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I

Schulte,

Geschichte des mittelalterlichen Handels und Verkehrs zwischen Westdeutschland

und Italien.

I. Band.

Greschichte

des

mittelalterlichen Handels und Verkehri

zwischen

Westdeutschland und Italien mit Ausschlufs von Venedig.

Herausgegeben von der

Badischen Historischen Kommission.

Bearbeitet von

Dr. Aloys Schulte,

onl.Dtl. ProtauDr dar OMchidite Tu dar ÜDivartltit BraU.a.

I. Band. Darstellnng.

Leipzig,

Verlag von Duncker & Humblot.

1900.

VORWORT.

•>

>

Das vorliegende Werk ist aus kleinen Anfingen hervorgegangen. Als in dem Archiv der Handelskammer jene wertvollen Urkunden auf- gefunden worden waren-, die den zweiten Band einleiten, regte der Alt- meister der Handelsgeschichte, Wilhelm von Heyd, ihre Herausgabe an und im Herbst 1890 stellte der damalige Vorstand der Badischen Histo- A rischen Kommission, der nunmehr verewigte Eduard Winkelmann, bei dieser den Antrag, in Mailand, Genua und an andern Orten vorhandene Urkunden und Aktenstücke zur Geschichte des Handelsverkehrs der ober- italienischen Städte mit denen des Oberrheins während des Mittelalters zu sammeln. Mit dieser Aufgabe betraute die Historische Kommission mich; sie zu lösen verhinderten mich zunächst andere Arbeiten, dann der Übergang vom Archivdienst zum akademischen Lehramt. Im Herbst

1894 kam ich zum erstenmal über dici Alpen; zwei weitere Reisen dorthin (März/ April und August 1896) schlössen sich an, während die deutschen und schweizerischen Archive, soweit sie nicht gelegentlich jener italie- nischen Route besucht worden waren, auf zwei weiteren Fahrten (Herbst

1895 und 1897) durchforscht wurden. War schon bei den späteren Reisen der Rahmen der ursprünglichen

Aufgabe weiter gespannt worden, so erwies es sich sehr bald als un- möglich, sich mit dem blofsen Abdrucke von hie und da gefundenen, in ihrem Zusammenhang unverständlichen Urkunden zu begnügen. Es schien mir unabweislich, sie auch zu erläutern, und daraus entstand der Plan, Quellen und Forschungen zur Geschichte des Handels zwischen Oberitalien und Südwestdeutschland darzubieten. Ich begann nun in aus- gedehntem Mafse die Quellen heranzuziehen, und das vielgestaltige Material der Urkunden führte mich nach allen Seiten vor Probleme und Rätsel. Es hat mir manchmal die Versuchung vorgeschwebt, solchen Schwierigkeiten aus dem Wege zu gehen; aber schliefslich siegte doch

VI Vorwort.

immer wieder die Lust, zu erproben, solch schwierige Nüsse zu knacken, wenn es zur Aufklärung der Hauptfragen notwendig war. So wurden aus den Quellen und Forschungen : Forschungen und Quellen und endlich vorliegendes Werk, das schon in seiner äufseren Gestalt verrät, dafs das Schwergewicht aus der Publikation in die Darstellung verlegt wurde. Dafs die Badische Historische Kommission ihrem ehemaligen Mitgliede, das ausschied, als es in den Osten Deutschlands berufen wurde, alle diese Wandlungen verstattet hat, dafür bin ich aufs herzlichste dankbar.

Die Sammlung des Materials hat mich persönlich auf das Archiv der Handelskammer, das Staatsarchiv, das Notariatsarchiv und Stadtarchiv in Mailand, das Staatsarchiv in Genua, die in Florenz, Siena, Pisa und Lucca, das Archiv der Familie Roncioni in Pisa, das Notariatsarchiv in Siena, die Stadtarchive von Alessandria und Asti, das Staatsarchiv in Turin, das Archiv des Museo civico in Pavia, die Stadtarchive von Piacenza, Cremona und Como, das Notariatsarchiv und die Stadt- bibliothek in Como geführt. In der Schweiz arbeitete ich auf den Staats- archiven von Bern, Neuenburg und Chur, ein paar Stunden auch auf dem von Luzern, auf dem Stadt- und dem bischöflichen Archive in Chur; im Deutschen Reiche auf den Stadtarchiven von Lindau, Konstanz, Über- lingen, Ravensburg, Ulm, Augsburg, Nürnberg, dem Reichsarchive zu München, dem Staatsarchiv zu Stuttgart und dem Kreisarchiv von Nürnberg.

Aber diese Benutzung hat das Material vielleicht nirgends erschöpft, nirgends auch erschöpfen können. Namentlich in Italien verbot die Fülle der Archivalien eine extensive Arbeit. Ich kam mit dem Ge- danken auf das Mailänder Notariatsarchiv, von etwa 50 zu 50 Jahren die sämtlichen Akten der Notare eines Jahres durchzufliegen, ob mir nicht deutsche Namen begegneten. Aber der erste Versuch mufste erlahmen. In einem Archive, in dem für die Zeit von 1290 bis 1516 die oft höchst umfangreichen Akten von mehr als 1700 Notaren erhalten sind, ist ein solches Beginnen undurchführbar. Da beschleicht einen das Gefühl, dafs man versucht habe, das Meer auf einige Perlen hin zu durchsuchen. Wir Deutschen werden wohl immer darauf angewiesen bleiben, in diesen Notariatsarchiven den gütigen Fingerzeigen jener emsigen Forscher zu folgen, die Teile dieser schwer lesbaren Konzeptbücher für andere Zwecke durchsuchen. Ein systematisches Auslesen würde einen enormen Auf- wand an Zeit erheischen. Auch in andern Archiven verbot die Rück- sicht auf Mittel und Zeit ich habe nicht mehr als ein Vierteljahr unter italienischem Himmel zugebracht ein Fischen mit feinmaschigen

Vorwort. Vn

Netzen. Am gründlichsten waren meine Untersuchungen in Mailand und Como, und auch da habe ich nicht alles erschöpfen können. Wenn man in solcher Hast, in fieberhafter Erregung Band auf Band, Heft auf Heft durchjagt, um etwas zu finden, kommt schliefslich doch das Verzagen und man hört yielleicht gerade dort auf zu pürschen, wo das Wild zum Schusse steht.

Wenn ich daran erinnere, dafs die hansische Geschichtsforschung einer ähnlichen, allerdings weit gröfseren Aufgabe die Kräfte einer grofsen Zahl hervorragender Männer mehrere Jahrzehnte hindurch widmete, wird meine Quellenforschung nicht mit jener verglichen werden dürfen, aber ich glaube doch überall die zu Tage liegenden Gänge abgeschürft zu haben.

In höchst dankenswerter Weise haben sich mehrere Archive selbst der Mühe unterzogen, mir das Material aufzusuchen und zum Teil in Breslau oder Freiburg zugänglich zu machen, zum Teil wurden sogar Regesten und Abschriften gefertigt. Ich nenne das General-Landesarchiv zu Karlsruhe, das Staatsarchiv zu Basel, das Stadtarchiv in Colmar, Stadt- und Bezirksarchiv in Strafsburg, die Staatsarchive in Wiesbaden, Koblenz und Düsseldorf. Vor allen andern habe ich Harlefs in Düssel- dorf zu danken. Andere Forscher haben mir ihr mühselig gesammeltes Material zur Verfügung gestellt; so spendete Herr Oberbibliothekar a. D. Direktor Wilh. v. Heyd, der während dieser Jahre in lebhaftem Aus- tausche sich als ein treuer Gönner des Werkes erwies, Stücke aus Mai- land und Genua, die auf die beiden nun verstorbenen Desimoni, Ghinzoni und auf Schellhafs zurückgehen; Professor Simonsfeld in München schenkte Urkunden aus Nürnberg und Augsburg, Privatdozent Sieveking Mitteilungen aus Genua, die er bei seinen Studien zur Finanzgeschichte dieser Stadt gewonnen hatte, Privatdozent Beyerle überwies mir mehrere umfangreiche Stücke aus Konstanz, Stadtarchivar Leiner in Konstanz erledigte für mich manche Anfragen und Emilio Motta bearbeitete die deutschen Stücke einiger Handschriften der von ihm verwalteten Trivul- ziana in Mailand und forschte nach den Vorlagen im Notariatsarchiv, von ihnen Abschriften liefernd. Professor Conte Carlo Cipolla in Turin hatte die Güte, mehrere Stücke für mich abzuschreiben. Eine Reihe von kleineren Nachforschungen will ich nicht einzeln anführen, aber auch für sie danke ich herzlichst.

Von dem von mir gesammelten archivalischen Stoffe habe ich den wichtigeren im zweiten Bande in Regesten oder in Abdrücken, die durch ein Kreuz vor der laufenden Nummer bezeichnet sind, veröffentlicht.

Yin Vorwort.

Diesen Band als ein Urkundenbuch zu bezeichnen, ging nicht an; denn einmal blieben die schon anderweitig gedruckten Stücke ausgeschlossen, nur solche, die entweder besonders wichtig waren oder deren Druck in Deutschland kaum zu beschaffen ist, habe ich zum zweiten Male ge- boten; zum andern ist die Sammlung des Stoffes doch zu wenig ab- geschlossen. Ein chronologisch geordnetes Urkundenbuch hätte diesen unfertigen Stand der archivalischen Forschung, die doch von der Hoffnung nicht lassen kann, dafs noch in den Tiefen weitere Quellen ruhen, ver- wischt. Die wahre Sachlage tritt in der von mir gewählten Anordnung nach Fundstätten deutlich hervor, die zu weiterem Sammeln anreizen soll. Ein Ordnen nach der Zeitfolge hätte Stücke von Siena bis vom Nieder- rhein durcheinander gewürfelt, um den chronologischen Faden darzubieten. Das sachlich und räumlich Zusammengehörige findet sich viel eher in meiner Anordnung bei einander. Namentlich in den italienischen Archi- vajien überwiegt das, was ich aus Konzeptbüchern bieten konnte. Bei der gewählten Anordnung war es möglich, Gruppen von gleichartigen Urkunden zu ganz knappen Regesten zusammenzudrängen, die in einer chronologisch geordneten Sammlung weit mehr Raum beansprucht hätten. Ein ursprünglich beabsichtigtes chronologisches Verzeichnis der Stücke habe ich schliefslich , um den Umfang des Werkes nicht allzu sehr an- schwellen zu lassen, fortgelassen.

Die Herstellung der Texte hat mir mitunter grofse Schwierigkeiten bereitet. Ein deutscher Kenner mittelalterlicher Schrift mufs sich doch noch in italienische Handschriften erst hinarbeiten und die Konzepte sind meist aufserordentlich abgekürzt. Ich war oft froh, gütige Nachhilfe zu erhalten. Weit glücklicher ist ein Archivbeamter, der zur Abschrift, Kollation und Revision verschiedene, oft durch weite Zeiträume getrennte Stunden wählen kann. Ich mufste das alles in Hast und Gier nach neuem Stoffe in der gleichen Stunde erledigen. In meiner Edition habe ich den überlieferten Text möglichst wenig umgestaltet, ich habe im all- gemeinen die Grundsätze beobachtet, die beim Strafsburger Urkunden- buch innegehalten wurden.

Die Sammlung der gedruckten Nachrichten hat mir kaum weniger Mühe gekostet. Die Lektüre des Buches wird zeigen, wie ungemein zer- streut das Material ist. Ich gebe mich gar nicht der Hoffnung hin, die Litteratur vollständig herangezogen zu haben. Eine Arbeit wie die vor- liegende mufs eine so umfangreiche Lokalgeschichtschreibung benutzen, dafs jenes Ziel zu erreichen schon heute ausgeschlossen ist. Ich will jedoch wünschen, dafs mir grofse grundlegende Arbeiten nicht ent-

Vorwort. IX

gangen sind. Weder die Freiburger noch die Breslauer Bibliotheken reichten aus, ich habe sehr viele Bücher von auswärts heranziehen müssen, Yor allem yon Berlin, aber auch von München, Stuttgart, Stras- burg, Luzem (Bürgerbibliothek), Göttingen, Dresden und Leipzig (Bibliothek des Reichsgerichts), wie ich jenseits der Alpen die Riccar- diana in Florenz, die Ambrosiana und Brera in Mailand benutzte. Dazu wurde mir manches durch Freundeshand zugänglich. Keiner Bibliothek schulde ich aber mehr Dank als der königl. und Universitätsbibliothek zu Breslau und demnächst der dortigen Stadtbibliothek.

Das ursprüngliche Thema war auf die Geschichte des Handels ein- geschränkt; das erwies sich aber sofort als unhaltbar; diese Fessel mufste gleich gesprengt werden. Die gröfste Schwierigkeit, die der mittelalterliche Handel zu überwinden hatte, war eben der Transport. Man kann schlechterdings keine mittelalterliche Handelsgeschichte treiben, wenn man nicht damit die Geschichte der Handelswege verbindet, und schon das Archiv der Mailänder Handelskammer, die Erbin der alten Cammunitas mercatorum nundinas Campaniae freqtientantium , zeigte den kaum geahnten Einflufs der Kaufmannschaft auf die Gestaltung und Be- nutzung der Strafsen.

Diese Erweiterung des Themas hatte erhebliche Konsequenzen. Wer die Verkehrsstrafsen behandelt, kann die geographische Grundlage nicht entbehren, er mufs die natürlichen Voraussetzungen darstellen, um die Wandlungen begreiflich zu machen. Im vorliegenden Falle mufste ich dem Umstände Rechnung tragen, dafs in dem Bereiche der von mir be- handelten Alpen die folgenschwere Erschliefsung des St. Gotthards die natürlichen Voraussetzungen umgestaltete. Vorher und nachher war das Pafssystem ein anderes und es mufs deshalb die geographische Einleitung eine doppelte sein.

Das Verkehrsleben war in einem gar nicht geahnten Umfange im Mittelalter von politischen Verhältnissen abhängig und damit ergab sich die Notwendigkeit, sehr weit auch diese zu berücksichtigen. Wenn wirk- lich die Schweiz ein Pafsstaat ist, so konnte ich die Geschichte ihrer Entstehung nicht umgehen. Diese Erörterungen werden manchem zu- nächst überflüssig erscheinen; aber ich meine nicht unrecht gethan zu haben, den gewaltigen Einflufs der Natur auf den Verkehr und des Ver- kehrs auf die politische Geschichte zu verfolgen. Ich glaube, meine Auf-, fassung von den Anfängen des Bundes bringt Momente zur Geltung, die mit Unrecht bisher vernachlässigt wurden. Wenn die Verkehrsgeschichte mich tief in die historische Entwicklung der schweizerischen Thäler und

X Vorwort.

Gebirge einführte, so zwang mich die Geldgeschichte, den Geschicken von Florenz, Siena und Asti nachzugehen und mich mit ihnen zu be- fassen; ebensowenig konnte ich die Einzelgeschichte der Städte, die am Warenhandel sich beteiligten, umgehen. Dieselbe aber von den Abruzzen bis nach Osnabrück, von Tirol bis zur Champagne allüberall sicher zu beherrschen, ist mir gewifs nicht gelungen. Nicht allein bin ich gewärtig, auf Lücken aufinerksam gemacht zu werden, auch Fehler und Irrtümer sind unausbleiblich.

Wie die Entwicklung des Handels einmal von der des Verkehrs ab- hängt, so andererseits von der der Gewerbe. Es ist mir im Laufe meiner Studien erschreckend klar geworden, wie weit wir trotz aller vortreff- lichen Einzeluntersuchungen von einer Geschichte des Gewerbes in Deutschland, namentlich aber in Italien entfernt sind. Und doch auch an diesen Dingen konnte ich mich nicht vorbeiwinden. So habe ich denn versucht, den Städten ihre Stellung in den wichtigsten Gewerben und dadurch im Handel auch dann nachzuweisen, wenn sich mir die bisherige Forschung versagte und ich an die Quellen selbst gehen mufste. Selbst auf dem Gebiete der Textilindustrie war ich öfter dazu gezwungen.

Nach einer Seite habe ich jedoch eine Ausdehnung abgelehnt. Als ideales Ziel wäre es mir vorgeschwebt, wenn ich alle Geldwerte auf den Edelmetallgehalt reduziert hätte. Erst dadurch werden die Werte mathematisch klar und dem Bereiche der Phantasie entzogen. Eine Geldgeschichte Deutschlands und Italiens existiert nicht, sie ist das erste Erfordernis unserer Wirtschaftsgeschichte. Schon mein Studien- gang untersagte es mir, diesen Boden zu betreten. Immer und immer wieder aber mufs diese Forderung ausgesprochen werden, bis sich eine Kraft findet, die diese riesige und doch ebenso lohnende Aufgabe löst.

Auch noch auf anderen Gebieten mufs sich der Geschichtschreiber des Handels zurecht finden. Goldschmidts grofses Werk über die Ge- schichte des Handelsrechtes blieb in den Anfängen stecken, die germanistische Seite fehlt. Die Geschichte des Geldhandels brachte mich mit Fragen des kanonischen Rechtes in Beziehung.

Die Geschichte der hervorragendsten Geschäftshäuser liefs sich nur verfolgen, wenn ich auch die Mühe nicht scheute, Stammtafeln auf- zustellen. Für die Muntprat, Mötteli und Humpifs, sowie ein paar weitere Konstanzer Familien hatte Herr Kindler von Knobloch die Güte, mir seine Sammlungen zur Verfügung zu stellen. Die zeitraubende Be- arbeitung einzelner Steuerlisten hat sich für die Untersuchung recht fruchtbar erwiesen.

Vorwort. XI

Erhebliche Schwierigkeiten bereitete mir das Qlossar. Je mehr Du Cange veraltet, je dringlicher das Bedürfnis nach einem Lexikon des mittelalterlichen Lateins wird, umsomehr halte ich die Herausgeber von Quellenveröffentlichungen für gezwungen, Material zu Tage zu legen. Bei mir handelte es sich auch um italienisch, deutsch und altfranzösisch. In allen Fällen wird ein Sprachforscher das Glossar besser machen als der Historiker. Meine Gabe bitte ich nur als das anzusehen, was es ist, als ein Hinweis auf seltene und in den Kreisen der Historiker nicht geläufige Wörter und schwache Versuche, ihren Sinn zu erklären. In einigen Fällen konnte ich mich des Rates meines Kollegen Appel er- freuen, der auch die Güte hatte , mir bei der Herausgabe der fran- zösischen Urkunde Nr. 6 zu helfen.

Die nähere Behandlung der Waren schien mir ganz besonders not- wendig. Es ist keine Frage, dafs unsere Darstellungen der mittelalter- lichen materiellen Kultur viel zu sehr von der Litteratur des Mittelalters und der Renaissance beherrscht werden. Man vergleiche den Abschnitt liber die mittelalterlichen Textilstoffe im höfischen Leben von Alwin Schultz mit dem, was uns die Zolltarife bieten. Bei jenen überwiegt die teure prunkvolle Ware; es gilt, ihr gegenüber die wirkliche Markt- ware zur Geltung zu bringen, den höheren Ständen gegenüber die Masse des Volkes.

Ich führe das alles an, um Irrtümer und Mängel zu entschuldigen. Das Arbeiten auf den Grenzgebieten hat die gröfsten Reize, man bezahlt sie aber mit einem Gefühle der Unsicherheit. Ich habe diese Schwierig- keiten nicht umgehen wollen und weifs sehr wohl, wie wahr das fran- zösische Sprichwort ist: Qui trop embrasse mal itreint Aber es schien mir hier notwendig zu sein, nicht auszuweichen. Und schliefslich schreibt man ja doch ein jedes Buch nicht als Abschlufs des Wissens auf diesem Gebiete, sondern um die Forschung zu fördern und eine Etappe zu schaffen.

Mein Quellenmaterial waren unzählige kleine Mosaiksteinchen. Sie zusammenzufügen war sehr mühselig. Wer musivische Bilder schafft, mufs stets mit doppeltem Mafsstabe arbeiten. Er mufs sich sorgen und mühen, jedes Steinchen richtig und fest einzufügen, mufs also das Auge dicht am Material haben und doch noch viel mehr darauf aus sein, die grofsen Grundlinien energisch zur Geltung zu bringen, um auf die weite Entfernung zu wirken. Viel glücklicher ist der daran, der von einem breiten Aktenstrom getragen eine einheitliche Entwicklung dar- stellen soll. Die mittelalterliche Handelsgeschichte zwingt dazu, dürftigen Notizen Leben einzuhauchen.

Xn Vorwort.

Das Werk hat keinen scharfen zeitlichen Abschlufs. Die Geschichte des oberdeutschen Handels tritt mit dem Ausgang des Mittelalters in keine ganz neue Periode; es endet mitten in der Zeit seiner Blüte. Aber allerdings sind die im sechzigsten Kapitel dargestellten Gründe doch so tief, um, wenn nicht einen Hauptabschnitt, so doch einen Unterabschnitt zu begründen und die allgemeine Handelsgeschichte setzt hier mit Recht den Anfang einer Periode : das Ende der Vorherrschaft Italiens und der Hansa und den Beginn der oceanischen Periode.

Wenn schon die Geschichte des Grofsen St. Bernhards und seiner Zufahrtswege mich dazu drängte, mitunter die Fäden weit nach Frank- reich hinein zu verfolgen, so brachte die Bedeutung der Messen der Champagne, von Genf und Lyon es mit sich, dafs ich auch für das Hoch- und Spätmittelalter diese verfolgte und knapp darstellte. Der deutsch-italienische Handel wurde eben zu einem grofsen Teile auf diesem seitwärts gelegenen Boden betrieben. Der deutsche Handel in Genua zwang mich auch auf den nach Spanien einzugehen. Es war für mich eben viel leichter, nach Osten hin eine Grenze zu finden, als im Westen. Wie ich schon den Fernpafs ausschlofs, so ist doch Augsburg und Nürn- berg, wenn auch knapp, mitbehandelt. In diesen beiden Orten liegt das Hauptinteresse schon auf der Verbindung mit Venedig, dessen Bedeutung mich zwang, seiner nicht selten zu gedenken, ja ihm ein Kapitel zu widmen.

Die Badische Historische Kommission hat auch meine Bitte gewährt, die wegen der vielen Ortsnamen schwierige Lektüre meines Buches durch zwei Karten zu erleichtern. Auf ihnen treten die Ergebnisse der verkehrs- geschichtlichen Untersuchung ziemlich scharf hervor. Dank dem Ent- gegenkommen der Wagner & Debes'schen geographischen Anstalt in Leipzig konnten die Platten zweier Karten des vorzüglichen Debes'schen Atlasses benutzt werden, so dafs wenigstens auf dem Specialblatt auch der Einflufs der Gebirge plastisch hervortritt.

Die beiden Blätter: Der Verkehr auf den Alpenstrafsen und ihren Zugängen im Mittelalter (im Mafsstab 1 : 1 000 000) und Übersichtskarte der nordsüdlichen Handelswege des Alpengebietes im Mittelalter (im Mafsstab 1 : 3 500 000) bedürfen einer Erläuterung. Man darf auf ihnen keine nur dem örtlichen Verkehr dienende Wege suchen, ebensowenig solche, welche in oder aufserhalb der Alpenwelt den Osten mit dem Westen verbinden. Es handelt sich nur um die nordsüdlichen Alpen- wege und ihre Zufahrtslinien. In der Darstellung habe ich nur eine Ausnahme gemacht. Die Wichtigkeit der Genfer und Lyoner Messen

Vorwort. XIII

zwang mich auch, die Wege, die zu ihnen führen, näher zu studieren. Manches ist die Frucht der Studien der letzten Monate. Wer auf den Sjurten auch die Ergebnisse dieser Untersuchungen eintragen will, findet auf S. 388 f. die Angaben über die Linie Nürnberg Nördlingen— Ulm, auf S. 494 Konstanz Schaffhausen, Kaiserstuhl Baden und Aarburg Bern über Burgdorf und endlich auf S. 489 Genf— Lyon. Auf S. 489 f, ist die für die Deutschen wichtigste Route von Genf zur Rhonemündung und nach Spanien für die Strecke Chamb^ry Valence und weiter bis Nimes angegeben. Auf Seite 429 habe ich auch Mitteilungen über pftlzische Geleitstrafsen gemacht, wie S. 592 über die Wege von Bologna und Parma nach Verona.

Meine Studien waren allseitig und möglichst tief nur für die im Texte dargestellten schweizerischen Alpenpässe. Ich hielt es doch für gut, auch die wichtigsten Wege über die französischen und österreichischen Alpen anzugeben, die im Texte zum Teil gar nicht erwähnt sind.

Die beiden Karten liefern hoffentlich eine brauchbare Grundlage f&r eine Verkehrskarte des Mittelalters in den von ihnen genauer dar- gestellten Gebieten. Wenn man bedenkt, welche Liebe, Zeit und Arbeit den Römerstrafsen gewidmet wurde und wird, so erscheint die mittel- alterliche Verkehrsgeschichte noch wie ein fast ungebrochenes Feld, trotz der Verdienste von Öhlmann, Berger, Ludwig, Roder um nur die Arbeiten zu nennen, die ich zu erwähnen habe. Eine Verkehrskarte darf sich aber nicht mit den Strafsen begnügen, so wenig wie eine Eisenbahnkarte nur die Geleise angiebt. Ich habe mehrere Zeichen ver- wendet, uni andere Momente hervorzuheben, und bin zum Teil auf die- selben gekommen, die jüngst Kötzschke in den Deutschen Geschichts- blättem (Bd. I Heft 5) empfahl.

Ein Warenballen bedeutet, dafs dort eine Sust oder ein Kaufhaus den Waren als regelmäfsige Unterkunft diente oder dafs an dem be- treffenden Orte eine Transportorganisation bestand. Im allgemeinen sind damit die Stätten angeben, in denen nachts die Waren ruhten. Elin Schlagbaum zeigt die Stelle an, wo Zölle oder Weggelder, Brückengelder, Fürleiten, also Transportabgaben erhoben wurden. Wenn der Satz gilt: Wo ein Zoll, da ist Verkehr, so wird es gerade für die Ebenen Deutsch- lands notwendig sein, durch eine Karte der Zollstellen die Verkehrskarte zu begründen. Noch viel mehr deuten die Spitäler für die Fremden auf

einen Verkehr, aber freilich sind sie sehr schwer von den Spitälern für Ortskranke und Alte zu unterscheiden. Jene Spitäler sind namentlich in romanischen Landschaften sehr verbreitet und ihre Sammlung wäre an

XIV Vorwort.

sich schon verdicDStlich. Auf den Karten sind die meisten der im Buche erwähnten Orte verzeichnet, doch nicht alle. Zwei Nebenkarten und die Skizze auf S. 425 geben Stellen, wo eine noch genauere Dar- stellung notwendig war.

Bei meinen archivalischen Forschungen in Mailand schulde ich ganz besonderen Dank dem Bibliothekar der Trivulziana Emilio Motta und dem damaligen Vizesekretär der Handelskammer Dr. Luigi Gaddi, jetzt Advokat in Lugano. Gaddi, der durch seine Entdeckung der Urkunden der Handels- kammer die Veranlassung zu diesem Werke gegeben, war ein nimmer- müder Freund des Werkes. Qhinzonis und Mottas gedachte ich schon oben. Auf dem Notariatsarchive war mir der Conservatore Dr. Pietro Arganini behilflich. In Como habe ich dem Professore Francesco Fossati, dem Avvocato Nobile Vittorio Rovelli, der mich auf die Akten des Cermenate verwies, und dem Segretario Capo al Municipio Dottr Luigi Biotti zu danken. In Cremona verpflichtete mich der Sac. Professore Berenzi, in Piacenza der gelehrte Arciprete della chiesa di S. Antonino A. Qaetano Tononi, in Pavia der Conservatore del Civico Museo : Sac. Prof. Rodolfo Majocchi, in Alessandria der Professor Abbate Oasparolo. In Genua waren aufser den Beamten des Archivs die Herren Arturo Ferretto und der Marchese Staglieno so freundlich, mich auf Material hinzuweisen. In Florenz habe ich vor allem Alceste Giorgetti auf dem Staatsarchiv und Morpurgo auf der Riccardiana zu danken, in Siena neben dem Archiv- direktor Lisini, dem Universitätsprofessor Dr. L. Zdekauer, jetzt in Macerata, in Lucca dem gelehrten Kenner der Handelsgeschichte Archiv- direktor Salvatore Bongi, in Turin endlich aufser dem schon oben er- wähnten Carlo Cipolla dem Archivista Carlo Emanuele d'Agliano. Aber damit habe ich längst nicht alle angeführt, die dem Fremden die alt- erprobte Liebenswürdigkeit der italienischen Archivare und Gelehrten zukommen liefsen.

In Chur haben mich die Herren Stadtarchivar von Jecklin, Professor und Kanonikus G. Mayer, Kanonikus Tuor und Kanzler Schmid von Grünack, in Luzern der Staatsarchivar Dr. Th. von Liebenau, in Bern Staatsarchivar Dr. Türler und Privatdozent Dr. Geiser, in Basel endlich Staatsarchivar Dr. Wackernagel zu lebhaftem Danke verpflichtet. Von deutschen Archivbeamten schulde ich das Gleiche wenn ich von oben schon genannten Herren absehe vor allem Archivdirektor Archivrat Dr. Pfannenschmidt uud Stadtarchivar Dr. Waldner in Kolmar, Stadt- archivar Dr. Winkelmann und Archivdirektor Professor Dr. Wiegand in Strafsburg, Archivdirektor Dr. Wolfram in Metz, Archivdirektor Geheimen

Vorwort. XV

Rat Dr. von Weech und Archivrat Dr. Obser in Karlsruhe, Geheimen Archivrat Dr. von Stalin in Stuttgart, Reichsarchivrat Dr. Baumann in München, Stadtarchivar Dr. Buff, Archivar Hirschmann und Domänen- direktor Schum in Augsburg, Kreisarchivar Dr. Bauch und Archivrat Dr. Mummenhoff in Nürnberg. Herr Justizrat Freiherr von Krefs hatte die grofse Güte, im Archiv seiner Familie Materialien aufzuspüren und mir nach Breslau zu übersenden; es waren und blieben die einzigen Geschäftspapiere gröfseren Umfanges, die mir vorgelegen haben; gerade ein Krefs war aber mit einem Mailänder zu einer Gesellschaft ver- bunden. In Koblenz hat Herr Archivdirektor Dr. Becker, in Wiesbaden ebenso Wagner und in Düsseldorf Harlefs mich unterstützt, wie Archiv- direktor Professor Dr. Hansen in Köln.

Bei der Bearbeitung habe ich mir oft Rat bei liebenswürdigen Kollegen holen dürfen. Ich danke auch vor allem meinem Kollegen Jos. Partsch für seine stets bereitwilligst und liebenswürdigst geleistete Hilfe; er machte mir die Aufzeichnungen Carl Neumanns über die Alpenpässe zugänglich, die mir um so wertvoller waren, da ich nur wenige selbst kenne. Ebenso danke ich den Nationalökonomen Bücher in Leipzig, Sombart und Wolf in Breslau, den Germanisten Kluge in Freiburg und Vogt in Breslau, dem Botaniker Pax und dem chemischen Pharmazeuten Polleck ebenfalls in Breslau.

Schliefslich mufs ich auch noch derer gedenken, die mich auf Ur- kunden und Nachrichten aufmerksam machten, vor allem die Kollegen Cartellieri in Heidelberg und Redlich in Wien wie Professor Dr. Roder in Überlingen u. s. w. Mancher Freundlichkeit kann ich hier nicht weiter Erwähnung thun. Ich habe kaum je an eine Thüre geklopft, die verschlossen blieb.

Mit einiger Resignation nehme ich von dem Buche Abschied. Es wird mir genügen, wenn es der Forschung auf diesem weiten Felde der Handelsgeschichte einen neuen Impuls giebt.

Breslau, Pfingsten 1900.

Aloys Schulte.

VERZEICMIS DER MEHRMALS CITIERTEN WERKE UND

ABHANDLUNGEN.

A.

Abschiede, Amtliche Sammlung der älteren eidgenössischen Abschiede. Bd. 1, 2. Aufl. Bd. 2 ff. Luzem 1839 ff. Acta sanctorum, notis illustravit Joannes Bollandus etc. etc. Bd. 1. Antwerpen 1643 und die folgende Serie, citicrt nach Monaten. Aeneas Sylvius Piccolomineus , De viris illustribus in Biblio- thek des litter. Vereins. Bd.,1. Stuttgart 1842. Albert, P., Geschichte der Stadt Radolfzell am Bodensee. Radolfzell 1896. Alezi, S., Die Münzmeister der Kalimala- und Wechslerzunft. Zeitschr. f. Numismatik. Bd. 17. 1890. Altmann, Die Urkunden Kaiser Sigmunds^ verzeichnet, a. u. d. Tit.: Regesta im- perii XL 2 Bde. Innsbruck 1897 ff. Ami et, J. J., Die französischen und lom- bardischen Geldwucherer des Mittelalters, namentlich in der Schweiz, im Jahrb. f. Schweiz. Gesch. Bd. 1 u. 2. Zürich 1876 f. Amodini, Conte G. Vitale. Gli Statut! antichi di Domo d'Ossola. Parma 1898. Angiolini, Francesco. Voca- bolario milanese-italiano. Torino 1897. Annalen des hist Vereins f. den Nieder- rhein Bd. 35, 41. Köln. Antiquarius, Rheinischer, Teil 2, Bd. 8 u. 28. Kob- lenz. — Anzeiger für Schweiz. Altertumskunde Bd. 1 ff. 1869 ff. Anzeiger für Schweiz. Gesch. Bd. 1 ff., seit 1870. Anzeiger für Kunde der deutschen Vorzeit. Bd. 1—30. Nürnberg 1853—83. Archiv für Schweiz. Gesch. Bd. 1-20. 1843 bis 1876. Archiv für Kunde österr. Geschichtsquellen (bez. für österr. Gesch.). Bd. 1 ff. Wien seit 1848. Archiv für Post und Telegraphie Bd. 4 ff. (Bd. 1—8 deutsches Postarchiv). Berlin 1873 ff. Archiv des hist. Vereins Bern 3 14. 1855 ff. Archivio storico italiano, mehrere Serien. Firenze 1842 ff. Archi- vio storico lombardo. Anno 1 25. Milano 1874—98. Aronius, Julius, Regesten zur Geschichte der Juden im fränkischen und deutschen Reiche bis 1273. Berlin 1887 ff. W. J. Ashlej, Englische Wirtschaftsgeschichte, deutsche Übersetzung in Brentano und Leser: Sammlung älterer und neuerer staatswissenschaftlicher Schriften. Nr. 7 u. 8. Leipzig 1896. Astegiano, Lorenzo, Codice diplomatico Cremonese 715—734; in Historiae patriae Monumenta edita jussu regis Caroli Alberti. Series II. Tomus 21 u. 22. Augustae Taurinorum. 1895 u. 98. Bezeichnet als 1 u. 2. Atti della societ4 Ligure di storia patria. Volume 5, 7. Genova 1867 ff. Auvray, L. RÄgistres de Gr^goire IX. Tome 1. Paris 1896 ff.

Baader, J., Nürnbergs Handel im Mittelalter. 38. Jahresbericht des historischen Vereins für Mittelfranken 1871 und 1872. Ansbach 1872. S. 94-113.

Sohttlte, Gesch. d. mittelAlterl. HAndels. I. II

XVin VerzeichDiß der mehrmals citierten Werke und Abhandlungen.

Baader, Joseph, Nürnbergs Polizeiordnungen aus dem 13. bis 15. Jahrhundert. Bibliothek des litter. Vereins in Stuttgart. Bd. 63. Stuttgart 1861. Bähler, A., Mitteilungen über den Grimselpafs und das Grimselhospiz. Biel 1895. Ba- luze, St., Innocentii III. epistolarum libri 11. 2 Bde. Paris 1682. Baer, P. J., Chronik über Strafsenbau und Strafsenverkehr in dem Grofsherzogtum Baden. Berlin 1878. Baer, Max, Urkunden und Akten z. Geschichte der Verfassung und Verwaltung der Stadt Koblenz. Bonn 1898. Baumann, F. L., Geschichte des Allgäus. 3 Bde. Kempten o. J. Ders., Ein humpissisches Kopialbuch. Zeit- schrift f. d. Gesch. des Oberrheins 32, 76—160. Bavier, 8., Die Strafsen der Schweiz. Zürich 1878. Beck, Ludwig, Geschichte des Eisens. 1, 2. Braun- schweig 1884 ff. Beer, Adolf, Allgemeine Geschichte des Welthandels 1. 2. Wien 1860 u. 1862. Belgrano, L. T. , A proposito deir articolo di G. Heyd in Gior- nale ligustico di archeologia, storia e letteratura, 12, 81—90. Genova 1885. V. Below, Die Entstehung des Handwerks in Deutschland. Zeitschr. f. Social- und Wirtschaftsgeschichte. Bd. 5. van Berchera, Guichard Tavel, 6vöque de Sion 1342 75 im Jahrb. f. Schweiz. Gesch. 24, 27 395. Bergengrün, Die politischen Beziehungen Deutschlands zu Frankreich während der Regierung Adolfs von Nassau. Strafsburg 1884. Berger, Elie, Les registres dlnnocent IV. 1. bis 3. Bd. Paris 1884 ff. Berger, Friedrich, Die Septimerstrafse. Kritische Unter- suchungen über „die Reste alter Römerstrafsen" im Jahrb. f Schweiz. Gesch. 15, 1 180. Zürich 1890. Berlan, Franciscus, Liber consuetudinum Medio lani anni MCCXVI ed. Mediolani 1868. Berlepsch, H. A., Die Gotthardbahn. Be- schreibendes und Geschichtliches. Ergänzungsheft Nr. 65 zu „Petermanns Mit- teilungen**. Gotha 1881. Bernoulli, J., Acta pontificum Helvetica. Bd. 1. Basel 1891. Berti, Documenti riguardanti il commcrcio dei Fiorentini in Francia nei secoli XIII. e. XIV. im Giornale storico degli archivi toscani. 1857. Beyerle, Konrad, Die Konstanzer Ratslisten des Mittelalters, herausg. v. d. bad. bist. Kommission. Heidelberg 1898. Bianchetti, E., L*Ossola inferiore. 2 Bde. Torino 1878. Bibliothek, Helvetische. Zürich 1735—36. Blancard, Docu- ments inMits sur le commerce de Marseille. 2 Bde. 1884 f. Blätter aus der Walliser Geschichte, herausg. vom geschichtsforschenden Verein von Ober- Wallis. 1. u. 2. Jahrgang. Sitten 1889, 1890. Bock, Fr., Geschichte der liturgischen Gewänder des Mittelalters. 2 Bde. Bonn 1859. Bodmann, Franz Joseph, Rheingauische Altertümer. Mainz 1819. Böheim, Wendelin, Die Waffe und ihre einstige Bedeutung im Welthandjßl. Zeitschr. f. bist. Waffenkunde 1, 171 ff. Ders., Werke Mailänder Waffenschmiede in den kaiserlichen Sammlungen. Jahr- buch der kunsthistorischen Sammlungen des allerhöchsten Kaiserhauses. Bd. 9. Böhmer, Codex diplomaljcus Mri^nofrancofurtanus. Th. 1. Frankfurt 1836. Ders., Regesta imperii inde ab a. 1246 1313. Stuttgart 1844 mit den Additamen- ta. Ders., Regesta imperii inde ab a. 1314—1347 (Ludwig der Bayer) Frankfurt 1889 mit den Addidamenta. Böhmer-Ficker, Acta imperii selecta. Gesammelt von Böhmer, herausg. von J. Ficker. Innsbruck 1870. Böhmer-Ficker bez. B. F. Winkelmann, Böhmer Regesta imperii V. Die Regesten des Kaiserreichs der späteren staufischen Periode, neu herausg. v. J. Ficker u. Ed. Winkelmann. 1—4 Abteil. 1881—94. Böhmer-Huber, Böhmer: Regesta imperii VIII. Die Represten des Kaiserreichs unter Kaiser Karl IV. 1346—78. Innsbruck 1877 und Additamentum primum ebenda 1889. Böhmer- Mühlbacher, Regesta imperii I : Die Regesten des Kaiserreichs unter den Karolingern, neu bearbeitet von Mühl- bacher. 1. Bd. 1880— 89, 2. Aufl., Heft 1. 1899. Böhmer-Redlich, Böhmer: Reg. imperii VI. 1273—1313. Neubearbeitung v. 0. Redlich. 1 Abteil. Innsbruck 1898.

YerzeichniB der mehrmals citierten Werke und Abhandlungen. XIX

Bolletino storico della Svizzera italiana. Redazione: Emilio Motta. Anno 1 bis 18. Bellinzona 1879 ff. Bonaini, Acta Henrici VIL Romanorum imperatoris. 2 P. Flor. 1877. Ders., Statuti inediti della citti di Pisa dal XII. al XIV. se- colo. 3 Vol. Firenze 1854 69. Bongi, Salvatore. Della mercatura dei Luc- chesi nei secoli XIII. e. XIV. sec. ediz. Lucca 1884. (Estratto dal Vol. 23 degli Atti della R. Accademia Lucchese). Bonvesin (Bonyicinus): De magnalibus urbis Mediolani in Bulletino deir Istituto storico italiano. no. 20. Roma 1898. Boo8| Heinrich, Geschichte der rheinischen Städtekultur, mit besonderer Berück- sichtigung der Stadt Worms. 1.— 3. Teil. Berlin 1897 ff. Ders., Quellen zur Ge- schichte der Stadt Worms. 3 Bde (1. u. 2. auch u. d. T.: Urkundenbuch). Berlin 1886—93. Ders., Urkundenbuch der Stadt Aarau. Aarau 1880 («= Argovia Bd. 10). Ders., Urkundenbuch der Landschaft Basel. 1. u. 2. Teil. Basel 1881 u. 1883. Borel, FrM^ric, Les foires de Gen^ve au quinzi^me siöcle. Genöye 1892. Börlin, Die Transportverbände und das Transportrecht der Schweiz im Mittelalter. Zürich 1896. Bourel de la Uonci^re, de Loye et Coulon, Les registres d' Alexandre IV. Fase 1 3. Paris 1894. Bourquelot, F61ix, Etudes 8ur les foires de Champagne in M^moires pr^sent^s par divers savants k Tacade- mie des inscriptions et belies lettres. s6rie. Antiquit^s de la France. Tome 5. et partie, citiert als 1 u. 2. Paris 1865. Brandi, Karl, Quellen und Forschungen z. Gesch. der Abtei Reichenau, herausg. v. d. bad. histor. Kommission. 1. Bd. Die Reichenauer Urkundenfälschungen. Heidelberg 1890. 2. Bd. Die Chronik des Gallus öhem. 1893. Brefslau, Harry, Das älteste Bündnis der schweizerischen Urkantone. Jahrb. f. Schweiz. Gesch. 20, 1 36. Ders., Zur Geschichte der deutschen Gemeinden im Gebiet des Monte Rosa und im Ossolathalc. Zeit sehr, der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin (1881) 16, 173—194. Broglio d'Ajano, Graf, Die venetianischen Seidenweberzünfte vom 13. bis 16. Jahrhundert. Stuttgart 1893. Brück er, J., Strafsburger Zunft- und Polizeiverordnungen des 14. u. 15. Jahrhunderts. Strafsburg 1889. Bucher, Bruno, Geschichte der tech- nischen Künste. 3. Bd. Stuttgart 1893. Bücher, Karl, Die Bevölkerung von Frankfurt a. M. im 14. u. 15. Jahrhundert. 1. Bd. Tübingen 1886. Ders., Die Entstehung der Volkswirtschaft. Tübingen 1893. Bulletino del Istituto storico italiano. Fase. 1 ff. Roma 1886 ff. Bulletino senese di storia patria. anno 4. Siena 1897. Burckhardt, Jakob, Die Kultur der Renaissance in Italien. 2 Bde. 4. Aufl. 1885. Bürkli-Meyer, Adolf, Geschichte der zürcherischen Seiden- industrie vom Schlüsse des XIII. Jahrhunderts an bis in die neuere Zeit. Zürich 1884. Bus er, B., Die Beziehungen der Mediceer zu Frankreich 1484—94. Leipzig 1879. Butler, Placid, Friedrich VIL der letzte Graf von Toggenburg. Mit- teilungen zur vaterl. Gesch. (St. Galleu) 22, 1—108 u. 25,'l— 102. St. Gallen 1891 ff.

C.

C anale, Michel-Giuseppe, Storia del commercio, dei viaggi, delle »coperte e carte nautiche degl' Italiani. Genova 1866. Capitolare dei Visdomini del fon- tego dei Todeschi in Venezia. Kapitular des deutschen Hauses in Venedig, herausg. •v. Georg Martin Thomas. Berlin 1874. Cardauns, Konrad von Hostaden, Erz- bischof von Köln. Köln 1880. Caro, Georg, Die Verfassung Genuas zur Zeit des Podestats. Strafsburg 1891. Cartellieri s. Regesten zur Geschichte der Bischöfe von Konstanz. Castelfranco Gran San Bemardo, Noticie degli scavi 1891. 75—81. Chevalier, Fr. F^l., M^moires historiques sur la ville et seig- neurie de Poligny. Lons-le-Saunier. 1767. Chmel, Jos^h, Regesta chronologico-

II*

XX' VerzeichDis der mehrmals citierten Werke und Abhandlungen.

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Dahn, Felix, Die Könige der Germanen. Nach den Quellen dargestellt. 8. Bd. 2.-4. Abtoil. Leipzig 1899. Darmatädter, Paul, Daa Reichagut in der Lombardei und Piemont. Strafaburg 1896. Davidaohn, Robert, Geachichte von Florenz. 1. Bd. Berlin 1896. Dera., Forachungen zur älteren Geachichte von Florenz. 1. Berlin 1896. Del Giudice, Giuaeppe, Codice diplomatico del regiio di Carlo I e II d'Angiö. 1, 2, 1. 1863 69. Del Lungo, laidoro, Dino Compagni e la aua cronica. Bd. 1—3. Firenze 1879 87. Deaimoni, C. e Belgrano, L. T., Documenti ed eatratti riguardanto la atoria del commercio e della marina ligure. Atti della aocietd ligure di atoria patria, 5 (1867), 357—547. Diener, Carl, Der Gebirgabau der Westalpen. Wien 1891. Di er au er, Johannca, Geachichte der achweizeriachen Eidgenoaaenachaft. Bd. 1, 2. Gotha 1887 u. 92 (Teil der Geach, der europ. Staaten, herauag. von Heeren, Ukert u. Gieaebrecht). Digard, Georges, Faucon & Thomas, R^gistres de Boniface VIII. 4 Fase Paris 1884 ff. Digot, A., Hiatoire de Lorraine. Edition. Nancy 1880. Diöcesan-Archiv, Freiburger, Bd. 1. Freiburg 1866. D ob 1 hoff, J., Der Lukmanier und das Kloater Disentia, in Mitteilungen d. k. k. geograph. Geaellach. in Wien. (1882) 25, 210ff. u. 343 ff. Doneaud, Giovanni, II commercio e la navigazione dei Genoveai nel Medio -Evo. Oneglia 1883. Dönnigea, Acta Heinrici VII. imperatoris. 2 P. Berol. 1839. Doren, Alfred, Entwicklung und Organisation der Florentiner Zünfte im 13. u. 14. Jahrhundert. Leipzig 1897. Staats- u. socialw. Forachungen V. Schmoller. Bd. 15, Heft 3. Ders., Untersuchungen zur Geschichte der Kaufmannsgilden im Mittelalter. (Schmoll er, Staats- und social wissenschaftliche Forschungen Bd. 12 Heft 2.) Leipzig 1893. Dorez etGuiraud, Les registres d'Urbain IV. 2 Fase. Paria 1892. Duc, Joaeph Auguate, ä quelle date eat mort St.-Bemard de Menthon? in Miacellanea di atoria italiana 31, 341 368. v. Duhn, F., Die Benutzung der Alpenpäaae im Altertum. Neue Heidelberger Jahrbücher 2 (1892), 55—92. Dümg^, Regeata Badenaia. Karlaruhe 1836. Dümmler, Emat, Daa Formelbuch Biachof Salomoa 111. von Konstanz. 1857. Dürr er, Robert, Die Familie vom Rappenatein gen. Mötteli und ihre Beziehungen zur Schweiz. Geachichta freund 48, 81 276, 49, 1—74. Dera., Die Freiher m von Ringgen- berg, im Jahrbuch f. achweiz. Geach. Bd. 21.

Verzeichnis der mehrmals citierten Werke und Abhandlungen. XXI

Eckert, Christian^ Das Mainzer Schiffergewerbe in den letzten drei Jahrhund, des Kurstaates. Staats- und social wissenschaftliche Forschungen. Bd. 16, Heft 3. Leipzig 1898. Eheberg, K. Th., Yerfassungs-, Verwaltungs- und Wirtschafts- geschichte der Stadt Strafsburg bis 1681. 1. Urkunden und Akten. Strafsburg 1899. Ehrenberg, Richard, Das Zeitalter der Fugger. Geldkapital und Kreditverkehr im 16. Jahrhundert 2 Bde. Jena 1896. Eichhorn, A., Episcopatus Curiensis. 1797. Endemann, W., Studien in der romanisch-kanonistischen Wirtschafts- und Bechtslehre. 2 Bde. Berlin 1874, 1883. Ennen, L. u. Eckertz, G., Quellen zur Geschichte der Stadt Köln. Bd. 1—6. Köln. 1860-79. Erdmannsdörffer, Bemhardus, De commercio, quod inter Venetos et Germaniae civitates aevo medio intercessit Jenenser Dissertation. Leipzig 1858.

Fabri, Felix, Evagatorium in terrae sanctae peregrinationem. Bibl. des litter. Vereins. Bd. 2 u. 4. 1843, 49. Fratris Felicis Fabri tractatus de civitate Ulmensi. Herausg. von Gustav Vcesenmeyer. Bibliothek des litter. Vereins in Stuttgart. Bd. 186. Tübingen 1889. Fabronius, Angelus, Magni Cosmi liedicaei vita. 1. 2. Pisis 1789. Fagniez, G., Documents r^latifs k Thistoire de rindustrie et du commerce en France. I. Paris 1898, in der Collection de textes pour servir a T^tude et ä Tenseignement. Ders., Etudes sur Tindustrie et la classe industrielle k Paris au XIII "»♦? et au XIV si^cle a. u. d. T.: Bibliothöque de r^cole des hautes etudes. 33« fascicule. Paris 1877. Falke, Joh., Die G^e- schichte des deutschen Handels. 2 Tle. Leipzig 1859, 60. Favre. Camille, Etüde sur rhisloire des passages italo-suisses du Haut-Valais entre Simplen et Mont.-Rose. Jahrbuch f. Schweiz. Gesch. Bd. 8. Fechter, Daniel Albert, Topographie von Basel in: Basel im 14. Jahrhundert. Basel 1856. Ferrero, Gran San Bemardo. Notizie degU scavi 1890, 273, 294-306. 1892, 63-77, 440—50. 1894, 88 47. Fester, Richard, Markgraf Bernhard I. und die Anfänge des badischen Territorialstaates. (Badische Neujahrsblätter 6.) Karlsruhe 1896. Ders., Begesten der Markgrafen von Baden und Hachberg. 1. Bd. Innsbruck 1892—1900. Finot, Jules, Etüde historique sur les relations commerciales entre la France et la Flandre an moyen ftge. Paris 1894. Fischer, Friedr. Christoph Jonathan, Ge- schichte des teutschen Handels 1 4. Hannover 1785. Ficker, Julius, Engelbert der Heilige. Köln 1853. Ders., Reinald von Dassel, Reichskanzler und Erz- bischof von Köln. Köln 1850. Flegler, Die Beziehungen Nürnbergs zu Venedig. Anzeiger für Kunde der deutschen Vorzeit. 1867. S. 289 ff., 329 ff., 361 ff. Flnckiger, F. A., Die Frankfurter Liste. Halle 1873, auch Archiv d. Pharmacie, Bd. 201. Ders., Pharmakognosie des Pflanzenreiches. 3. Aufl. Berlin 1891. Ders. et Hanbury, Histoire des drogues d'origine v^g^tale; traduction de Lanessan. 2 Tomes. Paris 1878. Fontes rerum Bemensium. Bd. 1—7. Bern 1877 ff. Fonti per la storia d'Italia pubblicati dair Istituto storico italiano Tom. 1 ff. Roma 1887 ff. Foresti^, Les livres de compte des fr^res Bonis, in Archives historiques de la Gascogiie fasc. 20. 1890. Formentini, Marco, II ducato di Milano. Studj storici documentati. Milano 1877. Fournier, Paul, Le royaume d'Arles et de Vienne (1138—1378). Paris 1891. Franck, W., Ge- schichte der ehem. Reichsstadt Oppenheim. Darmstadt 1859. Freidhof, Die Städte Tusciens zur Zeit Manfreds (Jahr.-Ber. des Lyceum in Metz 1879 und 1880). Freivogel, Die Landschaft Basel. Bemer DisserUtion 1893. Frey,

XXH Verzeichnis der mehrmals citierten Werke und Abhandlungen.

Carl, Die Schicksale des königl. Gutes in Deutschland unter den letzten Staufern. Berlin 1881. Fromm, E., Frankfurts Textilgewerbe im Mittelalter. Archiv für Frankfurts Geschichte und Kunst. 3. Folge, 6. Bd. F. T. (Franz Graf von Thurn und Taxis): „Die Anfänge des habsburgischen Postwesens (1460 1519) in „Neue Tiroler Stimmen 1891" Nr. 295 u. 296. Funck-Brentano, Philippe le Bei en Flandre. Paris 1896. Funck-Brentano, Frantz, Philippe le Bei et la noblesse franc-comtoise. Biblioth^que de T^cole des chartes. Tome 49. Annöe 1888. Für r er, Sigismund, Geschichte, Statistik und Urkunden -Sammlung über Wallis. 3 Bde. Sitten 1850.

O.

Gaddi, Luigi, Per la storia della legislazione e delle istuzioni mercantili lom- barde, ricerche d'archivio. Milano, Bortolotti 1893. Abgedruckt aus dem Archivio storico lombardo. Anno 20. Galant i, I Tedeschi sul versaute meridionale delle Alpi. Roma 1885. Gasner, Ernst, Zum deutschen Strafsenwesen von der ältesten Zeit bis zur Mitte des 17. Jahrhunderts. Leipzig 1889. Gatrio, Die Abtei Murbach. 2 Bde. Strafsburg 1895. Gay, Jules, Les registres de Nico- laus ni. 1 fasC. Paris 1898. Geering, Traugott, Kölns Kolonialwarenhandel vor 400 Jahren. Mitteilungen aus dem Stadtarchiv von Köln, Heft 11. 41 bis 65. Der s., Handel und Industrie der Stadt Basel. Basel 1886. Geiger, Aloys, Jakob Fugger (1459—1525). Regensburg 1895. Gengier, Heinrich Gottfried, Deutsche Stadtrechts -Altertümer. Erlangen 1882. Geschichtsforscher, Der schweizerische. Bd. 1—13. 1812 52. Geschichtsfreund, Der, Mitteilungen des historischen Vereins der fünf Orte. Einsiedeln 1844 ff. Geschichtsquellen der Stadt Wien. I.Abteil. Wien 1877. Württembergische Geschichtsquellen, Urkundenbuch der Stadt Efslingen. Giesebrecht, W. v., Geschichte der deut- schen Kaiserzeit. 6. Bd. Herausg. und fortgesetzt von B. von Simson. Leipzig 1895. Gingins-Ia-Sarraz, D^veloppement de Tind^pendance du Haut-Yallais et conqu^te du Bas-Vallais. Im Archiv f. Schweiz. Gesch. Bd. 2 u. 3. Gingins la Sarra, D6p@ches des ambassadeurs Milanais sur les campagnes de Charles le Hardi duc de Bourgogne de 1474 k 1477. Paris ÄGen^ve 1858. Giornale storico della litteratura italiana 5. Giulini, Giorgio, Memorie spettanti alla storia, al governo ed alla descrizione della cittä e della campagna d| Milano ( 1311). Mi- lano 1760 ff. T. 1—9. Ders., Continuazione delle Memorie etc. (1311—1447). T. 1 3. Glafey, Adam Fridericus, Anecdotorum S. R. J. historiam ac jus publi- cum illustrantium collectio. Dresdae & Lipsiae 1734. Goldschmidt, L., Die Geschäftoperationen der Champagner Messen, in Zeitschrift für Handelsrecht. Bd. 40. Ders., Universalgeschichte des Handelsrechts. Erste Lieferung. Stutt- gart 1891. (Handb. d. Handelsrechts, 3. Aufl., I, 1, 1.) Görz, Mittelrheinische Regesten 4 Tle. 1876 86. Gothein, A., Zur Geschichte der Rheinschiffahrt, in Westde.itsch. Zeitschrift für Geschichte und Kunst. Jahrgang 14. Trier 1895. S. 231—256. Ders., Wirtschaftsgeschichte des Schwarz waldes und der angrenzen- den Landschaften. 1. Bd. Strafsburg 1892. Gottlob, Adolf, Die päpstlichen Kreuzzugssteuem des 13. Jahrhunderts. Heiligenstadt 1892. Ders., Die päpst- lichen Darlehnsschulden des 13. Jahrhunderts. Historisches Jahrbuch 20, 665 bis 717. Grandjean, Ch., Les registres de Benoit XI. 4 fasc. Paris 1883 ff. Greiff, B., Tagebuch des Lucas Rem 1494—1541. 26. Jahresbericht d. hist Kreis-Vereins im Regierungsbezirk Schwaben u. Neuburg. Augsburg 1861. S. 1 bis 110. Gremaud, Jean, Documents relatifs k Thistoire du Yallais, in M^moires et documents publi^s par la soci^t^ d*histoire de la Suisse romande. Bd. 29 33,

Verzeichnis der mehrmals citierten Werke und Abhandlungen. ItXTTT

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Häbler, Konrad, Die Fugger und der spanische Gewürzhandel. Zeit sehr, des bist. Vereins f. Schwaben und Neuburg. 1892. 19. Bd. 25—44. Ders., Die Geschichte der Fuggerschen Handlung in Spanien, in socialgeschichtlichen Forschungen. Ergänzungshefte zur Zeitschrift f. Social- und Wirtschafts- geschichte. Heft 1. Weimar 1897. Ders., Peter Tafurs Reisen im Deutschen Beiche in den Jahren 1438 39, in Zeitschrift f. allgemeine Geschichte 4, 502 bis 529. Stuttgart 1887. Hafner, T., Geschichte der Stadt Ravensburg. Ravens- burg 1887. Hagel Stange, Alfr., S&ddeutsches Bauernleben im Mittelalter. Leipzig 1898. Hampe, Karl, Geschichte Konradins von Hohenstaufen. Inns- bruck 1894. Häne, Johannes, Leinwandindustrie und Leinwandhandel im alten St. Gallen. Zürich, Neue Züricher Zeitung 1899. Hanauer, Etudes ^conomiques sur TAlsace ancienne et moderne. 2 Bde. Paria & Strasbourg 1876, 8. Hantzsch, Victor, Deutsche Reisende des 16. Jahrhunderts. Leipziger Studien aus d. Ge- biete d. Geschichte. 1. Bd., 4. Heft. Leipzig 1895. Hardegger, J. u. Wart- mann, H., Der Hof Kriefsern. St. Gallische Gemeindearchive. St. Gallen 1878. Hartwig, Otto, Ein Menschenalter Florentiner Geschichte, in Deutsche Zeit- schrift für Geschichtswissenschaft 1, 10—48 und 2, 38—96. Heierli, J. und Öchsli, W., Urgeschichte des Wallis. Mitteilungen der antiqu. Gesellschaft in Zürich. Bd. 24, Heft 3. Zürich 1896. Hellwig, Handel und Gewerbe der deut- schen Städte während der sächsischen Kaiserzeit. Göttinger Programm 1882. daTHerba, Itinerario delle poste. Roma 1563. Herzog, Hans, Die Zurzacher Messen. Separatabdruck aus dem Taschenbuch der historischen Gesellschaft des Kantons Argau. Aarau 1898. Heusler, Adreas, Rechtsquellen des Kantons Tessin, in Zeitschrift f Schweiz. Recht. 33. Bd. Basel 1892. Ders., Rechts- quellen des Kantons Wallin. Zeitschrift f. Schweiz. Recht. Bd. 29 und 31. Heyck, Eduard, Geschichte der Herzöge von Zähringen. Freiburg 1891. Heyd, W., Die Alpenstrafsen im Mittelalter, im Ausland. 55. Jahrg. 1882. S. 461 bis 467. Ders., Geschichte des Levantehandels im Mittelalter. 2 Bde. Stutt- gart 1879. (Die franz. Ausgabe von Rejnaud 1885 nur benutzt). Ders., Die grofse Ravensburger Gesellschaft. Beiträge zur Geschichte des deutschen Handels I. Stuttgart 1890. Ders., Das Haus der deutschen Kaufleute in Venedig, (v. SybelX Historische Zeitschrift 32, 193—220. Ders., Schwaben auf den Messen von Genf und Lyon. Württemb. Vierteljahrshefte. Neue Folge 1, 373—385. Ders., Der Verkehr süddeutscher Städte mit Genua während des Mittelalters. Forschungen zur deutschen Geschichte Bd. 24 (1884), 213—230. Hidber, B., Schweizerischer Urkundenregister. Herausg. v. der allgem. geschichtsforschenden Gesellschaft der Schweiz. 2 Bde. Bern 1863—77. Hilgard, Urkunden zur Ge- schichte der Stadt Speyer. Strafsburg 1885. Höfler, Albert Beham, Registrum epistolarum. Bibliothek des litterarischen Vereins 16. Stuttgart 1847. Hont- heim, Historia Trevirensis diplomatica et pragmatica. Tom. 2. Aug. et Herbipoli 1750. Hoppeler, Robert, Berns Bündnis mit dem Bischof von Sitten vom 17. Juli 1252, im Jahrbuch f. Schweiz. Geschichte. Bd. 22. Ders., Das Unter-

XXIV Verzeichnis der mehrmals citierten Werke und Abhandlnngen.

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J.

Jacob, G., Ein arabischer Berichterstatter aus dem 10. oder 11. Jahrhundert über Fulda. 2. Aufl. Berlin 1891. Ders., Der nordisch-baltische Handel der Araber im Mittelalter. Leipziger Dissertation 1887. Jäger, Carl, Ulms Ver- fassung, bürgerliches und kommerzielles Leben im Mittelalter. Stuttgart und Heil- bronn 1831 (a. u. d. T. Schwäbisches Städte wesen im Mittelalter 1). Jahns, Ma.x, Entwicklung der alten Trutz wafFen. Berlin 1899. Jahrbuch des schweizer. Alpenklubs seit 1864. Bern. Janssen, Joh., PVankfurts Reichs korrespondenz von 1376—1519. 2 Bde. Freiburg 1863—72. Jastrow u. Winter, Deutsche Geschichte im Zeitalter der Hohenstaufen 1. Stuttgart 1897. Jecklin, Constanz, Urkunden zur Verfassungsgeschichte Graubündens, im 12. Jahresbericht der hist.- antiqu. Gesellschaft von Graubünden. 1882. v. Inama-Sternegg, Karl Theodor, Die Goldwährung im Deutschen Reiche während des Mittelalters. Zeit- schrift für Social- und Wirtschaftsgeschichte 3, 1 60. 1895. Ders., Deutsche Wirtschaftsgeschichte 1—3, 1. Leipzig 1879 99. Jordan, Edouard, R^gistres de Clement IV. 3 fasc. Paris 1893 f. Juvalt, Wolfgang von, Forschungen über die Feudalzeit im kurischen Rätien 1 u. 2. Zürich 1871.

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Verzeichnis der mehrmals citierten Werke und Abhandlungen. XXV

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Lacomblet, Urkuudenbuch für die Geschichte des Niederrheins. 4 Bde. 1840—58. Lamprecht, Karl, Deutsche Geschichte. Bd. 1—5. Berlin 1891 ff. Ders., Deutsches Wirtschaftsleben im Mittelalter. Untersuchungen über die Ent- wicklung der materiellen Kultur des platten Landes auf Grund der Quellen zu- nächst des Mosellandes. Bd. 1 3. Leipzig 1885. Langlois, Oh. V., Notices et documents relatifs k Thistoire de France aux temps de Philippe le Bei. Revue historique (1896) 60, 307—28. Langlois, Emest, Rögistres de Nicolas IV. (1288 bis 1292). 9 fasc. Paris 1886 ff. Lattes, Alessandro, II diritto commerciale uella legislazione statuaria delle cittä italiane. Milano 1884. Lau, Friedrich, Entwicklung der kommunalen Verfassung und Verwaltung der Stadt Köln. Bonn 1898. Xtaurent, J., Aachener Stadtrechnungen aus dem 14. Jahrhundert. Aachen 1866. Layettes du tr^sor des chartes. T. 2. Paris 1866. Leg es municipales, in Monu- menta historiae patriae. 2 Bde. Augusta Taurinorum 1838 ff. Lehmann, J. G., Urkundliche Geschichte der Grafschaft Hanau - Lichtenberg. 2 Bde. Mannheim 1862 f. Lehugeur, Histoire de Philippe le Long. T. 1. Paris 1897. Lenel, W., Die Entstehung der Vorherrschaft Venedigs an der Adria. Strafsburg 1897. Lettere volgari del secolo XIII. scritti da Sanesi, pubblicate da Cesare Paoli e Enea Piccolomini, in: Scelta di curiositä letterarie, dispensa 116. Bologna 1871. Liber jurium Januensium in: Liber jurium republicae Genuensis. Historiae patriae Monumenta. 1854, 1856. v. Liebenau, Hermann, Lebensgeschichte der Königin Agnes von Ungarn. Regensburg 1868. Ders., Urkunden und Regesten zur Geschichte des St. Gottbard. Vom Ursprung bis 1450. Im Archiv f. Schweiz. Gesch. Bd. 18, 19 u. 20. Liebenau, Theodor v.. Das Gasthof- und Wirtshaus- wesen der Schweiz in älterer Zeit. Zürich 1891. Ders., Das alte Luzem. Luzern 1881. Ders., I Sax signori e conti di Mesocco, im Bolletino storico della Sviz- zera italiana. 10. 11. u. 12. Bd. Bcllinzona 1880 90. Auszug auch in der Beilage zum Jahresbericht der hist-antiqu. Gesellschaft von Graubünden pro 1889. Ders., Dio Schlacht von Arbedo nach Geschichte und Sage. Geschichtsfreund Bd. 41 S. 187 220. Lichnowsky, E. M. Fürst v., Geschichte des Hauses Habs- burg (mit den Regesten von E. Birk). 8 T. Wien 1836—44. Longuon, Auguste, Atlas historique de la France. Paris 1885 f. Ludwig, Friedrich, Untersuchungen über die Reise- und Marschgeschwindigkeit im XII. u. XIII. Jahrhundert. Berlin 1897. Lütolf, A., Die Regesten und Urkunden des Familienarchivs Rusconi in Luzem. Gesc hieb ts freund 33, 319 502.

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Verzeichnis der mehrmals citierten Werke und Abhandlungen. XXVU

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O.

Oberamtsbeschreibung Ulm = Beschreibung des Oberamts Ulm, her- ansg. von dem Königl. Statistischen Landesamt. 2. Bd. 1897. öchsli, W., Die Anfänge der schweizerischen Eidgenossenschaft. Bern 1891. Öfele, A. F., Rerum Boicarum scriptores. 2 T. Aug. Vind. 1763 f. Öhlmann, Ernst, Die Alpenpässe im Mittelalter. Im Jahrbuch f. schweizer. Gesch. Bd. 3, 165—289 u. 4, 163-321. Zürich 1878 u. 1879. Osio, Luigi, Documenti diplomatici tratti dagli archivj Milanesi. 1—3. Milano 1864—72.

P,

(Pagnini) Della decima e di varie altre gravezze imposte dal comune di Firenze. 4 Vol. Lisbona, Lucca 1765. Paoli, Cesare, Urkunden zur Geschichte der deutschen Schusterinnung in Florenz. Mitteilungen d. Instituts f. österr. Geschichtsforschung 8, 455—476. Pasi, Bartholomeo di. Tariffa dei pesi e misure, corrispondenti dal Levante al Ponente e da una terra e luogo alFaltro quasi per tutte le parti del mondo. Citiert in der Ausgabe von 1557. Vinegia Paolo Gherardo (erster Druck 1503j. (Passerini) Gli Alberti di Firenze. 2 Voll. Pavesi,

XXVin Verzeichnis der mehrmals citicrteu Werke und Abhandlungen.

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9

Quellen zur Geschichte der Stadt Worms s. Boos. Quellen z. Schweiz. Geschichte. Bd. 1 ff. Basel 1877 ff. Quetsch, Franz H., Geschichte des Ver- kehrswesens am Mittelrhein von den ältesten Zeiten bis zum Ausgang des acht- zehnten Jahrhunderts. Freiburg i. B. 1891. Quix, Christian, Geschichte der Stadt Aachen. 2 Bde. Aachen 1840 u. 1841 mit Codex diplomaticus Aquensis. Aachen 1839.

R.

Rahn, Statistik schweizerischer Kunstdenkmale, Kauton Tessin. Beigabe des Anzeigers f. Schweiz. Altertumskunde. Ratzinger, G., Forschungen zur bayrischen Geschichte. Kempten 1898. Ders., Die Volkswirtschaft in ihren sitt- lichen Grundlagen. 2. Aufl. Freiburg 1895. Rechenschafts- (später Jahres-) bericht des Ausschusses des Vorarlberger Museumsvereins, 20 ff. Bregenz 1880 ff. Redlich, Oswald, Vier Post-Stundenpässe aus den Jahren 1496 1500. In Mit- teilungen des Instituts f. österr. Geschichtsforschung 12, 494—504. Regesta Boica, Regesta sive rerum Boicarum autographa. 13 Bde. Monaci 1822 54. Regesten zur Geschichte der Bischöfe von Konstanz. Bd. 1 u. 2, Lieferung 1 3, bearbeitet von Ladewig, Müller und Cartellieri. Innsbruck 1885—1896. - Regestum Clementis papae V, editum cura monachorum ord. s. Benedicts T. 1 9 u. Append. Romae 1885 ff. Reichstagsakten, Deutsche Bd. 1—9, 11.

Verzeichnis der mehrmals citierten Werke und Abhandlungen. XXTX

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XXX Verzeichnis der mehrmab citierten Werke und Abhandlungen.

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Verzeichnis der mehrmals citierten Werke und Abhandlungen. ICXXT

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XXXTT Verzeichnis der mehrmals, citierten Werke und Abhandlungen.

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Erstes Buch.

EINLEITUNG.

Erster Teil.

GEOGKAPfflSCHE VORBEDINGUNGEN.

Erstes Kapitel.

Oeograpbiscbe Bedingungen des Verkehrs in der Zeit vor Entdeckung

des Oottbardweges.

Die pafslose Nordkette war an beiden Seiten zu umgehen. Dadurch entstehen zwei Pafssysteme mit ihren Städten. Vergleich der Systeme der Ehöne- Mid Bheinpässe. Beschreibung der eineeinen: Chrofser St, Bernhard, TheodulpafSy Monte Moro, Antrona- pafSf Simplon, Ebenso die des Bhfinsyste^ns : Lukmanier ^ Greinapa fs, Bertihardin und Splügen, Septimer und Julier. Strafseiiknoten im Südeti: Äosta-Irrea, Vergogna, Bellinzona. Weg zum Logo Maggiore, der See selbst, Arona, Monte Cenere. Chiavenna, VeUlin. Comersee. Die Pässe konvergieren nach dem Mittelpunkt der Po-Ebene.

Wohl niemals wieder im Laufe der Weltgeschichte waren zwei Länder, die nach Bevölkerung, Weltlage, Klima und Interessen so tief verschieden waren, doch in ihren Geschicken so eng verbunden, als das bei Deutschland und Italien der Fall ist. Sie trennt das gröfste Gebirge Europas, eine Mauer, welche jedem, der vom lombardisch - adriatischen Senkungsfelde aus den Blick nach Norden wendet, den natürlichen Ab- schnitt und die natüi*liche Grenze italienischen Lebens und italienischer Interessen ankündigt.

Es ist nicht der Zweck dieser Arbeit zu zeigen, wie im Verlaufe des ganzen Alpenzuges die Verbindung zwischen Deutschland und Italien im Laufe des Mittelalters sich gestaltete ; eine solche Aufgabe kann heute noch nicht gelöst werden. Mein Werk beschränkt sich auf den Teil des Gebirges, der die nächste Verbindung zwischen Italien und dem west- lichen Deutschland ermöglicht. Es scheidet also, wenn man die Alpen in drei Teile zerlegt, die West- und die Ostalpen aus, also gerade jene

Sehvlt«, Oeioh. d. mitt«l«lt«rl. Handels. I. 1

2 £rstes Kapitel. -

Züge, die zuerst von Händlern, von wandernden Völkern und den Heeren überschritten wurden, deren Geschichte am weitesten zurückgeht. Über die Westalpen gelangt man in das Flulssystem des unteren Rhone und damit in ein Gebiet, das im Mittelalter politisch mit Deutschland eng verbunden war, ohne aber seiner Gesittung wie seiner Sprache nach zu ihm zu gehören. Die Ostalpen treten in der deutschen Geschichte noch weit mehr hervor, über sie sind die meisten der Römerzüge unserer Könige gegangen und, wenn wir die Summe der Waren nehmen, welche im Mittelalter von Italien nach Deutschland gingen, so hat der gröfsere Teil derselben wohl seinen Weg über die Ostalpen genommen. Doch führen diese Strafsen zunächst nach Venedig, dessen Handel mit Deutsch- land am besten erforscht ist, und im Norden führen sie in das Land der Donau. Eine Betrachtung des Handels und Verkehrs dieser Gegenden liegt ebenfalls völlig aufser dem Rahmen dieser Untersuchungen.

So schränkt sich die Aufgabe auf den Handel und Verkehr ein, der die Alpen auf der Strecke vom Grofsen St. Bernhard bis zum Julier überschritt, der im Norden also auf den Bodensee und die schweizerische Hochebene, im Süden aber auf die piemontesische und lombardische Ebene mündete.

Welche Wege hatte die Natur diesem Verkehre gewiesen ? Und wie weit waren dieselben erkannt?

Für die Verkehrsgeschichte des Mittelalters bis zu den Erfolgen der Seefahrer hin ist keine Entdeckung so bedeutsam geworden, als die des St. Gotthardes. Die Anlegung der stiebenden Brücke ist eine technische Leistung, die uns ebenso winzig scheinen will, wie dem Jahrhundert des Tunnelbaus das einst so viel gepriesene „Umer Loch**, das jenes Wunder- werk des Mittelalters im Anfang des achtzehnten Jahrhunderts ersetzte, auch keinen Eindruck mehr macht; aber dieser schwankende Steg führte in der Geschichte des Alpenverkehrs eine neue Epoche herbei. Erst jetzt war der Pafs entdeckt, der die direkte Verbindung der oberrheinischen Tiefebene mit dem Mittelpunkte der Poebene herstellte. Vorher muCste der Verkehr ganz andere Wege wählen. Für die Zeiten vor der Ent- deckung des Gotthardes war die pafsreiche südlichere Kette des mittleren Alpenteiles nach Norden hin durch die pafslose nördlichere eingedeckt. Die kleineren Pässe Grimsel, Gemmi, Sanetsch liefsen wohl in den Sommermonaten einen lokalen Verkehr zu, nicht aber einen regelmäfsigen, sie konnten von dem Wanderer, der aus weiter Ferne herkam, gar nicht in Betracht gezogen werden ; auch lagen sie weit von irgend dichter be- siedelten Gebirgen ab. So war diese nördliche Kette der Centralmassive von den Diablerets angefangen bis an den Kalanda, von dem Ostfufse des Genfersees bis zu der Stelle, wo der Rhein das Längsthal am Süd- fufse dieser nördlichen Kette verläfst, um am äufsersten Ende derselben

Geogr. Vorbedingungen vor Entdeckung des Ootthardweges. 3

vor den Zügen der Ostalpen nach Norden umzubiegen, eine unübersteig- liche Mauer, die der Wanderer umgehen mufste« Er konnte zum Genfer- see gelangen oder an diese östliche Stelle, in der die neuere geologische Forschung die Grenze der West- und Ostalpen verlaufen läfst In diesen Jahrhunderten sahen die nordwärts streichenden Thäler von Glarus, der Urkantone und des Berner Oberlandes wohl niemals einen Wandersmann, sie waren weltentlegen und unbekannt. Die beiden Pforten zu den schweizerischen Pässen waren also weit voneinander getrennt. Von Villeneuve am Genfersee bis zur Mündung der Landquart in den Rhein beträgt die Entfernung in der Luftlinie 211 km, so viel wie von Nürn- berg nach Landau.

Jede dieser Pforten erschliefst ein ganzes System, und diese haben unter sich eine frappante Ähnlichkeit Beide fUhren in eins der beiden grofsen Längsthäler, welche diesen nördlichen Zug begleiten : das Rhöne- thal ist ja die durch das Urserenthal hergestellte Fortsetzung des Vorder- rheinthales. Bei beiden liegt die beherrschende Stadt an der Stelle, wo die Wege über den südlichen Zug sich ausbreiten. Besonders charakte- ristisch ist die Lage Churs, des alten römischen Curia und des Bischof- sitzes fUr das obere Rheingebiet. Wer vom Lukmanier an bis zum Julier die Alpen überschreitet, kann Chur nicht umgehen. Das Gleiche trifft bei dem Verkehre über den Grofsen St. Bernhard bis zum Simplon für Martigny zu, jedoch hat neben dem alten Octodurus das etwas weiter Rhdne abwärts, jenseits des eigentlichen Durchbruches dieses Flusses durch den nördlichen Alpenzug gelegene, altehrwürdige St. Maurice, das Agaunum der Römer, der Sitz der Könige von Hochburgund, dieselben Vorteile der Lage. Martigny ist mehr der Fufspunkt einer Pafs- wanderung, St. Maurice die Herrin des Gebietes. Die wichtigste Stadt des grofsen Rhönethales, das alte Sedunum der Römer, Sitten, thront in- mitten des Langthaies. Hier verteilt sich also auf drei Orte, was Chur in sich vereint.

Das System der Rhdnepässe, wie man sie nennen sollte, ist weit ein- facher als das der Rheinpässe. Jene gehören ganz und gar den West- alpen an und hängen von dem viel einfacheren Baue derselben ab. Die äufsere nördliche Kette der Centralmassive wird von dem Rhone ober- halb des Genfersees durchbrochen, die Diablerets und der Dent du Midi sind die Pfeiler, welche stehen geblieben sind. Die südliche innere Kette ist viel besser erhalten, sie erreicht im Monte Rosa ihre höchste Erhebung. Nach Westen hin schlägt der Pafs des Grofsen St. Bernhard eine Brücke, wie im Gotthardgebiet die beiden Züge sich so nahe rücken, dafs der für die Pafsbildung so wichtige zwischen beiden Centralmassiven eingelagerte Bündener Schiefer, der im Rhöne- thale meist die Thalsohle und die Südhänge bildet, hier auf den

4 (Erstes Kapitel.

schmalen Streifen des Urserenthaies eingeschränkt ist. Die Pässe des Rhonesystems haben nur diese südliche Kette zu übersteigen. Die Rhein- pässe dagegen gehören bereits zu einem grofsen Teile den Ostalpen an, deren Bau ungleich verwickelter ist. Der Weg über den Julier geht sogar über zwei Pafshöhen und zwischen beiden durch das Stromgebiet der Donau. Der westlichste unter den Rheinpässen: der Lukmanier fuhrt noch durch die letzten Ausläufer der Westalpen. Dieser Pafs liegt in der langen Zone des Bündener Schiefers, dessen steile Schichten- stellung der Pafsbildung so günstig ist, wie am Nordhang des Grofsen St. Bernhard, des Simplen, am Nufenen- wie an den beiden Hinterrhein- pässen zu sehen ist In dem Zuge einer Linie, welche vom Vorderrhein- thal über den Greinapafs, Val Blegno, Tessinthal und Lage Maggiore streift, verläuft die Grenzlinie, welche die West- von den Ostalpen vom Standpunkte der Erdgeschichte aus trennt ^

Betrachten wir zunächst die einzelnen Pässe des Rhein- und Rhone- systems mit Ausschlufs derjenigen, die über das centrale Gebiet des St. Gotthardes führen. Wir lernen damit die Vorbedingungen des Ver- kehrs in der Zeit kennen, in denen dieses centrale System eine terra mcognita war. Eine spätere Betrachtung seiner Verhältnisse wird uns den Umschwung vor Augen fuhren, den die Entdeckung des St. Gotthard- passes herbeiführen mufste.

1. Der Zugang zum Grofsen St. Bernhard, dem höchsten aller regelmäfsigem Verkehre dienenden Alpenpässe (2491 m)^ wird wenigstens auf der Nordseite dadurch erleichtert, dafs die NiveaudifFerenz sich ziem- lich gleichmäfsig auf den Anstieg, der von Martigny elf Stunden er- fordert, verteilt. Der Weg führt in einem schmalen Thal (Val Entremont) empor, das in ziemlich festes Gestein eingeschnitten ist. So wurde es möglich, schon früh einen Fahrweg bis nach Bourg St. Pierre (1633 m) emporzufuhren. Der alte Weg, der von dem neuen namentlich in den unteren Lagen vielfach abweicht, war steil an den Hängen emporgeführt, meist hoch über der Drance ; mehrere sehr gefährliche Stellen sind heute durch Sprengungen u. s. w. gebessert. Der Abstieg führt sehr steil in das enge, fast schluchtähnliche Thal von St. R^my, wo der Fahrweg wieder beginnt. Erst bei Gignod (994 m) erweitert sich das Thal und verliert seinen Hochgebirgscharakter und zwischen Weinbergen, Maulbeer- und Mandelbäumen gelangt der Wanderer nach Aosta. Auch hier hindern eingeschaltete festere Gesteinsschichten allzu starke Lockerung des Gestein- gefUges, welche in älteren Zeiten der Wegführung ernste Hindernisse hätte bereiten können.

* So Diener, Der Gebirgsbau der Westalpen. Wien 1891. " Der Verkehr auf dem Stiifser Joche (2757 m) wird im Winter wenigstens zeit- weise völlig unterbrochen.

Greogr. Vorbedingungen vor Entdeckung des Gotthardweges. 5

Der Pafs besitzt unter allen Alpenpässen die meisten Denkmale seiner Geschichte, vor allem auch eine Reihe von Befestigungen, ja oberhalb St. Römy war das Thal durch eine Mauer abgeschlossen. Der recht beschwerliche Pafs trägt auf seinem Kamme das bekannte Hospiz, lange Jahrhunderte hindurch das höchste, ständig bewohnte Gebäude Europas. Die dort gemachten Beobachtungen ergaben, dafs das Klima so rauh ist wie in einer Binnenstation des nördlichsten Schweden. Aus dem Ver- gleiche der Ziffern (Gr. St. Bernhard mittlere Jahrestemperatur 1,3 ®, Januar 8,3, Juli 7,3, Unterschied der Extreme 15,6®) und Jockmock (19 « 51' ö. L. V. Gr. 66 *> 36' Br. und 265 m ti. d. M,: Jährest. —1,3, Januar 14,4, Juli +14,2, Unterschied 28,6®) ergiebt sich, dafs der Sommer auf dem St. Gotthard erheblich unwirtlicher und der Winter erheblich milder ist als in der nordschwedischen Ortschaft. Alpen- und Polarklima läfst sich nicht so glatt miteinander vergleichen.

2. Der Theodulpafs (oder Matterjoch, 3322 m) liegt weit höher als der Grofse St. Bernhard, ist für den Winter völlig unbenutzbar und kann auch nicht von Saumtieren begangen werden, da er auf der Nord- seite, auf dem Scheitel und auf der Südseite über Gletscher flihrt Er verbindet das Zermatterthal mit dem Val Tomanche, also weiterhin das Wallis mit dem Thal der Dora Baltea. Reste von Befestigungen am Fufse des nach Italien hin hängenden Gletschers beweisen, dafs der Pafs doch nicht völlig bedeutungslos war.

8. Wie der Theodulpafs westlich vom Monte Rosa, führt der Pafs vom Monte Moro (2862 m) östlich von ihm über den Zug, der Wallis und Italien, hier das Saasthal von Val Anzasca trennt. Der W^eg führt nicht über Gletscher, wohl über Schneefelder, die namentlich an der Südseite sehr steil sind, und an furchtbaren Abgründen abwärts nach Macugnaga. Reste eines gepflasterten Pfades haben sich erhaltend

4. Aus dem Saasthale zweigt sich bei Almagel der Weg zum An trona- passe ab, der über dem Rande eines Gletschers über die Pafshöhe (2841 m) in das Antronathal führt, das sich, wie Valle Anzasca, in das Tosathal Offnet. Auch auf diesem Wege sind Reste eines mit Platten belegten Saumpfades erhalten'. An Höhe übertreffen diese Pässe alle ihre Nach- barn, von selbst ergiebt sich daraus, dafs auf sie ein regelmäfsiger Ver- kehr nicht begründet werden konnte. Es waren lediglich Sommerpässe.

5. Der Simplonpafs ist zwar sehr niedrig (2009 m, Brig am Nordfufse 708 m. Domo d'Ossola 277 m), bietet aber namentlich an seinem Südfufse die gröfsten Schwierigkeiten, so dafs er die Wanderer nicht besonders anlocken konnte. Durch den grofsartigen Bau, den Napoleon

' Vgl. Albert Schott, Die deutschen Kolonien in Piemont 62 ff. ^ Vgl. Favre, Etüde snr Thist« des passages italo-suisses S. 182 f.

g Erstes Kapitel.

von 1800 bis 1805 aufftihren liefs, sind diese Schwierigkeiten besiegt. Doch waren dazu auf der vierzehnstündigen Strecke von Brig bis Domo d'Ossola 613 gröfsere und kleinere Brilcken, acht Galerien bez« Tunnels und zwanzig Schutzhäuser erforderlich. Auf der Nordseite weicht der Zug der modernen Strafse von dem alten Saumpfade dadurch erheblich ab, dafs sie, um jedes GegengefkUe und den Anstieg sanft zu gestalten, das Ganterthal umzieht. Der Saumpfad mufste aber gleichfalls die wilde Saltinenschlucht an ihrem oberen Hange umgehen, senkte sich dann jedoch in den Grund der Saltine herab, dabei den Ganterbach vor seiner Mündung überschreitend \ In einer Höhe von etwas unter 1000 m liegt diese Brücke. Der Weg mufs nun enorm steil die Pafs- höhe erklettern, er führt völlig gerade aus am Hange des Saltinen- einschnittes empor, die er bei 1731 m überschreitet. Kurz vorher liegen „Tavernen", Erinnerungen an die Zeiten, wo sich hier der Wanderer zum letzten Anstieg stärkte. Der Weg entzieht sich dem gefährlichen Bereiche unterhalb des Kaltwassergletschers und steigt in vielen kurzen Wendungen zur Pafshöhe empor. Der Pfad dürfte Lauinen- gefahren ziemlich entzogen gewesen sein. Jenseits der Pafshöhe empfUngt uns heute das Hospiz, das alte Hospiz liegt etwas weiter und rechts seit- wärts der modernen Strafse.

Die Hauptschwierigkeit beim Abstieg bietet aber die Schlucht von Gondo, eine ^der wildesten Felsenspalten, welche das Alpengebiet auf- zuweisen hat, sie ist eingerissen in Gneis und Granit. Die fast senk- rechten, ja mitunter überhängenden Felsen erreichen eine Höhe bis zu 2000 Fufs, sie gefährden im Sommer den Wanderer namentlich bei Regenwetter durch Steinschlag, in der ungünstigen Jahreszeit durch Lauinen. Es ist ganz begreiflich, dafs ein solcher Engpafs bewirkte, dafs der Grenzzug für Sprache und Staat von der Pafshöhe an diese Stelle herabgezogen wurde. So reicht hier die deutsche Sprache bis über den Kanmi der Alpen hinüber. Der Weg von der Pafshöhe bis zum Eintritt in die Schlucht von Gondo bietet keine erheblichen Schwierig- keiten, er ist jedoch an manchen Stellen Lauinen ausgesetzt. In der Schlucht der Doveria sind die Reste des alten Weges noch mehrfach zu erkennen, und wer sie gesehen hat, gedenkt mit Schrecken der Zeiten, wo der Kaufmann auf diesem Steige dieses wilde und doch so wunderbar schöne Felsenthal zu passieren gezwungen war, in dem die Natur fast nirgends mehr Raum gelassen hat, als der wild tosende Bach ihr ab- gerungen. Der Weg hatte den rechten Thalhang wählen müssen, da eine Überbrückung der Katarakte des von der linken Seite einmündenden Alpienbaches der damaligen Zeit unmöglich war. Die Schlucht erweitert

1 Vgl. die Siegfriedkarte Blatt 497 u. 601.

Geogr. Vorbedingungen vor Entdeckung des Gk>tthardwege8. ^

sich unterhalb Gondo, ein offenes Thal das Thal von Ossola oder Eschen- thal — wird jedoch erst bei Crevola erreicht.

Die Pässe über den Centralstock der Alpen sind erst später zu be- handeln.

6. Der westlichste der Rheinpässe, der 'Lukmanier (Pafshöhe 1917 m); hat eine auffallende Verwandtschaft mit dem Simplon. Gleich ihm geht er von der hohen Stufe eines langen Seitenthals aus, er ist noch niedriger, und auch bei ihm liegen die Schwierigkeiten nicht in der Höhe, sondern am Eingange. Der ganze Anstieg von Norden hat, da Disentis (jenseits des Rheins) 1150 m hoch liegt, nur 870 m zu tiber- winden, er durchbricht dabei den Zug der Centralmassive, während der Pafs seitlich an den Zug des Bündner Schiefers stöüst, der vom Nufenen- pafs nach Graubünden führt und hier im Scopi emporragt Wie bei allen Querthälern im Bündener Oberlande ist auch der Eingang des Medelserthales schluchtartig. Erst in neuester Zeit wurde hier der Strafse bequemer Platz erzwungen, früher ging nur ein böser Pfad durch die Schlucht; ungleich der Schlucht vor Gondo liefs sich diese Felsenspalte umgehen. Der alte Saumpfad ging am linken Ufer des Medelserrheines in steilem Anstiege nach Mompe Medels (1275 m) empor, um sich dann dem Rheine oberhalb der Schlucht zu nähern. Schon von dieser Höhe läfst sich der Charakter des Thals erkennen. Es ist ziemlich hoch hinauf noch angebaut und ist an seinen Hängen vor Lauinen durch eine Wald- zone gedeckt, welche trotz aller Waldverwüstung noch einen starken Holzbestand einschliefst. Noch ist auch der Bär in diesen Gebieten nicht ganz verschwunden. Und wenn der Name Lukmanier zu deuten ist, so werden wir doch wohl eher an den lucus magnm, den greisen Wald, als an das keinen Sinn gebende locus magnus zu denken haben. Der Saumweg ersteigt nun auf dem rechten Ufer die verschiedenen Thal- stufen, die der junge Mittelrhein in Fällen herunterhüpft. Bei Perdatsch an der Einmündung der Val Cristallina hört die Waldzone auf und das Hochthal verändert bald seinen Charakter, es wird immer wilder und einsamer, die Vegetation, die immer dürftiger wird, folgt aber fast bis zur Pafshöhe. Steinschutt bedeckt die Thalsohle, schliefslich wird daraus eine kahle Steinwüste am Fufse des Scopi, dessen Flanken von Schluchten und Lauinenzügen zerrissen sind. Ihnen auszuweichen, geht der Saum- pfad auf das linke Ufer hinüber. In dieser Einöde folgen sich die drei Hospize St. Gion (Johann), St. Gall und St. Maria. Vom letzten hat man noch eine halbe Stunde Weges über Schiefer und blendend weifse Gipshalden zur Pafshöhe.

Der Abstieg im Val St. Maria ist sehr steil. Von der Pafshöhe bis Olivone, wo das Thal in das Blegnothal einmündet, ist in horizontaler Projektion des Weges kaum zwei Meilen, und dabei beträgt der Unter-

8 Erstes Kapitel.

schied der Höhenlagen 1025 m. Der Saumpfad hält sich zunächst am linken Ufer des Baches und führt unter Lauinenbetten und Rufen vor- bei, die in schlimmen Tagen auch die neue Kunststrafse bedrohen. Auch hier liegen zwei Hospize: Casaccia und Camperio. Der Wechsel der Vegetation ist enorm, Olivone ist schon von Kastanien umgeben, und wenn der Wanderer bei Biasca in das Thal des Tessin eintrat, hatte er schon die ersten Reize italienischer Natur reichlich genossen, schon um- gaben ihn Weingärten.

Der Zugang zum Lukmanier ist auf der deutschen Seite noch ein- mal gesperrt. Es ist im Vorderrheinthale zwischen Reichenau und Ilanz unmöglich, den Weg dem Laufe des Vorderrheins folgen zu lassen, da der Flufs sich unterhalb der Landschaft Gruob eine Schlucht durch das entgegenstehende Gestein, durch die 700 m mächtige Geröllmasse des von den Geologen in die Eiszeit verlegten Flimser Bergsturzes, des gewaltigsten, den die Alpen weit kennt, gegraben hat. Ein Weg am Flusse war und ist unmöglich. Die Strafse sucht von Reichenau (586 m) das sonnigere rechte Rheinufer auf, steigt hier durch den Flimser Wald über die Trümmer bis über ein Niveau von 1100 m empor, um sich dann über Laax dem Rheine wieder zu nähern, der bei Ilanz in einer Höhe von 691 m wieder erreicht wird.

7. Der Greinapa fs hat wohl niemals dem Handelsverkehr gedient, obwohl er nicht viel schwieriger sein konnte als der Lukmanier. Er geht durch das Somvixthal empor, das aufserordentlich waldreich war und noch ist. Wir werden sehen, dafs aber gerade Wälder den Verkehr noch mehr abhielten, als Lauinen und Steinschlag. Der Eingang in das Thal wird ähnlich wie beim Lukmanier gewonnen. Die gröfste Steigung ist in der Frondscha zu überwinden, wo der Thalbach in schäumenden Kaskaden das granitische Gestein durchbricht. Jenseits dieses Anstiegs entdeckt man, dafs man nicht einen Grat erstiegen hat, sondern eine Hochfläche. Erst nach langer Wanderung erreicht man die Pafshöhe (2360 m). Der Abstieg in das Thal Camadra, das gleich dem Lukmanier nach Olivone führt, ist sehr steil. Bauten zum Schutze der Reisenden sind nicht vorhanden. Von der Hochfläche führt auch der Monterascio- pafs (2260 m) nach Olivone.

8. und 9. Den beiden Pässen des Hinterrheins setzt sich ein gemein- sames Hindernis am Nordfufse entgegen. Dasselbe Gestein, das den Pässen selbst von Vorteil war, war auch ihr Feind. Zwischen die Centralmassive der Adula- und Surettagruppe schieben sich vom Rhein- waldthale her zwei Zungen dieses leicht zerstörbaren Schiefergesteines, und in ihnen oder vielmehr an ihnen liegt der St. Bernhardin pafs und der Splügen. Das Gestein erstreckt sich bis Thusis, und in dasselbe ist die dort ausmündende Via mala eingeschnitten, während in der weiter

Geogr. Vorbediogungen vor Entdeckung des Gotthardweges. Q

oberhalb gelegenen Rofhaschlucht der Rhein sich durch den Granit einen Weg bahnen mufste.

Wandern wir einmal mit den mittelalterlichen Eaufleuten. In Reichenau, an dem Zusammenflüsse von Vorder- und Hinterrhein, bog der Weg aus dem langen Vorderrheinthal in das Querthal, das sich nach dem Engpasse von Juvalta zu einem freundlichen und fruchtbaren Thale erweitert, dem Domleschg. Zahlreiche Burgen krönen hervor- springende Felsen, der Anbau geht hoch bis an die Hänge, ja auf dem linken Ufer, dem sogenannten Heinzenberg bis zur Höhe des Kammes hinauf. Es ist der Garten Graubündens, auf den der Weg am Fufse des Heinzenbergs freien Ausblick gestattet. Bei Thusis verändert sich aber völlig der Charakter der Gegend. Die wildschäumenden Wogen des Hinterrheins treten aus schauerlichen Gründen heraus, durch die niemand sich wagte. Erst unser Jahrhundert hat den ersten Abschnitt der herrlichen und schrecklichen Via mala bezwungen, nachdem schon vorher ein sehr schlechter Pfad bestanden. Bis dahin mufste der Wanderer gleich oberhalb Thusis am Ufer der Nolla emporsteigen, die erst seit der Entholzung sich aus einem unschädlichen Gebirgsbach in ein berüchtigtes Wildwasser umgewandelt hat, um dann die Eingangs- spalte der Via mala zu umgehen und sich zu dem Wiesengehänge von Rongella zu senken. Dann betrat der Wanderer den zweiten Teil der Schlucht und den Weg, der nicht umsonst Via mala hiefs. Die zwischen den oft senkrecht, stets aber äusserst steil ansteigenden Felswänden ein- geklemmte, von Lauinen- und Felsstürzen nicht freie dämmrige Schlucht hat noch heute an mehreren Stellen erhebliche Stücke des alten Weges erhalten. Sie war unzweifelhaft eine kühne Anlage und machte denen, die sie im fünfzehnten Jahrhundert geschaffen, alle Ehre. Dann erfreut sich das an den Schrecken gewöhnte Auge an dem sonnigen Anblicke der Landschaft Schams. Sie ist der Thalboden eines alten Sees, der be- stand, bis der Rhein sieh durch das zerfressene Gestein der Via mala einen Ausweg geschaffen hatte. Nach oben hin wiederholt sich das noch einmal. Auch das Thal Rheinwald ist ein alter Seeboden und die Rofna- schlucht, durch die man diese obere Thallandschaft erreicht, ist das Gegen- stück der Via mala, wenn auch in etwas milderen Formen sich dar- bietend.

So lange nicht die Via mala erbaut war, also bis zum 15. Jahrhundert, war die Verbindung der Landschaft Schams und Rheinwald und unserer beiden Pässe mit Thusis, wenn man sich nicht dem Pfade, der den Namen Via mala schuf, anvertrauen wollte, nur auf einem höchst beschwerlichen Umwege möglich, der westlich den Felsenschlund der Via mala und der Rofna umging. „Ein 6' breiter gepflasterter Weg, angeblich ein Römer- werk, von dem hier und da noch Überbleibsel vorhanden sind, führte

\Q £rBtes Kapitel.

vom Heinzenberg über die NoUa bei Thusis, durch den sogenannten dilrren Wald oberhalb der Dörfer Lon, Mathon und Wergenstein, über die Alpen^ Arosa und Sufers nach dem Dorfe Splügen ^/ Ohne selbst diese Höhen aufgesucht zu haben, kann man aus den Karten doch wenigstens einige Sicherheit gewinnen. Von der südnördlichen Kette, die sich dann im Heinzenbergrücken fortsetzt, zweigen sich zwei nach Osten streifende Ketten ab. Die vom Piz Beverin wird von der Via mala durchsägt. Giebt es einen Weg, der über sie der Richtung der Via mala parallel hin wegführt? Die Siegfried-Karte verzeichnet Strafsenstücke im Dürren- wald, welche in einer Höhe von 2204 m eine Lücke des Kammes über- schreiten. Das ist offenbar der Weg, den Bavier*, Neumann u. a. im Auge haben. Es würde dann der Weg entweder von Thusis (746 m) am linken Ufer der NoUa steil hinaufgeführt, den Bach „im Loch*' über- schritten und dann sehr steil die Pafshöhe, die fast 100 m höher als der Splügen selbst ist, erklommen, oder den Thalboden des Heinzenberges und Thusis gar nicht berührt haben. In der That ist eine fast stets gleich- hochlaufende Verbindung zwischen der Stelle „Im Loch" mit dem Ein- gang ins Domleschg über Rhäzuns vorhanden. So haben Meyer ^ u. a. sich den Lauf der Strafse von Rhäzuns (648 m) gedacht, dafs sie sofort emporstieg, um den Engpafs von Juvalta zu umgehen. Bei Praz (1186 m) wäre dann die Höhe erreicht gewesen, die über Partein und Urmein (1273 m) bis im Loch beibehalten wäre. Der Übergang über die zur Rofna-Schlucht führende Kette liegt einigermafsen sicher fest. Von Sufers am Hinterrhein führt der Weg bis zur Pafshöhe von 2079 m, von dort setzt er sich senkend nach Donath in der Landschaft Schams herunter. Das Verbindungsglied ist aber auf der Karte nicht verzeichnet, alle heutigen Pfade führen von den Höhen ins Thal von Schams hinab, und hier handelte es sich doch um einen Weg, der möglichst wenig von der Steigung einbüfsen durfte, also jedenfalls hoch über Donath abbog. Das aber liefs sich nur erreichen, wenn er die z.T. tief eingeschnittenen Wasserläufe in ihren obersten Teilen, also auf der weitläufigen Alp Annarosa umging. Absolute Hindernisse sind da nicht vorhanden. Dieser Weg war also eine aufserordentlich lange Umgehun|; der Via mala in der Alpenregion hoch über allen bewohnten Orten und oberhalb des Baumwuchses, wobei die höchste Stelle sich noch über den Splügen erhob. Unter solchen Umständen war ein regelmäfsiger auch den Winter über- dauernder Verkehr kaum möglich.

* Worte Karl Neumanns in seinen mir vorliegenden Aufzeichnungen über die Alpenpässe. Vergleiche die Nebenkarte. « S. 12. » S. 138. Ba vi er, Die Strafsen der Schweiz S. 12.

Geogr. VorbedinguDgen vor Entdeckung des Gk)tthardwege8. H

Vom Dorfe Splügen ab trennen sich die beiden Pafswege. Der zum St Bernhardin oder Vogelsberge (2063 m) durchzieht noch, soweit menschliche Wohnungen reichen, das Rheinwaldthal, dessen alte Waldungen erheblich gelichtet sind. Das Dorf Hinterrhein (1624 m) liegt der Quelle des Rheins am allemächsten , es ist ein gegen die Gletscherwelt des Rhein Waldhorns vorgeschobener Vorposten. Die Strafse verläfst oberhalb des Dorfes den Thalboden und erklettert die Alpenterrasse der Thäli-Alp, von wo dann in sanfterem Anstiege die Pafshöhe (2063 m) erreicht wird. Auf ihr liegt der Lago Moesola, und * Platten- Messela* war ein alter Name des Passes. Von hier fkUt das schöne Misox in vier grofsen Thalstufen steil abwärts. In scharfem Abstiege wird die erste erreicht, auf der das Dorf San Bernardino (162G m) liegt, wie auf der nächsten S. Giacomo (1146 m), auf der dritten leuchten uns unterhalb des Dorfes Mesocco (777 m) die prächtigen Ruinen der stolzen Burg der Freiherm von Sax entgegen, auf der vierten beginnt der Weinbau und bei Cama (384 m) begegnet der erste im Freien ausdauernde Feigenbaum. Erhebliche Hindemisse sind auf der ganzen Strecke nicht vorhanden, wenn der Pafs auch nicht gerade als bequem und gefahrlos bezeichnet werden kann.

Dasselbe gilt nicht vom Splügen (Pafshöhe 2117 m)^ Schon auf der Nordseite ist der Weg durch Lauinen und Schneestürme gefährdet, ganz besonders gilt das aber von der Südseite. Ob man den östlichen oder westlichen Hang des St Jakobsthaies wählte, man geriet im Thal des Liro in den Bereich zahlreicher Lauinenzüge, die steilen Bergwände sind von kolossalen Rufen durchzogen und selbst nicht wetterfest. Die Schlucht des Cardinello ist am berüchtigtsten. Auch die heutige Chaussee mufste mehrmals ihre Richtung verlegen. Bei dem Dorfe Isola ist man bereits bis auf 1277 m gesunken und bei Chiavenira (317 m) ist man ganz inmitten oberitalienischer Flora.

10. und 11. Dem System dieser Hinterrheinpässe läuft parallel das der beiden, welche nach Norden zum Hinterhalbsteiner Rhein ihr Wasser ent- senden: Septimer und Juli er.

Dem fruchtbaren lieblichen Domleschg hat freilich das Zwillingspaar der Hinterhalbsteiner Pässe kein Paradies an die Seite zu stellen. Die Wanderung an der Plessur, dann der Rabiosa aufwärts zeigt weit ernstere Bilder und jenseits der Pafshöhe von Parpan (1551 m) tritt der Weg auf das alte Flufsgeröll der Lenzer Heide, um sich dann recht steil zu dem tiefliegenden Schlüssel von Oberhalbstein, nach Tiefenkasten (850 m) zu senken. Bis dahin machte sich der Weg einen alten Thallauf des Ober- halbsteiner Rheins zu nutze. Die Durchsägung des Schynpasses entleerte dann das Flufsgebiet nach dem Domleschg und so entstand die übrigens

^ Vgl. Berger, Die Septimerstrafse S. 43.

12 Erstes Kapitel.

erst seit Erbauung der neuen Strafse recht nutzbar gewordene Ablenkung eines Teils des Verkehrs nach dem westlichen Parallelthale.

Der Name „Tiefenkasten*' charakterisiert den Ort ausreichend es ist das tiefgelegene Kastell. Der Weg nach Oberhalbstein geht an dem rechten Ufer der Julia aufwärts und hat sehr bald eine ernste Schwierig- keit zu überwinden. Vom Piz St. Michel drängt eine Bergnase an den Flufs, der in tiefer Schlucht sich an ihm entlang windet. Hier mufste der Pfad sich an den Absturz anschmiegen. Fast eine Stunde dauert das Defilö. Das war der Stein ^ nach dem das Thal seinen Namen erhielt : Oberhalbstein (lat. Supra saxum, rom. Sur seisa). Man tritt nun in den ersten der terrassenft3rmig hintereinander aufsteigenden Thalkessel. In ihm liegt als bedeutendster Ort Tinzen (1240 m), von dem wir mehr- mals werden zu reden haben. Aus diesem noch Ackerbau treibenden Thale führt durch eine von Tannenwäldern verdüsterte Schlucht der Weg in den Kessel von Roffna, dessen Thalsohle sumpfig ist. Der nächste von Molins (1461 m) ist der kleinste, in ihn münden eine Reihe von Alpenschluchten. Der Aufstieg zur nächsten Thalmulde wird durch die Ruine Splüdatsch bewacht. In diesem Kessel hat der Feldbau sein Ende gefunden, noch aber steigt der Wald an den Lehnen empor. Vor Marmorera (Marmels) liegt ein starkes Felsennest, die Burg gleichen Namens, an deren Fufs einst der Weg entlang führte. Dann gelangt man in die oberste Thal- stufe, die baumlose Wiesenmulde von Stalvedro und Bivio ; früher trugen die sumpfigen Hänge noch Wald. Inmitten dieser schutzlos den Nord- winden preisgegebenen Öde liegt Bivio oder Stalla. Die Namen sind schon bezeichnend: Stalla der Stall und Bivio der Zwieweg, die Weg- scheide. Hier ist in der That die Stelle, wo sich der Septimer und Julier gabeln.

Von Bivio geht der Septimerweg durch Wiesen eine breite allmählich ansteigende Fläche aufwärts, wohl sind sie manchmal sumpfig, sonst bieten sie aber kaum eine Schwierigkeit dem Reisenden dar. Die Pafs- höhe (2311 m) enthält auch die Ruinen des Hospizes. Von dieser Stelle an verändert sich der Charakter des Weges völlig; denn er hat nun bis Casaccia (1460 m), das (in der Projektion) nicht halb so weit liegt als Bivio, von wo der Anstieg eine NiveaudifFerenz von nur 535 m ergab, eine Differenz von 851 m auszugleichen. Zum Abstieg mufs das Defil^ des Septimerbaches benutzt werden, und dessen Gefäll ist so beträchtlich, dafs hier zahlreiche Kehren angelegt werden mufsten, um überhaupt den Pfad benutzen zu können. Wegeanlagen waren durch Wasser und Rufen bedroht. Zickzackanlagen mufsten auch noch beim Austritt aus der Val Marozzo oberhalb Casaccia angewendet werden. Im übrigen erfolgt der schwierige Abstieg an der Sonnenseite und hat Lauinenzüge vermieden. So bot dieser Pafs einem rüstigen Fufsgänger keine Schwierig-

Geogr. VorbediDgUDgen vor Entdeckung des Grotthardweges. 13

keit. Er yerband am direktesten die Einlafspforte Chur mit der lombar- dischen Tiefebene, er bot nur an den Felsen oberhalb Tiefenkasten ernst- liche GefahrcD, so war er flir seinen Verkehr in gleicher Weise begünstigt, wie der Grofse St Bernhard.

Der Septimer ist aber ein Zwillingspafs und der Juli er bietet manche andere Vorteile dar. Der An- und Abstieg ist nicht sehr bedeutend, da Bivio 1776 m, Silva Plana 1816 m, der Scheitel aber nur 2287 m hoch liegt. Der Pafs ist vor allen andern schneefrei und Lauinen kaum ausgesetzt. Er würde also unfraglich den Septimer völlig in den Schatten gestellt haben, wenn er nicht in die verkehrte Richtung führte. Unmittelbar am Septimer, am Piz Lunghino liegt die Wasserscheide zwischen Nordsee, Mittelmeer und Schwarzem Meer. Der Septimer führt aus dem Gebiete des Rheins in das des Po, der Julier aber in das der Donau, näherhin des Inn. Durch einen zweiten Pafs mufs also das Ge- biet des Pos erreicht werden, und das geschieht durch den Maloja-Pafs, den niedrigsten der Alpenpässe (1817 m). Der Weg führt an den Seen von Silvaplana und Sils zur Felsenschwelle des Engadin hinauf, wo gegen Italien zu sich ein plötzlicher Felsenabsturz (von 300 m) aufthut. Im Schatten herrlicher Fichten vollzieht sich der Abstieg. In Casaccia treffen sich Septimer und Julier. Wer von Bivio aus den Julier benutzte, hatte die beiden Seiten eines spitzwinkligen Dreiecks abgegangen, der Wanderer über den Septimer aber nur die Grundlinie.

Ein letztes mehr militärisches Hindernis stellt sich der Strafse, welche von den beiden Pässen des Bergell hinabführt, in der Mitte desselben vor Promontogno entgegen. Ein scharfer Bergesgrat tritt von der Höhe hier bis an die Mera heran, mit seiner Klippe ein natürliches Hindernis darbietend. Es lag nahe, diese schmälste Stelle des Thaies durch eine Mauer abzuschliefsen und nur eine Porta offen zu lassen. Die Burg Castelmur sperrte den Eingang *. Unterhalb wird Vegetation und Kultur immer südlicher, bis man in Chiavenna die erste italienische Stadt begrüfsen kann.

Auch im Süden werden die Pafsstrafsen an mehreren Stellen zu Bündeln zusammengefafst, doch nicht wie im Norden an zwei weit von einander getrennten Stellen. Hier fehlt die lange Parallelkette des Nordens, der Abstieg, der auf italienischer Seite weit steiler ist, führt nicht wieder in Längsthäler, sondern in die Lücken, welche zwischen den Gruppen des arg zerrissenen Gebirgslandes sich gebildet hatten. Schon innerhalb desselben vereinigen sich mehrere Strafsen. Die so entstehenden Strafsensysteme sind jedoch mehrfach miteinander durch bequeme Zwischenpässe verbunden, und so bildet sich ein weit ver-

^ Sitnationsplan bei Bavier, Die Strafsen der Schweiz Tafel IV.

14 Erstes Kapitel.

wickelteres Netz, das aber schliefslich auf einen Punkt alle Vorteile vereint.

Die westlichste Gruppe wird noch innerhalb eines Hochgebirgsthales : in Aosta zusammengefafst. Zwei Pässe des Wallisersystemes vereinigen sich mit einem Passe des Savoyischen Berglandes. Dieses ist der kleine St. Bernhard, der das Thal der Dora Baltea mit dem der Isire, also mit Vienne und Lyon verbindet. In das erstere Thal münden dann bei Aosta selbst die Wege über den Grofsen St. Bernhard und den Theodulpafs ein. Es ist begreiflich, dafs Augustus an dieser Stelle, um die räuberischen Salasser endlich zur Ruhe zu bringen, eine Kolonie anlegte, Augusta Praetoria Salassorum, die noch heute durch den Kranz der antiken Stadt- mauer eingefafst wird. Augustus sicherte durch ihre Anlage die Benutzung der Pässe. Eine höhere Bedeutung als Handelsstadt hat aber Aosta niemals erreichen können, war es doch nicht etwa am Ausgange eines Thaies belegen, vielmehr von dem Flachlande noch durch einen Engpafs abgeschnitten, den heute das Fort Bard sperrt, das Napoleon, als er 1800 mit seiner Reservearmee vom Grofsen St Bernhard herabstieg, die ernsteste Verlegenheit bereitete. Diesen Engpafs konnte auf leidlichen Wegen der Verkehr nicht umgehen, erst unterhalb von Ivrea, dem römischen Eporedia, öffnet sich das Land zu Füfsen der Berge: Piemont. In ihm vereinigen sich die Strafsen vom Apennin, von den See- und den Savoyischen Alpen, sowie die, welche aus dem Thale von Aosta kommen.

Ein zweiter Vereinigungspunkt von erheblich geringerer Bedeutung ist Vergogna im Thale der Tosa, wo die in diesem vom Simplonpasse herabkommende Strafse die aus dem Anzascathale und vom Monte Moro aufnimmt. Der Weg führt den Flufs abwärts zum Lago Maggiore oder am Orta-See entlang auf Novara.

Erheblich deutlicher bezeichnet ist der dritte Punkt. Es ist der Ort, der das Tessinthal beherrscht: Bellinzona. In der letzten Thalenge des Tessin gelegen dokumentiert es sich dem, der vom Gotthardpasse herunter- kommt und in ihr die erste Stadt italienischen Charakters begrüfst, durch die drei mittelalterlichen Burgen als die natürliche Deckung der Gott- hardstrafse. Doch schon vor der Eröffnung dieses Weges war es ein Schlüssel zu mehreren Alpenpässen. In das Livinenthal tritt bei Biasca die Strafse, welche über den Lukmanier nach Disentis an den Vorderrhein führt, und mit ihr verbunden der Weg vom Greinapasse. Dicht oberhalb Bellinzona mündet die Strafse von S. Bemhardin ein. Also schon im Frühmittelalter sah dieser Ort manchen Wanderer, während das heute so belebte obere Livinenthal damals so still und weltentlegen war, wie noch heute das nachbarliche Val Maggia.

Von Beilenz, dem römischen Bilitio, gabelt sich der Weg, der zur Po- ebene fuhrt. Der Lauf des Tessin führt die einen zum Lago Maggiore, die

Geogr. Vorbedingungen vor Entdeckung des Qotthardweges. 15

andern übersteigen den Monte Cenere, um nach Como zu gelangen. Jene Richtung tritt in Verbindung mit der Strafse, die von Vergogna kommt, diese mit den Wegen, die sich bei Chiavenna vereinigt haben. Jene strebt möglichst schnell dem Wasser zu. Wer ihr folgte, muGste das Schiff besteigen, denn weder am westlichen Ufer des Lago Maggiore, noch am östlichen, wo die Strafse ja noch heute fehlt, gab es eine durch- laufende Verbindung. Der Langensee trug auf seinem Rücken allen Verkehr. Wie bei allen Alpenseen hat sich die Gestalt auch dieses Sees selbst in historischer Zeit beträchtlich verändert Der Tessin bringt erhebliche Massen von Geröll in den See, ihn langsam mit den Senk- stoifcn füllend. Die Verlandung des Tessin hat heute Magadino erreicht, das nur deshalb von den Schiffen noch besucht werden kann, weil hier der Flufs selbst einmündet und genügende Fahrtiefe darbietet. Magadino war für den Alpenwanderer der natürliche Hafenplatz, er kam hier sofort auf das linke Ufer des Tessin, den sein Weg nicht verläfst. Heute und schon im späteren Mittelalter hat bekanntlich Locarno den Ver- kehr an sich gezogen. Die westlich von dieser Stadt einmündende Maggia würde, wenn sie geröllreicher wäre, längst mit ihrem Delta den obersten Teil des Sees abgeschnitten haben. Da das aber nicht der Fall ist, bietet Locarno den besten Hafenplatz am Kopf des Sees. Wer aber von Bellinzona nach Locarno wollte, mufste zuvor das breite, veränderliche Geröllbett des Tessin überwinden.

Am Strande von Magadino oder Locarno nahm der Kaufmann, der von den Alpen herabstieg, die Warenballen vom Rücken seines Lasttieres, und in sicherer Fahrt trug die Barke des Fremden Gut nach Arona an das südlichste Gestade des Sees oder vielleicht gar weiter den Tessin und Po abwärts. Bei der Fahrt über den herrlichen See mochte der Wanderer der Schrecknisse, welche die Alpenwelt ihm gezeigt hatte, ver- gessen, denn ihrer Schönheit wurde er, umgeben von Fährlichkeit, Not und Tod, kaum gewahr. Die Furcht hat den Genufs der Gebirgsnatur lange verhindert.

Aber nur ein Teil der Kaufleute hat die Fahrt auf dem Wasser der Landreise vorgezogen. Diese führte über die Depression des das linke Ufer des Tessin begleitenden Gebirges über den Monte Cenere (553 m), dann im Agnothal zum Luganersee und wiederum einen niedrigen Sattel überschreitend nach Como. Hier am Südfufse des anderen grofsen lom- bardischen Fjords treffen wir den vierten Vereinigungspunkt der Strafsen, dessen Bedeutung jedoch erst klar werden kann, wenn wir die Schlüssel- stadt Chiavenna besprochen haben.

Hier lenken von Norden die Splügenstrafse und von Osten das Bündel der Bergellerpässe zusammen, d. h. der Septimer und über den Maloja auch der Julier. Keiner der Pässe führt noch zum Gotthard

\Q Erstes Kapitel.

oder Vorderrhein hinüber, sie dienen zur Verbindung mit dem Gebiete des Hinterrheins, der Malojapafs erschliefst aber auch das Längsthal des Inns, des Engadin, und führt also mitten in den Zug der Ostalpen hinein. In den Zeiten des früheren Mittelalters war dieses heute stark besuchte Thal aber aufserhalb des Verkehrs; man darf nicht vergessen, dafs der mittelalterliche Kaufmann möglichst schnell das Alpengebiet durchqueren und möglichst bald aus den Regionen fortkommen wollte, die heute allerdings nur in wenigen Sommermonaten die Freude Tausender geworden sind.

Chiavenna liegt noch ebenso tief im Gebirge wie Aosta, dem Wanderer steht nur die eine Strafse zum Comersee offen. Noch in historischer Zeit war das Haupt des Sees von Chiavenna nur 7 km entfernt, der Name von Samolaco summus lacus beweist das. Heute hat die Mera mit ihrem Gerolle erhebliche Strecken zugefullt, und von der Seite aus ist das Delta der aus dem Veltlin fliefsenden Adda so angewachsen, dafs es vom Comersee den Lago di Mezzola abschnürte. So ist heute Samolaco 16 km von dem Haupte des Comersees entfernt, und als Ort der EinschiflFiing dient jetzt Colico. Hier mündete auch das reiche Veltlin ein, und das Wormserjoch war ein viel begangener Pafs. Trotz seiner Höhe (2512 m), trotzdem es noch die Überschreitung der Reschen - Scheideck (1494 m), die Überwindung des Finstermünzpasses und endlich noch des Fern- passes (1210 m) erforderte, hat es manchen Kaufmann angezogen.

Der Gletscher, der einst das Felsenbecken des Comersees füllte, war in seinem unteren Teile in zwei Zipfel gespalten. Der westliche läuft gegen Como blind aus, das von den Gipfeln der Endmoräne umgeben ist. Como hat also nicht den Vorteil, durch eine natürliche Wassers trafse mit der Po- ebene verbunden zu sein. Aber auch dem anderen Arme fehlte in älterer Zeit dieser Vorteil : wohl entfliefst ihm bei Lecco die wasserreiche Adda, diese bildet aber bei Merate Stromschnellen. Auf 2V2 km verteilt sich ungleich das Gefälle von 27 m, sie machten jede Schiffahrt unmöglich und forderten die Anlage eines Seitenkanales.

Die Reihe der inneren Konzentrationspunkte: Aosta, Vergogna, Bellinzona und Chiavenna hat noch eine Ausdehnung von 178 km, immer- hin schon 33 km weniger als die Front vom Haupt des Genfersees bis nach der Mündung der Landquart; die Austrittspunkte der Pässe in die Ebene Ivrea, Arona, Como und Lecco nehmen eine Front von nur 126 km, wenn wir von Lecco absehen, gar nur von 97 km ein. Diese Ziffern zeigen, in wie hohem Mafse die Pässe nach dem Mittelpunkte der Poebene konvergieren.

Geogr. Vorbedingangen vor Entdeckung des Gotthardweges. 17

Zweites Kapitel. Fortsetzung.

ZMe des Verkehrs im Süden. Genua oder Piacema. Lage von Genua. Pässe. Schwierigkeiten im Apennin. Piacema, die letzte Brückenstadt am Po, Unterhalb Meer und Land nicid definitiv geschieden. MittelaUerlidie Brückenschlage unterhalb. Lage von Boncaglia. Mailandy die Stadt der Mitte. Gunst der Lage. Die fehlende VerbindtMg mit den schiffbaren Gewässern schuf es selbst.

Divergent des Verkehrs im Norden. Gründe. Die Fortseteungcfi: KunkdspafSy das Bheinihal, Bheineck. Lücke des Walensees, Zürich. Die Pforte an der Rfiöne. Ziele des Verkehrs. Hindernis ; Jura. Pässe von Poniarliery von Äugst : Oberer und unterer Hauenstein, Bötzberg. Verkehr in der Längsrichtung der Hochebene. Hydrographische Pforte der Schweiz. Bodensee. Konstanz. Basel. Strafslmrg.

Der Verkehr, der von Deutschland nach Italien über diese Pässe ging, hatte noch weitere Ziele, als die Poebene zu erreichen. Erst wenn man über diese sich klar geworden ist und auch den anderen Gebirgsrand der Poebene gewürdigt hat, kann man sich von den Voraus- setzungen des Handels und des Verkehrs auf der weiten Fläche selbst eine richtige Vorstellung machen.

Das Ziel des Wanderers, der von Norden kommt, treibt ihn ent- weder zur Küste des ligurischen oder adriatischen Meeres, nach Genua oder Venedig oder er sucht auf dem Landwege die südlicheren Land- schaften der Halbinsel zu erreichen.

Die Gestaltung des Apennins hat die eigentümliche Folge, dafs von der Lombardei aus kein Pafs über seinen Rücken an die ligurische Küste führt, der in den Zeiten des früheren Mittelalters und auch des späteren einem regeren Verkehre gedient hätte. Es ist ganz dieselbe Erscheinung, wie sie bis zur Entdeckung des St. Gotthardes auf der Alpenfront zu Tage trat. So konzentriert sich der nordsüdliche Verkehr auf zwei Stellen. Im Westen auf das Gebiet, wo der ligurische Meer- busen am tiefsten in das kontinentale Italien eingreift, und zugleich am meisten diesem Meere die Poebene sich nähert; hier, bei Genua, sind die meisten und besten Übergänge über den Apennin; im Osten vereint sich der Verkehr auf den letzten sicheren Poübergang, auf die Stadt, mit der der Strafsenzug längs des Apennin, die Via Emilia, anhebt, von ihr gehen dann alle weiteren südlicheren Apenninpässe aus.

Die Lage von Genua vereinigt seltene Vorzüge. Hier am innersten Punkte des ligurischen Meerbusens bot sich ein kleiner natürlicher Hafen; wie das Meer möglichst tief vordrängt, so schiebt sich von der Poebene aus zwischen das Bergland von Montferrat und in das Gefüge des Apennin die Bucht von Alessandria ein, zugleich senkt sich der Kamm des Gebirges so sehr herab, dafs eine gröfsere Anzahl von Pässen die Verbindung zwischen der Küste und der Poebene vermittelt.

Schalte, Oesoh. d. mittelalterl. Handels. I. 2

lg Zweites Kapitel.

Ah genuesische Pässe sind zu beanspruchen der Passo del Turchino (Pafshöhe 532 m), der Passo la Bocchetta (722 m), der Passo i Giovi (472 m) und der über den Col de la ScofFera (678 m) ^ Der erste ver- läfst die Küste bei Voltri mehrere Stunden westlich von Genua und führt nach Ovada und weiter nach Alessandria und Acqui. Diese StraTse vermittelte wohl vor allem den Verkehr, der nach Piemont weiter ging, es war also auch die Route derer, die von Ivrea aus direkt über Chivasso durch das Bergland von Montferrat nach Acqui und Genua wanderten.

Die wichtigste Strafse des Mittelalters für den Verkehr nach der Lombardei war die Bocchetta, welche bei Ponte Decimo das Thal ver- läfst und jenseits der Pafshöhe das Lemmethal erreicht. Die Strafse war gesperrt durch das Städtchen Gavi, von dort geht der Weg weiter auf Alessandria oder nach Tortona. Alessandria ist fast die einzige Stadt Italiens, welche das Mittelalter ohne jede Anlehnung an einen antiken Ort und zwar als eine Festung gegründet hat. Sie sperrt die Übergänge nach Ligurien, wie den östlichen Zugang zu dem Passe von Stradella, der in der italienischen Kriegsgeschichte eine hervorragende Rolle spielt und von dem bald näher zu reden ist.

Die andere von Pontedecimo ausgehende Strafse berührt nicht Alessandria, die römische Via Postumia, welche dem heutigen Zuge zu Grunde liegt, führt vielmehr vom Thal der Polcevera hinüber ins Thal der Scrivia nach dem heute verlassenen Libarna, dann durch den Eng- pafs von Seravalle nach Tortona (Dertona). Die Römerstrafse überschritt nicht den Po, sondern begleitete sein rechtes Ufer, durchzog die Stelle, wo der von der lombardischen Ebene durch ihre Neigung abgelenkte Strom hart an den Fufs des Apennin tritt, eben den Pafs von Stradella und erreichte in Piacenza die AniUnge der zum adriatischen Meere gewandten Seite Italiens.

Eine ganz andere Seite des Gebirges durchbricht die letzte der vier Strafsen, die über den Col de la Scoffera. Sie steigt östlich von Genua über die Wasserscheide zu den Quellen der Scrivia, wendet sich aber wieder zum Kamme (855 m), um sich dann in das Thal der Trebbia zu senken. Die Richtung dieses Flusses führt nach Piacenza hinüber, aber der Weg ist weit und höchst unbequem. Diese nördlichste Ausbiegung des Apennin besteht aus Thonarten, welche der Erosion sehr ausgesetzt sind, das Thal des Wildbaches birgt nur an einzelnen Stellen den Weg, das Gestein ist für Wegebau viel zu nachgiebig, so sucht der Weg oft die Höhe auf, und da die Trebbia sich durch eine Reihe von quer, streichenden Zügen hindurcharbeitet, mufs der Saumpfad öfters steigen

^ Von den Pässen von Savona sehe ich hier ab. Über ihre Geschichte vgl. Bulietino deiia societä storica Savonese I (1898) S. 11 ff.

Geogr. Vorbedingangen vor Entdeckung des Gotthardweges. 19

und fallen^. Einen lebhaften Verkehr konnte er nicht in die armen, menschenleeren und unfruchtbaren Apenninlandschaften bringen.

In die nach Norden sich hinziehenden Abhänge dieses Gebirges sind mehrere Torrenten eingeschnitten, welche meist wasserleer sind, nach einem starken Regen aber zu wütenden Wassern anschwellen. Nur an der Staffora führt von Voghera aus ein Saumpfad zur Höhe hinauf, welche bei Bobbio von Norden her senkrecht in den eben besprochenen Saumpfad von Genua und Torriglia nach Piacenza einmündet.

Piacenza ist einer der wichtigsten Brennpunkte Italiens. Die Lage der Via Emilia, welche bei Rimini die Meeresküste verläfst, ist nicht allein durch den Apennin bestimmt, an dessen Fufse sie bis Piacenza entlang zieht, eine Reihe von wichtigen Randstädten verbindend. Es war auch das Bedürfnis der Römer, diese vielleicht wichtigste aller Römerstrafsen, welche sich der Achse der Halbinsel möglichst anschmiegt, nicht aus dem Bereiche geschützter trockener Striche zu bringen. Weiter nach Nord- osten begann das Land amphibischer Art, wo Wasser und Erde mit- einander ringen oder doch rangen, das Gebiet der Verlandungen und Überschwemmungen, das Terrain, das noch unfertig war. Bei Piacenza erreicht die Emilia den Po. Weiter unterhalb könnte die Strafse höchstens noch bei Cremona einmünden, dann aber beginnen die fort- laufenden Deiche, deren Zug den Flufs, seine Arme und die Kanäle nun bis zum Meere geleitet^.

Piacenza am rechten, Cremona am linken Ufer sind die letzten echten auf altgefestigtem Boden entstandenen Städte, dann beginnt das weite Delta und Lagunengebiet mit seinen eingelandeten oder noch kämpfenden Haff- städten, mit jenen Meeresherrscherinnen kurzer Dauer wie Adria, Ravenna und auch Venedig, ein Gebiet, in dem das Netz von Wasseradern, Flufs- armen, künstlichen Kanälen nicht allein aus einem Strom seine Wasser- massen erhält, sondern auch von der Etsch und Brenta gespeist wird. Das Schiff ist in diesem Gebiete das Bewegungsmittel. In diesem weiten Bereiche ist der Schiffer der Herr. Ein solches Land setzt jedem Truppen- durchzuge die gröfsten Hindernisse entgegen, und so mufste die römische Militärstrafse es umgehen. Die letzte Brückenstadt ist Piacenza und Cremona, obwohl hier sehr spät, erst in unserem Jahrhundert, eine Brücke gebaut wurde, unterhalb hat erst die neueste Zeit Brücken errichtet, vor- her waren nur Fähren vorhanden. Eine stehende Brücke hat auch bei

^ Für den Anteil von Parma verglich ich die Karte des österr. Generalstabs von 1828.

^ So viel ich auf der Carta topografica dei ducati di Parma, Piacenza e Guastalla 1828 Blatt II ersehen kann, beginnen die Deiche des rechten Ufers sogar schon unterhalb Roncaglia, oberhalb sind oder waren sie nur streckenweise vor- handen.

2*

20 Zweites Kapitel.

Piacenza erst der Bau der Eisenbahn veranlafst, für den übrigen Verkehr dient eine Schiffsbrücke.

Im Hochmittelalter trug der Strom nur selten von Piacenza ab eine Brücke. So berannte Friedrich II. die neue Brücke, welche die Piacentiner oberhalb ihrer Stadt an der Mündung des Lambro erbaut hatten, und liefs durch die Paresen den Versuch machen, unterhalb eine Brücke über den Flufs zu schlagen*. Noch kühner war wohl der Bau der Kriegs- brücke bei Bugno, die Enzio im Winter 1247/8 mit den Bewohnern von Cremona und Ferrara errichtete, um der Stadt Parma die Verbindung nach Norden abzuschneiden. Sie stand zwischen den heutigen Mündungen der Parma und Enza^.

Der Po ist kein Freund der Städte, diese scheuen den gewaltthätigen Strom. So ist Piacenza eine Ausnahme, es ist seine Brückenstadt xor^ i^ox^y. Sie deckt zugleich nach Osten hin den Pafs von Stradella.

Bei Piacenza lag ein Ort, berühmt in der deutschen und italienischen Geschichte. Es ist Roncaglia. Auf die Ehre, die Stätte wichtiger Ver- handlungen und das regelmäfsige Rendezvous der deutschen Mannschaften, die zu einem Zuge über die Alpen entboten waren, gewesen zu sein, macht zunächst der fünf Kilometer unterhalb Piacenza am rechten Poufer gelegene Ort Roncaglia Anspruch. Der Platz wäre nicht ungünstig ge- wählt. Den regelmäfsigen Ort der Versammlung soweit nach Süden ver- legen, hiefs den Einzelnen bez. den Gruppen die Wahl des Alpenpasses überlassen, ja ihnen den Ort, wo sie den Po überschreiten wollten, frei- stellen. Roncaglia lag denen, welche über die Tiroler Pässe kamen, be- quem, weiter unterhalb als Cremona war der Übergang für fremde Krieger schwierig ; fUr die, welche Schweizer Pässe benutzten, war Roncaglia nur dann ein Umweg, wenn der Zug nach Ligurien oder nach Piemont gehen sollte. Das waren aber gewifs seltene Fälle. Es versammelten sich die deutschen Streiter an der Stelle, wo die centrale Strafse der Halbinsel beginnt, also unter der Annahme, dafs in dem kontinentalen Italien, im Pogebiet, kein Widerstand zu besorgen sei.

Roncaglia liegt etwa fünf Kilometer von Piacenza an der Strafse nach Cremona. Das Feld zur linken ist zum Teil den Überschwemmungen bez. dem Druckwasser des Po ausgesetzt, es tritt hier ein alter Poarm bis nahe an die Strafse heran, der jedoch vor Roncaglia wieder zurückbiegt. Das sehr fruchtbare Ackerfeld rechts der Strafse hingegen ist völlig inundationsfrei, und dort dürften die Beiwachten bezogen sein. Mir fiel auf, dafs diese Gegend weit weniger Bäume inmitten der Ackerfelder hat, wie das in der Lombardei der Fall ist. Wer diese mit ihren vielen

» Böhmer-Ficker 2529». « Böhmer-Ficker 3663».

Geogr. VorbediDgangen vor Entdeckung* des Gotthardweges. 21

Wasserläufen y ihren Baum- und Strauchreihen kennt , weifs, wie wenig die Reiterei heute in dem nicht htlgeligen Gebiete wirken kann. Es hat la ohne Zweifel die Zahl der Bewässerungsgräben und auch wohl der Bäume sehr erheblich zugenommen, aber schon im Mittelalter mufs zwischen dem durchschnittenen Gelände der Lombardei und dem relativ offeneren um Piacenza ein Unterschied bestanden haben. Weingärten wechseln bei Roncaglia mit Ackerfeldern und Wiesen. Ein Lager bei Roncaglia hatte also leidlich freien Ausblick, es war im Rücken durch den Po geschützt, nach Cremona zu einigermafsen auch durch das Bett der Nure, eines bösen Wildwassers vom Apennin, über dessen bei Ron- caglia tief eingefurchtes Bett, das nicht wie die nächsten Torrenti Riglio imd Chiavenna, Dämme zum Schutze der Gemarkung benötigt, eine dem ersten Blicke nach zu urteilen, ziemlich alte Brücke führt.

Neuere Forschung hat gegen diese in Deutschland ganz allgemein geltende Bestimmung schwere Gründe vorgebracht, die der Beachtung sehr würdig sind^ Es wird in den Berichten über die Reichstage niemals erwähnt, dafs die von Deutschland kommenden Herrscher oder Mannschaften vorher den Po überschritten, vielmehr sind alle Angaben der Quellen mit einem auf dem linken Poufer liegenden Roncaglia ver- einbar, ja in einer Quelle ist ausdrücklich der Poübergang nach dem Reichstage erwähnt^. Das bisher angenommene Roncaglia lag im Bis- tume Piacenza, also Erzbistum Ravenna, und gehörte nicht mehr zur Lombardei im engeren Sinne. Eine Curtis Roncallia gab es aber auch auf dem linken Ufer des Po und an recht beachtenswerter Stelle, unmittel- bar vor dem Poübergang nach Piacenza, an der Stelle, wo der grofse Alpen- weg über den Grofsen St. Bernhard von dem höher liegenden inundations- freien Ufer in das dem Hochwasser ausgesetzte Gebiet einbog. Der kleine Ort Castelnuovo dicht südlich von Somaglia trug einst den Namen di Roncaglia, und in seiner Umgebung sucht Agnelli die Stätte der berühmten Reichstage. Kirchlich gehörte das Gebiet damals zu Lodi, politisch schon früh wohl zu Piacenza. Die Ansicht hat sehr viel fUr sich ^, und dann wäre also der Sammelpunkt vor den grofsen Flufsüber- gang gelegt, an eine Stelle, wo auch noch nach Pavia abgebogen und ein Marsch nach Ligurien angetreten werden konnte. Doch wie dem

1 Agnelli, Roncaglia, in Archivio storico lombardo anno 18. 505 561 mit einer Kartenskizze.

2 Eckehard, M. G. SS. 6, 244.

* Besonders frappierend ist die Thatsache, dafs Cotrebbia, wo während des grofsen Reichstages von 1158 eine Besprechung stattfand, gerade unmittelbar gegen- über von Castelnuovo di Roncaglia liegt. Bedenken erregt aber wieder, dafs der Kaiser seine Zelte aufgeschlagen hatte, »in comitatu Placentie, in loco qui Medianuft iniquitatis dicitur*. M. G, SS. 18| 412. Dieser Ort ist leider nicht erklärt.

22 Zweites Kapitel.

auch sei; die Bedeutung von Piacenza leuchtet in beiden Fällen hervor.

Ich glaube, es ist auch nicht zu übersehen, dafs der andere Ort, an dem groCse italienische Reichsversammlungen gehalten wurden, nörd- lich des Po lag. Auf der königlichen Pfalz in Corte Olona hielten sich wiederholt karolingische Herrscher auf, es fanden in dieser Zeit dort auch mehrere Reichsversammlungen statt. Mit dem Übergange des Hofes an das Kloster S. Salvatore in Pavia, um die Mitte des zehnten Jahrhunderts, hörten diese Besuche auf, und auch die Versammlungen fielen fort und wurden mehr Po abwärts verlegt ^ Den Ort Koncaglia weiter von Piacenza zu verlegen, wie es neuerdings Majochi versucht hat, der ihn im Gebiete von Pavia sucht ^, verbietet die ausdrückliche Angabe mehrerer Quellen, dafs er juxta Placentiam liege.

Verbindet man von den vier wichtigsten Eingangspforten, die aus dem Gebirge in die mittlere Poebene führen, die sich diagonal gegenüber- liegenden: Arona mit Piacenza, Como mit Tortona, so liegt der Schnitt- punkt dicht westlich von Mailand.

Die Natur hat diese Stadt zur Stadt der Mitte, zur Herrscherin des gewaltigen ehemaligen Meerbusens der Adria gemacht, den die Alpen und Apenninflüsse mit der Zeit ausgefüllt haben. Die Vorherrschaft beschränkt sich nicht auf dieses Gebiet zwischen den wichtigsten Aus- gängen des Süd-Nordverkehres; auch in anderem Sinne ist die Poebene ein Durchgangsland: der Verkehr, der aus den ostdeutsch - slavischen Ländern nach Venetien eintritt und den Pässen in den Westalpen zustrebt, nimmt seinen Zug durch die Ebene, und auch er führt über Mailand. Die Lage dieser west-östlichen Strafse ist durch die Schichtung der Po- ebene bedingt^. Ihre Abdachung geht nach Südosten hin, auf dieser schiefen Ebene folgt von Norden nach Süden, dem Gebiete der Moränen, welche amphitheatralisch den Endpunkt der alten Gletscher umgeben, eine zweite Zone groben diluvialen Schuttes. Der steinige und trockene Boden ist schwer zu bearbeiten, so dafs gelegentlich noch Haiden auf- treten, trotzdem die höchste Kunst auf die Befruchtung des Bodens ver- wendet wird. Ein äufserst fruchtbarer Gürtel fein geschlämmter Diluvial-

^ Darmstädter, Das Hcichsgut in d. Lombardei 190, der leider Dicht die dort gehaltenen Versammlungen zusammenstellt.

* In der mir unzugänglichen Scuola cattolica (Nov. 1896). Jahresber. f. Gesch. Wiss. 1896 III, 279.

" Taramelli, Cart« geologica delia Lombardia und danach Th. Fischer in der Länderkunde von Europa II, 2 S. 358. Vgl. auch Adolf Schwarz, Mailands Lage und Bedeutung als Handelsstadt. Progr. der höheren Bürgerschule der Stadt Köln 1890 u. 1891.

Geogr. Vorbedingungen vor Entdeckung des Gotthardweges. 23

ablagerungen schlieCst sich an, der in wasserführenden Schichten zwischen dem Thone eine Unzahl von Quellen (Fontanili) führt, die zur Bewässe- rung schon im grauen Altertum verwendet wurden. Die weitere Zone des alluvialen Gerölles bildet die letzte höchst fruchtbare Übergangsstufe zu dem Flufs selbst, der mit seinen QeröUablagerungen, den Hochwasser- gefahren, seinen Uferstauungen die Menschen verscheucht. In dem Gebiete der Fontanili liegt Mailand, der grobe Schotter tritt nur bis Magen ta-Monza-Treviglio heran, und so liegt diese westöstliche Strafse am Tessin in dem Gebiet des groben Schotters, diese widerstandsfesteren Schichten zwängen den Flufs noch ein und geben die Gelegenheit zu einem sicheren Übergange. Von dem Übergange bei Boffalora an ver- breitert sich die Zone der toten Arme und des Inundationsgebietes des Tessin. Mehr noch ist die Adda (bei dem Übergange von Cassano) zusammengehalten, wiewohl der Übergang schon in den Bereich der Fontanili, wenn auch in die äufserste Spitze desselben fällt. Weiter nördlich würde Mailand in eine unfruchtbare Region fallen, weiter süd- lich unter den Unbequemlichkeiten leiden, welche die Übergänge über die zerrissenen Flufsläufe der Niederlandsflüsse an ihren Mündungen darbieten. Die Nebenflüsse sind gleich dem Po dem Menschen feindlich, er meidet sie, und so liegt auch Mailand fast im gleichen Abstände vom Tessin wie von der Adda. Die beiden gewaltigsten der Alpennebenflüsse bilden Abschnitte, die in der Kriegsgeschichte oft hohe Bedeutung gehabt haben: die Seen, denen sie entströmen, sind ihre Regulatoren, und sie führen beide fast stets so viel Wasser, dafs sie nicht durchf artet werden können. Der Tessinabschnitt bildet auf dem linken Poufer die Fort- setzung des Passes von Stradella, wie die Adda in ein ähnliches Verhält- nis zu Piacenza tritt.

Scheinbar ist Mailand durch die Natur von der Schiffahrt ausge- schlossen, ihre Bewohner haben aber schon früh verstanden, das Wasser der Flüsse wie zur Bewässerung der Felder, so auch zur Schiffahrt zu verwenden. In den Tagen der staufischen Kaiser wurde der Lanibro, der zum Po führt, zur Schiffahrt benutzt^ Es können dort jedoch nur kleine Schiffe verkehrt haben. Schon 1179 war aber vom Tessin Wasser ab- geleitet, das zur Bewässerung dienen sollte, der Kanal ging zunächst nur von Tomavento bis Abbiategrasso dem Tessin fast parallel, 1223 (oder 1253) wurde er als Schiffahrtskanal nach Osten hin auf Mailand zu bis Trezzano geftlhrt, 1271 erreichte der Naviglio grande die Stadt, welche nun eine Verbindung mit dem Lago Maggiore (ohne Schleusen)

' Vgl. Urk. Friedrichs IL Böhmer-Ficker 410. In den Tagen Galvano Fiammas war der Verkehr mit Venedig eingegangen. Mise, di stör. ital. 7, 448 u. 726.

24 Zweites Kapitel.

besafs ^ In den Statuta jurisdictionum Mediolani werden die Oberen ver- pflichtet, das Projekt, den Luganersee durch die Tresa mit dem Langen- see und diesen mit Mailand in Verbindung zu setzen, nicht aus dem Auge zu lassen; man versicherte, das sei mit geringen Kosten ausführ- bar. Auch sollten sie für die Herstellung der Schiffahrt nach Venedig sorgen^. In Mailand wurde der Mangel eine« Meereshafens sehr lebhaft empfunden, und sein Lobredner Bonvesin, der nur zwei Fehler Mailands kennt, bezeichnet als den einen, dafs bis zu ihm die Meeresschiffahrt nicht reiche; er hofft aber doch, dafs die Herren des Landes dem noch abhelfen®. Der Naviglio di Bereguardo wurde 1457 70 angelegt, um den Tessin auch von Abbiategrasso bis Bereguardo zu vermeiden. Die östliche Fortsetzung des Naviglio grande, der Naviglio della Martesana, der dann dem Addalaufe nach Norden sich entgegenwendet, wurde 1457 1500 gebaut. Wann der Naviglio di Pavia erstand, ist nicht sicher, schon 1359 genannt, war er unter Francesco Sforza schiffbar, verlor dann aber seine Bedeutung, bis Napoleon I. den Bau eines Kanals zwischen Mailand und Pavia befahl*. Wenn so Mailand ein ausgedehntes Kanalsystem besafs, das die Stadt mit Brennholz, Lebensmitteln, Bau- materialien, überhaupt den aus der Nähe stammenden Massenartikeln, versorgte*^, so darf die Bedeutung der Kanäle für den internationalen Handel nicht überschätzt werden. Teure Waren, die der Händler selbst begleitete, kamen unzweifelhaft auf dem Landwege von den Alpen her schneller fort. Doch wir sind fast schon in die Verkehrsgeschichte selbst eingetreten.

So war Mailand der von der Natur begünstigte Mittelpunkt nicht allein der Lombardei im engeren Sinne, sondern sogar des gesamten Po- tieflandes in seiner weiten Ausdehnung von Cuneo-Turin bis zum Gestade der Adria, schon in einer Zeit, da der Gotthardpafs, der centralste Pafs der Alpenwelt, noch nicht erschlossen war, noch nicht die Kunst des Wasserbaues Mailand mit Tessin, Adda und Po verbunden und es noch nicht an den Vorteilen der Wasserstrafsen teilnahm. Das alte Mediolanum war in den letzten Jahrhunderten des römischen Imperiums der Mittel- punkt des Staates geworden und hatte Rom fast in die zweite Linie zu- rückgedrängt, und diese Vorortsstellung konnte ihm die grofse Brücken-

' Vgl. Ghinzoni im Arch. stör, lombardo 20, 200 ff. Giulini, Memorie 8, 144. 488. Novati in Bullet, del' Istituto storico italiano 20, 109 Anm. Mediolanum 1, 51.

" In welcher Zeit diese Beschlüsse gefafst wurden, ist nicht leicht zu sagen. Leges municipales 2, 1070.

' De magnalibus urbis Mediolani 170 f.

^ Mediolanum 1, 55.

* Galvano Flamma (Miscell. di stör. ital. 7, 448) nennt nur »vinum, Ugna et hnjusmodif.

Geogr. Vorbedingungen vor Entdeckung des GrOtthardweges. 25

Stadt des Tessin, Pavia, nur für wenige Jahrhunderte rauben. Mailand war zu einer Grofsstadt durch seine Lage geschaffen.

Wenn die Alpenpässe somit im Süden konvergiren, ist im. Norden die Divergenz gegeben, aber sie ist doch wesentlich eingeschränkt. Sehen wir uns die Dienerschen Leitlinien der Westalpen an ^, so erkennen wir, dafs die westliche Pafspforte am Genfersee im Scheitelpunkte des gewaltigen Bogens, den die Westalpen um die obere Poebene ziehen, liegt. Hier wäre eine völlig freie Entwicklung nach allen Seiten denk- bar, wenn sich nicht im Jurazuge sofort ein Hindernis entgegenstellte. Die andere Pforte liegt gerade auf der Scheide der West- und Ostalpen. Der Rhein hat sich seinen Weg durch die nordöstlichsten Züge der West- alpen gebrochen, dafs er aber nicht weiter nach Osten zog, ergab sich durch die Leitlinien der Silvretta - Gruppe und der ihr vorliegenden Rhätikon-Gruppe. So wurde Bregenz die äufserste Warte nach Osten, erst jenseits des Bodensees konnte sich der Verkehr ausbreiten, bis dahin gab es nur Verbindungen nach Westen, welche auf die schweizerische Hochebene führen und sich dort mit den Strafsen, die aus dem Rhone- munde herauskamen, verbanden oder kreuzten.

Die grofse Pforte von Chur hat einen Nebeneinlafs in dem K u n k e 1 s - passe, den aber wohl nur dann jemand benutzte, wenn er Grund hatte, Chur zu vermeiden. Mit gutem Gewissen sind ihn wohl selten Kaufleute gefahren. Der gewaltige Calanda, der Eckpfeiler am Rheinknie von Chur, steht mit der westlichen Kette nur durch ein 1351 m hohes Joch in Ver- bindung. Zu diesem Kunkelspasse mufs man von Reichenau und Tamins (684 m) ungemein steil zwischen den Felstrüramern hinaufklettern. Von dort zieht sich nach Norden am Steilabfall des Calanda ein breites sanft- abfallendes Wiesenthal, das von Vättis (951 m) ab die Richtung des Thals der Taraina bestimmt. Es ist eine düstere, von Lauinenztigen vielfach bedrohte Felsenschlucht, in der sich der Bach tief eingegraben hat, um im „Beschlufs" , wo die berühmte Quelle von Pftlfers liegt, ganz in den Felsen zu verschwinden. Bei Ragatz tritt der Weg, der in den obersten Teilen immer ein Saumpfad blieb, in die Rheinebene. Jedenfalls hat ihn von dort aus nur jemand benutzt, der die Zollstellen unterhalb von Chur umfahren und einen der Hinterrheinpässe benutzen wollte.

Die normale Pforte war natürlich das Rheinthal selbst. Häufiger wird Chur als Anfang der rheinischen Schiffahrt bezeichnet, es können aber hier nur kleine Kähne benutzt werden ^. Auch im Rheinthal sind die Wege durch die Natur vorgezeichnet. Unterhalb Sargans hat der Rhein

' Diener, Gebirgsbau der Westalpen, s Der Rheinstrom S. 227.

26 Zweites Kapitel.

sich in einem Felsenriegel zwischen dem Schollberg und dem EUhom einen Weg bahnen müssen. Die Stelle ist jedoch nicht so eng, dafs nicht dort am linken Ufer ernste Arbeit einen Verkehr hätte ermöglichen können.

Dieser wird aber durch das rechte Ufer mehr begünstigt. Von Chur ab zieht sich nur durch das versandete Mündungsgebiet der Landquart, eines bösen Wassers, unterbrochen eine höchst fruchtbare, weinreiche Gegend bis zum Städtchen Mayenfeld. Hier ist allerdings ein kleiner Pafs zu überwinden: die bekannte Luziensteige. Die Steilhänge des Falknis sind durch ein flaches, plateauartiges Joch von dem Fläscher Berg getrennt, der zum Rhein in senkrechten Wänden abfällt. Die Steigung von Mayenfeld beträgt nur 166 m, der Abstieg nach Balzers ist etwas bedeutender.

Unterhalb des Engpasses (Schollberg-Luziensteige) verteilen sich die Vorteile auf beide Rheinufer. Der Weg auf dem rechten Rheinufer ist naturgemäfs eine Strafse am Fufse des Gebirges, zumal das Rheinthal durch die Verhältnisse des Stromes schon wohl sehr früh recht unwirtlich war, und berührt Feldkirch, Altenstadt, um bei Bregenz den Bodensee zu erreichen. Besondere Schwierigkeit bietet aber der Übergang über die Bregenzer Aache. Auf dem linken Ufer kommen von den Höhen unterhalb des Trübbaches nur kleine Bäche. Dieser Weg führt aber nach Rheineck zu der alten Mündungsstadt des Flusses, der inzwischen sein Delta schon weit vorgeschoben hat. In Bregenz und Rheineck haben wir die bayrisch-schweizerische Hochebene erreicht.

Doch wir müssen noch einmal in das Rheinthal oberhalb Sargans zurückkehren. Es hat eine Zeit gegeben, wo der Rhein gar nicht durch den Bodensee flofs, sondern die andere Richtung des alten Rheingletschers verfolgte, die sich zwischen den Ausläufern der Tödikette und den Kur- rirsten hinzog. Die NiveaudiflFerenz ist hier so gering, dafs noch heute die Gefahr vorhanden ist, dafs der Rhein bei aufserordentlichen Umständen ausbreche und seinen Weg über den Walen- und Zürchersee nehme ^ Dieser Zug war auch für den Verkehr gegeben. Er besteht von Walen- staad an aus einer grofsen Wasserverbindung; es ist freilich fraglich, ob die Verbindung zwischen dem Walensee und dem Ztirichersee immer schifibar war. Es geht nur am Südufer des Walensees auch ein Weg, der ziemlich tief in das Glarner Thal einbiegt, um die Thalsohle zu erreichen. Der Zürichersee ist natürlich hüben und drüben von Wegen eingefafst. Als Austrittspunkt aus dem Alpengebiete repräsentiert sich Zürich, es hat in diesem Sinne die Bedeutung von Bregenz-Rheineck.

Die Rhonepforte ist fast unmittelbar an den Genfersee gerückt, das

1 Der Kheinstrom S. 46 f.

G«ogr. VorbedinguDgen vor Entdeckung des Gotthardweges. 27

Gegenstück des Bodensees. Doch begleiten jenen auf beiden Ufern noch die Alpenketten. Auf dem rechten Ufer werden sie erst bei Vevey so niedrig , dafs von hier eine Strafse nach Norden geführt werden kann.

Die Nordseite besafs also, solange die Pässe ilber das Centralsjstem noch nicht nutzbar gemacht waren, drei Austrittspforten : das obere Stück des Genfersees, Zürich und Rheineck-Bregenz. Vevey und Bregenz sind in der Luftlinie 235 km von einander entfernt.

Auch hier erhebt sich die Frage, welchen Zielen der Verkehr zu- strebte, der in diesen drei Pforten die Hochebene betrat. Erst dann werden wir die Verhältnisse auf derselben zu beurteilen im Stande sein. Ich mufs da in gewisser Weise voraufgreifen und Dinge berühren, die dem Wandel unterworfen waren. Als Hauptziel des Verkehrs kommt zunächst das Gebiet der oberen Seine in Betracht, wo im Mittelalter die grofsen westeuropäischen Messen stattfanden. In derselben Richtung liegt auch die schmälste Stelle des Eanales, sowie das früh hochkultivierte Gebiet von Flandern. Das zweite Ziel war das Gebiet des Mittelrheins, der eigentliche Sitz des Deutschen Reiches und die am meisten von der Kultur gesättigte Gegend des mittelalterlichen Deutschland. Von ihm fllhrten übrigens auch Wege nach Flandern und nach der Champagne hinüber. Ein drittes Ziel war das Gebiet, bis wohin der slavische Handel sich erstreckte. Für den Alpenverkehr kam mehr als Leipzig Nürnberg in Betracht. Der Verkehr nach Augsburg, auf die bayrische Hochebene, führte dann schon in das Gebiet, dem die Ostalpenpässe be- quemer lagen. Das sind aber nur die Hauptziele, der Verkehr zerteilte sich in dem weiten, durch Gebirgszüge nur unwesentlich erschwerten Gebiete nach allen Richtungen.

Der gröfste Teil dieses Gebietes war aber von den Alpen noch durch einen andern Gebirgszug abgetrennt, der zu den unwegsamsten Mittel- europas zu zählen ist, und daher liegt vor der Reihe der Alpenpässe noch eine andere von Juraübergängen. Nur der Ausgang des Rheins auf den Bodensee stöfst nicht unmittelbar wider diesen Wall.

Der Jura ist in seinem südwestlichen Abschnitte bis fast in die Gegend des Aaredurchbruches ein Faltengebirge von sehr regelmäfsiger Gestalt. Eine steile Mauer erhebt sich an dem Rande der schweizerischen Hochebene. Die einzelnen hoch emporstehenden Falten streifen auf dem Kamme parallel nebeneinander sehr weit hin. Die Thäler des wasser- armen Gebietes ziehen sich also in der Richtung der Kette und verhindern den Verkehr. Die Entwässerung erfolgt dann in schluchtartig einge- schnittenen Querthälem, welche dem Verkehr öfters nicht Platz genug lassen, jedenfalls einen steilen Anstieg erfordern. Nach der französischen Seite hin werden die Ketten allmählich niedriger. Der Zug erreicht so in

28 Zweites Kapitel.

seinen mittleren Teilen eine erhebliche Breite. Das Klima ist rauh, die Gegend arm und auf den Höhen ziehen sich grofse Waldungen hin.

Auf dem weiten Zuge von Genf bis zum Nordende des Bielersees ist nur ein einziger Pafs leidlich zugänglich: es ist die Klause, welche sich bei Pontarlier nach Frankreich hin öffnet und weiter nach Besannen bez. Dijon und zum oberen Seinebecken führt. Zu der Klause führen zwei A\'ege, der eine von Neuenburg durch Val Travers kam für den Italien- wanderer erst nach Entdeckung des Gotthardes in Frage, der andere führt vom Genfersee, von Lausanne um das Sumpfgebiet, das am oberen Ende den Neuenburger See umgiebt, nach Orbe (445 m), wo der Flufs gleichen Namens den Jurahang, in den er sich tief eingeschnitten hat, verläfst. Oberhalb der ungangbaren Schlucht mufste der Weg sich hinziehen, um dann im Thale der Jougnenaz die feste Stellung von Jougne und unmittel- bar darauf die Wasserscheide (1100 m) zu erreichen. Durch ein ödes Längsthal nähert sich der Wanderer der Klause von Pontarlier.

Der Pafs von Biel nach Basel, den heute die Eisenbahn benutzt, konnte in früheren Zeiten keine Bedeutung gewinnen. Er enthält nicht weniger als fünf schwierige Durchbrüche durch die Ketten des Jura, gleich oberhalb Biel, den Pierre Pertuis, den Durchbruch unterhalb Court, den unterhalb Moutiers und schliefslich den von Delsberg bis Lauffen.

In der Nähe von Basel vereinigt sich dann eine gröfsere Zahl von Strafsen, denen die Natur ihre Wege wies. Der obere Hauenstein liegt so glücklich, dafs in höheren Lagen nur eine einzige Kette zu überwinden ist. Nordöstlich von Solothum öffnet sich in der Klus, auf die die Burgen Bechburg und Falkenstein hinabschauen, die vorderste Kette des Jura. Der Weg kann dann ein Längsthal benutzen, um dann den niederen Sattel in einer Höhe von 718 m zu überschreiten. Jenseits der Höhe mahnt uns der Name Spital vielleicht an eine fromme Stiftung für die Wanderer. Mit dem Fränkenbache und dem Ergolz durchsetzt der Weg die weiteren Ketten des Jura, um bei Äugst den Rhein zu erreichen.

In diesen Weg mündet auch der zweite, der vom unteren Hauenstein ein. Er steigt aus der Aareniederung von Ölten aus steil zur Pafshöhe (695 m) empor und war bis zum Bau der neuen Strafse nur ein Saum- pfad; jenseits der Pafshöhe, die fast in der vordersten Kette liegt, benutzt der Weg ein nach Nordwesten streifendes Thal, um oberhalb Sissach gleichfalls die Ergolz und mit ihr den Rhein zu gewinnen. Der Ketten- charakter tritt, je mehr sich der Jura nun dem Rheine nähert, zurück, und der nächste Pafs hat eine eigentliche Kette nicht mehr zu über- winden. Es ist der Bötzberg. Er geht von der grofsen schweizerischen Flufspforte aus (Windisch 366 m), erhebt sich an dem Steilhange des Juraabfalls und erreicht sehr bald die weite Fläche der Höhe, die nur bis 574 m ansteigt. Dem Laufe eines Baches folgend und sich langsam

Geogr. VorbedingaDgen vor Entdeckung des Gotthardweges. 29

senkend wird der Rhein bei Stein (302 m) gewonnen, und über Rhein felden führt der Weg gleichfalls nach Äugst

Pontarlier und Äugst sind demnach die natürlichen Thore zum Jura. Äugst hat an Basel die Vorortsstellung abtreten müssen und mit gutem Rechte. Äugst war der Hafenplatz fUr diese drei Pässe, war aber ihnen so nahe gerückt, dafs der Verkehr aus dem Birsgebiete unterhalb des Ortes den Rhein traf. Vollends Hefs sich in Äugst nicht der Verkehr auffangen, der von Burgund her den Westabhang des Jura umging und durch die Pforte von Beifort in die oberrheinische Tiefebene eintrat. Die betreffende Römerstrafse hat auch gar nicht den Versuch gemacht, Äugst zu erreichen. Nachdem einmal Basel entstanden war, mufste Äugst verdorren. Das Glück ist überhaupt den römischen Städten auf der schweizerischen Hochfläche nicht günstig gewesen.

Sie bildet die Mulde zwischen dem Alpenabhange und dem Jurawall und ist nach Süden hin vom Genfersee geschlossen, während der Boden- see, dessen Haupt in den Alpen ruht, dessen Fufs aber fast bis zum Jura reicht, die natürliche Fortsetzung in der schwäbisch - bayrischen Hochebene abtrennt. Dieses Hochland legt sich wie ein Glacis vor die Alpenfront, das sanft- wellige Hügelland, dessen Entwässerungsrinnen meist bis in die Alpen selbst zurückgehen, drängt die Tiefenlinie an den Fufs des Jura, hier liegt erst die Zone der Seen, dann die Aare, welche fast alle Gewässer des Gebietes in sich aufnimmt

Folgte der Verkehr diesem Wasserlaufe? Es ist der Versuch von den Römern gemacht worden, das durchzuftihren. Er mifslang. Eburo- dum (Yverdun), Minodunum (Moudon), Aventicum (Avenches) und Vin- donissa (Windisch) sind heute unbedeutende Orte wie Äugst, nur Solo- thum hat sich behauptet. Der Verkehr, welcher vom Genfer- zum Bodensee ging, hat diese Linie nicht festgehalten, sondern hat sich möglichst den Alpen genähert und nicht den äufseren, sondern den inneren Bogen bevorzugt. So begründete sich die Blüte von Freiburg i. U., Bern, Willisau, Luzem, Zürich, St. Gallen.

Vor allem täuschten sicji die Römer in der Bedeutung der Flufs- pforte von Windisch. Noch innerhalb des Juradurchbruches fliefsen der Aare die schiffbaren Nebenflüsse Reufs und Limmat zu. Vor dieser Pforte, welche die schweizerische Hochebene erschliefsen könnte, liegt eine Mauer. Sie öffnet sich ja gegen das Massiv des südlichen Schwarz- waldes, der auch den Jurazug aufgestaut hat. Gerade dieser Teil des Schwarzwaldes ist am unwegsamsten, und nach Westen oder Osten mufs der Wanderer ihn umgehen, die Fortsetzung seiner Wege liegt bei Basel oder Schaffhausen. Wäre die Mündung dieses grofsen Wassersystems nach Basel oder nach Eonstanz verlegt, so würde sie hier in das offene Land den Verkehr entlassen, und nie und nimmer würde sich dann die

30 Zweites Kapitel.

Schweiz vom Deutschen Reiche haben loslösen können. Nun aber ist selbst der Flufslauf tot; denn abwärts hindert der Laufen bei Laufen- burg wenigstens eine regelmäfsige Schiffahrt. Zu Berg ist sie bei dem starken Gefälle des Rheins so wie so nicht möglich, für die Thalfahrt fanden sich kühne Schiffer, die sich wohl getrauten, ein kleines Schiff an Seilen über den Strudel zu bringen, aber auch das nur in einzelnen Jahreszeiten, die Flöfse wurden von der Mannschaft verlassen, und wenn sie brachen, unterhalb wieder zusammengebunden^. Aufwärts ist der Rheinfall von Schaffhausen ein absolutes Hindernis. Auch der Verkehr am Rhein ist nicht besonders begünstigt, es giebt in der Flufspforte keine Brückenstadt So mufste der Wanderer über die Höhen des Jura steigen. Bequem war der Weg nach Basel über den Bötzberg, den die alte Römer- strafse benutzte. Vergessen aber wurde der Strafsenzug, auf dem die römischen Legionen über das Gebiet der Donauquellen nach dem oberen Neckar marschierten. So konnte die alte Römerstadt, der erste Bischofs- sitz des Gebietes, Vindonissa, sich nicht behaupten, und wenn auch dann von hier die Herrschaft der Grafen von Baden und der von Habsburg ausging, so hat das Gebiet keine Stadt wieder gebildet, die die Bedeutung von Basel oder Konstanz hätte erreichen können.

Der Verkehr von der schweizerischen Hochfläche nach Konstanz und dem Südufer des Bodensees ist so wenig erschwert, dafs man nicht eigentlich von Pässen mehr reden kann.

Der Bodensee, der meistbegünstigte See unseres Kontinentes, das Gebiet uralter Kultur, kann keine ausschliefsliche Herrin haben, wie der Züricher- oder Vierwaldstädtersee; die einzelnen Städte sind Endpunkte von Linien und zu gleicher Zeit Hafenstädte. Für den Alpenverkehr kommen besonders drei in Betracht: Lindau als der Ausgangspunkt für den Verkehr nach Bayern, Franken und dem nächstgelegenen Gebiete von Schwaben, Friedrichshafen (Buchhorn) als die direkteste Verbindung nach Ulm und den Wegen, die zum mittleren und unteren Neckar führen, und endlich Konstanz, eine Stadt, die für die Geschichte des Alpen- verkehrs eine gröfsere Bedeutung hatte, als man bisher annahm. Sie vereint die Vorzüge einer Brücken- und Hafenstadt, sie liegt inmitten einer schiffbaren Fläche, die von Schaffhausen bis Bregenz reicht, und sie ist (mit Stein und Schaffhausen) die einzige Brückenstadt auf dem Rheine in dem Gebiete zwischen Jura und den Alpen. Heute, wo politische Grenzen Konstanz von seinem natürlichen Hinterlande, dem Thurgau, abschneiden, ist die Bedeutung der Stadt nicht so deutlich zu erkennen, wie im Mittelalter.

Für den Reisenden, der von Chur nach Schwaben oder Franken

1 Der Rheinstrom S. 227.

Geogr. VorbedinguDgen vor Entdeckung des Gotthardweges. 31

wollte, wäre Konstanz ein Umweg gewesen. Es war aber der Zug zum Rheinthale, nach Strasburg hin, mehr oder weniger an Eonstanz ge- bunden. Und das war ihr ein wesentlicher Vorteil. Vom Rheine her greift ein einziges Thal tief und energisch in den Schwarzwald ein, dessen waldbedeckter Kücken, so lange nicht Klöster und Bauern in ihm rodeten, schwer passierbar war. Dem Zug der Kinzig entgegen führt ein völlig sicherer Weg bis nach Schiltach. Der natürliche Weg zog von dort auf Schramberg, um von hier aus in bequemem Anstieg die Wasser- scheide zwischen Rhein und Donau zu überwinden und in Villingen das obere Donaubecken zu erreichen. Die heutige Eisenbahn wählte aus ganz anderen Gründen die schwierige Passage von Triberg man kann sagen, dafs sie eben hierher verlegt wurde, weil die alte Richtung zu wenig romantisch gewesen wäre. Immerhin war auch das ein Engpafs. Aus dem oberen Donaugebiete erhebt sich der Zug noch einmal und erreichte, ohne grofse Schwierigkeiten die Juraformationen an ihrer schmälsten Stelle überschreitend, bei Engen die fruchtbare Landschaft des Hegau, dessen Verkehr auf Konstanz mündet. So war diese Stadt direkt mit Strafsburg, der Herrin der oberrheinischen Tiefebene, ver- bunden. Eine solche diagonale Verbindung über den Schwarzwald besafs Basel nicht, so viel die Natur für diesen Ort auch sonst gethan hat

Basel hat eine Stelle eingenommen, wie sie so markant selten an einem Flufslauf wiederkehrt. Aus dem Alpenflusse wird hier der Strom der Tiefebene, der Flufs tritt ein in eine lange breite, von der. Natur gesegnete Spalte, und wenige Meilen davon öffnet sich eine breite Pforte, welche nach Burgund und zum Mittelmeere führt. Der Versuch, über den Schwarzwald den Alpenverkehr weiter zu leiten, ist nicht gemacht worden, dafs es aber wie sich zeigen wird bei den Vogesen und zwar in ihren höchsten Teilen geschah, beweist wie kräftig das Ziel war, welches nach dem Gestade des Kanals, nach Flandern lockte. Schon der Name zeigt, dafs Strafsburg eine Stadt der Verkehrslinien war. Hier, durch die schiffbare 111 verstärkt, wie durch die Kinzig, begann der Rhein sanfter zu fliefsen. Nach Westen und Osten öffneten sich die Senkungen von Zabern und die des Kraichgaues ; wo der frucht- barste Boden des Elsasses, der Löfs, am nächsten an den Rhein tritt, ward seine Brückenstadt erbaut. Auch hier werden wir den Alpen- verkehr einen Weg einschlagen sehen, der heute völlig verlassen ist; er streicht zum selben Ziel wie der von Basel ausgehende, und wir dürfen darin wieder die magnetische Kraft dieses Zieles erkennen. Unterhalb Strafsburg sind die Spuren des Alpenverkehrs aufserhalb der Rheinstrafse 80 sparsam, andere Momente treten hier so mächtig hervor, dafs unsere geo- graphische Betrachtung hier ihren Abschlufs finden kann. Wir sind mitten in der Zone der Vermittlung des nord- und des südeuropäischen Handels.

32 Drittes Kapitel.

Drittes Kapitel.

Ändernnfi; der geographischen Bedingungen dnrch die Einrichtung

des Ootthardweges.

Centrale Lage des Gotthardquerschnittes. Der Anstieg im Norden, Die Haupt- schtcierigkeit im Urtier Loch, ürseren, Pafshohe. Der Abstieg im Livinenthal, Verstärke Bedeutung rot» Mailand, Neue Wege nach Zürich, Basel und Windisch.

BrscMiefsung des Grimselpasses, Fortsetzungen über die südliche Kette: Nufenen-, Gries- und Albrunpafs. Seit Eintreten des Gotthards scharfe Konkurrenz der Pdsae.

Tabelle: Zusammenstellung der Pafshöhen,

Lange Jahrhunderte hindurch regelte sich der Verkehr über die Alpen, soweit wir ihn zu behandeln haben, nach diesen Naturbedingungen. Und doch war dabei übersehen, dafs es einen natürlichen Querschnitt über dieselben giebt, wo sich von Nord und Süd am weitesten direkte Querthäler begegnen und gerade an der Stelle, wo die beiden gewaltigen Bergmassen zu einer Kette zusammengefafst scheinen, wo jedenfalls nur eine einzige Pafshohe zu überschreiten ist. Der Abschnitt teilt fast genau die Alpen in gleich lange Flügel, er verband am nächsten die Richtung der oberrheinischen Tiefebene mit dem Mittelpunkt des Pogebietes. In jedem Betrachte ist der Ootthardpafs der centralste aller Alpenpässe. Und doch konnte er nicht nutzbar gemacht werden, weil auf einer verhältnis- mäfsig kurzen Strecke ein Hindernis sich nicht bewältigen liefs.

Folgen wir dem Laufe des Einschnittes! Der Nordfufs des Vier- waldstädtersees, Luzern, liegt bereits an der Grenze des Alpengebietes, unschwer ist über das vorliegende Hügelland dieser Ort zu erreichen, und dann trägt der schönste der Alpenseen den Wanderer auf seinem Rücken durch die grandiosen Propyläen des Urner Sees an den Staad von Flüelen (437 m), an den Rand der Alluvionfläche der Reufs. Die Ab- hänge am Ufer dieses obersten Teiles des Sees sind erst heute und zwar nur auf der östlichen Seite gangbar gemacht; bis zur Anlage der Axen- strafse mufste jeder Verkehr sich dem Schiffe anvertrauen. Bis tief in das Thal der Reufs gönnt die Natur dann weiter dem Auge den Genufs der herrlichen Alpennatur, während der Wanderer noch keinerlei Ge- fahren oder Strapazen erlebt hat. Jenseits Erstfeld (475 m) tritt das Gebirge eng zusammen, der Name „Klus" ist bezeichnend, die sanfte Thal- strecke wandelt sich in ein schmales Thal um, dessen geneigte Thalstufen mit dem untersten scharfen Absturz bei Am Steg beginnen. Das sedi- mentäre Gestein verschwindet und mit dem krystallinischen hebt der Durchbruchscharakter an, sich noch deutlicher zu machen. In der That befindet man sich in der grofsartigsten Erosionsspalte der Alpenwelt. Die Reufs durchsetzt in ihr in wildem Laufe den nördlichen Zug der Central- massive, der weiter westlich und östlich den Nordrand des Rhone und

Änderung der Bedingungen durch die Eröffnung des Gotthardweges. 33

Vorderrheinthals bildet. Die Schlucht der Reufs ist also der Pafs über diese Kette und wahrlich wenn auch viel tiefer gelegen wetteifert sie mit den Schrecknissen der Hochpässe dieser Kette. Schon die Strecke bis Göschenen (1109 m) ist durch Lauinen sehr gefährdet; die alte Strafse ging unter den drei schlimmsten Lauinenzügen des Bristen- stockes durch.

Oberhalb Göschenen mufste sich der Weg Raum suchen in der Schöllenen, dem engen Risse der Reufs, wo die von Lauinenzügen durch- rissenen Wände bis 300 m hoch anstehen. In steilem Anstiege müssen 320 m erstiegen werden, drunten in der Tiefe tobt die Reufs und an drei Stellen mufste der Weg über den wilden Abgrund setzen, um über- haupt Boden zu finden. Jenseits der Teufelsbrücke scheint sich die Schlucht völlig zu schliefsen, die Reufs stürzt hier in solcher Weise in den Abgrund, dafs der Gischt hoch an den senkrechten Wänden aufspritzt. Diese Stelle zu umgehen, war nicht möglich ^, man hätte Pafslücken auf- suchen müssen, die mühsamer, zeitraubender und gefährlicher sind, als der Gotthard selbst, und diese Stelle war es, welche das natürliche Thor sperrte, bis es gelang, an Ketten und in den Fels befestigten Ankern längs der vorspringenden Spitze des Kirchberges eine etwa 60 m lange Gallerie aufzuhängen, deren Balkenköpfe in den Fels eingelassen waren. Da die Brücke im Sprühregen der Reufskatarakte liegt, wurde sie die „stiebende" genannt. Jenseits derselben öffnet sich das weite Längsthal von Urseren.

Die Gegend hat einen ganz anderen Charakter, es ist die schmale Zone des Schiefers, die den Boden des alten Seebeckens ausfüllt. Das Thal Urseren war einst ein Hochsee, dessen Westrand in der Furka, dessen Ostrand im Oberalppasse seine niedrigste Senkung hatte, das Wasser aber grub sich durch die niedrigste Lücke in der Umrandung im Norden seinen Weg.

Die Existenz eines solchen Alpen thales, das noch Baumwuchs hat und zwischen der gefährlichen Schlucht und dem eigentlichen Pafs- anstiege eingeschaltet liegt, ist ein besonderer Vorzug des Gotthard- weges.

Bei Hospenthal (1484 m) verlässt der Weg den Pafsboden, um der Lucendro Reufs entgegen scharf anzusteigen. Der Baumwuchs hat auf- gehört, der Wiesen boden verschwindet, bis schliefslich der nackte Fels, die alte glattgeriebeiie Grundlage des Gletschers zu Tage tritt. Auch dieser Teil des Weges ist Lauinen ausgesetzt, weit gefährlicher sind aber die Schneestürme auf dem „Felde". Jenseits der Pafshöhe (2114 m) findet sich noch in dem kahlen Hochthal, das zwischen der Fibbia

1 Spitteler, Der Gotthard S. 209.

Seh alte, Geioh. d. mittelalterl. Handelf. I.

»4 Drittes Kapitel.

(2742 m) iiiid d»in SaHMo di S. Gottardo (2510 m) die PaTshöhe ausfüllt, da« iicmpu iiuuiitüii oiner ödon, greisenhaften Natur.

iJür HiUlhaiiK den PaHses ist sehr steil. Wie der junge Tessin von Hiufe 'Mi Htufe htlpft, mufs der Wanderer den Hang hinuntereilen. Das Thal i«t Mühr kurx, noino Hänge aufserordentlich steil und nicht weniger alb dn-ifbig LaiiiiionisUg« bodrohen den Pfad, kaum eine Stelle der schaurigen WUblii ittt bichnr. Auch hier sind die Schneestürme gefürchtet, und sehr langti lilüibt Ai^r Schnee liegen. In einer Höhe von fast 1700 m hört das gut'tthrlif.hti Thal auf, und man steht an dem Hange des Livinenthals, den dur IM'iid in xahlrtiichen Kehren hinabklettem mufs, um in Airolo (1179 m) diti nbiirbti) ThalNtufn des Livinenthales zu gewinnen. Bis jenseits der l'iil'bhiihii btiiiul wioder das krystallinische Gestein des Urgebirges zu Tage: da» Mabbiv diw Ht. Gotthards.

ha« Thiil ddN Tessin ist durch zwei Terrassen in drei Thalstufen iiiiightoilt, diti auch durch die Vegetation deutlich verschieden sind. Im nliitriiii LivinnnihaUs dem kalten Hochalpenthale führt der Weg von Airolo an (tiiHHii r)rtrhon »Stidvedro vorbei, das an alte Zeiten gemahnt, dann k(iiiiiiil Diixio grando (949 m), und wirklich kann eine Zollstätte nicht wohl li«*NHnr angelegt worden als diese. Am Ausgang einer Brücke , die fliirrli oiiinn Turm gesperrt war, wartete der Zöllner auf den Kaufmann, dtu' iiiilliNfflig in der engen Felsenschlucht, die der Tessin sich in die Hhif'n i\m Platifer eingesägt hat, aus dem Boden von Mittellivinen empor- ^Pbtingfui war. Zu umgehen war der Punkt kaum. In Fai'do (721 m) ist tiian inmitten der zweiten Thalstufe, deren schönste landschaftlichen KtM'zn die Fülle der Wasserfalle und die herrlichen Edelkastanien und Nufsbäumc sind, auch der Maulbeerbaum taucht bereits auf. Zur dritten ThalMtufc führt unterhalb Lavorgo die Biaschinaschlucht , in Giomico (451 m) ist man inmitten des Weinbaus. Bei Biasca (296 m) kommen wir an eine uns bekannte Stelle, hier mündet, aus dem Val Blegno kommend, der Weg vom Lukmanier und Greinapasse. Nach Süden hin teilt mit diesen Linien die Gotthardstrafse die Zufahrtslinien: Lage Maggiore und Como.

Dieser neue Weg mufste auf der Südseite das Gewicht von Mailand noch erheblich verstärken; denn beide Wege führten ja direkt auf die lombardische Hauptstadt zu. Im Norden mufsten neue Wege gesucht werden. Hier mufste Luzern die Verbindung mit Konstanz und Basel herstellen.

Nach Zürich hin bot die zwischen der Reufs und dem Zürichersee sich hinziehende Albiskette ein Hindernis, das am oberen wie unteren Ende sich umgehen liefs : am oberen führte von Zug über Sihlbrugg der Weg nach Horgen an den See von Zürich; der reine Landweg ging bis Bremgarten am linken Keufsufer entlang und von dort östlich nach

•«

Änderung der Bedingungen durch die Eröffnung des Gotthardweges. 35

Zürich um die Albiskette herum. Wie diese streichen auch die anderen Ketten von den Alpen weg zum unteren und äuGseren Rande der schweize- rischen Hochebene.

Für den Weg nach Basel ergab sich als die direkteste Verbindung die Richtung durch das Hügelland um Rothenburg nach dem Sempacher- aee, dann durch die sumpfige Niederung westlich in das Thal der Wigger über Zofingen nach Aarburg. Die Aare wurde dann wenig weiter unterhalb bei Ölten überschritten, das am Fuüse des unteren Hauensteins liegt. Dieser Weg, den auch heute die Eisenbahn benutzt^ führt ohne irgend gröfsere Umwege direkt von Luzern auf Basel.

Eine Verbindung bis nach der Jurapforte von Windisch bot die Reufs selbst, auch folgte ihrem Laufe eine Landstralse. Schliefslich war durch die Landschaften Entlebuch und Emmenthal eine Verbindung nach der Westschweiz, nach Bern und Neuenburg gegeben.

Auch Bern ist im Laufe des Mittelalters der Endpunkt eines Über- ganges über den Centralstock des Alpensjstems geworden.

Der Zug des Thuner- und Brienzersees dringt in ähnlicher Weise wie der Vierwaldstädtersee in das Gebirge bis zum Fufse des Finster- aarhornmassives vor, dieses im Grimselpasse überschreitend. In den breiten Rücken dieses Massivs, der mit Gletschern bedeckt ist, schneiden die übrigen Thäler sich nicht tief genug ein, nur das Haslithal macht eine Ausnahme. Auch hier folgen sich mehrere Thalbecken, deren Stufen enge Einschnitte mit steilem Anstiege bilden. Das ganze Haslithal war einst durch einen gewaltigen Gletscher ausgefUllt, und die unangenehmste Stelle des Weges ist der Übergang über zwei Gletscherschliffe, zwei polierte Granitplatten : „die böse Seite" und „die hähle Platte". Während in der untersten Thalstufe Meiringen 599 m hoch liegt, hat das letzte auch im Winter bewohnte Dorf schon eine Höhe von 1060 m, die beiden letzten Thalerweiterungen schon 1705 und 1875 m. Hier liegt in einer öden Felsenlandschaft das Spital, auf dasselbe schauen die Gipfel und Gletscher des Aarhorngebietes hinab. In einem letzten Anstieg an einer felsigen Wand wird die Pafshöhe (2164 m) gewonnen, auf deren Höhe sich der Weg teilt Wer nach Osten zur Furka (2436 m) und damit in das Urserenthal will, mufs zunächst an der Mayen wand steil zur Rhone- quelle (1761 m) hinabsteigen. Für den Handel kam aber wohl mehr in Betracht der östliche Weg, der ins Rhönethal nach Obergestelen (1369 m) führt Der Grimselsaumpfad ist im Vergleich zu den anderen Pässen nicht gerade schwierig zu nennen, aber er hatte den Nachteil, nur über eine Kette zu ftlhren und noch den Anstieg über die südliche Kette der Centralmassive zu erfordern. So wird daraus ein sehr lange in den höchsten Regionen führender Weg, der naturgemäfs von den Kindern der Ebene nicht gern aufgesucht wurde.

3*

36 Drittes Kapitel.

Die Fortsetzung des Grimselweges nach Italien sind der Nufenen- und Oriespafs, der Albrunpafs liegt schon weiter westlich.

Die beiden zuerst genannten bilden ein Zwillingspaar^. Wer von der Grimsel kam, muljste noch über Obergestelen hinaus ein wenig das Rhönethal bis Ulrichen (1349 m) hinabsteigen. Von dort führt dann die Spalte des Eginenthales anfangs mäfsig, dann stärker steigend zu einigen Alpen empor. Bei der Alp Altstaffel (2007 m) gabelt sich der Weg, nach Osten führt der eine Pfad steil zu den schiefrigen Halden des Nufenenpasses (2440 m), dann steil in das von Lauinen schwer bedrohte Val Bedretto. Der Pafs konnte natürlich nur im Sommer benutzt werden. Das Ospizio all' aqua liegt bereits nur noch 1605 m hoch. Bei Airolo nimmt das Thal den Namen Livinenthal an. Der Nufenenpafs führt also nach Bellinzona, während der von ihm nur durch den Nufenenstock ge- trennte Griefspafs nach Domo d'Ossola geleitet.

Dafs dieser Pafs im Mittelalter ziemlich viel benutzt wurde, beweist der Umstand, dafs sich auch hier der deutsche Volksstamm über die Pafshöhe auf den italienischen Abhang vorschob. Die Landschaft Ponunat oder Val Formazza hält noch heute an der deutschen Sprache fest. Von jener Wegeteilung führt der Pfad über kahle schiefrige Halden zum wenig zerklüfteten und ungefährlichen Griesgletschcr, der in zwanzig Minuten auf seiner Zunge überschritten wird. Der von der Pafshöhe (2446 m) steil an der heifsen Wand hinab sich senkende Pfad führt über zwei bezw. drei Terrassen zu dem Abstürze des Tosafalles, zum gewaltigsten Wasser- falle der Alpen (143 ra hoch). Noch einmal tritt der Pfad vor dem letzten deutschen Dorfe Unterwald oder Foppiano in einen Engpafs, wo im Mittelalter ^die letei undenn Oeschen oh der treuf enden Fluo€ war, erst bei diesem Orte beginnt heute der Fahrweg, der durch das schöne Val Antigoria nach Crevola an der Simplonstrafse führt.

Der Ausgangspunkt zum Albrunpasse im Rhönethal ist, je nachdem der Wanderer Rhone aufwärts oder von der Grimsel kommt, entweder Grengiols (886 m) oder oberhalb Viesch (1071 m). Auf der Walliser Seite liefert das Binnenthal einen bequemen Einschnitt, der nach Osten in langsamer Steigung zu den letzten Hütten auf dem Blatt (2110 m) führt, von hier geht es scharf bergan zur Pafshöhe (2411 m). Die meisten Schwierigkeiten bietet der Abstieg, der in das Thal des Devero, das zunächst nach Südwesten gerichtet ist, hinabführt. Bei Baceno (685 m) mündet der Saumpfad in den Weg, der von dem Gries- passe herabkommt.

* Über den GriefspafB vgl. die schöne Schilderung Meyer v. Knonans: Eine verlorene schweizerische Eroberung, im Jahrbuch des Schweiz. Alpenclubs 10, 518-558.

Anderang der Bedingnogen durch die Effifilinng des Ootthardwegefl. 87 Zusammenstellung der Pafaheheu.

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Anrechnung der G egeo-

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verglichen

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Norden

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Süden

1

3322

2947

1

3088

2

Fufepuiikte: Gonfersee 375 m. Ivrea 234 m-

2 Mouto Moro . . .

2487

8

2665

8

Fp., Genfersee und Lago

2841

2466

9

2644

10

Maggiore 197 m. ^ Fp.:lPie vor.

Stilfserjoch . . .

2757

Col de FrfijuH . .

2582

WoiuiBerjoJh . . 4. Gr. St. Bernhard

2512

249!

2116

12

2257

12

Fp.: Genferaee. Ivrea.

5. Griespars ....

2446

2723

3

3064

3

Fp. : Bern 538 m, dasu Grimael 2164 m, Ulrichen 1349 m. Fp. im S. Lago Maggiore.

6. NufeDenpafs . . .

2440

2717

4

305S

4

Wie vor.

7. Albninpafa . . .

2411

2937

2

3278

1

Fp. im Norden: Bern, dasu Grimael, tiefst« Stelle dea Weges in Wallis rund 1100.

8. Gretnapars , . .

2360

2346

11

2547

U

Fp. im S. Lago Maggiore. Pp. im Norden: Bodensee 398 m,

zu Flima 1102 m. Ilanz 718 m.

2330

9. Septimerpafe . .

2311

2614

6

2799

6

Fp^ im Norden : Bodeasee, d&zu Tarpan 1551, Tiefenkastea

850m. IraS.: Comeraee213m.

2287

2617

a

2802

5

Wie vor. Dazu Silva Plan* 1790, Maioja 1817 m.

El. St. BoTiihard .

2157

Ofenpars ....

2155

11. SplÜgenpafB . . .

2117

17I9ba.

14

1904kL

15

Wie vor, Daau in älterer Zeit

2499

7

2684

7

Umgebung der Via mala bei 220? m. Sufers 1424.

12. St. OotthardpoTs .

2114

1677

15

1917

14

Fp. imN.: Vietwoldatädteraee 437m. ImS,: Lago Maggiore.

MoDt Cenia . . .

2098

13. StBenihardinpafB

2063

1665hL

16

1866 ko.

16

Pp. im N.: Bodenaee, im S.:

14. SimploDpaTs . . .

2009

24+5 1634

10 17

2646

1812

9 17

Laeo Maggiore. Daiu wie beim Splägen. Fp. im K: Genferaee, im S.:

1917

1903

13

2104

13

Lago Maggiore. Sonst wi« beim OreinapaTs.

Hont Oeoörre. .

1860

Maloja

1817

VgL Juliar.

Arlbergpars . . .

1797

E«BchenSchBideck

1494

Brenner

1362

FempafB ....

1210

"

38 Drittes Kapitel.

Der Querschnitt von Bern nach Domo d'Ossola und Bellinzona hat wegen der Länge gefährlicher Wege, der Höhe des doppelten Anstieges und der Unwirtlichkeit der Gegenden nicht eine Welthandelstrafse wie der Gotthard werden können, wir werden aber sehen, dafs er doch auch nicht allein dem nächsten Lokalverkehr gedient hat

Die Pässe des Rhone- und Rheinsjstems lagen so weit voneinander, dafs die Konkurrenz zwischen ihnen noch nicht lebhaft war, seit dem Auftreten des Gotthards aber wird die Geschichte der Alpenpässe lebendig. Da sehen wir, wie die Anwohner die Wege bessern und den Transport organisieren. Die Natur gab die Gelegenheit, aber die Anwohner muüsten ihr Bestes an Kraft und Mut daran setzen, sie mulsten den Fremdling durch eine Welt geleiten, deren Bedingungen ihm völlig unbekannt waren. Und dadurch wird uns das Gefühl des Schauderns verständlich, das alle Reisende der älteren Zeit ergriff. Ihnen waren die Gesetze der Alpenwelt völlig unbekannt, und so bangte ihr Herz und liels nicht die Schönheit der gewaltigen Natur fühlen, die uns in die Alpenwelt zieht. Wir wissen heute, wie diese majestätische Natur lebt, dem Mittelalter und noch viel späterer Zeit erschien sie wie tot und todbringend.

Zweiter Teil.

DIE ALPENPlSSE IM ALTERTUM.

Viertes Kapitel.

Die Alpenfront von Massalia wid der Donau aus umgange^i. So auch zunächst die Römer. Grofser St, Berfihard, Strafsetibau. Die U^alen Bhönepässe. Simplon zu^eifel- haft. BOndener Pässe. Julier, Spliigen, Fehler der Itinerarien, Funde, Pflasterungen. Ortsuntersuchimgen nötig. Spätrömisch Luhmanier oder Bernkar din benutzt. /oUstätten, Organisation unter dem Einflufs der Erwerhsgeschichte. Spätere Änderungen. Nach- wirkungen im Mittelalter, Das Strafsensystem als Einheit betrachtet. Verteilung der römischen Funde. Warenhandel, Was überlieferte das Altertum dem Mittelalter? Strafsen- bauy geänderte Organisation. Was ging verloren? Bedingungen des Handels verändert.

Der Wall der Alpen ist sehr viel später, als man früher anzunehmen geneigt war, vom Handelsverkehr überstiegen worden. Es ist namentlich von Duhn ganz überzeugend der Nachweis geführt worden, dafs der Handel die Alpen umging und von den beiden natürlichen Wegen aus die nordalpinischen Gegenden zu erreichen suchte: von Massalia aus Rhone aufwärts und in gleicher Weise entgegen dem Lnufe der Donau. Inschriften und Nachrichten sind fUr die ältesten Zeiten nicht vorhanden, aus der sorgfältigen Untersuchung der Funde und namentlich aus der Verbreitung der Münzen bez. der Münztypen folgt mit zwingender Kraft, dafs die Handelswege vom Mittelmeergebiete nach Norden das Alpen- gebiet thunlichst im Westen und Osten umgingen und dafs in den älteren Jahrhunderten ein Verkehr von Italien über die Alpen jedenfalls nur in ganz beschränkter Weise stattfand, so beschränkt, dafs die Rücksicht auf diesen Verkehr den beiden unternehmendsten Handelsvölkem des Mittel- meers, Phönikem bezw. Elarthagem und Griechen, nicht lohnend genug erscheinen konnte, um deshalb die Gefahren einer Ansiedlung inmitten unwirtlicher, halbwilder, z. T. sehr ärmlicher Völkerschaften auf sich zu nehmend

^ So fafst V. Duhn, Die Benutzung der Alpenpässe im Altertum, die Ergeb- nisse seiner vortrefflichen Arbeit zusammen. Daneben ist bes. zu vergleichen Nissen, Italische Landeskunde Bd. I. Berl. 1888. Vgl. auch Forrer in der

40 Viertes Kapitel.

Im Bereiche der Rhönemündung gründeten die Phokäer Massalia und das Handelsgebict von Marseille erstreckte sich bis in die westliche Schweiz, und die hier geschlagenen Münzen sind Nachprägungen der massaliotischen Silber- und Kupfermünzen, wie von Osten her bis in die Nordschweiz das Vorbild makedonischer Königsmünzen und griechischer Tetradrachmen mafsgebend war. Römisches oder italisches Geld vor- kaiserlicher Zeit findet sich daneben nur sehr selten ^ Ebenso gelangten die dem südwestdeutschen Gebiete eigentümlichen Regenbogenschüssel- chen nur selten bis nach Italien. So lange Massalia den Handel im Po- gebiete beherrschte, hatte es kein Interesse daran, die nordsüdlichen Alpenpässe zu öffnen, die es viel bequemer umging, und die massaliotische Führung dauerte von der gallischen Occupation bis tief in das zweite Jahrhundert v. Chr. ^. Die italienisch-massaliotischen Münzen kamen im Nahverkehr allerdings nach Graubünden®.

Es ist bekannt, wie scheu und zaghaft die Römer in die Poebene vordrangen. Cremona war der erste schon im zweiten Jahrhundert vor- geschobene Posten. Seit der Eroberung Galliens und seit dem Vordringen über die östlichen Alpen war es nicht mehr möglich, von den Alpen sich zurückzuhalten. Eher waren die Römer an den Rhein und die Donau gelangt, als herzhaft in dem mittleren Alpengebiete Fufs zu fassen. In der politischen Geschichte wiederholte sich der Verlauf der Handels- gcschichte. Erst durch die Umklammerung wurde es eine Notwendigkeit, auch die Pässe zu gewinnen.

Zunächst haben die Römer keine neuen Alpenpässe geöffnet, sondern die alten, welche dem Nahverkehr dienten, nutzbarer gemacht. Auch da geben uns die Funde das beste Bild.

Die Geschichte keines Passes in römischer Zeit ist so vortrefflich aufgeklärt, wie die des Grofsen St. Bernhard, die Augustinerherren des Hospizes haben seit langer Zeit alle Fundstücke für ihr Museum ge- sammelt, und neuerdings hat die italienische Regierung auf dem Plan de Jupiter den Boden bis auf den anstehenden Felsen untersuchen lassen, und so wurde das Bild der Verhältnisse des alten Alpenpasses völlig auf- geklärt*. Der Plan de Joux hält wie die Namen des benachbarten Berges Mont Joux oder Mont Devi den Namen des Jupiter Poeninus fest.

Antiqua 1886 S. 84 87, der einen Handel über die Alpen weder für die Stein-, noch die Kupferzeit annimmt, sondern erst für die Bronzezeit, wobei er S. 87 jedoch auch die Herkunft von Osten offen läfst.

' V. Duhn S. 68 f.

« V. Duhn S. 66.

» V. Duhn S. 67.

* Berichte vonFerrero, Notizie degli scavi 1890, 278. 294—306. 1892, 63-77. 440—460. 1894, 83—47 u. Castelfranco 1891, 75—81 mit mehreren Planskizzen.

Die AlpeDpässe im Altertum. 41

Es wird damit eine kleine Fläche auf dem Scheitel des Passes bezeichnet, die im Norden an den kleinen, acht Monate des Jahres gefrorenen See stöfst. In der Mitte desselben erhebt sich ein Fels, der offenbar als Altar des von den Anwohnern verehrten Gottes Poeninus gegolten hat^ In den Falten und am Fufse des Felsens fanden sich in erheblicher Zahl gallische Münzen des zweiten und namentlich des ersten Jahrhunderts vor Christus, daneben einige wenige Münzen der römischen Republik, nicht eine einzige greift in die Zeiten des Kaiserreiches hinüber^. Von den übrigen zahlreichen Funden, welche die Ausgrabungen der Jahre 1890 93 ihrem Grabe entrissen, erklärt Ferrero, sei nicht eins, abgesehen von diesen Münzen, mit Sicherheit als vorrömisch zu bezeichnen; die scheinbar ältesten könnten auch zurückgebliebenen Werkstätten ent- stammen^. In der Reihenfolge der Schichten geht als älteste dieser gallischen mit den Münzen des zweiten und ersten Jahrhunderts eine „mit recht alten Topfscherben lokalen Charakters vorauf*, über der Thon- ablagerungen sich zu bilden Zeit hatten. Die Benutzung des Passes in der Bronzezeit wird übrigens durch die Einzelfunde von Liddes und die Gräber von Sembrancher erwiesen*. Da bisher nur ganz vereinzelte griechische und punisch-sizilische Münzen gefunden sind, sonst nichts Etruskisches oder Griechisches, folgt, dafs der Pafs in diesen ältesten Zeiten nur dem Lokalverkehr diente*.

Lebhafter wurde der Verkehr wohl im ersten Jahrhundert, und im Jahre 57 v. Chr. entsandte Cäsar zum Schutze der Eaufleute, welche den Pafs benutzten, den Legaten Servius Galba an den Nordfufs des Passes nach Octodurus (Martigny)*, es war der erste Vorstofs in der Richtung längs der Nordfront der Centralalpen. Die Funde aus dieser gallischen Zeit leiten nicht allmählich zu denen aus der römischen Kaiserzeit über, sondern es beginnt damit eine neue Epoche für den Pafs.

Im Jahre 25 v. Chr. begründete Augustus nach Besiegung der räube- rischen Salasser, die in die Sklaverei verkauft wurden, die Stadt Augusta Praetoria, das heutige Aosta. Ursprünglich erhielt sie nur einen Aus- gang nach Westen und einen nach Osten '^, ein Thor zum Grofsen

1 Livius 21, 38 erwähnt das Heiligtum der Veragrer.

* Ferrero 1892 S. 64 ff.

* Ferrero 1894 S. 43. Nach Castelfranco gehen zwei Fandstücke auf das vierte oder fünfte Jahrhundert y. Ohr. zurück.

^ Heierli u. öchsli S. 106. Castelfranco a. a. 0. Über die Funde aus der Eisenzeit vgl. Heierli u. Öchsli S. 142. » V. Duhn S. 79.

* Caesar de belle gall. 3, 1.

"^ Mommsen, Römische Geschichte 5, 18 Über den Eindruck, den Aosta mit seinen Römerbauten heute macht, v. Duhn S. 75 f.

42 Viertes Kapitel.

St Bernhard hin wurde ein Bedürfnis, als Rhätien im Jahre 15 v. Chr. besetzt wurde und der Grofse St. Bernhard zu einer Verbindung mit den Lagern am Rheine dienen sollte. Zu diesem Zwecke wurde die grolüse Strafse erbaut, die in der Tabula Peutingeriana eingezeichnet ist : Mailand Vercelli Ivrea Aosta in summo Pennino Martignj Vevey— Avenches Solotliurn Äugst —Basel ^ Wann dieser Bau ausgeführt wurde, giebt keine Quelle an, da aber die Meilensteine unter dem Kaiser Claudius 47 n. Chr. aufgestellt wurden, ist zum mindesten damals die Strecke ausgebaut worden '. Sie war demnach das Gegenstück zu der Via Claudia, die vom Po über Trient nach Augsburg lief. Auf der Pafshöhe war eine Station, und hier wurde dem Jupiter Poeninus ein Tempel erbaut, der höchste Europas. In dem Plan de Joux sind die Substruktionen des Tempels wie zweier Nutzungsbauten die als Unterkunftsräume für Menschen und Tiere, festgestellt sind^ ausgegraben. Eine Statuette des Gottes wurde in dem Pafssee gefunden, in den eine spätere Zeit zahlreiche Weihgeschenke und Münzen, die einst die Wanderer nieder- gelegt hatten, geschleudert hat^. Nicht weniger als fünfzig Weihetäfel- chen sind uns erhalten, die hier oben von Wanderern dem* Gotte gelobt wurden, wenn er sie auf der schwierigen Wanderung geleite*^, und mehr als 1600 römische Münzen sind uns von denen erhalten, die im gleichen Sinne gespendet wurden; unter ihnen sind am zahlreichsten die Münzen des ersten Jahrhunderts ; mit den Söhnen des Theodosius endet die regel- mäfsige Reihe der Münzen^. Die Abnahme beweist nicht ein Zurück- gehen des Verkehrs, es war das Christentum herrschend geworden, und damit schwand der Gebrauch des Opfers. Nach den Worten des Hl. Augustinus ist Kaiser Theodosius der Grofse es gewesen, der die Alpen- heiligtümer des Jupiter vernichtete^.

Auch in der Nähe des auf wallisischem Boden liegenden Hospizes, bei dessen Bau Stücke der Tempelinschrift verwendet wurden ®, in dem Fond de la Combe fanden sich Reste römischer Bauten, wie auf dem Südhange bei der Cantina di Fontintes, wo seit der Mitte des dreizehnten

1 Auch im Itiner. Antonini.

' Heierli u. Ochsli S. 167 nehmen Erbauung unter Claudius an.

» Ferrero 1892 8. 444 u. 1894 S. 35.

* Abbildung bei Ferrero 1892 8. 70.

* Ferrero 1874 8. 87. v. Duhn 8.77 mit Nachweis des Abdruckes der schon früher bekannten Stücke in Anm. 76.

* Ferrero 1894 8. 44. Die Zahl der gallischen Münzen bel&nft sich auf 492 8tück.

■^ De civitate dei lib. 5 cap. 26. »Victor autenty sicut crediderat et praedi^oerat, Jovis simülacraf quae adversus eum fuerant nescio quibtM ritihus vdut cansecrata et in Alpibus constituta, d^posuit eorumque fulmina u. s. w.c

8 Ferrero 1892 8. 73.

Die Alpenpässe im Altertum. 43

Jahrhunderts wieder ein Schutzhaus war^ Der Weg ist heute auf italieni- scher Seite noch Saumpfad, Ferrero hält es für wahrscheinlich, dab in römischer Zeit auch mit Fuhrwerk die wichtige Strafse benutzt wuide*. Ein sicherer Beweis Radgeleise und Nabenschrunde ist nicht erbracht

Unsere Arbeit kann sich selbstverständlich mit der lokalen Unter- suchung der Strafse, mit dem Versuche, die einzelnen Stationen nach- zuweisen, nicht befassen. Für uns kommt es lediglich auf die groben Zusammenhänge an, der allzeit eifrigen, mitunter übereifrigen StraiBen- forschung müssen diese Dinge überlassen bleiben. Filr uns kommt nur die Existenz der Strafse und ihre Knotenpunkte in Betracht Bei dieser Römerstrafse bewegt sich übrigens die lokale Forschung auf sicherem Boden*.

Die neue Strafse war den Römern von erheblichem Nutzen, sie schuf die nächste Verbindung mit der Westschweiz, aber auch mit Geimanien und dem östlichen und nördlichen Teile Galliens, von den Verbindungen nach Genf und Lyon ganz abgesehen. Bei Viviscus (Vevey) bog die germanische Strafse von dem Ufer des Genfer Sees ab, um sich der frilher erwähnten Entwässerungsrinne der schweizerischen Hochebene an- zuschliefsen, sie wird über Moudon (Minnodunum) und Avenches (Aven- ticum) bei Aarburg erreicht, bei Solothum (Solodurum) wieder verlassen, um den Jura im oberen Hauenstein zu überschreiten. In Augusta Rauricorum erfolgt die Gabelung, entweder war das Ziel östlich gelegen, so ergab sich der Weg über den Bötzberg nach Windisch (Vindonissa) oder nördlich, und da führte er über Strafsburg nach Mainz.

Die gallische Richtung führte noch bis Lausanne am Genfersee ent- lang und ging von dort auf la Sarraz, dann Orbe und erstieg den Pafs von Jougne, um nach Pontarlier zu kommen. Von dort führte die Römerstrafse auf Besangen, wo die von d&m Rhone nach dem Elsafs führende Strafse geschnitten wurde, dann auf Langres (Kreuzung nach Metz und Trier), Chalons und Rheims, dem Hauptknotenpunkte (Ür das nördliche Frankreich.

Das Mittelalter konnte also von den Römern die Benutzung dreier Jurapässe antreten: Jougne, oberer Hauenstein und Bötzberg^.

Für den grofsen Verkehr kamen die andern Rhönepässe nicht in Frage. Zwar sind unter dem Gletschereise des Theodulpasses zwanzig

^ Über die Aasgrabangen an beiden Stellen Ferrero 1894 S. 46 f.

« 1894 S. 35.

' Vgl. vor allem H. Meyer, Die römiflchen Alpenstrafsen in d. Schweiz S. 119 bis 127, wo auch über die bis 1861 gemachten Funde berichtet ist.

^ Auch der Pierre Perthnis trägt eine römische Inschrift, jedoch war hier keine Strafse gebaut.

44 Viertes Kapitel.

römische Kaisermünzen zum Vorschein gekommen; aber das Unglück eines römischen Bergsteigers beweist fUr einen regelmäfsigen Verkehr nichts^. Favre hat sich dahin ausgesprochen, dafs in den Zeiten der römischen Herrschaft wenigstens ein Pafs über die Alpen nach Vergogna geführt habe, und zieht aufser dem Simplon die Pässe ins Saasthal in Erwägung, ohne selbst die Beweise fiir zwingend zu halten^.

Noch ein Grund scheint für den Simplon zu sprechen. Aber die Inschrift nicht ganz sicherer Datierung sie gehört entweder ins Jahr 196 oder 225 nach Christus die bei Vergogna an einem Felsen an- gebracht ist und von einem Strafsenbau handelt, läfst bei dem geringen Kostenbetrage auch die Deutung zu, als handle es sich um eine Strafse in den reich kultivierten Landschaften um Domo d'Ossola. Im Oberwallis sind bis heute römische Inschriften nicht gefunden, ein Leugenstein in Sitten ist wohl von auswärts ins Thal verschleppt. Nach den Mitteilungen von Duhns sind jedoch Pfarrer Joller in Gondo (Rüden) seit längerer Zeit von Leuten römische Münzen zugebracht, die mit Trajan beginnen und gegen das Ende des zweiten Jahrhunderts zunehmen, auch habe er einen Pfad festgestellt, der die Schlucht von Gondo wie die lauinen- gefkhrlichen Stellen südlich der Pafshöhe umgehe. Leider sind von ihm, der inzwischen gestorben ist, keine näheren Mitteilungen gemacht worden. Aber wenn auch wirklich in der späteren Kaiserzeit ein We^ gebaut wurde, so hat der Pafs doch nur lokale Bedeutung gehabt; Jean die Funde aus Oberwallis zeigen, wie lange man hier am Alten festhielt^.

Für die vorrömische Zeit hat die treffliche Arbeit von Heierli das Fundmaterial bearbeitet; eine besuchte Handelsstrafse hat es damals in ganz Oberwallis gewifs nicht gegeben. Welche Wege der Lokalverkehr und die Kriegszüge der Bewohner genommen haben, kann uns hier nicht beschäftigen*.

^ V. Duhn S. 73. Forrer, Antiqua 1891 S. 80. Nach Anz. f. Schweiz. Alter- tumskunde 7 1895 Nr. 3 wurden auf italienischer Seite röm. Kaisermünzen mit dem Bildnisse Konstantins gefunden. Sind beide Entdeckungen identisch?

' Er meint (Etudes sur Thistoire des passages italo-suisses 177) bei der Ablösung des Wallis von Rhätien sei es mit dem Gebiete des Elschenthales vereint worden. Das seien die Alpes Atractianae. Diese sind aber mit den Alpes Grajae identisch. Wäre die Identifikation Favres richtig, so müfste natürlich der »procurator Älpitun Atractianarum et Poeninarum* einen Pafs haben benutzen können.

^ Corp. inscript. latinar. 5, 6649. v. Duhn S. 72.*f. u. die wichtige Anm. 62 und Nissen, Italische Landeskunde 1, 161 halten die Strafse für wahrscheinlich, J. Partsch, Artikel Alpes in Wissowas Real-Encykl. lehnt das mehr ab. Betr. des Leugensteins vgl. Meyer S. 127 f.

* Heierli nimmt eine Benutzung der Gemmi schon in der Bronzezeit, für die Eisenzeit aufserdem der Grimsel, Furka und des Simplon an. Es handelt sich aber niemals um Pafsfunde.

Die Alpenpässe im Altertum. 45

Bei der Besprechung der Bündnerpässe in der römischen Zeit ist von den Angaben der Itinerare. auszugehen und dabei ängstlich dasjenige, was unwiderleglich feststeht, von dem zu trennen, was irgend angezweifelt werden kann.

Nach dem Itinerarium Antonini enthält die eine Strafse folgende sichere Punkte: Brigantia (Bregenz), Curia (Chur), Tinnetione (Tinzen), Summolaco (Samolaco), Como und Mailand. Durch Tinzen ist der Zug durch Oberhalbstein sichergestellt; es bleibt nur die Wahl zwischen Julier und Septimer offen, um nach dem Comersee zu gelangen. Durch Bregenz nnd Chur ist es wahrscheinlich, dafs die Strafse durchweg auf dem rechten Rheinufer blieb, sicher, dafs sie auf diesem Ufer endete.

An der zweiten Strafse nennt das Itinerarium Antonini Bregenz, Chur, Tarvesede, Clavena und fiihrt an den Comersee. Die Peutingersche Tafel bietet mehr Namen: Brigantia, Clunia, Magia, Curia, Lapidaria, „Cunu aureu", Tarvessedum, Clavenna und Comum '. Diese Beschreibungen machen es wahrscheinlich, dafs die Strecke von Bregenz nach Chur auf dem rechten Rheinufer lief, demnach mit jener Strafse zusammenfiel. Die Identifikation von Magia mit Mayenfeld oder Schaan hält diese An- schauung fest^.' Ebenso ist das Stück zwischen Clavenna und Como notwendig identisch mit der ersten Strafse.

Die Peutingersche Tafel erkennt das aber nicht an, sie läfst die westliche Strafse von Como an neben dem See laufen, die Oberhalbsteiner führt vom See an völlig getrennt neben der andern her. Unzweifelhaft hätte Clavenna zum Knotenpunkt gemacht werden müssen und ebenso hätte Curia das wieder sein müssen. Der Weg über Oberhalbstein ist dazu nach dem Westen der andern Strafse verlegt, statt auf die Ostseite desselben. Angesichts so vieler Fehler wird man aus dem Umstände, dafs nun auf der Zeichnung von Chur bis Bregenz bez. Arbor felix die Wege getrennt von einander laufen, nicht schliefsen dürfen, dafs thatsächlich hier richtig angegeben ist, dafs der Splügenweg rechtsrheinisch auf Bregenz, die Oberhalbsteinerstrafse aber sie kreuzend und vielleicht das linke Ufer benutzend unter Vermeidung von Bregenz direkt auf Arbon führte. Die Itinerarien beweisen für das Rheinthal von Chur zum Bodensee nicht eine Doppelstrafse, sondern nur eine rechtsrheinische. Den Zweifler werden Momente, die nur aus den Itinerarien schöpfen, nicht besiegen.

Von dem gesamten übrigen Zuge der Splügenstrafse zwischen Chur und Chiavenna ist keine Örtlichkeit mit Sicherheit identifiziert, selbst

* In der Tabula Pciitingeriana fuhrt die Strafse von Chur nach Arbor felix (Arbon) direkt unter Vermeidung von Bregenz, danach lief sie auf dem linken Rhein- ufer. Wo der iRheinübergang erfolgte, ist unsicher.

« Planta 79.

46 Viertes Kapitel.

Cuneus aureus nicht, denn sehr wohl kann von Gelehrten der Name Cunno d'oro auf eine Gegend am Splügen übertragen und so in den Mund der Anwohner gekommen sein ^ Wenn sich am Grofsen St. Bern- hard die Fuhrleute darüber streiten, ob Hannibal über diesen Pafs gegangen sei, so steckt darin keine Überlieferung, sondern die so oft namentlich fUr die Forschung „in grauer Vorzeit" gefährliche Verwechs- lung von hängengebliebener gelehrter Erzählung und lokaler Tradition.

Da aber zwischen Chur und Chiavenna die Namen der Stationen an beiden Strafsen völlig voneinander abweichen und mit Rücksicht auf die Station Chiavenna neben dem Julier-Septimer nur an den Splügen gedacht werden kann, ist das Vorhandensein einer römischen Strafse über diesen Berg erwiesen. Am Splügen lag also Tarvessedum und die Ableitung dieses Wortes als Ort, wo man die Tiere vor den Wagen spannen darf, wie dasselbe Eporedia (Ivrea) bedeutet, würde beweisen, dafs über den Splügen nur ein Saumpfad führte^.

Die zweite Quelle, welche zu Kate zu ziehen ist, sind die Funde von Münzen und Denkmälern. Systematisch ausgegraben ist auf keiner Pal'shöhe, doch hat der Zufall auf der Höhe des Julier Grabarbeiten ver- anlafst. An den Strafsen hat sich kein Meilenstein erhalten ^ ebensowenig eine Inschrift, welche über das Strafsenleben Auskunft gäbe. Das einzige Monument erhebt sich auf der Pafshöhe des Julicr: eine Säule ohne Inschrift*. An ihrem Fufse wurde 1854 eine Menge von römischen Kaisermünzen entdeckt und vereinzelte haben sich auch sonst gefunden ^. Auch hier haben Wanderer den Göttern aus Dank für die bisherige Hilfe und im Wunsche für weiteren Schutz ihre Gaben gespendet. Von einem Tempel wissen wir nichts. Für den Septimer fehlen jede Nach- richten über Münzfunde, sodafs dessen Benutzung für diese Zeiten sehr unwahrscheinlich wird. Nur Nachgrabungen nach Münzen auf den Pa(s- höhen können die Benutzung des Septimers, des Bemhardin und des Lukmanier zweifellos feststellen, auch wären sie für den Splügen sehr erwünscht

Da die Reihe der Münzen auf dem Julier mit Augustus beginnt und bis in die Tage des Constantius (f 361) sich hinzieht®, haben wir einen

^ Planta, Das alte Bhätien S. 79. Meyer S. 187 führt als seinen Gewährs- mann den Bürgermeister Albertini zu Chur an. Wann erscheint der Name wirklich zum erstenmale?

« V. Duhn S. 89 Anm. 54.

8 Meyer S. 129.

^ Meyer S. 133. Bavier S. 16. Die Säule ist umgestürzt, von den drei Stücken sind zwei erhalten.

•i Meyer S. 133.

* Meyer S. 133. Leider ist der Fund nicht sorgfältig im Zusammenhange untersucht.

Die Alpenpässe im Altertum. 47

regelmäfsigen Verkehr seit dem ersten Jahrhundert anzunehmen. Die Wagengeleise beweisen, dafs der Weg auch fahrbar war^ Von der Art der Pflasterung und Anlage dieser Strafse hätte die technische Unter- suchung der Strafsenreste der anderen Bündner Strafse auszugehen. Der Verkehr über diesen Oberhalbsteiner Pi^s (ev. über den Septimer) ist auch für ältere Zeiten durch den 1789 in Burvagn in Oberhalbstein gemachten Fund, der durch massaliotische Stücke italienischer Prägung datiert ist, belegt^. Eine sorgfältige Zusammenstellung der Funde, welche auf den Pässen, bez. an den Strafsen gemacht sind, müfste die Grundlage schaffen für eine weitere Untersuchung^. Erst mit ihrer Hilfe liefse sich feststellen, ob auch der Septimer, Bernhardin und Lukmanier vor dem Mittelalter benutzt wurden^. Nur diese beiden letzteren kommen jedoch für einen Heereszug von den Campi Canini bei Bellinzona nach dem Bodensee und einen Raubzug der Alamannen in umgekehrter Richtung in Betracht^.

Von allen Pflasterungen läfst sich nur dann der römische Ursprung beweisen, wenn auf oder neben demselben Funde gemacht sind. Sonst können es ebensogut mittelalterliche Strafsen bauten sein. Römermünzen sollen auch am Abhänge des Heinzenberges gefunden sein, längs des Weges, der auf halber Höhe des Gebirges die Dörfer Urmein, Portein mit Präz verbindet, und Meyer hat daraus den Schlufs gezogen, dafs hier und nicht im Thale die römische Splügenstrafse lief®. Auf diese Frage bin ich schon oben eingegangen.

Auch unterhalb Chur sind nur wenige Funde gemacht, welche den Strafsenzug feststellen. Sicherheit ist nur für den Zug auf dem rechten Rheinufer über die Luziensteige nach Bregenz vorhanden, insbesondere

1 Meyer S. 130. 132.

^ Meyer S. 135. Auch dieser Fund wurde nicht ausreichend beschrieben.

* Von den von Forrer in der Antiqua 1887 S. 3 ff. zusanunengestellten prä- historischen Pafsfunden aus Graubünden sind im engeren Sinne Pafsfunde nur die vom Flüelapasse, aus Bergün an der Albulastrafse und vom Valserberg. Es handelt sich stets um einzelne Objekte. Die beiden Bronzedolchc vom Valserberge würden zuerst für einen Handel zwischen Deutschland und Italien beweisen, der dann den Splügen oder Bemhardin benutzt haben müfste. Der Depotfund von Salez (bei Werdenberg) liegt zu weit nördlich, um beweiskräftig zu sein. Antiqua 1886 S. 34.

^ Meyer S. 129 nimmt als römisch aufserdem noch den Greinapafs in Anspruch. Der 1852 im Blegnothale bei Malvaglia gemachte Fund von 3000 Stück römischer Münzen des dritten Jahrhunderts (Meyer S. 139) ist nicht zwingend, da Malvaglia fast am Ausgang des Thaies liegt, nicht etwa im Innern am Aufstieg zum Lukmanier.

^ Die Lage der Campi Canini ist durch Gregor v. Tours X, 3 (M.G. SS. rer. Mer. 1, 411) bestimmt, danach lag Bellinzona in denselben. Den Baubzug der Ala- mannen erwähnt Sidonius C. V, 375 (M.G. Auct. antiqu. 8, 197), den Zug der Truppen des Constantius 354 Ammianus 15, 4, 1.

« S. 138.

48 Viertes Kapitel.

ist in Schaan eine befestigte Niederlassung völlig einwandfrei festgestellt'. Hier war im Mittelalter, wie später zu zeigen ist, die Fähre nach Werdenberg und für den Handelsverkehr der Übergang auf das linke Rheinufer. War die römische Zeit hier voraufgegangen und folgten wenigstens von hier ab dem Laufe des Rheins zwei Strafsen? Soviel mir bekannt ist, sind Römerfunde auf diesem linken Ufer bisher nicht gemacht^.

Die geographische Einleitung zeigte, wie nahe es liegt, über den Walen- und Ztirichersee die Verbindung mit Zürich zu suchen. Weder die Itinerarien noch die Funde haben hier einen Strafsenzug bewiesen, eine Inschrift aber läfst keinen Zweifel darüber, dafs Handelsleute diese Richtung einschlugen. Wenn auch die Römer keine Strafse gebaut haben, so bot die Natur doch nicht solche Hindernisse, die nicht hätten ohne allzu grofse Kunst überwunden werden können*. Die Provinz Gallien bildete trotz der sonstigen Zersplitterung eine Einheit in der Zoll- und Steuerverwaltung, an der Grenze der Provinz wurden die Zölle in einer Höhe von 2 V2 ®/o erhoben.

Solche Zollstellen gab es zu Martinach und zu Zürich. Hier ist der Grabstein eines praefectus stationis Turicensis quadragesimae Galliarum erhalten. Wie jene die von den Walliser Pässen eingehenden Waren durchliefs, so mufste diese den Schmuggel über den Walensee verhindern. Ein Zollbureau auf der Strafse Bregenz Chur ist uns vielleicht durch eine weitere Inschrift erwiesen, in der ein praepositus stationis Majensis im Jahre 180 n. Chr. einen Altar der Diana widmete. Gefunden ist freilich die Inschrift weit davon entfernt und zwar auf dem Schlofs Knillenburg, und man bezog sie auf die Station Mais bei Meran dann wäre die Station aufserordentlich weit vorgeschoben, oder auf Mayenfeld. Ist aber Schaan Magia, so wäre die Zollstelle an einem natürlichen Platze, dann hätten wir fiir alle Ausmündungen des uns berührenden Pafssystemes die Zollstellen.

' Vgl. auch Jenny über den Fund zweier römischer Helme im 26. Jahresbericht d. Vorarlb. Museums-Vereins S. 48 ff.

* Ferd. Keller führt keine an, nimmt aber S. 71 gleichwohl einen Weg von Sargans, der den Schollberg im Gebirge umgeht und direkt nach Arbon führt, an. Auch hier kann man nur wiederholen, dafs völlig einwandfreie Funde entscheiden müssen; ich halte von Schaan abwärts eine römische Strafse auf dem linken Ufer für möglich.

* Die Annahme eines ausgebauten Weges am Süd runde des Walensees hat Winteler, Über einen Landweg am Walensee, Aarau 1H94 zur Siciierheit erheben wollen. Seine Gründe hat Heffter, Der römische liandclsweg von Zürich nach Chur (Jahrb. d. bist. Ver. d. Kantons Glarus II(^ft «'K)^ 1895) widerlegt, geht aber selbst zu weit, indem er der Züricher Inschrift k(!ine l^edeutung beimifst. Die von Meyer S. 66 ff. angeführten Funde aus Berschis, Mels, Kugaz, Sargans, Vild, Vilters, Walenstad und Wesen bedürfen einer sehr gründlichen Nachprüfung.

Die Alpenpässe im Altertum. 49

In Bregenz und Arbon treten die Militärstrafsen an den Bodensee. Von Bregenz setzte sich die eine nach Augsburg fort, während die andere über Pfyn nach Windisch lief und somit die Bündnerpässe in Be- ziehungen zu Basel und zum Oberrhein setzte.

Die römische Organisation dieses Gebietes trägt noch ganz den Stempel der Erwerbsgeschichte. Der Nordabhang der Alpen war, wie Mommsen sehr glücklich sagt, eigentlich beiläufig erworben ^ Der kom- binierte Angriff der kaiserlichen Prinzen, welcher den rechten Flügel der Rheinfront und den linken der Donaustellung sichern sollte, hatte die Eroberung des Gebirgslandes herbeigeführt Die Basis von Tiberius war Gallien gewesen, und so fügte er die schweizerische Hochebene dieser Provinz hinzu. Drusus ging von den illyrischen Provinzen aus, und zu diesem System gehörte die neugeschaffene provincia Rhaetia. Da Augustus in der Nähe Italiens keine allzu mächtigen Militärkommandanten haben wollte, wurde die vallis Poenina (Wallis) nicht mit Gallien vereinigt, sondern dem Statthalter von Rhätien unterstellt, der nicht den Legaten aus dem Senatorenstande entnommen wurde, sondern blofs ein Präfekt oder Prokurator aus dem Ritterstande war. Die Provinz ging damals von Vevey bis Regensburg. Diese Landschaften standen nur durch die Furka, das Urserenthal und den Oberalppafs miteinander in Verbindung, hier mufs also ein Verkehr (in der Längsrichtung des Alpenzuges) be- standen haben.

Das Nächstliegende für Augustus wäre es gewesen, auf dem Nord- abhange der Alpen an der gegen die Germanen anstofsenden Front ein einziges grofses Kommando zu schaffen. Das entsprach aber nicht den politischen Interessen, aber es pafste auch zu den damals bestehenden natürlichen Verhältnissen nicht. Eine solche Provinz hätte sich von selbst ergeben, wenn der Gotthardpafs benutzbar gewesen wäre. Das aber war er nicht ^. Die Schöllenenschlucht war noch ein unüberwindliches Hindernis, auch entsprach es nicht militärischen Wünschen, an das Ge- stade eines Sees geführt zu werden, der an seinen Ufern keinen Weg

^ Die Schweiz in röm. Zeit S. 5.

^ Der Ortsname Quinto im Livinenthal würde bestenfalls eine Benutzung des Passes bis ins Urserenthal erweisen, dort aber liegen ja nicht die Schwierigkeiten. Nur Römerfunde in Uri könnten eine Benutzung des Passes erweisen. Wenn Urseren wirklich von ursarii den aufgestellten ßärenjägcm abzuleiten ist, so würde das nur eine Benutzung der Furka und des Oberalppasses voraussetzen, und die ist so wie 80 durch die Verbindung von Wallis mit Rhätien eine notwendige Annahme. Römische Münzen wurden nach Motta 1840 und 1844 zu Madrano und bei Airolo gefunden, auch sonstige Altertümer des Livinenthals (Motta, Bolletino storico della Svizzera Italiana 4, 125) beweisen nichts für die Benutzung der Schöllenenschlucht, auf die es ganz allein ankommt.

Schalte, Oesoh. d. mittelalterL Handels. I. 4

50 Viertes Kapitel.

zum offenen Land hin besafs^. In den Tagen des Markomannenkrieges wurde Wallis mit den Alpes Grajae verbunden, wie dieses Verhältnis in dem kirchlichen Verbände nachwirkte. Die Kirchenprovinz von Tarantaise ist die der Alpenpässe, ihre Diöcesen sind durch sie von einander getrennt*. Die neue Reichseinteilung, die von Diokletian und Konstantin durchgeführt wurde und das Wesen des Staates völlig umformte, hat die im Jahre 15 n. Chr. geschaffenen Grenzen zwischen Helvetien und Rhätien bestehen lassen. Die Zerlegung der Rhaetia machte Chur zum Hauptort der oberen Provinz, des rheinischen Rhätiens, der Rhaetia prima, deren Grenzen im Umfange der Diöcese Chur fortlebten.

Auch das System der Militärstrafsen trug die Erinnerung der Er- oberungsgeschichte an sich. Die Operationslinie jener Tage ist noch erkenntlich, aber das Beispiel Cäsars hatte seinen Erben die Anleitung gegeben. Die Verlegung der Truppen des Legaten Servius Galba nach Martigny hat Cäsar wohl nur den römischen Kaufleuten zuliebe mit der Sicherung ihres Handels über den Grofsen St. Bernhard motiviert, thatsächlich kam es ihm wohl darauf ah, die Operationslinie von Italien her zu verkürzen und die direkteste Verbindung mit dem nördlichen Gallien und dem Rheinthale zu gewinnen. Was ihm nicht gelang, hat Augustus durchgeführt und die Strafse nach Augusta Rauricorum wie über Orbe erfüllte diesen Zweck.

Ganz ähnlich ging es im Osten. Hier hat Drusus zuerst eine Strafse von Trient durch den Vintschgau, über Landeck, zum Arlberg, dann auf Feldkirch und Bregenz geführt*. Sie war seine Operationslinie, hatte aber die westliche Richtung der Alpenumgehung erst in eine nordwestliche verwandelt, die Strafsen über Chur führten hingegen direkt nach Norden. Erst am Bodensee trat die westliche Richtung wieder in Geltung. So lag Vindonissa ungefHhr auf dem Scheidepunkte der Kräfte Galliens und Rhätiens, es bezeichnete den äufsersten rechten Flügel der Rhein- und den äufsersten linken der Donaufront und war somit für ein Standlager vortrefflich geeignet. Seine Garnison konnte nach rechts und nach links geschoben werden, unmittelbar vor sich hatte sie ein unwegsames Gebirge. Als der Limes errichtet wurde, und so lange er bestand, verlor Windisch seine Bedeutung, es lag damals allzuweit hinter der Front, und um eine blühende Handelsstadt zu werden, fehlten ihr, wie früher gezeigt ist, die natürlichen Bedingungen.

^ Darauf weist mit Recht Spitteler S. 205 hin, aber man darf das auch nicht überschätzen, da ganz dasselbe auch am Gomersee der Fall war, was die Römer nicht störte.

* VgL auch Du che sne, L. Fastes ^piscopaux de Tancienne Gaule 1, 70 f. Die Bildung der Kirchenprovinz erfolgte erst unter Karl dem Grofsen. Ebda. 207 f. u. 206.

' Zweifelsfrei ist ihr Lauf freilich nur von Italien bis in den Vintschgau.

Die Alpenpässe im Altertum. 51

Der wirkliche Grenzort zwischen den von Westen und Osten aus- gehenden Provinzen lag bei dem thurgauischen Dorfe Phyn (ad Fines), das seine ursprüngliche Bedeutung im Mittelalter natürlich verlor^ da gerade in dem ziemlich offenen Gebiete nördlich von Zürich die alt- römischen Wege leicht verlassen und neben ihnen neue benutzt werden konnten.

Die römischen Funde der Schweiz sind am reichsten in der Gegend nördlich vom Genfersee und diesen Strafsen folgend bis Augusta Rauricorum, Vindonissa und ad Fines. Am ärmsten daran ist der nördliche Zug der Alpen vom Genfersee bis zum Kalanda und die nördlich sich anschliefsenden Thäler. Das Gebirgsland war also keineswegs dicht bevölkert Die Strafse aus dem Wallis über Aventicum und Solothurn nach Äugst und Windisch war „die grofse Pulsader, auf der der römische Verkehr durch die Schweiz sich bewegte. Im Transit werden ihr die Tiroler Chaussee imd die Chausseen der Westalpen freilich bedeutende Konkurrenz ge- macht haben : aber ein guter Teil der deutschen und gallischen Ausfuhr : der deutschen Sklaven, der menapischen und marsischen oder wie man auch sagen kann der belgischen und westfälischen Schinken, des vortreff- lichen Pelzwerks, der schon im zweiten Jahrhundert unserer Zeitrechnung im ganzen Occident und Orient hochgeschätzten flandrischen Tuche wird auf der Rheinstrafse und über den Bernhard seinen Weg nach Italien und weiter gefunden haben. Dazu kamen die dem Schweizerland eigenen Exportartikel, ungefkhr dieselben, die heutzutage weniger der Fleifs der Menschen als die Natur den Bewohnern verleiht" : Käse, Wachs, Honig, Holz, Harz, Pech und Fische. „Dafs man dagegen von Italien öl und Wein, Kunst- und Modewaren, feineres Tischgerät, überhaupt alle Pro- dukte der gesteigerten Civilisation bezog, bedarf kaum der Erwähnung" *.

Die reiche römische Kultur brach unter dem Ansturm der rauhen, weit bedürfnisloseren Germanen zusammen. Damit veränderten sich die Bedingungen des Handels von Grund aus, und nur wenig von dem, was Mommsen als charakteristisch für den Durchgangshandel bezeichnet, er- scheint im Mittelalter wieder. Die Deutschen übernahmen aber die Wege und das Gefühl, dafs Italien der Mittelpunkt der Welt sei. Das römische Reich, das sie vernichtet, war ihnen nicht für immer untergegangen. So blieben die politischen Beziehungen zu Italien bestehen, die des Handels mufsten fast neu angeknüpft werden und gehorchten nun ganz anderen Voraussetzungen.

Das römische Reich hatte dem Handel und Verkehr die enormen Vorteile gleichen Rechtes, gleichen Mafses und Gewichtes und gleicher Münze gewährt, zunehmend stark traten die Reste alter Einheit im Mittel-

' Mommsen S. 23 f.

62 Viert«0 Kapitel.

sAter zurück^ um zu einem vollen Chaos zu führen. Keinen Posten- oder Nachrichtendienst gab en fortan mehr. Und welche Umwälzungen auf den Htrafven Helb«t, von denen die in den Alpen noch am meisten n;»|;ektiert und ge[iflegt wurden, weil sie durch andere Wege nicht er- iK;tzt werden konnten, während das in den Ebenen sehr leicht war.

lUil der Strafsenanlage hatte bis dahin das militärische Interesse die Entscheidung gegeben, und mit der Energie und Umsicht einer starken Regierung war der den römischen Interessen ^dienende Plan jedesmal durchgeführt worden. Die Anwohner des Passes mufsten sich den An- ordnungen der römischen Beamten oder Militärs fügen, diese ver- si'ijwiinden nun von der Strafse, und damit ging die Einheit einer An- lag'j verloren. Der CJentralisation folgte die Zersplitterung. Die Unter- haltung und Reparaturen wurden nicht mehr von einer besonderen te<'hnim:h gebildetcsn Behörde besorgt, die bei ihren Arbeiten weite Itäunie zu umspannen verstand, sondern sie fiel bestenfalls einem Bischöfe zu, wenn nicht unmittelbar den nächsten Anwohnern. Die militärischen Rücksichten hatten bis dahin bei Anlage und Unterhaltung entschieden und durch die »Stationen und gröfseren Waffenplätze waren die Htrafsen mit dem Heere in ständiger Beziehung. Jetzt gab es keine stehenden Heere mehr, und seitdem wurden die Strafsen, die bis dahin Teih? des Kriegswesens gebildet hatten, nur gelegentlich benutzt. Die Aufsicht der Centrale verschwand.

Kin hochkultiviertes Volk hatte bis dahin die Erfahrungen in der Ktinst des Htnifsenbaus , die im weiten Bereiche des Staates gesammelt waren, verwendet, nun blieb nichts als das Vorbild, das sie geschaffen, und dir örtliche Tradition die Lehrmeisterin. Die Römer hatten mit den Mitteln eines an Qeld reichen Staates und mit den Kräften einer gefügigen Arbeitsorganisation gebaut, nun sank der Strafsenbau in die Natural Wirtschaft zurück. Und die staatlichen Stationen an den Strafsen, in d(^n(ni der Beamte und Offizier sein Nachtquartier gefunden hatte, verschwanden und machten entweder dem Wirtshause oder dem frommen Hospiz Platz. An Stelle der staatlichen Fürsorge trat das Geschäft oder die Wohlthätigkoit.

Das centrale Strafsensystem , das von Persien bis nach Britannien ein wohlg(*fügteH Netz gebildet hatte, verländerte nicht allein, sondern es löst(^ sich noch weiter auf. Jede Strafse stand für sich und wurde nun gopfiegt von ihren Anwohnern. Es entwickelte sich mit der Wieder- Bunahine dos Handels ein Wetteifer zwischen den Strafsen, und ihm haben wir die Eröffnung neuer Strafsen, ja sehr erhebliche Kunstbauten BU verdanken. Sie werden aber nicht nach dem Beschlüsse einer Re- gierung golmut, sondern gehen aus der Initiative der Anwohner hervor. An die Stolle des Weltreiches ist eine Gemeinde, ein Thal oder besten-

Die Alpenpässe im Altertum. 53

falls ein Kanton getreten. Den Verkehr der Strafse zuzuwenden und damit dem Thale den Nutzen vom Pafsverkehre zu verschaflFen, ist das Ziel dieser kühnen und entschlossenen Hirten. Ein eigentlicher Wegebau ist von den mittelalterlichen Elaisern, selbst von Karl dem Grofsen nicht ausgegangen ^.

Im Strafsenbau der Alpen hat erst Napoleon eine neue Epoche ge- schaffen ; er kehrte, wie in so vielem, zu dem System der Römer zurück. Die Simplonstrafse ist das Gegenstück zu den besten Römerstrafsen, nur technisch tiberlegen, weil bei ihr die Fortschritte der letzten Jahrhunderte und weit mehr Geldmittel verwendet wurden, als im Verhältnis die alten römischen Strafsen gekostet haben.

Der Abstand zwischen der römischen Strafsenverwaltung und der des Mittelalters war so grofs, wie der sein würde, wenn heute die öster- reicliischen Bataillone aus Bosnien abrückten und ihre Bauten den Begs und Popen überlassen würden oder wenn aus den jungen Eroberungen des russischen Reiches die Truppen zurückgezogen würden.

Die Bedingungen des Handels waren ganz andere geworden. Der Luxus der nach dem Norden verschlagenen Römer erforderte nicht mehr den Transport der Dinge, welche ihnen in der Heimat ein Bedürfnis ge- wesen; und die Waren, die der am Rhein stationierte Römer lieb ge- wonnen und in Rom eingebürgert hatte, wurden nicht mehr verlangt Der Handel mit Luxuswaren, der überall der Anfang des Handels ist, schränkte sich ein auf die Objekte, die auch den neuen Herren bald unentbehrlich geworden waren; ein geldarmes, durchaus in der Natural- wirtschaft steckendes Volk konnte Massengüter überhaupt nicht beziehen.

^ So ganz richtig Gasner, Zum deutschen Strafsen wesen S. 48.

Zweites Buch.

VERKEHR UND HANDEL IM FRÜH

MITTELALTER

(bis 1032).

Fünftes Kapitel. Verkebr bts znr Bildnn^ des boclibiir^ndischeii Reicbes (888).

Der St, GoWiard als Grenzpfeiler von fünf Bistümern, Dieser Pafs unbenutzt. Die AJpen in der merowingischen Zeit* Züge der Karolinger, Gro/ser St, Bernhard, Septimer. Beliquientranslationen, Divisio regnorwn* Begründung des Königreichs Hochburgutid.

Die kirchliche Einteilung des Alpengebietes geht wohl im wesent- lichen auf die spätrömischen Einrichtungen zurück und, wenn sie auch flir diese Tage nicht gelten sollte, so liefert sie doch für das frühe Mittelalter den Beweis, dafs der St. Gotthard damals eine unbewohnte Wildnis war, aber kein Pafs. Diesem Stocke streben alle Grenzen zu als natürlichem Grenzpfeiler. In ihnen treten uns fünf Bistümer und mit ihnen fünf Kirchenprovinzen entgegen : Mailand , Tarantaise , Besan9on, Mainz und Aquileja. Das Bistum Novara, Suffraganat von Mailand, geht mit dem Val Antigorio bis an den Griespafs, Sitten und mit ihm die alpine Kirchenprovinz Tarentaise schiebt sich bis zur Furka, während das von Besangen abhängige Lausanne im Haslithale die Gemmi erreicht. Der grofse deutsche Metropolitanbezirk Mainz erstreckte sich durch das Bistum Konstanz (und Uri) bis zur SchöUenenschlucht, es gewann durch den 843 erfolgten Übertritt von Chur, das ursprünglich zum Erzbistume Mailand gehört hatte, auch das Thal Urseren, ja im Bergell und im Val Misocco auch Gebiet südlich der Alpenwasserscheide. Im Norden und Westen laufen die Grenzen der vier erwähnten Bistümer also durchaus auf der Wasserscheide.

Anders ist das im Südosten. Hier hat Mailand einst Suffragan- rechte auch über Como und Chur besessen wie heute noch über Novara. Im Dreikapitelstreite ging Como zum Patriarchat von Aquileja über. Das Gebiet von Mailand umschnürte das des Bistums Como, es umfafste

Verkehr bis zur Bildung des hochburgundischen Reiches. 55

nämlich die Val Maggia, das obere LiviDenthal bis dicht oberhalb Bellenz und das zum Lukmanier führende Blegnothal. Auch das Thal von Misox gehört, wie gesagt, nicht Como, sondern Chur, so dafs Como nur das unterhalb Bellinzona gelegene Thal des Tessin besafs, an die Alpenpässe selbst nur am Splügen heranreichte. Dafs Chur die dem Bemhardin und Septimer auf der Südseite vorgelagerten Thäler besitzt und besafs, beweist meines Erachtens, dafs wir diese Pässe als begangen ansehen müssen. Der Gotthard aber ist ebenso sicher unbenutzt geblieben, der Wanderer, der auf diesem Wege die Alpen hätte überschreiten wollen, hätte in zwei Tagen die Bistümer Como, Mailand, Chur und Konstanz betreten müssen.

Die Nachrichten über den Handelsverkehr zwischen Italien und Deutschland sind für die Zeit bis zur Vereinigung de^ Königreichs Arelat mit dem Deutschen Reiche äufserst spärlich; ein Bild von der Richtung der Handelswege kann man nur aus den Angaben über die kriegerischen und friedlichen Fahrten der Herrscher, über die Pilger- fahrten und Romreisen gewinnen.

Man wird da aber mit grofser Vorsicht vorgehen und der Ver- suchung vorschnell zu kombinieren widerstehen müssen, öhlmann hat seiner sonst so lehrreichen Abhandlung^ dadurch nur geschadet, dafs er allzu viel Vermutungen vorbringt. Es hat keinen Wert, zweifelhafte Fälle einer Pafsbenutzung anzuführen, es kann nur mit sicheren Angaben das Netz der damals benutzten Strafsen festgelegt werden.

Das alte burgundische Reich schob seine Grenzen über die Pafshöhe nach Italien vor; nachdem das Thal von Aosta vorübergehend verloren war, wurde es 572 wieder mit dem fränkisch-burgundischen Reiche ver- bunden. Die Bedeutung des Grofsen St. Bernhard ist damit auch für diese Zeiten erwiesen.

Als der kühnste unter den Nachkommen Chlodovechs, Theudebert, von den Ostgothen mit Neualamannien auch Rhätien gewonnen hatte, dachte schon er daran, Italien zu erobern, doch nicht die Franken, sondern die Langobarden wurden die Erben der Ostgothen. Aus den Kämpfen Childeberts II. gegen die neuen Herren Italiens wissen wir, dafs einer der drei Angriffshaufen, welche über die Alpen kamen, ent- weder den Lukmanier oder den Bernhardin benutzte. Bei einem un- vorsichtigen Angriff auf die mailändische Festung Bellinzona tiel ihr Führer ^

Erst in der karolingischen Zeit werden die Angaben über den Weg der vielen Züge über die Alpen so genau, dafs man einen Überblick

' Die Alpenpässe im Mittelalter.

* Greg. V. Tours 10 c. 3. Paul. Diaconus 3 c 31.

56 Fünftes Kapitel.

gewinnen kann, und es ergicbt sich, dafs man damals den Grofsen St. Bernhard unter allen von uns zu behandelnden Pässen bevorzugte. Hier hatten auf italienischer Seite die Franken auch Sperren (cJusae) angelegt. Bei seinem ersten Zuge nach Italien 773 liefs Karl der Grofse seinen Oheim Bernhard über den Juppitersberg rücken. 776 und 801 benutzte er selbst diesen Pafs und zwar für die Heimkehr^. Einmal ging er durch Kärnten, im übrigen sind die Wege nicht bekannt^. Als 753 Papst Stephan II. schutzflehend zu Pippin eilte, ging er über den Juppitersberg. Auch Leo III. wandelte 803 diesen Weg^. Immerhin wahrscheinlich ist es, dafs Papst Gregor IV. 833 und der Kaiser Lothar 840 diesen Pafs benutzten*. Karl der Kahle hat 875 bei Hin- und Rückweg die Höhe des Grofsen St. Bernhard überschritten und ebenso im Jahre 877 auf der Hinreise, wo auch der von ihm benutzte Jurapafs (Pontarlier-Orbe) bekannt ist*. Auch Karl der Dicke, der zum letzten- mal die karolingischen Teilreiche vereinte, überstieg sicher 879, vielleicht auch 880 und 885 den Grofsen St. Bernhard*^.

Arnulf endlich drang bei seinem Zuge im Jahre 894 von lombardischer Seite gegen Ivrea vor, um das eben erstandene Königreich Hochburgund niederzuwerfen. Er mufste die Thalsperre, welche ein Parteigänger Widos von Spoleto und burgundische Streiter besetzt hatten, auf Schleich- wegen umgehen und gelangte dann über den Grofsen St. Bernhard nach St. Maurice''.

Wenn somit für den Grofsen St. Bernhard in karolingischer Zeit acht Übergänge deutscher Herrscher sicher, drei als wahrscheinlich nach- zuweisen sind, trifft auf die anderen Rhone- und die sämtlichen Rhein- pässe nicht ein einziger sicherer Fall. Doch ist die Benutzung eines der letzteren für die Rückkehr Lothars I. im Jahre 823, für Karl III. im Jahre 881 und 883 (Rückreise) wahrscheinlich ®. Doch sind die Angaben

* Für 776 wurde volle Sicherheit geschaffen, wenn man [den Ausstellungsort »in pratis Oiaigio* Böhmer-Mühlbacher 203 (199) feststellen könnte.

2 Ö hl mann nimmt für sechs weitere Reisen Karls des Grofsen den Grofsen St. Bernhard in Anspruch, doch reichen dafür die Beweise nicht entfernt aus. Für 786 führt er noch den Aufenthalt in 8t. Maurice an, der ist aber erdichtet. Böhmer- Mühlbacher 279» (270»).

« M.G. SS. 1, 192.

* öhlmann 243.

» Öhlmann 2, 307. H ine mar, M.G. SS. 1, 498 u. 503.

« 879 kam er von Orbe. Öhlmann 244. Entschieden abzuweisen ist es, wenn Öhlmann auch den Zug von 886 hierher gehen läfst.

' Das Nähere s. Trog 8. 34 f.

8 Öhlmann 2, 191 ff. Für 823 nimmt Mühlbacher 1019 (986) den Splügen an, es handelt sich jedenfalls um einen Rheinpafs. 881 ist die Lücke zwischen Müh Ib. 1577 und 1580 so grofs, dafs Zweifel über die Benutzung eines Bündener Passes

Verkehr bis zur Bildung des hochburgundischen Reiches. 57

80 lückenhaft; dafs für mehr als die Hälfte aller Alpenfahrten die Richtung sich nicht sicher erweisen läfst.

Aber auch die Bündner Pässe waren nicht verlassen, ja sie müssen weit mehr als wir wissen, auch von den Karolingern benutzt sein; denn schon Ludwig der Fromme bestätigte 829 dem Kloster Reichenau die alte Gewohnheit, dafs dieses Kloster dem Könige und seinen Söhnen nur zur Verpflegungspflicht gebunden sein sollte für die Fahrt durch und auf Konstanz und Chur^. Und zum ersten Male taucht in dieser Zeit auch der Name des Septimers auf. Ekkehard erzählt, wie am Ende des neunten Jahrhunderts Landeloh, Erzbischof von Treviso, für eine Rom- reise zunächst den Grofsen St. Bernhai'd, für die Rückkehr aber den Septimer benutzte^.

Recht reiche Angaben liefern auch die Berichte über Transporte von Reliquien, die ja in diesen Jahrhunderten in grofser Zahl über die Alpen gebracht wurden. Als Einhard die Reliquien des heiligen Tiburtius und Petrus Exorcista, die in Rom aus dem Grabe gestohlen wurden, nach seiner Stiftung in Michelstadt im Odenwalde holen liefs, wurden sie von Pavia in sechs Tagen nach St. Maurice verbracht. Nachdem die Führer ein Stück Weges am Genfersee entlang gegangen waren, kam die Weg- scheide. Sie wählten den Weg zur Rechten und brachten den gestohlenen Schatz über Solothurn nach Strafsburg, von wo ab ein SchiflF benutzt wurdet Aus dem Berichte Einhards erfahren wir ein Beweis für die Lebhaftigkeit der Verbindung zwischen Italien und Deutschland dafs der römische Diakonus Deusdona in fünf Jahren sechsmal über die Alpen gegangen war*.

Als die Reliquien des hl. Sebastian 826 vom Propst von St. Medard von Rom nach Soissons verbracht wurden, werden am Wege Piacenza, mons Jovis, Octodurum, Granant (== Grenant südöstlich von Langres), cella s. Sereni (Celle-sous Chantemerle südlich von Sözanne Döp. Marne Arr. Epernay), Calno munde und Soissons genannt*. Wohl genau die- selbe Strafse gingen von Rom bis mindestens Langres die Gebeine der

bestehen bleiben. Dagegen ist der Übergang 885 nach Mühlbachers Auseinander- setzungen (1650 u. 52) zu streichen und eher der Grofse St. Bernhard anzunehmen.

^ Gall. Oheim bei Brandi, Quellen u. Forschungen z. Gesch. d. Reichenau 2, 48 f.

- Ekkch. Casus s. Galli (ed. Meyer v. Knonau), Mitt. z. vaterl. Gesch. 15, 38.

^ Translatio ss. Marcellini etPetri, M.G. SS. 15, 1, 242 f. »bivium, qiu) itinera in Franciam ducentia diriniuntur, adtigit, dexteriorem viam ingresstis per Ala- mannortim fmes usque ad Salodurum Burgundionum opidum venu,*

* Vgl. die interessanten Zusammenstellungen über den Reiseverkehr aus Ein- hards Werken bei Matthäi, Einhards Translatio in kulturgeschichtlicher Beziehung. Progr. des Gymnasiums zu Laubach 1888 84.

•• Acta SS. Jan. II, 284.

58 Fünftes Kapitel.

hl. Helena, welche um die Mitte des neunten Jahrhunderts nach dem Kloster Hautvilliers bei Rheims verbracht wurden^.

Eine etwas andere Richtung schlugen jenseits des Jura die Mönche von St. Germain in Auxerre ein, die von Rom die Reliquien der hl. Urban und Tiburtius holten und in St. Maurice ihren Schatz noch ver- mehrten. Über Orbe und Pontarlier kamen sie an die Stelle, wo sie die alte Römerstrafse nach Besangon verliefsen. Die angeführten Orte: Boujeailles, Salins, Wald von Mouchard, Chamblay (an der Loue), den Gau an der Ouche, Dijon und Auxerre, ergeben eine Route, in der wir die später so wichtig gewordene Strafse von Pontarlier nach St. Jean de Losne wiederkennen werden^.

Einen höchst interessanten Einblick in die Schätzung der Alpenpässe bietet die Divisio regnorum, die Karl der Grofse festsetzte. In ihr be- stimmte der alternde Kaiser ganz genau die Gebiete, welche die drei Söhne erhalten sollten. Die Grenzzüge der drei Reiche kümmern sich nicht um Nationalität oder Stanmi oder historische Erinnerungen, sie sind vielmehr so entworfen, dafs allen drei Brüdern der Eintritt nach Italien offen stand: man kann geradezu sagen, dafs die gleiche Verteilung der Alpenpässe die Hauptgrundlage des Ganzen ist. Ludwig sollte der Ein- tritt freistehen durch das Thal von Susa, Karl durch das Thal von Aosta, Pippin endlich durch die norischen Alpen und Chur. Es sind hier nur die Knotenpunkte angeführt, während aus der Grenz beschreibung folgt, dafs Rhätien in seiner Gesamtheit zu Pippins, das Wallis ebenso zu Karls Gebiet gehören sollte. Recht bezeichnend ist es, dafis die Reichsteilung den Gotthardpafs nicht erwähnt, er existierte eben noch nicht.

Noch wertvoller sind die Bestimmungen der Zweiteilung, welche im Falle des Todes des einen der Brüder eintreten sollte. Auch hier bleibt die Grundlage die Teilung der Alpenpässe. Dem Ostreiche sollte zufallen die Linie vom Grofsen St. Bernhard über Aosta, Ivrea, Vercelli, Pavia, Reggio, Modena bis nach der Grenze des Kirchenstaates und was zu diesen Städten gehöre. Alles, was aber weiter westlich liege, sollte dem Westreiche verbleiben^. Aus dieser Angabe folgt ohne allen Zweifel,

'Acta SS. Aug. III, 616. Erwähnt werden »Taroy mons Jörns, monasterinm s. Petri, quod ad radicefn montis situm est^ Osismus (nach den BoUandisten Oisame bei Langres, Longnon hat in dem Atlas hist. de la France diesen Namen an der von den BoUandisten angegebenen Stelle), Averga, Falhsia* dann erst in das monasterium Altumvillare.

* Acta SS. Juli 7, 278. »Orba, Arlia, Botgalia, SalifuiSy saltuR Mortkaliae, pagi AmaiMensis riüa quae campus Velii dicitur, pagus OscafensiSy Divionem, per Alisieitsem pcufum in riUa quae Fanum dicitur, Pomp^acum, AfiUssiodori,*

M.G. Leg. Cap. 1, 127 f. ^Ut ab ingressu ItaUae per Augustam civitatem accipiat Karolus Ehoreiam, VerceUas, Papiam et inde per Padum fluvium termino

Verkehr bis zur Vereinigung von Burgund mit dem Deutschen Reiche. 59

dafs flir den Verkehr von Italien nach dem nördlichen Frankreich und dem Niederrhein diese Strafse von der Erailia über den Grofsen St. Bern- hard nach Besanfon und weiter die Hauptader war.

Die Auflösung der Alpenfront, wie sie Karl der Grofse in der Reichs- teilung angeordnet hatte, sollte in einem ganz anderen Sinne doch noch zur Ausführung kommen. Nachdem schon die Provence sich unabhängig gemacht hatte, setzte sich Januar 888, also unmittelbar nach dem Tode des letzten echten Karlingen der Weife Graf Rudolf in St. Maurice, dessen Laienabt er war, die Krone auf^ und begründete damit das Königreich Hochburgund, dessen Hauptorte sich längs der Route hin- ziehen, die vom Grofsen St. Bernhard kommt und nach Burgund und dem Oberrhein sich fortsetzt Die wichtigsten Orte waren neben den Bischof- sitzen: Orbe, Pajerne und St. Maurice, und gerade in ihnen sind die burgundischen Herrscher, die wie die deutschen Könige wanderten, am häufigsten nachzuweisen ^.

Sechstes Kapitel.

Verkehr bis zur VereinigüD^ yon Bnr^nd mit dem Deutschen

Reiche (1032).

Die Saracenen in den Alpen, Älteste Hospize: am Grofsen St Bernhard, auf dem Septimer und sonst. Bündener Pässe, Die Züge der Ottonen. Andere Beisende. Begünstigung von Chur. Erhaltene römische Verkehrseinrichtungen: Schiffmeisterei am Walensee, Fähren. Besitz deutscher Klöster jenseits der Alpen. Burgundische Pässe: Verkehr über den Grofsen St. Bernhard. Normannen. Engländer, Itinerar Sigerichs. Verhandlungen Knuds des Grofsen.

Von der Begründung dieses Reiches an war die Hälfte der Alpen- stellung dem Deutschen Reiche verloren, erst 1032 wurde das inzwischen mit Niederburgund vereinigte Königreich Burgund dem Ostreiche wieder angegliedert Die Ottonen waren also gezwungen, sich der östlichen Pässe zu bedienen, und damit erreichten die Bündnerpässe eine Bedeutung, die in späterer Zeit wieder abgeschwächt wurde.

Die Zersplitterung des Besitzes führte zunächst zu der tiefsten Schädigung des Alpenverkehrs, da es einem seefahrenden, nichtchristlichen Volke gelang, sich der Pässe in den Alpen bis weit nach Osten hin zu bemächtigen und an achtzig Jahre die Reisenden zu belästigen. Ein kleines Häuflein von saracenischen Piraten überfiel um das Jahr 889 das Dorf Fraxinetum (Garde-Frainet Döp. Var.) und gar bald begannen

currente usque ad fines Begensium et ipsam Begiam et Civitaiem Novam atque MtUinam usque ad terminos sancti Petri.*

1 Trog, Rudolf L u. Rudolf IL von Hochburgund. Basel 1887. S. 24.

' Fournier, Le royaume d*Arles IX.

60 Sechstes Kapitel.

von diesem befestigten Platze aus die Streifzüge in die benachbarten Oebirgstbäler ^ 906 vmrde das Kloster Novalese zerstört, dann tauchen die Araber in dem Bereiche der Btindnerpässe auf, schon vor 936, und von zahlreichen Pilgern wird berichtet, dafs sie auf dem Wege nach Rom die Pässe gesperrt fanden. Es war ein allgemeines Übel, das von Jahr zu Jahr anwuchs, selbst gröfsere Pilgerkarawanen wurden angehalten. 939 verbrannten die Saracenen auch das Kloster St. Maurice. In den italienisch-deutschen Wirren von 941/42 wurden die Saracenen geradezu die Bundesgenossen des Königs Hugo von Burgund, für den sie die Sperrung der Alpenpässe zwischen Schwaben und Italien gegen Markgraf Berengar von Ivrea, der sich nach Schwaben begeben hatte, übernahmen ^, und doch war Hugo ausgezogen, der Saracenenplage ein Ende zu machen ! Die Gattin Berengars entkam gleichwohl über die Alpen. Zur Winters- zeit wagte die hochschwangere Frau die Fahrt über den Vogelberg (Bernhardin), der damit in die Geschichte eintritt ^ Berengar hat Italien dann über Trient wieder erreicht.

Die Saracenen hatten sich nach und nach in den Alpen eingerichtet, wenn sie auch aus den Bündnerpässen wohl schon seit 950 verschwinden. Auch im Westen mufs es schon langsam sich gebessert haben, da 960 Bischof Giso von Aosta einen Zolltarif bearbeiten liefs, der einen unge- störten Pafsverkehr voraussetzt*. Doch führten die Saracenen noch 972 einen frechen Streich aus. Der Abt Majolus von Cluny war 970 über Chur nach Italien gereist, seinen Heimweg wollte er auf der nächsten Route über den Grofsen St. Bernhard nehmen. Er war mit seinen Be- gleitern schon über die Höhe und bis an die Brücke von Orsieres ge- kommen, als er von Saracenen überfallen und gefangen genommen wurde. Gegen ein hohes Lösegeld wurde er freigelassen*. Mit der Eroberung von Fraxinetum durch die benachbarten Grofsen wurden die Alpen un- mittelbar darauf von diesen schlimmen Gästen befreit.

Die Saracenen haben wie es wenigstens höchst wahrscheinlich ist die ersten dem Fremden Hilfe gewährenden Häuser zerstört. Es ist wenig bekannt, dafs schon seit dem Anfange des neunten Jahrhunderts ein Kloster erwähnt wird, das der Pafshöhe des Grofsen St. Bernhard möglichst nahe gerückt war. Es war die „abbatia montis Jovis sancti Petri" in Bourg-St. Pierre, dem höchstgelegenen Walliser Dorfe an der

* Vgl. vor allem Ohlmann 1, 205—224. Dierauer, Gesch. d. Schweiz. Eid- genossenschaft 1, 50.

* Liudprand 5 c 17. M.G. SS. 3, 331. »foedus iniit, td in wontihus , qui Sueviam atqiie Italiam diHdunt, starent,*

* Vgl. Liiidprands bitteren Verse über dfn mons avium und mons Jovis.

* S. initeu S. 68.

''• Vgl. Öhlmann 1, 222 f.

Verkehr bis zur Vereinigung von Burgund mit dem Deutschen Reiche. 61

Pafsstrafse (1 633 m, Pafshöhe 2472 m) ^ Als Lothar seinem Bruder Ludwig IL, König von Italien, im Jahre 859 alle seine Besitzungen zwischen Jura und den Alpen (die Bistümer Genf, Lausanne und Sitten) abtrat, behielt er sich das Hospiz auf dem Grofsen St. Bernhard vor*. Es dürfte damit doch wohl dieses Kloster gemeint sein. Es bestand also wieder auf- gebaut® — noch 1011, damals schenkte es König Rudolf III. von Hoch- burgund seiner Gemahlin *. „Noch um die Mitte des zwölften Jahrhunderts wird dieses Gotteshauses gedacht, dann aber tritt dessen Bedeutung gegenüber dem Hospiz auf dem Berge gänzlich in den Hintergrund"*^.

Sehr viel früher als hier ist auf einer Pafshöhe selbst ein Hospiz errichtet es würde somit das älteste eigentliche Pafshospiz sein wenn das schon 831 erwähnte xenodochium sancti Petri wirklich das spätere Hospiz auf dem Septimer ist. In diesem Jahre gab nämlich nach einer inhaltlich ächten Urkunde Ludwig der Fromme dem Bistume Chur die durch den Grafen Roderich entzogenen Güter zurück, darunter das senodochium sancti Petri *. Dieses senodochium ist auch im Schanfigg- oder im Valser Thal gesucht worden, aber wozu sollte denn dort ein Hospiz gegründet werden? Man mufs es auf oder an einem Passe suchen, und da das spätere Hospiz auf dem Septimer denselben Patron hatte, so sehe ich nicht ein, warum man nicht in der späteren Gründung Widos die Wiederbegründung eines älteren Institutes sehen solP.

Mir ist es nicht zweifelhaft, dafs solche Hospize schon im achten Jahrhundert auch in dem von mir zu behandelnden Teile der Alpen be- standen. Papst Hadrian I. hat Karl den Grofsen gebeten, das Kloster Galliata in Schutz zu nehmen una cum hospitaUs, gut per calles Alpium siii sunt' ®. Und ist es nicht auffallend, dafs die Hospize am Grofsen St. Bernhard und auf dem Septimer den Namen des hl. Petrus tragen, standen sie vielleicht im Besitze der römischen Kirche? Man kann die Frage aufwerfen, aber nicht beantworten.

^ Die Belege bei Duc »A quelle date est mart St. Bemard" in den Mise. d. stör, italiana 31, 846.

2 Annal. Bertiniani, M.G. 8S. 1, 453. *Hospitium quod est in monie Jovis.*

8 Das beweist auch die alte llnschrift, die sich früher an der Kirche fand. Gremaud in den M^moires et docum. de la Suisse romande 29, 48. Der Nenban war vom Bischof Hugo von Genf veranlafst.

* Duc. 351.

^ Hoppeler, Das Unter- Wallis S. 284. Ohne Belege.

« V.Mohr, Codex dipl.Rhaetic. 1,34 f. Mühlbach er 893 (864). Die Best&tigungs- urkunde Ludwigs des Deutschen von 849 ist unbestritten echt. Müh Ib. 1352. Auch die erste Bittschrift Bischof Victors II. (Mohr 1, 27) sagt: »distrticta sunt synodochia vel paupenim susceptiones,*

■^ Gegen Öhlmann 2, 175 hat Berger S. 114 f. sich mit nicht durchschlagenden Gründen gewendet und das Hospiz eher an die Lukmanierstrafse verlegen wollen.

» M.G. Epist. 3, 623. Der Brief fallt zwischen 784 und 791.

ß2 Heehste« Kapitel.

Übrigens kehrten die Fremden von dem direkten Wege abweichend auch wohl gern in den Klöstern ein, über die Hospize von St. Gallen und Pfävers haben wir zahlreiche Nachrichten^.

Die Ottonen waren also auf diese östlichen Pässe eingeschränkt, und in der That können wir nachweisen, dafs sie mit Einschlufs Heinrichs H. achtmal die Bündnerpässe benutzt haben. Nur bei der Rückkehr Otto des Grofsen, nachdem er das Kaisertum wiederhergestellt hatte, ist es jedoch möglich, den Pafs selbst mit Sicherheit anzugeben. Weihnachten hatte er in Pavia gefeiert, dann ging er nach den Worten der Einsiedler Annalen über den Monte Cenere und den Lukmanier ^ nach Chur. An denselben Weg oder an den Bernhardin ist 1004 zu denken, da die Quellen vom Monte Cenere reden. Für die Züge Ottos von 952 und 966, Ottos n. 972 und 980, Ottos HL 996 und 1000 ist nur die Richtung über Chur sicher®.

Von andern Reisenden, die einen Bündnerpafs benutzt haben, kann ich nur zwei gesangeskundige Italiener anführen, die nach Ekkehards sagenhaftem Berichte von dem rauhen Klima, dem sie auf dem Comersee und dem Septimer ausgesetzt waren, schwer mitgenommen wurden*.

entspricht durchaus den Grundsätzen ottonischer Politik, wenn sie nun die Sorge für die wichtigen Übergänge und damit auch die politische Macht in diesen (lebieten den Grafen entziehen und dem Bischöfe von Chur übertragen. Hartbert hätte auch gar nicht in so hohem Mafse der persönliche Günstling Heinrichs I. und Ottos I. sein müssen, um für sein Bistum so viel zu erlangen.

Von den reichen Vergabungen ist für uns von Bedeutung die Ge- währung aller Fiskaleinkünfte der königlichen Kammer in der Graf- schaft Chur (951)*, die 952 erfolgte Bestätigung und Schenkung des Zolles, der von den Händlern in Chur seit alter Zeit erhoben wurde®

1 V. L i e b e n a u f Gasthofwesen 28 f.

2 Die Handschrift hat luggm, was v. Wyfs sehr glücklich auflöste. Anzeiger f. Schweiz. Gesch. 4, 293.

' Ö hl mann hatte für die Alpenübergänge von 952, 966, 972, 980 und 1000 be- stimmt, für den von 966 mit Vorbehalt sich für den Septimer ausgesprochen, für den von 995 und 1004 den Bemhardin bestimmt angesetzt. Dagegen hat Berg er 8. 118 ff. mit Recht polemisiert. In der That liegen die Dinge so, dafs für den Septimer sich kein Beweis finden läfst. Die Einzelbeweise a. a. 0.

* (St. Galler) Mitth. z. vaterl. Gesch. 15, 171. ^ DOl 139. Mohr 1, 69.

DOI 148. »Omne teloneum ab itinerantilms et undique confluentibus emptoribus aJtque de omni negotio in loco Curia peracto, de quo semper cotisuetudo fuerat teloneum exadafidum , . . quod olim jam iotum ad ipsam ecclesiam ex integro cum preceptis regalibus fuerat coniradiium". Mohr 1. 71.

Verkehr bis zur Vereinigung von Burgund mit dem Deutschen Reiche. 63

und schon früher der Churer Kirche geschenkt war, und die Bestätigung des auf dem Walensee fahrenden bischöflichen Schiffes und seiner Zoll- freiheit ^

Die politische Tendenz tritt aber noch stärker hervor, wenn Otto I. 960 dem Bischöfe Hartbert die Landschaft Bergell mit dem Zoll, der eben nach Chur verlegt war, im Tausche überliefs *• Damit erfahren wir, dafs die Oberhalbsteinerpässe um nicht direkt Septimer zu sagen besonders wichtig waren. Nun war die Landeshoheit der Churer Bischöfe bis über den Alpenpafs vorgeschoben und damit nunmehr das gesamte Zoll- und Abgabenwesen auf der Strecke von der Landquart bis an den Luver, also innerhalb des gesamten oberen Rhätien, in der Hand des Bischofs von Chur vereinigt. Durch diese Mafsregeln wurde hier der Alpenverkehr centralisiert.

Ja für kurze Zeit wurde der Einflufs des Churer Bischofs noch weiter vorgeschoben in den Bereich von Rechten, die Karl der Grofse einst der Kirche von Como geschenkt hatte. Otto H. griff hier ein und gab 980 den Zoll auf der Mairabrücke an Biächof Hildibold von Chur, in einer zweiten Schenkung erweiterte er das. Auf die Dauer hat der Bischof diese Position nicht behaupten können, es folgte aber doch wohl aus dieser Zugehörigkeit zu Chur, dafs später Chiavenna als zum Herzog- tum Schwaben gehörig erklärt wurde ^.

Auch über die Zufahrten der Bündnerpässe erfahren wir manches von Bedeutung. Wie sehr wahrscheinlich der Churer Zoll aus römischer Zeit stammt*, geht auch wohl eine andere Verkehrseinrichtung auf die Römer zurück. Auf dem Walensee bestand in späterer Zeit eine Schiffmeisterei, der 10 Schiffe unterstellt waren, den Ertrag (im Durchschnitt 8 W) lieferte der Schiffmeister an den Bischof von Chur ab*. Das Amt eines Schiff- meisters wird freilich in den älteren Dokumenten nicht erwähnt. Aber wir sehen doch, dafs schon früher ein Schiffahrtsmonopol auf dem See bestand. Kaiser Lothar L gab nämlich dem Bischof von Chur 843 das

1 DOI 175. Mohr 1, 75.

2 DOI 209. Mohr 1, 80. »Valleni quoque PergaUiae et teloneum in ipsa

väüe ab üinerantibus emptoribus persolvi consuetum, modovero ineodem loco Curia datum.* Vgl. Darmstädter, Das Reichsgut in d. Lombardei 86 f.

s Das Nähere s. bei Darmstädter S. 82 ff. Berger 125 f. Öhlmann2, 183. Vgl. auch Planta und besonders Seh eff er- Bei eher st, Chiavenna als Grafschaft des Herzogtums Schwaben.

* Die allgemeinen merowiugischen Zollbestimmungen kann man auch für diese Gegenden, wie Planta S. 408 f. das gethan hat, heranziehen; immerhin fehlt die Gewifsheit, dafs sie praktisch verwendet wurden.

^ Ältester Einkünfterodel von Chur. »Sunt ibi {de ripa Walahastaä) naves X, quas facitmt liberi homines, ex quibus reddüur singulia annis quantum poterini nautor adquirere, aliquando lihras VIII plus minusque** Mohr 1, 288.

64 Sechstes Kapitel.

Recht, dafs nach den vier königlichen Schiffen auch ein bischöfliches von den Reisenden benutzt werden dürfe, ohne dafs dafür Zoll zu entrichten sei. 849 und 955 wurde dieser Anteil^ an der Schiffahrt bestätigt ^ Der Verkehr auf dem See war also immerhin schon so lebhaft, dafs er fünf Schiffen Existenz gab, und wer sie vor allem benutzte, sagt uns ein freilich viel jüngerer Rodel: die Rompilger*.

Die Rompilger begegnen uns auch auf einem anderen Zufahrtswege. In Rorschach am Bodensee gab Otto I. 947 Münze und Markt, der für die nach Italien Reisenden und Rompilger geeignet sei, dem Kloster St. Gallen«.

Wenn es gestattet ist, hier etwas voraufzugreifen, so möchte ich aus dem ältesten Einkünfterodel des Bistums Chur, der in das elfte Jahr- hundert gesetzt wird, ein paar bisher übersehene Stellen hervorheben, welche uns die Strafsenzüge in nachrömischer Zeit klarlegen. Es heifst da bei Schaan (unterhalb der Luziensteige , wahrscheinlich das römische Magia^) »Redditur tbi de nave dominica unus^isque de VII villis unum denarium vel . . .*« Es ergiebt sich somit, dafs hier ein bischöfliches Schiff auf dem Rheine lag, unzweifelhaft die Fähre, und damit ist uns die Stelle bekannt, wo unterhalb des Schollberges und der Luziensteige der Rhein überschritten wurde®. Aber auch oberhalb mufste für die, welche vom Walensee nach Chur wollten, eine Fähre vorhanden sein, und man wird sie ohne weiteres direkt oberhalb der Luziensteige bei Mayenfeld suchen und richtig: *Curtis Lupinis . . . census de navihus reddüiir tbi*.

Eine sehr lebhafte Verbindung dieser Gregenden mit Italien folgt auch aus dem Besitze der Klöster. Wie in den Ostalpen die Bistümer Regens- burg, Freising und Passau und der bayrische Adel auch jenseits der Pässe Besitz gewannen, haben auch die grofsen Klöster Schwabens nach Italien hinübergegriffen. Karl der Dicke schenkte den Mönchen von St. Gallen die an Wein und öl reiche kleine Abtei Massino an den

* "Navem etiam episcopcUem in Lacu Rirano post dominicas IUI natvs absqne tdoneo et censu potestath^e ab itinerantibus carcandum e^se precipimusf Mohr 1, 42. Ludw. d. Dtsche. 1, 45 (Böhmer- Mühlbacher 1852) und Otto I. 1, 75 (DOI 175). Dort ist der Wortlaut etwas abweichend und hinzugefügt: »solitas ministrorum contentiofies penitus removendas*. Zur Sache Planta S. 410 f.

* Zweiter Einkünfterodel : »Item ad Bipam tercia pars theolofiei de Bomeis pertinet 8. Marie et episcopo Ctm'eusi*. Mohr 2, 106.

» DOI 90. Wart mann, Urkundenbuch v. St. Gallen 3, 16.

* S. oben S. 47. »Mohr 1, 287.

* Das stimmt mit den späteren Verhältnissen überein und dürfte vielleicht auf die römischen Zeiten zurückgehen, wenigstens würde sich so vortrefflich die Lage des aufgedeckten Kastells erklären.

Verkehr bis siir Vereinigmig von Burgnnd mit dem Deutschen Reiche. 65

üppigen Ufern des Lago Maggiore ^ Die Reichenau hat eine ganze Kette von Gütern gehabt, die nach Oberitalien hinüberfUhrten. Wenn der Reichenauer Abt über den Julier oder Septimer wollte, konnte er in Lenz auf eigenem Boden schlafen, wählte er die Hinter rheinpässe oder den Lukmanier, so bot sich ihm Reichenau als Quartier, fUr die letztere Fahrt noch Tamins und Trins*. Diese Schenkung König Ottos (I.?) schuf die Verbindung mit der älteren Bewidmung durch eine Reihe von Orten am Comersee : Oravedona, Limonta, Tremezzo und Lecco, die einst Karlmann, Ludwigs des Deutschen Sohn, geschenkt hatte ^. Wein, öl und Kastanien hat wohl gar oft ein reichenauischer Mönch oder Verwalter über die Pässe dem Kloster zugeführt. Auch Pfävers ragte mit seinem Besitze über die Hänge der Alpen bis in das Gebiet von Chiavenna, und besonders bedeutsam ist es, dafs die ihm gehörige Kirche St. Gaudentius schon um 998 als am Fufse des Septimer Berges gelegen bezeichnet wird*. Eine solche Ortsbeschreibung beweist uns, dafs der Berg einen damals schon viel benutzten Pafs trug und die Anlage der Kirche selbst in dem hintersten Teile eines Thaies oberhalb der letzten ständig bewohnten Häuser bezeugt, dafs sie dem Verkehr über den Septimer oder über den Malojapafs ihren Ursprung verdankt.

Leider ist das Archiv von Disentis durch den Brand von 1799 ver- nichtet, aber aus den anderweitig erhaltenen Nachrichten zur Geschichte dieses Klosters wissen wir, dafs auch dieses Kloster einen bedeutenden Besitz jenseits der Alpen hatte, namentlich in der Lomellina und am Lago

1 ^atpert, Gas. s. Galii. Die Schenkung föllt in die Jahre 881 bis 883. Ich fand im Mailänder Staatsarchiv Missive Band 155 Fol. 88 ein Schreiben des Herzogs von Mailand an den Abt von St. Gallen vom 80. März 1482, der sich an jenen um Restitution der Güter am Lago Maggiore gewandt hatte. Der Herzog fand, das sei 778 Jahre her, der Abt solle bessere Dokumente beibringen. Die Rechnung stimmt freilich nicht; denn 704 hatte St. Gallen nichts dort erworben. Über die Versuche von 1493 vgl. Wartmann 4, 956.

' Ich mufs hier Gilg Tschudi gegen P. C. v. Planta in Schutz nehmen, der ihm (Herrschaften 445 Anm. 4) die Aufstellung einer unhaltbaren Hypothese vorwirft. Tschudi ist der einzige Bündener Historiker, der richtig gesehen hat, dafs die Herr- schaft Hohentrins eben alt-reichenauischer Besitz ist.

» Gall. Oheim herausg. v. Brandi 2, 18 u. 19. Der Besitz am Comersee wurde in Resten bis in die Tage Kaiser Heinrichs VII. behauptet S. die Litteratui bei Brandi S. 18 Anm. 9 und 125 Anm. 29. Ich habe in Como vergebens nach weiterem Material gesucht Auch der gründliche Kenner der Kirchengeschichte dieser Diöcese Abbate Santo Monti vermochte nichts beizubringen als die Vermutung, dafs das Klösterchen San Benedetto (im Thale gleichen Namens) zur Reichenau gehört habe. Es liegt in der That nicht gar weit von dem reichenauer Besitz in der herrlichen Tremezzana. Vgl. auch Darmstädter S. 97 100.

^ »EccUsiam sancti Gaudentü ad peäem Septimi montis.* Eichhorn, Epiac. Cur. Nr. 29.

Sehnlt«, G«Mh. d. nittolalUrl. Hand*la. I. 5

66 Sechstes Kapitel.

Maggiore. Sicher gestellt ist er für die Mitte des zwölften Jahrhunderts, wird aber auf einen Grafen Wido von Lomello zurückgeführt, der ein Zeit- genosse König Pipins gewesen und auf einer Reise nach Chur in Disentis erkrankt sein solP.

Der Verkehr über den Grofsen St. Bernhard raufs in der Zeit der burgundischen Herrschaft recht lebhaft gewesen sein, wenn auch die Saracenen die Strafse lange belästigten^. Der Abt Gerard von Brogne, der von Rom kommend auf Saumtieren Porphyrsteine zum Bau des Altars einer Kirche mitbrachte®, Sigerich von Canterbury, der 990 aus Italien heimkehrte, und der Bischof Bemward von Hildesheim sind nachweislich diesen Weg gewandelt*. Zu den Reisenden, welche den Grofsen St Bern- hard überstiegen, gehörte auch der hl. Ulrich Biscliof von Augsburg*^, Majolus Abt von Cluny wurde hier 972 von den Saracenen gefangen genommen®; schon Odo, der erste Abt von Cluny, hatte 941 diesen Weg eingeschlagen'', wie später Abt Fulco von Corbie es that®.

Eine verspätete Welle der Völkerwanderung ist es, die im Anfang des elften Jahrhunderts über den Grofsen St. Bernhard ging. Sie ist die Ansiedlung der Normannen in Unteritalien. Nachdem Rudolf mit seinen Begleitern über die Alpen in die lombardische Ebene hinabgestiegen und vom Papste Benedikt VHI. für den Kampf wider die Griechen gewonnen war und 1017 wirklich sie besiegt hatte, brach nach Rodulfus Glaber eine unzählbare Menge mit Weibern und Kindern auf und kam an den Jupiters- berg. Die kriegsgewohnten Normannen wollten keine Zölle und Gebühren entrichten, sie sprengten vielmehr die Befestigungen und vertrieben ihre Wächter und kamen so zu Rudolf®; wenn sie auch geschlagen wurden, 80 beruht doch die Begründung des normännisch-sizilischen Reiches in ihrem Auftreten.

Hier erscheint die Strafse über den St. Gotthard als der gewohnte

1 Bestätigung Friedrichs I. von 1154. Mohr 1, 176. Stumpf 3701, jetzt mit der wichtigen Vorlage des Klosters auch bei Thommen, Urkunden zur Schweiz. Gesch. 1, 9 ff. Bestätigung Lucius III. von 1184 Mohr 1, 212. Die nachweisbaren Orte liegen übrigens bei Locamo und Luino am Lage Maggiore.

3 Zu Hochburgund gehörte auch das Thal von Aosta Trog S. 27. Die Be- strebungen König Rudolfs IL, die Herrschaft in Italien zu gewinnen, beruhten natürlich auf dem Besitze dieses Passes.

' Die Reise wird von Sackur bezweifelt.

* öhlmann 1, 248 ff.

^ M.G. SS. 4, 404. Er fand gerade das Kloster St. Maurice von den Sara- cenen zerstört

* S. oben. Vgl. auch Sackur, Die Cluniacenser 1, 228. ■^ Sackur 1, 110.

" Vita S. Geraldi abb. Acta SS. April I, 416.

* Rodulfus Glaber, Lib. 3 c. 1. Ausgabe von Maurice Prou S. 53.

Verkehr bis zur Vereinigung von Burgund mit dem Deutschen Reiche. 67

Weg, den man vom Norden Frankreichs aus über die Alpen nahm. Eng- lische Pilger und Wanderer haben ihn jedenfalls in grofser Zahl benutzt, das ist durch Funde von englischem Gelde auf der Pafshöhe erwiesen ^

Sigerichs Reiseroute giebt uns den Weg, den damals die Wanderer einzuschlagen pflegten, ganz genau an. Auf Piacenza folgt St. Andreas, das ist Corte S. Andrea unterhalb der Mündung des Larabro in den Po. Es folgt S. Cristina, das dicht westlich von Corte Olona, einer alüombar- dischen Königspfalz, liegt. Über Olona und Belgiojoso wurde Pavia erreicht. Der Weg von hier bis Vercelli ist durch den Namen Tremel (Trumello, am Übergang über den Terdoppio) als die über Mortara führende Heerstrafse erwiesen. Zwischen Vercelli und Ivroa ist angeführt St. Agath, jetzt Santhia. Es schliefsen sich als Stationen an: Pollein, Aosta, St. Römy, Bourg St. Pierre, Orsi^res und St. Maurice. Folgt der Verkehr hier bereits durchweg der alten Römerstralse , so ist das auch im weiteren der Fall. Das Verzeichnis führt weiter an Burbulei, Vivaec (=r Vevey), Losana (= Lausanne) und Urba (-= Orbe). Der zweite Name dieses Ortes ist bezeichnend, er lautet Tabemae*. Der Weg ging von hier nach Sigerichs Itinerar, mit dem die Angaben der Translationen durchweg in Übereinstimmung zu bringen sind, über Antifern, Punterlin (= Pontarlier), Nos (= Lods nw. von Pontarlier), Bysiceon (= Besan9on), Cuscei (=^ Cuscy beim Übergang der alten Römerstrafse über den Ognon), Sefui (= Seveux am Übergang über die Saone), Grenant (zwischen Gray und Langres), Langres, dann weiter Bar-sur-Aube, Brienne, Chalons s. M., Rheims, Laon, Arras zur Meeresküste®.

Die Route Sigerichs giebt uns ohne Zweifel die Hauptverkehrsstrafse für den englischen, flandrischen und nordfranzösischen Verkehr an. Vor allem auf sie werden sich die Verhandlungen bezogen haben, die Knud der Grofse, der gewaltige Herrscher des Nordens, bei Gelegenheit der Kaiserkrönung Konrads II. mit diesem wie mit dem gleichfalls damals in Rom erschienenen Könige Rudolf von Burgund pflog. Der König konnte den englischen Bischöfen melden, dafs beide Herrscher zugesagt hätten, dafs Engländern und Dänen der Weg nach Rom nicht mehr so

^ Nach Ferrero, Notizie degli scavi 1894 S. 35Anm. 2 fanden sich beim Aus- bau des alten Saumpfades zur Fahrstrafse auf schweizerischer Seite bis an das Hospiz englische Silbermünzen des elften und zwölften Jahrhunderts, vermutlich die Bar- schaft eines Reisenden, der auf der Wanderung um das Leben kam. Die Abhandlung von Morel-Fatio war mir nicht zugänglich.

a So 966 (Hidber, Urkundenregister Nr. 1087), 996 (Nr. 1163), 1011 (1236), 1023 (1264), 1026 (1278) und öfter, zuletzt 1046 (1336). Nr. 1439 enthält eine Reihe von Angaben über Transporteinrichtungen und das Spital.

8 Script, rer.ßritanic. 63, 392 ff. Vgl. auch Konrad Miller, Die ältesten Weltkarten Heft 3 S. 156 ff. Von Rom war der Erzbischof über Acqua pendente, Siena, Lucca, Luna, Pontremoli, Borgo San Donnino nach Piacenza gereist.

5*

08 Siebentes Kapitel.

erschwert werden solle, sie sollten nicht mehr durch so viele Wegsperren aufgehalten und durch ungerechte Zölle belästigt werden; die Eaufleute^ wie die, welche des Gebetes halber pilgerten, sollten ohne alle solche Hinderung nach Rom ziehen und von dort heimkehren können. Ins- besondere habe auch König Rudolf, in dessen Händen die meisten Pässe seien, dies zugesagt^.

Siebentes Kapitel. Der Handel.

Spärliche Nachrichten, Ältester ZMarif: Aosta. Art der Zollerhebung. Allgemeine EandelsverhäUnisse. Oew^e, Nahrungsmittel. Gewwrze. Weihrauch, Parfümeriestoffe. Wein, Andere Waren. Passive Handelsbüans des Nordens. Auch Italien noch in sdcundärer Stellung im Welthandel. Deutsche Kaufleute. Fremde Kaufleute: Syrer, Juden, Araber, Friesen, Italiener. Wanderhandel. Märkte,

Direkte Nachrichten über den Handel sind im ganzen früheren Mittelalter äufserst spärlich, auch hier müssen noch, wie ftir die früheren Zeiten, die Funde als Quellen herangezogen werden. Es fehlt da noch so gut wie an allen Vorarbeiten.

Dem neunten Jahrhundert gehört der älteste Zollkatalog aus der Alpenwelt an. Eki ist der, den Bischof Giso von Aosta 960 abfassen liefs *. Er enthält nur wenige Nummern. Den Bedürfnissen der bischöf- lichen Gutsverwaltung entsprechend wurde am St. Ursusthor, soviel sie brauchte, vom Salze erhoben. Von je einem Dutzend Schüsseln, Lanzen, Hirtenhörnem und hölzernen Näpfen wurde ein Stück genommen, wie von einer Saumlast von Schwertern zwei. Es sind die Bedürfnisse eines Alpenvolkes, die gedeckt werden. Von den übrigen Waren wurde ein Verkaufszoll erhoben in einer Höhe von 20^ Wert je 14 S), also ein Zoll von 5,8 ®/o, besonders erwähnt werden Schilde, Zügel, Sporen und Sättel. Ein specieller Ansatz war für einige Waren gemacht: zunächst für Metalle: von einer Saumlast Blei 4, Zinn 6, Eisen 4, Erz 6 %; von Panzern 12 S), von einem Pferde 4 ä). Sehr eigentümlich sind die An- sätze für einen Falken 2 h und einen Affen obwohl es ein lächer- liches Tier sei 12 ^, noch merkwürdiger berührt uns die Saum- last Dinte, doch liegt da wohl irgend ein Fehler vor. Im übrigen mufste jeder Kaufmann, der durch das Thor auf einem Pferde oder einem Esel einritt, er mochte von oben oder von unten kommen, einen Pfenning bezahlen^. Es ist neben dem Zoll eine Verkehrsgebühr.

1 Brief Kanuts bei Mansi, Condliorum CoUectio 19, 499 ff.

* Gedmckt bei Besson, Mämoires du diocöse de Genöve 473. Auch Öhl- mann 1, 248 Anm. 4.

* Eis ist offenbar zu lesen: »de mercatoribus de quacunque parte vementibuSt si cum asino vel equo portam istam intraverint causa emendi vel vendendi, pro unoquoque denarium (nicht denario) unum, de sale quantum necesse est ad aulam episcopi*.

Der HandeL 89

Die Zolltarife schmiegen sich in den Zeiten der Naturalwirtschaft den Bedilrfnissen des Zollerhebers mehr an, als dafs sie den Wert der Artikel berücksichtigt hätten. Der Zollherr deckt den Bedarf an ftlr ihn absolut notwendigen Dingen womöglich durch Beschlagnahme eines Teiles der durchzuführenden Ware. So erfahren wir aus den ältesten Zolltarifen besser, was das Bedilriiiis des Zollerhebers war, als was in gröfseren Beträgen die Zollstätte passierte, sie sind noch mehr eine lokale Quelle als eine Quelle der Kenntnis der internationalen Verhält- nisse. Die ganze Bekleidungsbranche einschlielslich der Rohstoffe ist unberücksichtigt, die Artikel, welche genannt sind, sind auffallenderweise fast nur Metalle. Trotz dieser Mängel enthüllt uns der Zollkatalog doch einen internationalen Handel: wie der Affe, der die Jahrmärkte beleben sollte, den Orient oder Afrika repräsentiert, sprechen die Panzer für die Mailänder Waffenindustrie, jedenfalls ist das Zinn der Vertreter des eng- lischen Handels. Cornwallis und Devon sind unzweifelhaft als Heimat des hier erwähnten Metalles anzusehen. Der Grofse St. Bernhard erweist sich somit auch als die Richtung der von England nach Italien gehenden Waren, wie er der Weg der Wanderer war.

Wir müssen den Versuch machen, diese wenigen Nachrichten in das Bild der allgemeinen Geschichte des Handels jener Zeit einzufügend

Mit dem Zusammenbruche des römischen Reiches ist keineswegs der Handel völlig vernichtet worden, aber er ging seinem Umfange nach ganz enorm zurück, und die Leistungen sanken ebenso tief. Nördlich der Alpen und zum Teil ja auch im Süden war die Q^ld Wirtschaft völlig aufgegeben und die Naturalwirtschaft führte die Zeiten des Tauschhandels zurück. Die Geldnot drängte den Handel in die engsten Grenzen zurück. Die germanischen Völker waren fast ausschliefslich von einem heifsen Verlangen nach Grundbesitz geleitet, und auf der Landwirtschaft baute sich ihr Volksleben auf. Wie nun jede Wirtschaft versuchte, alle Bedürf-

' Ich stelle hier einmal die wichtigsten Werke zur allgemeinen und der speci eilen Geschichte des Handels dieser Zeit zusammen: Heyd, Gesch. d. Levante- handels Pigeonneau, Histoire du commerce de la France. W a i t z , V erfassungs- gesch. 4, 36 ff. Falke, Gesch. des deutschen Handels 1859. Beer, Allg. Gesch. des Welthandels 1860. Mayr, Richard, Lehrbuch der Handelsgeschichte 1894. Schmoller, Die Strafsburger Tucher- und Weberzunft. Strafsb. 1879. H e 1 1 w i g , Handel u. Gewerbe der deutschen Städte während d. sächs. Kaiserzeit. Gk^tt. Progr. 1882. Boos, Gesch. d. rhein. Städtekultur I. 1897. Goldschmidt, Universal- geschichte des Handelsrechtes. 1. Lieferung. 1891. Nübling, Ulms Kaufhaus im Mittelalter. Rostocker Diss. 1895. Jastrow-Winter, Deutsche Gesch. im Zeit- alter der Hohenstaufen 1897. NoSl, Histoire du commerce du monde. 2 voll. Paris 1891. Doren, Untersuchungen z. Gesch. der Kaufmannsgiiden im Mittel- alter (Staats- u. social wissenschaftl. Forschungen XU, 2) 1893. Fischer, Jonathan, Gesch. d. teutschen Handels. Hannover 1782.

70 Siebentes Kapitel.

nisse möglichst selbst zu decken , in der eigenen geschlossenen Haus- wirtschaft alles zu erzeugen, zu verarbeiten und zu konsumieren , wie so eine Masse von durchaus selbständigen wirtschaftlichen Betrieben nebeneinander trat, war für einen Handel der Raum aufserordentlich ein- geschränkt. Er erlosch in all jenen Artikeln, welche in einer jeden Wirt- schaft hergestellt werden konnten und zum täglichen, Bedarf gehörten, er- halten aber blieb er in jenen Dingen, die man aus andern Ländern holen mufste und die dennoch unentbehrlich geworden waren, erhalten also der Handel mit Luxusgegenständen, die der wohlhabende Teil einer einfachen bäuerlichen Gesellschaft verbrauchte. Er urafafste seltene Naturprodukte und gewerbliche Erzeugnisse von hohem speciiischem Werte *.

Neu trat mit der Christianisierung hinzu der Handel mit den Kultus- bedürfnissen einer Kirche, die, im Orient entstanden, in ihrem Gottes- dienste der Gesittung des Mittelmeergebietes folgte und in ihrer kon- servativen unitarischen Art nicht den lokalen Verhältnissen sich an- schmiegte. Zugleich weckte die Kirche das Interesse für ihren Schmuck, und die Künste dieser Jahrhunderte haben ja fast ausschliefslich der Kirche gedient.

Relativ gering waren die Handelsbedürfnisse in der Kleidung ^. Der Germane bevorzugte noch immer die Leinenkleidung und das Pelzwerk, so waren die Westgoten bekleidet gewesen, im Hause oder doch auf dem Hofe wurde das Leinen zubereitet. Spinnen und Weben gehörte so sehr zur Arbeit der Frauen, dafs als Symbol der Frau die Kunkel galt. Wie die Verwandten des Mannes die Schwertmagen hiefsen, so die der Frau die Spindelmagen. Noch Karl der Grofse trug durchweg Linnen, und bekannt ist die hübsche Schilderung des St. Galler Mönches, wie die vornehmen Franken rote Leinenhosen trugen. Dafs feine, in Lueca hergestellte Schenkelbinden in Deutschland verwendet wurden, wissen wir aus dem Ruodlieb^.

Die Wolle fand zwar auch schon Verwendung, aber doch immer nur in bescheidenem Umfange, jedenfalls war auch die Wollbearbeitung mit Ausnahme des Walkens noch immer Gegenstand des Hausäeifses. So hielt Karl der Grofse auch seine Töchter zur WoUstoflfbereitung an.

^ Bücher, Die EntstehuDg der Volkswirtschaft S. 37.

' Vgl. vor allem Schmoller, auf S. 358 ist die Reichenauer Urkunde von 843 zu streichen, da sie eine Fälschung des zwölften Jahrhunderts ist. Weinhold, Die deutschen Frauen im Mittelalter 1 ■, 161 ß., 175 f. Jetzt auch Klumker, Der friesische Tuchhandel zur Zeit Karls des Grofsen und sein Verhältnis zur Weberei jener Zeit. Leipz. Dissert. 1899, der jedoch Leinen- und Wollweberei nicht scharf ^enu^ trennt.

'Ruodlieb ed. Seiler 13 Bruchstück Vers 114. »lU^ ligamimhua de Lxikla crura coemptis,«

Der Handel. 71

Erst die höhere Entwicklung der WoUstoffbereitung, die Ausscheidung von Hilfsgewerben und der erhöhte Konsum von Wollstoffen löste die- selbe von dem Hause ab und gab den Anstofs zur Begründung des gröfsten und mächtigsten mittelalterlichen Gewerbes, der Wollenweberei. Die Leineweberei blieb ungleich viel- länger im Rahmen der Hauswirt- schaft. Der Übergang zu einem Handwerk^ und damit aus den Händen der Frauen in die der Männer, hatte sich bei der Wollenweberei vor 1030 unzweifelhaft schon in Flandern und Nordfrankreich bez. in Fries- land vollzogen, wo die Kunst der alten belgischen Nervier und Atrabaten, die in der Römerzeit zur Gründung von kaiserlichen Fabriken geführt hatte, auf ihre Nachfolger, die Flandern und Friesen, übergegangen war und diese nun zuerst unter den Germanen einen Anteil am Welthandel sich errangen. Der Vorsprung, den diese Lande in der Textilindustrie gewonnen hatten, sollte während des Mittelalters nicht verloren gehen. Die ältesten Weberstädte nördlich der Alpen sind die in Nordfrankreich und Flandern^, und während sonst die Ablieferung von fertigen Woll- stoffen seitens der Hörigen an ihre Herren selten begegnet Prüm, Weifsenburg, Regensburg , bezog Fulda aus Friesland 693 wollene MänteP. Hier verstand man sich auf die Kunst des Färbens. Es gab weifse, graue Tuche, vermiculata nud saphirina^. Dieses sind blaue, jene aber scharlachrote, mit Kermes (vermieuli) geferbte. Die salzreichen Land- striclie an der Küste Flanderns lockten zur Schafzucht, und wir haben Belege für ihre grofse Ausdehnung in diesen Gebieten*, das reizte die Bewohner zur Entfaltung einer Tuchindustrie, die auch leicht aus Eng- land die beste Wolle jener Zeit beschaffen konnte, dessen ausgedehnte Triften, feuchtes Klima und üppiger Graswuchs die beste Wolle erzielen liefsen. Die Natur hatte Flandern ftir die Textilindustrie prädestiniert**. Für feinere Stoffe, Gewebe, vor allem für die Seidenstoffe, war der Norden durchaus auf den Orient bez. das östliche Mittelmeergebiet an- gewiesen, seitdem die Seidenraupe unter Justinian nach (552) Konstantinopel von Blhotan her eingeführt war. Schwäbische Grofse kauften in Pavia feines Pelzwerk und seidene, mit Purpur verbrämte Kleider von venetia- nischen Kaufleuten, welche de iransmarinis partibus omnes orientalium diviiias herbeischafften ® und erschienen in solcher Tracht neben dem ein- fach gekleideten Karl, der sie meisterlich zu beschämen wufste. Prächtige

' Vgl. bes. Pirenne, Gesch. Belgiens 1, 194, dann Sc hm oll er, auch Gold- schmidt S. 103.

2 Klumkcr 64. » M.G. SS. 2, 752.

* Klumker 64.

» Pirenne 1, 35 f. 194 f.

Mon. Sangall. SS. 2, 760.

72 Siebentes Kapitel.

Gewänder arabischen oder orientalischen Ursprunges begegnen uns unter den Geschenken an Kirchen oder im Besitze von solchen. Es ist bekann t, wie die feineren Zeuge von Byzanz oder aus dem Oriente stammen und wie namentlich die Stoffe für die liturgischen Gewänder von dorther be- zogen wurden. Der orientalische Geschmack bestimmte durchaus die Erzeugung feinerer Gewebe. Für Sammet und Seide hatte damals noch der Orient, einschliefslich Byzanz das Monopol^. Aufserdem lieferte der Orient Edelsteine, Goldschmiedearbeiten und andere Luxusartikel.

Bei den Nahrungsmitteln war der deutsche Handel intensiver beteiligt. Die Massenartikel Getreide und Wein gingen jedoch von Oberdeutsch- land Rhein abwärts; das Elsafs gab von seinem reichen Weinsegen nach Köln bedeutende Quantitäten ab und geradezu kann man den .Weinhandel als den Haupthandel des Elsafses in jenen Tagen bezeichnen. Ermoldus Nigellus hat den Segen des Weines für das Elsafs gepriesen^. Ein erheblicher Teil des Handels jener Tage bezog sich auf das ftir Menschen wie Tiere nötigste Lebensmittel, das Salz. Da es jedoch sehr unwahr- scheinlich ist, dafs das centrale Gebirge Europas gröfsere Salztransporte sah, habe ich grundsätzlich den Salzhandel ganz ausgeschieden und werde nur einzelne Fälle des thatsächlichen Transportes anführen.

War im grofsen und ganzen der Handel mit diesen Artikeln doch auf geringe Entfernungen beschränkt, so liegt es bei den Gewürzen ganz anders. Das frühe Mittelalter liebte es, die Speisen scharf zu würzen, ja die Getränke blieben nicht ungewürzt. Vor allem war der Pfeffer aufser- ordentlich beliebt^. Die Herrschaft sucht ihn sich ohne Handel direkt durch die Abgaben zu verschaffen; Pfefferzinse sind aufserordentlich

^ Vgl. die Gaben des Bischofs Adalbero von Augsburg an St Gallen. Neugart, Cod. dipl. Nr. 667 und andere Stellen, die Dum ml er, Das Formelbuch Bischof Salomos III. von Konstanz S. 128 anführt. Heyd, Levantehandel 1, 4 u. 97. 105 u. öfter. Jacob, Nord. balt. Handel S. 138 ff. Bock, Gesch. d. liturgischen Ge- wänder. Silbcrmann, Die Seide Bd. 1.

^ Quae, Helisace, tuus ffignü amoenus (iger,

Gens animosa arvis vinoque septdta jaceret,

Vix in tarn magna urhe maneret hotno; Utile consilium Frisombus atque marinia

Vendere vina fuit, et mdiora vetii, Hinc quoque plebis honor popülos transcurritf honestus

Hinc repetit civis, hinc peregrinus opes, Nam tego veste meos vario fucata colore, Quae tibimet nusqitam, Wasace, nota foret. M.G. Poetae lat. 2, 88. v. 115—124. Im zehnten Jahrhundert lag in den Kellern des Bischofs von Lüttich vorzugsweise Wormser Wein. M. G. SS. 7, 125. Der Abt von St. Gereon in Köln holte Wein von Worms. Mirac. s. Goaris M.G. SS. 15, 869. Für die Zeit der Minnesinger vgl. Schultz, Höfisches Leben 1, 442. » Schultz 1, 392. Heyd 1, 91. 99 ff. 2, 638 ff.

Der Handel. 73

häufig, selbst Bauern wurden sie aufgelegt^. Wo solche Zinse erscheinen, darf man Handelsverkehr vermuten^. Und der Pfeffer war nicht allein, sondern wie verbreitet der Gebrauch der Gewürze überhaupt war, ersieht man daraus, was ein missus regius alles auf einer villa beanspruchen durfte^. Neben Pfeffer: Costus, Gewürznelken, Spikanarde, Zimmet, Mastix, Datteln, Pistazien und Mandeln. Sehr beliebt war es, oft recht kleine Quantitäten der köstlichen Gewürze zum Geschenke zu machen; so erscheint in dem Briefwechsel des hl. Bonifaz: Zimmet, Costus, Cotzumber (eine Weihrauchart) und Serostyrax^. In andern Geschenken erscheinen noch Opobalsamum und Thymiama'^. TartüS!, ein Mitglied der maurischen Gesandtschaft, die 973 sich zu Otto dem Grolsen begab, fand in Mainz, obwohl die Stadt im fernsten Abendlande liege, Gewürze, die nur im fernsten Morgenlande vorkommen: Pfeffer, Ingwer, Gewürz- nelke, Spikanarde, Costus und Galanga*. Am genauesten orientiert über den Gebrauch von Gewürzen, Räucherwaren etc. eine Aufzeichnung des Klosters Corbie, die das, was man in Cambray einkaufte, aufzählt^. An Wachs brauchte das Kloster 600 iL, an Pfeffer und Kümmel je 120, an Ingwer 70, an Zimmet 15, je 10 von: Gewürznelken, Galgan, Rha ponticum, Costus, percrumy Spikanarde, Salbeiblätter, Mastix, Weihrauch, Schwamm, pomicar, Zittwar und Styrax calamita, 5 von Gotzumber, 8 von Myrrhe, Opperment, Drachenblut und »indtumc, endlich 2fö Thymiama. Diese Namen verraten uns, wie grofs die Erbschaft und Tradition im Gewürz- und Heilpflanzen verbrauch war, die die germanischen Völker in ihrer Wanderzeit übernahmen. Neben den bekanntesten Gewürzen: Pfeffer, Ingwer, Zimmet, Gewürznelken, die nur von fUnf kleinen Insel- vulkanen der Molukken bezogen werden konnten, erscheint die aus den Alpen von Kaschmir stanmiende Costus wurzel (Aucklandia Costus)^, das

^ In Speicr wurde bis auf Heinrich V. von den Schiffen Pfeffer erhoben. H i 1 - gard, Urkunden z. Gesch. d. Stadt Speyer S. 19. Die deutschen Kauf leute in London gaben dem engl. Könige einen Pfefferzins Heyd 1, 98. Spätere Beispiele z. B. Lau, Verfassungsgesch. d. Stadt Köln : »camerarius qui praeest piperi* S. 67. Pfeffer wurde von dem Gute der unbeerbt in Köln gestorbenen Fremden erhoben S. 68. Die Juden- gemeinde zahlte alljährlich 6 €6 Pfeffer S. 178. Auch in Zürich ging von zum Zoll gehörigen Äckern ein Pfefferzins. Züricher Urk. 1, 333. Weitere Beispiele bei Hüllmann, Städtewesen 1, 29 f., Heyd 2, 639. Geering, Handel und Industrie von Basel S. 236. Vgl. auch die Abgaben auf der Septimerstrafse.

> Vgl. z. B. die Steuer von Mals bei Mohr 2. 103.

' Allerdings nur eine der Marculfschen Formeln. M.G. Leg. Sectio V S. 49.

^ Jaff6, Bibl. rer. Germanic. 3, 156 f. 199 u. 218.

^ Vgl. die zusammengestellten Quellenangaben bei D ü m m 1 e r a. a. O. S. 1 19 f u. 141 .

^ Jacob G., Ein arabischer Berichterstatter aus dem zehnten oder elften Jahr- hundert über Fulda u. s. w. 1890 S. 13 f.

"^ Gu^rard, Le polyptyque de Tabb^ Irminon. Paris 1844 2, 336.

^ Heyd 2, 580. Flückiger, Pharmakognosie.

74 Siebentes Kapitel.

Rha ponticum, der von jenseits des Pontus, thatsächlich aus China stammende Rhabarber ^^ das Opobalsamum, der Saft des ägyptischen und arabischen Balsamstrauches'. Unter den Räuchereien und Parfiimerie- stofFen war dem Altertum sehr wohl bekannt und damals hochberühmt das Harz der auf Chios gebauten Pistacia Lentiscus*, ebenso der Weih- rauch*, die Myrrhe*^, das Harz und die Rinde von Styrax calamita bez. styrax ofHcinalis, letztere thymiama genannt®. Die Spica Nardi ist der Wurzelstock einer im Himalaya wachsenden Pflanze^, während das Drachenblut wohl nicht von Sumatra und Java kam, sondern von den Arabern eingeführt wurde und von der Insel Socotora stammt®. Von den Arabern eingeführt und im Altertum vielleicht unbekannt war die Galangawurzel, ein kräftiges Reizmittel ^, und die nicht allein als Medizin, sondern auch zur Würze verwendete, bitter schmeckende Zedoar(Zitwar)- wurzel ^^.

Für liturgische Zwecke war der Wein unentbehrlich, dazu kamen Weihrauch, der nur aus dem Oriente bezogen werden konnte, und Wachs, das doch schon wohl damals für den höchst ausgedehnten Gebrauch in der Kirche aus dem Orient herangezogen wurde. Feine Waffen, elfen- beinene Kämme erscheinen als Objekte des internationalen Handels, wie lombardische Bischöfe deutsche Zügel und sächsische Sättel benutzten ^^ Der Verkauf von Waffen, wenigstens von baugae (Schutzringen) und Brünnen wurde zeitweise verboten ^*. Zinn mufste England liefern. Nicht zu übersehen ist, dafs noch immer ein sehr lebhafter Sklavenhandel be- stand, der namentlich in den Händen der Juden war.

