch jetzt'.* (Nicht recht verständlich!) „...Auf dem Spaziergang in der Richtung von Schloß Berg kam Wagner auch auf Lassale zu sprechen; seine Persönlichkeit habe auf ihn lange nicht so sympatisch eingewirkt, wie sie ihm von Bülov geschildert worden sei im Gegenteil, eher abstoßend. Lassalles Auftreten sei hauptsächlich persönliche Eitelkeit, Herz und Aufopferung seien einem Juden fremd.^) Beim Abendessen erzählte er von den ersten Tannhäuseraufführungen in Dresden und von dem Besuche Mendelssohns bei einer derselben. Nach dem ersten Akt sei dieser auf die Bühne gekommen, und des Lobes voll gewesen, nach dem zweiten sei er wieder gekommen, aber bereits zugeknöpfter und nach dem dritten sei er ausgeblieben: ein solches Diminuendo habe das ihn (Wagner) beunruhigende Crescendo des Tannhäuser- dramas in Mendelsohns Begeisterung hervorgerufen. Lächelnd fügte er hinzu, man dürfe dieses Stutzigwerden Mendelssohns nicht allzu schwer deuten; ihm, Wagner selbst, sei es bei der ersten Probe der Tannhäuser-Ouvertüre ähnlich ergangen. Die Orchestermitglieder hätten da bedenkliche Gesichter geschnitten, der Eindruck sei ein so verworrener gewesen, daß er während des Dirigierens sich einmal ernst- lich die Frage vorgelegt habe: ,Solltest du denn wirklich diesesmal Unsinn gemacht haben?*....«

>) LaMara: Liszts Briefe an die Fürstin Caroline Sayn-Wittgenstein, 3. Teil, S. 40f. *) Ob der Antisemitismus, welcher fünf Jahre später in der Judenbroschüre so seltsame Blüten trieb, nicht auf das Vorgehen der Juden in Wien zurückzuführen ist, welche den „Isolan als Zahler" Mores lehrten? Ich habe in meinem langen Leben vielfach erfahren, daß man sich auf Juden oft besser als auf Christen verlassen kann. Der Verfasser.

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Gewinnt man, möchte ich fragen, bei dieser Erinnerung Wagners an Mendelssohns Verhalten nicht die Überzeugung, daß er die Opposition, welche sein Auftreten in den Kreisen der Klassizisten überhaupt (also im maßgebenden Teil der damaligen Musik- welt) hervorrief, nicht so schlimm, vor allem nicht persönlich nahm, sondern mehr als natürliche Folge der Gegensätze von Alt und Neu beurteilte, welche erst später den hitzigen Kampf hervorgerufen haben? Welcher Seite der Sieg zukam, war im Jahre 1864 nicht mehr zweifelhaft, und wäre es auch nicht gewesen, wenn der bayerische König den Reformator nicht in seinen persönlichen Schutz genommen halte, so sehr dieser auch die Vollendung des Werkes förderte und erleichtert haben mag.

Zu Anfang Oktober bezog Wagner, nachdem er sich als Bayer hatte naturalisieren lassen, sein neues Münchner Heim. Da auch der König von Hohenschwangau zu- rückgekehrt war, begannen die Beratungen beider über die Kunst der Zukunft. Dabei wurde die erste, nach des Meisters Anordnungen veranstaltete Aufführung des „Rings" durch königlichen Befehl vom 7. Oktober für den Sommer 1867^) be- stimmt. Die vom Tondichter zu diesem Zwecke unterbreiteten Vorschläge sind im wesentlichen folgende:

Von der Benützung des stehenden Hof- und Nationaltheaters, welches zu jeder Zeit vollauf für den täglichen Bedarf des Publikums in Beschlag genommen ist, soll von vornherein abgesehen und dafür ein besonderes Lokal provisorisch hergerichtet werden. Hiebei aber sollen schon wichtige Aufgaben in Betreff der ästhetischen Zweckmäßigkeit der szenischen und akustischen Konstruktion eines mustergültigen Theaters gelöst, so vor allem (zum erstenmal) „die ästhetisch unschöne und störende Sichtbarkeit des Orchesters" bei Steigerung einer edlen Klangwirkung desselben, vermieden, anderseits durch Erfindung von Beleuchtungsvorrichtungen, durch welche die Dekorationen zu wirklich malerisch-künstlerischer Bedeutung erhoben würden, die theatralische Darstellung selbst zu der noch fehlenden edleren Höhe reiner Kunstleistungen erhoben werden. Diese provisorische Konstruktion soll in einem Flügel des hiesigen großen Ausstellungsgebäudes des Glaspalasts (Wagner hatte wohl von dem Musikfest im Jahre 1855 siehe diesen Jahrgang gehört) gesetzt werden, sobald sich dieses als tunlich herausstellt, wodurch das Unternehmen des Vorteils der geringeren Kostspieligkeit, sowie der Zeitersparnis für die Herstellung gesichert ist. Ferner sollen aus den deutschen Opernsängerpersonalen diejenigen vorzüglich begabten und gut gebildeten Darsteller aufgesucht werden, welche zur gegebenen Zeit, ungestört von anderen Einflüssen, das Werk einzustudieren und dem hierzu einzuladenden deutschen Publikum vorzuführen, nach München berufen werden. Hiemit war also bereits das Programm zu den Wagner-Festspielen gegeben, welche vierzehn Jahre später, zum ideellen und materiellen Nachteil der Kunststadt München, in der oberfränkischen Kreishauptstadt Bayreuth ihren Anfang nehmen sollten.

') Wagner war über die frohe Aussicht entzückt, „vor Erstaunen über das Wunder dieses himm- lischen Königlichen Jünglings so ergriffen, daß er nahe daran war, vor ihm niederzusinken und ihn anzubeten". [Röckl, S. 49.]

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Wenn Röckl in dem Brief, welchen der König nach diesen Auseinandersetzungen an Wagner schrieb,^) „ein feinsinniges Streben des neunzehnjährigen Jünglings* erkennt, so darf neben dieser Auffassung doch auch eine andere Platz finden. Mich dünkt, daß die Einleitung dieses Briefes bereits das Gebiet der Ekstase streift und somit geeignet ist, nicht etwa nur den bayerischen Fremdenhasser erbost, sondern den bayerischen Patrioten bange um den Geisteszustand seines Königs zu machen. Und es ist anzunehmen, daß, wenn dieser Brief publik geworden wäre, das Einschreiten des Hofes, von welchem später die Rede sein wird, schon damals erfolgt wäre. Man höre: „Mein einzig geliebter Freund! Wie die maje- stätische Sonne, wenn sie die trüben, beängstigenden Nebel verscheucht und Licht und Wärme labende Wonne rings verbreitet, so erschien mir heute Ihr teuerer Brief, aus welchem ich vernahm, daß Sie, geliebter Freund, von den folternden Schmerzen verlassen sind und der Besserung rasch entgegenschreiten. Der Gedanke an Sie erleichtert mir das Schwere in meinem Berufe; so lange Sie leben, ist auch für mich das Leben herrlich und beglückend. O, mein Geliebter, mein Wotan soll nicht sterben müssen; er soll leben, um sich lange noch an seinen Helden zu erfreuen!"

Diese Stimmung, ich möchte sagen, Verzückung, macht das, was nun folgt, be- greiflich, ja selbstverständlich. Doch zeigt sich hier deutlich, daß in der gegen- seitigen Anbetung volle Unbefangenheit und Uneigennützigkelt nur der einen Seite zukam. Wagner war es in weniger als einem halben Jahr gelungen, dem König Begriffe über die Kunstzustände Münchens beizubringen, welche der Wirklichkeit doch nicht ganz so entsprachen, man müßte denn dichterisch die Ära Dingelstedt, musikalisch diejenige Lachners aus der Münchener Kunstgeschichte streichen oder arg verunglimpfen! Namentlich im Gesangswesen konnte der hierin ganz uner- fahrene Jüngling um so leichter für bestimmte Ziele gewonnen werden: „Voll- kommen einverstanden bin ich mit Ihrem Plane, jenen Gesangslehrer zu beauf- tragen und zu ersuchen, ein paar Sänger in strenge Lehre zu nehmen und den Unterricht vor Ihren Augen leiten zu lassen. Ich denke, der Versuch wird vom ersehnten Erfolge gekrönt werden. Ich glaube fest, vollkommen befriedigende Darsteller für das Nibelungenwerk zu erhalten! Ich bitte Sie, Herrn Friedrich Schmitt^) zu ersuchen, er möge ein paar talentvolle stimmbegabte Menschen aus- findig machen, um sofort den Unterricht zu beginnen. Sehr erfreut wäre ich, wenn wir jenen Frankfurter Sänger für unsere Bühne gewinnen könnten, vielleicht

^) [Siehe a.a.O. S. 52ff.] ^) Nach Jahrgang 1833 (s. d.) ist dieser Friedrich Schmitt identisch mit jenem lyrischen Tenor, welcher mit Schluß jenes Jahres sein Engagement an der Münchner Bühne antrat, um schon vor Juli des darauffolgenden wieder abzugehen und Eduard Hoppe Platz zu machen. Er hat also in dem damaligen, freilich herrlichen Gesangsensemble nicht besonders prosperiert. Dies schlösse nicht aus, daß er im Alter, durch Erfahrungen gereift, ein tüchtiger Gesangslehrer geworden wäre. Welche Wirkung seine „große Gesangsschule für Deutschland" in München oder anderswo ausübte, und welche Sänger er für München persönlich gebildet haben soll, habe ich nicht erfahren, und außer mir wahrscheinlich auch sonst niemand, denn in München sind sie jedenfalls nicht aufgetreten. [Der „Punsch" (1864/65) findet auch dazu Anlaß zum Spott. Vergl. auch S.471.]

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würde er sich für geeignet zeigen, außer den von Ihnen genannten Rollen: des Wolfram und Kurwenal, auch die des Grafen Telramund und des Fliegenden Hol- länders zu übernehmen* hiemit meint der König ohne Zweifel den später zu wiederholten Gastspielen berufenen und in diesen sehr erfolgreichen Franz Betz ,,denn unser Kindermann ist von Natur leider nur mit Stimme begabt und wird den höheren Anforderungen Ihrer Werke schwerlich genügen können/) Meiner Ansicht nach wäre auch der Gewinn eines jüngeren Tenoristen sehr wünschenswert, welcher seinerzeit Herrn Schnorr zu ersetzen imstande wäre, denn ich fürchte, die Blütezeit dieses so reichbegabten Sängers wird nicht lange mehr währen, er soll an einem bedenklichen Übel leiden. Mit lebhaftem Interesse las ich Ihre schriftlichen Anleitungen zum , Fliegenden Holländer'; empfangen Sie meinen Dank für deren Zusendung. Doppelt groß wird mir der Genuß der Auf- führung sein, da ich imstande sein werde, das etwa Mangelnde in Gedanken zu ersetzen. Haben Sie auch dergleichen schriftliche Anleitungen für die Haupt- darsteller in Ihren übrigen Werken? Dürfte ich Sie ersuchen, mir auch jene zu übersenden, falls Sie solche besitzen es würde für mich von großem Interesse sein, wie alles was Sie und Ihre Werke betrifft. Wie innig ich mich nun freue über die heranrückende Zeit, in welcher mich mein geliebter Freund ein- weihen wird in die Geheimnisse und Wunder seiner Kunst, welche mich stärken und beseligen werden." (Kommt nun eine kurze Bemerkung über den Ruhe ge- währenden Aufenthalt in Hohenschwangaus erfrischender Gebirgsluft.) „....Wie ich höre, wird die erste Aufführung des , Fliegenden Holländers' am 27. ds. Mts. stattfinden können, ich werde derselben nicht beiwohnen, da leicht bei der ersten Aufführung sich Mängel einschleichen und stets eine wiederholte Aufführung den Darstellern eine größere Sicherheit gibt, durch welche dem Zuhörer der Kunst- genuß jedenfalls ein erhöhter sein wird. Meine Absicht ist, das Münchener Publikum durch Vorführung ernsterer bedeutenderer Werke, wie eines Shakespeare, Calderon, Mozart, Gluck, Weber in eine gehobene gesammelte Stimmung zu versetzen, nach und nach dasselbe jener gemeinen, frivolen Tendenzstücke entwöhnen zu helfen und es so vorzubereiten auf die Wunder Ihrer Werke und ihm das Verständnis derselben zu erleichtern, indem ich ihm zuerst die Werke anderer bedeutender Männer vorführe, denn von dem Ernste der Kunst muß alles erfüllt werden." (Kommt noch eine Zueignung einer neuen gemalten Photographie an Wagner als denjenigen, welcher „ihn von allen Menschen am meisten liebt*.)

Man sieht, der König ist überzeugt und beglückt von einer ihm als solchem ver- liehenen Mission, die Pflege der dramatischen in specie musikalisch-dramatischen

^) Diesem offensichtlich auf Suggestion beruhenden Urteil des sonst immer gerechten Königs widerspricht dasjenige zahlloser Bewunderer des nicht umsonst berühmt gewordenen Sängers während einer langen Laufbahn. Gerade sein Wolfram war berückend und fand wohl keinen besseren Nachfolger. Ein solches, vielleicht ungeschliffenes Juwel beiseite zu lassen, war von Wagner nicht klug; Kindermann, der ihn hoch verehrte, hätte, was Auffassung und Spiel belangt, seinen Unterricht gewiß mit Begeisterung entgegengenommen.

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Kunst zu idealer Vollkommenheit emporzuheben. Aber hier gebricht es ihm, dem gänzlich Unerfahrenen/) an der nötigen Kenntnis der tatsächlichen Münchner Zustände, er ist zum guten Teil Pessimist, durch Einflüsterung. Mozart, Beethoven und Weber erfreuten sich in München längst einer Pflege und eines Verständnisses, wie kaum in irgendeiner anderen Musikstadt. Und Gluck zum Verständnis zu bringen, hatte sich Lachner wenn auch mit minderem Glück, weil dazu auch die rechten Sänger ausgestorben waren seit nahezu dreißig Jahren ehrlich bemüht. Daß mit alledem zugleich auf Wagner vorbereitet werde, hat Lachner allerdings weder geglaubt noch beabsichtigt. Zu Wagners Auftreten in München paßte aber diese Auffassung, darum mußte sie der arglose König haben.

„Schon im Monat April," erzählt Röckl [S. 55] weiter, „hatte der König den Befehl erteilt, daß bei seinem Wiedererscheinen im Theater der , Fliegende Holländer* unter des Komponisten eigener Leitung gegeben werde. Ausersehen war für diese Erst- aufführung der Oktoberfestsonntag, 2. Oktober. Die Vorbereitungen dazu, die, namentlich was den dekorativen Teil betriffst, viel Zeit und Aufwand in Anspruch nahmen, wurden nach dem königlichen Befehl ungesäumt in Angriff genommen. Es erhoben sich jedoch von Zeit zu Zeit teils mit Absicht hervorgerufene, teils in der Sache selbst liegende Schwierigkeiten, die ein Weiterschreiten des begonnenen Werkes hinderten. Endlich waren die widerstreitenden Ansprüche und Einflüsse beseitigt, da trat mit einem Mal ein neues Hemmnis ein. Generalmusikdirektor Lachner, der zunächst die Oper einübte, hatte daran verschiedene Kürzungen vor- genommen.« (Hiemit wären ja die „mit Absicht hervorgerufenen« Schwierigkeiten bezeichnet?) „Wagner bestand aber darauf, daß das Werk so, wie er es geschrieben, ohne Kürzungen, einstudiert werde. Damit ergab sich die Notwendigkeit, den musikalischen Teil neu durchzuarbeiten. Bis zum Oktober konnte man unmöglich mit den Proben fertig werden. Nun erkrankte auch noch der Tenorist Richard (Erik), und so verzögerte sich die Aufführung bis zum Dezember. . . .* Und von hier an kann ich als Augen- und Ohrenzeuge selbst die Erzählung weiterführen:

Wagner schon kurz nach seiner Berufung mit der Einstudierung des „Holländers" zu beauftragen, wäre einem völligen Außerachtlassen seines Ruhebedürfnisses gleich- gekommen. Es war daher für den König ein Akt der Notwendigkeit, einstweilen, damit nicht kostbare Zeit verloren ging, den offiziellen Dirigenten, also General- musikdirektor Lachner, mit der Einstudierung des musikalischen Teils zu betrauen. Daß dieser sich Striche erlaubte, war, ist und bleibt unverständlich; denn wenn man auch ehren mag, daß er sie aus künstlerischer Überzeugung und allenfalls technischer Schwierigkeiten halber machte, endlich auch, daß es sich nicht um wesentliche Teile handelte, so steht dem doch die Rücksicht auf des Königs un- bedingte Begeisterung gegenüber, mit welcher sich in den geringsten Widerspruch zu setzen, jedenfalls nicht Sache des ersten königlichen Dirigenten war. Lachner hätte bei völlig loyalem Verhalten gegen das Werk den Vorwurf der Liebedienerei

•) Bekanntlich war seine Prinzenerziehung über alle Maßen streng und demgemäß sein Theater- besuch aufs Minimalste beschränkt, so daß er eine Obersicht des Repertoires nicht gewinnen konnte.

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nicht zu fürchten gehabt. Aber er war nun einmal kein „Romantiker" (wie der greise Spohr, der sich um die ersten Aufführungen des „Holländer" verdient ge- macht hatte) und hatte der tiefen Poesie des Stoffes, somit auch der der Musik ein großes Verständnis nicht entgegenzubringen. Was ihn an letzterer sogar an- widerte, war, „der ewige Wind, der überall weht, wo man zufällig die Partitur aufschlägt*.^) Wie Wagner übrigens selbst über die Wirkung der Oper auf das große Publikum nach den ersten Aufführungen urteilte, geht aus einem erst im Mai 1909 veröffentlichten Brief (ohne Datum, vermutlich aber noch 184 3 aus Teplitz [?]) an seinen Freund Ferdinand Heine (Hofschauspieler, Regisseur und Kostümier in Dresden) hervor, welchen ich, da jeder Satz wichtig ist, hier ganz

folgen lassen muß; er lautet:

Lieber Heine!

Als ich meinen Fliegenden Holländer schrieb, lebte ich der Oberzeugung, nicht anders schreiben

zu können, als ich schrieb. Der Stoff durch Deinen Namensbruder mir bereits länger bekannt

erhielt für mich auf meiner berühmten Seefahrt und in den norwegischen Sphären eine ganz besondere

Farbe und Eigentümlichkeit, allerdings düster, dennoch aber der Natur, der wir alle angeh«ören,

abgelauscht und nicht etwa Spekulation eines düstersüchtigen Schwärmers. Das große, wilde Meer

mit seinen darüber gebreiteten Sagen ist aber ein Element, das sich nicht gehorsam und willig zu

einer modernen Oper zustutzen läßt, und die ganze meerdarchbrauste Sage vom Fliegenden Holländer,

die mich nun einmal so einnahm, daß sie nach einer künstlerischen Reproduktion in mir verlangte,

schien mir heillos verstümmelt und verstutzt werden zu müssen, wenn sie als Operntext den

modernen Anforderungen an pikanten Spamiiingen und Überraschungen etc. genügen sollte. Ich zog

es daher vor, nichts an dem Stoff wie er sich ganz von selbst bot mehr zu modulieren, als

der Gang einer dramatischen Handlung es verlangt, den ganzen Duft der Sage aber sich ungestört

über das Ganze verteilen zu lassen, denn nur so glaubte ich den Zuhörer ganz in jener seltsamen

Stimmung festbannen zu können, in der man mit nur einiger Poesie begabt, die düsterste Sage bis

zur Behaglichkeit lieb gewinnen kann. So ließ ich denn aber auch meine Musik beschaffen sein: um

meine Absicht zu erreichen, durfte ich nicht links noch rechts sehen, dem modernen Geschmack

nirgends das geringste Zugeständnis machen, weil ich sonst nicht nur unkünstlerisch, sondern auch

unklug verfahren wäre. Den modernen Zuschnitt in Arien, Duetten, Finales etc. mußte ich sogleich

aufheben, und dafür in einem Zuge fort die Sache erzählen, wie es eben ein gutes Gedicht tun

muß. Auf diese Weise brachte ich denn eine Oper zutage, von der ich nachdem sie nun

aufgeführt ist nicht begreifen kann, wie sie hat gefallen können, weil sie in

ihrem ganzen Äußeren dem, was man jetzt unter Oper versteht, so sehr unähnlich

ist, daß ich einsehe, wie ich in Wahrheit viel von dem Publikum forderte, nämlich

daß es sich mit einem Male von dem abstrahiere, was es bisher im Theater unterhalten

und angesprochen hat. Daß nun aber diese Oper nicht nur in Dresden, sondern namentlich

auch in Kassel und Riga sich so viele Freunde erworben, und selbst das größere Publikum für

sich gewonnen hat, das erscheint mir als ein sehr wichtiger Fingerzeig für uns, der uns andeutet,

daß wir nur schreiben müssen, gerade wie es der uns Deutschen angeborene poetische Sinn eingibt,

nirgendshin Zugeständnisse an eine fremde Mode machen und einfach die Stoffe wählen und so

behandeln müssen, wie sie uns zusagen, um am sichersten zu sein, auch unseren Landsleuten zu

gefallen. Auf diese Art können wir auch wieder eine deutsche Originaloper gewinnen, und allen, die

daran verzagen und sich ausländische Modelle kommen lassen, können sich an diesem Holländer,

der gewiß so konzipiert ist, wie ihn nun und nimmermehr ein Franzose oder Italiener konzipiert

haben würde, ein Beispiel nehmen. Eine einfache Darstellung des Verlaufs der Oper genügt zur

Avertierung. Dein Richard Wagner.

') Er sagte dies gelegentlich eines Besuches zu mir in fernabliegenden eigenen Angelegenheiten.

Der Verfasser.

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Wenn irgend etwas geeignet ist, die Sympathie auch für den Menschen Wagner zu erregen oder zu erhöhen, so ist es dieser Brief, welcher zeigt, wie mächtig dieser grausig düstere, aber immerhin großzügige und schöne Stoff die Seele des Dichter- Komponisten in ihren Tiefen erfaßte, so daß er ihn ohne Rücksicht auf alles Dagewesene gestalten und „nicht rechts noch links schauend" einfach vertonen mußte, wie auch die Musik sich von aller bisherigen unterscheiden möge. Nebenbei ist der Brief auch eine Kundgabe des ganzen Wagnerschen Programms, so wenig dies, wie der einfache, familiäre Stil beweist, beabsichtigt war. Nur hat der Meister seinen damaligen musikalischen Fortschritt(wieer jetzt, nach Vollendung des „Tristan*, besser als jeder andere wußte) zum Teil überschätzt, indem gerade die Arien, Duette, Ensembles etc., welche sich im Holländer doch noch finden, immerhin an das alte Operngewand erinnern, das große Duett zwischen Holländer und Senta im zweiten Akt (so schön begonnen!) sogar mit einer unbegreiflichen Trivialität schließt. Dank dem entschiedenen Erfolg des „Holländer« bei seinen ersten Aufführungen inaugurierte das Werk die zweite Epoche des schaffenden Meisters, indem er sich mit ebensoviel Kraft als Mut, hinweg von den Stoffen älteren Schlages (wozu die „Feen", das „Liebesverbot" und der „Rienzi" ja gehören) ganz auf das Gebiet der Sage warf, in welchem er sich als Dichter erst sich selbst fand und ein ihm allein gehörendes glorreiches Schaffen beginnen konnte.

Die Zeit der ersten Aufführung des „Holländer" in München war also gekommen, und wie es von allgemeinem kunsthistorischem Interesse sein mußte, wie sich die Aufnahme des Werkes jetzt, an einem Platze mit ganz anderen Verhältnissen, wo „Tannhäuser" und „Lohengrin" schon eine gewisse Popularität erreicht hatten, zu der in Dresden, Kassel etc. vor 21 Jahren verhalten werde, so sah gewiß auch der Komponist selbst der gebotenen Gelegenheit, seinen Siegeslauf, vielleicht seinen künst- lerischen Werdegang zu kontrollieren, jedenfalls aber dem Münchener Publikum auf den Zahn zu fühlen, mit einiger Spannung entgegen, worüber er selbst voraus- gegangene Reizungen wieder leichter nehmen konnte.

Es sei mir hier gestattet, nur einen Augenblick von mir zu reden. Ich mußte das Werk kennen lernen, dargeboten von dem, der es allein verstand, Richard Wagner selbst Bülow war noch nicht in München. Das Billett zur Hauptprobe holte ich mir aus Wagners eigener Hand. Ungefähr ein Monat vorher hatte ich zu einem Besuch des Meisters Gelegenheit gefunden, indem mich der Ausschuß der Münchner Bürger-Sänger-Zunft, deren Dirigent ich damals war, beauftragte, ihn zu einer Pro- duktion, die eine Komposition Wagners auf dem Programm hatte, einzuladen. Er frug mich freundlich: „Was machen Sie denn von mir?" Ich: „Den Chor aus Rienzi, ,Santo spirito Cavalieril'" Er mit einem unvergeßlichen Gesicht „I, da geh' ich Ihnen nicht bei!" In meiner Miene mochte der Versuch einer Frage gelegen sein. Er, fast etwas heftig: „Gehen Sie mir mit dem gemeinen Theaterriß!* Ich muß hier betonen, daß ich diese Selbstkritik ebenso wenig wie Wagner selbst auf den ganzen „Rienzi" bezog. Ich half mir aus der Not mit der Bemerkung: „Die Leute singen den Chor mit Begeisterung." Er aber benahm mir meine Verlegenheit mit

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einem Salto mortale, den ich gleich wieder vergessen hatte; denn er ging mit großer Elastizität auf alle möglichen Themen seiner reformatorischen Tätigkeit über, so daß ich nur etlichemale dazwischen zu werfen brauchte: „Ja, das habe ich in Ihren Schriften hier und dort gelesen!" (Einen beredteren Interpreten, man möchte sagen: Professor des Wagnerismus, als er selbst war, hat es wohl nie gegeben.) Die Karte also gab mir Einlaß zur interessantesten Probe, die ich all' mein Lebtag mit- gemacht habe. Ich kam in der Parkettreihe vor derjenigen zu sitzen, in welcher etwas nach rechts Generalmusikdirektor Lachner Platz genommen hatte, der meinen Gruß freundlich erwiderte. Wagner war schon am Pulte, klopfte mit dem Taktstock und sprach mit gehobener, aber ruhiger Stimme: „Geehrte Zuhörer! Es ist heute gerade 20 Jahre, daß mir die Oper ,Der fliegende Holländer' von der Münchener Hoftheaterintendanz zurückgeschickt wurde mit der Begründung, daß sie sich zur Aufführung nicht eigne" (oder, das kann ich mich nicht mehr genau entsinnen: „unaufführbar sei".) „Sowohl die Herrschaften oben" (auf die Bühne deutend), „als die Herrschaften unten" (Orchester), „haben mir bereits bewiesen, daß die Oper sehr wohl aufzuführen ist, und wir werden morgen vor dem Münchener Publikum den Beweis der Aufführbarkeit gewiß mit vollem Erfolg antreten.* Die 20 Jahre datieren zurück auf den Schluß des zweiten Jahres von der ersten Intendanzführung des Baron Frays, als eben der allmächtige Franz Lachner das achte Jahr seiner Amtswaltung hinter sich hatte. Daß ich in diesem Augenblick nach dem also Provozierten nicht umzusehen vermochte, wird man begreifen. Zu seinen Gunsten waren sich indes die meisten der Anwesenden der Bedeutung des Augenblicks nicht bewußt. Übrigens hätte, wenn die gesamte Teil- nahme an der Probe Zeit zum Nachdenken gelassen hätte, manche historische Tatsache Grund zu milderer Beurteilung gegeben: so die süddeutschen Preß- verhältnisse im Jahre 1844, wo die Mainlinie noch einer chinesischen Mauer glich und Nachrichten über einen noch jungen norddeutschen Komponisten im Süden noch spärlich flössen, dann das Anschlagen eines völlig neuen Tones gerade im „Holländer", über dessen erste Erfolge Wagner, wie jener Brief zeigt, selbst In Erstaunen geriet, endlich auf Seite Lachners, welcher eben mit Propagierung Beethovens (und auch noch Mozarts!) in München über und über beschäftigt war, Mangel an Zeit, sich mit einer als aussichtslos angesehenen Sache zu be- schäftigen. Es war eben der Anbruch einer neuen Zeit, und dieser Wandlung fallen nach ewiger Weltordnung die überzeugten Anhänger der alten immer als Opfer.

Das nächste Interesse galt der Art von Wagners Direktion. Auch hier zeigte sich ein großer Gegensatz zwischen Lachners peinlicher Präzision in Markierung von Rhythmus und Takt, und einer mehr laxen, das technische Zusammen- gehen schon voraussetzenden, dafür aber den geistigen Ausdruck durch Augen, Mienen und Körperbewegungen andeutenden Direktionsweise. Man beachte hierzu die Nachricht Röckls: „Den aufopferungsvollen Bemühungen des Komponisten war es durch unzählige und sehr eingehende Proben, über welche freilich die

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Mitwirkenden laut klagten,^) gelungen, daß Chor und Orchester eine Meister- produktion schufen.**

Der Gesamteindruck, welchen das Werk schon in dieser Probe auf mich und, wie ich zu bemerken glaubte, auf die Mehrzahl der Zuhörenden machte, war der einer überraschenden Großartigkeit sowohl der Dichtung als der ihr entströmenden Musik, wobei es freilich noch ausgeschlossen war, daß alle Details der letzteren, vielleicht die höchststehenden, sich dem Verständnis restlos öffneten. Wie unver- gleichlich hoch steht die Holländersage an sich, ganz abgesehen von der klaren dramatischen Gestaltung durch Wagner über äußerlich ähnlichen Stoffen wie der Gnomenkönig Hans Helling und der gruseln machende Vampyr! In diesen beiden Opern hat Marschners Musik wahrlich Mühe, die dem Gedicht entsprechende Leere in den Herzen der Zuhörer auszufüllen. Und erinnert man sich selbst der Gattentreue von Beethovens Leonore, eines der schönsten dramatischen Motive des 19. Jahrhunderts, so steht doch das Opfer der Senta auf dem Altar der Menschheit wie wohl nur glaubhaft auf dem dunklen Sagengrunde noch unendlich höher durch seine absolute Selbstlosigkeit. Diese als Pflicht empfundene und doch mit Begeisterung ausgeführte Hingabe zur Rettung eines sonst Verlorenen erscheint hier als Kernpunkt des Dramas und ist das Meisterstück eines großen Dichters. Ob es mir schon in dieser Probe oder in einer der nun folgenden beiden Aufführungen, deren ich jedenfalls eine oder zwei besuchte, klar ward, daß die magische Gewalt dieses großartigen Liebesopfers auch in Wagners Musik über- ging, weiß ich heute nicht mehr zu sagen; aber jedenfalls seit vierzig Jahren ist es mir zum Dogma geworden, daß der Musiker Wagner in keinem seiner späteren Werke (von den Erstlingen zu schweigen) einen höheren Grad von Innerlich- keit erreicht hat, mag die Oper auch einzelne Schwächen und, namentlich im letzten Akt, empfindliche Längen haben.

Obwohl in der Probe noch ein Rad brach, welches das Norweger Schiff in Bewegung zu setzen hatte (worüber Wagner bemerkte: „Jetzt aber hat nichts mehr zu brechen"), ging am folgenden Abend glatt von statten.

In der ganzen Münchener Presse löst seine Aufgabe in würdigster, der Bedeutung des Werkes entsprechendster Weise das Morgenblatt der „Bayerischen Zeitung", deren K.-Referent, nachdem er die Sage vom verwunschenen Holländerschiff, wie sie Heine merkwürdig genug im siebenten Kapitel seiner „Memoiren des Herrn Schnabelewopski" zum besten gibt, mit den von Wagner vorgenommenen, eigent- lich unwesentlichen Änderungen erzählt, dem Kern der neuen Schöpfung so nahe kommt, als ob er jenen erläuternden Brief Wagners, der damals sicher unbekannt war, gelesen hätte:

„Der Fliegende Holländer" (er entstand von 1839 bis 1840 zu Paris) „ist Wagners erstes Werk, mit dem er aus der konventionellen Form der sogen. ,großen oder historischen' Oper herauszutreten

^) Karl V. Holtei klagte als Theaterdirektor in Riga wiederholt, daß sein Kapellmeister Wagner das Personal durch zu viele und zu lange Proben übermüde, was wohl davon kam, daß man, bevor es irgendwo klappte, der Poesie genugzutun suchte, ein Hysteron-Proteron im Probieren.

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beginnt. Der poetische Stoff ist nicht mehr der Geschichte, sondern, wie wir eben gesehen, der Sagenwelt entnommen und die Handlung des Ganzen im Gegensatze zum historischen Drama eine vorwiegend epische oder episch-lyrische; das szenisch Wirksame ist im Stoffe vorhanden und durch diesen bedingt, und die in sich geschlossenen Formen der absoluten Musik werden nur dann berücksichtigt, wenn sie durch die rein dramatischen Anforderungen zu motivieren sind. Zwar sehen wir diese Prinzipien noch nicht zu jener Bestimmtheit herausgebildet, wie dies im ,Lohengrin' der Fall ist, so erscheint die Ouvertüre noch als eine Art Divertissement, welches sich aus den ver- schiedenen Motiven der Oper aufbaut, die aus den Zeiten der opera seria stammende Gesangs- kadenz befindet sich noch im vollen Besitze ihrer Rechte, und so manche Textwiederholungen können ihr Dasein nur durch die musikalische Phrase rechtfertigen, dennoch sind die reformatorischen Ideen Wagners aufs deutlichste ausgesprochen.

Die absolute Melodie tritt zu Gunsten des deklamatorischen Stiles in den Hintergrund, das Orchester gewinnt im Gegensatz zu seiner bisherigen (mehr begleitenden) Tätigkeit eine selb- ständigere Haltung, und das im ,Lohengrin' zum System erhobene Verfahren, jene musikalischen Motive, die sich an die hervorstechendsten Handlungsmotive knüpfen, als verbindende Elemente der ganzen Oper einzuweben, um hier eine musikalische Einheit im höheren dramatischen Sinne zu erzielen, findet sich gleichfalls schon hier, wenn auch nur im Keime. So begleitet z. B., um nur einiges anzuführen, das die Ouvertüre beginnende Motiv den Holländer, und während der an diesen am Schlüsse des ersten Aktes gerichteten Worte Dalands: ,Du siehst, das Glück ist dir günstig' etc., ertönt im Orchester der Matrosenchor.

Nach dem zweiten Akt, der unstreitig der Glanzpunkt des Werkes und zugleich eine der wert- vollsten Perlen der ganzen Opernliteratur ist, sind als die schönsten Partien der Oper noch hervor- zuheben die vierte Szene des ersten Aktes, zumal die Stelle: ,Ach, ohne Weib und Kind bin ich' etc., und der Matrosenchor zu Anfang des dritten Aktes, wie sich denn überhaupt die Chöre durch Wahrheit der Situation und glänzendes Kolorit gleich vorteilhaft auszeichnen.

Über die Aufführung der Oper ist nur das Beste zu sagen. Die in den Händen des Frl. Stehle (Senta) und der Herren Kindermann (Holländer), Fischer (Daland) und Richard (Erik) befindlichen Hauptpartien (auch die von Frl. Seehofer und Herrn Bohlig gesungenen Nebenrollen waren befrie- digend) erfreuten sich durchweg der fleißigsten Ausführung. Nicht minder vortrefflich waren Chor und Orchester.

Die Palme des Abends jedoch gebührt unbedenklich Frl. Stehle, deren Senta eine Musterleistung ist, im Spiel sowohl als Gesang, und ohne die Vorzüge der Oper im geringsten zu unterschätzen, wird kaum in Abrede zu stellen sein, daß ein guter Teil des Erfolges lediglich dieser geistvollen Künstlerin zu danken ist.

Weniger glücklich waren diesmal Maler und Maschinist. Weder die Seeküste im ersten Akt noch das Fischerdorf im dritten entsprachen in ihrer Nüchternheit dem romantischen Kolorit des Ge- dichtes, und die beiden Schiffe, statt ein lebendiges Strandbild zu geben, wirkten so wie das szenische Arrangement getroffen war nur langweilig und beengend, und unwillkürlich wünschte man einen flotten Auktionator herbei, auf daß er eines der beiden Fahrzeuge wegen Mangels an Platz baldmöglichst losschlage. Sehr bedenklicher Natur war auch der an den Schifi'en aufspritzende Gischt. Nachdem die hiezu verwendeten Vorhangfransen schon das erstemal nicht recht parieren wollten, welche Unbotmäßigkeiten werden da erst in der Folge zu gewärtigen sein! Das Bedenk- lichste aber von allem waren die beiden ,verklärten Gestalten' Sentas und des Holländers. Etwas Geschmackloseres und zugleich Lächerlicheres erinnert sich Referent noch nie an der hiesigen Hofbühne gesehen zu haben."

Seltsam, muß ich hiezu bemerken, ein Tadel über all diese Mängel der Ausstattung von selten des Meisters ist von niemand gehört worden; vielleicht war er durch Erfahrungen, die er 20 Jahre früher machte, in diesem Punkt nachsichtiger geworden, als es jedenfalls in München am Platz gewesen wäre.

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Röckl schreibt Seite 60^): „Das Haus war in allen Räumen übervoll; der König selbst, ferner Prinz Otto und die Mitglieder der Familie Herzog Max waren an- wesend. Das Werk erfreute sich, nachdem der erste Akt eine etwas laue Aufnahme gefunden hatte, im zweiten oder dritten lebhaften Beifalles auch der König beteiligte sich eifrig daran und der Komponist wurde nach beiden Aktschlüssen mehrmals stürmisch gerufen." Dies aus sicherem Gedächtnis bestätigend, habe ich noch hinzuzufügen, daß in diesem Jahre noch eine Wiederholung des Werkes am 8. Dezember unter den gleichen Umständen stattfand.

Röckl fährt nun weiter: „Wagner hatte sich somit beim Münchener Publikum günstig eingeführt" (war es ja schon vor seiner persönlichen Ankunft durch „Tann- häuser" und „Lohengrin"). „Um seine Stellung bei diesem noch mehr zu befestigen, erging der königliche Befehl, daß den kommenden Sonntag (11. Dez.) an Stelle der Theatervorstellung im Hoftheater ein Konzert neuer Wagnerischer Kompositionen stattzufinden habe. Die Musikaufführung außer Abonnement war schwach besucht.^) Das Programm war: Faust-Ouvertüre; aus den ,Meistersingern' Vorspiel, Versamm- lung der Meistersingerzunft, Pogners Anrede an die Versammlung; aus »Tristan und Isolde' Vorspiel und Schlußsatz; aus ,Walküre* Siegmunds Liebeslied, Walküren- ritt, Wotans Abschied und der Feuerzauber; aus , Siegfried' Schmelz- und Hämmerlied, zum Schluß die Tannhäuser-Ouvertüre. Nach den meisten Darbietungen erhob sich lebhafter Beifall, der Walkürenritt mußte wiederholt werden. Merkwürdigerweise wurde dem Liebeslied Siegmunds die geringste Anerkennung gezollt. Das Orchester, das Wagner persönlich führte, spielte vorzüglich; auch die Sänger (die Herren Fischer, Richard und Simons) vertraten ihre Aufgabe mit großem Geschick." Ich verfolgte die einzelnen Nummern des Konzertes mit größter Spannung. Die Faust-Ouvertüre verstand ich nicht; später hat sie mir nicht imponiert und es wurde mir der Grund davon auch klar: die Seelenbewegungen, welche dieser Vorwurf hervorruft, sind nicht in ein Tonstück zu bannen, auch scheint hier Wagners sonst so mächtige Kunst der Illustration zu versagen, „absolute Musik" wäre hier von- nöten. Dagegen wirkten mir das stark draufgängerische Vorspiel der „Meistersinger" und die anderen Partien dieser Oper ungemein frisch und farbenprächtig. Im Schluß- satz von „Tristan und Isolde" fehlte leider die Hauptsache: der Sopran, welcher den Liebestod singt. Daß dem Liebeslied des Siegmund die „geringste Anerkennung gezollt" wurde, es eigentlich durchfiel, konnte mich eben nicht wundern; denn Herr Richard, ein sonst „brauchbarer" Sänger, war nicht der Mann, einem aus der Szene losgerissenen und nur in diesem wirkenden Stück die Situation auf dem Konzertpodium zu er- leichtern. (Gerade ein Jahr später wurde die Münchener Tenorfrage durch Heinrich Vogl in unerwarteter Weise gelöst.) Der (repetierte) Walkürenritt, der Feuerzauber und wieder das Schmelz- und Hämmerlied wirkten durch ihre unabweisliche Rhythmik. Die Tannhäuser-Ouvertüre war bereits zum unfehlbaren Schlager geworden.*^ !

P) In der 1. Auflage S. 28.] *) Dies konnte Wagner voraussehen, denn kein Sonntagspublikum wird sich gern ein Konzert für eine Oper bieten lassen. Ihm war es vermutlich darum zu tun, seine neuen Kompositionen in ihrer orchestralen Wirkung zu erproben die Gelegenheit war günstig.

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Röckl fährt fort: „Von den Männern nun, deren Berufung Wagner zur Durch- führung seiner künstlerischen Ziele und Zwecke von Ludwig erwirkt hatte, erschien zuerst Hans von Bülow. Schon am 12. September war von Hohenschwangau aus an ihn die Einladung ergangen, in München Wohnsitz zu nehmen und sein Klavier- spiel zeitweise dem Könige zu widmen, wofür ihm mit dem Titel ,Vorspieler des Königs' ein jährlicher Ehrenbezug von 2000 fl. gewährt wurde. Der herrliche, tief- ernste und unglaublich entwicklungsfähige Monarch zog Bülow mit mächtiger Sym- pathie in seine Nähe. Das unkultivierte Terrain, der Münchener Fremdenhaß, die unglaubliche Verwahrlosung der musikalischen Zustände, dieses alles und Ver- schiedenes schreckten ihn freilich ebenso ab. Er schwankte, trotzdem sein Entschluß, Berlin zu verlassen, feststand, bis Anfang Dezember. Erst das unbedingte Zureden seines Schwiegervaters brachte ihn hierher." (Man braucht hier nur nicht die Fuß- note: Hans V. Bülow, Briefe, IV. Bd., S. 12, zu übersehen, um in der Beurteilung der Münchener Musikzustände einen objektiveren Standpunkt zu gewinnen, als es dem damals überreizten Gehirn des sonst so vortrefflichen Künstlers möglich war.) „Einem liebenswürdigen, schlichten Künstler, der in Wien an bitteren Nahrungs- sorgen litt, Peter Cornelius, galt die zweite herzliche Einladung Wagners: , Lieber Peter! Im besonderen Auftrage Se. Maj. des Königs Ludwig II. von Bayern, habe ich Dich aufzufordern, sobald Du kannst, nach München überzusiedeln, dort Deiner Kunst zu leben, der besonderen Aufträge des Königs gewärtig und mir, Deinem Freunde, als Freund behilflich zu sein. Dir ist vom Tage Deiner Ankunft an ein jährlicher Gehalt von 1000 fl. aus der Kabinettskasse Se. Maj. angewiesen. Von Herzen Dein Freund Richard Wagner, Briennerstraße 21.'^) Cornelius zögerte gleichfalls. Von freudigem Zugreifen hielt ihn die Besorgnis ab, es möchte durch das Leben in Wagners unmittelbarer Nähe, gleichwie durch das Einsaugen des Duftes eines mancelliers seine künstlerische Individualität und ihre fernere Entwicklung ersticken.^) Doch Ende Dezember machte er sich auf die Reise nach München. Mit Bülow und Cornelius teilte sich noch (Ludwig) Nohl (bisher Privatdozent in Heidelberg) indie Aufgabe, die Tonempfänglichkeitdes musikenthusiastischen Königs, dem sein ehemaliger Klavierlehrer, ,der alte Wanner* jedes Talent für Musik ab- gesprochen hatte, auch auf andere Werke als die Wagnerschen zu erweitern."

Am 30. Dezember 1864 war auch Professor Gottfried Semper, der langjährige Freund Wagners von Zürich gekommen und erhielt vom König den Auftrag, zur Aufführung des Nibelungenringes den Plan eines steinernen Festtheaters zu ent- werfen (daß es zur Ausführung dieses Prachtbaues nicht kommen konnte, hatte nur die Kunststadt München zu büßen, siehe Bayreuth.)^) Für die neue Opernschule aber, die zunächst vier Stellen für Sänger und Sängerinnen, jede im ersten Jahre mit 900 fl., in den nächsten mit 1000 fl. dotiert, aufwies, wurde der früher genannte

^) Mitgeteilt von Ad. Sandberger, Leben und Werke des Dichtermusikers Peter Cornelius, S. 21. ^) Hans V. Bülow a. a. O. S. 46. ^) [Karl Dürck erbringt in seiner Studie „Richard Wagner und die Münchener 1865" (1904) den Nachweis, daß nicht auf die Münchner, sondern eigentlich auf Wagner selbst die Schuld fällt.]

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Gesanglehrer Schmitt aus Leipzig „gewonnen".^) "Wie diese Gesangskräfte hießen, j

habe weder ich, noch wahrscheinlich sonst jemand in Erfahrung bringen können. j

Es war ja alles übereilt und tauchten die hastig gefaßten Pläne fast mit ihrem Ent- 1 stehen wieder unter.

Sowohl über die Tätigkeit des Herrn Nohl als über weitere Maßnahmen des Königs |

zur Förderung der künstlerischen Absichten Wagners soll zu rechter Zeit berichtet \ werden. Inzwischen hat sich die Jahreswende vollzogen und wir schreiben 1865.

