LIBRARY THE UNIVERSITY OF CALIFORNIA SANTA BARBARA PRESENTED BY GEORG MAYER { “L Fr ‘ aA © = * ar. — — <- — — — 4 — * - . i \ * * J ir ö — — — * * er en ‘ — — > — — * * ar Er — a — — u — T — 4 # * N — ch a * — 2 8* —E ⸗ — Fe e 2.13 - E22 * re „ 2 Pr 2) 27m “ * — J > ’ 3 L r — IR — * —“ 2 er A — — J — Br Be Pr) e —ñ— * * EI * a * u ——— A * — * — 2 — un ir ; En x £ * Pr b) k — Ti - —— ER —— — — N — De FE DE ——— n Lu 20 FE 4 on SET — Geſchichte Urſprungs, Fortgangs und Verfalls Wiſſenfchaften Griechenland und Rom Chriſtoph Meiners ordentlichen Echrer der Weltweisheit in Göttingen. Erfier Band, woque apes debemus imitari, & quaecunque ex diverfa en ne limun, feparare, „„Melius enim diftinda fer. vantur. Deinde adhibita ingenii noftri cura & facultare, in unum faporem varia illa libamenta confundere: ur etiam fi apparuerit, unde ſumtum fir, aliud samen eſſe, quam unde fumtum eft, apparcar. SENEC. FEERBETTTL EEE TEE ET ET £emgo, im Verlage ver Meyerifchen Buchhandlung 1781. Een We :swnab: — Seinem vertranteiten Freunde sem Herrn Profeffor Era et widmet dieſen erſten Theil als ein DIENEN I feiner unveränderlihen Hochachtung der Verfaſſer. Vorrede. Ss ie nachffe Beranlaffung zu Biefem Werke war, die vor einigen Jahren von der Königlichen Afademie ver Wiffenfchaf: ten in Berlin aufgegebene Frage: welche Einflüffe die Staatsverfaffung auf die Wiffenfchaften, und diefe wiederum auf jene geäußert hätten, oder noch außerten? Lim diefe Frage zu beantworten, fah id) die Materialien durch, die ich feit langer Zeit zu einer ähnlichen Abficht gefammlet Hatte; allein ich fand bald, daß mein Worrath zu groß, und der Zeitpunct, vor welchem die Preisfchriften einge: ſchickt werden follten, zu wenig entfernt ſey, = a3 da VI Vorrede. daß ich das Vergnuͤgen haben koͤnnte, meine Unter— ſuchungen uͤber einen ſo — Gegenſtand einer der beruͤhmteſten Akademien in Europa vorzu— legen. Unterdeſſen wurde ich durch das Nachleſen, Ordnen und Pruͤfen meiner Papiere, an die Ma— terie, in welche ich mich eingelaſſen hatte, fo maͤch⸗ fig hineingezogen, Daß ich mich entfchloß, andere Gefchäfte eine Zeitlang bey Seite zu legen, und wenigſtens einen Theil der Eefchichte der Kiffen: fchaften der Griechen zu liefern. ern man dem Urſprunge, Forfgange und Verfall der Wiffenfchaften unter den Voͤlkern, unter welchen fie geblühet haben und geſunken find, nachfpürt; fo ift eine der erften Bemerkungen, die fi dem Forfcher darbieten, dieſe, daß die glück, lichen und unglückliben Schickfale derfelben mit zu den Erfcheinungen gehören, die unzählige Urſachen, und unuͤberſehlich viele Wirfungen haben, und daß es alfo Wermeflenheit fey, wenn ein iterblichee Menſch, deſſen fcharffter, am weiteften vordringene der Blick doch immer noch von allen Seiten fo fehr eingefchränft bleibt, wenn diefer fich unterfteht, das ganze Raͤderwerk einer faft unendlich) großen und zuſammengeſezten Mafchine, die nur allein ihr ans betungswuͤrdiger Erbauer und Auffeher in ıhren Fleinften Theilen durchfchaut, auszufpahen und Darzuftellen. Selbſt alsdann, wenn die Gefchichte eines Volks unverftümmelt, und die Denfmäler der größten Geifter defjelben unzertrümmert find, felbft alsdann ift es unmöglich, das ‚geheime Spiel von Urfachen und Wirkungen DU zu erfen: nen, Vorrede. Vo nen, aus welchen entweder Entwickelung oder Un⸗ tergang der Wiffenfchaften erfolgte. Alle befür« dernde ſowohl, als aufhaltende und hindernde Ur⸗ fachen, die wir entdecken fünnen, find meifteng ſchon entfernte Wirfungen von Triebfedern, Die ſich unfern Augen entziehen. Die eriten Urſachen aber, oder gleichſam die Elemente derjenigen LIrfas chen, von welchen wir auszugehen pflegen, find ung fat immer eben ſo unbefannt und unbemerkbar, als die Keime von Gewächfen und Thieren, die nach Jahrtauſenden entwickelt werden follen; und eben fo verlieren fih für ung die legten Wirfungen ders felben, gleich den äußerften Gränzen der Kreife, die ein in's ruhige Weltmeer hinabgeworfener Stein hervorbringt, _ So richtig mir aber auch diefe Betrachtungen fcheinen; fo muß man doch auf der andern Seite zugeben, Daß wir, unferer Surzfichtigfeit unge- achtet, dennoch bey einem gehörigen Gebrauche unferer Kraͤfte, viele der nachften Urſachen des Zuftandes und der Beränderungen der Wiffenfchaf- ten zu beobachten im Stande find. Dergleichen find gewiſſe Befchaffenheiten des Bodens und Hims meld, auf und unter welchem Voͤlker wohnen, ferner ihrer Staatsverfaffung und Sitten, endlich ihrer Religion und ihrer öffentlichen Glückfeligkeit oder Elendes. Wenn wir alle diefe Urfachen, die den Geist der edelften Bürger ganzer Nationen ents weder beleben und entwickeln, oder auc) nieder- fhlagen und zurückhalten, fo genau Fennen, als 24 ! es VIII | Vorrede. es menſchlichen Kraͤften verſtattet iſt; ſo ſind wir alsdenn auch faͤhig, für Menſchen eine lehrreiche und zufammenhängende Gefchichte von Wiffenfchaf: ten zu fihreiben. Sind uns hingegen mehrere der jegtgenannten Triebfedern unbekannt; fo ift es ver⸗ gebens, ein volljtandiges und vollenderes Gemaͤſde von der wiffenfchaftlichen Aufflarung gemiffer Voͤl⸗ fer und Zeitalter wünfchen und unternehmen zu wollen. Wir fönnen daher iiber die Fortgänge der alten Aegyptier, Phönicier, Chaldaͤer, Perfer und Indier in der Erforfchung der Wahrheit und Natur zwar wahrfcheinliche Bermuthungen wagen, und gelehrte Unterſuchungen anftellen; aber eine eigentliche Gefihichte der Wiffenfihaften dieſer Nas tionen iſt unmöglich, weil wir von Feiner derfelben weder die Sitten, nod) die Religion, noch Die Res sierungsform, noch auch die Stuffe bürgerlicher Glückjeligkeit, die fie erreichten, zuverläffig erfah— ren fönnen, und nicht einmal wiffen, ob fie über» haupt Wıffentchaften, und in welchem Grade der Bolltommenheit fie diefelben beſeſſen haben. Alle bisher von mir aufgezahlte, den Wiſſen⸗ ſchaften Bald günftige, bald unguͤnſtige Urſachen, kann man innere oder beftändige nennen, zum Uns terichiede von folchen, vie in der gewöhnlichen Sprache der Menfihen zufällig genannt werden, weil fie nicht immerfort, fondern nur zu gewiſſen Zeiten wırfen. In dieſe Elaffe zufälliger Urfachen gehören die eigenrhümlichen unergründlichen For⸗ men des Genies einzelner großer Männer, Die den Denfarten ganzer Voͤlker und Jahrhunderte, J meh⸗ Vorrede. IX mehrern Wiffenfchaften neue Geftalten geben; die ſich oft verändernde, bald vortheilhafte, bald nach: theilige Cage der Laͤnder; die nähere oder entferns tere Verbindung mit mächtigen und aufgeklärten, oder ſchwachen und rohen Nationen, fchnelle uͤber viele Eander fortlaufende Siege entiveder der einen, oder der andern, unerwartete oder aewaltige lim⸗ mwälzungen von Reichen, deren Gluͤck oder Ungluͤck die Schickfale ihrer Nachbaren beitimmt, wichtige Erfindungen, auf die der Menfeh mehr ftieß, als er fie fuchte, die er mehr zufälligen Umftänden, als feinem Scharflinn und Fleiß zu verdanfen Hatte, und die alfo unendlich merfwürdiger in Anfehung ihrer Folgen, als ihrer Lirrachen find; Umlauf und Liebergang der höchften Macht, des Handels und Reichthums aus einem Theile der. Erde in andere; Aufmunterungen einzelner Beherrſcher, denen die Kräfte und Schäze unermeßlicher Länder zu Ges bote ftehen, und die alfo auch unglaubliche Wir: fungen bervorbringen können, und fo meiter. Dieſe veränderlichen Urſachen befördern oder fchräns fen die Wirkungen der beftändigen auf mannigfal: tige Arten cin. Aus ihnen muß man die Anoma⸗ lien erklären, die man nıcht felten in der Gefchichte des menfchlichen Geiftes antrıft, indem die Aehn- lichkeit de8 Bodens, des Klima, der Religion, der Staatöverfaffung und Sirten fich mitder größten Verſchiedenheit der Wiſſenſchaften und Künfte, und die größten Abweichungen in Anfehung der er» ftern, fich mit einer auffallenden Aehnlichkeit der leztern zuſammenfinden. | a5 Wenn x Vorrede. Wenn es aber ſchwer iſt, alle Urſachen der verſchiedenen Zuſtaͤnde von Wiſſenſchaften ausfin— dig zu machen, und ſelbſt unter ſolchen, die noch inter unſern Geſichtskreis fallen, nicht einige zu uͤberſehen, und andere zu erdichten; ſo iſt es weit ſchwerer, die Sphaͤren der Wirkſamkeit einer jeden gefundenen Urſache zu beſtimmen, und aus einer unendlichen Summe von Wirkungen einer jeden den ihr gebuͤhrenden Antheil, und keiner zu viel oder zu wenig zuzueignen. Mehrere beriiimte Ges ſchichtſchreiber und Gefchichtforfcher ver neuern Zeit, haben mit dem glücklichften Schartfinn den Urfa- chen nachgeſpuͤrt, wodurch in den Abendlaͤndern Europens der menfchliche Geift, aus dem toͤdtli—⸗ chen Schlummer, in welchen er verfunfen war, und die faſt ganz ausgeftorbenen Künfte und Wif- fenfchaften aus ihren Gräbern hervorgerufen wur⸗ den; allein feiner hat es gewagt, alle diefe vers ſchiedenen Urſachen gleichſam nad ihrem innern Gewichte zu würdigen, die eigentliche Kraft einer jeden zu fchägen, ihre größern oder geringern Ein- flüffe anzugeben, und alle Erſcheinungen, die fie hervorgebracht Baben, und unter denen mehrere den fühnften Rather verwirren Fönnen, bis zu ihren wahren und erfien Principien hinauf zu verfols gen. — Man bemerkte, daß eben die Kreuzzuͤge, in und durch welche mehrere Thronen in Europa und Aſien erſchuͤttert oder umgeworfen, mehrere geſalbte Haͤupter zertreten, unzaͤhlige edle Ge— ſchlechter ausgeloͤſcht, und viele hunderttauſende - weniger vortreflicher Menſchen aufgerieben wurden, die Vorrede. xI die endlich den Roͤmiſchen Hohenpriefter über ale Könige der Ehriftenheit zu erheben drohten, daß diefe denen am meiften verderblich wurden, die fie zum Verderben der Voͤlker entzündet und unterhals ten hatten, und daß eben durch fie die Feffeln des Aberglaubens und der Seelen Knechtſchaft, die Dadurch) erſchwert und felter angezogen werden foll- ten, zuerſt zerbrochen wurden, Die heiligen Kries ger brachten aus den Ländern, Die fie mit ihrem Blute gedüngt, und durch ihre Ausichweifungen und Frevelthaten mit Abſcheu und Entfezen gegen fich erfüllt hatten, nicht nur edle Pflanzen und Früchte, fondern auch mannigfaltige, ſchoͤne oder nüzliche Gewerbe, Fünfte und Kenntniſſe zuriick, Die Gegenden, aus denen die Kreuzbruͤder auss zogen, genoffen, weil die Kirche die Befijungen der legtern in Schug nahm, mehr Ruhe, und fie wurden unter einander ſowohl, als mit den aufge Flärtern Griechen und Saracenen in Afien und Africa genauer verbunden, als fie es in den vor— hergehenden Jahrhunderten gewefen waren. Die Entkraͤftung des Adels, die aus diefen fiir ihn bes ſonders koſtbaren und moͤrderiſchen Zuͤgen erfolgte, hob die Macht von Koͤnigen, und das Anſehen der niedern Staͤnde, und machte ſie allmaͤlich ſtark genug, den Uebermuth raͤuberiſcher Ritter, und ihre blutigen Fehden zu dampfen. Der erftaunliche Handel, der zuerft die Städte der Lombardey und des übrigen SStaliens, uno dann die Städte im nördlichen Europa mit Einwohnern und Reichthuͤ⸗ mern füllte, erzeugte und belebte Handwerker un Kün [7 zu Vorrede. Kuͤnſte, und befeuerte den Muth und die Freyheitsliebe des Buͤrgers ſo mächtig, daß er ſich allmaͤlich von den kleinen und groͤßern Tyrannen, von denen er bisher war gemißhandelt worden, unabhaͤngig mackte, fo wie der Kandmann in den meiften Europäifchen Reichen von dem furchterlichen Joche der Eeibeigen- fchaft frey wurde. Selbſt der Adel und das weib⸗ liche Geſchlecht erhielten durch die Nitterfchaft, durch abenthenerliche Züge, Durch Turniere und Ro⸗ manzen, mo nicht gelehrte Kenntniffe, doch eine folche Aufklärung, und ſolche Sitten und Tugen⸗ den, daß fie die Schulweifen der damaligen Zeit, und die unglaublich verdorbene Geiſtlichkeit befchäs men fonnten. Zu alten diefen glücklichen Revolutionen, die aus den Kreuzzuͤgen entftanden, und bie fein menschlicher Scharffinn hatte vorherfehen Fönnen, gefeltten fich noch viele andere Eraugniffe, die fuͤr einen großen Theil des menfchlichen Gefchlechts nicht minder heilfame Folgen hatten. Die Erfin- dung des Papierd räumte das große Hinderniß weg, twag die Vervielfältigung von Schriften und die Ausbreitung nüzlicher Kenntniffe bisher aufge halten hatte, und verhütete die fernere Vertilgung der Denkmäler des Alterthums, die man nicht fel« ten vernichtet hatte, um an ihre Stelle Urkunden oder Formulare von Gebeten oder Mönchslegerden aufzuzeichnen. Die Gelehrfamfeit der Araber lockte, vom zehnten und eilften Jahrhunderte an, viele Abendländer nach Spanien, wo dieſe fich nicht nur Dorrede, XIII nur durch Umgang und mündlichen Unterricht aus. bildeten, fondern auch) mit den Werfen der Araber fomohl, als der Griechen bereicherten, die nach . einander, felbft auf den Befehl eines aufgeklärten Kaifers, ins Eateinifche tiberfezt wurden. Sin ale len Laͤndern wurden Richterſtuͤhle und hohe Schu— len errichtet, auf welchen leztern man außer den Roͤmiſchen Geſezen, die man wieder gefunden, und dem paͤbſtlichen Rechte, was man geſammlet hatte, auch noch Gorteegelahrtheit und Weltweisheit lehrte. Emdlich Aüchteren die Griechischen Mufen, verfcheucht von ronen Barbaren, und mıt den Wer. Pen ihrer Lieblinge, Der größten Weilen, Dichter, Redner und Gefchichtichreiber Des Alterthums be: laden, nach Stalien, riefen ihre Roͤmiſchen Schweſtern ind Eeben zurück, und flecften ein eben fo helles Licht auf, als fie in den Ländern, aus welchen fie ausgewandert waren, eine tiefe Fine fterniß zurück gelaffen hatten. Eben dies Licht wurde bald nachher durch die Buchdruckeren über das ganze übrige Europa verbreitet, und leuchtete den großen Männern vor, Die die göttlichfte unter allen Religionen reinigten, und durch die Entde- ung beyder Indien die Gränzen der Erde eben fo ſehr, als die ver menfchlichen Erfenntniß erweiter- ten. Dieſe zulezt genannten