Im allgemeinen ergiebt sich, dafs der Handel von dem Verkehre mit dem Orient, mit dem indochinesischen Hinterlandgebiete, von Kon- stantinopel und der Südküste des Mittelmeeres abhängig war, dafs im Vergleich zu diesen Ländern der Norden eine passive Handelsbilanz haben mufste. Er mufste einftihren, was vom Oriente her in das Gebiet des Mittelmeeres gelangte, und konnte dagegen nur bescheidene Gegen-

» Flückiger 405.

« Heycl 2, 566-572.

' Heyd 2, 616 618. Flückiger 117 f. Auch granomastice genannt.

* Heyd 2, 656—58. Gotsumber kann ich nicht erklären.

^ Flückiger 41—43.

« Flückiger 132 f. und 134.

' Flückiger 470.

« So Flückiger u. Hanbury, Histoire des drogues 2, 490 u. 494. Wurde als Arznei, doch auch in der Malerei verwendet.

» Heyd 2, 591. Flückiger 363 f.

Heyd 2, 658. Pomicar, indium und percrum vermag ich nicht zu erklären. " Rat her. »Frenis Germanicis^ sellis Saxonicis.» " S. Dahn, Könige d. Germ. 8, 4, 238.

Der Handel. 75

gaben bieten. Als Geschenke sandte Karl der Grofse friesische Tücher in den Orient, die dort selten und teuer waren ^ Der gröfste Kaiser des Mittelalters hat doch auch für den Handel ein lebhaftes Interesse gehabt*. Im allgemeinen war der Handel auf Objekte beschränkt, die an einem anderen Platze nicht erzeugt werden konnten, selbst für die friesische W ollen industrie dürfte das zutreffen, da doch schon wohl da- mals Friesland die feine Wolle, welche die Schafherden in dem trift- reichen und nebeligen England produzierten, benutzte. Jedenfalls war die Schafzucht im deutschen Binnenlande noch wenig entwickelt^.

Die gröfsten Weltemporien waren Byzanz und die Randstädte der arabisch-muhamedanischen Welt auf der Strecke von Syrien bis Ägypten. Hier waren die Stapelplätze der Waren des Orients, Indiens und Chinas. Die von dort ausgehenden Verkehrsstrafsen mieden aber im wesentlichen die Alpen, die grofse Strafse, welche von arabischen Händlern, bez. von nordischen Händlern, die dem muhamedanischen Gebiete Vorderasiens zustrebten, vielfach benutzt wurde und vom Schwarzen Meere zur Ost- see ging, lief weit östlich ; von dem Handel auf ihr haben wir dank der arabischen und byzantinischen Quellen sowie der Münzfunde eine deut- liche Vorstellung. Weit unsicherer ist schon das Bild, das wir uns von dem von Marseille aus nach Gallien gerichteten Verkehre machen. Ich meine aber, man ging zu weit, als man gegenüber dem „Strafsenviereck", das aufser jenen Strafsen durch das Mittelmeer und die Nord- und Ostsee gebildet wurde und Deutschland umging, die Alpenstrafsen als fast völlig bedeutungslos bezeichnete*. Mindestens für den Grofsen St. Bernhard geht das Urteil zu weit, ich glaube, er war schon damals die Verbindung zwischen den Ausstrahlungen von Byzanz und dem ersten, nicht mehr rein bäuerlich lebenden Gebiete Flandern vorhanden. Diese Diagonale durch Westeuropa hatte schon damals erhebliche Bedeutung. Auch für die Bündnerpässe ist doch wohl etwas mehr Handelsverkehr anzunehmen. Im Mittelalter bildete sich eine centrale Vermittlungszone, worin zwischen dem Handelsgebiete des Nordens (Nord- und Ostsee) und dem des Südens (Mittelmeer) der Austausch stattfand. Von ihren Gliedern: Flandern, Champagne, Mittelrhein und Nürnberg tritt in unserer Periode scharf noch keins hervor.

In diesen Zeiten hatte Italien zum Welthandel noch immer eine sekundäre Stellung. Die byzantinische Handelspolitik hatte sich meister- lich zum Herren des internationalen Verkehrs gemacht: der Nordländer

^ M.G. SS. 2, 752. »palUa Fresonica alba cana vermiculata rel saphinna, qucte in Ulis partibus rara et mtütum cara comperit* Vgl. die Bemerkungen von Hey d 1, 101 f. 2 Wenn Inama-Sternegg, Deutsche Wirtschaftsgesch. 1, 435 ff. auch übertreibt. ' Schmoller S. 358 f. * So Jastrow, Mayr.

76 Siebentes Kapitel.

mufste in Byzanz kaufen, womöglich durch die Hand des Staates, ohne dafs ihm verstattet wurde, mit den Händlern, die die Waren aus dem Oriente gebracht hatten, direkt in Verkehr zu treten. Byzanz sollte die Vermittlerin bleiben, und die italienischen Städte buhlten um kleine Ver- günstigungen. Eki ist recht bezeichnend, dafs die beiden Städte, in denen fast am längsten sich byzantinischer Einflufs erhielt, die wichtigsten Handelsstädte jener Zeit waren. Sie hatten beide das Glück, eine hohe Autonomie in inneren Angelegenheiten mit einer losen Abhängigkeit von der oströmischen Kaiserstadt zu verbinden: Venedig und Amalfi, dessen Blüte ja nur kurz sein sollte ^. Die Herrscherin der Adria hat von den deutschen Königen fUr das Reich Italien ausgedehnte Privilegien erwirkt, doch verkauften die Venetianer wohl meistens ihre aus dem Orient ge- brachten Waren auf den Messen von Ferrara und Pavia, das damals eine Handelsbedeutung besafs, die es jedoch bald einbüfste, an Händler, die von Norden oder Westen gekommen waren ^. Wie die Venetianer im allgemeinen nicht über Byzanz oder den muhamedanischen Küstenrand hinauskamen^, war es auch wohl das Normale, dafs der Deutsche und Franzose die Messen von Pavia und Ferrara besuchte, wenn auch der Venetianer damals wohl mehr in das Innere Italiens eindrang, als später. Übrigens suchte schon im zehnten Jahrhundert Venedig möglichst direkt mit der muhamedanischen Welt in Verbindung zu treten und sich so von Byzanz unabhängig zu machen. Im allgemeinen hatte die Zahl der Hände, welche die Waren durchliefen, sich seit dem Altertume vermehrt. Beweise für den Handelsverkehr durch Qraubünden haben wir schon oben mehrfach angeführt. Die Namen von Konstanzer Kaufleuten begegnen uns zuerst in nicht gerade schönem Lichte. Da war ein Diebstahl von Kirchensilber in St. Gallen vorgekommen, der Dieb hatte seine Beute bei einem Kaufmann von Buchau untergebracht, aber auch sechs Konstanzer Kaufleute hatten davon erhalten^. Jedenfalls war der Handel über die Alpen ftlr die oberrheinischen Gebiete noch sekundär. Die Haupthandels- route ging zur Mündung des Rheins nach Friesland (im weitesten Sinne) *.

^ Liudprand v. Crem od a Leg. c. 55 bezeugt, wie Venezianer und Amalfi- taner von Bjzanz her kostbare Stoffe nach Italien verbreiteten.

« Kohlschütter, Venedig unter Peter II. Orseolo. Gott. 1868 S. 18. Über die aufserordentlichen Privilegien der Venetianer ebda. S. 20 23, 67, 75—83. Heyd 1, 123. Auf die Messen von Ferrara und Pavia schränkte sie Heinrich IL ein, Heyd 1, 129.

' Sie vermitteln nach Byzanz den Briefverkehr aus Deutschland, Heyd 1, 125.

* Wartmann, S. Galler ürkb. 3, 35 z. J. 1022 oder 1014

^ Da die Strafsburger Kirche von allen Zöllen im Reiche befreit wird mit Ausnahme von denen in den friesischen Hafenplätzen zu Quentowich, Duurstede und Sluis (Karl d. Gr. 775. Strafsb. Urk. 1, 10. Böhmer-Mählbacher 199 [195]), setzte der Aussteller voraus, dafs Strafsburger an diese Plätze kamen.

Der HandeL 77

Von allen Handelsstädten war die bedeutendste Mainz, noch war Frank- furt kein Konkurrent, und die westöstliche Handelsstrafse mit ihren Ver- Bweigungen nach Thflringen. und Bayern war ganz mainzbch ^

Der Femhandel jener Tage wurde im wesentlichen durch den Fremd- kaufmann vermittelt Die rein bäuerliche Organisation der G^ellschaft gab zunächst aus dem germanischen Volkskörper keine Kräfte ab, welche anderen Aufgaben hätten dienen können, und so blieb der fremde Kauf- mann der Vermittler der fremden Erzeugnisse. Früher hat man wohl angenommen, dafs die grofsen Orundherrschaften mercatores zum Vertrieb der von ihnen erzeugten Waren gehabt hätten, aber es ist das ein Irr- tum. ▼. Below hat die dafUr vorgebrachten Gründe scharfsinnig wider- 1^'. Doch selbst wenn das der Fall gewesen wäre, so hätte dieser Kaufmann nur Wein und Bier, Tuch und Leinwand, Felle und Pelzwerk zu Markte bringen können. Die Grundherrschaft hätte mit diesen Waren nur den Bewohnern derselben Gegend Konkurrenz machen können, aber die Bedürfhisse von Waren aus anderen Weltteilen konnte nie und nimmer ein von einer Grundherrschaft angestellter mercator befriedigen. Der Blick des Ackerbauers ist viel zu sehr auf die Stätte seiner Thätig- keit eingeschränkt, als dafs er auf den Gedanken hätte kommen können, mit unbekannten orientalischen Handelsplätzen in Handelsverbindungen zu treten. Das alles bleibt dem Fremdkaufmann überlassen, der nach einem alten englischen Dialoge „Purpur, Tuch, Seide, kostbare Steine und Gold, verschiedenfarbige Gewänder, Schminke, Wein, Ol, Elfenbein und Messing, Kupfer und Zinn, Schwefel, Glas und dergl. mit sich führte*'^. Der Warenvorrat manches Handelsmanns mag übrigens sehr viel einfacher gewesen sein.

Ob Syrer, die als die Vermittler mit der römischen Kulturwelt in Gallien auch nach dem Zusammenbruche der römischen Herrschaft in bedeutender Zahl angesiedelt waren und erst langsam zurückwichen, auch am Oberrhein verkehrten, ist nicht bezeugt. Sie waren in stän- diger Verbindung mit ihrer Heimat und hatten den Vorteil, möglichst weit den orientalischen Waren entgegen gehen zu können^.

Die Juden waren wohl aus ihrer Heimat vertrieben, sie waren jedoch so weit über den Erdkreis verstreut und hatten so wenig sich mit dem Boden, geschweige denn mit der Bevölkerung verbunden, dafs auch sie

1 Die Translatio s. Marcellini et Petri erwähnt Kauf leute, die in Ober-

dentschland Getreide aufzukaufen und auf dem Main nach Mainz zu bringen pflegten.

' Die Entstehung des Handwerks in Deutschland in Ztschr. f. Social- u. Wirt-

schaftsgesch. 5, 140 f.

» Aahley , Engl. Wirtschaftsgesch. S. 70 nach Aelfrics Colloquy um d. Jahr 1000.

« Heyd 1, 24. Scheffer-Boichorst, Mitteilungen des Instituts f. österr. Gesch. 6, 521 ff.

78 Siebentes Kapitel.

ein fluktierendes Element darstellten. Wir wissen, dafs jüdische Händler weite Handelsreisen unternahmen ^ Ihre überall zerstreuten Gemeinden waren die natürlichen Etappen und gewährten ihnen Vorteile, wie sie kein anderes Handelsvolk je gewinnen konnte. In unserem Gebiete waren mindestens die Judengemeinden von Worms und Mainz sehr alt^.

Für Handel mit arabischen Händlern, die namentlich durch die öst- liche Route mit den Ostseeländern in lebhafter Verbindung standen und auch im Westen mitunter erschienen, lassen sich für das Alpengebiet und das nördlich davon gelegene absolut zwingende Gründe nicht vorbringen; doch sind arabische Münzen in Steckborn am Bodensee gefunden*, und dafs in Mainz Dirhems aus Samarkand aus der ersten Hälfte des zehnten Jahrhunderts vorkamen, wie das Tartü^li bezeugt, beweist zum mindesten eine Kenntnis des arabischen Geldes*. Das Erscheinen von Saracenen bei Vercelli kann wohl nur auf Händler sich beziehen ^.

Sehr viel deutlicher erscheinen uns in ihrer Handclsbedeutung die Friesen. Mit ihren Schiflfen drang der nordgermanische Seehandel tief in das Innere Deutschlands ein. Der Rückgrat ihres Handels war oflfen- bar der Verkauf der friesischen Tuche, wofür sie Wein und Getreide einhandelten. Ihre Zahl war so grofs, dafs sie in Mainz den schönsten Stadtteil bewohnten®, auch in Worms gab es ein FriesenvierteP, und weiter ist uns ihre Ansiedelung in Strafsburg, Duisburg und Köln be- zeugt®. Die Verbindung mit der Heimat war von ihnen aufrecht er- halten, und wir können sie als Verschleifser der Eigenproduktion be- zeichnen, wenn sie auch zwischendurch englische Tuche mitvertrieben ^.

1 Hey d 1, 138 ff. Die Litteratur über die Juden ist bis 1891 bei Goldschmidt S. 107 ff. angeführt. Vgl. von den seitdem erschienenen bes. Dahn 8, 2,247 f. u. 4, 233.

> Boos, Städtekultur 1, 370.

Es waren arabisch-afrikanische Münzen aus dem letzten Viertel des achten Jahrhunderts. Man könnte an einen Handelsverkehr über Marseille denken. Mit Ferd. Keller ihn auf die Alpenräuber zurückzuführen, geht nicht, da sie bis Steck- bom nicht gekonunen sind. Jacob, Der nord.-baltische Handel S. 87 u. 47. Vgl. auch S. 70. 114.

* Jacob a. a. 0. S. 116. Jacob, Berichterstatter S. 13. Heyd glaubt nicht an Provenienz des Geldes aus Handel, doch steht eine Kenntnis des arabischen Geldes aufser allem Zweifel.

•^ öhlmann 3, 213. Die Bevölkerung liefs die Araber ruhig deshalb ziehen, weil sie in ihnen Händler vermutete.

* »Optima pars Mogonti<ie civitatis, übt Frisiones habitabant . . . conflagravit in- cendio.* Ann. Fuld. a. a. 886. Script, rer. Germ. S. 104.

•^ Wormser Urkb. von Boos 1, 9 (829), 22, 49 (1080) u. 59 (1141).

^ Boos, Städtekultur 1, 354. Friesische Kaufleute erwähnen die Miracula SS. Goaris M.G. SS. 15 370. Einer läfst sein Schiff an einem Tau Rhein aufwärts sieben. Näheres bei Klumker 54—58.

» Klumker S. 61 f u. 64 f unterschätzt die friesische bez. flandrische Er- zeugung. Die „friesischen" Tuche sind meines Erachtens wesentlich flandrischen

Der Handel. 79

Sie unterscheiden sich dadurch vor allem von den Juden. Ob sie weiter nach Italien zogen, ist nicht belegt, da jedoch die Kette der Ansiedelungen direkt auf Italien weist, sollte man es vermuten.

Lateinische, italienische Kauf leute sind diesseits der Alpen in dieser Periode nur in Regensburg und auf der Messe von St. Denis (Le Lendit) nachzuweisen ^.

Der Anteil der deutschen Kaufleute am Welthandel mufs infolge dieser Einschränkungen durch Fremd kauf leute noch gering gewesen sein, aber es ist doch nicht zu übersehen, dafs Otto I. den sehr reichen Mainzer Kaufmann Liutfred mit einer Gesandtschaft nach Byzanz beauftragte, er mufs also zum mindesten dort Verbindungen besessen haben ^. Der deutsche Kaufmannsstand entwickelte sich langsam, geschützt durch könig- liche Privilegien. Daneben betrieben noch die Klöster und Stifter eigenen Handel^, und sie erfreuten sich besonderer Privilegien.

Der Handel war im wesentlichen noch ein Hausierhandel und Wander- handel, der Kaufherr zog selbst mit den Karawanen zu den Messen, von denen die zu Troyes und St. Denis besonders zu erwähnen sind*; jedoch wuchs in der Zeit der Ottonen die Zahl der Handelsniederlassungen er- heblich. Wenn bis dahin auf deutschem Boden nur die altrömischen Städte dauernde Handelsansiedelungen gewesen waren und wesentlich dem Handel und Qewerbe dienten, so wurden jetzt Markt und Münzstätten vielfach auch auf dem rechten Rheinufer errichtet*^. Langsam bereitete sich die Zeit vor, in der ein selbständiger deutscher Kaufmannsstand als Berufstand neben der bäuerlichen Bevölkerung Bedeutung gewann. Noch um die Mitte des elften Jahrhunderts war dieser Erziehungsprozefs nicht beendet, wenn auch die Lehrmeister, die die Verbindung mit Rom, Byzanz und dem Orient aufrecht erhalten hatten, mehr und mehr ver- schwinden. Noch immer war der Occident in seinem Handel vom Orient durch und durch abhängig.

Ursprunges, nicht aber aus Westfriesland. Deshalb fehlen sie auch im Conflietus Ovis et lini, der sehr wohl flandrische Tuche kennt.

> fleyd 1, 96.

^ Liutpr. M.G. SS. 8, 338 bezeichnet ihn als I^ut/redum üfo^ontinum institorem ditissimum.

» Vgl. Goldschmidt S. 107.

* Pigeonneau 1, 62 f.

^ Aliensbach, Villingen, Binka (für Kl. Sulzburg), Vallator, Wiesloch, Wein- heim, Bensheim auf dem rechten, Andlau, Selz, Oppenheim auf dem linken Rhein- ufer erhielten Marktrecht, jedoch nur zum Teil einen Wochenmarkt; Jahrmärkte riefen aber keine dauernde Ansiedelung hervor. Auch Binka wie Vallator ver- kümmerten. Vgl. vor allem Rietschel, Markt und Stadt 1897. Auf die Fragen, welche mit der Städtegründung zusammenhängen, gehe ich absichtlich nicht ein. Für die hier erwähnten Orte vgl. Gotheiui Wirtschaftsgesch. d. Schwarzwaldes Band I Register.

Drittes BucL

VERKEHR UND WARENHANDEL IM

HOCHMITTELALTER.

Erster Teil.

GESCHICHTE DES VERKEHES VON DER VEREmiGTJNG

DES BURGUNDISCHEN MIT DEM DEUTSCHEN REICHE

BIS ZUR ÖFFNUNG DES ST. GOTTHARDES.

1032 bis um 1230.

Achtes Kapitel. Hospize. Politische Oeschichte. RSmerzflge. Septimer nnd Bernhardin»

Ho spiee: Das auf dem St, Bernhard, Filialen und Besitztmgen bis Apulien und Eng- Joful, m Deutschland, Hospiz auf dem Septimer, Bitterordenj andere Spitäler, Politische Geschichte, Bömerzüge, Chiavenna eine schwäbische Grafschaft, Bömerziige der SaUer, Staufer: Friedrich L und der Septimer, Sehlacht bei Legnano, Lukmanier, Kloster Disentis, Heinrich VI, und seine Nachfolger, Septimer und Bernhardin, Beisende, Der Septimer bei den Dichtem ^ bes, Gottfried von Strafsburg, Bemhardin,, Verkeihrseinrichtungen: Wirtshäuser, Fähren, Burgen, Bergell,

Im Hochmittelalter beherrschen noch die beiden direktesten Pässe der Flügelseiten der Grofse St. Bernhard und der Septimer den Verkehr, bis der centrale Pafs entdeckt wurde. Auf beiden Übergängen hatte christliche Nächstenliebe Hospize geschaffen, welche im Winter und Sommer bewohnt, den durchziehenden Reisenden und Pilgern Unter- kunft und Hilfe in der Not gewährten. Die Wohlthaten, welche diese Mönche auf dem einen Passe bis heute gespendet haben, sind des all- seitig, selbst von den bittersten Gegnern des Klosterwesens gespendeten Lobes vollauf wtlrdig.

Der Schöpfer des klösterlichen Hospizes auf der Pafshöhe des Grofsen St. Bernhard war ein Archidiakon von Aosta, der so ist es

Hospize. gl

wenigstens wahrscheinlich 1086 gestorben ist^, urkundlich erscheint das Hospiz freilich erst 1125. Der hl. Bernhard von Menthon weihte das Hospiz dem hl. Nikolaus von Myra^ es dauerte aber nicht lange, bis nicht allein das Kloster, sondern auch der Berg den Namen des würdigen Erzdiakons annahm. Kaiser Friedrich I. nahm 1176 das Kloster in seinen besonderen Schutz, wie das auch König. Heinrich VI. 1187 that, dieser tiberwies 1191 dem Hospiz auch eine Rente von 20 Pfund Silber*. Eugen in. verlieh den Mönchen Zehntfreiheit und seine Nachfolger haben in zahlreichen Urkunden und Privilegien die herrliche Schöpfung unterstützt^. Die Dankbarkeit des Wanderers beschränkte sich damals nicht auf eine kleine Spende, die er nach Labung und Stärkung in den Opferstock der Kirche legte, sondern sie kam in reichen Gaben an Grund und Boden, an Kirchen und Häusern zum Vorschein. Dieser dankbare Sinn schuf dem Kloster, das ein Graf von Savoyen sehr treffend die Wärmestube für den Armen und den Palast des höchsten Königs nannte*, einen Besitz, der sich über achtzehn Diöcesen erstreckte. In seinem Umfange ist uns auch der Kreis überliefert, von dem aus man den Grofsen St. Bernhard benutzte.

Schon die erste päpstliche Bestätigung durch Papst Alexander HI. von 1177 zeigt die grofse Dankbarkeit, welche das Hospiz gefunden hatte. Schon damals ging der Besitz des Klosters von Apulien und Sizilien bis England. In Unteritalien erwarb das Hospiz drei Kirchen, sonst hatte es seine Besitzungen bis 1286 nur über die Bistümer Aosta, Ivrea, Turin, Vercelli und Novara vorgeschoben, und in diesem Bezirke gab es nur eine Filiale des Klosters, wo ebenfalls die Wanderer gestärkt wurden, Chatillon im Aostathale.

Weit interessanter ist der Bezirk, der sich nacli Nordwesten aus- dehnt. Auf der Pafshöhe und zu beiden Seiten hatte das Kloster schon 1125 durch eine Schenkung das droit d'^chute erhalten, d. h. das Recht, alles, was Wanderer auf dem Wege oder sonst zurückliefsen , auch das Gut der Verunglückten, an sich zu nehmen*. Dieses Gegenstück des droit d'aubaine erschien dem Mittelalter nicht so ungerecht wie uns.

* Duc. a. a. 0. Die beste kurze Geschichte des Klosters nach dem neuesten Stande der Quellen gicbt bis zum Ende des dreizehnten Jahrhunderts Hoppeler S. 283—289.

a Stumpf Nr. 4574. Gremaud 29, 101. 111. 519 und 520. Die 20 Mark waren von dem Rcichshof San Miniato zu entrichten. Zur Datierung namentlich der Ur- kunde von 1187 s. Scheffer-Boichorst, N. Archiv 24, 141.

' Vgl. die Urkunden bei Gremaud.

< Archiv f. Schweiz. Gesch. 6, 250. Gremaud 31, 26.

6 Gremaud 29, 512. 29, 78. 29, 114. 29, 404. Auf einer kleinen Strecke ge- hörte die casura dem Pfarrer von Liddes; Hoppeler S. 49.

Schult«, Oesch« d. mittelalterl. Handels. I. 6

g2 Achtes Kapitel.

Verfolgen wir ausschliefslich die Hospitäler , welche uns den Weg der Wanderer zeigen ^ Im Bistum Lausanne liegen die Hospitäler von Vevey und Lausanne (beide schon 1177 vorhanden) am Genfersee, in dem nördlichen Anschlüsse die von Freiburg und Murten ^. In dem Bereiche des Bistums von Genf, mit dein der Besitz des Hospizes nach Südwesten abschliefst, findet sich kein Spital. Die wirkliche Jurapforte zeigt uns aber das noch im Sprengel von Lausanne belegene ^hospiiale de Latar situim juxta casirum de Joffni^,« wir erfahren dadurch den Ursprung der Ort- schaften T>Häpitaux€ bei Jougne*.

Eine volle Kette von Spitälern führt von Jougne über Dijon und die Berge der Cote d'or nach Rheims. Da ist zuerst Salins südlich von Besan9on (schon 1177), es folgen Val Souzon zwischen Dijon und Chätillon sur Seine, dicht unterhalb der Wasserscheide zum Gebiet der hier ent- springenden Seine (1177 als locus, nicht als hospitale bezeichnet), das Haus zu Bar an der Seine, offenbar eine ähnliche städtische Ansiedelung wie sie die Mönche auch in Aosta, VercelH und an anderen Orten hatten, die Domus Dei auf dem Marktplatze von Troyes (beide schon 1177 er- wähnt), das Hospital (auch Domus Dei genannt) zu Sözanne auf dem Wege zwischen Troyes und Epernay (1204 genannt) und endlich bei Rheims das hospitale Dei Meritum , dessen Prior schon 1250 erwähnt wird*^. Diese Richtung führt uns also fast direkt auf den Kanal und den Übergang nach England zu. Hier verdankte das Hospital dem Könige Heinrich IL (1154 1189) reichen Besitz in der Nähe von London®, und später hat noch die Witwe Heinrichs HL, Eleonore von Provence, das Priorat des Hospizes in London bedacht'. Heinrich H. hat niemals die Alpen selbst überschritten, in diesen Gaben sehen wir somit nicht den Ausdruck des Dankes für ihm geleistete Wohlthaten, sondern für solche, die seinen Unterthanen zu teil geworden waren.

Südlich von dieser geraden Strafse, welche von den Reisenden jetzt offenbar der älteren Strafse über Besan9on - Langres vorgezogen wurde, liegt wiederum eine Kette von Spitälern, welche Dijon mit Paris zu

' Folgende Bestätigungen enthalten Aufzählungen der Güter: Alexander III. 1177 Juni 18 bei Gremaud 29, 102 ff.; Innocenx lU. 1204 Jan. 20 bei Gr. 29, 152 f.; Gregor IX. 1281 Mai 5. 29, 526 f. und nach Diöcesen eingeteilt: Honorius IV. 1286 Juni 11 30, 347— :354,

Erscheinen erst 1281. Für das Hospital von Vevey vgl. Miscellanea di storia italiana 22, 457 460.

Erwähnt erst 1281, jedoch 1177 bereits die ecdesia de Juntii.

S. oben S. 28.

» Gremaud 29, 423 f.

Die Schenkung erfolgte vor 1177. ^ Gremaud 33, 448.

Hospize. 83

verbinden scheint ^ Es folgen in dieser Richtung Epoisses westlich von S^mur, dann recht nahe Montreal, wo das Mutterhospiz gröfseren Besitz hatte. Diese beiden Hospize gehören wohl der Verbindung von Dijon und Auxerre an, welche nicht einer alten Römerstrafse folgt und auch heute Montreal nicht mehr berührt. Das nächste Hospiz zu Appoigny zeigt, dafs die Fortsetzung des Weges auf Sens und von dort nach Paris geht*.

Weiter südlich verzweigen sich auch die Besitzungen nicht. Wohl aber nach Norden, der uns besonders interessiert. In den Hospitälern von Freibui'g und Murten haben wir die Anfänge des nach Norden ab- biegenden Verkehrs. Im Bistum Basel gehörte dem Hospize die Pfarr- kirche zu Pfirt, im Bistum Metz die cella de ponte sancti Vincentii^, und bis nach Trier läfst sich Eigentum nachweisen. Hier verkaufte das Hospiz 1296 ein Haus, das ihm einst sein Sammler für das Gebiet des Königreich Deutschland magister Amelius geschenkt hatte ^. Solche Sammler des Klosters empfahl Innocenz IV., doch dürfte das Institut sehr viel älter sein^. In Strafsburg begegnet ein solcher 1294, und wenn also hier das Hospital einen Sammler hatte, so dürfte doch auch damals noch der Qrofse St Bernhard Besucher aus dem Elsafs gesehen haben *.

Das Kloster hat nur eine kurze Zeit des Niederganges gehabt^, in den ersten Jahren des dreizehnten Jahrhunderts hatte es ein Chorherr reformieren wollen, aber er wurde in der Kirche, wohin er sich geflüchtet hatte, von anderen verwundet, dann auf der Flucht bis Vercelli verfolgt und schliefslich geblendet. Die Reformation des Klosters an Haupt und Gliedern gab ihm neue Kraft, und in der Mitte dieses Jahrhunderts stand das Hospiz wieder in voller Blüte. Die Boten, welche Gaben für dasselbe zu heischen selbst bis in das Erzbistum Sens entsendet wurden ®, fanden gewifs reiche Spende, und diese Stätte edelster und christlichster Bethäti-

^ Der Weg von Dijon nach Paris geht nach Matthaeus Paris über Chan- ceaiix, Chätillon s.S., Bar, Trojes, Nogent, Provins und Rozay. Konrad Miller, Die ältesten Weltkarten 3, 87.

' Vergy (Vergiaco), das Gremaud als im Dep. Yonne belegen bezeichnet, habe ich nicht feststellen können.

* Beide erst 1286 erwähnt. Es ist wohl damit der Ort Pont St. Vincent ge- meint, derselbe liegt an der Mosel, aber nicht mehr im Bistum Metz.

* »Quondam questarum domus nostre montis Jovts per regnum Alemanie procurator mag, Amelius.* Görz, Mittelrhein« Regesten 4 Nr. 2554.

» Gremaud 29, 395 vom 9. April 1247. « Strafsb. Urkb. 3, 100, 19.

^ Ich sehe da ab von den langwierigen Beunruhigungen, die 1168 der Bischof von Sitten erwähnt. Hidber Nr. 2449.

» Bernoulli, Acta pont. Helv. 1, 93. 1225 Jan. 18.

6*

84 Achtes Kapitel.

gimg der Nächstenliebe wurde das Vorbild anderer Gründungen. Die christliche Charitas wird immer mit Stolz auf diese Stätte blicken.

Minder glänzend ist die Geschichte des Septimerhospizes. Es geht wohl auf eine ältere Gründung zurück ^ Als ein zweiter Begründer, wenn nicht als Stifter mufs der Bischof Wido von Chur (1095—1122) angesehen werden ; schon eine fast gleichzeitige Quelle bezeichnet ihn als den Erbauer des Hospizes^. Leider fehlen andere ältere Nachrichten, es geht aber aus der Urkunde König Ottos IV. hervor, dafs die Stiftung eine familia, unzweifelhaft weltliche Dienstmannen hatte, die bei der Übergabe der Stiftsvogtei an den König dem Bistume vorbehalten blieben^.

Das Mittelalter reihte die Gastfreundschaft unter die Zwecke der Klöster und Orden ein, und so ist der allgemeine Reiseverkehr, und nicht allein der der Pilger durch jene aufs höchste gefördert worden. Beim Benediktinerorden war die Beherbergung der Fremden sorgfältig geregelt, die Klöster lagen aber vielfach abseits der Strafse. Der hl. Bernhard von Menthon schmiegte sich den Bedürfnissen des Verkehrs an, und so waren die Chorherren seines Hospizes bald die Pflegewirte und Rettungsmänner auf allen Wasserscheiden dem weiten Wege von Italien bis Rheims entlang; überall hatten sie ihre Stationen, wo die Gefahr der Einsamkeit, der höheren Lage irgend eine Hilfe erforderlich zu machen schien. Der Wanderer fand die wichtigsten Etappen durch solche Hospize vorgezeichnet.

Man darf nicht vergessen, dafs auch der Johanniterorden aus einem Spitale hervorgegangen ist, das Kaufleute für die Pilger in Jerusalem errichtet hatten. So weit die Entwicklung den Johanniterorden und die Chorherm vom Grofsen St. Bernhard auseinandergeführt hat, so gehen sie doch auf dieselbe Wurzel zurück, auf eine tiefchristliche Nächsten- liebe*. Dafs die Johanniter auch den Pässen ihr Interesse nicht ver- sagten, zeigt ihr Haus auf der Höhe des Simplen^. Auch bei den Templern herrschte grofse Gastfreundschaft, die oft genug mifsbraucht

^ S. oben S. 61. Muoth, Annterbücher 98 läfst es von dem Frauenkloster Müstail zu Praden abhängig sein, ohne schwere Gründe vorzubringen.

* Das älteste Nekrolog der Churer Domkirche. »Wido Ouriensis eps ob., qui curtam de Astere cum cöloniis et mancipiis et quicquid ad ipsam curiam pertinet et mneam de Clavenna cum casa et süva dtdit et unum hospitale in honorem s. Petri in S^timo monte construxit, ex quo plenum servicium eisdem fratribus per singulos annos dare instituit, oh, anno 1122.' Zum 17. Mai. M.G. Necr. 1, 630.

' 1209 Jan. 13. »Excepit etiam famüiam hospitalis monHs Septimi ab eadem exactione* Mohr 1, 214. Böhmer-Ficker 255. Bestätigung von Friedr. IL 1213. Mohr 1, 252. Böhmer-Ficker 697. Berger zieht eine Stelle des ältesten Ein- künfterodels: »CvvrHs Flemis habet ecclesiam in Sepie cum decima de ea villa* heran, es handelt sich aber um die Pfarrkirche in Seth bei Flims.

* Michael, Gesch. d. deutschen Volkes 1, 175—179.1

* S. weiter unten S. 101.

Politische Geschichte. Römerzüge. 85

wurdet Auch sonst finden sich noch in dieser Periode Hospitalklöster; zu ihnen sind zu rechnen Peterlingen (Payeme), Ej*euzlingen bei Konstanz und Bargen Brücke*. Vor allem aber ist das Hospital von St. Antoine im Viennois zu nennen, der Ausgang des Antoniterordens. Auf italienischer Seite gab es in Vercelli ein fUr Schotten und Iren bestimmtes Hospital, dessen Gründung man ins zwölfte Jahrhundert setzt ^.

Die Darstellung der politischen Änderungen an den einzelnen Alpen- wegen mufs ich mit der Geschichte der Romzüge verbunden vorauf- schicken, ehe der friedliche Verkehr besprochen werden kann.

Die Septimerstrafse war, wie wir wissen, dem Bischof von Chur anvertraut, und dann war über den Pafs hinaus auch das Bergell dem Bistum gewonnen, ja den Bischöfen von Chur waren Rechte noch weiter nach Italien hinein bis nach Chiavenna gegeben. Diese Stellung haben sie jedoch nicht zu behaupten vermocht. Andere Gewalten stritten nun um den Besitz der Schlüsselstadt und der sie umgebenden Grafschaft, erst die feinsinnige Untersuchung ScheflFer-Boichorsts hat es uns gezeigt, wie aus ihr eine schwäbische Grafschaft werden konnte.

Der Gang der Dinge, soweit ihn Scheffer-Boichorst festgestellt hat, ist in Kürze folgender*. Die Konsuln von Chiavenna baten 1152 König Fried- rich I., er möge ihnen die Grafschaft Chiavenna bestätigen, dagegen erhoben auf dieselbe auch der Bischof Ardicio von Como und ein nicht sicher zu bestimmender Heinrich Hostia gleichfalls Anspruch. Der Spruch Albrechts, Grafen von Kiburg (Ulm, 1. August 1152), fiel mit Zustimmung der Fürsten dahin aus, dafs, da die Chiavennaten schon 30 Jahre im Besitze seien und auch eine Urkunde König Konrads ihnen günstig scheine, seien sie zu belehnen, was geschah^. Aber die Ent- scheidung war keine definitive. Der Bischof von Como legte in Konstanz (März 1153) seine Urkunden vor, die von Karl dem Grofsen bis auf

1 Vgl. z. B. die Urkunde Alexanders III. bei Kehr, Papsturkunden in Malta. Nachrichten d. königl. Ges. d. Wiss. in Göttingen 1899 S. 400.

2 Hidber Nr. 1720. Bestätigung von 1139.

' Mandelli, II coroune di Vercelli nel medio evo 2, 318 fF.;

* Seiner vortrefflichen Abhandlung hat Scheffer-Boichorst den sehr berich- tigten Abdruck des ersten Ulmer Spruches vom 1. August 1152 und der Hagenauer Bestätigung des zweiten Ulmer Spruches durch Heinrich VI. vom 15. Febr. 1192 (Hagenau) beigegeben.

" »Quia ClavefincUes consides memoratum comitatum per 30 annos sine inter- niptione posseäenint et sine discordia et eiiam, quia Privilegium domini Conr<ndi RomO' norum regis ipsis ClaretifuUibus in hoc parte favere conspicimus, judicamus, ut Claven- nates ipsum comitatum haheant et quod a manu regia investiantur dbsque omni contra- dictione.*

86 Achtes Kapitel.

Konrad UI. reichten. Da die von Chiavenna ihre Dokumente nicht bei sich hatten, wurden beide Parteien neu entboten und zwar auf fränki- schen Boden nach Bamberg. Die Vertreter Chiavennas wandten ein^ die Grafschaft gehöre zum Herzogtum Schwaben und nur der Herzog könne Richter über sie sein^. Der König erklärte zwar sofort, weder sein Vater Friedrich noch er vor der Thronbesteigung habe die Chia- vennaten in der Eigenschaft als Herzog von Schwaben belehnt, vielmehr nach seiner Thronbesteigung hätten sie von ihm als König ein Privileg erhalten *. Der Urteilsspruch der Fürsten lautete, dem Bischof von Como stehe die Grafschaft als Reiclislehen zu. Aber das Urteil wurde von den Chiavennaten als rechtlich nicht verbindlich bestritten, und sie fanden bei schwäbischen Grofsen Unterstützung, die erklärten, sie würden diese Schmälerung der Ehre des schwäbischen Herzogtums nicht dulden, und da inzwischen Mailand seine Hand nach Chiavenna ausdehnte ^, war dem Kaiser dieser Widerspruch wohl sympathisch, und es wurde nunmehr auf schwäbischem Boden zu Ulm vor schwäbischen Grofsen noch einmal die Frage rechtlich verhandelt*. Auf Antrag des Grafen Gottfried von Zollern beschwuren die Grafen Ulrich von PfuUendorf und Markward von Veringen, es gehöre von Rechts wegen die Grafschaft Chiavenna zum Herzogtum Schwaben, und nun gab sie der Kaiser unter Vorbehalt aller Rechte des Herzogs von Schwaben den anwesenden Konsuln von Chia- venna. Der Bischof von Como war damit aus dieser inneren, die Alpen- pässe beherrschenden Position ausgeschlossen und das Herzogtum Schwaben hatte ein transalpinisches Gebiet gewonnen, den Schlüssel zweier Alpen- wege.

Das Verhältnis blieb nur etwas länger wie 35 Jahre bestehen. Zwar bestätigte Heinrich VI. am 15. Februar 1192 noch einmal den Spruch Friedrichs. Nach Hagenau war zu dem Zwecke nicht allein ein Konsul von Chiavenna mit einem Gesandten geschickt, es waren auch Bündner Edle und Dienstmannen bei der Bestätigung anwesend, die am Pafsver- kehr interessiert waren. Da war der Freiherr Rudolf von Vaz , Ulrich von Juvalt und Andreas von Marmels, ein Vertreter jener Familie, die zu oberst in Obcrhalbstein am Septimer safs. Seine Anwesenheit beweist

* »Comitatum iUum ad cfuratum Suevie pertinere dicebant, propter quod etinm nuäitis nisi ducis judicio se sistere dehere asserebant.*

2 »Neque de manu patris nosiri Friderici ducis Suevarutn neque de manu nostra, dum adhuc fjusdem ducaius dignitate fungeremur, aliquam investituram eon seti privi- legium suscepisse cognovimus, sed poiiuSy postquam regni solium divina dispositione (tscendimuSy Privilegium de ipso comitatu a manu nostra de respectu regni 8U8cei}erufit.*

8 Friedrich befreite die Grafschaft »tam a Mediolanensium quam aiiorum Lom- hardorum omnium dominio,*'

* 2. Febr. 1157 oder 1158.

Politische Geschichte. Römerzüge. 87

uns, dafs es den Leuten am Passe lieb war, wenn der schwäbische Ein- flufs möglichst weit nach Italien hineinreichte.

Unmittelbar darauf veränderte König Heinrich die Lage, er nahm die Grafschaft so darf man schliefsen an das Reich ^. Wie überall das Reichsgut in den Stürmen des dreizehnten Jahrhunderts geschmälert wurde, so wurde auch dieses Stück des Reichsbesitzes bald gefährdet. Jetzt trat Como mit seinen Ansprüchen wieder hervor, und schon 1196 scheint Heinrich VI. die Rechte des Bistums, wie sie in jenem Bam- berger Spruche festgestellt waren, anerkannt zu haben ^. 1203 wehrten sich die Chiavennaten noch gegen den Bischof und die Stadt Como, sie ständen unter dem Reiche, aber aller Widerstand war vergebens*. Schon 1205 legte der Bischof ihnen eine Steuer auf, nahm den eigentlichen Zoll an sich, während der Brückenzoll an der Maira der Stadt überlassen blieb ^. Es kam noch zu einem erbitterten Kampfe zwischen Como und Chur, dessen Endergebnis der Friede von 1219 ist, demzufolge Chiavenna und Plurs bei Como verblieben und die Südgrenze des Bergell auch die Grenze des Comasker Gebietes wurde ^. Chiavenna war nicht mehr mit dem Herzogtume oder dem Reiche verbunden und ein deutscher Vor- posten südlich der Alpen, sondern umgekehrt der Wächter eines italieni- schen Bistums, und, da dieses sehr bald unter die Herrschaft der Vis- conti geriet, der der gewaltigsten italienischen Signoria.

Es ist eigentümlich, zu beobachten, dafs keiner von den Saliern einen der Bündnerpässe so viel sich nachweisen oder auch nur ver- muten läfst jemals überstieg. Auch die durch den Erwerb von Burgund wiedergewonnenen Pässe sahen nur zweimal einen deutschen König aus diesem Stamme. Im Winter 1076/77 überschritt Heinrich IV. den Moht Cenis auf seinem Wege nach Canossa, alle anderen Strafsen waren gesperrt. Heinrich V. benutzte 1100 für seine Person den Grofsen St. Bernhard*, während ein Teil des Heeres über den Brenner rückte, der mehr und mehr die normale Stralse für die Römerzüge geworden war'. Erst der Gegenkönig Konrad, der ja auch kaum die westlichen

^ Scheffer-Boichorst hat das S. 115 in hohem Mafse wahrscheinlich gemacht, obwohl ein urkundliches Zeugnis fehlt 2 Scheffer-Boichorst S. 116.

Scheffer-Boichorst S. 116 mit wichtigen Ergänzungen zum Periodico 6, 214.

Darmstädter S. 85. Kaiser Otto IV. bewilligte 1210 dem Bischof von Como, dafs gegen seine Kirche nur Verjährung von 100 Jahren gelten solle, was offenbar sich auf den Streit um Chiavenna bezieht. Böhmer-Ficker 361.

»V. Mohr 1, 257—265.

Frutolf (Ekkeh.) M.G. SS. 6, 243: »aliis secutn per monteni Jocis, cUiis per vaUem Tridentinam*.

^ 0hl mann schreibt ihm von 1026 bis 1137 von 24 Überschreitungen 19 zu.

88 Achtes Kapitel.

oder östlichen Pässe offen gefunden hätte, benutzte 1128 den Septimer, um nach Italien vorzubrechen ^. Dafs er, wie Öhlmann vermutet, bei der Heimkehr denselben Weg, nachdem er in Italien fruchtlos gekämpft, ein- geschlagen habe, läfst sich nicht beweisen. Immerhin mufs in dieser Zeit Konrad den Chiavennaten jenes Privileg zugestanden haben, auf das sie ihre Ansprüche auf die Grafschaft begründeten.

Man sollte nun glauben, dafs Friedrich I. auf seinen zahlreichen Zügen über die Alpen den Septimer und Chiavenna bevorzugt habe. Das ist nicht der Fall, auch er wählte für den Anmarsch mit den Truppen fast stets den Brenner. Man hat dafür als Grund angegeben, dafs auf dieser Route besonders gut für das Futter gesorgt gewesen sei. Es kommt doch etwas anderes noch hinzu. Das Heer konnte nicht am Ufer des Comersees entlang ziehen, sondern mufste mit Schiffen nach Como oder Lecco verbracht werden. Sicherlich keine leichte Aufgabe. Die deutschen Herren hingen dann ganz vom guten Willen der Schiffs- leute und ihrer Patrone ab, und selbst wenn dieser vorhanden war, reichten die Fahrzeuge schwerlich zum Transport aus, und in kleinen Trupps erschien das Heer im Lande, statt in seiner ganzen Stärke. Fehlte aber der gute Wille, so war die Lage der Deutschen der nicht unähn- lich, in die Suwarow nach dem Zug über den St. Gotthard geriet, als er zu spät entdeckte, dafs es am Vierwaldstättersee keinen Uferweg gab.

Über den Septimer rückte Sommer 1158 ein Teil des Heeres, während der Kaiser über den Brenner ging, Herzog Berthold von Zäh- ringen aber mit den Burgundern und Oberlothringern den Grofsen St Bernhard überschritt^. Für den Septimer traten diesesmal die Besorgnisse zurück, da die Sympathien des von den Mailändern zerstörten Como und seines Gebietes dem Staufer gehörten, die mittlere Kolonne wurde sofort an das Hauptheer in das Lager am Oglio gezogen, sie wurde also sicherlich im Arme von Lecco ausgeschifft. Den gleichen Weg schlug Ostern 1167 der junge Weif ein, um seine Krieger dem Kaiser vor Rom zuzuführen, wo er selbst mit so vielen Deutschen erliegen sollte®. Aber auch damals bestanden jene Bedenken nicht, Welfs Corps war ein Nach- schub von Truppen für die Streitkräfte der Erzbischöfe Reinald und Christian. Como war dem Kaiser gesichert, Mailand war zerstört.

Als nach dem Scheitern des Friedens von Montebello der Kaiser durch Erzbischof Philipp von Köln die deutschen Truppen aufbieten Hefs, und nun der Kaiser sie möglichst heimlich in die Lombardei bringen und mit seinen italienischen Bundesgenossen zu einem schnellen Schlage

^ Otto V. Freising M.G. SS. 20, 257.

» Otto Frising M.G. SS. 20, 430 f.: »mnUa pars Francoi-um-,

3 Hi st. Weif. M.G. SS. 21, 471.

Politische Geschichte. Römcrzüge. 89

auf Mailand verwenden wollte, bestimmte er ihnen nicht den Weg über den See von Como, also die gewöhnliche Strafse über den Septimer und Chiavenna, sondern liels die Scharen, die die Erzbischöfe Wichmann von Magdeburg und Philipp von Köln heranführten, über Disentis und den Lukmanier nach BeUinzona rücken ^. Der Kaiser ging mit Wenigen von Pavia nach Como und hatte am Morgen der Schlacht von Legnano sein Lager mit den vereinigten deutschen und Comasker Truppen bei Cairate an der Olona. Zwei Gründe kamen wohl in Betracht, um den gewöhn- lichen Pafs über den Septimer nicht zu benutzen. Eine Überfahrt über den Comersee dauerte zu lange und enthüllte, da die SchiflFe vorher an dem Oberende des Sees zusamenzubringen waren, das Geheimnis ; geratener war es, jede längere Seefahrt zu vermeiden, vielleicht fühlte sich der Kaiser auch der Comasken nicht sicher genug.

Das Geheimnis war in der That gut gewahrt worden, aber der Kaiser hatte nicht den Vorteil ganz ausgebeutet, sondern die deutschen Truppen einen Umweg machen lassen. Das Nächste wäre es gewesen, um das endliche Ziel, eine Vereinigung der neuen Streitkräfte mit den Comasken und Pavesen zu erstreben, für die beiden ersten etwa Cairate als Sammelpunkt anzugeben. Dann hätten die deutschen Truppen vom Monte Cenere aus direkt südlich am Ufer des Luganersees entlang, über Agno, Ponte Tresa auf Varese und Cairate marschieren können, während die Comasken direkt von Ost nach West hätten ziehen müssen. Der Kaiser aber hatte die Deutschen nach Como entboten^, sie mufsten also über den Luganersee setzen, wodurch unzweifelhaft Zeit verloren ging, wenn auch nicht entfernt so viel, wie dies auf dem Comersee der Fall gewesen wäre.

Durch diesen Umweg, der durch die Rücksicht auf die Stimmung der Comasken wohl geboten sein mochte, verlor Friedrich so viel Zeit, dafs die Mailänder ihre Bundesgenossen aus grofser Entfernung (Brescia) heranholen und dem Kaiser den Weg verlegen konnten. Friedrich hätte, falls ihm Schiffe zum Übersetzen über den Strom zur Verfügung standen, von Cairate aus den Tessin überschreiten und trotz der Feindschaft Novaras hinter diesem Flufslaufe auf Pavia ziehen können. Er wagte den Umgehungsmarsch um Mailand, dessen Lage inmitten des Flufsvierecks Tessin, Po und Adda aufserordentlich günstig ist, innerhalb dieses

* Ann. Mediol. M.G. SS. 18, 378. »M dicebatur, quod erant duo miliar quos venire fecerat per Desertinam tarn privaiissime, quod a fiemtne Lombardonim potuü sciri, imo cum dicebatur, quod esset apud Birizonam, fabulosum videbatur.* Köhler, Die Entwicklung des Kriegswesens 1, 75 läfst irrig die Deutschen über die Oberalp und den St. Gotthard gehen.

" Das folgt aus der Vita Alex, bei Watterich 2, 430 und d. Chron. regia Coloniensis rec. II (Script, rer. Germ. S. 128).

00 Achtes Kapitel.

Abschnittes, und da traf ihn der auf Busto Arsizio gerichtete Vorstofs in einem Augenblicke, wo die natürliche Rlickzugslinie noch nach NW. auf die Südspitze des Lago Maggiore und nicht etwa nach SW. auf die Nachbarschaft einer befreundeten Stadt ging. Die Mailänder hatten ihren Vorstofs auf diesen Umgehungsmarsch in der entscheidendsten Richtung gemacht, so dafs die Schlacht kaum vermieden werden konnte und die Rückzugslinie des Kaisers möglichst ungünstig war, weder auf Pavia noch auf Como ftlhrte'. Die Schlacht von Legnano zeigt uns deutlich, wie schwer es war, die auf Mailand mündenden Pässe zu benutzen, wenn diese Herrin feindlich gesinnt war, und macht es uns klar, dafs dieses Debouchiren aus einem mit Seen durchsetzten Gebirge später von den deutschen Kaisem nicht wieder versucht wurde. Der Zeitverlust, den der Umweg über Como hervorrief, trägt die hauptsächlichste Schuld an der Niederlage.

Die Strafse über den Lukmanier war dem Kaiser nicht unbekannt, hat er sie doch sehr wahrscheinlich 1164 für den Heimweg benutzt^. Jedenfalls nahm er diesen Weg, als er das letzte Mal Italiens Boden ver- liefs, im Jahre 1 186. Durch zwei Urkunden ist der Weg geradezu sicher gelegt: am 22. Juni war der Kaiser in Varese, am 27. zu Biasca „im Gebiete von Como", d. h. an dem Eingange zum Blegnothale und zum Lukmanier®. Eine neuerdings gefundene Urkunde von 1221 erwähnt, dafs der Kaiser sich einst auf der Burg zu Serravalle im Blegnothale aufgehalten habe*.

Der Verkehr über diesen von Friedrich oflFenbar bevorzugten Pafs

1 Der Rückzug auf Como wäre vielleicht möglich gewesen, die Mailänder legten Hich doch etwan vor die Marschlinie, die sie in der Hauptsache allerdings von der Si'ite bedroh t(*n. Durch den Verlauf der Schlacht wurde aber gerade der Weg nach (Jomo v<jrlegt, ho dafs die Flüchtlinge doch noch nach Pavia kamen.

* Am 4. Oktober war er auf der kaiserlichen Burg Belforte bei Varese (Stumpf 4031), vom 9. Oktober ist eine aus Disentis datierte Urkunde erhalten, welche aber nicht ganz unangefochten geblieben ist und deren Jahr nicht feststeht (Stumpf 4034). Vgl. Giesebrecht-Simson, Geschichte der deutschen Kaiser- zeit 6, 433. Die Verbindung Varese-Disentis ist natürlich die über den Lukmanier. Gleichwohl an einen von Como ausgehenden Pafs zu denken, giebt die Urkunde vom 4. Oktober Anlafs, worin der Kaiser der Stadt Como und ihrem Bischöfe bisher verweigertem Befestigungen übcrliefs und ihnen Verzeihung gewährte. Auch Lud- wig, Reisegeschwindigkeit S. 33 sieht die Sache als unentschieden an.

8 Stumpf Nr. 4460 u. 4461. v. Simson läfst Friedrich (Giesebrecht 6, 144) über den St. Gotthard ziehen, der damals noch nicht begangen wurde. Lu dwig S. 41 nimmt auch den Lukmanier an.

^ Original im Archiv Mailand, Metropolitana, Capitolo maggiore, erwähnt von Kahn, Statistik schweizerischer Kunstdenkmale, Kanton Tessin S. 219. Die Urkunde berichtet, dafs Barbarossa auf einem Zuge über den Lukmanier sich auf d(;r Burg Serravalle (auch Cosnigo) bei Semion e im Blegnothale aufgehalten habe.

Politische Geschichte. Römerzüge. 91

war vom Kloster Disentis abhängig, leider wissen wir von der Geschichte dieses Hochalpenklosters so gut wie nichts ^ Wir können nur vermuten, dafs dieses Kloster, dessen Besitz übrigens weit nach Italien hineingriff, gleich den andern freiherrlichen Klöstern die Blütezeit längst hinter sich hatte und nur von wenigen hochadligen Mönchen bewohnt wurde. Hätten wir Quellen zur Geschichte dieses Klosters, so würde das tiefe Dunkel, das über die Geschichte des Lukmaniers gelagert ist, sich wohl etwas hellen ^. Heinrich VI. hat zweimal den Septimer benutzt. Bei der Rückkehr im Winter 1191 sind uns Chiavenna und Hagenau als Aufenthaltsorte bekannt^, an den Splügen konnte in solcher Jahreszeit gar nicht gedacht werden. Auf seinem zweiten Zuge 1194 erhalten wir sogar Angaben über die Zeit des Überganges, der Kaiser brauchte, um von Chur nach Chiavenna zu gelangen, nur drei Tage*. Ob er den Rückweg über den- selben Berg nahm, bleibt zweifelhaft, da die Aufenthaltsorte Como bez. Chiavenna und Frankfurt zwei Wege zulassen, immerhin spricht die Wahrscheinlichkeit für den Septimer ^. Como als Ausgangspunkt für die Rückreise Kaiser Ottos IV. im Februar 1212 genügt nicht, diese Route sicherer zu bestimmen ®. Wenige Monate später überstieg der junge Friedrich II. die Alpen, er wollte offenbar am liebsten den Septimer oder einen andern Bündnerpafs benutzen. Da ihm aber der Zugang an der Südseite versperrt war, ging er über Trient, um von dort, da die Nord- ausgänge der Brennerstrafse ihm gleichfalls gesperrt waren, mit Hilfe der Bischöfe von Trient und Chur den Nordausgang der Bündnerpässe zu erreichen, die ersten deutschen Städte, die der italienisierte Staufer sah, waren St. Gallen und Konstanz^.

» Äbte waren damals Hugo (1160—80) und Walther (1180—1203). Hugo be- zeichnet die Überlieferung mit sehr zweifelhaftem Rechte als einen Grafen von Werdenberg.

* Da das Archiv vernichtet ist, so hat v. Mohr für seine Regesten der Bene- diktiner-Abtei Disentis im Kanton Graubünden, Chur 1858, nur junge Abschriften, mitunter völlig ungenügende Auszüge zur Verfügung gehabt. Seit 1048 war Disentis reichsunmittelbar.

» Stumpf Nr. 4731 Dez. 11 Chiavenna. 4733 Dez. 29 Hagenau. Dorthin folgten ihm einige Vertreter von Chiavenna und Andreas von Marmels. Dazwischen liegt ein Aufenthalt zu Kauf heuern (M.G. SS. 21, 472) Ludwig S. 4S.

* Stumpf Nr. 4862 Mai 22 Chur. 4863 Mai 26 Chiavenna. Am 29. feierte er das Pfingätfest bereits in Mailand. Der Kaiser hatte ein zahlreiches Heer bei sich, aber die lombardische Ebene war im Augenblicke völlig ruhig.

^ Stumpf 4951. Chiavenna 4951 & (ohne Tagesdatum). Es wäre auch der Splügen denkbar. Ludwig S. 45 nimmt Septimer an.

* Böhmer-Ficker 467», 469». Der Septimer ist mir auch hier weit wahr- scheinlicher ab irgend ein anderer Pafs.

^ Böhmer-Ficker 670^ und e. Es ergiebt sich als bequemste Route Vintsch« gau, Ofenpafs, Engadin und dann wohl Julier oder auch sonst einer der weiter öst-

92 Achtes Kapitel.

Friedrich hat vielleicht nur für die kurze Anwesenheit im Reiche 1242 einen Bündnerpafs benutzt, sonst haben die letzten Staufer sich stets des Brenners oder der noch östlicheren Wege bedient.

Wenn die Heereszüge über den Septimer mithin nicht so zahlreich sind, wie man erwarten sollte, so wurde er von einzelnen politischen Persönlichkeiten um so öfter benutzt, wenn wir auch nur gelegentlich davon etwas erfahren. So hat wenigstens sehr wahrscheinlich die bekannte Scene, in der Heinrich der Löwe dem Kaiser Friedrich I. seine Hilfe verweigerte, sich in Chiavenna, wohin sie Otto von St. Blasien verlegt, abgespielt, und dorthin war der Herzog doch wohl über den Septimer gekommen ^ Auch Gislebert von Mons, der Kanzler des Grafen von Hennegau, ging, wie er selbst erzählt, als er 1191 den Kaiser wegen der Lütticher Bischofswahl in Italien aufsuchen wollte, über den Septimer ^, und zwei Jahre später wurde der Kardinallegat Cinthius, als er von Schaffhausen kommend über den Septimer wollte, am Nordfufse desselben von dem Ritter Andreas von Marmels festgehalten, seiner Briefschaften beraubt und gefangen gesetzt, erst der energischen Fürsprache eines benachbarten Edeln Namens Rudolf und des Bischofs von Chur verdankte der Gefangene seine Befreiung. Der Ritter von Marmels hatte sich übrigens nur nach dem Gebote des Kaisers gerichtet, der jeglichen Ver- kehr mit der Kurie verboten hatte®. Wir sehen hier einmal, wem die Sperrung der Pässe anvertraut zu werden pflegte.

lieh gelegenen Pässe. Ludwig S.Öl nimmt folgende Pässe nacheinander an: Ofen- pafs 2155 m, Fluelapafs 2388 m und Strelapafs 2377 m. Mir ist eine solche Route unwahrscheinlich. Enveisen läfst sich natürlich nichts.

* Zuletzt behandelt Giesc brecht- v. Simsen 6, 525 f. Auch hier mache ich ein Fragezeichen.

3 M.G. SS. 21, 573. »Qui j/er TJieutonicam terram incedente.% Alpes in ]oco, qm MonS'Setes duitur, et per lacum de Cnma iransiernnt.*

' Translatio 8. Bernwardi. Acta sanct. Okt. Bd. XI, 1028. Der Kardinal kam von Dänemark und von Hildesheim reiste ihm ein Abt nach, der ihn in Schaff- hausen (nicht etwa, wie man aus der Stelle vermutet hat, in Luxeuil) traf. Andreas von Marmels war kurz vorher beim Kaiser in Hagenau gewesen s. oben S. 91. Aus dem Berichte ist besonders interessant die Drohung des »RoÜtuIfus nomine ex eadeni provinvia: quia nisi rebus eorum restitutis, eos in pace, quo velJent pateretur ahirey ipse . . . diu cum ipso habitum foedus reseif ideret et castrum fumlitvs erersnm solo ad<iequaret*. In Kudolf sah v. Mohr einen Castlemur, wohl mit Recht. Das foedus hätte sich dann offenbar auf den Transport über die Pafshöhe bezogen. Die Reise des Abtes von Floridus Hortus in Holland kann nur allgemein für einen Bündener Pafs herangezogen werden. Er ging von Mailand auf Como »et sie Alpibus transmissis venit Basileam super Hrenum et Argentinam, Ibi navi conduda Spirn . . Wurmada .. Mayuncia^* Cöln. Die Hinreise geht durch die Champagne : Duisburg,

Septimer und Bemhardin. 98

Der Septimer war nach und nach so bekannt geworden, wie es früher nur der Grofse St. Bernhard, der mons Jovis, gewesen war. Dafs an ihm Rhein und Inn entspringe, war zwar nicht ganz korrekt, die Bemerkung Ottos v. Freising ^ zeugt aber von Interesse an diesem Ge- biete. Sein Ruhm war schliefslich so verbreitet, dafs Gottfried von StraCs- burg im Tristan den Berg anführt, um ihn in kolossaler Übertreibung mit einem Herzen zu vergleichen, das von Wonne geschwellt wird. Es ist in jener Betrachtung über die Liebe, die der Dichter dem nächtlichen Zusammensein von Tristan und Isolde folgen läfst:

swenn' ick bedenke aunder

da^ wvmder und daz wunder^

da^ man an liebe ftmde,

der ei gesvochen künde;

tca^ fröude an liebe laege,

der ir mit triutcen phlaege:

80 wirt min herze sd ze sttmt

groe^er danfie Setmuni. (12 213—20)".

Der Name des Septimers erscheint später noch zweimal in der Litteratur, nämlich einmal in dem Heldenbuche und zwar in dem Dich- tungskreise, der die Drachenkämpfe der Genossen Dietrichs behandelt. In der Virginal giebt Rentwin auf die Frage Hildebrands nach Name und Heimat die Antwort:

»mtns vater lant get sicherlich vom Septmer üf die Tüne, er ist geheimen Hetfertch, ein helt geboren van Lüne.*

Vom Septimer geht das Reich Helferichs, dessen Sitz der Dichter zu Arone, also offenbar in dem am Lago Maggiore sucht, bis auf die *Time€, Elard H. Meyer hat Trüne emendiert und den Namen auf die Traun gedeutet. Zupitza hat das abgelehnt und sucht Tune, damit Arona innerhalb des Reiches liegt, südwestlich von Arona; sollte an Domo d'Ossola zu denken sein^?

An die Stelle im Tristan klingen in etwa die Worte des Frank-

Maastricht, Soissons, Chäteau-Thierry, S^zanne, M^rj sur Seine, Trojes, Bar s. S., Lyon, yallis Moriana, Susa. M.G. SS. 22, 472.

* M.G. SS. 20, 257. »Fyrenoreum per jugum Septimi montis, qua Ehenus et Aenus fluvii oriuntur.t Der Inn entspringt in der That am Piz Lunghino, der östlichen Bergesiehne am Passe, vom Passe selbst kommt ein Bach, den man als den Hinter- halbsteiner Rhein ansehen konnte. Der Südabstieg ging an der Meira abwärts.

* Auf diese Stelle machte mich Freund Kluge in Freiburg i. Br. aufmerksam. Vgl. Jaenicke in Zachers Zeitschrift 2, 183. Früher dachte man an Siebenbürgen, das Siebengebirge oder verbesserte gar: sphSremunt: Sphärenwelt.

« Str. 155 ed. Zupitza in Deutsches Heldenbuch. Fünfter Teil. Berlin 1870. Vgl. Einleitung S. XXVI. Vgl. Kaspar v. d. Ron. Ausgabe v. d. Hagen S. 149.

94 Achtes Kapitel.

furter Passionspieles an. In ihm spricht der Synagogus zum Salvator,

der vom Genufs seines Leibes geredet hat:

utid iverestu als der berg Septimunt, mr essen dich zu kurUer atunt.

Auch hier vertritt der Septiraer den höchsten bekannten Berg^.

Dafs auch der Bemhardin nicht völlig brach lag, beweisen die Zu- sammenhänge, welche zwischen dem zum Churer Bistum gehörigen Misox und dem nördlichen Graubtinden bestanden. Das Geschlecht der Herren dieses Thaies, der Freiherm von Sax, ist nach Liebenaus For- schungen doch sehr wahrscheinlich verwandt mit dem gleichnamigen Geschlecht im Rheinthal und möglicherweise von den deutschen Königen in das vom Bistum Como noch weit später als Lehen beanspruchte Ge- biet versetzt^. Sprechender ist noch, dafs bei der Gründung der Stifts- kirche von St. Johann und Victor in Misocco (1219) der Stifter, eben Heinrich Freiherr von Sax, auch die *ecclesia sancti Petri de Ueno cum Omnibus suis possessionibus et dlpibus, nwntibus et cum omni jure et actione ipsi ecclesiae pertinenti^ ^ schenkte , jenes sagenberühmte Kirchlein , das bis fast an den Rheinwaldgletscher vorgeschoben war, die erste fromme Stätte, die der junge Rhein fast noch in der Gletscherwelt selbst begrüfste.

Für die Bedeutung des Lukmaniers spricht auch die Art, wie St. Gallen den Zins von der Abtei Massino und den anderen Besitzungen in diesen Gegenden nicht allein Buglio nördlich des Ortasees gehörte dem Kloster, sondern auch Alpen und Leute in Val Antrona und dem nördlichen Parallelthal Valle di Bognanco, auch einiges im Eschenthal selbst empfing. Er wurde an den Abt von Disentis abgeliefert, also über den Lukmanier gebracht*.

Über die Einrichtungen auf dem Wege, den der Verkehr durch Graubünden nahm, sind auch in dieser Zeit die Nachrichten recht spär- lich. Sehr willkommen sind einige Angaben über Wirtshäuser. Der dem elften Jahrhundert angehörige Rodel über die Einkünfte des Bis- tums Chur führt folgende an: an dem Wege vom Bodensee zum Sep- timer: Schan, Chur, Lenz (2) und Marmels. Wenn diese Wirtshäuser den damals üblichen Nachtquartieren und die Zwischenräume den Tages- märschen entsprechen, so hätte man von Rheineck bis über den Septimer damals fünf Tage gebraucht, was eine aufserordentliche Leistung wäre. Allein diese Vermutung ist doch zu unsicher. Von dem Stalle Bivio waren, wenn das Heu nicht wohl für einen Zug des Bischofs oder

^ F. Vogt io Gennanisti sehe Abhandlungen, Heft 16. Kunz Kisteners Jakobs- brüder von Euling. Nachtrag S. 126 f.

« V. Liebenau, Bell, storico 10, 54 ff., 137 ff.

' V. Liebenau, Bell, storico d. Svizz. it. 12, 60 ff.

♦Wartmann, St. üaller Urkundenbuch 4, 123, 956, 1004, 1046 und öfter.

Septimer und Bemhardin. 95

Königs in Anspruch genommen wurde, fünfzig Schilling zu entrichten ^. Auch das Frauenkloster Katzis hatte eine Tabeme in Chur und eine solche in Tiefenkasten, also zwischen Lenz und Manuels^. Das bischöf- liche Register giebt dann noch für den Julier und das Engadin in Sils am andern Fufse des Juliers einen Stall ^ und je eine Tabeme in Zuz (Oberengadin) und Ardez (Unterengadin) an. Dieses Verzeichnis läfst leider das Vorderrheingebiet, wo der Einflufs von Disentis herrschte, unbeachtet, so dafs man über die Ausstattung der Lukmanierstrafse im Unklaren bleibt.

Auf die Fähren bei Schan und Mayenfeld, wie auf die Schiffe auf dem Walensee ist schon früher hingewiesen*. Die Zahl der Schiffe war nach dem Einkünfterodel schon auf zehn gestiegen.

Von den Burgen am Septimerwege bestanden, nach den Familien- namen (oder den direkten Erwähnungen) zu urteilen, bereits Marmeb und Splüdatsch, die von bischöflichen Dienstmannen bewohnt wurden. Nicht unmittelbar am Wege, sondern jenseits des Oberhalbsteiner Rheines standen die Burgen von Reams (damals Eigentum der Freiherrn von Wangen) und das bischöfliche Salux^. Auch die Burg Manuels war ursprünglich das Lehen eines freiherrlichen Geschlechtes, der Ekieln von Tarasp. An dem Wege war inzwischen auch ein Kloster erstanden : Kurwaiden (zwischen Lenz und Chur), das aber zu dem Verkehr in keine direkte Verbindung trat*.

Über die Einrichtungen im Bergeil bietet, nachdem eine Reihe von

' Jedes Wirtshaus hatte 1 ^ zu entrichten. »De stabtUo Bivio erit ad censum, 8i ei foenutn non tollitur, sol, L.* Mohr 1, 298. Aufserdem ist noch angeführt »de Porta Bergalliae Ixbra h.

' 1156. V. Mohr 1. 182. Muoth 68 macht überhaupt Katzis wie das Kloster Müstail irrig zu ursprünglichen Herbergsklöstem , dazu waren Frauenklöster gar nicht geeignet

* Trug nur 80 oder 40 Schillinge.

* S. oben S. 64. Auch die Schenkung des Grafen Burkhard von Nellenburg an das Kloster in Schaffhausen erwähnt in der Pertinenzformel Rechte in nawbus zu Mayenfeld. 1105. v. Mohr 1, 149. Die Fähre bei Grabs, welche 1178 dem Kloster Schännis bestätigt wird (Hidber Nr. 2381), dürfte identisch sein mit der von Schan. Grabs und Schan liegen sich gegenüber.

" Dienstmannen von Splüdatsch und Salux erwähnt 1160 in der Urkunde, in der der Edle Ulrich von Tarasp eine Reihe von Personen, auch in Vicosoprano, Gasaccia, Tinzen, Marmels und Schweinigen dem Bistume schenkte, v. Mohr 1, 188. In dieser Urkunde wurde zum erstenmal auch das castirum von Marmorera und sein Bewohner Andreas genannt, auch er gehörte zu den geschenkten Dienstmannen, hatte sein Lehen aber schon ab ein Kunkellehen in Besitz. Über Reams vgl. Mohr 1, 266 N. 6. Vgl. jetzt auch Muoth zu den einzelnen Burgen.

* Höchstens ist anzuführen, dafs Herzog Konrad v. Schwaben seinen Dienst- mannen und Untergebenen Schenkungen an das Kloster zu machen gestattete. V. Mohr 1. 225.

96 Neuntes Kapitel.

Urkunden, welche früher als das Fundament der Geschichte dieser Land- Schaft galten, als Fälschungen erkannt sind ^, eigentlich nur jener Friedens- vertrag von 1219 zwischen Como und Chur einige Auskunft. Es wurde da den Unterthanen beider Bistümer der freie Verkehr durch das andere gestattet, jedoch durfte kein Getreide und Hülsenfrüchte nach dem Ge- birge zu gebracht werden, sonst sollte die Strafse frei und offen sein^. Eingeschlossen in den Frieden werden Disentis, der Zutritt soll freistehen den Freiherren von Wangen, dem Grafen Hugo von Montfort, dessen Besitzungen, so viel wir wissen, erst jenseits Chur begannen, und den Freiherren von Sax, den Vögten des Klosters Disentis, und beschworen wurde der Friede u. a. auf Churer Seite von Gliedern der Dienst- mannenfamilien Marmels, Tinzen und Castelmur^.

Neuntes Kapitel.

Walliser Pässe. Nördliche Zugänge. Ergebnisse. Politische Lage am

Sttdfnfse der Alpen.

Walliser Pässe. Grofser St, Bernhard, Beinen der Kaiser, Päpste^ Vornehmer, Isländisches Ititierar. Der lliannweg nicht der Lukmanier, Erstes Hervortreten des Grimselpasses, des Antronapasses und des Simplons.

Nördliche Zugänge. Die Wege des hl, Bernhard.

Ergebnisse. Die inneren Pässe der beiden Systeme Jcmnmen mehr in Aufnahme.

Politische Lage am Südfufse der Alpen. Bingen von Mailand^ der Frei- herm v. Sax und Como. Heinrichs VL Vertrojuen auf Como, Die Mailänder an den ZollsteUen. Grafen von Biandrate u. a.

Von den Walliserpässen ist der Grofse St. Bernhard, nachdem er einmal dem Reiche entfremdet gewesen war, bei den deutschen Herrschern nicht wieder so beliebt geworden, wie er es in karolingischer Zeit gewesen war und von den andern Pässen ist in dieser Periode kaum zu reden. Oehlmann nimmt für den Grofsen St. Bernhard folgende Züge deutscher Könige in Anspruch: Heinrich V. 1110 und 1118, Friedrich I. 1162 und Heinrich VL 1196. Heinrich V. ist in der That 1110 mit dem gröfsten Teile seines Heeres diesen Weg gezogen*, im Jahre 1118 aber hat er nach seiner Heimkehr zuerst Augsburg aufgesucht^. Die Stelle ^Heinricus ab Itdlia in Loihartngiatn repatriaU ist dementsprechend zu interpretieren ®. Mit Oehlmann kann ich bei der schleunigen Reise übereinstimmen, die

* Die Urkunde Friedrichs 1. für die Bergeller vom 12. Mai 1179 (v. Mohr 1, 209, Stumpf 4279) hat noch Öhhnann 2, 184 benutzt. Wer hat diese Bergeller Fälschungen fabriziert?

9 Mohr 1, 261. 8 Mohr 1, 263 f.

* Ekkehard, M.G. SS. 6, 243.

''' Udascalcus, Carmen de itinere et obitu Eginonis. M.G. SS. 12, 443.

* Anselm cont Sigebert. M.G. SS. 6, 377.

Walliser Pfisse. 97

Friedrich im August 1162 antrat, um sich nach Döle zu begeben, wo die wichtige Zusammenkunft mit König Ludwig von Frankreich, die den Widerstand Alexanders IIL zu brechen bestimmt war, stattfinden sollte. Man wird dafür die Route über den Qrofsen St Bernhard an- setzen dürfen. Zwar geben die Quellen nur Turin und Döle bez. St. Jean de Losne an, aber wir werden- gerade diesen Ort als den Grenzpunkt der grofsen vom St. Bernhard nach den Champagnermessen führenden Strafse bei ihrem Eintritte in das französische Königreich kennen lernend Ganz ähnlich liegen die Quellen bei Heinrichs VI. letztem Zuge nach Italien. Er ging von Hagenau nach Vesoul, der nächste Aufenthalt, den wir kennen, ist Turin. In Besan9on hatte der Kaiser die direkte Strafse über Pontarlier-Jougne zum Grofsen St. Bern- hard, einen Umweg zu machen, lag so viel wir wissen kein AnlaCs vor. Jeder Zweifel ist also nur bei dem Zuge von 1100 ausgeschlossen.

Einzelne Teile des deutschen bez. des italienischen Aufgebots haben den Pafs gleichfalls benutzt. So zogen 1034 die Italiener unter dem Erzbischofe Aribert von Mailand dem Könige Konrad II. zu Hilfe, um das Königreich Burgund zu gewinnen^; 1155 wurde nach Auflösung des Reichsheeres von einem Teil der heimkehrenden Krieger der Grofse St. Bernhard benutzt*. Im Jahre 1158 ging ein Teil des zur Bekämpfung von Mailand aufgebotenen gewaltigen Heeres unter Führung des Herzogs Berthöld von Zähringen denselben Weg*.

In der Papstgeschichte erseheint der Pafs recht häufig. Leo IX., von Geburt ein Elsässer, hat, wie er schon 1026 als ernannter Bischof von Toul diese Strafse gewandelt war, sie 1049 zweimal, 1050 einmal eingeschlagen. 1063 ist Kadalus von Parma (Gegenpapst Honorius' H.) in höchster Eile über den Berg gezogen*. 1106 ging möglicherweise Papst Paschalis IL in denselben Fufsstapfen ^.

Von den Reisen der Bischöfe, Abte imd Grofsen weltlichen Standes, der Gesandten und Legaten haben wir sehr viel seltener Nachrichten, als von den beiden Spitzen der Christenheit. Der Erzbischof Anno von Köln hat nach seinem Biographen 1070 den Rückweg von Rom über St. Maurice gemacht, von wo er jubelnd wenig ehrenvoll gewonnene Reliquien seinem Kloster Siegburg mitbrachte ''. Sein Nachfolger Reiüald

^ Ludwig hält auch den Mont Cenis far möglich. ' Arnulfi, Gesta archiep. Med. M.G. SS. 8, 14.

Otto Frising, M.G. SS. 20, 409; »alii ad occidentcUis partes Longobardiae, nonnuUi per montem Jovis, alii per vollem Moriannae transituri carpehant iier*.

Ott Friß., M.G. SS. 20, 480. » Öhlraann 1, 251 f.

Doch ist das keineswegs sicher, es heifst »per Burgundiam*,

"^ Vita Annonis, M.G. SS. 11, 480. Die von Ohlmann herangezogene Gefangennahme des Bischofs Oger ,von Ivrea spielte sich offenbar nicht am Fort

Sohnlto, Oeaoh. d. xnitteUlierl. Handelt. I. 7

98 Neuntes Kapitel.

von Dassel hat Ende 1166 mit einem stattlichen Aufgebot Kölner Ritter, die er der schweren Katastrophe von 1167 entgegenführte, Italien zum letztenmale vom Grofscn St. Bernhard aus betreten^. Seine Fahrt mit den Reliquien der hl. drei Könige war dadurch, dafs er seinen Gegnern ausweichen mufste, bestimmt. Er ging damals über den Mont-Cenis, Salins, Besan9on, Breisach Rhein abwärts^.

Die beste, eindringlichste Schilderung einer Alpenfahrt, die noch dazu durch einen Lauinensturz unterbrochen wurde, bieten die Kloster- geschichten von St. Trond bei Lüttich. Der Abt Rudolf und der Lütticher Archidiakon Alexander hatten schon 1 127 diesen Weg gemacht, dieser war dann von Basel durch Burgund nach Hause geritten, jener hatte, da er das Reiten nicht ertragen konnte, die Fahrt auf dem Rheine vorgezogen^. Im nächsten Jahre wollten sie in den ersten Tagen des Januar über den Berg, wurden durch Lauinen im obersten Dorfe St. Remy mehrere Tage festgehalten, bis die Führer, durch hohen Lohn gewonnen, sich bereit erklärten, ihnen Weg zu bahnen. Eine Lauine verschüttete zehn von ihnen, erschreckt liefen die Fremden bergabwärts bis Etroubles, und erst nach einigen Tagen wagten sie den Aufstieg, eilten auf die Pafshöhe, wo sie übernachteten, und gelangten dann weiter. Aus dieser aufserord entlich fein ausgeführten Schilderung geht hervor, dafs selbst im Winter eine grofse Masse Menschen den Pafs beging. Am Morgen des ersten Aufstiegs drängt alles zu beichten, und dazu genügte ein Priester nicht*. 1207 kehrte Wilhelm, Mönch des Klosters Andres im französischen Flandern, der flir die Unabhängigkeit des Klosters von seinem Mutterkloster an der Kurie stritt, von ihr über den mons Jovis in seine Heimat zurück*^. Die Kaufleute werden wenigstens in den Statuten von Aosta erwähnt, sie kamen vom mons Jovis durch das Stephansthor •.

Bard ab, sondern bei einer Veste am Nordausgang des Brenners. Bernoldf M.G. SS. 5, 456.

1 Ficker, Reinald 105.

^ Ficker 67 u. 130. Die Sage, dafs er damals über den St. Gotthard gegangen sei, ist viel jünger.

»Per exittcUia montis Jovis pericula recepit eos tandem civitas Basilea, Alexander inde remeavit eqties per Bu/rgundiam^ dbhas Rodtdfus naufragoso BetU navigio xisque prope Coloniam, quoniam propter supradictam passionem ferre non poterat jugem equüationem.*

* M.G. SS. 10, 306 ff. Die Stelle, wo die so verhängnisvolle Gefangennahme des Erzbischofs Eskil von Lund auf seiner Eomreise stattfand, läfst sich nicht sicher bestimmen. Papst Hadrian schrieb, es sei geschehen »in tetäonicis partibua*, Otto von St. Blasien giebt an »per Burgtmdiam repatriando* SS. 20, 420 u. 307.

« Willelmi Chronicon Andrense M.G. SS. 20, 740.

« Mon. bist. patr. Leges municip. 1, 35 1188 bestätigt 1252.

Walliser Pässe. 99

Einen Reiseführer für die Alpen bietet aus dieser Zeit weder Eng- land, noch Frankreich, noch Deutschland, wohl aber Island. Er wurde aus dem Munde von Nikolaus Saemundarson aufgezeichnet, der als Abt des Benediktinerklosters Thingeyrar im nördlichen Island 1151 54 eine Pilgerfahrt ins heilige Land machte. Dieses hochwertvoUe Itinerarium^ giebt verschiedene Zufahrtslinien, die sich in Mainz vereinigen. Bei der einen ist Aalborg der Ausgangspunkt auf dem Festlande, der Weg führt nach Stade, wo er sich, zweigt; ein Teil führt über Minden und Paderborn, der andere über Hildesheim und Fritzlar nach Mainz. Hierher kamen auch die, welche zu Schiffe über das Meer nach Utrecht und Deventer gekommen waren, in drei Tagen kamen diese Wanderer von Köln nach Mainz. Ich lasse nun den Bericht in deutscher Über- setzung folgen: „Von dort eine Tagereise nach Speier, wo an der Lieb- frauenkirche ein Bischofsitz. Von dort bis Selz (Selsborg) drei Tage, dann eine Tagereise bis Strafsburg (Stransborg), wo an der Liebfrauen- kirche ein Bischofsitz. Drei Tage bis Basel (Boslaraborg). Dort wird der Rhein verlassen^ und ist eine Tagereise bis Solothurn. Eine Tage- reise bis Avenches (Wilfisburg, Vivilsborg), einst eine grofse Stadt, seit der Zerstörung durch die Lodbrokarsöhne aber klein. Eine Tagereise bis Vevey (Firvizuborg) am Martinssee. Dort vereinigen sich die Wege für die Rompilger verschiedener Stationen, welche über die Alpen wollen : Franzosen, Vlaemen, Walchen, Engländer, Sachsen und Skandinavier (Frackar, Flemingiar, Valir, Englar, Saxar, Nordmenn). Von dort eine Tagereise nach der Stadt des hl. Mauritius, der dort mit seinem Heere 6666 Mann begraben ist. Dort ist Bourg St Pierre (Petrs kastali). Von St. Mauriz führt ein Weg von zwei Tagereisen bis zum Spital auf dem Berge. Von St. Olafsfest im Sommer sieht man oft die Felsen von Schnee und Eis überzogen. Auf der Südseite der Alpen ist Etroubles (Thraelathorp). Dann folgt Aosta (Augusta), eine gute Stadt, wo der Bischofsitz an der Kirche des dort bestatteten hl. Ursus. Dann Martins- kammer (Marteins Kamrar). Es folgt Ivrea (Jöforey), zwei Tagereisen von Aosta." Drei Tage nach Vercelli, von dort eine Tagereise nach Mailand (Melansborgar), wer aber nach Rom will, geht in einem Tage-

^ Hera. v. Ericus Cb. Wer lauf, Symbolae ad geographiam medii aevi ex monumentis Islandicis. Hauniae 1821. Zur Sache vgl. Ludwig S. 120 ff., Riant, Les scandinaves en terre sainte undjnamentlich Öhlmann 1, 257— 267, der auch in eingehendster Weise die Nachrichten über andere Romfahrten der Isländer zusammen- gestellt hat. Ich will die Ergebnisse nicht wiederholen, wie ich ja überhaupt nicht die Pilgerfahrten behandeln kann. Ein Teil der Wanderer ging auch durch Frank- reich, sp&ter andere durch Ostdeutschland und über den Brenner.

^ Der offenbar nicht zur Bergfahrt diente, sonst w&ren die Ansätze z. B. Mainz- Speyer mit 80 km viel zu hoch.

7*

^ V

100 Nenntes Kapitel

marsch nach Pavia, wo ein kaiserlicher Thron ist in San Siro. Von dort eine Tagereise nach Piacenza, dazwischen über den Po. „Da kommen die hinzu, welche den Iliansweg gemacht haben. ** Zwischen Piacenza und Borgo San Donnino am Taro lag das Hospiz, das König Erich der Gute für die Nordländer errichtet hatte ^ Während sonst der Weg durchaus klar ist, erhebt sich hier eine grofse Schwierigkeit. Was ist mit dem Ilianswege gemeint? Er erscheint noch einmal und da heilst es, dafs man in sechs Wochen langsamer Reise von Rom die Alpen erreiche und von dort in dreien nach Schleswig gelange. „Der östliche Biansweg (hit ejstra Diansveg) erfordert neun Wochen/

Schon Werlauf hat an Ilanz in Graubünden gedacht^, sich jedoch für eine andere Route entschieden, da er nicht denken konnte, was die Isländer in Ilanz hätten suchen sollen. Er veränderte eystra in vestra, östlich in westlich, und nahm dann St. Gilles an der Rhönemündung als den Ort an, den aus frommer Gesinnung die Isländer aufgesucht hätten. Gegen eine solche Deutung hob öhlmann alle Bedenken hervor und sprach sehr warm flir Ilanz und führte aus, die Ehrfurcht vor dem alten Kloster Disentis habe die Isländer ins Vorderrheinthal gezogen. Der Ilanz- weg war für ihn ein kräftiger Beweis für die Benutzung des Lukmaniers ^.

Eis ist wohl richtig, dafs der Weg vom Lukmanier über Como und Mailand in Piacenza einmünden mufste, aber das ist auch bei dem von St. Gilles der Fall, wenn man über die ligurischen Berge ging, und wenn die Isländer wie später den Brenner benutzten, so hätte gleichfalls Piacenza die Einmündungsstelle für sie sein können. Für die Route von Avignon über den Mont Gen^vre haben wir aus dem vier- zehnten Jahrhundert ein Wegverzeichnis mit Angabe aller Mittagsstationen und Nachtquartiere*. Und dieser Weg aus dem Gebiet der Rhone- mündung über Moncalieri, Asti, Stradella ist der Ilansweg. Ich kann auch nicht finden, dafs der Name Ilansweg für den Lukmanier irgendwie berechtigt wäre, so wenig man die Strafse des Grofsen St. Bernhard je nach Martigny benannt hat, so wenig darf man das von der obersten Stadt am VordeiThein erwarten*^. Schon Riant hat ein unzweifelhaftes Zeugnis für die hohe Verehrung, welche die Nordländer nach St. Gilles zog, beigebracht®, so dafs kein Zweifel bleibt, dafs unter dem Ilianswege

1 S. Riant 59.

« S. 53 N. 178.

" Ihm folgte Heyd, Alpenstrafsen S. 463.

^ Forestie, Lfes livres de comptes des fröres Bonis I, XX.

^ In dem Itinerar heifst es bei Luna „In Luna kommen die Wege aus Spanien und von San Jage heran''. Auch da handelt es sich um einen Wallfahrtsort, das aber war Ilanz nicht und ebensowenig Disentis.

Riant S. 85.

k

Walliser Pässe. 101

der über St. Gilles, wo die Nordmänner den St. Ägidiustag (1. September) feierten, zu verstehen ist.

Wie in GraubUnden der Lukmanier mehr hervortritt, als vorher, 80 überrascht uns nun auch in dem Systeme der Walliserpässe die Be- nutzung der Pässe von Oberwallis, fUr die bis dahin kein Beweis eines Verkehrs sich ergab. Das Hochthal von Oberwallis hatte zunächst nach Norden 'lebhaftere Verbindung gewonnen, über die Pässe des Bemer- oberlandes war der Verkehr sehr viel lebhafter geworden, als früher, die deutsche Bevölkerung von Oberwallis soll nach der Meinung sehr ernster Forscher geradezu auf Einwanderung über die Grimsel zurückzuführen sein, ja wir hören geradezu von einem Kriegszuge, den ein Zähringer über die Grimsel machte, wenn die Einzelheiten dieses Ereignisses durch Sage und Mifsverständnisse auch so überrankt sind, dafs kaum ein sicheres Bild zu gewinnen ist^.

Auch der Süden war nicht mehr so abgeschlossen, wie einst. Im Gegenteil zeigt uns das älteste Stadtrecht von Sitten', dafs auch die Bischofsstadt von Wallis nunmehr von Handelskarawanen durchzogen wurde. Das Geleit gehörte von der Grenze des Unterwallis gegen Chablais aufwärts durch das ganze Bistum dem Bischöfe. Der Zusatz: »ex alia parte intrantibus qtmm d'Androna€ giebt für die Geleitsbestimmungen keinen Sinn, aber er ist darum nicht minder wertvoll, da er eine Be- nutzung des Antronapasses beweist, der hier zum erstenmale erscheint °. Dem Stadtrechte ist eine Bestimmung über den Zoll beigefügt, er beträgt von dem Ballen 12 ^, Stahl und Eisen und aus der Lombardei durch Sitten geführte Waffen zahlen jedoch für den Ballen einen Pfennig*.

Auch der Simplonpafs mufs dem Verkehre bereits in weitem Mafse gedient haben. Die Anlage eines Hospitales der Johanniter auf oder in der Nähe der Pafshöhe ist nur mit der Absicht erklärlich, den Rittern und Reisenden eine sichere Unterkunft zu gewähren. Der charitative

^ Vgl. Hoppeler S. 201, der nur einen unglücklichen Kriegszug der Z&hringer und zwar 1211 annimmt, Heyck, Gesch. d. Herzöge von Zähringen, tritt für zwei Züge ein 1191 und 1211 S. 480 f. und 469 f. Für uns konmit ja nur die Benutzung des Grimselpasses für einen Kriegszug überhaupt in Betracht und die steht fest.

' Das Datum 1217 ist überliefert, ob zuverlässig? Da aber Heusler, Ztschr. f. Schweiz. Eecht 29, 227 das Datum angenommen hat, kann man von einer Unter- suchung wohl absehen.

Die Stelle lautet: »Et a cruce de Ottans (jetzt verschwunden, unterhalb Martigny s. Hoppe 1er S. 1) su2)eri}M per totum episcopatum strate sunt episcopif ex alia parte intrantibus quam d'Androna, et dehet servare et defendere; et si mercatores futrint capU vel damnum passi, dehet ea querere episcopus tamquam res sua^ proprias: Gremaud 29, 197.

* »XII denarios de halhs. De calibdis vero vd de quaquo ferro debent unum den,* n. s. w. 29, 199.

102 Neuntes Kapitel.

Zweck mufs die Idee eingegeben haben, und er setzt ein Bedürfnis voraus'.

Für die nördlichen Zugangswege zu den Alpen ist es von Wert, dafs wir genau den Weg des hl. Bernhard bei seiner ELreuzzugpredigt kennen. Er zog auf der badischen Bergstrafse nach Freiburg und Basel, ging am Südfufse des Schwarzwaldes aufwärts bis Konstanz, dann über Winterthur nach Zürich, über den Bötz^erg nach Basel, die elsässische Bergstrafse entlang nach Strafsburg und über die elsäfsische Rheinstrafse nach Speyer*.

Überblicken wir noch einmal die Ergebnisse dieser Untersuchungen. Auch in dieser Periode behaupteten die beiden direktesten Pässe, der Grofse St. Bernhard und der Septimer, ihre Stellung: dieser diente einem regen Verkehr, vor allem aus Schwaben, und es ist nicht so unrecht, wenn man ihn kurzweg als den schwäbischen Pafs charakterisiert. Un- gleich bedeutender ist jedoch der Verkehr, den der Grofse St. Bernhard zu tragen hatte, ich zweifle nicht einen Augenblick, ihn als die wichtigste Alpenstrafse jener Zeit zu bezeichnen, der nur für die politische Geschichte ein Rivale an die Seite trat, der Brenner. Der Verkehr der Pilger nach Rom wurde vor allem von ihm getragen, aber auch der Kaufmann bevorzugte ihn. Wir werden die Ursachen näher kennen zu lernen haben. Der gesteigerte Verkehr suchte nach neuen Wegen und ver- säumte nunmehr auch die inneren Pässe nicht mehr. Die aus dem oberen Wallis entbehrten anfangs jeder politischen Bedeutung, während umge- kehrt der Lukmanier, wie wir sahen, von Friedrich I. militärisch aus- genutzt wurde. Aber auch der Kaufmann drängt sich hierher. Die früher völlig weltentlegenen Gebiete am Tessin wurden belebter, und es spitzt sich alles immer mehr auf den entscheidenden Augenblick zu, wo die Eröffnung des Gotthardpasses alles umgestalten sollte.

In dem Gebiete des Tessin herrschte wie wir sahen -- nicht ein- mal eine kirchliche Einheit Es scheint, als sei die kirchliche Um- grenzung hier dem weltlichen Besitze gefolgt, wenigstens besafs die Mai- länder Kirche seit langer Zeit angeblich seit einer Schenkung durch Bischof Atto von Vercelli das Blegnothal, das Livinenthal, Biasca und das Thal Intrasca ^. Es war somit der Südfufs des Lukmaniers auf

^ Das Haus erscheint zuerst 1285. An der Spitze desselben steht ein magister, die Johanniterkommende Salquenen (Salgesch westlich von Leuk) stand wie die in Conflans (in Savoyen, das Isörethal beherrschend) offenbar in nächster Verbindung mit dem Hospiz. Vgl. Gremaud 29, 319. 387 (hospitale s. Johannis de CoUibus de Semplon) 394. 478. 498.

2 M.G. SS. 26, 121—137.

' Von Hidber nicht erklärt.

Politische Lage am Südfofse der Alpen. 103

Mailändischem Boden ^. Diesen Mailändischen Rechten gegenüber hat die Stiftung König Liudprands S. Pietro in cielo d'oro in Pavia, die seit sehr alter Zeit hier Güter besafs, sich nicht behaupten können^.

Im Misoxerthale wurde wahrscheinlich in staufischer Zeit ein Frei- herrengeschlecht aus dem Rheinthale oberhalb des Bodensees heimisch, die Freiherrn von Sax. Man kann mit Recht daraus schliefsen, dafs der St Bemhardinpafs doch nicht so unbenutzt war, wie man sonst glauben sollte, da er niemals erwähnt wird®. Wahrscheinlich war das Thal ein Lehen des Bistums Como. Durch die Verleihung Friedrichs II. erhielt dieses Geschlecht auch das Blegnothal, konnte sich aber dort nicht gegen die Mailänder Kirche behaupten.

Innerhalb des geistlichen Bezirkes hat das Bistum Como auch so gut wie alle weltliche Macht bis gegen Ende des zwölften Jahrhunderts gewonnen, und schon begann die Stadt nach und nach sich an die Stelle des Bistums zu setzen, wie das ja der allgemeinen italienischen Ent- wicklung entspricht. Die Grafschaft BcUinzona gehörte schon im zehnten Jahrhundert dem Bistume, das im Anfang des folgenden auch die könig- lichen Rechte an dem Kastelle gewann. Es ist hier, wenn mit der Graf- schaft auch der Zoll bestätigt wird, wohl ohne Bedenken nicht an den Marktzoll in BcUenz, sondern an einen Durchgangszoll zu denken*.

In dem gewaltigen Kampfe der Staufer gegen Mailand stand Como fast stets energisch zu den Kaisern. Das Gebiet von Como griff damals bis nach Biasca, also auf Mailänder Boden im Tessinthale hinauf^. Es wurde dabei freilich Locarno durch Friedrich I. an das Reich genommen, sein Sohn hielt das nicht aufrecht, sondern wies sie wie die Bewohner von Bellinzona an, der Gemeinde von Como ohne Widerrede zu ge- horchen*, ja er gab 1191 dieser Stadt die meisten königlichen Rechte innerhalb des Bistums, und er versprach, niemals die Strafse von Chia-

1 Hidber Nr. 1019 und Nachträge im Bde. If S. XXXIX. Atto giebt '^valks illae Bellenica et Lebentina*, Die Bestätigung Eugens IIE. von 1149. Hidber Nr. 1892 bezieht sich auf Habiasca, valles Bellignium und Leventina.

* Der Hauptbesitz lag weiter südlich, doch hing von der Marienkapelle in Primasca (unennittelt im Thal Bellinzona) Besitz im Livinen- und Blegnothale ab. Vgl. die Urkinden König Hugos von 929. Hidber Nr. 2837, Ottos L Nr. 1064. DO I 241». Ottos II. Nr. 2847. DO 11 173. Ottos III. Nr. 1143. DO III 53. Kon- rads IL Nr. 1302. Stumpf 2036 und Heinrichs V. Nr. 1553. Stumpf 3143 (ge- fälscht). Vgl. Darmstädter S. 89.

* Das Nähere V. Lieb enau, I Sax signori e conti di Mesocco. Darmstädter 8. 89 f. Die Besitzungen des Bistums Chur, Mohr I, 295 sind minimal.

* Betr. der Grafschaft s. DO II, 166. Hidber Nr. 1118. Bestätigung Hein- richs III. Hidber Nr. 1380. Stumpf 2485. Betr. der Burg Arduin Hidber Nr. 1193. Stumpf 1842. Heinrich IL Hidber Nr. 1200. Stumpf 1383. Darmstädter S.88f.

^ Stumpf 4461 von 1186 ist ausgestellt zu Biasca »in territorio Cumano*. ö 1185 Juli 10. Heinrich VI. Stumpf 4753 zu 1192. Hidber Nr. 2533.

104 Neuntes Kapitel.

venna und BelliDzona zu verlegen und sie niemandem anders einzuräumen ^. Heinrichs Vertrauen auf die Treue dieser Stadt war also so grofs, dafs er sie zur Hüterin der Alpenpässe machen wollte. Wie Friedrich die Stellung des Reiches Mailand zum Trotze gestärkt hatte, wurde nun der Versuch gemacht, sich auf die Stadt Como zu stützen. Diese aber räumte sofort auch auf die Alpenpassagen der Rivalin Einflufs ein. Der Fried ensschlufs von 1195 gestattete den Mailändern, an die zwei wichtig- sten Grenzsperren der Comasken: nach Bellinzona und an den Turm von Ologno, der mit seinen Befestigungen den Weg von Chiavenna zum Haupte des Comersees sperrte und von Friedrich I. 1164 den Comasken geschenkt war^, ihre Boten zu senden, damit sie mit den Boten von Como die Ausfuhr von Qetreide und Hülsenfrüchten verhinderten^. Diese Handelssperre sollte der Bevölkerung der Städte dienen, welche sich innerhalb ihrer Bezirke freien Handelsverkehr zusicherten. So hatte Mailand das Recht einer Aufsicht an den Zollstellen gewonnen , sollte das schwächere Como sich gegen den Einflufs von Mailand behaupten können ?

Westlich vom Lago Maggiore waren die wichtigsten Herren in den Alpenthälem neben den Bischöfen und Städten von Novara, Ivrea und Aosta die Grafen von Biandrate. Ihnen gehörte die Grafschaft im Thale von Ossola*, wie ihnen Heinrich VI. auch Stadt und Grafschaft Ivrea gab*^, die sie jedoch nur bis unter Friedrich II. behaupteten, da er 1248 die Stadt an den Grafen Thomas von Savoyen abtrat. Dafs auch das Kloster St. Gallen hier allerhand Besitz hatte, habe ich schon oben aus- geführt.

' Stumpf 4678. Abdruck Hidber, Urkunden S. 98f. »precipientes insuper, ut strate lihere et secure siftt omni tempore ad civitatem Cumanam in eitndo et redeundo cum omni mercato et sine mercato nee stratam Clavenne et Bilizone removehimus nee aliis iülo tempore concedetnus^.

2 Vgl. Darmstädter 81 f.

« Hidber Nr. 2707. Abdruck Urkunden S. 107.

* Bestätigungen durch Heinrich VI. und Otto IV.

»i Böhmer-Ficker 1182. Darmstädter S. 205f.

Zweiter Teil.

GESCHICflTE DES HANDELS BIS ZUM ENDE DES DREI- ZEHNTEN JAHRHUNDERTS.

Zehntes Kapitel.

Deutsche Kanflente in Italien. Italienische Kanflente in Deutschland.

Veränderungen im Welthandel.

Deutsche Kaufleute in Italien. Der Clmnson swr VAir de VAmour. In Genua schon 1128. Ferrara 1228. Messen. Der Fondaco in Venedig. Überfälle.

Italienische Kaufleute in Deutschland. Aus Lodi, Mailand, Piacenza. Coblemer Zolltarif. Italienische Steinmetzen und Maurer.

Veränderungen im Welthandel. Konstantinopel nicfit mehr Monopol als Ver- mittler. Das Abendland handelt direkt. Die Kreuzzüge steigern den Luxus. Italien ülemimmt die Vermittelwig : Amalfi, Pisa, Genua, Venedig.

In italienischen Quellen begegnen deutsche Kauf leute sehr spät. Es kann aber das Schweigen nichts beweisen. Der Verkehr führt nur sehr selten zu Beurkundungen und die chronikalische Litteratur beschäftigte sich mit ihm noch weniger, die Poesie kommt uns zur Hilfe, um zu zeigen, dafs Konstanzer Kaufleute selbst im Orient erschienen. Ein recht lascives Gedicht erzählt, wie einen Schwaben seine Frau und er sie be- trog. Für uns kommt davon nur in Betracht, dafs der ^Consiantiae civis Suevulus* zweimal des Handels halber in den Orient reist ^. In der Levante vermag ich direkt keine deutschen Kaufleute nachzuweisen. Heyd hat darauf hingewiesen, dafs die Liste Benjamins von Tudela,

^ Chanson sur TAir de TAmour bei du M^ril, Po^sies populaires latines antörieures au douzi^me siöcle S. 275. Ein Konstanzer, der Handels halber in den Orient ging, hat eine leichtsinnige Frau zu Hause gelassen. Einen Sohn, den sie während der Reise ihres Mannes gebar, bezeichnete sie dem Heimkehrenden als einen Sohn des Schnees, den sie in den Alpen vom Schnee empfangen habe. Nach fünf Jahren geht der Vater wieder auf Reise , nimmt den Sohn mit und verkauft ihn für 100 Pfund. Heimgekehrt sagte er seiner Frau, in den Syrten habe die brennende Sonne den Sohn des Schnees geschmolzen.

106 Zehntes Kapitel.

worin er die Völker aufzählt, die Ägypten mit ihren Schiffen besuchen, und darunter auch Deutsche und Sachsen, unzuverlässig ist ^ Man darf sich nicht irreführen lassen, wenn man, wie in dem Handelsplatze Lajazzo an der syrischen Küste im christlichen Königreiche Armenien, wohin nach dem Falle von Accon die abendländischen Kaufleute übersiedelten, eine porta Alamannorum findet^, oder auf dem Stadtplan von Accon ^Ala- mannU ^ angegeben sieht, in beiden Fällen handelt es sich um Deutsch- ritter. Immerhin ist ein Beweis für das Gegenteil nicht erbracht, und in dem Völkergewirr, das die Kreuzzüge im Bereiche der fränkischen Levantestaaten hervorriefen, mag auch der deutsche Kaufmann nicht ganz gefehlt haben. Die Kaufleute, die von Lübeck, Bremen und Köln als Kreuzfahrer durch die Meerenge von Gibraltar kamen, mögen einzelne Händler zurückgelassen haben, aber im wesentlichen ruhte der Grofshandel, der für einige Zeit geradezu an der Küste Palästinas seinen Stapel hatte, in den Händen der Italiener, die sich nach den Heimatsstädten organisierten *.

Zu allererst darf man Nachrichten erwarten aus den Bündnisbriefen der Städte und Fürsten, da die Kämpfe zwischen den Ghibellinen und und Guelfen zugleich als Handelskriege geführt wurden. In diesem Sinne beschwur 1193 der Markgraf von Montferrat den gegen Mailand verbündeten Städten Bergamo, Cremona, Pavia, Como und Lodi, er werde den Handel von Mailand verhindern. Wenn dann hinzugefügt ist, die überbergischen Kauf leute sollten schwören, dafs sie nicht Mailänder Gut mitführten, so könnten nach der Lage des Gebietes von Montferrat diese negotiatores ultramontani auch Händler aus der Provence und Südfrank- reich sein. Es ist jedoch vorher von dem Transport von Waren von Savona, Genua und der Meeresküste her die Rede und da ist nach dem Zusammenhange kein Zweifel, dafs diese negotiatores deutsche Kaufleute sind, welche durch das Mailänder Gebiet zu gehen gewohnt waren ^. Damit gewinnen wir auch Vertrauen, unter die in der Genueser Zoll- urkunde von 1128 gen«annten »homines de uliramontanis parttbus<^ auch

1 1, 428 f.

2 Arch. de l'Orient latin 2, 2, 66. Urkunde von 1300.

* Kugler, Gesch. d. Kreuzzüge 230.

* Vgl. aufser Heyd auch Pru tz, Kulturgeschichte der Kreuzzüge 122. 355 u. 363.

* »iY quod habet pröhibere . . universas negotiationes que ducantur . . a Janua trel Sagunum seu a locis manUmis et specialiter bomlncium, ctRumen, braxiley en [degum?]^ piper, scU et cera. Item . . omnes negotiationes , que ducte fuerint Medio- lanum . . ., que velint defferi ab aliquo versus Januam vel Sagunum ant loca mari- tima. Itefn faciet per suum missum jurare negotiatores uUramontanos et alim cum eunt ultra mantes, quod in iis que defferunt vel ducunt homo Mediolani vd terre Medio- lani nullo modo partem Jiabeat vel habere debet.* Vignati, Codice diplomatico Laudense in Bibl. histor. italica 3, 198.

Deutsche Kaufleute in Italien. 107

deutsche Händler einzubeziehen. Wie die Lombarden mit ihren charakte- ristischen Waren: Tuch, Waffen und Rossen angeführt werden, steht diesen Händlern auch der Ballen Wolle und Hanfgespinst gut an ^. Nach Sieveking gehen diese Zollsätze ins elfte Jahrhundert zurück '. Die Statuten von Como enthalten eine von 1209 stammende Bestimmung, welche be- weist, dafe es sehr häufig vorkam, dafs Comasken Leuten von jenseits der Berge Kredit gewährten oder für sie bürgten®, aus der gleichen Zeit etwa stammen die Bestimmungen über die Weinfuhren über Chiavenna und Plurs aufwärts*.

Deutsche Kaufleute werden direkt genannt in der für die allgemeine Handelsgeschichte so überaus wertvollen Urkunde von 1228 über das Ripaticum von Ferrara. Es ist ein Dokument, das uns die glänzenden Zeiten eines hervorragenden MeGsplatzes vor Augen führt, unmittelbar bevor eine siegreiche Rivalin die Handelsbedeutung der Stadt für immer vernichtete. Ferrara ist die letzte in der Reihe der Vorgänger Venedigs, das vorletzte der Handelscentren an der Adria, welche nach und nach zu Binnenstädten herabsanken. Ferrara beherrschte die Mündung des Po, bis an seine Hafenlände kamen die Seeschiffe hinauf, und weiter bis nach Pavia war der Flufs belebt. Nach Mailand führte der damals schiff- bare Lambro hinauf, und schon gab es einige Kanäle, welche Mailand mit dem Flufssysteme der Poebene verbanden. Ferrara hatte zwei sehr besuchte Messen zu Palmsonntag und Martini. Das Zollregister fängt mit den Franzosen an, es folgen die Deutschen, dann die von Genua und Pisa, Pavia, Piacenza und Mailand, Cremona, Parma, Bergamo, Reggio, Brescia, Verona, aus der Trevisaner (Mark, von Bologna, Imola, Faenza, Rimini, Ancona, Apulien und Rom^. Venedig schaute mit Eifersucht auf die Nachbarin, welche den Poverkehr zu sperren imstande war, und den Kampf wider Friedrich H. benutzend, bezwang es 1240 die Beherrscherin des Po und legte der Stadt die härteste Bedingung auf, die zu denken war. Sie durfte vom Meere her keine Schiffe mehr löschen oder passieren lassen, welche nicht von Venedig kamen. Die

* »Omnes homines de ultramontanis partibus debent dare de unoqtioque torsello lanico den. 6, de torsello de canabatiis den, 4.* Lib. jurium Januens. 1, 32 Nr. 23.

' Sieveking, Finanzwesen 1, 5.

' »5* quis . . crediderit aliaii homini de uUra mantes vel se obligaverit pro aliquo homine de ultra montes,* Leg. municip. 2, 1, 212 in Monumcnta bist, patriae Tom. 16.

* Ebda. 2, 1, 157.

'^ Der Deutsche genofs dieselben Rechte wie der Francigena, von dem es beifst: '»undecumque veniat sive de eusum sive de sursum cum quacumque negotiatione in 8U0 adcentu, quocunque veniat aut vadat, solvat de avere a soma superius*. Die von dem Erlöse gekauften neuen Waren sind zollfrei. 1228 Okt. 12. Muratori, Antiquität es 2, 29.

108 Zehntes Kapitel.

Veaetianer hatten nicht allein den Ferrareser Stapel- und Mefsverkehr vernichtet, sondern auch für sich ein Monopol begründet^.

Schon gab es in Venedig den 1228 zum erstenmale genannten Fon- daco, das Quartier- und Handelshaus der deutschen Händler^.

Auf dem Wege von Cremona nach Ferrara war es wohl, dafs 1220 Deutsche ausgeplündert wurden®. Zwei Jahre später erlitten das gleiche Schicksal am Monte Surdo südlich von Como zwei Kaufleute aus Lille, denen Tücher von Lille, Ypem und Beauvais und Hosen aus Brügge genommen wurden, wofür die Stadt Como ihnen Schadenersatz mit 97 i6 Imperialen leistete*.

Italienische Kaufleute sind umgekehrt in Deutschland nachzuweisen. Von Regensburg sehe ich natürlich ganz ab, weil der Verkehr dorthin ganz andere Wege ging. In dieser Stadt gab es bekanntlich eine ziem- lich starke welsche Niederlassung. Zuerst finde ich den Namen von Lodigianen. Man kann sich heute nicht mehr leicht ein Bild von der bittersten Feindin Mailands machen, das alte Lodi ist ja zerstört worden. Kaufleute von dort haben Friedrich I. in den Kampf gegen Mailand hineingezogen, sie trugen ihm, als er im März 1153 in Konstanz war, die Übergriffe Mailands vor. Albernandus Alamannus und Homobonus Magister waren nämlich auf Bitten des Konstanzer Bischofs Hermann von Arbon, der wiederholt in Italien gewesen war, um ihm einen Ge- fallen zu erweisen, dorthin gekommen. Albernandus, der gut die deut- sche Sprache gelernt hatte, führte vor dem Könige das Wort^.

Die ersten Mailänder, welche über die Alpen gingen, um feine Wolle und Tücher zu kaufen, nennt nach dem Zeugnisse eines Carme- liters Galvano Fiamma*. Wenn Otto FV. im Jahre 1200 als Boten an Innocenz III. neben dem Propst von Bonn den Mailänder Bürger Monachus de Villa verwendet, so dürfte auch das dafür sprechen, dafs Mailändern der Niederrhein nicht unbekannt war''^.

Piacentiner waren 1208 auf deutschem Boden, als eben König

* Zur Gesch. Ferraras vgL die vortrefflichen Auseinandersetzungen von W. Lenel, Die Entstehung der Vorherrschaft Venedigs an der Adria. Strafsb. 1897 S. 51—64.

3 Simonsfeld, Fondaco 2, 8 f.

" Leute von Luzzara (östl. Guastalla) beschwören »quod ille locus in quo depre- dati f'uerunt Tiutonici fum est de districtu Cretnona^ neque Luzariae». Astegiano, Codice dipl. Cremon. 1, 239.

* Unsere Urkunden im zweiten Bande Nr. 188.

«OttoMorena, M.G. SS. 18, 587 f. Ich zweifle keinen Augenblick, dafs die beiden Handelsleute waren.

^ Chron. maj. ed. Ceruti in Miscellanea di storia ital. 7, 716. Verbunden ist die Nachricht mit einer Erzählung zu 1172.

^ Böhmer-Ficker 213.

Italienische Kaufleate in Deutschland. 109

Philipp ermordet war. Sie brachten sichere Kunde von dieser That einem in Mantua weilenden Prälaten, den sie baten, er möchte ihnen, da sie vom Grafen Hugo von Montfort ihrer Waren beraubt seien, an die Bischöfe von Chur und den Abt von St. Gallen eine Empfehlung schreiben. Die That war also zwischen Chur und dem Bodensee geschehen^.

Eine einzige Zollrolle erwähnt die fremden Händler aus Italien: ^ ist der hochinteressante Koblenzer Zolltarif von St. Simeon-Trier, welcher seine Sätze nach der Herkunft der Händler bemifst und uns damit ein überraschend helles Bild von dem Leben auf dem Rheinstrome gewährt^. Die ältere Fassung von 1104 hat als die südlichsten Orte Strafsburg, Konstanz und Zürich^, die von 1209 nennt aufserdem Basel statt Konstanz, allgemein Suevia und dehnt den Satz für die Züricher auf alle bis nach Rom Wohnenden aus, die Römer haben einen besonderen Satz *. Lamprechts Nachweis, dafs wie Köln im Norden den Durchgangsverkehr zu ver- mindern und ein Stapelrecht für sich selbst durchzusetzen imstande war, so auch im Süden Mainz und Frankfurt den Handel möglichst an sich zogen, ist gewifs richtig. Speciell macht in unserm Tarif es keinen guten Eindruck, dafs von allen Italienern die ^RomanU erhalten bleiben, während doch gerade sie, wie bei der Geschichte des Geldhandels zu erweisen ist, weit hinter anderen Städten zurückstanden.

Aus Münzfunden läfst sich leider die Person des Trägers nicht ermitteln *.

Diese Nachrichten sind sporadisch genug, aber es ist nicht zu be- zweifeln, dafs wir italienische Kaufleute auf deutschem Boden thätig denken dürfen, wenn ihre Zahl in Frankreich und England damals auch sehr viel gröfser gewesen ist.

Die Thätigkeit italienischer Handwerker und Meister in Deutschland steht gleichfalls fest; wenn auch über die Bedeutung der lombardischen Steinmetzen bez. Maurer, sowie der dorther stammenden Baumeister die

' Heg. Innocentii JIl de negotio imperii ep. 152. Baluze 1, 752.

« Vgl. Lamprecht, Wirtschaftsleben 2, 336 ff.

Hansisches Urkb. 1, 3.

* Die von Zürich »qui vulgcUiter dicuntur zülchere usqite Romam XII den, UhrdUs vel VLden, Colonienses. Romani vero IV den. vel VI den, Colon.*. Mit telrh. Urkb. 2 Nr. 242. Lamprecht verbessert an der letzten Stelle richtig die Ziffern in 6 und 4. Die dritte Erneuerung von ca. 1300, die jedoch M. Bär, Urk. u. Akten z. Gesch. d. Verf. u. Verwaltung d. Stadt Koblenz S. 154 ein Lebensalter früher an- setzt, hat die Züricher überhaupt nicht mehr, auch fehlt wieder Konstanz, doch die Römer haben sich erhalten : »Item quicumqtie Eomani vefiientes navi^o cum mercimoniis tenentur dare unum aedpitrem vel 6 den,*. Lamprecht 2, 321.

^ Der Fund von Oos enthält Münzen von Venedig, Genua, Lothringen, Nieder- lande und England. Anzeiger f. Kunde d. deutschen Vorzeit 5, 280. Hier sind viele Ergänzungen möglich.

110 Zehntes Kapitel.

Meinungen sehr weit auseinander gehen. NordhofF hat sie geradezu als die eigentlichen Träger der Baukunst hingestellt^, und Ratzinger regt wenigstens im eingeschränkteren Sinne eine Untersuchung für Bayern an. In der That sind einzelne Beweise unwiderleglich. So waren 1188/09 Meister und Arbeiter aus Como in Stadtamhof beim Bau von St Mang thätig, sie stammten also von einer Stadt, die durch die langobardische Gesetzgebung als Heimstätte einer an römische Traditionen und Organi- sationen anknüpfenden Kenntnis des Bauens erwiesen wird '. In Hirsau war 1059 ein Meister aus der Gegend von Venedig, und die Kirche von Ros- heim im Elsafs hat in der That so viel vom Hauche italienischer Kunst an sich, dafs ich diesen Bau einem Italiener zuschreiben möchte. Im allgemeinen wird man dem weit ruhigeren Urteile von F. X. Kraus zu- stimmen müssen, der den Einflufs auf die romanische Baukunst der Alpengebiete und Bayerns nicht bestreitet, aber den Übertreibungen ent- gegentritt^.

Die Einzelthatsachen erhalten ihre rechte Beleuchtung erst dann, wenn man die Entwicklung des Welthandels zum Hintergrunde derselben macht. Ich werde, um den Stoff nicht zu sehr zu zerreifsen, diese all- gemeinen Betrachtungen sofort bis in den Anfang des vierzehnten Jahr- hunderts weiter führen.

Bis dahin hatte Byzanz es verstanden, sich im wesentlichen in der Rolle eines Vermittlers zwischen den beiden grofsen Kulturkreisen des katholisch-lateinisch-germanischen Abendlandes und des Muhamedanismus zu behaupten. Das wurde aber durch die Kreuzzüge anders. Indem die Scharen des Abendlandes sich inmitten der arabischen Welt Raum er- kämpften, war der direkte Kontakt an vielen Stellen hergestellt und Byzanz wurde verdrängt. Die katholischen Städte Italiens und Süd- frankreichs übernahmen nun direkt die orientalischen Waren, und aus der langen Reihe von Handelsvölkern, durch deren Hand indische Waren gingen, war in den meisten Fällen der griechische Kaufmann ausge- schaltet. Die Italiener sogen den Handel von Byzanz auf. Die Abend- länder waren diesen Waren entgegengegangen, sie hatten ihren Wert näher kennen gelernt, sie übernahmen einen grofsen Teil der orienta- lischen Bedürfnisse, und der Luxus, den die arabische Welt in ihrer Glanzzeit trieb, ging über auf ihre christlichen Feinde.

Um die Araber zu bekämpfen, waren die Scharen ausgezogen, und doch durchdrangen sich die beiden Kulturkreise nun viel lebhafter als

' Allgem. Zeitung 1891 Beilage Nr. 253. ' Ratzinger, Forschungen zur bayr. Geschiche S. 579—84. * Kraus y Gesch. der ehristl. Kunst 2, 108. G. Merzario, I Maestri Comacini, storia artistica di 1200 anni. 2 Bde. Milano 1898 sah ich nicht ein.

BekleiduDgsstofFe. 1X1

firüher. Unter andere Lebensbedingungen versetzt, nahm der Abendländer orientalische Sitten an, die Enge des Gesichtskreises verschwand, die Gröfse der Entfernungen wurde nicht mehr so sehr empfunden. Eine so häufige Verschiebung militärischer Kräfte machte auch den Kaufmann wanderlustiger. Sollte der Krieg die beiden Kulturkreise trennen, so brachte der Handel sie doch näher denn je.

Die Zahl der Handelsobjekte wuchs ebenso wie ihre Quantität; der Gebrauch der Luxuswaren wurde zur Gewohnheit und zum Bedürfnisse. Viele der Waren, die der Orient lieferte, band die Natur an das Gewürz- land Indien. Diese Stellung konnte dem Ursprungslande nicht geraubt werden. Ein grofser Teil des Levantehandels beruhte aber noch auf der kulturellen Überlegenheit des Morgenlandes, und diese war den abend- ländischen Rittern erst recht aufgegangen, als sie unter der heifsen Sonne weilten.

Den meisten Nutzen dieser Veränderung hatte Italien, das eine Bedeutung für den südnördlichen Handelszug gewann, die es bis dahin nicht besessen hatte. Die Handelsherrschaft, wie der gröfste Teil der enorm gesteigerten Schiffahrt im Mittelmeergebiete war an sie über- gegangen. Amalfi hat diese glänzenden Tage, die die byzantinische Stadt am Golfe von Neapel vorbereitet hatte, nicht mehr erlebt, die normannischen Fürsten, dann Pisa hatten ihre Blüte geknickt. Pisa war in der ersten Hälfte der Kreuzzugszeit die erste italienische Hafen- stadt geworden, erlag aber der nachbarlichen Rivalin Genua, der Sieg von Meloria 1284 und die Einnahme von Portopisano und die Zerstörung des Hafens 1290 leiteten den schnellen Rückgang der alten Seeherrscherin ein. Genua hatte nun nur noch einen Nebenbuhler: Venedig, das sehr bald die ligurische Hafenstadt überflügeln und ein Weltemporium werden sollte. Auch die süditalienischen Häfen gewannen erhöhte Bedeutung. Diese Seestädte hatten dadurch, dafs sie ihre Politik wesentlich nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten leiteten, solches erreichen können, die Landstädte hatten schon nicht die freie Hand, welche jenen gewährt war.

Das Verhältnis dieser Städte zur Levante ist in dem besten Werke, das deutsche Gelehrsamkeit der Handelsgeschichte geliefert hat, ge- schildert worden. Doch müssen wir uns hier beschränken, diese Be- ziehungen kurz angedeutet zu haben ^.

1 Vgl. Heyd, Goldschmidt u. s. w. Georg Caro, Genua u. die Mächte am Mittelmeer 1257—1311. 2 Bde.

112 Elftes Kapitel.

Elftes Kapitel. Bekleidimgsstoffe. Die Leinen- nnd Hanfstoffweberei.

Bekleidung 8 Stoffe. Änderungen in der gewerblichen Organisation, im Ver- brauch. Zunahme desselben.

Die Leinen- und Hanf Stoffweber ei. Bleibt vorwiegend Gegenstand des Haus- fleifses. Technisches. Gleichwohl bedeutender Handel. Konstanz, Basel, St. Gallen, Augs- burg. Deutsches Leinen im päpstlichen Schatze. Erzeugufig des Auslandes.

Der Welthandel hat am allermeisten Anregung wohl dadurch erhalten^ dafs im Textilgewerbe eine gründliche Verschiebung eintrat, dafs nicht mehr allein die höheren KJassen aus dem Markte Waren nahmen, wo- durch der Handel auf feinere Produkte beschränkt blieb, sondern dafs jeder Mensch einen Teil seiner Kleidung kaufte. Aus der Eigenproduktion, dem Hausfleifse, ging das Textilgewerbe in eine Arbeit für den Markt über. Und da die Konsumenten so enorm an Zahl gewachsen waren, gewann der Markt in den Geweben eine ebenso grofse Steigerung, er umfafste nunmehr neben den feinen auch die gewöhnlichen auf den Massen- verbrauch berechneten Stoffe. Der Handel hätte bei alledem gering bleiben können, innerhalb der Stadt und des von ihrer Wirtschaft ab- hängigen Bezirkes wäre es in vielen Fällen sehr wohl möglich gewesen, die gesamten Bedürfnisse an Geweben durch Eigenproduktion zu decken. Auf grofse Entfernungen hätte es dann nur Handel mit dem Rohstoff gegeben. Allein das hätte eine gleichmäfsige Beherrschung aller Zweige der Textilkunst innerhalb dieses Kreises vorausgesetzt, die aber fehlte nicht nur, sondern es bestand geradezu das Gegenteil. Die eine Gegend war der andern in diesem oder jenem Zweige vorauf, hier wurde besser blau gefärbt, dort verstand man sich besser auf die Bereitung von Loden- tüchern, an einem dritten Orte kamen andere Vorzüge zur Geltung, und so ergab sich schliefslich , dafs keine Stadt alles erzeugte, sondern ein Tuchhändler, um alle seine Kunden zu befriedigen, Waren verschieden- ster Herkunft vorlegen mufste. Wie er selbst von weither seine Gewebe bezog, mufsten deren Erzeuger für einen Absatz in die Ferne sorgen. Im Bekleidungsfache wurde die von K. Bücher* so trefflich charakte- risierte Stadtwirtschaft schon früh gründlich verlassen.

Zwischen der Leinen- und Hanfweberei und der Wollenweberei ergaben sich in dieser Periode erhebliche Unterschiede. Die erstere verlor ihr Gebiet zum Teil an letztere: die leinenen Beinbinden, welche uns auf den Bildern der Karolingerzeit fast stets entgegentreten, ver- schwanden. Jetzt trug fast jeder irgend ein Stück wollenen Gewandes, der leinene Kittel, den der Bauer an Markttagen über seinen Rock zieht,

^ Entstehung der Volkswirtschaft.

Die Leinen- und Hanfstoffweberei. 113

ist noch heute eine Erinnerung an die Zeiten^ wo noch die ganze Kleidung aus Leinen bestand. Mehr und mehr wurde, abgesehen von diesem Bauemkittel, das Linnen auf die dem Körper zunächst liegenden Be- kleidungsteile eingeschränkt, und auch bei dem Hemde konkurriert die Wolle *. Den Verlust konnte die Leineweberei aber noch ausgleichen : denn es kam, wenn auch zunächst nur in den obersten Ständen, der Ge- brauch von Bettzeug auf, und langsam wurde auch die Tischdecke in Gebrauch genommen^. In dem reizvollen Gedichte Conflictus ovis et lini, dessen Alter leider nicht feststeht, wenn es auch wohl dem zwölften Jahrhundert zuzuweisen ist, schildert der Flachs anschaulich den Gebrauch des Linnens zu Unterkleidern, Tischzeug, Bettzeug, Zelten etc.

Im Anfang unserer Periode stand die Kunst der Leineweberei in Deutschland noch höher als die Wollstoffbereitung. Als Leo IX. eine Reihe von Klöstern seines Heimatlandes Elsafs dem päpstlichen Stuhle unterstellte, legte er ihnen nicht den üblichen Geldzins auf, sondern be- stimmte Teile der päpstlichen Kleidung, und zwar mufsten sie die Stücke, welche aus Linnen gefertigt wurden, jährlich darbringen ®. Auch Heinrich der Löwe brachte bei seinem Kreuzzuge dem griechischen Kaiser neben Schwertern und Harnischen scharlachene und feine leinene Kleider*.

Die Leineweberei schliefst sich weit enger als die Wollweberei an die Natur des ländlichen Haushaltes an. Durch das Räzen des Hanfes und Flachses ist der Rohstoff wenigstens zunächst auf dem flachen Lande festgehalten, das Bleichen des fertigen Stückes setzt gröfsere sonnen- beschienene Strecken voraus, als sie eine enge Stadt bot. Vor allem aber schiebt sich der Hanf- und Flachsbau und die Weiterbehandlung des Stoffes bequem in die Zeitfolge der bäuerlichen Arbeit ein, für die langen Winterabende war dies das Geschäft der Frauen. Im wesent- lichen blieb die Leineweberei Frauenarbeit, das ganze Gewerbe hatte die günstigsten Voraussetzungen für den Hausfleifs. Es gab dabei keine Arbeit, welche die Kraft der Frauen überstieg, keine Arbeit, welche eine besondere technische Fertigkeit voraussetzte. Die Leinwand wurde nicht gewalkt seit dem Aufkommen der Walkmühlen hätte das notwendig zu einer Abhängigkeit des Hausfleifses von diesen geführt es wurde

* S. die von Lamprecht I, 568 angeführte Stelle zum J. 1137.

" Zur Geschichte der Leineweberei hat schon 11 mann, Städtewesen des Mittelalters 1, 257 sehr brauchbare Nachrichten gesammelt. Über den Gebrauch der Tischtücher in bäuerlichen Verhältnissen hat Hagelstange, Süddeutsches Bauemieben im Mittelalter S. 117 schon sehr alte Zeugnisse beigebracht.

* Andlau gab jährlich: »tres pannos lineos pontificali ustii apios* , sie werden auch als »camisialea* bezeichnet. Ottmarsheim gab eine Albe und ein Superhumerale. Heiligenkreuz dagegen zwei Unzen Gold für die hl. Kose. Schulte in Strafsb. Studien 2, 89 f.

* Ann. Lub. 3, 4.

Sehulte, Oesoh. d. mittelalterl. Handel«. I. 8

114 Elftes Kapitel.

auch nur selten gefkrbt, die meiste Leinwand blieb in dem Zustande, in den die einfache Bauernfrau sie bringen konnte. Die Grundherr- schaften verbreiteten den Anbau dieser Faserpflanzen, die Verarbeitung ging nach dem Verfall des centralisierten Wirtschaftsbetriebes auf die Höfe der Untergebenen über, welche die Gespinste der Herrschaft abliefern mufsten^ Die Herstellung des Stoffes trennte sich somit nicht von dem Orte des Anbaues, wie das ja auch heute noch nachwirkt. Die Struktur der Flachsfaser, die eine schonende elastische Hand fordert und die harte Maschine abweist, hat später flir die Leineweberei nicht sofort und nicht völlig den Maschinenbetrieb zugelassen. Der Flachs ist dasjenige Material, welches in der bäuerlichen Periode schon seine Technik erhielt, die auch die Zeit der Maschinen nicht völlig ersetzen konnte.

Wenn so die Leineweberei im wesentlichen Sache des Hausfleifses und vor allem des bäuerlichen blieb und in mehr oder minder grofsem Umfange wohl überall betrieben wurde, so ist doch ein Leinenhandel entstanden, weil diese Seite des Hausfleifses in einzelnen Gegenden besonders intensiv betrieben wurde. Und gerade flir den Handel über die Alpen wurde es besonders bedeutsam, dafs rings um den Bodensee sehr früh sich eine intensive Leinenindustrie entwickelte, deren Mittel- punkte Konstanz^ und Ravensburg wurden und deren Fortbildung die Spitzen industrie der Kantone St. Gallen und Appenzell ist, nachdem nördlich des Bodensees die Leinenindustrie auf dem Lande längst in Abgang gekommen und auch in St. Gallen die Baumwolle den Flachs verdrängt hat.

Die ältesten Belege für Leineweberei ergeben sich aus den Verpflich- tungen, die gegenüber dem Kloster St. Gallen eingegangen wurden®, auch die Mönche der Reichenau erhielten im zwölften Jahrhundert von einer Reihe von Dörfern zwischen Konstanz und Ulm und westlich um die Reichenau Garne abgeliefert, sie wurden meist aus Hanf, weniger aus Flachs hergestellt *. Der Hanf wurde am Bodensee lange Jahrhunderte hindurch dem Flachse vorgezogen. Und auch auf den gleich zu erwähnenden Gemälden wird die Bereitung des Hanfes, nicht des Flachses dargestellt. Ganz besonders wichtig sind die Zeugnisse für Konstanz: wir werden später von den Ordnungen der Stadt für den Handel auf den Champagner-

1 Inama-Steru egg 2, 282 f. 804 f. Über den Betrieb der Weberei und den Anbau der Faserpflanzen durch die Hörigen; Schmolier 860. Klumker 40—46.

' Gothein, Wirtschaftsgeschichte passim.

» Wart mann, St. Galler Urkb. Nr. 221. 506. 709.

*• Es wurden abgeliefert 77 Haspen Hanf, 80(42?) Haspen Flachs und 28 Haspen Gespinst. Die Urkunde ist zwar eine Fälschung, aber f&r die Zeit der Herstellung (sweite Hälfte des zwölften Jahrhunderts) unbedenklich zu verwenden. Abdruck Dümg^, Reg. Bad. 70.

Die Leinen- und Hanfistoffweberei. 115

messen reden. Sie beweisen uns^ dafs der wichtigste Handel von Kon- stanz schon 1289 der mit dem Leinen des Bodenseegebietes war. Auch der Schied von 1255 stellt den Handel mit Leinwand dem mit Wachs, Pfeffer und einfarbigem Tuche voran ^ Die Ordnungen Zeigen zugl^ch, dafs es sich nicht allein um in Konstanz erzeugte Leinwand handelte, sondern dafs in Konstanz die Bauern ihre Erzeugnisse verkauften* Die Land- oder Oäuweber, wie man sie später in Ulm nannte, gehen un- zweifelhaft weit in das dreizehnte, wenn nicht in das zwölfte Jahrhundert zurück. Der Hausfleifs der Bauern hatte sich zu einem Landhandweik umgebildet, der Vertrieb der Waren fiel den Städten zu. Den Zustand der Technik der Leineweberei fUhren uns die hochinteressanten Qemälde vor, welche in Konstanz in einem Bürgerhause entdeckt wurden. Ein Cyklus von 21 Bildern stellt uns die Leinen-, Borten- und Seidenweberei in den einzelnen Stadien vor. Die Arbeit besorgt auf allen Bildern eine Frauensperson, nur das Spulen ist einem Kinde zugewiesen. Wir sehen daraus deutlich, dafs die Arbeit noch Frauenarbeit war ^. Solche kultur- historische Darstellimgen sind unschätzbar; als Darstellung im Wand- gemälde stehen diese Bilder im vierzehnten Jahrhundert, dessen Anfang sie angehören dürften ^, einzig da, und es mufs ein reiches und mächtiges Geschlecht gewesen sein, das in solcher Weise seine Wohnräume schmückte. Wirklich gelang es, den Besitz des Hauses, das schon 1372 einem Kon- stanzer Stifte gehörte, auf das alte Geschlecht der Underschopf zurück- zuführen, das sich schon seit 1192 nachweisen läfst und zu den ange- sehensten Familien von Konstanz gehörte^. Es war das Stammhaus, denn es lag unterhalb des bischöflichen Schopfes, von dem das Geschlecht seinen Namen erhielt. Doch wir sind mit Erwähnung dieser Bilder be- reits ins vierzehnte Jahrhundert gelangt.

Die Leineweberei ist fast überall Landhandwerk geblieben, in den Städten finden sich meist nur Specialisten , so in Köln schon 1149 als Zunft organisiert die Bettziechenweber ^. Feine Arten ftlhrten nach dem Produktionsorte den Namen, so die Linnen von Rheims; besonders an- gesehen waren die Linnen von Konstanz, die tela de Costanza. Zu den schon von Mone und Heyd angeführten Nachweisen über das Vor-

^ Abgedr. bei Rnppert, Chroniken d. Stadt Konstanz S. 302 ff.

'Mone in Zeitscbr. f. Gesch. d. Oberriieins 17, 284. L. Ettmüller, Die Freskobilder eu KonstanE in MitteiL d. ant. Gkselischaffc Zürich Bd. 15 (1866) mit Abbildungen der Bild'er. Vgl. Kraus, Kunstdenkmäler Badens 1, 288 f.

" So Lübke und Kraus.

^ Beyerle, Über den Ursprung des Konstanz er Freskencyclus aus dem vier- zehnten Jahrhundert. Zeitschrift f. Gesch. d. Oberrh. N. F. 13, 694 f. Regesten d. Bisch, y. Konstanz 1, 1127.

^ »Textores culcitrarum pulmnariwti' und »textares peplorum*. £nnen, Quellen 1, 329.

8*

116 Elftes Kapitel.

kommen dieser Bezeichnung in Spanien und Italien kommt eine Stelle, die Schultz anführt und die wohl auf Konstanz zu deuten ist^. Sehr bedeutend war auch die Produktion in St. Oallen, der Leinwandzoll bestand 1303 V ^^^ recht oft finden sich Bleichen zuerst 1281, wo ein Ritter den Btlrgem ihre Leinwand, die sie auf der Bleiche an der Steinach hatten, wegnahm*. Auch Basel darf nicht vergessen werden, wo Bischof Heinrich 1268 den Webern und Lein wettern eine Zunft gab*. Baseler Leinwand ging 1248 auf dem Schiffe San Spirito von Marseille nach Accon^. Auch Zürich und Nachbarschaft^, wie Augsburg und Umgebung erzeugten viel Leinwand'.

Das Verzeichnis des päpstlichen Schatzes unter Bonifaz VIII. (1295) bietet uns den Beweis, wie sehr deutsches Linnen geschätzt wurde. In der Abteilung: Leinene Vorhänge für kirchliche Zwecke und Betten, Handtücher und Hemden wird meistens Deutschland als Heimat bezeichnet, leider ohne Angabe des Erzeugungsortes. Daneben erscheint Linnen aus der Lombardei, Pisa und Rheims ®. Und schon in der Taxe für die Unterkäufer, die censarii mercium von Genua vom Jahre 1204 finden sich die tela AUamanie^. Ja, diese ^tela de Alemag^ kann man bis in den

i Schultz, Höfisches Leben 1, ' 337 fuhrt aus Prise de Pampelune, herauBgeg. von Mussaffia, v. 4732 an: »Cüvert luele detrier d'impaile de Costance», Das sind streng genommen wollene Tuche. Das Gedicht gehört dem vierzehnten Jahrhundert an. £s ist übrigens möglich, dafs der Name aus Keimnot in die Strophe kam. Ruppert, Konstanzer Handel S. 7 sagt, dafs in Bozen noch heute tela di Costanza als Marke auf der Laube zu lesen sei. Heyd, Ravensb. Gesellschaft 42.

« Wartmann, St. Galler Urkb. 3, 330.

' Häne, Leinwandindustrie in St. Gallen S. 7.

* Baseler Urkb. 2, 6: »meister Salman der litiueter* safs 1274 von den Zünften im Rate. £bda. 2, 80.

6 Kommendavertrag über »3 pecias telarum de Basle* vom 31. März 1248 bei Bl an Card, Documents in^d. sur le commerce de Marseille 1, 398. Mit demselben Schiffe gingen noch in drei Teilen weitere »tda de Alamannia", Es giebt einen Ein- blick in die Konkurrenz, wenn daneben sechs Partien Leinen von Rheims, eine aus der Champagne und eine von Epinaud angeführt werden. Unter den weit erheblicheren Tuchsendungen, die in diesen Marseiller Urkunden erwähnt werden, steht weit allen Chalons voran, dann kommen Arras, Douai, Ypem, Provins, Cambrai, Lom- barden, Narbonne, Genua, St. Quentin. Unter den mit einem Ballen vertretenen Städten erscheint auch Metz (1,96), sonst keine Stadt des Deutschen Reiches.

^ Die Bestimmungen des Richtebriefs im heutigen Deutsch bei Bürkli- Meyer, Seidenindustrie 40 42.

■^ Augsburger Stadtbuch von 1276, herausgeg. von Chr. Meyer an ver- schiedenen Stellen.

® Abschnitt 74 »cortine et tobdlee de Alamia'^ in dem von Mo linier veröffent- lichten Inventaire du tr^sor. in Bibl. de T^cole des chartes Bd. 47, 658 ff.

* »De centenario telarum Allamanie et de leyes, si ficerit mercatum den, III db unaquaque parte.* Lib. jur. Jan. 1, 521.

Wollweberei. 117

Orient verfolgen. Sie erscheinen einmal in dem Codex Cumanus * und in dem Testament eines in Tauris sefshaften venetianischen Kaufmanns'.

Im Auslande produzierte aufser Kheims und der Champagne über^ haupt Burgund, Lothringen und Spanien". Von einzelnen Städten fand ich Arras, Valenciennes und Kortryk genannt. Nicht zu tibersehen ist, dafs auch einzelne italienische Städte Leinen produzierten, ich nenne Cremona, Mailand und Venedig, auch in Toskana wurde Leinen gewoben. Und endlich fehlte auch der Orient mit einzelnen feinen Sorten auf dem Markte nicht ^. Von den Erzeugnissen dieses deutschen Hausfleifses ist uns sehr viel erhalten, leider sind es nur Plattlitzen, die im Bodensee- gebiete dazu verwendet wurden, um mit ihnen die Siegel an den Ur- kunden zu befestigen.

Zwölftes Kapitel. Bekleidungsstoffe (Fortsetzung). Wollweberei.

Wollweberei, ProdukHonsteüung. Walken, Färberei, örtliche Teilung. Die Wollweberei städtisches Gewerbe. Reste auf detn Lafide. Einflufs der Klöster. Alteste deutsche Weber als Handwerker. SUdwestdeutsche GrauJtucher, Loderer im Südosten. Rheinische Weber, Köhu Flandern. Weltlage. Die englische WoUe die beste. Weberei in England, in Flandern, Frankreich, Champagne, auf der schweizerischen Hochebene^ Lothringen,

Italien. Vorbedingungen, Alte Traditionen, Bezug der Wolle. Kapitalistischer Charakter. Die Humiliaten. Überblick: Maüand, Lomdardei, Venetien, Fiemont, Toskana, bes. Florenz. Callimala und Arte della lana.

Für den Welthandel waren viel bedeutsamer als die Leinenstoffe die aus Wolle gefertigten. Der Verbrauch der Wollstoffe hatte sich auf Kosten der Leinwand ausgedehnt, er steigerte sich mit der Erhöhung der Lebensführung, mit der Zunahme des Luxus. Die Wollindustrie wurde und mufste ein städtisches Gewerbe werden. Es ergab sich sehr früh eine Produktionsteilung. Der Rohstoff blieb bis zur Herstellung der Genufsreife nicht wie der Flachs in einer Hand, sondern ging durch die Hände verschiedener Arten von Arbeitern, und darum mufste sich die Wollstoflfbereitung sehr früh aus der geschlossenen Hauswirtschaft scheiden.

Zunächst konnte das Walken der Tuche nicht von den Arbeitern des Hausfleifses, den Frauen, besorgt werden, das Fufswalken war für sie eine viel zu anstrengende Arbeit, und seit der Erfindung der Walkmühle

^ Codex Cumanus von 1803 nennt daneben noch t. de Reins (Rheims), t. de Orliens (Orleans), t. nouarese (Novara), t, cremonese (Cremona), t lobarde (Lombardei), t astexane (Asti), t. ostume (Ostuni bei Otranto ?), endlich noch tele bergamasce. S. 107 f.

^ Ein Ballen deutscher tele und auch stanforti di Melana (Mecheln). Ar eh. veneto 1883 p. 161—165 zu 1264.

* Bourquelot, Les foires 1. 280—4.

* Heyd 2, 692 f. und 697.

118 Zwölftes Kapitel.

war eine Veredlungsanstalt vorhanden, die nicht jeder sich selbst be- schaffen konnte. Der Plan fUr das Kloster St. Gallen sah keinen be- sonderen Kaum für die Wollweber vor, wohl aber für die Walker. Zu den ftar einen grofsen Klosterbetrieb unentbehrlichen Handwerkern zählt eine für die Reichenau 1065 ausgestellte Urkunde aulser den Fischern, Bäckern, Köchen und den Weinleuten die Walker auf^ Auch die (freilich jüngere) Vita des Konstanzer Bischofs Gebhard des Heiligen erwähnt fullones, die er aus seinen Hörigen ausschied'. Und Walk- mühlen sind bisher nachgewiesen^ für Basel 1193, sicher 1262^, für Trier 1246», für Zürich 1258«, St. Gallen 1280 ^ Das Fufswalken, wobei das Tuch in einer mit reinigenden Zusätzen versetzten Lauge in einem Bottiche mit den Filfsen hin und her gestofsen wurde, um die Wollhaare zu verfilzen, war eine äufserst anstrengende Arbeit. Das mechanische Walken auf der Mühle, die ein Stampf- und Hammerwerk trieb, erforderte viel weniger menschliche Arbeit. In der Zeit des Fufs- walkens war die Zahl der Walker sehr grofs, im Jahre 1270 waren im Leichenzuge Ludwigs des Heiligen zu Paris 300 Walker, wo die Stadt doch nur 60 Tuchmachermeister zählte. Zur Schlacht von Kortryk stellten 1302 die Brügger 1024 Walker und 1984 Weber. Später kam auf 40 60 Tuchmachermeister eine Walkmühle®. Der mechanische Betrieb war aber dem Werke der Füfse durchaus nicht überlegen, die Tucher von Coutances wehrten sich dagegen und erreichten, dafs ihre guten Tuche nur mit dem Fufse gewalkt werden durften*. Auch in Paris wie in Flandern wurde offenbar das Fufswalken als das bessere lange bei- behalten, nicht deswegen, weil man keine Wasserkräfte hatte ^*^. Durch das Walken ergab sich sehr früh eine Produktionsteilung, und kein

1 Dümg6 110.

* V. Below, Entstehung des Handwerkes a. a. 0. 5, 144.

^ Die von Mone, Z. G. Oberrh. 9, 138 angeführte Kreuznachcr Walkmühle könnte auch dem dreizehnten Jahrhundert angehören ; ihr Ruhm ist nicht sicher zu begründen. Die älteste bisher bekannte Walkmühle ist in Gr^noblc 1040 nach- gewiesen. Lamprecht) Beiträge z. Gesch. d. franz. Wirtschaftslebens S. 105 Anm. 28.

* Bas. Urkb. 1, 304. Schon 1193 erscheint ein Laie Hugo de Walchun, später eine wohl damit identische Familie zir Walkun.

* Lamprecht 1, 588.

« Züricher Urkb. 3, 132.

T St. Galler Urkb. 3, 224. Genaueres zu 1308 ebda. 3. 360. Danach fiel die Errichtung dieser Walke in die Zeit des Abts Berthold von Falkenstein (1244—71).

^ Martin, Grofsbetrieb u. Handwerk vor 600 Jahren. Preufs. Jahrbücher 91, 306.

^ So erklärt sich auch die von Martin angeführte Londoner Entschoidiing von 1298, wonach es den Walkern untersagt wurde, das ihnen anvertraute Tuch in eine Walkmühle zu geben, was den Produzenten allerdings direkt zu thun gestattet war.

Fagniez, Etudes sur Tindustrie et la classe industrielle ä Paris au 18<> et 14« ai^le. Paris 1877. S. 231.

Wollweberei 119

mittelalterliches Gewerbe löste nach und nach die Produktion in eine solche Zahl von aufeinanderfolgenden von verschiedenen Personen aus- geführten Arbeiten auf, als die Wollstoffbereitung.

Eine andere Differenzierung ergab sich durch das Färben. Diese Kunst wurde in verschiedenen Orten ganz verschieden gehandhabt, hier wurde besonders gut in Scharlach gefärbt, dort verstand man nur graue Tücher zu machen, und so ergab sich neben der Produktionsteilung eine lokale Teilung der Produktion, und gerade letztere mufste zu dem inten- siven Handel mit Wollstoffen führen, wie er sich nachweisen läfst Es gab nur wenige Gegenden der Welt, in denen die Kunstfertigkeit alle dort von Arm und Reich benötigten Stoffe erzeugte, in den meisten wurde nur eine Seite befriedigt.

Diese örtliche Zerlegung der Produktion war schon sehr alt Einen trefflichen Überblick gewählt; das in Flandern entstandene Gedicht Con- flictus Ovis et lini, in dem Schaf und Lein ihre Vorzüge preisen. Gallien liefere die buntesten Tücher, das neuerungssüchtige Volk liebe den bunten Glanz, Flandern, wo jeder nach seinem Geschmack und Farben- sinn sich seine Stoffe bereite, sende seine grünen und tiefblauen Tuche, um die Herren zu kleiden, nach Deutschland, das diese Kunst des Färbens nicht verstehe. Aber auch hier sei man nicht müssig. Der Rhein erzeuge leichte schwarze Tücher für Mönche und Nonnen, Schwaben rote, nicht in der Wolle gefärbte; an der Donau würden naturfarbene, jedem Wetter trotzbietende (Loden-)Stoffe gewirkt, wie es besser nichts in Deutschland gebe^ Die Quelle ist leider sehr schwer zu datieren; wenn wir auch nicht für das elfte Jahrhundert, dem man früher das Gedicht zuteilte, bereits die örtliche Zerlegung der Produktion aus diesem Gedichte feststellen können, so gehört es doch spätestens dem Schlub des zwölften an.

Die Wollweberei blieb in ihrer Gesamtheit nur selten ein Gegen- stand des Hausfleifses, wenn auch die Garne sehr oft im Hause herge- stellt wurden. Die technische Überlegenheit des Berufsarbeiters, vorab des Walkers und Färbers, trieb den Hausfleifs sehr früh auf die gröberen Sorten; aber auch da war die Arbeit der Frau doch zu schwer, der Mann zu wenig gewandt, um die Konkurrenz aushalten zu können. So verkümmerte der Hausfleifs in der Wollenstoffbereitung, ohne ganz unter- zugehen. So findet sich ländliche Wollweberei noch später im Bistum Chur, im Gebiete von St. Blasien und in dem von Säckingen abhängigen

' Conflict. Ovis et lini v. 169 212. Zeitschr. f. deutsches Altert. 11, 220f. Das Gedicht wurde früher dem Keichenauer Mönche Hermannus Contractus (f 1054) zugeschrieben, es gehört unzweifelhaft nach Flandern. Wattenbach, Deutschlands Geschichtsquellen 2, * 44. Nach Fagniez, Etudes S. 101 hat Quicherat das Ge- dicht in die zweite Hälfte des zwölften Jahrhunderts gesetzt.

120 Zwölftes Kapitel.

Glarus. Ich zweifle nicht, dafs bei sorgfkltiger Durchsicht der Urbare sich noch weit mehr Beweise aus dem oberrheinischen Gebiete ergeben würden. Im grofsen und ganzen wird aber die Wolienweberei ein städtisches Gewerbe, ja für viele Städte geradezu dasjenige, das wirt- schaftlich überwog wie in Flandern und am Niederrhein und das in der politischen Geschichte am allermeisten hervortritt. Innerhalb des städtischen Wollgewerbes tritt weiter eine sehr weitgehende Produktions- teilung ein, das Waschen und Schlagen der Wolle, das Kämmen, Spinnen derselben, das Färben und Weben des Garns, das Walken, Karden, Scheren, endlich das Planen und Pressen des Tuchs war schliefslich auf ebensoviele Personen verteilt. Die Wolle ging dann durch zehn Hände ^

Das städtische Handwerk soll nach der Meinung vieler sehr tief von den klösterlichen Einrichtungen beeinflufst gewesen sein. Ich habe nie recht an eine so starke glauben können, und namentlich der Ein- flufs der Cistercienser auf die Wollweberei ist wohl überschätzt worden. Diese fern von den Städten gelegenen Klöster haben sich freilich ihren Bedarf an Kleidern wohl selbst erzeugt, auf den Markt brachten sie aber nur die Wolle, und in der Wollproduktion, namentlich in England, haben die Söhne des hl. Bernhard Hervorragendes geleistet. Wie aber sollte Anreiz zu einer Fortbildung der Technik vorhanden sein, da man nur rauhe Mönchskutten verfertigte^? Es bleibt dabei völlig bestehen, dafö die Cistercienser ihre Geschäfte mit kaufmännischem Geiste be- trieben, die Veräufserung und Produktion der Wolle war ihre Sache; in der gewerblichen Bearbeitung hat der Orden aber keine Epoche ge- macht. Wenn ich für den Cistercienscrorden recht haben sollte, wie viel mehr würde das für die Benediktiner zutreffen? Man vergifst zu leicht, dafö diese Klöster, welche in der Gott gewidmeten Kunst aufserordent- liches leisteten und zu diesem Zwecke herrliches schufen, für den menschliclien Bedarf nur das einfachste und schlichteste zuliefsen. In einem eifrig nach der Regel lebenden Kloster arbeitete man also natur- gemäfs nur grobe, rauhe Gewebe, war ein Kloster verfallen, so dürfte noch viel weniger von ihm ein technischer Fortschritt ausgegangen sein. In allen Orden, in denen der Geistliche den Ton angiebt, war für diese nicht dem Gottesdienst dienenden Künste nicht das intensive Inter- esse vorhanden, wie wir das bei den italienischen Humiliaten finden

' Vgl. dazu aufscr Schmoller bes. K. Fromm, Frankfiirts Textilgewerbe S. .54-()0.

2 Die Bcöchlüs««» der Gcneralkapitel des Cistercienscrordens (Mart^ue et Durand Bd. 4) enthalten eine Reihe von Bestimmungen über den Wollhandel, auch einzelnes über die Weberei. Dafs es sich aber ausschliefslich um die Herstellung von Kutten handelt, beweist das 1181 erlassene Verbot der pauni tindi et curioffi.

Wollweberei 121

werden. Den Frauenklöstem lag die Textilkunst unzweifelhaft weit mehr am Herzen, als den Mönchen des hl. Benedikt.

Die ältesten gewerbsmäfsigen Weber in Deutschland (von Flandern und Holland abgesehen) finden sich in Mainz 1099^; da sie sich einen Begräbnisplatz verschaffen wollen, sind es ihrer gewifs nicht wenige. 1114 veränderte Heinrich V. für Worms einen SchiffszoU in einen solchen auf schwarze dicke Tücher^, eine der wichtigsten Strafsen der Stadt führte 1241 den Namen Wollgasse®. Die Speyerer Tuchmacherordnung entstammt dem Jahre 1298, sie enthält ganz genaue Bestimmungen über die Mafse der verschiedenen Sorten, es werden Tuche von Weifsenburg und Tuche, die schwarz gefärbt waren, erwähnt. Besonders wichtig ist aber die älteste Mitteilung über die Anwendung des Spinnrades, *Iiem cum rata filari potesU *. Doch wurde untersagt, dieses Garn zum Zettel zu verwenden. Der Kampf des Spinnrades gegen Rocken und Spindel hat übrigens' Jahrhunderte gedauert, und noch heute gilt bei vielen Johann Jürgen aus Watenbüttel bei Braunschweig (1530) als Erfinder des Spinnrades. Der Kern der Erfindung war viel älter. Sollte auch das in den Statuta vetera von Lodi von 1210 1224 erwähnte »filutn ieutonicum<j wofür die Wageverhältnisse angegeben werden, Radgarn gewesen sein**. Das Spinnrad fand viele Feinde, es machte die Menschen geradeso „nervös" wie es später die Maschinen thaten. Für ein Strafsburger Beginenhaus bestimmte der Stifter, dafs die Inwohnerinnen „ein sanftes und leidliches Handwerk mit Spinnen an der Kunkel, Nähen und anderem" betreiben sollten. Aber keine sollte mit dem Rade spinnen, damit Friede zwischen ihnen bleibe und die eine die andere nicht mit ihrem unleid- lichen Handwerke erzürne®. In Strafsburg enthält das zweite bald nach 1214 entstandene Stadtrecht eine genaue Bestimmung über das Mafs und die Reinheit der grauen Tücher. Es ist fast die einzige auf die Gewerbe bezügliche Bestimmung dieser ältesten, von der Bürgerschaft veran- lafsten Rechtsaufzeichnung ^.

Die örtliche Zerteilung der Arbeit hat auch in der Zeit, die ich in diesem Kapitel behandle, noch fast vollständig intakt bestanden, und zwar

J Schmoll er S. 362.

2 Wormser Urkb. 1, 54 »de mgris et grossis laneia pannis,r

" Ebda. 1, 138. Das von Schmoller aus Ufrörer beigebrachte Zeugnis einer Urkunde Heinrichs VI. ist zu streichen, die Urkunde ist eine Fälschung. Köhne, Ursprung d. Stadtverf. in Worms u. s. w. S. 272.

* Mone in Zeitschr. f. Gesch. d. Oberrheins 15, 281. Zuerst angeführt von Martin a. a. 0. S. 309.

'• Vignati in Bibl. hist. ital. 4, 557.

« Strafsb. Urkb. 7 Nr. SS zu 1335 und 553.

^ Strafsb. Urkb. 1, 481. Die Datierung nach Rietschel, Deutsche Zeitschr. f. Gesch.. W. N. F. 1, 43-47.

122 Zwölftes Kapitel

noch ziemlich in demselben Zustande, wie sie der Conflictas ovis et lini schildert. In Südwestdeutschland giebt es Grautucher, also Verfertiger von unge&rbten Tüchern, während in Südostdeutschland die halbverfilzten Lodenstoffe erzeugt wurden, im Rheingebiete schliefsen sich nach Norden schwarze Tücher an.

In Ulm findet sich 1253 ein Loderer, 1292 ein Zunftmeister der Weber, 1296 ausdrücklich ein Tuchmacher, und um die Wende des drei- zehnten und vierzehnten Jahrhunderts war die Zunft der Grautucher oder Mamer die mächtigste in der Stadt, und das mächtige Geschlecht der Ehinger ist aus ihrer Mitte hervorgegangen*. Unter den Schwaben, welche um 1200 an der Maut in Wien Tücher verzollten, sind wohl in erster Reihe Ulmer zu verstehen, deren „Schachteln" die bequeme Wasser- strafse der Donau zur Verfügung stand *. An der Spitze der Handwerks- zünfte standen auch in Basel die Grautucher^, ja sie rücken an die Grenze zu den Geschlechtern. Grautucher werden hier seit 1291 erwähnt*. Aber mit solchem zufälligen Vorkommen ist das Alter durchaus nicht erwiesen. In Strafsburg, wo die Grautuchweberei ja oben als alt erwiesen ist, würden wir ohne das Zeugnis des zweiten Stadtrechtes so gut wie nichts wissen, da in den Urkunden die Bewohner nicht nach ihrem Gewerbe genannt, sondern gleichmäfsig als Strafsburger Bürger bezeichnet werden. Gerade deswegen ist es so schwer, einen Einblick in die gewerbliche Gliederung und den Habitus der Strafsburger Bürgerschaft zu gewinnen. Ein schlechtes Lob giebt Hermann von Minden, der tüchtige und gefeierte Provinzial der deutschen Dominikanerordensprovinz, wenn er dem Pro- vinzial der Provence schrieb : „Ich hätte Euch auch ein zartes Tuch von Strafsburg geschickt, wenn ich einen Träger oder Fuhrmann ge- habt hätte. Ich sah auch einen anderen Traum: da Euch das feine Stoffe webende und kämmende Ilandern versorgt, würde Deutschland mit seinen borstigen und dicken bei Euch keinen Einlafs finden*". In Freiburg war noch viel später die Färberei unbekannt^, und ebenso- wenig wissen wir von Villingen etwas über die Kunst des Färbens^, an beiden Orten, die um 1300 bereits ein hochentwickeltes Textilgewerbe

' Nübliug, Ulms Baumwollweberei 182. 140.

« Gesch.-Quellen d. Stadt Wien 1 Nr. 3.

» Geering S. 34.

* Baseler Urkb. 3, 26. 1299 3, 243. Pannifex 1286 2, 312. Panniparii 1292 3, 46. 1297 3, 184. 1298 3, 220. Textores hierher zu ziehen ist bedenklich, zuerst erwähnt 1277 2, 120.

^ Finke, Ungedruckte Dominikanerbriefe des dreizehnten Jahrhunderts 1891 S. 158. Der Brief ist nach 1290 geschrieben.

« Gothein 538.

7 Gothein .533 f.

Wollweberei. 128

besafsen, wurde also wohl dasselbe erzeugt, wie in Ulm, Basel und Strafs- borg. Später erschienen Grautucher auch in Konstanz, Schaffhausen, RottweiP. In Konstanz kommen schon sehr früh Walker vor^.

Auf die östliche Lodenweberei ist hier nicht näher einzugehen. Kegensburg hatte auch wohl andere Stoffe daneben in den Bereich der Produktion gezogen. Schon 1259 gab es hier Schwärzer und Waid&rber^, also wurde im wesentlichen wohl die Kölner Technik geübt. Hierher drangen schon früh die Tuche von Ulm und Köln, wenigstens werden Ulmer Kaufleute in Enns schon 1 192 genannt *.

Längs des Rheines zog sich die Reihe der alten Reichsstädte, in allen hatte die Wollweberei eine Heimstätte gefunden, und unter ihren Zünften und Gewerben standen fast stets die der Wollindustrie voran. Es ist bekannt, welchen Einflufs die Weber auf die politische Geschichte von Köln hatten, durchweg waren die Weber die politisch beweglichsten, der Gegensatz der armen Wollschläger und der reichen Tuchscherer und Tuchhändler führte früh zu Kämpfen. Das Geschlecht der Over- stolzen stammte von einem einfachen Tuchhändler ab, und noch 1324 bot der frühere Bürgermeister Werner Overstolz selbst die Tuche feil*. Gerade aus der Gewandschneiderbruderschaft ging ein groGser Teil des Kölner Patriciates hervor. Der Tuchhandel von Köln war mit eins der Fundamente der Blüte dieser Stadt. Schon 1192 gingen Kölner Tuche bis nach Österreich®. Das Wollenamt von Köln war schon 1230 völlig organisiert, es hatte ein gemeinsames Verkaufshaus und seine Meister, die die Tücher beschauten, ja das Amt war innerlich schon so mächtig, dafs bei Absatzstockungen von Amts wegen die Fabrikation der Tücher eingestellt wurde ^. Es wird uns begreiflich, dafs dieses Amt geeignet war, die gemeinsame Sache der Handwerker zu führen und das führte die Kölner Weber ja für kurze Zeit zur Herrschaft. Es erscheinen dort auch früh die Färber, war doch 1290 schon die Specialisierung so weit, dafs es einen Rotfärber gab^. Am ganzen Niederrhein war die Tuch- weberei stark verbreitet®, vorab ist Aachen zu nennen**^. Am Mittel- rhein erwähnten wir schon Mainz und Worms, nach Speyrer Art wurde

* Ruppert 9.

«Die Vita Gebehardi episcopi Const. M.G. SS. 10, 588 läfst ihn aus den Hörigen fitUones auswählen. 8 Schmoller 305.

* Nübling 140.

» Lau 122 f.. 128.

« Gesch.-Quellen der Stadt Wien 1, 1. ' Lau 204 f. « Lau 212. » Schmoller 366. '* Auch Aachen um 1200 an der Wiener Maut mit Metz und Maastricht.

124 Zwölftes Kapitel.

1281 die Wollweberei in Heilbronn geregelt *, auch Oppenheim hatte eine erhebliche Tucherzeugung ^.

Aber das alles stand doch hinter der grofsen niederländisch-flandri- schen Wollweberei weit zurück. Die friesischen Tuche behaupteten noch immer ihren guten Namen und werden oft von Dichtern angeführt®; das Schwergewicht ruhte im Süden, in den äufsersten Gebieten halb- friesischer Besiedlung*. Flandern war geradezu der Mittelpunkt der Woll- industrie geworden. Die Lage am Kanal hatte damals noch höhere Vor- teile als heute. Die Schiffahrt vom Kanal um ^Portugal herum war noch selten, so fand die Schiffahrt der Nordsee hier es bequem, die Waren um- zuschlagen und zu Land nach dem Mittelmeer zu transportieren. Die Schiffahrt bis zur Elbe galt den Franzosen und lüdienern als zu gefähr- lich, und so war für alle, die von Nord oder Süd, von Ost oder West kamen, Brügge der natürliche Endpunkt ihrer Fahrt*. Aus dem Binnen- lande führten drei schiffbare Flüsse in die Nähe dieser Stadt. War die Blüte des Handels natürlich, so war das Gewerbe gleichfalls begünstigt; denn die Nähe von England bot die bequemste Zufuhr der kostbaren, im Mittehilter hochgeschätzten englischen Wolle. Die vlaemische Küste mit dem Salzgehalt ihres Erdreiches zwang zur Schafzucht, die Schafzucht weckte das Gewerbe, das bald eine Einfuhr nötig machte. Flandern wurde das Tuchland des Mittelalters. Auf diesen Wollhandel gründet sich die Interessengemeinschaft von Flandern und England, ohne eng- lische Wolle konnten die flandrischen Städte nicht bestehen, wie um- gekehrt die englischen Klöster seufzten, als die Schlacht vor Dombourg 1254 die Reihen der Handwerker decimiert hatte, die Preise der Wolle sanken. Das Material wurde möglichst nahe an seiner Produktionsstätte verarbeitet in dem Lande, dessen Traditionen in der Textilkunst damals schon über 1000 Jahre alt waren. Hier mufs sehr früh das Fufswalken durch die Walkmühle ersetzt sein, und unzweifelhaft ist von hier aus die Kunst des Färbens verbreitet worden ®, die namentlich im südlichen Flandern blühte. Die technische Überlegenheit der Herstellung, die Güte des Rohstoffes und die vortreffliche Verteilung der Handelswege, welche Brügge, damals in bequemer Wasserverbindung mit dem Meere, bald zum ersten Börsenplatze machen sollte, kamen zusammen, um die flandrische

1 Schmoller 865.

2 König Albrecht 1801. P'rank, Gesch. v. Oppenheim. Urkundenbiich Nr. 52. ^ Hüllmann 1, 221. Schultz 1, 387 und 840, der seine Beispiele sehr un- glücklich auf Phrygien bezieht.

* Vgl. die Nachrichten bei Schmoll er 367. Pi renne 1, 187 ff., 198 ff., 298 ff. ^ Fuuck-Brentano, Philippe le Bei cn Flandre 32 ff.

* Schultz 1, 855 Anm. 8 führt das Zeugnis des Guilelm. Brito für die Färbe- kunst Yperns an.

Wollweberei. 125

Wollindustrie allen andern überlegen zu machen. In Brügge trafen die Waren der ganzen Welt zum gegenseitigen Austausche zusammen, und eine Zusammenstellung des vierzehnten Jahrhunderts^ fUhrt einzeln die Produkte auf, welche die verschiedenen Länder boten. Unser Vaterland erscheint ärmlich mit seinen Gaben an Wein und Eisenarblsiten gegenüber den reichen Produkten anderer Länder. Flandern war der gemeinschaft- liche Markt für die hier aneinander stofsende germanische und roma- nische Welt, innerhalb des agrarischen Hochmittelalters der Anfang einer neuen Zeit.

Wir werden noch oft von der beherrschenden Stellung, welche im Handelsleben England durch seine vortreffliche Wolle hatte, zu reden haben. Sehen wir einmal zu. Schon im dreizehnten Jahrhundert wufsten selbst süditalienische Geschichtschreiber den Wert der englischen Wolle zu schätzen*. Unter den Kaufleuten, die 1273 aus England von diesem Rohstoffe ausführten, waren auch solche von Florenz, Lucca und Piacenza neben solchen aus Deutschland , Belgien , Frankreich und Spanien^. Und in einer Urkunde von 1295 erscheinen die grofsen Bankhäuser von Florenz, die Cerchi neri und bianchi, Bardi, Spini, Mozzi, Frescobaldi, Pulci, wie sie durch ihre Vertreter englische Wollen haben aufkaufen lassen, die in Brabant und Holland lagern^. Einen genauen Einblick in die Ausdehnung des Handels mit englischer Wolle seitens der Florentiner giebt ein Dokument von 1284, demzufolge 22 englische Klöster ihre Wollproduktion auf zwei bis elf Jahre gröfstenteils ganz an Florentiner Häuser im voraus verkauft hatten *. Die englischen Ausfuhrlicenzen von 1277 bis Januar 1278 sind uns erhalten, von dem Gesamtbetrage der Ausfuhr entfallen 29,6 *^/o auf die Italiener, der Betrag wurde von den Holländern und ßrabantern zusammen allerdings über- troffen (32,2%), von den Franzosen (21,8) und den Deutschen (11,6) jedoch nicht erreicht. Die gröfsere Kapitalkraft der Italiener zeigt sich darin, dafs der Einzelne weit gröfsere Partien, von 20 bis 300, im Durch- schnitt 163 Sack ausführte®. Die italienische Ausfuhr belief sich auf 4235 Sack; in Newcastle gingen 69<>/o der Wolle 1294—98 an Italiener ^

Dafs Kaufleute von Piacenza®, Florenz, Siena und anderen italieni-

^ Hansisches Urkundeubuch 3, 419.

" iExuvias dofiant caras de Zatia, quam Ovis anglicana cangesserat GaUiaque UBmeraU' Schultz 1, 506.

» Hans. Urkb. 3, 407.

* Fagniez, Documcnts 320.

» Pagnini, Della Decima 4, 324 ff.

^ Kunze, Hanseakten 332.

' Kunze 333.

^ Solehe schon 1199 im Gcldverkehr mit der engl. Krone. Rotuli charta- rnm 31 u. 96.

126 Zwölftes Kapitel.

sehen Städten sich im Laufe des dreizehnten Jahrhunderts in England aufhielten, dafs sie dort den ausgedehntesten Geldhandel trieben, geht in letzter Linie auf diese ausgedehnten Wollkäufe zurück. Die Wolle hatte die Italiener bis hierher gebracht, und sie machte aus ihnen die Bankiers. Fast alle Florentiner, aber auch Sieneser Bankhäuser lassen sich im Woll- handel nachweisen*. Und ein feiner Mailänder] Beobachter des drei- zehnten Jahrhunderts, Bonvesin, erklärt, trotzdem er alles Lombardische sonst lobt, die dortige Wolle sei nicht gut, die feine Wolle komme aus der Fremde*.

In der Folge ich mufs hier vorgreifen hat gerade der Geld- handel den Italienern geschadet, schon 1310/11 ging der erste Ansturm gegen sie los, die Frescobaldi wurden verbannt, ihr Gut konfisziert®. Viel schwerer war der Bankerott der Banken, den König Elduard III. durch Weigerung der Zahlung seiner Schulden herbeiführte. Dadurch erst wurden die Hanseaten von ihren schlimmsten Konkurrenten befreit, und der Hauptexport ging an die Deutschen über. England selbst stellte keine Tuche flir die Ausfuhr her, wenn auch schon 1130 drei Weber- gilden nachzuweisen sind*; es deckte seinen Bedarf an feineren Tuchen aus dem Auslande, und als 1258 und 1271 die ersten Versuche gemacht wurden, das edle Rohprodukt ausschliefslich im Lande zu verarbeiten und ein WoUeaiisfuhrverbot erging, muüsten die Leute weifse Gewänder tragen *.

Die Bedeutung der englischen Wolle kam zunächst in der Blüte Flanderns zum Ausdrucke. Der flandrische Einflufs strahlt nach allen Seiten noch heute ist das nachweisbar. Vlaemische Färbekunst kam nach Wien, wo die Färber Fläminge genannt wurden, wie im Thüringi- schen die Tuchmacher überhaupt*. Nach England flandrische Tuchmacher zu ziehen, wurde schon 1111 der Versuch gemacht', und mit der Er- starkung der von Flandern aus beeinflufsten englischen Wollweberei sollte den Vlaemen die schlimmste Konkurrenz erwachsen. Das Gebiet der Tucherstädte an der Maas und in der Picardie schliefst sich unmittel- bar an, und selbst nach Italien werden wir den Einflufs Flanderns nachweisen können. Von den flandrischen Städten Brügge, Yperen und Arras findet sich der Name fast in jedem Schatzverzeichnisse, nicht selten

^ Bei Ashley 1, 105 kommt das nicht recht zur Geltung. Ich kann jedoch hier die Beweise nicht geben. « S. 97.

8 Kunze S. IX. * Ashley 1, 81. » Ashley 2, 205. « Schmoller S. 364 f. ■^ Schmoller S. 367.

Wollweberei. 127

werden auch Gent, Ryssel und Doomik genannt ^ Brabant stellte mit Brüssel, Mecheln, Löwen, Huy die Verbindung mit dem niederrheinischen Bezirke her, wie nach Südosten Cambray und Valenciennes als die wichtig- sten Weberstädte zu nennen sind. Die Eifersucht der Städte wachte über die Güte der Tücher und förderte die lokale Differenzierung der Tucharten. So entstand eine schier unendlich grofse Zahl von gröberen und feineren Geweben in vielerlei Farben. Vor allem erzeugte Flandern Luxusstoffe, und wie der Luxus stets der beste Förderer des Handels gewesen ist, so war es auch damals. Wo immer man Schatzverzeichnisse oder Zolltarife aufstellte, fehlten die Namen flandrischer Städte nicht*. Der Vertrieb der Waren ging nach allen Seiten hin, vor allem auch nach Italien und dem Orient, und die Landverbindung zwischen Flandern und Italien durchschnitt in den meisten Fällen die schweize- rischen Alpen. Ich weifs sehr wohl, dafs mitunter auch Waren die Garonne aufwärts gingen, in Toulouse auf das Saumtier kamen, um dann in Aigues Mortes zur Seefahrt verladen zu werden.

Auf französischem Boden setzte sich das Gebiet der Wollindustrie fort^. In der Picardie werden vor allem Amiens, Abbeville und St. Quentin genannt, in der Isle de France neben Paris St. Denis und in der Beauce Chartres. Hervorragend war die Tuchbereitung in der Champagne, der wichtigste Platz war wohl Chalons sur Marne, wo ein sehr altes Statut hellen Einblick gewährt*, dann Provins, Troyes, Rheims und Lagny. Eine Anzahl nordfranzösischer Städte war für den Verkauf der Tuchwaren auf den Messen der Champagne mit denen von Flandern und Brabant verbunden**. Dieser Bund erstreckte sich nach Südwesten bis Ronen und Le Mans. Er ist zu unterscheiden von der in das fran- zösische Sprachgebiet kaum hereinreichenden flandrischen Hansa in London, die gleichfalls daraufhin arbeitete, durch AusschluCs der inneren

» Auch bei Dichtem sehr häufig. Vgl. Schultz 1, 353 Anm. 9. 354 Anm. 8, 9 und 355 Anm. 8, 9. Der Venetianer Tarif von 1265 führt auf Ypem {»ypra*), Brügge (»broea*), Doomik (•tomero*)^ Louviers im Ddp. Eure od. Löwen (»Zor^o«), Valenciennes {»valencino*) ^ auch »stanfortes Anglie*. Capitolare dei Visdomini herausgeg. v. Thomas 284 und Born an in, Stör. doc. di Venezia 2, 378. In Genua verhandelten Astigianen viel niederländisches Tuch, so von Chalons, Cambrai und Provins. Liberjur. Gen. ad a. 1251. In Wien Anf. des dreizehnten Jahrhunderts Tuche von Gent, Ypem, Huy, Arras, Toumay u. Louviers. Gesch. -Quellen der Stadt Wien 1 Nr. 4.

s Päpstl. Inventar von 1295 s. oben S. 116. Neapolit. der Anjou. Ganz allgemein werden drappi de uttra montes in dem Tarif der Sensale von Piacenza aufgeführt. Stat. merc. S. 72 § 265.

Vgl. Bourquelot, Pigeonneau, Blancard, Fagniez.

* Fagniez S. 151.

^ Bourquelot 1, 138.

128 Zwölftes Kapitel.

Konkurrenz den Absatz der Waren und den Einkauf der Rohprodukte zu erleichtern. Aber auch der Süden Frankreichs hatte, genährt durch die treffliche spanische Wolle, bedeutende Wollindustriestädte, so Toulouse, Montpellier, Narbonne, Nimes, Avignon u. a. Doch sind Waren von dort wohl kaum in gröfserer Masse durch das hier zu behandelnde Verkehrs- gebiet gekommen ^.

Auf der schweizerischen Hochebene ist aufser Zürich^, wo man neben grauen Tüchern Berwer, Drilche und schwarzes Hosentuch machte", sicher auch im burgundischen Teile Freiburg im Üchtland eine Weber- stadt gewesen, dort wurde das Gewerbe in der Form der Hausindustrie betrieben*. Aus Bern ist uns ein Statut für Tuchweber von 1307 er- halten, das eine alte Übung des Handwerks voraussetzt*. In Uri werden wir Weber auf dem Lande bei Herstellung von grobem Tuche finden. In Lothringen wird uns Metzer Tuch genannt, das in Marseille verschifft wurde ^, wie auch weiter nördlich Lüttich die Verbindung mit der Weberei des Rheingebietes herstellte.

In Italien waren der Wollindustrie erhebliche Hindernisse entgegen- gesetzt, die günstigen Vorbedingungen, die daneben bestanden, haben aber den kaufmännischen Sinn der Italiener und besonders der Florentiner gereizt, zugleich griff der eigentümlichste Orden, den die katholische Kirche hervorgebracht, ein, so wurde schliefslich das italienische Wollen- gewerbe dem vlaemischen ebenbürtig^.

Italien selbst produzierte eine schlechte Wolle, die nur zu den panni schiavini und villaneschi, zu Tuchen für Sklaven und Bauern verwendet werden konnte. Eine Verbesserung der Wollerzeugung durch sorgfältige Zucht, Fütterung wurde im Mittelalter gewifs sehr selten erstrebt, und in Italien wurde Ackerbau und Viehzucht schon damals schwer vernach- lässigt Die Erfindungsgabe des Italieners war eine rein gewerbliche. Die alte Technik ist wenn auch eine Geschichte des italienischen Ge- werbes noch nicht geschrieben ist, so darf man das wohl behaupten

' Der oben erwähnte Venetianer Zolltarif von 1265 führt an Provins (aprw'n); Cbalons (zaliaono\ Arras ((h razo), Paris (parisino), Lille {lüla% St. Omer (de santomeo) und Rheims {de rocmo).

« Urkb. 3, 132.

' BeHtimmungen des Richterbriefs Bürkli- Meyer 36 40.

* P'ont. rer. Bern. 2, 307.

^ Font. rer. Bern. 4, 305.

® Biancard 1, 96, um 1200 in Wien s. oben S. 116 Anm. 5. Nach weiteren Zeugnissen habe ich nicht gesucht, wie ich ja für diese Gebiete nur gelegentlich primäre Quellen heranziehe.

"^ Eine Geschichte der italienischen Textilindustrie kann ich natürlich nicht er- streben, ich kann nur auf diese klaffende Lücke in der Litteratur hinweisen und sie provisorisch füllen.

Wollweberei. 129

in den meisten Gewerben erhalten geblieben , unzweifelhaft ging die Kunst der Wollweberei nicht verloren. Die überlegene Technik der Römer stellte die Italiener also den Erben der Atrebaten, den Friesen und Vlaemen gleich. Die italienischen Städte entwickelten sehr früh eine stramme Organisation der Handwerke, der arti, mit Eifersucht wachte jede Zunft über die Vorteile und den guten Namen ihrer Produktion, und so war hier die korporative Organisation des Handwerks früher und intensiver entwickelt als im Norden. Die Mängel des Rohmaterials mufsten den Italienern um so ärgerlicher sein, als die feineren Färbe- mittel aus dem Orient grofsenteils auf italienischen Schiffen gebracht wurden. Diese teuren Färbemittel auf schlechte Wolle zu verwenden, konnte dem haushälterisch rechnenden Italiener nicht gefallen, und so drängte alles dazu, dem italienischen Wollgewerbe einen besseren Boden zu verschaffen durch Einfuhr fremder Wolle, und diese wurde nun herangezogen aus der südlichsten Provinz des heutigen Portugal: Garbo (Algarve) ^, aus Spanien und aus Tunis. Die vorzüglichsten Qualitäten, mit denen nur die englische Wolle einen Vergleich aushielt, standen jetzt zur Verfügung. Im dreizehnten, vielleicht schon am Ende des zwölften Jahrhunderts kam auch die englische Wolle nach Italien und damit erwuchs die intensive Verbindung Italiens mit England, Flandern und dem Niederrhein, welche den Handel über die schweizerischen Alpen- pässe ganz besonders beeinflussen mufste.

Jedes Gewerbe, das den Einkauf des Rohmateriales und namentlich eines so kostbaren wie es die Wolle ist, den Händen des Handwerken entzieht, geht in kapitalistische Hände und kapitalistische Organisation über. Wie wollte der Wollspinner englische Wolle mit Vorteil kaufen, wo aus der eigenen Stadt kapitalkräftige Bürger selbst nach England gingen, am Erzeugungsorte die Wolle erstanden und auf dem billigsten Wege in grofsen Karawanen das Gut in die Heimat brachten, um es dort durch wirtschaftlich abhängige Weber verarbeiten zu lassen? Die grofse Entfernung des Ankaufsplatzes des Rohstoffes von der Stätte der Verarbeitung und wiederum die dieser von der Gegend des Verbrauches gab den italienischen Arti della lana einen wesentlich kapitalistischen kaufmännischen Zug, der erheblich stärker ist, als das bei den deutschen Weberzünften der Fall ist. Der Handwerker dieser vornehmsten für den Export arbeitenden Industrie kaufte den Rohstoff nicht ein, wie er die fertige Ware nicht vertrieb, das besorgte wie die ganze kaufmännische Thätigkeit der Kaufmann ersterer betrieb nur das Handwerk und war vom Kaufmann völlig abhängig.

^ Nach gütiger Mitteilung W. v. Heyds hält er es auch für möglich, an die afrikanische Insel Djerba zu denken, die sehr kultiviert war.

Schult«, GMoh. d. mittelaltorl. Handels. I. 9

130 Zwölftes Kapitel.

Die Zünfte der italienischen Städte hatten Lehrmeister und Rivalen in einem Orden, der eigentlich aus dem Weberhandwerke hervorgewachsen war. Es war der Orden der Humiliaten, den man einen Orden von Wollenwebern nennen könnte^. Nach der alten Tradition des Ordens soll ein deutscher König lombardische Verbannte nach Norddeutschland geschickt haben, wo sie die Kunst des WoUewebens erlernt hätten. Sie bildeten eine Laien-Genossenschaft und lebten nun von der gemeinsamen Arbeit und behielten auch diesen religiösen Bund bei, als sie in die Heimat zurückkehren durften. Die Tradition ist bezüglich der Zeit sehr unsicher, der Geschichtschreiber des Ordens, der gelehrt^ Tiraboschi, entscheidet sich dafUr, dafs der deutsche Kaiser Heinrich IL 1014 die Lombarden verbannt habe. Diese Tradition macht die Humiliaten also zu den Vermittlem des Fortschritts, den die Textilkunst im Norden bereits gemacht hatte, und dafs die Walkmühle von ihnen nach Italien verpflanzt wurde, wäre denkbar. Jedenfalls ist sie in Italien aus deut- schem Sprachgebiete importiert, denn für sie übernahm der Italiener das Wort Walke, er nennt sie nicht fulla, sondern gualcheria. Die Ge- schichte des aufkommenden Ordens wird erst um 1200 klarer, inzwischen waren schon Klöster gegründet, die ältesten die Brera in Mailand und in Rondenajo dicht bei Como. Innocenz HI. bestätigte 1201 den neuen Orden. Die Humiliaten sollten von ihrer Hände Arbeit leben und waren fast ausschliefslich Wollweber und Tuchmacher. Männer und Frauen arbeiteten mit, doch kam auch hier der Cölibat zur Geltung, und als dritte Stufe verband sich damit eine geistliche Stufe. Die geistlichen Mitglieder arbeiteten nicht selbst, sondern organisierten als mercatores die Produktion und den Vertrieb. Der Orden blühte empor, und von den Händen der Wollarbeitermönche ging manche Unterstützung an die Armen. Die Organisation des Ordens war so vorzüglich, sie ver- standen so viel von Buchführung, dafs ihnen öfters eine Stadt die Kasse anvertraute, oder es wurde ihnen die Versorgung eines Heeres über- tragen, anderswo übernahmen sie Hospitäler^. Es war die Organisation der Arbeit zu gemeinsamem Lebensunterhalte unter kirchlichem Gehor- sam, welche sich im dreizehnten Jahrhundert glänzend bewährte. Die Lombardei war schnell mit einem dichten Netz von Häusern überzogen. In und um Mailand gab es mehr als zwanzig Häuser, nach Bonvesin, De magnalibus urbis Mediolani, 1283 im Erzbistum gar 220^ und so vortrefflich waren die Tuche, die die Humiliaten erzeugten, dafs mehr

^ TiraboBchi, Vetera Humiliatorum Monumenta. Mcdiol. 1766. 2 Bde. ^ Tiraboschi 1, 168 fF. In Cremona waren sie u. a. Zollbeamte vgl. Aste- giano % 398 f.

8 S. 81.

Wollweberei. 131.

als eine Stadt die Mönche berief, damit sie dort die Tuchfabrikation einführten, so Rimini 1261 und Perugia 1279, und selbst die weit- entwickelte Kunst in Florenz sah in den Humiliaten eine treffliche G^ werbe- und Handelsschule, und die Stadt, die allen Fortschritt fiSrderte, berief 1239 die Humiliaten, und 1256 wurden sie in das Innere der Stadt gezogen. Ihr Einflufs war so grofs, dafs wenig später der Geschicht- schreiber Villani die Meinung aussprechen konnte, durch sie sei die arte della lana nach Florenz gekommen, was nicht richtig ist

Auch die Niederlande und Deutschland haben eine Art von Humi-^ liaten gehabt: es sind die im dreizehnten Jahrhundert massenhaft auf* tauchenden Häuser der Beghinen und die weit weniger zahlreichen Begharden; jedoch thaten sich die Häuser nicht zu einem Orden zu- sammen, sondern traten meist unter die geistliche Leitung der Bettel- orden; auch ist ihr gewerblicher und technischer Einflufs weit geringer, als das bei den italienischen Webermönchen der Fall war, die Schwestern haben wohl nicht gewoben, aber die Beghinenklöster haben dem Über- flüsse weiblicher Arbeitskräfte Verwendung im Spinnen gegeben.

Bei dieser Stellung des Humiliatenordens zum T^tilgewerbe giebt uns das Verzeichnis ihrer Konvente auch ein Bild der Verbreitung der Wollweberei. Von der Lombardei aus erstreckte sich die Wollindustrie nach Venetien und in die Emilia ^, auch Toskana nahm lebhaften Anteil.

Der älteste Hauptsitz der Wollweberei ist wohl Mailand gewesen, wenn auch das dürftige Quellenmaterial, das für die Geschichte Mailands überhaupt erhalten ist, den Beweis nicht scharf zu fuhren gestattet'. Der dem Anfang des vierzehnten Jahrhunderts angehörige Mailänder Chronist Galvano Fiamma erzählt in seinem Chronicon majus^, 1172 seien consules mercatorum in Mailand gewählt, und wie er nun ihren Amts- bereich beschreibt, erwähnt er zuerst, sie hätten Aufsicht über das Mafs der Tücher und das Gewicht der Münzen gehabt, dann erwähnt er auch ihre Pflicht, fUr Strafsen und Brücken zu sorgen, damit die Eaufleute sicher über die Berge gehen könnten, und erwähnt dann, dafs die ersten Kauf leute, welche über das Gebirge gingen, um überbergische Tuche und feine Wolle zu kaufen, gewesen seien : Petrus de la Blava und Jordanus

^ In der Lombardei war das Netz am allerdichtesten, so war auch der Comer- see von Ansiedelungen der Humiliaten eingeschlossen, deren nördlichster Posten Chiavenna war; auch Lugano und Locamo fehlen nicht. Von Novara nach Westen wird das Netz minder dicht, stärker ist nur Alessandria und Tortona mit ihrem Be- zirk vertreten. Nach Osten hin ist die Abnahme weit geringer. Die Niederlassung in Piacenza ist sehr alt. Tiraboschi Bd. 2. Selbstredend decken sich Wollindustrie und Humiliaten nicht absolut.

« Vgl. Gaddi, Per la storia S. Uff.

' £d. Ceruti in Miscellanea di storia italiana 7, 716. Er lebte von etwa 1288 bis etwa 1384.

9*

X32 Zwölftes Kapitel.

de la Flamma. An einer andern Stelle seiner ^Chronica extravagans de antiguiiatibus Mediolanu schildert Galvano die Produkte, welche die Eauf- leute seiner Heimatstadt ausführen können. Zuerst nennt er die Waffen, dann die Streitrosse, welche nach Frankreich und sonst über die Berge ausgeführt würden. „Das Dritte, an dem wir wegen des Gewerbefleifses unserer Eaufleute Überflufs haben, sind die Tuche. Diese Kaufleute durchstreifen nämlich Frankreich, Flander;n und England, um feine Wolle zu kaufen, aus der dann hier feine und edle Tuche in grofser Zahl ge- woben werden, die in aller Weise gefkrbt und dann durch ganz Italien verbreitet werden. Es bringen auch unsere Kaufleute von jenseits der Berge Tücher von Scharlach und allerhand Art, Hermelin und anderes Pelzwerk, eitern gendalia et pannos velutos et nachorutn auro purtssimo textorum, ex quibus hahunde refunditur cunctis civitatihas Italie.^ Man macht auch gröbere Wolltuche und das glänzendste Leinen, das auch bis zu den Tartaren ausgeführt wird. Ebenso baumwollene, seidene Stoffe »credonum, pellipariorum^^ deren Zahl unglaublich ist." Er zählt weiter die Gewürze, Weine, Flüssigkeiten etc. auf, die von Mailand aus ge- handelt werden*. Galvano flihrt also von den Gewerben seiner Stadt als an der Ausfuhr beteiligt nur die Waffenschmiede, Sattelmacher, Sporer und die der Textilgewerbe an, und doch war Mailand allen Städten der Lombardei weit an Bedeutung wie an Zahl seiner Einwohner überlegen *.

Monza war in der Wollweberei das Vorbild von Piacenza^ und auch seine Bewohner werden wir dabei finden, wie sie Wollballen über die Alpen nach Italien bringen. Die allerdings erst im Jahre 1331 auf- gezeichneten Statuta mercatorum comunis Modoetie gewähren einen ge-

* Ed. Ceriiti ebda. 448 ff. An anderer Stelle sagt der mit Vorliebe Statistik treibende Mönch : »opifices textorum lane, Ztni, homhacis, aericiy cerdonum, peUipariorum, sart&rum sunt in numero indicihüu 7, 491 f. Der Venetianer Zolltarif führt weifse nnd graue Tuche von Mailand, Lucca und Como an, aufserdem »stanfortini de medio- lano, de moiza (Monza)* und »Borgomasclis (Bergamo)*. Über die e'stanfort^ (stamen forte), ein feineres, zur Kleidung verwendetes Gewebe s. Bourquelot 1, 227 31. Eine wichtige Quelle für die Handelsinteressen der Mailänder sind Verträge mit den Bischöfen von Chur über die Simplonstrafse (Gremaud 30, 421. Vgl. 30, 255 zu 1270). An der Spitze stehen die panni draperie de Francia, aufserdem wird auch lana und corduani genannt.

^ Nach Calvi, 11 patriziato milanese (Archivio storico lombardo 1, 414) waren in dem Register der arte della lana alte Patrizier wie die Cotta, Pozzobonelli, Airoldi, Casati, Crivelli, Maraviglia, auch solcher feudaler Herkunft wie die Imber- sago und Vimercato eingetragen. Bis in die Zeit der spanischen Herrschaft nahm der Adel am Handel lebhaften Anteil. Die Statuten von^Brescia (1813) erwähnen § 242 Tücher von Mailand und aus Frankreich. Mon. bist. patr. Bd. 16.

* Statut, mercat. c. 248 in Statuta yaria civit. Placentinae (Bd. I der Monum. historica ad prov. Parmensem et Placentinam pertinentia) S. 67. Bestimmung von 1199.

WoUwebereL 138

Hauen Einblick in das Leben der Stadt, die ihre Hauptnahrung aus der Wollindustrie zog. Selbst in diesem verhältnismäfsig kleinen Orte standen sich die völlig unorganisierten Lohnarbeiter, die hier geradezu laboratores genannt werden, und die Tuchhändler und Fabrikanten gegenüber^. Tücher von Como werden im Zolltarif von Venedig besonders auf- geführt*. Vercelli®, Pavia*, Novara*, Lodi, Bergamo^ und Cremona^ haben gleichfalls bedeutende Wollwebereien gehabt, wenn auch nicht so grofse wie Mantua^ Auf Venedig •, Brescia*** und Padua*^ sei nur kurz hingewiesen. Patavium war schon in römischer Zeit wegen seiner Wollstoffe hoch bertlhmt gewesen. Sehr alte und eingehende Nachrichten haben wir von der jedenfalls höchst bedeutenden Weberei in Piacenza, sie gehen bis ins zwölfte Jahrhundert zurück^', auch Bologna hatte viele Weber in seinen Mauern ^®. Den genauesten Überblick über die Weberei der Po-Ebene giebt der Zollkatalog von Cremona^*. In Piemont dehnte

1 Statuti S. 50 u. öfter. 138 ist der Umkreis, der Jurisdiktion der consules negotiatomm aDgegeben, er umfafst: »negociatio . . kmarumj pannorum, hombacis, fustaneomrn, aramifds^ ferri et cujuslibet maneriei metdUi, spectarie, pdlcttarie, coraminis et tinctorie, sete et cujusUbet aUerius merchadantie*.

> Andere Zeugnisse in den Statuten Spalte 153. 163. 1281 gehörten die draperii, testoreSi tonditores und folatores zu den mercatores, so sehr trat auch hier der kauf- männische Charakter dieser Industrie hervor. Mon. hist. patr. 16, § 25.

« Stat. §§ 207 u. 287. Mon. hist. patr. Bd. 16.

^ Vgl. Magenta, I Visconti 1, 20. Auch dort Einflufs der Humiliaten.

'^ Eine Weberzunft erwähnen die Statuten. Ceruti, Statuta commonitatis Novariae S. 108.

* Die Statuten von Bergamo aus der ersten Hälfte des dreizehnten Jahrhunderts (Mon. hist. patr. Tom. 16) belegen das Sp. 2001, 2011, 2022.

"^ 1305 wird der Zoll auf die »soma lanae Franciae vel de ultra monUbuS' auf 5 sol. imp. herabgesetzt. Astegiano 2, 154.

8 Gaddi S. 15 zu 1208.

« Marin 5, 246 flf.

Statut. V. 1251 beweist Tuchweberei, ebenso Stat. v. 1313. Mon. hist. patr. Bd. 16 Sp. 584 (139X 1684 Färber, 1824.

iiStatutidiPadovaed. Gloria §§ 821-825. Die Stadt bemüht sich eifrigst, laborcttarea lane et pignolatorum dorthin zu ziehen, § 1207 von 1273.

^^ S. oben« Die Statuten sind die ältesten erhaltenen Kaufmannsstatuten. ^* Halbwollene Tücher von Bologna, Mantua, Verona und Brescia, neben Tüchern von Mailand und Como erwähnt im Tarif von Modena 1306 Muratori, Ant. It. 2, 897. 1222 luden die Bolognesen die factores panm Urne sive pignolatt unter Zu- sicherung zwanzigjähriger Lastenfreiheit ein, sich in ihrer Stadt niedenulasseii« Statuti di Bologna ed. Frati in den Mon. istorici pertinent.4alle prov. della Romagna ser. I, tom. 1, 494.

1^ Zoll Vergünstigung für die Venetianer in Cremona vom J. 1275 (Astegiano 1, 358). Leider nur ein Regest, aus dem ich die auf die Tücher bezüglichen Stücke aushebe: »pecuis panni de Franciae pecias panni de Mediolano ^ de Cwno^ de Papia, de FlarenUa, de Toschatuij pecicts de rosetia de Cummis, de BerghemOf scheüs et pannis

134 Zwölftes Kapitel.

sich die Wollweberei erst später aus. So wurde 1334 in Saluzzo eine ars lanae eingerichtet, 1390 hatte man diese Absicht für Turin, und in Chieri geschah es 1424 ^. Bald entstand ein gro&er Handel, auch nach Deutsch- land. In Alessandria und Tortona war die Wollindustrie jedoch viel älter. Auch in Genua waren die Wollweber das wichtigste Handwerk*. In Toscana ist neben Pisa® und Siena* Pistoja zu nennen, das einen sehr lebhaften Handel mit Spanien betrieb und vor allem wohl spanische Wolle verbrauchte*. Lucca hatte gleichfalls eine bedeutende Wollindustrie, wenn sie auch nicht mit der von Florenz sich vergleichen konnte •. In Florenz hat die italienische Wollindustrie die höchste Blüte erreicht^. Hier gab es eine Zunft, die kein Gegenstück irgendwo gehabt hat, wenn auch in Piacenza dieselbe Thätigkeit aber innerhalb der WoU- weberzunft ausgeübt wurde®. Es war die arte di callimala, die sich mit der Verbesserung fremder, vorwiegend französischer Tücher befafste. Da die toscanische Wolle nur für schlechte Stoffe brauchbar war, die florentinische Technik aber sehr hoch stand, bildete sich die Zunft, welche fremde Halbfabrikate aus feinem Rohstoff erwarb, um sie zu scheren, zu appretieren imd zu fkrben. Die Überlegenheit im Geschmack öflnete den so verfeinerten Tüchern nicht allein den Weg nach dem Orient, sondern auch in das Ursprungsland der Halbfabrikate, ja schliefs- lich wohl gar nach England.

grossis de Flacetitia, pecioA panni de Bergamo, de Verona et Mantua et l*anna et Bononia et BegiOy pecias de Brixianinis, Al^nwieschis et drapis parvi raloris de Cre- mona, pecias panni de melioramento de Cremona et Brixia*. Vgl. auch die Bestimmung^ von 1307 über die »panni de Franda, de ultra montibus, de Mediolavo et hdbentes aimüitudinem cum drapis Mediolanornnm et de ultra montibus,* sie zahlen jjro Saum in Zukunft statt 6 /? 10 /?. Astegiano 2, 155. Vgl. Astcgiano h 360. ^ Cibrario, Storia di Chieri 1, 501.

* Serra, Storia della antica Liguria 4, 76.

* Schultz 1, 340 führt eine Dichterstelle an. Über die Ars ianae vgl. Doren 10, sie hatte schon im dreizehnten Jahrhundert sich durchaus als eine Hausindustrie organisiert. Die Statuten von 1305 bei Bonain i, Statut! della cittädi Pisa 3, 645—761.

* In Siena lebten viele von der Wollindustrie, doch war sie durch Wasser- mangel behindert. Zdekauer, II constituto del comune di Siena dell' anno 1262, Milano 1897 S. 330.

^ Auch Pistoja verwandte von auswärts aus Verona und der Lombardei herbei- gezogene Wollarbeiter. Als Heimat der Wolle wird Garbo, also Algarve genannt; Zdekauer, Statutum potestatis comunis Pistorii 1888 S. 239, 1 und 132, 20.

* Bongi, Della mercatura dei Lucchcsi S. 13 (F. Luccä erscheint auch im Venetianer Zolltarif.

•^ Neben Davidsohn, Gesch. v. Florenz ist zu vgl. P. Villari 1, 207 u. 273 und Doren, Entwicklung und Organisation der Florentiner Zünfte im dreizehnten und vierzehnten Jahrhundert. Leipzig 1897.

« Es wurden Tücher de ultra montes gefilrbt. Stat. d. Kaufl. § 247 S. 67. Ähn-^ lieh wohl in Cremona und Brescia.

Wollweberei. 135

Das Geschäft der callimala lag natürlich von vornherein in den Händen von kapitalkräftigen Kaufleuten; der Handwerker, der Färber u. s. w. war in diesem kapitalistischen Geschäftsbetriebe ein von dem Kaufmann abhängiger Arbeiter, wenn auch die lokale Vereinigung der Arbeiter zu Fabrikbetrieben noch unbekannt war.

In der arte della lana waren die, welche sich mit der Vollherstellung von Tuchen befafsten, vereinigt. Davidsohn hat in seiner vortrefflichen Qeschichte von Florenz den Nachweis erbracht, dafs die Webekunst in Florenz und Umgebung auf ein hohes Alter zurückblicken kann ^, ihre Übung in den Klöstern ist für das neunte Jahrhundert belegt, schon 1062 erscheint ein Walker*-*, 1096 ein Färber, 1132 ein calzajuolo, d. h. ein Verfertiger tricotartiger Beinkleider. Es war also damals bereits die Berufsteilung sehr intensiv geworden. Und diese Leute erwarben Wohl- stand, die Zunft der Strumpfwirker konnte ein Spital begründen! Die arte della lana umfafste also die Vollproduktion von der Wolle bis zum Tuche und ist somit eine normale Wollweberzunft, während die Ver- besserungszunft der callimala ohne Vergleich dasteht. Aber auch die arte della lana nahm eine Sonderstellung unter den Wollweberzünften der Welt ein. Sehr früh wurde sie kaufmännisch, und vollberechtigte Mitglieder waren nur die Kaufleute, während die Arbeiter von den Färbern bis zu den Ciompi hinab kaum ein Recht in der Zunft hatten. Die Tuchweberei arbeitete hier schon im dreizehnten Jahrhundert nicht iiUr den leicht auch von einem Kloinmeister zu übersehenden lokalen Bedarf, sondern für den Weltmarkt. Seine Konjekturen konnte nur der Kaufherr überblicken, seine Überlegenheit an Umsicht imd Kapital machte aus dem Kleinmeister einen abhängigen Arbeiter. Der handwerksmäfsige Kleinbetrieb wurde in . eine von einem kapitalkräftigen Kaufmann ab- hängige Hausindustrie kapitalarmer Arbeiter umgewandelt, die je einzelne Teile der Arbeit besorgten. Bei der Tuchbereitung wurde die Arbeit also zer- legt. Eine solche Zunft, in der die Kauf leute alles, die sottoposti so gut wie nichts bedeuten, machte die ganze Zunft natürlich zu einer kaufmännischen, und so erscheint denn auch die Zunft unter den sieben arti maggiori ^.

Das Textilgewerbe von Florenz war also wesentlich nach kauf- männischen Gesichtspunkten organisiert. Und so kann es uns nicht wunder nehmen, florentinische Kauf leute schon sehr früh im Auslande zu finden. Unsere deutschen Könige haben freilich Florenz in keiner Weise gefördert, vielmehr wiederholt ihrem Handel entgegengearbeitet*.

* 1, 91 u. 738 und Forschungen z. älter. Gesch. v. Florenz S. 152 ff.

* Die gualchera von 1113 ist wohl sicher eine Walkmühle. Wie weit war also schon damals Toscana voran!

» Doren S. 14. 59—61 u. 75 ff".

* Davidsohn 790 ff*.

136 Dreizehntes Kapitel.

Nach Deutschland kann ich keine Fäden nachweisen ; die sehr alten Be- ziehungen nach Frankreich hat aber Davidsohn dargelegt Der Gebrauch, Kinder, die während der Reise des Vaters geboren wurden, nach dem Aufenthaltsorte desselben zu benennen, wird schon 1136 durch einen Franciscus, dann durch die Namen Proyincialis und Parisinus belegt^. Bei Angaben über Ausfuhr von weifsen, himmelblauen und roten tosca- nischen Tuchen nach französischen Märkten (1152) wird speciell nur Lucca genannt, die Rivalin Florenz dürfte aber nicht gefehlt haben*. War doch hier ein intensiver Handel mit Algarvien, woher das feine Tuch >f7 Garbo* eingeführt wurde, und Florentiner und Sienesen sicherten sich bei einem Vertrage mit dem Markgrafen von Montferrat 1178 ihren Warentransport nach Frankreich, indem sie sich das Recht erwirkten, in Chivasso Repressalien zu üben. Über Chivasso aber ging der Weg von Genua- Asti nach Ivrea, also zum Grofsen wie Kleinen St Bernhard®.

Villani erzählt uns, im Jahre 1308 hätten fast 300 Geschäfte sich mit der Wollindustrie, der arte della lana, beschäftigt, es seien jährlich 100000 Tuche in Florenz hergestellt worden. Damals habe man noch nicht verstanden, englische Wolle zu bearbeiten. Seitdem sei das gelernt worden, die Tücher erheblich verfeinert; wenn auch die Zahl der Ge- schäfte bis 1338 auf 200 und die der Tuche auf 70—80000 gesunken sei, so sei der Wert der Tuche aber erheblich gestiegen. 1338 zählt die Callmala zwanzig Häuser, die jährlich für 300000 Gulden mehr wie 10 000 Stück Tuch zur Verschönerung kommen liefsen. Nicht gerechnet seien die Stücke, welche von Florenz nach auswärts geschickt seien ^.

Dreizehntes KapiteL

Bekleidnngsstoffe (Schlufs). Seidenweberei. Baamwollweberei. Farbstoffe. Oewflrze. Wachs. Metalle. Lebensmittel. Pferde. Vieh. Sklaven.

Seidenweberei. Erste Anfänge. Lucca , andere italieniscJie Orte. Paris, Zürich. Konstanz. B aumto ollw eher ei. In Italien verbreitet, namentlich in der Lombardei. Handel. Herstellung auch in Flandern. Neue Farbstoffe in grofser Zahl. Gewürze. Wachs. Beeren des Lorbeers. Metalle. Verbreitung des Berg- baues. Waffenifidustrie. Lebensmittel. Getreide. Wein. Salz. Fische. Produkte der Viehzudit. Pferde und Vieh. Häute. Pelzwerk. Sklaven.

Wie Florenz die Meisterschaft in der italienischen Wollweberei erworben, so besafs sie Lucca im Bereiche der Seidenweberei. Bis in

1 Davidsohn 791 f. « 792.

' Davidsohn 551. * Lib. 11 cap. 94.

Seidenweberei. 137

das dreizehnte Jahrhundert blieben neben den Byzantinern die Moslemen die Produzenten und Exporteure der im Abendlande hochgeschätzten Seidenstoffe y die massenhaft für die liturgischen Gewänder gebraucht wurden. Wie oft mögen in Italien weilende Prälaten und Grofse solche kostbare Stoffe mit in ihre Heimat genommen haben! Welch deutliche Sprache redet der Halberstädter Schatz mit den Resten dessen, was Bischof Eonrad von seiner Pilgerfahrt heimbrachte ^ ! Neben diese Aus- länder traten nun die Italiener, allerdings nur weniger Städte in die Reihe der Produzenten ein '. In Sizilien hatten die normannischen Filrsten, wie es bald auch die spanischen thaten, die Erbschaft der Araber an- getreten, wenn in Palermo 1148 auch griechische Arbeiter eingeführt wurden®. Die so verjüngte Anstalt hatte glänzende Werke geschaffen*. Die Genuesen und Venetianer hatten die Seide zunächst in ihren orien- talischen Niederlassungen herstellen lassen, in Venedig selbst findet sich der erste sichere Beleg für dort betriebene Seidenweberei 1248, 1265 gab sich die Zunft ein Statut*. In Florenz ist für 1187 schon Seidenweberei wahrscheinlich indem damals Heinrich VI. einen Tribut an Sammet der Stadt auflegte^; jedenfalls waren in der Zunft der Por Sta. Maria zunächst die Leute, welche den Kleinhandel mit Tuch etc. betrieben, weit wichtiger, als die Seidenweber, nach denen später die Zunft benannt wurde ^. Wenn also auch schon im dreizehnten Jahrhundert die Seidenweberei in Florenz bekannt war, so hat doch Villani sie in seiner Übersicht über die ver- schiedenen Berufe ganz aufser acht gelassen. Durch Lucchesen wurde die Kunst verfeinert, sie lehrten die Herstellung des Goldbrokates, und seit der Mitte des fünfzehnten Jahrhunderts hatte die Seidenweberei die nachlassende Tuchindustrie auch in Florenz überflügelt®, und Seiden- gewand wurde nun vor allem nach dem Norden exportiert.

Woher die Kunst der Lucchesen gekommen ist, wissen wir nicht. Seit dem neunten Jahrhundert ist sie hier nachzuweisen ^ und war da am höchsten entwickelt. Das Gewerbe wurde durchaus kaufmännisch geführt, und den Rohstoff bearbeitete auch hier der Heimarbeiter filr den Kauf-

^ Über die heute noch erhaltenen Seidengewebe Silbermann 1, 74 f. u. 154 f.

^ Graf Broglio d'Ajano, Die venetian. Seidenweberzünfte vom dreizehnten bis sechzehnten Jahrhundert.

* Heyd 2, 684 f. Nach Silbermann 1, 53 (bez. Marincola) soll schon im neunten Jahrhundert der Seidenbau in Kalabrien betrieben sein.

^ Silbermann 1, 54. 60.

'' Broglio S. 7.

« Davidsohn 794.

T Deren S. 62 ff. Vgl. auch Villari 1, 283 ff.

» Doren S. 74.

^ Broglio 9. Kiegl in Bucher, Gesch. d. techn. Künste 3, 370 denkt an Einflufii von Pisa als einem Hafenorte. Mir ist das wenig wahrscheinlich.

138 Dreizehntes Kapitel.

mann *. Luccheser Seidenstoffe wetteiferten mit den feinsten des Orients* Das päpstliche Schatzverzeichnis von 1295 zählt eine ganze Serie von grünen, roten, violetten und blauen, zum Teil auch mit Gold durch- wirkten Stoffen auf. Greifen, Rosen, Leoparden, Vögel u. a. waren hineingewoben, und auf einzelnen sah man die Wappen der Gaetani und Savelli. Die spanischen Stoffe, die aus Byzanz und dem Orient, standen diesen zum Teil eigens für die Päpste hergestellten vielleicht nach^. Dafa jene feinen Gold&den, die so lange einer chemischen Analyse gespottet haben, auch in die Luccheser Stoffe verwebt wurden, ist unzweifelhaft'. Später wurde in Lucca, Genua, Mailand und Florenz die Kunst sehr entwickelt, in feine Drähte gezogenes Gold (leonische Gespinste) zu ver- weben *.

Aber diese hohe Kunst blieb nicht lange mehr verborgen, schon im Laufe des dreizehnten Jahrhunderts kam ein ihr Kundiger nach Bologna und führte das Geheimnis der Lucchesen mit sich, die Seidenspinn- maschine*. 1307 wandten sich flüchtige Lucchesen nach Venedig, und als 1314 Uguccione della Faggiuola die Stadt einnahm, brachten andere Seidenarbeiter die Geheimnisse nach Florenz, Genua, in die Lombardei, ja sie sollen nach Deutschland, Frankreich und England gekommen sein®. Das rauhe Regiment Castruccios veranlafste immer erneut solche Aus- wanderungen^. Die Mailänder verhandelten zum mindesten :drapi de auro et syde^^, ja nach Bonvesin wurde schon 1288 Seide dort verarbeitet**. Schon 1262 einigten sich zwei Purpurweber von Genua, Purpurtücher und gülddurchwirkte zu weben, und zwar auch aus Seide ^^. Das wurde ja Genuas schönste Kunst, gesponnenes Gold und Silber in Seide zu ver- weben! Auch Genua lieferte nach dem Schatzverzeichnisse der Kurie bereits den Päpsten, und wenn auf den Schiffen der Genuesen, mit denen sie den Sohn ihrer Stadt, Papst Innocenz IV., sich seidene Segel blähten,

» Hroglio 26 f.

2 Molinier in Bibl. de T^cole des chartcs 47, 649 Nr. 1222 umfafst: »112 pannos lucanos et veneticos cum auro et sive auro ad äiversa opera^ computatisi novis d veteribus*,

8 Bock, Gösch, d. liturg. Gewänder 1, 48.

* Silbermann 1, 76 ff. über die verschiedenen Arten dieser Technik. » Bongi 49 f.

Tegrini (Muratori, Scr. 11, 1320) übertreibt da wohl, im übrigen ist er ein Zeitgenosse Lodovico Maria Sforzas, gehört also ins Ende des fünfzehnten Jahr- hunderts. Schultz 1, 339 führt Dichterstellen für pailes de Parte an, da sie jedoch in Ungarn gekauft wurden, ist wohl an eine orientalische Herkunft der Stoffe zu denken.

' Muratori SS. rer. it. 11, 1325.

® Verträge über die Simplonstrafse s. unten.

^ De magnalib. urbis Mediolani 90.

Sieveking, Seidenindustrie 102. Broglio 10.

Baumwollweberei. 139

so dürften sie in ihrer Stadt oder doch in ihren Kolonien hergestellt sein^ Die Blüte des Genueser Seidengewerbes feilt in spätere Zeiten.

Doch schon vorher gab es Seidenweberei auch in Paris, wo bereits im dreizehnten Jahrhundert sechs Korporationen von dem Verkauf und der Bearbeitung der Seide lebten ', und schon hatten sich die ersten An- fänge der Seidenweberei in Deutschland gezeigt. Ein altes Zeugnis für Seidenspinnerei ist nicht beweiskräftig. Werner läfst in seinem Marien- leben die hl. Maria Seide spinnen, wo die andern mit der Wolle sich be- schäftigen ^. Doch geht es auf den Liber de infantia Mariae zurück * und weiter auf das Protevangelium Jacobi, es ist also der Zug nicht in Deutsch- land der Legende hinzugeftlgt. Der Züricher Richtebrief sieht aber den Diebstahl von Seidengarn, das ein Kaufmann dem Heimarbeiter anvertraut hat, vor. Es war jenes Vergehen, das bei dem hohen Werte des Rohstoffes und der Möglichkeit, durch Anfeuchten der Gewebe selbst die Kontrolle durch die Wage illusorisch zu machen, überall erscheint*. Man hat heute ganz vergessen, wie die Redensart vom Seidespinnen entstanden ist. Sowohl die ältere wie die jüngere Fassung des Richtebriefes ent- halten aufserdem noch weitere Bestimmungen über die Seidenindustrie, nicht allein über den Handel mit Rohseide, der schon an sich ein Seiden- gewerbe nördlich der Alpen voraussetzt •. Auch Konstanz glaube ich zu den Städten rechnen zu müssen, in denen die Seidenweberei geübt wurde. Wie hätte man sonst auf die Idee kommen sollen, den Prozefs der Weberei in einer Reihe von Bildern an den Wänden eines Hauses dar- zustellen "^ ?

Der vierte Faserstoff, die Baumwolle, hat schon vor 1300 eine Massen- verwendung gefunden, Baumwollstoffe waren schon damals durchaus nicht unbekannt. Im nächsten Jahrhundert sollte sich von Italien über die Alpen die Verarbeitung dieses billigen Rohstoffes nach Deutschland aus- dehnen und hier in der Barchentweberei eine hohe Blüte erreichen. Die Baumwollstaude war bis nach Süditalien und Spanien verbreitet, wenn die besseren Sorten auch der Levante angehörten**. Die Weberei Spaniens

* Vgl. auch Serra 4, 76. Über genuesische Stoffe in England vgl. Bock 1, 47 Anm. 1.

2 Hoyd 2, 699. Fagniez, Etudes sur l'industrie etc. k Paris 217. 8 Hoff mann, Fundgruben 2, 177, 35.

* Königsb. Univ.-Schriften z. 18. Jan. 1869 S. 22.

* So in Paris. Fagniez 222.

* Die Fassung von 1304 Arch. f. Schweiz. Gesch. 5, 248 u. 263, die ältere in der Helvet Bibliothek 2. Stück (Zürich 1735) S. 62 f., 74 f., 82. Vgl. Bürkli- Meyer 7 u. 33 ff.

^ S. oben S. 115. Die S. 116 Anm. 1 angeführten paile de Costance würden, wenn sie als Seidenstoffe zu bezeichnen wären, hier als Beweis anzuführen sein. 8 Heyd 2, 572 ff. Fagniez 215.

140 Dreizehntes KapiteL*

und speciell Barzelonas hatte schon im dreizehnten Jahrhundert einen bedeutenden Umfang. In Italien wurde Baumwolle schon am Ende des zwölften Jahrhunderts in Bologna verwoben, Rimini, Venedig, Bergamo folgten nach ^j in Padua war 1265 diese Industrie heimisch ^, aber keines- wegs machte die Baumwollweberei dort bereits ernstlich den drei anderen Textilzweigen Konkurrenz. Am ältesten und entwickeltsten dürfte dieser Zweig der Textilindustrie in Piacenza, Cremona, Mailand uod Pavia ge- wesen sein^, namentlich für Piacenza haben wir eben so alte wie ein- gehende Bestimmungen^. Sehr früh erscheint die Baumwolle in Genua ^ Schon in dem Tarife des Zolles von Lodi von 1192 fehlt die soma fusta- niorum nicht •, und in einem Vertrage von 1193 steht unter den Waren, die von Genua nach Lodi gebracht werden, die Baumwolle voran ^.

Die Baumwollstoffe waren auch nördlich der Alpen nicht unbekannt, auf den Messen der Champagne wurden fustagni (Barchent) schon im zwölften Jahrhundert verhandelt, ebenso in England schon um die Mitte des zwölften Jahrhundert®, ja es gab eine Abgabe eigens für diesen Stoff'. Der Barchent wird in Deutschland schon in den Liedern Neidharts von Reuental genannt, noch öfter der Buckeram, von dem es jedoch zweifel- haft ist, ob er stets aus dieser Faser oder von Flachs zubereitet wurde *®« Nübling nimmt an, dafs der king cotton in den zwanziger Jahren des vier- zehnten Jahrhunderts seinen Einzug in Deutschland, speciell in Ulm ge- halten habe. Das ist möglich ^^. Erst mufste die Baumwollweberei vor

1 Hüll mann, Städtewesen 1, 70 ff. Statuten von Bergamo. Mon. bist, patr. 16, 2023.

> Statuti di Padova ed. Gloria Nr. 823.

' Stat. merc. Piacent, c 650 S. 169 erwähnt bereits fustanei Mediolanenses, Cremonenses und Pontremolenses. In Pavia gab es 1868 eine Zunft der fustiiqnari, Magenta 1, 150. Zolltarif von Cremona erwähnt bambaxiutn. Auch Monza er- zeugte 1331 fustagni Statuti S. 82, 136 n. 138. In den Verträgen über die Simplon- straTse (s. unten) stellen die Mailänder die fustanei an die Spitze der zweiten Wert- klasse. Über Cremona vgl. Astegiano 2, 361.

^ St. merc. PL c. 169 ff. 242. 265. Die Baumwolle scheint zumeist von Genua bezogen zu sein.

» Die Wiegetaxe von 1140 Lib. jur. 1, 71 f. nennt hambacium de Siälia, Alexandria et Antiochia. Die baUa fustaneorum 1204 erwähnt ebda. 1, 521.

« Vignati 3, 188.

' Vignati 3, 198.

» Hans. Urkb. 3, 392 (Mitte des 12. Jahrh.) und 3, 382 (mindestens vor 1250). » Bourquelot 1, 243.

»» Heyd 2, 692. Schultz 1, 352. Auch beim Barchent schränkte sich nach Schmoll er S. 441 der Begriff erst später auf ein Gewebe mit leinener Kette und baumwollenem Einschlag ein.

" Nübling, Ulms Baum Wollweberei S. 141. Was er von dem Verarbeiten der Baumwolle auf dem Reichenauer Klosterhof vermutet, widerdpricht ganz den G^e- pflogenheiten der tief gesunkenen Klosterherren der Reichenau jener Tage.

Farbstoffe. 141

allem in Mailand ^ erstarken, bis sie zunächst Konstanz und Basel, dann Ulm, Augsburg und Biberach ergriff. Mir wenigstens scheint es nicht zulässig, von deutscher Baum Wollweberei vor 1320 zu reden. In den andern Textilbranchen waren die Alpen keine Scheidelinien mehr, am meisten noch in der Seidenindustrie, hier aber war das Land der Produktion von dem der Konsumtion noch völlig getrennt. Bei jenen war diese Unter- scheidung nur für die feineren Sorten bestehen geblieben. Flandern war auch hier am weitesten vorangeschritten und machte eine Ausnahme. Die Maklerrolle der Gräfin Margaretha von Flandern von 1252' und die Ver- ordnung der Stadtbehörde von Brügge fllr den Handel der fremden Kauf- leute von 1304 erwähnen Ballen von BaumwoUengam , aber auch von Baumwolle selbst, die also doch im Lande versponnen wurde ^, und jenes Verzeichnis der Königreiche und deren Produkte, die nach Brügge kamen, und das noch dem Ende des dreizehnten Jahrhunderts angehört, führt Armenien mit seiner Baumwolle an^.

Mit der zunehmenden Blüte der Textilgewerbe konnten die alten einheimischen Farbwaren nicht mehr genügen. Eine Konkurrenz mit den orientalischen Stoffen war nur denkbar, wenn auch die dortigen Färbemittel verwendet wurden. Dieser Umschwung scheint sich nördlich der Alpen bis zum Ausgang des vierzehnten Jahrhunderts vollzogen zu haben, während in Italien schon früher einige der selteneren Farbstoffe gebraucht wurden*.

Ein *gutes Färbemittel besafs Deutschland in der Waidpflanze (Isatis tinctoria) ^. Ihre Güte hat wohl so lange den besten Farbstoff, das Indigo, vom Norden Europas zurückgehalten. Fast gleich alt dürfte die Ver- wendung der Färberröte (rubia tinctorum, Krapp) gewesen sein, da sie schon in dem Capitulare de villis Karls des Grofsen erscheint, doch kamen die besten Qualitäten aus dem Orient^, später war die Pflanze in Deutschland viel angebaut, so im Elsafs^.

Von den exotischen Farbwaren ist am ersten im Norden nachzu- weisen die Kermesschildlaus (Coccus Hicis), die man im getrockneten Zustande für Beeren ansah und als grana oder auch nach der von ihr bereiteten Scharlachfarbe grana scarlati bezeichnete. Sie war auch in Spanien und Südfrankreich heimisch, wurde aber ebenfalls aus dem Orient

^ Bei Galvano Fiamma nur nebenbei erwähnt » Hans. Urkb. 1. 158. » Ebda. 3, 421.

* Ebda. 3, 420.

* Aach hier ist für die Forschung noch ein weites Feld offen. « Bourquelot 1, 221. Geering 308. Hans. Urkb.

' Heyd 2, 590. Im Hans. Urkb. selten erwähnt. « Geering 308.

142 Dreizehntes Kapitel.

bezogen^. Wahrscheinlich sind auf sie die vermiculi des Capitulare de villis und des Formelbuches des Bischofs Salomo von Konstanz zu be- ziehen, den nächsten Nachweis nördlich der Alpen kann ich allerdings erst zu 1252 geben*. Sollte also dort ein Irrtum vorliegen, so würde ein anderer Farbstoff hinaufrücken, das Brasilienholz, das Holz der in Hinterindien und China vorkommenden Caesalpinia Sappan^. Schon für das zwölfte Jahrhundert hat Heyd das Vorkommen in Flandern belegt*; es findet sich auch in dem Zollkatalog von Lodi von 1192 und 1252 in Flandern *.

Zum GelbfUrben, wenn auch nicht der Tuche, wurde der Safran (arab. asfar, fem. safra, pers. zaaferän® = gelb), die Blütennarbe des Crocus sativus verwendet, sie fand aber auch bei den Malern, beim Arzte und vor allem in der Küche reichliche Verwendung. Die Pflanze wurde in Spanien und auch in Italien, nachdem sie wohl in den Kreuzzügen auch dorthin verpflanzt war, angebaut^, ja ihr Anbau wurde später auch in Deutschland versucht und gelang z. B. in Basel auf das beste ^. Seine Verwendung ist für Flandern durch das Verzeichnis der Produkte der Königreiche belegt, man bezog ihn dort aus Aragonien^, auf den Cham- pagner Messen findet er sich 1265 als wichtiger Handelsartikel, dessen Preise die Kauf leute notierten *®.

Für die Herstellung von Grün bediente man sich einer Mischung, wobei Auripigmentum (Opperment) benutzt wurde. Auch dieser vor- wiegend von Malern benutzte Farbstoff kam 1304 in Brügge vor**, er erscheint übrigens schon im zehnten Jahrhundert*^. Das Indigo hingegen läfst sich nördlich der Alpen in dieser Periode noch nicht nachweisen, obwohl die Genueser Wiegetaxe von 1140 diesen Farbstoff neben dem Brasilholz und Alaun anführt*^, der Zolltarif von 1192 einen Satz für

* Heyd 2, 609 ff. Über Kermcs zur Bereitung des Purpurs der Phönizier s. Silb ermann S. 42 und Karabacek in den Mitteil, des k. k. Museums für Kunst u. Industrie 1880 Nr. 177. Nach ihm ist grana der Stoff europäischen Ursprungs (Griechenland, Spanien, Languedoc, Provence, Dauphinö), während chermisi auf orientalischen Ursprung hinweist.

« Hans. Urkb. 1, 156. Dann 1304 ebda. 3, 421. » Heyd 1, 576 flf.

* 1, 577.

^ Vignati a. a. 0. und Hans. Urkb. 1, 156. « Flückiger 778.

^ Heyd 2, 645. Stieda, Handelsbeziehungen 104. 8 Geering 238. » Hans. Urkb. 3, 420.

^0 Lettere volgari S. 56. Schaube, Kursbericht 280. " Stieda 101 f. " S. oben S. 73. '3 Lib. jur. 1, 71 f.

Gewürze. Wachs. 143

eine Saumlast Indigo hat^ und in Marseille aus Bagdad kommendes Indigo in der Mitte des dreizehnten Jahrhunderts verhandelt wurde'. In der Ordnung der Färber von Douai wird Indigo nicht erwähnt^. Dieser Pflanzenfarbstoff, der schon im Altertume bekannt war und in der purpurfarbigen, aus dem neunten Jahrhundert stammenden Totenhülle des hl. Ambrosius neuerdings nachgewiesen wurde ^^ trägt seinen Namen nach der indischen Heimat, doch findet sich der Anbau auch in Ägypten, Spanien und Sizilien; jedoch wurde er erst in den Tagen der Kreuzzüge lebhafter vertrieben, aus England führt Heyd einen Beleg ftlr 1274 an*.

Andere Farbstoffe, wie das rote, gelbe und weifse Sandelholz, die Orseille (Raspa), Grünspan sind mir in keinen Belegen vor 1300 bekannt geworden.

Die Färber verwendeten endlich fast stets bei Wollen- wie bei Seidenstoffen als Hilfsmittel Alaun, das in dem Rufe stand, die Farben leuchtender zu machen, und es erscheint nun wirklich auch ganz allein von allen Farbwaren in einem Katalog unseres Gebietes, in dem von Chur (1290 98)*. Die Verwendung des Alaun in der Gerberei ist noch viel bedeutender, mit ihm arbeiteten alle Weifsgerber, somit ist aus dem Vorkommen der Weifsgerber auch auf die Verbreitung des Alaun zu schliefsen.

Der Verbrauch an fremdländischen Produkten, an Gewürzen für die Küche, an Medikamenten, an Parfümen und an den für den gottesdienst- lichen Gebrauch erforderlichen Rauchstoffen und Gewürzen hätte schon infolge der Zunahme der Bevölkerung und ihres Luxus, wie der Steige- rung der Lebensführung zunehmen müssen, wenn auch nicht die Kreuz- züge Massen von West- und Nordeuropäern in die Heimat dieser Waren oder doch zu ihren Stapelplätzen geführt, sie dort mit dem Gebrauch derselben vertraut gemacht und das Bedürfnis danach in ihnen grofs ge- zogen hätten. Jetzt begann die Zeit, wo auch in Deutschland die Krämer und Apotheker erscheinen und meist eine ehrenvolle Stellung neben der reichsten Zunft, welche die der Tuchhändler zu sein pflegt, gewannen.

* Vignati a. a. 0.

^ Blancard, Register. Auch in Bologna ist 1194 Indigo bekannt (Muratori, Ant. Ital. 2, 894) wie um die gleiche Zeit in Piacenza. Stat. merc c. 237 8. 64 u. c. 265 S. 72. Der reichhaltige Zolltarif von Cremona führt an Färb waren an: »soma Jtendeghi (Indigo), hraxüis, aluminis (s. oben), de centenario rocae (Kermes), guadi (Waid), galetit.

8 Fagniez S. 209.

^ Silbermann 42.

^ 2, 597 f. In hansischen Quellen findet er sich nicht.

Mohr 2, 110. In Lodi 1193. Vignati 3, 198. Cremoneser Katalog mit ge- nauer Unterscheidung: •aluminis Cncharine et de Castilia et de Rozia, de miliario aluminis de Feca*, Zur Deutung vgl. Heyd 2, 550 557.

144 Dreizehntes Kapitel.

Für den Gebrauch der Küche erscheinen neben Pfeffer \ Galgan, Gewürznelken, Zimmt, Ingwer ^^ Muskatnufs etc. der damals sehr teure Safran^ und Kardamomen, die 1259 schon in Köln recht marktgängig waren ^. An andern Droguen finde ich, ohne meine Streifzüge weit aus- zudehnen, Manna, Aloä und Traganth in dem Arzneibuche, das im zwölften Jahrhundert in Schaffhausen geschrieben wurde '^. Die hl. Hildegard kennt Lakrizen (Stlfsholz) und Kubeben ^. Aus Hinterindien stammte das bei Räucherungen, aber auch als materia medica verwandte sehr theure Aloäholz ^, aus Persien das Manna, der Honigsaft des Alhagi Camelorum, das ein Arzneimittel war^, wenn das Manna von der Manna- esche gemeint ist, so war der Weg kürzer, denn sie war bis nach Süd- italien verbreitet ®. Noch näher lag die Heimat des Traganth, Gummi de» Astragalusstrauches, dessen Benutzung eine vielseitige war als Heilmittel, bei Bereitung von Azurblau und beim Vergolden*®.

Für den Gottesdienst wurde Balsam und Weihrauch gebraucht.

Ein sehr bedeutender Handelsartikel, der heute nicht entfernt mehr die Bedeutung hat wie damals, war das Wachs. Es wurde keineswegs nur inländisches Wachs verwendet, obwohl mit ihm z. B. Nürnberg, das für die Bienen des Nürnberger Waldes sogar ein Zeidleramt hatte, einen ausgedehnten Handel betrieb, im Gegenteil kam es nach Brügge aus Rufsland, Ungarn, Böhmen, Polen, Castilien, Andalusien, Granada, Portugal und von der afrikanischen Meeresküste. Die letztere Provenienz käme auch fUr den Alpenhandel in Betracht. Auf den Messen der Cham- pagne wurde Wachs aus Venedig, Tunis und Romanien (byzant. Reiche) in so grofsen Quantitäten gehandelt, dafs ein Sienese über den zeitigen Preis nach Haus berichtete, das Venezianische war das theuerste**. Aller-

1 Zahlreiche Zeugnisse über die Preise des Pfeffers hat Schaube, Kursbericht S. 274 79 gesammelt. Er berechnet den Preis von 100 kg für die Champagner- messe von 1262 auf 602 Mark, während der Hamburger Durchschnittspreis von 1886-90 auf 140, 10 stand. Dichterstellen, die Gewürze erwähnen, bei Schultz 1, 393.

* Schaube S. 280 berechnet für die gleichen Verhältnisse einen Preis von 488—560 Mark.

^ S. oben 8. 141. Schaube 280. Das Kilogramm kostete den enormen Preis von fast 60 Mark.

* Heyd 2, 608 f. Flückiger, Pharmakognosie 305.

B Pfeiffer, Zwei Deutsche Arzneibücher. Wien 1863. S. 13.

* In ihrer Physica bei Migne, Patrologiae cursus completus ser. lat. Tom. 197 1138 ff.

•^ Heyd 2, 559 ff. Flückiger 216 f.

« Heyd 2, 615 f.

» Flückiger 24 f. 28 ff. '0 Heyd 2, 653 f. Flückiger 23 f.

>i Lettere volgari 57. Schaube 281 f. berechnet als Preis für 100 kg Champagnermesse von 1265: 458 Mark, Hamburger Preis 1886—90: 142,86.

Metalle. 145

dings ohne Bezeichnung der Herkunft findet es sich auch in dem Zoll- tarif von Freiburg i. Br. ^, der von orientalischen Waren nur Pfeffer und Weihrauch, von italienischen noch Lorbeern (laurei) anführt. Dieselben Waren zeigen sich in dem um ein Jahrhundert jüngeren Zolltarif von Chur, der daneben noch Alaun und Myrrhe aufführt.

Die auf den ersten Blick rätselhafteste Ware sind die Beeren des Lorbeerbaumes (oribagae), die aufserdem noch in dem Zolltarif von Vicosoprano ^ erscheinen. Sie dienten als Volksmittel zur Magenstärkung und als Räuchermittel. In Mailand wurden Lorbeeren mit warmem Wein gegen Leibschmerzen verwendet®. Aus ihnen wurde ein öl bereitet, das gegen Ungeziefer, bei Lähmungen etc. Verwendung fand, besonders aber diente es, um Fliegen und anderes Ungeziefer z. B. von Metzger- läden fernzuhalten. So bestrich man die Pferde mit diesem Öle*. Es wird heute noch namentlich am Oardasee hergestellt.

Ein wahrscheinlich recht erheblicher Teil der Lasten, die über die Alpen gingen, bestand aus Metall und Metallwaren. Die Quellen sind leider sehr einsilbig. Fast niemals wird auch in späterer Zeit die Pro- venienz angegeben, während man in Norddeutschland sehr gut das schwedische Osmundeisen verfolgen kann, und so bleibt für uns nichts als das weite Gebiet der Hypothese. Und selbst dafür fehlt eine Grund- lage, da wir eine Übersicht über den Bergbau diesseits und jenseits der Alpen heute noch nicht sicher gewinnen können. Selbst der Einflufs des Silberbergbaues ist sehr schwer festzustellen. Doch hatte das Gebiet des Oberrheins damals einen grofsen Anteil an der Gewinnung des edlen Metalles. Seit 1028 liegen urkundliche Nachrichten vor. Die Erzgänge waren vom Rande des Schwarzwaldes immer tiefer in das Gebirge hineingetrieben, im dreizehnten Jahrhundert hatte dort der Bergbau wohl seine glänzendsten Tage. Die Bergwerke dehnten sich von Sulz- burg aus bis an den Kamm des Gebirges, im Münsterthale entstand bei St. Trudpert das Bergstädtchen Münster, hier verschränkten sie sich mit dem Gebiete der Bergwerke, die den Erzkasten auf allen Seiten umgaben. Die hohe Blüte von Freiburg in dieser Zeit hängt vor allem auch mit den reichen Erträgen der Bergmannsarbeit zusammen, sie gab der Stadt die Möglichkeit, sich eine Pfarrkirche zu bauen und zu voU-

1 Schöpflin, Hist. Zar. Bad. 5, 52.

« Mohr 2, 121.

' Bonvesin, De magnalibus S. 95. »lauri hace contra solum vefUris dolorem cum calido vino stimende.*

* Bertoloni, Flora italica 4, 400. Rosen thal, Synopsis plant, diaphori- carum 237. Konrad v. Megenberg ed. Pfeiffer 327. Flückiger, Pharma- kognosie 931. Zippe 1-Thom^, Ausländische Kulturpflanzen in farbigen Wand- tafeln 4. Aufl. S. 142.

Schulte, Qesoh. d. mittelalterl. Handels. I. 10

146 Dreizehntes Kapitel.

enden, wie sie schöner auf der Welt von einer Pfarrgemeinde nicht wieder errichtet werden sollte. Ein Glasgemälde des Münsters, eine Schenkung der Bergleute des „Disselmut", stellt uns die Arbeit der Knappen dar. Weiter nördlich wurde im Suggenthal eine Grube be- trieben. Im Kinzigthale erblühte ein heute längst verschwundenes Berg- städtchen Brinsbach ^, und die gereimte Geographie des dreizehnten Jahr- hunderts konnte von diesen Bergwerken den Namen Argentina-Strafsburg ableiten. Noch weiter nördlich wurde auf Gold geschürft.

Über den Handel mit diesem Silber giebt uns kein heimisches Schriftstück Kunde, wohl aber ein Dokument aus dem fernen Siena. In dem ältesten bekannten Börsenbericht, den Andrea de' Tolomei an seine Geschäftsgenossen und Verwandten von der Messe von Troyes 1265 erstattete, führt er neben dem momentanen Werte des Sterling nur noch eine Silbersorte auf, das ungemünzte Ariento di Friborgho*.

Das gegenüberliegende Elsafs hatte von seinen Silberbergwerken damals wohl nur kleine Gänge erschlossen^. Der Zug des Jura bot im Frickthale sehr alte Erzgruben*, weiter westlich die von Waidenburg. Im Alpengürtel, wo die östlich anstofsenden Silberadern und Erzgänge von Südtirol bereits ausgebeutet wurden, gab es damab Bergbau auch im Montafun ^. Am Gonzen (nördlich von Sargans) war der Bergbau auf Eisen uralt, auch um den Julier wurde dasselbe Material im zehnten Jahrhundert gewonnen®. Im Unterengadin wurden die reichen Silber- adern von Scharl ausgebeutet^; vor allem aber schon jenseits des Scheitels im Puschlav und bei Bormio gab es alte Silbergruben ^ , die sich in den Bergamasker Alpen bei Ardesio fortsetzten', wie überhaupt die heutigen Bezirke Sondrio, Bergamo und Brescia damals manche Bergwerke besafsen und schon hatte der Brescianer Stahl einen Namen gewonnen*®. Für die Waffenmanufaktur Mailands ist diese auf Stab-

1 Gothein 1, 583 ff .

' Lettere volgari S. 57. Schaubc hat in seinem ausgezeichneten Aufsatze: Ein Kursbericht unter Friborgho irrtümlich Freiberg in Sachsen verstanden. 8 Reuss, L*Alsace 1, 603.

* Über den Bergbau bis z. Ende des zwölften Jahrhunderts vgl. v. Inama- Sternegg 2, 329, Frickthal schon 1050. Vgl. auch Baseler Urkb. 2 Nr. 625. Boos, Urkb. Basel Land 1, 157. Erzgruben bei Liestal.

^ V. Mohr 1, 287. Eisen wurde dort gefunden, auch Silber.

Plattner, Gesch. d. Bergbaues 1 ff. •^ Plattner S. 5.

8 V. Mohr 1, 166 u. 181. Genaue Verträge von 1200 und 1211. Archiv f. österr. Gesch. 15, 342.

® Statuten v. Bergamo. Mon. bist. patr. 16, 2053. Die Bergwerke lieferten auch Blei und Kupfer.

H^rondeVillefosse, dtsch. von Hartmann, Über den Mineralreichtum 4, 105.

Metalle. 147

eisen und Rohstahl gerichtete Förderung wohl die Grundlage gewesen. Im Gebiete des Bistums Novara wurde im Anzascathale Gold berg- männisch gegraben^. Überhaupt dehnte sich der Bergbau in diesen Ge- bieten schon ziemlich aus, er war gerichtet auf Kupfer, Spateisenstein, besonders aber wurde Gold aus den Schwefelkiesen gewonnen. Im Bereiche von Vercelli wurden 1230 Silberbergwerke betrieben*. Die Westalpen enthielten eine Reihe von Silber- und Erzbergwerken*.

In den Zolltarifen ist Eisen fast regelmäfsig aufgeführt^. Daneben erscheint auch Stahl in Augsburg und Freiburg und allein in Chur. Sicheln werden in den Tarifen von Augsburg und Vicosoprano auf- geführt Blei steht in den Tarifen von Augsburg, Freiburg, Vicosoprano, Lodi, Piacenza, Cremona und Brescia. Kupfer, das damals namentlich im Gebiete der Maas, vor allem in Dinant und Huy, viel verarbeitet wurde, in denen von Augsburg, Freiburg, Cremona und Brescia, Zinn endlich in denen von Freiburg, Genua, Piacenza, Cremona und Brescia, in dem zuletztgenannten findet sich auch Bronze wie in Cremona. Messing (aurichalcum) fand ich nur in dem reichhaltigen Tarif von Cremona, Erz (aramen) in Vicosoprano und Lodi.

Eigentümlicherweise scheint das Kupfer auch von Süden nach Norden gewandert zu sein, wenigstens fuhrt der älteste Zolltarif von St. Simeon fUr Koblenz Kupfer unter den Abgaben auf, die diejenigen, welche von Konstanz und Zürich kamen, zu entrichten hatten^. Damals lieferten aber vor allem Goslar, Schweden und England Kupfer.

Das Zinn erscheint also doch verhältnismäfsig selten, und doch war es ein Welthandelsartikel ersten Ranges. Für die Bronze und die Glockenspeise hatte man dieses Metall notwendig, wie im späteren Mittelalter für das Geschütz. Das reine Metall fand immer zunehmend Verwendung zur Herstellung des Efsgeschirres, und man hatte nur eine

» Gremaud 30, 425.

Mandelli 2. 12.

^ Cibrario, Economia S. 40.

* Augsburg an der Lechbrücke (1156—1177)» Freiburg i. B. (Anf. des drei- zehnten Jahrh.) vgl. v. Inama-Sternegg 2, 490 495. Bei Walenstad hatten die Fischer auf dem Walensee jährlich dem Bischöfe von Chur 40 €6 Wolle und 60 i6 Eisen zu geben, die sie doch wohl von Händlern mit Eisen vom Gonzen erhielten (v. Mohr 1, 288). Aufserdem Vicosoprano (v. Mohr 1, 121) uud in den zähriugischen Städten Freiburg, Burgdorf, Büren, die einen gleichartigen Zolltarif haben. Font, rer. Bern. In Italien in Genua: ferrum pisaneschum (Lib. jur. 1, 71 f.), Lodi (Vignati 4, 556), Piacenza (Stat. merc § 265), Cremona (Astegiano 1, 358) und Brescia (sehr eingehend über das Eisen gehandelt Mon. hist. patr. 16, 1584 [108 f.]), Bergamo (ebda. 2022), Eisen fehlt nur in den Tarifen von Chur (sehr mager v. Mohr 1, 110 f.) und Vicosoprano.

* Lamprecht 2, 800 u. 330. Dort ist aber der Bearbeitung des Kupfers in Dinant und der bezügl. Kölner Urkunden nicht gedacht

10*

148 Dreizehntes Kapitel.

ergiebige Quelle: England; denn Spanien lieferte damals wenig. Aus den Zinnwäschen von Devon, dann aus den Bergwerken von Comwallisy die im dreizehnten Jahrhundert jene besiegten, kam dies Metall fast aus- schliefslich, bis in Böhmen zunächst wohl schon im zwölften Jahrhundert die Zinnwäschen von Graupen, dann auch die von Schönfeld ihren Be- trieb eröffneten, auf deren wachsender Ausdehnung die Blüte der Metall- gewerbe Nürnbergs sich gründen solltet Selbst nach England gelangte nun deutsches Zinn, das als reiner und reichlicher galt als das englische ^ Auch Blei kam aus England.

Die Fabrikate der Metallindustrie erscheinen mit Ausnahme der Sicheln und der Waffen in Chur (s. oben) nicht in den Zolltarifen, doch darf man glauben, dafs namentlich die Waffen auf gröfsere Entfernungen verhandelt wurden, und mehrere hochrenommierte Waffenschmiedestädte lagen in dem hier zu behandelnden Bereiche: Mailand, Pavia^, Strafs- burg und Mainz*, auch Venedig darf nicht vergessen werden. Die Metall- industrie der Gegend von Lüttich hat auch wohl zum Handel nach Italien von ihren Produkten geliefert*. Lüttich selbst, das später ausgezeichnete Waffenschmiede besafs, war damals ungleich weniger bedeutend als Dinant und Huy. Die Ausbeutung der Kupfer- und Zinnadern im Hügelland der Ardenncn war wohl uralt, namentlich betrieb Dinant so schwunghaft die Bearbeitung des Kupfers, das in Frankreich die Kupferschmiede Dinantiers hiefsen. Aus der Ferne, aus Goslar und England wurde der Rohstoff be- zogen, und von hier ging ein bedeutender Export aus®.

Die Waffenindustrie von Solingen läfst sich bis ins zwölfte Jahrhundert verfolgen, auch Köln war renommiert. An die antike Ausbeutung der Bergwerke Noricums schlofs sich die hochberühmte Kunst der Schmiede von Passau und Regensburg an, die lange Zeit alle an Ruhm tibertrafen. Doch ging das Übergewicht in den Tagen der Kreuzzüge an die Waffen- schmiede und Sarwürcher von Mailand über. Die kunstvolle Aus- schmückung der orientalischen Schwerter und Rüstungen wurde von ihnen nachgemacht, und wenn sie auch stets den Markt der Gebrauchswaren zu behaupten suchten, so war die Verbindung von Handwerk und Kunst hier erreicht, auch machten sie viele Erfindungen, im vierzehnten Jahrhundert den Plattenharnisch. Mailand hat schliefslich den ganzen Kontinent be-

' E. Reycr, Zinn. Berlin 1881.

* Auffindung des »staffnum in Alamannia primum et purissimum et copiosiuB quam in partifms Anglie<, M.G. 8S. 28, 220.

' Sehr oft von Dichtern erwähnt Schultz 2, 1.

* Hanp. ürkb. 3, 390. Aus der wichtigen Verordnung über die Zulassung von Kaufleuten aus dem Reiche in London. Mitte des zwölften Jahrhunderts.

» Hüllmann 1, 267.

* Pircnne 1, 195 f. und 314 f.

Lebensmittel. 149

herrscht ^ Nach Bonvesin, dessen Zahlen freilich mitunter Bedenken erregen, gab es dort 30 Meister, welche aus Messing Schellen für die Pferdegeschirre, die sonst nirgendswo hergestellt wurden, fabrizierten"; Panzer lieferten mehr als 100 Meister, daneben gäbe es Fabrikanten von Schildern^. Auch Galvano Fiamma stellt die Waffenschmiede an die Spitzq der Kaufleute, welche exportieren ^, und zählt genau auf, was sie alles schmiedeten^. Die Waffen gingen, sagte er, bis zu den Saracenen und Tartaren. Schon 1232 berief Vercelli einen Meister aus Mailand, eine Waffenfabrik zu leiten ^. Die Kunst der Schmiede von Brescia geht bis in die Zeiten der Etrusker zurück, und sie verstanden vor allem, Klingen zu schmieden^.

Von den Lebensmitteln wurden die Gewürze schon oben besprochen, für den Handel mit Getreide war der Alpenkamm wohl eine Sperre, doch mehr noch eine künstliche. In den italienischen Statuten sehen wir deutlich das Bestreben der Städte, sich billige Lebensmittel zu sichern durch ein Ausfuhrverbot nach Norden hin, und die Thäler der italienischen Seite haben sich noch lange durch besondere Verträge den Bedarf an Lebensmitteln, die das Gebirge nicht liefern konnte, sichern müssen. Den Getreidemangel Comos, dem Mailand abhelfen müsse, hebt schon Bonvesin hervor und fligt hinzu, dafs von dem für Como be- stimmten Getreide auch zu den Völkern jenseits der Alpen komme ^. Vom Norden her scheint eine Cerealieneinfuhr über die Alpen nicht stattgefunden zu haben.

Ein sehr lebhafter Handelsartikel war hingegen der Wein. Zwar ist der Elsäfser Wein, der stets stark Rhein abwärts verhandelt wurde und mit dem Moselwein zusammen nach dem Gedichte Bataille de vins den Kölnern das Geld aus der Tasche holte ^, wohl niemals über die südlichen Berge verbracht worden *^. Dafür kamen aber Weine aus den

^ Böheim, Wend, Die Waffen und ihre einstige Bedeutung im Welthandel. Zeitschr. f. hist. Waffenkunde 1, 172. Vgl. Jahns, Entwicklung der alten Trutz- waffen. Berlin 1899.

« S. 89.

» S. 149.

^ S. 448. In den später zu behandelnden Verträgen über die Simplonstrafse erscheint die armatura, wie auch ferrum, azarium et quodlibet metaUum nicht fehlt.

* »Loricas, thoraces, lamerias, galeas^ gcUerias, cerveUeraSy collarias, cyrothecas, tybicilia, femoralia, genuälia, Icmceas^ pilla, henses, pugiones^ clavas et sunt omnia ex ferro terso et polito.*

Böheim 174. ^ Böheim 176. « S. 92 f.

» Schultz 1, 442. Er kam allerdings auf die Höfe des Klosters Engelberg.

150 Dreizehntes Kapitel.

Mittelmeergebieten nach Deutschland, vor allem der hochgeehrte cyprische Wein, der Malvasier aus dem-Peloponnes^ und von den italienischen Weinen der hochgeschätzte Veltliner, wie durch die bayrischen Pässe der Südtiroler Eingang fand. Schon sehr früh haben wir in Comasker Statuten einen Beleg für einen lebhaften Weinhandel über die Bündner Pässe ^. Galvano Fiamma erwähnt den Mailänder Handel mit Flüssig- keiten, besonders mit vinum de Vemaziaj Malvasier und kretischen^. 1288 kam ein Kaufmann nach Basel mit griechischem Wein von Cypern^ der zu dem damals unerhörten Preise von 1 ^ ^ etwa fünf Liter ver- kaufte^. Die Zolltarife von Vicosoprano und Chur haben natürlich diesen Artikel, trotzdem sie so dürftig sind, der Züricher erwähnt den fremden Wein ebenfalls, und wie beliebt er war, folgt daraus, dafs König Rudolf sich von dem auch in den Dichtungen ^ gepriesenen Clevner Wein durch den im Rheinthal begüterten Grafen Hugo von Werdenberg 100 Saumlast kommen liefs^.

Direkte Beweise fUr einen Handel mit Salz über die Alpenpässe liegen nur an einer Stelle vor. Es passierten 1286 in 213 Tagen 2568 mit Salz beladene Wagen den Zoll von Villeneuve bei Chillon^, sie können nicht aus den Salinen von Bex im Unterwallis stammen, denn diese waren damals noch nicht in Betrieb.

Bei den Fischen fehlt es an zwingenden Belegen; wenn auch in dem Cremoneser Zollkataloge ^hestrume de Brugo^ , also wohl Häringe oder Bückinge von Brügge erwähnt sind.

Der Handel mit den Produkten der Viehzucht namentlich der Alpengegenden ist gewifs schon damals sehr bedeutend gewesen, aber Milch und Butter war nicht weit zu transportieren, und der Käse ist erst später ein Artikel des Grofshandels geworden.

Ebenso dürftig sind die Angaben über den Vieh- und Pferd ehandeL Pferde stehen in fast allen Zollkatalogen, und der Mailänder Galvano Fiamma führt an zweiter Stelle die grofsen, hoch im Preise stehenden Streitrosse an, von denen eines in Paris für über 1000 fl. verkauft werde. Die Ausfuhr sei namhaft und gehe nach Frankreich und anderen

» Schultz 1, 408.

' Leges municip. 2, 1, 157.

'Miscell. d. storia ital. 7, 448. Vemaccia ist ein italienischer Wein. S. Schultz 1, 409. Er bespricht eine grofse Zahl von Sorten, anf die ich hier nicht eingehen kann.

^ Annal. Colm. maj. M.G. SS. 17, 215. »ducens secum vinum Chrecum seu Cypri dedüque bicarium iHfus vini pro 5 soh, quartale pro libra, quod usque ad iUiid tempus res fuerat inauddta.* Die Umrechnung nach Hanauer, Etudes ^com. 2, 19.

^ Engelhard 8894. Schultz 1, 405.

Nur als Formel erhalten Böhmer-Redlich Nr. 782.

' Cibrario 898.

Pferde und Vieh. Sklaven. 151

Ländern jenseits der Berge ^. Auf den Messen der Champagne kamen selbst apulische Pferde zum Verkauf, imd ein Graf von Geldern kaufte acht italienische Rosse zum Preise von 1040 ^ ^. Ein grofses Aufsehen erregendes Rofs hatte der elsässische Ritter Conrad Wemher von Had- stadt in der Lombardei erstanden'. Das Rindvieh, die Schafe u. s. w. wurden damals wohl kaum auf grOfsere Entfernungen verhandelt.

Bei den Häuten war das aber der Fall, und sie wie Lederwaren finden sich in allen Zolltarifen, leider ohne Angabe der Herkunft Die Zeit der Reiterheere und der aufkommenden Turniere brauchte auch die feinsten Luxuswaren dieser Gewerbe. Sattler, Schilderer, Riemer, Handschuher erscheinen früh in den deutschen Städten. In allen Zoll- tarifen erscheint auch das Pelzwerk, das im Mittelalter bekanntlich weit mehr verwendet wurde als heute, und wir dürfen annehmen, dafs der von Nordosten kommende Import von feinerem Pelzwerk schwache Aus- läufer auch über die schweizerischen Alpenpässe vorschob. Die Strafs- burger Kürschner kauften ihre Pelzstoffe in Mainz oder Köln^. Die Stadt Pisa leistete in Gerberei und Kürschnerei vortreffliches '^.

Als letztes Handelsobjekt, das über die Alpen gebracht wurde, ist wohl der Mensch anzufUhren. Der Sklavenhandel ist erst langsam durch den Geist des Christentums beseitigt worden, in Italien blieben Reste infolge der Verbindung mit dem Orient bis in die letzten Tage des Mittelalters bestehen. In Deutschland sind wohl die letzten Spuren die beiden Erwähnimgen am Zolle von Walenstaad und zu Koblenz. Walen- staad war geradezu der Ort, wo mit Sklaven gehandelt wurde ^, damit beschäftigten sich vorwiegend die Juden ^.

^ Miscell. di storia italiana 7, 449.

'Bourquelot 1, 303 f. Nach den dort angegebenen Preisen standen die italienischen Rosse hoch im Preis.

M.G. SS. 17, 230.

« Recht des Bischofs Urk. d. Stadt Strafsburg 1, 474.

» C anale 178.

^ »De unoquoqae tnancipio^ quod ibi venditur, dtnarii U.« Elinkünfterodel des Bistums Chur um 1050. v. Mohr 1, 288. Zollrodel von Koblenz von 1104: »De sdavo empticio 4 denarii* Hans. Urkb. 1, 3. Auch in der jüngeren Rolle von 1209 (Mittelrh. Urk. 2 Nr. 242) steht der Posten noch.

"^ Eine Aufzeichnung aus dem elften Jahrhundert, welche die Koblenzer Liste bereits enthält, sagt: »Judei pro %moquaq%te sclavo emHcio debent4 denarios.* Hans. Urkb. 3, 388.

152 Vierzehntes Kapitel.

Vierzehntes Kapitel. Handelsorganisation. Messen.

Handelsorganisation, Verschtcindeti des Fremdkau fmanns. Die Juden zurück- gedrängt Handelseifersucht, Äusschlufs von den korporativen Bildungen. Gründung von Städten, Aussonderung von Produktionszweigen, Der Kaufmann bedarf der Ge- nossefi, Handelsgesellschaften. licUien. Deutschland,

Messen. Ursachen ihrer hohen Bedeutung. Die Messen der Champagne. Lage der Champagne, Organisation, Termine, Beamte u. s. w. Mefsbesucher organisieren sichy besonders die Italiener, Handel der Deutschen, Höhe des Verkehrs, gemessen an den ZÖUen von Chiüon wid Bapaume und den Erträgnissen, Messen in Deutschlaiid und Italien.

War der Grofshandel in Deutschland in der Hauptsache vom Fremd- kaufmann betrieben, begegnen wir vor allem noch bis 1100 neben dem Juden dem Friesen, so war um 1300 der Friese völlig verschwunden, und der Jude völlig auf die Gebiete gedrängt, die er dann Jahrhunderte lang allein betrieb. Die grofse Masse der Handelsgeschäfte wurde jetzt zwischen Christen abgeschlossen, und der deutsche christliche Eauimanns- stand hatte einen Einflufs gewonnen, wie es bis dahin unbekannt war, er hatte die Handelsvormundschaft abgestreift.

Worin liegt die Ursache der völligen Zurückdrängung der Juden auf den Handel mit Geld, alten Sachen, Pferden und Vieh, den Zwischen- handel mit Waren aller Art? Nicht direkt in den religiösen Gegen- sätzen, selbst in den Jahrhunderten, in denen die Juden relativ gut be- handelt wurden und sich vieler Rechte erfreuten, haben sie den Waren- handel durchaus nicht so beherrscht, wie man wohl gemeint hat, sondern auch damals schon trieb sie die Veranlagung zum Geld- und Zwischen- handel^. Das wurde jetzt noch schärfer, als die Verfolgungen allerdings die Juden dazu zwangen, ihre Werte möglichst mobil zu halten. Viel wichtiger war es, dafs der Jude zum Handwerk nicht in das Verhältnis getreten war, das der christliche Kaufmann hatte. Der deutsche Kauf- mann war selbst Produzent oder er nahm regelmäföig die Arbeit von den ihm näher stehenden Handwerkern ab. In Italien und Flandern war es geradezu die Regel, dafs das Produktionsgeschäft von dem Ver- kaufsgeschäft abhängig war. Da standen bereits die Textilarbeiter ihren Fabrikherren gegenüber, die ihnen Rohstoffe und Muster lieferten. Der handwerksmäfsige Körper hatte einen kaufmännischen Kopf erhalten.

Die Bildung der mittelalterlichen Genossenschaften verdrängte die Juden aus ihrem alten Platze. Die Bürgergemeinden schlössen sie der Regel nach aus, die Zünfte stets und erst recht die Gilden. Und da

' Roscher-Stieda, Syst. d. Volkswirtsch. 3, 175 ff.

HandelsorgaDisation. 153

durch sie die Warenproduktion und der Warenhandel geregelt wurde, war der Jude von diesen Gebieten ausgeschlossen. Die Kraft dieser Korporationen drängte sie auf die Seite und liefs nur den Geld- und Zwischenhandel frei^ Dieses Gebiet blieb den Juden erhalten, die Kawerschen erscheinen neu. Die eigentlich „bürgerliche" Nahrung war den Juden entzogen, und so waren sie durch die stets drohende Ver- treibung auf Erwerb und Besitz mobilsten Kapitals angewiesen, und, wenn einige von ihnen im Frühmittelalter Grofskaufleute des Waren- handels gewesen waren, wurden sie in den Tagen des dreizehnten Jahr- hunderts vagierende Kleinhändler mit Waren, Zinsleiher und Geld- händler ^. Da der Jude keinen Anteil an der Produktion gewonnen hatte, war er auf den Zwischen- und Geldhandel angewiesen.

Die massenhafte Gründung von Städten deren Zweck, man mag auch noch so oft auf verkümmerte Städtchen, die nie etwas anderes ge- worden sind als ummauerte, der Landwirtschaft dienende Ortschaften, hinweisen, eben der Handel und das Gewerbe war das Emporblühen derselben sind weniger Ursachen der Zunahme des Handels und des Gewerbes als Folgeerscheinungen derselben. Die Aussonderung der städtischen Bevölkerung aus dem Lande war bedingt durch die immer stärker werdende Aussonderung von Produktionszweigen aus der ge- schlossenen Hauswirtschaft. Diese schränkte sich immer mehr auf die Bodenkultur ein und gab die meisten anderen Thätigkeiten an die Ge- werbe der Städte ab, und da die Wirtschaft einer Stadt die Stadt- wirtschafti, wie sie Bücher definiert hat nicht alle Bedürfnisse so gut und billig decken konnte, wie eine andere, so führte diese Verteilung der Produktion auf Stadt und Land eine wesentliche Zunahme des Handels herbei. Am deutlichsten tritt uns die Umwälzung auf dem Ge- biete der Bekleidungsindustrie entgegen. Theoretisch wäre es ja denk- bar gewesen, dafs eine jede Stadt mit Einschlufs ihres Landbezirkes alle Bedürfnisse an Leinen und Wollenwaren selbst erzeugte, thatsäclilich aber sehen wir einen sehr bedeutenden Handel über grofse Entfernungen hin. Die verschiedene Qualität der Waren, die Sucht, mit fremden Stoffen zu glänzen, die Mode, welche auch jenen Tagen nicht fremd war, waren drei gewaltig wirkende Ursachen, um die „Stadtwirtschaft" zu durchbrechen.

So pulsierte ein kräftiges Leben in dem jugendlichen romanisch- germanischen Handel, der erstarkte Kreis einheimischer Kauf leute hatte

^ So weit ich sehe^ hat man diesen Punkt niemals herangezogen.

* Goldschmidt HO f. Röscher suchte die Ursache wesentlich in der Ab- schüttelung einer Handclsvormundschaft (Ansichten der Volkswirtschaft aus dem geschichtlichen Standpunkte 2 ^ 321—854).

154 Vierzehntes Kapitel.

die ihm unwillkommenen Lehrmeister nicht mehr nötig, er verdrängte sie, bez. schob sie auf einzelne Gebiete zurück, vor allem mit Rücksicht auf die Anschauungen der Kirche auf den Geldhandel. Im Norden Deutschlands thaten sich die Kaufleute zu Genossenschaften, zu Gilden zusammen, im Süden sind nur schwache Anläufe nachzuweisen. Doch wird man zweifeln dürfen, ob deswegen der süddeutsche Kaufmann so sehr viel weniger in die Fremde gewandert wäre, als der Norddeutsch- lands, wenn das zu einem Teile auch sicher der Fall ist.

So lange der Handel im wesentlichen Eigenhandel war, der Kaufmann mit seiner Ware von Ort zu Ort zog und sie nicht etwa einem Knechte anvertraute, mufste er das Bedürfnis nach einem socius empfinden. Wie wollte ein italienischer Kaufmann, der in Eng- land oder auf den Messen der Champagne Wolle kaufte, in seiner Heimatstadt die Verarbeitung des im Vorjahre erworbenen Rohstoffes überwachen und gar im Oriente noch den Verkauf der fertigen Ware leiten? Jeder Landtransport erheischte seine Begleitung. So trat an ihn die Forderung heran, zu gleicher Zeit an mehreren Orten selbst disponieren zu können, und das wurde durch die Gesellschaften er- möglicht, deren jedes Mitglied das Recht hatte, die Firma rechtsver- bindlich zu vertreten. Glücklich der Kaufmann, der Söhne im Geschäft hatte. Aus der Hausgemeinschaft (nach deutschem Rechte der Ganerb- schaft) wuchs die offene Handelsgesellschaft hervor. Wenn auch schon früh in Italien nicht durch Verwandtschaft und Hausgemeinschaft ver- bundene Händler sich freiwillig zu einer Gesellschaft zusammenschlössen, im wesentlichen blieb doch die Familie der Kern der italienischen Ge- sellschaften, nur so konnten sie ein Alter von 100 und mehr Jahren erreichen*. Eine solche Gesellschaft konnte die Lage des Weltmarktes überschauen, der Briefwechsel zwischen den einzelnen Genossen war sehr ^^S^} jft aus Siena ist schon von 1265 ein förmlicher Kursbericht er- halten, den ein Genosse seiner Firma von einer Messe in der Champagne heimsandte *. Die italienischen Gesellschaften hatten eine geordnete Buch- führung, Bruchstücke von Geschäftsbüchern aus Florenz sind schon aus dem dreizehnten Jahrhundert erhalten^. In Deutschland sehen wir uns

1 Für Italien vgl. Goldschmidt 271—290. Max Weber, Zur Geschichte der Handelsgesellschaften im Mittelalter nach südeuropäischcn Quellen 1889.

* Lettere volgari*

^ Andere jüngere Stücke sind nicht nur Bruchstücke. Vgl. auch die Zusammen- stellungen von Langlois 349 ff. Caraballese, Un nuovo libro die mercanti italiani alle fiere di Sciampagna. Arch. stör. ital. serie V. tomo 13, 357. Von einem aus Prato stammenden Notar, den der uns bald näher bekannt werdende Finanz- mann Philipps des Schönen Musciato in Burgund, der Auvergne und Troyes ver- wendete, rühren die Rechnungen her, die C. Paoli im Giomale storico della lettera-

Handelsorganisation. 155

in dieser Zeit vergebens nach Belegen für eine Buchführung um. Der italienische Stadtadel war in solchen Gesellschaften auch aktiv thätig, während die Söhne deutscher Kaufherren nur zu oft der Versuchung erlagen^ lieber den Ritter als den Kaufmann zu spielen. So empfingen schon im dreizehnten Jahrhundert zahlreiche Strafsburger den Ritter- schlag, andere freilich widerstanden , wie der Orofskaufmann Heinrich von Mülnheim.

Diese vorgeschrittenste Form des kaufmännischen Geschäftsbetriebes jener Tage findet sich auch im Norden Deutschlands ^, für Köln ist eine solche Gesellschaft schon für 1205 belegt, für die Seestädte sind Belege nicht selten, imd Stadtrechte wie die allgemeinen Rechtsquellen jener Gebiete er- weisen die Existenz offener Handelsgesellschaften. Im Süden finden sich, vom Osten abgesehen^. Beweise nur seltener. Das Augsburger Stadtbuch von 1276 kennt sie, und auch die Ordnungen über den Konstanzer Lein- wandhandel setzen voraus, dafs ein Konstanzer nicht Volleigentümer eines Linnenstückes, sondern Teilhaber ist, die knappen Angaben lassen es zweifelhaft, ob an ein Commendaverhältnis oder eine offene Handels- gesellschaft gedacht ist^. Wenn die süddeutschen Quellen also auch sehr wenig ergiebig sind, so beweist das nicht viel. Hier fehlten die nord- deutschen Stadtbücher, wie z. B. in Lübeck von 1311 60 geradezu Gesell- schaftsregister geführt wurden ^, und die süddeutschen Stadtrechte berück- sichtigen den Handel weit weniger als die des Hansagebietes. Aber das ist wohl anzunehmen, dafs der Norden Deutschlands dem Süden hierin voran war, die Zeit der grofsen süddeutschen Handelsgesellschaften war noch nicht angebrochen, und auf ihre Entstehung hat wohl noch mehr das Beispiel der italienischen eingewirkt, als das der nordischen^.

Eine Zeit, in der die Verkehrseinrichtungen noch auf der primitivsten Stufe standen, in der die Isolierung von Stadt zu Stadt so stark war^ dafs ein jeder, der sie durchbrechen wollte und der Kaufmann mufste es in eigener Person einkaufen, verkaufen, sein eigener Transporteur

tura italiana 5, 329 69 veröffentlichte. Es ist dieser identisch mit dem Ser Ciappe- letto, dem Heiden der ersten Erzählung des ersten Tages in Boccaccios Decamerone.

1 Schmidt, Handelsgesellschaften S. 12 Deventer, 17 Köln, 19 Biga, 23 Weifsen- see und öfter.

« Schmidt 48.

* Zeitschr. f. Gesch. d. Oberrheins 4, 48 »und das diu Unwat sin aigen sif und nieman an der Unwat kain gemainde Jiäbe, wan der aine seshaft burger ze Kosteme ist',

^ Rehme, Die Lübecker Handelsgesellschaften in der ersten Hälfte des vier- zehnten Jahrhunderts. Zeitschr. für Handelsrecht Bd. 42. Doch ist es auch da im Vergleiche zu Italien selten, dafs die Gesellschafter, welche Kapital einschossen, sich auch sämtlich dem Handelsbetrieb widmeten.

B So auch Schmidt 20.

156 Vierzehntes Kapitel.

und Briefbote sein mufste, war es ein dringendes Bedürfnis, die Zahl solcher Reisen zu vermindern, die Wege zu verkürzen und womöglich an einem Platze zu gleicher Zeit alle Händler zu vereinigen, mit anderen Worten den Grofshandel auf einen Ort und eine Zeit, d. h. auf eine Messe zu konzentrieren. Da das gröfste Risiko und die gröfste Arbeits- leistung beim Handel des Mittelalters in dem Transport beruhte, war die Bildung von Handelskarawanen eine Verminderung des Risikos, die stärkste aber das Zusammentreffen aller an einem Platze. Ein solches Rendez-vous aller abendländischen Händler und aller im Abendlande ge- brauchten Waren kam wirklich zustande, es wuchs langsam em])or, um im zwölften und dreizehnten Jahrhundert aus dem Gemeingefühle aller hier verkehrenden Kaufleute heraus eine Messe zu schaffen, wie sie nie wieder existiert hat, eine Handelsorganisation darzubieten, die in recht- loser Zeit Schutz gegen alle Rechtsverletzung erstrebte und meist auch erlangte.

Die Messen der Champagne sind es gewesen, welche seit der Mitte des zwölften Jahrhunderts bis in den Anfang des vierzehnten den Mittel- punkt des Waren- und Geldverkehrs bildeten. Sie waren der grofse internationale Ort für die Regelung des Welthandels und da der Verkehr zwischen Deutschland und Italien zu einem erheblichen Teile hier erledigt wurde, kann ich an ihnen nicht vorbeigehen. Alter vielleicht als sie waren die Messen, die in der nächsten Nähe von Paris stattfanden ^ ; aber selbst die Messe von St. Denis hat nicht die Bedeutung jener erreichen können. 1114 werden zuerst die von Bar und Troyes genannt, nachdem Troyes schon im fünften Jahrhundert Mefsplatz war^. Gewöhnlich be- gnügt man sich damit, auseinanderzusetzen, dafs die geographische Lage der Champagne diese Rolle eines Vermittlers zwischen der abendländischen Welt zugewiesen habe. Es ist richtig, dafs der Weg von Italien nach England, wie wir sahen, diese Landschaft durchschneidet; auch die Rhonestrafse führt vom Mittelmeere den Händler leicht hierher, wie die Champagne ja das obere Becken der Seine einschliefst. Aber nach dem Osten hin bilden der Argonnenwald und das Plateau von Langres bez. die Vogesen doch recht bedeutende Verkehrshindernisse. Und alle in der Gestalt der Erde gegebenen Vorteile haben später zu Gunsten von dem etwas weiter westlich gelegenen Paris entschieden, während die Champagne die Bedeutung verlor.

Die Champagne war damals auch politisch sehr bevorzugt. Sie lag unmittelbar an der Grenze des Deutschen Reiches, hatte nach Süden durch die Landschaften des Arelats und nach Nordwesten durch Ober-

^ Pigeonneau 1, 207. Fagniez, Documcnts 1, 43. 47. ' Goldschmidt 227. Huvelin, Essai histor. 245.

Messen. 1 57

lothringen Verbindungen mit dem Auslande, welche von Frankreich un- abhängig waren. Eine Champagne, die völlig unter der Macht des fran- zösischen Königs stand, hätte alle die Kämpfe Frankreichs mitmachen müssen, die Champagne des Hochmittelalters war aber unabhängig genug, um diesen Gefahren zu entgehen.

Die Namen der kleinen Mefsstädte sind z. T. dem deutschen Ohre völlig unbekannt geworden : Troyes an der oberen Seine und Bar an der Aube waren die östlichen Plätze, die westlichen Provins in der Land- schaft Brie nördlich der Seine, südlich der Marne und das bis dicht an Paris herangeschobene Lagny (an der Marne). Auf diese vier Orte ver- teilten sich sechs Messen in der Art, dafs sie einander ablösten und fast das ganze Jahr umfafsten. So wurde die Champagne die Stätte eines nur durch wenige Wochen unterbrochenen Mefslebens*. Vier von diesen Messen folgten ohne jeden Zwischenraum aufeinander*. Die „warme Messe" von Troyes (foire chaude oder Johannismesse) hub an am Diens- tag, nachdem mindestens vierzehn Tage seit Johanni verflossen waren. Der erste Termin konnte somit der 9. Juli sein, der späteste der 15. Die Messe hatte einen festen Endtermin mit dem 14. September (Kreuz- Erhöhung), am gleichen Tage begann die Aigulfusmesse in der Unter- stadt von Provins, die diesen Namen nicht etwa nach dem Tage dieses Heiligen führte, dessen Fest am 22. Mai gefeiert wird, sondern nach dem Kloster, dem die Messe offenbar gehört hatte ^. Mit Allerheiligen (1. November) schlofs sie, am folgenden Tage begann der Marktbetrieb wieder in Troyes, wo die Remigius- * oder kalte Messe nunmehr bis zum 1. Januar dauerte. Dieser Termin ist freilich nicht zu allen Zeiten gültig gewesen, noch im dreizehnten Jahrhundert war der 23. Dezember der Schlufstag, später aber wurde die Messe verlängert, und sofort begann dann mit dem 2. Januar die Messe von Lagny ^.

Die beiden letzten Messen hingen von dem Kirchenjahre ab und konnten also sich (gleichmäfsig) stark versciiieben. Die Messe von Bar sur Aube begann Dienstag vor Mitfasten (Laetare), der Anfang konnte also auf alle Tage vom 24. Februar bis 30. März fallen, und dcment-

* Huvelin S. 247 macht mit Recht darauf aufmerksam, dafs auch die Messen von Frankfurt a/M. und a/0. und Leipzig im siebzehnten Jahrhundert eine zeitlich geschlossene Gruppe bildeten und als solche betrachtet wurden.

* Vgl. vor allem Goldschmidt, Die Geschäftsoperationen der Champagner Messen, in Zeitschr. f. Handelsrecht 40, 9 und Huvelin 249. Die Termine haben sich mit der Zeit freilich etwas verschoben.

' Noch später zum Teil. Vgl. die legendarische Erzählung über die Schenkung an S. Ayoul Bourquelot 1, 70 f. Gab es eine translatio sancti Äigulfi?

* Auch dieser Name hat mit dem Remigiustage (13. Januar) nichts zu thun.

* Nach Bourquelot 1, 80 hätte sie sich bis Montag vor Laetare erstreckt, hätte also eine sehr verschiedene Dauer gehabt. Ein Beweis fehlt.

158 Vierzehntes Kapitel.

sprechend verschob sich der Anfang der Maimesse in der Oberstadt von Provins, wo in den Gebäuden wohl noch am meisten die Erinnerung an die Mefsherrlichkeit von einst sich erhalten hat, (von Dienstag vor Himmelfahrt) vom 28. April bis zum 1. Juni. Da die Mai- oder Johannis- messe 46 Tage dauerte, blieb stets ein kurzer, mitunter aber sehr be- trächtlicher Zwischenraum zwischen ihr und dem Cyklus der vier Messen. Im umgekehrten Mafse wuchs oder verminderte sich die kleine Pause vor der Barer Messe.

Die Zeiteinteilung der Messe war an den vier Mefsplätzen fast die gleiche. Nach einer Vorwoche von acht Tagen, in der die Waren noch ohne Zoll zurückgezogen werden konnten, folgte die Tuchmesse, deren Abschlufs am zehnten Tage mit der Ära pannorum (hare de dras), d. h. dem Gerüfte der Mefsdiener erfolgte. Die Zahlzeit erreichte vierzehn Tage später ihr Ende durch das rectum pagamentum. Noch blieben die Wechslerbuden vierzehn Tage stehen, und dann folgten die vier letzten Tage, in denen die Mefsbehörde ihre Briefe gegen säumige Schuldner ausstellte. Daneben lief die Messe der Gewichtswaren 25 Tage lang^. Eine Leder(Corduan)messe hatte gleichfalls ihre Termine. Weniger unter- richtet sind wir über die Formen des Handels mit Pferden und Vieh, . mit Wein und Getreide, wie mit Salz. Jedenfalls kam keine Messe denen der Champagne an Ordnung gleich. In den Folgen am wichtigsten wurde der Geldhandel. Die Gläubiger forderten gewöhnlich die Bezahlung der Schuld einige Tage vor Ära pannorum (z. B. quaiuor diebtis ante- quam clametur Hare , Hare) , natürlich zu dem Zwecke , . um die Gelder auf der Messe selbst noch auch im Tuchhandel verwenden zu können. Die Blüte der Champagner Messen beruhte vor allem auch auf der weisen Politik der Grafen von der Champagne, die sich aller Experimente enthielten und auf jede Weise dafür sorgten, dafs der fremde Kauftnann das Vertrauen behielt. Dieses stärkte wiederum die Autorität der Messen und die Macht des Grafen. Nicht die materielle Macht eines gewaltigen Reiches, das den Frieden garantieren und jede Störung desselben be- strafen konnte, hat den Messen eine fast unbestrittene Autorität gegeben, sondern die Klugheit und Weisheit der Verwaltung der Messen, der sich im eigenen Interesse willig weitentlegene Städte unterwarfen. Die Grafen von der Champagne konnten materiell das freie Geleit nur in ihrem Bezirke verbürgen, sie schufen dafür die Vorbilder der Verkehrs- privilegien, sie verzichteten auf das Recht der Repressalien und des Arrestes wegen anderer Vergehen und Schulden, als die mit der Messe

^ Ich folge hier den Schau besehen Berechnungen des Verlaufes der Kalten Messe von Trojes, die nach ihm am 23. Dezember schlofs. Vgl. im übrigen Gold- schmidt, Geschäftsoperationen.

k

Messen. 159

zasammenhingen. Was sie da schufen, konnten auch andere Landes- herren nachahmen.

Die gewonnene Autorität schuf aber auch auTserhalb den Messen ein solches Ansehen, dafs der Graf, bez. seine Vertreter auf den Messen, die custodes nundinarum (gardes des foires), bis nach Italien hinein den verfolgten, der dort Mefsbesucher zu stören wagte ^. Auf der Messe wurde eine fachmännische und schleunige Gerichtsbarkeit geübt, die custodes nundinarum waren keine Beamte von Haus aus, sondern wurden meist den Kaufleuten entnommen^, das Mefsgericht erkannte den Mefs- schulden einen Vorzug zu, und die Mandate gegen säumige und flüchtige Schuldner blieben nicht, wie so viele mittelalterliche Urteile, ohne Wirkung; denn es gab ein Mittel, um die Heimatsbehörden sich willig zu machen. Wenn über eine Stadt der Mefsbann ausgesprochen wurde, so war ihr Handel auf das schwerste geschädigt, und es blieb ihr nichts anderes übrig, als nachzugeben. Der Mefsbann wurde über Städte wie Florenz, Lucca und Köln und über Grafen wie den von Savoyen ver- hängt^. Das Interesse der Kaufleute gebot es also, eine solche kauf- männische Exkommunikation zu vermeiden^.

Die Leitung der Messe war den gardes des foires anvertraut, welche die Aufsicht, die Polizei, das Gericht und den Strafvollzug besorgten und in der Handelswelt Ordnung hielten. Sie waren einerseits die Ver- treter des Grafen auf der Messe, wie andererseits die Häupter dieser Kaufinannswelt, für deren Bestes sie arbeiteten. Unter ihrer Aufsicht standen die einzelnen nationalen Korporationen.

Zu den Messen strömten die Menschen aller Länder des Abendlandes

' So unterwarfen sich die Piacentiner dem Willen der Custoden, welche frei- lich zur Drohung mit dem Mefsbanne greifen mufsten, weil 1242 zwischen Lodi und Pavia Kauf leute aus Florenz, Siena, Pistoja, Lucca und Pisa von Piacentinem beraubt waren. Bourquelot 1. 178.

' Das ist hervorzuheben. Morel (Les juridictions commerciales au moyen-äge. Paris 1897) sieht in der Einrichtung der 1174 zuerst erwähnten custodes nundinarum eine Einwirkung der Organisation der italienischen Kauf leute im Auslande. Danach müfste die später zu erwähnende Genossenschaft der italienischen Mefsbesucher älter sein als 1174, was sich nicht beweisen läfst. Beide Organisationen erstrebten eine schnelle, einfache, fachmännische Rechtsprechung.

' Goldschmidt 232 N. 164 betr. Köln siehe unten. Gegen Gnif Amadeus V. von Savoyen wurde die »defcnsa* ausgesprochen, weil er zwei Boten des capitaneus gefangen gehalten hatte. 1288 gab der Graf nach. Mon. bist. patr. Chart. 1, 1607. Florenz wurde 1298 mit dem Mefsbanne bedroht wegen einer Sache, in der es sich um 16 €6 kleiner Tumosen handelte. Berti, Documenti S. 264.

* So kamen die sehr energischen Bestimmungen italienischer Statuten zustande, wie das Kap. 30 der Statuti di Monza über den Schuldner, der Kredit ge- nommen: »tempore nundmarum Campanie Briantie vel in partibuif de idtramontihus vd in quacunque parte Ytalie,"

160 Vierzehntes Kapitel.

herbei, selbst der Norden Europas war nicht unvertreten. Vorzüglich traten aber hervor die Vlaemen und Italiener. Jene hatten mit andern nordfranzösischen und braban tischen Städten den Bund der 17 Städte geschlossen, die „Hansa von London" oder die vlaemische Hansa, welche ihre Tuche nach der Elle der Champagne mafsen und sich verpflichteten^ sie zuerst dort zum Verkauf zu stellen^.

Noch zahlreicher pflegten die Italiener zu erscheinen. Selbst ein Mönch wie Salimbene, der Minorit von Parma, hielt sich 1247 vierzehn Tage in Troyes auf, ^ei erant ibi multi mercatores lombardi et de Tmcia, nam ibi fiunt nundinae, quae dfMhus mensibus durant, sicut et Pruvini': ^. Weitere Belege über den Aufenthalt von Italienern brauche ich nicht anzuführen^. Sie bildeten sicher seit. 1245 einen Verband*. Es wider- sprach doch durchaus ihrem Geiste, dafs sie von Fremden gerichtet werden sollten, es war ein überall von ihnen zur Geltung gebrachtes Prinzip, dafs die Bürger einer jeden Stadt auch in der Fremde mög- lichst nur vor heimischen Richtern sollten gerichtet werden. Wo nur eine geringe Zahl von Piacentinern versammelt war, mufsten sie aus sich einen Konsul erwählen **. Der municipale Geist und der lebhafte Sinn für eine legale Form, die uns in aller italienischen Stadtgesetz- gebung entgegentritt, stiefs also direkt gegen das Fundament der Messen der Champagne, das eine prompte Justiz seitens der Mefsrichter versah, deren Sprüche internationale Gültigkeit erstrebten. Ein Ausgleich beider Prinzipien wurde darin gefunden, dafs die Konsuln der verschiedenen Städte sich einen Capitaneus universitatis mercatorum setzten, der zwischen den Italienern nach dem heimischen Rechte entschied, der aber flir seine Urteile kein Exekutionsrecht besafs. Er vertrat zugleich alle Interessen seiner Landsleute. Das Muster scheint die Organisation der Provenyalen gewesen zu sein. 1245 bestand aber bereits eine Vereinigung der römi- schen, toscauischen und lombardischen Kaufleute auf den Champagner- messen, der Graf Theobald in der Unterstadt von Provins ein Haus überwies, das als fondaco während der Aigulfusmesse dienen sollte^.

^ Zuerst erwähnt 1240 Ashley 1, 125 Ann. 129. Bourquelot 1, 134 f. und sonstige Litteratur.

' Mon. hist. ad provinc Parmens^em et Placentinam pertineutia 3, 88.

* Doch vgl. den Brief der gariles des foires von 1299 über die Beraubung des Anselmes de Novaires citoiens et marcJhant de Milan. Er wurde auf dem Wege von Mailand zur Messe von Bar von Adligen im Orte »Sechins* in der Nähe von Besan^on angehalten. Urk. bei Statuta civitatis Novariae ed. Ceruti S. 404.

* Vgl. Goldschmidt 195—200. Bourquelot 1, 168 f., 253 ff. Pigeonneau 1, 216 f. Fi ton, Les Lombards 1, 30. 32 f. 221. 227. Die Abgaben der Italiener, die lomharderie u. s. w. lasse ich hier ganz aufser Betracht.

''» Vgl. Gold Schmidt 182 Anm. 146. Florenz hatte als Mindestzahl 12.

* Layettes du tr^sor des chartes 2, 586.

Messeo. 161

Näher sind wir unterrichtet über den Verband der italienischen Kauf- leute, welche sich bereit erklärt, den Handel nicht mehr von Montpellier, sondern von Nimes aus, wo zuerst das Königreich Frankreich am Mittel- meer eine Handelsstadt gewann, nach Frankreich hinein zu betreiben. König Karl der Kühne schlofs Februar 1278 mit ihnen einen Vertrag, einen Merkstein in der französischen Handelsgeschichte*. Später war diese Organisation für Nimes mit der für die Champagnermessen, die aus- drücklich als Vorbild jener schon bei der Gründung 1278 bezeichnet wurde, verschmolzen, und nun führte diese dauernde Vereinigung flir den Welthandel den Titel : »universiias mercaiorum Italiae nundinas Com- paniae ac regnum Fr an et ae frequentantiufnt^.

Selbstredend hatte sie ein eigenes Siegel®. Es war kein Bündnis der Städte, die sich in der Heimat ja vielleicht befehdeten, sondern eine Organisation der Kaufleute, eine Schöpfung der Heimatsliebe und des politischen Kalküls zugleich.

In den bezüglichen Urkunden werden regelmäfsig Genua, Asti, Alba, Mailand, Venedig, Bologna, Lucca, Pistoja, Florenz genannt, selten und wohl nur zuföllig fehlen Piacenza, Siena und Rom. Vereinzelt erscheinen Como, Parma, Prato, Urbino und Orvieto. Die Capitanei, deren Heimat wir kennen, entstammten Piacenza, Mailand und Florenz*.

Die engen alten Beziehungen der Italiener zu den Messen drückten sich auch darin aus, dafs Bischof Heinrich von Troyes und Graf Hein- rich I. von der Champagne (vor 1158) das Hospital auf dem Markte von Troyes dem Kloster auf dem Grofsen St. Bernhard unterstellten*^. Derselbe Graf schenkte den Mönchen später noch die Hälfte des Zolles von den Leinenstücken, die zu Provins verkauft wurden*.

Die italienischen Städte hatten Boten, die die Verbindung zwischen Messe und Heimat aufrecht erhielten, der Dienst war wohl organisiert,

' Goldschmidt 195 und die dort nicht erwähnten Stücke Fagniez 1,302 u. 307 und Donoaud, Commercio 131 flP.

' So 1294, daneben auch andere Formen, so *Mwtwr«itox et sociäas mercatorum et cambitorum Lombardorum^ Italicorum et nliranuyntan&nim omnivm nundmas Cam^ panie, cintatem Nemausum et jtroi'htciam I^arbofiensem frequentantium.» 1298 waren in der Gesellschaft auch die Provenzalen, ob nur für eine kurze Zeit, ist zweifelhaft.

' Nur Bruchstück von dem 1277 gebräuchlichen erhalten. Abgebildet bei Pigeonneau 1, 249. Fi ton 1, 123. Ein vollständiges, aber abweichendes mit der Umschrift: *.s. socidatis mercatorum lumbardorvm in Fnmciaf' bei Fi ton 2, 103.

* Piacenza: Fulco Cacii 1278. Lanzelotto Cuccherla 1294. Mailand: Rogeriua de Casace jurisperitus 1288. Albertus Medicus (de Medicis) 1293 und 97. Florenz: Jacques du Front 1299.

^ Gremaud 29, 93. 94. »hospitale quod Domus Bei rocatur,*

<* Gremaud 29, 512 zwischen 1159 u. 1177. »medietatem telmiei de teils que Pruvini renduntur.* Bourquelot 1, 202.[" Die Kette der Besitzungen des Hospizes beweist überhaupt für den regen Verkehr nach der Champagne. S. oben S. 82.

Schulte, Gesoh. d. mittel alterl. Handels. I. 11

\Q2 Vierzehntes Kapitel.

nach dem Termin der Reise hiefsen die Boten : Cursor de pagamento oder Cursor de ara. In zwanzig Tagen legte ein Bote die Strecke von Lagny bis Florenz zurück^.

Die verschiedenen Nationalitäten, welche regelmäfsig die Messen besuchten, erwarben wohl ein eigenes Haus oder mieteten es, so hatten die Lucchesen einen solchen fondaco in Provins^, die Lombarden ebenda^, die Piacentiner in Trojes^, 1188 gab es einen vicus Anglie in Lagny ^. Selbst kleinere Städte wie Valencia oder Lerida hatten ihre Quartiere, die gröfseren hatten z. T. an allen vier Orten solche^.

Die deutschen Kaufleute besafsen in Troyes ein Heim, die mnisan aux AlemanZj wo sie ihre Leinenzeuge verkauften^. In Provins, Unter- stadt, gab es eine mit Wohnräumen und Kellern versehene Gasse der Deutschen^. In Bar sur Aube gab es eine court aux Allemands und eine deutsche Gasse, die 1265, der vicus AUemannorum schon 1261 er- wähnt werden®. Eine ^maison de Bcuilet wird in Rechnungen von 1340 41 erwähnt, doch kann sie viel älter sein^®.

Die ältesten Nachrichten, welche sich auf den Verkehr von Deutschen auf den Champagnermessen beziehen, haben wir wohl in den Urkunden Kölns ftir Verdun von 1178 zu suchen, obwohl direkt nur von der An- wesenheit von Virtenern in Köln die Rede ist**. Zahlreich sind die Nachrichten, worin für niederrheinische Schuldner als Zahlungsplatz eine der Champagnermessen bestimmt wurde. Würde das noch nicht das Erscheinen der Kölner Kaufleute auf den Messen beweisen, so geht das unzweifelhaft aus der Bitte der Kölner hervor, dafs der tiber ihre Stadt verhängte Mefsbann, den sie wegen der Säumigkeit des Erzbischofs zu tragen hatten, aufgehoben werde **. Die Geschichte des Geldhandels wird uns überhaupt die Champagnermesse als den Mittelpunkt des Geldverr kehrs, als die grofse Börse des dreizehnten Jahrhunderts kennen lehren.

1 Huvelin, Les courriers des foires de Champagne in Annales de droit commercial fran^ais, Strang, et international. 1898. ' Bourquelot 2, 15. » Ebda. 2, 15.

* Piton 1, 227.

^ Bourquelot 2, 24.

* S. über die zahlreichen Häuser in Troyes Bourquelot 2, 8. 10. •^ Bourquelot 2, 8 zu 1288. 1, 199 f. Hans. Urkb. 3, 15 Anm.

8 Erwähnt 1211. Bourquelot 1, 199. 2, 18. Hans. Urkb. 3, 15 Anm.

^ Leider ist hier Bourquelot 1, 199 und 2, 29 in seinen Angaben zu knapp. Hans. Urkb. 3, 15.

*• Bourquelot 1, 202.

" Hans. Urkb. 1, 17 u. 19.

^' S. weiter unter dem Geldhandel.

Messen. 168

* Bei den Dichtern findet sich bei Schultz nur ein einziger Hinweis auf den yjärmarkt zt ProvU^ *.

Genauere Nachrichten über deutschen Warenhandel auf diesen Messen haben wir nur aus Strafsburg, Augsburg, Basel und Konstanz, und die Urkunden der Bodenseestadt werfen ein helles Licht in die so überaus dunkle Geschichte des Handels jener Tage. Was wissen wir über das Leben auf den deutschen Messen und Märkten?

Die Strafsburger Urkunde von 1229 nennt freilich nicht ausdrück- lich die Messen. Es heifst in ihr, Herzog Theobald von Lothringen habe die Bürger von Strafsburg schwer geschädigt, daraus seien Streitig- keiten zwischen Bürgern von Strafsburg und Saarburg entstanden. Der Ausgleich soll erfolgen, indem die Strafsburger auf den Messen (in nundinis) von den Saarburgern eine Umsatzsteuer von Vi so, die Saar- burger umgekehrt eine solche von ^/24o erheben, bis der Schaden beider- seits hergestellt ist Unter den Messen sind wohl keine andere als die der Champagne zu verstehen '^. In dem Tarife des Zolls auf der Wertacb- brücke bei Augsburg handelt ein Absatz von dem Kaufinann, der nicht nach Venedig fährt, sondern gen Frankreich^.

Der Konstanzer Rat hat 1283 den Leinwandhandel in der Stadt ge- ordnet, das Ziel war, eine einheitliche gute Ware herzustellen, welche den Namen der Stadt emporbringen sollte. Als Käufer am Markte wurde der Grofshändler begünstigt, der Zwischenhandel war untersagt, der Export sollte gefördert werden^. Die Interessen des Händlers und Exporteurs aind auch in den beiden Ordnungen von 1289 über den Leinwandhandel auf den Champagnermessen gewahrt '^. Es galt hier die Konkurrenz der Konstanzer Verkäufer untereinander aufzuheben und das Ansehen der Konstanzer Kaufmannschaft zu stärken. Die Beschlüsse wurden nicht allein vom Rate, sondern auch von der Kaufmannschaft gefafst. In den vier Mefsorten hatten die Konstanzer ihr eigenes Haus, in dem nur Bürger Leinwand auslegen durften®; jede Vermittlung war untersagt,

^ Rupr. V. Wärzburg. Schultz 1, 510.

« Strafsb. ürkb. 1, 170.

' »Ein ieglich burger von sinem wdeUchen kau f schätze ^ der ein koufmmi ist, der 8ol gehen von sinem wdeUchen kauf schätze unde swa^ er darumhe her wider bringet ein

halp phunt phoeff'ers ze jar zolle Ist aber em ander burger , der gen Venedic

niht vert Wide gen Frankriclie vert, der körn gulte hat und da^ her in füret unde hew v/nd stcaz, er her in füret y der sol auch geben ain halp phunt pfoeffers zejarzoUe.* 1282 Monum. BoicaSS^ 161. Ist die Bestimmung so zu verstehen, dafs der Augsburger nach Frankreich Waren (wohl Leinen) bringt, von dort aber nichts mit heimschafft?

« Statut vom 15. April 1283. Zeitschr. f. Gesch. d. Oberrheins 9, 20 f. Vgl. Gothein 458—61.

* Zeitschr. f. Gesch. d. Oberrheins 9, 48 f.

^ »In unseren kusem ze Pare, ze Treys, ee Prufi^ und ze Ldm.*

11*

164 Vierzehntes Kapitel.

der Bürger mufste Eigentümer der Leinwand sein oder Anteil an ihr haben. Zu gleicher Zeit sollen alle Konstanzer den Verkauf beginnen und ein jeder soll den Preis, zu dem er verkauft, bekannt geben. Die Konstanzer Handelsgenossen sollten etwa notwendig werdende Gesandt- schafts- oder Prozefskosten, um Waren, die auf dem Wege angehalten waren, wiederzuerhalten, gemeinsam tragen. Eine Umsatzsteuer von einem Pfennig auf die Mark sollte dazu dienen. Diese Organisation, welche offenbar andere städtische Verbände auf den Messen nachahmte^ wurde zunächst nur auf zehn Jahre geschaffen. An den Strafen sollte ein Viertel als Anteil an den Marktherren fallen. Auch der Brief der Baseler an Konstanz von 1272^ hängt wohl mit dem Handel der Konstanzer nach den Messen zusammen, ihr Weg fUhrte über Basel. Und dasselbe dürfte der Fall sein bei dem Überfall, den Konstanzer 1298 oder 99 durch den Grafen Theobald von Pfirt erlitten^.

Neben den tela, den Leinwandstücken, werden von deutschen Waren Eichhörnchenfelle, graues Wollentuch und das Silber von Freiburg als Mefswaren bezeichnet®.

Für die Höhe des Verkehrs auf den Champagnermessen haben wir drei verschiedene Quellen. Einmal die Angaben über den Ertrag von bestimmten Mefseinkünften, dann solche über zwei wichtige Zölle, welche von der Zufahrt zu den Messen gespeist wurden. Der eine ist der Zoll von Bapaume, wo die Eingangspforte der Waren aus dem flandrisch- englischen Gebiete war, der Ertrag belief sich 1285 auf 2400 livr. Paris., 1286 auf 2600, 1301 auf 3200; infolge des ausbrechenden Krieges mit Flandern sank die Ziffer bedeutend, 1302 noch 3250, 1303: 1226, 1304: 1554, 1305 (Friede): 1374, 1306: 1900, 1307: 8200, 1310: 3250. Dann begann wieder der Kampf*. An dem Eingang zum Grofsen St. Bern- hard lag der Zoll von Villeneuve bei Chillon am Genfersee. Vom Januar 1286 passierten hier in 213 Tagen 2211 V's Ballen von französischen und lombardischen Tuchen, 1448 Ballen Wolle und Felle und 80 Lasten Tuche und Kramwaren ^. Die Ziffern beweisen einen sehr lebhaften Handel mit Tuchen, die Ziffer der Wollballen bleibt insofern zweifelhaft, als die Ergebnisse der Schuren in England nicht schon vor dem 10. August am Genfersee eintreffen konnten, in dieser Zollrechnung also fehlen. Minder hoch sind schon die Ziffern für 1022 Tage vom 30. November 1294 an, es wurden verzollt 11858 Ballen und 722 Lasten. Für den

1 Baseler Urkb. 2, 52. « Unsere Urkunden Nr. 326.

* Bourquelot 1, 200 Wegnahme in Lothringen 1250. Wegen des Silbers s. oben S. 146.

^ Die Zahlen ergeben sich aus Fi not, Etüde bist.

^ Cibrario 398. Man möchte sehr gern eine Specialisierung kennen.

Messen.

165

Verkehr über den Grofsen St. Bernhard ist auch von Bedeutung zu wissen, dafs 1283 2225 gewöhnliche und 99 englische Pferde Bard passierten ^.

Über die Erträgnisse der Messen an Gebühren, welche in die gräf- liche bez. königliche Kasse flössen, hat Bourquelot für 1275, 85, 87, 88, 06, 98/99, 1310, 20, 23 und 40/41 ZiflFern meist aus den Rechnungsbüchem mitgeteilt ^. Es hat ja seine Bedenken, diese ZijBTem ohne die Taxen zu haben und die Bedingungen der betreiSenden Jahresmesse zu kenneUi piiteinander zu vergleichen. Immerhin geben sie aber ein Bild von der höchsten Blüte, die wohl in die beiden letzten Jahrzehnte des dreizehnten Jahrhunderts fällt, aber auch von dem rapiden Niedergange, den wir später zu besprechen haben.

Lagnj

Bar

Provins

Troyes

Provins

Troyes S. Re- migius

8. Aube

Mai

f. chaude

Aigulf

Eztenta terrae comi-

tatus Campanie et

Brie. Um 1275 .

2000

800

1800

1000

700

Begister der Chambre

des comptes. Um

1296

1813

2140

1925

1375

1554

1386

Alte ( früher . . . Motiz \ jetzt . . .

1600-1800

800 900

800—900

1000—1100

160

700

250

300

450

60

1340-1341 ....

260

280

180

155

177

Das ergäbe eine Einnahme von fünf Messen (Lagny aus- geschlossen) um 1275 von 5800 livree

ebenso 1296 von 8380 livres

fünf Messen (Provins Mai ausgeschlossen) 1340/41 von 1152 livres

Diese Ziffern reden eine deutliche Sprache. Bald war die Zeit ab- gelaufen, wo hier die internationalen Geschäfte geregelt wurden, wo die Champagne der ständige Mefs- und Zahlungsplatz der abendländischen Welt war, insbesondere verschwanden die Italiener, und damit endete auch der Umweg, den ein grofser Teil des deutsch-italienischen Handels genommen hatte. Hatte das Haus der Deutschen in Troyes 1285 der Herrschaft zur Johannismesse 188 it 10 ß und zur Remigiusmesse 35 U

J Cibrario 397. « 2, 195-201.

150 Vierzehntes Kapitel.

getragen, im folgenden Jahre gar 217 ^ 10 /? und 70 ^ 17 jj, so molBte der Rechner auf der RemigiuBmesBe von 1320 sieh begnügen, 10 ß einzutragen, Gewölbe und Keller hatten nicht einen Pfennig Miete ein* gebracht ^

Es mulste naheliegen, den Verkehr von diesen Messen nach Deutsch- land zu ziehen, und wirklich ist er in den Tagen Friedrichs II. gemacht worden. Ya ist eine bewufste Nachahmung der Messen der Champagne, wenn der Staufer anordnete, dafs an sieben Orten der festländischen Teile seines sizilischen Reiches, in Sulmona, Capua, Lucera, Bari, Tarent^ Cosenza und Reggio, in bestimmter Folge jährlich allgemeine Messen gehalten werden sollten*. Seine deutschen Verfügungen sind nicht so klar, aber sie lassen keinen Zweifel darüber, dafs er am Rheine in mehreren Städten ähnliche Messen einrichten wollte. Bald nach der Begründung von Oppenheim, jenem Muster einer königlichen Burgstadt mit den beiden Centren: einer Burg und einer Stadt, verlieh er ihr das Recht, neun Tage vor und neun Tage nach Martini eine Messe (nundinae generales) zu halten^, und wenige Jahre später kamen die Oppenheimer mit der Bitte, von der Osteroktave an während vierzehn Tagen eine Messe (annuas nundinas) veranstalten zu dürfen, was ihnen gewährt wurde*. Einigen Erfolg müssen die Oppenheimer gehabt haben ^, wenigstens bewarben sich die lieben Nachbarn in Worms und Speyer um dasselbe Recht, und der Kaiser gab es und zwar so, dafs die Oppen- heimer Messen zeitlich zum Teil mit den neuen zusammenfielen. Die Wormser Messe sollte vierzehn Tage nach Ostern beginnen und vierzehn Tage dauern*. Die von Speier von Simon und Juda (28. Oktober) an aber elf Tage ''. Der Kaiser forderte alle Kauf leute aus der Nähe und Feme auf, diese Messen zu besuchen. Die Speierer wandten sich auch sofort an alle im Reiche belegenen Städte und Dörfer und an die übrigen Kaufleute, welche Messen besuchten, mit der Aufforderung, zu den Messen zu erscheinen. Sie verkündeten das freie Geleit des Königs und dafs sie die Hälfte des Zolles nachliefsen, besonders begünstigt seien nach

^ Bourquelot 1, 199 f. und Hans. Urkb. 3, 15 Anm.

» Böhmer-Ficker 2037. 1234 Januar.

« Böhmer-Ficker 1635. Franck, Gesch. v. Oppenheim 229. 1226 Juni.

* Böhmer-Ficker 2153. Franck 231. 1236 Mai.

In der Erneuerung Karls IV. von 1378 heifst es allerdings, dafs sie bisher des Jahrmarkts nicht gebraucht haben. Franck, Urkb. Nr. 123. Doch kann der Jahr- markt sehr wohl an Bedeutung verloren haben.

« Böhmer-Ficker 3373. Wormser Urkb. 1, 144. 1243 August.

^ Böhmer-Ficker 3488. Hilgard 54. 1245 Juli. Die neu eingerichtete Bamberger Messe wurde vom 1. Mai drei Wochen lang abgehalten. Böhmer- Ficker 8481. Die Urkunden sind nach gleichem Formular gearbeitet, auch die Wormser.

Messen. 167

altem Rechte die Städte Utrecht, Köln, Trier und Worms and die dazu gehörigen Diöcesanen*.

Friedrich hatte zwar hinzugeftlgt, dafs diese Messen benachbarten gleichzeitigen nicht abträglich sein sollten, aber das war doch undenkbar. Es konnte nicht ausbleiben, dafs auf solche Weise die sämtlichen neun Messen nicht zu wirklichen Handelsmessen aufblühten, sondern hand- werkerliche und bäuerliche Zusammenkünfte blieben, die den Welthandel nicht beeinflufsten. Irgend eine andere Nachricht über diese Messen ist mir sonst fUr das dreizehnte Jahrhundert nicht bekannt geworden.

Von allen süddeutschen Messen, die in den Tagen Friedrichs II. gegründet oder gefördert wurden, gewann allein eine hohe Blüte, die Frankfurter Messe. Der älteste urkundliche Beleg flir sie ist der Schutzbrief des Königs von 1240*. Ist sie nicht vielleicht von ihm begründet?

Die Messen von Nördlingen und Zurzach, welche später gleichfalls eine internationale Bedeutung gewannen, sind für diese Zeit noch nicht belegt, doch dürfte mindestens die Verenamesse von Zurzach schon be- standen haben ^.

Rudolf hat Heilbronn eine dreiwöchentliche Michaelismesse*, Albrecht dem späteren Könige Heinrich ^nundinas general€S€y welche sechs Wochen lang in Luxemburg abgehalten werden sollten^, dieser endlich Hagenau zwei vierzehntägige Messen* gegeben.

Eine Messe fand übrigens innerhalb der Alpen statt und zwar unter- halb der Burg von Lags, dem Sitze der Grafschaft für Oberrhätien. Das Habsburgische Urbar giebt das Recht der Messe, aufser Pferden und Vieh wurden da Tuche, Schuhe, Kram, Salz, Wein, Stahl und Eisen verhandelt, und der Markt mufs recht beträchtlich gewesen sein; denn

> Hilgard 55 1245 August 24.

« Böhmer-Ficker 3128. Böhmer, Cod. d. Moenofrancof. 68. VgJ. Bücher, Die Bevölkerung von Frankfurt, a. M. 1, 504. Auch sie werden als nundinae be- zeichnet. Sie fanden wenigstens im folgenden Jahrhundert zwischen Maria Himmel- fahrt (15. August) und Maria Geburt (8. September) statt.

' Friedrich 11. ahmte übrigens das Beispiel seines Grofsvaters nach, der für die flandrischen Kaufleute zwei Messen zu Aachen und zwei zu Duisburg so ein- richtete, dafs sie je vierzehn Tage dauerten und sich nicht berührten. Hans, ürkb. 1, ISflP. 1173Mai 29. M.G. Constitutiones 1 Nr. 289. Die alten Kölner Messen standen schon in den Tagen Annos in hoher Blüte, waren aber eingegangen. Auf die grofsen flandrischen Messen zu Thourout, Messines, Lille und Ypem, die damals von Franzosen und Italienern eifrig besucht wurden, ist hier nicht einzu- gehen. Vgl. Pi renne 1, 192.

* Böhmer-Redlich 2202 zu 1288.

6 Winkelmann 2, 184.

« Böhmer, Reg. 316.

168 Vierzehntes Kapitel

die Kaufleute von Lugano muTsten 10 ü Pfeffer bezahlen , was doch ursprünglich gewifo für sie ein Vorrecht gewesen war*.

Auch die italienischen Messen dürften deutsche Besucher gesehen haben, vor allem auf die vier Mailänder dürften sie gekommen seiui Bonvesin sagt, sie seien von unzähligen Kauf leuten aufgesucht worden '.