Es ist nun dem Bericht über Bestand und Leistungen der Münchener Oper— 1865! vorläufig mit Außerachtlassung der Wagner-Frage Raum zu geben. Leider sind j die Personalveränderungen des Jahres im ganzen wenig günstige zu nennen. Für j Frau Förster, die in mehreren höheren Sopranrollen recht annehmbar war, kam j mit 1. September Franziska Stork, welche, wie Grandaur diesmal sehr richtig i sagt, sich keine Lorbeeren erringen konnte, und an Stelle des Tenoristen Richard, | bei dem man schon ein Auge zudrücken durfte, am 1. Oktober der mindestens ; nicht bessere Karl Norbert. Bo-hlig, der sich mancher guter Eigenschaften, namentlich einer sehr hübschen, hochgelegenen Tenorstimme zu erfreuen hatte, j ging am 31. August ab, und die Sängerinnen von Edelsberg und Low schieden ] Ende September beides recht schlimme Ereignisse. „Das Bestreben, junge Talente zu entdecken", sagt hier Grandaur mit einem gewissen Reuegefühl, „war in diesem Jahre von außerordentlichem Glück begünstigt. Eugen Gura und Heinrich j Vogl wagten, nachdem sie in den Verband der Hofbühne schon aufgenommen waren, j ihren ersten theatralischen Versuch. Gura betrat die Bretter am 14. September \ als Liebenau, Vogl am 5. November als Max. Leider wußte man nur einen dieser später hervorragenden Künstler nach Gebühr zu schätzen, denn Gura wurde nur selten und meistens in mehr oder minder untergeordneten Rollen beschäftigt, bis er am 1. September 1867 die Hofbühne verließ." Beides aber war durch die da- maligen Stimmverhältnisse an der Münchener Oper aufs natürlichste begründet. Neben der Stimme eines Kindermann und eines Karl Fischer, welcher mit jenem J stimmlich bereits rivalisierte, noch zu prosperieren, war für Gura, den gebildeten, geistig hochstehenden Sänger, eine nicht zu erreichende Aufgabe. Das Material j steht eben überall im Werte höher und wird auch höher bezahlt als alle Intelligenz. Dagegen löste in Vogls erstem Auftreten als Max die Stelle: „O diese Sonne, \ furchtbar steigt sie mir empor!" einen frenetischen Applaus, wie wir ihn seit ; Härtingers Zeiten nicht mehr gehört hatten, und freudig erschreckt sagte sich jeder; \ Hier hat sich einer mit einem Satze das Haus erobert. Es war einer der Siege, ; wie sie im Bühnenleben selten sind. Zwar folgte diesem ruhmreichen ersten Auf- tritt gar bald eine kleine Entgleisung. La ebner hatte nicht sobald die Zugkraft j des talentvollen Anfängers auf das Publikum wahrgenommen, als er ihm sogleich j die Übernahme des Marco in seiner „Catharina Cornaro" (15. Dezember) zumutete. Hier zeigte es sich eben, um wieviel schwerer sich, gerade für einen Anfänger,

^) [Vergl. S. 461 und Anmerkung 2.] |

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ein Edelmann mit freien Armen und Händen spielt, als ein Jäger, ein Naturbursch, der sich meistenteils mit der Flinte behelfen darf. Schon gab es verzagende Freunde, welche nach dieser minder erfreulichen Leistung die Hindernisse der Darstellung wirkten auch auf den Gesang meinten, der neue Stern habe doch nur kurz geleuchtet. Aber mit nichten er leuchtete bald wieder hell und heller. Einen anderen Weg schlug er freilich ein, als Lachner merkwürdigerweise glaubte und erwartete. München war damals noch lange nicht so groß, daß die fürs Theater sich Interessierenden nicht manches gehört hätten, was besser verschwiegen ge- blieben wäre. Dazu gehörte die Kunde, daß Lachner den (allerdings sehr an Klassizismus hängenden) Vogl ,unsern Tenoristen' nenne. Wie wenig Jahre brauchte es, daß Lachner diesen Irrtum erkennen mußte!

Von den Neueinstudierungen war diese in der ersten Männerrolle etwas ver- unglückte „Catharina Cornaro" die letzte gewesen. Die übrigen waren: am 15. Januar „Der Nordstern" von Meyerbeer, am 12. März „Der Wasserträger" von Cheru- bini, am 30. Juli „Undine* von Lortzing, am I.Oktober „Fidelio" von Beet- hoven, und am 30. November „Lalla Rookh" von David. Der Titel, „Neuein- studierung" wäre bei keiner dieser Opern dringend geboten gewesen, da die zeit- liche Distanz von ihrer letzten Aufführung doch recht kurz war.

Auch dieses Jahr brachte nur eine einzige Novität; das in Sturm und Drang erwartete und durchgeführte erste Werk der dritten Schaffensperiode Wagners „Tristan und Isolde". Daß die besondere Kraftanstrengung, welche sein endliches Erstehen erforderte, das übrige Repertoire nicht im geringsten beeinträchtigte, ist durch dieses schlagend bewiesen. Mozart ist darin mit dreizehn Vorstellungen („Don Juan" einmal, „Figaros Hochzeit" siebenmal, „Schauspieldirektor" fünfmal, „Titus" zweimal), Lortzing mit sieben Vorstellungen des „Waffenschmied", drei der „Undine" und zwei des „Wildschütz", Meyerbeerr mit deren elf, („Huge- notten" vier-, „Nordstern" vier-, „Prophet dreimal), Weber mit fünf Aufführungen des „Freischütz" und einer des „Oberon", Weigl mit drei Wiederholungen der (noch immer beliebten) „Schweizerfamilie" vertreten usw. Auch zwei Wieder- holungen des „Fliegenden Holländer", diesmal von Lachner dirigiert, je eine Auf- führung von „Fidelio", „Iphigenia inAulis" und „Orpheus und Euridike" fanden statt, im ganzen außer „Tristan und Isolde" 64 Vorstellungen.

Es gilt nun, den Faden der Richard Wagner betreffenden Ereignisse aufzunehmen, und muß daher auf den Jahresschluß 1864 hier noch einmal zurückgegriffen werden. Inwiefern der jedenfalls geistig normale und als untadliger Charakter bekannte Musikprofessor Wanner recht hatte, dem jungen König das Talent für Musik abzusprechen, darüber zu urteilen hängt von dem Standpunkt ab, den man überhaupt gegenüber dem Begriff „Musik" einnimmt. Es kommt darauf an, ob man dieser die selbstschöpferische Kraft und Betätigung beimißt, für welche wir den Ausdruck „absolut" haben, oder ob wir uns mit einer der Musik allerdings auch eigenen, aber nebensächlichen Fähigkeit, der der Darstellung oder Illustration abfinden, mit welcher sie, ihre Selbständigkeit ins Hintertreffen stellend, der „Allkunst"

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im Wagnerschen Sinne, oder aucli, auf symphonischem Gebiete, der Programmusik dient. In dieser Unterscheidung liegt das Zünglein der Wage, an deren einem Teil die unabhängige, unbedingte, selbstschaffende, an deren anderem Teil die durch Dichtung und Vorstellung geschaffene und erläuterte Musik hängt. Wanner hatte als Lehrer die Aufgabe, in dem jungen Kronprinzen den Sinn für Musik durch Klavierspiel (Übungen, dann allenfalls Anfänge der Sonate) zu erwecken. Und hier fand er unfruchtbaren Boden vor. Ludwig IL besaß von Natur aus nicht das Gehör, mit dem er die Musik als solche hätte erfassen können; ganze, abgerundete Melodien hat man ihn wohl nie summen oder pfeifen gehört; er konnte sich die Musik nur in der Wechselverbindung mit der Dichtung, von dieser hervorgerufen, vielleicht auch wieder sie erläuternd, vorstellen. Dies ist mir in drei Audienzen, deren er mich als Kronprinz und König würdigte, unumstößlich klar geworden. In der ersten, als Kronprinz im Sommer 1863, meinte er, ich müsse Wagnerianer sein, weil ich so „durchaus richtig deklamiere". Als ich ihm darauf erklärte, daß dies überhaupt zu den Bedingungen des Opern-Komponierens gehöre, und daß Verstöße dagegen meistens von schlechten Übersetzungen, wie z. B. den geradezu monströsen in Mozarts „Don Juan", herrührten, wurde er sehr nachdenklich. Noch mehr aber, als ich ihm Andeutungen darüber gab, wie in der klassischen Richtung die Musik als ab- solute, selbständig schaffende Kunst gerettet bleibe, in der Wagnerschen Richtung dagegen diese Selbständigkeit immer mehr zugunsten der Darstellung, der Illustration aufgeben müsse, um der „Allkunst" als coordiniertes Mittel zu dienen. Als König empfing mich Ludwig II. im Mai, nachdem schon Wagner berufen war, zur Audienz, in der es sich um meine Ernennung zum Hofkapellmeister handelte (zu welcher es jedoch nicht kommen konnte, weil Lachner schon die Berufung Franz Wüllners in Aachen eingeleitet hatte). Sein erstes Wort war: „Sie sind also ein Gegner Wagners?" Ich: „Nicht doch, Majestät, ich anerkenne sein Musikdrama als logische Konsequenz seiner Theorien so gut wie andere!" König: „Was haben Sie mir gesagt, wie ich noch nicht König war?" Ich: „Wörtlich kann ich dies nicht mehr geben; ich meinte eben, daß, wenn die Wagnersche Richtung die allgemein siegreiche werde, dies der Musik als absoluter Kunst nicht zum Nutzen gereichen könne, weil Wagners Anhänger, Jünger, , Epigonen', wie sie sich nennen werden, alles, was Wagner für sein Musik- drama gebrauchen kann und darf, Leitmotiv, Sprechgesang usw. auf die ganze übrige Musik anwenden werden, wodurch deren schöpferische Tätigkeit notwendig unterbunden werden muß." König: „Dies ist ein Standpunkt, ich habe einen anderen, aber ich rechne es Ihnen sehr hoch an, daß Sie Ihrem König treu die Wahrheit sagen, bleiben Sie dabei!" Und in dieser Achtung meines mit Überzeugung ausgesprochenen andern Standpunktes blieb er sich konsequent und ließ mir seinen (oft recht nötigen!) königlichen Schutz angedeihen, bis das bekannte allertraurigste Schicksal der Sinnesumnachtung über den Herrlichen hereinbrach. Ende 1864 hatte sich also auch Ludwig Nohl damit zu befassen, „die Ton- empfänglichkeit des musikenthusiastischen Königs auch auf andere Werke als die Wagnerschen zu erweitern". Natürlich durch musikästhetische Vorträge! Nohl war

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um diese Zeit in München eine für derartige Verwendungen bereits vorrätige Nummer. Sclion am 22. Februar 1861 reichte er ein Gesuch um eine außer- ordentliche Professur an der Universität ein, welches aber auf Antrag der Pro- fessoren Schafhäutl und Rieh! abgelehnt wurde, weil die bis dahin einzig vorliegende größere Arbeit Nohls über den „Geist der Tonkunst" aller wissenschaftlichen Selbständigkeit entbehre. Am 5. August desselben Jahres gibt Nohl bei der philo- sophischen Fakultät um Zulassung als Privatdozent ein, was ebenfalls abgelehnt wurde, weil Fakultät, Senat und Ministerium verlangten, daß er „Prästanda prästiere", d. h. die hier vorausgesetzten Bedingungen erfülle, während Nohl erwartet zu haben scheint, man werde ihn ohne weiteres auf Grund seiner Heidelberger Habilitation zulassen. Am 2. Januar 1865 wurde er vom König zum „Ehrenprofessor" (Honorar- Professor) für Geschichte und Ästhetik der Musik ernannt, ohne daß die akademischen Kollegien befragt worden wären (offensichtlich auf Wagners Empfehlung). Gleichwohl hat Nohl von seiner Professur keinen Gebrauch gemacht. 1865/66 folgt eine Eingabe nach der andern, worin er um Urlaub bittet, da ihm „seine Gesundheitsverhält- nisse nicht gestatten" Vorlesungen zu halten. Nichtsdestoweniger stellt er in einer Eingabe vom 24. Februar 1867 das Gesuch um Verleihung eines besoldeten Extra- ordinariats. Dieses scheint außer dem Ministerium selbst dem König zu bunt geworden zu sein. Denn am 22. Dezember 1867 wurde die Bitte nach Einvernehmen von Fakultät und Senat abgeschlagen. Daraufhin sah er sich veranlaßt, von der Honorarprofessur zurückzutreten. Am 27. Juli 1868 erfolgte seine Enthebung. Von seinen Bittschriften erhält man nicht gerade den günstigsten Eindruck. Er beruft sich zum Beispiel, um den Wert seiner Arbeiten zu belegen, auf gewöhnliche Zeitungsnotizen, die größtenteils anonym erschienen waren. Freilich scheint es ihm schlecht gegangen zu sein, er spricht einmal davon, daß er einen Hausstand von sieben Mitgliedern zu erhalten habe.^)

Ob und inwieweit die Tonempfänglichkeit des Königs nach Seite der klassischen Musik durch die ästhetischen Vorträge Nohls, wie Wagner es zu erwarten ver- lautbaren ließ, wirklich erweitert wurde, wieviele deren überhaupt stattfanden, darüber drang damals nichts in die Öffentlichkeit. Imponiert kann der Mann, der seine fatale Geschwätzigkeit nicht einzudämmen vermochte, dem nur für ernste Erscheinungen empfänglichen Monarchen nicht haben. Daß es Nohl in München „schlecht ging", der König also seine Munifizenz trotz Wagners Empfehlung auf ihn nicht ausdehnte, beweist hinlänglich, daß er ihm nicht sympathisch war. In Universitätskreisen tauchte es dürfte noch im ersten Quartal des Jahres 1865 gewesen sein auf einmal das Gerücht auf, Nohl habe dem König weismachen wollen, daß er die Gabe des zweiten Gesichtes besitze, worauf ihm dann der Monarch deutlich „abgewunken" habe. Se non e vero, e ben trovato, denn gleich- gesehen hätte dies ja dem Herrn, der sich um jeden Preis ein Ansehen geben wollte wenn auch einmal unversehens am gefährlichsten Orte.

•) Excerpt aus dem Nohl-Akt der k. Universität, welches mir auf Ansuchen freundlich zur Ver- fügung gestellt wurde. Der Verfasser.

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Als Theater-Rezensent (ich weiß nicht mehr, in welches Blatt er hauptsächlich schrieb) war er äußerst scharf und pflegte darüber mit den „Heruntergerissenen" in Weinhäusern gemütlich zu plaudern. Einmal sollte ihm das schlimm zu stehen kommen. In der bekannten Weinrestauration zum Gmähle (Salvatorstraße) ließen sich eines Abends nach dem Theater der Tenorist Bohlig und der Bassist Fischer von Nohl in gedachter Weise unterhalten und es gelang ihnen, ihn bis lange nach Mitternacht bei Redefluß zu erhalten. Endlich brach er doch auf, weil er den nächsten Morgen mit dem ersten Zug nach Wien reisen wollte. Die Herren be- gleiteten ihn bis unter den Torgang bei der Griechischen Kirche und da es dort stockfinster war, nahmen sie ihn in die Mitte und prügelten ihn so unbarmherzig durch, daß ihm am andern Morgen die Reise wohl vergangen sein wird.^) Zu loben ist diese Tat ja nicht, doch dürfen ihr mildernde Umstände zuerkannt werden, da sie herausgefordert war; einem anderen konnte sie nicht leicht passieren. Auch dieses gehört zur Charakteristik des gewiß seltsamen Herrn. Hiemit sollen die wirklichen Verdienste, die er sich durch Herausgabe der „Neuen Briefe Beet- hovens", „Musikerbriefe", „Mozarts Leben", „Beethoven nach den Schilderungen seiner Zeitgenossen" usw. erworben, gewiß nicht unterschätzt werden.

So gut wie andere vernünftige Leute mußte auch Wagner wissen, daß durch musik-ästhetische Vorträge noch kein Mensch musikalischer geworden ist, als er vorher schon war. Das nervöse Getriebe, den König, von dem man bisher nur wußte, daß er der größte Verehrer des Dichterkomponisten war, nun auf einmal als Kenner älterer Musikepochen leuchten zu lassen, war eitel Humbug, hervor- gerufen von der selbstsüchtigen Absicht, dem Publikum glauben zu machen, daß Wagner bescheiden vor dem königlichen Freunde nicht allein gelten, sondern ihn auf die großen Vorgänger, Beethoven, Mozart und andere aufmerksam machen wolle. Merkwürdig bleibt nur, daß er zu diesem Unterricht nicht den zunächst Berufenen, seinen herrlichen Freund Cornelius, sondern gerade Herrn Nohl geeignet hielt.^)

Bei alledem wirft sich die Frage von selbst auf: Welche Rücksicht zollte Wagner der Stellung des königlichen Freundes, welcher außer der Sorge für ihn doch nicht ganz nebenbei noch andere Sorgen, z. B. die Kleinigkeit, das ihm anvertraute König- reich zu regieren, hatte? Wagners schon öfters zitierte Freundin Eliza Wille zeigte sich in der Vorrede zu den „Fünfzehn Briefen von Richard Wagner" als eine begeisterte Schwärmerin für die große Freiheitsbewegung vom Jahre 1830 bis 1848, deren Ende war, daß „Schande und Kerkerhaft über diejenigen kam, die von einem einigen Deutschland träumten", ist also gegen den Verdacht einer Vorliebe für monarchische Zustände gefeit. Diese deutsche Demokratin schreibt im obengenannten Buche auf Seite 146: „. . . Wagners Brief aus Genf traf mich in Hamburg und beunruhigte mich

') Ich erfuhr die Sache in der Gesellschaft „Hölle", deren Mitglieder die beiden Attentäter waren Eine Klage Nohls ist nicht erfolgt. *) Merkwürdig ist auch, wie unvorsichtig, ja vertrauensselig Wagner gegen Leute sein konnte, die sich ihm „anbirschten". Dieses Anbirschen fand allerdings im Hause Wilh. v. Kaulbachs statt, wie ich als Nachbar sogleich erfuhr. Der Verfasser.

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durch seinen Inhalt. Ich kannte München noch nicht, aber ich wußte, daß auch die von König Max begünstigten Gelehrten und Dichter Norddeutschlands den Münchnern unsympathisch gewesen waren. Ernsthafter, tiefergehend schien mir die Abneigung vieler gegen den außerordentlichen Mann, über welchen jetzt die königliche Gunst Glück und Glanz nur zu reichlich ausgegossen hatte. Es war mir von vornherein be- denklich gewesen, daß alles fast beängstigend hoch auf die Spitze getrieben worden war und keine innere Sicherheit des Bestehens bot. Ich war daher der Einladung Wagners zur Vorstellung von ,Tristan und Isolde' nicht gefolgt: ich hatte ihn in Starnberg nicht besucht und konnte auch jetzt nicht das richtige Wort finden, um an Wagner zu schreiben, was mir auf dem Herzen lag, nämlich, daß er nicht der Mann sei, um dem jungen Monarchen ins Bewußtsein zu bringen, daß Kunst und Poesie nicht das höchste Ziel königlicher Gedanken sein dürfen, sondern daß derjenige, der berufen ist, ein Volk im Herzen zu tragen und dessen Rechtesich ins Gewissenzu schreiben, schwerere undernstere Pflichten auf sich habe."^) Wenn ich diesen Brief, den Begebenheiten ziemlich weit vor- greifend, hierhersetzte (wir sind ja noch nicht bei der Uraufführung von „Tristan und Isolde"), so erlaube ich mir auch, den noch etwas weiter zielenden Schluß des- selben zu bringen, weil er interessante Aufschlüsse über die politische Stellung Wagners zum König (so sehr er sie ableugnen will) gibt. (Frau Wille hat das Datum nicht genannt, wir müssen den ganzen Brief jedenfalls als nach dem Jahre 1866 geschrieben, annehmen): „Es war im Beginn jenes Sommers schwüle Zeit in Deutsch- land. Der Krieg zwischen Preußen und Osterreich lag in der Luft, und noch mehr als vor dem Krieg an sich schreckte man zurück vor dem Gedanken eines Bruder- kampfes, der zu Deutschlands Einigung führen sollte. In der Höhe des Sommers war Wille (Gatte) nach Luzern gereist, wo Wagner sich zeitweilig aufhielt und Semper ihm den Grundriß zum projektierten Theaterbau vorlegte. Er traf die Herren bei- sammen, als er Wagner zu bewegen suchte, durch seinen Einfluß auf den König von Bayern diesen dahin zu bringen, daß er neutral bleibe und seine Vermittlung zwischen Österreich und Preußen anbiete." (Die Ausdrucksweise der Frau Wille ist hier etwas flüchtig.) „Wagner, damals voll Widerwillen gegen Bismarck und Preußen, weigerte sich und sagte, er habe in politischen Dingen gar keinen Einfluß auf den König, der, ,wenn er (Wagner) von dergleichen anfange, in die Höhe blicke und pfeife'." Damit verrät aber Wagner, daß er Versuche, den König politisch zu beeinflussen, gelegentlich doch schon gemacht haben muß, sonst hätte er ihn nicht „in die Höhe blicken" sehen und nicht „pfeifen" hören können. Dem König gibt er dadurch das erfreuliche Zeugnis der Selbständigkeit auch ihm, dem Günstling, gegenüber. Indem er aber den großdeutschen Rat des Freundes Semper ablehnte, bewies er, daß er seit 1849 den politischen Blick vollständig ver- loren hatte. Gerade dadurch, daß der König von Bayern zwischen Preußen und Österreich nicht vermittelte, sondern sich (mit dem übrigen Deutschland) au. Seite des letzteren stellte, ward der Plan des gehaßten Bismarck gefördert, ja überhaupt ') Diesen Schluß habe ich mir zu unterstreichen erlaubt. Der Verfasser.

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ermöglicht, Österreich durch Krieg und Sieg, wie 1866 geschehen, von Deutsch- land loszutrennen.

Im Kapitel III S. 41 der ersten Auflage: „Wagner und die öffentliche Meinung* gibt Röckl zu: „Nun läßt sich freilich nicht leugnen, daß die Unbeliebtheit Wagners und seiner Genossen mit Ausnahme von Cornelius nicht nur giftigem Neid, elendem Nörgeln und erbärmlicher Bosheit entsprungen war, sondern daß die Persönlich- keiten zum Teil selbst daran Schuld trugen. Der in seinen Nerven krankhaft über- reizte Bülow beleidigte gar manchen durch die Schärfe seiner Zunge. Nohl ver- letzte durch sein erhabenes Witzeln und verächtliches Herabsehen auf die Münchener Musikverhältnisse. Wagner mußte bei denjenigen, die ihn nach dem gewöhnlichen Menschenmaße beurteilten und nicht erkannten, daß »grandioser Überschwang in jeder Lebens- und Daseinsbetätigung, in der Arbeit und im Genuß, in künstlerischer Leistung wie in ökonomischen Fragen und Bedingnissen ^) innig mit seiner gigan- tischen Künstlernatur zusammenhing, durch seine Empfindlichkeit und Reizbarkeit, seine Heftigkeit, sein Ungestüm in der Vornahme von Plänen, durch seinen unge- wöhnlichen Geldverbrauch und Luxus Anstoß erregen'.** Besonders letzterer sollte auch die Presse beschäftigen, als sich in der Stadt in den ersten Tagen des Februars das sensationelle Gerücht verbreitete, Wagner sei in Ungnade gefallen. Zwar brachten die „Neuesten Nachrichten" am 12. des Monats das Dementi: „Die von verschie- denen Seiten gemachte Mitteilung, Richard Wagner sei in Ungnade gefallen, kann als völlig unbegründet bezeichnet werden. Wenn der Komponist seit vier Wochen nicht mehr zum König berufen wurde, so hat dies seinen Grund darin, daß der König zur Zeit Wichtigeres zu tun hatte." Gleichwohl schrieb die „Augsb. Allgem. Zeitung" vom 14. Februar: „. . . . dem gegenüber kann ich Ihnen bestimmt ver- sichern, daß Richard Wagner die ihm reich zu Teil gewordene Gnade unseres Monarchen völlig verscherzt hat." Darauf entgegnete Richard Wagner im gleichen Blatte: „Lediglich zur Beruhigung meiner auswärtigen Freunde erkläre ich die in einer Münchener Korrespondenz der gestrigen Nummer der ,Allg. Zeitung* über mich gebrachte Mitteilung für falsch." Nichtsdestoweniger blieb der Korrespondent dieser Zeitung in der Beilage am nächsten Tage auf seiner Behauptung, daß jede nähere, von der gedachten Genossenschaft, wie es scheint, mißbrauchte persönliche Beziehung zum königlichen Hof abgeschnitten sei. Gegen diese Notiz der „Alier- gemeinsten" legte Bülow Verwahrung ein: „Ein Münchener Korrespondent der ,Allg. Zeitung* beschuldigt die sogenannten ,Genossen' des Herrn Richard Wagner des Mißbrauchs ihrer Beziehungen zum königlichen Hofe. Da unter gedachten ,Genossen* ich, der Unterzeichnete, allein die Ehre gehabt habe, in derartige Be- ziehungen zu treten, so übe ich mein Recht aus und erkläre den anonymen Urheber jener Verdächtigung für einen ehrlosen Verleumder."

Nun erschien am 19. Februar in demselben Blatt ein längerer Artikel mit der Überschrift: Richard Wagner und die öffentliche Meinung. „Dem Ange- griffenen war es leicht, sich gegen diese Auslassungen, die zum größeren Teil auf

*) C. Kloß: Wagner, wie er war und ward. S. 13.

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schlechten Informationen oder Übertreibungen beruhten, glänzend zu rechtfertigen was hiemit für die ganze Ausdehnung des neun gedruckte Oktavseiten umfassenden Artikels voll bestätigt sei." (Einen größeren Eindruck als dieser Zeitungsstreit machte auf das Münchener Publikum freilich der im beliebten „Punsch" am 26. Februar erschienene Spottartikel „Rumorhäuser," welcher dem Witz über den auch von Freun- den nicht geleugneten Luxus des Günstlings mit drastischer "Wirkung alle Zügel schießen ließ. [Vgl. Röckl, 2. Aufl. S. 97 ff.]). Aber nun eine nicht zu erwartende

Aufklärung! Wer hat die ganze Komödie von der königlichen Ungnade

inszeniert, was war des Pudels Kern? Darauf gibt uns, schreibt Röckl weiter, ein zugleich die Eigenart des Schreibers treffend zeichnender Brief überraschenden Bescheid. Bülow antwortete nämlich auf die Frage Weißheimers, ob denn wirklich wahr sei, was die Zeitungen mitteilten, am 12. Februar, folgendes:^)

„Jene Gerüchte, die Sie so in Aufruhr gesetzt, sind von uns selbst erfunden, um uns gegenüber dem unverschämten, zudringlichen Bettelvolk, was von nah und fern Wagner und selbst meine Wenigkeit, wanzengleich, sommerfliegenähnlich bis zum Exzeß peinigt mit Suppliken um Protektion, einigermaßen uns zu schützen." (Bülow schildert nun die Wirkung mit boshaften Seitenhieben auf die Münchener Gesell- schaft.) „Jetzt sind wir ruhig, ungeschoren selbst die Kammermusiker kommen nicht mehr zum Triospiel zu uns, was meine von ihrer elenden Geigerei gemar- terten Ohren trefflich erholt..."^)

Die Frage, ob Wagner von all den Minen und Gegenminen wußte, beantwortet sich von selbst mit einem Nein, wenn man die überschwänglichen Briefe des Königs an Wagner, dann wieder diejenigen Wagners an seinen Freund, den unglücklichen Leidensgenossen August Röckel, liest, die von dieser frivol erlogenen „Ungnade" handeln. Die andere Frage, ob Bülow zu seinem Schritt von einer Seite angeregt wurde, die im gleichen Jahr auch Wagner zu seinem folgenschweren Zeitungsartikel veranlaßte, trägt die biblische Beantwortung „Du sagst's" gleichsam in sich.

Trotz der ins Unglaubliche gesteigerten künstlerischen Tätigkeit, verbunden mit den ganz unnötigen Aufregungen, die ihm der Witz der treuesten Freunde verursachte, fand Wagner noch Zeit, im Auftrage des Königs einen „Bericht über eine in München zu errichtende deutsche Musikschule" zu verfassen, welchen er am 31. März 1865 ein- reichte. Dieses äußerst wertvolle Schriftstück diente als Grundlage zur Beratung für die Kommission, welche am 24. April auf Befehl des Königs zu geeigneten Vorschlägen einer Neugestaltung des Konservatoriums für Musik zusammentrat. Den Vorsitz führte der Hofmusikintendant von Perfall, Mitglieder waren neben Wagner unter andern Lachner, Bülow und W. H. Riehl. Sie beendeten ihre Arbeiten am 26. Mai. Die Durchführung aller Wagnerischen Vorschläge wurde als zu kostspielig abgelehnt, doch fanden viele in dem neuen Programm Aufnahme. Am 1. August wurde das alte Konservatorium aufgehoben. Der König war mit dem Ergebnis der Verhand- lung durchaus nicht einverstanden; er wies den Entwurf, der die Billigung des

') [Röckl (1913), S.79.] ''') Es waren dies der Violinist Jos. Walter und der Cellist Hippolyt Müller, erste Künstler des Hoforchesters. Der Verfasser.

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Ministeriums gefunden, zurück und schrieb "Wagner: „Ein andererWeg zur Erreichung des Heils müsse betreten werden: das Konservatorium muß vom Ministerium völlig getrennt und die zu bestreitenden Kosten von der Zivilliste übernommen werden." (Eröffnet wurde die neuerrichtete Anstalt verschiedener Umstände wegen erst 1867.)

Doch war dieser Bericht über eine neue Musikschule keineswegs das einzige Werk des rastlos Schaffenden in dieser Zeit. Er arbeitete zum Staunen der Welt mag es gesagt sein bereits an seinem „Siegfried".

Bereits Ende Februar traf Schnorr um der nötigen Besprechung des in Angriff zu nehmenden „Tristan** willen zu einem kürzeren Besuch in München ein; auf Wunsch des Königs veranstaltete die Intendanz eine Aufführung des „Tannhäuser** (S.März): „Ich konnte mich,** schreibt Wagner in seinen Erinnerungen an Schnorr von Carolsfeld, „nur der mündlichen Besprechung bedienen, um über die von ihm erwartete Darstellung mich mit ihm zu verständigen .... Die so oft vergebens von mir begehrte, entscheidend wichtige Stelle des zweiten Finales: ,Zum Heil den Sündigen zu führen usw.', welche von jedem Sänger ihrer großen Schwierigkeit, von jedem Kapellmeister des gewohnten ,Streichens' wegen hartnäckig ausgelassen wird, trug zum ersten und einzigen Male Schnorr mit dem erschütternden und dadurch heftig rührenden Ausdruck vor, welcher plötzlich den Helden als einen

Gegenstand des Abscheues zum Inbegriff des Mitleidswerten macht ** Schade,

daß nicht die ganze von Bewunderung strotzende Erinnerung, welche der Dichter- komponist hier dem großen Sänger und Darsteller weiht, in Ansehung des Raumes hier Platz finden kann.^)

Und nun zur Uraufführung von „Tristan und Isolde**.

In einem offenen, vom 5. Mai 1865 datierten Briefe, den Wagner an seinen Freund Uhl, Redakteur des „Wiener Botschafter" richtete, teilte er seinen Anhängern mit, daß ihnen mit nächstem wirklich Gelegenheit geboten werde, eine Aufführung seines „Tristan und Isolde" zu erleben. Das Wesent- liche in dieser breithistorischen Darstellung ist: Nach Vollendung des Werkes im Sommer 1859 (mitten in der Arbeit an den Nibelungen) projektiert Wagner zunächst eine Aufführung desselben in Straßburg. Davon rät ihm der Direktor des großherzoglichen Hoftheaters in Karlsruhe, Herr Dr. Ed. Devrient im Hinblick auf die finanziellen Schwierigkeiten dringend ab, rät ihm dagegen abzuwarten, ob es den edelmütigen Bemühungen des Großherzogs von Baden gelingen werde, ihn für die Zeit des Studiums nach Karlsruhe zu berufen. Die hiefür nach Dresden getanen Schritte blieben aber ohne Erfolg, und ohne Wagner war ein Einstudieren des Werkes undenkbar. Und gerade in Karlsruhe wäre damals das vortreffliche Künstlerpaar Schnorr von Carolsfeld für die beiden Titelrollen zur Verfügung gestanden. Daß er nun, um sich die Möglichkeit einer ersten Aufführung des Werkes unter persönlicher Beteiligung zu verschaffen, im Herbst 1859 nach Paris übersiedelte, beweist, daß kein Plan so überkühn und aussichtslos sein konnte, daß er ihn nicht gefaßt und allen Ernstes verfolgt hätte. Er scheiterte, weil die materiellen Voraussetzungen Wagners, von denen er sein Gelingen allzu optimistisch erhofft hatte, eben zum größten Teil nicht eintraten. Von dem Eindruck, welchen drei mit großen Kosten gegebene Konzerte auf das Publikum machten, hatte er sich eine entscheidende Einwirkung auf einen befreundeten Kapitalisten erhofft, aber o Mißgeschick dieser ältliche Herr war gerade gänzlich verhindert, den Konzerten beizuwohnen. Nun befahl der Kaiser der Franzosen die Aufführung des „Tannhäuser" in der großen Oper. Diese Katastrophe kostete ihn „ein tief zerstreuendes Jahr seines Lebens". „Ich fühlte mich," schreibt er,

1) Vergl. Richard Wagners gesammelte Schriften, Bd. VIII, S. 227 ff.

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„mitten unter dem Wüten des entsetzlichen Mißerfolges wie von einer verderblichen Störung befreit, die mich bis dahin auf meinem wahren Weg aufgehalten hatte, und dieser Weg führte mich, da mir Paris anderseits wenigstens zur Wiedererschließung Deutschlands verholfen hatte, sofort nach Karlsruhe, um dort die endliche Ermöglichung einer ersten Aufführung meines Tristan zu betreiben.

„Es war Mai 1861 geworden. Sofort der gnädigsten Gesinnung des großherzoglichen Paares, wie vordem, versichert, hatte ich dagegen den inzwischen stattgefundenen Fortgang des Künstlerpaares Schnorr von Carolsfeld zu beklagen, welches eine dauernde Anstellung in Dresden angenommen hatte. Ich sollte nun, der geneigten Absicht meines edlen Gönners gemäß, mir die Sänger aus- suchen, die man zu einer musterhaften Aufführung meines Werkes nach Karlsruhe berufen könnte. Ich eilte nach Wien, um die dortigen Kräfte näher zu prüfen. Sie, lieber Uhl, erlebten mit mir die damals stattfindende schöne, für mich erste Aufführung des Lohengrin und finden begreiflich, daß alles, was ich an diesem berauschenden Maiabende erlebte, meinem gestörten Lebenslauf plötzlich eine neue Richtung geben mußte. Die vortrefflichen Sänger der kaiserlichen Oper für eine Auf- führung meines „Tristan" nach Karlsruhe zu bekommen, stellte sich sofort als eine Unmöglichkeit heraus. Dagegen konnte ich dem Anerbieten der ersten kaiserlichen Theaterbehörde, den „Tristan" alsbald in Wien selbst zur Aufführung zu bringen, unbedenklich entgegentreten."

Von hier an sei das Wesentliche des Briefes in Kürze ausgezogen : Dem beliebten Tenoristen Ander, der bereits von schwankender Gesundheit war, mußte die Bewältigung der Hauptrolle des „Tristan" jedenfalls zu viel zumuten. Da alle übrigen Partien vortrefflich zu besetzen waren, suchte Wagner durch Kürzungen, bezw. Änderungen zu helfen. Aber wegen Erkrankung Anders Tichatscheck und Schnorr, beide in Dresden, konnten nicht abkommen mußte das Unternehmen auf ein Jahr verschoben werden. Zur Überraschung Wagners zeigte im Sommer 1862 die Direktion der kaiser- lichen Hofoper diesem an, Herr Ander fühle sich vollkommen hergestellt und erkläre sich zur Wiederaufnahme des Studiums von „Tristan und Isolde" bereit. Im Herbst darauf der Grund ist schwer einzusehen sah sich Wagner wegen eines solchen auch in Dresden um, wo freilich alle Mittel zur Ausführung bereit waren, die Haltung der königlichen Generaldirektion aber sofort erkennen ließ, daß an ein Befassen mit Wagner und seinem Werke dort nicht im entferntesten auch nur zu denken sei. Und als er dann gelegentlich einer Durchreise durch Berlin dem Generalintendanten des kgl. preuß. Hoftheaters seinen Besuch anmelden ließ, mußte er erleben, daß sich dieser denselben einfach verbat. Unter solchen Umständen mußte er aufs neue seine, wenn auch sehr geschwächten Hoffnungen auf Wien wenden. Hier hatte aber seit den ersten Verzögerungen des „Tristan" die musikalische Presse sich mit Vorliebe der Aufgabe hingegeben, zu beweisen, daß das Werk überhaupt unausführbar sei: kein Sänger könne die Noten treffen, noch behalten. In Wahrheit machten freilich die Wiener Sänger, „durch des werten Freundes Kapellmeister Esser ungemein intelligenten Fleiß und Eifer angeleitet", dem Komponisten die große Freude, die ganze Oper ihm fehlerfrei und wirklich ergreifend am Klavier vorzusingen. Wie es ihnen später beikommen konnte, wiederum zu behaupten, sie hätten ihre Partien nicht erlernen können denn so ist Wagner berichtet worden blieb ihm ein Rätsel, wenn er den spiritus rector dieser Wandlung nicht im Gebaren der Presse sehen wollte, welcher sich die Sänger wie die Direktion der kaiserlichen Oper gleichmäßig zu beugen hatten. In Moskau, wo er sich eben durch gutbezahlte Konzerte Geld machte, erhielt er im März 1863 eine Mitteilung der kaiserlichen königlichen Hofoperndirektion, nach welcher er mit seiner Rückkehr nach Wien zu den um diese Zeit anberaumten Generalproben des „Tristan" sich nicht zu beeilen hatte, da Krankheitsstörungen eingetreten seien, welche die Aufführung vor den Theaterferien unmöglich machten. Wagner glaubte, es herrschte im Personal allgemein die Ansicht, Ander würde auch beim besten Willen seine Partie nicht aushalten, geschweige denn öfter durchführen können. Unter solch mißlichen Umständen konnte die „Oper" auch unmöglich der Direktion als ein Gewinn für das Repertoire gelten. Wagner fand dies so ganz richtig und in der Natur der Dinge begründet, daß er sich um weitere Aufklärungen nicht mehr bekümmerte. „So war denn mein ,Tristan und Isolde' zur Fabel geworden. Ich war hie und da freundlich behandelt, man lobte ,Tannhäuser' und ,Lohengrin*, im übrigen schien es mit mir aus zu sein. Das Schicksal hatte es aber anders beschlossen."

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Denken wir uns mit diesem frohen Wort, das noch immer nicht das Schlußwort des Schreibens an Herrn Uhl ist, die Szene von Wien nach München gerückt, wo wir im Anfang des April 1865 Wagner mit Bülow und dem ganzen Sänger- personal, an der Spitze das Schnorrsche Ehepaar, in der letzten ernsthaften Vor- bereitung zur Aufführung von „Tristan und Isolde" treffen. Einen charakteristischen Einblick in dieses glückliche Künstlertreiben gibt uns Frau Herwegh in der „Gegenwart« 1897:

„Wagner, am Klavier sein Musikdrama spielend, singend, erklärend, war ein ganz eigner Genuß. Dann verschwand das kleine Männchen mit der krummen Nase und dem Altweiberkinn und dem komischen Sächseln, und man sah nur seine in Genialität funkelnden Augen, seine Begeisterung, seine Bühnengestalten in einem Meer von Wohllaut. Hörte er mit geschlossenen Augen den unter Bülows Klavierbegleitung übenden Künstlern zu, so sprang er, falls eine schwierige Stelle besonders schön geglückt war, auf, umarmte oder küßte lebhaft den Sänger oder die Sängerin oder stellte sich gar vor Freude am Sopha auf den Kopf.^) Überhaupt entwickelte er in diesen Proben ausgelassenen Humor, hinreißende Herzensgüte und Liebenswürdigkeit. Da sah man seinen glücklichen Mienen an, wie wohl es ihm war, und den so oft ernsten und verdrießlichen Wagner hätte niemand dahinter gesucht. In kindischem Mutwillen veränderte er die Namen der Anwesenden, be- zeichnete scherzend die Mitwirkenden als seine Menagerie. So nannte er die beiden Schnorr bei der Arbeit Löwen, im geselligen Verkehr mit Anspielung auf ihre Körperfülle weiche, mollige Tierchen mit gemütlichem Gesumm, die per- sonifizierten Hummeln."

Am 10. April fand im Residenztheater unter Bülows Leitung die erste Orchester- probe des ersten Aktes statt, von da ab jeden Vormittag Orchesterprobe, jeden Abend bei Wagner Klavierprobe. Am 14. April schon konnte Bülow an K. Gille schreiben^): „Unterdessen habe ich schon elf große Klavierproben gehalten und drei Orchesterproben. Es geht alles so glatt, als es sich nur wünschen läßt. Zwischen 10. und 17. Mai findet die erste Aufführung bestimmt statt. Im ganzen werden etwa fünf Vorstellungen vom Stapel laufen jedenfalls Anfang Juni noch eine oder zwei, da die fremden Sänger bis zum 9. Urlaub haben. Schnorrs und Mitterwurzer himmlisch, Frl. Deinet (Brangäne) von hier recht tüchtig, Zottmayer aus Hannover (Marke) noch schwach am Kopf, aber stark an Lungen und statt- liche Persönlichkeit.« ^)

*) Diese gar groteske Freudenäußerung des sonst so ernsthaften Meisters hat in Paris auch seine Freundin Ingeborg Bronsart von Schellendorf, wie sie mir erzählte, miterlebt. Der Verfasser. ') Bülow a. a. O. S. 25. ^) Daß Wagner als Vertreter dieser in jeder Richtung schwierigsten, gefährlichsten Rolle gerade diesen Sänger wählen konnte, welcher mit der Ungeschlachtheit seines Gesanges noch die seiner Körperbewegungen übertraf, konnten die damaligen Theaterfreunde, unter ihnen meine Wenigkeit, schlechterdings nicht begreifen. Die Sache läßt sich kaum anders erklären, als daß durch das Zusammentreffen ungünstiger Zufälle die Wahl eines ernst zu nehmenden Künstlers unmöglich geworden war, und Bülow mußte gute Miene zum bösen Spiel machen. D. V.

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Ein folgenschwerer Zwischenfall ereignete sich bei der Probe vom 2. Mai, wo- rüber am 7. d. Mts. die „Neuesten Nachrichten" also berichteten:

„Herr von Bülow habe die Erweiterung des Orchesters verlangt, und als ihm Herr Maschinist Penlcmayer erwiderte, daß dann wenigstens dreißig Sperrsitze weggeräumt werden müßten, geäußert: ,Nun ja, was liegt daran, ob dreißig Schweinehunde mehr oder weniger hereingehen/ Wir wollen hiermit Herrn Hans von Bülow Gelegenheit geben, sich über diese Anschuldigung zu äußern." Dieser entgegnete am 9. Mai, es sei völlig richtig, daß er nach Beendigung der Probe vom 2. Mai sich eines Ausdrucks bedient habe, den er nicht anstehe als einen höchst unparlamentarischen zu bezeichnen, er habe nicht im entferntesten eine Gesamtverunglimpfung des gebildeten Münchener Publikums beabsichtigt. Demgemäß habe er bei seiner aus dem Zusammenhang gerissenen, wesentlich getrübten Äußerung auch nur diejenigen böswilligen Theaterbesucher im Sinne gehabt (und haben können), welche verdächtig sind, an den in Wort und Schrift gegen den hochverehrten Meister gesponnenen Verleumdungen und Intriguen teilgenommen zu haben. Dem fügte die Redaktion bei: „Mit dieser Ehrenerklärung des Herrn Hans von Bülow, glauben wir, wird die unangenehme Sache für den nicht skandalsüchtigen Teil unserer Mitbürger in befriedigender Weise seine Erledigung gefunden haben."

Aber mitnichten, die öffentliche Meinung beruhigte sich nicht. Röckl (2. Auf- lage, S. 138 f.) sagt hiezu: „Zur Entschuldigung des wirklich grundehrlichen Bülow muß angeführt werden, daß er von monatelanger schwerer Krankheit ungenügend erholt, in der Genesung behindert durch die Feindseligkeiten, welche ihn als Freund Wagners unausgesetzt verfolgten, von einer des nötigen Erwerbes wegen unter- nommenen Konzertreise müde zurückkehrend, die Einstudierung des ,Tristan* begann. Und mit welchem aufreibenden Eifer er derselben oblag, beweist die Tatsache, daß er einmal während einer Probe ohnmächtig vom Dirigentenpulte sank.* Wäre genau dasselbe anno 1865 in München geschrieben worden, so würde jeder anständige Münchener, insbesondere jeder Fachmusiker, der Bülow kannte und ihn nach seiner damaligen Lage beurteilte, gesagt haben: „Mir aus der Seele geschrieben."

Kennen lernen konnte man den ausgezeichneten Mann überhaupt erst in den Zeiten allmählich eingekehrter Ruhe, etwa von seiner Ernennung zum Hofkapell- meister 1867 an, während sein ganzes, oft recht seltsames Gebaren und Handeln, wie wir es bis jetzt erfahren haben, die notwendige Folge einer ungeheueren Nervosität war, unter deren unausgesetztem Druck eine weniger zähe Natur wohl zugrunde gegangen wäre.^)

Nach 24 anstrengenden Orchesterproben wurde die Generalprobe von „Tristan und Isolde" am 11. Mai im Hoftheater (von 10 Uhr vormittags bis SV* Uhr nach- mittags) vor geladenen Zuhörern gehalten. Vor Beginn des Vorspiels erschien Wagner am Proszenium und hielt mit bewegter Stimme eine Ansprache, aus welcher hiemit das Wichtigste hervorgehoben sei. „Meine Herren und Freunde vom könig- lichen Hoforchester! Zunächst muß ich Ihnen mitteilen, daß ich mir die Ehre versagen muß, mich diesmal an Ihre Spitze zu stellen. Und es ist dies eine große Ehre, der ich entsagen muß: nur wichtige Gründe können mich, das ermessen

') [Daß Bülow auch anderen Münchener Musikern konservativer Richtung sympathisch war, be- stätigt u. a. Rheinbergers Lebensgeschichte. Vergl. Th. Kroyer, Jos. Rheinberger. Sammlung Kirchen- musik. 1916, S.84fF.]