Begebenheiten muß ‚man, wie die Erfindung des Pulvers, als folche Eraͤugniſſe betrachten, die dem menfihlichen Ges fhlechte am meiften Gutes und Böfes zugefügt, die meiften Tugenden und Lafter erzeugt und ges toͤdtet, auf die Sitten, Regierungsformen * an: XIV Vorrede. Handel, Kuͤnſte und Schickſale von Voͤlkern in allen Theilen der Erde den groͤßten Einfluß gehabt, und den Felſen fprengenden, und in Der Ferne tödten: den Europäer zivar zum Herrn der Erde, aber auch zum Sclaven feiner Beherrfcher gemacht haben, Wenn man alle diefe Urfachen, durch deren zufommengefezte Wirkungen das abgelaufene gei— ffige Automaton des Menfchen wieder in Bewe— gung gefezt, und die ſtillſtehenden Triebfedern def» felben von neuen anfgelpannt wurden, einzeln für ſich betrachtet; fo ſcheint eine jede fo wichtig in An— fehung ihrer Folgen, daß man fie gleich einem her vorftechenden Faden in einem Labyrinthifchen Ges webe oder Knoten, von ihrem Anbeginn bis ans Ende, verfolgen zu Fonnen glaubt, Allein wenn man es verfucht, Die Wirkungen einzelner Urſachen pon denen aller übrigen abzufondern oder auszules fen; fo finder man fich bald 'in ein unauflösliches Gewirre verftrickt, von deffen taufendfältig durch einander laufenden Beflandtheilen man weder An— fang noch Mittel noch Ende unterfcheiden Fann. Eine jede Urſache, fo mächtig fie ung auch einzeln betrachtet ſcheint, iſt mit den übrigen zugleich wir⸗ kenden verglichen, gleichfam nur ein verſchwinden⸗ der Tropfen in einem reißenden Meersftrudel oder in einer ungeheuren Waſſerſaͤule, die mit unmider; ftehlicher Gewalt alles mit fich dahinreißt. So wenig wir nun in diefen und aͤhnlichen Fällen fähig find, die eigentliche Schnellkraft vie: ler zuſammenwirkender Urfachen, die Grade vieler | zufam- Borrede, XV zufammenarbeitender Kräfte, und ihre Richtungen auszuforfchen; eben fo oft find wır in der Ges ſchichte menfchlicher Kenntniſſe zu dem Geſtaͤndniſſe gezwungen, daß wir nicht begreifen koͤnnen, tie aus folchen Urfachen, dergleichen twir wahrnehmen, ſolche Wirkungen, oder warum fie fo fchnefl oder langfom, nicht früher oder fpäter erfolgt find? Mer eritaunt nicht, wenn er bemerft, daß die Wiſſenſchaften in Griechenland fo viele Menfchens alter nad) den Künften entftanden, und daß die leztern im funfzehnten und fechezehnten Jahrhun⸗ derte ſo unglaublich ſchnell fait ihre hoͤchſten Voll—⸗ Eommenheiten erreichten, während Daß die erftern mit langfamen Schritten ihren Borläuferinnen folgten? Dies Phänomen fcheint um defto nner⸗ Flärlicher, da fich verhaltnißmäßig von den Wer: Ben großer Griechiſcher und Roͤmiſcher Schriftitel- kr mehr mufterhafte Hefte erhalten hatten, als von den Denkmälern der Kunſt, und jene vielmehr verbreitet und vervielfältigt wurden, als diefe. Man las und legte lange die Alten ans, als wenn man fie nicht verffünde, und beiwunderte gerade Diejenigen Schriften am meiftern, von denen man wuͤnſchen follte, daß fie alle verlohren gegangen wären *). Die wenigen Selbſtdenker, vie fich weder zur Motte der Eodredner um Nachfolger des Plato noch auch des Ariftoteles ſchlugen, ſtammel⸗ ten alle fo unverftändlich, als die älteften Melts weiſen Sriechenlandes, und wenn man ihre Schrifs ten — — — — lie — — — — 2) Die Werke der neuern Platoniker. XVI Vorrede. ten anſieht, ſo ſollte man glauben, daß ſie zwiſchen der ſechzigſten und achtzigſten Olympiade gebluͤhet, und mit den groͤſten Meiſterſtucken der Alten ganz unbefannt geweſen waren. Die Wiederherfteller der alten Litteratur waren entweder gleich den Griechifchen Sophiften eben fo ungebunden und ausgelaffen in ihren Syſtemen, als im Eeben und Handeln; oder fie waren auch gleich den bloͤdſin⸗ nıgen phulofophifchen Schwärmern des dritten und der folgenden Jahrhunderte nad) Eh. Geb. allen Arten. des lächerlichiten Aberglaubens ergeben. Kein Theil der Philofophie, und Feine andre Wiſ⸗ fenfchaft fand fo vielen Beyfall, und wurde fo eifrig und von fo großen Männern bearbeitet, als die Sterndeuterey, die £ehre von den Dämonen, und die verfchtedenen Zweige der unermeßlich ausgebreis teten Magie. Der Glaube an Geiftererfcheinun- gen, Zeufelsbefizungen und Beſchwoͤrungen, an die faft unbegränzte Macht und Wirkfamfeit des ‚böfen Feindes, an tägliche Wunder, die denen aͤhnlich waren, um derentwillen der Roͤmiſche Rath etrufcuche Wahrſager oder die Sibyllinifchen Bücher fragen hieß, endlich die feite Ueberzeugung von der meißagenden Bedeutenheit von Träumen, Zahlen, Ueberſchwemmungen, Erdbeben, u, ſ w. waren im funfzehnten, fechszehnten, und einem großen Theile des fiebenzehnten Jahrhunderts nicht bloß dem verächtlichiten Theile des Pöbels eigen, fondern fat allgemein auch unter den gröften Gelehrten und Weifen jener Zeiten herrſchend. Ein Borrede. XV Ein jedes diefer großen Vorurtheile war fo tief in die verdorbene Philofophie und Gortesge« lahrtheit verwebt , daß man diejenigen, die fie be— firitten , als gefährliche Gottesläugner verab— feheute, oder gar verbrannte, indem man zu gleis cher Zeit Schriftfteller , welche die Grundfäulen der Religion und Sitten untergruben, öffentlich felöft in Italien beſchuͤzte, und unangefochten oder doc) ungeftraft ließ. Die Ausrottung eines jeden abergläubigen Wahns, und aller der ſchimpflichen Vorurtheile, von denen jezo viele Faum glauben werden, daß fie fich jemals Bis zu den beſſern Elaf- fen der Menfchen erhoben haben, erregten die Hefe tigften Verzuckungen in dem kranken Körper des Zeitalterd, das davon geheilt werden follte, und die Helden, die diefe Damals furchtbaren Unge— heuer befämpften, wurden meiftens Märtyrer der ſacher. — Meinem Urtheile nach Fann es nicht leicht ein intereffanteres Gemälde für einen denken: den Geift geben, als die Seichichte des Aberglau- bens, und der herrfchenden Vorurtheile der erftern Jahrhunderte nach der Wiedergeburt der Wiſſen— ſchaften, deren Austreibung eines der unterfchei- dendften Merfmale der Aufklärung unfers Fahr hunderts if, wodurch es fich felbft vor den alän- zendften Zeitaltern der Griechen und Römer auf die vortheilhaftefte Arc auszeichnet, Penn es aber zu verwundern iff, daß man fo lange mitten im Befize 9 groͤßten Schaͤze al⸗ —— ter XVIII Vorrede. ter Weisheit entweder aberglaͤubiſch ſchwaͤrmte, oder auf die ſeltſamſte und kuͤhnſte Art unvernünf: telte, und daß man endlich nad) vielem Streiten und Schwanken unter den Scepter des Ariftoteles mit einer Ergebenheit zurüffehrte, die e8 für Hoch⸗ verrath hielt, an der Untrüglichfeit des Fürften der Bhilofophen zu zweifeln: fo ift e8 noch unerklaͤr⸗ licher, warum in einem oder einigen Menfchenals tern, fait in allen Ländern von Europa, fich Männer erhoben, Die weit entfernt, uͤbertriebene Demunderer, oder furchtſame Nachtreter großer Vorgänger zu ſeyn, mit Fühnem Schritt, und die Fackel der Erfahrung und Beobachtung in Der, Hand, in die Abgründe und Geheimniffe aller Naturen eindrangen. Copernicus, Galilei, Des: cartes, Gaffendi, Huygens, Newton, Locke, Leibniz, und die Bernouillis, trugen mehr zur Bereicherung unſerer Kenntniſſe, und zur Ver⸗ herrlichung des in ſeinen erhabenen Werken bisher wenig erkannten Schoͤpfers der Welt bey, als alle vorhergehende Jahrtauſende nicht gethan hat⸗ ten, und ſie erweiterten gleichſam das Univerſum nach beyden Seiten ins Unermeßliche, indem ſie uns neue unbekannte Welten, im unendlich Klei⸗ nen wie im unendlich Großen, offenbarten. Vergebens ſucht man die Urſachen, weßwe⸗ gen die heilige Schaar der Erleuchter der lezten Haͤlfte des fiebengehnten und des Anfangs des achtzehnten SSahrhunderts in demfelbigen Zeitraus me verſammlet, oder doch ſo nahe zufammenge: draͤngt Vorrede. XIX drängt wurden, in dem Zeitalter ſelbſt, in iwel. chem fie lebten, oder in den Negierungsformen der Völker, unter denen fie wohnten, oder in der Reinigung ihrer väterlichen Religion, oder in ei: nem langen nährenden und flärfenden Frieden, oder in den glänzenden Belohnungen wahrer oder feyn wollender Kenner und Befchüzer von Wiffen: ſchaften. — Die größten Erfinder entwickelten fit) eben fo wohl in Eändern, wo Gefängnife pder Hunger und Armuth, ald wo die Schmeis cheleyen von Königen und Mächtigen ihrer wars d teten; unter den Gefahren und Kerkern der In— quifition eben fo wohl, als in der ruhigen Muße, und dem ergquickenden Schatten der Freyheit. Vielmehr wurden die erften Wahrheitsforſcher, die mit mächtiger Hand der Natur ihren, Schleier abriffen, und mit geſchaͤrftem und verflärtem Au- ge neue Welten entderften, bis zu welchen fich der menſchliche Geift bis dahin nicht einmal in fei- nen glücklichiten Träumen, und Fühnften Wermus thungen hinaufgeichwungen hatte, in Gegenden und Reichen gebofren, die die wohlthätigen Ein: flüfie der Religionsverbeſſerung gar nicht empfun⸗ den hatten, die ferner durch die hartnaͤckigſten und blutigſten Kriege waren zerruͤttet worden, in denen endlich geiſtliche Tyranney noch ungeſchwaͤcht wuͤthete, und die bürgerliche Freyheit immer mehr und mehr eingefchränft und gefchmälert wurde, Wir müffen daher mehr die Fuͤqungen desjenigen, der die Richtungen des menfchlichen Geiſtes, wie die Schiekjale von Welten lenkt, anftaunen, ald b2 a XX Vorrede. wir es erklaͤren koͤnnen, warum gerade zu der Zeit, als es geſchah, der lange gebundene menſchliche Geiſt mit unwiderſtehlicher, in der Stille geſamm— leter, und Jahrhunderte lang zuruͤckgehaltener Gewalt auf Irrthum und Aberglauben losbrach. — Wir ſehen leicht, daß eine jede große Entde⸗ ckung andere minder wichtige und bemerkbare vor: ausſezte, und daß zu einigen viele Menfchenalter durch vorbereitet wurde: wir bemerfen ferner ohne Mühe, daß ein jeder der Unſterblichen, die neue Bahnen eröfneten, und neue Felder von Sentits niffen anbauten , immer gewiffe Vorlaͤufer und Vorarbeiter hatte, ohne deren Winfe und Fuͤh— rung er Das nicht hatte leiſten, und dahin nicht hätte kommen fünnen, was er leiffere, und wohin er kam, allein der erfe göttliche Funke, aus wels chem in der Folge ein fo hellglaͤnzendes Licht aufs loderte, und der erfte eleftrifche Schlag, der nach« her fo außerordentliche Geifter in Thätigkeit feste, entziehen fich, mie die feinern Entfpinnungen der Nerven dem Blicfe des durch fruchtiofes Anſpan⸗ nen ermüdeten Spaͤhers. Nicht minder räthfelhaft als die unglaublich fcehnelle Bewegung des Europäifchen Genius im lezten Jahrhunderte, ift die träge Langſamkeit, womit unfer und die vorhergehenden Zeitalter auf den ſchon geebneten Bahnen fortgerückt ift, und noch tortrückt. Faſt follte man glauben, als wenn der TEE RUN Geiſt — eine zu lange anhalten⸗ de Vorrede. XXI de Ueberſpannung zu ſehr erſchoͤpft waͤre, als daß er mit unverminderter Kraft noch immer fortſchrei— ten koͤnnte; und es ſcheint daher, als wenn er hin und wieder gaͤnzlich ſtille ſuͤnde, oder gar in Ge— fahr waͤre ruͤckwaͤrts zu gehen. Unſtreitig iſt die Zahl aufgeklaͤrter Menſchen jetzo groͤßer, als im Zeitalter der großen Erfindungen; und nüzliche Kenntniffe find auch viel gemeiner und verbreiteten als damals; aber wie felten find Dagegen die fchö- pferifchen Genies, die mehrere Wiffenfchaften er- finden , oder umdilden? — Wahrſcheinlich wer. den unfere Nachkommen von uns und unfern Bä- tern urfheilen, daß wir auf den Lorbeeren Unſerer Vorfahren ausgeruhet, und ihre Eroberungen mehr zu genießen und zu behaupten, als zu erwei⸗ tern gefucht Haben. Da es nun fo ſchwer, und oft unmöglich iff, von Begebenheiten der Geifterwelt, die ung fo nas he, oder doc) viel naher find, als diejenigen, die ich erzählen werde, die Urſachen, und von den Urs fachen die Wirkungen zu entdecken; fo darf ich wol faum erinnern, daß ich feinen Anſpruch dar— auf mache, von’allen ven Erfcheinungen und Vers anderungen, Die die folgende Gefchichte enthalten wird, alle Anlaffe und Folgen anzugeben und zu ſchildern. Eine foihe Kuͤhnheit würde um deito unbefonnener fern, da aus den meiften Zeital: tern, die ich bejchreiben werde, der größte Theil von Urkunden und ———— verlohren gegan⸗ | 3 gen XXII Vorrede. gen iſt R So oft ich aber auch genoͤthigt ſeyn werde, Die Neugierde meiner Leſer undefriedigt, und bald die Urſachen bald die Wirkungen merkwuͤrdiger Eräug> nıffe unerflärt zu laſſen; fo bin ıch doch überzeunt, daß die Gefihichte der Wiſſenſchaften unter den Griechen, jo mangelhaft und unvollitändig, als wir fie jezo noch liefern koͤnnen, lehrreicher ſey, und mehr Aufmerkſamkeit verdiene, als die Geſchichte der Wiſſenſchaften irgend eines andern Volks. Die Griechen ſind nicht bloß diejenige Nation, von welcher Aufklaͤrung uber alle Theile der Erde in allen nachtotgenden Jahrhunderten ausgegans gen iſt, fondern fie find auch die einzige, die alles nur fich feloft und feinem andern gelehrten Wolke etwas zu verdanfen hatre, und unter welcher man den fich ſelbſt überlaffenen menfchlichen Geift, durch alle Stuffen und Alter, von feiner eriten Erhe- bung an, bis zu feiner außerften Schwache und Entfräftung beobachten kann. Ale übrige Voͤl— Fer der Erde, fie mögen die Griechen erreicht, oder übertroffen haben, oder hinter ihren zuriick geblies ben feyn, waren immer Schüler von andern, und ihre Kenntniſſe nicht felbfterworbenes Eigenthum, fon- *) So groß und unerfeglich der Schade auch ift, den die Griechiſche Literatur in mehrern fürchterlichen Schifbruͤchen gelitten hat; fo find doch Immer noch Trümmer genug gereftet worden, aus denen ein bes friedigendes Gange zufammengefegt werden kann. Man koͤmmt nie an einen Abgrund, der die Werfe und Gefchichte mehrerer Zeitalter verfchlungen hätte. VBorrede. XXM ſondern mehr oder weniger fremdes Gut, was ſie entweder von andern geborgt, oder andere ihnen zugebracht haben. Unter den Griechen alleın kann man e8 wahrnehmen, in