Der grofsen Messen von Ferrara Glanzzeit war vorüber, auf die Venetianer kann ich nur hinweisen. Auch die zu Piacenza, Pavia und Genua waren nicht ohne Bedeutung^.

1 Das habsb. Urbar 1, 528.

« S. 113.

s Huvelin 280.

Dritter Teil.

GESCHICHTE DES VERKEHRS VON DER ERÖFFNUNG DES GOTTHARDS BIS ZUR DOPPELWAHL VON 1314.

Fünfzehntes Kapitel. Der St. Ootthardpafs.

Erste Erwähnung, Die stäubende Brücke erster Triumph der EisenUchnik, Die Eröffnung eine Folge des Vordringens der Deutschen in die Hochalpen, Urseren will lokale Verbindung, scfiafft eine internationale.

Wann er fdgte die Eröffnung? Bedeutung Bellimonas. Kämpfe, Reichsgut, wieder verloren, Triumph Mailands. Politik des Reiches am Nordfufs, Uri von Habsburg ans Reich. Reichsgut und Hausgut, Die Habsburger an der Strafse nach Ölten. Neue Zölle : Freudenau, Reiden, St, Amarin, Dieser Vogesenpafs ein Korrelat des Gotthards,

„Wenn du es für gut findest, über den Berg Elvelinus, den die Lombarden Ursare nennen, zurückzukehren, so gehe von Rom . . . nach Como. Daselbst wirst du an den Comersee kommen. Diejenigen, welche aus Schwaben und diesen Gegenden sind, fahren über den Comersee und reisen über den Sete Munt (Septimer) in ihre Heimat. Du aber lasse den See zur Rechten liegen und gehe links nach Lowens (Lugano) 16 (italienische) Meilen mit dem See. Da fängt der Berg an und läuft bis Zonrage (= Zofingen? Zumsteg, Amsteg?). Von Lowens bis Beilenze (Bellinzona) ist es eine Tagesreise, von da drei Tagreisen bis nach Luzem mit dem See. Gehe fünf (deutsche) Meilen weiter und es wird dir Tovinge (Zofingen) begegnen ; aber es sind starke Meilen. Vier Meilen bis Basel . . . Wenn du nach Basel gekommen bist, thue deinen Füfsen gütlich, steig' in ein SchiflF und fahre nach Cöln hinunter." Mit diesen Worten be- schreibt Albert Abt von Stade, von wo aus so mancher Isländer seine Romfahrt angetreten hatte *, den einen Weg, den man von Rom aus ein- schlagen könne*. Der nordische Abt hatte überhaupt ein lebhaftes

i S. oben S. 99. « M.G. SS. 16, 339.

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170 Fünfzehntes Kapitel.

Interesse für Pfade, und so enthält seine Chronik eine ganze Zu^.i Stellung der damals am meisten begangenen Wege Italiens, Deut lands und Prankreichs. Vielleicht hatten den sehr belesenen Hönch^ Itinerare der Isländer zu diesen bei mittelalterlichen Schriftstellei seltenen Aufzeichnungen angeregt Er selbst hatte 1236 eine Romfj gemacht, und da hatte er wohl seine Kenntnisse erworben'.

Kichts verrät in seinen Worten, die so klingen, als handle es i um einen altbekannten Weg, dafs der St. Qotthard das ist dei Elvelinus erst eben war benutzbar gemacht worden*.

Wann ist aber diese That geschehen? wann hat ein einfacher Älpler den kühnen Gedanken gehabt, tlber der Reufskatarakte an den steilen Fels in Ketten eine Brücke festzuhängen, welche von dem weiten Thale von Urseren längs der Felswand in den Zug der Schöllenenschlucht hinüberführte? wann hat ein erfindungsreicher Kopf das Mittel gefunden, an einer der schwierigsten Stellen der Alpenwelt die Natur, welche ge- zwungen dem Flusse Raum gab, jeden Pfad aber dem Menschen ver- weigerte, zu meistern? Wer war es, der das Problem löste, an dem sich Menschenwitz bis dahin vergeblich abgemüht hatte? Wann lebte er? Ein direktes Zeugnis liegt nicht vor, aber mit indirekten Gründen können wir beweisen, dafs 1236 schon mindestens ein Jahrzehnt ins Land gegangen war, seitdem der Pafs benutzt wurde. Die gewaltigen welt- geschichtlichen Wirkungen dieser That, die dem Welthandel andere Bahnen wies, die Gründung der Eidgenossenschaft wie die Bildung de» Kantons Tessin herbeiführte, die Folgen der Eröffnung des neuen AJpen- passea lassen sich doch schon vor 1236 leise verspüren.

Wie dieser Entdecker hiefs, der würdig eines Denkmals wäre, wird freilich immer unbekannt bleiben. War es der Schmied von Urseren? Das Eisen feierte hier seine ersten technischen Triumphe. Wo Holz und Stein, die einzigen Baumaterialien des Mittelalters, versagt hatten, bot das Eisen zum erstenmal seine überlegene Kraft. Zwar war das Werk keine kühn gespannte Bogenbrücke, sie ruhte auf Ketten, es wurde das Eisen also auf Zug beanspruclit, viele Jahrhunderte später begannen Kettenbrücken die Triumphe des Eisens im Brückenbau!

' Mit <ler Gesthichto des St. Giotthard bcet^häftigteD sich vor allem: Kopp, ReichsgeBchichtc ; NÜBcheler, A. Hietor. Notizen über den Gotthardpafs. Jahrb. d. Schweiz. Alpenkhibs VII (1872); Hermann v. Liebenau, Urkunden n. Regeeten zur GeHchichte des St. Gottbardw<^es von dessen Uroprnng bis z. J. 1315. Archiv f. Schweiz. Gesch. Bd. 19 (1874); Ohimann (a. a. 0. 1878); Dierauer (1867) und öchsli (1891), endlich gpitteler.

* öhlraanu zieht auch die Reise des Abtes Emo vom Kloster Floridas hortus (1213) hierher, der als Stationen Como und Basel angiebt. Diese schliefsen aber den Septimer nicht aus.

Der St. Gotthardpafs. 171

Wir können weiter sagen, dafs diese That die Folge einer all- gemeineren Erscheinung ist, des Vordringens der Deutschen in dem centralen Teile der Alpen.

Es können hier nicht die Geschichte der Ansiedlung der Deutschen innerhalb des altromanischen Sprachgebietes und die vielen damit zu- sammenhängenden Streitfragen behandelt werden^. Woher die Leute kamen, ist für uns auch gleichgültig, die Hauptsache steht fest. Die Deutschen überstiegen den langen Gürtel, der vom Ealanda bis an den Genfersee flihrt, und gründeten jenseits, namentlich in den höheren Gebirgsteilen, Niederlassungen. Am genauesten sind wir unterrichtet über die Kolonisten des Rheinwaldes, die 1277 schon angesiedelt waren ' und für den Verkehr über den Splügen und Bernhardin die beste Hilfe wurden. Ihre Nachbarn im St. Petersthal, in Savien und Thusis hielten über das Gebirge weg mit ihnen Fühlung. Die im rauhen, abgelegenen Averserthal waren zwischen Romaunschen und Italienern eingesprengt, ähnlich liegt Obersaxen im Vorderrheinthal. Die Kolonien von Daves und Prättigau leiten zu den Kolonien Vorarlbergs hinüber. Ob diese „Walser "gemeinden als solche bezeichnen sich wenigstens die meisten wirklich alle von Oberwallisern gegründet sind, mag dahingestellt bleiben. Oberwallis selbst war sehr wahrscheinlich ein Kolonistenland ^, und von ihm schoben sich über die Pässe am Monte Rosa jene Kolonien, die noch heute an der deutschen Sprache festhalten, obwohl sie jetzt zum Königreich Italien gehören*; ebenso wurde das obere Tosathal deutsch. Doch davon später.

Die Deutschen besiedelten durchweg hochgelegene Thäler, in denen ein Ackerbau nicht mehr möglich war das gilt von Rheinwald, Avers, dem obersten Wallis und Urseren romanische Ortsnamen blieben er- halten, so dafs anzunehmen ist, dafs die Deutschen angesiedelt wurden in Thälern, die zwar den Romanen bekannt, aber nicht von ihnen recht

1 Den heutigen Stand der Sprachverteilung zeigt Menghius, Die Sprach- grenzen in Graubünden und Tessin, Petermanns Mitteilungen 44, 97 105 mit Karte. Seit dem Mittelalter sind die deutschen Enclaven unverändert geblieben.

* Freiheitsbrief des Freiherrn Walther von Vaz für die oflPenbar erst eben an- gesiedelten : »homines Tlieotunhos residentiam hahentes in Volle Bheni de volle Schoms usque ad montein, qui vulgariter didtur Vogel*, Mohr 1, 425. Die Namen v. Simpeln und V. Formazza (1301) beweisen, dafs die Kolonisten wieder Nachkommen von Kolonisten waren , die von Oberwallis aus auf den südlichen Hang der Alpen vor- gedrungen waren.

' Doch fällt die Kolonisation spätestens in die ersten Jahrzehnte des dreizehnten Jahrhunderts, während alle bündnerischen Kolonien nach 1270 entstanden sein können, mit Ausnahme von Urseren, das ja durch den Furkapafs sehr bequem mit Oberwallis. verbunden ist

^ Den Umfang giebt Menghius S. 104 an.

172 Fünfzehntes Kapitel.

eigentlich bewohnt wurden; also auf alten Alpen wurden nun auch Winterwohnsitze eingerichtet. Doch wie immerhin diese recht bedeutende Ausdehnung der deutschen Sprache nach Süden sich vollzogen haben mag, sie ist an keiner Stelle dem Verkehre von gröfserem Nutzen ge- wesen, als in Urseren, wo sie wohl zuerst in dem östlichen Gebiete ein- setzte. Die deutsche Kolonisation in BUnden hat den Pässen über den Splügen und Bernliardin eigentlich erst Leben gegeben; wir werden erst von jetzt an häufiger von ihnen zu reden haben. Die Pässe von OberwalHs wurden gleichfalls erst von Deutschen nutzbar gemacht weit bedeutender aber war es doch noch, dafs die Ansiedlung von Urseren mit dem Gotthard den centralsten Alpenpafs erschlofs. Die bis dahin am meisten benutzten Pässe: Septimer, Lukmanier und Grofser St. Bernhard blieben bis heute rein romanisch. Schon in der Sprache der PaTsanwohner dokumentiert sich die Geschichte des Passes.

Dafs Urseren im dreizehnten Jahrhundert deutsch war, ist freilich erst noch zu beweisen. Der Name selbst ist ja ein romanisches Wort, wie die Ortsnamen Kealp und Gaspis, auch gehörte das Thal nach dem in romanischem Gebiete liegenden Kloster Disentis. Aber schon 1309 Urkunden seine Bewohner deutsch, und die Namen, welche die Einwohner führen, sind ebenfalls durchweg deutscht Eine Änderung der Sprache erfolgte aber in diesen ladinischen Gebieten fast gar nicht Nicht eine Gemeinde hat z. B. die Kolonie des Rheinwaldthales im benachbarten Schams gewonnen, und die ladinische Grenze gegen Urseren ist noch heute dieselbe wie 1308. Warum sollte da gerade vorher die Sprache gewechselt haben?

Seitdem Urseren deutsch wurde, waren der Nord- und Südausgang der Reufsklamm im Besitze gleichen Blutes. Erwägen wir nun, dafs die Klamm an der stiebenden Brücke auf dem Boden von Urseren liegt, dafs ihre Unterhaltung von demselben Thale getragen wurde ^, und dafis die Abgabe von dem Verkehre, die „Teilballe" gleichfalls in dieser Landschaft erhoben wurde ^, so kann kein Zweifel darüber herrschen, dafs diesen Kolonisten das Verdienst gebührt, die Verbindung mit Uri hergestellt zu haben; die Urner hatten in der SchöUenenschlucht noch Arbeiten genug auszuführen, um auch einen Ehrenanteil an der Öffnung der Gotthardstrafse zu gewinnen.

Es war wohl nichts als eine lokale Verbindung, die die Leute von Urseren erstrebt hatten, sie hatten eine internationale geschaffen. Sie

' Öchsli S. 9 Anm. 5.

* Die Grenze war V2 Stunde ob Göschenen bei der Mittel- oder Tanzcnbein- brücke. Öehinz, Beiträge 1, 29 f. 8 Habsb. Urbar 1, 286.

Der St. Gotthardpafs. 173

hatten ihrem Ländchen und dem nördlich wie südlich sich anschliefsenden Gebiete eine ungeahnte politische Bedeutung gegeben. An Stelle eines Gebirgsklotzes, den jedermann als ungangbar umging, war der St. Gott- hard die beste und bequemste Verbindung zwischen Westdeutschland und Italien geworden. Das nach Norden flihrende Thal Uri war jetzt kein abgelegenes Alpenthal mehr, wie man sich das nur zu leicht vor- stellt, sondern es war die Rampe einer Weltstrafse. Die Eidgenossen- schaft ist nicht aus weltentlegenen Gemeinden gebildet, sondern es haben sie Leute gegründet, die wufsten, dafs ihrem Land eine Bedeutung inne- wohne, die mehr von der Welt Läufen erfuhren, als manche deutschen fruchtbaren Landschaften. Und ebenso wurde aus dem abgeschiedenen Livinenthal nun eine Gemeinde, deren Besitz von Wert war. Die Welt- entlegenheit verwandelte sich in das volle Gegenteil.

Der staufische Kaiser war sich des Umschwunges bewufst, der sich vollzogen hatte. Er erkannte sofort, dafs jetzt hier der Schlüssel Italiens liege, und er griff zu. Die ersten Schritte zum Erwerb dieser Gebiete beweisen uns, dafs der Gotthard gangbar gemacht war und einzuwirken begann.

Am Südabhange der Alpen beherrscht, wie wir wissen, Bellinzona sowohl den Gotthard wie den Lukmanier; der Herr Bellinzonas konnte im Besitze von Biasca sogar das Zusammenwirken des Livinen- und Blegnothales verhindern. Bellinzona aber konnte nicht die Herrin dieses Gebietes sein, es beherrschte nicht die Ausgänge am Langensee und am Monte Cenere, und so wurde die Stadt sehr früh abhängig und mit ihr teilten Blegno- und Livinenthal das Los. Der Einflufs der beiden nächsten Städte der Ebene Como und Mailand stritt hier, und in der Geschichte dieser Thäler spiegelt sich die der Städte wieder, die Parteiungen von Como wurden hier ebenso entscheidend wie später die Erfolge der Visconti und Sforza. Noch ein anderer Rivale war vorhanden : der Kaiser wollte die Lande dem Reiche gewinnen und erhalten, wie einst Chiavenna zum Reiche gehört hatte*, und diese Politik, von der Höhe des Passes aus das südliche Vorland zu be- herrschen , nahmen später die Eidgenossen auf und errangen den dauernden Sieg. Die Städte und Fürsten der lombardischen Ebene konnten den Südfufs des Gotthardpasses nicht behaupten, deutsche Vögte schalteten am Ausgange des Mittelalters über die unterworfenen italie- nischen Vogteien. Da bei der Entdeckung weder am Nordfufse noch an der Südseite völlige Klarheit bestand, erhoben sich sofort Konflikte. Ein Besitz, der bis dahin ziemlich gleichgültig gewesen war, hatte nun eine hohe Bedeutung errungen. Zunächst ist der Streit ohne deutlichen

' Darmstädter S. 92 f.

174 Fünfzehntes Kapitel.

Zusammenhang, dann greift der nördliche Pafsherrscher hinüber, es ent- steht ein Pafsstaat die Schweiz, deren Vater nicht der sagenhafte Teil ist, sondern der Mann, der die stäubende Brücke ersann und aus- führte !

Como war in seiner Politik vielfach durch den Gegensatz zu Mai- land bestimmt, es hing bei den ersten Kämpfen Friedrichs U. mit den Lombarden diesen treu an*, fiel jedoch Dezember 1229 zu den Gegnern ab^, und Comasken fochten mit bei Cortenuova. März 1239 wendete sich die ungetreue Stadt wieder dem Hause seiner Wohlthäter zu, im September wurde ein kaiserlicher Podestä ernannt^. Der Kaiser wufste den Erfolg auszubeuten. Wie er den Besitz der Mailänder konfiszieren liefs, so folgte 1240 auch das Gut der Kirche von Mailand, und dazu gehörte das Livinenthal*. Zum Verwalter wurde Berthold Markgraf von Vohburg-Hohenburg bestellt, ein Mann, der für die letzten Staufer die wichtigste Stütze wurde und im sonnigen Italien deutsche Lieder dichtete*. Die Burgen auf dem Monte Cenere und in Bellinzona unter- standen ihm wie die tiniversUafes et communia von Leventina und Blegno. Zum Unterhalte der Burgen mufste auch Como beitragen, wo Berthold Kapitän war®. Mailands glücklicher Erbe war also das Reich, während Como sich mit einigen Thälern am Luganer- und Comersee begnügen mufste''. Der Kaiser stellte den Comasken seine Verfugungen über Blegno und Livinen als vorläufige hin, aus seinen Briefen geht un- zweifelhaft hervor, dafs die Comasken eifersüchtig geworden waren. Er ernannte Februar 1241 ihren Podestä zum Nachfolger Bertholds von Hohenburg**.

Der Kampf gegen die Mailänder war für Como zu schwer, Mendrisio versagte sich, und 1242 fiel Bellinzona in die Hände der Ersteren. Sie wufsten, was sie gewonnen hatten. Der Podestä von Mailand schrieb an den päpstlichen Legaten: „Die Hofihung, die Burg Bellinzona, die einst das Herz des Körpers der Stadt Como war und nun das in ihrem

» Böhmer-Ficker 865 u. 1658.

' Zunächst unter Vorbehalt der Treue gegen den Kaiser; Rovelli, Storia di Como 2, 223.

» Böhmer-Ficker 2460. 2473. 2482. 2483.

* Böhmer-Ficker 2596. 2597. 3109.

^ Vgl. über ihn Döberl in Deutsche Zeitschr. f. Geschichtsw. 12, vor allem S. 208 f.

* Die wichtige Entscheidung ist vor Faenza getroffen in der gleichen Zeit, als die Urkunde für die Schweizer ausgestellt wurde. B.-F. 3157 vom 21. Dezember 1240. Den Befehl im Reichsgute wie in Lecco hatte Johann de Andito, in Como lag eine deutsche Besatzung.

■» Böhmer-Ficker 3109. 3143. Lob ihrer Treue. » Böhmer-Ficker 3183. 3224.

Der St. Gotthardpafs. 175

Herzen steckende totbringende Schwert ist, zu gewinnen, hat sich erfüllt Die Bewohner und die Besatzung haben die durch Natur und Kunst bis zur Unbezwinglichkeit befestigte Burg den Führern unseres Heeres übergeben. Die Wege nach Frankreich und Deutschland sind uns nun offen und unseren Feinden verschlossen, so dafs wir von dieser Seite weder den Angriff des Nero noch die Wut der Deutschen zu befiirchten haben" *. Es war keine Übertreibung, durch die Einnahme von Bellenz war der kaum eröffnete beste deutsche Pafs, der näher als irgend ein anderer dem unmittelbaren Reichsgut und dem eigentlichen Sitze der staufischen Macht lag, der versprach, der eigentliche Kaiserpafs zu werden, flir die deutschen Streiter wieder verschlossen. Es nützte dem Reiche wenig, dafs Como Mailand in der Herrschaft von Bellinzona ab- löste, als es 1249 die Sache der Staufer verliefs und zu den Guelfen übertrat^. Como konnte auf die Dauer Mailand ja nicht widerstehen, und dies gewann die Herrschaft im Thale des Tessin.

Scheinbar glücklicher, im Endergebnis aber gerade so unglücklich war die Reichspolitik am Nordfufs des Gotthardes. Hier durchkreuzen sich nun bis in die Mitte des vierzehnten Jahrhunderts die Bestrebungen des Reichsoberhauptes, den nächsten Zugang zum Gotthard und die Thäler, welche diesen flankieren, dem Reiche zu gewinnen und zu er- halten, und die der Grafen von Habsburg und der Herzöge von Öster- reich, womöglich den ganzen Weg von Basel bis auf die Höhe des Passes in ihre Hand zu bringen. Die Thäler halten zu der königlichen Politik, sie wollen sich dem Reiche erhalten, aber gerade dadurch ent- fremden sie sich um so sicherer dem Reiche. Indem sie darum kämpften, nicht österreichisch zu werden, stritten sie unbewufst für die Ablösung vom Reiche. In der Ebene hatten die Habsburger die gröfsten Erfolge^ auch das Gebirge wäre ihnen unzweifelhaft zugefallen, wenn noch das alte Recht für das Gut des Reiches gegolten hätte. In der staufischen Zeit war stets wie bei den früheren Dynastien das Hausgut der neuen Dynastie mit dem Erbe der alten verwachsen, die Wahl einer reichen Familie bedeutete eine Verstärkung des Hausgutes. Unter diesem Rechte wäre der reiche habsburgische Besitz auf der schweizerischen Hochebene und in der oberrheinischen Tiefebene mit dem Reichsgute von Neuen- burg, Basel, Zürich, Schaff hausen, Konstanz, Bern verschmolzen, und dieser Reichsbesitz hätte auch die Reichsthäler von Uri und Hasli ohne Mühe in sich aufgenommen. Aber bei der Königswahl war das Recht geändert, fortan wollte man keine Dynastien mehr erheben, sondern

1 Winkelmann, Acta imperii 1, 537.

' Rovelli2, 881. Schon vorher war es notwendig gewesen, Comasken gefangen 2a setzen. Böhmer-Ficker-Winkelmann 13607.

176 FüDfzehntes Kapitel.

keinen Zweifel mehr belassen, dafs nur dieser eine zum König erkoren sei ; das Wahlrecht hatte über das Erbrecht den endgültigen Sieg davon- getragen. Es sollte in Zukunft sorgfältigst jedes Verschmelzen von Reichsgut und Hausgut vermieden werden. Damit hörte die Möglich- keit, das Reichsgut zu mehren, auf, ihm war die werbende Kraft ge- nommen.

Der König verwaltete also zwei Arten von Besitz: als König das Reichsgut, das er zu vermehren sich nicht bemühte, das von vorn- herein bei dem Überwiegen der Städte die Tendenz hatte, sich in eine Unzahl von städtischen Machtkreisen aufzulösen, in denen naturgemäfs die Selbstverwaltung wichtiger werden mufste, als das königliche Regiment Das Gesamtstaatsgut hat also von vornherein die Tendenz, sich zu ver- mindern; nur dann erwärmt sich ein Herrscher für das Reichsgut und denkt an seine Ausdehnung, wenn es möglich ist, durch dasselbe eine rivalisierende Familie zu schädigen. Das ist gegenüber der sich bildenden Eidgenossenschaft die Politik der Könige aus nicht habsburgischcm Blute. Daneben verwaltet der König sein Hausgut, und ganz selbst- redend wollte er dieses mehren. Er war ja fast sicher, dafs sein Erbe nicht wieder zum Könige gewählt werde, es blieb also nichts übrig, als die alte landesherrliche Politik auch als König mit aller Macht fort- zusetzen. Das war die Politik der Habsburger. In dem Ringen dieser beiden Tendenzen entsteht die Eidgenossenschaft ^

Dem Weg von der Höhe des Qotthards nach Basel war durch die Natur im wesentlichen seine Richtung gegeben. Von der SchöUenen- schlucht führt der Lauf der Reufs durch Uri nach Fluelen an das Haupt des Vierwaldstättersees, das Schiff brachte den Wanderer nach Luzern am Fufse desselben. Über Rothenburg erreichte er das west- liche Ufer des Sempachersees und an ihm entlang Sursee^. Von dort war westlich abzubiegen, um durch eine sumpfige Einsenkung das Thal der Wigger zu erreichen. Hier ist der Weg durch den Lauf des von zwei parallelen Ketten eingeschlossenen Thaies bestimmt und führt an Reiden, einer wichtigen Zollstelle, Zofingen und Aarburg vorbei an die Aare, die nur sehr kurz begleitet wird. Bei Ölten wird der Flufs über- schritten, um über den unteren Hauen stein Basel zu erreichen.

* Vgl. Schulte, Gesch. der Habsburger 141—147.

2 Sursce wird in dem von Mone, Zeitschr. f. Gesch. d. Oberrh. 4, 18 veröffent- lichten Wegweiser von Strafsburg nach Rom (aus dem fünfzehnten Jahrhundert) genannt. Für diese Zeit ist also der Weg das ganze Wiggerthal aufwärts über Willisau, Wohlhausen, dann an der Kleinen Emme abwärts über Malters und Littau nach Luzern ausgeschlossen. Der Scheitel dieses Weges (614 m) ist fast 100 m höher als der des über Eothenburg. Die Benutzung des Weges über Wohlhauscn ist also auch in anderen Zeiten wohl nur eine lokale gewesen.

Der St Gotthardpafs. 177

An diesem Wege hatten die Habsburger 1220 nur an zwei Stellen Besitz: von Reiden aufwärts erstreckte sich das ihnen gehörige Amt Willisau im Wiggerthale, und seit 1218 hatten sie die Reichsvogtei in Uri. Das dem Frauenkloster Zürich gehörige Land hatte bis 1218 unter der Vogtei der Zähringer gestanden, nach ihrem Aussterben hatte sie Friedrich II. dem Grafen Rudolf dem Alten gegeben.

1231 aber kaufte der junge König Heinrich die Vogtei über Uri zurück und versicherte die Gemeinde, dafs sie weder durch Verleihung noch durch Verpfändung jemals dem Reiche wieder entfremdet werden sollte^. Der Habsburger war entschädigt* und hatte zugestimmt; die Position am Fufse des Passes hatte er aufgegeben und war offenbar dem stärkeren Konkurrenten gewichen; denn wohl nichts anderes hat den jungen König zum Rückkauf der Vogtei veranlafst als die Absicht, den Pafs in seine Hände zu bringen®. Die Bedeutung desselben wäre folglich schon 1231 bekannt gewesen.

Den gleichen Termin ergaben andere Zeugnisse, die zu einer Be- trachtung der Zölle führen. Es werden folgende neue Zölle in dieser Zeit zum erstenmal genannt: 1228 im St Amarinthal, 1240 Zoll zu Reiden, 1251 zu Freudenau. Stehen sie in einer Verbindung mit dem Gotthardpasse? Fangen wir mit dem jüngsten an. Der 1251 von Kon- rad IV. dem späteren Könige Rudolf verliehene Zoll zu Freudenau hat es direkt auf italienischen Handel abgesehen; von jedem welschen Saum- tier sollten drei solidi erhoben werden*. Am nächsten läge es, in dem bei der Burg Freudenau auf der Aar unmittelbar unter dem Zusammen- flufs von Aare, Reufs und Limmat erhobenen Zolle einen SchiflFszoll für die auf der schiffbaren Reufs vom Gotthard hcrabkommende Waren an- zusehen; allein die Form der Erhebung ist die eines Landzolles (nach Saumlast und Wagen), und dann wäre der Zoll nicht anders zu ver- stehen als ein Zoll für Waren, die von Zürich, Baden herkommen, bei Freudenau vorbei auf Zurzach oder Waldshut gehen, deren weiteres Ziel dann nicht leicht anzugeben ist. Jedenfalls wird hier italienischer Warentransport vorausgesetzt, er kann sowohl von Bünden wie vom Gott- hard kommen. Non liquet.

Der Zoll von Reiden war der habsburgische Gotthardzoll, von dem lokalen Verkehr zwischen Luzern und Aarburg hätte er nicht leben können, erst der Gotthardverkehr gab ihm Bedeutung. Er wird zum

' Böhmer-Ficker 4201. Oft gedruckt, zuletzt Öchsli 380.

Sie erwarben höchstwahrscheinlich dafür damals die Grafschaft im Frickgau und damit die Verbindung ihrer Besitzungen an der Reufs mit denen im Elsafs. Schulte, Gesch. der Habsburger 140.

« So auch Öchsli 247.

* Böhmer-Ficker 4557.

Schulte, Gesch. d. mittelalterl. Haudels. I. 12

178 Fünfzehntes Kapitel.

erstenmal genannt in dem Vertrage über die Naehteilung des Gutes zwischen der älteren, späteren königlichen und der jüngeren Laufen- burger Linie der Habsburger von 1239^. Der Zoll gehörte der jüngeren Linie, die auch Willisau und den Besitz um den Vierwaldstättersee erhielt, also am meisten am St. Qotthard interessiert war.

Den Zoll von St. Amarin verlieh 1228 Friedrich II. einem Begleiter auf dem Kreuzzuge, dem Abte Hugo von Murbach, und zwar nur auf so lange, als es dem Kaiser gefalle ^. Bei dem Zolle von St. Amarin handelt es sieh um einen Vogesenpafs, um einen Weg, der heute gänzlich ver- nachlässigt ist. Vom Boden des St. Amarinthales erreicht man über den Col de Bussang die Quelle der Mosel, von da geht es flufsabwärts über St. Maurice, Remiremont, Epinal nach Nancy, wie andererseits das da- mals recht bedeutende Neufchateau zu erreichen ist, von wo Wege nach Bar le Duc wie nach den Mefsplätzen der Champagne führen. Lothringen war schon vorher ein Durchgangsland in der Richtung von Westen nach Osten namentlich die Champagnermessen riefen einen lebhaften Ver- kehr hervor® jetzt wurde auch der unwirtlichste Teil, das waldreiche Gebiet an den Flufsquellen, von Wanderern durchzogen.

Die Richtung des Passes vom Col de Bussang liegt also nach Nord- westen, die Fortsetzung führt über Basel ganz notwendig auf den St. Gotthard, und mir wenigstens ist es höchst wahrscheinlich, dafs in der Errichtung eines solchen Zolles die erste Wirkung der Eröffnung des Gotthards zu spüren ist, die Abte von Murbach konnten davon sehr bald Kenntnis erhalten, denn ihnen gehörte Luzern, wo gleichfalls ein Zoll bestand. Jedoch darf man auch nicht übersehen, dafs schon 1216 sich in St. Amarin ein Spital befand*, der Verkehr war schon vorher hier recht lebhaft.

Ich glaube somit, dafs man die Zeit zwischen 1218 und 1225 am ehesten für die Eröffnung des Gotthardweges in Anspruch nehmen darf.

' Kopp, Geschichtsblätter 1, 54.

2 Böhmer-Ficker 1733. Ausgestellt bei Accon ; Schöpflin, Als. dipl. 1, 362. Bestätigung durch Heinrich VII. von 1228 Dezember, Böhmer-Ficker 4123. Zwischen beide Urkunden ist einzuschieben das von Schöpflin, Als. dipl. 1, 297 zu 1191 gesetzte Weistum elsässischer Adliger über Murbachs Rechte. Insbesondere war auch über die Rechte am St. Amarinthale Auskunft zu geben, »ubi pedn^um CLccipithatur ab ahhate yioviter inMitutum.*

^ Räubereien z. B. 1251 Digot, Hist. de Lorraine 2, 155.

* Gatrio, Die Abtei Murbach im Elsafs 1, 253. In der »Benovatio jxirinm abhatis Murhcicensis in prapositum et can<ynico8 8. Amanni* von 1216 heifst es: »ecciesie hoftpitdle habet, quoä tenet dtdmas in vaUe et extra vallem sibi statutos cenaus et curiaa, de quibus pirqirinif pauperes, infirmi, debiles ab hospitalatio dehcnt securari* (Mit- teilung des Archivdirektors Dr. Pfannenschmied). Nach Gatrio wäre die Stiftung unter Clemens III. (1187—1911) erfolgt.

Der Gotthardpafs bis 1298. 179

Sechzehntes Kapitel. Der Gotthardpafs bis 1298. Unterer Hauenstein. Bfindener PSsse.

Der Gotthardpafs bis 1298. Widerstand von ScJiicyz, Erwerb weiterer Be- sitzungen am Wege. Rudolf hat den Anfang zu einem Pafsstaat gelegt, Wahl Adolfs, Die Reaktion gegen die Habsburger. Der Bund der Eidgenossen, Welcher Geist schuf ihn? Kämpfe, Erste Nachrichten über Kaufleute auf dem Passe. Unterer Hauen' stein, Zölle, Expansion des Bistums Basel, Das Manifest König Rudolfs an die Kauf leute bezieht sich auf den Gotthnrd, Sendung des Bischofs von Basel nach Italien,

Bünden er Pässe. Leben auf der Septimerstrafse. Zölle, Verkehrseinrichtungen. St. Bernhardinpafs. Versuche, die Konkurrenz des Gotthards abzuwehren, Kämpfe im Bergell, Torriani und ViscotUi in Mailand. Bildung der dortigen Signorie.

Der Teil der habsburgisehen Besitzungen, der am Wege vom St. Gott- hard nach Basel gelegen war, war bei der Teilung an die jüngere Linie des Hauses, an die Laufenburger gekommen, die von vornherein mit den gröfsten Schwierigkeiten zu kämpfen hatten. Der Widerstand ging aus von der Landschaft Schwyz, die Dezember 1240 wirklich von dem Faenza belagernden Kaiser eine Urkunde erwirkte, wonach sie als freie Reichslandschaft fortan bestehen sollte^. Der Versuch von Schwyz, dieselbe Stellung wie Uri zu erringen, mifslang freilich noch, aber die Urkunde, deren rechtliche Folgen ja bestritten sind, beweist, dafs auch in dieser Thalgemeinde ein Streben nach Reichsunmittelbarkeit sich geltend machte und der Kaiser das beifkllig aufnahm. Die am Luzemer- see fühlten die Bedeutung, die ihrem Lande in einer Verbindung mit dem Kaiser zukam. Die Kämpfe am See, wo Schwyz und Obwalden treu zur Fahne der Ghibellinen hielten, Uri jedoch den päpstlichen Ge- boten sich fügte ^, hatten, so weit wir sehen können, nur ein Ergebnis: der jüngeren Linie war der Besitz verleidet, und das Haupt der älteren Linie, Graf Rudolf, der spätere König, wandte eine sehr bedeutende Summe daran, um Mai 1273 den Besitz der Laufenburger zum Teil zu erwerben. Darunter waren Leute und Gut in den Waldstätten, die Amter WiUisau und Sempach, Casteln und Sursee®. Die beiden letzteren waren Stücke, die durch Erbfolge von den Kyburgern an die Laufenburger übergegangen waren.

» Böhmer-Ficker 3155.

^ Diese Kämpfe hat, soweit das nach Lage der Quellen möglich ist, Brefslau in seiner voi*treff liehen Arbeit: Das älteste Bündnis der schweizer Urkantone. Jahrb. f. Schweiz. Gesch. 20, 1 36 aufgeklärt.

* Am besten orientiert über den Umfang und die (Jeschichte der einzelnen Amter der Kommentar von Maag in den Anmerkungen zu dem Habsburgisehen Urbar, den ich statt aller weiteren Litteratur anziehe. Bez. dieser Erbschaft 1, 130 Anm. 2. 177. 179. 181. 187.

12*

180 Sechzehntes Kapitel.

Ein erheblicher Teil des Weges war damit in den Besitz der späteren österreichischen Linie gekommen, und der nunmehr zum König erhobene Rudolf setzte alles daran, die fehlenden Glieder hinzu zu erwerben, wie er ja überhaupt gleich seinem ihm noch überlegenen Sohne Albrecht jede Gelegenheit dazu benutzte, einen verarmten Freiherrn oder Grafen oder ein schlecht wirtschaftendes Kloster auszukaufen. Wohl durch Friedrich II. war die Vogtei Urseren von der Reichsvogtei über das Gebiet des Klosters Disentis getrennt und an die Grafen von Rapperswil gegeben ^ ; als diese 1283 ausstarben, gab sie König Rudolf seinen Söhnen zu Lehen^. Am entgegengesetzten Ende auf der Abdachung der Hochebene zur Aare liin wurde wohl 1288 und 99 Zofingen und Aarburg von schlechten Wirt- schaftern, den Grafen von Froburg, gewonnen^. Die in der Mitte gelegene Burg Rothenburg wurde mit dem zugehörigen Amte vor 1291 von dem Geschlechte gleichen Namens gekauft*, und in diesem Jahre gelang dann die Erwerbung, welche bestimmt zu sein schien, auf alle Zeiten den Gotthard dem Hause Habsburg zu sichern; es wurde die Stadt Luzern und der benachbarte umfangreiche murbachische Besitz erworben^. In dieser Stadt war die Herrin des Sees gewonnen, im gleichen Jahre schlofs König Rudolf die Augen.

Er hatte seinem Hause nicht allein im fernen Osten eine neue Heimat erworben, sondern auch in der alten den Besitz mehr als ver- doppelt. Der Erwerb an der Gotthardstrafse war nur eine von den Ex- pansion srichtungen seiner Herrschaft, die hier gewonnenen Stücke ver- banden zugleich den starken nordöstlich gelegenen Besitz mit dem Besitz in Wohlhausen und näherte sich der Exklave Freiburg im Üehtland. Die Gotthardstrafse lief am südwestlichen Rande des geschlossenen Ge- bietes der Habsburger entlang. Rudolf hatte den Grund zu einem öster- reichischen Pafsstaate deutscher Zunge gelegt und den Plan, weiter westlich einen solchen romanischen Blutes zu begründen, verhindert. Wir werden später sehen, wie Peter II. von Savoycn den gewaltigen Versuch machte, um den Genfersee einen Staat zu errichten, einen Eck- stein zwischen Frankreich, Deutschland und Italien, die Walliser Pässe und den von Jougne beherrschend. Der Versuch mifslang, weil Rudolf sich ihm entgegenwarf, Freiburg habsburgisch wurde und Bern seine Reichsunmittelbarkeit behauptete. Der Savoycr hat sein Haus in London

1 1, 285.

8 Böhmer-Redlich 1947».

' 1, 488 u. 498. Der Beginn des Übergangs fallt schon ins Jahr 1274 ebda. Böhmer-Redlich 188» u. 1893».

* 1, 196.

^ 1, 215. Die Habsburger hatten schon vorher dort als Kastvögte von Mur- bach Rechte.

Der Gotthardpafs bis 1298. 181

dem Hospiz auf dem St. Bernhard vermacht, als wollte er zeigen, dafs dieser Pafs der Rückgrat seiner Pläne gewesen. Sein Traum war zer- ronnen, aber auch die Habsburger waren nicht glücklicher.

Wäre die deutsche Königskrone Rudolfs Hause verblieben, so würde unzweifelhaft früher oder später ein Habsburger auch das letzte Glied Uri seinem Besitze eingefügt haben. Nach der Wahl Adolfs von Nassau fehlte jedoch den Habsburgern die Möglichkeit, hier Reichsrechte zu gewinnen, und ganz richtig und instinktiv fühlten die Bewohner der Thäler heraus, dafs diese Stunde für sie entscheidend sei. Hatten sie früher sich zum Schutze des Landfriedens verbunden, und hatte diesem Bunde die antihabsburgische Tendenz gefehlt ^ so war das neue Bündnis, der Bund von 1291 zwischen Uri, Schwyz und Nid- und Obwalden, ein Verein gegen das Haus Habsburg.

König Rudolf hatte den Waldorten gegenüber keine AngriflFspolitik betrieben^, aber sein System, alle Kräfte der Unterthanen anzuspannen, um die Mittel für seine Landerwerbungen zu gewinnen, sich nicht um die Ansprüche anderer Familien zu kümmern, hatte eine gewaltige Miß- stimmung erzeugt, welche nun spontan an vielen Stellen zugleich zum Ausbruch kam. Da waren die eigenen Vettern von der Laufenburger Linie, die alten Rivalen aus dem Hause Savoyen, ein grofser Teil des dynastischen Adels, also zumeist die Elemente, welche später der Ead- genossenschaft weichen sollten, ferner die Reichsstädte Bern und Zürich, das eben erworbene Luzern.

Am folgenreichsten war aber der ewige Bund, den nicht drei Wochen nach Rudolfs Tode Uri, Schwyz und Nidwaiden abschlössen ^. Das Haus Österreich war darin nicht genannt, es ist der wesentlichste Kern des Bundesbriefes die Erneuerung des älteren Landfriedensbundes, nur ein einziger Paragraph enthält die politische Spitze : die Thäler werden keinen Richter mehr nehmen, der sein Amt für Geld erworben habe oder nicht ihr Landsmann sei. Das war für Uri gegen den König, für die beiden anderen Länder gegen <lie Habsburger gerichtet, und es war entsprungen dem Bestreben, eine energische und uneingeschränkte Selbst-

^ Brefslau a. a. 0. S. 34. Die Zeit, in der dieser ältere Bund entstand, läfst sich nicht sicher feststeilen. Man kann an die Zeiten des Interregnums denken, aber ebensogut an die Tage Rudolfs.

* Vgl. die Urkunden für Uri und Schwyz. Böhmer-Redlich 84 u. 2422, die Urkunde der erwählten Königin Ochsli, Regest 221. Besonders beachtenswert ist mir immer die Nachricht des Matthias von Neuenburg erschienen, wie König Rudolf 1289 des Bergsteigens gewohnte Schwyzer im Kampfe verwendete. Wenn sie so sehr mit den Habsburgern verfeindet waren, wie man gewöhnlich meint, hätten sie schwerlich so wichtige Hilfe gewährt.

^ Öchsli S. 381 abgedruckt, vgl. die Auseinandersetzungen Brefslau s über die Entstehung der einzelnen Artikel a. a. 0. S. 31 ff.

]g2 Ty^hzehnt^ra Kapitel.

v#;rwaltufi^ zu f>««itz':n. AUo auch der König sollte nicht mehr einen fr^nden I^anilaniinann setzen können, wie die Staufer an die Spitze der Outo- und Sta^ltrerwaltung oft. namentlich in Italien, Ortsfremde gesetzt 4iattcn. Eh war der Geist der Lokalisierung, der in der Schweiz so mAr:htig ist und jr:den Kanton bis heute antreibt womöglich alle Ämter und alle Thätigkeiten durch Eingeborene versehen zu lassen. Wir wiMH'jif wie sehr die ruhmvolle Geschichte der Schweiz darauf beruht. Als ein Dokument dieser lokalen Absonderung ist jener Artikel an- zuHfjhen. iJie Gefahr, gegen welche man sich schützen wollte, war die diM Aufgehens in gröfsere Verbände, und diese drohte am stärksten, wenn wieder ein Habsburger König wurde. Der Gegensatz ist der mittel- alti;rliche l^;amtenstaat und die Selbstverwaltung von durch die Natur geschijtztisn bäuerlichen Gemeinden.

Herzog Albrecht blieb im Kampfe wider seine zahlreichen Gegner im wesentlichen Sieger. Die Niederlage der Züricher vor Winterthur warf seine Feinde nieder; als Albrecht im Lande erschien, ergab sich ihm Luzern sofort. Die Kidgenossen verharrten zunächst noch im Kampfe, und als nun der Herzog sich anschickte, König Adolf nieder- zuwerfen, Serbien ihnen die Stunde gekommen zu sein. Uri und Schwyz sandten leiten zum Könige, und dieser nahm sich ihrer an und ver- Mpra<'li, sie niemals aus seiner und des Keiches Herrschaft dahingehen zu wollen ^ Doch auch diesosmal war die Stunde der Befreiung noch nicht gekomm(;ii. Die Schlacht bei Göllhcim entschied gegen sie und für den gefürchteten Herzog von Österreich.

In den Tagen <liesor Kämpfe hatten zwei Kaufleute von Monz% BoltrammuH von Halorna und Payl Harimannus ihre von Norden her konuuendttn Wurenballen durch Uri befbrdeni lassen wollen, allein das verbot der östernsichlsclK^ Landvogt im Aargau. Die Güter wurden in Luzern nn't Ht-schliig belegt, und der Arrest erst nach geraumer Zeit auf- gehoben. Die beiden Gemafsregelten versprachen, sich nicht an Luzernern oder anden^n Unterthanen der Habsl>urgor rächen zu wollen -. Es ist das oTHiVi Mal, <lafs wir direkt die Namen von Kaufleuten erfahren, die <lon (iotthardpafs benutzen wollten. Trotz der Unruhen hatten sie ihren Weg dorthin genommen, ein Beweis daHlr, dafs der Verkehr ein häufiger war. Auch aus den Streitigkeiten zwischen den Städten Basel und Luzern ersehen wir, dals auch deutsche Kaufleute mindestens bis Luzern kamen °. Einen anderen Beweis für die Benutzung des Gotthardpassea

« ÖchKli. Kop'Ht 4W u. 410.

Kopp, Urkwiidoii z. (t«»Hoh. d. oidgon. Hfindc 1 Nr. 26. Besiegelt wurde die ITrkinidt* iiirht etwa von der Stadt Moiiza, Hondern von Mailand.

« liaseler Urkh. M, 2^. 70. 225 (f. 2.V2. Ks safsen 1298 drei Basler in Luzern gefangen.

Unterer HaueDstein. 183

mag man darin suchen, dafs König Rudolf bei dem Befehl, den Erz- bischof Siegfried von Köln gefangen zu nehmen, der in der Maske eines Kaufmanns durchzureisen versuchen werde, ihn :> circa Lozeriam^ ver- mutete ^

Ehe wir König Albrechts Stellung zu den Urkantonen besprechen können, müssen wir die Geschichte der nördlichen Fortsetzung der Gotthardstrafse nachholen.

Von den drei grofsen Jurapässen war der südwestliche der über den grofsen Hauenstein, ein Pafs der Grafen von Froburg, der nord- westlichste seit dem Ende des zwölften und dem Anfange des dreizehnten Jahrhunderts ein habsburgischer Pafs^, an dem beide Linien einen Anteil hatten. Hier war die Verbindung zwischen Brugg Windisch Habsburg und Basel. Der wichtigste Pafs wurde nun mit der Eröffnung des Gott- hards der mittlere, der über den unteren Hauenstein. Hier wurden die Grafen von (Neu-)Homberg durch den Bischof von Basel und Baseler Bürger ersetzt^.

Von Ölten steigt der alte Weg in mehreren Kehren zum Passe empor, gleich jenseits liegt das Dorf (Horb) Hauenstein, dann senkt er sich allmählich in das Thal der Ergolz und fuhrt über Liestal, wo die Strafse über den oberen Hauenstein einmündet, und Pratteln an die Birs- brücke oberhalb Basel. Auf dieser Strecke lagen drei Zölle; sie wurden an Stellen erhoben, die nicht leicht umgangen werden konnten, gesperrt wurde die Strafse durch die Burg Froburg und die um die Mitte des dreizehnten Jahrhunderts entstandene Veste Neu-Homberg *.

Der erste Zoll wurde am Fufse des Passes unterhalb der Burg Froburg in Trimbach, dann in Horb (Hauenstein) erhoben. Zum ersten- male erwähnt wird er zwar erst 1363^ und erscheint damals als ein Appendix der Landgrafschaft im Sifsgau und zwar im Besitze der Grafen Rudolf von Habsburg-Laufenburg, Johann von Froburg und Sigmund von Thierstein. Er wurde damals nach Diepflingen verlegt. Es ist möglich, dafs dieser Zoll im dreizehnten Jahrhundert noch nicht bestand. Für diese Zeit bezeugt ist aber der zu Liestal von den Grafen von Homberg erhobene ®. Dieser Zoll hat für uns nach mehreren Seiten hin erhebliches Interesse. Das Haus Neu-Honiberg war von Graf Hermann von Froburg

' Böhmer-Redlich 1432.

* Hauptsächlich gründete sich das auf die Vogtei über Säckingen, doch gehörte ihnen auch die Landgrafschaft im Frickgau u. a. Habsb. Urbar 1, 56 u. sonst.

» Vgl Geering S. 197—200 und Freivogel, Die Landschaft Basel (Bemer Dissertation 1893) S. 51 u. 134.

* Freivogel S. 76 f. 121 u. sonst.

* Boos, Urkundenbuch der Landschaft Basel.

* So viel ich sehe, älteste Erwähnung 1266. v. Liebenau, Regesten S. 290.

184 Sechzehntes Kapitel.

begründet ^ Von seinen beiden Söhnen Friedrich (Werner) und Ludwig hatte der letztere Elisabeth Gräfin von Rappers wil geheiratet. Als 1283 der männliche Stamm dieses Grafenhauses ausstarb, räumte König Rudolf die Reichslehen darunter das Thal Urseren nicht der Erbin der Allodien ein, sondern übertrug sie seinen Söhnen. Ludwig war tief ge- kränkt, aber er diente doch dem Könige und fiel in seinem Dienste vor Bern. Die Witwe zog dem Könige nach, endlich erreichte sie einen Ausgleich; unter den ihr zugesprochenen Gütern befand sich aber nicht die Reichsvogtei über Urseren^. Auf andere, den Habsburgern sehr schädliche Weise sollte sich aber doch ein Sohn der Erbin von Rupperschwil auf der Gotthardstrafse festsetzen. Sie hatte drei Söhne, Werner, Rudolf und Ludwig, während der andere Zweig nur den an Jahren weit älteren Grafen Hermann zählte und aulserdem Ita, später die Gemahlin des Grafen Friedrich von Toggenburg. 1296 waren die Besitzungen am Jurapasse noch nicht zwischen den beiden Linien geteilt, aber die Homberger standen bereits unter dem Drucke, dem sie bald weichen mufsten. Bischof Peter Reich von Basel hatte den Grafen Hermann be- siegt, er mufste sich nur verpflichten, Liestal oder die Burg Homberg, welche ihm bei der Teilung zufalle, dem Bistume aufzugeben und von ihm zu Lehen zu nehmen^. Die Teilung ist dann wirklich erfolgt, und Hermann erhielt sowohl die Stadt Liestal wie die Burg Neu-Homberg, seine Schwester und Erbin, Gräfin Ita von Toggenburg, verkaufte dann beide mit dem Hofe Ellenweilcr für 2100 Mark Silber an Bischof Peter Ais- palter von Basel, den wir später näher kennen lernen werden*. Die Stadt Basel erwarb von den Hombergem das Recht der Birsfölire und zugleich das, zwischen Mönchenstein und dem Rhein über die Birs Brücken zu schlagen^. Mit Glück haben die Bischöfe von Basel in jener Zeit operiert, nun war auch der wichtige Pafs wenigstens zum Teil in ihren Händen.

Hermann

Ludwig t 1289 Wernher (Friedrich)

Gem. Elisabeth v. Rappcrswii f 1309

Gem. Gf. Maria _ Wemher Rudolf Ludwig Hermann Ita, Gem. Grf. Friedrich vonöttingen ~ f 1320 t 1303 von Toggenburg

WorniTt 1328.

* Kopp, Roichsgeschiehte II, 1 S. 3o3 ff.

8 Urkunde vom 17. Februar 1296 Boos, Urkundenbuch der Landsr.haft Basel 1 Nr. 184. Schon 1255 hatte das Baseler Bistum vom Grafen Volmar von Froburg sich ausbedungen, dafs er seiner Lehenspflicht getreu jederzeit durch Ölten freien Durch- zug gewähre, v. Lieben au, Regesten S. 286.

* Boos 1 Nr. 217 u. 219.

» Baseler Urkb. 3, 127 ff. Boos 1 Nr. 183.

Unterer Ilaueustcin. Ig5

Der zu Liestal erhobene Zoll war freilich nicht mehr darin einbe- griflfen. Schon bei Lebzeiten des Grafen Hermann war derselbe 1302 von ihm mit Zustimmung seines Vetters Graf Volmar von Froburg für die Zahlung von 80 Mark Silber an zwei Baseler, Mathias Rieh und Hug zer Sunnen , zu Lehen gegeben worden ^ So ging dem Hause Homberg die Nutzung des Passes verloren. Eine Zustimmung seines Vetters erwähnt die Urkunde nicht, inzwischen war also eine wirkliche Teilung erfolgt, wenn der Vetter Wernher auch noch minorenn war, ^^'ernher hatte aber in seiner Jugend das Leben und Treiben auf einer Handelsstrafse beobachten können, vielleicht war er auch mit welschen Kaufleuten und Reisenden in nähere Berührung gekommen. In späteren Jahren sollte Graf Wernher die Weite seines Blickes glänzend be- währen, er verstand es besser, als sein Vetter Hermann, aus dem Handelsverkehre Nutzen zu ziehen. Wir werden noch von ihm näher zu reden haben.

Ein dritter Zoll lag in der Nähe von Basel. Leider sind wir darüber nicht näher unterrichtet, wir wissen nur, dafs ihn das Kloster St. Georgen in Stein 1272 an den Grafen Rudolf von Habsburg ver- kaufte -.

Überblicken wir also die ganze Strecke vom St. Gotthard bis Basel, wie sich die Verhältnisse bis 1298 gestaltet hatten, so ist festzustellen, dafs zwei Mächte sich auszudehnen bemühen: die Habsburger und die Bischöfe von Basel, die kleineren Geschlechter und Klöster werden aus- gekauft. Der habsburgischen Einwirkung entzog sich Uri, der Einflufs des Bischofs von Basel war noch nicht voll entwickelt. 1298 kamen also unterhalb Aarburg als Geleits- und Zollherren die Grafen von Homberg, vielleicht auch noch die Grafen von Froburg (Brücke in Ölten, Zoll in Hauenstein) in Frage, die Strafse von Aarburg bis zur Höhe des St. Gotthard war mit Ausnahme von Uri eine habsburgische Strafse geworden.

Von diesen Gesichtspunkten aus wird nun auch das Manifest König Rudolfs an die italienischen Kaufleute verständlich, mit dem man bisher nichts Rechtes anzufangen wufste. Von dem belagerten Pruntrut schrieb der König an die Kaufleute Italiens, der Romagna, Tuscien, Sizilien, Apulien, Calabrien, Terra di Lavoro, Sardinien und den andern, welche die Messen von Frankreich, der Champagne und Flandern besuchen, dafs er nun an die Grenzen von Burgund und Schwaben gekommen sei und

* Boos 1 Nr. 204 u. 209. Schon vorher hatte Matthias eine Rente auf dem Zoll angewieHen erhalten. Boos Nr. 199. Die Summe von 80 Mark drückt also nur den Wert eines Teiles des Zollertragea aus.

2 Regest Basel. Urkb. 2 Nr. 86.

Igg Sechzehntes Kapitel.

er den Kaufleuten, über deren Beraubung er Klagen gehört, nunmehr den Weg sicher machen wolle. Er habe daher alle Edle, welche vom Reiche das Geleitsrecht zu Lehen haben, von dem Berge, wo das Geleit Lothringens beginnt, bis zu den Alpen vor sich berufen und mit ihnen angeordnet, dafs ein jeder von ihnen den Kaufleuten und Wanderern nach 2iahlung des Zolles ein sicheres Geleit gewähren und dafs der, in dessen Bezirk ein Überfall stattgefunden habe, zur völligen Restitution des Geraubten gehalten sei. Er habe dafür eine sichere Bürgschaft erlangt und wolle, dafs die Strafse (»fpsa strata') von allen öffentlich benutzt werde und man möge auf ihn bezüglich der Innehaltung dieser Gebote volles Vertrauen liaben ^

Was hier versprochen war, ging über das sonst in den Landfriedens- gesetzen Zugesagte hinaus. In dem Rudolfinischen Landfrieden von 1287 erscheint zum erstcnmale die Pflicht des Gerichts bez. Geleitsherm, den durch seine Beamten oder Dienstleute gemachten Schaden zu ersetzen ^^ den italienischen Kaufleuten hatte Rudolf viel mehr versprochen, indem er den Herrn pflichtig machte iiir allen innerhalb des Gebietes zuge- fügten Schaden.

Bezieht sich nun diese im Stadtarchiv von Ypern erhaltene Urkunde wirklich auf den St. Gotthard? Dafs es sich um eine feste Route handelt, folgt schon daraus, dafs sie direkt als tpsa straia bezeichnet wird. Es ist kein genereller Geleitsbrief für alle Wege, die die Kaufleute nach ihrem Geschmacke einschlagen wollen, sondern für einen bestimmten. Dieser beginnt auf einem Berge, wo das lothringische Gebiet seinen An- fang nimmt.. Damit sind eigentlich schon alle weiter südwestlich gelegenen Wege ausgeschlossen, und schon das führt auf die über den höchsten Teil der Vogesen ins Lothringische führende St. Amarinstrafse. Rudolf hatte aber ja die Beteiligten vor sich geladen, wer ist nun unter den Belagerern der Stadt nachzuweisen? Etwa die Geleitsherren des Weges vom Grofsen St Bernhard über Jougne ? Dann müfsten anwesend ge- wesen sein vor allem der Graf von Savoyen und der Pfalzgraf von Burgund. Graf Philipp von Savoyen stand mit dem König auf ge- spanntem Fufse, und gegen einen Sohn des Pfalzgrafen ging der Kriegs- zug. Für die Gotthardlinie kamen als Geleitsherren in Frage: der Abt von Murbach, der Graf von Pfirt, der Bischof von Basel, die Grafen von Homberg und Froburg und vielleicht auch die Freiherrn von Rothen- burg und König Rudolf selbst. Und in der That sind nun vor Pruntrut der Bischof und Abt, sowie die Grafen von Pfirt und Froburg nachzu-

> Böhmer-Redlich 1774 1283 März 29. Warnkönig, Flandrische Staats- und Rechtsgeschichte 2, (176).

' Wyneken, Die Landfrieden S. 11.

Bündencr Pässe. J87

weisend Es ist also jeder Zweifel ausgeschlossen. Das Manifest gilt dem Gotthardwege.

König Rudolf begnügte sich aber nicht mit diesem Manifeste, er sandte sofort nach der Einnahme der Stadt einen seiner hervorragendsten Staatsmänner, den Bischof Heinrich von Basel, der es von einem ein- fachen Bürgerssohne und Minoritenmönch zum Erzbischofe von Mainz brachte, nach Como, wo er in der That von der Stadt den Treueid er- hielt und das Versprechen, dem deutschen Heere Wege und Stege oflFen zu halten^. Eine zweite Sendung an den thatsächlichen Herren der Lombardei, den Erzbischof von Mailand, Otto Visconti, den Begründer der Macht seines Hauses, blieb erfolglos®.

Das Aufblühen des Gotthardverkehres war fiir die Bündner Pässe sehr fühlbar geworden. Es beginnt die Rivalität, welche dem Verkehre zu gute kommen sollte, sich zu äufsem. Der Septimerpafs war noch keineswegs verödet, er galt noch immer so sehr als der wichtigste der Bündnerpässe, dafs, als Bischof Konrad H. ein Gesuch an das Provinzial- kapitel des Predigerordens richtete, sie möchten doch auch in seiner Stadt ein Kloster errichten, er die Lage und Bedeutung seiner Stadt da- durch hervorhob, dafs er schrieb, sie liege am Fufse des Septimer, und das Kloster würde für die Brüder, welche über die Alpen gehen wollten, nötig sein, damit sie dort Trost und Stärkung fänden*. Der Wunsch ging in Erfiillung. Die Zahl der Klöster am Wege war um eins ver- mehrt. Manchen müden Wandersmann, der von der Lenzer Heide kam, hat auch unzweifelhaft das damals blühende Kloster Churwalden auf- genommen*. Das wichtigste Asyl für den Wanderer war das Hospiz auf der Pafshöhe selber, es erhielt mannigfache Schenkungen, doch darf man sie nicht entfernt mit denen vergleichen, mit denen ein Jahrhundert vor- her das des Grofsen St. Bernhard bewidmet wurde®. Die Schenkgeber, die uns bekannt sind, stammen aus nächster Nähe, es sind Angehörige der Geschlechter Castelniur, Juvalt und Bivio''. Friedrich H. bestätigte als der letzte der deutschen Könige die familia montis Septitni dem Bis-

' Böhmer-Redlich 1771 (die Emondation Horburg statt Froburg ist ab- zulehnen). Der Abt von Murbach ist nachgewiesen Kopp 2, 2, 345.

« Böhmer-Redlich 1779 das Kreditiv. Der Vertrag mit Como vom 21. Mai 1283 bei Rovelli 2, 385.

» Böhmer-Redlich 1799c.

* Mohr 1, 397.

^ Dem Kloster wurden damals zahlreiche Schenkungen gemacht.

* Auf die Disciplin im Spital wirft kein gutes Licht, dafs »Otto, qui th'cttur Ractidrufiy filius quondam Ändree Bac\idn\ rectoris seu monachi ivchsie seu hospitalis S. Petri montis Septitni das Kloster nach aufsen vertritt. Mohr 1, 389.

' V. Mohr 2, 68.

138 Sechzehntes Kapitel.

turne Chur^ Neu entstand 1233 das Hospiz zu Silvaplana am Südfufs des Julier ^.

Auch die Nachrichten über die Burgen am Wege, die Zölle und Verkehrseinrichtungen sind nicht besonders reichhaltig. Besonderes Interesse erregt eine Urkunde, worin den Bewohnern des Innthales von den Freiherrn von Vaz und Belmont sicheres Geleit zugesichert wurde*. Da diese Herren nur Besitz westlich von Chur, der Vazer auch südlich, hatten*, ergiebt sich, dafs die Innthaler auch bis ins Vorderrheinthal Handel trieben. Wir dürfen uns die Alpen auch in ihrer Längsrichtung eben nicht verkehrlos darstellen.

Von den Zöllen taucht der alte Brückenzoll von Chiavenna noch einmal auf und zwar im Besitze der Freiherrn von Vaz **. Der Zoll von Castelraur, der am Luver erhoben wurde, war dem zwischen 1290 und 1298 entstandenen Einkünfterodel des Bistums Chur zufolge an Zöllner verpachtet®. In Vico soprano wurde ein Fürlaiti erhoben, und zwar mufste jede Saumlast mit Ausnahme des Weines zwölf Imperialen be- zahlen''; der Zoll von Chur unterschied die Provenienz der Waren, ein- heitlich war der Satz für alle W^aren deutscher Herkunft. Was von Feldkirch, also das Bheinthal hinauf kam, zahlte vier Imperialen fUr die Rubb, der Satz für das, was von Zürich her gebracht wurde, war halb so hoch; es war doch wohl diese niedrigere Taxe ein Mittel, um den Züricher Verkehr vom Gotthard abzulenken ". Bei den von der Lombardei kommenden W^aren gab es für einzelne Artikel besondere Sätze. Die trockenen mufsten von jeder Saum vier Schilling entrichten. Der Zoll am Walensee wird als ein Zoll von Rompilgern bezeichnet, Waren werden nicht erwähnt, doch waren Pilger ja sonst grundsätzlich zollfrei ®.

Der Bischof von Chur hatte auf dem Septimerwege zwei Relais- stationen für Saumtiere. Die bischöflichen Höfe von Praden bei Alva- schein und Schweinigen hatten nach achttägiger Voransage für die Fahrt nach Chiavenna oder in den Vintschgau dem Bischöfe fünf und vier, zu- sammen neun Saumrosse und zwar in Praden zu stellen*^. Die zweite

» Böhmer-Ficker 697 1213 April. Mohr 1, 251.

* Arch. f. österr. Gesch. 15, *M4. 8 Unsere Urkunden Nr. 280.

* Die Belmonter nur im Vorderrheinthal. Juvalt, Forschungen 2, 214 ff.

6 1284 Mohr 2, 29.

« Mohr 2, 120. Auch Zolltarif.

7 Ebda.

8 Mohr 2, 110.

^ Mohr 2, 106. "Item ad Ripam tercia pars theolonei de Bomtis pertinet bände Marie et episcopo Cariensi.a Mohr 2, 119 u. 131.

Bündener Pässe. 189

Relaisstation war Bivio, die allein neun Saumrosse darbot ^ Die Ge- stellung in Praden legt die Vermutung nahe, als habe der Bischof bereits den Albulapafs benutzt, es ist jedoch das durchaus nicht zwingend. Die Strecke Chur Bivio war einfach in zwei Teile zerlegt, und das ergiebt ungefähr Praden. Auch in Flums am Walensee waren fünf Saumrosse zu stellen*.

Die Ansiedlung der Deutschen im Rheinwald kam unzweifel- haft dem Verkehr über den St. Bernhardin zu gute. Ich lasse hier mit Absicht den Simplen aus. Wir haben bisher nicht recht ein paar Namen erklärt erhalten, die das habsburgische Urbar enthält^. Die Grenze der Grafschaft Lags zieht von >Sepmen ze sant Peters nach ^Platien-MesseUa^. Ein Piz Moäsola liegt westlich am St. Bernhardinpafs, und der kleine Pafssee heifst Lago Moesola, es ist also gar kein Zweifel, dafs das Urbar- buch unter Blatten-Messella den Bernhardinpafs versteht. Da das Urbar- buch den Spltigen nicht anftlhrt, war er doch wohl weniger benutzt*. Dafs die St. Peterskirche im Rheinwald nach San Vittore in Misox ge- hörte, ist schon oben erwähnt. Bald nach Ansiedlung der Deutschen suchte das Kapitel die Kirche wieder zu erwerben. Die Kirche in Hinter- rhein war auch Filiale von S. Vittore*^.

Dafs der Verkehr tiber die Bündnerpässe unter der Konkurrenz des Gotthards stark litt, lehrt uns der Versuch, die Luzerner dem Gotthard- verkehre zu entziehen. Die drei, welche an den Zöllen und Geleiten beteiligt waren, der Bischof von Chur, der Graf Hugo von Werdenberg, der in der Stadt gleichen Namens wohl schon den Zoll hatte, und der Freiherr Walther von Vaz, dessen Zoll in Chiavenna oben erwähnt ist, der aber vielleicht auch schon den Zoll bei seiner Burg Strafsberg unter- halb Churwalden besafs, versicherten 1278 allen denen, die die Strafse von Churwalchen fahren, und besonders denen von Luzern, gutes Geleit und guten Frieden. Mohr hat daraus gefolgert, dafs überhaupt für die Luzerner der Handelsweg durch Graul)ünden ging, was selbstredend ab- zuweisen ist. Ein anderer ähnlicher Geleitsbrief fällt in das Jahr 1291, in die Zeit grofser Spannung. Er ist am 4. September 1291 vom Bischof von Chur, Berthold von Werdenberg, einem Parteigänger und Verwandten

» Ebda. 2, 120.

« Ebda. 2, 106.

» 1, 524.

* Das Urbarbuch bezeichnet als weitere Grenzpunkte: ze Fürkel, uf Agi'en und das Kreuz auf dem Lukmanier. Da Maag Agren ganz richtig mit Greinapafs erklärt hat, bleibt für die Fürkel, ein äufserst verbreiteter Pafsname, nur der Monterasciopafs übrig, der eine Variante des Greinapasses ist. Aufserdem folgen noch der Oberalppafs (Crispalt), der Panixerpais (Wepch) und vielleicht der Kunkels- pafs (Türkei).

8 Mohr 2, 44 u. 2, 46. Nüscheler, Gotteshäuser 1, 88.

190 Sechzehntes Kapitel.

der Habsburger, ausgestellt, und ich trage kein Bedenken, in ihm die erste Wirkung des ewigen Bündnisses der drei Waldstätte zu sehen. Luzern stand noch am 30. August auf Seiten der Habsburger * , der Verkehr mit Uri war also in Frage gestellt. Zürichs Bündnis mit den Eidgenossen datiert erst vom 16. Oktober*, es nahm bis dahin wohl keine schroff antihabsburgische Stellung ein. So hätten wir denn in dem Schritte des Bischofs den Versuch, die Züricher wieder zum Sep- timer zu ziehen. Ich glaube damit ist der viel verbreiteten Meinung, als sei der Weg über Chur für die Züricher auch nach Eröffnung de» Gotthards der normale gewesen, der Boden entzogen.

Wenden wir uns nach der italienischen Seite. Die Nachrichten über Kämpfe zwischen den Bewohnern des Bergells und den Bewohnern von Chiavenna und Plurs in der Zeit von 1268 bis nach 1277 gehen nicht weiter als auf Campell zurück, wir wollen sie übergehen.

Langsam unter unablässigen Kämpfen, welche meist einen Teil der Stadtbürger aus der Stadt verdrängten, vollzog sich seit der Mitte des dreizehnten Jahrhunderts der Übergang der Stadtverwaltungen der lom- bardischen Städte aus den Formen der Republik in die der Signorie, und zugleich wuchs damit die Überlegenheit Mailands über seine Nachbarn, die, innerlich zerrüttet, der Herrschaft der Mailändischen Signorie erst auf kurze Fristen, dann für immer erlagen. Seitdem Como es aufgegeben hatte, direkt mit Mailand zu rivalisieren, wuchs immer mehr die Mög- lichkeit, dafs diese Stadt das gesamte Vorland der mittleren Alpenpässe unter seinen Einflufs bringe. Gestützt auf das Volk waren die guelfischen Della Torre in Mailand emporgekommen, sie hatten es an die (noch immer maskierte) Herrschaft eines Geschlechtes gewöhnt, als ihre bitter- sten Feinde die ghibellinischen Visconti nach dem Siege von Desio (Januar 1277) sie vertrieben und ersetzten. Thatsächlich war der Herrscher von Mailand jetzt Ottone Visconti, der Erzbischof (f 1295), dem sein Neffe und Erbe Matteo als CapUano del popolo zur Seite stand.

Como hatte in seinen Mauern dieselben Feindschaften, die Vitani und ihre Freunde waren Guelfen, die Ghibellinen führten die Rusconi. Aber die Comasken hatten der Sitte folgend, einen Auswärtigen zum Podestä zu machen, die Herrschaft den Torriani vertraut, wie es ähnlich andere lombardische Städte gethan hatten, vor der Schlacht von Desio war aber Como zu den Visconti übergegangen. Nach mancherlei Wand- lungen wurde 1292 Matteo zum Capitano der Stadt gemacht, auch Ver- celli, Novara und Casale hatten ihm dieselbe Würde und Macht ver- liehen.

1 Öchsli, Regest 349. « Öchsli, Regest 352.

König Albrecht und die schweizerischen Alpen. 191

Seine Machtboten, zwei Bürger von Mailand, schlössen Oktober 1293 zu Vicosoprano mit dem persönlich erschienenen Bischof Berthold von Chur und einer Reihe von Adligen einen Freundschafts- und Bündnis- vertrag ab ^ Wenn auch wohl vorwiegend der Inhalt politisch sein mag, so entbehren wir doch schmerzlich in Bezug auf Handel und Verkehr die Kenntnis des Vertrages selbst, von dem bisher nur der formelle Teil veröffentlicht ist.

Matteos Stellung wurde noch immer fester, König Adolf legalisierte sie, indem er ihn zum Reichsyikar für die Lombardei machte. Unter den Machtboten, die diese Ernennung überbrachten, war des Königs Leibarzt, Meister Landolfo Ravacocca von Galiano, ein Mailänder, der einst die gleiche Stellung bei König Rudolf eingenommen hatte*. Die Könige Rudolf und Adolf haben ja auch sonst politische Verbindungen mit der lombardischen Ebene zu unterhalten gesucht, aber es waren doch nur geringe Erfolge, wie sie z. B. Bischof Heinrich von Basel bei Como errang*. Mit solchen Pergamenten konnte die Gefahr nicht ab- gewendet werden, dafs eine oberitalienische Signorie die Pässe der Centralschweiz ausnahmslos von sich abhängig mache.

Siebzehntes Kapitel. KSnig Albrectat und die schweizerischen Alpen.

Veränderung der Lage diirch die Wcüd Albrechts. Privilegien \für die Italiener fon 1299. Ausführung durch defi Bischof van Basel U/nd den Grafen von Pfirt, Ur- sprung und Zujeck der Privilegien. Die Gotthardlinie bevorzugt. Verlegung des ZoUs von Jougne auf den Gotthard. Geschichte des Zolls. Johann von Chcdon-Arlay. Kämpfe in Burgu/nd. Sperrung des Juraverkehrs,

Mit Albrechts Wahl waren die Dinge am Gotthard in dieselbe recht- liche Lage gebracht, wie sie bei Rudolfs Tode bestanden hatte, er gebot hier nun zugleich als König und als Landesherr, die Schwyzer konnten den Brief König Adolfs nicht ausnutzen. Sie mufsten sich in die Dinge fügen.

Albrecht erschien im März 1291 zum ersten Male als König am Vierwaldstättersee und nahm hier nun sofort das Werk seines Vaters auf. Der Gotthard sollte die Haupthaudelsstrafse zwischen Italien und Flandern werden. Auch die Urner mufsten sich jetzt in seinen Willen schicken, und der Habsburger hatte bis zur Pafshöhe alle Gewalt in seiner Hand. Es bedurfte nur einer Einigung mit Mailand und Como.

> Mohr 2. 79.

2 Böhmer, Reg. Adolfs 189.

» Böhmer-Redlich 324. 330. 354. 355. 356.

192 SiebzchntcB Kapitel.

Eine höchst willkommene Quelle für die Geschichte dieses Aufent- haltes bietet nun eine Reihe von Urkunden, die sich im Archive der Handelskammer von Mailand erhalten habend Am 27. März 1299 richtete Albrecht an den Bischof von Basel, den Abt von Murbach, Herzog Friedrich von Lothringen und seinen Sohn Theobald, die Grafen Heinrich von Bar, Theobald von Pfirt und Hermann von Homberg den Befehl, sie sollten, gemäfs dem auf dem soeben beendeten Hoftage zu Nürnberg beschlossenen allgemeinen Frieden, für die Kaufleute nach Entrichtung des schuldigen Zolles sicheres Geleit verbürgen. Andern- falls müfsten sie selbst für die Verluste und Schäden der Kauf leute auf- kommen.

Der Befehl fand Gehorsam, wie zwei weitere Briefe beweisen. Der eine ist ein höchst umfangreicher Schutzbrief des Grafen Diebold von Pfirt, der nur vier Tage jünger als jener Brief ist. Der Aussteller er- wähnt den königlichen Befehl zwar nicht, er nimmt so scheint es von sich aus alle Kaufleute aus Norditalien und der Provence (irniver- S08 mercaiores Romanos, Tuchanos, Lombardos, Frovincidles) in seinen Schutz. Wie. aus dem Gebrauch italienischer oder italienisch-lateinischer Worte, Rechtsausdrücke und Formeln folgt, haben Italiener den Text der Bestimmungen, die für Kaufleute äufserst günstig sind, ausgearbeitet vorgelegt; er gewährt ihnen alles, was sie nur wünschen können. Wenn ein Kaufmann auf seinem Gebiete stirbt oder getötet wird, soll sein Gut den Erben ausgeliefert werden ; wird einer bestohlen, soll der Graf inner- halb 40 Tagen nach der Requisition den Schaden ersetzen. Bei Strafsen- raub aufserhalb des pfirtischen Gebietes wird der Graf für die Rückgabe des Geraubten auf alle Weise eintreten. Wenn ein Fuhrmann Kauf- mannsware zu Pfand giebt, so soll das ungültig sein und das verpfändete Stück dem Kaufmann ohne jede Zahlung ausgefolgt werden. Auch soll keine jenseits der Berge begangene Ul)elthat oder Raub an den Kauf- leuten gerächt werden, es sei denn, dafs sie von dem Orte oder aus dem Distrikte sind, aus dem die oder der Thäter jenes Verbrechens stamme. Ohne neue Abgaben wird der Graf für die Instandhaltimg der Strafse und Brücken sorgen. Alle etwa aus früherer Zeit bestehenden Forde- rungen an die Kauf leute sollen erledigt sein. Schuldforderungen an die durchziehenden Kaufloute will der Graf nur dann zulassen, wenn der Kaufmann Selbstschuldner (debitor principnlis) ist. Für die Innehaltung all dieser Versprechungen setzt der Graf die Güter seines Landes zu Pfand und erklärt, dafs dieser Schutzbrief auch nocli zwei Monate Gültig- keit haben solle, nachdem er ihn den Rektoren der Kauf leute aufge- kündigt habe.

' Unsere Urkunden Nr. 1 u. 2.

König Albrecht und die schweizerischen Alpen. 193

Auch der Baseler Bischof Peter von Aspelt folgte dem königlichen Gebote, er liefs dasselbe durch Urkunde vom 10. Mai in seinen Landen veröffentlichen, und befahl an, alle durchziehenden Kaufleute, woher sie auch stammten, zu schützen.

Der Befehl des Königs war nur an bestimmte Personen gerichtet, es sind gerade diejenigen , welche auf der Verlängerung der Gotthard- strafse über den unteren Hauenstein und durch das St. Amarinthal und Lothringen zu den Messen der Champagne Geleitsrechte ausübten: von Norden angefangen Graf Heinrich von Bar, Theobald von Lothringen, dem sein Vater Neufchäteau abgetreten hatte*, sein Vater, der Herzog, der Abt von Murbach, der Graf von Pfirt, der Bischof von Basel, der Graf von Homberg. Bis Ölten fehlte also höchstens der Name des Grafen von Froburg. Der weitere Strafsenzug stand unter dem direkten Befehle des Königs, seine Befehle an die Vögte und Amtleute und an den Landammann von Uri sind nicht erhalten, vielleicht ergingen sie auch mündlich.

Ist der Befehl der Initiative des Königs entsprungen? Er beruft sich auf den wenige Monate vorher (im November 1298) erlassenen Land- frieden. Dort waren flandrische Gesandte gewesen, sie hatten aber wohl rein politische Gründe dahin geflihrt. Die Anwesenheit italienischer Ver- treter ist nicht bezeugt, und im Landfrieden selbst fallen keine besonderen Bestimmungen zu Gunsten der Kaufleute auf. In Luzern waren aber unzweifelhaft Vertreter der Italiener anwesend. Die Fassung der Pfirter Urkunde ist entscheidend, und wenn die reciores dictorutn mercatorum als die Oberleitung der Kaufleute bezeugt werden, so wissen wir, dafs damit die bez. der Leiter der ^universitas mercatorum Italiae nundinas Campante ac regnum Francie frequentaniium^ gemeint ist. Die Urkunden sind ferner schon am 2. Juli in Mailand auf Bitten des Richters des Capitano del Popolo von einem Notar beglaubigt. Es ist also eine Ge- sandtschaft italienischer Kaufleute im März 1299 vor dem Könige er- schienen, die Initiative liegt bei den Welschen. Da die Interessen der Kaufleute und des habsburgischen Königs zusammenfielen, fanden sie bereitwillig Gehör, und Albrecht ging sofort in seiner energischen Art vor, er bewährte sich zum erstenmal als ein Freund des Bürgertums und des Handels.

Die scharfe Art des Königs liefs ihn nicht dabei Halt machen. Er wollte den Gotthard zur einzigen Verkehrsstrafse , welche durch das heute schweizerische Alpensystem nach der Champagne und dem Nord- westen führen sollte, machen. So mufs eine bisher völlig unerklärt ge- bliebene Urkimde interpretiert werden.

» Digot 2, 182.

Schulte, Qesch. d. mittolaltorl. Handels. I. 13

194 Siebz(;hntes Kapitel.

Am 23. August 1299 verlegte Albrecht zum Besten des Landes und vor allem zum Nutzen der Kaufleute unter Zustimmung Johanns von Chalon, Herrn von Arlay, dessen Zoll von Jougne in seine und seiner Söhne Stadt Luzem. Alle, die dort vorbeigehen, sollen Johannes von ihren Ballen, Pferden, Waren und Sachen so viel geben, als bisher in Jougne zu entrichten war. Johann mufs dafür den Erben des Königs jährlich 500 it kleiner Turnosen oder Heller entrichten; beide Teile be- halten sich übrigens das Recht vor, nach Verlauf von zwei Jahren dieses Verhältnis aufzuheben, dann sollte das alte Verhältnis wieder hergestellt werdend

Um die Urkunde zu verstehen, müssen wir feststellen, was bedeutete der Zoll von Jougne und wer war Johann von Chalon.

Jougne beherrscht, wie uns bekannt, den Jurapafs, durch den die von uns vielerwähnte Strafse vom Grofsen St. Bernhard Lausanne Orbe den ersten Kamm durchbrach, wie den zweiten bei Pontarlier. Der Zoll, der hier erhoben wurde, war Eigentum des Pfalzgrafen von Burgund, war aber in Stücken weiter verlehnt*, wie auch der Pfalzgraf 1282 den Zoll von König Eduard von England zu Lehen nahm^. König Rudolf gestattete nun in den Tagen, in denen die burgundischen Wirren seine Aufmerksamkeit sehr beanspruchten, seinem Verwandten, Johann von Chalon, von jedem Ballen Wolle, Tuche, Leinen, Pfeffer, Felle u. s. w. bei seiner Burg Jougne \0 ß Lausanner Währung als Geleit in gleicher Weise zu erheben, wie es an der Zollstelle Les Cl(5es (Cletis) gebräuch- lich war. Der bisher in Jougne erhobene Zoll sei so niedrig gewesen, dafs er die Kosten des Geleites nicht gedeckt habe. Des weiteren erhielt der ChaJoner das Recht, von einem jeden Warenballen, der die Erzbistümer Besangon, Lyon, Vienne und das Bistum Valence durch- zog, den gleichen Zoll zu erheben*. Johann war ein vorsichtiger Mann, er liefs sich nicht allein von dem Kurfürsten Willebriefe dazu geben * , sondern er wandte sich auch an Papst Nikolaus IV. um Bestätigung, die er erhielt®, wie auch König Adolf diese Zollerhöhung billigtet

Das Ganze stellt sich also als ein Versuch dar, den gesamten, durch

* Böhmer, Acta imperii 400.

* Ein Drittel wurde 127G zurückgekauit; Matile, 1, 158. » Böhmer-Redlich 2190.

* Urkunde König Rudolfs vom 17. September 1288 bei Chevalier, Mömoires historiques sur la ville et seigneurie de Poligny 1, 372. Böhme r-Ficker 2190.

'* Die von Mainz und Trier sind erhalten, letzterer ist auch gedruckt. Görz, Mittelrhein. Regelten 4 Nr. 2175.

« Langlois, Registres 274 Nr. 1360 1289 September 16. ' Böhmer, Acta imperii 369.

König Albrecht und die schweizerischen Alpen. 195

das nördliche Königreich Arelat* gehenden Warenverkehr zu Gunsten Johanns von Chalon zu besteuern. In der That ein kühner Versuch und ein Entgegenkommen seitens der deutschen Könige, welches beweist, welche Bedeutung sie der Person Johanns von Chalon beimafsen. Und nun versuchte König Albrecht gar, den gesamten Verkehr auf den Gott- hard zu vereinigen, und Johann stimmte ein, und er mufste doch nach dem alten Satze mindestens 1000 Saumlast besteuern, um die in dem Vertrage mit König Albrecht festgesetzte Summe an ihn entrichten zu können. Erst darüber hinaus begann der Vorteil für Johann.

Wir müssen uns mit seiner Person und den Wirren in der Freigraf- schaft (Franche comtö) etwas näher beschäftigen, um den Hintergrund dieser Mafsregeln verstehen zu können^.

In denselben standen sich der Pfalzgraf Otto IV., der von Jugend auf sich an Frankreich angelehnt hatte, und die hohen Geschlechter, an der Spitze Johann von Chalon- Arlay, das Haupt der jüngeren Linie des pfalzgräflichen Hauses und Schwager König Rudolfs, gegenüber. Otto war ein Abenteurer, der sehr bald in die Hände der französischen Diplo- maten kam, dazu schwer verschuldet gerade Lombarden waren seine Gläubiger ihm schien das Leben am Hofe von Paris wertvoller als die Last der Verwaltung seines Hauses. Er war so französisch, dafs er das Wappen seines Hauses, in dem der Reichsadler schwebte, aufgab. Schon bei dem Kriegszuge gegen Bern hatte der König das gefährliche Bündnis dieser Reichsstadt mit Savoyen und Burgund brechen wollen. Als Otto sich weigerte, seine Lande vom Könige zu Lehen zu nehmen, rückte 1289 der alte Rudolf, dem die Sympathien der Deutschen, die zum erstenmal des nationalen Gegensatzes bewufst wurden, folgten, in das Land. Otto unterwarf sich, Johann von Arlay, der von seinem Schwager reiche Privilegien erhalten hatte und erhielt^, bezwang Besangen, das von da ab die Stellung einer Reichsstadt gewann.

Aufserlich erkannte auch Otto dann König Adolf an, der aber seiner- seits nicht etwa dafür Johann von Chalon opferte. Ein neuer Streit

* Das besonders aufgeführte Bistum Valence gehörte zu Vienne. Ausgeschlossen sind die Kirchenprovinzen Aix, Arles und Embrun.

2 Vgl. de Pi^pape, Histoire de la r^union de la Franche-Comt^ k la France. I. Paris u. Besannen (1881). Bergengrün, Die polit. Beziehungen Deutschlands zu Frankreich während d. Regierung Adolfs v. Nassau. 1884. Funck-Brentano, Philippe le Bei et la noblesse franc-comtoise. Henne berg, Die politischen Be- ziehungen zwischen Deutschland und Frankreich unter König Albrecht I. Strafs- burg 1891 (Strafsburger Dissert). Fournier, Le royaume d' Arles. Böhmer-Red- lich 2175». 2179». 22U^. 2237b. 2239. 2243. 2448 u. ff.

8 Böhmer-Redlich 2189. 2463. 2464. Neuenburg am See, Münzrecht und Klostervogtei.

13*

196 Siebzcbntcä Kapitel.

erhob sich um die Zölle, die der Pfalzgraf zum Nachteile des Chalons erhob'. Ja der Pfalzgraf machte den Versuch, den Pafs von Jougne überhaupt zu sperren. Es wurde also damals von freigräflicher Seite unternommen, was 1299 König Albrecht versuchte, den Jougnepafs zu sperren und die Kaufleute zu zwingen, entweder nördlich das war Albrechts Absicht tiber den Gotthard und durch die Vogesen zu gehen, oder südlich und das war das Ziel der Freigrafen den Jura zu überschreiten.

Hugo von Burgund, der Bruder des Pfalzgrafen Otto, wandte sich im Juni 1293 an die Gardes des foires der Champagne, an die capitanei der Lombarden und Proven9aIen und bat sie, ihre zollpflichtigen Waren nicht durch das Land Johann von Arlays, besonders nicht über Jougne zu führen. Diese Mafsregel widersprach den französischen Interessen fast ebenso sehr, wie denen des Herrn von Arlay, und auf die Gegen- äufserung Philipps des Schönen hin nahm Hugo das Schreiben zurück ^. Es scheint bei den Kaufleuten aber doch einen lebhaften Eindruck ge- macht zu haben.

Sie suchten sich einen anderen Ausweg, und zwar schickte die Ge- meinde Mailand, ftir die eine Benutzung des Umweges über die Rhone- mündung und Genua oder auch der südlichen Wesüilpenpässe unmöglich war, einen Gesandten an den Grafen Amadeus von Genevois, der den aus dem Savoyischen stammenden Fuhrleuten der gesamten italienischen und proven9ali8chen Kaufniannschaft sicheres Geleit gewähren sollte, was er that®. Der Weg, der hier gemeint ist, geht nicht etwa durch die eigentliche Grafschaft Genevois, wo es sich nur um einen Weg von Genf, Annecy, die Wasserscheide von Faverges, Albertville-Conflans, Moutiers en Tarentaise über den Kleinen St. Bernhard handeln könnte. Den richtigen Weg giebt die Erwähnung des casirum de Varey an dio Hand, worunter die von den Grafen in der Mitte des dreizehnten Jahr-

* Bergengrün 13.

2 Funck-Brentano S. 11. Das zweite Schreiben vom 6. Juli 1298.

^ Genannt sind dieselben italieuiBchen Städte wie in der 8]>ater zu erwähnenden Urkunde von 1295, aufserdem Siena, Orvieto und Lodi. Memoires et doc. publica par la soc. d'hist. et d'arch. de Gen^ve 14, 438. 1293 September 22. Der Vertrag drängt die savoyieclien Fulirlcute in den Vordergrund, das geschieht keineswegs in einem anderen Privileg desselben Grafen für ganz dieselbe Kaufmannschaft, das leider undatiert ist. Ebda. 467. Die Vertreter der Mailänder sind »ConraMus de Coucorzezio Ugum profcssor und Jacolmn Bassins de CanUirio'y die vielleicht zeitlich zu bestimmen sind. Die Urkunde enthält einen wertvollen Zolltarif: pro qnnrga (Irciiiporum, cere, davere de peySy rencciana je 2 ^., pro cquo de garda 2 ^, pro quarga lane, fusintieonim^ ferramentorcm je 12 ^. Das Stück liegt nur in einer Vidimation von 1303 vor.

König Albrecht und die schweizerischen Alpen. 197

hunderts ererbte Burg Varey en Bugey * zu verstehen ist, und diese liegt nahe dem Wege, der von Mäcon an der Saöne in südöstlicher Richtung über Bourg d'Ain in die Landschaft Bugey eintritt. Hier ist man im südlichsten Teile des Jura, dessen Parallelketten in Windungen umgangen werden, zwischen zweien deutet der Name les H6pitaux, dals einst ein Hospiz der langen, tief eingeschnittenen Schlucht ihre Schrecken nahm. Der Weg erreicht Belley, überschreitet bei La Balme den Rhone, gewinnt nach Überwindung eines Passes die Ufer des Lac du Bourget und tritt jenseits Chambery bei Montm^lian in das Is^rethal. Die Landschaft Tarentaise flihrt zum Kleinen St. Bernhard, wie weiter südlich die Maurienne zum Mont Cenis und Col de Frdjus. Die Kaufleute mieden also die Freigrafschaft, die durch den Friedensschlufs zwischen dem Pfalz- grafen und dem Herrn von Arlay 1293 Dezember 20* einen Augenblick Ruhe erhielt.

In dem Vertrage von Vincennes nun, der am 2. März 1295 abge- schlossen wurde, entäufserte sich der Pfalzgraf sowohl der Freigrafschaft wie der Herrschaft Salins und übergab sie gegen eine gute Jahrespension dem französischen Königshause« Seine einzige Tochter Johanna sollte einem französischen Prinzen vermählt werden, unwiderruflich sollte das die Mitgift der Tochter des Grafen sein, der sich selbst wie sein Land so an Frankreich verkaufte.

Johann hatte inzwischen auch bei Adolf besondere Gunst gefunden, welcher ihn 1295 zum Reichsstatthalter in Tuscien machte. Aber er liefs sich durch die guelfischen Städte mit 50000 Florenen bestechen, heimzukehren®. Seine Anwesenheit in der Heimat war bitter notwendig geworden.

Das Land liefs sich nicht so leicht verschachern, wie der Pfalzgraf gemeint hatte, Johann von Chalon trat an die Spitze des Widerstandes, und König Adolf unterstützte wenigstens mit Worten die gegen Philipp den Schönen sich wehrenden Adligen, welche vom König von England Subsidien erhielten. Doch Philipps Vertreter machten Fortschritte im Lande, auch der Graf von Pfirt fiel vom Adel ab, und es mag sein, dafs er mit deshalb von dem neuen Könige Albrecht sofort nach Adolfs Tode angegriflfen wurde.

Albrecht hatte als Herzog mit dem Könige von Frankreich ver- handelt, als deutscher König mufste er zunächst die Dinge sich abklären

* Lövrier, Chronol. historique des comtes de Genevois 1, 145.

' S. Funck-Brentano 15.

^ Kopp3, 1. 182. Vgl. Digon,Faucardu. Thomas, Registre Boniface VIII. Kr. 905. 939 u. 1597. Juni 1296 waren ihm nur noch 5500 fl. zu zahlen, es waren schöne EinuahmcUi die er machte.

198 Siebzehntes Kapitel.

lassen. Schon am 26. Februar 1299 finden wir Johann von Chalon beim neuen Könige, er hat ihn längere Zeit begleitet. In diese Tage fHIlt der Aufenthalt des Königs in Luzern und die Verhandlung über die Ver- legung des Zolles. Der Herr von Chalon war offenbar wegen der burgundischen Wirren, wo er der Führer der Reichspartei war, seiner Zolleinnahmen nicht mehr sicher, so bequemte er sich zu der Verlegung des Zolles. Vielleicht war aber auch der Zoll von Les Cl^es und Jougne zusammen so hoch, dafs die Kaufleute den Weg mieden und Johann von Chalon den Versuch machte, die alten Einnahmen von Jougne sich durch die Verlegung desselben wieder zu verschaffen.

Für Albrecht war die burgundische Frage nur ein kleiner Teil des Ausgleiches mit Frankreich, das seine Grenzen so mächtig nach Osten vorschob. Heute, wo wir klarer in diese Dinge sehen, ist es noch kaum zu bezweifeln, dafs er seine Freundschaft mit Frankreich durch die Ab- gliederung des Arelats zu Gunsten seines Sohnes Rudolf, der die fran- zösische Königstochter Blanka heiratete, oder eines französischen Bräuti- gams einer habsburgischen Tochter befestigen wollte. Er wollte dabei die Wahlmonarchie in eine Erbmonarchie verwandeln '. Der Widerspruch der geistlichen Kurfürsten machte es unmöglich, das durchzuführen. So wurde auf der Zusammenkunft zu Vaucouleurs die burgundische Frage ausdrücklich offen gelassen, seitdem hat Albrecht für die burgundischen Gegner Philipps die Hand nicht mehr gerührt und die Annexion der Freigraföchaft durch Philipp den Schönen geschehen lassen. 1301 mufsten sich die Edeln Burgunds unterwerfen, auch Johann von Chalon, der sich übrigens 1311 von Heinrich VII. in Mailand mit dem Zolle in Jougne belehnen liefs^. Für den Augenblick war die Freigrafschaft verloren. Die Gefahr einer Abtretung des gesamten linken Rheinufers au Frank- reich, wie sie in Deutschland wohl befürchtet, in Frankreich erhofft ^ wurde, hat wohl niemals bestanden; sie würde auch seine Ilandclsstrafse sofort wieder vernichtet haben.

* Neuerdings sind au Quellen hinzugekommen das von Weilaud in d. Nachr. d. Gesellsch. d. Wiss. zu Göttingen 1894 herausgegebene Fragment der niederrhein. Papst- und Kaiserchronik und der Protest der Erzbischöfe von Mainz und Köln 1299 Dezember 5. Neues Archiv 213, 41.

»Pedaffia de Joyni et alia pedagiay que teuere conmeüit ah imperio sive a Borna* norum regihtis.t Dönniges, Acta Heinrici VII. 1, 34 Nr. 60.

König Albrecht und die schweizerischen Alpen. X99

Achtzehntes Kapitel. ESnig Albrectat nnd die sctaweizerisetaeii Alpen (Fortsetzung).

Frankreich und die Champa{)n€ und Flandern. Der alte Weg Italien- Flandati genügt nicht mehr, Verträge der Italiener über die alte Stra/se. Vergleich mit denen üher die neue. Albrechts Zölle und der Landfrieden. Aufhebung der Bheinzolle. Erfolge.

Höhe des Verheiirs über den Gotthard. Zollertrag. Vergleich mit Bapaume, mit den anderen habsburgischen Zöllen, mit den habsburgi sehen Städtesteuern.

Strafsenräubereien. Das Muster eines Brigantenbriefs,

Kehren wir zu der Geschichte der Gotthard- und Jougnestrafsen und Zölle zurück. Was wollten die iüilienischen Kaufleute, die wir als treibendes Element bei der Gotthardstrafse gefunden haben, und wie ver- band sich die Politik Albrechts mit seiner übrigen?

Die Absicht der Kaufleute war unzweifelhaft darauf gerichtet, sieh von den Folgen der Kämpfe, welche die Ausdehnung des erstarkenden Frankreichs herbeiführte, möglichst unabhängig zu machen und sich mög- lichst viele Wege zu sichern, um die Verbindung mit den Champagner- messen und mit dem für die Italiener wichtigsten Hinterlande derselben, Flandern und England nicht zu verlieren.

Die Blüte der Champagnermessen hatte darauf beruht, dafs sie in einem Zwischenstaat zwischen Frankreich und Deutschland stattfanden. Seitdem die Erbin des letzten Grafen von der Champagne aus dem Hause Blois, Johanna, sich mit Philipp dem Schönen, König von Frank- reich, vermählt hatte, war, trotzdem die Form einer halben Selbständig- keit gewahrt war^, die Champagne ein Teil Frankreichs geworden, die Messen mufsten also die Folgen der Kriege des Königs tragen. Und nun entbrannte auf der ganzen Linie, durch welche die bisher am meisten von den Italienern benutzten Wege liefen, ein Streit, der den Kaufleuten höchst nachteilig war. An die burgundischen Händel schlössen sich räumlich an die Eingriffe des französischen Königs in die Rechte der Grafschaft Bar, besonders aber kam die Stellung Flanderns und Eng- lands in Frage; denn das Rückgrat des Handels der Italiener in diesen Gegenden war die englische Wolle. Wie durch sie die flandrischen Städte lebten, so war auch für die italienische Industrie dieses Roh- material bereits unentbehrlich. Brügge war der Haupthandels platz aufser- halb des Mittelmeeres geworden, von dem sich Italien nicht trennen konnte.

In Flandern vertraten die Zünfte, die Tucher, Weber, Walker und Scherer die Politik einer Anlehnung an England, die wirtschaftliche Ab-

* Nach dem Tode seiner Mutter wurde Ludwig, der spätere König, 1805 nominell der Herr des Landes.

200 Achtzehntes Kapitel.

faängigkcit leitete diese Kreise neben den nationalen und politischen Gesichtspunkten ^. Man sagte sich dort, das Getreide, das Frankreich uns liefert, können wir uns für das Geld kaufen, das wir aus der englischen Wolle gewinnen müssen. So hatte Graf Guido in dem Kampfe Eduards I. wider Philipp auf englischer Seite gestanden, von Januar 1297 bis zum Schiedsspruch Bonifaz' VIII. (27. Juni 1298) hatte das erste Bündnis Dauer, dann war Flandern allein gelassen, im Januar 1300 begann der Krieg von neuem, im Mai war Flandern französisch. Doch die Leliaerts konnten sich nicht halten, ein Weber, Picter de Ooninc, war es, der den Mut der Clauwaerts aufrichtete. In der flandrischen Vesper (Mai 1302) erfolgte die Explosion der glühenden Leidenschaft der Vlaemen; in der Schlacht von Kortryck bewiesen sie die militärische Tüchtigkeit eines städtischen Heeres; aber im Juni 1305 wurde durch den Frieden von Athies das Land erneut französischer Herrschaft unterworfen, um sich bald wieder zu erheben.

Es ist klar, dafs der italienische Kaufmann, der weder die Ver- bindung mit Frankreich noch mit Flandern aufgeben wollte, sich auf zw(.*i Strafsen einrichten mufste: auf die alte, welche durch Burgund nach der Champagne und Paris führte, auf eine neue, die Burgund um- ging und entweder doch nach Frankreich hinein führte das war der Weg, der nach Neufchäteau abbog oder sie mufsten überhaupt franzö- sisches Gebiet vermeiden, und dann ergab sich die Fortsetzung durch Lothringen. Ja es mufste die Benutzung des Wegs den Rhein hinab hierdurch gewinnen.

Wir werden später die eifrigsten Bemühungen italienischer Städte um liesserung der Alpen passe im Wallis zu besprechen haben , ich niöclite die Dinge nicht zorreifseu und hier nur an der Geschichte des Jougnepasses zeigen, wie eifrig auch hier die Italiener für die Besserung und Sicherung des Weges thätig waren.

Im JafiA'e 1295 verhandelten Palmcrio de Roggo von Piacenza und Marco Bolano aus Venedig im Auftrage der italienisclien Kaufmann- schaft auf d(;n Messen mit dem Pfalzgrafen Otto von Burgund, Herrn zu Salins, und seinem Bruder Hugo. Diese sicherten allen Kaufleuten aus Rom, Florenz, Orvieto, Pistoja, Lucca, Genua, Piacenza, Mailand, Venedig, Asti, Alba, Como, Parma, Bologna und Prato, wie überhaupt all(Mi aus Italien und der Provence kommenden Kaufleuten ungestörten Handel zu '-.

* DaH (•rkoiuit auch Fuiick- Brentano, Philippe le Hei en Flandre (1896) S. .S7 an. Vgl. auch IM renne.

- Chevalier a.a.O. IJ-Sl. Fagniez, Document» 1, 315. Otto stellte die Ur- kunde zu PariH auB, die Gegenurkunde des Capitaneua et rcctor universitatis inerca^

König Albrecbt und die schweizerischen Alpen« 201

Wir haben, wie wir sehen, im Jura und in der Freigrafschaft zwei aneinander stofsende Zollherrschaften, welche übrigens zwei Feinden ge- hörten, die gerade sich auch über die Zölle gestritten hatten. Wir haben früher gesehen, wie schon im zehnten Jahrhundert von Pontarlier zwei Wege nach Frankreich hineinführten, der eine war die auf Langres zu führende alte Römerstrafse, der andere lenkte über St. Jean de Losne und Dijon nach Burgund. Dieser Weg mit seinen Zöllen wird uns nun ganz genau aus der Urkunde von 1295 bekannt Es werden erwähnt (Mn Zoll apud Pontem Arliam (34 ^ kleiner Turnosen von dem 24 Rubb wiegenden Ballen), einer apud Calciamontem (25 ^), einer ad Salinas (2 ß), der höchste (8 ß) apud Augerantem, endlich einer von 4 h aptid Dolam, Statt über Dole gehen die Kaufleute auch über OeuHacum, Erwähnt wird noch eine sosia apud Laloam (2 ^), welche aber kein Bannrecht haben soll. In Salins soll das alte Warenhaus (logia pro bdllis deponendis) wiederhergestellt, in Augerant eine neue gebaut werden.

Der Weg weicht von den heutigen an manchen Stellen ab und ver- meidet, so weit ich das beurteilen kann, möglichst die grofsen Wälder. Die Strafse führte über Salins, stieg in das Thal der La Loue herab, die überschritten wurde ^ Mit La Loye gabelt sich der Weg, der eine umgeht die Spitze der weithin zwischen der La Loue und dem unteren

tornniy Lanzaloctus Ciwcherla aus Piacenza ist aber am gleichen Tage den 11. Febr. 1295 in Lagny, also während der dortigen Messe ausgesteUt.

^ Heute verbinden zwei Strafsenzüge Pontarlier mit Salins. Sie trennen sich vor Cliaffois, der südliche Weg geht über Dompierre und Andelot, der nördliche über Levier; jener durchschneidet mehrere Kilometer den Foret de la Hautc-Choux, dieser ebenso lange den For§t royal du Jura. Zwei schmale Waldgebiete durch- setzt die mittclalterliclie zwischen beiden jenen liegende Strafse. Ihre Lage ist durch den Ortsnamen Villcrs-sous-Chalamont gesichert. Wer zunächst der nördlichen Strafse folgt, stöfst auf ein Haus, le magasin vieux, einige tausend Schritt weiter liegt das magasin neuf. Bei beiden kann man abbiegen, um zunächst Boujeailles zu erreichen. Dieser auch bei der Translation der hl. Urban und Tiburtius genannte Ort (s. oben S. 58) ist von dem jenseits gelegenen Villers-sous-Chalamont durch einen schmalen Jurazug getrennt^ der aber eine Pforte läfst. Durch diese führt heute ein in Serpentinen geführter Weg. Jenseits Villers scheint sich der Weg heute den Kalten nach zu urteilen in Wiesen zu verlaufen, aber nur für einen Augenblick. Der dann wieder auftauchende Weg erreicht sehr bald die nördliche über Levier führende Strafse, an der Einmündungsstelle bezeichnet die Karte ein Haus als TEntrepöt. Von dort fällt der Weg bedeutend bis Salins. Zwischen diesem Orte und Augerans, wo eine Burg die Strafse beherrscht, ist die ßoute nicht so ohne weiteres festzulegen. Es mufs die La Loue überschritten werden; wie es scheint, geschah es kurz vor Augerans, gemäfs der Translation des hl. Urban sicher nicht oberhalb Chamblay. Mit Augerans hängt fast unmittelbar La Loye zusammen, man findet es also begreiflich, dafs für die dort bestehende Sust kein Bannrecht mehr bestehen bleiben konnte, nachdem auch Augerans eine solche erhielt.

202 Achtzehntes Kapitel.

Doubs sich hiDziehenden Foret de Chaux und erreicht vor Dole, der einst von Barbarossa so sehr begünstigten Stadt, den Doubs. In dem Handelsvertrage sind die Zollstätten von Dole her aufgeführt, neben und gleichwertig mit Döle wird aber auch Geuriacum genannt. Ich glaube mich nicht zu täuschen, wenn ich darin das etwa sieben Kilometer unter- halb Dole am Doubs liegende Gevry sehe. Da der Flufs hier mehrfach seinen Lauf gewechselt hat, ist nur zu vermuten, dafs über Parrecey La Loye erreicht wurde. Was hat aber diese Gabelung zu bedeuten? Meines Erachtens führte der Weg über Döle weiter über Auxonne nach Dijon, der andere über Givry, Tavaux und St. Aubin aber nach St. Jean de Losne. Dieser Punkt, ein Grenzort des Deutschen Reiches, hat aber eine besondere Bedeutung, denn hier war der Endpunkt der regelmäfsigen Schiffahrt auf der Saöne. Wer von den Messen der Champagne hierher kam, mufste sich also entscheiden, ob er zu Schiffe zum Meere hinab ziehen oder durch Jura und Alpen den Landweg nehmen wolle. Doch kehren wir zum Passe von Jougne zurück, nachdem wir den ganzen Weg der Champagnefahrer vom unteren zum oberen Doubs festgestellt haben !

Wenn die Strafse über die Vogesen und durch die Freigrafschaft Konkurrenten waren, so wird es sich lohnen, den Text der Privilegien des Grafen von Pfirt* und des Pfalzgrafen miteinander zu vergleichen. Die letztere Urkunde ist nicht geradezu wörtlich benutzt, aber bei den Verhandlungen -wohl zur Hand gewesen.

Der Graf von Pfirt giebt nun zunächst nicht die speciellen Angaben über die zu erhebenden Zölle, über die Münze, in welcher die Zahlungen entrichtet werden dürfen, über die Susten und über die Zollfreiheit der Reitpferde; es fehlt auch das Versprechen, keine weiteren neuen Auf- lagen zu machen. Der Graf von Pfirt hat ja nur eine relativ sehr kurze Strecke des neuen Handelsweges. In beiden Privilegien sind die Be- stimmungen gleich oder wenig verschieden, welche sich auf den Schutz des Kaufmanns und seines Gutes beziehen. Doch beobachtet man auch hier, dafs die besseren, durch Erfahrung begründeten Verfügungen von dem Pfalzgrafen erlassen werden; da ist z. B. der Diebstahl im Gast- hause vorgesehen und unter das gemeine Recht gestellt, während sonstige Diebstähle am Kaufmannsgute beschleunigt und auf den Eid des Kauf- manns hin durch den Landesherrn ersetzt werden sollen. Der Pfirtischen Abmachung eigentümlich sind die Bestimmungen, welche das Fehdewesen und die lebhaftere politische Verbindung mit Italien nötig machen. Für das, was jenseits der Berge geschah, soll der Kaufmann nur dann mit- verantwortlich sein, wenn er aus derselben Stadt oder Distrikt stammt,

* Unsere Urkunden Nr. 2.

König Albreoht und die schweizerischen Alpen. 203

wie der Thäter. Kommt es aber zu einem von deutscher Seite ver- anlafsten Konflikte, so sollen die Kaufleute der betreffenden Stadt noch 40 Tage freien Verkehr haben. Die Aufkündigung des Geleites erzeugt bei dem Pfirter eine Frist von zwei Monaten, bei dem burgundischen aber ein halbes Jahr. Der Pfalzgraf verspricht ^per fidetn^ , der Graf unter Verpföndung seiner Lande, die gegebenen Versprechungen zu halten.

Wurden die Verträge wirklich gehalten, so konnten die italienischen Kaufleute auf dem einen wie dem anderen Wege ruhig und sicher ziehen, es kam dann auf die allgemein politischen Verhältnisse an, welchem Wege die Italiener den Vorzug gaben.

Die zweite Frage, die aufgestellt wurde, ist die, wie fügen sich diese Strafsenprivilegien der gesamten Politik Albrechts ein; können wir bei ihm gar von einer Handelspolitik reden? Ich glaube, dafs man mit Ja antworten darf.

Die Geschichte der Zölle und Landfrieden, so sehr sie den Handel mit Italien beeinflufsten , kann ich nur streifen \ Die deutsche Zoll- geschichte ist ein vergebliches Ringen der Könige gegen die Einführung neuer, in keiner Weise die Interessen des Handels fördernden Zölle seitens der Landesherrn, denen in Augenblicken der Not die Könige nachge- geben hatten. Das Zollregal hatte Friedrich IL 1220 einschränken müssen, 1234 wurde das Jahr 1190 als Termin festgesetzt, alle jüngeren nicht rechtsgültig errichteten Zölle sollten abgeschafilt werden, im folgenden Jahre wurde als Normaljahr 1197 festgesetzt. Das Zollunwesen wucherte trotzdem üppig weiter, und der rheinische Bund von 1254 war vor allem gegen diese ungerechten Zölle errichtet, denen keine Leistung seitens der Zollherren entsprach, sondern die lediglich errichtet waren, damit die Herren sich an dem aufblühenden Handel und Verkehr schadlos hielten. Es war die schlimmste Ausbeutung fremder Taschen, die auch dieser Bund nicht abstellen konnte.

Es gab damals 40 Zölle auf dem Rheine, und ein Engländer, der im Gefolge des Königs Richard nach Deutschland kam, konnte sich nicht genug über die furiosa TetUonicorum insania wundem^. Rudolf trat gleich zu Beginn seiner Regierung mit hohem Ernste für die Abschaff'ung aller ungerechten Zölle ein ^, er legte auch seinen habsburgischen Zöllnern das Handwerk*. Er stellte sich freilich grundsätzlich auf den Stand-

' Für die Rheinzölle vgl. Frey, Die Schicksale des königl. Gutes in Deutsch- land 202—219. Lamprecht Bd. 2. Wetzel, Das Zollrccht der deutschen Könige V. d. ältesten Zeiten bis zur goldenen Bulle. Untersuchungen Hera. v. Gierke Heft 43. Sommerlad, Rheinzölle.

- Böhmer, Fontes 2, 455.

3 Böhmer-Redlich 11.

* Böhmer-Redlich 150 u. 151. Erzingen und Ensisheim.

204 Achtzehntes Kapitel.

punkt, dafs für Instandhaltung sehr schlechter Strafsen denjenigen, welche sich zum Bau verpflichteten, etwas von den dort Verkehrenden zu zahlen sei ^ Das wurde ja auch von den Handelsstädten, wie wir sehen werden, angeboten ^ Für die Reichszölle wurde 1287 das Jahr 1250 als Normal- jahr festgesetzt.

Die Erfolge, welche so errungen wurden, hat König Adolf wieder preisgegeben, er vermehrte die Zölle wieder, und auch Albrecht hatte den rheinischen Kurfürsten ihre Stimme mit Zollprivilegien bezahlen müssen. In der Geschichte des deutschen Zollwesens regierte der Augen- blick, dem momentanen Vorteile zuliebe gab selbst ein Albrecht so weit nach.

Nicht so lange dauerte es, bis er mit den vier rheinischen Kurfürsten gründlich zerfallen war. Er hoffte, die Erbschaft des ausgestorbenen Hauses der Grafen von Holland zu gewinnen, also das Mündungsgebiet des Rheines, der reiche Besitz war dem Reiche und ihm durch ein Fürstengericht zugesprochen. Er erstrebte also, auch das andere Ende der grofsen Weltstrafse, die dem Strome folgte, zu gewinnen, auf ihr die überlästige Herrschaft der Kurfürsten zu brechen und dem Handel die Fesseln abzunehmen. Die Politik, die er trieb, war die der sich bildenden Nationalstaaten, denen es gelang, die Teilbildungen zu über- winden. Er hob seine eigenen Zollverleihungen wie die seines Vaters auf und erklärte, den Zustand der Tage des „siegreichen" Kaiser Fried- richs IL wiederherstellen zu wollen, er eröffnete eine Politik, die seine gewaltige Kraft uns bekundet In einem Manifeste wandte er sich an die Bürger der rheinischen Bischofstädte von Köln bis Basel und Kon- stanz und forderte sie auf, sich den Zollerhebern der Kurfürsten zu widersetzen. Er selbst erschien, eifrig durch die Städte gefördert, im Felde und warf alle Kurfürsten nieder. Die neuen Zölle waren und blieben, so lange er die Krone trug, aufgehoben, mochten auch die Kur- fürsten von Mainz und Köln sich vom Papste Klemens V. die Zölle be- stätigen lassen^. Es war ein Zeichen, dafs bei der nächsten Wahl sie ihre Ansprüche erneut vorbringen würden.

In dieser Politik Albrechts äufsert sich ja gewifs auch der Egoismus, der aber dem Reiche zu gute kommen mufste, doch zugleich ist er der einzige deutsche König gewesen, der des Zollunfuges wegen zum Schwerte griff. Der Erfolg war glänzend. ^ Rhenus apertus est et naves ascendere vel (lescendere libere potiiertmt^ schrieb der Dominikaner von Kolmar,

* Böhmer-Redlich 1548, nur im Formclbuch erhalten.

* Vgl. Geschichte des Simplons.

» Reg. Clem. papae V N. 2061 Mainz für Lahnstein 1307 Oktober 28. 2090 KtUu für Bonn und Andernach 1306 Dezember 25.

König Albrecht and die schweizerischen Alpen. 205

sehr bald aber wurde geschrieben: ^^Ehenus, quem rex Albertus apperueratf ut omnis volens ascendere et descendere poterat, hunc milites terre clause- runt^ ut nuUus mercatorum äusus fuerit in Rheno amplius comparare^ ^ Das, was Albrecht erstrebt hatte, wäre in einer Monarchie, die auf das Erbrecht sich stlitzte, durchzufiihren gewesen, hier waren aber gerade die Wähler diejenigen, welche von dem ZoUunfuge den meisten Nutzen gehabt hatten.

Auch in seinem Landfrieden vom April 1301, dem ersten speciell elsäfsischen, haben wir sein Bemühen zur Förderung des Handels zu er- kennen. Er folgte darin den Spuren seines Vaters, dessen Bemühungen um die Sicherung des Landfriedens die Geschichte nicht vergessen hat. Nicht allein in Thüringen, sondern auch im Klettgau brach er die Burgen von Raubrittern^. Der Sohn begnügte sich nicht aber mit solchen allgemein gebotenen Landfrieden, er schlofs den elsäfsischen in Vertragsform mit den Bischöfen Friedrich von Strafsburg, Peter von Basel, den beiden Landgrafen im Elsafs der im Oberelsafs war er selbst und den beiden Städten Basel und Strafsburg ab®. In ihm heifst es: ^alle geste and alle frSmede hHe, sie Stent vamde blibende oder wesende, die si^llent diesen selben friden han.t Und noch deutlicher w^ird uns die Bedeutung für den Handel, wenn wir beachten, dafs die Grenzen der südlichen Vorzone angegeben sind mit » Howensiein^i^ und iOoldenfeils^^. Auf dem Hauenstein, wo das habsburgische Geleit ge- endet, empfing den Reisenden die Sicherheit des elsässischen Landfriedens. Und auch der Augenblick des Abschlusses ist von Bedeutung. Er fkUt in den Monat April, am 7. Mai 1801 erliefs der König sein Manifest gegen die rheinischen Kurfürsten. Es war das erste Mal, dafs ein König, um den Landfrieden wirklich durchzuführen, sich nicht der Form eines Gesetzes bediente, es war auch kein Vollzugsvertrag eines allgemeinen Landfriedens, sondern ein Bündnis des Königs mit den tonangebenden Ständen des Landes '^.

Welchen Erfolg hatten die Habsburger nun bei ihren Bemühungen um Hebung des Handelsverkehrs? Über den für die ganze Strecke von Hospenthal bis Reiden in Luzern erhobenen Zoll giebt uns eine sehr willkommene Auskunft das habsburgische Urbar aus dem Anfange des vierzehnten Jahrhunderts. Der Höchstertrag war 1108^5 und 6^ Basler Währung, 4 €6 13V'2 grofse Tumosen und vier Gulden, der Mindest-

» M.G. SS. 17, 227. 228.

« Weifsenburg 1288 Böhmer-Redlich 2166». 3 Strafsb. Urkb. 2, 187.

* Roche d'or. Burg an der schweiz.-franz. Grenze am Doubsknie bei St. ürsanne. « Vgl. Wynekcn S. 92. Heinrich VII. erneute ihn 1310 auf fünf Jahre. Strafsb. ürkb. 2, 229.

206

Achtzehntes Kapitel.

ertrag 460 €6 Basler*. In Luzern waren sicher zwei (die Zölle von Reiden und Hospenthal), vielleicht noch mehr zusammengelegt. Man mufs sich das vor Augen halten, wenn wir die Verkehrshöhe berechnen wollen. Wir besitzen zudem keinen Zolltarif. Also für die Wirtschafts- geschichte ergiebt sich kein einwandfreier Vergleich. Aber ich meine, es ist doch lehrreich, die Parallele mit Bapaume, dem Passe, den der Verkehr von Flandern und Frankreich benutzt, zu ziehen. Maximimi und Minimum sind da in der Zeit von 1288—1307 3250 ü Pariser und 1226 €6 ^. Ganz roh verglichen ist das Maximum dreimal so hoch, das Minimum etwas weniger.

Die Stellung des Luzerner Zolles unter den übrigen habsburgischen erläutert das Urbarbuch. Es ergiebt sich folgende Tabelle:

Zoll zu

Höchster Ertrag

Niedrigster Ertrag

Quelle Urbarbuch

Ottmarsheim Vi des Zolles . .

Demnach der ganze .... Erzingen

Aufserdem jährlich

Hanenstein

Waldshut in der Stadt .... Waldshut auf der Rheinbrücke

Dietikon

Baden, Zoll auf der Brücke . .

Brugg

Lenzburg

Winterthur Zoll

Frei bürg im Uchtland ....

Aarburg

Zofingen

Wesen

15 «5 60 ü

16 «5

4 a

70 «

10 ^

3 «

3 iS

35 ü

160 ^

113 U 61

Baseler

Schaffliauser

PfeflFer

Schaffhauser

5 yj Züricher [Züricher] [Züricher]

10 ii [Züricher]* 26 fS Züricher»

6 ß Lausener

10 fi 40 «

10 a

31 Ä5 4V2 €ß

1 «

2 i6 20 «8

90^

^ a 6 ß

40 ü Ohne Angabe

87

68

75

76 117 129 138 158 338/9 486 489 496 517

Was war die handelsgeographische Funktion dieser Zölle? Wer vom Qotthard auf Basel zog, passierte die Zollstellen von Zofingen und Aarburg (die nachher noch zu erwähnen sind), wer von Basel ab weder durch das St. Amarinthal noch auf der elsäfsischen Bergstrafse reisen.

> Habsb. Urbar 1, 218 u. 286.

« S. oben S. 165.

^ Bevor die Städte Baden und Mellingen diesen Zoll mitentrichten mufsten, trug er 10 oder 11 ü Ebda.

* Fester Ertrag.

^ Der Pachtertrag des Zolles umfafste auch die Einnahmen aus der Münze, dem Bankschilling und der herrschaftlichen Wage.

König Albrecht und die schweizerischen Alpen. 207

noch auf dem Rheine fahren wollte, mufste den Zoll zu Ottmarsheim entrichten. Die Zölle zu Dietikon, Baden und Winterthur zeigen weitere Fortsetzungen des Gotthardverkchrs. Winterthur liegt auf der Strafee Zürich-Konstanz, die beiden anderen aber an der von Zürich-Limmat abwärts führenden: Dietikon am Eintritt in das habsburgische Gebiet. Auf diesem Wege kam man zum Bötzberg. Damals gab es bei Walds- hut eine Rheinbrücke, der Stadtzoll von Waldshut enthält aufser dem Verkehre vom Gotthard her den, der am rechten Rheinufer zwischen SchafFhausen - Konstanz und Basel hin und her ging. Dieser Weg wurde auch durch den ziemlich ertragreichen Zoll von Hauenstein für die Herrschaft nutzbar gemacht, ebenso durch den Zoll von Erzingen. Ein anderer Teil des von Zürich über Basel kommenden Verkehres über- schritt bei Brugg die Aare, passierte den Bötzberg und erreichte so Basel. Der Zollertrag kam unmittelbar, freilich in weitem Abstände nach dem Gotthardzolle. Wir dürfen den Brugger Zoll aber nicht aus- schliefslich unter diesem Gesichtspunkte betrachten, er gehört auch der Reihe der Zollstätten an der Aare: Lenzburg, Zofingen und Aarburg an, die beiden letzten sind aber auch Teile der Gotthardreihe , wie der Zoll von Baden und Winterthur auch an diesem westöstlichen Ver- kehr interessiert waren. Der Freiburger Zoll bietet uns ein Bild des internationalen Verkehrs nur in dem Maximalertrag, der Zusatz: *das meiste nwcht man sit dem male nie genemen von defn eolle sit das mule und ros die stra:^e nihi hant gefieihei,^ Wie weit der Verkehr aus dem Wallis dabei einwirkte, ist nicht leicht zu sagen.

Leider sind die Angaben, welche der Schreiber bei dem Zolle von Wesen vorsah, nicht eingetragen. Wir würden sonst einen Vergleich mit dem Verkehre gewinnen, der damals noch dem alten Zuge von Zürich über den Züricher- und Walensee zu den Büudner Pässen folgtet

Nach dieser Erläuterung der Tabelle, welche so viele Kreuzungs- punkte enthält, ist es leider nicht möglich, die grofsen Strafsenzüge in Zahlen zusammenzufassen. Aber es ergiebt sich doch das Folgende. Selbst ein Drittel der in Luzern zusammengelegten Zölle (rund 370 U 153 U) bleibt hoch über den nächsten Zöllen: Brugg (160—90), Freiburg (113—38), Hauenstein (70—31), Ottmarsheim (60—40). Das Gesamt-

' Eine Übersicht über sämtliche Zollstellen des Alpenlandes wäre sehr er- wünscht. Die meisten Zolltarife dieser Gebiete sind noch bis 1300 hinein im wesent- lichen auf die Erfassung der landwirtschaftlichen Objekte gerichtet, so der einen Schwarz Waldweg sperrende Zoll von Villingen. Im Zolltarif von 1296 (Fürsten- berg. Urkb. 0, 237 f.) ist jedoch auch von „Gästen" die Rede. Die Karte giebt einen ersten Versuch einer solchen Zollkarte. Vollständigkeit erstrebte ich jedoch nur für die direkt nach Italien führenden Wege.

208

Achtzehntes Kapitel.

ergebnis des OotthardzoIIcs (rund 1130 i6 im Maximum, 460 im Miniraum) übersteigt sehr erheblich die Gesamtsumme der anderen in ihren Erträgen bekannten habsburgisehen Zölle (rund 460 €ß im Maximum, 255 im Minimum).

Die Stellung, welche der GotthardzoU im Haushalt der Habsburger einnahm, ist mit mehr Sicherheit zu erkennen, als die innerhalb des gesamten Zollwesens jener Tage. Das Urbar bietet eine Vergleichung mit den StÄdtesteuem. In der nachfolgenden Tabelle habe ich die Er- höhungen, welche erfolgt waren, voraufgestellt, dahinter folgt die alte Taxe, welche auch ftir die Posten gilt, wo keine Erhöhung angegeben ist.

Höclißter Ertrag i C^eringster

Höchster

Mindester

Quelle

^ Ertrag

Ertrag

Ertrag

Baden ....

Ohne Angabe

Ohne Angabe

S. 130

Mellingen . .

-

17 m. a. 1 8 m. a.

S. 131

Aarau ....

105 €6 [Züricher]

50 «5

30 /i

S. 137

Brugg ....

34 m. a.

16 m. a.

12 m. a.

s. las f.

Zug u. Oberwil

18 m. a. 10 m. a.

S. 152

Lenzburg. . .

24 i6 LZüricher]

12 fS

10 «J

S. 159

Sursee ....

28 in. a. 2OV2 m. a.

10 m. a.

S. 177

Sempach . . .

25' /a m. a.

lOVa m. a.

10 m. a.

S. 179

Luzern ....

55 m. a. 40 m. a.

S. 218

Winterthur . .

150 m. a. 60 m. a.

100 ii [Züricher]

S. 339

Diefsenhofcn .

40 m. a. ; 30 m. a.

S. :^1

Zofingen . . .

^■^"

■"^^

30 m. a.

20 m. a.

S. 497

Die Städte Frauenfeld, Wesen, Walenstad im Nordosten, Interiaken und Freiburg im Südwesten mufs ich aufser acht lassen, da hier das Urbarbuch gar keine oder keine sichere Auskunft gewährt. Die Städte des Kernes des habsburgisehen Besitzes auf der schweizerischen Hoch- ebene — mit Ausnahme von Baden ergaben somit vor der Steuer- erhöhung im Maximum: 192 Mark Silber und 140 Ä5 ft (und letzteres ganz roh nach der Formel 2V2 ä5 ^ 1 m. umgerechnet), insgesamt 248 Mark Silber, im Minimum (140 m. a + 140 ^) aber 196 M. S. Nach der Erhöhung stellen sich die Summen auf (392 ^/2 m. a + 129 fS ) 444^2 und (266 m. a -+- 62 «) 289 Mark Silber. Es hatten manche Städte oder Bürger ja noch besondere Abgaben an die Herrschaft, im grofscn und ganzen traten sie aber neben dieser direkten Steuer völlig in den Hintergrund*.

1 Ich bemerke, dafs wir noch eine andere Quelle für die Höhe dieser Stoiiem haben. Im Jahre 1315 haben, offenbar um die Kosten des Thronstreites damit docken

König Albrecht und die schweizerischen Alpen. 209

Um nun einen Vergleich ziehen zu können, müssen wir den Nutzen der Gotthardstrafse gleichfalls in Mark Silber umrechnen. Der Nutzen setzt sich nur aus zwei Teilen zusammen, aus dem oben schon näher besprochenen Zollerträgnisse von Luzern (Hospental -Reiden) und dem Erträgnisse der Fähre. Im Urbarbuche heifst es, bei Luzern nämlich: »Da ist och ein vert ee Lucern^ das der herschaft eigen ist, das hat ver- golten eines jares bi deni meisten 100 U, hi dem minsien . . .c Der Er- trag ist so hoch, dafs sich die *vert^ nicht wohl auf die Schiffahrt Reuüs abwärts beziehen kann. Ich will aber hier gar nicht auf die verwickelte Frage der Schiffahrtsorganisation von Luzern und auf dem Vierwald- stättersee eingehen , man wird nicht widerstreiten , wenn ich die Blüte dieser Fähre, auch wenn sie wirklich die Reufsfahrt und nicht die Schiff- fahrt auf dem See bedeutet, vom Gotthardverkehr abhängig betrachte. Wir müfsten zu dem Maximum von rund 1130 Baseler Pfund noch 100 hinzurechnen. In den besten Jahren ertrug der Gotthardverkehr der Herrschaft also 1230 ^ §) oder nach dem von Hanauer* berechneten Satze von 2V/'2 te Baseler = 1 Mark Silber 492 Mark Silber.

Es folgt also, dafs in guten Jahreü der Ertrag des Gotthardverkehres fast um den doppelten Betrag den Meistertrag aller anderen im Urbar- buch genannten Zölle übertraf, auch den Meistertrag der erhöhten Steuern der schweizerischen Städte (444 Va M. S.) überstieg und nur um ^/e tiefer stand, als die Gesaniteinnahme aus den habsburgischen Besitzungen im Elsafs, die auf 189,7 Mark Silber berechnet wurden*. Man sieht aus diesem Vergleiche, welches enorme Interesse das Haus Habsburg am Gotthardverkehre hatte.

Solche Berechnungen haben unzweifelhaft ihre Fehler, aber wir würden uns nie die wirtschaftlichen und politischen Vorgänge klar machen können, wenn man nicht den Versuch machte, gutes Ziffernmaterial und das des Urbarbuches ist vortrefflich auch leibhaftig sich vor Augen zu führen« Kleine Fehler mufs man dabei in den Kauf nehmen.

Die Sicherheit der Wege war selbst in Albrechts Tagen keine grofse. So wurden 1306 ftlnf venetianische Kaufleute durch zwei Ritter und drei Knechte niedergeworfen und ihrer Sachen in einem Werte von

zu helfen, die Herzöge von Osterreich an den Strafsburger Bürger Heinrich von Mülnheim folgende Städtesteuem verpföndet: 33 |Mark Silber auf Aarau, Sursee 25, Waldshut 17, Sempach 14, Meilingen 2, Zofingen 45 und Lenzburg 7 zusammen also 143 Mark Silber. Straf sb. Urkb. 3 Nr. 795. In der Anmerkung dazu habe ich schon nachgewiesen, dafs ein Teil nach 1462 nicht abgelöst war. Verpfändet waren auch an denselben die Steuern von Brugg und Winterthur (ebda. Nr. 779), jedoch ist die Höhe der Steuern nicht einzeln angegeben.

^ £tudes ^conomiques 1, 395 f.

« Schulte, Geschichte der Habsburger S. 68.

Sehult«, Gesch. d. mittelalterL Handel«. I. 14

210 Achtzehntes KapiteL

67 Mark Silber beraubt Es seheint im Gebiete der Qrafen Rudolf von Werdenberg, also entweder an einer Bündner Route oder am Wege über den Arlberg gewesen zu sein. In Venedig liefs man dafür die gesamten deutschen Eaufleute büfsen, deren Abgaben erhöht wurden, wogegen König Albrecht Einsprache erhob und zugleich die Stadt Konstanz und alle Beamte im Bistume anwies, für die Rückgabe des Geraubten Sorge zu tragen ^.

Das Muster für Räuberei und Erpressung gaben aber doch zwei andere Angehörige desselben grofsen Geschlechtes, die Grafen Hugo von Montfort, wohl der am Bodensee wohnende Graf Hugo von Montfort- Tettnang^, und Hugo von Bregenz, die am 9. Mai 1308 also acht Tage nach der Ermordung des Königs Albrecht an den Dogen und die Stadt Venedig schrieben: sie hätten für König Rudolf und andere Könige und das Reich so viele Lasten und Kosten getragen, dafs sie die Not und der Mangel, nicht etwa Begehrlichkeit oder Raublust an- getrieben habe, hundert Ballen feiner Tuche mit den Kaufleuten auf dem Bodensee® aufzuheben und in ihren Burgen unterzubringen. Nach der Schätzung kluger Leute seien die Waren 10000 Mark und mehr wert. Sie kämen damit noch immer nicht auf die für das Reich gehabten Kosten, als Pfand des Reiches hätten sie die Güter vorläufig beschlag- nahmt. Aber Erbarmen und Frömmigkeit habe sie ergriffen, sie wollten die Ballen ihnen für 6000 Mark Silber ausliefern, wenn sie dieselben auch teurer verkaufen könnten. In einer Stadt Kärnthens müsse das Geld niedergelegt werden und dann sollten gleichfalls in Kärnthen ihnen die Waren ausgeliefert werden. Die Grafen schickten als Auskunfts- person den Venetianer Philipp mit diesem Briefe, der Arme hatte aber vorher schwören müssen, innerhalb Monatsfrist sich wieder zu stellen*.

Dieses Muster eines Brigantenbriefes ist im schönsten Latein abge-

* Ich verbinde da zwei Urkunden: das Schreiben König Albrechts vom 29. Mär« 1307 an den Dogen (Kopp, Reichsgeschichte 3, 2, 414), wo Graf Rudolf und die Abgabenerhöhung genannt wird, ferner das desselben an die Stadt Konstanz vom 5. Mai 1307 (ebda. 3, 2, 415, auch Simonsfeld, Fondaco dei Tedeschi 1, 7), wo die Namen der Beraubten und Räuber genannt sind. Die letzteren »per Fei<ntm de Stranosburg et Pet(rwn) de Barlcar* vermag auch ich nicht zu erklären. Dieser Brief wurde nach Venedig mitgeteilt, wo er sich erhalten hat.

" Doch kommt auch ein Gr. H. v. Montfort-Feldkirch in Frage.

* Die Libri commemoriali haben »super lacum Lemanium^j das ist der Boden- «ee. Die gereimte Geographie des dreizehnten Jahrhunderts (ed. Zingerle, Wien 1865 S. 33) sagt von Schwaben:

Daz Älemdnid hiez e

vdch Alemän, dem Bodense.

* Ausgestellt 1308 Mai 9 a^ntd sanctum Petrum, wohl Werdenberg, Kopp, Beichsgesch. 3, 2, 416.

Die Walliser Pässe. 211

fafst und trägt die unschuldigste Miene. Die Einleitung erinnert an die Gedanken des biederen Werner Rolevinck, der glaubte, seine lieben west- fklischen Landsleute dürften Wegelagerer sein, weil das Land sie nicht nähre. Die Waren wurden dann wenigstens zum Teil nach Meran ver- bracht, wo die Strafsenräuber sie verkaufen wollten, die Venetianer wandten sich aber an den Herzog von Kärnthen, damit er ihnen die Waren ausliefere*.

Einen ähnlichen Vorwand, dafs der deutsche König ihm Geld schulde, schützte ein pßllzischer Herr vor, Ludwig von Kirkel, ein Verwandter des Stnvfsburger Bischofs, der den Mailänder Kaufmann Beltramus de Vento 1303 niederwarf. Es ist wichtig, zum erstenmal einen Welschen in der Nähe der Burg Kirkel und in einer Gegend zu finden, die später regelmäfsig von ihnen durchquert wurde. Die Stadt Mailand gab Beltram das Recht, sich durch Repressalien an Deutschen schadlos zu machen'.

Neunzehntes Kapitel. Die Walliser Pässe.

Aushau der Simplonstrafse. Vertrag Über den \Ndfieverkehr, Einffreifen der Mailänder Kaufmannschaft. Verträge, ZöUe. Brücken, Susten. Anteil von Novara. Auch die ErschUefsung des Simplons eine Folge der Ausdehnung der deutschen Kolonien in Piemofit. Anteil der deutsche^i Hirten und des italiefiiscfien Adels.

Der Graf sc St. Bernhard. Hof^piz, Teter IL von Savoyen. ZöUe, enorme am Jura. Benutzung des Val Travers. Verträge der Savoyer mit den Kauf leuten (Piacema^ Gesellschaft der Markthesuclver, Genua).

Der Versuch, den Pafs von Jougne für den Handelsverkehr zu ver- nichten, war ein völlig aussichtsloses Unterfangen, denn die ihm dienenden Alpenpässe hatten sich an Zahl vermehrt, und gerade über sie ging ein sehr lebhafter Handel. Der Einflufs des Königs in der burgundischen Schweiz war immer mehr gesunken, und dem Hause Savoyen konnte die Stellung rittlings der Alpen nicht mehr genommen werden, jenseits Freiburg endete der habsburgische Einflufs. Die Stellung der Savoyer war hier längst fest begründet. Seit dem elften Jahrhundert besafsen sie die Grafschaft im Chablais und beherrschten damit den Ausgang aller Walliser Pässe; ebenso gehörte ihnen die Vogtei von St. Maurice, selbst über dessen im oberen Wallis gelegenen Güter (Naters u. s. w.). Sie versuchten auch immer tiefer in das Rhönethal einzudringen, und der Kampf zwischen den Savoyern und dem Bistume ist fast ununter-

1 Simonsfeld 1 Nr. 28 u. 29.

* Unsere Urkunden Nr. 181. »Lodoycus de Herchel in Castro Bechel districtut de Transborg sive de Argentina* ist unzweifelhaft ein Kirkel. Ist das Datum richtig überliefert?

14*

212 Neunzehntes Kapitel.

brochen. Dieses besafs die Grafschaft durch eine Schenkung des Königs Rudolf vom Jahre 999; das war der Grundstein der bischöflichen terri- torialen Gewalt Zu den Grafschaftsrechten gehörten aber die Strafsen und Märkte. Diese Rechte empfing der Bischof aber nicht direkt vom Könige, hier war vielmehr lange Zeit Übung, dafs der Bischof die Regalien vom Grafen von Savoyen erhielt. Als das im Anfang des vierzehnten Jahrhunderts für die anderen Regalien bestritten wurde, blieb die Be- lehnung für die Strafsen von Ottans aufwärts anerkannt.

Aus diesem Rechte folgerte die Pflicht des Bischofs, die Strafsen in Stand zu halten und für ihre Sicherheit zu sorgen. Diesen Pflichten standen als Rechte mannigfache Einnahmen gegenüber*. Wie in Grau- bünden war das Strafsenregal in die Hände des Bischofs gegeben, in Wallis aber hatte ein benachbarter Alpengraf einen erheblichen EinfluCs, der im Bistum Chur fehlt. Im Geleitswesen hatten die Bischöfe in beiden Gebieten aber das gleiche Monopol^.

Wie oben gezeigt wurde, war im Anfange des dreizehnten Jahr- himderts der Antrona- und Simplonpafs zugänglich geworden. Doch dürfte der Verkehr zunächst noch immer ein recht bescheidener gewesen sein. Aus der Zeit um 1256 stammt eine Aufzeichnung über ein bischöf- liches Lehen, dessen Inhaber verpflichtet war, die oberhalb Sitten bei St. Leonhard auf dem rechten Rhoneufer über die la Rifere führende Brücke, sowie den Weg bis zur Burg von Granges (das weiter oberhalb, aber auf dem linken Ufer liegt) mit Hilfe der Nachbarn in Stand zu halten. Dafür durfte er von jedem auf- oder abwärts gehenden Ballen 3 ^ Maur. erheben, auch mufste jeder Fremde, der über die Brücke ging, wenn er nicht Ritter öder Kleriker war, einen Obolus zahlen. Von jedem nach Deutschland oder der Lombardei gehenden Stücke Grofsvieh wurde 1 S), von 100 Stück Kleinvieh 12 3) erhoben ».

Auf dem Simplon, dessen Geschichte zunächst zu behandeln ist, er- scheint seit 1235 ein Johanniterhospiz, es erhält in dieser Zeit Schen- kungen, aber keine von Wanderern aus weiter Ferne, die Geber gehören dem Oberwallis an *. Das Dorf Simpeln selbst war im Besitz einer edeln Familie von Naters, dann der von Moerel, ging dann an die von Castell über, von denen Bischof Bonifaz die Herrschaft von der Brücke Crevola aufwärts über den Pafs bis Brig erwarb, was 1291 aber von den Grafen

^ Vgl. aufser Hoppeler vor allem van Berchem, G-uichard Tavel im Jahrb. f. Schweiz. Gesch. 24, 33—42, 121 ff. und die Quellenbelege S. 319—24.

>>Strate et canductn sunt episcopi.« van Berchem 320.

' Gremaud 33, 429 f. Später wurde der Weg von Sitten an auf das linke Rhöneufer verlegt.

* Naters (1246) 29, 387 u. 29, 394. (1252) 29, 478. (1290) 30, 401 (Bewohner des Dorfes Simpeln). (1255) 29, 498 Verkauf eines Weinbergs an das Hospital.

Die Walliser Pässe. 213

von Biandrate als nicht rechtsgültig bestritten wurde ^ ; denen von Castell folgten die Freiherm von Raron, 1303 verzichtete der Erbe Peter Sene- Bchall von Sitten auf den Besitz zu Gunsten der Kirche von Sitten'.

Die Kirche von Simpeln erscheint zuerst 1267, sie ist noch nicht alt, man weifs noch, wer sich um ihre Dotierung verdient gemacht. Eine nach dem Orte sich nennende Ministerialenfamilie wird zuerst 1257 ge- nannt, sie safsen auf einem erst vor wenigen Jahren eingestürzten Turme. Die Herrschaft im gesamten Doveriathale und über den Pafs bis Brig gehörte den Herren von Castello und kam nach kurzem Übergange an das Bistum in den Besitz der Grafen von Biandrate ^. Alles bezeugt ein gewisses Leben in dem ins Gebirge eingesprengten Dorfe. Der Kirchen- satz gehört eine Zeit lang einer Familie jenseits der Gondoschlucht, einer Familie von Ornavasso. Die erste bezeugte Simplonfahrt gehört ins Jahr 1254. Damals wurde er von dem Erzbischof Odo von Kouen über- schritten, als er nach Rom reiste. Er nahm seinen Weg von Dijon über D6le, Salins nach Pontarlier, überschritt am 31. Januar den Jougnepafs, dann ging es über Lausanne nach Sitten, die nächsten Nachtquartiere waren Leuk, Brig, Divegliapafs , am 8. Februar wurde der Simplen überschritten, Domo d'Ossola, Pallanza, Gallarate und Mailand^ waren die nächsten Stationen. Den Rückweg nahm er über den Mont-Cenis. Die Geschichte des Simplons beginnt dann mit einem Vertrage, der den Naheverkehr regelt, klarer zu werden, an ihn schliefst sich sofort die Organisation des gesamten Handelsweges durch Wallis seitens der Kauf- mannschaft von Mailand. Bei keinem Alpenpasse und bei keiner Alpen- straTse ist die erste Einrichtung so deutlich zu übersehen, wie hier.

Leider liegt der Vertrag von 1267 in seinem Wortlaute noch nicht vor^. In nächster Nähe von Simpeln kamen Italiener und Oberwalliser, darunter auch Vertreter der wichtigsten Herrengeschlechter, zusammen und verhandelten über die Auirechterhaltung des Friedens ; Brand, Mord und Verwundung sollen verhindert werden. Allem Anschein nach ist dieser Vertrag, der beiden Seiten Freiheit des Handels verbürgte, von lokalen Interessen diktiert worden, mochten auch die Bischöfe von Sitten and Novara, deren Sprengel im Passe zusaikimenstiefsen und die das StraTsenregal besafsen, bei der Verhandlung vertreten sein.

Die allgemeinen Handelsrücksichten brachte aber sofort, nachdem durch diesen Vertrag die Ruhe auf dem Passe selbst gesichert war, die

1 Gremand 80, 424.

* Hoppe 1er, Die Meier von Simpeln. Anzeiger! Schweiz. Gesch. 1893 Nr. 4.

* Gremaud 80, 424. Schmid in d. Blättern aus d. Walliser Geschichte 2, 149—159. Vgl. van Berchem 45.

-* Ludwig S. 108.

^ Nur Auszug bei Scaciga, Storia di Val d'Ossola 80—88 und Gremaud 80, 115.

214 Neunzehntes Kapitel.

Kaufmannschaft von Mailand zur Geltung. Sie fanden das beste Ent- gegenkommen bei dem bischöflichen Seneschall Wilhelm. Es müssen recht beträchtliche Wege und Brtickenverbesserungen hergestellt worden sein ; denn neben den unbedeutenden alten Zöllen zu Brig, Sitten und an der Brücke von Riddes ^ gestand die Kaufmannschaft dem Bischöfe Hein- rich von Raron (1243—71), der, aus deutscher Familie stammend, hart- näckig gegen die Savoyer kämpfte, einen nach dem Werte der Waren abgestuften Zoll zu Sitten* zu, und ein Sechstel davon wurde weiter dem bischöflichen Seneschall als ein unveräufserliches Recht bewilligt^ wofür er die Verpflichtung übernahm, den Kaufleuten innerhalb des Bis- tums zu helfen und sie auch aufserhalb zu unterstützen^.

Wo noch trotz der vom Bischof eingegangenen Verpflichtung, Brücken und Strafsen wiederherzustellen, der Weg nicht gut war oder neue Ver- kehrseinrichtuDgen geschafi^en werden mufsten, ging die Mailänder Kauf- mannschaft wieder in gleicher Weise vor, gegen eine neue Abgabe wurde das Erforderliche eingerichtet. So gab es eine böse Stelle unterhalb V^troz (westlich von Sitten). Eine Mailänder Gesandtschaft gab einem Sittener Bürger das Recht, von einem jeden Ballen, der von Frankreich kam oder nach Frankreich ging, 1 § von Vienne zu erheben, dafür mufste er sich und seine Erben verpflichten, Weg und Brücken an dieser Stelle in Stand zu halten*. Dieselben Gesandten, welche um Neujahr 1272 den Simplon überschritten hatten, bewilligten dem Bischof einen Zoll für die Instandhaltung einer Brücke bei Martigny, einen andern für die dortige Sust, ebenso eine Abgabe für die Geleitspferde '^. Für die

^ »Salvis tribus den. Maur. qui solvebantur apud Sedunum et duobus den, qui sohelantur apud Brigatn et unutn den. ad pontem de Eida de antiquis pedagiist Gremaud 30, 205. Auf den alten Zoll zn Sitten bezieht sich wohl die Urkunde von 1276 30, 245, Wann die Wage in Sitten, die 1295 vom Bischof an die Bürger kam, eingerichtet wurde (30, 471), ist ungewifs.

' In der am besten erhaltenen und vollständigsten Fassung von 1291 heifst es : »Inprimis de quodibet balla panni draperie de Francia et drapi de auro et syde et spedarie duodecim denarios Maurisienses, et pro quoUbet equo de guarda duodecim den. Mtmr.f de baiUs tero /uftatteorum, la/ne, cere, corduanorum, accuum, mercerie, armatwrt et aliis balHs equivalentibus sex den, Maur, pro qucUibet belUi, De ballis vero ferri^ azarii et cujuslibet metaUi, salvo auro vel argento^ duo den, Maur, pro qualihet baüa.^ Gremaud 30, 421. Vorher schon 1270 30, 155 u, 57. Dafs es sich um einen 1270 neugeschaffenen Zoll handelt, ist durch 30, 156 anfser Zweifel gestellt.

» Die Verleihung seitens der Mailänder Vertreter (Martinus de Lucha et RevelluB de Feria) 1270 Juli 30, 156. Es heifst ausdrücklich, das sei gegpeben »pro lahoribus, qmoB 8U9tinuerat pro merontoribns et smdicis predidis'. Der Bischof gab ihm sofort das zu Lehen. 80, 155 f.

* Gremaud 30, 187 vom 14. Januar 1272.

^ 1 ^ Maur. für die Brücke, ebenso viel für das Geleitspferd, 1 ^ Vieanenser für die Svist, 80, 205. Von der Urkunde ist a«r ein Brnchstfick erhalten, das Datum

Die WaUiser PisM. 215

Instandhaltang des W^es von Agaren gegenüber Leuk bis Visp erhielt der Bischof 1 ^ von Vienne vom Ballend Ein Zoll zu Eng, der bei Gelegenheit eines Jahrmarktes erhoben wurde, war 1291 von den Mai- ländern zurückgekauft '. Endlich wurde noch an der Brücke von Riddes ein Brückengeld erhoben'.

Besondere Sorgfalt wandten die Mailänder den Susten zu, Lager- häusern, wo die Waren am Abend des Transporttages niedergelegt wurden. Zuerst erwähnt wird die Sust in Leuk, das Bistum veräufserte das Recht auf das Sustgeld ('s h) und die Wage (' s » an einen Mann von Leuk^, wo damals die deutsch-französische Sprachgrenze lief ^. Die von Martigny erscheint 1272, die zu Sitten 1275 bez. 1285, hier war die Abgabe von 1 S) gleichfalls in Händen von Laien*, 1290 kaufte die Stadt die Sust^.

Der Vertrag von 1291 schreibt vor, dafs der Bischof dafilr sorgen soll, dafs die Ballen durch die Führer von Sitten aufwärts nur in Agerten (Susten), in Brig und bei der Kirche von Simpeln abgeladen werden sollen. Wir können also hier genau sehen, wie grofs die Tagestouron der Warentransporteure waren, von Sitten bis Leuk sind etwa 25 km (Höhen- differenz 102 m), von Leuk bis Brig 28 km (HöhendiflFerenz 57 m), bis Simpeln ist die Entfernung auf der heutigen Heerstrafse 33,4 km, doch deckt sich der Weg ja keineswegs mit dem kürzeren, aber weit steileren Saumpfad®, die Höhendifferenz bis zur Pafshöhe beträgt 1329 m. Der Lage der Susten entspricht weiter ein Transporttag von Martinach bis Sitten mit 28 30 km (Höhenunterschied 45 m).

Die Kaufleute deckten sich auf alle Weise gegen die Eingriffe der Walliser, die Fuhrleute sollten unter sich keine den Kaufleuten abträg- liche Einungen machen dürfen, es wird hier also scharf gegen die Trans- portverbände eingetreten. In Brig sollten die Ballen nicht aufgebunden werden und man einen vereidigten Wagemeister anstellen. Die genauesten Bestimmungen enthält der sehr weitläufige Vertrag von 1291. Der

fehlt, doch sind die Vertreter von Mailand und Pistoja »Albertus Liprandi ei Fugerius de Arcuei* identisch mit denen der Urkunde vom 14. Januar 1272 »Bt^erius de Aren ei Albertus Liprandus* , deren Vollmacht von der Stadt vom 4. Dezember datiert war, sie hatten auch eine von der Kaufmannschaft.

» 30, 207.

« 30, 422.

» 30, 207.

*> 1271 Juli 12. 30, 178. Der Name der Sust hat sich in dem Örtchen „Susten"' erhalten.

* Teilungsvertrag über den Bezirk der Predigerbrüder von Lausanne und Bern 1274 Februar. 30, 217.

1285 April 6. 30, 328 ff. Alle drei Susten werden 1291 aufgeführt 30, 420. ' 30, 390.

« S. oben S. 6.

216 Neunzehntes Kapitel.

Bischof garantierte den Kaufleuten für allen Schaden, den sie in seinen Landen erleiden würden, innerhalb 40 Tagen aufzukommen, ausgenommen waren Unglücksfklle und Diebstahl, den die Knechte am Oute des Herrn etwa begingen. Die Kaufleute sollten nicht durch Verträge von Wallisern mit Mailand behindert werden; das Repressalienrecht wurde nicht völlig abgeschafft, doch war der Termin bis zum Eintritt der Fehde (40 Tage und zwei Monate) so weit erstreckt, dafs alle Warentransporte längst auf andere Wege gelenkt sein konnten. Repressalien durften aber unter keinen Umständen aus Schuldklagen hergeleitet werden. Gegen die Kauf- leute ist die Bestimmung gerichtet, dafs Oold und Silber nicht in Ballen versteckt werden dürfe. Um den Transport auf dem Simplonpasse stritten sich 1307 die Gemeinden Naters und Brig auf der einen, Simpeln auf der andern Seite. Es wurde entschieden, dafs der Transport Woche für Woche umgehen solle*.

Die Verträge von 1272 und 1291 sollten ausdrücklich nur für die Regierungszeit der Aussteller von Seiten der Sittener Kirche, der Bischöfe Rudolf von Valpelline (1271—73) und Bonifaz von Challant (1289—1308) gültig sein', schon die völlige Erneuerung aller alten Bestimmungen in dem neuen Vertrage beweist aber, dafs diese Verträge auch fiir die übrige Zeit gegolten haben. Selbst die heifsen Kämpfe des oberwallisischen Adels gegen den Bischof (1296—99) dürften an der Gültigkeit der Ver- träge nichts geändert haben.

Aus der zwischenliegenden Zeit stammen zwei Geleitsbriefe von 1274, die während einer Sedisvakanz der Domdechant und der Viztum von Sitten dem Richter im Chablais für die Kaufleute ausstellten®. In dem ersten ist auch auf einen Brief aus den Tagen Bischof Heinrichs von Raron Bezug genommen.

Der Walliser Strafsenzug verdankt seine Blüte im wesentlichen also der Mailänder Kaufmannschaft, die bei den Bischöfen und ihrem Sene- schall Verständnis fand. Eigentümlicherweise war 1272 auch ein Bevoll- mächtigter der tuscischen Stadt Pistoja unter den Vertragschliefsenden. Die Zölle werden errichtet, ohne dafs eine Genehmigung seitens des Königs erfolgt. Das beiderseits Ausbedungene erscheint als Leistung und Gegenleistung, die königlichen Zollprivilegien haben in dieser Zeit allzusehr den Beigeschmack einer durchaus einseitigen Begünstigung des Zollinhabers.

An der Einrichtung der Strafse hatte auch die Stadt Novara einen gewissen Anteil. Diese Stadt sorgte für die Sicherheit der Reisenden

» 31, 142.

« 30, 206 u. 420.

* van Berchem 325 f. aus dem Bcchnungsarchiv in Turin.

Die Walliser Pässe. 217

auf der i^strata francisca*^ sie machte jeden Ort für die in seinem Be- sirke geschehenen Schädigungen haftpflichtig, und ebenso sollten die der Elirche gehörigen Orte handeln bis zu dem bei Vergogna gelegenen, heute abgegangenen Orte Pietra santa^, wo ein Zoll war*. Der Weg führte über Momo, Gozzano an den Ortasee und dann über Ornavasso und Domo d*Ossola zum Simplon. Und als im April 1285 bei Suna (in •der Nähe von Momo) aus Frankreich kommende Kauf leute von jenseits der Berge beraubt wurden, ward beschlossen, streng nach dem Statute ^u verfahren*.

Die Eröffnung des Simplonverkehrs ist wie die des Gotthards eine Folge der Einwanderung der Deutschen, und gleichzeitig mit ihr erfolgt nun auch ein Überfluten der deutschen Siedlung in Wallis nach dem Südhange der Alpen. Im dreizehnten Jahrhundert ist die Gründung der deutschen Kolonien südlich des Monte Rosa, in denen ja noch heute die deutsche Sprache lebt oder bis vor kurzem lebte, vor sich gegangen und damit zugleich wurde der Monte Moropafs erschlossen*.

An der Wanderung sind zwei Elemente beteiligt: der oberwallisische

^ Statuta comunitatis Novariae ed. Ceruti S. 331.

> Ceruti § 399 u. Anm. S. 365. Statut von 1284.

' »In Francigenas et ultramantanos venienies a partibus gaUicanis in Ytaliam* Ceruti § 445 u. Anm. S. 374. Auch sonst war man in dieser Zeit eifrigst besorgt, die fremden Raufleute zu schützen. § 373 von 1278 Bestrafung der Mörder von Eaufleuten.

^ Die Quellen für die Geschichte der deutschen Niederlassungen in Piemont liegen vor bei 6 rem au d und bei Bianchetti, L'Ossola inferiore Bd. 2. Von der Timfangreichen Litteratur über diesen Gegenstand benutzte ich Schott, Die deutschen Kolonien in Piemont, Stuttgart 1842. Dann Bianchetti Bd. 1. Brefslau, Zur -Geschichte der deutschen Gemeinden im Gebiet des Monte Rosa und im Ossolathal. Zeitsehr. d. Gesellschaft f. Erdkunde zu Berlin (1881) 16, 173—194. Favre, Etüde 8ur Thist. des passages italo-suisscs du Haut-Valais. Galanti, I Tedeschi sul ver- saute meridionale delle Alpi. Koma 1885. Die Kritiken von Dübi im Jahrbuch •des schweizer. Alpenklubs 27, 394—401. Schmid in Blätter z. Walliser Gesch. 2, 168 ff. Galanti kommt S. 107 zu dem sicher falschen Ergebnisse, dafs, weil die Bevölkerung deutsch war, sie unter die Gewalt von Herren gestellt wurde, ■die in deutschen Gebieten Besitzungen hatten, wenn er auch nicht ganz eine Ein- wanderung im dreizehnten Jahrhundert leugnet In der ganzen Untersuchung fehlt -noch die der alten kirchlichen Zusammenhänge, Galanti setzt Beziehungen zum Bistum Sitten voraus, ohne sie zu beweisen. Ich habe das Lysthal im Text aufser Betracht gelassen, mir scheint, dafs die übrigens auch von anderen bestrittene An- sicht von Brefslau nicht aufrecht zu halten ist, dafs hierher ein Bischof von Sitten schon im zwölften, vielleicht im elften Jahrhundert Deutsche lenkte. Woher hätte •er sie damals nehmen sollen? Auch Gressonej war im Besitz eines Geschlechtes (von Challand), das in Wallis Rechte hatte. Hub er, Privatrecht 4, 104 Nr. 20 macht auf eine Stelle aufmerksam, wonach 1260 auch am Mont Blanc in Valorsine oberhalb Chamounix Deutsche angesiedelt wurden. Mem. et documents . . . de Genöve 14 Nr. 64.

218 Neunzehntes Kapitel.

deutsche Hirt, der für seine Herden sich Raum suchte, und im Unter- schiede zum Italiener seine Wohnsitze in Regionen verlegte, wo jeder Ackerbau sein Ende hat. Er sehnte sich nach entlegenen, von den Italienern und Romanen höchstens im Sommer benutzten Alpen, um sich dort niederzulassen. Wie in den früheren Zeiten in der Alpentierwelt über der Region des Steinbocks die der Gemse lag, so entwickelte sich hier um den Südfufs des Monte Rosa eine Terassensiedelung. Die deutsche Hirtenschaft setzte sich fest in den obersten Staffeln des Anzasca- thales, in den obersten Thälern des Systems, das sein Wasser zur Sesia zusammenfafst', und endlich in dem langen Oberlaufe des Lysthales. Die Verbindung zwischen den Thälern geht über die trennenden Joche, vor allem aber blieb ein lebhafter Verkehr mit dem Saasthale und nach Visp bestehen. Das deutsche Element dringt also in dem menschenleeren Ge- biete vor, von einem bewufsten Gegensatze der Geburt oder Sprache kann übrigens keine Rede sein. Es gab noch keine nationalen Feind- schaften. Das zweite Element ist ein ursprünglich italienischer Adel, der auch im Oberwallis Besitz gewinnt, hier die Ausnützung der obersten Thalstufen durch die Deutschen kennen lernt und sich entschliefst, in den ihm gehörigen oder von ihm besetzten Alpweiden Deutsche anzusiedeln. Nicht in den Rahmen dieser Kolonisation fkllt die von Ornavasso und Miggiandone, da diese in fruchtreicher Gegend am Unterlaufe der Tosa in der Nähe des Langensees liegen. Wenn auch die Deutschen dieser Orte erst genannt werden, als 1397 über die Beschaffung des für den Mailänder Dom erforderlichen Materials gehandelt wurde ^, so hat Brefölau doch wohl Recht, wenn er die Einwanderung in die Tage setzt, als die Herren von Ornavasso auch das Vitztumamt in Naters in Ober- wallis besafsen^, hat sich doch auch die Tradition bei den Bewohnern erhalten, dafs sie von Naters über den Simplon wanderten*. Die Wan- derung der Hirten haben in ihre Wege geleitet die Grafen von Biandrate^ deren Visper Zweig schliefslich deutsch wurde. Das Geschlecht spielt in den Kämpfen der Lombardei eine grofse Rolle, im Gegensatze zu den Städten Novara und Vercelli stehend, wurde es in das Gebirge zurückgedrängt, ja schliefslich fiel auch die Val Sesia von ihnen ab. Sie gewannen dafltr Besitz in Wallis, so Gottfried von Biandrate Anteil am Vitztumamte Sitten^, zwischen 1262 und 66^ erhielt er auch das Meier-

^ Über Kauf leute im Sesiathal handelt auch der Vertrag des Thaies mit Novara. von 1275. Statuta com. Novariae ed. Ceruti 142.

* Bianchetti 2, 375.

* Breffilau 185. Nach 1275 und vor 1307. « Brefslau S. 177.

» Gremaud 29, 417 zu 1249.

* Gremaud 30, 110.

Die WalUser Pässe. 219

tum von Visp und damit das St. Nikiaus- und Saasthal und die Zugänge zum Monte Moro und Antronapasse. Zwischen 1261 und 91^ wurde das ihm von seinem Schwiegervater Peter Grafen von Castello überlassene Anzascathaly die Alp Macugnaga, mit Deutschen besetzt, durch Gottfrieds Sohn Joncelmo Graf von Biandrate und Meyer zu Visp. Im Anzasca- thale waren übrigens damals Goldbergwerke im Betriebe*. Die Gemeinden des Anzascathales standen übrigens schon vor 1291 im Kampfe mit den Grafen.

Es ist sehr wahrscheinlich, dafs die gewaltige Expansionskraft der Walliser, welche auch zur Besiedlung der Thäler Grindelwald, Lauter- brunnen und Kandersteg Menschen abgeben konnten, schon im drei- zehnten Jahrhundert zur Besetzung von Formazzo und Bosco führte®. Die älteste Urkunde von Bosco ist die vom Jahre 1253, das Gelöbnis der Gemeinde für ihre neu errichtete Pfarrkirche, und der Vertreter der Pfarrkinder ist ein Heinrich Burkard*, also ein Deutscher. Herren des Gebietes dürften damals als Nachfolger der Herren von Rhodes, die 1210 Otto IV. belehnt hatte*, die Grafen von Castello gewesen sein. Es wären dann auch der Albrun oder der Griespafs für den Verkehr nutzbar ge- worden.

Und in der That reden die Statuten von Sitten von 1269 von der ^farcla de Conchest wie vom Simplen als von Stellen, woher die Waren von oben her ins Wallis kommen^. Dafs die Furka oflFen war^ beweist der lebhafte Verkehr von Wallisern und Bündnem^, und endlich waren die Grimsel, die Gemmi und der Sanetschpafs (letzterer bei Sitten ein- mündend) ^ begangen. Das Oberwallis hatte aufgehört, ein in eine ungang- bare Bergeswelt eingeschnittenes Thal zu sein, es besafs nunmehr Pforten genug, für den Welthandelsverkehr war aber nur einer der Pässe ein- gerichtet, der Simplon. Der Grofse St. Bernhard hatte einen bedeutenden Eonkurrenten erhalten, über den Simplon und seine „getkhrlichen Brücken** nahm Papst Gregor X., als er von Lyon und der Zusammenkunft mit König Rudolf in Lausanne heimkehrte, seinen Weg*, während Robert von

1 Gremaud 80, 425. > Brefslau 182.

* Sicher sind diese Thäler 1485 deutsch. Bianchetti.

^ Enrico Burkard schreibt Janner in seinem Artikel n Comone di Bosco in Yallemaggia in Bolletino storico della Svizsera italiana S, 267. ^ Mit Formazzaf Foppiano, Agare u. s. w. Scaciga 72.

* van Berchem 123 f.

7 Vgl. das Bündnis von 1282. Gremaud 30, 311.

* Gremaud 29, 470. Bündnis mit Bern von 1252. van Berchem 323 £

* •Discriminosis Montis Brigiae pontibas se exponens,* Vita Greg. pafMe X bei Muratori, Script 3, 1, 608.

220 Neunzehntes Kapitel.

Bethune Graf von Flandern Karl von Anjou als Bundesgenosse über den Orofsen St. Bernhard zuzog ^

Das Hospiz auf dem Grofsen St Bernhard war noch immer in hohem Ansehen, zahlreiche Schenkungen, doch aus einem nicht zu grofsen Umkreise, fielen ihm noch immer zu. Ihm vermachte sein Haus in London 1268 der grofse savoyische Graf Peter H. *, der in der englischen Ge- schichte eine nicht geringe Rolle gespielt hat, den Rest seiner einst dort so bedeutenden Besitzungen gab er dankbaren Sinnes dem Hospiz.

Mit ihm haben wir schon die bedeutendste Figur jenes Hauses ge- nannt, das die Herrscherin der Alpenpässe des Westens wurde. Von der Maurienne aus vorgehend hatten die Savoyer in Chablais den Zu- tritt zum Genferseegebiete und Wallis erlangt. In bitteren Kämpfen mit den Bischöfen schoben sie immer weiter in das Thal ihre Ansprüche und Rechte, und indem Thomas I. um 1210 auch am Nordufer des Genfer- sees Fufs zu gewinnen suchte, war auch die andere Tendenz gegeben, die Waadt zu gewinnen und womöglich auch im Aaregebiete die Herr- schaft an sich zu reifsen. Peter IL, ein machtvoller Fürst, hatte das schon fast erreicht, als ihm der Habsburger Rudolf seinen Willen auf- zwang. Der Gegensatz zwischen beiden Häusern führte auch in den Tagen der Königsherrschaft wiederholt zu Kämpfen, aber soviel konnten doch die schwächeren Nachfolger des grofsen Grafen retten, dafs sie den Anschlufs an den Jura nicht aufzugeben brauchten, und so flihrte ein erheblicher Teil der Strafse vom Grofsen St. Bernhard zum Jougnepasse durch savoyisches Gebiet.

Sie besafsen im Rhönethale Zölle zu St. Maurice* und Villeneuve; von dieser Zollstätte sind einige Rechnungen erhalten. Die Zölle von Iverdun, Romont und Moudon betreflFen nach den in der Verleihungs- urkunde genannten Waren nur landwirtschaftliche Produkte^. Auf der Haupthandelsstrafse dicht am Jougnepasse lag der Zoll von Les Clees, König Adolf genehmigte, dafs die Grafen von Savoyen hier aufser dem alten Zolle wegen der Kosten und Mühen der Sicherung der Strafse in die Lombardei und nach Burgund noch einen neuen für jedes Pferd und jeden Warenballen 10 jS erhöben. Dafür müsse er aber die Kaufleute durch sein ganzes Gebiet geleiten. Würden die Kaufleute aber einen andern

» M.G. SS. 25, 852, 40.

* Greinaud30, 122. Bei ihm zahlreiche Urkunden zur Geschichte des Klosters. Wurstemberger 4, 437.

* Hoppeler 161. Gremaud 30,82. 31, 65. 31, 98. Danach gab es dort zwei Zölle, das eine pedagium Fusciniiici (in quacunque balla panni seu lane duos (leH,)^ das andere pedagium qiiat%u>r episcopatuum (zuerst genannt balla telarum seu peUium).

^ 1286 Juli« Kopp, Archiv f. österr. Geschichtsquellen 6, 122.

Die Walliser Pässe. 221

Weg wählen, so dürfe der Graf ihn innerhalb seines Gebietes verlegen ^, Die Taxe war aufserordentlich hoch bemessen, und da nun in allernächster Nähe zu Jougne noch Johann von Chalon, wie wir wissen, gleichfalls 10 ß von jeder Saumlast erlegt werden mufste und dieser Zoll so hoch war, wie der alte Zoll von Les Cl^es, in Jougne auch noch der Pfalz- graf von Burgund einen Zoll einnahm^, und somit die Kaufleute am Jurapasse fiir Pferd und Saumlast mindestens je 1 ^'s U zu zahlen hatten, mag den Kaufleuten die Lust zu diesem W^ege vergangen sein; denn offenbar ist um diese Zeit es aufgekommen, über Neuenbürg a. S. durch das Val Travers nach Pontarlier zu gehen, also Les Cläes wie Jougne zu umgehen^. So wissen wir, dafs ein Mailänder Kaufmann 1299 von dem Grafen Rudolf von Neuenburg gefangen wurde*.

Auch die Grafen von Savoyen haben eine Reihe von Verträgen über Handelswege geschlossen, leider ist ihr Inhalt meist noch nicht näher bekannt. Ein Abkommen mit den Piacentinern von 1251 beschliefst, Schädigungen, welche die Kaufleute von Piacenza dem Herrn der W^aadt, Peter von Savoyen, zugefügt haben, dadurch zu tilgen, dafs die Piacen- tiner auf ihre Waren aufser den gewöhnlichen Zöllen einen Aufschlag übernehmen*. Von den savoyischen Verträgen mit Asti lautet der von 1265 ausgesprochen auf den Weg nach Lyon®.

Die Grafen von Savoyen begünstigten mindestens, seitdem sie Herren der W^aadt geworden waren, den Grofsen St. Bernhard gegenüber dem Kleinen St. Bernhard und dem Mont Cenis, deren Fufs doch auf beiden Seiten ihnen zustand, und gegenüber dem Mont Gen^vre, wo wenigstens der italienische Hang savoyisch war. Der savoyische Besitz strich von Süd- ost nach Nordwest, von der Maurienne auf Mäcon, wie südlich davon sich der Dauphine in ganz gleicher Richtung lagerte. W^er von den Pässen nach Lyon wollte, konnte das Gebiet des Dauphin^ nicht ver- meiden, nur wer von Chamböry direkt den früher bezeichneten Weg auf Mäcon nahm, betrat nicht die Herrschaft des Dauphin, in die auch die Baronie La Tour du Pin aufging. Mit den Rivalen in der Herr- schaft der W^estalpen standen sich dauernd die Savoyer schlecht. Die Eifersucht zwischen beiden Häusern zieht sich durch die Jahrhunderte hin, sie hielten sich gegenseitig im Schach^. Das Haus Savoyen, hoch-

1 1297 Mai 11. Wiukelmann, Acta imperii 2. 172. » S. oben 8. 194.

* Es ist zu beachten, dafs 1299 der Zoll von Jougne mit dem auf dem Grott- hard vereinigt wurde. S. oben S. 194.

^ Jacobufl Milimeste und Sonco de Bussero erklären, dafs der gefangene Sanco durch den Grafen entschädigt sei. 1299 Juli 31. Matile 1, 263.

* Unsere Urkunden Nr. 250.

* Regest en Wurstemberger 4, 373, der von 1255 ist unbestimmt 4, 198. ' Vgl. Fournier, Le royaume d'Arles: passim.

222 Neunzehntes Kapitel.

strebend y seit einem Jahrhundert in engen verwandtschaftlichen Be- ziehungen zu England und Flandern, stets antihabsburgisch, hatte sich seit dem Frieden, den Eduard I. unter Preisgabe König Adolfs mit Philipp dem Schönen geschlossen hatte, dann Frankreich sehr genähert, während der Dauphin Humbert nun der Anhänger der deutschen Partei in diesen dem Reiche fast entfremdeten Gebieten war *. Bald gingen die beiden Rivalen aber entgegengesetzte Wege, der Dauphin schlofs sich enger an Frankreich, der Graf an die deutschen Könige an. Es sprachen also politische Gründe beim Savoyer dafür, die südlichen Pässe seines Landes zurückzusetzen gegenüber den nördlichen. Auf den südlichen blieben die Kaufleute viel weniger lange auf savoyischem Boden, und wahrscheinlich waren auch die Zölle minder günstig für die Savoyer, als wenn die Fremden durch die Waadt nach dem Jurapasse von Orbe oder vom Westgestade des Genfersces aus durch die Landschaft Bresse ^ zogen, in der der Hauptteil, die Herrschaft Bägö, 1272 den Savoyern durch Erbschaft zugefallen war.

Die Grafen wirkten sehr energisch für die Wege durch das Jura- gebiet nördlich des Rhönedurchbruehes , für diese beiden Strafsen hatten sie der Gesellschaft der italienischen Mefsbesuchcr und den Kauf- leuten von Genua Geleits- und Bürgschaftsbriefe gegeben, deren Wort- laut mir leider nicht bekannt geworden ist^. Gleichwohl zogen die Fuhr- leute die Wege durch das Viennois und die Ile Cr^mieu* auf Lyon. Das zu ändern schickte Graf Amadeus 1302 einen Familiären nach Lagny und Troyes mit dem Auftrage, die Benutzung dieser Wege möglichst zu widerraten, jener zu empfehlen. Wir haben noch genaue Nachricht, wie er seinem Auftrage bei der Gesellschaft der italienischen Mefsbesuchcr, bei den Gardes des foires und den Kaufleuten von Genua nachkam'^ und wie er dabei des Grafen Ehrfurcht vor der Person des französischen Königs, der ihn mehr und mehr in seinen Bannkreis zog, ausdrückte. Die Kaufleute waren bereit, ihre Fuhrleute, die trotz ihres Verbotes jene Wege benutzten, empfindlich sogar am Leibe zu strafen. Es ist nicht uninteressant, zu beobachten, wie wenigstens auf dieser Strecke das Transportgewerbe bereits von der speciellen Leitung und Begleitung des Wareneigentümers sich befreit hatte.

> Fournier 57. 175 u. 326 ff.

* Im Winkel zwischen Rhönc und Sadne.

* Erwähnt in unseren Urkunden Nr. 251 u. 252.

* »Insula Der Cime 9 »insula de Crime,* Die orographisch noch zum Jura gehörige südlich des Rhone, östlich der Bourhre gelegene Landschaft.

* Unseren Urkunden Nr. 251 u. 252.

Heinrich VIL und der St Gotthard. 223

Zwanzigstes Kapitel. Heinrich VII. und der St. Gotthard.

Veränderte Lage. Er stellt die RheinzöUe wieder her, hilft unbewufst zur Be- ffründung einer dauernden Signorie in Mailand mit und führt keine klare Scheidung den Beichsgutes vom österreichischen ff ausgute durch. Der Name St Gotthard, Ein- richtung des Eeichsguts. Graf Wernher von ffomherg. Baseler^ Luzemer und Mai- Jänder Kaufleute, Die entscheidenden Ereignisse: Doppelwahl und Schlacht bei Mar- garten. Ergebnis: Am St, Gotthard bildet sicfi ein Pafsstaat, der Pafs geht dem Eeiche verloren.

Die Regierung des ersten luxemburgischen Kaisers hat nach drei Seiten hin den Handel und Verkehr zwischen Italien und Deutschland beeinflufst.

Heinrich verdankte seine Wahl dem Gegensatze der rheinischen Kurfürsten gegen den König Albrecht und die Habsburger überhaupt Sein Bruder Balduin von Trier hatte den Mainzer und Kölner gewonnen, und alle drei sorgten dafür, dafs der neue König sofort die von seinem Vorgänger aufgehobenen Bheinzölle den Kurfürsten erneut verstattete*. Damit war der Verkehr auf dem Nieder- und Mittelrhein wieder schwer behindert und eingeschränkt Abermals wurde dem Rheine seine natür- liche Bedeutung für den Handel geschmälert, und wie es jetzt war, so blieb es die folgenden Jahrhunderte hindurch. Die Kurfürsten besteuerten die Städte, die sich von ihnen freigemacht hatten, durch schwere Zölle. Und der deutsche König richtete seine Verkehrspolitik nach den Wünschen der Kurfürsten ein.

Am anderen Ende des deutsch -italienischen Handelsweges half Heinrich VII. fast wider Willen dazu mit, dafs hier der die Alpen- pässe an ihrem Südfufse beherrschende Staat entstand. Matteo Visconti war auch von Albrecht als Reichsvikar bestätigt worden, seine Herrschaft erstreckte sich über eine Reihe von Städten, allein im Jahre 1302 wurde Matteo von der guelfischen Partei, den Torriani und ihren zahlreichen Freunden, ja selbst einer grofsen Zahl von Ghibellinen vertrieben, die della Torre lösten ihn in der Herrschaft ab, auf so lange, wie er sagte, bis das Mafs ihrer Fehler das der seinen übertreffe. Und auch nach Como kehrten die Vitani zurück. Als Heinrich zum Könige erwählt wurde, war Guido della Torre der capitano perpetuo von Mailand. Die entsetz- liche Zeit der Parteikämpfe hatte im italienischen Volke die Sehnsucht nach einem Friedensstifter geweckt und die brennende Gier nach einem

^ Vgl. Erich Wetzel, Das Zollrecht der deutschen Könige S. 118. Sommer« lad S. 146 f. benrteUt Albrecht anders.

224 Zwanzigstes Kapitel.

Kaiser, wie sie uns Dante geschildert hat. Es waren die Zeiten der alten Kämpfe wider die Deutschen vergessen, und man sah im Augen- blicke nur den goldenen Schimmer des Kaisertums. Diesem Enthusiasmus eines friedebedürftigen Volkes kam der junge König entgegen. Erbetrat Italien nicht als Ghibelline, sondern als Friedensstifter, der die Parteien aussöhnen und so vernichten wollte; er kam als ein Bote der Versöhnung, bis die Dinge ihn wieder zum Ghibellinen machten. Den Italiener be- seelte aufser jenem Sehnen nach dem Frieden auch die Furcht, bei diesem Werke die municipale Freiheit zu verlieren, und in dem Widerspiel dieser beiden Tendenzen liegt das Geheimnis des letzten hochmittelalter- lichen Römerzuges.

Als Eingangspforte hatte sich der König den Mont Cenis gewählt^ den ihm sein Schwager Graf Amadeus von Savoyen oflFen hielt. Sein Weg führte ihn über Lausanne, Genf, Chamböry durch die Maurienne, dann nach Susa, Turin, Chieri und Asti.

Als sich der König Mailand nahte, beugte sich schweren Herzens Guido und ging waffenlos dem Könige entgegen, in dessen Begleitung Matteo Visconti weilte. Die Aussöhnung zwischen den beiden Geschlechtem und Parteien wurde vollzogen; aber kaum war es geschehen, da brach die Sorge um die municipale Freiheit mit aller Gewalt hervor. In schwerem Strafsenkampfe wurde von den deutschen Rittern an der Spitze Herzog Leopold von Österreich der Aufstand niedergerungen und Matteo wuTste sich in diesen kritischen Stunden so klug zu be- nehmen, dafs von ihm der Verdacht fem blieb, als sei er der An- stifter, die Schuld fiel auf die Torriani, sein Rivale mufste die Stadt räumen; ja der König machte nunmehr den Visconti zu seinem Vikar in Mailand. Bald vertrieb der König auch die Vitani, die Freunde der Torriani, aus Como und immer deutlicher vollzog sich die Änderung in seiner politischen Stellung: der Friedensbote wurde das Haupt der Ghibellinen.

Er brach der Guelfen Macht in Mailand und Brescia, er hinterlieC» einen starken Bund der ghibellinischen Städte der Lombardei, denen er als militärischen capitano den Grafen Wemher von Homberg, einen tapferen Krieger, gegeben hatte, während die politische Leitung Matteo zufiel; sieht man aber genauer zu, so entdeckt man, dafs unsere deutschen Landsleute in den Strafsen Mailands nicht für den König gestritten hatten, sondern für die Errichtung einer italienischen Signoria. Der Sieger des Tages war nicht der deutsche König, sondern der schlaue Matteo; denn dieser Tag brach die Macht der Torriani, entwurzelte die guelfische Opposition und gab dem Visconti die Bahn frei, sich in Mai- land die Signoria einzurichten, die er selbst noch auf die nächsten Städte ausdehnen konnte. Auch Heinrich VH. machte Matteo zum Reichsvikar

Heinrich VIL und der St. Gotthard. 285

für Mailand. Die Deutschen hatten Matteo, der einst mehr durch die Eifersucht der Seinen, als die Kraft der Torriani gestürzt war*, seiner Gegner entledigt.

Die dritte der erwähnten Folgen Heinrichs ist die, dafs die letzte Möglichkeit verabsäumt wurde, zwischen den Waldstätten und den Hab«- burgern wirklich rein und säuberlich alle Streitfragen zu erledigen. Heinrich war nicht gleich zu Anfang den Habsburgem feindlich entgegen- getreten, auf seiner Reise in die oberen Lande vom Frühsommer 1309 treten uns aber deutliche Anzeichen einer schweren Spannung entgegen. Und wie nun in Konstanz vor ihm Boten der drei Waldstätte erschienen^ verbriefte er nicht allein das, was an kaiserlichen Privilegien sie schon bisher, wenn auch von den Habsburgern nicht anerkannt, erreicht hatten^ sondern er griff bei Unterwaiden darüber hinaus, direkt in die Rechte der Habsburger ein, und er gestand allen dreien zu, dafs sie in Zukunft vor keinem Gerichte aufserhalb ihrer Grenzen erscheinen sollten, als vor dem königlichen Hofgerichte. ' Und wenn das auch nur unter Vor- behalt des Widerrufs gewährt war*, es war ein starker Sieg des munici- palen Geistes nicht allein über die Habsburger, nicht allein über diesen Territorialstaat, sondern auch über den grofsen Reichskörper.

Wohl zog Heinrich im Interesse des Reiches die Konsequenz, diesen Gebieten nunmehr eine einheitliche reichsrechtliche Organisation zu geben, er schuf das Amt eines Reichsvogtes, des „Pflegers des römischea Reiches in den Waldstätten", er machte dazu den Grafen Wemher von Homberg, dessen Mutter, die Gräfin Elisabeth von Rapperswil, die besten Ansprüche auf Urseren besafs und oft schon den Widerstand des Adels gegen die österreichischen Herzöge geleitet hatte, und als dieser aufser- ordentlich tüchtige Mann offenbar wegen seiner Vertrautheit mit dem italienischen Dingen dazu bestimmt wurde, den König nach Italien zu begleiten, erhielt das Amt Wemhers Stiefvater, der Graf Rudolf von Habs- burg-Laufenburg ^. Aber diese beiden blieben mit dem von Ludwig dem Bayern ernannten Aarberger allein. Die Waldstätte erwuchsen nicht zu einer Reichslandvogtei, nicht zu einem Teilgebiete einer Monarchie^ sondern sie waren Republiken und eliminierten sofort das Element das dem hinderlich entgegenstand. Die Klugheit, Sicherheit und der

1 Job. V. Cermenate in Fonti per la storia d'Itaiia 2, 80.

* Der Zusatz »praesentibus usque ad volwntatis nostrae beneplacüum tantummodo valituris* fehlt in dem Scbwyzer Brief, dieser ist aber nur in Abschrift erhalten.

So wenigstens nach Kopp 4, 1, 107. v. Wyfs in seiner Biographie de» tapferen Minnesängers. Ant. Mitteilungen, Zürich Bd. 13, Dierauer und Öchsli erwähnen seine Amtsführung nicht, sie ist auch nur far Bezirke aufserhalb der drei Waldstätte belegt. Ebenso ist das bei Eberhard von Bürgein der Fall, den Kopp als Rudolfs Nachfolger ansieht.

Schulte, Oesch. d. mittelalterl. Handels. I. 15

226 Zwanzigstes Kapitel.

Mut dieser^ Waldleute bedurfte nicht einen von einem Könige gesetzten Herren, sie waren imstande, sich selbst zu behaupten.

Diese Mafsnahmen des Königs hatten die Habsburger begreiflicher- weise tief verletzt Doch konnten sie, als im August 1309 in Speier mit dem Könige wirklich eine Einigung zustande kam, keine Änderung der königlichen Politik gegenüber den Waldstätten erwirken; erst als der Herzog Leopold sich in Italien als treue Stütze erwiesen hatte, wurde zugestanden, dafs dem Habsburger in diesen Gegenden das gehören solle, was ihnen kraft Grafschaft, Erbrecht oder Kauf zustehe, Vertrauens- männer sollten über alle strittigen Punkte entscheiden ^. Wäre das prompt ausgeführt worden, so würde der Kampf fUr die Habsburger vielleicht einen anderen Ausgang gefunden haben, weil dann das Gefühl, fLtr das Recht zu kämpfen, schwerlich die Eidgenossen so beseelt hätte, wie das bei Morgarten der Fall gewesen ist. Aber des Königs Vertrauensmann, der Freiherr Eberhard von BtLrgeln, blieb noch lange in Italien beim Kaiser'. Und so ward der letzte Moment einer friedlichen Einigung versäumt. Der GotthardpaTs gewann dadurch eine ganz andere Bedeutung : er ward nicht allein ein wirtschaftlicher Konkurrent der übrigen, sondern er hatte eine hochgespannte politische Bedeutung. Die politischen Gegen- sätze der aufblühenden Eidgenossenschaft, die von vornherein ein Pals- staat war, die Stellung zu Mailand und Österreich : das sind die Momente, welche nun über die Geschichte des Pafshandels entscheiden. Die poli- tische Geschichte beeinflufst am St. Gotthard den Verkehr in Zukunft noch mehr, als das bis dahin der Fall gewesen war.

Um diese Zeit erscheint der Berg unter dem heutigen Namen, er wird so zuerst im habsburgischen Urbarbuch genannt und offenbar nach der auf dem Berge errichteten Kapelle. Wie kommt der Name des Hildesheimer Bischofs hierher, dessen Gebeine 1132 waren erhoben worden? Der Gedanke schweifte gern nach dem Norden und dachte sich in dem Gründer wohl gar einen Niederdeutschen. Ich vermag heute doch einen wichtigen Umstand zur Erklärung beizutragen. Die Mailänder bürgerlichen Statuten haben in dem Verzeichnisse der Mailänder Fest- tage, die bürgerlich zu respektieren sind, auch den 4. Mai (sandi Gotardi) als Festtag rot hervorgehoben®. Wie kamen freilich die Mailänder zur

^ Urkunde vom 15. Juni 1311. Kopp, Urkunden 2, 186.

* Die österreichischon Herzöge hatten sich vom König Johann von Böhmen die Zusicherung verschafft, dafs er den Vater an die Erfüllung des Versprechens erinnern, eventuell selbst ihnen ihr Recht verschaffen werde. Von irgend welchen Mafsnahmen Eberhards, der später wieder in seiner Heimat war, wissen wir nichts.

* Statuta Blatt 48. An diesen Tagen sollten keine Gerichtssitzungen und Exekutionen stattfinden. Dafs es eine St Godehardkirche in Mailand gab, war

Heinrich YII. und der St Gotthard« 227

besonderen Verehrung dieses Heiligen? Der alte von den Lepontinern herrührende Name wurde jedoch durch den Kapellennamen erst langsam verdrängt Noch 1337 wurde in dem ewigen Bündnisse der Grafen von Montfort und der österreichischen Herzöge in der Beschreibung der Grenze der Hilfspflicht das Schneegebirge: »den man spricht ElbeU zwischen Interlaken und dem Septimer angeführt^.

Die „Verländerung^ des Reichsbesitzes am Vierwaldstättersee wurde auch dadurch begünstigt, daüs der Kaiser in einer für Graf Wemher aufserordentlich wohlwollend abgefafsten Urkunde, die den Empfilnger, was selten geschieht, ständig mit „Du'' anredet, am 21. Januar 1313 ihm jährlich 100 Mark Silber auf den Reichszoll zu Fluelen anwies, die nur durch die Zahlung von 1000 Mark Silber sollten abgelöst werden können. Den Rest der Zolleinnahmen behielt der Kaiser dem Reiche vor. Es ist das erste Mal, dafs wir von diesem Reichszoll hören; wann mag er errichtet sein? Leider wissen wir über die Wirksamkeit Wernhers, dessen Amtsbereich von der Lombardei über den Pafs hinübergrifi, nur sehr wenig. So erfahren wir aus einer jüngeren Quelle, dafs er mit den Comasken über ihren Zoll verhandelte ^

* Im übrigen beunruhigte die Gegnerschaft der Waldstätte und der österreichischen Herzöge in diesen Tagen den Handelsverkehr erheblich. Es war namentlich Luzern, das schwer darunter litt, und eine Vorahnung späterer Zeiten ist es, wenn die Waldstätte und Luzern sich zu einigen versuchen, ohne direkt mit der Herrschaft zu verhandeln. Ek waren, so scheint es, eine Reihe von Leuten des Thaies Urseren bei Root auf dem Wege von Luzern nach Cham-Zürich gefangen gesetzt, Konrad der Moser erhielt als Landmann von üri zuerst die Freiheit^, am Tage vor- her hatte der Reichspfleger und die Gemeinde von Schwyz den Luzemem freie Kaufmannsfahrt auf dem See bis zur Sust in Flüelen verbürgt^. Die Unterhandlungen führten aber noch lange nicht zu einem AbschluTs, erst Ende November 1309 versöhnten sich die Leute des Thaies Urseren, da die Gefangenen entlassen waren, mit der Stadt Luzern und indirekt auch mit den Herzögen von Österreich und der Stadt Brugg'^, und so

schon bekannt. Die viel jüngere Erzählung, der hl. GU>dehard habe bei einem Übergang über den Berg ein Wunder gewirkt, ist wertlos. Acta SS. Mai 1, 520. ^ Thommen, Urkunden zur Schweiz. Geschichte 1, 240. 2 Durch die Reihen- folge ist die Albula ausgeschlossen.

* So ist wohl mit v. Liebenau der dominus Guamerius zu erklären, der im 2k)lltarif von Como erwähnt wird. Vgl. unsere Urkunden Nr. 190 S. 130, 30 und Periodico der Societä storica di Como 19, 260.

» 1309 Juni 23. Kopp, Urkunden 1, 108,

* 1309 Juni 22. Kopp, Urkunden 1, 107.| B Kopp, Urkunden 1, 120.

15*

228 Zwanzigstes Kapitel.

grofs war die Freude der Luzemer, dafs nun der Pafs sich wieder öfinete, dafs sie eine jährlicMe Spende von 10 #9 zu zahlen gelobten^. Man hat bisher es nicht betont, dafs in diesem Pakt auch ein sehr wichtiger Handelsvertrag steckt Der „Atzungs**vertrag zwischen Uri und Luzem ist zwar nicht erhalten, aber wir sehen doch, dafs auch am Nordfufse der Alpen die Thäler sich die Zufuhr an Getreide, Wein, vor allem auch an Salz sichern mufsten und sicherten. Die einzige Waffe, die Lande zu besiegen, wäre das Aushungern gewesen, wie ja noch Zwingli den katholischen Urkantonen das Salz soll haben entziehen wollen.

In diesem Konflikte tritt Urseren hervor, das rechtlich noch eine durchaus von den Habsburgem abhängige Landschaft war, es fand das Thal aber offenbar Deckung bei den Waldstätten'. Im ganzen aber gewinnt man die Vorstellung, dafs die Leute von Urseren auf dem Passe dominieren, man darf auch nicht vergessen, dafs die Transportgenossen- schaft auf dem St. Gotthard auch die Leute aus Urseren umfafste, und der herrschaftliche Anteil aA der „Teilballe** im habsburgisohen Urbar^ buch unter dem Amte Urseren gebucht wird®.

Luzem hatte auch Baseler^ und Mailänder gefangen setzen lassen, wie die Urfehdebriefe lehren. Die Streitigkeiten zwischen Luzem und Basel wiederholten sich sehr häufig^, und schon spielte ein Baseler Ge* schlecht dabei eine bedenkliche Rolle, die Münche, die wir später im Besitze wichtiger Burgen finden werden. Es war ein Geschlecht, das uns bald in allen Ländem begegnen wird. Schon König Albrecht be- diente sich eines Münch als Boten an den Papst Bonifaz VIII^.

Den Mailändern waren 1309 Warenballen festgehalten, die auf die Intervention Guido della Torrcs der Stadt und der Kaufmannschaft frei- gelassen wurden^. Ein zweiter Fall berührt eine mailändische Handels«

1 öchsli, Regest 499.

* Es macht übrigens mehr den Eindruck, als handle es sich um einen Konflikt zwischen Urseren und Luzem bez. Brugg, als zwischen ersterem und der Herr- schaft. Die bisherige Auffassung suchte zuerst immer politische Motive.

* »Da ist och ein recht, heisset teübaUe: davon git man 10 U Pfeffers jerlich,*

* Kopp, Urkunden 2, 177. Baseler Urkb. 4, 9, 15 ff. Es waren vier Personen von Basel arretiert. 1809 Januar 24.

B Zwei Sühnen von 1311 und 1312 behandelt Kopp 4, 1, 260 f. nach den in Luzem erhaltenen Urkunden, die jetzt Baseler Urkb. 4 Nr. 20, 21 u. 23 ge- druckt sind.

« Baseler Urkb. 3, 224.

■^ Vier Urkunden : Vollmacht der Stadt für die drei Gesandten, Verzicht Guidos als dominus perpetuus namens der Stadt, ebenso der universitns mtrcatorum, wie endlich des Gesandten selbst, alle 1309 September und Oktober. Kopp, Urkunden 2, 193.

Heinrich YH und der St. Gotthard. 229

geaellschafl;, die in Luzem einen Sitz hatte. Der dortige Vertreter Thomas de Dugniano wurde wegen einer von seinem Compagnon anerkannten Schuld gefangen gesetzt, erhielt ^uch von der Stadt Luzem sein einge- legtes Kapital (323 i6 Imperialen) zurück, gleichwohl sandte die Stadt Mailand noch einen Gesandten , um die Freilassimg auch des Thomas und Petrus de Dugniano zu verlangen ^. Die Spannung zwischen Luzem und Mailand äulsert sich auch in den Forderungen von Luzerner Handels- leuten. Wegen ZoUuberforderungen in Mailand, Como, Bellinzona und Locamo forderten 21 Luzemer Geschäftshäuser in Posten von 800 tt Imperialen bis zu 10 i6 Imperialen einen Gesamtersatz von 3370 i6j weiter hatten sich vier Geschäfte über Beraubungen im Werte von 598 tt zu beklagen'.

Was Heinrich VII. in Italien versucht hatte, wa,r ein phantastisches Uixtemehmen, für seinen Buhm war es ein Glück, dalÜs der Tod ihn daihin x^S^^y ehe die nackte Gewalt der realen Kräfte ihn zu erdrücken begaan. Und nun folgten schnell aufeinander die Handlungen, welche die Eidgenossenschaft schufen und dem Reiche jeden Einflufs auf den GotÜuurdpals entzogen. In der Nacht vom 6. zum 7. Januar 1314 über- fielen die Schwyzer das hochadlige Kloster Einsiedeln, ihren alten Streit mit ihm zu erledigen. Eine solche Gewaltthat rief die Gegner sofort auf den Plan. Der Bischof von Konstanz verhängte den Bann, aber die staatliche Hilfe versagte.

Nach langen Verhandlungen wurden am 19. und 20. Oktober 1314 dem Reiche zwei Könige erkoren, die Waffen mufsten nunmehr ent- scheiden. Friedrich von Österreich war der Erbe der Gegnerschaft gegen die Waldstätte, als König verhängte er über die Frevler von Einsiedeln die Acht; Ludwig der Bayer aber erbte die Politik Adolfs von Nassau und Heinrichs VH., er sprach sie von der Acht frei. Mit dem Kampfe um das Reich war so der der Eidgenossen und des Hauses Österreich verbunden. Die Schlacht von Morgarten (15. November 1315) entschied, das war die That der Befreiung, auf dem winterlichen Schlachtfelde hatten die Bauemhaufen bewiesen, dafs sie Kraft, Gemeinsinn und Selbst- zucht genug besafsen, um dem Ritteradel zu trotzen. Wenige Tage später, am 9. Dezember 1315, erneuten die Eidgenossen den Bund von 1291. Ein neues Staatsgebilde war damit begründet, ausgehend von der Vereinigung dreier Thalgenossenschaften, blühte ihm eine grofse Zukunft, und diese verdankte sie vor allem der geographischen Lage. Die Eid-

^ 1302 März 14. Urkunde des Petrus de Dezio Bürgers von Mailand (unter den Zeugen ein Mailänder Bürger mit dem deutseben Namen : Johannes didus Sutzen) und (1312) Juni 1 Urkunde des Nicola Buonsignore, Vikars für Mailand und der Stadt, Beglaubigung des Rugerius Vineimara. Kopp, Urkunden 2, 192.

* V. Liebenau, Königin Agnes von Ungarn 417—420/

280 Zwanzigstes Kapitel.

genossenschaft war Herrin des Gotthardpasses, und so hingen Lussem . und Zürich von ihnen ab, der Pafs gab diesen Thalleuten die werbende Kraft und politische Bedeutung. Die Schweiz ist der Pafsstaat des St. Qotthard geworden, und in ihm erkennen mit Recht noch heute die Schweizer das Centrum des Staatengebildes. Die Thalleute, welche die Eidgenossenschaft begründeten, waren keine gewöhnlichen Bauern eines weltentlegenen Thaies, sie führten die Waren des Welthandels über die Berge und sprachen mit den Kaufleuten, den Boten, Pilgern, Herren und Fürsten, die durch ihr Land zogen. Daher die Weite des Blickes, welche im Kampfe gegen die Habsburger sofort jede Chance ausnutzte, daher die Neigung und Fähigkeit, jede Schwankung der europäischen Lage auszunutzen. Der Gtotthard war der einzige Alpenpafs, an dem Reichsgut lag, und doch hat der König unter den Alpenpässen niemals den Fufs eines Königs getragen, keines deutschen und, so viel ich weifs, auch nicht den eines anderen! Der Pafs, der bjBstimmt schien, aufs innigste das Deutsche Reich mit dem Gebiete der alten langobardischen Krone zu verbinden, trennte sie noch viel mehr, als der unwegsame Berg es viele Jahrhunderte gethan hatte. So ist die Eidgenossenschaft entstanden.

Viertes Buch.

GESCHICHTE DES GELDHANDELS.

Erster Teil.

IN ITALIEN DOMIZILIERTE GELDHÄNDLER ALS GLÄUBIGER DES DEUTSCHEN HOHEN KLERUS IM DREIZEHNTEN UND

VIERZEHNTEN JAHRHUNDERT.

Einundzwanzigstes Kapitel.

Die westdeotscheii ErzbischSfe als Schuldner.

Wiederauftreten des Fremdkaufmanns, Anfätige der Geldwirtschaft System der päpsüichen Einnahmeiu Zwei Klassen, Höhe der Servitien. Beihilfe der iUüiemschen Kauflexäe. Erzbischöfe von Köln, vor aUem Dietrich, Engelbert, Konrad, spätere. Mainz, Widerstand des Klerus. Trier,

Das dreizehnte Jahrhundert sah einen selbständigen Geldhandel ent- stehen, so dafs es nicht allein bequem, sondern sogar notwendig ist, den Geldhandel vom Warenhandel loszulösen und ihn besonders für sich zu behandeln. Ich werde die Behandlung sofort bis an das Ende des Mittel- alters fuhren.

Mit dem Geldhandel lebte für Deutschland der Fremdkaufmann wieder auf, wir werden sehen, in welchem Umfange italienische Geld- händler in Deutschland Einflufs gewannen. Der Fremdkaufmann brachte die überlegenen Formen des italienischen Handels, bis diese vom deutschen Kaufmann übernommen waren, und der deutsche Bankier den fremden verdrängte.

Diese Entwickelung hängt auf das innigste mit der Entstehung des Kapitals und mit dem Aufkommen der Geldwirtschaft zusammen. Ehren- berg hat in der Einleitung zu seinem grofsen Werke über das Zeitalter der Fugger die Entwickelung eines Bedürfnisses nach gröfseren Summen

232 Einundzwanzigstes KapiteL

baren Geldes durch den Satz ausgedrückt: Pecunia nervus beUi^. Und gewifs hat die Notwendigkeit grofser Barmittel fUr eine Politik sich schon in den Kreuzzügen deutlich gezeigt, die grofsen Ritterorden, vorab die Templer, richteten sich auf bankmäfsigen Verkehr ein. Ich meine jedoch, dafs eine noch viel gröfsere Bewegung des Geldes als durch diese kriege- rischen Zwecke, durch die finanzielle Stellung des heiligen Stuhles sich ergab, die freilich zum Teil auf Steuern für Kreuzzüge, also für kriege- rische Zwecke sich gründete, wobei der Begriff der Kreuzzüge bekannt- lich sehr weit gespannt wurde.

Der frühmittelalterlichen Naturalwirtschaft entsprach die Lehre vom Zinsverbot, wir werden nun beobachten, wie die Kirche und speciell die Kurie selbst das Aufkommen der Geldwirtschaft fördert und so den wunderbaren Widerspruch zwischen Theorie und Praxis herbeiführte, der zu den eigentümlichsten Verhältnissen führte, die wir später dar- zustellen haben.

Die Entwickelung, welche das System der päpstlichen Einnahmen seit dem An&nge des dreizehnten Jahrhunderts nahm, vor allem aber die Einführung von Kreuzzugssteuem , hat einen aufserordentlich regen Oeldverkehr zwischen Italien und Deutschland hervorgerufen , den ich selbstredend hier nur streifen und in seinen für den Handel bedeutsamen Folgen besprechen kann.

Die Abgaben an die Kurie zerfallen in zwei Gruppen. Die einen werden in Rom (bez. an dem Sitze der Kurie) selbst erhoben, der Zahlende erscheint dort oder liefert den Betrag durch einen Abgesandten dort ab. Das sind die serviiia communiaf welche der Bischof oder Abt bei seiner Ernennung oder Bestätigung zu entrichten hatte, die Taxen für die Urkunden, die Palliengelder und die freiwilligen Geschenke, "welche dem päpstlichen Stuhle dargebracht wurden^. Die betreffenden Gelder wurden der Regel nach wohl in barem mit über die Alpen ge- nommen. Mancher Bischof, der eben gewählt war, verfügte jedoch nicht über die ausreichenden Mittel, viele von ihnen fanden nun jenseits der Alpen den nötigen Kredit. Sie nahmen dort eine Schuld auf, welche -dann entweder an dem Sitze der Kurie oder in der Heimat des Schuldners oder endlich, was geradezu die Regel war, auf einem der Weltmärkte KU tilgen war. Das Geschäft lag natürlich den römischen Kaufleuten

* Das Zeitalter der Fugger 1, 5 ff.

« VgL Kirsch, Die päpstlichen KoUektorien während des vierzehnten Jahr- hunderts. Quellen u. Forsch, aus dem Gebiete der Geschichte, herausgeg. v. d. Qörres-Gesellschaft UI. Bd. S. XIU ff . Gelegentlich auch £. Müntz, L'argent et le luxe & la cour pontificale, in Revue des quest. historiqucs Bd. 66 und jetzt auch A.Gottlob, Päpstliche Darlehensschulden des dreizehnten Jahrhunderts im Histor. Jahrbuch 20, 665—717.

Die westdeutschen Erzbisehöfe als Schuldner. 233

am nächsten. So finden wir denn auch in den ältesten Zeiten vorwiegend, ja fast ausschliefslich römische Kaufleute als Gläubiger von Schulden, die aus solchem Anlasse entstanden waren. Sie finden jedoch bald über- legene Konkurrenten, und der Vorsprung, den der römische Kaufmann -vor allen anderen voraus hatte, hörte auf, als die Kurie von Rom ver- legt wurde. Den natürlichen Vorbedingungen entspricht die Thätigkeit römischer Kaufleute sicherlich nicht.

Seitdem Eubel in seiner hochverdienstlichen Hierarchia auch die Höhe der Servüia communia mitgeteilt hat, kann man übersehen, welch -enorme Summen unter diesem Titel an die Kurie flössen. Ich gebe eine Zusammenstellung nach der Höhe:

10000 fl. Aquileja, Köln, Mainz, Salzburg, Trier (alias 7000),

7200 - Lüttich,

6000 - Metz, Passau,

5000 - Gnesen, Tournay,

4600 - Utrecht,

4400 - Verdun,

4000 - Breslau, Freising (auch Rheims),

3500 - Olmütz,

3 000 - Münster, Bamberg, Basel (al 1000), Brixen (auch Mailand),

2800 - Prag,

2500 - Magdeburg, Strafsburg, Konstanz,

2400 - Würzburg (al 2300),

2000 - Sitten, Trient,

1400 - Regensburg, ^on hier ab berücksichtige ich nur die westdeutschen Sprengel:

1200 (700) fl. Lausanne,

1000 fl. Hildesheim, Minden (al 500), Worms, 800 - Eichstntt, Augsburg, 600 - Genf, Osnabrück, Speier (äl. 500), 500 - Chur, Chiemsee, 400 - Verden,

100 - Paderborn, Halberstadt Dafs diese Summen nicht genau den wirklichen Einkünften des betreffenden 'Sprengeis entsprechen, ist mir nicht zweifelhaft Wie Freising viel zu hoch steht, ist Paderborn viel zu niedrig eingeschätzt

Die andere Gruppe von Abgaben ermöglichte Kaufleuten nicht allein derartige Kreditgeschäfte, sondern sie übernahmen auch den Transport des Geldes, indem sie auch den Wechselverkehr einführten. Es waren das diejenigen Abgaben, welche zum Teil anfangs durch die Diöcesan- behörden erhoben wurden, deren Erhebung aber seit der Mitte des drei- zehnten Jahrhunderts mehr und mehr durch von der Kurie selbst be-

234 EinundxwanzigBtes KapiteL

stellte Kollektoren besorgt wurde ^. Die filteren Abgaben, die grundherr- lichen Patrimoniengefklle und die lehensreehtlichen Census die census exempter Kirchen , der in Deutschland ja nur im Deutschordensgebiete bekannte Peterspfennig machten nur kleine Beträge aus, ganz anders aber stand es bei den vom Papste auf die kirchlichen Einkommen ge- legten Steuern, vorwiegend Kreuzzugssteuem, welche einen sehr kompli- zierten Erhebungsapparat erforderten, über den wir jetzt vortrefflich unterrichtet sind. Daneben werden von den Kollektoren auch die frei- willigen Subsidien der Geistlichkeit, sowie die Einnahmen aus den Reser- vationen und Annaten, sowie auch Spoliengelder eingezogen.

Die Übermittelung der gesammelten Gelder an die Kurie wurda vielfach von den Kollektoren italienischen, gelegentlich auch französischen Kaufleuten übertragen. Die Päpste haben das System stark -begünstigt Die Voraussetzung war, dals die italienischen Kauf leute den Kollektoren folgten oder überhaupt schon in dem Gebiete und an dem betreffenden Orte, an dem das Geld aus den Händen des Kollektors in die ihren über- ging, bekannt waren. Der wesentlichste Vorteil der Verschickung des Geldes durch Kaufleute war doch eben der Wechselverkehr. Der Trans- port des baren Geldes durch Geistliche, von denen natürlich bekannt war, dafs sie Geld gesammelt hatten, erforderte bedeutende Kosten ftir das Geleit. Und doch wurden die Kollektoren angefallen, so ereilte dieses Geschick den mehrfach in diesen Gebieten thätig gewesenen Peter Durandi im Jahre 1322 zwischen Konstanz und Basel ^. Der Kaufmann vermochte heimlich zu reisen, er brachte das Geld aber überhaupt' nicht in Gefahr und sparte alle Kosten bis auf die eines Boten, wenn er die, sagen wir in Lüttich, eingezahlte Summe durch die Vertreter derselben Gesellschaft, deren Faktor oder Genosse er war, in Avignon der päpst* liehen Kammer auszahlen liefs.

Diese Wechselgeschäfte wurden in der Regel von Gesellschaftenr besorgt, wie wir sie bald näher kennen lernen werden. W^ir werden sehen, dafs nacheinander verschiedene italienische Städte hervortreten^ bis endlich Florenz so gut wie völlig den Geldhandel der päpstlichen Kurie an sich gebracht hat. Ich sagte, dafs die Thätigkeit einer Gesell- schaft an einem bestimmten Orte für den päpstlichen Kollektor, wenn nicht ausdrücklich erwähnt ist, dafs der betreffende Vertreter nachgereist ist, die Vermutung begründet, dafs die Gesellschaft auch sonst an dem Orte arbeitet, mindestens der Ort ihr nicht fremd ist. Wir werden also dadurch, dafs wir die Orte nachweisen, in denen solche Wechsel ab- geschlossen wurden, zugleich die Gegenden unterscheiden lernen, in

' Gottlob, Die päpstlichen Kreuzzugssteuem 8. 248. * Regesten d. Bischöfe v. Konstanz 2 Nr. 3952.

Die westdeutschen Erzbischöfe als Schuldner. 285

denen italienische Kaufleute nicht verkehrten. Eine Herbeischaffung allen Materiales habe ich nicht versuchen können, auch werde ich mich im wesentlichen auf das Rheingebiet einschränken, die Grundzüge der Entwicklung scheinen mir gleichwohl sich bereits zu eigeben.

Ich werde zunächst die Verschuldung der drei rheinischen Erz- bistümer, so weit Italiener die Gläubiger waren, besprechen, um die Ursachen der Verschuldung besonders hervortreten zu lassen. Die Schulden der übrigen westdeutschen Prälaten werde ich nach der Heimat der Gläubiger besprechen. Durch dieses wechselnde Hervor- kehren von Gläubigern und Schuldnern hoffe ich die Dinge deutlicher zu machen, als es sonst möglich wäre. Dafs mitunter die Zusammen- stellung eine Regestensammlung wird, läfst sich nicht vermeiden^.

Die älteste Beziehung eines rheinischen Kirchenfürsten zu einem römischen Kaufmanne hat im Mai 1218 der Kardinal Stephan beurkundet. Er giebt an, dafs der Kölner Elekt Dietrich (von Heinsberg 1208—1212) von den nachgenannten Bürgern und Kaufleuten von Rom: Johannes Romanus, Petrus de Centio de Lavinia, Johannes de Centio und Petrus Johannis de Romano und Genossen so viel Geld empfangen habe, da£s er sich schuldig erklärte, ihnen 625 Mark Sterling auf der nächsten St. Aigulfmesse zu Provins vier Tage bevor der Ruf: Hare^ Haret erschalle, zu bezahlen^.

Bei denselben Kaufleuten kontrahierte Erzbischof Dietrich noch eine zweite Schuld und zwar im Betrage von 700 Mark Sterling, so dafs sich die Schuld nunmehr auf 1325 Mark Sterling belief. Es scheint,

^ Ich kann selbstredend keine Vollständigkeit erstreben. Die Hauptgrandlage gewährten mir die Veröffentlichungen aus den päpstlichen Registerbänden, vor allem die der Bibliothique des ^coles d' Äthanes et de Rome. Bisher erschienen Auvray, Gregor IX. Bd. 1, Berger, Innocenz IV., 3 Bde, Bourel de la Ron- ci^re, de Loye und Coulon, Alexander IV., 3 Hefte, Dorez und Guiraud, Urban IV., 2 Hefte, Jordan, Clemens IV., 3 Hefte, Guiraud und Cadier, Gregor X. und Job ann XXL, 3 Hefte, Gay, Nicolaus III., 1 Heft, Prou, HonoriusIV. (vollendet^ Langlois, Nicolaus IV. (vollendet), Di gard, Faucon und Thomas, Bonifaz VIIL, 5 Hefte und Grandjean, Benedict XI.. 4 Hefte. Femer die Register Honorius III. in der Ausgabe von Pressuti und Clemens V. in der der Bene- diktiner. Für die Zeit von 1198 1256 babe ich dazu Potthasts Regesten durch- gesehen. Die Papsturkunden der Zeit von da bis zum Ende des Interregnums verfolgte ich auch nach Böhmer-Ficker- Winkelmann, von da bis 1308 nach Kaltenbrunner, Mitteilungen aus dem vatikanischen Archive Bd. I. Selbst- redend zog ich auch die Sammlung der M.G. heran: Epistolae s. XIII selectae 6 regestis pont. Roman, ed. Rodenberg.

' Mitgeteilt vonKorth in den Annalen des bist Vereins für den Nieder- rhein 41, 93. Bfirgschaftsbrief von vier Kölner Geistlichen, die an der Kurie weilten, vom Mai 1213 bei Ennen und Ecker tz. Quellen 2, 45. Johannes Romanus heilst hier J. R. Denteguarde.

23$ EinuDdzwanzigstes Kapitel.

dab Theoderich später auch noch einen Generalschuldbrief ausstellte, der auf 2000 Mark lautete. Diese Schulden hat Dietrich nicht bezahlt, ala abgesetzter Erzbischof war er natürlich dazu auch nicht in der Lage.

Für ihn mufste sein Nachfolger Engelbert der Heilige (1216—1225) eintreten, der das Bistum schwer verschuldet übernahm. Mit den eben erwälinten Eaufleuten kam durch einen Kardinal 1218 ein Schiedspruch imstande, der die Schuldsumme des Erzbischofs auf 1200 Mark neuer Sterlinge (Vi ß und 4 sterl. auf die Mark) festsetzte und die Zahlung von je einem Drittel auf die nächste St. Aigulfmesse in Provins und auf die nächsten Messen in Bar und Troyes festsetzte ^

Es war das nicht die einzige Schuld, welche Dietrich aufgenommen hatte. Einem römischen Bürger Johannes Bobo^ schuldete er 160 Mark Silber, die 1221 Erzbischof Engelbert und das Domkapitel bezahlten^. Bedeutender waren noc'i zwei weitere Anleihen. Die erste war bei den Römern Mathias Guidonis Marronis, Angelus Johannes Judei, Jac^bus Scarsus und Genossen gemacht, sie betrug ursprünglich 260 Mark Silber und war bei früherer Anwesenheit des Erzbischofs in Rom aufgenommen, Februar 1214 wurde sie aber auf 500 Mark Sterling erhöht und sollte auf der nächsten Messe zu Provins getilgt werden. Geschehe das nicht, 80 war von Messe zu Messe 10 ^/o Entschädigung zu bezahlen^. Doch harrte noch 1218 ein weiterer, vom Kardinaldiakon G. von St. Theodor gelroffener Vergleich der Ausführung, obwohl eine Konventionalstrafe von 1000 Mark angedroht und beschworen war^.

Nach dem Spruchbriefe des Kardinals Johannes tu, 5. IVaxedis vom 5. März 1238 hatte Dietrich ferner von den beiden römischen Kauf- leuten Huguicio Johannes Icta und seinem Bruder Leo 983 Mark guter Sterlinge erhalten. Der Schuldbrief lautete freilich auf 1150 Mark und auch diese Schuld sollte: nn praximis nundinis sancti Aigülfi quaiuar äiehus antequam clamaretur Bare! Hareh entrichtet werden. Das Ge- schäft wäre nicht schlecht gewesen; denn das wäre ein Jahreszins von 14V2 Prozent gewesen. Allein Dietrich bezahlte nicht, und noch im Jahre 1238, also 26 Jahre nach seiner Absetzung harrten die Gläubiger d«r Befriedigung. Sie stellten die Forderung, dafs Erzbischof Heinrich fftr seinen Vorgänger bezahle, und zwar solle er, da ausbedungen war, dafs nach versäumter Zahlung von Messe zu Messe zehn Prozent Zins zu zahlen sei (also 60 Prozent), als Schadenersatz und Kosten noch jdazu die Summe von 12000 Mark Sterling entrichten, was dem Jahres-

1 Urkunde vom 7. Mai 1218 bei F ick er, Engelbert der Heilige S. 320.

* Vgl. unsere Urkunden Nr. 422.

» Urkunde vom 8. April 1221 bei Ficker S. 830.

* Lacombletf Urkundenbuch 2, 25.

* Vgl. unsere Urkunden Nr. 423.

Die westdeutschen Erzbischöfe als SchnldDer. 287

zinse von 18^/8 Jahren gleich kommt Diese unverschämte Forderung wurde aber keineswegs von dem Kardinal anerkannt, obwohl der Eifs- bischof gar keinen Vertreter gesandt hatte. Die Kläger beschworen, dafs 280 Mark Sterl. >in advoccUarum salariis et aliis neeessarüs pro eoäem recuperando debitot darauf gegangen sei, der Schaden belaufe sich auf 37 Mark. Wenn nun der Kardinal urteilt, der Erzbischof sei schuldig, den Kaufleuten 1300 Mark Sterling zu bezahlen, so ist das Urteil fdr den Erzbischof gewifs sehr günstig ; denn mit den Advokatenkosten und dem Schadenersatz ergiebt sich schon eine Forderung von 1150 + 280 + 37 = 1467 Mark Sterling, von einer Verzinsung ist gar keine Rede. In diesem Falle ist das kirchliche Zinsverbot wirklich innegehalten, der Kardinal hat nämlich nicht die Forderung, sondern das thatsächlich dar- geliehene Geld angesetzt, die Rechnung seines Schiedsspruches ist : 983 + 280 + 37=1300 Mark Sterling ^

Diese Entscheidung ist kaum noch in die Hände des Erzbischofs Heinrich (von Molenark 1225 1238) gekommen, er starb bereits am 26. März 1238. Sein Nachfolger war Konrad von Hochstaden (1238— 1261) von dem es bisher schon bekannt war, dafs er das Bistum mit Schulden beladen antrat

Doch wir müssen zunächst noch auf Heinrichs Vorgänger Engelbert den Heiligen zurückgreifen. Auch er hat zu Anfang seiner Regierung schwere Schulden, vielfach gewifs auch zur Befriedigung alter Gläubiger des Bistums, aufnehmen müssen. An italienischen Gläubigem kann ich nachweisen :

1. die römische Gesellschaft des Petrus Sarracenus, Petrus de Paulo, Johannes Pantaleonis und Angelus Petri de Paulo, welche 1218 eine vielleicht übrigens ältere Schuld von 850 Mark Sterling ansprechen^;

2. die römischen Bürger Guillelmus de sancto Antonio, Benincasa mater Johannis Zache und Martina uxor quondam Scarlacci, deren Forderung von 17 Mark neuer Sterlinge den Dechanten von Troyes 1219 beschäftigte«;

3. die römischen Bürger Lucas Scarsus und Petrus Judei, deren Forderung von 550 Mark neuer Sterling der Dechant von Troyes 1219 anerkennt*;

4. die römischen Bürger Matthias Guidonis Marconis, Johannes Judei und Lucas Marquisanus, deren Forderung sich nicht aus der Ur-

» Abgedruckt M.G. Epist. saec, XIII 1, 621 f. a Ficker a. a. 0. S. 324. » Ebda. S. 328.

* Ebd a. S. 329. Hierher gehört wohl das Regest einer Urkunde vom 23. Juli 1219, die mir im Original nicht zugftnglich war. Mitt« Stadtarchiv Köln Heft 20, 88.

238 £inand2wanzig8tes Kapitel.

künde feststellt , welche sich jedoch mindestens auf 235 Mark neuer Sterlinge, welche zu Bar zu bezahlen waren, belief ^^

5. sechs Bürger von Bologna, deren Forderung sich auf 258 Mark Silber belief, wofür 35 Mark Gold in Provins bezahlt werden sollten*;

6. Johannes de Maroza, civis RomantiS, dessen Forderung von 100 Mark Silber 1222 durch den Abt von St. Genovefa in Paris im Auftrage des Papstes beigetrieben wurde*. Eine Vollmacht Engelberts, in Provins bei genannten römischen Kaufleuten bis zu 300 Mark Ster- ling aufzunehmen, ist leider nicht im Original zugänglich ^ sie läfst sich also nicht einreihen.

Ich glaube auch folgende beiden aus Bürgern von Siena bestehenden Gläubigergruppen unter die Gläubiger des Erzbischofs rechnen zu dürfen, obwohl sie den Empfang des Geldes der Stadt Köln quittieren. Die erste Gruppe besteht aus : Hugo Bientheviegne, Piccolominus Ultramontis und Renerius Orlandi, sie erhielten auf der Messe zu Bar 312 Mark Sterling ^. Die zweite Gruppe : Palmerius {Donati, Bononcontrus Rogerii, Rogerus Aringerii , Aldebrandinus Galerani , Berengerus Guadagnoli, Rainerius Salimbene und Bernardinus Alamanni erhielt auf der St. Aigulf- messe zu Provins 300 Mark Sterling, und zwar war die Hälfte schon auf der vorjährigen Messe von Bar fällig gewesen*.

Die Kölner bauten für die Zukunft solchen Lasten vor, indem sie sich an den deutschen König wandten, und zu Worms wurde 1231 das Weistum gefunden, dafs die Bürger von Köln für die Schulden und Verpflichtungen der Erzbischöfe nicht haftbar seien "'. Der Spruch wurde später mehrfach bestätigt.

In Verfolg desselben war es mithin ganz ii; Ordnung, dafs, als die Konsuln der Messe zu Provins die Kölner Bürger nicht weiter zulassen wollten, weil der Erzbischof Konrad einen Pariser Bürger nicht befriedigt hatte, dieser sich an den Grafen Theobald V. von der Champagne wandte, er möge die Bürger nicht weiter belästigen lassen, da sie rechtlich wegen erzbischöflicher Schulden nicht belangt werden könnten®.

1 Ficker S. 331. ■Ebda. S. 339.

* Das päpstl. Mandat 1222 Juli 12. Unsere Urkunden Nr. 424.

* Regest Mitt. Stadtarch. Köln Heft 20, 88. 1222 Sept. 11.

^ 1228 tnense Aprili anU pascha^ das ist also April 1229. Ennen u. Eckerts 2, 116.

^ Ebenda.

' Ebda. S. 127. Kaiser Friedrich II. bestätigte das 1236 ebda. 8. 160. Rudolf 1273 Böhmer-Redlich 34. Lau S. 247 u. 330.

» Cardauns, Ann. des Niederrh. 35, 60. Höhlbaum, Hans. Urkunden- buch 3, 15 Anm. Gedruckt Mitt. Stadtarchiv Köln 9, 175. Im übrigen forderte Innocenz IV. trotz des Spruches yon den Kölnern Unterstützung ihres Erzbischofes.

Die westdeutschen Enbischöfe als Schuldner. 239

Auch Erzbischof Heinrich (1225 38) hatte mit römischen Geld- wechslern Verbindungen. Aber auch er bezahlte seinen Gläubiger Juve- nalis Manetti nicht. Papst Gregor DL wies nach seinem Tode den Erz- bischof von Mainz an, die Einkünfte der erzbischöflichen Mensa fUr die Tilgung der Schuld einzuziehen^.

Nicht in Rom oder an der Kurie, sondern auf der Messe von Troyes, wohin der Erzbischof Heinrich November 1226 den Kölner Ritter und Kaufmann Gerhard Scherfgin gesandt hatte, nahm er bei Sieneser Kauf- leuten, unter denen Ugo Bienchevieni und Piccolomo Oltramontis uns auch anderweitig begegnen, so viel Geld auf, dafs er auf der nächsten Messe 650 Mark neuer Sterlinge zu zahlen hatte ^.

In den Tagen Heinrichs von Molenark hat übrigens auch das Kölner Domkapitel mit Kaufleuten mehrfach in Verbindung gestanden. Mai 1232 forderte Renerius Petri als Vertreter von Sieneser Kauf leuten, dafs das Domkapitel, welches seinen Zahlungsverpflichtungen auf dem letzten Markte zu Provins nicht nachgekommen war, nach Troyes vorgeladen werde ^. Es hatte bei Kauf leuten von Rom und Siena durch seinen Dechanten Goswin, als er an der Kurie weilte, 350 Mark Sterling auf- nehmen lassen, die Zahlung sollte auf der Aigulfimesse zu Provins er- folgen oder von Messe zu Messe eine Verzinsung von zehn Prozent ein- treten. Mehr wie vier Jahre wurde aber nichts bezahlt, so dafs die Kauf- leute — unter denen Bobo Johannis Bobonis als domini pape campsor be- zeichnet wird, die Rückzahlung des Elapitals mit 350 Mark, als Schaden- ersatz 800, für die Kosten 200 Mark verhmgten. Worauf gründet sich die Forderung des Schadenersatzes? Der Ausdruck „von Messe zu Messe^ ist nicht klar. Heifst es , dafs zehn Prozent von der einen Aigulfimesse zur anderen zu entrichten sind, so wären in vier Jahren 140 Mark Zins angelaufen, soll aber darunter eine jede der sechs Champagnermessen gemeint sein, waren also nicht zehn, sondern 60 Prozent Verzugszinsen zu berechnen, so ergiebt das 840 Mark. Letztere Deutung ist wohl die richtige*.

Aus einer Urkunde, die sich im Staatsarchive von Siena erhalten hat, erfahren wir nun Näheres über die finanziellen Schwierigkeiten, welche der neue Erzbischof Konrad zu überwinden hatte. Auch dieses Mal ist es der Spruch eines Kardinals, der uns über die Verhältnisse aufklärt. Der eben erwählte Konrad von Hochstaden hatte Kredit bei

1244 Dez. 22 Berger 1, 142. Das Domkapitel hatte sich schon 1232 durch den Papst gedeckt, Lacomblet 2, 92.

1 Potthast Nr. 10146.

' Diese ganz typische Urkunde s. unter unseren Urkunden Nr. 425.

s Regest Mitt. Stadtarchiv Köln 4, 49.

* 1238 November. Unsere Urkunden Nr. 426.

240 Einundzwanzigstes Kapitel.

Kaufleuten, die aus Siena stammten, gefunden. 4600 Mark Sterling hatte er bei der Gesellschaft des Bartolomeo Ugonis Piccolomini, des Bona- ventura Lupelli und Genossen aufgenommen, weitere 100 Mark bei den* selben, während er an der Kurie weilte, endlich hatte Bonaventura noch 40 Mark Silber an Dietrich, den Prokurator seines Vorgängers es ist der Name nicht genannt vorgestreckt, so dafs die Gesamtschuld des Erzbischofs gegenüber der Seneser Gesellschaft sich auf 4740 Mark Ster- ling belief ^. Aber auch Konrad zahlte im Verlaufe von achtzehn Jahren nicht einen Pfennig ab, und so klagte denn die Gesellschaft, bei der übrigens Bonaventura und Bartolomeo nicht mehr genannt werden, beim päpstlichen Stuhle, sie verlangten für den Schaden, die Ausgaben und das >interes3€€ weiter 10000 Mark Silber. Das wäre, wenn wir von den Kosten u. s. w. absehen und diese 10000 Mark nur als Zinsen auf- fassen, eine Verzinsung von 11,8 Prozent, wobei die in der Schuldsumme unzweifelhaft schon versteckte Verzinsung aufser Ansatz bleiben mufs. Die Entscheidung war vom Papste in die Hände eines Mannes ge- legt, der mit Konrad von Hochstaden vielfache Beziehung gehabt hatte. In den Tagen der Wahl König Wilhelms waren der päpstliche Legat für Deutschland Kardinal Pietro Capocci und Konrad, bald auch Legat, die eigentlichen Führer der antistaufischen Partei. Später scheint firei- lich ein Zwiespalt zwischen beiden eingetreten zu sein. Unter den Hand- salben, welche Richard von Comwallis bei seiner Königswahl entrichten mufste, erscheinen auch 2000 Mark, welche fUr die Beilegung dieses Streites vielleicht erforderlich seien ^. Genug, 1258 war Pietro Schieds- richter, ungleich seinem Vorgänger hatte Konrad einen Vertreter geschickt^ den Deutschordensritter Wolfhard. Es kam nun zu einem Vergleich, in welchem die Senesen^ sich zufrieden erklären, wenn ihnen innerhalb zehn Jahre das Kapital zurückgezahlt wird (je 230 Mark jährlich zu der Maimesse in Provins und, so scheint es, zur Novembermesse in Troyes). Sie erhalten also nicht einmal die gesamte Schuld zurück, sondern verlieren noch 140 Mark Sterling, so dafs auch in der Anlehens- summe unzweifelhaft bereits Zinsen verdeckt sind. Sehr schroff sind die

^ Auf diese Gesellschaft bezieht sich vielleicht auch die Quittung, welche Arminius Bentivegni, Turchius Chiannontesi und andere Kaufleute am 28. März 1239 ausstellten. Im Auftrage Konrads von Köln waren ihnen 110 Mark Sterling zurück- bezahlt. Das Original nicht zugänglich, Regest Mitteil. Stadtarchiv K5ln Heft 20, 88.

> Cardauns, Konrad von Hostaden S. 44.

' Hugo Clarmontesi, Ranerio Rendldi pro se et Johanne Twrchii et Bartholameo GuiUermi et Tholomeo Rustichmi ei Bistiahino Clannontesey Banaldo fiUo dicti Bdmerii Banaldi, Erminio Bentivenni et Erminuccio ^us filio <ic Piccolomini Ulftramontis?]» Unsere Urkunden Nr. 278.

Die westdeutschen Erzbischöfe als Schuldner. 241

Bedingungen für den Fall, dafs die Zahlungstermine nicht eingehalten werden. Es werden 60 Prozent Jahreszinsen angesetzt.

Die Schuld war also achtzehn Jahre unverzinst geblieben, das führt uns in eine Zeit vor April 1240 zurück. April 1239 weilte Konrad in Rom und erhielt dort seine Konfirmation, das dafbr zu bezahlende Servitium belief sich auf 10000 fl., zugleich aber gestattete ihm Papst Gregor, zur Erleichterung der Schuldenlast seiner Kirche, 8000 Mark Silber von allen kirchlichen Einkünften seiner Diöcese auf sechs Jahre zu erheben*. Entstanden war also die Schuld wohl durch die Konfir- mationsgelder, vielleicht auch durch die teilweise Befriedigung der Schulden seiner Vorgänger. Sie zu decken, erhielt er das Recht, eine sehr erhebliche Besteuerung des Klerus durchzuführen. Die Schulden- last wurde aber nicht behoben; denn Papst Innocenz IV. mufste 1244 dem Mainzer Erzbischof Anweisung geben, die Exkommunikation, die einige judices a sede apostoUca delegati wegen der Schulden seines Vor- gängers über ihn verhängt hatten, aufzuheben, der Erzbischof sollte aber jährlich 1000 Mark abbezahlen^. Im Mai 1244 erfolgte dann eine gründliche Besteuerung des gesamten Klerus, um die Schulden zu decken, es handelte sich um den fünften Teil der Einkünfte^, auch die benachbarte Diöcese Lüttich sollte so viel dem Erzbischof geben. Auf die Weigerung hatte dieser den Bann verhängt, Papst Innocenz IV. hob das auf, immerhin wurden dem Lütticher Klerus 3000 Mark Silber auf- erlegt*.

Für die Gläubiger recht ungünstig war dann aber die Entscheidung Innocenz' IV. vom September 1246, welche Erzbischof, Kapitel, Klerus, Stadt und Erzbistum Köln zur Zahlung von Schulden nur dann ge* bunden erklärte, wenn nachgewiesen wurde, dafs das betreffende Geld zum Besten der Kirche, des Kapitels und des Klerus verwendet sei^.

Durch das Testament Konrads lernen wir endlich eine letzte Schuld kennen, die er gegen italienische Kaufleute eingegangen war. Sein Kaplan und Pönitentiar Wolfhard aus dem deutschen Ritterorden hatte in seinem Namen von den Senesen Bonaventura Bernardini, Bartolomäo Guidi und ihren Genossen eine Summe von 1500 Mark Sterling ent- liehen, welche aber vom Erzbischof nicht ersetzt worden war. An der Bezahlung der Summe war auch die päpstliche Kammer beteiligt®. Papst

1 M.G. Ep. 8. XIII 1, 644. « Ebda. 2, 38 f.

' Das folgt aus Innocenz IV. 1247 Oktober 17. Berger 1, 512. * Berger 1, 160. »i Berger 1, 312.

« Wie, ist nicht recht klar. Dem Wortlaute nach hätte Wolfhard 1500 Mark empfangen, diese Summe hätte der Erzbischof bez. die Kölner Kirche zu ersetzen

Schill te, Gesch. d. mitteUlterl. Handels. I. 16

242 EinundzwaDzigstes Kapitel.

Urban IV. beauftragte nun den Bischof von Ltittich, die von den städtischen Behörden wöchentlich an den Erzbischof abzuführenden Bierpfennige (welche in den Tagen Konrads wiederholt Gegenstand von Verträgen ge- wesen waren) im Betrage von 18 Mark Kölner so lange an die Genossen jener Senesen, Andreas Jacobi, Bonsignore Rayneri und Tolomeo Manentis abzuführen, bis die Schuld abgetragen sei ^.

Die ganze Kette dieser Schulden der Kölner Kirche dürfte im Grunde eine grofse Bewucherung derselben gewesen sein, wenn wir das freilich im einzelnen nicht mehr nachzuweisen imstande sind. Sie wider- sprach dem Verbote des Zinsnehmens. Die päpstliche Kurie brachte diesen Gedanken noch einmal nach dem Tode Konrads von Hochstaden sehr lebhaft zum Ausdrucke. Urban IV. ermächtigt den neuen Erz- bischof, da viele Laien verschiedener Städte, Diöcesen und Provinzen von ihm und seinen Vorgängern vieles *per usurariam pravitatetn* er- prefst hätten, das an Zinsen bereits Gezahlte vom Kapital abzuziehen. Alle irgendwie denkbaren Gegenreden sollten dagegen nichts gelten, selbst ein eventuell abgegebener Eid^. Das hiefs in der That das Zins- verbot wirklich durchführen ; aber zwischen dem Befehle der Kurie und der konsequenten Ausführung desselben dürfte auch hier ein Unterschied gewesen sein.

Aus der Zeit Engelberts von Falkenburg (1262 1274) habe ich nur eine Nachricht über Schulden. Er hat gleich mehreren seiner Suifragane von * Andreas, Bartholomaeus et Jacobtis Crescentn Nicolatii fraires, dves et mercatores Rotnanit Geld geliehen. Sie wandten sich an Urban IV., der an zwei in Paris weilende Geistliche den Auftrag gab, die Schuldner zur Zahlung ^usuris omnino cessantiitis* anzuhalten^. Im übrigen waren die Schulden des Bistums derartig angewachsen, dafs der Papst die Er- hebung des Zwanzigsten von den kirchlichen Einkünften auf zwei Jahre anordnete *.

Sein Nachfolger Siegfried von Westerburg (1274 97) hatte sich an eine Florentiner Gesellschaft gewendet, deren Haupt Manettus Raynaldi de Pulcis war*. Er hatte von ihnen 2000 Mark Sterling erhalten, und König Rudolf hatte einen Bürgschaftsbrief darüber ausgestellt. In Brügge

gehabt, nach der Rückzahlung mufsten dann die Senesen der Kammer des Papstes Alexander 1000 Mark entrichten.

» M.G. Epist. 8. XIII 3, 520. Urkunde 1263 Juni 17.

* 1263 Januar 8. Lacomblet 2, 296.

» 1264 März 28. Posse, Analecta Vatic. 138.

^ Westfäl. Urkundenbuch 5. Die Papsturkunden herausgeg. von Finke Nr. 624.

* Die Namen der socü gebe ich mit der Interpunktion Ennens: »videlicet übertij Ouelfij Beinaldi, fratntm, Bote, Amanati, Bonansegne, Bonacursi, G^ialterotti,

Die westdeutschen Erzbischöfe als Schuldner. 243

wurden dem Vertreter der Gesellschaft, Lambertus Jacobi, 1470 Mark zurückbezahlt, weitere 196 wurden an nicht bezeichnetem Orte ent- richtet.

Zu Kaufleuten, welche aus einer ganz anderen Gegend Italiens stammten, führt uns endlich die Regierungszeit Heinrichs II. von Virne- burg (1304—22). Er hatte 6000 Goldgulden bei Wilhelm Stromenati, Pauli nus Rufini und Johann, genannt Tristan von Troja, den Teilhabern der Gesellschaft de Troja, Bürgern und Kaufleuten von Asti entliehen. Astigianen wohnten aber damals bereits am Niederrhein, und so mag diese Schuld nicht an der Kurie, sondern in Köln selbst auigenommen sein ^. Er mufste ihnen dafür die Hälfte des Zolls zu Andernach ver- pfUnden*. Von Heinrich sind eine ganze Reihe von Schuldbriefen bei einer Gesellschaft von Kölnern und Astigianen, auch bei einzelnen Lom- barden erhalten, er deckte ein Loch zu, indem er das andere öffnete*. Er hatte als Pfand Zölle setzen müssen. Die Gesellschaft bestand aus dem Ritter Johann Hardevust, dem Vicegrafen Gottfried und den Astigianen: Andreas Ras teil us, Opicinus Gresverdus genannt Petrus, Georg Asinarius und seinem Sohn Manuel, daneben erscheint einzeln der Kölner Bürger Mascharus dictus Thomas de Rupe Lombardus Astensis dyocesis und Petrus dictus de Wesalia Lombardus.

Die Kölner Erzbischöfe sind auch in späteren Zeiten oft tief ver- schuldet gewesen. Erzbischof Friedrich von Saarwerden schuldete 1378 der Kurie allein nicht weniger wie 120000 Goldflorin*. Das Geld nahm man aber jetzt bei den Juden oder den in Deutschland dauernd an- gesiedelten Lombarden, wenigstens sind mir keine Dokumente bekannt geworden, welche die alten Beziehungen zu den Florentinern belegten.

Ich habe die Beziehungen der Kölner Erzbischöfe zu italienischen Gcldhändlem etwas eingehender dargestellt, weil das ziemlich reiche Urkundenmaterial uns hier einmal eine deutliche Vorstellung gestattet. Was wir darstellten, ist wohl ein etwas krasser Fall; doch bei näherem Zusehen tauchen überall auf deutschem Boden Schulden gegenüber Italienet*n auf.

Sehen wir uns zunächst die beiden anderen rheinischen Erzstifte an. In Mainz folgten sich zwei Siegfried von Eppenstein auf dem erzbischöf-

ßtoldi oc aliorum omniuni'. Drei undatierte Urkunden eines Kopialbuches bei Ennen, Quellen 3, 319 ff.

^ Regestum Clementis V. papae Nr. 866. 1306 März 21. Befehl an drei Prälaten f den Erzbiachof zur Zahlung anzuhalten. Erlaubnis zur Aufnahme bis 6000 Goldguldeu. Mitteilungen 1 Nr. 668.

Unsere Urkunden Nr. 429.

» Unsere Urkunden Nr. 430-37.

* Lacomblet 3, 718.

16*

244 Einundzwanzigstes Kapitel.

liehen Stuhle (1200 bez. 1208—30, 1230-49). In beiden Fällen wurden bei der Erhebung Schulden gemacht. In geringerem Mafse 1208. Nach einem Dokument des Kardinals von Albano hatte der Agent des Mainzers von ^Gerardo Johannis de Nicoiao mercaion' Romano et Jacobo de Drudal^ mercatore BononiensU „so viel Geld erhalten" wie der vorsichtige Ausdruck lautet , dafs er 150 Mark Silber Kölner Gewicht auf der nächsten Messe zu Bar zu entrichten habe'*. Mit diesem Geschäfte dürfte auch das folgende in Verbindung stehen. Eine Geldschuld bei den römischen Kaufleuten Gcrardo, Andrea und Niccolo war nicht berichtigt worden, diese wandten sich an den Papst, der Geistliche von Troye» als Kichter bestellte. Diese stellten die Schuldsumme (pro sorie, dawpnis^ penis, lahorihus et expensis) auf 490 Mark Silber fest. Davon wurden 334 auf der Maimesse zu Provins bezahlt, der Rest sollte innerhalb eines sehr kurzen Termines entrichtet werden^.

Um erheblich gröfsere Summen handelte es sich bei Siegfried IIL von Eppenstein. Auch damals war von den Gläubigem die Kurie an- gerufen, und ein Geistlicher des Sprengeis von Troyos war zum Richter bestellt. Gläubiger waren ^Saxon Johannis Alherici Anglers et Johannes fraires , der Erzbischof sandte zwei Vertreter nach Troyes. Hier kam nun ein Ausgleich zu stände. Es sollten auf der nächsten Messe zu Lagny 1000 Mark Sterling bezahlt werden, geschehe das nicht, so sei von Messe zu Messe zehn Prozent zu bezahlen. Der Erzbischof mufste aufserdem dann die Kosten ftlr zwei Kaufleute mit zwei Dienern und zwei Rossen, sowie alle anderen Kosten tragen. Für die Zahlung wurde (las Erzbistum zum Pfände gesetzt, und wenn man dann die Verzichte auf Einreden und Rechtsmittel sieht, so sollte man glauben, dafs dem Schuldner keine Möglichkeit geblieben wäre, sich der Zahlung zu ent- ziehen. Er verzichtete vor allem auch auf die Ausnutzung von etwaigen päpstlichen Indulten und erkannte ausdrücklich die Gerichtsbarkeit des Dechanten von Troyes in dieser Sache an*.

Dieser Vergleich war in Aussicht auf den Ertrag der fünfprozentigen Steuer auf die Einkünfte aller Pfründen der Mainzer Kirche eingegangen, welche das im Juni stattgehabte Diöcesankonzil beschlossen hatte. Dazu hatte sich der Klerus aber erst bereit finden lassen, nachdem der Erz- bischof geschworen hatte, ohne Genehmigung des Domkapitels keine Schulden mehr in Italien oder überhaupt jenseits der Berge zu machen

' Der Name dürfte sicher verlesen sein, auch sonst sind die italienischen Namen, verderbt.

- Urkunde von 1209 bei Schunck, Beyträge z. Mainz. Gesch. S. 101. ^ Urkunde vom 29. Mai 1220 bei Schunck S. 104. * 1238 Juli. Schunck 106.

Die westdeutschen Erzbischöfe als Schuldner. 245

und keine weitere Steuer zu verlangen. Jeder künftige Erzbischof solle dieses Versprechen beschwören ^

Wenn nun auch dieser kräftige Beschlufs, der sofort im Bistum Worms Nachahmung fand*, ähnliche Dinge, wie sie sich in Köln ab- spielten, für lange Zeit unmöglich gemacht zu haben scheint, so waren doch die alten Schulden nicht zur rechten Zeit getilgt.

Dafs nun zwei Sienesen Renero Orlandi und Bernardino Pro- «perini und nicht die Römer als Gläubiger erscheinen, dafs die Schuld- summe von 1000 auf 1150 Mark Sterling angelaufen war, hat wohl nichts zu bedeuten. Der Zahlungstermin in Lagny war versäumt worden, nun schickte der Schuldner seine alten Vertreter nach Provins, einen Teil abzuzahlen, für den Rest aber sollten sie einen neuen Vergleich erzielen *.

Auch bei Römern Älexius et Andreas fratres filii Petri Chintii <le Lavinia und ihr Neffe Petrus hatte der Erzbischof 1236 noch Schulden; denn das Original eines Prokuratoriums dieser Geschäftsleute für einen Vertreter, der die Ausstände in Frankreich, Deutschland und England eintreiben sollte, kam im Original ins Mainzer Archiv*.

Aus späterer Zeit gehört noch hierher eine Schuld des Erzbischofs Heinrich von Virneburg (1328 bez. 1337—1346 bez. 1353), der an Lapo, Andrea und Filippo Bianchi von Florenz 2000 fl. auri zu zahlen schuldig war*, und wegen einer Schuld von 10000 fl. auri bei Gherardo und Francesco Davizi (oder Danzi), von der nur 6000 zurückbezahlt waren, wurde 1331 der Erzbischof und seine Bürgen exkommuniziert^.

Reichlicher sind die Nachrichten für Trier. Unter den Beschuldi- gungen, welche gegenüber dem Elekten Heinrich von Vinstingen (1260 1286), der seitens der Kurie ernannt worden war, vorgebracht wurden, steht auch die, er habe bei Kaufleuten von Siena eine Schuld auf- genommen. Der Rechtfertigungsurkunde Papst Gregors X. nach hat es sich aber offenbar um folgendes gehandelt: Ein Sienese offenbar ist ein solcher gemeint hatte sich erboten zu erwirken, dafs König Richard die 20000 Mark, welche er Heinriclis Vorgänger, Arnold von Isenburg (1242 59), zu geben versprochen hatte, nun ihm entrichte; für den Fall, dafs das geschehe, sicherte Heinrich dem Vermittler eine Prämie von 600 Mark zu. Der Einflufs von Siena blieb ohne Wirkung, der

1 Will, Regesten 2, 226. Annales Erphordenses M.G. SS. 16, 28. Vgl. Gudenus, Cod dipl. 1, 525. Will sind leider die bei Schunck gedruckten Stücke entgangen.

a Urkundenbuch von Worms (Boos) 1, 128 1234 (Sept.).

8 123.5 Mai. Schunck 110.

* 1236 Juni 23. Schunck 114.

^ Citation der Bürgen nach Avignon 1330 Sept. 17. Schunck 126.

« 1331 April 8. Schunck 200.

246 Einundzwanzigstes Kapitel.

Engländer zahlte nicht, und so war es gewifs ein starkes Stück, wenn die Senesen mit Hilfe der Kirche diese Prämie von dem Trierer zu er- pressen versuchten. Gregor X. wies sie zurück ^

Über den langwierigen Streit Heinrichs mit seinen Gläubigem unter- richten eingehender die Gesta Treverorum^ aus dem für Heinrich aufser- ordentlich ungünstigen Bericht interessiert uns hier vor allem, dafs im Verlaufe desselben von Trier aus das Gerücht verbreitet wurde, Heinrich wolle die ganze Schuld durch römische Kaufleute, welche bei ihm in Trier weilten, abtragen, was sich aber bald als eine Finte herausstellte '. Dem Anfang der Regierung Heinrichs gehört eine andere Papsturkunde an, nach welcher Heinrich bei Petrus Bcnencasa und Dinus Perini von Florenz 2000 Mark Sterling für eine Zahlung an die päpstliche Kammer erhoben hatte, er sollte die Summe an die in Frankreich sich auf- haltenden Gesellschafter von Bonaventura Bemardini und Orlando Buon- signori aus Siena entrichten^.

Erzbischof Boemund von Warnsberg (1286 bez. 89 99) verdankte seine Ernennung Papst Nikolaus IV., an dessen Kurie er wie sein aus der zwiespaltigen Wahl hervorgegangener Gegner sich begeben hatte*. Die Kosten des Prozefsverfahrens dürften vor allem durch eine Schuld gedeckt worden sein, welche er bei der Gesellschaft der Chiarenti von Pistoja aufnahm. Die Höhe der Schuld erfahren wir leider nicht. Dieses Mal nahm die Angelegenheit einen eigentümlichen Gang. Der Erzbischof zahlte nicht und wurde durch die den Kaufleuten gegebenen Exekutoren exkommuniziert. Der Erzbischof, nach Rom vorgeladen, erschien nicht, Kardinälen antwortete er, er komme, aber drei Jahre verstrichen. Dieselbe Gesellschaft hatte aber in Deutschland unter Erz- bischöfen, Bischöfen, Abten, Prioren, Pröpsten, Dechanten, Erzdiakonen und anderen Dignitären Schuldner, es erschien ihr auch bei den schwierigen Wegen und dem verschiedenen Wohnsitz ihrer Schuldner sehr schwer, dort ihr Recht zu verfolgen, sie bat den Papst, er möchte ihnen einen geeigneteren Ort vorschlagen, wo sie ihr Recht suchen könnten. Wirklich bestimmte Bonifaz VIII. dazu Mailand, der dortige Erzbischof erhielt den Auftrag, über diese Schuldklagen: j^usuris onmmo eessantibuS'^ zu entscheiden. Auch der Citation des Mailänders folgte Boemund nicht, er wurde dafür exkommuniziert. Da baten die Kauf-

1 Guiraud Nr. 90 1272 Oktober 25 und die Angaben zu Kaltenbrunner, Mitteilungen aus dem vatik. Archive 1 Nr. 21 u. 22. Weiteres Material er- giebt sich aus Böhmer-Ficker-Winkelmann.

« M.G. SS. 24, 427, 30.

> Sbaralea, Bullarium Franciscanum 2, 436. Potthast 18 250 u. 18520.

* Mitteilungen 1 Nr. 335 Ernennung vom 29. März 1289. Sein Gegner wurde am gleichen Tage zum Erzbischof von Mainz ernannt.

IK Italiener als Gläubiger deutecher Pr&lateu. 247

Hte: icwm nuUus ad partes illas propier viarum discrimina gravia et ^mdem archiepiscopi Treverensis potentiam secure valeat se confetra, der ^nt möge eingreifen, und Bonifaz citierte nun den Erzbischof vor sich, ^■rhalb drei Monaten solle er erscheinen*. ^H Seinem Nachfolger, dem zehn Monate später vom Papste ernannten K>ischofe Dietrich von Nassau (1300—1307) gestattete Bonifaz VHI., B^ Schuld bis zur Hohe von 2000 Mark Silber {= 10000 päpstlichen IfSimmergulden) aufzunehmen. Wer den Löwenanteil davon erhielt, geht aus einer pJIpstlichen Kameralnotiz hervor; denn die Vertreter des Erz- biäcLfifa muJäten sich verpflichten, das Servitium commune mit 1400 Mark Silber {= 7000 Kammergulden) und die beiden servitia minufa mit 86 Mark Silber (;= 430 Kamm'ergulden) für die Kammer an das Bankhaus der Chiarenti von Pistoja zu zahlen, was geschaht Diesem Erzbischofe folgte Balduin von Luxemburg (1307—54), ihm gestattete Clemens V. 1308 die Aufnahme von 10000 Pfund Turnosen».

Zweiundzwanzigates Kapitel. Italiener als Olftnbiger deutscher PrSlaten.

Römer: Utrecht, Ch«r, SL GaUen, Worms, Magdeburg, Strafsbvrg, Metn hmiJ UtrecM. Stnesen: Metier Klöatef, Siüzhurg, Pasiau, Bamberg, Segensburg, Lausanne, Murbach. Bankfirmen. I^ge und Geschichte von Siena in der Zeit engster Verbindung mit iler Kurie. Ghibellinen utul Gueiftn. Bäclgang seit J3?0- Florenz. Einzelne Schultlner. Tabelle der Schiddenerlaubtiisse. Pina, Pistoja, Piacema, Mailand.

Die Nachrichten, welche ich fUr Bistümer und Klöster gesanomelt habe, mögen nach der Heimat der Gläubiger geordnet folgen. Bisher lernten wir Römer, Senesen, Florentiner und Pistojesen kennen.

Rom. Zuerst im Jahre 1204 kommen meines Wissens rOmische Kaufleute als Gläubiger eines deutschen Bischofs vor. Bischof Dietrich von Utrecht (gest. 1199) hatte zu Zeiten des Papstes Cöleatin lU. (1191 98) oder auch schon Clemens' HL eine Summe von 1250 Mark Silber geliehen. Seine Gläubiger waren: iParentiua, Ja. de Tosto, J. Petrinius, et Belushomo Romani cives, Alexius VincecasM et Qamelottus mercatores Senenses et eontm socii^. Innocenz III. hatte den Nachfolger des Schuldners, Bischof Dietrich von Are (1199 1210) öfters gemahnt, die Gläubiger hatten neue Termine gestellt, ein päpstlicher Legat hatte den Bischof exkommuniziert. Alles fruchtete nichts. Der Papst wandte sich endlich an den Bisehof von Lattich; er solle den säumigen Schuldner,

' Digard, Faucon et ThomaB Nr. 2989. 1299 M&rz 15. 3 Vgl. Sauerland in den Anualen d. bist Vereius f. d. Niederrhein 68, 21 und (He Beilagen Nr. 9 u. 10 S. 42f Mitteilungen 1 Nr. 492. ' Mitteilungen 1 Nr. 777.

248 Zweiundzwanzigstes Kapitel.

wenn er nicht bis Jahresfrist in Ypern seine Schuld i^usuris omnino cessaniibusr bezahle, exkommunizieren , und die Gläubigen sollten ihm nicht mehr gehorchen*.

Der uns als Gläubiger des Erzbischofs Dietrich von Köln vom Jahre 1213 bereits bekannte römische Kaufmann Johannes de Romano Deuteguarde hat was wir bei römischen Kaufleuten von vornherein als eine Seltenheit ansehen dtirfen auch einmal die Alpen tiber- schritten, er hatte dem Beamten des Bischofs von Chur seinen Zoll bezahlt, gleichwohl wurde er ausgeplündert und erlitt einen Schaden von 1 40 W ^ [Proveniensiuw] de senaiu. Papst Honorius III. erhielt von dem Bischöfe von Chur das Versprechen, dafs, wenn nicht der Kaiser selbst den Schaden ersetzen werde, er oder seine Kirche das thun werde ^.

Rudolf von Güttingen, von 1219—1226 Abt von St. Gallen, von 1222 26 auch Bischof von Chur, hatte, als er als Abt in Italien weilte (ako zwischen 1219 und 22), in der Lombardei bei Kaufleuten von Rom und Siena 270 Mark Silber, dann in Rom selbst noch 280 Mark Silber aufgenommen oder wenigstens tiber eine solche Summe einen Schuld- brief ausgestellt. Die Bezahlung blieb aus, die Kaufleute wandten sich an den päpstlichen Stuhl, der den Bischof Heinrich von Bologna mit der Erledigung des Streitfalls betraute. Am 1. Mai 1230 kam es auf deutschem Boden (wohl in St. Gallen selbst) zu einem Vergleiche zwischen Konrad von Bufsnang^, dem neuen Abte von St. Gallen, und dem Kon- vente einerseits und Ubberto Guidonis Bachi von Siena, der als Bevoll- mächtigter der Kaufleute auftrat. Das Kloster verpflichtete sich, die Hälfte der Summe drei Wochen vor Weihnachten also zur Winters- zeit — in Como, die andere Hälfte zu Martini tiber ein Jahr zu be- zahlen. Vor dem Bischöfe von Bologna, zu dem der Kaufmann und Wemher als Vertreter des Klosters sofort reisten, wurde der Ausgleich am 25. Mai bestätigt^.

Aber auch er wurde nicht gehalten. Mir ist es wenigstens nicht zweifelhaft, dafs die Quittung, welche der römische Bürger Paulus Soguatarius erst Ende September 1239 zu Troyes als Vertreter »Bobonis Johannis Boboniss römischen Bürgers, dem Domherr Rudolf von Basel und Rudolf dem Spender vom Kloster St. Gallen für dieses ausstellte*, den Absehlufs des Streites bedeutet. Die Summe war von dem Kardinal- diakon Richard von S. Angelo im Januar 1239 auf 284 Mark Sterling

' Br^quigny, Diplomata 2, 1, 413. 2 Hernoulli, Acta jioiitif. Helv. 1, 98.

^ Sein Vorgänger war au der Kurie gestorben und im Lateran begraben. * AVartmann 3, 81. Vgl. auch Conradus de Fabaria in den Mitteil. z. Gesch. des histor. Vereins St. Gallen 17, 196 u. 229. «^ Ebda. 3, 94.

Italicner als Gläubiger deutscher Prälaten. 249

gesetzt worden. Unter der Voraussetzung, dafs die zweite Zahlung zu Como unterblieben wäre, würde die Summe von 284 250 = 34 Mark die Erhöhung flir die Kosten bedeuten, welche die Eaufleute für das Mahnen u. s. w. gehabt hätten. Diese waren ausdrücklich seiner Zeit den Schuldnern vorbehalten, der Kardinal hätte aber nicht die Verzugs- zinsen anerkannt, welche, wie bei diesen Geldhändlern es üblich war, zehn Prozent für den Monat betrugen. Von Martini 1231 bis Januar 1239 waren 85 Monate verstrichen, die Verzugszinsen hätten sich dem- nach auf 2125 Mark belaufen dürfen.

Ein Wormser Bischof, wohl Heinrich II, Graf von Saarbrücken, war bei dem Römer Matheus Widonis Marroni und Genossen eine Summe von mindestens 1620 Mark Silber schuldig geworden. Da die- selbe nicht beglichen wurde, erhielt der Erzbischof Siegfried von Mainz von Papst Honorius III. den Auftrag, alle Einkünfte der Kirche von Worms nach Troyes abzuführen ; nachdem aber bekannt wurde, dafs das bei der Kargheit der Einkünfte viele Jahre dauern müsse, wurde dem- selben der Befehl zugeschickt, die Schuldsumme bei der Geistlichkeit wie beim Volke von Stadt und Diöcese Worms zu erheben, unter An- drohung der Exkommunikation sollte er erwirken, dafs innerhalb drei- viertel Jahr die Summe, in die 430 bereits gesammelte Mark ein- zurechnen seien, an sicherem Orte den römischen Kaufleuten zur Ver- fügung stehet Es kam zur Exkommunikation, welche aber Klerus und Laien verachteten. Ein neuer Befehl erging, die Exkommunikation streng durchzuführen^. Ob es gelang, und ob der Römer wieder zu seinem Gelde kam? Jedenfalls war nach diesen Wirren es dem Kapitel nicht zu verdenken, wenn es nach dem Vorbilde, das kUrz vorher Mainz gegeben hatte, beschlofs, keinen zum Bischof zu wählen, der nicht er- kläre, dafs er niemals ein Darlehen von römischen oder italienischen Gläubigern nehmen werde, welche auf Urkunden Geld zu leihen pflegten^. Gleichwohl hat Bischof Landulf seinem Boten an die Kurie eine Vollmacht mitgegeben, auf seinen und der Wormser Kirche Namen eine Schuld, allerdings nur bis zur Höhe von 30 Mark Silber auf- zunehmen*.

Aus welchem Grunde die Stadt Magdeburg durch ihren Pro- kurator den Propst von Lüttich bei Bonamra, Jacobus et Paulus Subectarii

' Boos, Quellen z. Gesch. d. Stadt Worms 1, 101. Urkunde vom 8. Juli 1225.

2 Ebda. 102 vom 4. Juni 1226.

3 Ebda. S. 128 z. J. 12;^.

* Bibl. des litter. Vereins 16. Höfler, Albert v. Beliam S. 117 o. D. Der Bischof verpflichtet sich in rerbo reritaU's sacerdocii ac jurnwenti , er will auch für die damna, expensae und intercsse aufkommen.

250 Zweiundzwanzigstes Kapitel.

cives Romani eine Schuld aufgenommen hatten, ist nicht so gleich er- sichtlich *.

Auf Kosten der Bestätigung dürfte aber wiederum die Schuld von 600 Mark zurückzuführen sein, welche der Bischof Heinrich (von Stahleck) und das Domkapitel zu Strafsburg dem römischen Bürger Saxo Johannis Alberici schuldeten und deren Rest sie bis auf eine winzige Summe in Sens zahlten. Die Urkunde trägt neben den Siegeln zweier geistlichen Würdenträger noch heute das Siegel des römischen Kauf- manns ^.

Über 60 Jahre lang können wir in den Papstregesten die Schulden der Bischöfe von Metz bei römischen Kaufleuten verfolgen, ohne dafs wir freilich die Entstehung der Schuld, wie das Zusammenlegen der- selben genau klarlegen können, die Spruchbriefe der Kardinäle fehlen eben und sind nur durch kurze Auszüge uns überliefert. Wie es scheint, ist die erste Schuld schon vor 1221 entstanden, weitere, als 1224 Johann von Aspremont von Verdun nach Metz transferiert wurde und sich im neuen Bistum einrichtete. Die Metzer Kaufleute hatten übrigens viel mehr zu beanspruchen, als die Römer und Sienesen. Als die Bistums- einkünfte den Gläubigern zugewiesen wurden, erhielten die Italiener ein Drittel, die Metzer zwei Drittel. In den Tagen des Bischofs Jakob von Lothringen (1239—60) wurde die Schuld auf 13000 Mark Sterling festgestellt, von denen jährlich 1000 Mark abgetragen werden sollten; doch das geschah nur dreimal , nach vier Jahren starb Bischof Jakob. Über die Schuld wurde nun viel verhandelt, bis endlich 1286 Papst Honorius IV. im Interesse der arg verschuldeten Metzer Kirche, der er drei Jahre zuvor Burchard Graf von Hennegau zum Oberhaupte gesetzt hatte, eine Abzahlung in Raten von 500 Mark Sterling, welche sich also auf zwanzig Jahre ausdehnen mufste, festsetzte. Aus diesem Entscheide können wir erkennen, dafs von 1253 bis 1286 keinerlei Zinsen zur Be- rechnung kamen. Ob in der Summe von 13000 Mark solche versteckt sind, läfst sich nicht ermitteln*.

1 Mon. Germ. Ep. s. XIII 1, 636 1239 März 1.

a Strafsb. Urkb. 1, 237. 14. Juni 1247. Die Strafsburger Bischöfe kannten die Champagner Messen genau. In Troyes oder Paris sollte König Richard dem Bischof Walther Zahlung leisten. Schöpflin, Als. dipl. 1, 431.

Vgl. Wieg and, Vatikanische Regesten z. Gesch. d. Metzer Kirche im JahrK d. G. f. lothring. Gesch. 4. Bd. Nr. 22 (1221 ungen. Senesen geben 140 M.), 31 (1227), 32 (1229, Schuldenlast 7500 M. S.), 33, 35, 42 (1237, Angelm Romani de Sposa und andere Römer, Summe: 3891 M. Silber), 43 (1237, Jurenalis Manndti civ. Boviu 2800 M. St.), 44 48 (Exkommunikation des Bischofs), 49 51. Vgl. vor allem auch Prou Nr. 462. Nebenbei erwähne ich, dafs das Kloster Gorze einen Metzer Dom* herm beschuldigte, ohne Auftrag in ihrem Namen und für sich bei Kaufleutcn von Siena Geld entliehen zu haben (es scheint 1400 U\ Wiegan d Nr. 41. AVeitorhin

Italiener als Gläubiger deutscher Prälaten. 251

Spätlinge unter den römischen Geldhändlem begegnen uns unter Bonifaz Vni. Bischof Wilhelm von Utrecht fand Kredit bei Octavian Callicobonus (Callicboconi) für 1500 Goldgulden und bei Petrus Julian! Por- carii und Petrutius Andree VezoH für 100 €6 kleiner Tumosen. Callicobonus wurde, wie gewöhnlich, nicht rechtzeitig befriedigt *. Die Hauptgläubiger des Bischofs Wilhelm waren für 3000 €ß kleiner Tumosen die Gesell- schaft der Alfani von Florenz geworden, daneben zwei Pisaner Francesco Donati und Baccimeo Cavalosari für 500 Goldgulden ^.

Siena. Schon unter den Kölner Urkunden hatte ich mehrere Sieneser aufzuführen. Zu den ältesten Sieneser Geschäftsurkunden dürfte eine jüngst von Sauerland veröflFentlichte gehören, worin ein Vertreter von neun Benediktinerklöstem des Metzer Sprengeis zur Bezahlung des Zwanzigsten an die päpstliche Kammer von Altavilla Boncompagno Aldemaris und Guido Picolinus und ihren Genossen von Siena so viel Geld aufnimmt, dafs die Klöster auf der nächsten Maimesse von Provins 323 Mark neuer Sterlinge zu entrichten haben*.

Auch der vierte der ältesten deutschen Erzbischofsitze fehlt unter den Schuldnern italienischer Kaufleute nicht. 1266 schuldete der Erz- bischof von Salzburg dem von uns schon häufiger erwähnten Seneser Bankhause des Bonaventura Bernardini 4000 Mark Silber*.

Eine Vereinigung von Römern und Senesen genannt werden Jacobo Scarso, Radulfo Alexii, Cinthio Stephani Philippi, Angelo Johanne Elperini, Massario, Bonaventura Lupelli, Capo Nigro, Turdo Clarmon-

will ich die Schulden der Metzer Kirche nicht verfolgen. Ich erwähne Jordan, Reg. Clem. IV. Nr. 796 (1266 Dez. 2. Anweisung an den Offizial von Troyes, er solle sorgen, dafs der Bischof von Metz seine Schuld von 5000 ü Tumosen bei Bonaventura Bcmardini und Genossen von Siena bezahle). Digard, Faucon u. Thomas, Reg. Bonifaz VIII. Nr. 447^ {Licentia cantrahendi 1600 fl. auri, die nach 502 bei der societas Canisianorum von Florenz erhoben wurden), Nr. 559 1295 Okt. 21, 1997 1297 (bei römischen Kaufleuten). Mitteil. 1 Nr. 515 (Licentia contra- hendi 8000 //. nuri 1302 Dez. 28).

» Digard, Faucon u. Thomas, Registres Bonifaz' VIII. Nr. 951 {Licentia contraheitdi für 4000 U kl. Tumosen), 992 (Schuld bei Petrus und Petmtius), Mitteil. 1 Nr. 491 [Licentia 5000 Goldgulden), 509, 565 u. 648 (Streit mit Callicobonus). Calli- cobonus war 1306 auch Gläubiger des Bischofs von Cambray. Mitteil. Nr. 663, ebenso des Bischofs von Lüttich, Reg. Clementis papae V. Nr. 378.

2 Reg. Bon. VIII. Nr. 1062 u. 1063. Nebenbei erwähnt hat auch Friedrich II. bei römischen Kaufleuten Darlehen erhalten. Böhme r-Ficker Nr. 2515, 2533,

2561 u. 2731.

* Sauerland, Eine Urkunde der Camera apostoUca vom Jahre 1218 in der Festschrift zum Jubiläum des dtschen Campo Santo in Rom S. 150. 1218 April 7. 1222 lieh Alice Herzogin v. Bourbon bei Sienesen eine bedeutende Summe. Petit 4, 201.

* Jordan Nr. 794.

252 Zweiundzwauzigstcs Kapitel.

tensi (die beiden letzten sicher Senesen) hatte dem Bischof Gebhard von Pas sau und seinem Kapitel Geld vorgestreckt, das zu Bologna zurückzuzahlen war. Auch in diesem Falle blieb die Schuld unbeglichen und das veranlafste Papst Gregor IX. einzugreifen; der Zahlungsbefehl an den eben erwählten Nachfolger enthält die bemerkenswerte Klausel, zu zahlen sei das geliehene Geld: *cum justis et nwderaUs expensis ac debita restauratione damnorwnj usuris omnino cessantibus^ ^. Die Notlage der Passauer Kirche zwang 1237 -den Bischof Rüdiger, wichtige Besitzungen derselben an Kaiser Friedrich als Pfand abzutreten, welcher 1400 Mark Silber bar vorschofs^.

Auch ein anderer dem Südosten Deutschlands angehöriger Biscliof, der von Bamberg, hatte bei Seneser Kaufleuten Schulden*, der von Kegensburg wurde gar wegen einer solchen Schuld gebannt*.

In den Westen ftihren uns wieder zwei andere Urkunden. Ein kleines Darlehen von 30 Mark Silber hatte ein Prokurator des Bischofs von Lausanne bei Rolandus Bonsignoris, Bonaventura Bernardini und ihren Genossen erhalten'*.

Weit erheblicher war die Schuld des Abtes von Murbach gegen- über den Tolomei von Siena, und während fast alle bisherigen Nach- richten auf das Eingreifen des Papstes in die Regelung des Schuld- verhältnisses zurückgehen, haben wir hier nun einmal eine ganz andere Quelle. Aus den Jahren 12G2, 1265 und 1269 sind uns drei von den Messen der Champagne her an die anderen Glieder der Gesellschaft der Tolomei gerichtete, in italienischer Sprache geschriebene Berichte des Andrea de' Tolomei erhalten, welche einen vortreflFlichen Einblick in die Geschäftsthätigkeit des Hauses gestatten®. Sie handelten mit Pfeffer, Wachs, Wolle und Tuchen, machten aber auch erhebliche Geldgeschäfte, Kirchen und Klöster von Langres, Soissons, Troyes, Dijon werden uns

1 Auvray 1, 814 f. Zwei Urkunden vom 11. Juli 123:3. " Böhmer-Ficker Nr. 2274. « M.G. Ep. 8. XIII 1, 510.

* Die Gläubiger heifsen in dem Notizenbuche des Passauer Declianten Albert Beham: ^Rainerii, Orlandi, Bartholi, Leonis, Theoderid, Calqx(ernii\ Urnii, cirium et niercatonim Senensium». Der Papst hatte, wie so oft, einen in der Champagne wohnenden Geistlichen, einen Domherrn von Troyes mit dem Verfolg der Angelegen- heit betraut, der drei Äbte wirklich nach Troyes vorlud, ßiblioth. des liter. Vereins 16. Höfler, Albert von Beham S.S. Ich habe eine Keihe von Urkunden gefunden, wo in gleicher Weise Geistliche der Champagne beauftragt wurden ; offen- bar sollte auch in diesen Fällen die Abwicklung der Angelegenheit auf einer der Champagner Messen erfolgen.

» Bernoulli, Acta pont. helv. 1, 357. Päpstl. Mandat 1253 März 31.

Lettcre volgari del secolo XIII scritti da Senesi, publicate da Cesare Paoli e £uea Piccolomini in Scelta di curiositu letterarie. dispensa 116.

Italiener als Gläubiger deutscher Prälaten. 253

als Schuldner genannt. Im Jahre 1263 war die Lage der Senesen auf den Märkten recht gefkhrdet.

Wegen der ghibellinischen Haltung war über Siena die Exkommuni- kation verhängt, und nun wollten die Schuldner natürlich nicht bezahlen, ja noch mehr, der Faktor befürchtete, dafs der Papst ein Mandat erlassen werde, man solle die Senesen an Habe und Gut fassen, wo man sie finde, was willig in der Champagne werde befolgt werden. In Voraussicht solcher Dinge hatten sich die klugen Tolomei übrigens mit Kaufleuten von Parma verbunden, unter deren Namen die Waren von Siena gingen.

Wenn Andreas Bericht so viel Unangenehmes enthielt, so war der Schlufs erfreulich. Er handelte von den Schulden des Klosters Murbach, worüber eine neue Abmachung getroflFen war. Die Schuldsumme, von der übrigens die Tolomei nur einen Teil besafsen, belief sich nunmehr auf 1700 Mark Sterling, sie sollte in Zukunft durch kleine Ratenzahlungen auf den Messen zu Bar-sur-Aube und Troyes abgetragen werden. Ein neuer Brief war seitens des Klosters abgefafst worden und eine Rate auch an den Mandatar der Schuldner bezahlt*. Weiteres wissen wir aus italienischen Quellen nicht, die deutschen ergänzen sie. Die reiche elsässische Abtei Murbach war schon längere Zeit sehr verschuldet^, als einen Verschwender bezeichnen die Kolmarer Dominikaner aber gerade- zu den Abt Berthold von Steinbronn (12üO— 1285), eben den, auf den unsere Stelle sich bezieht®. Die Schuldenlast, welche auf dem Kloster ruhte, gab endlich die Veranlassung zu dem Verkaufe von Luzern an die Habsburger (1291), von dem an anderer Stelle gehandelt ist*.

Es wäre nun nicht ohne Interesse, zu wissen, wie die Geldgeschäfte sich auf die grofsen Bank- und Geschäftshäuser von Siena verteilen. Allein wir sind über diese vorläufig noch viel zu wenig unterrichtet. In den vorgehenden Erörterungen sind uns auch die Namen der Tolomei, Piccolomini und Salimbene vorgekommen, welche mit den Cacciaconti

* Die Stelle lautet: La dtta di Morbadio de Ja Magnia si find in setecie^ito mar, di sitrlino, a pagarne vinti mar, ne la fiera di Bari sessanta e due, e vinti mar, ne la fiera di Treseto aircso; e in ogvie Bari e in ogni Treseto tHnti mar., infino que saremo paghati. E dei deti mar. dovemo servire trenta e quatro mar, de le primaie tre paghe^ fVognie pagha il terzo. Et avenne letare nuove choi loro sugitli ed äle ser Buonadota a teuere e letera di richonoscienza chol swjielo del diano di Sä* Stefano di Tresi nostro giudide; e le letare vechie si ä a tenere Andrea Ispinegli per li Picholuomini, E sapiat^ que'l deto ser Buonadota si richolse la j)rima pagha que si fecie in Bari pasato, ed ano sodisfato le dispese. E rimanente si ritiene infino a Treseto presente, perciö que se la pagha del deto Treseto no si faiese, qued eli vi posa dispendare di quela muneta se misticre fuse^. S. 47 f.

2 Schöpflin, Als. dipl. 1, 392.

8 Vgl. Gatrio, Die Abtei Murbach 1, 309 ff.

* S. oben S. 180.

254 Zweiundzwanzigstes Kapitel.

und Malavolti die vornehmsten Geschlechter der Bergstadt waren. Ein Andrea de'Tolomei weilte als Prokurist seiner Gesellschaft in der Cham- pagne und machte von dort Reisen nach Flandern und England. Man siehtf dafs hier auch die vornehmsten Geschlechter am Handel beteiligt waren.

Die Namen und Gesellschaften, welche wir zu erwähnen hatten, sind nur ein kleiner Bruchteil von denen, die im Auslande Handel trieben. Als 1262 die Exkommunikation auf Siena ruhte und den Handel der Senesen im Auslande bedrohte, söhnten sich einzelne Handelshäuser mit der Kurie aus. Die Listen * sind doch für uns von Wert. In den Notizen sind diejenigen Gesellschaftsmitglieder, welche in oder bei Siena weilten, von denen getrennt aufgeführt, welche in Francia oder überhaupt im Auslande den Geschäften nachgingen. Die Zahl jener beläuft sich auf 85, dieser sind 23!

Siena lag vom Meere entfernt im Gebirge, gleichwohl sah die hoch- gelegene Stadt, deren gotische Paläste uns noch ihre Blütezeit lebhaft vor Augen führen, manche Warenzüge, noch mehr aber Reisende und Pilger. Führte doch eine vielbegangene Strafse auch oft unsere Kaiser und Heere hierher, wenn sie von Lucca über die Arnobrücke bei Fucecchia, Castel Fiorentino, Poggibonsi, Siena, San Quirico durch die Engen von Radicofani, Acqua pendente, Bolsena, Viterbo und Sutri nach Rom zogen oder wenn sie von Bologna her über Florenz und Poggibonsi diese Strafse gekommen waren. Aber weder die Lage, noch eine alte Tradition begründet allein die Blüte der Stadt, sondern die Kühnheit, Thatkraft und der weite Blick seiner Bürger des dreizehnten Jahr- hunderts , welche , durch die Bedürfnisse und den Export der eigenen Wollenindustrie veranlafst, ins Ausland gingen und dort einen schwung- haften Warenzwischenhandel wie es scheint vor allem auf der Linie Italien -Champagne -London und daneben Geldgeschäfte aufserordentlich grofsen Umfanges betrieben.

Zuerst die Konkurrenten der römischen Kaufleute, waren sie ihnen bald überlegen und schoben sie auf die Seite, freilich geschah auch ihnen bald dasselbe und zwar von ihren Nachbarn von Florenz. Den Grund dieses Übergangs glaube ich in den politischen Geschicken beider Städte sehen zu müssen. Es ist hier freilich nicht der Ort, die Kämpfe der Ghibellinen und Guelfen in Tuscien, das Eingreifen König Manfreds, KatIb von Anjou und Konradins zu schildern. Doch mufs ich einige Punkte ausführen.

Wir werden später sehen, dafs die Geschäftsverbindung der italie- nischen Bankiers mit der deutschen Geistlichkeit darauf beruht, dafs die

» Vgl Dorez et Guiraud S. 69—71. 1262 Dezember.

Italiener als Gläubiger deutscher Prälaten. 255

Kurie durch ihre Censuren den Darleihern das Kapital verbürgte. Die Bankiers, welche diese Art von Geschäften betreiben wollten, mufsten Anhänger der Kurie sein und der wechselnden Politik derselben folgen. Wenn einmal die Regesten der Päpste völlig vorliegen, wird mit voller Klarheit hervortreten, welch ungeheuren Einflufs sie auf diese Weise auszuüben imstande waren. Jede Exkommunikation einer Stadt bedrohte am stärksten die Bankiers, sie mufsten, wenn sie die Herrschaft nicht gewinnen konnten, aus der Stadt sich entfernen. Die Bankiers waren von der Kurie weit abhängiger, als irgend eine andere Schicht der städtischen Bevölkerungen.

In Siena stützte sich die ghibellinische Partei im wesentlichen auf den Popolo der Arti, die Guelfen hatten ihre Anhänger vor allem unter dem Adel und unter den reicheren Bürgern, den Bankiers. In Florenz war umgekehrt der Adel ghibellinisch , das Volk, dessen Macht immer zunahm, guelfisch. Durch die Schlacht von Montaperto (4. September 1260) wurden die Guelfen aus Florenz vertrieben, es begann die siebenjährige Herrschaft der Ghibellinen. Die Guelfen Toscanas wurden im wesent- lichen auf Lucca beschränkt. Die Guelfen Sienas waren bis dahin in der Stadt verblieben, trotzdem die Herrschaft in den Händen der Ghibellinen lag. Die Lage der weliischen Bankiers wurde aber eine ganz andere, als am 18. November 1260 Alexander IV. über Siena das Interdikt ver- hängtet Jetzt war das Gut der Sienesen, das auf dem Transport aufser- halb war, aufserordentlich gefährdet, wir haben schon oben gesehen, wie die weifischen Tolomei ihre Waren als Parmesaner deklarierten. Die Auswanderung der Guelfen aus Siena begann, sie wurde stärker, als Papst Urban IV. am 5. Januar 1263 den Auftrag gab, den Bann in Frankreich, Deutschland und sonst zu verkündigen und den Schuldnern zu verbieten, ihre Schulden zu zahlen, bevor die Gläubiger sich der Kirche unterworfen hätten^. Die Kaufleute begannen sofort zu stutzen und unterhandelten mit dem heiligen Stuhle, bei einem guelfischen Auf- stand waren die Kaufleute beteiligt, und auch viele, die bis dahin der ghibellinischen Partei angehört hatten, verliefsen nun die Stadt Nicht die Überzeugung entschied, sondern das Interesse*.

Schon oben habe ich der Urkunden gedacht, worin Papst Urban IV. einzelne ausgewanderte Senesen von den gegen die Stadt ausgesprochenen

^ Die Sententia excommunicationis in Bulletino senese di storiapatria 4, 105. Die Censuren, welche am 23. März 1259 verhängt worden waren (Posse Nr. 164), scheinen nicht besonders gewirkt zu haben.

* M.G. Epist. saec. XIII, 494. Vgl. auch Patetta, Bulletino senese 4, 340 f.

' Jordan in Compte rcndu du quatriöme congrös scientifique international des catholiques. Sciences historiques 250. Vgl. jetzt auch Gottlob, Darlehenschulden 681.

256 Zweiundzwanzigstes Kapitel.

Censuron betreito. Unter ihnen waren Petrus et Andreas Chrisiofori^ Guillelmus d Meus Raynaldi, eorum nepotes, sowie die im Auslände weilenden Teilhaber ihrer Gesellschaft Minus Christofori, Frulericus Doni^ Tebaldus Alteville et Andreas Cristofori^\ es sind unzweifelhaft die Glieder der Gesellschaft der Tolomei ^. Pietro, der Sohn Cristofahos, Meo, der Sohn Ranaldos, sowie Meo, der Sohn Incontratos und ein wohl nicht den Tolomei angehöriger Ranerio, Sohn des Turchio, wurden aber in Siena festgehalten und erst aus dem Geftlngnisse entlassen, nachdem sie der Stadt und König Manfred den Treueid geleistet, sowie drei junge Glieder der Familien als Bürgen gestellt hatten^. Selbst die stolzesten und reichsten der Ghibellinen, die Salimbene, die übrigens damals einen Faktor hatten, der auch für Deutschland Vollmacht besafs*, unterwarfen sich der Kurie und verliefsen die Stadt*.

Die sienesischen Guelfen zogen sich nach Castello della Pievc, einem zwischen Chiusi und Orvieto gelegenen Orte zurück. Pietro de Tolomei, der also schwerlich seinen Eid gehalten hat, und Notto, ein Salimbene, waren 1265 ihre Capitanei, sie wollten damals sich aber ein einziges Haupt geben*. Die glänzende Stellung der Ghibellinen in Tuscien wurde durch die Niederlage Manfreds bei Benevent (26. Februar 1266) und seinen Tod gebrochen. Der von Papst Urban herbeigerufene Karl von Anjou, nunmehr Herr des Königreichs Sizilien, gab den Guelfen einen starken Rückhalt.

Siena beugte sich dem Papste, am 17. Mai 1266 nahm Clemens IV. die Sentenzen zurück, aber die Versöhnung war nur eine halbe: die Guelfen blieben draufsen, die intrinseci stürzten die Behörden und setzten sich scharf ghibellinische, die die Einhaltung des päpstlichen Schieds-

* Es handelt sich um vierzehn Kanfmannsgesellschaften. 1263 Jan. 5. Dorez u. Guiraud S. 69 71. Die Geaellschaft der Buonsignori und ßernardini hatte Urban IV. von der Exkommunikation ausgenommen, Clemens IV. erneute das am 28. Febr. 1265. Potthast 19040. Martine 2, 102.

ä Paoli u Piccolomini haben in den Lettere volgari drei Briefe dieser Firma veröffentlicht: Brief Andreas vom 4. Sept. 1262 von Troyes, Brief desselben vom 29. Nov. 1265 von Troyes, Brief desselben vom März 1269 von Bar-sur-Anbe an die in Castello della Pieve weilenden Genossen. Die beiden letzten Briefe trafen ihre Adressaten also im Exil. Von den in der Papsturkunde genannten erscheinen in dem ersten Briefe z. B. Mino ilomini Cnstofam\ Froderigho Doni, Tebaldo AUa" ville, 80 dafs die Identität zweifellos ist.

' Vielleicht waren sie auch in den Kämpfen bei Radicofani, in denen Guccio Tolomei die Guelfen führte, gefangen. Malavolti, flistoria de* fatti e guerre de' Senesi 2, 28. Die Urkunde vom 23. Sept. 1263 bei Freidhof, Die Städte Tusciens zur Zeit Manfreds 2, 28 f. .

Patetta a. a. (). ;^^2.

^ Patetta a. a. O. 341 nach dem Sienei?er Archiv. « Urkunde vom 24. Juni 1265 bei Freidhof 2, 37.

Italiener als Gläubiger deutscher Prälaten. 257

Spruches verweigerten und von dem nach Tuscien als Friedensstifter ge- sandten König Karl nichts wissen wollten ^ Am 18. November 1267 wurde das Interdikt erneut^. Inzwischen war in Florenz die Entscheidung zu Ungunsten der Ghibellinen gefallen, im April 1267 verliefsen sie für immer die Vaterstadt. Lucca und Florenz standen nun auf Seiten des Papstes und der Angiovinen, während Pisa und Siena den letzten Sprofs des staufischen Hauses Konradin herbeiriefen.

Die neuen Censuren gestatteten, dafs jeder die beweglichen Güter der Sienesen, seien sie in Frankreich oder England oder sonst wo, in Beschlag nehmen dürfe, die ausgewanderte Guelfenpartei wurde dabei ausgenommen. Neue schärfere Strafen folgten noch, nachdem Konradin wirklich in Toscana erschienen war. Auch nach seinem Untergange hielt Siena zunächst an der Sache der Ghibellinen fest, nach Malavolti* kehrten am 15. August 1270 die Guelfen in die Stadt zurück und ver- trieben 1272 die Ghibellinen. Die Stellung zur Kurie schwankte noch so, dafs noch 1272 die Exkommunikation erneut wurde. Erst am 13. Juli 1273 vollzog sich die definitive Aussöhnung der Stadt mit der Kirche.

Fast dreizehn Jahre hatte der Streit gegen die Kurie gedauert und neun Jahre hindurch hatten die Guelfen das Brot der Verbannung essen müssen. In dieser Zeit haben die Geldmänner Sienas den miteinander ringenden Gewalten die Geldmittel dargeboten, welche den Kampf erst ermöglichten. Nach Ablauf derselben hatten sich die Florentiner in der Gunst der Kurie festgesetzt, die glänzendste Zeit der Finanzgeschäfte war für Siena vorbei.

Schon für den Zug König Konrads hatten damals in Neapel weilende Sienesen Geldmittel gewährt*, Konradin erhielt dann von der Stadt 5000 Goldunzen und eine Zeitlang auch den Sold seiner Mannschaften, Es waren das Geschenke wie die Gaben von Pavia und Pisa*^. Noch erheblicher waren aber vielleicht die Leistungen der guelfischen Bankiers aus Siena, mit denen sie 1266 die Eroberung des sizilischen Königreichs durch Karl von Anjou ermöglichten. Wiederholt haben wir schon der Gesellschaft der Orlando Buonsignore und Bonaventura Bernardini ge- denken müssen, man kann sie als die vornehmste der im päpstlichen Interesse wirkenden Banken bezeichnen, und es ist kein Zufall, dafs schon 1252 Bonifatio Buonsignore von Innocenz IV. als familiaris be-

' Hampe, Gesch. Kooradins S. 77 ff. 126. Böhmer-Ficker-Winkelmann 9695. 9720. 9721.

Die Guelfen wurden von der Sentenz ausgenommen. Böhmer-Ficker- Winkelmann 9874.

» 2, 39. 44.

* Malavolti 2, 12 giebt die Namen an.

» Hampe S. 217. 243 u. 262 f.

Schulte, Gesch. d. mittelalterl. Handels. I. 17

258 Zweiundzwanzigstes Kapitel.

zeiclinet wurde. Zu sehr umfangreichen Geldgeschäften bot das Unter- nehmen Karls von Anjou Anlafs, die Kurie brachte das Geld, das der Empfänger übrigens nicht zu hüten verstand, bei ihren Banken auf. Die Senesen weilten damals in der Verbannung. Die Gesellschaft Buon- signore und Bernardini, welche nach den Regesten Papst Clemens' IV. unter seinem Pontifikate die Kurie überhaupt beherrschte*, lieferte im ganzen 60500 €6 Turnosen. Daneben treten die von verschiedenen Florentiner Bankiers dargeliehenen Summen weit zurück^. Und auch diese weilten in der Verbannung. Es mag ja sein , dafs auf staufischer bez. ghibellinischer Seite die Quellen viel schlechter erhalten sind, ich glaube aber doch nicht zu irren, wenn ich sage, dafs neben der Kurie und den Angiovinen ein dritter Faktor auf Seiten der Sieger steht, die Geldaristokratie.

Jordan hat aus den Quellen die pikante Thatsache festgestellt, dafs dieses guelfische Bankhaus der Buonsignori, welches so gut wie aus- schliefslich die Geldgeschäfte der Kurie besorgte, auch für die Gegner derselben Geld hatte. Als am 1. Dezember 1267 Pisa und Siena mit Heinrich von Kastilien, dem Senator von Rom, gegen Karl von Anjou abschlofs, wurde ein Teil der festgestellten Summe von Orlando di Buon- signore in Rom bezahlt, der das Geld von dem Kämmerer der ghibelli- nischen Stadt empfangen hatte, und auch in den beiden folgenden Jahren erscheint der Name Orlandos in den Rechnungen Sienas. Das Bankhaus spielte also doppeltes Spiel; denn in demselben Augenblicke erhielt Karl von Anjou mindestens 25000 Pfund Turnosen^. Orlando Buonsignore hatte zwar dafür gesorgt, dafs er von der Exkommunikation befreit

^ Vgl. jetzt auch Schneider, Die finanziellen Beziehungen der iiorentinischcn Bankiers zur Kirche 5 und Gottlob, Darlehensschulden 694.

« Martine, Thesaur. nov. anecd. 2, 262 u. 269. Vgl. S. 125, 139, 248 u. 258. Nach den dort veröffentlichten Briefen Papst Clemens' IV. streckten aufserdem für die Eroberung des sizilischen Reiches Geld vor die Gesellschaften Frescobaldi (123, 802 und 844, zus. 11000 ÄJ Turnosen), Mazzi und Cerchi (129), Bonaguida (152X Tommaso Spiglati (168), Peregrini Sussinii (177), alle von Florenz und ein Römer (844), endlich auch ein Bankhaus von Montpellier. Diese Urkunden beziehen sich auf 1265, 1266. Auch später wandte sich Karl an Sienesen. Noch nach der Ent- scheidung gegen Konradin mufste Karl am 28. Sept. 1268 gegen Verpfandung einer goldenen Krone bei Niccolö Orlandini und Genossen von Siena 1040 Goldunzen er- heben. Del Giudice, Codice dipl. 2, 212. Über die Geldnot der Kurie vgl. Gott- lob, Kreuzzugssteuern S. 91 ff., die Geldnot Karls 1268 Hampe S. 227 ff.

Jordan, Le saint ni^ga et les banquiers italiens in Compte rendu du troi- si^me congr^s scientifique international des catholiques. section. S. 301. Er beruft sich auf die Aufzeichnungen im Staatsarchiv von Siena: Bicchema XXXV fol. 103 und im Staatsarchiv von Neapel : Reg. Ang. II fol. 14 u. 20. Die Abhandlung erweist das Bankhaus Bemardini-Buonsiguori als das absolut in diesem Pontifikat dominierende.

Italiener als Gläubiger deutscher Prälaten. 259

blieb, von da ab vertrat er aber die ghibellinischen Interessen der Firma, in den den Guelfen dienenden Urkunden sind Bonaventura di Bernardino und Franzesco di Guido die Vertreter desselben Bankhauses. Ein seltenes Beispiel von Doppelzügigkeit !

Vor 1260 dehnen die Senosen ihre Thätigkeit aus, nach 1270 ver- schwinden sie fast völlig aus den päpstlichen Urkunden. In der Liste der Schulden, welche in den fünf ersten Jahren Bonifaz' VIII. mit Zu- stimmung desselben seitens der Bischöfe u. s. w. aufgenommen wurden, erscheint von Siena nur einmal noch das Haus Buonsignore & Bernardini, ihre Stelle haben die Bankiers von Florenz und Pistoja eingenommen.

Damit ist für den übrigen Handel Sienas nichts gesagt, uns be- schäftigt hier aber nur der durch die Kurie gestützte Geldhandel, dieser hat unzweifelhaft durch das Exil der Guelfen von 1262 bis 1270 erheb- lich gelitten *. Die Herrlichkeit des Bankhauses der Buonsignori, welches auch den Namen Gran Tavola führte, oflFenbar weil schon äufserlich sich die grofse Ladenbank dieser Senesen von den Bänken der anderen Geld- händler unterschied, ging übrigens bald zu Ende. Schon 1298 begann das Haus zu wanken, und es endete 1308 mit dem Bankerott, der übrigens in Frankreich ausbrach^.

Florenz. Die Herrscherin am Arno hat endlich den gesamten von der Kurie abhängigen Geldhandel an sich gebracht. Erst langsam hat sie die Rivalin Siena auf die Seite geschoben, ihre andere Feindin Pisa verwendete ihre Geldkräfte auf dem Meere, dessen Herrschaft freilich durch die unglückliche Schlacht von Melloria an Genua überging.

Die Beziehungen zu Deutschland waren zunächst sehr gering *. Das älteste Zeugnis betriflFt eine Schuld, welche das holländische Kloster Middelborg (Präm.-Ordens-Diöcese Utrecht) 1246 bei Mainectus Alberti und Tmessus Acconcii hatte*. Es kommen hinzu eine Schuld von 2000 Goldgulden, die 1296 der Bischof Landulf von Brixen von der Gesellschaft der Alfani erhoben hatte ^ ein Darlehen von 1380 (L kleiner

^ Den Rückgang des Scneser Handels auf den Champagnermessen seit 1800 stellt auch Zdekauer, Documenti senesi S. 8 fest.

Piton bringt S. 88—90 über diese Zeiten viele Nachrichten bei, von denen freilich die über die grofsen Tafeln, welche Philipp der Schöne 1805 feiern liefs, zu streichen sind. Es handelt sich um die Artusfeste oder, wie man in Deutschland sagte, Rundtafeln. Malavolti 2, 63 und Del Lungo, Dino Campagni 2, 600 ff.

' Wir haben schon die Schulden des Kölner Erzbischofs Siegfried (1274—97) bei den Pulci, Heinrichs (1328—53) bei den Bianchi und Davizzi, des Trierer Erz- bischofs Heinrich von Vinstingen (1260 86) bei Benincasa und Perini, eines Metzer Bischofs bei den Canigiani und des Bischofs Wilhelm von Utrecht bei den Alfani erwähnt.

* Berger 1. 255.

^ Digard, Faucon u. Thomas Nr. 1061.

17*

260 Zweiundzwanzigstes Kapitel.

Turnosen, das die Gesellschaft Abbati und Bacherelli dem Bischof Guido von Bamberg gewährt hatte ^, ein gleiches von 2000 fl., welches das Kl. Gorze bei Metz von den Mozzi erhoben hattet Das Bistum Kon- stanz hat wie es scheint erst am Anfang des vierzehnten Jahr- hunderts es erlebt, dafs ein Bischof eine Schuld bei Italienern aufnahm. Es war übrigens ein Franzose, der an der Kurie sein Bistum aus der Hand Papst Clemens' V. erhielt. Der Papst gestattete ihm 8000 Gold- gulden aufzunehmen y von denen er 2500 als commune servitium an die päpstliche Kammer und die Kardinäle abzuführen hatte. 6000 fi. erhielt er von der Gesellschaft der Avogardi. Mit der Bezahlung scheint es auch diesmal übel gestanden zu haben. Wenn Bischof Nikolaus keinen Beleg, keine Quittung über erfolgte Zahlungen in Händen hatte, so war schwerlich überhaupt etwas bezahlt". Die Avogardi hatten auch 10000 fl. dem Bischof von L ü 1 1 i c h geliehen *. Gläubiger des Abts von S t. A r n u 1 f bei Metz wurden 1310 die Canigiani von Florenz ^

Den Übergang zu einer später zu behandelnden Gruppe von Ur- kunden bildet die Zahlungsanweisung, nach welcher Bischof Iring von Würzburg eine der päpstlichen Kammer geschuldete Summe an Jacobus Giberti und Raynerius Bellindotis bezahlen sollte^.

Diese Urkunden geben nun aber nicht entfernt einen Einblick in die zahlreichen Beziehungen, welche die Florentiner schon am Ende des dreizehnten Jahrhunderts bei der hohen Geistlichkeit Europas gewonnen hatten. Eine andere Urkundenserie verhilft uns eher dazu. Ich kann mich im folgenden auf die treffliche Studie Schneiders stützen, den ich auf sein Thema gelenkt habe. Schon unter Innocenz IV. kommt es vor, dafs der Papst ausdrücklich dem Bischof Erlaubnis giebt, eine bestimmte Summe aufzunehmen'. Das wurde nicht in allen Pontifikaten gleich stark Regel, und die Regesten aus der Zeit Bonifaz' VIH. und Bene- dikts XI. ermöglichten es Schneider, eine vollständige Tabelle zu ent- werfen®. Von den 87 Anlehensgenehmigungen entfallen 47 auf Banken von Florenz, fünf auf Pisa, 29 auf Pistoja, vier auf Rom, zwei auf Siena. Genauer verteilt sich das auf folgende Banken : Florenz : Abbati drei- zehn, Alfani zwei, Antelesi ein, Bardi ein, Canigiani zwei, Cerchi ein,

' Digard, Faucon u. Thomas Nr. 1716.

» Ebda. Nr. 3002.

« Cartellieri Nr. 3461. Vgl. Nr. 8459 f. 3464. 68—71. 3748.

* Reg. Clem. pap. V. 9773 f. «^ Ebda. Nr. 5229.

M.G. Ep. 8. XIII, 3, 477, 29 ff.

■^ So gab Innocenz IV. dem Elekt von Minden Erlaubnis, 200 Mark Silber auf- zunehmen. Berg er 7050.

» S. 50—53. Oben auf S. 52 fehlt der Kopf: Ammanati.

Italiener als Gläubiger deutscher Prälaten.

261

Francesi drei, Mozzi vier, Pulci ein, Spini neunzehn; Pisa: Benedetti zwei, Cavalosari zwei, Gaetani ein; Pistoja: Ammanati dreizehn, Chiarenti sech- zehn ; Rom : ungenannte zwei, Calicoboni zwei ; Siena endlich Buonsignori zwei. Die höchsten Beträge der Anleihen sind 20 000 Goldfloren (Bischof von Toulouse und Erzbischof von Rheims), die niedrigsten 500 Goldfloren. Schneider hat für die am meisten beteiligten Firmen die Summen um- gerechnet und berechnet, danach streckten vor die

= 282460 Mark Metallwert

= 525868 -

= 700 280 -

= 942274 -

= 1629465 -

Unter den Schuldnern steht Frankreich voran, Italien, Spanien, Eng- land, Portugal folgen, vereinzelt erscheint Griechenland, Irland, Malta. Neben Bischöfen erscheinen auch zahlreiche Äbte, namentlich die grofsen Orden. Von deutschen sind beteiligt:

Mozzi . Abbati . Chiarenti Ammanati Spini .

Beleg

Zeit

Schuldner

Gläubiger

Summe

956

16/1. 1296

Landulf B. v. Brixen

Alfani Florenz

2000 Goldfloren

1062

8/5. 1296

Wilhelm B, v. Utrecht

-

3000 i6 kl. Tumosen

447

28/10.1295

Burkhard B. v. Metz

Cauigiani Florenz

1600 Goldfloren

811

21/5. 1304

Wulfing B. V. Bamberg

Cerchi Florenz

250 Mark Silber

1062

8/5. 1296 Wilhelm B. v. Utrecht

Cavalo'sari Pisa

500 Goldfloren

2630

Juli 1298 Roderich B. v. Minden

Chiarenti Pistoja

3000 Goldfloren

950

7/3. 1296

Wilhelm B. v. Utrecht

unbekannt Rom

4000 ü kl. Tumosen

1997

19/8 1297

Peter Abt v. Gorze

-

2000 Mark Süber

153

2/1. 1304

Guido B. V. Utrecht

Calicoboni -

1500 Goldfloren

Aufser dieser Liste erwähne ich weitere Schuldenerlaubnisse aus der Zeit Alexanders IV.: Bischof von Würzburg: 1255 September 22: 215 Mark Silber Sterl. Nr. 977; aus der Zeit Bonifaz' VIII: Bischof Hugo von Lüttich: 1296 Februar 1: 6000 fi kleiner Tumosen Nr. 940; der Erwählte von Cambray: 1296 Oktober 25: 10000 « kleiner Tur- nosen Nr. 1375. Auf die Entwicklung des Florentiner Geldhandels ist im übrigen erst später einzugehen.

Von Pisa sind vorhin zwei Fälle besprochen, Pistoja ist uns auch nur zweimal begegnet, obwohl das der damaligen Bedeutung dieser Stadt nicht entspricht. Es handelte sich um die Gesellschaft der Chiarenti ^, dafs aber auch die Ammanati in Deutschland Schuldner hatten, besagt

1 Oben S. 246 u. oben.

262 Zweiundzwanzigstes Kapitel.

ein Brief Papst Clemens' V. von 1306*. Der Trierer Domherr Boemund von Saarbrücken schuldete 1323 60 fl. dem Fardellus Banducii, päpst- lichem Wechsler^.

Von Bologna lernten wir einige kleine Darlehen für die Kölner Kirche kennen*.

Mailand erscheint nur ein einziges Mal und zwar in einem eigen- tümlichen Falle, Als Erzbischof Balduin von Trier seitien Bruder König Heinrich VII. 1313 in Pisa verliefs, begab er sich über Genua, Piacenza nach Mailand oflFenbar benutzte er demnach den St. Gotthard hier entlieh er sich am 17. April 2000 Goldgulden von Seiten der Mailänder Kaufmannschaft^. In der soliden Handelsstadt, welche ausschliefslich den Warenhandel betrieb, hatte der grofse deutsche Prälat, einer der wenigen Finanzgenies jener Tage, sich also an die Kaufmannschaft ge- wendet. Nach den jüngeren Statuten von 1396 wurde der „Wucherer" von jedem Amte und jeder Korporation, ja aus der Kaufmannschaft ausgeschlossen*. Doch waren im Falle von Nichtzahlung: damna und interesscj höchstens jedoch zu zehn Prozent fürs Jahr vorgesehen®.

Piacenza ist mit einem einzigen, aber sehr alten Fall, der eigent- lich aufserhalb des Rahmens dieser Arbeit liegt, beteiligt. Der Patriarch Piligrim von Aquileja hatte bei einer Piacentiner Gesellschaft geborgt, aus der stark beschädigten Urkunde läfst sich mit Sicherheit entnehmen, dafs Papst Coelestin lU. von einer Zinszahlung (septem marcas pro reiomo de feria in feriam vobis exolvei) Kenntnis hatte und sie billigte^. Eine sorgfältige Untersuchung würde vermutlich bei fast jedem deutschen Bis- tum solche Schuld Verhältnisse gegenüber Italienern erweisen. Doch ich fürchte schon jetzt die Geduld des Lesers mehr als stark angespannt zu haben. Jedenfalls ist erwiesen, dafs an der starken Verschuldung deutscher Bistümer im dreizehnten Jahrhundert die Entrichtung der Servitien und die daraus hervorgegangene Bewucherung stark beteiligt ist, was Michael freilich völlig übersehen hat®.

* Mitt. aus dem vatik. Archiv 1 Nr. 672. ' Mitteilungen Stadtarchiv Köln 5, 55.

8 S. 238.

* Vollmacht zum Einkassieren der Schuld. Unsere Urkunden Nr. 410. ^ LatteSf II diritto commerciale 32. Statuta merc. Blatt 206.

* Ebda. Blatt 208. Nach den Statuta cirUia Blatt 36 war in den Fällen, in denen das kanonische Recht, damnum et interesse zuliefs, 6V2 Prozent zu nehmen erlaubt, das jedoch zu beschwören.

■^ 1196 April 26. Kehr-Schiaparelli. Papsturkunden in Friaul. Nach- richten d. königl. Ges. d. Wissenschaften in Göttingen phii.-hist. Klasse 1809 S. 280 f.

® Gesch. d. deutschen Volkes 2, 19.

Die Grundlagen dieses Kredits. 263

Dreiundzwanzigstes Kapitel.

Die Grundlagen dieses Kredits.

Die Kurie garafUiert durch ihre Strafen da,«? Hauptgut, nicht die Zinsefi. Stellung zum Zinsverhot. Begelung des Verfahrens durch Nikolaus IV. Wucherer. TficUsdch- liehe Behandlung derselben durch die Kirche.

Es sind also nur vier bez. fünf der italienischen Städte, welche Geldhändler in ihren Mauern bargen, an den Geldgeschäften deutscher Bischöfe beteiligt, nicht allein Lucca und Asti fehlen, welche auf dem englischen Markte im dreizehnten Jahrhundert erscheinen, sondern auch Piacenza, dessen Anteil am Geldverkehr in Frankreich sehr bedeutend war^, tritt ganz zurück, doch das erklärt sich sehr leicht. Der Ort, wo das Geldbedürfnis der deutschen Bischöfe am grollten war, wo sich die Höhe des Bedürfnisses aus den verschiedenen zu zahlenden Gebühren erst sicher feststellen liefs, war Rom. Die dortigen Kaufleute hatten den Vorsprung, dann ihre nächsten Nachbarn, und das waren die von Siena und das etwas weiter entfernte Florenz.

Die Schuld wurde aufgenommen in Rom, in dem Mittelpunkte des gesamten kirchlichen und kirchenpolitischen Lebens, getilgt sollte sie werden auf den Messen der Champagne, welche den Mittelpunkt des Handelslebens ausmachten. In allen Fällen, in denen sich überhaupt etwas über den Ort der Zahlung bez. der Zahlungspflicht erweisen läfet, führen uns die Angaben in die Champagne. Selbst für den Bischof von Regensburg galt das. Der italienische Gläubiger kam also gar nicht in die Notwendigkeit, deutschen Boden aufzusuchen, wenn wirklich die Ver- pflichtung erfüllt wurde. Erst im Falle der Zahlungsunterlassung hat er wohl deutschen Boden betreten, wenn die Briefe nicht mehr genügten. Der Römer Guido Marronis ist der einzige, der auf dem Wege nach oder von Deutschland nachzuweisen ist; andererseits begegneten uns einmal Römer in Trier, aber sie machten vielleicht nur einen Abstecher von der Champagne oder Flandern aus.

Es ist auf den ersten Augenblick überraschend, dafs der Gläubiger einem viele Tagereisen entfernt wohnenden Manne Geld leiht, dessen persönliche Verhältnisse ihm gar nicht näher bekannt sein konnten. Und diese Anlehcn sind gewifs sehr viel zahlreicher gewesen, als wir das nachweisen können. Wir verdanken unsere Kenntnis dieser Schuld- verhältnisse vielfach dem Umstände, dafs es über die Zahlung zu einem Streite kam. Die Fälle, in denen die Schuld beglichen, die Schuld-

* Vgl. auch Schaube, Die Wechselbriefe Ludwigs des Heiligen, in Jahr- bücher f. Nationalökonomie, 3. Folge, 18, 152 ff.

264 Dreiundzwanzigstes Kapitel.

Urkunden zurückgegeben und vernichtet wurden, haben nur, seitdem es aufgekommen war, dafs der Papst eine licentia contrdhendi mutuum gab, Spuren hinterlassen, und solche einfache Fälle müssen die Regel gewesen sein; wir werden sehen, dafs die kirchliche Judikatur nicht gerade im Sinne der Gläubiger entschied, aus diesen StreitfilUen war der Nutzen mitunter jedenfalls gering. Für die Fülle dieser Geldgeschäfte geben uns die Briefe des Andrea de' Tolomei an seine Mitgesellschafter einen Anhalt. Er zählt eine grofse Reihe von Kirchen und Klöstern auf, denen das Haus Gelder dargeliehen hatte, aber nicht ein einziges dieser Geld- geschäfte ist mir in den Papstregesten begegnet. Weil sie glatt ab- gewickelt wurden und zu keinem richterlichen Urteile führten, ver- schwand mit der Schuld auch der Schuldbrief.

Worauf beruhte nun aber der Kredit dieser deutschen Schuldner bei italienischen Gläubigern, denen die persönlichen Verhältnisse jener ziem- lich unbekannt sein mufsten? Da ist nun zu beachten, dafs sämtliche Schulden von deutschen Kirchenfürsten gemacht sind und weiter wohl sicher von den meisten beim Antritt des Amtes, wo die Kosten der päpstlichen Bestätigung und die eventuelle Regelung der Schulden des Vorgängers ein bedeutendes Geldbedürfnis erzeugen mufsten. Die deutschen Kirchen waren nicht so organisiert, solche Bedürfnisse schnell befriedigen zu können. Das Bedürfnis nach Geld war unabweislich, aber es fand sich auch. Ich glaube, wenn man den Dingen auf den innersten Grund geht, so wird man sagen müssen, dafs der deutsche Kirchenfürst seinen Kredit nicht als Herr und Fürst eines reichen Sprengeis fand, nicht als ein gewissenhafter, solider Prälat, ihm wurde kreditiert, weil die römische Kurie durch ihre Autorität den Gläubiger gegenüber dem Kirchenfürsten deckte. Im Vertrauen auf die kirchlichen Ermahnungen und Strafen, welche nötigenfalls die Kurie über den Schuldner verhängte, öffnete der römische, senesische und florentinische Kaufmann seinen Geldbeutel. Dieses System ist wohl schon um 1200 ausgebildet gewesen. Schon unter Innocenz IV. wird die Exkommuni- kation zu Gunsten von Seneser Kauf leuten verwendet ^, und schon längst gab die Kurie den Gläubigern sofort Exekutoren, die das gerichtliche Verfahren einzuleiten hatten, und einer von ihnen war vielfach aus der Geistlichkeit der Mefsplätze genommen^. Wir verdanken die meiste Kenntnis dieser Geldgeschäfte überhaupt diesem Eingreifen der Kurie, und wir sahen, dafs in Lüttich, Utrecht, Worms und Regensburg die Exkommunikation verhängt wurde.