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Sie wohl, zu dieser Entsagung bestimmen. Der erste dieser Gründe ist für mich betrübender Art, er rührt von meiner Gesundheit. Ich bin leidender als manchem es den Anschein haben mag: Die ungemeine Aufregung und Anstrengung, die für mich die persönliche Leitung des Orchesters mit sich führen würde, könnten mich leicht außer Stand setzen, ohne Störung zu bereiten, Ihrer Leistung vor- zustehen Der zweite Grund ist dagegen erhebend und schön: Ich bin Ihnen

zum Gelingen nicht mehr nötig. Wenn Sie mich recht verstehen, so sage ich Ihnen hiemit den zartesten Lobspruch. Mein Werk ist in Ihnen aufgegangen, aus Ihnen tritt es mir wieder entgegen, ich kann es ruhig genießen. Dies ist ein einziges Glück. Das Schönste ist erreicht, der Künstler darf über seinem Kunstwerke ver- gessen werden. . . . Dieses beglückende und befreiende Vergessen rufe ich jetzt auch für meinen teuren Freund an, der meinen Ehrenplatz an Ihrer Spitze ein- nimmt; möge auch seine Person über seiner Leistung vergessen werden, der Sie gewiß mit mir die vollste Anerkennung zollen I. . ."

Das Wichtigste, auch fühlbar für Wagner Wichtigste der Rede war deren Schluß, welcher denn auch, wenigstens für den Moment, einen bedeutsamen Ein- druck auf die übergroße Mehrheit der Anwesenden machte: „Das deutsche Publikum war es, welches mich gegen die sonderbarsten Anfeindungen der Parteien über- all aufrecht erhielt. Doch ist vielleicht der Haß nicht überall zu tilgen: gegen ihn wenden wir das Mittel an, welches uns ,Tristan und Isolde* kennen lehrt. Isolde glaubt Tristan zu hassen und reicht ihm den Todestrank: doch das Schicksal wandelt ihn in den Trank der Liebe. Dem gifterfüllten Herzen, das etwa unserem Werke nahen sollte, reichen wir den Liebestrank. An Ihnen ist es, diesen Liebes- zauber auszuüben, ich lege mein Werk in Ihre Hand."

Hier sagt Röckl (Seite 146): „Der Komponist sprach besonders die Schlußworte in tiefer Bewegung, und verschwand dann von der Bühne unter dem Beifallsgruß seiner anwesenden Freunde und Anhänger." Die Bewegung des Meisters war auch von allen Anwesenden bemerkt. Sie war ja sehr natürlich. Stand er doch un- mittelbar vor dem kritischsten Ereignis seines Lebens: ein Werk vom Stapel zu lassen, das sich durch innere Eigenart von allen bisherigen weit unterschied und durch Schwierigkeit und Länge alles bisher Dagewesene ebenso weit überbot. Hier- durch war ein voller Erfolg mindestens nicht garantiert. Dies entschuldigte auch bei allen objektiv Denkenden sein sichtliches Bestreben, das Publikum persön- lich zu beeinflussen, so weit sich nämlich die Beeinflussung auf Überredung beschränkte, welche nicht wirksamer als mit obigem poetischen Symbol versucht werden konnte. (Noch heute erinnere ich mich, als ob es gestern gewesen, des spontanen Applauses, welchen mir diese Schlußworte Wagners entlockten.) Dabei darf aber erwähnt werden, daß, wie mir, den meisten Anwesenden das Gegen- gewicht der Logik, eben durch die Erregung, die sich unserer bemächtigte, ab- handen gekommen war. Daß dieser Zustand, den ich einen pathologischen nennen möchte, nicht lange anhielt, dafür sorgte nicht, was man hörte, sondern was man sah. Wagner war nicht alltäglich, sondern in festlichster Kleidung, vom Kinn bis

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zu den eleganten Lackstiefelchen in tiefem Schwarz drapiert, erschienen. Das hob seinen Kopf noch bedeutsamer denn je, fast geisterhaft hervor. An Raffinement der äußeren Empfehlung fehlte es also nicht. Aber gerade dieses nur zu bald erkannte Raffinement führte die Ernüchterung herbei. Man fragte sich: Ja wo sind denn die „gifterfüllten Herzen", welchen „statt des Todestrankes der Liebes- trank gereicht werden soll"? Wenn man von ein paar rabenschwarzen Journalisten absah, war niemand gifterfüllt, niemand in Erwartung eines Parteikampfes ge- kommen,^) sondern man war gespannt, welchen Eindruck man von dem neuen, der Hauptsache nach noch unbekannten Werk gewinnen werde.

Nach Wagner hielt Bülow eine kurze Ansprache: Die hohe Ehre, eine der herrlichsten wie schwierigsten Tondichtungen leiten zu dürfen, erfülle ihn mit stolzer Freude und inniger Dankbarkeit, um so mehr, als sie ihn in den Verkehr mit den ersten Künstlern Deutschlands geführt habe. Er spreche dem gesamten Orchester die aufrichtigste Hochachtung aus; die Verbindung mit ihnen zu gemein- samem Wirken zähle er zu den reinsten und schönsten Erinnerungen seiner künst- lerischen Laufbahn. Er bitte sie, ihm auch für die öffentlichen Aufführungen die freundliche Unterstützung zu gewähren, die sie während der Proben ihm „dem zeit- weiligen Dirigentenstab Richard Wagners" erwiesen hätten. Hierauf begann die Probe, und es erschien bald der König, welcher bis zum Schlüsse anwesend war und lauten Beifall äußerte. Der Komponist wurde nach jedem Akt gerufen, zeigte sich aber nicht. Er hatte sich in eine Zuschauerloge zurückgezogen. Das Schnorr- sche Ehepaar folgte am Schlüsse dem Hervorrufe.

Und welchen Eindruck, wird der Leser fragen, machte das Werk in dieser ersten Vorführung auf die Gäste? Wir „Leute vom Theater", darunter sehr viele Mit- glieder der „Hölle", suchten uns in einem darauffolgenden kurzen Symposion beim Augustiner in der Neuhauserstraße darüber selber klar zu werden. Aber das Resultat unserer Selbsterforschung war nur die Erkenntnis vollständiger geistiger und körperlicher Übermüdung, welche ein Festhalten auch nur kleinster Teile des Riesenwerkes gänzlich ausschloß, ein durchaus hilfloser Zustand (heute wohl manchem unverständlich). In die gute Stadt München brachte der durch dieses Werk entfesselte Parteikampf durchaus nicht soviel Unruhe, wie eigentlich aus den Zeitungen hervorgehen würde. Während er sich ausschließlich der gebildeten Kreise bemächtigte, nahm der Durchschnittsmünchener keine Notiz davon, indem er getreu der guten alten Zeit sein Interesse „konsumptibleren Genüssen" zuwendete. Da- gegen hatten die Gebildeten, unter diesen namentlich die jüngere Generation, sich ja längst mit dem Komponisten des „Tannhäuser", „Lohengrin" und „Holländer"

*) [Hier darf wohl an die vorausgegangenen Intriguen und Verleumdungen erinnert werden, worüber Röckl in den ersten Kapiteln seines Buches ausführlich berichtet. Wagner hatte wohl Grund zur Erbitterung und nach den unmittelbaren Vorfällen mußte er fürchten, daß man ihm die Freude an der Erstaufführung seines Lieblingswerkes vergällen würde. Tatsächlich war Wagner ausgerechnet am Aufführungstag mit Schuldhaft bedroht (s. S. 486), und in einem Brief an den König macht sich sein Groll in herben Worten Luft. Der Herausgeber.]

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zurechtgefunden, nur gerade der „Tristan" erregte vielfachen Anstoß, weniger durch seine vorläufig unverstandene Musik, als durch seine mittels der Textbücher bekannt gewordene Dichtung. Wie diese nicht ganz unbegreiflich den Sturm der „frommen" Blätter, „Volksbote" u. dergl., erregte, bot die mitunter sehr auffällige, wirklich nie dagewesene Sprache dem Witz eines „Punsch", der wohl niemals eifriger gelesen wurde, willkommenste Objekte, so daß auch der Bürgerstand reichliche Unter- haltung in einer Kunstsache erhielt: etwas Neues in München, was zur Popu- larisierung des „Tristan", wenigstens im äußerlichen Sinne, nicht wenig beitrug.

Die erste Aufführung des Werkes sollte am 15. Mai, die zweite am 18. Mai, die dritte am 22. Mai, dem Geburtstage Wagners, stattfinden. Der König schrieb am ersten Aufführungstag an Wagner^): „Ein und All! Inbegriff meiner Seligkeit! Wonnevoller Tag! Tristan. Wie freue ich mich auf den Abend! Käme er doch bald! Wann weicht der Tag der Nacht! Wann löscht die Fackel aus, wann wird es Nacht im Haus? Heute, heute, wie zu fassen! Warum mich loben und preisen! Er vollbrachte die Tat! ER ist das Wunder der Welt, was bin ich ohne Ihn!? Warum, ich beschwöre Sie, warum finden Sie keine Ruhe, warum stets von Qualen gepeinigt! Keine Wonne ohne Weh, o wodurch kann endlich Ruhe, endlich ewiger Frieden auf Erden, stete Freude für Ihn erblühen. Warum stets betrübt bei aller Freude, den tief geheimnisvollen Grund, wer macht der Welt ihn kund! Meine Liebe für Sie, o ich brauche es ja nicht zu wiederholen, bleibt Ihnen stets! ,Treu bis in den Tod!' Mir geht es wieder gut! Tristan wird mich trotz der Ermüdung vollkommen wieder herstellen! Die herrliche Maienluft in Berg, wohin ich bald ziehen werde, wird mich vollends kräftigen! Bald hoffe ich meinen Einzigen wiederzusehen! Wie freuen mich Sempers Pläne, hoffentlich lassen die Pläne für den monumentalen Bau der Zukunft nicht zu lange auf sich warten! Alles muß erfüllt werden; ich lasse nicht nach! Der kühnste Traum muß verwirklicht werden! Dir geboren, Dir erkoren! Dies mein Beruf! Ich grüße Ihre Freunde, sie sind die Meinigen! Warum betrübt, bitte schreiben Sie! Ihr treuer L. Tristan -Tag."

Dieses Datum des glückberauschten Königs ist und bleibt aber noch eine Zeitlang wandelbar; es sollte sich durch allerlei Mißgeschick vom 15. Mai bis zum 10. Juni verschieben, an dem nun endlich die Uraufführung vor dem Publikum stattfand. Am erstgenannten Datum waren aber aus aller Welt Kritiker, Feinde und Freunde Wagners gekommen, [die sehr enttäuscht waren, als sie abends vor den Toren des Theaters erfuhren, daß die Aufführung wegen Heiserkeit der Isolde (Frau Schnorr von Carolsfeld) abgesetzt war.] Einer der Freunde, Richard Pohl, schreibt hierzu: „Als wir nachmittags 5 Uhr in der glücklichsten Stimmung aus den Arkaden traten, sahen wir an den Straßenecken Menschengruppen, welche einen eben angeklebten Maueranschlag studierten. Wir traten hinzu und lasen auf dem kleinen weißen Zettel die denkwürdigen Worte: ,Infolge plötzlich eingetretener Heiserkeit der Frau Schnorr von Carolsfeld (Isolde) kann die Aufführung von ,Tristan und Isolde' nicht stattfinden !'

») „Die Waage", Jahrg. II, Heft 2, S. 24 ff.

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Dieser in Eile geschriebenen Hiobspost fehlte zufällig die Unterschrift der Hof- theater-Intendanz. Mein erster Gedanke war daher: diese Nachricht ist nicht offiziell. Ein Gang zum Theater aber belehrte uns nur zu bald, daß dieses Straßen- bulletin kein Schreckschuß sei. Zahlreiche Gruppen standen vor dem geschlossenen Hause und erschöpften sich in Vermutungen, während der jugendliche König dann und wann an einem Fenster der Residenz sich zeigte und auf das rege Treiben lächelnd herniederschaute." [Damit war dem Klatsch neue Nahrung gegeben, man munkelte von Verschwörung und Streik. Unter anderem wurde aber bekannt, daß Wagner am 15. Mai wegen einer Wechselschuld hätte festgesetzt werden sollen.] Diese Kunde hatte eine gewisse Wahrscheinlichkeit für sich, denn in der Tat fahndete ein Herr aus dem gegnerischen Lager sein glänzender Name sei ver- schwiegen — nach Wechseln oder sonstigen Schuldverschreibungen Wagners, welche ihn unfehlbar in Haft gebracht hätten. Immerhin war Unwohlsein der Hauptdar- stellerin die Ursache der Absage: „Infolge dieses Zwischenfalles herrschte im Lager der Zukunftsmusik aufrichtige Bestürzung. Auch den Fremden, die Zeit und Geld geopfert hatten, fuhr der Schreck in die Glieder. Doch die bestimmte Aussicht, daß die erste Aufführung noch in derselben Woche stattfinden werde, hielt fast alle in der Nähe zurück."^) [Aber nicht am 21. Mai, auch nicht am 26. Mai sollte ihr Wunsch erfüllt werden. Inzwischen erging sich die feindliche Presse, „Volksbote" und „Punsch* voran, in ausgelassenenVerunglimpfungen des Werkes und seines Schöpfers. Im „Punsch" erschien, aus der Feder Martin Schleichs, eine ulkige „Unpäßlichkeits- arie Isoldens", deren Versbildung zugleich eine Satire auf Wagners Dichtung bildete.]

Daß ein Gebildeter und zu diesen gehörte doch Martin Schleich, der erfolgreiche Lustspieldichter also schadenfreudig auf das Leiden einer großen Künstlerin, das sie sich durch Übereifer zugezogen hatte, sticheln konnte und durfte, gäbe eigentlich einen traurigen Beweis damaliger Versumpfung im lieben München, wenn die mora- lische Entgleisung nicht wieder als Reaktion auf das „übertriebene Getriebe" der Zukunftsmänner angesehen werden dürfte. Es war eben die Tristan-Hetz', nach Wiener Art zu sprechen, welche ausnahmsweise ganz München in Aufruhr brachte.

Endlich [nach verschiedenen verzweifelten Bemühungen Wagners, den Freunden einstweilen Ersatz zu bieten] kehrte am 5. Juni das Schnorrsche Ehepaar [das nach Reichenhall abgereist war] gesund zurück. Am 6., 7. und S.Juni wurde geprobt. Am 10. fand die Aufführung außer Abonnement statt, [in Gegenwart des Königs, seines königlichen Großvaters König Ludwig I. und anderer Mitglieder des Hofes.^) Bülow stand am Dirigentenpult. Nach jedem Aufzug wurden die beiden Hauptdar- steller, zuletzt auch der Komponist stürmisch gefeiert.] „Fünf Minuten vor elf Uhr

') Hier erzählt Röckl (S. 152) von den musikalischen Unterhaltungen, welche in dieser Zeit der Erwartung teils im Hause Bülows, teils in Wagners reizender Villa an der Briennerstraße statt- fanden, wobei den Gästen neues aus den „Meistersingern" und dem „Rheingold" geboten wurde und Wagner humorvoll sagte: „Kinder, ihr müßt euch einbilden, alle krank geworden zu sein, wir gründen hier ein großartiges Spital". ^) [Die ausführliche Schilderung dieses denkwürdigen Vor- gangs siehe bei Röckl (2. Aufl.) S. 160 ff.]

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endigte die Vorstellung. Da entsteht ein Kampf, Applaus und Zischen ringt um den Sieg, die Unparteiischen harren gespannt des Ausgangs, der König steht in der Loge, er klatscht Beifall, Wagner zeigt sich dem Hause in schwarzem Rock und weißen Beinkleidern, geführt von dem Schnorrschen Ehepaar, ihn grüßt der Beifallsturm der Freunde, empfängt das Zischen der Andersgesinnten. Der Vor- hang fällt über eine große Tat".^)

[Die Presse urteilte für und wider.] „So schroff sich [aber] die einzelnen Stimmen über die Bedeutung des Werkes selbst entgegenstanden, so einig waren sie alle über die unvergleichliche Leistung des Orchesters unter Bülows Leitung und des Schnorr- schen Künstlerpaares. Die Rolle der Brangäne, vor deren Schwierigkeiten Frl. Stehle, für die sie Wagner bestimmt hatte, zurückgescheut war,^) wurde von dem treff- sicheren, musikalisch hochgebildeten Frl. Deinet (spätere Frau von Possart) zur allgemeinen Zufriedenheit durchgeführt. Hingegen erregte der augenrollende Kurwe- nal des Herrn Mitterwurzer durch sein outriertes Spiel gerade in einer der ergreifendsten Szenen des dritten Aktes ziemliche Heiterkeit; zudem war er auch noch heiser. Zottmayer (Marke,) schwächte seine ,gesangliche Leistung' (!) durch hölzerne Darstellung." Die kleineren Partien, Kostüme und Dekorationen (Maler Doli und Quaglio) ließen nichts zu wünschen übrig.

In grenzenloser Begeisterung dankte der König dem Tondichter in einem Handschreiben aus Berg, den 12. Juni.^) Auch dem Dirigenten sprach er in einem von einer Brillantnadel begleiteten schmeichelhaften Briefe seinen Dank für die geniale Leitung aus. Dem Schnorrschen Ehepaar ließ er Brillantringe überreichen.

„Die zweite Aufführung, ebenfalls außer Abonnement, am 13. Juni, gestaltete sich zu einem Triumphe für Wagner, indem er am Schlüsse der Vorstellung, welcher der König wieder mit gespanntestem Interesse beiwohnte, von dem mit Ausnahme der ersten Rangloge dicht besetzten Haus dreimal stürmisch gerufen wurde. Von den 360 Billetten,*) welche Wagner für diese Aufführung zur Verfügung standen, schickte er fünfzig an das Universitätssekretariat zur geneigten Verteilung an Studenten".

^) Hiezu muß ich bemerken, daß ich, der diese Uraufführung persönlich mitgemacht, meine Erinne- rungen — sie gehen nun auf 44 Jahre zurück vollständig bestätigt sehe. Der Verfasser. *) Als langjähriger Freund und späterer Kollega von Frl. Stehle an der Münchner Hofoper (Musikdirektor von 1869/70 bis 1872/73) muß ich entgegenhalten, daß sie genau so wie Frl. Deinet eine geborene Musikerin war, und daß sie daher die Rolle der Brangäne, die ihr gemäß tieferer Stimmlage noch dazu bequemer als Frl. Deinet lag, aus ganz anderen Gründen abgelehnt haben muß. Leider bin ich nie dazu gekommen, über diese Angelegenheit mit ihr zu sprechen. Der Verfasser. [Röckl hat diesen auf die Stehle bezüglichen Satz in der 2. Auflage (S. 167) gestrichen.] '')C.vonHeigel, König Ludwig II. S. 118 ff. *) Die Verantwortung dieser Notiz muß ich natürlich Röckl überlassen, der übrigens von Wagner-freundlicher Seite orientiert ist. Dem Komponisten eine so enorme Menge von Freibilletten zur Verfügung zu stellen, beweist außer einer schicklichen Loyalität des „Intendanz- rates" Wilhelm Schmitt gegen seinen König auch seine Klugheit, welche ihn zur Theaterleitung so außerordentlich qualifizierte. Durch Leere wird jedes Theater diskreditiert, durch 360 besetzte Plätze diese aber mindestens maskiert. Der schwere finanzielle Ausfall muß eben durch andere Vorstellungen gedeckt werden, Meyerbeer-Opern u. dergl.

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Zur dritten Aufführung (19. Juni) im Abonnement erschien Ludwig II. nicht, aber sein Bruder, Prinz Otto, und sein Oheim, König Otto von Griechenland. Das übervolle Haus spendete den Mitwirkenden nach jedem Alct jubelnde Aner- kennung; auch Wagner mußte am Schlüsse dreimal erscheinen. Der Komponist, von dieser Huldigung gerührt, umarmte den Darsteller des Tristan angesichts des Publikums.

Die vierte und letzte Tristanaufführung am I.Juli, außer Abonnement, hatte ebenso durchschlagenden, ja außerordentlichen Erfolg. „Aufgehobenes Abonnement, dennoch volles Haus mit Ausnahme des ersten und zweiten Ranges. Schnorrs nach jedem Akt zweimal gerufen, Wagner am Schlüsse sogar dreimal."^) [An diese Aufführung knüpft sich das von dem Tondichter wunderbarerweise vorausgeahnte tragische Ende des genialen Tristan-Sängers.]

Wagner erzählt in seinen Erinnerungen an den Künstler, daß dieser bei seinem Auftreten sehr unter schweißtreibender Erhitzung zu leiden hatte und gefähr- liche Folgen befürchtete. „Etwa acht Tage nach unserm kaum beachteten Abschied wurde mir Schnorrs Tod telegraphiert. Ein schrecklicher Rheumatismus hatte sich seines Kniees bemächtigt und zu einer in wenigen Tagen tötenden Krankheit geführt^) .... Ich verhoffte mit Bülow noch zur Stunde der Beerdigung unseres gemeinsamen geliebten Freundes in Dresden anzulangen, umsonst, die Leiche hatte bereits einige Stunden vor der bestimmten Zeit der Erde übergeben werden müssen; wir kamen zu spät. In heller Julisonne jubelte das buntgeschmückte Dresden in derselben Stunde dem Empfange der zum allgemeinen deutschen Sängerfeste ein- ziehenden Schaaren entgegen. Mir sagte der Kutscher, welcher, heftig von mir angetrieben, das Haus des Todes zu erreichen, mit Mühe durch das Gedränge zu gelangen suchte, daß an 20000 Sänger zusammengekommen seien. ,JaS sagte ich mir: , der Sänger ist eben dahin'!"

In diesem grellen Gegensatze gleichzeitiger Ereignisse welch' furchtbare Tragik!

') Dieser Erfolg kann nicht überraschen, wenn man annimmt, daß Intendanzrat Schmitt, seiner vernünftigen Behandlung der Sache treu bleibend, seine Billetten-Freigebigkeit nicht eingeschränkt hat. Hierdurch allein schon mußte das Theater das gleiche Bild der Wohlbesetztheit bieten, wie bei der dritten Aufführung. Es kam aber noch ein weiterer Umstand dazu, der den Besuch förderte. Wagner hatte sich einem Teil der Bürgerschaft, und zwar gerade dem intelligenteren, Galanteriewaren-, Nippsachengeschäften, durch ergiebigste Einkäufe insinuiert. Dafür wollte man sich revanchieren. So sagte mir ein Mitglied der Bürger-Sänger-Zunft, welcher Kontorist in dem von Wagner besonders heimgesuchten Galanteriegeschäft an der Ecke der Brienner- und Ludwigstraße war: Wagner war nobel gegen uns, wir müssen was entgegen tun, das können wir jetzt am besten im „Tristan". Und eine tapfere Claque förderte den Erfolg ganz entschieden; es war, als ob der „Tristan" plötzlich populär geworden wäre. Daß dies jedoch nicht der Fall war, bewies das Erscheinen einer abscheulichen Karikatur gerade auf das Schnorrsche Ehepaar im Tristan-Kostüm, welche in Massen gekauft wurde und welcher sich Abbildungen des in seinen Bewegungen unerschöpflichen Dirigenten v. Bülow an- schlössen. Die Signatur jener Tage war eben noch immer Kampf der Parteien. '■') Schnorr starb am 21. Juli und wurde auf dem Annenkirchhofe zu Dresden bestattet. Er war geboren am 2. Juli 1836 in München als Sohn des berühmten Malers Schnorr v. Carolsfeld (welcher 1846 nach Dresden als Direktor der dortigen Kunstakademie berufen wurde), erreichte also nur das Alter von 29 Jahren!

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Wie es sich denicen läßt, kam nun über Wagner eine Zeit der tiefsten Trauer, und es bedurfte der ganzen liebenden Sorge des königlichen Freundes, ihn durch unausgesetzte Briefe des Trostes aufrecht zu erhalten/) . . .

Nun möchte ich im historischen Interesse eines anderen Punktes erwähnen. Was war denn mit Frau Schnorr, der gewiß ebenbürtigen Partnerin des Gatten im „Tristan**? Warum tut Wagner, während er Herrn Schnorr den verdienten Denk- stein setzt, ihrer keine Erwähnung? Hat sie etwa, indem sie den Gatten vor nahe- liegender Überanstrengung zu bewahren, sein Leben zu erhalten suchte, einen Bruch zwischen ihr und Wagner und vielleicht dem Gatten selbst hervorgerufen? Dann hat sie den Kranz, den ihr die Nachwelt als Mimin nicht flicht, als Gattin zehnfach verdient! Auf dem Plan künstlerischer Betätigung erscheint sie erst wieder als Lehrerin des Tenoristen Gudehus, einer der renommiertesten Stützen der Bayreuther Festspiele.

Indes der Trost des Königs richtete den Tiefgebeugten wieder auf, erfüllte ihn mit neuem Schaffensmut. Eifrig instrumentierte Wagner an dem zweiten Akt des „Siegfried"; zugleich arbeitete er an dem Entwurf einer Dichtung, die er seinem Gönner zu dessen Geburtstage (25. August) überreichen wollte. Aber er konnte nicht rechtzeitig fertig werden und beabsichtigte nun den König mit einer anderen, besonders herrlichen Gabe zu beglücken. Am 31. Juli schrieb er nach Zürich an Herrn Otto Wesendonck, der ihn ehedem so großmütig unterstützt hatte 2): „Gewiß, lieber Freund, verstehen Sie mich auch gütig und mißdeuten die verständnisvolle Bitte mir nicht, wenn ich Sie herzlich ersuche, dem Vollender und Aufführer des Nibelungenwerkes auch den einzigen Besitz dessen, was daran mein Werk ist, zu gönnen. Verstehen Sie mich und seien Sie mir gütig, wenn ich Sie darum bitte, für den König von Bayern mir die Originalpartitur des ,Rheingoldes', welche Sie verwahren, freundlich und mild abzutreten."^) Bereitwillig wurde nicht nur diese, sondern auch die der „Walküre" zurückgegeben. Der König dankte mit herzlichen Briefen, die er am 27. August an Wagner*) und tags darauf an Wesendonck richtete.^)

[In dieser Zeit trat in Wagners Stellung jene Wendung ein, die schließlich seinen Sturz herbeiführte.] Daß er sich, unfähig des Widerstandes, von seinem weiblichen Spiritus rector getrieben, in einen Kampf mit dem ihm feindlich gesinnten Kabinett, vor allem dem Kabinettschef Staatsrat von Pfistermeister einließ, der ganze Hof, der Adel, das Ministerium des K. Hauses, die klerikale Partei stand auf dessen Seite hatte für ihn den trüben Erfolg, daß er noch im Dezember dieses Jahres München verlassen mußte. Neben Pfistermeister sah es auch der Kabinettskassier von Hofmann, der mit jenem lange Jahre König Max II. volles Vertrauen genossen hatte, für seine Pflicht an, den jungen Monarchen von allzu großer Verschwendung möglichst zurückzuhalten. Sempers Berufung und der Plan zur Erbauung eines

') [Vergl. Röckl, S. 187 fF..] ^) „Allgemeine Musikzeitung" 1897, S. 62. ') Die Gezwungenheit, Härte, ja Unbehilflichkeit dieser Sprache, welche sogar ein positives Dunkel enthält, scheint deut- lich auf die Verlegenheit hinzuweisen, in welcher sich der Bittsteller begreiflicherweise befand. *) „Die Waage", Jahrg. II, Heft 3, S.40. ^) „Allgemeine Musikzeitung" 1897, S. 177.

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Festspielhauses in Verbindung mit der imposanten „Freiheitsstraße" brachten die Gegnerschaft zwischen Pfistermeister- Hofmann und Wagner zuerst zum offenen Durchbruche. Die zwar bedeutende Zivilliste des Königs war etatsmäßig so stark belastet, daß ihm höchstens 200000 fl. zur freien Verfügung standen. Womit sollten nun die Riesenprojelcte Wagners befriedigt werden? Das waren offenbar die Er- wägungen, welche Pfistermeister, als ältesten Ratgeber des Königs, sowie den Vorstand der Kabinettskasse in ihrem Kampfe gegen Wagner leiteten. Dieser hin- wiederum, welcher den weitblickenden hohen Jünger, freilich nicht dessen Ver- wandtschaft usw. auf seiner Seite hatte, arbeitete am Sturz des Kabinetts (darin hatte er die bekannte Mitarbeiterin).

Trotz mancher Mißerfolge schienen die künstlerischen Pläne Wagners der Ver- wirklichung näher zu rücken; denn Ludwig, durch keine Schwierigkeit entmutigt, hing an ihm mit der ganzen Liebe seines Herzens. Nur erinnerte er den ungestümen Dränger immer wieder, daß ihn die Verhältnisse zu langsamem Vorgehen zwängen. Er lud Wagner nach Hohenschwangau ein, um mit ihm die schwebenden Fragen wegen des Baues des Festspielhauses, der Gründung einer Kunstschule, einer Musikzeitschrift und einer politischen Zeitung zu beraten. Semper hatte den Plan für das provisorische Theater und das großartige Festspielhaus schon fertiggestellt. Mitte September hatte er in München mit Wagner als Platz für letzteres die Höhe der Maximiliansanlagen ausgewählt. Vom Hofgarten aus sollte eine lange breite Straße bis zur Isar ziehen, über diese sich eine gewaltige Brücke wölben und eine Auffahrt zu dem im reichsten Renaissancestil zu erbauenden, weithinschimmernden Theater führen. Der Voranschlag für dasselbe bezifferte sich auf rund eine Million Gulden, welcher Betrag sich durch Anlage der Straße und der Brücke auf fünf Millionen erhöhen würde. 1867 sollte in dem Festbau der „Ring der Nibelungen" zum erstenmal zur vollendeten Aufführung gelangen. „Doch leider blieb es nur beim Plane, hundert Einwände, alle mit patriotischem Eifer vorgetragen, verleideten dem König das Unternehmen." (Wer heutzutage nicht vom Hofgarten, sondern vom alten Prinz Karl-Palais aus, die Prinzregentenstraße bis zum Prinzregenten- theater durchwandert, sieht, daß Ludwigs IL Nachfolger, sein Onkel Luitpold, Prinzregent von Bayern, den Semperschen Plan wieder aufgenommen hat, mit der einzigen Abweichung, daß das jetzige »Festspielhaus", als welches genanntes Theater vorzüglich Wagner-Aufführungen dient, sogar denen von Bayreuth Konkurrenz macht, nicht unmittelbar auf der Höhe der Maximiliansanlagen, also weithin sicht- bar, sondern eine Strecke zurück gegen Osten liegt. Die von Semper gedachte herrliche breite Straße, die große gewölbte Brücke alles ist auf Befehl des Ver- treters der Krone zur Ausführung gekommen.)

[Neben diesem Projekt wurde die Eröffnung der neuen Musikschule unter Bülows Leitung erwogen, aber auch politische Interessen fanden eingehende Beratung. Nur zu bald aber mußte Wagner erkennen, daß die seinen Plänen entgegenstehenden Hindernisse sich höher und höher türmten und schließlich seine Freundschaft, jedenfalls den unmittelbaren Verkehr mit dem König ernstlich bedrohten. Es kann

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nicht unsere Aufgabe sein, die von Röckl (a. a. O.), von Karl Dürck (Richard Wagner und die Münchener 1865 [1904]) ausführlich dargestellten Vorgänge hier des langen und breiten nachzuerzählen. Kurz, der Ausgang des wechselvollen Kampfes, der sich nun zwischen Wagner und seinen Widersachern entspann, konnte nicht zweifelhaft sein. Nichts wäre ungerechter, als die Münchener für Wagners Niederlage allein ver- antwortlich zu machen. Man weiß heute, daß Wagner, dessen Kunst auch in München aufrichtige Verehrer in großer ^ahl hatte, doch persönlich dem Publikum fremd ge- blieben ist. Als „Norddeutscher« hatte er bei der ohnedies gegen die „Fremdlinge« längst mißtrauischen Bevölkerung von Anbeginn einen schweren Stand. ^) Mußte nicht auch sein Einfluß auf den jungen König gewisse Besorgnisse erwecken, zumal auch seine materiellen Forderungen keineswegs unbedeutend waren? Auch waren seine Freunde der Lage kaum gewachsen, im Kampf gegen die Vorurteile (wie Karl Dürck sehr richtig sagt) ungeschickt und unbesonnen. Aber auch Wagner, der namentlich in der letzten Zeit seines Münchener Aufenthaltes auch dem König gegenüber seine Unruhe und Nervosität nicht verbergen konnte, war in der Wahl seiner Mittel nicht immer glücklich. Lachner, Pfistermeister, die Musikschule u. a. hatten Grund zur Klage. Es ist freilich von beiden Seiten gefehlt worden. Man darf wohl fragen: würde unter solchen Umständen Wagner an einem andern Wirkungsort anders gefahren sein? Zumal erwiesen ist, daß die auswärtige Presse es war, die den Auftakt zum Tanz gab; sie war in ihren Ausfällen gegen die „Zukunftsmusiker« weit gehässiger. Von dort aus gingen die schärfsten Angriffe in die Münchener Zeitungen über. Der Fest- spielgedanke scheiterte nicht an der Böswilligkeit der Münchener. Noch im Jahre 1867 wurde er ernstlich erwogen, und mußte erst unter dem Druck politischer und mate- rieller Schwierigkeiten fallen gelassen werden. Daß endlich der König seinem Freund dauernd gewogen blieb, bedarf keines Beweises. Wie schwer ihm die durch die Verhältnisse erzwungene Trennung fiel, sagt uns ein Abschiedsgruß untern; 8. De- zember 1865, ein ebenso zartes wie ergreifendes Zeugnis treuer Freundschaft.]

Wagner selbst war sich dessen bewußt. „Seine zu große Liebe zu mir,« schrieb er an Frau Wille, „machte ihn für alles Umschauen nach andern Verhältnissen blind, so war er leicht zu täuschen. Er kennt niemand und muß nun erst Leute kennen lernen. Doch hoffe ich für ihn. Wie ich seiner Liebe ewig gewiß bin, vertraue ich auf die Entwicklung seiner herrlichen Anlagen. Er hat nur noch etwas mehr Menschen kennen zu lernen. Dann wird er schnell das Rechte treffen.«

Am 10. Dezember 5^/4 Uhr in der Frühe verließ er München, um sich in die Schweiz zu begeben:

Noch nicht sind 20 Jahre seit dem Tode des Freundespaares vorübergerauscht (Röckl schreibt die erste Vorrede seines Buches im Dezember 1902) und doch läßt sich schon jetzt die Verheißung, die der König am 4. August 1865 gegeben, als prophetische Wahrheit erkennen: „Wenn wir beide längst nicht mehr sind, wird doch unser Werk noch der späteren Nachwelt als leuchtendes Vorbild dienen,

1) [Gerade die Dingelstedt-Zeit liefert den Beweis für die schwierige Lage Wagners. Die Stimmung war längst erhitzt. Sie bedurfte nur des Anstoßes, um sich in einen Sturm des Zornes zu entladen.]

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das die Jahrhunderte entzücken soll, und in Begeisterung werden die Herzen erglühen für die Kunst, die gottgestammte, die ewig lebendel* Und heute (1910) erweist sich die Prophezeiung als eine unumstößlich wahre. Wagners Musikdrama ist zum Markstein geworden zwischen der letzten Steigerung (Weberscher?) Romantik und der einem neuen sprachverwirrenden Turm Babels vergleichbaren utopischen Modernität, der sich jeder gefangengeben mag, der Vergnügen daran findet!

Folgen wir nun wieder unserer Theatergeschichte nach Ausweis der Zettel. In das Repertoire der deutschen Oper teilen sich 1865: Beethoven mit „Fidelio* am

1. Oktober; Flotow mit „Martha" am 15. Februar, 22. Juni und 23. August und mit einer Aufführung des „Stradella" am 31. Dezember; Gluck mit je einer Auf- führung von „Orpheus und Euridice" am 25. März und „Iphigenia in Aulis" am

2. Juni; Kreutzer mit dem „Nachtlager von Granada" am 14. Juli; Lachner mit „CatharinaCornaro" am 17. und 26. Dezember; Lor tzi ng mit dem „Waffenschmied" am 22. Januar, 6. April, 14.Mai, 15. Juni, 14. September, 8. Oktober und 19.November, „Undine" am 30. Juli und 3. und 6. August, der „Wildschütz" am 26. Oktober und 21. Dezember; Meyerbeer mit den „Hugenotten" am 19. Februar, 7. Mai, 25. Juni und 25. August, „Der Nordstern" am 15. Januar, 26. Februar, 23. August und 3. Sep- tember, „Der Prophet" am 8. Januar, 17. März und 5. Juni; Mozart mit „Figaros Hochzeit" am 12. Januar, 28. Mai, 29, Juni, 10. September, 5. Oktober, 2. November und 29. Dezember, mit dem „Schauspieldirektor" am 30. Januar, 10. Mai, 26. Juni,

3. Oktober und 16. November, „Titus" am 6. Mai und 21. September; Nicolai mit den „Lustigen Weibern von Windsor"am26.Januar; Schenk mit dem „Dorfbarbier" am 29. Mai und 10. August, Wagner mit dem „Fliegenden Holländer" am 5. Februar und 9. Juli, «Tannhäuser" am 12. Februar und 5. Mai, „Tristan und Isolde" zum erstenmal am 10. Juni, dann am 13. und 19. Juni und I.Juli; Weber mit dem „Frei- schütz" am 2. Januar, 20. April; Weigl mit der „Schweizerfamilie" am 17. September,

23. November und 14. Dezember, zusammen 68 Aufführungen deutscher Opern. An Vorstellungen von italienischen Opern hat das Jahr 1865 nur neun auf- zuweisen, und zwar war Donizetti nur mit zwei Aufführungen des „Belisar" am 12. Oktober und 9. November und drei solchen von „Marie, die Tochter des Regiments" am 5. Januar, 27. April und 28. September, Rossini mit zwei des „Teil" am 13. und 20. August und Verdi mit zwei des „Troubadour" am 17. August und

24. September vertreten, zusammen 9 Vorstellungen.

Deren 29 war das Ergebnis der französischen Oper. Von Auber wurde gegeben „Der schwarze Domino" am 2. Febr. und O.Juli, der„Maurer und Schlosser" einmal am 9. Februar, „Die Stumme von Portici" einmal am 19. Januar, „Des Teufels Anteil" einmal am 23. Juli. Von Boieldieu kam das „Rotkäppchen" am 17. April und 2. Mai, „Die weiße Frau" wieder einmal am 2. März, dagegen Cherubinis „Wasser- träger" fünfmal am 12. und 29. März, am 4. Mai, 21. Oktober und 7. Dezember, Davids „Lalla Rookh" dreimal, am 30. November, 3. und 10. Dezember,

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Gounods „Margarete" (unter dem Namen „Faust") wieder sechsmal am 19. März, 30. April, 17. Mai, 16. Juli, 15. Oktober und 26. November. Dagegen konnte man Grisars feine Oper „Gute Nacht, Herr Pantalon" einmal hintereinander, wie ein Theaterwitz sagt, geben. Von M a i 1 1 a r d wurde das „Glöcklein des Eremiten" dreimal, am 22.März, IS.Juni und 7. September, Mehuls ,Joseph in Ägypten" ebenfalls dreimal am 14. März, 20, Juli und 31. August gegeben. Im ganzen 106 Opernvorstellungen.

Das Jahr 1866 brachte zwei Personalveränderungen und zwei neue Acquisitionen: 1866 für die Soubrette Frl. Loew und die erste Altistin Frl. von Edelsberg, welche im Vorjahre abgegangen, wurden (mit I.April) Mathilde Pichler und (mit I.Oktober) Wilhelmine Ritter engagiert. Erstere war mehr hübsch als bedeutend, letztere wirkte erfrischend durch ihre prächtige Altstimme. Zugleich mit der Pichler gewann die Bühne in Frl. Therese Thoma (seit 1867 FrauVogl) jene willkommene Kraft, welche sich später zur Berühmtheit entwickeln sollte. Eine „nicht minder glückliche Acquisition" machte, wie Grandaur (S. 178) hervorhebt, die Intendanz, indem sie für die Stork, welche Ende August die Bühne wieder verließ, mit 1. Oktober die geniale Mathilde Mallinger gewann. Die jedem Münchener Theaterfreund unver- geßliche Künstlerin, Schülerin des Professor Richard Levy in Wien, hat am 4. Oktober 1866 als Norma mit so außerordentlichem Erfolg gastiert, daß mit ihr sofort ein Vertrag geschlossen wurde, nach welchem sie vom 1. Oktober 1866 bis 30. September 1869 an der Münchener Bühne mit 1800, 2400 und 3000 fl. und 5, 10 und 15 fl. Spielhonorar engagiert war. Aber schon am 4. April 1867 verlangt sie mit Rücksicht auf ihre großen Erfolge und ein Berliner Anerbieten 4000, 6000 und 8000 fl. Gage mit erhöhtem Spielgeld. Der König verlangt Aufrechterhaltung des Vertrags, genehmigt aber am 23. April 1867 vom 1. Oktober ab 4000 fl. und vom 1. Oktober 1868 ab 4800 fl. An Opern brachte das Jahr nichts Neues, wohl aber unter begeisterter Direktion Hans von Bülows ein für Bühnenaufführung mit Deko- rationen und Kostümen gedachtes Werk, die „Legende der heiligen Elisabeth" von Franz Liszt, in welcher der Abbe dem Stoff' entsprechend sein frömmstes Innere offenbart, seine frömmsten Saiten aufzieht und daher auch in fromm gestimmten Zuhörern den gewollten Eindruck hervorgerufen haben mag. Daß es unter diesen seine aufrichtigen Verehrer fand, bewiesen die sich schnell folgenden Wiederholungen nach der Uraufführung, welche am 24. Februar stattfand, am 1. März und 10. Mai noch in diesem Jahre. (Und auch in den folgenden drei Jahren konnte je noch eine Wiederholung des jedenfalls stimmungsvollen Werkes stattfinden.)

Sonst waren in der deutschen Oper vertreten: Flotow mit „Stradella" am 12. Juli, und „Martha"; Kreutzer mit dem „Nachtlager* am 25. Januar, 16. und

18. Februar, 26. April und 9. August; Lortzing mit „Czaar und Zimmermann"

19. Juli und 14. Oktober, „Undine" am 4. und 11. Februar, „Wildschütz" am S.März und 8. November, „Waffenschmied" am 18. November und 20. Dezember; Marschner mit „Hans Helling" am 22. März und 22. Juli; Meyerbeer mit den „Hugenotten" am 8. April, 16. Juni und 16. September, mit „Nordstern" am 7. Januar, 2. April, 1. Juli, 28. Oktober und 16. Dezember, mit „Robert der Teufel" am 10. Juni,

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15. August, 10. Oktober und 2. Dezember; Mozart mit „Don Juan" am 18. und 21. Oktober, 9. und 27. Dezember, „Entführung aus dem Serail" am 20. und 27. Sep- tember, „Figaros Hochzeit" am 24. Mai, 22. November und 30. Dezember, „Schau- spieldirektor" am 6. April und 13. Dezember, „Zauberflöte" am, 7. und H.Juni; Nicolai mit den „lustigen Weibern von Windsor" am 8. Februar und 7. Oktober; Schenk mit „Dorfbarbier" am 4. Januar und 12. April; Schubert mit dem „Häus- lichen Krieg" am 2. August und 25. September; Weber mit „Freischütz" am 1 I.Januar, 29. April, 31. Mai, 29. Juli, 30. September und 15. November und „Oberon" am 4. März, 19. April und 8. Juli.

An italienischen Opern wurden gegeben: von Bellini „Die Nachtwandlerin" am 20. Juni und 6. September und „Norma" (mit der Mallinger in der Titelrolle) am 4. Oktober, 29. November und 18. Dezember; von Donizetti „Belisar" am 18. Februar; von Rossini „Teil" am 1. Februar, 5. August und 9. September; von Verdi „Der Troubadour" am 15. März und 5. Juli. An französischen Opern: von Adam der „Postillon" am 18. Januar; von Auber „Die Stumme von Portici" am 31. Mai, 2. und 23. September, „Teufels Anteil" am 28. Januar, 25. Februar, 15. April und 15. Juli, von Boieldieu „Die weiße Dame" am 17. Mai, „Johann von Paris" am 14. Januar, „Rotkäppchen" am 21. Februar; von David „Lalla Rookh" am 21. Januar, 24. Juni, 11. November und 6. Dezember; von Gretry „Richard Löwenherz" am 25. August, 4. September und 31. Oktober; von Halevy „Die Jüdin" am 27. Mai, 3. Juni, 22. August und 25. Oktober; von Mehul „Joseph in Ägypten" am 19. März, 5. April, 12. August und 13. September.

Hierbei belief sich die deutsche Oper auf 61, die italienische auf 11, die fran- zösische auf 29, alle zusammen also auf 101 Vorstellungen. Besonderes Interesse bot in diesem Jahrgang Mozarts „Don Juan", welcher, bisher mit gesprochenem Dialog gegeben, zum ersten Male mit den Original-Seccorezitativen zur Aufführung kam, für deren mühevolle Einstudierung dem Generalmusikdirektor Franz Lachner der Dank aller Musikalischen gebührt. Sie haben den Sängern Extraproben genug gekostet. 1867 Als ein sehr bedauernswertes Ereignis des Jahrgangs 1867 muß leider das Aus- scheiden Eugen Guras aus dem Verbände der Hofbühne am 1. September registriert werden. Nun, er sollte ja unter günstigeren Verhältnissen wiederkommen, um dann auch minder klugen Theaterbesuchern zu beweisen, daß zu den notwendigen Requi- siten eines Bühnensängers nicht nur eine hervorragende, glänzende Stimme, sondern auch eine der dramatischen Auffassung förderliche Intelligenz gehört, eine Tat- sache, die man nach seinem ersten Engagement im Jahre 1865 nicht genug würdigte.

Mit 1. April ward Hans von Bülow zum Hofkapellmeister ernannt. Als neuer Baritonist ward mit 1. Juni Philipp Lang engagiert. Dafür trat der weit brauchbarere S i m o n s am 30, September aus dem Verbände aus. Norbert schied schon am 31. März, ohne daß ihm gerade viel nachgeweint worden wäre. Grill, dessen erkrankten Kehlkopf der berühmte Halsspezialist Dr. Örtel leider nicht retten konnte, hatte die Stimme längst verloren und mußte am 1. Mai pensioniert werden (er starb am 23. Januar 1871).