welcher Ordnung der menfchliche Geift, wenn er gar Feine fremde Huͤl⸗ fe erlangt, von den Künften zu Wiffenfchaften, und von einer Wiffenfchaft, Unterfuchung und Meynung zu andern fortgeht, Damit man aber von meinem Werke nicht - mehr erivarte oder verlange, als ıch leiten Fann, oder will; fo erkläre ich hiemit gleich anfangs, daß ich nur die Gefchichte der Philoſophie, in dem LIm- fange, welchen die Griechen ihr gaben, ferner der Beredfamfeit, und endlich der Gefchichte, un— ter den Griechen und Roͤmern von dem Urſprunge diefer Wiffenfchaften an, bis auf ihren Verfall vortragen werde. — Faſt alle griechifche Welt— weiſe rechneten die Naturgefhichte, Medicin, und die verfchiedenen Theile der Mathematik nicht zur Philoſophie, und ich werde daher die Zuftände ‚und Veränderungen diefer Wiffenfchaften nur bis auf den Zeitpunct berühren, wo fie mit;der Welt: weisheit verbunden waren, und eine einzige noch nicht abgefonderte Maffe von SKenntniffen aus- machten. Sobald fie aber fih von der Philoſo— phie zu trennen, und gleichfam für ſich zu beftehen anfangen, werde ich die Erzählung ihrer Fortgän- ge größern Kennern uͤberlaſſen, als ic) weiß, daß ich felöft Bin. Ich ſchaͤme mich gar nicht zu gefte- ben, daß ich in diefe Wiffenfchaften nicht genug ER b4 ein XXIV Vorrede. eingeweihet bin, um ihre Geſchichte ſchreiben zu koͤnnen, wie ich die Geſchichte der uͤbrigen zu liefern hoffen kann. Daß ich zur Geſchichte der Wiſſenſchaften un⸗ ter den Griechen, die Geſchichte derſelben unter den Roͤmern hinzufuͤge, geſchieht weder in der Ab⸗ ſicht mein Werk zu erweitern, oder den Titel def felben prächtiger und wohlklingender zu machen, fondern weil die erffere von der leztern unzertrenn⸗ ich ift. — Ohne den Benfall, die Aufmunterung und die Belohnungen, welche die griechifchen Kuͤnſtler und Gelehrte in Rom fanden, würden Kuͤnſte und Wiffenfchaften unter den Griechen noch viel ſchneller gefunfen ſeyn, als wirklich ge⸗ fchehen ift; und die Folge diefer Gefchichte wird zeigen, wie fehr diejenigen fich irren, welche glau- ben, daß die Griechen allein die Mohlthäter der Homer waren, und die erftern den leztern nichts zu verdanfen gehabt haben, Leſer, die mit der Materie, die ich gewaͤhlt habe, nicht ganz unbekannt find, und von der Art, mie fie behandelt werden muß, nur einiger moßen richtige Begriffe haben, werden es von ſelbſt vorausſehen, daß die Gefchichte der Philo» fophie den bey weitem gröften Theil meiner Arbeit ausmachen werde; und folchen Leſern wird ed auch nicht befremdend fenn, Daß ich in diefem erſten Bande nur einen Eleinen Abfchnitt der erftern vor⸗ trage, der ohngefähr einen Zeitraum von er ’ RER un Vorrede. XXV und zwanzig Jahren in ſich faßt *), und den Lieb⸗ haber des Alterthums nur in die Vorhoͤfe des Tempels der Griechiſchen Weisheit fuͤhrt. Von ſachverſtaͤndigen Richtern fuͤrchte ich deßwegen gar keine Vorwuͤrfe, daß ich meinen Schritt anfangs nicht mehr beſchleunigt, und nicht mehr Weges zuruͤck gelegt habe. Solche Perſonen aber, die in dem Lande, was ich ihnen beſchreibe, noch Fremd⸗ linge find, muͤſſen eg mir zutrauen, Daß ich es befs fer, als fie, wilfe, welche Gegenftände merkwuͤr— Dig find, oder nicht. Wenn ich mir anders durch meine Arbeit einiges Verdienſt um die alte Ge: fehichte erwerben Habe; fo kann ich, glaube ich, auch diefes mit dazu rechnen, Daß ich unwichtige lächerliche Fragen und Unterfuchungen, die dieren Theil der Litteratur bisher verunfkalteten, von den wichtigen abgefondert, die erftern in die Finfter- niß ausgemworfen, und die legten nach dem Wer bältniffe ihres innern Werths behandelt habe. ch würde mich allerdings kuͤrzer haben fafs fen koͤnnen, wenn ich nur allein die Perfon des - Gefchichtichreibers, und nicht auch die des Ges fehichtforfchers zu übernehmen gehabt hätte. Al lein die Materialien, die ich zu verarbeiten hatte, waren nicht allein nicht vollftändig gefammlet, und ‚gehörig zubereitet ; — auch meiſtens durch 5 uns m — *) Bon DI. 40. bis go, oder vom J. 620 bis 460 J. vor Chriſti Geburf, XXVI Vorrede. ungeſchickte Werkmeiſter ſo verdorben, und ver: ſtuͤmmelt, daß die Abſonderung und Wiederher ſtellung derſelbigen in ihre urſpruͤngliche Geſtalt mir mehr Mühe, als nachher die Zuſammenſezung, Anordnung und Ausſchmuͤckung verurfacht hat. Man muß daher diefen erften Band als ein Werf von einer vermifshten Gattung anfehen, was nur zum Theil Geſchichte, zum Theil aber auch Vor: bereitung und Grundlage derfelben ift, und alfo auch nicht durchgehende nach den Gefezen der Ge: fehichte gerichtet werden Fan, Aus der Ungleich: artigfeit des Stoffs entftand natürlicher Weiſe auch Werfchiedenheit der Schreibart , die gewiß alsdann am beiten ift, wenn fie am natinlichften ift, und mit den Sachen, die man vorträgt, fich bald erhebt, und bald wiederum niederfenkt. Ich Fann faft ohne Einfchränfung das auf mich an- wenden, was Cicero dem Cato in den Mund leg: te, als er ihn. die ſtoiſche Philoſophie vortragen ließ: Quaedam dicuntur fortaffe jejunius: fünt enim quafi prima elementa (hiftoriae); quibus ubertas orationis vix adhiberi poteft, nec equi- dem eam cogito confedtari: veruntamen cum de rebus grandioribus dicas, ipfae res verba ra- piunt. Ita fir cum gravior, tum etiam fplendi- dior oratio. Nur wünfche ich, Daß meine Eefer mit dem Cicero antivorten möchten: Ef, ut dicis, fed tamen omne, quod de re bona dilucide di- eitur, mihi praeclare dici videtur; iftiusmodi gutem res dicere ornate velle, puerile eft; pla- ne Vorrede. XXVII ne autem & perſpicue expedire poſſe, — & intelligentis viri ꝰ). Vorſetzlich und mit Fleiß habe ich mich bey den Quellen der Pythagoreiſchen Geſchichte, dey der Unterſuchung des Zeitalters des Pythagoras, und der Prüfung angeblicher Pythagoreiſcher Schriften und Fragmente fo lange auıfgebalten, ‚nicht bloß um eine Menge von wichtigen Puncten recht ind. Licht zu ſetzen, ſondern hauptſaͤchlich in der Abſicht, meine juͤngern Leſer mit den Grund— ſaͤtzen der hiſtoriſchen Kritik bekannt zu machen, und ihnen zugleich Beyſpiele ihrer Anwendunq zu geben, nach welchen ſie ſich in aͤhnlichen Faͤllen, bis ihnen beſſere Muſter aufgeſtellt werden, rich— ten koͤnnten. Dieſe Kunſt, den Werth, das Al— terthum, und Anſehen verdaͤchtiger, oder anony⸗ miſcher Schriften und Bruchſtuͤcke aus innern Merkmalen zu beſtimmen, die Glauhwuͤrdigkeit von Schriftſtellern, und die Annehmlichkeit oder Verwerflichkeit einzelner Zeugniſſe und Ausſagen zu entſcheiden, den Urſprung, und alle Veraͤnde— rungen einzelner Woͤrter und Meynungen zu era forfchen, die unbekannten Berfaffer wichtiger Stel« len und Fragmente auszufinden, die Widerfprüche vieler großer und Eleiner Schriftfteller zu vereinigen, u.ſ. w. Diefe Kunſt ift, wie die Gefchuchte lehrt, eine ber allerfchwerften, die der menfchliche Geift eb — — — — — — — — — — bde Fin, III, 5, \ XXVII Vorrede. erfunden hat, und eine der ſpaͤteſten, worauf er gefallen iſt. Noch jezo iſt dieſe hoͤhere Kritik den meiſten Kennern und Liebhabern der Alten bey weitem nicht in ihrem ganzen Umfange bekannt; und doc) find ohne fie die mühfeligften Hnterfus | ungen aus der altern Geſchichte eitel Träume, oder fünftlihe Gebäude auf Sand gebaut, Die durch einen einzigen Stoß eines geübten Kunftrid)- ters übern Haufen geworfen werden. Ich fehmeichle mir, daß es nur noch) wenige Grundregeln und Geheimniffe diefer Kunſt gebe, Die ich nicht in den benden erften und im vierten Abſchnitt des dritten Buchs geoffenbaret, und auf eine nachahmlıche Weiſe angewandt hätte. Eben diefe Capitel find daher auch nur für Lefer, de: nen Unterricht willkommen ift, wenn er gleich un« verfügt gegeben, und nicht ohne Anſtrengung em: pfangen wird, und fie Fönnen hingegen, wie die meilten Beylagen, von allen denen tibergangen werden , die mehr Unterhaltung als Belehrung ſuchen. Viele Leſer werden ſich daruͤber wundern, daß ich meine Vorgaͤnger, oder diejenigen Maͤnner, deren Schriften für die Archive der alten philoſo— phifchen Geſchichte gehalten werden, entweder gar nicht, oder nur alsdenn angeführt habe, wenn in ihnen etwas zufammengetragen war, mas ich nicht fagen oder wiederholen mochte: Den Grund = es Vorrede. | XXIX fes Stillfehtveigens, muß man weber in einer ſtol⸗ zen Verachtung der Verdienſte dieſer fleißigen Ger lehrten, noch auch in Unwiſſenheit oder Mangel von Beleſenheit ſuchen (denn ich habe ihre Werke zu einer gewiſſen Zeit alle geleſen *), wiewohl ich fie bey der Abfaffung des gegenwärtigen nicht zur Mathe gezogen habe, noch auch ins Fünftige zu Mathe ziehen werde,) fondern in meiner Art zu ars beiten, die ich feit vielen Jahren befolgt habe. — Sch fing nämlich frühe an zu bemerken, daß alle Eompilationen, feldft diejenigen, die den Ruf der brauchbarften und vollftändigiten haben, doch im: mer noch mangelhaft und unvollftändig feyen ; daß ihre Berfaffer, meiftens Stellen der Alten wiede— rum aus andern Sommlern, oder auch aus den Indicibus abgefchrieben, und gerade die wichtige ften vernachlaffige Hätten, aus welchen man die Sits | ten, — —— — — — — 2) Ich finde es noͤthig, bier eine kleine Bemerkung mes gen des Werks eines meiner Freunde, naͤmlich der Geſchichte der aͤlteſten Weltweiſen Griechenlandes von Hrn. Tiedemann hinzuzufügen, Als dieſes Werk heraus fam, far das mieinige ganz fertig; und ich hatte nicht eher Zeit daß erftere durchzulefen, als big das Ieztere abgefchrieben, verbeffert, und in die Dru— ckerey gefickt war. Man wird daher auch) in mei⸗ ner Schrift nicht die geringfte Anfpielung auf Hrn, Tiedemanns Arbeit finden. Ueber den Werth der vers fchledenen Methoden, nach melchen wir diefelbigen Materien behandelt haben, muͤſſen mir das Publicum sichten laffen. XXX Borrede ten, Denfart und den Charakter ganzer Zeitalter ſowohl als einzelner Perfonen Eennen lernen Fann; daß endlich ein großer Theil von Zeugniſſen vers jfümmelt , oder in ein falfches Licht geftellt worden. ch faßte daher den Entfchluß, mich der fchwachen und unfichern Huͤlfe die ich aus den Compilatio⸗ nen eines Bruker, Stanley, u. ſ. w. erhalten konn⸗ te, gänzlich zu entfchlagen, und alle Schriftfteller, aus welchen fie geſchoͤpft hatten, oder doch hätten fchöpfen follen, von neuem zu lefen, als wenn fie noch nie wären gelefen und benuzt worden — und zwar in der Abficht, dereinſt eine, ſolche Arbeit zu unternehmen, als wovon ich jezo den Anfang lie: fere. Je weiter ich fortlas, und je mehr” meine Kenntniſſe anwuchfen, deſto mehr neue Ausfichten eröffneten firb mir, vefto mehr Gegenftände wur⸗ den mır merkwürdig, auf die ıch vorher nicht Plch- fung gegeben harte, und deſto mehr Fragen ents ffanden, deren Beantivortung mie vorher gar nicht eingefallen war. Um folcher fich immer von neuem davbietender Unterfuchungen willen, für die ich bisher noch nicht gelefen hatte, muſte ich oft wieder umfehren, und abermals eben die Wege gehen, die ich fchon zuruͤckgelegt zu haben glaubte. Ich kann Daher meine Leſer verfichern, daß ich nicht nur alle Ueberbleibſel des Griechiſchen und Roͤmi— fehen Alterthums, in welchen ſich Materialien fuͤr ein folches Werk, als das meinige ıft, finden, ge- leſen, fondern daß ich die wichtigſten derſelben, um verfchiedener Abfichten willen, mehrmalen geles fen habe. & Vorrede. | XXXI So muͤhſam dies Verfahren auch war; ſo ſcheint es mir Doc) immer viel weniger beſchwerlich, als wenn man alle die mittelmäßigen und elenden Bucher Tiefet, die in neuern Zeiten, über alle Theis le und Zeitpuncte der Gejchichte der alten Philoſo— phie find gefchrieden worden, und deren gehäufte Anführung dem Kenner am allermeiften Mangel Achter Gründlichfeit verraͤth. Ueberdem wurde mir meine Mühe auf mehrere Arten reichlich vergolten: am meiften durch die reiche Ausbeute von wichtigen bisher ungebrauchten Factis und Beweisſtellen, und durch die öftern Veranlaffungen, die ich erhielt, über diefelbigen Thatfachen und Zeugniffe nachzu⸗ denfen. Ich erwog nämlich die einen und die ans dern, nicht Bloß alsdann, wenn ich fie zum erſten— male antraf, fondern auch fo oft ich auf andere fließ, die ihnen ahnlich waren, ſie entweder befta- tigten, oder umwarfen, oder zweifelhaft machten. | Wenn man die Alten nicht auf eine folche Art, als ich befchrieben habe, nach einem gewiſ⸗ fen Plane, und mit beftimmten Ziverfen aufmerk— fam durchliefet, und ſorgfaͤltig auszieht, fo iſt es unmöglich, irgend einen Punct oder Stück der ale ten £itteratur auf eine vollendete Art zu behans dein. Denn wenn man Die Data und Zeugniffe, die man zum Grunde feiner Unterfuchung legt, ent weder aus Compilationen, oder aus den Regiſtern von Schriftftellern auffucht; fo ift man nie ficher, od man das Verdienſt der Vollſtaͤndigkeit bee, | weil: = ' ’ XXXII Vorrede. weil Sammler und Regiſtermacher oft die wich» tigften Stellen fir unwichtig halten, oder da nicht anzeigen und beybringen, wo fie eigentlich hin⸗ gehören. Man lernet ferner nie den Geift, Die Sprache und Glaubwuͤrdigkeit von Autoren fens nen, und weiß alfo auch nicht, wem oder wann man jemanden frauen, und wie man gewiffe Wor⸗ te. verftehen fol. Auch verdrehen die fchiefen Aug- fegungen oder falfchen Anwendungen, Die man von Zeugniffen gemacht findet, den Sinn des Forſchers, verderben feine Urtheilskraft, und machen, daß er fie eben fo, oder auf eine eben fo unrichtige Art anfieht, als Ausleger oder Sammler fie vorher an⸗ gefehen hatten. Zulezt wird der Korfcher, wenn er alsdann erft, wenn er ausarbeiten foll, Compilatio⸗ nen nachfieht, oder felbit zu fammlen und nachzus fchlagen anfängt , durd) die Menge von Factis, die Sp er Beyfammen findet, oder zufammen treibt, zu fehr niedergedruͤckt; und er ift daher wegen Mangel von Zeit außer Stande, feine Matertalien