Es sind unzweifelhaft sehr drastische Mittel, welche die Kurie ver-

1 Z. B. Berg er 7980. 8034. Andere Beispiele s. oben. Schneider 57.

Die Giniudlagen dieses Kredits. 265

wandte. Sie übte damit eine Sorge für die Sicherheit des Handels aus, und in der That waren diese geistliehen Waflfen die einzigen, welche die Kaufleute besafsen. Einen Erzbischof von Köln hätte schwerlich irgend jemand zur Zahlung angehalten, wenn es nicht eben der Papst that. Ohne die Aussicht auf die Hilfe der Kurie hätte der Kaufmann dieselbe Gefahr gelaufen, welche die Peruzzi und Bardi am englischen Königs- hofe hatten: die Gefahr, dafs eines Tages die Schuldzahlung tiberhaupt verweigert werde. Sehr deutlich kommt das auch in den Briefen der Senesen zum Ausdruck. Jacomo Cacciaconti hatte tiber eine Schuld des Erzbischofs von Lyon in Troyes zu verhandeln, aber es kam zu keiner Einigung; der Senese meinte, es bleibe nichts übrig, als ihm päpstliche Briefe auf den Hals zu schicken^.

Vergebens habe ich mich nach Anleihen weltlicher Herren Deutsch- lands umgesehen. Ich kann solche nur für die nächste Umgebung der Champagne nachweisen, also für Gebiete, die die Italiener durchzogen, und in denen sie einen regelmäfsigen Handel betrieben^. Das Geld- bedürfnis entstand bei den Fürsten nicht an der Kurie, und die kirch- lichen Censuren waren bei ihnen, wenn überhaupt anwendbar, gewifs noch viel weniger wirksam, als bei den Geistlichen. Die Gesellschaft der Spini und Mozzi von Florenz, die Chiarenti von Pistoja, die Kauf- leute der päpstlichen Kammer, haben von Papst Bonifaz VUI. in einem Kardinaldiakon einen Schützer erhalten, der ihre Ausstände aus Deutsch- land, Frankreich, Spanien, England, Schottland, Aragonien, Navarra und Italien beitreiben helfen solle es ist aber in der betreffenden Ur- kunde nur von geistlichen Personen und Körperschaften die Rede, denen sie an der Kurie Geld geliehen hätten^. Es ist kein Zweifel darüber, dafs diese Italiener deutschen Fürsten oder Städten nur ausnahmsweise kreditierten. Der Geistliche wandte sich an die Italiener, die Fürsten und der Adel an die Juden und an die „Lombarden", die wir später kennen lernen werden.

Wenn, wie Ehrenberg geistreich ausführt*, die drei Grund- bedingungen jeden Kredites sind: das zahlen -können, das zahlen- wollen und das zahlen -müssen, so bestand diese letztere Bedingung

* »Ne no' potevate trare, se noi no vi mandasimo letiara da chorte dt papa so2>ra a Uui.m Lettere volgari a. a. O. S. 17.

2 So hatte Herzog Johann von Lothringen Schulden bei Kanf leuten von Lucca. Mitteil, vatik. Archiv 1 Nr. 647. Papst Clemens V. entband ihn der in seiner Jugend 80 eingegangenen Schulden, ßeg. Clementis Nr. 1967. Eine Klage von Kaufleuten aus b^iena gegen die Gräfin von Namur \i^rde 1231 an den Prior von St. Aigulf zu Provins verwiesen. Auvray S. 401.

' Digard, Faucon u. Thomas Nr. 1296.

* S. 18.

266 Dreiundzwanzigstes Kapitel.

für den internationalen Verkehr und den öffentlichen Kredit damals nur bei der hohen Geistlichkeit. Derjenige, der zwingen konnte, war der Papst. Die Kurie erweist sich somit auch hier als eine Schützerin des öffentlichen, internationalen Verkehrslebens. Sie hat freilich gerade dadurch dem Übergange von der Naturalwirtschaft zur Geldwirtschaft und damit dem Untergange des eigenen Zinsverbotes mächtig vor- gearbeitet.

Die Italiener haben unzweifelhaft bei diesen Anleihen bedeutende Zinsen erhoben. Wie hoch der Betrag sich im einzelnen Falle belief, ist bisher eigentlich nie festzustellen gelungen. In den Schuldurkunden selbst ist meist eine Form gewählt, welche nicht etwa erklärt: die und die Summe haben wir bar erhalten, sondern es heifst, man sei schuldig geworden, so und so viel zu bezahlen. Schon das legt die Vermutung nahe, dafs der Zins gleich zur Schuldsumme geschlagen und so verdeckt wurde. Mit Sicherheit konnten wir das oben bei einem Kölner Falle nachweisen, wo die wahre Darlehenssumme von 983 Mark in eine Schuld- summe von 1150 verwandelt, also um etwa 14^/2 Prozent erhöht wurde*. Ein anderer Fall erwies gleichfalls eine Erhöhung^.

Für die Verzugszinsen gab es, soweit die Summen auf den Champagnermessen zur Zahlung kamen, eine feste Regel, welche durch Philipp den Schönen auch statutarisch festgelegt wurde®. Eis mufste^von jeder Messe zur nächsten von zehn Mark eine Mark, also zehn Prozent, jährlich also 60 Prozent entrichtet werden, manchmal ist das auch so aus- gedrückt, dafs der Zins als Zweimonatszins angegeben wird. Wir haben ihn in einzelnen Fällen wenigstens fordern sehen. Der Zinsfufs ist er- schreckend hoch, aber man darf auch nicht übersehen, es ist ein Zins- fufs für Verzugszinsen, nicht für regelmäfsige Geldanlage. Die Höhe dieses hing wohl vom Einzelfalle ab und wurde grundsätzlich derselbe verdeckt, wie solche Wucherverträge zu allen Zeiten vorgekommen sein werden, ohne dafs wir heute strikt den Beweis führen können. Dieses Bestreben, die sofortige Zinszahlung zu vermeiden, sie mindestens zu verschleiern, die Verzugszinsen aber um so kräftiger zu fordern, standen mit den kirchlichen Anschauungen in Verbindung. Das Zinsverbot, das aus der Bibel abgeleitet wurde, wurde also beachtet, indem man den Verzugszins unter den Fall des damnum emergens bez. lucrum cessans

* Schon eine Urkunde von 1209 hat diese vorsichtige Form: »confessus eM se

recepisse tnutuo . . . tantani pectmie quantitatem a (juod idem . . . tefietur ipsis

reddere . . . centum quinquarfinta marcas boni et puri argenti ...» SchunckB, 102. Ich bemerke, dafs für diese Schuldbriefe, zahlbar auf den Champagnermessen, damals schon ein ganz bestimmtes Formular gebraucht wurde.

2 Oben S. 240.

' Ehrenberg 1, 54.

Die Grundlagen dieses Kredits. 267

unterbrachte. Dafs in diesen Fällen der Gläubiger eine Entschädigung beanspruchen durfte, wurde ganz allgemein, auch von Thomas von Aquino als Recht angesehen. Die Lehre vom Zinsverbot kann ich hier nur streifen, so wichtig sie für das gesamte mittelalterliche Geldleben war^ Das Gesamtergebnis der mittelalterlichen Denkweise hat Ashley zusammen- gefafst in den Worten : „Jeder Kaufmann, ja überhaupt jeder, der in einem Mittelpunkte des Handels lebte, wo sich ihm zur Anlage seines Kapitales in Geschäften (auch zum Verleihen des Geldes nach aufserhalb) Gelegenheit bot, konnte mit ruhigem Gewissen und ohne jede Furcht, dafs ihm etwa Ungelegen h ei ten erwüchsen, einen Vertrag abschliefsen , wonach er von jemandem, dem er Geld geliehen, zu bestimmten Zeiten Zins zu erhalten hatte; nur das Eine wurde hierbei vorausgesetzt, dafs er das Darlehn, wenn auch nur für kurze Zeit, zunächst umsonst auslieh, so dafs die Zinszahlung genau genommen, keine Vergütung fiir den Gebrauch, sondern eine Entschädigung für die nicht rechtzeitige Rückgabe des Geldes war" *.

Wenn sich so das Gewissen der Bankiers auch vielleicht beruhigte, so war die wahre Natur des Geschäftes doch auf das Zinsennehmen be- gründet. Die Zinslehre, durchführbar in der Zeit der Naturalwirtschaft, war jetzt ein Anachronismus und eine Generalisierung einseitiger Gesichts- punkte zugleich.

Die allgemeine Stimmung bezeichnete diese Geldhändler richtig geradezu als Wucherer und die Erzählungen des englischen Mönches Matthäus von Paris finden auch auf deutschem Boden ihr Gegenstück. Albert Beham, der so genau den Boden der Kurie, bei der er gerade damals 1246 weilte, und wo er einst Sachwalter gewesen war, kannte, riet dem Erzbischofe Eberhard von Salzburg, er solle aufser dem Herrn von Leibniz auch den Abt von Raitenhaslach nach Rom schicken, damit dieser mit dem Abte von Salem ein Darlehen bei Kaufleuten von Rom oder Siena erwirke. Diesen beiden Äbten aus dem Cistercienserorden würden sie eher 20000 Mark Silber an der Kurie geben, als einem andern 2000, und an jedem Hundert würden auch 30 Mark gespart werden, wenn sie die Schuld vermittelten®. Die Cistercienser , deren Klöster damals Muster wirtschaftlicher Ordnung waren, besafsen also einen erheblich gröfseren Kredit als die deutschen Erzbischöfe!

Nicht allein der Wucher war aber durch die kirchliche Gesetz- gebung jener Tage verboten, sie untersagte auch vom Kapitale Zinsen zu nehmen. In dem Eifer für den Schutz der produktiven Arbeit, welche ja in der That in der ersten Hälfte des Mittelalters in der Zeit der

^ Vgl. vor allem die Kapitel bei Ashley, weiter die Arbeiten von Ende- mann, Neumann, Funk, Ratzinger u. s. w. 2 Ashley 2, 432. » Höfler, Albert v. Beham S. 115

268 Dreiundzwanzigstes Kapitel.

Naturalwirtschaft die fast ausschliefsliche Quelle des Besitzes sein konnte^ geriet die Kirche seit dem Ende des zwölften Jahrhunderts in Italien, seit dem dreizehnten Jahrhundert auch in Deutschland mit der natür- lichen Entwicklung der wirtschaftlichen Dinge in einen Widerstreit. Geld erzeugte nun wirklich wieder Geld.

Am allerdeutlichsten tritt der Widerstreit gerade bei diesen von der Kirche geschützten Geldhändlern hervor. Die Grundlage ihres Geld- handels war wenigstens zum Teil das Bedürfnis der kirchlichen Kreise, er wurde femer ermöglicht durch die Censuren der Kurie. Die Kirche kam also in die Gefahr, theoretisch Wucher und Zins zu verurteilen, praktisch aber denselben zu fördern, am schlimmsten wäre es gewesen, wenn in der Judikatur die Kirche das Zinsnehmen anerkannt hätte. Die Untersuchungen Gottlobs haben zunächst festgestellt, dafs unzweifel- haft die Päpste des dreizehnten Jahrhunderts bcwufst und mit Absicht in verschiedenen Formen ihren Gläubigern Zins bezahlt haben ^. Zu seinen Beweisen kommt noch der folgende: 1253 erhielt ein Legat den Befehl aufzunehmen: ^muiuumy etiam, si oporiuerit, sub gravibus uswris^ quaniumcunque et a quibuseunque poteris invenire^ ^. Nur Urban IV. (1261 64) hat eine Ausnahme gemacht, ein zeitgenössisches Lobgedicht schildert es, wie er nur die T^sors legüima*^ nichts darüber hinaus an- erkannte®. Die Päpste mufsten sich ebenso wie alle anderen Menschen dem Machtgebot der Umstände beugen. Ohne Zinsen waren eben Geld- mittel nicht zu beschaffen. Sie mochte auch der Umstand beruhigen, dafs in der kirchlichen Lehre die subtile Unterscheidung versucht wurde, dafs nicht der Darlehensnehmer, sondern nur der Darlehensgeber bei Zinsennahme sündige, und jener nur dann sich der fremden Sünde teilhaftig mache, wenn dieser nicht von vornherein zur Wuchersünde bereit war.

Dafs die Päpste von den Zinszahlungen seitens der Prälaten Kenntnis hatten, ist ebenfalls nicht zu bezweifeln ; die Urkunde Cölestins III. läfst keinen Zweifel darüber, dafs er von der Zinszahlung Kenntnis hatte und sie billigte*. Ganz besonders wichtig ist es aber, die Stellung der Kirche als Judikaturbehörde gegenüber den Gläubigern kennen zu lernen. Meine Sammlung von Fällen ist klein, und das Ergebnis kann noch nicht eine feste Spruchpraxis erweisen, jede Ergänzung wird von Wert sein. Unsere Beispiele zeigen, dafs die Kirche hier an dem Zinsverbote festhielt. Das beweist der Spruch des Kardinals Johann vom 5. März 1238. Er ver- urteilt den Schuldner zur Zahlung des Kapitals, der Kosten der Bei- treibung und des auf 3,8 Prozent des Kapitals sich belaufenden Schadens,

' Gottlob, Darlehensschulden 712—717.

2 Vgl. Schau be in Jahrb. f. Nationalökonomie, 3. Folge, 15, 743.

» Gottlob 680.

< S. oben S. 262.

Die Grundlagen dieses Kredits. 269

abgewiesen werden die Gläubiger mit ihrer Zinsforderung, obwohl die Zahlungsfrist etwa 24 Jahre bereits verstrichen war. Dieses Urteil erfolgte in Abwesenheit des Schuldners, der sich überhaupt nicht hatte vertreten lassen. Der Spruch des Kardinals Pietro Capoccio enthüllt die wirklich bar vorgestreckte Summe nicht so deutlich, aber da die Rückzahlung so geregelt wurde, dafs nicht einmal die im Schuldbriefe stehende Summe ersetzt werden mufste, ist auch in diesem Falle wohl keinerlei Zins ge- zahlt worden, und auch in dem Metzer Falle sahen wir, dafs von 1253 bis 1286 keinerlei Zins zur Berechnung kam. Die Kirche machte also wirklich Ernst mit dem Zinsverbote, und die Formel ^usuris omnino cessantibtis* war keine Redensart^.

Eine Regelung des Verfahrens traf Nikolaus IV., indem er am 25. Oktober 1288 ein für alle Zukunft geltendes Formular anordnete*. Der Schuldner durfte sich, seine Nachfolger und seine Kirche, ihren beweglichen und unbeweglichen Besitz binden, auf eine Reihe von Ex- ceptionen wurde verzichtet. Zinsen waren verboten (usuris omnino cessan- tibt4s), jedoch sollte er Auslagen und Unkosten, besonders solche, die durch nicht rechtzeitige Zahlung entständen, ersetzen. Der Gläubiger wurde durch diese Bestimmungen für das Kapital völlig gedeckt, wenn der Schuldner einen Erlaubnisschein des Papstes besafs. Für den Zins existierte diese Bürgschaft jedoch nicht, und hier blieb es eigentlich beim alten, da der Gläubiger vor wie nach auf die Verzugszinsen sich steifte, und hierfür eine Grenze nicht festgesetzt war. Bezüglich der Exekutoren und des weiteren Verfahrens traf der Papst weitere Be- stimmungen, die eine gleichmäfsige langsame Steigerung der Exekutions- mittel vorsahen, bei deren Anwendung das kirchliche Leben möglichst wenig gestört werden solle. Die Exekutoren sollten nicht durch Bann oder Suspension das Ziel erreichen, sondern durch Entziehung der Ein- künfte und Verwendung von Dreiviertel zur Schuldentilgung. Also nicht durch den kirchlichen Zwang, sondern durch den weldichen, nur war es sehr fraglich, ob die Exekutoren so leicht die Verwaltung des Bis- tums in die Hände bekamen. Der Säumige war nach Rom vorzuladen. Für den Fall der Widerspenstigkeit wurde den Exekutoren das Recht der Entziehung der Obedienz eingeräumt.

Die italienischen Geldhändler fanden also bei der Kurie nur inso- weit festen Schutz, als es sich um das Hauptgut handelte. Dieses wurde ihnen durch jene verbürgt, sie liefen aber Gefahr, wenn sie die Hilfe der Kurie anriefen, auf die Zinsen verzichten zu müssen. Das ist die eigen-

^ Nicolaus III. befahl zu zahlen: cum justis et moderatis expensis ac debita restauratione damnorum et inUresse^ usuris omnino cessantibus, Gay 107.

" Langlois 7202. Erläuterung und Übersetzung bei Schneider 54—60 und

75-78.

270 Dreiundzwanzigstes Kapitel.

ttimliche Lage, in welcher sich der Geldhandel jener Tage, soweit er die Kreise der Geistlichkeit berührte, befand. Der Kaufmann suchte Zinsen durchzuschmuggeln, der Schuldner mufste ihm der liebste sein, der nicht sofort zahlte, aber auch die Sache nicht zu weit trieb.

Nach der strengen Lehre waren die meisten jener Kaufleute un- zweifelhaft als Wucherer anzusehen. Mir sind keine Dokumente bekannt geworden, in denen die Kurie direkt einen solchen angriff, doch war das ja zunächst die Sache des Pfarrers und des Bischofs. Die öffent- liche Meinung stellte sie den „Lombarden" und „Gawerschen" an die Seite, die sie für unehrliche Leute taxierte. Statt aller Beispiele führe ich eine Stelle aus der Chronik der Kolmarer Dominikaner an: „1278. In der Stadt Basel begruben die Minderbrüder einen Gawerschen zum grofsen Ärgernis ihrer Nachbarn^." Das Verbot des kirchlichen Begräb- nisses für Wucherer wurde hier also im allgemeinen aufrecht erhalten. Der Hafs, den diese Lombarden sich aufluden, führte in England und Frankreich zur Vertreibung derselben. Der englische Geschichtschreiber Mattäus von Paris hat seine Stimmung und die des Volkes mit Leiden- schaft ausgesprochen.

Sie galten in der Fremde als Wucherer, aber auch in der Heimat. Vorzüglich hat uns Boccaccio im Decamerone die gegen die Wucherer gerichtete Stimmung geschildert^. Manchem schlug zwar das Gewissen, und wenn Innocenz IV. der Brüderschaft della Misericordia zu Siena, welche für Waisen, Witwen und Armen sorgte, die Erlaubnis gab, durch Wucher erworbenes Gut, wenn dessen Eigentümer nicht aufzufinden war, anzunehmen, so ist gewifs auch mancher deutsche Schilling in den Stock der Brüderschaft gewandert ^ Auf dem Todesbette hat m^ancher von diesen Wucherern den Zins gewifs wieder herauszugeben befohlen, wie es der Sienese Federico Rimpretto 1238 that, der seinen Schuldnern in der Champagne die Zinsen, die er bei acht derselben auf 1045 U Provisini anschlug, zurückzuzahlen Anweisung gab*.

> Ann. Colm. maj. M.G. SS. 17, 204.

2 Erster Tag erste Erzählung. Ser Ciaj^jH'Ueto ist nachgewiesen im Giorn. storic. della litter. italiana 5, 329 ff.

' Berger 3, 29. Ein anderes Beispiel für Siena: Baldistricto ein Senensij cujus parentes non modicam quantiMein bonorum per pravitatem usurarium acquisi- verant, indulget papa, ut hotiis ilUcite a4:qxiisüis cofisiUo Asaisinatis episcopi liciie vero acquisitis ipse ejusque heredes lihere uti possint. Ebda. 3, 228. Ahnlich erhielten 1304 die Predigermönche in Strafsburg, Speier, Trier und Köln Erlaubnis, Gelder aus Wucher, liaub und schlechtem Erwerb bis zu 500 Mark Silber anzunehmen. Grandjean 601.

* Auch für Vater und Brüder sollte das Wuchergeld zurückgegeben werden. Unter den Schuldnern ist der Graf von der Champagne, der Bischof von Toul, Abt von Flavigny und die Gemeinden Provins und Bar. Bulletino sencsc di storia

Die Grundlagen dieses Kredits. 271

Direkt an eine Kaufmannsgesellschaft gerichtet ist eine Urkunde Nikolaus' IV. Die Chiarcnti von Pistoja, welche Wucherei getrieben, wollen das in Zukunft nicht mehr thun, sie haben einigen das Geld zurückgegeben. Für die Entlastung des übrigen, das sie dann ruhig be- sitzen sollen, haben sie 1000 Goldunzen zu den Wiederherstellungsarbeiten an Sa. Maria Maggiore zu Rom zu zahlen^. Am eigentümlichsten be- rührt unser Gefühl eine Urkunde Bonifaz' VIII. Er läfst den Francesi von Florenz das »per usuras et alias per contr actus pravos et illicitost erworbene Gut, da sie in freiwilliger und demütiger Beichte ihre Schuld eingestanden^. Zu den Francesi gehörte aber neben Biccio di Guido dei Francesi auch Musciatto, der die rechte Hand Philipps des Schönen, wie Karls von Valois war, den letzteren begleitete er auf seinem Zuge nach Italien. In Florenz war er nach Dante der Urheber der Morde vom 11. April 1302 und auf seiner Burg sammelten sich die Verschwörer, welche in Anagni Papst Bonifaz VIII. überfielen®. Es ist kein Zweifel, Musciatto war es, der zum erstenmal Franzosen auf die italienische Halb- insel führte und dem Bruder des Königs wie seinem ersten Staatsmann auf italienischem Boden die Hand leitete*. Ein Emporkömmling, der Sohn des kleinen Fighine, den Dante im Auge hatte, als er die neue Bürgerschaft von Florenz der alten entgegensetzte . . .

la cittadinama, ch^e or mista Di Campi, di Cerialdo e di Fighina Pura vedcasi nelV ultimo artista. Paradiso 16, 49 51**

war der Spiritus rector des Attentates von Anagni. Man meint ein Straf- gericht durchzufühlen!

Ehrenberg ist es vortrefflich gelungen nachzuweisen, dafs das Be- dürfnis der Fürsten, Krieg zu führen und dazu schnell Geldmittel zu

patria 4, 115 128. Viele ähnliche Testamente haben sich in Siena erhalten. Ebda. 327.

> Langlois Nr. 6926.

a 1297 Februar 5. Digard, Faucon u. Thomas Nr. 1661. »Büectis filiis BayaeriOf Albizo et Sinibaldo milüibufij Biccio, Musacto et Nicolutio fratrihus de Fran- cesis ac Ciono Marzoli civibus Florentini.<i.^

8 Piton 92 f., 102—114. Übrigens hatte Bonifaz VIII. bald Grund, an Biccios, Musciattos Bruders, Verhalten Anstofs zu nehmen. Ihm wurde die Besorgung der Geldgeschäfte entzogen und an die Spiui und Chiarenti überwiesen. 1297 Okt. 28. Digard Nr. 2091. Gegen die Abbati und Bacherelli von Florenz ging Bonifaz noch schärfer vor, indem er ein Verbot erliefs, ihnen die Schulden zu zahlen. Sic unter- warfen sich aber bald. Digard Nr. 2425.

* Langlois in seinen vortrefflichen Ausfuhrungen in der Revue historique 60, 323.

* Allein das Bürgertum, das jetzt gemischt ist Aus Campi, aus Certald und aus Figghine,

War rein zu schaun im letzten Handwerksmann. (Philalethes.)

272 Dreiundzwanzigstes Kapitel.

beschaffen, zu ausgedehnten Anleihen, zum Kreditnehmen, zum vollen Widerstreite gegen die scholastische Wucherlehre geführt hat^ Der Spruch >pecunia nervus hellU machte den älteren ^Fecunia pecuniam non purere potesU zu Schanden. Auch wir haben gesehen, dafs die Aktion zu Gunsten der Anjous, der Kampf wider die letzten Staufer nur durch die Inanspruchnahme des gewaltigen Kredits der Kurie durchführbar war. Aber der Krieg, die auswärtige Politik hat nicht allein das inter- national gewordene Geldgeschäft geschaffen, in vielleicht umfangreichem Mafse wandte es sich zunächst einem anderen, wesentlich friedlicheren Bedürfnisse zu. Die seit dem dreizehnten Jahrhundert hochentwickelten Abgaben, welche der Prälat bei seinem Amtsantritt zu entrichten hatte, erzeugten ein Geldbedürfnis, das in der Heimat nicht befriedigt werden konnte, sondern nur von Bankiers, die mit der Kurie Fühlung hatten. Dieser Kredit erstreckte sich aber nur auf die Geistlichkeit und sehr wohl ist zu beachten, dafs von den drei oben erwähnten Voraussetzungen die erste, das zahlen-können, keine Bedenken bot, die zweite, das zahlen- wollen, oft genug bei den Schuldnern fehlte, die dritte aber, das zahlen- müssen durch die Kurie verbürgt war, aber nur für das Kapital konnte die Hilfe der Kurie in Anspruch genommen werden.

Der Zwang zum Zahlen bestand für die deutschen Fürsten nicht, hier griff die Kurie nicht ein. So kam es, dafs diese ihr Geldbedürfnis innerhalb des Landes bei Juden und bei den dort angesiedelten Lombarden oder auf andere Weise decken mufsten ; für sie waren die grofsen Geld- händler nicht zu haben. Diese haben mehr Vertrauen auf die Könige von England und Frankreich gesetzt, in deren Reichen um 1300 sie geradezu dominierten; aber es fehlte das zahlen - müssen , die Könige brachen ungestraft ihr Wort und ein grofser, allgemeiner Bruch der Banken von Florenz folgte. Geleitet durch die Interessen des Waren- handels hatten sie sich dort zur leichtsinnigen Gewährung von Kredit an die öffentliche Gewalt bestimmen lassen. Der Zusammenbruch war das Ergebnis, mit ihm schliefst die erste Blütezeit der Florentiner Banken *.

1 S. 1 flF.:

' Vgl. das nächste Kapitel.

Zweiter Teil.

ITALIENER BEI ERHEBUNG PÄPSTLICHER STEUERN

IN DEUTSCHLAND.

Vierundzwanzigstes Kapitel. Italiener bei Erhebung kirchlicher Steuern in der voravignonesischen Zeit.

Organisation der Steuern in Deutschland. Zutoeisung a/n bestimmte Banken. Charakteristik derselben. An Stelle Sienas tritt Florenz, Entwicklung des Florentifier Handels in Verbindung mit der politischen Geschichte, Pisti^a, Sturz der Ämmanati, die Chiarenti und das Kardinalskollegium,

Die Oeschichte der päpstlichen Kreuzzugssteuem ist für das dreizehnte Jahrhundert bereits von Gottlob ^ geschrieben. Es soll hier ein von diesem gründlichen Kenner des päpstlichen Finanzwesens nur flüchtig gestreiftes Kapitel behandelt werden, das zum Teil inzwischen von Schneider in anderem Zusammenhange erledigt wurde. Es ist das der Anteil, den italienische Kaufleute an der Erhebung der Steuern hatten. Ya ist längst beobachtet, dafs der Transport und zum Teil auch die Aufbewahrung der Steuererträgnisse seit Mitte des dreizehnten Jahr- hunderts in die Hände italienischer Kaufleute gelegt wurde. Das gilt täusche ich mich nicht für Deutschland doch nur in eingeschränktem Sinne. Hier wurde der Transport über die Reichsgrenze mehrfach von den Sammlern selbst besorgt. Nach Avignon namentlich werden wir eine ganze Reihe solcher Transporte verfolgen können. Diese Beob- achtung legte mir den Gedanken nahe, zu untersuchen, ob überhaupt die Italiener, welche sonst erscheinen, nur ad hoc deutschen Boden betreten hatten oder ob das Geld an fest domizilierte Agenten der italienischen Gesellschaften gegeben wurde, wie sie deren in Frankreich, Flandern und England hatten. Können wir eine gröfsere Zahl von Fällen nach- weisen, in denen der Agent fest domiziliert war, so werden wir auch für Deutschland solche Kommanditen annehmen dürfen; mit anderen

^ Die päpstlichen Kreuzzugssteuem.

Schulte, Geseh. d. mittel alterl. Handels. I. 18

274 Vierundzwanzigstes Kapitel.

Worten, es handelt sich darum nachzuweisen, ob tiberhaupt auf deutschem Boden die italienischen Geldfirmen persönlich zu erscheinen und Handel zu treiben gewohnt waren.

Die erste päpstliche Steuererhebung, welche in gröfseren Teilen Deutschlands zum Vollzug kam, war der Kreuzzugszehnte, der 1274 von dem zweiten Konzil zu Lyon auf den gesamten Klerus der katholischen Welt gelegt wurde. Der Vollzug nahm eine Reihe von Jahren, ja von Jahrzehnten in Anspruch, noch 1289/90 wurde ein neuer Kollektor an- gestellt. Deutschland wurde zunächst nach den Erzspreugeln zerlegt. Im Norden war für die von Köln, Bremen und Magdeburg Raynerius de Orio, seit 1285 Theoderich Abt zu Orvieto thätig. Im Süden, wo die Erhebung weniger schwierig wurde, arbeitete erst Rogerius de Merlo- monte. 1285 wurde aber eine neue Einteilung durchgeführt, welche Rücksichten auf die Handels- und Verkehrsverhältnisse vermuten läfst. Zum Erzbistum Salzburg wurden die Diöcesen Prag, Olmütz, Eichstätt und Bamberg Aliro de Ricardis, einem Kanonikus von S. Marco zu Venedig, gegeben. Es sind also die Diöcesen, deren Verkehrsmittel- punkt nach Italien hin unbestritten Venedig war. Das übrige Reichs- deutschland wurde Theoderich zugewiesen, der 1289/90 das ganze Gebiet übernahm.

Seitens der Kurie erhielten die Kollektoren Instruktionen, an be- stimmt bezeichnete Kaufmannsgesellschaften das Geld abzuliefern. Grund- sätzlich trat sie für diese Art des Transportes ein, auf die die Kollektoren selbst nur zögernd eingingen. Gregor X. wies nun zunächst den Ober- kollektor für ganz Deutschland an, die gesammelten Gelder an die Gesell- schaft des Bernardo Scotti von Piacenza, speciell an die als familiäres des Papstes bezeichneten Opizo de Farignano und Rolando di Ripalta, auszuzahlen ^. Da der Papst selbst aus Piacenza stammte, wird die Ver- wendung seiner Landsleute und ihr Titel Familiären erklärlich. Bei den Scotti handelt es sich zudem um ein Haus, das mit den Anguissola, Guadagni'Bene, Borrini und den Rustigazzi den damals sehr ausgedehnten Handel von Piacenza betrieb, sie hatten Niederlassungen von Famagusta auf Cypern bis nach England^.

In der That können wir Orlando di Ripalta in Basel und Konstanz bei seinem Geschäfte nachweisen. Ende November 1275 erhob er die Gelder in Basel ^, fast ein Jahr später empfing er in Konstanz 1770 Mark Silber*. Bei der Abrechnung in Trier (1278 Januar 7) ist seine An-

* Mitteilungen a. d. vat. Archiv 1, 109. « Piton.

' Urkundenbuch von Basel 2, 98.

* Liber dccimationis im Freib. Diöcesan-Archiv 1, 167 f.

Italiener bei Erhebung kirchlicher Steuern in voravignonesischer Zeit. 275

Wesenheit nicht recht klar bezeugt, genannt wird er auch do^t^ Nur noch einmal ist mir sonst in den päpstlichen Urkunden die Firma der Scotti begegnet, Papst Nikolaus IV. nahm sie in seinen Schutz*. Es mag also sein, dafs die Scotti auch wegen ihrer Verbindungen, die sie in Deutschland besafsen, den sonst so sehr begünstigten Florentinern und Pistojesen vorgezogen wurden. Piacenza mufste ja, wie wir gesehen haben, der Handel über die Alpen näher liegen, als den Toskanern.

Sie haben aber ihre Stellung bei der Kurie nicht behauptet: die Florentiner liefen ihnen den Rang ab, Johann XXI. und Nikolaus III. wiesen Merlomonte an die Frescobaldi, Kainerio de Orio an dieselben und die Alfani». Martin IV. (1281—85), der die gröfste Zahl von Banken, mindestens sieben, bei der Erhebung des Zehnten verwendete, befahl Theoderich, der damals Trier und den gröfsten Teil von Mainz hatte, da das Geld in Deutschland nicht sicher sei, es an Kaufleute von Florenz, Siena, Lucca oder Pistoja zu übergeben*, sehr bald wurde das eingeschränkt auf die Oesellschaft des Thomasius Spillati und des Lapus Hugonis Spine oder wie sie zu bezeichnen ist die Gesellschaft der Spiglati-Spini*. Honorius IV. (1285 87) bezeichnete neben den Spiglati wieder die Frescobaldi und neben ihnen die Ammanati von Pistoja und die Abbati & Bacherelli von Florenz®. Nikolaus IV. bestätigte das^, da der Zehnteinnehmer den Befehl des Papstes nicht ausgeführt hatte, zunächst, hob aber noch im gleichen Jahre diese Verfügung auf und wies den Kollektor an, den gesamten Betrag nunmehr an die von diesem Papste bevorzugten Chiarenti von Pistoja abzuliefern®. Vom Jahre 1289 haben wir eine Art Abrechnung, die Chiarenti von Pistoja übernahmen von den Gesellschaften die bei ihnen deponierten deutschen Zehntgelder®. Es waren das bei den

Alfani 550 M. Sterl.

Frescobaldi . . . 565^/2 - - und 266 it kl. Turnosen

Ammanati ... 537 - - ISiilOß gvAGl fi -

Abbati & Bacherelli 538 - 14 ^ 6 /g 8 ^ kl. Turnosen

2190V/2 M. Sterl. 13 «5 10^ gr. 441 W 6j(? 8 ^ kl. Turnosen

' Lamprecht 3, 69.

« Langlois Nr. 3682.

« Mitteilungen 1, 120 u. 121. Schneider S. 7.

* Mitteilungen 1, 284.

^ Mitteilungen 1, 280, 290, 316.

* Prou Nr. 155, 156 u. 640. Das Regest, Mitteilungen 1, 338, ungenügend. ' Langlois Nr. 151.

8 Langlois Nr. 7158. » Langlois Nr. 7226—29.

18

276 Vienindzwanzigstes Kapitel.

Raynerius de Orio hatte den Ertrag der Diöcesen Lübeck und Ratze- burg mit 1500 Mark Lübisch dem Rate von Lübeck übergeben, der ver- sprach dem Inhaber der von ihm ausgestellten und Rayner übergebenen Urkunde in Brügge die Valuta mit 128 ü guter Turnosen Groschen zu überreichen. Es ist das der älteste (Eigen-)wechsel, der bisher in Deutsch- land nachgewiesen ist, die Lübecker lernten offenbar diese Bezahlungsform von den Italienern kennen ^.

Bonifaz VIII. wies 1295 den Erzbischof von Trier und seinen Ge- nossen, die Sammler des deutschen Kreuzzugszehnten, an, die ein- kommenden Gelder bei den Gesellschaften der Spini und Mozzi, die sich finanziell getrennt hatten, politisch aber Hand in Hand gingen, und den Chiarenti von Pistoja niederzulegen*. Es waren das die damals hervor- ragendsten Banken von Florenz und Pistoja^. Später war an deutschen Zehnten in bescheidenem Mafse auch der Ritter Giacomo Gaetani aus Pisa, ein Verwandter des Papstes, beteiligt*. Benedikt XI. wies den Zehnten aus den Erzsprengeln Mainz und Trier den Corchi zu^.

Werfen wir einen Blick auf den Wechsel der Bankiers der Kurie®. Fast jedes Pontifikat bevorzugte andere Geschäfte. Honorius IV. behielt für das Depositgeschäft die Spiglati- Spini aus Florenz und die Ammanati aus Pistoja, auch die Buonsignori von Siena und die Ricciardi von Pistoja bei und verwendete neu die Alfani von Florenz, deren Agenten bis nach Norwegen gingen, die Abbati, florentinische Ghibellinen, die schon früher verwendeten Frescobaldi, die mit den Anjous eng verbunden waren. Nikolaus IV. arbeitete mit weniger Banken, neu beschäftigte er die Chiarenti von Pistoja. Als 1291 Philipp der Schöne die in Frankreich weilenden Lombarden gefangen nehmen und auf ihre Güter Beschlag legen liefs, nahm sich der Papst als der hauptsächlichsten Kaufleute der päpstlichen Kammer, der Buonsignori aus Siena, der Pulci, Spiglati- Spini und Frescobaldi aus Florenz, der Ricciardi und der Chiarenti, an^. Seine besondere Gunst gehörte den Chiarenti. Die Regierung von Bonifaz VIII. bezeichnet den Höhepunkt des Einflusses von Florenz auf die päpstliche Kammer. Vor allem waren mächtig die Spini, von

« Lübecker Urkb. 1 Nr. 450. Stobbe in Zeitschr. f. Handelsrecht 8, 33 f. « Digard Nr. 826. » Schneider 19 f.

* Reg. Clem. papae V. Abrechnung der Spini Nr. 1152. » Grandjean Nr. 1273. Schneider 27.

* Vgl. die sorgfältige Untersuchung von Schneider 11 28, der die Banken auch nach ihrer politischen Seite hin charakterisiert, und Gottlob, Darlehens- schulden.

'^ Langlois Nr. 7326 u. 7384. Schon Nikolaus III. hatte in einem gleichen Falle, als der König von Frankreich die Italiener gefangen setzen liefs, sich für die Scali, Spiglati-Spini und die Pulci-Rimbertini verwendet. Gay Nr. 64, 66 u. 68.

Italiener bei Erhebung kirchlicher Steuern in voravignonesischer Zeit. 277

denen sieh die Spiglati di Mozzi getrennt hatten. Die Spini, Mozzi und Chiarenti bekamen fast ein Monopol^ Die politischen Verhältnisse führten die Mozzi aber zu den Gegnern des Papstes, der um so enger sich an die Spini hielt; dann verwandte er wieder alle drei Banken und dazu die Bardi, Benedikt XI. ersetzte die zu den Neri haltenden Spini durch Vertreter der Bianchi, durch die Cerchi. Cerchi, Bardi und Chiarenti waren nun die Freunde der Kurie, wie unter dem ersten avignonesischen Papste die Bardi und Peruzzi.

Schon aus diesen Angaben folgt, dafs Siena seine alte Bedeutung für die Wirtschaft der Kurie an Florenz und das kleinere nachbarliche Pistoja eingebüfst hatte. Die Guelfen von Siena verloren, als sie aus der Stadt vertrieben waren, ihren Einflufs, um ihn an die in gleicher Lage befindlichen Guelfen von Florenz abzugeben.

Nach dem Zeugnisse Villanis* sollen die guelfischen Händler, welche 1260 nach der Schlacht bei Montaperti die Stadt hatten räumen müssen, über die Berge nach Frankreich, wo sie bis dahin nicht gewesen seien, gezogen sein, grofser Reichtum sei dadurch nach Florenz gekommen. Thatsächlich war lange vorher den Florentinern der Weg nach Frank- reich wohlbekannt, ja schon waren sie nach Fngland gekommen, schon vorher hatten sie auch Beziehungen zur Kurie, allein von 1260 an zeigt sich ein stetiges Anwachsen des Florentiner Handels. An der Kurie führt er zum Monopol. Als April 1267 die Ghibellinen für immer Florenz verlassen hatten, war diese Stadt der Mittelpunkt des Geldhandels der Welt. Die Florentiner Kaufleute wanderten nun in der Welt umher, der Charakter der Stadt w^ar verändert, daheim blieben die Frauen und Kinder, wenn nicht die Familie mit in das Ausland zog, und Dante konnte, die alten Zeiten preisend, Cacciaguida die Worte in den Mund legen :

0 fortunate! e dasctina era certa

DeUa 8ua sepoUura^ ed ancor nulla

Era 2)er Francia nel letto deserta. Paradiso 15, 118 ff.*.

Die Erscheinung bedarf einer Erklärung. Schon in anderem Zusammenhange ist gezeigt, dafs die Blüte von Florenz auf der Woll- industrie beruhte, welche feine Wolle bearbeitete oder Wollwaren ver- feinerte. Das führte sie nach England wie nach Flandern*. Der Geld- handel ergab sich von selbst. Die Florentiner Guelfen brachten in ihm

» Digard Nr. 1096. 1225. Theiner, Cod. dipl. sedis sanctae 1, 360.

« Villani Hb. VI cap. 85.

' 0 Glückliche! und ihrer Grabesst&tte

War jegliche gewifs, und noch war keine

Im Ehebett verwaist um Frankreichs willen. (Philalethes.)

* Davidsohn 790 f. u. öfter.

278 Vierundzwanzigstes Kapitel.

aber eine folgenreiche Neuerung zur Geltung, eine neue Münze, welche von vornherein geeignet war, die internationale Münze zu werden. Seit 1252 prägten die Florentiner ihren Gulden, und sie haben daran fest- gehalten, diese Münze durchaus gut und rein zu erhalten ^. Nicht sofort vollzog sich der Sieg des Guldens, aber er war um so sicherer, als die neuen Konkurrenten, die Turnosen und Groschen, beim Silber verblieben waren, die alten, die Provesinen und Sterlinge, dieser dreifachen Kon- kurrenz nicht gewachsen waren ^.

Die Bankiers von Siena gehörten zumeist dem Adel an, die Floren- tiner entstammten meist dem popolo, ja einige der angesehensten, die Bardi, Cerchi, Francesi, Gherardi und die adligen Frescobaldi und Mozzi, waren vom Lande nach Florenz eingewandert®, und Dante schiebt ihnen die Schuld zu, dafs die Geldgier das alte gute Volk seiner Vaterstadt verdarb. Die neuen Bankiersfamilien und die neuen nach der Kurie schauenden Familien sind die, gegen welche sich der Dichter besonders auflehnt^. Zu den Ghibellinen hielten sich von den uns bekannten Bankiers wohl nur die Abbati. Die tiefe Kluft, welche sich aber am Ende des dreizehnten Jahrhunderts innerhalb der Guelfen bildete und die Neri von den Bianchi trennt, teilte auch die Bankierswelt, welche wir kennen gelernt haben.

Die Schwarzen hatten in den Tagen Bonifaz' VIII. die engste Be- ziehung zur Kurie. Die Spini standen ja neben Corso Donati an der Spitze dieser Partei, welcher der Sieg zufiel, und ihre Bank, deren Haupt Gheri Spina war, hatte in Simone Gherardi und Simone Cambio di Sesto Vertreter bei der Kurie, welche wie eine ständige Gesandtschaft wirkten*. Zu ihnen gehörten auch die Frescobaldi, die Pazzi, ebenso ein Teil der Bardi. Bei den Bianchi stand an der Spitze das Haus der Cerchi, ihnen folgten die ghibellinischen Abbati, die Mozzi, Scali, Alfani und Pulci und ein Teil der Bardi®, In den entscheid ungs vollen Monaten des Jahres 1301 wohnte Karl von Valois im Palast des Berto Frescobaldi, seine Ritter bei den Spini, den Führern der Neri, so dafs sie den ponte di S, Triniid, den ein Frescobaldi erbaut hatte, wie durch zwei Brücken- köpfe beherrschten^. Mit den Weifsen wurde auch Dante verbannt. Doch ich darf mich nicht auf die Florentiner Geschichte einlassen.

* Villari 1, 288. Hartwig, Ein Menschenalter Florentiner Geschichte 1, 19.

* Die Münze von Provins war in ßom nachgeahmt worden als provesini de sefiatu. ' H a r t w i g If 20. Vgl. zu diesem Abschnitt auch Schneiders genaue Angaben. ^ Hartwig 1, 20.

6 Del Lungo 1, 204. 2, 94 f.

« Villani 8, 39; die Stellung einiger Familien durch Del Lungo bestimmt. Vgl. auch Schneider.

■^ Viliani 8, 49. Perrens 3, 44. Gregor X. hatte 1273 bei Tommaso Spiglati

Italiener bei Erhebung kirchlicher Steuern in voravignonesischer Zeit. 279

Die innige Verbindung der Florentiner Geldmächte mit der Kurie war nun dauernd begründet. Das ist das Ergebnis der Kämpfe zwischen den Schwarzen und den Weifsen gewesen, Florenz hatte das Monopol bei der Kurie erstritten und auf die Geschichte der Päpste und der Kirche einen Einflufs gewonnen, wie ihn keine andere Stadt Rom ausgenommen je wieder besessen hat. Und wenn Bonifaz VIII. wirklich, die aus Horenz stammenden Vertreter fremder Fürsten be- grüfsend, gesagt hat: die Florentiner seien das fünfte Element, so hatte er damit nicht so Unrecht. Wann haben je wieder Bankiers sich als Vertreter von Fürsten der verschiedensten Kulturländer bezeichnen können? Der Wollhandel hatte die Florentiner in den Geldhandel ge- bracht, die Kurie verstärkte diese Tendenz, ja gab ihnen schliefslich das Monopol. Was Dante bekämpft hatte, war eingetreten, das alte patriar- chalische Florenz war dahin, die Söhne der Herrscherin des Geldmarktes waren überall in die Politik verwickelt und mufsten nun an ihrem Geld die schweren Erschütterungen der Geschichte spüren.

Von den bitteren Kämpfen, welche im Hause der Cancellieri aus- gebrochen waren und die Stadt Pistoja in zwei heftig sich befehdende Parteien gespalten hatte, waren die Namen Bianchi und Neri auf die Florentiner Parteien übergegangen. Das eine der grofsen Bankhäuser von Pistoja sollte in diesen Kämpfen untergehen. Es war das Haus der Ammanati. Die Pistojesen hatten sich nach Florenz zur Ordnung ihrer Angelegenheiten gewandt, sie wurde vorgenommen im Interesse der Weifsen, die Schwarzen mufsten die Stadt räumen und weder Karl von Valois, noch der Kardinal von Acquaspaii» konnten eine Änderung herbeiführen. Der Kardinal verhängte über Pistoja Sentenzen, welche, wie einst in Siena, die Kaufleute schwer schädigen mufsten ^ Die Chiarenti nahm Bonifaz VHI. von den Sentenzen aus^; die Bank der Ammanati brach aber zusammen. Ihre Vertreter verschwanden plötzlich und insgeheim von der Kurie, unter Mitnahme von Geldern, welche den Kurialen gehörten; die Gesellschaft stellte ihre Zahlungen ein. Bene- dikt XI. bemühte sich auch hier, die Härten seines Vorgängers wieder gut zu machen. Schon im November 1303 lud er Lante Agolantis ein, an die Kurie zu kommen, damit die Angelegenheiten der Gesellschaft geregelt würden. Sie bat nun den Papst, einen Kardinal mit der Durch-

di Mozzi gewohnt. Villani 7, 42. Bei den Spini wohnte nach Dino Compagni(Del Lunge 2, 99) der von Bonifaz VIII. gesandte Kardinal Matteo d' Acquasparta.

1 Salvi, Historie di Pistoja 1, 272 ff.

* Salvi 1, 272. Vgl. Grandjean Nr. 378. »Bdldus Bayfierii de Floravantis, mercator catnere nostre« gehörte zu den Chiarenti, die Pistojesen sollen ihn nicht zwingen wollen, sich von der Kurie zu entfernen. Über die politische Stellung der Chiarenti als Ghibcllinen s. Schneider 17.

280 Fünfundzwanzigstes Kapitel.

sieht der Bücher zu beauftragen, Benedikt möge die Schuldner zur Zahlung zwingen, namentlich in Frankreich hätte sie viel Geld ausstehen, und König Eduard von England schulde ihr 150000 fl. ^ Der Papst gab nun Mandate, die Gläubiger in Italien, Frankreich, Kastilien, Eng- land und Portugal zur Zahlung zu zwingen, die Geschäfte des Hauses, das übrigens eine Überschuldung leugnete, sollten die Cerchi von Florenz und die Chiarenti von Pistoja abwickeln*. Nach Deutschland ging an die Schuldner eine päpstliche Mahnung erst unter Clemens V. ®, zugleich wurde eine solche für die anderen Weltgegenden erneuert. Die Schuldner sollten zahlen und zwar auch ^de datnpnis, expensis et tnter esse* y abzuliefern war an die Gesellschaften der Scali und Peruzzi*.

Die Blüte des Pistojeser Bankgeschäfts war nur von kurzer Dauer. Am längsten hielten sich die Chiarenti in Verbindung mit der Kurie. Dieses Bankhaus besorgte auch fast alle Geldgeschäfte des Kardinal- kollegiums ^.

Fünfundzwanzigstes Kapitel.

Italiener bei Erhebung der päpstlichen Steuern im vierzehnten Jahrhundert.

Quellen. Verschiedene Verfahren des Geldtransportes , nach Gegenden verschieden, SüdirestdeutscMand. Ostdeutschland. Norden, Nordwesten, Wechselbriefe, Beteiligte Banken, Bankerotte in Florenz. Neue Bankhäuser,

In welcher Weise die italienischen Kaufleute im vierzehnten Jahr- hundert an der Erhebung der päpstlichen Abgaben beteiligt waren, läfst sich mit voller Klarheit aus den Veröffentlichungen von Kirsch® ent- nehmen. Weniger aus den Erhebungsregistern selbst, als aus den Aus- zügen, welche Kirsch aus der langen Serie der »Introitus et exitus camerae apostolicae* darbot''.

Es fällt sofort auf, dafs in vielen Fällen der päpstliche Kollektor das Geld selbst oder durch einen im Range gleichen oder niederen Kleriker oder durch einen Familiären oder seltener durch einen Ritter

* Salvi 1, 285. Der Kardinal soll »saldare i suoi conti*.

8 Grandjean Nr. 1109. 1151. 882. 883 u. 886. Unter den Schuldnern ist auch der Bischof von Cambray.

' Mitteilungen a. d. vat. Archiv 1 Nr. 672.

* Reg. Clementis p. V. Nr. 737. 1306 Mai 18.

^ In dem von Kirsch (Die Finanz Verwaltung des Kardinalkollegiums im drei- zehnten und vierzehnten Jahrh. Kirchengeschichtl. Studien Bd. 2 Heft 4. Münster 1895) veröffentlichten Verteilungsregister für 1295—98 erscheinen am meisten die Chiarenti, dann die Spini, Franzesi, Ammanati und endlich die Scali S. 96 127. VgL Baumgarten, Die Rammer des Kardinalkollegs, und Schneider S. 45—47.

* Die päpstlichen Kollektorien.

■^ Vgl. auch die Einleitung S. LIX-LXIII.

Italiener bei Erhebung päpstlicher Steuern im vierzehnten Jahrhundert. 281

nach Avignon bringen liefs. Die Gefahr des Verlustes wurde also in diesen Fällen vom Kollektor getragen , das ganze Geschäft spielte sich innerhalb des bureaukratischen Rahmens ab. In nicht ganz so zahl- reichen Fällen wurde der Geldtransport aber Kaufleuten tibertragen und zwar, von wenigen Ausnahmen abgesehen, durchaus Italienern. Wenn man oberflächlich zusieht, könnte man meinen, der Kollektor habe tiberall die Gelegenheit gehabt, sich der Hilfe der Italiener zu bedienen, überall hätten diese ihre Vertreter gehabt. Wenn man die einzelnen Geschäfte aber nach den Gegenden und Orten ordnet, in denen und an denen der Kollektor das Bargeld dem Kaufmann übergiebt, wird sich ein ganz anderes Bild ergeben. Und dann wird man auch zwischen Kollektoren deutscher oder romanischer Abstammung unterscheiden müssen. Fran- zosen, welche in den Avignoser Tagen an der Kurie viel zahlreicher waren als vorher oder nachher, waren wie die Italiener an die Benutzung des Geldwechsels gewöhnt. Er war hier altüblich; anders war das in Deutschland. Der älteste Wechsel, der von deutschen Kauf leuten gezogen wurde und uns bisher bekannt geworden ist, stammt vom Jahre 1323. Die deutschen Prälaten verstanden also gewifs nur selten mit Wechseln umzugehen. Der Nutzen derselben mulste aber einleuchten. Wenn der Prälat selbst oder durch einen Familiären den Barbetrag durch die ver- schiedenen deutschen, dann französischen Landschaften bringen, sich Geleitsritter mieten mufste und doch nicht eine Stunde ruhig seines Weges reiten konnte, ohne befürchten zu müssen, gefangen oder beraubt zu werden, so war das nicht allein eine Probe auf den Mut und die Energie, sondern auch sehr teuer. Wer jene Eigenschaften nicht besafs oder dem sie ausgingen, wie jenem Kollektor, der sein Geld glücklich aus Polen und Böhmen bis Mainz gebracht hatte, dort aber vierzehn W^ochen liegen blieb, weil ihm niemand ordentliches Geleit geben wollte, oder wer die Kosten scheute, hatte an diesen italienischen Kauf leuten gute Hilfe. Sie waren von der Kurie empfohlen, der eine Socius über- nahm den Transport zu jedenfalls nicht allzu hohen Kosten, deren Höhe wir leider nicht genau kennen, sandte an seinen anderen Socius in Avignon einen Wechselbrief, dort fand die Auszahlung statt, ohne dafs das Geld in natura die weite gefährliche Wanderung hätte machen müssen. Es handelt sich durchweg um Eigenwechsel. Die italienischen Gesellschaften besorgten für sich in sehr hohen Beträgen das Geschäft, das im kleinen im Weltpostverkehr die staatlichen Postanstalten von heute betreiben. Noch besser kann man den Giro- und Clearingverkehr zum Vergleiche heranziehen. Statt der Barsendung fand Abrechnung statt. Bleiben wir zunächst am Oberrhein. In Basel lieferte der Sub- kollektor ein Deutscher das Geld an die Kaufleute des Papstes ab; genannt werden Guillermus Lanfredi von Florenz und Guillermus

282 Fünfundzwanzigstes Kapitel.

de Condamina, und nach guter deutscher Sitte schlofs die Übergabe mit einem Mahle ^ das den Fremden und dem Dorapropst gegeben wurde*. Von Strafsburg aus brachte der deutsche Kollektor das Geld persönlich fort^, wahrscheinlich ist das auch bei dem Wormser^. Von Konstanz liefs ein Italien wie die Kurie genau kennender Prälat, wie es der Geschichtschreiber Heinrich Truchsefs von Diessenhofen war, das Geld durch einen deutschen Geistlichen transportieren, der Bischof that das Gleiche oder bediente sich seines Küchenmeisters, nur einmal wurde das Geld von zwei Familiären des Bischofs (darunter der Küchenmeister) an unbekanntem Orte dem Kaufmann Giorgio Tigrini von Lucca tiber- antwortet*; durch einen Ritter wurde 1319 das Geld nach Strafsburg gebracht zu Händen der Kollektoren^.

Von Eichstädt erfolgte die Übergabe seitens der deutschen Kollek- toren zweimal persönlich, einmal durch einen Ritter®, von Würzburg aus wurde ebensowenig ein Italiener verwendet^.

In den südostdeutschen Bistümern werden wir den Einflufs von Venedig vermuten. Die Gelder von Brixen und Freising wurden dort- hin in das Predigerkloster in Depositum gegeben, die Scali, Peruzzi und Bardi übernahmen die Übersendung®.

Der deutsche Kollektor in der Kirchenprovinz Salzburg brachte ein- mal das Geld selbst nach Avignon, das andere Mal schickte er es durch einen italienischen Prälaten nach Venedig, dort wurde ein Wechsel auf das Haus der Alberti vecchi von Florenz gekauft. Der Erzbischof be- diente sich mehrfach auch eines Prokurators, Johann von Konstanz, der ein Kaufmann gewesen sein könnte ® ; der Bischof von Gurk eines Pfarrers seines Sprengeis ^^

Gehen wir nun weiter an der Ostgrenze, so finden wir in Böhmen mehrfach Italiener. In den Tagen Clemens' V. lieferten die Spini, Cerchi und Bardi von Florenz, die societas Benedicta von Pisa und die Chiarenti von Pistoja die Erträgnisse des böhmischen Zehnten an die Kurie**. Der Kollektor von Böhmen, der Dechant von Wissehrad Johannes

» Kirsch S. 32. Vgl. S. 31. « Sicher 1360 S. 387, wahrscheinlich 1362 S. 390. » 1362. 390 u. 391.

* 1374 S. 407 u. 411. 1360 S. 386. 1375 S. 413. 1375 S. 411. » S. 58.

« 1361 bez. 63. S. 389. 392. ' 1362 S. 390. 1374 S. 410. « 1322 S. 382.

ö 1364 S. 392. 1367 S. 399. 1372 S. 403 f. 1372 S. 403. " ßeg. Clem. papae V. Appendices I Nr. 449.

Italiener bei Erhebung päpstlicher Steuern im vierzehnten Jahrhundert. 283

Paduanus, wohl ein Italiener, zahlte 1356 sehr bedeutende Beträge durch Anton und Quido Malabayla, Bürger von Asti. Ihre Anwesenheit in Böhmen ist damit aber nicht bewiesen; denn 1358 tibergab derselbe Kollektor das Geld an Peter und Johann von Köln, Bürger von Prag, diese tibermittelten (offenbar durch einen Wechsel) die Summe an einen Geschäftsfreund in Brügge, dort wurde nun die weitere Besorgung an solche des Antonio Malabayla ^mercator Estensis curiam Bomanam sequenst übergeben. Gelegentlich bediente sich dieser Kollektor aber auch eines Standesgenossen ^. Deutsche Kollektoren bez. Prälaten haben ein- mal die Gardi von Florenz benutzt ^ Von Krakau und Breslau ging das Geld viermal durch die Bardi, sonst direkt oder durch Boten, einmal auch durch einen Johanniter®.

Wir sind damit schon fast in das Gebiet der Hansa gekommen. Wir haben da Nachrichten über Riga*, Magdeburg und Bremen**, ohne dafs wir von einer Thätigkeit von Italienern hören. Anders lauten die Nach- richten aus Ratzeburg, Schwerin, Kammin und Lübek. Zwar kann man aucli da nicht nachweisen, dafs das Geld den Italienern sofort an Ort und Stelle übergeben wurde, vielmehr ging es in zwei Fällen erst in Brügge an die Alberti vecchi, zwei weitere bleiben unklar, in Avignon wurde die Valuta durch die Alberti vecchi ausgezahlt®.

Also auch für den Osten wie das Hansagebiet können wir die Existenz von Filialen italienischer Banken nicht erweisen, wenn hier auch offenbar der Wechsel und die Bedeutung der Italiener genauer bekannt ist, wie im mittleren Deutschland^. Ganz anders sieht es nun in den Gebieten aus, welche mit den Niederlanden und Frankreich in der lebhaftesten Berührung standen, näherhin erweist sich Flandern und Brabant als der Sitz des rührigsten Geldgeschäftes.

Von Köln aus ging das Geld einmal durch einen Prokurator ; Florenz von Wevelinghofen , Bischof von Münster tiberbrachte es selbst®, nur einmal verwendete er die Alberti vecchi von Florenz®; dahingegen be- diente sich Petrus Begonis, Kanzler der Breslauer Kirche, stets der

» 1356. Kirsch S. 384. 1358 S. 385.

* 1371, 402. Sonst persönlich oder durch Standesgenossen S. 402 u. 407.

' Theiner 1, 286. Ein Deutschritter wurde von Polen aus verwendet. Kirsch S. 383 (1330). ^ 1364 S. 394. ^ 1361 S. 389. 1362 S. 391. 1363 S. 391 f.

1374 S. 408 u. 405.

"^ Zu den älteren Belegen über die Bekanntschaft des Wechsels in dem Hansa- gebiet noch die Zeugnisse des Handelsbuchs Vickos von Gelderscn, herausgegeben von Dr. Hans Nirrnheim, Hamburg 1895, S. XXXIX f.

« 1356 S. 384. 1364 S. 392 f. S. 334.

» S. 334.

284 Fünfundzwanzigstes Kapitel.

Hilfe italienischer Kaufleute: dreimal der Gesellschaft der Alberti vecchi, je einmal der Alberti nuovi und der Soderini und Altoviti von Florenz*. Dreimal ist sicher der Wechsel in Köln gezogen, und wenn es in einem Falle heifst, der Faktor der Alberti vecchi weile in Köln*, so hat wenigstens diese Gesellschaft mindestens zeitweise einen Faktor in Köln gehabt. Aus Utrecht und Lüttich haben wir Nachrichten, dafs ein- heimische Kollektoren das Geld persönlich überbrachten^. Die im Trierschen (und Baseischen) wirkenden französischen Kollektoren, Johannes Ogerii und Gerardus de Arbenco, thaten dasselbe oder be- dienten sich Prokuratoren*, ebenso der deutsche Kollektor**. Der aus Frankfurt stammende Kollektor für Mainz hat das Geld durch Guido Malabayla abgeliefert, aber es war dabei ein Kleriker des Kollektors anwesend ®.

Aber auch aus den französisch sprechenden Gebieten ging das Geld, wenn es der Kollektor nicht selbst ablieferte, meist durch Prokuratoren ''j seltener durch Kaufleute der eigenen Gegend: so ging von Toul das Geld durch Kaufleute von Epinal nach Brügge, wo sie das Geld zur Zahlung in Avignon an die Alberti vecchi gaben ®. Ein Generalkollektor für Metz, Toul und Verdun liefs das Geld nach Paris bringen, wo es an die Alberti vecchi überging®, ein anderes Mal überlieferte er persönlich**^.

Die Generalkollektoren und diejenigen, welchen eine grofse Zahl von Diöcesen zur Besteuerung zugewiesen war, waren ohne Ausnahme Italiener oder Franzosen. Petrus Durandi liefs in Worms einen Wechselvertrag abschliefsen , um das Geld so heimlich nach Mainz zu bringen**, schon vorher hatte er durch Vermittlung des Erzbischofs von Salzburg Geld- summen bei den Predigermönchen zu Venedig deponiert, von dort wanderten sie durch die Bardi nach Avignon **. Sonst haben auch diese das gewöhnliche Verfahren angewendet. Ich fand folgende Ausnahmen. Der Bischof von Cavaillon (in der Provence) gab an den von der Kurie zur Einsammlung der Gelder ausgesandten Astigianen Raphael Damiani eine bedeutende Geldsumme, welche er durch seinen Landsmann Antonio

» 1364 f. Kirsch S. 393-96.

' »Cum Barthölomeo Johannis de Florentia ihiäeni commorante.*

» 1864 S. 392 u. 1362 S. 391.

* S. 155 f., 251 ff.

^ 1360 S. 388 f.

« 1361 S. 390.

■^ Metz 1374 f. S. 409 ff., 415, Toul 1374 S. 409 f. S. 318 f.

« 1368 S. 400 f. Vgl. auch S. 143 f.

» 1374 S. 409. 1375 S. 411. " 1319 S. 75. " 1317 S. 81.

Italiener bei Erhebung päpstlicher Steuern im vierzehnten Jahrhundert. 285

Malabayla in Avignon ausbezahlen Hefa *, letzterer war noch ein zweites Mal der Vermitder ^ ; ein drittes Mal kaufte er zu Ltittich einen Wechsel der Alberti vecchi®. Sehr genaue Nachrichten haben wir tiber den Kollektor aus dem Dominikanerorden, Johannes Schadland, nacheinander Bischof von Kulm, Hildesheim, Worms und Augsburg, der fast stets folgendes Verfahren einschlug. Er liefs das Geld (in bar oder in Wechsel ist nicht gesagt) durch deutsche Kaufleute bez. Prokuratoren nach Brügge bringen, dort wurde es den Alberti vecchi, einmal auch den Gardi übergeben*. Die Deutschen waren die Strafsburger Johannes Merswin, Hugo Spanner und Nicolaus Ventris. Johann Merswin war der bedeutendste Bankier, den in jenen Tagen Strafsburg besafs, das Vermögen des bekannten Mystikers Rulmann Merswin war durch Geld- geschäfte gewonnen, sein Verwandter Johann hatte auch sonst Geld- geschäfte mit der Kurie**. Hugo Spanner wird als Kleriker und Sub- koUektor® bezeichnet, er war dabei der Diener Merswins^. Nicolaus Ventris und Tilmann Lamberg sind nicht näher zu bestimmen. Der Titularbischof von Limisso verwendet keine Kaufleute, doch ist ihm das Geld aus der Eichstädter Diöcese durch Ulrich Stromer von Nürnberg zugekommen®. Das Gleiche gilt von Heinrich Rand, Domdekan in Bamberg, der sehr bedeutende Summen ablieferte.

Der italienischen Kaufleute bedienen sich dann drei wesentlich am Niederrhein und in den Niederlanden thätige Kollektoren : Bernhard von Berne, Kanoniker der Kreuzkirche in Lüttich, stand mit Matheus Caren- soni von Lucca, den Gardi und den Alberti vecchi in Verbindung, die Wechsel wurden in Mecheln abgeschlossen *. Johannes Vastini de Casleto, Domherr in Lüttich, leistete von zehn Zahlungen nur eine durch Jakob Malabayla*®, am meisten bediente sich des Wechsels Sigerus de Novola- pide, Dechant von St. Servatius in Maastricht. Auf die Zeit von 1363 bis 1875 verteilen sich zwanzig Zahlungen, siebzehn bez. achtzehn er- folgten durch Wechsel, von ihnen entfallen auf die Alberti vecchi neun

1 1360. Kirsch S. 386.

« 1360 S. 388.

» 1360 8. 886 f.

^ Nur einmal geht ein Subkollektor direkt, ihm hilft aber ein Faktor der Alberti vecchi. In den zwölf anderen Fällen wird stets ein Wechselvertrag Brügge- Avignon benutzt. Die Urkunden verteilen sich auf die Jahre 1364 1372. S. 393 404.

» Strafsburger Urkundenbuch 5 Nr. 1141. 1253. 1278 u. 1314. 7 Nr. 689. 938. 1100. 1254. 1468 u. öfter.

Kirsch S. 398 u. Strafsb. ürkb. 5, 844.

"* Strafsb. ürkb. 7 Nr. 1262. Er machte Geschäfte zu Frankfurt und Löwen.

« 1375 S. 415, sonst S. 401. 412 ff.

» 1372. 404. 1374. 409 f.

»0 1345 S. 292.

286 Fünfundzwauzigstes Kapitel.

bez. zeho, auf die Alberti iiuovi vier, auf die Soderini drei, auf Kauf- leute aus Montpellier einer. Die Übergabe des Geldes erfolgte sieben- mal in Lüttich, je zweimal in Mecheln und Maastricht, sonst ist der Ort nicht bekannt. Es wird wiederholt ausdrücklich erwähnt, dafs der Agent an dem betreffenden Orte weile. Nur einmal bediente sich der Dechant eines Geistlichen, die Schlufszahlung leistete er persönlich ^

Überblicken wir das Ganze, so ergiebt sich, dafs mit Sicherheit sich keine italienische Filiale in Deutschland, abgesehen vom heutigen Belgien und Holland, nachweisen läfst. Die Italiener und ihre Geschäftsart ist bekannt in Basel und Köln, also am Rhein entlang und von Venedig aus im Südosten und Osten. Das durch die Kaufleute vermittelte Geld wurde nach Brabant, namentlich aber nach Flandern, speciell Brügge gebracht, von dort aus gelangte es nach Avignon. Es machte dabei fast stets sehr erhebliche Umwege. Brügge darf als der Hauptplatz für den Wechselverkehr gelten. Eine intensive Verbreitung des Wechsels ist demnach in Deutschland nicht anzunehmen, doch dürfte, von den hansischen abgesehen, Merswin von Strafsburg und Stromer von Nürn- berg ihn benutzt haben. Mit diesen Ergebnissen stimmt vollständig überein, dafs der Tarif der Genueser Umsatzsteuer wohl W^echsel auf Avignon, Montpellier, Paris, Brügge und England kennt, aber keine deutschen, und dafs andererseits ein Wechselgeschäft zwischen Strafs- burg und Metz uns urkundlich aus dem Jahre 1328 vorliegt^.

Die italienischen Gesellschaften sind andere, als wir sie im drei- zehnten Jahrhundert kennen gelernt haben. Einige der allerangesehensten, ja vielleicht gerade die mächtigsten machten Bankerott: die erste all- gemeine Erschütterung erfolgte, so scheint es, in der letzten Zeit Papst Bonifaz' VHI. Von ihr giebt auch Villani keine Nachricht. Von Florenz waren dabei betroffen die Pulci, Mozzi und Frescobaldi, welche mit Geldern des Templerordens \erschwunden waren, von Lucca die Ricciardi, Betti und Cardelini, von Siena die ^magna tabula^ der Buonsignori ®, von Pistoja, wie schon erwähnt, die Ammanati und auch eine Firma von Montpellier (^Grozellorum*) gehörte zu denen, ^qtie nunc sunt coUapse*. All diese Häuser hatten früher für die Kurie Geld eingenommen. Um die bei ihnen ausstehenden Summen zu retten, befahl Clemens V., das Geld, das sie in Frankreich, bei den Herzögen von Brabant und Lothringen, bei Grafen, bei Städten wie Douai für die Kurie mit

1 Kirsch S. 367—377 u. 346.

2 Strafsb. Urkb. 3 Nr. 1199.

8 Auf ihren Bankbruch wirft helles Licht der Brief Philipps des Schönen an Siena bei Langlois, Revue hist. 60, 317 und die dort mitgeteilten Stücke. Sie schuldeten ihm 54 000 ^ kleiner Turnosen, er hielt sich an den anderen Sienesen schadlos.

Italiener bei Erhebung päpstlicher Steuern im vierzehnten Jahrhundert. 287

Beschlag zu belegen*. Um 1310 stürzte auch das Haus der Franzesi, das in Frankreich eine aufserordentliche Rolle gespielt hatte, man kann sich das Regiment Philipps des Schönen nicht ohne Biccio und Musciato Franzesi, diese findigen Geldkünstler, vorstellen. Was die Gründe dieser ersten bisher gar nicht beobachteten grofsen Katastrophe sind, ist nicht angegeben. Spielte das Verbot der Lombarden in Frankreich, der flan- drische Krieg, der Streit Bonifaz' VIII. mit Philipp dem Schönen mit hinein? 1326 folgte das Fallissement der Scali und Amieri, deren Bank über 120 Jahre bestanden hatte*. Dieser Schlag brachte auch die anderen Häuser in Verdacht, war aber nicht entfernt mit der Katastrophe zu vergleichen, welche 1339 ausbrach und 1346 den Bankerott der Bardi, Peruzzi, AcciajuoH, Bonacorsi, Cochi, Antellesi, Corsini, da Uzzano, Perendoli, von denen sich ja manche wieder erhoben, und die Vernichtung einer grofsen Zahl weiterer Geschäfte und Existenzen herbeiführte. Als Teilhaber der Bonacorsi und durch ihren Bankerott ruiniert, mufste der Geschichtschreiber Giovanni Villani, der vorher bei den Peruzzi Teil- haber gewesen war, in den Schuldturm wandern.

Die Bardi und Peruzzi hatten in England eine Art von Monopol ausgeübt, sie hatten die Wollausfuhr wie die Zölle unter sich und hatten den Königen, zuletzt noch Eduard IH. für seinen Kampf gegen Frank- reich stets Geldmittel vorgestreckt, so dafs beide Firmen 315 000 Mark Sterling oder 1355000 Goldgulden, „was den Wert eines Königreichs ausmacht," vom Könige zu fordern hatten, als er 1339 jede Zahlung an die Florentiner einstellte. Die beiden Häuser hatten vielfach mit ge- liehenem Gelde, ja mit dem, das kleine Leute des Gewinnes halber bei ihnen angelegt hatten, gearbeitet. Um so weiter mufste die Wirkung greifen, Handel und Gewerbe stockte, und in Frankreich wurden Kauf- leute und Waren angehalten, um an ihnen Bürgen zu haben. Giovanni Villani sah den Grund in der Geldgier, welche schliefslich blind auf einen einzigen Fürsten die Spekulation baue^. Die Florentiner waren als Bankiers grofs geworden mit Hilfe der Kirche, diese konnte auch wenn sie es gewollt hätte einen Eduard III. zur Zahlung nicht zwingen.

Von 1350 an erschienen neue Gesellschaften in Verbindung mit der Kurie. Die erste Stellung nahm Niccolo di messer Jacopo Alberti und die von ihm geleitete Gesellschaft der Alberti antiqui ein, die sich 1322

1 Reg. Clementis papae V. Nr. 7700 vom 27. Febr. 1312. Vgl. 2294. 2296. 4367. 4369. 9510. Peruzzi, Storia del commercio e dei banchieri di Firenze 153. 178. Schneider 72.

2 Villani 10, 4.

» G. Villani 11, 83 u. 12, 55. v. Rcumont, Lorenzo 91 ff.

288 FünfiindzwaDzigstes Kapitel.

neu konstituiert hatten*. Als er 1377 starb, galt er als der reichste Bürger von Florenz*. Die Alberti vecchi waren um die Mitte des vier- zehnten Jahrhunderts die erste Bank der Kurie und auch in ihren Be- ziehungen zu Deutschland. Papst Innocenz VI. wies 1355 die Erzbischöfe von Trier und Köln an, alle Zehnten an diese Gesellschaft zu entrichten*. Sehr zu beachten ist das Auftreten von Astigianen, auf die in den nächsten Kapiteln näher einzugehen ist. Langsam mufste sich Florenz aus der durch die Pest von 1348 noch verschärften Krisis wieder emporheben. Die alten Gegensätze der Guelfen und Ghibellinen waren verschwunden, seitdem die Kurie nach Avignon verlegt war, drohte der Arnostadt keine päpstliche Oberherrschaft mehr. Die intime politische Berührung der Kurie mit der Welt der Bankiers hörte auf, bis die Medici sie erneuerten*.

^ Passerini, Gli Alberti di Firenze 2, 14.

« Peruzzi 147.

Böhmer-Hub er, Papstregesten 286.

^ Die päpstlichen Registerbände enthalten unzweifelhaft viele Aufschlüsse über die Florentiner Banken, noch mehr wohl die Akten der Camera. Erst später wird dieses Bild sich völlig klären.

Dritter Teü.

IN DEUTSCHLAND ANGESIEDELTE ITALIENISCHE KAUF- LEUTE, ZOLLPÄCHTER UND MÜNZER.

Sechsundzwanzigstes Kapitel. Zasammenstellnng der Nachrichten nach Orten.

Wallis, Veveyj Lattsanne, Genf, Yverdtm, Freiburg i. Ü., Peterlingen, Murten, Thun, Bern, Bid, Solothurn, Luzem, Zürich y AaraUj Basel. Lindau, Überlingen^ Kofisianz, Freiburg i. Br., Oberelsa fs, Oebweüer, Kolmary Bappoltsweiler, ScMettstadi, Strafsburgy Lothringeny Oppenheinty Nördlingen, Efslingen, Frank furty Mainz, Bingen^ Bacharach, Oberwesel, Koblenz, Triery Luxemburg, Schöneck, Beulandy Linz, Simich, Ahrweiler y Bemagen, Siegburg y Kölny im Kölnischen. MiUlheim, Werden, Duis- burg, Soest, Osnabrück. Gladbach, Aachen. Arnhem, Boermonde, Maastricht, LütUch, Mecheln, Belgien.

Wir haben gesehen, dafs jene grofsen italienischen Banken wohl Filialen in Brügge, Brüssel, auch Mecheln und Lüttich hatten, wie zu Paris und Avignon, nicht aber auf innerdeutschem Boden. Auch andere Quellen bestätigen uns das direkt: die Peruzzi hatten ihre Vertreter in London, Paris, Avignon und Brügge^, die Alberti 1348 in Paris, Brügge und Brüssel*. Die Bardi bestellten 1314 fünf Prokuratoren für England, sechs für Flandern, vier fllr Frankreich, die Champagne und Paris®. Das grofse, namentlich in Seide, aber auch in Geld arbeitende Handels- haus der Guinigi in Lucca hatte 1371 einen Vertreter in Pisa, zwei in Neapel, drei in Brügge, 1372 ist die Zahl der auswärtigen Vertreter dreizehn, davon aufser Italien nur vier und zwar alle in Brügge*.

1 Peruzzi 251.

' Perrens 3, 258. Es fehlt auffallenderweisc Avignon.

* Staatsarchiv Florenz, Notariatsbuch des Boccadibue Biego, 1311, 1314, Fol. 150. Für die Handelsgeschichte Englands und Frankreichs enthält der Band auch sonst vieles.

^ Lucca , Staatsarchiv Liber magistrorum et eorum factorum et puerorum anmi n. d. 1371 und 1372. 1381 hat auch die Firma Boccelle einen in Paris, zwei in

Schulte, Oesoh. d. mitteUlterl. Handels. I. 19

290 Sechsundzwanzigstes Kapitel.

Nirgends werden eigentlich deutsche Plätze genannt. Florentiner und Toskaner überhaupt waren also wohl schwerlich in irgend erheblicher Zahl in Deutschland angesiedelt, um so zahlreicher aber „Lombarden".

Zunächst möge eine Zusammenstellung der Nachrichten, welche sich auf in Deutschland und der deutschen Schweiz als Kaufleute angesiedelte Lombarden und Kawerschen beziehen, folgen. Der Name Caorsiner, Cawirschin, Kawerschen und wie er sonst noch lautet, ist schwer zu deuten. Es sind alle möglichen Erklärungen versucht worden, am meisten ist aber doch die Ableitung von Cahors angenommen, wenn sich auch bisher die korrekte lateinische Form Cadurcenses nicht hat nachweisen lassen. Schon Dante hat so oflfenbar den Namen abgeleitet, wenn er im Inferno bei Beschreibung des Kreises, wo die Wucherer weilen, Caorsa nennt*, und sein Kommentator Benvenuto da Imola erklärt Caorsa mit Caturgium in Frankreich, und wirklich sind uns Nachrichten erhalten, welche den Wucher der Einwohner von Cahors belegen^.

Ich verwende hier das Wort Kawerschen in der Einschränkung auf die im Ausland angesiedelten Italiener, ich weifs sehr wohl, dafs mit- unter, in England sogar fast regelmäfsig, darunter auch die wandernden Sienesen u. s. w. mitverstanden wurden, die wir oben näher kennen gelernt haben.

W^alliB.

1291. Verzeichnis der Schulden des Bistums Sitten. »Caorsinis sancti MauriUi 26 €ß Maur. cum tisuris.* »Caorsinis de Viviaco 77 ü Laus, stib usuris pro bcumlo pastoraii et aliis ornamevdis argenteis pro capella, quas res ohligavit Petrus de Orons»* Der Bischof hatte also seinen Bischofstab versetzt. Gremaud 83, 445. 447.

1302. In den Freiheiten von Conthey wird das Recht zu testieren den usurarii zugesprochen. Gremaud 31, 40.

1304. Schuldbrief über entliehenes Geld. Geschuldet wird » Manuell j Thomt, Humberto Layoli, Francisco et Jaquemino de Antegfi . . . Lombardis, merceriis Asten- sibus et eorum sociis apud Contegium morantibus*. Gremaud 31, 97.

1314. Schuldbrief gegen Jaquemynus et Franciscua de Äntagnon et Manu£llum Thome Lumbardos, mercatores Astenses, et nuncium ipsornm apud Contegium commo- rantem, Gremaud 31, 246.

1317. In den Freiheiten für St. Maurice wird das Erbrecht auch anerkannt, falls der Erblasser ein usurarius manifestus ist. Jedoch werden von allen Freiheiten ausgeschlossen die mutuatores tenentts casa/nam mutui. Gremaud 31, 283. 286.

Brügge, Lazzari drei in Brügge, zwei in London, Cenani in Brügge, sonst nur in Italien. Es waren Seidenhändler.

1 Inferno 11, 50.

Vgl. Ehrenberg 1, 65 und Pigeonneau. Amietl,200f. Nübling, Juden- gemeinden 1, 106 f. Betreffs der Ableitung des Namens vgl. Bourquelot 2, 140 ff; Neumann368; Ami e 1 1, 188— 204; 2,273; Goldschmidt219; Pigeonneau 1, 244. Das Wort ist auch aus dem Hebräischen, von Caorsa, Cavour (bei PignerolX von der Familie der Corsiui, von einer Verderbnis des Wortes »campsor*' u. s. w. abgeleitet worden.

Lombarden in Wallis, Vevey, Lausanne, Genf, Yverdon. 291

1324. Eine Sittener Handschuherfamilie hatte von Uiomassinus Lombardus Geld und Waren geliehen, da sie die Schuld nicht decken können, übergeben sie ihm ihren genau aufgezählten Hausrat und Handwerksgerät. Sie erhalten ihn zum Ge- brauche zurück, der Lombarde erhält dafür einen Anteil an ihrem Gewinne und zwar »ad misericordiam ipsorum Lombardorum*. Gremaud 31, 461. Über Thomas- sinus und seine Nachkommenschaft zahlreiche Urkunden bei Gremaud.

1330. Aimo Graf von Savoyen erläfst für Chablais u. s. w. eine Verordnung gegen die Mifsbräuche, welche die Lomhardi casanas tenentes verüben. Eingehendes Bild ihrer Praxis. Gremaud 31, 558.

1330. Der Graf von Savoyen erläfst eingehende Vorschriften gegen die Lombardi casanas tenentes in den Castellanien St. Maurice und Saillon. Gremaud 33, 475.

1334. 1348. Lombardische Geldleiher safsen auch in Conthey und Saillon. Gremaud 32, 70. 512.

1337. Ebenso in St. Maurice. - Gremaud 32, 122.

1338. Unter dem Bischöfe Aimo von Thum erscheint neben seinem Siegel- träger Thomassinus Lombardus cixHs Sedun. als der Vertraute des Bischofs in Geld- sachen. — Gremaud 32, 134.

1338. Freiheiten der Stadt Sitten. Der Bischof darf gegen Wucherer nur vor- gehen, wenn sie als solche notorisch bekannt sind. Und nur solchen Erblassem gegenüber hat der Bischof Anspruch auf die Mobilien, die Immobilien bleiben den Erben. Gremaud 32, 160.

1349 bez. 1348. »Lumbardos casanam tenentes Palmerii Turqui in civitate Sedu^ nensü* Dieser Turchi, Bürger von Asti, war kurz vorher im Gebiete von Wallis von Unterthanen des Bischofs festgesetzt und festgehalten. Gremaud 32, 518. 478. 33, 497. 499. van Berchem 130 ff.

1351. Facinus de Saliceto Lombardus Zeuge in Martigny. Gremaud.

1361. Pahneronus Turqui de Castettario Lombardus und savoyischer burgensis de Thonon war in Wallis gefangen. Gremaud 33, 197.

Vevey.

1287. Viats Caorsinorum. Ami et 2, 265 nach Möm. et Do cum. de la Suisse Romande XVHI, 21. 22. 40.

Die Vorstadt am östlichen, also nach dem Grofsen St. Bernhard zu ge- legenen Ende hiefs „Vorstadt der Caorsiner". Ami et 2, 265.

Lausanne.

1369. Aymo Bischof von Lausanne nimmt auf zehn Jahre zu Bürgern seiner Stadt auf Oddonino Raschieri und Bartolommeo Bertone de Balbi, lombardi e merca- tanti Chieresi, Aus dem Archiv des Grafen Balbi-Bertoni. Cibrario, Delle storie di Chieri 1, 494.

Genf.

1317. »A Lombardis [nicht weiter genannt] tenentibus casanam.* Ami et 2, 264.

1358. »Aymon Asinerii» [s. Freiburg 1353] und »Fram von Medici* betreiben eine Bank. Ebda. Zahlreiche andere Nachrichten bei Sella, Borel 134 und in schweizerischen Quellen.

Yverdon.

1287. Zwei Geldhändler: »dictorum Corsinorum, scüicet Bardi et Manni*. Ob angesessen, fraglich. Ami et 2, 265 f.

19*

292 Sechsundzwanzigstes Kapitel.

Freibupfir im Üolitland«

1249. Verbot, dafs der Bürger offen Wucher treibe. Ami et 2, 213.

1295. Zwei Bürger von Bern haben 87 ^/s ü entliehen von *Maw*el€ ThanUf Georgia Asinaria et Nicoiao Alpherio, civibus Astensibus et eorum sociis, apud Frihur- gum Oechtlandie comtnorantibus*. Fontes rer. Bern. 3, 622.

1803. Aufnahme des Mannellus Thome, Georgtus Asinarit socii cives et fMrclia- totes Astenses, sowie des Aubertinus Thöme, treiben ein bedeutendes Bankgeschäft Sie zahlten jährlich 15 ü Laus, und liehen ihr 100 U , also verdeckte Vorauch bezahlung. Amiet 2, 217 f. Recueil diplom. du canton de Fribourg 2, 22.

1310. Das Bankgeschäft erweiterte sich. Teilhaber: Manuel Thome , Albertus Thomef Georgius Asinarius et Menfriodus Alferius eitles et mercatores Astenses stUque collegae in dicto Friburgo commorantes, Amiet 2, 219.

1388. Die Herrschaft Spiez schuldet in tisura an Aubertinus Tome, civis et mer- cator AstensiSy burgensis de Friburgo^ 68 ü 10 JJ. Font. rer. Bern. 6, 489.

1841. Lombardi casanam tenentes Friburgi. Amiet 2, 221.

1858. Der Lombarde Aymonetus Asinarius wird in das Bürgerrecht auf- genommen. — Amiet 2, 221. 298.

1856—59. Eine oder mehrere Banken werden gehalten von: Ayinonetus Asi- narius, Franciscus de Medicis, Jaquiminus de Salliseto, welche einer Bank angehören, dann von Petrus Asinarius, Andelotus Thome und dessen Sohn Mermetus Thome. Aus einem Notariatsprotokollbuche erhalten wir über ihre Geschäfte die genaueste Aus- kunft. — Amiet 2, 222 245. (Die Familien Asinari und de Saliceto erhielten auch Beamtungen und gingen Ehen mit Leuten aus der Gegend ein. Amiet 2, 245 f.).

1898, Jacob Barguein, Kaufmann und Bürger von Freiburg, leiht Geld aus. Wohl aus der Familie Bergognini. Amiet 2, 248.

1899. NobiUs atque potens vir Aymonetus Ruer de civitate Astensi, dominus Padiovarinus kauft von den Grafen von Greyerz die Herrschaften Oron und Pale- sieux. Unter den Zeugen: Dominitus Testa dt Avülian, mercator, vielleicht Lom- barde. — Amiet 2, 248.

1899. Der Lombarde Ottolin von Saliseto zu Freiburg Geldgeschäfte. Amiet 2, 249.

1402. 1408. Junker Percivall Rueri, ßius Aymonti Ruarii domini de Podiovarino, civis Astensis verkauft die beiden Herrschaften. Amiet 2, 249. 251.

1408 1411. Oddoninus Asinerii, domiceUus, Gläubiger des Grafen von Greyerz, wird sein Kastellan in den Herrschaften Aubonne und Coppet. Streitigkeiten. Amiet 2, 251 ff.

1407—1418. Rolet Bargueyn, Otto von Saliceto und andere Gläubiger der Greyerz. Amiet 2, 254 f.

1418. Otto von Saliceto, Gläubiger derselben. Amiet 2, 256.

1445 60. Anton von Saliceto, ein reicher Zinsherr (versteuert 1445 20000 Pfund). Führer der savoyischen Partei, 1460 hingerichtet. Büchi, Freiburgs Bruch mit Osterreich an vielen Stellen.

Peterlingren (Payerne).

1804. Die Gemeinde Biel hatte einen WilUermus Lomhardus gefangen gesetzt. Die von Peterlingen erklären, er sei ihr Bürger. WiUiermetus et Dominicus Lom- bardi, burgenses Patemiaci et in Patemiaco residentes beschwören, dafs alles Geld und alle Waren, die W. bei sich hatte, ihr oder Peterlinger Bürger Eigentum sei. Font. rer. Bern. 4, 201.

Lombarden in Murten, Thun, Bern. 293

Murten.

1309. Wühelmus Lomhardus, burgefisis de Mureto, Zeuge in zwei Urkunden. Font. rer. Bern. 4, 378 f.

Um 1400. Wohnte hier (1897 als Kastellan) Ottonino Asineri s. sonst Frei- burg i. Ü. Ami et 2, 252. 2, 315. 1, 255.

Thun.

1328. In einem Zahlungsregister des Kl. Interlaken erwähnt: •Lomhardu ohne Angabe des Wohnortes, zunächst ist wohl an Thun zu denken. Font, rer. Bern. 5, 625.

1337. Aufnahme von Franco, Otto, Bernhard, Secundus uud Wilhelm Gutweri von dem Kastell, Bürger zu Asti, Andres und Peter, ihre Vettern, ihre Gesellen und ihr Gesinde auf zwanzig Jahre (Filiale der Bank in Bern). Ami et 1, 24S. 2, 290. Font. rer. Bern. 6, 376.

1469. Hiefs noch ein Thor Lamparterthor. Ami et 1, 249.

1269. Graf Philipp von Savojen erhielt als Vertreter des Reiches *a OionifUB Bemam adtuntibus et ibidem negoUa sua aduris* 60 i/ Viennenses. Deutet auf längere Ansiedlung. Amict 1, 230. Cibrario, Operette 83.

1282. Ein Schuldner verpflichtet sich zur Bezahlung einer Schuld eventuell Geld aufzunehmen a Judeis vel Caviwercinis. Font. rer. Bern. 3, 336.

1312. Kaiser Heinrich VII. verpfändet an die Grafen von Bucheck neben dem Zoll die Catverschin, von den Bucheckern 1815 verpfändet. Amiet 1,232. Font, rer. Bern. 4, 639 ff.

132 . . Otho Guttverii de Bemo genannt in einer Urkunde des Bischofs von Sitten welche nicht Geldgeschäfte betrifft. Font. rer. Bern. 5, 645.

Vor 1324 1334. Otto und Stephan Gutverius oder Gutweri von dem Kastell, Bürger zu Asti, lassen sich nieder; tief bei ihnen verschuldet waren die Freiherm von Weifsenburg und Peter von Turn von Gestelen, die Lombarden waren viel- leicht mit zwei Bernem associicrt, einer heiratete eine Bemerin. Amiet 1, 235—9. Font. rer. Bern. 6, 147. 150. 158.

1335—41. Weitere Nachrichten über Verschuldungen bei den Herren von Weifsenburg. Font. rer. Bern. 6, 163. 193. 6. 7. 573.

1330. Der Lombarde Stephan (nach dem Siegel GuUuerit), Bürger zu Bern, bevollmächtigt zwei Bemer Bürger, sein Burgrecht zu Freiburg L Br. aufzusagen. -^ Font. rer. Bern. 5, 741.

1331. Graf Hugo von Bucheck verkauft das Pfandrecht an den Gauwerschen an die Stadt, 1348 von Karl IV. bestätigt. Amiet 1, 233.

1336. Otto Lombardus . . . Wernhems Cauwersi Zeugen. Fo n t. r er. B ern. 6, 262.

1337. Otto der Lamparte besitzt aufser seinem Sefshause ein halbes Haus in Hormannsgassen. Nach dem Siegel: Otto Guttveri. Font rer. Bern. 6, 346.

1338. Otto Lombardus Zeuge. Font. rer. Bern. 6, 399.

1338. Stephan Gutweri und Bernhard. Amiet 1, 293. Font. rer. Bern. 6,405.

1350. Cünrat von Schamachthal ist verschuldet bei Bernhard dem Lamparter. Font. rer. Bern. 6, 540.

1357. BefiedicttM ac Julianus et Symon Lombardi residentes in JBemo, schwerlich Gauwerschen. Amiet 2, 235.

1376. »Vincencijen Lamparten zalt von wegen des burgrechts 5 gttldin,* Stadt- rechnung von Bern. Arch. d. bist. V. Bern 14, 440.

294 Sechsundzwanzigstes Kapitel.

1376. »V(yn dien Lamparten ze zins von dem bangk 150 phunU. Arch. d. bist. V. Bern. 14, 440. Ferner genannt Clemn Lampart. Ebda. 472 f. 495. Stephan Lampart zur Kundschaft verwendet. Ebda. 498.

1380. Stephan CrutvaHus, Bürger, Leon, sein Bruder, Hantzman, Sohn des ver- storbenen Clewi G. Ami et 1, 240.

1386. Statut, dafs Juden und Lampartcn ihre Forderungen, die auf Liegen- schaften festgelegt sind, innerhalb Jahresfrist einziehen sollen. Amiet 1, 243. 2, 306.

1391. Erwähnt, dafs die Lombarden einen Freiheitsbrief auf Zeit hatten. Amiet 1, 244. 2, 306.

1395. Nach dem Tode des Lombarden Anton von Septimis war sein Nachlafb eingezogen, sein Sohn Hensli erhält ihn z. T. zurück. Amiet 1, 244. 2, 307.

Anf. s. XV. In Bern Vinzenz von Troya, von Asti und Odyn Gambarii. Ersterer war hier associiert mit Friedrich von Koche (s. Zürich und Luzem). Amiet 1, 245. 2, 280 f.

1405. Drei Lombarden angesiedelt, welche mit Schiefspulver handeln. Amiet 1, 245.

Vor 1417. In Bern angesiedelt Jakob von Madiis, auch Jakob Squacini oder Jakob von Mündris (Mendisio) genannt ; derselbe bleibt trotz der Bestimmung wohnen und wurde der Begründer der in Bern und Augsburg blühenden Familie von Mai, deren später mehrfach zu gedenken ist. Amiet 1, 247 ft".

1427. Christus und Maria zu Lieb sollen auf ewig keine Juden, Lombarden und heimliche Wucherer mehr aufgenommen werden. Amiet 1, 246. 2, 322. Hub er, Privatrecht 4, 307 N. 10.

1466 April 24. Jacohus de Madiis dictus Scatzinus. Unsere Urkunden Nr. 296.

1480 Juli 10 bis 1508. Die Stadt Bern empfiehlt an die Beamten des Herzogs von Mailand Criato forum de Pandiano urhis nostre ivvol4im et civem. Sein Sohn Thomaxinus erscheint seit 1481. Der italienische Name heifst de Pangiatis. Es er- scheinen auch ein Jacohus de F., Sohn des verstorbenen Dominicus und ein Antonius, später ein Johannes Baptista und Marcus de 1\ Sie betreiben wie die Mai Handel nach Italien. Weitere Nachrichten zu 1485 März 10, 1497 Juni 19, 1501 April 8, Juli 12, 1503 Juni 23, 1508 März 27. Staatsarchiv Bern.

1482/3. Akten einer Erbschaftssache, die sich zwischen Chieri und Bern ab- spielt. — Staatsarchiv Bern.

BleL

1305. Gelegentlich einer Aufnahme von Juden behält sich die Stadt vor, auch einen Kawerschen aufzunehmen. Amiet 1, 249. 2, 284. Font, r er. Bern. 4, 218.

1397. Aufnahme des Lombarden Otto genannt von Berris von Ponzano (einem Dorfe nordöstlich von Asti) samt Gesinde auf zehn Jahre. Jährliche Steuer 20 fl. Sehr genaue Bestimmungen, auch über den Zinsfufs. Amiet 1, 251. 2, 310.

Solothurn.

1288 1342. Eine Familie genannt Lampart. Amiet 2. 165.

1359. Ungen. Lombarde (Gläubiger der von Kienberg. Amiet 166.

1361. Kaiser Karl IV. giebt u. a. an seinen Vogt, Ritter Burkard Mönch von Landeskron den Alteren, die „Rechtunge", d. h. die Abgabe der Lombarden von S., später 1405 1407 hatten sie die Sickingen. Amiet 2, 185.

1364. Ungen. Lombarde Gläubiger der Grafen von Habsburg -Laufenburg. Amiet 2, 167.

Vor 1372. Ungen. Lombarde Gläubiger der Grafen von Kyburg. Amiet 2, 168.

Vor 1372. Mafe, Gläubiger des Cuno von Nyeus. Amiet 2, 172.

Lombarden in Solotkurn und Luzem. 295

1375. »Mapheus Merlo von Sant Salvart, damals zu Asti, Gläubiger des Grafen von Neuenburg. Dieser Maffeo nannte sich von St. Salvator (bei Alessandria). Amiet 2, 173.

1377. Mapheus Merlo und Petermann auf zehn Jahre als Bürger aufgenommen. Gesamtsteuer für die ganze Zeit 400 fl. Genaue Bedingungen, auch Zinsfufs. Amiet 2, 171.

1382. Mapheus und Petermann Merlo, Gläubiger von Adligen. Amiet 2, 181. 1384. Dieselben leihen der Stadt Bern 2060 fl. Amiet 2, 183. 302.

1396. Wurde Anton Pavon von Guaschis, Bruder eines Merlo, Notars in S. Salvatore, in Solothurn gefangen gesetzt. Amiet 2, 187. 308.

1404. Vinzenz von Troya von Asti. Zeuge Albrecht Merlo. Amiet 2, 188.

1408. Albrecht Merlo, Bürger von Solothurn, Anton und Franz, seine Brüder, im Bürgerbuche. Sie zahlen 10 fl. Amiet 2, 189.

1421. Albrechts Tochter Elisabeth heiratet den Lombarden Facin Roba, wohn- haft zu S. Auch Albrecht wohl Inhaber einer Bank. Amiet 2, 195. 319.

1433. 1436. »Fatzin Eoba ein Lamparter*, Bürger und angesessen zu S., nicht festzustellen, ob Gcldhändler. Amiet 2, 285.

Luzern.

1296. Eine Kaufmannsgesellschaft, bestehend aus JReymunt Vollin, Leona Schef' fanin, fratres de Valetis, et Gahcdn de Layolis und den Brüdern Thomas und Sjmonin von Bruama, war mit der Stadt in Streit geraten und zahlt 240 ft Münze an den Bau derselben. Geschichtsfreund 20, 311, Amiet 2, 144 und v. Liebenau, Regesten 19, 317.

1298. Ein Streit, der zwischen Basel und Luzem, zunächst zwischen einzelnen Bürgern (unter denen von Luzern Galwan der gauwerschin) , ausgebrochen war und sehr hart geworden war, wird beigelegt. Amiet 2, 145. Basel. Urkb. 3, 225.

1308. Die Stadt Luzem versöhnt sich mit Zürich wegen der Gefangenschaft Gelwans von Aste und zweier mit deutschen Namen. Amiet 1, 145. Kopp, Urk. 2, 176.

1333. Die Herzöge von Osterreich verleihen Pfänder weiter, die ihnen durch den Tod Gelwans des »Kaurschin* frei geworden sind, der ihnen Geld geliehen hatte. Amiet 1, 145.

1347. Meilun von Manta, Herrn Brandan Pelettes Diener, schwört Urfehde. Amiet 1, 146. 2, 291.

1349 1393. Etabliert sich eine Bank: Teilhaber Thoman von Troya, Manfred von Berge (v. Rocha) und Friedrich sein Sohn „Lamparter von Ast^. Rocca d*Arazzo liegt bei Asti. Die Aufnahme erfolgt auf fünfzehn Jahre. 1361 erscheinen die beiden ersten nicht mehr, dagegen neu Vinzenz von Tum, 1363 neben Friedrich von Rocca: Jakob, Thoman, Albrecht und wieder Manfred, 1393 Franz, Sohn des Jakob. Zum Gesinde gehört 1365 Anton Penenghi. Amiet 1, 147. 2, 292.

1361. Diese Bank streckt Johann von Rudenz, Landammann von Uri und seinen Verwandten Geld vor. Die als üblich bezeichneten Verzugszinsen (wöchent- lich 2 ^ vom it) == 43,3% jährlich finden sicli auch in den meisten folgenden Ur- kunden. — Amiet 1, 149.

1363. Gläubiger der Grafen von Kiburg über bedeutende Beträge. Ami et 1, 150.

1371. Gläubiger des Luzerner Bürgers Ulrich Wagen. Amiet 1, 154. 2, 297.

1374. Gläubiger des Freiherrn Franz von Sax zu Misoz. Amiet 1, 154.

1383. Die Stadt stellt einen Beamten zur Besorgung des Geldwechsels auf, Stand im Hause der Kauwerschen. Amiet 2, 161. v. Liebenau, Das alte Luzem 250.

296 Sechsundzwanzigätes Kapitel.

1385. Thomas Pelletha der Lamparter von Ast, Bürger von Zürich, verpflichtet sich, in Luzem kein Geld mehr auszuleihen, so lange das Luzemer Burgrecht Jakobs von Berg und seines Bruders »uteer Lamparter* währet. Ami et 2, 156.

Ca. 1387. Thomas et Manfreäus de La Bocha waren durch den Sempacher Krieg schwer geschädigt. Thomas war im Gebiete von Luzem gefangen gesetzt, ihren Schaden berechnen sie auf mehr als 10 000 fl. Der Herzog Joh. Galeazzo von Mai- land nimmt sich ihrer an. Ami et 2, 157. v. Liebenau, Regesten 20, 144 ff.

Vor 1388. Heinrich von Afoos, Kaufmann von Luzem, bediente sich bei seinen bedeutenden Spekulationen des Geldes des »CauioeraMn* Amiet 1, 156.

1893. Das Bankhaus de la Rocca ist in einen Prozefs verwickelt und ver- pflichtet sich in Luzem Recht zu nehmen. Das Haus, in dem die Gauwerschen wohnten, ist genau bekannt (seit 1505 Apotheke). Amiet 2, 158.

1395. Notiz über eine Urkunde, dafs die Luzemer die Lamparter von Frazinello und Salizetto in ihr Bürgerrecht aufnahmen. Amiet 2, 285.

Zürich.

1304. »Cavertsclien* erwähnt im Züricher Richtebrief. Verbot, auf kleine Quanti- täten Seide oder auf Kirchengüter zu leihen. Amiet 1, 223. Richtebrief, Archiv f. Schweiz. Gesch. 5, 263.

Vor 1304. »Cawrtschin* dürfen nicht höher Geld ausleihen, als zu 43,3 ^/o jähr- lich (wöchentlich 2 ^. vom Pfund). Amiet 1, 224. Richtebrief 5, 263.

1324. 1340. 1343. 1351. 1364. Weitere Statuten betreffs Geldhandel und Geld- wechsel. „Gauwertschin" erwähnt. Amiet 1, 226. Stadtbücher S.33, 66, 136, 208.

1349. Brandan Paletta von Asti (s. Luzem 1347) wird aufgenommen, darf 43,3®/o nehmen. Amiet 1, 227. Schinz 89.

1349. Zwei Schuldverschreibungen eines Ritters aus Zürich gegen Brandan Belletta. Verzugszins 43,3 ®/o jährlich. Amiet 2, 275. 291.

1357. Benedüius niger (magister?) Mussus Lomhardus residens in Thurego schwer- lich Gauwerschim, da er Leder gekauft hat. Amiet 2, 235.

1358. Kaiser Karl IV., sollen dem Rudolf von Wart die Kawerschen und Juden als des Reiches Kammerknechte überlassen. Böhmer-Huber 2855.

1359. Kaiser Karl IV. an Zürich wegen der Kawerzin, die wie die Juden der Kammer zu dienen haben. Amiet 2, 276.

[1362]. Absage von zwölf Leuten »von, der Caicerschin icegen* Stadt- bücher S. 205.

1363. Aufgenommen Friedrich und Jakob von Berg, die Lamparter von Rocha mit ihren Brüdern Thomas, Albrecht und Manfred auf zehn Jahre. Müssen einmal 1000 fl. zahlen. Amiet 1, 227 f. 2, 277.

1363. Friedrich von Berg von Rocka und seine vier Brüder kaufen das Haus des verstorbenen Bürgermeisters Rudolf Brun, das sie 1383 wieder verkauften. Unter den Zeugen: Franciscus von Rocka. Amiet 1, 228. 2, 279 f.

1364. Graf Johans von Neuenburg Schuldner »Brankartz genempt Peleta von Ast in Lamparten Burger ze Zürich«. Amiet 2, 281 und 295.

1366. »Brantass Pellet der Lamparter* war von den Zürichern gefangen gesetzt, seiner nahm sich der Freiherr Heinrich von Rüssegg an, der Züricher angriff. Sühne des Streithandels. Amiet 2, 281 und 296.

1369. Die fünf Gebrüder von Berg (de Berg de Bocha) werden ins Bürgerrecht aufgenommen, ebenso schon vorher Frandscus de Bocha Lomhardus. Amiet 2, 279.

1376. Austreibung der Cauvertschen angedroht, ob so richtig? Amiet 1, 228.

1380. An ThomanPellet den Lamparter, Bürger von Zürich, hatte der Bürgermeister Ritter Rüdiger Manesse die Fischenz in der Stadt verpfändet Stadtbücher 264.

Lombarden in Zürich, Aarau, Basel. 297

1381. •Matheus Feilet von Ast der Lamparter* wird als Bürger aufgenommen. Amiet 2, 281.

1383. Die Stadt verlangte von den Lamparten von lAitzem* als ihren Bürgern, dafs sie in der Stadt ein Haus besafsen und behielt deshalb den Kaufpreis des von ihnen verkauften Hauses ein. Stadtbücher 269.

1385. 1388. 1412. Das Bürgerbuch von Zürich enthält noch folgende Einträge, welche jedoch wohl mit einer Ausnahme sich auf Warenhändler beziehen: 1385 Michahel von Fungnano der Lamparter von Meilan, 1385 Fhilippus de Fufignano Lo7nhardus de Mediölano, 1388 Johannes de Cavete von Chum (Como), 1412 Hans von Mente genannt Gawersch. Amiet 2 282.

1385. Thomas Pelletta, Bürger von Zürich, s. Luzem. Amiet 1, 228.

1390. Jacob, Thoman, Manfred von Berg, die Lamparter von Rocha waren der Stadt Zürich ungehorsame Bürger geworden und kamen deshalb auch in Luzem in Acht. Amiet 2, 283.

1397. Wilhelm von Tongo, der Gawersch, soll zum Unterhalt seines aufser- eheljchen Kindes angehalten werden. Stadtbücher 321.

1404. Ludwig Gawersch, Zeuge in einer Urkunde. Amiet 1, 230.

1405. »Mathe Belett der Lamparter v. Ast, hurger Zürich^ kauft ein Pfand, das die Herrschaft von Hohenklingen hat versetzen müssen, und veräufsert es wieder (Ankauf 121 fl., Verkauf 141 fl.). Amiet 2, 281 f. und 316 ff.

1409. Aufnahme von »Antonius Marchio Feletten^ Tfiomans P. seligen sun* und Erben auf 24 Jahre mit ganz eingehenden Bestimmungen. Die Stadt empfängt als einmalige Entschädigung sofort 2800 fl. Amiet 2, 282. Zeitschrift f. Schweiz. Recht 4, 2. 32.

1424. Vorgehen gegen die Kawerschen, sollen ihre Geschäfte abwickeln. Amiet 1, 228 f.

1432. Der „Gawersch" soll nicht mehr nehmen als 1 ^ vom Pfund in der Woche, das sind 21,6 «/o für das Jahr. Amiet 1, 229. 2, 323.

1433. Thomas Pelleta aufgenommen auf zwanzig Jahre, zahlt einmal 1000 fl. Scheint aber sofort nach Überlingen haben übersiedeln zu wollen und wird ihm die Hälfte wohl an der Zeit erlassen. Amiet 1, 229. 2, 323.

O. J. Parzifalis gen. Kawerschi von Asti und seine Frau Balsama im Jahr- zeitbuch der Propstei Zürich. Amiet 1, 230.

AaraiL

1312. Johans der Gautcerschif Zeuge in einer Urkunde. Boos, Aarau 25.

1319. Ebenso derselbe mit seinen Söhnen Wemher und Budolf. Boos, Aarau 32.

1322. Derselbe »Johans der Gauwerschi von Aroice* , Zeuge. Boos 35. Amiet 2, 269.

Basel.

1253. HeinriiMs Lumhardtm .... mile.^ unter den Zeugen einer Urkunde, durch die das Kloster Murbach Güter an einen Ritter von Basel verkauft. Also vielleicht nicht nach Basel gehörig, vielleicht auch nicht Lombarde. Bas. Urkb. 1, 193.

1278. In civitate BasiUensi se2ielierunt fratres Minores cauirircinum , . , in magnum 9uorum scandalum vicinorum, Ann. Co Im. M.G. 17, 203.

1293. Hugo dictus Lanparten in Basel wohnend. Bas. Urkb. 3, 73.

1290. Bertschin, der Sohn eines reichen Lombarden AlberÜinus, der mehrere Häuser besafs, flndet sich im Baseler Urkunden buch nicht. Amiet führt femer an 1305 Hugo dictus Lamparter, um 1300 Alexander Lonibardus und Cofiradus Lamparte,

298 Sechsundzwanzigstes Kapitel.

Auch erinnert er an die Lampartergasse und zwei darin stehende Häuser Mai- land. — Amiet 2, 201.

1359. Leonardus Rotarius civis Astefisis und ahhas Warinus de Monte Ferrato hatten bei dem Baseler Zunftmeister in der Judenschule Sachen in einem grofsen Ballen, der vier kleine Ballen umschlofs, hinterstellt und empfingen sie zurück. Quittung. Baseler Urkb. 4, 229 f.

1374/5. Ein italienischer Cauwertsche, Ceccopieri, der seit 1371 als Bürger vorkommt, war städtischer Münzmeister. Stammvater der Zsscheckenpurlin. Geering 174.

1392. 1395. Heinrich Zscheggnbürlin, Wechsler. Baseler Urkb. 5, 200 u. 220.

1449. Lamprecht von Lamperteschys, Bürgern von Basel. Ebda. 7, 400.

Lindau.

1294. Graf Hugo von Bregenz hatte bei »Jacobus Kortcerzinus de Lindow ge- liehen 50 Mark Silber; Abrechnung nach zwei Jahren: Zinsenzuwachs: 80, Schuld- summe: 166 Mark (sie !) , Abrechnung nach weiteren zwei Jahren (6 Jahr!): Zinsen- zuwachs: 160, Schuldsumme: 226 Mark, Abrechnung nach weiteren zwei Jahren (8 Jahr!): Zinsenzuwachs: 320, Schuldsumme: 64G Mark. Diese Summe bezahlt Graf Hugo, er hat also in acht Jahren 1192 ^/o Zins oder für das Jahr (gleiehmäfsig ver- teilt) 149 ^/o entrichtet. Bei Annahme von sechs Jahren Dauer der Schuld 53,18 */o, bei acht Jahren 37,6 ®/o Zinseszins. Mohr, Cod. dipl. 2, 193.

Übeplingren.

1433. Thomas PeUeta scheint 1433 seinen Wohnsitz von Zürich hierher verlegt zu haben, jedenfalls hatte er die Absicht. Amiet 1, 229.

Konstanz.

«

1282 November 18. Die Stadt siedelt mit Zustimmung des Bischofs und des Domkapitels Francesco Sharata de Aste und drei Genossen als Mitbürger bei sich an. Unsere Urkunden Nr. 325.

S. a. Die Stadt Konstanz an die Stadt Asti. Sie hat wider ihren Wunsch auf das Andrängen ihrer strengen Herrschaft den bei ihnen angesiedelten Astigianen das Bürgerrecht aufkündigen müssen. Die Datierung Beyerles, der die Urkunde in die Zeit des Bischofs Heinrich von Brandis (1357 83) verlegt, halte ich nicht für zwingend. Sollte die Urkunde nicht vorher anzusetzen sein? Beyerle 24.

1354. » Vro Ur stillen, Hainrichs sälgtn Munthratz de? l'awerz (an dem Worte ist radiert, k und erz sind ganz deutlich, das a ist ebenfalls erkennbar, nur das w ist völlig erloschen, jedoch genügt der freibleibende Platz gerade für ein kleines w), ains burgers ze Costencz elicher toirten* wird eine Gülte verkauft. Konstanz. Stadt- archiv, Original, mitgeteilt von Bejerle.

Freibupgr im Breisgrau.

1304. „Franciscus von Asti, ein lombardischer Handelsmann, Bürger in Frei- burg, schenkt der Stadt die ihm schuldigen 350 Mark Silber." Kindler v. Knob- loch, Oberb. Geschichtsbl. 23.

1314. Andreas von Ast, ein Lamparter des Hauses zu Freiburg, erklärt, von Markgraf Rudolf sei. von Hachberg eine Schuld bis auf einen kleinen Rest getilgt erhalten zu haben. Fester, Reg. h 591. Dieser Familie rechnet Kindler v. Kn. noch andere bis 1343 vorkommende von Ast zu, die aber nicht weiter in Handels- sachen erscheinen.

Bis 1330. Besafs dort Burgrecht der Lombarde Stephan Guttuerii, der damals nach Bern verzog. S. dort. Font. rer. Bern. 5, 741.

LombardeD in Freiburg i. Br., Oberelsafs, Gebweiler, Kolmar u. s. w. 299

1336. Auf Bitten des Grafen Conrad von Freiburg nimmt die Stadt » Wient Isnart Toman Isnartz sun von Warfener und Wilhelmen Cornelia t^on Winfinar Lam- pariere* als Seidner auf zwanzig Jahre auf. Schreiber, Urkb. 1, 323.

Oberelsafs.

1331. In der Satzung über den freien Zug im Elsafs an der sich die Herr- schaften von Österreich, Pfirt, Strafsburg (Rufach) beteiligen wird bestimmt, dafs an einer Schuld einer Stadt oder eines Dorfes bei Juden, Kawertschen oder Christen der abgezogene nicht beteiligt sei. Baseler Urkb. 4, 89, 37.

Gebweilep.

1293. •Cauwvrctni in Gehiwilre turpiter capiuntur ab ahbate Morhachcensi," Über die Schulden desselben bei italienischen Kauf Leuten s. oben. Ann. Co Im. M.G. SS. 17, 220.

Kolmar.

1337. Die Gebrüder Petrus^ Matthatus^ Nicolinus und Fraficiscus de Caprüio aus dem Montferrat in Kolmar angesiedelt. Unsere Urkunden Nr. 317.

1364. Lamparter. Ami et 1, 211, ohne Quelle.

Rapoltsweller.

1342. Murrin der Lampertcr kauft mit den Herren von Rapoltstein ein Haus, „die Trinkstube«. ßapoltst. Urkb. 1, 401 f.

Schlettstadt

1360. Karl IV. verleiht die 6 Mark Silber, die er auf »den Katvirschin, die sich Lamparter nennent*, in seiner Stadt Sehlettstadt hat. Ami et 1, 211. B.-H. 3117.

Strafsburgf.

1340. 1341. Johannes Kauwerscher^ Schiffer in Strafsburg. Strafsb. Urkb. 7 Nr. 265 und 292.

Lothringren.

Auch dort Lombarden angesiedelt. Vgl. die höchst wertvolle Urkunde bei Calmet 2, 799. Digot 2, 370.

Oppenheim.

1291. Henricus dictus Lumhardus civis Oppetiheimensis. Stobbe, Zeitschr. f. Handelsr. 8, 47.

1360. Karl IV. erlaubt dem Schultheifsen zu O., Kauwerschen in die Stadt auf- zunehmen und ihnen Bürgerrecht zu geben. Böhmer-Huber 3375. N e u m a n n 368, Glafey 408.

1434. Ein Hof zum Lamparten. Ami et 1, 210.

Nördlingren.

1322 November 29. König Ludwig IV. gestattet »Bainero Berotzo et Chaldoni fratrihus de Macis et Scolari ßio quondam Vanni de Zedenellis civibus et mercatoribtis de Florenda et sociis', sich zwei Jahre in N. aufzuhalten und ein drittes »ad exigendum debita sua*, Sie sollen dieselben Freiheiten haben wie die Bürger und zwar: sine exadione. Oefele, Script, rer. 1, 742. Böhmer, Reg. Ludw. Nr. 497.

Efslingren.

1334. In einer Erbteilung genannt Hof Hermann »Kawertzins* in anderer Aus- fertigung Hermann »Kaurtzea*. Efsl. Urkb. 322, 16.

300 Sechsundzwanzigstes Kapitel.

Frankfurt a. M.

1339. 1346. Eberhardus dicttis Kauwerzan. Bürgerbuch I und Bedebach.

1359—1376. Juttt Kauwerzenen, Steuer 17 jff 4 h und 3 jff 4 h für Pfaffengülte. Bedb. IIb. Erscheint auch 1361, 62, 64, 68, 71, 72 u. 76.

1371—1405. Ihr Sohn: WerUzel, der 1398 Bürger wird, höchste Steuer 1389: 4 « 2 jff 8 h.

1385—1389. Katherine Kauwer/inen: 33 sol. 1389: ist äot

Nach den Mitteilungen von Professor Bücher in Leipzig.

Mainz.

1332. Der zu diesem Jahre genannte »Eberhard Cautcerzin* ist wohl ein Nach- komme eines Kauwerschen. Städtechroniken Bd. 17. 21, 1. 359,33. 361,34. 362,3.

Bingren.

1353. Schuldbrief eines Kitters gegen Lewe Ottin, Kaufmann von Asti, •oppi- danvs Pingwensis* über 400 Goldgulden. Schunck 1, 74.

1356 August 18. Erzbischof Gcrlach gestattet Bernhard v. Pomario, Jakob und Martin von Broglio, sich zehn Jahre in Bingen anzusiedeln. Zahlen jährlich 150 fl. Bhein. Antiquarius 2, 20, 762. Reg. Boica 8, 357.

1363. Erzbischof Gerlach nimmt mit Zustimmung des Kapitels: düectos famüiartB Richardum de Montemagno^ Georgiutn de Pomario et Martinum de Brolio Latnbardos mercatores Astensefm mit ihren Brüdern, Erben und Genossen zu Bürgern von Bingen auf, so jedoch, dafs Reinhardus Ottinus, Johannes dt Montesia senior et Leo Ottinus filius quondam Leofiis Ottini y die bereits dort augesiedelt sind, wohnen bleiben können. Der Brief, welcher sehr eingehende Bestimmungen enthält, gilt auf fünf- zehn Jahre. Andere italienische Kaufleute sollen in Bingen nicht angesiedelt werden. Wenn einer zum Sterben kommt, soll ihm nach vorhergegangener Reue die Beichte, der Leib des Herrn, die hl. Ölung und auch das Begräbnis nicht ver- weigert werden. Sie zahlen jährlich 150 kl. fl. von Florenz. In der Form ist diese Urkunde aufserordentlich ähnlich der des Herzogs Wilh. von Jülich von 1361. Schunck 1, 71.

1364. Richard, Jakob und Martin von dem grofsen Berge, Gesellen »Lampartirm^ gesessen zu Bingen, erlaubt Erzbischof Gerlach sechs weitere Jahre zu sitzen. Sie zahlen dafür jährlich 150 fl. Bodmann, Rheingauische Altertümer 716.

1371. Erzbischof Johann bestätigt den drei genannten diese Urkunde. Schunck 1, 74.

Zw. 1373 79. Erzbischof Adolf bittet Lewin Ottini um Ausstand für eine Zahlung von 300 fl. Ebda. 1, 89.

1375. Der Rentmeister des Erzbischofs von Köln giebt Lewen Ottin und seinem Gesinde freies Geleit durch seines Herren Land. Schunck 1, 97.

1375. Geschäftsbrief des Johannes de Motttesia und Symondus an LeoneUus Ottinus zu Bingen. Es handelt sich um den Erzbischof von Köln, einen Herren von Saffenberg und Joh. vomme Stejne und von ihnen gegebene Briefe, offenbar Geld- geschäfte. Schunck hatte noch viele Geschäftsbriefe zu Händen. Schunck 1,98.

1377. Erzbischof Adolf erneuert den Brief Erzbischofs Gerlach von 1363 für Georgius de Pomario y Egidius et Martinus filii quondam Martini de Brolio. Neben ihnen sind angesiedelt Johannes et Albertus de Montesia fratres, Godfridus dictus Quombart eorum nepos, Leo Ottinus, Gerliardus et Burchardus dicti Leonis fiUi. Zeit : 15 Jahre. Ebda 1, 74.

1380. Kurfürst Adolf von Mainz giebt Lewen Ottjn, »unserm Lamparter zu Bingen* 2 Tumose auf den Zoll zu Gernsheim. Schunck 1, 90.

Lombarden in Bingen, Bacharach, Oberwesel. 301

1380/81. Drei Briefe: Bernardus de Pigwea^' ^ Studenten zu Paris, an seinen Vater »Leani Ottino Seniori moranii in Pigttia*. Auch Namen von Deutscheu kommen darin vor, z. B. »patrwas meus Nicolaus Liebenson«, so dafs man sieht, wie stark sich die Familien eingelebt hatten. Schunck 1, 91.

1385. Mattheus Lamparter zu B. hatte an Erzbischof Adolf 150 Goldgulden zu zahlen. Bodmann 716.

1398. Buhard, Sohn Lcwins des Lamperters zu Bingen, Karthäuser, schenkte dem Rate zu B. zur Erweiterung des Friedhofes das Haus seines Vaters: »zur er? gatzunge und karunge soliches wuchergeües, da^ eUcan Leice der Lamparter, sin vater^ uffgehohen* u. s. w. Offenbar ist Buhard mit dem Pariser Studenten Bernardus und dem Burchard von 1377 identisch. Bodmann 716.

Mitte s. XV. Die Lombarden von dort vertrieben, das Domkapitel gelobt, keinem mehr Aufnahme zu gewähren. Ami et 2, 271. Auf Grund Bodmann 716.

Bacharach.

1367. „Pfalzgraf Ruprecht I. giebt Johann von Montafje und Matheus Turell(?), Lombarden, das frühere Zollhaus in Bacharach gegen jährlich 45 Gulden auf neun Jahre in Nutzniefsung.^ Ob Zollverpachtung oder Niederlassungskonzession? Wohl letzteres. Koch u. Wille Nr. 3737.

1373. Ruprecht L spricht »Monfrulus de Montafia, Johannes senior filius quofid, Godofridi de M., Mamiel ei Matheus fratres de Turell (. ,) cives Astenses^ Lomhardos mercatores, von allen weiteren Zahlungen, wie auch von allen etwaigen Vergehen seit ihrer Niederlassung in Boppard frei. Koch u. Wille Nr. 4017.

1338. Die Pfalzgrafen Ruprecht der ältere und der jüngere treffen mit Johann, ihrem »Lamparten* ^ Vereinbarung wegen Rückzahlung einer Schuld. Koch u. Wille Nr. 4762.

ObepweseL

1357 Mai 2. Schuldbrief von rheinischen Rittern und Adligen bei Konrad Asi- narius und Folkard Paliidus, lombardischen Kauf leuten und Genossen zu Oberwesel. Die Schuldner müssen für 180 Goldgulden Verzugszinsen von 2 Gulden und 5 Schilling Heller für die Woche bezahlen, also 65 ^/o. Rhein. Antiquarius II, 20, 770.

1366 Januar 5. Die Witwe eines Ritters von Schmidtburg und andere Schuldner des in Oberwesel wohnenden Konrad Asinari von Asti. Die Zinsberechnung ergiebt für Verzugszinsen 43,3*/o. Rhein. Antiquarius II, 8, 45. Urkunden Nr. 416.

1368 Juli 11. Dieselben Schuldner erklären sich zu einer um die Verzugszinsen erhöhten Schuld. Urkunden Nr. 417.

1368 Juli 11. Zwei weitere Schuldbriefe bei demselben Lombarden, an denen fast dieselben Aussteller beteiligt sind. Urkunden Nr. 418, 419.

1372 [1376 Fehler bei Hontheim] Dezember 27. Erzbischof Cuno von Falken- stein nimmt Thomam et Michadcm fratres et Manuelem de Asinariis et Ahertinum de Montefia Lomhardos mercatores cives Astenses auf neun Jahre in Oberwesel auf. Die Bedingungen denen unter Aachen 1361 sehr ähnlich. Sie zahlen jährlich 900 Gold- gulden von Florenz. Hontheim 2, 276. Die Namen und Ziffern nach einem Regest, das das Koblenzer Staatsarchiv anfertigte.

1372 Dezember 29. Verpflichtung zweier Bürgengruppeu für die Zahlung von zusammen 11000 Goldgulden Mainzer Währung, welche sich als die Summe der durch die genannten, in Oberwesel angesiedelten Lombarden zu zahlenden Schutz- gelder herausstellen. Unter jeder Bürgengruppe Italiener und Einwohner von Ober- wesel. — Urkunden N. 421.

302 SechsundzwaDzigstes Kapitel.

Koblenz.

1327, Im Besitze von Nichtlorabarden die curia dicta der Kauwerzin hoff, Urkunden Nr. 410.

Trier.

1227. Das Trier Provinzialkonzil verbietet Geld des Gewinnes halber anzu- legen: »ne pecuniam suam ad cauwercinoft vel Judaeos ponant propter lucrum*, Aronius Nr. 439.

1262. Aufnahme der Lombarden JManueüus de-Troya und dessen Neffen Beyner, Ogenis Carena und dessen Neffen Bvfinus mit ihren Familien. Görz, Mittelrh. Reg. 3 Nr. 1832. Abdruck Urkunden Nr. 407.

1279. Erzbischof Heinrich verleiht dem Lombarden Facinus, Bürger in Trier, auf Lebenszeit das Almosenhaus. Görz, Mittelrh. Regesten 4 Nr. 615.

1294. Der campsor Frider, Systappi, Bürger zu Trier, hat zur Erbleihe ein Haus in Trier. Ebda. 4 Nr. 2270.

1334. Paidinus Test Lomhardus Asteims verpflichtet sich, nur mit Zustimmung des Erzbischofes Wucher zu treiben. Zahlt jährlich 50^ kleiner Tumosen. Ur- kunden Nr. 412.

1335. In einem Schuldbrief formelhaft der Juden und »Kauwerzinen* gedacht. Urkunden Nr. 413.

1349. Ebenso in einem Schuldbriefe des Erzbischofs Balduin gegen Kölner Bürger. Urkunden Nr. 414.

Luxemburgflsches Gebiet.

1300 Februar 18. George de Sibone Joinbard, citain et marchant d'Ass, Public, de r Institut. 1861. 17, 91.

1371. Frandscus Isnardi u. s. w. de Castel Lombars marchands et citains cTAiat demetirani a Mannlle et a Arency. Ebda. 1869. 24, 2, 123.

Scixöneck in den Ardennen.

1290. Johann Herr v. Malberg verspricht, den Herrn v. Blankenheim für eine Bürgschaft über 50 Köln. Mark bei Bai au dem Lombarden von Schoneckin in den Ardennen schadlos zu halten. Görz, Mittelrh. Regesteu 4, 409.

Reuland (Kreis Malmedy).

1341. Schuldbrief zu Gunsten des Lanzeroto Gardyn und Johannes Candera, lombardi in Buylant, Urkunden Nr. 415.

Linz.

1372. Wohnt dort ein Lampart er '»Brache* nach dem Siegel fDBAC]ONI\ AL10N1S\ s. Ahrweiler. Urkunden Nr. 418.

Sinzlch.

1381. Ein Kölner Dominikaner und Wilh, Tharamantinus, Lombarde, civis Astensis, opidanus in Syntzghey Testamentsvollstrecker des verstorbenen Lombarden Joh. Obber^ tini, opidanus in Syntzghe, Mit teil. St. Köln 24, 49.

Ahrweiler.

Vor 1395. Auf Bewilligung des Erzbischofes von Köln safsen hier lange vor 1395 „Lumbarder". Amiet 1, 213. Rhein. Antiqu. 3, 9, 649.

Lombarden in Ahrweiler, Remagen, Siegburg, Köln. 303

1372. Verdeckte Ansiedlung des Andrees Falliäus^ burger van Ast, Bürgen: sein Oheim Volkard Pallidus, Drache, wolmliaft zu Linz, Lombarden und der Koblenzer Mfinzmeister Meister Alhart (nach dem Siegel Aleramo Alfieri). Ur kund en Nr. 420.

Remagren.

1371. Haus zu Remagen, in dem die Lombarden wohnen. U rkunden Nr. 442.

Siegrburgr.

1308. Bychardus (Garreti) Lombardufi (aus Asti), opidanus in Syberg, Quittungen. Urkunden Nr. 427, 428. Lacomblet 3 Nr. 61.

Köln.

S. XII ex., 8. XIII ine. In den Schreinsurkunden Bd. 1 und 2 begegnet mehr- fach ein Petrus Longobardus, daneben häufiger eine Gruppe Romanus. Es gab in Köln ein Haus *af? Lomhardum*, Mitteil. Stadtarchiv Köln 26, 134.

1266. Erzbischof erklärt in einem Privileg für die Juden : Nullt etiam Cauuer' cini rel cristianiy qui manifeste prestent ad usuraSj cum ipsis (seil. Judeis) per hoc fiat prijudicum, in avitate Coloniensi residere nullatenus permittentur, Ennen u. Eckertz 2 Nr. 495.

1296 September 18. Opicius qui vocor Albertus de Bocka et Hennekinus Botarius, Lombardi verpflichten sich, der Stadt Köln die Briefe zurück zu verschaffen, welche sie einst Odino et Manuell Lombardis mercatoribus Aslensibus gegeben hat betr. den Aufenthalt in Köln. Ennen u. Eckertz 3 Nr. 430.

1296 September 27. Dieselben, welche als Bürger von Köln auf 25 Jahre auf- genommen sind, verpflichten sich, von einem Kölner Bürger »nomine^ custuum* nicht mehr zu nehmen, als von jeder Mark 3 obuli für die Woche. Ebda. 3 Nr. 431.

1309. 'Opicius dictus Albertus Lombardus« übergiebt »Mascharo dicto Thomas, Dullino dicto Henricus de Rüpe fratribus suis Lombardis* alles, was er in Köln hatte; ein Drittel des Hauses ad Hircum, seinen Anteil an zwei Hofstätten und einen An- teil an einem Zinse. Ebda. 3 Nr. 570.

1309 August 11. Mascharus dictus Thomas de Rupe Lomb. Astensis civ. Colon, famulutt und Gläubiger des Erzbischofs Heinrich. Urkunden Nr. 433, 434.

1310 Juni 18. Ebenso. Urkunden Nr. 435.

1311. Erzbischof Heinrich II. verpfändet »Opidyw Grasverdi dicto Petrus et Hennekino nato ^usdem ac Rolando dicto CassinOf Lombardis, civibus Ostiensibus« den Zoll u. s. w. zu Rheinberg, bis die Schuldsumme davon eingenommen ist. Von einer alten Schuld, welche bei Errichtung des Zolls zu Leutesdorf durch König Heinrich und dessen Verlegung nach Bonn u. s. w. entstanden war und sich auf 1540 M. 8 ^ Brabanter belief, sind noch zu entrichten 711 M. 6 /?, dazu kommen neu 829 M. Wenn sie von Rheinberg weichen müfsten, soll der Rest »ad usuram judeorum vel Cfistos cairercinoj'um, ita quod super quamlibet marcam unus denarius ascendnt qualibet septimana'^. Der Kurfürst stellt viele Bürgen. Statt civibus Ostiensihus ist offenbar Astiensibus zu lesen, wohin auch die Namen weisen. Siehe oben die Urkunden zu 1296. Ennen u. Eckertz 4 Nr. 2.

1311. Stristram Lombardus gründet mit zwei anderen Kölner Bürgern für be- kehrte Juden und für Arme und Knaben ein Hospital. Ennen u. Eckertz4 Nr. 3.

1317. Der Graf von Jülich, Schuldner des »Maese des caH'€rzyn<t. Lacom- blet 3, 124.

1321. Der Graf von Jülich, Schuldner ungenannter Kawerschen. Lacom- blet 3, 158.

304 Sechsundzwanzigstes Kapitel.

1321. Im Eidbuche von 1321: Schutz der »Lambardar^y die im Hanse bei sent marien Malzhuchü wohnen, sie müssen jährlich 150 Mark Kölner Pagamentes zahlen. Ebenso für die, denen das Haus zum Bock gehört, sie zahlen 100 Mark. Ennen u. Eckertz I, 2.

1328 Die Stadt nimmt Johannem de Bergoginnis, Älisiam uxoreni (jus, Thomam^ Jdhannem et Anthonium y filios eorundem auf zehn Jahre als Bürger auf, sie dürfen alles betreiben, nur nicht: camhire denan'os, pecuniam, aurum vel argentum, ebenso- wenig Weinhandel. Wenn sie von dem Erzbischofe erreichen können »tenendi Mmlam unam in domo sua ad exponendum et mutuandum pecumntn suam pro hicro secundum consuetudifiem Lumbardorum haxienus Colonie servatam*, so ist die Stadt damit ein- verstanden, will dadurch aber in keine kirchlichen Strafen geraten. Die Familie hat jährlich 150 Mark Silber der Stadt zu zahlen. Ennen u. Eckertz 4 Nr. 139.

1332 Juni 24. Erzbischof Walram gestattet gegen mo ü. jährlich, sich in Köln auf elf Jahre anzusiedeln : Rophinus Nokarius und Matthias genannt Cjnet, Gabriel und Walram de Montemagno, Leo und Daniel Ottini, Bichardo und Pirzivallo de Montemagno, Dominicus und Leo genannt Stoil aus Asti. Andere Italiener, welche Geldgeschäfte betreiben wollen, dürfen sich neben ihnen nicht ansiedeln. Ami et

1, 212. Mitteil. Stadtarchiv Köln 6, 16.

1335. Eine kleine Summe ist ad usuras Lombardorum ausgeliehen. La Com- bi et 3, 239.

1346 Juni 6. Daniel Oitinus und Bonefacius Gardinus Lumbardi mercatores er- klären, sie wollen gegen die Stadt Köln auf etwaige Briefe, die sich von ihr noch finden sollten, keine Ansprüche mehr erheben. Die Herausgeber verstehen unter diesen Briefen „Schuldbriefe'^, mir ist es wahrscheinlicher, dafs die Niederlassungs- briefe gemeint sind. Ennen u. Eckertz 4 Nr. 287.

1358. Bürgerannahme 1358: Leo Oitinus, Leo Johans eydutn van der Kul^n ein Lombarde. Hans. Urkb. 3, 470 Anm. 1.

1360 Juli 2. Ritter Amt v. Krieckenbeck ersucht einen anderen Ritter um Bürg- schaft für 472 alte Goldgulden bei genannten Lombarden. Mitteil. Stadtarchiv Köln 7, 28.

1372 Januar 13. Brüder Laurenz und Wilhelm de AsinariiSy Lombarden von Asti, quittieren über 225 Roesginsmutoneu, die ihr Bruder Peter der Stadt Köln ge- liehen. — Mitteil. Stadtarchiv Köln 7, 61.

1375—90. In Kölner Stadtrechnungen: 1375 Jacobus Stvartze Lumbardus, 1378 Jdkiiz LumbarduSf 1.387, 89 und 92 hatte Ambrosius de Busti einen Teil der städtischen Accisen gepachtet. 1388 zahlt Bonimcerta Lumbardiis 100 fl. 1390 Yda Lumbartz und Obertinus de Monte fia et Anthoniuft fUiiis, Leo OUijn. Knipping 1, 25. 2, 209.

2, 319. 1, 48 f. 1, 53. 1, 58, 1, 50 und 1, 55.

1382. Bürgerauf nähme : Thomas dictus hermelin de Svane, Johannes^ Frenciscus, JasperoilSj fratres dicti Tliome, Lumbardi, Ennen u. Eckertz 1. 175.

11382. "Beceptum a 4 civibus Lumbar dis patre et fdiis 136 fl, = 459 marc.^ Knipping 1, ilS.

1383. Vielleicht gehört nach Köln, sonst doch an den Niederrhein. Quittung des »Gerart Otiyn, Francke Asyni^ und Johan Asynier Lumbarder^^ für H. Wilhelm von Jülich. Urkunden Nr. 443.

1386. *De uno Lnmhardo cive 100 fl, = 353 m. 4 ä.« Knipping 1, 44.

1450. Die Stadt Köln hatte das Vermögen eines beim Predigerkloster ermordeten Lombarden Bartholomäus zum Teil konfisziert, Bartholomäus hatte einen Wechsel zur Zahlung in Rom in Händen. Mitteil. 27, 315.

S. d. Notizen. Mitteil. Stadtarchiv Köln 26, 20 Nr. 182, auch 26, 99 Nr. 996.

Lombarden im Kölnischen, Müllheim, Werden, Duisburg, Soest u. s. w. 805

Im Kölnischen.

1:^09 April 27. Mit zwei Kölnern haben Andreas Ba^tellus et Opicinus Gres- werdus dictus Petrus zum Schuldner Erzbischof Heinrich. Urkunden Nr. 430.

Juni 1. Georgius Asinarius et Manufl fil, Andreas et Tfiomas dicH BastelU et Opicinus Grasverdus dict. Petrus ebenso. Urkunden Nr. 431.

August 4. Ebenso. Urkunden Nr. 432.

1310 Juli 18. Petrus r. Wesely Gläubiger Erzbischofs Heinrich. Urkunden Nr. 436.

Oktober 12. Petrus dictus de Wesalin Lomhardus famulus et officiatus in Bhein- berg ebenso. Urkunden Nr. 437.

1308 um Dezember 13. Tristramnus de Troya und Genossen haben die Hälfte des Zolles zu Andernach inne. Urkunden Nr. 429.

Müllhelm.

1360. Volkard der Lombarde in Mulnheym. Urkunden Nr. 440.

\V erden.

1317. Bei der Erhebung von Werden zur Stadt wird festgesetzt, dafs die Bürger keine Juden oder Kawerschen aufnehmen dürfen ohne Zustimmmung des Abtes. Lacomblet 3 Nr. 162.

Duisburg:.

1279. Graf Reinald von Geldern, Herzog von Limburg, gelobt: omnes conditionea fadas Lumbardis etjudeis Dusburg commorantibus anzuerkennen. Lacomblet 2, 437.

1334. Beinakus de Ferrariis und seine Brüder erklären sich von der Stadt D. befriedigt. Averdunk, Heinr., Gesch. der Stadt Duisburg 21. 386.

1349. Der Lombarde Bartholomaeus Abel erklärt, dafs er keinen Bürger wegen dort festliegender Gelder aufserhalb vor Gericht belästigen wird. Aver- dunk 278. 386.

1362. Karl IV. giebt der Stadt das Privileg, dafs ohne Zustimmung der Bürger keine Juden und Kawerschen zugelassen werden dürfen. Averdunk 282. 386.

1375 77. Nach den Stadtrechnungen waren Lombarden gegen einen Zins von 30 fl. angesiedelt. Averdunk 387.

Soest.

1348. Joh. Caversint Bürger von Soest, erwähnt. Hans. Urkb. 3, 434.

Osnabrück.

1291. Konrad Graf v. Rietberg, Bischof von Osnabrück, verpflichtet sich, die Cawercinos seu Lombardos innerhalb zwei Jahren abzuschaffen und niemals mehr in Stadt oder Bistum einzuführen. Gesch. d. Stadt Osnabrück 1816 1, 184.

Gladbach.

1:350. Schuld bei nicht genannten Lombarden in Gladbach und Rocrmonde. Urkunden Nr. 439.

Aachen bez. Düren, Aldenhoven und Jülich,

1291. Die Stadt hatte von den hotiestis inris, qui nobis multa bona fecerunt, Petro de Aquis {Aatia ?) dicto Viventio et Gawitio Lumbardis et eorum sociis 300 Mark Aachener Pfennige bar entliehen und so drei Acciscn vorweg genommen, welche

Schulte, Gesch. d. mittel alterl. Haudels. I. 20

806 Sechsundzwanzigstes Kapitel.

nach sechs Jahren zurückzuzahlen sind. Als Bürgen werden gestellt Johann Herzog von Brabant und Walram Herr von Valkenburg. Q u i x , Cod. 2, 163 und G e s c h. 2, 55.

1301. Gerhard Graf von Jülich weist die Stadt Aachen an, ihrem Mitbürger »Cavradus Lumbardus* , dem er eine bestimmte Geldsumme schuldet, 100 Mark Aachener Pagamentcs zu zahlen. Quix, Cod. 2, 176. Diese Rechte übte der Graf von Jülich als Vogt der Stadt aus. Vgl. Werminghoff, Die Verpfändungen der mittel- und niederrheinischen Reichsstädte (Untersuchungen z. deutschen Staats- u. Rechtsgesch. Heft 45) S. 118 u. ff.

1309. Bertelinus Jjombardus civ, Aquensis hat den Zoll zu Leutesdorf inne. Urkunden Nr. 430.

1315. Ger. Graf von Jülich und Wilhelm, sein ältester Sohn werden die Stadt Aachen, welche sich unter einer Strafe von 5000 Mark Aachener Pagamentes für ihn gegen Tliomam NijclwUnum, Andream fratres, Obertinum suum rognatum, Baudua- h'nunij Euffinettum fratreSf Dominicum Fetrinum fratres, Rijgaudinum, Anthoninum Botarios, Comminganum et Fatschinum de Comminganis Lumbardos et eorum socios mercatores Astenses verbürgt hat, schadlos halten. Die Strafe von 5000 Mark findet sich auch in der Urkunde von 1361 und soll an die Lombarden entrichtet werden, wenn der Herzog von Jülich die in der Konzession angegebenen Bedingungen bricht. Das Gleiche ist also hier anzunehmen. Qu ix, Cod. 2, 181.

1326. Gerhard Graf von Jülich verjiflichtet sich der Stadt gegenüber , welche sich »apud nostros Lombardos mercatores, Aquis commorantesM zu einer Strafe bis zu 5000 Mark Aachener Pagamentes und zu einer solchen von 50 Groschen Tumosen verpflichtet hat, die genannten Kaufleute in Aachen nicht zu belästigen und der Stadt etwaigen Schaden, den sie deshalb hat, zu ersetzen. Die Strafe der 50 ü wird bezeichnet als »dtra antiquas conditiones quas lAimbardi mercatores Aquis habere consueverant* . Qu ix, Cod. 2, 205.

1334. Wayhvanus et Gabriel fratres de Brolio de Montt Magno , Leo et Daniel fratres de Octini, Dominicus et Leo didi Fijoh, Pijrchevallus de Brolio de Monte Magno, Bahlrakijnus et Bufinetus Botarit fratres, Lumhardi mercatores et corum socü erklären sich mit der Ausfühning der Versprechungen der Stadt Aachen und des von ihr ihnen gegebenen Briefes bis auf diesen Tag völlig befriedigt und verzichten auf jeden Anspruch. Q u i x , Cod. 2, 219.

1334. In der. Stadtrechnung erwähnt *j)ro Liimbardis captivatis*, es scheint in Nidecken »de littera Ltimhardorum* . Laurent 105, 112.

1338. Wilhelm Markgraf von Jülich erklärt die Stadt Aachen für den Brief, den sie Gabriel de Monte Magno, Leo Ottinus und ihren Genossen, lombardischen Kaufieuten, gewährt hat und die darin enthalteneu Bedingungen und etwa daraus entstehende Verwicklungen schadlos halten zu wollen. Qu ix. Cod. 2, 224.

1338. Die Stadtrechnung enthält unter den Ausgaben: »de captivitatt Ltimbar- dorum* eine ganze Reihe von Posten für Ritte zum Markgrafen von Jülich zu den Lombarden nach Mecheln. Laurent 124. 128.

1338. »Waldrdkinus et Menfredus didun Thijnet fratres dicti Botarii^ Wailwanus et Gabrid de Brolio de Montemagno, Parchei'alhis et Bichardus de Brolio de Monte- magno, Leo et Daniel fratres didi Othini, Dominicus et Leo dilti Fijole Lumbardi mercatores^ erklären die Stadt Aachen von aller Verpflichtung und Schuld ledig, »et specialiter de captivitate seu ddendone familie nostre seu nunciorum nostrontm, rerum ac bonorum nostrorum in urbe Aquensi facta per . W. marchionem Julia- censem*, Qu ix, Cod. 2, 227.

1343. Wilhelm Markgraf von Jülich verpflichtet sich, die Stadt Aachen für jede Unannehmlichkeit schadlos zu halten, welche daraus erwachsen könnte, dafs sie auf

Lombarden in Aachen, Arnheim, Roermonde, Maastricht, Lüttich, Mecheln. 307

seine Bitte: •GahrieU de MontemagnOj Danüli Oiioni^ Leoni Fijole et Baffaeli Rotario ac eorum sociis Lumbardts niercatoribus* einen (offenbar Niederlassungs-)Brief ge- währt haben; er will auch, dafs, wenn von jülichischer Seite etwas gegen die Lom- barden oder ihre Güter unternommen werden sollte, sich die Aachener dagegen wehren dürfen. Quix, Cod. 2, 233.

1346. Als Arnold Herr zu Frankenberg einen Aachener Lombarden auf seinem Schlosse gefangen hielt, liefs die Stadt die Burg belagern. Beruht wohl auf den Stadtrechnungen. Quix, Gesch. 2, 91.

1349. In der Ausgabcrechnuug der Stadt, Posten für neue Ketten, die Strafsen zu sperren, darunter »prope .... lAimbardorum* . Laurent 223.

1361. Niederlassungserlaubnis für einige der Familien de BoUinis und de Mon- Ufia auf zwanzig Jahrn. Urkunden Nr. 441.

1376. Ausgaberechnung. Unter den Verehrungen an Wein erscheint zweimal : »Johan deine Jjumharder van Diiren", Laurent 251, 260.

1385. Ausgaberechnung. Unter den Verehrungen »den Lumharden van Düren, Johann van Düren den Lumbarden, Feter deme Lumbarder, vreymde Lutnbarden waren hie, den Lumbarden van Buyrmunde^, Unter den Leibzüchtern: »It. Heinricfi Vdgletus vanAyst der Lumbarder 120 gidd', L9,ureiit 300, 302, 315, 316, 320, 329, 344, 353.

1386. Schuldbrief der Herrschaft Heinsberg gegen Johann von Monteüa u. a. Zins 7,7 V Urkunden Nr. 444.

1394. Weitere Niederlassungserlaubnis des Herzogs Wilhelm von Jülich für die von Botaris und die de Montefia auf zwanzig Jahre für Aachen, bez. Düren, Aldenhoven, Jülich oder Bergheim. Urkunden Nr. 448.

1425. Bartholomeus hat dem Herz, von Jülich 100 rh. fl. jährlich für seinen Aufenthalt zu zahlen. Urkunden Nr. 450.

Arnheim.

Um 1393. Bestand hier ein Lombardenhaus, Teilhaber: Johan und Abertyn van Montefy, Brüder, Symon van Montefia und Gadert, ihr Verwandter. Ur- kunden Nr. 446.

Roermonde.

1350. S. Gladbach. Urkunden Nr. 439.

1393. Schuld bei den Lombarden zu R. „Johan van Montefia und Albertyn" seinem Bruder. Urkunden Nr. 445.

Um 1393. Abertyn van Montefy und Gadert van Montefy. Urkunden Nr. 446, 447.

Maastriclit.

1384—1387. Schulden rheinischer Leute bei dem Maastrichter Lombarden Johann von Montefva. Mitteil. Stadtarchiv Köln 9, 35.

Lüttleb.

1301. Die Stadt begünstigte die lombardischen usurarii, Ami et 1, 209.

1320. Die Kawerschen von Lüttich vermittelten das Geld für den Boten der Stadt Köln nach Avigiion, sie hatten dort ihre Agenten (die Kölner also wohl nicht). Ennen u. Ecker tz 4 Nr. 80.

Mecheln.

1324. Zahlreiche Astigianen, aus den verderbten Namen sind sicher oder wahr- scheinlich die Kocca, Alfieri, Antignano, Scarampi und Turchio zu erkennen. Das geistliche Gericht beansprucht sie als Wucherer für sich. Urkunden Nr. 488.

20*

308 Siebenundzwanzigstes Kapitel.

Den Aufenthalt von Lombarden im Bereiche der heutigen König- reiche Niederlande und Belgien, sowie der zum heutigen Frankreich ge- hörigen Teile festzustellen, gehört nicht hierher, jedoch will ich ein Dokument nicht verabsäumen, kurz zu erwähnen, da es uns einen statistischen Überblick gewährt. Es ist das die Aufzeichnung über die Vorladung von Lombarden aus dem Gebiete der beiden Königreiche und der Diöcese Cambray, die November 1309 erfolgte^. Es werden im ganzen 46 verschiedene Personen vorgeladen, von denen 29 als Astigianen bezeichnet werden, bei allen anderen fehlt die Bezeichnung der Heimat. Aufserdem erfolgt die Vorladung noch an 41 Banken (tahle's) oder Lombarden. Von den gröfseren Orten sind Antwerpen, Breda, Brügge, s'Herthogenbosch und Löwen genannt, doch finde ich hier jedesmal nur einen Lombarden, so dafs man zu der Vermutung kommt, dafs diese Geldhändler die Konkurrenz am Orte vermieden. So erklärt sich, dala auch in kleinen Orten solche Banken waren. Unter den Vorgeladenen befinden sich auch Münzer und Einnehmer. Der Zweck einer so all- gemeinen Vorladung ist nicht angegeben, aber da alle in Köln vor dem Neujahrstag erscheinen sollten, wo ein Hoftag stattfand, an dem der König zahlreiche Belehnungen vornahm, so ist wohl kein Zweifel, dafs der König über diese Kawerschcn ein Regal beanspruchte^.

Siebenundzwanzigstes Kapitel. Die Thätigkeit der Kawerschen.

FestsUllung der Heimat: Asti, Astis Handel. Übergang zum Geldhmulel im Aus- latid. Ans der Geschichte Astis. Heue über den M'ucher. Vergleich mit den Juden. Geringer Anteil am Warenhandel, auch am interlolcden Wechsel, Lombarddarlehen. Aus Geschäftsbüchern. Frist der Darlehen. Höhe des Zinsfufses. Zwei Typen. Organisation und Ansicdlung der Casanen, sie bleiben nomadenhaft. Anteil der Landesherren an der Ausunicherung. Die Kawerschen ah Regal beansprucht. Frivilegiin und Lombarden- recht. Vergleich mit dem der Juden. Mobiliarpfandrecht. Baceisrecht. Strafrecht u. s. w. Bedeutung der Lombarden in der Geschichte des Kredites. Rückgang im fünfzehnten Jcüir- hwndert mit Besserung der Kreditbedingungen. Bedeutung für das Geistesleben.

Die Übersicht über die Verbreitung der Geldhändler bedarf aber noch einer Erweiterung. Bei einer flüchtigen Vergleichung ergiebt sich ja schon, dafs dieselbe Familie nicht allein nacheinander an mehreren Orten

^ Nach der Vorlage im Archive Roncioni in Piaa veröffentlicht von Bouaini in den Acta Henrici VII. Romanoruin imperatoris 1, 279 286.

^ Ein gerichtliches Vorgehen halte ich für ausgeschlossen. Im Gegenteil stand der König mit den Astigianen später in mannigfacher Berührung, war doch einer seiner nach Italien geschickten Machtboten ein Astigiane. In Jen Rechnungen des Königs, die näher zu untersuchen wären, finde ich als Gläubiger die Mazzi (15 000 fl.) (S. 287) und Scali (2500 fi. u. 1020), also Florentiner.

Die Thätigkeit der Kawerschen.

309

erscheint, sondern mitunter auch gleichzeitig. Die Bankhalter verwuchsen also nicht etwa tief mit ihrer neuen Heimat, sondern hatten den grofsen Markt im Auge, sie gingen der günstigen Konjunktur nach und waren ebenso wanderlustig, wie das bei einem erheblichen Teile der jüdischen Bevölkerung noch heute zu beobachten ist. Die Quellennachweise, welche Quintino Sella beigebracht hat, berücksichtigen vielleicht stärker die Niederlande und die südwestlichen Gebiete Frankreichs, allein ich glaube doch, dafs das nicht ein Zufall ist, die hier erwähnten Personen finden sich inmitten von Frankreich, z. B. um 1300 in Paris nicht, auch in eng- lischen Quellen sind mir diese Namen nicht begegnet*.

Stellen wir die Familien nach ihren Ansiedlungen aufserhalb Frank- reichs (A bedeutet Aufnahme, die dahinter eingeklammerte Ziflfer die Zeit, für welche die Aufnahme erfolgte) zusammen:

Deutschland und Schweiz

Ausland *

Alfieri

Antignano . . .

Asinari . . . .

Bergognini . Broglio . .

Gardine . . Garetti . .

Guttuario

(de Castello)

Freiburg (Üchtland) 1295, 1310.

Conthey 1:304, 14.

Freiburg Ü. 1295, 1303 A, 1310,53, 1356-59, 1408-11, Oberwesel 1357, 66, 72 A (9), Köln 1372.

Köln 1328 A (10), Freiburg Ü. 1398, 1407.

Aachen 1334 mit dem Zusatz de Monte Magno 38, 43 A, Bingen 1357 A (10), 1363, 73A(15),

Köln 1346, Reuland 1341.

Siegburg 1308.

Bern vor 1324, 30. 37, 38, 80, Frei- burg Br. vor 1330, Thun 1337.

Genf 1300 Münze, Brüssel 1304, Löwen 1452ff., Mecheln 1324».

Nösles 1258, in savoy sehen Orten 1344-48.

Genf 1346— 59, Annecy 1349—51, Chamb^ry 1358 u. a. kleineren Orten, im Hennegau 1365, Ant- werpen 1416—52, s'Hertoghen- bosch 1418—33 u. a. a. 0. Heren- tals 1444-55, Nivelles 1432-54.

An zahlreichen Orten inSavojen 1310—1351.

Conflans-Montmeillan-St. Pietro d'Albigny 1362, RossiUon 1362, alles Savojen.

Bavay (Hennegau) 1365, (Sella S. 231).

Thonon 1310, Sembrancher, Sitten, Martigny 1337, Yenna 1345, Sembrancher 1367.

Brüssel 1304.

* Nur für die in Deutschland nicht erwähnten, sonst aber mit diesen Lombarden in Verbindung stehenden Scarampi finden sich Nachrichten, dafs sie von den fran- zösischen Königen sehr begünstigt, in diesem Reiche weilten. Sella im Codex Astensis 248. Piton 206 u. 224.

« Für die hier gegebenen Notizen vgl. Sella S. 228—257.

^ Für die auf Mecheln 1324 bezüglichen Angaben vgl. Urkunden Nr. 488.

310

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Fnnhur^ Bt, V'i'A A 20k Lazem-

!;/>;. '«, w#»n rtatt Fijole f^joli zu le^i^rD, aach Aachen

ii;:M, '5^, 4:5 A.

Frciburj: C. 1^^56-9.

Aa<?hen ü«! Ar20', i:^94A 20=, Jlacharach V'Sl A, Oberwesel i:{72Ar9;, KoermoDde iad3, Amhf'im l'JOci

OberweHel li^>7, Ahrweiler 1:572 A.

Luzern 1-'M7— 8.J, Zürich 1:M9A, \mi, m.HhHT,, 14fJi>, 1409 Af24», 14:»Ar20^ Überlingen 14:^3.

Köln 1296 A (25), ].'i09, Luzern i:i49A(l.'i|, 61, 6.% 71, 74, ca. i:W7, 9i{, Zürich 136:iA(10), 69 A, 90. Bern Anf. ». XV.

Köln 1296 A (25), Aachen 1315, IM, :i8, 42 A, ir^l A (20), 1394 A(20), Freiburg Ü. 1399-1408.

Conthey 1:504, 1314, Freiburg 0.

1295, i:iO:j, 10, :58, 56-59, Köln

1:K)9, 1382 A. Kitten 1:548/9, Thonon 1361.

I2^'j Ltod. IdSß Mvmpelgaid .k«x*h«t eingehender Vertrag b^i Matfle 1. 4iS?.

Chambery l$fc, Yenne laio— ^, SaroTen.

AnnecT 1:07-49, Genf 1350-59

m

u. son.^t in Savojen. Maartricht vor 1369. 1384— J«7, 1 4*>'?— 1468 , s*Heitogenbo8ch 141'?-4>J.

Chambenr 1340.

Xe?lei« (Frankr.) 1258, von 1295— 1456 zahlr. Nachw. f. SaToyen n. Thal von Aosta, Cambray 137:^, Löwen 1452.

Mecheln 1324.

Geldhändler von gr. Bedeutung, Kreditoren d. Gr. von Savoyen 1347_79, 1:563 Beziehungen zu Brügge u. Frankreich.

Genf u. Wallis 1:500—1304, Ant- werpen 1:^09».

Um die gleiche Zeit an vielen walÜRer Orten u. im Chablais.

Dio nactifolgo.ndon Familien sind bisher nur als auf dem Boden des houtigen DeutHelion Keiolies oder der Schweiz thtttig nachgewiesen: Abel (DuiMburg l:i49), Aleoni (1:572 Linz), Bruama (Luzern J296), Candera (|{«;uland l:i41), CuHsono (Köln 1311), Cynet (Köln 1332 A), Ferrarius (Duisburg 13:W), Frnxineto (Luzern l:W5 A), Gambarii (Bern Anf. s. XV), (JrftHverdi (Köln i:Ul), Mcrlo von S. Salvatore (Solothurn 1375, 77A(10), 82, 84, 1408, 1421), d<» Montemagno (Köln 1332 A (11), Aachen [auch de Hrolio genannt! i:m, :i8A, 43 A, Bingen 1363A(15), 1371), de Montesia (wonn nicht mit di MonUifia identisch, Bingen 1363, 75, 77), Ottini (Köln

* Acta lleinr. VII. od. Honaini 1, 280.

Die Thätigkeit der Kawerschen. 311

1296, 1332 A (11), 46, 58 A, Aachen 1334, 38 A, 43 A, Bingen 1353, 63, 75, 77, 80, 80/1, 98), Pomario (Bingen 1363A(15), 1365A(10), KasteUi (im Kölnischen 1309), Roba (Solothurn 1421, 33, 36), di Saliceto (Martigny 1351, Freiburg, Üchtl., 1356—9, 99, 1418—60, Luzern 1395 A), Sbarrata (Konstanz 1282 A), de Septimis (Settimi oder Schettino?) (Zürich 1395), Sibone (im Luxemb. 1300), Stoil (Köln 1332 A), Taramontino (Sinzig 1381), Testa (Trier 1334), Tongo (Zürich 1397), de Troja (Trier 1262 A, im Kölnischen 1308, Luzern 1349—93, Solothurn 1404, Bern Anf. s. XV), Vaglati (= Valete) (Luzern 1296, Aachen 1385).

Von den sonst noch erwähnten Lombarden ist der Familienname kaum zu bestimmen, nur bei den beiden in Nördlingen angesiedelten Florentinern dürfte das möglich sein. Sehen wir von diesen ab und von der aus Chieri stammenden Familie der Medici und den in Lausanne angesiedelten Chieresen Balbi und Raschieri schliefsen wir endlich vor- läufig noch die Konstanzer Muntprat aus so gehören nachweislich alle die im vorstehenden aufgeführten Geldhändler der Stadt Asti an\

Die Kawerschen Deutschlands trugen also ihren Namen nach der Stadt Cahors, sie stammten aber fast ausnahms- losausAsti, sie waren keine Franzosen, sondern Italiener. Neben Asti ist nur noch das benachbarte Chieri zu nennen ^. Die Heimat Cavours und der Balbi hat in den Broglie, den Ahnen der französischen Herzöge, auch Kawerschen erzeugt. Möglich ist, dafs dieser Zeit der Astigianen (und Chieresen) eine andere voraufging, wo wirkliche Cahorsins in deutschen Städten wohnten®.

1 Ich will den Beweis nicht im einzelneu führen. £r ergiebt sich grofsenteils schon aus unseren Urkunden bei den Antignano, Bergognini, Isnardi, Lajoli, Turchi aus den von Sella angeführten Urkunden aus aufserdeutschen Gebieten. Bei den Casseno, Rastelli, Saliceto, Septimis, Vaglati ist der Ursprung aus Asti sonst nach- zuweisen, als zweifelhaft erscheinen allein die Abel, Bruama, Candera, Ferrarius, Gambarii und Montesia, die meisten sind mit Astigianen Teilhaber derselben Bank. Antignano, Capriglio, Dusino, Frassinello Frassineto, Masio, Montemagno, Montafia, Ponzano, Settime, Rocca d'Arazzo, Saliceto, San Salvatore und Tonco sind Orts- namen aus der Gegend von Asti. Bei Avillian ist wohl an Aviglione, bei Wingnar an Yigliano zu denken. Die Aachener von 1321, deren Namen korrumpiert sind, werden als Astigianen bezeichnet, bei den übrigen Aachenern ist die Heimat Asti sicher, wenn die Konjektur Lajoli statt Fijoli richtig ist.

* Übrigens verkaufte 1308 die Stadt Chieri das Recht, eine Pfandleihbank dort zu halten, auf acht Jahre an Raimondo Fallctto und Antonino und PoUino di Troya, Bürger von Asti. Diese zahlen der vorschuldeten Stadt sofort 1200 ft kl. Astigianen. Der gestattete Zinsfufs belief sich hier auf 25 ^/o pro Jahr. Die Bestimmungen des Vertrages sind höchst eingehend, in Chieri kannte man ja den Betrieb. Vgl. Cibrario, Delle storie di Chieri 2, 135.

' Völlig irrig ist die Darstellung bei Roscher-Stieda 3, 178 f.

312 Siebenundzwanzigstes Kapitel.

Man darf die damalige Bedeutung von Asti nicht mit der heutigen vergleichen. Heute hat Turin der älteren Stadt den Rang abgelaufen. Auf Asti liefen die Pässe der Westalpen zu, auch vom Grofsen St. Bern- hard aus liefs sich die Stadt leicht erreichen. In schweren Kämpfen mit den benachbarten Städten, wie mit den Grafen von Montferrat und Savoyen hatte die Stadt bis zum Ende des dreizehnten Jahrhunderts ein recht beträchtliches Gebiet gewonnen ^ Der Handel der Stadt war alt. Schon in einer Urkunde Ottos lU. ^, wie namentlich in einer Konrads H. von 1037® wird desselben gedacht, man sieht namentlich aus letzterer, dafs den Astigianen die Schrecknisse der Alpen- und Apenninpässe nicht zurückhielten. Sie haben wohl die Waren der Genuesen nach Norden und Westen vertrieben 5 ja sie waren im Auslande angesehener als die Genuesen. Der Herzog Hugo von Burgund verpflichtete sich 1190, wenn er den Astigianen mehr Rechte einräume, solche auch den Genuesen zu gewähren*. Die Stadt soll eine starke WoUeniadustrie gehabt haben ^. Sehr früh findet sich bei ihnen auch die Bank, in den Urkunden die Berechnung des Zinses und im benachbarten Genua hatten sie ihre Banken ®.

Nach dem ältesten Geschichtschreiber, den Asti hervorbrachte, Ogerio Alfieri, sollen die Bewohner seiner Vaterstadt im Jahre 1226 begonnen haben, in Frankreich und sonst jenseits der Berge ihr Geld gegen Zinsen auszuleihen und hätten viel damit verdient^. Alfieri schrieb das mehr als ein Menschenalter später, und so mag die Jahreszahl nicht genau sein, wir würden sonst betonen müssen, dafs die Astigianen im Jahre 1225 von den Bewohnern des benachbarten Alessandria zweimal sehr empfind- lich geschlagen waren, bei Quattordio und Calamandrana. Jedenfalls waren Astigianen schon 1256 sehr zahlreich in Frankreich, sie wurden im ganzen Reiche von König Ludwig dem Heiligen zum Entgelt dafür, dafs in Asti Graf Thomas von Savoyen in Gefangenschaft lag, gefangen gesetzt und ihrer Güter beraubt. Nach Alfieri waren es 150 Personen, die sechs und mehr Jahre im Gefängnis safsen®, nach dem Schieds-

^ Vgl. die Karte bei Sella.

« M.G. Dipl. Otto III. 99.

»Stumpf 2098. Vgl. ßrefslau, Die Jahrbücher Kön. Konrads IL 2, 474.

* Mon. Hist. Patr. Lib jur. Januensis 355. » Sella 237.

* Es wurde 1251 abgemacht »quod dicta hanca teneatit in modum et formain quo et q%ia solehant innere Astenses in Janua*, Lib. jur. reip. Genuensis I, 1082 86.

' Muratori, Scr. rer. Ital. 11, 142. Codex Malabayla S. 60. »Anno domint 1226 cires Astenses cei}erunt prestare et facere casanas in Francia et in ultramontanis partilyus uhi muliam pecuniam Jucrati sunt, tarnen ibi multa mala passi sunt in per- sona et rebus <i,

» Codex Malabayla 8. 60.

Die Thätigkeit der Kawerschen. 313

Spruche waren den Wechslern 30000 Pfund genommen worden^. Die Astigianen treten fortan in Frankreich gegenüber ihren anderen Lands- leuten mehr zurück, um so bedeutender war ihre Thätigkeit nun in den Alpenthälem von Piemont und Savoyen; eine dünne Kette von Stationen führte dann durch Deutschland nach den flandrischen Gebieten, wo sie namentlich im fünfzehnten Jahrhundert hervortreten. Doch ist das von Sella aus Gachard geschöpfte Material wohl gerade für diese Zeit ein- gehender und umfassender, als für die frühere*.

Dafs sie und ihre Nachbarn Wucher trieben, war in Italien genau bekannt. Ein Astigiane brachte (um 1450) die Worte Alfieris zu 1226

in Verse:

Frigida tum primum coepit Geitnania numos Astenses et eis foenera magna dedif^y

und Benvenuto da Imola schrieb in seinem Dantekommentar: *AsiensibuSy qui sunt pecuniosiores omnibus italicis, ceteris paribus, quid sunt maximi ttöurariU *.

1342 mufste sich Asti unter die Signorie der Visconti von Mailand beugen. Dafs es die Freiheit verlor, war die Folge des Streites unter den Geschlechtern der Stadt. Er begann um die Mitte des dreizehnten Jahrhunderts und erreichte zu Anfang des folgenden eine auch in Italien seltene Erbitterung. Abwechselnd waren die guelfischen Solari * oder die in drei Zweige: Guttuari, Isnardi und Turchi gespaltenen ghibellinischen de Castello und ihr Anhang® aus der Heimat vertrieben. Man darf sich also unter diesen Kawerschen nicht Leute vorstellen, die auch in ihrer Heimat keine Achtung genossen, es waren die reichsten und angesehensten einer gröfseren italienischen Stadt, welche in der Fremde herumsuchten, wo es ihnen gestattet werde, eine casana aufzuthun, und dann begannen sie ihr Wuchergeschäft.

Es war ein fortgesetztes Vergehen nicht allein gegen das kirchliche Zinsverbot, gegen ein Verbot, das im Zinse den Wucher treflfen wollte, aber nur mit Mühe aufrecht erhalten wurde, sondern gegen den Geist des Christentums, was sie betrieben, war die praktische Leugnung der

1 Böhmer-Fickcr-Winkelmann 14244. Schiedspruch von 1265, also nach neun Jahren!

^ Gachard, Inventaire des archivcs de la Belgique. 3 Sella 2:^2.

* Muratori, Antiquitatcs Italicac 1, 1178. Sella 228.

^ Zu ihnen hielten nach Gabotto, Le guerre civili astigiane e la ristorazione angioina in der Rivista storica italiana 11, 26 die Malabayla, Troya, Falletti, einige von den Lajoli, Asinari, Pelletta und Roeri.

* Die Mehrzahl der Layoli, Asinari, Pelletta und Roeri, dann die Alfieri, Sca- rampi, Voglietti, Pallidi, Bergognini u. a. folgten ihnen.

314 Siebenundzwanzigstes Kapitel

Nächstenliebe. Der Kontrast zwischen dem äufseren Bekenntnisse zur Kirche und dem fortgesetzten Handeln gegen den Geist derselben wurde lebhaft gefühlt, das sehen wir an verschiedenen Kundgebungen. Es sind uns drei Testamente von Astigianen erhalten, welche Wucher getrieben hatten. Leonardo Solaro gab 1304 dem Bischöfe von Asti selbst 300 ÄJ Lire zurück, 5000 €6 gab er zur Rückzahlung der Wucherzinsen an andere und für fromme Zwecke. Ähnlich ist das Testament des Beneto de Solaro von 1321. Albertino Solaro starb im Auslande, auch er liefs allerdings bedeutend geringere Summen den ehemaligen Schuldnern zurückgeben, zugleich aber setzte er dem Erzbischof von Be8an9on und zahlreichen Geistlichen Legate aus, man kann nicht umhin zu vermuten, dafs der schlaue Wucherer sich so ein Begräbnis auf dem Friedhofe, das die Kirche den Wucherern ja verweigerte, sichern wollte. Die Witwe eines Giacomo di Antignano trat 1258 in ein Kloster, und der Anteil an einer Bank wurde flüssig gemacht und dem Kloster gegeben als Restitution : ^male acquisiiorum incertorumt ^ Der Sohn eines Bingener Kawerschen, der in Paris studiert hatte, dann Karthäuser geworden war, empfand den Druck des sündig erworbenen Geldes so sehr, dafs er sein elterliches Haus der Stadt zur Erweiterung des Friedhofes schenkte^.

Das Wuchergewerbe stellte diese Lombarden den unehrlichen Leuten und den Juden gleich. Die Situation der Juden und Lombarden war fast dieselbe, nur fehlte bei diesen der religiöse Gegensatz zwischen Schuldner und Gläubiger. Das Jahr des Judenmordes ist, trotzdem an ihm wirt- schaftliche Gründe einen erheblichen Anteil hatten, der Besitz der vielen Schuldbriefe den Juden äufserst verderblieh wurde, und man mit Recht in der Judenschlacht auch eine Geldkrise barbarischester Art, eine sociale Revolution gesehen hat, an den Lombarden vorbeigegangen, ohne sie zu schädigen. Ja, da in den nächsten Jahren besonders zahlreiche Nach- richten über ihre Niederlassungen vorliegen, darf man annehmen, dafs ihnen der Judenmord eine lästige Konkurrenz aus dem Wege schaflFte. Das Volk sah in ihnen „sündige Christen", nicht diejenigen, welche den Herrn ans Kreuz geschlagen hatten. Hie und da kam ein Lombarde auch zu einer Beamtenstellung, so die Salicetti und Asinari in Freiburg im Üchtlande, auch wurde wohl eine Ehe mit einer deutschen Christin ge- schlossen. Und dann hatten diese Lombarden doch immer noch eine Heimat, mit Stolz nennen sie sich cives AsienseSj während der Jude heimatlos war.

Im übrigen ist die rechtliche wie die wirtschaftliche Existenz dieselbe wie die der Juden. Diesen wie jenen kann man eine erhebliche Bedeutung

' Sella S. 250 ff., 243. 3 S. oben S. i300.

Die Thätigkeit der Kawerschen. 315

für den Warenhandel nicht oder wenigstens nicht mehr zusprechen. In dem grofsen Züricher Lombardenprivileg von 1409* heifst es, dafs sie wollen Gewand verkaufen dürfen, aber es folgt sofort der Zusatz, nur in ganzen Tuchen, nicht nach der Elle, Schürlitz sollen sie nur in Fardeln, nicht in Stück verkaufen, PfeflFer und Spezereien nach Ballen, aber nicht nach der Wage. Der Kornhandel wird ihnen freigestellt. Diese, soweit ich sehe, weiteste Ausdehnung, die ihrem Handel auf dem Gebiete des Warenhandels verstattet wurde, stellt sie somit den Kaufleuten an die Seite. Aber auch in diesem Privileg stehen die Bestimmungen durchaus nicht zu Anfang der Urkunde. Eine Unterstützung des Warenhandels, die uns aus Luzem direkt überliefert ist, kann man daraus folgern, dafs viele von den Ansiedlungen an den Wegen des Verkehrs liegen, aber sie haben sich auch in kleinen entlegenen Ortschaften angesiedelt. Von einer ernsten Konkurrenz, die sie Deutschen und Italienern auf dem Gebiete des Warenhandels machten, kann bei den Astigianen wie bei den Juden keine Rede sein. Nur die Muntprats schufen ein grofses Warengeschäft. Sie haben auch mit den Florentinern im Wechselverkehr nicht kon- kurriert, obschon das sehr nahe gelegen hätte, da an vielen Orten Asti- gianen angesiedelt waren, sie betrieben den Handwechsel und mehr noch das Gelddarlehen in kleinen Beträgen auf Brief oder Pfand. Nur die Häuser der Scarampi und vor allem der Malabayla mufs man ausnehmen, sie haben dieselben Geschäftsusancen wie die florentiner Bankiers jener Tage gehabt. Der Warenhandel war in den Konzessionen in der Regel verboten, so schon in Konstanz 1282; aber auch der Handwechsel, das Eintauschen von Münzsorten war ihnen mitunter untersagt, so 1328 in Köln. Sie kamen hier mit den Münzerhausgenossen in Konkurrenz, die Rhein abwärts in Basel, Strafsburg, Weifsenburg, Speier, Worms, Frank- furt und Köln safsen*. In keiner dieser Städte, abgesehen von Köln, haben die Lombarden eine bedeutende Rolle gespielt, wohl allerdings zumeist die dort angesiedelten Judengemeinden. In anderen Städten sorgte der Rat selbst für Geldwechsel , so safsen in Luzern seit 1383 städtische Beamte hinter der Wechslerbank, welche im alten Heim der Kawerschen errichtet war, ebenso gab es in Strafsburg einen städtischen Wechsel^. Der eigentliche Schwerpunkt der Geschäfte der „Lombarden" liegt im Gewähren von Kredit. Unser Lombarddarlehen ist aus dieser Geschäftspraxis hervorgegangen. Die Schuldner waren meist kleine Leute. In einzelnen Fällen wurden ihnen auch Zölle und andere Einnahmen

^ Zeitschrift f. Schweiz. Recht 4, 2, 38.

2 Ehrenberg, Über das ältere deutsche Müiizwesen und die Hausgenossen- schaften, in Staats- und socialwissenschaftliche Forschungen 2 (1880).

* Cahn, Der Strafsburger Stadtwechsel. Zeitschrift f. d. Gesch. des Obev- rheins N. F. U, 44 ff.

316 Siebenundzwanzigstes Kapitel.

verpfändet An manchen Orten durften sie Liegenschaften nicht be- leihen ^. Auch für das Pfandgeschäft gab es hie und dort Einschränkungen, so wurde ihnen 1304 in Zürich untersagt, Kirchengeräte oder kleine Quantitäten Seide als Pfand anzunehmen ; der Zweck dieser Bestimmung war oflFenbar der, die Herren, welche Seide an Weber zur Bearbeitung gaben, vor Verlusten zu schützen. Es fehlt ja nicht an Zeugnissen auch über wirkliche „Anleihen" von geistlichen oder weltlichen Fürsten und Herren, aber wie die erhaltenen Akten solcher Casanen uns lehren, ist das Darlehen auf oder ohne Pfand, das kleinen Leuten gewährt wurde, der Mittelpunkt des Qeschäftslebens.

Aus einem Freiburger Notariatsregister sind uns 119 Posten bekannt (1356 59), der höchste Betrag einer Schuld ist 133 fl. und daneben 144 U , der niedrigste 36 ß , die meisten liegen dieser unteren Grenze näher ^. Unter den Schuldnern sind Adlige und Geistliche, aber vor- wiegend doch wohl Handwerker, ein Apotheker mufs seinen ganzen Laden zum Pfände einsetzen. In einem Büchlein, das ein Inventar der casana, welche die Turchi in Sembrancher am Grofsen St. Bernhard hielten, sind 719 Posten aufgeführt, von 2 sol. an bis 101 it, der Durch- schnittsbetrag eines Darlehens war nur 2 U \\ß 8 ^, also erheblich niedriger als in Bern. Frauen, Gemeinden, Pfarrer fehlen unter den Schuldnern nicht. Ausgeliehen waren 2037 U \& ß \ h\ der Wert der Immobilien belief sich auf 68 ÄJ, der der Mobilien darunter auch die Pfänder auf 29, 16, 10. Nur ein kleiner Teil der Schulden war also durch Pfänder gedeckt, falls diese nicht an einen anderen Ort verbracht waren ®.

Die Frist zur Bezahlung war in der Regel aufserordentlich kurz be- messen. Der Zinsfufs für solche kurzfristige Darlehen wird zu allen Zeiten ein höherer sein, als für Rentendarleihen, die Herrschaft Heinsberg mufste 7 ®/o für ein solches den Lombarden entrichten. Über die Höhe des Zinsfufses im Mittelalter ist sehr viel geschrieben worden. Es kommt aber nicht darauf an, einige extreme Fälle anzugeben, sondern man mufs

1 So Bern 1386.

« Amiet 2, 226—240.

* Sella 254 f. Da es kein vom Geschäft selbst aufgestelltes Inventar ist, bleibt manches dunkel. Es wäre sehr nützlich, diese Verzeichnisse mit denen von jüdischen Geschäften vergleichen zu können. Bücher hat Frankfurt 1, 574 583 dio Verzeichnisse von Schulden, welche Frankfurter Juden 1891 geschuldet wurden, höclist scharfsinnig bearbeitet. Die Beträge der einzelnen Schulden sind hier erheb- licher, 5/b der Forderungen blieb freilich unter 50 fl., immerhin überstieg aber Ve die Stufe von 100 fl. 52<>/o ergaben sich Bücher als Pfandschulden, 48<^/o als Brief- schulden. Da es sich in Frankfurt aber um eine reiche Stadt mit reicher Umgebung handelt, wäre es gewagt, den Vergleich mit Sembrancher oder mit dem ganz anders gearteten Material von Freiburg durchzuführen.

Die Thätigkeit der Kawerschen. 317

das Normale kennen lernen. Und dafür bieten die Konzessionen für die Lombarden Slaterial genug. Auf deutschem Boden wurde in der Regel nicht, wie meistens in Italien geschah, Monats-, sondern Wochenzins be- rechnet, und bei der Einteilung des Münzsystems ergab sich da 1 oder 2 9) für das Pfund pro Woche als eine bequem zu handhabende Einheit. 1 S) für Pfund und Woche hätte im Jahre 21,67 ®/o ergeben. Das wäre schon ein Wucherzins gewesen, wenn man aber die Höhe des Zinsfufses für hypothekarischen Kredit, der bis 1350 sich auf 6 lO^/o stellte, dann aber in der Regel auf 5% sank", bedenkt, wenn man die Verluste bei jenen Wuchergeschäften in Betracht zieht, wenn man endlich das lucrum cessans anschlägt, das sich daraus ergiebt, dafs solche Banken immer starke Geldvorräte haben mufsten, wenn man erwägt, dafs die Gewinne im Warenhandel viel bedeutender waren als heute, so würde ein solcher Zinsfufs nicht so exorbitant erscheinen. Aber er war auch nicht die Regel, diese war 2 §) pro Woche und Pfund, mithin im Jahre 43,33 ®/o zu erheben. Man hat bisher inehr die Divergenzen gesehen, als diese Regel beobachtet*. Neumann belegt diesen Zinssatz als Maximum für Darlehen an den ortseingesessenen Bürger bei Judenschulden für Mainz 1255, Nürnberg 1310, München und Ingolstadt 1340, Schwäbisch Hall 1342, Zürich 1354, Thüringen 1368, Strafsburg 1375 (auch schon 1338, jedoch halb so hoch in der Judenordnung von 1383®), Regensburg 1392, Frei- burg i. Br. 1394, SchaflFhausen 1435, Frankfurt hatte 1338 einen Satz, der um ein Viertel niedriger war, 1390 war er wieder dem gewöhnlichen gleich, in Württemberg (ob durchgehends?) stand er um die Hälfte niedriger, in Würzburg 1444 auf 2P/8®/o, in Augsburg betrug er 1276 das Doppelte, 86,67, noch höher stand er in Österreich*. Auch für unsere Lombarden kann ich den Zinssatz von 43,33 *^/o belegen: für Konstanz, Bern, Solothurn, Zürich, Oberwesel, in Luzern wird das zu diesem Zinsfufse ausgeliehene Geld als »jsfc gewonlichem gesuche^ gegeben bezeichnet. In zwei Städten der Schweiz, in Freiburg und Biel, durften die Lombarden nur IVa auf Pfund und Woche nehmen*^, das ergab somit immerhin noch 32,5 ®/o auf das Jahr. Als aber in Zürich der Versuch gemacht wurde, den Zinsfufs auf 1 S) herabzudrücken, verliefs der Kawersche Bern und verlegte seinen Wohnsitz nach Überlingen®.

^ Vgl. die Tabellen über die Rentenkaufzinse bei Neumann S. 266—273.

^ Stobbe macht eine Ausnahme.

8 Strafsb. Urkb. 6 Nr. 147.

* Die Belege bei Stobbe S. llOf. u. 234 f.. bei Neumann S. 321 f. Vgl. auch Hanauer 1, 524 ff., Bücher, Frankfurt 1, 580 f. In Zürich übrigens schon vor 1304: Amiet 1, 224.

^ S. oben bez. Amiet 1, 230. 241. 251. 2, 149. 174. 181.

« S. oben S. 297.

318 Siebenundzwanzigstes Kapitel.

Dieser Zinsfufs von 43,33 ®/o geht sehr weit zurück, er ist geradezu der älteste uns belegte für Judenschulden. Zuerst finde ich ihn in Frank- reich, wo ihn Philipp August 1218 als Maximum erklärte; dort blieb er jedoch nicht erhalten. Philipp der Schöne erneuerte den Satz wieder *. In Deutschland wird er als Maximum angenommen in dem bayerischen Land- frieden von 1244 und in dem von 1256 ^. Der Tag des grofsen rheinischen Städtebundes von 1255 nahm in Anwesenheit des Reichshofsrichters ihn gleichfalls an für die nach Wochen zu berechnenden Schulden, bei den nach Jahren sollten vier Unzen vom Pfund das Maximum sein, mit anderen Worten 33,3 *^/o. Für die Münzen von Köln, Strafsburg und Hall sollten für den Wochenzins ähnliche Sätze gelten^. Bis ins fünfzehnte Jahr- hundert blieb der Zinsfufs von 43,33 ®/o in Südwestdeutschland und dem Rhein entlang mit Ausschlufs des Niederrheins in Kraft. Man darf ihn geradezu voraussetzen, wenn uns bei einem von einem Juden oder Lombarden gewährten Darlehen der Zinsfufs nicht angegeben ist. Bei einem Lindauer Kawerschen ergiebt sich ein Zinsfufs von zum mindesten 37,6^/0. Es ist das der einzige Fall, wo wir eine rechnungsmäfsige Mit- teilung haben, die leider nicht ganz klar ist.

In dem Bereiche der Kölner Münze begegnet uns ein anderer Satz, es wurde dort gerechnet nach der marca denariorum, und diese Münz- (nicht Gewichts-)mark umfafste 12 solidi und also 144 ^ oder 288 obuli*. Wenn also die Kölner Lombarden 1296 infiomine cusiuum*^ 3 obuli für die Woche nehmen dürfen, so sind das 54,2 *^/o. 1311 wird aber als stehender Gebrauch ^ad usuram Judeorum vel cusios Catoerctnonim^ bezeichnet, von einer Mark einen Pfennig zu nehmen , also 36,1 ®/o. Früher (1258 ujid 1272) waren in Köln 3 ft von der Mark berechnet, d. h. also 108 ®/o. Aber es ist 1258 das ein Maximalsatz für eine Entschädigung, man hofft, das Geld billiger zu erhalten *. In Oberwesel begegnet uns ein Zins von 65®/'o® neben dem oberländischen von 43,3 ^'o.

Im allgemeinen sieht man, wie der Zinsfufs sich möglichst eng an die Münzeinteilung anschliefst, beide Teile suchen eine möglichst einfache Rechnung zu behalten und vermeiden es möglichst, mit Brüchen rechnen zu müssen, „in die Brüche zu kommen". Ich glaube, dafs wesentlich dadurch der relativ billigere Zinsfufs von Köln gegenüber Oberdeutschland

^ Seila 215. Ehrenberg, Zeitalter der Fugger 1, 54.

'- M.G. Legum sectio IV. 2, 578 und 601,5. Das auf altere Vorlage zurück- gehende Judenedikt Friedrichs I. von 1157 giebt keine Grenze des Zinses an. 1, 227.

« Ebda. 2, b^\ ^5.

■* Kruse, Kölnische Geldgeschichte, in Westdeutsche Zeitschrift, Ergänzungs- heft 4 S. 11 ff.

" Ennen u. Eckertz 2, 403.

« S. oben S. 801.

Die Thätigkeit der Kawerschen. 319

zu erklären ist, nicht aus einer so viel gröfseren Geldflüssigkeit, die ja übrigens auch bestanden haben mag. Häufiger wurde der Zinsfufs für Darlehen an Leute, welche nicht in der betreflFenden Stadt wohnten, höher fixiert oder überhaupt unbegrenzt gelassen. In Zürich dürfen sie diesen ihr Geld leihisn *als iür si tvellenU *.

Die Höhe des Zinsfufses mag auch zum Teil dadurch zu erklären sein, dafs die Lombarden wenigstens an einigen Orten das Darleihen den Ortsbürgern gewähren mufsten, so war es in Luzern und Zürich, in Biel und Solothurn war dieser Zwang aber ausgeschlossen^. Der Zins von 43,3*^/0, den Juden und Astigianen in Deutschland erhielten, war gegen- über dem, der auf den Champagnermessen als Verzugszinsen erhoben wurde 60®/o noch niedrig zu nennen. Den grofsen sienesischen und florentiner Geldleuten gegenüber erscheinen die Kawerschen nicht gewachsen, jene hatten die Juden aus den grofsen Geldgeschäften ver- drängt, diese machten ihnen scharfe Konkurrenz in der Pfandleihe. Aus diesem Vergleiche ersehen wir aber, dafs die deutschen geld- bedürftigen Kreise nicht so sehr Veranlassung hatten, sich von den Senesen und Florentinern das nötige Geld zu borgen, sie erhielten es billiger im eigenen Lande bei Juden und Kawerschen.

Ein einzelner Lombarde erscheint in den seltensten Fällen als Inhaber des Geschäftes, in der Regel haben sich mehrere Kaufleute zu einer Gesellschaft zusammengethan , und derselbe Kauirnann scheint mitunter an mehreren Firmen beteiligt gewesen zu sein. Das Streben der einzelnen Firma geht darauf hinaus, ein Monopol innerhalb der betreflFenden Stadt zu gewinnen, sie sucht die Aufnahme von weiteren Lombarden oder Juden zu verhindern. Da schon die Gleichheit des Wucherzinsfufses einen weiten Markt auiserhalb der Stadt und Herrschaft von selbst aus- schliefst, will jede Gesellschaft den Ort selbst gründlich ausnützen und die Konkurrenten fernhalten^. In gröfseren Plätzen liefs die Behörde aber wohl zwei Banken, so auch in Freiburg i. Ü. und in Bingen, und daneben auch Juden zu, in Köln scheint es mehr als zwei Häuser neben- einander gegeben zu haben. In Luzern z. B. mufste eine zweite Gesell- schaft weichen. Die Ansiedlung wurde stets nur auf eine beschränkte Frist gewährt, wie das auch vielfach bei den Juden geschah. Die kürzeste ist die den Florentinern in Nördlingen gewährte von zwei Jahren, die längsten sind die Erlaubnisse für die Pelletta in Zürich (1409) auf 24 Jahre und für die della Rocca in Köln (1296) auf 25 Jahre. Der

^ Pelletta, s. oben S. 297.

« Amiet 2, 160 f. 174. 1, 251 u. 174. Ähnlich bei den Juden Neumann 368 f. Nübling, Judengemeinden 93.

* So Pelletta in Zürich, aufser ihm darf kein Geldleiher aus Lamparten oder Tuschgan aufgenommen werden.

320 Siebemmdzwanzigstes Kapitel.

Regel nach sind 15 20 Jahre festgestellt. Eine Formel aus der Kanzlei König Albrechts sieht drei Jahre vor^. Da aber dann häufig das Privileg verlängert wurde, verwuchs eine lombardische Familie nicht selten mit der neuen Heimat, so ist es vor allem in Aachen mit den Ruero, in Freiburg i. Ü. zu beobachten, wo die Asinari, Ruero und Salicetto Beamte benachbarter Geschlechter oder Besitzer adliger Herrschaften wurden. Auch die Ottini in Bingen verwuchsen mit dem neuen Heim, der Sohn wurde in deutschen Landen Karmeliter, und der deutschen Sprache haben sich die Lombarden in ihren Urkunden mehrfach bedient. Am festesten schlugen die Muntprat in Konstanz Wurzel, die in den Patriziat eintraten und das mächtigste und kühnste Handelshaus bildeten. Das Nomadenhafte ihres Daseins geht aber nicht verloren, eine alte Firma verschwindet plötzlich, um dann am anderen, weit entlegenen Orte wieder aufzutauchen. Der Zusammenhang mit der alten Heimat blieb erhalten. Da Malavolta in seiner Chronik von Asti von der Hungersnot und der Pest, welche 1315 »m regionihus Alamanniae, Olandiae^ Flandriae^ Hanno- niaey Lovaniae^ Brabantiae ei Franciae* herrschte, genauen Bericht giebt, fügt er hinzu: >£< hoc verum estj quia mulii Asienses habitantes in Ulis partibfis venienies Ast et fugientes famem ülam ei peatem^ approbabant et dicebanij omnia siipradicia esse vera^ ^.

Die Auswucherung erfolgte nun aber nicht ausschliefslich im Interesse der Lombarden, auch die Herren und Städte, welche sie zuliefsen, hatten einen Nutzen davon®. Gerade wie die Juden mufsten die Lombarden dem Herrn bez. dem Rate ein Schutzgeld zahlen, es steigt von 20 fl. heran bis zu 150 fl. , jenes kommt in Biel und Konstanz vor, dieses ist viel häufiger. In Aachen sind 1361 gar 300 Goldgulden an den Herzog von Jülich zu entrichten. In dem Konstanzer Stcuerbuche von 1422 er- scheint nicht ein einziger Bürger mit einer Steuer von 150 ^, die reichsten Lütfried und Hans Muntprat die längst nicht mehr als Kawerschen angesehen wurden zahlten 131 ^ und besafsen dabei ein Vermögen von 62000 i6 ^. Der nächst Höchstbesteuerte hat 48 fi als Steuer ent- richtet, und da handelt es sich um eine blühende Handelsstadt! Es ist ja richtig, dafs die Lombarden wie die Juden eine Reihe von schweren Pflichten mit den anderen Bürgern nicht teilten, dafs in diesem Schutz- geld so ziemlich alles zusammen gefafst ist, was sie dem Staate bez. der Gemeinde zu leisten hatten; immerhin wird man diese Steuer nicht allein

' Summa CuriacRegis. Arch. f. Kunde österr. Geschichtsquellen 14, 373.

'^ Muratori, SS. rer. It. 11, 227.

' Unter ganz eigentümlichen, nicht sofort klaren Formen vollzog sich die An- siedlung der Lombarden in Aachen. Sie erfolgte z. T. durch den Herzog von Jülich, z. T. durch die Stadt auf Wunsch des Herzogs. Vgl. die Bemerkung oben S. J306 zu 1301. Das Nähere gehört in eine Verfassungsgeschichte von Aachen.

Die Thätigkeit der Kawerschen. 321

als einen billigen Ersatz für die aufserordentliche Stellung der Lombarden anzusehen haben, sondern als eine indirekte Bewucherung der eigenen Unterthanen bezeichnen müssen. Um so schlimmer erscheint uns die- selbe, wenn sie von Städten, die man schlichtweg als Republiken charakteri- sieren kann, oder von geistlichen Fürsten betrieben wurde. Beide haben sich davon nicht freigehalten: Luzern, Zürich, Konstanz unter Beihilfe des Bischofs, Freiburg i. Ü., Bern, Solothurn, dann Köln sind zu nennen, andererseits die Erzbischöfe von Mainz, Trier und Köln. Gerade in dem Gebiete, wo diese drei Erzbistümer aneinander stiefsen, machten sich auch ihre Lombarden Konkurrenz : in Bingen, wo es auch eine starke Juden- schaft gab, safsen die Mainzer Lombarden, in Oberwesel, Koblenz und Ahrweiler die Trierer, in Linz, Sinzig und Remagen begannen die Kölner. Die Erzbischöfe durften den Wucher der Christen den Kirchengesetzen nach nicht dulden, sie thaten es gleichwohl. Ja der Mainzer Erzbischof Gerlach von Nassau sicherte Bingener Lombarden zu, dafs, wenn einer zum Sterben komme und Reue empfinde, ihm die Bufse, der Leib des Herrn, die hl. Ölung und ein christliches Begräbnis nicht verweigert werden sollte.

Am allerschlimmsten trieben es die Trierer Erzbischöfe. Der älteste Niederlassungsbrief, der uns überhaupt erhalten ist, führt uns gerade nach Trier. Das Schutzgeld war noch niedrig, es hat die Gesellschaft jährlich 20 U Trierer Pfennige zu zahlen. Der Erzbischof Heinrich verpflichtete sich, sie wegen des von ihnen betriebenen Geldhandels nicht zu bestrafen, und erklärte auch, früher gegen diese also oflFenbar schon länger im Erzstift weilenden Lombarden ausgesprochene Anschuldigungen nicht weiter verfolgen zu wollen, er überlasse das alles ihrem Ge- wissen. Gegen den selbst tief verschuldeten Erzbischof deckten sie sich durch die Zusicherung, dafs er von ihnen kein Darlehen erpressen werde; im übrigen hatte sich der Erzbischof gleich für sechs Jahre im voraus das Schutzgeld zahlen lassen \ wie auch Zürich von den Pelleta sofort für die Niederlassung auf 24 Jahre 2800 fl. nahm. Diese Be- stimmungen liegen also noch im Bereiche der übrigen Lombardenkon- zessionen. Später hielt man es für notwendig, das ganze Verhältnis zu verdecken. Erzbischof Balduin, Kaiser Heinrichs VH. Bruder, der sonst die Juden protegierte, liefs einen Lombarden schwören, dafs er ohne seine Zustimmung nicht Wucher treiben wolle, und zugleich nimmt er ihm ein jährliches Schutzgeld von 50 it kleiner Turnosen ab, das selbst- redend nur durch Wucher aufzubringen war*. Bei Andrea Pallidos Konzession durch den in Geldsachen sehr erfahrenen Erzbischof Kuno

1 S. oben S. :302 und Urkunden Nr. 408.

2 Urkunden Nr. 412.

Schulte, Oesob. d. mittelalt«rl. Handels. I. 21

322 Siebenundzwanzig.stes Kapitel.

ging man noch vor.siclitiger zu Werke. Der Lombarde mufste sich zu einem Schuldscheine bereit finden, in welchem er erklärte, der Erzbischof habe ihm 3000 Mainzer Goldgulden geliehen. Man würde fast geneigt sein zu glauben, der Lombarde sage die Wahrheit. Allein von irgend welcher Verzinsung ist nicht die Rede und die Rückzahlung hat in Raten zu erfolgen. Ich meine, es ist eine Obligation zur Zahlung des allerdings enormen »Schutzgeldes im Betrage von 1500 Goldgulden jähr- lich, und man fragt sich allerdings, wie in Ahrweiler ein Wucherer so viel auftreiben konnte. Die Bürgschaft ist darum auch recht kompliziert. Es genügt nicht ein übergebener Pfandbrief, auch zwei andere Lom- barden — von Oberwesel und Linz und der aus Italien stammende Münzmeister in Koblenz mufsten sich als Selbstschuldner erklären ^

Die Summe von 1500 fl. wurde nicht erreicht in der Konzession für Oberwesel. Zwei Urkunden ergänzen sich. Die eine giebt als jähr- liche Abgabe 900 fl. an, das macht für neun Jahre 8100 fl. Die andere aber sieht wieder aus wie ein Schuldschein der Lombarden. Es werden zwei verschiedene Obligationen darin zusammengefafst, in der That sind es die Obligationen von zwei Bürgengruppen. In der ersten bürgen sechs Italiener mit einem Bewohner von Oberwesel für 30u0 fl , in der zweiten vier von diesen Italienern und vier Schöfi^en von Oberwesel für 8000 fl. Das ganze Verhältnis wird aber klar durch die Bestimmung, dafs die ratenweise Abzahlung dieser angeblichen „Schuld" von 1 1 000 fl. sofort aufliören soll, wenn der Nachfolger des Erzbischofs die den Lom- barden auf neun Jahre gewährte Konzession nicht anerkennen sollte. Interessant ist die Zusammensetzung der Bürgengruppen : neben Leuten aus Oberwesel erscheinen Lombarden, die zum Teil sich als in Nachbar- orten angesiedelt nachweisen lassen, so wohnte der Astigiane Dracho Aleonis in Linz^.

In den Reichsstädten war wie der Judenschutz, so auch der Lom- bardenschutz ursj)rünglich Sache des Stadtherren gewesen. In Köln wird di'; Errichtung der W^ucherbank noch 1328 von der Genehmigung des Erzbischofes abhängig gemacht, so will die Stadt der ausdrücklich er- wähnten Gefahr entgehen, exkommuniziert zu werden. In einem solchen Falle will die Stadt mit ihren Lombarden nichts zu thun haben. In den Reichsstädten taucht auch bei den Lombarden wie bei den Juden der Anspruch des Königs auf, dafs sie der Kammer zu dienen hätten. Am bezeichnendsten ist wohl das Vorgehen Heinrichs VII., der einfach alle „Lombarden" als Regalpflichtige ansah, wenigstens in Nicderlothringen^.

1 S. Urkunden Nr. 420. -• Urkunden Nr. 421. '•' S. oben S. :W.

Die Thätigkeit der Kawcrscben. 323

In Bern werden die Kawerschen vom Könige zum Pfände eingesetzt, die Lombardensteuer von Solothurn und Schlettstadt verlieh Karl IV., dieser Kaiser sprach 1359 Zürich gegenüber aus, dafs »crZfe Jcatverzifi^ tvuocher und Juden unser und des richs kamer dienen und gehöm<i. So kam es denn, dafs endlich am Anfang des sechzehnten Jahrhunderts der Eise- nacher Stadtschreiber Purgoldt schreiben konnte: ^Die Kawermner seint der fursten Jcamerknechte gleich also dy Juden, dyweil sy das wucher antriben, an das sy mit den lybenn nicht eygen sintt ^ So hatten die Herren einer freien Stadt Italiens sich in Deutschland erniedrigt! Freilich König Siegmund machte viele Astigianen zu seinen Familiären!

Wie die Juden „privilegiert" wurden, so war auch die Stellung der Lombarden durch die einzelnen Konzessionen aufserordentlich günstig geworden. Aus diesen Dokumenten des späteren vierzehnten Jahrhunderts, die zum Teil wörtlich übereinstimmen, könnte man ein Kawerschen recht zusammenstellen. Die Urkunden verraten schon durch die Gleichheit der Form *, dafs sie nicht von der Kanzlei des Ausstellers entworfen wurden, sondern dafs die Lombarden den Entwurf vorlegten. Die beiden ältesten Konzessionen, die von Trier 1262 und Konstanz 1282®, enthalten erst einzelne Momente des später gemeinen Kawerschenrechtes. Das Trierer sichert die Ansiedler im Straf- wie im Erbrecht, das Konstanzer hat be- reits einzelne Begünstigungen im Beweisrechte. In beiden Fällen werden die Lombarden auch noch als rechte Bürger aufgenommen, später ge- schah das nicht mehr.

Das Recht der Kawerschen ist ein Gegenstück des Rechtes, das den Juden zugestanden war*. In dieses bereits ausgebildete traten die Kawerschen hinein, es in einzelnen Punkten fortbildend, in anderen nicht erreichend. Zu einer selbständigen, wenn auch beschränkten Ge- richtsbarkeit konnten es die Lombarden schon wegen ihrer geringen Zahl nicht bringen. Doch ist in Aachen das fast erreicht. Bei Streitig- keiten zwischen den Italienern sollte jede Partei zwei rechtschaffene Leute aus der Heimat aufstellen, wenn diese sich nicht einigen können, wird ihnen ein Obmann gegeben, aber auch dieser soll Lombarde sein. Grofse Verwandtschaft zeigen mit dem Rechte der Juden die Bestim- mungen des Mobiliarpfandrechtes: entgegen dem römischen und deut- schen Rechte wurde dem Lombarden, wie meistens dem Juden zugebil- ligt, dafs das von ihnen bona fide gekaufte, aber gestohlene Gut nicht

1 Neiimann H87.

2 Es sind voneinander abhängig: Aachen 1361, Bingen 1863, Oberwesel 1376, Solothurn 1377 und Biel 1397.

' Beide abgedruckt im Urkundenbande Nr. 325 und 408. * Vgl. vor allem Stobbe und Neu mann.

21*

324 SiebenundzwaDzigstes Kapitel.

dem Eigentümer zufallen solle, sondern dafs dieser dem Pfandinhaber zuvor die dargeliehene Summe samt Zins, „Hauptgut und Gesuch" zu ersetzen habe ^ Das Pfandgut darf ferner nach Jahr und Tag verkauft werden, der Mehrerlös verbleibt den Lombarden^. Auch bei dem Ver- derben oder Verlust eines Pfandes steht der Rechtsvorteil durchaus auf Seite der Lombarden®. Am weitesten geht auch sonst wieder die Aachener Konzession: Der Landesherr verpflichtete sich da jeder casana einen Mann zu geben, der unter dem grofsen herzoglichen Siegel auto- risiert sein werde, den Lombarden bei Eintreibung der Schulden zu helfen. Im Beweisrecht wird der Eid der Lombarden aufserordentlich bevorzugt, in der Konstanzer Konzession von 1282 heifst es: ^Standum est ectam sacramenio predictorutn Lombardorum pro spacio temporis ohli- gacionis pignoris cujuscunque et pro quantitate pecunie mutuaie,'^ Ähnlich sind die Bestimmungen an anderen Orten*. In Italien und auch in Freiburg im Ü. wandte man sich an einen Notar, eine Person öffent- lichen Glaubens, bei Abschlufs des Darlehensvertrages, hier war der Eid der einen Partei zum siegreichen Beweismittel erhoben. Mit den Juden- verträgen stimmt es, dafs die Lombarden von dem Zwang zum Zwei- kampf befreit wurden*^.

Auch im Strafrecht sind bemerkenswerte Bestimmungen vorgesehen. Nur der Thäter, nicht seine Genossen der Gesellschaft sind haftbar, eine Ausnahme macht der Mord, aber da ist sofort die Strafe auf 25 ÄJ Turnosen limitiert®. Ein Arrest auf ihren Besitz aufserhalb des Gebiets des Konzessionierenden verpflichtet diesen in Aachen zu Repressalien an den Gütern oder der Person des Arrestierenden. Auf Repressalien für das, was in Italien geschieht, verzichtet aber der Herr''. Mehrfach wird den Lombarden ein beschleunigtes Gerichtsverfahren, stets aber ein Gnadenjahr zur Erledigung ihrer Geschäfte über die Konzessionsdauer zugesichert**. Besonders zu bemerken ist, dafs einzelne Städte die Schutzpflicht auch ausdehnen gegen alle Mandate vom Papst, Kaiser und allen geistlichen und weltlichen Behörden**, oder auch auf eine

^ Aachen, Biel, Solothum, Bingen, Oberwesel. In Zürich (Pelletta) nur das Haiiptgut.

- Konstanz, Biel, Solothürn, Bingen, Oberwesel. In Zürich (Pelletta) gehörte der M obrer lös dem, dessen Eigentum das Pfand gewesen war.

^ Biel, Solothiirn.

^ Aachen, Biel, Solothum, Bingen, Oberwesel, Zürich bes. eingehend.

''* Aachen, Biel.

^ Aachen, Bingen, Oberwesel 50 fl.

■^ Biel. Ersteres auch in Bingen.

** Pelletta in Zürich zwei Jahre, im ersten müssen sie 100 fl. zu Steuer geben.

^ 8o Aachen, Biel, Solothum.

Die Thätigkeit der Kawerschen. 325

Anrufung des geistlichen Gerichtes verzichtend Der Mainzer Erzbischof will sie schützen gegen alle Herzoge, Prälaten und was niedriger im Range ist, als er selbst^. Dafs nach dem Tode eines Wucherers dessen Gut an den Herrn fallen sollte, wie es für Wallis bezeugt ist^, habe ich weiter nördlich in keiner Urkunde gefunden, im Gegenteil wird das Erbrecht der Heimat überall anerkannt.

Welchen Einflufs haben die Lombarden auf das deutsche Geschäfts- leben gehabt? Der Warenhandel war ihnen im allgemeinen verschlossen. Darf man sie aber etwa als die Lehrmeister der deutschen Bankhäuser, welche im fünfzehnten Jahrhundert anfangend im sechzehnten den Welt- handel beherrschten, bezeichnen? Keineswegs, diese sind in dem inter- nationalen Warenhandel grofs geworden, nicht in dem lokalen Geldwucher. W^enn der gründlichste Kenner der Handelsrechtsgeschichte von den Juden sagt, dafs sie in der Geschichte des Handelsrechts keine erheb- liche Spur hinterlassen haben*, so gilt das auch von ihren christlichen Konkurrenten.

Im wesentlichen war ihre Thätigkeit auf das Gewähren von zins- baren Darlehen beschränkt, welche durch Pfänder oder Bürgen gesichert waren. In dem Darleihen auf Pfand, in dem Lombarddarlehen hat sich die Erinnerung an diese Zeiten festgehalten, das ist das Geschäft, wel- ches sie und die Juden ausgebildet und dem Verbote der Kirche zum Trotz aufrecht erhalten haben. Diese hatte das Kapital in eine andere Richtung geführt, in dem Rentenkauf schuf sie eine für jene Zeiten unzweifelhaft überaus segensreiche Einrichtung. Das Lombarddarlehen kam anderen Bedürfnissen entgegen, die Ursachen, welche es nötig machten, verschwanden nicht, sondern traten noch stärker hervor. Der Rentenkauf gewährte nur dem Besitzer von Grund und Boden Kredit, wer nur Mobilien besafs, wer nicht ein christlich denkendes mildes Herz fand, war auf die Lombarden und Juden angewiesen. Und unzweifel- haft sind viele, welche den Kredit benutzten, um wirtschaftlich vorwärts zu kommen, dabei gut gefahren. Der Gewinn des Darleihers verband sich da mit der Stärkung des Entleihers. Nicht alle Geschäfte, welche hinter der Wechselbank abgeschlossen wurden, waren Wuchergeschäfte. Mancher Kaufmann mag dort Geld sich geholt haben gegen Zins, um höheren Ertrag zu gewinnen, mancher Handwerker sich das Geld für sein Handwerkszeug erborgt haben, er gewann dort die Mittel für einen

^ Biel. Die Pelletta in Zürich müssen sich gegen die geistlichen Gerichte selbst wehren. ^ Bingen.

3 Hub er, Privatrecht 4, 554 N. 25. * Goldschmidt 111 f.

326 Sicbenundzwanzigste» Kapitel.

erhöhten Produktionsgewinn. Aber in vielen Fällen bedeutete der Ge- winn des Darleihers den Sehaden des Entleihers. Unter die Begriff<> von Produktiv- und Konsumtivkredit hat man das meist zusammenge- fafst, obwohl das sich nicht ganz deckte Gewifs hat bei diesen Lom- barden auch mancher leichtsinnige Sohn reicher Eltern, mancher Mann, der besser lebte, als er sollte, mancher Handwerker aus Leichtsinn sich Geld geholt. Wenn heute so schwer nachzuweisen ist, ob nach diesen Begriffen Wucher oder vernünftiger Kredit vorliegt, ist selbstverständlich für das Mittelalter bei den Lombarden das im einzelneu nicht zu unter- scheiden. Selbst die beiden Fälle, wo wir den Betrieb näher verfolgen können, lösen nicht die Zweifel; man kann aus ihnen keine zwingenden Beweise führen. Der Eindruck, den man aber gewinnt, ist doch der, dafs man es mit Leuten zu thun hat, welche vorwiegend Wucher betrieben.

Das Quellenmaterial ist für das fünfzehnte Jahrhundert nicht so er- schlossen, wie für das frühere. Aber es ist doch wohl keine Täuschung: Nach 1400 beginnt eine mächtige Strömung auf die Fürsten und Magi- strate einzuwirken; hie und da wird versucht den Zinsfufs herunter- zusetzen, der Geldumlauf ist stärker, der Zinsfufs weicht, an anderen Orten schafft die Stadt selbst einen Ersatz für einen Teil ihrer Geschäfte, es entstehen städtische Wechselbanken, Leihhäuser und Leibrenten- banken — in Italien die montes pietatiSy welche ohne Zinsen durch- zukommen versuchen und das Ideal christlicher Nächstenliebe auch auf diesem innersten Felde des Egoismus durchzuführen versuchten, was sich aber als unmöglich erwies. Am drastischesten äufsert sich das alles gegenüber dem Judenwucher. In den meisten Orten verschwindet, so weit wir bis jetzt die Lombarden verfolgen können, im Laufe des fünf- zehnten Jahrhunderts ihre Spur, gelegentlich erfahren wir, dafs sie ver- trieben wurden oder fortzogen.

Die christlichen Konkurrenten der Juden haben im allgemeinen also dieselbe rechtliche und wirtschaftliche Stellung eingenommen wie diese, zwei fremde Nomaden haben das wirtschaftliche Leben gerade der niederen Stände Deutschlands tief beeinflufst. Sie boten dem Glauben jener Tage Trotz, welcher in jedem Zinse Wucher sah, sie sündigten wider das Ge- fühl des Volkes, wider das, was ihm als Recht galt, und so heftig die Ausbrüche des Hasses waren, wenn es einmal gegen die Juden ging, der Einzelne kehrte doch wieder bei ihm oder dem Lombarden ein drückte ihn die Not, so ging er zum Wucherer, und gab es keinen im Orte, so

1 Auf die Erörterungen von Neumann, Nübling, Endemann, Stein, Funk, Ratzinger, Ashley u. a. ist hier nicht näher einzugehen. Vgl. die Ldtteratur bei Ashley 1, 127 f.

Die Thätigkeit der Kawerscheii. 327

berief der Rat einen, als handle es sieh um eine Person, die fUr den Ort notwendig war. Als es nur erst hie und da Stadtärzte gab, gab es Wucherer und zwar Wucherer fremden Blutes. In den älteren Urkunden schlagen selbst Städte einen Ton an, als wenn mit der Ansiedlung von Lombarden Glück und Segen einziehe. Das beweist uns, wie stark das Bedürfnis nach diesen Geldhändlern war, dafs sie oft auch heilsam wirkten. Sie fanden Vertrauen, und warum? Ist es nicht ein eigentüm- liches Geheimnis der menschlichen Natur, dafs sie aufser in religiöser, tief ergriffener Stimmung in der Beichte einem Vertreter Gottes Dinge, die ihr unangenehm und mifslich erscheinen, am liebsten einem Helfer offenbart, der ihr fremd ist, den sie für sittlich inferiorer hält, von dem sie vor allem eine Eigenschaft, welche den Stammesgenossen oft fehlt, voraus- setzt, die Verschwiegenheit. Ich wenigstens möchte das glauben.

Dafs die Juden von den Christen Zins nahmen, widersprach nicht ihrem Gesetze, sie belasteten damit ihr Gewissen nichts Anders bei den Astigianen : wir haben gesehen, dafs gegen die Sündhaftigkeit dieses W^uchers das Herz doch nicht völlig verhärtet war, Reue quälte sie viel- fach. Die Juden waren trotz der grofsen Privilegien der Fürsten recht- los, sie waren nur sicher vor der Kirche; die Lombarden hatten mehr diese zu fürchten, seltener brach der Herr ihnen sein Wort und aus dem Volke heraus, das wirtschaftlich natürlich mehr litt, als die Grofsen, läfst sich keine gegen sie gerichtete Bewegung nachweisen. Die Juden hatten die äufseren Qualen, die Verfolgungen; der Judenmord verschonte aber die Lombarden, ihnen wurden die inneren Gewissensqualen zu teil und die Reichtümer, welche sie aufhäuften, haben für die Kultur nichts er- tragen. Ohne die reichen Kauf leute wäre die Kunst von Venedig, Florenz und Mailand undenkbar, und auch Genua übertriffst an Bedeutung für das Geistesleben manche nordische Schwester: in Asti aber wurde der Reichtum nicht der fruchtbare Boden, auf dem Kunst und Wissen- schaft aufblühten. Die Geschichte beider geht so gut wie völlig an Asti vorüber, nur ein Spätling, Vittorio Alfieri, ward eine Zierde der italienischen Litteratur, aber eigentümlich genug, die Wandernatur des Astigianen kam auch bei ihm zur Geltung. Kein italienischer Dichter der Neuzeit hat so viel im Ausland gelebt, wie Aliieri, auch dem deutschen Boden hat er sich vertraut gemacht.

^ N cum an 11 29: J. Stobbc 106.

328 Achtundzwanzigstes Kapitel.

Achtundzwanzigstes Kapitel. Italiener an deutschen ZSllen nnd Münzstätten.

2jölk. Erste Goldprägung in Florenz. Netierungen bei den Silhermünzen: Turnosefiy höhmische Groschen y Heller, Italiener bei anderen Münzen, Italiener bei Herstellung der deutschen Goldmünzeti; Böhmen, Lübeck, rheinische Gulden. Florenz und Asti.

Die gründliche Kenntnis des Geldwesens, die Erfahrung in der Hand- habung des Geldwechsels, die Gewöhnung an eine Buchführung, die Kunst, mit dem Kapitale arbeiten zu können, mit einem Worte die technische Überlegenheit des Italieners und des Juden über den deutschen Kauf- mann auf dem Gebiete des Geldhandels brachte sie nach zwei Richtungen auch in die Staatsverwaltung.

Die wichtigsten Verkehrsabgaben waren die Zölle, nach dem Reichs- zolle von Kaiserswerth waren aber wohl keine einträglicher, als die grofsen Rheinzölle, welche die drei rheinischen Kurfürsten eingeführt hatten. Der damaligen Verwaltung mufste das Verpachten des Zolls vorteilhaft erscheinen : man vermied, indem man den Finanzpjtchter auch zum Finanzbeamten machte, die Bestechlichkeit des Beamten, die Gefahr, dafs das ein Lehen wurde, und war dazu in der Lage, vom Pächter Vor- schüsse zu erhalten, bei ihm Anleihen zu machen, ohne diese Einkünfte geradezu verpfänden zu müssen ^ Neben und vor dem deutschen Kauf- mann kam dann der Jude und der Lombarde in Frage. Die Nachrichten über die Bestellung von Zollbeamten sind, wie erklärlich, sehr spärlich. Der Zoll zu Leutesdorf wurde 1310 vom Lombarden Bartholomäus von Aachen verwaltet^, 1312 waren dort Zöllner Brunefus et Pucio de Luca, Thomasiiin de Florentia und Pusinus de Lueizclnhurg^ ^ der ja vielleicht kein Lombarde war, aber es ebensogut wie der Bartholomaeus von Aachen sein kann. In den Tagen Erzbischofs Heinrich von Virneburg waren die Zölle zu Leutesdorf, Bonn, Andernach, Rheinberg an Lombarden verpfändet und wohl auch durchweg in Verwaltung gegeben *. Karl IV. überwies für eine Schuld von 29450 Goldgulden einen Teil des Zolls zu Kaiserswerth an Thomas von Suane genannt Hermelin und seinen

^ Ehrcnbcrg 1, 25 f.

- Böhmer-Fickor, Acta imp. 418. Lamprecht, Wirtschaftsleben 2, 28o. In Koblenz hatten von 1332 bis 1349 Juden den Zoll in Pacht zu ganz erheblichen Summen. Die erzbischöfliche Finanzverwaltung war so gut wie völlig in Händen der Juden. La mp recht 1, 2, 1472 fF. 1229 war der Zoll zu Geisenheim an einen Juden verpfändet (oft'enbar Schuldpfandschaft), dasselbe war zu Anfang s. XIV in Köln der Fall. Stobbe 116. Selbst in Ulm Nübling, Judengemeinden LXXIV.

^ Dronke, Cod. dipl. Fuld. 8. 429. Dem Abte von Fulda weist Kaiser Hein- rich 3000 U Hallenses auf dem Zolle an.

* Urkunden Nr. 429, 430, 431, 432, 433, 434, 435 und 437.

Italiener an deutschen Zöllen und Münzstätten. 329

Bruder Jacob, Kaufleute von Conio, wie an Franz und Ambrosius von Busti, Kaufleute von Mailand, ob aber zur eigenen Verwaltung, ist zweifelhaft ^

Wichtiger war der Einflufs der Italiener auf die Münze, wo sie mit- unter den Juden folgten^. Die romanisch-germanische Welt jener Tage besafs nur Silbermünzen mit Ausnahme Siziliens, was auch hierin auf den Orient hinwies, wo das Gold noch immer das übliche Zahlungsmittel war. Florenz hatte, als es den Gulden schuf, mit einem Schlage sich an die Spitze des Fortschrittes auf dem Gebiete des Münzwesens gesetzt. Der Gulden (fl.) ist fast sofort die internationale Münze geworden, wir haben ihn schon sehr früh auch in den Geldgeschäften der hohen deutschen Geistlichkeit vorgefunden. Dem gewaltigen Fortschritt, den Florenz machte, konnte man diesseits der Alpen nicht folgen, schon aus dem ein- fachen Grunde, weil Deutschland selbst kein Gold produzierte und an dem eigentlichen Welthandel noch viel zu geringen Anteil hatte. Erst 1325 verliefsen die ersten Goldmünzen eine deutsche Münze ^. Der Über- gang von der Barrenwährung, wo das Silber in Barrenform gewogen wurde, zu einer freilich nicht allein bestimmenden Goldwährung vollzog sich zunächst durch Neuerungen innerhalb des Gebietes der Ausmünzung des Silbers. Bis dahin war ausschliefölich der denarius (Pfennig) aus- geprägt worden, der solidus (Schilling zu 12 den.) war nur eine Rechnungs- einheit, kein Münzstück. Es war das ausgeprägte Geldstück also Scheide- münze, und wer die damals in Oberschwaben und der Schweiz geprägten Brakteaten (Schüsselpfennige) oder Halbbrakteaten sich ansieht, wird sich ohne lange Prüfung davon überzeugen, dafs solche Münzen einer Zeit leb- hafteren Handels nicht genügen konnte».

Frankreich ging mit der Reform vorauf, bei den in Tours geprägten Groschen (Dickpfennige, Turnosen) war auch der solidus ausgemünzt worden. Jetzt war eine bequeme Münze vorhanden, welche als Handels- münze auch aufserhalb Frankreichs Kredit gewinnen konnte. Die Tur- nosen, deren Ausprägung unter Ludwig dem Heiligen begann und bis zum Ende des dreizehnten Jahrhunderts völlig konstant blieb, verdrängten die wichtigsten internationalen Münzen, die Provinsins, die auf den Messen der Champagne gebräuchliche Landesmünze, und die englischen Steriinge aus weiten Räumen, die Sterlinge waren übrigens in Ober-

' 1871 Februar 24. Koch u. Wille Nr. 5074.

*-* Die hebräischen Buchstaben ähnelnden Zeichen eines Löwcnbrakteaten Her- zog Bernhards I. von Sachsen (1180 1212) lassen Menadier an einen jüdischen Münz- meister denken. Aronius Nr. 389.

3 1325 Prag, 1340 Lübeck, vor 1349 Köln (Kruse 43), 1354 Mainz (Lam- precht 2, 463).

330 Achtundzwaiizigstes Kapitel.

deutschland so gut wie unbekannt ^ Ein Anteil von Italienern läfst sich nun an der Schaffung dieser Münze nicht nachweisen, wohl aber an der Verschlechterung derselben. Philipp der Schöne folgte da 1302 dem Rate von Biccio und Musciatto Francesi von Florenz, welche den eigenen Landsleuten dadurch schweren Schaden zufügten. Sie zuerst unter den lombardischen Abenteurern gewannen einen leitenden Einflufs auf die Geschichte Frankreichs^.

Eine Nachahmung der Turnosen war der Prager böhmische Groschen. Der Plan zu dieser Reform ging aus von Florentinern und die Initiative von einem Könige, der ebenso stark unter dem Einflüsse der Legisten stand, wie sein Zeitgenosse Philipp der Schöne. Dieser hatte in Frank- reich Kenner des römischen Rechtes zur Hand, Wenzel IL berief sie aus Italien, ein italienischer Rechtsgelehrter Gozzo von Orvieto schuf das Bergrecht von Kuttenberg, dem grofsen böhmischen Silberbergwerk. Der Chronist von Königsaal schildert uns die vor 1300 in Böhmen infolge allzu häufiger Änderungen herrschende Münznot. König Wenzel II. schickte nun nach Florenz und berief »viros indusiriosos Reinhardum scilicet Alphardum et Cynoneni Lomharduntj qui in talibus negotiis tantam habebant experientiamj quod utiliter dirigere poterant rem tarn tnagnam^ *. Der Ruhm des „Böhm", der in Schlesien noch in jedes Mannes Munde lebt, geht also in letzter Linie auf Florenz zurück.

Aber auch bei der böhmischen Münze fehlte die Versuchung, das Geld zu verschlechtern, nicht. König Johann, der Luxemburger berief: T^quosdam de Florentia Lombardos in scieniia hicrandi pecunias vaJde gnaros, ad horum consilium parvos denarios rex permisit in moneta publica mone- iari*. Diese Münzverschlechterung von 1327 rief natürlioh nicht geringe Erregung hervor*.

Auch Heinrich VII. hatte sich bei der italienischen Münzprägung, die er reformieren wollte, und wo es sowohl auf Groschen wie auf Gold- münzen abgesehen war, italienischer Münzer bedient. In dem einen Bestallungsbrief erscheint ein Habiczo fiJim dytani Hugueti civis Fhreniie; der Vertrag vom 13. Januar 1312 nennt als Münzer Philippus de Nigro

^ Aus der Litterätur über die Turnosen erwähne ich S c h a u b e, Kurs- bericht 259 f., wo die weitere Litterätur angegeben ist. Über den Sterling vgl. Schaube 283 ff.

- S. oben S. 271. Auch Betin Cassinel, des Königs Münzmeister, war ein Italiener, er stammte aus Lucca und begründete in Frankreich ein sehr angesehenes Geschlecht. Piton 114 ff.

3 Chron. aulae regiae. , Fontes rer. Austriac. I, 8, 161. Schon kurz vorher waren übrigens in Schlesien Dickpfenninge geprägt worden.

* Ebenda S. 448. Auf die böhmische Goldmünze bezieht sich diese Nachricht wohl nicht.

Italiener an deutschen Zöllen und Münzstätten. 331

civts Jnniie und Georgius Älyon civis Asicnsis, beide Familiären des Königs ^

Neben den Turnosen und den Prager Groschen gewann eine dritte Münze seit dem Ende des dreizehnten Jahrhunderts eine grofse Beliebt- heit. Es ist die Münze von Hall. Sie verdankte das nun nicht dem Übergange zur Groschenprägung sie hielt vielmehr an der Ausmünzung der charakteristischen Händlein-Pfennige fest sondern allem Anscheine nach der grofsen Geschicklichkeit, sich dem Münzfufse benachbarter Münzsysteme zu accomodieren , und dem konsequenteren Festhalten an dem einmal gewählten Brand und Korn, das gegenüber der allgemeinen Münzvcrschlechterung das Zutrauen des Volkes gewann ^. Oberschwaben gegenüber, das Hohlpfennige prägte, hatte Hall an den zweiseitigen Denaren festgehalten.

Die Münze war ferner so niedrig angesetzt, dafs der Heller die kleinste Courantmünze wurde ; während der Groschen sich also über den Pfennig einschob, trat der Heller unter ihn. So wurde Hall die numis- matische Hauptstadt des südlichen und westlichen Deutschlands®. Sie eroberte sich mit der kleinsten Scheidemünze den Markt, indem sich im Laufe des vierzehnten Jahrhunderts das Pfund Heller in der Wertgleich- heit zum Florentiner Goldgulden hielt, wurden die Heller von selbst im Verkehrsleben die Unterabteilungen des Gulden von Florenz wie später des rheinischen Guldens*.

Die Geschichte der Münze von Schwäbisch Hall, deren Akten unter- gegangen sind, ist trotz der Arbeiten von Grote und Lamprecht, wie mir scheinen will, noch nicht so gründlich untersucht, dafs man konkludent auf ein Jahr die Wandlungen innerhalb derselben bestimmen kann. Das Vertrauen wurde von ihr auch nicht auf einmal errungen, erst langsam wird dasselbe erworben. Nach Pfund Haller Pfennig wird zudem schon seit sicher 1219 gerechnet, die Verbreitung über das nächste Gebiet be- ginnt schon im letzten Viertel des dreizehnten Jahrhunderts^.

^ Dönniges, Acta 2, 96 und 31 u. 32 Anm. 1.

2 Nach Lamprecht 2, 453 hatte der Heller 1245—65 0,338 Gr. SUber, 1326 noch 0,326.

^ Grote, Schwäbisch-Alemannische Geld- und Münzgeschichte des Mittelalters, in seinen Munzstudien Bd. 6 1865 S. 100.

"* Lamprecht a. a. 0.

Wir haben noch nicht genug Wertrelationen gesammelt. Die Angaben von Grote S. 32, 102, Lamprecht 433, Gottlob S. 270 ff., Kirsch LXXV, Kruse S. 33 genügen noch nicht Uns interessiert, welche Relationen von 1298 bis 1308 und kurz vorher bestanden. Kruse weist S. 32 f. nach, dafs der Silberwert der Heller um 1300 keineswegs stabil war, sondern erheblich sank. Von 1308 28 ist eine stabile Relation mit dem Kölner Pagamentsdenar. Es stehen z. B. 1317 sich gleich eine Kölner Pagaments-Mark (zu 144 <)) und 18 Schilling Heller (= 216 ^).

332 Achtundzwanzigstes Kapitel.

Es läfst sich also nicht bestimmen, welchen Anteil die Florentiner in den Tagen König Albrechts an dem Aufblühen dieser Münze hatten. Dieser König hatte nämlich diese Münze an eine Florentiner Gesellschaft verpachtet, von der wir vier Glieder kennen: zunächst Tommaso und Ugolotto, die Söhne des Agio degli Agli, und Alberto den Sühn des Gottolo dei Nerli. Diese sandten nach Schwäbisch Hall mehrere Faktoren, von ihnen hatte der Teilhaber der Gesellschaft Neri di Ghinuccio Buon- fantini mit dem Faktor Bartolo di Lapo Morelli das Haupt- und die Rechnungsbücher zu führen. Beide aber waren ungetreue Verwalter, sie rechneten nicht ab und hielten sich von Florenz fern. Der Faktor wurde beschuldigt, seine Prinzipale um 800 Goldgulden und mehr, der Teilhaber aber die beiden Agli um 5565 fl. und den Erben und Bruder des Alberto dei Nerli um 2848 fl. geschädigt zu haben. Beide wurden von den Florentiner Behörden am 5. Dezember 1308 vor den Capitano dei Popolo geladen ^

Diese beiden lehrreichen Dokumente lassen uns freilich keinen vollen Einblick thun. Die Summen, welche da aufgeführt werden, sind nicht sicher zu zerlegen. Wir wissen nicht, ob es nur der Gewinn oder was wahrscheinlicher ist, Betriebskapital und Gewinn, ob damit die Forderung aller übrigen Teilhaber (was annehmbarer ist) oder nur einer Gruppe ausgedrückt ist, jedenfalls war das in der Münze von Schwäbisch Hall thätige italienische Kapital recht bedeutend. Weiteres wissen wir über die Sache nicht.

Kirsch LXXV. Es ist also das von Kruse auch anderweitig belebte Verhältnis von 2:3. Von 1296—1308 geben die Urkunden oft die Relation: 3 hl. auf den Kölner Pagamentspfenuig, also 1 : 3, jedoch wird in einer solchen Urkunde zugleich gesagt, dafs 13 Heller = 6 Denaren sind. Kruse :33. Das beweist uns aber deut- lich, wie der Heller als Unterabteilung des Denars behandelt wurde. Besonders wertvoll wäre es festzustellen, wann die Relation 1 Goldgulden = 1 ü hl, ein- getreten ist, und wie lange sie festgehalten wurde. Kirsch weist für die Jahre 1318/9 Relationen von 1 fl. = 15 ß hl. 3 hl. bis 16 ß hl. 10 hl. nach S. LXXV f. Nach Lamp recht 2, 447 ist die Relation von 1 (kleinen) Gulden = 1 ^ hl. von 1337 1344 konstant, ich kann sie auch aus Schuldbriefen von 1366 und 68 ableiten. Diese Relation wurde also zwischen 1319 und 1337 erreicht. Die weitere Unter- suchung mufs ich der Geldgeschichte überlassen.

1 Aus einem Florentiner Brief buch von 1308. Ar eh. stör. ital. ser. 2 tomo 620 ff. »Florcntie^ die V mensis decemhris, VlI^ indictionU. Quod ipsi Tlwmasus et Ugolottus et Albertus fecerunt et contraxerunt inier se ad invicem sotietatem in partibus Alamanie in civitate AUensi^ maxime in facienda et super faaendo fieri et fahricari movetam que appellatur moneta AllensiSy tt ipsam nuynetam et redditum ipsius monete €7nerunt ab ilhistrissimo viro domino Alberto olim rege Bomanorum .... Tenuisti et habuisti . publicum librum et libros rationum, in quo et in quibus scribebantur negotia et rationes dicte sotietatis et soliorum , et cui et quibus dabatur plena fides in acceptis et datis.* An beide geht derselbe Bote.

Italiener an deutschen Zöllen und Münzstätten. 333

Noch an zwei anderen Münzen, welche noch an der Silberprägung festhielten , kann ich einen Lombarden nachweisen. Es ist freilich ein heikles Ding, das Wort monetarius zu übersetzen, es kann ein Familien- name sein und alle möglichen Beamtungen der Münze bedeuten. Wenn uns nun aber ein Johannes de Asi moneiarius<i^ erscheint, so kann es sich nicht wohl um einen Familiennamen handeln, und da der Name auf Asti zu deuten ist, kann auch wohl nur der kaufmännische Leiter, nicht etwa der Münzschneider gemeint sein. Dieser Berner Johann von Asti erfreute sich übrigens hohen Ansehens, er hatte die Tochter des Edelknechts Johann von Münsingen geheiratet und sein Schwager war ein Bubenberg, er war also mit den ersten Familien Berns in Ver- wandtschaft getreten ^ 1283 stellt Graf Guido von Flandern und Mark- graf von Namur, Hubert Adion, Bürger von Asti und Genossen an, für ihn in Namur Münzen zu prägend

Dafs die Etschkrcuzer, welche in Trient seit dem Ende des zwölften Jahrhunderts, später auch in Meran hergestellt wurden und die Reform- münze der Ostalpen waren, von Italienern hergestellt wurden, kann nicht wunder nehmen. Aber auch in Schlesien sind in Liegnitz unter Herzog Wenzel L (1348-64) und in der Münzstätte Freiberg, wo der meifs- nische Groschen geprägt wurde, in der Zeit von 1364—68 Italiener nachzuweisen. Wahrscheinlich hatte auch der Breslauer Bischof Heinrich Italiener im Dienste seiner Münze ^.

Auch Ludwig der Bayer hat Italiener bei der Münze verwendet: Jacobinus de Capite und Ranicius de Bognariis, beide aus Como. Da er sie aber zu Münzern innerhalb des ganzen Reiches macht, ist diese Notiz weiterhin unfruchtbar: man weifs ja nicht einmal, ob sie in Deutsch- land dann thätig waren oder in Italien*. Und das gilt noch mehr von den von Karl IV. zu öffentlichen Münzern ernannten Personen^.

* Urkunde vom 29. November 1334. Font. rer. Bern. 6, 158. Leider ist das Siegel schwer beschädigt. Ich bemerke, dafs in der Berner Familie „Münzer" Vor- namen begegnen, weiche italienischen Ursprung verraten.

2 Wauters, Tables chronologiques des chartes et diplomes imprimös 6, 96 und 6, 112.

' Die Belege bei A l e x i , Die Münzmeister der Galimala und Wechslerzunft in Florenz in Zeit sehr. f. Numismatik 17, 267; Friedensburg, Schlesiens Münz- geschichte im Mittelalter Teil II S. 40; (Codex dipl. Silesiae XIII) Nicolaus u. Augustin von Florenz Cod. dipl. Sax. reg. Teil 2 Bd. 13 S. 24.

* »Nota quod Dominus co^istitiiit Jacobinum de Capite filintn quondam Bainerii de Cnmifi uhilibet in toto Romano imperio moneiarium et monete fahricatorem, Datum %it supra, Simili modo constituit Ranicium filium quondam Marci de Bognariis de Cumis in monetarium.« Zeit und Ort vorher: Kolmar September 8. Oefele 1, 774.

'^ Jatobus natus quondam Gerhardi Sabolim de Lucca Glafey S. 20. Jacobiins et Anthonius frntns filii Jordani de Monetario ebda. 509. Direkt auf Genua geht die Ernennung des Petrus de Luna. Glafey 251.

334 AchtuDdzwanzigstes Kapitel.

Das Beispiel der florentiner Goldprägung war zuerst 1254 in Frank- reich, 1257 in England nachgeahmt worden, also in jenen Gebieten, welche am lebhaftesten Handel mit Italien trieben ^ 1325 erfolgte die erste Ausprägung in Deutschland, und dafs hier überall die Goldmünze von Florenz das Vorbild war, ergiebt die Gleichheit des Fufses und des Bildes, der hl. Johannes war noch lange das Kennzeichen jeder Gold- münze. König Johann von Br)hmen benutzte eine Zeit, in der das Wert- verhältnis des Goldes zum Silber sich zu Gunsten des ersteren beträcht- lich verschoben hatte ^, um die ersten Goldstücke innerhalb des deutschen Reiches zu prägen. Auch dieses Mal berief er dazu „Lombarden" und, wenn er nach zweimonatlicher Anwesenheit in seinem Reiche 95 000 Mark Silber mit in sein Heimatland Luxemburg nehmen konnte, so war darin auch wohl ein Teil des Münzgewinnes eingeschlossen®.

Wer die schwache Ausprägung von Goldmünzen der österreichischen Herzoge Albrechts H. und Rudolfs IV. geleitet hat, ist ebenso unbekannt, wie die des Kaisers Ludwigs des Bayern, wenn man nicht an jene Co- masken denken will. Dafür wissen wir aber wieder, dafs die Gold- münzen der ersten deutschen Stadt, welche dieses Recht erwarb, von Italienern hergestellt wurden. Aus den Münzbüchern von Lübeck folgt, dafs von 1341 64 die Familie Salimbene, Nicolaus, Lucas und Petrus die städtische Münze leiteten. Alexi nimmt sie für Florenz in An- spruch, es gab aber auch eine Familie dieses nicht seltenen Namens in Siena, und wenn in den interessanten französischen Briefen davon die Rede ist, dafs Johann Salimbene nach Florenz gereist sei, so ist damit die Heimat nicht erwiesen.

NHn folgten die Privilegien für die Goldprägung der Kurfürsten von Trier 1346, Köln 1347, Mainz 1354, Geldern schon 1339, und auch die thatsächliche Ausmünzung begann sich zu verbreiten. Noch immer war die Goldmünze von dem Silbergeide durchaus unabhängig; erst 1372 tauchte der Gedanke auf, den Goldgulden nicht mehr auschliefs- lich als Handelsmünze zu behandeln, sondern ihn zu einem organischen Bestandteil des Münzsystems zu machen, ihn durch eine feste Relation zum gebräuchlichen Silbergeide den Landesmünzen einzufügend Diese Münzpolitik ging vom Kurfürsten von Trier aus. Bei seiner Münzstätte zu Koblenz, die das Trierer Niederstift versorgte, war 1372 aber Münz-

' v. luama, Die Goldwährung S. 15.

'^ V. Inama führt das näher aus. Die Relation der beiden Edelmetalle stieg von 1 : 10 bis zu 1 : 16.

' »Inslituit tttnc q^wque rex Pragae per quosdam Lomhardos monetam nuream, de qua denarn quatuor ralere deheant plus quam marcaui.* Chron. Aul. Reg. a. a. 0. 430.

"* V. Inama, Goldwährung J31.

Italiener an deutschen Zöllen und Münzstätten. 335

raeister ein »mefster Alhart«, der sich durch sein Siegel als ein Aleramo Alferi erweist und nach dem Wappen (einem Adler) ^ der Astigianer Famile Alfieri angehörte, welche im Jahre 1300 schon die Münze in Genf gehabt hatte ^. Diese erste wirkliche rheinische Münzvereinigung wurde geschlossen zwischen dem Trierer Erzbischofe Kuno von Falken- stein von Trier, seinem Neffen, dem Kölner Kurfürsten Friedrich von Saarwerden und der Stadt Köln. Die darin festgesetzte Vereinsgold- münze wurde nun wirklich ausgeprägt und zwar, wie sich das auch aus der Entwicklung der Ausmünzung des Goldes am Rheine ergab, nach dem Fufse des kleinen schweren Gulden von Florenz. Die Vereinigung nahm weiter eine neue Silbermünze, den Albus oder Weifspfennig auf, an der sicherlich eins: der Name, völlig neu war®. Aus diesem Ver- trage entwickelte sich durch Zutritt von Mainz und Kurpfalz der rhei- nische Münzverein von 1386. Wir sehen also abermals, wie in einem wichtigen Momente der Münz- und Geldgeschichte Deutschlands italie- nische Hände thätig waren. Der Münzverein von 1386 schuf ein grofses zusammenhängendes Münzgebiet, aus dem das fremde Geld bald ver- schwand, dafür überschritt der rheinische Gulden bald die Grenzen seiner Heimat. Alfieri hat mit dazu beigetragen , das Geldgeschäft Deutschlands vom Auslande zu befreien.

Florenz und Asti stellten Deutschland die Kräfte, das verrottete karolingische System, das schliefslich nur lokalen Zwecken mehr dienen konnte, durch die Errungenschaften italienischer Münzpolitik zu einer wirklichen Handelsmünze umzugestalten*.

^ Vgl. Tettoni e Saladini, Toatro araldico. Tomo V. Lucca 1846. Auch der Name Aleramo begegnet in der Stammtafel der Alfieri bei Sella S. 41. Er war der Sohn des Geschichtschreibers Ogerio Alfieri.

- Urkunden Nr. 420 und oben S. 309.

» Vgl. Kruse S. 68-73. Lamprecht 2, 467.

^ Wenn Alexi schliefst: „dafs im vierzehnten Jahrhundert die in Deutschland gangbarsten Geldsorten: der Prager und Meifsn er Groschen, der Etsch-Kreuzer, der schwäbische Heller und lübische Floren von Florentinern geprägt wurden," so ist die Liste der Münzen noch erheblich zu erweitem, andererseits aber zu den Namen der Florentiner der der Astigianen hinzuzufügen.

Vierter Teil.

ITALIENISCHE BANKEN IN BEZIEHUNGEN ZU DEUTSCHLAND

IM FÜNFZEHNTEN JAHRHUNDERT.

Neunundzwanzigstes Kapitel.

Mangelhafte Quellefi. Banken während des Konstamer Konzils, Das St Johannes- fest. Medicäer. Geschäft bei der Freilassung Cossas. Das Baseler Konzil und die Bankiers. Italienische Kaufmannsbücher. Sonstige Nachrichten.

Für das fünfzehnte Jahrhundert fehlt es leider noch so gut wie an allen Vorarbeiten zu einer Geschichte des italienischen Bankwesens. Selbst die überraschendste Thatsache dieses Jahrhunderts innerhalb der italienischen Geschichte ist auf ihre wirtschaftlichen Ursachen noch nicht untersucht: es ist der Übergang der Herrschaft in Florenz an die Dik- tatur eines Kaufmanns, der durch sein Bankgeschäft, durch die Monopo- lisierung des Kredites alle Gegner in seiner Vaterstadt niederzuhalten wufste. Die Geschäftspapiere der Medicäer aus der Zeit vor ihrer Herr- schaft sind zwar nur in bescheidenen Bruchstücken uns überliefert, aber auch diese hat noch niemand näher geprüft. Für das dreizehnte Jahr- hundert waren die päpstlichen Regesten, für das folgende die Akten der Kammer eine reiche Quelle, um die Beziehungen deutscher Schuldner zu italienischen Gläubigern darzustellen; was aus den Finanzakten der päpstlichen Kammer bisher bekannt geworden ist, beschränkt sich auf wenig und erträgt für die Handelsgeschichte fast nichts.

Auch das übrige urkundliche Material der deutschen und italieni- schen Archive ist weit weniger benutzt, als das der früheren Jahrhun- derte. So entsinkt einem fast der Mut, die spärlichen Angaben über- haupt zu verwerten.

Für zwei Orte und auch da nur für ein paar Jahre erhalten wir einen deutlichen Einblick, und der kann uns nur in der Ansicht be- stärken, dafs die grofsen italienischen Bankhäuser, von den in Deutschland angesiedelten Astigianen abgesehen in Deutschland

Italienische Banken in Beziehungen zu Deutschland im 15. Jahrhundert. 337

überhaupt keinen nennenswerten Handel trieben. Die italienischen Bankiers und Wechsler erschienen in den beiden Konzilsorten Konstanz und Basel, aber sie verstärkten nicht etwa dort vorhandene Comptoirs, sondern sie gründeten ganz neue Ansiedelungen, die von vornherein nur für die Konzilszeit berechnet waren.

Die Verlegung der Kurie nach Avignon hatte viele italienische Ge- schäftshäuser veranlafst, dorthin einzelne Genossen oder doch Faktoren zu senden, um an den Finanzgeschäften der Kurie oder der dorthin zusammenströmenden Geistlichen und Laien sich zu beteiligen. Der Ausbruch des Schismas brachte die Kurie nun aber in eine ganz andere Lage. Wo mehrere Observanzen um die Leitung der Kirche rangen, ergab es sich von selbst, dafs die bisher geübte Besteuerung der Pfrün- den nicht so scharf mehr durchgeführt werden konnte, wie früher.

Dem Schisma, diesem üblen Leiden, ein Ende zu bereiten, trat das Konzil in Konstanz zusammen. Es waren vier deutsche Städte in Vor- schlag gewesen, die alle mit Rücksicht darauf gewählt waren, dafs dort Italiener schon verkehrten. Es waren Basel und Strafsburg, dann Kempten und Konstanz. Die Schwaben in der Umgebung Siegmunds, so schrieb ein Strafsburger nach Hause sollen es zuwege gebracht haben, dafs der Bodenseestadt der Vorzug gegeben wurdet Und auf seiner Fahrt nach Lodi begleiteten den König in der That nicht wenige Schwaben , Graf Hans von Lupfen und Graf Eberhard von Nellenburg voran, und auch ein Konstanzer Geistlicher, Albrecht Blarer, ist damals in seiner Nähe nachzuweisen*.

Nach Konstanz strömte nun die ganze Christenheit zusammen, ge- tragen von dem Eifer, die Einheit unter sich wieder herzustellen^. Um den kirchlichen und laikalen Kreis der Konzilsgenossen entwickelte sich das Treiben eines gewaltigen Jahrmarktes. Es ist ein Glück, dafs ein Bürger und Kaufmann von Konstanz, der selbst schon in der Welt sich umgesehen hatte, ein feiner Beobachter, ein Mann, der das Zeug zu einem trefflichen modernen Zeitungsreporter in sich hatte, inmitten des Trubels besonnen genug war, sich all die Einzelheiten dieses wunder- baren Schauspiels festzuhalten und sie dann späteren Geschlechtern nicht allein aufzuzeichnen, sondern sie auch durch Illustrationen erläutern zu lassen. Ulrich Richental hatte, als Kaufmann, auch einen Sinn für die Zahl, und so zerlegte er sich die ungeheuere Menschenmenge, welche in seiner Vaterstadt zusammengekommen war, ganz verständig in ihre Be- standtteile, und schätzte sie ab. Auch in diesem Sinne für Statistik er-

* Finke, Acta concilii Constantiensis 1, 173 f.

« Altmann 888».

3 Über die wirtschaftliche Seite des Konzils vgl. Gothein 1, 482—489.

Schulte, Qesoh. d. mitteUIterl. HandelB. I. 22

338 Neunuudz wanzigstes Kapitel.

kennen wir einen modernen Zug. Er scheint aber die verschiedenen nacheinander kommenden und wieder gehenden Personen derselben Gruppe mit ihren Angehörigen zusammengezählt zu haben, sonst wären seine Ziffern kaum erklärlich.

Die fremden hohen Prälaten und Herren wollten in der fremden Stadt doch nicht alle Gewohnheiten der Heimat entbehren und so brachten sie aufser der Dienerschaft auch ihre Hofhandwerker mit, und auf ihre eigene Gefahr erschienen Kaufleute und Handwerker in grofser Zahl. Die Stadt hatte für die Kriegszeit Handels- und Gewerbefreiheit verkündet, und nur den eigenen Bürgern durch eine Mietstaxe einen Zaum angelegt. Von allen den fremden Kaufleutcn war jedoch keiner notwendiger als der Geldwechsler, und selbstredend war die Königin der Wechslerstädte, Florenz, vertreten. Die Banken drängte es natürlich ebenso dorthin, wie etwa beim Aachener Kongrefs 1818 die Nachkommen der Italiener, die Rothschild und Baring, sich einstellten.

Richental unterscheidet nun : altern es warend och zu CosienU tcechfs- 1er, die da lillain dem baupst, den cardinaln und irem gesind wechfslotend und hinder sy ir gfd leitend, von Florentz und andern landen mit iren dienern 73.*- ^^Item wech^sler, oun Florentzer, die mit zft dem hof ge- hörtend, von allen landen mit iren dienern 60.*^.

Das Konstanzer Ratsbuch enthält nun genaue Angaben über die Florentiner und andere Wechsler, nach denen man Richentals Zahlen aber heruntersetzen mufs. Zuerst es war am 8. Juni 1415 schlofs der Florentiner Karolus Geori mit dem Rate einen Vertrag. Die Kon- stanzer Behörde war für einen sicheren, ruhigen Geldwechsel sehr be- sorgt, und untersagte alle Münzspekulationen. Für die Erlaubnis eine Bank zu halten, mufste er G rh. fl. monatlich entrichten, dieselbe Summe hatte Aldigerius Francisct zu zahlen, 1 fl. weniger die Bank des Bartho- lomäus de Bardis und Johannes Amerisi, sjDäter wurden alle Banken gleichgestellt und dann ihre monatliche Zahlung auf 4 fl. 13 alte Plappart festgesetzt, so dafs die drei der Stadtkasse monatlich 14 fl. zusammen zu entrichten hatten. Später kamen noch zwei andere Banken hinzu: Andreas de Bardis et Lucas socii waren unzweifelhaft auch Florentiner, der Wechsler in Joh. Widen Hause ist seiner Heimat nach nicht zu be- stimmen. Die Stadt hatte natürlich nur mit den am Orte befindlichen Faktoren zu thun, so erfahren wir leider aus den Konstanzer Quellen nicht, welche Bankfirmen unter dem Namen dieser Faktoren sich ver- stecken.

Auch deutsche Bankiers fanden sich ein. Einmal liefs sich ein sehr bekannter, reicher, politisch hervorragender Baseler nieder, Ilenmann

^ Riclicntal l'^'i.

Italienische Banken in Beziehungen zu Deutsehland im 15. Jahrhundert. 339

OfFenburg; er zahlte monatlich 5 fl. Er, der Vertraute Siegmunds, der in Konstanz einen Monat lang der Ziramergenosse des Königs, vor dessen Bett er des Nachts lag, war, der unzählige Reisen, sei es in eigenen Angelegenheiten , sei es in Sachen der Fürsten, die sich des welterfah- renen Mannes bedienen wollten, ja selbst in Angelegenheiten des (Baseler) Konzils machte, hat in seinen Lebensnachrichten seiner Bank in den Konstanzer Tagen nicht gedacht, er war aber wohl der Bankier der deutschen Bischöfe, Fürsten und Herren, obwohl er in Basel „Apotheker" war^ Ein „Vögelli von Freiburg im Üchtland" zahlte dieselbe Summe.

Die Konstanzer wollten sich doch den Verdienst nicht völlig weg- schnappen lassen, gewifs waren die alten Geldwechsler auch in den Kon- zilstagen thätig, aufserdem stellten noch Peter Babenberg, Ulrich Schatz, Jakob Volger, Hans Bolczhuser, ein Goldschmied^, dann Ulrich Sattler und Peter Bader eine Bank auf. Der erste zahlte 3 fl., die drei folgen- den 2 fl., der vorletzte 1 fl, und der letzte nur V'2 fl. monatlich. Die Leute hatten jedoch keine grofsen Mittel und konnten wohl nicht viel anders als den Hand Wechsel betreiben®.

Die Wohnung der Florentiner ist auch noch zu bestimmen : Aldi- gerus und Karolus wohnten in der Nähe Richentals in und bei der heutigen Wessenbergstrafse , die Bank, die uns aber am meisten inter- essieren wird, die des Bartholomäus de' Bardi war in einem einfachen Hause ^der thonnen'^^ untergebracht und lag schon in der alten Vorstadt nach Stadelhofen hin, also sehr weit vom Dome, wo das Konzil seine Sitzungen abhielt.

Richental berichtet sehr anschaulich, wie nach der Flucht des Papstes König Siegmund die Geistesgegenwart hatte, zu allen Wechslern, sie wären lialici oder andere, zu allen Apothekern, Krämern u. s. w. zu reiten, damit niemand hinwegfahre. Die Fremden waren des froh, denn, meinten sie, wäre das in ihren Landen geschehen, so wären sie um ihre Habe gekommen, und schlössen ihre Läden wieder auf*.

Die Florentiner wollten auch das heimatliche gröfste kirchliche und bürgerliche Fest, das des hl. Johannes d. Täufers, nicht entbehren. Und aus der Schilderung Richentals entsteht uns das auf deutschem Boden acht italienisch gefeierte Fest. Sie hatten die St. Johanneskirche mit den schönsten Tüchern und mit Maien und Tannreis geschmückt, und von den Bäumen hingen ^oflatcn,^ also Gebackenes, herab. Und am Morgen besteckten sie auch die Strafse mit Maien und bestreuten die Strafsen mit

' S. Chronik in d. Baseler Chroniken 5, 201—299. Vgl. die Einleitung dazu. - Rupport, Chroniken 169.

^ Babenherg hatte nai'li der Steuerliste 1050 U liegende und 4000 U fahrende Habe, Volger 1100 und :3000, Sattler lOoO it fahrende und ebenso Bader 900 iL * Richental S. 63.

22*

340 Neuuundzwanzigstes Kapitel.

frischem Gras und darüber ging die Prozession der Bischöfe und Ge- lehrten aus Italien und auch der Pfalzgraf und die andern Fürsten nahmen an dem kirchlichen Feste, das die Bankiers veranstiilteten, teil. Jeder trug eine brennende Kerze und ihrer 540 zählte der biedere Riehen tal, der sich natürlich am Wege aufgestellt hatte. In der über und über mit Kerzen erleuchteten Kirche hing der Schild von Florenz mit der roten Blume. So ehrten die stolzen Florentiner auch in der Ferne ihren heimatlichen Schutzpatron, und manche Züge erinnern direkt an die Art der Feier in Florenz selbst, freilich war die Kon- stanzer nur ein schwaches Abbild von dem, was schon in Dantes Tagen die Erinnerung und Hoffnung des Jahres für alle Florentiner war, wo sich der Luxus und Reichtum der Stadt, jeder Korporation und jedes einzelnen zur Ehre des Stadtpatrons vereinte'. Es war wohl das erste Mal, dafs der Schmuck der Maien, Blumen und Tücher, der uns heute als ein für eine Prozession notwendiger erscheint, den ernsten alten deut- schen kirchlichen Umzug verschönte.

An dem Konstanzer Feste nahm sehr wahrscheinlich ein Mann teil, der höher als irgend ein Kaufmann der Welt stieg: Cosimo Medici. Unter jenen vier Banken war nämlich die eine die der Mediceer. Doch welche ?

Wir können das mit Sicherheit sagen. Papst Johann XXIII. hatte während seines Pontifikates sich besonders der Mediceer bedient, und Giovanni war ihm gern an die Hand gegangen, wie das dankbare Bank- haus ihm auch nach seinem Tode das Denkmal im Battistero errichten liefs. Nach seiner Absetzung war Balthasar Cossa in Heidelberg ein Ge- fangener des Pfalzgrafen Ludwig, der für die Freilassung eine Summe von 35000 Kammergulden (= 38 500 rh. fl.) beanspruchte. Der ehe- malige Papst wandte sich durch die Vermittelung eines RicasoH begreif- licherweise an die Mediceer und verhandelte mit Bartolomeo d' Andrea de' Bardi, den wir vorhin als den Bankhalter in der Thonne zu Kon- stanz kennen lernten und übergab ihm am 8. Dezember 1418 einen Schuldbrief über diese Summe ^. Wie sollte diese namhafte Summe von Florenz nach Heidelberg verbracht werden? Am 19. Februar 1419 ver- handelte das Haupt des Hauses, Giovanni (f 1429) zu Venedig mit dem, wie es scheint, damals gröfsten in Venedig vertretenen deutschen Hause und fertigte einen Wechsel aus. Der Faktor der Firma Wilhelm Rummel von Nürnberg benachrichtigte seinen Chef, und nun traten am 16. April zu Heidelberg ein Haupt der Firma Rummel, W^ilhelm Rummel der junge.

^ Riehen tal 93 f. Vgl. die Schilderung des Festes in Florenz bei Perrens 6, 200 ff. nach der (ioro Dati's.

•- Abgedruckt Archiv, storico italiano 4, 1, 433.

Italienische Banken in Beziehungen zu Deutschland im 15. Jahrhundert. 341

mit dem von Giovanni de Medici und Niccolo da Uzzano, der politisch als der Rivale des Medieeers galt, bevollmächtigten Bartolomeo zusammen und regelten nun die Auszahlung und Freilassung^. Die Rummel über- nahmen also die Auszahlung in Heidelberg, wie ihnen die Valuta oflFenbar in Venedig übergeben wurde.

Die Regelung dieser Angelegenheit beweist, dafs die Mediceer eine Filiale auf südwestdeutschem Boden nicht hatten, zugleich aber auch, dafs in Florenz kein deutscher Grofskaufmann erschien oder bei den Mediceern Vertrauen genug hatte. Auf Venedig wurde das Geschäft begründet.

Nach der zuverlässigen Lebensbeschreibung des Cosimo von Fabro- nius war der einstige thatsächliche Herr von Florenz im Auftrage seines Vaters und auf Bitten Johanns XXHI. diesem nach Konstanz gefolgt^; ob die Angabe richtig ist, dafs er erkrankte, vermag ich nicht festzustellen®, nach anderen verliefs Cosimo nach der Flucht seines Gönners verkleidet die Stadt, hielt sich aber noch längere Zeit in Deutschland und Frank- reich auf*. Giovanni hatte seinem kleinen Geschäfte eine grofse Aus- dehnung zu geben gewufst, ihm zunächst Zulassung an der Kurie ver- schafft, dann die Sache Johanns XXUI. finanziell gehalten und doch die Verbindung mit der Kurie behauptet ; als Martin V. von Konstanz kom- mend nach Rom zog, war Giovanni von Florenz an sein Begleiter. Es ist wohl ein wahres Wort, dafs er die Tage des Konstanzer Konzils dazu benutzt habe, um nach allen Seiten hin Verbindungen anzuknüpfen. Er hatte ehrenvoll den abgesetzten Papst gedeckt, zugleich aber sich in der Gunst der Päpste und ihrer Kammer behauptet, und Giovanni brachte so die Bank seines Hauses an die Spitze der Florentiner. Durch die Monopolisierung des Kredites kam das Haus der Mediceer zur Herr- schaft. 1422 gab es noch 72 Banken in Florenz, 1472 nur noch 32*.

Das Baseler Konzil rief in dieser Stadt ein ähnliches Leben hervor, wie es Konstanz eben gesehen hatte*. Die heimische Wirtschaft erhielt mehrere Jahre hindurch eine ungeheuere Steigerung, und wie in Kon- stanz, blühte das Gemeinwesen unter der Gunst der Umstände auf. Doch mufste dieser künstlichen Blüte der Rückschlag folgen. Auch hier er- schienen fremde italienische Wechsler, leider können wir die Namen

* Archiv, storico italiano 4, 1, 435 ff. « Fahronius 1, 6 f.

^ Ich finde die Nachricht zuerst in der Histoire des hommes illustres. Paris 1564. Blatt 58 V.

V. Reumont, Lorenzo de* Medici 1 108. •^ Perrens 8, 257.

® Vgl. das Kapitel: die wirtschaftliche Bedeutung des Konzils hei Geering 266—295. Thommen, Basel und das Basler Konzil in Basler Jahrh. 1895 S. 188—225.

342 Neunundzwanzigstes Kapitel.

„Degon Alberchtus," „Antonius de Valencia," die Filiale des Lübecker „Gherardo" nicht mit den Namen der grofsen italienischen Bankhäuser in Verbindung bringen. Es sind aber wohl auch hier im wesentlichen Florentiner Firmen gewesen, die den Geldverkehr handhabten ^. Den Dego de Albertis , der mit dem gleichfalls in Basel etablierten Antonius de Janfigliatis dem Konzil Geld geliehen hatte, möchte man den Alberti zurechnen^. Und ein indossiertes Inhaberpapier des Cosimo von Medici auf den Münzmeister ^ Peter Gatz in Basel lautend, der während des Konstanzer Konzils der Faktor Henman OfFenburgs gewesen war, zeigt auch den Anteil der Mediceer. Und wenn Johann v. Ragusa von Kon- stantinopel aus an das Baseler Konzil schrieb, so wufste er keine Ver- mittelung, als die der Bank der Mediceer*.

In Basel blieb nach dem Konzil nur eine der Bankfilialen bestehen. In dem Briefe Heinrichs von Hunwil an die Stadt Luzem von 1456 sagt er ausdrücklich, dafs er zu einem »Floreni^er^ gegangen sei, ^dann in aller statt Basel nit mer dann ein wechseler ist, der gen Rom gelt oder Wechsel brieff gebe^ *. Der regelmäfsige Geldverkehr war zu gering, er ertrug nicht die Kosten solcher Filialen.

Es ist somit keineswegs ein Zufall, dafs die beiden hochwichtigen Florentiner Handelsbücher, die die Usancen aller möglichen Plätze an- führen, den Namen von Basel, Köln, Konstanz und Frankfurt gar nicht kennen ; weder Francesco Pegolotti (am 1340) noch Giovanni da Uzzano (1442) berücksichtigen den Geld- und Warenhandel mit Deutschland®, und auch der Chronist Benedetto Dei (1470)*^ übergeht bei der Auf- zählung der Florentiner Bankfilialen Deutschland. Er führt die sieben in Lyon etablierten Banken an, wie die sechs, welche noch in Avignon bestanden. Von dort war längst die Kurie nach Rom zurückgekehrt, als noch immer die Banken daselbst Niederlassungen hielten, an den beiden deutschen Konzilsorten verschwanden sie sofort wieder. In Genf bestand eine Niederlassung der Bank Medici - Sassetti , sie dürfte auch für die Schwaben nicht unwichtig gewesen sein®.

Abgesehen von diesen Konzilszeiten haben die nicht zu den Asti- gianen zu rechnenden italienischen Geldhändler in Deutschland nur

^ »Lantparter und Florenczer* werden die Wechsler schlichtweg in dem Akten- stück bei Ami et 2, 208 Anm. 2 genannt.

2 Mitteil. Stadtarchiv Köln 19, 33 Nr. 11283. Vgl. auch 24, 155.

8 S. Thommen S. 208.

* H aller, Concilium Basiliense 1,374. Vgl. wegen der campsorea auch 2, 350. 35ü 3.58. 360.

«^ Ami et 2, 324.

« (Pagniüi) Della Decima Bd. 3 u. 4.

■^ Mann.'jknpt der Hof- und Staatsbibliothek in München. Cod ital. 160.

« Bore 1 S. 106, 108, 134 f. Lionä de Medici, 1477.

Italienische Baukeu in Beziehungen zu Deutsciiland im 15. Jahrhundert. 343

wenig gearbeitet. Die Nachrichten sind äufserst dürftig. So hatte 1417 die Stadt Köln eine Schuld von 3000 fl. gegenüber Bartholomäus Do- minici von Florenz und die durch ihn vertretene Gesellschaft der Al- berti^ und ebenso 1415 eine Schuld von über 30000 fl. gegenüber Simon de Sassolinis und Gesellschaft^. Die Sassolini standen mit den Medi- ceern wenigstens später in Fühlung. Die beiden hervorragendsten der Florentiner Banken um 1400 hatten also in Köln eine Vertretung. 1 In Mainz war i>Zino lomhardus de Florencia<^ Bürger, der mit König Johann von Böhmen über dessen Schulden abzurechnen hatte ^. Als Strafsburg seiner König Ruprecht in Italien begleitenden Mannschaft Geld schicken wollte, suchte man vergebens zu Nürnberg oder bei den Lamparten zu Strafsburg einen Wechsel zu bekommen*.

In einzelnen Fällen vermittelten italienische Banken Zahlungen an die Kurie gerade hier werden dereinst die Kammerrechnungen viel Licht verbreiten. Der Verkehr ging im fünfzehnten Jahrhundert durch Wechsel^. So hatten schon 1378 zwei Kölner an der Kurie bei Jaquet Totti aus Lucca einen Wechsel auf die Stadt Köln gezogen, dessen Betrag in Brügge an Franz Totti ausgezahlt wurde®. Vielleicht geht auch die Schuld Johann von Monheims an Jak. Francisgini von Lucca auf ein Anlehen an der Kurie zurück. Und 1394 vermittelten abermals Lucchesen dem Kölner Gesandten an der Kurie Geld, einerseits Paulus Pagani de Lucca, der in Köln wohnte, und Johannes Cristofori an der Kurie ^. Mitunter übernahmen das auch deutsche Handelsgesellschaften. So erbat sich Bern für den Stadtschreiber Meister Thüring Frickart, der 1473 nach Rom gesandt wurde, bei der grofsen Gesellschaft zu Ravensburg, dem Meister bei ihren römischen Geschäftsfreunden einen Kredit zu ver- schaffen ®.

' Mitteil. Stadtarchiv Köln 7, 91 f. Das stimmt mit der Augabe Passe- rini, Gli Alberti 1, 16 überein, dafs die Alberti in Köln eine ihrer Filialen hatten.

2 Ebda. 16, 59. Vgl. auch 10, 57.

^ 1330. Publications de l'inst. Luxembourgeois 44, 258.

* Reichstagsakten 5, 261.

'^ Mit teil. Stadtarchiv Köln 27, 238 Nr. 7164, 65.

® Ennen u. Eckertz 5, 210.

' Mitteil. Stadtarchiv Köln 9, 66. Die Namen der Familien lauten in Lucca Franceschini und Dati. Ebda. 12, 70 und 12, 88.

** Urkunden Nr. 299. Im Brief buch C noch eine weitere Urkunde.

Fünftes Buch.

GRUNDLEGENDE ERSCHEINUNGEN DES HANDELSLEBENS DER NACHBARSCHAFT.

Dreifsigstes Kapitel. Der Niedergang; der Messen der Champagne.

ürsnch^i handehpolUischer und rein politischer Natur. Versuche zur ErhMung. Folgen des Verfalls für Deutschland, für Flandern. Hochblüte von Brügge. Klagen in der Champagne. Die Deutschen auf den Messen.

Wenn wir zwei Thatsaehen , welche die weitere Entwiekelung des Handels zwischen Deutschland und Italien von Grund aus beeinflufsten, vorab erörtern müssen, so sind das der Niedergang der Messen der Champagne und das Übergewicht des Handels von Venedig in Italien.

Schon in den letzten Tagen der Champagner Grafen war der An- fang gemacht, die alten weisen Grundsätze der Behandlung der Messen zu verlassen; bis dahin hatte die Rücksicht auf die Blüte des Handels die Mefsabgaben und was sonst damit zusammenhing, niedrig gehalten, das fiskalische Interesse machte sich nun aber geltend, und ganz beson- ders seitdem Philipp der Schöne und seine Legisten für die Erbin das reiche Land verwalteten. Die Erhöhung betraf besonders die Italiener, von denen die Lombarderie erhoben wurde ^. Weit schlimmer für die Messe aber war es wohl, dafs die Politik des Königs den Lombarden gegenüber nicht gleichmäfsig war. Wiederholt wurden sie als Wucherer vertrieben oder doch belästigt, so schon 1291 und, als 1306 der erste grofse Bankerott unter den italienischen Banken ausbrach, machte der König sich durch das Gut ihrer Landsleute schadlos, 1311 erfolgte wieder eine Einschränkung. Die Ordonnanz von 1315 gestattete ihnen nur vier Städte (darunter Paris und Nimes) als Aufenthaltsorte*. Die

' Lehugeur, Phil. Ic Long. J^9.

2 Lehugeur ;^9. Bourquelot 1, 804.

Der Niedergang der Messen der Champagne. 345

Grafen hatten einst natürlich nur die vier Mefsorte begünstigt, die fran- zösischen Könige konnten nicht so einseitig sein; sie hatten zudem ein besonderes Interesse für den Hafen Aigues-Mortes und die Stadt Nimes, da sie durch sie den ersten Zutritt zum Mittelmeer gewonnen hatten. Wie konnten sie auch dem allgemeinen Andringen zahlreicher Städte, die um Mefsprivilegien baten, sich entziehen? ^ Wenn auch keine sofort eine Bedeutung für den Welthandel erreichte, so nahm jedoch jede den Champagner Messen einen kleinen Teil fort. 1351 wurde für die Vene- tianer der Mefszwang aufgehoben, sie brauchten nun ihre Waren nicht mehr zuerst in der Champagne auszubieten ^. Daneben wirkte die Kon- kurrenz der flandrischen Messen, zu ihnen kam die 1415 begründete von Antwerpen, und ebenso blühten die deutschen auf. Doch nur an einem Orte konnte der Welthandel konzentriert werden, in der Fülle der Handelsgelegenheiten lag die Zersplitterung begründet. Der Verkehr war nicht mehr an diesem einen Platze zusammenzuhalten, die Messen beherrschten die Welt gar nicht mehr, seitdem der Kaufmann mehr wanderte. Es mufs auch die Verlegung der Kurie nach Avignon schäd- lich eingewirkt haben, wo die Bankhäuser ihre Filialen hatten. Als Karl VII. 1443 in Lyon drei Messen zum lebhaftesten Arger der Be- wohner der alten Mefsplätze einrichtete, war die Weltstellung jener der Champagne längst dahin, sie konnten durch die von Lyon nicht mehr weiter geschädigt werden.

Auf den früheren Messen hatte die Eigenproduktion, vor allem von Provins und Troyes, eine erhebliche Bedeutung gehabt. In Provins brach infolge der Erhöhung der Abgaben von den Wollstoffen 1279 ein Weberaufstand aus, von dem sich auch die Dominikaner von Kolmar erzählten^. Die Wollindustrie ging seitdem rapide zurück, statt 3200 zählte man 1399 noch einige 30 Meister der Wollweber, und diese nagten am Hungertuchc. Und zu allem Überflusse suchten die Gastwirte von Provins Thal die auf dem Berge stattfindende Maimesse zu schädigen*. War einst der Provisinus die Welthandelsmünze gewesen, so war er jetzt gegenüber dem Gulden von Florenz, den Turnosen, Hellern und Groschen vergessen.

Neben diesen handelsijolitischen Gründen kamen vielleicht noch schwerere, die rein politischen zur Geltung. Die Grafschaft war ein fast neutraler Staat zwischen Deutschland und Frankreich gewesen, jetzt war sie eine Grenzprovinz einer sich zum Nationalstaat entwickelnden Mon-

' Vgl. die roichen Angaben bei Huveiin S. 269 ff., der aber auf eine Auf- zählung aller Messen verzichtet. 2 Bourquelot 1, 191. « M.G. SS. 17, 208. * Bourquelot 2, 818 u. 805.

346 Dreifsigstcs Kapitel.

archie geworden, die dazu in schwere dynastische Kämpfe verwickelt wurde. Wenn später auch die engh'schen Kriege eingriffen, so schadeten dem Handel doch wohl weit mehr die Kämpfe mit Flandern. Der Ver- kehr war den Italienern nun gerade mit jenen abgeschnitten, mit denen zu handeln ihnen am wichtigsten war. Die Vlaemen und Engländer fehlten nun wenigstens zeitweise auf den Messen völlig. Aber auch den anderen Teilnehmern war der Weg erschwert. Der Herzog von Lo- thringen hatte 1315 einem in. seinem Gebiete gefangenen Florentiner nicht Schutz gewährt, darüber brach ein höchst erbitterter Streit ^us, in dem die gardes de fotres den Mefsbann über die Lothringer verhängten, erst 1334 legte der junge Herzog Rudolf den Streit bei ^. Das Herzog- tum Lothringen war aber für einen grofsen Teil der Deutschen das Durchgangsland, sollten sie in dieser Zeit den Weg durch Lothringen haben nehmen können?

Wohl haben die französischen Könige dem Niedergange durch ihre Mafsregeln entgegengearbeitet, es wurden in der That die Abgaben her- abgesetzt^, die Justiz gebessert, die „alten guten Gewohnheiten" der Messen immer wieder proklamiert. Wir haben noch die zwischen 1315 und 22 von Beamten und Kaufleuten ausgearbeiteten Vorschläge^ und können auch sehen, dafs sie in manchen Punkten Gehör fanden. Aber selbst in diesen Vorschlägen stand das in der That auch eingeführte Verbot der Ausfuhr der Wolle*. Man wollte den eigenen Tuchhandel heben und verbot den Export des Rohstoffes, und dieser Rohstoff war ja neben dem Geldverkehr die Angel des gesamten Mefshandels. Das erste handelspolitische Experiment der echt legistischen Regierung Philipps des Schönen war es, 1303 den drei Brüdern Musciato, Biccio und Nicoiao, die uns bekannt sind, den Wollexport als Monopol zu überlassen*. Später begegneten sich die Schutzzollbestrebungen der Industrieorte mit den fiskalischen Interessen der Regierung. Hier gab es nun eine staatliche Handelspolitik, und die Träger des mittelalterlichen Handels waren die Städte, sie wichen dem Staate aus. Wenn die Ita- liener die ihnen unentbehrliche englische Wolle nicht mehr in Provins und Troyes kaufen sollten, so mufsten sie dieselbe auf anderen Wegen und an anderen Plätzen holen. Die Mailänder schlössen besondere Ver- träge für die Ausfuhr ab, die sich seit 1316 finden®. Das hiefs die Weltmärkte zu Gunsten der lokalen Industrie vernichten, und dafs diese

' Der Streit ist eingehend geschildert von Bourquelot 1, 180 182.

2 Zum Teil für einzelne Städte, z. B. Genua. Bourquelot 1, 190.

3 Bourquelot 2, 306 flP.

* Bourquelot 2, 309. Das Verbot datiert von 1320. Pigeonneau 1, 311.

* Pigeonneau 1, 309.

« Gaddi, Regest zu 1316. 1319, 1342, 1343, 1357, 1358.

Der Niedergang der Messen der Champagne. 347

selbst mit zu Grunde ging, sahen wir schon. Alle Ordonnanzen halfen nichts, zwischen 1287 und 1353 sind nicht weniger als neunzehn er- lassen worden^; je öfter eine Verordnung wiederholt werden mufs, um so weniger Erfolg hat sie gehabt. So war es auch hier. Andere schöne Projekte, wie das Philipps des Schönen, die Soine bis Troyes und die Voulzie bis Provins schiffbar zu machen, blieben unausgeführt ^ Kein König konnte den Messen mehr helfen, weil das Interesse der Handels- nationen ein anderes geworden war, wie im dreizehnten Jahrhundert.

Schon bald nach 1262 hatten die flandrischen Kaufleute gedroht, sie würden wegen der Zollplackereien in Bapaurae die Messen der Cham- pagne nicht mehr besuchen, sie würden die im Reiche frequentierend Und 1286 wollten sich die Kaufleute von Ypern fernhalten, da einem von ihnen Unrecht geschehen sei. Philipp der Schöne gab ihnen die besten Versicherungen'*. Dann begann die Zeit des heldenmütigen Kampfes der flandrischen Städte mit den französischen Königen und für lange Zeiten war dann der Verkehr unterbrochen. Das Fortbleiben der Vlaemen war eine schwere Schädigung der Messen, denn mit ihnen blieben auch die Deutschen und Italiener fort.

Bis dahin hatte die centraleuropäische Vermittelungszone zwischen dem Gebiete des Mittelmeers und der Nord- und Ostsee einen kontinen- talen Austauschplatz ganz einseitig hervorgehoben. Ihn beerbten zwei andere Gegenden, in bescheidenem Mafse Südwestdeutschland, in um- fangreichster Weise aber Flandern. Dieses maritime Stück der Ver- mittelungszone rifs den meisten alten Besitz der Champagne an sich.

Die Kaufleute schlugen jetzt für ihre Waren den direktesten Weg ein. Zunächst die deutschen. Sie haben ja wohl mit Ausnahme viel- leicht der schwäbischen und schweizerischen Städte den Handel mit Flandern nie auf den sechs Messen betrieben, der ging wohl sonst direkt. Aber mit Italien war das unzweifelhaft viel mehr der Fall. Das hörte nun auf, der deutsche trat mit dem italienischen Händler am Orte der einen Partei in Fühlung, sei es in Italien oder Deutschland, und damit mufste sich der Verkehr zwischen beiden Ländern bedeutend steigern. Bei dem Italiener trat dasselbe ein gegenüber Deutschland, aber auch gegenüber Flandern und England. Die Waren machten nun nicht mehr den Weg durch die Champagne, sie waren von dieser Route unabhängig geworden, sie mufste in Kriegszeiten sogar gänzlich gemieden werden. Diese Veränderung kam einmal dem Rheine zu gute, wo das

» Huvelin S. 255 f.

2 Bourquelot 1, 304.

3 Finot 179 ff.

* Diegerick, Inventaire des chartes et documents apparten. aux archivcs dTpre 1, 129.

348 Dreifsigstes Kapitel.

Verkehrsleben nachweislich bedeutend stieg. Der Weg durch Deutsch- land wird für die Genuesen ausdrücklich bezeugt durch die Couiumes des foires^. Wir werden das ja näher zu besprechen haben.

Der andere Weg, der jetzt in Nutzung genommen wurde, war der Seeweg. Die Mittelraeerschiffahrt hatte sich an der Küste der Inseln entlang tastend durchgeholfen, sie beruhte im wesentlichen auf dem Ru- der, nicht auf dem Segel. Nun aber wagten es die erfahrenen Seeleute von Genua, denen die von Venedig nicht viel nachstanden, mit ihren Galeeren den Stürmen des Ozeans Trotz zu bieten. Genua und Venedig richteten einen regelmäfsigen jährlichen Galeerendienst ein. Der genue- sische bestand sicher 1324, PrivatschiflFe hatten die Fahrt schon früher unternommen. Herzog Johann von Brabant hatte 1315 für die Genuesen einen Tarif festgesetzt, er wollte sie in Antwerpen festhalten, was nicht gelangt. Der regelmäfsige SchifFsdienst zwischen Venedig und Flandern begann sehr wahrscheinlich 1317, vielleicht schon etwas früher. Anfangs behagte es den Venetianern in Brügge nicht, 1318 liefen ihre Schiffe des- halb in den Hafen von Antwerpen. Das hatte die Wirkung, dafs beide Städte und ihre Herren sich nun in ihren Vergünstigungen zu übertreffen suchten, entscheidend war, dafs der Graf von Flandern sich mit einer jährlichen malatoUa von 100 fl. begnügte, Brügge lief der Rivalin den Rang ab^. Genua und Florenz erhielten von flandrischen Städten gleichfalls günstige Verträge*, und namentlich gingen zahlreiche Schiffe von Genua nach den Niederlanden, wo stets eine starke Kolonie vorhanden war. In Damme und Sluys war nun auch Italien reichlich vertreten, und von dort fuhren die Schiffe durch einen natürlichen Kanal nach Brügge, dessen höchste Blüte in den Anfang des vierzehnten Jahrhunderts filllt. Aber auch die Mefsplätze Lille, Yperen und Thourout waren durch Kanäle mit dem Meere verbunden. Die Champagner Messen verödeten immer mehr. Am längsten blieben ihnen treu die Mailänder und Piacen- tiner, denen mit der Eröffnung des Seeweges nicht viel gedient war, und die am längsten an der alten Verbindungsstrafse durch Wallis festhielten *.

' Bourquelot 1, 817 f. Es ist offenbar zu lesen: •{{€ t'enir par mer eyi Flanäre ou par Aleinaiffne",

2 Heyd 2, 708. Desimoni e Belgrano (373). Vgl. (520).

^ Vgl. auch die Auszüge aus dem verlorenen Bande der Misti im Archiv! o veneto Bd. 19, bes. 95, 97, 98 und Perret 1, 22 f.

* Heyd 2, 708 f. Pigeonneau 1, 226. Ober die Fahrt vgl. auch Pinchart, Essai sur les relations commerciales des Beiges avec le nord de l'Italie et particu- li^rement avec les Vönetiens. In Messager des sciences historiques 1851, 16 f.

^* Vgl. die Regesten bei Gaddi zu 1316, 1323 (Vorgehen der gardes des foires im Interesse von Piacentinem gegen Mailand), 1324, 1327 (Vorgehen im Interesse der Anguissola von Piacenza), 1344 (Vorgehen gegen die Mailänder und Lodigianen im Interesse der Scarampi [von Asti?]).

Der Niedergang der Messen der Champagne. 349

Es war statt der vier Mefsplätze, die thatsäehlich einen einzigen Markt ausmachten, in denen die Geschäftsfornien aber die eines Mefs- verkehrs bleiben muisten, nun Brügge der ständige Mittelpunkt des Welt- handels geworden, der sich von den Formen des Mefsverkehrs zu den freies ten Gestaltungen wenden konnte. Die Kaufmannschaft richtete sich gern darauf ein, jetzt besafsen alle gröfseren italienischen Häuser ihre ständigen Vertretungen in Brtigge. So hatte das Haus Guinigi von Lucca dreizehn auswärtige Vertreter, die aufserhalb Italiens domizilierten, vier wohnten sämtlich in Brügge ^ Und ebenso waren alle anderen Völker Europas vertreten. Hier entstand die erste wirkliche Börse. Flandern wurde immer mehr der Mittelpunkt allen Handels zwischen Gibraltar und dem hohen Norden und dem Gebiet der Ostsee, zwischen Italien und England. Hier kreuzten sich die Landroute vom Rheine nach England und die Seeroute vom Armelmeere nach der Nordsee. Brügge war die Vereinigung der germanischen und romanischen Welt, es war so kosmopolitisch, wie höchstens im Bereiche der Christenheit noch Venedig. Es war die Zeit seiner höchsten Blüte, und in seinen Häfen lagen Schiffe aller Nationen, es war der erste Handelsplatz aufser- halb der romanischen Welt. Ja der spanische Ritter Peter Tafur gab Brügge als Handelsplatz den Vorzug vor Venedig. Der Handel dort sei viel umfangreicher^. Auf der Messe zu Antwerpen sah er Italiener aus allen Teilen des Landes; Venedig, Florenz und Genua standen in direkter Schiffsverbindung, auch sehr viele Spanier, besonders Kastilianer fand er dort, und das Leben auf dieser Messe sei grofsartiger, wie auf denen zu Genf, zu Frankfurt und zu Medina del Campo (in Kastilien).

Freilich begann Brügges Stern schon im fünfzehnten Jahrhundert zu erbleichen, seine Industrie nahm ab, het Zwiju und die Kanäle versandeten und konnten von den immer gröfser gebauten Seeschiffen nicht mehr bequem benutzt werden, und mehr und mehr kam Antwerpen in Auf- nahme, das durch die fast unveränderliche Fahrrinne der Scheide zum Meere einen sicheren Zugang hatte. Die Eifersucht auf Antwerpen führte in Brügge zu unklugen Schritten, und so siedelten um die Wende des fünfzehnten und sechzehnten Jahrhunderts nach und nach alle fremden Geschäfte und Vertreter nach Antwerpen über, das von seiner Herrschaft auf alle Weise gefördert wurde.

Der Niedergang der Champagner Messen spricht sich in den Klagen der Bewohner der Mefsorte aus. Die Keller, Hallen und Lagerräume, die einst sich schnell gefüllt hatten, blieben leer®, und nach und nach

1 S. oben S. 289.

•-' Tafur '^ol. Häbler 512.

3 Bourquelot 2, 311.

350 Dreifsigstes Kapitel.

fanden die Gebäude eine andere Verwendung. Die Einkünfte aus den Messen gingen sehr stark zurück. Wir haben schon oben die Ziffern von 1340/41 mit denen der Blüteperiode verglichen ^. Noch besseren Einblick gewähren die Ziffern über den Zoll von Bapaume, der, wie be- kannt, den Verkehr zwischen Frankreich und Flandern beherrschte, neben dem Mefsverkehr auch den regelmäfsigen. Der höchste Ertrag wurde hier 1302 und 1310 geliefert: 3250 d Pariser, in den Zeiten völligen Friedens erreichte der Zoll 1325: 2600//, 1328: 2800 //, 1386 trug er nur 371 W Pariser, 1391 sank er noch tiefer, 1423/24 ertrug er 288 €6, um 1425/6 das Maximum von 1042 (t zu bieten. Von 1453 an erfolgt eine langsame Steigerung, die natürlich durch die Kriegszeiten immer wieder unterbrochen wird^. Bapaume hatte seine alte Stellung ebenso verloren, wie die Messen der Champagne die ihrige. Die Seeschiffahrt und der direkte Landweg hatten gesiegt über den Mefsplatz.

Während in dem bewunderungswürdigen, vor 1343 geschriebenen Handelsbuche des Florentiners Pegolotti die Gebräuche der Messen noch sorgfältigst notiert sind, nimmt Uzzano in seiner Pratica della Mercaiura, die 1442 geschrieben wurde, auf die Messen keinerlei Rücksicht^.

Dafs auch die Deutschen auf den Messen seit 1300 ausblieben, folgt schon daraus, dafs die Nachrichten über den Verkehr dorthin ganz auf- hören. Die Kaufleute von Aachen wollen zwar 1313 den Marktbesuch erneuem, die gardes des foires versichern ihnen gern, dafs alte Dinge vergessen sein sollten*. Das Haus von Basel erscheint gar um diese Zeit, obwohl es unzweifelhaft älter ist, zum erstenmal*.

Die Champagner Messen haben schon um 1350 ihre Weltstellung ein- gebüfst, ihre weltgeschichtliche Mission ist beendet, aber sie war grofs genug, sie hatten die romanische und germanische Welt miteinander ver- bunden, sie hatten ein internationales Handelsrecht geschaffen, auf dem unser heutiges Recht noch fufst. Der Fremdkaufmann verschwand nun- mehr aus dem französischen Gebiete, es gab jetzt einen ebenbürtigen französischen Kauf man nss tan d, er tritt mit der Person Jacques Coeurs machtvoll genug in die französische Geschichte ein.

1 Vgl. S. 165.. ^ Die Ziffern nach Fi not. » Gedruckt (Pagnini) Bd. 3 u. 4.

* Urkunden der gardes des foires und des Königs Ludwig bei Quix, Lirkunden- buch S. 180 u. 183.

^ ßourquelot 1, 202.

Venedig. 351

Einunddreifsigstes Kapitel.

Venedig.

Der FofuJaco der Deutschen. Handelsgrundsätze von Venedig. Verkauf nur an Venetianer, nur Waren deutscher Herkunft j Erlös in Waren wieder anzulegen, Venedig kauft in DetUschland nicht selbst ein. Venedig Endpunkt der deuiscJteti Initiative, anders Genua. Umfang des deutschen Handels. AnttU der einzelnen Gegenden.

In keinem Mittelmeerhafenplatze ist der deutsche Verkehr so umfang- reich gewesen als in dem von Venedig ^, ich sage Hafenplatz nicht Hafen ; denn bis an die Schiffe kam der deutsche Kaufmann gar nicht heran. In keiner Stadt Italiens gab es einen deutschen Kauf- und Herbergshof, wie es der Fondaco dei Tedeschi von Venedig war, aber auch gegen ihn ) wurden Einreden erhoben. Er war von seiten der Stadt in vorzüglicher Lage an der Rialtobrücke vor 1228 errichtet und blieb ihr Eigentum. Nur hier durfte der deutsche Kaufmann absteigen. Die Barcarolen durften einen deutschen Ankömmling nur hierher bringen, 56 Wohn- gelasse standen zur Verfügung, nur hier wurden die deutschen Waren gelagert und zum Verkaufe ausgeboten. Diese örtliche Zusammenfassung des gesamten deutschen Handels erleichterte die Verzollung im höchsten Mafse. Der deutsche Kaufmann mufste sich zudem beim Verkauf wie Ankauf der Sensale bedienen, und selbst wenn die Ballenbinder des Fondaco, Deutsche von Geburt, dem Kaufherren die Warenballen schnürten, fehlte der Sensal nicht-. Die Organisation, welche einen stattlichen Beamtenapparat von den Visdomini bis zu den Dienern herab umfafste und all die Vorzüge italienischer Institutionen dieser Art zeigt, gestattete den Venetianern die strengste Überwachung, sicherte die Ein- nahme aller Abgaben und verhinderte jede nicht gewünschte Handels- thätigkeit der Deutschen, gab denselben aber zugleich die Kraft einer gemeinsam auftretenden Kaufmannschaft, wenn sie sich auch sehr spät zu einer regelrechten Genossenschaft ausbildete und sich Beamte wählte. Welche Vorteile mufste es gewähren, hier sich gegenseitig die Erfahrungen und Nachrichten austauschen und einen gemeinsamen Botendienst zur Heimat organisieren zu können.

Es kann hier nicht die Geschichte des venetianischen Handels besprochen >verden, so reizvoll es ist, die Vorherrschaft der Venetianer

' Vgl. Simonsfeld, Fondaco Tafel. Capitolan? dei Visdomini. Heyd, Levantehandel. Hcyd, Das linus der (hnitsclieii Kauflcute. Stieda, Ilansisch- venetianische Handelsbeziehungen. Traite du Gouvernement de Venise bei Perret Bd. 2. Freiherr v. Krefs, Die Stiftung der Nürnberger Kauf leute für den St. Sebald- altar in der St. Bartholomäuskirche zu Venedig. Mitteil. d. Vereins f. Gesch. d. Stadt Nürnberg 11, 201 ff.

2 Simonsfeld 2, 80 ff. 2, 20. 23-28.

0^

352 Einunddrei fsigstes Kapitel.

im Rhomäerreiche , die Errichtung ihrer Kolonien, die geschickte Be- handlung Ägyptens, dieses wichtigen Durchgangslandes zu behandeln, ich mufs da auf das klassische Werk von Heyd verweisen. Der deutsche Handel hätte sich Venedig zuwenden müssen, auch wenn nicht die Pässe das östliche Deutschland von Augsburg ab auf diesen nächsten Mecreshafen hingewiesen hätte. Auch ein sehr erheblicher Teil von dem in diesem Werke behandelten Verkehr über die Schweizer Pässe lief dorthin.

Venedig war nun nichts weniger als etwa ein Freihafen, die hohe Regierungskunst der Venetianer, die allein von allen mittelalterlichen Städten , die es versucht haben , eine Feintechnik wirklich dauernd vor verräterischem Auswandern bewahrt hat, nämlich die feinere Glas- fabrikation, hat nicht allein die Gewerbe der Stadt entwickelt und ge- schützt, sie verwendete auch eine Menge von Mitteln um den ganzen enormen Handelsverkehr von Venedig abhängig und für Venedig nutz- bar zu machen. Den Handel selbst zu dirigieren, war der Regierung vornehmstes Ziel. Die Stadt versuchte den gesamten Verkehr zwischen Abend- und Morgenland zu monopolisieren. Der Fremde erhielt nur die Rechte, welche Venedig den gröfsten Vorteil verbürgten. Deutschland gegenüber bekundete die Markusrepublik übrigens eine kluge Genügsam- keit, nachdem in den Tagen Heinrichs IV. die Stadt dem Deutschen Reiche gegenüber das Stapelrecht gewonnen hatte ^ Es gelten folgende Principien. Der Deutsche darf nur dem Venetianer verkaufen und nur von ihm kaufen^. Es ist das ein von allen kräftigen mittelalterlichen Städten durchgeführter Grundsatz, dem Bürger den Handel zu wahren und die Stadt nicht zur Rolle eines Hauses herabsinken zu lassen, in dem zwei Fremde einkehren, um ihre Geschäfte zu erledigen. Untersagt war also jeder direkte Handel mit den Orientalen, der venetianische Zwischenhandel war nicht zu vermeiden und zu umgehen. Wie bitter das drückte, sehen wir aus den Klagen der Nürnberger Kaufmannschaft (vierzehntes Jahrhundert): „das müssen die deutschen Kaufleute denen von Venedig verkaufen und dürfen es keinen Gast schauen lassen bei 100 Pfund Strafe" ^. Die totale Absperrung der Gästegruppen voneinander ist für Venedig besonders charakteristisch. Mitten im Meere war der deutsche Kaufmann doch nicht imstande, seine Waren auf dasselbe hinaus fahren zu lassen*. Die venetianische Handelsflotte war staatlich organi-

' Lenel S. 4. Vgl. Simonsfeld in Historische Zeitschrift 84, 482.

'^ Capit. c. 198. Der Fremde darf mit dem Fremden nicht handeln. Simons- feld 2, 81.

3 Flegler 880.

* Vgl. auch Dekret : f'orenses yion possint ah'quam mercantiam Lecantis conducere Venetias. Marin 8, 148.

Venedig. 353

siert, der Schiffsraum wurde versteigert, die Handelsfahrzeuge zu Flotten, die durch Kriegsschiffe gedeckt wurden, zusammengefafst. Dieser Betrieb sollte aber nur dem Bürger dienen, niemand sonst.

Der Deutsche durfte seine Waren auch nicht im kleinen, speciell nicht im Ausschnitt verkaufen, er mufste sie im Fondaco zum Verkauf stellen. Und kein Geschäft durfte ohne den Sensal abgeschlossen werden. Auch das war ein fast allgemeiner Grundsatz der städtischen Handels- politik. Anders lag es aber, indem dem Deutschen untersagt war, andere als deutsche Produkte zu verkaufen. Geschieht es, dafs er fremde, vor allem flandrische Tuche veräufsert, so mufs den Kapitänen der Flandern- fahrer eine Entschädigung gezahlt werden. Der deutsche Kaufmann soll dem venetianischen Kapitän keine Konkurrenz machen. Und ebenso war es untersagt, dafs der deutsche Kaufmann aus Toskana oder der Lom- bardei Seide oder seidenes Gewand nach Venedig bringe ^ Es galt als Grundsatz, dafs der deutsche Kaufmann den Erlös seiner mitgebrachten Waren wieder in venetianischen Waren anzulegen hatte. Eine hoch- interessante Auseinandersetzung der Vorteile, die Genua dem deutschen Kaufmann bietet, hebt das als venetianisches Gesetz hervor; auch andere Quellen lassen dasselbe erschliefsen ^. Das mufste also ergeben, dafs der Deutsche niemals aus Venedig Geld heimbrachte, dafs Einfuhr und Aus- fuhr höchstens zu Gunsten der Venetianer sich stellen konnte. Ein solches Gesetz wird aber das kann man auch ohne Beweise sagen oft um- gangen worden sein.

Gegenüber diesen Einschränkungen, die Venedig den Deutschen auf- legte, leistet die Herrscherin der Adria Verzicht auf den Ankauf in Deutschland, ja Venetianer durften nicht einmal im Gebiet von Padua und Treviso deutsche Waren einkaufen. Schon 1279 bestand für die Venetianer das Gesetz, dafs sie in Deutschland keine deutschen Waren aufkaufen durften, wie auch kein Venetianer nach Deutschland Waren verbringen und sie dort verkaufen durfte, man wollte die Deutschen nach Venedig ziehen und ihnen nicht im eigenen Hause Konkurrenz machen. Verstattet war, dafs der Venetianer durch Deutschland nach Ungarn ging wie nach Frankreich ^. Als Venetianer in Deutschland wirk- lich Handel zu treiben begannen, wandte sich Nürnberg sofort an Regens- burg, um mit Hilfe des Kaisers die „Fahrt" abzustellen, und 1358 ver- fügte der Senat auf den Wunsch Kaiser Karls IV., dafs die Venetianer auf der Reise durch Deutschland ihre Warenballen nur in Köln auf-

' Ileyd, Haus d. Kaufl. 215 f. Simonsfeld 2, 82. Flegler 330 f.

2 Urkunden Nr. 382. Siinonsfeld 2, 31 Anm. 7. Vgl. Marin 5, 295. Dekret von 1272 für die Kaufleute von Venedig selbst nach ähnlichen Gesichtspunkten.

" Capit. XXI u. XXIV, beide von 1279 aus den Lib. commem. Ferner Cap. 147 und S. 226 (von 1475). Simonsfeld 2, 31.

Schulte, Ocsch. d. mittolaltorl. Handels. I. 23

354 Einunddreifrtigßtes Kapitel.

binden und zum Verkauf auslegen sollten \ Ausgenommen von diesem Ankaufsverbote waren Waffen, Pferde und Lebensmittel^, man wollte den Handel mit diesen, man möchte sagen, politischen Artikeln nicht aus der Hand geben. Im übrigen aber war Deutschland den Venetianem nur ein Pnssageland. Wir werden Fälle anfuhren können, wo sie auf deutschem Boden beraubt wurden, aber wir finden keinen Venetianer angesiedelt, keine Faktoreien derselben, keinen Kaufvertrag. Selbst die reichen Erzeugnisse des venetianischen Gewerbefleifses : die feinen Stoffe und Glaswaren wurden nicht von Venetianem auf westdeutschem Boden angeboten.

Von diesen Grundsätzen wich die Republik nach Lage der Dinge wohl ab, die Politik der Handelsherrscherin war klug, elastisch, sie ver- stand es, die Käufer und Verkäufer bei guter Laune zu erhalten. So finden wir manche Ausnahmen von den starren Gesetzen, namentlich für die Deutschen. Aber auch mit ihnen konnte der Grundzug der venetia- nischen Handelspolitik nicht verwischt werden. Und der liegt darin, dafs diese Stadt, deren Strafsen Teile des Meeres sind, die mehr als irgend eine andere Stadt der Welt sich das Wasser unterthänig gemacht hat, sich zwischen Land und Meer einzuschieben wufste; für den Händler, der vom Oriente her kam und im Fondaco dei Turchi abstieg, ergab sich keine Möglichkeit, in das Innere vorzudringen, und für den vom Lande gekommenen war der Zutritt zu den Schiffen verschlossen. Die Klagen der Nürnberger Kaufleute richten sich besonders gegen diesen Punkt. „Auch lassen die von Venedig keinen deutschen Kaufmann irgend welche Kaufmannschaft von dort führen über Meer oder zu sich heran, er mufs sie einem Bürger von Venedig zu verkaufen geben, und wenn er dabei verderben müfste. Wer die Waren gleichwohl zu Schiffe bringt, wird mit Konfiskation bestraft" ^.

Das war das grofse Geheimnis der venetianischen Politik gewesen, dafs sie es verstanden hatte, allen Verkehr auf dem Po und der Adria unter ihre Kontrolle zu bringen. Seitdem Ferrara 1234 sich hatte beugen müssen, und das Kastell von Marehamo den Eingang in den Po bewachte, war der Sieg errungen. Die italienischen Städte durften nicht mehr direkt Waren aus den Produktionsländern einführen und, wo Venedig Einflufs gewann , war es das erste zu bewirken , dafs die Fremden nicht mehr zugelassen wurden. Jede der kostbaren Waren, die der Orient mit dem Occident austauschte, sollte durch Venedig gehen, das die zuerst littera- risch vorgebrachte Theorie von der Alleinherrschaft auf der Adriü auch

' Simonsfeld 1 Nr. 125 u. 171, 172.

'•^ Cap. c. 147 von 136»i. Der Besuch der deutsehen Messen war den Venetianem nur von 1475—1494 gestattet. » Flegler mo.

Venedig. 355

zu einer Wirklichkeit machte. Der deutsche Kaufmann befand sich in Venedig mitten im Meere, er schwamm auf den Barken über der Salz- flut, aber hinaus auf das Meer konnte er trotzdem nicht kommen. Hier fand er eine Schranke für seine Initiative, hier war das Ende seinem Unternehmungsgeiste gesetzt. Er konnte in das Handelsmonopol, das die Republik auf der Adria in so unendlich kluger und zäher Weise gewonnen hatte, nicht eingreifen.

Venedigs Geschichte gründet sich ja auf zwei Wurzeln, zwei Grund- bedingungen, auf der alten historischen Beziehung zu Byzanz, die zu der Stellung im Orient geführt hatte, und auf der Stellung zum Festlande und zu dem Festlandsstaate, dem deutschen Kaiserreiche. Auch in ihrer Handelspolitik hält die Republik von San Marco an diesen doppelten Existenzbedingungen fest, sie weifs sich wie politisch so auch im Handels- leben unabhängig zwischen beiden zu behaupten. Diese winzigen Inseln sind in der That ein fünftes Element, sie sind nicht das Meer, aber auch nicht das Festland. So konnte Venedig der deutschen Kaufmannschaft als hohe Schule dienen, wie ja die meisten Söhne der grofsen süd- deutschen Kaufmannsgeschlechter hier die Handlung erlernten*. Es konnte unter den fremden Hafenplätzen für Deutschland der wichtigste sein, aber dem Kaufmannsstande, der sich auf das Meer hinauswagen wollte, lag hier die Schranke. Über die Reede von Venedig hinaus läuft keine Spur eines deutschen Handels, aber Genua war der Platz, wo die grofsen oberdeutschen Handelsgesellschaften die Brücke be- safsen, die nach Spanien, Portugal, ja schliefslich über den Ocean in die neue Welt hinüber führte. Die Handelsbeziehungen mit Venedig zeigen eine dauernde Blüte, die nach Genua bekunden aber vielmehr den Wagemut der süddeutschen Kaufmannschaft. Jene entbehren der lebhaften Erregungen, diese des satten Glanzes, der auf dem Namen Venedigs, wenn wir an das Mittelalter denken, überhaupt ruht.

Die Blüte des deutsch-venetianischen Handels lag wohl um die Wende des vierzehnten und fünfzehnten Jahrhunderts, und wir dürfen ihn uns nicht klein vorstellen. Im Fondaco kaufte 1358 ein Venetianer 1045 Stück Leinen^, ein Nürnberger verschwand 1432 unter Hinterlassung einer Schuldenmasse von 25000 Dukaten. Wenn das den Grofshandel einzelner charakterisiert^, so haben wir auch Angaben, die den Gesamtumfang leidlich bezeichnen. Den Umsatz der deutschen Kaufleute in Venedig schätzte der Venetianer Paolo Morosini in einem Briefe an Gregor von Heimburg (gestorben 1472) auf eine Million Dukaten jährlich. Der Ritter

^ Simonsfeld 2, 39 f. Schon für 1308 ist das erwiesen.

2 Nicht 45 000 Stück Leinen, wie Simons feld 2, 3S und Stieda S. 5 schreiben. Die Quelle Simons feld 1 Nr. 168.

« Simonsfeld 1 Xr. :\S1. Weitere Beispiele ebda. 2, 33. Stieda 5.

23*

356 Einuiiddreiföigstes Kapitel.

Arnold von HarfF erfuhr auf seiner Pilgerfahrt 1497 von den Kaufleuten des Fondaco, dafs die Abgaben, die der Herrschaft zuflössen, sich allein auf täglich 100 Dukaten beliefen, nicht ganz so hoch ist die Schätzung des weltkundigen Felix Fabri, der als jährlichen Zollertrag 20 000 Dukaten angiebt*. Die Signoria hatten wohl Grund, den Fondaco als das ^opiifno membro dt questa eita^ zu bezeichnen^.

Die ältesten der deutschen Gäste waren wohl die Regensburger, mit ihnen bildeten die Schwaben die eine Tafel, und darunter haben wir nicht allein die Augsburger, Ulmer, Kavensburger und Konstanzer zu verstehen, es gehörten zu dieser Gruppe auch wohl die Österreicher. An der anderen Tafel galten die Nürnberger am höchsten, und mit ihnen dürften die vom Rheine von Basel ab bis Köln und die Vertreter des Nordens sich zu Tisch gesetzt haben ^.

^ Diese und weitere Angaben Heyd, Kaufhaus 217. 2 He yd, Haus der Kaufleute 218. Thomas, Capitolare 277. ' Vgl. die reichhaltigen Zusammenstellungen Simons felds über den Anteil der verschiedenen deutschen Städte 2, 41 90.

Sechstes Buch.

GESCHICHTE DES VERKEHRS IM SPÄTMITTELALTER.

Erster Teil.

DIE BÜNDENEß PÄSSE UND IHEE ZUGÄNGE.

Zweiunddreifsigstes Kapitel.

Septimer.

Hospiz, Vit^tumatnt Verfall der Straf se, Verbot eine andere zu fahren 1358, Mailäiider Gesandtschaft 1386. EntscJieidung für den Septimer, Bau der Strafse durch die Castelmur. Zeitumstände, Die Portal, ihre Ordnungen. Zölle, Weggclder. Streit um den Zoll zu Sirafsherg.

Die Bündener Pässe bieten in den beiden letzten Jahrhunderten das reizvolle Bild, wie die Bergbewohner von sich aus versuchen, die Pässe gangbar zu machen, um den Verkehr, der sich mehr und mehr dem Gotthard zugewendet hat, womöglich den Bündener Alpen zurück- zugewinnen. Einem glänzenden Zeugnisse für die Unternehmungslust der Bevölkerung reiht sich als ein nicht minder ruhmvoller Titel der an, dafs wir von Strafsenraub so gut wie nichts hören.

Mit altem Ruhme tritt der Septimer in die beiden Jahrhunderte ein. Er wird sehr oft in den Urkunden über Friedekreise, Dienstpflicht u. s. w. als Grenze genannt, so heifst er 1330 ^Setenie der perg^ der Lamparten und Dutscheland scheideU ^ Es war der einzige Bündener Pafs, der ein Hospiz auf seiner Höhe trug. Die etwas armselige Stiftung kam nicht in Blüte. Wir hören noch wohl von einer bescheidenen Stiftung von

1 Thommen, Urkunden 1, 209. In einem Bunde von 1338 Schreiber 1, 288, von 1350 1, 402. Als Grenze eines Jagdbezirks der Herren v. Marmels in Z. Gesch. Oberrh. 20, 163.

358 Zweiunddreifsigstes Kapitel.

Butter für ein ewiges Licht *, aber auch jetzt stammt der Spender aus der Nachbarschaft, und das Urbar führt keine weit entlegenen Besitzungen auf. Oben war auch keine zahlreiche Schar von Mönchen, ein von den Bewohnern von Bivio und dem Vitztum erwählter Mann, dem man den Titel Mönch gab, lebte dort, verpflichtet, alle, welche durchwanderten und nicht weiter konnten, zu speisen und zu tränken, die Armen auch ohne Entgelt. Für sein Vieh hatte er in der Nähe Weide ^. Eine Kaplanei bestand auch, da aber 1399 ihr Inhaber zugleich Domherr in Chur war, dürfen wir uns ihn nicht auf dem Passe residieren denken. Der adlige Inhaber war Eglolf von Rorschach, der mit seinem Bruder diese Kaplanei gegen die Pfarrei Rorschach eintauschte, die Pfründe mag also nicht schlecht gewesen sein, aber sie nützte dem Passe nichts^. Es mufs ein dürftiges Hospiz gewesen sein, und als es 1513 bautHllig geworden war, sandten die Kirchenvögte einen Boten hinaus, Gaben zu heischen*. Über dem Hospize stand ein Vitztumamt, das auch die einst zum Trans- port des Bischofs verpflichteten Höfe Schweiningen und Praden umfafste. Von den Planta ging es 1386 an die von Marmels über, die vor wie nach den gröfsten Einflufs auf die Strafse hatten und im Besitze des Amtes bis an das Ende des Mittelalters blieben*.