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Die einzige Opernnovität war, wenn man nicht Mendelssohns am 13. November gegebene und einmal wiederholte „Heimkehr aus der Fremde" rechnen will, Meyer- beers „Afrikanerin", wieder einmal ein Schauspiel außerordentlichen Effektes auf das große Publikum, in welchem textlich wohl die Kulmination des Opernunsinns, wie er sich allmählich herangebildet hat, zu erblicken ist, welches aber nichts desto weniger viel schöne Musik, freilich nicht ohne die gewohnten äußerlichen Schlager, enthält. Die inneren Widersprüche des Scribeschen Textbuches, schon die geo- graphischen: hie afrikanischer Boden mit dem Manzanillobaum (der, obwohl in Wirklichkeit eine kleine Staude, den ganzen hohen Bühnenraum einnimmt), hie altasiatische Prachtentwicklung das sind die Gegensätze, durch die sich nur Meyerbeer nicht beirrt fühlen konnte. Denn es fehlte ihm, wie Hugo Rieman richtig sagt,^) „diejenige hohe Auffassung seines Kunstberufes, welche ihn befähigt hätte, den Effekt zu einer Folge zu machen, anstatt zu einem Zweck" (Meyerbeers Schicksal wollte es, daß er die Aufführung der „Afrikanerin" nicht mehr erleben sollte; denn eben, als er sich zur Vorbereitung derselben nach Paris begeben hatte, 6reilte ihn, der schon seit 15 Jahren kränkelte, der Tod).

Nachdem die „Afrikanerin" in München zum erstenmal am 27. Januar gegeben worden, wurde sie am 31. Januar, am 3. und 4. Februar, 3. März, 12. Mai, 20. Juni, 21. Juli, 8. September und 13. Oktober hiemit also 1867 zehnmal vorgeführt, was einen starken Zulauf seitens des Publikums beweist.

An anderen deutschen Opern kamen „Stradella" und „Martha" von Flotow je zweimal, „Das Nachtlager" von Kreutzer viermal, von Lortzing „Czaar und Zimmermann" einmal, „ündine" sechsmal, „Waffenschmied" zweimal, „Der Wild- schütz" zweimal; von Meyerbeer (außer der „Afrikanerin") „Die Hugenotten" dreimal, „Der Nordstern" zweimal; von Mozart „Don Juan" zweimal, „Die Ent- führung aus dem Serail" und „Der Schauspieldirektor" je einmal, „Figaros Hoch- zeit" viermal, „Die Zauberflöte" zweimal; von Schenk „Der Dorfbarbier" einmal, von Spohr „Jessonda" fünfmal, von Wagner „Lohengrin" dreimal, „Tannhäuser" zweimal, von Weber „Der Freischütz" einmal ein wirkliches Unikum! zur Aufführung, Ergibt zusammen 63 Vorstellungen.

Derenl4 erreichten die Italiener mit einer Darbietung der „Nachtwandlerin" und fünf der „Norma" von Bellini, worin als Amine undNorma dieMallinger namenlos entzückte. Von Donizetti kamen „Belisar" und die „Regimentstochter" je einmal, von Rossini „Teil" und von Verdi der „Troubadour" je dreimal zur Aufführung.

Die Franzosen kamen zu Wort mit Adams „Postillon" zweimal, Aubers „Stumme von Portici" dreimal und „Teufels Anteil" einmal, mit Boieldieus „Weiße Dame" dreimal und „Johann von Paris" zweimal, mit „Lalla Rookh" von David, „Gute Nacht, Herr Pantalon" von Grisar und „Die Jüdin" von Halevy je zweimal, mit Gounods „Faust" viermal, „Glöcklein des Eremiten" von Maillart einmal und „Joseph in Ägypten" von Mehul viermal; mithin 26 Opernvorstellungen von französischen Meistern, während deren Gesamtzahl in diesem Jahrgange 103 ist.

^ [Musiklexikon.]

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1868 Im Jahre 1868 gewann die Bühne nicht weniger als drei Tenoristen: Franz Nachbaur (I.Juni), Max Schlosser und Eduard Bachmann (1. September). Nach b au r war ein echter lyrischer Tenor mit einer in allen Lagen ausgeglichenen, freitönenden und sympathischen Stimme, welche im Gegensatz zum mehr bari- tonalen Timbre Vogls mitunter recht erfrischend wirken konnte. (Damit sei nicht gesagt, daß er mit diesem im dramatischen Vortrag hätte rivalisieren können). Schlosser war genau der Tenore buffo der deutschen Oper und wurde als solcher zum klassischen Muster aller Davide in Wagners „Meistersingern*. Bachmann war zwar nicht gerade hervorragend, vertrat aber vermöge seiner imposanten Figur und eines gemessenen Spieles, wohl auch stimmlich zu allgemeinem Genügen die Sparte des Heldentenors. Sein Atem war bewundernswert; das bewies er eines Abends in der Gesellschaft „Hölle", wo er auf der Oboe, die er meister- haft beherrschte, die „Letzte Rose" dreimal nacheinander, ohne abzusetzen, blies.

Abgingen von der Bühne Philipp Lang gegen Ende Mai, Mathilde Pichler Ende Okto*ber und Peter Hartmann Ende Dezember. Am I.Juli war schon (für die Pichler) die stimmlich und gesanglich vorzügliche Karoline Leonoff engagiert worden. Sie war ein nicht zu unterschätzender Zuwachs zum Sängerinnen-Ensemble Stehle, Mallinger, Thoma und Deinet.

Von aktueller Wichtigkeit waren die Veränderungen in der musi- kalischen Direktion. Nachdem der alte Generalmusikdirektor Franz Lachner schon mit Ende Januar in Pension gegangen, wurde Hans Richter (seit 1. Dezember 1867 Chor- und Solorepetitor) am 1. Sep- tember zum k. Musikdirektor befördert. Das Feld behaupteten mithin die beiden eifrigsten, von Begeisterung durchdrungenen Apostel Wagners.^) Wir stehen im historischen Punkt der Scheide zwischen Alt und Neu, worunter man sich jedoch nicht ein Umstürzen der alten Altäre, nicht eine ausschließliche Ver- ehrung neuer Götter, wohl aber eine streitbare Bevorzugung der einen oder der andern Partei von selten des Publikums zu denken hat.

Der Jahrgang hat drei Novitäten verschiedenster Entstehungszeit und dement- sprechend verschiedenster Richtung zu verzeichnen. Zuerst am 19. Januar kam im Gluck-feindlichen München Glucks „Armida" mit der Mallinger in der Titel- rolle. Sie wurde, nachdem sie einen größeren Eindruck als bisher alle Schöpfungen des großen Meisters im Meyerbeer-ergebenen München gemacht, am 26. Januar, 15. März und 25. Oktober wiederholt, der Mallinger zuliebe konnte man selbst eine so „langweilige" Musik noch aushalten. . . Darauf folgten als zweite Novität Wagners „Meistersinger", welche zum erstenmal am 21. Juni gegeben, am 28. Juni, 2., 7., 12. und 17. Juli, 3. und 15. November und 6. Dezember, somit neunmal im Jahre heraus kamen. Frau Eliza Wille, welche zur Premiere soeben aus Schlesien herbeigereist kam und von Frau von Bülow in Wagners Namen zur Vorstellung

*) [Perfall spricht in seinen Erinnerungen von „häufigen Reibungen zwischen Bülow und Intendanz- rat Schmitt". S.219.]

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eingeladen wurde, schreibt darüber^): „Die Vorstellung fiel glänzend aus; Bülow hatte, obgleich halb krank, nach Sinn und Geist des Meisters das Orchester mit höchster Energie dirigiert.^) Der König, der in der großen Mittelloge saß, hatte den Dichter-Komponisten zu sich hinaufbefohlen. ,Es soll der Dichter mit dem König gehen !' Nach dem ersten Akte wurde Wagner enthusiastisch gerufen, aber er erschien nicht auf der Bühne, er hatte den Weg dahin nicht finden können. Die Vorstellung ging weiter, und als sie beendet war und der Enthusiasmus wieder nach dem Schöpfer so großen Genusses stürmisch verlangte, hatte Wagner auf Befehl des Königs, an dessen Seite er gesessen, sich erhoben und von der könig- lichen Loge aus sich gegen das Publikum verbeugt. Die Formlosigkeit erschreckte mich und tat mir weh, indessen, der König hatte befohlen, der Dichter gehorcht! . . . Ich blieb nur einen Tag in München, denn der Freund war ganz umringt und im Mittelpunkt seiner künstlerischen Umgebung, vielleicht auch nicht ohne Unruhe über die Wirkung der Vorfälle des letzten Abends . . ." Hiermit dichtet die edle Frau dem Freund eine Neigung zur Skrupelhaftigkeit an, von der er, wie sein ganzes Benehmengegen den König und die Welt beweist, nur allzuweit entfernt war. Unter seinen Charaktereigenschaften fehlte die eine künstlerische: Bescheidenheit.^)

Als die dritte Novität kam die bereits vorher in Mannheim*) mit bestem Erfolg gegebene Oper „Ruy Blas", nach Viktor Hugos gleichnamiger Tragödie gedichtet von Theodor Heigel, komponiert von Max Zenger. Sie gefiel den Münchenern in den beiden ersten vom Komponisten geleiteten Aufführungen am 23. und 26. Juli, obwohl der Vergleich mit den gerade einen Monat früher gegebenen „Meister- singern* gefährlich war, ganz entschieden. Erst als sie am 9. September (um diese Zeit hatte ich die Kapellmeisterstelle in Regensburg übernommen) von Hans Richter dirigiert wurde, schrieb der „Münchener Bote" von einem „Geist der Langweile, welcher den ganzen Abend über dem Hause geschwebt habe". Ein markantes Bei- spiel, wie das Gegenteil von Sympathie ein neues Werk schädigen, wenn nicht zu Grunde richten kann. Indes war es natürlich, daß diese Oper, welche noch zu den Jugendarbeiten des Komponisten gehört, in der Krise, welche die „Meister- singer" in das deutsche Opernwesen brachte, einen dauernden Bestand sich nicht erringen konnte. Später hat Eugen Gura bezeugt, daß „Ruy Blas" in Breslau, wo er den Don Cesar zu singen hatte, siebenmal zur Aufführung kam. In München war er auf eine sehr anerkennende Begutachtung Hans von Bülows hin ange- nommen worden. Sonst waren (außer Gluck mit „Orpheus und Euridice* am 30. März) an deutschen Komponisten vertreten: Beethoven mit „Fidelio" am 20. Dezember; Dittersdorf mit „Doktor und Apotheker" am 25. Februar, 17. März und 25. Juni und „Das rote Käppchen" am 17. und 24. November; Flotow mit

^) E. Wille, Fünfzehn Briefe von Richard Wagner S. 151. ^) [Wagner selbst erklärte noch nach Jahren diese Münchener Aufführung für „das Schönste, was er in seinem künstlerischen Leben erfahren".] «) [Vergl. auch K. v. Perfall, Beitrag zur Geschichte der K. Theater. 1894. S. 34.] *) Franz Lachner hatte die Oper seinem jüngsten Bruder Hofkapellmeister Vinzenz Lachner in Mannheim aus Dankbarkeit für meinerseits gern geleisteten journalistischen Schutz empfohlen, mit welchem ich mich eben nicht unter das neue Regime beugte. Der Verfasser.

63 497

„Stradella" am 31. August, 16. September und 13. Oktober; Krempelsetzer mit dem „Rothmantel" am 12., 15. und 28. Dezember^); Lachner mit „Catharina Cornaro" am 29. November und 3. Dezember; Lortzing mit den „beiden Schützen* am H.Januar, 24. März und 22. Dezember, „Der Waffenschmied* am 28. Januar und 2. Juni, „Der Wildschütz" am 24. Juli und 12. September; Kreutzer mit „Nacht- lager* am T.Januar; Marschner mit „Hans Heiling* am 26. April; Meyerbeer mit den „Hugenotten* am 3. und 17. Mai und 20. September und „Robert der Teufel* am 11. Olctober; Mozart mit „Entführung aus dem Serail* am 30. April, „Schauspiel- direictor" am 28. April und „Zauberflöte* am 12. Januar und 14. Mai; Nicolai mit den „Lustigen Weibern von Windsor*, am 5. und 9. Januar, 16. Februar, 24. Sep- tember und 26. November; Schenk mit „Dorfbarbier* am 4. Februar; Schubert mit dem „Häuslichen Krieg* am 31. Januar und 13. Februar; Spohr mit „Jessonda* am 30. Januar und 9. Oktober; Wagner mit dem „fliegenden Holländer* am 11. und 14. Juli und 30. September, und Weber mit „Abu Hassan* am 14. April und 2. Mai, mit „Freischütz* am 25. März, 13. April, 5. Juli, 17. September und 29. Oktober und „Oberon" am 4. Oktober. Ergibt zusammengezählt 73 Vorstellungen.

An italienischen Opern wurden gegeben: Bellinis „Norma* einmal am 19. Juli; Donizettis„ßelisar*zweimal, am20. Februar und 4.Juni, und desselben „Regiments- tochter" am 27. Februar ; R o s s i n i s „Teil* am 23.Januar, 9. März, 7. Juni und 25. August ; Verdis „Troubadour* am 13. Februar und 7. Mai, zusammen zehn Vorstellungen.

Die französischen Opern des Jahrganges waren: Adams „Postillon* am 5. No- vember; vom alten Auber noch eine Novität, „Der erste Glückstag* am 27. Sep- tember, 7. und 22. Oktober, 8. November und 17. Dezember, von welcher es geradezu erstaunlich war, daß sie nicht im geringsten den (schließlich zu erwartenden) Ein- druck der Greisenhaftigkeit machte, vielmehr erfrischend mit der alten Lebendigkeit des ewig tändelnden Anakreon wirkte; von demselben „Die Stumme von Portici* einmal am 2. Februar, und „Maurer und Schlosser* am 15. und 22. September, am 5. Oktober und 11. November; ferner Boieldieus „Weiße Frau* am 12. Mai, 30. August, 13. September, 1. Oktober und 22. November, „Der neue Gutsherr* am 5. und 23. Mai,und „Rotkäppchen* am 3. und 6. September; Cherubinis „Wasser- träger* am 22. März und 2. April; Davids „Lalla Rookh* am 29. Juni, Gounods „Faust* am I.Januar und 13. Dezember, Halevys „Jüdin* am 9. Februar, 18. Ok- tober und 27. Dezember, und Mehuls „Joseph in Ägypten* am 6. Februar, 28. August und 10. Dezember summieren sich auf 34 Vorstellungen. Gesamtzahl 117.

^) [Das Textbuch stammt von PaulHeyse.An der Partitur hatte auch Rheinberger mitgearbeitet. Das Werk wurde als „komische Oper" am 12. Dezember aus der Taufe gehoben.]

498

VI

DIE OPER UNTER BARON VON PERFALL BIS ZUM j

TODESJAHR KÖNIG LUDWIGS IL (1886) I

IM ersten Abschnitt seines Buches „Beitrag zur Geschichte der königlichen Theater 1868/6! in München" gibt Karl Baron von Perfall folgendes Dekret des Königs bekannt: „Herr Hofmusik-Intendant Freiherr von Perfall I Ich habe dem Intendanzrat Wilhelm

Schmitt bis zum 31. Dezember 1. Js. Geschäftsurlaub erteilt und beauftrage Sie damit, neben Ihrer sonstigen Dienstleistung inzwischen auch die Leitung der k. Hoftheater- Intendanz zu übernehmen! Mit wohlwollenden Gesinnungen Ihr gnädiger König Ludwig. Hohenschwangau, den 21. Nov. 1867."

Das zweite diesbezügliche Dekret lautet: „Wir finden uns bewogen, den k. Kam- i

merer und Hofmusik-Intendanten Karl Freiherrn von Perfall vom 16. 1. Mts. beginnend ;

auch zum wirklichen Hoftheater-Intendanten zu ernennen und für denselben einen i

nichtpragmatischen Gesamtgehalt von jährlich 4500 fl. zu bestimmen, wovon 2500 fl. wie bisher auf den Etat der K. Hofmusik-Intendanz und 2000 fl. unter Wegfall des seitherigen Funktionsbezuges auf den Etat der K. Hoftheater-Intendanz verrechnet !

werden sollen. Schloß Berg, den 27. September 1869. Ludwig." j

Von diesem Datum an ist also die Leitung der Generalintendanz der K. Hoftheater \

dem k. Kämmerer Karl Freiherr von Perfall unter Beibehaltung seiner bisherigen j

Stellung als Hofmusik-Intendant definitiv unterstellt.^) Ein Personalakt desselben '

war nicht aufzufinden. Hiemit repetiert sich mehr auffällig als verständlich das gleiche j

Verfahren des berüchtigten Intendanten aus dem 18. Jahrhundert, Grafen vonSeeau, j

welcher sich durch Verschwindenlassen des nötigen Materials gegen alle geschieht- |

liehe Forschung sicher stellte, wozu dieser Herr ja vollen Grund hatte. Baron von Perfall hatte dies nicht nötig, es spricht ja aus seinem „Beitrag zur Ge- schichte der königlichen Theater in München" nicht die Absicht einer Verteidigung j oder Bemäntelung einer etwa nicht ganz tadellosen Führung der Geschäfte. Man ] kann ihm höchstens entgegenhalten, daß über manchen Punkt desselben das Urteil j eines anderen anders lauten könne als das seinige audiatur et altera pars.

Ein beklagenswertes Ereignis des Jahres war, daß die Mallinger, einem Ruf nach <

Berlin folgend, am 30. September ausschied, denn die für sie vorsorglich schon J

anfangs Mai engagierte Anna Kaufmann war weit entfernt, sie ersetzen zu können, |

hätte sie doch als brauchbares Mitglied höchstens an einer Bühne zweiten Ranges j

bestehen können. Etwas glücklicher war die Acquisition von Frl. Henriette Müller, I

1) [Am 1. Januar 1872 erfolgte seine Ernennung zum Generalintendanten.] j

499 ^

einer recht niedlichen Vertreterin von lyrischen und munteren Spielpartien, sowie auch die des Anton Petzer, eines waclceren zweiten Bassisten, welcher auch durch verständnisvolles Spiel interessieren konnte.

Über die Veränderungen in der musikalischen Direktion, welche der be- ginnende Herbst des Jahres brachte, drückt sich Grandaur, wie es dem Chronisten auch zukommt'), völlig objektiv aus, indem er sagt: „Hans Richter erhielt am 5. September und Hans von Bülow am 1. Oktober die erbetene Entlassung." Was aber die beiden Herren veranlaßte, diese Entlassung zu erbitten, bedarf doch der geschichtlichen Untersuchung. Der Hergang war folgender: Dem offiziellen Musik- direktor Hans Richter war die Aufgabe gestellt, Wagners »Rheingold** einzustudieren. In einer Probe auf der Bühne zeigte es sich, daß verschiedene szenische Einrichtungen der Absicht Wagners, welche Richter genau kannte, nicht entsprachen. Dadurch sah sich Richter veranlaßt, die Probe abzubrechen,somit im eigentlichen Sinne zu streiken. Wegen dieses Verhaltens glaubte der Generalintendant, Richter disziplinieren zu sollen,'^) und die Folge davon war, daß sowohl dieser, als der mit ihm solidarische Hans von Bülow, wenn auch nicht am gleichen Datum, ihre Entlassung einreichten. Somit sind die Wagnerianer aus der musikalischen Leitung der Münchener Bühne ausgeschieden, bis ein Musiker von minder leidenschaftlicher Fraktion in der Person des Generalmusikdirektors Hermann Levi (am 1. Oktober 1872) die Führung über- nahm.'') Einstweilen, Mitte November 1869, wurden*) der bisherige Musikdirektor Friedrich Wilhelm Meyer zum Hofkapellmeister ernannt, Max Zenger als Musik- direktor und Dr. Franz Grandaur als Opernregisseur engagiert.

Es wurden in diesem Jahr an deutschen Opern 73, an italienischen 15, an fran- zösischen 37, zusammen 125 gegeben. Neu waren die deutschen Opern „Die sieben Raben** von Joseph Rheinberger, im selben Jahre viermal, und „Rheingold** von Richard Wagner [am 22. September unter Franz Wüllners Leitung. Kindermann sang den Wotan, Vo g 1 den Loge, Frl. S t e h 1 e die Freya]. Außerdem waren von deutschen Komponisten Beethoven mit einer Aufführung des „Fidelio", Dittersdorf mit zwei Aufführungen des „Doktor und Apotheker** und einer des „Roten Käppchen**, Flotow mit sechs Aufführungen des „Stradella** und einer der „Martha**, Gluck mit drei Aufführungen der „Armida** und zweien der „Iphigenia in Aulis**, Kreutzer mit zweien des „Nachtlagers", Krempelsetzer mit einer des »Rothmantel", Lachner mit einer der „Catharina Cornaro**, Lortzing mit je zweien des „Czaar

*) S. a. a. O. Seite 188 unten. ^) [Man muß sich immer darüber klar sein, daß Perfall von Anbeginn an, trotz seiner in späteren Jahren bewiesenen (geschäftlichen) Unparteilichkeit, eben nicht auf Wagners Seite stand. Er konnte sich zwar bei seinem 25-jährigen Dienstjubiläum auf „treue Hut und Pflege" und auf volles Verständnis der Bedeutung Wagners berufen, aber dieser selbst hatte wie Perfall in seinem „Beitrag" (S. 34) mitteilt im Jahre 1868 bei den Proben zu den „Meister singern" kein Hehl aus seiner Abneigung gegen das neue Regime gemacht. Perfall, durch eine Ab sage verletzt, mochte in dem Verhalten Richters einen neuen Akt der Feindseligkeit erblicken. Vergl auch M. Leythäuser, Die Scheinwelt und ihre Schicksale. 2. Auflage, 1916. S. 283 ff.] •) [Vergl E.V. Possart, Hermann Levi, München 1901, S. 44.] *) [„Um der Anarchie am Hoftheater zu steuern* wie Possart in seinen Erinnerungen schreibt.]

500

Balletmeisterin Lucile Grahn CYoung) 1869 1875

Generalmusikdirektor Hermann Levi 1872 1896

und Zimmermann*' und des „Wildschütz", sowie vieren des „Waffenschmieds", Liszt mit einer Aufführung der „Legende der heiligen Elisabeth", Marschner mit einer des „Hans Helling", Meyerbeer mit einer Aufführungen der „Afrikanerin", vieren der „Hugenotten", und zweien des „Propheten". Mozart mit „Entführung aus dem Serail" (einmal), „Figaros Hochzeit" (sechsmal) und „Zauberflöte" (zweimal), Nicolai mit einer Aufführung der „Lustigen Weiber von Windsor", Schubert mit zweien vom „Häuslichen Krieg", Spohr mit vier Aufführungen der „Jessonda", Wagner mit je einer der „Meistersinger" und des „Lohengrin", außer den (2) üblichen Wieder- holungen des „Rheingold", ^) und des „Tannhäuser" und einer von „Tristan und Isolde" 2), Weber mit „Euryanthe", „Freischütz" und „Oberon" je zweimal. und Max Zenger mit „Ruy Blas" einmal, zusammen 73 Vorstellungen.

An italienischen Opern brachte der Jahrgang im ganzen 15 Vorstellungen: „Norma" von Bellini einmal, „Liebestrank" von Donizetti fünfmal, „Barbier von Sevilla" von Rossini zweimal, „Teil" von Rossini viermal. Von Verdi war der „Troubadour" dreimal gegeben.

Die französischen Opern, die in diesem Jahrgang gegeben wurden, waren von Adam „Der Postillon von Lonjumeau" dreimal und der „Brauer zu Preston" fünfmal, von Auber „Der schwarze Domino", „Der erste Glückstag", „Das eherne Pferd" und zwar letzteres zum erstenmal, je einmal, „Der Maurer und der Schlosser" viermal und „Die Stumme von Portici" sechsmal, von Boieldieu „Die weiße Frau" viermal, „Johann von Paris" und „Rothkäppchen" je einmal, von David „Lalla Rookh" zweimal, von Gounod „Faust" zweimal, von Halevy „Guido und Ginevra" dreimal, die „Jüdin" einmal, von Mehul „Die beiden Füchse" zweimal: 37 Vorstellungen.

Dieser Jahrgang brachte an deutschen Opern 71, an italienischen 18, an 1870 französischen 25, zusammen 114 Vorstellungen. Besonders sind zu nennen von Beethoven „Fidelio" viermal, von Dittersdorf [„Hieronymus Knicker" einmal], „Doktor und Apotheker" ein- und „Das rothe Käppchen" zweimal, von Flotow „Stradella" und „Martha" je einmal, von Gluck „Orpheus und Euridice" dreimal, [von Gretry „Richard Löwenherz"], von Robert Hornstein die Operette „Adam und Eva" (Text von Paul Heyse) zum erstenmal) in vier Wiederholungen, [von Isouard die komischeOper „Minnefahrten" (nach Etiennes„Joconde" bearbeitet

*) Die große Bedeutung, welche dieses Vorspiel des Nibelungen-Zyklus in Anspruch nimmt, wurde damals begreiflicherweise weder nach seiner dichterischen noch nach seiner musikalischen Seite von der Mehrzahl der Hörer begriffen, vielmehr wurde einem starken Befremden gegenüber der anfänglich nur komisch wirkenden Alliteration, z. B. „Pfui, du haarig, höckeriger Geck, schwarzes, schwieliges Schwefelgezwerg", womit die Rheintöchter des Alberich spotten, Ausdruck gegeben, und erst längere Gewöhnung ließ, namentlich wenn der Alberich seine Aufgabe dramatisch erfaßte, allmählich ein volles Verständnis dieser Prachtflgur zu. ') [Diese Neueinstudierung war, wie die Wiederholungen in den folgenden Jahren, erst durch das Ehepaar Vogl möglich, das bald zu den glänzendsten Vertretern dieser Rollen zählte und seinen Ruf bis ans Ende ihrer Bühnentätigkeit behauptete.] «) [Wie Perfall in seinem „Beitrag" schreibt, eine der allerersten Aufführungen dieses Werkes in Deutschland.]

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von Grandaur)]; von Lortzing „Der Waffenschmied* viermal, von Marschner »Der Templer und die Jüdin" viermal, von Mendelssohn [„Athalia" am 25. März und] „Die erste Walpurgisnacht" [am 6. November, beide Werke zum erstenmal auf einer deutschen Bühne^)];von Meyerbeer „Die Hugenotten" fünfmal, „Der Prophet" zweimal, von Mozart „Figaros Hochzeit" dreimal, „Die Zauberflöte* zweimal, von Nicolai „Die lustigen Weiber von Windsor" zweimal, von Rhein- berger „Die sieben Raben" einmal, von Schenk „Der Dorfbarbier" zweimal, von Scholz „Morgiane" zum erstenmal mit zwei Wiederholungen; von Spohr „Jessonda* dreimal, von Wagner „Die Meistersinger von Nürnberg* zweimal, das „Rhein- gold" dreimal, „Tannhäuser" dreimal, die „Walküre" am 26. Juni zum erstenmal mit dem Ehepaar Vogl als Siegmund und Sieglinde, Frl. Stehle als Brünhilde, Bauseweinals Hunding, Kindermann als Wotan; am Dirigentenpult saßWüllner, da auf Wagners Veranlassung die ihm ergebenen Kapellmeister sich geweigert hatten.^) Das Werk erlebte in diesem Jahre fünf Wiederholungen (durch seine Bedeutung wohl motiviert). Endlich von Weber „Abu Hassan* einmal, der „Frei- schütz" sechsmal [am 4. September zur Feier der Schlacht bei Sedan und der Gefangennahme Napoleons.^)]

[Perfall verwahrt sich (wie erwähnt) in seiner Jubiläumsschrift, die über 25 Jahre seiner Amtsführung (1867— 1892) Bericht erstattet, besonders gegen den Vorwurf der Parteilichkeit. Er bedauere, sagt er, daß sich bald nach seinem Amts- antritte seine Beziehungen zu Wagner bedrohlich gestaltet hätten^). Grundlose Verdächtigungen seien daran schuld. Das von gegnerischer Seite gegen ihn als vermeintlichen Wagnerfeind genährte Mißtrauen habe den Weg versperrt, viel des Geschehenen ungeschehen zu machen (!). Zu seinen Gunsten aber dürften die unter seiner Leitung zustande gekommenen 742 Vorstellungen sprechen, in denen Wagners Werke den gebührenden Vorrang einnähmen. Stets habe er die hohe Bedeutung Wagners erkannt, und so habe auch er Anteil an dem Ruhm, den die Münchner Oper als Pflegestätte seiner Kunst in der Welt genieße. Ob die Verdienste, die er sich zuschreibt, alle auf seine Rechnung kommen, mag dahin- gestellt bleiben. Wir wissen es heute besser. Im Grunde seines Herzens dem Meister abgeneigt, hat er nie gezögert, mit Schikanen und kleinen Bosheiten sich bemerkbar zu machen. Auch die Geschichte der Bayreuther Festspiele muß ihn als Stänkerer kennzeichnen. Seine „Vorliebe" für Wagner war also kaum idealer Natur. Freilich darf nicht verkannt werden, daß er keinen leichten Stand hatte,

0 [Vergl. Perfall, a.a.O. S. 152 u. 156.] ^) [Siehe E.v. Possart, Erstrebtes und Erlebtes. 1916, S. 296.] ') [Die Einleitung bildete ein Prolog von Paul Heyse.] *)[Die Erstaufführung der „Meister- singer" (1868) hatte Wagner zum Anlaß genommen, mit dem Münchener Intendanten zu brechen. Vergl. den Briefsatz (a. a. O. S. 34), wo es heißt, daß er nun aus jeder ferneren Berührung mit dem Königlichen Hoftheater ausscheide. In späteren Jahren gab er freilich diese ablehnende Haltung auf und ließ sich, wie z. B. bei der „Tristan"-Aufführung am 31. Oktober 1880 von der Intendanz gerne huldigen. Perfall übertreibt, wenn er schreibt, Wagners Absagebrief sei bis zu seinem Tod in Kraft geblieben.]

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da er beiden Parteien, dem König wie den Altmünchnern genugzutun hatte.*) Noch in den achtziger Jahren erfuhr er mit Levi und Possart heftige Angriffe gerade wegen seiner Förderung der Wagnerschen Kunst, während ihm die Wagnerianer anderseits seine alten Sünden nicht vergessen Iconnten. Seine Rechtfertigung gilt eben auch der andern Partei, wenn er beteuert, daß er als Leiter einer großen Kunstanstalt ersten Ranges die Verpflichtung habe, ein treuer Hüter und Pfleger aller ihm anvertrauten Güter zu sein.]

[Man muß gerecht sein. Die Früchte seines Wirkens sind unzweifelhaft. Er hat für Wagners Kunst geworben in seiner Weise und sei es auch nur dadurch, daß er seinen Kapellmeister gewähren ließ. Schließlich mag es ihm mit seiner Pflicht wohl ernst gewesen sein. Bis zum Tode König Ludwigs und weiterhin bilden die Werke Wagners im wachsenden Maße den Stolz der Münchener Oper.]

[Auf „Rheingold« (1869) folgte im Jahre 1877 auf königlichen Befehl eine Auf- führung von Bruchstücken des „Nibelungenringes" im Hoftheater. Im nächsten Jahre, am 10. Juni, wurde „Siegfried* zum erstenmal gegeben, mit dem Ehepaar Vogl als Siegfried und Brünhilde, Reichmann als Wanderer, Schlosser als Mime, Kinder- mann als Fafner; am 15. September „Götterdämmerung". Vogls hatten die gleichen Rollen, Kindermann sang den Hagen, Fuchs den Günther, Mayer (wie im „Sieg- fried") den Alberich. Am 17., 19., 21. und 23. November erlebte das ganze Bühnen- festpiel seine Erstaufführung. Die Besetzung der Hauptrollen war folgende: Heinrich Vogl .... Loge, Siegfried, Frau Vogl .... Brünhilde, Nach bau r .... Siegmund, Reichmann . . . . Wotan, M i k o r e y . . . . Froh, Fuchs.... Alberich, Günther,

Schlosser Mime, Kindermann Fafner, Hunding, Hagen, Petzer....

Fasold, Frl. Schefzky Floßhilde, Sieglinde, Frau Reicher .... Fricka.]

[Nun folgten fast alljährlich im Herbst oder Frühjahr sorgfältig ausgearbeitete Aufführungen Wagnerscher Werke: am 23., 24., 26. und 28. August und 18., 19., 21. und 23. September 1879 zwei „Ring"-Aufführungen, 1882 am 14., 15., 17., 19. März ein Zyklus, 1884 am 19., 20., 22., und am 24., 26., 27., 30. und 31. August zwei Zyklen, ebenso 1885 am 8., 9., 11., 13. September und am 13., 14., 16., 18. Dezember, sowie 1886 am 23., 25., 27., 29. August, und am 13., 15., 17. und 19. September. Die Ab- sicht, mit den Bayreuther Festspielen zu konkurrieren, kommt zum erstenmal in den Zyklen von 1884 zum Ausdruck. In dem „Dankschreiben", das Perfall am 1. September dieses Jahres an sein Personal ergehen ließ, heißt es, daß „durch möglichst gleiche Besetzung der Rollen die Erinnerung an die ersten „Nibelungen"- Aufführungen im Jahre 1876 in Bayreuth lebendig erneuert" werden sollte. Als Festspielsänger werden bezeichnet Vogl als Loge, Schlosser als Mime, Gura als Günther, Niemann (Berlin) als Siegmund, Frl. Lilly Lehmann (Berlin) als

') [Wie schwer es übrigens ist, Perfalls Stellung nüchtern zu beurteilen, lehrt die Wagner-Literatur. Den Biographen gilt er unbesehen als Diabolus in musica, und niemand scheint es der Mühe wert zu halten, seinen schlechten Eigenschaften auch die guten gegenüberzustellen oder wenigstens einmal zu sagen, daß auch Wagner gerade kein Engel war. Auch in der neuen Biographie von Max Koch (III. Bd., 1918) kommt Perfall (S. 325ff.) wieder sehr übel weg.]

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Sieglinde, erste Rlieintochter und Stimme des Waldvogels, Frl. Maria Lehmann (Wien) und Frau Lammert (Berlin) als Rheintöchter. Unter den übrigen Mit- wirkenden nennt das Personenverzeichnis noch Gura als Wotan, Siehr als Fasolt, Frl. Dreßler als Gutrun, Frau Rosa Papier (Wien) als Fricka und Frl. Blank als Erda.]

[Im Jahre 1881 ging die Theaterleitung noch einen Schritt weiter und brachte vom 3. bis zum 26. September die übrigen Werke Wagners zur Aufführung: „Rienzi" (der 1871 mit Nachbaur in der Titelrolle zum erstenmal gegeben worden war und dann fast alljährlich wiederkehrte) am 15., „Der fliegende Holländer" am 3. und 17., „Tannhäuser" am 5. und 19., „Lohengrin" am 7. und 21., „Tristan und Isolde" am 10. und 24., „Die Meistersinger" am 12. und 26. September. Zwei Jahre später (1883), vom 26. März bis zum 13. April, gelangten sämtliche Werke „in unmittelbarer Aufeinanderfolge mit eigenen Kräften" zur Darstellung^): 26. März „Rienzi", 27. März „Der fliegende Holländer", 29. März „Tannhäuser", 1. April „Lohengrin", 3. April „Tristan und Isolde", 5. April „Die Meistersinger", 8. April „Das Rheingold", 9. April „Die Walküre", 11. April „Siegfried", 13. April „Götterdämmerung".]

[Von diesen zyklischen Auff'ührungen abgesehen, kam Wagner auch an einzelnen Abenden zu Wort: mit „Tristan" in den Jahren 1880 (7. März), 1883 (20. Februar: als Gedächtnisfeier für den Dahingegangenen), am 18. Februar, dem Begräbnistage, blieb das Theater auf königliche Anordnung geschlossen, und 1885 (13. Februar, zur Erinnerung an den Todestag, zum Besten des Allgemeinen Richard-Wagner- Vereins); „Lohengrin" 1884 (22. Mai Wagners Geburtstag zur Feier der hun- dertsten Auff'ührung) und 1872 (31. Juli, bei der 400jährigen Stiftungsfeier der Ludwig-Maximilians-Universität); „Tannhäuser" 1884 (18. April, zu Ehren des vierten deutschen Geographentags); „Die Meistersinger" 1880 (14. September, zu Ehren der europäischen Gradmessungsgesellschaft).]

[Possart meint in seinen Erinnerungen,^) daß die Idee der Münchener Muster- auff'ührungen, zumal der späteren „Festspiele", denen das Prinzregenten-Theater ein neues Heim eröff'nete, von Perfall ausgegangen sei. Sie müßten als Seitenstück zu den alljährlichen Kunstausstellungen der Münchener Maler betrachtet werden. Gewiß; die regelmäßigen „Ring"-Zyklen, dieSeptemberauffiihrungen des Jahres 1881 und die Gesamtdarstellung der Wagnerschen Werke im Frühjahr 1883 sind Vor- läufer der Münchener Festspiele. Schon im Herbst 1875 hatte Perfall, wie er in einem Dankschreiben an die Mitglieder des Hoftheaters und des Hoforchesters betont, eine Folge auserwählter Vorstellungen veranstaltet, mit dem Zweck, „den vielen Fremden, welche während dieses Zeitraums München zu besuchen pflegen, den künstlerischen Standpunkt der Hofbühnen darzulegen und einen Einblick in deren künstlerische Leistungsfähigkeit zu gewähren." Es war sein „erster Versuch" dieser Art.^) Zur Aufführung kamen außer klassischen Meisterwerken des Schauspiels folgende Opern : Beethovens „Fidelio" und die „Ruinen von Athen", Mozarts „Don Juan" und

') [Perfall in seinem Dankschreiben, a.a.O. S. 178.] *) [S. 190f.] ') [a.a.O. S. 166.]

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„Cosi fan tutte", Cherubinis „Wasserträger", Mehuls „Joseph" und „Uthal", Webers „Freischütz", Lortzings „Waffenschmied", Gounods „Arzt wider Willen." Wagner war mit „Tannhäuser", „Tristan" und zwei „Lohengrin"- Vor- stellungen vertreten. Der große Erfolg dieses Unternehmens legte den Grund zu dem Ruhm der Münchener Bühne. Jedenfalls spricht er für die hervorragende Tüchtigkeit des Personals. Perfall ist der Testamentsvollstrecker der Lachnerzeit. Unter seiner Leitung vervollständigte sich das Ensemble. Traten auch die gefeierten Größen der sechziger Jahre, wie die Stehle (1874), dieDiez (1878) u.a. wieder von der Bühne ab, so fand sich doch reicher Ersatz in der Josephine Schefzky (1871), Mathilde Wekerlin (1875), Maria Schmidt-Basta,Emilie Herzog (1881), Victoria Blank(1886), Lilly Dreßler (1882), Pauline Schöller(1885), in denBassisten Anton Petzer (1878) und Gustav Siehr (1881), in Anton Fuchs und Karl Brulliot (1873), die auch als Regisseure wirkten, dann in dem Tenor Max Mikorey (1878), einem Schüler Heinrich Vogls; 1878 traten die Musikdirektoren Ottmar Rüber und Joseph Stich in den Verband der Bühne ein, 1889 Hofkapellmeister Franz Fischer, der von Mannheim kam. Hofkapellmeister Meyer nahm 1882 seinen Abschied. Um die Eigenart der Münchener Oper zu würdigen, muß man auch die Tatsache be- achten, daß ihre Dirigenten und zahlreiche Mitglieder wiederholt zu den Bayreuther Festspielen berufen wurden. Diese Berührung mit dem hohen Stil der Bayreuther Kunst trug nicht unwesentlich zur Vervollkommnung der Münchener Wagnerfeste bei, wenn auch eine mißgünstige Kritik (wie im „Bayerischen Landboten", in der „Bayerischen Landeszeitung" und ähnlichen Blättern) daran Anstoß nahm und das Hof- und Nationaltheater bereits als Filiale Bayreuths deklassierte^).]

[Die hochgesteigerte Leistungsfähigkeit der Münchener Oper wurzelt aber auch in jenen merkwürdigen Festen, die sich der König selbst gab, in den Separat- vorstellungen. Auch sie sind ja der öffentlichen Meinung anstößig gewesen. Possart wendet sich in seinen Erinnerungen'') gegen die fabelhaften Gerüchte,') die von der Unmoral und dem unerhörten Luxus dieser Veranstaltungen munkelten. Er kommt vielmehr zu dem Schluß, daß die höchste Anspannung aller Kräfte bei diesen Abenden, die in dem König einen ungemein scharfhörigen und verwöhnten Kritiker fanden, gerade den öffentlichen Festen zugute kam. Sie waren die ideale Vorschule für die großen Musteraufführungen. Wie kann man da von Verschwendung reden I Durch Perfall und Possart erfahren wir auch Näheres über die Entstehung dieser einzigartigen Vorstellungen. Danach wünschte der König, der sich bei seiner Reizbarkeit von den Neugierigen, von der Unruhe und den üblichen Störungen im Theater im Genuß beeinträchtigt fühlte, einmal nach einer Darstellung der »Iphigenie* durch Klara Ziegler einer Probe allein anzuwohnen. Aber wenig

') [Vergl, auch O. Kaffers, Das K. Hof- und Nationaltheater in München und sein Untergang. 2 Teile, München 1882/83. In diesem Pamphlet wird auch über Gastspiele, hohe Gagen, schlechte Besoldung und schlechte Behandlung des unteren Personals, über den Niedergang des Balletts und vor allem über die Vernachlässigungen der zeitgenössischen Kunst außer Wagner geklagt.] *) [Die Separatvorstellungen vor König Ludwig II. München 1901.] *) [Besonders gegen Jacques Bainvilles Buch und gegen die Angriffe der Schauspielerin Charlotte Wolter.]

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befriedigt davon, befahl er für sich allein einen Schauspiel-Abend. Das war 1871, im Residenztheater. Seit dem 6. Mai 1872 fanden dann abwechselnd im Residenz- oder im Hoftheater regelmäßig durchgeführte Separatvorstellungen statt. Ursprünglich Schauspiele, von 1878 ab auch Opern. Dabei zeigte es sich, daß der König, dessen geschichtliches Interesse sich in seinen Kunstgesprächen mit Wagner, Hefner- Alteneck u. a. offenbart, auch in der Wahl seiner Stücke seiner Neigung folgte. Er wollte also die großen Gestalten der Geschichte lebendig vor sich sehen, sich, der Gegenwart entrückt, in die Vergangenheit versenken, die ihm in möglichster Treue wiedererstehen sollte.^) So bevorzugte er das historische Drama, wobei ihn Erfindung und Sprache weniger, als die realistischen Eigenschaften des Stoffes reizten. Mit Recht bemerkt Possart, daß damals nicht bloß die Oper, sondern auch das gesprochene Drama die Reformatoren der Bühne beschäftigte. Auch im Wagnerschen Kreise war das der Fall. „Frau Cosima von Bülow schrieb eingehende Schauspiel- kritiken in der ,Süddeutschen Presse'. Einer Aufführung von , Richard III.' wohnte der König mit Wagner bei." 2) Es darf als sicher angenommen werden, daß er dem Musikdramatiker in seiner Neigung, in seinem Wissenstrieb manche Anregung ver- dankte. Unter diesen Opernvorstellungen ragen vor allem die ,Parsifal"-Aufführungen hervor: 1884 am 3., 5., 7. Mai und am 5. und 7. November, 1885 am 26., 27., 29. April. In die Darstellung der Titelrolle teilten sich Gudehus aus Dresden und Heinrich Vogl. Den Amfortas sangen Reichmann (Wien) und Gura, den Titurel Kindermann, den Gurnemanz Siehr, den Klingsohr Fuchs, die Kundry Frl. Malten aus Dresden und Frau Vogl. Außerdem gab man „Tannhäuser" (1. Mai 1880, 25. April 1882), „Lohengrin" (10. November 1880,1. Mai 1882), den „Fliegenden Holländer* (6. November 1883), „Die Meistersinger von Nürnberg" (27. April 1882), „Tristan und Isolde" (29. April 1881, 25. April 1884). Der „Ring" wurde dreimal gespielt: 22. bis 29. April, 3. bis 7. November 1879 und 30. April bis 4. Mai 1883. Auch andere Meister kamen neben Wagner zu Wort: Gluck mit „Iphigenia" in Wagners Bearbeitung, „Iphigenia auf Tauris" und „Armida", Mozart mit der „Zauber- flöte", Auber mit der „Stummen von Portici", Webers „Oberon", Meyerbeers „Hugenotten"; auch neuere Werke: Verdis „Aida", Goldmarks „Königin von Saba", Massenets „Theodora" und „der König von Lahore", sowie Rein thalers „Kätchen von Heilbronn". Dazu gesellen sich noch Schauspielmusiken („Athalia" von Mendelssohn, „Manfred" von Schumann, „Perikles" von Perfall) und die Ballette „Amor und Psyche", „Venus und Adonis" und „Les plaisirs de Tile enchantee" von Max Zenger.]

[In den achtziger Jahren wußte die Kritik, wie gesagt, an der Leitung der Hof- theater manches auszusetzen. Es wurde dem Intendanten vorgehalten, daß er besonders das Novitäten-Repertoire vernachlässigte. In der Tat bleiben einzelne Jahrgänge hinter dem Durchschnitt beträchtlich zurück. Besonders von 1879 ab beschränkt sich der Zuwachs auf zwei bis drei Werke, von denen einzelne sich

') [Possart, Erstrebtes und Erlebtes S.287.] *) [Ebenda, S. 206.]