gehörig zu prüfen, mit einander zu vergleichen, und aus ihr nen alles herauszudruͤcken, was aus ihnen nur herz ausgepreßt, und ableitet werden Fann, Anhaltender forgfältiger Fleiß aber macht felbft alddann, wenn er mit ungewöhnlichem Scharflinn verbunden ift, noch Eeinen wahrhaftig großen Ges fehichtichreider oder Geſchichtforſcher aus. Wereini« gung von beiden iſt oft die Haupturfache der Unter⸗ drücfung oder Verdunkelung der Wahrheit, und Der Dorrebe, XXXIN der Ausbreitung und Scheinbarfeit von Irrthuͤ⸗ mern geworden. Wenn alfo Arbeitfamkeit und Talente daurende Verdienfte um die Geſchichte ge- ben follen ; fo muß zu ihnen Freyheit von allen Vor⸗ urtheilen und vorgefaßten Meynungen, Unenges nommenheit für oder wider gewiſſe Voͤlker, Pers ſonen, Spiteme und Grundjäße, und Ausrottung alter Hypotheſenſucht Cin fo ferne der Menſch dazu fähig it) hinzukommen. Ich weiß nicht, durch welche Merkmale man Partheplichkeit in allen Faͤl⸗ len von bloßer Liebe und Eifer für Wahrheit uns tericheiden, und ob andre in andern, oder ein jeder in ſich felöft Partheylichkeit leichter prüfen, und wahrnehmen koͤnne; aber fo viel glaube ich behaups ten zu dürfen, daß, wenn es überhaupt nicht una möglich ift, feine eigene Partheplichkeit anzuerken⸗ nen, man am beften auf folgende Art erfahren koͤn⸗ ne, ob man unbefangenen Gemüths fey, oder nicht? Man muß nemlich beym Anfange einer jeden Uns terfuchung fich felbt fragen, und gleichfam auflau⸗ ven, ob man nicht einen geheimen Wunſch habe, Daß jene eher diefen als einen andern Ausgang nehe men möge? Man muß Achtung geben, ob man mit einer vorzüglichen Aufmerkſamkeit folche Zeuge niffe auffuche, die gewiſſen Wölfen, Perſonen, Syſtemen, oder Behauptungen guͤnſtig oder Line günftig find? ob man geneigt fen, folhe Facta, die denen, die wir vertheidigen oder entſchuidigen möchten, nachtheilig, oder ſolchen, die wie anzu. klagen Luſt Haben, vortheilhaft find, zu DmDerDEN, c oder XXXIV Dorrede oder verdächtig zu machen? ob endlich wichtige Stellen in und eine lebhaftere Freude erregen, als die aus fruchtbaren Datıs zu entitehen pflegt, und die alfo zum Theil daher erklaͤrt werden muß, daß wir in dem gemachten Fund eine ſtarke Stuͤtze für eine Eieblingömeinung angetroff en haben. Wenn man auf dieſe Art oft in ſich ſelbſt hineingeht; fo iſt man zwar vor der feinſten Art von Parthey⸗ lichkeit, derjenigen nämlich, Deren man ſich felbft nicht bewußt wird, noch nicht ganz ſicher; man iſt aber doch auch viefer viel weniger ausgeſezt, als wenn man Feine Der Boifichtsregein, von Des nen ich geredet habe, zu beobachten, und au fih anzumenden veiſucht hat. Ich verachte die Zierereyen, modh man den Leſer mehr Gutes von fich errat" n läßt, als man wirklich beftzt, indem man fich fü eur, ih ſelbſt das wenige, was man mit Wahrheu und Zuver⸗ ſicht jagen Fönnte, öffentlich zuzueignen. Sch tras ge daher fein Bevenken zu verſichern, daß ich alles gethan habe, was in meiner Macht war, um niee mals weder übertriebener Lobredner noch Tadler zur werden, um mic) fernec ſtets von Factis leiten, und durch Verdienſte nicht gegen Febler, und durch Fehler nicht gegen Vorzüge blenden zulaffen , ende ih um mich zwiſchen zwoen entgegengefezten Bes hauptungen fo lange in der Mitte oder im Gleich» gewichte zu halten, bis ich die Gründe und Gegens gründe gegen einander abgewogen hatte, Fa alte Vorrede. XXXV Kaltblůtigkeit, oder wie die Skeptiker fagten, Unerſchuͤtterlichkeit erwirbt man nur durch anhalten. de Uebung, am meiſten durch die Erfahrung uͤber⸗ eilter falſcher Ausfprüche und Uerheile, die man ſelbſt für oder wider Perfonen und Sachen aefälft hatte. Mir ift es um deſto weniger ſauer gewor, ben, diefe Tugend in der gegenwärtigen Schrift auszuüben, da ich fchon ſeit mehren Fahren mie ‚Allen meinen Meynungen, auf welchen nicht mei— ne und meines Nächiten Wohlfahrt beruft, in ei. ner folchen Verbindung ſtehe, daß ich mich ohne Schmerz und Sehnfucht von ihnen trennen kann. Ich darf gar Feinen harten Kampf kämpfen, und fühle auch gar Feine ſchwer zu überffeigende Midero ſpenſtigkeit, oder.innere heftige Empdrung, wenn ich Facta antreffe, wodurch Mehnungen, denen ‚ich viele Fahre ald wahren angehangen habe, zer. fört und aus ihren bisher ruhigen Sizen getrieben werden; rn Diefe Unparthenlichkeit, nach welcher ich we⸗ nigſtens geftvebt habe, hat in dem berühmten Lob⸗ redner eines Großen Mannes, der aber auch große Schwachhelten hatte, einen heftigen Widerſacher gefunden. Es giebt, ſagt D. *) zwo Arten von Scharfſinn, die eine zeigt fich in der Wertingerung die andere in der Vergrößerung der Fehltritte von Menſchen, welche leztere dfter einen guten "u 4 — ä 8) Wie de Sanagus p. 76, XXxxvi Vorrede. als eine ſchdne Seele verraͤth. Dieſe ſtrenge Un— partheylichkeit wird nur von ſolchen ausgeuͤbt, die ſelbſt am meiſten Nachſicht noͤthig haben. Wenn man den Verfaſſer auch mit der Fra⸗ ge verſchont, wie er jemanden unpartheyiſch nen⸗ nen könne, der Fehler und Schwachheiten vergrös Bert, wenn man auch vorausfegt, Daß er, wie ans Dre denfende Menſchen, nur Diejenigen unpartheys ifch nenne, die vor einer richtigen Senntniß der Sachen ud Perfonen, weder zum Lobe noch zum Tadel geneigt, und vorher geſtimmt find, und die felbit alsdenn , wenn fie den Werth der einen oder der andern unterfucht haben, nicht mehr loben oder tadeln, als es ihnen die Gefeze einer erleuchteten Gerechtigkeit und Billigfeit erlauben; fo hat der V. doch immer eben fo fonderbar gefchlofien als derjenige, der auf folgende Art rarfonnirte, Es giebt nur zwo Arten von Cobredneren oder Lobreden: die einen, in denen man Gegenftände, ‚die gar nichts lobenswuͤrdiges an fich haben, oder die gar von cller Welt verabfchenet werden, Über alles Maaß erhebt, um zu zeigen, daß man durch den Zauber der Beredfamkeit Eleine Dinge vergrös Bern (und große wiederum erniedrigen) Fönne; die andern, in welchen man die Verdienſte würdiger Männer (oder Sachen) mit einer erkünftelten ek⸗ ſtatiſchen Bewunderung übertreidt, und auf alle diejenigen, Die Pleine Fehler, an ihnen tadeln, ä bit⸗ Dorrede XXXVII bitterſten Fluch legt, um andere glauben zu ma⸗ chen, als wenn man von einer ſchwaͤrmeriſchen Lie⸗ Be zur Tugend entzuͤndet ſey, als wenn man die Vortreflichkeit großer Männer allein zu ſchaͤzen und zu empfinden wiffe, ald wenn man endlich in der Sache ungewöhnlicher aber angefochtener Men: ſchen gleichfam feine eigene Sache vertheidige, um dereinft ſich aͤhnliche eifrige Netter feiner eigenen Ehre zu eriverben. So wie man gemeiniglich an Unparthenliche Feit im Urtheilen in eben dem Verhältniffe zunimmt, in welchem Lieblingsmenynungen und Anhänglich feit an ihnen verfchwinden , eben jo waͤchſt in gleichen Graden Abgeneiatheit gegen Hypotheſen, fie mögen fo neu und glänzend feyn, als fie nur wollen. Faſt immer find die geundlofeiten Bes hauptungen ıbren Erfindern die theuerſten, fo wie Eitern ihre ſchwaͤchlichſten und unartigiten Kinder am meıften zu lieben pflegen. Bon diefer Schwachs heit wird man nicht eher geheilet, als bis man auf: hört, Meynungen bloß deßwegen, weil wir fie zuerft gehegt und geaußert haben, als Theile unferer ſelbſt, und als das Föftlichfte unferer geiftigen Haas be anzufehen, Wenn man es aber einmal fo weit ebracht Hat, Meynungen für nichts mehr zu hal: ten, als was fie wirklich find, und fich Daben nicht unfähig fühlt, in dem Reiche der wahren Geſchich— te ein nützlicher Bürger zu werden, fo wird einem die Zeit zu Eoftbar , als daß man in den unendli- 3 chen Xxxvill BVorrede. chen Raͤumen der Erdichtung und Muthmaßung herumirren, und nach leeren Geſtalten haſchen ſoll— te, dig ein einziger Lichtſtrahl der Wahrheit zere ſtreuen kann. Doll von diefen Gedanken, habe ich, fo leicht e8 mır auch geworden wäre, und ſo viei Beranlaffungen dazu ich auch gehabt habe, Da, wo olle Facta mich verließen, nicht einmal Bere muthungen gewagt. Wenn ich aber meinen Leſern nichts als Muthmaßungen darlegen fonntez ſo has be ic) es immer erinnert , und zugleich die Grüne de angegeben. morauf ich mich fügte. Dingegen ‚Habe ich mit meinem Wiffen nie Vermuthungen und Tharfachen auf eine ſolche Ark zuſammengemiſcht, Daß meitie Leſer die einen für Die andern hätten neh⸗ men koͤnnen. Auf einer ſo langen Reiſe, als diejenige iſt die ich angetreten habe, kann es nicht fehlen, da man nicht auf Jrrende ſtoͤßt, die einem den Weg verrennen, und Die man Daher entweder mit Guͤte zu feinen Gefährten machen, oder mit Gemalt auf die Seite bringen muß; — oder daß man nicht wentgitens folchen begeanet, mit denen man über die Führer und Richtungen, denen man zu folgen hat, zu Erklärungen fommen muͤſte. — Bor ei- nigen Abwegen nun muß man laut warnen, weil fich viele darinn verlohren haben: auf andere darf man nur mit dem Finger hinweiſen, weil fie bloß vonen noch gefährlich ſind, von welchen es faſt gleich, gültig uf, ab fe Die rechte oder unrechte Bahn Vorrede. XXXIX ten: und noch andere hat man gar nicht einmal noͤthig zu bemerken, weil ſie ſchon ſo verwachſen, und ungangbar geworden find, Daß nicht leicht ans dere als Wahnfionige ſich darinn verfriechen oder verwicheln können. — Dder um eigentlich zu res den, einige Jrrthuͤmer ın der alten Geſchichte muͤſ— fen forafältig widerleat werden, weit ſie herrſchend find, und durch Berzährung den Schein von Wahr: heiten erhalten haben: andere darf man nur furz berühren, um fie zu entlarven: und eine große Menge endlich kann ganz mır Stillſchweigen uͤber— gangen werden, weıl fchon der Genus des Zeitaß ters, und die allgemeine Aufklärung fie erjtickt und ausgerottet hat. Ich habe es mir daher an— gelegen ſeyn laffen, den polemiſchen Theil meines Buchs *) fo viel als moͤglich obzufürzen, und den Ereifchenden heftigen Ton von Zänfern zu vermeiden, die in einer jeden ihrer Meynungen die unentbehrz lichften Wahrheiten zu verfechten, und in einem je» den Saze, der ihnen entgegenfteht, den verderb: lichſten Jerthum zu beftreiten glauben, Zugleich aber habe ich allentbalben, wo ich von berühmten und underühmten Männern abweichen mufte, mei⸗ c4 ne — — — J — — — — — Ich hätte zum Beyſpiel In der Unterſuchung über dag Zeitalter ded Pythagoras noch mehrere berühmte Männer zurechtweifen Finnen; allein ich babe von ihnen geſchwiegen, weil fie eben fo, oder mit noch mehr Nachläffigfeit irreen, als diejenigen, bie ſch toiderlegt habe. Man fehe 4. B. Jackfon’s chronolo- gical Amtiquitice, U, 374. XL Borrede, ne Zweifel und Oegengründe mit uneingeſchraͤnk⸗ ter Freymuͤthigkeit vorgetragen, in dem feiten Zus trauen, Daß alle meine vernünftige Widerſacher den Gegner ihrer Meynungen nicht für ihren Feind Halten, oder nichts wichtiges zu verlieren fürchten würden, wenn ihnen auch die eine oder die andere ihrer Behauptungen genommen werden follte. — Qnamobrem (Ddenfe ich mit Cicero De Fin. I. 8.) ditfentienrium inter fe reprehenfhiones non funt vituperandae: maledicta, contumeliae, tum ira- cundae contentiones, eoncertationesque in di- fputando pertinaces, indignae mihi philofophia videri folent. — Neque enim dilputari fine re- prehenfione, nec cum iracundia aut pertinacia recte dilputari poteſt. Bey aller meiner Bemuͤhung aber ſtets der Wahrheit getreu zu bleiben, beſcheide ich mich doch gerne, daß ich gleich meinen Vorgaͤngern mehrmas len ein Raub des Irrthums geivorden Bin. Wer mir meine Fehitrirte ohne DBitterfeit zeigt, dem werde ich nicht weniger verpflichtet fenn, als dem Arzte, der mich von Srankheiten befreyt. Nur bedenfe man immer, Daß es viel leichter ſey, die Irrthuͤmer anderer zu entdecken, als felbft nicht zu irren, und daß es faft unmoͤglich war, auf fo unebenen ungebahnten Wegen, als welche ich übers wunden oder verfucht habe, bisweilen nicht zu ftraucheln, oder ſelbſt zu fallen, indem ich andere aufrichtete, Bey Morrede, XLI Bey allen wichtigen Factis Habe ich mich nicht Hegnügt , meine Gewährsmänner, und die Stellen zu nennen, wo man ihre Zeugniffe finden kann; fondern ich habe auch ihre Worte ſelbſt ans geführt. Dies jchien mir ſowohl deswegen nüzlich und zwecfmäßig, weil fih in Zahlen fo leicht Schreib ‚oder Druckfehler einfchleichen Eönnen, als weil auch viele Leſer die Bücher, die ich citirt habe, entiveder gar nicht, oder doch nicht in den Ausga= ben befizen, die ich gebrauchte, weil fie endlich auch nicht Luſt haben alles nachzufchlagen, worauf fie verwiejen werden. Wenn man hingegen die Stel fen, worauf alles ankommt, abſchreibt und unter den Tert ſezt; fo erfpart man vielen Leſern eine bes ſchwerliche Arbeit, und fezt fie fogleich in Stand, zu urtheilen, ob man Schriftiteller recht verftanden habe, oder nicht. — Von einigen Claſſikern füh: ve ich bald diefe, bald eine andere Ausgabe an, weil ich ihre Werfe nicht auf einmal ganz durchlag, und zu verfchiedenen Zeiten nicht immer diefelbigen Ausgaben erhalten Eonnte, Schließlich will ich noch einiges uͤber die Rechtſchreibung bemerken, der ich in Diefem Buche gefolgt bin, und die von derjenigen, die man im meinen übrigen teutfchen Schriften finden wird, in vielen Stücken verfihieden ift, Zu meiner Be ſchaͤmung muß ic) befennen, daß ich mir bis vor noch nicht gar langer Zeit niemals die Mühe ges nommen habe, über die Rechtſchreibung unſrer 5 Spra- XL Dorrede, Sorache, in ihrem ganzen Umfange, nackzudenfen, geil ich diefen Gegenitand für viel weniger wichtig hielt, als er wirklich iſt. Ich war daher nicht nur undeftändig in der Art, wie ich Diefelbigen Woͤrter fehrieb, fondern machte auch Fehler, die ich mir jezo kaum felbft verzeihen kann, und die man gewiß firenger wide geahnder haben, wenn man fie nicht aus einer zu vortheilhaften Meynung von mir fir Druckfehler gehalten hätte. Die vor: freflihe Schrift des Heren Geheimen Juſtiz Rath Puͤtter, über die Richtigkeit und Nechifchreibung der teutfchen Sprache, hat mich zuerjt veranlaßt eine Sache in reifliche Lleverlegung zu zieben, in weicher Nachläfftgfeir, wie unnörhige Neneruns gen, von größern und nachtheiligern Folgen find, eld man glauben folite. — Nach mehrmalen wie⸗ derholten Unterſuchungen hobe ich die Grundſaͤze des eben genannten berühmten Gelehrten immer bewährt gefunden, und fie auch durchgehende in der gegenwärtigen Schrift angewandt; folgende beyde Fälle ausgenommen, two ich hintängliche Urſache zu haben glaubte , fie zu verlaflen. — Herr Geheime Juſtizrath Puͤtter fezt es als eine Hegel feft, Daß man bey Wörtern, die wır aus fremden Sprachen angenommen haben, micht im: mer aͤngſtlich auf ihre Ableitung fehen müffe, bes fonders alsdenn nicht, wenn wir fie durch Umwe— ge erhalten, oder ein allgemeiner Gebrauch fie vers wandelt und umgebilver hörte, Man müſſe da> ber Wörter , die urſpruͤnglich Griechiſche ven, aber Borrebe, XL aber nicht unmittelbar aus der Griechifchen, fürt« dern aus der Lateiniſchen Sprache zu ung gefoms men, ſo ſchreiben, wie fie ein allgemeiner Gebrauch aus der leztern Sprache eingeführt habe, 3.8, nicht Katechiſnus, Kategoriſch, fondern Cates chiſmus, Categoriſch. Auch ſey es unrecht, Sylbe und Styl, ftatt Silbe und Stil zu fegen, wenn gleich die erſte Art diefe Wörter zu fchreiben mit der Ableitung derſelben übereinftimmend fey. In dem einen, wie indem andern Falle fcheint ‚mir dem erften unter allen Grundfäßen der Rechte fhreibung, der Erhaltung der Erpmologie , zu viel vergeben zu erden, — Mir brauchen viele Griechifche Wörter und Namen, die fich in feinem Roͤmiſchen Schriftftels ler finden, und die wir alſo niche erit durch das Medium Der Roͤmiſchen Sprache erhalten haben, ſollen wir denn dieſe auch fo fehreiben, wie der Roͤmer fie geſchrieben haben wuͤrde, wenn er ſie angeführt harte? ch weiß nicht, warum wir Griechiſche Wörter , befonders die Namen von Perſonen, Völkern , Ländern und Städten bloß deswegen verftümmeln wollen, weil die Roͤmer es and Mangel eines oder mehrerer. Buchftaben thaten, die ung nicht fehlen. Ich fchreibe daher alle Sriechifche Namen , wie fie von den Griechen gefchrieben wurden, ausgenommen wenn fie aus bem £ateinifchen adftammen, wie z. B. Clemens, aber wenn fie im Lateinifchen, moher wir ir en XLIV Dorrede, pfangen haben, eine ganz andre Geftalt erhalten haben, und durch ihre Zuruͤckführung auf ıhre urfprünglicye Form ganz unkenntlich werden wirs den. Dies ift der Fall bey den Wörtern , Aes⸗ eulap, Cilicien, Lycien, Thracien, Sicilien, Athes nienfer, Die ganz unverftändlich werden würden, wenn man dafuͤr Asflepius, Kilikien, Lykien, Thrakien, Sifelien, Athenaͤer fezen wollte. Die: fe Ausnahme ift derienigen ahnlı, wenn man Wörter, die aus dem Lateinifchen abſtammen, der Aussprache wegen anders fchreiden muß, als es nach den Gefesen der Etymologie gejchehen follte, 3. B. Artıfel für Articel. Noch viel weniger hat man nöthig, eine Nechtfchreibung, welche die Etymologie verlangt, einem allgemeinen Gebrauche aufzuopfern. Denn fo wie es einen richtigen und fehlerhaften Gebrauch zu reden giebt; fo giebt es auch einen richtigen und unrichtigen Gebrauch in der Art Wörter zu fchreis ben. And fo wie der Dictator Caͤſar vom Ticero und allen geſchmackvollen Roͤmern deswegen ver: diente Lobſpruͤche erhielt, daß er tadelnswerthe Ge: wohnheiten zu reden nach geltenden Gründen ders befferte *); fo verdient, glaube ich, auch ein jeder Schriftſteller Beyfall, wenn er unetymologifche Wortſchreibungen zu berichtigen fucht. . ®) Cic, in Bruto, Caefar autem ratlonem adhibens, con- i fuetudinem vitiofam & corruptam pura & incorrupta eonfuetudine emendat: Vorrede. XLV Woͤrter, die von bewaͤhrten Schriftſtellern auf mehrere Arten geſchrieben werden, habe ich der Abwechslung wegen bald auf die eine, bald auf die andere Weiſe geſchrieben. Z. B. jezo, itzo, jezt. — Wenn ferner die helfenden Zeits woͤrter ih an gewiffen Stellen zu ſehr häuften, oder daſſelbige Wort mehrmalen hätte wiederholt ‚werden muͤſſen; fo habe ich nach dem Beyſpiele er Alten, die ſich oft Ellipfen des Wohllauts we— gen erlaubten, Hülfs: Werba an folchen Stellen twegaelaflen , wo ihre Abwefenheit weder Dunfel- heit noch Mißverftand Hervorbringen Fonnte, Ende lich habe ich (um zu der vorhergehenden grammas tikaliſchen Bemerkung noch eine hinzuzufeßen) alle Nomina Propria, wenn fie den Artikel vor ſich haben, in allen Eafibus wie im Nominativo ges braucht, und gleichfam als Indeclinabilia anges fehen *). Hingegen habe ich, wenn fie nicht mit Artikeln verbunden waren, den Cafus durch eine von dem Nominativo verfchiedene Endigung bes merfbar gemacht **). Ich habe diefe Regel deße wegen befolet, weil man * e in vielen Faͤllen ſchon lange ausgeübt, und ohne in die laͤcherlichſte Affe: etation, und den unerträglichften Mißlaut zu fal⸗ len, oft nicht verlezen kann. Wer wuͤrde es dul⸗ den, wenn jemand, des Ariſtotelis, des Ciceronis, des Ariſtoxeni u. ſ. w. ſagen wollte? Dadurch aber — — — — — — — — — —ñ — — mn *) Des Difdacch, Diodor, u. ſ. w. *®) Seneca's, Eicero’s, Diodor’s, Dikaͤarch's, u. (. m. XLVI VBorrede. aber daß man dieſen Gebrauch allgemein macht, gewinnt man den großen Vortheil, daß man in al⸗ len Fällen, wo man den weggelaſſenen Artikel durch eine Veränderung der Endigung von Namen ausdrückt, diefe Veränderungen viel bedeutender macht, ald wenn fie ohne allen Unterſchied, auch dann, wenn Artikel da find, gemacht werden. - Gefchrieben auf der Georg Auguſt Univer⸗ ſitaͤt, am funfzehnten September 1780. Zu), — —* u Erſtes Ber 4 ni — — nl — M Er Erſtes Bud. Lieber den Alteften Zuftand won Griechen land, und das Zeitalter der ſieben Reifen, —— ——— —— Asyew, audades mavu nos un Mogew MavioS; Dionyf. A ngeachtet die erften Geſchichtſchreibet Grilechen⸗ landes alle verlohren gegangen, und in den übrig gebliebenen mwahrfcheinlic nur menige Reſte alter Ueberlieferungen erhalten worden find; fo veichen doc) felbit diefe dürftigen Ueberbleibſel oft unfiches ver und widerfprechender Nachrichten bin, um «8 zu er Y Elären 2 Erftes Buch, Elären, warum die erften Reime griechifcher Weisheit fich unter dem ſchoͤnen Himmel Yoniens, und nicht in dem viel ältern griechifchen Murterlande entwickelten? warum eben diefe jungen Reime, da fie kaum ausgebrodjen waren, aus dem Schooße des mütterlichen "Bodens ausgeriffen, und nicht in das nähere Griechenland, fondern in das ent« ferntere Italien verpflanze wurden ? warum fie endlic) auch bier nicht daurende Wurzel faßten, fondern erft im fteinigten unfruchtbaren Attika mächtig zu treiben anfien⸗ gen, und einen Stamm hervorbrachten, deffen Zweige in der Folge ſich über alle Theile der Erde verbreiteten, und deffen Föftlichfte Früchte noch jezo von den aufgeflär« teften Völkern und weifeften Menfchen genoffen werden ? Wenn wir etwa fechzehn hundert Jahre über den Anfang unferer Zeitrechnung binauffteigen; fo finden wir das eigentliche Griedyenland von mehrern Voͤlkerſchaften befest, die eben fo wild, als die fie umgebende Natur waren, die ohne Gefeze, ohne daurende häusliche und “bürgerliche Verbindung, ohne alle die Künfte des Fries dens, die das $eben des Menfchen verfchönern, gleich andern reißenden Thieren in unermeßlichen Wäldern her umirrten, und unfer einander in beſtaͤndigen Kriegen, wie in nie aufhörenden Gefahren lebten, von fremden Menfchenräubern mweageführt zu werden *). Syn dies fem fürchterlichen Zuftande war Griechenland, als einige Menſchenalter nad) einander Ebentheurer aus Aegypten, Phoͤ⸗ — — — — mem (TIER — — ®) Dieſe Schilderung wird nicht nur durch das folgende, fondern auch durch manche alte Heberlieferungen beftär tigt, die Boguer (Part. I, Liv, I, p, 59, Ed, ia 4to a Paris 1758.) gefamiet hat. Leber den älteften Zuftand von Griechenland. 3 hoͤnicien und Phrygien in Attika, Böotien und dem eloponnes ans Land traten, und die in diefen Gegenden berumgiehenden Horden entweder ausrotteten, und ver⸗ jagten *), oder auch mit Gewalt unterjochten und mie fi) vereinigten, Gemeiniglich glaubt man, daß die Fremdlinge aus Afien und Africa, die ſich in Griechens land niederließen, den urfprünglichen Bewohnern deffel« ben alle Künfte und Kenntniſſe der Wölfer, aus welchen fie abftammerten, mitgetheilt haben; allein diefer Gedanfe ift eben fo unwahrſcheinlich, als er geſchichtwidrig ift. Alten Ueberlieferungen zufolge, murden die Fluͤchtlinge entweder durch die Furcht vor den Strafen ‚ausgeübter Verbrechen, oder auch durch mächtige Gegenparteyen aus ihrem Waterlande vertrieben, und hatten alfo nicht Zeit genug, ſich Jahre lang zur Gründung neuer Pflanze ſtaͤdte vorzubereiten, und alles das zufammenzubringen, was zur Gewinnung oder Bezähmung von Barbaren, und zum vortheilhaften Anbau von Wildniffen unentbehre lich war, Sie trafen ferner in den Laͤndern, wohin mehr der Zufall fie verfchlug, als ihre eigene Wahl fie führte, Menfchen an, Die einen deflo unbezwinglichern Haß gea gen Fremde hatten, weil fie häufig von Menfchendieben überfallen und beraubt worden waren; und diefe feindſe— ligen Geſinnungen muften die erftern durch neue Gewalt⸗ thärigfeiten vermehren, ohne welche fie fich weder beu haupten, nod) die freyen Nomaden aus ihren Wohnplä« zen vertreiben, noch diefe an eine ftere ihnen aͤußerſt ver= Ar haßte ran | *) Man fehe den gelehrten Verfaffer des Buchs del’ Etat & dus fort des anciennes colonies p.9. & 64. Auch Goguer, Part, II, p. 59, Paufan, IX, 5. 4 Erſtes Buch. haßte Lebensart gewoͤhnen konnten. Nachdem ſie ſich endlich feſtgeſezt, und durch die Vorzuͤge ihrer Waffen und Ruͤſtungen furchtbar gemacht hatten, blieben ſie doch immer noch von zahlreidien unbeswungenen Staͤmmen | umringt, die fie zwar in angefündigten oder vorhergeſe⸗ henen Kämpfen überwinden, deren Nachftellungen und plözlichen Ueberfällen fie aber doc) nicht ausweichen konn⸗ ten, und unterhielten hingegen mit den Sändern , aus des nen fie ausgegangen waren, gar Feine Verbindung, ſon⸗ dern wurden von ihren ehemaligen Sandsfeuten eben ſowohl, als andere geplündert und weggeſchleppt. Wenn man alle diefe Beobachtungen zufammennimmt; fo muk man norhwendig fhließen, daß die erften Gründer von Colo⸗ nien in Griechenland felbft mehr verwilderten , als fie zur Bezähmung zügellofer Barbaren beytragen Fonnten, und daß fie den leztern außer ihren Göttern und gottesdienft« lichen Gebräuchen,, außer den erften Anfängen des Ader- baues, und der damals noch) ganz unbrauchbaren Schrift, endlich außer einer gewiſſen Anzahl von Wörtern wenig oder gar nichts von bildenden Kenntniffen und Fertigfeis ten überliefert haben *), Diefe —————— — — —— —— —— — nn ®) Ueber die älteften Voͤlker Griechenlandes, welche die Aegyptier, Phoͤnicier u. ſ. w. antrafen, habe ich. mes der ſelbſt, noch in andern etwas fo wahrfcheinliches ges funden, als was Herr Hofrat) Heyne in einem Anhange fast, welchen er feiner erften AbhandInng über die —— des — — bat (Vid. Nov, Com- went, Societ. Reg. Scient; Goetting. I p,89.) Bevor ich diefen Auffaz las, hatte ich al ER doch. die wichtigſten Stellen alter Gefchichtfehreiber über die ur: fprünglichen Bewohner Griechenlandes gefamler, und ich Leber den älteften Zuftand von Griechenland. .-5 Diefe Bernerfungen werden durch das Gemälde beftätige, was uns Thukydides vom Zuftande des alten — — — — — A 3 Gries ich konnte daher eine defto genauere Vergleichung zwi⸗ fhen den Vermuthungen meines Freundes, und den Zeugniflen der Griechen anitellen. Bey diefer Verglei— Hung fand ih, daß die eritern durch die leztern voll: kommen beftatigt werden. Herr Hofrath Heyne nimmt an, dab VBorderafien und Griechenland durch wieder⸗ holte Einwanderung von Nationen, die zwifchen dem fhwarzen und faspifhen Meere hervorgefommen , bes völfert worden feyen; daß man in Griechenland wenig- fiens zwey verſchiedene Völkerfchaften, naͤmlich Thra⸗ ciſch⸗Phrygiſche und Pelasgiſche, unterſcheiden muͤſſe, die vielleicht aus denſelbigen Gegenden ausgegangen, und mit einander verwandt, aber zu verſchiedenen Zei— ten eingewandert feyen, und eben deswegen in der Folge ftets in Anſehung der Sprache und Sitten verfchieden: geblieben. Daß endlich aus einem von diefen Stämmen oder aus beyden zugleih, unter dem Deufalion und deſſen Sohn Hellen, ein neuer Stamm der Hellenen entſtanden, die man, weil fie fich vor den übrigen durch höhere Grade von Cultur merklich erhoben, nachher als von ihnen aanzlic) verfchieden angefehen habe. Aus dem gemeinfchaftliben Urfprunge nun der alteften Bewoh— ner Griehenlandes und Vorderafiens müffe man fchlies ben (mas man auch nach dem Homer behaupten müffe,) das die Sptachen aller diefer Volker bey allen Abtvels Hungen von Mundarten doch immer ſehr viele Achns lichkeiten und Verwandſchaft gehabt hätten. Die wichtigſten Stellen, wodurch diefe Säze bemwiefen werden, ſtehen im Strabo, der vorzüglich dem Heka— täus und Ephorus folgte. Man fehe ©. 338. 39. 494. 05. 608. 7290-22. 857:59. 909. 975:77. Edit, Almelov. SHiemit vergleiche man Herodot I. 57. II. 50, 52. und VII, 94. 