Die Strafse war aber so schlecht im Stande, dafs der Versuch nahe genug lag, einen der anderen Pässe, auf die der Bischof von Chur keinen Einflufs hatte, zur Verkehrsstrafse zu machen. Die Gefahr war 1358 so drohend, dafs der Bischof Peter von Chur, der Karls IV. Kanzler war, sich von seinem kaiserlichen Herrn den Befehl an alle Reichsstädte er- wirkte, sie sollten die bischöfliche Strafse und keine andere fahren, dem Bischöfe solle es freistehen, andere ungewohnte Wege zu sperren, und des Schadens würde sich der Kaiser in keiner Weise annehmen*. Von wem die Gefahr drohte, lehrt ein vom gleichen Tage datierter Befehl des Kaisers an den Grafen Rudolf (IV.) von Sargans. Er dürfe im Bis- tum Chur keine neue Strafse, Zölle oder Geleite aufbringen, sondern müsse als Lehensmann des Bistums auch die Versuche anderer abwehren ^. In seinen von Vater Seiten ererbten Landen konnte Rudolf nicht wohl an eine neue Strafse denken, da der Weg bis Chur festlag; aber in Ober-

1 Mohr 2, 325. Vgl. auch Berger S. 96 zu 1350, Urkunde aus Vicosoprano, ferner Nüscheler, Gotteshäuser Heft 1 8. 113. 114.

2 Mohr 2, 325 Anm. Berger 99. Planta, Herrschaften 60. « St. Galler Urkb. 4, 578.

* Urkunden Nr. 290.

•* Mohr 4, 116. 1417, 1419, 1477. Berger S. 100 ff. Aufserdem Lehenbricfe von 1460 und 1470 im bischöfl. Archiv in Chur. « Mohr 2, 430 d. d. Breslau 25. Januar 1359. 'Mohr 3, 116.

Septimer. 359

rhUtien war ihm durch seine Gemahlin Ursula, die Tochter des grofsen Freiherrn Donat von Vaz, die bedeutende Erbschaft dieses Geschlechtes zugefallen und damit das rechtsrheinische Domleschg, auch Rechte auf dem linken Ufer, die Landschaften Schams und Rheinwald ^, also genau das Gebiet, das, freilich von anderen kleineren Herrschaften unterbrochen, von Chur zum Passe von Splügen und St. Bernhardin führt. Und um die Ausnutzung dieser Pässe handelte es sich^.

Wenn diese Konkurrenz nun auch vielleicht noch einmal abgewendet war, so war der Zustiind der Septimerstrafso doch derartig, dafs die Kaufleute Sorge haben mufsten, auf ihr Leben und Gut zu verlieren. Einige benutzten den Malojapafs, das glaube ich wenigstens daraus schliefsen zu dürfen, dafs 1846 Hans Stromer von Nürnberg „auf dem Maloon" das man bisher als Mailand deutete ermordet und zu Como begraben wurde ^. Zürcher, die 1365 zu Vicosoprano am Zoll Händel hatten, waren, wo nicht den Septimer, so doch den Maloja- Julier gegangen^. Die Mailänder hatten die Strafsc völlig verlassen und, als nun Anfang 1386 die Luzerner mit ihrem Überftill von Rothen- burg den Streit der Eidgenossenschaft mit den österreichischen Herzögen wieder in offenen Kampf überleiteten und damit der Gotthard für die fremden Kaufleute, namentlich jedoch für die Unterthanen Galeazzo Viscontis, des Schwagers Herzogs Leopolds III. von Osterreich, ungang- bar wurde, suchten sie einen Ersatz wohl in den Bündner Pässen, sie lenkten ihren Blick auf den St. Bernhardin. Ihre beiden Gesandten Johannes Cerlini und Petrus Buscha, die nach der Schlacht von Sempach (0. Juli), an der auch 300 Mailänder auf österreichischer Seite Anteil nahmen ^, im oberen Rheinthal erschienen, bericliteten aber aus Konstanz (27. August 1386), dafs der Weg durch das Misox nicht angängig sei^, dafür aber konnten sie melden, dafs drei Leute, ^Visperani^ genannt, den Berg Sept so einrichten wollten, dafs man von Tinzen bis Cläven auf Wagen Lasten bis zu 30 Rubb fortbewegen könne, freilich wollten sie dann von jedem Ballen und jedem Fardel 4 ß Imperialen erheben. In der Antwort der Mailänder Kaufmannschaft kam sie auf den St. Bernhardin nicht mehr zurück, und erklärte sich mit jener Abgabe ein-

1 Krüger S. 379-85. Anders Muotli 72.

2 Kind S. 2S:3 u. a. vermuteten, dafs es sich um den Pafs von Kuukels handelte; allein ich kann nicht glauben, dafs dieser heillose Pafs, der zudem nur Chur um- ging, gemeint ist.

^ Chroniken deutsclier Städte 1, 68. 27.

* Der PodestA hielt Peter Lutzer'n (Uit an, zwei andere Züricher waren zugegen. Stadtbücher 1-^3.

^ BoU. stör, dclla Svizzera italiana 7, 155.

^ Leider fehlt der erste ausführliche Bericht über die Mifjoxer Angelegenheit. Der zweite s. U r kund o u Xr. 24, die Autwort der Mailander Kaufmannschaft ebda. 25.

360 ZwciuDddmfsigßtes Kapitel.

verstanden, die Gesandten möchten dieselbe aber möglichst herab- drücken.

Die Mailänder hatten nächst dem jungen Sohne des bei Sempach gefallenen Leopolds III. , Herzog Leopold IV. von Osterreich , den sie auch persönlich aufsuchten, ihre Hoffnung auf den Grafen „de öancto Petro" gesetzt, der sei der HeiT tiber das ganze Gebiet von Konstanz bis zu der Herrschaft ihres Gebieters Galeazzo. Darunter ist der Graf Johann 1. von Werdenberg-Sargans (t 1400) zu verstehen, die Über- setzung >'(le sancio Monier mit Werden Berg, findet sich auch sonst. Der Graf hatte wohl tüchtig übertrieben und sich als den Grafen in der Grafschaft Laax, die vor Jahrhunderten ja freilich die Grafschaft Ober- rhätien gewesen war, aufgespielt ^ Immerhin besafs er an der denkbaren Route über den Splügen : Rheinwald, Schams, das rechtsrheinische Dom- leschg, er hatte Hoffnung, dereinst in Unterrhätien Vaduz zu erben ^. Das aber war auch alles. Aber er war doch wohl der vornehmste der rhätischen Gr(»fsen, seit 1380 stand er mit Galeazzo Visconti in einem Bündnisse und erhielt von diesem eine jährliche Pension von 300 fl., wie 131)4 auch der Bischof von Chur eine solche Pension zugesprochen er- hielt^, und da die Mailänder in dem ausbrechenden Kampfe durchaus auf Seite der Österreicher standen, ja geradezu von den Eidgenossen sich Feindschaften versahen, war es von Bedeutung, dafs dieser Johann damals ein eifriger Parteigänger des Herzogs Leopold war. Johann ver- langte aber von den Mailändern eine Verpflichtung auf lange Zeit. Es warm diese aber durchaus nicht geneigt, sich für längere Zeit zu binden, sie wunderten sich darüber, dafs er solche Versicherungen von ihnen verlange, wo doch die deutschen Kaufleute derartige Verpflichtungen nicht eingegangen seien. Sie könnten solche Versicherungen nicht selbst geben, verlange sie der Graf, so müsse er sich an ihren Herren, Ga- leazzo wenden. Wenn er ohne eine solche den Pafs nicht freigeben wolle, so möchten sie wenigstens erwirken, dafs die Waren, die jetzt in Strafsburg lägen, diesen Weg gebracht würden. Der Weg, über den hier geredet wird, war also in der Macht des Grafen, andererseits heifst er ^iter per Clavamanu, es ist also gar kein Zweifel, dafs deutsche Kauf- leute den Splügen bereits wandelten, wenn der Weg für die Italiener auch völlig neu war. Die Verhandlungen scheinen schliefslich zu einem Schutzbrief für die Kaufleute von Mailand und Como geführt zu haben. Verschiedene Herren hatten mit ihm, wie Graf Donat von Toggenburg,

^ Über die Grafschaft vgl. Juvalt, Forschungen 99 102. Planta, Herr- schaften 447. Krüger 397 f.

2 Krüger S. 822.

^ Boll. stör. d. Svizz. it. 9, 185. Quittung von 1392. Ar eh. stör. lomb. 21, 2, 48 und 21, 2, 72. Ahnlich öfter im fünfzehnten Jahrhundert.

Septimer. 361

1388 erklärte, alle Kaufleute aus dem Gebiete des Herren von Mailand in ihren Schutz genommen. Graf Donat gab ihnen 1388 eine genaue Versicherung über die Abgaben, die sie zu Mayenfeld zu erlegen hatten*.

Das andere Projekt wurde durchgeführt. Wir haben noch die Ver- träge beider Teile-. Der Bischof von Chur, Johann von Singen, öster- reichischer Kanzler, hatte wie der Pfleger des Bistums, Graf Rudolf von Montfort, die Ideen der Bergeller warm aufgenommen. Jakob von Castelmur verpflichtete sicl^, den Weg zu bauen, so dafs Wagen mit 36 Kubb Last von Tinzen bis Plurs verkehren könnten. Dafür gestand der Bischof seinem Dienstmanne eine an ihm gefälligen Orte zu erhebende „Weglösi" zu, die so normiert wurde, wie von den Mailändern verlangt war. Der englische Wollsack sollte 4^ Mailändisch (Büian) entiichten, der deutsche 3, das grofse Fardel 4, das kleine 3. Eine Saumlast mufste tragen, das Gleiche dürfe von jedem Rosse erhoben werden, doch solle das Reitpferd des Käufers wie des Säumers frei bleiben. War dieses auch nur auf zehn Jahre zugestanden, so war doch zugleich vorgesehen, dafs Jakob und seine Erben die Strafse unterhalten und dafiir die Weg- lösi weiter beziehen sollten, und er hatte sich ausbedungen, dafs er drei- mal müsse, wenn die Strafse zu bessern sei, ermahnt werden und ein Jahr sei ihm von da ab Zeit zur Herstellung der Strafse zu lassen.

So war die handelspolitische Wirkung des Kampfes von Luzern gegen die österreichische Herrschaft, die möglicherweise auf die Nicht- bestätigung der Zollfreiheit am habsburgischen Gotthardzoll zurückzu- führen, die, dafs ein alter Rivale dem Gotthard neue schwere Konkurrenz begann. Jakob von Castelmur hatte seine Verpflichtungen erfüllt, und es gab nun die erste fahrbare Strafse über die Alpen. Jetzt war nicht mehr der Gotthard der von den Österreichern begünstigte Pafs, ihr In- teresse wandte sich den Bündnern zu und so weit wir es direkt nach- weisen können, hatten zum erstonmale die Btlndener Pässe als Notaus- gänge gedient.

Mit dem Bau einer Strafse war sie aber noch längst nicht verkehrs- fähig, es mufste, w^enn sie den grofsen Verkehr auf sich ziehen wollte, für den Transport der Waren die Organisation geschaffen werden, welche die täglich entstehenden Schwierigkeiten den Fremden besiegen half. Wenn anderswo sich der Transport unabhängig macheu konnte von den Einheimischen, hier im Gebirge war es nicht zu umgehen, einem Orts- eingesessenen, der mit Weg und Steg, mit allen Naturverhältnissen vertraut war, den Waren transport zu übergeben. Überall bildete dementsprechend

^ Urkunden Nr. 26. S. auch weiter unten.

- Verpflichtung Jakobs von Castelmur vom 5. März 1387 Mohr 4, 139. Die des Bischofs und des Pflegers des Gotteshauses vom 31. Januar ebda. 4, 135.

362 Zweiunddreifsigstes Kapitel.

die Gemeinde der Hochthäler die Grundlage der Transportorganisationen, der Porten, wie die italienische Bezeichnung lautet, der Roden ( eigen t- lieh Rotten) oder Teile, wie die deutschen Alpler sie benannten^. Die Fuhrleute waren also eingesessene Bewohner der am Wege liegenden Ortschaften, welche den Transport neben ihrer bäuerlichen Thätigkeit be- sorgten. Ein regelloser Betrieb hätte zu ewigen Streitigkeiten unter den Fuhrleuten geführt, und so ergab sich die Notwendigkeit, einen Teiler, ^pariitor ballarnnn an die Spitze der Genossen zu stellen, der jedem der Reihe nach seinen Anteil, seinen Teil, seine Rotte zuwies. Das führte natürlich zu einem Monopol für den Warentransport innerhalb des Be- reichs der Dorfmark und der ihr benachbarten Alpen, und indem sich mehrere Porten zusammen thaten, entstand ein ganzes Transportsystem, dem sich der Kaufmann anvertrauen mufste. Die Einrichtung war für die Kaufleute äufserst wertvoll, ruhte doch auf diesen Porten sogar eine Transportpflicht, sie mufsten dem Kaufmann seine Waren sofort in Bewegung setzen, nur „echte Not" und „Gottes Gewalt,"^ die hier ja öfter als irgendwo sonst eingriffen, entschuldigten.

Die ersten Nachrichten über die Transporteinrichtungen auf dem Septimer gehen nicht über den Ausbau der Strafse durch Jakob von Castelmur zurück. 1391 verpfändete ein Bewohner von Vicosoprano eine Rod, ^^quae sauma una de vectura seit roda dicitur,^ von Plurs bis Vicosoprano und von dort auf den Septimer einem andern^, es war hier also der Anteil an der Genossenschaft ein Recht, das veräufsert werden konnte, die Anzahl der Anteile mufs demnach beschränkt gewesen sein. Es wurden sehr häufig solche Rodrechte verkauft, und so erklärt es sich, dafs allmählich an die Spitze der einzelnen Porten Adlige traten®, wie überhaupt der bündnerische Adel sich nicht so scheu von den Gewerben fern hielt, wie etwa der deutsche. Es ist wohl kaum denkbar, dafs die Porten erst 1389 nach Fertigstellung der Strafse eingerichtet seien, wenn das auf dieselben auch eingewirkt haben mag.

Es gab im fünfzehnten Jahrhundert auf dem Soptimerwege vier Porten: Vicosoprano, Bivio (Stalla), Tinzen und Lenz. Als Grenzen des ganzen Transportzuges im weitesten Sinne werden erwähnt Plurs und Chur. Als Susten für die Waren, als Nachtquartiere für die Reisenden dürfen wir ohne Zweifel die Sitze der vier Porten annehmen. Die von Vicosoprano trafen mit denen von Stalla um die Mittagszeit auf dem Septimer zusammen, wo sie sich die Waren übergaben. Unter Einrech-

^ Börliu, Die Transportverbände und das Transportrecht der Schweiz im Mittelaitor. Züricli 1896.

- Mohr 4, 199. Der Vorkauf findet statt vor dem Hause mr Jncohi de Castro- muro*. Über weitere Verkäufe von Rodrechten vgl. ßerger 142.

=^ Urkunden Nr. 291 von 1467.

Septimer. 363

iiung der letzten Strecken Chiavenna-Plurs und Lenz - Chur ergiebt sieh somit eine Transportdauer von sechs Tagend

Die Organisation der Septimer Porten lehrt uns die Ordnung kennen, die in zwei Fassungen uns überliefert ist^. Die von 1498 ist um vier Artikel kürzer als die genau ein Jahr jüngere, und diese berühren den Transport der Leute von Tiefenkasten und Flurs und die I'flicht, die Strafsen in Ordnung zu halten. Durch zwei Paragraphen wird die jüngere Fassung übrigens besonders wertvoll : es ist einmal die Ver- pflichtung der Kaufmannschaft, für den Transport nach Mailand nur den Septimer zu benutzen, dann aber die Bestimmung, dafs den Gesell- schaften, „die in diesem Vertrage mit den Porten verbunden sind", ihre Waren vor allen andern abgefertigt werden sollen. Während die Ord- nung von 1498 nach Form und Inhalt ein Statut der Porten unter sich ist, ist die von 1499 zugleich (dem Inhalte nach) ein Vertrag, der Porten mit den grofsen oberdeutschen Handelsgesellschaften, die den deutschen Handel leiteten. Aber warum waren sie 1499 nun so sehr für den Sep- timer eingenommen?

Auch dieser Vertrag war durch politische Verhältnisse bestimmt. In dem „Schwabenkriege" von 1499 war eine scharfe Verbitterung zwischen den „Schweizern" und den „Schwaben" zu leidenschaftlichem Ausdruck gekommen. Zwar hatten auch die Bünde zu den Eidgenossen gehalten, und auf der Luziensteig, zu Triesen, bei Hard, Konstanz, an der Calven war auch rhätisches Blut geflossen, allein der Friede von Basel (22. September) liefs hier Österreich seine Gewalt und seine Rechte. Gegen die Eidgenossen war der Zorn der Schwaben, vorab der Kon- stanzer, zu tief, um nicht den Handelsverkehr über den Septimer dem über den Gotthard vorzuziehen. So erkläre ich mir die Entstehung der zweiten Fassung.

Auch die erste war auf die Deutschen berechnet. Das Stück ist in deutscher Sprache geschrieben, und keine Spur könnte die Vermutung rechtfertigen , dafs es sich um eine Übersetzung handle. Die Teiler gaben sich die Ordnung in deutscher Sprache, weil sie auf dem Passe die bekannteste war, mochte der ganze Portenbezirk auch romanisch sein.

Unter den Bestimmungen möchte ich noch die eine hervorheben, welche den eiligen Transport der Waren regelt. So viel wir wissen, war nur auf diesem Passe dem Kaufmann die Möglichkeit gegeben, gegen Überlohn seine Waren Tag und Nacht fortbewegen zu lassen.

^ Es ergiebt sich nach dem Laufe der jetzigen Strafse für die Strecke Chia- venna-Vicosoprano 19,3 km, Stalla-Tinzeu 13,00, Tinzen-Lenz 19, Lenz-Chur 22,6. Dazwischen schiebt sieh der Übergang über den Septimer ein.

- Die von 1498 bei Börlin 79—^2. Die von 1499 Urkunden Nr. 287. VAne von 1471 sah noch J. U. von Salis-Seewis. Berger 143 zu 1471.

364 Zweiunddreifsigates Kapitel.

Nur allzu grofse Dunkelheit und ein Ungewitter entband die Leute von der Transportpflicht; selbstredend ruhte diese Pflicht an allen Tagen, die das Mittelalter kirchlich besonders feierte ^

Der Transport erfolgte auf Wagen; denn es werden „Ochsen" von dem Teiler auf den Septimer zum Transport entboten. Die Transport- genossenschaften erfüllten auch die Pflicht, die Strafse von Vicosoprano über den Berg bis an die untere Grenze von Oberhalbstein so in Ord- nung zu halten, dafs man mit Wagen fahren möchte^.

Durch die Einrichtung der Porten war, da jede ein Weggeld neben den Transportkosten erhob, die Zahl der Zölle vermehrt. Es gab nun- mehr, abgesehen vom Zolle zu Cleven, der 1284 vazisch war^, Weggeld zu Stampa, wo eine Port bestand, die, wie es scheint, mit der von Vi- cosoprano konkurrierte, zu Vicosoprano, zu Stalla und zu Tinzen*. Da- neben bestand noch der alte Zoll von Vicosoprano fort, der 1372 auf 31 Jahre an die Planta gegeben wurde ^, ferner wurde daneben noch von der Gemeinde ein niedrigerer Zoll als Weggeld erhoben®. Das Bistum Chur glaubte alleiniger Zoll- und Geleitsherr zu sein. Noch 1421 wurde auf Grund königlicher Briefe und auf Grund des Satzes, dafs dem Bis- tum Chur von der Landquart bis Castelmur im Bergeil, also in dem Verlaufe des gesamten Septimerweges in Oberrhätien und Bergell, alle ^»Fürhiie^ und Zölle zuständen, von dem Bischöfe Johann von Chur der Versuch gemacht, die von dem Grafen Friedrich von Toggenburg zu Strafsberg und zu Lenz (also auf der Strecke Chur-Tiefenkasten) er- hobenen Zölle zu beseitigen. Der Graf berief sich auf den alten Ge- brauch, der Zoll sei seinen Vordem von den Königen versetzt. Der Schiedspruch der Stadt Zürich lautete dahin, beide Teile sollten mit ihren königlichen Briefen vor den König gehen '^, In der That hatte Karl IV. 1348 dem Grafen Friedrich von Toggenburg einen Zoll unter dem Hause zu Strafsberg verliehen (von dem Saume trockener Kauf- mannschaft 6 ?), von der nassen 3 ^) und zwar als Pfand für 500 Mark Silber®. Ende 1349 hob das Karl wieder auf, weil verschwiegen sei,

' Aufzählung in Art. 6.

^ Art. 4 u. 7, z. T. nur in der Fassung von 1499.

« Mohr 2, 29.

* Vfrl. Urkunden Nr. 288.

■^ Mohr 3, 254. Weitere Geschichte Berger 155.

^ Urkunden Nr. 288. Das ist wohl das theoJoneum parvxim^ qvod rulgo diciiür fürlaiUj das 1814 die Castromuro auf fünf Jahre erhielten. Mohr 2, 237.

■^ Urkunden Nr. 282. Der Toggenburger war in Strafsberg der Erbe der Freiherren von Vaz, diese aber nicht die eines Herrengeschlechtes von Strafsberg, wie Planta, Herrschaften S. 343 f. will; denn die Strafsberger waren Dienstmannen Mohr 1, 358. 2, 229. Richtiger Juvalt 2, 205.

^ Lütisburger Kopialbuch 137.

Lukmanier. 365

dafö Gebiet und Herrschaft dort dem Gotteshaus Chur gehöre, aber Öiegiiiund bestätigte 1413 wieder die erste Urkunde, und damit bestand der Zoll wohl zu Rechte Der bischöfliche Zoll von Chur wurde von Karl IV. seinem lieben Bischöfe Peter bis zur Aufbringung einer Summe von 6000 fl. verdoppelt ^, weil Peter in des Kaisers Dienst gefangen war. Die Abgaben, welche nunmehr von den Kaufleuten erhoben wurden, veranlafsten diese, wie wir sehen werden, sich mehr und mehr dem Splügen und St. Bernhardin zuzuwenden und die teure Septimers trafse ' zu meiden. Andererseits war die Bevölkerung für die Sicherheit des Verkehrs eingenommen. Als 1450 der Gotteshausbund und der der zehn Gerichte ein Btindnis schlofs, war der erste Paragraph der Sicherung der Strafsen gewidmet, damit Kaufleute und andere ehrbare Leute da sicher und unbeschwert wandeln möchten®. Nach der Lage der Gebiete der beiden Bünde kann es sich nur um die Septimerstrafse gehandelt haben.

Zu Zügen der Könige und Kaiser ist der Septimer nicht mehr benutzt worden*.

Dreiunddreifsigstes Kapitel. Die Übrigen Pässe.

Lukmanier. Nachbarlicher Verkehr, Hospize Die Maüiinder erwirken Zoll- erleichterung 1391. Verhandlungen mit Konstanz. Zwei Tarife für die Eout^ Biasca- Konstanz. Verteilung der Abgaben. Zölle. Susten. Kaiser Siegmu^d und der Pafs.

Splügen und St. Bernhardin. Benutzung der unausgebauten Via mala. Nürn- berger Beschwerden. Versuche, den Verkehr zu verhindern. Bau der Strafse. Transport- genossenscJiaften. Italienische Nachrichten. Der hl. Bemhardin. Thal Misox. Susi am Comersee.

Der politische Hi nt er grün d. Emancipation und Bünde der Thäler. Geicinn der südlichen Thäler. Verträge mit Mailand. Auch Graubünden ein Pafsstaat.

Die Geschichte des Lukmanicrs, die aus dem durch Feuer wieder- holt zerstörten Archive des Klosters Disentis keine Quellen mehr haben kann, wird sehr erfreulich beleuchtet durch drei Stücke des Archivs der

' Mohr 3, 56 und Lütisburger Kopialbuch 137.

2 Mohr 3, 117 zu 1359, Vgl. Urkunden Nr. 281. Mohr 2, 178 zu 1303 und Muoth 30, 178.

^ J e c kli u S.42. Diese.be Fassung auch in dem Entwurf eines Bündnisses zwischen dem grauen Bund (im Vorderrheinthal) und Ober- und Unterengadin. Ebda. S. 48.

* Als Karl fV. von seiner Kaiserkrönung heimkehrte, ging er, das Gebiet der Visconti möglichst vermeidend, von Cremona durch Val Camonica und Veltlin »versus Surgh et Sueviain". Böhmer-Hub er 2166». Zuerst erscheint er in Augsburg. Ist Surgh wirklich Zürich, so ergäbe sich als direkteste, damit aber noch nicht als wahrscheinlichsio Route: Bernina und Julierpafs. Der Kaiser mufste wegen des Markgrafen Ludwig von Brandenburg den Boden von Tirol vermeiden.

366 Dreiunddreifsigstes K&pitel.

Mailänder Handelskammer, welche uns zeigen, wie ernsthaft der Ver- such gemacht wurde, den grofsen Handelsverkehr auf diesen Pafs zu verlegen.

Dafs er dem Verkehre der Nachbarn gedient hat, ist in keiner Weise zu bezweifeln. Um 1300 stand auf der Pafshöhe ein Kreuz. Das Kloster Disentis besafs ja auch Güter im Blegnothale, und wenn der Verkehr am stärksten natürlich nach Urseren und Wallis über Oberalp und Furka sich wandte, so konnte der Lukmanier doch kein Hindernis sein: mufsten doch 1344 sogar Händel zwischen Formazza und Eschen- thal einerseits und den Thälern von Disentis geschlichtet werden, und da handelte es sich um Räubereien und Diebstähle ^ Den Leuten waren die schwierigen Pässe um den Gotthard kein Hindernis. Seit der Mitte des vierzehnten Jahrhunderts waren die Silbergruben im Medelser Thale, also am nördlichen Zugange zum Passe im Betrieb^. Der Lukmanier trennte so wenig die Thäler, dafs 1371 der Abt von Disentis die Alpen am Lukmanier nach Formazza verpfänden konnte^. Drei Jahre später schlössen die Gemeinden von La Ca De (Gotteshaus, Disentis) und Blegno durch den Abt und den Vikar der Brüder Pepoli, der Pfand- herren des Blegnothales, einen Freund schaf tsver trag ab, worin sie sich gegenseitig freien Durchzug mit ihren Waren zusicherten*.

Von Kaufleuten ist nicht die Rede und doch hatte, wie eine wohl zuverlässige Überlieferung berichtet, schon 1374 Abt Johann (Venner von Freudenberg) das oberste der drei Hospize des Medelser Thaies, St. Maria benannt, errichtet, dotiert und mit einem Bruder aus dem Blegno- thale besetzt*. Wann das Hospiz St. Johann von den Medelsern, wann St. Gallus von Disentis aus errichtet wurde, ist nicht überliefert '*. Auf italienischer Seite lagen drei Hospize: das hospiialc ss. Sepulchri et Barnabe de Ca^jcatiay zu Casaccia, das hospitale s. Defenäentis in Cam- perio und ein weiteres in Olivone. Die drei waren eng mit einander verbunden, und das wichtigste unter ihnen war das Spital von Camperio, das noch heute seinem Zwecke dient. An der Spitze desselben stand 1389 ein Prior, genauer sind wir unterrichtet über die Zustände von 1466 14S5, die höchst unerfreulich waren. Die Prioren, die einander folgen, sind um den eigentlichen Zweck der Stiftung wenig oder gar nicht bekümmert, das Geld wird nicht zu Spenden verwendet, es wird

1 Mohr 2, 876. Es wurde also offenbar auch der Weg vom IIo5i)iz Sa. Maria durch Val Piora nach Airolo benutzt.

2 Plattner 12.

3 Mohr, Regesten von Disentis Nr. 132. * Mohr .S, 294 zu 1876 Juli 13.

5 Mohr, Reg. v. Disentis Nr. 183.

« Vgl. auch Nüscheler, Die Gotteshäuser Heft 1, 78.

Lukmanier. 367

vielmehr 1485 der Prior bezichtigt, die Einkünfte beim Spiel, im Wirts- haus und mit Weibern zu verthun^

Im Jahre 1B91 erschien nun ein Kaufmann, Remedius de Chumis, bei Abt Johann IV. und erwirkte einen Brief, worin der Abt von den von wälschen oder deutschen Kaufleuten durchzuführenden Waren einen Blaphart von der Saumlast weniger als bisher zu nehmen erklärte. Die Urkunde wurde der Mailänder Kaufmannschaft zugesandt^. Täusche ich mich nicht, so geht der Plan, den Lukmanier zum Handel einzurichten, nicht von Mailand oder Como, sondern von Konstanz aus, und ist diese Urkunde die Nachwirkung einer Gesandtschaft von Mailand, welche 1390 dorthin ging, über die an anderer Stelle näher zu handeln ist. Von den Gesandten sind vermutlich nach Mailand zwei höchst merkwürdige Auf- zeichnungen geschickt worden, die in den Quellen der Handelsgeschichte wohl wenige Gegenstücke haben. Es sind ganz genaue Angaben über sämtliche Abgaben, welche von der Saumlast auf dem Wege von Kon- stanz bis nach Biasca und umgekehrt zu entrichten sind^. Und diese Dokumente beweisen uns, worüber sonst keine Quelle redet, dafs auch diese StraCse ihre Susten und ihre besonderen Zölle besafs , dafs also auch j durch das Vorderrheinthal ein nicht unbedeutender Handelsverkehr seinen Weg nahm.

Die iPacta pro conduciu a Leventina usque Costaniiam^ geben die Abmachungen für die ganze Route Biasca-Konstanz, für die Ausfuhr also und für das Fardel, die yPada pro itinere Constanzie et Coyre^ be- treffen die Einfuhr, geben die Posten für den Wollenballen und die Ein- fuhr nach Italien an. Wir haben also dieselbe Reiseroute für hin und zu- rück, aber für zwei verschiedene Transportobjekte. Es ergiebt sich daraus die Tabelle auf S. 368.

Die kleinen Differenzen zwischen den wirklich aus den Einzelposten berechneten Summen und den angegebenen Gesamtsummen ist man bei mittelalterlichen Rechnungen gewöhnt, wir wollen sie vernachlässigen.

Der Transport nach Konstanz war demnach nicht unwesentlich billiger, als der von dort ausgehende. Dieser Unterschied beruht wohl vorwiegend darauf, dafs in diesem Falle es sich um schwere Wollen- ballen handelt, in jenem um Fardel, die auch in Zolltarifen verschieden behandelt zu werden pflegen. Auffallend ist, dafs der FardelzoU in Werdenberg und Vaduz höher ist als der Wollballen zoll , in Rheineck, Mayenfeld, Chur und Trins ist das Umgekehrte der Fall. Der Zoll von Balzers wird nur von der Wolle erhoben, in vier Fällen ist der Zoll

» Motta in Bollet. stör, della Svizz. ital. 13, 23-30. Vgl. auch 2, 33. 24:^. 3, 280 u. 11, 55.

- Urkunden Nr. 37.

^ Urkunden Nr. 33 u. 34.

DrcianddreifBigstes Kapitel.

Richtung Konstanz-Bellinzona

Wollballen

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Fardel

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Konetanz

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Lukmanier. 3g9

für beide Gattungen gleich. Im ganzen waren am Wege also elf Zoll- stätten. Von den Gesamttransportkosten entfielen auf den Zoll beim Wollenballen 23,88^/0, beim Fardel aber 29,82. In beiden Fällen eine gewifs überraschend niedrige Ziffer, besonders wenn man bedenkt, dafs fast ein Drittel auf den Zoll in Konstanz kommt. Die eigentlichen Transportkosten bestehen aus den Fuhrlöhnen und den Sustgeldern. j Letztere sind fast gleich, es Hegt nur eine Differenz von einem halben Pfennig vor. Beim Wollenballen nehmen die 19 Susten 2,72 ®/o der Ge- samtkosten weg, beim Fardel 3,13 ®/o. Der gröfste Anteil fällt auf die Transportkosten mit 73,40 bez. 67,05 <^/o. Die Differenz der Fuhrlöhne erstreckt sich auf die Strecke Rheineck bis Trins und Truns-Casaccia. Das zwischenliegende Stück wie die Schiffahrtsstrecke auf dem Bodensee hatte völlig gleiche Ansätze, sonst wurde das Fardel stets billiger be- fördert als der Wollenballen. Aus dem Ganzen geht hervor, dafs die Fuhrkosten sehr viel mehr den Beutel der Kaufleute beanspruchten, als die Zölle, dafs also übertriebene Forderungen der Porten,* wie sie auf dem Septimer vorkamen, die Kaufleute noch viel sicherer von einer Strafse vertrieben, als hohe Zollforderungen.

Betrachten wir nun den Teil des Weges näher, der ausschliefslich vom Lukmanier abhing (bez. Oberalppasse). Auf dieser Strecke von Chur bis Biasca lagen vier Zölle. Den Zoll von Trins finde ich 1434 erwähnt in der interessanten Urkunde, in der sich die freien von Laax dem Bischöfe als Gotteshausleute ergeben*, ebenso erscheint 1423 ein solcher zu Reichenau, »rfer da zu Drunse gehörte^ *. Und es ist diese Stätte auf der „Zollbrücke" wohl auch in unsem Pacta gemeint, es war also ein Zoll, der den Grafen von Werdenberg- Heiligen berg von der Herrschaft wegen zu Hohentrins gehörte. Dann trat die Strafse in den Bereich der Herrschaft Laax, der zu Laax erhobene Zoll ist sonst nicht erwähnt, er kam den Pfandbesitzem dieser „Grafschaft", den Grafen von Werdenberg-Sargans zu gute. Das ^pedagium ad quendam pontem^ lag nach den Pacta zwischen Laax und Ilanz, es kann wohl nur bei der Brücke von Schleuis unterhalb der Löwenburg erhoben worden sein. Diese Herrschaft war um 1365 von den Rhäzüns an dieselben Grafen über- gegangen. Der letzte Zoll wurde bei der obersten Stadt am Rheine bei Ilanz für eine Herrin erhoben. Unter ihr ist offenbar Elisabeth von Rhäzüns gemeint, die mit Kaspar von Sax zu Mosax vermählt war und die aus der Erbschaft der ausgestorbenen Belmont eine besondere Herrschaft gebildet hatte*. Die Pacta bezeichnen ganz mit Recht sie als die Herrin

1 Jecklin S. 26.

« Krüger, Regest 799. Muoth 78.

Juvalt 2, 217.

Sehulte, Qetoh. d. mittelalterl. HuidelB. I. 24

370 Dreiuuddreifsigstes Kapitel.

des Zolles^. Es hatten somit ziemlich alle am Wege wohnenden Dy- nasten in ihrem Gebiete Zollstätten errichtet.

Den alten regelmäfsigen Verkehr beweisen vor allem die Susten, von Chur bis Bellinzona gab es deren elf. Die Lage ist angegeben von denen in Trins, Laax^ Ruis und denen zu Biasca und Claro. Zwischen beiden Gruppen lagen sechs weitere. Nun sind von Ruis bis Disentis 37 Kilometer, hier lagen gewifs zwei, wenn nicht drei Susten. Der Rest von drei bez. vier Susten würde sich dann auf die eigentliche Pafsstrecke von Disentis bis zum Ausgang des Blegnothales verteilen, es sind dar- unter wohl auch einige der Hospize zu verstehen. Im ganzen ist die Zahl der Susten so grofs, dafs unmöglich alle einem Bedürfnisse ent- sprachen. Es hätte dann der Transport von Chur bis Bellinzona zwölf Tage gedauert, bei dem 36. Kilometer (moderne Chaussee, aber dieselbe Richtung) wären die Kaufleute schon zum dritten Nachtlager gezwungen gewesen.

Der Lukmanier hat dann auch noch die Züge oder besser gesagt die Reisen eines römischen Kaisers gesehen. Die Fahrt von 1413, wo Siogmund sich nach Italien begab, um die Verhandlungen wegen eines Konzils mit Papst Johann XXIll. zum Abschlufs zu bringen, und seinen Zug zur Krönung (1431) nimmt Öhlmann^ freilich für den Bernhardin in Anspruch, allein Motta hat das Zeugnis eines Mailänder Gesandten von 1457 beigebracht^ der direkt sagt, Siegmund habe zweimal den Lukmanier benutzt^, und auch eine Urkunde Siegmunds ist 1413 im Blegnothale ausgestellt '*. Auch 1431 ist der Aufenthalt in Disentis durch eine Ur- kunde direkt bezeugt^, und ebenso seine Ankunft im Blegnothale, wo er sehr schlecht untergebracht war, da er nicht einmal ein ordentliches Bett hatte«.

In der Geschichte der beiden Pässe Splügen und St. Bernhardin ragt die grofse technische Leistung der Eröffnung der Via mala, zu der sich einfache Landleute in kühner Entschlossenheit vereinten, hervor. Wenn aber die That der Ursener einen bis dahin nicht vorhandenen Weg öffnete, so haben die Leute von Thusis einem schon bestehenden Ver- kehr, der diesen gefährlichen Pfad benutzte, Erleichterung verschafft. Es ist mir doch gelungen, eine ganze Reihe von Zeugnissen zusammen-

' Der Zoll war 1483 von den Sax-Mosax verpfändet. Urkunden Nr. 285.

2 2, 315.

« ßoU. ötor. d. Svizz. it. 4, 125 Anm. u. 11, 54..;

* Finke, Forschungen u. Quellen z. Gesch. d. Konstanzer Konzils 311 ff.

^ Altmann, Reg. 8954. Das Blegnothal war damals in den Händen der Frei- herrn von Sax, die Siegmund offenbar zum Dank zu Grafen von Mosax erhob. V. Liebeuau, I Sax.

« Osio 3, 35 f.

Die übrigen Pässe. 371

zubringen, welche beweisen, dafs schon vorher der Kaufmann hier, wo es weder eine regelrechte Strafse noch Transportgenossenschaften, aber auch keine Abgaben gab, wandelte. Die Kaufleute folgten den Bewoh- / nern der Thäler. Schon 1219 war der Krieg zwischen den Bündnern und den Leuten von Cleven auch über den Splügen geführt worden und 1428 war abermals ein Friedensschlufs zwischen den Leuten von Schams und dem St. Jakob sthal abgeschlossen ^ Der lokale Verkehr war un- zweifelhaft längst ein reger, er zog auch die ferner abwohnenden Kauf- leute an. Oberhalb der Via mala stand wohl damals schon die »Stein- \ brücke über dem Rheine^. '

Es war ein Schleichweg, den der fremde Kaufmann benutzte, freilich ganz entging er den Zöllnern nicht, denn oben im Rhein wald bestand schon ein werdenberg-sargansischer Zoll^, dessen Ertrag nicht so klein war. Aber noch 1439 gab es auf der Strafse keine „Rott" und keine „Fürleite", der Kaufmann begnügte sich mit dem Pfade, den der Alpler und sein Vieh benutzte, und sorgte selbst für das Fortkommen seiner Waren. Gegen die Erhebung einer Fürleite protestierte in dem ge- nannten Jahre der Rat der Stadt Nürnberg in einem Schreiben an die . Stadt Chur, als wenn diese für die Erhebung verantwortlich wäre*. Das Treiben in dem einsamen Thale von Splügen wurde so lebhaft, dafs als 1443 Graf Heinrich diesem Orte einen Wochenmarkt und einen Jahr- markt verlieh, er hoffte, dafs sich dort ein Tuchhandel entwickeln würde: wohl gar eine Messe im Angesichte der Gletscher, die die Quelle des Rheins umgeben*^. Der Verkehr wurde immer stärker, immer unan- genehmer für die Porten am Septimer. '

Sie glaubten den Verkehr als ungesetzlich verbieten lassen zu können und die Häupter der vier Porten es sind zum Teil hoch an- gesehene Adlige: Rudolf von Castelmur zu Vicosoprano, Hans von Sal zu Stalla, Conradin von Marmels zu Tinzen und Jakob Mett zu Lenz führten vor dem Bischöfe Ortlieb den Prozefs der Porten gegen die Stadt Chur, sie solle verurteilt werden, fremde Kaufleute nur auf die alte (Septimer)stra!*se zu fertigen. Es sei noch bei des Bischofs Antritt Gebrauch gewesen, dafs jeder, der Kaufmannsgut nach Welschland habe

» Mohr 1, 259, Crollalaiiza 98 und v. Salis-Seewis 48. Über Viehraub von Mailändern auf Gebiet des Grafen Johann v. Werdenberg -Sargans, also wohl im Klieinwald 1394 s. Arch. stör, lonib. 21, 2, 54.

2 Muoth 94.

« Krüger, Regest 576. Es wurden damals (1396) 12 ft ^ jährlich davon für eine Altarstiftung bestimmt. Auf dem Zolle zu „Rhein" verschrieb 1482 Graf Georg von Werdenberg seiner unehelichen Tochter Anna 100 fl. Rätische Urkunden 437.

* Urkunden Nr. 386.

^ Abschrift im Staatsarchiv Graubünden.

24*

372 Dreiunddreifsigstes Kapitel.

fertigen wollen, habe geloben müssen, sie diesen Weg führen zu lassen, es sei denn, dafs es sich um Transport nach Locarno gehandelt h<ibe. Ihr fester Rechtsboden war jener Befehl Karls IV., der alle andern Strafscn untersagte. Die von Chur entgegneten mit Recht, sie könnten den Kaufleuten nichts befehlen, ein Teil der Kauf leute wolle die „untere Strafse", also den Weg durch die Via mala, benutzen; da hätten alle Bitten der Churer nicht geholfen, ja einer von der Ravensburger Ge- sellschaft, Hans Lienhart, der seine Waren zu Mayenfeld habe liegen ge- habt, habe erklärt, er würde Heber über den Kunkelspafs gehen, um den Zugang zur unteren Strafse zu benutzen, als die alte fahren. Die Kauf- Icute klagten über neue Zölle, Fürleiten und Schätzungen, nicht die Stadt Chur, sondern die Porten hätten die Strafse niedergelegt. Gegen diese Gründe hätten die vier von den Porten schwer aufkommen können, sie bestritten die Erhöhung, für die Zölle sei der Landesherr kompetent, und wenn je etwas Unbilliges geschehen, wollten sie sich fleifsen in Zu- kunft nach alter Billigkeit zu handeln. Der königliche Befehl Karls IV. gab die Entscheidung und die vier mochten heimreiten in dem Glauben, nun sei die Konkurrenz erledigt ^

Es war eine Täuschung. 1471 waren neue Klagen von Ulm laut- bar geworden und den vier Portgenossenschaften gab nun Bischof Ort- lieb mit Rat der Portensboten neue Statuten, worin zugesichert wurde, dafs die Kaufleute von St. Gallen in der Port Bivio, das Gut Konrad Ruhings aber in der Port Bergell gemäfs alter Bewilligung vor andern gefertigt werden solle ^.

Die Konkurrenten nützten die Stimmung der Kaufleute aus. Leute aus den Orten Thusis, Katzis und Mazein thaten sich zusammen, um den weg enzwischend Tt4sis und SchamSj so man nempi Fya mala zu hauen, aufzurichten und zu machen, sie erhielten Hilfe von denen von Schams, Rheinwald, Clevner Thal und Misoxer Thal, also auch von jenseits des Splügens und St. Bernhardins, und nachdem die Strafse fertig war, bil- deten die am Unternehmen Beteiligten 1473 eine Portgenossenschaft, die also nicht aus der Gemeinde, sondern aus einer Unternehmungs- gesellschaft hervorgingt. Es waren im ganzen fünfzig Rodanteile vor- handen*. Jährlich, an St. Georgen, setzte sich die Gesellschaft ihren Teiler. Zu beachten ist, dafs auch hier von Ochsen die Rede ist, also auch in den schauerlichen Klüften der Via mala hatte man eine wagen- breite Strafse angelegt. Jeder Teilhaber haftete dem Fremden, dessen

1 Urkunden Nr. 291.

3 V. Salis-Seewis, Gesammelte Schriften 77 Anm.

' Wrtgner, R., Der Via mala-Hrief, in Zeitschrift f. d. gesamte Handelsrecht 30, 60-68.

* Thusis: 2s, Mazein: 14 und Katzis: 8. Die Namen sind aufgezählt.

Die übrigen Pässe. 373

Waren Schaden nahmen, bis zu 50 fl. Graf Georg von Werdenberg- Sargans, mit dem sein Haus aussterben sollte, bestätigte die Genossenschaft.

Die neue Strafse zog die Kaufleute so stark an, dafs der Biscliof Ortlieb sich an die Gemeinde Plurs wandte, sie möge die Klagen der Kaufleute, welche sich mehr und mehr anderen Wegen zuwendeten, ab- stellen, geschehe das nicht, so müsse er sich an den Herzog von Mai- land wenden ^ Das Gebot des Bischofs, dafs alles Kaufmannsgut tiber Lenz und den Septiraer gehen sollte, mifsachteten einzelne Bürger von Chur und fuhren über Vaz*, und daraus ergiebt sich, dafs mit dem Ausbau der Via mala auch der romantische Schynpafs benutzt wurde. Diese schwierige Schlucht hat aber wohl kaum vor Ausbau einer ordent- lichen Strafse einen grofsen Verkehr gesehen. 1475 verkaufte übrigens der Werdenberger seine Besitzungen auf dem Heinzenberg und Thusis an den Bischof von Chur*, bis 1493 blieb hingegen die Landschaft Rhein- wald beim Hause Werdenberg.

Dem Beispiele von Thusis folgten die Gemeinden von Schams, Rheinwald , St. Jakobsthal und Misox und begründeten Porten , doch geht das Quellenmaterial nicht bis in das Mittelalter zurück. Auch entstand eine weitere am Fufs des Heinzenberg in Rhäzüns, so dafs fünf Porten den Verkehr über den Splügen und ebenso viele über den St. Bernhardin vermittelten*.

Einiges ist auch 'aus italienischen Quellen zu gewinnen. So folgt daraus, dafs die Rheinwälder zahlreiche Zoll Privilegien von den mailän- disehen Herzögen seit 1442 hatten, dafs der Verkehr über den Splügen auch seitens der Thalbewohner nicht gering war®. Die Beschreibung der von Bellinzona aus führenden Strafsen nennt auch den Bernhardin, aber während es hier knapp heifst: „der Weg führt über den Vogelberg (monte uheUo) ins Rheinthal nach Chur und in viele andere Teile Deutsch- lands," sagt Ermaimo Zono, dem wir diesen Bericht verdanken, vom Gotthard, der Weg führe nach Ober- und Niederdeutschland, nach Frank- reich, England, Burgund und in das ganze Uferland des Rheines*. Im Anfange des fünfzehnten Jahrhunderts predigte auch in den gebirgigen Teilen der Lombardei der hl. Bernhardin von Siena (f 1444). Ihm zu Ehren wurde (wohl erst nach seiner Heiligsprechung 1450) auf dem

1 Urkunden Nr. 284.

2 Urkunde vom 25. September 1475 des Stadtarchivars Chur, mitgeteilt von Fr. V. Jccklin.

^ Krüger, Regest 1013.

* Berlin 15. Der Vortrag von Tagliabue über die Porten von Misox im Bündner Tagblatt 1892 Nr. 36—39 konnte von mir nicht eingesehen werden. '* Wagner, Zeitschr. f. Schweiz. Recht Bd. 25 S. 261 Anm. 1. ^ Boll. stör. d. Svizz. it. 11, 55.

374 Dreiunddreifsigstes Kapitel.

Vogelberge eine Kapelle errichtet, welche bald den alten Namen des Passes verdrängtet

Das Misoxer Thal war ein nach Süden vorgeschobenes Dynasten- gebiet. Wenn schon die Rusconi und Sanseverino die gröfste Mühe hatten, sich zu behaupten, obwohl ihnen Städte gehörten, war der Besitz der Freiherren von Sax nur auf die Verteidigung der vortrefflichen Burg Mosax begründet, deren herrliche Ruinen zu dem schönen Thale ge- stimmt sind. Zwischen den Bünden Churrhätiens, deren Mitglieder die Mosax waren, den Eidgenossen und den Herzögen von Mailand ein- gekeilt, schädigte sich diese Familie noch durch innere Streitigkeiten und unkluge Politik, vor allem auch ihren Unterthanen gegenüber. Der Ge- gensatz zu der aufstrebenden Kraft der sich selbst verwaltenden Thäler ist höchst beachtenswert. Die Getreidesperre, die 1480 vom Herzog von Mailand gegen das Thal verhängt wurde ^, bezwang den Grafen Johann Peter, er verkaufte seinen Besitz an den aus der Geschichte sehr be- kannten späteren französischen Marschall Trivulzio, das war eine schlecht verhüllte Abhängigkeit von Mailand.

Die Pässe des Septimer und Splügen liefen auf den Comersee zu, und an seinem Ufer gab es an der Landungsstelle keine Sust, bis 1502 einige deutsche Kaufleute deren Namen leider von Crollalanza, dem wir die Nachricht verdanken, nicht genannt sind mit den Pestalozza von Chiavenna über die Errichtung einer Sust sich einigten, gegen die Entrichtung einer Abgabe von jeder Saumlast errichteten die letzteren den Bau, 1577 wurde auf neue Bitten der fremden Kaufleute ein neues Gebäude statt des inzwischen verfallenen aufgeführt®. ^

Mit wenigen Strichen mufs ich den Hintergrund zeichnen, auf dem sich das Verkehrsleben abhob, die Geschichte Graubündens im vier- zehnten und fünfzehnten Jahrhundert. Es ist die Zeit des Verfalles der alten feudalen Gewalten, des Emporkoramens der Thalgemeinden und des Zusammenfassens zu Bünden. Der Adel, unter dem der Tod ge- waltig aufräumte , verlor Thal auf Thal , der Bischof sah seine Gewalt von unten her immer mehr eingeschränkt, und er mufste 1367 den Gotteshausbund entstehen sehen, der gegen ihn selbst wegen seiner Freundschaft mit Österreich gerichtet war. Die Lebenskraft, welche die ürkantone in einem viel härteren Kampfe bewährt hatten, äufserte sich auch in den bündnerischen Thalgemeinden, unter denen ja die Walser- kolonien schon von vornherein eine grofse Freiheit besessen hatten. In

^ Sali 8 S. 263. Nach v. Lieben au, I Sax 11, 59 predigte St. Bemhardin 1432 im Vcltlin und in Como, 1436 im Gebiet von Lugano. Der Name findet sich meines Wissens zuerst bei Tschudi in der Gallia comata.

2 V. Liebenau 11, 178.

' Crollalanza 187.

Die übrigen Pässe. 375

der Regel vollzog sich der Sieg über den Feudalismus auf legalem Wege, wenn es an bitteren Fehden auch keineswegs gefehlt hat. An allen Bünden waren Thalgemeinden als Paktanten beteiligt, am wenigsten im oberen grauen Bunde von 1395, der ein Bund einer fest geschlossenen geographischen Landschaft ist, er umfafst Vorderrhein und Hinterrhein. Der Bund der zehn Gerichte umfafste nur Gemeinden, welche nach dem Aussterben des Hauses der Toggenburger fürchteten, durch die Zer- splitterung des Erbes auseinander zu kommen. Der Schwabenkrieg von 1498 gab den Bünden ihre Unabhängigkeit, und schon schlofs sich auch die Verbindung mit der Eidgenossenschaft ^

Die Bünde besafsen eine werbende Kraft, was im Mittelalter den deutschen Königen und den Bischöfen voi^ Chur nicht geglückt war, die Südhänge der Pässe erwerben und dauernd zu behaupten, gelang den Bünden. Das Bergell war stets erhalten geblieben, Chiavenna haben die Kaiser Ludwig und Karl dem Bistume Chur wieder verschaffen wollen, allein die Pergamente hatten keine Wirkung. Und ebensowenig die Schenkung eines flüchtigen Visconti^. Aber 1512 eroberten die drei Bünde das Thal und behaupteten es bis 1797 als Unterthanenland. Der Südhang des St. Bernhardin, die Landschaft Misox wurde 1480 bez. 1496 ein Glied des grauen Bundes.

Schon vorher war es den Bündnern geglückt, die Zollfreiheit im Mailändischen in gleicher Weise wie die Eidgenossen zu erringen. Mit den Bewohnern von Rheinwald hatte schon Herzog Filippo Maria einen Vertrag über die Weinzufuhr ^, es scheint jedoch, dafs erst die Witwe des ersten Sforza die Versorgung auch anderer Thäler mit bestimmten zollfrei auszuführenden Quantitäten im Jahre 1467 zugestand*. Die Streitigkeiten, die mit dem Vormunde Giovanni Galeazzos ausbrachen, führten den Angriff der Bündner auf Chiavenna und Bormio herbei*, und dabei erkämpften die drei Bünde sich die ZoUfreiheit , wie sie den Eidgenossen schon zustand*.

So ist auch Qraubünden ein Pafsstaat gewesen, der freilich weder im Norden noch im Süden bis zur Ebene sich auszudehnen vermochte. Namentlich im Norden war ein grofser Teil Unterrhätiens verloren ge- gangen. Schon sehen wir, wie dieser Pafsstaat in den des Gotthards aufzugehen beginnt. Die Eidgenossen forderten 1479 den Bischof von

* Vgl. Juvalt, Wagner, Dierauer; die Urkunden bei Jecklin u. s. w. 2 Vgl. Plaijta, Herrschaften 77 f.

» CroUalanza 63, 76 u. 123.

* Vgl. Incantus datiorum des Comasker Stadtarchivs T. IV Fol. 134. Cam- pell 2, 548.

* Kind, Der Wonnserzug, Arch. f. Schweiz. Gesch. 17, 25 ff. « Viglevano 1487 April 10, Stadtarchiv Chur.

376 Yierunddreifsigstcs Kapitel.

Chur und den Grafen Georg von Sargans auf, die Strafsen ins Mailän- dische zu sperren, damit die Eidgenossen eine bessere Richtung erhielten ^ Die Konkurrenzpässe sollten für den Hauptpafs eintreten!

Wenden wir uns nun der Strafse Chur - Rheineck zu, welche alle Bündener Pafsstrafsen dem Bodensee zuführte.

Vierunddreifsigstes Kapitel. Die Fortsetzungen der Pässe bis znm Bodensee.

Allgemeines, Die römische Grundlage. Organisation, Die acht Herrschaften, Streit ZizerS'Mayenfeld, Geschichte and Bedeutung Bheinecl's, Strafse Schaan-Bregetiz, Arlberg. Bau der ScholJberg strafse. Weg über den Walensee, Verkehrsstörungen^ Raubritter, »

Rückblick auf die Geschichte der Bündner Pässe.

Reisebeschreibung der Gesandten von Venedig 1492, Brüderschaft der fremden Kaufleute in Chur, Angaben über die Verkehrshöhe, Krefssches Briefbüchlein, Dauer des Transportes Nürnberg-Mailand.

Der Verlauf des Weges von Chur bis zum Bodensee ist durch die Facta von 1390 bis in fast alle Einzelheiten festgelegt und stimmt völlig mit dem Zuge überein, der früher schon für die Römerstrafse festgestellt wurde, in allen Teilen bewegte sich hier der mittelalterliche Verkehr auf einer römischen Strafse. Die Luziensteige war der Pafs, bei Schaan lag die uralte Fähre.

Die Susten liegen relativ sehr nahe bei einander, nur die beiden ersten Strecken von Rheineck aufwärts sind je 22 Kilometer lang, zwei andere sinken auf 9 Kilometer herab, und da kann es wohl kein Zweifel sein, dafs der Kaufmann direkt zwei durchfuhr. Von Schaan aufwärts folgen auf etwa 38 Kilometer vier Susten!

Der Weg durchschnitt nicht weniger als acht Herrschaften, bei Rheineck landete das Schiff auf altem Reichsbodeu, die Stadt aber war, wie die folgende Herrschaft, das gleichfalls zum Reiche gehörige Rhein- thal, in den Pfandbesitz der Grafen von Werdenberg- Heiligenberg ge- kommen, während der Reichshof Kriefsern 1274 an die Ramsch wag ver- pfändet worden war. Unter ihrer Burg Blatten, die einst der kühne St. Galler Abt Berthold von Falkenstein erbaut hatte, lag die erste Sust *. Am folgenden Tage ging es durch das dem Reiche gehörige Gebiet des oberen Rheinthaies, das ebenfalls an die Werdenberger verpfändet war, die Herrschaft der Freiherrn von Sax, und am Abend wurde in Werden- berg geruht unter der Stammburg der Grafen von Werdenberg, deren Heiligenberger Zweig die Burg besafs. Die Fähre, werdenbergischer

' Eidg. Abschiede 3, 1, 33.

8 Über Blatten vgl. Hardegger u. Wartmann, Der Hof Kriefsern passim, auch die Karte S. 360.

Die Fortsetzungen der Pässe bis zum Bodensee. 377

Besitz ^, brachte die Kauf leute dann auf das rechte Rheinufer in die Herrschaft Vaduz, die dem Sarganser Zweige gehörte, 1309 an die Brandis verp&ndet wurde und sich in dem heutigen Fürstentume Liech- tenstein als die letzten Trümmer alter rhätischer Dynastenherrlichkeit erhalten hat. In Mayenfeld war man auf dem Boden der Grafen von Toggenburg, um endlich jenseits der Landquart zu dem alten Königs- hofe Zizers und damit in das Gebiet der vier dem Bischöfe von Chur gehörigen Dörfer und in seine Bischofsstadt selbst zu kommen.

Ein Zoll von Zizers bestand 1390 noch nicht, aber 1511 verklagten die Leute von Zizers die drei Kaufmannsgesellscliaften Welser - Vöhlin, Humpifs und Besserer, deren Leute, die Baumwolle führten, sie mit Recht niedergeworfen zu haben meinten, weil sie keine „Fürleite" zahlen wollten. Die Leute beriefen sich darauf, dafs sie Weg und Steg bessern müfsten. Das wolllten die Vertreter der Gesellschaft aber durchaus nicht einräumen, die Porten im Gebirge hätten Arbeit an der Strafse, nicht aber die von Zizers, die in der Ebene lägen. Die Fürleite von Tuch und Papier sei neuerdings durch den Teiler erhöht. Diese Erhöhung wurde vom Gericht bestätigt, nicht aber der Zoll auf Baumwolle *.

Die Sust zu Zizers war unzweifelhaft älter als die von Mayenfeld, und es macht auch den Eindruck, als sei hier ursprünglich der Sitz der Transportgenossenschaft gewesen. Es liegt sehr nahe, sich des alten Königshofes zu Zizers dabei zu erinnern. Die Leute von Zizers wollten aber den Mayenfeldem die Sust ganz abreden und ebenso den Zoll. Die Aussagen der Sachverständigen, die in diesem Streite 1459 vernom- men, sind von ganz besonderem Interesse. Sie zeigen, daCs die Toggen- burger Zölle noch immer nicht für Recht galten. Sie beriefen sich auf die Urkunde Karls IV., die jene Zölle widerrief. Das konnte für den Strafsberger Zoll beweisen, nicht aber für den Mayenfelder, denn dieser war 1415 durch König Siegmund bestätigt, ja sein Betrag auf die Höhe des Zolles von Vaduz und Sargans, also von l ß S) auf 3 ß, erhöht*. Einer von den Sachverständigen sagt richtig aus, dafs der Zoll von einer königlichen Verleihung herrühre, und fügt hinzu, er sei genehmigt für den Bau einer Brücke über die Landquart, damit die Pilger, die Kauf- leute und andere sicher darüber wandeln möchten. Bestanden hat der Zoll schon 1388. Damals gab Graf Donat von Toggenburg den Kauf- leuten von Mailand und Como ganz genaue Angaben über alles, was zwischen Chur und Balzers zu zahlen war. Diese Ziffern stimmen nicht mit denen überein, die wir bei der Lukmanierroute kennen lernten. Die

1 Thommcn, Urkunden 1, 338.

2 Urkunden Nr. 289. Eine Taverne zu Zizers Muoth 185.

« Urkunden Nr. 283. Vgl. oben die Tabelle S. 368 Urkunde vom 23. März 1415. Lütisburger Kopialbuch S. 148. Altmann 1517.

378 Vierunddreifsigstes Kapitel.

Angaben des Toggenburgers sind in Konstanzer Pfennigen, die in der Tabelle nicht bestimmt bezeichnet, setzt man aber die Relation 1 Kon- stanzer = 2^/2 ?) der Tabelle ein, so stimmen fast alle Angaben tiberein ^ Der Zoll zu Mayenfeld war 1447 an den Konstanzer Bürger Heinrich Harzer verpfändet, und zwar deckte er den Zinsbetrag von 125 rh. fl., der von einer Schuld von 2000 fl. zu entrichten war^. Bei der Un- sicherheit des Tarifes wage ich nicht, daraus die Verkehrshöhe zu be- rechnen.

Der Zoll zu Vaduz wird 1360 als werdenbergisch erwähnt®, der- selben Herrschaft dürfte der zu Balzers gehört haben. Mit der Ver- pfändung der Herrschaft gingen sie 1399 an die Freiherren von Brandts über. Über den Zoll zu Werdenberg fehlt es an weiteren Nachrichten.

Der wichtigste Platz an der ganzen Route unterhalb Chur war Rheineck, wo die Waren auf die Schiffe verladen wurden. Heute ist die Stadt, da der Rhein seine Ablagerungen viel weiter in den Bodensee vorgeschoben hat, keine Bodenseestadt mehr, als welche sie damals noch gelten konnte. Um sie war 1208 ein heftiger Kampf zwischen dem Bistum Konstanz und der Abtei St. Gallen entbrannt, König Otto IV. nahm den Ort ans Reich*. Doch sollte Burg und Stadt die Reichsun- mittelbarkeit nicht behaupten, noch König Rudolf sicherte der Stadt zwar zu, dafs sie niemals solle verpfändet werden. Doch wurde 1309 auch die Burg verpftlndet. Der neue Besitz lockte die Blicke der Habsburger, die, seit sie Tirol gewonnen, bestrebt waren, eine Verbindung zwischen ihren östlichen und westlichen Ländern herzustellen, 1375 war Feldkirch gewonnen, und 1379 liefs sich Herzog Leopold HI. von Wenzel das Recht geben, die Reichspfandschaften in Churwalchen^ Thurgau und Rheinthal, namentlich auch Burg und Stadt Rheineck, einzulöseh. Unter Verachtung allen Rechtes nahm 1395 Herzog Leopold den Werdenber- gern Rheineck fort, nach der Schlacht am Stofs brachen die Appenzeller die Burg, die Stadt würde von den Österreichern wieder genommen. Der ungerechte Besitz sollte ihnen nicht lange verbleiben. Als wegen der Flucht Johanns XXIII. vom Konstanzer Konzil die Acht über den Herzog Friedrich verhängt wurde, verpfändete Siegmund die Stadt, die

* Urkunden Nr. 26. Die Wertrelation trifft für die Susten genau zu. Der Zoll müfste in der Tabelle stehen mit 1 /? 8 ^ statt 1 ß 3. Die Fiihrlöhne Mayen- feld-Zizers und Mayenfeld-Balzers 10 V2^ statt 1 jj 9 ^, der Zizers-Chur 1 yj 8 statt \ ß 1 d^ Die Relation ist also offenbar etwa 1 : 2,4 gewesen.

^ Zösmair, Urkundenauszüge Hohcnems im 21. Rechen Schaftsbericht des Vorarlberger Museumsvereins 81. 8 Krüger, Regest 377.

* Zur Gesch. von Rheineck vgl. vor allem Krüger S. 245—64, 392—4. Butler, Der letzte Toggenburg 2, 54—58. St. Galler Urkundenbuch.

Die Fortsetzungen der Pässe bis zum Bodensee. 379

dann an den letzten Toggenburger überging, um von ihm in den Besitz der Peyer zu kommen, die 1460 die Stadt an die Appenzeller verkauften. Für eine Hafenstadt eine üble Entwiekelung. Wie anders hätte der Handel durch Graubünden sich entwickeln können, wenn den Reichs- städten Konstanz und Lindau ein freies sich selbst bestimmendes Rheineck entsprochen hätte!

Der Zoll, in alter Zeit ^verschcus^ genannt, ist schon recht alt. Er wurde aber ausschliefslich von dem erhoben, was über die Berge kam oder über sie gehen sollte, gleichgültig, ob es trockenes oder gebundenes Gut war. Der Versuch, den Zoll auch auf den übrigen Handelsverkehr auszudehnen, wurde auf die Klagen von St. Gallen und Lindau 1291 und 1311 zurückgewiesen ^ Der Ertrag des Zolles wird in dem öster- reichischen Urbar von 1404 auf gewöhnlich 50 ^ ^ angegeben *.

Der Weg von Mayenfeld über die Luziensteige nach Rheineck war aber nicht mehr die einzige Fortsetzung der Bündner Alpenpässe im Rheinthale. Die Strafse, welche von Schaan ab auf dem rechten Rhein- ufer verharrte, über Feldkirch nach Bregenz ging, war im Gegenteil mindestens bis Feldkirch sehr belebt, Bregenz tritt allerdings, so viel ich das urkundliche Material und die Litteratur kenne, nicht besonders hervor. Doch fehlen auch nicht Momente, welche für einen alten leb- haften Verkehr mit dem einst in römischen Zeiten so bedeutenden Brigan- tium sprechen®.

Seit 1372 bestand zwischen dem Bischöfe von Chur und den Grafen von Montfort für ihre Städte Chur und Feldkirch zu Recht, dafs der Churer in Feldkirch nur Wein, offenbar also Cleyner, der Feldkircher in Chur nur Salz versteuern solle*. 1459 führten die Leute von Feld- kirch, der Alten Stadt bei Feldkirch und „Thysis" nach Chur besonders Kupfer, und das war geradezu die wichtigste Ware, die damals den Weg über Mayenfeld nahm^. 1400 wurde in Feldkirch ein ^eugsch*, eine Sust angelegt*. Der Zoll wurde 1409 von Herzog Friedrich IV. um 1500 ü Heller verpfändet ^. Jedoch erst 1517 wurde eine Brücke über die Bre-

^ Die Urteile des Landgerichts zu Fischerhausen von 1291 und 1311 hat Schwalm in Neuen Archiv f. ältere deutsche Geschichtskunde 28, 37 und 48 veröffentlicht. Ersteres auch StGallerUrkb. 3, 269. Verkauf eines Anteils vom Zoll 1379. Krüger, Regest 445. Verpfandung seitens der Herrschaft an einen Konstanzer 1392. Regest 352,

2 St. Galler Urkb. 4, 695.

' Der Brakteatenfund von Lauterach enthält keine italienischen Münzen. 21. Bericht d. Vorarlb. Museumsvereins S. 12.

* Mohr 3, 253. Eine weitere Urkunde über den Salzhandel von 1371 im bisch öfl. Archiv zu Chur.

* Urkunden Nr. 283.

* Urkunde Stadtarchiv Bregenz.

' Lütisburger Kopialbuch 2, 134 f.

380 Yierunddreifsigstes Kapitel.

genzer Aach gebaut^. Im Anfange des sechzehnten Jahrhunderts be- nutzten die Gesellschaften Welser- Vöhlin, Humpifs und Besserer den Weg über Feldkirch*, und schon 1458 war Gut Mailändischer Kaufleute in Feldkirch angehalten*. Neben die Relation Lindau - Rheineck war die von Lindau- Bregenz getreten. Bei der Armut der Stadtarchive von Bregenz und Lindau läfst sich leider nichts Näheres darüber feststellen.

Durch Feldkirch ging aber auch der Verkehr über den Arlberg, dessen Geschichte ich hier nur streifen kann. Verhältnismäfsig spät tritt er in dieselbe ein: erst 1218 kommt er als begangener Pafs vor, damals wurde am westlichen Fufse eine vorhandene Kapelle den Johannitern in Feldkirch gegeben, und die machten daraus ein „Klösterle." Der Handels- verkehr ward im vierzehnten Jahrhundert lebhafter, das Salz von Hall schlug diesen Weg ein, aber auch der sonstige Kaufmann so 1326 ein Konstanzer Bürger Ulrich Aimpuom ging ihn. Der Pafs war von grofser politischer Bedeutung, wurde er doch die bequemste Verbindung der beiden habsburgischen Machtbereiche*. Der Weg über den Arlberg wurde 1326 den Konstanzern gefreit ^

Auf der Pafshöhe war keine Hilfe vorhanden, und da war es der Knecht eines am Passe wohnenden Burgherren, das Findelkind Heinrich, das 1385 aus Menschenliebe auf der Höhe ein Spital errichtete und schon im ersten Winter sieben Menschen das Leben rettete. Dieser Menschen- freund im Kittel wufste die Mittel zusammenzubringen, er errichtete eine Bruderschaft, und mit Bruderschaftsbüchern zogen seine Genossen im Lande umher, um Brüder zu werben, und diese Bücher sind ein Zeug- nis dafür, wie viel milde Herzen sie fanden. Kam das zunächst den zahlreichen Pilgern, die diesen Weg nach Venedig einschlugen ®, zu gute, so doch auch den Kaufleuten. Und wenn wir auch noch keine voll- ständige Geschichte dieses Passes besitzen, so kann ich doch nach meiner Quellenkenntnis schon sagen, dafs die Benutzung des Arlberges keine geringe war'. Ein Teil des Verkehrs vom Arlberg und aus Bünden ging nach Rheineck weiter, wie die Verhandlungen über das Geleite be-

^ Genehmigung Maximilians und Verleihung eines Brückenzolles. 31. Rechen- schaftsbericht d. Vorarlb. Museumsvereins 27 ff.

2 1511. Urkunden Nr. 289.

' Urkunden Nr. 45.

* Ludwig d. Bayer für die österr. Herzöge 1335. Böhmer-Ficker, Acta imperii Nr. 763.

•» Urkunden Nr. 327.

® Röhricht u. Meisner 146. Auch der Konstanzer Konrad Grünenberg.

' Vgl. Zösmair, Gesch. d. Arlbergs von 1218 bis 1418, der die, Zeitschr. £ Gesch. d. Oberrheins 4, 17 ff., veröffentlichten beiden Wegweiser von Strafsburg nach Bom nicht benutzt hat. Vgl. auch die Bitte des Biscliofs von Chur um Beisteuern für die am Fufse des Arlbergs gelegene St. Johanneskapelle. Mohr 4, 113.

Die Fortsetzungen der Pässe bis zum Bodensee. 381

weisen ^ Auch schlug ja Papst Johann XXIII. diesen Weg ein, als er sich, über den Arlberg kommend, zum Konstanzer Konzil begab.

Ein Teil des Verkehres über den Arlberg strebte wohl dem Walen- see zu, und da mufste zunächst der Umweg über Mayenfeld genommen werden; zwar ist der Engpafs, den der Schollberg auf der Grenze der Herrschaften Sargans und Werdenberg mit dem Rheine bildet, schon zu der Zeit, als im Rheinthale auch auf dem linken Ufer noch dyna- stische Verwaltungen waren, benutzt worden, es gab dort schon einen Zoll. Die Strafse mufs aber äufserst schlecht gewesen sein*. Sofort, nachdem 1483 die sieben alten Orte die Herrschaft Sargans gekauft hatten, leuchtete ihnen ein, dafs sie auf das untere Rheinthal nur dann einen Einflufs ausüben könnten, wenn sie ihre Verbindung damit von den Herrschaften auf dem rechten Rheinufer unabhängig machten. Um von der Luziensteige frei zu werden, beschlossen die sieben Orte (mit Ausschlufs von Bern) 1490 den Bau einer Strafse, August 1492 war sie fast fertig, der Meister Michael Preutel aus dem Etschthal hatte sie ge- baut. Militärischen Zwecken, für die sie in erster Linie gebaut war, mochte sie genügen, für die Wollenballen der Kaufleute wurde be- schlossen, sie zu erweitern, aber noch später klagte die Stadt Rheineck, dafs die Kaufleute die Strafse, die sie gerne benutzen würden, nicht verwenden könnten, weil sie zu schlecht sei^. W^enn auch in unserer Periode dieselbe also keine Handelsbedeutung gewann, so haben sie gleichwohl die Eidgenossen nicht umsonst gebaut, sie haben dem Ver- kehr den Weg gewiesen, den er heute fast allein noch benutzt. Und wie modern mutet uns das ganze Vorgehen an, bei dem staatliche und militä- rische Interessen entscheiden, das Verdingen der Arbeit, die Abnahme nach einer Revision, vor allem aber ward hier der Strafsenbau als eine Staatsaufgabe angesehen*. So war der Weg von Chur her durch die Fähre von Mayenfeld, der von Arlberg und Rheineck durch die SchoUbergstrafse zum Walensee gelenkt und von dort ging es über den Zürichersee nach Zürich. Der Geschichte dieses Weges fliefsen wohl reichere Quellen in den Archiven von Glarus, St. Gallen und Züricli. Ich habe nur gelegentlich Notizen gefunden®, und die genaue Beschreibung einer Fahrt über den Walensee ist mir erst aus dem sechzehnten Jahrhundert bekannt ge-

^ Krüger, Regest 547 zu 1394. Das Geleit in der Gegend zwischen Rlieineck, Bludcnz, Werdenberg gehörte den verschiedenen Werdenberger bez. Montfoi*ter Grafen. Vgl. Urkunden von 1355 und 1361 bei Thommen 1, 338 u. 431.

2 Eidg. Abschiede 3, 1, 351.

« Eidg. Abschiede 3, 1, 245. Erstes Anbringen 1486. 354. 364. 370. 373. 418. 428. 457. 517 Überlegung, ob nicht zum Unterhalt ein Weggeld zu erheben. 647 Rheineck. Vgl. Bavier S. 33.

* Vgl. aucli Gasner S. 110.

* Z. B. Beraubung von Venetianern bei Wesen durcli Schwyzerund Glamer 1488.

382 Vierunddrciföigstes Kapitel.

worden, sie gehört niemand anders an als dem Meister der Goldschmiede : Benvenuto Cellini.

An Fähren gab es auf dem Rheine eine gröfsere Zahl. Die bei Blatten ^ stellte die Verbindung mit Rankweil-Feldkirch und dem Arl- berge her, die von Rugell und Haag^ dienten dem Verkehr, der ins Toggenburgische führte. Die Fähre von Mayenfeld finde ich nicht er- wähnt, doch bestand sie offenbar weiter, und vermittelte den Verkehr nach Sargans, Walenstad und Zürich.

Eine nicht zu verachtende Quelle für den Verkehrshistoriker sind die Nachrichten über Verkehrsstörungen. Etwas über die hier zu be- handelnde Strecke von Chiavenna bis Rheineck hinaus greift die Nachricht, dafs die Stadt Lindau 1309 Gut von venetianischen Kaufleuten in Arrest behielt, weil Gut von Lindauern in Mailand festgehalten wurde. Gegen diese Anwendung von Repressalien erhob Venedig, das ja in der That keinerlei Einflufs auf Mailand besafs, Einspruch^. 1314 wurde ein Sigelo Huhn aus Speier von dem Meyer von Altstätten beraubt*.

Ob eine Beraubung, was doch wohl sehr wahrscheinlich ist, den Anlafs zu einem Streite zwischen der Stadt Konstanz und den Brüdern Graf Heinrich I. und Hartmann III. von Werdenberg -Sargans gegeben hat, mag dahingestellt bleiben^, sie gaben 1326 den Konstanzern auf fünf Jahre Schutz und Geleit durch ihr Gebiet: durch das Walgäu zum Arl- berg und durch Churwalchen, sowie auf der Strafse nach Ulm*. Wir sehen also die Konstanzer sowohl auf dem Wege nach Venedig wie nach Mai- land. Graf Hartmann besafs in der That die Herrschaft zu Vaduz bis zur Landquart und im Walgau, während Graf Heinrich jenseits Ulm Alpeck und Langenau sein eigen nannte. Den andern Zweig der Wer- denberger betrifft wohl ein Brief von Venedig von 1349, demzufolge ein Graf »Albertus de Vandeborg^ venetianisches aus Flandern kommendes Gut aufgehalten habe. Es ist wohl Graf Albrecht I. von Werdenberg- Heiligenberg, der auch im Rheinthale und in Graubünden ausgedehnten Besitz hatte ^.

Die Konstanzer waren 1354 offenbar wegen eines Raubanfalles in Stöfse geraten mit den Brüdern von Haldenstcin, die dicht unterhalb Chur am Fufs des Calanda eine Herrschaft besafsen. Der Schiedsprucli

* Krüger, Regest 330. Vgl. auch Hardegger u. Wart mann S. 801. 2 Krüger, Regest 554.

» Simonsfeld 1 Nr. 31.

* Marmor-Reg. S. 19. Schrift d. Ver. f. Bodensee Heft 4.

^ Die beiden Brüder standen zu verschiedenen Parteien, Heinrich zu Ludwig dem Bayer, Hartmaun zu Friedricli dem Schönen. « Urkunden Nr. 327. 7 Krüger S. 165—195.

Die Fortsetzungen der Pässe bis zum Bodensee. 383

zwischen den drei Brüdern, von denen der eine nach einer Burg den Vornamen „Liechtestain" führt, erwähnt eine solche Ursache allerdings nicht ausdrücklich, da aber auf der Rückseite bemerkt ist, dafs auch St. Gallen an der Sühne beteiligt ist, bleibt nicht viel Zweifel^.

Die schlimmste That, von der wir Kenntnis haben, hat vielleicht einen politischen Hintergrund. Graf Rudolf IV. von Werdenberg- Sar- gans wurde 1361 von Räubern so will die Überlieferung bei Plurs im Bergeil angefallen und ermordet^. Galeazo Visconti, den der Er- mordete besucht hatte, strafte für diese That schwer die Bewohner von Plurs ^. Dafs 1402 auf österreichischem Gebiete durch die Herren von Ems Unterthanen des Herzogs von Lothringen und der Grafen von Sa- voyen angehalten wurden, erklärt sich wohl durch die Appenzeller Wirren. Auch ist zweifelhaft, ob diese Leute Bündner Strafsen benutzten*. Bei der Beraubung von Nürnberger und Luzerner Bürgern, die im Jahre 1407 erfolgte, war Wilhelm v. End mit Adligen aus der Nachbarschaft (Hohenlandenberg , Gachnang, Rümlang, Erzingen und Münchwil) ge- wesen, doch dürfte sich dieser Raub, der unter dem Titel als seien sie Diener des Herzogs von Mailand, und also Feinde Ruprechts, ausgeführt war, in der Gegend von Schaff hausen abgespielt haben *^.

Einer der übelsten Strafsen- bez. Seeräuber war der Sprosse einer tirolischen Freiherrenfamilie, Jörg von End, der seine Burg Grimmen- stein oberhalb Rheineck dazu benutzte, um im Rheinthale und auf dem See Räubereien zu treiben. Einen Augsburger Metzger, der von St. Gallen fortritt, nahm er gefangen, brachte ihn nach Grimmenstein und erleich- terte ihn um 95 ü hl.^. Die zum Konzil nach Konstanz wandernden Prälaten hatte Jörg von der im Appenzeller Kriege zerstörten aber sofort wieder aufgebauten Festung aus „gejagt"; er trieb die Frechheit soweit, dafs ein Schiff mit Gut von Konstanzer und Feldkircher Bürgern von seinen Dienern angehalten wurde, während er selbst in Konstanz weilte. Er wurde gefangen gesetzt, der Todesstrafe entging er, aber seine Veste wurde verbrannt und drei Wochen waren 500 Mann beschäftigt, sie völlig niederzulegen ''.

^ Anzeiger f. Schweiz. Gesch. 7, 290.

'^ Campell, Historia Raetica (Quellen z. schweis. Gesch. 8, 359 f.). Zum Datum Krüger 310.

^ Die Mörder wurden jedoch nicht ausfindig gemacht. Vgl. Boll. stör. d. Svizzera italiana 9, 183.

* Korrespondenz der Stadt Konstanz mit den Landesherren zur Deckung ihrer Bürger. Z. Gesch. Ober rh. 4, 50—58.

5 Urkunden Nr. 378 u. 379.

" Augsburger Stadtarchiv. Kopialbuch 105 I^ Nr. 301 u. später.

■^ Kichental 90 f. Ruppert, Chroniken S. 120 und die Anm. Der v. End wurde nun erst recht ein Strafsenräuber. Chroniken 128.

384 Vierunddreifsigstes Kapitel.

Vor 1417 hatte einer der Sarganser Grafen zwei Bürger von Lindau gefangen ^. Ein interessantes Dokument ist das deutsche Schreiben eines Bürgers von Chiavenna an die Stadt Chur von 1469. Der Clevner hatte in Feldkirch gehandelt und wollte weiter gen Lindau fahren, allein auf dem Schlosse Hohenems waren Gesellen, die auf Leute von Chur oder aus ihren Bünden lauerten. Der Clevner hielt es für seine Pflicht, die von Chur zu warnen^.

Auch der letzte der Werdenberg- Sarganser Grafen, dessen Besitz sehr zusammengeschrumpft war, steht auf der Liste derjenigen, welche sich an Kauf leuten schadlos hielten. Georg (völlig verarmt, f 1504), schützte allerdings die Fehde seines Schwagers Hans von Rechberg gegen die Reichsstädte vor, und durch den Schiedspruch wurden ihm wirklich 200 rh. Gulden zugesprochen. Die Beraubten: ein Kaufmann von Mai- land, drei von Nürnberg und einer von Nördlingen gaben sich wie auch Wolfhard von Brandis, der behauptete, in seinem Geleite (also in der Herrschaft Vaduz) sei die Wegnahme geschehen, zufrieden®.

Die letzte Erwähnung einer Beraubung finde ich zu 1479, wo ein Nürnberger zu Feldkirch Waren von Landsleuten aufgreifen und nach Werdenberg auf die Burg des Grafen Wilhelm von Montfort bringen liefs. Die Güter gehörten vor allem Michel und Stephan Lochner und Hans Roth von Nürnberg*. Aus politischer Feindschaft der Churer gegen die Lombarden wurden 1482 acht Ballen mit flandrischen Tuchen, die ein Genuese von Brügge an zwei Mailänder sandte, in Mayenfeld be- schlagnahmt. Genua forderte das Gut als Eigentum eines Genuesen zurück *.

Überblicken wir diese Nachrichten, so wird man zugeben müssen, dafs abgesehen von Kriegszeiten, die Bündner Pässe und ihre nächsten Fortsetzungen ziemlich sicher waren. Die Bewohner der Pafszugänge hatten das gröfste Interesse an der Aufrechterhaltung eines sicheren Ver- kehres, da ja die Beförderung der Waren ihnen grofse Einkünfte sicherte. Dadurch, dafs sie die leitenden Faktoren der Bünde waren, sicherten sie nicht allein den Verkehr in ihrem Gebiete, sondern auch darüber hinaus. In den Tagen, in denen die harten Gegensätze in der

' Der Sühnebrief Krüger, Reg. 1150.

* Anzeiger f. Schweiz. Gesch. 7, 290.

^ Schiedsspruch vom 19. Dez. 1453. Ratischc Urkunden 394 ff. Die Kauf- leute waren Paulus Hoffmann, der dem Markgrafen von Brandenburg gehörte. Andres de Pusti, dem Herrn von Mailand gehörig, Martin Nithart, dem deutschen Haus in Nürnberg gehörig, Hainrich Ruch von Nürnberg und Martin Suren von Nördlingen.

* Roth 1, 247.

ß Der Genuese war Gio. Benedetto di Moneglia, die Mailänder Gcrvasio e Protasio de' Busti. Atti della societd ligure di storia patria 7, 451.

Die Fortsetzungen der Pässe bis zum Bodensec. 385

Wildheit, die die Geschichte Rhätiens öfter zeigt, aufeinander platzten, war freilich der Verkehr auch im fünfzehnten Jahrhundert unterbrochen*.

Die Pässe Graubündens haben nacheinander ihre Glanzzeiten gehabt. Der Rückgang des Septimerverkehrs gegenüber dem Gotthard führte zu seinem Verfall, die bisher ganz vernachlässigten Pässe: Splügen und Lukmanier traten mehr hervor. Der Bischof von Chur erreichte 1359 von Karl IV. ein Verbot aller andern Wege aufser dem Septimer. In den Kriegswirren von 1386 versuchte Mailand den St. Bernhardin zu er- schliefsen, sie erfuhren, dafs sich die von Castelmur dazu entschliefsen würden, über den Septimer eine Strafse zu bauen, was in der That aus- geführt wurde. Ein allgemeiner Vertrag der Geleitsherren, wohl vom Bodensee an, sicherte den Verkehr. Gleichwohl brachten die Konstanzer 1390 den Lukmanier in Vorschlag, der stets einem Lokalverkehr gedient und 1374 auch ein Hospiz nahe der Pafshöhe erhalten hatte. Das mufs nun längere Zeit der beste Weg gewesen sein; denn ihn wählte zweimal Kaiser Sigmund. Die Konkurrenz des Splügen machte sich aber bereits bedeutend fühlbar, obwohl die Via mala noch im übelsten Zustande war. Dafs es hier keine Zölle und teuren Transporteinrichtungen gab, zog die Kaufleute an. Vergebens suchten die Interessenten am Septimer diese Konkurrenz zu bekämpfen, 1473 wurde die Via mala gebaut, und es bildeten sich nun auch hier Transportgenossenschaften. Neues Leben scheinen die Transportordnungen von 1498 und 99 dem Septimer ge- bracht zu haben, dessen natürliche Vorzüge ihn noch nicht antiquieren liefsen.

An der Ausgestaltung des Verkehrslebens haben Anteil die kühnen Männer von Vicosoprano und Thusis, die Wegebauten von niemals bis dahin erreichter Kühnheit schufen, Anteil hatten die Geleitsherren doch fast mehr durch die Einrichtung von Zöllen und Abgaben, als durch die Errichtung von Zufluchten, Anteil endlich die beiden Städte Mailand und Konstanz, beziehungsweise ihre Kaufmannschaft. Es ist ein weclisel- voUes Bild, das sich so ergiebt, der Grundzug ist der Mangel staatlicher Fürsorge, den private oder korporative Initiative ausfüllen mufste.

Ein sehr anziehendes Bild des Lebens auf der Septimerstrafse giebt uns der Reisebericht der venetianischen Gesandten von 1492 ^. Sie kamen von Konstanz, in Lindau weilten sie in dem noch heute kaum in seiner Gestalt veränderten Gasthof zur Krone. Von dort ritten sie bis Feld-

^ Doch auch dann wurden wohl Geleitsbriefe ausgestellt, so 1499 vom Stift Chur für Dietrich Bawurt von Nürnberg. Jecklin, Die Kanzlciakten d. Regent- schaft. Chur 1899. S. 11.

2 Ich kann nur das auf die Etappen und Wege Bezügliche anführen. Vgl. den deutschen Auszug von Simons feld, der diesen Bericht aufgefunden hat, in Zeit- schrift f. Kulturgesch. 4. Folge 2, 272 ff.

Sehalte, Gesch. d. mittelalt erl. Handels. I. 25

386 Vierunddreifsigstcs Kapitel.

kirch, dessen Umgebung von ihnen mit Recht gepriesen wird, wie ihnen auch das Städtlein ausnehmend gut gefiel. Mayenfeld, das nächste Nacht- quartier, kam ihnen dagegen recht öde vor, von der Luziensteige ist keine Rede. Am folgenden Tage machten die Gesandten dem Bischöfe von Chur ihre Reverenz, der ihnen eine von ihm eben erlegte Gemse verehrte. Mit zwei Führern versehen, kamen sie am Nachmittage des folgenden Tages nach Parpan, wo sie zur Nacht, ohne dafs es einen Gast- hof gab, blieben. Am 13. September fanden sie hier zu ihrem grofsen Erstaunen Veilchen. Am folgenden Tage speisten sie beim Kuratus zu Tinzen Mittag, alles in der Gegend spreche italienisch und deutsch entweder beweist das, wie stark die romanische Bevölkerung mit dem Verkehre auf der Strafse verwachsen war oder die Venetianer hielten das Ladinische der Leute für deutsch. Am Abend kamen sie nach Bivio, die Leute sprachen auch italienisch, „obwohl ihre Sprache eigentlich die deutsche" ist. Nach einem Nachtlager im „Sternen" passierten sie am 14. den Septimer, beim Herabsteigen führten sie die Pferde an der Hand, nur einer von ihnen blieb auf seinem Maultier sitzen. Am Abend kamen die Leute nach Vicosoprano, auch hier meinten sie, die Leute sprächen deutsch, zugleich aber auch italienisch. Mit einem Gott Dank über- schritten sie den Luver und kamen am Abend nach Chiavenna. Das nächste Quartier war Sorico, nachdem sie schon von Castel di Mezzola an das Schiff benutzt hatten. Für die ganze Strecke von Lindau bis Como brauchten die Venetianer also neun Tage, von Como bis Mailand nur einen Tag.

Der Verkehr fremder Kaufleute, denen zehn bischöfliche Tabernen dienten^, war in Chur so grofs geworden, dafs sich hier in Anlehnung an das Predigerkloster 1483 eine Brüderschaft der Kaufleute aus den verschiedenen Teilen der Welt bildete 2.. Abgesehen von der Stiftungs- urkunde ist mir kein w^eiteres Dokument bekannt geworden, namentlich blieb die Nachforschung nach dem liher vitae, in dem die Namen der Mitglieder eingetragen waren, erfolglos.

Über die Verkehrsstärke Angaben zu machen, fehlt es für die älteren Zeiten an allen Hilfsmitteln. Die Archivalien von Lindau und Chur sind leider sehr schlecht erhalten, und specifisch Kaufmännisches fehlt darin völlig.

Der Einblick, den das Numera- und Brief büchlein der Nürnberger- Mailänder Firma Koler, Krefs & Saronno liefern, beweist aber für den Anfang des sechzehnten Jahrhunderts eine enorme Höhe des Verkehrs. Die Firma betrieb nur Handel an den Orten Nürnberg, Mailand und auf

* Muoth 176. Sehr interessant für die Geschichte des Gasthofs wesens. 3 Urkunden Nr. 286.

Die Fortsetzungen der Pässe bis zum Bodensee. 387

der Messe zu Crema, erhalten ist uns das Numerabüchlein , in das alle Warensendungen in der Richtung von Nürnberg nach Mailand für die Zeit vom I.Januar 1507 bis März 1511 eingetragen sind. Es wurden in dieser Zeit im ganzen 269 Ballen bez. Fässer nach Mailand geschickt, mitunter waren die Sendungen sehr grofs, bis zu 35 Stück, die auf ein- mal befördert wurden, kleinere als vier Stück sind sehr selten.

Das Brief büchlein giebt auch über den Weg, den die Briefe und unzweifelhaft auch die Waren nahmen, Auskunft. Der Weg über Venedig ist öfters im Jahre 1507 gebraucht, später aber fast niemals mehr. Dafs sonst die Bündner Pässe gewählt wurden, beweisen die Korrespondenten, niemand wird, abgesehen von Gliedern der Gesellschaft, so viel mit Briefen bedacht als der Gredmeister von Lindau (1510 heifst er Marti Gogell), doch gehen auch sonst viele Briefe nach Lindau an Jeronimus Oller, Clement Porter, Hans Fladung und Balthasar Haslach, in Feld- kirch sind Korrespondenten: das Haslach, der auch nach Nürnberg kommt, und Caspar Landescher. Daneben erscheinen auch vereinzelt die Spechler von Fussach, Veit Metzger von Biberach. Die Wirte, bei denen die Gesellschafter in Chiavenna zu wohnen pflegten, waren Johanne, Pedro und Francesco Pestalazzo. Jörg Krefs reiste 1508 nach Mailand über Chur, er ging zwischen dem 5. und 10. Januar 1509 über die Alpen. Dafs aber der Septjmer, nicht der Splügen benutzt wurde, beweist, dafs eines Tages von Herrn Thomas, Pfarrer zu Tintze[n] , ein Brief eintraf.

Das Briefbüchlein giebt über die Transporteure der Briefe jedesmal Auskunft, und da sehen wir nun, was alles zwischen Nürnberg und Mai- land hin und her ging : zahlreiche Nürnberger : die Imhof, Holzschuher, Rummel u. s, w. , sie besorgen die meisten Briefe; daneben auch Boten von St. Gallen, ein Ulrich Aman von Chur, Knechte und Fuhrleute von Lindau, Biberach und Buchhorn, dann aber auch italienische Kaufleute, vor allem die beiden Florentiner Jacobe Bethono und Raphaele Turegano, der auch in Leipzig handelte und viel auf der Wanderschaft war, auch andere von Florenz, Genua u. s. w. Aus alledem geht hervor, dafs auf der Septimerstrafse sehr viel Leben war.

Auch über die Transportdauer giebt uns das Brief büchlein Auskunft;

es ist zwar nur das Datum des Briefes angegeben und nicht der Abgang

des Briefboten u. s. w., aber bei manchen Sendungen ist der Brief wohl

sofort abgegangen. Rechnen wir den Tag des Datums und der Ankunft

mit ein, so ergiebt sich bei 75 Briefen, die in dieser Zeit von Mailand

nach Nürnberg gingen, dafs in zehn Tagen einer den Weg zurücklegte,

in 11:1, 12:5, 13:6, 14:10, 15:14, 16:4, 17:2 u. s. w. Der Brief,

der nur zehn Tage brauchte, kam noch dazu im Winter über die Alpen.

Die schnellsten Botenleistungen, die ich fand, sind zwölf Tage, und ein von

den nach Mailand handelnden Nürnberger Kaiifleuten abgesandter Bote

25*

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388 Ffinfunddreifsigstes Kapitel.

brauchte für Hin- und Rückweg nur 27 Tage. Nach allem machte eine Nachricht unter normalen Umständen mit Sicherheit diesen weiten Weg in fünfzehn Tagen. Ja es kam vor, dafs ein Reisender mit >ligainra^<, also Gepäck, den Weg in sechzehn Tagen durchmafs. Die Briefe über Venedig brauchten selir viel mehr Zeit, es waren wohl Gelegenheiten, die benutzt wurden. So wurde nur einmal ein Brief in neunzehn Tagen befördert. Für die gröfseren Sendungen fehlen leider Angaben über die Dauer des Transportes. Auch für sie gilt wie für die Briefe die Bcob- , achtung, dafs die Jahreszeiten keinen Unterschied machten, der Septimer wurde also auch in der strengsten Jahreszeit frequentiert.

Fünfunddreifsigstes Kapitel.

Die Fortsetzungen nördlich des Bodeusees.

Wege nach Augsburg und Ulm, von dort niich Frankfurt. Wege t'on Konstanz aus. Der zum Kinzigthal. Bau der Strafse über den Höhlest Graben, der „alte Weg** im JSölltnthal. Einrichtung und Geschichte beider, GeleitsgeseUschaft von 1302, Bruch der Burg Falkenstcin.

Der Raub von Hohcnstoffeln. Mailändische Gesandtschaft, Sidierung der Italiener durch Geleitsbriefe t'Oti 1424, Luzerner Überfall auf dem Bodensee,

Florenz und der Landiceg. Gründe für ihn, Gesandtschaft nach Konstanz 1409, Geleitsbrief,

Am Bodensee gabelten sich die Wege der von Italien Heimkehrenden. Die deutschen Kaufleute von Nürnberg und Ulm berührten natürlich nur Lindau oder Buchhorn (Friedrichshafen), und das waren auch die Häfen, in denen die Italiener sich ausschifften, die nach diesen Städten wollten.

Das Nordufer des Bodensees zwischen Buchhorn und Lindau ist so flach, dafs nach Oberschwaben hinein in das Gebiet der vielen kleinen Reichsstädte mehrere Strafsen möglich waren. Es fehlt bis heute auch eine Untersuchung über die von den Kaufleuten benutzten Wege, doch gehe ich wohl nicht irre, wenn ich für die Ulmer die Strafse Tettnang, Ravensburg^ Waldsee, Biberach, Laupheim als den benutzten Weg an- nehme, und ebenso für die Augsburger Wangen, Leutkirch, Memmingen, Mindelheim. Da hier keine Gesellschaften der Geleitsherren bestanden haben, ist erst das Material einzeln zu sammeln. Für den Anfang des sechzehnten Jahrhunderts giebt ()rtcl als Stationen des regelmäfsigen Weges von Ulm nach Genf die folgenden Ortschaften an: Friedrichs- hafen (Buchhorn), Ravensburg, Weingarten, Waldsee, Essendorf, Biberach, Baltringen, (über Laupheim nach) Stetten, Ulm ^ Die Fortsetzung nach Nördlingen ging nach Örtel nicht über Heidenheim und Neresheim, sondern umging diese beiden Orte südlich. Als Stationen führt er an

' Mit teil, aufl d. gcrm. Nationalmuseum Jahrgang 1896 S. 28.

* *

^

••• . .

Die Fortsetzungen nördlich des Bodensees. 389

Langenau, Giengen, Ballmertshofen und Kösingen. Für die Strecke Nord- lingen-Nürnberg sind angegeben Ottingen, Westheim, Ostheim, Gnotzheim, Gunzenhausen, Wasserraungnau und Schwabach ^.

Nürnberg, Augsburg und Ulm waren die wichtigsten Handelsplätze, welche Italiener aufsuchten. Ihre Verbindungen mit Frankfurt sind damals wichtige Strafsen gewesen, und über sie möchte ich in aller Kürze ein paar Sätze einfügen.

Aus der Zeit von 1353 71 stammt ein Geleitsbrief, den die Augs- burger von einer Reihe von Herren erhielten. Die Strafse führt um die Nordostecke des Königreichs Württemberg herum und ist heute völlig von allem Verkehre entblöfst. In öttingischem Gebiete ging der Weg von Donauwörth an den Reichsstädten Horburg, Nördlingen, Dinkelsbühl vorbei auf Feuchtwangen. Im bischöflich würzburgischen Gebiet werden Wörnitz und Ostheim genannt, zwischen denen die Wasserscheide der Frankenhöhe liegt. Es folgen die in hohenlohischem Gebiete gelegenen Orte Gebsattel und Reichardtsroth , zwischen denen die Reichsstadt Rothenburg liegt. Es folgt das breuneggische Aub und das hohenlohische Gelchsheim. Die Richtung der Strafse biegt nun stark nach Westen ab. Rineckisches Gebiet führt über Simmringen und Grünsfeld. Die weitere Strecke ist in mainzischem Gebiete und geht von Tauberbischofsheim, Külsheim, bei Miltenberg an den Main, dort erfolgt eine Teilung: der Weg nach Mainz berührt Obernburg, Babenhausen und Langen, während der nach Worms von Miltenberg aus bei Gernsheim den Rhein erreicht*. Die älteste mir bekannte Nachricht über diese Handelsstrafse ist eine Urkunde Ludwigs des Bayern von 1340, worin er der Stadt Rothenburg gestattet, die Handelsstrafse zwischen Augsburg und W^ürzburg-Frankfurt i durch ihre Stadt zu legen®. *

Alter war der augsburgische Weg zum Neckarthaie, und dafür liefsen sich die Augsburger Geleitsbriefe geben , welche zugleich auch für alle Kauf leute galten, Ihre Reihe beginnt mit 1322*.

* Die Route ülm-Nurnberg habe ich in die Übersichtskarte nicht eingetragen. Da Ortel jedoch sie als Kaufmannsron te genau bezeichnet, schwinden meine Zweifel; denn es wurden sonst auch andere Wege benutzt.

2 Augsburger Stadtarchiv. Kopialbuch 105 lA Nr. 198. « Böhmer, Reg. Nr. 2085.

* Geleitsbrief der Markgrafen von Baden, Grafen von Württemberg, Helfen- stein und Vaihingen. Augsb. Urkb. 1, 228 f. (Efsl. Urkb. 1, 243 Nr. 505), dann württemb.-helfensteinscher Geleitsbrief von 1349, auch für den Weg über Aalen (A u g 8 b. U r k b. 2, 26). Auf diesen letzteren bezieht sich ausschliefslich der öttingensch'e Geleitsbrief von 1349 (ebda. 2, 33 f), wie der helfensteinsche von 1351 auf die Ge- leite von Dilliiigen und Ulm her (ebda. 2,39). Zu den Urkunden kommt jetzt auch die Zollherabsetzunfj seitens der Grafen von Helfenstein und Württemberg von 1272, welche sich also auf den Weg über Geislingen bezieht. Württemb. Urkb. 7 Nr. 2293.

(,

390 Füiifiiuddreifsigstes Kapitel.

Wenn nicht der vorhin angegebene Weg bis Nördlingen benutzt und dann der Weg über Aalen, Gmünd nach Cannstadt genommen wurde, kam auch für die Augsburger die Ulmerstrafse in Betracht, die noch heute eine der lebhaftesten Deutschlands ist: Geislingen, Göppingen, Efs- lingen, Cannstadt. Von dort sind verschiedene Wege benutzt worden. Es kann hier nicht näher darauf eingegangen werden ^ Ich möchte jedoch hervorheben, dafs diejenigen, welche möglichst lange den Rhein benutzen wollten, über Schwieberdingen, Vaihingen, Schmie, Maulbronn, Bretten, Bruchsal nach Rheinhausen gingen, wo die Fähre sie über den Rhein nach Speier brachte*.

Diese beiden Routen von Ulm und Augsburg nach dem Mittelrhein . sind übrigens weit mehr als die Fortsetzungen des Fernpasses und des Brenners anzusehen, als der schweizerischen Pässe ^. Die Pilger zogen von Ulm über Gerlenhofen, Illertissen, Memmingen, Kempten, Nessel- wang, Pfronten, Vils, Reutte, Pafs Ehrenberg, Leernioos zum Fernpafs* und von da entweder über den Brenner oder durch das Vintschgau nach Venedig. Und denselben Weg schlugen auch die Kauf leute ein ; war doch der Ritter von Harff in der Gesellschaft zweier Kölner Geschäfts- leute, die nach Venedig zogen.

Der gröfste Teil des italienischen Verkehrs war ein Durchgangs- verkehr, und insofern Flandern das Ziel war, mufste der Rhein über- schritten werden. Es gab nun die Möglichkeit, vom Bodensee aus süd- lich den Schwarzwald oder ihn nördlich zu umgehen. In letzterem Falle kam der Weg über Ulm in Frage, Für die südliche Umgehung ergab sich die Richtung über Schaffhausen, Waldshut. Den Konstanzem, die r sich für den Verkehr der Italiener sehr interessierten, konnte weder jener.

^ Meiu in Karlsruhe und Stuttgart gesammeltes Material über diese verwickelten Ausmündungen des Kraichgaus und Bruhrains reicht doch nicht aus, um hier volle Klarheit zu schaffen.

^ Diese Orte mit Ausnahme von Maulbronn nennt der Pilger Arnold v. Harff. Die Pilgerfahrt des Ritters A. v. Harff, herausgeg. von Groote, Köln 1860 S. 5, und dieselbe Route giebt auch der Mainzer Domdechant von Breitenbach bei Röhricht u. Meisner, Deutsche Pilgerreisen nach dem hl. Lande 125 an. Ebenso passen der Wegweiser des Johann v. Zeibbeke 1499 und des Georg Languerrand 1486 auf diese Route. Anzeiger f. Kunde der teutschen Vorzeit 4, 275 f.

* Übrigens benutzten auch Konstanzer Kaufleute auf dem Wege zur Frank- furter Messe den Weg durch das Neckarthal. So wurden 1428 Leute von ihnen, wie von Augsburg, Ulm und anderen schwäbischen Städten von Konrad von Weins- berg in Sinsheim angehalten. Die Kauf leute dachten daran, nun die Frankfurter Messe zu boycotten, um den Adel zu beugen. Ruppert, Chroniken 133. Alt- mann 7364 f., 7582 und andere Quellen. Chroniken d. deutsch. Städte 22, 70 u. 481. Geleitsbrief von 1425, Schriften d. Ver. f Bodensee 5, 59.

* V. Harff S. 3. Breitenbach S. 126. Fabri, Evagatorium. Bibl. d. litter. Vereins 2, 66 ff. und 4, 461 ff. und viele andere Quellen.

Die Fortsetzungen nördlich des Bodensees. 391

noch dieser Weg passen. Jener berührte ihre Stadt überhaupt nicht, und dieser war ein Umweg im Vergleich zu den direkten Verbindungen, die zwischen Chur und Basel möglich waren. Nach Konstanz konnte der italienische Verkehr nur gezogen werden, wenn die Verbindung durch den Schwarzwald selbst hergestellt wurde.

Eine kunstgemäfs ausgebaute „Strafse" , welche den Kamm des Schwarzwaldes in der Richtung des Zuges der Schwarzwaldbahn, also zwischen Villingen und Hornberg überwand, hat es im Mittelalter nicht gegeben. Gleichwohl wurde der Weg benutzt. Schon 1298 zog der Abt von St, Gallen dem Könige Adolf in das Kinzigthal zu*, und es ist sehr wahrscheinlich, dafs der König selbst von Ulm aus diesen Weg nahm, um sich seinem Rivalen Albrecht am Rhein vorzulegen ^ Auf Benutzung durch Kaufleute deuten die Briefe, welche Nürnberg und Strafsburg 1384 wechselten, um die Veste Hornberg mit einem Hause zu bezimmern. Wie kämen diese beiden so weit entlegenen Städte darauf, wenn sie nicht den Verkehr hätten schützen wollen? Von Hornberg aus trennten sich die beiden Wege, welche wir später als „Frankfurter Strafsen" bezeichnet finden^. Die venetianischen Gesandten von 1492 schlugen, als sie von Strafsburg schnell nach Konstanz gelangen wollten, diese Richtung ein. Ihre Stationen waren Offenburg (Mittag), Haslach (Nacht), Hornberg (Mittag), Villingen (Nacht), Geisingen (M.) und Engen (N.), Radolfzell (M.) und Konstanz. Bei Villingen notierten sie : „auf dem Wege hierher fanden sich viele Höhen und Wälder und sehr schlechte Wege" und doch war es der 3. September^. Denselben Zug giebt ein Wallfahrts- büchlein, das sich auf der Strafsburger Stadtbibliothek befand, an*.

So viel wir sehen können, haben die Konstanzer an dem Bau der ersten Kunststrafse des Schwarz waldes keinen Anteil gehabt, aber sie haben dieselbe den Italienern empfohlen, und diese haben von ihr längere Zeit hindurch Gebrauch gemacht.

Der Bau dieser Kunststrafse geht auf die beiden Städte zurück, welche den Handel hüben und drüben des südlichen Schwarzwaldes zu beherrschen suchten, auf die zähringischen Gründungen Villingen und Freiburg*. Es war im Jahre 1310, als zwischen den beiden Städten Freiburg und Villingen, das offenbar die Anregung gegeben hat, der Bau

* Vgl. Busson, Wiener Sitzungsberichte Bd. 117 S. 53.

* Der eine östliche Weg ging von Hornberg über Reichenbach, die Benzebene, Krummen Schiltach, den Schoren, Mönchweiler nach Villingen, der andere berührte Niederwasser, Nufsbach, St. Georgen und Stockburg. Mitteil, von Prof. Dr. Roder in Überlingen.

' Simonsfeld, Reisebericht S. 270 f.

* Archiv f. Post u. Telegr. 14, 428.

^ Vgl. Roder, Die Verkehrswege zwischen Villingen und dem Breisgau.

392 Fünfunddreifsigstes Kapitel.

dieser Strafse verhandelt wurde und auch mit dem Landesherrn Villingens, dem Grafen Egon von Fürstenberg wurde alles geregelt. Noch war es zweifelhaft, welcher Strafsenzug gewählt werden sollet Die südlichere Linie, nicht die über Vöhrenbach, wurde gebaut, und zwar ging der Weg über Herzogenweiler auf Bregenbach zu, hier schon ganz in den unermefslichen Wäldern, welche den östlichen Hang des Schwarzwaldes bedecken. Am Wege erstand bald als Sperre die Burg Neufürstenberg. Durch das Thal Urach wurde dann die Höhe des Hohlen Graben ge- wonnen, eine Stelle, die in der Kriegsgeschichte namentlich des siebzehnten und achtzehnten Jahrhunderts eine aufserordentlich grofse Rolle spielt. Es war der für das Militär wichtigste Pafs. Vom Hohlen Graben hätte es am nächsten gelegen, durch das Wildgutachthal das Simonswälder- und Elzthal, somit Waldkirch zu gewinnen. Allein dann wäre der Verkehr eben von Freiburg abgelenkt worden, und das zu verhindern, war die Stadt äufserst bemüht: sie brachte 1316 den kurzsichtigen Freiherrn von Schwarzenberg zu der Verpflichtung, dafs durcli das Simonswälder- thal nie eine Strafse gebaut werden dürfe-. Die neue Strafse hielt sich also bis St. Märgen auf der Hochfläche. Bei diesem Kloster behielt sie nun nicht die natürliche Richtung bei, die durch das Glotterthal auf Denzlingen führte, sondern abermals Freiburg zuliebe, lenkte sie zur Linken und führte durch das Wagens teigthal" ^ unterhalb der Burg Wisneck vorbei in das breite fruchtbare „Himmelreich" am oberen Ende des Dreisamthals und von dort nach Freiburg.

Der Zolltarif von 1310 erwähnt ebensowenig wie der von 1381* den Durchpafs von italienischen Waren, er begünstigt natürlich die Erbauer der Strafse Villingen und der von 1381 auch Freiburg. Italiener kann ich in dieser Zeit auf dem Wege nicht nachweisen, aber wie wenig wissen wir überhaupt von dem, was auf den mittelalterlichen Strafsen vorging!

Die neue Strafse konnte den älteren Weg nicht völlig niederlegen. 1302 hatten Konstanz und drei mit ihnen verbundene Städte von dem Grafen Egen von Freiburg und seinem Vetter Heinrich von Fürstenberg erreicht, dafs beide sich bereit erklärten, für diese Strafse einen (leider nicht erhaltenen) Geleitsbrief zu besiegeln*, ja der alte leerte sie sogar wieder. Dieser Weg führte von der südlichen Baar über Löffingen und Neustadt, zwei Städtegründungen des dreizehnten Jahrhunderts nach der

» Fürstenb. Urkb. 2 Nr. 51. Roder 510 f.

2 Roder S. 521.

8 Der Name hiefs ursprünglich »Wagcnatat* , so schon 1125. St. Galler Urkb. 3, 1125.

* Fürstenb. Urkb. 2 Nr. 496.

'^ Zeitschr. Gesch. Obcrrh. 4, 57 u. 4,55. Die Datierung ist immerhin un- sicher. Triflft sie zu, so kann es sich nur um den alten Weg handeln.

Die Fortsetzungen nördlich des Bodensees. 393

Wasserscheide des „Altenweg" ^ am Titisee und trat dann in das wegen seiner Schönheit weltbekannte Höllenthal. Wer dieses Thal einmal nach Hochwasserverwtistungen gesehen hat, weifs, wie übel der dort liegende Weg im Mittelalter sein mufste^. Beherrscht wurde die Strafse durch die Burg der Ritter von Falkenstein fast am Ausgange zum Himmelreich. Von da ab war der Weg mit dem von der Wagensteige kommenden vereint. Der Zoll, den die Grafen von Fürstenberg auf dieser Strafse erhoben, lag in Neustadt.

Die Strafse über den Hohlen Graben wurde Ende der siebziger Jahre des vierzehnten Jahrhunderts erneut, nachdem beide Städte ihre Herren gewechselt hatten, Villingen hatte sich den Grafen von Fürstenberg, Freiburg deren Vettern, den Grafen von Freiburg, entzogen und sich der österreichischen Herrschaft unterworfen. Beide Städte fanden auch in ihren Strafseninteressen Förderung durch die österreichischen Herzöge. Leopold HI. liefs sich um 1379 von König Wenzel mit der Strafse be- lehnen^, und zwischen den beiden Städten wurde 1379 nun abgemacht, dafs sie auf immer die Strafse unterhalten und alle Abwege abschneiden wollten*. Daran haben die Städte mehr als 200 Jahre festgehalten. Auch mit Graf Heinrich von Fürstenberg wurde alles geregelt^. Der Zoll von Urach, der den Grafen von Fürstenberg gehörte, wurde zwei Jahre später neu reguliert, und es wurde der Tarif nun ganz bedeutend, mitunter um das Sechs-, ja das Achtfache herabgesetzt®. Die Ermäfsigung für die Villinger wurde auch auf die Freiburger ausgedehnt.

Daneben blieb auch die Strafse von Neustadt bestehen, die auch von Villingen noch benutzt wurde''; um sie sicherer zu machen, wurde am 5. Dezember 1388 von den Freiburgern das Raubnest Falkenstein ge- brochen. Ihre Nähe mufste auch die Wagensteige beunruhigen.

So war eine Saumstrafse durch das Höllenthal den Italienern offen der Verkehr über dieselbe wurde 1381 ausdrücklich offen gelassen , weiter, aber viel bequemer und sicherer war die Strafse über den Hohlen Graben, auf der nach dem Vertrage von 1381 zwei Wagen aneinander vorbei fahren konnten. Auf ihr dürften die Italiener gezogen sein, die uns aus den Verhandlungen mit Konstanz nun bekannt werden, doch

* Nach Krieger, Typogr. Wörterbuch v. Baden erscheint dieser Name zuerst 1316.

•-* Vgl. auch Bär, Chronik 217 f. 3 Roder 515.

* Fürstenb. Urkb. 6 Nr. 78, 1. Roder 515.

^ Regest Fürstenb. Urkb. 6 Nr. 78 und genauer Roder 515.

« Fürstenb. Urkb. 2 Nr. 496. Abdruck (falsch zu 1380) bei Schreiber 2, 25.

■^ Roder 514 zeigt, dafs die Zollsätze, die 1840 die Villinger für Neustadt an- erkannten, wesentlich höher waren als die auf dem neuen Wege von 1310. Dieser Weg mufs also von ihnen nicht mehr benutzt sein.

394 Fünfunddrcifsigstes Kapitel.

sah auch das Höllenthal Lombarden. Wernher von Falkenstein stand in dem grofsen Städtekriege von 1388 auf Seiten der Herren, er hielt sich nun für berechtigt, auch Bürger, die mit dem Städtebund nichts zu thuii hatten, von der Burg, an der er übrigens nur einen kleinen Teil hatte, zu berauben, er vergriff sich auch an Leuten aus Lamparten und Flandern ; dem Boten Peters von Mailand nahm er über 70 fl. Wert, Georius von Pala von Flandern 140 fl., Künigkin dem Lamparter ftlr 60 fl. Gold- und Silberfeden. Ein Knecht, der von Köln nach Como gesponnene Goldfaden brachte, wurde gleichfalls beraubt, auch der Pilger schonte er nicht. So waren acht Pilger: zwei aus Holland, zwei aus Flandern und vier aus England beraubt. Schliefslich ging den Freiburgern die Geduld aus, unerwartet zogen sie vor die Burg und zerstörten sie (1388) ^ Die Wege über Triberg und Schramberg zum Kinzigthale haben, so viel ich sehen kann, einem grofsen internationalen Verkehre nicht gedient Diese Waren berührten auf dem Wege von Konstanz nach Strafsburg wohl fast stets Freiburg und zumeist auch Villingen.

Der Zustand, wie er 1388 eingerichtet war, wurde 1429, soweit Rechte der Grafen von Fürstenberg in Frage kamen, nochmals von der Stadt Villingen beurkundet^. Ein anderer Raubritter brachte die Mai- länder noch weit mehr auf, als der Falkensteiner. Es war der Junker von Stoffeln, der dicht bei Radolfzell Waren 46 Ballen und zwei Packe -r- englischer Wolle und aufserdem ein Fardel wegnahm, die Mailänder und Comasker Kaufleuten gehörten. Der Fall ist für uns von grofser Be- deutung, weil wir aus dem Briefwechsel nun ersehen, dafs die Konstanzer und auch einige der Geleitsherren den Mailändern schriftliche Zu- sicherungen gemacht hatten.

Die That war innerhalb des Geleites® des Grafen von Nellenburg wohl dicht bei der Burg Hohenstoffeln, die auf einem der Porphyrkegel des Hegaus sich erhob, geschehen. Der Thäter, ein Glied der Familie von Stoffeln, die 1356 auch die Mörder des Bischofs Johann Windlock von Konstanz gestellt hatte*, deckte sich gerade wie der Falkensteiner durch das Recht der Fehde, er erklärte sich fl\r einen Diener des Grafen Eberhards des Greiners von Württenlberg. Der von Stoffeln hatte aber noch weniger Recht; war doch durch den Egerer Landfrieden der Friede zwischen den Herren und Städten wieder hergestellt. Er erklärte, er halte das Gut für Gut des Bundes von Konstanz, also wohl des Bundes der Städte am See. Der Graf von Nellenburg hatte, wie aus dem

* Die Belege Schreiber, Urkunden buch von Freiburg 2, 59 83.

2 Fürstenb. Urkb. 3 Nr. 202 und 1 u. 2. Weitere Nachrichten über die JStrafse bei Köder.

' £s wurde ein Geleitsgeld dafür erhoben. S. Urkunden Nr. 334.

* Ruppert, Chroniken S. 63.

Die Fortsetzungen nördlich des Bodensees. 395

ichreiben der Kaufraannschaft an den Grafen hervorgeht * den Italienern ahriftliche Zusicherungen gemacht. Aber er war ebensowenig zu einem nergischen Vorgehen bereit, wie die Stadt Konstanz.

Dürfen wir nach den einseitigen Mailänder Nachrichten urteilen, so lefs es allerdings Konstanz an aller Energie fehlen. Dem auf Hohen- toflfeln war freilich schwerer beizukommen als den Leuten auf Falken- tein. Die Konstanzer verweigerten den Eid, dafs das Gut nicht ihrem iunde gehöre, einem Feinde wollten sie keinen Eid leisten. Alle Briefe jiovan Galeazzo Viscontis * fruchteten so wenig, dafs schliefslich den Mai- ändern die Geduld ausging.

Während des Krieges zwischen den Eidgenossen und den Öster- •eichern war der St. Gotthard für sie gesperrt gewesen, sie hatten sich luf die 3ündner Pässe, auf Konstanz und die Schwarzwaldstrafse ein- gerichtet. Seitdem aber im April 1389 wenigstens ein Friede auf sieben Jahre geschlossen war, konnte der Gotthard wieder benutzt werden. Die natürlichen Vorzüge des Gotthards machten sich geltend, und Kon- stanz konnte sein Strafsensystem nur behaupten, wenn es sich energisch der italienischen Freunde annahm. Sollte das nicht der Fall sein, so sollten die Gesandten, die Mailand jetzt, nachdem durch Korrespondenz nichts erreicht war, abschickte, Konstanz verlassen und mit den Eid- genossen abschliefsen.

Die Instruktion derselben ißt uns erhalten®. Zuerst sollten die Ge- sandten den Versuch machen, in Konstanz Ersatz für den erlittenen Schaden zu erhalten und ferner für die Zukunft eine bindende Zusicherung für die Sicherheit des Weges. Die weiteren Paragraphen beweisen, dafs bei den Mailändern weder die Hoffnung, das von Konstanz zu erhalten, noch der Wunsch danach sehr grofs war. Für die Gotthardlinie sind eine Menge von Punkten angegeben, die geregelt werden sollten.

Am 23. Mai 1391 trafen von Luzem her die beiden Gesandten, Komerius de Suane und Paginus de Alzate, in Konstanz ein^. Da der Graf von Nellenburg auf einem Ritt nach Prag abwesend war, mufsten die Gesandten bis zur Rückkehr warten, obwohl sie erklärten, sie wollten Sicherheit von Konstanz, mit dem Grafen von Nellenburg wollten sie nichts zu thun haben, auch wenn er ihnen hundert Briefe gäbe. Als er

^ Urkunden Nr. 28. Vom gleichen Tage Briefe an die Stadt Konstanz und den von Stoffeln. Urkunden Nr. 29 u. 80.

2 An die Stadt und den Grafen von Neuenbürg vom 12. Dezember 1390. Ur- kunden Nr. 31 u. 32.

' Urkunden Nr. 35. Undatiert.

* Vgl. ihren Bericht vom 4. Juni. Urkunden Nr. 36. Nach der Instruktion war ein Franciscus de Alzate gefangen, wo ist nicht angegeben. Die Gesandten sollten sich um seine Freilassung bemühen.

396 Fünfunddreifsigstes Kapitel.

zurückgekehrt war, wollte der Rat mit einem Boten die Mailänder zu dem Nellenburger und dem Grafen Heinrich IV. von Fürstenberg schicken, der bis dahin keinen Sicherheitsbrief und namentlich keinen in Verbin- dung mit dem Nellenburger hatte geben wollen. Damit waren die Ge- sandten aber keineswegs einverstanden; sie wollten mit ihnen durchaus nicht verhandeln, das sei Sache der Konstanzer; wenn diese ihnen Sicherheit gäben, seien sie es zufrieden. Der Rat trat erneut zusammen. Er kam zu dem Schlüsse, den Mailändern gegenüber nicht die Garantie für die Schäden zu übernehmen. Thäten sie das, so würde der Strafsen- raub sich steigern, weil sie und nicht die Mailänder den Schaden hätten. Mit dem Vorschlage, dafs Konstanz mit den beiden Geleitsherren ver- handele und von ihnen Garantie für alle zukünftigen Schäden erwirke, waren die Boten einverstanden, und die Konstanzer schickten aus ihrer Mitte nun Gesandte an die beiden Herren des Hegaus und der Baar. Die Mailänder hofften, dafs es gelingen werde, aber doch nicht, um an diesem Wege immer festzuhalten. Sie waren insbesondere besorgt für die im Augenblick in Strafsburg liegenden Ballen. Das Motiv ist nicht ganz klar. Bei den Ballen seien keine starken Pferde, auf einem andern Wege würden sie vielleicht zusammenbrechen, also müfsten sie über den Schwarzwald.

Konstanz hatte sich also nicht zu jener generellen Garantie bereit erklärt, nur auf dem See von Radolfzell bis Rheineck wollte die Stadt Bürgschaft gegen die Räubereien übernehmen, nicht aber war sie bereit, auch die Gefahren des Wassers zu tragen.

Was weiter erfolgt ist, wissen wir nicht. Die Quellen schweigen darüber. Dafs zwei Mailänder Kaufleute sich 1392 vom Herzoge Leo- pold von Österreich einen besonderen Pafs für den Transport von Strafs- burg durch sein Gebiet erbaten, erklärt sich wohl durch die Masse der Waren. Nicht weniger als 1000 Ballen Wolle und Tuche wollten sie in verschiedenen Zügen fortbewegen^. Vierunddreifsig Jahre vergehen, bis wieder ein Zeugnis über Verhandlungen zwischen Italien und Konstanz sich findet, die bestimmt diese Strafse betrafen. Aber gewifs war sie darum nicht völlig verlassen, zumal in den Tagen des Konzils. Dann allerdings mufs es auf ihr still geworden sein; denn, nachdem die Strafse: »eite wie vil jere uxfisie gelegen^, hatte die Stadt Konstanz im Jahre 1424 mit den Grafen und Herren ihrer Nachbarschaft abgemacht, dafs sie die Kaufleute und ihr Gut sicher geleiteten, damit die Strafse

* Urkunde vom 22. Juni 1392. Das Datum ist Freiburg, spricht schon das für den Weg Freiburg-Ronstauz , so noch mehr, dafs der Brief in dem Konstanzer Formelbuch erhalten ist. Z. Gesch. Oberrh. 4, 32 f. Andere „Nahmen", welche den Verkehr in Oberschwaben hinderten, übergehe ich. Ein Pappenheimer unterbrach z. B. 1405 den Verkehr zwischen Köbi und Venedig. Pick, Monatsschrift 1, 114.

Die Fortsetzungen nördlich des Bodeusecs. 397

wieder aufgehe und geübt und gehalten werde. Dieses Mal hatten die Grafen und Herren Briefe ausgestellt, die trotz eifriger Nachforschungen aufzufinden mir nicht gelungen ist. Auch Strafsburg hatte sich an den Verhandlungen beteiligt. Abermals war der Gotthardpafs für den Ver- kehr gesperrt, eben waren bei Arbedo die Eidgenossen vom Grafen von Carmagnola, dem Feldhauptmann Filippo Maria Viscontis aufs Haupt geschlagen.

Auf dem See hatte Konstanz die Bürgschaft gegen Räubereien über- nommen. Das führte zu ernsten Ungelegen h ei ten. Als 1425 ein Kauf- mann von Mailand von Norden her nach Konstanz kam, und er dann seine Waren zu Schiff See aufwärts gehen liefs, erfuhren die Konstanzer, dafs einige von Luzern, wo die Bürger über ihre Niederlage gegen den Herzog von Mailand aufs höchste aufgebracht waren, auf die Kaufleute warteten ^ Es drohte eben ein Krieg der Eidgenossen gegen Mailand. Auf die Warnung hin wurde das Schiff eingeholt, gewendet, und es ent- kam so den Räubern. Luzern aber war unzufrieden , die Konstanzer hätten die Güter aufserhalb ihrer Gerichte zurückgenommen, und da hätten die von Luzern nach Kriegsrecht darauf Anspruch gehabt. Fünf- zehn von Luzern kündigten den Konstanzern Fehde an, und erst nach langer Verhandlung ward der Handel beigelegt. Behauptete Konstanz sein Schutzrecht?

Auch für Florenz hatte Konstanz die Garantie für den Verkehr auf dem See übernommen. Wie kam es, dafs die Stadt, die eben erst (1406) mit Pisa den besten toskanischen Zugang zum Meere gewonnen hatte und sich auch anschickte, die Verbindungen zur See auszunützen, sich nun auf einmal wieder dem Landhandel, durch den es grofs geworden war, zuwenden wollte?

Im Mai des Jahres 1409 war ein Schiff, die Nottona, die für Florenz Wolle und Tücher im Werte von 130000, nach anderer Nachricht gar von mehr als 200000 Goldgulden, Eigentum von Florentiner auch Ge- nueser Händlern, an Bord hatte, von der Flotte des Königs von Neapel, Ladislaus von Durazzo, die Elba weggenommen hatte, angehalten und nach Gaöta verbracht, auch ein mit Getreide beladenes Schiff wurde gekapert. Bei jener Wegnahme hatten sich auch Genueser Schiffe be- teiligt, da diese Stadt Zoll verlangte-. Es war also eine Erneuerung

^ Die Korrespondenz mit Strafsburg und Luzern s. Urkunden Nr. 819—323 und Ruppert, Chroniken 124, jedoch zum Jahre 1423. Notiz im Ratsbucli ebda. S. 892. Weitere Aktenstücke Samml. eidgen. Abschiede 2, 48 f. Nürnberg Kreis- archiv Brief b. 7 Fol. 64.

- Nach den Lettere ad ambasciatori , der Chronik des Morel li S. 358, Ser- cam bi (ed. Bor^i in Fonti per la storia d'Italia 21, 150) und den Annales Estenses des Jakob de Delayto (Muratori SS. rer. Ital. 18, 1090). Auf einzelne dieser Quellen hatte Morpurgo die Güte, mich aufmerksam zu machen,

398 Ffinfünddreifsigstes Kapitel.

des Falles von 1404, wo der französische Marschall Boucicault, der Statthalter König Karls VI. in Genua, ein mit Wolle beladenes Schiff der Florentiner im Werte von 200000 Goldgulden hatte wegnehmen lassen. Damals war Pisa noch nicht in die Hände der Florentiner gefallen, und der Marschall verbot ihnen die Benutzung des Hafens von Tela- mone^ In dem Gefühle, trotz des Besitzes von Pisa gegen Neapel, Genua und Frankreich nicht aufkommen zu können, da zugleich der Landweg über Frankreich nach England verschlossen war, suchte Flo- renz einen „Notausgang" und entschlofs sich, Gesandte nach Venedig und Deutschland zur Sicherung dieses Weges zu entsenden. Piero Cam- bini und ser Bartolomeo del Bambo Ciai sollten mit allen Herren und Städten, die wichtige Strafsen beherrschten, verhandeln, sie sollten die Abgaben möglichst herabdrücken und die Stadt nicht in irgend einem Punkte binden 2. Die Gesandten, deren Relationen leider in Florenz, wo ich sie eifrigst suchte, nicht mehr erhalten sind, kamen auch nach Konstanz, und die Stadt bewilligte ihnen sicheres Geleite auf dem See von Lindau bis Konstanz, eine besondere Herabsetzung der Abgaben erreichten die beiden Florentiner nicht. Im übrigen wurden schon im September 1409 die Franzosen aus Genua vertrieben.

Natürlich haben auch Venetianer Konstanz auf ihren Reisen be- rührt^, doch war da wohl der Arlberg der Weg.

» Perrens 6, 136.

2 Instruktion vom 14. September 1409. Urkunden Nr. 275. Das Beglaubigungs- schreiben an Konstanz vom 20. September und die Zusicherungen von Konstanz vom 11. Dezember Zeitschr. f. Gesch. d. Oberrheins 4, 41. Letztere auch Ruppert, Chroniken S. ^5. Eine andere Fassung, die gleichfalls aus dem Formelbuch des Konstanzer Stadtschreibers Schultheifs herrührt, Urkunden Nr. 832. Dafs die Handschrift zwei Formeln enthält, macht es immerhin zweifelhaft, ob die Sammlung unter der grofsen Zahl ihrer wertvollen Stücke nicht noch mehr solche Entwürfe enthält.

' So meldet Karl IV. denen von Konstanz, dafs er die Venetianer wieder in Schutz genommen und giebt den Befehl, sie zu schützen. Gleicher Befehl nach Nürnberg und Augsburg. Böhmer, Acta imperii Nr. 861.

Zweiter Teil.

DER STi GOTTHARD UND SEINE ZUGÄNGE.

Sechsunddreifsigstes Kapitel.

Die Nordseite des Ootthards von Urseren bis Lnzern vor allem

im vierzehnten Jahrhundert.

Politischer Hintergrund , Kampf der Eidgenossen tcider Österreich bis zur Weg^ nähme des Aargaus 1415. Verkehrseinrichtungen. Zölle zu Fluelen, Luzem, Eoihen» hurg. Organisation der Säumerei, Instandhaltung der Strafse^ Hospiz. Verhandlungen von Mailand und Venedig. Mailänder Gesandtschaft van 1314. Vetiedig. Karl IV, und die Sperre gegen die Viscontis. Der Streit Burkhards Münch von Laiidskron mit Mailand und Venedig. Der Baseler Diplomat und Wirt Sintze, Der Streitfall des Galwan Scherer von Luzern,

In durchaus friedlichen Tagen hätte der St. Gotthard allen anderen Pässen der Nachbarschaft die schwerste Konkurrenz bereitet, für diese traten nur dann glänzende Zeiten ein, wenn wieder wie einst Krieg den Gotthard sperrte. Das aber war bis zum zwanzigjährigen Frieden ▼on 1394 sehr oft der Fall, noch mancher schwere Kampf kam über die junge Eidgenossenschaft, bis sie sich ihre Unabhängigkeit von Österreich erkämpft hatte.

Die Schlacht am Morgarten war auch für König Ludwig ein Sieg gewesen, er lenkte naturgemäfs in die Bahnen seiner Vorgänger Adolf und Heinrich wieder ein; er entzog die drei Thäler den Habsburgem, stellte sie unter das Reich and gab ihnen ganz gleiche Privilegien, als ob ihre Entwickelung nicht von ganz verschiedenen Momenten ausge- gangen wäre. Dafs er ihnen 1323 noch einmal einen Reichsvogt be- stellte, war nur zum Schein, Graf Johann von Aarberg mufste erst die gröfsten Einschränkungen anerkennen, ehe ihm gehuldigt wurde. Ein solcher Vogt hatte in diesen unabhängigen Republiken nichts zu sagen. Nicht allein das Haus Habsburg, sondern auch das Reich hatte nunmehr in den Thälern keine Gewalt mehr, wenn es auch durchaus richtig ist,

400 Sechsunddreifsigstes Kapitel.

dafs die Eidgenossen sieh noch immer als zum Reiche gehörig be- trachteten.

Der Kampf um den deutschen Königsthron hatte die Habsburger nach der Niederlage am Morgarten von den Eidgenossen abgezogen, hier wurde ein Waffenstillstand geschlossen, der wiederholt verlängert wurde. Schon in diesen Verträgen tritt die Rücksicht auf den St. Gotthardver- kehr hervor, einerseits suchen die Eidgenossen sich die Wege zu den nächsten Märkten Luzern, Zug und Interlaken zu sichern, andei:erseit8 wurde bestimmt, dafs männiglich die alte und rechte Strafse fahren und die Zölle nach alter Gewohnheit geben solle ^. Inzwischen waren die Luzerner mit ihren Waren durch GraubUnden gegangen, wo sie von Jakob von Marmels 1317 ftir die österreichische Herrschaft gepfändet wurden, was jedoch als Unrecht erkannt wurde ^. Die Interessen für den Pafsverkehr haben wohl mit dabei gewirkt, als 1327 und 29 die drei Thal- Bchaften einem Bündnisse beitraten, das die wichtigsten rheinischen Städte oberhalb Mainz, Überlingen und Konstanz eingeschlossen, mit Zürich und Bern verband^.

Die österreichische Macht wurde gegen die Urkantone wieder frei, als die Herzöge mit dem Kaiser Ludwig ihren definitiven Frieden schlössen. Diese ernste Gefahr wurde aber dadurch gemildert, dafs Luzern unter Vorbehalt aller seiner Pflichten gegen das Haus Österreich November 1334 mit den drei Waldorten einen ewigen Bund einging. Dieselben wirt- schaftlichen Interessen und politischen Tendenzen hatten Luzern be- stimmt, wie einst die drei Waldstätte: Loslösung von der Beamten- gewalt des Vogtes von Rothenburg, Selbstverwaltung und Beherrschung des Verkehrs mit den Waldstätten, d. h. mit dem St. Gotthard. Der Bund führte zu Kämpfen, die Unruhen im Sommer 1334, wie Winter 1336 wurden jedoch durch einen Vergleich bald beigelegt.

Ein wirklich ernster Kampf, der den St. Gotthard mindestens für ein Jahr sperrte, rief das Bündnis, das Zürich Mai 1351 abschlofs, her- vor. Der Bürgermeister Brun, das Abbild der Viscontis auf schweize- rischem Boden, suchte einen Rückhalt für die von ihm beherrschte Stadt an den gleichfalls von Österreich bedrohten Eidgenossen. Auch in diesem Bündnisse begegnen uns die Verkehrsstrafsen; der Plattifer an der Gott- hardsirafse ist der südlichste Punkt, im Norden bildet von der Grimsel die Aare, dann die Thur die Grenze. Zürich und Uri sicherten ihre Verkehrsinteressen ^.

^ Eidgen. Abschiede 1, 245. 2 Urkunde bei Kopp 4, 2, 467. ' Eidgen. Abschiede 1, 253 u. 55. * Dierauer 1, 192.

Die Nordscite des Gotthards von Urseren bis Luzem u. s. w. 401

Der Kampf 1)egann im Spätsommer 1351, der sogenannte Branden- burger Friede (September 1352) eröflFnete eine kurze Friedenszeit, in der auch Bern mit den Waldstätten seinen Bund abschlofs, ohne den mit Öster- reich aufzugeben. Das Jahr 1354 sah dann die wunderbare Verbindung eines deutschen Königs mit den Habsburgern in der Bekämpfung der Eidgenossen, aber Karl IV. hielt nicht lange aus; als Zürich die Reichs- fahne aufzog, war für ihn der Streit beendet. Auch die Habsburger schlössen August 1355 den Regensburger Frieden ab.

In dieser Periode hatte die Eidgenossenschaft ihre werbende Kraft bewährt, die beiden wichtigsten Reichsstädte der schweizerischen Hoch- ebene, Zürich und Bern, hatten sich ihrem Bunde angeschlossen. Bür- gerliche hatten sich mit bäuerlichen Gemeinwesen zu einem sehr lockeren, aber innerlich kräftigen Bunde vereinigt. Die Kraft strömte ihm zu von den Urkantonen, und sie waren und blieben noch die Träger der Ideen, die die Eidgenossenschaft grofs gemacht hatte: der Selbstverwaltung. Auch die Habsburger haben ihre Macht noch ausgedehnt, und Karls IV. Schwiegersohn, der phantasiereiche, äufserst ehrgeizige Rudolf IV., hat seinem Schwiegervater gar zugemutet, ihn zum König der Lombardei zu machen.

Dem friedlichen Verkehr kam unzweifelhaft sehr zu gute der Bund, den Zürich 1356 auf fünf Jahre mit dem österreichischen Landvogt schlofs. Der Regensburger Friede und diese Schwenkung Zürichs hatten die Kraft der Eidgenossen gefesselt, die Gunst, welche Karl IV., der mit seinem Schwiegersohne Rudolf IV. sich verfeindete, der Eidgenossen- schaft zu teil werden liefs, löste sie wieder, und so wurde die Wegnahme von Zug (Juni 1364) der Anlafs zu neuen Beunruhigungen, doch stillte der sogenannte Torbergische Friede 1368 den drohenden Kampf. Zur Sicherung des Landfriedens schlofs die nun, von Bern abgesehen, sechs Kantone umfassende Eidgenossenschaft die Übereinkunft, welche den Namen „PfaflFenbrief* trägt. In ihm steht auch die Bestimmung, dafs alle, die die Strafse von der stiebenden Brücke bis Zürich fahren, sie seien fremd oder heimisch, sicher sein sollen. Geschehe dagegen etwas, so sollen alle Eidgenossen beholfen sein, die Sache zu begleichen^.

Zu dem bedeutendsten Zusammenstofs kam es in den Tagen Leo- polds UI., dessen glänzende Eigenschaften ein Konstanzer Chronist ge- priesen hat^. Seine Macht dehnte er immer weiter aus und bemtLhte sich eifrig, die doppelte Gegnerschaft, der schwäbischen Städte und der Eidgenossenschaft, zu teilen, als die Stadt Luzem den Stein ins Rollen brachte. In den allgemeinen Tendenzen, die diese noch immer

» Eidgen. Abschiede 1, 302. 2 Kuppert, ChroDikeu 94 f. Schulte, Gesch. d. mittelalterl. Handels. I. 26

402 Sechsunddrei fsigstes Kapitel.

österreichische Stadt bestimmte, spielt sehr wahrscheinlich die Behandlung der Luzerner auf der Gotthardstrafse eine Rolle. Herzog Rudolf IV. hatte 1361 der Stadt für alle Zeiten Zollfreiheit vom St. Gotthard über Land bis an die Fluh von Reiden und über Wasser bis gen Windisch gewährt Wenn damit die Zölle von Brugg und Reiden vielleicht auch nicht betroffen waren, so konnte von ihnen jedoch kein solcher mehr in Rothenburg erhoben werden, wo eben ein habsburgischer Zoll begründet war, und gerade diesen Ort befestigte der Herzog Leopold, und möglich ist es auch, dafs das Zollprivileg Rudolfs IV. von dem dort residierenden Vogt nicht anerkannt wurde ^. Der einzige leider undatierte Rothen- burger Zolltarif gesteht den Luzernem wohl niedrige Zollsätze, aber keine Zollfreiheit zu, steht also mit dem Privileg von 1361 in Widerspruch. Der Entscheidungskampf flackerte an der Verkehrsfrage auf. Am 28. Dezember 1385 wurde Rothenburg von den Luzernern erstürmt Die Schlachten von Sempach und Näfels entschieden gegen Österreich. April 1889 wurde ein siebenjähriger Friede geschlossen, dem Juli 1894 ein zwanzigjähriger folgte.

Die österreichische Herrschaft war jetzt definitiv abgewiesen, nicht allein die Urkantone waren ausgeschieden, nicht allein gehörten jetzt auch Glarus und Zug zur Eidgenossenschaft, das freie Luzern hatte auch von dem Landbesitze der Österreicher viel weggenommen. Mit dem Amte Rothen- burg und Sempach hatte es die Fortsetzung der St Gotthardlinie bis fast zum Eintritt in das Wiggerthal gewonnen. Auch diese Frieden enthielten wieder Bestimmungen über die Öffnung der Strafsen für beide Teile.

Während dieses zwanzigjährigen Friedens reckte sich die Eid- genossenschaft auf friedlichem Wege. Durch Land- und Burgrechts- und andere Verträge schlössen sich die nächsten Herrschaften an die Eid- genossenschaft oder einzelne Glieder an, durch Kauf wuchs der Bereich von Zürich und Bern, und schon kamen die ersten Verträge mit Walli- sern und Bündnern zustande, welche auch die Systeme der anderen Pässe zu beeinflussen begannen. Besonders wichtig war das Burgrecht zwischen Uri und Urseren von 1410^, wodurch auf dem Gotthard selbst Uri die Gewalt gewann. Der Kampf um Appenzell schuf ein zweites Centrum demokratischer Art, doch mufste sich dieser Ort wie St Gallen mit einer abhängigen Stellung begnügen. Man wollte sich nicht durch das Ungestüm der Appenzeller in lästige Konflikte verwickeln lassen. Das Entscheidende war doch, dafs gerade an der Stelle, wo die Brücke zwischen dem nunmehr österreichischen Tirol und den Vorlanden ge- schlagen werden mufste, eine Filiale der Eidgenossenschaft entstanden war.

* Dierauer 1, 811. Die Klagen derLuzenier, Archiv f. Schweiz. Gesch. 17, 2, 93. 2 Gcschichtsfreiind 11, 187.

Die Nordseite des Gotthards von Urseren bis Luzem u. s. w. 403

Aber noch immer war die Sache der Habsburger nicht hoffnungslos, noch immer besafsen sie die beherrschende Stellung an dem hydrogra- phischen Thore der Schweiz; dicht mit wehrhaften Städten und Burgen bedeckt, bedrohte die Herrschaft im Aargau die Pforte von Luzem und flankierte Zürich. Das Gebiet der acht Orte war noch weit davon ent- fernt geschlossen zu sein. Bis dahin hatten die Eidgenossen in harten, heroischen Kämpfen ihre Unabhängigkeit gewonnen und verteidigt, ihrer Vaterlandsliebe, militärischen Tüchtigkeit, ihrem Mute hatten sie die Siege zu verdanken, nicht dem Glücke. Ein Glücksfall aber trug ihnen die Eroberung des Aargaus ein. Herzog Friedrich hatte sich mit Papst Johann XXHI. verbunden, das Konzil zu Konstanz zu sprengen. König Siegmund erwies sich der Lage gewachsen, er hielt das Konzil zusammen ; gegen Friedrich, seinen alten Gegner, ging er aber viel zu scharf vor. Er gab der Acht, der so oft deutsche Fürsten sonst gespottet, ernsthafte Exekutoren, indem er die Eidgenossen aufrief; er weckte Geister, die er sehr bald nicht mehr bannen konnte. Die Eidgenossen zögerten, sie hatten eben noch mit Österreich einen Frieden auf ftinfzig Jahre ge- schlossen, aber der Kaiser gebot bei der Pflicht gegenüber dem Reiche. Auch er meinte, die Eidgenossen wider das Haus Habsburg verwenden zu können, ohne sie dem Reichskörper zu entfremden. Fast ohne Schwertstreich wurde der Aargau überwunden: der tolle Streich des Herzogs hatte das Vertrauen in die Herrschaft erschüttert, die Feinde kamen von allen Seiten, so fehlte der Glaube für eine rechte Sache zu kämpfen, und nur auf dem Stein von Baden und in dieser Stadt kam es zu einem Widerstände, der der Tapferkeit der Eidgenossen entsprach. Als sich dann aber Friedrich unterwarf, meinte Siegmund die den Eid- genossen zugesicherte Beute zurückgewinnen zu können. Es war eine Täuschung, dem Kaiser versagten die Eidgenossen den Gehorsam, schliefslich wurde in der Form von Pfandschaften die Abtretung des Aargaus verhüllt; die Welt konnte glauben, dafs sich nicht viel ver- ändert hatte. Aber die Lage war völlig umgestaltet, die Herrschaft der Eidgenossen hatte quer über die schweizerische Hochebene einen Riegel gelegt und hatte im Juradurchbruche das Ufer des Rheins erreicht. Die gewonnenen Gebiete wurden nicht als gleichberechtigte Orte angegliedert, sondern es waren Herrschaften, die von den Eroberern zum Teil ge- meinsam, zum Teil getrennt regiert wurden. Und damit war die Rege- lung des Verkehrs auf den Wegen, die zum Gotthard führten, in die Hände mehrerer Orte gegeben. Die Geschichte dieser Wege ist von 1415 ab zum grofsen Teil in den Abschieden der Eidgenossenschaft zu lesen. Machen wir hier zunächst Halt!

Wenden wir nun unsere Blicke zunächst der Geschichte der älteren Verkehrseinrichtungen auf dem St. Gotthard zu.

26*

404 Sechsunddrei fsigstes Kapitel.

Von den Zöllen ging der ReichszoU von Flüelen langsam in den Besitz der Thalgemeinde über. Sein Pfandherr, Graf Wernher von Homberg, der Reichsvogt Heinrichs VII., hatte sich auf die Seite der Habsburger gestellt, und so konnte Ludwig der Bayer nach dem Tode Wemhers den Reichszoll von Fltielen für ein heimgefallenes Lehen er- klären, obwohl die Habsburg -Laufenburger sich als Erben betrachteten und Friedrich der Schöne das Erbrecht anerkannt hatte, und ihn zunächst seinem Marschall, dann dem Landammann von üri, dem Freiherrn von Attinghausen, verpfänden; der Besitz wanderte dann in kleinen Losen in den Besitz seiner Nachkommen, die Namen Simpeln, Silenen, Mos beweisen uns seine Verwandtschaften. Die kleinen Anteile erwarb nach und nach der Stand Uri. Daneben erscheinen noch immer die Grafen von Habsburg- Laufen bürg mit Rechten und Rechtsansprüchen, sie hofften noch immer auf den Wiedererwerb des Zolles^.

Der Zoll von Luzern wurde 1341 zugleich mit der Fahrt um 783*/* Mark Silber Baseler Gewichtes an die Herren von Hallwyl verpfändet*. Der Zolltarif, den v. Liebenau aus dem Hallwylschen Archive mitteilte, gehört der Hallwylschen Zeit an^, er ist auf den internationalen Ver- kehr zugeschnitten. Die Habsburger entschädigten sich für den Verlust durch einen neuen Zoll zu Rothenburg. Es heifst zwar in der Bestäti- gung Karls IV., sein Eidam Rudolf IV. von Österreich habe ihm „vor- gelegt", dafs der Zoll zu Rothenburg alt sei, den er nun (1358) bestä- tigte*. Aber dieser Behauptung entspricht es wenig, dafs derselbe Herzog im nächsten Jahre zwei Rittern Dienstgeld anwies auf dem „neuen Zolle zu Rothenburg"®. Auch von dieser Position mufsten die Habsburger weichen, als ihnen dieses Amt in dem Sempachkriege ver- loren ging.

Der St. Gotthard besafs schon früh eine feste Transportorganisation, die auf die Grundherrschaft zurückgeht, wenn sie später auch als An- gelegenheit der Gemeinde erscheint*. In Luzern regelte ein Schiffmeister den Verkehr auf den Schiffen auf diese sehr verwickelte Frage ist

^ Das reiche, aber nicht lückenlose Material Geschichtsfreund Bd. I. Dazu v. Liebenau, Regesten für den habsburgischen Anteil. Thommen, Urkunden z. Schweiz. Gesch. 1, 433. (Habsburger sehr unsicher über die Zukunft ihrer Kechte). Alt mann Nr. 7741 und Cbmel, Friedrich IV., Hegest Nr. 1135: Die Grafen von Sulz als Erben der Habsburger mit dem Zoll belehnt.

2 V. Liebenau, Regesten 20, 51. Habsb. Urbar 2, 616 u. 670.

8 Ebda. 20, 49.

* Ebda. 20, 79. 1358 Januar 15. Druck Archiv f. Schweiz. Gesch. 17, 2, 16. '* Ebda. 20, 86. Das habsburgische Urbar kennt den Zoll ebenfalls nicht.

* Vgl. öchsli, ßörlin, die Regesten v. Liebenaus. Für den Zustand im vorigen Jahrhundort bes. Schinz, Beytr. zur näheren Kenntnis des Schweizer- landes. Zürich 1783 ff.

Die Nordseite des Gotthards von Urseren bis Luzern u. s. w. 405

hier nicht näher einzugehen doch behaupteten auch die SchifFleute von Flüelen grofse Rechte; sie beanspruchten (wohl mit den Luzemern) zusammen ein Monopol für die Fremden, ja auch die Luzerner sollten in Flüelen nicht mit Schiffen von Brunnen, Küfsnach oder Alpnach fahren dürfen, doch gelang es den Städtern ihre gute Gewohnheit 1357 siegreich zu verteidigen^.

In Uri bestanden drei Transportgenossenschaften, zu Flüelen, Sile- nen und Wasen, welche ähnlich wie die Porten organisiert waren. Die 1309 zuerst erwähnte Sust in Flüelen ^ steht heute noch, die von Silenen (1354)^ ist in Resten noch heute kenntlich, und ob der Sust von Urseren versammelten sich die Thalleute zur Beratung*.

Schon das österreichische Urbar erwähnt die „Teilballe" als eine herrschaftliche Einnahme, die Säumer- Ordnung von Urseren von 1363 bezieht sich auf den regelrechten „Teil"betrieb^. Mit dem Nachbarthale Livinen bestand schon seit 1315 ein Vertrag, der es den Kaufleuten er- möglichte, gegen eine „Fürleiti" durchzusäumen , so dafs Fuhrleute von Livinen und Urseren, italienische und deutsche, denselben Weg durch- mafsen®. Es mufs das aber zu sehr ernsthaften Reibereien geführt haben ^. Der Schiedspruch von 1331 schlofs eine Reihe von Fuhrleuten von diesem Vorrechte aus, im übrigen wurde das Verfahren beibehalten. Die Säumerordnung von 1383 ist eine „Eilgutordnung", bei der vom See bis Bellinzona durchgesäumt wurde®. Der Fremde mufste dafür, dafs seine Waren nicht zu „Teil" gingen, die „Fürleite" bezahlen. Ein Übergang von einem zum andern war in der Ordnung verboten. Der Transport und die Susten galten als königliches Lehen.

Von der Verpflichtung diese Monopolanstalten zu benutzen, waren die Leute von Schwyz und Unterwaiden entbunden, Luzern suchte im Anfang des fünfzehnten Jahrhunderts vergebens dieses Vorrecht zu ge- winnen •. Zu erneutem Streite kam es 1480 wegen der Fürleite, die, wie Luzern, Schwyz und Unterwaiden behaupteten, zu Unrecht von Uri

» Öchsli, Regest 727. v. Liebenau 20, 76

2 Öchsli, Reg. 718.

»Öchsli, Reg. 489. S. auch Reg. 763. Die Sust in Bruiioen wurde 1894 ab- gebrochen.

* Öchsli, Regest 798.

^ Geschichtsfreund 7, 135. Öchsli, Regest 743.

« Erwähnt in dem Schied von 1381 Geschichtsfr.41, 63. Öchsli, Regest 671.

' An ihnen hatten auch Leute von Ossola, wohin auch von Airolo aus über den Giacomopafs (Öchsli, Regest 772, 1) gesäumt wurde, Teil, femer solche von üri, Schwyz, Unterwaiden und Zürich.

« Öchsli, Regest 772. v. Liebenau 20, 181. Abdruck Geschichtsfr. 11, 188.

» Öchsli, Regest 803. Vgl. S. 227.

406 Sechsunddreifsigstes Kapitel.

erhoben werde. Der Schiedspruch von 1491 entschied zu Gunsten Uris \

Welche Unternehmungslust dieser Warentransport in die Alpenthäler trug, beweist die Familie von Mos. Heinrich von Mos, der bei Sem- pach fiel, hatte mit Waren, die unterwegs waren, spekuliert und Termin- geschäfte — so scheint es wenigstens abgeschlossen, wobei er die Hilfe der Kawerschen in Anspruch nahm^.

Die Instandhaltung der Strafsen war innerhalb der betreffenden Qe- meindegrenzen Sache der Thalgenossenschaften Uri^ Urseren und Livinen. Den Anteil, den Uri an dieser schweren Last hatte, kennen wir aus Zeugenaussagen. Im Pfarrbezirke Wasen befanden sich zwölf hölzerne Brücken, die im Durchschnitt alle sieben Jahre erneuert werden mufsten. Abgesehen von den Frohnarbeiten beliefen sich die jährlichen Kosten auf 100 i6. Und für den Fall einer schweren StraCäenzerstörung waren die Kosten gar nicht zu bemessen®. In Uri hatte jeder Pfarrgenosse jährlich ein Tagewerk an der Strafse zu verrichten, während nur die drei Orte das Transportmonopol hatten, alle anderen Urner waren aber frei von der Fürleite. Als 1480 die Wege auf dem Gotthard durch Wasser beschädigt waren, baten die von Urseren die Eidgenossen um Unterstützung, die auch bewilligt worden zu sein scheint ^

Eine sehr erhebliche Besserung des Gotthardweges ist am Anfang des sechzehnten Jahrhunderts durchgeführt worden. Bis dahin war unterhalb Airolo der Abstieg in die tiefere Thalstufe über den Rücken des Plattifers gegangen, es war aber „ein harter und böser Weg". Die Kaufleute waren bereit, einen Zoll zu entrichten, wenn ein neuer Weg am Wasser entlang erstellt würde, die Urner gingen mit Freuden darauf ein, mufsten aber mit den Eidgenossen von 1493 bis 1515 verhandeln ,' ehe diese die Genehmigung zur Errichtung eines Zolles der den Anlafs zum Namen Dazio grande bot gaben. Die Ausfuhrung des Baues gehört nicht mehr dem Mittelalter an. So wurde die herrliche Schlucht des Tessin erschlossen ^.

Für die Sicherheit auf der Strafse von der stiebenden Brücke an bis Zürich verbanden sich 1370 die sechs Orte Zürich, Luzem, Zug, Uri, Schwyz und Unterwaiden, vor allem schlössen sie die Ausübung von Re-

» Eidgen. Abschiede 8, 1, 90. 180. 199. 210. u. 379.

2 V. Li eben au 20, 150. Vgl. oben 8. 296.

3 Öchsli, Regest 803.

« Eidgen. Abschiede 3, 1, 78 u. 81.

R Eidgen. Abschiede 8, 1, 429 u. 431. 3, 2, 311, 716, 719, 866 u. 871. Der Zolltnrif in Nr. 866 giebt nur den Zoll nach den Transportmitteln an, wie es einem Weggeld entspricht.

Die Nordseite des Gotthards von Urscreu bis Luzern u. s. w. 407

pressalien aus, diese sollten nur mit Zustimmung der Behörden genom- men werdend

In der Abmachung von 1331 wird zum ersten Male ausdrücklieh der Kirche und der Sust auf der Höhe des Passes gedacht^, das Gottes- haus ist aber unzweifelhaft älter ; denn der Berg wird schon früher nach dem Namen des Patrons genannt^. Wer Kapelle und Hospiz erbaute, bleibt ungewifs. Bei der Sage von der Begründung des Hospizes durch den gichtkranken Azzo Visconti liegt offenbar eine Verwechslung vor, und wenn ein Mönch von Disentis, der bekannte Naturforscher Placidus a Spescha sagt, 1374 habe der Abt seines Klosters als Besitzer der nächst- gelegenen Alpen ein Hospiz und eine Kapelle erbauen lassen*, so kann die Nachricht nur halb wahr sein, wenn ihr überhaupt Glauben beizu- messen. Dem Fleifse Mottas verdanken wir einige Nachrichten, die zeigen, dafs das Hospiz schon damals nach Airolo gehörte. In einem Beglaubigungsbrief für den Bettelboten heifst das Hospiz: hospitale sancti Goieardi de la montanea disiridus vallis Leventine (1390—1410), und in einem Ablafsbriefe, worin der Generalvikar des Erzbischofs von Mailand 1364 den Wohlthätern des Hospizes vierzig Tage Ablafs gewährte, wird es bezeichnet als: ^hospitale sancti Gottardi de Tremiola disiridus vici- nantie de Oriolo vallis Leventine Mediolanensis diocesis€ ^. Wie für so viele wohlthätige Werke, deren Mittel nicht ausreichten, zogen auch für das Hospiz Boten in den Landen umher, die Gaben annahmen. Die Gefahr, mit unlauteren Mitteln zu arbeiten, wurde auch hier eine Klippe. Der Generalvikar mufste verbieten, einen plipstlicherseits gewährten Ablafs anzuführen, da ein solcher nicht beglaubigt sei^. 1457 und 59 war oben ein italienischer Bruder, der von 1457 öffnete mit „teuflischer" Kunst die Opferkästen ^.

Auf die Gestaltung der Verkehrsverhältnisse auf der nördlichen Ab- dachung haben Mailand und auch Venedig wiederholt Einflufs auszuüben versucht. Am meisten würde uns das Ergebnis einer Mailänder Gesandt- schaft, welche in den ersten Monaten des Jahres 1315 in Luzern war, interessieren, denn noch war der Kampf zwischen den Waldstätten und

» V. Liebenau 20, 112.

'-^ »Non transeatit ecclesiam sive sostam aut summitcUem montis sancti Gothardi,*

8 S. oben S. 226.

* Liebenau 20, 118. Motta, Boll. stör. d. Svizz. ital. 4, 147. Nach Francis- cini hätte der Abt die Alpen an Airolo überlassen gegen die Pflicht, das Hospiz zu unterhalten. In der That geht die Grenze des Tessin über die Pafshöhe hinaus, so weit sich diese Alpen erstrecken.

^ Motta, Boll. storico 12, 32.

« Ebda.

^ Motta, Boll. storic. 4, 148.

408 Sechsunddreifsigstes Kapitel.

der österreichischen Herrschaft nicht ausgebrochen. Leider ist nur das Kreditiv des Gesandten, Beroldus de Oldradis, erhalten ^, jedoch ist auch aus ihm zu ersehen^ dafs die Stadt Mailand noch immer hoffte, den Ver- kehr über den St Gotthard offen zu halten ■, ja aus dem ganzen Akten- stück kann man nichts herauslesen, was auf die Befürchtung eines nahen Krieges zu deuten wäre. Uris wird mit keinem Worte gedacht, man nahm in Mailand wohl an, dafs Friedrich der König leicht über Ludwig den Bayern siegen werde und somit die Urkantone sich dem Willen auch dieses Königs würden beugen müssen. Der Gesandte sollte die Span- nung, die mit Luzem bestanden hatte, beilegen, die gegenseitigen Räu- bereien bei Luzem sollten vergessen sein, und vor allem sollte der Ge- sandte fiir die Route alle Zölle und Abgaben feststellen, es sollten Wächter und Susthalter angestellt werden^. Der Gesandte soll nach Como, zum Herzog Leopold von Österreich und nach Luzem gehen, ferner zu allen Herren, die über den Weg zu befinden haben; da das Kreditiv An- fang März 1315 in Neuenburg am See beglaubigt wird, so hat der Ge- sandte seine Richtung wohl nach der Champagner Messe weiter verfolgt. Es war ja die Strafse von Luzern durch das Entlebuch, Bern, Neuen- burg, durch Val Travers auf die Höhe von Pontarlier, die Verbindung zwischen der Gotthardstrafse und der Strafse aus dem Wallis über Jougne nach den Champagner Messen ; auch konnte man vom Vierwaldstättersee über den Brünig und Thun Bern erreichen. Diese Verbindungsstrafsen scheinen nun beliebt geworden zu sein*.

Auch die von Venedig nach Flandern bestimmten Waren nahmen vielfach ihren Weg über den Gotthard nach Basel und umgekehrt, hier hiefs der Gotthardweg überhaupt der :^caminus Basier. 1348 ging dort- hin ein Gesandter, um die aufgehaltenen Waren freizumachen, den Weg wieder zu öffnen, und wenn das unmöglich sei, einen anderen Weg zu suchen *. Drei Jahre später waren wieder 34 Ballen geraubt, wegen der vielen Geleitherrschaften erschien der Weg zu unsicher, durch Frank- reich wollte man nicht fahren, da der König wie der Graf von Savoyen zu hohe Abgaben erhöben, so entschlofs sich die Signorie, sich den Weg über Nürnberg, der nicht im Stande war, wieder durch eine Gesandtschaft

1 Unsere Urkunden Nr. 314 1314 Dezember 20.

^ Luzem erklärte erst am 13. Juli 1315, dafs der Kaufmann nun auf eigene Gefahr handeln müsse, v. Liebenau, Reg. 19, 342.

^ So ist wohl die Stelle von den custodes und tensatores zu verstehen. Tensa «= tentorium Zoll.

^ Auch Luzern hatte damals erhebliche Kosten für Gesandtschaften, die Mittel dafär und für Söldner u. s. w. im Betrage von 1100 ü Imperialen streckten zwei Mailänder vor. v. Li eben au, Regesten 20, 11—15.

^ Simonsfeld 1, 133.

Die Nordseite des Gotthards von Urseren bis Luzem u. s. w. 409

au den Markgrafen von Brandenburg, den Witteisbacher Ludwig, der als Gemahl der Margarethe Maultaseh Herr von Tirol war, zu öflFnen. Zu- gleich ging eine Botschaft an den Bischof von Sitten und den König von Frankreich*. Die Beraubung mag im Zusammenhang mit dem eben um diese Zeit ausgebrochenen Kriege zwischen den Eidgenossen und Österreich gestanden haben. Doch wurde von Venedig aus auch noch der Pafs von Jougne benutzt. 1337 erneuerte Venedig mit Johann von Chalon, Herrn von Arlay, einen alten Begtinstigungsvertrag für den Zoll bei Jougne ^.

Besondere Behandlung verlangt der Streit eines mächtigen Baseler Ritters, Burkhards Münch von Landskron, mit Mailand und Venedig, der sich in eigentümlicher Weise mit der Politik Karls IV. gegenüber Italien verschlingt.

Giovanni Visconti, der Erzbischof von Mailand, der hervorragendste unter den Tyrannen des vierzehnten Jahrhunderts, hatte den Versuch gemacht, den Norden Italiens seiner Herrschaft zu unterwerfen. Die stolze Grabesinschrift zählt die Städte auf, die sich ihm gebeugt hatten, von dem „guten" Bologna bis nach Novara, von Brescia bis Genua, Asti und Savona, von Como bis zum Lande von Bobbio. Gegen ihn kämpften die guelfischen Städte Tusciens, und Venedig bildete einen Bund der Sig- noren, die sich gegen den klügsten der italienischen Politiker behauptet hatten. Die Herrin der Adria meinte den König Karl IV. ausnützen zu können, und wirklich entschlofs sich der Meister der Diplomatie gegen die Viscontis vorzugehen. Bisher wufste man nur von einem Befehle, den er im September 1354 an den Grafen Johann von Neuenburg und seinen Sohn richtete, sie sollten des Erzbischofs Diener, Kaufleute und Unterthanen gefangen nehmen, und auf ihre Güter Beschlag legen*. Durch die gleich zu erwähnende Bitte der Mailänder Kaufmannschaft ergiebt sich aber, dafs derselbe Befehl an die Münche von Basel, wor- unter wohl vor allem Burkhard Münch von Landskron zu verstehen ist, und an den Grafen von Öttingen ging. Der Münch war aber der von Karl IV. den Oberwallisern, welche sich gegen den Bischof von Sitten erhoben hatten, gegebene Vogt*, zugleich war er Schultheifs von

1 Mone, Zeitschrift 5, 20 f.

^ Documenta in^dits sur Thist. de France. M^langes 2 s^rie tome 3. Mas- Lattrie, Commerce et exp^ditions mil. de la France et de Venice 109 112. Zoll für Ballen Wolle, mercerie et picolerie (16—17 Rubb) für den Ballen franz. Tücher (25 Va Rubb).

« Matile 741 Nr. 561. Böhmer-Huber 6790.

* Vgl. Böhmer- Huber 1971, 6777, 6787 u. 6793. Später mit Graf Peter von Aarberg zusammen. Die Münch v. Müuchenstein hatten den Zoll zu Äugst und Liestal. Freivogel 40 u. 134. Die Burgen des zahlreichen Geschlechtes lagen um Basel herum.

410 Secbsunddreifsigstes Kapitel.

Kolmar^ und besafs die Vogtei in Basel ^. Des Grafen von Öttingen Gut lag auf dem Wege nach Nürnberg, auch hatte er die Landgrafschaft im Elsafs. Ein solcher Befehl fügte sofort dem Handel der Mailänder nach dem Norden den schwersten Schaden zu, in Burgund wie in Deutschland wurden mailändisehe Kaufleute ihrer Waren beraubt.

Doch es kam anders, als die Gegner der Viscontis gehofft hatten. Kaum hatte Karl, übrigens fast ohne Begleitung, den Boden Italiens betreten, als ein plötzlicher Tod den gefährlichsten Gegner dahinraffte. An die Stelle der strammen einheitlichen Macht trat die Herrschaft der drei Neffen: Matteo, Galeazzo und Bernabö. Ihnen mufste daran liegen, einen möglichst guten Rechtstitel für ihre von allen Seiten bestrittene Herrschaft zu gewinnen, und den konnte nur der König Karl geben. Schnell war die Einigung mit dem friedliche Mittel liebenden König er- reicht: Karl erhielt die Huldigung der Viscontis, wurde in die Stadt Mailand eingelassen und empfing in S. Ambrogio die eiserne Krone ; die Viscontis erhielten gegen grofse Geldspenden das Reichsvikariat auf Lebenszeit. Sehr ruhmvoll war es nicht, wie nun Karl IV. in ritter- licher Gefangenschaft gekrönt wurde. Das Viscontische Archiv ist durch Brand vernichtet, um so willkommener sind nun zwei Dokumente, welche die Mailänder Handelskammer in ihrem Archive besitzt. Das eine ist die Eingabe der Mailänder Kaufmannschaft an den König, er möge den oben erwähnten Befehl und die allgemeine Aufforderung, gegen die Mailänder Kaufleute vorzugehen, zurücknehmen und ihnen sein Geleit gewähren^. Auch bitten sie um Rückgabe oder Ersatz der geraubten W^aren und Aufhebung des dem Grafen von Neuenburg gewährten Zolles zu Bellaigues. Diese Bitten mit Ausnahme des Zolles gewährte der König am Tage seines Einrittes in die lombardische Hauptstadt^ die Ausfertigung für den Grafen von Neuenburg hat sich erhalten*,

Burkhard Münch hatte so gelernt, wie man den Italienern Schaden zufügen könne. Der Anlafs, dieses Mittel zu verwenden, bot sich, als er an dem Revolutionstage von Pisa bestohlen wurde und das Gericht über den Räuber ihm in Venedig verweigert wurde. Es ist hier nicht zu er- zählen, wie es kam, dafs die Gambacorta von Pisa gegen Karl IV. sich verschworen, der die Gegenpartei, die Raspanti, wieder zur Geltung ge- bracht hatte und Lucca der Herrschaft der Pisaner entziehen zu wollen schien*. In der Nacht vom 19. zum 20. Mai brannte der Anzianenpalast

» 1347 ihm verpfändet. Böhmer-Huber 5962. Vgl. 6150.

2 Er erscheint als Vogt 1359. Böhmer- Huber 7004.

' Unsere Urkunden Nr. 8.

* Unsere Urkunden Nr. 9.

^ Vgl. Werunsky, Der erste Römerzug Kaiser Karls IV. S. 221 ff.

Die Nordseite des Gotthards von Urseren bis Luzem u. s. w. 411

nieder, das Logis des Kaisers und der Kaiserin, und am folgenden Tage brach nachmittags 3 Uhr der Kampf aus. Die Deutschen, welche auf dem linken Ufer des Arno im Stadtteil Chinzica in Quartier lagen, wollten zum Kaiser auf den Domplatz, wurden aber auf der neuen Brücke von einer wütenden Menge, Männer und Frauen, angefallen. Es war ein harter Streit, bei dem vierzig deutsche Krieger teils erschlagen, teils in den Arno geworfen wurden. Auch die Strafsburger Ritter waren dabei, und unter denen, die von ihren Rossen herabgerissen wurden oder fielen, war auch Burkhard Münch^. Entschieden wurde die Niederlage der Revolution durch den Übertritt der Raspanti zu den Kaiserlichen. An diesem Tage war es wohl, dafs Bartholomäus Baniol, ein Mailänder, mit Burkhards Sachen davon ging und sich nach Venedig flüchtete. Burkhard schickte mit einem kaiserlichen Brief den Johann Meyer von Hüningen nach Venedig, um die Festnahme des Diebes zu bewirken. Aber der Doge schickte ihn an den Rat und dieser zu den drei Richtern; diese liefsen, auf die Formen des Rechtes sich stützend, den Schuldigen entkommen, obwohl Meyer das alles vorausgesagt hatte. So hatte der biedere Baseler den schlauen Italiener am Rialto wohl an seinem Rock halten und ihm grobe Wahrheiten sagen können, aber er hatte das Nach- sehen, und über diese Thatsachen nahmen drei in Venedig weilende Strafsburger, die Ritter Walther von Mülnheim und Nicolaus von Grostein und Johannes Twinger, ein Protokoll auf ^.

Burkhard Münch hatte nun nicht die mindeste Lust, sich diese Rechts- verweigerung gefallen zu lassen, und es hatten die Venetianer auch wohl keine Ahnung davon, welches Ansehen der deutsche Ritter bei seinem Kaiser besafs und welche Mittel er spielen lassen konnte. Die Münche, damals wohl das mächtigste Basler Geschlecht, hatten zu den Luxem- burgern gehalten, als Karls IV. Herrschaft noch gar nicht feststand. Ja, Heinrich Münch von Landskron war der kluge und tapfere Ritter, der dem blinden Böhmenkönig von der Schlacht abgeraten, dann aber, als seine Voraussage sich erfüllt hatte, den König auf seine Bitten in das Schlachtgetümmel führte. Am Abend deckten beide das Schlacht- feld von Cröcy^. Unser Burkhard wurde schon 1354 von Karl als sein Rat, Hausgenosse und Heimlicher bezeichnet^, auch später erhielt er noch viele Gunstbezeugungen und erscheint häufiger in des Kaisers Um-

^ Zeugnis eines Strafsburger Söldners Strafsb. Urkb. 5, 904.

2 In Karls IV. Brief vom 22. August 1360 eingerückt. Winkelmann, Acta imperii 548 f. Die Strafsburger Namen sehr entstellt.

' Vgl. Münch, der »Monne de Basele* in der Schlacht bei Cr^cy. Anzeiger für Schweiz. Gesch. 6, 211.

* Böhmer-Huber 6774.

412 Sechsunddreifsigstes Kapitel.

gebung ^. Und dieser mächtige Mann hatte noch dazu den Zoll von Liestal als Lehen mit dem Schalern von Zürich in Besitz. Der obere wie der untere Hauenstein konnte durch ihn gesperrt werden^.

Da der Räuber aus Mailand war, hatte es der Münch, von Venedig abgesehen, mit dieser Stadt zu thun. In freundschaftlicher Gesinnung warnte die Stadt Basel die Mailänder Kaufmannschaft, der Ritter wolle sich nun an den Kaufleuten schadlos halten und habe dazu die Zu- stimmung des Kaisers, der Ritter habe auch keine geringe Macht und könne auch auswärts Schwierigkeiten erheben, sie möchten die Klagen des Ritters beseitigen^, und sie schickten ihnen gar einen Abgesandten, Konrad Sintze, der nun in der doppelten Eigenschaft als Diplomat und Wirt den Handelsverkehr der Italiener in Gang zu bringen sich be- mühte. Die diplomatische Korrespondenz des Gastgebers* ist unter den Urkunden der Mailänder Handelskammer nicht die wenigst interessante, und sein Latein kann sich neben dem der Mailänder Kaufleute sehr wohl sehen lassen.

Konrad Sintze wufste sehr wohl, dafs ein Unterhändler, der private Vorteile erreichen will, nicht auf später sich darf vertrösten lassen. Er wünschte für seinen Gasthof ein Monopol, die Mailänder sollten stets bei ihm absteigen, wie es offenbar schon bisher vielfach geschehen war. Die Italiener antworteten liebenswürdig, sie gingen auf das Monopol ein, aber doch so, dafs sie nicht für immer gebunden waren*.

Die Lage der Mailänder Kaufleute war um so unangenehmer, da neben der Feindschaft des kaiserlichen Vertrauten auch der Hafs der Kurie gegen die Tyrannen von Mailand sie traf, die kein Bedenken trug, den Grafen von Thierstein den Befehl zu geben, Mailänder Kauf- leute und Waren anzuhalten, und als Basel sich gegen diesen Strafsen-

1 Böhmer-Huber 3741, 4192 (Solothurn Amt, Schultheifs), 6225 (Kolmar Un- geld, wo seine Verdienste beim Krönungszuge besonders hervorgehoben sind). Weiter 6874, 319, 711, 2634.

2 Boos, Urkundenbuch Basel Bd. 1, 367 f. 1363 Juli 30. Es war dieser An- teil ein froburgidches Lehen.

' Unsere Urkunden Nr. 10.

* Es sind mehrere Sintze in Basel zu unterscheiden. Nach Mitteilungen Wacker- nagels erscheint der Wirt Cunzman Sintze in den Jahren 1335—1344 als Eigentümer des Hofes und Gesesses auf dem Nadelberg, der später Sinzenhof hiefs und heute Rofshof genannt wird (Nadelberg 20/22). Als spätere Eigentümer erscheinen 1374 Burchard Sinz, 1417 Konrad Sinz. Ein Burkhard Sinze, der eine Tochter Hartmann Münchs von Münchenstein zur Frau hatte und später als Junker erscheint, erhielt 1396 als Träger seiner Frau das Fahr zu Berlikon und die Hälfte des Zolls zu Äugst zu Lehen. Boos, Urkb. Landsch. Basel 2, 547. 550. Die Geschichte des Zolls an der Brücke von Äugst bei Freivogel 40.

^ Unsere Urkunden Nr. 11.

Die Nordseite dss Gotthards von Urseren bis Luzem u. s. w. 413

raub erklärte, auch dieser Stadt den Befehl zu geben, das nicht zu hindern '.

Die Kaufleute von Mailand und Como hielten es für das Rätlichste, den Baseler Ritter zu beruhigen, und es kam durch ihre Boten und die Bürgschaft, welche der Wirt für sie leistete, rasch zu einer Abmachung, wonach die Kaufleute dem Ritter 250 fl. zu zahlen versprachen, die er zurückzuerstatten habe, wenn Venedig ihn befriedigt habe. Mailand und Como mufsten sich in Venedig für die Entschädigung des Ritters be- mühen; dieser aber versprach, die Kaufleute zu schützen*. Die Mai- länder hielten Wort, ihr Gesandter traf richtig ein, überlieferte Sintzen das Geld und noch 30 fl. darüber, von denen der Wirt 20 fl. an zwei von ihm geheimnisvoll angedeutete Personen weitergab, 10 fl. aber strich er mit Dank als Verehrung der Mailänder ein. Mit der Quittung Burk- hards trat Bassinus von Bergamo den Heimweg an. Konrad Sintzes Auf- gabe war noch nicht beendet, denn es handelte sich jetzt darum, eine sichere Fortsetzung des Weges durch Verträge festzustellen. Doch davon später^.

Nicht so schnell war Venedig dem Ritter zu Willen. Durch die Mailänder liefsen sich die Venetianer nicht bestimmen*. Hier kam selbst der Kaiser nur mit vieler Mühe zum Ziele. Er schrieb Briefe auf Briefe, er stellte vor, dafs er Burkhard längst Vollmacht zu Repressalien ge- geben habe, ihn aber bis jetzt zu Rücksichtnahme angehalten*; er be- gnügte sich mit dem Versprechen des Gesandten des Dogen, dafs dem Ritter sein Recht gegen den Richter werden solle® und bestimmte den Ritter, das Gut, das er auf dem Wege von Nürnberg nach Frankfurt, den die Venetianer jetzt vorzogen, bei Babenhausen seinen Feinden weg- genommen hatte "^ , ihnen zurückzuerstatten , er legte dem Dogen jenes Protokoll der Strafsburger vor und forderte 3000 fl.®. Es dauerte noch mehr als drei Jahre, bis die Sache zum Abschlufs kam ®. Noch über die Summe wurde mehrere Monate verhandelt, und schliefslich wurden

' 1356 März 23. Baseler Urkb. 4, 205.

* Unsere Urkunden Nr. 12. ^ Unsere Urkunden Nr. 13.

* Vgl. unsere Urkunden Nr. 14. An Bernabö Visconti war von Basel Konrad Sintze geschickt worden.

6 Böhmer-Huber 6208. Winkelmann, Acta imperii 2, 544. 1359 Juni 23.

^ Winkelmann, Acta imperii 2, 861.

•^ Simonsfeld Nr. 182.

8 Winkelmann 2, 548. Böhmer-Huber 6213.

» Weitere Schreiben Karls IV. von 1361 Mai 3 Winkelmann 2, 558. Böhmer- Hub er 6221. August 30 an den neuen Dogen Lorenzo Celsi, der früher in der Angelegenheit Gesandter gewesen, ebda. 2, 562. Böhmer-Huber 6227. 1361

414 Siebenunddreifdigstes Kapitel.

1500 Dukaten bewilligt, damit der Weg über Basel wieder frei werde*. Die Kosten für die Öffnung dieses und des Augsburger Weges sollten durch eine Abgabe von ^'2 ^'0 von den Waren, die diese Wege benutzten, aufgebrac'ht werden und zwar von allen Waren, die überhaupt bis über die Alpen, wenn auch nicht bis Venedig kämen. Dafs für Venedig Deutschland nur ein Transitland war, wird dadurch deutlich, dafs nur Flandern als Ziel bez. Ausgangsort der Waren angegeben ist^. Burk- hard war befriedigt, er interessierte sich jetzt sogar für den Verkehr der Venetianer.

In ähnlicher Weise liefs sich ein Luzerner Bürger, der ein Nach- komme der dort angesiedelten Astigianen gewesen sein dürfte, durch eine Abfindung von 40 fl. von der Anwendung von Repressalien, mit denen er die in der Lombardei erlittene Gefangenschaft und ihm zu- gefügten Schäden vergelten wollte, abbringen^.

Siebenunddrei fsigstes Kapitel. Die Wege vom Vierwaldstättersee bis Basel.

Der Weg über den unteren Hauenstein. Zölle. Sdiiffdhrt auf der Reu/s. Land- toeg über Brugg und Bötzberg. Die Verhatidlungen Mailands mit Herzog Rudolf IV. Die Geleitsbriefe anderer österreichischer Herzöge und des Grafen von Habsburg-Laufen* bürg, Mailänder Gesandtschaften von 1391 und 1398, VerJcehrshöhe nach deti Gdeitsgelderfi von Mellinge^u Verkehr auf dem unteren Hauenstein, Thiersteinsches Geleitsprivileg,

Auch auf der Strafse Luzern, Beiden, Hauenstein mehrten sich die Zölle, 1374 erlaubte Herzog Leopold denen von Sursee einen Zoll, und da er nach Fardeln und Wollballen tarifiert ist, dient auch er zum Be- weis für den deutsch-italienischen Verkehr*, ebenso wurde einer in Sem- pach erhoben^. In Zofingen erscheinen Zoll und Geleit unterschieden®. Habsburgisch war nun auch der Zoll zu Aarburg'' und der zu Ölten®.

Dezember 18 (Burkhard soll nochmals verhört werden) 2, 564. Böhmer-Huber 6228. 1363 Januar 10 2, 566. Böhmer-Huber 6237.

^ Simons feld Nr. 197 u. 200. Dieser Beschlufs vom 9. Januar 1364. Aus- drücklich hervorgehoben: »pro aptando Camino Basilee<.

8 Simonsfeld Nr. 204. 1364 April 6.

' Unsere Urkunden Nr. 15. 1359 November 20. Der Name Gelwanus ist identisch mit dem des Astigianen von 1288 33. Das Abstandsgeld wurde über- geben durch denselben Mailänder Beauftragten, der mit Burkhard Münch ver- handelte, Passino von Bergamo.

* Segesser 1, 756 f.

^ Segesser 2, 766.

« Jener trug 11 U, dieses 80 ü Stäbler. Habsb. Urbar 2, 748 f.

^ Habsb. Urbar 1, 489 und 2, 631. Tarif 2, 752.

^ Habsb. Urbar 2, 754. Der Zoll ertrug mindestens 50 fl. jährlich.

Die Wege vom Vierwaldstättersee bis Basel. 415

Der Zoll (oder wohl besser gesagt) das Geleite am unteren Hauenstein wurde von der Süd- auf die Nordseite nach Diepflingen verlegt^. Zoll und Geleit zu Liestal kam am Anfang des vierzehnten Jahrhunderts in den Besitz eines Baseler Geschlechtes, am Anfang des folgenden in den der Stadt bez. des Spitals in Basel ^. Ein Brückenzoll wurde an der Brücke über die Ergolz bei Basel-Augst erhoben, von seinen Eigentümern, den Grafen von Habsburg - Laufenburg , wurde er an die Münch und Bärenfels gegeben und erbte sich bei ihren Besitzern fort^. Die Stadt Basel erhob endlich dafür, dafs sie bei dem durch den Heldenkarapf be- kannten Siechenhaus St. Jakob zwischen 1295 und 1302 eine Brücke über die Birs gebaut hatte, einen Brückenzoll, dessen Tarif erhalten ist*.

Neben dieser Hauptlandfortsetzung des Gotthardweges spielte für den Verkehr flufsabwärts die Schiffahrt auf der Reufs, Aare und dem Rhein eine grofse Rolle. 1278 wettete ein Luzemer Schiffer, er werde in einem Tage trotz des Laufens bei Laufenburg sein Schiff bis Strafsburg bringen, er verlor freilich die Wette*. Ganz besonders dienten die Schiffe auch dem Transporte von Pilgern, sei es solchen, die Rom besucht hatten, oder solchen, die nach Einsiedeln gewallfahrtet waren. Auch die Badegäste des damaligen vornehmsten Bades Baden im Aargau benutzten gern die Schiffe. So erzählt Vitoduran, wie bei Rheinfelden ein Schiff mit Bade- gästen und Pilgern zu Grunde ging®. In den Urkunden über die Schiff- fahrt, die ich hier grundsätzlich ausschliefse, begegnen uns sehr oft die Pilger, und so wurde z. B. 1466 von Pilgern, die am Zürichersee ins Schiff gestiegen waren, in Zürich dasselbe wechselten, am Abend Strafs- burg erreicht es ist das Vorbild der Reise des Züricher Breitopfes ^. Kaufmannsware zog natürlich auch diesen Weg, so ging 1462 zu Rhein- felden ein Schiff unter, in dem köstliche Ware, viel Spezerei von Venedig und Baumwolle, auch 30 Centner Stahl verladen waren®.

Dieselbe Richtung Reufs abwärts schlug nicht selten auch der Land- verkehr ein, und dieser benutzte dann von Brugg an die alte Bötzberg- route. Diese Linie lag bis kurz vor Basel vollständig auf habsburgischem Boden ein Stück davon gehörte der gräflichen Linie. Der Weg, welcher, datiere ich den Bericht Passinos von Bergamo richtig, schon früher be- nutzt war, und für den es einen Geleitsbrief Herzog Leopolds I. gab,

* Freivogel 51.

2 Freivogel S. 134.

» Freivogel S. 40 u. 156.

* Freivogel S. 158 f. 5 M.G. SS. 17, 203.

ö Vitoduran US ed. v. Wyfs. ' Ruppert, Chroniken 260 f. ** Baseler Chroniken 4, 340.

416 Siebenunddrei fsigstes Kapitel.

ging von Luzern, bei Gislikon die Reufs erreichend, an diesem Flusse abwärts an Bremgarten und Meilingen vorbei nach Brugg, dann über den Bötzberg nach Basel. Privilegiert wurde dieser Weg von Herzog Rudolf IV. von Österreich in dem gleichen Augenblicke, als er den Bürgern von Luzern die Zollfreiheit bis Reiden und Windisch zusicherte \ veranlafst aber war er von den mailändischen Kaufleuten ; denn derselbe Gesandte, der wegen Burkhard Münch verhandelt hatte, berichtet auch ttber diese Angelegenheit nach Hause*. Am 25. Oktober 1360 traf er mit dem für kurze Zeit aus dem Osten in seinen Stammlanden er- schienenen Herzog zusammen, ein Baseler BUrger hatte ihn begleitet. Er versprach sofort einen Geleitsbrief, wenn die Kaufleute über Brugg gehen wollten. Der Mailänder war so gewifs, dafs er seine Landsleute sofort einlud, ihre Waren zu schicken, und der Baseler Johann von Walt- bach ging sofort nach Strafsburg, um auch dort einen gleichen Sicherungs- brief zu erwirken.

Das war freilich vorschnell, denn der Herzog liefs gleichwohl Ballen und Waren anhalten und nach Brugg bringen, auch wurden Kaufleute und Diener in Gewahrsam behalten. Die Mailänder verzweifelten daran, ob es möglich sein werde, durch diese Teile Deutschlands eine Strafse zu legen, sie sandten am 17. November in so kurzer Zeit hatten sich die Ereignisse abgespielt nach Strafsburg die Bitte, sie möchten an den Herzog Rudolf einen Boten senden, damit abgeholfen werde ^.

* S. oben S. 402. Am 1. Februar erteilte er auch dem Kloster Engelberg Zoll- freiheit von Luzern bis Brugg. Huber, Gesch. d. Herzogs Rudolfs IV. 193. Reg. 268. Die Zollfreiheit von Luzern wurde 1405 vom Grafen Hans von Habsburg- Laufenburg, Landvogt der Herrschaft Österreich, bestätigt. Segesser 1, 265.

^ Unsere Urkunden Nr. 16. Der Brief des Passino von Bergamo bietet keine Jahreszahl, sondern nur die Angaben „Basel Oktober 25^. Als Ort der Zusammen- kunft wird das noch nicht erklärte tanna oder tai^e^'na Luchutis genannt. Nun ist Herzog Rudolf nach den Regesten bei Huber, Rudolfs IV. von Osterreich, vom 4. Oktober bis 5. November 1360 in Brugg gewesen, am 27. November war er in Nürnberg. Am 22. Januar 1361 war er wieder in den Vor landen, vom 13. März ist sein gleich zu erwähnender Geleitsbrief datiert. Der Baseler Bürger Johann von Waltbach stand als Pfandinhaber der Herrschaft Wehr und sonst in lebhaften Be- ziehungen zu Rudolf rV. (vgl. z. B. Lichnowskj, Regesten 4 Nr. 36 von 1359, 406 von 1362, auch Nr. 795). Meine Datierung des Briefes wird aber zur G^wifs- heit durch den gleich zu erwähnenden Brief der Mailänder Kaufmannschaft an Strafs- burg, wo Pasinus ausdrücklich genannt ist. Passino redet in unserem Schreiben von mehreren österreichischen Herzögen und spricht am Ende von einem Briefe, der ähn- lich sein soll dem Briefe des Herzogs Leopold. Wer ist damit gemeint? Leopold IFI., der jüngere Bruder Rudolfs IV., hat erst später einen solchen Brief, wie wir sehen werden, ausgestellt; Leopold II. war nie aus der Vormundschaft entlassen, es ist also der 1326 gestorbene tapfere Sohn König Albrechts gemeint.

8 Gedruckt Strafsb. Urkb. 5, 439 f. und Zeitschrift f. Gesch. d. Oberrheins N. F. 6, 321.

Die Wege vom Vierwaldstättersee bis Basel. 417

Doch die Wünsche der Mailänder gingen in Erfüllung. Der Geleits- brief Rudolfs IV. datiert vom 13. März 1361 ^ und bestimmt, dafs alle Eaufleute von Mailand, Venedig, Florenz und allen anderen lombar- dischen Städten auf folgendem Wege von ihm vollen Schutz und Garantie gegen allen Schaden durch Raub haben sollen: von Ottmarsheim nach Basel ; dann aus dem Grenzgebiet dieser Stadt im Geleite des Rheinfelder Vogtes bis nach Brugg und von da nach Luzern^. Die Kauf Leute sollten von Ottmarsheim bis Rheinfelden nur diese Strafse benutzen , ja, wer dawider handle, sollte geradezu als Geleitsbrecher gelten. Es war damit den Italienern also der untere wie der obere Hauenstein verboten. Jedes Pferd, das verkauft werden sollte oder Wolle oder Tuche trug, sollte als Geleitsgeld in Ottmarsheim und in Rheinfelden je 2 ß Strafs- burger geben. Wenn der Herzog wegen Fehden keine Bürgschaft leisten konnte, so war er verpflichtet, in das Gasthaus zu Luzern, wo die Lombarden einkehrten, Nachricht zu schicken und auch dann war er noch einen Monat zum Schadenersatz verbunden. Bei einer vollständigen Aufkündigung erstreckte sich der Termin auf drei Monate®.

Mit Mailand hatte die engsten Beziehungen der jüngste Bruder Rudolfs IV. und sein Erbe in den vorderen Landen Leopold IH. Am 23. Februar 13ü5 hatte er Viridis, die Tochter Bernabo Viscontis, als seine Gemahlin heimgeführt. So kann es nicht auffallen, dafs er mit seinem Bruder Albrecht HI. den Geleitsbrief ihres Landvogtes Rudolf von Waise, den dieser den Kaufleuten Mailands und Italiens für den Weg Breisach, Rheinfelden und Brugg ausgestellt hatte, bestätigte*. Als Leopold im April 1370 * in Mailand weilte, traten die Mailänder Kaufleute mit Klagen über die Bürger von Basel und Luzern vor ihn. Sie nähmen neuerdings von den Waren lombardischer Kaufleute grofse Abgaben; im Gebiete der Herzöge würden sie beraubt und belästigt. Der Herzog erklärte sich bereit abzuhelfen und schickte den Befehl, Graf Rudolf von Nidau, sein Landvogt in Schwaben, Aargau und Thurgau, solle auf Luzern und Basel, der Markgraf Rudolf von Baden, sein Landvogt

* Unsere Urkunden Nr. 17.

2 Ich will nicht unterlassen, darauf hinzuweisen, dafs nach dem Wortlaute von Ottmarsheim bis Luzern der Lauf des Rheins, der Aare und Heufs als die strata betrachtet werden kann, allein es ist die Aufzählung nach der Bergfahrt gegeben, die äuiserst schwierig ist. Das Geleit wird demnach auch nach Pferden berechnet.

' Auch dieses Dokument trägt die Sonderbarkeiten vieler Urkunden des eigen- artig prunkliebendeu Fürsten : eigene Unterschrift, Datierung nach Lebensalter und Regierungsjahren.

* Die Bnichstücke der Urkunde vom 17. August 1366 bei Kurz, Österreich unter Herzog Albrecht IIL 1, 202.

^ Nach den Regesten bei Lichnowsky handelte es sich um einen kurzen Ab- stecher von Meran.

Schulte, Gesch. d. mittelalterl. Handels. I. 27

418 Siebcnunddreifsigstes Kapitel.

im Breisgau, auf Basel einwirken, damit sie die neuen Abgaben auf- höben, auch sollten sie scharf für die Sicherheit des Verkehrs sorgen, damit er sich wieder seinen Landen zuwende*.

Auf diese Bötzbergroute und auf den Verkehr auf dem Rheine bei Laufenburg bezieht sich ein etwas langatmiger und ängstlicher Geleits- brief des Grafen Rudolf IV. von Habsburg -Laufenburg ftlr die aus dem Gebiete der Visconti stammenden Kaufleute*. Es soll der Vertrag nur zwei Jahre gelten und schon für das zweite ist die Möglichkeit einer Aufkündigung beiden Seiten gewahrt. Der Graf hat sie nach Basel in den Ballhof oder nach Luzem in ein bestimmtes Gasthaus zu melden. Der Vertrag ist am meisten dadurch interessant, dafs die Garantie auf dem Wasser beweist, dafs auch die italienischen Waren mitunter den gefkhrlichen Weg durch die Stromschnellen von Laufenburg nahmen, wie auch derselbe Graf 1376 einen ähnlichen kurzfristigen Brief den Luzernern für den Verkehr „zu Wasser" und zu Lande ausstellte '. Auch die Instruktion jener Mailänder Gesandten, die im Jahre 1891 zunächst in Konstanz über einen Bündner Pafs und den Weg über den hohlen Graben verhandeln sollten, nimmt auf die Bötzbergroute Rücksicht. Es wird nämlich vorgesehen, dafs die Gesandten aufser in Luzem, Basel und Strafsburg auch mit dem Landvogt des Herzogs von Österreich verhandeln sollten. Freilich kann ja darunter auch der Landvogt im Breisgau und Elsafs verstanden werden*. Auf die Luzerner Punkte ist später einzugehen. Und 1898 sandte abermals die Mailänder Kauf- mannschaft einen Gesandten nach Strafsburg, den Kaufmann Francesco da Conago, um über die Wiederherstellung der Strafse zwischen Deutsch- land und Italien zu verhandeln. Leider ist nur die Instruktion er- halten * ; wenn wir aber erfahren, dafs im gleichen Jahre Hans Segesser, der Schultheifs von Mellingen, in Sachen des Mellinger Geleites Ritte nach Thann, Ensisheim, Luzem und Airolo machte, wofür er 1397/98

* Beide Befehle erhalten Urkunden Nr. 19 u. 20. Sie sind mitunterfertigt von Peter von Thorberg, dem bekannten österreichischen Landvogt, dessen Stelle nun der Qraf von Neuenburg-Nidau einnahm, Johann von Liechtenstein von Nikols- bürg und Reinhard Wehinger, zwei sehr angesehenen Beamten, die bald für die Herzöge die Finanzverwaltung übernahmen. Bemerkt sei, dafs am 23. November 1370 die beiden Herzöge Albrecht und Leopold auch den venetianischen Kaufleuten freies Geleit in allen ihren Ländern gewährten. Lichnowskj 4 Regest 1013.

« Unsere Urkunden Nr. 21 von 1372 Juni 30.

* Th. V. Liebcnau, Archiv f. Schweiz. Gesch. 17, 2, 52.

* Unsere Urkunden Nr. 35.

» 1398 Mai 3L Strafsb.Urkb. 6 Nr. 1385 und Z. Gesch. Oberrh. N. F. 6, 320. Er reist »causa proairandi de reparationihus itineris Allamanie. ..... Et placeat sie

agendo, quod mercatores et eontm liuncii et factores cum eorum mercantiis halfcani causam comode per partes restras hinc inde visitandi.t

Die Wege vom Vierwaldstättersee bis Basel.

419

56 fl. ausgab, und im nächsten Jahre ^die Sache der Kaufleute von Mailand trieb und auf und ab ritt" ^ , so wissen wir , dafs es sich um die Gotthardstrafse und um deren Fortsetzung auf der Reufs handelte.

Der Verkehr auf dieser Bötzbergroute beziehungsweise auf der Reufs spiegelt sich in den Ziffern, die Thommen und Welti über die Einnahme des Geleits in Hellingen veröffentlicht haben ^. Hellingen besafs aber nicht allein Verkehr nach dieser einen nord-südlichen Richtung, sondern es nahm auch an dem Verkehre Teil, der vom Genfersee an den unteren Bodensee ging. Zwar tiberschritt ein Teil davon die Reufs bei Brugg, ein anderer wohl bei Bremgarten (Richtung Zürich, Bremgarten, Wohlen, Lenzburg, Aarau), ein erheblicher Teil fiel aber Hellingen zu, der sich von Aarau auf I^enzburg, Hellingen, Baden, Dietikon, Zürich bez. Baden-Kaiserstuhl-Schaff hausen bewegte. Vollständig kam dieser westöstlichen Richtung der Brückenzoll zu gut, dessen Ertrag um 1394 zwischen 27 und 20 /iS schwankte^.

Die Rechnungen des Hellinger Geleits stehen mit denen von Baden im Aargau und Waldshut zusammen , weil diese Einkünfte zusammen die Bürgschaft für eine Schuld bildeten^. Baden, das übrigens ein sehr besuchter Badeort war, diente auch noch der Richtung: Zürich -Brugg. Oberrheinthal. Waldshut hing, wie wir gesehen haben, vom Verkehre längs des Südhanges des Schwarzwaldes ab , nahm aber auch einen Teil des Verkehrs aus dem Reufs- und Limmatgebiete auf.

Die folgende Tabelle giebt den Jahresertrag von Hartini zu Hartini in Gulden an.

Meilingen

Baden

Waldshut

Zusammen

1397/8

304

176V«

217

697V«

1398/9

398

180

278

856

1399/1400«^

283»/4

188

137»/4

609V«

1400/P

283«/4

188

137«/*

609V«

1401/2

231

187

116

534

1500V2

919V«

886V«

1 S. unten S. 423.

3 Anzeiger f. Schweiz. Gesch. 7, 186 u. 502. Auch wegen des Geleites von Meilingen erhoben die Luzerner vor Ausbruch des Sempacherkrieges Klagen. Archiv f. Schweiz. Gesch. 7, 2, 89.

8 Habsb. Urbar 2, 741. Beim Geleite S. 742 ist die Ziffer nicht ausgefuUt.

* Die Geleite waren 1379 auf Abzahlung an die Edlen von Bamstein und dann 1402 an die Stadt Aarau verpfändet. Th. v. Liebenau, Regesten zur Gesch. von Meilingen Nr. 97 u. 145. Arge via Bd. 14. Dort auch weitere Angaben.

^ Die Rechnung erstreckt sich auf zwei Jahre , es blieb mir also nichts übrig als den Betrag zu teilen.

27*

420 Achtunddreifsigstes KapiteL

Die Bedeutung des Mellinger Verkehrs tritt deutlich zu Tage, selbstredend ist vorausgesetzt, dafs an allen drei Orten gleiche oder doch fast gleiche Beträge erhoben wurden.

Die Ausgaben für Geleitszwecke sind minimal, jede Stadt gab jährlich ihren Geleitsleuten 8 fl., kleine Beträge kamen für Rechnungs- bücher etc. der Kanzlei zu. Hans Segessers oben erwähnten Reisen kosten 1397^98 56 fl.; im nächsten Jahre schickte er einen eigenen Boten nach Mailand, daran zahlten die Städte 7 fl. Der ganze Rest stand der Herrschaft zur Verfügung. Nun mufs man das Geleitsgeld freilich auch als eine Versicherungsprämie gegen Unfall betrachten, im Falle einer Beraubung war ja die Herrschaft ersatzpflichtig. Aber selbst wenn man das reichlich in Anschlag setzt, war das Geleit eine wertvolle Einnahme- quelle der Herrschaft Da der Satz, nach dem dasselbe erhoben wurde, unbekannt ist, kann man die Höhe des Verkehrs leider nicht berechnen. Inzwischen war der Wunsch Herzog Rudolfs IV. keineswegs in Er- füllung gegangen, der da meinte, der Strafse über den unteren Hauen- stein den Verkehr entziehen zu können. Wie so viele seiner wirklich grofsen Ideen blieb dieses gegen die Bedingungen der Natur gerichtete Projekt unerfüllt. Drei Jahre nach seinem Tode erhielt der untere Hauenstein wieder einen Geleitsbrief und zwar stellte ihn Graf Sieg- mund von Thierstein aus, der eben die Grafschaftsrechte im Sissgau gewonnen hatte ^, vor allem hatte er die Kauf leute der „königlichen" Städte Mailand, Venedig, Florenz und Como im Auge ^. Zum Unter- schiede von anderen Geleitsbriefen enthält dieser nicht die Bürgschaft für Schadenersatz, der Graf verpflichtete sich nur zu helfen, als wenn es seine eigenen Sachen wären.

Achtunddreifsigstes Kapitel. Die nSrdlichen Fortsetzungen.

Die Strafse St. Amarin-LoUrnngen. Briefe von Neufchäteati und Lothringen. Be- nrnhungen Sintzes, Der GeleiUhrief der Herren von Faucogney. Montaigne, Weg Luzern'Netienburg-ValTraverS'Pantarlier, Zölle. Gegenbemühungen Mailands, Ausfuhr- vertrage Mailands mit dem K&nige vo7i Frankreich für Wolle, Ausfuhrort St, Jean de Losne, Instruktion der Gesandten, Die „Krumme Meile^^ Strafsburg -Saarbrücken- Luxemburg, Geleitsgesellschaft, ihre Briefe. Privilegien für die Fortsetzungen, Ver- kehr auf dem Btieine, Zoüstätten von Laufenburg bis Mainz, Überlastung, Wer ist schuldigt Auch die Städte, Schwache Be formen, Die Landwege auf dem rechten Bheinufer, Privilegien für Italiener.

Auch für diese Periode fehlt es nicht an überraschenden Aufschlüssen über die von den Italienern benutzten Fortsetzungen der Gotthardstrafse jenseits von Basel.

1 S. Freivogel 13 f. « Unsere Urkunden Nr. 18.

Die nördlichen Fortsetzungen. 421

Die von uns früher festgestellte Route durch das St. Amarinthal zur Moselquelle und durch Lothringen blieb auch dann noch, wenn auch nicht in regelmäfsiger Benutzung, als die Champagner Mefsen ihre Bedeutung verloren hatten. Das war freilich 1321 noch nicht der Fall; die damals neu eingerichtete Strafse bog aus politischen Gründen von der früheren ab. Die alte hatte durch Bar-le-Duc den Anschlufs zu den Mefsplätzen gesucht, um 1320 war aber der Graf von Bar mit Herzog Friedrich IV. von Lothringen verfeindet, der deutsche Königs- streit trennte auch hier die Gemüter^. Es mufste daher der Anschlufs auf lothringischem Boden weiter oberhalb im Gebirge gesucht werden und als Übergangsplatz wurde das im obersten Maasgebiet gelegene Neufchäteau, das ein von der Champagne an Lothringen gegebenes Lehen war, also nicht mehr zum deutschen Reiche gehörte, ausersehen. Der Weg mufste also wohl in l^^pinal aus dem Moselthale abbiegen. Die Bewohner von Neufchäteau stellten dem capiianeus soctetaiis mercaiorum Lombardie, also wohl der Gesellschaft der Mefsbesucher, gern die ge- wünschte Erlaubnis aus, bemerkten jedoch, dafs ihnen das Geleitsrecht nicht zustehe*.

Schon einige Wochen vorher hatte ihr Herzog die Eaufleute von Mailand auf dem Wege vom Berge „First" bis nach Neufchäteau in sein Geleit genommen und ihnen ein sehr weitgehendes Privileg zugestellt*; es fehlt nicht die Garantie gegen Repressalien. Die Bestimmungen er- innern mannigfach an die des Privilegs des Grafen von Pfirt*. Be- sonders wertvoll ist die Festsetzung des Zolles auf Wolle, die von Frankreich nach der Lombardei verführt wird, sie soll denselben Zoll tragen wie die fertigen Tuchstoffe, und nicht mehr als auf dem Wege, der durch Burgund, Savoyen und Wallis also über den Simplon zu zahlen war. Daraus ergiebt sich, dafs dieser Weg, der wegen der Unruhen am Gotthard seit 1315 verlassen worden war, gerade wie 1299 die Strafse durch Burgund ersetzen sollte. Auch diese Urkunde, die in Säckingen ausgestellt wurde, verrät italienischen Einflufs und somit sehen wir, dafs die Mailänder sich erneut diesem Wege anvertrauen wollten, der für deutsche Zustände wenige Geleitsherm hatte. Im wesentlichen

1 Digot 2, 217 f.

« Unsere Urkunden Nr. 4. 1322 Juli 22.

« Unsere Urkunden Nr. 8. 1821 Juni 29.

* S. oben S. 202 f. Bei den Bestimmungen über die Repressalien ist jetzt auch der Fall vorgesehen, dafs sich ein alter Mailänder Söldner an den Kaufleuten schadlos halten wollte. Fast gleich sind die Bestimmungen über Verpfändungen der Fuhrleute, Schadenersatz innerhalb 40 Tagen, Tod eines Kaufmanns, Instandhaltung der Strafse ohne neue Abgaben. Doch fehlt auch manches, neu ist die Bestimmung, dafs für Erhöhung der italienischen Zölle keine Repressalie gestattet ist

422 Achtunddreif8ig8tes Kapitel.^

war man im Gebiete der Habsburger und des Lothringers, der tapfer für die Sache seines Schwagers König Friedrich focht.

In den Kämpfen, welche dem Regensburger Frieden (1355) voran- gingen, war mit dem Gotthard auch diese lothringische Route verödet. Cunzmann Sintze, der Basler Wirt und Diplomat, bemühte sich den Ver- kehr wieder in Gang zu bringen *. Er hatte die besten Hoffnungen und berichtete sehr selbstbewufst , dafs Graf Eberhard von Württemberg bei ihm in seinem Hause gewesen sei, auch mit Burkhard von Vinstingen und Theobald von Faucogney hatte er in dieser Sache verhandelt. Des österreichischen Landvogtes glaubte der Wirt ganz sicher zu sein, beim Grafen von Bar hatte er bereits erreicht, dafs er einen sicheren Weg durch sein Land verstatten wolle. Er getraute sich mit 300 fl. und den Geldern für die Briefe und seinen Reisespesen für die Ritte, die in dieser Sache nötig seien, die Sache ins Reine zu bringen. Auf den ersten Augenblick verwirren die Namen Württemberg und Vinstingen, aber mit Unrecht: für den ganz jugendlichen Herzog Johann I. von Lothringen (1846 90) führte mit der Witwe des verstorbenen Herzogs Rudolf, Graf Eberhard IL der Greiner von Württemberg, die Vor- mundschaft und sein Delegierter war Burkhard von Vinstingen , der den Titel eines lieuienant giniral fiihrte*.

Theobald von Faucogney hatte aber schon 1347 mit seinem Bruder Heinrich den Kaufleuten der Lombardei, Toskana, von Venedig und Genua und allen Kauf leuten der universitds mercatorum einen für diese sehr günstigen Geleitsbrief gegeben^. Seine Besitzungen lagen an dem südlichen Rande der Vogesen, nach dem Briefe Sintzes müssen sie sich bis an die Moselstrafse erstreckt haben, der Kern lag jedenfalls jenseits der Wasserscheide im Stromgebiete des Rhone.

Es ist fast nicht zu zweifeln, dafs Sintze seine Absicht erreichte, vielleicht schädigte aber die Vertreibung der lombardischen Geldhändler aus Lothringen, die 1358 stattfand*, auch den Verkehr dieser Waren- händler. Die Belehnung des Herzogs mit dem Geleit innerhalb seines Gebietes* beweist nichts; denn mit dem Geleite auf den vielen durch

* Unsere Urkunden Nr. 18.

2 Digot 2, 261.

8 Unsere Urkunden Nr. 6. Der Brief zeigt manche Ähnlichkeit mit dem Geleitsbrief des Grafen von Pfirt. Urkunden Nr. 2. Jedoch ist in den jüngeren die Haftung des Kaufmanns für seine Heimatstadt aufgegeben, auch giebt es kein Recht einer Aufkündigung mehr. Der Brief von Faucogney ist überhaupt weiter entwickelt als der von Pfirt. Ich habe die entlehnten Stellen unter dem Texte an- gegeben.

•* Digot 2, 277.

» ßöhmer-Huber 3629.

Die nördlichen Fortsetzungen. 423

das Herzogtum führenden Strafsen wurde er längst in feierlicher Weise mit einer besonderen Fahne belehnt ^ Viel mehr beweist für den Ver- kehr, dafs 1399 der Schultheifs von Mellingen im Interesse des Gotthards- verkehr nach Thann an die Mündung des St. Amarinthales wiederholt Ritte machte^. Und doch war ja Lothringen inzwischen vielfach in Fehden durch herumstreifende Banden verheert worden, und hatten die Champagner Messen ihre internationale Bedeutung völlig eingebüfst.

Auch später wurde der Weg über den Col de Bussang, den Geering, der sonst so vorzüglich über die Wege in der Umgegend von Basel orien- tiert ist, gar nicht kennt, noch benutzt. So reiste Montaigne 1581 von Bar le Duo über Donremy , Neufchäteau , £pinal nach Plombieres , dann von dort über Remiremont nach Bussang , einem schlechten Neste , in dessen Umgebung Silber gefördert wurde, Thann und Basel ^. Die Benutzung der weiter nördlich bis zu den Nordvogesen hin gelegenen Vogesenpässe durch Italiener kann ich nicht belegen*.

Schon oben habe ich bemerkt, dafs vom St. Gotthard jetzt auch weiter westlich eine Fortsetzung des Gotthardweges bestand, die auf der Höhe des Jura bei Pontarlier sich mit der Strafse von Jougne verband. Es war der Weg durch das Entlebuch, Bern, Neuenburg und Val Travers, der, wie oben gezeigt, schon 1315 benutzt wurde. Er kam jedoch nicht so in Aufnahme, wie es die Grafen von Neuenburg wünschten, und so beschlossen sie denn, auch in Bellaigues, das heifst an jener anderen Route, zwischen Les Clöes und Jougne, Zoll zu er- heben, sie wollten auch von dem Verkehr durch das Wallis nach Burgund ihren Anteil haben. Ein solcher neuer dritter Zoll am Jura- pafse mufste den Italienern sehr lästig fallen. In den Bitten der Mai- länder Kaufmannschaft, die sie Anfang 1355 an den König Karl IV. richteten, fanden wir auch die um Aufhebung des Zolls und Zurück- nahme der ausgestellten Urkunde*. Damit hatten sie keineswegs Er- folg; Graf Ludwig von Neuenburg stellte es so dar, dafs die Leute

* So gab Alfons mit der vierten von fünf Fahnen das Geleit. Vgl. E. Majer Zoll, Kaufmannschaft und Markt zwischen Khein und Loire (Festschr. f. Maurer) S.46d.

* Anzeiger f. Schweiz. Gesch. 7, 188.

' D'Ancona, L*Italia alla üne del secolo XVI. Giomale del viaggio dl Michele de Montaigne. Cittä di Castello 1889.

* Es kommt zunächst in Frage der Pafs, der vom Kayserbergcir Thal westlich von Diedolshausen über den Kamm in das Thal der Meurthe führt. Bei Diedols- hausen gab es einen Zoll (Hapoltsteinisches Urkb. Bd. I), und die Gründung von S. Di6 wird mit dem Verkehr motiviert. Bei dieser Stadt mündete auch der Weg, der von Markirch über den Kamm ging, ebenso die Verbindung von Strafs- burg über Schirmeck. Im Handel und Verkehr zwischen dem Elsasse und Lothringen spielen diese Wege selbstredend eine grofse Rolle, wie der Weg über Zabem.

^ Unsere Urkunden Nr. 8.

424 Achtunddreiröigstes Kapitel.

seinen Zoll in Neuenburg über Jougne umgingen, wo doch thatsächlich, um die Jougnezölle zu umgehen, der Weg über Neuenburg in Auf- nahme gekommen war. So billigte Karl IV. die Erhebung eines Zolles in Bellaigues neben dem in Neuenbürg^, ja er genehmigte, dafs ebenso- viel wie in Les Clöes erhoben werde*. Kurz vorher war auch der Zoll von Jougne bestätigt^. Die aus Wallis kommenden Lombarden hatten also nunmehr drei schwere Zölle am Jura zu bezahlen.

Sie mufsten sehr einträglich sein, denn noch immer war der Bezug der Wollen seitens der Mailänder sehr bedeutend. Seit mindestens 1316 gab es einen besonderen Handelsvertrag der Mailänder Kaufniannschaft mit den Königen von Frankreich über die Ausfuhr von Wolle. Die Verträge wurden stets auf eine längere Reihe von Jahren abgeschlossen und dabei die jährlich an den König zu zahlende Entschädigung festge- setzt. Es handelte sich im wesentlichen um die Durchfuhr englischer Wolle und dafür gab es bestimmte Ein- beziehungsweise Ausfuhrhäfen. Eine vorläufig noch nicht sicher zu datierende Instruktion giebt darüber Auskunft*. Als Haupteinfuhrhafen galt Honfleur oder Harfleur (Ahflore), dann gingen die Waren Seine aufwärts bis Paris und auf der Yonne bis Sens. Als Ausgangsort wird ein porius sancii Johannis angegeben, die direkte Fortsetzung jenes Weges führt von Sens über Dijon aber nach St. Jean de Losne an der Saöne, das ist der portus sancii Johannis und uns aus früheren Zeiten schon als Grenzplatz Frankreichs bekannt. Eben als solcher und als Ausgangsort galt St. Jean auch in der vor- läufig nur in einem sehr ungenügenden Regest vorliegenden Vertrag Philipps des Schönen mit der Stadt Mailand, der wohl der älteste der Ausfuhrverträge ist^ In der Instruktion ist nicht weiter von der Schiffahrt auf der Saone und Rhone die Rede. Die Namen Johann von Chalon, Grafen von Savoyen und der Ortsname La Loye zeigen, dafs es sich um die uns wohlbekannte Strafse von St. Jean über Salins, Pontarlier, Jougne ins Wallis handelt. Auf ihr gingen also auch in dieser Zeit noch grofse Mengen englischer und französischer Wolle nach Mailand; denn die feste Abgabe war zeitweise auf 2400 Lire festgesetzt.

1 Böhmer-Huber 6958. 1358 Juni 30.

2 Böhmer-Huber 7013. Bald wurde der Zoll ein Lehen der Habsburger, deren Lehensleute wieder die Grafen von Neuenburg waren. 1369. Thommen, Urkunden aus Schweiz. Archiv 1, 402.

8 Böhmer- Hub er 2806. 1358 Juni 30.

* Unsere Urkunden Nr. 39. Zu beachten ist, dafs diese Wünsche einen Handelsvertrag mit einem Speciaiansatz für einen jeden wirklich exportierten Ballen englischer oder französischer Wolle erstreben, während alle bekannten Verträge eine Pauschalsumme haben.

^' (Planche r) Histoire g^n. et part. de Bourgogne 2, 99 (Dijon 1741). Vgl. auch Pigeonneau 1, 309. Die Abgabe war auf sechs Jahre fixiert.

Die nördlichen Fortsetzungen. 425

Die grofsen französisch-engliBchen Kriege mursten aber diesen Handel Bthwer trefFen, wenn auch der Krieg diese Strafee nicht völlig lahmlegte '.

' Für diese Regesten von Gi

zu skizzierende Route aud die Eiportf ertiäge vgl. die 1 1316, 1319, 1342, 1343. 1357, 1358. Aue den Urkunden habe

426 Achtunddreifsigstes Kapitel.

Die wichtigste Fortsetzung des Gotthardweges nach Flandern wurde aber von der Mitte des vierzehnten Jahrhunderts an eine Strafse, die bisher kaum je beachtet ist, und doch fliefsen für sie die Quellen sehr reichlich. Den Anfang macht Strafsburg, bei Rothenkirchen vor dem alten Steinthore begann das Geleit der alten Vögte der Strafsburger Kirche, der Herren von Lichtenberg, das sich bis zum Breitenstein nördlich von Ingweiler erstreckte. Der Weg ging wohl ohne Zweifel über Brumath, Hochfelden, Buchsweiler und Ingweiler. Nördlich von diesem Orte trat er in die Vogesen, rechts thronte die Burg Lichten- berg, links Lützelstein. Von Breitenstein führt der Weg zunächst in der Richtung auf Bitsch, biegt aber schon vor Leraberg ab, um über Enchenberg Rohrbach zu erreichen. Da Rimlingen als Station be- zeichnet ward , ging der alte Weg nördlich des heutigen auf Saargemünd zu, verblieb dann aber auf dem rechten Ufer der Saar, um diese bei Saarbrücken zu überschreiten. Das linke Ufer der Saar begleitete der Weg bis Wallerfangen, nordwestlich des heutigen Saarlouis, dann wurde die Verbindung zur Mosel erstrebt, die wohl bei Sierk überschritten wurde, von da führte die Fortsetzung unmittelbar auf Luxemburg. Dieser Weg ist fast gerade, von der Luftlinie weicht er nur ein wenig nach Nord- osten ab. Heute ist der lange Strafsenzug durch das Waldgebirge der Nordvogesen völlig verödet, nur die Strecke von Saarlouis bis Saar- gemünd und von da bis Bitsch hat eine Eisenbahn, die Wasserscheide am Breitenstein ist jedoch ohne eine solche.

Für den mittelalterlichen Verkehr war es weiter äufserst nachteilig, dafs von Ingweiler bis Luxemburg fünf Herrschaften durchschnitten wurden, die Geleitsrechte besafsen: das Herzogtum Lothringen, die Ge- biete der Grafen von Luxemburg, Saarbrücken, Zweibrücken (bez. Bitsch) und der Herren von Lichtenberg. Die Gefahr lag sehr nahe, dafs die Herren mit Abgaben die Strafse belegen und den Verkehr töten würden. Das haben sie jedoch klüglich vermieden, sie haben sich vielmehr zu einem Bunde zusammengethan , wodurch eine einseitige Ausbeutung der Strafse unmöglich wurde.

Das älteste für Italiener ausgestellte Geleitsprivilegium , das mir be- kannt ist, ist noch von einem Einzelnen gegeben. Graf Walram von Zweibrücken nahm die Kaufleute von Mailand 1350 in sein Geleite auf ^ In dem kurzen Privileg fehlt die Bestimmung über ehemalige deutsche Söldner, die von den Eaufleuten Sold zu verlangen hätten, nicht. Es

mir s. Z. einige im vorstehenden verwertete Notizen gemacht. Vgl. auch Schutz- brief des Herzogs Otto von Burgund 1339. Gaddi, Regest. Schutzbrief des Grafen Amadeas von Savojen 1356 ebda. Brief des Herzogs von Burgund 1359 ebda Dijon 1360.

* Unsere Urkunden Nr. 7.

Die nördlichen Fortsetzungen. 427

ist aber mit diesem Geleitsbriefe nicht etwa der Verkehr tlber diese Strafse erst eröffnet worden, ich habe schon darauf hingewiesen, dafs der Kirkelsche Baubanfall von 1303 sich auf diese Strafse beziehen wird^. Und das Geleitsrecht der Herren von Lichtenberg von Rothen- kirchen bis zur Pafshöhe des Breitenstein wurde schon 1347 von Karl IV. bestätigt '^ und zwei Jahre später durch das Verbot, dieses Geleit zu um- fahren oder neue Zölle zu errichten, gesichert^. Eine genauere Er- forschung der Archivallen wird wohl noch eine Reihe von Belegen ftir die Benutzung dieses Weges ergeben und ich glaube, der Strafse darf man ein höheres Alter zuschreiben. Sie wird schon lange vorher den berühmten elsässischen Wein nach Brabant und umgekehrt die Waren der Niederlande an den Oberrhein verbracht haben*.

Die erste Einigung erfolgte 1352* zu dem Zwecke, dafs die Eauf- leute um so friedlicher wandeln möchten auf den Strafsen, die die Herren haben zwischen dem lombardischen Gebirge und Flandern, nämlich vor Saarbrücken, Gmünd, Rimlingen und Ingweiler. Die Heimat der Kaufleute ist nur durch das lampartische Gebirge und Flandern angedeutet, in der Erneuerung von 1393 sind die Kaufleute von Mailand und Como und aus dem Bezirk der Herren von Mailand genannt, 1415 aber die von Mailand , Como, Lucca, Venedig, Toskana, Lombardei und Thomas SafFeron von Como , vielleicht der Unterhändler dieser Erneuerung. 1456 ist das Gesuch, die Strafse wieder in Benutzung zu nehmen, an die Stadt Mecheln, an alle Kauf- und Fuhrleute aus Frankreich, England, Flandern, Brabant und den Niederlanden über- haupt, dann an die von Venedig, Mailand, Toskana, Burgund, Genf und dem Oberlande gerichtet. Der Brief von 1466 ist für die Kauf- leute von Mailand, Como, Lucca, Venedig, Toskana, Lombardei, Brügge, Mecheln, Antwerpen, Köln, Strafsburg, Basel und Nürnberg bestimmt®.

Die Strafse ist ziemlich genau beschrieben, sie umfafst die Strecke von der Mosel bis Strafsburg. Die Fortsetzung führte über Martelingen (Martelange nw. Arlon in Belgien), von dort berichtet 1370 der Wirt nach Strafsburg, dafs der Knecht eines lombardischen Kaufmanns unter

1 S. oben S. 211. Unsere Urkunden Nr. 181.

^ Böhmer-Huber 492. Winkelmann, Acta imperii 2 Nr. 692. Geleit zu Ingweiler erneuert von Ruprecht Chmel Nr. 2056.

« Böhmer-Huber 886. Erneuert Böhmer-Huber 1646. Winkelmann, Acta 2 Nr. 724 u. 778.

* Über den Zoll zu Ingweiler, der besonders vom Weine erhoben wurde, s. die Urkunden Winkelmann, Acta imp. 2 Nr. 728 u. 979.

^ Im gleichen Jahre (1352 Februar 22) wurde ein Landfriede zwischen Maas und Mosel errichtet, an dem Trier, Luxemburg, Pfalz, Jülich u. s. w. beteiligt waren. Görtz, Regesten von Trier. Sollte dieser von Eiuflufs gewesen sein?

« Unsere Urkunden Nr. 400, 402, 403, 407 u. 324.

428 Achtunddreifsigstes Kapitel.

den Wagen gekommen war*. Seit 1393 erscheint in den Urkunden die Freiung von zwei Herbergen in Rimlingen und zwei in Enehenberg. Es sind die Stationen im Gebirge. Susten oder Kaufhäuser werden nicht erwähnt. Die Abgaben auf der Strafse sollten, so wurde schon 1353 zugesagt; nicht erhöht werden, und es scheint auch thatsächlich keine Steigerung derselben vorgekommen zu sein. 1393 wurde in jedem der vier Geleite vom Wagen oder Karren 4 ß Strafsburger Pfennige gegeben.

Die Briefe galten nur für bestimmte Termine. Mir bekannt sind folgende y es mögen immerhin dazwischen noch einige Erneuerungen fehlen :

Der Brief von 1352 galt auf 10 Jahre bis 1362 August 15 -

- 1361 - - 10 - - 1371«

- 1371 - - 10 - - 1381 November 11*

- 1394 . - 15 - - 1408 Februar

- 1415 - - 30 - - 1445 Juni 24»

- 1466 - - 30 - - 1497 Juni 24 ^

Seit dem Vertrage von 1393 findet sich die Bestimmung, dafs den Herren die Aufkündigung des Geleites freistehe, jedoch habe nach der Aufsage das Geleit noch drei Monate Gültigkeit. Die Aufsage mufste nach Strafsburg in das Kaufhaus erfolgen oder in die Herberge Erhart Nesselbachs , des Wirtes der Lombarden. Sein Gasthaus lag dem Kauf- hause schräg gegenüber, jenseits der Breusch, am Eingang zum damals auch zur Schiffahrt benutzten Goldgiefsen , der die Verbindung mit dem Rheine herstellte^. Auch daraus sehen wir, dafs die lombardischen Kauf leute der Regel nach auf dem Rheine nach Strafsburg kamen.

Im Vertrage von 1352 findet sich die Bestimmung, dafs die ver- bündeten Herren verhindern wollen, dafs die Kauf leute eine andere

* Strafsb. Urkb. 5, 674.

* Urkunden Nr. 400. Vgl. Lehmann, Hanau-Lichtenberg 1, 124. ' Lehmann 1, 132.

* Urkunden Nr. 401. Vgl. Lehmann 1. 139. » Urkunden Nr. 402.

« Urkunden Nr. 403.

7 Urkunden Nr. 324.

« Nach Seyboth, Das alte Strafsburg 183. St. Nicolaus Staden Nr. 18. 1501 wohnte hier Sebastian Brant. Erhart Nesselbach hatte offenbar sehr viele Be- ziehungen, so forderte der Hofschreiber König Wenzels, ihm solle die Stadt Strafs- burg 200 fl. einzahlen, die er zu fordern hätte. Strafsb. Urkb. 6 Nr. 1100. Sein Wirtshaus wurde als Reichslehen angesprochen und Siegmund verlieh es an seinen bekannten Kanzleibeamten Kaspar Schlick. Altmann Nr. 7620. Vgl. 2204, 3032, 7843, 10 113. Chmel, Fr. IV. 1058. Vgl. über den Nesselbach auch Strafsb. Urkb. 7 Nr. 1191 u. 1571. In Strafsburg wohnten 1492 die venetianischen Gesandten im Gast- hof zum Fisch. Simons feld, Reisebericht S. 265.

Die nördlichen Fortsetzungen. 429

Strafse fahren. Das geschah jedoch häufiger. So war Pereival von Fraxinello, ein Bürger von Luzern, zugleich aber auch Unterthan des Herzogs von Savoyen, mit seinen Genossen, die vielleicht aus Brescia und Acqui stammten, dem Zolle von Saarbrücken ausgewichen*. Und im Jahre 1454 oder 1455 hatte Kurftirst Friedrich I. von der Pfalz zu Moramenheim im Elsafs, also im Bereiche der ihm damals zustehenden Reichsvogtei in Hagenau die Führer der Weinfuhren beredet, zu den kurfürstlichen Zöllen zu fahren, also die Richtung an das Rheinufer einzuschlagen. Das war geschehen und die Strafse war verödet und leer geworden, so dafs die beteiligten Fürsten und Herren sich in mehreren Schreiben an alle ehemaligen Benutzer der Strafse wandten, sie sollten doch des hl. Reiches freie Geleitsstrafse wieder befahren, gleiche und bessere Briefe wie früher sollten ihnen gegeben werden. Die Geleitsstrafse sei um so mehr zu empfehlen, da der Herzog von Burgund nun auch Herr von Luxemburg sei ^. Doch ist der Verkehr wieder in Gang gekommen, wie die Erneuerung von 1466 beweist^.

Nähere Nachforschungen dürften eine starke Benutzung des früher gar nicht beachteten Passes auch durch andere ergeben, so hat wohl unzweifelhaft König Siegmund 1417 auf seiner eiligen Konzilsreise diesen Pafs benutzt. Am 21. Januar war er in Luxemburg, am 25. in Strafs- burg, am 27. in Konstanz*. Der Konstanzer Bürger Konrad Koler, der

* Urkunden Nr. 404 406. Parceval von Fraxinel war 1418 in Luzcm Bürger geworden. Liebenau in Archiv f. Schweiz. Gesch. 18, 293.

2 Unsere Urkunden Nr. 407.

' In der heutigen Rheinpfaiz, die damals mehr als heute ein Durchgangsland war, gab es übrigens noch einen zweiten solchen Verein, der sich 1386 zusanunen- setzte aus dem Kurfürsten von der Pfalz, den Grafen zu Spanheim, Leiningen, Nassau-Saarbrücken, Zweibrücken und Veldenz und dem Herrn von Kirkel (Wiesbad. Staatsarchiv Kopialb. 17 Fol. 306. Koch u. Wille 4642. Eine Erneuerung von 1396 Wiesbaden an gleicher Stelle. Für die leiningischen Geleite vgl. Koch u. Wille Nr. 5925, für das spanheimische Winkelmann, Acta imperii 2 Nr. 861. Am Nieder- rhein waren Geleitsbündnisse sehr häufig. Vgl. Schwalm 25. L am p recht 2, 294.) Dieser Bund erstreckte seinen Schutz der Strafse Oppenheim-Metz auf die Linie von Oppenheim bis Saarbrücken, das damals ein wichtiger Strafsenknoten war, und Metz, sowie auf die darin einmündende Strafse Speier-Dürkheim-Kaiserslautern, die die Verbindung Speier-Metz darstellt, sich aber auch dem Strafsenzuge Ulm-Efslingen- Speier-Saarbrücken-Brabant einfügt. Der Weg von Oppenheim nach Metz ging über Gauersheim, Enkenbach nach Kaiserslautem, von da über Landstuhl, Vogelbach, Limbach, St. Ingbart, Saarbrücken. Ein älterer Geleitsbrief von 1344 bez. 1354 um- fafst auch das Luxemburgische, es war die Strafse, welche die Augsburger benutzten. Beteiligt sind 1354 der Herzog von Luxemburg, die Grafen von Saarbrücken, Zwei- brücken, Leiningen, Spanheim und der Ritter von Hohenegg. Das luxemburgische Geleit begann zu Sierk oder der Metzer Stadtmauer und führte bis Oschhaim bei Huy. Augsburger Stadtarchiv Kopialb. 105 lA Nr. 195. 1344 Nr. 197.

* Altmann 2037», ^ u. d.

430 Achtunddreifsigstes Kapitel.

aus Flandern heimkehrte, wurde 1398 von Strafsburger Leuten zwischen Rimlingen und Enchenberg angehalten und ihm ein Pferd, ein Tuch, 14 Paar Hosen, 10 Hüte, feines Gürtelgewand und 2 fl. baren Geldes genommen *.

Dieser Handelsweg, für den ich auf einer Karte der Geleitsstrafsen um Saarbrücken, die sich im Archive zu Wiesbaden befindet, den Namen : „Krumme Meil" fand, war auch in seiner Fortsetzung privilegiert. Zwar habe ich in den Regesten Würth - Paquets nur einen Geleitsbrief von 1393 gefunden, den im Namen seines Herrn der Seneschall ausgestellt hat^. Hier im Norden waren solche Geleitsbriefe auch nicht so not- wendig, hier kamen die Italiener ja überhaupt in gröfsere Staatsgebiete, in denen viele ihrer Landsleute waren. Anders aber nach Süden hin. Als nach 1393 zwei Kaufleute von Como und Mailand auf dem Wege von Flandern nach der Lombardei Waren brachten und sie im Luxem- burgischen durch Arnold von Bolanden gefangen und nach der Burg Stolzberg* gebracht wurden, wandten sich die Kaufleute an ihren Herzog, und dieser liefs nicht allein an die sämtlichen Aussteller des Geleitbriefes von 1393, sondern auch „an den Bischof von Strafsburg und Administrator von Basel" schreiben. Auch Friedrich von Blankenstein hatte als Herr von Strafsburg und Basel, wie ausdrücklich gesagt wird, einen Brief aus- gestellt*. Mir ist es daher nicht zweifelhaft, dafs die Privilegien von 1393 auf die Bemühungen der mailändischen Gesandtschaft zurückzufuhren sind, die 1391 nach Konstanz, Luzern, Basel und Strafsburg ging^. Auch 1456, als es sich um die Neueinrichtung der Strafse handelte, wurde hervorgehoben, dafs auch die oberländischen Herren die Strafse behüten wollten ®.

Die wichtigste Verkehrsader, die jedoch selten auch zur Bergfahrt benutzt wurde, war der Rhein ^. Namentlich für den Transport zu den beiden Frankfurter Messen, für die Wallfahrten nach Aachen und die Heimkehr von Rom und Einsiedeln wurden die Schiffer von Basel, Brei- sach und Strafsburg stark in Anspruch genommen. Doch war dieser

1 Strafsb. Urkb. 6 Nr. 1430 u. 1445.

* Auskunft dürfte ein »Droit du tonli^u et de haut conduit lev^ ä Luxetribourg^ gewähren, von dem ein für unsere Zwecke ungenügendes Regest in Public, de r inst it. de Luxembourg 1869/70 S. 150.

' 1398 war Herr zu 8tolzberg Friedrich von Brandenburg. Public, de Pinstit. de Luxembourg 1869/70 S. 87.

* Unsere Urkunden Nr. 38.

^ Die Instruktion unsere Urkunden Nr. 85.

® Unsere Urkunden Nr. 407.

' Vgl. auch Lüper, Die Rheinschiffahrt Strafsburgs. Strafsburg 1877. Eckert, Das Mainzer Schiffergewerbe, Bettgen häuser, Markt Schiffahrt. Wichtige Urkunden im Baseler Urkb. u. s. w.

Die nördlichen Fortsetzungen. 431

Strom, dessen Schiffahrtsgeschichte hier nicht zu schreiben ist, mit Zöllen völlig überlastet, und bis ins fünfzehnte Jahrhundert hinein stieg ihre Zahl immer noch. Es ist zwar sehr schwer zu sagen, ob einzelne der- selben immer im Gange blieben, wie überhaupt eine ganz vollständige Liste aller Zollstätten nicht leicht herzustellen ist. Nicht immer ist auf den ersten Blick klar, ob es sich um einen Flufs- oder Landzoll handelt. Ich will, was die Quellen und Bearbeitungen mir boten, mit der Liste, die sich aus Sommerlad ergiebt, verbinden, fürchte aber noch Lücken zu lassen. Auch hier habe ich nicht den Ehrgeiz, der Lokal- forschung die Arbeit wegzunehmen. Ich gebe die Stationen nach der geographischen Anordnung :

Laufenburg^ Säckingen^, Rheinf elden*, Basel*, Istein*, Kems®, Neuenbürg^, Breisach®, Biesheim®, Limburg*®, Weisweil", Strafsburg**, Lichtenau-Grauelsbaum*^

^ Gehörte den Grafen von Habsburg-Laufenburg, 1347 1408 erwähnt. Z. Gesch. Oberrh. 9, 894. Zahlreiche Dokumente bei Thommen, Urkunden aus Österreich. Archiven. Vgl. Geering 184 f.

> Fünfzehntes Jahrhundert. Geering 291. Geleite Habsb. Urbar 2, 131.

^ Fünfzehntes Jahrhundert. Geering 186.

^ Der Stadt seit 1367 durch Karl IV. verliehen. Ausdrücklich erwähnt : „varde]l, ballen und wollsak"". Dann 1384 erhöht (Baseler Urkb. 5, 45). Geering 148 f. Auch der ältere bischöfliche Zoll wird städtisch. Vgl. Baseler Chroniken 5, 229.

B Bischöflich baselscher Zoll. Ob auf dem Lande? 1377. Strafsb. Urkb. 5 Nr. 1281.

® 1394 von Wenzel den Münch v. Landskron verliehen, 1396 vom Reiche ver- pföndet, 1421 Eigentum der Stadt Basel. Vgl. BaselerChroniken5, 228. Fester h 1048. Baseler Urkb. 5, 235 u. 242. Altmann 4571. 5076. Geering 188.

"^ Fünfzehntes Jahrhundert. Der Stadt wegen der Kosten des Rheinbaus zum Schutze der Stadt von Friedrich III. (IV.) gegeben vor 1443. Chmel, Reg. Nr. 1406. Geering 291 f. Vgl. auch Baseler Urkb. 7, 879 u. ö.

8 Städtisch. Karl IV. verbietet 1370 eine Erhöhung. Böhmer-Huber 4876. 1396 Baseler Urkb. 5, 234 u. ö. 1442 Baseler Urkb. 1, 16 u. ö. Geering 189.

^ Errichtung eines neuen Zolls, erwähnt in den Beschwerden der Strafsburger Kaufmannschaft. Ungedruckt. Strafsb. Stadtarchiv.

Karl IV. hat 1376 das Recht eines Zolles gegeben an Stislav v. d. Weiten- Mühlen. Strafsb. Urkb. 5 Nr. 1259, 1260 u. 62; 6 Nr. 741, Nr. 18; später im Besitz von Caspar Schlick. Wenzel gab 1392 einen Zoll von Limburg bis an die Vogesen an die Herren v. Rapoltstcin. Rapolt Urkb. 2, 283.

" Hachbergisch, später badisch. 1397 von Wenzel gewährt. Fester, Reg. h 428. Fester, Bernhard I. 93.

^* Am alten Rhein erhoben, schon karoiingisch.

^^ Vor 1395 ist der Rheinzoll ganz im Besitze der Herren von Lichtenberg, seit- dem halb pfalzisch. Koch u. Wille 5613 u. 5614. 1397. Der Zoll wieder lichten- bergisch 1442 Chmel, Friedr. IV. 1034. Vgl. auch 1431 Altmann 8331. Fester 1661, 1801. Der Herr v. Lichtenberg macht zu Graueisbaum die Strafsburger zoll-

432 Achtunddreifäigstes Kapitel.

SölHngen^, Beinheim^, Selz®, Merfeld* (abgegangen zwischen Au und Illingen), Lauterburg, Neuburg*^, Stülen® bei Mühl- burg, Schreck^ (heute Leopoldshafen), Germersheim®, Udenheim* (jetzt Philippsburg), Speier^*^, Hausen^^ (auf- gegangen in Mannheim), Mannheim*^ Worms'^ Gernsheim^*,

frei. Strafsb. Urkb. 6 Nr. 1230. Einen Kinzigzoll zu Willstett gewährte ihnen König Ruprecht. Chmel Nr. 1719.

1 Badißch 1322 zuerst Fester, Regest 770. 1361 Böhmer-Huber 7065. Fester, Bernhard I. vermutet, dafs er nur bei der Thalfahrt erhoben wurde.

2 Rheinzoll zu 1415. Fester 2880.

' Sehr oft seit 1315 erwähnt, verwickelte Geschichte. Sommer lad 56. Böhmer- Huber 3210, 3257, 3942. Fester, Regesten öfters. Ein sehr beträchtlicher Zoll.

* Badisch 1333. Fester, Reg. 915, 1077. Verlegt nach Stülen bei Mühlburg.

* 1347 den Herren von Lichtenberg bestätigt. Böhm er -Huber 487. 1370 ver- leiht dort Karl IV. der Stndt Strafsburg 4 Turnosen von jedem Fuder Wein. Trotz der Demonstrationen des Erzbischofs Gerlach von Mainz, der bat, den Zoll nicht zu erheben und dann auch seinen Zoll erhöhte, hielt die Stadt Strafsburg an dem ihren fest Ein Jahr tobte hier ein Zollkrieg. Strafsb. Urkb. 5 Nr. 851, 888, 912 u. 952. Wenzel gestattet 1381 der Stadt Strafsburg, den Zoll nach Strafsburg zu verlegen. Strafsb. Urkb. 6 Nr. 13. Doch verbleibt in Neuburg ein nunmehr kurpfälzischer Zoll. Ebda. Nr. 157. Koch u. Wille, Regesten Nr. 6713.

^ Der Zoll von Merfeld für kurze Zeit hierher verlegt. Fester, Bernhard I. 29. Böhmer-Huber 4061. Dort Fester 1048, 1200, 1212, 1237. Bald nach 1366 und vor 1373 verlegt nach Schreck.

■^ Dort blieb er bestehen. Vgl. z. B. 1373: Fester 1297, 1356 und an vielen anderen Stellen. 1399 Strafsb. Urkb. 6 Nr. 1522. Chmel, Ruprecht 2159.

^ Schon 1269 aufgehoben, 1321 bischöfl. speirischer Anteil. Sommerlad 51 u. 56. Strafsb. Urkb. 2 Nr. 407. Pfälzisch. Böhmer-Huber 2524. Zahlreiche Nach- richten von 1350 ab bei Koch u. Wille.

^ 1269 aufgehoben. Sommer lad S. 51. Dann wieder vorhanden und verpfändet. 8. 84 f. Bischöfl. speirisch Böhmer-Huber 4769. Chmel, Ruprecht 199. Pfalz. Anrechte Winkelmann, Acta imp. Nr. 831. Koch u. Wille 4987.

»ö Schon erwähnt 1003. 1208 städtisch. Sommerlad S. 49. Mit königl. Ge- nehmigung errichtete 1382 die Stadt Speier einen neuen Zoll, gegen den sich eine lebhafte Opposition erhob. Strafsb. Urkb. 6 Nr. 100, 129, 134, 136, 137, 138, 158, 173 und Janfsen, Frankf. Reichskorresp. I Nr. 21 27 u. s. w. und zahlreiche andere Quellen.

" 1265 pfölz. ZoU. Koch u. Wille 772. Vgl. 1324. Wohl mit dem nächsten identisch.

J2 1265 pfälzisch. Sommerlad S. 54. 1356 pfälzisch, Böhmer-Huber 2523. Landfriedenszoll 1384 Sommer lad 161 f Zahlreiche Nachrichten bei Koch u. Wille. Auch Strafsb. Urkb. 6 Nr. 173 u. 265.

'' Karolingisch schon erwiesen. Boos, Städtekultur 1, 365. Auch die Stadt Worms errichtete 1382 einen neuen Zoll, der lebhaft von den Nachbarn angefochten wurde; s. unter Speier. Strafsb. Urkb. 6 Nr. 434. Auch 1397 wieder angefochten ebda. Nr. 1253.

^^ Allerhand Anteile: Nassau, Hohenlohe, Mainz, später ganz mainzisch. Sommerlad S. 56, 91 f. Böhmer-Huber 2976, 5010, 6206.

Die nördlichen Fortsetzungen. 433

Oppenheim^, Mainz^ Zum Segen der Schiffer haben nicht alle diese Zölle gleichzeitig bestanden. In dem Vertrage über den Tarif der Rheinzölle zwischen Strafsburg und Mainz vom Jahre 1393 werden nament- lich aufgeführt die von Strafsburg, SöUingen, Selz, Neuburg, Schreck, Germersheim, üdenheim, Mannheim, Gernsheim und Oppenheim. Aus- drücklich ist gesagt, dafs das die zehn Zölle seien, so folgt, dafs damals die anderen Zölle auf dieser Strecke nicht anerkannt wurden^.

Um 1450 dürfte demnach auf der Strecke von Laufenburg bis Mainz . der Rheinschiffer mehr als zwanzigmal haben beidrehen müssen, um Zoll zu bezahlen. Eine Berechnung der wirklichen Höhe dieser Zölle ist sehr schwierig. Lamprecht hat für 1350 für die Strecke von Bingen bis Koblenz allein eine Zollbelastung von 66,72% des Warenwertes be- rechnet*. Wie immer das Ergebnis ausfallen mag, so viel steht fest, dafs eine solche Belästigung des Verkehrs dem stolzen Flusse unerträg- liche Fesseln auflegte, dafs er nicht das wurde, was er hätte sein können, die alles beherrschende Verkehrsader. Durch dieses Übermafs wurden die natürlichen Vorteile des Flufsverkehrs : billige Transport- kosten und Schnelligkeit der Thalfahrt aufgehoben.

Es war das alte Prinzip verlassen, der Zoll war kein Entgelt mehr für die Besserung der Fahrstrafse und die Sicherung des Verkehrs, sondern eine rücksichtslose Besteuerung des Flufsverkehrs seitens der Herren des Ufers. Und rücksichtslos waren in gleichem Mafse: der König, die Fürsten und die Städte. Die Könige gaben die Zölle wie auf dem Lande ohne jede Rücksicht auf die Handelsinteressen als Belohnungen , die Reichszölle wurden verpßlndet und damit viel fester begründet; momentaner politischer Vorteile willen wurden sie geschaffen.

Die Härte der Fürsten ist am ehesten zu erklären, aber auch die Städte waren nicht minder schuldig. Basel hat den Zoll von Kems nicht aufgehoben, wie Strafsburg den Zoll von Neuburg gegen die Fürsten durchsetzte , wie Speier und Worms sich eine gleiche Einnahme- quelle verschaffen w^ollten. Es steht in diesen Dingen einfach Territorium wider Territorium, auch die Städter wollten ihren Anteil an dem Segen der Wasserader. Erschwert wurde der Verkehr noch durch die gerade von den Städten erstrebten Stapelgerechtigkeiten : Strafsburg, Mainz und

' Schon 1018, seit 1375 pfälzisch. Sommerlad S. 68. Daneben für kurze Zeit ein Landfriedenszoll seit 1322. S. 158. Strafsb. Urkb. 2 Nr. 427. Vgl. Hegel in Chroniken d. dentachen Städte 18, 2, 97.

'^ Erzbischöflich. So mm er lad S. 88. Daneben seit 1325 für einige Zeit ein Landfriedenszoll. S. 159. über das Stapelrecht vgl. Eckert 43.

3 Strafsb. Urkb. 6 Nr. 758.

* Lamprecht 2, 307 f.

Schulte, Oesch. d. mittelalterl. Handels. I. 28

434 Achtunddreifsigstes Kapitel.

Köln haben das Ziel erreicht und damit zum mindesten die Schnelligkeit des Verkehrs herabgesetzt.

Der Zustand wäre völlig unerträglich gewesen, wenn nicht einzelne Städte von diesen oder jenen Zöllen befreit gewesen wären. Vor allem besafsen solche Vergünstigungen Nürnberg und Köln*, in etwa auch Strafsburg, Speier, Worms und Mainz. Doch das kam den Fremden nicht zu gute. So weit auch der Italiener auf den Landwegen sich durch Privilegien zu sichern versuchte, so sind Privilegien für dem Rhein sehr selten. Ich kenne nur den Geleitsbrief, den 1469 die vier rheinischen Kurfürsten den Kauf leuten von Genf, Venedig und Mailand ausstellten, nachdem sie wegen Unsicherheit und anderer Beschwerungen den Rheinstrom gemieden hatten-.

Die deutsche Bürgerschaft hatte sich 1254 mit der gröfsten Energie gegen diesen Zollunfug im rheinischen Bunde geeint, wir kennen auch das Vorgehen König Albrechts. Eine gleiche Energie wurde später weder von oben noch von unten entfaltet. Die gröfste That war die Strafsburgs, das, um einen von Karl IV. neu gewährten pfälzischen Zoll zu vernichten, den Rhein durch Pfähle und Ketten sperrte*. Die Zollplätze Hagenbach und Selz wurden 1357 mit königlicher Genehmi- gung zerstört , freilich bald wieder aufgebaut *. Sonst kam es über Ver- handlungen und Edikte von kürzester Geltung nur selten hinaus, so hat Karl IV. 1378 die neuen Zölle im Elsasse, am Rheine und Main wieder aufgehoben*, um aber im selben Jahre wenigstens dem Bischof von Strafsburg die seinen wieder zu gestatten®. Von einer ♦ernsten Rück- sicht auf den Handel war keine Rede. Die vier rheinischen Kurfürsten schlössen allerdings 1506 einen Verein zur Hebung des Rheinverkehrs, der auch die Zölle ermäfsigte ''^. Es wurde nur langsam eine Rück- bildung erzielt; in der Mitte des sechzehnten Jahrhunderts zählte aber noch Thomas RyfF zwischen Basel und Köln 31 Zollstätten®. Die Zer- splitterung der deutschen Staatsgewalt zeigte auch hier ihre schädlichste Wirkung, beklagt, bejammert wurde der Zustand oft genug, niemals vielleicht schärfer als vom Verfasser der Reformation Siegmunds, der alle zehn Jahre eine Revision aller Zölle verlangte, ob sie noch einer

1 Sommerlad 131 u. 133.

Zeitschr. f. Gesch. d. Oberrlieins 9, 34 f. Aufkündefrist ein Jahr.

^ Königshofen in Chroniken deutscher Städte 9, 481.

* Böhmer-Huber 2646. Strafsb. Urkb. 5 Nr. 415.

''' 4. Februar 1378. Böhmer-Huber 5865. Vgl. auch 3452, 5918, 7473.

0 Strafsb. Urkb. 5 Nr. 1:330. Vgl. ebendort Nr. 175, 316, 544, 683.

^ Boos, Städtokultur 3, 110.

« Geering S. 190.

Die nördlichen Fortsetzungen. 435

wirklichen Leistung des Zollinhabers entsprächen ^ , aber frei wurde der Rhein erst im neunzehnten Jahrhundert.

Ganz naturgeraäfs drängte diese Belastung auf dem Flufse die Kauf- leute auf die Landwege. Es ist nun nicht meine Aufgabe, hier die Strafsen, welche rechts und links vom Rhein den Flufs begleiteten und die auf ihnen erhobenen Zölle darzulegen. Im allgemeinen dürfen wir auch ihre Bedeutung für den Handel nicht überschätzen. Für den Ver- kehr war es von grofsem Nutzen , dafs die Strafsburger 1388 eine Schiff- brücke über den Rhein bauten, doch wehrten sich die alten Theilhaber der Fähren und dieses Beispiel zeigt uns, wie schwer es damals war, einen Fortschritt durchzuführen^. Die rechtsrheinische Strafse, die, wie der Münzfund von Oos beweist, schon am Ende des dreizehnten Jahrhunderts von Kaufleuten benutzt wurde, die Geld von Venedig und Genua wie von Lothringen und England bei sich führten, erhielt mehr Leben, seitdem die Frankfurter Messe aufblühte. Und auch hier kommen Kaufmannsprivilegien vor. Als 1376 Graf Egon von Freiburg den Baselern einen Geleitsbrief für ihre Kaufleute und Waren aus- stellte, erklärte er, diese bei den ahen Zöllen und Geleite lassen zu wollen, sie sollten jedoch die ^gedinge^ geniefsen, die die „Walche und die das grofse Geleit und Zölle geben" haben*. Also auch hier war ein schriftlicher Geleitsbrief für die Welschen vorhanden. Unterhalb der Strafsburger Rheingrenze betrat der Weg bei Leutesheim das Gebiet der Herren von Lichtenberg, deren Geleit sich bis oberhalb Stollhofen erstreckte, dort begann das der Markgrafen von Baden. Für beide wurden 1369 Geleitsbriefe ausgestellt* und bald darauf wurde das Lichtenberger Geleit mit seinen Zöllen von dem Reichsverweser und später von Karl IV. selbst bestätigt*.

* W, Böhm, Friedrich Reisers Reformation des K. Sigmund 212 215.

2 Strafsb. Urkb. Bd. 6, namentlich Nr. 773 u. 1212. S. Register unter Rhein. ^ Baseler Urkb. 4 Nr. 401. Über das Geleit im Breisgau vgl. Rapoltstein. Urkb. 5, 154.

* Strafsb. Urkb. 5 Nr. 829 u. 837. Der badische galt auf zehn Jahre. Für die Kurgäste von Baden gab es schon vorher Geleitsbriefe. Nr. 756 u. 1256. Fester, Bernhard I. 27.

^ Winkelmann, Acta imp. 2 Nr. 1217 u. 933.

28

436 NeaDunddreifsigstes Kapitel.

Neununddreifsigstes Kapitel. Die Sfidseite des St Ootthards.

Charakter der Geschichte, ürseren und Livinen minder glütkh'ch ah üri. Die Eusconi in Como, BeUenz, Die Visconti dringen bis zum Gotthard vor. Ihre Verwaltung. Freibriefe und Vergünstigungen. Die Visconti Herzöge. Krisis von 1402. Erste BC' Setzung von Livinen, von Bellenz. Schlacht bei Arbedo. Eutgegenkommcfi in Handels^ fragen. Die Kapitulate. Iniiser Krieg. Die Schweizer zollfrei. Die Eidgenossenschaft ein HandeJsgebiet. Eidgenössischer Zott in Göschenen. Die Erwerbung des Tessin, ähn- liche Ausdehnung Graubündens. Die Schweiz ein Pafsstaat. Die südlichen Fort- setzungen: Monte Cenere sehr unsicher. Wege nach Varese, Magadino und Locamo. Verträge.

Die stidlichen Zugänge zum St. Gotthard, den. die Mailänder noch im fünfzehnten Jahrhundert wohl einmal als straia francisca bezeichneten *, bieten eine ganz ähnliche Geschichte wie die nördlichen. Es ist hier wie dort das Vordringen eines grofsen, machtvollen Staatswesens der Ebene zur Höhe des Passes und der Widerstand kleiner Thalgemeinden, die sich in schweren Kämpfen als überlegen erweisen. Doch waltet der Unter- schied ob, dafs im Süden der Kampf nicht getragen wird von den dort gelegenen Thalgemeinden; diese sind zu schwach, von vornherein ab- hängig von Nachbargemeinden, über den Pais greift die Landschaft Uri mit Kühnheit und Energie hinüber. Sie findet keine Bundesgenossen in benachbarten Reichsstädten und so wird denn das südliche Vorland ein unterthäniges Gebiet Beherrscht von den Pafsrepubliken Uri und den anderen Kantonen blieb das Land Tessin unfrei bis zur Helvetischen Republik von 1798. In heifsem Ringen hatten die Urkantone sich das erstritten und den Herren und Herzögen von Mailand das Gebiet ab- genommen.

Auch hier im Süden und auf der Pafshöhe gab es zwei Thal- gemeinden, die dem Reiche gehörten und scheinbar geeignet waren, die Krystallisationspunkte für eine italienische Eidgenossenschaft abzugeben: Urseren und Livinen. Da ist es aber von entscheidender Bedeutung geworden, dafs diesen beiden Thälern gerade das nicht zu Teil wurde, was wir als den Kern der ganzen eidgenössischen Bewegung bezeichneten ; sie erlangten nicht das Recht, dafs der Vogt aus ihrer Mitte genommen werden müsse, beide wurden vielmehr der Vogtei eines Urners unter- stellt und darin lag für das fremdsprachige Livinenthal die dauernde Abhängigkeit, das deutsche Urseren ging in Uri auf.

Urseren streifte langsam jede Oberhoheit von Disentis ab, wenn auch noch 1425 die Bestätigung des Ammanns und die Erhebung der

* Boll. 8tor. d. Svizz. italiana 2, 254. Die »straia francisca* war zwischen Belleuz und Biasca durch herabgestürzte Felsen zerstört 1478.

Die Südseite des St. Grotthards, 437

Steuer dem Abte zustand ^. Urseren hat sich dürfen wir hier dem Berichte Tschudis folgen 1332 mit dem Abte von Disentis gar im Kampf gemessen und den Sieg errungen^. Jedenfalls war 1339 eine Fehde zwischen dem Abte von Disentis, den angesehensten Herren des Oberlandes und dem Vogt von Bellinzona einerseits, den Ländern Uri, Schwyz und Uuterwalden anderseits entbrannt und wurde gesühnt, Urserens Stellung darin ist nicht klar zu ersehen*.

Ludwig der Bayer entsetzte 1317 den Vogt von Urseren, Heinrich von Hospendal und gab das Thal Konrad von Mos , wobei der Titel eines Vogtes vermieden wurde*. Das war aber nun nicht etwa ein Lehen. Karl IV. wahrte sich ausdrücklieh das Recht, die Vogtei über die Thalleute zu bestellen*^. Ein weiterer erheblicher Schritt zur Frei- heit war das Privileg König Wenzels, der die von Urseren mit dem Rechte begabte, aus ihrer Mitte einen Ammann zu wählen®. Damit hatte Urseren die Rechte gewonnen, die Uri seit einem Jahrhundert be- safs. Es war zu spät, Urseren wurde zwar kein Unterthanenland, aber es rettete seine Freiheit nur dadurch, dafs es 1410, als bereits Uri jen- seits im Livinenthal festen Fufs gefafst hatte, mit diesem ein ewiges Land- recht einging ^. Seitdem nahm Uri sich der Sicherung der Gotthardstrafse auch in diesem Teile an ; Urseren hatte wiederholt gegen Räubereien von Wallisern, wie gegen Bündner Herren kämpfen müssen®.

Minder glücklich war Livinen. Auch hier hatte das Geschlecht von Mos die Vogtei errungen, und zwar mit Einschlufs der Susten und der Teilballe, unter Ausschlufs jedoch der Zölle*. In derselben Familie ist das Thal oder doch das oberste Stück bis zum Plattifer 1329, 1838 und 1353 nachzuweisen *^. Urseren und Livinen verschmolzen aber nicht, ja 1331 kam es zu erbitterten Streitigkeiten zwischen den beiderseitigen Fuhrleuten. Nach dem Privileg Karls IV. hätte sich hier eine erbliche Reichsvogtei entwickeln können**,

1 Ochsli, Regest 807.

2 Tscbudi, Chron. 1, 327. v. Liebenau, Regesten Nr. 124. Jecklin im 20. Jahresbericht d. hist. ant. Gesellschaft v. Graubünden S. 8.

» Urkunde bei Mohr 2, 842 u. 346.

* Eb heifst: »officium di8tH<:tu8 in ürserre: Geschichtsfreund 20, 312.

^ Böhmer-Huber 6114. 1354 September 1.

« Gedruckt Liebenau 20, 125. Vom 3. Juni 1382. Eigentümlicherweise ist dieses Dokument von Dierauer und Ochsli ganz beiseite gelassen.

^ Gedruckt Geschichtsfreund 8, 187 f.

8 Walliser Knechte hatten 1346 aufdes Reiches Strafse geplündert. Geschichts- freund 1, 74 f. Urfehdebrief. Walliser Streitigkeiten mit den Waldstätten und Ur- seren 1386, V. Liebenau, Regesten Nr. 186.

» Geschichtsfreund 20, 312.

10 Ebda. 20, 315. 316. 319 u. 320.

>i Böhmer -Huber 1631. Johann v. Mos erhielt das Recht, die Vogtei zu vermachen und zu verpfänden, wenn er will. 1353 Oktober 16.

438 Neununddreifsigstes Kapitel.

aber es starb das Haus aus und seinen Erben, den Hunwyl, gelang es trotz kaiserlicher Mandate ^ nicht, die Herrschaft in ihren Händen zu behalten, das Gebiet kam an die Viscontis. Die Kirche in Mailand spielte sich wieder als Herrin des Thaies auf und wie sie 1356 das Blegnothal an die Viscontis gab^, so dürfte die Geschichte des Livinenthals enthält manche Rätsel eine ähnliche Verleihung bei Livinen erfolgt sein. 1873, ja 1391 war es noch in Verbindung mit Uri^. 1377 aber galt die Gemahlin Bernabo Viscontis als die Herrin des Landes*. Und da seit lange die Bewohner des Livinenthales für den eigenen Bedarf, nicht für die Handelswaren, zu Biasca von dem Zolle, der hier erhoben wurde, befreit waren, treten seit 1352 Viscontis als ihre Schützer auf^. Die immer erneuten Streitigkeiten um diese Zollbefreiung sind fast das einzige, was wir aus dem Thale erfahren®. Jedenfalls hatte um diese Zeit die Herrschaft der Viscontis die gröfste Ausdehnung erreicht.

In den schwierigsten Lagen während des Aufenthalts Ludwigs des Bayern in Italien und, als König Johann von Böhmen dort kämpfte, hatten die Visconti ihre Macht mit aufserordentlichem Geschicke be- hauptet, indem sie zur rechten Zeit ihren Frieden mit der Kurie schlössen. Es erlag aber in dieser wildbewegten Zeit das benachbarte Haus der Rusconi, der Herren von Como. Franchino hatte nicht allein die Rivalen gegen sich, auch das Volk, vor allem aber den Bischof^. Er scheint seine Hilfe bei den Eidgenossen haben suchen wollen ; denn er verordnete, dafs keiner von Luzern, Uri, Urseren, Unterwaiden und Schwyz das ^pedagium comitis Vemovensis<- zahlen solle, das in Como und Bellinzona erhoben wurde. Jedoch solle das nur für ihre eigenen Waren gelten®. Und weiter gestand er auf die Anregung des Landammanns Johanns von Attinghausen und auf Bitten von Leuten aus Livinen, Unterwaiden, Uri und Mesolcina eine Herabsetzung des Zolls in Como für Waren, welche über Bellinzona kamen, zu*. Doch es war zu spät; Franchino blieb

1 Karl rV. 1356. Böhmer-Huber 4224. Geschichtsfreund 1, 330 und Wenzel 1389, v. Liebenau 20, 154.

^ Oslo If 119. Meine folgenden Ausführungen gebe ich nur mit Vorbehalt. Vgl. auch Anzeiger f. Schweiz. Gresch. 1883, 145.

* Unsere Urkunden Nr. 22 u. Nr. 35.

* V. Liebenau 20, 122 f. ^ V. Liebenau 20, 60.

« Vgl. Liebenau, Regest 198 zu 1377. 211 zu 1386. 216. 217 zu 1388. 231 zu 1392. 232 zu 1394. 234 zu 1395.

■^ Vgl. Lütolf, Rusconi 327 ff. Von Franchino Rusca liegt eine Bestätigung eines Schiedsspruches zwischen einem Oomasken und einem Bürger von Bremgarton vor. 1320. V. Liebenau 20, 17.

® 1335 Januar 30. Tschudi, Chronic Helvetic 1, 336 aus dem Urn er Archiv.

» Unsere Urkunden S. 127 ff. und das Stück Urkunden S. 130, 15 ff.

Die Südseite des St. Gotthards. 439

nichts anderes übrig, als sich dem Herrn von Mailand, Azzo Visconti, in die Arme zu werfen. Für die Hingabe von Como (1335) hoffte er Bellenz, das Pietro 1307 den Comasken verkauft hatte ^, und die „Graf- schaften" Lugano, Locarno, Mendrisio, die Thäler Maienthal und Bellenz zu behaupten '^. Die Eidgenossen fanden sich mit den Ereignissen leicht ab und Azzo sicherte ihnen zu, sie sollten auf der Reichsstrafse frei und ungehindert verkehren^.

Die Rusconi konnten den Verlust von Como nicht verschmerzen. Nach Azzos Tode erregten sie Unruhen, die Herren von Mailand aber, der Erzbischof Giovanni und Luchino nahmen Bellenz ein ; zum zweitenmal hatte die Rusconi die Hoffnung, die sie nach Galvano Fiamma auf die Hilfe der Deutschen setzten, getäuscht. In Bellenz zog eine mailändische Besatzung ein. Im selbea Jahre warfen die Visconti auch Locarno nieder und bändigten es durch ein neuerbautes Kastell, auch unterwarfen sie sich das Blegnothal.

Um 1390 ging die Herrschaft der Visconti bis auf den Gotthard, Lukmanier, Splügen und bis an den Grenzbach des Bergell-, der Austritt aus den Tessiner und Bündner Alpenpässen war durchaus in ihrer Ge- walt, wenn auch nicht in unmittelbarer Herrschaft.

Der Verkehr über den Gotthard war also von den Visconti abhängig geworden und da trat nun ein moderner Staat, der eine Wirtschafts- politik kannte und eine fein gegliederte Verwaltung besafs, mit den Alpenkantonen in Fühlung. Die ältesten Zollbegünstigungen, die die Schweizerkantone und ihre Nachbarn sich verschafften, kamen allen Kauf- leuten zu gute, welche den Weg benutzten. Diese Thäler trieben noch eine Handelspolitik von Transporteuren, möglichste Steigerung des Ver- kehrs war ihr Ziel; sie handelten nicht als Kaufleute und nur in der Rücksicht auf ihren Konsum kann man andere Gesichtspunkte finden, als die des Durchgangsverkehrs. Die Viscontis benutzten den Handel auch zum politischen Kampfe. Durch das Ausfuhrverbot, das Giovan Galeazzo Juli 1386 erliefs, wollte er offenbar die Sache der österreichi- schen Herzöge fördern*. Die Herrschaft von Mailand sorgte in aus- gedehnter Weise für die Strafsen, es wurde die Pflicht des Strafsenbaus auf die Gemeinden verteilt^, es wurde ein für allemal befohlen, die

' Motta in Boll. stör, della Svizz. ital. 17, 3 in der gehaltreichen Abhandlung: I Rusconi signori di Locarno, di Luino, di Val Intelvi ece. (1439—1512).

- In der Übergabsurkiinde behielt sich das Franchino vor. Lütolf S. 355.

* Liebenau, Eegest 119 stellt das undatierte Stuck zu 1329. Lütolf a. a. 0. S.'333 giebt die richtige Datierung. In diese Verhandlungen gehörte auch wohl das Stück unserer Urkunden S. 130, 15 ff. Es enthält die Wünsche von Como.

* Liebenau 20, 140.

^ 1382 zwischen Bellenz und der Grafschaft. Liebenau 20, 127.

440 Neununddreifsigstes Kapitel.

Strafsen bis zum I.Mai in Stand zu setzen*. Aus diesen Verordnungen und den Statuten für die Strafsen und Wasserläufe von 1346^ leuchtet der Geist eines modernen Staates hervor.

Auch für die Sicherheit kam das stramme Regiment der Visconti auf. Gröfsere Streitigkeiten sind nur von Uri bekannt, die so anwuchsen, dafs 1373 die Kaufleute von Mailand einen Gesandten in das Thal schickten, der gegen eine Zahlung von 126 fl. für seine Landsleute freien Durchpafs erwirkte. Aber auch da wurden einige Thalleute ausgenommen, ein Rudenz, der Unrecht erlitten hatte, bevor er ins Thal zog, und zwei andere, die bei dem Mefsbesuch zu Unrecht hatten Zoll bezahlen müssen. Auch die Leute des Livinenthals wurden ausgenommen". In einzelnen Tessiner Gemeinden sorgten die Ortssatzuugen für die Fremden und garantierten den Durchziehenden den Ersatz alles Schadens, den sie in ihrem Gebiete erlitten*.

Schon oben ist von der Gesandtschaft der Mailänder, die 1391 nach Konstanz, Basel, Strafsburg und Luzern ging, wiederholt die Rede ge- wesen. Sie sollten von Luzern, Uri, Schwyz, Zürich und Unterwaiden einen Geleitsbrief erwirken, worin auf Repressalien Verzicht geleistet werde. Luzern müsse seine Zölle auf die Hälfte herabsetzen, in Fluelen BoUe die Wage nach der von Bellinzona gerichtet werden und ein Nach- wiegen in keiner Richtung erfolgen, auch im Livinenthal solle dieselbe Wage gelten. Wieviel von diesen und andern Artikeln durchgesetzt wurde, wissen wir nicht.

Ein älterer Freibrief von Luzern von 1376 enthält bereits das Verbot eines Angriffes eines fremden Kaufmanns, wegen angeblicher Soldforde- rungen, wegen Schulden Dritter, wegen Verweigerung der Zollzahlung seitens eines Dritten, oder Angriff eines Dritten auf den Luzerner, aller- dings nur auf die Zeit von zehn Jahren \ Die Forderungen von 1391 gehen darüber weit hinaus. Namentlich sollten päpstliche und kaiserliche Mandate, welche gegen die Kauf leute gerichtet seien, überhaupt oder doch erst sechs Monate nach erfolgter Kündigung Gültigkeit haben; und allerdings war dies Mittel wiederholt von selten der Kaiser gegen die Viscontis verwendet worden. So war 1374, als Karl IV. Bernabo und GaleazÄo in die Acht gethan hatte, nach Strafsburg der Befehl geschickt, alle Kauf leute an- zuhalten, so oft sie von einem bestimmten Luzerner gemahnt würden®.

^ 1889 für Bellinzona. Li eben au, Hegesten 20, 151. Veröffentlicht in den Miscellanea di storia italiana Bd. 7. ' Unsere Urkunden Nr. 22.

* Statuten von Lavizzara, Val Maggia, Bellinzona und Lugano angefüiirt bei Hub er, Privatrecht 4, 265 N. 4. ^ Unsere Urkunden Nr. 23. « Böhmer-Huber 5433.

Die Südseite des St. Gotthards. 441

Der fertige Vertrag, das Ergebnis dieser Verhandlungen ist nicht bekannt. 1399 wurde wiederum über ein solches Kapitulat mit den Eidgenossen verhandelt ^

Die Herrschaft der Visconti hatte Giovan Galeazzo immer weiter ausgedehnt und aus der Stadtsignorie einen ausgedehnten Staat gemacht, dem die äufsere Legitimation von König Wenzel gegeben wurde, indem er ihn am 11. Mai 1395 zum Herzoge von Mailand erhob. Wie dieser Schritt dem König von den Kurfürsten als ein Verbrechen angerechnet wurde, wie Ruprecht und Siegmund sich verpflichten mufsten, gegen diese Minderung des Reiches zu kämpfen, ist hier nicht näher zu erzählen. Der Zug Ruprechts war ja von Florenz herbeigeführt, nachdem Pisa, Siena, Perugia, Assisi, Spoleto und Bologna sich der Herrschaft der Visconti gebeugt hatten. Mitten im Siegeslaufe nahm am 4. September 1402 der Tod den ersten Herzog von Mailand dahin, für seine unmündigen Kinder übernahm eine schwache Regentschaft die Verwaltung. Eine schwere Krisis brach über das Herzogtum herein , viele Städte rissen sich los, benachbarte Herrscher nahmen andere weg, die inneren Fehden zerrütteten den Rest, das Gebäude, das die Visconti errichtet hatten, wich aus allen Fugen. Auch im nördlichen Gelände am Fufs der Alpen zeigte sich das. Dafs der flüchtige Mastino Visconti Veltlin, Bormio, Puschlav, Chiavenna und Plurs an das Bistum Chur schenkte, hatte wenig zu be- deuten, mehr dafs die Rusconi in Como wieder die Gewalt erlangten und damit Lugano und Locarno vereinten. Hier konnte freilich Filippo Maria die Rusconi, die von Siegmund zum Reichsverweser in Como er- nannt waren ^, wieder zurückdrängen ; sie traten, von Siegmund, dem der Visconti Februar 1415 gehuldigt hatte, verlassen, zu den Gegnern über*. Als Herren der Grafschaft Lugano und von weiteren Besitzungen, von denen vor allem das Thal von Chiavenna zu erwähnen ist, für die sie Como hingaben, waren sie fortan Lehensleute des Herzogs, jedoch noch immer eine politische Macht ^.

Am schwersten ward dem Herzog Filippo Maria, der die Macht der Visconti neu begründete, die Herrschaft am Fufse des Gotthard wiederzugewinnen und zu behaupten. Nach jüngeren Quellen waren Streitigkeiten auf dem Viehmarkt von Varese der Anlafs, der Uri zum

» y. Liebenau 20, 170.

* V. Liebenau, Arbedo 199. Motta S. 4.

* V. Liebenau, Arbedo 20L

* Die Herrschaft Lugano war dann von 1434—66 im Besitze der Sanseverini, wie das Blegnothal ein Lclien der Pepoli, dann bis 1457 der Bentivoglio war, wo das Thal sich auskaufte. 1422 kam Chiavenna wieder in den Besitz der Visconti. 1439 erhielten die Rusconi Locarno und die anliegenden Thäler, dafür ging Arona an die Borromei über.

442 Neununddreifsigstes Kapitel.

Kampfe trieb und ein eigentümliches Zusammentreffen ist es, dafs in dem Ausgleich zwischen Uri und Mailand von 1373 ausdrücklich ein Fall solcher Marktstreitigkeiten vorbehalten wurde ^ Genug, im Sommer 1403 besetzten die von Uri und Obwalden das Thal Livinen, sie gliederten es sich nicht an , wie kurz darauf es Urseren geschah , sondern über- nahmen einfach die Rechte des Herzogs und behandelten das Thal als eine gemeinsame Herrschaft. Die Streitigkeiten „der Giblingen** und „Gelfen" wurden verboten^.

Das Livinenthal war schwer zu behaupten, solange nicht mit Bellenz die Thalsperre, welche zugleich Bernhardin, Lukmanier und Gotthard deckte, gewonnen war. Seitdem König Wenzel Stadt und Bistum Como den Visconti als besondere Bestandteile ihres Herzogtums erblich ver- liejien hatte, besafs ihre Herrschaft über Bellenz einen rechtlichen Grund*. Und auch diese den Herren Mailands wegzunehmen, gelang den Umern. Es waren Soldansprüche, welche dem Freiherrn Albrecht von Sax, Herren zu Mosax, den Titel gaben, im Bunde mit den Resten der ghibellini sehen Partei sich 1403 inmitten der Krisis der Viscontischen Herrschaft der Feste zu bemächtigen. Der Freiherr schlofs 1407 mit den Ständen Uri und Obwalden ein Landrecht ab, das den beiden Thälern die freie Ö^nung des Schlosses zu Bellenz und Zollfreiheit für ihre eigenen Waren zu- sicherte. Selbstredend suchte Filippo Maria, der 1412 seinem als Wüte- rich und Tyrann in der Geschichte schlecht beleumundeten Bruder Giovanni Maria gefolgt war, diesen Schlüssel der Gotthardstrafse wieder zu gewinnen, es gelang aber den Thälern, die schwankend gewordenen Freiherrn zum Verkauf der Stadt und Herrschaft (September 1419) zu bewegen. Nur kurze Zeit sollte das Zeichen des Stieres von Uri und das Banner von Obwalden hier wehen; Ankaufsangebote des Herzogs wurden abgelehnt; durch einen Handstreich bemächtigte sich jedoch Carmagnola, der es durch seine Tüchtigkeit vom Bauemsohn zum ^eld* herm gebracht hatte, am 4. April 1422 des Platzes. Die ürner fürch- teten, der Herzog wolle sein Gebiet noch weiter ausdehnen, das Livinenthal wegnehmen und an der stäubenden Brücke ein Zollkastell errichten; doch folgten die Eidgenossen dem Rufe nur zum Teil und die wirklich eintreffenden Streitkräfte wurden zersplittert, der Rest in der blutigen Schlacht von Arbedo (30. Juni 1422) geschlagen, und damit waren alle ennetbergischen Besitzungen für die Eidgenossen ver- loren. Uri hatte mit seiner nach Italien gerichteten Politik Schiffbruch gelitten.

* Unsere Urkunden Nr. 22. ä V. Liebenau, Arbedo 197. ' V. Lieben au, Arbedo 192.

Die Südseite des St. Gotthards. 443

Wer aber auf den Grund der natürlichen Kräfte sieht^ wird in der Schlacht von Arbedo und dem Frieden von Sitten keine definitive Ent- scheidung erblicken. „Uri hatte schon zuviel von der Wonne Italiens gekostet" ^. Die Visconti wufsten , welchen Wert dieser Besitz hatte ; sie bauten jene gewaltige, mit Luxustürmen gekrönte Thalsperre, die der Landschaft von Bellinzona das mittelalterliche Gepräge giebt.

Trotz dieser erregten Zeit treten doch die Handelsbeziehungen kräftig hervor. Die Urkantone hatten ein Interesse daran, sich Zollfreiheit für ihren sehr beträchtlichen Viehhandel nach Oberitalien zu verschaffen. Den Mailändern lag ebenfalls an möglichster Sicherung und Verbilligung des Verkehrs. So begegnen uns 1410 die Forderungen beider Parteien^. Die Eidgenossen verlangen Milderung der neuen Zölle zu Mailand, Como, Arona (Veron ?) und Lugano ; sehr viel detaillierter ist der Vertragsentwurf, den die Mailänder Kaufleute vorlegen ; es ist wohl das weiteste Ausmafs, das sie je gefordert haben: sicheren Verkehr auf allen Strafsen der Eidgenossen, die nach Deutschland führen, Errichtung von trockenen, guten Susten, keinerlei Repressalien, Nichtachtung etwaiger päpstlicher oder kaiserlicher Mandate stehen da voran. Die Anerkennung solcher Mandate solle sechs Monate vorher angekündigt werden und das dann noch nicht in Sicherheit gebrachte Gut ruhig lagern. Die Kauf leute erbaten «ich einen Tarif der Abgaben auf den Wegen. Sie verlangten, dafs ihre Waren innerhalb zwei Tagen gefertigt würden; die Häute, die vom Walde kommen, sollen noch schneller expediert werden. Bei Raub und Diebstahl hat der betreffende Kanton innerhalb 40 Tagen den Schaden zu ersetzen ; jeder Stand soll seine Strafsen in Stand halten. Besonders wertvoll sind die Angaben, welche bekunden, dafs manche Waren schon damals ohne Begleitung eines Dieners des Eigentümers gingen.

Von diesen weitgehenden Forderungen gestanden Luzern, Uri, Schwyz und Unterwaiden den Kaufleuten von Malland und Como nur ein zehn Jahre gültiges Geleit und Ersatzpflicht im Falle der Beraubung inner- halb Monatsfrist zu^.

Die Interessen der Schweizer fanden in den Friedensverträgen nach der Schlacht bei Arbedo ihren Ausdruck. Soviel ich sehe, ist bisher nicht beachtet worden, dafs der Friede in Handelssachen die Eidgenossen- schaft zerlegt. Der Friedensschlufs mit Zürich, Schwyz, Zug und Glarus gab diesen Ständen auf zehn Jahre Zollfreiheit an allen Zöllen mit Aus- nahme zu Mailand (und der Rusconischen Zölle in Lugano)*, der mit

^ Heusler, Kechtsquellen 33, 191. 2 V. Liebenau 18, 242 u. 244.

' 1415. Abdruck bei v. Liebenau, Regesten 18, 255.

* 1426 Juli 12. Abdruck des latein. Orignals bei Lünig, Codex Italiae diplo- maticus 1, 447 ff.

444 Neununddrcifsigstes Kapitel.

Luzern, Uri und Nidwalden stellte ähnliche Ausnahmen auf (für Lugano, Locarno und die Seitenlinie der Visconti) gab im übrigen aber keine Zeitgrenze an ^ Für Zürich wurde diese Zollbefreiung 1435 auf zehn Jahre verlängert^. Und die der Urkantone wuchs sich zu den grofsen Eapitulaten aus, die der Eidgenossenschaft im Mailändischen die aus- gedehntesten Rechte gewährten. Und das geschah, trotzdem Uri erneut das Livinenthal fortnahm (1440).

1447 starb der Mannesstamm der Visconti aus und nach den Tagen der Ambrosianischen Republik trat Francesco Sforza, der geniale Kriegs- hauptmann, die Erbschaft seines Schwiegervaters an. Er wollte nach dem Gebirge hin Frieden haben und befreite die von Bern, Luzern, Uri, Schwyz und Unterwaiden von allen Zöllen und Auflagen in Bellinzona, Das freundschaftliche Verhältnis wurde nach seinem Tode durch seine Witwe und seinen Sohn Galeazzo Maria in dem Kapitulat vom 26. Januar 1407 verbrieft, worin allen Eidgenossen Bern ausgeschlossen Zoll- freiheit bis an den Stadtgraben von Mailand zugesichert wurde®. Zehn Jahre später wurde das Kapitulat auch auf Bern und St. Gallen aus- gedehnt*. Gleichwohl brach bald unter dem Einflüsse von Uri und der allgemeinen Weltpolitik der Irniser Krieg (1478) aus; Bellinzona zu nehmen gelang nicht, bei Giornico rächten die Schweizer aber die Nieder- lage von Arbedo. Der Friede stellte das alte Verhältnis her und be- stätigte den Eidgenossen die alte Zollfreiheit für schweizerische Waren ^

So hatte sich die Eidgenossenschaft die Zollfreiheit erworben, ohne sie seinerseits den Mailändern zuzugestehen. Der Rofstäuscher von Uri konnte sein Vieh ohne Zoll auf die Märkte der Lombardei treiben, der Mailänder Kaufmann mufste seinen Zoll entrichten. Auch in dieser Stellung im Handelsleben dokumentiert sich die Überlegenheit der Alpenkantone über das Herzogtum der Ebene. Die Eidgenossenschaft schob sich als ein geschlossenes Handelsgebiet zwischen Deutschland und Italien ein, sonst war die Rechtsstellung der einzelnen Orte verschieden, fast zuerst wird auf dem Gebiete des Handels die unitarische Richtung eingeschlagen, die heute mit der kantonalen so mannigfach zusammenstöfst. Auch die älteren Kapitulate mit Mailand unterscheiden noch die einzelnen Stände, so bleibt noch 1467 Bern ausgeschlossen, aber weil es selbst will; 1477

1 1426 Juli 21. Eidgen. Abschiede 2,753. Wie aus den Kapiteln für Bellenz von 1466 hervorgeht, hätten die Bellenzer sehr gern die Fürleite wieder erhoben. Heusler 33, 270.

2 Liebenau, Regesten 18, 376. » Abschiede 2, 893—99.

^ Abschiede 2, 930 ff. Einer der mailändischen Gesandten war Georius Stein- huser, ob ein Konstanzer? ^ Dierauer 2, 262.

Die Südseite des St. Grotthards. 445

drängt aber auch die Stadt St. Gallen eifrigst darauf, in die Kapitulate, der Zölle wegen, eingeschlossen zu werdend Auch bei Frankreich ge- wannen die Eidgenossen ähnliche Privilegien^.

Im Innern blieben freilich die kantonalen Zölle, Geleite und Für- leiten bestehen. Von einer Reform des Zollwesens war keine Rede. Doch ist es wohl zu beachten, dafs auch schon eidgenössische Zölle auftauchen. Der Zoll zu Göschenen so weit ich sehe, ist seine Geschichte bisher viel zu wenig beachtet war ein solcher. Schon 1429 geben nach altem Herkommen die von Uri, Schwyz, Ob- und Nidwaiden und Luzern dem Zöllner auf, nur für sich und für den Spital wöchentlich ein bestimmtes Mafs an Getreide durchzulassen®, sonst war der Gotthard für alle Cerealienausfuhr nach Italien gesperrt. Dieses Gebot wurde gemildert und verschärft, immer aber leuchtet die Absicht durch, den Gotthard dem Getreideexport zu sperren und so den Thälern billiges Korn zu er- halten *. Es ist die direkte Fortsetzung jener Atzungsverträge und dafs hier der erste gemeinsame Beamte auftritt, beweist wieder, dafs der St. Gotthard das Herz der Eidgenossenschaift war.

An diesen Handelsverträgen haben die grofsen schweizerischen Kämpfe in den Tagen der Mailänder Kriege nichts geändert; die Kapi- tulate wurden immer wieder bestätigt von Lodovico Moro, im Vertrage von Arona, von Massimiliano Sforza*, selbst im Vertrage von Gallarate und sie bilden endlich auch die Grundlage der ewigen Richtung mit Frankreich von 1516*. Das Princip der Steuerfreiheit der Eidgenossen für die von ihnen selbst produzierten Waren wurde anerkannt, mitunter hatten sich die Mailänder freilich dagegen zu wehren, dafs die Schweizer Kaufleute fremde Waren als ihre eigenen ausgaben '.

Die Kämpfe haben aber ein anderes Ergebnis gebracht, sie haben die Schweiz erst in des Wortes voller Bedeutung zu einem Pafsstaate gemacht. Das Drängen der Urner nach dem Besitz der Südausgänge hatte nun dauernden Erfolg. Als Beute aus dem grofsen weltgeschicht- lichen Ringen um die Herrschaft auf dem Festlandsfufse Italiens ge- wannen die Kantone Schwyz, Uri und Nidwaiden, die Grafschaft Bellinzona und mit ihr das Blegnothal, im Jahre 1500 hatten sie diese Thalschaften

> Abschiede 2, 645.

2 Eidgen. Abschiede 3, 1, 100. 694 f. Zuerst 1481 von Ludwig XI., erneuert 1483 und 1498.

3 Abschiede 2, 77.

* Abschiede 2, 96. 139. 149. 581.

» 1498 Oktober 1 Abschiede 3, 1, 747. 1503 April 11 ebda. 3, 2, 1305. Be- schworen Januar 1513 ebda. 3, 2, 1352. 6 Abschiede 3, 2, 1406. ^ Unsere Urkunden Nr. 133. 1498 Mailand.

446 Ncuniinddreirsigstos Kapitel.

besetzt. Den zwölf Orten gehörten die 1512 weggenommenen übrigen Vogteien, welche mit dem urnerischen Livinen und den obengenannten Vogteien den heutigen Kanton Tessin ausmachen. Das Mündungsgebiet der Oberwalliser Pässe : Eschenthal und Pommat war gewonnen worden, mufate aber geräumt werden und so dringt hier Italien heute zwischen Wallis und Tessin fast bis zum Massive des Gotthards vor. Und 1512 gewannen auch die Bündner ihre ennetbirgischen Landschaften Bormio, Veltlin und Chiavenna. Es war nun wirklich der Weg von der Ebene des Po bis zur oberrheinischen Tiefebene einem Staatswesen einverleibt, von Basel bis zum Sottocenere und dem Nordende des Langen Sees wandelte der Kaufmann fortan im Schutze der Eidgenossen. Ihr Staats- gebilde war ein Pafsstaat eigentümlichster Art, er trug und trägt die Erinnerungen seines Entstehens an sich, er umfafste südlich nur ab- hängige Landschaften, die regiert wurden. Heute ist ja das Prinzip der demokratischen Gleichheit durchgeführt, die Urkantone treten zurück, dafs aber in ihnen der Kern der Eidgenossenschaft liegt, ist auch heute nicht zu verkennen. Das eidgenössische Militärdepartement hat die Be- festigung des Gotthards beantragt aus dem Geftihle heraus, dafs, wenn auch alles verloren sei, von der Höhe des Gotthards aus doch alles wiedergewonnen werden könne. Und die einzigen Wohnstätten, die diese Forts umschliefsen, gehören nach Uri, das der Keim zur Schweiz war, es sind die Wohnstätten Urserens, das dem Gotthard seine Bedeutung verschafft hat.

Über die Fortsetzungen des Gotthard weges stehen mir nur wenige Notizen zur Verfügung.

Die beliebteste unter ihnen scheint die auf Coino und Mailand ge- wesen zu sein. Sie wird wenigstens in den Pilgerbüchern allein erwähnt. Ganz sicher war sie aber nicht. Die reichen Angaben, die Motta für die Zeit von 1481 bis 1497 hat sammeln können^, lassen den Pafs im Gegenteil fast alle Jahre von Strafsenräubern und Raubmördern unsicher machen und beweisen, dafs der üble Ruf des Monte Cenere auch für diese Zeiten schon berechtigt war. Bald wurde eine Zollstelle improvi- siert, bald ging es ohne diesen Schein der Fiskalität ab und wurden die Reisenden einfach angefallen, einmal wurden 40 Pferde weggenommen, ein anderes Mal zwei Menschen erschlagen. Da die Schweizer mehrfach geschädigt waren und man sie und ihre Repressalien fürchtete, griff die Regierung öfters scharf ein, ohne dem offenbar von den benachbarten Orten unterstützten Unwesen ein Ende machen zu können. Noch im Jahre 1864 hat eine Bande sich der Gunst dieser Gegend bedient, um einen schweizerischen Postwagen anzufallen. Die Wege im Gebiete von

> Bollet. storico 16, 120-123. Vgl 4, 30.

Die Nordseite des St. Ootthards im fünfzehnten Jahrhundert. 447

Lugano geben den deutschen Kaufleuten wegen ihres schlechten Zu- standes mitunter zu Klagen Anlafs^

Die schweizerischen Pferde- und Viehhändler zogen vielfach vom Monte Cenere über Ponte Tresa nach Varese, wo grofse Viehmärktc stattfanden, die in den Abschieden fast Jahr für Jahr erwähnt werden. Ebensolche, verbunden mit einer Messe, werden in Arona, am Südende des Lago Maggiore abgehalten.

Wer übrigens zum Langen See wollte, wandte sich in Bellinzona entweder nach Locarno oder, was die Regel gewesen zu sein scheint, nach Magadino. Im Jahre 1346 schlofs die Kauftnannschaft von Mailand mit der Gemeinde von Bellenz einen Vertrag über die von dieser zu be- sorgende, ihr geradezu privilegierte Beförderung der Waren von Bellin- zona nach Magadino^. Magadino behauptete seine Stellung als Haupt- hafen am Nordende des Langen Sees bis ins sechzehnte Jahrhundert^.

Für die Verbindung mit Locarno war von grofsem Wert eine als die schönste der Lombardei gepriesene befestigte Brücke, die Lodovico Moro bei Bellinzona bauen liefs, die jedoch 1515 durch den Ausbruch eines 1514 im Blegnothale durch einen Bergsturz entstandenen Stausees vernichtet wurde*.

Vierzigstes Kapitel. Die Nordseite des St. Gotthards im ffinfzehnten Jahrhundert. Allgemeines.

Ausdehnung der Eidgenossenschaft, Reste der alten Herrschaften vor den drei Pafssystenien. Die alten EinricJUungen aufrecht erhalten. Erträgnisse des Mellinger und des Diepflinger Geleits hez, Zdüs. Verbifidung Küfsnach- Zug -Horgen- Zürich. Eidgenössische und Luzerner Geleitshriefe für fremde Kauf leute. SicJierheit Bäubereien» Schutz über das eigene Gebiet hinaus.

Hervorragende Passanten des Gotthards. Genauere Beschreibungen: Walther , Mülinen, Tafur, Eptingen. Nachrichten über Kaufleute und Waren.

_

Auf der Nordseite des Gotthards, der wir noch eine kurze Be- trachtung zu widmen haben , war im Laufe des fünfzehnten Jahrhunderts das Gebiet der Eidgenossenschaft immer weiter nach dem Norden, nach Westen und Osten vorgedrungen , bis sie 1501 durch den Zutritt von Basel auch die Herrschaft über die nach Basel führenden Jurapässe und

1 Motta in Bollet. stör. 3, 169.

'•^ Unsere Urkunden Nr. 5. Im Texte der Urkunde steht statt Magadino stets Magino, einen solchen Ort finde ich überhaupt nicht, ich zweifle daher kaum, dafs es sich um Magadino handelt.

' Vgl. die Klagen der Kaufleutc, die von Magadino bis Klösterli (Poleggio) Waren fuhren, über die erhöhten Forderungen an Fuhrlohn und Fürleite. Eidgen. Abschiede 3, 2, 1036.

* Muraltus 186.

448 Vierzigstes Kapitel.

den Schlüssel zum eigenen Hause gewann. Überwunden wurden die Reste des habsburgischen Besitzes: 1460 eroberten die Eidgenossen den 1 Thurgau, damit gewann die Schweiz die Brückenstadt Diessenhofen, nachdem durch den Zutritt von Schaffhausen und Stein schon vorher zwei Übergänge über den Rhein der Schweiz sich angegliedert hatten. Den Österreichern verblieb von den Jurapässen nur der Bötzberg, aiä winziger Rest des einst so gewaltigen Besitzes südlich des Rheins. Mit Basel, das 1400 die Herrschaften Liestal, Waidenburg und Hom- berg gewonnen hatte, wurde der weiter südwestlich liegende Teil der Eidgenossenschaft angegliedert Solothurns, Berns und Freiburgs Besitz war in den Burgunderkriegen und durch andere Erwerbungen gewachsen, schon gehörte ein Teil der Waadt zur Schweiz.

Die Ausdehnung nach Nordosten zum Bodensee hin hat auf das schwerste eine Stadt geschädigt, die bis dahin in der Geschichte des Handels eine führende Stellung eingenommen hatte. ' Konstanz hat im Thurgau sein natürliches Hinterland, ihm gehörte die Landgrafschaft dort und es wollte dieselbe nicht abtreten, nachdem die österreichische Landvogtei schweizerisch geworden war. Die alte Reichsstadt hat ge- schwankt, ob sie sich nicht den Eidgenossen anschliefsen solle. Sie hielt zum Reiche und wurde 1498 ein Glied des schwäbischen Bundes. Doch dadurch rettete sie ihren Besitz nicht, durch den Schwabenkrieg verlor sie den Thurgau und fortan begann an der Konter-Eskarpe ihrer Festungs- werke die schweizerische Herrschaft. Während Basel in den folgenden Jahrhunderten als neutrale Stadt der Zufluchtsort für viele, die den schweren Kriegszeiten entflohen, war und auf Kosten ihrer alten Freunde immer mehr an Wohlstand zunahm, hat Konstanz unter diesen Kriegs- wirren schwer gelitten.

Um 1510 war somit auch in dem Zuge der Strafsen, welche von den Bündner Pässen nach Norden liefen, ein grofser Teil eidgenössisch geworden , aber daneben hatte sich habsburgischer Besitz , wie die letzte Erinnerung dynastischer Herrschaften (Vaduz) erhalten, auf dem Zuge, der von den Walliser Pässen zum Jura führte, stand noch ein Rest des einst so bedeutenden savoyischen Besitzes, im Zuge der Wege zum Gotthard war aber nur noch der Bötzberg eine Erinnerung an die Tage, wo die Habsburger sich mit dem Gedanken beschäftigen konnten, den Pafs selbst zu gewinnen. Diese Ausdehnung des Bundes der Eid- genossen hatte sich unter starkem Widerspruche der bäuerlichen Ur- kantone vollzogen, die ganz deutlich herausfühlten, dafs je mehr Städte dem Bunde beiträten, um so mehr die Bedeutung der bäuerlichen Thal- gemeinden sinken müsse. Sie hatten ein Vorgefühl davon, dafs einst das Gewicht des politischen Lebens sich in die Stadtkantone verlegen würde.

Die Nordseite des St. Gotthards im fünfzehnten Jahrhundert. 449

Die Geschichte der einzelnen Fortsetzungen des Gotthardes auf der Nordseite ist im fünfzehnten Jahrhundert sehr viel ärmer als im vierzehnten. Die Zeiten sind vorbei, wo die Kaufmannschaft einer italienischen Stadt mit den Dynasten über die Regelung des Verkehrs verhandelt. An Stelle jener ist das Haus der Visconti und Sforza getreten. Der Staat hat seine Thätigkeit auch auf dieses Gebiet ausgedehnt. Auf der andern Seite sind die Dynasten verschwunden und durch Republiken ersetzt, die aber in diesen Fragen meist nicht selbst vorgehen, sondern das der Tagsatzung überlassen. Soweit meine Kenntnis der Quellen reicht, sind weder auf dem Hauensteine noch auf dem Bötzberg oder dem Rheine grundsätzliche Neuerungen durchgeführt, auch hier war die neue Herr- schaft äufserst konservativ und mufste es auch sein, denn zwei von den Wegen führten durch „gemeine Herrschaften" und da war es viel schwerer, Änderungen durchzuführen als in einem eigenen Staatswesen. Der obere Hauenstein wurde 1499 von Basel und Solothurn trotz des Einspruches Kaiser Maximilians gemeinsam in Stand gesetzt ^

Auf der Reufs blieb es beim alten. Die Einrichtung einer Schiff- fahrt flufsaufwärts oberhalb. Breisachs ist mir nirgends begegnet. Ein so weit gereister Mann wie Peter Tafur bemerkt für Basel ausdrücklich, dafs kein Schiff den Flufs wieder hinaufkomme *. Die Luzerner Schiffer klagten über einige Mühlanlagen und es wurde darüber vielfach in den Tagsatzungen verhandelt. Die Schiffahrt blühte noch, erst im folgenden Jahrhundert kam sie mehr und mehr in Abgang. Auch der Land- verkehr über MelHngen blieb bestehen. Aus den Abschieden läfst sich das Schwanken der Zollerträge verfolgen. Unter Fortlassung aller An- gaben, deren Umrechnung schwierig ist, ergiebt sich, dafs an die acht Orte nach Abzug der Erhebungskosten verteilt wurden:

1430:

72«

1483:

48«

1499

: 120«

1454:

48«^

1487:

62 «

1500

: 92«

1460:

40«

1489:

70«

1502

: 144«

3y/

1472:

64«

1490:

70«

1504

: 136«

1473:

64 «

1491:

62 a

1505:

104 «

1475:

56 «

1493:

58 «

1507;

144 «

1476:

56 «

1494:

36 «

1509:

120 U

1477:

48 U

1495:

169 « 12 j(?

1511:

121 «

12^:?

1479:

32 n

1496:

136 n

1512:

176«

1480:

40 U

1497:

148 «

1513:

161 «

2y^

1481:

64 n

1498:

248 «

1514:

149 «

4^8

' Bavier 45. Geering 198.

*^ Häbler 504. Tafur 232: e la harca que ra, Jamds nwicn ioma, que wote / * podria prohejar contra el agua tan corriente.

' Die Tabelle beruht auf den Angaben in den Eidgen. Abschieden. Ich be- merke, dafs es sich nicht um den Rohertrag handelt, sondern um, das, was auf die Herren des Geleites verteilt wurde.

Sohulte, Gesch. d. mittelalterl. Handels. I. 29

450 Vierzigstes Kapitel.

Die Tabelle zerftlllt in zwei Teile, da wohl schon 1494 ein neuer Tarif, der allerdings erst für 1496 bezeugt ist, in Anwendung kam. In der ersten Periode ist der höchste Ertrag : 72 ^ (eingenommen 1429), der niedrigste 36 ^ (1493), in der zweiten föllt das Maximum 248 ^ (1497), das Minimum 92 (1499). Die Kriegsjahre gegen Mailand 1478, 1479 treten deutlich hervor, noch stärker der Schwabenkrieg von 1499.

Eine nähere Untersuchung des MelHnger Geleits wird vielleicht in einem Tarife, wie in Abrechnungen, wie wir solche oben für die Zeit von 1397 bis 1402 benutzen konnten, den Schlüssel geben, um aus diesen Ziffern die recht niedrig sind exakt die Verkehrshöhe, die sich übrigens auf zwei Verkehrsrichtungen verteilt, zu berechnen. Luzern suchte sich seine Befreiung von dem Mellinger „Geleite" zu behaupten.

Auf dem unteren Hauenstein dominierte nun die Stadt Basel. 1402 ff. löste Basel den Zoll zu Liestal an sich, 1447—49 gewann es auch, nach kurzem Besitze von 1404 1408, den Zoll zu Diepflingen, der nun definitiv nach Bückten verlegt wurde, und das Geleit. Aus den Frohnfastenrechnungen der Stadt Basel wird sich die Verkehrshöhe berechnen lassen, da hier der Tarif bekannt ist. Nach der Mitteilung Geerings^ ertrug der Zoll 1425 148 W 18^, das würde, da vom Saum- rofs 4 S) erhoben wurden, 8928 Saumlasten bezw. in Wagen umgerechnet 2 ß): 1482 Wagen darstellen. Sehr wahrscheinlich liegt aber ein Irrtum Geerings vor. Eine solche Höhe hat das Geleitsgeld nie wieder erreicht. Die Mitteilungen aus einzelnen Frohnfastenrechnungen der Stadt Basel, die ich der Güte Wackernagels verdanke^, sind leider nicht

* S. 200. Das Geleit von Diepflingen wurde 1447 bez. 1450 um 200 resp. 300 rhein. fl. der Stadt verkauft. Das zu 5®/o gerechnet, gäbe einen festen Ertrag von 15 rhein. fl. Doch wage ich hier nicht weiter zu rechnen, da das Geleit be- deutende Pfandlasten getragen haben kann. Boos, Urkb. Basel Land 2, 866 u. 881.

2 Ablieferungen des Zolls zu Diepflingen:

Zahlungs- termin

1405 2 ang.:

1406 2 -

Summe

ü JS h 22

22 3

aufs Jahr gerechnet

In Wagenlasten umgerechnet

1407 2 -

44

jährl. i. Durchschn.

14089 3 -

46

140910 3 -

27

16

32 3 16

161

3

16

822

1449 2 ang.:

1450 8 - 4 -

: 39 13 33

9 3

8

} 46 12 ><

406

14:)6 2 -

12

9

1457 4 -

y

1400 2 -

22

__

_

Die Nordseite des St. Gotthards im fünfzehnten Jahrhundert. 461

so schlichtweg als Jahresergebnis zu verrechnen, da nicht jedes Jahr zu einem bestimmten Termine der Zins abgeliefert wurde. Für die Jahre 1405 1409 läfst sich der Durchschnitt berechnen, für die folgenden Jahre sind die wechselnden Termine sehr peinlich. Doch ergeben sich mit Sicherheit schwache Einnahmen in der Mitte des Jahrhunderts, starke Erträgnisse am Ende, die doppelt so hoch sind als am Anfang des Jahr- hunderts'. Aber auch hier wieder ist zu konstatieren, wie gering der Verkehr zu dem heutigen war. Die verlassenste Chaussee hat heute mehr Verkehr als ein Pafs, über den alle Tage ein oder höchstens zwei Wagenladungen kamen.

Auf eine Fortsetzung der Gotthardstrafse bin ich bisher nicht zu sprechen gekommen, obwohl sie grofse Bedeutung gehabt hat; aber ge- rade sie ist nach dem bisher bekannten Materiale nicht gut zu verfolgen. InKüfsnach, wo 1357 der Bau einer Sust erörtert wurde ^, verliefs diese Route den Vierwaldstättersee, um durch die Hohle Gafse Immensee zu erreichen, wo die Schiffleute die Waren in ihre Nachen aufnahmen und über den See von Zug, wo schon 1399 eine Sust erwähnt wird®, fuhren. Von dort ging der Weg entweder über Sihlbrugg nach Horgen, wo abermals die Waren verschifft wurden, oder über den Albisrücken nach Kilchberg und Zürich. Der Transport auf jener Linie wurde durch eine 1452 errichtete Ordnung geregelt. Selbstredend kam diese Richtung nur für den Verkehr in Frage, der nach dem Bodensee und darüber hinaus wollte. Der Weg wurde auch mit Massengütern, wie Eisen, Stahl und Salz befahren*.

Die Eidgenossenschaft war ein Pafsstaat geworden nicht allein in Bezug auf den Gotthard, sondern auch mit Rücksicht auf den Zu-

Zahlungs-

Summe

aufs Jahr

In Wagenlasten

termin

it ß h

gerechnet

umgerechnet

1466 4 ang.:

25 12

1475 1 -

28 -

1476 3 - 1476 4 -

32

17 12

l J

49 12

496

1485/6 2 - 14856 4 -

85

26 18 4

)

61 18 4

619

1495'6 2 - 1495/6 4 -

33 18 37 2

1

71

710

Die Zählung der vier Angarien beginnt mit dem Amtsjahr nach Joh. Bapt. Die erste geht bis Ende September, die zweite bis Ende Dezember u. s. w.

* Unsere Urkunden Nr. 315. Ein Irrtum Geerings ist offenbar der Schluf?, den er aus den Jahresrechjanngen gezogen hat, dafs der Verkehr über den Hauen- stein im Winter völlig stockte.

* Börlin S. 45 Anm. 4.

8 Eidgen. Abschiede 1, 96 Nr. 225.

* Eidgen. Abschiede 3, 2, 326 zu 1505. Die Ordnung bei Börlin 88.

29*

452 Vierzigstes Kapitel.

gang zu den Genfer Messen. Die Kaufmannschaft hatte allen Grund, sich ihre Gunst zu erhalten , wie umgekehrt die Eidgenossen ein Interesse an der Steigerung des Verkehrs hatten. In beiderseitigem Interesse lagen die Geleitsbriefe, welche die Eidgenossenschaft entweder der Kauf- mannschaft ganz allgemein, oder einzelnen Städten oder endlich einzelnen Firmen ausgestellt hat. Soweit die Materialien der „Abschiede" die Dinge überschauen lassen, ist ein allgemeines Geleit 1473 mit dreimonat- licher Kündigung, vielleicht 1483, sicher 1494 und 1511 in diesen beiden Fällen stellte Luzern die Urkunde aus gegeben worden*. Den Kaufleuten, die nach Genua handelten, wurde diese Gunst 1490 zu Teil*. Die italienischen Kaufleute, speciell die von Mailand, er- hielten 1487 die Erneuerung eines älteren Geleits^. Ein Geleitsbrief für alle Italiener mufs auch 1507 ausgestellt sein*. Bitten um solche, zum Teil auch die Gewährung, sind bezeugt für Kaufleute aus Nürnberg, München, Augsburg, Ulm, für die Gesellschaft Welser -Vöhlin, fllr einzelne Kaufleute aus Mecheln, den Niederlanden und Lucca**. Mit- unter trugen die Eidgenossen auch Bedenken, so 1497, wo St. Galler Kaufleute im Auslande beraubt waren*. In Kriegszeiten schlug die Förderung des Kaufmanns wohl gar in das Gegenteil um, in den Tagen des Schwabenkrieges forderten sie den französischen König aiif, die schwäbischen Kaufleute auch aus seinen Landen zu vertreiben. Im eigenen Lande duldeten sie nur die neutralen''.

Luzern erscheint als Vorort und so kann gewissermafsen als ein Vorläufer der gemein eidgenössischen Geleitsbriefe ein Luzerner Geleits- brief von 1429 gelten, der für alle Kaufleute und Pilger von Hitschen von lamperten und von welschen landen ^ wannen, wohar und wie die ge- nannt sint gültig sein sollte. Sicheres Geleit gegen die Erlegung der bisr her erhobenen Zölle wird versprochen, innerhalb vier Wochen wird die Stadt den Schaden ersetzen, wenn jemand innerhalb des Gebietes be- raubt und der Schaden nicht von den Thätern ersetzt ist. Für die Ver- gehen einer fremden Person haftet nicht das von ihnen geführte Kauf- mannsgut, der Fremde haftet nur für seine persönlichen Schulden.

1 Abschiede 2, 443. 3, l, 154. 470. 3, 2, 351 f. Bei der Art der knappen Notizen der Abschiede, die durch mündlichen Bericht ergänzt wurden, ist nicht stets die ganze Angelegenheit klar.

2 Abschiede 3, 1, 360. 8 Abschiede 3, 268 f.

* Vgl. unsere Urkunden Nr. 293.

«^ Abschiede 2, 464. 486. 488. 3, 2, 42, 64 f. 125. 165. 182. 619. 933.

« Abschiede 3, 1, 532.