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noch dazu als Neueinstudierungen entpuppen. Der weitere Vorwurf aber, daß Perfall die Zeitgenossen hinter Wagner zurückgesetzt hätte, entspricht dem Tat- bestand doch nicht ganz. Sein Gesamtverzeichnis enthält fast alle bedeutenden Neuerscheinungen und eine lange Liste der guten alten Repertoirestücke. Auch einheimische Tonsetzer fanden Gehör. Per fall selbst brachte seine Märchen „Dorn- röschen", „Undine* (Text von Bonn, 1874) und „Raimondin" (1881, Text von Hermann Schmid, ein dichterisch hochbedeutendes, auch musikalisch beachtenswertes Werk), sowie die Oper „Junker Heinz* (1886) zur Aufführung. Drei dem Lachnerschen Kreis angehörige Meister, Krempelsetzer mit dem „Rothmantel*' (1868), Joseph Rheinberger mit den „Sieben Raben" (1869) und „Türmers Töchterlein" (1873) und Max Zenger mit „Ruy Blas" (1868) und „Wieland der Schmied" (1880) vertreten die ältere Schule. Aber sie sind nicht unberührt von der Wagnerschen Kunst. Gerade im „Wieland" lernten die Münchner ein Werk kennen, das zwar als dra- matische Dichtung dem Wagnerschen Wieland- Entwurf nicht nahekommt, aber in Form und Sprache glücklich versucht, den neuen Zielen zu folgen. Auf geringere Höhe streben Robert von Hornsteins Opern „Adam und Eva" (1870) und „Der Dorfadvokat" (1872), die mehrere Aufführungen erlebten. Hornstein verkehrte mit Wagner^), blieb ihm aber innerlich fremd. Im Jahre 1885 trat Viktor Gluth mit seinem „Trentajäger" hervor. Mit seiner Oper „Horand und Hilde" hat dieser Musiker später seine Zugehörigkeit zur neudeutschen Schule besiegelt. Das gleiche Jahr sah zwei Wagnerianer der engeren Gemeinde auf der Bühne, Alexander Ritter mit seinem Einakter „Der faule Hans" und Peter Cornelius mit dem „Barbier von Bagdad": dieses Meisterwerk der komischen Oper wurde am 15. Oktober in glänzender Besetzung aufgeführt (der Kalif. . . . Bausewein, Baba Mustapha

.... Schlosser, Margiana Frl. Dreßler, Bostana Frau Meysenheim,

Nuredin Mikorey, Abul Hassan Gura.) Zu Wagners Freundeskreis zählte

ferner Wendelin Weißheimer, der 1872 mit der Oper „Theodor Körner" zu Wort kam. Den neuen Problemen des musikalischen Dramas spürt auch Franz von Holsteins „Erbe von Morley" (1874) nach, während sein vielgenannter „Haide- schacht" (1871) noch im Bann der großen Oper steht. Zu den Werken neuerer Schule gehören noch Weingartners „Malawika" (1886), Goldmarks „Königin von Saba" (1880, mit vier Wiederholungen; Reichmann als Salomon, Frau Vogl als Königin, Nachbaur als Assad, Frau Wekerlin als Sulamith, Bausewein als Hohepriester), Götz' „Zähmung der Widerspenstigen" (1876, mit drei Wieder- holungen). Die große Oper, überhaupt den Geist der Reaktion, repräsentieren Kretschmers „Folkunger" (1875), Aberts „Ekkehard" (1882, zur Vermählung des Prinzen Arnulf von Bayern), Reinthalers „Kätchen von Heilbronn" (1884), ferner die große Oper „Golo" von Bernhard Scholz (1877), Ignaz Brülls „Goldenes Kreuz" (1876), „Königin Marietta" (1883) und der „Landfriede" (1877). Natürlich fand auch Viktor Neßler mit dem „Trompeter von Säckingen", der 1885 zum

') [Im 2. Band der Lebensgeschichte („Mein Leben", 1911) kommt Hornstein schlecht weg. Vgl. den Protest des Sohnes Ferdinand von Hornstein in den Münch. Neuesten Nachrichten vom I.Juni 1911.]

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erstenmal mit elektrischer Beleuchtung aufgeführt wurde/) sein Publikum; er erlebte in diesem Jahre 19 Aufführungen, während es sein „Rattenfänger" (1881) nur auf sieben Wiederholungen brachte und später nur selten wiederkehrte. Langers „Dornröschen" (1875) kam über die Wiederholungen des ersten Jahres nicht hin- aus. — Außerdem ließ sich die Intendanz die Gelegenheit zu „Entdeckungen" älterer Meister nicht entgehen. Am 26. November 1882 brachte Perfall Schuberts Oper „Alfonso und Estrella" mit Nachbaur und Frau Wekerlin in den Titel- rollen, Reichmann als Mauregato, Siehr als Adolfo. Schumanns „Genoveva" am 16. November 1873 (mit Frl. Stehle in der Titelrolle, Vogl als Golo) trug dem Intendanten ein Dankschreiben der Witwe ein.^) Seit 1868 war der „Manfred" fast jedes Jahr über die Bretter gegangen. „Genoveva" wurde indes nur dreimal gegeben, um auf lange Zeit wieder vom Spielplan zu verschwinden. 1871 gelangte Lortzings „Undine" zur Aufführung, sowie das Finale des ersten Aufzugs aus Mendelssohns unvollendeter Oper „Loreley"; 1883, am 7. März, die letzte Oper Marschners „König Hiarne und das Tyrfingschwert", wozu Perfall in seiner Schrift etwas überheblich bemerkt: „Fünfzig Jahre nach seinem Entstehen, zweiundzwanzig Jahre nach dem Tode des Komponisten wurde dieses hochbedeutsame Werk durch Zufall in der königlichen Hoftheater-Bibliothek entdeckt." Es war aber 1863 zuerst in Frankfurt a. M. gegeben worden. Die „Entdeckung" der Intendanz bezieht sich also nur auf die ihr ehemals zur Aufführung angebotene Partiturabschrift.]

[Unter den Neueinstudierungen älterer Opern sind die beiden „Iphigenien" (1869 und 1874) zu nennen, die sich viele Jahre auf der Bühne hielten. Nach der „Armida" (1868) erschienen 1882 „Der betrogene Kadi" mit zwei Vorstellungen und 1884 die „Alceste"mit vier Wiederholungen. Mozarts „Donjuan" wurde am 28. Oktober 1874 zum erstenmal in der neuen Grandaurschen Übersetzung gegeben. 1875 folgte als Neueinstudierung „Cosi fan tutte", 1883 „Idomeneo". Weigls „Schweizerfamilie" erlebte 1872 nur eine Aufführung. Am 14. November 1881 gab man Webers „Oberon" in neuer Inszenierung, vier Wochen später, am 18. Dezember, wiederholt „zu Gunsten der durch den Brand des (Wiener) Ringtheaters Beschädigten". Am 12. April 1872 gelangte die Oper „Medea" von Cherubini zum erstenmal zur Wiedergabe, erlebte aber nur zwei Wiederholungen. Donizettis „Don Pasquale" (1874) wurde nach einer Aufführung, „Die Favoritin" (1879) und „Lucrezia Borgia" (1871) wurden nach den üblichen Wiederholungen wieder abgesetzt. Ebenso hatte Mehuls „Uthal" (1875) geringen Erfolg. Nur Donizettis „Lucia von Lammermoor" (1877) hielt sich, gleich der „Regimentstochter" jahrelang auf der Bühne. Am 12. De- zember 1879 ließ sich Adelina Patti mit dem Tenor Nicolini in der „Lucia" hören, aber ein zweites Auftreten am 15. Dezember (in Gounods „Faust") kam „wegen geringer Teilnahme seitens des Publikums" nicht mehr zustande. Tempora mutantur !]

[Von den Neuheiten der ausländischen Oper erschienen zunächst Verdis Opern, die nach dem Erfolg des „Troubadour" (1868) ein aufmerksames Publikum fanden.

»)[Ober die Einführung der elektrischen Beleuchtung vergl. Perfall, a.a.O. S. 10, 188, 248.] ') [a. a. O. S. 165.]

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Sin goflfnplJB 2 fl. Ir. I '»'""" p. tr.

®te Äaffe toirb um fünf U^r geöffnei.

Slnfonfl um ftU^t, (gnbe um ^alb elf U^t

Set freie gitmitt Ift ol)nc oUe Uluöitaljntc oufge^oben unb wirb ol)ne Saffenbiüct güemanb einnelaffen.

51uf bic gefiilligcn IBcflfUungtn bfr rfrcljrlidien Slboniirnifn ii'irt biö Sonntag ben 21. 3"'*'

aSormittOflg 10 U^r flfmartct, bann abtr über bif nid>l bfiocb'Tllcncn ijogt-ii unb 'jjlrt|}t anberwciiig cetfügt.

geurlaubt: grau *Poffart.

9iepertoire:

SKontüg ben 22. 3uni: Qm Ä. &of= unb SiationaUIljeater) aViinlfter unb S(i)l(n(änMcr, tullfpiel con Scribe,

überjeßt eon Jö^inrid) ÜJiQir. (@taf ton tHanjau S^nx <Uiarr, CberTcgifitut bt« IbalialbfOlet* in Hamburg, aU Icfte ©aftroüe.)

S^ienflflg bcn 23. : Qm R. JRefibfi\3--2b«""') SWInna Uon Satn^elm, Juftipicl con teffing.

TKitlBod) ben 24. : (3m Ä. §of= Unb SJoticnaUIbficr) ^um cr|icn «(alc roieberbolt: Sie VteifterflBger. Oper con Mic^orb üßagncr.

SDonnerftag ben 25. : (^m fi. 4)of. unb SfatiDnaUI^eater) 3icu ciiiftubirt : Sie Sinfalt Dom ConSe, Suftjpiel ton ISpfer.

greilQg bcn 2«. : (^m St. ^of. Unb aiational.'Ibcat«! Souifl |)elnri(^ IV , jroeiler S^eil, ei^aulpicl con «l)>ifjpeare.

(Sonnlag ben 23. : (^m R. $)of= unb 'Jiglionalij.!)"'"^) 3)ic TOcifttrfinfltr, Optr oon ^ii^arb itDagner.

SDcr cinjclne 3ellcl loftct 2 tr. ftgl. |)ofbud)bru<ferei »on Dr. tt. XBoIf i 6of)n.

Max Mikorey 1878 1905 Eugen Gura 1883 1895

Mathilde Weckerlin 1876 1895

Kornelie Meysenheim als Walküre 1872 1896

;;-;>/■

W:

Therese VogI 1866 1892 Theodor Reichmann 1875 1883

Heinrich Vogl 1865 1900 Maria Basta 1880 1888

Lili Dressler 1883 1898 Victoria Blank 1879 1909

Emilie Herzog 1880 1889

Oberregisseur Anton v. Fuchs seit 1873

„ATda" erlebte seit ihrer Erstaufführung 9 („Othello" 1888 nicht weniger als 14) Wiederholungen; „Rigoletto" (1871) und der „Maskenball" (1879) bürgerten sich erst allmählich ein; „La Traviata" (1883) scheint dagegen wenig gefallen zu haben. Die Be- setzung der ersten „A"ida"-Aufführung beschäftigte die Herren Nachbaur (Radames), Kindermann (Ramphis), Reichmann (Amonasro) und die Damen Wekerlin (Aida) und Schefzky (Amneris). Am 23. April 1876 wurde die schwedische Oper „Der Bergkönig« von Ivar Hallström gegeben; damit war München (wie kurz vorher mit der Aufführung der „Nordischen Heerfahrt« von Ibsen) den übrigen deutschen Bühnen voran.]

[Die Franzosen waren vertreten mit zwei Werken von Gounod „Der Arzt wider Willen« (1875) und „Romeo und Julia« (1886), die nach mehreren Wieder- holungen wieder von der Bühne verschwanden, ferner mit Thomas' „Mignon" (1884 bis 1886 öfters wiederholt), Massenets „König von Labore" (1879), Grisars Operette „Gute Nacht, Herr Pantalon" (1873), Masses „Hochzeit Jeanettens" (1872), sowie mit den Balletten „Coppelia" (1879) und „Sylvia" (1881) und der Spieloper „Der König hats gesagt" (1874) von Del i bes. Das Jahr 1880 brach teBizets„Carmen", das erste bedeutende Werk der jungfranzösischen Schule, das nach vier Wieder- holungen mit wachsendem Erfolg alljährlich wiederkehrte. Erwähnt seien noch die Rubinsteinschen Opern „Die Makkabäer" (1876) und „Feramors" (1886), die jedoch nur einige Wiederholungen erlebten.]

[Von den übrigen Ereignissen nennen wir noch das Gastspiel, das Frau Pauline Lucca vor ihrem Rücktritt von der Bühne im April 1877 veranstaltete. Sie sang in den Opern „Die Afrikanerin", „Der schwarze Domino", „Der Troubadour" und „Die Hugenotten". Dann das Erscheinen der italienischen Operntruppen Pollini (mit Desiree Artot als Hauptanziehungskraft) und Weiser (1879). Endlich die Ge- dächtnisse und Festlichkeiten. Da sind nun einmal die verschiedenen „Freischütz"- Aufführungen voranzustellen: am 6. Oktober 1878 bei der Säcularfeier des Hof- und Nationaltheaters ^) als die einzige Oper, die während der drei Festabende und der mehrtägigen Vor- und Nachfeiern zur Wiedergabe kam; am 19. Dezember 1886 bei der Weber-Säkularfeier in neuer Inszenierung und Dekoration; am 24. Juli 1881 zur Feier des siebenten Bundesschießens; am 16. April 1872 zum Gedächtnis der ersten Münchener „Freischütz"-Aufführung am 15. April 1822, ebenfalls mit neuen Dekorationen (dabei wirkte das gesamte Solopersonal im Chor und in der Kom- parserie mit); am 25. Juni 1875 als 200. Aufführung; am 7. März zum Besten eines Weber-Denkmals in seiner Vaterstadt Eutin. „Fidelio" wurde am 17. Dezember 1872 zu Beethovens Geburtstag gegeben, am 26. März 1877 zur Feier des 50. Todestages, am 15. August 1884 neuinszeniert und mit neuen Dekorationen, eingeleitet mit der großen Ouvertüre in C; es war die 100. Münchener Aufführung: Frl. Malten (Dresden) sang die Leonore, Nachbaur den Florestan, Siehr den Pizarro, Kindermann den Rokko. Am 17. August wurde die Aufführung wiederholt. Am

') [Vgl. Perfall, a.a.O. S. 207 und E. von Destouches, Gedenkblatt (in der Münchener Ge- meindezeitung vom 12. Oktober 1878, S. 12.)]

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1. Mai 1886 feierte das Theater die erste Aufführung von Mozarts „Figaro" vor hundertjahren. Das 700jährige RegierungsjubiiäumdesHauses Witteisbach wurdemit Mozar ts„Zauberflöte"festlich begangen. Zur Feier von Ludwig Spohrs hundertstem Geburtstag endlich, am 5. April 1884, wurde wieder auf die Jessonda"zurückgegriffen.

[In die Verwaltungsperiode Perfalls fallen einzelne Anordnungen und Verbesse- rungen, die den Münchener Hoftheatern ein gewisses Übergewicht verliehen, vor- bildlich wirkten und neue Anregungen gaben. Schon 1869 war die Bühne des Hof- und Nationaltheaters umgebaut worden, um den großen szenischen Anforderungen der modernen, besonders der Wagnerschen Oper entsprechen zu können. Nicht minder wichtig waren die neuen Sicherungsmaßregeln zur Verhütung von Bränden, wie sie leider auch in der Münchener Theatergeschichte eine Rolle spielten: der Einbau eines eisernen Vorhangs, der die Bühne vollständig vom Zuschauerraum abzuschließen vermag, der von Hofrat Stehle erfundene Feuerlöschapparat (1875)^) und die Anlage eines vom Theatergebäude abseits gelegenen Dekorations-Magazins (1885) zum Schutz der Kulissen und Vorhänge „die sich im Lauf der Jahre massen- haft angesammelt hatten". Den Stolz der Verwaltung bildete aber die Einführung der elektrischen Beleuchtung, wodurch München allen deutschen Bühnen vorausging. Perfall erzählt, wie die ersten Versuche, das Edisonsche Glühlicht, das damals in Deutschland als eine Art amerikanischen Humbugs betrachtet wurde, zu Theater- zwecken zu verwenden, von der Münchener Elektrizitätsausstellung (1882) aus- gingen. Ein daselbst von Obermaschinenmeister Lautenschläger eingerichtetes Theater gewährte die Möglichkeit, die Brauchbarkeit des neuen Lichtes zu erproben und zu allen erdenklichen Bühneneffekten auszunützen. Daraufhin (1883) wurde es im Residenztheater, zwei Jahre später im Hoftheater eingebaut.^) Eine andere Neuerung betrifft die Trennung von Oper und Schauspiel, großer Oper und Spieloper bezw. Singspiel in den beiden Häusern. Perfall weist darauf hin, daß bei seinem Amts- antritt das Hoftheater „der Tummelplatz für alles für Oper, Ballett, Posse und das gesamte Schauspiel gewesen sei, obgleich das auf Befehl des Königs Max IL restaurierte Residenztheater seit Ende November 1857 der Hoftheater-Intendanz zum Betriebe übergeben worden sei". So habe er eine selbständige Spielordnung für dieses kleinere Theater aufgestellt, worunter auch alle kleineren Opern eingereiht wurden; dem Hoftheater sollten nach völligem Ausscheiden des Schauspiels allein die große Oper und das Ballett verbleiben.') „Bereits 1868 und 1869 wurden mit Werken von A über, Boieldieu, Cimarosa, Dittersdorf, Donizetti, Hornstein, Krempelsetzer und Lortzing glückliche Versuche gemacht." Aber schließlich scheiterte der Ge- danke an materiellen Hindernissen. Die Einnahmen deckten nicht die Ausgaben. Der Zuschauerraum des Residenztheaters war zu klein. So übersiedelte die Spieloper von 1873 ab wieder in das große Haus. Ein Versuch, durch Verkleinerung der Hof- theaterbühne dem Stil der Gattung mehr gerecht zu werden, mißlang ebenfalls, da die nötigen Veränderungen die Sichtbarkeit des Bühnenbildes für die Seitenlogen beschränkten. „Deshalb konnte der Spieloper im Verhältnis zur großen Oper nicht

') [Siehe Per fall S. lOf., 252.] - ») [Perfall a. a. O. S. 10, 248 ff.] - ") [A. a. O. S. 16, 18, 135.]

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die ihr gebührende Pflege zuteil werden." Ein späterer Plan Perfalls, im Residenz- theater Sonderaufführungen in dieser Art zu veranstalten, blieb unausgeführt^); doch kehrt er in den berühmten Mozart-Aufführungen Ende der neunziger Jahre verein- facht und glücklicher wieder. Endlich erwähnt die Chronik das Ausscheiden der Posse aus dem Spielplan des Hoftheaters und ihre Zuweisung an das heute unter dem Namen „Gärtnertheater" bekannte Aktien- Volkstheater.*) Daß sie sich so lange in nächster Nachbarschaft der hohen Kunst behaupten konnte, liegt, wie Perfall meint, an der Vortrefflichkeit ihres Personals, dem Künstler wie Ferdinand Lang, Büttgen und Eduard Sigl angehörten. Damals war aber die französische Operette zur Herrschaft gekommen, Suppe und Strauß waren auf dem Wege, sich Deutschland zu erobern, die alte Posse verlor ihren Einfluß. Wenn auch die Entartungserschei- nungen der Operette in den siebziger Jahren weniger hervortraten und selbst ernsten Musikern noch verhüllt blieben, so wehrte sich doch ein instinktives Gefühl gegen die Gemeinschaft der klassischen Kunst mit solchen lockeren Geistern unter ein und demselben Dache. Ihr Ausscheiden erfolgte zur rechten Zeit.]

[In das Jahr 1886 fällt das traurige Ereignis, des Königs Tod in den Fluten des Starnberger Sees am 13. Juni. Von diesem Tag an bis zum 28. Juni blieben die königlichen Theater geschlossen. Es heißt, daß der König, als sein Geist sich schon zu umnachten begann, noch für die Kunst empfänglich gewesen sei. Er war ein wirklicher Kenner. Mehr noch : Die Kunst war ihm Erlebnis. Nicht aus flüchtiger Laune, sondern aus Tiefsinn und Phantasie schöpfte er die Begeisterung für Wagners Werke. Die Münchener Oper hatte allen Grund zu trauern, verlor sie doch nicht nur ihren Schirmherrn. Die größte Epoche ihrer Geschichte knüpft sich an seinen Namen I]

[Nachwort des Herausgebers: Die Fortführung der Münchener Operngeschichte bis auf die Gegenwart wird in einem besonderen Bande folgen.]

*) [S. 20, 257.] *) [Dieses Theater war auf die Gant gekommen. Auf Ansuchen der Stadt und der Anwohner beauftragte der König 1870 die Intendanz, es anzupachten (zur Förderung der Kunst- und der Volksbildung). 1872 verfügte er dessen Ankauf aus seiner Privatschatulle.]

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BEILAGEN ZUM ERSTEN KAPITEL DES ZWEITEN TEILS

I.

Churfürstliche Ordonanz, betr. den Sopranisten Barbarini^:

Ihre Churf. Dchlt. Unser Gnädigster Herr haben vigore dero zu höchst Ihro dahiesigen Hof- kammer gefertigten Special Decrets von dato 24. Vorigen Monats July gndgst für gut befunten, zum behuf des großen Hoftheaters einen Soprani, namens Barbarini, aus Welschland hieher be- schreiben und selbigen ein Engagement dahin treffen lassen, daß derselbe längstens mit anfang des zukünftigen Monats Oct. dahier eintreffen und bis ende Monats Mai 1783 dahier Verbleiben soll.

Da nun Höchstdieselbe ihm für seine in dieser Zeit zu leistende Dienste eine Belohnung von überhaubtigen zwölfhundt Gulden gndgst bestimmt haben, so würd dem Churf. Zahlamt damit die Weisung Gegeben, daß selbiges sothanen ingrossirten Betrag, vom 1. berührten Monaths July an- fangend, in Monatratis mit denen auf 11 Monathe allmählig auftreffenden Ainhundertneun Gulden 5V3 Kr. gegen Schein auszahlen und hernach seines Orts in Rechnung: pr: Ausgab bringen solle.

München, den 14'enjuny 1782. Notif. dem Musik-Staab p. Copiam und Remißionsbefehl.

IL

a) Bericht des pfalzbayerischen C ensurcollegiums,

die komische Oper „Don Juan« betreffend.

Ad manus Serenissimi Unterth. gehors. Pfalzbayerischer Censur

Collegial Bericht dd. 26. July 1791.

Durchl. Churf., gn. Herr, Herr! Wir haben dem Titl. Grafen von Seeau die in der letzt verflossenen Woche zur Censur der komischen Oper Don Juan als ärgeriich sub hodj. verbothen, indem dort und da verschiedene Stellen vorkommen, welche jungen leuthen zur ärgerniß anlaß geben. Ja im zweiten Auftritt, Scene 2 fol. 100 kann die Handlung, welche zwischen Don Juan und seiner Geliebten Zeriine vorgehet, da er sich mit ihr allein verschließet, sie aber um Hilfe rufet und ihn ein Ungeheuer schilt, nicht andst als ärgeriich: wie die anliegend zurück erbithende Censur weiset, aufgenommen werden, wir hoffen

daher rechtgetan zu haben, und empfehlen uns mit aller Ehrfurcht etc. Euer Ch. D

Fhr. V. Schneider Direktor.

b) Special Befehl. An das Churfürstliche Censur Collegium allhier.

Die Censur der komischen Oper Don Juan betreff.

Not. der Churf. Theater-Intendanz. Pressirt.

S. E. (Serenissimus Elector.) Ihre Chf. D. haben zwar das unterthänigste Dafürhalten dero Censur Collegiums über die comische Oper Don Juan aus derselben Bericht vom 27sten jüngst Vorigen Monats gndgst ersehen; gleichwie aber höchstdieselbe aus hierzu bewegenden Ursachen gndgst beschlossen haben, die Aufführung

>) [Vergl.Rudhart, a.a.O. Beil.n.S.185:Barberini(!), Sopranist 1783 u. 1784 (war 1785 in Cassel).]

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sothaner Opern, wie an mehr anderen Orten öfters geschehen, auf allhiesige Bühne gndgst zu ge- statten; als wird solches erachten Censur Collegio zu dem Ende andurch ohnverhalten, um gnädigste Aufführung keine weiteren Hindernisse einzulegen. München den vierten August 1791.

Aus Ihrer Churf. D. Spezialgnädigstem Befehl ^ u u .i-

*' ^ ^ Frh. von Herthng.

Die „hierzu bewegenden Ursachen*' und die Berufung des Kurfürsten auf das Vorgehen „an mehr anderen Orten" lassen deutlich durchblicken, daß Serenissimus selbst zu Ungunsten seines eigenen Überwachungs-Institutes nicht ungerne dem Druck der öffentlichen Meinung weicht, die sich bereits zu Gunsten des Mozartschen Genius erhoben hat.

III. Eingabe des Kapellmeisters Peter Winter in der Besoldungsarrest-

Angelegenheit.^)

Mit bestürzender Empfindung mußte ich vernehmen, daß Ew. Ch. D. meine zwar langdauernde aber gantz unwillkührliche Abwesenheit ungnädigst aufnehmen, und mir durch ein an die hohe Intendanz erlassenes Rescript meinen gehalt einzuziehen befohlen haben. Ich würde mich nicht unterfangen höchstdieselbe um vermilderung dieses gegen mich Verhängten straf Befehls |:der auf mein schuldloses Weib und meine ebenso schuldlosen Kinder zurückwirkt :| zu bitten, wenn nicht so mannigfaltige mein längeres ausbleiben Veranlassende umstände eingetreten wären, die ich alle mit Beweisen zu erhärten Vermag. Die Krankheit des Schikaneders war der erste fatale Schlag der die Vollendung meiner Composition hinderte, den das Buch war nicht einmal zur hälfte fertig, ich erinnerte mich aber gleich meiner Pflicht, schrieb an den Grafen von Seeau Exe: daß ich gegen meine Absicht und willen Von der Notwendigkeit gefesselt mit Ablauf des Termines nicht in München eintreffen könnte: dazu kam in eben dem Zeitraum eine mich überfallende Hämroidal Unpäßlichkeit, die mich zur Arbeith gänzlich unfähig machte. Die erste gefällige äußerung des herrn Intendanten vom 10. März an Schikaneder mit dem 4 Tage später an mich gestellten Briefe kon- trastierte nun sonderbar, den war er in diesem ersten Schreiben nachsichtsvoll und schonend, so war er in dem an mich gerichteten hart und aufgebracht, endlich erhielt ich gegen Ende des aprils die andere Hälfte des opern Textes: ihn liegen lassen und ohne die Arbeith zu vollenden zurück- reisen, würde höchst unschicklich gewesen sein, es würde mich auch in einen Prozeß verwickelt haben, der die unangenehmsten Folgen für mich gehabt hätte. Dabei hätt' ich mich dem Tadel des Publikums oder der Schadenfreude der Neider, an denen es den künstlern nie fehlt, Preisgegeben, zu geschweigen daß es gegen die Ehre des höchsten Hofes dem ich diene gewesen wäre, auf solche arth Wien zu verlassen, wodurch ein ehrlicher Mann in den größten Schaden gestürzt worden wäre. Was mich bei allen diesen unvorhergesehenen und meine rückkehr Verzögernden umständen am meisten kränkt, ist die Verbreitete Sage als suchte ich andere Dienste, ich bin einer so undankbaren niederträchtigkeit nicht fähig, ich diene seit 32 Jahren Euer Chf. D. mit Eifer, mit Ehre, und Pünct- lichkeit. Sollte ich gefehlt haben, so werfe ich mich Höchstselben zu Füßen, ich schicke dieses untertänigste anlangen durch mein Weib Von hier aus in ihre gnädigen Hände und bitte um Aufhebung des besoldungsarrestes. Der ich mich übrigens zu ferneren höchsten Hulden und Gnaden empfehle.

Wien, 2. Juni 1798. E. Ch. D. etc. Unterth. gehorsamster Peter Paul Winter, Kapellmeister.

IV. Promemoria des Grafen Seeau.

Eure Ch. D. geruheten unterm 15 dieses Specialiter gnädigst zu befehlen, daß die Hofmusik- Intendance über das zurückfolgende untgst. Anlagen des Kapellmeisters Paul Winter, in welchem

») [Beilage III und IV auch bei Frensdorf, a.a.O. S.USff.] 65 513

6r um Churmildeste Aufhebung des Verhängten ßesoldungs Arrestes bittet, das unterthgste Gutachten abgeben solle. Ich beziehe mich im wesentlichen auf den unterm ll'en May a: c: untgst. erstatteten Bericht, welcher sich auf die höchste Weissung vom 25«en gb^'s 1789 gründet, und in Verfolg dessen geruhten E. C. D. u. 18. May jüngsthin das Gehalt des Kapellmeisters Winter mit Arrest zu belegen. Der Supplicant führt nun zwar unerwiesene nur dessen privat Umstände und Vortheil betreffende Gründe an, die Ich näher zu prüfen und zu beurtheilen Außer Stand bin, übrigens hat er allzeit eine respectswidrige und der Würde der höchsten Anbefehlung entgegensprechende Handlung begangen, die er nur in tiefster Unterwürfigkeit schuldigst bekennt und diesfalls um gnädigste Schonung unter- tänigst bittet. E. C. D. stelle ich nun gehorsamst anheim, ob höchst dieselbe den Verhängten Be- soldungsarrest Aus besonderen höchsten Gnaden und ohne weitere Consequenz Aufzuheben und dem oftgenannten Winter dessen gehalt fließend zu belassen gnädigst geruhen wollen. München, den 20. Juni 1798. Jos. Gr. v. Seeau. Intendant.

V. Rezensionen aus dem »Dramatischen Briefwechsel" von Klaubauf. Jahrgang 1797.

1. Figaros Hochzeit.

Den 23.Juni gab man die Hochzeit des Figaro von Mozart. Mamsell Kannabich(!) spielte diesen Abend eine Gastrolle. Sie machte die Gräfin Almaviva. Ihr Gesang war beifallswürdig. Sie wurde nach dem Stücke herausgerufen, und laut applaudiert. Herr Peyerl machte die Rolle des Grafen; Madame Peyerl Susanne beide wie gewöhnlich sehr brav. Auch Herr Muck zeichnete sich in der Rolle des Figaro mit Vorteil aus. Sein Spiel sowohl als sein Gesang waren beide gleich gut. Er läßt von sich viel für die Zukunft erwarten. Den Pagen spielte M"« Hartig nicht ohne Glück. Freylich ist es nichts leichtes in die Fußstapfen einer so vortrefflichen Schauspielerin als Mad. Renner zu tretten. Man muß daher billig sein und die Parallelen zwischem beider Spiel nicht zu strenge ziehen. Nur Basilio, der Musikmeister, verunzierte mit seiner unharmonischen Stimme diese vortreffliche Oper. Wielange noch soll das Publikum vergeblich wünschen, die Stelle dieses ehemals gewiß guten Schauspielers durch ein jüngeres und besseres Subjekt in den Opern besetzt zu sehen?

In dem Zartgefühl, die Getadelten nicht beim Namen zu nennen, bleibt sich, wie der Leser sehen wird, der Rezensent konsequent. Wir Nachlebende haben dadurch keinen Verlust, denn wir interessieren uns nur für die guten Kräfte.

2. Die Wilden.

Den 30. Juni. Die Wilden. Ein Singspiel in 3 Aufzügen, aus dem französischen von Herrn Dalayrac. Eine gefällige Composition. Ich will mich nicht in den Streit, welcher schon lange zwischen den Adepten der welschen und der französischen Musik obwaltet, und in welchen selbst Rousseau sich mischte, einlassen. Einige geben dieser, andere jener den Vorzug. Ich meines Orts nehme in diesem Streite keine Parthey; denn ich habe von beiden Arten Compositionen exekutieren gehört, die gleich sehr den Beifall der Kenner erhielten. Vergleiche man z. B. nur die zwo verschiedenen Compositionen der Nina sind nicht beide in ihrer Art vortrefflich? und doch rührt die eine von Dalayrac, einem Franken, die andere von Paesiello, einem Wälschen, her. Eine wirklich schöne Musik macht immer ihren Effekt auf den Zuhörer, und das Genie ist auch in diesem Falle nie dem ausschließlichen Monopol einer Nation unterworfen .... (Nach lobender Kritik über die Renner, Herrn Peyerl und WJ? Hartig urteilt der Verfasser über den Tenoristen Schack:) Don Alvar machte Herr Schack, dessen angenehme Singstimme Sie bei Ihrem Hiersein bewundert haben. Hinreißend schön sang er heut die Arie des dritten Akts. Schade, nur Schade, daß seine Deklamation so mangel- haft ist. Hört man ihn sprechen, so kann man sich des Wunsches nicht enthalten, sein Dialog möchte in Recitative umgewandelt sein. Wäre es denn nicht möglich, durch anhaltenden Fleiß Obung und Wachsamkeit auf sich selbst diesen Fehler zu verbessern?

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3. Die Entführung aus dem Serail. Den 21. Juli: Die Entführung aus dem Serail, eine Operette mit Musik von Mozart. Wer sollte nicht die Arbeiten dieses Sohnes der Harmonie kennen, und ihren Wert zu würdigen wissen? Die Kritik schweigt demnach über das Lob, welches auch dieser Composition des großen Künstlers gebührt: allein darüber kann sie nicht schweigen, daß dessen Manen durch eine schlechte Aufführung beleidigt wurden. Das Orchester exekutierte auch heute diese herrliche Musik mit der ihm eigentümlichen Accuratesse; auch Herrn Schack's Gesang war lobenswürdig; allein jener der

Constanze, welche heute von einer jungen Dilettantin gemacht wurde, verdient die Rüge der Kritik

(wird nun weiter heruntergemacht). Pedrillo (leider ausnahmsweise auch nicht genannt) sekundierte mit seiner angenehmen Stimme dies Gekrächze sehr brav. Welch himmlische Harmonie machte dies nicht! .... Füglich hätte man mit Newton sagen können, der, als er einer Oper beigewohnt, gefragt wurde, wie sie ihm gefallen habe, antwortete: Der erste Akt behagte mir so, den zweiten hielt ich noch geduldig aus; aber beim dritten machte ich, daß ich fort kam.

4. Richard Löwenherz. Den 7. July: Richard Löwenherz, ein Singspiel von Gretry. Der Werth dieser Oper ist längst entschieden; nur muß ich noch erinnern, daß diese Musik, von der hiesigen churf. Kapelle auf- geführt, für mich, und ich glaube, für jeden, der Gefühl besitzt, ein wahrer Genuß war. Herr Schack sang besonders schön und Mde. Peyerl hatte nicht allein das Verdienst die Rolle der Margarethe sehr brav zu singen, sondern auch ein sehr vorteilhaftes und geschmackvolles Costume gewählt zu haben. Mde. Renner als Bauernjunge war ganz in ihrer Sphäre. Das Publikum wurde durch das gute Spiel aller heut völlig befriedigt. Vorzüglich schön, und mit unnachahmlicher Delikatesse war die Arie: „O Richard, o mon Roi" von der Violine des Herrn Ecks gespielt, und was ich bis jetzt nicht begreifen kann, vom Publikum nicht applaudirt.

5. Doktor und Apotheker. Den 28.July: Der Apotheker und der Doktor, ein Singspiel von Dittersdorf. Diese vor- treffliche Oper ist eine bündige Widerlegung jenes Vorurteils, als gediehen auf Germaniens Boden wegen Unsangbarkeit der Sprache keine deutsche Singspiele. Doch wir wollen uns bei einer Sache nicht aufhalten, über welche schon längst Kenner abgeurteilt haben. Am heutigen Spielabend trat Herr Eugen, ein fremder Schauspieler, in der Rolle des Feldscheerers Sichl auf (folgt eine in der Hauptsache abfällige Kritik dieses Gastes, aber auch des Publikums wegen zu freundlicher Behandlung desselben:) Was bleibt dem vollendeten Talente, wenn das werdende schon so belohnt wird? Herr Muck als Apotheker war sowohl im Spiel als Gesang sehr brav, auch sehr richtig kostümiert; und Herr Schack flocht sich durch den edlen, sanften, zum Herzen gehenden Vortrag seiner Stimme einen neuen Lorbeerzweig in seinen schon errungenen Kranz; er machte Gotthold, den Sohn des Doktor Krautmanns. Ein Gleiches können wir von unserm Peyerl als Sturmwald sagen, der heut in seinem Elemente, d. h. im komischen Fache war. . . . Mde. Peyerl mit ihrer Silberstimme als Rosa lie sang mit tiefeindringendem Ausdruck des Gefühls auch am heutigen Abend zur Befriedigung des ganzen Hauses, und in Leonorens Rolle leistete M'ie Hartig recht viel.

6. Die Zauberflöte. Den 31. July: Die Zauberflöte, mit Text von Schikaneder, die Musik von Mozart. Wir fragen zuerst, was ist der Text? Ein totes Gerippe, höchstens ist das Gebein geschmeidig genug, um sich in alle Formen biegen zu lassen. Mozart hat es mit gesundem Fleische, mit einer weißen, jugendlichen, ewig jungen Haut in den mannigfaltigsten Wellenlinien, und mit der malerischsten Abwechslung des Colorits und Teints überkleidet. Es war ein todter Körper, dem der genialische Komponist Leben und Geist, Reizbarkeit und Fülle des Herzens und alles eingehaucht hat, was ein todtes Wesen bis in jeden Blick des Auges, in jede Muskel des Gesichts, bis in alle Fingerspitzen beleben kann. Das Stück umfasset die mannigfaltigsten Gesinnungen und Empfindungen vom feierlich

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Ernsten bis zum niedrig Komischen herab, durch alle Nuanzen, und die Musik drückt das alles mit einer Wahrheit, Innigkeit, Neuheit, und mit einem Reichtum, einer Mannigfaltigkeit aus, daß man das Zusammengeflickte, Widersinnige des Stücks rein vergißt. Mozart hat sich durch die Com- position dieses herrlichen Meisterwerkes der Harmonie die unverwelklichste Palme des Künstler- ruhms erworben; er setzte gleichsam dadurch seinem Genie ein Ehrendenkmal, welchem auch die späteste Nachwelt ihre gerechte Huldigung nicht versagen wird (wie ist diese Prophezeiung ein- getroffen! — und wann wird sie aufhören sich zu bewähren? Der Verfasser). Dieses Meisterwerk der Kunst war nun hier am heutigen Abend von Seiten der Mitspielenden mit allem Kunstfleiße dar- gestellt. Auch der theatralische Pomp entsprach den Erfordernissen der Oper, und das Kostüm war bei den Hauptpersonen sehr gut beachtet. Herr Gern als Sarastro, unstreitig die einflußreichste Rolle des Stücks, erhob das Herz durch den Zauber seines Gesangs zu frohester Mitempfindung.

In Wahrheit! wir gestehen, noch nirgendwo eine so angenehme Baßstimme gehört zu haben

Die herrliche Arie: „In diesen heiligen Hallen", in welcher sich der Künstler in seiner ganzen Größe zeigte, wird uns unvergeßlich bleiben. Es zeichneten sich ferner vorteilhaft aus Herr Schack als Tamino, Mde. Peyeri als Pamina, ihr Gatte als Papageno, alle in ihrem Fache sehr brav. (Zum Schluß ein Curiosum:) In einem mit der Oper verwebten Tanze bewies Mde. Danner durch die Grazie ihres Körpers und durch ihren edlen sittlichen Tanz, daß sie die gerechten Ansprüche auf den Ruf einer vortrefflichen Tänzerin habe. (Man konnte also beliebig Tänze einlegen!)

7. Der Spiegel von Arkadien.

Den 4, August: Der Spiegel von Arkadien, oder wie man das Stück auch an anderen Orten nennt, die neuen Arkadier, eine komische Oper in vier Aufzügen, von Schikaneder, mit Musik von Süßmayer. „Der Stoff ist, wie jeder weiß, aus der griechischen Schöpfungsgeschichte entlehnt und ganz nach der Zauberflöte gemodelt. Was dort ein Vogeiränger ist, ist hier ein Vipernfänger. Diesen machte Herr Peyeri mit vielem Spaß. Die Musik hat Werth. In einigen Stellen verräth sich sogar der Meister. Ein so schönes und einstimmiges Orchester als das hiesige, das zu dem Gesang eines Mucks und eines Peyeri so geschickt zustimmte, mußte die Oper gefallen machen. Wir sahen die erste Vorstellung dieser Opernposse auf dem Schikanederschen Theater in Wien. Das hiesige Personal übertrifft an Güte bei weitem jenes; allein dort hat Schikaneder unendlich mehr an Deko- ration und Costüme verwendet, wodurch das Ganze genußreicher für Aug und Ohr (?) ward!

In einer Rezension vom 11. August über ein Ifflandsches Lustspiel, welchem die Operette „Die beiden Savoyarden" folgte, verdient die Schlußbemerkung besondere Beachtung:

Das während der Hälfte dieser Vorstellung anhaltende Lärmen der Dienerschaft sowohl auf den Gängen, als auch jenes Publikums von da oben (der Galerie), ver- hinderte, daß man nicht ein einziges Wort von dem auf der Bühne Gesagten ver- stehen konnte. Wie aber wäre dieser Inkonvenienz für die Zukunft vorzubeugen, da dieselbe fast bei jeder Vorstellung stattfindet? Durch eine innere wohl ein- gerichtete Polizey des Hauses. Unser Wunsch wäre, daß man diese gewiß gut gemeynte Mahnung aus Achtung für das Publikum gehörigen Orts beherzigen möchte, denn man sage, was man wolle ein gewisser Typus von Reform, sowohl in diesem, als auch in anderen Stücken mehr, ist unumgänglich notwendig, wenn man nicht die Vermutung wider sich erregen will, einen eingewurzelten Abscheu gegen alles zu haben, was nur irgend die Färbung von Reform hat. (Diese Rüge ist sehr deutlich. Desto reservierter spricht sich der Verfasser gegenüber Winters „Unterbrochenem Opfer fest" in den zwei nachstehenden der Sache völlig aus dem Wege gehenden Artikelchen aus:)

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1. Den 17. August zum erstenmale (!): Das gestörte Opferfest, eine Oper von Herrn Kapell- meister Winter. Da wir gewillt sind im nächsten Schreiben die Regeln und Grundsätze, nach welchen die theatralischen Musiken beurteilt werden müssen, einzurücken, so werden dadurch unsere Leser in den Stand gesetzt sein, den Wert einer jeden Oper selbst zu bestimmen, um also auch diesem Opfer feste Gerechtigkeit widerfahren zu lassen.

2. Den 20. August: Das unterbrochene Opferfest, eine heroisch, komische deutsche Original- Oper in zwei Aufzügen von Herrn Kapellmeister W. Aus schon oben angeführten Gründen begnügen wir uns statt aller weitläufigen Kritik über diese Oper bloß hiemit Tonsetzern und Freunden der Tonkunst eine Bemerkung unseres Lessings darzureichen, welche sie gleichsam als ein niedliches und vollständiges Souvenir annehmen mögen.

(Der Schlußsatz derselben ist: Das Lob des Tonkünstlers wächst mit seiner Ver- ständlichkeit; je leichter, je allgemeiner diese, desto verdienstlicher jenes.) Wenn hierdurch der Verfasser andeuten wollte, daß die Oper durch ihre Leichtverständ- lichkeit durchgeschlagen habe, so ist damit gegenüber den großen Lobspenden, welche er z. B. Mozartschen Werken ertheilt, doch sehr wenig oder noch gar nichts besagt. Daß die Leser aus seinen „Regeln und Grundsätzen", die übrigens erst lange post festum zum Druck gelangten, den Werth der neuen Oper sowie seine eigne Anschauung darüber deducieren werden, hat er wohl selbst nicht geglaubt. Er brauchte die ad hoc erfundene Ausrede nur, um sich um das Urteil, das ent- weder in ihm selbst nicht feststand oder am Ende gar mit dem allgemeinen Jubel nicht stimmte, herumzudrücken. Nach dem endlichen Erscheinen seiner ästhetischen Unterweisung, die übrigens bei aller Abstraktheit nicht uninteressant ist, weiß er über eine dritte Aufführung des neuen Werkes nur zu sagen:

3. Den 17. November: Das unterbrochene Opferfest gefiel uns heute mehr als je, denn man gab Musik und Gesang mit vielem Fleiß. Herr Peyerl machte heute die Rolle des Pedrillo (jenes komischen Bramarbas) sehr gut und übertraf seinen Vorgänger um vieles. Das Haus war gedrängt voll, und jedes verließ den Schauspielsaal mit Zufriedenheit.

Das Publikum war also abermals angewiesen, sein Urteil über die Wintersche Musik, nunmehr vielleicht nach den gegebenen Regeln, sich selbst zu bilden. Wie rückhaltslos beredt aber wird unser Rezensent bei einer Aufführung des schon oft

gegebenen „Don Juan"!

8. Don Juan.

Den 27. Oktober: Don Juan, ein Singspiel in vier Aufzügen mit Musik von Mozart. Wenn nach den Grundsätzen der Esthetiker (!) das wahrhaft Schöne das ist, was gefällt, das heißt mit andern Worten: Wenn das Schöne das Gefühl der Lust hervorbringt, so verdient wohl zweifels- ohne diese Composition, in welcher Mozart, dieser Fürst der Melodie und Harmonie, so viel himm- lisches hineinzulegen wußte, mit dem gültigesten Rechte dieses Prädikat. Diese Musik wirkte heute durch ihre Zauberkraft sowohl auf die Herzen der Zuhörer, die ganz Aufmerksamkeit waren, als auch auf die Gefühle der Künstler selbst, welche sie auf das kunstreichste ausführten. Besser als man diese Musik hier gab, kann sie wohl schwerlich irgendwo exekutiert werden. (Reischel kennt die Theater von Wien, Berlin und Dresden.) Das Orchester war wie von einer Seele belebt, und so auch die Sänger und Sängerinnen, unter denen Herr Peyerl als Don Juan den Kranz des Ver- dienstes durch sein gutes unverlegenes Spiel nicht allein, sondern auch durch seinen Gesang un- bestritten verdient hat etc.

(Von hervorragendem Interesse scheint mir noch die nachstehende Besprechung über ein Werk des sicher mit Unrecht ganz vergessenen, genialen Martin zu sein.)

517

9. Der Baum der Diana.

Den 10. November: Der Baum der Diana, eine komische Oper in zwei Aufzügen mit Musik von Martini (Vincente Martin y Soler). In dieser Coniposition ist der Verfasser der Cosa rara unver- kennbar. Sowohl jene als diese Oper sind Nahrung für die Seele des gefühlvollen Zuhörers, und in beiden zeigt sich die Allmacht des Genies in seiner ganzen Stärke. Die Composition des Baums der Diana scheint so kunstlos, und doch greift sie tief in die Affekte und dringt in's Herz. Von dieser Musik kann man mit Recht sagen, sie erzeuge und pflege jede sanfte Leidenschaft und ver- setze das Gemüt in die glücklichste Stimmung. Diese Verständlichkeit, diese Macht aber, welche die schöne Musik auf unverderbte Herzen ausübt, ist das Charakteristische einer guten Composition, und das eigentliche und wahre Lob des Künstlers.