95. und Dionys I. 6-25. Ant. Rom. Merkwuͤrdig ift es, das Hekataͤus, Ephorus und Heros dot die Pelasger, Leleger, und Karier ſtets Barbaren nen: 6 Erſtes Buch. Sriechenlandes feit der Anfunft der fremden Eofonien bis auf den trojanifchen. Krieg macht. Die verfchiedenen Theile des jezigen Hellas, ſagt dieſer große Geſchicht— fchreiber, waren vormals nicht fefte Wohnfize von Voͤl⸗ Eern, die beftändig denſelbigen väterlichen Boden bauten, und fic) innerhalb ihrer Graͤnzen hielten, fondern fie wa» ren vielmehr von unteren Stämmen befezt, die oft entweder mit Gewalt aus ihren Befizungen verdrängt wurden, oder fie auch bey den geringften Anlaͤſſen freymwillig verließen, weil fie das, mas zur nothdürftigen Erhaltung des Lebens gehört, allenthalben zu finden boften. Solche Ein» unb Ausmanderungen geſchahen in den fruchtbarften $ändern, in Böotien, Theſſalien und dem Peloponnes, Arkadien ausgenommen, am häufigften. Man fäete nicht, weil es zu ungewiß war, ob man erndten, und die Srüchte feines Fleißes genießen würde. Auch verftand man bie Kunft noch nicht, ſich durch die Erbauung fefter Pläze / gegen r \ — nennen, und daß der leztere die Sprache der Pelasger, die noch zu ſeiner Zeit uͤbrig waren, von der der Griechen ſo gaͤnzlich verſchieden fand, daß er die erſtere eine bar— bariſche Sprache nannte, und der leztern entgegen ſezte. Nach dem Strabo hingegen traf man in der Sprache der Karier, die ſich Brüder der Lydier und Myſier nannten, und mit den Lelegern fehr verwandt waren, viele griechiſche Mörter an, und er glaubte, daß die Karier nur deswegen vom Homer mit dem Beynahmen BaeBaeoDovor belegt worden, weil fie eine unans genehme von der Griechiſchen verfchiedene Ausfprache sehabt hätten. Das Zeugniß des Herodots über die | Sprache der Pelasger ift die einzige Schtvierigkeit gegen den Urfprung der Hellenen aus dem Wolfe der Pelasger, welchen diefer Gefchichtfchreiber doch nicht zu laugnen ſcheint. VI. 95, Ueber den älteften Zuſtand von Griechenland, 7 gegen feindliche Ueberfälfe zu fchüzen, und eben fo wenig dachte man daran, fich gegenfeitig durch Buͤndniſſe zu ftärfen, oder einen fichern Handel zu Waffer und zu Sande zu errichten. Die Küften wurden fo oft von freme ben Seeräubern befucht, daß man gezwungen war, fid) in das Innere des Landes bineinguziehen, und auch bier noch beftändig Waffen zu tragen, um flets zum Streite gerüftet, und zur Öegenmwehr bereit zu feyn. Griechen⸗ land blied daher (fo ſchließt Thufydides) bis auf Die Zei« - ten des trojanifchen Krieges zu ſchwach, zu arm und zu gefpalten, als daß es große gemeinfdjaftliche Unterneh mungen hätte ausführen koͤnnen *), Eine Folge der gemaltfamen Einbrüche und Mie- derlaffungen ausländifcher Rotten, vielleicht auch der end« loſen innern Kriege, war diefe, daß ein großer Theil der urfprünglichen Nomaden Griechenlandes feine Heimath gänzlich verließ, und fich ſowohl über Italien, als über Afien von Troas bis nad) Cilicien herunter, und auch über viele griechifche Inſeln ergoß **). Unter diefen zahl: reichen Schwärmern hob ſich das Fleine Häuflein, was fih in Kreta feftfezte, zuerfi die Eingebohrnen diefer In— fel bezwang, und fih nachher mit Doriern und andern Barbaren vermifchte***), vor allen übrigen hervor, und trug befonders durch den Muth und die Weisheit des zweyten Minos, dieſes großen DBorläufers des Lykurg, | 44 der 9 Thucyd, l. 2-12, e. Hieruͤber leſe man vorzüglich Strabo VIL, 496, 97. XII. 855. 857. 58. XIII. 909. : £ ”) Vid, Diod. V. 393-95.. Strab, p, 728:732, Gog, I 207. Heyne, >. 77. Sr * / ‚ Bevölferung zu, daß fie mit einer Flotte von zwölfhun 8 Erftes Bud. ber ohngefähr ein halbes Jahrhundert vor dem frojanifchen Kriege lebte, mehr zur Sicherheit, Ruhe und Macht bes alten Griecheniandes bey, a's alle fo fehr gepriefene Fremdlinge bis dahin gethan hatten *). Dieſer außer: ordentliche Mann, der mehr als die vergöfterten Helden der Griechen übermenfchliche Verehrung verdiente, fam- lete Die bis dahin zerftreuten Bewohner von Krera nicht nur in Städte, fondern er fchuf fie auch durch feine Ge— fege , Die in der Folge eine Haupturfache der eritaunlichen Größe von Sparta und Athen wurden *), in tapfere unmiderftehliche Krieger und in Beherrſcher des Meers um. Er rächte an den Rariern und Dhöniciern, die fich allmälich der Kykladen bemächtigt harten, alle das Uns reht, mas fie an feinen und feines Volks Vorfahren verübt hatten, jagte fie von ben Inſeln ans fete fand, legte denen, die zurück geblieben, Tribut auf, und fäur berte das Meer, wo nicht von allen, doch von dem größten Theile der räuberifchen Barbaren, die ſich bis dahin von dem Unglück anderer Menfchen genährt, und Schiffart, Handlung und allen Fortgang zur Aufklärung zurück gehalten hatten. Von diefer Zeit an wagten fich auch die europäifhen Griechen auf das Meer, und fien- gen an Handlung zu treiben: fie erbauten neue Städte auf Erdengen, oder an den Ufern der See, und umgas ben fie mit Feftungswerfen., Sie legten ſich mit größe» rem Eifer als vormals auf den Ackerbau, und nahmen in wenigen Menfchenaltern fo fehr an Wohlhabenheit und dert m *) Vid, Seript. modo eit, Thucyd. I, 4. s*) 5, die erſte Beylage, am Ende des Abſchnitts Ueber den älteften Zuſtand von Griechenland, 9 dert Schiffen nad) Afien überfegen, und Troja belagern konnten; bie erfte Unternehmung, zu welcher ſich alle griechifche Staaten, aber mehr aus Furcht vor der über legenen Macht des Agamemnon, als aus freyer Wahl vereinigten *). Ss ſehr fich aber auch Griechenland in dem lez⸗ ten Jahrhunderte vor dem trojanifchen Kriege aufgerich- tet hatte; fo weit war es noch von derjenigen Cultur ent. fernt, Die aus einem ficbern Genuffe der bürgerlichen Frey» heit, und einem langwierigen Befize von Künften, Fünfte lichen Handwerfern und Wiſſenſchaften entſteht. Tod) zu und nad) den trojanifihen Zeiten gewannen die Gries chen mehr durch Seeräubereyen als durch Handlung, und die erftern waren eine fo ehrenvolle Beſchaͤftigung, daß felbft Könige und Haͤupter von Voͤlkern fie trieben, und Fremdlinge ohne Beleidigung gefragt wurden, ob fie Freybeuter wären? Die Schiffe der Griechen, die nach Afıen zogen, maren meiftens offene Kähne, und fo uns bedeutend, daß die größten nur —5 und zwanzig Mann faſſen, und ohne Muͤhe aufs Land gezogen wer— den konnten. Sie hatten wahrſcheinlich noch keine Anker, und keine andere als bewegliche Maſtbaͤume, die man, wenn man ſie nicht brauchte, aushob. Einzelne Koͤnige und Helden beſaßen zwar koſtbare Waffen und Hausges raͤthe, und kuͤnſtliche Arbeiten aus edlen Metallen; allein dieſe hatten ſie entweder von Sidoniern gekauft, oder von freygebigen aſiatiſchen Gaſtfreunden erhalten, oder auch durch gluͤcklichen Raub zuſammengebracht. Im, Zeitalter Homers, ohngefaͤhr drey Jahrhunderte nach dem A5 tro⸗ *) Thucyd, I, 9. 10 Erſtes Bud). trojanifchen Kriege, waren in Griechenland nur noch wenige Städte, und felbft die anfehnlicyften unter diefen waren mehr tegellofe Haufen armfeliger Hütten, in denen man eben fo wenig Spuren der Baufunft oder Saͤulen⸗ ordnungen entdeckte, als man Stafuen aus Erz und har⸗ ten Steinen, oder die Bearbeitung von Marmor Eannte *). — Während und nach dem trojaniſchen Kriege ver— fohren die Griechen zwar ihre größten Helden, und einen großen Theitder Schiffe, Die ſie nach Aſien hinuͤbergetra⸗ gen hatten; allein die übrig gebliebenen Krieger kehrten ‚aud) mit unermeflicyer Beute zuruͤck, waren mit mebe vern reichen Völkern an der ganzen Kuͤſte von Afien her unter, und mit den Husflüffen des Mit befannt gewors den, und mahrfcheinlich alfo würde das eurepaifche Grie⸗ chenland von feiner erften gemeinſchaftlichen Unterneh« mung in einem fremden Erdrheil eben die Vortheile erhal» ten Haben, welche die Rreuzzüge dem weſtlichen Europa verfchaften, wenn nicht die lange Entfernung, und die Ruͤckkehr der Griechen, die Troja zerftöre hatten, allent⸗ halben Zwietracht und Meutereyen erweckt hätten, die wahrſcheinlich meiftens Daher entjtanden, daß man fi) an den Familien und Gütern der Abweſenden vergriffen, oder ihre Vorrechte zu ſchmaͤſern geſucht hatte, Diefe innern Unruben und Empsrungen endigten ſich felten anders, als mit der gänzlichen Vertilgung, oder auch der Flucht der ſchwaͤ⸗ — ⸗ —ñ— — — — —— — — — — — — = - *, Dan fehe Goguet Part. II. 150 p. & Heyne in com. ment. fuper veterum ebore, eburneisgue fignis p. 96 - 01, in Comment, Nov, Sec, Goett. Tom, I, Pauf, VIL 14 Lieber den älteften Zuftand von Griechenland, 11 ſchwaͤchern Partey, die im leztern Kalle ein neues Ya: terland ſuchen, und mit ihrem beften Blute erfaufen mufte. , Es ftanden aber nicht bloß Bürger gegen Bür« ger, fondern Stämme gegen Stämme auf, Ganze Voͤlkerſchaften wurden aus ihren Wohnſizen vertrieben, und über die ruhigen Bewohner anderer Sänder hergeroors fen, die folche bis zur Verzweifelung gebrachte Ankoͤmm- linge entweder unter fih aufnehmen und ihre Güter mit ihnen theilen, oder ihnen auch Plaz machen muften *). Gleich im erften Jahrhunderte, alfo nad) dem trojanie ſchen Kriege taufihten alle Theile von Griechenland, wenn man Arfadien und Attika ausnimmt, ihre bisherigen Be— ſizer gleichfam gegen einander aus, und diefe mit blutigen \. Eier —— — — — — — — — — — — — — — — — *) Die beruͤhmteſten Wanderungen waren, die der Bbotier aus Theffalien in das Land, welchem fe ihren Nah: men gaben, und welches vorher Kadmeis hieß: noch mehr aber, die der Herakliden in den Peloponnes, die zwanzig Sabre fpater, und achtzig Fahre nach dem tro— janifchen Kriege erfolgte. Thuc. I, 12. Die wichtig: fien Stellen über die drey Hauptſtaͤmme der Griechen, die Aeolier, Dorier und Jonier, und über die großen Wirkungen der Rückkehr der Herafliden fiehen beym . Strabo (VII, 513. 14. 587:89. IX. 654. Siche au Herod, I. 56. & 145. VII 24. und Pauf. VIL 1. der aber vom Strabo in einigen Puncten abweicht). Der Stammvater der Hellenen war, übereinffimmenden Ue— kieferungen nach, Deukalion, oder vielleicht defien Sohn Hellen, der in Pthia, in Theffalien, zwifchen dem Peneus und Aefopus herrſchte. Diefer übergab feinem alteften Sohn, dem Aeolus, feine Herrfchaft; und die übrigen jchite er aus, um ſelbſt Befizungen aufs zufuchen. Zuthus heirathete eine Tochter des Erechteus, and fein Sohn Sen gab den Derwohnern von Attifa den Nahmen der Sonier, Unter dem leztern nahm Atifa 2 a0 Erſtes Bud. Siegen und Niederlagen begleitete Verſezungen von Voͤl— fern, ſchlugen felbft den Laͤndern, Die anı wenigften lit« ten, fo tiefe Wunden, daß fie mehrere Zeugungen bin. durch biuteren und ihren Wachsthum hinderten. Uber eben diefe verheerenden Ummälzungen von Staatenhatten auch die glüctihe Wirfung, daß viele Taufende von Griechen . die nirgends unterfommen Ffonnten, ſich nach Alten wandten, und die Gruͤnder bluͤhender Städte ſowohl auf den Inſeln als auf dem feſten Lande wurden *). Kaum aber hatte das zerruͤttete Griechenland an- gefangen, fid) ein wenig zu erholen, und die verlohrnen Kräfte wieder zu famlen, als es unter das Joch von Tprannen, oder von unumfchränften Beherrfchern fiel, die meiſtens ihre Mitbürger als ihre Feinde und Eclaven, und die Güter derfelben als ihr Eigenthum und Beute ans fahen, — Attika oder Jonien ſo ſehr an Bevoͤlkerung zu, daß man Coloniſten in den Peloponnes ſchickte, welche die Gegend einnahmen, die von Pelasgern bewohnt, und Aegiale genannt wide, nachher aber den Nahmen Achaja erhielt. — Ein anderer Sohn des Hellen, Achaͤus, gieng nad) Sparta, in welchem damals ein Volk aͤoliſchen Urfprungs wohnte, melden er den Nahe men der Achder gab. Ein dritter Sohn, Dorus, vers fanılete die Barbaren um den Parnaß, und errichtete vier Städte, oder vielmehr Flecken, welche man nachher das doriſche Tetrapolis nannte. Von hier aus thaten die Herakliden mir den Doriern ihren Einfall in den Per foponnes, vertrieben die Achäer, die wiederum die os nier oder die arhenienftfhen Coloniften ausjugen. Diefe leztern kehrten hälflos in ihr Mutterland zurück, und giengen mit vielen andern Griechen nach Afien, wo fie eben fo viele Pflanzſtaͤdte anlegten, als fie,in pem alten Hegiale gehabt hasten. . *) Thuc, I, 12-18, Ueber den älteften Zuftand von Griechenland, 13 fahen, die.aber auch eben deswegen als die ſcheußlichſten Miſſethaͤter gehaßt wurden. Weil diefe Srenheitsräuber nicht ſſowohl für das Wohl der Städte, die fie ſich unter— worfen hatten, als für ihre und ihrer Familie Sicherheit forgten; ſo wagten fie Feine große rubmvolle Unter: nehmung, wodurch fie felbit aus ihren Wohnſizen härten entfernet, oder auch ihre Unterrhanen gegen fie batten bewafnet werden koͤnnen. Sie ſchwaͤchten die riechen durch eine entfräftende Ruhe; und eben dieſe Unrbärige Feit hielt das Emporfireben und die Fortgaͤnge der grie— chiſchen Staaten eben ſo ſehr, als die vorbergegange.ien wilden Befehbungen auf *). Sparta war unter allen alt. griedhifchen Staaten der einzige, ber feit den Zeiten feines großen Gefezgebers feine Freyheit unverlezt bewahrte, und aud) der erfte, der eine überwiegende Macht und Anfehen zu erhalten an⸗ fieng *). Diefe erhabene Tochter Lykurgs lud zwar eine Zeitlang durd) die harfnäcfige Befriegung, noch mehr aber durch die gänzliche Berwüftung von Meffene, den Haß des übrigen Griechenlandes auf fi) ***); allein diefer Haß . ®) Ib, 13.. 17. e To vavraxyodev 4 EAAas em FoAuV Keovov KRTEIKETO, unre nom Dosvegov ndev xadeeyalctaı, Kara Borsıs Te @ToAuoreg“ 804. 3 ) Thuc. 1. 