■^ Abschiede 3, 1, 609 und 3, 1, 592 ff. Den Kaufleuten von Lucca und Mai- land war Geleit gegeben, gleichwohl nahm Solothurn ihnen zu Liestal und Ölten Waren weg. Mitteil. d. bad. bist. Kommiss. Nr. 22 S. m 81.

Die Nordseite des St. Gotthards im fünfzehnten Jahrhundert. 453

Luzern kann das Geleit abkündigen , es mufs das geschehen bei Meister und Rat von Strafsburg, und nach dieser Aufkündigung gilt das Geleit noch sechs Monate. Wie Luzern später auf eidgenössischer Seite als Vorort gilt, so steht Strafsburg als solcher an der Spitze der Deutschend

Im allgemeinen ist die Sicherheit in dem Gebiete der Eidgenossen- schaft eine sehr grofse gewesen. Aufser schon berührten Fällen stelle ich hier noch einige zusammen, andere werde ich im Zusammenhange mit den Genfer Messen berühren müssen. Auf dem Gottharde selbst spielten sich mitunter doch noch Räubereien ab. So hatten 1346 sechs Knechte aus Wallis, die in Urseren auf freier Reichsstrafse Raub be- gangen hatten, Urfehde zu schwören und auch die Gemeinden von Oberwallis sicherten Ruhe zu-. 1352 waren drei Strafsburger in Uri gefangen gesetzt, jedoch war das eine Repressalie für Urner Gut, das in Strafsburg beschlagnahmt worden war und zwar in der Zeit des Krieges der Eidgenossen und Osterreich ^. Auch die Gefangennahme des Ritters Johann von Hornstein war eine Repressalie*, ähnlich wohl die 1387 er- folgte Beschlagnahme des Gutes Göswins von Konstanz und die Ge- fangennahme des Klaus Schaub von Strafsburg in Luzern^. 1390 fingen etliche von Schwyz einen Herrn von Köln und einen Kaufmann von Aachen auf dem See, die Luzerner sorgten aber für ihre Freilassung. 1397 wurden abermals Kölner im Gebiet von Uri beraubt*.

Von zwei Kauf leuten aus Bellinzona, die im Gebiete von Zürich gefangen worden waren, haben wir eine Versicherung, dafs die Züricher im Bistum Como vor ihnen sicher verkehren könnten''. Wir über- schreiten schon die Grenzen der damaligen Eidgenossenschaft, wenn Basler Chronisten zu 1881 notieren, dafs zwischen dem Bötzberg und dem Elsafs viele Räuber seien, auch 1450 war es dort gar nicht sicher®. In Rheinfelden wurden genuesische Waren 1508 festgehalten, doch hatte der Ritter auch hier eine Ausrede*.

Der Schutz der Eidgenossen ging weit über ihr eigenes Gebiet hinaus. Die Klagen lombardischer und anderer Kauf leute tiber die Un-

^ Geschieht 8 fr eund 22, 294. Urkunde vom 24. Juni 1429. Die Strafsburger erschienen sehr häufig in Luzern, sie verkauften dort Tuch und Gewand. 1457 wurden Waren von Strafsburgem in Luzern beschlagnahmt. Eidgen. Abschiede 2, 287.

- Geschichtsfreund 1, 74. Eidgen. Abschiede 1, 25,

^ V. Liebenau 20, 61. Geschichtsfreund 1, 80. Waren scheinen die drei nicht geführt zu haben.

* V. Liebenau 20, 75.

" Eidgen. Abschiede 1, 77 Anm. zu Nr. 184. Ar eh. f. Schweiz. Gesch. 17, 2, 197.

® Geschichtsfreund 22, 157 aus Ratsbüchern. Mitteil. Stadtarch. Köln 4, 62.

^ V. Liebenau 20, 78.

^ Baseler Chroniken 5, 32. Unsere Urkunden Nr. 294.

» Unsere Urkunden Nr. 293.

454 Vierzigstes Kapitel.

Sicherheit der Strafsen in Lothringen, Elsafs u. s. w. gaben ihnen Anlafs, dorthin zu schreibend Als 1490 ein Diener des Pfalzgrafen, der mit Mailand auf Kriegsfuls zu leben erklärte, auf dem Rheine welsche Kaufleute gefangen nahm, legten die Eidgenossen ihre Fürsprache ein, und wirklich wurden auf des Pfalzgrafen Geheifs die Kaufleute ihrer Gefangenschaft ledig-. Ihren eigenen Kaufleuten, die zur Frankfurter Messe zogen, begegnete man mit grofsem Respekt und als Franr von Sickingen den Räubereien, die der Adel für sein Privileg hielt, durch den bekannten Überfall die Krone aufsetzte^, konnten die Boten auf der Tagsatzung erzählen, Franz von Sickingen werfe alle Kaufleute nieder aufser eidgenössischen, gegen diese verhalte er sich ehrlich; aber auch so genierte sie dieser kühne Ritter, er hemme den Handel zwischen Italien und Deutschland ; und so wandten sie sich, da Sickingen pensionarius und famulus des König Franz I. von Frankreich war, an diesen*. Sie nahmen sich sehr kräftig der Mailänder Kaufleute und des Fatzmann, eines Bürgers von Bellinzona, an, deren Gut mit weg- genommen worden war*^.

Alle die, welche über den Gotthard nach Italien zogen, aufzu- zählen, wäre unmöglich*. Nächst den Pässen der Ostalpen war der St. Gotthard die eigentliche Verbindung zwischen Deutschland und Italien geworden. Gesandtschaften deutscher und italienischer Fürsten, Kauf- leute und Händler, Söldner und Musikanten, Geistliche und Mönche^ Ritter und Pilger, Professoren und Studenten wanderten diese Strafse. Ich will nur mit einigen Namen, die besonders hervorleuchten, dem Bilde auch das persönliche Kolorit geben. Da ward ein Bischof von Lissabon, den 1389 die Berner gefangen genommen hatten, über den Berg ge- ftlhrt, den Trierer Erzbischof Jakob von Sierk geleitete 1450 auf seiner Jubiläumsfahrt der Geschichtsschreiber Melchior Rufs ^, da wanderten die Prälaten zum Konzile von Konstanz und Basel, wie umgekehrt 1423 eng- lische Prälaten auf diesem Wege sich zum Konzil von Pisa begaben®

» Eidgen. Abschiede 3, 1, 189.

2 Abschiede 3, 1, 367 f. 382.

' Vgl. Ulmann, Franz v. Sickingen S. 67. Boos, Franz v. Sickingen und die Stadt Worms in Z. Gesch. Oberrheins N. F. 3, 409. Augsb. Städtechroniken 5, 71 (Wilhelm Rem erwähnt das Gut der Mailänder). Nach Boo8 416 nahm er erst später für 25 000 fl. Mailänder Waren weg

* Abschiede 3, 2, 1051. 1059.

•* V. Lieben au, Franz v. Sickingen und die Eidgenossen. Anz. f. Schweiz. Gesch. 6, 152.

■^ Vgl. die umfangreichen Angaben von Motta in Boll. storico dolla Svizzera ituliauii Tomo 8 u. 14: »Personngyl cdehri attraver/iü ü Gottardo''.

« Boll. ^*to^. :\ 146. 219.

» Boll. stör. 14, 2.

Die Nordseite des St. Gotthards im fünfzehnten Jahrhundert. 455

zweihundert Jahre früher hätte sie ihr Weg über den Grofsen St. Bern- hard geführt.

Und wie die Stadt Basel ihre Hochschule begründete und aus Italien Gelehrte berief, bat sie bei Luzern für die Ankömmlinge aus „Lombarden und Bemund" um Geleit und 1467 gingen Bücherkisten des nach Mailand heimgekehrten Professors Agostino Vimercati über den Berg^ Die Zahl der Geschichtsschreiber, die über denselben zogen, ist nicht gering, so ging Eberhard Windecke im Auftrage König Siegmunds 1418 mit einer Botschaft an die Visconti von Basel aus über den Pafs*. Von Marino Sanuto d. ä. ist es möglich. Der Florentiner Chronist Bene- detto Dei erwarb seine genaue Kenntnis der Florentiner Niederlassungen in Nordeuropa auf einer Reise durch Frankreich, Flandern und Deutsch- land. Er kehrte über den Gotthard nach Mailand zurück, wo er in der mediceischen Bankfiliale, die ein Portinari hielt, beschäftigt war. Accerito Portinari hatte ihn begleitet^. Und auch der englische Chronist und Kirchenrechtslehrer an der Universität zu Oxford Adam von Usk hat März 1401 auf einer Reise nach Rom (über Diest, Aachen, Köln rheinaufwärts , Basel, Luzern) den Gotthard überschritten, er fuhr in einem von einem Ochsen gezogenen Wagen mit verbundenen Augen, damit er die Gefahren nicht erkenne*. Auch die Dichter und Humanisten fehlten nicht. Als Petrarca 1356 Karl IV. in Basel aufsuchen wollte, um ihm einen Auftrag der Visconti auszu- richten, ging er wohl über den Gotthard. Enea Silvio, der spätere Papst Pius IL, hat 1432 den Kardinal Capranica nach Basel begleitet und auch in den späteren Zeiten seines wechselreichen Lebens ist er noch mehrmals über den Berg gekommen^. Auch einer der ersten deutschen Humanisten, Albrecht von Bonstetten, der 1471 fF. in Pavia studierte, beweist in seiner „Beschreibung der Schweiz" (1479) sich als ein Kenner des Gotthards, wenn er auch die Farben seiner Schilderung zum Teil Vergil entlehnt hat^. Doch hatte schon vor ihm der Gotthard seinen ersten litterarischen Freund gefunden. Der jugendliche Mai- länder Dichter Piattino Piatti begleitete im Winter 1408 9 seinen Bruder Teodoro auf einer Gesandtschaft nach Luzern, wo er sich in Dorothea Hunwyl, die Tochter des Schultheifsen von Luzern verliebte. Als echter Humanist versäumte er es nicht, seine Reiseeindrücke in

> Boü. stör. 3, 174 u. 14, 3.

2 Altinann, Eberhard Windeoko3 Denkwürdigkcitou S. 102. 8 B. 8t. 12, 117. 14, 4.

* »In ceruca per bovenitracius viris frifforibns (luasi iHriinptuSj oculis vehtis, ne loci discrimina conspicerct." Forschungen z. deutschen Gesch. 17, 614. •5 Voigt, Enea Silvio 1, 21 u. oft. « Quellen z. Schweiz. Gesch. 1:3, 237.

•^i

456 Vierzigstes Kapitel.

poetische Form zu giefsen. So schuf er eine Siipplicatio ad divtan Goiardum :

Jam pietate tua freti nos credere hohus

Coepimufi et higis per jiiga aumma irahi.

Natürlich fehlt das Daukesgedicht an den hl. Gotthard nicht, ebensowenig jenes an den Phittifer {mons Plattnus)j dessen Name der Dichter mit dem eigenen in Verbindung bringt ; auch dieses humanistische Spiel war dem Poeten geläufig ^

Eigentümlicherweise haben die Pilger, wenigstens diejenigen, die ins hl. Land wollten, die Tiroler Pässe vorgezogen, um nach Venedig, dem regelmäfsigen EinschifFungsplatze zu gelangen. Selbst wenn Baseler ihre Wallfahrt mit einem Pilgergange nach Einsiedeln begannen, gingen sie nicht immer über den Gotthard, sondern wandten sich über den Walensee dem Arlberg zu, wie Hans Rot (1440) und Peter Rot (1453)^. Gleichwohl sind uns einige Pilger, die sich am hl. Grabe die Ritter- würde holen wollten und über den Gotthard gingen, bekannt: Kaspar von Mülinen, ein Berner (1506) und der Glarner Ludwig Tschudi (1519). Die Reisebeschreibungen , die sie und einige Reiselustige uns hinterlassen haben, geben zuerst genauere Kunde über das Leben auf dem Passe.

So die Erzählung eines Franziskaners , Paul Walther von Güglingen, der 1481 von Heidelberg nach Venedig und dem hl. Lande pilgerte. Zur Fahrt über den See brauchte er einen ganzen Tag, die Nacht waren sie in >^Ure*. Der Geistliche eines am Wege liegenden (Jrtleins wohl Wasen hatte den armen , seiner strengen Regel gemäfs ohne jedes Geld reisenden Mönch, schon für den folgenden Tag zum Imbifs eingeladen, zu ihm gingen sie in der Morgenfrühe, celebrierten in seiner Kirche und nahmen den Imbifs, dann eilte der Pfarrer wieder vorauf und so wurden die Wanderer wohl in Hospenthal wo sich viele versammelt hatten, um am folgenden Morgen den Berg zu ersteigen, gut aufgenommen. Mitten in der Nacht standen sie auf, er celebrierte dort und dann ging es auf den Berg^. Die Wanderer erreichten am Abend Airolo, wo sie bei dem Wirte Gabriel, der einst Knecht des Baseler Grofskauftnanns Johannes Irmi gewesen war, nächtigten. Überall hatte der Pater die milde Hand der Gläubigen, die ihn förderte, gespttrt. Die nächsten Nachtquartiere waren Irnis (vermutlich), Bellinzona, Lugano

* Vgl. die Auszüge und Gedichte Bollet. storico 17, 16 ff.

2 Baseler Beiträge N. F. 1, SU u. 398. Ebenso auf der Rückkehr von Venedig Haus Porner aus Braunschweig 1419 u. 1424. Röhricht S. 118 f. Er ging von Venedig durch das Ampezzothal über Brenner und Arlberg, Feldkirch, Vaduz, Walenstad, Wesen, Einsiedeln, Zürich, Baden, Rheinfeldeu nach Basel. Zeitschr. d. bist. Vereins f. Niedersachsen 1875 S. 148 f.

^ Das Hospiz wird nicht genannt.

Die Nordseite des St. Gotthards im fünfzehnten Jahrhundert. . 457

und Como ^ Caspar von Mlilinen nahm auf seiner Pilgerfahrt den Weg über Interhiken und Sarnen, also über den Brünigpafs, blieb einen Tag «les Ungewitters wegen in Urseren, ging dann über Faido, Beilenz, Lowenz, Chiasso nach Mailand^.

Ein ausgezeichneter Beobachter war der andalusische Ritter Peter Tafur, der 1436 seine Heimatstadt Sevilla verliefs, um eine Weltreise zu machen, über die er ganz ausgezeichnete Aufzeichnungen hinterlassen hat. Mit „Wechseln" hatte er sich versehen und so konnte er nach Genua, Florenz, Rom, Venedig, Jerusalem, Cypern, Kairo, Sinai, Kon- stantinopel, das schwarze Meer umschiffend, dann wieder nach Venedig, Mailand wandern, ohne befürchten zu müssen, sein Hab und Gut zu verlieren. Von Mailand ging er über den Gotthard , er beobachtete sehr gut, wie die Wasser es war Ende August 1438 von der Schnee- schmelze stiegen. Auch er mufste sich dem Ochsenschlitten anvertrauen dessen Bau ihm so verwunderlich erschien, dafs er ihn mit einer kastilianischen Dreschmaschine verglich. Das Tier zog an langem Seile, „wenn irgendwo etwas nicht richtig, so nimmt der Ochse die Gefahr auf sich." Und schon damals feuerten die Führer Schüsse ab, um die Läuinen zu lösen. Mit den Mönchen des Hospiz' unterhielt er sich über die Höhe der benachbarten Gipfel, dann erreichte er Luzern, dessen vortreffliche Gasthöfe er rühmt. Auch die Schilderung von Basel, dem Leben in Baden, das ihm sehr merkwürdig vorkam, von Strafsburg zeigen, wie dieser wahrhaft ritterliche Spanier offenen Auges durch das Land reiste, die Goldwäsche, die Schiffahrt im Laufen von Laufenburg schildert er ebenso anschaulich wie richtig^. Eigentümlicherweise ist ihm die Schilderung von Luzern an die unrichtige Stelle geraten *. Seine weiteren Reisen führten ihn nach Flandern, noch einmal nach Basel, Konstanz, Nürnberg, dann nach Breslau, Wien, Ofen, Oberitalien in seine Heimat zurück.

Die sorgfUltigste Nachricht ist die, die der Baseler Ritter Hans von Eptingen von seiner 1460 unternommenen Pilgerfahrt giebt, insofern wir dort alle Stationen zu Imbifs und Nachtlager erfahren*^. Von Venedig hatte er den Weg nach Mailand eingeschlagen: von Padua aus wurde abends Montebello erreicht, Imbifsstation war Montebello; am nächsten Tage bis Verona, am folgenden Imbifs zu Cavalcaselle (Wageselle) dicht bei Peschiera, Nachtquartier in Lonato (Luna, auch Bona im Text ge- nannt), am folgenden Imbifs zu Brescia, Nachtquartier zu Martinengo

* Fratris Pauli Waltheri Itiuerarium S. 16—19.

2 Zeitschr. d. deutschen Palästinavereins 11, 185. « Tafur 237. Häbler 506.

Tafur 230. Häbler 503. Nämlich vor den Übergang über den St. Gotthar.l. "^ Schweizer Geschichtsforscher 7, 400 ff.

458

Vierzigstes Kapitel.

(Martholnigo oder Marthona). Der Reiter hatte also nicht die jetzige Heerstrafse benutzt, sondern oberhalb derselben bei Pontoglio den Oglio tiberschritten *. Am letzten Tage Imbifs zu Cassano (Kaspan), abends in Mailand. Die folgende Route giebt sich am besten in Tabellenform.

Abreise

Pässe

Imbifs ' p^^^ : Nacht

Entfernung in

von

ZU

zu

Meilen

^lontag

Mailand

^^

Mailand

.^_

Como

0 + 25 Meil. it

Dienstag

Como

Lugano (Lugers)

Bironico a. d. M. Cenere (Werone)

16+ 8 - -

Mittwoch

Bironico

M. Cenere

Bei lenz

Giomico (Imefs)

8 + 16 - -

Donnerst.

Giomico

Plattifer Airolo StGotth.

Hospenthal

1 (Orgis) ,

(Ospenthal)

16it.+3d.MeU.

Freitag

Hospenthal

Schöllenen

Wasen '

Fluelen

(Wassen)

(Pfluegen)

3 gr. d. Meil.

Samstag

Fluelen

fib. d. See

Schwyz

weiter nach Einsiedeln

89itn.6d.Meil.

Nachrichten über den Handel , bei denen ausdrücklich der Gotthard erwähnt wird , sind durchaus nicht zahlreich zur Hand , eine genauere Durchforschung von namentlich Baseler Familienpapieren wird wohl wichtige Ergänzungen bringen. Ein Verzeichnis von 1453 zählt 22 Schweizer und lombardische Händler auf, die 360 Pferde über den Berg brachten ^ Genauere Angaben haben wir über die Handelszüge der Morosini, Giorgio fuhr 1494 fünfmal, 1495 viermal mit Tuch, Bernardo Morosini 1496 sechsmal mit Tuch und Wollballen, im ganzen mit 64 Saumlast Tuch und 39 Wollenballen über den Berg, auch im Winter. Der Pafs wurde also selbst von Warenzügen, nicht allein von Boten in dieser Jahreszeit benutzt®.

In Kriegszeiten hatte der Gotthard auch noch in späterer Zeit be- sonders reges Leben, weil die von der kriegerischen Front bisher bezogenen Lebensmittel dann von der friedlichen her beschafft werden mufsten. So berichtet Fründ, dafs im Züricher Kriege (1443—46) Wein aus Italien gebracht wurde und in den Tagen des Sieges von Giomico wurde der Handel und Transport von Bückingen über den Gotthard frei gehalten *.

^ Eine Reisebeschreibung von 1442 giebt dieselben Stationen an : Mailand, Lam- brate, Pozzuolo, Martesana, Cassano, Trcviglio, Marengo, Martinengo, Pontoglio, Coccaglio, Brescia u. s. w. R e c u ei 1 des voyages etc. pour servir a l'hist. de la g^ogr, II, 9.

8 BoU. stör. 3, 172 u. 4, 59. Auch ein Strafsburger »Adam de Transhorg* war mit zwei Pferden dabei.

8 Boll. stör. 14, 5.

* Boll. stör. 3, 172 und Eidgen. Abschiede 3, 1, 25.

Dritter Teil.

DIE WALLISER PÄSSE.

Einundvierzigstes Kapitel. Simplon und der Grofse St. Bernhard.

Susten. Tranaportordnungen, Brücken und Nebenwege. Zölle, Hospize, Die Bedeutung von ObencäUis. Sicherheitsbriefe und Beraubungen in Verbindung mit der politischen Geschichte. Einflufs der Urkantone. Papst Gregor XI. und der Kampf wider die Visconti. Anschlufs an die Schweiz. Die Pässe im fünfzehnten Jahrhundert,

Die Geschichte der beiden grofsen Walliser Pässe seit 1300 läfst sich zunächst einheitlich betrachten.

Die Zahl der Susten, denen die Mailänder wie die Walliser fort- gesetzt ihr Interesse zuwandten, wurde um eine vermehrt, es wurde eine solche zu Visp, zwischen denen zu Leuk und Brig eingeschoben. Der Antrag ging von Mailand aus und der Gesandte hatte sowohl eine Voll- macht vom Stadtherrn, Giovanni Visconti, wie von der Communittis merca" forum. Er schlofs mit einem angesehenen Bewohner von Visp, dem Edelknecht Johannes in Platea ab, er solle sie geräumig und gut ver- schliefsbar an einem bestimmten Orte errichten. Für alle Waren, die thalaufwärts von Frankreich und sonst woher kämen, versprach der Mailänder die Zahlung von 1 S) Maurienser Münze für den Ballen, bei den Waren, die von der Lombardei abwärts gingen, war Sustgeld nur zu entrichten, wenn sie in der Sust wirklich gelagert wurden. Der Er- bauer verpflichtete sich, einen zuverlässigen Mann an die Wage zu stellen. Dieser Vertrag von hibl * dürfte sofort ausgeführt sein. Es ist das letzte Mal, dafs Mailand, und zwar jetzt auch der Stadtherr, auf die Ausgestal- tung der Simplonstrafse , die ihrer Initiative die Einrichtung verdankte, Einflufs ausübte. In Verträgen mit Mailand waren nach und nach die Transporteinrichtungen erstanden. Auch diese Sust und das Wagerecht

' Oremaud 33, 12.

4C0 EinundWerzigstes Kapitel.

wurde als ein bischöfliches Lehen behandelt. So erscheint es 1378 als solches derer von Silenen, genannt de Platea; einer von ihnen wird be- schuldigt, in der Zeit einer Fehde Kaufleute auf der Strafse ohne Grund gefangen zu haben. Im nächsten Jahre erscheint die Sust als bischöf- liches Lehen der Herren von Raron, 1449 als der von Silenen'.

Die Sust von B r i g wird im Jahr 131 1 beiläufig genannt, 1335 erscheint auch sie als eine bischöfliche Verleihung-. Die von Leuk wurde auf Grund eines wiederum von der Mailänder Kaufmannschaft abgeschlossenen Vertrages 1336 neu gebaut. Sie war offenbar niedergebrannt, die neue sollte einen bedeutenden Abstand von allen andern Gebäuden haben, aus Stein gebaut und mit Steinen gedeckt werden und 200 Ballen Wolle aufnehmen können. Der Erbauer, der für allen Schaden, der den Waren im Gebäude geschieht, aufzukommen hat, soll nach Fertigstellung des Baues V2 ft Maur. von jedem Ballen erheben dürfen; der alte Betrag von 1^2 ^ für Sust, ^'2 h für die Wage bleibt dabei bestehen und auch diese neue Abgabe wird ein von der bischöflichen Tafel relevierendes Lehen*.

Es war diese Sust mit einer Herberge, die 1338 mindestens sechs Betten hatte, und einer Küche verbunden. Die Erbauer verpachteten sie damals mit den anliegenden Häusern und den zugehörigen Wiesen, auf denen offenbar das benötigte Heu gewonnen wurde, mit den Betten und der Küche, mit der Wasserleitung und mit dem Zoll (3 obol. Maur. von jedem Ballen auf- oder abwärts, 1 ^ von jedem Säumer) für 40 €ß Maur. jährlich auf die Zeit von vier Jahren an einen Mailänder Bürger*. 1398 vermietete Petrus von Raron, Herr des Eifischthales, die Suste und die Herberge auf fünf Jahre an einen Schneider von Sitten für 12 Ä5 Maurienner jährlich ; den Warenzoll hatte sich der Herr vorbehalten und ebenso bestimmt, dafs, wenn in der Pachtzeit eine Rompilgerfahrt, also ein Jubiläum, wie es zu 1400 bevorstehe, einfalle und die Wirtsleute dann viel zu thun hätten, nach dem Urteil eines Lenker Bürgers der Herr einen Anteil haben sollte®. Auch diese Sust war ein bischöfliches Lehen und aus den bezüglichen Urkunden von 1339 ersieht man, dafs die oben erwähnten Abgaben wirklich erhoben wurden ; der Lehensmann hatte der bischöflichen Tafel einige übrigens unbedeutende Abgaben zu entrichten •. Die Sust war an die Freiherrn von Raron übergegangen und zwar durch die Schenkung einer Tochter des Hauses, das den Neubau aufgeführt

» Gremaud 27, 123 u. 156. 39, 421.

* Gremaud 82, 25 u. 32, 98. Im Besitze eines Edelknechts Stephan de Prez. ' 1336 August 10. 32, 110. Bevollmächtigter der Kaufmannschaft der Graf- schaft und Gemeinde Mailand ist Bartolomeus de Salario.

* Gremaud 32, 144. »^ Gremaud 37, 465.

ö Gremaud 32, 217 u. 218.

Simplon und der Grofse öt. Bernhard. 461

hatte, an den Bischof Wilhelm von Raron, der dann seinen Verwandten die Rechte gegeben hatte. Guichard wurde 1421 damit belehnt ^

Die Sust zu Sitten wird nur beiläufig erwähnt^.

Auf italienischer Seite wird an der Simplonstrafse ein Sustgeld in Domo d'Ossola genannt^.

Auf die Transportordnung hat Mailand ebenfalls einen bedeutenden Einflufs ausgeübt. Schon früher wurde erwähnt, dafs 1307 entschieden wurde, dafs auf dem Simplonpasse der Transport wochenweise zwischen den Gemeinden Naters und Brig einerseits und Simpeln umgehen sollte*. Der „Teiler" spielte am Simplon eine grofse Rolle, das Amt mufs erblich gewesen sein, denn es wurde ein Familienname*, wie auch die Ingressori de sousta und die Sostioni zu solchen sich umbildeten •. Von Leuk be- sitzen wir die älteste Transportordnung unseres Alpengebietes, die im Jahre 1310 aufgezeichnet wurde. Hier bestellten die Fuhrleute aus der umfangreichen Pfarrei Leuk einen Teiler, der durch Boten Nachricht den einzelnen Leuten, wenn sie eine Fuhre zu stellen halten, zuzuschicken hatte, die dafür 1 J) Maur. Botenlohn für den Ballen zu entrichten hatten. Der Transport wurde von Sust zu Sust ausgeführt , drei Ballen zu je 15 Rubb wurden durch zwei Tiere, zwei durch eins gezogen. Der Fuhr- mann, der nicht zur Primzeit zur Stelle war, verlor seinen Transport, auch durfte niemand ohne Geheifs des Teilers aufladen. Der Fuhrmann durfte seinen Wagen nach oben oder unten nur so weit verleihen, dafs er am folgenden Morgen zur Primzeit wieder an der Sust stand ^. Das Teileramt zu Sitten wurde von der Gemeinde vergeben, aber die Be- lehnten gaben es in Pacht und Aftermiete weiter®.

Die Transportordnung von St. Maurice ist von 1320; sie richtet sich vor allem gegen den Mifsbrauch, dafs die Fuhrleute mit fremdem Gespann fahren oder schwache und kranke Tiere verwenden oder zu spät kommen und nicht vor der Mittagszeit aufbrechen. Einige besondere Bestimmungen

* Gremaud 88, 519. Verzicht des Domherrn Wilhelm von Raron von 1427. Gremaud 37, 335; vgl. 375.

« Gremaud 32, 64.

» Amodini, Statuti § 100.

* S. oben S. 216.

^ AnVionius Partitoris de Semplono junior : 1384. G r e m a u d 37, 290. Auch 1395 : 37, 432 u. öfter, er war zugleich castellanus de SmplonOy s. Register. 1361 : NicoHtio Partitore de Simplmio 33, 204. 1407: Thomas Partitoris de Simplono 38, 37 u. öfter.

ö Giiigins-la-Sarraz 2, 23.

"^ Gremaud 31, 191. Auch jüngere von 1372 und 1458 sind nach Heus 1er S. 236 im Archiv von Leuk erhalten, aber noch nicht veröffentlicht.

® 1330. Gremaud 31, 568. 1382 Verpachtung der »ohventiones divisionis seu de hl partison haUarum bolonum (!) et aliaritm mercimoniarum transeuntium per Sedu- num* für 7 Äf Maur. Gremaud 32. 41.

462 Einuiidvierzigötes Kapitel.

betreffen die Gastwirte, die einen einzigen Ballen eines Kaufmannes aufser der Tour fahren dürfen. Über die Wahl des Teilers enthält die Ordnung keine Bestimmungen ^

Auch auf Italienischer Seite kenne ich wenigstens eine Transport- ordnung, sie ist in den Statuten von Domo d'Ossola von 1425 bezw. 1429 erhalten Hier war der Dienst ganz wie in Wallis organisiert. An der Spitze stand der Partitor ^ der die Fahrten unter den Vecturales und Buhulci verteilte. Die Gemeinde ist der Träger der Einrichtung und giebt ihr ein Monopol, auch die Ballenbinder waren von der Gemeinde organisiert. Teiler gab es auch im Val di Vedro (Diverio) und in Valle Antigorio, also fUr beide Pafsrichtungen, die bei Domo d'Ossola zusammen- trafen, jedoch fuhren die Leute von Ossola auch bis zum Spital von Gondo {hospitdle de Condono)^ also bis an den Anfang der Schlucht, unterhalb aber bis zum Ponte Maleo, den ich nicht nachweisen kann. Die umfangreichen Bestimmungen sprechen für eine starke Benutzung der Strafse ^. Von jedem Fardel waren sieben Imperialen zu entrichten, wovon der Teiler drei für den Fuhrmann zurückbehielt, vier an die Gemeinde abzuliefern hatte®. Auch in Vogogna gab es eine Transport- gesellschaft (roata), und eine Sust*.

Die Strafse überschritt den Rhone bei Sitten und Riddes. Die letztere Brücke wurde mehrfach umgangen, etwas unterhalb Riddes, oberhalb der burggekrönten Saxon führte eine Brücke über den Rhone nach Saillon und gewann dann bald oberhalb Saillon wieder die Strafse nach Sitten. Ein Bürger von Saillon, der zu St. Maurice wohnte, benutzte den Weg zum Warentransport durch seine Heimat*. Und auch von andern Kaufleuten wurde der Weg gebraucht, so dafs, als der Rhone Winter 1324/25 die Brücke brach und nun über die neuentstandenen Flufsläufe neue Übergänge errichtet werden sollten, der savoyische Richter in Chablais und Wallis die Bedeutung für die Kaufleute hervorhob, um den schnellen Bau guter Brücken herbeizuführen®. Die Brücke von Riddes verlor übrigens keineswegs allen Handel, die Erheber des Brücken- zolles erscheinen mehrfach in den Urkunden '. Auch dieses Brückengeld galt als ein bischöfliches Lehen®.

1 Gremaud »3, 461 ff.

2 Amodini §§52, 53, 62, 65, 66, 69, 73, 84 (mit mehreren Ortsangaben), 99—101 u. 105. ^ Amodini § 99.

Stadtrecht von 1374 bei Bianchetti 2, 523. »^ 1322. Gremaud 31, 355. « 1325. Gremaud 31, 485. - ^ Gremaud 31, 487.

8 Gremaud 32, 206. Belehnunc: von 1339. Über die Brücken bei Brig vgl. die Urkunde von 1457 bei Gremaud 39, 545.

Simplon und der Grofse St. Bernhard. 468

Für die Zölle liegen wertvolle Nachrichten aus dem vierzehnten und fünfzehnten Jahrhundert vor. Ein Zoll zu Domo d'Ossola scheint ursprüng- lich dem Bistum Novara gehört zu haben ^. Der erste Zoll auf Walliser Boden war der zu Simpeln, dort nahm der Meyer von Simpeln von jedem Pferde 3 ^ Maurienn. oder 12 Imperialen und Antonius Richardi nahm sie auch von 40 Pferden, die von Familiären Papst Johannes' XXII. ge- ritten wurden, und schimpfte recht kräftig über den Papst, den er nicht anerkennen würde, bevor er nicht nach Rom ziehe. Wenn der Papst und seine Kardinäle kämen, würde er sie gerade so behandeln, die Familiären müfsten zahlen, ob sie wollten oder nicht ^. Zu oberst im Rhonethal wurde ein Zoll in Brig erhoben.

Die einzelnen Angaben über diesen Zoll lassen mich vermuten, dafs es sich um zwei Abgaben handelt: um ein niedriges Sustgeld und einen rechten, namentlich auch vom Vieh erhobenen Zoll. Für ersteres sind wohl die Nachrichten in Anspruch zu nehmen, welche eich auf den Zoll der Herren von Thurn und Gestelen beziehen. 1333 hatte ihn Peter von Thurn an einen Lombarden verpachtet^, 1338 erwähnt der aus diesem Hause stammende Bischof Aymo seinen Zöllner zu Brig*. Sicher ist ein Sustgeld der halbe Zoll, den Johannes Esperlin 1362 erhob und seiner Tochter übergab : *unum denarium Maurienscm cum pogesia pro gualibet balla et magno equo^; den Jahresertrag giebt er auf 25 ü Maur. jährlich an, wir erhalten dadurch eine sehr willkommene Mitteilung über die Verkehrshöhe ^ 1398 war eine Rente von 100 >S Maur. darauf ver- pftlndet*. Ein richtiger Zoll ist dagegen derjenige, dessen Höhe 1394 als altgebräuchlich durch Zeugen festgestellt wurde: von jedem Ballen Wolle vom Simplon her 3 ^, Ballen Tuch 4 ?), von jedem Ballen vom oder zum Berge 3 ^, von jedem grofsen Pferde 6^/2 J), vom roncinas 3, vom Fufsgänger 1, einem belasteten Träger 2 ^, von jedem gröfseren Stück Vieh 2 h, von Hammeln, Schafen, Schweinen: ^unarn poysam seu oriuncium«. Von einer »Zßcftin« mit Falken und Habichten 2 ^, jeder

' Vgl. Amodini S. 22.

- Gremaud 31, 444. Die Klagen der Familiären fanden bei der Kirche von Sitten natürlich Gehör.

^ Gremaud 32, 57. Die Angabe »videUcet unum flor, pro q^talibet balla et qnolibei magno equo« ist natürlich unrichtig, wahrscheinlich ist statt flortnum ein- fach denarium zu lesen.

^ Gremaud 32, 136.

^ Gremaud 33, 228. »Frimojus suum, viJeh'cet medieiatem pedagii et emölumenti, quod percipit dktus Johannas cum AnHionio ntpote suo, qui percipiunt apud Briga, de quo pedagio percipit dictns JoJuinnes unum den, Mauriensem cum pogesia pro qualihet balla et magno equo et omnibus aliis dicto Johanni in dicto pedagio competentibus ^ et hoc pro precio viginti quinque €t Maur. redditus ««nt«'.«

« Gremaud 37, 459.

464 Ei nundvi orzigstes Kapitel.

Saumlast Unefsbarem 1 ^, jeder Saumlast Efsbarem 2 ^. Zollfrei waren von den letzten beiden Abgaben die Walliser *. Zu Leuk wurde nur ein Sustgeld erhoben, kein eigentlicher Zoll-, dahingegen hatte der bischöfliche saltertis (sautier) von jedem neunten Ballen einen halben Pfennig als Wägelohn zu beanspruchen®. In Oranges, das damals noch auf doTTi rechten Rhoneufer lag, erscheint 1389 die ganze Castellanie dieses Xauiens im Besitze eines Zolles, der ein bischöfliches Lehen war: von jedem Ballen 2 ^ Maur. und von jedem Pferde ^de pryes<!^ ein Ausdruck, den auch Gremaud nicht erklärt hat so viel wie in Sitten bezahlt wurde. 1383 erstritt die Witwe des Edelknechts Jakob Tavelli vom Bischof von Sitten, dafs ihr der bisherige Anteil an dem Zolle zu- stehen solle*.

Die Angaben über die verschiedenen Zölle von Sitten sind mit denen der früheren Periode nicht leicht in Einklang zu bringen. Soviel man erkennen kann, waren bis zum Ende des vierzehnten Jahrhunderts alle Zölle noch bischöflich, jedoch waren sie zum Teil verpfändet. So 1331 der Ertrag bis zu 10 ft Maur. schon seit den Tagen des Bischofs Bonifaz. Anderes war zu Lehen gegeben, so 1 S) von jedem Ballen und jedem grofsen Pferde, 2 c>) von jedem belasteten Wagen an einen Bürger von Sitten, ein anderer durfte bis zum Ertrage von 15 ÄJ vom alten Zoll von jedem Ballen mit Ausnahme Eisens 1 ft, und von deni Eisenzolle auch je 1 ^ erheben und hatte dafür einen Teil der öffentlichen Strafse in Stand zu halten^.

Davon verschieden ist das :>jus quod habentus in charragiiSj turnis ei dmtihus sortarum, ballarum et fardellorumty das der Bischof 1378 für 4 ii Maur. der Stadt Sitten, 1382 aber für je 15 fl. an einen Bewohner von Sitten verpachtete. Verstehe ich diese letzte Nachricht richtig, so dürfte es sich um ein altes bischöfliches Privileg handeln, nach welchem er ein Monopol für . den Transport aller Waren durch seine Wagen besafs*.

> Gremaud 37, 427. In derselben Urkunde werden weitere Viehzölle be- sprochen, ebenso 87, 261 u. 89, 265. Da der Viehhandel damals aber nur für kurze Ent- fernungen Bedeutung hatte, übergehe ich ihn hier.

2 Nach Furrer 1, 199 kaufte Leuk 1486 um 5000 Pfund den Zoll.

» Gremaud 32, 221 u. 37, 12 (1839 u. 76). Aufserdem wurde für den Weg der von Leuk seitwärts zum Lenker Bade führte, ein Weggeld erhoben. Gremaud 37, 585 zu 1402.

* Gremaud 32, 206. 37, 271.

B Gremaud 32, 20. 178. 179.

ö Gremaud 37, 145 u. 260. »Quas bcüJas et fardellos ducere per noatros atrrus vel alium nomine nostro d^hemus, nos videnUs quod, quantum ad praesens ^ in hiis vacare non 2)ossu7nuS9. Vielleicht handelt es sich um einen Anteil an jeder Rod. 1878 überläfst der Bischof für 10 Goldgulden das Recht der mensa episcopalis »pro

Simplon und der Grofse St. Bernhard. 465

Vom Zoll zu Martigny war mindestens ein Teil (^/2 9) von jedem Ballen) bischöfliches Lehen ^. In St Maurice erwarb Graf Amadeus V. von Savoyen im Anfang des vierzehnten Jahrhunderts von dem Herrn von CoUombey die verschiedenen Zölle; zunächst 1303 10 ü Maurienner jährlich und aus den Angaben des Verkäufers, dafs der für die dos fest- gelegte Teil des Ertrages des Zolles sich auf 80 €6 Maurienner belief, sehen wir, dafs das nur ein geringer Teil des Gesamtertrages von 240 ü Maurienner war. Der Verkauf des Restes erfolgte im nächsten Jahre. Der Preis ist allerdings nur 140 ü Maur., was einem Ertrage von 14 ^ etwa entsprechen würde, es sind aber vielleicht weitere Urkunden verloren, so dafs die oben angegebene Gesamtsumme doch richtig sein könnte. Der Herr von CoUombey veräufserte für diese Summe den zu St. Maurice erhobenen Zoll, der genannt wurde: ^pedagium FasciniacU, von jedem Tuch- oder Wollenballen 2 o^, und das ^pedagium quaiuor episcopatuumt^ von jedem Ballen mit Leinenstücken oder Fellen oder sonstigen Sachen 1 3> *.

Die savoyischen Zölle am Genfersee, im Waadtlande und im Ge- biete des südlichen Jura verfolge ich nicht weiter.

An Hospitälern erscheint neu zum erstenmal 1425 das zu Gondo am Eingang der schaurigen Schlucht^. Bisher hielt man die Gründung für jünger, was für den finsteren vielstöckigen Bau zutreffen mag.

Das Johanniterhospiz jenseits der Pafshöhe, das Hospitale 8. Jacobi de Collibus montis de Briga erscheint 1322, als Johann von der Sust zu Brig, der mit dem Gedanken umging, in den Orden einzutreten, ihm eine Schenkung machte*. Das Johanniterhaus zu Salquenen blieb be- stehen, während die Ritter vom Simplon verschwanden. In einer Urkunde von 1437 wird die Pflicht des ^hospüalarius hospitalts sancti Jacobi vocati moniis de Halsent, nicht etwa des Johanniterkonvents erwähnt, den Bischof bei seiner Durchreise mit drei Personen und drei Pferden aufzunehmen *. Das Haus auf der Pafshöhe zerfiel, die Güter blieben jedoch mit ihm verbunden, auch wurde immer noch den Wanderern Gutes gethan. 1621 übergab der Besitzer die Güter an das Spital St. Anton in Brig, das 1655 dieselben an die Familie Stockalper verkaufte, denen die Pflicht zufiel, die armen Pilger und Durchreisenden zu beherbergen*. Das Ge- bäude steht noch heute und wird noch wohl von Hirten bewohnt.

qtialibet aosta baUam chariare in quolibet turno charHagii et tumi hallarum et fardd- lorum unum tumum.* Gremaud 87, 149.

1 1339. Gremaud 32, 192.

« Gremaud 81, 65 u. 98.

' Amodini § 84.

* Gremaud 31, 360. Nach Gingins-la-Sarraz 3, 157 wird das Hospiz noch 1470 genannt, jedenfalls war es tief herabgekommen.

^ Gremaud 39, 140. Handelt auch über das Patronat der Kirche von Simpeln.

« Jolier in Blättern aus d. Walliser Gesch. 2, 116 ff. Schulte, Oeseh. d. mittelaltarl. Handels. I. 80

466 Einundvierzigstes Kapitel.

In der Zwischenzeit hat vermutlich der Turm in Simpeln den Wanderern als Unterkunft gedient, 1380 befahl der Bischof, der das Meiertum nach und nach wieder erworben hatte, dem neu eingesetzten Kastellan, den- selben wieder herzustellen. Das Geschlecht der Meyer von Simpeln war inzwischen ausgewandert. Die niedere Gerichtsbarkeit „im Walde" von Simpeln war noch 1395 im Besitze der Familie von Ornavasso, die auch das Patronat der Kirche hatte. Die Reihe der Pfarrer an der nicht eben einträglichen Kirche läfst sich gut verfolgen ^

Das Johanniterhospiz wurde zum Teil auch ersetzt durch das filir arme Pilger und Durchreisende bestimmte St. Antonienspital zu Brig, das 1304 der Sittener Bischof Bonifaz von Challant begründete. Dieser Bau wurde auch durch die Bischöfe von Grenoble, Belley, Aosta und Genf unterstützt, und es dürfte das Spital St. Antoine im Viennois das Muster gewesen sein*. Später nahmen sich die deutschen oberen Zehnten von Wallis der Stiftung sehr lebhaft an und erklärten, dafs sie die bisher dem grofsen Spital von St. Antoine zugewiesenen Opfer- spenden in Zukunft dem Briger zuwenden wollten. Dem Antoniter Orden, der bis dahin Boten in diese Gegenden gesandt hatte, wurden also die Gaben entzogen und der lokalen Anstalt zugewendet®. Die Verleihung des Spitals stand dem Bischof zu, 1360 hatte es ein Nepote des Bischofs, der es einem Kleriker auf acht Jahre gegen einen Zins von 18 fl. verpachtete*.

In Sitten gab es drei Spitäler; das älteste, das St. Johanneshospital, wurde durch den Hebdomedar des Domstifts besetzt, das St. Georgs- spital wurde 1316 durch einen Sittener Bürger begründet und stand unter dem Patronate der Stadt; das unbedeutendste war wohl das schon 1294 genannte Marienspital, dessen Patron der Bischof war. Da die Verwaltung der drei Hospitäler lange Zeit einem einzigen Rektor an- vertraut wurde, entstand ein Übergewicht des domkapitulari sehen Hospi- tales, das die beiden andern in sich aufgenommen zu haben schien^. Daneben gab es noch das ^hospitdle Montis Jovis Seduni ^ *. In Plan Conthey wurde 1412 ein Hospital begründet, bei Martigny gab es eben- falls ein solches^.

^ Gremaud 87, 211. Vgl. 32, 66 Erwerb eines Drittels von Meyeramt und Turm. 37, 433. 33, 209. 83, 262. 32, 268. 33, 209. 37, 483 u. öfter.

° Gremaud 31, 85 u. 99 und Joller, Spital d. Stadt Brig in Blätter aus der Walliser Gesch. 2, 111—127 mit Urkundenbeilagen.

^ Je 11 er S. 121. Das Ordenshaus lag in der Gemeinde S. Didier de la Mothe im Viennois.

* Gremaud 83, 182.

^ Gremaud 31, 584. 80, 462. 87, 338 ff. u. 38, 466.

ö Gremaud 38, 164.

' Gremaud 88, 99. 38, 51..

Simplon und der Grofse St. Bernhard« 467

Weiter unterhalb folgten die Spitäler von Aigle, welches gegen Ende des vierzehnten Jahrhunderts gestiftet wurde, und das schon weit ältere und sehr reiche von Villeneuve^

Die Geschichte des Hospizes auf dem Grofsen St. Bernhard ist in dieser Periode arm an interessanten Momenten. Die Zeit der grofsen Schenkungen ist vorüber, das Hospiz ist in den Zustand der Sättigung eingetreten, der bei vielen andern Klöstern dem Verfalle voraufgeht. Klagen über das Leben im Hospizkloster treten aber nicht auf und so mag die Blüte desselben ohne Unterbrechung fortgedauert haben. Schenkungen sind mir keine bekannt geworden, wohl aber viele Be- mühungen, den alten weitzerstreuten Besitz zu verteidigen *. Das Hospiz koUektierte auch im fünfzehnten Jahrhundert noch durch ausgesendete Boten, die aber manche Bischöfe nur gegen einen Anteil an dem Er- trage zulassen wollten. In der Waadt brachte die Kollekte noch immer eine hübsche Summe, sie wurde einmal um 80 fl. jährlich verpachtet®. Die Reihe der päpstlichen Privilegien und Privilegienbestätigungen ist weit länger als die der landesherrlichen*; aber auch die Grafen von Savoyen haben wiederholt in Liebe des Hospizes gedacht*.

Für den internationalen Handel haben die Märkte an der St. Bernhard- strafse, die zu Orsi^res 1379, zu Sembrancher neben einer älteren 1324 und zu Martigny 1392 errichtet wurden •, wohl ebensowenig Bedeutung gehabt, wie der 1431 zu Conthey begründete^.

Der Schwerpunkt der Geschichte von Wallis verlegte sich im späteren Mittelalter in die deutschen Gemeinden von Oberwallis und das beruht unzweifelhaft auf der beherrschenden geographischen Stellung der oberen Zehnten, die im Besitze von Pässen nach der Bemer Seite, nach Urseren und nach Italien unendlich viel mehr Aktionsfreiheit hatten als Unterwallis, das fast überall an das savoyische Gebiet stiefs und dessen Herrscherhaus energisch dem Ziele zustrebte, das Wallis dem eigenen Staate einzuverleiben. In den oberen Gemeinden wirkte das Beispiel der Urkantone und auch hier war die Wurzel der Entwicklung dieselbe: die Selbstverwaltung, die politische Emancipation der Ge- meinden , die durch ihren Anteil am Weltverkehr Kraft und Umblick

1 Gremaud 37, 441. 29, 470.

2 Gremaud 37, 59ff. 569 ff. Auch 32, 73 u. öfter.

' Gremaud 33, 331, 33, 456. Eine Erlaubnis zum Betteln im Bist. Konstanz 1455 Arch. f. Schweiz. Gesch. 2, 124. Gremaud 38, 142.

* Gremaud 32, 333. 466. 33, 327 f. 412. 458 f. 464. 468. 479. 37, 15. 159. 409. 38, 12. 91. 130. 356. 39, 43. Besonders interessant 38, 253-55.

» Gremaud 31, 26. 33, 470. 37, 460.

^ Orsi^res Gremaud 37, 187. Ueu8ler29,260. Sembrancher Gremaud 31, 603. Martignj Gremaud 37, 392.

"^ Heusler in Zeitschr. f. Schweiz. Recht 29, 270.

80*

468 Einundvierzigstes KapiteL

gewannen. Der Kampf vollzieht sich vor allem im Gegensatz zu Savoyen und der erste Bisehof, der sich energisch gegen sie stellte, war ein Ober- walliser, Aimo von Thurn-Gestelen ; er vollzieht sich mitunter im Wider- streit mit dem Adel in den beiden grofsen Katastrophen der Thurn von Gestelen und der Freiherm von Raron wurde er zerrieben. Mit- unter söhnte sich der Gegensatz zum Bistimi aus, auf dessen Kosten schliefslich das Wallis sich begründete.

Es ist nicht meine Aufgabe, diese Entwicklung im einzelnen zu charakterisieren; ich will nur das genauer behandeln, wo der Einflufs auf den Handel und Verkehr besonders deutlich hervortritt. In Wit- schard Tavel gelangte 1343 der ehemalige Kanzler von Savoyen auf den bischöflichen Stuhl, der sich zunächst an Savoyen anlehnte und es er- neut zuliefs, dafs die Grafen auf die inneren Angelegenheiten des Landes einen grofsen Einflufs gewannen. Diese hatten auch in dieser Periode ein lebhaftes Interesse für den Verkehr durch Wallis. Graf Aimo stellte 1336 der Kaufmannschaft von Mailand einen Sicherheitsbrief von dem Morgebache, der Grenze von Ober- und Unterwallis, an über den Genfersee oder an seinem Südufer entlang nach Genf und weiter nach Seyssel und bis zur Saöne. Die Bestimmungen waren sehr günstig und das Privileg wurde auch auf die Kaufleute von Venedig und Italien aus- gedehnt^. Zwei Jahre später mufste der Zöllner von S. Maurice zum Bischof von Novara und Azzo Visconti reisen, damit die Einrichtung der Simplonroute sich nach den Abmachungen Ludwigs von Savoyen vollziehe ^,

Der schwere fünfzehnjährige Walliser innere Kampf knüpfte sich an die Gefangennahme eines italienischen Kaufmanns, allerdings war das kein Warenhändler, sondern einer der uns wohlbekannten Kawerschen. Palmerio Turchi di Castello, Besitzer einer casana in Thonon und einer solchen in Sitten wurde in Oberwallis von Johann von Mund und Ge- nossen gefangen gesetzt. Sofort stockte nun der Verkehr, die Kaufleute blieben fort und, um sie wieder zu gewinnen, wurde zwischen Savoyen und dem Bischöfe abgemacht, dafs Palmerio 4000 fl. für sein Genommenes erhalten sollte. Das Statut von Naters setzte feierlich fest, dafs niemand Kauf leute oder andere Wanderer schädigen solle ; bis in die vierte Gene- ration sollten die Thäter gestraft werden. Jeder müfste dem Angefallenen Schutz gewähren und den Thäter dem bischöflichen Hofe ausliefern.

1 Vgl. das Regest bei Cibrario, Operette 98 ff. van Berchem 128. In der Erneuerung, die mir in Turin vorlag, heifst es »ab aqua de Morgia, que est ifUer Contegium et Sedinum vcniendo per terram vel per aquam per Agmannum et dvitatem Gtbenarum versus SayHUum et ultra usque ad flumen Schone; Erneuert wurde das PrivUeg 1347, 1399, 1445, 1457, 1465, 1470 u. 1473.

' van Berchem 128.

Simplon und der Grofse St Bernhard. 4g9

Das Statut wurde von zahlreichen Personen feierlich beschworen, allein nicht von allen*. Dem widersetzten sich die obersten Zehnten, dieser Ausgleich war nicht durchzuführen und so gab Graf Amadeus VI. den Mailänder Kaufleuten aufser dem alten Geleitsbrief von 1347 auch die- selben Privilegien für die Route über dcB >Mont Cenis. Sehr bald kam es aber zum Bruch zwischen Luchino Visconti und den Savoyem und diese liefsen nun die Mailänder Kaufleute ausplündern, so dafs der Ver- kehr durch Wallis völlig unterbrochen wurde. In den Verhandlungen wies Graf Amadeus darauf hin, dafs er mit Mailand im Kriege lebe. Er war ganz damit einverstanden, dafs die Walliser mit den Mailänder Kauf- leuten verhandelten, diese sollten sich verpflichten, durch Wallis und Savoyen ihren Weg zu nehmen. Das war ihm das Hauptziel, wenn sie sich in genügender Weise bänden, wolle er die Ballen ganz frei geben, wollten sie das nicht, so sollten sie ihm 10000 fl. leihweise geben und die Waren der Mailänder sollten solange zollfrei bleiben, bis diese 10000 fl. an Zoll erreicht seien; wenn die Kaufleute dann nicht regel- mäfsig diesen Weg einschlügen, solle das Geld dem Grafen verfallen sein. Die WalHser vereinbarten mit dem Grafen weiter, dafs, wenn die Mai- länder andere Wege mit ihren Waren fahren sollten, die, welche zuerst davon erfahren, solange dieser Krieg des Grafen mit Mailand dauere, zufahren und diese Wege zerstören sollen. In der feierlichsten Form wurde das von den zahlreichen Vertretern der Gemeinden mit den Herren beschworen und gelobt".

Der baldige Friedenschlufs zwischen Savoyen und Mailand stellte den Verkehr der Kaufleute wieder her. Da die Sache des Astigianen ausgeschieden war, fanden sich nun auch alle Zehnten bereit, das Statut von Naters zu beschwören ; der.Bischof reiste deshalb selbst umher, und wieder erschienen Mailänder und im Oktober 1351 schlössen sie über den Bau einer Sust in Visp ab. Es mag sein, dafs sie nicht auf den Simplonverkehr berechnet war, sondern für einen solchen über den An- trona- und Monte Moropafs.

Wallis genofs nur kurze Zeit der Ruhe. Der Streit der Thum mit dem Bischöfe rief erneuten Kampf hervor und viel zu oft hatte dieser sich den demokratischen Gelüsten entgegengeworfen, viel zu sehr ver- trat'er savoyische Interessen, er machte durch diese Politik den Konflikt mit den Oberwallisem , die ihm den Gehorsam versagten, nur schlimmer. Der zweimalige Eroberungszug der Savoyer (1352) hatte das Geschick der Astigianen zum Vorwand, die Eroberung von Wallis zum Ziele. Der Bischof, ohnmächtig wie er war, warf sich den Savoyern

1 Heusler in Zeitschr. f. Schweiz. Becht 29, 176 und van Berchem 829 £ Gremaud 32, 477.

470 Einundvi erzigstes Kapitel.

in die Arme und übergab die Verwaltung der Temporalien dem Grafen; Amadeus VI. schien einen Augenblick ohne Rechtsverletzung Hen* in Wallis zu werden und dem Savoyer schien zu gelingen, was den Habs- burgem mifsglückt war, die Gemeindefreiheit auch in den entlegensten Thälem niederzuwerfen. Aber der demokratische Geist von Uri und Urseren hatte jenseits der Furka fruchtbaren Boden gefunden und es ist eins der schönsten Ergebnisse der feinen Untersuchungen van Berchems, dafs er zeigte, wie sich die drei Parteien bekämpften. Die eine, des obersten Zehnten, ward beherrscht von den Selbstverwaltungsideen der Urkantone, hier ist die Freiheit von Savoyen, wie vom Bischöfe das Ziel. Von Uri her hatten die Familien Silenen und Attinghausen Besitz in dem Zehnten Goms erhalten und schon 1346 hatten die obersten Zehnten, ohne des Bischofs zu erwähnen, sich mit Urseren verbunden, um in Zu- kunft alle Räubereien von Wallisem auf der Gotthardroute zu ver- hindern ^. Sie gaben sich nun als Haupt einen Mann, der bei ihnen Besitzungen hatte und der in allen Verhandlungen über die Ausnützung des Gotthards stets voranstand, den Landammann von Uri, Freiherrn Johann von Attinghausen. Nicht dem Bischöfe, nicht dem Kaiser, sondern dem Volke verdankte er das Amt eines Rektors des Landes über dem Deischberg. In der Mitte des Thaies gab es eine Partei, die für die Einheit und für die Freiheit des Landes eintrat. Gegen den Savoyer wandte sie sich an Karl IV. und dieser, der einst selbst über den Simplon gefahren war*, schickte zunächst den uns wohlbe- kannten Ritter Burkhard Münch und, als dieser nach Italien abging, trat Graf Peter von Aarberg an seine Stelle, der reiche Erfolge hatte. Aber da Karl IV. sich mit dem Savoyer aussöhnte, wurde dies Walliser Unternehmen von ihm aufgegeben, der Aarberger wurde machtloser und wich schliefslich vor dem Savoyer zurück. Die obersten Zehnten hatten höchst wahrscheinlich eine nahe Verbindung mit den Eidgenossen ein- gegangen. Wenigstens beriefen sich die Bewohner des Ernenthales auf ihr Bündnis mit Zürich und Bern und den Kampf dieser Gemeinden mit Österreich, als sie 1855 einem französischen Kaufmann in ihrem Thale elf Barchentballen im Werte von 2000 fl. niederwarfen®. Nach dem Abzüge des Aarbergers verbanden sich alle Oberwalliser, schliefslich räumte der Savoyer durch den Vertrag von fivian 1361 seine Positronen oberhalb Monthey, die Sache der Walliser Gemeinden hatte triumphiert und das hatten sie nicht dem Reiche zu verdanken, sondern nur sich selbst. Die Eidgenossenschaft hatte einmal schon über die Furka hinübergegriffen,

^ Geschichtsfreund 1, 74. van Berchem 133 u. 207.

Autobiographie bei Böhmer, Fontes, 1, 236: »Transivi montes 3rige et veni in territorium Novariense*. Es war 1331.

van Berchem 229.

Simplou und der Grofse St. Bernhard. 471

wenn sich jetzt diese Verbindung auch wieder vollständig löste, so war der Weg doch gewiesen. Zunächst kam es zu Konflikten, deren Ursachen uns unbekannt sind, bei denen man aber an Störungen des Verkehrs denkt; der Rat von Luzern versöhnte 1368 die Parteien ^

Die Ruhe des Wandels wurde, kaum hergestellt, wieder unterbrochen. In dem Kampfe gegen die beiden Visconti, Bernabö und Galeazzo bildete der Papst Gregor XL eine Liga aller Nachbarn und warb für sie auch bei den Wallisern. Wie er sich an die Bischöfe der Alpen wendete, damit sie den Zuzug der Söldner sperrten, wie er den Grafen von Nidau, Kiburg und Thierstein den Auftrag gab, die Kaufleute aus der Herrschaft der Visconti anzuhalten ^, so wandte er sich auch an den Bischof von Sitten, ja an die einzelnen Gemeinden, um sie in den Kampf hineinzuziehen. Während diese sich zurückhielten, gab der Bischof Witschard halb nach. Es scheint, dafs er dem Mailänder Kaufmann Antonio Grassi die Erlaubnis gegeben hatte, 200 Ballen Wolle von Flandern nach der Lombardei zu verbringen, 50 davon, die ein Mann von Salquenen transportierte, liefs er anhalten, er befahl sie in Leuk zu deponieren. Der Papst war da- mit nicht befriedigt, er drohte dem Bischöfe mit Exkommunikation und wollte die Ballen nach Avignon ausgeliefert haben. Nach dem Friedens- schlufs zwischen dem Papste und den Visconti wurden die Ballen dem Eigentümer zurückgegeben^.

1403 gingen der mit dem Volke gegen Savoyen fühlende Bischof Wilhelm von Raron und die Landgemeinden oberhalb der Morge ein ewiges Burg- und Landrecht mit Uri, Unterwaiden und Luzern ein. Der Pafsstaat des Gotthards nahm also die im Westen sich anschliefsenden verwickelten Pafssysteme in sich auf und deckte sich gegen die Be- drohung seitens des Furkapasses.

Aus dem fünfzehnten Jahrhundert ist nur weniges zu erwähnen. In den Walliser Urkunden begegnen uns Kaufleute seltener als um 1300; aber der Verkehr war keineswegs erstorben. So erfahren wir, wie ein Berner Pferdehändler Peter Baumgarten mit vier Genossen den Mailänder Ambrogio dei Grassi bei Conthey in der Morgenfrühe überfiel, ihm 140rh.fl. und Wechsel im Betrage von fast 12000 fl. abnahm. Sogar den Sohn des Mailänders nahm der Strafsenräuber mit in die Waldungen. Zwei der Übelthäter, mit deutschem Namen, wurden gefafst*. So prompt hier savoyische und bischöfliche Beamte eingriffen, ebenso energisch war das

^ van Berchem 285 f.

2 van Berchem 302 Anm. 2 aus den Registern des Papstes. Aus gleicher Veranlassung erliefs Karl IV. an Strafsburg den Befehl, Mailänder Waren weg- zunehmen. Böhm er- Hu her 5438.

» van Berchem 304 ff. u. 391. Gremaud 31, 386. 398. 401 u. 421.

Gremaud 39, 169. 176 u. 180 f. Der Raub war am 12. April 1439 geschehen.

472 Einundvierzigstes Kapitel.

Vorgehen gegen einen Sittener Kleriker, der eine« Abends in Sitten zwei lombardische Eaufleute, den Johannes Barbaz und den Jacohus Pachini de Candlis schwer verwundete. Der Schutz der Fremden wurde vom Bischof Wilhelm von Raron ganz besonders betont ^, Canalis war freilich in Sitten angesiedelt und, was ja in romanischen Landschaften nicht so verwunderlich ist, Kleriker. Nützte doch auch jetzt dem Halbkleriker seine kirchliche Stellung.

Pilger waren in Wallis nicht selten. Die Verehrung der Reliquien, deren sich St. Maurice rühmte, war auch im fünfzehnten Jahrhundert noch recht lebhaft. Ganz anschaulich hat uns der Nürnberger Rieter seine Reise geschildert. Er war (1462) von Einsiedeln nach Mailand ge- zogen, dann ging es über den perck den Priger nach St. Maurice, wo er seine Andacht verrichtete, die Wallfahrtsreise führte ihn weiter über Genf nach St. Antoine im Viennois, wo der Leichnam des hl. Antonius verehrt wurde, nach Avignon und St. Jago di Compostella *. Eine verspätete Königsreise sah der Qrofse St. Bernhard noch unter König Siegmund, der 1414 von Turin über Ivrea den Pafs erreichte und dann in Romont, Frei- burg und Bern nachzuweisen ist®. Die Wahl war dadurch begründet, dafs der König nicht wohl durch das Machtgebiet der Visconti reisen konnte.

Ernste Kämpfe zwischen den Pafsanwohnern haben sich auch im fünf- zehnten Jahrhundert auf dem Simplon abgespielt. Mehr lokaler Natur waren die Händel, die 1456 beglichen wurden ; weit umfassender der Streit, der 1448 durch die Eidgenossenschaft beigelegt wurde. In diesem Spruche wurde bestimmt, dafs alle Waren auf die Susten gegeben wurden und nach dem Gebrauch den gewöhnlichen W^eg gehen sollten, jeder Teil müsse Brücken, Strafsen und Wege im Stand halten, neue Zölle dürfe keiner zu Ungunsten des andern einführen. Leider erfahren wir nichts näheres über den Anspruch des Bischofs von Sitten auf mehr als 100 Leute im Diveriothale, die Patrisoni genannt werden *. Die Walliser Gemeinden schlössen 1454 und 1473 Verträge mit den Herzögen von Mailand, in denen ausdrücklich die Sicherung der Kaufleute hervorgehoben wird*^. Im allgemeinen war der Simplon eine viel zu wichtige politische Pforte geworden, als dafs auf ihm, wie einst, der Kaufmann hätte entscheidenden Einflufs ausüben können.

1 Gremaud :^9, 233. 235. » Bibliothek des litter. Vereins 168 S. 11 f. » Altmann 993».

* Der Abschied von 1456 Gremaud 39, 529-535. Die Sprüche von 1448 ebda. 376 u. 380. Im Nahhandcl war Eisen und Tuch weggenommen worden. » Gremaud 39, 510 und Gingins-la-Sarraz 3, 112.

Die anderen Pässe. Yerk^hrshöhe. 473

Zweiundvierzigstes Kapitel. Die anderen Pässe. VerkehrshShe.

Südseite: Alhrun, Anirwia und Monte Moro, Die Kämpfe um das Esdienthdl, Ausdehnung Bhone abwärts. Fasse zwischen Wallis und dem Bemer Oberland, benutzt , für den Handel ohne Bedeutung, Afiders Grimsel- und Griespafs, Einriefdung 1397. Spital. Vieh'j Warenhandel. Warentransport. Der Wollebsche Streit Angaben über die Verkehrshöhe aus dem Wallis, Chillon, Jougne^ Les CUes. Vergleich mit heute.

Was ist nun die Geschichte der übrigen Pässe von Oberwallis, ab- gesehen vom Simplen? Beginnen wir mit denen der Südseite. Ihre Benützung für den Nahverkehr ist am besten durch die schon früher besprochene Kolonisation belegt, und wenn 1340 die Leute von Uri und Ossola sich über freie Ausfuhr von Getreide und Wein einigten, wenn Streitigkeiten zwischen den Leuten des Eschenthals und aus Pommat und denen von Discntis entstehen konnten, so spricht das deutlich dafUr, wie wenig die Alpenpässe den nächsten Anwohnern als Hindernisse galten ^ Hier interessiert uns nur der Fernverkehr und der Waren- transport.

Die älteste Nachricht über die Benutzung des AI brun passes ist soeben angeführt, sie gehört ins Jahr 1855. Einem Bürger von Chaumont >m€rcator lanarum et aliarum m€rcaturarum€, der von Mailand nach Frank- reich 13 Fardel Barchent im Werte von 2000 fl. bringen liefs, wurden sie als Gut eines habsburgischen Unterthanen im Ernenthal weggenommen. König Jobann IL von Frankreich nahm sich seines Unterthanen bei Bern an*.

Reicheres Material zur Geschichte dieses Passes verdanken wir dem Archive der Pfarre zu Ernen im Binnenthal. Im Jahre 1379 wurde zu Bundolero, was nach späteren Urkunden nur Binn sein kann, über Streitigkeiten zwischen den Gemeinden Grengiols und von Münster auf- wärts und denen, die zum Hofe Matarella gehören, also das Ossolathal ausmachen, entschieden. Es sind die Streitigkeiten, wie sie auf den Hochalpen so oft auftreten, über Viehtrieb, Diebstähle u. s. w., aber ge- sichert wird doch auch der Mann cum sua mercandia, einzelne Händler gingen also schon damals diesen Weg®. Der Hof Matarella gab zwei Jahre später den Leuten aus Wallis oberhalb der Massa, des bei Natcrs einmündenden Abflusses des Aletschgletschers, einen Geleitsbrief, frei und

1 Geschichtsfreund 41, 84. Mohr 2, 876 zu 1844.

S. oben S. 470. Anzeiger f. Schweiz. Gesch. u. Altertumskunde 1859, 21 f. Das Thal Ernen heifst hier rallis daraignesy die regelmftfsige Form in Walliser Urkunden: Aragnoti ohne Vallis, so mag doch an den lateinischen Namen von Uri: Urania erinnert werden. Handelt es sich nicht vielleicht um Uri?

» Gremaud 17, 169.

474 Zweiundvierzigstes Kapitel.

ungehindert mit ihren Waren durch das Eschenthal ziehen zu können *. 1403 wurde erneut über einen Vertrag mit den Leuten oberhalb jenes Wassers verhandelt*, dann aber hatten die Walliser den Leuten des Antigoriothales Pferde und Vieh geraubt, es wurde darüber wieder ein Friede gemacht® und jedesmal ist von freiem Verkehr mit den Waren die Rede, fremde Kaufleute werden freilich niemals genannt. In dem Frieden zwischen den Zehnten von Wallis und dem Antigoriothal von 1448 finden sich Bestimmungen über den Warenverkehr; allein diese Stelle ist einmal genau der in dem andern Schlüsse von diesem Jahre gleich, also wenig beweiskräftig, es bleibt auch zweifelhaft, ob es sich um Albrun- oder Griespafs handelt oder um beide*. Sehr stark wurde der Verkehr nicht, denn das Alprecht der Gemeinde Binn von 1447 sagt ausdrücklich, dafs keine grofse Warenstrafse durch das Thal gehe *. Für den Griespafs mufs ich auf seinen Korrespondenten, den Grimsel- pafs verweisen.

Für die Benutzung des An tron apasses habe ich aus den beiden letzten Jahrhunderten des Mittelalters nur einen Vertrag zwischen den Leuten des Antrona- und des Saasthales von 1415 gefunden, worin über die Wiederherstellung und die Unterhaltung des Antronaweges entschieden wurde®. Als 1403 der Weg über den Monte Moro schlecht geworden war, traten 29 Vertreter von Val Anzasca und fünf vom Saasthale zu- sammen und beschlossen, dafs die Strafse für immer in Stand gehalten werden solle. Zum Unterhalten wurde alles verpflichtet, was an der Strafse von Visp bis Piö di Mulera wohnt '^.

Die Eroberung des Livinenthals rief eine Expansion der Eidgenossen- schaft auch in dem südlichen Vorlande von Wallis hervor, wodurch die Interessenten der Gotthardstrafse auch das Vorland des Simplon auf der Südseite wenigstens für kurze Zeit in ihre Macht bekamen. Wie Walliser schon 1303 einen Zug ins Eschenthal gemacht hatten, so bestanden schon längst sehr lebhafte Beziehungen zwischen den Bewohnern von Uri, Urseren, Livinen und den Leuten jenseits des S. Giacomopasses ®. So redet die Säumerordnung von Uri (1383) auch von einem Warentransport über den Gotthard und Airolo ins Eschenthal, also über diesen Pafs,

1 Gremaud 37, 221.

2 Gremaud 38, 5 u, 6. Die Verhandlungen fanden zu Binn, Crodo und Baceno statt, also kann es sich nur um den Albrunpafs handeln.

3 1406. Gremaud ii8, 18 ff. und 1407 ebda. 34 ff.

* Gremaud 39, 391. Zu der Stelle vgl. 39, 384 und oben S. 472. ^ Heusler in Zeitschr. f. Schweiz. Recht 29, 250.

® van Berchem 323. Vgl. oben S. 469. Die Angaben von Schott sind nicht recht klar. 1440 sei die Antronastrafse hergestellt, sie sei häufig befahren worden. ^ Bianchetti 1, 193. ® van Berchem 66.

Die anderen Pässe. Verkehrshöhe. 475

der heute verlassen ist; es mag auch erwähnt sein, dafs an seinem Fufse ein Ospizio liegt. Zu den entscheidenden Schritten der Eidgenossen gaben Viehdiebstähle auf den Alpen Anlafs. Leute von Faido waren auf den höchsten Alpen des Bedrettothales von Leuten des Eschenthaies geschädigt worden. Der Leventiner nahmen sich die ürner an und, als diese abgewiesen wurden, riefen sie eidgenössische Hilfe herbei. Ehe jedoch diese kam, hatte eine Freischar von Uri und ünterwalden die Letzi, die am Oberlauf der Tosa die Landschaft Pommat (Formazza) und Eschen thal (Ossola) trennt, weggenommen, ja auch Domo selbst. Der neue Besitz, der durch einen zweiten Zug 1411 gesichert werden mufste, wurde als gemeine Herrschaft der an dem Erwerb durch Truppen be- teiligten Landschaften eingerichtet. Die Verbindung ging über den Gia- comopafs und den Gotthard; eine Verbindung bestand auch über den Gries-, Albrun- und Simplonpafs mit den Gemeinden des oberen Wallis, die der Politik der Eidgenossen zustimmten. Die Interessen der An- wohner der Simplonstrafse waren durch diese Besetzung des südlichen Ausgangs berührt und die adligen Herren wollten hier eine eigene Herr- schaft herstellen. Graf Amadeus VIU. von Savoyen schickte Frühjahr 1414, unterstützt von dem Bischöfe von Sitten und dessen Oheim, dem Freiherrn von Raron, Truppen durch Wallis auf der gewöhnlichen Simplonroute und über diesen Berg den Eidgenossen in den Rücken. Die neue ennetbergische Herrschaft war verloren.

Die oberwalHsischen Gemeinden ob des Simplons zogen nun aber auch die unterhalb Brigs gelegenen mit und schlössen sich noch enger an Uri, Unter walden und Luzern an, und sie wurden bei der zweiten Eroberung (September 1416) als Mitbesitzer mit anerkannt und 1418 be- stätigte König Siegmund Eschenthal, Pommat, Falzask (Val Anzasca) und Mayenthal (Val Maggia) den neuen Herren; alle Kaufleute sollten frei durch die Thäler ziehen dürfen. Aber auch dieses Mal dauerte der Besitz nicht lange; durch die Schlacht von Arbedo (1422) war nicht allein das Geschick des Tessin-, sondern auch des Tosagebietes entschieden.

Das Bedürfnis, den Handel über den Pafs wieder in Gang zu bringen, hatte grofsen Anteil an dem Vertrage zwischen dem Herzoge von Mailand und den Gemeinden von Wallis. Der freie Verkehr hatte nicht allein infolge der Kriege gestockt, sondern eine andere Ursache hatte mitgewirkt. In dem bischöflichen Turme zu Simpeln hatten drei Leute aus dem Fardel eines Lucchesen seidene Gewänder und eine grofse Anzahl von Mützen gestohlen, waren aber von dem durch sie be- stochenen Landesverwalter Witschard von Raron unbestraft gelassen, worauf die Kauf leute überhaupt ausblieben ^. Witschard sollte auch ver-

' So nach den Klagen der Gemeinden gegen Witschard, Gremaud 38, 265.

476 Zweiundvienigstes Kapitel.

antwortlich dafür sein, dafs Mailänder Händler auf der Strafse aus- geplündert worden waren ^ Jetzt wurde der freie Verkehr derselben gegen Entrichtung der alten Zölle und Abgaben zugesichert, dagegen sollten die Pässe fUr feindliche Absichten geschlossen bleiben, wobei wegen der Verträge der drei oberen Zehnten mit den Waldstätten an das Rechtsgeflihl der Walliser Gemeinden appelliert wurde*.

Der Verlust der ennetbergischen Landschaft schmerzte am tiefsten in Unterwaiden und Uri, Ein neuer Zug von Freiwilligen verschaffte ihnen 1425 noch einmal Domo, dort aber wurde die Freischar ein- geschlossen und nun liefs auch Bern, das durchaus diese Politik ver- urteilte, seine Mannschaft ausrücken, in Hast eilte sie über Grimsel, durch „Bünn und Betsch^, d. h. durch Binn und ßaceno, also über den Albrunpafs, der bei der winterlichen Jahreszeit zugänglicher sein mochte als der höhere Griespafs, zur Hilfe herbei. Doch zum drittenmal muÜBte das Eschenthal durch den Friedensschlufs von 1426 aufgegeben werden.

Die Sehnsucht nach seinem Besitze blieb bestehen bei den Wallisem wie bei den Eidgenossen. In dem Zuge der Walliser von 1487 waren Luzerner ; die Schlacht von Crevola warf erstere aus dem Lande heraus, auch ein neuer Zug brachte den Sieg nicht In den grofsen weltgeschicht- lichen Kämpfen um die Herrschaft in Mailand wurde das Eschenthal 1512 noch einmal eine eidgenössische Herrschaft, die Schlacht von Marignano vernichtete sie aber wieder und im Frieden von 1516 verzichtete die Eid- genossenschaft auf die Eroberung des Vorlandes dieser Oberwalliser Pässe.

Wiederholt war es erobert, aber jedesmal verloren. Wallis hatte nicht die Kraft der Eidgenossen und nicht das Glück von Graubündon gehabt, um sich des Abstieges seiner Pässe versichern zu können und so liegt die Staatsgrenze ja noch heute hier allein auf dem Scheitel der Alpengipfel und durch die Vorbauchung des Monte Rosa klemmt sich das Gebiet der Tosa wie ein Keil in das Gebiet der Eidgenossenschaft ein. Wallis wurde kein Pafsstaat, es blieb ein Thalgebilde; nur den Pafsabstieg vom Simplen hat es sich, soweit er Hochgebirgscharakter trägt, wahren können.

Glücklicher war das Thal in seiner Expansion in der Thalsrichtung. Die Kraft ruhte ja in den Gemeinden von Oberwallis, und in der glück- lichen Verbindung mit Bern gewannen sie in den Burgunderkriegen das ünterwallis bis über den Thalschlufs von St. Maurice hinaus, wie auch die Berner und Freiburger in der Waadt sich festsetzten und mit Orbe den Zugang zum Jougnepasse gewannen. So kam auch der Grofse St

1 Grcmaud 38, 268.

s Die Verträge bei Gremaud 38, 360 u. 371 und Gingins-la-Sarraz 2, 210 u. 217.

Die anderen Pässe. Verkehrshöhe. 477

Bernhard auf seiner Nordseitc in den Besitz eines demokratischen Staats- gebildeS; wie die Fortsetzung der beiden Walliser Hauptpässe nach Bur- gund bereits von den beiden grofsen Stadtrepubliken zum Teil in Besitz genommen war. Abgeschlossen wurde die Entwicklung durch die Er- oberung der Waadt durch Bern im Jahre 1536. Das savoyische Regi- ment am Nordausgang des Grofsen St. Bernhard war damit zu Ende.

In den Kriegszügen haben sämtliche wichtigeren Pässe Truppenztige gesehen: St. Giacomo, Gries^, Albrun, Simplon und Grofser St. Bernhard.

Von den Pässen der Südseite habe ich noch den Griespafs in seiner interessanten Geschichte zu verfolgen. Sie hängt aufs innigste mit der Geschichte des Grimselpasses zusammen und so mufs ich mich nun zu- nächst den Pässen zuwenden, die Wallis mit dem Gebiete der oberen Aare verbinden. Der ältesten Benutzung des Grimselpasses ist schon oben gedacht. Ich mufs hier jedoch auf die älteren Zeiten zurück- greifen und die zahlreichen Beweise vorbringen, welche eine Benutzung der Alpenpässe zum Bemer Oberlande beweisen.

Die Berührungen der beiderseitigen Bevölkerungen beschränkten sich nicht auf das Zusammentreffen der Hirten auf den höchsten Alpen- weiden. Derselbe Adel findet sich hüben und drüben, die Unterthanen ziehen hinüber und herüber. Das Geschlecht der Walliser Freiherrn von Raron war ein Zweig der Brienzer und Ringgenberger, die auch in Uri Besitz hatten. Undenkbar wäre das, wenn nicht die Pässe wenigstens zu Zeiten benutzt worden wären; schon 1146 tauchen die Raron als Ver- wandte der Brienzer auf*; ähnlich haben die von Thurn zu Gestelen Besitzungen im Berner Oberlande, wie umgekehrt die von Kien in Wallis®. Der Weg über die Grimsel tritt deutlich auch hervor durch die grofse Bedeutung, welche dem Reichsthaie Hasli im dreizehnten Jahr- hundert beigemessen wird. Bern besafs alte Bündnisse mit Hasli ^ und das Bündnis Berns mit dem Bischöfe von Sitten 1252 spricht auch für die Möglichkeit der direkten Verbindung zwischen beiden, und aus- drücklich wird bestimmt, dafs im Falle von Meinungsverschiedenheiten >m piano de Curmiljs sive in Senenzt also auf der Pafshöhe der Gemmi oder des Sanetsch entschieden werden solle ^. Seit dieser Zeit datieren

* 1515 zogen die Bemer über Grimsel und Gries. 2 Dürr er. Die Herren von Ringgenberg 199.

» Durrer 301. 307.

* Durrer 228. Bundesbrief von 1275 Font. rer. Bern. 3, 120. Hoppeler, Berns Bündnis, hält ein Bündnis schon 1245 für denkbar. Vielfach erwähnen Kaiser- Urkunden das Haslithal. Vgl. auch die allerdings mangelhafte Arbeit von Muhle- mann, Studien z. Gesch. der Landschaft Hasli.

^ Gremaud 29, 474 bez. Hoppeler 311. Der Vertrag wurde zu Leuk am Fufse der Gemmi abgeschlossen.

478 Zweiundvierzigstes Kapitel.

zahlreiche Verhandlungen zwischen Bern und Wallis ^ Der Gemmipafs war 1318 bereits mit einem Hospiz versorgt^. Ja selbst weit schwierigere Pässe müssen begangen worden sein ; denn das Lauterbrunnenthal bezog seine Bewohner, ünterthanen des Herrn von Thurn, aus dem Lötschen- thal und, welchen Weg die Leute gewandert sein mögen, er ftlUt immer in die Regionen der Gletscher®.

Es trifft also auch für die Nordseite von Wallis dasselbe zu wie für die südliche Gebirgswand. Das Leben, die Ansiedlungen stiegen höher empor und besetzten mit Winterwohnungen Gegenden, die sonst nur im Sommer Menschen gesehen hatten. Das Hochgebirge bevölkerte sich. So sehr das die Vorbedingung für einen Handelsverkehr ist, so war es aber keineswegs nötig, dafs aus diesen Pafswegen Handelstrafsen wurden und mit Ausnahme der Grimsel ist das auch sehen wir von Hausierern ab nicht geschehen.

In den Urkunden des vierzehnten und fünfzehnten Jahrhunderts habe ich, abgesehen vom Viehhandel, für einen Handel über diese Pässe keine Belege gefunden. Vieh kam aus dem Berner Oberland über den Sanetsch- pafs und die Gemmi *. Die Wege, welche ein Berner ging, der dem Bischöfe von Sitten für seine Sicherung auf den Strafsen jährlich 1 it Ingwer ver- sprach, sind nicht angegeben*^. Die Pässe standen aber offen, zwischen Leuk und Frutigen bestand ein Bündnis, was jedoch einen grofsen Raub nicht verhinderte, der zwischen Wallis und Frutigen 1391 geschlichtet wurde®. Die Nordseite galt als so offen, dafs Leuk in seinem Bündnisse mit dem Lötschenthale 1866 die Inwohner desselben bis zum Alter von vierzehn Jahren herab verpflichtete, alle Berge und Pässe ^videlicet de Bassya de Champilz usque an daz Bdlenhom^. also die Gemmi und den Lötschenpafs zu bewachen'^. Und die Furcht war nicht umsonst, im Raron- krieg überstiegen die Bernerhaufen drei Pässe, Oktober 1418 drangen Freiwillige über den Sanetschpafs und zerstörten zum grofsen Teile Sitten, August 1418 ging ein Gewalthaufe auf den Lötschenpafs los und erzwang sich den Zugang, die Hauptarmee öffnete sich Ende September den Grimsel- pafs, verbrannte einige Ortschaften im Oberen Wallis, bestand einen Kampf mit den Wallisern, kehrte dann aber zurück der Herbst war schon sehr

1 Gingins-la-Sarraz 2, 14 ff.

« Gremaud Bd. 31 Nr. 1408.

' Entweder direkt über Petersgrat oder Wetterlücke oder über Lötschpafs, Dündengrat und Furka. Meyer v. Knonau im Anzeiger f. Schweiz. G^sch. 6, 870 f. u. 445 ff.

* Gremaud 39, 265 zu 1394 bez. 1444.

» Gremaud 32, 225.

« Gremaud 33, 133 zu 1355. 37, 377.

' Gremaud 37, 537.

Die anderen Pässe. Verkehrshöhe. 479

weit vorgerückt und schlug sich noch einmal in einem Rückzugsgefecht am „Spittel."

Wenden wir uns nun zum Grimselpasse und seiner Bedeutung für die Handelsgeschichte. Das älteste direkte Zeugnis finde ich in einem Schiedsspruch zwischen den vier Teilen der Pfarrei Münster von 1325, wo festgesetzt wird, dafs der Transport der Waren, die aus Frankreich und der Lombardei durch Goms kommen, wie in Brig, durch einen Ballen teiler soll geregelt werdend Die früheren Beziehungen des Hasli- thales zu Bern^, das mit seinem allgemeinen Vordringen zu den Pässen in Einklang steht, geben die Vermutung an die Hand, dafs Berns Bürger schon damals diesen Weg benutzten, das alte Reichsthal kam 1334 als Pfandschaft in den Besitz der Stadt, die schon vorher in Thun die wichtigste Etappe auf der Verbindung gewonnen hatte. Die Vieh- räubereien fehlten hier um so weniger, da die obersten Alpen nach Wallis gehörten^. Im Jahre 1397 gab es bereits oben einen „Spittel", er lag auf diesen Alpen, war aber von der Thalgemeinde Hasli aus gegründet, wenigstens wurde er von ihr unterhalten*.

Längst war der Handelsverkehr im Gange, als im Jahre 1397 die sämtlichen Anwohner des Weges sich zu einem Ausbau desselben ent- schlossen. Es traten in Münster in Wallis folgende Vertreter zusammen: Boten der Stadt Bern mit solchen von Thun, Unterseen, des Gotteshauses Interlaken und des Landes Hasle, Boten der sämtlichen Ortschaften -^ober- halb Doys in der Kirchhöre Münstert , weiter Boten von Pommat und Eschenthal. Sie beschlossen, die Strafse der Eaufleute von Lamparten und anderer , wo sie herkommen , mit ihrem Kaufmannschatze durch ihr Gebiet zu legen, d. h. also den Verkehr auf den Grimsel- und Griespafa zu verlegen'^. Bern hat die Bereitung des Weges bis zum Spital ^an Orymslen^f Münster bis zur Grenze von Pommat, endlich Pommat und Eschenthal weiter bis zum Austritt aus dem Gebirge zu besorgen. Es wurde bestimmt, dafs an allen Niederlagen oder Susten das Gewicht gleich sein solle und wurde auch hier eine Transportorganisation festge- setzt ; auch hier gab es Teiler. Der Lohn sollte für die Normallast von 18 Rubb nicht erhöht, auch sollten die Kaufleute im Winter nicht über-

^ van Berchem 822 nach Urkunde aus dem Gemeindearcliiv Obergestelen.

^ S. oben. Dafs die Lazariten das Patronat von Meiringen erhielten, beweist ebensowenig wie ihre Ansiedlung in Seedorf in Uri, dafs sie mit den Pässen in Beziehung standen, denn es fehlt jeder Beweis dafür, dafs sich die Lazariten mit der Pflege der Wanderer beschäftigten.

8 So Mühlemann 247. Über Verträge mit Wallis vgl. 349. Die „Führung** gehörte den Wallisem bis zum Spittel. Eidgen. Abschiede 1, 216.

^ An eine Gründung von Interlaken aus, wie Bäh 1er S. 10 will, ist natürlich nicht zu denken.

^ Mühlemann S. 364 deutet die Urkunde auf den Albrunpafs.

480 Zweiundyierzigstes Kapitel.

nommen werden. Für Verlust von Waren hatte der Transporteur, im Falle er unvermögend war, seine Gemeinde aufzukommen. Den Pafs wollten die Parteien während der zehn Jahre, wofür diese Sicherheit ausgestellt wurde, ganz dem Handelsleben überlassen, Wallis und Bern verzichteten ausdrücklieh darauf, eine „Reise" über den Grimselpafs zu machen*.

Zahlreiche Nachrichten über den Verkehr auf dieser Route habe ich im Berner Staatsarchiv gefunden, die ich mit anderen verbinde. Den Spittel, »rfer dann in grosser ijcilde ligt und mangen manschen eu irost und uff enthalt Ups und guts erschüssU^ betreffen eine Reihe von Bettelbriefen, mit denen die Stadt Bern des Spitals Boten, das weder an Bau noch sonst mit der Notdurft versehen sei, beglaubigte. Solche Schreiben sind uns von 1479, 1481, 1483 und 1503 erhalten ^ Und noch viel später wanderten die KoUektanten des Wirts auf der Grimsel im Lande umher. Der Pafs scheint in erster Linie dem Vieh- und Pferdehandel gedient zu haben. So hatte der Berner Burkhard Roggwyl 1484 die Absicht, viele Pferde nach Ligurien zu transportieren, er kam bis ins Eschenthal, dort aber wurden seine Pferde beschlagnahmt, weil er Zoll zu zahlen sich weigerte, und dazu hatte er volles Recht, denn seit den Kapitulaten von 1477 war auch Bern zollfrei^. Insbesondere waren die Oberhasler, bei denen Vieh- und Pferdezucht damals blühte, bei diesem Handel beteiligt*.

Für den Briefverkehr spricht schon eine Urkunde von 1334. Ein Berner Brief, der für einen Thurn in Oberwallis bestimmt, wurde in Interlaken deponiert^. Doch auch Waren wurden hindurchgeführt Später gab es eine Sust in Obergestelen bez. Ulrichen, wie ein Kaufhaus in Unter- seen und den „Freienhof* in Thun ; wann sie errichtet sind, weifs ich nicht*. Das lateinische Statut des Thaies Pommat (Formazza) von 1487 redet mehrfach von der Durchfuhr von Waren durch dieses heute weltentlegene AlpenthaF. Und als im Jahre 1479 nach Abschlufs des Waffenstillstandes mailändische Kaufleute durch Hasli zogen, wurden sie gefangen ge*

^ Ohne den äufseren Rahmen veröffentlicht Eidgen. Abschiede 1, 454.

« Der älteste von 1479. Deutsches Briefbueh D, 216. 402. E, 130. K, 42L 1507 hatten Luzemer Unterthanen auf dem Grimselhospiz Unfug getrieben. Nach Bäh 1er S. 14 stritten 1492 Hasler und Walliser über die Besetzung des Spittels.

3 Der Handel zieht sich von 1484 88 hin. Bern, Lat. Missivenbuch C Fol. 122, 131, 132, 159, 264, 311. D Fol. 62, 177, 196 u. 201.

*> Die Zöllner von Vogogna hielten den Ammann von Oberhasli, Johann Michel, mit Ochsen an, wie es seinem Vorgänger Ülin Hümli mit Pferden geschehen war. Es war abermals Zoll gefordert worden. 1493. Lat. Briefbuch D Fol. 428 a. 481.

» Gremaud 32, 79. 80.

« Angeführt von Bähler 8. 15 und Schmid in Blättern z. Walliser Gesch. 144, der auch für den Albrunpafs Susten in Baceno und Emen und für den Monte Moro solche zu Banio und Macugnaga in Val Anzasca und zu Visp anführt.

7 Vgl. die Ausgabe von Burckhardt im Archive f. Schweiz. Gesch. 8, 270 u. 286. Für eine lebhafte Verbindung spricht auch der Umstand, dafis der Bemer

Die anderen Pässe. Verkehrshöhe. 4gl

Dommen *. Den Florentinern hatten die Bemer freies Geleit durch ihr Gebiet zugesichert und im Jahre 1466 kamen solche wirklich, die Bitten Berns bei dem Markgrafen von Rötteln, die Fremden gut zu behandeln, waren umsonst, sie mufsten für ihre drei Maultiere schweren Zoll ent- richten*. Nicht besser ging es Kaufleuten von Lucca, die 1468 über die Alpen kamen, nachdem die von Bern ihnen Brief und Siegel ge- geben hatten^. Sie wurden in der Herrschaft Erlach angehalten und nach Murten abgeführt und ein Herr von Ferney hätte sie gar gern noch weiter fortgeführt*. 1480 hatten die Herren von Froberg einen Mailänder Faktor ins Geftlngnis geworfen. Bern bemühte sich eifrigst um seine Befreiung und wx>llte selbst 20 oder 30 fl. opfern. Die Stadt konnte wohl auf dem Griraselpasse Ordnung halten, die Fortsetzung im Jura aber ergab, wie man sieht, fortwährend Schwierigkeiten*.

Zu sehr grofsen Weiterungen führt ein Streit des Urner Ammanns Wolleb mit den Florentinern. Heini Wolleb, der Sohn jenes Heiniich Wolleb, der durch seine Streitigkeiten auf dem Markte zu Varese den Irniser Krieg herbeigeführt hatte , war um 1490 in Piemont von Floren- tinern angehalten worden. Dafür wollte er sich an ihnen schadlos halten und die Tagsatzung gab ihm die Erlaubnis dazu. Im Frühling 1492 nahm er ihnen zwischen Feldkirch und Blatten Gut weg, mufste aber 1494 sich verpflichten, keine Florentiner mehr zu jagen®. Gegenüber dieser offiziellen schweizerischen Politik ist es nicht uninteressant, die Berner zu beobachten. Die Herren Lamparten wandten sich an Bern, hier war man froh, dafs sie sich des Weges durch das Land der Eidgenossen von Uri müfsigen wollten und forderte die von Thun, Interlaken und Hasli Sommer 1491 auf, die Wege herzustellen''. Dann kam noch eine schriftliche Bitte von Florenz, die der in Bern angesiedelte Bartholomäus Mai unter- stützte, und Bern wollte nicht ohne Heimlichkeit gegen seine Eid- genossen — den Zug auch durch Leute schützen^.

Glasmaler Lucas den Franziskanern von Domo d^Ossola eine Wappenscheibe ge- liefert hat 1511. Lat. Brief buch G Fol. 280.

1 Eidgen. Abschiede 3, 1, 45.

> Bern, Deutsches Brief buch B 200 u. 202.

' Zwei Empfehlungsschreiben far ungenannte Lucchesen, die erste Gruppe war schon vor Georgi (23. April) über die Alpen gekommen. Deutsches Briefbuch B Fol. 335 u. 337.

^ 1468 August Es war eine Abmachung zwischen dem Herrn der Herrschaft Erlach und dem Besitzer der Grafschaft Neuenburg seitens Bern getroffen, die allen Kauf leuten freien Verkehr sicherte. Bern, Deutsches Brief buch B Fol. 407. 409 u. öfter.

Unsere Urkunden Nr. 302.

Ochsli, Allg. Deutsche Biogr. 44, 142 ff. u. Anz. f. Schweiz. Gesch. 1899 Nr. 3. ' Bern, Deutsches Briefbuch ü 353 u. 423.

« Bern, Lat Briefbuch D Fol. 366, 1492 Juni 7.

Schulte, Getoh. d. mittel alterl. Handels. 1. 31

482 Zweiundvierzigstes Kapitel.

Über diö Verkehrshöhe liegen aus keinem Teile des von uns be- handelten Alpengebietes so gute Nachrichten vor wie für das Walliser Gebiet^. Wir verdanken sie vor allem dem Umstände, dafs die Turiner Rechnungskammer eine Reihe von alten Zollrechnungen besitzt, die ich allerdings nur nach den Auszügen von Borel und Cibrario benutzen kann.

Von den Zollstellen am Grofsen St. Bernhard (Bard, St. R^my) ist nur eine Rechnung von 1283 bez. 1284 erhalten, nach welcher 2225 ge- wöhnliche und 99 englische Pferde, von welchen der Zoll in S) Sterling zu zahlen war, durchgeführt wurden^. Von den Simplonzöllen hat sich keine Rechnung erhalten, immerhin aber eine Angabe über den Ertrag des Zolles zu Brig , dessen Taxe uns bekannt ist. Hier war für jedes grofse Pferd und jeden Ballen je 1 ^ Maur. zu erlegen und der Ertrag wurde 1362 auf 25 it Maur. angegeben, das würde der Erlös von 6000 Ballen sein. Auf den Tag würden 16,4 Ballen entfallen. 1388 notierte der Zöllner von Sitten: 1884 Ballen und für die Jahre 1379 bis 1384 ergiebt sich eine durchschnittliche Durchfuhr von 1700 Ballen, für den Tag 4,7 Ballen«.

Zum Glück haben wir eine Kontrolle über diese Ziffern durch die Zollrechnungen von Chillon, die ich leider nicht selbst durchgearbeitet habe. Wir haben Rechnungen von 1284, 1286, 1294 und folgende, dann zahlreiche aus dem fünfzehnten Jahrhundert. 1284/5 passierten in 604 Tagen , abgesehen von auf Wagen verpackten 'Waren , 6306 Ballen den Zoll, darunter 4067 Va Ballen französischer und lombardischer Tuche. 1286 gingen in 213 Tagen durch den Zoll: 2211 Va Ballen französischer und Italienischer Tuche, 1448 Ballen Wolle und Felle (peUe), 2568 Karren Salz, 80 Karren Tuche und ^merceriet. Das Salzlager von Bex wurde erst im sechzehnten Jahrhundert erschlossen, es handelt sich also um fremdes Salz und diese Masse ist für den Walliser Verbrauch viel zu grofs. Es gingen also 17,2 Ballen und 12,4 Wagen täglich an der Zollstelle vorüber*. An derselben Zollstelle wurden verzollt in 1022 Tagen nach dem 30. November 1294: 11858 Ballen und 722 Wagen, das macht 11,6 Ballen und 0,7 Wagen täglich*^, es ist diese Minderung wohl durch die oben besprochenen Unruhen in Burgund erklärlich.

* rQuia in dicta villa s. Mauricii pitcs qiiam alihi transeant continue homines extranei hospitantes ibidem y ex diversis nwndi partihus venienten' wehrte sich 1340 St. Maurice gegen eine savoyische Verfugung, die allerdings in einem solclien Orte undurchführbar war. Gremaud 32, 272.

2 Cibrario, Economia politica 397. ^ van Berchem 128 Anm. 1.

* Cibrario 398. »^ Cibrario 398.

Die anderen Pässe. Verkehrshöhe.

483

Die Boreischen Auszüge aus den Rechnungen des fünfzehnten Jahrhunderts beschränken sich auf die Posten ^ welche zu und von den Genfer Messen geführt wurden^. Man kann also den nicht nach Genf gerichteten Verkehr nicht übersehen, die alte Richtung auf Orbe und Jougne wie die nach dem Norden auf Freiburg abbiegende bleibt also ganz aufser Betracht. Ausgeschlossen habe ich den gesamten Verkehr mit dem Thale, wie auch die nicht zahlreichen Posten, wo Leute aus Aosta, das am meisten genannt wird ^, Ivrea, Bergamo und Domo d'Ossola in Genf gehandelt haben, sondern stelle im folgenden nur den Ver- kehr der Mailänder Kauf leute zusammen; Florentiner, Piacentiner, Vene- tianer u. s. w. erscheinen niemals.

Es gehen in der Richtung von Mailand nach Genf:

boUiones fardelli

balle

barrales

fagotini

1423/4

1430/1

1432/3

1433/4

1434/5

1442/3

Summe Jahresdurchschnitt ,

1730 1949 1983 1320 1904 2 092

88

10978

95

24

17

24

17

1828

11119 16 4

■N/*

1851 oder täglich 5 Stück.

Es gehen in (

ier Richtung Genf nach Mailanc

boUio- nes

bosse- barri- tis 1 leti

liassa

tona

pecia

balla

currus fagoti

far- delli

calata

cassia

1423/4 1430/1 1432/3 1433/4 1434/5 1442/3

112 84 318 1068 809 661

i 5

4

16

6

20 13

2

15 62

12

320 24

2

4

1

3052

5

4

16

6

33

2

77

12

344

6

1

unter Anrechnung von 5 fardelli = 1 currus ergiebt das :

3866 Jahresdurchschnitt 644

1 Borel 2, 18—63.

' Sie transportieren auch einmal eine 3^/9 Quintale schwere Glocke.

81»

484 Zweiundvierzigstes Kapitel.

Die Verpackung ist bei dem Transport von Genf nach Mailand noch verschiedenartiger, so dafs es da sehr gewagt ist, die einzelnen Stücke einfach zusammenzuzählen , wobei ich wenigstens die Wagen nach einem in den Rechnungen selbst gegebenen annähernden Ansatz (zu fünf Fardeln) umrechne.

Der Jahresdurchschnitt der gesamten von der Mailänder Kaufmann- schaft in Villeneuve verzollten, fUr Genf bestimmten bez. von dort kommenden Waren belief sich somit auf 2495 Stück, auf den Tag ent- fallen somit: 6,8 Stück. Was davon über den Simplen oder den Grofsen St. Bernhard ging, ist nicht zu bestimmen.

Auch über den Verkehr auf dem Pafs von Jougne teilt Borel einige Ziffern mit, sie leiden aber an dem Mangel, dafs die Route unter dem Gesichtswinkel der Genfer Messen betrachtet wird und zu betrachten ist. Von 1400 bis 1428 gingen hier jährlich zwischen 100 und 350 Ballen französischer Tuche durch, noch höher war der Betrag der Wolle. Der Zollertrag von Les Cl^es stieg fortwährend, er war verpachtet: 1480 zu 700 fl., 1434:767«/8 fl., 1439:1187 fl., 1449:2100 fl., 1464 bis 1466 jährlich 4000 fl. ^. Es mufs, da die Messen von Genf damals schon ab- nahmen, der Handel nach Italien an diesem Zolle also erheblichen An- teil haben. Aber da gingen gewifs keine nach Deutschland bestimmten Waren mehr, denn die Champagner Messen hatten alle Bedeutung einge- büfst. An ihrer Stelle waren die Messen zu Genf und Lyon die Stätte einer lebhaften Vermittlung zwischen Italien und Deutschland ge- worden.

Das höchste Ergebnis ist vom Zolle zu Chillon 1286, da gingen täglich 17,2 Ballen und 12,4 Karren durch. Aber wie verschwindend klein ist diese Summe. Rechnen wir auf den Karren fünf Ballen und auf den Ballen vier Centner (& 50 Kilo) also beides sehr reichlich so käme man auf einen täglichen Transport von 300 Centnern. Der Warenverkehr am Zoll von Sitten betrug 1388 nur 7536 Centner.

1 Borel 1, 211 f.

Vierter Teil.

MESSEN. VERKEHB VON DER MONEMÜNDUNG ZUM

BODENSEE. POSTEN.

Dreiundvierzigstes Kapitel.

Messen von Genf nnd Lyon. Verkehr von der Rhonemfindnng znm Bodensee.

Deutsche nnd italienische Messen.

Die Messen von Genf, BedeiUung, vernichtet durch die von Lyon, Deutsche Kolonie in Lyon,- Deutsche Interessen weiter südlich. Weg der deutschen Pilger, Händler und Fürsten. Die Deutschen in Ävignon, im Dauphin^, in Savoyen. Weg von Genf zum Bodensee, Zölle, Die Geleitstraf se Genf- Ulm. Strafsenraub am Bodensee, Oherrhein: Itaiiener, Aragonesen. Messen su Zurzach, Nördlingen, Strafsburg, Frankfurt, kleinere. Italienische zu Crema und Arona.

Die Messen von Oenf, auf die ich hier noch ganz kurz eingehen mufs *, waren der Ersatz der Champagner Messen geworden , wenn sie auch nicht so bedeutend waren. Es erschienen auch hier, nicht weit von der Stelle, wo drei Nationen aneinander stieCsen', Kaufleute aus Spanien , der Normandie und Flandern , Deutschland war bis nach Nürn- berg und Italien bis Venedig , Florenz und Lucca vertreten. Die Hansi- schen, die Nordländer und Engländer fehlten allerdings.

Die Messen von Genf werden zuerst 1262 genannt, im vierzehnten Jahrhundert sind die Nachrichten noch spärlich, die Blüte derselben lag in der ersten Hälfte des fünfzehnten Jahrhunderts, bis sie in den Jahren 1462/3 jäh geknickt wurde. Wie die Champagne ein Mittelstaat zwischen Frankreich und Deutschland gewesen war, so hatte Genf eine ähnliche Stellung, es war in gewissem Sinne ein neutraler Boden. Dort war das Handelscentrum für Italien, Frankreich und Oberdeutschland, ein kleines Gegenstück zu Brügge.

^ Vgl. Borel, Les foires de Grenöve, fleyd, Schwaben auf den Messen von Genf und Lyon, Ehrenberg, Das Zeitalter der Fugger 2, 69flF. "

2 Der Punkt lag westlich des Monte Rosa, wenn wir den Dialekt des Aosta- thals für französbch in Anspruch nehmen.

486 Dreiondvierzigstes Kapitel.

Das französische Königshaus begünstigte nun Lyon ^ dessen Lage ja ebenfalls eine ausgezeichnete war. 1419 wurden dort zwei Messen errichtet 1443 eine weitere, seit 1463 waren es vier und absichtlich legte Ludwig XL, als Politiker Merkantilist, die Messen auf die gleichen Termine wie die von Genf, so dafs ein Besuch beider Mefsplätze den Kaufleuten unmöglich wurde. Die Genfer Messen wurden von den Herzögen von Savoyen gehegt und gepflegt, jeder Gunstbezeugung der französischen Könige für Lyon folgt eine solche Savoyens für Genf, nur gerade in den entscheidenden Augenblicken nicht. Die Kosten des Streites zwischen dem Herzoge Ludwig und seinem Sohne, dem Grafen von Bresse, hat schliefslich Genf zahlen müssen. Schon 1445 hatte Karl VlL die Verbringung von Waren nach Genf verboten. Als 1462 den fremden wie den französischen Kauf leuten von König Ludwig XI. untersagt wurde , durch französisches Gebiet Waren zu den Genfer Messen schaffen zu lassen, wehrte sich zwar die Stadt gegen die beiden Dekrete von 1462 und 1463, das Herzogshaus schlofs sich, seinen Fehler erkennend, dem an. Die Eidgenossen, die gerade wie Savoyen für ihre Zölle und Geleitsgelder besorgt waren, fürchteten, dafs fortan die Niederländer und Deutschen ihr Gebiet nicht mehr durchziehen würden, sie sandten zu Ludwig nach Abbeville eine Botschaft. Der Versuch, durch eine Teilung der Messen zwischen Genf und Lyon die Eintracht wiederher- zustellen, mifslang; an den Konferenzen hatten Kauf leute von Florenz, Genua, Mailand, Venedig, Lucca, Troyes, Ronen, aber auch ein Vertreter der grofsen deutschen Gesellschaft teilgenommen^. Die französischen Verbote wurden erneut Der Kampf zwischen den beiden Mefsplätzen wurde mit Energie weitergeführt, als Siegerin ging Lyon fast unmittel- bar daraus hervor*. Genf und Savoyen machten zwar alle Versuche, die Kaufmannschaft an sich zu fesseln, allein es war umsonst Lyon wurde namentlich der Hauptsitz der Wechselgeschäfte , das internationale Geldgeschäft verlegte sich dorthin.

Der Genfer Mefsplatz hatte für die Deutschen eine ähnliche Be- deutung wie sie einst die Champagner Messen gehabt hatten. Sie kauften dort nicht die Produkte Genfer Gewerbefleifses , sondern erwarben von Italienern und Südfranzosen die Produkte entlegener Länder, wie sie diesen ihre Waren verkauften. Der Besuch der Italiener war sehr stark, am deutlichsten überblicken wir aus den Zolllisten den Mailänder Handel und da sehen wir, wie sie ihre Barchente, Waffen, die Spezereiwaren und Kleinwaren, gelegentlich auch Tuche, Bogen, Pelzwerk, Papier, Lorbeeröl, Terpentin, Harz, Wetzsteine u. a. nach Genf beförderten,

^ Borel piöc. jnstif. 168.

« Vgl. auch HuviBlin 286—289.

Messen von Genf und Lyon. 4g7

wie sie von dort die Produkte des Nordens mitbrachten: vor allem Pelz- werk, Wolle, Federn, Heringe, Häute, Tuche, gefütterte und unge- fütterte, namentlich Freiburger, Leinen, Wachs, aber auch gelegent- lieh südliche Produkte, wie Olivenöl, Metalle, wie Zinn, Blei, Kupfer, Alaun, Erz, geringhaltiges Silber u. a. m. Florenz war durch Bankhäuser vertreten , so hielten die Saxetti eine Filiale der Bank der Mediceer, Genua stellte ebenfalls viele Kauf leute.

Für die deutschen Kaufleute haben Borel und Heyd zahlreiche Zeugnisse beigebracht, die sich im folgenden um weitere vermehren. Die älteste Angabe über deutschen Handel in Genf dürfte die Nachricht sein, die wir im ältesten Konstanzer Ratsbuche finden*. Die Gefahr, dafs die deutschen Kaufleute seit 1462/3 Lyon vorziehen würden, war sehr grofs. Die Eidgenossenschaft, vorab Bern, trat für die Interessen derselben ein. Genf und Savoyen hatten der französischen Sperre durch eine von ihrer Seite geantwortet. Die Stadt Bern erwirkte den deutschen Kaufleuten jedoch freien Durchpafs zur Lyoner Messe*. Diese fanden aber Bedenken und wollten durch das Gebiet des Abts von St. Claude fahren, die Stadt Bern forderte den Abt zur selben Zeit auf, die Strafsen in Stand zu setzen. Sie hatten also die Absicht, die west- liche französische Seite des Juragebirges (über Neuenburg- Pontarlier oder weiter südlich) zu gewinnen und so Genf zu umgehen®. Dieser Weg wurde wohl kaum viel befahren*. Verschiedene Zolldifferenzen an den Zollstätten von Seyssel und Pont d'Arve beweisen es, dafs die deutschen Kauf leute über Genf gingen. Bei einem 1467 entstandenen Konflikte werden die Städte Ulm, Konstanz, Nürnberg, Ravensburg und St. Gallen als am Verkehr nach Lyon beteiligt bezeichnet*. Auch dieses Mal behaupteten die deutschen Kaufleute freien Durchpafs tür ihre eigenen Waren. Doch wurde 1467 der Kemptner Bürger Heinrich Stüdlin angehalten und eine Ladung Silber konfisziert^. 1471 wurde dem Hans Müller und seiner Gesellschaft, die in Savoyen ein Silber- und Erzbergwerk angefangen hatte, am Zoll von Seyssel Silber genommen^. Kaufleute von Memmingen wurden 1475 von den Savoyern gar gefangen

' Unsere Urkunden Nr. 345.

^ Heyd 377. Mitteilungen Berns vom 5. tr 13. Juli und 17. September 1364. Vgl. unsere Urkunden Nr. 373.

* Unsere Urkunden Nr. 295.

* Immerhin bat Bern den Markgrafen von Neuenburg um Milderung des Zolles und Geleites für den Handel mit Lyon. Deutsch. Brief buch B S. 14.

» Heyd S. 377 f. und Bern, Deutsch. Briefbuch B 255. Eidgen. Abschiede 2, 369 u. 415.

6 Heyd S. 379.

■^ Unsere Urkunden Nr. 298.

488 Dreinndyierzigstes Kapitel.

gesetzt ^ 1473 erlitten Ambrosius Roth (von Ulm?) und Hans Lamparter zu Seyssel EinbuTse.

Nach der Störung des Handels durch die Burgunderkriege, durch die den deutschen Eaufleuten mancherlei Widerlichkeiten bereitet wurden^, wurde im Friedensschlüsse der freie Paus ohne jede Erhöhung der Zölle ausbedungen, und dann bestimmt, dafs die oberdeutschen und schwäbischen Kaufleute bei der Reichsstrafse , d. b. faktisch bei dem Wege durch die Eidgenossenschaft verharren sollten, während die von Köln wie bisher ihren Weg nach Genf und Lyon durch die Preigraf- Schaft einschlagen dürften ', dieser Abmachung zwischen den Eidgenossen und Frankreich trat Maria, die Erbin von Burgund und später auch Maximilian bei^.

Sehr ärgerlich waren für die Kaufleute die Privatfehden einzelner Bemer Bürger (Konrad von Laufen gegen Kempten 1472, Heimbrand Trüb gegen Biberach 1479 und Wemher Löubli gegen Ulm 1484—97). Namentlich die Löublifehde gewann einen höchst peinlichen , den Bemern sehr unerwünschten Umfang und die Ulmer waren auf den Strafsen keineswegs sicher, wenn auch Bern einzelnen Bürgern Geleit gab. Vier Ulmer Kaufleute wurden von Löublis Erben 1495 in Savoyen niederge- worfen *.

Das Haus Savoyen suchte 1485 den Besuch der Genfer Messe durch Zölle auf die von Genf ausgeführten Waren zu steigern, ob mit Er- folg? Herzog Philibert HL schickte 1498 ein Rundschreiben, in dem er den Deutschen den Markt von Genf empfahl. Ravensburg, Biberach, Ulm, Strafsburg, Basel, Konstanz, Memmingen, Augsburg und Nürn- berg sagten das Erscheinen ihrer Kaufleute zu*. Wir wissen, dafs im Winter von 1491 bei grofser Kälte die Nürnberger, die früher als die hauptsächlichsten deutschen Gröfsen auf den Genfer Messen bezeichnet wurden, auf Schlitten bis Genf fuhren^. Schliefslich siegte Lyon, das im sechzehnten Jahrhundert durch die feste Ansiedelung von Italienern und den umfangreichen Mefsbesuch der Börsenplatz Westeuropas wurde. Schon 1475 war die Bank Cosimo da' Medicis in Lyon mit einer Filiale vertreten®. Auch Deutsche liefsen sich nun in Lyon nieder, begründeten eine deutsche Bruderschaft; um 1525 erscheint hier der berühmteste

1 Eidgen. Abschiede 2, 586.

« Heyd 381.

» Eidgen. Abschiede 2, 928. Heyd 382.

* Heyd 383.

« Heyd 383 f.

« Heyd 385. Borel 51. 102.

' Borel 103. Roth 4, 249.

8 Bern, Staatsarchiv. Lat. Brief buch A Fol. 420.

Messen von Genf und Lyon. 4g9

unter ihnen Hans Kleberg, der „gute Deutsche,^ zunächst freilich als ein Bürger von Bern. Aber auch andere Nürnberger, wie die Tucher, verkehrten um diese Zeit in Lyon*, 1506 finde ich einen Daniel Gundel- finger mercator Lugdunensis^ und Geiler von Kaisersberg sagt von den grofsen Gesellschaften, dafs sie zu Venedig, Lyon und Antwerpen ihre Verweser hätten '. Als die gewöhnliche Route der Nürnberger von Genf nach Lyon giebt Örtel 1521 die über Nantua an mit folgenden Stationen : Collonges, St. Germain de Joux, Cerdon, St. Jean le Vieux, St. Denis le Chosson und Montluel. Der Nürnberger Pilger traf in Lyon seinen Bruder Florentius, Sebald Schürstab, Schlüsselberger, Hans Schäufelin, Hans Schwab und des Dürers Diener. Seine Fahrt nach St. Jago setzte er über Rodez fort*. Der Höhepunkt der Lyoner Mefsen ruhte weniger auf dem Warenhandel, als auf dem Geldhandel * und das war der franzö- sischen Krone von einem geradezu unschätzbaren Nutzen. Lyon ward die zweite Hauptstadt des Landes.

Aber nicht allein dieser Messen halber kamen Deutsche in das Ge- biet des Rhone. Noch unterhalb Lyon und östlich davon in Savoyen und im Dauphin^ tauchen deutsche Kauf leute auf. Wir dürfen da wohl als Ziel Marseille und die anderen Mittelmeerhäfen annehmen, wie auch der schon damals starke oberdeutsche Handel nach Spanien zum Teil diesen Weg einschlug. Er ist wohl genau identisch mit dem, den die Pilger, die nach St. Jago di Compostella wollten, einschlugen und über den ein gereimter „Baedeker" von 1495 die allerbeste Auskunft ge- währt*. Ich gebe hier in aller Kürze die Stationen, beginne jedoch erst bei Genf, wo der Dichter bei einem deutschen Wirt, Peter von Frei- burg, wo vorwiegend Jakobsbrüder verkehrten, nächtigte. Es folgen Rumilly, Aix-les-Bains , Chamb^ry, Los Ekihelles (gu der Leitern)^ Voiron (Feronis), TAlbenc (Albon)j Vinay (Fynit), St. Marcellin (Marcellyn). Dann erwähnt er an der Stelle 100 Meilen von Einsiedeln die ^stat sant Anihonio^y nun geht der Weg von St. Marcellin bis Romans an der Is^re

^ Ehrenberg, Hans Kleberg, der „gute Deutsche'', in Mitteilungen des Vereins f. Gesch. d. Stadt Nürnberg 10, 1 51. « Bern, Lat Brief buch F Fol. 254. » Von den Kauf leuten Fol. 90*.

^ Mitteilungen a. d. germ. Nationalmuseum 1896 S. 73 u. 82. ^ S. auch über die Wechsel von Genf und Lyon in Genua unsere Urkunden

S. 169, 86.

« HSibler, Das Wallfahrtsbuch des Hermannus Künig von Vach und die Pilgerreisen der Deutschen nach Santiago di Compostella. Strafsburg 1899. In der Deutung mufs ich an einigen Stellen von Häbler abweichen, leider habe ich dieses Buch erst so spät kennen gelernt, dafs ich dasr fehlende Stück derEoute nicht mehr in die Übersichtskarte eintragen kann, es handelt sich jedoch nur um die Verbindung Valeüce-Chamb^ry.

490 Dreinnd vierzigstes Kapitel.

entlang, während ein St Antoine mehrere Stunden seitwärts nördlich im Gebirge liegt. Dafs die Jakobsbrüder hier von dem nächsten Wege ab- bogen, hatte seinen guten Grund. Sie wollten den Leichnam des hl. Antonius sehen, von dessen Wundem uns ein anderer Pilgrim erzählt, Arnold von Harff, der von Susa über den Mont Genevre und Grenoble kommend, bei TAlbenc, wo auch er der dortigen Kammmacher gedenkt, in den gewöhnlichen Weg nach St. Jago einbogt. In St. Antoine hielt ein Deutscher ein Wirtshaus, das das Pilgerbüchlein rühmt und für das Wechseln des Geldes empfiehlt. Dann folgt Romans, Valence und dann geht es über Loriol, Montelimar, Chateauneuf, Donzfere, Pierrelatte, La Palude zu dem Rhoneübergang von Pont St. Esprit. Die Jakobsbrüder bogen hier nach Nimes und Spanien ab, die andern aber blieben bei la Palude auf der alten Strafse: denn da ging es nach Avignon und Arles, nach St Gilles und Aigues-Mortes wie nach Marseille.

Ich habe für diese Route nicht gesammelt, aber kann sofort nach- weisen, dafs Karl IV. nach seiner Krönung in Arles diesen Weg ein- schlug. £r war unterwegs in Moirans (Morentum) und das liegt zwischen Voiron und TAlbenc^.

Den deutlichsten Beweis für diese Handelsstrafse giebt Ulmann Stromer, der die Kosten des Transports eines Safran ballens von Barce- lona bis Konstanz mitteilt. Der Transport über Aigues-Mortes bis Avignon kostete pro Centner 2 fl., von Avignon bis Genf 2V4, bis Bern ^U und von Bern bis Konstanz 1 fl., für die ganze Strecke von Barcelona bis Konstanz also 6 fl. Zölle führt der biedere Nürnberger Kaufmann nur für Barcelona und Aigues-Mortes an, ein Beweis, dafs die Zollfreiheit der Nürnberger wirklich anerkannt wurde®.

Schon von 1410 haben wir einen für einen Konstanzer Kaufmann, der seine Schritte nach Katalonien und Italien lenken wollte, ausgestellten Pafs, dessen Adresse an den Grafen Amadeus von Savoyen gerichtet ist*. Der unternehmungslustige Händler, dessen Name uns leider unbekannt ist, ging doch wohl über Genf. Intimere Handelsbeziehungen bestanden zwischen Konstanz und Avignon. Der Konstanzer Johannes Seiler machte 1402 dort Einkäufe von bedeutendem Umfange, die einen längeren Verkehr voraussetzen*. Jakob von Ulm, ein anderer Konstanzer Bürger,

' V. Groote, Die Pilgerfahrt Arnolds von Harff S. 220. Von Pont St. Esprit bis Nimes ging er den Weg über Eemoulins, das PUgerbüchlein hat den über Uzös.

« Böhmer-Huber 7165.

' Chroniken d. deutschen Städte 1, 102 f. Andere Zeugnisse über Nürn- berger in Lyon s. unter Nürnberg.

* Mone, Zeitschr. f. Gesch. d. Oberrh. 4, 42.

^ Der Konstanzer schuldete 885 Goldgulden, aufserdem 48 Va d sind crudi (Rohseide) et in uno chtppelleto perUnnmi grossarum et una btirsa perlarum /»ttorum.

k

Verkehr von der Rhonemündung zum Bodensee. 491

hatte dort sehr bedeutende Ausstände und dieselbe Familie hatte 1404 dort Wechselschulden einzutreiben ^ In Avignon gab es einen deutschen Wirt, und auch dieser war ein Schuldner desselben Geschlechtes ^ Noch in der Mitte des fünfzehnten Jahrhunderts hatte die grofse Ravensburger Gesellschaft hier eine Faktorei. Der Handelsverkehr in Avignon mochte der Rest von Beziehungen aus der Zeit, wo die Päpste dort residierten, sein. Damals gab es dort auch eine confratria Alcmannorum ; der mit der römischen Kurie wandernde Arzt Albert von Würzburg vermachte ihr eine Gabe, gedenkt in seinem Testamente auch sonst Deutscher und des deutschen Ordens, ohne jedoch gerade Kaufleute zu nennen. Eine Strafse trug den Namen rtte de Allemands^ doch soll dieser Name von einer Familie herrühren®.

Auch sonst finden wir südlich von Lyon deutsche Kaufleute. Die Klagen des Kosmas Speiser, Bürgers von Konstanz, seit 1360 auch Familiären des Königs*, dem in diesem Jahre Güter im Werte von 1500 Goldnobel genommen bezw. angehalten waren, richteten sich gegen Unterthanen des französischen Kronprinzen, des späteren Königs Karl V., der seit 1344 der Souverän des Dauphin^ war. Der Arrest kann also nur im Dauphin^ geschehen sein. Freilich scheint der Konstanzer den Kaiser getäuscht zu haben ; denn später widerrief Karl IV. die erschlichenen Repressalien, die Speiser gegen die französischen Kaufleute und vor allem die von Montpellier, Toulouse und Ronen erwirkt und denen zu- folge der Graf Rudolf von Nidau französische Kaufleute niedergelegt hatte*. Die Nürnberger Handelsgesellschaft des Franz Ortolf hatte 1442 in Orten des Dauphin^ Mandeln, Rosen und Oliven angekauft, die W^aren wurden aber dem Diener der Gesellschaft arrestiert, weil die Be- amten des Dauphin^ glaubten, sie sollten in Savoyen verhandelt werden, wo es doch die Absicht der Gesellschaft war, sie nach Nürnberg zu verbringen, nur nach Hinterlegung einer Geldsumme wurde das ge- stattet •.

1515 wurde im Hafen von Marseille ein spanischen Kaufleuten ge- höriges Schiff von französischen Unterthanen weggenommen, das auch 116 Lasten Wolle der Gesellschaft des Anton Welser und des Bartholo-

Z ei t sehr. f. Gesch. d. Oberrh. 4, 44 und die dieselben Dinge behandelnde Formel unsere Urkunden Nr. 330.

* Mone 4, 45.

' Ebda. 4, 47. Zum Vertreter der Firma in Avignon wurde Konrad Sünder bestellt. Der Wirt schuldete noch 70 fl.

" Vgl. Pogatscher, Deutsche in Avignon in Römische Quartalschrift 13, 59 ff.

* Glafey 494.

^ Böhmer-Huber 3197. 3472 n. 3605.

* Unsere Urkunden Nr. 387.

492 Drei und vierzigstes Kapitel.

maus Mai von Bern trug. Auf die Vermittelung des mächtigen Bern wurden die Waren sofort ausgelieferte

In die Nähe von Genf ftihrt uns ein Dankschreiben der Stadt Nürn- berg an Herzog Amadeus von Savoyen für die vortreffliche Behandlung der Nürnberger Kaufleute, von denen einer einen Schuldner in Mäcon hatte ^. Zum Danke nahmen sich die Städte der savoyischen Gesandten an, die ins Reich gingen®. Auch Konstanz stand mit Savoyen in leb- hafter Beziehung. So gewährte 1402 Graf Amadeus den Bürgern dieser Stadt sicheres Geleit, obwohl in der Nähe von Konstanz savoyische Unter- thanen gefangen worden waren*. 1403 ward ein Konstanzer, Johannes Kaiser bei Genf, aber nicht im Bereiche dieser Stadt, geplündert. Er hatte sich zuerst Hilfe bei Bern verschafft, doch erhielt er von den Genfern sein Gut nicht und drohte sein Bürgerrecht aufzugeben, um an den Genfern Rache zu nehmen, doch diese erklärten sich für nicht im mindesten verantwortlich *.

Der Weg, den die schwäbischen Kaufleute nach und von Genf und Lyon nahmen , läfst sich nach Berner und Nürnberger Archivalien genau feststellen, zum Teil ftlllt er auch mit der Route der Jakobsbrüder zu- sammen. Es wurde zunächst vom Genfersee aus die Wasserscheide ge- wonnen und dann zogen sie am Gebirgsrande der Alpenwelt entlang der hydrographischen Pforte der Eidgenossenschaft zu. In manchen Fällen mochte zu dieser Thalfahrt auch wohl ein Schiff benutzt werden, die Aare trug damals solche von Thun an*. Andere zogen am Murtener See entlang auf Solothurn zu und erreichten über den oberen Hauen- stein BaseP.

Am Ufer des Genfersees lagen die Zollstätten zu Nyon, zu Aubonne®

J Bern, Lat. Briefbuch H Fol. 127 u. 139. In den Brief büchem G Fol. 114 u. 115 und H 289 finden sich Briefe über eine Beraubung derselben Gesellschaft durch Jean Chaperon de Britania.

« Unsere Urkunden Nr. 383.

8 Urkunden Nr. 329 u. Nr. 383 Anm. 1. Der Nördlinger Schambach hatte allerdings savoyische Gesandte gefangen genommen, so trieben auch wohl Nörd- linger Kaufleute in Savojen Handel.

* Mone, Zeitschr. f. Gesch. d. Oberrh. 4, 51 ff.

1^ Mone 53 ff. Gerade diese Briefe des Schultheifsschen Formelbuches machen den Eindruck von Stiliibungen, aber doch sind sie wohl im Anschlufs an Thats&ch- liches geschrieben.

Geering 182.

"^ Geering 201 gicbt als Stationen an: Morges, Lausanne, Montpreveyres auf dem Jorat, Moudon, Pajerne, Avenches, Murten, Aarberg, Büren, Solothurn, oberer Hauenstein, Basel.

® Über den den Herren von Grandson bewilligten Zoll s. Böhmer-ETuber 4457. 4560 u. 7446.

Verkehr von der Ehonemündung zum Bodensee. 493

und Morges ^ Dann kam man nach Lausanne ^, nach Freiburg und Bern. An der Fortsetzung nach Aarburg wurden beim Überschreiten der Emme zu Kirchberg und Burgdorf Zölle erhoben ^. In Aarburg kreuzte sich der Weg mit der zum Gotthard führenden Strafse über den unteren Hauenstein wie bei Brugg mit der andern Gotthard - Zugangslinie über den Bötzberg. Die Nürnberger waren hier überall zollfrei; welch einen Vorsprung hatten sie vor den schwäbischen Reichsstädten voraus, dafs sie in Bern, Solothurn, Murten, Besan9on und im Königreich Arelat zollfrei waren ! Freilich mufsten sie sich ihrer Zollfreiheit sehr oft er- wehren, konnten sie auch nicht immer behaupten*. Bern suchte be- greiflicherweise den ganzen Verkehr an sich zu ziehen*. Die Nürn- berger schlugen jedoch oft andere Wege ein®.

In der Pforte von Brugg vermied der Weg der Bemer die Über- schreitung der Reufs und Limmat, man wechselte auf der Brücke von Brugg vielmehr das Aareufer um, unterhalb der Vereinigung der drei Flüsse vermittelst der Fähre von Stilli das rechte Ufer der Aare wieder zu gewinnen. Bei Koblenz trat der Weg, der in der Pforte eine nörd- liche Richtung gehabt hatte , in eine östliche über, um zunächst Zurzach zu gewinnen. Im Mittelalter hatte es viel besuchte Märkte, hier gingen die Wege auseinander. Eine alte Römerstrafse führte nordöstlich über Donaueschingen nach dem oberen Neckar, also an den Nordfufs der rauhen Alb. Der andere Weg wechselte hier oder zu Kaiserstuhl das Rheinufer und führte über Schaffhausen durch das Hegau nach Ulm bez. auf Konstanz zu. Diese Strafse war in der Mitte des fünfzehnten Jahr- hunderts gegenüber einer andern vernachlässigt, die von Stein am Rheine dicht unterhalb des Sees abbog und zum Zolle von Kloten führte.

' Vgl. Bor ei 211 f. und pi^ces justificatives 73 ff.

* 1486 wurden vom Bischof von Lausanne Nürnberger Kauf leute, welche Zoll zu zahlen sich weigerten, angehalten. Bern, Lat. Briefbuch D Fol. 65.

' Auf der Fortsetzung des Burgdorfer Weges auch in Bleienbach. Nürn- berg, Kreisarchiv. Brief buch 3 Fol. 13. 1409.

* So behaupteten sie 1425 für den Zoll in Burgdorf Zollfreiheit, Bechtold Kegler hatte Zoll zahlen müssen. Nürnberg, Kreisarchiv. Brief buch 7 Fol. 20. Sie ver- hörten darauf zuverlässige Kauf leute, die z. T. schon 50 Jahre dort wandelten. Alle sagen, erst seit den letzten Jahren sei Zoll dort erhoben. Ebda. Fol. 43. In späterer Zeit war von einem Wagen wohl l ß ^. gegeben, wofür er das ganze Jahr zollfrei war. Verhört waren sieben Leute über den Zoll zu Burgdorf und Kirch- berg. Ebda. Fol. 88. 1433 entschied Bern den Streit zwischen Nürnberg und Nörd- lingen und Burgdorf. Urkunden Nr. 384. 1479 schickte Bern seinem Schultheifsen zu Burgdorf den Befehl, die bresthaften Strafsen in Stand zu setzen. Bern, Deutsch. Brief buch D S. 209.

* So 1490, wo sie die Fuhrleute der nach Genf und Lyon handelnden Kauf- leute von Aarberg nach Bern zogen. Bern, Deutsches Brief buch G S. 111 u. 114.

« Urkunden Nr. 304.

494 Dreiundvierzigstes Kapitel.

Dieser Weg war für Zürich von Vorteil, der „alte" aber für fast die gesamte Eidgenossenschaft, da sie ja seit 1415 die Herrin der Grafschaft Baden war. Auf den Tagsatztingen von 1479 bis zum Ende des Jahr- hunderts steht fast stets der Streit um den Klotener Zoll auf der Ordnung. Und Zürich kämpfte um so hartnäckiger, da die deutschen Städte, Nürn- berg voran, die benachbarten Grafen und Herren, wie die österreichischen Vögte sich für eine Geleitslinie erwärmten, die zu Stande kam.

Dieser Weg, der besonders für das Gut, das gen Genf und in das Welschland geführt wird, bestimmt war, begann bei Gögglingen an der Donau, dicht oberhalb Ulm und führte im Geleite der Landvogtei Oberschwaben über Biberach , Buchau , Saulgau nach Ostrach. Dort be- gann das gräflich werdenbergische Geleite. Von Pfullendorf bis Schaff- hausen führte der Weg im Geleit der Grafschaft Nellenburg über Stockach, am Fufse des Hohentwiel vorbei. Im Geleite der Grafen von Sulz end- lich stand die Strecke SchafFhausen-Kaiserstuhl. Dort begann das Geleit der Eidgenossenschaft. Die Städte hatten das lebhafteste Interesse für diese Strafse an den Tag gelegt, vor allem Nürnberg ^

Von dieser Route weicht nicht unerheblich diejenige ab, die Ürtel 1521 als die gewöhnliche zwischen Nürnberg und Genf bezeichnet. Das Stück bis Buchhorn (Friedrichshafen) ist schon oben besprochen. Die nächsten Stationen Meersburg, Konstanz, Steckborn, Stein, Schaffhausen folgen dem Rheine; von Schaffhausen ab wird über Lottstetten, Rafzer- feld bis Kaiseratuhl jene Linie verfolgt. Dann nennt Örtel „zum Neuen- haus", ich kann das nicht identifizieren, da aber unmittelbar Baden folgt, nehme ich an, dafs nicht die Strafse durch die Jurapforte gewählt wurde, sondern der Jura direkt über Ehrendingen überstiegen wurde. Es folgen Hellingen, Lenzburg, Aarau, Aarburg und Murgenthal; dann ist die süd- lichere Linie über Burgdorf festgelegt durch die Ortschaften : Langenthai, Riedwyl, Wynigen und Burgdorf^.

Während das Schweizer Gebiet sicher war, ist die Fortsetzung aufserhalb des Gebietes der Eidgenossenschaft wiederholt durch Räubereien unsicher gemacht worden. Ein Überfall von 1407 an Nürnbergern und

> Vgl. Eidgen. Abschiede 3, 1, 39. 135. 218. 305. 471. 477 (der Vertrag vom 2. April 1495). 533. Aufserdcm sah ich in Luzern den. Abschied eines Konstanzer Tages von 1489 und andere darauf bezügliche Schriftstücke. Auf dem Konstanzer Tage standen noch die Forderungen der Geleitsherren dem, was die Kauf leute ge- währen wollten, entgegen. Femer Nürnberg, Kreisarchiv, Brief b. 41 Fol. 164 (1490), 43 Fol. 147. Bern, Deutsches Brief buch A, 479 (Ulmer Kauf leute, die ihrer alten Grewohnhcit nach, nach Genf auf die Messe gingen, wurden in Kloten belästigt 1464). Vgl. Geering S. 196. Herzog, Zurzacher Messen 25 ff.

^ Mitteil. a. d. germ. Nationalmuseum 1896 S. 82. Auch diese Strecken Konstanz- Schaff hausen-Kaiser&tuhl-Baden, Langenthal-Burgdorf-Bern und Genf-Nantua-Lyon konnte ich auf der Karte nicht mehr eintragen.

Verkehr von der Rhonemündung zum Bodensee. 495

Luzernern ist schon oben berichtet. 1409 wurden abermals mehrere Fässer mit Sensen, Eigentum Nürnberger Kaufleute, bei Schaff hausen angehalten*. Der gröfste Überfall geschah 1441, als am 30. Mai Ulmer, Nürnberger und andere Kaufleute von der Genfer Pfingstmesse heim- kehrten. In der Nähe von Stein und unterhalb war der Rhein längst nicht sicher; dieses Mal griff eine Schar von Adligen zu, sie bedienten sich schneller Schiffe und nahmen den Kauf leuten so viel ab , dafs sie 50 Pferde brauchten, um die Waren, die Konstanzer Chronisten auf 20000 fl. schätzten, auf einige nicht allzu entlegene Burgen zu bringen. Waren im Werte von 100000 fl. hatten die Kaufleute glücklicherweise noch in Stein liegen. Diese That führte 22 Städte zu einem Bündnisse zusammen. In einem Kriegszuge in das Hegau wurde Rache an den Räubern genommen und zwei ihrer Burgen gebrochen-.

Ein freches Stücklein führte Rudolf von Ems 1461 an einem Kaufmann Gienger (ob Ulmer oder Münchner?) aus, der seine „Genfer Kaufmann- schaft" von Fufsach aus durch einen Schiffmann nach Lindau bringen liefs. Rudolf hatte sich in Lindau ein Schiff geben lassen, auf dem See griffen seine Knechte zu den Rudern und fuhren dem Kaufmann nach, den sie ereilten, sie zwangen die Schiffleute ans Land zu fahren und ver- eidigten sie, nicht von dem Raube und der ünthat zu reden. Schliefs- lich hatten sie aber dem Kaufmann nur 4 fl. genommen^.

1463 wurden Nürnberger, die vielleicht von Genf kamen, auf dem oberen See bei Hagnau beraubt und das Gut auf den Hohentwiel geführt*. Die Nürnberger drohten, sehr zum Leidwesen von Konstanz, diesen Weg ganz zu meiden. Eine nicht geringe Aufregung riefen unter den Eid- genossen Einige von Schwyz und Glarus hervor, als sie, um einer Ansprache wider Herzog Albrecht von Bayern willen drei Bürger von München gefangen nahmen, die von Lyon zurückkamen, und noch ärgerlicher wurde ihre Stimmung, als im nächsten Jahre 1502 an der gleichen Stelle im Bereiche des Thurgaus, also auf eidgenössischem Boden (bei Berlingen-Mannenbach am üntersee), ein Vetter des Münchner Kaufmanns Andreas Gienger festgenommen wurde und dieser Gienger versorgte doch die Eidgenossenschaft mit Salz und Stahl*.

' Urkunden Nr. 380.

« Das Quellenmaterial Fürstenb. Urkb. 6, 355 und 362—381. Ruppert, Chroniken 210 u. 217. Darstellung bei Albert, Gesch. v. Radolfzell 157 fr. Nach Baader, Nürnbergs Handel 8. 111 waren Conz Ruprecht 6 kl. Ballen mit Papier, Fritz Krefs 5 kl. Ballen und 1 Truhe mit Buchsbaumkämmen, 900Künlein, 360 Kröpf- und Geisfellen und 4 Luchs, Lorenz Fleischmann 9 kl. Ballen Papier und ein Läd- lein mit einer halben Mark Geldes genommen.

' Mitteilung Heyds aus den Konstanzer Missivbüchem.

* Aus gleicher Quelle.

•^ Eidgen. Abschiede 3, 2, 125. 128. 129. 193. 211. 230. 234. 243 u. 246.

496 Dreiundyierzigstes Kapitel.

Alle Räubereien am Oberrhein zusammenzustellen, wäre nicht so leicht. Ich wähle einige mir bekannt gewordene Fälle aus^ wo Italiener die Opfer waren.

Die Beraubung eines Genuesen, der ein regelmäfsiges Transport- geschäft von Flandern bis Strafsburg betrieb, wird uns aus der Mitte des fünfzehnten Jahrhunderts gemeldet ^ Eine weitere betrifft zwei vor- nehme Genuesen aus den Häusern Spinola und Doria, die vielfach zu Land nach den Niederlanden reisten, wo es eine starke niederländische Kolonie gab^. An Francesco Doria und Cristoforo Spinola hatte sich auf ihrer Heimreise von London und Brügge auch ein Bürger von Alessandria angeschlossen. Als sie in der Grafschaft Pfirt ritten, wurden sie von dem Vogt zu Landser, einem Rate des Erzherzogs Sigmund von Österreich auf Veranlassung des österreichischen Landvogtes Wilhelm von Rapoltstein in Ottmarsheim gefangen gesetzt, und trotz aller Ver- handlungen blieben sie in Haft, bis es ihnen gelang, während der Krank- heit des Schultheifsen von Landser sich in den Graben hinabzulassen und zu entfliehen^. 1425 wurde ein deutscher Läufer, der von Genua nach Brügge vier Bündel Silber- und ein Bündel Golddrath im Werte von 525 a, Eigentum des Simone Giustiniani, Paolo Spinola und Battista Stella und nach Brügge und London bestimmt, brachte, im Gebiete des Herzogs von Jülich und Berg, angehalten und seine Packete als Waren von Venedig und England, gegen die Repressalien erlaubt seien, weg- genommen^. Auch auf dem rechten Rheinufer begegnen uns Genuesen. Zwei ungenannte Genuesen wurden 1438 von Walther Riffe auf des Reiches Strafse niedergelegt und auf die Schauenburg geführt^.

Mailänder und Comasken, die mit ihren Waren auf dem Rheine fuhren, wurden 1490 auf badischem oder speierischem Gebiete von Jakob von Windeck, einem Diener des Kurfürsten Philipp von der Pfalz an- gehalten und festgenommen. Der KurfUrst wie der Markgraf Christoph von Baden beriefen sich auf kaiserlichen Befehl, der auf Grund der Klagen eines Engländers gegen Mailänder Kaufleute Repressalien an- geordnet habe. So hatte Heinrich VU. von England Veranlassung, die Frage aufzuklären, der englische König selbst hatte ein Jahr vorher alle mailändischen Kaufleute in seinen Schutz genommen^.

Ein sehr interessantes Dokument hat uns der Konstanzer Stadt-

' Unsere Urkunden Nr. 262. « Vgl. Urkunden Nr. 303.

> Urkunden Nr. 292 und weitere Nachrichten aus dem Luzemer Kantonsarchiv. Urkunden Nr. 113. Rapoltstein. Urkb. 5 Nr. 688. 692. 693. 697 u. 720. * Unsere Urkunden Nr. 449. » Unsere Urkunden Nr. 333. « Vgl. unsere Urkunden Nr. 118 u. 119.

Verkehr von der Rhonemündung zum Bodensee. 497

Schreiber Schultheifs in seinem Formelbuche erhalten, aus dem hervor- geht, dafs die Mailänder Kaufmannschaft 1391 einen Geleitsbrief des Burggrafen von Nürnberg besafs; freilich wurde ein mailändischer Waren- führer gefangen und beraubt, Konstanz sollte sich dafür interessieren*.

Dem Comasken Jakob von Miindriz (wohl Mendrisio) wurden 1353 dreizehn Fardel in Strafsburg vom Meister und Rat beschlagnahmt*.

Auch Lucca kann in dieser Zusammenstellung nicht fehlen. 1393 wurde im Elsafs Gut zweier Lucchesen zu unrechter Weise zugleich mit Florentiner Gut niedergeworfen^. Ein Überfall von Florentinern ist mir nicht bekannt geworden, obwohl doch auch sie den Landweg benutzten*.

Auch Venetianer erscheinen in der Liste der Beraubten. So wurde 1479 ein Giustiniani unmittelbar bei Aachen angefallen '^.

Auch Kaufleute von Aragonien (wohl aus Barcelona) kamen an den Oberrhein. Der Brief Kaiser Friedrichs an die Stadt Konstanz von 1449 giebt freilich nicht den Ort an, wo diese Kaufleute unter Beihilfe von Konstanzern beraubt sein sollen; da Konstanzer vielfach in Spanien handelten, kann sich das auch dort abgespielt haben ^.

Unter den Messen nehmen die Pfingst- und St. Verenamesse (1. Sep- tember) von Zur zach einen eigentümlichen Platz ein. Sie fanden nicht in einer Stadt statt, sondern in einem offenen Flecken, sie erinnern so- mit an die Jahrmärkte des Frühmittelalters und die Verenamesse macht uns sofort den Ursprung aus dem Zusammenströmen an dem Heiligen- feste einer angesehenen Kirche und des damit verbundenen Klosters klar. Sie werden zwar erst 1363 erwähnt und ihre Dauer wurde erst 1408 auf je drei Tage verlängert, gleichwohl hatten sie wohl schon um 1400 eine hohe Handelsbedeutung. Die Anwesenheit von Italienern ist für das Mittelalter zwar nicht zu belegen, aber wohl die italienischer Waren. Ich zweifle aber nicht, dafs auch fremde Kaufleute auf den von der Eidgenossenschaft sorgfältig gepflegten Messen ihren Handel be- trieben, und dafs die Worte Andreas Riffs, dafs eine „stattliche Summa Waren aus England, Niederland, Frankreich, Lothringen, Burgund, Italien und ganz Deutschland hingeführt und verhandelt werde", auch für das ausgehende Mittelalter zutreffen. Der Verkehr wuchs so, dafs das alte

' Mone, Zeitschr. f. Gesch. d. Oberrh. 4, 32.

2 Urfehde Strafsb. Urkb. 5, 254. Der Ritter Wengelin v. Wangen nahm 1355 einem Bürger aus Rheims Waren im Werte von 165 Schildgoldfl. fort. Ebda. 5, 808. 1364 wurden Lausanner Bürger mit Gänsefedern (8 Centner) im Strafsburgischen beraubt. Ebda. 5, 486.

^ Unsere Urkunden Nr. 318.

* So 1517. Eidgeu. Abschiede 3, 2, 1089.

"^ Unsere Urkunden Nr. 451.

<* Ruppert, Chroniken 373. Schulte, Gesch. d. mittelalterl. Handels. I. 32

498 Dreiundvierzigstes Kapitel.

einer Familie von Klingnau gehörige Kaufhaus nicht mehr genügte, sondern 1479/80 ein eigenes Kaufhaus gebaut wurde. Hauptsächlich wurde mit Leder (auch Pergament), Tuch und Pferden gehandelt, doch fehlten gewifs auch Spezereien , Pelzwerk , Eisenwaren und die andern im sechzehnten Jahrhundert genannten Waren nicht ^.

Einen Teil dieses lebendigen Verkehrs suchten benachbarte Orte wie Baden, Zürich, Klingnau und Waldshut für sich abzufangen, indem sie sich Jahrmärkte erwirkten, die sich an einen der Zurzacher anschlössen. Einen Schuldzahlungstermin, der auf einen dieser Jahrmärkte gestellt wurde, habe ich nicht gefunden.

Über die einfachen Jahrmärkte erhoben sich auch die von Konstanz ^ und Ulm® nicht, wohl aber die Nördlinger Messe, die in Schwaben und Bayern eine grofse Qeltung hatte ^. Italiener kann ich nicht nachweisen, doch fehlt es auch an einer Specialuntersuchung. Auf dem Nördlinger Archive habe ich nicht gesucht.

Die Strafsburger Messen, die Ludwig von Bayern 1336 verlieh, hatten eine grofse Bedeutung; der Zudrang zu ihnen mufs nach allen Zeugnissen sehr erheblich gewesen sein und es ist wohl nur ein Zufall, dafs wir auf ihnen Italiener nicht nachweisen können. Ursprünglich wurde sie vierzehn Tage vor und vierzehn Tage nach Martini abgehalten, also vom 28. Oktober bis 25. November^, sie kollidierte aber mit der Genfer Simon- und Juda-Messe, die am 28. Oktober begann und acht bis zehn Tage dauerte. Vielleicht hat das die 1414 erfolgte Verlegung auf die entsprechende Zeit vor und nach Johanni herbeigeführt®; die Stadt Strafsburg liefs die Messe als eine freie und zolllose durch Bürger auf den andern Messen von Halle zu Halle verkünden ^.

An Bedeutung überragte alle süddeutschen Messen die von Frank- furt. Die alte Messe wurde 1349 zwischen Maria Himmelfahrt (15. August) und Maria Geburt (8. September) gehalten, 1384 wurde sie bis 15. Sep- tember ausgedehnt, seit 1406 wieder verkürzt, wie überhaupt die Ter- mine vielfach sich verschoben. Die jüngere 1330 verliehene Messe war

^ Vgl. Hans Herzog, Die Zurzacher Messen, Separatabzug aus dem Taschen- buch der historischen Gesellschaft 1898.

'^ 1417 von Siegmund aus Dank für die Haltung der Stadt in der Ronzilszeit von einem Jahrmarkt zu einer Messe erhoben. Alt mann 2639.

1429 eine zweite verliehen: 8 Tage vor und 8 Tage nach Christi Himmelfahrt.

* Mit den ntmdinis in Werde (Donauwörth) zuerst 1219 erwähnt, wo der Handel schon bedeutend gewesen sein mufs. Urkunde F. II 6 1219 November 8. Böhmer- Ficker Nr. 1069.

» Strafsb. Urkb. 5, 73 u. 993.

« Altmann, Reg. 974.

"^ Urkunde von 1415 März 17 bei B rucker, Zunft u. Polizeiverordnungen S.842.

Deutsche und italienische Messen. 499

mit den betreffenden Festen des Kirchenjahres beweglich, sie fiel in die Fastenzeit von Oculi bis Judica und auch sie erlebte Änderungen, ins- besondere näherte sich ihr Endtermin mehr Ostern *.

In den Rechenbüchern der Stadt erscheint eine Ausgabe von Geleit für Venedig zuerst 1367, für Mailand zuerst 1389^, aber damit ist der Anfang des Handelsverkehrs nicht erwiesen. Von Waren wird Mailänder Barchent^ ausdrücklich genannt.

£s ist hier nicht der Ort, die Bedeutung dieser Messen zu schildern, es waren die ersten Messen internationaler Bedeutung, die in einer deutsch redenden Stadt abgehalten wurden. Der Spanier Tafur bezeichnet sie als ganz gut, wenn sie auch nicht mit der Antwerpener verglichen werden könne ^. Ganz Südwestdeutschland regulierte seinen Handel nach Frankfurt und aus allen Städten zogen Karawanen zu den Messen, die der Termin für vielfache Geldzahlungen waren. Vor und nach der Messe waren die Strafsen von den Reisenden gefüllt. Auch nach Norden hin dehnte sich das Gebiet mehr und mehr aus, bis im sechzehnten Jahr- hundert die Frankfurter Messen ihre höchste Blüte erlebten*. Dem Ver- such, den die süddeutschen Städte machten, die Messen von Frankfurt nach Mainz zu ziehen, trat Kaiser Siegmund entgegen^.

Natürlich suchten andere Reichsstädte Frankfurt, Strafsburg und Nördlingen den Rang abzulaufen: 1310 wurde Hagenau privilegiert, Wetzlar 1318, Heilbronn gar mit einer dreiwöchentlichen, Neustadt a. d. Hardt"^; es kamen hinzu Nürnberg, EfsHngen, Rotenburg, Ulm, Kon- stanz u. s. w. Aber das Liebesmühen war für den internationalen Ver- kehr umsonst, selbst die von Nürnberg kam trotz der Vorzeigung der Heiltümer des Reiches über eine nationale Messe nicht hinaus^.

Von den italienischen Messen sind hier zwei zu nennen. In der Lombardei hatte die gröfste Bedeutung die in Crema vom 25. Sep- tember ab fünfzehn Tage an dauernde Messe. Nur sie führt darum auch DaPHerba an. Jedoch auch die Messe von Arona, welche am 1. Juni stattfand, hat nach den Mailänder Statuten einen lebhaften Handel ge- sehen, und ausdrücklich wird dabei gesagt, dafs Waren *de Älamannia seu Francia seu Birineona^ über den Lago Maggiore nach Arona gingen

^ Vgl. das Nähere bei Krieg k, Frankfurter Bürgerzwiste u. Zustände 298—801. « Kriegk 526. 8 Kriegk 315.

* Tafur 261. Häbler 517.

6 Bücher 1, 502— 506. Geering 190 ff.

Altmann 8324. 8648 zu 1431.

' Schöpflin, Als. dipl. 2 Nr. 853. Reg. Lud. d. B. Nr. 333. 1548. Winkel- mann, Acta imp. 2 Nr. 653.

8 Roth 4, 362—70. Vgl. auch Gengier, Stadtrechtsaltertümer 182.

32*

500 Vierundvierzigstes Kapitel

und für die Mefszeit siedelte der Zoll von Angera nach Arona über*. Andere Märkte sind an anderer Stelle erwähnt.

Vierundvierzigstes Kapitel. Die EinfDhmng der Posten.

Technische und tcirtschafüiche Vorbedingungen, Mailänder Posten. Erste Encähmmg eines Taxis. Stafetten^ug über den St Gotthard, Änderungen, Niederländisch -tiroler Baute. Verträge mit Franz von Taxis, andere Nachrichten. Einrichtung. Wann wurden diese Stafettenzüge unrkliche Posten? Erste Benutzung durch das Publikum. Linien in der Eidgenossenschaft, Zustände 1608. Die Schiceiz umgangen. Cluirakteristik der Baute von 1500. Bedeutung von BlieinJiausen.

Die schweizerischen Alpen passe haben endlich in der von uns be- handelten Periode noch die wichtigste Vorstufe der Posten gesehen, wenn sie auch weder diese noch die Posten selbst dort einbürgern konnten. Ich mufs hier das schwierige Kapitel der Entstehungsgeschichte dieser Verkehrsorganisation streifen *.

Die entscheidende Wendung in der Entstehung des Postwesens liegt meines Erachtens in der Verbindung einer technischen Verbesserung des Briefbestellungswesens mit einer wirtschaftlichen Mafsnahme, die den Zweck der Einrichtung veränderte. Schon die Einführung von Relais für den Pferdewechsel der reitenden Boten eines Herren, einer Stadt oder einer Körperschaft war eine erhebliche Beschleunigung des Verkehrs. Aber noch immer blieb, wie bei den heutigen Feldjägern und Kabinetts- kurieren, der Vertrauensmann mit seinem Transportobjekte vom Ab- sender bis zum Empfänger zusammen, vom Aufgabeorte bis zum Ziele ist der Begleiter des Felleisens dieselbe Person, noch ist sie imstande, auch mündliche Bestellungen zu machen. Technisch entscheidend war die Einführung des Wechsels auch bei den Boten. Der Parforceritt eines einzigen Boten war auch beim Pferdewechsel für lange Strecken unausführbar. Die physische Erschöpfung, die den Reiter ergreifen mufste, war die Grenze der Schnelligkeit. Solche Parforceritte blieben auch später eine Auskunft für die Not, für alle Fälle, wo das Wort er- gänzend zum Briefe hinzutreten sollte, ein Sport für die Söhne der Kauf-

1 Statuta Blatt 154 u. 155.

' Zur Entstehungsgeschichte der deutsch-niederländischen Posten vgl. vor allem Rübsam, Joh. Bapt. von Taxis, und ders., Zur Gesch. des Intern. Postwesens. Hist. Jahrb. 13, 15—79. Hub er, Gesch. Entwicklung des modernen Verkehrs u. Besprechung von Rübsam. Hist. Jahrb. 15, 823—885. Postgeschichtliches aus der Zeit Maximilians I. A rc h i v f. Post u. Tclegraphie 23, 46 ff. (1895). Ferner meine Aus- fuhrungen: Zur Entstehung des deutschen Postwesens in Beil. zur Allgem. Zeitung (München) 1900 Nr. 85. Während des Druckes geht mir auch noch Rübsam, Aus der Urzeit der modernen Post (1425—1562) Histor. Jahrb. 21, 22-57 zu.

Die Einführung der Posten. 501

herreD, wie etwa Jakob Krawfs 1494 für Herzog Albrecht von Sachsen in vier Tagen lO^/i Stunden von Nürnberg bis Venedig ritt *. Ein weiterer Fortschritt wurde erreicht und die Schnelligkeit auf das höchste Mafs gesteigert, wenn jeder Knecht nur soweit ritt, als er in voller Frische war. Der Wechsel der Reiter war die technische Vorbedingung der Post. Jetzt wurden nicht allein Pferderelais, sondern auch Menschenrelais geschaffen. Bei dem neuen System erfolgte ein Wechsel von Pferd und Boten, das Felleisen wanderte von Hand zu Hand. Statt einer Ver- trauensperson entstand eine Kette von solchen. Der Absender mufs auf mündliche Mitteilungen verzichten, er kennt nicht mehr alle Träger seiner Botschaft. Er mufs sich auf den Unternehmer verlassen. Die Boten sinken in ihrer Qualität, aber der Unternehmer wird wichtiger, als je es früher ein Briefträger hat sein können, und auch jetzt durften die Boten keine Analphabeten sein.

Das Mittelalter besafs längst Botenanstalten. Klöster, Universitäten, Kaufmannschaften und Städte hatten solche. Und wenn auch der Fufs- bote am Ende des Mittelalters vielleicht dem Reitenden Platz gemacht hatte, die Einrichtung von Relais ist für diese Anstalten nicht erwiesen ^. Doch halte ich für die Verbindung von Nürnberg bezw. Augsburg mit Venedig und für die von St. Gallen mit Lyon und Nürnberg, beides höchst achtenswerte Leistungen, das Vorhandensein von Pferdewechseln für sehr wahrscheinlich®. Der Ritt des Jakob Krawfs ist ohne unterlegte Pferde nicht denkbar. Die Entfernung beträgt in der Luftlinie mehr als 450 km. Bis zum Beweis des Gegenteils halte ich aber den Wechsel der Reiter, mindestens die regelmäfsige Organisation des Wechsels für unwahrscheinlich.

Die Botenanstalten der Städte und Körperschaften haben nicht die technischen Vorbedingungen des Postwesens geschaffen, aber auf sie geht die zweite Bedingung zurück.

Ihre Boten nahmen nicht allein die Briefe desjenigen mit, der sie angestellt hatte, der städtische Bote also nicht allein die Briefe des Rates,

* Er wollte es in vier Tagen erreichen und erhielt für jede weitere Stunde einen Abzug. Archiv f. Post u. Telegraphie 15, 26. Auch Mit teil. a. d. germ. Nationalmuscum 1. 255. Dort steht Kress, hier Krawfs.

" Vgl. Strafsburger Botenordnung im Strafsb. Stadtarchiv, Ordnungen Bd. 17. Lop er, Das Boten wesen und die Anfänge der Posteinrichtungen im Elsafs. Archiv f. Post u. Telegr. 4, 197—204. 231—241. Fuchs, Zum Nachrichten- und Verkehrs- wesen am Oberrhein und Bodensee. Ebda. 14, 417 29. Urkunden über Botendienst und Postwesen im Elsafs. Ebda. 14, 673—686. Urkunden zur Gesch. d. Postwesens im Elsafs. Ebda. 16, 756.

Die Botcnaustalten von St. Gallen (nach Nürnberg über Lindau, Eavensburg, Ulm, nach Lyon über Zürich, Aarberg, Murten und Genf) verdienten eine nähere Untersuchung. Ich kenne nur abgeleitete Darstellungen wie Bavier 130.

502 Vierundvierzigstes Kapitel.

sondern auch die der Bürger und der gemeinnützige Zweck dieser An- stalten tritt darin deutlich hervor. Diese Besorgung von Privatbriefen erfolgte nicht unter Garantie des Herren, sondern war ein Privatabkommen zwischen dem Briefschreiber und Boten. Die Herren setzten dann freilich Taxen fest. Diese Ausdehnung der Thätigkeit der Boten reduzierte ihre Zahl, füllte dafür die Felleisen.

Die Posten kamen zu stände in dem Augenblicke, als die Stafetten- reiter auf den organisierten Routen auch andere als Briefe des Herren der Route annehmen oder die für die Stafettenreiter vorgesehenen Relais- pferde auch anderen Personen zur Reise gestellt wurden. Aus dem ersteren erwuchs die Briefpost, aus dem zweiten die Personenpost In dem Stafettenwesen war zunächst eine Verbindung zweier weit getrennter Personen erstrebt. Die Reiter trugen einen verschlossenen Sack, der nicht geöffnet wurde. In der wirklichen Post aber wurde der Sack auf wichtigen Stationen geöffiiet und neue Briefe hineingelegt, andere, die ihr Ziel erreicht hatten, herausgenommen ; zu den Staatsbriefen gesellten sich die von besonders begünstigten Privaten. Sobald das geschah, kann man von einer Post reden, die Fixierung der Abgangs- und Anfangszeiten, der Tarife, die Gröfse des Betriebes u. a. sind meines Erachtens neben- sächlich.

Dynastische Stafettenrouten sind in Spanien, Italien und Frankreich zuerst erwiesen. Die französische Ordnung von 1464 verbietet den Kurieren die Mitnahme eines fremden Briefes bei Todesstrafe. Stärker als das Gebot war das Bedürfnis; in der Ordnung von 1495 findet sich das Verbot nicht mehr.

Auch in Italien fand das spanische Beispiel Nachahmung. Schon 1425 war im Mailändischen eine Kette von herzoglichen Relaisstationen vorhanden. Am Schlüsse eines Briefes des Herzogs Filippo Maria Viscontis heisst es: ^Porteniur die noctugue celeriier per cavaUarium pobiarum sub pena fiircarum^. Die Entfernung, die der Brief zu durch- laufen hatte, war nur eine kurze von Bereguardo bis Piacenza^, aber schon das Formelhafte der Meldung, die gewohnheitsmäfsige Androhung der Galgenstrafe, die sich auch in den deutschen Postakten ältester Zeit findet, beweist, dafs es eine regclmäüsige Institution war. Noch eiliger hatte es der Herzog 1427, da lautet der „Leitvermerk** : i^Porteniur die noctugue, non celeriier, sed fulminantissime per cavaUarium postarum sub pena mille furcarum*. Sieben Gtos sollen noch weiter zur Eile treiben*.

Die Reiterkette trug nicht allein die Briefe von und an den Herzog, auch die Briefschaften der Höflinge. So schrieb der Bruder eines

1 Osio 2, 163. Luftlinie 57 km. « Oslo 2, 342.

Die Einführung der Posten. 503

Familiären an diesen von Perugia aus und fügt hinzu: T^Consignentur officiali bulletarum Parme^ qui eas det Galeaz (dem Adressaten) in tnanibiis propriis aui mittat eas ad Franciscum Barhavariam per caballarios postarumy qwa important etc.<' ^ Pertile schliefst daraus, dafs diese Posten bereits vom Publikum benutzt werden konnten; mir scheint dieser Schlufs zu weit zu gehen, es handelt sich noch immer nur um den Hof^. Die Posten in diesem Sinne waren also schon unter den Visconti vorhanden und sind nicht etwa eine Einrichtung Francesco Sforzas. Nicht in den italienischen Stadtrepubliken erstand die Post, sie erwuchs auf dem Boden der dynastischen Staaten, die mächtigste Signorie ging voran, und dieses italienische, nicht das spanische Vorbild fand Nachahmung, wir haben keine CorreoSy sondern Poste.

Wann tiberschritten sie aber die Grenzen des Gebietes von Mailand? Das war schon 1491 der Fall, denn in diesem Jahre erscheint Jan von Taxis bereits als Postmeister in Innsbruck®. Man kann also ver- muten, dafs damals schon eine Relaiskette über den Brenner ging und vielleicht hat jener Krawfs ihre Pferde benutzt. Durch ein neues Aktenstück wird die Anstellung Zanettos bis 1488 zurückgerückt* und zu 1490 erzählt eine Memminger Chronik ihre Einführung*. Deutlicher ist die Einrichtung der ältesten Gotthardlinie zu erkennen. Als König Maximilian am 9. März 1494 sein Beilager mit Bianca Sforza, der Schwester Johann Galeazzos, gefeiert hatte, beschlofs dieser, nach dem Muster seiner andern Posten, deren Geschicke leider noch nicht aufgeklärt sind, eine Stafettenverbindung mit dem Hofe Maximilians herzustellen und gab am 20. Juni 1494 an den Capitaneo von Lugano den Befehl, für eine Relaisstation zu Tavernelle, also auf dem Monte

^ Oeio 2, 357. 2 2, 1, 501.

Redlich, Vier Poststundenpässe 499.

^ Rübsam, Hist. Jahrb. 21, 26 nach Figini, I Tassi ed i feudi di Rachel.

* Nach Dr. Miedel in Memmingen, dem ich die Kenntnis dieser Quelle verdanke, beruht die Handschrift des siebzehnten Jahrhunderts auf älterer Grundlage. Der Bericht hat auch innere Glaubwürdigkeit und hebt so vorzüglich das Neue in der Technik hervor, dafs ich die Stelle hierher setze: »1490. In diesem Jahr fiengen die Posten an bestellet zu werden aus Befelch Maximtliani L defs Römischen Königs, von Österreich bifs in Niderland, in Frafücreich und hifs n acher Born, Es lag älltveg 5 Meü uregs ein Post von der andtm. Einer war zu Kempten^ einer zu Blefs, eitler an der Brück zu Elchingen und also fortan imerdar 5 meil wegs von einander und must alweg ein Pot des andern warten fmd so bald der ander zu ihm ritt, so bliefs er ein hörvMn^ das hört ein bott der in der Herberg lag und must gleich auf sein. Einer muste aJie Stund eine Meil^ das ist 2 Stund weit reiten ^ oder es war Htm am Lohn abzogen, vnd musten sie reiten Tag und Nacht. Also kam offt in 5 Tagen ein Brieff von hier bifs nacher Rom,* 1500 waren die Postwechsel in Söflingen, also nicht ö., sondern w. von Ulm, in Plefs, an einem unbekannten Orte und dann zu Leermoos.

504 Yierundvierzigstes KapiteL

Cenere, ein Haus einzurichten^. Die Einrichtung ist also ausgesprochen dynastischen Interessen entsprungen, sie will eine Verbindung zwischen zwei Höfen herstellen. Maximilian weilte im Juni in Köln und brach am 2. Juli nach Brabant auf, es ist also begreiflich, dafs der Stafetten- zug über den St Gotthard gelegt wurde.

Der Hof Maximilians wechselte aber seinen Aufenthalt, es ergab sich somit von dem Augenblicke, da Maximilian mehr Innsbruck bevorzugte, dafs die Gotthardlinie ein Umweg war. Und in der That finden wir 1496, wo Jan von Taxis abermals als Postmeister erscheint^, Innsbruck als den Endpunkt der mailändischen Linie. Die in Betrieb befindliche Eoute ging über das Wormser Joch, wurde aber aufgehoben, wie schon vorher ihre Fortsetzung über Augsburg und Worms aufgelöst war*. Nach der neuen Bestimmung sollte sie von Mailand auf Chur und Feldkirch gehen und dann einmal nach Innsbruck sich wenden, das andere Mal über Lindau nach Worms *. Jene Route war unzweifelhaft dynastischer Inter- essen halber da, auch wohl diese. Aber die Bestimmung, dafs der Lauf regelmäfsig und nicht nach Bedürfnis wechseln soll, ist doch zu beachten, wie überhaupt hier bereits feste Termine sich finden.

Die grofse niederländisch-tirolisch-italienische Route ist zuerst 1496 wenigstens in einem Stücke erwiesen, in dem Teile von Augsburg nach dem königlichen Hofe in Nauders im OberinnthaH. Ganz klar erscheint die grofse Route in dem Poststundenpafs von 1500, mit dem Oswald Redlich die Quellen zur Geschichte des Postwesens um ein hochinteressantes Stück bereichert hat^. Am 25. März 1500 4 Uhr nachmittags ging das Felleisen von Mecheln ab und wurde am 31. März 3 Uhr früh in Innsbruck ab- geliefert, in fünf Tagen und elf Stunden hatte es den Weg von 764,1 km^, also durchschnittlich in der Stunde 5,83 km gemacht. Es fanden dabei siebzehn bis achtzehn Wechsel der Postboten statt.

Von 1505 datiert das Abkommen, das Philipp der Schöne mit Franz von Taxis, der seit 1500 sein Hauptmann und Meister der Posten war, über die Errichtung einer Stafettenverbindung zwischen den Niederlanden

^ »Hauendo noi deliberato mettere 1e poste tlei nostri cauallari per la via de Ala» magnia da qui dlla Corte de serenissimo S. Be Maximüinno nostro cofjnato hofiorando

consueto farsi alli cauallari dele aitre nostre Toste*. Motta in Bell. stör.

della Sviz. it. 5, 79.

Redlich, Vier Poststundenpässe 499.

3 Rübsam 5. Huber S. 197. F. T. (Graf Taxis) in Neuen Tiroler Stimmen. 1891 Nr. 295 u. 296.

^ Rübsam o.

»^ Redlich 495 f

ö A. a. O. S. 497 ff. u. 502 ff.

' So die Berechnung von Redlich via Pforzheim, statt ihrer wäre eine Berechnung via Enzweihingen zu setzen, eine nennenswerte Abweichung würde sich kaum ergeben.

Ik

Die Einführung der Posten. 505

(Brüssel oder Mecheln) mit dem Hoflager seines königlichen Vaters Maximilian traf. Daneben wurden Linien festgelegt, die die Verbindung mit dem französischen und spanischen Hofe bilden sollten, der Weg nach Innsbruck sollte in 5^'2, im Winter in 6V2 Tagen zurückgelegt werdend 1507 waren auf der Route von Mecheln bis zum königlichen Hoflager in Innsbruck oder Konstanz 45 Personen als »postes^ beschäftigt^.

Dieser Vertrag bekundet uns den Zweck der Posten, es ist eine Einrichtung für den Herrscher, den Hof, seine Minister, seine Räte. Die Posten sollen dem Könige schneller Nachrichten bringen und schneller seine Briefe befördern. Die Endpunkte der Linien sind keine Städte, sondern das wandernde Hoflager. Die weitzerstreuten Besitzungen, die Philipp und sein Vater besafsen, sollten verbunden werden und es war die erste Forderung der Staatsraison , eine solche Verbindung zwischen den so grundverschiedenen Bestandteilen des habsburgischen Reiches zu schaffen. Es ist noch eine Post für den Binnenverkehr innerhalb des habsburgischen Hauses, die Verbindung mit dem französischen Hofe führt darüber hinaus und auch die Verbindung mit Spanien ging durch fremde Staatsgebiete.

Die Internationalität des Unternehmens tritt in dem neuen Vertrage, den Karl I. (V.) 1516 schlofs, noch deutlicher hervor®. Es wurden nun- mehr auch Rom und die spanischen Besitzungen in Italien herangezogen.

Graf Taxis hat aus den Raitbüchern der Tiroler Kammer eine Fülle von Nachrichten gesammelt, die zeigen, wie oft die Kurse verlegt wurden. Der Hauptzweck war und blieb die Verbindung zwischen Kammer und Hof. Es erscheinen Stafettenlinien Hagenau-Innsbruck-Wien 1505, Inns- bruck-Strafsburg, Innsbruck- Augsburg, Innsbruck-Breisgau, möglicher- weise stets dieselbe Route (1507), Kaufbeuren, Öttingen, Augsburg und Freiburg i. Br. sind 1511 Stationen oder Endpunkte. Eine Linie bestand 1506 zwischen Konstanz und Mecheln*. Das momentane Bedürfnis rief eine Relaislinie hervor, die ebenso schnell wieder verschwand. Und Klar- heit ist in diese älteste Postgeschichte so schwer zu bringen, weil die Verwandtschaft der Herrscher wie der Postmeister ein unentwirrbares Knäuel von Angaben schafft. Einigermafsen konstant ist nur die Linie Niederlande-Innsbruck mit einer Fortsetzung nach Italien.

Die Einrichtung dieser Stafettenlinien hätte eine militärische und eine staatliche sein können, die Stationen hätten sich mit Soldaten be- setzen lassen. Das aber war nur für den geschlossenen Bereich der habsburgischen Monarchien denkbar. Die Wege durchschnitten vielfach

> R üb 8 am 6 f., 175 f. Der Abdruck S. 188—197.

a Ar eh. f. Post u. Telegr. 23, 47.

» Rübsam 7 f. 201 ff. Abdruck 215—227.

* Rübsam im Hist. Jahrb. 21, 25.

506 VierundvierzigBtes Kapitel.

fremde Reiche und Gebiete und so kam die Anstalt in die Hände eines Unternehmers, einer Familie, die neben den Rücksichten auf den Staat doch auch die auf den Verkehr des kaufmännischen Publikums kannte. Ich weifs nicht, ob die Tassis von ihrer Heimat Bergamo her, das ein ziemliches Verkehrsleben kannte, mit der Kaufmannschaft in Fühlung standen, genauer ist ihre Heimat wohl das völlig weltentlegene Valle Brembana. Wie dem sei, sie waren nicht engherzige Beamte, sondern sie hatten einen Sinn für die Bedürfnisse weiterer Kreise. Sie waren halb Beamte, halb Unternehmer. Und, indem nun die Brüder und Vettern an mehreren Höfen je das Amt des Postmeisters erlangten und die Familie mit dem Glücke des Hauses Habsburg wuchs und ihren Einflufs ebenso weit ausdehnte, indem an fast allen Knotenpunkten des Verkehrs Taxis Postmeister waren, bildete sie den ersten Weltpostverein, den Bund von Postmeistern, die sämtlich dem selben Hause angehörten. Sehen wir die Post als Grofsuntemehmen an, so war sie um 1520 ein Ring von Unter- nehmungen, die sich die Arbeit und das Geschäft lokal teilen und die sich bei den Anschlüssen zu helfen, das gröfste Interesse haben.

Die Taxis haben die Post nicht erfunden, aber immer wird man es als eine hervorragende organisatorische Leistung ansehen müssen, wie diese Italiener die Wirte aus allen möglichen Gebieten zu einer einheit- lichen Organisation zusammenzubringen wufsten. Dem kaiserlichen Willen hätten sich tausend Schwierigkeiten entgegengestellt, den geschmeidigen Italienern, die ein Mischmasch von italienisch, französisch und deutsch sprachen, gelang das Werk.

Doch wann sind diese Stafettenzüge der Habsburger und Sforza Posten in unserem Sinne geworden, d. h. wann nahmen Postmeister Briefe von Privatpersonen zur Bestellung an und wann stellten sie ihre Relais- pferde auch Privatpersonen zur Verfügung? Ich glaube, man braucht da nicht den Moment einzusetzen, wo sie das thun durften, mithin rechtlich eine Post wurden, ich würde vielmehr in die Zeit die Entstehung unserer Posten versetzen, wo das ohne viele Bedenken thatsächlich ge- schah. Dem heutigen Postbeamten mag es bedenkh'ch erscheinen, gewisser- mafsen den Mifsbrauch anzuerkennen, die Geschichte wird sich um die Thatsache kümmern müssen, dafs die Post sehr wahrscheinlich eher vor- handen war, als die Bestimmungen es gestatteten. Nicht die Verträge der Herrscher mit den Taxis dürfen entscheiden, sondern der Gebrauch.

Die Verträge von 1505 und 1516 schweigen sich darüber aus, ent- halten also mindestens kein Verbot ^ Die Instruktion für den Tiroler

' Im § 9 des Vertrags von 1516 ist die Post gegen (kostenlose) Inanspruch- nahme seitens der königl. Agenten für nicht königliche Angelegenheiten gedeckt; dies schliefst nicht aus, dafs die Posten auf Bestellung und Bezahlung auch für Private laufen durften. Vgl. auch Räbsam 185 f. 206 f. 213.

Die Einführung der Posten. 507

Hofpostmeister Gabriel von Taxis von 1513 enthält die Bestimmung, dafs „Parteiensachen" nur mit Genehmigung und Wissen der Kammer mit- genommen werden dürfen. 1515 heifst es für die Linie Innsbruck- Verona, dafs weder Kontrabande noch Parteiensachen angenommen werden dürften. Der Staat hütete noch die Post, aber was verschlug ein Handelsbrief?

Erfahren wir mehr über den thatsächlichen Gebrauch als uns diese wortkargen Instruktionen über den Willen der Herren sagen? Aller- dings. Schon für 1500 läfst sich nachweisen, dafs ein Privatpacket mit der Post ging. Der Bote von Rheinhausen schreibt in dem Poststunden- passe an den von ihm mit dem richtigen Namen angeredeten Boten zu Söflingen bei Ulm, es sei in dem Sack ein Päcklcin für Anton Welser, ein Brief und zwölf Plappart, damit solle er einen Boten sofort nach Augsburg senden, während die übrigen Briefe nach Innsbruck gehen. Wenn Anton Welser mit Philipp dem Schönen selbst in Korrespondenz stand und das Packet in diesen Briefverkehr gehört, ist allerdings eine Benutzung der Post von Privaten nicht erwiesen.

Jan von Taxis erklärte 1508 der Republik Venedig, er habe den Verkehr der Signorie mit ihren Gesandten in Deutschland und den Nieder- landen treu und gewissenhaft besorgt und zählt fünf Gesandte auf ^ Sollte dieser lange Verkehr auf einem besonderen Abkommen beruht haben oder war es nicht vielmehr Gefälligkeit von Fall zu Fall?

Seit 1515 waren aber sicherlich die Postpferde auch andern Leuten zugänglich, Lukas Rem ritt September 1515 „auf der Post" in sechs Tagen von Antwerpen nach Augsburg, im Dezember machte er mit der Post den umgekehrten Weg *. Beide Male ist die Zahl der von ihm ge- rittenen „Posten" 23.

Das Geheimnis des Gewinnes der Taxis lag wohl sehr bald darin, dafs sie eine staatliche Anstalt hatten, für die der Staat aufkam, in der nebenbei gestatteten , langsam aufkommenden Benutzung für Private lag der Gewinn. Stillschweigend wurde der Zweck der Posten verallge- meinert. Ich glaube, man darf ruhig seit 1500 die taxisschen Posten als Posten in dem von mir ausgeführten Sinne bezeichnen.

Sehen wir uns die für uns in Betracht kommenden Routen an, so weit sie sich bis jetzt nachweisen lassen. Der Gotthard hat wohl eine mailändische, aber keine taxissche Post gesehen. Die Post von Mailand nach Chur-Lindau erscheint nur 1497, eine Fortsetzung ist mir nicht bekannt geworden. Auch die die Alpen quer durchsetzenden Ver- bindungen von Mailand und Innsbruck waren nur ephemer. Der Schwabenkrieg hat sie natürlich vernichtet und es entwickelte sich von

^ Rübsam in Hist Jahrb. 21. 26 nach Figini. « Greiff 18 u. 21.

508 Vierund\'ierzig8te8 Kapitel.

selbst, dafs die Eidgenossenschaft von der Post umgangen wurde. Der politische Mittelpunkt der deutschen habsburgischen Lande war Inns- bruck, das begünstigte den Brenner und die Eidgenossenschaft verlor aus politischen Motiven den Postverkehr.

Zwar ist 1512 über die Errichtung von kaiserlichen Postkursen auf den Tagsatzungen der Eidgenossenschaft verhandelt worden ; die Eidgenossen wollten Maximilian freie Hand lassen * , doch ging der Kurs Innsbruck- Zürich 1515 wieder ein^. Die Schweizer waren mit ihren lokalen Boten- anstalten zufrieden und interessierten sich nicht für ein Unternehmen, das centralistisch und monarchisch schien. Im Gütertransport hatten sie neue Formen entwickelt, im Brief- und Personenverkehr versagten sie sich der neuen Idee. Sie hielten an ihren alten Botenanstalten fest.

Erst seit 1693 trug der Gotthard wieder eine Post, die der Berner Postregalpächter Beatus Fischer und die Züricher von Muralt ein- richteten^. Über den Zustand der Verbindungen unterrichtet der spanische Postmeister in Mailand, Ottavio Codogno in seinem Nuovo itinerario, das mir in der Ausgabe von 1608 vorliegt. Er kennt einen einmal wöchentlich gehenden Ordinariboten von Mailand nach Lindau, der über den Splügen ging und dann über Chur und Werdenberg den Bodensee erreichte*. Von diesem Wege ein wenig abbiegend ging auch ein Fufsbote bis Plurs im Bergell. 1627 war die Postverbindung Sache der Stadt Lindau, die vier Bürger zu Ordinariboten verordnet hatte, von denen alle Woche einer nach Mailand ritt, der die Briefe, aber auch die Passagiere beförderte; wie umgekehrt wöchentlich ein Mailänder in Lindau eintraft. Selbst diese Post ist noch keine volle Post in unsenn Sinne. Codogno führt weiter eine ganze Reihe von poste< auf, allein der Ausdruck bezeichnet zunächst nur Relais für Pferdewechsel und mit diesen waren die Wege versehen, die er aufzählt. Da erscheint eine Route über Como oder Varese nach Bellinzona, über den Gotthard nach Luzern^. In Luzern führt das Handbuch den Anschlufs nach Basel- St. Di^-Nancy an , wonach der alte St. Amariner Weg nicht benutzt wurde, dann zweigte in Altorf die Verbindung Brunnen, Zug, Zürich, Konstanz ab''. Von den Graubündner Pässen führt Codogno, vom Maloja und der Splügenstrafse abgesehen, auch noch eine Verbindung von Brescia mit Chur über Bernina und Albula an®.

> Eidgen. Abschiede 3, 2, 620. « Graf Taxis a. a. O.

8 Vgl. Archiv f. Post u. Telegraphie 10, 166. Die von Zürich zweimal wöchent- lich abgefertigte Post traf nach 3*/2 Tagen in Mailand ein.

* Codogno S. 233. 382. «^ Hub er 79 nach Fürttenbach.

® S. 169. 382. Auch dal'Herba, Itinerario delle poste Roma 1563 giebt schon diese Route durch das Kaisersberger Thal nach Plainfaing an. S. 81.

•» S. 162, 169, 173. 8 S. 300.

Die Einführung der Posten. 509

Der Weg durch Graubünden empfehle sich aber für einen, der schnell reisen wolle, nicht, diesem lobt Codogno den Umweg über den Brenner und Innsbruck, selbst wenn er von Mailand nach Köln wolle. Der Weg über den Simplon ist ein Teil der Route Mailand-Lyon*, der Pafs von Jougne wird in dem Itinerario überhaupt nicht erwähnt.

Der Brenner hatte den schleunigen und fernen Verkehr ganz an sich gezogen, die natürlichen Vorzüge der schweizerischen Pässe traten zurück gegenüber den politischen Interessen. Die monarchisch geleiteten Staaten umgingen mit ihren Staatsposten das Gebiet der Eidgenossen. Die Verbindung zwischen Italien und Deutschland war also mehr als je auf den Brenner abgelenkt und die Hauptpoststrafse schnitt nun die natürliche Verkehrslinie fast in einem halben rechten Winkel. Nicht Basel oder Konstanz hatten den Vorteil, sondern Augsburg.

Die Route des Poststundenpasses von 1500 ist nicht unverändert erhalten geblieben, soweit ich das aber jetzt beurteilen kann, haben die Taxis doch sofort auch einige Anordnungen getroffen , die nicht geändert wurden, so lange die Post in erster Linie eine dem habsburgischen Hause dienende Verbindung zwischen den Niederlanden und Tirol war. Der Weg von 1500 ging über Memmingen-Ulm, später wurde Ulm um- gangen. Die grofse Bedeutung von Augsburg, die Stadt der kühnsten und reichsten Geschäftsleute, liefs es natürlich erscheinen, den Umwog von dem Fernpasse aus über Augsburg zu machen^. Dafür umritt die Post Ulm (Günzburg, Elchingen, Westerstetten) ^. Im übrigen folgte von Westerstetten abwärts die Post schon 1500, wie nun Jahrhunderte lang dem Laufe der alten Strafse Ulm-Cannstatt, auch dann benutzte sie den uralten Weg auf Bruchsal.

Der Rheinübergang erfolgte bei Rheinhausen-Speier. Rheinhausen war schon 1500 ein wichtiges Postamt, dort mündeten die Briefe ein, die vom oberen oder unteren Rhein kamen*. Rheinhausen war so wichtig, dafs hier wie in Augsburg meistens ein Glied des Hauses Taxis selbst das Postamt versah*.

Die Route folgte nun nicht etwa dem Laufe des Rheins, obwohl sie den Strom wieder oberhalb Bonn erreichte, um dann nach Mecheln westlich abzubiegen. Der Weg dem Flufslaufe folgend gefiel nicht, sondern die Route wurde ziemlich direkt gelegt, sie ging bergauf.

1 S. 232 u. 158.

' Schon vor 1514 dürfte Augsburg ein Postamt erhalten haben. Rübsam 201.

» Codogno 178.

* S. meinen Nachweis über die Bedeutung Rheinbausens in dem Poststunden- pafs in Mitteilungen des Inst. f. österr. Gesch. 20, 284—287.

^ Die Abrechnung eines Postmeisters zu Kheinhausen von 1597 ist erhalten und gewährt einen vorzüglichen Einblick. Vgl. Rübsam im Hist. Jahrb. 13, 45.

510 Yienmdyjerzigstes Kapitel.

bergab, über den Soonwald, den Himdsrück und die Eifel, die Nahe wurde unterhalb oder bei Kreuznach überschritten, die Mosel bei Hatzenport, das Rheinufer wurde bei Breisig erreicht

Die Strecke vermied nicht nur die Windungen des Rheinlaufes zwischen Speier und Koblenz, sondern täusche ich mich nicht ging sie den Städten überhaupt aus dem Wege. Nicht ein einziger Botenwechsel erfolgte in einer Stadt Rheinhausen , wo sich schon 1500 die Boten kreuzten , war ein Dorf, die Post von Ulm war in dem nahen Dorfe Söflingen und auf dem meilenlangen Ritte von Breisig bis Speier kam der Reiter kaum durch eine einzige Stadt Ich glaube, diese Städtescheu hatte einen guten Grund. Die Städte waren nachts ver- schlossen und da das Geheimnis der Post der Nachtdienst war, muliste die Route so gelegt werden, dafs möglichst wenige Städte bei Nachtzeit zu umreiten waren oder an ihren Pforten lange um den Durchlafs ge- beten werden mufste. In dieser Städtescheu offenbart sich auch der ursprünglich rein dynastische Zweck der Posten, die ausschliefsliche Betonung der Endpunkte, die Vernachlässigung des zwischenliegenden Landes; es kommt ihnen auf die Verbindung der Höfe an, nicht auf die der Städte, sie sollen Staatsdepeschen befördern, keine Kaufmannsbriefe.

Die Route hat an Rheinhausen stets festgehalten, nördlich von Rheinhausen bezw. Kreuznach wurde der Transportweg aber verlegt, denn später wurde bei Namur die Maas überschritten, also weit südlicher als einst. Die Stationen deren Namen bei Codogno* entsetzlich ver- stümmelt sind lagen also mehr nach Südwesten hin, als jene von 1500. Der alte Weg erhielt sich als Verbindung von Rheinhausen mit Remagen und Köln^.

So wirkten also die politischen Ursachen auch hier ein. Die Eid- genossenschaft wurde von den Strafsen des habsburgisch-bourbonischen Machtbereiches umgangen und das Handbuch des mailändischen Post- meisters Codogno kennt kaum noch Basel und Konstanz. Strafsburg nennt es überhaupt nicht. Doch daneben ging der Verkehr noch immer über die schweizerischen Pässe, jedoch in den alten Formen und für den Warenverkehr kamen diese taxisschen Posten überhaupt noch nicht in Frage. Die politischen Neuigkeiten aus Italien und den Niederlanden verbreiteten aber nicht mehr die Wirte der von den Fremden besuchten Gasthäuser, dem Wirte war als Faktor in der öffentlichen Meinung der Postmeister als Konkurrent entstanden.

^ S. 166. Auch in den jüngeren Ausgaben.

Quetsch läfst ihn 1580 eingeführt werden. S. 130.

Siebentes Buch.

GESCHICHTE DES HANDELS IM SPÄT

MITTELALTER.

Erster Teil.

HANDELSPOLITISCHES.

Ftinfundvierzigstes Kapitel. Versuche einer Beichshaiidelspolitik.

Vereinzelte Eepressalien: Ludwig der Bayer, Karl IV., Buprechi. Die grofse Hanäthsperre Siegmunds gegen Venedig, Politische Orütide, Weg nach dem Schivarzen Meere, Genua statt Venedig, Zwei AJctenstiicke, Verhandhingen und Verbote. BeichS' tag in Breslau, Neue Kapereien,

Von einer Handelspolitik deutscher Könige ist auch in den beiden letzten Jahrhunderten des Mittelalters nicht zu reden, wo in den be- nachbarten Reichen , vor allem in Frankreich , aber auch in den Fürsten- tümern Norditaliens der Staat seine Aufgabe auf dieses Gebiet ausdehnte und namentlich auch in England der grofse, für die Welthandelsge- schichte entscheidende Umschwung begann.

Die deutsche Zollpolitik haben wir schon öfters zu besprechen ge- habt, sie kennt seit König Albrechts Tode keine Rücksichten auf den Handel des gesamten Landes, höchstens auf lokale Interessen. Von einer Verkehrspolitik ist erst recht nicht zu reden und wenn wir uns nun dem Handel zuwenden, so ist auch dort dasselbe Bild. Das König- tum tritt gelegentlich für den Schutz des Kaufmanns ein, zumeist übcr- läfst das Reich aber die Kaufleute ihrem Geschicke. Es gab keinen Kaiser, der den Interessen der Städte wachsamen Auges gefolgt wäre. Mitunter greifen Könige ein, um durch eine Handelssperre eine der italienischen Handelsstädte zu politischer Abhängigkeit zu zwingen. Der Handelskrieg bez. das Handelsverbot ist eine Waffe, die Interessen des

512 Fünfund vierzigstes Kapitel.

deutAchen Handels sind dabei dem Reiche fast gleichgültig. Sehr erheb- lich ist bereits der Anteil der Territorialstaaten y die allmählich eine Handelspolitik zu betreiben beginnen , ftir eine ernsthafte und glückliche aber viel zu kleine Gebiete besafsen.

Vereinzelte Fälle königlichen Eingreifens in der einen oder anderen Art seien aus dem vierzehnten Jahrhundert angeführt. Als Venedig 1346 auf deutsche Waren eine neue Auflage machte, gestattete Kaiser Ludwig der Bayer, dafs die Deutschen ebenso nun die venetianischen Waren behandelten. Das Verfahren hatte eine sofortige Wirkung, der Doge nahm das Gebot zurück ^ In einem anderen Falle gestattete Karl IV. den Ntirnbergem gegen Florenz , weil es in einer gerichtlichen Angelegenheit sich dem Willen des Kaisers nicht fügte, Thätlichkeiten zu begehen, Kauflcute und Waren anzuhalten*. Das Verfahren g^en Mailand und Venedig wegen Burkhard Münchs von Landskron ist oben ausführlich besprochen *. Das erste Verkehrsverbot, das ich kenne, erliefs derselbe Kaiser, Nürnberg solle nicht mit Bemabo Visconti verkehren*. Fast lückenlos liegt uns eine Korrespondenz aus den Tagen König Ruprechts vor, der Ende 1401 dem Kölner unter dem Erzbischof stehen- den Greven Konstanz von Lysenkirchen den Befehl gegeben hatte, Kaufleute von Aachen und Mailand zu „bekümmern." Aachen war in der Reichsacht und des Königs Feindschaft gegen Johann Galeazzo von Mailand ist ja der Grundton seiner italienischen Politik. Der Kölner Greve verhaftete nun den Malländer Johann de Sicheriis, der dreizehn Fardel Barchent bei sich hatte. Sie gehörten Francesco Fossati von Mailand, der sie durch seinen Knecht an seinen Landsmann Antonius Alchirius gelangen lassen wollte. Der Mailänder Herzog blieb die Ant- wort aber keinen Augenblick schuldig, er liefs zwei Ravensburgem, die von Venedig mit ihren Waren kamen, die Waren wegnehmen und den einen, Konrad Füllsag, auch festhalten. Die Stadt Ravensburg wandte sich an ihren Bund der sieben Boden Seestädte und in ihrem Namen trug Konstanz die Sache dem Herzoge wie der Stadt Köln vor. Ruprecht suchte die Freilassung zu verhindern, er stellte seinen Schritt als eine Repressalie dar gegenüber dem Mailänder, der gegen Schwaben und Nürnberger vorgegangen sei. Doch ging Köln voran und der Herzog blieb auch nicht zurück, er gab zum Schlufs ausdrücklich den Kölnern einen Geleitsbrief zum freien Verkehr. Der Versuch eines so schwachen

1 Böhmer-Ficker, Acta imperii Nr. 818 u. 820 und dazwischen einzureihen Simonsfeld 1 Nr. 119.

- Bnhmor-IIuber 3578.

» S. S. 409 ff.

* Böhmor-Huber 3963.

Versuche einer Reichshandelspolitik. 513

Königs wie Ruprecht durch Handelsstörungen den verhafsten Visconti zu schädigen, war gescheitert * und König Ruprecht gab nun auch seiner- seits trotz der Feindseh'gkeiten allen Lombarden für die Reise durch Deutschland freies Geleit bis auf Widerruf, der zu Strafsburg erfolgen sollte^. Und Strafsburg bemühte sich nun auch auf Bitten des Kauf- manns Paulus von Camercio wie beim König, so auch beim Bischof von Strafsburg und dem elsässischen Landvogt Sicherungsbriefe zu erreichen, wobei es guten Erfolg hatte®.

Der umfassendste Versuch, eine Handelssperre im politischen Inte- resse durchzuführen, geht auf Siegmund zurück und dabei verfolgte er auch die Absicht, dauernd einer anderen Stadt und ihrem Hafen den Verkehr zuzuführen, es handelte sich um die Erhöhung Genuas auf Kosten Venedigs. Siegmund hoffte durch den Boykott von Venedig die verhafste Signoria zu demütigen und zu bezwingen. Was Napoleon später gegen England vergebens versucht hat, unternahm hier ein mittelalterlicher Herrscher. Rein politische Motive haben in beiden Fällen den Herrscher zu einem Handelskriege gebracht. Mit Venedig lag König Siegmund seit Anfang 1412 in offenem Kriege, die Motive lagen in der Beeinträchtigung seines ungarischen Reiches, in der Fest- setzung der Venetianer in Zara und anderen dalmatinischen Orten, die der ungarische Kronprätendent König Ladislaus von Neapel der Signoria eingeräumt hatte, nebenbei auch in der Expansion der Markus- republik in Friaul und nach der Lombardei hin. Im wesentlichen ver- folgte Siegmund ungarische Interessen und diesen sollten sich die der deutschen Handelsstädte unterordnen.

Nun hatte Siegmund aber doch so vielen Sinn fUr das Thatsächliche, so viel Umblick in der allgemeinen Weltlage, dafs er nicht allein die Vernichtung des venetianischen Handels erstrebte, sondern den kühnen Plan einer gründlichen Umgestaltung der gesamten Handelsbeziehungen zwischen der Levante und dem Abendlande fafste. Diese Versuche ziehen

^ Die bezügl. Korrespondenzen sind in Zeitschr. f. Gesch. d. Oberrheins Bd. 4 und Mitteilungen Stadtarchiv Köln Heft 14 veröffentlicht. Es sind: 1) Januar 11: Konstanz an den Herzog 4, 33; 2) Februar 10: Herzog an Köln 14, 88; 3) Februar 11: Mailand Sekretär an Konstanz 4, 34; 4) Februar 18: Kaufimann- schaft Mailand an Köln 14, 90; 5) März 8: König Ruprecht an Köln 14, 90; 6) März 12: Konstanz an Köln 14, 91 u. 4, 35; 7) März 21: Ruprecht an Köln 14, 92 und Reichstagsakten 5, 5; 8) Mai 5: Köln Garantie für den Greven Mitteil. 27, 231; 9) Mai 7: Greve gelobt Genugthuung 14, 91 Anm. und Mitteil. 24, 111; 10) Mai 16: Köln an Konstanz 4, 86; 11) Mai 24: Konstanz an Köln 14, 14 Nr. 6920; 12) Juni 29: Konstanz an den Sekretär 4, 37; 13) Juli 13: Herzog Geleit für Köln 14, 95. Vgl. Reichstagsakten 5, 5 und Hans. Urkb. 5 Nr. 508.

^ Reichstagsakten 5 Nr. 301.

8 Ebda. Nr. 363.

Schulte, Gesoh. d. mittel alterl. Haudels. 1. 33

514 Fünfundvierzigstes Kapitel.

Sich durch fast zwanzig Jahre hin*. Süd Ostdeutschland wollte er durch die Donau, Südwestdeutschland aber durch Genua mit der Levante in Verbindung bringen.

In diesen Bestrebungen fand er nicht allein den Widerstand Vene- digs, sondern den sehr fühlbaren fast aller oberdeutschen Städte, die mit der Herrin der Adria in Handelsbeziehungen standen. Thatsäehlich ist daher die Handelssperre nur für ganz kurze Frist durchgeführt worden. Und gerade dieser Streit rückt die Bedeutung von Venedig heller ins Licht als alle anderen Thatsachen.

Der Kaiser suchte die eine, die unfraglich wichtigste Pforte, aus der die Schätze des Orientes zu uns gelangten , zu versperren , er mufste eine andere öffnen und kühnen Sinnes wie er war, dachte er daran, den Handel wieder auf den alten Pfad zu legen. Er gab Januar 1418 zwei Brüdern , Johann und Konrad Fischer, deren Heimat leider nicht bekannt ist, den Auftrag, von der Donaumündung und Pera auf der Donau nach Ungarn und Deutschland eine Handelsstrafse zu legen. Die Urkunde giebt als Ziel Kilja an der Donaumündung und Kaffa (d. h. Feodosia), den Vorort unter den genuesischen Kolonien am Nordge- stade des Schwarzen Meeres und Pera, die genuesische Kolonie von Konstantinopel an^; es sollte also der Verkehr den Umweg über Italien ganz vermeiden. Ein kühnes Projekt, aber ein Projekt, das nicht aus- zuführen war. Der Sieg Timurs über Bajazed in der Schlacht von Angora hatte den Todeskampf des byzantinischen Reiches um 50 Jahre verlängert, auf der Route, die gewählt werden mufste, waren also Griechen und Türken scharf rivalisierende Herren, der Sultan Mohamed I. hatte eben auch einige wallachische Städte an der Donaumündung besetzt. Ich sehe ganz davon ab, dafs die Privilegien der Stadt Wien, die seit 1198 jeden westländischen Kaufmann vom Handel nach dem Orient aus- schlössen, diesen Weg nur den Wienern geöffnet hätten. Die Süddeut- schen, welche Wiens Stapel nur zu genau kannten, konnten einer solchen Strafse, die fast notwendig über Wien gehen mufste, kein Vertrauen entgegenbringen. Wiederholt ist Siegmund auf den ungarischen Handels-

' Die Quellen sind veröffentlicht in den Reichstagsaktcn Bd. 7, 8u. 9, bei Simons feld Nr. 313. 19. 34. 35 f. 50. 52. 59 und hei Alt mann n, aufserdem unsere Urkunden Nr. 353, 381 u. 382. Eine eingehende Darstellung giebt Simons feld 2, 44 ff. und vor allem Stieda, Hausisch -venetiani sehe Handelsbeziehungen. Seit- dem haben die Altmannschen Regesten neues Material geliefert, auch weiche ich in der Datierung der beiden bald zu besprechenden Aktenstücke von Stieda ab. Vgl. auch Eneas Sylvius, De viris illustribus S. 65.

2 Altmann 2857: »c/e partihus transmarinis de Kyla, Kaffa et Pera ac oZii« civitatibus et terris in flumine Danubio versus Hungariam et deinde versxis partes AI- manie'. Über die Kolonien vgl. Heyd, Levantehandel.

Versuche einer Reichshandelspolitik. 515

weg zurückgekommen, Belege für wirklichen Verkehr auf diesem Wege sind mir nicht bekannt geworden.

Das erste Handelsverbot richtete Siegmund an eine eigentümliche Adresse, an die Hansestädte^ und wenn er auch Brügge zu ihnen rechnen mochte , so hatte dieses Gebot wohl keinerlei Wirkung ausge- übt. Der Kaufmann hatte kein Interesse, das Gebot zu beobachten und welche Macht und welche Autorität besafs Siegmund im Bereich der Hansa ? Direkte Beziehungen zwischen der Hansa und Venedig gab es zwar, aber doch nur in bescheidenem Umfange. Sollte die Mafsregel Ernst bedeuten, so mufste das Verbot an die oberdeutschen Städte er- lassen werden. Sie hatten sich um ein allgemeines Schreiben, worin er zur Bekämpfung von Venedig aufforderte, natürlich nicht gekümmert und der Waffenstillstand vom April 1413, der später bis zum April 1418 erstreckt wurde, hatte ja auch die Ruhe wieder hergestellt.

Schon vor Ablauf des Waffenstillstandes war der Kaiser gewillt, dieses Mal die Handelssperre allgemein zu machen und er proponierte den Städten einen neuen Weg. Damals war es, dafs er den Weg nach dem Schwarzen Meere vorschlug und zugleich lenkte er die Blicke auf Genua und er bediente sich bei den Verhandlungen derjenigen Stadt, die unter allen deutschen am meisten Interesse am Handel mit Genua hatte, Konstanz. Und so tritt nun in den nächsten Jahren Konstanz für Siegmund ein, ohne jedoch den Widerstand der anderen Reichsstädte, vorab Nürnbergs, besiegen zu können.

Aus dem Verlaufe des Streites sind für die Handelsgeschichte zwei undatierte Aktenstücke besonders wichtig, die vorab zu besprechen sind. Ein Konstanzer Bürger wurde von seiner Stadt und ihren Nachbaren* an den Dogen von Genua Tommaso da Campofregoso (1416 22) und den Herzog von Mailand gesendet, um dort Stimmung zu machen. Er veranlafste ein höchst interessantes Schriftstück, das die Vorzüge von Genua vor Venedig schildert®. Es ist ein von den von Mailand und Genua gesandten Boten vorzulegendes Promemoria, das in anschaulicher Weise den Deutschen die Handelsprinzipien von Genua und Venedig gegenüberstellt.

Die politische Treue der Herzöge von Mailand und der Dogen von Genua gegen das Reich wird zunächst freilich mit wenig Recht angerühmt, eher läfst man sich das Lob der Ehrlichkeit der Kauf-

1 Alt mann 192. 1412 Februar 12.

^ Stieda redet S. 16 irrig von einem Auftrage des Königs.

* Wegen seiner Wichtigkeit gebe ich das schon in den Reichstagsakten ge- druckte Stück nochmals in den Urkunden Nr. 881. Die Briefe des Herzogs wie des Dogen an den Kaiser sind leider nicht erhalten. Wie nachher zu erweisen ist, gehört das Stück zum Ende des Jahres 1419 bez. Anfang 1420 vor den Breslauer Reichstag.

33*

516 Fünfundvierzigstes Kapitel.

leute beider Städte gefallen. Der Thatsache, dafs Venedig ftir einen Teil der deutschen Städte näher sei als Genua, wurde der billigere Ein- kauf aus erster Hand entg^engesetzt. Interessant sind die Angaben, dafs Genua 100 grofse Schiffe von ein bis drei Deck fiihre, während Venedig nur kleine Schiffe habe. Genua spare also an Transportkosten und das äufsere sich im Marktpreise. Die Abgaben seien niedriger als die jetzt zu Venedig erhobenen und wenn die Deutschen wieder die Freiheiten, die sie vor 45 und 50 Jahren genossen, erhalten, werden ihre Abgaben zu Genua nur * s der zu Venedig sein. Dann wiesen die Genuesen auf den Zwang von Venedig hin, das die Kauf leute wie das liebe Vieh nachts in dem Fondaco einsperre. Und nicht minder un- günstig für die Deutschen sei das venetianische Gebot, dafs die deut- schen ELaufleute ihre Waren nach einer bestimmten Frist zu einem von Venetianern taxierten Preise veräufseren müfsten. Weiter heben die Genuesen rühmend hervor, dafs die Deutschen den Erlös des Verkauften in barer Münze aus ihrer Stadt abführen könnten und nicht gezwungen seien, ihn wieder zum Ankaufe von Waren zu verwenden, wie das in Venedig gefordert werde. Der Schlufs dieser geschickten Lobrede auf Genua hebt mit vollem Rechte einen wichtigen Unterschied zwischen den beiden Mittelraeerhäfen hervor. In Venedig konnte der Deutsehe kein Schiff chartern, wohl aber konnten sie von Genua aus zu Schiff Handel nach Osten und Westen treiben. Es war diese Thatsache richtig. In Venedig fand der deutsche Kaufmann die Grenze, Genua aber war seine Pforte für den Handel nach Spanien, wie nach dem Oriente^.

Ein weiterer Schritt zu einem Vertrage Hegt in einem undatierten deutschen Aktenstücke vor, das von deutschen Anschauungen ausgeht und angiebt, wie weit die Genuesen denen entgegenkommen wollten*. Sicherheit der Strafse im Gebiete von Mailand und Genua, Ersatz etwaigen Schadens, Fixierung aller Arten von Abgaben, Ordnung von Mafs und Gewicht , der Ballenbinder u. s. w., kein Zwang zum Wohnen wurden gefordert. Wichtiger noch als diese in den meisten Sicherungs- briefen vorkommenden Punkte ist die Forderung, dafs der Deutsche in Genua mit jedermann, er sei Gast oder Bürger von Genua, handeln dürfe. Das war ein Kardinalunterschied von Venedig. Die Forderungen, dafs die Deutschen nicht solidarisch für sich oder ihre Fuhrleute haftbar sein sollten, gehört wie wir wissen zu dem eisernen Bestände

* Aus dem ßahmen des Aktenstückes erfahren wir weiter, dafs auf die An- regung von Konstanz der Doge von Genua sich an den Herzog Filippo Maria Visconti gewandt hatte, und diese beiden nun eine Botschaft ins Reich entsandten. Die Gesandten wurden beglaubigt bei Bern, Basel, Freiburg i. C, Konstanz, Ulm, Kegensburg, Passau, Wien, Nürnberg, München und Augsburg.

Abdruck in den Urkunden Nr. 382.

Versuche einer Reichshandelspolitik. 517

aller Sicherungsbriefe, ebenso eine Frist nach Ausbruch eines Krieges, hier wurden drei Monate gefordert Nach Friedensschlufs sollten diese Bestimmungen sofort wieder in Kraft treten.

Dieser „Ratschlag" war unzweifelhaft von einer Seite, die für Genua wohlgesinnt war, ausgegangen, ich zweifle nicht, dafs es Konstanz oder Ravensburg ist, heute liegt das Stück in Nürnberg, das eher Venedig günstig war. Das Stück steht mit dem eben besprochenen wohl in Zusammenhang.

Ob den Genueser und Mailänder Boten, die Sommer 1417 zu Kon- stanz Siegmund aufsuchten*, dieser Ratschlag bereits vorgelegt wurde, ist mir sehr zweifelhaft, sie versprachen freilich, jedoch in allgemeinen Ausdrücken, den Kaufleuten keine hohen Auflagen zu machen und sie besser als in Venedig zu behandeln. Das machte der König auch den Städten bekannt, als er am 1. Oktober 1417 den Städten den Handel mit Venedig verbot und verkündete, er werde nach Ablauf des Waffen- stillstandes (5. April 1418) den Krieg beginnen^.

Über die Einrichtung des Handels mit Genua sollte in Konstanz mit den lombardischen Gesandten, die der König zurückhalten wollte, verhandelt werden und des Handels verständige Boten sollten die Städte Regensburg, Köln, Mainz, Strafsburg, Worms, Speier, Basel, Augsburg, Konstanz, Nürnberg, Frankfurt und Ulm zu diesem ersten deutschen Handelstage, den ein deutscher König ausschrieb , entsenden. Die Kauf- leute waren davon wenig erbaut, selbst Ulm und Augsburg waren da- gegen^. Erst im März rief Nürnberg , dem Vorgehen Augsburgs folgend, seine Kaufleute von Venedig zurück. Ob der Tag in Konstanz überhaupt stattgefunden hat?

Nach Ausbruch des Krieges erneute der König am 2. Juli, 26. Juli und 18. August 1418 das Handelsverbot und verkündete, dafs er vielen Getreuen Auftrag gegeben habe, Gut, das fürbafs nach Venedig gehe, niederzulegen, in dem letzten Briefe verkündete er, dafs er den Weg durch Ungarn sichere*.

Die Städte gaben die Hoffnung nicht auf, den Handel mit Venedig wieder eröffnen zu können. Auf einem Ulmer Tage scheint beschlossen zu sein , zu versuchen , den König mit Venedig zu versöhnen. Es kamen venetianische Gesandte nach Deutschland*. Doch die Verhandlungen zerschlugen sich und der König stellte wirklich Kaperbriefe aus und verbot erneut den Handelsverkehr®.

1 Reichstagsakten 7 Nr. 239 Art. 8.

2 Reichstagsakten 7 Nr. 239. 8 Stieda S. 20.

* Reichstagsakten 7 Nr. 240 u. 241. Das Stück vom 26. Juli bei AI tmamn 8386. B Vgl. auch Altmann 8659 u. 3719. « Altmann 3684. 3754 u. 3881.

518 Fünfundvierzigstes Kapitel.

Das Projekt der Verbindung mit Genua schwebte noch immer in der Luft, da erschien nun auf dem Reichstage, der im Januar 1420 in Breslau stattfand, der Erzbischof Bartliolomäus de la Capra von Mai- land. Er war der Träger des Promomeria, das wir oben ausführlich behandelt habend Der König gab es bekannt und forderte am 20. Januar die Städte, namentlich Strafsburg, Mainz, Worms, Speier und Nürnberg auf, zu einem auf den 23. April 1420 nach Ulm zu be- rufenden Städtetage Boten zu senden, damit dort die Angelegenheiten der Genueser Strafse wohl versorgt und verbrieft würden^. Und als Konstanzer oder Ravensburger Vorschlag für diese Verhandlung mufs wohl der oben schon besprochene deutsche „Ratschlagt gesetzt werden. Dieser Ulmer Tag verlief ergebnislos, da ein bedeutender Teil der wichtigsten Städte sich fernhielt^. Die Venedig freundlichen Städte setzten beim Könige neu an und wirklich erreichten wenigstens Ntim- berg und Breslau, dals der Handel mit Venedig ihnen frei gegeben wurdet

Es erfolgte aber noch ein schwerer Rückschlag gegen die Wünsche dieser Städte. Die Genuesen hatten den Wünschen von Konstanz und Ravensburg so dürfen wir wohl sagen nachgebend, neue Kon- ventionen zu Gunsten der Deutschen erlassen, ja noch mehr, die Stadt^ nunmehr unter der Herrschaft der Visconti , sandte den Thomas Sophias nach Konstanz, wo er am 3. Juli 1423 erscheint, die Bodenseestadt teilte die Konventionen frohlockend den Bundesgenossen mit^. Wahrscheinlich brachte derselbe Bote den von Filippo Maria am 28. August 1422 für die Deutschen bestimmten aufserordentlich günstigen Vertrag über ihren Verkehr in Mailand mit, dessen Inhalt später zu besprechen ist®. Von Konstanz reiste Sophias zu dem damals in Ungarn weilenden Siegmand. Der König fand die Zusicherungen für ausreichend und erliefs nunmehr

^ Am Schlüsse des Rahmens des oben erwähnten Promemoria redet der eine Gesandte den andern an als »patermtas vestrat, also als hohen Geistlichen an, nnd darunter ist der Erzbischof zu verstehen, und auf dieselbe lateinische Schrift nimmt der König in seinem Schreiben vom 20. Januar Bezug. Das Leben des Erzbischofs behandelt Eneas Sylvius, De viris illustribus S. 29f. Vgl. auch Archivio stör, lombardo 24, 886 ff.

8 »Daselbs gemeinlich zu ueherkomen czweier oder drier redlicJier manne, die zu dem von Meylan und von Janow herczogen riten und die vorgeschrieben ding von der Strasse, czolle sicherhaüe und aller ander handelutige wegen nach inJtalde der vorgenanten czedel wol versorget und verbrieft nemen, uff das die koufluete redlich und wol versorget und die vorgenanten Strassen gen Janotc wider uf bracht werdefu*

> Reichstagsakten 7 Nr. 287—294.

* Für Breslau 25. April 1421.

^ Unsere Urkunden Nr. 323.

Urkunden Nr. 182.

Versuche einer Reichshandelspolitik. 519

an alle seine Unterthanen in Deutschland, Italien und Tuscien eine Erneuerung des Handelsverbotes; mit Genua, nicht mit Venedig*, solle mau verkehren*.

Doch Nürnberg liefs nicht nach , es schickte Sobald Pfinzing an den König, dem er ein leider nicht auf uns gekommenes Verzeichnis merk- licher und grofser Gebrechen, die sich bei der Handelssperre gezeigt, vorlegen sollte. Der Erfolg blieb nicht aus, schon am 24. November 1423 konnte Nürnberg an Ulm und Konstanz melden, dafs der Handel mit Venedig wieder freigegeben sei.

Der König gab den Lieblingsgedanken darum doch nicht auf, er stellte immer noch förmliche Landkaperbriefe aus, wobei er es beson- ders auf die Sperrung des Fernpasses abgesehen hatte ^, und als er 1426 mit dem Herzoge Filippo Maria nähere Fühlung gewann und glauben konnte, nun Venedig wirksam den Handel zu sperren, erneute er den Oktober 1426 die Handelssperre^, dieses Mal auch die Eidgenossen mahnend, den Handel mit Venedig aufzugeben*; und in der That ver- hinderte z. B. Herzog Wilhelm von Bayern den Handel mit Venedig^.

Als Juli 1428 der Kaiser mit Venedig einen zweijährigen Waffen- stillstand abschlofs, wurde das Handelsverbot aufgehoben*. Siegmund scheint aber die Geister, die er gerufen hatte, nicht wieder haben bannen können, er erklärte noch im April 1429 formell den Städten Konstanz, Augsburg und Ulm, dafs sie wieder mit Venedig handeln dürften, und mufste noch im August desselben Jahres befehlen, Konstanz und die ver- bündeten Städte im Handel mit Venedig zu schützen^.

Und als Anfang 1431 der Kampf wider Venedig und Florenzjneu entbrannte, soll von Siegmund abermals die Handelssperre verhängt worden sein®. Mit dem ganzen Sinne seiner Politik stimmt es denn auch überein, dafs er dem Konstanzer Konrad Winterberg Repressalien verstattete und seinem Diener Hermann von Stoffeln und seinem Sekretär Hecht die Erlaubnis gab, den venetiani sehen Kaufleuten als Reichsfeinden aufzulauern und wirklich nahmen sie zwischen Kempten und Memmingen ihnen sieben Wagen weg®. Sie gehörten nicht allein Venetianern, sondern auch Kaufleuten von Siena und Lucca, die in

1 1423 August 16 Gran. Altmann 5604. ^ Altmann 6095. Januar 1425. » Stieda S. 30. Kagelmacher S. 56. * V. Liebenau t8, 346. 6 Alt mann 7010. Vgl. 6903. « Kagelmacher S. 97.

'Altmann 7239. 7240. 7241 u. 7362, auch 7435.

8 Stieda stützt sich auf A seh b ach, Gesch. Siegmunds 4, 53, dieser auf Engel, Gesch. v. Ungarn 2, 333. « Altmann 8389 u. 9293.

520 Sechsundvierzigstes Kapitel.

Venedig wohnten. Der Wagenführer war Gerhard von Köln, aufge- hoben wurden die Waren durch Heinrich von Stoffeln und Ulm nahm sie zunächst an sich^ Auch gegen die Florentiner gab der Kaiser solche Erlaubnisse^.

Mit dem definitiven Frieden vom 7. April 1433 wurde die Ruhe im Handelsleben wieder hergestellt. Das Übergewicht Venedigs über die westitalienischen Städte tritt deutlich hervor, es waren die Interessen so sehr an die Herrscherin der Adria gebunden, dafs wohl niemals alle Nürnberger Venedig verlassen haben*.

Der Versuch, Venedigs Handel zu vernichten, war gescheitert, aber eine gute Folge hatte der Versuch denn doch, Genua hatte sich durch Konzessionen bemüht, den Handel an seinen Hafen zu fesseln. Ganz eigentümlich motiviert Eneas Sylvius das endliche Scheitern der Sperre gegen Venedig. Filippo Maria trage die Schuld, er habe den Deutschen in Genua mifstraut, die die Stadt dem Kaiser übergeben könnten. Er habe lieber eine arme Stadt haben wollen, als eine reiche verlieren*. Mit den Thatsachen ist das schwer zu vereinigen.

Repressalien sind auch später noch ergriffen ^, eine Handelssperre ist während des Mittelalters nicht wieder versucht worden. Ja am Ausgang desselben hat Maximilian den deutschen Kaufleuten Geleit nach Venedig gegeben, obwohl die Stadt in der Acht war®.

Sechsundvierzigstes Kapitel.

Eanfhäüser.

Ztceck und Bedeutung für den int^nationdlen Handel. Das älteste in Mains, andere. Basel , Strafsl/iirg, Konstanz, Gredhäuser am Bodensee, Kaufhäuser in der Schweiz. Innere Einrichtung, In Konstanz und Basel Zusammaiftatig mit deti städtischen Zöllen,

In der Geschichte des Handels zwischen Deutschland und Italien haben eine bedeutende, bisher jedoch niemals recht erkannte Rolle die

' Urkunden Reichsarchiv München, Reichsstadt Memmingen Nr. 245. 247 u. 250 und die Urkunden, die Thomas, Beiträge aus dem Uhnar Archiv 288—296 ver- öffentlichte.

° An die beiden, seinen Rat Kaspar Schlick und Ulrich von Königseck. Alt- mann 9304.

« Stieda 35.

* De viris illustribus 65.

•* So dehnte Friedrich III. (IV.) den Repressalien bricf, den er zunächst für seine Lande gegen die Bologneser erlassen hatte, die einen Wiener Kaufmann, der von der Königin Elisabeth von Ungarn zum Einkauf von golddurchwirkten und seidenen Tüchern geschickt war, beraubt hatten, auch auf das Reich aus. Chmel Nr. 1642.

« Fischer 2, 612 f.

Kaufhäuser. 521

Kaufhäuser gespielt, von denen einige geradezu auf italienische An- regung überhaupt errichtet wurden. Sie sind nicht zu verwechseln mit den Kauffahrerhöfen und Fondacht\ wie der deutsche Fondaco zu Venedig, der Hof zu Nowgorod, der Stahlhof zu London, denn das waren nicht allein Lagerräume, Verkaufslokale und Zollstätten, sondern auch Her- bergen, ja Zwangsherbergen.

Es ist irrig, wenn man glaubt, die Kaufhäuser seien vorwiegend für den lokalen Kleinhandel gewesen *, das mag für einen Teil zutreffen, für die gröfseren Kaufhäuser Südwestdeutschlands ist aber diese Auffassung abzulehnen. Man mufs sich auch von den uralten gemeinschaftlichen Verkaufsständen trennen, so war die Tuchlaube das Haus der mit Tuchen en detail handelnden, in der Stadt ansässigen Tuchhändler. Die Kauf- häuser sollen in erster Linie dem Ortsfremden dienen, der dabei aber vom Kleinhandel wie vom Tuchausschnitt ausgeschlossen blieb. Erst in zweiter Linie sind sie auch Verkaufslokale für den Bürger.

Das älteste mir in Südwestdeutschland bekannt gewordene Kaufhaus ist das unmittelbar vor 1317 zu Mainz erbaute, das 1813 wegen Baufällig- keit abgebrochen wurde. Es wurde auch in baulicher Hinsicht das Vor- bild. Nach den erhaltenen Plänen enthielt es zwei als grofse Hallen gewölbte Stockwerke, es war ein durchaus feuersicherer Bau. Die weiten Hallen, die eine Grundfläche von je 8400 Quadratfufs rheinisch (annähernd 886 qm) enthielten, konnten durch Bretterverschläge leicht in „Gadem" eingeteilt werden. Der äufsere Schmuck war an dem Bau nicht ver- nachlässigt; namentlich die eine Schmalseite war reich geschmückt und ein mit den Bildern des Kaisers und den sieben Kurfürsten geschmückter Zinnenkranz schlofs den Bau oben ab ^. Über dem Einfahrtsthor befand sich ein kleiner feuersicherer Raum: das Archiv und die Kasse. Der Erbauer war der Mainzer Kurfürst Peter Aichspalter, der vielleicht ein böhmisches Vorbild nachahmte.

Die Städte der Wetterau folgten dem Beispiele: 1830 Gelnhausen, 1357 Friedberg ^, das zu Frankfurt bestand 1361*, weiter abwärts er- wähne ich das Kölner Kaufhaus, das 1355 auftaucht, wo später noch

^ Gengier, Deutsche Stadtrechtsaltertümer in dem sonst sehr lehrreichen Ab- schnitte über das Kaufhaus 330—346. Aufser der Litteratur (vor allem Schmoller [Tucher- u. Weberzunft, Strafsburg z. Zeit d. Zunftkämpfe], Geering, Gothein, Kübling) lagen mir Konstanzer, Strafsburger und Baseler Kauf hausordnungen vor^ die von Konstanz gedruckt Urkunden Nr. 347.

* Abbildungen bei Schultz, Dreizehntes und vierzehntes Jahrhundert 53 ff. Quetsch 281 ff. Vgl. Hegel in den Chroniken deutscher Städte 18, 2, 95. Böhmer, Ludw. d. Bayer 255.

* Privileg Ludw. d. Bayern f. Gelnhausen Böhmer 1117 und Hess. ürkb. Abt 2 Bd. 2 Nr. 353. Karl IV. für Friedberg (Mefsbesucher) Böhmer-Huber 2656.

* Böhmer-Huber 3532.

522 Sechsundvierzigstes Kapitel.

eine Reihe anderer, bestimmten Zweigen des Handels dienender Häuser entstand ^

Wenn ich zu den oberrheinischen Städten übergehe, so ist das schöne Kaufhaus von Freiburg vorab zu nennen , der heutige Bau entstammt der Wende des Mittelalters, ein Kaufhaus gab es aber schon um 1390^. Das Wormser wird 1403 zuerst genannt^. In Schwaben finde ich zuerst (1336) das Nördlinger Kaufhaus erwähnt*.

In Basel ist der Ursprung des alten bischöflichen Ballhofes nicht festzustellen, geht aber jedenfalls in sehr frühe Zeiten zurück. Neben ihm bestand schon 1359 ein zweites Haus*; die Stadt errichtete 1376 78 ein geräumiges Kaufhaus^.

Die Rücksicht auf die Italiener tritt zum erstenmal mit voller Deutlichkeit bei dem Bau des Strafsburger Kaufhauses im Jahre 1358 hervor. Königshofen erzählt, dafs früher jeder Kaufmann mit seinen Waren in sein Wirtshaus fuhr, wo ihm durch Diebstähle und auf andere Weise viel Schaden geschah^. Und als bei der Einrichtung des Hauses sich Strafsburg an Basel wandte, um die Höhe des dort üblichen Lager- lohnes vertraulich zu erfahren, gab die Stadt ihren Tarif bekannt. Sie nahm in den Häusern, da die . . Lamparter und ander geste ir vardel und ander gut entladen*, ein Lagergeld und bei bestimmten Waren einen Verkaufszoll. Und da erscheinen nun Tuch, Gewand, Leder, Häringe, Bückinge, Spezereien, Eisen, Zinn, Kupfer, Stahl, Butter, Ol, Buchs^ Mandeln, Feigen, '^merirüheln^, ^stner^ und Unschlitt und Wachs. Die Wagen und Karren, welche nicht abgeladen wurden, hatten eine besondere Abgabe zu zahlen, die Wollenballen werden besonders erwähnt Und als Transitgut erscheinen neben den Wollenballen vor allem die Gewand- ballen, die die Lamparter aus Flandern und Brabant durch die Stadt führen®. Die Lage des Strafsburger Gebäudes war vorzüglich gewählt^ es stiefs mit der Langseite an die „Breusch", d. h. die 111, zu der auf verschiedenen Kanälen der Zugang auch vom Oberrhein her möglich

^ Lau S. 292.

2 Schreiber, ürkb. Freiburg 2, 84.

» Boos, Städtekultur 3, 120.

* Böhmer, Regesten Ludw. d. Bayern 1803.

^ Strafsb. Urkb. 5, 402.

® Geeriug 149. 159 ff. Dafs es dabei nicht ohne Streit zwischen der Stadt und dem Bischof abging, beweist die Urkunde Nr. 393, Baseler Urkb. Bd. 4 von 1375, der Bischof wollte offenbar den Bau nicht zulassen. 1439 baute Basel ein Kornbaus, Baseler Chroniken 4, 48; 1471/91 ein Tuchhaus, daneben gab es ein Salzhaus, Geering 172. Vgl. auch Fechter, Topogr. 59.

'^ Königshofen, Chron. d. Städte 9, 744 fügt diese Motive zu Closener 8, 132 hinzu.

« Strafsb. Urkb. 5, 402.

Kaufhäuser. 523

war. Am andern Ufer in Nesselbachs Hause war das Quartier der Italiener.

Bezüglich des Konstanzer Kaufhauses, dieser herrlichen Zierde des Hafens, war man des Glaubens, dafs es für den Verkauf der Konstanzer Bürger bestimmt gewesen sei und der Beschlufs des Rates, der sich im Katsbuch befindet, sich auf ein kleineres, nun verschwundenes beziehe.

Der Irrtum beruht darauf, dafs der Eintrag als zu 1391 gehörig an- gesehen wurde, und dann allerdings müfste man an ein zweites Kauf- haus denken. Der wichtige Eintrag besagt, dafs am Dienstag vor Licht- mefs 1387 der grofse Rat beschlofs, ein Haus zu bauen, darin man den Welschen von Mailand und anderen fremden Leuten ihre Güter besorge und behaltet Eine Inschrift an dem Kauf hause giebt 1388 als den Beginn des Baues an^.

Das Gebäude ist weit weniger feuersicher, als das Mainzer es war, ist aber bis heute, wo wenigstens das untere Geschofs noch denselben Zwecken dient, ftir die es errichtet wurde, vom Feuer verschont geblieben. Mächtige Eichenpfeiler tragen die Decke der unteren Halle, wie die der oberen, die durch das Konklave von 1417 ein welthistorisches Interesse gewann. Ein hohes Dach mit drei Böden erhebt sich über dem Ganzen, nach der Seeseite ist es durch vorgekragte Brustwehren und Erker zur Verteidigung eingerichtet. Es bot in seiner früheren Gestalt in den beiden Hallen eine Lageriläche von 2110 qm, ist also geräumiger als das Mainzer es war, und in den Dachböden, die mit Aufzug versehen sind, noch weitere 2980 qm dar*. Hier ist also deutlich gesagt, wem das Ge- bäude dienen soll, und man wird auch wohl nicht fehlgehen, wenn man sich der Mailänder Gesandtschaft von 1386 und des Ausbaues der Septimer- strafse erinnert. Die erste grofse Verkaufsstelle für die nach Deutschland kommenden Lombarden, wie eine grofse Sust für ihre über die Alpen bestimmten Waren wurde damit eingerichtet.

Die gleichzeitige Überschrift nennt das Kaufhaus: ^äni gredt, es war also damals der Ausdruck „Gredhaus^ in Konstanz schon bekannt und solche Gredhäuser finden sich gerade am Bodensee.

Das Wort ist wohl von gradus abzuleiten, den Staflfeln, wie sich das Wort auch in Strafsburg für das auf Stufen zu erreichende Südportal des Münsters angewendet findet. Und da möchte man doch wohl zu- nächst an Kaufhäuser am See denken? Und ist nicht auf Grado, den Hafen von Aquileja, hinzuweisen gestattet? Das Gredhaus von Lindau habe ich zwar erst sehr spät erwähnt gefunden, 1419 wurde es erweitert*.

^ Urkunden Nr. 343.

' Kraus, Kunstdenkmäler 1, 268.

* Mitteilung des Herrn Leiner in Konstanz.

^ Lindau, Stadtarchiv, Chroniken. Mitteilung des Pfarrers Reinwald.

524 SechsuDdvierzigstes Kapitel.

Es war eins der bedeutendsten und 1485 auf zwei Jahr um 715 ^ ^ verpachtet, das Komhaus um 350 ^

Der Bau des jetzigen Gredhauses von Meersburg stammt von 1505, es gab aber schon vorher ein solches -, auch Radolfzell hatte am See sein Qredhaus, worin fremde vom See kommende Güter aufbewahrt wurden ®, wie Überlingen*. Gredhäuser finden sich auch in Ravensburg und Ulm, hier erscheint das Kaufhaus zuerst 1369^. Aarau erhielt 1391 von seinem Stadtherren Herzog Leopold die Erlaubnis, ein Kaufhaus zu bauen*; Diessenhofen hatte seins 1426 fertig'; fast alle bedeutenderen Städte der schweizerischen Hochebene hatten um die Mitte des fünf- zehnten Jahrhunderts solche. Eine Konstanzer Aufzeichnung aus dem Ende des Jahrhunderts führt St. Gallen, Wyl, Stein, Diessenhofen und Baden an®. St. Gallen erhielt 1466 das Recht, in seinen Gerichten, wo es gut schien, Stadel, Greden und Kaufhäuser zu errichten ®. Das Bemer Kaufhaus gehört zu den ältesten, es stand schon 1373**^. Das Züricher stammt aber erst aus dem Anfang des fünfzehnten Jahrhunderts ^^

In Chur wollte die Stadt schon unter Bischof Johann I. (1325 31) ein Kaufhaus errichten und konnte dafür einen kaiserlichen Freibrief aufweisen**. König Siegmund gab der Stadt 1413 auf Bitten des Bischofs Hartmann das Recht, nach dem Muster von Konstanz ein Kaufhaus zu erbauen*®. 1422 bestand jedenfalls ein solches, wenn der Bischof auch bis dahin dagegen gekämpft hatte**. Und 1464 erhielt die Stadt nach dem grofsen Brande von Kaiser Friedrich erneut das Recht, ein solches Haus zu erbauen*'^.

* Schriften d. Ver. f. Gesch. d. Bodensees 3, Regesten S. 80.

> Kraus, Kunstdenkmälor 1, 542. Mitteil. d. bad. hist. Kommission 8 (1887) Nr. 82 und Nr. 89.

»Albert 278. 577.

* Ordnung ca. 1480—90 Uberlinger Stadtarchiv. Nübling belegt den Namen GredhauS; Gredzoll u. s. w. ftir Ingolstadt, Weifsenhom, Geislingen, Kaufbeuren, Kempten, Memmingen, Schongau, S. 89.

» Nübling 91.

® W. Merz, Rechtsquellen des Kantons Aargau S. 30. Boos, ürkb. von Aarau S. 140. Vgl. 283.

' Abmachung mit den Kauf leuten und Salzfertigern von Memmingen. Reichs- archiv München. Archiv Memmingen.

8 Urkunden Nr. 364.

» Chmel, Friedr. Nr. 4611. 10 Welti 674.

" Vögel in. Das alte Zürich, 1. Aufl. 169. « Kind, Die Vogtei 229. Altmann 750.

1* Eichhorn, Episcop. Curiensis Cod. probat. 142 ff. 16 Stadtarchiv Chur.

Kaufhäuser. 525

An manchen Orten gab es neben dem Kaufhaus auch noch ein Ge- wandhaus, Leinwandhaus, Kornhaus, Salzhaus, Schuhhaus u. s. w., doch scheint Süddeutschland mehr die Waren zusammengehalten zu haben. Doch gab es Kornhäuser zu Lindau (1485 erwähnt).

Ich habe wohl nicht der Ansicht entgegenzutreten, dafs diese Kauf- häuser ausschliefslich den Fremden gedient hätten, in den kleinen Städten werden Italiener nur selten erschienen sein. Die Vermehrung der Zahl beweist aber eine allgemeine Zunahme des Verkehrs.

Die Organisation des Kaufhauslebens ist neuerdings von Schmoller für Strafsburg, von Geering für Basel, von Gothein für Konstanz und Freiburg und von Nübling für Ulm eingehend untersucht und dargestellt worden. Diese Arbeiten überheben mich der Pflicht, näher auf diesen Gegenstand einzugehen, ich kann mich mit Andeutungen der für den Fremden wichtigsten Momente begnügen ^

Das Kaufhaus war zugleich Lagerhaus und Verkaufshalle, Zollstelle und gewerbepolizeiliches Revisionslokal. Der fremde E^aufmann durfte nur in diesem Hause seine Waren haben, und der Amtmann des Kauf- hauses durfte keinerlei Verkauf aufserhalb des Gebäudes zulassen. Die Wirte waren verpflichtet, von etwaigen Abweichungen Anzeige zu machen und nur in Konstanz durfte der Hausherr eine Ausnahme gestatten. Es war damit eine kaum zu umgehende Kontrolle des Handels der Fremden ermöglicht Die Konstanzer Praxis führte zu argen Mifsständen, wie sie deutlich eine Enquete schildert*. 1445 muCste den Wirten verboten werden, irgend welche Kaufmannschaft aufzunehmen*. In Strafsburg machte die Mefszeit wenigstens zeitweise eine Ausnahme von diesem Lagerzwang im Kauf hause*.

Den Gästen war den mittelalterlichen Handelsprinzipien fast aller Städte entsprechend jedweder Handel unter sich verboten, nur in den Mefszeiten war eine Ausnahme gestattet. Der Verkauf an die Bürger durfte nur in grofsen Quantitäten erfolgen und ganz genau wurden die Grenzen festgesetzt, bis zu denen herab der Fremde verkaufen durfte.

Die Tendenz, den en ^rros- Verkauf auch der städtischen Bürger auf das Kaufhaus zu verlegen, war in Basel siegreich und auch da wurden die Gewichtsgrenzen fixiert^. Die Gewerbepolizei war im Kauf hause viel einfacher zu handhaben und naturgemäfs verband sich damit die öffentliche Wage, die in Konstanz aber unglaublich primitiv war. Da gab es nur Gewichte bis zum Betrage von 5 7 Centnern und um bei

^ An Quellen vgl. für Strafsburg Strafsb. Urkb. 5, 1041. Vgl. S. 521 Anm. 1.

a Urkunden Nr. 364.

« Urkunden Nr. ^59.

* Schmoller, Tucher- und Weberzunft 429.

^ Geering 157 flF.

526 Sechsund vierzigstes Kapitel.

schwereren Waren die Differenz herauszubekommen , legte man andere Sachen auf die Schale, die nachher dann untereinander verglichen wurden. Wenn man Bretter, Stahlballen, Kieselsteine auflegen mufste und der Gast also keinerlei Garantie für richtiges Wägen besafs, so konnte man es den Gästen nicht verdenken, wenn sie andere Wege fuhren *. Frank- furt und Nürnberg wurden wegen ihrer Wage gepriesen. Einzelne Kauf- leute hatten auf dem Kauf hause wohl besondere Verschlage (gadem) inne, was doch nicht ohne Bedenken war. Sie zahlten dafür eine Miete.

An der Spitze der Verwaltung stand , abgesehen von den jährlich wechselnden Vertretern des Rats, den beiden Kauf hausherren *, in allen drei Städten ein Hausherr oder Amtmann, der für die Ordnung im Kauf- hause verantwortlich war und mit dem die Fremden am meisten zu thun hatten. Er hatte seine feste Einnahme, an Geschenken durfte er nur Kleinigkeiten annehmen, in Strafsburg unter 1 ß Wert: einen Kamm, ein Messer, zwei Handschuhe, einen Säckel oder derartiges®. Der Kauf- hausherr hatte viele Briefe zu schreiben und da war dem Strafsburger verstattet, wenn es sich um Kaufhaussachen handelte, 6 ^ zu nehmen; wenn es aber fremde Sachen waren, so durfte er nehmen, was er Recht zu sein glaubte. Eigentümlicherweise war dem Amtmann in Strafsburg verstattet, Waren mit Ausnahme von Spezerei und gefilrbten Tüchern auf „Mehrschätzen" zu kaufen, also die Kenntnis des Marktes für sich auszubeuten*.

Ein Kaufhausschreiber war in Strafsburg und Basel thätig. Auch die Kaufhausknechte und Ballenbinder waren vereidigt, sie hatten zum Teil Kautionen zu stellen. Die Organisation ist am entwickeltsten und am deutlichsten zu erkennen in Basel, Geering giebt davon ein anschau- liches Bild. Das für kaufmännische Rechtsgeschäfte wichtige Kaufhaus- buch, in das solche eingetragen wurden, ist an keinem der drei Plätze erhalten. Dafs es in Strafsburg und Basel geführt wurde, ist nachzuweisen. Es mufste in Strafsburg jede ankommende Ware aufgezeichnet werden. Für das Heben von schweren Lasten gab es in Basel seit 1451 einen Krahn, in Konstanz finde ich ihn schon 1431 erwähnt und in Strafs- burg schon 1885^. Als Vermittler von Geschäften mufsten sich an allen drei Orten die Gäste der „Unterkäufer" bedienen.

In Konstanz und Basel hat bei der Errichtung des Kaufhauses un- zweifelhaft die Absicht mitgewirkt, den städtischen Zoll wirksamer zu handhaben. Beide Mal folgt die Errichtung dem Erwerbe eines Zolles.

1 Urkunden Nr. 364.

^ Finden sich in Basel.

» Strafsb. Stadtarchiv. Ordnungen Bd. 20 Fol. 118.

* Ebda. Doch war das nur eine persönliche Vergünstigung.

* Geering 161. Königshofen 745.

Kaufhäuser. 527

Karl rV. hatte 1375 der Stadt das Recht verliehen, auf alle Kaufmann- schaft, die man nach und von Konstanz führe, einen Zoll zu legen und nach eigenem Gutdünken abzumessend

Den Baselern hatte 1368 der Kaiser einen Zoll von nicht weniger als einem halben Gulden auf alle Fardel, Ballen und Wollsäcke ver- liehen ^ und der Ertrag dieser Steuer war mitunter fast doppelt so hoch als die Pfandsumme (2000 fl.), wofür der König sich den Rückkauf vor- behalten hatte®. 1373 erwarb der Rat auch die bischöflichen Zölle und die Fronwage*, da jedoch dieser Erwerb nur in der Form einer Ver- pfändung stattfand, wobei die Rückkaufsumme auf 12500 fl. festgesetzt wurde, mufste die gesonderte Erhebung dieses Zolles beibehalten werden. Karl IV. fand sich 1377 bereit, den Stadtzoll noch zu verdoppeln*, so dafs er jetzt einen Gulden betrug. Die beiden Städte Basel und Kon- stanz kamen Zug um Zug mit Zollerhöhungen heraus, bis 1377 er in beiden Städten gleichmäfsig \6 /} für den Wollsack betrug. Die fremden Gäste mufsten der Stadt die Kasse füllen, die Zollerträgnisse gehörten in Basel mit zu den bedeutendsten Einnahmen*. In den nächsten Jahren sank das Erträgnis bedeutend, leider kennen wir nicht die parallelen Einnahmen von Konstanz. Das Erträgnis in Basel fiel von 2000 i6 1387/88 auf 426 «J, um dann bis 1393/94 wieder die Höhe von 1300 « zu erreichen''.

Der Zoll von Basel war so hoch, dafs er einer Transitsperre ähnlich sah. Er blieb aber 100 Jahre in Kraft. Die Stadt mufste dafür sorgen, dafs die Kaufleute sie nicht umgingen. Sie suchte bei italienischen Firmen einen Strafsenzwang durchzusetzen, dafür gewährten sie ihnen einen Transitzoll von nur Vi fl. für die Saumlast Und da wurden von 1510 33 eine grofse Zahl von Firmen (26) mit diesen Vorrechten in das Kaufhausbuch eingetragen. Sie verteilen sich auf Como, Torno, Mailand, Genua, Lucca, Bergamo, Chur, Luzern, Zürich, Genf, Konstanz, Augsburg, Nürnberg und Lüttich **.

Bei Strafsburg hängt der Beschlufs, ein Kaufhaus zu erbauen, mit dem Erwerb eines Zolles nicht zusammen, wenigstens soviel sich ohne eindringliche Forschung ersehen läfst. Der uralte bischöfliche Zoll wurde im „Zollkeller" erhoben. Dieser Zoll ist jedoch nicht zum Kaufhauszoll

1 Gothein 1, 463. Böhmer-Huber 7413.

a Böhmer-Huber 4642. Baseler ürkb. 4 N. 322.

* Geering 149.

* Baseler Urkb. 4 Nr. 359.

» Böhmer-Huber 5798. Baseler ürkb. 4 Nr. 423.

* Geering 149. ■^ Geering 150.

» Urkunden Nr. 316.

528 Sechsundvierzigstes KapiteL

umgewandelt, sondern blieb bestehen, er war noch am Ende des sech- zehnten Jahrhunderts in Kraft. Es war das im wesentlichen ein Pfund- zoll, eine Verkaufsgebtihr von 4 ^ auf das Pfund, also von 1,66 ®/o*. Ein Zoll, dessen Eigentümer die Stadt, war der zu Neuburg 1370 ver- liehene, den Wenzel 1381 nach Strafsburg zu verlegen gestattete^; dieser Zoll ist wohl der, der nun auf dem Kaufhaus erhoben wurde, von 1358 bis 1381 dürfte sich die Stadt mit einem Hausgelde begnügt haben. In Strafsburg haben wohl auch die Mifsstände im Zollkeller, über die sehr lebhafte Ellagen gefUhrt wurden^, die Erbauung eines städtischen Kauf- hauses veranlassen helfen.

* Vgl. unten unter Zöllen.

« S. oben S. 432.

« Strafsb. Urkb. 5, 383.

Zweiter Teil.

DER ANTEIL ITALIENS.

Siebenundvierzigstes Kapitel. Allgemeines. Oenna: Privilegien und Organisation der Fremden.

Die Stellung der Fremden im Rechte, Prinzip der Gegenseitigkeit. Bepressdlien. Hecht der Fuhrleute.

Genuas Bedeutung, verdrängt Pisa^ Rivalität mit Venedig, Innere Kämpfe. Fremd- herrschaften, Privilegien für die Deutschen, Verhandlungen von 1398, Angaben von Ulmann Stromer, Nicht erhaltene Privilegien, VerhandJwngen und Primkgien von 1424/25, Konrad Her vofi Konstanz, Fondaco, Tarifermäfsigungen. Conventiones von 1466, Heinrich Frey von Konstanz, Befreiung der Genuesen im Reiche, Über- blick über die Privilegien, Die Konsuln der Deutschen, Reihenfolge, Befugnisse. Kleine deutsche Leute, Die Brüderschaft der Fremden,

Wer wcifs, wie stark der Municipalgeist die Italiener des Mittelalters beherrschte, wie die rechtliche Lage des Bewohners einer Gemeinde in einer andern desselben Staates die eines minderwertigen war, wird sich nicht darüber wundern, dafs die Fremdlinge in dem Lande, das von allen christlichen Landschaften den stärksten Fremdenverkehr hatte, noch viel schlechter gestellt waren. Stellt man Einzelzeugnisse zusammen, nach denen der Fremde vor Gericht kein Zeugnis geben, kein Eigentum erwerben konnte, höhere Abgaben und schwerere Strafen als der Bürger zu tragen hatte, sieht man, dafs es so weit ging, dafs das Gut eines auf der Wanderung gestorbenen Fremdlings nicht seinen Erben, sondern dem jtts albinagii entsprechend, der Gemeinde, in der er gestorben war, zufiel, dafs der Fremdling in später Abendstunde bei der Sakristei abseits der Gläubigen beigesetzt wurde so kann man die Wanderfahrten der fremden Kaufleute erst recht als kühne Wagnisse ansehen ^

Allein alle diese Bestimmungen vereinte wohl kein Stadtrecht, ja die meisten Städte hatten selbst ein Interesse daran, dafs der Fremde nicht allzu schlecht behandelt werde, weil die eigenen Bürger in der Ferne

» Vgl. über das Recht der Fremden Pertile 3, 187—203. Lattes 91—101.

Schulte, Qesoh. d. mittelalterl. Handels. I. 34

530 Siebenundvierzigstes Kapitel.

auf gute Behandlung hofften und rechneten. Der Grundsatz der Gegen- ßeitigkeit war der Weg, die Lage der Fremden zu bessern, wie in Chieri das Statut sagt: einem Auswärtigen soll kein Recht gesprochen werden, wenn in seiner Heimat der eigene Bürger kein Recht findet*. Und gerade die Handelsorte sind es, die sich in ihren Statuten auf diesen Standpunkt stellen 2, ja Mailand hat schon 1396 die volle Gleichstellung im Rechte : Mercaioribus et iranseuntibus fiat bonum et expeditum jus ui nostratibus^. Dieses liberale Prinzip fand freilich erst im neunzehnten Jahrhundert die volle Anerkennung, so viel früher hat in Mailand die ßittigende Kraft, welche das Handelslcben in sich birgt, Geltung ge- wonnen. Städte wie Piacenza und Mailand gaben den Fremden auch das Recht, gewerblich thätig zu sein*.

Das Handelsleben des mittelalterlichen Italiens wurde tief beeinflufst durch die Handhabung der Repressalien, in denen das Mittelalter mit Gewalt das Recht zu erreichen erstrebte. Es war das Prinzip, für einen erlittenen Schaden nicht allein die Schuldigen , sondern auch dessen Landsleute so lange haftbar zu machen, bis der Schaden völlig ersetzt war. Wer sich geschädigt glaubte, wandte sich an seine Stadt, diese suchte von der Heimat des Schuldigen Ersatz und gab, wenn sie keinen Erfolg gehabt hatte, dem Beschädigten die schriftliche Erlaubnis, sich bis zum vollen Ersatz des Schadens an den Bürgern der Stadt des Schädigers schadlos zu halten. In Bologna und Venedig gab es für die Handhabung der Repressalien, cambiay laudeSj lausa, eigene Behörden. Selbstredend erfolgten in vielen Fällen Gegenrepressalien. Dieses barbarische Rechtsverfahren wurde schon im Laufe des Mittelalters langsam ein- geschränkt ^.

Die Fuhrleute waren in dem verkehrsreichen Norditalien an strenge Vorschriften gebunden. Sie waren dem Kaufmannsgerichte unterworfen, und galten als ein Hilfsgewerbe, sie mufsten sich eidlich verpflichten, die Vorschriften zu halten. Einzelne Statuten schrieben bereits eine Registerführung vor. Anderswo waren genau Routen und Preise fest- gesetzt. Ganz allgemein wurde der Fuhrmann für jeden von ihm an- gerichteten Schaden haftbar gemacht. Die hohe Entwicklung des Transportwesens in den Alpen fand auch in der lombardischen Ebene

1 Pertiie 3, 190 N. 18.

2 Pertiie 3, 197 N. 48. Mailand, Nizza, Como, Ivrea, Florenz, Brescia, Turin, Bologna, Modena, Brescia, Crema u. a.

« Pertiie 3, 198. Vgl. Lattes 98 Anm. 12-14.

* Lattes 96 Anm. 6.

» Über die Repressalien vgl. Pertiie 2, 1, 289—295 und A. del Vecchio ed C. Casanova, Le rappresaglie nei comuni medievali e spccialmente in Firenze. Firenze-Bologna 1894.

Privilegien und Organisation der Fremden. 531

ein Abbild, wenn auch hier dem Fremden viel mehr Freiheit gelassen war, sich seinen Fuhrmann zu wählend Für Italien galt wie für die Alpen und Deutschland der Strafsenzwang. Ganz beliebige Wege durfte der Kaufmann nicht einschlagen, sondern er mufste sich den Anweisungen des Geleitsherrn fügen.

Der oberschwäbische Kaufmann und der des oberrheinischen Thaies hatte als den nächsten Hafen Genua zu betrachten. Und dieser Hafen bot viele schon früher gestreifte Vorteile gegenüber Venedig. Genua hatte die alte ghibellinische Herrscherin des tyrrhenischen Meeres Pisa in schweren Kämpfen niedergerungen, seit der Schlacht von Meloria (1284) war Pisas Stern im Sinken, Corsika, Elba wurden Eigentum der Rivalin; der doppelten Feindschaft von Florenz und Genua konnte Pisa nicht widerstehen, es verlor seinen Handel und die Freiheit, und öde wurde es an dem Gestade des Arno, der Hafen war versandet. Minder glücklich war Genua gegenüber Venedig, die Interessen beider kreuzten sich tagtäglich in' der Levante. Genua besafs aufser Pera im Schwarzen Meere mächtige Kolonien, ja es schickte sich an, hier die ausschliefsliche Handelsherrschaft zu gewinnen und schlofs sich der grofsen Koalition der Feinde an (1379 81). Die Genuesen wollten Venedig vernichten, sie setzten sich in Chioggia fest, aber die äufserste Not veranlafste die Venetianer zu den gröfsten Anstrengungen. Schliefslich mufsten die Genuesen auf Chioggia die Waffen strecken und 32 Galeeren den Händen der Sieger überliefern (21. Juni 1380).

An diesem Tage hatte sich das Zünglein der Wage zu Gunsten Venedigs gestellt. In Venedig eine Verfassung, die die Ruhe, die Voraus- setzung des Handels verbürgt, die straffe Zusammenfassung aller Kräfte ; in Genua endlose Parteikämpfe und Umwälzungen. Dafs sie die äufsere Bedeutung Genuas nicht brachen, zeigt, wie kräftig der Genueser Handel war. Wiederholt mufste sich die Stadt, müde der inneren Kämpfe, einer Fremdherrschaft beugen, bald einer französischen, wie von 1396 1409, 1458 1461 und mit Unterbrechungen von 1499—1528, bald einer mai- ländischen. wie von 1354—56, 1421—35, 1464—78 und 1489—99, 1409 bis 1413 war es montferratisch. Dazwischen lagen die Tage von Dogen, die von den Popolaren emporgebracht wurden. Dabei war die Stadt, finanziell so erschöpft, dafs sie mehr und mehr von der Organisation der Staatsgläubiger, der Casa di Giorgio abhängig wurde ^. In diesen wilden inneren Kämpfen war das W^achstum der Stadt nicht vernichtet, aber der Handel hatte zum mindesten nicht den Umfang gewonnen, den er hätte erzielen können.

1 Lattes 235.

2 Vgl. Sieveking vor allem 2, 77 u. 111 ff.

34

532 SiebenimdTierzigstes KapiteL

Für den deutschen Kaufinann hat Genua ein dreifaches Interesse: Ankauf der Erzeugnisse von Genua, vor allem der feinen Groldf^den^, Ankauf von Produkten der Levante, endlich den ersehnten Zutritt zum Meere. Namentlich spanische Häfen sahen vielfach Deutsche.

Welche Stellung nahmen die Genuesen gegenüber den deutschen Elaufleuten ein? Die älteste Nachricht über handelspolitische Verhand- lungen zwischen Deutschen und Genuesen £eü1cii in das Jahr 1398. Es ist ein in dem Konstanzer Formelbuche enthaltener Brief der Herrschaft von Genua an die verbündeten Städte Schwabens, Frankens und Bayerns, welcher die Antwort auf die durch den Vertreter der Deutschen Johann Breitfeld vorgebrachten Bitten enthält. Es war eine Beschwerde über die übermäfsigen und ungewohnten Zölle. Die Antwort leugnet, dalis die Ziölle erhöht seien, um aber den Wünschen der Deutschen, welche in Zukunft nach Genua Handel treiben wollen, entgegenzukommen, ver- sichert die Stadt, dals die Deutschen vor allen andern Nationen gut ge- stellt werden sollen und geben in einem leider dem Texte nach verderbten Satze den Deutschen für ihre eigenen Waren, die aus dem Gebiete von Genua ausgeführt werden, Freiheit von der Abgabe pro exitu ripae^. Die Stadt hat sich weiter an den Herrn von Mailand^ den Grafen von Vertus gewandt, damit auch dieser den ELaufleuten die Zölle mindere, wozu er sich bereit erklärt hat.

Nach Heyd wäre der Brief das einzige Dokument für eine weit- sichtige handelspolitische Thätigkeit des grofsen rheinischen Städtebundes, der in seiner Blütezeit fast alle oberdeutschen Reichsstädte umfafste. Allein das ist ein Irrtum, denn dieser Bund war den Fürsten längst er- legen, er hatte sich 1388 auflösen müssen. Erhalten blieb nur der Bund der sieben Bodenseestädte: Konstanz, Lindau, St. Gallen, Buch- hom, Ravensburg, Überlingen und Wangen. Wenn sich auch Ulm seit 1390 mit vierzehn Städten erneut verbündete, so pafste selbst für sie die Bezeichnung der Adresse: ^civitates confederaie colligate ac conjurate tarn sacri imperidlis quam libere lige Swevie, Francie ei Bavarie^ nicht, ein Titel , der einigermafsen dem alten Bunde entsprach. Neue Bedenken

^

* In Genua blühte neben der Herstellung des für die Brokate notwendigen gesponnenen Goldes und Silbers die Wollweberei, die Seidenweberei und die Her- stellung von Armbrüsten Serra 4, 78 u. 205 fF. Genuesische Armbrustschützen waren sehr berühmt, 1388 bei den Österreichern s. Ruppert, Chroniken 108, in Köln Lau 258.

»Statuimus, qiiod omnes . . Tlieutonici possint de cetera, qiiandotunque de civüaU Janaensi et districiu nostris exlrahere seu ptr alios etniUere quoscunqne roluerint quas- Übet mercanciaSy res et bona verc sua, absque aliqua solucione seu prestacioiie pro exitu ripe (hier erwartet man: easdem extrahere, statt dessen folgt grosso:^), a qua {scüicet solucione, nicht wie Mone las: aqua) ipnos vestrates Uberacimus jam ex nunc* Mone, Zeitschr. f. Gesch. d. Oberrh. 4, 39 f.

Privilegien und Organisation der Fremden. 533

ergeben sich bei der Bestimmung des Absenders. Der Satz: ^Jam misi- MUS unum domesitcum ex nosiris ad illtistrem et magnificum dominum comitem Virtuium wie statt vesiratum zu lesen ist nosirum frairem nostrum, per ctijus u. s. w.c klingt wenig städtisch, weist auf einen Fürsten im Range des Grafen von Vertus. 1398 stand Genua unter der Herrschaft des französischen Königs Karls VI. und dessen Gouverneur, der Graf von St Paul mufs der Aussteller sein. Aber dann ist es wieder auffallend, dafs Giovan Galeazzo nicht als Herzog von Mailand bezeichnet wird, dafür aber als *frater nostert angeredet wird und der Graf von St. Paul konnte doch nicht von „unserer" Stadt Genua reden. Oder sollte Karl VI. der Aussteller sein? Will man wegen des Mailänder Titels den Brief vor 1395 setzen, so kommt man in die Zeit einer Dogenherrschaft und auch damit ist die Anrede »frater noster€ nicht erklärt.

Bedenken genug, doch der Kern des Briefes mag echt sein.

Gar zu gern hätte man die Persönlichkeit und die Heimat des Johann Breitfeld festgestellt, um die Stadt zu wissen, welche in Genua als Führerin galt. Nach unseren Auseinandersetzungen ist da weiter der Brief uns in der Ravensburg-Konstanzer Briefsammlung erhalten ist nur an Ravensburg oder Konstanz zu denken. Aber in beiden Städten ist dieser Name unbekannt. Breitenbach hingegen kommt in Ravens- burg vor^

Ist der Brief echt, so war die Befreiung der Deutschen ein Gegen- stück zu den Ermäfsigungen , die die Waren, welche von England und Flandern aus zu Land durch Frankreich kamen, genossen^. Ob die Konstanzer, Ravensburger und Nürnberger Kauf leute , welche wir später als um diese Zeit in Genua verkehrend nachweisen werden , durch diese Befreiung angelockt sind , mag dahin gestellt bleiben. Der Verkehr war jedenfalls recht lebhaft und das interessante Kapitel 34 im Büchlein des Ulman Stromer von Nürnberg giebt uns einen genauen Tarif über die Abgaben der Deutschen in Genua.

Danach betrug der Ausfuhrzoll nach entlegenen Häfen wie Neapel und Brügge von 100 ^ Wert 4 ÄJ 10^, nach näheren nur Ib Jj, Bei der Einfuhr nach Genua vom gleichen Werte Ib ß und an Thorzoll von der Saumlast = 4 welschen Centnern: 5 J3 und weiter nichts; diejenigen die es kaufen ^müssen do von reyff gehend. Der ^exiius ripe^ wurde also von den Deutschen thatsächlich nicht erhoben®.

1 St. Galler Urkb. 4, 1147 zu 1392 »Conraäus Braitenhach:

8 Pegolloti 220.

Chroniken deutscher Städte 1, 100. Für die früheren Zeiten vgl. G. Caro, Die Verf. Genuas S. 62, die Angaben bei Pegolotti, vor allem jedoch Sieveking 1, so über die ripa S. 67 f. 143 f.

534 Siebenundvierzigstes Kapitel.

Die Privilegien, welche den Deutschen während und infolge der Siegmundschen Handelssperre gegen Venedig in Genua eingeräumt wurden , sind nicht erhalten. Sie müssen wohl dem Anfang des Jahres 1423 angehören ^ Direkt bezeugt sind auch Privilegien vom September 1421, aber auch sie sind weder in Genua noch in Paris, wo danach ge- sucht wurde, gefunden^. Dahingegen haben wir drei höchst merk- würdige Urkunden über Verhandlungen vom Winter 1424 25. Als Ver- treter der deutschen Kaufleute gemeinhin erscheint dieses Mal ein Conradus Her, civis Constantiensis. Ob die Initiative aber ausschliefslich auf Deutschland zurückzuführen ist , erscheint zweifelhaft ; denn die erste Nachricht, die wir in der Sache haben, ist ein Eintrag über eine von Genua für diese Angelegenheit geleistete Zahlung. Es heifst: »JVo Con- rado de Alawannia, et sunt quas ei date fuerttnt pro suis expensis fiendis^ qiuindo ivit Mediolanutn et Alamaniam pro agendis mercatorum ieoionicorum requirencium venire Januatn et habere fondicum libre XXXV, soh V.< *.

Mindestens und das ist wohl das Richtige fand der deutsche Vorschlag in Genua sofort Beifall, und in der That wurde vom Gouver- neur und den Anzianen im Beisein von je vier Vertretern des Officium s. Georgii und der Proteciores Capituli am 5. Dezember 1424 beschlossen, in Anerkennung, dafs der Stadt grofser Nutzen aus dem Verkehre der deutschen Kaufleute zuwachse, auf ihren Wunsch nach einer ruhigen Be- hausung, wo sie und ihre Sachen fem von allem Geräusch untergebracht wären und wo die Kaufleute ruhig ihren Geschäften nachgehen könnten, die als die passendsten erscheinenden Häuser in dem fundicus sancii Siri für die deutschen Kaufleute zu mieten und dazu bis zu 80 U jährlich zu verwenden, die von dem Massario der Dogana jährlich, wie andere Lasten, gleichmäfsig auf die einzelnen Zölle zu verteilen seien. Der Mehrertrag werde den Aufwand decken. Das ^officium m^m^/e« gab diesem Beschlüsse einstimmig seine Zustimmung*.

Der fundicus sancti Siri ist vielleicht mit der Via S. Siro identisch, die allerdings heute die lebhafte Verbindung der oberen zum Wagen- verkehr benutzten Via Cairoli mit dem Hafengebiete bildet^ vor dem Bau der Nuova strada war es aber ein abgelegener Stadtteil. Die Deut- schen hatten ihr Quartier also wohl ganz nahe dem Hafen und zugleich bei dem Eingange der Stadt, den sie zu benutzen hatten.

1 S. oben S. 518.

2 In Genua hatte Sieveking die Güte, noch einmal nachzusehen. Aus Sieve- king 1, 139 Anm. 6 darf man nicht schliefsen, dafs an der bezeichneten Stelle die Privilegien erhalten sind, sie werden dort nur erwähnt.

^ Belgrano 81. Aus den Akten der Banca 8. Giorgio. Cartularium ofificii s. Georgii a. 1424 Fol. 9.

* Unsere Urkunden Nr. 258.

Privilegien und Organisation der Fremden. 535

Der Fondaco erscheint später niemals, so dafs es zweifelhaft er- seheint, ob der Plan ausgeführt wurde. Jedenfalls war der Fondaco von Genua etwas anderes als der zu Venedig, das Gebäude war nicht Staatseigentum und es war keine staatliche Anstalt, wir erfahren nichts von der Einsetzung von genuesischen Behörden. Gegen das venetianische Kaufhaus konnten die Deutschen allerhand Bedenken haben, hier fehlte der Zwang.

Zweiundzwanzig Tage später entschieden dieselben Behörden tiber eine weitere von Konrad Her vorgetragene Bitte, worin eine Herab- setzung der Abgaben für die deutschen Kaufleute gefordert wurde. Es wurde für den Durchgangsverkehr eine wesentliche Erleichterung zu- gestanden; für Waren, die von Katalonien oder der Provence nach Deutschland bestimmt waren , wurde der Wertzoll auf ^/2 ® /o herab- gesetzt, für Safran sollte er 1 ®/o betragen. Der erste Satz sollte auch für Handelsartikel, die in umgekehrter Richtung gingen, gelten. Länger wie sechs Monate durften die Waren bei Strafe der Konfiskation und weiteren schwereren Bufsen in Genua nicht gelagert werden. Auch für die deutsche Einfuhr von Leinen, Kanevas und Barchent, die in Genua ini Stück und im Ausschnitt verkauft werden sollten, wurde der Zoll auf 9 ^ vom €ß Werte festgesetzt und solle das die einzige Ab- gabe sein^

Als unmittelbar darauf eine Erhöhung der Zölle und Abgaben in Genua erfolgte, erklärten der Gubernator und die Anzianen, dafs da- durch in keiner Weise die Privilegien, Immunitäten und Exceptionen der deutschen Kaufleute berührt sein sollten^. Ein Mifstrauen gegen die Deutschen kann man gewifs darin nicht finden. Enea Sylvios Angaben sind wohl kaum richtig.

Der Vertreter der Deutschen bezeichnet sich als Konstanzer Bürger, in der Steuerliste von 1425 findet er sich nicht, in der von 1422 steht ein C. Herer, ist aber offenbar nur ein armer Bürger, er giebt 4 J3 zur Steuer®. Vielleicht ist er der Faktor einer Handelsgesellschaft gewesen und dazu würde es stimmen, dafs AHzeri einen deutschen Konrad fand, der in der Herstellung von Tischtüchern und Leinengeweben sehr er- fahren war*.

Eine weitere Abmachung über die Abgaben der deutschen Kauf- leute in Genua hat im Jahre 1431 stattgefunden. Auf diese wie auf

^ Urkunden Nr. 254.

2 Urkunden Nr. 255. Zum folgenden vgl. oben S. 520. ' Mitteilung von Herrn Apotheker Leiner in Konstanz. Bei den „Geschlechtem" Harzer und Härdler finde ich den Namen Konrad nicht. * Angeführt bei Belgrano 86.

536 8iebenandvierzig8tes Kapitel.

die von 1421 beruft sieh nämlich ein Faktor der grolsen Ravensburger Gesellschaft, der sich weigerte, einen Zuschlag zum Ausfuhrzoll auf ge- sponnenes Gold zu zahlen und wirklich sprachen ihn die Constdes edle- garum frei *. Aus Verhandlungen von 1447 kennen wir nur die Petition der Deutschen, an deren Spitze Ottmar Schleipfer, der Faktor der Humpirsgesellsehaft stand. Sie ging dahin, dafs jene Zollermäfsigang für den Verkehr mit der Provence und Katalonien auf die andern Länder ausgedehnt werde, die Antwort fehlt leider '.

Einen klaren Einblick in die Wünsche und Lage der deutschen Kaufmann- schaft zu Genua geben die Conveniiones Alamannomm von 1466, weil in ihnen zuerst die Wünsche, dann die Entscheidungen mit Angabe der Gründe mitgeteilt werden^. Die Deutschen hatten Genua mehrere Jahre wegen der inneren Unruhen gemieden es war die Zeit, wo Paolo Fregoso, der Erzbischof von Genua, sein Schreckensregiment über der Stadt geführt hatte, wo die friedlichen Bürger sich nach Savona ge- flüchtet hatten, wo der Handel, der durch die Verluste von Pera und Kaffa schon schwer genug gelitten hatte, völlig zurückging und die Aktien der Bank von San Giorgio auf */'4 ihres Wertes sanken. Dann hatten sich Francesco Sforza , der die französischen Anrechte auf Genua erworben hatte , die Thore der Stadt geöfifnet und mit ihm zog zwar ein strengeres Regiment, aber auch Ordnung in die Stadt ein und bei seinem Tode (1466) ging auch Genua an seinen Sohn Galeazzo über.

Der Wortführer der deutschen Kaufmannschaft war abermals ein Konstanzer, Enrictis Franchus de Canstaniia^ Heinrich Fry, ein sehr her- vorragender Mann, der Vertreter der grofsen Ravensburger Gesellschaft, der als solcher uns noch oft begegnen wird. Er handelte aber in dem Auftrage der im August 1466 in Ulm versammelten Reichsstädte des schwäbischen Bundes und noch- ist uns das von dem Ulmer Stadtschreiber Peter Neidhart aufgesetzte Schreiben der Bundesversammlung an Genua erhalten, worin der üblen früheren Zustände in Genua und des jetzigen Friedens unter der Herrschaft des Galeazzo gedacht und der Überbringer empfohlen wird*.

Fry wies auf die Existenz der alten Privilegien hin, dieselben seien aber in Zweifel gezogen und von den Erhebern der städtischen Einkünfte nicht innegehalten, er bat daher um eine Erneuerung und Einschärfung derselben. Die Anträge wurden in gleicher Weise von dem Viceguber- nator, den Anzianen, dem Officium S. Georgii beraten und schliefslich

1 Urkunden Nr. 263. « Urkunden Nr. 264. « Urkunden Nr. 272. * 1466 August 11. Abgctl ruckt bei Heyd in den Forschungen 24, 222.

Privilegien und Organisation der Fremden. 537

vom Officium Mottete mit einer kleinen Abänderung gebilligt. Lange nicht alle deutschen Wünsche fanden Berücksichtigung.

Die Forderung, die Abgabe pro introitu ripe, die über die den Deutschen früher gewährte Höhe von 3 i; pro it Wert vom Verkaufe oder Ankaufe hinaufgesetzt war, auf diese Grenze zu ermäfsigen, wurde gewährt, jedoch erst vom Ablauf der Pachtzeit des damaligen Pächters. Die Forderung bezüglich der pedagia aber wurde abgelehnt; hier hatte Fry die Ausdehnung des Satzes von 5 ^ 3 c^ auf die Saumlast, den wir annährend gleich schon bei Stromer fanden, von der Einfuhr aus Deutschland auf Einfuhr aus allen Ländern beantragt (Artikel 1, 4). Und ebensowenig wollten die Genuesen die Meistbegünstigungsklausel zugestehen, wonach die Deutschen keinerlei höhere Abgaben als andere Völker oder die Genuesen selbst bezahlen sollten, das würde ein grofser Verlust für die Republik sein, und die Deutschen mufsten sich mit den bisherigen Abmachungen begnügen (Art. 2). Dahingegen wurde der deutsche Detailverkauf am Gestade von Genua und in den Bezirken Voltri, Polcevera und Bisagno von der gabella ripae befreit, jedoch solle der Deutsche auf einer solchen Reise nur bis zum Preise von 100 €ß verkaufen dürfen (Art. 7).

Sehr interessant ist, dafs die Befreiung der Wechselbriefe von Ab- gaben, die in einer ^2^0 Steuer bestand^, nicht allein auf den Verkehr mit Deutschland beschränkt blieb, sondern, wenn auch nicht auf alle, so doch auf die Mefswechsel von Genf und Lyon , jedoch nur für deutsches Geld und unter dem Beding, dafs das Geld zum Warenankauf verwendet werde (Art. 3). Das Bestreben der Deutschen, ihre Waren möglichst sofort in ihre Wohnungen zu bringen und dorthin die Zollbehandlung zu verlegen, fand begreiflich wenig- Gegenliebe. Nur für die Klein- waren wurde das unter allerhand Klauseln zugestanden (Art. 5. u. 6). Auch die Forderung, dafs Waren bei DiflFerenzen mit den Zollerhebern, wenn die Deutschen von ihrem Konsul Sicherheit für den Fall eines Urteils geleistet hätten, nicht angehalten werden dürften, wurde abge- lehnt (Art. 8). Die Forderung, dafs die Erheber der Einkünfte die Häuser der Deutschen nicht betreten und dort Nachforschungen halten dürften ohne Genehmigung des Konsuls, wurde als ein beispielloses Privileg abgelehnt (Art. 10).

Aus dem neunten Artikel erfahren wir, dafs so behauptet Fry nach den älteren Verträgen die deutschen Kaufleute bei ihren Meer- fahrten keine höheren Abgaben bezahlten wie die Genuesen selbst. Die neuen Statuten bestätigten lediglich die alten und liefsen sich nicht auf den Einzelfall ein, in dem Fry bei einem Alaun trän sport zur See nach

1 Pertile 2, 1, 439 Anm. 71.

538 Siebenandvierzigstes Kapitel.

Genua weit mehr hatte entrichten müssen, als die Genuesen. Leider wird aus diesem Abschnitte der thatsächliche Zustand nicht klar.

Im letzten Artikel forderte Fry, dafs die Genuesen für den in der älteren Konvention verbürgten Schadenersatz für allen Raub oder Schaden, den die deutschen Kaufleute auf dem Gebiete von Genua erlitten, in Mailand oder einer andern Stadt aufserhalb Genua Bürgschaft hinter- legen sollten. Das, meinten die Genuesen, würde die Lust zum Strafsen- raube nur steigern.

Dafs die Deutschen in Genua ohne Aufenthaltskarten bei Bürgern und Wirten aufgenommen werden durften , wurde mit der Ausnahme, dafs Pestverdacht vorliege, bewilligt (Art. 11). Schliefslich wurden für die Deutschen, die Genuesinnen heirateten, dieselben Freiheiten erbeten, wie sie die Lombarden in gleicher Lage hätten (Art. 12). Hier wurde für die Zukunft auf zehn Jahre für Deutsche, die bis zum Ende wohnen bleiben, Freiheiten von allen direkten Steuern^ nicht aber von den indirekten gewährt, das Officium monete schränkte das auf die zukünftigen Fälle einer Ehe zwischen einem Deutschen und einer Genuesin ein.

Wann den Deutschen eine Ermäfsigung der Abgabe der Hauptwage, wie die Leute aus der Nachbarschaft und aus dem Mailändischen er- hielten, vermag ich nicht zu sagen, im sechzehnten Jahrhundert be- stand sie nichts

Es ist bisher nicht beachtet worden , dafs Kaiser Friedrich HL kurz vor Erlafs dieser neuen Conventiones den Genuesen wie den Bewohnern ihrer Kolonie Kaffa eine weit gröfsere Konzession wenigstens auf zwölf Jahre gemacht hatte. Am 1. Juli 1466 befreite er sie von allen Handels- und Verkehrsabgaben im ganzen römischen Reiche; ganz besonders werden die verkäuflichen Sklaven als zollfrei erklärt^.

Überblicken wir die Privilegien, so ergiebt sich, dafs die Perioden, in denen Genua mit Mailand unter der Herrschaft der Visconti oder Sforza vereinigt war, eine Bestätigung oder Erweiterung der Privilegien der deutschen Kaufleute darbieten. So fallen die Verträge von 1421, 1424, 1431 und 1466 in mailändische Perioden, 1398 in die Zeit einer französischen Herrschaft und nur die Verhandlungen während der venetia- nischen Handelssperre wurden eine Zeit lang von einer unabhängigen Republik geführt. Genua war der natürliche Hafen von Mailand, wie Mailand die Exportpforte Deutschlands. Waren diese beiden Orte unter einem Staate vereint, so hatten die Deutschen davon Vorteil. Die

» Sieveking 2, 137 f.

* Abgedruckt Chmel Nr. 4542 »ahsqiie nUa sohitione mute, theolonei, daciiy pedagiif poniinegiif tribute, gahellat u. s. w.

Privilegien und Organisation der Fremden. 539

Bildung eines grofsen Territoriums in Oberitalien war ihnen nützlicher als die gesonderte Existenz der Handelsrepubliken.

In Genua hatten die Deutschen einen Konsul, wie auch die katala- nischen Kaufleute und die lombardischen sich einen Genuesen zu ihrem Konsul erkoren ^. Auch der deutsche wurde aus der Zahl der Genuesen von den in Genua weilenden deutschen Kaufleuten gewählt und dann von der Stadt bestätigt, er war also im gewissen Sinne ein conml hospes. Die Bestätigungsurkunde des am 12. Januar 1463 erwählten Paolo Basadonne liegt noch vor^.

Mir sind den Studien Belgranos folgend nachstehende Konsuln be- kannt geworden: 1441 März 17 Julianus de Fini consul Theutoni- corum^. vor 1462 Bartolommeo Basadonne, Onkel des 1463 Januar 17 bestätigten Paolo Basadonne, Dr, uiriusque juris^^ derselbe ist 1466 Juni*^ und 1474 Juli 4 im Amte®, wurde 1489 Konsul der Katalanen. 1479 Onofrio Paris. 1485' Dezember 14 Giovanni Doria. 1488 Dezember 10 sein Nachfolger Jacopo Doria, Bestätigung der Wahl. 1491 November 7 Dominicus de Marino, consul Älamannorum^. 1495 Mai 25 Giovanni Francesco Spinola, Konsul. 1495 Juni 5 Domenico De Marini, Vicekonsul. 1496 Niccold Doria, 1499. 1500 Agostino Lomellino. 1532 Antonio Bagarotto.

Wir haben hier also den Beweis, wie auch die deutschen Kaufleute das der griechischen Proxenie sehr ähnliche, wenn auch keineswegs mit ihr gleiche Institut von consules nachahmten. Aus der Wahl der Orts- fremden ging ein ortsangehöriger Vorsteher hervor. Die Wahl fand die Zustimmung der Aufenthaltsstadt, aber nicht die der Heimatsgemeinden oder des fremden Staatshauptes. Auch tritt bei dem deutschen Konsul die Pflicht als hospes, als Wirt, zu fungieren, ganz zurück, er ist ihr defensor^ er schützt ihre Privilegien wie die einzelnen Personen, und er ist ihr judex. Über das Honorar des Konsuls erfahren wir nichts , und dafs das Amt auch nicht lebenslänglich war, folgt daraus, dafs Paul Basadonne bei Lebzeiten ersetzt wurde

Die Thätigkeit des Konsuls als Richter unter den Deutschen und Vertreter derselben andern gegenüber können wir mehrfach verfolgen.

^ Akten im Genueser Staatsarchiv. « Urkunden Nr. 270. 8 Urkunden Nr. 258.

* Urkunden Nr. 270. » Urkunden Nr. 271.

® Wo von jetzt an nichts bemerkt ist, stütze ich mich auf Belgrano 87 ff. ■^ Belgrano: 1489, die Mitteilung Desimonis an Heyd giebt 1485, was un- zweifelhaft richtig ist.

® Mitteilung Desimonis an Heyd. Decretum pro D. d. M.

* Vgl. Schaube, Proxenie im Mittelalter, Bericht d. Gymn. in Brieg 1899.

540 Siebenundvierzigstes Kapitel.

So sollte er einem Genuesen helfen, der sich durch einen Deutschen bei Lieferung von Waren betrogen glaubte', bald vertrat er einen Deutschen, der Carmoisin zu dem Satze eingeführt hatte, der in den Konventionen für die aus Deutschland eingeführten Waren galt*, bald mufste er den Kindern einer mit einem Deutschen verheiratet gewesenen Witwe einen Vormund bestellen^, bald mufste er die Einräumung einer den Deutschen zugesagten Halle betreiben*.

Auch in Genua wurden einzelnen Kaufleuten besondere auf Zeit gültige Pässe ausgestellt, so hat sich ein solcher für einen Peter Lope- tach ausgestellter erhalten^.

An urkundlichen Beweisen für kleine deutsche Leute in Genua fehlt es nicht, wobei ich ganz von Söldnern absehe. So erscheint 1426 ein armer Schneidergeselle, der um Aufenthaltserlaubnis bittet®; es scheint, dafs für diese Leute eine bestimmte Abgabe bestand , von der ein anderer armer Teufel, ein deutscher Flüchtling, der sich als ioagiaritis bezeichnet, befreit wurde'.

Die Fremden thaten sich in Italien mitunter zu Brüderschaften zu- sammen. Vieles wissen wir über das kirchliche Leben der Deutschen in Venedig®. Fast so genau ist die Brüderschaft der Fremden von Genua bekannt, sie vereinte alle christlichen Ausländer, jedoch waren besonders die Deutschen darin stark vertreten.

Die Brüderschaft wurde in der Kirche der Serviten errichtet, in der noch heute bestehenden Kirche St. Maria dei Servi in dem Borgo de Lanari (Lanajolij in dem sestiere della Portaria gelegen (nördlich von St. Maria in Carignano), sie bestand schon 1393 als »Consortia de Madonna dt Misericordia de' Forestierh ®, dort wurde im Jahre 1414 ein St Bar-

» Urkunden Nr. 258.

« Urkunden Nr. 271.

^ »Margaritina filia quofulam nobilis Geonfii de Cohimnis et uxor qxiondam Georgii Sur Alamanni hahitatoris Janiie 1474. Belgrano 88.

1492. Belgrano 89.

» Urkunden Nr. 268.

« Urkunden Nr. 256.

' Urkunden Nr. 260. Weiter: 1451 Januar 10. Decretum ad instantiam Nicolai Egra Älemanni suo et nomine fratris et iieyotum pro prorogando conventionem pro eorum hahitatione in Janua. Mitteilung Desimonis an Hcyd.

^ Simons Feld passim und die interessanten Mitteilungen des Itinerarium fratris Pauli Waltheri S. 33-87.

® Inschrift erhalten bei Piaggio, Monumenta Genucnsia (Bibliotheca Civica), der auch von benachbarten , der Brüderschaft gehörigen Häusern Inschriften von 1567 und 1582, aus der Kirche von 1562, 1572, 1573, 1582 u. s. w. bietet. Nach einer Handschrift in Paris (Archives des äff. Strang, fond. G^nois.) Cod. Nr. 11 habe die compagnia di S. Barbara 1458 begonnen, 1485 wurde sie bestätigt. Mitteilungen von Desimoni an Heyd.

Privilegien und Organisation der Fremden. 541

baraal tar eingeweiht und 1509 der Bau einer noch heute erhaltenen Kapelle vollendet; auf dem Gedenkstein las ich auch die Namen: T^Maieo de San Gallon und :* Joanne Tabulimo de Liukiech^. Ein anderes Denk- mal, ein Basrelief, die Mutter Gottes mit dem Kinde darstellend, ist die Schenkung eines Frankfurters und der Bruderschaft. Die Unter- schrift lautet: ^^ Dominus Curadus de Forte Francho et consortia forestio- rum fecerunt fieri hanc figuram^. Diesem Konrad und seinem Verwandten Konrad von Ortenburg bin ich zum Jahre 1450 im Genueser Staats- archiv begegnet^, wie ich in einigen Testamenten von Fremden von 1452 das »monunientum novum consorde forensium^ bedacht fand^.

Aufgenommen wurden, von Frauen abgesehen, nur Fremde, auch waren Sklaven ausgeschlossen. Auch beteiligten sich nicht alle Fremden. Die Lombarden hatten seit 1449 eine Kapelle bei den Dominikanern von Sta Maria di Castello®. Der Zweck der Bruderschaft war vor allem ge- meinsamer Gottesdienst, Hilfe in der Not und Sorge für ein ehrliches Begräbnis. Jeden Sonntag war obligatorischer Gottesdienst für die Mit- glieder, den der Guardian der Serviten anzuordnen hatte. Das kirch- liche Uauptfest war Maria Lichtmefs, monatlich fanden auch Seelen- messen statt und mancher stiftete sich eine eigene , so Simon de Cologna (1452), Gasparo d^Alamanniay der der Bruderschaft eine Aktie (luogo) der St. Georgsbank vermacht hatte und Federico Colonia ditto Todeschin (1461). Zur Pflege der Kranken und Armen hatte die Brüderschaft Betten in ihren Häusern, doch sollten sie dort erst im Notfalle auf Kosten der Bruderschaft verpflegt werden. Das Gut des erbenlos Sterbenden sollte der Bruderschaft zufallen. Die Verwaltung war die der italienischen Bruderschaften mit Priori, Consiglieri, Sindichi, Massa- rio u. s. w., von den beiden Sindichi sollte in einem Jahre der eine ein Lombarde, der andere ein Deutscher sein, im zweiten ein romano und ein ultramontano des Amtes walten. Spezilisch deutsche Charakterzüge darf man bei dieser Bruderschaft nicht vermuten.

Soldaten und Handwerksleute werden wohl die meisten Mitglieder gewesen sein, bei einer Supplik vertritt wenigstens das deutsche Element ein Francesco de Argentina caporale et soUato^.

1 Urkunde Nr. 267.

2 Akten des Notars Christoforo Sisti. 8 Gaddi 81.

* Quellen: Ilossi, Capitoli della consortia delli forestieri dcUa cliiesa delli Servi in Genova delP anno 1393 in Miscellanea di storia italiana 11, 329—344. Das Statut liegt nicht in der ursprünglichen Gestalt vor, sondern in einer auch mit noch jüngeren Statuten durchsetzten Erneuerung von 14>*.5. Einige Notizen bei Belgrano 89.

542 Achtundvierzigates Kapitel.

Achtundvierzigstes Kapitel.

Handel in Oenna. tienna als Hafen. Handel mit Spanien, Neapel, Asti.

Acqni nnd Alessandria.

Genueser Seideninäustrie^ Goldfäden. Handel am Platz, Wichtiger der Export- handel. Konstamer und Eavenshurger auf dem Meere, im Handel mit Spanietu Spanische Häfen, Deutsche in Sj)anien. Andere Wege nach Spanien, Deutscher See- ItamJel quer durch das Mittelmeer^ Handel von Genua aus mit Neapel, Pera. Genuesen in Deutschland. DurchgangsverJcehr. Transportgesellschaften, Asti, Acqui, Alessandria.

Genua war nicht der Endpunkt des deutschen Handels^ es war vielmehr für ihn vorwiegend ein Durchgangsort. Venedig konnte das Monopol der Seefahrt auf der Adria behaupten, Genua kämpfte im toskanischen Meere mit den Städten der französischen Küste, mit den immer mehr auf- blühenden der aragonesischen Krone und schliefslich mit Pisa und Florenz, mühselig die Vormacht in der Ponente behauptend, nachdem das Kolonialreich in der Levante verloren war. Venedig betrieb im wesentlichen Staatsschi ffahrt , in Genua besafsen fast nur die Privaten Schifife. Ein Monopol nach venetianischer Art verbot sich in Genua von selbst. Dabei war der Genueser Schiffsbau dem venetianischen aller- dings wesentlich überlegen.

Die Nachrichten über den Handel am Platze sind spärlicher als die Angaben, die auf das Meer fuhren. In Genua nahm die anfangs nur von wenigen Meistern geübte Seidenindustrie, seitdem am Anfange des fünfzehnten Jahrhunderts von Lucca Musterzeichner herzangezogen wurden, einen grofsen Aufschwung. Schon vorher blühte dort die Kunst, feine Gold- und Silberfäden herzustellen; aus diesen beiden Elementen erwuchs jene hohe Ausbildung der Genueser .Seidenindustrie, die im Anfang des sechzehnten Jahrhunderts auf dem Gipfel stand, wo sie das Leben und der Atem der Stadt war^ Im Jahre 1432 wurde die Zunft der Seidenhändler eingerichtet, welche sowohl die Arbeiter, als die Spinner von Seide und Gold, durchaus in Abhängigkeit hielt. Auch hier bestand ein hausindustrielles Verlagssystem. Man stellte feine Sammetstoffe, Damas- chinos, Brokate, Atlas und glatte Taffete (onnesino) her^. Die gröfste Bedeutung hatte für Genua die Herstellung der leonischen Goldfkden, es waren das Seidenfäden, die mit gezogenen Golddrähten umsponnen waren. Im vierzehnten Jahrhundert hatte Lucca damit geglänzt, im fünfzehnten florierte diese Kunst in Genua, um im sechzehnten an Mailand und Florenz

* Vgl. die gleichzeitige AufseruDg bei Sieveking, Seidenindustrie 120. Vgl. Sievekings Untersuchung a. a. 0.

Handel in Genua. 543

tiberzugehen ^ Neben diesen Gewerben sind besonders die Armbrust- macher, die Goldschmiede und Wollenweber zu nennen.

Stellen wir zunächst die Nachrichten über den Handel am Platze zusammen. Aus dem Jahre 1466 haben wir die Kunde, dafs ein Georg von Lenemburg (Nürnberg?) in Genua Carmoisin einführte und ihm da- für der Zoll abgefordert wurde, der verlangt wurde, wenn es sich um Waren nicht deutschen Ursprungs handelte; die Färber von Genua er- klärten aber, das Carmoisin sei deutschen Ursprungs. Aus dem folgenden Jahre haben wir eine Nachricht, dafs Tibald Stromer von Nürnberg einem Grafen von Lavagna Alaun und Pelzwerk verkaufte^. Die Gesellschaft des Friedrich Humpifs hatte 1467 in Andreas Sattler aus Konstanz dort einen Vertreter, der Genueser Tuch kaufte^.

Ulman Stromer erwähnt in seinem ^püchlein^ viele Waren, die sich auf Ein- und Verkauf wohl so verteilen. Einkauf: Spezereien, Pfeffer, Ingwer, Kanneel, Weihrauch, Nägel, Muskatblumen, Galgan, Cybeben, >zymidplud, paneysJcomj aitwar/^ Perlen, Safran, »unoBgoU, seideym gewant und silberein getvanU. Verkauf aber: Kupfer (Nürnberger Gewichtes), Leinwand (Konstanzer Elle), Pelzwerke (wechs tcerks oder warnen), bra- bantisches Tuch. Das Verzeichnis ist aber gewifs keineswegs vollständig. Ein vorsichtiger Forscher (Serra) nennt noch weiter als deutsche Einfuhr Stahl, Salpeter, Nürnberger Kleineisenwaren u. a.*.

Der deutsche Kaufmann hatte hier den Zugang zum Meere und ihn haben die Kaufleute von Konstanz und Ravensburg auf das fleifsigste benutzt. Andere Städte sind so weit sich jetzt nachweisen läfst anfangs nur schwach beteiligt, erst später folgen Augsburger und Nürn- berger den Spuren der Oberschwaben und in erster Linie steht bis zu Ende die grofse Ravensburger Gesellschaft.

Stellen wir zunächst nur die Nachrichten zusammen, welche sich auf einen Seeverkehr zwischen Genua und der spanischen Küste beziehen, Ln Jahre 1408 beschwerte sich Konstanz für Liutfried Muntprat, dafs in den Streitigkeiten zwischen Genua und Barcelona von Genuesen Liut- frieds auf einem SchiflFe befindlichen Waren (zwei grofse Ballen unge- bleichter Leinwand und zwei Ballen Kattun [panno vastanico]) beschlag- nahmt seien*. Dieser selbe uns später als vielleicht der reichste schwä-

1 Silbermann 1, 77.

a Urkunden Nr. 271 und Nr. 273. Vgl. auch Nr. 258. Dem General Asseretto, dem eifrigen Durch forscher des Genueser Archivs, sind Notariatsurkunden bekannt, in denen Deutsche besonders Metall und Kurzwaren verkaufen und besonders Korallen kauten. Mitteilung Sievekings.

3 Mitteilung Sievekings.

« Danach Canale S. 252.

^ Mone, Zeitschr. f. Gesch. d. Oberrh. 4, 42.

544 Achtundvierzigstes Kapitel.

bische Kaufmann näher bekannt werdende Kau^ann wurde mit Johann Muntprat und dem Frankfurter Paul Fetzbrey 1417 oder 1418 von korsischen SchiflFern gefangen, sie wurden ihrer Güter beraubt und erat nach längerer Zeit freigelassen. König Siegmund gab ihnen das Recht, sich an den Gütern der Herren von Korsika, den Genuesen, schadlos zu halten, er mochte sich dazu um so mehr berechtigt halten, als er den beiden Konstanzern gerade vor Antritt dieser Reise im März 1417 einen Geleitsbrief für ihre Person und ihre Waren gegeben hattet

Das erste Mal, dais uns unzweifelhaft die grofse Ravensburger Gesell- schaft in genuesisch-spanischem Handel begegnet, ist 1436, wo Heinrich Fry, ein deutscher, in Genua sich aufhaltender Kaufmann, es ist der thätigste unter den Faktoren der Humpifsgesellschaft Messing, Kupfer und wertvolle Brügger Tuche in einem Gesamtwerte von 2988 genues. Pfund nach Valencia an „Rodol Mesvang** und nach Barcelona an Johannes Fry abgefertigt hatte, die Güter aber von einem genuesischen Kriegs- schiflF gekapert wurden. Ein anderer Faktor derselben Gesellschaft war Ottmar Schleipfer von St. Gallen, der 1449 Wolle und andere Waren nach Genua fUhren liefs. Die Güter wurden jedoch von Seeräubern aus der Provence weggenommen und an einen Genuesen verkauft*.

Ganz deutlich liegen die Verhältnisse bei einem andern Falle von Seeraub. Die Gesellschaft des Friedrich Huntpifs habe von Konstanz aus 8 Ballen nach Mailand gefertigt, dort habe ihr Faktor 30 Ballen hinzugekauft und dieses Gut habe ihr ^RespondenU in Genua, Ludwig Zentrioni, einem Genueser SchiflFsherrn zum Transport nach Valencia empfohlen, es wurde das Schiff aber von der katalanischen Armada „an- gefahren", gefangen und nach Barcelona gebracht, jedoch hofften die Konstanzer, das Gut werde von der aragonesischen Regierung entledigt und an ihre dortigen Faktoren Paulin Spick und Philipp Wifsland gegeben werden®. In den Conveniiones Älamannorum von 1466 wird er- wähnt, dafs Heinrich Fry nach Genua Alaun einführte, und 1492 wurde des Gut Onofrius Huntpifs und Konrad Ankenreute, beide von Ravens- burg, auf der Fahrt nach Genua vor dem Hafen von Nizza von einem Nizzarden weggenommen *.

Von den spanischen Häfen kam vor allem die Herrscherin der kata- lanischen Küste und des Binnenlandes, Barcelona, in Betracht. Im Delta- gebiet des Ljobregat, in fruchtbarer, wasserreicher Ebene gelegen und

1 Altmann Nr. 3299 und 2125.

2 Urkunden Nr. 257 u. 265.

^ Urkunde vom 2. Dez. 1466 gedruckt bei Heyd, Ravensb. 51 und Ruppert, Chroniken 375. * Heyd 73 f.

Genua als Hafen, Handel mit Spanien, Neapel, Asti, Acqui und Alessandria. 545

mit dem Innern vortrefflich verbunden, im Besitze einer vorzüglichen Hafenbucht hat Barcelona im Mittelalter sich früh am Welthandel be- teiligen können und als fast autonome Stadt sich zu hoher Blüte entr wickelt. Seeschiffe gingen auf dem Ebro bis Tortosa aufwärts, das an dem Austritt aus dem Durchbruchsthale liegt und der Meereshafen der aragonesischen Königsstadt Saragossa war.

Auch Valencia war ein wichtiger Hafen, der einzige, den die Natur zwischen der Ebromündung und Cartagena bot. Inmitten einer reichen Huerta gelegen, wie von einem lachenden Garten umgeben, hielt sie fest, was von arabischer Kultur vererbt war, und die Könige pflegten die Stadt, die eine hohe Glanzzeit erlebte. Von den weiter südlich gelegenen Häfen ist vor allem Alicante zu nennen, doch mufste hier die Kunst der Natur nachhelfen. Von dem besten Hafen der Küste, Cartagena, sind Verbindungen mit deutschen Kaufleuten bisher nicht bekannt geworden. Damals griff die Grenze von Katalonien noch weit nach Norden hinüber und in Perpignan kann ich sowohl die Humpifs wie einen Kaufmann aus Fraustadt in Posen nachweisend

Ich kann im folgenden das, was wir heute wissen, nur kurz skizzieren. Eine Geschichte des Handels der Deutschen mit Spanien haben wir wohl in Verbindung mit der Veröffentlichung der Einträge des Zollbuchs von Barcelona von dem besten deutschen Kenner spanischer Geschichte, Konrad Häbler, zu erwarten. Man darf ihre Zahl nicht als gering an- sehen; denn schon 1420 bestellte König Alfons V. den deutschen Kauf- leuten und Gewerbetreibenden zu ihrem consol ^ proiector seinen religiös ^ amat Coftseller, frare Garcia de Torres, Dr. en leys^. Ein aus Überlingen stammender Korallen händler T^Jacobus de Ubrelmg^ und ein ^Ermantis de Nomberg* tauchen 1383 als Kaufleute in Barcelona auf, und da die bezüg- liche Urkunde in das Strafsburger Stadtarchiv kam, ist es wohl möglich, dafs auch Strafsburger dort handelten®. Die Konstanzer Bürger im Stein- hause hatten 1410 einen Verwandten, der ihr Vertreter in Barcelona war, durch den Tod verloren und bestellten sofort einen neuen Bevoll- mächtigten. Einen Monat vorher hatte die Stadt Konstanz ungenannten Bürgern einen Pafs zur Reise durch das Gebiet des Grafen von Savoyen

* 1448 Dienstag nach Trinitatis. Meister Hannus Tyle von der FrawenstcuU hat bekannt, von Leumhard Retvthemer und 8. Gesellschaft 120 fl. ungr. und von Hannos Garthener und seiner Gesellschaft 149 fi. ungr, zu Breslau empfangen zu haben, Kelches Geld er vormals zu Perpyan in Cathelanien dem Jost Ital Humpiss von Ravensburg und ihrer Gesellschaft in tine^i Wechsel gegeben und zu ihm in das Wechsel eingelegt habe. Breslau Stadtarchiv Lib. sign. f. 83» mitgeteilt von Herrn Stadtarchivar Prof. Dr. Markgraf.

Schaube, Proxenie im Mittelalter 21.

» Abdruck Z. Gesch. Oberrheins N. F. 1, 113 flF.

Schulte, Gesch. d. mittelalterl. Handels. I. 35

546 Achtundvierzigstes KapiteL

ausgestellt '. Besonders reichen Einblick gewähren die für die Deutschen und Savoyarden geführten ZoUregister von Barcelona, die für 1425^-45 und 1472—73 erhalten sind. In ihnen erscheint seit 1426 die Gesellschaft des Joshompis de Cosianza; wenn sich die Humpis hier als Konstanzer ausgeben, so waren diese offenbar hier am meisten bekannt; aus ihrer Gesellschaft schied, um eine neue zu begründen, Kaspar de Wai (Nai? Wac?) aus. Erheblicher als diese, aber geringer als der Anteil der Humpis, war der Zollbetrag der Gesellschaft des Johannes v. Köln. Die Humpis-Gesellschaft blieb nicht geschlossen, die Mötteli schieden vor 1469 aus ihr aus und begannen ein besonderes Gewerbe zu Valencia, Saragossa und an anderen Enden*. Doch erscheint daneben in Valencia auch die Gesellschaft des Friedrich Humpifs 1466 thätig; dafe dies eine Zweiggesellschaft der grofsen war und in Valencia ihren Sitz hatte, scheint mir nicht sicher bewiesen zu sein*. Die grofse Gesellschaft handelte 1466, 1474 und 1515 in Tortosa bezw. Saragossa.

Sehr interessante Nachrichten über ein aus Thun am Thunersee stammendes, aber doch wohl eigentlich St. Galler Geschäftshaus verdanke ich Staatsarchivar Türler in Bern. Es sind Briefe eines Peter Schopfer, der an seinen Vater nach Hause schreibt. Die Geschäfte besorgte neben dem jungen Herrn noch ein gewisser Polay Zwick, sie waren mit dem Erfolge recht zufrieden und Peter wollte nach Romans oder Genf reiten, um die dort aus St. Gallen angekommenen Waren ausdrücklich wird Leinwand genannt abzuholen. In die Heimat sandte er Safran. Die Gesellschaft hatte auch in Avignon einen Vertreter.

Den wertvollsten Einblick in den Umfang der Handelsbeziehungen jgewährt dann der Reisebericht des Nürnberger Arztes Hieronymus Münzer, der 1494 in Spanien reiste. In Barcelona traf er deutsche Kaufleute, die sich offenbar in der besten wirtschaftlichen Lage befanden. Ob aber diese Georgius Raesp ex Augusta^ Erhartus Wigand Franck dicius ex Mergeten und Wolfgangus Ferher ex Ulma der Gesellschaft angehörten oder nicht, ist zweifelhaft. In Valencia fand er zwei Ravensburger: Heinrich Sporer und Konrad Humpifs, die ihn bewirteten und mit schönen Kleidern beschenkten. Noch lebte auch die Einnerung eines ^Jodocus Koler suprenius tunc familiär is soctetatis magne ex Ravenspurgt^ von dem man ihm erzählte, dafs er in der Nähe der Stadt ein Franziskanerkloster begründet habe. Wie tief hatten sich die Ravensburger in das Leben der Spanier eingelebt, dafs ^Philip vizlant mercäder de la vila de jsne de alta Alemanga^ also der 1406 genannte Vertreter der Humpifsgesell-

* ZcitBchr. f. Gesch. d. Oberrheins 4, 42 u. 43.

* Vgl. die Mitteilungen bei Heyd 34. ^ Heyd 34 nimmt das an.

Handel mit Spanien, Neapel, Asti, Acqui und Alessandria. 547

Schaft die Kosten der Drucklegung der Übersetzung der Bibel ins Valencianische, die ein Spanier und ein Deutscher in Valencia 1477/78 druckten, trug^

In Alicante wurde er wieder von einem Vertreter der Gesellschaft, Jodokus Schedler aus Kempten, bestens aufgenommen, Jost war schon seit langer Zeit dort. Weiter traf er in Almeria Andreas ex Fulden in Hassia und Johannes ex Argentina und auch in Granada fand er im Fondaco der Genuesen deutsche Wappenschilde.

Wir sind damit bereits in die Periode eingetreten, wo die grofsen welthistorischen Entdeckungen den Handel der iberischen Halbinsel um- zugestalten begannen.

Der Markt Venedigs für den Gewürzhandel war schon wiederholt durch die Kriege zwischen dem Sultan und der Markusrepublik so gut wie geschlossen gewesen. Schon 1501 überlegten sich die Fugger, ob sie nicht von Genua aus selbst SchiiSfe in die Levante gehen lassen wollten, um Kupfer zu verschiffen und Gewürze einzukaufen, drei andere Gesell- schaften hatten sich gleich ihnen in Genua niedergelassen ^ Dann kam die grofse folgenschwere Entdeckung des Seewegs um das Kap der guten Hoffnung, Mai 1498 warf Vasco da Gama in Kalikut die Anker aus und von diesem Augenblicke an wurde Lissabon der Hauptstapelplatz für die Gewürze Indiens. Zunächst hatte auch Genua davon seinen Vorteil; denn ein Teil der Waren, die bisher in Venedig gelandet waren, wurde nun von Lissabon zu Schiff nach Genua gebracht. Gerade für die Fugger haben wir einen Beweis, wie sie 50 Sack Pfeffer diesen Weg gehen liefsen^.

Aber nicht immer nahmen die Deutschen den Weg über Genua, um nach Spanien zu gelangen. So ging 1474 nach Saragossa bestimmtes Gut westlich um die Pyrenäen herum und wurde an der Bidassoa angehalten *.

Eine andere Route ging von Barcelona zu den Häfen der Provence oder auch auf dem Landwege nach Nimes und dann nach Genf weiter. Bei Besprechung dieses Weges habe ich wiederholt darauf hingewiesen, dafs ein Teil des Verkehrs zu der Verbindung zwischen Spanien und Deutschland zu rechnen ist.

Besonders instruktiv sind zwei Fälle von Seeräubereien. 1435 wurde ein nizzardisches Schiff, das in Barcelona der Humpifsgesellschaft ge« höriges Gut an Bord genommen hatte, von Mallorkanem gekapert*. Ein anderes Mal wurde ein florentinisches Schiff, das von Tortosa nach Nizza

1 Heyd S. 36 u. 63 Anm.

3 Sanuto, Marino Diarii 4^ 28.

» Urkunden Nr. 177.

* Heyd S. 36.

» fleyd 33 u. 49.

35*

548 Achtundvierzigstes Kapitel.

oder ViUafranca segeln wollte, von Benedetto Doria und Qiuliano Corso mit ihren genuesischen Schiffen weggenommen. Es war darauf aufgegeben von einem deutschen Faktor, und begleitet von einem deutschen Fuhr- mann eine Partie Wolle und ceria quantüas agninorum et datiloruni. Giuliano Corso hatte die Prise nach Savona geführt und der uns be- kannte Faktor Heinrich Fry bemühte sich eifr'gst die Ware zurückzu- erhalten ^.

Der deutsche Handel zog aber noch andere Vorteile aus dem Ver^ kehre an der spanischen Küste und aus seiner günstigen Stellung in Genua: von dort aus verschifften sie ihre Waren auch quer über das Mittelmeer und drangen so in das ihnen von Venedig aus verschlossene Adriatische Meer ein. So gingen 1441 120 Sack Wolle auf einem cata- lanischen Schiffe, sie gehörten dem Gaspar von Vach, in dein wir wohl den Faktor, späteren Rivalen der Humpifs in Barcelona zu erkennen haben. Das Schiff aber wurde in den Gewässern von Ragusa von einem Genuesen gekapert. Die Beute war dann nach Genua verbracht, wurde dort aber in ein Depot gelegt und der Streit entschieden*. Und ebenso hatte ein Schiff, das 1449 von Ottmar von St. Gallen dem Faktor der grofsen Gesellschaft für den Transport von Wolle aus Catalonien, Valencia, Tortosa gechartert wurde, Ragusa und Parenzo im Golfe von Venedig als Ziel®.

Dafs die ravensburgische Gesellschaft in das Königreich Neapel ge- handelt habe, berichtet Ladislaus Suntheim. Heyd hat es wahrscheinlich gemacht, dafs der Seeraub auf dem Meere in der Nähe des Königreichs Neapel, von dem zwei 1474 und 1475 geschriebene Briefe der Stadt Bern an König Ludwig XI. von Frankreich reden, eher sich auf dem Atlantischen Ocean abspielte und zwar genauer an der galicischen Küste, wo zwei napolitanische Galeassen von einem sehr bekannten Seemanne weggenommen wurden*. Eine Urkunde von 1441 erwähnt wenigstens

» Heyd 83 u. 62. Ohne Jahr.

2 Urkunden Nr. 259 u. 261.

» Urkunden Nr. 266.

^ Heyd S. 27 ff. Zur Sache schreibt mir Heyd weiter folgendes: „Die Raub- züge der in Honfleur stationierten Flotte, welche unter dem Befehl des Yiceadmirals von Frankreich Guillaume de Cazanova (Coullon, Colomb) stand, sind neuerdings durch Perret, Relations (1, 506. 525. 530. 532 f. 2, 17. 18. 47. 84. 110 n. 234) um einige bisher unbekannte vermehrt worden. Sie nahmen hauptsächlich die venetia* nischen Galeeren aufs Korn, welche nach Flandern gehend oder von da kommend, das Atlantische und Mittelländische Meer durchfuhren. Für den grofsen Schaden, den sie anrichteten, machte die Republik Venedig mit Recht König Ludwig XL verantwortlich, da Colomb nichts ohne den Befehl desselben thue. Von diesem ver- langte auch der Rat von Bern wiederholt (6. Dez. 1474; 8. März 1475) die Heraus- gabe der den Ravensburgem geraubten Waren. Welche Flagge die Schiffe führten»

Handel mit Spanien, Neapel, Asti, Aequi und Alessandria. 549

von einem deutschen Kaufmann verkaufte Waren, die nach Neapel be- stimmt waren ^.

Und auch nach Pera folgten Deutsche den Genuesen. Der aus der Gegend von Bamberg stammende Johannes Tilmann, der in Pera ver- starb, war doch wohl ein Kaufmann, der Vogt der Witwe war wenigstens ein Nürnberger Kaufmann und er bestellte als seinen Vertreter in Genua den Faktor der grofsen Gesellschaft 'Ottmar Schleipfer von St. Gallen*. Sollte diese Gesellschaft bis Konstantinopel Handel getrieben haben? Vereinzelte Deutsche finden sich sogar in Kaffa^.

Für Genua war Deutschland ein Durchgangsland, das Ziel war Flandern, wo sich in Brügge eine festorganisierte genuesische Ansied- lung befand , die im Anfange des sechzehnten Jahrhunderts mit den andern Fremden nach dem mächtig aufblühenden Antwerpen über- siedelte *. Von dort aus gingen die Kaufleute auch nach England hinüber.

welchen die Ravensburger ihr Kaufmannsgut anvertraut hatten, sagen die Bemer Briefe nicht. Als Ort der Beraubung bezeichnen sie recht unbestimmt die Grewässer in der Nähe des Königreichs Neapel; zur Bezeichnung der Zeit müssen uns die Worte: nunc nuper genügen. Wir kommen weiter, wenn wir anderweitige Daten vergleichen. Der venetianische Kapitän, welcher im Sommer 1474 die Flandern- Galeeren zu befehligen hatte, Antonio Maliziaro berichtete nach Hause (27. Juni) von neuen Rüstungen des Colomb; die Republik sah sich dadurch veranlafst, nicht blofs zwei Galeeren von gröfserem Typus nach Flandern zu senden, sondern auch die Mitwirkung neapolitanischer Schiffe bei dieser Expedition zu veranstalten ; denn auch neapolitanische Galeeren hatte in demselben Jahre Colomb zum Gegenstand seiner Angriffe gemacht (Bus er. Die Beziehungen der Medicäer u. s. w. S. 451). Während nun die Galeeren Maliziaros, wie es scheint, unversehrt von der flandrischen Fahrt heimkehrten, wurden die zwei Galeassen des Königs Ferrante von Neapel am 1. Oktober 1474 in dem Hafen Yivero an der Nordküste Galiciens von Colomb an- gegriffen und gekapert. Es war darauf neapolitanisches, genuesisches und florenti- nisches Kaufmannsgut. König Ludwig XI. fand es in seinem Interesse, die Ge- schädigten durch Herausgabe bez. Ersatz des Geraubten zufrieden zu stellen. Die Verhandlungen finden sich in Lettres de Louis XI. ed. Vacsen 5, 300f. 309 314 und bei B u s e r S. 452. Die Daten der gewechselten Briefe fallen in eine und die- selbe Zeit mit den Briefen der Stadt Bern zu Gunsten der Ravensburger (Dez. 1474 bis April 1475). Es ist sehr wahrscheinlich, dafs auch die cistae pannis refertae der Ravensburger, welche in Colombs Hände fielen, am 1. Oktober 1474 bei Vivero auf den gal^sses ferrandines gekapert wurden. Dann täuschte sich freilich der Bemer Rat über den Ort, indem er neapolitanische Schiffe und neapolitanisches Gewässer verwechselte. Wie kamen, möchte man femer fragen, diese oberschwäbischen Tücher auf neapolitanische Schiffe? Versuchten etwa die Händler eine in Flandern nicht verkaufte Ware in Neapel anzubringen? Oder waren es flandrische Stoffe?