*

Diese Auswahl von Opernrezensionen, deren der „dramatische Briefwechsel" ungefähr zwanzig enthält, glaubte ich diesem Buche einverleiben zu sollen, weil auch sie ein Bild von dem Standpunkte der Münchener dramatisch-musikalischen Kritik am Ausgange des 18. Jahrhunderts geben. Während sich die Ästhetik noch in hoffnungsvoller Kindheit befindet, könnte die sachliche Haltung, die objektive Beurteilung der Kunstwerke und Künstler mit Ausschluß jedes Parteistandpunkts manchen heutigen Kritikern zum heilsamen Muster dienen. Auch verdient der kolossale Fortschritt Beachtung, welchen diese Theaterkritiken im Vergleich mit gleichzeitigen amtlichen Urkunden in Bezug auf stilistische, sprachliche und ortho- graphische Richtigkeit bekunden, wenn auch oft der oft komisch biedermeierische Ton heutzutage auf wenig Verständnis rechnen kann.

VI.

Churfürstliche Entschließung vom 15. Januar 1804.

An die Churpfalzbaierische Hoftheater-Commission.

Den Theater-Etat für das Jahr 1804 betr.

Minist.-Finanz-depart. Ref. Freiherr von Hartmann.

Max Joseph Churfürst.

In Folge Unserer für eine allgemeine neue Finanz-Formation unterm 9. Sep- tember 1803 erlassenen, organischen Gesetze, nach welchen für einen jeden Hauptteil der im XIII. Artikel auf Unsere Central-Staats-Casse gelegten Universal-Staats- Ausgaben eine etatsmäßige Jahres-Summe reguliert werden soll;

empfängt nunmehr Unsere für das Theater und Ballet angeordnete Hof-Com- mission, die hierauf bezüglichen Beschlüsse.

1.

Unsere Hoftheater-Commission ist, sowie jeder Hofstaab, und jede andere Hof- Intendanz unmittelbar Unserem Geheimen Finanzministerium untergeordnet.

2.

Die Theater-Gasse schöpft ihre Einnahmen teils aus den Beiträgen des Publikums, teils aus einem Zuschüsse von der Central-Staats-Casse.

518

3.

Die ersteren können angenehmen werden auf jährlich 48000 Gulden.

Die vormals zerstreuten Zuschüsse aus verschiedenen Gassen, und unter verschie- denen Titeln, nemlich das Aversional Quantum des ehemaligen Hofzahlamtes; die bei demselben sowohl an die Theater-Gommission selbst, als an verschiedene Theater Individuen bezahlten Besoldungen; der provisorische Beitrag aus der vormaligen Gabinets-Gasse; und endlich die Miethe der beiden churfürstlichen Logen und der bestimmten Regie für die Edelknaben, werden nunmehr in eine Summe zusammen- gehen und auf eine Gasse, nemlich die Gentral-Staats-Gasse, dergestalt gelegt, daß diese von allem Detail der Ausgaben, welche hiedurch gänzlich auf die Theater-Gasse übergehen, befreit, und allein zur teil weisen Abgabe der Hauptsumme verbunden wird.

Diese Summe wird gleichzeitig festgesetzt auf jährlich 48000 Gulden, welche in monatlichen Raten von 4/M Gulden jedesmal in der letzten Woche des Monats von derTheater-Gassa gegen Schein bei der Gentral-Staats-Gasse erhoben werden können.

4.

Unsere Hoftheater-Gommission, welche hiedurch zum Behufe des Theaters und Ballets eine auf jährlich 96/M Gulden erhöhte Fundierung erhält, hat mit dieser Summe welche für das eintrettende Finanzjahr unwandelbar reguliert ist, alle Be- soldungen des Personals, die Kosten der Darstellung in allen ihren Theilen und die einschlägigen Pensionen zu bestreiten; und dieses in monatlichen Berichten an das Geheime Finanzministerium mit beigelegter Rechnungs-Auszeige nachzuweisen.

Dem zwölften Monats-Berichte ist die Jahresrechnung beizulegen, zu deren Führung der Gontrolleur der G.-St.-G. beauftragt ist.

Unserem Hoftheater-Gommissär von Babo wird zum erneuerten Beweise Unserer fortdauernden Zufriedenheit und in der Zuversicht auf eine sowohl durch persön- liche Gegenwart als durch künstlerische Anordnungen zu betätigende Anstrengung, aus der bewilligten Etatssumme statt des bisherigen Gehaltes von 1600 ein Jahres- gehalt von 2000 Gulden, mit dem I.Jänner dieses Jahres angefangen, bewilligt.

München, den 15. Januar 1804.

Mitteilung hievon der churpfalzbaierischen Gentral-Staats-Gasse zur Wissen- schaft und Nachachtung.

Igt. Montgelas Max Jos., Ghr.

Ref. Hartmann. Yjj n

[Am 27. September 1789 begründete Karl Theodor eine neue Militär-Akademie in München, die dem Grafen Rumford übertragen wurde. Dieser betraute seinen Freund und gleichgesinnten Mitarbeiter Babo mit der Ausführung eines Lehr- und Erziehungsplanes. Der kurfürstliche Erlaß sprach als Ziel aus, der Militärstand solle „auf den bürgerlichen anpassend und anwendbar gemacht und die Glückseligkeit dieser beiden Stände auf eine dauerhafte Art hergestellt werden«.

Dies machte sich auch Babos Erziehungsplan zu eigen, nach dem Muster Basedows.

1) [Zusatz nach einem Excerpt von Stabsrat L. Malyoth.]

519

DieMilitärakademie wurde in drei Abteilungen eingeteilt: a) für Söhne von Offizieren oder aus dem unbemittelten Adels- und Mittelstande, b) für Pensionäre ohne Rücksicht des Standes, c) für Söhne von rechtschaffenen Bürgern und Landleuten.

„In vier Jahren, ohne eben Wunder zu verlangen, werden die Zöglinge wohl so weit gekommen sein, daß sie die lateinische Sprache im geläufigen Lesen und im mündlichen Vortrage wohl verstehen und sich selbst auch in nicht allzu schweren Materien darin ausdrücken können."

„Wer es im Französischen, in dieser an sich leichten Sprache, nach einem drei- jährigen Unterricht im vierten Jahre nicht so weit bringt, daß er fertig sprechen kann, der werde wohl überhaupt nie französisch lernen."

„Im dritten bezw. vierten Jahre soll täglich eine Stunde der Logik, der Psychologie und der praktischen Philosophie gewidmet sein."

„Die Erziehung ist der kurfürstlichen Militär-Akademie ebenso wichtig als der gesamte Unterricht und weit wichtiger, als einzelne Teile desselben. Man ver- wechselt diese beiden Dinge nicht nur im gemeinen Leben, sondern leider! nur zu oft bei Schulanstalten, wo man freilich das Gedächtnis vollpfropft, den Verstand fein zuschleift, das Herz aber leer läßt; daher so manche schlaue oder pedantische Polyhistorie, die aus Mangel an Grundsätzen dem Staat gefährlicher als nützlich sind."

„Gott und die Ehre sind die zween Hauptgrundsätze, worauf das ganze Erziehungs- system der kurfürstlichen Militär-Akademie beruhet, und man hält diese Grundlage für vorzüglich und dauerhaft, weil alle moralischen und politischen Vollkommenheiten sich sehr deutlich daraus herausleiten lassen, und alle sich unmittelbar dahin beziehen. Ohne sich also in die Spekulation pädagogischer Fragen einzulassen, hat man darauf zu sehen, gottesfürchtige und ehrliebende Jünglinge zu bilden."

„Die äußerliche Erziehung ist ganz militärisch, insoweit nämlich Subordination, Genauigkeit, Ordnung und Reinlichkeit dabei als vorzügliche Eigenschaften erfor- derlich werden."

„Das Alter der in diesen Abteilungen befindlichen Zöglinge erheischt das Gesetz, daß nie ein Avancement oder Rangunterschied mit ihnen vorgenommen wird. Keiner derselben, sein Betragen und Einsicht seien noch so lobenswert, darf jemals zum Aufseher, Führer usw. der übrigen bestellt werden."

„Die Zöglinge werden durchaus ohne Rücksicht auf Stand und Vermögen in allen Dingen gleich gehalten."

Am L Januar 1790 wurde die Anstalt (im alten Jesuitenkloster) eröffnet. Am 16. Januar 1790 ernannte der Kurfürst Babo zum Studiendirektor der Militär-Akademie mit einem Jahresgehalt von 600 Gulden, wozu ihm unterm 11. August 1792 „in gnädigster Erwägung der besonderen Verdienste, vorzüglich auch in Rücksicht seiner Vorbereitung bey Errichtung gedachter Academie, dann dessen thätiger Verwendung bey dem guten Fortgange dieses Instituts" 200 Gulden Zulage bewilligt wurden.

Am 4. Dezember 1799 bat Babo um seine Entlassung und erhielt sie.]

520

VERZEICHNIS DER ABBILDUNGEN

Nach Seite

Max Zenger. Nach einer Photographie 6

Kurfürst Ferdinand Maria von Bayern. 1652—1679. Nach einem Kupferstich von M. Küsell 1657.

(München, Maillinger-Sammlung) 20

Kurfürstin Henriette Adelaide von Bayern, geborene Prinzessin von Savoyen. 1652—1676. Nach

einem Kupferstich von M. Küsell 1657. (München, Maillinger-Sammlung) 20

Intendant Josef Graf v. Seeau. 1778—1799. Nach einer Silhouette von Lütgendorf 1786 . . 56 Intendant Joseph Marius Babo. 1799—1810. Nach einem Gemälde von J. G. Edlinger. (München,

Maillinger-Sammlung) 80

Intendant und Komponist Johann Nepomuk Freiherr v. Poissl. 1824—1833 (1848). (München,

Graphische Sammlung) 184

Intendant Karl Theodor Küstner. 1833—1842. (München, Maillinger-Sammlung) .... 192 Intendant Franz Dingelstedt. 1851—1857. Nach einem zeitgenössischen Stich. (München,

Maillinger-Sammlung) 312

Intendant Karl Freiherr v. Perfall. 1867—1893. Nach einer Lithographie von Wiedenbauer 1846.

(München, Maillinger-Sammlung) 368

Kapellmeister Ercole Bernabei. 1674—1687. Nach einem Kupferstich. (München, Graphische

Sammlung) 20

Kapellmeister und Komponist Peter Winter. 1778—1825. Nach einem Kupferstich aus dem

Verlag Breitkopf & Härtel 72

Kapellmeister Karl Cannabich. 1800—1806. (München, Graphische Sammlung) 88

Kapellmeister Hippolyt Chelard. 1828—1835. Nach einer Lithographie von Lacroix. (München,

Maillinger-Sammlung) 200

Kapellmeister Franz Lachner. 1836—1868. Nach einem Stich von A. J. Schultheiß ... 280 Hans V. Bülow. 1866—1869. Nach einer Photographie von Fritz Luckhardt. (München, Maillinger- Sammlung) 336

Generalmusikdirektor Hermann Levi. 1872—1896. Nach einer Photographie von Albert in

München. (München, Maillinger-Sammlung) 500

Richard Wagner in seiner Münchener Zeit. Nach einem Gemälde aus der Sammlung Greiss.

(München, Historisches Museum) 392

Ballettmeisterin Lucile Grahn (-Young). 1869—1875. Nach einer Lithographie von Crevedon.

(München, Maillinger-Sammlung) 500

Catharina Cammerloher, geb. Grün. 1782—1790. Nach einer Silhouette von Lütgendorf . . 64

Maximilian Pilotti (Piloty). 1776—1813. Nach einer Silhouette von Lütgendorf 64

Herr Weinmüller als „Wastl" in der Oper „Der Tiroler Wastl« von Jakob HaibeL (Aus Carls

Theaterjournal 1814) 64

Madame Weinmüller als „Liesl« in der Oper „Der Tiroler Wastl" von Jakob Haibel. (Aus Carls

Theaterjournal 1814) 96

Georg Mittermayr als „Don Juan" in Mozarts gleichnamiger Oper. (Aus Carls Theaterjournal 1815) 96

Karl Flerx in dem Ballett „Der Mechaniker". (Aus Carls Theaterjournal 1815) 96

Josef Staudacher als „Darius" in der Oper „Palmira" von Salieri. (Aus Carls Theaterjournal 1814) 96 Der Tänzer Hofmann als „Leander" in der Pantomime „Der siegende Amor". (Aus Carls Theater-

joumal 1815) 96

66

521

Nach Seite

Georg Weixelbaum (Weichselbaumer) als „Josef" in der Oper „Jakob und seine Söhne" von

Mehul. (Aus Carls Theaterjournal 1814) 96

Friedrich Augusti als „Paul" in der Oper „Die Schweizerfamilie" von Weigl. (Aus Carls Theater- journal) 96

Giuseppina Marchetti (Weixelbaum) als „Orazia« in der Oper „Gli Orazi ed i Curiazi" von

Cimarosa. (Aus Carls Theaterjournal) 136

Demoiselle Petin als „Sisi" in der Oper „Die Zauberzither" von Wenzel Müller. (Aus Carls

TheaterjournaU 136

Georg Mittermayr als „Figaro" in der Oper „Die Hochzeit des Figaro" von Mozart. (Aus Carls

Theaterjournal) 136

Josefa Flerx als „Zerline" in der Oper „Don Juan" von Mozart. (Aus Carls Theaterjournal) 136

Antonio Brizzi als „Achilles" in der gleichnamigen Oper von Paer. (Aus Carls Theaterjournal) 136 Madame Weixelbaum als „Emmeline" in der Oper „Die Schweizerfamilie" von Weigl. (Aus Carls

Theaterjournal) 136

Antonie v. Fischer (Peierl) als „Iphigenia" in der Oper „Iphigenia auf Tauris" von Gluck. (Aus

Carls Theaterjournal) 136

Philipp Tochtermann als „Simeon" in der Oper „Jakob und seine Söhne" von Mehul. (Aus

Carls Theaterjournal) 136

Klara Metzger-Vespermann. 1816—1827. Nach einer Lithographie von Hanfstaengl ... 144 Franz Löhle. 1819—1833. Nach einer Lithographie. (München, Städtisches Museum) ... 144 Katharina Sigl-Vespermann. 1820-1833. Nach einem Gemälde von J. Stieler auf den Stein ge- zeichnet von Fr. Hanfstaengl. (München, Maillinger-Sammlung) 144

Nannette Schechner. 1822—1834. Nach einer Lithographie von Eduard Müller, Berlin . . 144 Julius Pellegrini. 1822—1855. Nach einer Lithographie von Fr. Hanfstaengl. 1832. (München,

Maillinger-Sammlung) 1^4

Aloys Bayer. 1826—1843. Nach einem Stich von Selb 1833. (München, Maillinger-Sammlung) 144 Caroline Hetznecker. 1839—1849. Nach einem Gemälde von J. Dürk auf den Stein gezeichnet

von O. Merseburger. (München, Maillinger-Sammlung) 144

Wilhelmine v. Hasselt. 1834—1839. (München, Städtisches Museum) 144

Sophie Hartmann (Diez). 1837—1878. Nach einem Gemälde von Josef Resch auf den Stein

gezeichnet von H. Kohler. 1847 264

Friedrich Diez. 1837—1849. (München, Maillinger-Sammlung) 264

Henriette Rettich. 1842—1854. Nach einer Photographie. (München, Städtisches Museum) . 264 Dr. Martin Härtinger. 1843—1855. Nach einem Stich von Dresell. 1843. (München, Maillinger- Sammlung) 264

Franziska Schwarzbach. 1854—1864. Nach einer Photographie von Franz Neumayer. (München,

Städtisches Museum) 264

Magdalena Behrendt-Brandt (1854-1856) als „Fides" in der Oper „Der Prophet" von Meyerbeer 264

Eduard Sigl. 1832—1879. Nach einer Photographie von Lechleitner & Küster, München . . 264

Moritz Grill. 1857—1867. Nach einer Photographie von H. Holz. (München, Städtisches Museum) 264 Das Ehepaar Diez im Alter. Nach einer Photographie aus der Sammlung Greiss. (München,

Historisches Museum) 200

Sophie Stehle. 1860—1874. Nach einer Photographie von H.Holz. (München, Städtisches Museum) 320

Anna Deinet-Possart. 1863-1878. Nach einer Photographie. (München, Maillinger-Sammlung) 320

Eduard Lindemann. 1856—1862. Nach einer Photographie von H. Holz. (München, Stadt. Museum) 320 August Kindermann. 1846—1887. Nach einer von Fr. Hanfstaengl lithographierten Zeichnung

von Max Heß. (München, Maillinger-Sammlung) 320

Ludwig Schnorr v. Carolsfeld. Nach einer Photographie. (München, Städtisches Museum) . 376

Malwine Schnorr v. Carolsfeld. Nach einer Photographie. (München, Städtisches Museum) . 376

522

Nach Seite

Max Schlosser. 1868 1895. Nach einer Photographie aus der Sammlung Greiss. (München,

Historisches Museum) 376

Franz Nachbaur. 1868—1890. Nach einer Photographie von Max Stuffler 376

Max Mikorey. 1878—1905. Nach einer Photographie von Alfred Schmidt 508

Mathilde Wekerün. 1876—1895. Nach einer Photographie aus der Sammlung Greiss. (München,

Historisches Museum) 508

Eugen Gura. 1883—1895. Nach einer Photographie von E. Bieber, Hamburg 508

Kornelie Meysenheim (1872—1896) als Waltraute in Richard Wagners Oper „Walküre" . . 508

Therese Vogl. 1866 1892. Nach einer Photographie von E. Bieber, Hamburg 508

Heinrich Vogl. 1865—1900. Nach einer Photographie von E. Bieber, Hamburg 508

Theodor Reichmann. 1875—1883. Photographie aus der Sammlung Greiss. (München, Histo- risches Museum) 508

Maria Basta. 1880—1888. Nach einer Photographie von Fr. Müller. (München, Maillinger-Sammlung) 508

Lili Dressler. 1883—1898. Nach einer Photographie von Fr. Müller, München 508

Emilie Herzog. 1880—1889. Nach einer Photographie von Fr. Müller. (München, Maillinger-Samml.) 508 Victoria Blank. 1879—1909. Nach einer Photographie von Fr. Müller. (München, Maillinger-Samml.) 508 Oberregisseur Anton v. Fuchs. Seit 1873. Nach einer Photographie aus der Sammlung Greiss. 508

(München, Historisches Museum) 508

Figurinen von Monten zu der Oper „Anglikaner und Puritaner" (Hugenotten) von Mayerbeer:

Königin und Stallmeister 256

Cecil Ludlow 328

Herzog von Buckingham 328

Figurinen von J. G. Chr. Fries zu der Oper „Catharina Cornaro" von Franz Lachner:

Caroline Hetznecker als Catharina Cornaro 352

Julius Pellegrini als Onofrio 296

Der Doge . 224

Bläser und Knabe 168

Figurinen von Franz Seitz zu der Oper „Tristan und Isolde" mit handschriftlichen Bemerkungen Richard Wagners: Tristan. Kurwenal. „Wohl etwas reicher mehr den Rittern ähn- lich. R.W." Brangäne. „Vielleicht etwas reicher, weniger als Magd, mehr als vertraute Genossin der Königstochter aufzufassen." Isolde. „Das weiße Gewand für alle 3 Akte beizubehalten, am Schluß des ersten wird der reiche byzantinische Königsmantel übergelegt;

im zweiten Akt ganz ohne Mantel. R.W." 376

Dekoration einer Aufführung der Oper „L'Erinto" von Kerll im alten Salvatorplatztheater. 1661 20 Szenenbild zu Mozarts Oper „Figaros Hochzeit" 1. Akt, VII. Szene. „Costumes des Herrn Pelle- grini und der Dem. Hartmann als: Almaviva und Cherubin" 240

Szenenbild zu Meyerbeers Oper „Robert der Teufel", Finale des 1. Aktes. „Costume des Herrn

Bayer als Robert" 240

Szenenbild zu Webers Oper „Oberen", 2. Akt, II. Szene. „Costumes der Herren Diez, Racke

und X. Mayr als Hüon, Calif und Prinz Babekan und der Mad. Mink als Rezia" . . . 248 Szenenbild zu Marschners Oper „Templer und Jüdin", 1. Akt, III. Szene. „Costumes der Dem.

v. Hasselt als Rebekka und des Herrn Pellegrini als Gilbert de Boys" 248

Dekorationsskizze von A. Quaglio zum 1. Akt der Oper „Dinorah" von Meyerbeer für eine Separatvorstellung König Ludwigs II. Eigentum der vormaligen Vermögensverwaltung des

Königs Otto von Bayern 504

Zuschauerraum des noch heute in der alten Gestalt erhaltenen Residenztheaters. Erbaut von

Fr. Cuvillies. 1753. (Die Anordnung der Parkettstühle stammt aus neuerer Zeit) ... 40 Das Kgl. Hof- und Nationaltheater in München, durch einen Gang mit dem Residenztheater ver- bunden. Erbaut von 1811—1818 von Carl v. Fischer. Nach einem Stahlstich von J. Poppel. 1840 272

523

Nach Seite

Aufführung der Oper „Tristan und Isolde" von Richard Wagner in Gegenwart des Meisters.

Nach einer Karikatur von Adolf Oberländer in den „Fliegenden Blättern". 1880 . . . 400

Theaterzettel der ersten Aufführung der Oper „Fidelio" von Beethoven in München am 27. Juli 1821.

Nach dem Original in der Theaterzettelsammlung des Nationaltheaters in München . . 208

Theaterzettel der ersten Aufführung der Oper „Die Anglikaner und Puritaner" (Hugenotten) von Meyerbeer am 22. Mai 1833. Nach dem Original in der Theaterzettelsammlung des Nationaltheaters in München 328

Theaterzettel der ersten Aufführung der Oper „Catharina Cornaro" von Franz Lachner am 3, De- zember 1841. Nach demOriginal in derTheaterzettelsammlung des Nationaltheaters in München 288

Theaterzettel der Uraufführung der Oper „Die Meistersinger von Nürnberg" von Richard Wagner am 21. Juni 1868. Nach dem Original in der Theaterzettelsammlung des Nationaltheaters in München 508

524

NAMEN- UND SACHVERZEICHNIS

Aachen 473.

Abaco, E. F. dall' 32. 35 ^ Abert, H. 35*. 39». 40». 43' u. \ Abert J. J. (Komponist) 507. Achilles (Sängerin) 300. Adam, Adolphe Ch. (Komponist)

262. 265 f. 268. 274. 289. 315.

331. 414 f. 443. Adams, A. Chr. (Schriftsteller)

267 f. Adelaide (Sängerin) 302. Adelaide von Savoyen 15 ff. 19.

22 f. 29. Agata, dair (Komponist) 38. Agricola (Schüler Seb. Bachs)

92. Aiblinger, Joh. Kasp. 158. 166 f.

183. 291. Akademie der Wissenschaften 7.

10. 49. Akademie, Musikalische 207.

243». 251. 253. Alber, W. (Sänger) 19. Albertini (Sängerin) 158 ^ Albinoni, T. 31 f. Alboni (Sängerin) 344. Alcaini, G. G. (Sänger) 19 f. Alexandri (Komponist) 290, Allfeld, Joh. Bapt. (Sänger) 309.

311. 314. 318. 331. 333. 338f.

360. 373. 385. 390. 395 f. 410. Allgemeiner Richard Wagner- Verein 504. Allgemeines Theaterjournal

(Schmieder) 65. Alliprandi, B. (Komponist) 32 f.

41. Alsdorf (Sänger) 249. Altmutter (Sängerin) 88. 91. 111.

122. 185. Amalie, Prinzessin 172. Amberg 310. Amira, Karl von (Professor) 10.

Amort, Kaspar (Theatermaler)

21*. Amsterdam 405. Anatole (Tänzer) 104. Ander, Alois (Sänger) 386. 480. Andrade, S. (Sänger) 378. Andre 50.

Anfossi (Komponist) 39. 64. 73. Antoine, H., Hofmusiker 70. Antoine, J. geb. Fontaine (Sän- gerin) 66. 70. Arco, Graf Emanuel von, Inten- dant 29. Ardespin, D' Melchior 19. 32. Aretin, Baron von 116. Arnold (Rechnungsführer) 175.

191. Arnulf, Prinz von Bayern 507. Artaria 104.

Artot, Desiree (Sängerin) 509. Aste, dalle (Sänger) 426. Athen 284. Auber, D. F. E. 188. 192. 201 f.

206 f. 216 f. 221. 220 ff. 225.

227 ff. 237. 239. 245. 250 f.

255 f. 265. 266 ff. 274. 289.

291. 295f. 304. 308. 315.

326. 355. 359. 412. Auerbach, August (Sänger) 390.

395 ff 399. 404. 406 f. Augsburg 171. 210. 220. 250.

254. 293. 438. Auguste, Prinzessin 86. Auguste, Mr. (Pseudonym) 123 f. Augusti (Sängerin) 142. Augusti, Friedr. (Sänger) 112 f.

138. 165. 173. 187. 192 f. Augusti, Hermann (Sänger) 138.

187,

B

Baader, Elisabeth (Sängerin) 275

(siehe Diez). Baader, von (Inspektor) 175.

Babo, F. M. (Intendant u. Text- dichter) 49. 51. 53. 74 ff. 79.

81. 84 f. 87. 89. 91. 93 ff. 98.

100 ff. 107 ff, 113. 119*. 156.

178. 191. 194. 229. 374*. 519f. Bach, J. Seb. 92. Bacherl, Franz (Bacherlskandal)

297. 408. Baden 170. Bader, K. A. (Sänger) 122. 138.

142. 221. Bainvilles, Jacques 505'. Balfe, M. W. 316. 338. 410. Ballettschule, Gründung 1792.

65. 104. Barbaja (Impressario) 155'. Barbarini (Sänger) 512. Barberio (Sänger) 19. Barbier (Textdichter) 442. Bärmann, H. J. 115 ff 119. Bärmann, Karl (Klarinettist) 407. Barriera 17. 22. Barth, Wilhelmine geb. v. Hasselt

(Sängerin) siehe Hasselt, W. v. Basilio (Musikmeister) 514. Basso, C. B. 24. Bäuerle, Adolf 195. Baugeschichtliches:

Faberbräutheater an der Send- lingergasse 49.

Gärtnertheater 511.

Haberkasten 75.

Hof- und Nationaltheater 86. 89. 106. 136 f. 143. 147. 148 M52. 155. 158 ff. 165. 173 ff. (Brand). 188f. 198. 241.244.286.311.

Isartortheater 269.

Odeon 207. 243. 302. 366. 397. 446.

Opernhaus, Altes 49. 75. 106*. 147'.

Prinzregenten-Theater 504.

Redoutenhaus 80. 99. 102. 136. 207.

525

Residenztheater 38. 68. 71. 75. 82. 84. 101. 106. 144. 147. 170ff. 188. 311. 481. 506. 510.

Salvatorplatz,Opernhausam 17. 71.

Schloß 38.

Vorstadtth eater vor dem Karl s- tor 121. Baumgartner (Baurat) 148 ^ 175. Bausewein, Kaspar (Sänger) 424.

432 f. 440. 447 f. 502. 507. Bayer, Alois (Sänger) 131. 140.

187 f. 193. 202. 206. 211. 216.

218. 220 ff. 224. 227 ff. 238.

241. 244. 247 ff. 251 f. 254.

256. 259. 262. 266. 268. 270 f.

273. 286. 296. 300 ff. 304. 306.

324. 330. 369. 424. 446. 455. Bayreuth 460. 470 f. 502 f. 505. Beck, H. (Lustspieldichter, arti- stischer Direktor) 79. Beck, Josepha (Sängerin) 77. 79. Becker (Sänger) 432. Beethoven, L. van 55. 68 f. 83.

93. 112 f. 131. 136. 165. 167 f.

178. 182. 187 f. 190. 200. 204 f.

216. 218. 222. 225. 236. 242.

245. 248. 250. 269'. 287. 311.

400. 411. 433. 440. 458. 463.

466. 475. Behrend-Brandt (Sängerin) 353.

367 f. 382. 386. 390 f. 397. 403.

405 ff. Bellini 220. 244 f. 248. 250 ff. 255.

258 f. 261 f. 264. 273 f. 288.

290 ff. 3V/. 355. 412. 438. Belcanto, s. Gesangskunst. Benda, Frz. 50. 65. 73. Benedikt, Jul. 376. 411. Berger (Sänger) 133. Berger (Sängerin) 295. Berghofer (Sängerin) 239. 265. Berlin 98. 104. 111. 115. 124. 135.

141. 165. 204. 210f. 221. 226.

244. 251 . 254 f. 270. 272 f. 284 ff.

291. 301. 323. 330. 349. 358.

392. 405. 426. 480. 499. 503 f.

517. Berlioz, H. 395*.

Bernabei, E. 18. 24—30. Bernabei, G. A. 24. 58. Bernacchi (Sänger) 31. Bernard (Textdichter) 85. 203. Bernasconi, A. (Kapellmeister)

38 f. 42. 59 f. Bertalli (Textdichter) 71. Berthold (Sänger) 239. Berton (Komponist) 88. 99. 180.

197. 289. Bertuch (Musikschriftsteller)

91 ff. 96 fF. 113 f. 124. Betz, Frz. (Sänger) 462. Bianciardi, B. siehe Lalli, D. Biberhover (Sänger) 261. Bielefeld 379. Bierrey 204. Bihrle, H. 243 ^ 253 ^ Birch, Dr. (Redakteur) 252 ^ 334. Birch- Pfeiffer (Textdichterin)

263. 355. Bis (Textdichter) 207. 241. Bischoff 375. Bismarck 476. Bissari, P. P. 21. Bitzl 349. Bizet 509. Blangini, M. F. (Komponist)

85 f. 133. 135. Blangini (Sängerin) 115. Blank, Viktoria (Sängerin) 504 f. Blascheck (Sängerin) 445. Bluem, Frz. X. 32. Blumröder (Komponist) 94. 96.

98. Bodenstedt 375. Bohlig, Ferd. (Sänger) 441 f. 445.

468. 471. 475. Boieldieu 130f. 138fF. 151. 181.

186. 188. 193. 201. 203. 206.

212. 215. 225. 239. 243. 245.

250. 266. 289. 413. Boisselet, X. (Komponist) 322.

413. Bologna 19. 141. 144. 240. Bomhard (Theaterkassier) 173 f. Bonn 136. Bonn, Franz (Textdichter) 436.

507. Bordoni, F. (Sängerin) 31. 343,

Borghese, Prinzessin (Schwester

Napoleons) 86. Börne 362.

Bouilly (Textdichter) 97. 114. Byron 276.

Brandes, Wilhelm (Sänger) 324. 328. 331. 334 PF. 339.341. 355 f. 359. 373. 375. 377 f. 381 ff. 388.

Brater 443.

Braun (Impresario) 67.

Braun (Theater-Ökonom) 192.

Braun (Textdichter) 259.

Braunschweig 225. 438. 445.

Braunschweiger Tänzer 102.

Breiting, Ed. (Sänger) 205. 221. 225. 255 f.

Bremen 255. 399.

Brendel (Redakteur) 422.

Brescianello, G. a. 32.

Breslau 258.309. 370.377. 403 f. 497.

Bretzner (Textdichter) 64.

Brizzi, Antonio (Sänger und Re- gisseur) 84 f. 87. 95 f. 101. 112. 119. 140». 146. 180.

Brizzi, Carolina (Sängerin) 140 ^ 141.

Brochard, Eva geb. Hein (Sän- gerin) 62. 64. 77.

Brochard, M. J. (Sängerin) 64 f. 77 f.

Bronsart von Schellendorf, Inge- borg 481'.

Bruch, Max 318.

Bruckbräu (Obersetzer) 196.

Brugger, Frdr. 327.

Brüll, Ignaz (Komponist) 507.

Brulliot, Karl (Sänger) 505.

Brunsvick 268.

Brüssel 29 f. 278.

Budapest 274. 387. 450.

Bühnenkartellverein 286.

Bühnenverein 91*.

Bühnenverwaltung unter Karl Theodor 55 fp.

Bülow, Cosima von 506.

Bülow, H. von 458. 470. 477 fF. 488. 500.

Bulwer (Romancier) 267. I Bürchl (Sänger) 202.

526

Burghardt (Sängerin) 255. Bürkel, L. von 330*. 394. 448. Büttgen (Sänger) 334. 511. Butz (Sängerin) s. Stanko. Byron 210 f.

Calderon 462,

Calzabigi (Textdichter) 39 ff. Camerloher, J. A. 33. Camerloher, P. v. 32f. 62. Cammerano, S. (Textdichter)

295. 297. Cannabich, Josepha (Sängerin)

79. 81. 89. 96. 147. 514. Cannabich, Musikdirektor(Kom-

ponist) 61 f. 79 ff. 86. 89. 99.

110. Caraffa (Komponist) 92. Carestini, G. (Sänger) 31. Carl, Henriette (Sängerin) 245. Carl, Maria (Sängerin) 426. Carl von Bernbrunn (Schau- spieler und Theaterdirektor)

122. 140. 195. Caroline Sayn-Wittgenstein 459 ^ Carre (Textdichter) 442. Castelli (Textdichter) 113f. 147.

192. 194. Catalani, Maria (Sängerin) 426. Catel (Komponist) 119. 147. Cavagna (Sänger) 19. Cavalli, Fr. 23. Cavos, C. (Komponist) 141. Celani, G. (Komponist) 24. Gera (Impresario) 99. 142. 144 ff. Charlotte Auguste, Prinzessin

89. 145. Chelard, H. A. J. B. 207 ff. 223.

227. 251 f. 254. 261. 274. 289.

311. 329. 413. Cherubini, L. 34, 81. 87. 98 ff.

120ff. 131. 135. 166. 178. 180.

188. 196. 206. 224. 257. 274.

289. 413. Chezy, Wilhelmine (Textdich- terin) 199. Chrysander, Friedr. 27. Cignoni, Fr. (Sänger) 33. Cimadoro 170.

Cimarosa 71. 73. 85. 87. 99. 180.

220. 239. 243 ff. 250. 288. 290.

355. 412. Clemens Franz, Herzog 35. Coburg 450.

Coccia(Komponist) 150.152.290. Collin (Textdichter) 52. Conradi (Sänger) 353. 443. Coralli (Tänzer) 104. Corbetta (Sänger) 155. 158 ^ Corneille 166. Cornet (Sänger) 225. 268. Cornelius, P. 470. 475. 477. 507. Corps der Figuranten 104. Gramer, Frz. (Hofmusiker und

Komponist) 92. 133. 183. Gramer (Sängerin) 187. Gramolini (Sänger) 254 f. Cruvelli, Marie (Sängerin) 399. Cruvelli, Sophie (Sängerin) 399. Crux (Ballettmeister) 65. 78. 94.

103 f. 155. Cuvillies, J. von (Hofbaumeister)

38.

D

Dachau 17. 32.

Dahn, Felix 446.

Dahn, Frdr. (Schauspieler) 259.

357. 381. Dahn -Hausmann (Schauspiele- rin) 381. Dalayrac 50. 65. 67. 73. 78. 81 f.

88. 90f. 181. 289. 514. Dalberg (Theaterdirektor) 63. Dalle Aste (Sänger) 426. Damböck (Schauspielerin) 357.

381. Danner (Tänzerin) 516. Danner, Chr. (Kapellmeister) 52. Danzi, F. 41». 45^ 51. 54f. 63f.

68. 73. 77 f. 82. 90. 99. 112 f.

132. 165. 183. Danzi, Margar. (Sängerin) 68. 79. Dapaoli (Sängerin) 158 ^ Da Ponte (Textdichter) 63. 65. Darcourt,Lysinka (Sängerin) 275. Dardespin, s. D'Ardespin. Darmstadt 116. 134 f. 226. 229.

232. 247. 265. 284. 316. 426.

445. 450.

David, Felicien 445. 447 f. Davison (Sänger) 371. Dekorationswesen 508'. 510. Defriaux (Textdichter) 114. Degele (Sänger) 221. 227f. 273.

369. 423. 432. 445. Deiböck (Deybeck), Sängerin

270. Deinet, Anna (Sängerin) 445.

481. 487. Deisenrieder (Sänger) 227 f. 248.

256. 258.

Deisenrieder, K. (Sängerin) 224.

238. 241. 258. 261. Della Maria (Komponist) 79. 81 f.

99. 181 f. Delamotte, Karl August (Inten- dant) 74. 92. 96. 106 ff. 125 ff.

133 ff. 142. 144. 148 ff. 159 ff.

176'. 186 f. 347*. Delavigne (Textdichter) 192. De Leusen (Textdichter) 268. Delibes 509.

Denker (Schauspielerin) 381. Desmarets(KammermusikerLud-

wig XIV.) 91. Dessau 445.

Destouches, E. von 173'. 509'. Destouches, J. von (Komponist)

65. 73. Dettler (Schauspieler) 293. Dettmer, S. 301. Devrient 57'. 72'. 321. 479. Deybeck (Sängerin) s. Deiböck. Dezede (Komponist) 50. 65. 67.

73. 181. Dialogoper 91. Dietz, E. Friedr. (Sänger) 255.

257. 260. 263. 271 f. 275 ff. 295 ff. 307. 311. 321. 325 ff. 331. 360.

Diez, Sophie, geb. Hartmann

(Sängerin) 257 f. 262 ff. 268.

270 f. 273. 275. 296. 304. 310 f.

314. 318ff. 325f. 331. 333f.

337 ff. 344. 355 f. 359 f. 375. 377.

379. 385, 390. 395. 400. 407 f.

415f. 420. 424. 428. 431. 434'.

436. 443 f. 505. Dimmler, A. (Komponist) 70. 73,

527

Dingelstedt, Fr. von (Intendant) 9. 147'. 262. 293. 297. 345-413. 461.

Ditt (Sänger) 333.

Dittersdorf 50. 54. 64 ff. 73. 177. 182. 195. 202. 212. 266. 272.

411. 414. 505.

Doli (Theatermaler) 398. 487. Dönniges, Legationsrat 346. 349 f.

375. 400. 409. Donizetti 265. 267 f. 274. 288.

291 f. 295 f. 304. 314 f. 318.

412. 436.

Dresden 19*. 131. 140. 166. 204. 243. 265. 276. 291. 316f. 349. 438. 445. 459. 464 f. 479. 488. 506. 517.

Dressler, Lilly (Sängerin) 505. 507.

Dülken (Pianistin) 115f.

Dumerson (Textdichter) 227.

Dupaty von Lambrecht (Text- dichter) 132.

Dürck, Karl (Schriftsteller) 471 *.

Düsseldorf 27.

Dustmann -Mayer, Luise (Sän- gerin) 422 f. 445. 450.

Duval, Alex. (Textdichter) 82. 92.

Eberle (Musiker) 394. Eberwein, Henriette (Sängerin)

167. 182. Eck, Friedr. (Violinvirtuos und

Musikdirektor) 61. 77. E:k, Frz. (Violinlehrer Spohrs)

61. Eckert (Kapellmeister) 455. Edelsberg (Sängerin) 438 ff. 443.

448. 471. Ehrenberg (Sängerin) 405. Eichberger (Sänger) 399 f. Eichheim, Walburga (Sängerin)

429. 440. Eicke (Sänger) 239. Eigentum, geistiges 82. 85. 249. Einstein, A. 24 ff. Eisenhofer (Sängerin) 333. Eitner, R. 61*. 64». 79». 80 ^

HO'.

Ekner (Sängerin) 207.

Ellinger (Sänger) 353.

Elmenreich, Friederike (Text- dichterin) 259. 270.

Eisholz, Frhr. von (Textdichter) 379.

Eisler, Fanny (Tänzerin) 327. 368.

Engländer, R. 40' u. ".

Eppich (Sänger) 319 f.

Epple (Sängerin) 333 f. 339. 355 ff. 366.

Erhardt, A. (Textdichter) 148.

Eri (Sänger) 405.

Ernst, Herzog von Sachsen- Koburg-Gotha 379. 411.

Ernst-Seidler (Sängerin) 300.

Esser, Heinr. 301. 314. 411. 480.

Esslair (Schauspieler) 156. 205. 236. 297.

Etienne (Textdichter) 144. 501.

Eugen, Vizekönig von Italien 86.

Eule (Komponist) 94.

Eutin 509.

Evers (Sängerin) 276. 300.

Falconi, Anna (Sängerin) 365. Fantozzi (Sängerin) s. Marchetti-

Fantozzi. Farinelli (Sänger) 31. Faßmann, Auguste v. (Sängerin)

250 f. 256. 262. Fastlinger, Josephine (Sängerin)

324. 327 ff. Fenelli (Textdichter) 150. Ferdinand III. 17f. Ferdinand Maria, Kurfürst 15.

18». 19 ff. Ferenzy (Sänger) 450. Ferrandini, G. (Komponist) 31'.

32 f. 35. 37 ff. 61 f. Ferrucci, G. C. (Sänger) 19. Fetis 114'. 133'. 170». Figuranten, Corps der 104. Finanzwesen 53ff. 65. 71 ff. 76.

79. 82 f. 89. 92. 94 ff. 100 ff.

106 ff. 125 ff. 133 ff. 142. 144 f.

148. 150. 152 ff. 159 ff. 170 f.

176 ff. 189. 234 f. 244. 274. 284.

328. 346. 351. 401 f. 424. 518f.

Fiocco, P. A, (Komponist) 29. Fioravanti 122f. 146. 151—157.

179. 412. Fischer (Bassist) 51. 62 f. Fischer, Anton (Komponist) 113. Fischer, Antonia von (Sängerin)

s. Peyerl Antonia. Fischer, Aug. (Sänger) 244. 255. Fischer, Frz. (Hofkapellmeister)

505. Fischer, Joh. (Sänger) 149. 164.

171. 187. Fischer, Kari (Sänger) 445. 450.

468. 471. 475. Fischer, Karl von (Baurat) 89.

106'. 158. 176 f. 189. Fischer-Schwarzböck (Sängerin)

245. Fischer von Tiefensee (Sängerin)

385. Flerx, Josepha (Sängerin) 118.

123. 131. 138. 142. 149. 164. 185. Flerx (Tänzer u. Komiker) 111.

142. Flotow, Fr. von 315., 323 ff. 355.

411. Foppa, G. (Textdichter) 67. Förg, L. (Komponist) 436. Formes, Karl (Sänger) 316. Forst (Textdichter) 270. Förster,Sophie(Sängerin)450.471. Frankfurt a. M. 20. 27. 34. 247.

261. 265. 353. 443. 445. Franz (Sänger) 112. 187. Franzi, Ferd. (Komponist) 58.

60 f. 63 f. 73. 82. 86. 89. 95.

110. 113. 115 ff. 120 f. 138 f. 148.

169. 182. 184. 192 f. 288. 412. Franzi, J. (Musikdirektor) 77. Frassini (Sängerin) 423, Frays, Baron August von (Inten- dant) 293. 307—324. 326. 344.

347. 414—428. 466. Fregosi (Sänger) 19. Freising 33.

Frensdorf 52' u. \ 513'. Frenzl, Franz und Joh. (Tänzer)

327, 379. 381. 385. 434. Freund (Sänger) 225. 239. Friedrich II. 34.

528

Friedrich (Textdichter) 262. 314.

322. Fries, Chr. (Sänger) 173. 188.

193. 202. 206. 211. 216. 218.

222. 238. 241. 249. 251. 256.

259. 262. 266. 268. 271. 273.

277. Frugoni (Textdichter) 39. Fuchs, Anton (Sänger) 503. 505 f. Fuchs, M. (Sängerin) s.Wühr,M.

geb. Fuchs. Funk, Valerian (Architekt) 106'. Fürstenau, M. 40 \ Furtner, Regimentsarzt 246. Füssen 34.

Gabriel (Textdichter) 227. Galaba, Josephine (Tänzerin)

450. Call, Baron von (Intendant) 349.

455. Galuppi, B. (Komponist) 39. Gamera (Textdichter) 170. Gänsbacher (Komponist) 118. Garcia (Sänger) 317 ^ Gardel (Ballettmeister) 104. Gärtner (Hofbau-Intendant) 136. Garzia -Vestris (Sängerin) 221. Gaveaux, P. (Komponist) 79. 99. Gehe, F. (Textdichter) 256. Geibel, Em. 318. 375. 448. Geiger, Helene von, geb. Harlas

(Sängerin) s. Harlas Hei. Geisthardt (Sängerin) 438 ff. Generali (Komponist) 141 ff. 180. Genf 476.

Germanische Stoffe 124. Gern, Georg (Sänger) 67. 79 f.

517. Gerstet (Sänger) 239 f. 249. 251.

256. Gerver (Sängerin) 216. Gesangskunst s. a. Kastraten-

tum 33. 88. 100. Ulf. 121".

122. 131. 141. 143. 146f. 154.

155^210-220f. Belcanto. 240.

244. 257. 291. 295 f. 303. 317.

328. 330. 343. 362. 365. 370 ff.

387 ^ 438. 451 ff.

Gesangspersonal der Münchner

Oper von 1787: 62. Gieseke (Textdichter) 52. 71. 195. Gille, K. 481.

Giordano (Impressario) 422. Gisberti, Dom. (Textdichter) 22.

24. Giunti, E. (Komponist) 39. Gluck 33. 36. 39 f. 40 ^ 42 f.

45. 50. 53. 57 f. 73. 90 f. 98 ff.

Ulf. 123 f. 132. 141 ff. 157.

181 f. 196. 211. 214. 217. 224.

242. 248. 261. 270. 272. 274.

279. 281. 287. 289. 292. 31 2 f.

327. 356. 400. 411. 429. 434 f.

442. 462 f. Gluth, Viktor (Komponist) 507. Gnecco (Komponist) 150. Goethe 98. 122. 147 ^ 195. 202.

227. 297. 362. 375. Goldmark 507. Goldoni (Textdichter) 37. 51. Goldschmidt, H. 39». Golinelli (Ballettmeister) 450. Görres, Jos. Jak. von 348. Gosen, Jul. von 448. Gossec 50. 123. Gossmann, F. (Sängerin) 443. Götz, H. 507.

Gounod, Gh. Fr. 297. 442. 454. Grahn-Young, Lucile (Sängerin)

327. 351. 368. 446. Grandaur,Franz 8f. 46». 53 '. 64.

67. 69. 70*. 72. 75 f. 78. 79 ^

82 ff. 85 \ 89. 92. 110 ff. 121».

122'. 140» u.*. 147 f. 149'.

156f. 171. 189. 216ft. 286.

307. 311. 319. 328. 368. 381.

390. 392. 425. 441. 450. 471.

500. 502. 508. Grätz (Graz) 276. Graz 276. 320. 353. 438. Gretry 50. 67. 73. 123. 169. 180.