18. sr) Siehe Pauß. IV. 521.0. Man warf ihnen Salfhheit, HGerrſchſucht, Unverföhnlichkeit und Graufamfeir in ihrer Rache vor: man Elagte fie an, daß fie unter allen Grie— den zuerſt den Sieg nicht durch Tapferkeit, fondern durch Beſtechungen zu erhalten gefücht hatten: Man fehe bei. c. 5. & 17% | 14 Erſtes Buch. | Haß verſchwand bald, und gieng in allgemeine Ehrfurcht über, als fie ihren mächtigen Arm, , den fie durch beftän- dige Uebung geftärft hatte, über ihre leidenden Schwe⸗ fiern ausſtreckte, und ‘die Haͤupter der Ungeheuer zer: ſchlug, von denen fie waren unterdrückt worden *). Sparta teinigte mit der. edelften Uneigennözigfeit nicht fange vor Dem perfifchen Einfalle das ganze dienende Grie⸗ chenland von Tyrannen, und erwarb ſich dadurch ein fo aligemeines Zufrauen, daß fie als die Schuzgoͤttiun ber griechifihen Freyheit angefehen, und beym Einfall der Perſer einmürhig zur Fuͤhrerinn der verbundenen griedji- fhen Voͤlker erwaͤhlt wurde +#), Ungeachtet aber Lake— dämon am früheften vor allen ihren Schweftern voraus lief, und ihre Sitten und Verfaffung ein halbes jahre taufend ungefränft behauptete; fo Fonnte fie doch Immer mehr die Hinberniffe von Auffiärung wegräumen, als ſelbſt unmittelbar etwas dazu beptragen. Denn eben die Geſeze Hkurgs, die alle edle Metalle, alle Werke des ausländifhen Fleißes und Luxus, und alle kuͤnſtliche Werkzeuge aus ihrem Gebiete verbannten, eben diefe machten es unmöglih, daß Künfte und Wiffenfchaften in ihrem Schooße gebohren, oder von ihr genährt und vervollkommt, andern übergeben werden Fonnten, Die Athenienſer rühmten ſich nicht nur das aͤlteſte erdgebohrne Volk in Griechenland zu fen, ſondern fie gaben fid auch für die Erfinder des Ackerbaues, und für die erften Beſizer von Myſterien aus, wodurch alle übrfe ge Voͤlker aus dem Zuftande der roheſten Wildheit, in | fefte *) Thucyh I, 1%. Herod, I, 69, #*) Thuc. J. e, Her, 1, 15% Ueber den aͤlteſten Zuftand von Griechenland. 13 fefte durch Geſeze georbnete bürgerliche Gefellfchaften waͤ⸗ ren hinüber geführt worden. So erdichtet aber, oder we: nigftens unberviefen diefe Ausfprüche waren; fo gewiß iſt es, daß die Arhenienfer unter den Griechen zuerjt und zwar nicht, lange nach dem trojanifchen Kriege Ge— ſchmeide aus Gold und koſtbare Gewaͤnder trugen *), und daß ſie auch zuerſt die Gewohnheit verließen, ſelbſt in Friedenszeiten ſtets bewaſnet zu ſeyn. Dieſe fruͤhere Verfeinerung und Milderung ihrer Sitten hatten ſie we— der ihrem vorzuͤglichen Handel, noch ihrer vortreflichen Staatsverfaffung, noch endlich ihrem beſondern Fleiße und Muthe, ſondern der Unfruchtbarkeit ihres Landes zu danken, das für Krieger, die ſich neue Size mit dem Schwerte erfechten mußten, gar nichts einladendes hatte, Sie blieben, während daß die übrigen Völker Griechen landes entweder zertreten oder zerftveut wurden, in einer ungeflörten nährenden Nude, und mit andern Stämmen unvermiſcht **). Sie rückten zwar durch mehrere Wer: wandlungen von Regierungsformen , die fie durchgiengen, immer mehr und mehr der alles belebenden Freyheit ent« ‚gegen *"*); allein fie wurden doch auch bis auf die Zei- ten des Solon von den Haͤuptern der Ariftofratie ſo gratis fam gemishandelt, daß fie vor Armuth und Schwäche | nichts *) Thus. 1. 6, “*) Thucyd.1, 2.6. _ j "RR, Atrika wurde det gewöhnlihen Rechnung nach 1016 Jahre von fiebenzehn Koͤnigen und dreyzehn beftändigen Acchonten beherriiht. (Meurf, de reg, Ath. IM, 16.) Auf diefe folgten im erſten Jahre der fiebenten Olym: piade zehnjaͤhrige Archonten: und endlich zwey und ſie⸗ benzig Jahre ſpaͤter (Ol. 24. 1.) ſolche, die alle Jahre abwechfelien. (de Arch, e. 4. 9.) 16 Erſtes Buch. nichts großes entwerfen und ausfuͤhren konnten, und in einem Zeitraum von ſechs Jahrhunderten nicht einen ein— zigen merkwuͤrdigen Krieg führten, denjenigen ausgenom— men, in welchem Kodrus fill. Themiſtokles war der erfte Schöpfer ihrer Sciffart und Handlung, in wel—⸗ chen beyden fie noch Furz vor den perſiſchen Kriegen von den Bewohnern der Fleinen Inſel Yegina übertroffen wur. den. Unter folcyen Umftänden alfo ftanden in dem dürf: tigen und bedrängten Athen, ſowohl als im Friegerifchen Sparta der Entſtehung und Ausbildung von Künften und Wiffenfchaften unüberwindliche Hinderniffe entgegen. Bon Feiner Stadt in Griechenland ließ es ſich fo fehr, als von Korinth erwarten, daß fie die Aufflärerinn‘ der übrigen Voͤlker hätte werden müffen. Sie war zwar eine der jüngern Städfe, und zu den trojaniſchen Men noch von den Königen in Mykene abhängig, allein fie wurde in den drey folgenden Jahrhunderten fo biühend, daß fie vom Homer den Beynahmen der Reichen erhielt*), Durch ihre vortheilhafte Sage wurde fie nicht nur der Mittelpunct des Handels, welchen die Griechen in und außer dem Peloponnes miteinander führten, fondern aud) eines beträchtlichen Theils des afiatifchen Handels , der durch ihre Häfen nad) den weſtlichen und nordlichen Ge: genden Europens getrieben wurde, Die Korinthier fol- fen ferner im erften Jahre der neunzehnten Olympiade, die erften großen bewafneren Schiffe, in welchen drey Reihen von Nuderbänfen über einander errichtet waren, erbaut **), und vierzig Jahre fpäter den von ihnen ge: grun⸗ — —ñ —e, — — —— — * Man fehe Strabo VIII. seo. 581. *#) Thuc. J. 1.3. Weber den älteften Zuftand von Griechenland, 17 gründeten Korkyreern die erfte Seeſchlacht geliefert Haben, In diefer Stadt fchien ſich alfo alles zu vereinigen, was das fehlummernde Genie erweden, und große Gedan. fen und Erfindungen veranlaffen Fonnte, Allein wenn man die fabelhafte Erfindung der Mablerey, oder vielmehr Zeichenfunft*), ausnimmt; fo ift Feine einzige Kunft, vielmeniger Wiffenfchaft, in diefer Mutter der alt- grie- chiſchen Handelsftädte entftanden, fondern fie find ihr alle von Afien aus in einem nicht geringen Grabe von Vollkommenheit überliefert worden, Strabo **) jagt daher auch nicht, daß Mahlerey, Piaftif, und andere Künfte in Korinth entdeckt, fondern nur, daß fie in diefer Stadt und in Sikyon erweitert worden, und nachher in ihnen immer geblüht hätten. Diefe Unfruchtbarkeit des Gei« ftes der Korinthier ift allerdings eine eben fo räthfelhafte als merkwürdige Erfcheinung ; allein fie kommt mir doc) immer weniger ſchwer zu erflären vor, als eine andere, daß ſich nämlich unter ihnen, felbft in den Zeiten der Freyheit, niemals große Redner ausgebildet haben, oder dau⸗ ) Plin, XXXV. 3. De picturae initiis incerta, nee infi- tuti operis quaeſtio et! — -Graeci autem alü Sieyone, alii apud Corinthios reportam: omınes umbra hominis lineis eircumdudtis &c, — Inventam linearem dicunt a Philoele Aegyptio, vel Cleanthe Corinthio., Primi exereuere Ardices Corinthius, & Telephanes Sieyonius, fine ullo etiamnum colore: — Primus invenit eas colorare — Cleophanthus Corin- thius &c. - ®*) Strabo VIII. 586. uarısz yae nos evraudes na ev Zirvavı nv&nIn yerDiunts naı TARSIN , KR TTACH n TARUTE ONMIBEYIR. B 13. Erſtes Bud, daurende Schufen von Weltweifen errichtet worden. — Wenn man die Gründe aufſucht, warum die Beherrſche⸗ rinn zweyer Meere, und die einzige Beſizerinn des grie⸗ chiſchen Handels, in welchem fie in Europa lange gar feine Nebenbuhlerinn hatte, dennoch Künfte und wife fchaftliche Kenntniſſe nicht felbft erfunden, fondern von den viel jüngern afiatifchen Städten, unter denen eine jede die Vortheile des Handels mit vielen andern theilen mußte, empfangan babe; fo ift es leicht, aufden Gedanken zu fommen, daß vielleicht eine harte Regie⸗ rung die glücklichen Wirkungen des Handels und des Daraus entftehenden Wohlftandes zurück gehalten Habe. Bey einer genauern Prüfung aber findet man bald, daß diefe Vermuthung ganz unhaltbar fey, denn erftlich muß es einem jeden beyfallen, daß eine Staatsverfaffung, wel⸗ che die Entftehung von Künften gehindert hätte, gewiß auch Handel und Schiffart würde gehindert oder zernich« tet haben. Ferner lehrt die Gefchichte, daß Korinth *) nad) der Ruͤckkehr der Herakliden ohngefähr viertehalb hundert Jahre von einer Dynaftie von Königen regiert wurde, die fehr milde herrſchten, und wie in allen übris gen alt= griechifchen Staaten fehr eingefchränft, und mehr . Heerführer, Richter und weile Nathgeber, als unum- fchränfte Despoten waren. Diefe Familie war die der Bafchiaden, welche von den Bezwingern des Peloponnes eingefegt worden war, und von dem vierten Könige ihree Stammes den Nahmen empfing. In der Folge hörte zwar die Fönigliche Würde in dieſem Gefchlechteauf; al. lein das leztere behielt Doch immer die hoͤchſte Gewalt, unt *) 11, Diod, 635, Kae, Ueber den älteften Zuftand von Griechenland, 19 und wählte aus ihrem Mittel jährliche Prytanen, welche die Stelle des Königs vertraten, und an der Spige der übrigen Bakchiaden die öffentlichen Angelegenheiten bes fergten. Die Regierung diefer Prytanen, die neungig Sabre dauerte, muß fehr fanft geweſen ſeyn, weil die Korinthier und übrigen Griedzen Die Derrfchaft der Kyp- feliden, welche die Bakchiaden verjagten, in Verglei— chung mit dem Ariſtokratiſchen Regimente der leztern als harte Tyranney verabſcheueten. Selbſt dieſe Kypſeliden, die ſich ohngefaͤhr vier und ſiebenzig Jahre auf dem Throne erhielten*), waren, gleich den Piſiſtratiden in Athen, oder den erſten Koͤnigen in Syrakus und Agrigent, nicht ſowohl Bedruͤcker als Wohlthaͤter des Volks, das ſie nad) ihrem Willen leiteten. Wenn fie aber auch um ih ver eigenen Sicherheit willen einige der ihnen angedichte- ten Sewaltthätigfeiten wirklich verübt hätten; fo würde man fie deßwegen nicht für Feinde und Zerſtoͤhrer von Künften und Wiffenfitaften Halten Finnen, Vielmehr muß man aus dem Chrennahmen des Weifen, den Periander erhielt, und aus einer Stelle des Ariftoteles**) fchließen, daß fie Gönner und Belohner von Künftlern und Dichten waren, und das fie ihre Schäge dazu an- — große Werke zu errichten, bie ihren Ruhm Da und ®) Bon Olymp, 39. bie 49. I. Arift, V. 12. de Civik, “*) de Civ. V. sı. Kos 79 Teure Tosıy TES REXOMEVES, TURAVyImoV. — Iloexderyuc de TETB Te Ilveopides er Wepr AsyuRrov, no Tor avayınara ray Kurperidav, um rs OAup- mis n emodoungis umo ray Ileısıssarıdor, ac Toy Tegı Zobov ELYR TFONURERTEIL. oo Erfted Bud. und Größe der Nachwelt verfündigen fönnten, — Sollte es fic) endlich auch beweiſen laſſen (mas man gewiß nies mals wird darthun koͤnnen) daß die drey Kypſeliden Künfte und Künftler eben fo fehr verfolge, als fie nad) den übertriebenen Schilderungen der griechifchen Tyrans nenhaffer ihre Mitbürger gemißhandelt und beraubt ha⸗ ben; fo würde man zwar den Grund angeben Fönnen, warum unter folchen Würerichen die Kuͤnſte zugleich mit der Freyheit entweder entflohen oder geftorben feyn; aber man mürde nod nicht die Frage beantwortet haben, warum fie nicht vor diefen Zeiten der‘ Unterdrückung, in dem noch ungeſchwaͤchten Korinth entftanden feyen? Die Herrſchaft der Kypfeliden fälle viele Fahre hinter die bluͤ⸗ benden Zeiten der Schiffart und des Handels der Korin« thier, und viel fpäter, als diefe zuerft in Griechenland Kriegsfchiffe erbauten, und der mächtigften unter ihren Pflanzftäbten -ein Seetreffen lieferten. Da num die Michteneftehung der Künfte in Korinth bey dem voraus⸗ gefezten großen Wohlftande diefer Stadt, weder in der Grundverfaffung derfelben, noch in irgend einem andern gedenfbaren Hinderniffe gefuche werden kann; fo muß man nothmendig annehmen, daß ihre Handlung und Schiffart nicht fo alt, und ihr Reichthum nicht fo groß geroefen fen, als einige fpätere Schriftfteller geglaubt, oder einige Ausleger aus ihren unbeftimmten Zeugniffen ges fchloffen Haben. Ich gebe gerne zu, daß Korineh zu Homers Zeiten, der ohngefähr hundert Fahre vor dem Anfange der Olympiade iebte, in Vergleichung mit den übrigen Städten des alten Griechenlandes reich genannt werden Fonnte; allein wenn fie fo mächtig geweſen wäre, als fie fechs Menfchenalter nachher wurde, fo würde fie ) wahr⸗ Weber den älteften Zuftand von Griechenland. 21 wahrfeheinfich, gleich den afiatifchen Griechen Factoreyen und Pflanzörter in Aegypten, an der Küfte von Afien und am ſchwatzen Meere angelegt, oder auch felbft nach Ita— lien und in die Inſeln, die zwifchen Sicilien und Grie- chenland liegen, ihre Kolonien früher hingeſchickt haben, Unter den leztern war Feiner vor der zehnten Olympiade gegründet, und fie machten zufammengenommen kaum ‚den zwanzigften Thell von denen aus, welche Milet allein ausgefandt hatte, Die Korinthier wagten auch nie fo weite Neifen, als wir gewiß wiffen, daß die afiatifchen Griechen nach den Phöniciern und Karthaginienfern uns ternommen haben; ja fie waren nicht einmal die erftern Erfinder der Silbermünze, die ohngefähr vierzig Jahre vor dem Anfange der Dlympiaden von einem Argiver Phidon auf der Inſel Drigina zuerft gefchlagen ſeyn foll *). Wie unbedeutend der Reichthum und Handel von Kos rinth, und wie groß zugleich die Armuth des übrigen Griechenlandes, bis an die fünf und fiebenzigfte Olym- piade gewefen ſey, erhellt aus folgenden Nachrichten und Erzählungen der bemwährteften Gefchichtfchreiber **). Vor der Regierung des Iydifchen Königs Gyges fanden ſich in Delphi weder filberne noch goldene Schäge; fondern alle Gefchenfe, die man bis dahin dem Apoll geheiligt hatte, waren von Erz, und beftanden nicht einmal in Statüen, 33 fon« %) Heyne Comment, fec. de Caftoris Epochis Tom, II, p · 49. Goguet vermuthete, aber ohne allen Grund, dag man zwar früher filberne Münzen gekannt hätte, daß aber Phidon ihnen zuerft eine bequeme Form gege: ben habe, und defmwegen für den Erfinder derfelben in Griechenland gehalten worden fey. _ **) "Theopomp, ap, Athenaeum VI, 4. p. 231,32. Her, 1,69, 22 Erſtes Bud, fondern in Dreyfüßen. Gyges, Kröfus und bie fieilias nifchen Könige Gelo und Hiero, waren die erften, die den Tempel zu Delphi mit goldenen und filbernen Kunfts werfen ſchmuͤckten. Noch zu den Zeiten des lezten Indie ſchen Königes war Griechenland fo leer an edlen Metal: len, daß die Spartaner, die den Xpoll zu Amyklaͤ über ‚ golden wollten, nicht fo viel Gold, als dazu erfordert wurde, in ben reichften griechifchen Staͤdten auftreiben Fonnten, fondern gezwungen wurden nach Sardes zu ſchi⸗ den und es einzuhandeln *), Viele Olympiaden nachher war der große König von Syrafus, Hiero, lange in Berlegenheit, wo er das Gold befommen möchte, aus welchem er eine Gieges« göttinn und einen Dreyfuß, die er nad) Delphi ſchicken wollte, verfertigen laſſen Fönnte, bis er es endlich in. Ko⸗ tinth bey einem einzigen reichen Manne fand, ver aber auf diefen Schaz viele Jahre gefamlee, und ihn bey Fleinen Summen zufammengefauft hatte. — Die Folge rungen, die aus diefen Factis fließen, find fo auffallend, und drangen fic) einem jeden fo ganz von felbft und ohne alle Anftrengung auf, daß ich nicht nöchig zu haben glaube, meine Leſer aufmerffam darauf zu machen, wie dürftig das ganze Griechenland, und fetbft das wegen fete nes Reichthums und Handels fo fehr berühmte Korinth: war, da es den Spartanern gar nicht, und dem Hiero nur mit der aͤußerſten Mühe einige Pfund Goldes ver. hoffen Eonnten: und mie wenig es zu verwundern fey, daß @) Herodot erzähle die Sache mit einigen andern Um—⸗ ftanden, als Theopomp. In den Hauptfactis aber fiimmen beyde zuſammen. Weber den alteften Zuffand von Griechenland. 