1 Urkunden Nr. 258.

a Urkunden Nr. 269.

' Jorga in Revue de TOrient latin 4, 29.

^ Über die Ansiedlung vgl. Desimoni e Belgrano in Atti della societä Ligure Vol. 5.

550 Achtundvierzigstes Kapitel.

Nun bestand seit 1318 ein direkter Schiffsverkehr, dem für friedliche Zeiten naturgemäfs die Massengüter zufielen. Den Landweg zog der Kaufmann für seine Person, für die feinen und teuren Waren und im Falle einer schleunigen Reise vor. Bei den Beraubungen u. s. w. erscheint in genuesischem Besitze gesponnenes Gold und Silber ^, Seidenfkden, Perlen, seidene und golddurchwirkte Stoffe. Die einzelnen Beraubungen sind schon früher behandelt. Einen politischen Hintergrund hatte es, als 1508 der Bemer und Solothurner Bürger Dietrich von Hallwyl in Rheinfelden 16 Pack Sammete (velutorum), genueser Eigentum, beschlagnahmte. Die Genuesen wandten sich an Luzem und hoben mit Recht hervor, dafs sie die deutschen Kauf leute behandelten , als seien sie ihre Bürger und aus genuesischem Blute entsprossen^. Der Hallwyler meinte, er wolle so zu seinem Rechte gegen den König von Frankreich kommen, der ja damals Herr von Genua war, und das Geleit der Eidgenossen sei ja durch die Streifzüge nach Locarno und Genua erloschen. Doch die Tagsatzung war für die Wünsche der Genuesen®.

Der Warenverkehr Genua-Brügge war so beträchtlich, dafs ein Ge- schäftshaus von Mecheln »exercebat artem et minisierium conducendi cum corum eum'cülis merces mercatorum de Frandria in Italiam sattem usqtAe ad partes AJamaniet . Sie waren gewöhnt durch das Bistum Strafsburg, also offenbar durch den Pafs von Ingweiler, ihren Weg zu nehmen, wo wir Genua erwähnt fanden. Im Bistum Strafsburg wurden einmal Waren im Betrage von 7000 fl. geraubt*. Und später (1512) erscheint abermals eine ähnliche Transportgesellschaft, die des Franciscus und Melchior de Insula, welche für den Durchgangsverkehr über Basel sich einen besonderen Satz erwirkt hatte ^. Doch auch nach Nürnberg kamen Genuesen ®.

Unter den genuesischen Namen, die uns in Deutschland begegnen, sind die Grofshandelshäuser Spinola, Doria und andere vertreten.

Die Bedeutung Astis für Deutschland ist in einem andern Kapitel behandelt. Dorthin scheinen nur selten Deutsche gekommen zu sein. Der Konstanzer Konrad Sünder hat in dieser Gegend freilich viel verkehrt^ wenn auch die Briefe, die darüber handeln, vielleicht nur Stilübungen sind, da die Jahreszahlen 1402, 1408 und 1405 nicht recht zusammen- stimmen. Ihm wurde im Bistum Tortona in Montepursario bei Asti

^ Vgl. namentlich Urkunden Nr. 449. « Urkunden Nr. 293. ' Eidgen. Abschiede 3, 2, 436 f.

^ Urkunden Nr. 262 bez. eine vollständige mir vorliegende Abschrift. » Urkunden Nr. 316.

^ Anfang des sechzehnten Jahrhunderts Pelegrino Permentorio. Papiere der Gesellschaft Koler-Rrefs-Saronno.

Mailand. Verkehrspolitik. 551

das ist Mombercelli südwestlich von Asti vom Markgrafen von Mont- ferrat seine Waren weggenommen^. Konrad Sünder war sehr wahr- scheinlich ein Faktor derer von Ulm*.

Ein savoyischer Unterthan, der zugleich Luzerner Bürger war, wurde 1419 mit zwei Leuten, die aus Acqui und Brescia stammen dürften, im Saarbrückenschen gefangen gesetzt ^

Auch Alessandria stellte Händler, die Deutschland durchzogen, einer, der von London und Brügge kam, wurde 1 484 im Elsafs gefangen genommen *.

Neunundvierzigstes Kapitel.

Mailand. Yerkehrspolitik. Mailänder in Deutschland. Privilegien für den Handel nach Deutschland und die Deutschen.

Die Kaufmannschaft von Mailand betreibt hervorragend eine Verl'ehrspolitikj später an ihrer Stella mehr die herzogliche Regierung. Hauptgedanken. Der Seeweg, Mailänder in Deutschland, besonders die Alzate, Suane und Busti. Ebenso Comasken. Handels- politik gegen Deutschland. Die ProiHsiofies Januae von 1346, Andere Verträge. Er- neuerungen. Privilegien für die Deutschen vofi 1422. Fondaco. Neue Verhandlungen 1472' Erweiterung der alten Privilegien 1469 und Bestätigungen bis 1522. Tabelle der Tarife. Der Zollstreit der Bavensburger GesdUchaft.

In den Beziehungen Mailands zu den deutschen Verkehrswegen, die oben schon eingehend dargestellt sind, spiegelt sich die Verfassungs- entwicklung von Mailand wieder. Zunächst tritt nur die Kaufmannschaft hervor, also eine Körperschaft innerhalb der grofsen Gemeinde, sie hat die Verhandlungen über die Organisierung des Simplonverkehrs ab- geschlossen und auf diese Strafse war ja keine Stadt mehr als Mai- land angewiesen. Seine Kaufmannschaft übernahm dafür aber auch die Wahrung der Interessen, die bis dahin die allgemeine italienische Gesell- schaft der Besucher der Messen der Champagne gepflegt hatte, sodafs das heutige Archiv der Mailänder Handelskammer, der Rechtsnachfolgerin der Mailänder Kaufmannschaft, eine ganze Reihe von Urkunden enthält, die ursprünglich jener Gesellschaft gehörten und von ihr veranlafst waren. Die Einrichtung des Weges durch Lothringen (1291), wie die neuen Be- stätigungen von 1321 (Neufchäteau und Herzog von Lothringen) gehen

» 27. Oktober 1403 und 1. Mai 1405. Z. Gesch. Oberrh. 4, 38 f. und 24. JuU 1402 Urkunden Nr. 331. Alle drei entstammen dem Formelbuch des Nikolaus Schultheiss. Immerhin wäre es denkbar, dafs Sünder diesen Weg regelmäfsig be- fuhr und zweimal „nieder gelegt*' wurde. Mombercelli gehörte kaum ins Bistum Tortona,

2 Z. Gesch. Oberrh. 4, 47. Vollmacht der Ulm für ihn.

8 Urkunden Nr. 404.

* Urkunden Nr. 113.

552 Neunundvierzigstes Kapitel.

auf sie zurück. Schon aber hatte die Kaufmannschaft auch aufserhalb der Simplonstrafse für sich vorzugehen angefangen. Der Gesandte von 1314, der mit den Herzögen von Österreich, Como, Luzern u. s. w. ver- handelte, hatte seine Gewalt sogar schon von der Stadt erhalten. Es folgten die Gesandtschaften von 1356, 1360, 1386, 1391 und 1398, die alle im Auftrag der Kaufmannschaft thätig waren. Wer den reichen Bestand des Archivs der Handelskammer überblickt, von dem unser Buch ja nur den kleineren Teil veröffentlicht, bemerkt sofort, dafs die Wahrung der Mailänder Handelsinteressen während des vierzehnten Jahr- hunderts Sache der communiias mercatorum war. Nach dieser Fülle von Urkunden bietet das Archiv für das fünfzehnte Jahrhundert so gut wie nichts. Es sind wohl kaum die Archivalien dieser Zeit besonders schlecht erhalten, meines Erachtens liegt ein anderer Grund vor. Die Gewalt der Visconti hatte sich inzwischen gefestigt und das neue Fürstentum dehnte seine Aufgaben immer weiter aus, auch die Angelegenheiten der Kaufleute waren Sache der Herzöge geworden und weder die Viscontis noch die Sforzas liefsen sich viel in ihre Angelegenheiten hereinreden. Schon im vierzehnten Jahrhundert hatten die Visconti gelegentlich die Kaufleute unterstützt, in den Urkunden über den Simplon verkehr er- scheint schon 1351 zum erstenmal der Stadtherr. Doch erst 1386 decken sich die Gesandten mit dem Herzoge. Da der Graf von Werdenberg verlangte, dafs sich die Mailänder auf die Benutzung des Bündner Weges verpflichten sollen, erklärten sie, sie könnten ohne den Herzog eine solche Firma nicht geben.

Es läfst sich sehr wohl damit vereinen, dafs noch die Statuta merca- torum Medtolani von 1390 durchaus die Regelung des Verkehrswesens als Sache der Kaufmannschaft behandeln, die sich 12 -consules Straten jährlich erkort Wir sehen, dafs jeder Weg die Kosten selbst auf- zubringen hatte, wie aus dem Warenverkehr auch der Schaden des be- raubten Kaufmanns durch eine Zollabgabe gedeckt wurde ^, ja geradezu bezeichnete die Kaufmannschaft als ihren Zweck, den Handel zu heben, Strafsen zu schaffen, zu erhalten und zu verteidigen, fiir die Sicherheit zu sorgen, die Strafsen zu bewachen und alle dafür nötigen Kosten auf- zubringen®. Für den Verkehr wurden die Wege genau bestimmt; nach Mailand hinein kamen die Waren nur durch die Porta Vercellina und Porta Romana, was über die Alpen und von Como kam, mufste an jenes Thor gefahren werden *. Den Fremden gegenüber wurde durchaus

1 Blatt 199.

« Blatt 212 V, 213.

8 Blatt 215 V.

* Blatt 216. Jene Corso Porta Magenta, diese am Carso Porta Roniana,

. Mailand, Verkehrspolitik. 553

das Prinzip der Gleichheit proklamiert* und auch für den inter- nationalen Kredit wurde gesorgt, wobei ausdrücklich auf die Messen der Champagne und Brie hingewiesen wird*. An den Zollstellen sollte der, der zuerst komme, auch zuerst abgefertigt werden und niemand durfte allein mehr wie 30 Ballen transportieren lassen, hatte er einen Diener, nicht über 50^.

Die Mailänder Kauf leute haben bei ihrer Verkehrspolitik bestimmte Grundsätze verfolgt. Man kann das Bemühen sehen, sich nicht auf einen einzigen Pafs zu verpflichten, sondern zwei gegeneinander auszu- spielen. Den Mittelpunkt ihres Interesses bildete natürlich der Gotthard und neben ihm der Simplon, das waren für den Verkehr nach den Champagner Messen Rivalen und wir haben gesehen , wie sie den Loth- ringer Weg als einen Konkurrenten des Weges über Jougne aufspielten. Mit dem Niedergange jener Messen erkaltete das Interesse Mailands für den Simplon und Jougnepafs nicht sofort, um so weniger, da in den Genfer und Lyoner Messen sich ein Ersatz fand, aber stärker tritt unter dem Einflüsse des Kampfes zwischen den Habsburgern und den Eidgenossen, der häufig den Gotthardverkehr beeinträchtigte und schliefslich zu dem Streite zwischen den Eidgenossen und Mailand selbst hinüberlenkte, das Interesse für die Bündner Pässe hervor, wo sich die Mailänder mit den Konstanzer Wünschen begegneten. Der Wegebau empfing mitunter seine Impulse geradezu von Mailand am stärksten ist es beim Simplon der Fall immer waren die Mailänder jedoch bereit, bei jeder Wegebesserung einen Teil der Kosten zu tragen , in den Verhandlungen um den Neubau am Septimer tritt das zur Genüge hervor.

Für Mailands Handel nach Flandern und England kam der Seeweg gar nicht oder doch nur als Ausnahme in Betracht. Sehr erheblich scheint die Differenz der Transportkosten nach der nicht ganz durch- sichtigen Angabe von Uzzano freilich nicht gewesen zu sein, jedenfalls waren die Versicherungskosten zur See (12 15^/o) viel höher als zu Lande (6 8 ^/o) *. Die Höhe der Transportkosten werden sich vielleicht einmal aus italienischen Geschäftsbüchern genauer feststellen und Ver- gleiche mit denen auf dem Seewege anstellen lassen. Der Transport von 11 Sack Wolle von Mecheln bis Mailand kostete 143 fl.*. Leider sind die Einzelposten nicht mitgeteilt.

* Blatt 216v. Vgl. auch in den Statuta extraordinaria die Rubrik de represalm Blatt 135 f. u. 205.

« Blatt 213 V. Vgl. auch Blatt 205.

' Blatt 216 V. Es ist vom conductor ballarum, nicht vom Kaufmann die Rede, das Transportgewerbe war also bereits 1390 entwickelt,

* Uzzano 128. » Uzzano 187.

554 Neunund vierzigstes Kapitel.

Es würde ermtiden, wenn ich die Angaben über das Erscheinen von Mailänder Kaufleuten hier wiederholen wollte. Wir haben sie im Wallis, auf der Grimsel, auf dem Gotthard, Lukmanier, Bernhardin und dem Septimer gefunden und weiter in Jougne, am Neuenburger See, auf der Lothringer Strafse, auf dem Rhein, im Schwarzwald und nördlich des Bodensees, schon 1391 hatten sie einen Geleitsbrief bis Nürnberg.

Unter den mit Deutschland handelnden Firmen der Städte Mailand und Como ragt besonders das Haus Alzate hervor. Wenn man liest, dafs Philipp von Alzate 1345 von Erzbischof Walram von Köln wegen Wucher gefangen gesetzt wurde, auf Verwendung von Köln aber frei- gelassen wurde ^, könnte man des Glaubens sein, dafs sich dieses Haus von der soliden Art der anderen Mailänder Kaufleute entfernt habe, die sich nur dem Warenhandel widmeten. Aus den Akten des Comasker Notars Cermenate habe ich aber gesehen, dafs dieses Haus massenhaft deutsche Wolle verkaufte und, als 1391 Ballen mit Wolle in der Nähe von Konstanz weggenommen waren, schickte Mailand als Boten neben Romerius de Suane auch Paginus de Alzate. Wir haben sie in ihrer Thätigkeit kennen gelernt*. Dyonisius von Alzate erhielt 1428 von Konstanz einen Geleitsbrief ^. Auch diese Suane, die bald als Mai- länder, bald als Comasken erscheinen, waren an dem Verkehr durch Deutschland interessiert. So schuldete Kurfürst Ruprecht H. von der Pfalz 1371 an Thomas von Suane, Jakob seinen Bruder, Kaufleute von Como, und Franz und Ambrosius von Busti, Kaufleute von Mai- land, 29450 fl., wofür er ihnen Anteil an dem Zolle zu Kaiserswerth gewährte *.

Mit den Busti ist wiederum ein Geschlecht erwähnt, von dem wir schon Andreas, Gervasius und Protasius früher kennen gelernt haben**. Auch sie hatten in Köln ein Glied sitzen, Ambrosio war dort Bürger, während Johann und Joeris von Mailand aus in deutscher Sprache einen Vollmachtbrief sandten ®. Kauf leute dieses Namens begegnen noch im sechzehnten Jahrhundert in Deutschland: Protasio da Busto besuchte Nürnberg und Frankfurt''. Namentlich mit Köln stand Mailand also in regem Austausche®.

1 Ennen u. Eckertz 4, 283.

2 S. oben S. 395.

8 Urkunden Nr. 354. * Koch u. Wille Nr. 5074. Vgl. 5053. » S. oben S. 304, 329 u. 384. ^ Ennen u. Eckertz 5, 363. "^ Papiere d. Gesellschaft Koler-Krefs-Saronno.

® Weitere Nachrichten über Mailänder in Köln. Anton von Conquerecio schuldet dem Kölner Gerhard von Benassis. Mitteil. Stadtarchiv Köln 7, 72 u. 73 und

k

Mailänder in Deutschland. 555

Aus einzelnen Urkunden sehen wir, wie kräftig die Kaufmannschaft und später die Herzöge sich ihrer Kauflcute annahmen. So bemühte sich jene für Aliprando de' Grassi gegenüber dem Konstanzer Stadt- ammann Ulrich Habk ^. Die Herzöge traten mitunter auch gegen die Eidgenossen auf, so gegen die Stadt Wyl im St. G allen sehen ^.

Ansiedlungen von Mailändern aufserhalb Italiens haben sich manch- mal durch Häusernamen erhalten, so dürfte das Haus „in dem Mailand^ in Ulm, das Haus Meilain in Köln, die beiden gleichen Namens in der Lampartengasse in Basel zu erklären sein®. In Brügge und London, wo stets gröfsere Ansiedlungen von Mailändern waren, wie in Venedig war 1434 das berühmte Haus der Borromei vertreten, das trotz seines Adels sich lebhaft am Handel beteiligte*. In der späteren Zeit scheinen die Morosini einen besonders starken Handel nach Basel getrieben zu haben.

Speciell der Comasken gedenken viele Nachrichten. Ein Gabriel de Reimondis hatte 1372 einen Streit über Tuchballen vor dem Strafs- burger Rate mit dem dortigen Bürger Mafiolo de Subripa. Jacob von Mündriz waren ebenda dreizehn Fardel weggenommen*. Johannes de Via genannt Kümy mit dem Mailänder Bounstetter (!) lernen wir in der Gegend von Luzern in rechten Sorgen vor Nachstellungen kennen*^, wie uns ja eine Reihe von Beraubungen, die Comasken erlitten, bekannt wurden'. In Lindau wohnte 1497 ein Comaske®.

Die Geschichte der Mailänder Handelspolitik gegenüber Deutschland beginnt mit den Provisiones Janue von 1346, die den Durchgangshandel durch das mailändische Gebiet zu heben beabsichtigten^. Zu dem Zwecke wird allen Menschen der Handelsverkehr zwischen dem Gebiete jenseits der Alpen und Genua und umgekehrt freigestellt und für die durch das Gebiet der Herren von Mailand durchgeführten Waren wird ein niedriger nach den verschiedenen Warengattungen angesetzter Zoll- tarif eingeführt, wobei eigentümlicherweise neben den im richtigen Zuge

Ennen u. Eckertz 5, 53 u. 59. Aus der einen Urkunde geht hervor, dafs Erz- bischof Friedrich dem Germanus von Blasonia 34 600 fl. schuldete. 1312 Bürger Peter von Merlan und Kono von Luzern. Ennen u. Eckertz 4, 6.

1 Urkunden Nr. 27. Die Grassi hatten auch Beziehungen zu Köln. Q u e 1 1 en 5, 61.

2 Urkunden Nr. 109 u. 117.

« Ulmer Urkb. 2. Ennen u. Eckertz 4 Nr. 377 zu 1355. Fechter, Topo- graphie 36. Ein anderes Haus hiefs Mons Jop ^= Moni Jovis. Geering 214. ^ Doneaud 5.

» Strafsb. Urkb. 5 Nr. 1023 und Nr. 263. « Amiet 2, 298. 299. ■^ S. oben S. 496 u. 497. 8 Urkunden Nr. 130. » Urkunden Nr. 191.

556 Neunundvierzigstes Kapitel.

des Verkehrs liegenden Zollstätten von Mailand und Como, auch die von Lodi, Creniona und Pizzighetone aufgeführt sind. Werden die Waren innerhalb des Mailäjidischen verkauft, so ist der gewöhnliche Zoll zu entrichten. Das Statut verbietet auch alle Repressalien gegenüber den Durchziehenden, er sei denn der eigentliche Schuldner.

Wer diese Ordnung veranlafst hat, ist in keiner Weise zu ersehen, weder eine italienische noch eine deutsche Kaufmannschaft tritt hervor und auch das ist nicht zu sagen, ob mehr die Städte Mailand, Como u. s. w. oder ihre Herren der Erzbischof Giovanni und sein Bruder Luchino Visconti besonderen Anteil an den Beschlüssen genommen haben.

Mailand besafs schon mit Venedig, seinem zweiten Hafen, seit 1317 einen Handelsvertrag, wo gegenseitig die Zollabgaben festgestellt waren ', auch Como war, als es sich der Herrschaft der Visconti noch nicht ge- beugt hatte, mit Venedig in Verhandlung getreten, die 1328 zu den Trovixiones Veneziarum führten*. Auch hier wurde ein allerdings weit weniger umfangreicher Ausnahmezolltarif aufgestellt, der jedoch nur für die Venetianer galt. Er setzte für Baumwolle und Wolle die Abgabe für den Ballen von 20 Rubb auf 1 Gulden, von Tuchballen aber und anderen Waren auf 2 Gulden fest. Die Comasken hatten in Venedig keine Zollbegünstigungen, aber sie durften ihre Waren auslegen, wo es ihnen gefiel und sie konnten ihre Wohnung wählen, wo sie wollten. Diese beiden Durchgangsbegünstigungen spiegeln sich in den Zolltarifen von Como deutlich wieder, die später näher zu behandeln sind.

Mailand hatte auch einen Vertrag über den Verkehr von Como nach Florenz, Bologna und der Romagna. Die Kaufleute dieser Gebiete pflegten in Como T^pannos CumanoSj de Tumo et ParaloRcha^j also von Como, Torno und Parlasco, östlich von Bellano, einzukaufen und sie dann, um den hohen Mailänder Zoll zu umgehen, über Verona und Mantua zu führen. Dieses zu vermeiden, setzten 1350 die Mailänder den Zoll für diese Tücher auf \A fi Imperialen per Stück herab®.

Die Provisiones Janue wurden schon 1347 erneut*. Die ungeheure Ausdehnung, welche die Herrschaft der Visconti in jenen Tagen gewann, verschaffte ihnen auf dem Wege nach Genua auch Tortona und Alessandria, endlich suchte auch Genua 1353 den Schutz des klugen und mächtigen Erzbischofs auf. Es entsprach also der Sache, dafs 1347 die Zollsätze

^ Gaddi S. 25. Ich habe in dem umfangreichen Aktenstücke für Deutschland keine direkten Angaben gefunden. Über ältere Verträge vgl. Marin 6, 293 f.

* Gedruckt v. Liebenau im Periodico della societ4 storica Como 19, 272 77 und vorher in vollständiger Gestalt ebda. 2, 52—75. Vorher war eine schwere Schädigung von Venetianem im Veltlin geschehen.

" Statut Arch. stör. lomb. 7, 131.

* Urkunden Nr. 191 Schlufs.

L

Privilegien für den Handel nach Deutschland und die Deutschen. 557

von Tortona und Alessandria aufgenommen, die von Lodi, Cremona und Pizzighetone jedoch gestriehen wurden.

Nach dem Tode des Erzbischofs übernahmen seine Neffen die Herr- schaft, die sie jedoch in ihrem ganzen Umfange nicht zu behaupten ver- mochten. Galeazzo II. residierte in Pavia, Bernabo in Mailand, jedoch bezog sich die Erneuerung der Provisiones Janue, die Galeazzo mit Zu- stimmung seines Bruders vornahm, auf das gesamte Gebiet^. Es wurden dabei die Transitscheine eingeführt, die dem Kaufmann bei Eintritt des Gebietes gegeben und später abgefordert wurden und eine Kontrolle der Verzollung ermöglichten. Galeazzo dehnte dann die Gültigkeit der Ord- nung auf jeden Transitverkehr aus, Piacenza und alle anderen Städte wurden in dem Zolltarife gleich Cremona gesetzt. Es war diese Ordnung nunmehr ein genereller Transittarif, der nicht mehr auf die Interessen Genuas zugeschnitten war. Das letzte mir bekannte Zeugnis über seine Gültigkeit stammt aus dem Jahre 1389, wo Giovan Galeazzo der Stadt Pavia den Inhalt einschärfte^.

Sehr wertvoll sind die 1422 von Herzog Filippo Maria den deutschen Kaufleuten gewährten Privilegien für sie gewesen. Sie sind im Ver- laufe der Siegmundischen Handelsperre gegen Venedig® erlassen und Äwar traten die Genuesen für die Deutschen ein, welche die in acht Ab- schnitten eingeteilten Wünsche derselben die uns im vollen Wort- laute noch vorliegen auch ihrerseits vertraten*. Gegentiber der ab- fälligen Kritik, die die Deutschen am Kaufhaus von Venedig übten, ist es aufßlllig, dafs sie hier die Errichtung eines Fondaco erbaten, frei- lich dachten sie sich den Mailänder wohl mehr als eine bequeme Her- berge, denn als Zollanstalt und Zwangsherberge. Kein Gerichtsbeamter solle, um einen Deutschen gefangen zu setzen, denselben betreten dürfen. Sie wünschten frei von Steuern und Abgaben für alle Lebensbedürfnisse zu sein und der Herzog gewährte die Bitten; nur den einen Fall aus- schliefsend, wenn ein Deutscher ein mit Blut zu bestrafendes Verbrechen begangen habe und auch dann sollte das Asylrecht gewahrt bleiben, wenn das Verbrechen sich zwischen Deutschen abgespielt habe.

Für den Verkauf und Einkauf verlangten sie den alten Zoll, der Herzog setzte sie den Bürgern Mailands und seiner andern Städte gleich. Beim Durchgangsverkehr von Deutschland nach Toskana und Genua wurde der alte Zoll zwar nicht auf die Hälfte, jedoch auf zwei Drittel herabgesetzt und den Zollbeamten wurde das Durchstechen der Ballen

1 Urkunden Nr. 248.

2 Urkunden Nr. 249. 8 S. oben S. 518.

^ Urkunden Nr. 182. Der Anteil der Genuesen folgt unzweifeliiaft aus dem Schlüsse : in quibus . . capituUs et concessia per Januenses.

558 Neunundvierzigstes Kapitel.

verboten, jedoch sollten diese die Ballen aufbinden dürfen , mufsten freilich, wenn sie kein Zollvergehen fanden, sie auf ihre Kosten wieder zubinden.

Der erste Entscheid auf die Bitte, dafs die Kaufleute an den Thoren und auf dem Markte nicht durchsucht werden dürften, lautete, dafs die Kaufleute betreffs ihrer zollpflichtigen Sachen schwören müfsten, als sie aber dagegen remonstrierten, verzichtete der Herzog im Einverständnis mit seinen Einkünftemeistern auf den Eid, sie sollten für das, was sie an sich und in ihren Felleisen trügen, zollfrei sein. Das Tragen von Schatz- und Trutzwaffen wurde gestattet. Der Herzog sicherte ihnen friedliche Fahrt für sein ganzes Gebiet zu. Für den Fall des Ausbruches einer ansteckenden Krankheit wollten die Deutschen die Erlaubnis ge- winnen, an der Stadt vorbeifahren zu dürfen, hier leistete die Gesund- heitspolizei doch Widerstand: es wurde untersagt, aus verseuchten Ge- bieten zu kommen oder solche zu durchziehen. Ausgeschlossen hatte der Herzog bis zu einem Friedensschlufs die Kaufleute aus dem schweize- rischen Bund, wenige Monate vorher hatten die Truppen des Visconti die Schweizer bei Arbedo besiegt

Übersieht man das Ganze, so kann man nur gestehen, dafs der Herzog in allen billigen Sachen den Wünschen der Deutschen willfahrt hatte und die Handelsprivilegien wurden nicht etwa bald zurückgenommen, sondern wiederholt bestätigt. Mit Filippo Marias Tode (1447) war das Haus der Visconti im Mannesstamme ausgestorben, die Stadt richtete sich als Republik ein, um bald die Erfahrung zu machen, dafs eine Republik Mailand die andern Städte nicht unter ihrer Herrschaft be- halten könne. In der kurzen Periode der Ambrosianischen Republik bestätigten die Kapitäne und Schutzherren der Freiheit am 20. Januar 1448 die Privilegien der deutschen Kaufleute und schon sechs Tage, nachdem der geniale Condottiere Francesco Sforza am 25. März 1450 seinen Einzug in das tief gebeugte Mailand gehalten hatte, verbriefte er als neuer Herzog sie in gleicher Weise. Durch diese Verbriefung sind sie uns erhalten ^

Die Absicht, durch diesen Vertrag den Handel der Deutschen von Venedig nach Genua abzulenken, wird ganz deutlich in einem Briefe des Maestro delle en träte an den Referendar von Como von 1424 Dezember 14 ausgesprochen, der aber auch beweist, dafs ein Teil der Waren schon wieder von und nach Venedig ging^

Ein Teil der Bestimmungen ist aber wohl nicht ausgeführt worden, von einem Fondaco liegen keinerlei Nachrichten vor, es kam die gute

* Urkunden Nr. 182 Anm. « Urkunden Nr. 195.

Privilegien für den Handel nach Deutschland und die Deutschon. 559

Absicht schwerlich zur Ausführung. Der Versuch, ein behagliches Heim zu gewinnen, wurde von den Deutschen jedoch Ende 1471 oder Anfang 1472 erneut ^ Dieses Mal schoben die Deutschen einem Mailänder Kauf- mann vor, der mit Deutschen in naher Beziehung stand, Taddeo de'Busti *. Unter den acht Kaufleuten, die den Antrag später vertraten, sind Matthäus und Lukas Fugger als Augsburger, Heinrich und Georg Fütterer als Nürnberger zu erkennen. Unter dem France könnte man einen Konstanzer Fry suchen. Und in der That war ein Henrico France gerade in dieser Zeit in Mailand, dessen Wünschen entgegenzukommen, dem Herzog nötig schient

Die Bitte , eine siantia lihera zu haben , woflUr sie keinen Miet- zins zu zahlen hätten und von den Abgaben ftlr Wein, Brot und Fleisch frei seien, begründete sie mit einem Hinweise auf die be- sprochenen Privilegien von Filippo Maria und Francesco Sforza, sie wurde von Francescos Sohn Galeazzo Maria sehr wohlwollend auf- genommen. Es vergingen jedoch mehrere Monate, bis am 14. No- vember 1472 der Herzog seinem geheimen Rate den Auftrag geben konnte, das von den acht Deutschen eingereichte Gesuch zu beraten*. Er berief die Fremden vor sich und stattete schon am 4. Dezember sein Gutachten ab, das die Wünsche völlig befriedigte*^. Der Geheime Rat meinte, es sei das beste, der Herzog miete kein Haus, sondern kaufe ein solches ; die Deutschen liebten eine behagliche Behausung und würden, wenn sie sich dauernd einrichten könnten, das Gebäude erheblich ver- schönem. Sie brachten ein Wirtshaus das Haus zum Hute oder das Haus des Grafen da' Verme in Vorschlag. Der Fondaco würde dem Herzoge und seinen Einkünften vom gröfsten Nutzen sein. Der in Venedig sei die wichtigste Einnahmequelle der Stadt, unter dem Mai- länder werde der Venetianer schwer leiden. Bei der heftigen Feind- schaft des Herzogs gegen Venedig mochte ein solcher Grund doppelt wirksam sein. Allein damit hören alle Nachrichten auf und es scheint, dafs das Projekt auch dieses Mal doch nicht ausgeführt wurde. Wenig- stens ist bisher keine weitere Angabe aus dem für diese Zeit ja aus- gezeichnet erhaltenen Archiv der Mailänder Herzöge bekannt geworden. Nur soviel sehen wir, dafs man mit grofser Aufmerksamkeit die Deutschen in Venedig beobachtete •.

^ Vgl. Heyd. Über den Plan der Errichtung eines Fondaco dei Tedeschi in Mailand Deutsche Zeitschr. f. Geschichtswissenschaft 1, 454 ff. '^ Urkunden Nr. 101. 8 Urkunden Nr. 80. Litt. debü. * Urkunden Nr. 103. ^ Urkunden Nr. 104. « Urkunden Nr. 108.

560

Neunundvierzigstes KapiteL

Die letzte Bestätigung der alten Privilegien dürfte durch die Her- zogin Bianca Maria und ihren Sohn Oaleazzo Maria am 4. Juli 1466 er- folgt sein *, seitdem wurden sie jedoch erweitert und dann von den folgen- den Herrschern nachweislich bis 1522 bestätigt. Die Erweiterung nahm Oaleazzo Maria am 18. Mai 1469 vor', indem er einen Zolltarif für die Durchfuhr dem Privileg anhängte. Er griff also auf die Transitordnung von 1346 zurück und gerade wie in jener wurde bestimmt, dads von jedem Centner 10 üy also 10 ^ o, als Tara abzurechnen sei. Auch findet sich die alte Bestimmung wieder, dafs die Waren zwei Monate im Herzog- tume lagern durften, ehe sie aus der Reihe der Transitwaren ausschieden, und dafs der Tarif nur für echtes Eigentum der Deutschen gelte.

Die Sätze von 1469 sind wie die von 1346 nach Gattungen ab- gestuft, die Zahl der Zollstellen ist entsprechend der weit gröfseren Aus- dehnung der mailändischen Herrschaft bedeutend gestiegen.

Zunächst mögen die Zollsätze von 1469 und 1346 folgen:

Pro sauma mbborum 20

Tansitzölle von 1469 Zollstelle

I

res subtiles

aurum, argen-

tum, drapi sirici

« ß

n

spedemm, grane et cremisilis

^ ß

nie

drapomm lane,

lanarum,

peleteriarum

& ß

IV

mercantie

grosse et cnjus-

libet merc

Como

Mailand

Lodi

Pizzighetone ....

Cremona

Piacenza

Borgo San Donino .

Parma

Pavia

Tortona

Novara

Alessandria ....

Sesto

Arona

Vogogna

Locamo

Lugano

2 10 5 1 10 5 1 10 1 10

10

1 10

2 10

6

1

6

3

8

8

8

8

17 1 16*

6

1

6

6

6

6 1 5

6 6

6

3

3

8

8 8

12 1 10

8

1

8

8

6

15 1 -

6

15

6

3

3

8 8

8

7

15

3

1

3

3 3

3

12

3

3

1

3

3

4

4

4

a B: 10.

c In B fehlt die ganze Rubrik.

' Urkunden Nr. 189 Anm. 2 Urkunden Nr. 99.

Privilegien für den Handel nach Deutschland und die Deutschen. 5g X

Transitzölle von 1346

Zollstelle

panni Franci-

geni gentiles

U ß ^

VI

VII

VIII

IX

X

drapi Floren- tini

lana Anglie

Sita,

drapi

Site, aur.

speciaria, grana

pelizaria

U ß h

U ß ^

U ß ^

U ß ^

ii ü i

XI

mercad. grossa

« ß ^

Mailand . Como . . Lodi Cremona . . Pizzighetone

5 1 17

18

18

1

2

- 16 8

8 2 6

1 16 -

2

12

13

4 1 3

17

12

8

-34

1 12 6

6

- 8

- 8

-34

1 12 6

6

- 8 -

1

1

- .4 6

2

1

15

7

3

3

1

In den beiden Tarifen finden sich gleiche Warenrubriken I und VIII, II und IX, IV und XL Der ältere Tarif unterscheidet viel mehr die Waren und hat demnach mehr Ansätze. Vergleichen wir jene mit diesen, so ergiebt sich, dafs die Sätze von Mailand und Como seit 1846 um 70 100 ®, 0 bei den feinen Waren (Seide, Gold u. s. w.) zurtickgegangen sind, in den beiden andern vergleichbaren Rubriken aber sich vollständig erhalten haben. Daraus dürfte sich ergeben, dafs zwischen 1389 und 1422 eine Erhöhung der deutschen Transitzölle stattgefunden hat; denn sonst hätten sie im letzteren Jahre nicht auf */a herabgesetzt werden können.

Diese Neuordnung von 1469 wurde wiederholt bestätigt, wobei jedoch der Zolltarif vereinfacht zu sein scheint, doch kann das Fehlen einer Rubrik auch auf Nachlässigkeit in der Abschrift zurückzuführen sein. Nach der Ermordung des tyrannischen Galeazzo Maria (26. Dezember 1476) bestätigte die Herzogin Bona und ihr unmündiger Sohn Giovan Galeazzo am 26. Februar 1477 die Privilegien, nach des letzteren Tode (20. Oktober 1491) ebenso Lodovico Moro am 20. Juni 1495.

In der französischen Zeit (1499 1512) (1515—1521) und der da- zwischenliegenden Zeit des Scheinregiments Massimiliano Sforza' s hat eine Erneuerung der Capitula doch wohl stattgefunden, wenn auch Francesco II. Sforza in seiner vom 4. November 1522 datierten solche nicht erwähnt^. Von Massimiliano fand ich nämlich im Archivio civico von Mailand eine sehr schlecht abgeschriebene Verfügung von 1514, worin er seinen Beamten schleunige Justiz zu Gunsten der deutschen Kaufleute verfügt und dabei sich auf die Capitula beruft, die sie mit ihm hätten.

Im allgemeinen war jedem Fremden gestattet, in Mailand zu wohnen,

> Urkunden Nr. 99.

Schulte, Gesch. d. mittel alterl. Handels. I.

36

502 Neunundvierzigstes Kapitel.

ja er war drei Jahre lang frei von allen Abgaben mit Ausnahme der Zölle, Gabellen und anderen indirekten Lastend

Zusammenstöfse der Deutschen mit den Zollbeamten waren unaus- bleiblich; das allgemeine System, die einzelnen Abgaben zu verpachten, führte natürlich zu einer scharfen Handhabung der Zollbestimmungen*. Der übelste Schrauggelversuch wurde von einer Gesellschaft begangen, die die denkbarsten Gnadenerweise von den mailändischen Herzögen erhalten hatte.

Anfang Mai 1497 erschienen am Zolle von Mailand zwei Wagen mit zwei Saumlasten Zinn, die als nach Genua bestimmte roba grossa namens der grofsen Ravensburger Gesellschaft deklariert und verzollt wurden. Schon waren die Wagen abgefertigt, als der Verdacht entstand, dafs unter dem Zinn Silber sei. Bei der Osteria di San Georgio wurden die Wagen angehalten und zunächst nach dem Agenten der Gesellschaft ge- schickt, da er sich weigerte zu erscheinen, wurde sein Hauswirt Branda von Saronno, der in enger Fühlung mit den deutschen Kaufleuten stand, herbeigeholt und nun die Ballen geöffnet. Inmitten des Zinns fanden sich vier Platten Silber in einem Werte von 12654 ft 2 J3 und 6 ft Imperialen (oder 3834V2 Rh. fl. h JS 6 h) vor. Für die beiden Saum- lasten Zinn betrug nach dem oben® angegebenen Satz der Zoll für die Saumlast 15 J3j für das Silber jedoch 5 W, die Gesellschaft konnte also an dieser Zollstelle 8V'2 ü Imp. durch Schmuggel profitieren. Es mag also der Grund glaubhaft sein, dafs sie wegen der Unsicherheit solch wertvoller Ware die Angaben unrichtig gemacht hätten. Doch wie dem sei, die Gesellschaft mufste die sehr ernsten Folgen fürchten. Es verfiel nicht allein das Silber, das Zugvieh, es mufste auch noch eine sehr er- hebliche Strafe erwartet werden, und da von dem Silber ein Drittel dem Entdecker, ein Drittel der Münze, deren Meister Giovanni Antonio de Castellono sich bei der Eröffnung der Waren sehr eifrig beteiligt hatte, zufiel, war die Hoffnung auf die Nachgiebigkeit des Herzogs Lodovico Moro sehr gering.

Nur politische Rücksichten konnten den Herzog bestimmen, dem Laufe des Gesetzes entgegenzutreten. Die Gesellschaft schickte Nicolaus im Steinhuse, eines ihrer angesehensten Mitglieder, vielleicht hoffend, man werde gegen einen Verwandten des Thomas im Steinhause, des alten Familiären, Rücksichten nehmen ; er erhielt die besten Empfehlungen

1 Statuta Blatt 131.

2 Vgl. auch Urkunden Nr. 120, 121.

2 Vgl. S. 560. Doch war nach dem Statut des Datiums Blatt 161 v Pflicht, Gold und Silber innerhalb drei Tage nach der Einfuhr dem Meister der Münze anzuzeigen und ist ihnen die Hälfte für den festgesetzten Preis zu überlassen. Im übrigen ist kein Zoll zu zahlen. Die Strafe ist nicht angegeben.

Privilegien für den Handel nach Deutschland und die Deutschen. 533

auch vom Bischöfe von Chur und in Bittschriften verwandten sich die Städte Ravensburg und Konstanz, die >confederati de Suevia^y d. h. die Bodenseestädte, und die ^confederati de Alamannia dlta^, die Eidgenossen. Ravensburg wies auf die Geschäftsverbindungen hin, die die Gesellschaft über 100 Jahre mit Mailand verbänden. Da Bitten nicht verfingen, drohte die Gesellschaft, sie werde die Sache vor den Kaiser bringen; Lodovico konnte mit vollem Rechte das scharf zurückweisen.

. Wirksam war allein die Fürsprache der Eidgenossen : ein Geschäfts- anteil der Humpifsgesellschaft war durch Erbgang von den Muntprat in den Besitz eines angesehenen schweizerischen Politikers übergegangen, des Altschultheifsen von Luzern Jakob von Hertenstein ; der Ritter Ulrich Muntprat, gleichfalls Teilhaber, war eben von Konstanz nach Zürich übergesiedelt, ein anderer Konstanzer Moritz Hürus rechnete sich auch zu den Eidgenossen und endlich war der Bürger Dominik Frauenfeld von Zürich an der Gesellschaft beteiligt. Die politische Stellung dieser Mitglieder deckte die Gesellschaft. Die Eidgenossen schickten durch sie bestimmt einen Boten nach Mailand und schliefslich entsandte der Herzog seinen Kanzler Francesco Litta zu den vieren nach Luzern zu der Tagsatzung, wo am 24. März 1498 ein Vertrag abgeschlossen wurde, der der vollständigste Erfolg der Gesellschaft war. Den Eidgenossen zu- liebe erklärte sich der Herzog zur Auszahlung des gesamten Silbers bis zum 1. März des folgenden Jahres bereit, in Mailand sollte die Gesell- schaft das Geld in Empfang nehmen. Würde die Summe später aus- gezahlt, müsse es in Luzern geschehen und der Herzog habe dann den Schaden zu tragen^.

So schwer die Gesellschaft durch diese leidigen Angelegenheiten im Ansehen geschädigt sein mochte, so hat sie doch nicht etwa das Gebiet von Mailand aufgegeben. Sie hatte noch 1520 einen Faktor dort, Paul Hinderofen aus Wangen^, auch ihn deckte die Gesellschaft durch ihre eidgenössischen Beziehungen; als er von französischen Behörden fest- gesetzt wurde, wirkte Luzern für seine Freilassung und ebenso hatte 1518 Jakob von Hertenstein die Schuldner im Herzogtum Mailand und

» Vgl. Heyd, Ravensb. Gesellschaft S. 19—22 und Beil. XV. Mailändische Darstellung, XVI Empfehlung von Konstanz, XVII Abweisung der Denkschrift der Gesellschaft und XVIII Schlufsvertrag. Aufserdem sah ich ein Sommario anderer Briefe, von denen das des Ravensburger Briefes in Urkunden Nr. 131.

* Dieser erscheint später als ;Haupt einer in der oberschwäbischen Reichsstadt

VTangen bestehenden Kaufmannsgesellschaft mit einer Bitte vor Kaiser Kari V.

Dessen Statthalter in Mailand hatte den Kaufleuten der deutschen Reichsstädte

insgemein die fides publica und das freie Geleit aufgesagt. Hinderofen möchte diese

Verfugung auf seine gewifs reichstreue Stadt nicht angewendet wissen und erlangt

vom Kaiser willföhrigen Bescheid d. d. Sontheim 1546 Oktober 18. Transsumpt im

Stuttgarter Archiv. Mitteilung Heyds.

86»

gg^ Fünfzigstes Kapitel.

Umgebung übernommen. Hinter Luzern stand eben mehr Autorität als hinter den deutschen Reichsstädten^.

Fünfzigstes Kapitel.

Mailand (Fortsetzung). Begfinstignng einzelner. Mailänder Gewerbe. Die Deutschen in Mailand nnd Como nach ihrer Heimat.

Litterae passus et familiaritatis. Fry, Steinhus, Irmiy Weher. Litterae contra debitores. Handelspolitik. Schutz der WoUtceberei, Blüte der Barchtnttceherei, Ein- führung der Seidenweberei, Goldfäden, die Bede des Dogen Mocenigo, Kritik, Metall- getcerbe, Waffenschmiede , freies Gewerbe. Deutsche in Mailand und Como, Angaben aus dem vierzehnten Jahrhundert, aus dem fünfzehnten: Augsburg, Nürnberg, fränkische Städte, (rmünd, Ulm, Konstanz, Bavensburg, Kempten, St. Gallen, vom Bhein, Frei- bürg i. Ü., Bern (Mai und Pangiant), sonstige.

Die Herzöge von Mailand gewährten den deutschen Kaufleuten auch über diese Privilegien hinaus noch Rechte. Da giebt es zunächst die litterae passus und salvi conductuSy die einzelnen auf eine bestimmte Frist zwei, drei Jahre oder auch auf Widerruf gegeben wurden, für ihre Person allein oder auch für eine bestimmte Zahl von Dienern^. Sie wurden besonders in Kriegszeiten nachgesucht und so ist mitunter ausdrücklich hervorgehoben, dafs die Kaufleute nicht den Schweizern zuzuzählen sind. Von den grofsen Handelshäusern erscheinen so die Fugger von Augsburg, die Gienger von Ulm, die Compagnie der Vöhlin und Welser, daneben wieder aber auch Familiären von deutschen Fürsten mit solchen Geleitsbriefen versehen und auch ein Orgelmachermeister, wie endlich auch ein Nürnberger einen solchen erhielt, der zum Betriebe von Silberbergwerken angeworben war.

Vielfach waren die Pässe nur für einen bestimmten Transport vor- gesehen, so brachte 1460 ein Ulmer Waflten des herzoglich mailändischen Kämmerers Bernhard von Westernach seinem Vater®. So erhalten einen Reisepafs Pferdehändler für den Markt zu Arona; einem andern wurde Erlaubnis gegeben, die nach Mailand verbrachten Pferde, die er nicht hat verkaufen können, weiter zu führen. Ein anderer darf Salpeter ein- führen oder nach Bologna Silbertuch verbringen. In einem Falle wurde die Zahl der Warenballen bestimmt*. Besonders interessant ist die auf des Papstes Wunsch gewährte freie Durchfuhr bezw. Ausfuhr von 6000 Mark Silber, die *Hemicus Fucatus mercator Alamanus< nach Rom zu bringen hatte*.

1 Vgl. fleyd 22 und Beil. XX u. XXI. « Vgl. Urkunden Nr. 46-77. » Urkunden Nr. 46. * Urkunden Nr. 49. 51. » Urkunden Nr. 115.

Begünstigung einzelner. 565

Noch einen Schritt weiter gingen die Herzöge, wenn sie einen Kauf- mann unter die Zahl ihrer Familiären aufnahmen und ihnen damit das Recht eines freien Verkehrs, Freiheit von Zöllen und SchifFsabgaben ein- räumten.

Vor allem erreichten das neben politisch wichtigen Persönlichkeiten der Nachbarschaft ^ die bedeutendsten Faktoren und Vertreter der grofsen ßavensburger Gesellschaft. Heinrich Fry von Konstanz wurde von dem tyrannischen letzten Visconti mit aufserordentlich anerkennenden Worten über seine Sitten, seinen Ruf, seine erprobte Anhänglichkeit zum Familiären erhoben^. Francesco Sforza konnte November 1447 also in den Tagen der ambrosianischen Republik ihm nicht die Würde und Rechte eines Familiären erneuern, aber er gab ihm als dem Faktor des edlen Josumpis einen einjährigen Pafs, mit vier Personen frei zu reisen, ins- besondere auch in und bei Pavia, Cremona, Parma und Casal maggiore und vier Saumlasten mit sich zu führen®. 1451 gab der inzwischen Herzog gewordene dem Ulrich Fry die Rechte eines Familiären*.

Für dessen Nachfolger in der Mailänder Vertretung der grofsen Ge- sellschaft, den Konstanzer Thomas im Steinhause liegen aus den Jahren 1463—65 drei verschiedene Pafs- und Familiaritätsbriefe vor. Der erste von 1463 sollte vier Jahre Gültigkeit haben, der letzte war für eine Reise nach Sizilien ausgestellt, der mittlere aber war die Ernennung ohne Zeitgrenze und in ihm bezeichnet der Herzog den Thomas als einen hervorragenden Mann, der sich durch Bescheidenheit, unbescholtenen Ruf, Mäfsigung und andere Tugenden bewährt habe*.

Besonders interessant sind die Nachrichten über die intimen Be- ziehungen Baseler Kaufleute. Schon 1436 hatte ein Nikolaus von Basel (wie auch Antoninus de Coyate) eine Befreiung von den Zöllen, welche den Zollpächtern gar nicht gefiel. Sie machten erst den Versuch, die Befreiung auf 100 Ballen einzuschränken, aber die mailändische Re- gierung liefs das nicht zu und noch ein zweiter Versuch, der 1450 ge- macht wurde, war vergebens. Nikolaus war 1453 gestorben, das Privileg wurde auf seinen Sohn übertragen ®. Dann verschwindet der Name, man

* Für Bergeller und Oberhalbsteiner Grofsen Urkunden Nr. 196.

* Urkunden Nr. 41. Urkunden Nr. 42.

* Urkunden Nr. 43.

6 Urkunden Nr. 94—96.

« Einträge in der Serie : Incantus daUorum et vectigdlium Cume im Stadtarchiv von Como Vol. I (1486—1439) Fol. 63. Danach scheint Nikolaus mit Antoninus eine Gesellschaft gebildet zu haben. Fol. 165. Beschränkung auf 100 Ballen und nur für den Transport nach und von Deutschland. Fol. 18a Vol. III Fol. 21. 1450 Beschlagnahme von Wollballen, die Nikolaus von Mailand nach Como hatte bringen lassen. Fol. 122 Tod des Nikolaus.

566 Fünfzigstes Kapitel.

möchte geneigt sein, die Irmi als Erben des Nikolaus anzusehen, aber es wird von den Irmi niemals auf die Zeit vor 1464 zurückgegriffen.

Die Irmi von Basel waren ein sehr angesehenes Handelshaus, Hans Irmi war Zunftherr von den Krämern (zum Safran) und wurde 1474 in dem Prozesse gegen den Landvogt Peter von Hagenbach diesem als Für- sprech bestellt, sein Sohn Balthasar war 1497 Zunftmeister der Safran- zunft ^. Den grofsen Diamanten, den die Schweizer in der Schlacht von Grandson gewannen, und den kostbaren Degen Karls des Kühnen über- nahm er für 20 000 fl. zu veräufsern, was ihm jedoch nicht gelang ^. An seiner Stelle versuchte es dann der in Bern angesiedelte Lombarde Barto- lomäus Mai^. Von 1464 datiert die Ernennung des Hans zum Familiären, wobei er auch die Vorrechte, welche den Schweizern in den Kapitulaten eingeräumt waren, zugestanden erhielt^. Diese Ernennung, die nur auf zehn Jahre Gültigkeit haben sollte, wurde wiederholt erneut und ging auf seinen Sohn Balthasar über. Zuletzt finde ich eine Bestätigung aus dem Jahre 1522^. Balthasar handelte vor allem mit Reis®, dessen Anbau eben in der Lombardei begonnen hatte. 1511 wurde Gut von Felix Irmi in Como beschlagnahmt, wofür Basel sofort an Lombarden Re- pressalien ausübte^. Das Geschlecht hat den Mailänder Herzögen auch wirkliche Dienste geleistet. 1475 schickte Hans während des Krieges gegen Karl den Kühnen von Basel vertrauliche Briefe an den Herzog Galeazzo Maria mit wichtigen Nachrichten über die deutsche Politik® und sein Sohn hat 1493 eine erhebliche Summe auf die Zölle von Mai- land vorgeschossen^.

Auch Lukas Welser wurde 1475 von der Herzogin- Witwe Bona zu ihrem Familiären erhoben ^^, Lukas und Matthäus Fugger werden nur als „unsere Kaufleute" bezeichnete^. Die Vöhlin bedurften hingegen 1493 einer Empfehlung des Dogen von Venedig*^. Gelegentlich wurde die

1 Baseler Chroniken 1, 330. 2, 84. 152. 157. Vgl. auch 4, 73. 75 u. 77* Geering 164 Anm. 6.

a Eidgen. Abschiede 2, 643 u. 651. > Eidgen. Abschiede 3, 1, 200.

* Urkunden Nr. 199.

^ Vgl. Urkunden Nr. 105, 123 und die Anmerkungen dazu. Die Urkunden von 1467, 1477, 1482, 1493 und 1495 sind nicht aufgefunden.

^ Motta, Boilet. stör. d. Svizz. it. 14, 5.

^ Eidgen. Abschiede 3, 2, 592.

^ Gingins laSarra, D^pdches des ambassadeurs Milanais sur les campagnes de Charles le Hardi 1, 42 ff. 128 ff.

Anm. zu Urkunden Nr. 123. 10 Urkunden Nr. 107.

" Urkunden Nr. 62 u. 66. " Urkunden Nr. 124.

Begünstigung einzelner. 5(37

Zollbefreiung auch an sehr entlegen beheimatete Kaufleute gegeben, so war 1453 Ehrhaldus Stueimbergh civis Brugensis zollfrei ^

Ein anderes Mittel die Kaufleute zu fördern, war es, wenn der Herzog seiner Regierung gebot, gegen die Schuldner des Betreffenden scharf vorzugehen. Solche »litterae contra debitores^ sind nicht wenige erhalten, so für die Irmi, die grofse Ravensburger Gesellschaft, für ver- schiedene Memminger Häuser und andere^. Auch auf specielle Be- schwerden gegen Schulden gingen die Herzöge gern ein. Es lag ihnen sehr viel daran, den Zug der deutschen Kaufleute festzuhalten. Über das Ende unserer Periode hinaus liegt ein Brief, der für eine Reihe von deutschen Gesellschaften bestimmt war, unter ihnen die Welser, Forten- bach, Humpifs, Koler u. a.^.

Da versucht wurde, die Zollstiltten zu umgehen, wurden 1457 ge- nau die Zollämter bezeichnet, wo die Waren einzuliefern waren. Alles was von jenseits der Berge kam, mufste in Novara, Arona oder Como verzollt werden, für den Verkehr von Genua erfolgte der Eintritt in Alessandria, Tortona oder Piacenza, für den aus Toscana in Pontremoli und Parma. Was zu Lande aus der Romagna und den Marken kam, wurde in Parma, was zu Wasser ging, in Casal maggiore verzollt. Gegen die Vorschrift, dafs die Waren von Venedig auf dem Po reisen sollten, erhob Como Einspruch, welches das Interesse von Lecco und des Land- weges vertrat*.

Der Schutz der inländischen Industrie hat verschiedentlich die Her- zöge bestimmt, den fremden Handel und den fremden Import der be- treffenden Waren zu verbieten. Die Interessen der einzelnen Landesteile waren dabei verschieden. Hier ist zunächst nur Mailand zu behandeln.

Francesco Sforza verbot am 3. Oktober 1454 die Einfuhr aller fremden Tuche, ausgeschlossen waren davon die billigsten Stoffe und diese Mafsregel im einzelnen geändert wurde von den nachfolgen- den Regierungen für Mailand aufrecht erhalten'*. Der Mailänder Fabri- kation feiner Stoffe kam das zu gute, wie auch dem Wollengewerbe in Como und auf dem Lande, das sich mit der Erzeugung billiger Sorten begnügte.

Die Beschaffung feiner Wolle trieb vor allem den Mailänder Kauf- mann in die Ferne, so die reiche und angesehene Familie der Segazoni, welche französische und englische Wolle einkauften. Als in den Tagen

* Incanius daiiorxim et vedigalium Cwne (Stadtarchiv Como) Vol. III Fol. 120.

* Vgl. die Lüterae contra debitores Nr. 78—93. 8 Urkunden Nr. 93.

* Urkunden Nr. 197. Como. Vgl. Morbio, Storia dei municipj. italiani 6, 466. 5 Reiche Angaben bei Gaddi S. 107 ff; auch Pavesi 20, 23ff. P^lissier 32

(1500) u. 233 (1510). Auch Registro ducale Nr. 60 Fol. 27 Dekret von 1490.

568 Fünfzigstes Kapitel.

Heinrichs VII. der Aufstand der Tonriani tobte, erlitten sie in ihren Ge- wölben an den Tuchen schweren Schaden^.

Die Barchentweberei blühte fort, wir haben gesehen, wieviel Barchent nach Deutschland ging^.

Unter Filippo Maria wurde 1442 die Seidenweberei in Mailand durch einen Florentiner eingeführt und zwar unter grofsen Privilegien seitens des Herzogs. Der Versuch glückte in der glänzendsten Weise be- kanntlich ist Mailand heute einer der wichtigsten Plätze der Seiden- industrie — und schon 1460 verbot Francesco Sforza die Einfuhr von Stoffen aus Seide, Gold uijd Silber®. Die Produktion stieg so gewaltig, dafs, als 1474 die Stadt Pavia die Sammetweberei einführen wollte und die Stadt die Herabsetzung des Seidenzolles erbat, die Steuerbehörde Mailand, wo 15000 Menschen von diesem Handwerk lebten, dagegen schützen zu müssen glaubte^. Neben Sammet wurde in Mailand nament- lich ^jsendado^j ein leichtes taffetähnliches Seidengewebe, hergestellt*.

Dieser Schutzzoll wurde auch den Deutschen gegenüber aufrecht erhalten®. Die Regierung hielt auf die Feinheit der Waren und liefs keine golddurchwirkten Gewebe durch, in welchen der Goldstoff nicht echt war^; sie war für den guten Ruf der Stadt besorgt und auch die Verfertiger von Gold- und Silberdraht wie die Goldschmiede wollten nicht dulden, dafs Erz auf beiden Seiten vergoldet werde; es würden sonst die Käufer getäuscht und vor allem die von jenseits der Berge, welche sich auf solche Dinge nicht verständen®.

Der Doge Tommaso Mocenigo hat im Jahre 1421 einer florentinischen Gesandtschaft gegenüber eine genaue Übersicht über den Handel Venedigs mit Italien gegeben, deren Ziffern grofse Beachtung gefunden haben. Man wird dabei den Zweck der Rede nicht vergessen dürfen und sich erinnern, dafs die Verkündigung des Ruhmes selten bei der Wahrheit bleibt. Aber für die Statistik der Produktion der Städte sind die An- gaben doch von hohem Werte:

^ »Dives et popularis familia de SegazonibuSj qui conductores ac studiosi GalUcae et Britannicae lanae erant negotiafores «. Cermenate ed. Ferrai in den F o n t i per la storia dltalia 60.

* Vgl. auch £. Motta, Per la storia deir arte dei fustagni im Archivio storico lombardo 17, 140—145.

^ Morbio, Storia dei muncipj. italiani 6, 307 u. 310. Gaddi 104 ff. Pavesi soft. P^lissier 123— 127. 199. 286. 318. 320 u. 353. Formentini 5S4 fl*.

* Boll. stör. d. Svizz. it. 9, 88.

* Silbermann 1, 72.

« Vgl. Urkunden Nr. 98. 1465 Januar 7 Mailand. ■^ Selbst gegenüber dem Kaiser Urkunden Nr. 122. 8 P^lissier 199 ft'.

k

Mailänder Gewerbe. 569

Danach führten nach Venedig ein:

Stück Zum Preise von Summa

Alessandria, Tortona, Novara 6 000 Tuche k 15 Dukaten 90 000 Dukaten

Pavia 3000 - 4 15 - 45000

Como 12000 - ä 15 - 180000

Monza 6000 - & 15 - 90000

Brescia 5000 - i 15 - 75000

Parma 4000 - ä 15 - 60000

Mailand . . . 4000 feine Tuche & 30 - 120000

Bergamo 10000 Tuche k 7 - 70000

Cremona 40 000 Barchent k 4V4' - 170000

90000 900000

Gegen die Ziffern wird man auch einwenden müssen, dafs weder Mailand noch Pavia Barchent liefert. Die Ausfuhr von Venedig an Baumwolle schätzte Mocenigo auf 250000 Dukaten, von catalanischer Wolle 40000 Centner zu 6 Dukaten auf 240000 Dukaten, französische Wolle ebensoviel zu 3 Dukaten auf 120000 Dukaten «.

Auch Mailands Leineweberei machte nach Uzzano einen Teil der Aus- fuhr aus. Vor allem aber führte es, wie sich Uzzano ausdrückt, unzählige Mengen von »mercerie^y Kram waren aus® und namentlich lieferte Mailands Metallindustrie dieselben. Es ist hier nicht Raum, die Entwicklung der Waffenschmiedekunst Mailands im einzelnen zu besprechen, doch mufs ich wenigstens auseinandersetzen, dafs, wenn die Klingen von Brescia, Toledo oder Passau die von Mailand vielleicht übertrafen, seine Harnischfabrikation unbestritten die vollkommenste war, sie hat vor allem den Plattenharnisch ausgebildet, der wahrscheinlich eine Erfindung Petrajolo da Missaglias aus der Familie der berühmtesten aller Waffen- schmiede der Negroni. Auch Harff hebt in seiner Reisebeschreibung die ^hameschmacheTj sedehnacher^ gebismacher und schwertmacher^ her- vor. Ebenso wie man der Massenerzeugung gerecht wurde, hat auch die Verfertigung von Prunkwaffen, woran sich neben den Waffen- auch Goldschmiede beteiligten, in Mailand ihre höchste Blüte auf italienischem Boden erreicht. Mailand hatte in Frankreich, Spanien und England geradezu ein Monopol und es wird uns verständlich, warum König Karl VI. von Frankreich Mailänder Meister in Lyon, Karl VIH. 1490 in Bordeaux ansiedelte und Max sie nach Burgund berief*. 1481 gab es in Mailand auch Waffenschmiede, die more iheutonico arbeiteten, wie umgekehrt Pfalzgraf Ludwig einen Mann nach Mailand sandte, dem

' Die Vorlage giebt 40 Vi an, was mit der Summe nicht stimmt.

^ Sanutus, Vitae ducum, bei Muratori, SS. 22, 953 und modernisiert und korrigiert bei Cantü, Storia degii Italiani 4, 427.

8 Uzzano 295.

* Vgl. heim, Die WaflFe u. ihre einst. Bedeutung im Welthandel. Jahns, Entwicklung d. alten Trutzwaffen S. 96. Harff S. 217.

570 Fünfzigstes Kapitel.

er ausnahmsweise zu verstatten bat, dafs die dortigen Meister aus ihm einen Klingenschmied machten*.

Und Mailand erreichte eine solche Höhe seiner Industrie nicht durch ängstliche Bestimmungen über Zünfte, sondern durch eine Politik, welche der Gewerbefreiheit ziemh'ch nahe kam.

Für den Aufenthalt Deutscher in Mailand und Como, das ich hier gleich mitbehandeln möchte, mufs ich darauf verzichten, alle Notizen zusammenzustellen, so lehrreich einzelne sind, wie das Auftreten von Baselern und Freiburgern aus dem Breisgau in Como ist^. Alle Samm- lung würde hier nie ein Ende finden können. Das Notariatsarchiv in Mailand mit seinen Tausenden von Fascikeln und Millionen von Notizen konnte schon für das vierzehnte Jahrhundert nicht systematisch be- nutzt werden, angesichts einer solchen Fülle von Material ist jeder Versuch undurchführbar. Doch hatte eine von Motta vorgenommene Durchsicht der Serie der ältesten Notare uns für die Jahre 1375 und 1376 einen überraschenden Einblick verschafft, da bei dem Notar Gio- vanolo Oraboni die Deutschen offenbar mit Vorliebe ihre Schuldurkunden aufnehmen liefsen. Was die deutschen Kaufleute gegen bar einkauften, wurde natürlich nicht beurkundet, es liegen aber doch 22 Schuldbriefe vor, worin sich Deutsche zur Zahlung des Preises für meist angeführte Waren innerhalb bestimmter Frist (8 Tage bis 7 Monate, meist 6 Monate) verpflichten^. Sie kauften fast ausschliefslich weifsen Barchent, einmal erscheint auch geförbter Barchent und zweimal wird Baumwolle gekauft^ einmal von einem Ulmer, das andere Mal von einem Baseler Händler, offenbar für die heimische Produktion der Schürlitze. Die Schuldsumme ist am höchsten bei den Luzernern, die, wenn man die Compagnie- geschäfte unter die Genossen verteilt, sich auf 6771 ü l Imp. beläuft, aber unmittelbar darauf folgt Nürnberg mit 6535 U 9 ß S). In weitem Abstände folgen Basel (796 U 15^), Zürich (441 fl.), St. Gallen (rund 430 U\ Ulm (325 U) und Konstanz. Der einzige Konstanzer Cosmas Speiser hatte 132 fl. seinem Mailänder Wirte, übrigens einem Deutschen aus St. Gallen, für Herberge und Speise und Trank zu zahlen. Von den Nürnbergern gehören Konrad und Ulrich EisvogeH, wie Konrad Stromer bekannten Geschlechtern an, Konrad und Berthold Bernold führen sich neu ein, wie der 1393 in den Akten des Notars Francescolo Oldoni er- scheinende Johannes Gep, Konrad Bernold hatte seinen Wohnsitz in Mailand.

' Arch. stör, lombardo 19, 998.

a Baseler Urkb. 3, 145 Nr. 267. Schreiber 1, 143. Ob es sich aber um Kaufleute handelt, ist unsicher.

Die Frist, welche die Statuta mercatorum unter bestimmten Umständen vor- schrieben, belief sich auf nur drei Monate. Fol. 214.

^ Nach Hoth 1, 54 betrieb derselbe auch Handel nach Ungarn.

Die Deutschen iu Mailand und Como nach ihrer Heimat. 571

Von den Ulmern gehört nicht einer einem bekannteren Geschlechte an, ein Johannes Tierlin wohnte 1376 wie 1393 in Mailand, 1376 als Vertreter des Luzerner Kaufmanns Maynolus Mantellus. Von den Luzernern erscheinen fünf Personen. Aus Basel: Conradus Cioffer und Gabardus de Olde, aus St. Gallen Rudolf Libgut und Konrad Werder, Rudolf wohnte in Mailand, aus Zürich neben Ulrich Lez, einer aus dem Geschlechte der Brun: Johannes Bruno'.

Angesehene Bürger von Zürich , von denen bald darauf Hartmann Rordorf der Höchstbesteuerte war, hatten im Vereine mit dem Strafs- burger Bürger Johann Acht Üntz Seide im Mailändischen, die ihnen be- schlagnahmt wurde ^. Dafs auch Augsburger damals in Mailand handelten, beweist ein Mahnbrief der Kaufmannschaft von Mailand an die Stadt Augsburg, da Jodokus Jost einen ähnlichen Schuldbrief zum Termin aus- zulösen versäumt hatte ^.

Jener Konrad Stromer war der Neffe des Verfassers des köstlichen Stromerbüchleins, Ulmann Stromers, und der Sohn eines anderen Konrad, der Ulmann an Jahren weit voraus war. Der Vater starb nach seinem Sohne Hans, der 1348 ^uf dem Maloon^ (wohl schwerlich zu Mailand, sondern auf dem Malojapafs) ermordet war und zu Como bei den Predi- gern begraben lag*. Auch ein jüngerer Bruder Ulmanns hiefs Konrad und wurde zu Mailand bei den Barfüfsern (oder den Predigern, hier wider- spricht sich Ulmann) zuvorderst im Chor begraben; er war von einem „Sterben" 1357 dahingerafft^ Ulrichs Tochter Anna hatte den oben er- wähnten Ulrich Eisvogel zur Ehe ^. Der fleifsige Chronist notierte auch die von den Geschlechtern ihm bei Lebzeiten bekannt gewordenen und giebt die Stätte ihres Todes an. Und da erwähnt er, dafs Peter Falzner zu Pawe, also zu Pavia, September 1398 starb '^. Von Pignot Pfinczing sagt Stromer, er sei viel in Lamparten gewesen®.

Noch weit zahlreicher sind Angaben über den Aufenthalt von Deutschen aus dem fünfzehnten Jahrhundert erhalten. 1405 wurde Gut des reichen Augsburger Hauses der Ilsung und des Lupoid Karg bei Angera, also auf dem Lago Maggiore von einem Familiären des Her-

^ Über eine Erbschaft, die Züricher 1315 in Mailand zu regeln hatten, Stadt- bücher S. 9.

2 Stadtbücher S. 158 160. Der Beglaubigungsbrief für die nach Mailand gehenden Bevollmächtigten datiert von 1849.

» Urkunden Nr. 374.

^ Chroniken d. deutschen Städte S. 63, 27.

6 Ebda 62, 17 u. 64, 19.

« Ebda 66, 10.

'^ Ein weiterer Stromer starb in Ungarn, ein anderer auf einem Zuge gegen die Türken. Bei den Geschlechtem führt er fünf Todesfälle zu Wien, drei zu Venedig, zwei zu Prag und je einen zu Köln, Ungarn und Krakau an.

8 Ebda 85, 21.

572 Fünfzigstes KapiteL

zogs angehalten ^. Die Form des Briefes verrät freilich durchaus nicht die Kenntnis der Verfassung von Mailand, wie sie damals z. B. in Konstanz verbreitet war, auch 1440 schrieben di^ Augsburger an einen Podesta von Mailand, um sich über die Ermordung ihres Mitbürgers Hans Stölzlin zu beschweren'.

Dafs Lukas und Matthäus Fugger seit 1470 eine grofse Rolle im Mailändischen spielten , folgt aus der Bezeichnung fnercaiores nosiri, wie aus ihrem Anteil an der Petition um die Errichtung eines Kaufhauses'. Matthäus hatte auf einem Ritte nach Mailand das Unglück, in den See zu stürzen, wo er ertrank*. Seine Vermögensverhältnisse waren zer- rüttet, wie überhaupt dieser Zweig des Fuggerschen Hauses die Fugger vom Reh kein Glück hatten. Lukas stürzte in Folge von

Schwierigkeiten, die er in Löwen und Venedig fand*. Dafs sein Handel aufser Venedig, Leipzig, Antwerpen auch Mailand im Auge hatte, zeigt eine Vollmacht, die er 1474 für Andrea de' Bnonsignori de' Busii aus- stellte'*'. In ihr wird er als in Mailand wohnhaft bezeichnet; und sollte der Fugger gar an der Pacht der Silbergrubeu beteiligt gewesen sein, die sein Vertreter, ein auch sonst oft vorkommender Kaufmann, 1475 übernahm^? Glied dieses Zweiges war auch wohl Anton, der 1492 erscheint. Anton, der als Sohn des Andreas bezeichnet wird, war ein Faktor der Vöhlin-Gesellschaft und hatte als solcher die Vorsteher der herzoglichen Münze zur Zahlung einer Schuld für verkaufte Silberbarren anzumahnen ®. Auf die andere glücklichere Linie dieses Geschlechtes, die Fugger von der Lilie, ist in anderem Zusammenhange einzugehen. Die Welser waren mit dem Vöhlin von Memmingen verbunden, die später im Zu- sammenhang zu besprechen sind^.

Viel reichhaltiger sind die Angaben über Nürnberger Kaufleute. In ihnen tritt das Übergewicht der fränkischen Reichsstadt auf dem Gebiete der Metallgewerbe hervor, sie brachten nach Mailand und Como vor allem Waren ihrer Kleinmetallindustrie, auch deutsche Wolle und Wolltuche, Erz und nahmen dafür einfache und ge- färbte Barchente, Messing, Safran u. a. mit Auffallenderweise fehlen

> Urkunden Nr. 375.

a Urkunden Nr. 877.

» S. oben S. 559.

* Geiger, Jakob Pugger S. 3.

'^Geiger 4. Schulte, Anfänge der Fugger. Beilage zur AUgem. Zeitung 1900. Nr. 118.

ö Urkunden Nr. 169.

' Morbio 6, 468.

« Urkunden Nr. 172.

^ Einzelne Augsburger erscheinen auch sonst: so Georg Mülich 1511. Ur- kunden Nr. 177. Konrad Meuting s. unten unter Augsburg.

Die Deutschen in Mailand und Como nach ihrer Heimat. 573

die Namen der grofsen Nürnberger Geschlechter, die doch damals so überaus lebhaft nach Venedig handelten. Man darf aber nie ver- gessen , dafs unsere Nachrichten nur zufkllige sind. Und wenn auch für Mailand für das fünfzehnte Jahrhundert noch kein Notarsregister ge- funden ist, das zahlreiche Urkunden deutscher Kauf leute enthält, so ist das doch für Como der Fall, wo das Register des Notars Francesco Cermenate vom höchsten Werte ist. Da begegnet auch das Geschlecht der Schürstab , wie ein Tucher eine litiera contra debitores erhalten hatte und in Mailand ein Stromer erscheint^. Im übrigen sind die Namen Zenner, Eamperger, Hans Müller, Paul Hoffmann, Jakob Wislant, Streber, Frigmann, Flittmann, Machold ^ überliefert und gerade dieses Hervor- treten kleiner Familien hat ein ganz besonderes Interesse. Nach den Geschäftsbüchern der Gesellschaft Koler-Kress-Saronno handelten im Anfang des sechzehnten Jahrhunderts in Mailand die Im Hoff, die Rummel, Fütterer und Holzschuher ®.

Nürnberger waren auch an Bergwerken beteiligt, schon vorhin nannte ich den zum Leiter von Silberbergwerken berufenen Georg Un- anguener^. Vielfach verkauften Nürnberger MetalP. In dem einen Falle veräufsert Johann Ramberger aus Nürnberg im Namen der Gesell- schaft des Hans Müller Erz, die, wie wir wissen, in Savoyen auf Silber und Erz grub ^. Auch fand sich dort ein Nürnberger, der mit Bau- materialien handelte, er wohnte natürlich in Mailand und eigentüm- licherweise tauschte der Nürnberger Baumwollstoffe gegen seine Dach- ziegel, Ziegelsteine u. s. w. ein''. Derselbe lieferte aber auch Schellen in verschiedenen Gattungen und Messinglöffel, wofür er andere Waren eintauschte®. So hatte er 1477 eine sehr erhebliche Summe Messing- löffel zu liefern und erhielt den Preis in Lederwaren, Baumwolle, Messing und WoUentüchem^ und zog auf den Messen umher, wie er in Crema 60 Dutzend weifser soaiiarum erhandelte*^. Nach Motta war dieser Bernhard von Nürnberg auch Gastwirt. Vor 1481 besafs er den

* TJiebalfJns Stromer de Alemannia fil, quondam Henrici ist Gläubiger eines Mai- länders für 100 ü aus Warenverkauf. Cod. Trivulz. 1820 Fol. 478.

* Vgl. Register.

3 Vgl. unten S. 587 f.

* Urkunden Nr. 69. 1466 schlofs ein Passauer Tommaso de'Cantarini einen Vertrag über Ausbeutung von Bergwerken ab. Arch. stör. lomb. 19, 996. M.S. 432.

^ Verkauf von aramen oder aramen batutum vgl. Urkunden Nr. 223, 245, 163 u. 246.

« S. oben S. 487. "^ Urkunden Nr. 170. « Urkunden Nr. 171. ® Urkunden Nr. 185. '0 Urkunden Nr. 184.

574 Fünfeigstes Kapitel.

Gasthof zu den hl. drei Königen an der Porta Romana, wo 1492 auch die aus Deutschland heimkehrenden Gesandten von Venedig abstiegen^.

Von fränkischen Städten tauchen in Como Vertreter von Hall, Windsheim und Rothenburg auf. Sie alle verkaufen im wesent- lichen nur deutsche Wolle. Es erscheinen t* Maiheus Turbrech de Alla-, der mindestens zehn Ballen verkaufte, von Windsheim (Vinzen), Heinrieh Plattner, der den Erlös von drei Ballen ausstehen hatte. Am stärksten ist Rothenburg vertreten durch Filipp und Michael Fulbricher, Konrad und Johann Royn und Johannes Plan. Der ihnen noch nicht bezahlten Wollenballen waren es 6, 2, 10 und 2*.

Aus Schwaben ist zunächst Gmünd zu nennen, wo Heinrich Lind ein- mal flir Peter Geist Wolltuche verschiedener Farben in Como verkaufte, sonst aber auch Wolle scheinbar für eigene Rechnung veräufsert. Der Name ^Henricus Lind de Muntperiin Alatnanie mercaior filius Olderici^ erweckt den Verdacht, als sei er Faktor der Muntprat von Konstanz gewesen*.

Der Handel der Ulm er nach Mailand war so beträchtlich, dafs ein Zweig des Patriziergeschlechtes der Ehinger den Beinamen ivon Meylant* führte, wie der andere wegen seines östlichen Handels den der „Öster- reicher" *. Auch andere Patrizier erschienen , so Gabriel Gienger, der mit Wolle handelt*, ein Harscher stand mit dem gi'ofsen Mailänder Handelshaus der Caimi in Verbindung® und eine Ungelterin war 1510 in Mailand verheiratet^. Dietrich Hirlewagen wird in den Papieren der Gesellschaft Koler-Kress-Saronno genannt, ebenso Mathias Gienger. Die Beziehungen der Gienger und Scheler zu Como sind nachher zu be- sprechen. Nicht den edlen Familien gehörte Leonhard Hei an, der für die Mailänder Caymo einen Verlag von Papieren führte® und wohl kaum auch ein Herandus Roinus ^, ein Balthasar Fusinger war dem Herzoge angenehm ^®.

Konstanz und Ravensburg sind zunächst durch die Ravensburgi- sche Gesellschaft vertreten. Sie hatte wohl einen permanenten Vertreter in der lombardischen Handelsstadt und das waren meist Konstanzer. Von welchem Einflüsse Heinrich Fry war, haben wir gesehen , ihm folgte ein Ulrich, der 1451 ebenfalls einen Pafsbrief erhielt. Doch war Heinrich

* Arch. ßtor. lombardo 25, 374.

« S. Register und Urkunden Nr. 200—245. ' Ebenso.

* So hcifst Hans Ehinger 1377 »voti MaylanU, Keichsarchiv München, Archiv Reichsstadt, Memmingen; schon vorher 1354 (Ulmer Urkb. 2,413) und 1366 (Verh. Ulm 3 1871 S. 49). Johannes didus de Maiant 1355 Oktober 17 ebda.

6 Urkunden Nr. 102. « Urkunden Nr. 110 u. 116. ' Urkunden Nr. 176. « Urkunden Nr. 110. » Urkunden Nr. 116. »• Urkunden Nr. 55.

Die Deutschen in Mailand und Como nach ihrer Heimat. 575

Fry auch noch 1473 im Mailändischen ^. 1461 erscheint aber als Ver- treter des *Yosonipis€ Thomaxius de Constantia teutoniois filius quondam domini Apolon^. Dieser in Mailand ständig wohnende Vertreter erweist sich schon durch den wunderbar verunstalteten Namen seines Vaters Polay als einen Angehörigen der Familie „im Steinhause" *. In den nächsten Jahren wurde er durch den Herzog mehrfach ausgezeichnet®. Dann erscheint Nikolaus im Steinhuse, der auch der Vertrauensmann des Bischofs Heinrich von Chur war, für den er beim Herzoge von Mailand die Pension erhob *. Zwei Jahre später bei dem unglücklichen Schmuggelversuche war Nikolaus in Mailand.

Wohl keine Handelsgesellschaft erfreute sich solcher Gunst der Herzöge wie diese. Ihre Faktoren waren Familiären und gern gewährte der Herzog ihre Bitte. So war der 1475 der Gesellschaft ausgestellte Pafsbrief der liberalste, der mir bekannt ist, schon äufserlich tritt das hervor, wird doch Jos Humpis als nobilis vir bezeichnet und wurde dem Pafsbrief noch Gültigkeit von einem Jahre zugesprochen nach seiner Abkündigung*. Und als 1486 die Bündner im Wormser Zuge von den Berg'^n herabstiegen und Bormio und Chiavenna wegnahmen, erklärte der Herzog auf ihren Wunsch sie für sicher und 1490 wurde noch der Gesellschaft ein Pafsbrief auf ein Jahr gegeben®.

Aber auch andere Konstanzer, von denen es nicht sicher ist, dafs sie zu der grofsen Gesellschaft gehörten, handelten in Mailand, so 1497 ein Tettikoven^. Sehr interessant ist der Bericht, den Konrad Mefsner aus Mailand an Herzog Francesco Sforza erstattete, er habe aus Vene- dig von seinen Compagnons Briefe, wie ihnen von Wien über das blutige Gericht geschrieben sei, das König Ladislaus von Ungarn am 16. März 1457 an Ladislaus Hunyad, der den ruchlosen Ulrich Cilly niedergestofsen hatte, veranstaltet hatte®. Vom 16. April ist sein Brief datiert und wir sehen, wie diese Kaufleute sich mit politischen Nach- richten versorgten und sie auch mitunter dem Landesherren zugänglich machten. Das sind die Anfänge des Zeitungswesens.

Dafs der einem Kemptener, durch Handel zu grofeem Reichtum ge- langten Geschlechte angehörige Heinrich Vogt, der sich 1462 bei einem Mailänder Waffenschmied Rüstungen bestellte , noch selbst Handel

1 Heyd S. 18.

' Urkunden Nr. 164.

» S. oben S. 565.

* Urkunden Nr. 127.

^ Vgl. die Urkunden von 1475 März 18 u. 22 bei Heyd S. 69 ff.

« Die Urkunden von 1486 JuU 29 und 1490 Oktober 2 bei Heyd S. 72 u. 73.

' Zeitschr. f. Gesch. d. Oberrh. 5, 48.

8 Urkunden Nr. 44.

576 Fünfzigstes KapiteL

trieb, will ich nicht behaupten, nach dem Zahlungsmodus sollte man ▼ielmehr glauben, er lebe in Mailand vielleicht als Soldner ^ Ein deut- scher Kaufmann aus Salzburg begegnet 1461 in Como'. Auch Züricher und Lindauer sind nachzuweisen'. Doch darf man nie vergessen, dafs alle diese Angaben nur schwache Spuren des einstigen Verkehrs sind. Besonders wertvoll ist eine Urkunde, die uns die Rechtsunsicherheit seigt, welcher der Kaufmann ausgesetzt war. Michael Mark von Lindau hatte einen gröfseren Posten von Waflfen (126 cancroSy 100 miiras parvas^ 16 ma^ nas) in Mailand gekauft und einem Manne zum Transport nach Como verdungen. Dieser brachte die Ware z. Th. ohne Rücksicht auf die Bestimmungen dorthin und lieferte sie völlig verdorben ab, wie zahl- reiche deutsche Söldner sofort bestätigten. Von Como wurde der Deutsche, sein Recht verlangend, nach Mailand gewiesen und um- gekehrt, bis er heimkehrte und von dort eine Supplik an den Herzog richtete *.

Sehr lebhaft war der Verkehr mit dem mächtig aufblühenden St Gallen. Der Leinwandhandel hatte hier einen bedeutenden Umfang und St. Galler Händler erschienen sehr oft in Mailand oder Como. Konrad Werder und Rudolf Libgut kauften Mailänder Barchent *. Daniel Kapf- mann gingen in Como zwei Ballen Leinwand auf dem grofsen Zolle verloren *.

Vom Rheine her war der Verkehr gewifs recht lebhaft, jedoch kann ich nur Leute aus Köln, Speier und Strafsburg nachweisen. Ein Antonius de Colognia hatte Schmelztiegel gekauft^, er wohnte übrigens in Mailand. Ein Speierer Bürger, Martin Apotheker, kauft 1434 in Como acht Stück feine Wolltuche und im gleichen Jahre löste sich die Gesell- schaft, die Johannes Säckinger von Strafsburg, der im Kaufhaus angestellt war, mit zwei Kaufleuten von Como hatte, auf®. Vielleicht war jener Fridel von Säckingen aus Strafsburg sein Vater, der 1424 das Unglück hatte, mit seinem Schiff, das mailändische Barchente und geschlagen Messing, die er in Mailand eingekauft hatte, trug, bei der Rheinbrücke von Breisach auf einen Pfahl zu stofsen, so dafs das Schiff auf eine Sandbank fahren mufste, dort aber kraft des Grund ruhrrechtes in An-

' Urkunden Nr. 167. 2 Urkunden Nr. 198. » Urkunden Nr. 193 u. 126.

* Zeitschr. f. Gesch. d. Oberrh. 5, 412 f. 1497 Mai 31. »i Urkunden Nr. 138, 139.

ö Urkunde vom 27. Dezember 1496 Zeitschr. f. Gesch. d. Oberrh. 5, 411. ^ Urkunden Nr. 161.

8 Urkunden Nr. 233 u. 235. 1479 war Hans von Säckingen Ritter und Kon- stafler. Eheberg Nr. 112.

Die Deutschen in Mailand und Como nach ihrer Heimat. 577

Spruch genommen wurde. Der Verunglückte behauptete, fünf, sechs- oder zehnmal soviel Gut sei auf dem Schiffe gewesen als die Abrechnung über 2030 fl. besaget

Auch von dem umfangreichen Handel der Berner und Freiburger haben sich Nachrichten erhalten. Die Freiburger, deren Tuchhandel damals sehr erheblich war, sandten nach Ausweis zweier Urkunden auch Häute nach Mailand^. Eine politisch so mächtige Stadt, wie das da- malige Bern, konnte seine Bürger auch im Auslande kräftig schützen, doch waren die eigentlichen alten Berner weniger die Träger des Handels mit Italien, als vielmehr die Glieder zweier aus dem Mailändischen stammenden Familien, Pangiani und Mai, von denen die letztere noch heute blüht. Sie hatten noch Besitzungen im Herzogtume , beanspruchten aber auch die Rechte, die infolge der Kapitulate die Bürger von Bern besassen. Nur zögernd gaben die Mailänder nach. Die Mai, die seit 1434 in Bern nachzuweisen sind®, trieben neben dem Warenhandel und dem Handel mit dem burgundischen Salz auch den Pferdehandel und zwar bis ins Montferratische , derselbe Johannes kam aber auch bis nach Rom; und die Mais suchten den grofsen Diamanten von Grandson zu verkaufen, nachdem es den Irmi von Basel nicht gelungen war, schliefslich erwarben ihn 1492 Genuesen*. Bartholomäus Mai, der Ratsherr wurde, war wohl der bedeutendste Kaufmann des damaligen Bern '^, auch in der Politik spielte der Mann, der viele Sprachen beherrschte, in Burgund, Paris, Lyon, Mailand, Venedig, Rom und am kaiserlichen Hofe bekannt war, eine bedeutende Rolle. Er war bei der Gesellschaft der Vöhlin beteiligt und wufste wiederholt für sie die Stadt Bern zu inter- essieren ®.

Aus demselben mailändischen Distrikte stammten die Pangiani, die schon 1480 vorgaben, 70 Jahre in Bern zu wohnend Sie handelten mit

1 Fester 3709, 3885 f.

2 Urkunden Nr. 183 u. 184.

' Vgl. die sehr sorgfaltige Studie von Mays S. 2, der ganz eingehend die Ver- hältnisse der Familie auf Grund der Berner Quellen schildert.

* Vgl. Urkunden Nr. 296. Einen Geleitsbrief far Bariholomacus de Madiis de monte Introüi von 1479 auf 20 Tage. Bell. st. d. Svizz. italiana 11, 77. Aufenthalt in Rom 1491 Bern, Deutsches Briefbuch G Fol. 272. 1500 Sendung von Gut ange- halten durch Kardinal Schinner ebda. K Fol. 100. Ebenso wurde Gut, das er 1513 von Venedig nach Mailand fertigte, auf diesem Wege angehalten, ebda. N F. 243. Pferdehandel nach Montferrat Lat. Briefb. F Fol. 205. Im übrigen vgl May S. 11 ft.

^ 1494 war er schon der viertreichste Bemer. May 48.

* Davon später.

' Zollfreiheit für Cristoforus de Pandiano beansprucht 1480. Lat. Briefb. B Fol 374, 437, 456, 490. D Fol. 200. 201. Empfehlung Berns für Jacobus de P., Sohn des Domifiicus de P. an Mailand und Venedig 1497. E Fol. 236. Sie beanspruchen

Schulte, Gesoh. d. mittelalterl. Handels. I. 37

578 Fünfzigstes KapiteL

Reis, noch aber machte die mailändische Regierung Schwierigkeit bei der Ausfuhr des eben angebauten Nahrungsmittels^. Thomas Pangiani besorgte auch die Einkassierungen der von Venedig an Bern zu zahlen- den Pensionen ^. Da ihn die Überschriften der Bemer Brief bücher oft iBulfermann^ nennen, war er Gewtirzhändler, er trieb aber auch Vieh- handel *.

Direkte Beziehungen zwischen Ronstantinopel und Bern vermittelte jener Nikolaus Graecus, der 1484 April einen Pafsbrief erhielt, elf Monate später aber mit Geschenken des Sultans für den Schultheifsen Wilhelm von Diesbach (an Balsam u. s. w.) heimkehrte, nachdem er in Mailand den herzoglichen Zöllnern in die Hände gefallen war, die ihn nicht nach dem Wunsche der Berner behandelten*.

Auch alte Berner Familien fehlen jedoch nicht völlig, einem Johannes Rietmann, der aus seinem Vieh eine hübsche Summe gelöst hatte, wurde in Mailand in dem Gasthause Heinrich Pfyffers seine Barschaft ge- stohlen ^.

Nicht leicht unterzubringen ist ein ^Andulfus de Essa de Alaman" nia filius quondam d. Johannis habitans in terra de CastilUme Valis Auguste diocesis Auguste*, der für 1200 U Imperialen Gold und Silber an einen Mailänder verkauft hatte*. War er ein Bergmann oder nicht vielleicht einer aus den deutschen Thälern am Südfufse des Monte Rosa? Ein Deutscher, den man nur Pritsche nannte, war schon 1434 in Mailand angesiedelt, er handelte mit Pelzwerk ^, sein Sohn war der Erbe eines Mailänders^.

sogar für die Güter der Pandiano in territorio de Suelio MotUis Introtü Steuerfrei- heit, weil sie Berner Bürger seien. £ Fol. 305. Das ist Sueglio bei Introzzo am nordöstlichen Ufer des Comersees. Antonius von Pandiano bestellt 1501 für seine Gesohäfte in der Lombardei einen Prokurator. E 463, 472. Empfehlung für Thomas, der nach Mailand in Geschäften reist F Fol, 13. Pafs für Handel ins Mailändische G Fol. 49. Empfehlung des Christoph, der nach Mailand will, an l]ri Deutsches Brief b. D, 230. Nach y. May S. 6 starb die Familie schon Anfang des sechzehnten Jahrhunderts aus.

» Urkunden Nr. 307.

« 1501. Lat. Brief b. F. Fol. 14. 72.

« 1503. Lat. Brief b. F Fol. 120. Ordnung der Pulverlut erwähnt May 47.

* Pafs Brief b. C Fol. 109. Beschwerde ib. Fol. 202 u. 203. Vgl. May 25flF.

R Urkunden Nr. 306.

« Urkunden Nr. 162.

^ Urkunden Nr. 158 u. 159.

» Urkunden Nr. 165.

Como, Torno, auch Mailand. 579

Einundfünfzigstes Kapitel. Como, Torno, auch Mailand.

Innige Verbindung, Gedicht des Bettino del Trezzo, Wollweberei in Como und Torno. Deutsche Verleger, namentlich aus Ulm, Belästigung und Verlegung der Fabriken. Niedergang van Torno. Gesellschaften am Zoü von Basel, Andere Deutsche in Como und Mailand : Soldaten, Wirte, Steinmetzen u. s. «?., Handwerker, Gemischte Gesellschaften. Säckingen- Mtigiasca. Koler-Krefs-Saronno.

Alles das, was ich im vorigen Kapitel aufführte, sind aber Zeug- nisse, die nur ein glücklicher Zufall uns gerettet hat, und nichts wäre verkehrter, sie als lückenlos anzusehen. Wir müssen uns Mailand wie Como in einem ständigen Verkehre mit Deutschland denken und nament- lich auf den Messen war die deutsche Sprache zu hören gewifs keine Seltenheit Ja, es stellte sich hier ein so starkes Bedürfnis nach einem deutsch - italienischen Wörterbuche heraus , dafs ein solches , das 1498 | zum erstenmal in Mailand erschien , 1501 schon neu aufgelegt werden muTste und in ihm ist auf die Kaufleute ganz besonders Rücksicht ge- nommen ^. So sehr gehörten deutsche Kaufleute zum Städtebilde von Como, dafs Bettino da Trezzo in seiner Schilderung der Pest, die 1485 Mailand, Como, Lodi und Pavia heimsuchte, bei Como die Lage der deutschen Kaufleute schildert, die von der Pest in Como überrascht wurden und ihrem Handel nicht weiter nachgehen konnten. Der Dichter führt sie mit ihrem Deutsch ein:

Verflucht sy das gluk, das utiser hat verborghen Dtn rechten weg zu kumen user diser sorghen^.

^ »Questo sie uno libro utilissimo a chi se dilecta« u. b.w. Die erste Aus« gäbe ohne Jahr und Ort auf der Stadtbibliothek zu Breslau, die zweite Mediolani, Pilizoni auf der Trivulziana in Mailand.

"LetilogiadelTrez {Mediolani Zarotto, 1488 4«) nach Mitteilung von Mo tta : Bestati eran Thodeschi in su Ihospicio Cum merce di valor: et cum speranza De dargli spazo: ma nhebber fcUlanza Perciö che repentino el smaricio. Qual dette da pensar ala brigcUa De Star remissa: senza mercantare Senza far facti: et senza tripeUare Cum girsen fuor o dentro star serata, Non era chi sapesse provedere Ä tal exterminata lesione SicM Thodeschi in gran desperatione Essendo de pcrsone: et de Ihavere: Tra lor cosi dicevan thodescando. Verflucht sy das gluk das unser hat verhorghen Den rechten weg zu humer^ user diser sorghen

87*

580 Eioondfünfzigstes Kapitel.

Como hatte in der That fiir die Deutschen nicht allein eine Be- deutung, weil es der nächste Markt in Italien war und zum übrigen Italien den bequemsten Zutritt gewährte, weil die St Abondiusmesse (An- fang April) über einen gewöhnlichen Jahrmarkt hinausging, nur hier allein von den Bergwerken abgesehen blieb der Deutsche nicht allein Kaufmann , sondern er wurde Unternehmer, er organisierte hier Verlagssysteme. Ja, sie haben hier eine Zeitlang den Markt beherrscht und ich mufs deshalb auf die Geschichte der Wollweberei in Como und Umgebung etwas näher eingehen.

Die altberühmte Comasker Wollweberei hatte durch die Unruhen nach dem Tode Giovan Galeazzos eine schwere Einbulse erlitten. Es war aber wohl ebenso eine Übertreibung, wenn die Comasken 1426 fiir einen ihrer Bürger eintraten, weil er einer der wenigen übrig gebliebenen Wollenweber sei^, wie der Venetianer Doge Tommaso Mocenigo auch wohl nicht bei der Wahrheit blieb, als er 1423 erklärte, allein nach Venedig würden jährlich von Como 12000 Stück Tuch, das Stück fünf- zehn Dukaten wert, eingeführt*. An dieser Einfuhr beteiligten sich übrigens auch deutsche Kaufleute*. Die Fabrikation war damals jeden- falls sehr bedeutend, begünstigt wurde sie durch die 1433 gewährte zoll- freie Ausfuhr nach Genua*. Ein vortreflFliches Bild geben die von mir eingesehenen Akten des Notars Francesco Cermenate*. Es wurde nicht allein lombardische Wolle versponnen, sehr viel deutsche, mit der auch Italiener wie selbst die Borromei handelten^, doch auch recht er- hebliche Quantitäten englischer Wolle sind mir begegnet Bei 26 An- gaben für deutsche Wolle betrug der Preis zwischen 144 W 9 jff Imp. und 266 €6 6 jS im Durchschnitt 221 €6 6 JS, während die Preise in englischer Wolle, die ich mir notierte, für den gleich grofsen Ballen zwischen 626 und 720 €S schwanken. Um die Preise herabzusetzen^ baten die Comasken 1424 den Herzog, ihnen zu verstatten, den Woll- händlem bestimmte Eisensorten zum Eintausch zu geben, was der Herzog

3Ial nhaggia la fortutia che ne preme

Chen tien dussir daffani senza spetne

Perche nondar cd mal mültiplieando, Poi biastemando givan versol la che

Turbati non sapendo altro que fare

Et erano per darsi dl desperate. (Arch. stör. lomb. 25, 376.) 1 Kovelli 3, 1, 75. « S. oben S. 569. » Thomas, Capitolare S. 272. * Rovelli 3, 1, 104. » Vgl. Urkunden Nr. 200—245.

« So hielt sich 1429 Johannes Bonromey mercator Mediolani mit deutscher Wolle längere Zeit in Como auf. Akten des Notars Francesco Cermenate.

Como, Torno, auch Mailand. 531

unter Aufrechterhaltung der Sperre gegenüber Toskana gestattete*. Es ist im einzelnen nicht festzustellen, ob diese Wolle nur als Transitware verkauft, oder in Como versponnen und verwebt wur4e. Nach den Nach- richten Rovellis scheint man dort namentlich sich auf das Spinnen ver- legt zu haben.

Einen sehr erheblichen Anteil an der Industrie hatte das Land, vor allem der Flecken Torno, der am Gestade des Sees einige Wegstunden weit von Como Hegt, wo seit 1404 die Leute von Torno auch das Bürgerrecht hatten*^. Heute sieht man es dem Flecken nicht mehr an, wie fleifsig hier einst die Spindel und der Webstuhl benutzt wurde. Das Gebiet von Como war auf die Industrie angewiesen, schon damals vermochte die gebirgige Landschaft sich nicht zu ernähren, es bedurfte einer behördlich geregelten Zufuhr von Lebensmitteln. Die gewerbliche Arbeit hat das auch im Mittelalter ausgeglichen , denn , wenn Händler aus Cernobbio, Perlasco und Nesso, neben solchen aus Saronno, Bergamo, Padua und Casale im Montferrat Wollballen und gelegentlich auch anderes von deutschen Händlern kreditiert erhielten, so spricht das für altgewohnte intensive Handelsbeziehungen, gerade in Torno herrschte der deutsche Kaufmann ®. Ganz von selbst entwickelte sich das Verlags- system, das vielleicht schon in diesen Schuldbriefen Cermenates sich verbirgt. Wenn die Leute von Torno statt mit Geld die Wolle mit dem daraus gefertigten Tuche bezahlten oder überhaupt der Schein eines doppelten Verkaufes erhalten wurde, haben wir den Übergang zum Verlagssystem, in dem der ehemalige Handwerker nur noch einem Händler produziert oder die Bauernfamilie in diese Abhängig- keit tritt.

Schon für 1480 ist uns bezeugt, dafs dieses System dominierte*. Um herzogliche Auflagen abzulehnen, wiesen die Comasken auf den ge- ringen Umfang ihres Handels hin, der zum gröfseren Teile mit dem Gelde und den Waren deutscher und fremder Kauf leute betrieben werde. Ich glaube, man wird nach den jüngeren Angaben rückwärts so inter- pretieren dürfen. Das Wollgewerbe war damals übrigens dadurch bedroht, dafs die Ausfuhr nach Mailand und anderen Orten untersagt war*, das aber mufste der Ausfuhr nach Deutschland zu gute kommen. Als der älteste deutsche Händler, der jahrelang in Como safs, ist ein Christian

» Urkunden Nr. 194. 3 Rovelli 3, 1, 76.

8 Urkunden Nr. 215, 221, 223, 224, 225, 229, 232 u. 241. Tome betreffen unter den 46 nicht weniger als 20 Stück. Vgl. Urkunden Nr. 102. * Rovelli 3, 1, 348. 5 Dekret von 1357. Rovelli 3, 1, 317.

582 Einondfuiifzigstes KapiteL

von Ulm anzusehen y der 1475 indirekt dem Herzoge von Mailand Nach- richten über den Gang der politischen Ereignisse zukommen liefs^.

Am Ende des Jahrhunderts war das Wollgewerbe namentlich in Tomo in den Händen der Deutschen, der fast gleichzeitige Francesco MurpJto ^ schreibt es in seiner Chronik gerade heraus, die grolsen deutschen Geselbchaften hätten ursprünglich nach Como Faktoren geschickt, um Tücher zur Ausfuhr nach Deutschland zu kaufen , dann hätten sie ge- wagt, selbst die Wolle zu kaufen und auf ihre Kosten Tücher verfertigen zu lassen. Der Herzog Lodovico Moro hatte alles Interesse für die Hebung der Industrie, er erliefs am 17. Juli 1493 ein Dekret, dafc dem, der eine Wollen warenfabrik anlegen wolle, der Nachbar, der ein dafUr geeignetes Haus besitze, dasselbe einzuräumen habe'. Aber fremde Raufleute wollte er nicht dulden, und als sich die Comasker Ronkurrenten über die Deutschen beschwerten, erfolgte ein Befehl, der besonders auf eine Ulmer Firma gemünzt gewesen zu sein scheint Wenigstens lälst die zweite Supplik der Gesellschaft Martin Scheler und Johann Gienger von Ulm das vermuten*. Die erste* ist unmittelbar nach dem Verbot aufgesetzt und besagt, die jetzige Praxis sei seit unvordenklichen Zeiten geübt worden, vorwiegend in Como aber auch sonst hätten sie unendliche Quantitäten Wolle verkauft und die daraus gefertigten Tuche wieder gekauft, die zweite macht den Eindruck, als sei das Verbot ein eingeschränkteres gewesen. Leider ist das betreflFende Statut von mir nicht gefunden.

Die Chronik des Muraltus berichtet den Streit zum Jahre 1498. Er habe sich zwischen den Comasker Raufleuten und den deutschen er- hoben, die letzteren bezeichnet er als Oermanos inferioris Oallae helgicae. Muralt hatte Deutsehland nicht gesehen, er verwechselte die Heimat der Ware mit der der Händler-, denn er selbst redet von der Gesellschaft der Vöhlin und Fugger®. Der Herzog Lodovico habe den Raufleuten das Verlagssystem generell verboten und 1510 habe Rönig Ludwig XTT, von Frankreich, damals Herr des Mailändischen, den Deutschen die Fabrikation von Wolltüchern verboten, was den Comaskem grofsen Schaden gebracht habe^. Auch in der Zwischenzeit hatten die deut-

^ Ging ins 1, 173. »Gia molti anni fa in qiiesta terra sta uno ChrisHano o/o- mano da Ohno * Vgl. auch Urkunden Nr. 79. 8 S. 56. » Pavesi 26.

* Urkunden Nr. 129. Der Chronist Muraltus läfst eine wunderbare Natur- erscheinung sich vor allem in den Gebieten von Ulm, Konstanz und Köln abspielen. Diese Kaufleute kamen also nach Como, denn auf ihr Zeugnis beruft er sich, S. 79.

» Urkunden Nr. 128.

Muraltus 105 »titi est societas nia^na Fekhin, Focanorum, Fucher et altere permultae societates*.

"^ Muraltus 56.

Como, Tomo, auch Mailand. 5g3

sehen Eauflente den Markt von Como beherrscht, denn sie brachten die Wolle und zwar nicht etwa ausschliefslich über die Alpen , sondern auch aus anderen Gebieten. Muraltus erzählt von den grofsen deutschen Handelsgesellschaften, welche tiberall Handel trieben vor allem mit Tuchen und in mercibus. Sie hätten in Como ihre Faktoren gehabt, die Wolle aus der Provence, von Spanien, England brachten und über Mantua die veronesische bez. deutsche Wolle, deren Ausfuhr Venedig verboten, einschmuggelten, der direkten Einfuhr deutscher Wolle gedenkt er nicht. Für die Wolle lösten sie Tuche von verschiedener Farbe und bester Qualität ein, um sie nach Deutschland zu verbringen. Der Handel sei so bedeutend, dafs er sich auf mehr als 50000 Dukaten belaufe.

Als 1507 Maximilian auf dem Konstanzer Reichstag sich bemühte, die Eidgenossenschaft zu einem Bündnis zu gewinnen, das die franzö- sische Herrschaft im Mailändischen bedrohte, flüchteten die deutschen Kauf leute aus dem Herzogtum Mailand fort, das Geschäft in Como stockte und Muralt brach in die Worte aus: Gott helfe uns, wir müssen die Stadt noch verlassen, wenn der Kriegslärm kein Ende nimmt. Der Chronist beklagt vor allem den Tod des Faktors der Vöhlin Michael, der bei dem Färbermeister Bernardino Galli gewohnt habe und bei dieser Flucht ums Leben kam. Er habe grofsen Handel in Como ge- trieben, sei von unverbrüchlicher RechtschaflFenheit gewesen, freigebig und gegen die Kauf leute gütig ^

Und auch 1510 bei Gelegenheit der Einführung der Seiden industrie in Como hebt Muralt wieder hervor, dafs die Glanzzeit Comos und Tornos von der Wollmanufaktur und diese von den deutschen Kaufleuten ab- hänge*. Tornos Niedergang stand unmittelbar bevor, 1515 wurde der Ort von den Schweizern und den Feinden der Franzosen furchtbar ge- plündert*, und konnte sich nicht mehr völlig erholen. Zwar gingen auch jetzt noch die Kauf leute ^ von Torno mit ihren Tuchen auf die deutschen Messen 1518 wurden sie auf dem Comersee ausgeplündert*. Und in den Nachrichten über Baseler Zollermäfsigungen erscheint Torno auch später noch*.

. Das Wollgewerbe erhielt sich in Como noch im sechzehnten Jahr- hundert in Flor 1580 wurden 1313 Ballen span. Wolle und 789 deut- scher Herkunft eingeführt* immer mehr wich dieser Textilzweig dem

1 Muraltus 104 f.

2 130 f.

3 Muraltus 192 f. ^ Muraltus 215.

^ S. unten S. 584 f. « ßovelli 3, 2, 107.

584 Einundfünfzigstes Kapitel.

lohnenderen, der heute Como beherrscht, der Seidenspinnerei und -Weberei, die 1510 in Como eingeführt bez. wiedereingeführt wurdet

Die deutschen Kaufleute scheinen schon seit 1500 zurückzuweichen. Jedenfalls haben die Ulmer nicht ihre alte Stellung wieder erlangt. Martin Scheler hatte bis dahin die Überlegenheit der italienischen Technik und vielleicht auch die billigeren Löhne ausgenützt, jetzt wollte er sie in seine Heimat tibertragen. Er hatte so erzählt Marchthalers Chronik

am Coraersee die Sammetfabrikation, die in Deutschland damals noch nicht bekannt war, kennen gelernt. 1515 errichtete er unter dem Schutze des Rates von Ulm eine Sarametfabrik ^, nach den Angaben der Chronik handelte es sich um Wollenplüsch und es wäre also wohl denkbar, dafs auch schon am Comersee die Gesellschaft diesen Stoff produziert hatte.

Martin Scheler brachte nach dem Zeugnisse Wilhelm Rems aus Italien Leute mit, die spinnen, wirken und färben mufsten und die er dann allmählich durch eingelernte Arbeitskräfte ersetzte, und weiter be- richtet er, dafs das Geschäft der Statneii-erzeixgixng grofsen Nutzen brachte und sich viele Leute mit ihm ernährten^.

Como und Torno sind begreiflicherweise vor allem unter den Gesell- schaften vertreten, die zwischen, 1510 und 1533 mit der Stadt Basel über besondere Zollsätze für den Durchgangsverkehr sich einigten*. Nur bei einzelnen ist angegeben, dafs es sich um „Fertigung von fremden Waren" handelt, doch dürfte das auch bei andern der Fall gewesen sein. Die Stadt Como ist die Gesellschaften setzen sich zum Teil aus verschiedenen Orten zusammen, wie dieselben Familien an mehreren Orten vertreten waren

durch sieben Familien vertreten, darunter die Mugiasca, die schon 80 Jahre vorher eine Gesellschaft mit einem Strafsburger hatten, die bereits eine Transportgesellschaft gewesen sein könnte^, wie es ausge- sprochen die von 1510 war, die auch zu Genua und Mailand Güter aufnahm. Von einem dieser Mugiasca giebt Muralt ein Bild. Aloysius Mugiasca sei der gröfste Wollentuchhändler von Como gewesen, der seinen Handel in Rom und Ober- und Niederdeutschland, vor allem in Frankfurt betrieben habe. Er habe bei seinem Tode (1510) einen Be- sitz von 70000 Dukaten hinterlassen, sei aber so sparsam gewesen, dafs er kaum habe etwas essen wollen®. Die andern Gesellschaften vom Baseler Zoll betreffen Torno mit vier, Mailand mit drei, Genua und

1 Muraltus 130. Rovelli 3, 1, 397.

2 Nübling, Ulms Baum Wollweberei 161; Ulms Kaufhaus 162 f.

^ Chroniken der deutschen Städte 25» 24. Die Leseart „Rom" ist wohl nichts als ein Lesefehler für „Kom". * Urkunden Nr. 316. ^ Urkunden Nr. 235. ö Muraltus 131.

Cotno, Torno, auch Mailand. 585

Lucca mit je einer, Bergamo mit vier, Chur und Luzern mit je zwei Familien. Die de Sala wohnten in Torno und Luzern, auch die andere Luzemer Firma war von Torno, die Gall von Como hatten einen Vertreter in Konstanz wohnen, von dem später zu reden ist^

Como hat in älterer Zeit ja auch eine selbständige Handelspolitik treiben können, in der Regel ging jedoch die Stadt mit der mächtigen Nachbarin Mailand, wenn sie auch wohl eigene Gesandten denen Mai- lands beigiebt. Nur einmal warb sie, soweit sich sehen läfst, allein: 1415 als Thomas Saflferon für die Erneuerung des Saarbrückener Weges wirkte ^.

Neben den Kaufleuten gab es in Mailand eine ständige deutsche Be- völkerung, die an Zahl nicht unterschätzt werden darf. Ich sehe hier ganz ab von den zahlreichen deutschen Söldnern und Landsknechten, die hier im Dienste der Visconti und Sforza standen. Mir sind recht häufig deutsche Namen in den Akten begegnet. Schon sehr früh nehmen die den Mailändern gewährten Privilegien darauf Rücksicht, dafs nicht ein ehemaliger Söldner sich für Soldrückstände an den Kaufleuten schadlos halten dürfe. Und schon Vitoduran konnte erzählen, dafs die leicht- sinnige männliche Jugend der Bodenseestädte, die ihr Geld durchgebracht hatte, nach Lindau kam, um von dort nach der Lombardei in Kriegs- dienste zu gehen®. Auch Pfeifer und Musiker waren nicht selten deutscher Herkunft, wie ebenfalls zahlreiche Stallknechte.

Es gab in Mailand manch deutschen Wirt, so wohnte Ulrich von Ensingen, der bekannte Strafsburger Münsterbaumeister, als er nach Mailand zum Bau des Münsters berufen wurde, zuerst bei Johannes ieu- tonicus hospes ad spaiam, „Zum Breitschwert" war ein guter Wirtsschild für eine Herberge und Kneipe deutscher Ritter und Landsknechte*. 1490 hielt der Luzemer Heinrich PfifFer in Mailand ein Gasthaus **.

Mit Stolz erfüllt es uns, dafs eine Reihe deutscher Meister den Bau des Domes von Mailand geleitet oder an ihm gearbeitet hat.

Auf die Buchdrucker und Buchhändler, welche wie überall, auch in Mailand zunächst Deutsche waren, gehe ich grundsätzlich nicht ein®. Das Gleiche gilt von den Studenten, die auf dem Wege nach Pavia oder Bologna Mailand berührten.

Wie es in Deutschland italienische Ärzte gab, fehlten doch auch

^ »Capüula mercatores (!) conducentis a partibus oUramontanis et aliis partibus* von 1454 erwähnt Gaddi 84. Leider habe ich mir daraus keine Notizen gemacht.

2 S. oben S. 427.

8 Joh. Vitoduranu8 ed. v. Wyfs 199.

* Annali della fabbrica del Duomo. 9 Voll. Milano 1877—81.

^ Urkunden Nr. 306. Bernhard v. Nürnberg s. oben S. 573 f.

® Nebenbei erwähnt steht in Reg. Panigarola H Fol. 249 das Testament des Buchdruckers Petrus Ugleymer de Franckfordia.

586 Einondfonfzigstes Kapitel.

deutsche in Italien nicht 1504 starb in Mailand ^laboriosus ei praiicus vir magisier de Lorenbergo, qui pro civiiate peruiilis hinc reiro fuiU *.

Eine Korporation deutscher Handwerker ist bisher in Mailand nicht nachgewiesen. An solchen Leuten war gewifs kein Mangel. Ich kann da einen Wollkratzer und WoUscheerer Nikolaus von Brügge nachweisen, wie für einen ^Wollweber gar zwei Arbeitsverträge sich erhalten haben ^.

Deutsche Uhrmacher waren hoch angesehen, so ward 1451 ein deutscher Bruder Kaspar als Wächter der Uhr della Corte delV Arengo angestellt und 1461 wurde der Uhrmacher Meister Johann zum Fami- liären erhoben. 80 Jahre früher hatte die Gräfin von Vertus den maesiro Bono di Alemagna cdllegaro (Schuster?) in gleicher Weise ausgezeichnet Zahlreicher waren auch deutsche Goldschmiede, und 1466 wurde der Goldschläger Peter von Köln Bürger von Mailand^.

Die mailändischen bez. Comasker Kaufleute haben sich in vielen Fällen mit Fremden zu Handelsgesellschaften verbunden. Die Vorteile liegen auf der Hand; jeder vertrat in seiner Heimat die Interessen der Gesellschaft und die Kosten der Reisen wurden erspart. Ausführbar war das aber nur dann, wenn beide Teile den ernsten Willen hatten, den Vertrag auszuführen, denn noch gab es ja keine Möglichkeit, die andere Partei durch das Gericht zu zwingen. Diese Gesellschaften liefern also den Beweis, wie stark die Ehrlichkeit und Treue im Geschäftsverkehr war. Das älteste Beispiel einer so gemischten Handelsgesellschaft geht schon in das Jahr 134B zurück, die Beteiligten wohnen auch alle in Sitten, zwei von ihnen stammten jedoch aus der Lombardei. Die Gesell- schaft, die mit einem Kapital von 600 fl. arbeiten wollte, hatte vor, be- sonders Tuchhandel zu treiben, die Dauer war nur auf ein Jahr festgesetzt*. Jene Gesellschaft, welche der Strafsburger Johann Säckinger mit dem sehr bekannten Hause der Mugiasca von Como hatte, wurde 1434 aufgelöst. Dabei blieb den Comasken das Gut, während der Strafsburger 9280 (t erhielt ^,

Diese Handelsgesellschaft glaube ich mit einem Stücke der Strafs- burger Kaufhausordnung in Zusammenhang bringen zu müssen. Es heifst da: ^Lampparier gät vardel. Item Meyelon, Kume, Florencie^ Luckej Hohetiseen^ Bise^ Dielherichs Bern, Venedie, Yennow, Asidesan, item alles Bemünt, Item die vorgeschribene stett gent alle ganczen zolle für ee f/irend über das gebirge. Item von dem selben zolle gehört Friderich

1 Ar eh. stör. lomb. 18, 256. Er wird auch Dionigi da Noritnberga detto CasteUano genannt.

« Urkunden Nr. 160, 187 u. 180.

^ Motta in Archivio stör, lombardo 19, 996 f.

* Gremaud 32, 364 f.

* Urkunden Nr. 235.

Como, Torno, auch Mailand. 5g7

von Seckingen und Hanns Fridel sin sün und Claus Bdschewilre und Vischer Hans seligen kinden der vierd Pfennige ^röc

Was ist der Sinn dieser Zollvergütung von 25 ^/o gegenüber Leuten, die in der Geschichte Strafsburgs keinerlei Rolle spielen? Waren das vielleicht Fuhrleute, welche vorwiegend den Verkehr mit diesen Städten Hohenseen ist Siena, wie Bise Pisa vermittelten? Erhielten sie dafür eine Prämie, dafs sie diesen internationalen Verkehr möglichst förderten und war also die Gesellschaft Säckinger-Mugiasca ein Transport- unternehmen? Jede Bestätigung oder Abweisung wäre von höchstem Werte.

An einer mailändischen Gesellschaft, die mit englischer Wolle handelte, war ein Deutscher Konrad Misner beteiligt ^ Eine andere Ge- sellschaft, deren Gründungsvertrag sich erhalten hat, setzte sich aus einem Martin Penni von Ofen und drei Mailändern zusammen, sie wollten in Ungarn Handel treiben^.

Am allerbesten kennen wir eine solche internationale Gesellschaft aus dem Anfange des sechzehnten Jahrhunderts, da sich nicht allein mehrere ihrer Geschäftsbücher erhalten haben, sondern auch der Gesell- schaftsvertrag selber*. Sie bestand aus Jörg Koler dem älteren, der als ihr Regierer die oberste Leitung hatte, Jörg Krefs dessen Bücher zum Teil erhalten sind und Ambrosius von Saronno, der das Lager in Mailand hielt, doch finden sich auch andere Glieder der Nürnberger Familie, namentlich Christofi'el Koler, in den Büchern erwähnt, offenbar als Lehrlinge u. s. w. ; Wolf Löffelholz hatte bei ihr eine Einlage. Die Höhe des Kapitals ist weder in dem Vertrage noch in den Büchern an- gegeben, läfst sich auch, da das „Gemeinbuch^ fehlt, nicht berechnen. Die Rechnung zwischen den Beteiligten sollte jährlich stattfinden, doch fand 1507 die dritte, 1509 die vierte und 1511 die fünfte Abrechnung statt; am 23. Oktober 1511 ritt Ambrosius nach erfolgter *zertailung^ der Gesellschaft heimwärts*. Zu den Abrechnungen kam Ambrosio nach Nüm-

» Urkunden Nr. 244.

8 Urkunden Nr. 174.

* Der Gesellschafts vertrag Urkunden Nr. 399. Weiter hatte Justizrat Frei- herr von Krefs die grofse Güte, mir folgende Stücke längere Zeit zugänglich zu machen: 1) Rechnung gehalten von Jörg Krefs in Mailand in Form einer Bilanz seines Kontos; 2) Numerabüchlein geführt von Jörg Krefs, in seiner Abwesenheit von anderen, 1. Januar 1507 bis März 1511, Aufzählung aller Ballen u. s. w., die nach Mailand abgingen, mit Angabe der Transporteure; 3) Brief büchlein, ebenso für die Briefe, bis Oktober 1511 gehend; 4) Manuale, geführt als Journal von Jörg Krefs 1507—1511. Die Bücher sind aufserordentlich peinlich gefahrt und legen schon in ihrem Aufsem den Beweis für die kaufmännische Ordnungsliebe des Jörg Krefs ab. Eine genauere Bearbeitung würde für einen Nürnberger eine schöne Aufgabe sein.

^ Schlufs des Briefbüchleins.

588 Einundfunfzigätes Kapitel.

berg geritten, wie auch die andern Gesellschafter öfter nach Italien reisten, einmal hatten Jörg Krefs und Ambrosius eine Zusammenkunft in Fisch- prunn (Vicosoprano?). Ks will mir scheinen, dafs die Gesellschaft 1500 gegründet wurde, statt der jährlichen Abrechnung aber eine zweijährige persönliche Abrechnung einführte, wobei die Bücher aber für das Jahr geführt wurden. Es hätte alsdann im Jahre 1507 die Gesellschaft eine neue, verlängerte Periode begonnen und dazu stimmt es auch, dafs JVMwera-Büchlein, Briefbüchlein und Manuale nur die Zeit vom 1. Januar 1507 bi« ins Jahr 1511 umfassen. Der Vertrag hätte demnach, da er auf vier Jahre lautet, die zweite Periode beherrscht

Wie weit der Vertrag als typisch zu gelten hat, ist nicht leicht zu entscheideil, da die Zahl bisher bekannter süddeutscher Gesellschafts- verträge sehr gering ist und auch die weitere Frage, ob und inwieweit deutsches, römisches und mittelalterlich italienisches Recht ihn beein- flufsten, mufs ich Juristen von Fach überlassen. Einzelne Momente sind gewifs typisch, dafs bei Auszahlung des Kapitals beim Ausscheiden eines Teilhabers die Frankfurter Messe dafür Zahlungsort war und die Zahlung auf mehrere Termine verteilt wurde, findet sich auch bei der grofsen Ravensburger wie der Gesellschaft der Fugger*. Der „Regierer" be- gegnet ebenso in Ravensburg. Die Bestimmungen regeln sehr genau die Verhältnisse; insbesondere ist klar bestimmt, was auf Kosten der Gesell- schaft geht (Reisekosten, dabei von der Kleidung nur Schuhe, Scher- und Badegeld, Kurkosten bei auswärtiger Erkrankung, Stellung von Pferden) und was nicht. Dem Einzelnen wird gestattet, 7 ^/o jährlich in vier Vierteln aus der Gesellschaft zu erheben, das übrige arbeitet weiter. Die Bestimmungen über Einlage, über Verlängerung und Auflösung der Gesellschaft sind sehr vorsichtig und das Ganze macht einen guten Ein- druck, der auch nicht verloren geht, wenn man die Bücher durchstudiert.

Aus ihnen geht hervor, dafs die Gesellschaft im wesentlichen sich in dem Export der Nürnberger Metallwaren nach Mailand, wie auf der Messe von Crema, bcthätigte. Der Einkauf in Italien ist geringer, von dort kommen namentlich weifser, auch schwarzer Mailänder Barchent, Mailänder schwarzer Sammet, Tuch von Como, scharlachene Brusttücher, gezogenes Gold, Seife, Seide, Reis, Goldschmiedarbeiten (pectorali), aber von keinem Artikel kann man einen bedeutenden Absatz nachweisen. Die Bilanz lautet durchaus zu Gunsten von Nürnberg, das Gold aus Italien erhält. Einige Male findet man auch Rom genannt, niemals Genua. Auf der deutschen Seite besuchte die Gesellschaft auch die Frankfurter Messe und hatte Schuldner in Aachen, Dresden, Leipzig, Würzburg und Strafsburg. Grundstock ist aber der mailändische Handel.

> Ich sah das Original des Vertrags von 1494 im Fuggerschen Archiv ein.

Das übrige Italien. 589

Die Regelung des Verkehrs mit Italien ist schon früher besprochen. Geldzahlungen erfolgten mehrfach durch Wechsel, doch läfst sich die Geldgebahrung nicht übersehen. Die Zöllner zu Mailand und Como gaben der Gesellschaft Kredit, mit dem Gredmeister von Lindau stand man in Abrechnung. Der Waren transport auf der Strecke Nürnberg- Lindau wurde von Nürnberg aus verrechnet und gab es da einen fast ständig wiederkehrenden Satz: je 9 Centner kosteten 4 fl. Die weitere Strecke wurde in Mailand verrechnet, meist aber in zwei durch Como getrennte Posten. Die meisten Waren gingen durch professionsmäfsige Fuhrleute und wurden nicht von Boten der Firma begleitet, doch ist ja nicht zu sehen, wie oft etwa andere Firmen einen Faktor mitschickten, der auch für die anderen Beteiligten der Karawane die Kosten der Ver- zollung u. 8. w. entrichtete.

Zweiundfünfzigstes Kapitel. Das fibrige Italien.

Ber(jamo, Schiffahrt auf dem Po. Pavia, Residenz- und UniversiUitsstcult Crema. Piacenza. Cremona, Pannigianen in Strafshurg. Mirandola, Bologna. Florenz^ nach dem Warenhandel hin, eruirlt Häfen. Zurückgehen der Wollen-, Aufbliüien der Seidenweberei. Deutsche Wöüweher, Färber, Bruderschaft der deutscfien Schuhmacher, KaufleutCy Florentiner auf dem Landweg^ in Deutschlamly namentlich in Nürnberg. Pisa, Lucca, Niedergang der Seidenweberei, in Deutschland, Bruderschaft der deutschen Schuhmacher. Siena. Arezzo. Macerata. Aquila, Safranmärkte, Konkurrenz von Venedig, Deutsche. Das übrige Königreich Neapel. Bom. Sonderstellung, kein Waren- handel, deutsche Wirte, zahlreiche Handwerker. Deutsche in den Bergwerken.

Die Fortsetzungen des Verkehrs, der von Como und Mailand aus nach Osten auf Venedig führt, zu verfolgen ist nicht die Aufgabe des Buches ^ Auch Bergamo habe ich ausgeschlossen, gerade inmitten dieser energischen Bevölkerung dürfte es aber nicht an Leuten gefehlt haben, die über die Alpen auch nach Deutschland kamen. Keine gröfsere Stadt des Pogebietes, von Aosta und Ivrea abgesehen, ist so alpin wie Bergamo ; für den Handel stellte sie Metalle und die einfachen Gewebe Berga- masker Tuche.

Eine besondere Beachtung \ erdiente die Schiffahrt auf dem Po, doch geht auch das über den Rahmen unseres Werkes hinaus. Der natür- liche Wert dieser vielbenutzten Wasserstrafse wurde freilich durch viele

^ Nur möchte ich die Nachrichten über den Raubmord, der 1315 von sechs Wegelagem an zwei Konstanzer Bürgern begangen wurde, nicht übergehen. Sie kamen offenbar von Venedig mit wertvollen Stoffen und Südfrüchten beladen, wurden zwischen Padua und Vicenza angefallen und erschlagen. Das Urteil ist er- halten. Urkunden Nr. 337 u. 338.

590 Zweiondfunfzigstes KapiteL

und erhebliche Zölle verringert Auf der Strecke von (Mantua) Borgo- forte bis Pavia gab es schon 1319 elf Zölle*.

Die Bedeutung Pavia s lag in der Barchent-, Woll- und Leinen- weberei, auch die Glasindustrie war nicht unerheblich; der Schiffsbau der Stadt wird gleichfalls gerühmt und die Waffenfabriken müssen nicht unbedeutend gewesen sein*.

Seit dem Anfange des vierzehnten Jahrhunderts treten die übrigen Städte der Lombardei, die doch noch viele Raufleute zu den Cham- pagner Messen entsendet hatten, in der Oeschichte des Handels ganz gegenüber Mailand zurück. Dieses war das Herz des Staates der Visconti und Sforza, mochte auch die Fürstenlaune Galeazzos II. den Sitz der Herrschaft, zunächst seiner Teilherrschaft, in den von ihm errichteten Prachtbau des Schlosses von Pavia verlegen, viel wichtiger ward das Kastell von Mailand, wodurch derselbe Visconti und dann nach der Zer- störung in den Tagen der ambrosianischen Republik Francesco Sforza der Stadt die republikanischen Strebungen verdarb. Gegenüber Mailand waren die anderen Städte ungewisse Elemente, bald waren sie unter der Herrschaft der Visconti, bald frei oder unter eigenen Stadtherren. Mochte auch das innere rege Leben dabei erhalten bleiben können, der Handel aufserhalb Italiens verbot sich den Kauf leuten solcher Städte von selbst. Am auffallendsten ist der Umschlag bei Piacenza. Doch auch bei Pavia, das ja fest mit Mailand verbunden blieb. Das Kastell, der fast ununter- brochene Sitz des Erbauers und seines Sohnes, doch auch von den späteren Herzögen oft bewohnt, die Nähe des Parkes, den der jagdfrohe Galeazzo II. anlegte, das Kunstwerk der Certosa, der Gründung seines Sohnes machten aus Pavia wieder eine Residenz, wie es einst die der langobardischen Könige gewesen war und von diesen Stätten eines prunkvollen Hoflebens ging der Glanz auch auf die Stadt über, deren Bürger aber die alte Kraft verloren, so dafs sie nach dem Aussterben der Herzöge versank. Nur die Universität behielt noch lange ihre Be- deutung und an ihr war die Zahl der deutschen Studenten so grofs, dafs fast beständig mehrere Deutsche als besondere Professoren des Rechts, der Medizin u. s. w. pro ultramotUanis wirkten '.

Pavesen aufserhalb Italiens habe ich nur einmal gefunden. Johannes de Brunis war in Nürnberg gestorben, jedenfalls hatte er dort Hinter- lassenschaft und sein Sohn reiste 1483 mit herzoglicher Empfehlung nach Nürnberg*. Andererseits finden wir auch in der alten langobardischen Königsstadt die grofse Ravensburger Gesellschaft, deren Faktoren Johannes

1 Pertile 2, 1, 244.

' Magenta 1, 27. Anonymas Ticinensis bei Muratori, Scriptores 11, 22.

* Burckhardt, Kultur der Renaissance 2^ 160.

* Urkunden Nr. 111.

Das übrige Italien. 591

Burlin und Jacob Fry sich beklagten, dafs ihre Waren auf Antrag eines Mannes beschlagnahmt seien, der der Gläubiger eines gewissen Deutschen namens Heinrich sei, mit dem die Faktoren nichts zu thun zu haben er- klärten ^ Ja auch hier hatten sich Deutsche angesiedelt^.

Nach Crema zog, wie wir gesehen haben, zur Messe die Gesell- schaft Koler- Krefs-Saronno.

Die einst so kühnen Kaufleute von Piacenza sind von den inter- nationalen Messen verschwunden und fast jeder direkte Handel mit Deutschland hatte so scheint es wenigstens aufgehört, doch finden sie sich in Brügge*. Das Quellenmaterial zur Handelsgeschichte dieser Stadt ist, wie ich mich selbst überzeugte und der gelehrte Canonico Tononi mir bestätigte, leider sehr dürftig.

Auch das Cremona* des Spätmittelalters bllöite, es war die Heimat einer sehr eifrigen Textilindustrie und auch hier waren hochberühmte Waffenschmiede. Der Cremoneser Kaufmann kam aber nicht mehr hinaus über die Alpen. Einst hatte Cremona Schiffe unter eigener Flagge auf dem Mittelmeere gehabt und Handelsverträge bis nach Montpellier; seit 1334 viscontisch, gab es diesen Aufsenhandel auf. Ein Kaufmann von St. Gallen lag 1498 in Streit mit den Zöllnern von Cremona*.

Ein Parmigiane war in Strafsburg angesiedelt Seit 1336 er- scheinen dort als Kanoniker u. s. w. Männer mit dem Beinamen von Parme®, man könnte sie für durch päpstliche Provisionen hierher ver- pflanzte Geistliche ohne Anhang halten, wie sie im vierzehnten Jahrhundert ja nicht selten sind. Aber der Kanonikus von St. Thomas, Albert von Parma, zog seinem Bruder Konrad nach''^. Sie behielten Beziehungen mit Italien. Wilhelm von Parme von Strafsburg hatte mit Johans und Philipp Kaufleuten von Mailand 1368 gegen die Stadt Basel geklagt und an Stelle König Karls IV. sitzend, verurteilte Graf Eberhard von Wertheim die Stadt dazu, den Klägern 8000 Mark Silber zu zahlen®.

> Urkunden Nr. 114.

1392 Oktober 3. »Torobecco del fu Ermanno di Alemannia* erwirkt vom Grafen von Virtü für 100 fl. die ungeteilte Hälfte eines Hauses in Pavia in porta 8. Pietro al Muro. Register des Notars Cristiani. Archiv stör. lomb. 21, 2, 47.

^ 1498 bei der Statutenerneuerung der Luccheser Genossenschaft. Lucca, Staatsarchiv.

* Vgl. auch Robolotti, Industria e commercio in Cremona nel secolo XV. Archivio stör, lombardo 7, 318 E Über die Verbreitung der Cremoneser Bar- chente und hucaschini vgl. Pasi Bl. 197 f., auch 44.

^ Urkunden Nr. 132.

« Strafsb. Urkb. 5. Kindler v. Knobloch, Das Goldene Buch 243.

^ Strafsb. Urkb. 7 Nr. 769 u. 1178.

8 Mehrere Urkunden Rapolstein. Urkb. 2, 31 f. Baseler Urkb. 4, 297 ff. Vgl. auch Strafsb. Urkb. 6 Nr. 784. Wilhelm Strafsburger Bürger 1393.

592 Zweiundfünfzigstes Kapitel.

Die Ursache ist nicht deutlich; da Basel gar nicht vor dem Gericht er- schienen war, wurde die Reichsacht über die Stadt verhängt.

Ein sehr interessantes Dokument bezieht sich auf Mirandola, den Sitz der Pico; allein es ist zweifelhaft, ob dieser Heinrich Ehinger von Konstanz als Pilger dorthin sterbenskrank gekommen war oder als Kauf- mann. Wahrscheinlicher ist das erste; er war im Jubeljahr in Rom ge- wesen, dort aber war ihm in der Beichte die Absolution verweigert worden, weil er unrechtmäfsigen Besitz nicht herausgeben wollte. Jetzt hatte er in Rom gebeichtet, das fremde Gut herausgegeben und kam nun schwer leidend nach Mirandola, wo ihn der Kaplan des Spitals, ein aus Strafsburg stammender Priester zum Tode vorbereitete. Am dritten Tage verschied er; wahrscheinlich war er der Grofsvater des berühmten Ver- walters von Venezuela ^

Mirandola lag an der viel begangenen Strafse, die von Bologna nach Verona führte und den Po bei Ostiglia schnitt

Für die Verbindung von Toscana und den Brenner diente auch ein Weg, der 1106 in einer Papsturkunde geradezu als strata Teuionica be- zeichnet wird und der nach dieser Urkunde bei Bresciello den Po über- schritt''*. Es ergiebt sich von selbst die Route Parma-Mantua- Verona, also eine Fortsetzung des Weges aus der Lunigiana über Pontremoli und den La Cisa-Pafs nach Parma.

über Bolognas Beziehungen zu Deutschland, die doch bedeutend gröfser gewesen sein dürften, habe ich nur eine ergiebige Nachricht ge- funden. Im Jahre 1478 hatte Jörg Studiin von Kempten als Gläubiger eines Hans Mang, der sich in Bologna niedergelassen hatte, den Bolog- neser Bürger Hannibal Malvezzi (Malvici), als er nach Deutschland reiste, auf freier Strafse aufgehalten und nach der Burg Hohenthann abgeführt. Die Bolognesen hielten dafür Albrecht Nieser auf und fünf Ballen Safran Bartholome Welsers und seiner Brüder, an denen die Martelli von Venedig und die Corsini (Ceorschini) von Florenz, die mit den Welsern viel handelten, beteiligt waren®. Sollten nicht die deutschen Studenten auch deutsche Handwerker hingezogen haben? Des Nürnberger Kaufmanns und Studentenhausvaters Johannes Schafhuser gedenkt wiederholt dank- baren Sinnes der ihm verwandte Christoph Scheurl*.

Florenz, dessen Geldhandel ja schon in anderem Zusammenhange behandelt ist, hatte die schweren Krisen der Mitte des vierzehnten Jahr- hunderts, den Zusammenbruch einer grofsen Zahl von Banken verwunden

» Urkunden Nr. 361.

2 Kehr, Papsturkunden in Panna u. Piacenza 26. Nachrichten d. Kön. Ges. d. Wiss. zu Göttingen 1900.

3 Koi)ialbuch 105 VII Nr. 223 ff. Stadtarchiv Augsburg.

* 1497—1513. Knod, Deutsche Studenten in Bologna S. 705.

Das übrige ItalieD. 593

und hob sich seit dem Aufstande der Ciompi unter der Herrschaft der Optimaten. In den Kämpfen gegen die Viscontis hatte es zwar nicht gesiegt, aber doch die Bildung eines italienischen Königtiuns verhindert und die eigene politische Stellung fester begründet, bis die hohe Staats- kunst der Mediceer Florenz zum Mittelpunkte Italiens machte. Hatte es früher mit Neid auf Lucca, Siena und vor allem Pisa sehen müssen, die, wenn auch schlechte Häfen zur Benutzung hatten, so gewann das bisher vom Meere ausgeschlossene Florenz 1406 Pisa. Das Ziel alter Wünsche war erreicht; 1421 wurde Livorno von den Genuesen gekauft, ein Hafen, der dem immer mehr versandenden Porto Pisano bald den Verkehr entzog. Jetzt brauchte man sich nicht mehr mit Auskunfts- mitteln zu begnügen und begann nun den Bau von Staatsschiffen und meinte zur See dieselbe Geltung zu gewinnen, wie Genua oder Venedig. Der Versuch einer Monopolisierung von Reederei und Frachtschiffahrt mifslang aber und niemals wurde Florenz eine Grofsmacht auf dem Meere. Aber der Fortschritt war doch gewaltig.

Die Politik der Mediceer, ihre Stellung zu Venedig und Mailand ist hier nicht näher zu schildern.

Der Warenhandel von Florenz hatte einst auf der Arte della lana und der CdlUmdla beruht, den beiden Zünften der Wollmanufaktur. Der Vorrang liefs sich nicht behaupten; überall entstanden Konkurrenten, in fast allen italienischen Städten wurden Tuche hergestellt, der Handel schränkte sich ein, schon Benedetto Dei ist Zeuge, dafs der Markt im Norden und Westen für die Florentiner Tuche verloren war*. Schlimmer konnte aber Florenz nichts treffen, als die Sperre der Zufuhr englischer Wolle. Je mehr Flandern-Brabant emporblühte, je mehr seit Heinrich VII. England selbst die Verarbeitung des eigenen Produktes in die Hand nahm, um so schwerer war es Florenz, diese feinste Wolle zu erhalten ; die überlegene Technik der Florentiner half da nichts mehr und auch sie wurde nachgeahmt. Demzufolge verlegten manche Florentiner ihre Manufakturen für die vorbereitenden Teile der Fabrikation nach Flandern, Brabant, England; Deutschland wird dabei nicht genannt^. Die Verbote, englische Wolle auszuführen, ja durch das Land zu bringen, das Monopol der Stadt auf Verarbeitung dieses edlen Stoffes* konnten nichts helfen, der Verfall der sich aufs äufserste wehrenden Florentiner Tuchindustrie war unabwendbar.

Die Märkte, die die Wollindustrie verlor, gewann aber die Floren- tiner Seidenindustrie reichlich zurück, die alte Feindin Lucca wurde

1 Villari 1, 285.

2 Pöhlmann S. 74. » Pöhlmann 75.

Schulte, Oeaeh. d. mittelalterl. Handels. I. 88

594 ZweiiiDdfänfdgstes KapiteL

gründlich ül^rbolt und ebenso Genua und Venedig und der Konsum von Florentiner Seidenstoffen war für die Stadt gevrifs ebenso ertragreich, wie es ein Jahrhundert zuvor mit der Wollmanufaktur der Fall gewesen war. Besonders blühte auch die Brokatindustrie, 1423 kam das Gewerbe des oro filaio auf*.

Das Wirtschaftsleben von Florenz in den Tagen der Renaissance, wie es Pöhlmann uns so trefflich zerlegt hat, schwankt zwischen ent- gegen j^trebenden Tendenzen hin und her: bald Freiheit des Individuums, bald Zwang des Staates. In der Verkehrspolitik äufsert sich dasselbe. Es gab Zeiten, in denen die Fuhrleute der Zölle halber das floren- tinische Gebiet ängstlich mieden^, und nichts zeugt dafür, dafs jemals Florenz für fremde, etwa deutsche Händler eine Etappe war, wie z. B. Genua.

An diesem Gewerbsleben haben sich wie ich kurz ausftLhren möchte auch deutsche Kräfte beteiligt. Doren hat neuerdings die Statuten einer Bruderschaft deutscher Weber in Florenz aufgefunden, eingericlitet nach dem Vorbilde deutscher Gesellenbruderschaften, aber im Begriffe, sich in eine Zwangsgemeinschaft umzubilden, als die Arte della lana sich ins Mittel legte und sie einer strengen Kontrolle unter- warf®. Leider sind die Statuten noch nicht veröffentlicht Auch ohne sie kann ich zahlreiche deutsche Weber nachweisen. In einer Quittung sind nicht weniger wie sieben aufgezählt, deren Namen Nicholao Dtvi- nantis, Jacoho Jacobi, Federigo Arrigi de Franchoforte, Nicholaus olim Corradi de Alamannia, Piero Johannis de Lutri de Alamania^ Nidiolao Arrigi de Loro und Paulo . . de Ghombolt nur die Ortsnamen Frankfiirt und etwa Lautem und Lehr erkennen lassen. Sie gehörten grofsenteils zu der von armen Leuten bewohnten Pfarrei S. Frediano am linken Amoufer flufsabwärts, andere freilich zu der Pfarrei S. Lorenzo*. Das Oltrarno war einer der vier „Konvente", worauf die Ausübung der ars lanae eingeschränkt war^. Auch die Heiratsabrede einer Tochter eines ehemals in Siena wohnenden, dann nach Florenz verzogenen deutschen Wollwebers hat sich erhalten, sie heiratete einen Sienesen*.

Und auch deutsche Färbermeister gab es in Florenz. 1442 wandte sich Nürnberg an drei solche, um die Hinterlassenschaft eines dort ver- storbenen Sohnes für die in Nürnberg wohnenden Eltern zu erhalten'.

' Die Chronik des Cerretani bei Fabronius 2, 68.

a Pöhlmaiin 118.

« Doron S. 102.

* Urkunden Nr. 276.

'^ Pohl mann 55.

ö Urkunden Nr. 279.

7 Urkunden Nr. 388.

Das übrige Italien. 595

Eine andere Erbsehaftssache bezieht sich auch auf einen Augsburger Ulrich Weifs, der aber in Florenz den Namen ^^magus Suevus-^ trug und Diener ^famüiaris* der Stadt war^

Sehr genaue Nachrichten haben wir über eine Innung bezw. Bruder- schaft der deutschen Schuhmacher. Eine regelmäfsige Zunft war das keineswegs , sondern eine landschaftliche und religiöse Vereinigung zu gegenseitiger Unterstützung durch Werke der Charitas und Gebet. Wie auch im Heimatlande wurde von den Deutschen die Gottesmutter als die beste FUrsprecherin bei ihrem Kinde besonders verehrt, daneben die hl. Katharina, und die Bruderschaft hiefs *Socieias Virginis Marie et sande Kaierine Teutonicorum chdUolariorum Alamannie dlte< . Um die Mitte des fünfzehnten Jahrhunderts die Nachrichten setzen mit 1446 ein war sie stark und ihre Mittel so reich, dafs die Bruderschaft 1454 ein Haus in der Via di S. Gallo, also in der Nähe von S. Lorenzo, wo die Gott^dienste derselben stattfanden, zur Einrichtung eines Spitales für kranke Mitglieder erwerben und vier Jahre später auf dem Grund- stücke auch eine Kapelle erbauen konnte. Doch, so glänzend die Geld- lage der Bruderschaft blieb , so sehr sank die Zahl der Mitglieder. 1502 waren noch drei vorhanden; im letzten Augenblicke tauchten noch drei andere auf, die Ansprüche erhoben, als jene ersten unter besonderen Bedingungen das Gut der Bruderschaft der florentinischen Bruderschaft S. Crespino und S. Crespiniano übergeben wollten. Die besonderen Bestimmungen (darunter auch die in Italien so beliebten Doten fiir die Töchter) sollten die Deutschen schützen. Trotz dieser Verschmelzung hat die Bruderschaft der Deutschen wenigstens in den kirchlichen Funk- tionen bis mindestens 1629 bestanden*.

Von deutschen Kaufleuten war gewifs Wilhelm Rem nicht der einzige, der nach Florenz kam®.

Dafs die Florentiner den Seeweg bevorzugten, um nach Antwerpen zu gelangen, habe ich schon früher ausgeführt. Ich habe auch gezeigt, dafs die Florentiner Bankiers nur in den Tagen von Konzilien Filialen an deutschen Orten einrichteten. Es kann uns also auch nicht wunder nehmen , dafs der Chronist Benedetto Dei, wo er die Banken aufzählt, Deutschland übergeht, und wo er die Mercanii fiorentini in Ponenie a. d. 1470 aufführt, da sagt er, dafs sie viermal im Jahre hinaus auf die Messen von Antwerpen und Lyon zögen, von dort brächten sie alte Goldschilde und anderes altes Gold in unendlicher Menge, die würden

' Urkunden Nr. 376.

^ Cesare Paoli, Urkunden z. Gesch. d. deutschen Schusterinnung in Florenz. Mitteil. d. Inst. f. österr. Geschichtsforsch. 8, 455—476.

8 Chroniken deutscher Städte 25, 79. Es war 1478. A. del Vecchio ed E. Casanova, Le rapi)re»aglie erwähnen Deutsche nicht.

3S*

596 Zweiundfünfzigstes Kapitel.

in der Münze umgeschmolzen, für dieses Geld kaufe man Seide und mache Tücher und namentlich die Wollstoffe gingen nach der Levante. Deutschland wird nicht genannt.

Der Seeweg war aber nicht immer benutzbar und nicht immer sicher und wir sahen, wie sich die Florentiner in solchen Fällen der Landverbindung erinnerten. Die Gesandtschaft von 1407 nach Konstanz wurde uns so verständlich. Freilich hatte Buonaccorso Pitti auf seinen Gesandtschaftsreisen bei König Ruprecht niemals einen Pafs der mittleren Alpen benutzt, doch lag das an der Lage der Politik. Der Unter- händler zwischen Florenz und König Ruprecht mied natürlich Mailand ^. Auch die normalen Wechseltermine beweisen die Benutzung des Land- weges: die Frist betrug für Neapel 20, für die Provence und Frank- reich 60, Flandern 70, England 75 Tage, Spanien drei Monate^.

Ich verzichte darauf, hier noch einmal die Nachrichten über Florentiner, die wir in Deutschland trafen, zusammenzustellen. Nur be- züglich Nürnberg möchte ich eine Ausnahme machen, da sich hier solche niederliefsen. Die Empfehlung des Donatus a Comu durch die Behörden seiner Vaterstadt hat sich erhalten*, Heinrich Deichsler er- zählt 1505 von eines reichen Florentiners Sohn, den zu verwunden sein Vater jemanden dang*. Die Namen Jacob Bethonus, Johann Mario, Raphael Tureganus, der auch die Leipziger Messe aufsuchte, Lorenzo Villano, Mariotto de la Balla, Bernhardo della Balla figurieren in den Geschäftsbüchern Koler-Kress-Saronno ^ Einige kehren davon in andern Nachrichten wieder. Die La Balla waren in Geschäftsverbindungen mit dem Nürnberger Wolfgang Sauermann, der 1521 aber auf ihr Gut in Nürnberg Beschlag legen mufste®. Die Toresani aber sind auch 1530 in Nürnberg nachzuweisen, sie handelten nach Danzig ^Damaskat und Schamlot* ^, in ihrem Nürnberger Hause lernten auch junge Florentiner die Kaufmannschaft^. Im späteren sechzehnten Jahrhundert fanden sich noch mehr italienische Häuser neben den Toresani ein.

Von Pisa erwartet man kaum, dafs es seit seinem Niedergange noch Beziehungen mit Deutschland unterhielt. Aber nicht umsonst steht der Name von Pisa in der Strafsburger Kaufhausordnung. Noch in der

* Cronica Firenze 1720. 2 Pegolotti.

8 Urkunden Nr. 392..

* Chroniken deutscher Städte 11, 676. ^ Vgl. oben S. 387.

ö Urkunden Nr. 277.

' 1530. Johann Oliveri von Florenz im Namen von Raphael und Rudolf Dori- sani-Gesellschaft von Florenz. Lochner, Arch. Norimb. VI 113 und VIII 24. Auch Urkunden Nr. 277.

8 Urkunden Nr. .398.

k.

Das übrige Italien. 597

Zeit Giovannis da Uzzano (1442) wurden in Pisa für die Lombardei und Deutsehland bestimmte Waren ausgeschifft und um den Verkehr zu heben, liefsen die Florentiner hier jeden Ausfuhrzoll fallend Dafs der Handel der Pisaner um 1500 bis Brügge ging, habe ich auch im Staats- archiv von Pisa feststellen können, ohne direkt deutsche Sachen anzu- treffen. Und wenn auch sonst weder Pisaner in Deutschland, noch Deutsche in Pisa nachgewiesen sind, so haben doch Pisaner Nürnberg besucht und mit den Behaims Kontrakte eingegangen, wie 1454 Sobald Behaim nach Pisa fuhr, um dort Schulden beizutreiben ^.

Auch Lucca war von der alten Höhe herabgesunken, es erlebte eine ähnliche Katastrophe wie Florenz 70 Jahre vorher, ohne sie völlig überwinden zu können. Nicht etwa Kriege in der toskanischen Heimat, nicht die Rivalität von Florenz, die allerdings 1429 zu einem schweren Kampfe führte, nicht der Verlust der Freiheit an das Kaufherren- geschlecht der Guinigi, deren Herrschaft jedoch schon 1433 zu Ende ging, sondern die Kämpfe zwischen Frankreich und England riefen die Krisis hervor, wie einst der englische Staatsbankrott Florenz erschüttert hatte. Sercambi berichtet von der furchtbaren Wirkung, die die Er- mordung des Herzogs von Orleans und die Siege König Heinrichs V. von England 1419 hervorriefen. Der Kapitalverlust belief sich auf 150000 fl., aber schlimmer als das war, dafs das Vertrauen geraubt war. Ein Teil der Handwerker mufste feiern, gerade die, welche vom Export lebten, die Gold und Silberarbeiter und die Seidenweber und manche wandten der Stadt den Rücken und zogen nach Venedig, Bologna, Florenz oder Genua*. Indem dieLucchesen gerade auf die Märkte von Avignon, Paris, Brügge und London* sich stützten, mufsten sich die Erschütterungen im heutigen Frankreich und England besonders fühlbar machen. Diesen Gegenden wendet der Chronist Sercambi ein besonderes Interesse zu, von Deutschland schweigt er. Und dem entsprechen die Angaben über die im Ausland beschäftigten Faktoren. In den libri magistrorum et eorum factorum et puerorum von 1371, 1372 und 1381 habe ich einen in Deutschland stationierten Faktor nicht gefunden '^. In Brügge bildeten die Lucchesen eine Genossenschaft mit Konsul und Räten, sie hatten hier auch eine eigene Kapelle; bei der Erneuerung

* »Mercantia condoüa in Pisa o per mare o per terra, la quäle si fraesse di Pisa . . per canducierla in Lonbardia, owero che per transito avesse a passare per Lmibardia per conduciersi in dtUa Magna o in altre jxxrti del mondo, non si dehbia pagare alcuna cosa di gabella per Vuscita,* Pagnini 4, 67.

2 Urkunden Nr. 390. 8 Sercambi 3, 251 f.

* Diese erwähnt Sercambi. «^ Vgl. oben S. 289.

598 Zweiundfunfzigstes Kapitel.

der älteren Statuten von 1369 im Jahre 1498 waren zwölf Lucchesen anwesend ^.

Dafs Lucchesen Deutschland durchquerten, haben wir mehrfach ge- sehen^, doch kann man sie direkt im Handel nur in Köln nachweisen^. So mag auch Papst Bonifaz IX. zur Erhebung des römischen Anteils am Jubeljahr in Köln neben einem Abte auch den Bartolomeo Turchi von Lucca deshalb beauftragt haben*.

Lucca suchte noch spät seinen Markt auszudehnen, doch liegt die hamburgische Niederlassung schon in der zweiten Hälfte des sechzehnten Jahrhunderts. Damals waren, wie aus dem ältesten in Lucca erhaltenen Handelsfcuche einer Firma, dem der Bernardina von 1569, hervorgeht, mehrere Bernardini in Deutschland, genannt werden die Orte Mainz und Ntlmberg. Sie handelten dort ausschliefslich mit Seide*.

Auch in Lucca gab es eine Bruderschaft deutscher Schuhmacher, sie war aber im Vergleich zu der Florentiner sehr arm und wandte sich wieder- holt mit Bitten an ihre Genossen in Florenz. Sie hatte bessere Tage erlebt; da hatten sie zu Ehren U. L. F. in Pisa eine grofse Stiftung ge- macht, von Schuhmachern gab es in Pisa niemanden mehr und ein alter Schneidermeister Adam wartete des Dienstes, so weit das Wachs währte. Auch in Lucca waren noch fünf Personen , sie wollten aber die Not- helferin nicht verlassen und wahrhaft rührend ist die Bitte, welche an die Florentiner appellierte, die alte fromme Stiftung zu retten, damit sie in den Händen der deutschen Bruderschaft bleibe. Es ist einer der schönsten Briefe, die im Mittelalter geschrieben wurden®.

Sienas Bedeutung lag stets auf dem Gebiete des Geldhandels ^. Hierhin wurde jedoch 1438 auch die Seidenindustrie gebracht, die mit der Florentiner wetteiferte ®. Vielleicht ist dem Warenhandel zuzurechnen, wenn zeitliche von Seynis* der Humpifsgesellschaft Schuldner waren, die der Faktor Ulrich Fry von Konstanz vor das päpstliche Gericht lud und auch die Stadt Konstanz wandte sich an Papst Pius U., selbst einen Sienesen®. Auch in Siena hatten die deutschen Schuhmacher eine

* Staatsarchiv Lucca.

« Vgl. oben S. 427, 452, 475, 481, 497, 519 ii. 527.

^ Die Urkunde des Busticus Romagnoli (Quittung von 1281) beweist für einen Handel in Deutsehland selbst nichts. Baseler Urkb. 2, 208. Die Kölner Nach- richten betreffen den Geidhandel vgl. oben S. 343.

* Ennen u. Eckertz 6, 142.

^ Gütige Mitteilungen des Herrn Giuseppe Martini in Lucca. ^ Paoli 463, vorher schon Bonaini, Statuti inediti della citt4 di Pisa 3, 1050 f. und Beil. zur (Augsb.) Allgem. Zeitung 1858 Juni 27 Nr. 178. ' S. oben S. 251—259. ® Silbermann 1, 83. » Heyd, Ravensburg 28.

Das übrige Italien. 599

Bruderschaft, in St. Martino besafsen sie eine Kapelle, die sie der hl. Gottesmutter gerade ihre Verehrung war ja den deutschen Hand- werkern ans Herz gewachsen gewidmet hatten. Sie erwarben 1461 ein unmittelbar anstofsendes Häuschen, um dort ein kleines Lazarett zu errichtend

Weiter südöstlich haben wir nur ganz gelegentliche Erwähnungen und Angaben. So wohnte 1431 ein flandrischer Handelsmann in Arezzo*, 1398 taucht in Macerata (Mark Ankona) ein deutscher Meister Wilhelm als Schullehrer auf, der vorher Kanzler des Städtchens Accumuli in der Nähe von Aquila war®.

In der Stadt »jerum Adlern, wie sie die Deutschen nannten, in Aquila in den Abruzzen, fanden die grofsen Safranmessen, von denen uns z. B. Lorenz Meder berichtet, statt. Sie müssen recht zahlreich von Deutschland besucht gewesen sein. Der Name „Adler" ist schon dessen ein Beweis und er war in Deutschland recht wohl bekannt*.

Früher hatten die deutschen Kaufleute den Safran, von dem für 100000 Dukaten aus Aquila, Apulien, Calabrien, den Abruzzen und Marken nach Venedig gelangte, dort gekauft, allein schon vor 1479 hatten, so besagt ein venetianisches Dekret, die Deutschen sich dem Markte von Mailand zugewandt, ja, hatten die Ursprungsländer selbst aufgesucht. Der ganze Weg des Safranhandels wurde dadurch verlegt, es half auch nichts, dafs Venedig den Satz für den Transit sehr niedrig ansetzte, 1481 und 1482 jede Iraportabgabe aufhob. Venedig war um so empfindlicher berührt, da die Deutschen nicht allein den Safran aus- führten, sondern auch Silber und anderes einführten, dafür aber ge- sponnenes Gold und feine Seidenstoffe einkauften. Die Konkurrenz mit Mailand und der Handel am Ursprungsorte war den Venetianern so empfindlich, dafs sie 1492 den Exportzoll für Safran ganz aufhoben und den Transitsatz auf ^U von dem von 1479 erniedrigten*. Ob die Hoffnung sich erfüllte, dafs der Safranhandel wieder den Weg über das Meer und Venedig einschlagen werde, ist nicht festzustellen.

Nach Aquila versetzt uns dann auch eine interessante Urkunde von 1471. Hier hatte 30 Jahre lang ein Nürnberger Arnold von Seeland mit aus Verona stammenden Bürgern von Aquila eine Handelsgesell- schaft betrieben, wobei der Deutsche wohl in Nürnberg die Interessen

' Urkunde mitgeteilt vonPiccolomini iu Miscellanea storica Senese 1,215 ff.

2 »Leo Henrki de Flavdriaj hahitator civitatis Aretine* Geleitsbrief zum Eintritt mit Waren inEom. Repertor. Germ ani cum, Pontifikat Eugens IV. Bd. I Nr. 1276.

^ Colin i-Baldeschi in Historische Vierteljahrschrift Jahrgang 2, 518 522.

* Z. B. Erzählung von Capistrans Predigt dort. Chroniken deutscher Städte 10, 193.

•^ Statut von 1479 bei Thomas 235, von 1492 ebda. 277. Vgl. Simonsfeld 2, 85.

\

gOO Zweiundfünfzigstes Kapitel.

vertrat. Als er seine Abrechnung forderte, wurde er nach Aquila auf die Burg Offignano in das Haus seiner Genossen geladen und dort er- schlagen, sein Sohn Jakob entging dem Tode nur dadurch, dafs er sich in eine unter der Burg gelegene Mühle flüchtete. Ob die Be- schwerde Kaiser Friedrichs bei König Ferrante Erfolg hatte, erfahren wir nichts In Aquila haben übrigens auch die Imhoff von Nürnberg im Anfang des sechzehnten Jahrhunderts Geschäfte betrieben , sie hatten dort wie in Bari Faktoreien^.

Auch in andern Teilen des Königreichs Neapel finden sich Deutsche. Ein wunderbares Geschick hatte einen Nürnberger Johann Teufel dorthin verschlagen, er war auf Wanderung bei verschiedenen Völkern gewesen, dann Seeräubern in die Hände gefallen und von diesen ins Königreich Neapel verkauft worden®.

Auf den apulischen Messen zu Bari, Barletta, Trani und Otranto erschienen wenigstens im sechzehntenten Jahrhundert oft Nürnberger Händler, um Safran, Ol, Mandeln und Galläpfel einzukaufen*.

Rom endlich nimmt naturgemäfs in der Reihe der italienischen Städte eine Ausnahmestellung ein. Nachrichten über Warenhandel zwischen Rom und Deutschland habe ich keine gefunden, auch die über den Geldhamlel sind vorläufig nur dürftig. Von den Fuggern ist in anderm Zusammen- hange die Rede; ein banchus et societas Wtlhelmi Petri erscheint 1509^.

Zahlreicher sind die Angaben über in Rom angesiedelte Hand- werker®. Die Schuster, deren Statuten 1439 bestätigt wurden, hatten ein eigenes Gildehaus ^, die Bäcker hatten sogar ein Spital und eine eigene Kirche neben der schola^ auch die Leineweber waren organisiert®. Aufser ihnen zog die Stadt mit ihrem Fremdenverkehr manche andere Elemente an, namentlich gab es eine grofse Zahl deutscher Wirte. 1447 schrieb Aeneas Sylvius: die Deutschen machen überall die Wirts- leute. Ihr Verdienst ist es, dafs man ziemlich allenthalben in Italien ein Gasthaus findet; wo es aber keine Deutschen giebt, da giebt es auch keine Herberge ®. Die ersten Buchdrucker waren auch hier meist Deut-

» Urkunden Nr. 100.

- Mitteil. Verein Nürnberg 1, lÖl.

3 Urkunden Nr. 389.

* Meder 19.

^ Nagl u. Lang, Nationalhospiz S. 73.

6 Vgl. Pastor, Geschichte der Päpste 1 2, 202— 203 u. 3, 34. Rodocanachi, Les corporations ouvri^res ä Roine. Paris 1894. 1, LXXXFV, 1, 87, 1 92 f.

' Die calcelarii curtesani Bomanam cttriam sequentes unterstanden der Gerichts- barkeit der curia des päpstlichen Marschalls, nicht der der ars calcelarie, Reper- torium Germanicum I 2727.

8 de Waal 42. 77.

^ Vitae paparum bei Muratori 3, 2, 880.

Das übrige Italien. gOl

sehe; Spezereihändler, die der Kurie folgten, werden auch erwähnt^. Aber das waren alles Elemente, die kaum Waren aus Deutschland be- zogen oder dorthin versandten.

In dem Bruderschaftsbuche und in andern Dokumenten der Anima begegnen uns alle diese Gattungen neben den Prälaten und den frommen Pilgern, auch Müller, Goldschmiede, Kürschner, Sattler, Bader, Barbiere finden sich da aufgezählt *. Und ähnlich wird auch die Bruderschaft des Friedhofs der Deutschen diese Elemente vereinigt haben ; doch beginnen die Register derselben erst mit 1501. Die deutsche Kolonie in Rom mufs damals eher nach Tausenden, als nach Hunderten gezählt haben. Ihnen und den Pilgern dienten zahlreiche fromme Stiftungen und Bruderschaften.

Nicht allein in Rom, auch im übrigen Italien finden sich Deutsche in den Bergwerken und bei der Münze. Doch liegt das zu verfolgen nicht in unserer Aufgabe®, wie ich auch den Spuren der Künstler nicht nachgehe.

» de Waal 78.

-Liber confraternitatis B. Marie de Anima Teutonicorum de Urbe. Komac 1875 und Nagl u. Lang passim.

' Ich notiere einiges: 1479 Anlage von Berg^^erken im Kirchenstaate durch Johann Klug von Freiberg und 50 deutsche Bergknappen, 1513 Johann Zink Vor- stand der päpstlichen Münze, de Waal 77 f.

Dritter Teil.

DER ANTEIL DEUTSCHLANDS.

Dreiundfünfzigstes Kapitel. Allgemeines. Konstanz.

Träger des Handels nicht Landstädte, sondern Eeichsstädte. Entscheidend für den Anteil am Handel: die Lage des Gewerbes mid die Stellung des Patriziates zum Handel, Das Schultheifssche Brief buch. Leinwandhandely Produktion in den Händen der Kauf- leute. Anteil der Geschlechter. Austritt der Beichen aus den Zünften. Die Zunft- revoltäionen auch gegen die Handelsgesellschaften. Die Reichsteti der Stetterlisteyi von 1418 und 1422. Die Muntprats. Stammbaum. Ihr Vermögen. Vergleich mit den Reichsten in benachbarten Städten. Tabellen über Ravensburg^ Ulm. Die reichen Linien gehen zum Landadel über. Die Fry^ im Steinhus. Die verschiedenen Riehtungen des Handels. Umfang desselben. Tabellen über Zoll im Kaufhause und Steuer. Gründe des Niedergangs. Geographische Kenntnisse in Konstanz.

Nicht die zunächst dem Fufse der Alpen oder gar im Gtebirgs- bereiche gelegenen Städte, etwa Chur, Luzern, Sitten oder Freiburg, Bern, Zürich, St. Gallen haben den Handel nach Italien konzentriert, ihren Handel hat an Bedeutung der der schwäbischen, fränkischen und rheinischen Städte übertroffen. Die Beziehungen jener heute zur Schweiz gehörigen Städte habe ich beiläufig so eingehend besprechen müssen, dafs ich, um Wiederholungen zu vermeiden, nur noch St. Gallen und (' Basel einmal berühren möchte, das sich ja erst am Ende unserer Periode der Eidgenossenschaft anschlofs. Von den schweizerischen Städten wären aufserdem anzuführen Wyl, Werdenberg, Zürich, dessen Seiden- industrie wieder eingegangen war, Luzern, das einen sehr erheblichen Handel betrieb, mehr Bedeutung aber noch für den Transitverkehr hatte, dann Bern und Freiburg, beide mit grofser Wollweberei und Leder- gewerbe ^

Die deutschen Städte haben sich nun keineswegs in gleicher Weise an dem Handel beteiligt. Zunächst sind ausschliefslich die Reichsstädte

^ Zum einzelnen vgl. das Register.

Konstanz. 603

Träger desselben. Es ist ja richtig, dafs fast alle namhaften Städte des Oberrheins, Schwabens und Frankens Reichsstädte waren, aber es gab doch dazwischen auch bedeutende landesherrliche Städte: Rheinfelden, Breisach, namentlich das reiche Freiburg i. Br., Zabem, Heidelberg, dann Stuttgart, Cannstadt, WUrzburg. Die Namen dieser Orte sucht man völlig vergeblich, nur Freiburg erscheint ganz beiläufig. Und wenn diese damals für die Silberproduktion wichtige Stadt nicht selbst auf grofse Entfernungen Handel trieb, so kann das wohl nur darin seinen Grund haben, dafs die Btlrger der Territorialstädte keinen genügenden Schutz von Seiten ihrer Herren erwarteten. Die Reichsstädte vertraten selbst und mit Nachdruck ihre Interessen, sie hatten den Namen des Kaisers und der gab auch dann noch ein Relief, als seine Macht schon sehr tief gesunken war.

Entscheidend ist fUr den Anteil nur zu einem Teile die geographische Lage gewesen. Man würde in Italien massenhaft Strafsburger und Mainzer vermuten, aber man findet sie nicht, dafür erscheinen Leute i aus Rothenburg a. Tauber, vor allem aus dem kleinen Ravensburg. Es > spielen da ganz andere Gründe mit herein. Zwei derselben scheinen mir die wichtigsten.

Der eigene Gewerbebetrieb einer Stadt und ihrer Umgebung giebt dem Handel Anstofs und Richtung. Also Ankauf der Rohstoffe und Absatz der Produkte. Ganz deutlich sehen wir das bei Eonstanz und Ravensburg. Der Bezug der Rohstoffe für die den Handel beherrschende Leineweberei erfolgte in der Nachbarschaft, der Absatz aber weniger nach Norden, als in der Richtung nach Süden und Südwesten, nach Italien und Spanien hin, wo die Linnenerzeugung zurückgeblieben war. Ulm und Basel waren durch den Bezug des Rohstoffes ihrer Barchente, t der Baumwolle, an Italien gebunden. Diejenigen Städte also, welche l durch die einseitige Hervorkehrung einer Seite der Produktion zum Ex- port gezwungen sind und somit den Rahmen der mittelalterlichen Stadt- ( Wirtschaft nach dieser Seite hin sprengen müssen, werden am meisten i Träger des Handels. Eine Stadt wie Strafsburg, in der alle Handwerke vertreten waren und die die Bedürfnisse aller Bewohner des Wirtschafts- gebietes zu decken im stände war, drängte viel weniger hinaus, als einseitig entwickelte Städte wie die Leinenstädte Konstanz und Ravens- burg, die Barchentindustrie von Ulm, die Metallgewerbe von Nürnberg u. s. w. Für die schwäbischen und fränkischen Handelsstädte ist im Gegensatz zum Beispiel zu den hansischen die Verbindung von Handel und Gewerbefleifs charakteristisch.

Den Handel beeinfiufste auch die Standesanschauung der Geschlechter. ! Die Geschlechter der Reichsstädte waren im wesentlichen aus den Kauf- ^ leuten, aus den wirklich Handel treibenden Kreisen hervorgegangen,

g04 DreioDdfün&igstes KapiteL

doch stammten an einzelnen Orten , z. B. Nürnberg sehr viele auch aus dem Stande der Ministerialen. Wie wir nan Nachkommen solcher Dienstmannen auf Handelsfahrten nachweisen werden, schlielsen sich umgekehrt massenhaft Söhne von Kaufmannsfamilien aus. Je nachdem die fuhrenden Geschlechter einer Stadt es für ehrenhaft hielten, selbst Handel zu treiben oder nicht, je nachdem sie der thörichten, wesentlich deutschen Anschauung folgten, wonach der Handel sich einem Ritter nicht zieme, oder gleich den meisten Italienern es für keine Schande hielten, sondern sich nach dem Beispiele der Yenetianer, Florentiner und Genuesen richteten, wo kein noch so reiches Haus sich vom Handel ausschlofs , war der Anteil an dem Welthandel verschieden ^ Die deut- sche Anschauung hat, wenn wir von Basel absehen , ja schliefslich über- all gesiegt. Am längsten hielt sie sich in Nürnberg, im Mittelalter war es noch völlig von den Anschauungen, die die jungen Leute in Italien gewannen, geleitet, dals Arbeit und Adel nicht schände. In Ulm, Ravensburg, Konstanz begann die „Veradligung" des Patriziates bereits und höchst amüsant ist der Briefwechsel, den Bilgerin von Reischach, Vogt zu Bregenz, mit Hans Besserer, Bürger zu Ravensburg führte. Bilgerin hatte den Bürger geduzt und dieser erwiderte das, der Bürger setzte seinen Namen der Adresse voran, wie es der Adlige gethan hatte und der Hegauer Adel geriet über eine solche Unverschämtheit in Auf- regung; ein Nachkomme von Bürgern und Kauf leuten wollte sich denen gleichsetzen, die von edlen Leuten, Rittern und Knechten abstammten? Reischach meinte, sein Gegner solle auf die Trinkstuben gehen und nachforschen, wie es mit dem Pfeffer stehe, der von Alexandrien und Barzelona nach Venedig komme, und wie die Barchenttücher gewechselt würden ^

Am frühesten hatte der Ausschluß der Geschlechter vom Handel sich in Strafsburg vollzogen. Da wurde 1472 festgesetzt, dafs, wer Konstafler werden wolle, schwören müsse, hinftirder keinerlei Kaufmann- schaft oder Handwerk zu treiben, doch ^mögen sie wol gemeinschafl haben oder Verleihung iunt d. h. sie dürfen ihr Geld ausleihen und in Gesellschaft arbeiten lassen, aber selbst mit dem Handel dürfen sie sich nicht mehr befassen, mindestens nicht mehr einen offenen Laden haben ^. Schliefslich drohte jedem durch den Handel reich gewordenen Geschlechte dieses Los. Zuerst wurden die Töchter der reichen Kaufherrn vom Landadel umworben, dann wurde ein Kaufherr selbst Ritter. Ein Teil des Geldes wurde im Besitze von Burgen und Herrschaften angelegt,

1 In Mailand war ein Nobile als Kaufmann selten. Burckhardt 2^ 90 Anm. 4. - Steinhausen, Deutsche Privatbriefe des Mittelalters 1, 370—377 spec 1, 374. 3 Chroniken d. deutschen Städte 9, 965. Vgl. Eheberg S. 391 u. 520.

Konstanz. 605

während die persönliche Arbeit im Geschäfte eingestellt wurde. Sehr deutlich sehen wir diese Umwandlung selbst bei einem strammen Ge- schäftsmann, dem Nürnberger Balthasar Baumgartner sich vollziehen, der schliefslich aus dem aufregenden Handelsleben sich auf das Land flüchtet ^ Aus dem Kaufherrn der Stadt wurde ein Adliger des Landes.

Da der Grofshandel im wesentlichen in den Händen der Geschlechter lag der Handwerksmeister konnte sich nur sehr schlecht empor- schwingen — ergiebt sich ganz von selbst, dafs in den Orten, wo die Veradligung des Kaufmannstandes sehr weit fortgeschritten ist, der An- teil am internationalen Handel verdorrt. Beide Prozesse stehen in inniger Verbindung. Und so werden wir uns auch durchaus nicht wundem können über den Unterschied zwischen Strafsburg und Ktirn- berg, zwei gleich reichen und gleich mächtigen Städte^ In Strafsburg werden die Geschlechter, die aus de» Kaufleuten hervorgegangen sind, ein Landadel, in Nürnberg wird und bleibt trotz der engen lehensrechtlichen Verbindung mit dem königlichen Hofe der z. T. aus der Ministeriali tat hervorgegangene Geschlechterkreis ein kaufmännischer.

Für die Geschichte des Konstanzer Handels^ haben wir eine Reihe von vorzüglichen Quellen. Vorab ist da das schon wiederholt erwähnte Formelbuch des Nikolaus Schultheifs zu nennen; da sein Zusammen- steller, bevor er Stadtschreiber von Konstanz wurde, in Ravensburg gewesen war und auch von dort Briefe mitbrachte, ist seine Sammlung auch für Ravensburg von Wert. Nicht zu übersehen ist, dafs einige seiner Briefe Stilübungen sind. Es ist eine ganz hervorragend wichtige Quelle®. Gerade durch sie erfahren wir auch die ältesten Nachrichten über den Handel der Muntprat, wie auch der Name der Ravensburger Hundbifs (Humpiss) nicht fehlt.

Die Grundlage des Konstanzer Exporthandels blieb auch im vier- zehnten und fünfzehnten Jahrhundert die Leinwand. Das Garn wurde aus dem Bregenzer Walde, dem Rhein- und Thurgau gebracht; wie weit eine Weberei auf dem Lande noch statt fand , bleibt zweifelhaft. Jedenfalls deckte die nie sehr starke Leinweberzunft von Konstanz den

(

^ Steinhausen, Der Kaufmann 96 f.

2 Vgl. Mona in Zeitschr. f. Gesch. d. Oberrheins 4. Gothein, Wirtschafts- y^ geschichte und Ruppert, Der Konstanzer Handel im Mittelalter in Konstanzer geschichtliche Beiträge Heft 4. Konstanz 1895.

* Nach seinem Formelbuch war er 1399 noch prothonotarius oppidi Ravensburg, 1400 1414 aber ist er im gleichen Amte in Konstanz zu erweisen, nach den Chroniken versah er sechzehn Jahr das Amt (Ruppert 76), 1418 war er nicht mehr im Dienste, lebte aber noch.

506 Dreiundfüufzigstes Kapitel.

Bedarf nicht allein. Die Geschichte der Industrie ist namentlich von Gothein genau dargestellt worden, auf den ich hier verweise. Die Pro- duktion unterstand einer scharfen öffentlichen Kontrolle, da gab es Leinwandschauer, Leinwand messer, Färber, Ballenbinder, Bleicher und Gamfeilträger. Und es ist nicht ohne Interesse zu sehen, dafs die Lein- wandschauer vielfach den Geschlechtern entnommen waren ^. Der Ver- kauf mufste seit 1391 durch die Vermittlung von Unterkäufem er- folgen. Die Tuchmacher von Konstanz kamen fiir den Export nicht in Betracht.

Auch mit der Baum Wollweberei, der Herstellung von Barchent hat Konstanz Versuche gemacht, seit 1376 finden sich Baumwollschauer, doch war das Gewerbe, über dessen Zugehörigkeit 1409 Leinen- und Wollen weber mit einander stritten, wohl nie kräftig, 1431 war die Barchentweberei aber ganz abgegangen, so dafs die Stadt einem Krämer ein Haus zur Errichtung eines ^Buchhuses* billig verkaufte^.

Dafs die Konstanzer Produktion von Kauf leuten abhängig war, ist von Gothein deutlich bewiesen. Welchen Kreisen gehörten aber diese Kaufleute an? Gothein nimmt an, dafs in den ältesten Zeiten die Ge- schlechter den Handel geleitet hätten, dann aber durch ein Statut von 1386 von jedem Gewerbe und jeder Zunft ausgeschlossen seien und erst 1495 seien sie wieder zum Grofshandel zugelassen worden. Für die Zeit also, in die Konstanz' gröfste Handelsblüte Mit, wäre demnach der Kreis der Geschlechter vom Handel ausgeschlossen gewesen. Diese Auffassung ist irrig. Das Statut von 1386^ besagt nur, dafs die Zünfte den poli- tischen Einflufs der Geschlechter von sich fern halten wollten, die Spannung, welche zum Aufstand von 1389 führte, drückt sich darin aus. Den Wortlaut des Beschlusses von 1495* habe ich nicht gesehen, ist kein Irrtum untergelaufen, so kann er nur eine kurze Unterbrechung eines alten Gebrauches beendet haben ; denn dafs die Geschlechter am Handel beteiligt waren , läfst sich ausdrücklich nachweisen. Die Tugwas waren mindestens seit 1274 unter den Geschlechtern und waren auch später nicht zünftisch geworden; Bärtelli Tugwas stand aber 1404 in Frank- furt am Todesbette des Johann von Ulm, der offenbar zur Messe hier war*^. Und von den Ulm (zu den Geschlechtern seit mindestens 1360) y haben wir viele Nachrichten über ihren Handel in Avignon* und auch der dort Handel treibende Johannes Seiler gehörte einem „Geschlechte"

1

So fand ich 1454 Lütfried im Steinhaus, Hartmanu Hürus, 1460 Jörg Engeliii. 2 Beschlufs von 1431 gedruckt Ruppert, Chroniken 394. « Zeitschr. f. Gesch. d. Oberrh. 15, 43. Dazu Gothein 343. * Erwähnt Gothein 358.

^ Urkunden Nr. 348 und Beyerle, Ratslisten. « Zeitschr. f. Gesch. Oberrh. 4, 45—48.

Konstanz. g07

(mindestens seit 1376) an^, wie Walther Lind in Genf*. In Spanien begegneten wir den „im Steinhause ® und auch sie vertraten seit mindestens 1368 im Rate die Geschlechter. Und wie diese dem Kauf- mannstande das ganze fünfzehnte Jahrhundert hindurch treu blieben, so war es auch bei den Fry der Fall, die schon in den ältesten Ratsur- kunden auftauchen. Auch die weiter unten zu erwähnenden Appenteger, Bettminger, Blarer, Engelli, Hürus gehören unbestritten zu den Ge- schlechtern. Auch den Speiser, den wir in Mailand fanden, wie den Burkhard Wiener, der nach Venedig handelte, müssen wir den Ge- schlechtern zuzählen*.

Diese ergänzten sich dann weiter aus den durch den Handel reich gewordenen Zünftischen. Dieser Vorgang läfst sich auf Grund der Rats- listen ganz deutlich beobachten und er ist für die Zeit von 1380 bis 1420 geradezu charakteristisch. Die Kirchherr, die 1407 nach Venedig handelten, waren 1388 und 1390 noch zünftig, wanderten aber schon 1427 mit den Geschlechtem aus'^, ebenso wurden die Winterberg, die später Handel mit Venedig trieben •, 1385 in die Geschlechter aufge- nommen. Die Ehinger, zünftischer Abstammung, erwarben zuerst die Stadtammannswürde, seit 1431 erscheinen auch sie unter den Ge- schlechtern.

Vor allem aber kam aus den Zünften in die Geschlechter hinüber die Familie, die für den Aufsenhandel von Konstanz die gröfste Be- deutung hatte, es sind die Muntprat. Von den drei Brüdern vertraten Lütfried und Hans im Rate Geschlechter, während Konrad erst 1390 aus den Zünften hinübergenommen wurde und noch lange ein armer Zweig dieser Familie in den Steuerbüchern erscheint Die Zunftrevolutionen von 1370 an hängen fast alle mit diesen Verschiebungen innerhalb der Geschlechter zusammen. Die von 1420 und 1429 gehen geradezu daraus hervor. Es ist uns ausdrücklich bezeugt, wie ungern die Zünfte es sahen, dafs die angesehensten der eigenen Mitglieder danach strebten, in die Zahl der Geschlechter und in ihre Gesellschaft zur Katze aufge- nommen zu werden '^. Die Katze hatte plutokratische Tendenzen, die Zünfte standen für das Geburtsrecht, 1420 erfolgte das Verbot des Über- ( tritts aus der Zunft, doch die Geschlechter und die neuen Freunde '

' Zeitschr. f. Gesch. Oberrh. 4, 44.

2 Urkunden Nr. 345.

» Zeitschr. f. Gesch. Oberrh. 4, 43.

* Speiser seit 1368, Wiener seit 1376 nachzuweisen.

* Zeitschr. f. Gesch. Oberrh. 4, 29 f. Ruppert 147. « Vgl. oben S. 519.

■^ Vgl. vor allem den Spruch bei Ruppert 345 u. 349. Die Chronik des Zunft- meisters der Wollenweber in Rupperts Konstanzer geschichtl. Beiträgen 4, 118.

ß08 Dreiundfünfzigstes Kapitel.

kümmerten siph nicht darum und so brach 1429 die schwerste aller Konstanzer Zunftrevolutionen aus, bei der fast die gesamten Geschlechter auswanderten. Bisher hat man diesen Aufstand nur unter politischen Gesichtspunkten betrachtet, man hat auch gesellschaftliche erkannt, doch auch wirtschaftliche fehlten nicht. In die Periode dieser Streitigkeiten mufs nämlich der Beschlufs fallen, die Handelsgesellschaften abzuschaffen; in der Hoffnung, dafs auch andere Städte ebenso vorgehen würden, war er gefafst worden. Die Angabe des Ratsbuches zum 16. Juli 1425, dafs Ltitfried Muntprat, Ulrich Ehinger, K. Winterberg, Jakob und Hans Appentegger, Dietrich Schilter, Ulrich Steinstrafs, Philipp Nätei', Antoni Geisberg, Heinrich Kraft und Ulrich im Holz schwuren, innerhalb andert- halb Jahren „von der Gemeinde zu lassen" *, bezieht sich unzweifelhaft auf dieses Verbot. Darf man die Vermutung aussprechen, dafs in diesen Personen die Glieder der Muntpratschen Gesellschaft zu sehen sind, da später einige in der mit der Muntpratschen Gesellschaft verschmolzenen grofsen Ravensburger Gesellschaft wieder auftauchen? Bei der Gesell- schaft des Konrad Winterberg, Ulrich im Holz und Ulrich Steinstrafs hatte Christoffel GrUnenberg 1426 eine Einlage von 1300 rh. Gulden. Die Urkunde spricht in etwa, aber nicht entscheidend gegen die Ver- mutung^. Wäre sie richtig, so hätte die Gesellschaft Geschlechter und Ztinftische vereint; wie jener Spekulant Ulrich im Holz, seines Zeichens ein Färber, ein Zünftischer war, der 1435 entwich®. Fast alle diese Leute erscheinen in den nächsten Steuerlisten mit stets z. T. schnell wachsendem Vermögen.

Allein Konstanz blieb mit dem Experiment allein, die Gewerbe wurden von Konstanz fortgezogen und die Einnahmen aus dem Kauf- haus gingen zurück, so dafs dem Rate und der Gemeinde nichts anderes übrig blieb, als 1429 den Kauf leuten die Gesellschaften unter sich und mit Fremden wiederum zu gestatten*. Das geschah schon, bevor jener Auf- stand ausbrach. Auf dasselbe Ziel, den Reichen entgegen zu treten, lief der Beschlufs hinaus, dafs in Zukunft nicht mehr die Stadt, sondern die Kaufleute die Kosten des Mefsgeleites tragen sollten.

Es trieb zu dem Aufstande so scheint mir doch auch ein Gegensatz zwischen den Arbeitern deswegen beteiligten sich die Leine- weber so stark und den Händlern. Doch das Eingreifen König Sieg- munds nahm den Zünften den Sieg. Die Arbeitnehmer hatten den

* Ruppert, Chroniken 393.

ZinBbrief von 1426 Oktober 29, mitgeteilt von Leiner. Die drei handehi : für sich und ihre gemeine Gesellschaft, die also noch mehr Teilhaber enthalten haben kann.

* Gothein 523.

* Urkunden Nr. 356.

Konstanz.

609

Kürzeren gezogen und die Aufhebung der Leineweberzunft war die Rache der Geschlechter.

Die plutokratischen Tendenzen, die die Reichen mit den Geschlechtem zusammenführten, erweisen auch die Steuerlisten; aus den ältesten von 1418 und 1422 gebe ich nachstehend ein Verzeichnis derjenigen, welche über 6 500 ^ hl. versteuerten. Man sieht , dafs zu dieser Höhe nur wenige von den alten Geschlechtern heraufragen ^ recht viele der Empor- gekommenen sind bereits aufgenommen^, unter den reichsten sind aber auch solche, die zu den Zünften gehören^. Dem Gegenstand der Ver- mögensverteilung müfste eine Specialuntersuchung gewidmet werden.

1418

AUe über 6500 U Besitz

liegend « hl.

fahrend

Zusammen

^ h\. \ U hl.

Steuer U ß \A,

•Lütfr.Muutprat u. s. Brud. fHan» V. Schwarzach. . .

fCünrat v. Hoff

♦Heinrich Muntprat . . . die V. Heudorf (Landadel).

♦Cönrat Stickel

Heinr. Ehinger, Ammann . Ulr. 11. Hoiur. Grünenberg .

* Peter Sonnentag ....

sStoffel Zipp

'Ulrich Schatz, Vogt . . .

*Jakob Schwarz

Hflrufs

* Kirchherren. . . . . .

Berth. Ehinger

fDrei Stofacker u. i. Mutter ♦Anna u. Hans Cünr. Egli .

+Mangolt

fJakok V. Ulm

♦Ludwig Muntprat ....

fHeinr. Schilter

t Heinrich v. Ulm

fBalth. Engelli

♦Felixin

Walherin u. ihre Tochter. Schultheifs

7 500 7 600 8000 4000

3 700 1000 6 700 6 000 5 200 1600 2 700

4000 2 700 4000 1200 2 900

4 000 4 400 6300 3200 2 360 1360 1700 2 750 1300 2100

37 500 10900 10400 12 000

9800 12000

5 500

4 500 5050 8400 7 300

5 600 6500 5160 7 780

6 000

4 800 4300 2200

5 000 5 060 5 740 5 300 4200 5 500 4600

45 000 18 500 18400 16 000 13 500 13000 12 200 10 500 10 250 10000 10000

102 40 24 :^ 10 45 34* 10

24

20 10

21

25 23

9 600 9200 9160 8 980 8 900 8800 8 700 8 500 8200 7420 7100 7000 6950 6800 6 700

21 25

19 12 23

20 10 18 10 18 12 6

18

19 8 34

16 16 15

17 - 15

177 350

112410

289 760 26 Parteien

^ Mit einem t bezeichnet; * bezeichnet: *; ' bezeichnet:

Schulte, Geseh. d. mittelalterl. Handels. I.

89

610

Dreiundfunfzigstes Kapitel.

1422

Alle über 6500 ü Besitz

liegend fahrend

« hl.

a hl.

Zusammen « hl.

*Lütfrid u. Hans Muntprat fJo. V. Schwarzach. . . .

♦Stickel

f H. V. Ulm

<^Schatz [Cftnrat]

fBnin V. Tettikofen . . . Heinrich Ehinger, Ammann

fPfefferhartin

fHürufs

Grünenberg

*H. Muntprat

«^ipp

*P. Sunnentag

tdie V. Hoff

Grünenbergin

«"Hans C. Stoffacher . . .

tC. Mangolt

Reinbolt Stark

*Han8 Cäurat Egli ....

tH. Schiltar

fSchultheifs

«^Stockrümcl

tUlr. Schilter

♦Cänr. Egli

♦Felix

9000 8 000 1000

13400 4 600 7 600 7 600

13 000 3130 2690 4000 3000 6300 6050

1300 3200 4400 700 3000 2400 2 750 2000 3200 2000 2 750

53000

10 700

17 000

2 700

9 400

5 750

5500

8200

8400

I

7000 8000 4500 4300

7 800 5 700

4 300 7 300 5000 5200 4800

5 500 4000 5000 4200

62 000 18 700 18 000 16100 14000 13 350 13100 13 000 11330 11090 11000 11000 10800 10350

Steuer U ß ^

9100 8900 8 700 8 000 8000 7 600 7 550 7500 7200 7000 6950

131 40 48 26 32 26 25 19 27 26 24 26 19 20

10

10

10 -

10

7 6

10

23 20

18 21 18 16 17 17 15 16 14

10

16 10

233820

86 500

320320

25 Parteien

Bei der grofsen Bedeutung des muntpratischeii Geschlechtes für die Handelsgeschichte war es mein Wunsch, auf der Stammtafel zu zeigen, wie sich ihr Blut verzweigte und wie durch Erbgang von ihnen Anteile an der grofsen Ravensburger Gesellschaft sich vererbten. Allein ich mufs den Versuch aufgeben, da das Material, so umfangreich es ist, doch nicht überall die Lücken ausfüllt. Glücklicherweise können wir den Stammbaum für die Zeiten, in denen die Muntprat ihr Vermögen er- warben, mit ausreichender Sicherheit angebend Der Name, der auf

^ Vgl. beifolgende Tafel. Sie beruht auf den KoUektaneen Kindler v. Knob- lochS) den Notizen Leiners^ den eigenen Sammlungen aus den Archiven in Konstanz und Karlsruhe, wie der Litteratur.

i i

Das Cursive nach den Steuerlisten.

i

t

l.

Johannes,

1365. 1388. 1404; seit 1377 im Rat. Starb 1417? Ratsliste.

Bintporterthor,

Einziger Sohn:

Heinrieh,

1404, stirbt 1432, wandert 1429 nach SchafFhausen. Seine Witwe verschwindet 1436.

EifUporterihar.

Hans,

Bürger 1449^1457^ Verstellen dann nur noch liegendes Gut,

? Ulrich.

Conrad zer Sonnet^

1365. 1388. 1404.

1380-1389 unter den Zünfte

seit 1390 unter den GeschL

I SnetztJior.

?

Ludwig zer Sonm

1417 Stiftung, 1431 U

In den Listest sehr unregt offenbar früh von Konstai

Zahlen zunächst nur vom Ha\ 1447 y dann gar nicht.

Alber.

Conrad d. j. Steinbock,

1431, t 1478. sti

ux.:? von Roggwil. ? ob Salenstein.

»rf,

?

Heinrich Ludwig z. Spiegel- z. Spiegel- berg, berg,

lebt 1485. 1465,

tot 1485.

Jakob,

ux.: Marg.

V. Ulm,

1465.

Tochter, Snetzthor mar.: Ludwig Bad. Nithart, Rudolf,

t 1479.

1465.

Ruland, Jos, 1485. 1485.

at.

^akob tenstein.

\

Konstanz. gH

romanische Abstammung oder Aufenthalt deutet, taucht zum ersten- mal urkundlich 1354 auf. Von ganz hervorragender Bedeutung ist es nun, dafs in dieser Urkunde Heinrich Muntbrat als KavoerBe bezeichnet wird. Da die Gawerschen, wie oben gezeigt, so gut wie ausnahmslos aus Asti oder Chieri stammten, so dürfen wir dort auch wohl die Heimat der Muntprat suchen. Freilich kann ich weder den Familiennamen noch das Wappen noch endlich einen Ortsnamen in der Gegend von Asti nachweisen. Die Untersuchung italienischer Lokalforscher mufs da ein- setzen ^ Diesem Heinrich dürfen wir wohl als Söhne die drei Brüder Johannes, Konrad und Lütfrid zuschreiben. Johannes war seitens des Rates zum Kauf hausbau verordnet ^. Johannes und Lütfried hielten sich zusammen, beide vertraten seit mindestens 1377 im Rate die Gruppe der Geschlechter, während Konrad zer Sonnen anfänglich noch Zünftler war. Das Testament von Hans spricht klar die Absicht aus, dafs das Vermögen beim Mannesstamme verbleibt®. Auf Lütfrids Söhne, Lütfirid und Hans ging der Handelsgeist ihres Vaters über und obwohl Hans schon zwischen 1422 und 25 starb, blieb das Gut bis 1433 ungeteilt. Erst 1447 starb Lütfrid als einer der reichsten Kaufherrn Deutschlands^.

Dafs Johann (ob der ältere oder jüngere, ist fraglich) 1404 in Venedig Wechsel einkassierte, die Johann Slatter und Lütfrid Bettminger in Brügge gekauft hatten, wissen wir aus dem Schultheissischen Formel- buch'^. Dieser Bettminger, dessen Vorname ja in der Familie Muntprat wiederkehrt, war ein Faktor des Johannes Muntprat, er hatte in Venedig einen andern Wechsel gekauft^. Im Handel nach Katalonien haben wir Lütfried schon früher gesehen und wir wissen bereits, dafs er mit seinem Bruder Johann 1408 von Korsikanern gefangen wurde''.

Wenn wir also einen Handelsbetrieb in Flandern, Spanien und Venedig nachweisen können , so dürfen wir die Muntprat wohl als Grofs- kaufleute ansprechen. Und das waren sie in der That« In der ältesten Konstanzer Steuerliste von 1418 erscheinen als weitaus die reichsten die Brüder Lütfried und Hans, deren fahrende Habe sich allein auf 37500 U belief ein Mobiliar- und Geldbesitz von enormen Umfange für die damalige Zeit.

^ Der Name : Muntprat, Montprat, Momprat u. s. w. ist in den Ortslexiken nicht zu finden.

2 Mit Albrecht Blarer und Bretzeli Sayler. Konst. Ratsbuch S. 351.

3 Urkunden Nr. 349.

* Er war Familiäre König Ruprechts, s. oben S. 544. Auch war er 1424 Bau- meister der adligen Gesellschaft zur Katze. 1443 war er Bürgermeister, 1418 zweiter und 1444 Vogt, im Rat safs er so gut wie ununterbrochen.

"* Zeitschr. f. Gesch. Oberrh. 4, 29.

« Ebda. 4, 30.

•^ S. oben S. 544.

39*

612 Dreiund fünfzigstes Kapitel.

Mir liegen Auszüge über die sämtlichen muntpratisehen in Konstanz versteuerten Vermögen bis 1499 vor, die ich der Güte des Herrn Stadt- archivar Leiner verdanket Das eben erwähnte Vermögen stieg von 1418 bis 1433 so lange blieb es ungeteilt von 45000 auf 95000 W hl., diese Ziffer wurde schon 1431 erreicht, die beiden Munt- prats, Oheim und NeflFe, verfügten über 79000 ii Mobiliarbesitz. Seit der Teilung 1433 stieg die Summe beider Vermögen bis 1447 auf 132464. In der Zwischenzeit liegen starke, meist auf beide Vermögen sich er- streckende Schwankungen, die uns beweisen, dafs beide noch im Handel thätig waren. Lütfrid hinterliefs 71 400 « (davon 61 740 Fahrhabe). Das Vermögen schwoll also enorm in der Zeit von 1418 1431 und 33 35 an, ein Rückschlag &llt in das Jahr 1436, es ist das Steuerjahr nach jenem, in welchem Ulrich im Holz mit Hinterlassung einer Schulden- last von 80 000 fl. entwich. Dieser Bankerott traf Konstanz sehr schwer, von da ab steigt das Vermögen wieder langsam.

Um dieser Ziffer ihre Bedeutung zu geben, lohnt es sich wohl ein- mal nach den reichsten Leuten anderer Städte Umschau zu halten. Aus dem benachbarten Ravensburg liegen Steuerlisten von 1473, 1482 und 1497 vor^. Nur ein einziges Mal erreicht das versteuerte Vermögen die Summe von 10500 ^ ^ = 21000 « hl. Es war Jos. Huntbis alt, der so viel entrichtete. Also die Häupter der grofsen Ravensburger Ge- sellschaft konnten auch in ihrer Blütezeit sich mit den Muntprats nicht messen. Der reichste Bürger Berns versteuerte 1389 nur 8000 W ^*. In Basel zahlte 1446 der Höchstbesteuerte von einem Vermögen von 14400 fl. , es folgte ein zweiter aus den Geschlechtern mit 14000 fl. und dann einer aus der Zunft der Schmiede mit 13000 fl.*. Die ülmer Steuerlisten von 1427 und 1499^ enthalten keine Fasionen, sondern nur den Steuerbetrag. Da aber nach KöUe* in Ulm als Steuerfufs ein Heller von €6 Wertes der Immobilien, zwei von der Mobilien galt und das einen Vergleich mit der Konstanzer Steuer aushält, die eben so teilte, freilich 1435 z. B. zu einem dreimal so niedrigen Satz (1 hell, von liegend. Mark = Q €6 hl. = 3 W. ^, 2 hl. v. d. fahrenden in Konstanz, *.2 hl.

1 Die Steucrlisten beginnen erst mit diesem Jahre, haben anfangs auch noch einige Lücken. Die richtige Ordnung habe ich bei der Benutzung hergestellt, früher machten Listen aus dem Anfang des sechzehnten Jahhunderts den Beginn.

2 Vgl. Tabellen II, III, IV.

3 Vgl. Welti, Die Teilbücher der Stadt Bern aus d. Jahre 1389. Archiv des bist. Vereins Bern 14, 700.

* Schönberg S. 287. In Konstanz galt der rhein. fl. damals lAß^, es waren also 14 400 fl. = 10 080 ÄJ ^ = 20 160 ^ hl.

'' Vgl. Tabellen V, VI, VII.

* Ursprung u. Entwicklung der Vermögenssteuer in Ulm. Württemb. Viertel- jahrshefto N. F. 7, 16 f.

Konstanz.

613

vom a liegend, 1 hl. vom ü fahrenden in Ulm), so hätte Ltltfrid dem- nach in Ulm 257 «J 5 / -f- 20 «J 2 Jj 6 »)= 277 ^ 7 jS 6 h hl zahlen mtlssen. Die reichsten Ulmer, Peter Stöbenhaber und die Witwe Hansen Stöbenhabers zahlten 1427 nur 102 ü hl. ^

IL Ravensburg 1478.

Zusammen

Steuer

Jos Huntbiss alt . . Clementz Ankenrüte Conrad Huntbiss . . Jakob Huntbiss . . Wilbalm V. Nidegg. Hans Huntbiss . . . Frick Huntbiss jung Jos Huntbiss jung .

3000 1473 307 2 720 1748 1754 2068 1668

7500 4 283 4987, 2 414 3:S40 3200 2 630 2 733

10500 5 756 5294 51:34 5088 4 954 4 698 4391

37 11 6

20 19 10

21 9 11

15 16 - 17 12 8

16 6 3 15 6 10 14 18 9

I

Alle über 4000 ü , ohne Einträge Noferus Huntpis, pueri Fricken Huntpis und R&dolf M/^ttelin, der für vergangene Steuern 120 fl. zahlt.

IIL Ravensburg 1482.

Zusammen

Steuer

Wilhelm v. Nydegg . . relicta Conrat Huntpiss .

Jacob Humpis

Clementz Ankeruti . . . Honoffer Humpis ....

2422 561 3150 1371 2894

4 560

5 923 2108 3816 2195

6 982 6484 5 2.58 5187 5089

24 2

25 18 15 8 18 16 15 5

5

8 5

8

Alle über 4000 ^. Es sind keine Fasionen angegeben bei Hans Humpis (Steuer 28 Gulden), Frick Humpis (20 Gulden nicht mehr). Elfs Humpissin und relicta Wil- halm Hompis. Steuern schuldeten: Pueri Jos Hompis 70 Guldin.

IV. Ravensburg 1497.

liegend

fahrend

Zusammen

Steuer ü ^

relicta Wilhalm v. Nidegg relicta Cünrat Humppis. C anrät Gäldrich .... Hans Humppis jung . . pueri Onoffrius Humppis Jacob Humppis alt . . .

620 2 556 2000 2800 3156 3000

6 948 6 908 3200 1581 1043 1160

7 568 9464 5200 4 381 4199 4160

30 6 4

34 3 8

17 11 2

12 10 1

10 19 11

11 3 2

Alle über 4000 il. Ohne Eintrag Hansen Besserers erben.

^ Die Voraussetzung, die ich hier nicht prüfen kann, ist die, dafs 1427 in der That nach dem von Kölle angegebenen Satze erhoben wurde. In Augsburg steht

614

Dreiundfünfzigstes Kapitel.

V. Ulm 1427.

n hl. Peter St/^benhaber und Hansen

St. Witwe 102

H. V. Güutzburg, sin muter . 62 7

Claus Üngelter, Bürgermstr. . 46 9

Peter Leo v. Giengen. ... 44 12

Alt Hartmann Ehinger ... 43 10

Peter Ungelter 40 12

Hanz RIntz alt 40 12

Hans R§ntz alt 39 5

Jos Stammler 37 19

Hannsen Heidens Kind ... 35 14 8

Lutz Kraft 34 10

C. Karg ;33 7

Die V. Haspurg 31 18 ~

Chuntz Kraft 29 19

Jörg Bessrer 29 7

Jos Bitterlin 29

Chünrat Schlieher 27 11

Peter Ehingerin Witwe ... 27 11

Ytal V. Werdnaw 26 16 6

Peter Wis 26 5

Alle über 25 U Steuer.

VI. Ulm 1499.

U hl.

Giengerin 122

Vier Lebzeller 120 15

Lutz Rott 116 12 9

Mattheus Lupjn 113 15

Hannzelerin Witib 102 12

Rourin Witib, Marx Wech, .1

Hanns Rorer } ^^ ^ ^"

Ulrich Scherman 93 9

Lieberin Witib 80 5 10

Herwartin Wittib 75 6 9

Ulrich Ehinger 73 5 5

Walther Ehinger 70 19 3

Brosy Rotten Wittib .... 70 7 6

Wilhelm Ort 67 4

Vitt Rädolff 57 15

Danie Schlicher 57 15

U hl.

Sigmund Stainler u. s. Bruder 55 1 9

Hainrich Nithart 52 5 6

Jörg KöUy 50 10

Lienhart und Ludwig Brem. 49 5 10

Bartholome Rott 47 8 8

Weybrecht Ehinger 47 6 4

Wirkmanne 47 2

Matheus Gienger 45 10

Hanns Mefslin 44 12 6

Gunczburgerin 44 2

Caspar Rennbolt 42 12

Bernhart Ram 42 5 10

Jacob Gienger alt 42

Danel Bessrer 41 2 6

Koboltin Wittib 40 19 -

Koboltin Wittib 89 13

Jeronimus Gienger 38 10

KraflFte Wittib 37 3 9

Hai. Krafft 36 16 6

Doctor Mathias Nithart ... 36 15

Kranig Secken(?) 35 17 8

Jacob Gregk 35 11 1

Hans Lew 35 5

Cles Gregk 35

Jakob Ehinger 35

Hans Ehinger, Bürgerm. . . 32 16 3

Hans Rem 32 9

Marx Herwart 32 1 8

Huzze Wittib 30 18 10

Wilhalm Bessrer 30 12 6

Jacob Ehinger, Burgerm. . . 30 10 8

Kiene Wittib 28 7

Hanns Bück 28 5

Hainr. Gunczburger 28

Heinrich Besserer 27 8 I

Wilhalm Krafft 27 5

Jörg Bessrer 26 19 7

Matheus Lupin jung .... 26 17 3

Anthonius Ungelter 26 7 10

Bessingerin Wittib 26 3 2

Enly Krafft 26 1 6

Jacob Beunlin 25 10

Doctor Wespach 25 4 5

Martin Scheler 24 10

1428 mit 62 fl. 1 Ort Peter jung Egen an der Spitze. Doch kenne ich auch da den Satz nicht mit Sicherheit. Vgl. Schulte, Wer war um 1430 der reichste Bürger in Schwaben und in der Schweiz (Deutsche Geschichtsblätter 1900 Heft 9).

Koustanz.

615

Das Vermögen des reichen, in St. Gallen steuernden Lütfrid Mötteli, von dem wir noch sprechen werden, betrug 1480 : 13300 €6 ^ = 26600 ÄJ hl., der Schultheifs Hasfurter von Luzem versteuerte 1461: 12 000 fl. und in Zürich betrug 1467 das gröfste Steuervermögen 19 199 (t (^ oder hl.). Auch das kam, selbst wenn es sich um Pfennige handelt, nicht entfernt an das Ltitfridsche Vermögen heran*.

Florenz hatte freilich noch viel reichere Leute in seinen Mauern ; Palla Strozzi, der steuerkräftigste Mann der Stadt, besafs 1427 101 400 florentiner Gulden und zahlte 507 Gulden Steuer^.

Das in Konstanz versteuerte Vermögen der verschiedenen Muntprats veranschaulicht folgende VII. Tabelle.

Parteien, zahl

liegendes

fahrendes

Zusammen

Bemerkungen

3

1418

14 700

+ 54 500

69 200

2(3)

1422

13 000

+ 60000

= 73000

ein Vermögen nicht angegeben.

2(3)

1427

20000

+ 62800

82 800

ein Vermögen nicht angegeben«

3

1431

21100

+ 85 400

=-106 500

4

1435

28400

+ 108 300

== 136 700

4

1440

23402

+ 105 907

129 309

2(3)

1444

20 860

+ 111 604

132 464

ein Vermögen nicht angegeben«

2

1448

20300

+ 114764

==135 064

3

1452

27 404

4- 129 827

157 231

6

1457

41395

+ 128154

169 549

6(7)

1462

31728

+ 69 283

101011

ein Vermögen nicht angegeben.

5(7)

1467

32 674

+ 51992

84 666

zwei Vermögen nicht angegeben.

6

1472

33809

+ 58 736

= 92 545

7

1477

37 496

+ 69494

-106 990

7

1482

44 873

+ 73 922

118795

6

1487

35 454

+ 48 250

= 83704

7

1492

4;3 950

+ 63 652

= 107 602

3(5)

1499

1800

+ 29 000

= 30800

u. feste Steuern V. Grundstücken.

Aus ihr wird sofort deutlich , dafs trotz kleiner Gegenschläge der Immobiliarbesitz der Familie wächst, der Mobiliarbesitz steigt rapide bis 1452, um dann mit kleinen Schwankungen bedeutend zu sinken. Ein eingehender Stammbaum würde uns die Gründe enthüllen.

Schon 1429 verschwindet Heinrich Muntprat aus der Stadt und es ist mir zweifelhaft, ob je Nachkommen von ihm wieder dahin zogen.

Das Beispiel wiederholt sich, es entstehen die grofsen landadligen Linien der Muntprats zu Spiegelberg, Lommis, Zuckenried, Rosenberg und Weinfelden, sie entfremden sich der Heimatstadt wie dem Handel.

* Diese Angaben nach Durrer, Geschichtsfreund 48, 140. '^ V. Reumont, Lorenzo 1, 42.

QIQ Drciundfunfzigstes Kapitel.

Das Geld wird mehr und mehr in Grundbesitz angelegt^ und immer mehr verschwindet der persönliche Anteil an dem Geschäftsleben. Aus den Steuerlisten ist auch bei den einzelnen Mitgliedern der Familie nicht mehr ein Wachsen oder Vermindern aus Geschäftsgewinn zu ersehen, einzelne einigen sich mit der Stadt auf eine feste Steuer. Die stolzen Zeiten des Kaufmannshauses sind vorbei, es haben jene begonnen ^ wo sich die Muntprats als Adlige fühlen. Als solche haben sie keine Rolle gespielt, im Jahre 1653 wurde der letzte seines Stammes in der St. Paulskirche beigesetzt, wo die Familie 1417 eine Altarpfrtlnde er- richtet hatte ^.

Ein Denkmal würdiger Art hat Johannes Muntprat zum Kameel er- halten; das Domkapitel hatte ganz gegen den Gebrauch® Hansen ver- stattet, erst im Schiffe des Domes selbst, dann in einer Seitenkapelle neben seiner Gemahlin Osanna von Helmsdorf die letzte Ruhestätte zu suchen*. Eine Bronzeplatte von hoher künstlerischer Vollendung ziert sie noch heute ein Beweis, dafs auch dieses Kaufmannsgeschlecht Sinn für das Schöne besafs^.

Selbstredend hatte der benachbarte Adel kein Bedenken, sich Töchter aus diesem Hause zu holen, wichtiger aber sind die Angaben über Ver- schwUgerungen mit den Kaufherrenfamilien von Ravensburg, doch ist davon erst im Zusammenhange mit der grofsen Ravensburger Gesell- schaft zu reden, in die das Muntpratische Geschäft aufgegangen zu sein scheint.

Nächst den Muntprats interessieren besonders die Fry, die als Faktoren der grofsen Gesellschaft in Mailand und Genua eine grofse Rolle gespielt haben. Die Namen Heinrich, Ulrich und Jakob habeq wir oft zu nennen gehabt. Auch sie gehörten einem Konstanzer Patrizier- geschlechte an, das zeitweise in Lindau seinen Wohnsitz aufschlug*^. Im vierzehnten Jahrhundert waren die Fry sehr wohlhabend ^, im folgen-

* Schon 1365 wurde Sandegg gewonnen, 1419 die Burg und Herrschaft Alten- klingen (bis 1440), 1464 die Herrschaft Spiegelberg.

- Andere Stiftungen daselbst, im Münster und bei den Predigern sind jünger. ^ Selbst adligen Laien wurde dasHegräbnis dort nur ganz ausnahmsweise gestattet.

* Urkunde von 1474 Stadtarchiv Konstanz. Hans errichtete dort zugleich eine Pfründe.

'^ Der obere Teil der Platte mit Namen und Wappen war völlig zerstört, als 1881 eine Erneuerung erfolgte. Ein Zweifel an der Zugehörigkeit ist durch die er- haltenen Wappen Muntprat und Helmsdorf ausgeschlossen. Vgl. auch Kraus, Kunst- denkmäler 1. 178.

® Vgl. Kindler v. Knobloch, Gesclilechterbuch Art. Frei. Es gab in Kon- stanz auch eine Metzgerfamilie Fry.

' Urkunde Nr. 340. Hans, Claus und Frick hatten nach der Liste der Rosse 1388 sieben Pferde im Werte von 240 fl. zu stellen, die v. Ulm stellten vier Pferde

Konstanz. (}17

den Jahrhundert erscheinen sie stets nur mit minimalen Steuerbeträgen in den Listen, der Kredit, den sie wie so viele andere Konstanzer König Siegmund gewährt hatten, wird auch wohl ihnen teuer zu stehen ge- kommen sein ^ Grundbesitz haben sie später keinen mehr^, und ich kann mir dafür keine andere Erklärung verschaffen, als dafs sie fast ständig in Italien bez. Spanien lebten und zu Hause nur so viel versteuerten, um das Bürgerrecht aufrecht zu erhalten. Hans Fry wurde 1441 Bürger in Ravensburg.

Am Handel hatte früh grofsen Anteil die Familie im Steinhaus*. Sie betrieben 1410 ein Geschäft in Barcelona und schon 1381 waren sie viel in der Fremde, sie scheinen mit Goschman Schalapri zu einer Gesellschaft verbunden gewesen zu sein*. Sehr vermögend war diese gleichfalls zu den Geschlechtern gehörige Familie nicht, auch hier be- gegnet, wie bei den Frys gelegentlich in den Steuerbüchern die Notiz dedit oder dedit uff rechnuug, ohne Fasion des Vermögens , die wohl auf Abwesenheit aufser Landes deuten*. Seit 1461 ist Thomas als Faktor der grofsen Ravensburger Gesellschaft nachzuweisen, 1480 wurde er in Ravensburg auf fünf Jahre als Bürger aufgenommen ; noch einflufsreicher war Klaus, dessen Vermögen bedeutend anwuchs und der in Konstanz das Haus der Humpiss bewohnte*. Wir werden später sehen, dafs noch eine Reihe von andern Konstanzern Anteil an der Ravensburger Gesellschaft hatten.

Zu den Konstanzern, welche Simonsfeld im Handel nach Venedig nachgewiesen haf, sind zunächst die 1314 bei Padua ermordeten hinzu- für 200 fi., dann folgen die drei Miintprat mit vier zu 150 fl., Albrecht Blarer und Raiscr mit je drei Rossen zu 120 fl., die im Steinhaus stellten zwei zu 70. Ältestes Ratsbuch.

» Konrad Fry hatte für 2312 rh. fl. Bürgschaft geleistet. Altmann 3455. 3711. 8238 u. 9082. Seine Weinlieferanten waren Ulrich Lind, Ulrich im Steinhaus und Heinrich von Ulm. Waren es Südweine V Altmann 2070 f. 2347. 2835.

'^ 1418: Claus Frig 2500+ 1900 = 4400 W h.: Hans Fryg 3200+ 1200 = 4400-, 1422: erstcrer 2500+ 1200 = 3700; 1427: 2500 + 300 = 2800; Hans Fr. 2050 + 800 = 2850; 1465: Jacob 900 + 900 = 1800; 1466: 840 + 900; Hans F. 140; Hain. 100; 1474: Hainr. Fryen wib 60. Es ist äufserst schwer, die verschiedenen Familien Fry aus- einanderzuhalten.

^ Auch für sie standen mir die Kindler v. Knoblochschen Sammlungen zur Verfügung.

* Urkunden Nr. 342.

«^ Ulrich 1418: 3000; Polay 1422: 2000+ 1500; 1466: Steinhusleri 1800.

6 1474: 1000 /? ; 1484: 1418; 1500: 5716; 1504: 7707; 1508: 8028 in „des Humpifs Haus" ; 1520: 1825 + 8707 = 10 532.

' 2, 64. 1341 Thomas und Matthäus, 1366 Konrad Bader und Johannes 6um- post, 1368 Heinrich Flauer (Blarer) und Walter Aufert, 1410 Johann Wagenmann und die oben angebenen.

618 Dreiundfünfzigstes Kapitel.

zufügen. Auch führte schon 1269 ein Konstanzer den Namen Ounradus de Venetiis^ der Name Hugo der Venedier kommt bis 1296 vor*. Der einzige Rest eines Konstanzer Geschäftsbuches aus dem Mittelalter be- zieht sich ebenfalls auf Venedig. Der Konstanzer Kaufmann schickte 1320 100 Leinentlicher in fünf Fardeln nach Venedig, nach einem unbenannten Orte Tuche von Löwen, Mecheln und Ypern. Der Name des Bruders des Kaufmanns war Werner, er findet sich sowohl bei der Familie Appenteger wie Underschopf^. Zwischen einem in Venedig wohnenden C. von Pfullendorf und dem Konstanzer Stlnder spielt sich ein Streit ab®, von besonderem Interesse ist, dafs sich um die gleiche Zeit in Konstanz ein Färber aus Venedig befand, der von einem Kon- stanzer Färber in Dienst genommen war, diesen drei Farben zu lehren. Der ungetreue Venetianer hatte aber seine Kunst auch andere Konstanzer Meister gelehrt^. Den interessanten Bericht Konrad Messners an den Herzog von Mailand habe ich schon früher erwähnt , wie die Erlaubnis, die Konrad Winterberg erhielt, an den Venetianem Repressalien zu tiben*^. Noch um 1500 waren ^tele tinte dt ogni sorta di Constanea* in Venedig beliebte Artikel, sie gingen damit auf die unteritalischen. Messen ®.

Der Schwerpunkt des Konstanzer Handels lag in der Richtung nach Mailand und weiter nach Genua und Spanien. Ich will die Beweise hier nicht wiederholen "'. Ein >Hänslt von Mailant, der 1382 in Kon- stanz lebte, war auch mehrfach im Rate.

Von Como siedelte das Geschlecht der Gall mit Bemhardin 1501 nach Konstanz über, Bernhardin behielt dabei sein Bürgerrecht in Mai- land®. Ein anderer Zweig blieb in Como wohnen. Beide betrieben gemeinsam Geschäfte, der Konstanzer Zweig trat aber bald in den Land- adel über®. Auch die Croaria stammten aus Italien.

Noch andere Welsche lebten in Konstanz, mitunter bedenkliche Leute ^^

* Kindler v. Knobloch 1, 346. Schriften d. Vereins f. Gesch. d. Boden- sees 4, Regesten S. 10. Siegel bei v, Weech, Abbildungen Heft 2.

3 Urkunden Nr. 339. Beyerle zum Jahre 1347. « Urkunden Nr. 341.

* Urkunden Nr. 346. 6 S. oben S. 519.

« Pasi Bl. 108.

"^ Vgl. Genua, Spanien, Mailand, Mirandola, Rom.

^ Staatsarchiv Mailand B.eg. Panigarola K Fol. 158 zu 1511. Mitteilung von Motta.

^ Kindler v. Knobbloch 1, 419—423. Ein Kreditiv von Konstanz für Sebastian Geisberg in Sachen des Niclas Gall an Herzog Franz IL von Mailand im Mailänder Staatsarchiv.

^^ Über die Astigianen s. oben und Urkunden Nr. 358. Vgl. auch Ruppert,. Chroniken 388. Hinrichtung des Walchen Jacob Perit.

M

Koustanz. Q\Q

Die Richtung Genf, Lyon, Avignon wurde von den Konstanzern ebenfalls 1 eifrig befahren ^ '

Auch Lothringen, Flandern und die Niederlande fehlen nicht, so liefs die Witwe Kaiserin in Antwerpen filrben*, und unter den Gnaden, die sich die Stadt von König Siegmund nach dem Konzil ausbat, fehlt auch nicht die, dafs sie in Flandern dieselben Rechte hätten, wie die Kölner und Nürnberger. Von Köln und aus den Niederlanden kamen Wollhändler nach Konstanz^. Auf der Frankfurter Messe waren Kon- stanzer regelmäfsige Gäste*, auch den Osten suchten sie auf, wie ein Konstanzer selbst in Krakau Handel trieb '^.

Einzelne Nachrichten lassen die Richtung der Reisen nicht genau erkennen; so kamen 1388 Henni Engelli, Frick Barlafs und Ltitfrid Muntprat aus welschen Landen heim®. Auch bei Jakob Wetzel, Bürger von Konstanz, und Johann Pfenner, Bürger von Wangen, ist nicht recht zu erkennen, wo sie eigentlich beraubt wurden'. Hans Minner, ein Kaufmann >fnt^ speeüj der sich 1438 erhängte, war nach den Chroniken T^vil stund ennet meres gewesen^ **.

Über die Blüte des Konstanzer Handels giebt die nachfolgende Tabelle Auskunft. Sie enthält erstens die Angaben über den Ertrag der Abgaben im Kauf hause ; die Ziffern lassen sich vergleichen , da nichts darauf deutet, dafs der Tarif geändert wurde. Die zweite Kolumne bietet die Summe der in einem Jahre bezahlten Steuern ohne die Nach- zahlungen. Ich habe in diese Liste nur die Jahre aufgenommen, in denen die Steuer zu demselben Satze erhoben wurde. In den fehlenden

1 Vgl. S. 487—492. Das Schultheifsische Formelbuch enthält auch einen Geburts- brief für Johannes Wieczingtr in arte pictoria instrudus in dyocesi Nannectensi (Nantes) commorans. Der Vater war Goldschmied in Konstanz.

^ Vgl. Zeitschr. f. Gesch. d. Oberrh. 4, 50. 61—67. In Brügge verkehrten die Konstanzer nach einem Briefe von 1404 ganz regelmäfsig. Die Konstanzer ver- mittelten auch wohl den Warentransport von Flandern nach Italien. So fuhr Hans Schlattcr von Konstanz für Wilhelm Rummel und C. Pirkheimer von Nürnberg 1410 46 Sack englischer Wolle durch. Nürnberg, Kreisarchiv, Briefbuch 3 Fol. 60.

3 Vgl. Urkunden Nr. 351.

^ 1428 wurden bei Sinsheim ausgeplündert Hug im Holz und sein Weib, Cunrat im Holz, Cunrat Schatz und sein Weib und seine Mutter (Vermögen nach der Steuer- liste von 1429 2080 + 3600 = 5680), Hug Thifer, Berchtoid Vogt und sein Weib (4500 + 1500 = 6000), Hans vom Feld und sein Weib, Keinbolt Stark (1427: 700+7300), Caspar von Laupheim (1429: 400+1100), Banthleon zu Flandern. Kuppert, Chroniken 133.

^ Geleitsbrief im Formelbuch des Schultheifs Fol. 5.

« Urkunden Nr. 344.

■^ Zeitschr. f. Gesch. Oberrh. 4, 63 spricht für Flandern. Die Formel Nr. 25 des Formelbuches aber für Italien.

* Ruppert, Chroniken 201.

620

Dreinndfunfzigstes Kapitel.

Ertrag des Zolles im Kaufhaus und der Steuer

in Eonstanz.

Zoll

Steuer

Zoll

Steuer

Zoll

Steuer

im Kauf-

der

im Kauf-

der

im Kauf-

der

haus

vier Viertel

haus

vier Viertel

haus

vier Viertel

U ß ^

U ß h

U ß h

U ß ^

U ß ^

U ß ^

1418

1414 3 6

1454

624 3

1556 1 11

1486

637 3

1234 12

1420

.

1156 1 4

1455

579 18

1549 19 2V2

1487

642

1266 10

1422

1292 17 3

1456

514 5

1548 7 4V2

1488

672 12

1259 19 8

1425

r)32 2-

1199 7 8

1457

520 14 -

1529 8 11

1489

670 8

1284 1

1426

520 16

1458

620 10

1490

613 5

1242 19 3

1427

471 18 6

.^

1459

618 2-

1422 6 ir/a

1491

504

1210 10 5

1428

524 16

1460

491 16

1375 »/s

1492

576 12 -

1188 15 8

1429

528 1

-i_ -—

1461

596 3-

1493

655 12 9

123« - 5

1430

571 6

1462

686 16-

1338 8

1494

669 2-

1203 10

1431

631 14

1202 9

14(J3

687 7 6 1318 16 7

1495

775 6

1203 14 6

1432

599 13 -

1285 14 6

1464

726 2

1316 7 2V2

1496

789 2

1193 14 9

14;33

492 7

1259 11 4

1465

707 4

1300 5 9

1497

651 8-

1434

747 7

1466

691 16

1271 8 7

1498

1146 3 1

1435

675 3

1467

605 18

1220— 10

1499

1125 9 6

1436

508 2

-^

1468

78:^ 13

1227 19 9

1500

1437

526 13 -

1469

893 12

1233 5 10V'2

Mai

1052 16 6

1438

530 9-

1357 15 9

1470

836

1317 8 5

No?.

1073 9 10

1439

497 17

1265 10 1 '

1471

782 6

13:38 9

1501

1074 5 3

1440

553 9

1472

7:« 15

1294 18 7'/2

1502

1061 18

1441

()41 18

1297 2 9V2

1473

642 4

1279 14 IIV2

1504

1029 8 8

1442

645 13-

1324 18 4V2

1474

761 6

1282 Ö 8'/2

1505

1043 16 3

1443

553 1

1316 2 10'/2

1475

685 15

1317 6IOV2

1510

1092 6 5

1444

471 8

1476

518 13

1269 16 9V2

1215

1093 2 2

1445

517 2

1477

576

1273 11 5

1520

1152 9

1446

513 3

1392 4 6V2

1478

577 2

1269 2 IV2

1525

1232 2

1447

574 6

1421 5 8V/2

1479

660 7

1249 12 10

1530

1337 15 2

1448

582 16-

1487 19 4

1480

611 13

1215 3

15:35

1498 3 2

1449

602 5

1575 15 5V2

1481

496 10

1214 1 -

1540

1624 1 10

1450

709 10

1565 7 3

1482

453

1183 14 5

1545

2032 1 9

1451

732 15

1556 10 5V2

1483

578 3

1209 2 11

1550

1716 5 10

1452

587 15

1561 15

1484

687 6

1232 4 6

1555

1963 15

1453

579 17

1

1551 10 4

1485

584 11

12:U 4 4

1 Bis hierher sind die Summen in U <) aus Ü hl. umgerechnet, zu dem Satze l ü ^ =2ii hl.

- Von hier ab mufste statt der Summo der vier Viertel die stets etwas höhere Summe aller Steuereinnahmen, einschliefslich der Rückstände, eingesetzt werden.

k

Konstanz. 621

Jahren war der Steuerfufs höher, selten niedriger. In Konstanz war, wie schon gesagt, die Steuer von der liegenden Habe um 50 ®/o niedriger, als die der Fahrhabe, der Satz derselben wurde nach der Mark Ver- mögenswert berechnet und die Mark = S fiß §) = 6 ^ hl. gesetzt ^ Die normale Belastung war von der fahrenden Mark 2 ^, von der liegenden 1 ^.

In den Jahren von 1425 1450 schwankt der Ertrag des Zolles im Kauf hause zwischen 471 ^ § (1444) bez. (1427) und 747 fS (1434) bez. 709 fi (1450). Der Durchschnitt beträgt jährlich 566 /JJ § = 1132 (^ hl. Das Maximum der Periode von 1451—1475 erhebt sich auf 893 f6 (1463), das Minimum geht bis 491 €ß (1460) hinab. Der Durchschnitt stieg auf 652 /J5. Die dritte Periode 1476 1497 zeigt eine durchschnittliche Ab- nahme, der Durchschnitt beträgt nur mehr 616 /J5 ^, das Maximum (1496) ist 789 /JJ, das Minimum (1482) 453 fi. Der gesamte Durchschnitt der Erträge von 1425—97 ist 610 ^, das Maximum ist 893 ii (1469), das Minimum 453 (1482). Auf diese Ziflfern mufsten vor allem Kriege, auch ansteckende Krankheiten einen Einflufs ausüben, doch mufs die Unter- suchung der Lokalgeschichte überlassen bleiben^.

In der Steuersumme spricht sich der Wohlstand der Konstanzer aus. Die Ziflfern sind natürlich viel konstanter, als die der Kauf hauserträg- nisse. Im allgemeinen charakterisiert sich der Gang wie folgt: die Summen schwanken bis 1440, steigen dann bis 1449 zum erstem Maxi- mum (1575 fi) erhalten sich auf fast gleicher Höhe bis 1457, dann sinken sie unter kleinen Schwankungen fortwährend bis zum Minimum von 1504 (1029), von 1520 bis 1545 steigen sie erheblich bis auf 2032 /JJ, dann folgen wieder Schwankungen. Das Verhältnis von Maximum (1449) und Minimum (1504) ist wie 100 : 65,3.

^ Aufzeichnung in Stadtrechts -Handschriften A III 7; auch Ruppert S. 402 und Notizen in den von mir durchgesehenen Steuerlistcn und Kechuungen. Aus ihnen notiere ich noch folgende Relationen von fl. rh.: 1431 == 15 yi ^, 1434= 16 ß ^, 1437 = 14 yi <J. Diese bleibt lange in Geltung. Die Angaben über den Ertrag des Komzolles, des Salzmafses, der Wage, des Krahns, der Leinwandschau sind nicht so gleichmäfsig überliefert und nicht unbedenklich zu verwenden, so habe ich auf ihre Benutzung schliefslich verzichtet. Doch gebe ich hier einige Beispiele: in ÄJ <J Kaufhaus Wagstock Kornzoll Ungeld Steuer

1457 520 14 4 18 64 4 1039 5 4 1648 6 V2

1481 496 10 29 2 - 40 18 928 18 7 1279 6

1496 789 2 123 6 12 12 10 660 9 8 1243 7 8

2 Die grofse Pest von 1439 (Ruppert, Chroniken S. 205) fällt nicht sehr auf! Wegen Pest wurden zu Mailand folgende Sperren verhängt, so weit sie mir bekannt geworden sind : 1464 gegen Basel, 1483 gegen Gotthard und Lukmanier, 1494 gegen Nürnberg, Ulm und Ravensburg. Boll. stör. d. Svizz. ital. 6, 141. 269. 272.

522 DreiaDdfanfzigstes Kapitel.

Die bedeutendste 2^it des Konstanzer Handels fällt wohl in die Jahre von 1350 bis 1460. Das Konzil hatte wohl eine Krisis nach sich gezogen, aber im wesentlichen wurde sie überwunden und ein so kluger Beobachter wie Peter Tafur^ der in Konstanz die schönste Frau in seinem Leben sah, meinte, dafs Konstanz seinen Aufschwung dem Konzil zu verdanken habe, wenn es auch schon vorher recht ansehnlich gewesen sein möge^ Dann begann langsam der Niedergang, infolge des mifslungenen Zunft- aufstandes verschwanden die Leineweber, ein grofser Teil des reicheren Bürgerstandes gab allen Handel auf und zog auf die Burgen. Der Unter- nehmungsgeist erlosch; der Leinwandhandel zog nach St Gallen, auch Isny und Wangen. Die Fuhrleute imigingen das Konstanzer Kaufhaus, wo man nicht einmal ordentliche Gewichte hatte ^ und mit dem Verluste des Thurgaus bufste Konstanz sein natürliches Hinterland ein, was es bis heute nicht verwinden konnte.

In Konstanz besafs man bedeutende geographische Kenntnisse; wiederholt wurden Konstanzer auf Wallfahrten ins heilige Land als Reisebegleiter mitgenommen ; so ging 1372 Ulrich Harzer mit dem Grafen Rudolf von Montfort, 1380 Diethelm der junge Schilter mit Hans von Bodman und 1429 begleitete Albrecht Steinstrafse, der Sohn eines Associ^ von Lütfried Muntprat, einen Grafen Ulrich in weite Lande*. Andere gingen auf eigene Kosten: 1366 Ulrich Schwarz, 1486 Konrad Grünenberg, der Verfasser des kostbaren Wappenbuches, mit Kaspar Geisberg, dann 1521 Bastian und Rochus Muntprat^.

So kann es uns auch nicht wundernehmen, dafs 1448 der Benediktiner Andreas Walsperger aus Salzburg in Konstanz das Material fand, um seine Weltkarte zu zeichnen, die viel von den Entdeckungen des vier- zehnten und fünfzehnten Jahrhunderts darbietet, wenn sie auch von Fehlern wimmelt^. Hat Walsperger vielleicht bei einem Kaufmann die Vorlage seiner mappa mundi gesehen? In einer Stadt, deren Bürger- schaft Werke wie die Richentalsche Konzilschronik und das Grünen- bergische Wappenbuch schuf, würde die Herstellung oder Erwerbung einer mappa mundi nichts Auffallendes haben.

1 Tafur 267. lläbler 520.

''^ Vgl. die ZcugcnauHBagen in Urkunden Nr. 364.

' Röhricht 107. 108. Ruppert, Chroniken 199.

* Ebda. 70. 80. Röhricht 182. Röhricht u. Meisner S. 360.

^ Zeitachr. d. Gesch. f. Erdkunde in Berlin Bd. 26, 371— i06 Tafel 10.

Ravensburg. g23

Vierundfünfzigstes Kapitel.

Ravensbarg.

LeinenwebereL Papierfabrikation. Verbindungen mit Konstanz, mit dem Ausland. »/

Die j^große Gesellschaft^. Die Humpifs, Stammbaum. Gesellschaft des Fricl' Hum^nfs, Die Mötteli, ihre Abzweigung. Anteil der Muntprat. Andere Teilhaber: in Eavetis- hirg, Konstaiiz, Ulm und sonst. Die Diener, die Ordnwng der GesellscMft, GeseUschafts- kapital. Richtung der Hapidelsverhindungen. Schlesischer Goldbergbau, Ersuchen um päpstliche Privilegien.

Die alte Weifenstadt Ravensburg, die noch heute ein mittelalterliches Antlitz trägt, hat sich im Spätmittelalter in ganz hervorragender Weise am Handel, aber auch am Gewerbe beteiligt. Auch hier war wie in Konstanz die Leinen Weberei, die in der Stadt sehr lebhaft betrieben wurde und auch die Nachbarschaft heranzog, die gewerbliche Grundlage. Die Leinen- und Barchentweber von Ravensburg verbanden sich 1476 mit denen von Lindau, Memmingen, Kempten, Leutkirch, Isny, Wangen und Waldsee zu einer gemeinsamen Ordnung. Doch wurde in Ravensburg auch welsche Leinwand lebhaft gehandelt. In Ravensburg trat ein Nebengewerbe der Leinenverarbeitung hinzu, die Papierfabrikation. Früher weit überschätzt, da man ihr all das Papier, was einen Ochsenkopf trägt, zuschrieb, ist man heute , wie mir scheinen will , in das andere Extrem verfallen. Ich habe in den erhaltenen Steuerlisten doch manche, wenn auch gar nicht reiche » Papierer ^ gesehen und möchte glauben, dafs eine starke Leinen- ' Industrie in einer mühlenreichen Gegend für die Papierfabrikation die 1 besten Aussichten bot^. Ein Leipziger Spezereihändler hatte 1503 vier i Sorten Papier auf Lager, am meisten hatte er vom Ravensburger vor- rätig ^. Auch Baumwolle wurde verarbeitet, wie es auch Wollenweber gab*.

Wie die Konstanzer ihre Erzeugnisse weithin verftihrten , so sind auch die Ravensburger den Nachbarn gefolgt, mit denen während des vierzehnten und fünfzehnten Jahrhunderts sehr intime Beziehungen be- standen. Der Bund der Städte am See brachte beide zu politischer ge- meinsamer Arbeit, noch lebhafter wurden die Beziehungen zwischen den Bürgern beider Städte. Das Formelbuch des Schultheifs hat uns eine Reihe Briefe erhalten, welche einen lebhaften Handel der beiden Fami-

* Mit Sicherheit sind Papierer erst seit 1407 durch Gutermann, Die älteste , Gesch. d. Fabrikation d. Linnen-Papiers erwiesen, was er über den Anteil der Hol- bein sagt, steht auf sehr schwachen Füfsen. 1498 hatten die Humpifs drei Papier- häuser; Hafuer 428. Übrigens ist, wie schon Wattenbach, Schriftwesen 145, hervorgehoben hat, zu beachten, dafs Valencia, einer der ältesten Sitze europäischer . . Papierfubrikation, sehr viel von Ravensb^rgern besucht wurde. \

2 Anzeiger f Kunde d. deutschen Vorzeit 1881 8. 302. X

^ Vgl. namentlich die Angaben des Stadtrechts Hafner, Geschichte d. Stadt Ravensburg laS ff.

624 Vierundfünfzigstes Kapitel.

lien Wirt und Segelbach nach Venedig beweisen , die ersteren hielten in der Lagunenstadt einen Geschäftsführer; einem minder angesehenen Ge- öchlechte gehörte der dorthin Leinwand verhandelnde Heinrich Manz an, die auf dem Heimwege von dort beraubten Johann Wegeli und Konrad Füllsack stehen auf gleicher Stufe ^ Auch Mailand ward schon im vier- zehnten Jahrhundert von Ravensburg aus aufgesucht, wenn Nikolaus Sattler auch möglicherweise in den Diensten Giovan Galeazzo Viscontis war ^. Auch nach Norden weisen Angaben ; 1394 wurde ein Diener des Konrad Wirt vom Herzog von Geldern gefangen ^, und nach Westen hin führt die Mitteilung, dafs 1418 Jost Süfser von dem Marschall des Herzogs Johann von Burgund seiner Kaufmanns waren und seines Geldes beraubt ward*, nach Osten endlich die, dafs Hermann Seiler mit einem Bürger von Bischofszell die Wassermaut zu Wien in Pfandschaft hatte ^. Der Handel von Ravensburg wurde im fünfzehnten Jahrhundert

J^-- vorwiegend getragen von der magna societas Alamannoruniy wie sie von Italienern und Spaniern meist unter Hinzufügung des Namens des „regierenden" Kaufmanns genannt wird. Schon dieser Name drückt ihre Bedeutung für die Handelsgeschichte aus. Ein Gesellschaftsvertrag liegt nicht mehr vor, zwar hat einer der hervorragendsten Leiter ein Kopial- buch hinterlassen®, dasselbe schweigt sich aber über das Geschäft aus und enthält fast nur die Urkunden über den Grundbesitz. Man ist also in der üblen Lage, von anderen Quellen aus in die Geschichte ein- dringen zu müssen und der Meister der Handelsgeschichte Heyd hat die Thätigkeit der Gesellschaft in den wichtigsten Zügen klargelegt, immerhin wird eine Nachlese manches deutlicher machen*^.

Ein RaVensburger Kind, Ladislaus Suntheim, erzählt in seiner Chronik von einer Handelsgesellschaft, die die Vorläuferin der Fugger und Welser gewesen, sie sei als die erste deutsche Handelsgesellschaft von den Mötteli begründet. > Und in dieselben Geselschafft sind nachmalen

I khomen die Humpis, Pessererj Täschler, Geldrich, Montjyratn, Neydeckhenn, Anchareyte und ander, und ist die gros Geselschafft ujordenn und liahen gehannttirt in das Kunigreich von Appels^ in Lamppartin, in die Kunig-

^ Sämmtliche Stücke Zeitschr. f. Gesch. Oberrh. Bd. 4 aus der Zeit von 1390—1402.

2 Ruppert, Chroniken 415 zu 1387.

* Zeitschr. f. Gesch. Oberrh. 4, 61.

^ Altmann 3589. Siegmund gestattet Repressalien.

^ Thommen, Urkunden z. Schweiz. Gesch. 1, 296. Bezieht sich die Notiz, dafs 1437 Caspar Wirt einem Clemens Kreydler von Lublin in Polen schuldete (Breslau, Stadtarchiv, Signaturbücher) vielleicht auf einen Ravensburger?

^ Baumann, Ein humpissisches Kopialbuch, Zeitschr. f. Gesch. d. Oberrh. 32, 76—160. Leider ist von zwei Bänden nur der eine erhalten.

"^ Hcyd, Die grofse Ravensburger Gesellschaft. Vgl. auch Hafner.

i

?

Ital, oder einfach Humpis oder der Lange.

1365. 1371 Bürgermeister. 1380 Ammann.

Jos,

als alleiniger Erbe seines Vaters 1^8 bezeichnet.

?

Hans.

ux.: Anna.

?

Hans, 1461.

Ital der Jüngere,

1437. 1461. Stiftung.

Anna,

Cüirat,

OnofHusy

1498. 1500. mar.:

V. Nidegg.

1408. 1500.

1479-1497. 1484 Ammann, 1495 Bürger- meister. . tot 1497 ?, sicher 1500. 1 Enndli,

1500.

Aufserdem

pueri.

Appolonia, Dorothea, Margaretha, Heintz. Michel. Peter. Hs

mar.: Carl mar.: Jörg mar.: Hans Brisacher. v. Hoff. v. Ulm,

1499 tot. Stadt-

ammann zu Constanz.

Fürstenb. ürkb. 6, 325. 140

Ravensburg. 625

reich von Arragon, Valens^ in Kasiilia und in Kaidlonia etc.t ^ Diese Angaben verdienen Vertrauen, je näher sie den Zeiten des Schreibers liegen, um so mehr; am meisten Zweifeln ausgesetzt ist natürlich die Angabe tlber die Gründung.

Als im Jahre 1461 die Gesellschaft an der Karmeliterkirche von Ravensburg eine Kapelle baute sie steht noch heute und ist ein ein- schiffiger zwischen Chor und Kloster eingeschobener mit einem Netz- gewölbe gedeckter Raum und in dieser „Gesellschaftskapelle" eine tägliche Messe fundierte, bezeichnete sie deutlich Ravensburg als ihren Sitz, während die Gesellschaft im Süden mitunter nach dem gröfseren und bekannteren Konstanz genannt wurde, und indem sie sagt: ^die ge- Seilschaft zu Ravensburg der HunipisSj Muntpraien und Möitelin auch alle ander ir mitgesellen als sy dann unczher vil jaur und zite gesellschaft und kouffmanschaft miteinander gehalten haben !^ giebt sie uns selbst ein wichtiges Zeugnis über ihre Geschichte.

Waren die Mötteli, die Muntprat oder die Humpifs ihre eigentlichen Gründer und Leiter? Zunächst müssen wir die Humpifs näher kennen lernen. Die Muntprats haben in Konstanz weder politischen Ehrgeiz noch patriotischen Opfersinn bewährt, die ältere Generation waren reine Kaufleute, die jüngere hielt sich zum Adel, und niemals hat sich die Familie in die Beamtungen der Stadt gedrängt. Ganz anders die Ravensburger Humpifs^. Die Familie kommt schon im dreizehnten Jahrhundert vor, stellte in den Tagen Ludwig des Bayern in Frick einen Reichslandvogt in Oberschwaben und fast alle ihre Glieder wurden ent- weder Bürgermeister oder Ammänner, und im Rate dürften sie, wie ja auch die Muntprats, ständig gesessen haben. Das erste Zeugnis für die Handelsthätigkeit finde ich in einem Geburtsbriefe für Jos Humpifs von 1388®; denn solche Briefe wurden nur ausgestellt, wenn es auswärts verlangt wurde, und dieses Dokument ist mitten unter den Handels- briefen des Schultheifsischen Kopialbuches eingereiht. Über die weitere Verbreitung des Geschlechts giebt Auskunft der Stammbaum, der wenig- stens einige Sicherheit gewährt*. Leider läfst sich ein Konrad nicht

1 Heyd S. 7.

^ Hafner 98 ff. giebt namentlich auch den Grundbesitz an.

» Urkunden Nr. 828.

^ Die Quellen des Stammbaums sind vor allem Archivalien des Ravensburger Archivs, auch die Steuerlisten. Die Angaben von Hafner, Baumann, Gesch. d. Allgäues, die Kollektaneeu Kindlers v. Knobloch, ferner Böhmer, Reg. Ludw. d. Bayern 2431. 2516. Chmel, Reg. Rupr. 1294. 1295. Chmel, Reg. Friedr. IV. 970. 2337. 2930. 3062. 6270. 6656 u. 8644. Ruppert, Chroniken 412. St G aller Urkb. 4, 349 (sehr wichtig), 881 u. öfter. Urkunden des germ. Museums von 1373, 1397,1414,1457. Urkunden Nr. 328. Konstanz Gemächtebuch 2, :345. 408. Karls- ruhe, Generallandesarchiv 5163.

Schulte, Gesch. d. mittelalterl. Handels. I. 40

626 VierundfÜnfcigstes Kapitel.

einfügen y dessen Vermögen rasch wuchs*. In Verbindung mit der grofsen Gesellschaft erscheinen die Humpifs nicht zuerst 1419^ die be- treffende Urkunde gehört vielmehr zu 1437*, sondern erst 1426 erscheint in ZoUregistem von Barcelona die Gesellschaft unter dem Namen Josumpis^, und diese Bezeichnung bürgerte sich namentlich in Spanien ein; man vergafs dabei, dafs die Gesellschaft von mehreren Leuten „regiert" wurde. „Regierer" oder „Statthalter" gab es aber wohl stets zwei, gelegentlich auch drei. So, glaube ich, ist es auch aufzufassen, wenn 1434 Jos Huntpifs der ältere, Ital Huntpifs und Liutfried Muntprat im Namen ihrer gemeinen Gesellschaft dem Spital zu Ravensburg eine Stiftung machten^. Jos der alte war der Sohn Hengin Humpis' und der Begründer der weifsen Linie, die später den Namen von Ratzenried an- nahm. Bürgermeister war Jos (Jodocus), der den Namen des Patrons der einen Ravensburger Kirche trug, im Jahre 1431. 1421 kam dieser Jos vor den Rat von Konstanz seines Bürgerrechts wegen*, wie Liutfried Muntprat 1411 in Ravensburg Bürger wurde unter Bürgschaft von Rudolf Mötteli •. Sein Bruder Frick, der Begründer der schwarzen Linie, die noch existiert, war 1434 nicht mehr am Leben ^ der einzige Sohn von Frick, Ital, dessen Leben uns durch das von ihm angelegte Kopialbuch näher bekannt ist, war also der zweite Regierer, seine Schwester Agathe war mit Hans Muntprat, dem Bruder Liutfrieds, vermählt, wie auch der alte Jos als Schwiegertochter eine Muntprat hatte. Itals Interesse geht schon stark auf den Grundbesitz; nach seinem Testamente war er ein sehr reicher Mann und auf Erwerb von Grundbesitz, Renten, Hörige hatte er allein nach Ausweis des nur zur Hälfte erhaltenen Kopialbuches in der Zeit von U22— 42 4680 rh. fl. und 11247 « verwendet ^ Keiner seiner vier Söhne wurde Regierer, sie begründeten adlige Linien. So schnell löste sich also dieser Zweig von dem Handelsbetriebe ab. In der wei&en Linie trat an die Stelle Jos des alten sein Sohn Jos der junge, so dafs der Gesellschaftsname Joshumpis sich bis 1475 erhalten konnte^. Dann ging auch dieser Zweig zum Landadel über und begründete die Herrschaften

» Steuerliste 1473: 307 + 4987 = 5294 «J ^, seine Witwe 1483: 531 +5923 6454, 1497 : 620 + 6948 7568 ü,

* Urkunden Nr. 368. Der Irrtum geht auf Hafner zurück. 8 Heyd 30.

* Hafner 314.

ß Ratsbuch 1419—1425 S. 137.

* Bürgerbuch Ravensburg. Ebenso wurden aufgenommen 1441 Hans Muntprat auf fünf Jahre, Bürgen Ital der ältere, Jos der jüngere, 1446 Rudolf Muntprat fünf Jahre, Bürgen Jos der jüngere und Walther Möttelin.

'^ Bau mann 80.

" »Nobilis viri Jos Hundpis de Ravaspurgo et sociorum ^'us de societaU magna.' Heyd 70.

Ravensburg. ß27

Wetzeisried und Ratzenried; die Töchter heirateten Leute vom Landadel, aber auch noch Bürger, freilich Glieder hervorragender Geschlechter. Von den Nachkommen beider Linien ist, so weit wir wissen, keiner mehr Regierer geworden; diese wurden jetzt aus anderen Zweigen des Hauses genommen, welche noch nicht so reich geworden waren, um aus dem Kaufmannstande ausscheiden zu können. Nach dem Tode Itals des älteren ging seine Stelle auf Ital den jüngeren über; möglicherweise ge- hört er zur Kachkommenschaft von Jos und stammt also von Ital Humpifs dem Langen ab. Seit 1483, ja seit 1479 erscheint als Leiter Onofrius Humpis*, dessen Name meist entstellt wurde; noch wären die fremd- ländischen Heiligennamen dem Munde und der Feder nicht geläufig; auch er mufs wohl dieser selben Nebenlinie angehört haben. Seine Ge- schwister sind uns genau bekannt, nicht seine Eltern. Zum letztenmal wird sein Name in der Mailänder SchmuggelafFaire genannt, doch ver- steuern bei der Steuerliste von 1497 bereits die ptieri Onoffrius Humppis, Ihn ersetzte dann Hans, den ich einer Linie nicht zuweisen möchte; er ist 1497 und 1510 nachzuweisen*.

Neben ihm erscheint Clemens von Ankenreute als Regierer der Gesell- schaft seit 1488, als deren Statthalter er sich selbst bezeichnet^, und man könnte in ihm ein Glied einer andern Familie sehen, da der Name auch schon im vierzehnten Jahrhundert in Ravensburg vorkommt*. Allein in einer Urkunde von König Ruprecht von 1402 wird Heinrich von Ankenreute als Bruder des Hengi Humpifs bezeichnet* und trotz der Verschiedenheit der Namen und Wappen wird man wohl auch Clemens als Hundbifs ansehen müssen; dann haben wir die Thatsache, dafs alle heute bekannten Statthalter der grofsen Gesellschaft dieser Familie an- gehörten, denn wenn 1511 die Gesellschaft nach Hans Hundbifs, 1525 und 1530 nach Conrad Hundbifs® bezeichnet wird, so waren diese doch wohl die Statthalter. Welchen Linien diese beiden zuzuweisen sind, vermag ich nicht zu sagen; die einzige Ausnahme in der Reihe der Regierer aus dem Blute der Humpifs macht Liutfried Muntprat.

Beruhte der Zusammenschlufs der Gesellschaft auf dem Erbrechte,

^ Heyd 72. 1483 erwiesen durch Urkunden Nr. 393. Eine verstümmelte Ur- kunde von 1479 erwähnt OnofFer Hundbifs und seine Gesellschaft. Der unbekannte Aussteller der Urkunde, weicher ein „Haupt^t" bei der Gesellschaft stehen hat, erklärt sich durch eine an ihn geleistete Zahlung befriedigt. Ravensburger Privat- besitz, mitgeteilt von Heyd.

8 Urkunden Nr. 131 u. 396.

» Urkunden Nr. 370.

* Hafner 182.

«^ Chmel 1294.

^ Urkunden Nr. 289 u. 93. Zu 1525 nach dem unten zu erwähnenden Briefe des schwäbischen Bundes.

40*

628 * Vierunüfunfzigstes Kapit^rl.

HO muCs man bis in die Mitte des vierzehnten Jahrhunderts zurückgehen um einen gemeinsamen »Stammvater der verschiedenen Linien zu ge winnen. Auf alle Fälle kommt man in die Zeit um 1410 1420. Di« Kapelle der Gesellschaft schmückt noch heute ein Grabstein, der schoi deshalb von Interesse ist, weil auf ihm einmal ein deutscher Bürger siel als Kaufmann giebt, nicht sich als Ritter maskiert. Den Kopf bedeck ein Wollhut, das Gewand, ein bequemer Talar, fällt bis auf die Knii herab, von der linken Schulter zur rechten Hüfte geht ein breitei Gürtel, an dem unten die Brieftasche befestigt ist; unter derselben häng ein langes Messer. So haben wir uns also die Kaufleute auf ihren Reiser vorzustellen. Nach der Inschrift * war es der 1429 gestorbene alte Hengg Huntpis. Seine Beisetzung an dieser Stelle ist nur verständlich, wenr er ein Glied der Gesellschaft war, die freilich schon bei seinen Lebzeiter nach dem Namen eines seiner Söhne die Gesellschaft des Josumpis ge- nannt wurde.

Stets einig ist der Anteil der Humpifs an der Gesellschaft vielleicht nicht gewesen, wenigstens nennt sich eine Gesellschaft, die in Spanier Handel trieb, nach Friedrich Huntpifs; welcher Frick darunter zu ver- stehen ist, bleibt zweifelhaft^. Auch in Genua trieb sie Handelschaft'.

Bei den Humpifs vollzieht sich der Übergang zum Landadel in glatter Weise; sie sind nicht excentriseh und erst in den späterer Generationen kommen die wunderlichen Leute vor, so einer, der meinte, durch Schatzgraben dem sinkenden Wohlstand aufhelfen zu können; allerdings war schon im Bauernkriege ein Humpifs der Führer des See- haufens.

Weit excentrischer sind die Mötteli, und in der kurzen Frist von drei Generationen spielt sich Aufblühen und Verfall ab, und gerade über sie sind wir ausgezeichnet unterrichtet*. Sie galten vor den Humpifs und den Muntprat dem gemeinen Volke als die Repräsentanten eines durch Handel erworbenen überschwenglichen Reichtums, und noch heute redet das Sprichwort am See von Möttelis Gut. Für ihren Anteil an der Begründung und Leitung der grofsen Gesellschaft spricht nicht allein die Angabe des Ladislaus Suntheim, nicht allein eine Angabe der Lin- dauer anonymen Geschlechtsregister, nach denen im Jahre 1420 ein Lindauer bei Rudolf Mötteli und seiner Gesellschaft eine Hypothek auf-

' Sie lautet : anno dm M('CC('XXIX in die ckophe ätiqtcs heckin huntpis hie sepuUus.

•^ Heyd 51.

^ Andreas SatJer quondam IJdaWin de Costama procurator Friderici de Josumpis de Rarenshurgo de socieiate mercatorum Alamannie de Barenshurgo erscheint in den Akten dva (renueser Notars Ob. P^'oglietta jun. 22 Fol. 189 als Käufer von Genueser Tuch (Mitteilung Sievekinps'.

* Durrer, Die Fainilie vom Happeiistein, im (ireschichtsfreund Bd. 48u.49.

Ravensburg. 629

nahm^ Vor allem eine Urkunde, wonach der 1410 verstorbene Frick Holbain, der reiche Stifter des Ravensburger Siechen- und Seelhauses, seinem guten Freunde „Rudolf Möttelin dem alten und andern seinen Gesellen all sein Out in die Gesellschaft empfahl, das mit ihrem andern Gute anzulegen und damit zu werben^ ^. Und auch das würde dazu stimmen, dals die Mötteli- und die Gesellschaftskapelle an der Karmeliter- kirche identisch zu sein scheinen^. Über Rudolf Möttelis Handel fehlt es nicht an Nachriohten. So nahm ihm Basel 1407 3(i Fardel weg als Repressalie gegen die Beraubung durch Marquard von Ems, der Bürger zu Lindau war*. Schon er erwarb Grundbesitz, 1422 die bischöfliche Herrschaft Arbon, die jedoch schon 1440 wieder zurückgenommen wurde.

Stammbaum der Mötteli.

Rudolf Mötelli. t nach 1426

Hans Kudolf Klaus unehelich

t 1453 t 1482 wTlth^; ' Lütfried

, \ ux. Walpurg Muntprat „,. Magdalena Nater ^ ^^^

Jörg Hans Rudolf Jakob v. Konstanz

t 1483 ca. 1504 f 1508 f 1521 U^^oS '

m. Hans v. Benzenau Hans, Rudolf und Klaus als Brüder erwiesen durch Altmann 8030.

Da Rudolf seinen Sohn Hans als Vogt dort zurückliefs, konnte er sich selbst wohl noch dem Handel widmen. Gewifs war das bei seinen Söhnen Rudolf dem älteren und dem aufserehelichen Liutfried der Fall. Der erstere erlernte die Kaufmannschaft in Avignon bei der grofsen Gesell- schaft, in deren Hause er wohnte, und auch Liutfried diente dort zehn Jahre. So stark lebte sich Rudolf in welsche Art ein, dafs er die deutsche Sprache schrieb, als wäre er ein Franzose und hätte nie den Unterschied der Buchstaben w und v kennen gelernt. 1448 kam er nach Ravens- burg zurück. Schon war aber Rudolf nicht mehr Bürger seiner Vater- stadt, sondern von Buchhorn, erst 1448 wurde er wieder unter Bürg- schaft von Jos und Ital Humpifs dem jüngeren mit einem Steuersatz von h U /^ Bürger. Auch er trat also nicht in den Kreis der eigentlichen Bürger ein, sondern blieb in dem Verhältnisse eines Mannes, der mit der Stadt über seine Steuern paktiert. Rudolf und sein Bruder schieden.

^ Darr er 48, 90. Das Jahr braucht nicht irrig zu eein, nicht 1419, sondern erst 1426 erscheinen die Humpifs als Leiter.

« Hafner 277. Durrer 48, 89.

^ 1471 bezeichnet sie Waltlier Möttelin in seiner Jahrtagstiftung als seines Vaters sei. Kapelle. Danach müfste Nikolaus ihr Gründer gewesen sein. Stadt- archiv Ravensburg.

* Baseler Urkb. 5 Nr. 336 u. 369.

030 ViennMlfö]i£rigBt€s KapiteL

wie »cheinty im Jahre 1454 atu der Gesellschaft ans und begründeten nun »elbtt ein Haiu^ da« im weaendichen in Spanien arbeitete. Die chronologii»chen Schwierigkeiten sind za groOs, am sicher sagen zu können, dafs die Ansiedlangen in ÄTignon, Barcelona, Valenzia, dem damals noch maurischen Oranada, in Barcelona and Saragossa, wo die Firma eigene Häaser hatte, wirklich alle dem neaen Konkarrenzgeschäfte oder der alten grofsen Stammgesellschaft gehörten. Wir erfiüiren Ton all diesen Plätzen mancherlei aus dem Streite des Oheims mit seinen Neffen, die die Kauf- mannschaft an diesen Orten zunächst bei der groben Gesellschaft er- lernten. Sehr viel Dank wuTsten die Neffen nicht, Hans und Rudolf die Söhne jenes Vogtes von Arbon und einer Truchsessin von Diessen- hofen, vertrugen das Experiment nicht, aus Söhnen eines in adlige Sitten und Lebensumstände eingelebten Herrn und einer Matter von altem Adel nun rechtschaffene wirkliche Kaufleute gemacht zu werden. 1453 war ihr Vater gestorben und da nahmen die beiden Onkel die beiden jüngeren von den drei Neffen als Lehrlinge in die grofse und dann in ihre eigene Gesellschaft Hans diente etwa acht, Rudolf sechs Jahre. Hans war meist in Saragossa, aber auch in Avignon, Rudolf häufiger in Valencia. Nach der Versicherung der Oheime wurden sie besonders gut gehalten, sie hätten gelebt wie die obersten und besten Diener, die sie gehabt hätten, aber wenigstens Hans that nicht immer gut Er machte einmal auf Kosten der Gesellschaft mit einer silbernen Schale ein Hochzeitsgeschenk, dann gab er ein Üppiges Mahl, angeblich wollte er sich bei dieser Gelegenheit eine reiche Frau verschaffen. Jedenfalls behagte ihnen der Kaufmannstand nicht, und 1462 tauchen sie wieder in Deutschland auf. Der jüngere wurde in der Schlacht von Seckenheim mit gefangen; von einem Anteil am Handel ist bei beiden keine Rede mehr. Die Onkel verlangten nun nachträglich eine Begleichung von allerhand Forderungen; sie wollten ein Lehrgeld, während die Neffen Lohn forderten. Onkel Rudolf war ein prozefssUchtiger Mann, er stritt nun Jahre lang höchst erbittert in lebhaften Schriftsätzen, die den Geist der damaligen Kaufmannschaft uns lebhaft vor die Seele treten lassen, wider seine Neffen um die Summe von 1172 rh. fl.

Die Einzelheiten des Streites interessieren uns nicht weiter, dieser Zweig der Mötteli war dem Handel entfremdet, und bald genierte sie auch der Name Mötteli. Sie nannten sich vielleicht nach ihrem Hause in Ravensburg jedenfalls in Anlehnung an ihr Wappen, einen Raben auf einem Steine von Rappenstein, und wirklich wurden sie auf diesem damals noch ungewöhnlichen Wege vom niederen Adel als gleichberechtigt angesehen. Rudolf, der Oheim, hatte inzwischen die Verbindung mit der Heimat völlig gelöst; er wurde Bürger zu Buchhom, 1458—66 zu Zürich, zugleich Herr zu Alt- Regensberg, dann 1463—71 Bürger zu Luzem,

Ravensburg. g3X

1465 Landmann zu Unterwalden , 1471 liefs er sich zu Stein am Rhein nieder, seit 1475 endlich zu Lindau, wo er durch den „Möttelihandel" das Bodenseegebiet, die Eidgenossenschaft und den Kaiser in nicht geringe Bewegung versetzte. Da kaufmännische Dinge nicht hineinspielen, über- gehe ich ihn. Sein Bruder Liutfrid safs indessen seit 1454 als Bürger in St. Gallen, das schon damals durch seine Leinwandindustrie und seinen Handel den Wettkampf mit den oberschwäbischen Städten begonnen hatte, in dem es siegreich bleiben sollte.

In den Prozefsschriften hatte Rudolf erklärt, ihre Gesellschaft brauche die Hilfe der beiden Neffen nicht. Das Geschäft gehe so gut wie vorher und sie fänden genug frommer Leute Kinder, die bei ihnen in die Lehre gingen, und auch unter den Welschen seien viele, die ihnen grofse Liebe und Dienst thäten. Das aber blieb wohl nicht immer so ; Rudolf hatte sich in ganz andere Dinge verbissen und mit Liutfrieds Vermögen ging es zurück. Man kann die Entwicklung in den St. Galler Steuerbüchern verfolgen. Liutfrid hatte als unehelicher Sohn schwerlich eine grofse Abfindung erhalten; wie so viele uneheliche Söhne der Renaissancezeit brachte er sich durch eigene Tüchtigkeit empor. Schon 1454, als er Bürger wurde, versteuerte er ein Kapital von 2520 ü /^y 1460: 6660, 1470: 7000, 1474: 8000, 1480: 13300, 1481: 8000 fi . Rudolf hielt es für notwendig, dafs Liutfrids Handel und Haushalten mit einer Vogtei versehen werde. Er starb in diesem Jahre, ohne Kinder zu hinterlassen, im nächsten auch Rudolf. Der Erbe Rudolfs war Jakob, den man vor allem als den „reichen" Mötteli bezeichnete. Dafs er selbst noch Kaufmannschaft be- trieben habe, ist nicht erwiesen, ja geradezu unwahrscheinlich, und Durrer hat die Vermutung ausgesprochen, dafs die ZoUikofer von St. Gallen das Geschäft der Mötteli erwarben. Es ist festgestellt, dafs schon vor 1500 Kaspar ZoUikofer nach Saragossa reistet In Jakob kulminierte die Rechthaberei und Prozefssucht seines Vaters; auch er schämte sich seiner Herkunft und nannte sich Junker Jakob von Rappenstein, genannt Mötteli; von da an geht es mit dem Reichtum und dem Glanz der Familie bergab. Schon mit seiner Enkelin endete das sagenumwobene Geschlecht der reichen Grofskaufleute und verarmenden, prozefssüchtigen Ritter. In Ravensburg safs noch immer ein Zweig der Mötteli, wenn auch mit einer festen Steuer, und sie haben wohl an dem Anteil der grofsen Gesellschaft festgehalten. Bei der Bürgeraufnahme des Ellaus 1428 waren Bürgen: Jos und Ital Humpis", bei der Walthers 1443 Ital

» Durrer 48, 204 f.

2 Hafner 163. Er war 1420 auf fünf Jahre Bürger von Memmingen geworden, Steuer 10 rh. fl. Bürgen: Jos Stiüdlin und Jak. Ratz. Memminger Bürgerbuch, Reichsarchiv München.

632 Vienii»dfQii&%«t«9 KafHteL

HuiDpis der ältere and Jakob SchellaDg: mit seiner Tochter endet der Stamm ehelicher Mötteli in Ravensburg; sie heiratete den Ritter Hans von Benzenau.

Aach die MOtteli standen in naber Verwandtschaft za den Mantprat». Die Fraa Radolfs des älteren war eine Mantprat wie aach eine Möttelin an einen Mantprat verheiratet war. Näher lassen sich diese Glieder den Ktammliäamen nicht einfügen.

Die Stiftungsarkunde der täglichen Messe bezeichnet also ganz richtig die Gesellschaft als die der Humpifs, Mantprat und MOtteli. Begründet mag sie von den Mötteli sein, aber diese hafteten zu wenig am Boden der Heimat, sie waren zu eigenwillig und schieden zum Teil schon früh aus, um ein Konkurrenzgeschäft zu b^pründen. Die Mantprat brachten enorme Geldmittel und reiche Erfahrung mit, sie vertraten die zweite Wurzel der Gesellschaft: die Stadt Konstanz; unter dem Kamen der HumpÜs endlich ging die Gesellschaft, weil sie ihr die meisten R^enten gab, und durch die Humpifs wurde die Gesellschaft an Ravens- t>urg gebunden.

Mit diesen Namen ist der Kreis derer aber nicht erschöpft, die in der Gesellschaft Geld li^en hatten oder selbst mitarbeiteten. Von den Ravensburgem ist Frick Holbein schon genannt, Hans Lienhart ver- kaufte 1438 an einen Humpifs eine feste Rente auf seine Einlage bei der Gesellschaft^, 1492 erscheinen Liutft*ied Besserer und KsütI Brisacher mit Onophrius Huntbifs in solcher Verbindung, dafs man fast glauben möchte, sie seien mit an der Spitze der Gesellschaft gewesen'. Karls Mutter oder Stiefmutter war die Tochter Liudried Muntprats ; auch seine Witwe hatte 1504 eine Einlage bei der Gesellschaft, sie war eine Humpifs ^ Während dieser Brisacher nach Konstanz weist, wird man durch Liutfried Besserer auf eine Familie geführt, die sonst in Ulm und Überlingen safcs, seit 1436 auch in Ravensburg vorkommt^. Der Vorname Lütft*ied weist auf die Muntprats, und Lütfried Muntprat war 1432 auf ftlnf Jahre Bürger von Überlingen geworden*.

Nach Jäger hätten 142o Johann Besserer und Nikolaus Ungelter von Ulm mit den gleichfalls den Geschlechtern angehörigen Eberhart Becht und Eberhart Teufel aus Reutlingen, mit Jodokus Hundbifs und Ulrich

^ Baumann 143.

- Urkunden Nr. 363.

^ Brisacher steuerte 1482 in Ravensburg, 1497 aber nur Immobiliarbesitz, 1500 versteuerte seine Witwe in Konstanz 7000 ü hl. Mobiliarbesitz, 915 ^ Immobilien. Er war in Ravensburg 1482 Bürger geworden unter Bürgschaft von Onophrius Humpifs und Lütfrid Besserer.

Hafner S. 164.

^ Bürg(»rbuch Stadtarchiv Überlingen.

Ravensburg. 633

Brück von Ravensburg, femer Bürgern von Biberach, Efslingen und Weil in Gesellschaft gestanden ^ Jedenfalls waren 1458 Jörg Ehinger, Rudolf und Hans Besserer Mitglieder der Gesellschaft, und haben, scheint es, diese ihre Stellung dem Bürgerrechte von Ulm vorgezogen*.

Suntheim rechnet weiter zu der Gesellschaft aufser den Besserern die Täschler, Geldreich und Nidegg, drei hervorragende, zum Teil sehr reiche patrizische Geschlechter der Stadt®; Gutermann* endlich fügte noch die Croaria, Haber von Randegg, Roth von Schreckenstein und Sürgen von Sürgenstein hinzu, aber auf Gutermann ist kein Verlafs.

In Konstanz haben wir zunächst die Genossen Liutfrid Muntprats von 1425*; von ihnen erscheinen die Familien Näter und Geisberg später als Teilhaber der grofsen Gesellschaft. Georg und Kaspar Geis- berg sind 1486 Teilhaber •; die Näterin, eine geborene von Roggwil, ver- fügte 1468 über ihre Einlage zum Teil zu Gunsten des Ravensburger Seihauses ^. Ob Jakob Schwarz, der von einer Humpifs abzustammen scheint^, 1438 Teilhaber der grofsen oder einer anderen Gesellschaft war, bleibt zweifelhaft*; sicher ist es bei Wilhelm Richenbach 1467*®. Auf die späteren Muntprats beziehen sich drei Angaben. Rudolf Munt- prat hinterliefs 1485 seinen Erben eine Einlage von 2300 rh. fl. *\ Bridli Muntprat hatte 1499 in der Gesellschaft mindestens 200 fl. liegen, Ruland Muntprat hatte eine Einlage von 100 fl. von seiner Grofsmutter geschenkt erhalten**.

Die Zweiggesellschaft Friedrich Hundbifs hatte 1466 als Teilhaber in Konstanz Hans Blarer, Konrad Muntprat den älteren, Ludwig Munt- prat, Hartmann Hürus und Andreas Sattler*^, und bei der allgemeinen Gesellschaft erscheinen 1498 Ulrich Muntprat, Ritter, Bürger von Zürich und Moriz Hürus**.

Aus dem benachbarten Memmingen wissen wir, dafs der Vater von

» Jäger 673. ^ Jäger 674. Heyd 40. « S. oben S. 624. * 264.

'^ S. oben S 608. « Heyd S. 86.

' Urkunden Nr. 362. Sie versteuerte 1466: 2120 «. ^ S. Stammtafel. « Urkunden Nr. 357.

Heyd 85. Versteuerte 1466: 280 + 2380 // " Heyd 86.

12 Urkunden Nr. 365 u. 367.

Heyd 51. Hans Blarer versteuerte 1466 5400 + 2400, Hartmann Hürus 1466 3070 -\- 2300, Andreas Sattler 1400 + 2800 ^.

"* Heyd 80. Versteuerte 1500 in Konstanz 3850 ^, 1504: 3060 + 4690 fi.

634 yierandfimfzigstes Kapitel.

Jörg Rl^tz 1494 1004 fl. bei der Gesellschaft eingel^ hatte, die sich die Erben damals auszahlen lie^sen^

Für kurze Zeit lehnte sich auch ein Fugger an die grodse Gesell- schaft; es ist Georg, der Stammvater aller heute lebenden Fugger, der 1486 mit Nofrius Humpis, Petrus Vacus und Johannes Burlinus beim Herzog von Mailand fär die Gesellschaft eintrat Doch ist mir zweifel- haft, ob das wirklich eine feste Organisation war. Onofrius erscheint, obwohl er Statthalter der Gesellschaft war, an vierter Stelle. Es macht mir den Eindruck, als ob sich die mächtigsten, in Mailand thätigen Firmen zusammengethan , um unter dem best eingeführten Namen der grofsen Gesellschaft in kritischer Zeit sich freien Verkehr zu sichern^.

Mit Johannes Burlinus, Johann Breunlin haben wir bereits Nürn- berg genannt, jedoch war hier schon 1437 Hans Albrecht Teilhaber der Humpifsgesellschaft ^. Nach Luzem führt uns endlich die Person des Altschultheifsen Jakob von Hertenstein, dessen Name in der Kunst- geschichte so bekannt ist, weil er 1517 19 sein Haus in Luzern von Hans Holbein dem jüngeren bemalen liefs^. Er hat, wie wir gesehen haben, der Gesellschaft grolsen Nutzen gebracht, als sie in den üblen Schmuggelhandel in Mailand verwickelt war; durch ihn hatte die Gesell- schaft Einflufs auf die politischen Kreise, die die Eidgenossenschaft leiteten. Es berührt nun sehr eigentümlich, zu erfahren, dafs vorher Jakob, zugleich im Namen seiner Frau, seiner Schwiegermutter, einer ge- borenen Muntprat, ihre Einlage von 1800 fl. verkauft hatte ^; besafs er 1490 überhaupt noch eine Einlage? Wer 1475 in Bern Mitglied der Ge- sellschaft war, ist nicht zu sagen, es gab aber da solche^.

Wenn wir nun zu den Dienern übergehen, so sind auch gewifs unter ihnen solche gewesen, die eine Einlage hatten. Vorab von den Konstanzern wohl die Fry und im Steinhaus. 1441 wurde Hans Fry Bürger in Ravensburg; seine Bürgen waren Ital der ältere und Jos Humpis. Sein Bürgerrecht in Kempten konnte er beibehalten, und auch Thomas Stein- hüsler wurde 1480 Ravensburger Bürger unter der Beihilfe von Heinrich Humpifs und Lütfried Besserer. Weiter erscheinen: 1426 Joh. Folch und Christoph Spadeli in Barcelona, der ein naher Verwandter der Mutter Ital Humpifs' des altern war, dieser bedachte Stoffels Sohn in seinem Testamente ^. 1428 Gaspar de Vat (wohl identisch mit den Vacus

» Urkunden Nr. 371.

2 Heyd 72.

» Urkunden Nr. SSb.

* V. Li eben au, Das alte Luzern 134. » Urkunden Nr. 336.

Heyd 13. 66-68. ' Hafner 331.

Ravensburg. 535

und vielleicht ein Watt, Vadian von St. Gallen) (Barcelona), 1436 Rudolf Mesnang aus Kempten (Valencia) \ 1437 Jörg von Chur (aus Isny) und Burkhard Geltwilr«, 1447—58 Ottmar Schleipfer von St. Gallen (Genua)», 1457 Conrad Messner von Konstanz^ (Mailand)^, 1467 Hans Lienhart (Chur)«, 1477/78 Philipp Wislant aus Uny\ Peter de Rat und Georg Fütterer (aus Nürnberg), die, wenn wirklich innerhalb der Gesellschaft, sicher Teilhaber waren®, 1494 Heinrich Sporer und Konrad Hundbifs, Jodokus Schedler (Alicante), Jodokus Koler (Valencia)*, 1502 Oswald JKrell und Jörg Bader (Nürnberg)*®, 1511 Rudolf Lienhart von Lindau" und 1520 Paul Hinderofen von Wangen*^.

Für die Gesellschaft des Frick Humpifs waren die Faktoren Paulin Spick und Philipp Wislant in Italien thätig; aus den Prozefsschriften Rudolf Möttelis kennen wir als ihre Diener in Spanien um 1458 : Konrad Vissach, Ulrich und Heinrich Lemann, Hans Manz, Oswald Holzmüller, Ludwig Hab und Ulrich Zähender^^

Die Ordnung der Gesellschaft ist leider nicht erhalten. Jedenfalls kann man ersehen, dafs die Einlagen bei einem Ausscheiden nicht sofort bar bezahlt wurden, sondern die Auszahlung auf die sieben nächsten Frankfurter Messen verteilt wurde ^*. Wie das Verhältnis derjenigen ge- regelt war, die aufser dem Gelde auch ihre eigene Arbeit und ihre kaufmännischen Kenntnisse einsetzten, ist leider nicht überliefert. Über- wog in späterer Zeit der Besitz dieser wirklichen Kaufleute oder der der stillen Teilhaber? Fast möchte man letzteres vermuten.

Über die Höhe des Gesellschaftskapitals haben die Lindauer anonymen Geschlechtsregister (späterer Zeit) uns Nachrichten überliefert; danach hätte um das Jahr 1450 ein Gesamtkapital von 300000 fl. gearbeitet, und die regelmäfsig alle drei Jahre stattfindende Abrechnung habe einen Gewinn von 100000 fl. ergeben. Dafs die Ziffern so rund wie bei einer

' Urkunden Nr. 257. 2 Urkunden Nr. 368. ^ Vgl. Register.

^ Baumaun 154. Er war mit den Späteli verwandt ^ Doch nicht sicher. Urkunden Nr. 44. « Urkunden Nr. 291. ' Heyd 86. M.S. 511. 8 Heyd 78. S. oben S. 546.

^0 Urkunden Nr. 895. Letzterer auch 1510 Urkunden Nr. 396. Urkunden Nr. 289.

^2 Heyd 84. Onophrius Hinderofen hatte 1582 eine Gesellschaft in Ravensburg. Hafner 264. In der alten Karmeliterkirche zu 1^ findet sich ein Epitaph des 1527 gestorbenen Hans Hinderofen.

^^ D u r r e r 49, 24 ff. Heinrich Lemann versteuerte in Konstanz 1466 2400 + 4600 it 1* Urkunden Nr. 871.

536 Vierundfunfzigstes Kapitel.

modernen Aktiengesellschaft sind, macht mich bedenklich ^ Die Mötteli seien mit 16 ISOOOfl. beteiligt gewesen. Walter Mötteli habe 1444 eine Einlage von 7000 fl. gehabt*. Jedenfalls sind aber die ZiflFern, die Quter- mann^ über das Vermögen der beteiligten Geschlechter beigebracht hat, in Zukunft einfach zu ignorieren. Er läfst eidlich in der Steuerveranlagung gegen Ende des fünfzehnten Jahrhunderts angeben:

Jos, Frick, OnophriuB Hundbifs 131 000 fl.

Hans und Rudolf Besserer und ihre Schwester 54 000 fl.

Teschler 20000 fl.

Geldrich 36000 fl.

Neidegg 12000 fl.

Der reiche Mattelin mit Bruder und Schwester 150000 fl.

Croaria 20000 fl.

Haber v. Randegg 40000 fl.

Roth V. Schreckenstein 100000 fl.

Sürg V. Sürgenstein 24000 fl.

587 000 fl.

Nicht eine einzige von diesen Ziffern kann mit der Wahrheit stimmen, da die reichen Mötteli überhaupt damals nicht mehr in Ravens- burg steuerten, die Roth safsen in Ulm, 1497 heifsen die Steuerzahler unter den Besserern Lütfried und Erben des Hans. Die reichsten Geldrich zahlten damals Steuer von 120 + 1014, 2000 + 3200 ^ 4. Kurzum, die Liste ist einfach erfunden.

Ich habe schon oben die reichsten Steuerzahler der drei erhaltenen Rechnungen des fünfzehnten Jahrhunderts aufgeführt; ich will noch ein Übriges thun und die Summen aller Humpifssteuern berechnen. 1473 zahlten sie von zwölf Vermögen in einer Gesamthöhe von 14815 iS Immobiliar und 26073 ^ Mobiliar, also zusammen von 40888 ^ ^i^ ; es fehlten dabei Onofrius und die Söhne des Frick. 1482 waren es acht Posten: 10087 + 14957 = 25 044; hier fehlen allerdings eine Reihe von Fasionen, andere Personen zahlen feste Steuern ; derartige Posten fehlen 1497, und da ergeben achtzehn Posten: 17199 + 19184 = 36383 «J >^, also etwa 40000 rh. fl.

Die Richtungen der Handelsverbindungen der Ravensburger Gesell- schaft sind im Voraufgehenden vielfach besprochen. Wir sahen sie vor allem in der Richtung Mailand Genua— Spanien thätig, aber auch in Avignon wie im Königreich Neapel, auch in Rom und Siena, wie in Venedig fanden sich Spuren. Doch auch nach Norden war der Handel gerichtet. Heyd hat nachgewiesen, dafs sie 1488 in Antwerpen vertreten

» Durrer 48, 104. '^ Durrer 48, 267. 3 S. 263.

Ravensburg. ß37

waren ^, und dort wurde doch auch wohl jene Schuld von einem Lübecker Kaufmann bei der Gesellschaft gemacht, derenthalben die Stadt Ravens- burg 1437 sich bei Lübeck verwandte*. Die Leinwand der Gesellschaft wurde auch nach Norden geführt; so nahm Wolfli von Stein zum Klingenstein und Konrad Rüofs, ein Bürger von Ulm, ihr im Burg- frieden von Ulm 1457 drei Ballen Leinwand weg*. Ja bis nach Schlesien können wir sie verfolgen, wie wir sehen werden. Für die Geldvermittlung wurde die Hilfe der Gesellschaft öfter in Anspruch genommen; so liefs Bern Kapital und Zins an Gläubiger in Nürnberg durch die Gesellschaft bezahlen*. Andere Fälle haben wir schon bei Rom und Siena be- sprochen.

Die Humpifsgesellschaft hat gleich den andern Gesellschaften von Augsburg und Nürnberg nicht der Versuchung widerstanden, sich aus dem Bergbau Gewinn zu suchen. Wir können sie aber nur bei einem Unternehmen nachweisen, das für die ersten Gläubiger Schaden brachte, um später für die Fugger gewinnbringend zu werden. In Schlesien be- trieben Hans Starzedel und Otto Rufswurm im Gebiete des Herzogs Karl von Münsterberg die Anlage eines Goldbergwerks zu Reichenstein. Die Geldmittel lieferten folgende Gesellschaften: Welser -Vöhlin und Grander in Augsburg, Hirsch vogel. Im HoflF und Paufler in Nürnberg und die des Hans Humpifs von Ravensburg. Ehe überhaupt das Berg- werk „gebaut" war, kam es zum Zusammenbruch und zu einem ver- wickelten Streite zwischen den Schuldnern, den Gläubigern und dem Herzog. Durch den Schiedsspruch von 1510 übergaben die Gläubiger die Schuldrechte dem Herzog, der noch dazu mit Geld und 14 Ellen Sammet gewonnen werden mufste. Der Herzog nahm auf zehn Jahre die Kaufleute in seinen Schutz, die also dort noch verkehren wollten, und dieser schlofs schon 1511 mit den Thurzo und Fuggern ab, die bald den gröfsten Teil der Bergteile von Reichenstein in Händen hatten*. Den Humpifs war in dem Schiedssprüche vorbehalten worden, ob sie sich fügen wollten oder nicht.

» S. 38.

2 Urkunden Nr. 368.

=* » YtcU und Jos die Humppis und vil von der gesdlschaß der kofflit von Ravens- burff' verklagten ihn beim Kaiser, der Notar brachte die Vorladung mit den Worten, er käme in des Kaisers Geleit, worauf Wolf äufserst derb antwortet. Urkunde Nr. 9179 des germ. Museums. Über den Fortgang des Handels Heyd S. 40. Oberamts- beschreibung Ulm 2, 196. *

* 1479 Januar 6. Deutsches Briefbuch D 8. 187.

•^ Vgl. Urkunden Nr. 396 und im Codex diplomaticus Silesiae 20 Nr. 328-331 u. 333. Vgl. Faulhaber, Beitrag z. Gesch. d. Reichensteiner Gold- produktion in Zeitschr. d. Vereins f. Gesch. u. Altertum Schlesiens 31, 200 f. Vgl. ebda. 26, 23.

538 Vierondfunfzigstes Kapitel.

Wann hat die Humpifsgesellschaft sich aufgelöst? Ich wage darauf keine Antwort zu geben. Es ist die Zeit des sechzehnten Jahrhunderts so wenig erforscht, dafs man da noch Überraschungen zu erwarten hat Ich gebe gern zu, dafs die Blütezeit der Gesellschaft um 1500 längst vorbei war, die neuen Gesellschaften hatten sie überflügelt; aus der ma^na societas Alamatmarum wurde bescheidendich die Humpifsgesellschaft Aber man geht doch zu weit, wenn man aus den Hertensteinschen Ur- kunden allzuviel herausliest Aus dem Wortlaute der Urkunde von 1527 ergiebt sich nur, dafs man in Luzern nicht wufste, was der Gewinn der 1400 fl. Einlage war, aber es ist nicht zu folgern, dafs die Einlage keinen Zins trug^ Es gab eben nicht alljährlich eine Gewinnverteilung, und so mufste diese Ungewifsheit bestehen, auch wenn die Geschäfte gut gingen. Immerhin, die Zeiten eines Liutfrid Muntprat, Jos und Ital Humpifs und Rudolf Mötteli waren vorbei, die grofse Gesellschaft hatte keinen Jakob Fugger unter sich. Schon 1525 wurde tiberlegt, ob man die Gesellschaft nicht auflösen solle. Der schwäbische Bund wandte sich damals an die vornehmsten Gesellschaften zu Augsburg und Nürnberg und auch an Konrad Humpifs und seine Gesellschaft in Ravensburg, damit sie ihnen Geldmittel vorstreckten. Konrad aber antwortete, sie seien in ihrer Endrechnung begriffen und es sei Eweifelhaft, ob sie bei einander bleiben würden. Viele ihrer Mitgesellen gehörten anderen Städten an und seien mit gemeinem Bunde nicht verwandt*. Und so wenig war man in Ravensburg mit der Gesellschaft noch einverstanden, dafs auf einem dort stattfindenden Städtetage die Reichsstädte um den See und im AUgäu beschlossen, darauf zu dringen, dafs den Kaufmanns- gesellschaften als Maximum ihres Kapitals die Summe von 100000 fl. gesetzt werde, damit die Käufe sich auf verschiedene Hände verteilten •. Oder hatte die Gesellschaft nur ein so hohes Kapital und wollte sich der gröfseren erwehren?

Eis ist bisher nicht bekannt gewesen, dafs Ravensburg sich auch an den päpstlichen Stuhl gewendet hat, um kirchliche Rechte auf dem Ge- biete des Handelslebens zu gewinnen. Seines grofsen Verkehrs wegen kamen auch Exkommunizierte dorthin, da wurden die Kirchen oft ge- schlossen; es solle ihnen freier Gottesdienst auch in solchen Fällen zu- stehen. Das zweite war eine Einschränkimg der Exkommunikation in Sachen, die bei dem päpstlichen Gerichte anhängig waren. Den geist- lichen Gerichten sollten vorbehalten bleiben: ^sdlvis tarnen cansis matH- monialibiLS y decimdlibus, super perjuriis et usuriSj ita tarnen quod judex

^ Heyd 45. Die Urkunde ist gedruckt Geschichtsfreund 20, 328. ' In der Korrespondenz Ulrich Arzts. Zeit sehr. d. hist. Vereins f. Schwaben und Neuburg 10 (1883), 37 u. 54. » Hafner 448.

St. Gallen, Schwaben, vor allem Memmingen und Ulm. 639

ecclesiasticus lisuris tunc demutn cognoscere habeat, quando extorsio usurarum coram conscilio sive consulibus oppidi R. sepefati probata fu€rit€. Dieser letzte Wunsch wurde aber von Bonifaz IX. 1400 nicht erfüllt*.

Fünfundfünfzigstes Kapitel. St. Gallen, Schwaben, vor allem Memmingen nnd Ulm.

St Gallen^ Leineweberei ^ Richtungen des Handels. Memmingen, Gesellschaft VöMin-Welser, Mitglieder. Getcinn, Die Gesellschaft in Lissabon, Teilung von 1617. Spätere Geschicke. Die Ehinger, Thätigkeit in ItdUen. Ändere Memminger Häuser. Kempten, Isny, Lindau, Wangen, Überlingen, Biberach, Ulm, Barchentweberei, Ge- / schlechter, Richtungen, Schtcnbisch-Gmünd, Nördlingen, '

Dafs die Leinwandweberei nicht erst, wie man lange geglaubt hat, in der Folge des Konstanzer Konzils von Konstanz nach St. Gallen ihren Hauptsitz verlegte, sondern viel länger dort heimisch ist, wissen wir*. Aber richtig ist daran, dafs die Handelsherrschaft auf diesem Felde im fünfzehnten Jahrhundert von Konstanz an St. Qallen überging. Die Höhe der Produktion läfst sich aus der Benutzung der Bleichen für die Zeit nach 1392 genau feststellen; die höchste Beschickung waren 1983, die geringste 1463 Tuche im Jahr®. Die Leineweberei nahm so zu, dafs um 1530 schon jährlich mehr als 10000 Tuche erstellt wurden und 350 Meister thätig waren. Die Ordnung der Leineweber fufste ursprünglich auf der Konstanzer, war dann aber selbständig weiter entwickelt, und um 1450 war die St. Galler Marke schon so allgemein beliebt, dafs selbst Konstanz sich beugte und bat, die St. Galler Marke als Schauzeichen benutzen zu dürfen. Aufser weifser Leinwand wurde Zwillich (blauer und schwarzer) hergestellt. Die Stadt hatte allmählich alle Rechte des Abtes auf das Gewerbe beseitigt und dieser fing nun seit 1460 an , von dem - Städtchen Wyl aus eine Konkurrenz zu betreiben.

Die St. Galler Leinwand wanderte weit hinaus in die Lande. Vadian zählt uns die Sprachen auf, die man in St. Gallen wegen des Handels verstehe: spanisch, französisch, lombardisch, auch ungarisch, böhmisch und polnisch^. Die spanische Verbindung steht nicht umsonst voran, ich erinnere an die Mötteli. In Frankreich genossen die St. Galler die Vorteile, welche der König den Eidgenossen eingeräumt hatte ich erinnere an ihre Thätigkeit in Lyon, wohin um 1500 eine regelmäfsige Botenpost führte. In Italien sind wir, wenn auch nicht oft, St. Gallern

J Schultheifs Formelbuch Fol. 38 Nr. 131.

^ S. oben S. 116. Vgl. zum folgenden Häne, Leinwandindustrie, und Häne, Der Auflauf zu St. Gallen im Jahre 1491 (Mitteil. z. vaterl. Gesch. Bd. 26) S.292f.

' Häne, Leinwandindustrie 11.

^ Häne, Leinwandindustrie 15. Vgl. im übrigen unser Register. Vgl. auch Simonsfeld.

g40 Fünfandfünfzigstes Kapitel.

begegnet Nach Norden hin bildet eine hauptsächliche Etappe Nürnbei^, mit dem seit 1387 eine Zolleinigung bestand, und noch weiter nördlich bei Wittenberg wurden einmal St. Galler beraubt*.

Von den übrigen schwäbischen Städten ist zuerst Memmiiigen zu nennen, das auch Sitz einer Kauimannsgesellschaft war, die ebenso kühn wie erfolgreich in den Handel eingriff. Auch sie umschlofs späterBürger mehrerer Städte. Schon 1479 war sie so blühend, dafs Erhard Hans und Erhard Vöhlin zugleich im Namen ihrer Handelsgesellschaft eine Prädikatur an der St. Martinskirche stifteten^. Die Vöhlin waren ur- sprünglich aus St. Qallen eingewandert^, waren aber bald die angesehenste Familie in ihrer neuen Heimat, und schon um 1500 begann der Prozels, dafs einzelne Glieder sich zum Adel zu rechnen begannen und nicht mehr persönlich die Geschäfte leiteten. Von den Vöhlin standen nacheinander Hans (1490, 1493 wohl der Bürgermeister seiner Vaterstadt) und Konrad (1495) an der Spitze; dieser starb 1511 gleichfalls als Bürgermeister^; später war noch ein Hans in der Gesellschaft, er starb zu Saragossa, wo er bei den Franziskanern begraben wurde*.

Mit ihnen verband sich ein höchst angesehenes Haus von Augsburg, die Welser, die schon im Anfang des fünfzehnten Jahrhunderts recht reich waren ^. Obwohl schon längst im Handel thätig, sind sie in Venedig jedoch erst seit 1441 nachgewiesen ^. Im übrigen Italien finde ich zuerst 1475 Lukas Welser genannt; da er aber als edler Mann bezeichnet wird und zum Familiären des Herzogs von Mailand angenommen wurde '^, ist er wohl längst dort heimisch gewesen. Lukas Weiser gehörte der 1473 gegründeten Handelsgesellschaft der vier Welserschen Brüder an, sein Sohn Anton heiratete 1479 Katharina Vöhlin*. Vielleicht war damals schon die Fusion vollzogen, sicher ist das 1495 der FalP®, und seitdem wurde Antonius Welser, der übrigens eine Zeit lang Bürger und Stadt- hauptmann in Memmingen war und 1496 nach Augsburg zurückkehrte**, meist an erster Stelle genannt; 1498 erneuerte er mit seinem Schwager Eonrad Vöhlin den Gesellschaftsvertrag *^.

1 Eidgen. Abschiede 2, 473.

^ Baumann 2, 456.

^ Baumann 2, 605.

^ Lukas Rem war auf seiner »Besingnis^, Greiff S. 16.

^ Greiff S. 19 u. 91.

« 1418 zahlte Bartholomäus Welser 53 V2 fl. Steuer.

' Simonsfeld 2, 59.

8 Urkunden Nr. 107.

» Ehrenberg 1, 194. 10 Urkunden Nr. 107.

" Baumann 2, 671 f. und Ehrenberg 1, 194. J2 Ehrenberg 1, 194.

St. Gallen, Schwaben, vor allem Memmingen und Ulm. 641

Die Gesellschaft umfafste nach dem Gesellschaftsvertrage von 1508 nicht weniger als achtzehn Personen : Anton Welser den alten, Jakob und Bartholomäus, Konrad Vöhlin, Ludwig Reyhing, Wolf, Marx und Hans Pfister, Konrad Imhof, Anton, Hans und Narcifs Lauginger, Peter, Hans und Wilhelm Heintzel, Ulrich Hanold, Simon Seitz und Andreas Rem. Lukas Rem, der seit 1498 im Dienste der Gesellschaft stand, wird nicht genannt, er ist erst später stimmberechtigtes Mitglied geworden ^ Vor- her und nachher gehörten noch andere der Gesellschaft an. So 1488 die Söhne des Ulmer Bürgermeisters Wilhelm Besserer, des Schwagers von Hans Vöhlin^. Ob Antonius Fonger (Fonges oder Fungus), der Sohn eines verstorbenen Andreas, der 1492 Faktor der Gesellschaft in Mailand war®, ein Fugger war, ist zweifelhaft; dann müfste er ein unehelicher Sohn des Andreas des Stammvaters der Fugger vom Reh gewesen sein. Wurde die Gjesellschaft also immer stärker augsburgisch, so hat sie doch gleich der Humpifsischen die Zugehörigkeit von Bürgern eidgenös- sischer Städte sehr zu schätzen gewufst.

Bartholomäus Mai hatte schon vorher mit Bemern Gesellschaften gebildet*. 1487 war er Haupt einer solchen, an der hervorragende Bemer beteiligt waren ^. Mit Anton Welser und Konrad Vöhlin dürfte er schon 1495 associiert gewesen sein*; es erwies sich für die Gesell- schaft als äufserst vorteilhaft, einen Bürger einer so mächtigen Stadt zum Gesellschafter zu haben. Bern trat wiederholt für den Bürger und damit für die ganze Gesellschaft ein, so 1505 bei dem französischen Gouverneur des Herzogtums Mailand wegen der Schuldner im Mai- ländischen ^, und 1510 legte es für die Gesellschaft ein Wort ein, damit ihr der Warentransport nach Venedig trotz der Kriegszeiten ermöglicht werde®. Und wiederum wurde Gesellschaftsgut, das von französischer Seite auf einem spanischen Kaufleuten gehörigen Schiff im Hafen von Marseille mit Beschlag belegt war und das in 116 Ballen Wolle bestand, als Gut eines Mitbürgers reklamiert, auf das die den Schweizern ge-

' Vgl. Greiff.

^ Oberamtsbeschreibung Ulm 2, 197 f. mit weiteren Angaben über die Gesellschaft.

» Urkunden Nr. 172.

« Das Einzelne May 35 ff.

^ Aus den Familien von Laupen, Schamachthal und Diesbach.

^ Die Vöhlin sollten die Pensionen der Bemer Politiker in Mailand und Venedig einnehmen und an Bartholomäus übermitteln. May 88 f. und Lat. Brief buch E Fol. 182, wo die drei zusammen genannt sind.

"i Urkunden Nr. 308 und ähnlich Nr. 313. Über die Schulden der Grafen Borromei von Arona s. May 24.

« Urkunden Nr. 309. Sehulte, Gesch. d. mittelalterl. Handels. I. 41

Q42 Fünfundfunfzigstes Kapitel.

währten Vorzüge Anwendung finden müfsten *. Auch der Briefschaften der Qesellschafty die in Toulouse durchsucht wurden, nahm sich die mäch- tige eidgenössische Stadt an '. Ebenso hat an der päpstlichen Kurie Bern für die Welser wiederholt interveniert®.

Die Gesellschaft, deren Kapital sehr erheblich gewesen sein mufs^, konnte für die Jahre 1502 bis 1517 Dividenden in der Gesamthöhe von 142 ®/o, das ist 8,88 ®/o für das Jahr, verteilen. Der Gewinn ist nicht allzu grofs. Doch beschuldigt sowohl Lukas Rem wie der einst gleich- falls als Faktor bei den Welsern thätige Christof Scheurl die Leiter, dafs sie bei den Abrechnungen den Gewinn zu niedrig ansetzten und nicht so viel verteilten, als wirklich vorhanden war. Es flihrte das zu wieder- holten Streitigkeiten und 1517 schieden mindestens vier Teilhaber aus, vor allem Jakob Welser, der in Nürnberg ein neues Geschäft begründete.

Der Gegensatz zu den Fuggem wird uns später deutlich werden. Diese sind ein Familiengeschäft, die Welser ein Konsortium von heterogenen Ele- menten, die als Faktoren einen halben Einblick in die Geschäfte gewannen und daher des öfteren unzufrieden waren; bei den Fuggem herrscht eine stramme, monarchische Direktion über die besoldeten Faktoren, hier der Widerstreit der Gesellschafter; die Fugger verlassen seit Jakob II. den Warenhandel, die Welser bilden ihn bis 1517 immer mehr aus und haben dafür eine kolossale Organisation geschaffen ; sie hatten Faktoreien in Antwerpen, Danzig, Nürnberg, Venedig, Mailand, Rom, Zürich, Bern, Freiburg, Genf, Lyon, Saragossa und Lissabon, und ihr gröfster Ruhm ist es, der Änderung der Handelswege sofort Rechnung getragen zu haben. Nicht mehr durch Vorderasien kamen ausschliefslich die Schätze des fernen Indiens, sondern mit der Eröffnung des Seeweges um das Kap der guten Hoffnung war Lissabon der wichtigste Stapelplatz ge- worden. Nach Lukas Rem kann kein Zweifel sein, dafs das Haupt- gebiet der Gesellschaft bereits der Markt in Lissabon und Antwerpen war, dafs dem gegenüber Italien zurückstand. Sie beutete mutig die grofsen Entdeckungen der Seefahrer aus. Gerade ihre Gesellschaft ver- anlafste den König Emanuel von Portugal, zu Gunsten der Deutschen

1 Bern Staatsarchiv. Lat. Briefbuch H Fol. 127 u. 139. Ebda. Fol. 239 wegen Räubereien eines Chapperon aus der Bretagne.

« »Societas Weher et Wechlhu. Lat. Briefbuch K 137.

» Urkunden Nr. 310. Urkunde von 1523. May S. 40. Schuld der Kurie, entstanden während der Sedisvakanz. Urkunden Nr. 312.

^ 26801 fl. hatten Erhard und Sibylle, die Kinder Bernhards Vöhlin, 1505 bei der Gesellschaft liegen. Brunn er, Die Vöhlin von Frickenhausen, Zeitschr. d. hist. Vereins f. Schwaben 2, 267. Lukas Rem, der ursprünglich 2000 fl. Einlage besafs^ hatte 1517: 9440 fl. Greiff 30f. Ein Sohn des Bürgermeisters Wilhelm Besserer von Ulm zog 1492 seine Einlage von 3000 fl. aus der Gesellschaft zurück. Ulmer Oberamtsbeschreibung 2, 198. J&ger, Ulm 674.

St. Gallen, Schwaben, vor allem Memmingen und Ulm. g43

einen Handelsvertrag abzuschliefsen ^. Am 25. März 1505 stachen die ersten von Deutschen gecharterten Schiffe in die See, deren Ziel das ferne portugiesische Indien war. An den mitgesandten Waren und Qeld waren Florentiner und Genueser Kauf leute mit 29 400 Dukaten beteiligt, die Welser und Vöhlin mit 20000, die Fugger und Höchstetter mit je 4000, die Gossembrot von Augsburg imd die Imhoff von Nürnberg mit je 3000 und endlich die Hirschvogel von dort mit 2000 Dukaten^.

Lukas Rem, dessen Tagebuch wir diese und viele andere Nach- richten über die Gesellschaft verdanken ^j hat leider mit dem italienischen Handel der Gesellschaft nichts zu thun gehabt, er wurde vor allem auf den Hauptfaktoreien zu Lyon, Lissabon und Antwerpen verwendet, revidierte auch die Faktoreien in Genf, Freiburg und Bern, war auch in Saragossa, Valencia auf den Stationen und hatte namentlich in Madeira und auf diesen vorgeschobensten Posten der Welserschen Besitzungen zu thun, so ungern er in diesen Landschaften war. In Venedig hatte er gelernt, das übrige Italien streifte er nur auf zwei Reisen; als Lehrling war er 1498 in der Compagnie Haus zu Mailand bei dem Faktor Anton Lauginger ^, „der sich in seiner Rechnung vterirrt hatte ** und an dem zum erstenmal der Siebzehnjährige seine Kunst erprobte, in die Handlungs- bücher Ordnung zu bringen.

In Italien ist die Gesellschaft seit 1478 thätig nachzuweisen. Bar- tholomäus Welser und Brüder standen damals schon in regelmäfsiger Verbindung mit den Corsini von Florenz und hatten Safran bei Bologna unterwegs^. Obwohl in Mailand längst bekannt, empfahl doch 1493 der Doge von Venedig die Vöhlinsche Gesellschaft an den Herzog*. Viel- leicht hängt das mit der Saumseligkeit der Vorsteher der herzoglichen Münze, die der Gesellschaft die Restzahlung auf geliefertes Silbererz nicht leisteten^, zusammen. Ihr Handel betraf alles, was einen Nutzen abzuwerfen versprach. Wie aus Lukas Rems Tagebuch hervorgeht, hat dieser mit Safran, Wolle, Kupfer, Blei, Zinnober, Quecksilber, Korn, flämischem Gewand, Spezereien, Öl, Wein, Elfenbein, Baumwolle, Feigen, Zucker, Pfeffer und den andern aus Indien eingeführten Waren gehandelt. Ahnlich mag auch ihr Handel in Venedig, Mailand und

» Häbler, Fugger 21.

' Städtechroniken 25, 278. Chronik des Wilhelm Rem. Lukas Rem, der die Annazion selbst besorgte, giebt den Anteil etwas höher an. Greiff S. 8 und Anm. 51 u. 52. Der Nutzen war nach Lukas Rem 150 ^/o, nach Gassarus 175 ^/o. Vgl. auch Hantzsch S. 7. Uff. Heyd 2, 522 ff.

« Vgl. Greiff, Hantzsch S. 10 f.

^ Wohl identisch mit Antonius Longhus. Urkunden Nr. 174.

» S. oben S. 592.

« Urkunden Nr. 71, 74 u. 124.

' Urkunden Nr. 172.

41*

g44 Fänfundfunfzigstes Kapitel.

Genua gewesen sein. Auf dem Po bei Piacenza wurden 1527 vier Kisten mit Seide und 22 Säcke mit Wolle von Soldaten weggenommen ^ Von Freiburg im Üchtlande brachten sie nach Venedig weifse Wolltücher *, in Bern, Solothurn und Biel beschwerten sich die Leute bitter darüber, dafs die Vöhlin das ganze Ledergewerbe an sich zögen und die besten Erzeugnisse nach der Lombardei schickten^. Woher das Zinn kam, das die Doria von ihrem Mailänder Faktor, Bernardus Meuting (Mayetinus), einem Augsburger, kauften, ist nicht angegeben^. Mehrere Nachrichten liegen über die Geldgeschäfte vor*. Wohl zu beachten ist, dafs auch sie zu den Campsores Homanam curiam sequentes gerechnet werden^.

Nach der Spaltung von 1517 begründete Jakob Welser in Nürnberg, wo er schon 1493 Faktor gewesen war, ein selbständiges Geschäft, das an dem soliden Warenhandel festhielt und Comptoirs in Genua, Mailand, Venedig und Aquila mit Rücksicht auf den Safranhandel besafs. Dann ging das Geschäft mehr und mehr zum Geldhandel über, um in ihm bedeutende Verluste zu erleiden^.

Die Augsburger Firma hat bis zu dem Bankerott von 1614 be- standen, der gleichfalls durch den Anteil an dem Geldhandel bedingt war. Eine Zeit lang hatten sich die Welser an erster Stelle neben den Fuggern behauptet. Die aufserord entlich engen Beziehungen zu Karl V. und den spanischen Kreisen haben dem Hause und den mit ihnen ver- bundenen Ehingem von Konstanz die Erwerbung Venezuelas ermöglicht Die Untersuchung Häblers® hat gezeigt, dafs gerade den Ehingem ein

» Urkunden Nr. 311.

« Urkunden Nr. 309.

> Eidgen. Abschiede 8, 2, 446.

^ Urkunden Nr. 179. Dieser Meuting lebte auch in Mailand. Chroniken deutscher Städte 25, 82.

* S. oben und Urkunden Nr. 174.

« Ehrenberg 1, 98.

' Vgl. über die Welser von 1517 an Ehrenberg 1, 197—211.

^ Weiser und Ehinger in Venezuela, Zeitschr. d. bist. Vereins f. Schwaben und Neuburg 21 (1894). Der Welser-Codex des britt. Museums zu London, Beil. d. Allg. Zeitung 1894 Nr. 285/6. Die Welser in Venezuela ebda. 1898 Nr. 285/6. Dalfinger ebda. 1895 Nr. 50. Hantzsch 16^49. Über die Ehinger kann ich einige neue Mit- teilungen machen. Die meisten Quellen nennen sie von Ulm, Heinrich Ehinger hat sich aber 1521, wie Ulrich Ehinger etwas später als Konstanzer bezeichnet. Als ihr Bruder wird auch Ambrosius genannt, der meist den Namen Dalfinger trfigt. In der Steuerliste von Konstanz 1520 steht Jerg und Margreth Ehinger mit 8000 U hl., Ulrich mit 1000 it hl. versteuert, wobei Grundbesitz und Fahrhabe nicht geschieden ist Nach Mitteilungen Leiroers erscheinen in den Stenerlisten u. a. Ulrich Ehinger, Hansen Sohn, 1514—1537 (1528—81 sicher aufser Landes), Jörg 1524—41, 1542—48 sind Beiträge versteuert für seinen »ledig geporenen «tm«. Herr Heinrich Ehinger erscheint 1525—1586, seit 1537 seine Witwe. 1519 war er Faktor der Welser in

St. Gallen, Schwaben, vor allem Memmingen und Ulm. 645

grofser Anteil an dem Unternehmen zukommt, das sich durch Kühnheit, durch Weite des Blickes auszeichnet; aber vom geschäftlichen Stand- punkte aus beurteilt blieb es ein Abenteuer. Die I^hinger und Welser haben keinen Gewinn davon gehabt. Erst die Nachwelt hat ihren Namen zu Ehren gebracht, weil sie die ersten überseeischen Kolonisatoren deutschen Blutes waren.

Von anderen Geschlechtern Memmingens linden wir einen Antonius Besserer, aus der in Ulm, Memmingen, Ravensburg, Leutkirch, auch in Konstanz verbreiteten Familie, der vielleicht mit Peter Stüdlin eine Ge- sellschaft hattet 1511 hatte Jörg Besserer von Memmingen eine Gesell- schaft-. Die eigentlich Leutkircher Familie Stüdlin war durch Handel sehr emporgekommen, bereits in den Landadel übergetreten, um erneut zum Handel zu greifen^. Peter Stüdlin trieb lebhafte Geschäfte nach Italien, doch war er 1511 Faktor der Welser- Vöhlin*. Auch die Familie Stebenhaber begegnet in Italien^.