289. 358 f. 515. Griebel (Sänger) 445. Grill, Moritz (Sänger) 405 f. 414 ff.

427. 431 f. 437. 447 f. Grimminger (Sänger) 369. 424.

445. Grisar (Komponist) 355. 413.

Grosch, Xaver (Finanzbeamter) 102. 128.

Grötsch, J. G. (Textdichter) 294. 298.

Grua, J. V. Paula (Kapellmeister) 59 ff. 77.

Grua, P. (Komponist, Kapell- meister) 42.

Grünbaum, Boris von (Text- dichter) 168.

Grünbaum (Sängerin) 206.

Grunewald (Sänger) 445.

Quadagni, G. (Sänger, Kastrat) 40.

Gudehus (Sänger) 506.

Guglielmi, P. (Komponist) 39. 50. 180.

Gundy (Sängerin) 332 f.

Gura, Eugen (Sänger) 378. 471. 497. 503 f. 506 f.

Guttenberg, A. J. (Redakteur 79'.

Gyrowetz (Komponist) 69. 113 f. 123. 158. 182.

H

Hackländer (Komponist) 351. Hagn, Charl. von (Schauspielerin)

218. 236. Hahn (Sängerin) 309. Haibl (Sängerin) 216. Hainisch (Sängerin) 438 ff. Halbreiter (Sängerin) 276. Halevy, J. Fr. 144. 259. 271.

281 f. 304. 307. 320. 327. 359.

413. 416f. 443. Haller (Sängerin) 322 f. 337. Hallström, Ivar (Komponist) 509. Halm, Friedr. (Textdichter) 408.

410. Hamburg 166. 205. 275 f. 368.

377. 423. 425. 445. 476. Hammermeister (Sänger) 251. Händel 27. 330. 400. Hanmüller, Joh. (Sänger) 85. 90ff.

96. 98. 112. 123. 142. 151. 164.

167. 173. 187. 238. Hannover 26 f. 255. 321'. 354.

423. 438. 445. 450. 481. Hannstetten (Sängerin) 295.

67

529

Harlas, Helene (Sängerin) 83. 85. 95. 111. 115. 119. 124. 139. 140^ 149. 185. 197.

„Harmonie''-Gesellschaft 115f.

Hartig (Sänger) 51. 62 ff.

Hartig, Johanna (Sängerin) 66. 514.

Härtinger, Martin (Sänger) 97. 293'. 300 f. 303 f. 307 ff. 311. 313f. 318ff. 322f. 325ff. 331. 337. 339. 341. 350. 352. 356. 359 ff. 369. 371. 373. 377. 381 ff. 386. 388 f. 393. 396. 398. 410. 432. 438. 446.

Hartmann, Frhr. von 518 f.

Hartmann, Nanette (Sängerin) 261.

Hartmann, P. (Sänger) 433 ff.

Hartmann, Sophie (Sängerin) 275 f. s. Diez.

Häser (Sängerin) 126.

Hasse, J. A. 33. 39.

Hasselt, Wilhelmine von (Sän- gerin) 220. 244 f. 247 ff. 254. 256. 258 ff. 264 f. 266. 270. 274. 291. 295. 303. 341 f.

Haunstätter (Sänger) 276.

Haupt, Th. (Textdichter) 241.

Hauptmann, Moritz 392.

Haus (Sängerin) 225.

Hauser, Frz. (Sänger u. Konser- vatoriumsdirektor) 254 f. 333. 363.

Hauser jun. (Sänger) 362. 426.

Haydn, J. 68. 80. 98. 400.

Haydn, Mich. 310^

Hebbel 351.

Hechenthaler (Sänger) 202.

Hechenthaler (Sängerin) 193.

Heering (Seifensieder) 102.

Heermann (Textdichter) 51.

Hefner, Josephine (Sängerin) 88. 97. 329. 332. 334. 336. 341 ff. 356. 360 ff. 373. 377. 381 f. 388. 391. 411. 415 f. 424. 443. 506.

Heidelberg 470. 474.

Heigel, C. M. (Übersetzer) 84.

Heigel, Karl Theodor von (Präsi- dent der Akademie der Wis- senschaften) 10. 448. 487».

Heigel, Fr. X. (Schauspieler u.

Regisseur 77. Heigel, Max (Schauspieler) HO.

116. 207. 210 ff. 347». Heine, Ferd. (Schauspieler) 464. Heine, Heinr. 339. 348 ^ Heinefetter, Stöckl-, Sabine (Sän- gerin) 216. 221. 225. 276.

31 6 f. 324. Heinrich, Karl (Sänger)404 f. 407.

415. 428. 431. 443. 447. 449. Hell, Th. (Schriftsteller) 213. Hensler, K. F. (Textdichter) 194. Herklot (Textdichter) 188. 260. Hermann (Sänger) 225. Herold, L. J. F. 227. 236. 240.

250. 255. 281. 289. 326. 429.

455. Hertling, Frhr. von 513, Herwegh, Frau 481. Herwegh (Schauspieler) 293. Herzog, Emilie (Sängerin) 505. Heß (Sänger) 249. Hetzel (Sängerin) 212. 216. Hetznecker, Karoline (Sängerin)

210. 258. 264. 270. 275 ff. 295 ff.

304. 306ff. 311. 313. 318. 320ff.

325 ff. 343 f. 400. 413. Heyse, P. 498 \ 501. 502». Hieber (Sängerin) 334. Hiemer, F. C. (Textdichter) 132. Hiller, F. 50. 98. 243. Himmel, Frdr. H. (Komponist)

85 f. 98. 182. Hirsch (Sänger) 309. 313 ff. 316 ff. Historischer Verein von und für

Oberbayern 133 "^ 148. Hitzelberger, Sabina (Sängerin)

111. Hitzelberger, Regina (Sängerin)

s. Lang, Regina. Hofer (Sänger) 333. 342. 345.

358. 383. 390. Hoffmann (Textdichter) 124. Hoffmann, Frz. (Ballettmeister)

434. 450. Hofmann (Finanzbeamter) 328.

401. 414. Hofkapelle, Bestand 16. 35. 59ff. Holbein (Textdichter) 114^

Hölken, Auguste (Sängerin) 202.

207. 211. 215 f. 220. 222. 228 f.

238. 252. 258. Hölken, Regina (Sängerin) 347». Holler (Tänzerin) 303. 381. 434. Holstein, Franz von (Komponist)

507. Holtei, Karl von 467 ^ Holzbauer, J. (Komponist) 45.

51. 60 f. Hölzel (Sänger) 270. Hompesch, von (Ministerial-

beamter) 94. Hopfen, Hans 419 ^ Hoppe, Ed. (Sänger) 245. 247.

249 f. 255 ff. 261. 276 f. 268.

271. 273. 295 ff. 304. 309. 311.

314. 319. 326. 331. 338. 373.

375. 385. 390 f. 395. 407. 429.

46P. Hornstein, Ferdinand von 507*. Hornstein, Robert von (Kompo- nist) 501. 507. Horschelt (Ballettmeister) 173.

189. 191. 218. 299, 327. Howitz-Steinau (Sängerin) 364. Hüber (Eleve) 216. Hübschmann, F. S. (Verleger)

158^ Hugo, Viktor 497. Hülsen, Graf von 392. Hummel, F. 210. 377.

I

Ibsen 509. Iffland 232. 516. Intermezzi 36 f. Ischl 380.

Isenburg-Birstein, Fürst von 147. Isouard, Nie. 81. 83. 87. 99. 1 13 ff. 124. 142. 172. 180. 289.

Jaced6, Adelaide (Sängerin) 265.

269 f. 273. 276. 293 f. Jachmann -Wagner, Johanna

(Sängerin) 221. 278. 371. 435. Jahn,0. 41'u.*. 42ff. 167. 269».

322. Jansen (Sänger) 445.

530

J6r6me, König 86. Jodl (Beamter) 175. Johann, Prinz von Sachsen 172. Johannsen (Sängerin) 400. Johann Wilhelm, Kurfürst 27. Jomelli, Nie. 33. 39. 42. 91. Joseph I., König 29. 31. 39. Joseph IL, Kaiser 63. 68. 322. Joseph (Textdichter) 65. Josepha Antonia, Prinzessin 39. Jost (Schauspieler) 265. 319. Jost, Theophile (Sängerin) 265 f.

268. 271. 276. 319. Jouy (Textdichter) 123. 144. 147.

207. 241. Junker, H. 28 ^ 29^ 30 ^ 31^ u. \ Just, St. (Textdichter) 82.

K

Kaffers, G. 505'. Kaiser (Sängerin) 62. Kaiser-Ernst (Sängerin) 372. Kapelibestand vom Jahre 1655

16. Kapellmeister, Tätigkeit der 58.

117f. Kapp-Young (Sängerin) 432. Karl IV. 34. Karl VII. 34 f.

Karl, Albert (Kurprinz) 31. 33. Karl, Albrecht (Kurfürst) 31. 34. Karlsruhe 258. 270. 309. 440.

450. 458. 479. Karl Theodor, Kurfürst von der

Pfalz 8. 41 ff. 54 ff. 64 ff. 71.

73 f. 78. 127 ^ 311. 519. Karnevalsoper 38. 40. 45. Karoline, Königin von Bayern

79. 116. Kaspar, F. X. (Textdichter) 52. Kassel 332. 367. 392. 405. 450.

464 f. 512 1. Kastratentum 19. 36. 81. 86f.

150». 166. 186. 225. 291. Kauer (Komponist) 201. 204. Kaufmann, Anna (Sängerin) 499. Kaulbach, W. von 4751 Kellermann (Sängerin) 271.273. Kern, Joh. Kasp. 16^ 18—24.

26.

Kern (Sängerin) 369. Kesenheimer (Sängerin) 399.

403 f. Keßner (Textdichter) 296. Kienlen (Komponist) 96. 98. Kind, Frdr. von 259. Kindermann (Sänger) 97. 317 ff.

325 ff. 331. 334 f. 338 ff. 344.

356. 359 ff. 369. 373. 377 ff.

385. 389 ff. 395 ff. 400. 404 f.

407. 4 15 ff, 420. 423. 427. 431.

437. 441. 443 f. 447. 452. 462.

468. 471. 500. 502 f. 506. 509. Klar, Jak. (Bürgermeister) 190. Klaubauf, Jakob (Musikschrift- steller, Pseudonym für T.

E. Reischel, Kustos der kur-

fürstl. Bibliothek zu München)

51. 54. 59. 69. 78. 851 514. Klebe, A. (Textdichter) 148. Klein (Textdichter) 45. Kleist 194.

Kiengel, Aug. (Sänger) 142. 147. Klenze, Leo, Ritter v. (Hofbau-

Indendant) 175 f. Klingmann, A. (Theaterdirektor)

147. 194. 229 ff. Klotz (Sängerin) 66. 77 f. 92. Klotz (Theatermaler) 173. 215. Knorr, Julius (Verleger) 443. Koburg 342.

Koch, K. (Schauspieler) 66. Koch, Max 503 ^ Koch, M. (Sänger) 33. Kogel, G. F. (Musikdirektor) 121. Kolb, G. (Redakteur) 346. Kollmann (Obersetzer) 206. Köln 385. 400.

Komareck, J. N. (Textdichter) 53. Königsberg 98. 166. 448. 450. Kopp (Sänger) 329. Körner, Theodor 194. 203. Kotzebue (Textdichter) 86. 194.

308. Krause (Sänger) 270. 273. 276 f.

295. 304. 308 f. Kraus -Wranitzky (Sängerin) 239.

244. Kremenz, Phil. (Sänger) 367 ff.

373 ff. 383. 390. 395 ff. 402.

Krempelsetzer, Gg. (Komponist)

445. 448 f. 498. 507. Kren (Sänger) 445. Kretschmer (Komponist) 507. Kretzschmar, H. 13'. 14. 38. 38».

42*. 45». hV. 541. 68 ^ Kreutzer, Konradin 133. 157. 183.

259. 274. Kreutzer (Sängerin) 265. Kröner (Musiker) 32. Kronseder, O. 267 ^ Kroyer, Th. 482'. Küchler (Sänger) 295. Kugelmann (Theaterdichter) 28. Kugelwieser (Textdichter) 338. Kunz, J. N. (Sänger) 64. 67. Kunz, Konr. Max. (Chordirektor)

310 f. 341. 356. 383. 444. Künzel (Sänger) 426. Kurz, J. von (Schauspieler) 39.

46. 51. Kürzinger (Schauspieler) 116. Küssel, Math. (Maler) 21. Küstner, Karl Theodor (Inten- dant) 9. 226. 229 ff. 255 f. 259.

261 ff. 265. 268 ff. 274. 277 ff.

284 ff. 290. 294. 319. 323. 326.

345. 347*. 349. 355'. 357. 388.

414.

L

Lachner, Franz 7. 68. 97. 110.

118. 123. 202. 222. 231. 253 f.

256 f. 263. 265 ff. 269 f. 274.

276 ff. 291 f. 296. 301. 304.307.

310 f. 323. 331. 335. 344. 352.

358. 360'. 364. 368.383. 395 ff.

400, 411 f. 415 ff. 427. 430 ff.

436. 442. 445 ff. 452. 457. 463.

472. 478 f. 497*. 505. Lachner, Ignaz 292. 309 f. 318.

368. 383 f. 411. La Grua (Sängerin) 435. 438 f. Lalande-Meeric (Sängerin) 194.

236 ^ 239. Lalli, D. gen. Bianciardi (Kom- ponist) 31. La Mara 459'. Lambrecht (Theaterdirektor) 66.

82. 84. Lammert (Sängerin) 504.

531

Landshut 29. 32.

Lang (Baudirektor) 175.

Lang, Elise (Sängerin) 85. 87 f.

111. 142. 185. Lang, Ferd. (Sänger) 88 f. 93.

202. 212. 255. 268. 273. 308 ^

314. 334. 385. 436. Lang, Franziska, geb. Stamitz

(Sängerin, Tänzerin) 51. 62. 77. Lang, J. (Sängerin) 88. 111. Lang, Margar (Sängerin) 85. 88.

122. Lang, Marianne (Sängerin) 111. Lang, Regina, geb. Hitzelberger

(Sängerin) 85. 87 ff. 93. 96.

98. 111. 115 f. 121 f. 185. 206.

308*. 511. Lang, Theobald (Hofmusiker)

89. 111. Langlois (Sänger) 62 f. 77. Lanius (Sänger) 110. 112. 121.

131. 149. Lasaulx, Ernst von (Altertums- forscher) 3481. Lassale (Politiker) 459. Lasser, J. B. (Komponist und

Sänger) 65. 73. 82 f. Lasso, Orl. di 14 f. 19. Lautenschläger (Maschinen- meister) 510. Lebrun, Louis Seb. (Komponist)

90 f. 99. 115. Lefranc (Textdichter) 322. Legband, P. 28». 35». 39 1. 46 ^

49 \ 51'. 54 ^ 55 ^ 51 K 64».

74'. 106'. Legrand (Gen. -Militär-Musik- direktor) 310. Lehmann (Sängerin) 405. Lehmann, Lilly (Sängerin) 503. Lehmann, Maria (Sängerin) 504. Leiblfing, F. G.J. Frhr. von 28. Leidinger, Georg (Direktor der

Münchn. Staatsbibliothek) 10. Leipzig 98. 168. 226. 229. 239.

243. 258. 269». 284. 317. 329.

379. 420. 446. 471. Leitmotiv 209. Lemoles, P. (Sänger) 33. Lenk (Sänger) 437 f.

Lenz,Leop. (Sänger u. Regisseur)

193. 202. 204. 207. 211. 216.

218. 220. 225. 238. 241. 247 ff.

256 ff. 260 f. 264 ff. 268. 272 f.

276 f. 295 f. 320. 323. 334. 341.

373. 389 f. Lenz, Regina (Sängerin) 311. Leopold IL, Kaiser 71. Leopold, Erzherzog 17. 20. 28. Lerchenau (Textdichter) 148. Lerchenfeld, Finanzminister,

Graf von 147fF. 158. 176'. 185. Leser (Sänger) 265. Lessing 122. 134. Leuchtenberg i. Oberpfalz 30. Leva (Sängerin) 302. Levi, Hermann 500. 503. Leythäuser, M. 500 ^ Lichtenstein, Frhr. von 227. 256.

265. 268. 270. Liebig (Chemiker) 375. 408. Liebscher, O. 147'. 347'. 410'. Liederspiel 86.

Lind, Jenny (Sängerin) 317f. 378. Lindemann (Sänger) 402. 405.

415. 420. 424 f. 427. 431. Lindner (Sängerin) 405. Lindpaintner, P. J. von (Kom- ponist) 112ff. 117. 141. 143.

148. 158. 179. 182. 194 f. 207.

210 ff. 228. 254. 304. Linz 363.

Lipowsky 21 '. 22. 33. 39». 42^ 55. Liszt 392. 455'. 458 f. 501. Lobkowitz, Fürst 93. Lodron, Graf Karl von, Intendant

28. Loeillet, J. (Musiker) 32. Logier (Textdichter) 194. Löhle, Sophie (Sängerin) 148,

162 f. 186.

Löhle, Frz. (Sänger) 148f. 151.

163 f. 167 ff. 173. 178. 187 f. 192 f. 202. 204 fl. 211. 215 ff. 224. 228 f. 241. 247.

London 141. 291. 376. Lortzing, G. A. 266. 270. 272 f.

276 f. 391 f. 411. Low, Klementine (Sängerin) 450.

471.

Löwenstein (Sängerin) 369. Ludwig L, König von Bayern

113. 144. 159. 185. 198. 207.

210. 232 f. 237. 243. 245. 249.

253. 260. 288. 295. 311. 323.

327. 409. 446. Ludwig IL, König von Bayern

8 f. 123. 347. 365'. 394. 420.

431. 447 ff. 455 ff. 472 ff. 485 ff.

499 ff. Ludwig Amadeus, Prinz 22. Lübeck, 239.

Lucca, Pauline (Sängerin) 509. Lully 27. 31. 123. Luther (Beleuchtungsdiener)

175 f. Lütich, J. G. (Textdichter) 46. Lutzer (Sängerin) 261 f. 274. 346.

M

Maccioni, G. Batt. (Komponist)

16 ff. 24. Mack (Sänger) 276. Macolino (Sänger) 19. Madrigal 17.

Maffei, von (Gemeinderat) 190. Magdeburg 204. Maier (Sänger) 363. Mailand 126. 151. 158. 265. 268.

275. 329. 365. Mailhammer (Sängerin) 187 f. 204. Maillart, Aime (Komponist) 442 f. Malesville (Textdichter) 314. Mallinger, M. (Sängerin) 421. 499. Malten (Sängerin) 506. 509. Malyoth, L. (Stabsrat) 10. 106'.

147 ^ 158 ^ 519'. Mandl, von (Geheimer Rat) 18^ Mandyczewski, E. 80'. Mangstl, K. (Sängerin) s. Hetz-

necker. Mangstl von (Regierungsrst) 329. Mannagetta, W. von (Textdichter)

148. Mannheim 45. 63. 98. 133. 205.

225. 253. 255. 257. 300 f. 316.

332. 337. 369. 432. 497. Mannheimer Kapelle 41 f. 52. 55. Mannlich, J. Chr. (Galeriedirek- tor) 82. 106'.

532

Mantius (Sänger) 276.

Manzin, M. (Sänger) 33.

Marchand, geb. Brochard (Sän- gerin) 62. 66.

Marchand, Th. (Theaterdirektor) 41. 45. 45'. 49 f. 62 ff. 68. 79.

Marchetti-Zantozzi, Josepha, (Sängerin) 86. 90.92. 95. 111. 142. 149. 185.

Margraf?, Dr. Rud. (Prof.) 284.

Mark (Sängerin) 193.

Maria s. Della Maria.

Maria Amalia (Prinzessin) 31.

Maria Anna (sächs. Prinzessin) 34 f.

Maria Antonia (Erzherzogin) 28.

Maria Antonia Walpurga, Kurfür- stin von Sachsen(Komponistin und Textdichterin) 35. 39. 40.

Maria, Königin, Gemahlin Max II. 350.

Maria Leopoldine, geb. Erzher- zogin von Este, Witwe Karl Theodors 127.

Maria Theresia, Kaiserin 52.

Marie von Preußen (Prinzessin) 285.

Marinelli (Komponist) 290.

Marmontel (Textdichter) 81. 169.

Marschner, H. A. 211. 248 ff. 266. 276. 303. 321. 411.

Martin y Soler, Martini lo Spag- nuolo (Komponist), Rivale Mozarts 63. 67. 73. 517 f.

Marx (Sängerin) 276. 278.

Massa (Regisseur) 167 ^

Masse, Viktor 406 f.

Massenet 506.

Mauermaier (Sänger) 207.

Mauermai[e]r (Sängerin) 186. 205. 207.

Maurer, F. A. (Komponist) 79 ff. 82 f. 94.

Maurer, J. 42' u. '.

Maurice, Marquis de St. (Inten- dant) 28.

Max I., König s. Max Joseph IV.

Max IL, König 324. 328. 345 f. 349 f. 351. 358. 367. 380. 388. 395. 449. 469. 476. 510.

Max IL Emanuel, Kurfürst 21.

25 f. 28 ff. 35. 46. 58. Max IIL, Kurfürst 13. 34 f. 37 f.

46. 49. 147. 434. Max Joseph L, König 153. 197 f. Max Joseph IIL, Vorgänger Karl

Theodors s. Max III. Kurfürst. Maxjoseph IV., Kurfürst 54. 71.

82. 519 f., als König Maxi- milian I. von Bayern 86. 106f.

116 f. 145. 148». Max Philipp, Herzog 25. Maximilian L, König, s. Max

Joseph IV. Maximilian L, Kurfürst 18f. Maximilian IL, König 345 f. 408.

455. Maximilian Joseph IIL s. Max III.

Kurfürst. Maximilian IV., Kurfürst 77. Maximilien, Elise (Sängerin) 403.

406. 415 ff. 421 f. 425. 428. Mayer (Sänger) 503. Mayer, C. (Sänger) 249. Mayer, Louise (Sängerin) s. Dust- mann-Mayer. Mayerin, O. (Sängerin) 31. 33. Mayr (Sänger) 288. 445. Mayr, Simon (Komponist) 52. 67 f.

84. 89. 98f. 119f. 166. 170. 179. Mazzoni (Komponist) 91. Mehrmann (Sänger) 339. Mehul 71. 73. 88. 92. 96 ff. 120 f.

123. 174 f. 180. 224 f. 243 ^

257. 289. 413. 421. Meiers (Sänger) 112. 187. Meinhardt (Sänger) 316. Meiningen 332. 450. Meisinger (Sänger) 309. Meixner, von (Sängerin) 405, Meiser, Inspektor 192. Melani, BarthoL (Musiker) 19*. Melani, Dom. (Musiker) 19*. Melani, Atto (Musiker) 19*. Mellara (Melara) (Komponist)

193. 290. Mellesville(Textdichter) 196.201. Mendelssohn-Bartholdi, F. 196.

254. 278'. 318. 331. 376. 400.

459 f. 502.

Mendl, von (Kassierer) 125. 128.

130. Menetrier, BI. Fr. 22^ Mercadante (Komponist) 180. Meß (Sänger) 339. Messiade, Oratorium von Röder

224. Metastasio (Textdichter) 33. 34.

39. 81. 90. 114. 139. 149. Metzger (Sängerin) 87. Metzger-Vespermann, Klara

(Sängerin) 131. 142f. 149. 151.

164. 166 ff. 173. 186 ff. 192.

200'. 202. 205 ff. 216 ff. 238.

244. 329. 422. Mey (Sängerin) 295. Meyer, Friedr. Wilh. (Musik- direktor) 383 f. 394. 500. 505. Meyerbeer 112. 123. 125. 131'.

144. 158. 179. 182. 187. 197.

201 f. 205. 235. 243 ff. 247 f.

250 ff. 261 ff. 266. 274. 277.

287 f. 290. 305. 319. 327. 355.

359. 406 f. 410. 417. 429. 443.

446. 487*. Meysenheim (Sängerin) 507.. Michl, J. (Komponist) 39. Mikorey, Max (Sänger) 503. 505.

507. Milanollo, Maria und Theresa

(Geigerinnen) 319. Milder-Hauptmann (Sängerin) 93.

122. Miller (Schauspielerin) 344. Minato (Textdichter) 23. Mink, Therese (Sängerin) 245.

258. 261. 263. 266. 270 ff. 274.

277'. 295. 315. Mittermair, Fr. P. v., Bürger- meister 190. Mittermayer, Georg (Sänger) 88.

90. 93. 96. 112. 115. 118 ff. 123.

131. 138. 142f. 147. 151. 162.

164. 166. 167 ff. 173. 178. 187 f.

192. 204 ff. 211. 215. 218. 220.

222. 238 f. 241. 245 ff. 333. 383. Mittermayr-Viala (Sängerin) 165.

275. 332 ff. 352. Mitterwurzer, A. (Sänger) 316 f.

481. 487.

533

Modena 33.

Molendo (Sängerin) 308. 31 1. 332. Molitor (Textdichter) 318. Moll (Textdichter) 93. Monsigny 50. Monten (Maler) 263. Montgelas, Graf von, Staats- minister 116. 118. 127 ff. 145. Monza (Komponist) 92. Moralt, Joseph (Musikdirektor)

110. 117. 185. 253 f. 383. Mosca, Giuseppe (Komponist)

146. 149 f. 290. Mosel (über Gesamtkunstwerk)

50. 54. 132. Mosenthal 384 ^ Moskau 212. 480. Mottl, Felix (Kapellmeister) 306. Mozart, Leopold 64. Mozart, W. A. 37. 40. 4P. 42\

42 ff. 49 ff. 57. 62 f. 65 ff. 73.

soff. 84. 86. 88 ^ 95. 98 ff.

112 f. 116. 122. 124. 132.

134 f. 147. 154». 1551. 165.

167 f. 170. 172. 177 ff. 181.

185. 188. 197. 204. 206. 212.

2 14 ff. 220 ff. 224 f. 228. 236.

239. 242. 244 f. 248. 250.

254. 259 ff. 269. 274. 279.

282. 287. 289. 306. 311 f. 319.

322 f. 332. 355. 407. 411. 444.

453. 462 f. 466. 475. 513. 515 ff. Muck, A. (Sänger) 64. 77. 88. Muck, Jos. (Sänger) 96. 98. 112.

115. 120. 124. 138. 164. 187.

514 ff. Muckenthal (Sängerin) 221. Mühler, C. (Textdichter) 53. Müller, Henriette (Sängerin)

499 f. Müller, Hippolyt (Cellist) 478 ^ Müller (Rechnungsführer) 191. Müller (Sängerin) 111. 185.212.

216. Müller, Wenzel (Komponist) 67.

73. 79. 194 f. 201. 205. 268 f.

272. Murschhauser, J. (Sänger) 33. Muscheck (Schauspielerin) 357. „Museum" -Gesellschaft 115 f.

Musikdrama, Idee eines deut- schen — s. 17. 42. 90.

Mutschlechner, Josephine (Sän- gerin) 262.

N

Nachbaur (Sänger) 503 f. 507 ff. Napoleon I. 97. 502. Napoleonpreis 123. Nassolini, Seb. (Komponist) 126.

182. 290. Nationalschaubühne 54. Neapel 155'. 288. Negele (Brunnenmeister) 174.

191. Neisser, A. 25 '^ 27 1. 2S\ Nenner, G. E. (Sänger) 33. Neßler, Viktor 507 f. Neu (Sängerin) 212. 216. 220. Neuhaus, Franz Maria von (In- tendant) 29. Neumann, A. von (Sängerin)

111. 164. 185 f. 192. 202. 204.

215 f. 238. Neumayr, von (Staatsrat) 153. Neureuther (Sängerin) 217. 309. Newton 515. New -York 291. Niccolini (Komponist) 150. 152.

180. Nicolai, O. 384 f. 411. Nicolini (Sänger) 508. Niemann (Sänger) 420. 450 ff. 503. Nieser (Theaterdirektor) 49. 62 f. Niest (Eleve) 216. Nimbs, Eugenie (Sängerin) 370. Niessen, von, Etatsrätin, Witwe

Mozarts 260. Nohl, Ludwig 447. 470. 473 f. Norbert, Karl (Sänger) 471. Nürnberg 216. 239. 450. Nymphenburg 17. 23. 32.

O

OberhofFer (Sänger) 309. Obermayer (Sänger) 266. 295 f. Offenbach, J. 442f. Ohlmüller (Baukondukteur) 175. Opera buffa 36 f. 44. 68. Opera seria 36 ff. 42 fP. 54. 73.

Opern und andere Bühnenwerke:

Abällino, der große Bandit 194.

Abbe Lattaignant 165. 183.

Abenteurer, s. Joconde.

Abitatore del Bosco 197.

Abu Hassan 58. UOf, 113. 115. 117 f. 182. 427. 498. 502.

Achille in Sciro 39.

Achilles 82. 84. 95 f. 112. 125.

Adam und Eva 501. 507.

Adelaide 31.

Adelaide und Comingo 157.

Adelasia und Aleramo 89.

Adelina Ulf. 144 ff.

Addio d'Ettore 141.

Adolf und Clara 81 f.

Adrian von Ostade 165. 181. 184.

Africano di Venezia, s. Otello.

Afrikanerin 501. 509.

Afrikas Tribut a. d. triumphie- renden Cäsar 38.

Agnese 146.

Agnes Sorel 113 f. 182,

Aida 506. 509.

Alarico il Balta 26 f.

Alceste 41 f. 45 f. 270.272.274. 287. 508.

Alchymist 63. 270. 288.

Alle betrügen, s. Dir wie mir.

Alessandro il Grande 20 f.

Alexis und Justine 67.

Alfonso und Estrella 508.

Alidia 266 f. 274. 287.

Aline, Königin von Golkonda 88. 180. 197. 289.

Allesandro Stradella 315. 325. 411. 498. 500 f.

Allievo dell'amore, s. Sargines.

Alpenhütte 157. 183.

Alte vom Berge oder Kreuz- fahrer 194. 303. 376 ff. 407. 411. 432.

Alvilda in Abo 25.

Amadis 31.

Amico deirUomo 144.

Amor della patria 20. 22.

Amori di Titone e d'Aurora 30.

Amor marinaro, s. Corsar.

Amor tiranno 20.

Amor und Psyche 506.

534

Andromacca 30.

Anglikaner und Puritaner,

s. Hugenotten 262. 410. Anteil des Teufels 224. 304.

306. 308. 412. 416. Antenore 141. 182. Antigene 357. Antigono 39. Antigonus 90. Antiopa giustificata 21. Apollos Wettgesang 149. 183. Apollo tra le Muse in Par-

nasso 32. Applausi festivi 17. 21 f. Ardelia 17.

Armida 500. 506. 508. Arpa festante 17 f. Artaserse 32.

Arzt wider Willen 505. 509. Ascanius 28. Aschenbrödel (Isouard) 113f.

142. 180. 289. Astianate 30. Athalia 90. 134f. 139. 140*.

182. 186. Athalia (Mendelssohn) 502. Atlanta 20. 22. Aucassin und Nicolette 91.

132. 182. Audacia e Rispetto 24. 27. Augenarzt 123 f. 182. Avvertimento ai Gelosi 146. Axur, König von Ormus,

s. König Axur. Bacchanten 141. 147. Bajaderen 147. Ballo in maschera 256. Barbier von Bagdad 81. 131.

136. 501. 507. Barbier von Sevilla 131. 135.

151. 180. 206 f. 216. 221 f.

224 f. 239. 242. 245. 250.

254. 265. 274. 288. 299.

375. 412. Baßgeiger von Wörgl 310*. Bauer und Millionär 366. Baum der Diana 63. 67. Beiden Foscari s. Foscari. Beiden Füchse 88. 174 f. 180.

289. 334. 413. 501.

Beiden Prinzen 411. Beiden Savoyarden 65 f. 516. Beiden Schützen 270. 272. 287.

307. 309. 334. 411. 498. Bekrönte Unschuld 46. Belagerung von Ypsilon oder

Evakathl und Schaudi 194. Belisar 205. 288. 295 ff. 303.

412. 432. 498. Belmonte u. Constanze 259 f. Benvenuto Cellini 331. 411. Berenice 32. Bergkönig 509. Betrogene Kadi 508. Betrug durch Aberglauben 64. Bezauberte Schloß 78. Blinde Gärtner 287. Blinden von Toledo 96. 98.

180. Blitz 259. 341.

Bondocani s. Kalif v. Bagdad. Brauer von Preston 265 f. 272.

274. 285. 289. 332. 427. 501. Brüder als Nebenbuhler 151.

181. Bürger in Wien 195. Burla fortunata oder i due

Prigionieri 146. 180. Calypso 53. 181. 193. Calzolario deriso, s. Convito

degli Spiriti. Camilla 81. 89. 179. 187. Camille le Souterrain 81.

122. Capriccio poetico 22. Capricciosa pentita 146. Capuletti 245. 248 ff. 254 f. 265.

270. 278. 285. 288. 300. 342. 372. 412. 444.

Carlo Fioras, oder d. Stumme i. d. Sierra Morena 113. 182. 288.

Carlo Magno 150.

Carmen 509.

Casa d'acquario 22.

Castor und Pollux 53. 60. 85 f. 111. 116. 169.206.269.279.

Catharina Cornaro 266. 276 ff.

271. 285. 287.331.333.411. 416. 433. 446 f. 472. 498. 500.

Catone in Utica 31. 38.

Celanora 149.

Cenerentola (Rossini) 150. 180.

216. 220 f. 225. 239. 288. Cid (Corneille) 166. Circe 45. 51. Ciro 31.

Ciro in Babilonia 145. 180. Claudina von Villa Bella 96. 98. Clavigo (Goethe) 122. Clemenza di Tito 32. 34. Colloquio pastorale 32. Colmal 52. 94. Colori geniali 20. 22. Colpa emendata dal Valore

154. Constantin 196 f. Constanze trionfante 32. Contessa di colle Erboso 146. Convito degli Spiriti 141. Coppelia 509. Cora 81.

Cordelia 183. 287. Corradino oder il Trionfo delle

Belle 146. 149. Corsar 83. 170. 179. 181. Cosa rara 519. Cosi fan tutte 67 f. 112. 181.

188. 193. 287. 356. 411. 505.

508. Costanze in trionfo 32. Cuna elettorale 22. Cyrus 132. Czaar und Zimmermann 276 f.

285. 287. 308. 316. 411. 500. Dafne 32. Damiro e Pitia 32. Danina 228.

Demetrio e Polibio 180. Demofoonte 32. 38. Demophoon 112 ff. 117. 182. Deux aveugles de Franconville

s. Augenarzt. Dichter und Tonkünstler 132.

133 1. 183. Didone 38. Diebische Elster 158. 180. 201.

221. 224. 239. 250. 255. 288. Dinorah oder die Wallfahrt

nach Ploermel 429f. 441.

535

Dir wie mir oder Alle betrügen

91. Distruzione di Gerusalemme

180. Doktor und Apotheker 50. 54.

177. 182. 195. 212. 287.

407. 411. 497. 500 f. 515. Donaunixe 194. Donauweibchen 201. 204. Don Carlos (Schiller) 122. Don Giovanni 37. 44. 52. 63.

65. 68. 80. 86. 116. 132.

134 f. 154 ^ 155 ^ 169. 179.

181. 190. 194. 197. 204. 221.

225. 228. 236 ^ 244 f. 250.

254. 259. 269. 274. 278. 282.

287. 300. 303. 312. 316. 319. 324. 357. 362. 411. 453. 504. 508. 512.

Don Pasquale 508. Don Sebastian 436. Donna di Lago 171. Dorfadvokat 507. Dorfbarbier 201 f. 270 ^ 274.

288. 411. 498. 502.

Dorfdeputierten 51.

Dorf im Gebirge 194.

Dorfsängerinnen oder die Sän- gerinnen auf dem Lande 122. 151. 407. 412.

Dori 25.

Dornröschen 507 f. Dravestierte Hamlet 195. Drei Jahrin nach'm letzten

Fensterin 310. Dreimäderlhaus 323*. Drei Wahrzeichen 114^ DuePrigionieri s. BurlaFortu-

nata. Edelfrau von Bosenstein oder

das Urteil über sich selbst

194. Edippo 31. Eduardo und C[h]ristina 170.

180. Egmont (Goethe) 122. 195. Eherne Pferd 501. Eifersucht auf der Probe 64. Eintagskönigin 270 f. 274.

289.

Ekkehard 507.

Elbondokani s. Kalif von Bag- dad.

Eleonora oder l'amore conju- gale s. Leonore (Paer).

Elias Regenwurm 329.

Elisa 144 f.

Elisabetha, Regina d'Inghil- terra 149. 180.

Elise, Gräfin von Hildburg 52. 71.

Elisene 93.

Emilia Galotti (Lessing) 122.

Emma di Resburgo 13P. 158. 179. 182. 187.

Endimione 38.

Enea in Italia 25.

Enfant prodigue 359.

Entführung aus dem Serail 50 f. 54. 111. 122. 177 f. 181. 206. 259 ff. 270. 274. 287. 319. 328. 374. 411. 485. 498. 501 f. 515.

Epaminonda 31.

Eraclio 28.

Erbe von Morley 507.

Erinto 19 ff.

Ermione 25.

Ernani 325. 360.

Eroe cinese 39.

Ero e Leandro 142.

Erote et Anterote 24.

Erste Glückstag 498. 501.

Erste Tod 78.

Erste Walpurgisnacht 502.

Eumene 31.

Euryanthe 54 f. 91. 198. 216. 264. 268. 277. 287. 304. 319. 329. 362. 399. 411. 421 f. 455. 501.

Evakathl und Schaudi, s. Be- lagerung von Ypsilon.

Evellina 150.

Fall ist noch weit seltener oder die geplagten Ehe- männer 67.

Fanatico per la musica 170. 288 f.

Faniska 87.

Farnace 32.

Faschingsstreiche oder der

Tanzmeister Pauxl 195. Faßbinder 192f. 288. Faule Hans 507. Faust (Goethe) 375. Faust (Gounod) 297. 442. 454.

498. 501. 508. Faust (Klingmann) 194. Faust (Spohr) 201 ff. 287. 373 f.

411. Favorite 391. 398f. 412. 508. Fechter von Ravenna 408. Fedra incoronata 21. Feen 465. Fee Urschel 133. Feldlager von Schlesien 406. Feodora 133. 183. Feramors 509. Ferdinand Cortez 142 ff. 180.

330. 412. Festa di Ballo 22. Festung an der Elbe 113. Fidelio 112. 131. 165. 167 f.

178. 182. 187ff. 205. 216. 225. 236. 245. 250. 254. 287. 316. 356. 371.400.411.433. 472. 497. 500 f. 504. 509.

Figaro 37. 58. 66 ff. 111. 170 f.

179. 181. 194. 197. 215. 221. 225. 236. 244. 254. 259 f. 265. 274. 287. 299. 309. 312. 319. 329. 332. 353. 356. 362. 364. 405.411.437. 472. 501 f. 510. 514.

Filosopha seducente 146. Pinta Giardiniera 40. 44. 415. Fischer als Wildschütz 354. Fliegende Holländer 392. 455.

462 ff 472. 484. 498. 504.

506. Floresca 157. 179. Folkunger 507. Förster 326 f. 411. Foscari 445 ff. Fra Diavolo 196. 221 ff. 228.

240. 250 f. 254. 262. 274. 289.

300. 307. 316. 412. Fraselli Rivali 53. Fräulein Gattin 322. Frauenbund 53. 85.

536

Freischütz 55. 112. 115. 118. 135'. 171 ff. 182. 190. 199f. 205. 212. 217. 220 f. 235 f. 239. 247. 250. 258. 274. 287. 319. 329 f. 330. 333. 343. 398. 411. 453. 498. 501 f. 505. 509. Gazza ladra, s. Diebische

Elster. Gefangene 79.

Gefoppte Chinesen, s. Manda- rine. Geheimer Agent 351. Geheimnis 88. 177. 181. Genoveva 508. Georg von Asten 78. Geplagte Ehemänner, s. Fall

ist noch weit seltener. Ginevra 84 ff. 119f. 125. Giostra delle Amazoni 22. Giralda 414. Giulio Cesare 25. Glöckchen des Eremiten 442 f. Gloria festiggiante 28. Goldenes Kreuz 507. Golo 507. Gordio 32.

Götterdämmerung 504. Gott und die Bajadere 224. 227. 274. 289. 356. 368. 412. Graf Armand, s. Wasserträger

413. Graf Gry 276. 288. Griselda 31. 84. Großfürstin 354. 411. Grube zur Dorothea 194. Guckkasten 70. Guido und Ginevra 270 f. 285.

320f. 374. 413. 501. Guitarrespieler 304 f. 321. 413. Gulistan oder der Hulla von

Samarkand 90 f. 181. Günther von Schwarzburg 45. Gute Nacht Herr Pantalon

355. 413. 509. Gutsherr oder Hannchen und

Görge 65. Hadrian Barbarossa 139. 182. Haideschacht 507. Haimonskinder 316. 326. 410. Hamlet (Shakespeare) 122.

Hamlet s. dravestierte (trave- stierte) Hamlet. Hannchen und Görge s. Guts- herr. Hans Dollinger oder das heim- liche Blutgericht 194. Hans Heiling 321 f. 411. 467.

498. 501. Hans ist da 436. Haus der Barneveldt 346. Haus ist zu verkaufen 82.

320. Häuslicher Krieg 443 ff. 498.

501. Hayd6[e] 326. 412. Hedwig die Banditenbraut 194. Heimeran 148. Heimliche Blutgericht, s. Hans

Dollinger. Heinrich IV. zu Givry 157.

166. 183. Helena und Paris 51. Helene 96 f. 180. 186. 224. 289. Hermannschlacht 210. 251 f.

289. Hermann und T[h]usnelda 124. Hernani s. Ernani. Hidallan der Harfner 133. 183. Hieronymus Knicker 66. 287.

414f. 501. Hilfts nichts, so schadts nicht,

s. Rote Käppchen. Hiltrude 148.

Hochzeit auf der Alm 310». Hoffmanns Erzählungen 443. Holnara 93 f. 133». Horand und Hilde 507. Horazier und Curiazier 85.

87. 125 f. 180. Hugenotten,— Anglikaner und Puritaner 261 ff. 270. 274. 285. 287. 303. 305. 324. 332. 340 f. 410. 425. 472. 498. 501 f. 506. 509. Hulla von Samarkand, s. Gu- listan. Idomeneo 37. 40. 42ff. 181. 259f. 310ff. 319. 411. 427. 444. 508. Impermestra 37.

Inganno felice 146. 180. 193.

288. Innocenza difesa da[i] Numi

30. Intrigue durch das Fenster

87. 180. Iphigenia 32. 39. IphigeniaaufTauris90f. 181 f.

211. 217. 224.265.287.312. 327. 332. 356f. 411. 431 f. 506. 508. Iphigenia in Aulis 53. 55. 57.

88. 90. 98. 100. 112. 142 f. 181 f. 312. 429ff. 472. 500. 508.

Ippolito 31. Issipile 90. Italiani in Algeri 145. 180. 245.

288. Jakob und seine Söhne,

s. Joseph. Jagd (Blumenröder) 96. 98. Jagd (Hiller) 50. 98. Jahrmarkt 65.

Jeanettens Hochzeit 406 f. 509. Jephtas Gelübde 112. 123. 125.

182. Jessonda 251. 255 ff. 285. 287.

307. 316. 319.407.411.498.

501 f. 510. Joconde oder die Abenteurer

142. 180. 289. Johann von Paris 130f. 177f.

181. 186 ff. 205 f. 216. 239.

245. 250. 289. 307. 407. 413.

444. 501. Joseph oder Jakob und seine

Söhne, oder Josef in Ägyp- ten 92. 99. 112. 120 ff. 177 f.

180 f. 224. 257. 289 f. 307.

374. 413. 421. 498. Judenverfolgung 341. Jüdin 307 f. 320 f. 324. 336. 350.

413. 498. 501. Judith 351. Jungfrau v. Orleans (Schiller)

122. Junggesellen -Frühstück 122.

124. Junker Heinz 507.

6B

537

Kabale und Liebe (Schiller) 122. Kaiser Hadrian 93. Kalifenstreich 85. Kalif von Bagdad 55. 82. 243.

289. Kallirrhoe 85. Kalypso 88. Kapellmeister 83. Kät[h]chen von Heilbronn

194. 506 f. Keuschen Kleinstädter 194. Kind der Liebe 194. Klara von Hoheneichen 194. Kleine Matrose 79. König Axur oder Axur, König

von Ormus 81 f. 89. 99.

299. 412. König hats gesagt 509. König Hiarne und dasTyrfing-

schwert 508. Königin Marietta 507. Königin von Leon 322. 413. Königin von Saba 506 f. König Ödipus 381. König Theodor in Venedig 63. König von Labore 506. 509. Konstantin 288. Konterfei 445. 449. KonzertamHofe201f.289.413. Kreuzfahrer s. Alte vom Berge. Kreuzritter in Ägypten 197.

201. 205. 250 ff. 287. 304. 41 1. Krondiamanten 295 f. 412. Kunstsinn und Liebe 143. 182 f. Kuß 55. 78.

Lacrime d'una Vedova 144 ff. Lalla Rookh 445. 447 f. 472.

498. 501. Lamano 32. Landfriede 507. Launen der Liebe s. Müllerin. Leocadia 196. 289. Leoldo und Elona 28. Leonardo und Blandine 51. L6on oder Schloß Montenero

83. 181. 189. Leonore oder Staatsgefängnis

von Sevilla (Paer) 131 f. 179. Letzte Fensterin 368. Leyermädchen 85 f. 182.

Liebe im Narrenhaus 64. Liebestrank 265 ff. 274. 276.

288. 361. 363. 412. 501. Liebesverbot 465. Libussa 183. 287. Liebhaber ä la Montgolfier

s. Luftbälle. Lilla 63. Linda von Chamounix 314f.

314f. 354. 412. Lisiman und Calliste 28. Litigio de Cielo .... 24 f. Lodoisca 131. 180. Lohengrin 394. 398. 417 ff. 465.

469. 480. 484. 501. 504 ff. Loreley (Lachner, L) 318. 368.

411. Loreley (Mendelssohn) 508. Lotterielos 172. 180. Lucia von Lammermoor 295 f.

363. 371. 412. 422. 508. Lucio vero 31. Lucrezia Borgia 318 f. 334 f.