Neben Memmingen erscheint auch noch eine andere allgäuischc Stadt, nämlich Kempten. Und zwar ist es ein Zweig der Familie Stüdlin, den wir in Lyon und Bologna thätig linden ®. Ein Jodokus Schedler aus Kempten war Faktor der Humpifsgesellschaft, wie Philipp Wiesland

Saragossa. Reichst agsakteu Jüngere Keihc 1, 220. Sie waren also Konstanzer Bürger ) ohne dort wohl ein Hausgesäfs zu haben. Der Stammbaum bei Bucelin, Oonstantia Hhenana Anh. S. 41 fuhrt als Kinder dos Jobann Ehinger zu Güttingen neben drei Töchtern sechs Söhne an: einen natürlichen Sebastian, Chorherren zu St. Stephan in Konstanz, dann Heinrich ff 1585), Ulrich, der als Rittor des Ordens von St. Jago und Rat Karls V. bezeichnet wird, den 1501 gestorbenen Gotthard, den zweimal vermählten Johann, und endlieh Georg, den Kämmerer Karls V., der bei seiner zweiten Reise nach Indien 1537 von einem Spanier ermordet sei. Die Angaben sind wohl nicht alle gleich gut. Sie hat Kiudler v. Knobloch 1, 287 übernommen. Die Schulthefssche Familienchronik in Konstanz (S. 101) läfst Gebhard und Sebastian beiseite, bezeichnet Heinrich als einen Geistlichen, stimmt aber im übrigen mit Bucelin überein. Die Angaben beweisen aber, dafs die Ehinger zu dem Konstanzer Geschlechte gehörten und nicht zum ITlmer, dafs ihr Vermögen aber nicht grofs genug war, um die Kolonisation von Venezuela durchzuführen. Von den an dem Unternehmen in Veneziiela Beteiligten ist somit Georg und Hein- rich als Konstanzer erwiesen, Ulrich stand indirekt damit in Verbindung, der rätsel- hafte Ambrosius Dalfinger ist nicht unterzubringen. Auch die anderen Führer der venezolanischen Unternehmung gehören meist unserem Gebiete an: die Ulmer Nikolaus Federmann und Sebastian Renz, Georg Hohermuth von Memmingen.

' Urkunden Nr. 75. 90 Anm. 1.

2 Urkunden Nr. 289.

" Baumann 2, 606.

* Urkunden Nr. ö9. 289.

^ Urkunden Nr. 71. Einen Bernardus Meier mit Gesellschaft kann ich im Allgäu nicht identifizieren. Urkunden Nr. 90.

« Oben S. 487 u. 592.

/

g46 Fünfundfünfzigstes Kapitel.

von Isny und später die Hinderofen von Wangen. Kempten und Isny erzeugten Leinwand, die wie die St. Galler bis Wien ging*.

Auffallend selten begegnen uns Kaufleute aus Lindau *. Der Verlust des dortigen Stadtarchivs ist sehr zu beklagen. So haben wir ein paar dürftige Angaben bei Vitoduran aus seiner Lindauer Zeit, in der er aller- hand über Venedig und Venetianer reden hörte. Damals blühte Lindau auf. 1402 finden wir Kaufleute von Lindau und Wangen in Burgund Handel treibend^. Jedenfalls liegt der Höhepunkt des Handels der Lindauer Bürger erst später.

Auch die andern Reichsstädte des Bodensees gewannen keine Be- deutung. Einen Bürger von Buchhorn habe ich überhaupt in der Fremde nicht gefunden, und von dem reichen mächtigen Überlingen begegnet luis nur in Barcelona ein Händler Jakob, der Korallen von hohem Werte besafs*.

Trotz seiner gewerblichen Betriebsamkeit, vor allem in der Barchent- weberei, tritt auch Biberach zurück, das am Handel mit Venedig sehwach beteiligt*, mir sonst in Italien überhaupt nicht begegnet ist, während es nach Lyon handelte^.

Die grofse Reichsstadt Ulm hat im fünfzehnten Jahrhundert die Zeit ihrer Blüte gehabt. Die Wollweberei war freilich mehr zurückgegangen, dafür hatte die Barchentweberei eine Bedeutung gewonnen wie in keiner anderen deutschen Stadt: Ulm war das deutsche Mailand^. Die Ver- fertigung von Golschen aus rohem, ungesottenem Leinengarn beschäftigte ebenfalls viele Webstühle. Und nicht allein die Stadt arbeitete, sondern auch auf dem Lande waren zahlreiche Gäuweber thätig, welche in schlechten Jahren sich ganz dem Landbau widmeten. Die Gäuweberei wurde deshalb von der Stadt begünstigt, während die Stadtweber ihre j Genossen vom Lande von der Ulmer Schau verdrängen wollten.

Der grofse Konsum von Baumwolle rief einen lebhaften Handel

hervor. Die Baumwolle wurde, da Ulm vor allem cyprische Baum-

I wolle von Famagusta verwendete, zumeist in Venedig gekauft, wo auch

1469 die Ulmer Weberzunft selbst einkaufte, jedoch habe ich 1375 auch

einen Ulmer in Mailand beim Baumwolleinkauf gefunden®.

' Archiv f. österr. Gesch. 14, 279.

2 Urkunden Nr. 126 und 1497. Zeit8chr.f.Ge8ch.Oberrh.5,412ff. Als Faktoren finden wir Lindaucr bei den Hundbifs und Besserem, vgl. Ur kund en Nr. 289, wie über- haupt die kleinen Städte Oberschwabens ziemlich viele Kaufmannsgehilfen stellten.

8 Baseler Urkb. 5, 316.

* Oben S. 545.

» Simonsfeld 2, 63.

« Oben S. 488.

^ Nach Fabri S. 47 wurden jährlich 9000 Stück erzeugt, nach S. 48 aber gar 60000 gebleicht

8 Urkunden Nr. 13

St. Gallen, Schwaben, vor allem Memmingen und Ulm. g47

Die Barchentweberei bot der Spekulation die besten Aussichten. Der Weber erhielt Rohstoff gegen die Ablieferung von Rohbarchent, trug also das Risiko der Wertschwankung des Rohstoffes. Diesen Roh- barchent kauften nicht allein Kaufleute auf, sondern auch Edle, Geist- liche, Patrizier, die sich sonst zu vornehm dünkten; nach der Bleiche und Fertigstellung veräufserten sie den Barchent wieder ^ Es entstand eine vollständige Bleichspekulation und ein Barchentwechselgeschäft Die Händler fanden für die Ware einen grofsen Markt: Ulmer Barchent ist in Lübeck, Antwerpen und Calais als marktgängige Ware bekannt ge- wesen ', und als der andalusische Ritter Peter Tafur nach Ulm kam, das in seiner Heimat „Oli^s" genannt wurde, war er froh, den Ursprungsort der „Barchente" zu sehen; die venetianischen Gesandten von 1492 sahen in der Güte der Bleichen an der Blau den Vorzug der Ulmer ^pigno- latU ^. Auch andere Gewerbe blühten in Ulm. Nach Fabri waren dort so viele Kartenmaler, dafs ihre Karten in Fässern nach Italien, Sizilien und zu den fernsten Inseln gingen^. Die Handelsbeziehungen von Ulm waren sehr ausgedehnt; so finden sich schon 1405 zwei Ulmer in Breslau^.

Von den vornehmen Geschlechtern waren die Ehinger und Besserer bei der Humpifsgesellschaft beteiligt, die Besserer bei den Vöhlin und Welsern®. Die Hauptrichtung des Ulmer Handels über die Alpen ging auf Venedig ^, doch war auch der Handel mit Mailand nicht unbeträcht- lich. Dafs ein Zweig der Ehinger sich von Mailand nannte, ist schon oben gesagt®, wo auch bereits einige der Namen genannt sind, die in Mailand erscheinen. Ein Hans der Lam parter war 1398 Bürger in Ulm**. Von den Geschlechtern hatten auch die Strölin und Nithart nach dem Steuerverzeichnis von 1427 bezw. 1497 Fardel bei sich liegen. Es ist also auch in Ulm noch wohl von den Geschlechtem Anteil am Handel genommen.

Am meisten werden in Mailand die Gienger und Scheler genannt, die am Ende des fünfzehnten Jahrhunderts offenbar zu den aufblühenden Familien gehörten*^; Martin Scheler führte aus Como die Sammetweberei

» Nübling, Baum Wollweberei S. 186 ff. Fabri S. 75. 121.

- Nübling in Oberamtsbeschreibung Ulm 2, 193. Vgl. auch Fabri 8. 146.

3 Tafur 268. Häbler S. 520. Simonsfeld, Gesandtenreise S. 260.

* Fabri 146.

^ Stadtarchiv Breslau Lib. sign. 29.

« S. oben S. 638 u. 641.

"^ Die Angaben bei Simonsfeld sind keineswegs vollständig.

^ Oben S. 574. Fabri läfst die Ehinger von Mailand einwandern S. 84.

^ Verhandl. d Ver. f. Kunst u. Altert, in Ulm und Oberschwaben 3, 64.

^^ Nach Fabri S. 120 waren die Gienger ursprünglich Müller, zu seiner Zeit gehörten sie zur Zunft der Kaufleute S. 135. 1427 zahlte jedoch schon Peter Leo V. Giengen eine Steuer von AA U \2 ß, 1497 die wittib 122 U, Matheus 45. 10 ,

548 Sechsundfunfzigstes Kapitel.

in Deutschland ein^ Eine Reihe von Namen anderer Ulmer gehören wenig oder gar nicht bekannten Familien an^. TSa scheinen also auch kleine Leute nach Mailand Handel getrieben zu haben. Der Verkehr nach der Lyoner Messe war, wie wir sahen, sehr lebhaft^.

Wenn ich nun noch zwei aus Schwäbisch -Gmünd stammende Händler, die in Como Wolle verkauften, Heinrich Lind und Peter Geist, nenne und erwähne, dafs aus Nördlingen Handel nach Genf getrieben wurde, ein Martin Suren auch auf dem Wege nach Italien erscheint*, ist mit Ausnahme von Augsburg Schwaben erschöpft. Das gesamte Nieder- schwaben aufser Gmünd fehlt somit ^. Die gleiche Lücke weist auch die Liste Simonsfeld für Venedig auf.

Sechsundfünfzigstes Kapitel.

Augsburg.

CJtarakter des Augsburger Hatideh. Die Fugger, Stammbaum, Die beiden Ltnün, Handel mit Italien, Die Fugger in Lissabon, Andere Augsburger,

Augsburgs Blüte beruhte nicht allein auf der ausgezeichneten Lage, auf dem regen Handel seiner Bewohner, sondern wiederum auf der innigen

( Verbindung von Handel und Gewerbe. In Augsburg war die Barchent- weberei sehr entwickelt, daneben auch die Metallgewerbe, wie es über- haupt sich, was die Geschicklichkeit seiner Handwerker anbetrifft, allein

1 mit Nürnberg vergleichen läfst. Für Augsburg ist besonders charakte- ristisch die Tendenz zur Bildung von grofsen Vermögen, die zu Speku- lationen verwendet werden. Hier zuerst ging man zur kapitalistischen

/ Ausbeutung der Bergwerke über und wenn man sagt, Augsburg war die Beherrscherin des Bergbaus nicht allein in der Alpenwelt, so charakteri- siert man am besten meine ich seine Eigenart. Die riesigen Er- folge des Bergbaus jener Tage schwellten die Vermögen der Augsburger Handelsherren.

Während wir bisher nur Gesellschaften kennen lernten, deren Leiter den Geschlechtern der betreflFenden Städte entstammten, zumeist auch die

Jakob alt 42 , Jeronimus 88. 10. , Jakob jung 17. 10. . Martin Scheler

zahlte 1497 2\ U 10 j^? Steuer.

> S. oben S. 582. 584.

« Val. Urkunden Nr. 136; Bertholdus Nr. 140; Tierlin 151. 156; Stadler 46; Royuus 116; Hei 110. Nur die Familie des Balthasar Fusinger Nr. 55 u. 79 ist aus der Steuerliste mir bekannt (1427: AU Fusingerin, irm Kind 5,4,6). Nach Bazing u. Veesenmeyer, Urkunden z Gesch. d. Pfarrkirche in Ulm S. 12 waren 1377 und 1379 die Fusinger angesehene Krämer.

« Oben 8. 487 f. 433.

* Vgl. oben S. 574 u. 384.

'* Ich sehe hier wie stets von den Faktoren ab, die z. T. aus kleinen Städten stammten, z. B. Urach, Mergentheim u. s. w.

9

u

Fugger.

Steiger.

Tochter.

Hartmann Steiger, 1379 erschlagen.

Claus, 1394.

ütz, Uli (Ulrich) Fugger,

1394 ermordet, ux.: Agnes.

i (seit 1473), EIS getrennt.

isinger, )5.

Chunrat,

1394.

Mehrere Söhne.

pueri Fugger, bis 1411.

Hans C.

Ulrich,

1441-_1510.

ux.: Yeronica

Lauginger.

Marcus, Peter,

1 1478 in Rom f 1473 als vom oder

Kapitel nicht 1479.

zugelassener Domherr

in Augsburg.

Greorg,

geb. 1453,

t 1506.

ux.: Regina

Imhof.

Jacob,

geb. 1459,

t 1525.

ux.: 1498

Sibylla Arzt.

Ohne

Kinder.

Barbara, Anna, Walburgj

mar.:

Conrad

Meuting.

mar.: Hector Mülich.

mar.:

Wilhelm

Rem.

Susanne,

mar.: 1516

Jörg von Stetten.

Marcus, Raimund,

Probtet vieler ux.: Katharina

Kirchen, Thurzo,

geb. 1488, 1489—1535. t 1511 zu Rom.

Regina,

mar.: 1512

Hans Baum.

gartner.

Anton,

ux.: Anna Rehlinger, 1493—1560.

Augsburg. 649

höchsten Ämter derselben bekleideten , sind die Augsburger Fugger aus den niederen Schichten emporgestiegen, ohne je am Stadtregimente einen nennenswerten Anteil gehabt zu haben. Ausgehend vom Handwerk, ver- lassen sie zuerst und am stärksten den Warenhandel, um das erste Bank- haus der damaligen Welt zu werden.

Im Jahre 1368 wanderte aus dem Dorfe Graben auf dem Lechfelde ein Barchentweber Fucker nach Augsburg ein, elf Jahre später erscheint sein Bruder. Jener erste war Ulrich, dieser zweite Hans ^ Ulrich wurde 1394 durch einen Bleicher ermordet und seine Linie verschwindet bald ^. Hans Fugger starb 1409 und da er schon eine ganz ansehnliche Steuer bezahlte, hat er gewifs nicht mehr das SchifFlein geworfen, sondern war wohl eher ein Händler^. Der Barchenthandel führte aber diejenigen, welche den Rohstoff und die Ware mit dem gröfsten Nutzen erwerben bez. veräufsern wollten, weit hinaus. Dafs ein Handelsgeschäft bestand, folgt auch daraus, dafs noch 1434 die Mutter versteuerte, noch 1448 sich die beiden Brüder nicht getrennt hatten*. 1455 aber zahlten sie ihre Steuern gesondert*. Ich zweifle nicht, dafs bis dahin eine Oeschäftsteilung nicht erfolgt war. Und von vornherein erscheinen die Fugger mit so hohen Beträgen, dafs sie z. B. schon damals mit den Weisem gleich standen. Der Reichtum der Fugger ist älter begründet, als man bisher glaubte. Von da ab gingen die Linien dauernd auseinander. Die ältere Linie erhielt 1462 vom Kaiser das Wappen, nach dem sie die Fugger vom Reh genannt wurden. Der jüngeren Linie ist die Tradition der älteren wenig günstig. Vielleicht sind übrigens die Fugger von der Lilie die ältere Linie, wenigstens blieben sie im Besitze des Stammhauses. Andreas vom Reh, so sagt die Chronik, sei ein hoff^rtiger, übermütiger Mensch gewesen, der sich durch glücklichen Handel ein bedeutendes Ver- mögen erworben habe, so dafs man ihn im Gegensatze zu seinem Bruder Jakob den „reichen Fugger" genannt habe. Die Erinnerung war gewifs nicht getreu; denn 1455 versteuerte Andreas weniger wie Jakob und

^ Vgl. meine Angabeu in dem Artikel : Neues über die Anfange der Fugger in Beil. z. AUgem. Zeitung 1900 Nr. 118. Ich stütze mich vor allem auf die früher nicht benutzten Steuerbücher, das beste und solideste Material. Ich habe im folgenden von allen Nachrichten der Familienüberlieferung, wie sie durch die Chronik des Hans Jakob Fugger begründet wurde, Umgang genommen, wenn sie sich nicht fest und sicher dem sonst Gewonnenen einfügen lassen.

^ Das ergiebt sich abweichend von dem bisher Bekannten aus dem Acht- buche 1894 S. 35<^ Danach auch die Angaben des Stammbaumes.

^ Man hat bisher die Steuerbücher heranzuziehen versäumt. Hans Fucker zahlt 1398: 88V2 fl., 1403: 13 fl. 11 ^ 1 ^, 1408: 16 fl. 2 «.

* Fuckerin 1418: 27 fl., 1428: 17 »/s fl., 1434: 20 fl. 15 gr. Andreas Fugger et frater 1441: 30 fl. 1 ort. 1448: 45 fl. 8V9 gr.

^ Andreas 18V'a fl., Jakob 23 fl. 17 gr 6 ^, 1448: 48 fl.

350 Sechsundfunfzigstes Kapitel.

ebenso 1462 seine Witwe ^ Seit 1472 erscheint selbständig neben der Mutter Lukas, 1479 auch Jakob, 1480 Matthäus. Johannes, der nach der Familienchronik „valiert hat und auf St. Annaberg wohnen müssen," war nach Nürnberg gezogen, wo er 1495 Safranschauer wurde; den seiner Augsburger Vettern sollte er jedoch nicht schauen, 1499 gab er sein Bürgerrecht in Augsburg auf, wo sich seine Familie nicht länger ver- folgen läfst^.

Lukas und Matthäus Fugger vom Reh waren in Mailand um 1470 sehr angesehene Kaufleute, es sind schon früher die italienischen Be- ziehungen der Fugger vom Reh ausreichend besprochen. Lukas war 1 487 in seiner Heimat noch so angesehen, dafs, als die Stadt ihre Kauf- leute wegen der gefährlichen Läufe von der Frankfurter Messe abberief, sie den Befehl an Hieronymus Welser und Lukas schickte^. Den Zu- sammenbruch knüpft die Chronik an die Weigerung der Schuldzahlung der Stadt Löwen. Diese Angaben sind mindestens unvollständig. Der Bankerott brach im Jahre 1494 in Venedig aus, wo Lukas seinen Kredit aufs äufserste angespannt hatte. Er und sein Sohn Markus und ein be- teiligter Sensal flohen und erst 1499 kam ein Vergleich zu Stande*. Dieser Sturz rifs die ganze Linie der Fugger vom Reh mit ins Ver- derben, sie haben offenbar eine Gesellschaft für sich gebildet. Im Jahre 1491 zahlten die Fugger vom Reh an Steuern zusanmien 164 fl. 17 gr. 34 /^ , der gröfste Betrag 93 fl. fiel auf Lukas , 41 auf seinen Bruder Jakob. Im gleichen Jahre zahlte aber die andere Linie schon 335 fl. Von 1493 an haben die Glieder dieser Linie ihre geringen Steuern nur sehr unregelmäfsig bezahlt. Ihr Ruin war ein definitiver.

Der Stammvater der anderen Linie, Jakob, starb schon 1468, seine Frau, die Tochter des Münzmeisters Franz Basinger, lebte aber noch 1495. Der Schwiegervater hatte zwar 1444 seine Zahlungen einstellen müssen', doch wurde er wieder Münzmeister in Hall in Tirol und er ist es wohl gewesen, der dem Fuggerschen Handel die entscheidende Richtung gab; denn im Jahre 1448 erscheinen die Fugger als Gewerken bei dem Bergbaue von Schwaz®, also in einer Zeit, da sich die Brüder noch nicht getrennt hatten. Wenn bis dahin der solide Warenhandel das

' 1462 Jakob: 122 Va fl., Andreas Fuckerin: 81 fl. 32 gr.

- Anzeiger f. Kunde der deutschen Vorzeit N. F. 10 (1863) S. 47 ff.

^ Stadtarchiv Augsburg Missivbücher.

^ Simons feld 1 Nr. 594. 603. 604 u. 606. Auch sei daraufhingewiesen, dafs unmittelbar vorher der mit Lukas verwandte Heinrich Stammler Bankerott gemacht hatte. Nr. 591. 592.

^ Nach B. Zink (Chroniken deutscher Städte 5, 99) und der anonymen Chronik (Chroniken deutscher Städte 22, 491), vgl. auch die Anm. zu B. Zink a. a. O., war er Goldschmied, aber zugleich auch Spekulant.

* V. Isser-Gaudenthurm in der Zeitschr. des Ferdinandeums 37, 147.

Augsburg. 651

einzige Ziel deutscher Geschäfte gewesen war, begann um diese Zeit die Verbindung mit dem Bergbau auf Edelmetalle , daraus erwuchs der Lieferungsverkehr mit den Münzen, der Abschlufs von Anleihen und damit das Bankgeschäft überhaupt. Wir wissen, dafs auch andere Augs- burger Häuser sich damals energisch auf den Bergbau verlegten. Über den Anteil der Fugger vom Reh am Bergbau im Mailändischen ist schon oben gesprochen^; noch mehr wandten sich die Fugger von der Lilie, } wie man sie nach dem 1473 verliehenen Wappen nennt, diesem Geschäfte v zu. Im Jahre 1487 machte Jakob (U) Fugger mit dem Genuesen Antonio de Carallis dem Erzherzoge Sigmund von Tirol eine bedeutende durch die Silberausbeute verbürgte Anleihe. Sie begannen bald in Tirol und Kärnten einen ausgedehnten Bergbau ^, ebenso hatten sie seit 1489 Anteil an den Bergwerken zu Rauris, Gastein u. s. w. in den Tauren ^. 1495 wurde von ihnen in Gemeinschaft mit der ungarischen Familie der Thurzo der Bau der Kupferbergwerke in Neusohl übernommen, die sich zu grofser Ausdehnung entwickelten. Schon 1498, 1499 konnten die Fugger mit andern Augsburgern Syndikate zur Beherrschung des Kupfermarktes bilden. Die Geschichte der Fugger ist nun besonders dadurch charakterisiert, dafs die Gesellschaft, welche sie bildeten, un- zerteilt zusammen blieb und nicht wie die andern Gesellschaften auch fremdes Blut in sich aufnahm. Es wurde so die Absicht erreicht, dafs der Fuggersche Handel bedingungslos nur ein solcher blieb*. Die andern Gesellschaften haben ferner nicht allein sehr bald Ritter, die Männer der reichen Töchter, als Mitteilhaber gehabt, sie konnten auch nicht verhindern, dafs den reichsten Gliedern der Handel mifsfiel und sie sich auf das Land zurückzogen. Dieser Gefahr wufsten die Fugger zu begegnen, sie liefsen solche Elemente in der Gesellschaft nicht auf- kommen. Bei den Geschlechtern war die Versuchung grofs, sich dem Turniere zu widmen. Die Fugger aber waren durch ihre Zugehörigkeit ' zu den Zünften ausgeschlossen. Für sie war diese Welt verschlossen. Trotz ihres Reichtums hat niemals ein Fugger von der Gilgen vor den Söhnen Georgs die Hand einer Patriziertochter begehrt*. Sie hielten auch nach ihrer Erhebung in den Grafenstand an dem bürgerlich- kaufmännischen Gewerbe fest und erkoren den Fähigsten unter sich \

> S. oben S. 572. ^

^ Dobel, Über den Bergbau und Handel des Jacob und Auton Fugger in Kärnten und Tirol (1495—1560). Zeitschr. d. bist. Vereins f. Schwaben und Neu- burg 9, 198—213.

' Dobel, Der Fugger Bergbau und Handel in Ungarn, ebda. 6, 85 Anm. 2.

* Ehrenberg 1, 88.

^ Ehrenberg irrt, wenn er die Stammmutter derer vom Reh für eine Patri- zierin hält.

652

Secbsundfunfzigstes Kapitel.

zum Regierer der Gesellschaft; erst Jakob 11, dann Anton. Ganz ist das Prinzip des Ausschlusses fremden Blutes nicht inne gehalten ; es war bisher nicht bekannt, dafs Ulrich, Jörg und Jakob Fugger bis 1486 mit einem Nürnberger Bürger Hans Kramer eine Gesellschaft bildeten, deren Kapital übrigens nicht ganz 5000 fl. umfafste* und Georg Fugger war 1487 mit dem Nürnberger Kilian Awer associiert*. Georg war 1488 und selbst noch 1492 in Nürnberg wohnhaft, in den Augsburger Steuerlisten erscheint er seit 1488. Die Gesellschaftsverträge von 1494® und 1502 geben als Teilhaber nur die drei Brüder an und seitdem blieb die Gesellschaft streng eine Familiengesellschaft. Jakob Fuggers Witwe be- hielt das Vermögen den Steuerlisten nach zu urteilen sehr lange zusammen. Ihr Sohn Ulrich wurde 39 Jahre alt, ehe er (1480) in den Steuerlisten erscheint. Die drei Brüder hatten glänzende Erfolge in dem Geschäfte ihrer Mutter. Um das zu überblicken, habe ich nach den von BufF mitgeteilten schwankenden Steuersätzen alle Steuern auf den- selben Fufs umgerechnet und teile in der nachstehenden Tabelle aUe Änderungen in der Höhe derselben mit. Nach dem Normalsatze hätte sie also betragen:

Mutter

Ulrich

Jörg

Jakob

Zusammen

1475

80

80

1480

100

51

151

1486

100

93

193

1488

132

93

8

40

273

1489

132

93

60

40

325

1490

132

93

70

40

335

1492

132

100

75

40

347

1493

160

170

75

120

525

1495

160

170

140

120

590

1497

160

142Va

140

120

562V,

1499

?

142»/8

140

160

?

1500

230

228

190

182

830

1501

230

225

190

182

827

1504

251

1000

1251

1513

2062

2062

1516

2400

2400

Diese letzte Steuer beruhte auf einem festen Vertrage. Das Ver- mögen stieg diesen Steuerbeträgen nach von 1475 bis 1500 um 1037 ®/o,

' Urkunden Nr. 394. Ich erinnere übrigens daran, dafs Burkhard Zink 1419 bei einem reichen Händler Faktor wurde, namens Jos Kramer, der vor allem mit Barchent nach Venedig, Frankfurt und Nürnberg handelte. Chroniken deutscher Städte 5, 128. Dieser Jos Kramer zahlte 1428 16 fl. 10 gr., der Münzmeister Basinger 17 fl. 10 gr., die alte Fuggerin aber auch schon 17 Vi fl. Steuer.

2 Mitteil. Vereins Nürnberg 8, 2:38.

* Fürstl. Fuggersches Archiv.

Augsburg. 663

also jährlich um 39,9 <>o, von 1500 bis 1513 um 248 ^'o, also jährlich um 19,1 ^0. Den ausgezeichneten Forschungen Ehrenbergs verdanken wir auch für das Geschäftskapital sichere Angaben. Von 196 791 fl. im Jahre 1511 stieg es bis 1527 auf 2021202 fl., es lag also ein Gewinn von 927^,0 oder durchschnittlich 54*/2'^/o für das Jahr vor^

Wie die Fugger mit dem Hause Habsburg zu einer Weltmacht heranwuchsen, wie sie die Bankiers Maximilians wiCren und seine Kriege ermöglichten, wie er bei dem Versuche, Papst zu werden, sich auf sie stützen wollte, wie sie durch ihr Geld Karls V. Kaiserwahl er- möglichten und durch die Pachtung der Maestrazgos auch die Haupt- gläubiger der spanischen Krone wurdlen, gehört nicht hierher. Diese Aufgabe ist von Ehrenberg und Häbler^ bereits gelöst. Ich habe nur kurz ihrer italienischen Faktoreien zu gedenken.

In Rom bestand eine solche schon mindestens 1499; 1509 zahlte der Faktor der Fugger 200 Dukaten flir den Neubau des deutschen Hospizes B. M. V. de Anima^, aber schon 1490 wandte sich die Stadt Nürnberg an Georg Fugger, er möge in Rom ihre Bitte um einen Ablafs für das neue Spital zum hl. Geiste unterstützen, und schon 1487 vermittelte der- selbe Ablafögelder von Breslau nach Rom *. Mit der Kurie selbst wie mit den einzelnen KirchenfUrsten machten sie grofse Geldgeschäfte. Und sie rückten zusammen mit den Welsern in die Stellung ein, welche 200 Jahre vorher die Florentiner Bankiers an der Kurie fast allein behauptet hatten. Bei ihnen deponierten und von ihnen entliehen die Päpste Gelder, sie pachteten päpstliche Einnahmen und lieferten die von auswärts ein- gehenden Gelder der cathera ein. Dem Konklave zur Wahl Pius' UI. liehen ^Heinricus Fucher ei frairest 2570 Golddukaten gegen Verpfandung von silbernen Gefäfsen, sie waren auch die Bankiers vieler Kardinäle '^. ) Auch darin glichen sie den Florentiner Bankiers, dafs sie den Prälaten die Mittel vorschössen, um in Rom die hohen Abgaben bei der Be-

» Ehrenberg 1, 119.

^ Die Fuggersche Handlung.

* »Banchxis ülrici Fuggeri et fratrum mercatorum Romanam curiam sequentiuni' JohanniB Burchardi Diarium ed. Thuasne 2, 574. Nagl u. Lang 71.

* Nürnberg, Stadtarchiv, Briefbuch 41 Fol. 183. Die Urkunde Nr. 115 ist viel- leicht hierher zu beziehen. Sie redet von Hernico Fucato mercatori Alamanno. Fucatns ist vielleicht eher Vogt, Henricus heifst Ulrich Fugger aber merkwürdigerweise auch in den venetianischen Urkunden Nr. 562 u. 568 bei Simonsfeld. Zu 1487 vgl. Mitteil. Ver. Nürnberg 8, 288.

^ Einzelne Angaben bei Ehrenberg 1, 98. Häbler, Die Stellung der Fugger lum Kirchenstreite des sechzehnten Jahrhunderts (Hist. Vierte Ijahrsschrift 1, 477) und was Gottlob im Hist. Jahrbuch 19, 117 aus seinen römischen Samm- lungen mitgeteilt hat. Aus den römischen Quellen wird einst das alles viel deut- licher werden.

g54 Sechsundfunfeigstes Kapitel.

stätigung entrichten zu können. So erhielt der Erzbischof Albrecht von Mainz von den Fuggern 21000 Dukaten vorgestreckt, und um diese Summe ersetzen zu können , bewarb er sich bei Papst Leo X. um das General-Kommissariat für den vom Papste ausgeschriebenen Ablafs, er erhielt es gegen die Zahlung von weiteren 10000 Dukaten und so reiste ein Vertreter der Fugger mit dem Ablafsprediger Tetzel umher, der den einen Schlüssel des Kastens hattet Von dem Ertrag ging durch den Andreas Mattstedt, den Faktor der Fugger in Leipzig, die Hälfte nach Rom an den dortigen Faktor Engelbert Schauer, der sie der Kurie aus- händigte, wie die römische Faktorei auch die Hälfte der Ablafsgelder des Konsttinzer Domablasses und des für die Dominikanerkirche in Augsburg abgeliefert hatte*. Die andere Hälfte wurde von den Fuggern zur Amortisation der Schuld des Erzbischofs behalten. Es war ein Geld- geschäft sehr ähnlich dem, das einst die Florentiner gemacht hatten und doch mit einem sehr deutlichen Unterschiede. Damals handelte es sich um eine Besteuerung des Klerus, um ein rechtlich klares und deutliches Vorgehen, hier aber waren Geldgeschäfte mit einer geistlichen Amts- handlung verbunden und man wandte sich an das Volk und die breiten Massen, die von dem Zusammenhange zunächst keine Ahnung hatten. Den Fuggern darf man keinen Vorwurf machen, sie handelten so wie alle andern Kaufleute in gleicher Lage auch vorgegangen wären. Der Ablafs von 1517 gab den Anstofs zur Reformation.

Die Faktorei in Venedig, auf der auch Jakob die Kaufmannschaft lernte, nachdem zwei seiner Brüder dort schon gestorben waren, ist uns genauer bekannt. Sie verfügte seit 1489 über eine für inmier eingeräumte Kammer im Fondaco und, wenn hier der Bankerott von Lukas (1494) den Fuggerschen Namen auch tief herabsetzte, so war die andere Linie bald unzweifelhaft die erste führende Firma. Dorthin verbrachten sie grofse Quantitäten Kupfer und der Venetianer Marino Sanuto nennt keine Firma in seinen Diarien annähernd so oft^. Die Fuggersche Familie besitzt heute noch ein Kästchen von 1507, das zum Einordnen der Briefe diente. Aufser schwäbischen Städten und Antwerpen tragen die Laden die Aufschrift: Bolantzia docet, Fhrenfsa bella, Vönetia ricca. Auffallender- weise hatten nach der Bilanz von 1527 die Fugger in Italien nur Faktoreien in Rom und Venedig; Mailand und Genua, auch Lyon auf französischem Boden fühlten sich die Fugger nicht sicher fehlten. Es ist das jedoch nicht immer so gewesen, wenn auch die Fugger von der Gilgen dieses Gebiet weniger kultivierten, wie es einst die Fugger

» Ehrenberg 1, 98 f.

« Vgl. Paulus, Johann Tetzel S. 28 Anm. 1.

' Vgl. Simonsfeld 2, 61 und Ehrenberg.

Augsburg. 655

vom Reh gethan hatten. 1490 erhielt Enricus (also wohl Ulrich) Fugger einen Pafsbrief auf ein Jahr *, eine Prokura für Amand Klingler von Urach, Mai 1502 ausgestellt, hat sich in Mailand erhalten'. Wir erfahren auch, dafs die Fugger der Münze von Mailand namhafte Summen von Silbererz zugeführt haben®.

Jakob Fugger hatte den altüblichen Handel mit „Spezerei, Wolle, Seide und den daraus gemachten Stoffen", wie uns Hans Jakob Fugger in seinem 1546 verfafsten Geheimen Ehrenbuch berichtet, mehr und mehr verlassen und sich auf den Geldhandel und die Bergwerke verlegt. Fir hat aber keineswegs den alten Handel völlig aufgegeben. Wir wissen, dafs die Faktorei in Antwerpen zunächst wesentlich dem Handel mit den Gewürzen diente, die durch die Portugiesen von Indien nach Lissabon gebracht wurden*. Den Einkauf von Spezereien und den Verkauf von Kupfer nach dem Orient verfolgte die Faktorei, welche die Fiigger 1501 in Genua errichteten. Da Venedig mit den Türken im Kriege lag, war dies der bequemste Hafen. Vier deutsche Gesellschaften richteten sich dort ein und die Venetianer befürchteten, dals sie zu Schiff von dort in die Levante fahren würden, und so stark war der Umsatz, dafs Genua dabei in zwei Jahren 300 000 Dukaten gewann •. Die Konkurrenz Genuas wurde den Venetianern nachgerade fühlbar.

Doch auch in Lissabon erschienen die Fugger auf dem Markte, an dem Schiffsunternehmen von 1505 hatten sie zwar nur einen kleineren Anteil, als die Welser- Vöhlin. Aber auch sonst erwarben sie dort bei den grofsen Verkäufen, die die portugiesische Krone veranstaltete, er- hebliche Quantitäten Pfeffer. 50 Sack wurden ihnen 1511 auf dem Mittelmeere weggenommen® und später konnte der kaiserliche Agent den Vorschlag machen, der König solle die Aussteuer der Prinzessin Isa- bella, die Karl V. bestimmt war, in Pfeffer an die Fugger bezahlen^. An dem Unternehmen der spanischen Krone auf dem Wege, den Magel- haes gefunden hatte, um das Südkap Amerikas herum Gewürze aus Indien zu holen, beteiligten sich die Fugger mit 10000 Dukaten®. In dieser Zeit war ein Faktor in Mailand wohl unentbehrlich, wenn ich

' Urkunden Nr. 74. Die Verwechslung Henricus statt Ulricus findet sich auch in den römischen Quellen, die Gottlob benutzt, und in den Venetianern.

•-« Urkunden Nr. 186.

^ Urkunden Nr. 178.

* Ehrenberg 1, 96.

'^ Marino Sanuto, Diarii 4, 28.

« Urkunden Nr. 177.

^ Häbler, Gewürzhandel S. 34 f. Vgl. eine genaue Darstellung des ganzen Handels auf der pjrenäischen Halbinsel bei Häbler, Fuggersche Handlung in Spanien.

8Häbler36. Hantzsch S. 7 f.

656 Siebenundfünfzigstes Kapitel.

auch nur den aus Burghausen stammenden Wolfgang Moringer nachweisen kann \

Wir nehmen damit Abschied von den Fuggern, dem gröfsten Kauf- hause jener Zeit, das eine Macht besafs, wie es bis in das neunzehnte Jahrhundert hinein kein anderes Geschäft wieder hat erringen können. Man kann ihre Stellung nicht als ein Geschenk des Glückes bezeichnen, sie war erarbeitet von einer Familie, die alle nicht kaufmännisch ver- anlagten Elemente viel länger niederzuhalten vermochte, als die meisten Geschlechter, die Wohlstand und Reichtum erwarben.

Die Namen anderer Äugsburger, die im Handel mit Westitalien standen, sind schon früher genannt^. Ist ihre Zahl auch nicht grofs, so darf doch kein Zweifel sein, dafs bei der Vielseitigkeit des Augsburger Handels auch die andern grofsen Gesellschaften in Italien arbeiteten: die Adler, Baumgartner, Höchstetter, Herwart, Gossembrot. Bei jener portugiesischen Unternehmung waren aufser den Fuggern und Weisem die Höchstetter mit 4000 und die Gossembrot mit 3000 Dukaten be- teiligt^. Die Hauptverbindung von Augsburg war im Mittelalter jedoch die mit Venedig.

Siebenundfünfzigstes Kapitel. Nfimber^, fränkische Städte.

Gründe der Handehblüie : Lage^ Getcerhefleifs, besonders MeUülgetcerbe ^ ZoU- freiheiten, Eichiimgen des Handels. Genf- Lyon- Spanien -Italien, Fremde in NUm- bery. Die Geschlechter verharren in der Kaufmannschaß, Boihenburg-Windsheimj Schtcäbisch'HaU,

Die grofse ostfränkische Handelsstadt Nürnberg verdankt drei Gründen ihre Blüte, zunächst der ausgezeichneten Lage an der Stelle, wo der Verkehr vom Mittelrheine zur Donau sich mit dem aus der Pforte zwischen Böhmen und dem Thüringer Walde kommenden kreuzte. In unfruchtbarer Gegend gelegen hat Nürnberg sich schon früh zu einem wichtigen Handelsplatze erhoben.

Doch mehr noch nützte ihm der hochentwickelte Gewerbefleils. In seinen Mauern war die Differenzierung der Handwerke, die Berufsteilung ¥^ohl am allerwei testen auf deutschem Boden durchgeführt und unbedingt waren die Angehörigen der Metallgewerbe in ihren Leistungen allen andern deutschen Städten überlegen, da gab es nicht allein die Einteilung nach den zu verarbeitenden Metallen, sondern auch nach dem Einzelobjekte :

» Urkunden Nr. 177.

2 Vgl. Register und besonders oben S. 571 f.

3 Chroniken deutscher Städte 25, 278.

Nürnberg, fränkische Städte. 657

hier gab es Scherm esserer , Sensenschmiede, Gabelschmiede, Zirkel- schmiede, Kettenschmiedc. Dann unter den Waffenschmieden : Hamisch- macher, Panzerhemdmacher, Haubenschmiede, Klingenschmiede, Schwert- feger u. s. w. Der Erfindungsgeist der Nürnberger machte sich früh geltend und man kann geradezu sagen, dafs die grofsen Fortschritte, die wir Nürnberg verdanken, fast ohne Ausnahme auf diese technische Überlegenheit seiner Metallarbeiter zurückgehen. In Nürnberg ist wahr- scheinlich die Drahtzieherei erfunden^ und Tausende von technischen Entdeckungen wurden hier gemacht. Die Geschicklichkeit seiner Metall- arbeiter gipfelte in den Erzgiefsern wie Vischer und Lawenwolf. In der Zunftrevolution von 1348 waren die WaflFenschmiede die Führer^; sie vertraten hier die Stelle, die anderswo die Weber einnahmen. Nieder- geworfen zogen sie zum Teil in die Fremde, so lebte in Strafsburg und Freiburg i. Br. der Nürnberger Helmschmied Cunzo^. Die Nürnberger Panzerhemden waren so berühmt, dafs der andalusische Ritter Peter Tafur sie als das auch in Spanien bekannte Produkt des Nürnberger Gewerbe- fleifses anführt*. Seit dem vierzehnten Jahrhundert sammelt sich in Nürnberg die Harnischerzeugung, wenn sie auch erst seit 1480 eine über- mächtige Konkurrenz macht. Es rang mit der hohen künstlerischen Aus- schmückung von Augsburg und der seit 1460 von Erzherzog Sigmund geförderten Innsbrucker WafFenindustrie. Neben den Waffenschmieden arbeiteten für die Ausfuhr vor allem die Beckschmiede, die Verfertiger von Messingbecken, die einen wichtigen Ausfuhrartikel ausmachten. Und dann gab es äufserst thätige Zinngiefser und geschickte Kupfertreiber, daneben eine Schaar von Kunstschmieden und Schlossern. Am deutlichsten tritt uns die Bedeutung der Waffenschmiede und Metallarbeiter aus dem Handwerkerverzeichnis von 1363 entgegen. Da zähle ich an Metall- arbeitsmeistern 318 imter 1217 Handwerksmeistern überhaupt^. Nürn- bergs Metallgewerbe deckte nicht allein den Bedarf des Stadtbezirkes, sondern konnte eben infolge der Berufsteilung und der technischen Über- legenheit weithin Konkurrenz machen. Der Nürnberger wurde mit jeder Zunahme des Metallgewerbes noch mehr gezwungen, sich an das Ausland zu wenden. Zinn, Blei, Kupfer, Eisen waren aus der Ferne zu be- schaflFen, da die kleinen Eisengruben der Nachbarschaft und der Ober- pfalz, wo Amberg vortreffliche Bleche erzeugte, den Bedarf an Eisen nicht deckten. Es fand sich da auch Kupfer, Gold und Silber, aber

' Beck) Geschichte des Eisens 1, 889.

^ Chroniken deutscher Städte 3, 321.

3 Strafsb. Urkb. 7 Nr. 709. 1096 u. 1216.

* Tafur 269. Häbler S. 521.

^ Chroniken deutscher Städte 2, 507 f.

Schult«, Gesch. d. mitUUlterl. Hand«!«. 42

g58 Siebenundfünfzigstes Kapitel.

(loch nicht in reichem Mafse. Die Rohstoffe mufsten importiert und die Waren exportiert werden.

Zu der Ausdehnung des Nürnberger Handels trug aber noch ein dritter Grund bei. Wohl h<iben auch andere Städte von den deutschen Königen Zollbefreiungen in bestimmten Orten erhalten, aber sie be- schränken sich meist auf einzelne Zollstätten, gerieten nicht selten in . Vergessenheit oder wurden, wenn sie allgemein waren, nicht beachtet. So haben weder Hagenau noch Gelnhausen ihre allgemeine Zollfreiheit durchsetzen können^. Die Stadt Nürnberg hat das zu einem förmlichen System ausgebaut. Wir haben eine ganze Reihe von Urkunden, wo das Gebiet der Befreiungen sich erweitert, und durch kleine jährliche Ab- gaben sorgte die Stadt dafür, dafs das Recht nicht in Vergessenheit kam. Die älteste Angabe über eine solche Befreiung geht bereits ins Jahr 1112^ zurück und das Verzeichnis von 1332® zählt nicht weniger als 69 Orte auf und dazu das ganze Königreich Arelat. Stellt man sich nun die Orte nach Landschaften zusammen, so findet man, dafs Schwaben fast völlig fehlt. Im Norden desselben beginnt die Grenzkette der zollfreien Orte mit Strafsburg, Hagenau, Wimpfen, Heilbronn, Würzburg, München. Nördlich dieser Kette sind namentlich eine Menge niederrheinischer, loth- ringischer, brabantischer und flandrischer Zölle aufgeführt*. Eigen- tümlicherweise ist die Zollfreiheit sehr ausgedehnt im Gebiete des alten Burgund: Bern, Murten, Solothurn sind die östlichsten Plätze. Das weite Schwabenland und die nächst anstofsenden Gebiete kannten demnach 1332 die Zollfreiheit der Nürnberger nicht: nur Schwyz wird eigen- tümlicherweise aufgezählt. Die Vorrechte auf den Messen zu Nörd- lingen und Donauwörth sind schon von Friedrich II. 1219 gegeben ^ wurden aber 1332 nicht erwähnt. Zollfreiheit hatte aber auch Friedrich IL nicht gewährt. Im weseatlichen gehen diese Zollbefreiungen auf könig- liche Privilegien zurück, schon 1163 mufs Nürnberg aber an vielen Orten dieses Recht besessen haben®. Da die Zollbefreiung der Nürnberger in einer Stadt stets auch den Bürgern dieser dasselbe Recht zugestand, war es rechtlich möghch, das Verhältnis auch durch Verträge zu begründen und solche wurden mit Bern, Schwäbisch-Gmünd und St. Gallen ab-

' 1164 für Hagenau, 1170 für Gelnhausen. Hess. ürkb. Abt. II Bd. II Nr. 35:1

^ Stumpf 3091. Boos, Wormser Urkb. 1, 52.

^ Chroniken deutscher Städte 1, 222 f. Andere Verzeichnisse ebda. 1,93. Vgl. über Nürnbergs Zollfreiheit vor allem Roth 4, 9flP.; v. Murr, Urkunden d. vor- nehmsten Orte und Mummenhoff, Altnürnberg S. 37 45.

* Für die Niederlande vgl. die wichtige Urkunde von 1311. Hans. Urkb. 3, 585. Vgl. auch M u m m e n h o ff 40 f.

^ V. Murr 9.

ö Vgl. die Urkunde Friedrichs I. 1163 März 10. Stumpf 3977. v. Murr 6.

Nürnberg, fränkische Städte. 359

geschlossen^. Überall aber wachten die Nürnberger eifersüchtig, dafs ihr Privileg nicht in Abgang komme. Und auch sonst erfreute sich Nürnberg der Wahrung seiner Zollinteressen ; so wurden die Nürnberger von neuen Zöllen ausgenommen, so in Basel ^. Auch einzelne schwäbische Städte haben ähnliche Zollbefreiungen errungen so befreite Karl FV. 1349 Augsburg in den oberdeutschen Reichsstädten und umgekehrt^ und Nördlingen erhielt die Erlaubnis Verträge abzuschliefsen * aber wohl keine deutsche Stadt hat ein so ausgedehntes Recht nicht allein besessen, sondern behauptet. Die landesherrlichen Zölle waren freilich zu ent- richten, aber sehr stark war durch das Sydtem des Freihandels die Zoll- ausbeutung zu Gunsten von Nürnberg und Augsburg durchbrochen. Lombardische Waren hatten in Nürnberg aber nicht etwa Zollfreiheit, der Zoll auf sie wird geradezu als ein besonderer Teil des Pfundzolles aufgeführt*.

Wenn ich hier nun noch einmal alle schon früher erwähnten Nürn- berger Kaufleute und Händler, die in dem von uns behandelten Gebiete auftauchen, aufführen wollte, so würde das Verzeichnis freilich nicht ent- fernt den Umfang dessen erreichen, das Simonsfeld für Venedig auf- stellen konnte, wo ja die Nürnberger wohl die am stärksten vertretene Stadt waren. Der Nürnberger Handel dehnte sich allseitig, wenn auch nicht gleichmäfsig aus. Schon in den Tagen Ulmann Stromers erreichte er Krakau, das Schwarze Meer, Genua, Katalonien und Brügge. Ein Ausmafs der Frequenz giebt in etwa die Zusammenstellung der Orte, an denen reisende Kaufleute nach Stromer starben, in erster Linie steht darunter Venedig®. Regiomontan, der Begründer der Erdkunde, suchte Nürnberg nicht wegen seiner Gelehrten auf, sondern weil es wegen der Fahrten seiner Kaufleute gleichsam als das Centrum Europas angesehen werden konnte ''. Auch fand er nur hier Feinmechaniker für astronomische Instrumente. Die Richtung nach Katalonien® wurde später noch weiter geführt, es ist ja bekannt, wie die Behaims nach Portugal handelten und Martin Behaim seine geographischen Kenntnisse im Dienste der portu-

' In Bern ist die Zollbefreiung 1314 eingeführt, v. Murr 88. Fontes rer. Berneusium 4, 578. Mit Schwäbisch-Gmünd 1384, Roth 1, 47 und 4, 23, mit St. Gallen 1887, v. Murr 47, Roth 4, 22, St. Galler Urkb. 4, 334 ff.

■J Vfrl. z.B. Böhmer-Huber 2029. 4437. Baseler Urkb. 4 Nr. 438. Böhmer- Huber 5932. Eidgen. Abschiede 1, 448 Nr. 327. Vgl. Baseler Urkb. 5 Nr. 40 u. 50.

^ Böhmer-Huber 900, auch Augsburger Urkb. 2, 2o. Wie Augsburg auf die Durchfuhrung bestand s. Strafsb. Urkb. 5 N. 1316.

* Böhmer-Huber 901.

^ Urkunde von 1868 in Zeit sehr, für Bayern, 2. Jahrg., 8. Bd. S. 375. ♦* S. oben S. 571. Eine Zusammenstellung giebt Baader S. 98 107.

Roscher-Stieda 8, S'S. « Vgl. oben S. 547.

42*

g(3Q Siebenundfüufzigstes Kapitel.

giesischen Krone verwandte. An der oft erwähnten Expedition nach Indien nahmen auch die ImhofF und die Hirschvogel teiP.

Bei einem solchen Umfange ist es klar, dafs die einzelnen Häuser einzelne Routen und auch einzelne Artikel bevorzugen mufsten, wie wir es am deutlichsten bei der Gesellschaft Koler- Krefs-Saronno kennen ge- lernt haben. So handelten nach Lyon vor allem die Tuclier, so Axiton (1457 1524)^, aber auch die Ebner ^ Und mancher Nürnberger erlernte in diesen südwestlichen Gegenden die Kaufmannschaft, wie Friedrich Behaim in Lyon*. Weiter haben wir Nürnberger im Dauphin^ gefunden^ und wenn Ulmann Stromer dann weiter die Route bis Barcelona für den Safranhandel mitteilt, so dürfen wir wohl schliefsen, dafs die Stromer über Genua und Aigues - Mortes nicht selten nach Katalonien kamen*. In Genua und Mailand trieben nach Holzschuher besonders die Fütterer Handel die, in Abweichung von den andern bisher genannten Familien, wie die Hirsch vogel, nicht zu den ältesten Geschlechtem gehörten^. Heinrich und Georg gehörten 1472 zu denen, welche die Einrichtung eines Fondaco in Mailand anregten®. Ganz besonders oft erscheint in Genua ein Johannes Breunlin, der aber dort Angelinus Borlinus genannt wurde®. Er war wohl ein Mitglied der Ravensburger Gesellschaft^*^. Der Handel mit Genua wurde so bedeutend, dafs die Furtenbach schliefs- lieh dorthin ihr Hauptgeschäft verlegten ^^

Das thaten auch die ImhofFs, deren Hauptgeschäft nach Venedig und den Niederlanden ging, die aber daneben Faktoreien in Bari und Aquila, in Lyon und in Katalonien besafsen ^^ ; die Rummel, Holzschuher, Schür- stab, Zenner u. a. erscheinen in Mailand und schwerlich hat eins der Ge- schlechter nicht früher oder später dorthin Handel getrieben. Die Fülle der Namen der kleineren Leute will ich nicht noch einmal wiederholen^®,

1 Oben S. 643.

* Vgl. oben S. 489. Lorenz Holzsckahcr, Chroniken deutscher Städte 1,218. Anton Tuchcrs Haushaltbuch (Bibl. d. litt. Ver. Stuttgart Bd. 134). Ehrenberg 1, 236. 1509 war dort ihr Faktor Wolf Rieter, IlaushaltbuchS. 71.

8 Roth 1, 122 u. 315.

* Reicke 650. Schultz, Deutsches Leben S. 220 f. » Vgl. oben S. 490 f.

« Vgl. oben S. 490 f. biiS f.

' Chroniken deutscher Städte 1, 216. 217. Urkunden Nr. 92. Vgl. Nr. 78 Aum. 1.

8 Urkunden Nr. 103.

® Simons feld 1, 327: Civia nosier ei mercatar Johannes Prewfüin^ qui Janue AngeUnvs BorUnus nunaipari solet." Vgl. Urkunden Nr. 64. 274. Urkunden Nr. 51 Anin. 2. " Ehrenberg 1, 246. Vgl. Urkunden Nr. 93. »8 Mitteil. d. Ver. Nürnberg 1, 101. 1" Oben S. 570-4.

Nürnberg, fränkische Städte. 661

nur die häufig vorkommende Gesellschaft erwähnen, an der die Familie HofFmann beteiligt war^ Sie hatte 1499 einen ständigen Vertreter in Mailand und bestand damals aus Johann Fladung, Cyriak HofFmann und Peter von Watt, und gerade sie wurde gern von den in Italien studierenden Deutschen in Anspruch genommen. 1504 entzweiten sich die Teilhaber ^. Für den Besuch der Safranmärkte zu Aquila haben wir ein recht beredtes Zeugnis ®.

Der Handel erstreckte sich auf alle Warengattungen; dem Geld- handel und seinen Gefährnissen versagten sich die Nürnberger und nur wenige erlagen der Versuchung in der Blütezeit der deutschen Bankiers*.

Die technische Geschicklichkeit der Nürnberger hat sich auch darin bewährt, dafa sie neue Erfindungen bei sich einbürgerten. Ulmann Stromer richtete die erste Papiermühle ein und zog zunächst italienische Papierer heran, wie er selbst ausführlich erzählt '^. Eine eigentliche Kolonie von Fremden entstand in Nürnberg wohl erst später, die Anfänge sind schon früher berührt®, jedoch sah erst das sechzehnte Jahrhundert neben den Torisani die Odescalchi aus Como und die Viati aus Venedig sich häuslich niederlassen^.

Mit Stolz schauen wir heute auf das mittelalterliche Nürnberg. Worauf ruht seine Bedeutung in letzter Linie? Wenn ich mich nicht täusche, hat Nürnberg mit Augsburg allein seine Geschlechter in dena wahren Handelsleben weit länger erhalten, als etwa Strafsburg, Basel, und andererseits verfiel die Stadt nicht dem Regimente der Zünfte. Die Geschlechter sorgten mit ihrem weiten Blicke für den Absatz der Waren, die die kleinen Leute wohl erzeugen, aber nicht auf dem Weltmarkt ver- werten konnten.

Von den kleineren fränkischen Reichsstädten wird man Vertreter nicht gerade in Italien suchen. Gleichwohl beweisen die Notizen des Comasker Notars Cermenate, dafs mehrere Rothenburger Händler regelmäfsig nach Como kamen, um dort meist deutsche Wolle auf Kredit zu verkaufen. Das wirtschaftliche Leben der reizvollen alten Reichsstadt hat man sich bisher niemals in einer so starken Verbindung mit dem Auslande gedacht®. Auch aus dem kleinen Winds heim führt dieselbe

1 Zu 1453. S. oben S. 384 u. 573. Urkunden Nr. 166. 78 u. N. 1.

2 Mitteil. d. Vereins f. Gesch. d. Stadt Nürnberg 1, 74 ff. 8 Urkunden Nr. 100.

^ Das Nähere bei Ehrenberg.

» Chroniken deutscher Städte 1, 77 ff. y

® 8. oben S. 596. Auch Ulmann Stromer erwähnt unter den Apothekern einen Welschen. Chroniken deutscher Städte 1, 96.

' Roth 1, 349. 386 u. 388.

^ S. oben S. 574. Die Namen Rojn, Plan und Fulbricher gehören nicht den Geschlechtern an.

662 Athtciriattti^eä K^piKL

Quelle einen Häcdler an <IIenriciu Plattner i. Der Vertreter des groben Scfa wäbiiich-Hall ('Matthäus Tarbrechj war aber wohl der Nach- komme eineü alten ans Nürnberg infolge des Zunttau&tandes ausgewiesenen Geschlechtes ^

Achtundfßnfzigstes KapiteL

Rheinlaide.

B^Uiligung auffallend 9dkttadi. Baseh TraH*itrtrk€kr. S^üriiti, IrmL Papitr^ fnhriken, Straf$burg, Weinitandel, TuMurndd. Tran^iL Speyer. Freilmrp, Bofiatty Fravükfurt am Main^ Aadun, Köln.

Wenn wir uns nun den rheinischen Städten zuwenden, so ist es kein Zufall, dafs wir sie in dem Handelsverkehr sehr riel lauer finden^ als die eben behandelten schwäbischen und fränkischen Städte. Mit unserer Beobachtung stimmt es ganz überein, dafs auch Simonsfeld für den Ver- kehr mit Venedig nur schwache Spuren nachweisen konnte.

Vor allem von Basel sollte man auf den ersten Blick erwarten, dals die ausgezeichnete Lage dieser Stadt ihre Bewohner in groGsen Scharen über die Alpen geführt hätte. Das ist jedoch nicht der Fall. Im Rate von Basel hatten seit 1337 die Handwerker die Mehrheit, seit 1382 war die Stadtverwaltung ausgesprochen demokratisch. Die Zunftdemokratie duldete aber ein solches Überwiegen des Handels und des Exportes über die heimische Produktion nicht Wie Geering, auf dessen reichhaltiges Werk ich hier ganz besonders hinweise, überzeugend klar gel^t hat, war das Basel des fünfzehnten Jahrhunderts der Typus einer vollendeten ausgestalteten Handwerksstadt, die nur dem Interesse der eigenen Pro- duktion und der Förderung des Transitverkehrs sich günstig erwies, den freien Handel der eigenen Bürger jedoch hinderte. So mag geradezu ein Rückgang des Export- und ImporthandeLs Baseler Elaufleute seit 1300 erfolgt sein. Demokratisch war auch die Verfassung von Augsburg, aber Augsburg und Ulm duldeten die Ausdehnung des Exporthandwerkes auf das Land, die Baseler dachten anders und verhinderten jede Ausbreitung der Gewerbe aufserhalb der Stadtmauern. Die billigere Landarbeit sollte den städtischen Handwerkern nicht nachteilig werden. Alle unzünftige Arbeit wurde verpönt.

Basel besafs seine Grautücherzunft , deren Bedeutung jedoch schon seit 1350 zurückging, dafür gewann die Erzeugung von Schürlitz (Halb- leinen) eine wachsende Bedeutung. Das Schauzeichen war den Baum- woUstofifen von Biberach und Mailand entnommen und so mag das

1 Beicke 219. In den Württemb. Geschichtsquellen Bd. I kommt der Name nicht vor.

Rheinlande. (5(}3

Baseler Gewerbe von dorther beeinflufst sein^ Schürlitz wurde exportiert, aber' auch dieses Gewerbe trat nicht in den Dienst des kaufmännischen Exportkapitals, das Ravensburg, Memmingen, Konstanz, Ulm und Augs- burg beherrschte. Der kaufmännische Zwischenhandel wird möglichst gehindert. Färber zog die Stadt von Horb unter namhaften Ver- günstigungen heran ^.

So treffen wir auch im Auslande sehr wenig Baseler. Lebhafter tritt vor unser Auge nur das Bild einer einzigen Baseler Exporthandels- ürma, der Irmi; denn die Exportfirma eines Nikolaus von Basel ist leider nicht näher zu fassen® und ob die Halbisen nach Italien gehandelt haben, ist nicht erwiesen, wenn auch wahrscheinlich*. Von den Irmi haben wir oben für die Zeit von 1464 1522 sehr nahe Beziehungen zu den Herzögen von Mailand nachgewiesen *. Sie gehörten mit zu den reichsten Baselern^, und wir wissen auch aus Baseler Quellen, dafs sie Baseler Tuche zum Export aufkauften'.

Den Baseler Pulverleuten (Spezereihändlern) scheint man in Italien grofses Vertrauen entgegengebracht zu haben®, in italienischen Quellen sind sie mir nicht vorgekommen.

Die Gewerbegeschichte Basels erhielt aus Italien neuen Antrieb, als, wie Ulmann Stromer in Nürnberg es gethan hatte, hier der Kaufmann Heinrich Halbisen eine Papiermühle errichtete und darin Italiener ver- wandte*, das neue Gewerbe blühte aber dann ganz besonders auf, als Italiener selbst eine Konkurrenz begannen, die Galliziani aus Piemont^®. Erst später folgt dann die grofse für die Handels- wie Industriegeschichte

1 Geering S. 260.

« Baseler ürkb. 7, 529 zu 1454.

^ S. oben S. 565. Mau köunte an den Kaufmann Klaus Schmidlin denken, der 1446 9500 fl. besafs (Schönberg S. 582) und der in der Liste von 1453, wo er ge- storben war, auch thatsächlich fehlt (S. 646). Vielleicht ist der Nikolaus aber auch Klaus Murer.

* Geering S. 219. Üllin Eberhard handelte mindestens nach der Provence. Ebda.

» S. oben S. 566.

* 1446 steht Hans Irmy und sin wip ohne Eintrag der Steuer (Schönberg S. 585), 1453/4 hat er ein Vermögen von 5100 Gulden, daneben Hans Irme der Junge 29(X) fl« (S. 608). Ein Vermögen von über 5000 fl. versteuerten damals nur 26 Personen (S. 882). 1475 versteuerten Hans Irmy, Paltasar Irmy und Rigart von Andlo min vogt tochter: 12 600, daneben Heinrich Irmy 900 fl. (S. 768). Vermögen über 12 000 fl. wurden damals nur sechs versteuert (S. 476).

' Balthasar Irmy 1492. Geering S. 310. 318. « Geering S. 844 f. 878 f.

* Geering 287 f. Ein Ballen Papier geht 1445 von Halbisen an Heinrich von Lübeck auf die Frankfurter Messe. Baseler ürkb. 7, 125 f. Vgl. auch 7, 120, 43.

«0 Vor 1451 Geering S. 818 ff.

364 Achtundfünfzigstes Kapitel.

wichtige Einwanderung von Italienern und anderen Ausländem^ die den Charakter des Baseler Geschäftslebens völlig umgestaltete. Doch liegt dieser Umschwung in erheblich jüngerer Zeit, so dafs hier nicht darauf einzugehen ist.

Strafsburg ist das Gegenstück zu Basel. Es gleicht ihm in der Be- deutung des Transitverkehrs^, für den Strafsburg vergebens nach dem Stapelrechte strebte*, und in dem starken Hervortreten der für die Stadt und ihre überaus reiche Umgebung arbeitenden Zünfte. Der Stralsburger Aktivhandel des vierzehnten und fünfzehnten Jahrhunderts war vor allem Weinhandel, der elsässische Wein galt als und war vielleicht auch noch der beste, er ging rheinabwärts , ja weit darüber hinaus. Karl IV. schickte z. B. auf diesem Wege Wein in die Mark Brandenburg®.

Dieser Handel führte die Strafsburger aber nicht nach Süden. Das war aber bei dem Spezereihandel der Fall. Eine um 1400 abgefafste Beschwerdeschrift sagt, dafs Spezerei, seidene Tücher u. a. nicht allein von Venedig geholt werde. Also Venedig war der Ort, der ihnen in Italien am besten bekannt war^. Anlafs zum Export gab die in Strafs- burg, wie im Niederelsafs, namentlich in Hagenau, sehr entwickelte Tuch- industrie, die freilich niemals feinere Stoffe erzeugt hat, im wesentlichen auch dem Konsum der nächsten Nachbarschaft diente.

Sehr gern gingen die Strafsburger mit ihren Tuchen nach Luzern. Dafür haben wir manigfache Zeugnisse, auf den Messen scheinen sie ziemlich viel Raum beansprucht zu haben *. Auf dem Wege nach Italien oder von dort kann ich nur einmal Strafsburger nachweisen und da bleibt es fraglich, ob es sich um Kaufleute oder gewöhnliche Reisende handelt*. Immerhin galt Strafsburg in Luzern, als Vorort der durchpassierenden Deutschen, wenn diesen das Geleit abgekündigt werden soll *'. In Italien selbst taucht nur die mit einem Comasken bestehende Gesellschaft des Johann Säckinger auf®.

* Zahlreiche Zeugnisse bringt z. B. Strafsburger Urkb. 5 Nr. 523 Horb, 589 Lausanne, 771 Duisburg.

2 Schmoller, Tuchcrzunft 505. Verbot, dafs Gast vom Gaste kauft. Strafs- burger Urkb. 6, 411 unten.

^ Leider fehlt eine Arbeit über den elsässischen Weinhandel. Bes. wichtig Strafsb. Urkb. 5 Nr. 890. 1308. Böhmer-Huber 5345 u. 554L Vgl. auch Alt- mann 3010. 3012. 3444.

^ Strafsb. Stadtarchiv, Original ohne Datum. S. auch die Kaufhausordnung bei Eheberg S. 267 § 38.

* Segesser, Rechtsgesch. von Luzern 2, 388. Liebenau, Gasthofwesen 47. Umgekehrt Luzemer in Strafsburg. Strafsb. Urkb. 6 Nr. 586.

* Peter v. Hundsfeld, Klaus Zorn, Hans Walter von Butenheim. ' Oben 8. 453.

« Oben S. 576 u. 586 f.

k

Rheinlande. 665

Auch der Weg nach Genf und Spanien war nicht ganz unbekannt, ja schon früh begegnet ein Strafsburger in Portugal ^

Aber das sind doch alles seltene Fälle. Wir kennen heute nicht ein einziges grofses Exportgeschäft jener Zeit von dem Säckinger abgesehen und auch die Strafsburger Quellen tragen nicht den aus- gesprochen kaufmännischen Charakter der Augsburger und Ulmer. In Strafsburg ist mir wenigstens niemals der Gebrauch begegnet, dafs der Kaufmann giungo oder luljo schreibt, wie dem Augsburger Chronisten das in die Feder lief. Anstatt in die Fremde zu ziehen, erfreute sich der Strafs- burger Kaufmann daran, in prächtigen Läden seine Tücher auszubreiten ". Der grofse Predigtcyklus , den Geiler von Kaisersberg über die Kauf- leute und den Kauf hielt, enttäuscht daher auch. Er redet zwar auch von den grofsen Gesellschaften, die zu Venedig, Lyon, Antwerpen und überall ihre Verweser haben, von dem Streben, möglichst Teilhaber einer solchen Gesellschaft zu werden, aber ein wirkliches Bild von regem Fem- handel kann man bei ihm nicht gewinnen^.

Das nachbarliche Speier, das von den mittelrheinischen Bischof- sitzen allein in Venedig nachweisbar vertreten war, übertrifft auch im übrigen Italien die Handelsbeziehungen von Worms und Mainz*.

Auf dem rechten Rheinufer erscheinen zwei landesherrliche Städte, Freiburg in Handelsbeziehungen mit Como*, dann Rastatt^, endlich mit einem kühnen Kaufmann, der mit Liutfrid Muntprat von Genua nach Barcelona fuhr, Frankfurt a/M. ^ Dieser Paul Fetzbrey ist auch der erste Frankfurter, der in Venedig sicher nachzuweisen ist, wo er Baum- wolle kaufte und nach Ulm und Augsburg verbringen liefs®.

Von den niederrheinischen Städten sind Aachen und Köln ver- treten *.

Und mit Köln erreichen wir das Gebiet, wo auch von Flandern her die Italiener auftauchen. Köln war die Eingangspforte für die Waren, die von den Rhein mündungshäfen in das Innere vordrangen. Das war eine Handelsstadt von hoher Bedeutung, sehr früh hatte es seinen Stapel ausgebildet und war nun ein Riegel für den Rheinverkehr. Köln fafste 80 ziemlich den ganzen Handel, der vom Mittelrhein herkam, zu-

' Oben S. 488, 545 und eine Urkunde in der Beil. zur Gemeindezeitang, Strafs- burg Jahrgang 1880.

2 Simonsfeld, Gesandtenreise S. 270.

' Brösamlin, Ausgabe von 1517. Schultz, Deutsches Leben 129 f.

* Oben S. 576. Urkunden Nr. 238. » Oben S. 570,

* Urkunden Nr. 54.

' Oben S. 544. Vgl. Urkunden Nr. 267. » Simonsfeld 2, 68.

* S. oben S. 453 und auch Urkunden Nr. 404.

> 1

QQQ AchtuDdfuufzigstes Kapitel.

sammen. Von da strahlte der Verkehr, den Rhein verlassend, west- lich nach Brabant und Flandern und östlich nach Westfalen. In keiner deutschen Stadt sind so viele Italiener nachzuweisen als im heiligen Köln, sie hielten dort Lager und schon 1335 wurde ihnen der Detailverkauf verboten ysy 5yn van Noerenbergy van Lamparden^ van Venedyen ind van anderen sieden^ ^, Die Kölner wanderten auch weit in die Feme, durch mehrere Jahrhunderte sind sie in der Richtung von Wien nachzuweisen, und auf diese östlichen Gebiete, nicht auf die Vor- lande, bezieht sich wohl der Befehl Herzog Rudolfs FV., dafs bei dem Handel der Kölner mit seinen Unterthanen sechzehn Stück Kölner Tuche für eine Saum gerechnet werden sollen*. In Venedig sind Kölner sehr häufig zu finden^. In Mailand habe ich nur schwache Belege gefunden, doch begegneten uns dieselben auch in Uri.

Die nicht gerade zahlreichen Reisenden, welche am Ausgang des Mittelalters Deutschland besucht haben, sind einstimmig in der Be- wunderung seiner Städte. Enea Sylvio, der selbst so lange inmitten der Deutschen gelebt hatte, giebt seiner Schilderung einen fast überschweng- lichen Ausdruck. Er stellte die deutsche Nation höher als die andern. Wo wolle man in Europa eine prächtigere Stadt finden als Köln? An dem vielbewunderten Mainz tadelt er nur die engen Gassen^ Strafsbui^g vergleicht er mit Venedig, nur habe die deutsche Kanalstadt weniger unter den übeln Düften zu leiden. In vielen Häusern würde ein König sich heimisch fühlen, Augsburg übertreffe an Reichtum alle Städte der Welt, fast am glänzendsten ist Nürnberg geschildert. In Wahrheit schliefst der Humanist seine Charakteristik die Könige von Schott- land würden glücklich sein so gut zu wohnen, wie ein wenig be- güterter Nürnberger^. Und nicht anders atmen dieselbe Gesinnung die Worte des Spaniers Tafur, wie der venetianischen Gesandten, auch der Florentiner Vettori, der freilich viel mehr Sinn für Anekdoten als far eine feine Beobachtung hat, lobt doch Strafsburg, Ulm und Konstanz *| und ein französischer Reisender, Pierre de Froissard schrieb 1497: „Es ist ein wunderbares Ding um die Kühnheit und den Unternehmungs- geist der deutschen Kaufleute. Sie haben einen hervorragenden Sinn dafUr, ihre Reichtümer zu vervielfältigen. Der blühende Zustand ihrer Städte, die Pracht ihrer öfi^entlichen Gebäude und ihrer Wohnungen, die wertvollen Dinge, mit denen sie das Innere derselben schmücken.

» Ennen u. Eckertz 4 Nr. 213. 2 Ennen u. Eckertz 4 Nr. 426. s Simonsfeld 2, 69 ff.

^ Eneas Sylvias, De rito, situ, moribus et conditione Germaniae, in Baseler Ausgabe der Opera omnia 1052 55.

^ Viaggio in Alemagna Parigi-Firenze 1837.

Die Handelsgesellschaften. 667

thun es in beredter Weise kund. Es ist eine Freude unter ihnen zu weilen und an den öffentlichen Vergnügungen der Bürger Teil zu nehmen ^

Neunundfünfzigstes Kapitel.

' Die Handelsgesellschaften.

•Qmber

Die Schtcierigkeiten des mittelalterlichen Handels. Die Handelsgesellschaften.

'•e Gefahren derselben. Neigung zu Monopolien, Die Feindschaft der öffentlichen ung. Gründe der Preissteigerung. Die Versuche eitler Beicfisgesetzgehung ver- •n im Sande.

Die gröfste Leistung des mittelalterlichen Handels , die gröfste iwierigkeit, die er besiegt hat, lag im Transport der Waren. Freilich I es am Ausgange des Mittelalters Transportunternehmungen, die die rtbewegung auf bestimmten Strecken unternahmen. Aber doch war : Handel und das Speditionsgeschäft nicht völlig getrennt. Die meisten r mittelalterlichen Gefahren, die dem Transporte drohten, sind heute rschwunden. Die Strafsen waren in Deutschland weit unsicherer, als Italien ; der Kaufmann mufste noch immer fürchten, seine Waren dem örichtesten aller Rechte anheimfallen zu sehen, dem Rechte der rundruhr oder dem Strandrechte; er konnte sich dem Strafsenzwange icht entziehen und mufste seine Waren an einer endlosen Reihe von teilen verzollen. Wir haben die unsinnige Zollpolitik des Spätmittel- Jters kennen gelernt. Er mufste die Stapelrechte einzelner Städte um- gehen und hatte schliefslich mit so verschiedenen und wechselnden Sorten Geldes zu thun, dafs ein Vergleich mit heute ausgeschlossen ist. Der mittelalterliche Femhandel hatte bei seinen Kalkulationen viel mehr Faktoren einzustellen, als das heute der Fall ist. Mit voller Hochachtung mufs uns daher die Thätigkeit der grofsen Handelsherren jener Tage erfüllen ^

Der deutsch-italienische Handel wurde auf deutscher wie auch wohl auf italienischer Seite mehr und mehr von den Handelsgesellschaften getragen. Solange sich der Vertrieb sämtlicher Waren auf einem Welt-

* Lettres de Pierre de Froissard 17.

* Vgl. zum folgenden: Schmoller, Zar Geschichte der national-ökonomischen Ansichten in Deutschland während der Reformationsperiode, Zeitschr. f. d. ges. Staats- wissenschaft 16, 496—512; Janssen, Oeschichte des deutschen Volkes 1, 886 896, 2, 417—428; Kluckhohn, Zur Geschichte der Handelsgesellschaften und Monopole im Zeitalter der Reformation, in Hist. Aufsätze, dem Andenken von G. Waitz ge« widmet, 666—708; Ulmann 2, 616—626; y. Bezold, Geschichte der deutschen Reformation S. 84. 294 u. 405 ff.; Lamprecht 5, 60ff. 95 ff.; £hrenherg 1, 880— 885; Castelot, £., Les attaques contre le capitalisme au XVI siöcle en Allemagne. Journal des äconomistes Bd. 54, 887—856.

ggg NeunundfÜDfzigstes Kapitel.

markte reguliert wie es auf den Champagner Messen der Fall war oder der Haupteinkaufs- oder Verkaufsplatz nicht allzuweit entfernt ist, konnte auch ein kleiner isolierter Geschäftsmann sich an dem Handel beteiligen, im Vorteil war aber immer die Handelsgesellschaft, die über mehrere Disponenten, die auf Reisen sein konnten, verfügte, oder gar in den Faktoren dauernd detachierte Disponenten besafs. War der Einzelkaufmann beim Spezereihandel, so lange er in Venedig und Genua konzentriert war, noch imstande, selbst einzukaufen, so hörte diese Mög- lichkeit auf, als der Markt dafür nach Lissabon und Antwerpen ver- legt war. War schon vorher die Handelsgesellschaft dem Einzelkauf- mann überlegen, so wurde sie mindestens im Spezereihandel dieser Konkurrenz jetzt vollends entledigt. Die kapitalistische Form des Ge- schäftsbetriebes war auch für die Textil- und Metall waren eine Not- wendigkeit. Wir haben gesehen, wie alt das Verlegersystem da war; es war eben undenkbar, dafs der Kleinproduzent seine Waren selbst auf dem Weltmarkte absetzte. Gab sich der Handwerksmaun ganz in die Abhängigkeit eines einzigen Händlers, eines Verlegers, so war das eine kapitalistische Organisation. Mit der Ausdehnung des Rayons eines Handels mufs notwendig die Zahl der kleinen Leute, die an ihm Teil nehmen, abnehmen. Nur die kapitalkräftigen Firmen können die Lage ausnützen und all die Hemmungen und Gefahren überwinden. Das ganze System des Transportwesens drängte zur Centralisierung. Was für eine ungeheure Kenntnis gehörte dazu, damals den Transport von Waren zu leiten. Die Kaufmannsbücher jeuer Tage geben uns die Usancen, aber darüber hinaus mufste der Geschäftsmann alle Zölle, alle Tarife kennen. Ein einzelner Kaufmann mochte sich auf die Linie Nürnberg Venedig oder Nürnberg Lyon einrichten können. Wie ganz anders ging der Handel bei den Gesellschaften, die an vielen Stellen ihre Faktoren hatten und durch sie den Transport überwachen konnten. Der kleine Mann, der der Welt Läufe nicht an vielen Orten zugleich beobachten konnte, war der Schwächere, er hatte seine zwei Augen, die Fugger mehr als vierzig. Den kleinen Kaufmann mufste im Falle der Not seine Heimatstadt decken, aber viel stärker als die Autorität von Nördlingen oder Ravensburg war die Kapitalkraft der grofsen Gesell- schaften, die eine politische Macht besafsen, da die Staaten diese Gesell- schaften für ihre Anleihen brauchten. Die Zeit besafs keine öffent- lichen Handelsnachrichten, um so schwerer wog die Übermacht derjenigen Häuser, die viele zuverlässige Korrespondenten hatten. Die Handels- gesellschaft war eine Notwendigkeit, wenn der oberdeutsche Kaufmanns- stand überhaupt im Fernhandel verbleiben wollte.

Die Handelsgesellschaften haben für die Blüte des Handels und des Gewerbes der oberdeutschen Städte wohl noch mehr geleistet, als der

Die Handelsgesellschaften. 609

Einzelkaufmann. Doch trugen auch sie selbst ernste Gefahren in sich. Wir haben den Niedergang der Muntprat, Mötteli und Humpifs gesehen und da spielten unzweifelhaft mehrere Momente zusammen. Die ältesten Gesellschaften waren wohl Familiengesellschaften, Vereinigungen, die ausschliefslich wirklich thätige Kaufleute umfafsten; aber die Töchter der reichen Kaufherren heirateten Adlige, das Heiratsgut blieb vielfach bei der Gesellschaft, es bildete sich ein nicht kaufmännisch gebildeter Anhang der, wahrscheinlich zumeist, doch durchaus nicht immer ^, mit festem Zins sich begnügen mufste. Die Söhne der gefährlichen dritten Generation schieden vielfach aus; es war damals wie heute der Vater arbeitet sich von mühseligen Anßlngen empor, der Sohn geniefst die Früchte der Thätigkeit seines Vaters, wirkt selbst noch mit voller Kraft, dem Enkel geht der Segen der Arbeit nicht mehr ein, er will den Genufs. Manche alte Gesellschaften verloren so die alten Inhaber; unter den Verwandten mufste ein Regierer gesucht werden, auf dessen persön- liche Tüchtigkeit es vor allem ankam. Sie fehlte naturgemäfs oft, und so traten andere aufblühende Gesellschaften an die erste Stelle, die die absterbenden einräumen mufsten. Zu inneren Streitigkeiten führte zweifellos öfters die Gewinnberechnung, die die eigentlich leitenden Kreise zu Ungunsten der andern aufstellten, oder doch verdächtigt wurden aufzustellen. Die Vorgänge bei der Welser- und der Höchstetter- schen Gesellschaft sind ja deutlich genügt. Das führte zum Abspringen oft sehr tüchtiger Faktoren und Teilhaber und zur Diskreditierung der Gesellschaft. Niemand hat so wirksam gegen die Gesellschaften geschürt als solche unbefriedigte Teilhaber und Faktoren, die einen Einblick in das innere Getriebe ermöglichten. Diese innere Schwäche jeder Handels- gesellschaft, die die Fugger so meisterlich überwunden haben, war völlig unabhängig vom Weltmarkt, und wir können keinen anderen Grund für den Rückgang der Ravensburg-Konstanz-St. Galler Gesellschaften finden, als diesen in ihnen selbst liegenden.

Eine andere Gefahr lag in der Neigung zu riskanten Geschäften. Die Gesellschaften verfügten ja nicht allein über die eigenen Mittel, sie fanden leicht Teilhaber, wir wissen, wie zu den Höchstettern Knechte und Mägde ihre Ersparnisse trugen, um mit ihnen schnell reich zu werden. Bei so umfangreichen Geschäften, wie sie nun abgeschlossen wurden, war das Risiko, der Kapitalbedarf so grofs, die Kalkulation so

* Vgl. die Verfügung Friedrichs III. (IV.) von 1464 bei Wölckern, Histor. Norimbergensis diplomatica 682.

' Rem rechnete bei Ambrosi Höchstetter mit 900 fl. Einlage in sechs Jahren 88000 fl. gewonnen zu haben, vor allem durch Silber und Kupfer. Höchstetter räumte 28000 fl. als Gewinn ein. Vgl. Chroniken deutscher Städte 28, 146 f. 25, 116 ff. Greiff 18.

670 Neuuundfünfzigstes Kapitel.

schwierig, dafs die Händler grofsen Gewinn erstreben mufsten und von selbst stellte sich die Versuchung ein, durch Ringe die Preise fest- zulegen. Je gröfser die verfügbaren Mittel waren, um so näher lag die Gefahr, den Versuch zu wagen, ein Monopol zu erringen, ein Syndikat zu errichten. Auf dem Gebiete des Handels der Bergwerksprodukte sind sie zuerst nachzuweisen. Ehrenberg hat dem Kupfersyndikate der Fugger, Herwart u. s. w. von 1498 eine besondere Beachtung gewidmet ^ , auf diesem Gebiete lag auch der Versuch, das Quecksilbermonopol zu ge- winnen, das einen in lokalen Monopolbildungen erprobten verwegenen Spekulanten, einen der gröfsten Kaufleute Augsburgs, Ambrosius Höch- stetter 1529 ins Verderben rifs. Die Ringbildung erfolgte vor allem in den Produkten des Bergbaus. Der Warenhandel hat im gleichen Mafse Monopolien nicht gekannt. Das folgenreichste war das bei dem Lissaboner Pfeflferhandel , das der König von Portugal besafs; in Augs- burg hat ein Chronist genau aufgezeichnet, wie die Könige von Portugal die Preise willkürlich festsetzten ^. In diesem Falle handelt es sich viel- mehr um ein Regal als um ein Monopol.

Wenn auch ein so gründlicher Kenner wie Ehrenberg keine Waren- Syndikate sonst nachweisen kann, so haben doch unzweifelhaft die Ge- sellschaften den „Fürkauf" ausgebildet und ausgenützt. Seit der Ent- deckung der Umfahrt um Afrika war im Spezereihandel eine viel stärkere Spekulation eingetreten. Bis dahin waren die Gewtirze aus der mohammedanischen Welt gekommen, ohne dafs die Kaufleute die Lage des Angebotes übersehen konnten; jetzt hatte man in Lissabon genaue Kenntnis der Ernten und des Angebotes überhaupt. Je spekulativer das Geschäft wurde, umsomehr mufste es in die Hände der Plutokraten kommen. Im einzelnen sind zwingende Beweise heute nicht mehr zu führen; aber kapitalistische Auswüchse sind nicht zu leugnen und die Gesellschaften haben es selbst beklagt, dafs zu Lissabon seit wenigen Jahren in Spezereien Käufe geschähen, die sich wenig oder gar nicht von Monopolien unterschieden, sie selbst seien unschuldig und könnten das auch nicht abstellen^.

Die Zeit war üppig, luxuriös. Aus dem Laden des Kaufmanns ver- breitete sich die Neigung zur Pracht und zum Wohlleben. Die Preise gingen rapide in die Höhe und schwankten viel stärker als bisher.

Gewifs, der Handel hatte zum Teil diese Umbildung herbeigeführt, zum Teil waren auch die Gesellschaften schuld an der Teuerung. Aber die öffentliche Meinung übertrieb. Es war das erste Mal, dafs sich die

' h 396.

2 Wilhelm Rem in Chroniken deutscher Städte 25, 181.

» Kluckhohn S. 681. Denkschrift der Roichsstfulte von 1-522.

Die Handelsgesellschaften. 671

Kraft des Kapitalismus den Deutschen zeigte und alle Stände, welche auf der Naturalwirtschaft begründet waren oder doch sich mit diesem Wirtschaftssystem eingerichtet hatten, waren einig in ihrem Urteil. Die Gesellschaften waren allgemein gehafst, gehafst von den Bauern, vom Adel, der wirtschaftlich immer mehr zurückging, von den Handwerkern und von den kleinen Kaufleuten, die unter dem Drucke ihrer gröfseren Standesgenossen litten. Die schweren Schäden, die jeder Grofshandels- betrieb hervorruft, wurden zum erstenmal heftig, ja mit Leidenschaft empfunden. Die allgemeine Anschauung verurteilte den auftretenden Kapitalismus als unsittlich. Die alten, naturalwirtschaftlich fundierten Stände meinten wohl gar, diese Kaufleute verdienten durch Faulenzen und Zuhauseliegen, während ihre Faktoren die Gefahren der Reise auf sich nehmen müfsten, sie sahen die Preissteigerung als eine durch und durch künstliche und das ganze Wirken der Handelsgesellschaften als eine Bewucherung an.

Schon 1508 erhob Kuppener seine Stimme gegen die Handelsgesell- schaften, obwohl er selbst einmal Teilhaber einer solchen gewesen war, und katholische wie protestantische Reformatoren und Politiker haben der Anklage zugestinmit: Geiler von Kaisersberg, Wimpheling, Kilian Leib, Erasmus wie Luther, Zwingli, Hütten und Hans Sachs. Adel, Bauern, Handwerker, die kleinen Kaufleute waren mit den Vertretern der kanonistischen Wucherlehre wie den Reformatoren einig in dieser antikapitalistischen Strömung. Jedermann war durch die Steigerung der Preise beteiligt. Sie sahen die Ursache allein in dem Fürkauf, der schon in der ganzen mittelalterlichen Zeit bekämpft wurde. Schon Rul- mann Merswin und die Reformation Kaiser Siegmunds hatten die Gesell- schaften angegriffen. Dieser hatte den Kaufleuten nur den Ersatz der Reise- und Transportkosten gestatten und jeden Unternehmergewinn verbieten wollen. Die Erbitterung über die Gesellschaften, die man als öffentliche Wucherer und Räuber bezeichnete, war allgemein. Und eigentlich nur Eck schwamm wider den Strom, wenn er im Auftrage der Fugger in einer Disputation zu Bologna die Ansicht verfocht, dafs diese Geschäfte den kanonischen Wucherbestimmungen nicht entgegen seiend Die Zeit der angehenden Reformation urteilte aus sittlichen Motiven heraus und nicht aus wirtschaftlicher Erkenntnis. Die wahrsten und kräftigsten Ursachen der Preissteigerung zu finden war auch durch- aus nicht leicht und niemand wird Erasmus und Kaisersberg, Luther und Hans Sachs tadeln dürfen, wenn ihr Herz sie zu Übertreibungen veranlalste. Wirkliche Sachkenntnis verraten nur die Gutachten der Gegenpartei.

1 Häbler, Reformation S. 478. Geiger 62 flF.

672 Neuuundfünfzigstes Kapitel.

Der stärkste Grund der Erhöhung der Preise lag in der rapiden Zunahme des Silberumlaufes, den die Ausbeute der Bergwerke herbei- führte. Das Edelmetall wurde weit weniger um Werte zu haben auf- gespeichert, das Geld wurde flüssiger, der Kredit gröfser und durch ihn wurde dies thatsächlich anwachsende Geldmaterial zum Teil erspart Alles diente dazu, den Preis des Geldes zu senken, den der Waren zu heben. Bei den Spezereien mochten die Gesellschaften auf den Preia- aufschlag einwirken, beim Getreide ist ihr Einflufs ausgeschlossen, und auch da schnellten sie empor.

Es ist nicht meine Aufgabe, die ersten Anläufe einer deutschen Handelspolitik hier zu schildern, sie knüpfen eben an die Monopolien und Gesellschaften an. In der städtischen Gesetzgebung sind die ersten Spuren der Bekämpfung der Gesellschaften zu finden. So wurde in Köln 1505 beschlossen, gegen die Vertreter und Knechte der grolsen Gesellschaft vorzugehen. Die Gesellschaften wurden nicht im all- gemeinen verboten , aber jene Ausdehnung über die Stadt hinaus wurde untersagt, der Kölner solle nur an rein Kölner Gesellschaften teilnehmen* Die „grofse Gesellschaft", von der man leider nicht weifs, ob man sie mit der Ravensburger identifizieren darf, hatte versucht, Kölner zu Mit- gliedern zu gewinnen und damit hätte sie den Kölner Stapel für sich wirkungslos gemacht*. Auch der Kölner Reichstag von 1512 erliefs kein Verbot der Gesellschaften, ja er gestattete sie ausdrücklich, nur die Monopolien wurden unter Hinweis auf das römische Recht untersagt; niemand dürfe sich unterstehen, die Waren in eine Hand zu bringen und der Ware einen willkürlichen Wert zu geben. Die Preisbildung sollte nicht ein Monopol einzelner Grofshändler werden.

Dieses Verbot blieb vollständig erfolglos, die Teuerung nahm nicht ab, sondern stieg, und die weitesten Kreise schoben alle Schuld den Kaufleuten und speciell den grofsen Gesellschaften zu. Der Ausschafs der österreichischen zu Innsbruck 1508 versammelten Landstände konnte die Gesellschaften nicht verbieten, weil sie ja aufserhalb der öster- reichischen Lande existierten, aber sie konnten sehr wohl versuchen, ihre Monopolbestrebungen im eigenen Lande zu bekämpfen. Es heilst: Die grofsen Handelsgesellschaften haben alle Waren, die den Menschen unentbehrlich sind, Silber, Kupfer, Stahl, £isen, Leinen, Zucker, Spezerei, Getreide, Ochsen, Wein, Fleisch, Schmalz, Unschlitt, Leder in ihre alleinige Macht gebracht. Den Gesellschaften wurde mit Ausnahme der Märkte das Einlagern ihrer Waren mit täglichem Verkaufe verboten« niemand durfte ihnen als Teilhaber beitreten, der Masseneinkauf wurde ihnen ebenfalls untersagt. Vielleicht konnten diese Verbote für die im

1 Ennen, Geschichte Kölns 3, 724.

^

Die Handelsgesellschaften. 673.

Lande selbst erzeugten Waren Erfolg haben. Die Preisbildung der Spezereien konnte damit nicht getroffen werden.

Die Strömung ging immer energischer gegen die Handelsgesell- schaften selbst; Karl V., der seine Wahl der Geldhilfe der Fugger zu danken hatte, war durch seine Wahlkapitulation zur AbschaflFung der Handelsgesellschaften und Handelsmonopole verpflichtet worden ^ Die öffentliche Meinung in der die agrarischen Gedanken sich mit Keimen merkantilistischer verbanden hatte die Fürsten auf ihrer Seite und kam auf dem Wormser Reichstag von 1521 zum oflfenen Ausdruck. Zur Bestreitung der Kosten des Reichsregiments wurde ein Reichsgrenz- zoli vorgeschlagen und bei der Beratung der Reichspolizeiordnung wurde die vollständige Abschaffung aller Gesellschaften in Vorschlag gebracht. Dem Widerstände der Städte, an deren Spitze begreiflicherweise Augs- burg stand, gelang es, die Vertagung zu erreichen, das Reichsregiment solle die Sache weiter behandeln. Der Ausschufs des Nürnberger ersten Reichstags meinte die Gesellschaften ganz zu zertrennen und das Reichs- regiment ging in der gleichen Richtung versuchsweise vor, und es hat nicht viel gefehlt, dafs ein Verbot der Gesellschaft erreicht worden wäre. Der kleine Ausschufs war für die Einschränkung des Kapitals einer Ge- sellschaft auf 50000 fl, jede Gesellschaft solle nur drei Lager aufserhalb ihres Sitzes halten dürfen und jedweder direkte Handel mit Portugal solle mit Rücksicht auf die schweren in den letzten Jahren erlittenen Verluste verboten werden, man solle die Portugiesen einladen, selbst ihre Waren nach Antwerpen zu verbringen. Sogar die Städte, und darunter Nürnberg waren gegen die Gesellschaften ; darin stimmten sie den Fürsten zu, wenn sie in der Zollfrage sich auch eben so scharf von ihnen schieden. Die Reichsstädte traten in Speyer zu einem Städtetage zu- sammen, und dort wurde beschlossen, eine Gesandtschaft nach Spanien zum Kaiser zu entsenden, auf dafs der Zoll abgewendet werde. Die List der Augsburger, die vor dem Mittel der Fälschung nicht zurück- scheuten, nützte die Gesandtschaft auch zur Deckung der Gesellschaften aus. Aber hätte Karl V. daran denken können, die Fugger, Welser und andere zu kleinen Geschäften zu zerlegen? War er in der Lage, den Kampf mit der Grofsfinanz aufzunehmen? So bestimmten die Augsburger Gesellschaften die Politik ihrer Vaterstadt; Augsburg überwand die Reichs- städte und diese besiegten in den handelspolitischen Fragen die Fürsten. Das Geld war eine Grofsmacht geworden.

Die Gesellschaften, die sich immer mehr vom Waren- zum Geld- handel wandten, haben diesen Ansturm also bestanden; die Macht des Grofskapitals blieb bestehen und mit der Zunahme des thatsächlichen

^ Vgl. Reichstagsakten, Jüngere Reihe 1, 872.

Schulte, Gesch. d. mitteUlterl. Handelt. I. 43

574 Sechzigstes Kapitel.

Umlaufs der Barmittel war der Kredit enorm gestiegen. Die Organisation des Geldverkehrs war gebessert und das Kapital wirkte durch die ganze Christenheit hin. Die Übermacht der Finanzmächte war vorhanden und vielfach verflochten sie sich immer tiefer mit den fiskalischen Interessen, bis sie sich damit überladen hatten und die Erschütterungen des Kredites einzelner Staaten auch sie selbst traf.

Die Gesellschaften waren notwendig, wenn sich Deutschland nicht aus dem Handel zweiter Hand in den dritter Hand zurückdrängen lassen wollte. Sie waren eine notwendige Folge und zugleich Ursache der Zu- nahme der Macht des Grofskapitals. In Lissabon oder Antwerpen konnte kein Ulmer Krämer seinen Kundenbedarf an PfeflFer mehr persön- lich einkaufen, es war hier der Faktor einer grofsen Handelsgesellschaft allein am Platze. Wer sich an dem stolzen Städtebild, das noch heute Augsburg und Nürnberg gewähren, erfreut, darf nicht vergessen, dafs die satte Blüte dieser Städte und die Fortdauer derselben, wo der nord- deutsche Handel schon niederging, eben auf jenen Gesellschaften be- ruhte. Das Gewerbe war an beiden Orten gesund und kräftig, doch Gewerbe und Grofshandel ergänzten sich, und der Grofshandel wurde geführt von den Gesellschaften.

Sechzigstes Kapitel. Inderaugeu im Handelsleben.

Revolution im Spezereihandel durch die Entdeckung des Seeweges nach Indien. Schädigtmg Venedigs, Blüte von Lissabon uwi Antwerpen, Der Handel an den Ocean verlegt Wollhandel. Vollständiger Umschwung in England, Seidenmanufakturen txufser- halb Italiens. Das mittelalterliche Handelsleben städtisch, nun staaüich. Mitteleuropa verhan-t im mittelalterlichen Zustand, politisch wie wirtschaftlich. Erkranken der (bewerbe. Der Bückgang nur langsam, Venedig und Oberdeutschland,

Die Bedingungen, auf denen der deutsch -italienische Warenhandel beruhte, wurden vom Ausgange des Mittelalters an von Grund aus umgestaltet ^ Der Spezereihandel war das Fundament des Handels- verkehrs von Venedig, und einen Anteil an diesem Monopol hatte sich auch Genua bewahren können. Die italienischen Häfen besafsen ein Monopol, und wenn auch der Spezereihandel schwieriger geworden war, seitdem Konstantinopel sich in den Händen der Türken befand und die Mamelukendynastie in Ägypten den Handel schwer belastete, bis sich die

1 Vgl. Heyd, Simonsfeld, Scbanz, Englische Handelspolitik gegen Ende des Mittelalters, Ashley, Mayr, Ehrenberg, Fugger und ders., Hamburg und England im Zeitalter der Königin Elisabeth 1896, D. Schäfer, Das Zeitalter der Entdeckungen und die Hanse, in Hansische Geschichtsblätter 1897, vgl. auch Preufs. Jahrb. 88, 268—281, Schulte, Deutschland und das Meer, Beil. d. Allgem. Zeitung (München) 1900 Nr. 23.

Änderungen im Handelsleben. g75

Macht der Osmanen von Konstantinopel völlig vor den gesamten Verkehr mit Indien wie ein Riegel legte (1516), bis alle Strafsen nach Indien im Besitze der Türken waren, der Grundzug bestand noch: der Spezerei- handel war wesentlich in den Händen der Venetianer, und für einen Teil der Welt waren die oberdeutschen Eaufleute die weiteren Vermittler. Die Genuesen hatten zuerst nach der Heimat der Spezereien, nach der afrikanischen Westküste getastet, die Portugiesen nahmen ihre Fährten auf und ihnen gelang die grofse weltgeschichtliche Entdeckung; zur See erreichten sie um das Kap der guten HojQTnung herum die Küste von Ostindien. Für den Umschwung im Handelsleben war diese That zu- nächst viel wichtiger, als die Entdeckung des Genuesen Columbus. Seit- dem zum erstenmal im Jahre 1499 portugiesische SchijQTe Pfeffer nach Lissabon heimbrachten, war das Monopol Venedigs vernichtet. Die portu- giesische Regierung getraute sich aber zu, das eigene an die Stelle zu setzen.

Auf ihren Fahrten zerstörten die Portugiesen möglichst alle Schiffe, die den Handel zwischen Indien und Arabien vermittelten. Die Fahrt wurde flir die arabischen Schiffer so gefährlich, dafs auf den alten Märkten von Alexandrien und Kairo die Warenzufuhr sich bedeutend einschränkte. Die Preissteigerung der Gewürze, die das deutsche Volk 80 heftig erregte, war zum Teil eine Folge davon, dafs die Lager in Alexandrien und Venedig sehr knapp wurden und die von Lissabon noch nicht ausreichten^. Dann ging man in Lissabon an eine Regelung der Zufuhr, wobei überschüssige Waren verbrannt wurden. Die Gewinne der Portugiesen waren geradezu enorm; denn sie allein nahmen den ganzen Nutzen, der sich bis dahin auf viele Zwischenhändler verteilt hatte.

Nur eine Hilfe hätte Venedig retten können, wenn es gelungen wäre, die Landenge von Suez zu durchstechen. Es ist daran sehr wohl ge- dacht worden, allein erst 350 Jahre später wurde der kühne Gedanke ausgeführt. Venedig hat nicht ernsthaft den Versuch gemacht, den neuen Thatsachen Rechnung zu tragen. Während es fortan aus zweitem Kaufe einzelne Spezereien erhielt, hatten die Portugiesen den Handel und zwar ersten Kaufes an sich gebracht. Lissabon war der Brennpunkt des europäisch-indischen Handels geworden und die Könige regulierten dort die Preise. Es gelang nur selten oberdeutschen und italienischen Kauf- leuten, an diesem primären direkten Handel mit Indien oder Amerika selbst teilzunehmen. Lukas Rem war persönlich bis zu den Kanarischen und Kapverdischen Inseln gekommen. Bald schlössen die Portugiesen alle Fremden vom indischen Handel aus. Sevilla, der Marktplatz für die

» Hejd 2, 531. 5:38.

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676 Sechzigstes Kapitel.

Amerikafahrer, kam erst langsam zur Geltung. Wohl hob sich momentan auch noch Genua als Zwischenhafen zwischen Lissabon und den ober- deutschen Gebieten.

Lissabon wurde bald von Antwerpen überflügelt; denn die Spezereien machten nun von Lissabon auch noch die Meerfahrt bis zum Brennpunkt der mitteleuropäischen Vermittel ungszone. Der Austausch der Waren von Nord- und Südeuropa blieb an diese Stelle gebunden, nur dafs jetzt das Mittelmeergebiet nicht mehr die Spezereien spendete, sondern Lissabon. In Antwerpen regulierte sich der grofse Welthandel. Die grofsen Handels- gesellschaften Oberdeutschlands sandten ihre besten Faktoren dorthin, wo sie doch nun einen Teil ihrer Spezereien kauften. Diese wanderten jetzt nicht mehr Rhein abwärts, sondern kamen den Strom herauf.

Aus dem Bereiche des Mittelmeeres hatte sich der Sitz dieses Handels an die Küste des Atlantischen Oceans verlegt, der Seeverkehr hatte sich erweitert, und wenn Europa bisher das nördliche Vorland des Mittel- meeres gewesen war, wurde es jetzt die Westspitze der in das \Veltmeer vorragenden Festlandsmasse. Das Mittelmeer hatte wie die Ost- und Nordsee an Handelsbedeutung verloren, die Schwerlinie des Handels war aus Mitteleuropa an den Atlantischen Ocean verlegt, die Zeit des Handels der Binnenmeere war zu Ende, die des oceanischen brach langsam an.

Während des Mittelalters stand dem Spezereihandel der Handel mit Wolle und W^oUstoffen durchaus ebenbürtig zur Seite. Die englische Wolle hatte ihre Überlegenheit behauptet, noch war die Merinowolle nicht weit verbreitet. Die spanische Wolle einst von den Arabern ge- pflegt — ist wahrscheinlich durch englische Wolle aufgebessert worden (1437 durch Einführung von Gloucester-Schafen ^) , zunehmend hob sich die spanische Wollproduktion und die Herden von Leon und Kastilien zogen zur kühleren Jahreszeit die uralten Wege nach dem Süden ; dieser Wechsel des Klimas liefs sie gedeihen. So sehr sich das Ansehen der spanischen Cavannen hob, so waren sie doch nicht imstande, die Eng- lands zu ersetzen. Die Zeit, wo der Ruhm der Merinoherden den der englischen vergessen liefs, war noch nicht gekommen. Die italienische Weberei produzierte feine Sorten, sie brauchte dazu den besten Stoff. Bis dahin hatte England ihn geliefert. Die Handelsbilanz dieser Insel war um 1300 sehr einfach: sie führte Wolle aus und Tuche ein. Das änderte sich langsam, aber fast ohne jeden Rückschlag. Zur Hebung der Wollweberei waren schon im vierzehnten Jahrhundert flandrische Weber in das Land gezogen, mit dem Anwachsen des Wollgewerbes, der auch an dieser Stelle erfolgten Einführung eines Verlagssystems, die eine Aus-

Jan ke, Wollproduktion S. 49 ff.

Änderungen im Handelsleben. 677

fuhr von Tuchen und Kammgarnstoffen ermöglichte, während die Einfuhr fremder Tuche durch Zölle möglichst verhindert wurde, schritt das Be- mühen der Könige fort, die Wollausfuhr zu verhindern und in England selbst immer bessere Fabrikate herzustellen. Dabei stieg die englische Wollproduktion noch immer, da die Bildung von Latifundien zur Ein- schränkung des Ackerbaues und Vermehrung der Viehzucht führte. „Das Schaf verdrängte den Menschen, weil die Wolle sich besser rentierte als das Getreide** *. Nachdem England 1496 die freie Durchfuhr seiner Tuche nach den Niederlanden erreicht hatte, stand ihm der Weltmarkt offen, und schon veränderte sich die Handelsbilanz dahin, dafs bei den Ausfuhrzöllen die Tuche den ersten Platz statt der Wolle einnahmen. Schon hatte eine erhebliche Erschwerung der Wollausfuhr Platz gegriffen, der Zoll stieg auf 33, ja 70 ®/o des Wertes^, bis unter der Königin Elisabeth, die des klugen Heinrichs VH. Handelspolitik bis zu ihren Konsequenzen führte, die Wollausfuhr ganz untersagt wurde. Indem sie die technisch besten Arbeiter, die Vlaemen, in ihr Land als Flüchtlinge aufnahm, erreichte die englische Tuchindustrie den Vorsprung nach Stoff und Arbeit. Schon seit 1500 verödeten die alten Weberstädte Flanderns, weil ihnen der Rohstoff entzogen war. So gründlich verschoben sich von 1300 bis 1600 die Dinge.

Die Wirkung auf das Ausland war offenbar viel tiefer als man bisher annahm. Die italienische Textilindustrie verdorrte und damit fielen die langen Transporte englischer Wolle, die Oberdeutschland passiert hatten, fort. Auch der Handelsvertrag, der 1490 auf sechs Jahre zwischen Eng- land und Florenz geschlossen wurde, mufste einwirken, wenn er auch kaum ganz in dem buchstäblichen Sinne ausgeführt wurde; denn dann hätte alle nach Italien bestimmte englische Wolle mit Ausnahme einer kleinen für Venedig bestimmten Quantität durch englische Händler in Pisa ausgeschifft werden müssen, um von dort aus weiter auf Italien verteilt zu werden®.

Ähnlich nachteilig wirkte auf die italienische Seidenindustrie die Ansiedlung von Seidenwebern in anderen Ländern, die in Frankreich direkt von der Krone ausging, welche 1466 Seidenarbeiter nach Lyon zog.

Das Handelsleben war im Mittelalter die Sache von Städten und Stadtrepubliken gewesen. Die nationalen Staaten, welche sich am Saume des Atlantischen Oceans gebildet hatten, zogen nun auch dieses Feld in den Bereich der Staatsaufgaben und damit war es aus mit der Epoche, in der Handelsherrschaft und Seegewalt den Städten gehört hatte. Die

' Meyer, Handelsgeschichte 140.

2 Ashley 2, 288.

3 (Pagnini) 2, 288 ff.

g78 Sechzigstes Kapitel.

Dynasten liefsen sich jetzt auch durch die wirtschaftlichen Interessen be- stimmen, während das früher auf die Städte beschränkt gewesen war. E* begann die Zeit, in der Tarife sehr wuchtige Waffen waren. Die dynastische Politik wurde der städtischen ähnlicher und durch ihre gröfseren Machtmittel überlegen. Die englische Krone erzielte durch die Konsequenz ihrer nationalen Wirtschaftspolitik die glänzendsten und dauerndsten Erfolge. Die siegreiche Handelspolitik der Tudors hat erst die Vormachtstellung der Fremdkaufleute, der Deutschen und Italiener, vernichtet, den Wettbewerb der Ausländer auf die Seite geschoben und Englands heutiger Welthandelsstellung vorgearbeitet.

Unser Vaterland hatte die mittelalterlichen staatlichen Formen nicht überwunden; in zahllose Territorien zerrissen, die Zölle besafsen, war eine nationale Handels- oder Gewerbepolitik einfach unmöglich. Die Ver- suche, wie der Vorschlag des grofsen GrenzzoUes von 1 522, waren ebenso plump wie erfolglos. Hier fehlte die Hand, die den deutschen Elaufmann decken und leiten konnte. Das Reich war einer Handelspolitik übe^ haupt nicht fähig. Man darf auch nicht vergessen, daüs Deutschland keine wirtschaftliche Einheit war. Das mitteldeutsche Bergland schied den Norden, das Hansagebiet von Oberdeutschland und als drittes Element stand daneben das Gebiet des Niederrheins und die Landschafiten, deren Ablösung sich langsam vorbereitete, das heutige Belgien und die Niederlande. Die Gebiete waren voneinander fast unabhängig und in Oberdeutschland merkte man kaum, dafs der Niedergang des hansischen Handels schon im fünfzehnten Jahrhundert begann. Auch die greisen Territorialstaaten gewährten den eigentlich Handeltreibenden nicht mehr Deckung als die schwache Centralgewalt. In Oberdeutschland lag er in den Händen der Reichsstädte, weder Bayern noch Österreich haben sich ihrer angenommen. Die wirtschaftliche Gliederung in Handelstädte und wesentlich von der Urproduktion lebende Halbstaaten blieb in Deutsch- land bestehen, es wölbte sich darüber nicht der feste Bau eines einheit- liehen Staates. In dieser neu anbrechenden Zeit vermochte selbst die gröfste Genossenschaft, die der deutsche Handel sich geschaffen hatte, obwohl sie ja fast einen Staat darstellte, die Hansa, sich nicht zu behaupten. Auch ihr fehlte die lebendige Deckung der Interessen der WaterkaDte durch das Binnenland, des Handelsgebietes durch das der Urproduktion. Deutschland blieb in der mittelalterlichen Handelsverfassung stecken, während die nationalen Staaten, vorab England, Land und Leute zu einer handelspolitischen Einheit zusammenschweifsten; hier fand der Kaufinann Rückhalt und Deckung an seinem ganzen Volke. In Deutschland fehlte das, was jene Völker im Handels- und Gewerbsleben emporhob, eine Handelspolitik. Diese Staatenlosigkeit unseres Vaterlandes, seine poU- tische und militärische Schwäche, der Mangel einer nationalen Wirtschafts-

Anderuugen im Handelslebeu. ()79

politik sind für Oberdeutschland allerdings weit weniger schädlich ge- wesen y als für die Landschaften an der Meeresküste. Italien hatte ja ähnliche Verhältnisse wie sie Deutschland besafs. Mitteleuropa ver- harrte eben politisch wie wirtschaftlich in dem mittelalterlichen Zustande.

War um 1300 das Schwergewicht aller Länder wesentlich agrarisch gewesen mit Ausnahme von Flandern, Ober- und Mittelitalien, hatte Deutschland damals die Verbindung dieser beiden Gebiete gebildet, so war um 1500 das Gewerbe, das für den grofsen Markt arbeitete, viel weiter verbreitet, und wenn um 1300 Handelsstädte und Gewerbecentren, sehen wir von den Hansastädten ab, identisch gewesen waren, so traf auch das nicht mehr zu. Lissabon war ein Handelsplatz, nichts sonst, und später traten die Niederlande in den Bereich als ein Gebiet von Handelshäfen, ohne dafs das Gewerbe überwiegende Kraft gewonnen hätte.

Auch das Gewerbe begann zu kranken. Indem immer mehr die Tendenz hervortrat, die Zahl der Meister und die ihrer Gesellen zu fixieren, ihnen eine sichere, ' altgewohnte, aber nicht ausdehnungsfkhige „Nahrung*^ zu gewähren, das Zunftrecht erblich zu machen und neben das Patriziat der Grofskaufleute einen Stand erblicher Zunftgenossen zu setzen, erlahmte auch die Kraft der Gewerbe.

Das Bild des europäischen Handels verschob sich gerade in den Zügen, die für die Beziehungen zwischen Italien und Deutschland mafs- gebend waren. Aber durchaus nicht sofort traten diese Konsequenzen zu Tage. Venedig ist sehr langsam von der alten Höhe herabgesunken. Italien war im Spezereihandel erheblich geschwächt, in seiner Textil- kunst energisch geschädigt, aber zunächst verblieb ihm, dem Lande der Renaissance, die Überlegenheit in Kunst und Geschmack. Und von der deutschen Ausfuhr nach Italien war nur die englische Wolle fortgenommen; gerade das, worauf sich die höchste Blüte Augsburgs gründete, der Bergbau, florierte noch. Die gröfsten oberdeutschen Handelsstädte Augsburg und Nürnberg behaupteten ihre technische Über- legenheit in vielen Gewerben. Die Handelsherren dieser Städte erwiesen sich als weit schmiegsamer als die hansischen. Ohne Venedig oder Genua aufzugeben, erschienen sie nun auch in Sevilla, Lissabon und Antwerpen; sie besuchten die Messen von Lyon und Frankfurt, deren Bedeutung immer noch stieg. Augsburg behauptete sich trotz schwerer Krisen noch das ganze sechzehnte Jahrhundert hindurch an. der Spitze der europäischen Geldmächte. Härtung hat aus den Augsburger Steuer- listen nachgewiesen, dafs der Wohlstand dieser Stadt und ihre Kapital- kraft noch bis zum dreifsigjährigen Kriege zunahm ^ Doch verlangsamte sich die Steigerung des Besitzes und auch ohne das Elend jenes Krieges

^ In Schmollers Jahrbuch Bd. 22.

ggO Sechzigstes Kapitel.

hätten schliefslich Augsburg und Nürnberg von ihrer stolzen Höhe herab- steigen müssen. Kleine Orte wie Ravensburg verschwanden im sech- zehnten Jahrhundert aus dem Welthandel, aber auch Konstanz und Ulm sanken unaufhaltsam. Im äufseren Leben, in der Pracht der Bauten, in dem Luxus jener Tage zeigt sich der Rückgang noch nicht offen, aber es ist wohl ein historisches Qesetz, dafs die ästhetische Blüte die finanzielle . um eine oder mehrere Generationen überlebt. Die Denkmäler erweisen i als das fast plötzliche Ende einer satten Blüte den dreifsigjährigen Krieg, sie fHllt aber thatsächlich wohl sechzig Jahre früher. Wo politische und wirtschaftliche Ursachen zusammenkamen, konnte auch der Unter- nehmungsgeist älter, wohlerfahrener Kaufmannsgeschlechter sich nicht mehr behaupten. Die Zeit einer genossenschaftlichen und stadtwirtschaft- lichen Handelspolitik war abgelaufen, eine auf dem Gedanken des nationalen Staates gegi'ündete hat unserem Vaterlande erst das neun- zehnte Jahrhundert gebracht.

Achtes Buch.

DIE WAREN AUF GRUND DER TARIFE

DES VIERZEHNTEN UND FÜNFZEHNTEN JAHRHUNDERTS.

Erster Teil.

DIE ZOLLTABIFE.

Einundsechzigstes Kapitel. Italienische Tarife.

Como. Linfjcschohene Stücke (Chiavenna, BelUnzonaf Lhnneti), Provismies Vcnetiarum et Januae, Umarbeitungen. Art der Verzollung. Genueser Umsatzsteuer. Mailänder Datium. Tessiner Tarife.

Die Waren des Alpenverkehrs genau kennen zu lernen, bieten ein- gehendere Zolltarife die beste Gelegenheit. Und solche sind zum Glück in gröfserer Zahl vorhanden, kleinere Tarife werden als Ergänzung dienen können.

Der umfangreichste aller für die mittleren Alpen in Betracht kom- menden Tarife ist nächst dem von Mailand der von Como, welcher auch in seiner Geschichte höchst lehrreich ist und gründliche Auskunft auch über die Interessen der Nachbarn gewährt. Ich habe ihn deshalb in den Ur- kunden abgedruckt, obwohl von Liebenau ihn bereits an allerdings sehr entlegener Stelle veröffentlicht hat; ich mufste in meiner Ausgabe die höchst interessante Umgestaltung mit berücksichtigen und habe diese junge Form unter dem Texte geboten ^ Dieses Dazio della mercaneia oder pedaggio maggiore wurde zwar von der Stadt Como erhoben, monat- lich hatte sie jedoch für diesen Zoll und die andern Abgaben 4000 fl, an die Mailänder Regierung abzuliefern^.

' Urkunden Nr. 189 u. 190. « Rovelli 3, 1, 26.

i.

682 Eiimndsechzigstes Kapitel.

Der älteste Tarif ist mindestens vor 1328 entstanden, da die gleich zu erwähnenden Provisiones Venetiarum nicht erwähnt sind ; die Abände- rungen und Ergänzungen zu den einzelnen Paragraphen, welche in unsern Text schon aufgenommen sind, stammen aus den Jahren 1849 1365. Die Anordnung der einzelnen Posten ist weder eine streng sachliche, noch eine alphabetische. Das erstere Princip ist wenigstens hie und da durchgeführt. An den Comasker Zolltarif schliefst sich in der uns er- haltenen Fassung ein knapper Tarif über den uralten, zu Chiavenna er- hobenen Brückenzoll an, der im wesentlichen nach den Transportmitteln erhoben wurde (Saumlast, Traglast, Fässern, Häuptern) ^ Wie dieser war ein Zuschlag zu dem Comasker Zoll das ^^pedagium vettts BerinBonet^ das sich auf die Bedürfnisse eines Alpenthales bezieht^. Dieser Zoll wird von den Lebensmitteln erhoben, daneben erscheint nur die Sichel; der Zoll pafst also in die Zeit vor dem Aufblühen des Gotthardverkehrs ^. Es folgen in der grofsen Sammlung der Bestimmungen, unter denen der Zoll verpachtet wurde, zahlreiche über die Art der Erhebung. Innerhalb derselben sind drei Stücke besonders wertvoll. Zunächst erwartet man viel von den Pacta hominum de Leventina et comunis Oumarum; dieser Titel enttäuscht, denn thatsächlich sind es die allgemeinen Zollgesetze mit einer Reihe von Abänderungen von 1342 an. Neben Bellinzona werden als zulässig für den Alpenverkehr die Strafsen von Ossola, Chia- venna und Bormio bezeichnet, namentlich wurde der Verkehr durch die Val Maggia verboten*; andere Bestimmungen betreffen die Schiffahrt auf dem Comersee, ihr Zweck ist, zu verhindern, dafs ihn keine Güter ohne die Zahlung des Comasker Zolles befahren. Die wirklichen Abmachungen zwischen dem Livinenthale und Como sind zunächst in der Diminuito facta Ulis de Leventina, Ondergtialdo ^ Orogera et MezoUsina enthalten, einem Vertrage von 1335, der von den Leuten von Livinen, Unterwaiden, Uri und Misox angeregt wurde, um die Kaufleute auf dem bisher ge- bräuchlichen Wege zu erhalten*. Es war eine Herabsetzung des Zolls auf die wichtigsten Handelsartikel, um den Verkehr auf der einen Alpen- strafse zu heben. Es werden aufgeführt an Metallen: Erz, Stahl, Zinn und Eisen, an Textilwaren und Rohstoffen: boldinellarum j Barchent,

» Vgl. Bd. II S. 125, 14—29.

« Ebda. 8. 125, 30—126, 19.

^ Selbstredend fehlt ein Tarif der Fürleite zu Biasca, da diese zu erheben erst 1467 genehmigt wurde. Heusler 33, 255.

* In einer Handschrift des Archivs von Como fand ich aach ein Verbot der Strafsen, welche »capitant in plebibM Grabedone et Dongi*, das ist also der S. Jorio- pafs, der den obersten Teil des Comersees mit Biasca verbindet. 1469 verhandelte Como aber mit dem Herzog darüber, hier eine Strafse zu bauen. Vgl. die betr. Urk. Boll. stör. d. Svizz. ital. 11, 282; Rovelli 3, 1, 318.

» Abdruck Urkunden 8. 127, 13—130. 14.

Italienische Tarife. 683

Baumwolle, Wolle, Tücher, Grautticher von üri, Zendal, Felle und Pelz- werk: bacillorum, Lösch, Corduanleder, balzanorumy Felle; Spezerei- waren und FarbstoflFe: Krapp, Indigo, Lorbeerbeeren; Streitrosse, Wein und aufserdem tlie Lebensmittel, wie sie in den Alpen genossen oder er- zeugt werden.

Es war aber dieses nicht die einzige diminutio^ sondern kurz vorher war der Zollaufschlag, den Graf Wemher von Homberg bei den Zöllen von Como und Bellinzona in einem Drittel ihres Betrages erreicht hatte, für die von Luzem, Uri, Urseren, Unterwaiden und Schwyz auf- gehoben*.

Die Venetianer erreichten 1328 einen Special vertrag, der für ver- schiedene Waren eine ganz bedeutende Erleichterung des Transits be- deutete. Der Ballen Baumwolle und Wolle sollte 1 fl. zahlen, für Woll- tücher und alle andere Waren wurde der Satz auf 2 fl. bemessen*. Diesem den Transporteuren einer bestimmten Stadt gewährten Schutze tritt das Privileg für eine bestimmte Transportrichtung in den wichtigen, schon oben besprochenen Provisiones Januae gegenüber". Die Bestim- mungen sind im einzelnen schon oben berührt An Warengattungen er- schienen französische Tücher, solche von Florenz und Provins, englische Wolle, Seide, seidene Tücher u, s. w., Pelzwerk, Spezereien und Farb- waren, endlich grobe Waren. Auch diese Sätze beziehen sich auf den Transithandel.

Diese verschiedenen Specialtarife haben neben dem Haupttarif Gültig- keit gehabt, an der Zollstelle von Como mochten jedoch manche Zweifel bestehen und das Bedtlrfnis sich geltend machen, einen einzigen Tarif an die Stelle zu setzen und ihn alphabetisch zu ordnen. Dieser Arbeit unterzogen sich 1379 Leute, welche den Zoll erhoben hatten, aber noch 1381 wurde die alte Form erneuert; den umfangreichen Text dieses neuen Tarifes neben dem alten abzudrucken, konnte ich mich nicht ent- schliefsen, ich habe die Bestimmungen des neuen Tarifes unter den be- treffenden des alten abgedruckt bezw. kurz mitgeteilt. Der Vergleich ergiebt das folgende: Neue Posten sind nur wenige hinzugekommen, der ursprüngliche Zolltarif war ja schon so eingehend, wie kein Zolltarif nördlich der Alpen. Völlig geändert scheinen auf den ersten Blick die Sätze zu sein, doch ergiebt die nähere Prüfung, dafs sie im Verhältnis von 2 zu 3 regelmäfsig erhöht sind. Nach der Darstellung von Rovelli *

» S. oben S. 227 u. 438.

> Abdruck V. Liebe nau im Periodico 272—277; auch angeführt Marin 6, 272.

« Urkunden Nr. 191 u. 248.

^ 3, 28 f. Ich kann hier die Untersuchong nicht zu Ende fuhren, da die ent- scheidenden Bde. rV u. y der Statuten des JDaiium pedcigii während meines Aufent- haltes in Como verliehen waren.

gg4 Eiuundsechzigstcs Kapitel.

wurde das ^dazio della mercantia^ von Como 1372 um ein Drittel er- erhöht und bestand ursprünglich in einem Wertzoll von 12 % auf das Pfund, also von 5 ®/o. Des weiteren sind aufgenommen die Sätze der drei Begünstigungsverträge, und zwar erscheinen die der Frovisiones Januae in dem dreifachen Betrage und die der Provisianes Venetiarum zu dem Satze 1 fl. = 2 ^ 8 ^ umgerechnet und die der Livinenthäler und Schweizer wiederum von 2 auf 3 gehoben.

In diesem Zustande hat sich der Tarif bis in die Neuzeit erhalten; der älteste Druck, den ich in der Ambrosiana zu Mailand fand, stimmt mit den Sätzen von 1381 noch fast immer überein ^ Bei Erhöhungen diente der Tarif weiter als Grundtaxe. Die Tarife waren also aufser- ordentlich konservativ ; in einer Zeit, in der kein Metzer mehr wufste, dals er in Como Vergünstigungen genofs, als die Wollenmanufaktur von Provins längst verschwunden war, schrieb man noch immer geduldig die Formeln ab. Gerade an diesen Stellen wirken auch , noch andere Verträge nach. So erinnert bei den Bestimmungen über die Wolle die Erwähnung von Novum Castrum an die Verhandlungen mit Neufchäteau von 1321, und wenn daneben Metz genannt wird, so dürfen wir wohl schliefsen, dafs auch mit dieser Stadt einst ein Vertrag abgeschlossen wurde. Wolle von Tunes und Buzca (Buzea) oder von Tesino (Tinexio) und Bussola ist afrikanischen Ursprunges, es ist die aus Tunis und Bugia in Algerien. Die Wollausfuhr von Tunis erwähnt Pegolotti ausdrücklich und Bugia ^ kennt auch aus anderer Quelle Canale^. Selbstredend kann es sich da um keinen Vertrag handeln. Bei den Tüchern wird besonders Provins, Bergamo und Val Maggia erwähnt, was nahe legt, an bestimmte Verträge zu denken.

Der Zoll von Como verzollt grundsätzlich fast alles, es dürfte nicht viele Gegenstände geben, die nicht der Verzollung unterlegen hätten. Die Berechnung nach Transportmitteln ist gänzlich verschwunden, in den meisten Fällen wird nach dem Gewichte bezw. bei Flüssigkeiten nach dem Raummafs erhoben und handelt es sich um einen Wertzoll. Einmal führt der verschiedene Ansatz für die verschiedenen Waren, dann die Einteilung in verschiedene Provenienzen derselben Ware auf eine Differenz dem Werte nach. So bei der Wolle und den Tüchern. Ganz ausgesprochen ist der Wertzoll bei den Streitrossen®, wo die Angaben des Hufschmiedes zu Grunde zu legen sind. Ursprünglich war, wie ge- sagt, nach Rovelli der ganze Zoll ein Wertzoll von 12 ^ auf das it,

^ Dato del Datio della Mercantia di Milano. Biblioteca Ambrosiana in Mai- land 8. 1. e. a. enthaltend die Tarife von Mailand, Pavia, Como, Novara, Lodi und Vigevano, Die späteste Jahreszahl, die ich fand, 1573.

2 122. Canale S. 177.

3 S. unsere Ausgabe [32. 33].

k

Italienische Tarife. 685

also von 5 ** o ^ Doch trifft das nur für den ursprünglichen Tarif zu. Einfuhr und Ausfuhr sind in den meisten Fällen verschieden behandelt, ja innerhalb derselben ist der Unterschied noch verfeinert. Einfuhr und Ausfuhr werden meist von der Durchfuhr deutlich unterschieden, bei der Einfuhr bezw. Ausfuhr wird mitunter eingeteilt, ob die Ware nur den Gerichtsbezirk von Como betritt oder auch die confinia^. Der Satz ist für die verschiedenen Strafsen, wie schon oben erwähnt ist, nicht der gleiche. Auch der Weg über Magadino wird von dem über den Monte Cenere unterschieden^. Durchweg sind die Zollsätze für Waren, die die Alpen über- schreiten, höher als die für den Verkehr im Pogebiete selbst Die Be- günstigung des Transits von Venedig und Genua ist vorhin näher aus- auseiiiandergelegt. Das System von Como vereinigt somit die ver- schiedensten Gesichtspunkte; eine nähere Prüfung würde hier zu weit führen.

Die Kenntnis des Tarifes der Genueser Umsatzsteuer verdanke ich Sieveking, der mir seine Abschrift zugänglich machte. Die Anordnung der etwa 350 Posten ist, wie beim jüngeren Comasker Tarife, alphabetisch. Die Deutung der Warennamen und der Herkunftsorte ist nicht leicht, da sich viele unbekannte Worte finden und die Ortsnamen sehr entstellt sind. Als deutsch werden nur die baldinelle aufgeführt. Bei der Auf- zählung der Orte, worauf ausgestellte Wechsel gehandelt werden, finden sich wohl Avignon, Paris, Montpellier, Brügge und England, nicht aber Deutschland. Auch unter den Tuchen finden sich nur Provenienzen aus dem heutigen Belgien, keine deutschen. Ganz besonderes Interesse ver- dient der Tarif, weil er auch die Geldgeschäfte mit einschliefst: asse- curamenta, coniracti stve usure, loca, naulizamenta.

Vor allen anderen Tarifen hat der des Mailänder Datium den Vorzug, sachlich geordnet zu sein. Er umfafst im Foliodruck von 1480* 15 Seiten und ist noch vollständiger als der Comasker oder der Genueser. Er kennt keine Abstufungen nach Wegen und unterscheidet höchst selten Ausfuhr oder Einfuhr, ist vielmehr ein nicht differenzierter Wertzoll und zwar von 5 ®/o ; der Zoll heifst deshalb auch datium denariorum XII pro libra. Da es sich also um einen Wertzoll handelt, erfahren wir durch die Ansätze des Tarifes auch den Durchschnittspreis und fUr den Zweck der Preisgeschichte ist er besonders wertvoll. Er verdiente nach dieser Richtung eine besondere Bearbeitung. Beginnend mit den Bekleidungs- materialien, folgen die merzarie^ die Lebensmittel, Eisen, Erz und Bronze,

> Rovelli 3, 1, 28.

« L43. 44. 65].

» [8. 25. 20. 27. 44; vgl. 7].

^ «Statuta Datiorum« in den Statuta Mediolani.

ggg Zweiundsechzigstes Kapitel.

Seide und Seidenwerk, Farbstoffe, Pelzwerk, verschiedene Dinge und ein Spezereitarif von 215 Sorten.

Ein anderer kleiner Tarif der in den Statuta mercatorum Mediolani sich findet, giebt die Waren an, welche bei Beraubungen den Schaden- ersatz aufbringen sollten. Es sind Wollballen, überbergische Ttlcher, Barchent, Wachs, Streitrosse und von Genua kommende Saumlasten ^.

Von den übrigen Tarifen der italienischen Alpenseite ist keiner von grofser Bedeutung. Die zu Bellinzona erhobene Fürleite wurde für den Verkehr über den Monte Cenere, nach Magadino und Biasca meist nach dem Transportmittel erhoben. Nur genossen ürner Tuche, Wein und die Saumlast corvorum besondere Begünstigungen*. Der Zolltarif von Locamo bez. Magadino berücksichtigt nur den ländlichen Verkehr, Holz, Vieh u, s. w.®, etwas weniger ist das der Fall bei dem von Biasca, der 138& aufgestellt wurde. Wenn man da den Zoll von Habicht und Falken, vom grofsen und kleinen Vieh, von Getreide und Wein findet, so würde man nicht an eine Welthandelsstrafse denken. Für seine Artikel gab es einen generellen Satz, daneben werden nur Barchent und Wein genannt*.

Zweiundsechzigstes Kapitel. Deutsche Tarife.

Luzern, die sonstige Schweiz. Konstanz, Basel. Strafsburg ^ der alte PfundzoU. ZoUkeüer. Pflichtezoll. Kaufhauszoll JEnttcicklung der Transitahgaben. Herabsetzung. Zc^lbefrnungen. Worms: KaufhauszoU. Handelsbuch des Pasi.

Ein durchaus kaufmännisches Gepräge hat der Zoll von Luzem, der 1341 von den Habsburgern an die Hallwyler verpfändet wurde. Der Tarif, der in die Zeit von 1341 bis 1386 fällt», hat den höchsten Satz (5 jS) für ein grofses Rols, der nächsthöchste Satz (von 2 Jf 8 d.) ruht auf jedem Gewandballen, der folgende (von 2 ^ 3 d.) auf WoII- ballen, Saumlast Bückinge, Öl, nach Norden gehende Fardel, ein Satz von 23 d. auf aller Märscherey, JSnfer gut^ Stahl, Waid und Röte und Centner-Gut. Andere kleinere Posten übergehe ich. In dem keineswegs vollständigen Tarife treten die Hauptartikel des Handels deutlich heraus.

Denselben Charakter, wiewohl die aufgeführten Waren vielfach andere sind, trägt der Tarif für den Zoll im Kauf hause von 1390*, bei

^ Statuta Mercatorum in den Statuta Mediolani Fol. 213. 2 Urkunden Nr. 192.

* Abgedruckt bei v. Liebenau, Arch. f. Schweiz. Gesch. 20, 80 ff.

^ Ebda. 20, 155 ff. Fustanei ist statt stustanci, in ultra montana statt in crualia zu lesen.

^ Gedruckt bei v. Liebenau, Arch. f. Schweiz. Gesch. 20, 49 f.

Ebda. 20, 160. Vgl. auch 161 f.

Deutsche Tarife. 687

dem Zoll, den der Schiffmeister von Luzern erhob, tritt in den Waren jedoch mehr das bäuerliche Leben hervor*. Der Tarif des von den Habsburgern neu eingerichteten Zolles zu Rothenburg ähnelt in etwa, jedoch mit weit niedrigeren Sätzen dem Hallwyler Zoll von Luzern, während der Zoll an der neuen Fahrbrticke über die Emme ein einfaches nach dem Transportmittel berechnetes Brückengeld ist ^. Von den übrigen innerschweizerischen Zolltarifen sind die von Bern aus dem Anfang des fünfzehnten Jahrhunderts und der aus gleicher Zeit stammende von Aarau recht eingehend und brauchbar®.

In dem Zolltarife von Konstanz haben wir den ältesten eingehenderen Tarif Oberschwabens, wenn Gothein und ich ihn richtig ansetzen, d. h. bald nach Begründung des Kaufhauses. In ihm ist vereinigt das Lager- geld im Kauf hause mit der Wägegebühr einerseits und ein Zoll (Brücken- geld) andererseits. Die Ansätze richten sich nach dem Werte der Waren, der höchste Betrag entfallt auf einen Venediger Ballen, d. h. auf einen Ballen Spezerei; die Ansätze sind im allgemeinen niedrig. E^ wird der Bürger bei vielen Artikeln erheblich besser gestellt als der Fremde*, bei der englischen Wolle wird von den Ortsfremden der Deutsche noch gegenüber dem Welschen begünstigt'^. Der Transitverkehr wird wenigstens bei den meisten Wollstoffen ausdrücklich bevorzugt. Der Zolltarif wird durch eine jüngere Spezereiordnung gerade nach einer Seite hin ergänzt, die dort nur allgemein behandelt war^.

Die Baseler Kauf hausordnung, welche Getreide und Salz ausschliefst ^ ist noch specialisierter als die Konstanzer, kommt aber der grofsen Strafs- burger Ordnung nicht von ferne gleich. Sie ist jüngst von Eheberg, nachdem bisher nur kleine Stücke bekannt waren, veröffentlicht worden. Durch diesen Abdruck und das, was das Strafsburger Urkundenbuch brachte, ist man in den Stand gesetzt, die verwickelte Geschichte des

* V. Lieben au, Ar eh. f. Schweiz. Gesch. 20, 178.

Jener ebda. 20, 143. Vgl. 18, 306. Dieser ebda. 18, 349. Die Tarife von Zürich (Mitteil. Zürich 8, 39), Freiburg i. Ü. u. s. w. zählen nur wenige Waren- gattungen auf.

' Welti 666 ff. mit Erläuterungen. Das Aarauer „Geleite*': Rechtsqnellen des Kantons Aargan 1. Teil Bd. 1 S. 49—51, B ab 1er in Zeitschr. f. Gesch. d. Oberrh. 37, 118 ff. und Habsb. Urbar 2, 745 f. Den Aaraner Tarif ziehe ich nur gelegentlich heran. Der Tarif von Aarbarg ist nicht besonders eingehend Habsb. Urbarb. 2, 752 f.

^ Indigo, Barchent, Papier, rheinisch Gewand, deutscher und italienischer Wein. Mühlsteine, Schleifsteine, Blechwaren, Öl, Honig, verschiedene Sorten Pelz- werk, Leder, Eisen, Kupfer, Stahl, Salz, Spezerei und Safran«

» Urkunden Nr. 347.

« Urkunden Nr. 360.

' Von einem Abdruck habe ich abgesehen, sie ist eingehend von Geering benutzt.

gg3 Zweiundsechzigstes Kapitel.

Strafsburger Zollwesens im einzelnen aufzuhellen. Doch haben wir hier es nur mit dem zu thun, was den internationalen Handel betrifft.

Die älteste Verfassung teilte dem Burggrafen den unwichtigen Zoll von dem zu, was auf dem Naschmarkte ausgeboten wurde und für den Fernhandel gar nicht in Betracht kam. Obst, Trauben, Knoblauch, Zwiebeln, Käse, Eier und daneben Schüsseln, Häfen. Die Stellung zu bestimmten Zünften führte auch den Zoll von Mühlsteinen, Ol, von Speerschäften und in früherer Zeit auch von Schwertern in seine Hand ^. Der eigentliche bischöfliche Zöllner trug diesen Namen von dem grofseu Zolle. Das älteste Recht der bischöflichen Beamtungen läfst uns erkennen, dafs der Zoll ein Wertzoll von ^lao (1,66 ^/o) war^ und nach dem Satze, vom Pfunde 4 d. wurde er „Pfundzoll" benannt. Dieser Zoll verblieb mit seinem uralten, unbeholfenen Tarif, nach dem auch noch im fünfzehnten Jahrhundert zum Teil in natura, so von Tellern oder Schüsseln der Zoll erhoben wurde, als ein bischöfliches Institut bestehen^ und den Mittel- punkt dieser Verzollung bildete der am Wasser im ältesten Stadtteile belegene vielleicht uralte Zollkeller. Der älteste Zolltarif Hefs den Kauf- mann, der mit seinen Saumlasten durch die Stadt zog, von jedem Zolle frei. Nur, wer seine Waren aus einem Schiffe in ein anderes umlud, hatte eine feste Gebühr von 4 d. zu bezahlen *. Es gab also noch keinen Durchgangszoll in Strafsburg.

Dieser wurde als „Pflichtezoll" aus der Uniladegebühr entwickelt. Man hielt sich nicht mehr an das Umladen, sondern jedes Schiff und jeder Wagen, der mit Kaufmannschaft in die Stadt kam, zahlte die Gebühr von 4 d. und ebenso viel beim Verlassen, beim Karren und beim Pferde betrug die Gebühr die Hälfte. Hätte sich das zu einer sehr rohen Transportmittelsteuer entwickeln können, so haftete doch die Erinnerung an die Erhebung von dem Eigentümer der Waren zu fest und es war

' Vgl. das sogen, erste Stadtrecht Strafsb. Urkb. 1, 470 § 47. 48 und die Auf- zeichnung über das Recht des Burggrafen ebda. 4, 2, 200 216, namentlich 209—212.

2 Strafsb. Urkb. 1, 470 § 49-58.

» Ebda. 4, 2, 216—240, namentlich 219—221. Bei Eheberg manche wichtige Stücke Nr. 50 (Einnahmen und Ausgaben. Die Einnahmen beliefen sich in nicht ganz Jahresfrist auf 378 ÄJ 3 jff 10 <^ Wäre der Satz [V«o vom Verkaufe] that- sächlich allgemein gültig gewesen, was nicht der Fall ist, so wäre im Zollkeller ein Umsatz von 24080 €6 verzollt worden), 68 (Verhör der bischöflichen Zoller), 80 (Ofihung der Zollkiste), 118 (Ordnung des Zolles von 1479), 129 (Ordnung des Zolles am Wighuslin), 292 u. sonst. Der Zoll war an den bekannten Strafsburger Bankier Heinrich v. Mülnheim verpfändet und ging von seinen Kindern 1888 bez. 1343 an die Stadt über (Strafsb. Urkb. 5, 88 f. u. 125). Es erwarb ihn dann aber der Bischof zurück, doch ruhten auf ihm schwere Rentenabgaben. Zu dem Zolle gehörte auch die Fronwage.

* Sogen, erstes Stadtrecht § 50 u. 51. Strafsb. Urkb. 1, 470.

Deutsche Tarife. 689

normiert, dafs jeder Eigen ttlm er von Waren, so viele ihrer es sein mochten, der auf das Transportmittel geladen hatte, die Gebühr zu entrichten habe ^ Dieser älteren Stufe entspricht es auch, dafs der Zoller noch am Ende des vierzehnten Jahrhunderts das Gericht über die Gäste über Kaufmannschaft und Fuhrlohn besafs, wenn auch bereits mit einigen Einschränkungen^.

Ein höchst fein differenzierter Zoll entwickelte sich aus dem Neu- burger, den 1381 Wenzel der Stadt von dort in den Bereich derselben zu verlegen gestattete®, und der Mittelpunkt der Erhebung wurde das Kauf- haus, der glückliehe Rivale des alten bischöflichen Zollkellers. Wir sehen, wie die Stadt das Gebot durchführte, dafs alle Kaufmannschaft sofort ins Kaufhaus verbracht werden mufste und nur dort verkauft werden durfte. Zahlreiche Ordnungen, Ratschläge, Schriftstücke be- weisen es, wie sehr das Kaufhaus der Mittelpunkt des städtischen Handels geworden war. W^ir haben drei Fassungen des Zolltarifes. Der älteste ist von 1401*, ein mittlerer ist noch nicht veröffentlicht*, der dritte wird in die Zeit von 1450—1477 gesetzt*. Die Abweichungen im einzelnen sind sehr mannigfach, für uns ist besonders wichtig, dafs sich allmählich ein Transitzoll aus dem übrigen Zolltarife ausscheidet, der »fürgande«, der fortgehende Zoll stellt sich neben den Verkaufszoll.

Der erste Tarif kennt nur eine Bestimmung für den Durchgangs- verkehr, die Lamparter müssen für ihre Wollsäcke, Baumwollfardel und Gewandballen fiir das Stück 10 ß zahlen^. Im übrigen ist es durchaus die Tendenz des Tarifes, Strafsburg zu einem Stapel zu machen, die einfache Durchfuhr zu erschweren ®. Zu einem solchen Versuche, der in Köln gelingen konnte, reichte die Bedeutung Strafsburgs nicht aus. Der zweite fixiert die Summe auf 1 fl. und bringt zuerst das Verzeichnis italieni- scher Städte, von denen Lamparter gut vardel kommen. Es sind : Meyelon, Kum€y Florencie^ Lücke, Hohenseen, Bise, Dietherichs Bern, VenediCj Tennotve, Asidesan und alles Bemfmt. Ihnen gleichgestellt ist das Gut von Katalonien, Montpellier und Avignon ; ebenso folgen genaue Bestimmungen über Genfer Gut, das auch zu den Messen (wohl den Frankfurtern) herabkommt.

1 Strafsb. Urkb. 4, 2, 221, 19—222, 11. Dafs Schiff und Wagen gleichgesetzt wurde, spricht für die geringe Fassungsfähigkeit der damaligen Schiffe.

« Ebda. 4, 2, 222, 30—37.

» S. oben S. 482.

* Abgedruckt bei Eheberg Nr. 7 S. 4 10; zum Teil bei Schmoll er, Tucherzunft.

^ Erhalten in Bd. 17 der Stadtordnuugen im Strafsburger Stadtarchiv, jedoch völlig anseinandergerissen und falsch gebunden, auch nicht ganz vollständig. Stücke davon hat Eheberg als Nr. 160, 185 und 186 veröffentlicht.

« Abgedruckt bei Eheberg Nr. 103 S. 261— 297. Bruchstücke bei Schmoll er.

^ Eheberg S. 5.

« Schmoller 428 f. 505. Schulte, Oesch. d. mittelaUerl. Handels. I. 44

690 Zweiundsechzigstes Kapitel.

Auch bei einer Menge von Artikeln findet sich der Durchfuhrzoll an- gemerkt, bei den meisten TextilstofFen , der Spezerei im allgemeinen, Papier, Eisen und andern Artikeln. Bei den Ballen Tuch und WoUen- gewand, den Spezereifardeln , Eisen und auch bei dem sogenannten Toulouser Gut von Lombarden in Laden verpackte Gold-, Silber- oder Seidentücher ist der Zoll gleichmäfsig auf 1 fl. oder 10 ß bemessen. Der Amtmann auf dem Kaufhause durfte aber von diesem Gelde den Durchreisenden etwas zurückgeben, damit die Strafse desto minder ge- mieden werde. Besonders drückend mufste es den Kauf leuten erscheinen, dafs sie die Ballen nicht öffiien und zum Verkaufe aussetzen durften, wenn sie auf den Durchgangszoll Anspruch machen wollten, doch bestand schon die Bestimmung, dafs von aufgebundenem aber unverkauftem Gute nur der halbe Verkaufszoll zu entrichten war.

Die Höhe dieses fürgehenden Zolles der gleichmäfsig 10 jff für die Saumlast betragen zu haben scheint schadete aber noch immer dem Durchgangsverkehr. Die Eisenhändler suchten andere Wege und lagerten namentlich in Rastatt und ebenso gingen die anderen Elauf- mannswaren vom Wege ab und suchten am Fufse des Schwarzwaldes oder der Vogesen, bei OfFenburg oder Molsheim dem Strafsburger Zoll zu entweichen und auch beim Tuchhandel hatte die Bestimmung über den halben Zoll bei aufgeschlagenen aber nicht verkauften Waren die Händler verscheucht. Es brach sich bald immer mehr die Überzeugung Bahn, dafs Strafsburg den Transitverkehr begünstigen müsse, nicht erschweren dürfe. So entschlofs sich die Stadt 1461 einmal, den halben Zoll für die Tuche herabzusetzen, wie auch den fürgehenden Zoll zu mindernd Jedoch wurde nicht an einem festen Betrage festgehalten, sondern die Erwägung wirkte, dafs ein Wagen mit Wachs im Werte von 200 fl. und ein solcher mit ^fleschenvasst und leichtem Pfennwert im Werte von 50 fl. nicht demselben Betrage unterworfen werden könnten. Es wurden die vorhandenen Ansätze zu einem nach dem Werte der Waren völlig verschiedenen Tarif durchgeführt und dieser meist auf die Hälfte und weniger des früheren Betrages fixiert.

Die neue Kaufhausordnung, die Eheberg zwischen 1450 und 1477 ansetzt, die aber erst nach 1461 erlassen ist, gewährt nun den vollen Einblick in den Strafsburger Markthandel, wie in den Durchgangs- verkehr, da für beide gleich eingehende Tarife vorliegen, zu denen noch ein Tarif für die auf dem Rhein an Strafsburg vorbei fahrenden Waren kommt. An Präcision kommt diesem Tarife kein anderer unseres Gebietes gleich. Ganz besonders eingehend sind die Angaben über die Gewebe und sie waren Schmoller besonders wertvoll. Minder reichhaltig

» Eheberg Nr. 63 S. 184—187.

Deutsche Tarife. 691

sind die Tarife für die Spezereien. Der fürgehende Zoll erschien noch immer zu hoch, so wurde 1477 der Zoll auf die von den Lombarden durchgeführte englische Wolle auf die Hälfte herabgesetzt* und 1479 erfolgte eine weitere Reduktion für viele Artikel darunter alle Spezerei, lombardische Tuche und seidene Gold- und Silbergewänder ^ : zugleich wurde der Verkaufszoll ermäfsigt.

Auch in Strafsburg gab es Zollbefreiungen. Sie waren zunächst für den bischöflichen Zoll vorhanden, dehnten sich aber auch auf den städtischen Zoll aus. Zollfrei waren beim bischöflichen Zoll die Be- wohner der bischöflichen alten Stadt in Zabem, die Reichsstädte Annweiler, Oppenheim, Frankfurt, Boppard, Niederwesel, Aachen, zum Teil Köln und endlich Nürnberg, so wie die trierische Stadt Koblenz. Mit Hagenau bestand ein besonderes Abkommen®. Bei der Stadt genossen dieses Vorrecht die Altstadt Zabem, Hagenau, Annweiler, Frankfurt, Köln, Aachen, Duisburg, Nürnberg, Eger und das kleine Rheinau^.

Von den Zolltarifen ist Getreide und Wein ausgeschlossen, weil dafür besondere Zölle bestanden. Das Elsafs war aber damals nicht nur eine Kornkammer, sondern elsäfsischer Wein wurde weithin geholt. Für die Händler von Nürnberg, Bayern, Brabant und Schwaben, die Wein holten und dafür namentlich Salz brachten, gab es eine besondere Be- stimmung im Zolltarif^.

Es entspricht ganz der Bedeutung des Handels von Worms, wenn der Tarif des Hausgeldes und Unterkauf lohnes, der im dortigen Kaufhaus zu entrichten war, dem Strafsburger Tarife gegenüber als dürftig erscheint®.

Ein Handelsbuch für Mailand oder Genua giebt es leider nicht, ebenso wenig für Deutschland, ich möchte aber doch auch die An- gaben des Venetianers Pasi heranziehen, er giebt recht genau an, was zwischen Venedig und Oberdeutschland gehandelt wurde. Er geht in manchen Richtungen viel mehr in das Einzelne, als die Zolltarife. Für die folgende Darstellung habe ich aber diese zur Grundlage genommen, jedoch den Mailänder und Genueser nur gelegentlich herangezogen.

» Eheberg S. 279.

» Eheberg Nr. 114 S. 307 f.

* Die ZollbefreiuDgen erscheinen zuerst in dem Weistum über die Rechte des Zolls, Strafsb. Urkb. 4, 2, 226.

* So der zweite und dritte Tarif, letzteres Eheberg S. 267. Sie zahlten nur Hausgeld. Das Abkommen mit Hagenau S. 293—297.

8 Zweiter Zolltarif und Eheberg 266.

« Boos, Quellen z. Gesch. d. Stadt Worms 3, 644-48 um 1450.

44

Zweiter Teil.

DIE WAREN.

Dreiundsechzigstes Kapitel. Produkte des Erdreichs. Textilwaren n. a.

Mineralien u, 8. w, Ausdehnung der Bergteer ke, Süberfieber. Die Metalle in den Tarifen, Fabrikate. SalZj Kreide^ Wetz- und Lavezsteine, Schwefel, Alaun, Lapis lazvli, Glaswaren. Textilwaren. Rohstoffe : Wollsorten, BaumuH>lJe, Seide, Hanf und Fladis. Gewebe: Seidenstoffe^ Zendel u. s. w. Wollstoffe. Baumwollstoffe: Barchent, SckMüz. Leinenstoffe. Halbfabrikate. Fertige KleidwngsstiAcke. Papier. Perlen, KoraUen und Bernstein.

Heute ist die Handelsbilanz Italiens im Bereiche der Metalle und der aus ihnen gefertigten Fabrikate äufserat ungünstig. Das metallarme Land führt enorme Quantitäten ein. Im Mittelalter war die Lage Italiens nicht so schlimm, da der Gewerbefleifs einiger oberitalienischer Städte, vor allem Mailands, noch siegreich die Konkurrenz aushielt und nament- lich in der Waffenindustrie stand Italien noch an der Spitze, um dann überholt zu werden.

Der Bergbau in den Alpen hatte seit 1300 einen gewaltigen Auf- schwung genommen. Die reiche Ausbeute, welche die Silberbergwerke Nordtirols damals lieferten, trieb die Bergleute zu einer fast fieberhaften Entdeckungssucht. Das privatim geführte Mutungsbuch aus dem Ober- engadin von 1481 ist der beste Beweis ^ Die alten Bergwerke auf Silber und Eisen im Montafun, auf Eisen am Gonzen waren in Betrieb ge- blieben, ja weiter ausgedehnt. Das Revier der Tiroler Bergwerke reichte weit über die Grenze, im Oberengadin und um die Bemina gab es nun zahlreiche Gruben. Aber auch im Vorderrheinthal wurde bei Trans Eisen gegraben, wie es hier auch weitere Bergwerke gab, schon früher erwähnte ich die Silbergruben von Medels. In Tschappina bei Thusis

^ Plattner S. 9. Vgl. ihn auch für das Folgende.

Produkte des Erdreichs. 698

wurde auf Bleierz gegraben und seit dem Anfang des vierzehnten Jahr- hunderts werden auch Eisenwerke und der Eisenberg von Tinzen er- wähnt, der im Besitze der Familie von Marmels war'. Im Wallis wurde bei Bagnes auf Silber gegraben^.

Auf italienischer Seite war der Gürtel der Bergwerke wohl noch weiter ausgedehnt, es blieb aber die Gruppe der Bergamasker und Bres- cianer Alpen der Mittelpunkt. Das ganze Alpengebiet zwischen dem Comersee und dem Gardasee enthielt Bergwerke auf Spateisenstein und besonders berühmt war der Stahl der Val Camonica*. Die Brescian- schmiede und die Bergamaskschmiede bezeichnen das hier übliche Ver- fahren; im Anfange des sechzehnten Jahrhunderts gab es auch Hoch- öfen*. Brescia, Bergamo, Lecco, Como, Sondrio und wohl auch Bormio verarbeiteten die Früchte des Bergbaues, vorab Brescia. Auch nach Mailand kam davon, das Roheisen von Rancio und Brincio nördlich von Varese^, aber auch von Omegna am Nordende des Lago d'Orta bezog*. In den Seiten thälern von Domo d'Ossola hielt sich der Bergbau, wenn auch keins dem Revier der Blei- und Silberbergwerke von Pesey in Savoyen an Ergiebigkeit gleich kam. Neu erschlossen wurden im fünfzehnten Jahrhundert Erzgruben in Val Marobbia am See von Orta u. s. w., die jedoch wenig ertragreich waren '. An der Sesia und im Thale von Aosta wurde auf Spateisenstein gegraben^. Mailand deckte seinen enormen Bedarf an gutem Eisen und Stahl auch aus den Bergwerken am Comersee (Val Sassina), dann aus denen der eben erwähnten Val Sesia, auch aus dem Thal von Maccagno am Lago Maggiore erhielt es Erze^ Die Erze von Elba und die toskanischen kamen wohl nur in fertiger Ware über die Berge *®, auch Pietra-Santa (zwischen Spezia und Pisa) lieferte Eisen ^^.

Der Abbau geschah vielfach durch Deutsche. Schon 1253 waren bei den Bergwerken von Villas Iglesias auf Sardinien zwei Deutsche die Leiter" und auch im Kirchenstaat, wo 1462 zu Tolfa die reichen Alaun-

^ Mohr 2, 394.

8 Furrer 1. 235.

3 Beck 2, 251 u. 858.

* Beck 2, 252 u. 859. » Statuta Blatt 159^

® Statuta Blatt 158. 159. Es ging über Luino. •^ Bell. stör. d. Svizz. ital 5, 88. 8 Beck 2, 860.

he im, Werke Mailänder WaflPenschmiede. ^0 Beck 2, 856 ff.

Uzzano 168.

12 Pertile 2, 1, 499 Anm. 341. Nach Lattes 163 hätte sich im Bergrecht von Sardinien sogar ein deutscher Ausdruck erhalten.

594 DreiuDdsechzigstes Kapitel.

gruben entdeckt waren, war 1479 ein Deutscher aus Meifsen Bergwerks- direktor ^. Ein Jahr zuvor hatte der deutsche Benediktiner Nikolaus Bleymit die Erlaubnis erhalten, im Herzogtum Mailand nach Alaun zu graben^. Auch wir fanden deutsche Gesellschaften oder Deutsche in Italien und Savoyen beim Bergbau®.

In dem deutschen Alpenvorland mehrte sich der Bereich des Berg- baues ebenfalls bedeutend, wenn auch der Silberbergbau des Breis- gaues bereits nachliefs. Doch dehnten sich diese Oruben sogar bis Laufenburg aus * und trafen dort mit den Erzgruben des Frickgaues zu- sammen, die in der Gegend von Waidenburg ihre Fortsetzung fanden. Auch wurde Eisen bei Rändern, Waldkirch und im Kinzigthale ge- wonnen^. Im Elsafs waren die alten Silbergruben des Leberthaies im dreizehnten Jahrhundert verlassen worden, sie wurden im fünfzehnten Jahrhundert wieder in Betrieb genommen und erlebten eine bedeutende Blüte. Bei Masmünster und Giromagny wurde gleichfalls auf Silber mit Erfolg mindestens seit dem vierzehnten Jahrhundert geschürft*.

Die entscheidendste Umgestaltung der Metallproduktion, vor allem der Edelmetallgewinnung ging aber von Tirol, wo 1409 bei Schwaz Silber gefunden wurde, von Ungarn, Böhmen und Sachsen aus, worauf hier nicht näher eingegangen werden kann. Wir sahen früher, wie die grofsen Handelshäuser das sich zu nutze zu machen verstanden. Auch am Niederrhein wurden die Schätze der Erde ans Tageslicht gefördert und von dem Blei der Eifel, von den Stahlwaren Westfalens ging gewifs auch manches über die Alpen.

Gold und Silber'' erscheint in den Zollkatalogen nicht, weil sie als Wertmesser zollfrei waren, auch Quecksilber habe ich nicht gefunden. Wohl aber begegnen regelmäfsig: Kupfer (Strafsburg, Konstanz, Basel, Bern, Luzern, nicht Como); dieses verbrachten schon am Ende des vierzehnten Jahrhunderts Nürnberger nach Genua®. Auf der Grau- bündner Route gingen grofse Quantitäten davon® und auch von den Genfer Messen brachten die Mailänder Kaufleute Kupfer, Blei, Zinn und Silber mit^^

> Pertile 2, 1, 499 Anm. 341. Oben S. 601. « Archiv io stör, lombardo 19, 997. 8 S. oben S. 487 und Urkunden Nr. 69, 163 u. 298. ^ Baseler Chroniken 5, 241. » Beck 2, 693 ff.

« Hanauer 1, 177 ff. 196 f. Reufs 1, 603—608. ^ Strafsburger Silber erwähnt Pegolotti 293. 8 S. oben S. 543 und Urkunden Nr. 257 für 1436. » Urkunden Nr. 283. Register von Chillon bei Borel.

Produkte des Erdreichs. 605

Zinn (ebenso, auch Como und Worms), das einen erheblichen Teil des italienisch-englischen Handels ausmachte;

Blei (nicht Eonstanz, wohl Como und Worms);

Bleiglätte (Basel, Luzern, Strafsburg). Von den Mischungen:

Glockenspeise (Basel, Strafsburg, Aarau);

Messing (Basel, Strafsburg, Bern, Como). Am meisten begegnet natürlich das Eisen:

Roheisen (Konstanz, Basel, Luzern, Strafsburg, Bern, Como : ferruim crudum ^),

Stabeisen (Basel, Strafsburg),

Stahl (Konstanz, Basel, Luzern, Bern, Rothenburg, Strafsburg, Worms, Como), wobei in Konstanz Kärnten als Heimat bezeichnet wird, während in Basel der lombardische besonders hoch gewertet wird. (Daneben noch Kemstahl^). Ein Tarif von Freiburg i. Br. nennt neben Stahl aus dem benachbarten Falkenstein nur lombardischen®, der von Zürich unter- scheidet den höher verzollten Stahl von Como (8 /^), von dem von Chur (6 /^) und dem von Kärnten (4 /^)*. In der That war lombardischer Stahl sehr angesehen, nur war er zum gröfsten Teile aus Rohstahl ge- wonnen, der aus Kärnten, Krain und Steiermark stammte. In Brescia und Mailand geschah die Umwandlung und Mailänder Stahl ging bis nach Flandern *, wie auch Uzzano, ein Florentiner, die Preise der verschiedenen Sorten von Eisen aus Brescia und den Thälern Camonica und Trompia (Ropia) in seinem Handbuch für Kaufleute aufzählt^. Die Lombardei beherrschte mit Deutschland den Handel in Stahl. Guter Stahl wurde auch aus den Erzen vom Gonzen zu Flums hergestellt '';

Schmiedeeisen (Basel). Die Sorten des Comasker ZoUtarifes: vereellaruni regionarum (oder ragionorum) de Burmio und de Vallesaxina vermag ich nur zum Teil zu erklären®. Es handelt sich um Eisen von Bormio und aus dem bei Bellano in den Comersee mündenden Thale Sassina. Das ferrum sbavatuniy das von Gufsfehlern befreite und das noch unerklärte a scartcufiis wurde von Flandern und Deutschland eingeführt*.

^ Aufserdem in dem RbeinzoUtarife. Strirfsb. Urkb. 6 Nr. 758.

-^ Als Massenartikel über den St. Gotthard erwiesen, s. oben S. 451.

» Zolltarif von 1369. Schreiber 1, 550.

* Züricher Stadtbücher S. 261.

»* Beck 1, 8:31.

« S. 105.

' Beck 2, 708.

» Urkunden S. 124[92] und Anm.

» In Urkunden Nr. 193.

g96 Dreiundsechzigstes Kapitel.

Sehr zahlreich begegnen, wenn auch nicht in allen Katalogen, die Fabrikate. Panzer, die sowohl von Nürnberg wie von Mailand, auch wohl von Augsburg in Handel kamen, erscheinen nur im Zollkatalog von Basel, Schwertklingen nur in dem von Strafsburg. Und doch gingen von Mailand ganze Wagenladungen über die Alpen nach Ausweis der Chilloner Zollregister; nächst dem Barchent waren Waflten, speciell Harnische die Hauptausfuhr Mailands. Die Mittelpunkte der Waffen- industrie Italiens überhaupt waren ja Mailand und Brescia, das den Bei- namen Vamiata führte. Es hatte in den berühmten Familien der Nigroli, Missaglia von Tomaso Missaglia ist der jetzt in Wien befindliche Feldharnisch des Kurfürsten Friedrich des Siegreichen von der Pfalz * und Figino hochberühmte Plattner, Hauben- und Klingenschmiede, wahre Künstler, mit denen sich in Deutschland die Nürnberger, Augsburger und Kölner Meister mafsen und später auch die Innsbrucker wetteiferten. Brescia stand Mailand wenig nach und besafs berühmte Laufschmiede; von dort bezogen die Schweizer ihre Waffen ! Auch die Herstellung der Geschütze wurde an den genannten Orten mit Auszeichnung betrieben. Pavia scheint besonders Schilde geliefert zu haben ^. Die lombardischen Städte waren auch auf Massenproduktion eingerichtet. Der Mailänder Zolltarif führt eine Reihe von Waffenstücken auf. Die Saumlast neuer Waffen wurde auf 100 ^ angeschlagen.

Sensen und Sicheln fehlten dagegen selbst im Comasker Tarife nicht (genannt Konstanz, Bern, Basel, Strafsburg, Worms), Pflugscharen finde ich nur im Wormser. Unter dem Geschmiede (Ringlein, Bastnägel in Basel, Pfannen, Stegreife, Gebisse, Armbrustschlüssel, Nägel, Schellen u. a. in Strafsburg) ist hervorzuheben, dafs der Baseler Katalog besonders „Mai- länder Pfennwerte, als Schellen und anderes^ hervorhebt, während wir von der Firma Koler-Krefs-Saronno und aus Mailänder Quellen® wissen, dafs gerade Nürnberg die Hauptstadt der Lombardei mit den Produkten des Kleinmetallgewerbes versorgte. Besonders waren dabei auch Messing- waren. Bern hat einen Posten für „Kupfer, Zinn, Messingdraht und sonst Nürnberger Geschmied^. Die Mailänder und Brescianer Schlosser, die Messerer dieser Städte und von Como, die Nadler von Mailand waren weit berühmt*. Blechwaren (Fässer: Konstanz, Basel, Strafsburg, Stürze: Konstanz und Strafsburg) fehlten nicht neben Messing- und Eisendraht (Basel und Strafsburg). Zinngeschirr erwähnt nur der Baseler Tarif, doch waren auch die Flaschen des Strafsburger Tarifes wohl von Zinn*.

^ Böheim, Werke Mailänder Waffenschmiede.

8 Doneaud 63.

« Urkunden Nr. 171. Vgl. oben S. 588.

* Beck 2, 861.

•^ Pasi Bl. 188 hebt die deutsche Einfuhr von Metallwaren nach Venedig hervor.

Produkte des Erdreichs. 697

Vom äalze sehe ich hier ab, doch ging Salz von Hall bis Bellinzona ^. Elreide erwähnt der Baseler, Strafsburger und Wormser Tarif. Wetz- steine werden im Baseler, Berner, Luzerner (Schiffmeister) und Strafs- burger erwähnt, der Baseler bezeichnet sie als lombardische. Von den Lavezsteinen des Comasker Tarifes, die in Mitteleuropa nur die Gegend von Chiavenna und die Val Lavizzara (oberes Maienthal) lieferte, und aus denen wegen ihrer Weichheit und Feuerbeständigkeit Töpfe hergestellt wurden, kam wohl nicht allzu viel über die Alpen. Doch wurden von Mailand nach Nürnberg buntglasierte Thonwaren geliefert^. Die Mühl- steine der Zolltarife dürften schwerlich über die Alpen gekommen sein. Eher vielleicht einzelne Marmorstücke und Puzzulanerde*.

Schwefel steht in den Tarifen von Konstanz, Bern, Basel und Luzern. Alaun auch in dem von Strafsburg, der Tarif von Como unterscheidet allume di ghiaccio, die feinste feste Qualität, die der Tarif wunderbarer- weise nach Como über die Alpen kommen läfst, und lutnen feaieiy eine billigere Sorte ^. Gallizenstein , das ist das zu Firnissen und zur Zeug- filrberei verwendete Zinkvitriol, begegnet in dem ältesten Strafsburger Tarife. Um gleich hier das dem Mineralreich angehörende Farbmittel zu erwähnen, bemerke ich, dafs der Lapislazulistein , der sehr selten in Europa gefunden wird, häutiger in Turan, China, Sibirien, in den Zoll- tarifen von Pisa und Siena als cuseurro aus Deutschland erscheint'^, es war damals das einzige Mittel um Ultramarin herzustellen. Schon Jahr- hunderte früher hatte ein Konstanzer Bischof sich im Besitz dieser „griechischen Farbe" befunden, aber so hoch ward das Geschenk des Bischofs von Venedig geehrt, dafs die Klosterchronik von Petershausen davon erzählt*. Und gerade umgekehrt war es nun, dafs z. B. den Sieneser Malern für die Herstellung des »agzuro oltramarino^ anderer als deutscher Azzur verboten war^.

Glaswaren erscheinen näher in den Tarifen von Basel und Strafs- burg. Basel unterscheidet Fensterglas, Tafelglas, Scheibenglas und Trink- glas, Strafsburg Spiegelglas, Fensterglas, Fensterscheibenglas, Trinkglas und Brillen, die in Laden verpackt waren, zum Verkaufe kamen dort auch Venediger Scheiben.

Wenden wir uns nun zu den Gewebe- und Rohstoffen, aus denen sie hergestellt wurden. Wiederholt habe ich darauf hingewiesen, dafs der

> Kapitel von 1422. Heusler 33, 259. Von 1466 33, 271. ^ Tu eher, Haushaltungsbach S. 119. » Como [60J.

* Vgl. über Alaun Heyd 2, 550-557. ^ Uzzano 48, 74.

* »Modium 2)l€num de Graico colore, qui vocatur lazur^ . C a s u s P e t r i s h. m. 1. 1 c. 22. 'Gay, Glossaire 1, 24.

g98 Dreiundsecbzigstes Kapitel.

Ankauf von feiner Wolle viele Italiener nach Flandern und England zog und dafs die Wolle überhaupt allen andern Produkten insofern voransteht, als sie die Haupteinfuhr nach Italien ausmachte ^. Für das Ende der Periode trifift das aber nicht mehr zu , der Export Englands verringerte sich, die Wollverarbeitung nahm in Italien ab, wie sie in Südfrankreich und auch im Norden und in Flandern zurückging. Von deutscher Wolle, deren Züchtung sich gelegentlich sogar der Kaufmann annahm und die der Schafzucht eine aufserordentliche Ausdehnung gab, hatten wir öfter zu sprechen*.

Den Beweis für die Bedeutung der Wolle habe ich also nicht zu erbringen. Sie erscheint selbstredend in allen Zolltarifen®. Die Prove- nienz unterscheidet fein der von Como, wo die Wolle aus Tunis und Bugia in Algerien wenn auch unverstanden aufgeführt ist, wie die, welche Leute von Metz und Neufchäteau einführten, daneben ist die heimische Wolle gestellt*. An anderer Stelle werden die Wollen aus Burgund, Lothringen, England und Deutschland unterschieden*. Wie erheblich die Einfuhr deutscher Wolle war, ersahen wir aus den Registern eines Notars*'. Auch spanische Wolle eben war das Interesse für dieselbe erwacht fanden wir auf dem Mittelländischen Meere in Händen von Deutschen'. Noch aber war die englische Wolle die erste der damaligen Welt, sie kam bis nach Siena®; das Ausfuhrverbot sollte die italienische Weberei dann tief treffen.

Der Tarif von Mailand lehrt uns auch die Preise näher kennen. Die französische, englische, deutsche und lothringische Wolle wurde auf 50 fi die Saumlast angeschlagen, die aus der Berberei und Tunis auf 25, die einheimische auf 13V2 und die aus der Provence auf 9 i6. Der Genueser führt lana sancti Matheif aus Flandern, Burgund und Narbonne mit gleichem Satze an, die aus der Berberei zu ^/s, die englische Wolle wird endlich in anderer Weise berechnet.

Nahm die Wolle ihren Weg über die Alpen nach Süden, so ging die Baumwolle, deren bessere Sorten aus der Levante stammten •, ihren Weg über Venedig und Genua nordwärts, um die bedeutende Barchent- weberei Schwabens zu befriedigen. Die Zolltarife unterscheiden im all-

^ Auch der Tarif des Zolls und Geleitsgeldes in Brabant hat als Posten die Wolle, die nach der Lombardei fuhrt. Hans. Urkb. 5, 229.

'^ Inama-Sternegg 3, 1, 355.

^ Auch in dem von Vogogna und dem für Rheinzölle Strafsb. Urkb. 6 Nr. 758. Der Bemer Tarif redet von vlaemischer Wolle.

* [22]— [25]. S. oben S. 684.

» Urkunden S. 181.

« Urkunden Nr. 200—245.

' Urkunden Nr. 259, 261, 265 u. 266.

^ Tarif von Siena bei Uzzano S. 80.

® Vgl. Heyd 2,572—575 und Stieda, Hansisch- venet. Handelsbeziehungen 95.

Textilwaren. 699

gemeinen keine Sorten, in Mailand ist Sizilianer genannt, nur in Luzem ist die Spinn- von der Wammswolle getrennt, worunter wir wohl eine Art Watte zu denken haben. In Como hatten die Venetianer für den Trans- port besondere Bedingungen. In Köln wurde ^Oenettfsche und Fenetifsche boymunillent unterschieden; ob diese nach Genua und Venedig benannte Ware wirklich, wie Geering* annimmt, ausschliefslich den Seeweg über Antwerpen gemacht hatte?

Bei der Seide mufs das Interesse besonders grofs sein, da die Fort- dauer der Seidenweberei nördlich der Alpen in Frage kommt Die Zucht der Seidenraupen war in Italien schon seit dem neunten Jahrhundert heimisch, wenn sie auch erst seit 1300 eine gröfsere Ausdehnung gewann. Im fünfzehnten Jahrhundert wurde von der Obrigkeit bereits die An- pflanzung von Maulbeerbäumen angeordnet*. Auch in der Provence wurden schon im dreizehnten Jahrhundert Cocons geerntet®. Kohe und gekochte Seide führt der Tarif von Como an, eigentümlicherweise er- wähnt er aber nicht allein die Ausfuhr über die Alpen, sondern auch die Einfuhr. Die Konstanzer Spezereiordnung und die Luzemer Ordnung allein erwähnen die Seide. Wenn auch in Zürich und Konstanz die Seidenweberei zerfiel *, in Basel noch keinen Boden zu fassen vermochte, besser schon in Augsburg*^, so blühte doch Köln und die flandrische Seidenindustrie empor®. Selbstredend sind die Seidensticker von den Seidenwebern zu trennen. Paris war längst der Sitz eines vielgeteilten Gewerbes geworden, ja in England fehlen nicht die ersten Anfllnge''. So führt denn auch der Strafsburger Tarif in allen drei Fassungen Seide auf (Pariser, Kölnische, Bastseide, Schleier- bez. Florseide). Welche enorme Quantitäten damals Köln verarbeitete, hat Geering gezeigt®. Am genauesten sind wir über die Seidenweberei in Zürich unterrichtet Dort wurden jedoch nur sogenannte rohseidene Stoffe, d. h. Flor und Gaze, aus ungezwirnter, ungefärbter Seide erstellt, Schleier und Bänder, die vielleicht nachträglich im Stoffe gefUrbt wurden. Die politischen Un- ruhen schädigten wie den Züricher Kaufmannstand, so auch die Weberei, bis 1443 bestand der äufsere Rahmen des Seidenhandwerks, obwohl schon

^ Kolonialwarenhandel 52.

^ Reiche Angaben bei Silbermann 1, 223 f.

^ Silbermann 1, 228.

^ In Konstanz bestand wohl noch 1396 Seidenweberei. Ein Johannes von Konstanz hatte in Venedig Seide gekauft, als er dann in ein Kloster treten wollte, ergaben sich Schwierigkeiten. Zeitschr. f. Gesch. Oberrh. 5, 24.

•i Bürkli-Meyer S. 20.

^ Silbermann 1, 91. Die Angaben S. 92 sind nicht alle gleich gut Betr. Köln vgl. Stieda S. 106.

^ Silbermann 1, 91. Fischer 1, 22.

^ Kölns Kolonialwarenhandel S. 49 ff.

700 Dreiundseclizigstes Kapitel.

vor 1400 Seiden weber anderswo ihre Nahrung suchten. So ging um 1450 das Gewerbe ganz unter, um ein Jahrhundert später neu eingeführt zu werden, und doch hatten einst die Schleier ihren Weg bis nach Polen und Ungarn genommen*.

Von der Seidenindustrie Luccas, Genuas und Mailands ist schon früher gehandelt worden, ich will nur noch darauf hinweisen, dafs im fünfzehnten Jahrhundert auch Lyon, Tours und Nimes Seiden weber in ihren Mauern hatten^. Ludwig XL zog planmäfsig italienische Ar- beiter heran und gab den bescheidenen Anfängen erst das rechte Leben.

Die letzte Gruppe der Gespinstpflanzen, Hanf und Flachs, wurde im Rohzustande schwerlich damals weit verhandelt. Ich finde Hanf nur in den Tarifen von Konstanz, Basel und Worms, Flachs nur in denen von Basel und Worms, Werg nur in denen von Konstanz und Worms. Der Tarif von Genua kennt linum de Alexandria und linum Lombardum,

Die Fabrikate sind besonders eingehend in den Tarifen von Como und Strafsburg behandelt. '

Wie wir mehrfach sahen, war einer der hervorragendsten Ausfuhr- artikel Italiens Seiden- und namentlich gold- und silberdurchwobene Stoffe (Brokate); auch das gesponnene Gold und Silber gehörte dazu, das namentlich von Genua in den Handel gebracht wurde. So enthielten auch die Provisiones Januae besondere Sätze für die Ausfuhr site, draporum Site, velarum site ei velutorum et auri filati^. Es war die höchstbesteuerte der Gruppen. Auch die Venetianer hatten für den Transport ihrer Seidentücher besondere Vergünstigungen in Como. Neben diesen pdllia Site, aus denen das Hochmittelalter „Pfellel** machte, erwähnt der Comasker Zolltarif auch den Zendal (Zendado), ein leichter taffetähnlicher, ursprüng- lich in der fernen Levante, später namentlich in Granada, Lucca und Mailand erzeugter Seidenstoff*. Die Aus- bez. Einfuhr über die Alpen ist in beiden Fällen vorgesehen. Nach den Stellen, die Du Gange an- führt, müfsten wir auch in den baldineUae (boldineUe) des Tarifs feine Seidenstoffe sehen, doch stimmt damit der Zollansatz nicht recht überein und entscheidend sind die Stellen des Mailänder und Genueser Tarifes: dieser redet von teile hadinelle seu de Alamannia und jener eröffnet mit

^ Die »continentie de sita todesche* des Mailänder Tarifs, die um ein Dritteil niedrig stehen als andere, vermag ich nicht zu deuten. Für Zürich vgl. Stadt- bücher S. 39, 84, 116, 118, 226 u. 359 und Bürkli-Meyer, Gesch. d. Züricher Seidenindustrie. Ol aasen, Schweizer Bauernpolitik im Zeitalter Ulrich Zwingiis in den Ergänzungsheften z. Zeitschr. f. Social- u. Wirtschaftsgeschichte 4, 31.

2 Bock 1, 74ff. Pigeonneau u.s.w. Silbermann l,88ff. Acta Borussica, Seidenindustrie Bd. 3, 10—27.

8 Urkunden Nr. 191.

*Heyd2, 690f. Weinhold 2, 239.

Textilwaren. 701

den boldinelle das capitulum Uni et canepi^. Von dem Handel mit den boldinelle handeln mehrere Statuten der Mailänder Kaufmannschaft^. Seiden und gülden Gewand führen die Tarife von Konstanz (Spezerei- ordnung), Basel und Rothenburg an. Der Strafsburger dritte Tarif führt (allerdings nicht als Durchgangs wäre) eine Reihe von Sorten auf: Tuch, Sammet, Damast (nach Damaskus benannt), TafFet, ein ursprünglich persi- sches Seidenzeug, das namentlich in Bologna hergestellt wurde, ^BirigelP, Atlas, dessen Name auf das arabische ailas „glatt^ zurückgeht, und ^segaU, dann eine Spille Goldes und Silbers; aufserdem findet sich jene Bestimmung über die Laden, in denen Lombarden goldene oder silberne oder seidene Tuche führten®. Deutsche Seiden waren kann ich in Italien nicht nachweisen, wohl aber begegnen uns Hauben aus deutscher Seide und deutsche seidene Schleier in den Rechnungsbüchem der Gebrüder Bonis, Kaufleute in Montauban (südlich von Toulouse 1339 ff.) und zwar als häufig gebändelte Artikel ^

Unter den Wollstoffen macht der Comasker Tarif* eine für diese Periode bereits antiquierte Unterscheidung. Er hat eine besondere Be- stimmung für die Tuche von Provins, das um 1400 im Gewandhandel nichts mehr bedeutete. Daneben stehen die Grautuche, die im wesent- lichen über die Alpen eingeführt wurden und besonders werden die in Uri erzeugten erwähnt. Wesentlich teurer als diese billigen Erzeugnisse waren die übrigen drapi ultramoniani , deren Import in den Venetianer und Genueser Provisionen vorgesehen war. Letztere bezeichnen diese Tuche als Francigeni gentiles im Gegensatz zu den drapi Florentinorum [de Toloxa] et Frovini minoris pretiu Die Wareneinteilung entsprach auch hier mehr dem Jahre 1300 wie 1400. Dafs solche Tuche von jenseits der Berge in Mailand erst geschoren wurden, beweisen die Statuten®. Von italienischen Tuchen erwähnt der Zolltarif erst die von Como, die über die Alpen und nach Bormio ausgeführt wurden, dann die von Bergamo und aus dem Val Maggia. Bei den Posten für gefärbte und gestreifte Tücher ist der Erzeugungsort nicht zu bestimmen, die drapi fraxoni kann ich überhaupt nicht erklären, sie scheinen Comasker

^ Doch sagen die Statuta mercatorum lane: »nullus debeat facere aliquatn tellam, si non fuerit tota lana aut tota de Uno vd de stoppa* Blatt 230^. Vgl. über häldindlae das Glossar.

^ Blatt 214 ▼. Bei den deutschen Wirten wurde damit ein grofser Handel getrieben.

« Eheberg 278.

* Vgl. Foresti^, Les livres des comptes des fr^res Bonis LVII, LXXVI, XC, CLXin und zahlreiche Stellen des Textes fasc 20, 23 u. 26; z. B.: velet de seda d^Älamatüia, rezol am lo cuehricap (= couvre-chef) d'Alamanka.

» Vgl. [26] -[30], [421 181]— [83] u. S. 127.

« Blatt 144 ^

702 Dreiondsechzigstes KapiteL

Ursprunges zu sein. Der Genueser Tarif stellt u. a. auf eine Stufe die Tuche von Genua, Lyon, Catalonien, Languedoe, Cadix und Perpignan (2 ß\ höher die von Mailand, Como, Mecheln, Brüssel, Courtray und London (3 fi\ am höchsten die von Florenz. Der Mailänder Tarif hat folgende Skala: Scharlach in Kermes geftürbt (100 U\ weifse Tücher von Ypem und Gent (40 ÄJ), geftlrbte von Chalons und Provins, :^mi$chii< von Mecheln und Douai (32 (^ ), gestreifte von Gent u. a. (22 i6 ), bestimmte Sorten von Ypem, Provins, Paris, Tournay, St Denis und Popelinghen (18 ^), Mailand und Como (14 ^), Florenz und die Berwer (12 ÄJ), Monza (11 ÄJ), Torno und Prelasca (10 ÄJ), Valmaggia und Lecco (7^ « ÜX *saie de Irlandat (7 ü). Diese kennt auch der Genueser Tarif.

Auf deutscher Seite ist der weitaus eingehendste Tarif der Strafs- burger, leider läfst er nicht stets erkennen, welche Sorten über die Alpen wirklich kamen ^. Als die wertvollsten Tuche erscheinen die Scharlach- stoffe von Gent, Brüssel und Löwen, „Bellehart**, dann folgen die lom- bardischen Tücher, die von Brügge, Brüssel, Löwen und Ypem, solche von Mecheln und Leyden, es folgen Tuche von London (Lund), Herentals, Brabant und England, Amsterdam und andere holländische Tuche, auch Orsgat, St. Trond und Tienen werden aufgeführt *. Daran schliefst sich eine lange Aufzählung von „rheinischen" Tuchen, die ich geographisch ordne: Diest, Tirlemont, Maastricht, Aachen, Düren, Köln, Mayen, Luxemburg, Trier, Lorch, St. Goarshausen, Wesel, Magdeburg, Usingen, Wetzlar, Friedberg, Ursel, Homburg, Montabaur, Limburg, Königstein, Mainz, Worms, Speier, Rastatt, dann die schwäbischen Tücher®, wobei die Tücher des Niederrheins die besserer Qualität gewesen zu sein scheinen. Es folgen noch Weifsenburg, Aschaffenburg, Kaiserslautern. Dann folgen die leichten ungewalkten Stoffe, die nach Arras später „Rasch" genannt wurden und deren Einfuhr nach Italien durch die Lombarden selbst eine Strafsburger Quelle bezeugt*. Der Bemer Tarif erwähnt lombardische Tuche. Der Konstanzer Tarif unterscheidet brabantisches, lombardisches, französisches und rheinisches Tuch. Der Baseler nennt Tuch von Mecheln, Löwen, Lund, Brügge, Herentals, Astett (?), Maastricht, sowie rheinisches dann von Hagenau, Strafsburg und Kolmar. Auch die Strafsburger Tarife nennen die offenbar nicht sehr feinen Produkte der elsässischen

^ Ich habe in der folgenden, nach der Höhe des ZoUs geordneten Zusammen- stellung die mitunter abweichenden drei Tarife verbunden, ohne das näher anzu- geben. Auch wurde Eheberg Nr. 114 herangezogen. Ich bemerke, dafs die Orts- namen in den Tarifen vielfach verderbt sind.

^ Der Zoll von Masmünster kennt nur Tücher von Brügge, Mecheln und Linisch". Rapoltst. Urkb. 5, 277.

» Eheberg S. 288 genannt Calw, Weil, Horb und Efslingen.

* Eheberg S. 279.

n

k

Textilwaren. 703

Wollweberei, die in Strafsburg nach dem Urteile Schmollers mehr ein blühendes Ortsgewerbe war, als für den Export arbeitete. Namentlich Hagenau, Pfaffenhofen, Zabern und Oberehnheim schlössen sich an. In dem Berwer des Strafsburger Tarifes, dessen billige Sorte von Lautern stammte, haben wir den berbtcinuSy der seinen Namen nach der Berberei trug, einen zottigen Wollenstoff ^ Als barvalde erscheinen die Berwer auch im Tarife von Como ^, sie fehlen auch nicht in Eonstanz und Basel (Speierer). Ein hervorragender Durchgangsartikel war in Strafsburg das für die Mühlen notwendige Beuteltuch von Clermont und Rheims, für dessen Durchfuhr Bestimmungen getroffen waren. Beutel tuch all- gemein steht auch im Baseler und Berner Tarif. Stamigne heifst im heutigen Italienisch Beuteltuch, jedenfalls war es ein leichter und billiger Stoff, in Pistoja durfte man den Toten nicht in Wolle oder Seide kleiden, sondern nur in weifse siamigna^ und nach Ausweis italienischer Inventare diente dieses Beuteltuch auch in vornehmen Häusern an Stelle des Glases zum Verschlufs der Fenster*.

Der Überblick hat eine Reihe deutscher Städte aufgeführt, die Woll- weberei betrieben*, aber wir dürfen ihre Ausfuhr nach Italien nicht zu hoch anschlagen. Pegolotti, der die flandrischen, brabantischen und französischen Stoffe bis auf die weitesten ihm näher bekannten Märkte des Orients verfolgt, nennt deutsche Wollstoffe niemals.

Nach Schmoller war der Buckeram ein steifes aus Ziegen- und Bockshaaren gefertigtes Zeug, nach Heyd® ist der feine orientalische Stoff, der wohl nach Bochara genannt wurde, von dem rohen Stoffe des späteren Mittelalters zu scheiden. Der Mailänder Tarif stellt ihn zu den Baumwollstoffen. Da der bayrische Landfriede von 1244 den Bauern in demselben Paragraphen verbietet, Waffen und juppas de hükramo zu tragen, mufs es ein schwerer gegen den Hieb Schutz gewährender Stoff gewesen sein^. So war er doch gewifs recht verbreitet®. Er findet sich in den Tarifen von Como und Strafsburg.

Die Baumwollstoffe spielten im deutsch-italienischen Handel eine grofse Rolle. Ich brauche hier weder auf die Rohbaumwolle noch auf

' Weinhold 2, 232.

* [41] barvalde et stumigie. Ebenso Mailand.

* Zdekauer, Statutum potestatis comunis Pistorii 126, sie durfte auch nur überdeckt sein mit >ctiltra dt zendado vel de hucheramo sive de Uno*, Es wird als Heimat der stamegnie des Mailänder Tarifs: »relchare* und »spoUri* genannt.

^ Verga, Le leggi suntuarie Milanesi 19.

^ Aber längst nicht alle, nicht einmal Frankfurt ist genannt, über dessen Weberei vgl. Fromm. « 2, 692.

' M.G. Constit. imperatorum 2, 577. 8 Vgl. auch Weinhold 2, 230.

704 Dreiundneehzigstes Kapitel.

den Barchent von Mailand, Ulm, Äugsbarg, (den Schilrlitz) von wieder einzugeben. In der Richtung nach Norden bewegt er k Tarife von Conio'. Barchent allgemein nennt der Tarif von Koi Schürlitz findet sich in denen von Basel, Bern, Lozem und Rothe AI» hervorragende Durchgangs wäre erscheint in den Strafsburger (las Baumwolltueh , von dem *rippleehi* gerippte Tuche aus Prai Köln oder Mailand und 'gehörte* (gehaarte) unterschieden werden Nürnberger Ordnung Über den Handel der Gaste verbietet den I verkauf der Barchentfardel, sie seien schwarz oder weifs. In der mufste das ganze Fardel veräufsert werden ^

Die Bearbeitung des Leinens blieb hauptsäcMich noch die j der landwirtschaftlichen Bevölkerung. Der bedeutenden deul Leinenausfuhr nach Italien Zeugen sind auch die Zolltarife. Dii fache Leinwand oder Leinentuch steht in den Tarifen von Basel, stanz, Luzem, Strafsburg, als drapi lim in dem von Como, der eine Ausfuhr nach Deutschland kennt'. Der Aarauer nennt die wand von Eonstanz, Ravensburg und St Gallen. Der Eonstanzer' führt auch den Gugler und „gefärbte und gestürzte Leinwand" tei Sorten an. Den Zwillich kennen Konstanz, Basel, StraTsborg Worms und werden als Heimat Masmünster, St. Gallen, Solothum, I Münster und Lindau genannt, f\tr den Drillich des Baseler Tarifes i thum, der Strafaburger nennt keine Heimat, nennt aber als TJrspruni der ZiechentUcher t Erfurt und Köln.

In Como wurden auch Stücke: »eanevaeÜ aUti seu sachi et p Zi'ni' verkauft, wohl aus Hanf hergestellte Sackleinwand*, welche deutschen Händler in Genua selbst zum Ausschnitt brachten', gleich darauf folgenden söge (oder sogaria) teUie seu canipis mochte als Segeltuch (sagum) ansehen, vielleicht handelt es sich um ein II fabrikat oder Tauwerk". Deutscher Leinenstoffe gedenkt auch Pego) Als in Genua verkauft fUhrt er >Tela dt Goatiuieot, also von Konsl neben solchen aus Navaira, der Lunigiana, von Cremona und Mu an '. Der Mailänder Tarif erwähnt bei seinen zahlreichen Linnenso nur einmal eine Heimat: Venedig, Der Genueser kennt teile aus Lombardei, Rheims, Toulouse, Perpignan, Champagne und die oben et

' [']. [9].

* Baader, PoliieioTdnnDgen 129. [61]. •[81).

» Urkunden 157, 27. M85J.

' S. 219. Bei Pisa nennt er Leinen rub Burgund nnd Rheims. Im secliMh Jahrhundert^kamen Iieinen aus Münster nnd OsnabrOck bis Sevilla. Hed er Bist

Produkte des Erdreichs. 705

besprochenen deutschen baldinelle. Aus den Inventaren vornehmer Familien Oberitaliens geht hervor, dafs als feinstes Leinen dort das von Cambrai galt, aber auch Leinen von Sangilio wurde künstlerisch aus- geschmückt und gestickt zu den feinsten Betttüchem verwendet *. Waren diese Sangilio von St. Gallen? Sonst wird auch rheinisches Leinen ge- nannt, ohne dafs man es immer sicher von den Leinen von Rheims scheiden könnte. In dem Inventar eines Ladens von Bologna von 1509 fehlt auch tella iodesca, azurra (blaue) und negra (schwarze) nicht ^.

Mischstoffe waren die Tiretaine des Comasker Tarifes*, grobe halb wollene, halb leinene Zeuge von weifser Farbe, mit ihnen zusammen stehen die pdlioti und steleiiy pallioti waren nicht allein aus Seide, sondern auch aus Wolle*. Der Mailänder Tarif rechnet die sielete zu den Baum- wollstoffen, die tiriniane bezeichnet er als faite de garzatura bambacis.

Die im Strafsburger Tarife erwähnten: Schetter, Mitteler (oder Nütteler) und Buckaschin leichte und biUige Stoffe vermag ich nicht alle sicher zu erklären. Schetter ist eine feine, auch in St. Gallen hergestellte Steifleinwand*, auch bogJceschin ist nach der Leipziger Kramerordnung von 1484 wohl ein Linnenstoff*, wie auch der Wormser Tarif schechter und bockschin zusammenstellt. Weiter sind noch Schleier zu nennen, die namentlich in Strafsburg hergestellt wurden^. Ich finde sie auch im Baseler Tarife. An Bändern nennt derselbe solche von Bern, der Strafsburger von Rheims.

Von Halbfabrikaten erwähnt der Baseler: Zwirn, rohes, weifses Garn und Baumwollgarn, der Strafsburger mehrere Sorten, besonders von Rheims {Renserin) kölnisches und erfurtisches Garn, dann weifses, senwin Garn^^ weifses Waldgam und zwar als Durchfuhrartikel; auch auf dem Rheine wurde Garn centnerweise vorbeigeführt. Aus Como wurde stamen filatum, das ist der Zettel, ausgeführt^. Der Mailänder

» Verga 27 t.

'^ Frati, La vita privata di Bologna 242.

» [901-

* Bourquelot 1, 262.

» Schmoller 8. 587.

^ Schultz, Deutsches Leben S. 393. Dazu teilt mir v. He yd mit: „Pucken- Bchin'^ in Nazareth fabriziert. Reise nach Jerusalem vom J. 1444, mitgeteilt von Birlinger in Herrigs Archiv Bd. 40 S. 305. Schwarzer Boucassin als Leichen- tuch benützt. Coli, des docum. in^d., m^l. hist. 8, 298. Juppo cooperto de finissitno boucaasino ib. 326. Vgl. darüber Schultz, Höfisches Leben 1, 268 Aum. 1. Gay, GloBsaire p. 181 f., welcher behauptet, bis £nde des sechzehnten Jahrhunderts sei unter boucassin verstanden worden une ioile de coton a poüe feuM du genre des futaines,

' Schmoller S. 423.

« Eheberg S. 308.

»[40].

Schult«, Gesch. d. mitteUlterl. Handels. I. 45

706 VierundaechzigstcB Kapitel.

Tarif kennt als hocli bewertete Ware: stamen lane franeische et et lane ultramontane, ein Viertel davon war der Wert des siam l^misi und de Sicilia. Die tgarMatura* von Wolle und Baumwo! wohl die beim Karten sich ergebende Abfallwolle *. Die Weber selbst findet sich in dem Comasker Tarife*.

An fertigen Kleid ungestucken führten die Lombarden durch f bürg in ihre Heimat Barette (Jbirrdtel), die auch im Florentiner Zo stehen" und Hosen, worunter offenbar die Wadenstrümpfe aus samii Leder zu verstehen sind, die auch damals von Lübeck nach Venedij handelt wurden*.

Ein sehr wichtiger Handelsartikel, der aus den Gespinst! des Flachses bezw. aus Hadern hergestellt wurde, war das Papier weit mehr, als man bisher annahm, Gegenstand der Einfuhr aus I war. Im Comasker Zolltarif fehlt ea freilich, findet eich aber in Tarifen von Ronstanz, Bern, Basel, Luzem, Worms und im Strafsbi auch bei den Angaben für den Transitzoll auf dem Rheine. Unc oft sind wir dem Handel mit Papier begebet'!

Dem Schmucke der Kleidung dienten Perlen und Korallen, diese lassen sich im deutsch- italienischen Handel nachweisen". Ben ist vielleicht unter der ambra des Comasker Tarifes zu verstehec bedenklich es ist, dafs der Satz sich auf einen Rubb, also ein gi Quantum bezieht'.

Yierundsechzigstea Kapitel. Prodnkte des Pflanzenreielis.

Farbwaren, die alten, neu auftretende. Kampf der WaidkvJtur gegen den Indi Spezereien, die seUenereti nur in dm ApotMerliiten, die marktgängigen. Die alte neu auftretenden. Safran. Zucker. Die ifürten. Wethraud». Südfhidtte und „Fi gpeisen". Eeis. Kümmel. Loröl. Öie. Wein*. Getreide. HöUer: Buch», EA

Venedig, das einst in der Färberei unerreicht war, mufste st Ruhm gemindert sehen, da andere Stttdte seine Technik erlernten*.

' Urkunden S. 127 uDten. flOl].

* IjEsano 6.

* Stieda S. 111.

* Namentlich Urkunden Nr. 289. Vgl. noch Meder Blatt 50 u. Sfter.

* Perlen, Urkunden Nr. 333. Ein Konstanter Handelt damit in Avi Korallen im Tarif von Basel, der Überlinger Hftndler in Barcelona a. S. 543. Über den Perlenluxua in Italien vgl. Verga 9.

'' S. 127. An die Ambra genannte Parfibnerie und Armei, die im Leib Pottwals gefunden wurde, ist bei der Einfuhr ans dem Norden her nicht au de » Vgl. Urkunden Nr. 346.

Produkte des Pflanzenreichs. 707

Den schon früher nachgewiesenen Farbwaren, die auch jetzt in den Tarifen erscheinen, nämlich: der Fttrberröte (ruhia, Krapp, in den Tarifen Como: Ausfuhr über die Alpen, Basel, Strafsburg); der Waidpflanze (guadum, in den Tarifen Como: Einfuhr über die Alpen, Basel, Strafsburg, Worms); dem Brasilienholz {braxilej in den Tarifen Como: Ausfuhr über die Alpen, Basel, Strafsburg); der Keimesschild- laus (granüy in den Tarifen Como: Ausfuhr über die Alpen); Safran (croctis^ vgl. unter den Gewürzen) ; Opperment {auripigmenium, im Strafs- burger Tarife); Indigo (endegunij in den Tarifen von Como: Ausfuhr über die Alpen, Basel und Strafsburg, auch Aarau) gesellten sich andere. Der Mailänder Tarif giebt auch die Wertstufen. Von der Kermes- schildlaus galt der Centner 80 Ä , Indigo von Bagdad, Brasilienholz 20 Ä , Grünspan 6 €6. Orseille und Lackmus, in der deutschen Bezeichnung Violfarbe, ein aus Flechten des Mittelmeergebietes gewonnener Farb- stoff findet sich in den Tarifen von Strafsburg, Basel und Konstanz, auch dem von Como*. Grünspan (Verderamus) y der zuerst in den wein- bautreibenden Gegenden Südostfrankreichs aus in Essiggärung befind- lichen Trebem und Kupfer hergestellt wurde, im Baseler, Aarauer und Strafsburger, der Rötelstein im Strafsburger und zwar, wie Brasilien- holz, Opperment, Safran, Röte, Lackmus, Grünspan, Waid, Drusenasche, Waidasche und kölnische Erde als Durchfuhrartikel.

Unter dem „Trisanderholz" der Strafsburger Tarife stecken wohl die drei Sorten Sandelholz, das rote farbstoffhaltende Holz von PterocarptiS Santalinus, und das gelbe und weifse wohlriechende Holz von Santalum album *. Sie stammen vom ostindischen Festland, von Ceylon und Timor.

Drusenasche (Frankfurter Schwarz), deren Herstellung in Strafsburg verboten, später doch erschwert war, machte man durch Verkohlen von Weinhefe. Kölnische Erde ist wohl erdige Braunkohle, kölnische umbra, eine braune Farbe. Unter Waidasche ist wohl die gebrauchsfähige ver- gorene Masse der Blätter des Waid zu verstehen. Galläpfel führt der Tarif von Como auf", ihre besseren Qualitäten kamen aus Kleinasien*.

Das Zinnober der Konstanzer Spezereiliste stammte wohl aus den spanischen Quecksilbergruben, denn die Gruben von Idria in Krain kamen erst am Ausgange des fünfzehnten Jahrhunderts in Aufnahme^. Über von Deutschen eingeführtes cremixium^ das ist Karmoisin, also ein tierisches rotes Farbmittel, stritten sich die Zollbeamten von Genua mit den Händlern, ob es aus Deutschland komme oder nicht. Genueser

' [59].

2 Heyd 2, 646 f.

» [78].

* Heyd 2, 593.

» Stieda 103. 106.

45

706 Vierundsechzigstes Kapitel.

Färber bezeichneten die Ware als in Deutschland erzeugte und so kann da nur von der polnischen Cochenille (Forphyrophora Frischi Brandt) die Rede sein*.

Einen schweren und hartnäckigen Kampf führte die alte deutsche Waidkultur ^ gegen den Indigo. Erfurt und Köln, wo Waid massenhaft gebaut und von den Blauftrbem gekauft wurde, wehrten sich gegen die „Teufelsfarbe", die schliefslich trotz der Polizeiordnungen des Reiches sieg- reich blieb. Köln hielt am Waid fest und schädigte sich schwer". Ähn- lich hatte Florenz 1428 seinen Blau-Färbern jedes andere Farbmittel als Waid verboten*. Weinstein, das oft in Tarifen erscheinende Farbmittel, wurde kaum aus Italien bezogen. Die zu Freiburg gesottene Siegelfarbe erwähnt der Bemer Tarif. Der Wormser Tarif redet von ^hintfarwe^.

Eine eingehende Übersicht über die Spezereien, die einen sehr erheblichen Teil der italienischen Ausfuhr ausmachten, ist aus den deutschen Zolltarifen nicht zu gewinnen. Der Comasker begnügt sich mit zwei allgemeinen Paragraphen, und auch der Strafsburger fafst die meisten Artikel zusammen. Wer wissen will, was damals in Süd- deutschland in den Apotheken an Spezereien und Droguen des Orients, die also ihren Weg über die Alpen nehmen mufsten, vorhanden war, raufs sich an die von Flückiger veröffentlichten und erläuterten Listen von Frankfurt (um 1450) und Nördlingen (um 1480) und an die Heidel- berger Apothekenordnung von 1473 halten *. Wer aber erfahren möchte, was in Italien verkauft wurde, mufs die köstlichen Listen von Mailand* und das Handelsbuch von Pasi heranziehen"^.

1 Urkunden Nr. 271. Vgl. Heyd 2, 610.

^ Auch in Italien, namentlich um Alessandria wurde Waid gebaut und von dort ausgeführt. Uzzano 95.

3 Geering, Kolonialwarenhandel 8. 54, Basel 808. Stieda 98.

* Pöhlmann 60.

^ Die Frankfurter Liste. Halle 1873. Auch Archiv d. Pharmacie Bd. 201 (darin die Heidelb. Ordnung). Das Nördlinger Register in Archiv d. Pharmacie Bd. 211, Dokumente zur Gesch. d. Pharmacie Bd. 207 u. 208. Reicher als unsere Mitteilungen sind auch die, welche Stieda, Handelsbeziehungen aus den Papieren des Lübecker' Grofskaufmanns Hildebrand Veckinchusen, machen konnte. Ich benutze im folgenden wesentlich nur die Tarife und gebe also nur die im Handel häufigen Droguen und Waren.

^ Sie ist für die Preise so wichtig. Bei den nach Pfund verkauften steht hal- zamum mit einem Durchschnittswert von 72 ^ voran, es folgt spongia mit 9, ambra fina mit 8, folium garofororum mit 5, os cordis de cervo mit 3V«, retibarbarum und Safran mit IVs, canfora^ ficus sied, reoponiicum und acamonea mit 1 it, Kubeben und Zucker galten das Pfund 15 ßj Turbit, garofani, Macis, Opoponaz 10 ß, stmguis draconis, Spicanarde, Muskatnüsse 5 y? u. s. w. Nach Centner verkauft wurde als teuerstes garingalis angeschlagen zu 25 ^, Indigo von Bagdad und Pfeffer mit 20, Zimmet mit 18, Weihrauch und Zucker mit 15 it. An der Spitze der in Saumlast verhandelten steht »garabe* mit 30 ü, es folgt Alaun ile ghiaccio mit 20 #&

^ S. 188. Er zählt 44 Sorten von Spezereien und 13 wohlriechende Stoffe auf.

Produkte des Pflanzenreichs. 709

Die Zolltarife bieten nur die Waren, die nicht allein von den Apotheken ftir Krankheitsfälle geführt wurden, sondern diejenigen, welche in den Hausgebrauch übergegangen waren und das Mittelalter liebte es ja sehr, seine Speise und seinen Trank zu würzen. Man konnte sich kein Wochenbett ohne Ingwer denken und Safran war in jeder Küche zu finden, wo sich heute der Gebrauch des Mittelalters fast nur im Bern er Oberland erhalten hat.

Der Safran erscheint im Handel der Deutschen aufserord entlich oft, wir sahen, dafs in Genua in dem deutschen Ausnahmezoll für Safran allein ein besonderer Satz bestimmt war. Der Safran wurde übrigens in dieser Periode auch bei Basel gebaut ^ Es war einer der Haupt- handelsartikel jener Zeit, an dem uns so recht die Veränderung des Geschmackes und der Technik klar wird. Der Tarif von Basel nennt die Sorten von Tuschgan und Mumpherer, Der beste entstammte Toskana, doch hatten auch andere Landschaften, besonders Katalonien, die Marken und die Abruzzen gute Sorten^. In Strafsburg und Worms schätzte man den von Orta bei Tortosa am höchsten^. In Nürnberg, wo 1441 eine besondere Safranschau eingerichtet wurde, um den sehr leicht aus- führbaren Fälschungen vorzubeugen, mufste nach den Sorten verkauft werden, nämlich ort (von Orta), lyonisch (Lyon), eynian (Zimat gehandelt in Aquila), iuschan (Toskana), marck (Marken), pulnisch (Apulien), spaniolisch (spanisch), pronigeller und bellcgier (aus Katalonien)^. In* Strafsburg unterschied man nur drei Sorten*. Wir haben Deutsche im Safranhandel in Spanien, Südfrankreich, Ligurien und Lombardei® ge- troffen, auch auf den grofsen Safranmärkten von Aquila in den Abruzzen fanden wir sie. Der Safran wurde vielfach verfälscht, die Nilrnberger waren aber so gründliche Kenner des Safrans, dafs, als in Bormio Verdacht gegen die Echtheit und Unverftllschtheit bestinmiter Formen entstand, man sich nach Nürnberg wandte*^, wo auf Safranfklschung die Todesstrafe stand®.

' Inama-Sternegg 3, S 337 läfst ihn auch in Steiermark angebaut werden, doch beweist die angeführte Stelle das nicht zwingend.

2 Vgl Stieda 104 f.

» Flückiger, Pharmakognosie 779. Wormser Tarif.

* Baader, Polizeiordnungen 136 f. Zimat und Pelinger führt auch Lorenz Med er auf. »Fruniget* und »Felinger* scheinen da als Sorten aus dem Albig^ois angeführt zu werden. Blatt 54.

» Brucker S. 311.

^ Nach L. M e d e r wurde er auch in Parma und Casalmaggiore aufgekauft. Blatt 45. Vgl. die Übersicht über den Safranhandel der Venetianer bei Pasi 194 ff.

■» Urkunden Nr. 391.

» Flückiger a. a. O. S. 781.

710 Vierundsechzigstes Kapitel.

Eine Reihe schon früher erwähnter Spezereien findet sich in den Tarifen auch dieser beiden Jahrhunderte wieder: Die Galangawarzel (Konstanz und Strafsburg), die Gewürznelke (Konstanz^ Basel, Strafs- burg)*, der Ingwer (Basel, Luzem, Strafsburg), die Kardamomen (Kon- stanz), Muskatnüsse (Konstanz, Strafsburg), Pfeffer (Konstanz, Basel, Luzern, Strafsburg), daneben Lang Pfeffer (Konstanz, Strafsburg, irrig im Drucke als Landpfeffer) und Zimmt (Konstanz, Basel, Luzern und Strafsburg).

Alle diese mit Ausnahme der Kardamomen zählt auch Stromer auf als die Artikel, welche der Nürnberger gern in Genua einkaufte. Er nennt aber auch weiter: Weihrauch, Muskatblumen, Kubeben, Zimmt- blüte, Paradieskörner und Zedoar. Ein Verzeichnis von Waren aus Freiburg im Br. von 1480 nennt die Preise von Ingwer, Zimmt, Nelken, Muskatnufs, Kubeben, Safran und Zucker^.

Kubeben, die auch als Chaböblin in den Strafsburger Tarifen er- scheinen , waren die Früchte des in Ostindien und auf den Sundainseln heimischen Kubebenpfeffers. Den bitteren Geschmack des Heilmittels wegzuschaffen, überzog man die Früchte mit Zucker®. Auch wurden die Kubeben als Luxusgewürz verwendet

Unter dem Mantzis der Konstanzer, dem Motis der Strafsburger

Liste ist wohl nicht Mastix, das bekannte Räuchermittel von Chics zu

* verstehen, sondern Macis, gewöhnlich Muskatblüte genannt, die teurer

als die Muskatnufs war und nicht allein zur Würze der Speise, sondern

namentlich zu der des Weines verwendet wurde*.

Die Zedoar- (Zitwar-)Wurzel findet sich auch im Baseler Tarife. Die Wurzel der in Turkestan wachsenden Artemisia maritima lieferte den Zitwersamen {Semeti eedoariae)^ der als Wurmsamen sehr bekannt war (Konstanz)^. Das Süfsholz (Luzern) ist die Wurzel der in Spanien und Italien angebauten, seit dem fünfzehnten Jahrhundert auch bei Bam- berg angepflanzten Glycyrrhiza glabra, deren Wurzel ausgekocht und ver- dampft die Lakrizen lieferte (Strafsburg)®.

Der Meckin der Strafsburger Quellen ist die Sorte Ingwer, die, so nimmt man an, nach dem Haupthandelsplatz Mekka den Namen trug, während sie aus ganz Arabien, vielleicht auch Zanzibar und Madagaskar kam^. Jeden- falls war sie schlechter als die anderen Sorten des hochbeliebten Gewürzes.

^ OrdnuDg über Handel mit den 'fusti* bei Baader, Polizeiordnungeu 8. 139.

* Flückiger, Dokumente.

3 Stieda 97. Flückiger, Pharmakognosie 927.

* Hejd 2, 626 f. Stieda 101. Flückiger 1041. 6 Stieda 107. Flückiger, Pharmak. 823 f.

^ Flückiger, Pharmakognosie 382 ff. ' Heyd 2, 602 f. Stieda 98.

Produkte des Pflanzenreichs. 711

Die im Strafsburger Tarif erwähnte ostindische Thurbitwurzel (Ipomoea Turpeihum) gehört mehr in den Bereich der Heilpflanzen^. Unter Zimmtblüten (Strafsburg) sind die Blüten des Zimmtbaumes zu verstehen. Die Schgamonea der Konstanzer Spezereiordnung ist das namentlich als Purgiermittel benutzte Harz der in Kleinasien wachsenden Convolvulus scammonia^. Terpentin, das Harz der Pisiacia TerebifUhus, die in Kleinasien, Syrien und Palästina heimisch ist, findet sich nur im Baseler Tarif, der „Strafsburger Terpenthin", aus der Edeltanne be- reitet, war übrigens damals weit bekannt".

Die Luzerner Krämereiordnung führt „Elms" an, ich finde da nur das noch nicht völlig aufgeklärte Elenii^ einen Harzsaft, der blutstillend wirkte und 1430 schon an einem Heidelberger Studenten erprobt wurde*. Dafs der Zucker erst in diesen beiden Jahrhunderten sich in den Tarifen nachweisen läfst, ist wohl nur ein Zufall. Er war durch die Ejreuz- fahrer längst genau bekannt geworden und wenn auch ein Süfsungsmittel neben dem Honig nicht so nötig war, als nach Einführung von Thee und Kaffee, so mufs der Zucker doch auch aufserhalb der Arzneipraxis Freunde gefunden haben. Er erscheint in den Listen von Konstanz, Bern und Strafsburg und wird unterschieden zwischen dem Hutzucker und dem Zuckermehl , das ist der polvere di zucchero , der auseinander bröckelnde, namentlich in Cypern hergestellte und weniger dick ein- gekochte*. Ob unter dem Chandict der Konstanzer Liste der Kandis- zucker (fein krystallisiert) zu verstehen ist, wage ich nicht zu behaupten, ist aber wahrscheinlich®. Im Laufe des fünfzehnten Jahrhunderts stieg der Zuckerkonsum rapide und in Köln wurden grofse Quantitäten ver- handelt*^.

Der Küste des tropischen Westafrika am Atlantischen Ocean ent- stammen die Paradieskörner (Samen von Amomum Melegtieta), die ein beliebtes Gewürz waren (Konstanz, Basel, Strafsburg)*'.

Aus den Akazienarten des Sudans und anderen Gegenden Afrikas flofs das Gummi, das im Mittelalter vorwiegend als Heilmittel gebraucht wurde und dem wir auch im Baseler Tarife begegnen*^.

^ Flückiger, Frankfurter Liste 46; Pharmakognosie 437. « Stieda 105. Flückiger 438. ^ Flückiger, Pharmakognosie 82. ^ Flückiger, Pharmakognosie 89.

''* Man kann auch an Melasse denken, das französische meil euere. * Vgl. Codex Cumanus 92.

^ Geering, Kölns Kolonialwarenhandel S. 47 ff. Über Zuckergebrauch im Elsafs vgl. Hanauer 2, 259, in Basel Geering 345 f. « Stieda S. 102. ^ Zur Geschichte des Gummis vgl. Flückiger und Hanbury 1, 420 ff.

712 Vierundsechzigstes Kapitel.

Die Strafsburger Krämerordnung teilt die Zusammensetzung der vier von den Krämern verfertigten Wtirzen so genau mit, dafs einer prak- tischen Erprobung der „stifsen Würze", „Speisewürze", „Krämerwürze" und „Krämerspeisewürze" nichts im Wege steht. Sie wurden aus Zinimet, weifsem Ingwer, Nägellein, Paradieskörnern, langem Pfeffer, Muskat- nüssen, Galgan, Meckin und Safran zusammengesetzt, auch that wohl der Krämer noch Muskatblüte, „Kaböbel" und Kardamomen hinein ^ Andere Rezepte aus dem Elsafs, die jedoch keine weiteren Spezereien anführen, hat Hanauer mitgeteilt*.

Eigentümlicherweise findet sich der in jeder Dorfkirche ge- brauchte Weihrauch, der vorwiegend aus Arabien bezogen wurde, nur in dem Strafsburger Tarife und dem von Brem garten", wiederum ein Zeichen dafür, wie unvollständig das Bild ist, das die Tarife allein gewähren.

Dem christlichen Mittelmeergebiete gehören eine Reihe von anderen „Südfrüchten" an, die wir aus Tarifen kennen lernen.

Als Fastenspeise führt der Strafsburger Tarif Feigen und „Träubel", Rosinen, Reis und Mandeln auf. Feigen, Trauben und Mandeln er- scheinen in allen vier Tarifen, Rosinen nur im Strafsburger und Reis auch im Konstanzer und Baseler. Die Reiskultur dehnte sich im Laufe des fünfzehnten Jahrhunderts in Italien beträchtlich aus und erst von da an wurde die Frucht nördlich der Alpen heimisch ; in rasch steigendem Mafse wurde sie ein Exportartikel Italiens. Wir sahen , dafs einzelne italienische Händler erhebliche Quantitäten über die Alpen beförderten *, doch fehlt in dem Comasker Tarife noch jeder Hinweis auf dieses Nahrungsmittel. Er kennt dafür die Mandeln *, wovon die besten aus der Provence bezogen wurden, im Handel dorthin sehen wir auch manche deutschen Händler. Für Datteln hat der Strafsburger Tarif einen Ansatz nach Centnern.

An der Ausfuhr war auch italienischer Kümmich beteiligt, ausdrück- lich bemerkt das der Cosmasker Tarif*, er findet sich auch in den

1 Brücket S. 310.

^ 2, 247 ff. Der Wein wurde mit Zitwar, Nägellein, Zimmt, Galgan, Karda- momen und Paradieskömem gewürzt.

' Kurz u. Weisseubach 242. Über Weihrauchpreise vgl Hanauer 2, 254.

^ Hirmi von Basel und Morosini von Mailand, letztere transportierten 1490 80 Saumlasten Reis. Vgl. auch Urkunden Nr. 307. Nach dem Mailänder Tarif wurde der Centner auf IQß geschätzt. Reis finde ich zuerst von Genuesen in Antwerpen eingeführt 1315. Desimoni u. Belgrano (375).

" [71].

[21].

Produkte des Pflanzenreichs. 713

Tarifen von Luzern und Strafsburg ^ Von Anis nahm Flückiger* an, dab er damals in Deutschland wenig gebraucht sei, er findet sich aber in dem Strafsburger Tarife.

Die Blätter des Lorbeers meinen offenbar die Tarife von Basel, Konstanz und Strafsburg. Das früher schon besprochene Lorbeer-Lor-Öl, beziehungsweise die Beeren, aus denen das öl bereitet wurde, finde ich in den Tarifen von Strafsburg und Como, und so rätselhaft es ist, die oribagha erhält sich auch in den magersten Tarifen des Alpengebietes ^. Der südeuropäische Rosmarin (Basel) lieferte ein für Parfümerien ge- schätztes Öl. Der Aarauer Tarif erwähnt nach Centnem berechnet: sirmandafASy nach Flückiger ist das das französische sermontain, die Früchte von Laserpitium Siler Linnö, der weifse Enzian der Schweizer, dessen Same in der Schweiz zur Bereitung eines Öles verwendet wurde, wie die Wurzel als Mittel gegen Zahnschmerzen*. Ob Senf (Basel und Como) Gegenstand des deutsch-italienischen Verkehrs war, bleibt zweifelhaft.

Öl ganz allgemein erscheint in den Tarifen von Basel, Bern, Rothen- burg und Strafsburg, davon unterscheiden die von Basel und Strafsburg das Baumöl, auch der Comasker Tarif [46] bezeugt die Ausfuhr.

Die Angaben über Weine in den Zolltarifen sind deswegen besonders unvollständig, weil hier der Strafsburger Tarif völlig versagt, da die Weine einer andern Verzollung unterlagen, auch der Comasker Tarif läfst uns im Stich*. So gewähren die Notizen über Klevner Wein (Konstanz) und Malvasier (Basel) nur ein sehr ungenügendes Bild von der Vorliebe der Deutschen für südeuropäische Weine ®1 Wie kaufte König Sigmund z. B. in Konstanz Weine auf, gewifs keine Seeweine!

Getreide war für die Versorgung der Alpenthäler wichtig, überschritt aber wohl niemals die Zone des Alpengebietes, in den Ostalpen war das anders.

1 Nürnberg holte sich im sechzehnten Jahrhundert Kümmel, der aus Apulien und Negroponte stammte. Meder Blatt 1 u. 6.

- Pharmakognosie 947.

^ Como [6]. Soma dt urbaghe im Dazio von Misocco 1608. Boll. stör, della Svizzera ital. 12, 257. Orihaghe im Zolltarif von Lugano 1759 ebda. 10, 211. Auch auf der Bozener Messe wurde Loröl gehandelt. Meder 44. Ebenso Schürt z, Material kammer 66, der es besonders von Mailand kommen läfst.

^ Vgl. Krünitz, ökonomisch-technol. Encyklopädie Bd. 65, 122.

^ Allgemeine Angaben Tarif von Chiavenna [109], BeUinzona [118]. Fürleite von BeUinzona Urkunden Nr. 192.

Vgl. Schultz, Deutsches Leben S. 507 f Boos, Städtekultur 3, 66. Die Mailänder Statuten des Datium kennen: »vinum vemacie, mdlvasie, creti, romanie^ grechum, rehule et de marcha" Fol. 155 ▼, auch »vinum moschaUlum, papiense, voltru naschum^ de romagnano< u. s. w. Fol. 156.

714 Fünfundsechzigstes Kapitel.

Von gewöhnlichen Hölzern fand bei der Schlechtigkeit der Wege kaum irgend ein Verkehr zwischen den beiden Ländern statt, anders verhält es sich mit den feihen Holzarten, die als Werkholz bei der Drechslerei und in anderen Gewerben z. B. zu Heften von Messern u. s. w, Verwendung fanden. Eibenholz (Taxus haccata) war auch in unsern Wäldern verbreitet, für Schnitzereien und Geräte, namentlich Armbrüste vortrefflich geeignet, es findet sich wie das Buchsholz, als dessen beste Bezugsquelle der Baseler Tarif die Provence nennt, in den Tarifen von Basel, Bern und Strafsburg. Vielleicht wurde dieses für Kunstwerke besonders geeignete Holz auch aus Kleinasien und Persien eingeführt Lohrinde findet sich im Strafsburger Tarif. Harz, Pech, Holzkohle und Asche begegnet vielfach in den Tarifen, ohne dafs man einen Handel zwischen Italien und Deutschland annehmen könnte.

Fünfundsechzigstes Kapitel. Produkte des Tierreichs. Fabrikate.

Pferde, Vieh, Gesalzene Fische, gesalzenes Fleisch. Käse, Butter u. s. tc. Seife, Häute, Boläroni. PelzwerJc, Sorten, Leder, Sorten, Hornkämme^ Federn, Pfennwerte oder Merceriewaren. Gedru<:kte Büclier, Paternoster,

Wenn die Pflanzenwelt fast ausnahmslos die Austauschbilanz zu Gunsten von Italien stellte, so verhält sich das mit dem Tierreich wenn auch nicht ohne erhebliche Ausnahmen doch eher umgekehrt

Die Ausfuhr von schweren Pferden aus der Lombardei war, wie wir sahen, sehr bedeutend und der Comasker Tarif hat da ganz eingehende Bestimmungen, da der Verkehr von Reisetieren von den Handelstieren zu scheiden war und auch der Wert dabei in Anrechnung gebracht wurde. Auch an manchen Stellen der Mailänder Statuten wird des Pferdehandels gedacht*. Doch kamen auch Pferde von Norden her zum Verkaufe^, wir können deutsche Pferde neben solchen aus Gorsica, der Berberei, Sizilien, Apulien und Sardinien sogar im Zolltarif von Pisa nachweisen®. Wie sehr die Vieh- und Pferdemärkte von schweizerischen und auch deutschen Händlern besucht wurden, haben wir früher gesehen*. Doch blieb mit Ausnahme der Pferde das wohl ein Nahhandel, ftir Rindvieh, Schafe, Ziegen u. s. w. ist ein Export auf grofse Entfernungen nicht anzunehmen.

» Z. B. Blatt 170 ▼, 213, 216.

2 [32]-[37].

^ Uzzano 51.

^ Ich habe keineswegs alle Notizen, die sich darauf bezogen, verwendet.

Produkte des Tierreichs. Fabrikate. 715

Für gesalzene Fische aus Deutschland hat der Comasker Tarif einen Posten ^, ebenso der Mailänder ^. Im einzelnen finden sich Häringe und Bückinge im Baseler, Berner, Luzerner und Strafsburger, Stock- fische im Baseler und Strafsburger Tarife, Heringe auch in dem von Bremgarten^. Der Handel mit ihnen mufs nach einzelnen Nachrichten recht lebhaft gewesen sein ^. Bolchen, das ist Kabeljau, bin ich mehrfach in deutschen Tarifen begegnet.

Gesalzenes Fleisch findet sich im Baseler und Comasker Tarif, die letztere Stelle redet auch von Ausfuhr über die Alpen * und wirklich waren gesalzene Würste wie ^Fysseniiner kefs€ Käse von Piacenza den Sendungen, die die Koler-Krefs in Nürnberg erhielten, mitunter beigepackt. Der Käse von Piacenza war damals in Italien sehr an- gesehen und wanderte in grofsen Quantitäten z. B. nach Venedig *.

Speck, Butter, Käse, Zieger, Honig wurde wohl nur ausnahmsweise wie eben schon vom Käse erwähnt wurde über die Alpen gebracht. Dahingegen war Wachs ein ebenso wertvoller wie marktgängiger ArtikeF. InComo galten für Wachs dieselben Bestimmungen wie für feine Spezereien®.

Auch Seife, vor allem feine Toilettenseifen lieferte Italien, besonders Venedig und Genua. In sämtlichen gröfseren Tarifen finden sich daher auch dafür Sätze.

Bei den Sorten von Leder und Pelzwerk bleibt nach dem heutigen Stande der Forschung, die noch lange nicht alle vorkommenden mittel- alterlichen Namen erklärt hat, manches unklar.

Der Comasker Tarif sieht bei den Häuten fast regelmäfsig einen Satz für Einfuhr nach Italien, weit seltener für Ausfuhr vor, und wenn auch die Alpen selbst einen erheblichen Teil der Häute lieferten, so erweist schon das allein, dafs hier eine starke deutsche Ausfuhr vorliegt. Mitunter unterscheidet der Tarif die grüne Haut von der bearbeiteten, meist ist aber für beide der Satz gleich und da finden sich solche für Ochsen- und Rindshäute, für Kalbsfelle, für Schafs-, Widder- und X<amm- felle, für Ziegenfelle, Katzen-, Hasen- und Fuchsbälge, bei denen sich nur ein Satz für die Ausfuhr findet, dann endlich für zwei Sorten, die der Besprechung bedürfen. Die pelles avultronorum wie wohl richtig

U64].

'^ »Fisces saht tenche, lucii^ arengi et omnes alii pisces scUati*.

^ Kurz u. Weissenbach 243.

* Urkunden Nr. 816 Anm. 1. Urkunden S. 206, 4. Chilloner Register. Einem Luzemer Händler werden seine Fische als faul in Mailand verbrannt. Liebenau, Regesten 20, 168.

•* [44].

« Pasi 95.

7 Vgl oben S. 144.

" [69]. Sonst findet es sich in Strafsburg und Basel.

716 Fünfundsechzigstes Kapitel.

zu lesen ist waren ein bedeutender Ausfuhrartikel aus Deutschland und begegnen als solche ausdrücklich erwähnt. Nun heifst boldrone das mit der Wolle bedeckte FelP. Der gewöhnliche Satz für den Zoll ist freilich in beiden Fällen, auf den Centner berechnet, halb so niedrig, als bei den bereiteten oder nicht bearbeiteten Schaffellen, die unmittelbar vorangehen. Das wird aber verständlich, wenn ich bemerke, dafs der betreflfende Satz bei Wolle ebenfalls sehr niedrig war. Diese boldroni waren, wie auch Uzzano beweist, ein wichtiger Handelsartikel. Sie kamen aus England bis nach Siena^.

Die andere Stelle handelt von den pelles cuxarum seu schurolorum. Letztere sind Eichhörnchen, cuxae eine Art davon. Der Mailänder Tarif kennt pelles Cfisetarum, die etwas billiger wie Eichhörnchenfelle waren. Die im zweiten Tarif vorkommende Sorte der salbonorum vermag ich nicht zu erklären.

Für Pelzwerk hat der Comasker Tarif aufser diesem Posten nur die Angabe über niantellum oder socha vayri, worunter variuSy das franz. vaire = Veh zu verstehen ist. Dafs aber Italien Veh auch aus Bulgarien bezog, geht aus Pegolotti hervor". Deutsche Einfuhr von Zobel- und Hausmarderfellen nach Genua ist uns belegt*.

Die deutschen Tarife sind unendlich viel reicher, namentlich der Strafsburger. Er hat gleichen Satz für: veh und jnmmerharm^ ; für Wolf, Marder, Lebari, Luchs, Iltis, Fuchs, Otter und Biber. Es folgen: :»eichoriny kröpf, eichin feil, moschen^ knSbeling, sUrbeling^ schürling, lamp- vely Jcünigel, hasenbelg^. Davon sind Eichhorn, Zicke, Lamm, Kaninchen (= cunicültAs) und Hase verständlich*, die »fnoschen€ sind vielleicht »scAmoscÄen« die feingekräuselten Felle junger, etwa acht Tage alter Lämmer^, die anderen Namen aber finde ich nirgends erklärt®. Der Zobel, das wertvollste mittelalterliche Pelzwerk erscheint für sich.

1 Pegolotti 379.

3 Uzzano 49. Mich macht doch auch wieder der Mailänder Tarif stutzig, der unter Leder: avoltroni ponaniur pro quoUbet centenario ad numerum iS oeto* ansetzt, also 100 Stück !

" 212. Der Mailänder Tarif stellt das 1000 von vairi non loharaU auf 80 fö, ebenso acorvini 50, scoiroU 85, c^isete 80.

^ Urkunden Nr. 278 hoynaH von Mustella foina, franz.: Ja fouine^ mail&ndisch : /bi«, ital.: /atVia, Codex Cumanus 98 u. 872: foynty mail. Tarif: peües de foinis. Vgl. auch Verga 18.

^ Ich korrigiere die Lesungen des Druckes stillschweigend und ziehe alle drei Tarife heran.

^ »Koninghe* sind nach Stieda CXXXTV aber die fliegenden Eichhörnchen. Der Wormser Tarif stellt bant eychom und koniglin feile zusammen.

■» Stieda, Zollbücher CXXXVI.

^ Ob Knöblivg mit dem niederdeutschen KUppingh, geschorenes LammfeU, identisch? (Stieda, Zollquittungen CXXXIII).

Produkte des Tierreichs. Fabrikate. 717

Der Ausdruck ^veh< ist noch heute im Pelzhandel gebräuchlich und ist es das „Grauwerk", die grauen Winterfelle der Eichhörnchen, die sie in den nordischen Gegenden erhalten, am meisten sind die dunkelsten Stücke, die aus Ostsibirien kommen, geschätzt und wurden die Bälge in die dunkle Oberseite (Vehrticken) und die weifse Unter- seite (Vehwamme) zerschnitten und diese getrennt in den Handel ge- bracht. Auf dieses Veh ist der Ausdruck varius zu beziehen, nach andern auf das „Buntwerk" der osteuropäischen Zieselmäuse. Der Aus- druck ^ssimmerhann* führt leicht irre, zimmer (niederdeutsch iimmer) war^ ein im Pelzhandel gebräuchliches Mafs von 40 Stück, härm ist Hermelin. Mit Leopardenfell bezeichnete der Pelzhandel lange die meisten Fälle der Gattung FeliSj immerhin ist es der einzige dem Süden angehörige Pelz, der im Strafsburger Tarif erscheint.

Der Konstanzer Tarif bereichert unsere Kenntnis noch um die gleich- falls bisher nicht erklärten: stichwerk und schönwerJc^, die himülin sind vielleicht Kaninchenfelle, doch kommt der Ausdruck hmy und koninghe auch im Pelzhandel für Marder vor. Der Wormser Tarif nennt auch: hemsch masschin (ob zusammengehörig?), sireuffling und knyeling^.

Wie stark die Pelzwareneinfuhr nach Italien war, belegten nicht allein die einzelnen Angaben, die unser Werk brachte*, nicht allein das, was wir über den Handel von Venedig wissen, vor allem sehen wir aus den Zolllisten von Chillon, wie viele Saumlasten Pelzwerk allein auf dem Umwege über die Genfer Messen nach Italien gelangten, es ist die Haupt- einfuhr der Mailänder Kaufleute von der Genfer Messe. Und Pegolotti, der sonst so schweigsam über deutsche Waren ist, nennt doch VoJpi deUa Magna und dt Norvea auch Lepri die Norvea und zählt eine Reihe von nordischen Pelzsorten auf ^.

Das Mittelalter kannte neben der mit pflanzlichen Gerbstoffen arbeitenden Loh- oder Rotgerberei in einer viel gröfseren Thätigkeit als heute die des Alauns, also eines mineralischen Stoffes sich bedienende Weifsgerberei, auch war die Sämischgerberei, die Tieröle bez. Thran als Gerbmittel verwendete, in lebhafter Arbeit Auf allen drei Gebieten

* Schmeller. Stieda, Zollquittungen CXXV.

« Über Schönwerk vgl. Stieda CXXIX. Schönwerk wohl gleich Buntwerk. ' Quell en z. Wormser Gesch. 3,647 Anm. 1 steht ein Inventar eines Kürschners mit vielen Warennamen.

* Vgl. namentlich S. 506. ülmann Stromer erwähnt als deutsche Haupteinfuhr in Grenua Veh-werk oder wammen. Femer Urkunden Nr. 158 (Eichhörnchen), 159 (c\ixetaram\ 278 (ein Nürnberger vorkauft 120 Stück Zobel und 118 hoynari). In den Provisiones Janue stehen die vayri auf einer Stufe mit der Seide, die übrige pelizaria niedriger.

^ Pegolotti S. 299 (dort weder cmeta noch hoynari).

718 Fünfundsechzigstes Kapitel.

nahm es Italien mit Deutschland nicht auf, Italien verbrauchte deutsches Leder.

Die Lohgerberei erzeugte das Lösch, das im Strafsburger Tarif erscheint, die Weifsgerberei: ^tvis gealant ledert oder ^yrch* ^ das übrigens auch rot vorkommt. Der Konstanzer Tarif trennt als eine bessere Art davon noch die »ftöÄwi5CÄew j/rcA«. Diese ursprtiglich saracenische Kunst des Gerbens mit Alaun hatte in Ungarn eine besondere Ausbildung erhalten und böhmische Irch waren wohl nach dieser Art hergestellt. Die Weifs- gerberei verarbeitete vor allem Schaf- und Ziegenfelle und zwar für den Säckler. Diese beiden Arten finden sich auch im Comasker Tarife wieder. Es ist dort von einer sama particorum (part€Xorum), cordoanorum (i. e. trcorum et caprarum) und bahanorum die Rede. Nach den Nach- weisen Schmellers ist particum = rubra peUis = lösch ' ; bahamis ist aber schimmelfarben , und vielleicht auf weifsgares alaungares Leder zu deuten, oder ist an ital. baaaana, ein braun zubereitetes Schaf leder zu denken? Korduanleder ist nun aber nur eine Abart des lohgaren Leders, das mit Somach aus Ziegenleder hergestellt wurde*. Die Überlegenheit des deutschen Ledergewerbes zeigt der Comasker Tarif darin, dafs für diese drei Sorten nur Einfuhr aus dem Norden vorgesehen ist. Eine ganz bedeutende Lederindustrie besafsen namentlich Bern und Freiburg i. Ü., ihrer gedenkt auch der Baseler Tarif. Bernisch Leder wird auch im Wormser genannt.

Hornkämme (tstrele*) finden sich in den Tarifen von Basel und Strafsburg.

Mit den Federn und Flaumfedern, die nach Ausweis der Chilloner Rechnungen vielfach nach Italien eingeftlhrt wurden, und in den Tarifen von Strafsburg und Como" aufgezählt sind, verlassen wir die Produkte des Tierreichs.

Die mittelalterlichen Zolltarife wagen sich niemals daran, auch die kleineren Fabrikate im einzelnen zu behandeln, das wurde einfach unter dem Namen merceria oder Pfennwert oder Kramerei zusammengefafst. Nur der Mailänder Tarif macht eine Ausnahme. Aber welche Schwierig- keiten bieten die lateinischen Namen. Hier versagt mir die Geduld und ich begnüge mich, zwei deutsche Posten hervorzuheben: Hüte {capelli gut veniuni de Alemannia) und Sättel (seile bravinie que veniunt de Äla" manniä). Aus den deutschen Tarifen kann man also nichts gewinnen und nur die Benutzung der Handlungsbücher mehrerer Gesellschaften kann mit der Zeit ein richtiges Bild von der Cirkulation dieser Waren

» S. 1521.

° Vgl. auch Stieda, Handelsbeziehungen US.

» L80].

Produkte des Tierreichs. Fabrikate. 719

gewähren. Mir lagen nun die Papiere einer einzigen Gesellschaft vor und aus ihnen folgt ganz unzweifelhaft die Überlegenheit der Nürnberger Kleinmetallgewerbe über das doch auch hochberühmte Mailänder, von dem ja das, was wir heute Quincaillerie nennen, damals den Namen: Mai- länder Pfennwert trug. Und nicht allein diese kleinsten Sachen lieferte Nürnberg, auch Altarleuchter, Schreibleuchter, Hängelampen, Messing- schusseln , Wagen , Klystierspritzen , Kompasse , dann Wasserkännel, Scherbecken, Schermesser, Zirkel, Malerborsten, Schusterborsten, Spiegel- glas u. s. w. u. s. w. konnte die fränkische Handelsstadt der lombardi- schen besser und billiger bieten.

Vor allem auch lieferten die Nürnberger Teilhaber Kölnsches Gold* und Kölnsches Silber, auch Ulmer nach Mailand und so war selbst in der Gold Schlägerei eine deutsche Konkurrenz rege geworden.

Das Schweigen über diese Fabrikate brechen die Tarife nur selten. Der Baseler Tarif führt gedruckte Bücher auf und der Strafsburger, wie der Rheinzolltarif ^ beschäftigt sich mit den Paternostern. Ganze Tonnen voll Paternoster aus gelbem und schwarzem Stein oder Glas wurden durch Strafsburg geführt, und nach den Papieren der Krefsschen Gesell- . Schaft schickte Nürnberg, das mit Lübeck m~dieser Fabrikation wett- eiferte®, nach Mailand auch Paternosterkörnlein aus Messing, ja Rosen- kränze aus Krystall. Den Handel mit deutschen Bildern nach Italien, wie den Kunsthandel überhaupt, kann ich hier nur streifen^.

So treffen gedruckte Bücher und Paternoster zusammen, die alte ^ Zeit und die neue begegnen sich auch in diesen scheinbar so öden j Zolltarifen.

^ Über Kolzgolt handelt, wenn auch nicht abschliefsend Stieda, Handels- beziehungen 110.

« Strafsb. ürkb. 6 Nr. 758.

' Stieda, Handelsbeziehungen 111 ff.

^ Ersteren erwähnt Wimpheling, Epithoma Germanorum cap. 68 ausdrücklich.

SCHLUSS.

Sechsundsechzigstes Kapitel. VerkehrshShe.

Ertrag der Zölle von (Jotno, Andere Ziffern. Vergleich mit dem Verkehr der Gotihardbahn 1889. Ein Ztcerg und ein Biese, Vergleich mit dem Anfang des neun- zehnten Jahrhwiderts. Damalige Verkefirshöhe, Die Alpentransiteisenbahnen,

Hoch wertvoll sind die Angaben, die wir über den Ertrag der Zölle von Como besitzen. Wir haben diese schon früher genauer kennen ge- lernt. Ich hebe hier nur hervor, dafs dieser Zoll den Wein und das Salz nicht mit besteuerte. Wie fast stets wurden diese Zölle jährlich verpachtet und zwar wurde im Aufstrich verfahren, das Ausgebot erfolgte in ü , gesteigert wurde mit fl. Setzen wir nun den Mailänder Goldgulden = 53 sol., was jedenfalls sehr reichlich bemessen ist, so ergiebt sich aus der gegenüberstehenden Tabelle die Verpachtungssumme. Sehe ich von den Ziffern für 1435 39 und 1449—51 ab, da mir die Zuschlagsziffem nicht sicher genug erscheinen, so war das pedagmn majus am niedrigsten 1452 zu 9433 Uj am höchsten 1468^69 zu 15560 U verpachtet; schlagen wir ^/s an Verwaltungskosten und Gewinn der Unternehmer hinzu, so ergeben sich 12577 U resp. 20747 U. Einen mittleren Zollsatz kann man aus dem Zolltarife nicht gewinnen, nimmt man einen solchen von 2 U für die Saumlast an, so hätte der Verkehr zwischen 6300 und 10400 Saumlasten geschwankt oder, da die Saum in Como in den meisten Fällen gleich 4^/2 Centner gerechnet wurde, hätte sich der gesamte Warenverkehr mit Ausschlufs von Wein und Salz auf* 28350 bis 46800 Centner Comasker Gewichtes belaufen. Ursprünglich war der Comasker Zoll ein fünfprozentiger. Dieses Wertverhältnis war aber verändert und man darf ruhig nur 4 ^/o setzen. Der Warenwert hätte demnach zwischen 320000 und 518000 « geschwankt ^

^ Lamprecht, Deutsches Wirtschaftsleben 2, 345 berechnet för den Ober- lahnsteiner Zoll am Mittelrhein für die Mitte des fünfzehnten Jahrhunderts einen Verkehr von 6—700 000 fl. Wertes.

Verkehrshöhe.

721

Aus Incantus datiorum et vectigdlium Oume.

peda^ium majus

datium ballarum lane

ü fi. ß

datium bulletamm forensium

ü fl.

^ ß i

fl. ß

1400 ••••••

9 300 195

1040 20 8

8

- 24

1436 . .

9 300 190

1090 16

12

12

1437 . .

8 800 125

980 12

3

13

1438 . .

8 450 100

860 12

5

24

1439 .

8 650 20

875 10

6»/9

1/,

1449 . .

8 500 100

? ? ?

? -

1450 .

7 280 6

850 37

11 18

- 3

1451 . .

10000 150

1380 91

30 -

4

von

hier ab auch die fl

.-Ziffern korrekt:

1452 . .

8 850 220

1050 38

22

2 -

1453 .

10 200 195

1180 44 -

30 9

1454 . .

11200 160

1285 47 -

30

1 8

1455 .

13 600 330

1200 42

16 20

1556 . .

14100 320

1170 39

13 5

_

1457 .

13150 310

1055 26

16 - -

1 24

1458 .

11800 120

1000 58

28

3 8

1459 .

13 800 270

1300 35

20 -

1

1460 . .

13400 180

1250 25

20 -

1

1461 . .

14 050 280

1320 34

25

1 16

1462 .

13 200 220

1075 45

25

IV2

1463 . .

14 000 250

1200 40

25

IV2 -

1464 .

14 000 500

1150 52 16

32 -

6 -

1465 .. .

14 000 300

1400 70

35

5V«

1467/ '

14 250 350

1450 110 1650 87V9

25 23 14 8

1

^^«n je 1469 J •'

>

14 500 400

1700 50 1500 60

25 22 - -

1

2 10

Sicherer ist mit dem Datium lanae zu rechnen, dieses wurde von aller fremden aufserhalb des Gerichtsbezirkes von Como erzeugten WoUe neben dem Datium pedagii erhoben und zwar 1 Goldgulden von jedem Ballen zu 5 Centnem ^. Das ergiebt zu dem gleichen Satze (1 fl. = 53 sol.) als Minimum 424 Ballen in 1457, als Maximum 692 in 1468, mit dem Zuschlag von ^/a für Gewinn und Kosten: 565 bez. 923 Ballen, also im besten Falle noch nicht 5000 Centner, und doch war die ausländische Wolle der Hauptgegenstand der Einfuhr von Norden nach Italien.

Auch die Angaben über die bulletae sind nicht wertlos. Es heilst von diesem Datium: von jeder Person zu Fufs, die nicht aus dem Distrikt von Como, werden 6 /^, von jeder zu Pferde 1 J3 erhoben. Der Satz

^ Datium ballarum lanae, Statut von 1375 ff. in StattUa dntiorum Vol. II letztes Stück. Stadtarchiv Como. »Lane ültramontafie et forenses nate extra jurisdicHonem poteatatis Cumartim^. Vgl Rovelli 3, 1, 29.

Schulte, Geaoh. d. mittolalterl. Handels. I. 46

722 Sechsundsechzigstes Kapitel.

von 1456 würde also von 265 Personen zu Pferde au%ebraeht werden wiederum ohne Erhebungskosten und Gewinn das Maximum von 1465 von 981 Personen, oder schlagen wir wieder */8 hinzu: so würde die Minimalziffer auf 353, das Maximum auf 1308 Personen steigen.

Vergleichen wir andere Ziffern mit diesen Ergebnissen, die wir ge- wonnen haben. Die Angaben für den St. Gotthardzoll und das Qeleite in Mellingen sind vorläufig noch nicht zu verwenden, wohl aber der Ertrag des Zolles auf dem Unteren Hauenstein ^ Wenn die Ziffer für 1425 von 8928 Saumlasten oder in Comasker Gewicht, das ich hier beibehalten will, umgerechnet 38 176 Centner nicht stimmt, so ist das Maximum von 1495^6 4260 Saumlast oder 19170 Centner doch eine gut brauchbare Ziffer. Mehr mit Zollbefreiungen wird man zu rechnen haben bei dem Baseler Transitzoll, von dem Geering eine lange Reihe von Ziffern mitteilt^. Die meisten textilen Ballen oder Saumlasten Spezerei erscheinen als Durchschnitt in der Zeit von 1420—25, nämlich 1600 oder 7200 Centner Comasker Gewichtes. Einzelne Ziffern liegen er- heblich niedriger, bis zu 320 Ballen oder Saum für das Jahr herab.

Für den Verkehr über die Graubündner Pässe habe ich keine einzige brauchbare Angabe und die Konstanzer Ziffern sind auch nicht zu ver- wenden, da sich dort viel zu viele Linien kreuzten®.

In Brig fanden wir 1362 einen Verkehr von 6000 Ballen jährlich, während in Sitten 1379—84 nur 1700 Ballen passierten. Für den Zoll von Chillon ergiebt sich für die beiden nächsten Jahre nach 1294 ein durchschnittlicher jährlicher Verkehr von 4234 Ballen und 257 Wagen, demnach diese zu fünf Saumlast gerechnet ein Gesamtverkehr von 4234 -H 1285 = 5519 Ballen oder (1 Ballen = 4V2 Comasker Centner) von 24835 Centnern. Später führten die Mailänder Kaufleute jährlich hier 2495 Ballen durch*.

Man erschrickt ordentlich ob solch wahrhaft minimaler Summen; aber man darf nicht vergessen, in jener Zeit schwellten noch nicht billige Rohstoffe die Ziffern der Verkehrsstatistiken an, der weitaus gröfste Teil des Transitgutes bestand aus hochbewerteten Waren.

Wenn man somit den Gotthardverkehr für das Mittelalter auf 25 000 Centner = 12500 Metercentner jährlich ansetzen darf, so können wir einen Vergleich mit dem heutigen Zustand suchen. Die Gotthardbahn hat aber schon im Jahre 1889 bei einem Gesamtgüterverkehr von rund 459000 Tonnen einen reinen Transitverkehr zwischen aulserschweize- rischen Ländern und Italien von 296491 Tonnen = 2964910 Meter-

» S. oben S. 195, 205 f., 449 u. 450 f.

2 Geering S. 143.

« S. oben S. 378 u. 620.

* S. oben die Angaben und Berechnungen S. 463 f.

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Verkehrshöhe. 723

centner vermittelt*. Die mittelalterliche Summe mit dieser verglichen ergiebt ein Verhältnis von 1 : 237,2. Ein zwerghafter Verkehr steht einem riesigen gegenüber.

Aber ist denn überhaupt ein Vergleich des Mittelalters mit dem Ver- kehr von heute berechtigt? War denn vom Beginn der Neuzeit an das Aufsteigen des Handelsverkehrs so enorm? Durchaus nicht. Die Ein- führung der Kohle als Transportkraft hat erst die kolossale Steigerung des Transports herbeigeführt und erst in der zweiten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts liegt die rapide Zunahme des Verkehrs über die Alpen. Das Bild des Mittelalters mufs man mit dem vergleichen, das man ge- winnt, wenn man die Zustände unmittelbar vor dem Einflufs der Eisen- bahnen betrachtet, und zwar darf man da nicht die Zeit unmittelbar vor Eröffnung der Gotthardbahn heranziehen, sondern mufs auf die Zeiten zurückgehen, wo weder der Mont-Cenis noch der Brenner, noch der Semmering einen Teil des naturgemäfs den Schweizer Alpenpässen zu- fallenden Transportes auf ihre Eisenbahnlinien zogen.

Für den St. Gotthard haben wir ausgezeichnete Angaben über die Waren, welche Dazio grande am Plattifer passierten. Franscini giebt davon folgendes Bild: In den drei Jahren 1831 38 gingen im Durch- schnitt durch den Zoll: 4389 Saumlasten siocchi (hauptsächlich Baum- wolle, Seide, Manufakturwaren), 42 Kalb- und Ziegenfelle, 48 Leder, 34 Obst, 4549 Reis, Öl, Honig, Eisen, Pulver u. s.w., 813 Korn, 8490 Käse imd 3195 Wein und Branntwein, im ganzen 21568 Saumlast. Der erste Posten hatte sich seit dem Ende des achtzehnten Jahrhunderts stets verringert, nach Bonstetten betrug er 1797 noch 11 800 Saumlasten, ging bis 1824 auf 8324, bis 1828 gar auf 5030 Saumlasten zurück. Ent- sprechend war der Transit von Reis von 42450 Sack (1795/6 Durch- schnitt) auf 16 17 000 zurückgegangen, minder war das Sinken bei dem schweizerischen Export des Käses, sehr bedeutend aber beim Wein. Bonstetten spricht von 13000 Saumlasten^. Die 21568 Saumlasten der Jahre 1831 33 entsprechen nach Franscini etwa einer Summe von 40000 Metercentnern jährlich. Der Verkehr hob sich bis 1840 auf 80975 Centner«.

* Diese Ziffer Dach Ilüegg, Die Wirkungen der St. Gotthardbahn. Leipzig 1891. S. 56. Nach Mitteilung der Direktion der Gotthardbahn hatte der Güter^'erkeh^ durch den Gotthardtunncl im Jahre 1899 folgende Ziffern aufzuweisen: Richtung Nord -Süd (rund) 265 000 Tonnen, Süd -Nord (ebenso) 463400 Tonnen, zusammen 728 400 Tonnen. In diesen Ziffern ist das Gewicht des Reisegepäcks, der lebenden Tiere und der Bahnbaumaterialien nicht einbegriffen.

- Vgl. Franse ini, Der Kanton Tessin; Gemälde d. Schweiz, Heft 18; St. Gallen 1835 S. 175 ff.

' Franscini, Neue Statistik der Schweiz. Bern 1848. 1, 219. Vgl. ihn auch zum folgenden.

46*

724 Sechsundsechzigstes Kapitel.

Dieser Zustand der dreifsiger Jahre war allerdings durch besondere Umstände bedingt. Die österreichische Regierung begünstigte den Splügen und das Stilfser Joch, die Strafsen der Westalpen wurden von Frankreich gefördert, während die Schweiz noch in dem alten Wirtschaftszustand des Mittelalters verharrte. Der Transport von Mailand nach Frankfurt war über die Splügenstrafse damals biUiger als über den Gotthard \ Erst nach dem Sonderbundskriege erhielt die Schweiz ein einheitliches Zollsystem, bis dahin bestanden all die Zölle, Fürleiten, Weg- und Brückengelder fort*.

Wie der Gotthard seit 1830 eine gut fahrbare Bahn besafs, so war auch der Simplen mit dem herrlichen napoleonischen Bau (vollendet 1805), versehen, aber der Verkehr an Waren war so gering, dafs Franscini meinte, ohne den Personenverkehr lohne es sich kaum der Mühe, die Strafse offen zu erhalten. Ebenso wirkungslos blieb der Bau der Strafse über den St. Bernhardin (1818 23), dort bestanden die alten Roden und Porten fort, völlig erstarrt lähmten sie den Verkehr, den sie einst be- lebt hatten, nur für den Pferdehandel war die Strafse von Bedeutung, die Transportrichtung war aber umgekehrt; nun kamen die Pferde von Mecklenburg und aus anderen Teilen Deutschlands. Einen wirklich namhaften Verkehr trug die 1823 voUendete Kunststrafse auf dem Splügen. Franscini schätzte 1848 den jährlichen Transit auf 90—100000 Centner.

Betrug der Verkehr auf dem St. Gotthard in den Jahren 1831 33 also rund 40000 metrische Centner, 1840 jedoch schon 80975 Centner, so ist das gegen das Mittelalter eine Steigerung von 1 : 3,2 und 1 : 6,4. Von 1840 bis 1889 liegt dann die enorme Steigerung von 1 : 36,85 gegen- über 1889 von 1 : 89,9. Den Gotthardtunnel passieren also sicherlich heute in einer Woche so viele Gütermassen, wie 1840 in einem Jahre und vermutlich würden heute zwei Güterzüge fast die ganze Summe des mittelalterlichen Jahresverkehrs dieses Passes befördern können^.

Es ergiebt sich zur Evidenz, dafs in dem Alpen verkehr nicht eine Periode mit dem Beginn der Neuzeit zu setzen ist, auch nicht mit dem Ausbau der Kunststrafsen , sondern mit der Mitte des neunzehnten Jahrhunderts, seit die Schweiz 1848 zu einer Zolleinheit wurde und vor

^ Franscini, Kanton Tessin S. 188.

2 Vgl. Furrer, Volkswirtschaftslexikon der Schweiz 1, 824. Welche Zölle noch 1840 galten, ist am besten aus Albert Hub er, Die Entwicklung des eid- genössischen Zollwesens (Bemer Dissertation 1890) S. 122 155 zu ersehen. Speciell Uri und Graubünden boten das Bild des Mittelalters.

^ Die Maximal-Bruttobelastung eines Güterzuges auf der Gotthardtunnelstrecke (Göschenen-Airolo) beträgt für die Richtung Nord -Süd 640, Süd -Nord 800 Tonnen, also 12 800 resp. 16 000 Centner, 6400 bez. 8000 metrische Centner.

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Verkchrshöhe. 725

allem sich nun der Einflufs der Verwendung der Kohle geltend machte. Zuerst erhöhte der Konsum der von Dampfmaschinen getriebenen Fabriken den Verkehr, der sich noch allein der Tiere bediente, dann ersetzte er diese durch die Kraft des schwarzen Minerals. Und da wurde nicht, wie schon 1845 die beteiligten Regierungen wollten, der Lukmanier der Träger des alles beherrschenden Schienenwegs, sondern der St. Gotthard, Es wiederholten sich beim Bau der Eisenbahnen die Hauptmomente der Geschichte der Alpenstrafsen. Wie im Altertum zuerst die beiden Flügel der Alpenwelt erschlossen wurden, so waren die ersten Alpenbahnen die über den Semmering, Mont Cenis und Brenner. Dann aber folgte nicht eine Analogie zum Frühmittelalter. Nicht die Rhein- oder Rhonepässe erhielten zuerst Eisenbahnen, sie erhielten nicht den Vorsprung vor dem Berge von Urseren. Dem Neuling des Mittelalters gab die moderne Zeit sofort den gebührenden Vorzug und wenn auch jetzt andere Bahnlinien folgen, so wird doch der König unter den Alpenpässen auch der König unter den Alpenbahnen bleiben.

VEßBESSEßraGEN UND NACHTßiGE.

S. 5 Z, 12 von oben h Grofser St. Bernhard statt St. Gotthard.

S. 14 Z, 19 unten und öfter l. Vogogna statt Vergogna.

S. 30 Z. 17 von unten l, Vierwaldstättersee statt Vierwaldstädtersee, ebenso sonst

S. 54 Z, 12 von unten L Grimsel statt Gemmi.

S, 57 Z, 2 von oben ergänze: Von Rompilgem, die den Grofsen St Bernhard benutzten, ist der hl. Bonitus, Bischof von Clermont, zu nennen, der um 701 von Lyon zu den Reliquien in St. Maurice pilgerte und von dort reichlich beschenkt, nach Pavia weiterzog, wo er vom Langobardenkönig Aripert U. gut aufgenommen wurde \ Der Abt Austrulph von St. Wandrille starb 762 auf der Heimkehr von Rom in St Maurice'.

S. 65 Anm. 1 ergänze: Vgl. zur Geschichte des Klosters Massino auch v. Liebenau in Anzeiger für Schweiz. Geschichte 1883, 121 128. '

S. 66 Z, 16 von unten 1. Grofser St Bernhard statt St. Gotthard.

S. 109 Z, 4 von unten L accipitrem statt aecipitrem.

Zu S. 114, Die Verbreitung des deutschen Linnens beweist ein Wort, das bei uns nur dialektisch vorkommt, in die meisten romanischen Sprachen aber übergegangen ist, das althochdeutsche duahiUcij mittelhochdeutsch tweheUf heute dialektisch zwehle = Handtuch ist mittellateinisch tohdlea, italienisch tovaglia Tischtuch, spanisch toalloy portugiesisch und provenzalisch toalha, französisch touaitle. Immerhin bleibt es zweifelhaft, ob das Wort mit der germanischen Einwanderung heimisch ward oder erst später aufgenommen wurde.

S, 132 Z. 11 von tmten L Sitten statt Chur.

S. 136 Z. 18 von unten h Callimala statt Callmala.

S, 167 Z. 5 von oben l, neuen statt neun.

S, 170 Anm. 1 ergänze: Berlepsch, Die Gotthardbahn, in Ergänzungsheften der Petermannschen Mitteilungen Nr. 65.

S, 189 Z. 9 von oben h Splügen statt Simplon.

S. 209 Z, 5 von unten l noch 1462 statt nach 1462.

S. 219 Z. 12 von oben L Formazza statt Formazzo.

S. 225 Anm, 3 ergänze: Über die Vögte in den Waldstätten vgl. auch Dieterich in den Mitteilungen a. d. german. Nationalmuseum 3, 72 f.

S, 286 Z, 6 von oben ergänze: Aus dem interessanten Bericht des Bemardo Marchesi vom Jahre 1370, den Karl Müller^ Zeitschrift für Kirchengeschichte 2, 592 622 ver-

^ Zettinger, Berichte über Rompilger aus dem Frankenreiche bis 800. Römische Quartalschrift. Elftes Supplementheft S. 71. 2 Zettinger ebda. 83.

VerbesseruDgen und Nachträge. 727

Öffentlicht hat, ergiebt sich noch einiges über das Verhalten der Alberti. Sie hatten einen festen Vertrag mit der Kurie, der sie zur Geldannahme zwang, gleichwohl waren sie nicht immer bereit. Als der Trierer Erzbischof Kuno von Falkenstein gegenüber päpstlichen Anforderungen an die von ihm verwaltete Kölner Kirche 10000 fl. aus seinem Eigenen gab, wurde diese Summe schon von den Kollektoren mit Bedenken angenommen. Bernhard von Beme verhandelte mit den Alberti in Brüssel und Lüttich, brachte das Geld nach Brügge. Allein hier verweigerten die Alberti die Annahme, weil es nicht böhmische oder ungarische Gulden, sondern Mainzer und Trierer waren. Das Geld blieb also zunächst in Brügge liegen. Die Kollektoren betrachteten die Alberti als unentbehrlich. Als ihr Vertrag abgelaufen war, verlangte der Bericht dringend die Erneuerung. Andere Geschäftshäuser seien nicht zuverlässig und kräftig genug, auch verlangten sie ein Diskonto von lO^/o. Ohne die Alberti könne man das Geld nicht sicher aus Deutschland an die Kurie bringen.

S, 298 Z, 10 von oben lies Bürger statt Bürgern.

Zu S. 365. Der Güte des Herrn Prof. Dr. Schiefs in Chur verdanke ich einen Aushängebogen aus seiner Einleitung zu seiner Ausgabe des lU. und IV. Anhangs von Campells Topographia Rhaetica (Jahresbericht der Churer naturforschenden Gesellschaft). Es werden dort die Angaben Campells zusammengestellt, die sich allerdings auf die zweite Hälfte des sechzehnten Jahrhunderts beziehen. S. LVII: Splügen, Septimer und Julier, S. LX : Schynpafs, wonach der Weg auf dem rechten Ufer des Halbsteiner Rheins gegangen und Tiefenkasten mit Fürstenau verbunden zu haben scheint.

Zu S, 455, Durch Besprechungen mit meinem Kollegen G. Kawerau, dem ich die Kenntnis des Materials verdanke, bin ich zur Überzeugung gekonmieu, dafs zu den Gotthardpassanten möglichei'weise auch Luther gehört. Für die Hinreise stehen (trotz Hausrath und Elze) Innsbruck und Padua, somit der Brennerpafs fest. Für die Rückreise Mailand, man hat also vom Wormser Joch an westlich die Auswahl. Diese wird jedoch dadurch eingeschränkt, dafs Luther von den Bergen der Schweizer aus der Anschauung redet. Nach dem Schwabenkrieg mag hie und da auch Grau- bünden zur Schweiz gerechnet worden sein, aber der nächste Sinn weist auf die Schweiz im damaligen politischen Sinn hin. Wenn Graubünden also ausscheiden sollte, bleibt nur der St Gotthard. Aber freilich kennt, wie Kawerau mich ver- sichert, Luther Zürich nicht oder erwähnt doch nie seine Kenntnis.

Zu IS. 663. Über die Irmi vgl. jetzt Hol zach, das Geschlecht der Irmy, der namentlich die politische Thätigkeit des Hans behandelt, der ein Freund der Medi- ceer, speciell Lorenzos war. Holzach teilt näheres über seine diplomatischen Reisen nach Italien mit. Baseler Biographien 1, 39 ff.

INHALT.

Seite

Vorwort I

Verzeichnis der mehrmals citierten Bücher und Abhandlungen XVII

Erstes Buch: Einleitung:. Erster Teil: OeocpcaphiBche Vorbedingungen.

Erstes Kapitel : Geographische Bedingungen der Verkehrs in der Zeit vor Ent- deckung des Gotthardweges 1

Die pafslose Nordkette war an beiden Seiten zu umgehen. Dadurch entstehen zwei Pafssysteme mit ihren Städten. Vergleich der Systeme der Rhone- und Rheinpässe. Beschreibung der einzelnen: Grofser St Bemhardf Theodulpafs, Monte Moro, Antronapafs, Simplon. Ebenso die des Rheinsystems : Lukmauier, Greinapafs, Bemhardin und Splügen, Septimer und Julier. Strafsenknoten im Süden: Aosta-lvrea, Vogogna, Bellinzona. Weg zum Lago Maggiore, der See selbst, Arona, Monte Cenere. Chiavenna. Veltlin. Comersee. Die Pässe konvergieren nach dem Mittelpunkt der Po-Ebene. Zweites Kapitel: Fortsetzung 17

Ziele des Verkehrs im Süden. G^nua oder Piacenza. Lage von Genua* Pässe. Schwierigkeiten im Apennin. Piacenza, die letzte Brückenstadt am Po. Unterhalb Meer und Land nicht definitiv ge- schieden. Mittelalterliche Brückenschläge unterhalb. Lage von Ron- caglia. Mailand, die Stadt der Mitte. Gunst der Lage. Die fehlende Verbindung mit den schiffbaren Gewässern schuf es selbst.

Divergenz des Verkehrs im Norden. Gründe. Die Fortsetzungen : Kunkelpafs, das Rheinthal, Rheineck. Lücke des Walensees, Zürich. Die Pforte an der Rhdne. Ziele des Verkehrs. Hindernis: Jura. Pässe von Pontarlier, von Äugst. Oberer und unterer Hauenstein, Bötzberg. Verkehr in der Längsrichtung der Hochebene. Hydro- graphische Pforte der Schweiz. Bodensee. Konstanz. Basel. Strafsburg. Drittes Kapitel: Änderung der geographischen Bedingungen durch die Ein- richtung des Gotthardweges 32

Centrale Lage des Gotthardquerschnittes. Der Anstieg im Norden. Die Hauptschwierigkeit im Umer Loch. Urseren. Pafshöhe. Der Abstieg im Livinenthal. Verstärkte Bedeutung von Mailand. Neue Wege nach Zürich, Basel und Windisch.

Inhalt. 729

Seite Erschliefsung des Grimselpasses. Fortsetzungen über die südliche Kette: Nufenen-, Gries- und Albrunpafs. Seit Eintreten des Gotthards scharfe Konkurrenz der Pässe.

Tabelle: Zusammenstellung der Pafshöhen.

Zweiter Teil: Die Alpenpässe im Altertum.

Viertes Kapitel 89

Die Alpenfront von Massalia und der Donau aus umgangen. So auch zunächst die Römer. Grofser St. Bernhard. Strafsenbau. Die lokalen Rhouepässe. Simplon zweifelhaft. Büudeuer Pässe. Julier. Splügen. Fehler der Itinerarien. Funde. Pflasterungen. Ortsunter- suchungen nötig. Spätrömisch Lukmanier oder Bernhardin benutzt. Zollstätten. Organisation unter dem Einflufs der Erwerbsgeschichte. Spätere Änderungen. Nachwirkungen im Mittelalter. Das Strafsen- System als Einheit betrachtet. Verteilung der römischen Funde. Warenhandel. Was überlieferte das Altertum dem Mittelalter? Strafsenbau, geänderte Organisation. Was ging verloren? Be- dingungen des Handels verändert.

Zweites Buch : Verkehr und Handel im Frühmittelaltep

(bis 1032).

Fünftes Kapitel : Verkehr bis zur Bildung des hochburgundischen Reiches (888) 54 Der St. Gotthard als Grenzpfeiler von fünf Bistümern. Dieser Pafs unbenutzt. Die Alpen in der merowingischen Zeit. Züge der Karolinger. Grofser St. Bernhard. Septimer. Reliquientranslationen. Divisio regnorum. Begründung des Königreichs Hochburgund.

Sechstes Kapitel : Verkehr bis zur Vereinigung von Burgund mit dem Deutschen

Reiche (1032) 59

Die Saracenen in den Alpen. Älteste Hospize: am Grofsen St. Bernhard, auf dem Septimer und sonst. Bündener Pässe. Die Züge der Ottonen. Andere Reisende. Begünstigung von Chur. Er- haltene römische Verkehrseinrichtungen: Schiffmeisterei am Walen- see, Fähren. Besitz deutscher Klöster jenseits der Alpen. Burgun- dische Pässe: Verkehr über den Grofsen St. Bernhard. Normannen. Engländer. Itinerar Sigerichs. Verhandlungen Knuds des Grofsen.

Siebentes Kapitel: Der Handel 68

Spärliche Nachrichten. Altester Zolltarif: Aosta. Art der Zoll- erhebung. Allgemeine Handelsverhältnisse. Gewebe. Nahrungs- mittel. Gewürze. Weihrauch. Parfiimeriestoffe. W^ein. Andere Waren. Passive Handelsbilanz des Nordens. Auch Italien noch in sekundärer Stellung im Welthandel. Deutsche Kaufleute. Fremde Kaufleute: Syrer, Juden, Araber, Friesen, Italiener. Warenhandel. Märkte.

780 Inhalt.

Drittes Buch: Verkehr und AVarenhandel im Hoch- mittelalter.

Erster Teil : Geschichte des Verkehrs von der Vereinigung des burgundisohen mit dem Deutschen Reiche bis zur öffhung des St. Gotthards (1082 bis um 1280).

Seite

Achtes Kapitel: Hospize 80

Das auf dem St. Bernhard. Filialen und Besitzungen bis Apulien und England, in Deutschland. Hospiz auf dem Septimer. Ritter- orden, andere Spitäler.

Politische Geschichte. Römerzüge 85

Chiavenna eine schwäbische GrafschafL Römerzüge der Salier. Staufer: Friedrich I. und der Septimer. Schlacht bei Legnano. Lukmanier. Kloster Disentis. Heinrich VI. und seine Nachfolger.

Septimer und Bemhardin 92

Reisende. Der Septimer bei den Dichtern, bes. Gottfried von Strafsburg. Berhardiu. Verkehrseinrichtungen: Wirtshäuser, Fähren« Burgen. Bergell.

Neuntes Kapitel : Walliser Pässe 96

Grofser St. Bernhard. Reisen der Kaiser, Päpste, Vornehmer. Isländisches Itinerar. Der Iliansweg nicht der Lukmanier. Erstes Hervortreten des Grimselpasses, des Antronapasses und des Simplons.

Nördliche Zugänge 102

Die Wege des hl. Bernhard.

Ergebnisse 102

Die inneren Pässe der beiden Systeme kommen mehr in Auf- nahme.

Politische Lage am Südfufse der Alpen 103

Ringen von Mailand, der Freiherren v. Sax und Como. Hein- richs VI. Vertrauen auf Como. Die Mailänder an den Zollstellen. Grafen von Biandrate u. a.

Zweiter Teil: Geschichte des Handels bis som Ende des dreiaehnten

Jahrhunderts.

Zehntes Kapitel: Deutsche Kaufleute in Italien. 105

Der Chanson sur TAir de TAmour. In Genua schon 1128. Ferrara 1228. Messen. Der Fondaco in Venedig. Überfälle.

Italienische Kauf leute in Deutschland 108

Aus Lodi, Mailand, Piacenza. Koblenzer Zolltarif. Italienische Steinmetzen und Maurer.

Veränderungen im Welthandel 110

Konstantinopel nicht mehr Monopol als Vermittler. Das Abend- land handelt direkt. Die Kreuzzüge steigern den Luxus. Italien übernimmt die Vermittelung. Amalfi, Pisa, Genua, Venedig.

Elftes Kapitel: Bekleidungstoffe 112

Änderungen in der gewerblichen Organisation, im Verbrauch. Zunahme desselben.

Inhalt. 731

Seite

Die Leinen- und Hanfstoffweberei 113

Bleibt vorwiegend Gegenstand des Hausfleifses. Technisches. Gleichwohl bedeutender Handel. Konstanz, Basel, St. Gallen, Augsburg. Deutsches Leinen im päpstlichen Schatze. Erzeugung des Auslandes.

Zwölftes Kapitel: Bekleidungsstoffe (Fortsetzung). Wollweberei 117

Produktionsteilung. Walken. Färberei. Örtliche Teilung. Die Wollweberei städtisches Gewerbe. Reste auf dem Lande. Einflufs der Klöster. Alteste deutsche Weber als Handwerker. Südwest- deutsche Grau tucher, Loderer im Südosten. Rheinische Weber, Köln. Flandern. Weltlage. Die englische Wolle die beste. Weberei in England, in Flandern, Frankreich, Champagne, auf der schweizerischen Hochebene, Lothringen.

Italien. Vorbedingungen. Alte Traditionen. Bezug der Wolle. Kapitalistischer Charakter. Die Humiiiaten. Überblick: Mailand, Lombardei, Venetien, Piemont, Toskana, bes. Florenz. Callimaia und Arte della lana.

Dreizehntes Kapitel : Bekleidungsstoffe (Schlufs). Seidenweberei 136

Erste Anfänge. Lucca, andere italienische Orte. Paris. Zürich. Konstanz.

Baumwollweberei 139

In Italien verbreitet, namentlich in der Lombardei. HandeL Herstellung auch in Flandern.

Farbstoffe 141

Neue Farbstoffe in grofser Zahl.

Gewürze. Wachs. Beeren des Lorbeers 143

Metalle 145

Verbreitung des Bergbaues. Waffenindustrie.

Lebensmittel 149

Getreide. Wein. Salz. Fische. Produkte der Viehzucht

Perde. Vieh 150

Häute. Pelzwerk.

Sklaven 151

Vierzehntes Kapitel: Handelsorganisation 152

Verschwinden des Fremdkaufmanns. Die Juden zurückgedrängt. Handelseifersucht, Ausschlufs von den korporativen Bildungen. Gründung von Städten. Aussonderung von Produktionszweigen. Der Kaufmann bedarf der Genossen. Handelsgesellschaften. Italien. Deutschland.

Messen 156

Ursachen ihrer hohen Bedeutung. Die Messen der Champagne. Lage der Champagne. Organisation, Termine, Beamte u. s. w. Mefs- besucher organisieren sich, besonders die Italiener. Handel der Deutschen. Höhe des Verkehrs, gemessen an den Zöllen von Chillon und Bapaume und den Erträgnissen. Messen in Deutschland und Italien.

732 Inhalt.

Dritter Teil: Geschichte des Verkehrs von der Eröfibiung des Gotthards

bis sur Doppelwahl von 1814.

Seite Fünfzehntes Kapitel: Der St. Gotthardpafs 169

Erste Erwähnung. Die stäubende Brücke erster Triumph der Eisentechnik. Die Eröfiiiung eine Folge des Vordringens der Deutschen in die Hochalpen. Urseren will lokale Verbindung, schafft eine internationale.

VTann erfolgte die ErÖflfhung?* Bedeutung Bellinzonas. Kämpfe, Reichsgut, wieder verloren. Triumph Mailands. Politik des Reiches am Nordfufs. Uri von Habsburg ans Reich. Reichsgut und Haus- gut. Die Habsburger an der Strafse nach Ölten. Neue Zölle: Freudenau, Reiden, St. Amarin. Dieser Vogesenpafs eiu Korrelat des Gotthards. Sechzehntes Kapitel: Der Gotthardpafs bis 1298 179

Widerstand von Schwyz. Erwerb weiterer Besitzungen am Wege. Rudolf hat den Anfang zu einem Pafsstaat gelegt. Wahl Adolfs. Die Reaktion gegen die Habsburger. Der Bund der Eidgenossen. Welcher Geist schuf ihn? Kämpfe. Erste Nachrichten über Kauf- leute auf dem Passe. Unterer Haucnstein 183

Zölle. Expansion des Bistums Basel. Das Manifest König Rudolfs an die Kaufleute bezieht sich auf den Gotthard. Sendung des Bischofs von Basel nach Italien. Büfadener Pässe 187

Leben auf der Septimerstrafse. Zölle. Verkehrseinrichtungen. St. Bemhardinpafs. Versuche, die Konkurrenz des Gotthards ab- zuwehren. Kämpfe im Bergeil. Torriani und Visconti in Mailand. Bildung der dortigen Signorie. Siebzehntes Kapitel: König Albrecht und die schweizerischen Alpen .... 191

Veränderung der Lage durch die Wahl Albrechts. Privilegien für die Italiener von 1299. Ausfuhrung durch den Bischof von Basel und den Grafen von Pfirt. Ursprung und Zweck der Privilegien. Die Gotthardlinie bevorzugt. Verlegung des Zolls von Jougne auf den Grotthard. Geschichte des Zolls. Johann von Chalon-Arlay. Kämpfe in Burgund. Sperrung des Juraverkehrs. Achtzehntes Kapitel: König Albrecht und die schweizerischen Alpen (Fort- setzung) 199

Frankreich und die Champagne und Flandern. Der alte Weg Italien-Flandern genügt nicht mehr. Verträge der Italiener über die alte Strafse. Vergleich mit denen über die neue. Albrechts Zölle und der Landfrieden. Aufhebung der Rheinzölle. Erfolge.

flöhe des Verkehrs über den Gotthard. Zollertrag. Vergleich mit Bapaume, mit den anderen habsburgischen Zöllen, mit den habs- burgischcn Städtesteuem.

Strafsenräubereien : Das Muster eines Brigantenbriefs. Neunzehntes Kapitel: Die Walliser Pässe 211

Ausbau der Simplonstrafse. Vertrag über den Naheverkehr. Ein- greifen der Mailänder Kaufmannschaft. Verträge. Zölle. Brücken. Susten. Anteil von Novara. Auch die Erschliefsung des Simplons

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Inhalt. 783

Seite eine Folge der Ausdehnung der deutschen Kolonien in Piemont. Anteil der deutschen Hirten und des italienischen Adels.

Der Grofse St. Bernhard. Hospiz. Peter IL von Savoyen. Zölle, enorme am Jura. Benutzung des Val Travers. Verträge der Savoyer mit den Kaufleuten (Piacenza, Gesellschaft der Markt- besucher, Genua). Zwanzigstes Kapitel: Heinrich VII. und der St. Gotthard 223

Veränderte Lage. Er stellt die Rheinzölle wieder her, hilft un- bewufst zur Begründung einer dauernden Signorie in Mailand mit und führt keine klare Scheidung des Reichsgutss vom österreichischen Hausgute durch. Der Name St. Gotthard. Einrichtung des Reichs- gutes. Graf Wernher von Homberg. Baseler, Luzemer und Mai- länder Kaufleute. Die entscheidenden Ereignisse: Doppelwahl und Schlacht bei Morgarten. Ergebnis: Am St. Gotthard bildet sich ein Pafsstaat, der Pafs geht dem Reiche verloren.

Viertes Buch: Geschichte des Geldhandels.

Srster Teil: In Italien domizilierte Qeldhändler als Gläubiger des deutsohen hohen Klerus im dreizehnten und vierzehnten Jahrhundert.

Einundzwanzigstes Kapitel: Die westdeutschen Erzbisehöfe als Schuldner . . 231 Wiederauftreten des Fremdkaufmanns. Anfange der Geldwirt- schaft. System der päpstlichen Einnahmen. Zwei Klassen. Höhe der Servitien. Beihilfe der italienischen Kaufleute. Erzbischöfe von Köln, vor allem Dietrich, Engelbert, Konrad, spätere. Mainz. Wider- ^ stand des Klerus. Trier.

Zweiundzwanzigstes Kapitel: Italicner als Gläubiger deutscher Prälaten . . . 247 Römer: Utrecht, Chur, St. Gallen, Worms, Magdeburg, Strafsburg, Metz und Utrecht. Senesen: Metzer Klöster, Salzburg, Passau, Bamberg, Regensburg, Lausanne, Murbach. Bankfirmen. Lage und Geschichte von Siena in der Zeit engster Verbindung mit der Kurie. Ghibellinen und Guelfen. Rückgang seit 1270. Florenz. Einzelne Schuldner. Tabelle der Schuldcnerlaubnisse. Pisa, Pistoja, Piacenza, Mailand.

Dreiundzwanzigstes Kapitel: Die Grundlagen dieses Kredits 263

Die Kurie garantiert durch ihre Strafen das Hauptgut, nicht die Zinsen. Stellung zum Zinsverbot. Regelung des Verfahrens durch Nikolaus IV. Wucherer. Thatsächliche Behandlung derselben durch die Kirche.

Zweiter Teil: Italiener bei Erhebung päpstlicher Steuern in

Deutschland.

Yierundzwanzigstes Kapitel : Italiener bei Erhebung kirchlicher Steuern in der

Yoravignonesischen Zeit 273

Organisation der Steuern in Deutschland. Zuweisung an be- stimmte Banken. Charakteristik derselben. An Stelle Sienas tritt Florenz. Entwicklung des Florentiner Handels in Verbindung mit der politischen Geschichte. Pistoja. Sturz der Ammanati, die Chia- renti und das Kardinalskollegium.

734 Inlialt.

Seite

Fünfundzwanzigstes Kapitel: Italiener bei Erhebung der päpstlichen Steuern

im vierzehnten Jahrhundert 280

Quellen. Verschiedene Verfahren des Geldtransportes, nach Gegenden verschieden. Südwestdeutschlaud. Ostdeutschland. Norden. Nordwesten. Wechselbriefe. Beteiligte Banken. Bankerotte in Florenz. Neue Bankhäuser.

Dritter Teil: In Deutschland angesiedelte italienische Kauf laute,

Zollpächter und Miinzer.

SechQundzwanzigstes Kapitel: Zusammenstellung der Nachrichten nach Orten 289 Wallis 290, Vevey 291, Lausanne 291, Genf 291, Yverdon 291, Freiburg im Üchtland 292, Peterlingen (Payeme) 292, Murten 293, Thun 293, Bern 293, Biel 294, Solothurn 294, Luzem 295, Zürich 296, Aarau 297, Basel 297, Lindau 298, Überlingen 298, Konstanz 298, Freiburg im Breisgau 298, Oberelsafs 299, Gebweiler 299, Kolmar 299, Rapoltsweiler 299, Schlettstadt 299, Strafsburg 299, Lothringen 299, Oppenheim 299, Nördlingen 299, Efslingen 299, Frankfurt a. M. 300, Mainz 300, Bingen 300, Bacharach 301, Oberwesel 301, Koblenz 302, Trier 302, luxemburgisches Gebiet 302, Schöneck in den Ardennen 302, Reuland (Kreis Malmedy) 802, Linz 302, Sinzich 302, Ahrweiler 302, Remagen 303, Siegburg 303, Köln 303, im Kölnischen 305, Müll- heim 305, Werden 305, Duisburg 305, Soest 305, Osnabrück 305, Glad- bach 305, Aachen bez. Düren, Aldenhoven und Jülich 305, Am- heim 307, Roermonde 307, Maastricht 307, Lüttich 307, Mecheln 307.

Siebenundzwanzigstes Kapitel: Die Thätigkeit der Kawerschen ....•,, 308 Feststellung der Heimat: Asti, Astis Handel. Übergang zum Geldhandel im Ausland. Aus der Geschichte Astis. Reue über den Wucher. Vergleich mit den Juden. Geringer Anteil am Waren- handel, auch am interlokalen Wechsel, Lombarddarlehen. Aus Geschäftsbüchern. Frist der Darlehen. Höhe des Zinsfufses. Zwei Typen. Organisation und Ansiedlung der Casanen, sie bleiben nomadenhaft. Anteil der Landesherren an der Auswucherung. Die Kawerschen als Regal beansprucht. Privilegien und Lombarden- recht. Vergleich mit dem der Juden. Mobiliarpfandrecht. Beweis- recht. Strafrecht u. s. w. Bedeutung der Lombarden in der Geschieht« des Kredits. Rückgang im fünfzehnten Jahrhundert mit Besserung der Kreditbedingungen. Bedeutung für das Geistesleben.

Achtundzwanzigstes Kapitel: Italiener an deutschen Zöllen und Münzstätten 828 Zölle. Erste Goldprägung in Florenz. Neuerungen bei den Silbermünzen: Turnosen, böhmische Groschen, Heller. Italiener bei anderen Münzen. Italiener bei Herstellung der deutschen Gold- münzen; Böhmen, Lübeck, rheinische Gulden. Florenz und Asti.

Vierter Teil: ItalieniBohe Banken in Beziehungen au Deutsohland

im fiinfäelmten Jahrhundert.

Neunundzwanzigstes Kapitel 336

Mangelhafte Quellen. Banken während des Konstanzer Konzils. Das St. Johannesfest. Mediceer. Geschäft bei der Freilassung

i

Inhalt. 735

Seite Cossas. Das Baseler Konzil und die Bankiers. Italienische Kauf- mannsbücher. Sonstige Nachrichten.

Fünftes Buch : Grundlegrende Erschelnungren des Handels-

lebens der Nachbarschaft.

Dreifsigstes Kapitel: Der Niedergang der Messen der Champagne 844

Ursachen handelspolitischer und rein politischer Natur. Versuche zur Erhaltung. Folgen des Verfalls für Deutschland, für Flandern. Hochblüte von Brügge. Klagen in der Champagne. Die Deutschen auf den Messen.!

Einunddreifsigstes Kapitel: Venedig 851

Der Fondaco der Deutschen. Handelsgrundsätze von Venedig. Verkauf nur an Venetianer, nur Waren deutscher Herkunft, Erlös in Waren wieder anzulegen. Venedig kauft in Deutschland nicht selbst ein. Venedig Endpunkt der deutschen Initiative, anders Genua. Um- fang des deutschen Handels. Anteil der einzelnen Gegenden.

Sechstes Buch: Geschichte des Verkehrs im SpAt-

mittelalter.

Erster Teil: Die Bündener Fasse und ihre Zagänge.

Zweiunddreifsigst€s Kapitel: Septimer 857

Hospiz, Vitztumamt. Verfall der Strafse« Verbot eine andere zu fahren 1358. Mailänder Gesandtschaft 1386. Entscheidung für den Septimer. Bau der Strafse durch die Castelmur. Zeitumstände. Die Porten, ihre Ordnungen. Zölle, Weggelder. Streit um den Zoll zu Strafsberg. Dreiunddrcifsigstes Kapitel: Die übrigen Pässe. Lukmanier. 865

Nachbarlicher Verkehr. Hospize. Die Mailänder erwirken Zoll- erleichterung 1391. Verhandlungen mit Konstanz. Zwei Tarife für die ßoute Biasca-Konstanz. Verteilung der Abgaben. Zölle. Susten. Kaiser Siegmund und der Pafs. Splügen und St. Bernhardin 870

Benutzung der unausgebauten Via mala. Nürnberger Beschwerden. Versuche, den Verkehr zu verhindern. Bau der Strafse, Transport- genossenschaften. Italienische Nachrichten. Der hl. Bemhardin. Thal Misox. Sust am Comersec. Der politische Hintergrund «... 874

Emancipation und Bünde der Thäler. Gewinn der südlichen Thäler. Verträge mit Mailand. Auch Graubünden ein Pafsstaat. Vierunddreifsigstes Kapitel : Die Fortsetzungen der Pässe bis zum Bodensee i 876

Allgemeines. Die römische Grundlage. Organisation. Die acht Herrschaften. Streit Zizers-Mayenfeld. Geschichte und Bedeutung Rheinecks. Strafse Schaan-Bregenz. Arlberg. Bau der Schollberg- strafse. Weg über den Walensee. Verkehrsstörungen. Raubritter.

Rückblick auf die Geschichte der Bündner Pässe.

736 Inhalt.

Soite

Reisebeschreibung der Gesandten von Venedig 1492. Brüderschaft der fremden Kaufleute in Chur. Angaben über die Verkehrshöhe. Krefssches Brief büchlein. Dauer des Transportes Nürnberg -Mai- land. Fünfiinddreifsigstcs Kapitel: Die Fortsetzungen nördlich des Bodensees . . . 388

Wege nach Augsburg und Ulm, von dort nach Frankfurt. Wege von Konstanz aus. Der zum Kinzigthal. Bau der Strafse über den Hohlen Graben, der „alte Weg^ im Höllenthal. £inrichtung und Geschichte beider. Geleitsgesellschaft von 1302. Bruch der Burg Falkenstein.

Der Raub von Hohenstoffelu. Mailändische Gesandtschaft. Siche- rung der Italiener durch Geleitsbriefe von 1424. Luzemer Oberfall auf dem Bodeneee.

Florenz und der Landweg. Griinde für ihn. Gesandtschaft nach Konstanz 1409. Geleitsbrief.

Zweiter Teil: Der 8t. Qotthard und seine Zugänge.

Sechsunddreifsigstes Kapitel: Die Nordseite des Gotthards von Urseren bis

Luzem vor allem im vierzehnten Jahrhundert 399

Politischer Hintergrund, Kampf der Eidgenossen wider Osterreich bis zur Wegnahme des Aargaus 1415. Verkehrseinrichtungen. Zölle zu Fluelen, Luzern, Rothenburg. Organisation der Säumerei. Instand- . haltung der Strafse. Hospiz. Verhandlungen von Mailand und Venedig. Mailänder Gesandtschaft von 1314. Venedig. Karl IV. und die Sperre gegen die Viscontis. Der Streit Burkhards Münch von Landskron mit Mailand und Venedig. Der Baseler Diplomat und Wirt Sintze. Der Streitfall des Galwan Scherer von Luzem.

Siebenunddreifsigstes Kapitel : Die Wege vom Vierwaldstättersee bis Basel. . 414 Der Weg über den unteren Hauenstein. Zölle. SchiflFahrt auf der Reufs. Landweg über Brugg und Bötzberg. Die Verhandlungen Mailands mit Herzog Rudolf IV. Die Geleitsbriefo anderer öster- reichischer Herzöge und des Grafen von Habsburg-Laufen bürg. Mai- länder Gesandtschaften von 1391 und 1398. Verkehrshöhe nach den Geleitsgelderu von Mellingen. Verkehr auf dem unteren Hauenstein. Thiersteinsches Geleitsprivileg.

Achtunddreifsigstes Kapitel: Die nördlichen Fortsetzungen 420

Die Strafse St. Amarin -Lothringen. Briefe von Neufchäteau und Lothringen. Bemühungen Sintzes. Der Geleitsbrief der Herren von Faueogney. Montaigne. Weg Luzem- Neuenburg -Val Travers- Pontarlier. Zölle. Gegenbemühungen Mailands. Ausfuhrverträge Mailands mit dem Könige von Frankreich für Wolle. Ausfuhrort St. Jean de Losne. Listruktion der Gesandten. Die „Krumme Meile'^, Strafsburg-Saarbrücken-Luxemburg. Geleitsgesellschaft, ihre Briefe. Privilegien für die Fortsetzungen. Verkehr auf dem Rheine. Zollstätten von Laufenburg bis Mainz. Überlastung. Wer ist schuldig? Auch die Städte. Schwache Reformen. Die Land- wege auf dem rechten Rheinufer. Privilegien für Italiener.

Inhalt. 737

S«iU

NeununddreifBigstes Kapitel. Die Südseite des St. Gk)tthards 436

Charakter der Geschichte. Urseren und Livinen minder glück- lich als Uri. Die Kusconi in Como, Bellenz. Die Visconti dringen bis zum Gotthard vor. Ihre Verwaltung. Freibriefe und Ver- günstigungen. Die Visconti Herzöge. Krisis von 1402. Erste Be- setzung von Livinen, von Bellenz. Schlacht bei Arbedo. Entgegen- kommen in Handelsfragen. Die Kapitulate. Imiser Krieg. Die Schweizer zollfrei. Die Eidgenossenschaft ein Handelsgebiet Eid- genössischer Zoll in Göschenen. Die Erwerbung des Tessin, ähn- liche Ausdehnung Graubündens. Die Schweiz ein Pafsstaat. Die südlichen Fortsetzungen: Monte Cenere sehr unsicher. Wege nach Varese, Magadino und Locamo. Verträge. Vierzigstes Kapitel: Die Nordseite des St. Gotthards im fünfzehnten Jahr- hundert. Allgemeines 447

Ausdehnung der Eidgenossenschaft. Reste der alten Herrschaften vor den drei Pafssystemen. Die alten Einrichtungen aufrecht er- halten. Erträgnisse des Mellinger und des Diepflinger Geleits bez. Zolls. Verbindung Küfsnach- Zug -Horgen- Zürich. Eidgenössische und Luzemer Geleitsbriefe für fremde Kaufleute. Sicherheit. Räubereien. Schutz über das eigene Gebiet hinaus.

Hervorragende Passanten des Gotthards. Genauere Beschreibungen: Walther, Mülinen, Tafur, Eptingen. Nachrichten über Kaufleute und Waren.

Dritter Teil: Die Walliser Pässe.

Einundvierzigstes Kapitel: Simplon und der Grofse St. Bernhard 459

Susten. , Transportordnungen. Brücken und Nebenwege. Zölle. Hospize. Die Bedeutung von Oberwallis. Sicherheitsbriefe und Be- raubungen in Verbindung mit der politischen Geschichte. Einflufs der Urkantone. Papst Gregor XI. und der Kampf wider die Visconti. Anschlufs an die Schweiz. Die Pässe im fünfzehnten Jahrhundert.

Zweiundvierzigstes Kapitel: Die anderen Pässe. Verkehrshöhe 473

Südseite: Albrun, Antrona und Monte Moro. Die Kämpfe um das Eschenthal. Ausdehnung Rhone abwärts. Pässe zwischen Wallis und dem Berner Oberland, benutzt, für den Handel ohne Bedeutung. Anders Grimsel- und Griefspafs» Einrichtung 1397. Spital. Vieh-, Warienhandel. Warentransport. Der Wollebsche Streit. Angaben über die Verkehrshöhe aus dem Wallis, Chillon, Jougne, Les C16es. Vergleich mit heute.

Vierter Teil; Messen. Verkehr von der Bhonemündang aum Bodensee.

Posten.

Dreiundvierzigstes Kapitel : Messen von Genf und Lyon 485

Die Messen von Genf, Bedeutung, vernichtet durch die von Lyon. Deutsche Kolonie in Lyon.

Verkehr von der Rhonemündung zum Bodensee. # 489

Deutsche Interessen weiter südlich. Weg der deutschen Pilger, Händler und Fürsten. Die Deutschen in Avignon, im Dauphin^, S e hui t •, Oetoh. d. mittelalt^rl. Handels. I. 47

. •.

738 Inhalt.

Seite

m Savoyen. Weg von Genf zum Bodensee. Zölle. Die Geleit- strafse Genf- Ulm. Strafsenraub am Bodensee, Oberrhein: Italiener, Aragonesen. Deutsche und italienische Messen 499

Messen zu Zurzach, Nördlingen, Strafsburg, Frankfurt, kleinere. Italienische zu Crema und Arona. Vierundvierzigstes Kapitel: Die Einführung der Posten 500

Technische und wirtschaftliche Vorbedingungen. Mailänder Posten. Erste Erwähnung eines Taxis. Stafettenzug über den St. Gotthard. Änderungen. Niederländisch- tiroler Route. Verträge mit Franz von Taxis, andere Nachrichten. Einrichtung. Wann wurden diese Stafettenzüge wirkliche Posten? Erste Benutzung durch das Publi- kum. Linien in der Eidgenossenschaft, Zustände 1608. Die Schweiz umgangen. Charakteristik der ßoute von 1500. Bedeutung von Rheinhansen.

Siebentes Buch: Geschichte des Handels im SpAt-

mittelalter.

Erster Teil: HandelspolitUiohes.

Fünfandvierzigstes Kapitel: Versuche einer Reichshandelspolitik 511

Vereinzelte Repressalien: Ludwig der Bayer, Karl IV., Ruprecht. Die grofse Handelssperre Siegmunds gegen Venedig. Politische Gründe« Weg nach dem Schwarzen Meere. Genua statt Venedig. Zwei Aktenstücke. Verhandlungen und Verbote. Reichstag in Breslau. Neue Kapereien.

Sechsundvierzigstes Kapitel: Kaufhäuser 520

Zweck und Bedeutung für den internationalen Handel. Das älteste in Mainz, andere. Basel, Strafsburg, Konstanz. Gredhäuser am Bodensee, Kaufhäuser in der Schweiz. Innere Einrichtung. In Konstanz und Basel Zusammenhang mit den städtischen Zöllen.

Zweiter Teil: Der Anteil Italiens.

Siebenundvierzigstes Kapitel: Allgemeines 529

Die Stellung der Fremden im Rechte. Prinzip der Gegenseitig- keit Repressalien. Recht der Fuhrleute.

Genua: Privilegien und Organisation' der Fremden 531

Genuas Bedeutung, verdi[ängt Pisa, Rivalität mit Venedig. Innere Kämpfe. Fremdherrschaften. Privilegien für die Deutschen. Ver> handlungen von 1398. Angaben von Ulmann Stromer. Nicht er* haltene Privilegien. Verhandlungen und Privilegien von 1424/25. Konrad Her von Konstanz. Fondaco. Tariferm&fsigungen. Gon- ventiones von 1466. Heinrich Fry von Konstanz. Befreiung der Genuesen im Reiche. Überblick über die Privilegien« Die Konsuln der Deutschen. Reihenfolge. Beüignisse. Kleine deutsche Leute. Die Brüderschaft der Fremden.

Achtund vi erzigstes Kapitel: Handel in Genua. Genua als Hafen 542

Genueser Seidenindustrie, Goldföden. Handel am Platx, Wich- tiger der Exporthandel.

Ik

Inhalt. 789

Seite Handel mit Spanien, Neapel. Asti, Acqui und Alessandria 543

Konstanzer und Ravensburger auf dem Meere, im Handel mit Spanien. Spanische Häfen. Deutsche in Spanien. Andere Wege nach Spanien. Deutscher Seehandel quer durch das Mittelmeer, Handel von Genua aus mit Neapel, Pera. Genuesen in Deutsch- land. Durchgangsverkehr. Transportgesellschaften. Asti, Acqui, Alessandria. iunundvierzigstes Kapitel: Mailand. Verkehrspolitik 551

Die Kaufmannschaft von Mailand betreibt hervorragend eine Verkehrspolitik, npäter an ihrer Stelle mehr die herzogliche Re- gierung. Hauptgedanken. Der Seeweg. Mailänder in Deutschland i 554

Mailänder in Deutschland, besonders die Alzate, Suane und Busti. Ebenso Comasken. Privilegien für den Handel nach Deutschland und die Deutschen * 555

Handelspolitik gegen Deutschland. Die Provisiones Januae von 1346. Andere Verträge. Erneuerungen. Privilegien für die Deutschen von 1422. Fondaco. Neue Verhandlungen 1472. Erweiterung der alt^n Privilegien 1469 und Bestätigungen bis 1522. Tabelle der Tarife. Der Zollstreit der Ravensburger Gesellschaft, nfzigstes Kapitel: Mailand (Fortsetzung). Begünstigung einzelner 564

Litterae passus et familiaritatis. Fry, Steinhus, Irmi, Welser. Litterae contra debitores. Mailänder Gewerbe 567

Handelspolitik. Schatz der Wollweberei, Blüte der Barchent- weberei, Einführung der Seidenweberei, Goldfäden, die Rede des Dogen Mocenigo, Kritik, Metallgewerbe, Waffenschmiede, freies Grewerbe. Die Deutschen in Mailand und Como nach ihrer Heimat t . 570

Deutsche in Mailand und Como, Angaben aus dem vierzehnten Jahrhundert, aus dem fünfzehnten: Augsburg, Nürnberg, fränkische Städte, Gmünd, Ulm, Konstanz, Ravensburg, Kempten, St. Gallen, vom Rhein, Freiburg i. Ü., Bern (&Iai und Pangiani), sonstige, lundfunfzigstes Kapitel: Como, Tomo, auch Mailand 579

Innige Verbindung. Gedicht des Bettino da Trezzo. Woll- weberei In Como und Tomo. Deutsche Verleger, namentlich aus Ulm. Belästigung und Verlegung der Fabriken. Niedergang von Tomo. Gesellschaften am SiOll von Basel. Andere Deutsche in Como und Mailand: Soldaten, Wirte, Steinmetzen u. s. w., Hand- werker. — Gemischte Gesellschaften« Säckingen- Mugiasca. Koler- Krefs-Saronno. 'eiondfun&igstes Kapitel : Das übrige Italien 589

Bergamo. Schiffahrt auf dem Po. Pavia, Residenz* und Universitäts- stadt. Crema. Piacenza. Cremona. Parmigianen in Strafeburg. Mirandola. Bologna. Florenz, nach dem Warenhandel hin, er- wirbt Häfen. Zurückgehen der Wollen-, Aufblühen der Seiden- weberei. Deutsche Wollweber, Färber, Bruderschaft der deutschen Schuhmacher, Kauf leute, Florentiner auf dem Landweg, in Deutsch- land, namentlich in Nürnberg. Pisa, Lucca, Niedergang der

47*

740 Inhalt.

Sei

Seidenweberei, in Deutschland, Bruderschaft der deutschen Schuh- macher. Siena. Arezzo. Macerata. Aquila, Safiranmärkte , Kon- kurrenz von Venedig, Deutsche. Das übrige Königreich Neapel. Rom. Sonderstellung, kein Warenhandel, deutsche Wirte, zahlreiche Handwerker. Deutsche in den Bergwerken.

Dritter Teil: Der Anteil Deutiohlands.

Dreiundfunfzigstes Kapitel: Allgemeines. Konstanz 6(

Träger des Handels nicht Landstädte, sondern Reichsstädte. Ent- i scheidend für den Anteil am Handel: die Lage des Gewerbes und

i die Stellung des Patriziates zum Handel. Das Schultheifssche Brief-

buch. Leinwandhandel, Produktion in den Händen der Kaufleute. Anteil der Geschlechter. Austritt der Reichen aus den Zünften. Die Zunftrevolutionen auch gegen die Handelsgesellschaften. Die Reichsten der Steuerlisten von 1418 und 1422. Die Muntprats. Stammbaum.

I Ihr Vermögen. Vergleich mit den Reichsten in benachbarten Städten.

I Tabellen über Ravensburg, Ulm. Die reichen Linien gehen zum

' Landadel über. Die Fry, im Steinhus. Die verschiedenen Rich-

tungen des Handels. Umfang desselben. Tabellen über Zoll im KAufhause und Steuer. Gründe des Niedergangs. Geographische Kenntnisse in Konstanz.

Vierundfunfzigstes Kapitel: Ravensburg 6!

Leinenweberei. Papi&rfabriktftiön. Verbihdungen mit Konstanz, mit dem Ausland. Die „grofse Gesellschaft". Die Humpifs, Stamm- baum. Gesellschaft des Frick Humpifs. Die Mötteli, ihre Abzweigung. J Anteil der Muntprat. Andere Teilhaber: in Ravensburg, Konstanz,

Ulm und sonst. Die Diener, die Ordnung der Gesellschaft Gesell- schaftskapital. Richtung der Handelsverbindungen. Schlesischer I Goldbergbau. Ersuchen um päpstliche Privilegien.

Fünftindfunfzigstes Kapitel: St. Gallen, Schwaben, vor allem Memmingeu

j und Ulm 6i

;' St Gallen, Leineweberei, Richtungen des Handels. Memmingen,

Gesöllscbaft Vöhlin- Welser. Mitglieder. Gewinn. Die Gesellschaft in Lissabon. Teilung von 1517. Spätere Geschicke. Die Ehinger. Thätigkeit in Italien. Andere Memminger Häuser. Kempten, Isny, Lindau, Wangen, Überlingen, Biberach. Ulm, Bärchen t- weberei, Geschlechter. Richtungen. Schwäbisch -Gmünd. Nörd- iingen.

Secbsnndfunfzigstes Kapitel : Augsburg 6^

Charakter des Augsburger Handels. Die Fugger. Stammbaum. DhB beiden Linien. Haddel mit Italien. Die Fugger in Lissabon. Andere AugsBurger.

Siebenundfünfzigstes Kapitel: Nürnberg, fränkische Städte 61

Gründe der Handelsblüte: Lage, Gewerbefleifs, besonders Metall- gewerbe. Zollfreiheiten. Richtungen des Handels. Genf-Ljon- Spanien- Italien. Fremde in Nürnberg. Die .Geschlechter verharren in der Kaufmannschaft. Rothenbütg- Windsheim. Schwäbisch- Hall. .

Inhalt. ) 741

Seite

Achtundfunfzigstes Kapitel: Rheinlande 662

Beteiligung auffallend schwach. Basel. Transitverkehr. Schür- litz. Irmi. Papierfabriken. Strafsburg, Weinhandel, Tuchhandel. Transit. Speyer, Freiburg, Rastatt, Frankfurt am Main, Aachen, Köln.

NeunundfQnfzigstes Kapitel: Die Handelsgesellschaften 668

Die Schwierigkeiten des mittelalterlichen Handels. Die Handels- gesellschaften. Innere Gefahren derselben. Neigung zu Monopolien. Die Feindschaft der öffentlichen Meinung. Gründe der Preis- steigerung. Die Versuche einer Reichsgesetzgebung verlaufen im Sande.

Sechzigstes Kapitel: Änderungen im Handelsleben 674

Revolution im Spezereihandel durch die Entdeckung des Seewegs nach Indien. Sch&digung Venedigs, Blüte von Lissabon und Ant- werpen. Der Handel an den Ocean verlegt Wollhandel. Voll- ständiger Umschwung in England. Seidenmanufakturen aufserhalb Italiens. Das mittelalterliche Handelsleben städtisch, nun staat- lich. Mitteleuropa verharrt im mittelalterlichen Zustand, politisch wie wirtschaftlich. Erkranken der Gewerbe. Der Rückgang nur langsam. Venedig und Oberdeutschland.

Achtes Buch : Die V/aren auf Grund der Tarife des vier- zehnten und ftLnftBehnten Jahrhunderts.

Eantev Teil: Die ZoUtarife.

Einundsechzigstes Kapitel: Italienische Tarife 681

Como. Eingeschobene Stücke (Chiavenna, Bellinzona, Livinen). Provisiones Venetiarum et Januae. Umarbeitungen. Art der Ver- zollung. Genueser Umsatzsteuer. Mailänder Datium. Tessiner Tarife.

Zweiundsechzigstes Kapitel: Deutsche Tarife 686

Luzem, die sonstige Schweiz. Konstanz. BaseL Strafsburg, der alte PfundzolL Zollkeller. Pflichtezoll. Kaufhauszoll. Entwicklung der Tansitabgaben. Herabsetzung. Zollbefreiungen. Worms: Kauf- hauszoll. Handelsbuch des Pasi.

Zweiter Teil: Die Waren.

Dreiundsechzigstes Kapitel: Produkte des Erdreichs 692

Mineralien u. s. w. Ausdehnung der Bergwerke. Silberfieber. Die Metalle in den Tarifen. Fabrikate. Salz, Kreide, Wetz- und Lavez- steine, Schwefel, Alaun, Lapis lazuli, Glaswaren.

Textilwaren u. a. 697

Textilwaren. Rohstoffe: Wollsorten, Baumwolle, Seide, Hanfund Flachs. Gewebe: Seidenstoffe, Zendel u. s. w. Wollstoffe, Baum- wollstoffe: Barchent, Schürlitz. Leinenstoffe. Halbfabrikate. Fertige Kleidungsstücke. Papier. Perlen, Korallen und Bernstein.

Vierundseehzigstes Kapitel: Produkte des Pflanzenreichs 706

Farbwaren, die alten, neu auftretende. Kampf der Waidkultur gegen den Indigo. Spezereien, die selteneren nur in den Apotheker-

742 Inhalt.

Seit« listen, die marktgängigen. Die alten, die neu auftretenden. Safran. Zucker. Die Würzen. Weihrauch. Südfrüchte und „Fasten- speisen". Keis. Kümmel. Loröl. öle. Weine. Getreide.

ji Hölzer: Buchs, Eiben. ,!i! Fünfundsechzigstes Kapitel: Produkte des Tierreichs. Fabrikate 714

j Pferde, Vieh. Gesalzene Fische, gesalzenes Fleisch. Käse,

Butter u. s. w. Seife. Häute, Boldroni. Pelzwerk, Sorten. Leder, Sorten. Hornkämme, Federn. Pfennwerte oder Mercerie-

.', waren. Gedruckte Bücher, Paternoster.

' Schlurs.

!

\ Sechsundsechzigstes Kapitel: Verkehrshöhe . . .* 720

Ertrag der Zölle von Como. Andere Ziffern. Vergleich mit dem Verkehr der Gotthardbahn 1889. Ein Zwerg und ein Riese. Ver- ' gleich mit dem Anfang des neunzehnten Jahrhunderts. Damalige

' Verkehrshöhe. Die Alpentransiteisenbahnen.

i Verbesserungen und Nachträge 726

Inhalt 728

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Pierer*sche Hofbuchdrotikerei Stephan Q«ibel k Co. in Alt«nbiirg.

Geschieh l,e felalterliclien Handels und Verkehrs

"Westdeutschland und Italien mit Augschlurü von Venedig.

itaili&L-hcii lliftturiscliua KouiunA^iun. l)«iirinttM V-M1

Dr. Aloys Schulte,

1. Unna. Ilai'stclliiii!!.

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Verla« von OUNCKER & HOHBLOT In LEIPZIG.

Urkunden und Aktenstücke

Geschichte der innem Politik des Kurfürsten

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Friüdrich Wilhelm von Brandenburg.

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Kr.1... li-ll; GeschlcbW der tfrandenburRlsrlien Finanzen In

Her Zelt von 1640 bis 16B7.

F.mli'« IU»it: Di» CbtitTul>ti-U.'n <lc- KAmmfrv^^ttUunc. I>l? Ain(-k»iT>m'>f. •)■*

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Statuten und Reformationen

Uiiiversiläl Heidelberg vom 16. bis 18. Jahrhundert,

HutHi|*^|'^l>uii ntii ilür ll^'ilBvlicn Eliitni-biüicii tConimbaiiin.

RvirMiH VII» Au^uet Thorbeek».

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Invcntare Hansischer Archive des

XVI. Jahrhunderts.

IkmiitgpgttbcH vom Vd""ii i"ur U*ii[iim;(ie QcitliiehtB. .

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Hansisches Urkundenbuch.- fl

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