362. 412. 508. Luftbälle oder der Liebhaber

ä la Montgolfier 63. Lumpazivagabundus 329. Lustigen Weiber von Windsor

381.384.411.440. 498. 501 f. Lustige Schuster 243. 253. 288.

332. 412. Lustlager 51. Macbeth (Chelard) 207 ff. 251 f.

261. 274. 289.311.329.413. Macbeth (Shakespeare) 122. Macdonald 83. 181. 289. Mahomet 151. 181. Makkabäer 509. Malawika 507. Mandarine oder die gefoppten

Chinesen 133. Manfred 508. Maometto 53. Marcantonio 144 ff. 180. Marco Aurelio 24 f. Margherita d'Anjou 179. Maria, die Tochter des Regi- ments, s. Regimentstochter. Maria oder verborgene Liebe

326. 437.

Maria Rosa 313.

Maria Stuart (Schiller) 122.

Marie von Montalban 53. 79.

181. Markt zu Richmond, s. Martha. Marmorbraut, s. Zampa. Marte e la Fortuna su le sponde

dell' Isar. 141. 179. 182. Martha oder der Markt zu

Richmond 324 f. 364. 386 f.

411. 500f. Maskenball (Auber) 251. 255f.

274. 289. 374. 427. Maskenball (Verdi) 509. Mathilde, Duchessa dj Spoleti

146. Matrimonio segreto 37. 71.

180. 239. 243 fF. 250. 288.

355 f. 412. Maurer und Schlosser 206 f.

220. 237. 239. 245. 250. 257 f.

265. 274. 289. 412. 437. 498.

501. Medea 508. Medea vendicativa 21. Meistersinger von Nürnberg

459. 469. 497. 501 f. 504. 506. Melara 180.

Melinde oder die Schiffer 51. Melissa tradita 32 f. Mercurio e Marte discordi 18. Merope 31. 126. 182. Michel Angelo 83. Mignon 360. 509. Milzsüchtige 71. Minna von Barnhelm (Lessing)

354. Minnefahrten 501. Mitridate 32. Mitternacht 223. 289. Mitternachtsstunde 55. 63. Morgiane 502. Moses und die Israeliten in

Ägypten 195. 201. 205. 224.

274. 288. Müllerin oder Launen der

Liebe 70. 179. 224f. 288.

307. 412. Musketiere der Königin 320 f.

413.

538

Nabuchodonosor 360. N acht von Paluzzi 270. 273. 288. Nachtigall und Rabe 157. 181. Nachtlager von Granada 183.

259. 274. 285. 287. 316. 352.

498. 500. Nachtwandlerin 259. 265. 274.

276. 285. 288. 292. 295. 316 f.

362. 412. 422. Neue Gutsherr 138f. 181. 193.

289. 374. 413. 498. Neuen Arkadier, s. Spiegel

von Arkadien. Neuer Demokrit 67. Neue Sonntagskind 79. Nicomede 31. Nina oderWahnsinn und Liebe

68. Ninfa ritrosa 18. Niobe 26 ff. Nittetis 90. 149. 182. Nordische Heerfahrt (Ibsen)

509. Nordstern 406 f. 410. 472. Norma 244. 251 ff. 264. 274.

276. 285. 288. 292. 300.

303. 316 f. 324. 329. 336.

412. 498. 501. Nouvel Eginhard, s. Schnee. Nozze di Amore e di Norizia

32. Numa Pompilio 95. 125. 135, Oberon (Weber) 212 ff. 225.

274. 287. 319. 411. 427 f.

498. 501. 506. 508. Oberon (Wranitzky) 68. ödipus auf Kolonos 79 f. Ogus 53. Olimpide 139. Opernprobe 87. 90. Orazi e Curiazi s. Horazier. Oracoli di Pallade e di NemesT

28. Oreste 30. Orfeo ed Euridice (Gluck)

39 f. 312. 400. 434. 472.

497. 501. Orlando Paladino, s. Ritter

Roland. Oronte 19 ff.

Orpheus (Cannabich) 82. Orpheus in der Unterwelt

(Offenbach) 443. Orpheus und Euridike (Winter)

65. Othello (Rossini) 150. 169.

177 f. 180. 186 1. 193. 205.

221. 225. 239. 250 f. 288.

300. 336. 363. 412. Othello (Verdi) 509. Ottaviano in Sicilia 91. 126.

179. 182. 201 f. Ottone in Italia 23. Otto von Witteisbach (Babo)

178. Pächter Robert 90 f. 133'. Palmer und Amalie 83. Pamela nubile 146. Parsifal 506. Pest von Florenz 341. Philtre 267.

Pia et fortis mulier (Jesuiten- drama) 20. Pietra de Paragone 180. 288. Pilgrime von Mekka 50. Pimmaglione 170. Plaisirs de l'ile enchantee 506. Pompe di Cipro 18. Postillon von Longjumeau

262. 265 f. 268. 272. 274. 285.

289. 414 f. 440. 498. 501. 506. Preggi de la primavera 30. Pretendenti delusi 149. Pretensioni del Sole 20. 22. 26. Preziosa 172'. 338. Prinzessin von Provence 91.

189 f. 195 ff. 206. Prinz Eugen der edle Ritter

324. 412. Prophet 334. 339 ff. 352. 364.

384 ff. 472. 501 f. Proserpina 53.

Prova d'una opera seria 150. Psyche 53. 64. Publica felicitä 31. Puritaner (Bellini) 270. 273 f.

276. 285. 295. 316. 368 f.

410. 412. 427 f. Pygmalion 170. Pyramiden von Babylon 53.

Quart d'heure de silence,

s. Wette. Quasi mann 55. 64. Quatro Elementi 17. Raimondin 507. Rap[p]ressaglia 91. 158. 179.

182. Rattenfänger 508. Rauchfangkehrer 63. Raub der Proserpina 90. Räuber 194. Regimentstochter oder Maria

die Tochter des Regiments

304. 317. 332. 337. 354. 362.

364. 386. 412. 498. 508. Rehbock 194. 308. Reinhold und Armida 51. Rendez-vous bourgeois 124. Rheingold 486'. 500 ff. Richard Löwenherz 67. 180.

187. 289. 358 f. 421. 501. 515. Richard und Zoraide 168. 179f.

288. Rienzi 465. 504. Rigoletto 360. 378 f. 509. Ring des Nibelungen 307. 456.

458. 460 f. 469. 471. 503. 506. Ritter Roland 79. 98. Robert der Teufel 205. 235.

243 ff. 247 ff. 263 f. 270. 272.

274. 285. 287. 300. 309. 319.

341. 410. 498. Rochus Pumpernickel oder die

Zusammenkunft im Apollo- saal 195. Roderich und Kunigunde 195. Rodrigo und Ximene 166. 183. Romeo und Julia 89. 151. 509. Romilda e Constanze 179. Rote Käppchen oder Hilfts

nichts, so schadts nicht.

65. 287. 304. 334 f. 411.

497. 500 f. Rotkäppchen 131. 151. 181.

186. 212. 215. 289. 437.

498. 501.

Rothmantel 194. 498. 500. 507. Rübezahl 203. Rudolf von Crequi 67. Ruy Blas 497. 501. 507.

539

Sacontala 372 f.

Sacrificio invalide 32.

Salem 132.

Salomons Urteil 53. 194.

Santa Chiana 379.

Sängerinnen auf dem Lande,

s. Dorfsängerinnen. Sänger und der Schneider 53.

157. 181. 239. Sargines 84. 122. 149. 177.

179. 186. 193. 205f. 217.

225. 243. Scelte dello Sposo 144 f. Schatzgräber 88. 225. 289. 361.

413. Schauspieldirektor 322f. 411.

472. 498. Schiffer, s. Melinde. Schloß Montenero s. Leon 83. Schnee 188. 192. 222. 225.

289. 304. 412. Schöne Helena 443. Schutzengel 194. Schwarze Domino 265. 268.

274. 285. 289. 413. 501. 509. Schweden in Prag 295 ff. Schweizerfamilie 83. 96 f. 122,

177 f. 181. 188. 236. 287.

309. 324. 332. 411. 429.

433. 472. 508. Schwestern von Prag 201.

205. 269. Scipio dormendo 38. Scpione in Cartagena 39. Scipione nelle Spagne 32. Seeräuber 220. 244. 250. 288. Segreto d'Amore 28. Semiramide 32. 38f. Semiramis (Catel) 119. Sennhütte 331. Serpilla e Bacocco 32. Servio Tullio 24 ff. Sieben Raben 500. 502. 507. Siegfried 479. 503 f. Signora Catalani in Kräh- winkel 195. Silas 301. Singspiel 81 f. Sirdne 308. 412. Siroe 39.

Sisara 67 f.

Sizilianische Vesper 304 f. 's letzte Fensterin 309 f. Sofonisba (Traetta) 39. Solone 24. 27. Sommernachtstraum 331. Sophonisbe (Paer) 125. 134.

179. Sorgen ohne Not und Not

ohne Sorgen 194. Souterain, s. Camille. Spiegel von Arkadien oder die

neuen Arkadier 70. 516. Staatsgefängnis von Sevilla,

s. Leonore. Staberls Hochzeit 195. Staberls Reiseabenteuer 195. Sterne-Königin 195. Student 227. 289. Stumme in der Sierra Morena,

s. Carlo Fioras, Stumme von Portici 217 fp.

221. 225 ff. 250. 256. 289. 332.

412. 449. 453f. 498. 501. 506. Sturm 52. 71. Sylvia 509. Table et le logement, siehe

Student. Taddädl, der dreißigjährige

ABC-Schütz 194. Talestri, regina delle Amazon!

39. Talisman 66.

Tal von Andorra 341. 413. Tannhäuser 365. 369 ^ 377.

384. 391 fF. 403. 417. 420.

439. 459. 465. 469. 479 f.

484. 501 f. 504 ff. Tankred 145. 167 f. 179f. 212.

216. 225. 248 ff. 280. J290. Tanzmeister Pauxl, siehe Fa- schingsstreiche. Telemaco 42. Teil (Rossini) 207. 220. 240 ff.

247. 250. 285. 288. 290. 344.

412. 444. 498. 501. Teil (Schiller) s. Wilhelm Teil. Templer und Jüdin 244. 285.

287. 303 f. 361. 411. 42t.

502.

Teufel ist los 243.

Theodora 506.

Theodor Körner 507.

Thusnelda 42».

Titus 81. 84. 96. 98. 100. 125.

134. 179. 181. 204. 221.

259 f. 287. 307. 407. 411.

472. Toffels und Dortchens Hoch- zeit 65. Thomasnacht 65. Tony der Wildschütz 379. 411. Torwaldo e Dorlissa 180. Trajano in Dacia 135. Traum einer Sommernacht

360. Traviata 509. Trentajäger 507. Treuen Köhler 51. Trionfi di virtuosa a bellezza 22. Trionfo d'amore 32. Trionfo delle Belle, s. Corra-

dino. Trionfo di Clelia 39. Tristan und Isolde 307. 469.

472. 476. 479 ff. 481 ff. 501.

502*. 504 ff. Triumph der Treue 55. 64. Trompeter von Säckingen 507 f. Tronfi di Baviera 22. Troubadour 498. 501. 508 f. Turandot 94. Turco in Italia 152. 180. Türmers Töchterlein 507. Unbekannte 258. 264. 274. 288.

443. Undine (Lortzing) 391. 411.

472. 508. Undine (Perfall) 507. Unsichtbare 94. Unterbrochene Opferfest 52.

70.75.86. 181.206.217.224.

279. 307. 412. 51 6 f. Untersberg 91. 215. Unruhige Nacht 65. Unvermutetes Wiedersehen

66. Urteil über sich selbst, s. Edel-

frau von Bosenstein. Uthal 505. 508.

540

Vampyr (Lachner) 211. 276.

322. 467. Vampyr (Lindpaintner) 207.

210 f. 287. 305. Vehmgericht 194. Venceslav 31. Venere pronuba 28. Venus und Adonis 506. Verborgene Liebe, s. Maria. Veri Amici 31 f. Verlobte 220. 289. Verlobung bei der Laterne

442 f. Verlorene Sohn 399. 412. Versprechen hinterm Herd

354. Verwandlungen 288. Verwechslung 157. Vespetta e Pinpinione 32. Vestalin 122 ff. 140*. 143 f.

177f. 180f. 205f. 221. 225.

245. 309. 331. 344. 361. 412. Vetter auf Besuch 445. 448 f. Von Gasthof zu Gasthof,

s. Zwei Posten. Waffenschmied 318 f. 411.

472. 498. 501 f. 505. Wahnsinn und Liebe, s. Nina. Waisenhaus 93. 181. Waise und der Mörder 194. Wallfahrt nach Ploermel,

s. Dinorah. Walküre 457. 469. 502. 504. Wandernde Komödianten 157.

179. Wasserträger— Graf Armand

81. 98f. 120. 131. 177. 180.

182. 188. 206. 224. 257. 274.

289.305.307. 311.319. 329.

332. 337. 340 f. 344. 361.

413. 425. 472. 498. 505. Webers Bild 178. 183. Wegelagerer 134. 179. Weibertreue 259 f. Weiber von Weinsberg 325.

426. Weihe 148. Weiße Dame 37. 131. 193. 201.

203 f. 206. 225. 239. 276.

289. 336. 371. 413. 498. 501.

Wette (B. A. Weber) 123 ff.

183. Wettkampf zu Olympia 55. 90.

132. 139. 182. Widerspenstigen Zähmung

138. 507. Wiedervergeltung s. Rappres-

saglia. Wieland der Schmied 507. Wilden 65. 514. Wilhelm Teil (Schiller) 110.

122. Wildschütz 308. 411. 472. 498.

501. Wirtshaus im Walde 93 f. 183. Witwenstand 255. Wo nehme ich einen Plan

her? s. Dichter und Ton- künstler. Wütendes Heer 65. Zaire 142 f. 181. Zampa 227 ff. 236. 240. 250 f.

255. 262. 289. 303. 316.

326. 455. Zauberflöte 66 f. 80. 83. 135.

147. 165. 172. 181.212.216f.

221. 224. 239. 244. 250. 254.

259 f. 265. 287. 295. 300. 302.

312. 319. 329. 332. 357. 41 1 f.

498. 501. 506. 510. 515. Zauberhöhle des Trophonius

64. Zauberzyther 67. Zayde 91. 305 f. Zelmira (Rossini) 172f. 187. Zemire und Azor (Spohr) 169.

183. Zigeunerin 316. 326. 338. 354.

410. Zilia 193.

Zitherschläger 133. Zum treuen Schäfer 265 f. 289. Zusammenkunft im Apollo- saal, s. Rochus Pumper- nickel. Zweikampf 429. 432. Zwei Posten oder von Gasthof

zu Gasthof 90 f. Zwei Prinzen 314. Zwei Worte 88.

Operneinlagen 360'.

Opernstatistik 98. 100. 178ff. 286 ff. 359. 4 10 f. 442. 472. 497. 500 f. 506 ff.

Opfermann (Tänzer) 303.

Orchesterbesetzung 52.

Orlandi (Leiter einer Gesang- schule) 170.

Orlandi, Luigi (Textdichter) 26.28.

Orlandini (Komponist) 91.

Oßwald (Sängerin) 300. 316.

Ostermayr, F. (Sänger) 33.

Otto, Prinz (Otto von Griechen- land) 469. 488.

Paccini 152. 154. 157. 213.

Padua 24.

Paer, Ferdinand 81 ff. 89. 95.

99. 112. 116. 125. 130 f. 134.

144 ff. 149. 166. 179 f. 186.

193. 205 f. 217. 225. 243. 253.

288. 290. 332. 412. Paesiello 50. 63. 68. 70. 73.

131. 136. 179 f. 224 f. 288. 290.

412. 514. Paganini 213. Paini 290.

Palatri, Ph. (Sänger) 33. Palaviccini, R. 22. Palermo 141. 387. Palm 367. Palm-Spatzer (Sängerin) 352 f.

356. 359 ff. 367 f. 370. 373.

382. 403. 410. Panizza, L. (Sänger) 33. Parma 39. Paris 26 f. 29. 99. 103 f. 106.

114. 123f. 131. 143f. 155.

159. 192. 210. 216f. 227. 240'.

241 f. 266ff. 271. 277. 291.

317 ^ 336. 342. 344. 359. 361.

370. 395'. 399. 418. 429 f. 435.

439. 480. 481 '. Pasta (Sängerin) 317. Pasticcio 141. Pasqu6, Ernst 316. Patti, Adelina (Sängerin) 508. Pavesi, Stefano (Komponist)

144 ff. 149 f. 180. 197. 290.

541

Peierl, J. N. (Sänger u. Regisseur)

62 f. 77. 79. Peierl, Elise (Sängerin) 62. 77.

87 f. s. Peyerl. Pellegrini, J. (Sänger) 123. 187 1.

194. 201 f. 205. 207 ff. 215 f.

218. 224 f. 238. 241. 243 f.

247. 249 ff. 256. 258 f. 263.

266. 268. 271 ff. 276 f. 296 ff.

303. 307 f. 313. 319 f. 320.

325. 329. 333. 339. 342. 344.

356. 358. 360. 368. 375. 377.

381 f. 387 ff. 432. Pellegrini -Moralt, Clementine

(Sängerin) 187. 205 f. 216. 227.

233. 261. 243 f. 302. Pellet, 456.

Pelli, Fr. (Komponist) 32 f. Penkmayer, Joseph (Theater- maschinist 434. 482. Pentenrieder, F. X. 1541 253.

270. 273. 320. 383. Perfall, Karl Frhr. von 67. 330.

372. 434. 445. 449. 478 f. 497».

499. 501». 502 ff. Perinet, Joachim 194. Perrier (Sängerin) 62. 66. Peschel, Oskar 346. Pessl, Nanette (Sängerin) 151.

164. 168. 186. Petersburg 291. 354. 438. Petri (Tanzlehrer) 104. Petzer, Anton (Sänger) 503. Peyerl (Sänger) 515. 517 f. Peyerl (Peierl) Antonia, verh.

Frau V. Fischer (Sängerin)

85. 89f. 91. 93. 111. 113. 115.

123. 131. 140 ^ 142. 164. 185.

514 (f. Pfeufer, von 375. 380. 385. 408. Pfistermeister, von (Kabinetts- sekretär) 346. 455 f. Philidor 50. 81. Philippi (Sänger) 450. Philipps (Redakteur) 348. Piccini (Komponist) 39. 50. 81.

92. Pichler, C. 295. Piloti (Komponist) 141. 182. Piloty (Bassist) 51. 62f. 77.

Pinchetti (Theatermaler) 49.

Pirscher (Sängerin) 258. 265.

Pisaroni (Sänger) 216.

Pischek (Sänger) 316.

Pistorini (Sänger) 19.

Piubelin, J. R. (Sänger) 33.

Pixis, Franziila (Sängerin) 245. 248. 250.

Planck von, Ministerialrat 148. 158. 170. 176.

Pleyel 69.

Pocci, Graf Franz von 270. 288.

Pohl, Richard 485.

Poißl, J. N. von (Komponist, Intendant) 41». 45^. 51. 54 f. 87. 90 f. 99. 119. 126.- 132. 134. 138ff. 140*. 141. 149. 158. 179. 182. 183 ff. 246. 268. 286 f. 290. 293. 323 ff. 351. 373. 412.

Pollinische Operntruppen 509.

Ponta, Klara (Sängerin) 405.

Ponta, Therese (Sängerin) 405.

Porpora, N. 32.

Porro, J. J. (Komponist u. Hof- kapellmeister) 16. 18 ff.

Porta, Giovanni (Komponist) 32 f. 35. 38 f.

Portogallo 243.

Possart, E. von 68. 500». 5021 503 ff.

Possart, Frau v., geb. Deinet s. d.

Pougin 92*.

Prag 135. 142. 405.

Prati (Komponist) 45. 50.

Preysing, Graf 32.

Priulis, Baron Ludwig von (In- tendant) 149 fF. 169 f.

Probst (Baurat) 176.

Probst (Schauspielerin) 266.

Prossi (Textdichter) 149.

Pucci (Sänger) 141.

Puccita 146.

Puck (Sängerin) 216.

Putlitz, Gustav zu 446.

Quaglio(Architekten-u. Theater- familie) 49. 80. 106'. 152. 173. 215. 263. 271. 360. 373. 398. 487.

Quaisin (Komponist) 194.

Raaff A. (Sänger) 33.

Racine 134.

Racke (Schauspieler) 276.

Raftler (Sängerin) 405.

Rain6 (Sängerin) 212.

Rameau 123.

Ranconi (Sänger) 154.

Ranfagne (Sänger) 194.

Rasp (Tänzerin) 434.

Rau, Heribert 304.

Rauch-Wermann (Sängerin) 385.

Rauscher (Sänger) 255.

Reali (Sänger) 19.

Reer (Sänger) 319. 450.

Reger (Sängerin) 185.

Reger, K. (Textdichter) 53.

Regensburg 445. 497.

Regie 19. 21. 71. 77. 81. 83f. 175. 237. 340. 359. 468 f.

Reichard (Sänger) 319.

Reichardt 79. 87. 93 f. 97 fP.

Reichel (Sänger) 258.

Reichenbach, von (Ministerial- direktor) 176.

Reicher (Sängerin) 503.

Reichmann (Sänger) 503. 506 ff.

Reigersberg, Graf (Polizeidirek- tor) 349 f.

Reiner (Sänger) 89.

Reiner, Felix (Bassist) 83. 87 f.

Reinhardstöttner, von 24 f.

Reinthaler 506 f.

Reipschläger 41». 451 50. 50 ^ 51» und \ 54 S »-^ 55'-*. 68». 84 ^ 90. 90 ^ 9P— ^ 95 ^ 126 ^ 132 1. 135' und *. 140». 156'. 184'.

Reischel, T. E., s. Klaubauf, J.

Rellstab 339. 341.

Renard (Textdichter) 259.

Renner (Sängerin) 88. 515.

Rettich, Henriette (Sängerin) 270. 276. 294 ff. 303 f. 307 ff. 311. 314. 318. 320. 325 ff. 331. 333. 336 f. 339 f. 356. 360. 364. 375. 378. 380 f. 383. 386.

Rey, P. (Musiker) 32.

Rheinberger, Jos. 330. 482'. 498'.

542

Richard, Wilh. (Sänger) 450. 463.

468 f. 471. Richter, Hans 497. 500. Richter (Sänger) 258. Riehl, W. H. 474. 479. Riemann, H. 27« und \ 28K

6P. 92 ^ Rietz, J. 44». Riezler, Sigmund von, Professor

10. Riga 464. 467 ^

Rineker, V. (Polizeidirektor) 191. Ritter, A. (Textdichter) 276. Ritter, Alexander 507. Ritter, K. A. (Textdichter) 196. Ritter, P. (Komponist) 133. Rivani, Antonie (Sängerin) 19. Röckl, S. 365». 384. 392 ». 395 ^

455. 456'. 458. 460 ». 463. 466 ff.

477 f. 482 ff. Röder, J. Val. 224. 257. 292. 295.

297 ff. 309. 368. Rodoteo, G. (Textdichter) 22. Roger (Sänger) 370. Rohrleitner (Sängerin) 338. 365.

373. 390. 450. Romanelli (Textdichter) 141. Romani, Felix (Textdichter) 252.

258 f. Romani, Luigi (Impressario) 302. Rom 16. 24. 285. 385. Romberg, A. 69. Roseri, Marg. (Tänzerin) 434. 450. Rösl, J. (Buchdrucker) 235. Rösler (Komponist) 93 f. Rossini 55, 81. 131. 136. 141.

145ff. 149ff. 154. 158. 166.

168 ff. 179 ff. 186 ^ 187. 193 f.

196 f. 201. 205 ff. 212f. 216.

220 f. 224 f. 228. 235. 239 ff.

243*. 244 f. 247. 250. 274.

276. 281. 288. 290. 327. 355.

410. 412. Roßner (Sängerin) 212. Roth (Roeth) (Komponist) 93.

132. 133 ^ 183. Rotterdam 429. Rouget de l'Isle (Textdichter

und Komponist) 207. Rousseau, J. J. 170. 371. 514.

Rüber, Ottmar (Musikdirektor) 505.

Rubini (Sänger) 154f. 171.

Rubinstein, A. 509.

Rübsam (Sänger) 390. 397. 402.

Rudhart, F. M. 7 ff. 17 ff. 28. 30» u.\ 31» u.». 33. 38». 39-. 44. 45». 55«. 56. 57». 61». 69. 72. 91. 512».

Rumford, Graf, Leiter d. Militär- Akademie 519.

Rumling, Sigismund, Frhr. von (Musikintendant) 76. 184.

Sacchini, A.M.G. (Komponist) 39. 50. 79. 99.

Säger (Münzstreckmeister) 174.

Saglia (Sängerin) 171.

Salern, Graf Joseph von (Inten- dant, Operndirektor) 35. 37.

Sales, P. P. (Komponist u. Kapell- meister) 39.

Salieri, A. (Komponist) 45. 50. 52. 63 f. 66. 73. 81 f. 89. 99. 157. 199. 299. 412.

Salomon, Rud. Heinr. (Sänger) 358. 360. 364 ff. 383. 390.

Salvi (Textdichter) 31.

Salzburg 23. 259 f.

St. Georges (Textdichter) 259. 265. 270. 278. 295 f. 341. 416.

Sandberger, A. 10. 14*. 16». 17 ff. 28*. 29». 30». 32. 32»-*. 35». 58. 470».

Sandizell, Graf (Oberhofmeister) 349.

Santini (Sänger) 154 f. 158». 171. 194. 225. 239. 244 f.

Santurini, Fr. (Maler u. Architekt)

19. 21 ^

Sarti (Komponist) 39. 42. Sbarra, Fr. (Textdichter) 20. 22. Scarlatti, A. 32. 91. Schachtner (Freund Mozarts,

Obersetzer des Idomeneo-

Textes) 42. Schack, Antonie (Sängerin) 80.

83.

Schack, B, (Komponist u. Sänger)

67f. 73. 77. 85. 112. 127. 187.

514 ff. Schäffer (Sänger) 205. Schafhäutl, K. E. von (Vogler- Biograph) 60. 398. 474. Schaudig (Sängerin) 211 f. 215. Schaumberger, Maximilian (Sän- gerin) 424. Schauß (Hofbau-Inspektor) 175. Schebest, Agnes (Sängerin) 258 f.

261. Schechner -Waagen, Nanette

(Sängerin) 170f. 186f. 194.201.

206 ff. 215. 224 f. 228 f. 236. 238.

245. 258. 261. 275. 291. 317.

330. 361 f. 422. Schefzky, Josephine (Sängerin)

503. 505. 509. Scheibe, J. A. (Komponist) 42*. Scheidauf (Sängerin) 212. Schenk, Ed. von, Staatsrat 201 f.

226. 232. 236. 270 ». 272. 274. 288.

296 f. 411. Scherzer, Fanny (Tänzerin) 227.

255. Schiasetti (Sängerin) 151. 155.

158». 194. 225. Schiedermair, H. 16». 17 f. 19 ^

28*. 68». 170». Schiffbenker (Sänger) 316. Schikaneder-Theater in Wien

66 f. bis 81. 513. 515 f. Schilcher, Franz von (Ober- landesgerichtsrat) 394. Schiller 122. 194. 207. 241. Schimon, Adolf (Komponist und

Gesanglehrer) 269'. Schimon, Ferd. (Sänger) 164.

166 ff. 187. 202. 204 ff. 211 f.

215. 218. 222. 227 f. 238. 241.

247 ff. 256. 269. Schindler (Magistratsrat) 190. Schinn (Sänger) 239. Schleich, Martin (Redakteur)

334. 348. 356. 409. 449. Schleißheim 17. 22 f. Schlett, Joseph (Komponist) 126. Schlett (Sängerin) 185. Schlosser (Sänger) 503. 507.

543

Schmezer (Sänger) 251. Schmid, Ludw. (Sänger) 207. 250.

252. 259. 273. 276'. 295. 373.

390. 395. Schmid (Textdichter) 149. Schmieder (AlIg.Theaterjournal)

65. Schmidt-Basta, Maria (Sängerin)

505. Schmidt, Gustav (Komponist)

324 f. 412. 426. Schmidt, J. P. (Musikschrift- steller) 264. Schmidt (Eleve) 216. Schmidt, M. (Sänger) 295. 311.

314. 339. 373. 390. Schmidt (Sängerin) 212. 216. Schmitt, Frdr. (Sänger) 228.240.

245. 247. 46 P. 471. Schmitt (Polizeiinspektor 349. Schmitt, Wilh. (Intendant) 414.

428-440. 442 ff. 487*. 488^499. Schneider, Frhr. von (Direktor

des pfalzbayerischen Censur-

collegiums) 512. Schneider, J. (Textdichter) 261. Schneider, Louis 322. Schneider (Sängerin) 186. Schnitzler (Theatermaler) 215.

241. 263. Schnorr v. Carolsfeld (Sänger)

438ff. 451. 462. 479. 481. 484f.

487 f. Schnorr v. Carolsfeld (Maler,

Vater des Sängers 488*. Schöller, Pauline (Sängerin) 505. Scholz, Bernhard (Komponist)

502. 507. Schönberg geb. Marconi (Sän- gerin) 122. Schönbrunn 322. Schön -Deisenrieder (Sängerin)

s. Deisenrieder, K. Schreckel (Sängerin) 265. Schreiber,Alois(Textdichter)125. Schrettinger (Leibarzt Ludwig L)

246. Schröder, Dr. 448. Schröder-Devrient, Wilhelmine

(Sängerin) 188. 221. 254.

Schröder, Sophie (Sängerin) 209.

235. 254. Schubaur, L. (Komponist) 41 '.

45^ 51. Schubert, Franz 7. 80. 199 f.

443 ff. Schuechbaur, J. S. (Komponist)

46. Schuhbauer, Frz. (Sänger) 32. Schuhbauer, J. Prof. (Schrift- steller) 50. Schulze, Fr. (Schriftsteller) 229*. Schumann, Robert 506. Schumann (Sänger) 255. Schunk (Sänger) 270. Schuster, J. (Komponist) 63.

73. Schütz, Heinrich 23. Schü[t]z (Theater-Maschinist)

271. 434. Schwarz (Sängerin) 324. Schwarzbach, Franziska (Sänge- rin) 383. 385 f. 390 f. 395. 407.

415. 427 f. 432. 440. 450. „Schwarzer Adler" (-Gesell- schaft) 116. Schwarzmann, R. (Sängerin) 31.

33. Schweitzer, A. (Komponist) 41.

42. 421. Schweitzer (Sängerin) 205. Schwerin 448. Schwetzingen 45. 64. Scott, Walter 171. 248. Scribe (Textdichter) 192. 196.

201. 227. 247. 256. 265. 268.

270. 295. 314. 339. 436f. Sechter, S. 282. Sedlmayer, Phil. (Sänger) 51.

62 f. 77. 89. 202. Seeau, Joseph Anton Graf von

8. 38. 40 ff. 49 ff. 55 ff. 57'.

64 f. 69ff. 74. 76. 78. 102. 106 f.

233 f. 347*. 499. 512 ff. Seebach (Schauspielerin). 314. Seehofer (Sängerin) 341. 368.

383. 385. 390. Seeweiler, B. E. (Sänger) 33. Seidl, Gabriel (Textdichter) 309. Seinsheim, Graf v. (Minister) 253.

Seiz (Kostümier) 398. Semper, Gottfried 470 f. Sendtner, J. (Textdichter) 148*.

157. 166. Setter, Karoline (Sängerin) 258.

260. Seyfried, Ignaz 358. Seyfried, Joseph (Textdichter)

358. Seyfried Ritter v. 93 f. 183. 194 f. Shakespeare 207 ff. 331. 384. 462. Siebert (Sänger) 239. Sieglitz, Heinr. (Dichter) 259. Siehr, Gustav (Sänger) 504 ff.

508. Sigl, Ed. (Sänger) 88. 224 f. 237.

255. 257. 259 ff. 266. 268. 270 f.

273. 276f. 304. 308 ff. 313. 3l8f.

320 f. 325 ff. 331 . 334. 339. 344 f.

355 f. 385. 389 ff. 395. 399 f. 407.

415.424.432.436. 441. 449. 511. Sigl -Vespermann, Kathar. (Sän- gerin) 156 f. 164 ff. 173. 186 ff.

192 f. 200'. 204 ff. 224. 236. 275.

291. 322. 330. 422. Simons, Karl (Sänger) 450. 455. Singspiel 42. 45 f. 50 f. 53 ff. 63.

73. Soli6, Jean P. (Komponist und

Sänger) 88. 99. 181. Soliva (Komponist) 157. 179. Solo-Ensemble 37. Sonnleithner (Textdichter) 114. Sonntag, Henriette (Sängerin)

362. 364. 379. Sontheim (Sänger) 363 f. Spieloper, französische 63. 73. Spieß (Textdichter) 194. Spitzeder, Amalie (Sängerin) 205. Spitzeder, Betty geb.Vio (Sän- gerin) 224 f. 229. 238. 241. 247.

252 f. 258. 270. 291. Spitzeder, Henriette (Sängerin)

178. 182. 187. Spitzeder, J. (Sänger) 212. 225.

236. 238. Spoglia, G. (Komponist) 24. Spohr 61. 134f. 169. 183. 201 ff.

249. 251. 255 ff. 266. 269». 307.

392. 411. 464. 510.

544

Spontini 55. 122f. 142 ff. 180. 196.

288. 330. 412. Springer, J. M. (Sänger) 33. Stahl (Sänger) 354. Stanko-Butz (Sängerin) 333. 335.

339. 344. 361 f. 383. Starnberg 457 ff. 476. Staudacher, Jos. (Sänger) 134.

140. 142. 149. 151. 162. 164.

166 f. 173. 187 f. 192 f. 202. 204.

206 f. 215 f. 222. 227 f. 237 f. 241.

251 f. 261 ff. 270. Staudigl (Sänger) 254 f. Steffani, A. 20. 24 ff. Stegmayr (Textdichter) 195. Stegreifkomödie 14. Stehle, Hofrat 510. Stehle, Sophie (Sängerin) 392.

429. 432 f. 435. 442 ff. 447 f.

452. 454. 468. 487. 500. 502.

505. 508. Steigenberger (Musiker) 310. Steiner, David (Offiziant) 156. Stentzsch (Sängerin) 111. 185. Stern, Karoline (Sängerin) 204.

206. 238. Stettin 383. Stich, Joseph (Intendant) 106.

155 ff. 160 ff. 167'. 170. 174 ff.

1881. 189 1921 233. 347*. Stich, Joseph (Musikdirektor)

505. Stich (Sänger) 339. Stiegele (Sänger) 429. 433. Stockholm 368. Stöckl - Heinefetter (Sängerin)

s. Heinefetter, Sabine Stöger, Auguste (Sängerin) 425 ff.

431 ff. 435 f. 445. Stolte (Sänger) 257. 261. Stolzenberg (Sänger) 450. Stork, Franziska (Sängerin) 471. Straßburg 166. Straßburger (Bankier) 159. Strasser (Sängerin) 62. Strauß, J. 511. Strelitz 309. Strobe), J. (Sänger) 365. 402.

434. Strobl (Musikschriftsteller) 50 ff.

Stuntz, Joseph Hartmann (Kom- ponist) 157 f. 166. 183 ff. 196 ff. 203 ff. 211. 222. 249. 253 f. 261. 291. 310. 313. 335'. 35P.

Stuttgart 113. 114'. 118. 122.210. 212. 216. 225. 276. 300. 316. 346. 349. 363 f. 377. 440. 456.

Suppe, Franz von 511.

Süßmayer, Frz. X. (Komponist) 70. 73. 517.

Sutor (Komponist) 149. 183.

Swoboda (Komponist) 296.

Sybel (Historiker) 375.

Täglichsbeck, Thomas (Kom- ponist) 178. 183. Taglioni (Ballettmeister) 155.

228. 327. Tantiemenwesen 91". Tanzschule 104. Tanzspiele, Pantomimen 78. Tarchi, Ang. (Komponist) 90 ff. Taubert 357.

Tausch (Sängerin) 111. 185. Teibner,Joh. Kasp. (Komponist)

19. Teichlein, A. (Textdichter) 372. Ten Brink (Freund M. Zengers)

420. Teng, von (Magistratsrat) 190. Ternina (Sängerin) 318. Terzago, Ventura (Textdichter)

24 f. Thayer 83. 136. 168. Theater- Almanach (Klingemann)

147. Theaterjournal, Münchener

(Redakteur Bertuch) 79 '. 91 ». Theatersingschule 192.'. Therese, Königin 387. Therese Kunigunde (Kurfürstin)

29. Thierry, B. (Tänzerin) 450. Thomas, Ambr. 360 f. Thomas, Aug. (Sänger) 265. 268.

271. 275 f. Thoms (Tänzerin) 218. Thurn (Hofbau-Inspektor) 158.

175.

Tichatscheck,J.A. (Sänger) 263.

265. Tindario (Textdichter) 126. Tinti (Sänger) 19. Tochtermann, J. Ph. (Sänger u.

Theaterdirektor) 77. 80. 85.

87 f. 90 ff. 96. 112 f. 121. 147.

164. 171. 173. 175. 187. 237. Toeschi,K.J.(Komponist,Musik-

direktor) 42. 61 f. Tonini (Komponist) 32. Torri, P. (Komponist) 28-33. 58. Törring, A. K., Gräfin 22. Törring-SeefeldjGraf Klemens v.

(Hofmusikintendant) 55. 73. 76. Tosi (Sänger) 302. Tottola (Textdichter) 171 f. Tozzi, A. (Komponist u. Kapell- meister) 40. Traetta, T. 33. 39 f. 42. Traub (Sänger) 202.211.216.218. Traub (Sängerin) 193. 21 2. Trautmann, K. (Schriftsteller)

19'. 28". Treibner (Musiker) 22. Treitschke (Textdichter) 165. Trento (Komponist) 152. 290. Treu (Schauspieler) 28. Trezzini (Sänger) 194. Triva, Ascanio von (Intendant) 28. Turin 16. 26. Turwald (Sänger) 324. Tuschek (Musiker) 195.

U Obersetzung fremdsprachlicher

Operntexte 157. Uhl (Freund Wagners) 480f. Uhrlaub (Sängerin) 424. Unhoch (Sänger) 112. 187. Unhoch (Sängerin) 193. 212. 218. Urban, Eleonore (Sängerin) 254 f.

258. 261. 264. 266. Urban (Schauspieler) 163. 236.

Valesi, Creszenzia (Sängerin)

89. 115. Valesi, Joh. (Sänger) 51. 89. Valvasoni (Sängerin) 155.

545

Varesco, Hof kaplan (Textdichter)

42. 311. Vecchi (Sänger) 155. 158'. 171.

194. 213. Vehse, E. (Schriftsteller) 62'. Velutti, G, B. (Sänger) 150 \

151. 155. Venedig 20. 23f. 26f. 251.259*.

81. 385. Venturini, Fr. M. (Sänger) 33. Venturj (Sänger) 19. Verdi, G. 256. 291. 324. 360. 378.

426. „Verordnungen des Kurfürst- lichen Nationaltheaters" vom

Jahre 1793 65. Verschaffelt (Hofbaumeister)

106 ^ Vespermann, Klara (Sänger)

s. Metzger-Vespermann. Vespermann (Schauspieler) 164.

186. 206. 236. Vial (Sängerin) 211. 216f. 220.

223 f. 227. 238. 251. 261. 264 ff.

268 f. Viala-Mittermayr (Sängerin), s.

Mittermayr. Viganö (Tänzer) 69. Vilsbiburg 448. Vinci, L. (Komponist) 91. Vivaldi, A. 32. Vogel (Textdichter) 113. Vogel (Sängerin) 500. 502 f.

506 ff. Voggenhuber (Sängerin) 450. Vogl, Heinr. (Sänger) 469 ff. 501 '.

503. 505 f. Vogler, G. J. (Abb6) 45. 50. 52 ff.

59 ff. 85 f. 98. 111. 116. 124 f.

169. 206. 243«. Vogt (Schriftsteller) 366.

W

Wagner, Johanna (Sängerin),

s. Jachmann-Wagner. Wagner, Richard 8. 50. 68. 123.

143. 188. 199. 242. 243'. 272.

306. 318. 330'. 365. 378. 392 ff.

411 f. 417. 423. 439. 447. 449 ff.

455. 481 ff.

Waldheim (Sänger) 262. Wallbach-Canzi (Sängerin) 225. Wallenreiter (Sänger) 422. Wallinger (Ökonom) 155. Walter, Jos. (Geiger) 478«. Walter, Raoul (Sänger) 318. Wanner (Musiker) 472f. Wanney (Sängerin) 187. Waterloo 140. Weber, B. A. 123 ff. 183. Weber^ Carl Maria von 50. 54 f.

58. 90f. 97. llOff. 131 ff. 135«.

139 ff. 149.171 ff. 182. 190. 198 ff.

205. 211. 216 f. 220f. 225. 235 f.

239. 242. 247. 249. 258. 264. 266.

268 f. 274. 277. 319. 321. 359.

362. 376 ff. 411 f. 427 f. 445.

462 f. 509. Weber, Gottfried 116 f. 269. Weber, Max, Maria von 97 M 15 ff.

132». 139 f. 199. Weckerlin, Mathilde (Sängerin)

505. 507 ff. Weichs, Freiherr von (Intendant)

106. 176. 184. 187. 193. 347^ Weichselbaum, geb. Marchetti-

Fantozzi (Sängerin) s. d. Weichselbaum s. Weixelbaum. Weichselbaumer, C. (Text- dichter) 251 f. Weigl, Jos. (Komponist) 83. 96 ff.

119. 122. 157 f. 165. 170. 179.

181 f. 411. 433. Weimar 166 f. 210. 409. 423. Weinberger,Veit (Musiker) 20.28. Weingartner, Felix von 507. Weinmüller (Theaterdirektor)

121. Weisersche Operntruppe 509. Weiß(Baukondukteur) 158f.l75. Weiß (Palier) 175f. Weißheimer, Wendelin (Kom- ponist) 455'. 457 ff. 478. 507. Weißvogel (Textdichter) 255. Weitner (Sängerin) 187. Weixelbaum, Georg (Sänger) 88.

91 ff. Ulf. 115. 121. 123f. 142. 149. 187. Wendler, Ludwig (Komponist)

72«. 18 ff.

Wendung (Gemeindebevoll- mächtigter) 190. 318. Wendling (Sängerin) 51. Wepper (Sänger) 206 f. 212.

215 ff. Werckmeister,R. (Verleger) 124. Westenrieder, L. von (Musik- schriftsteller) 50 f. Widemann, K.Th. (Sänger) 295f.

300. 383. 387. 390 f. Wiebeking, Baudirektor 116. Wieland 41 f. 213. Wien 20. 114f. 124. 131 f. 147.

165. 170. 195. 202. 205. 220 f.

239. 251. 254. 257. 262'. 269'.

270. 273. 276. 291. 297. 300.

316. 324. 342. 349. 354. 358.

386. 422. 450. 456. 459. 475.

480 f. 504. 508. 516 f. Wiesbaden 424.

Wilbrandt, Ad. (Redakteur) 434 \ Wild, F. (Sänger) 251. 297. 300.

303. Wild, Karl (Sänger) 320. Wildauer (Sängerin) 354. Wilder (Sängerin) 317. Wilhelm, König von Württem- berg 346. Willax, Ign. (Tenor) 67. Wille, Familie u. Richard Wagner

455. 457 ^ 473. 476. Willerths (Theatermaler) 49. Winkler (Sängerin) 221. Winter P. 8 45. 51 ff. 58 ff. 64 ff.

70. 73. 77. 79 ff. 85 f. 88. 90.

94. 98. 114. 116 ff. 120«. 133.

141 ff. 148. 151.157. 166. 181 ff.

193. 198. 206. 217. 224. 239.

243«. 514 f. 516. Winter (Zimmerman) 175f. Wirth (Sänger) 366. 424. 433. Wirth (Sängerin) 366. 373. 390.

395. Wittenhofer (Sängerin) 186. Wodiczka, W. (Geiger) 33. Wohlbrück, G. (Schauspieler

und Textdichter) 134. 139.

248. 276. Wohlbrück, Louise (Sängerin)

140. 186.

546

Wohlmuth, L. (Schauspieler)

407. Wolf, Louise (Sängerin) 423f. Wolf, P. A. (Textdichter) 172'. Wolter, Charlotte (Schauspie- lerin) 505». Woltmann, Dr. (Kunsthistoriker)

448. Wranitzky, P. (Komponist) 68f.

73. Wrede und Öttingen-Spielberg,

Fürstin 206. Wühr, M., geb. Fuchs (Sängerin)

217. 225. 227. 238. 249. 256.

260. 268. 273. 275 ff. 304. 319.

327. Wüllner, Frz. 473. 500. 502. Würzburg 405.

Young, Frdr. (Sänger) 383. 385.

387. 390. 397. 404. 432. Yrsch, Graf Eduard (Intendant)

293. 307. 347*.

Zamboni (Sänger) 154f. 158'.

Zambonini, Pietro (Komponist) 16. 18 ff.

Zanetti (Textdichter) 134.

Zängl (Sänger) 321.

Zehetmaier, Magdal. (Sängerin) 300. 302. 304. 309. 311. 320 f. 333. 344. 445.

Zenger, A. (Justizrat) 10.

Zenger, Franz Xaver (Rechts- gelehrter) 172*. 446'.

Zenger,Gustav (Textdichter) 446.

Zenger, M. (Komponist) 7 ff. 330. 374'. 434'. 445. 497. 500. 506.

Zeno, A. (Textdichter) 31. 33. 126.

Zensur-Kollegium, Pfalz-baye- risches 64 f. 68 f. 78.

Zerr (Sängerin) 270.

Ziegler, B. 33.

Ziegler, Klara (Schauspielerin) 506.

Zingarelli (Komponist) 89. 151.

Zottmayer (Sänger) 445.

Zottmayer (Sängerin) 481. 487.

Zuccarini (Schauspieler) 65.

Zucholi (Sänger) 154 f.

Zürich 270. 293. 445. 455. 471.

ML

47

Zenger, Max.

3 9097 00321301 5

Zenger, Max,

Geschichte der Munchener oper.

DATE DUE

4254'^''

1^1729. 8

2J47 Zenger, Max.

Geschichte der Munch- ener oper.

± i..

4-5>S441

1923.