23 daß Kuͤnſte und Wiffenfchaften, die Immer nur Töchter, ober unzertrennliche Gefährtinnen des Ueberfluffes und ber Pracht ſind, fich in Feinem der alt -griechifd;en Staa« ten bis auf die funfzigfte, oder gar bis auf die fiebenzigfie Olympiade gezeige haben *). — Erft nachdem die Griechen die Perfer bey Mararhon und Plataͤa, und die Rarthaginienfer In Sicilien überwunden, nachdem die Phofenfer den Apoll zu Delphi, und Alerans der und feine Nachfolger die reichen Bölfer in Afien und Africa geplündert Hatten, erft-denn wurden Gold und Sil⸗ ber in Griechenland gemein, und dieſe merkwürdigen Begebenheiten brachten auch außerordentliche Wirkungen hervor, von. denen. ic) zu ihrer Zeit. umftändlicher reden werde. So natuͤrlich es einem jeden nad ben angeführten Gründen feheinen muß, daß im alten Griechenlande we⸗ ber Künfte noch Wiffenfchaften vor den oben angegebes nen Zeitpuncten entftanden; eben fonatürlich war es, daß fie von den afiatifchen Griechen früher- erfunden und ver— vollfommt wurden: die zweyte michtige Unterfuchung, zu ber ich jego fortgebe!: Die afiatifchen Griechen theiften ſich in eben ſo viele Staͤmme als die Europäifhen ab, und waren alfo entweder aus äslifhen oder joniſchen oder doriſchen Städten entfprungen. Unter diefen Famen die Xeolier, die von TIheffalien ausgegangen waren, am früheften in Afien an **), beſezten zuerft Die den Hellespont begraͤn⸗ B4 jenden *) Siehe die Wweyte Beylag⸗ om Enderdes. A Abfnitts. RR e*) Man fehe Strabo XII. 872. 73. Her. l.ıqgı:45. Die i Aeolier brachen vier Menfchenalter vor den Joniern auf, kamen aber erft unten dem. dritten. Führer, und - zur 24 Erſtes Buch), zenden Sänber, und zogen fich nachher tiefer in diejenigen Gegenden herunter, die von ihnen den Nahmen Xeolis empfingen, Sie erbauten auf dem feften Sande zwölf Städte *), melde man die alten in Vergleichung mit denen nannfe, die nachher auf Tenedos und Lesbos er⸗ richtet wurden **), Nicht zur Zeit der Ruͤckkehr der Herakliden in Aſien an. — Ueber die aͤlteſten Wanderungen der Griechen ſind die beſten Schriftſteller mit einander nicht einig. Thukydides ſagt ohne Einſchraͤnkung, daß alle Pflanzſtaͤdte der Grie— chen in Aſien erſt nach dem trojaniſchen Kriege gegrüns det worden wären. (1. 12.) Strabo hingegen nennt meh: rere Inſeln und Derter, ſelbſt in Pampphilien und Ci⸗ licien, die von Argivern oder auch von den Herafliden vor den trojanifchen Zeiten befezt worden. (Man fehe „VII 858. 59. XIV. 483.990. 992.) Das lejtere be: Hauptet er ausdrücklich von Kos und Halikarnaß. Pau: fanias endlich CVIL. 2.) giebt den Zug der Jonier nach Aften für den älteften unter allen aus: zween ausge: nommen, in deren’eriterm Solaus, ein Bruder Sohn ‚des Herkules, die Thespienfer und Athenienfer nach Sardinien geführte, und in deren zweytem Theras von Theben die Lakedaͤmonier und Minyer, welche Pelasgus aus Lemnos vertrieben hatte, nach der Inſel Kallifthe gebracht, die nachher den Nahmen Thera erhalten habe. — Unftreitig aber find mehrere Städte in Lyeien, Pamphilien und Eilicien glei nad) den trojaniſchen Zeiten von Griechen erbaut worden, die vor Troja ge: fochten hatten, und an die eben genannten Küften von Afien verfchlagen wurden, Man fehe Strab. XIV 984. #) Her. 1149-151, Diefe Stadte waren Kuͤma, Lariffä, Neon Teihos, Tenos, Killa, Notion, Aigiroeßa, Pis tana, Kara, Morina, Grynia, Smyrna, welche fezrere ihnen aber aboenommen wurde, u*) Lesbos allein hatte funf Stadre. Diefe wurden die jüns gern genannt, weil die Aeolier vom feften Lande an die Inſeln, und nich: von »en Inſeln aufs fefte Lande ges gangen waren. Her, ib- Weber ben älteften Zuftand von Griechenland. 25 Nicht lange nach der Niederlaffung der A:olier in Alien, gingen Neleus und andere Söhne des Kodruß, bie ſich wegen der Erbfolge nicht vereinigen Fonnten *), mit den Joniern, welche Die Achaͤer verjagt hatten, und einem großen Haufen von Ebentheurern aus allen uͤbri— gen Gegenden von Griechenland nach Afien, wo fie eis nen anfehnlihen Strich Landes wegnahmen, und zwölf Städte entweder mit Gewalt eroberten, oder auch, von neuem errichteten. **). Sie erfchlugen die Einwohner, die fie vorfanden, ein Gemifche von Hdiern, Kretern, Pelasgern, Selegern und Kariern, und theilten nicht nur ihre Befizungen, fondern aud) ihre Weiber und Töchter als Beute unter fie aus ***). 35 Bald =) Man fehe Pauf. VII, 1-3, Strab, XIV, 938. ®®) Her. 1. 145. & Script. mod, cit. Herodot glaubt, fie hätten zwolf Städte errichtet, oder befezt, weil die Jos nier vormals in Peloponnes eben fo viele inne gehabt hätten. Von den zwolf Städten der jonifchen Griechen lagen dren, namlich Miler, die mitternächtlichfte unter allen, Mius und Priene in Karien: ſechs in Lydien: * Epheſus, Kolophon, Lebedus, Teos, Klazo— ene und Phokaͤa, zu denen Herodot noch Erythra auf der von Lydien herauslaufenden Halbinſel, und die bey— den gegen über liegenden ſchͤnen Eulande, Chios und Samos, rechnet. Zu diefen zwolf urſpruͤnglich jonijchen Städten Fam in der Folge noh Smyrna Hinzu, wel: des die Kolophonier eroberten, und mit Joniern befezten. _ | R “es, Man fehe Herodot, Strabo und Paufanias an den an: geführten Orten. Der erftere merkt noch an, daß die kari— ſchen Weiber fich duch einen Eid verpflichteten, nie— mals mit den Männern, die ſich ihnen aufgedrungen hätten, zu fpeifen, oder fie. bey ihrem Nahmen zu rufen, 26 Erſtes Bud. Bald nad) biefer glücklichen Unternehmung der jo⸗ nifchen Griechen, machten fid) die Dorifchen aus dem Pes loponnes gleichfalls auf Y. ie bemädjtigten ſich der ſchoͤnen Inſel Kos und Rhodus **), und gingen bare auf ins fefte Sand über, wo fie Lyndus und Halifarnaß anlegten, Alte diefe griechifchen Pflanzſtaͤdte führten unter ſich eben die Regierungsform ein, die zur Zeit ihrer Grüns dung im ganzen Mutterlande allgemein war. Sie waͤhl⸗ sen nämlich aus den Geſchlechtern ihrer Führer entweder einen, oder wenn diefer Fuͤhrer und ihrer Familien meh» rere waren, ‚mehrere Könige ***), die aber nichts weni« ger rufen, und daß diefer Schwur der Mutter noch von den fpätern Toͤchtern zu feiner Zeit gehalten worden fen. ®) XIV. Strab. 965. #*) Der dorifchen Städte waren eigentlich fechs: drey auf Rhodus, Lyndus, Salybus und Kamirus: eine auf Kos, die mit diefer Snfel gleihen Nahmen hatte: und endlich Knidus und Halifarnaß, welche keztere fie aber von ihren gemeinfchaftlichen Feften und Zufammenfünf: ten ausgeſchloſſen, weil fie einen uralten gettesdienftlis chen Gebrauch verfezt hatte. Herod. I, 144. #%®) Herod. 1.147. Pauf. VIE 1:3. der die erften Stifter der joniſchen Städte, und die Familien, aus welchen nachher Könige gewählt wurden, faft alle nennt. Ferner Strabo XIV. 938 und Vell. Paterc. I. 1:9. Die Famis tie des Androklus, des Gründers von Ephefus, und eines rechtmäßigen Sohns des Kodrus genoß nod) fans ge nachher, da die koͤnigliche Gewalt abgefchaft war, außerordentlihe Ehrenbezeugungen vor ihren übrigen Mitbürgern. Alle Perfonen aus diefem Gefchlechte hatten bey öffentlihen Zufammenfünften den Vorſiz: ferner das Recht, Purpur und einen Königsftab zu tra⸗ — Ueber den älteften Zuſtand von Griechenland.’ 27 ger als unumfchränft, und wie in den Heldenzeiten übers haupt nur die erften Feldherren, Richter und Opferpries fter ihres Volks waren *). Ungeachtet ferner alle Gries den, die aus demfelben Stamme entiprungen woren, gemeinfchaftliche Götter, Tempel, Feſte, Opfer und gewiffe Derter hatten **), an denen fie ſich zu gemufen Zeiten verfamleten; fo machten Doch weder die joniſchen noch dorifchen noch aͤoliſchen Etädte jemals, wie die Ras tier und &ncier thaten, einen Bund aus, Durch) welchen fie in einen einzigen mäcrtigen Staafsförper mären ver— einige worden. Sie wählten aud) niemals Verfamlungs- pläge, an melden fie entweder beftändige Abgeordnete aus allen Städten unterhalten, oder wohin fie wenig— ftens zu gewiffen Zeiten Abgefandten geſchickt hätten, um ſich über Angelegenheiten des ganzen Bundes zu berath« ſchlagen. Von den äftelten Zeiten an führten daher Städte, die gleichen Urfprungs waren, mit einander Krieg, ohne daß ihre übrigen Schweftern folche Streitige Feiten zu fchlichten geſucht, oder die Fämpfenden Par- theyen — — — —⸗ tragen, und beſaßen endlich das ausſchließende Prie— ſterthum der eleuſiniſchen Ceres. — Sehr unrecht alſo ſagte Goguet (P. III. p. 411.) daß die joniſchen Städte in Aſien eine republicaniſche Staatsverfaffung angenom⸗ men haͤtten, weil ein ſolches Regiment zur Zeit ihrer Erbauung im eigentlichen Griechenlande allgemein ge— worden ſey. Dieſer vortrefliche Gelehrte macht hier ei⸗ nen Anachronism von wenigſtens fuͤnfhundert Jahren. ®) Ariftoreles ſchildert ſie fo: UL de Civ. ı0, Kuoros de noav rs TE KAT ToNepov Hyemovioes, xo Tov FUCImv, 0704 un begaTikı. Koa Trgos : -FETOS, TS DRS EREWoV.- *) Her, I, 144,248, 28 Erſtes Buch. theyen ihre Waffen niederzulegen gezwungen ‚hätten, Eben fo wenig kam man einzelnen Städten, wenn fie von Barbaren überfallen wurden, zu Hülfe, um einen gemeinfchaftlihen Feind mit gemeinfchaftlichen Kräften zuruͤckzuſchlagen. Wenn endlid) aud) der größte Theil von Städten, die zu einerfey Nahmen gehörten, in eins zelnen Fallen gemeinfchaftliche Entſchließungen faßte; fo fonnte doch) eine oder einige fich ganz abfondern, ohne fih der geringften Untreue oder Verraͤtherey ſchuldig zu machen *). Diefe ältefte Verfaffung der griechifchen Städte wurde, ungewiß in meichen Zeitältern, wahrſcheinlich aber zwifchen dem Zeitalter des Homer, und dem An» fange der Olympiaden nicht wenig verändert, Die fö- nigliche Gewalt wurde abgefhaft, und es entftanden allenthalben Ariftofratien **), die bald wiederum enfwes der in Despotien, oder aud) in eine nod) härtere Dligar- chie übergingen ***). Durch die leztere vorzüglich) wur⸗ den alle afiatifc). griechifche Städte genoͤthigt, fich ſelbſt unumfchränfte Herren unter dem Nahmen der Aeſymne⸗ ten zu wählen, und diefen entweder auf Zeitlebens, oder aud) auf gewiffe “jahre die hoͤchſte Gewalt zu übergeben, Diefe — *) Diefe Säze werden durch mehrere Facta, die ich in der Folge anführen werde, beftätige. Man fehe unterdeffen De l Etat & du fort des Colonies &e, p. 228. 29. “*) Dergleichen waren in Kolophon. Arift, deCiv. IV, 4. in Ephefus: Strab. I. c. in Phokaͤa, deren verjagte Ein- wohner fie, wie befannt ift, in Marfeille wieder er» neuerten. ss, Dies wiffen wir aus dem Benfpiele von Mile, und dem Zeugniffe des Ariftoteles. Strabo XI, 917, 18. Arift, de Civ, III. Is " y er — Ueber den aͤlteſten Zuſtand von Griechenland.-29 Diefe Aeſymneten nennt Ariftoteles Wahldesporen, und er unterfcheidet fie von Tyrannen nicht durch eine befchränf: tere Macht, fondern allein dadurch, daß jene nicht mit miberrechtlicher Gewalt, fondern gefegmäßig und mit dem guten Willen ihrer Mirbürger, die ſich ihnen unterwor. fen hatten, berrfchten, und daß fie fich ſelbſt durch den bewafneten Arm ihrer Unterthanen, nicht aber nach Art der Tyrannen, durch Wachen und Rotten von Ausländern zu ſchuͤzen fuchten*). Solche Aeſymneten fcheinen im Zeite * alter der fieben Weifen in allen großen Städten regiert zu haben; menigftens trug Pittafus und wahrſcheinlich auch Kleobulus **) diefen Nahmen; und eben dieſe Maͤn⸗ . ner gaben allem Vermuthen nac) den meiften Städten ihre vorige Negierungsform, eine gemäßigte Ariftofratie, wieder, Unter der fanften Regierung nun, deren die gries chiſchen Kolonien in den erften Jahrhunderten nad) ihrer Gründung in Afien genoffen, und deren mohlthä- tige Einflüffe weder durch innere Unruhen, noch durch auswärtige Kriege geflört wurden, nahmen Bevölkerung und Wohlftand in unglaublich ſchnell fleigenden Graden zu. Nicht aber bloß Freyheit und Ruhe, fondern auch die größere Fruchtbarkeit des Bodens, den fie bebauten, und die Schönheit und Milde des Himmels, unter wel- chem fie wohnten, und mit welchem Herodot Fein ande» res Klima auf der ihm befannten Erde zu vergleichen wuſte ***), am meiften aber ihre glückliche Sage, waren die *) Arift, III. 10. II. PR ®*) Canviv, Sap, inter Opp. Plut, Ed. Reifkii T. VI. p. 563. aeẽ) Her. 1,142: 149. Die Xeolier hatten ein fruchtbareres Erd⸗ reich, als die Sonier, aber ein weniger ſchoͤnes Klima. ae Erftes Buch. die Urfah a, daß fie bald die Staaten bes enropäifchen Griechenlandes fehr weit hinter fi) ließen. Haft alle griechifche Städte, ſowohl auf dem feſten Sande Aſiens, als auf den Inſeln, waren unmittelbar an der Eee er baue, und haften die ficherften und geräumigften Häfen vor, und die reichften blühendfien Sander, Indien, Phry⸗ gien und Kappadocien, hinter fich*). Won diefen erhiel- ten die jonifchen, doriſchen und äolifchen Griechen nicht nur mehrere Handwerker, PMianufacruren und die Anz fänge verfchiedener Künfte, die ihren europäifchen Bruͤ⸗ dern unbefannt waren, und ihnen felbft unter andern Um: fiänden nod) fange unbekannt geblieben wären, fondern fie wurden auch, weil fie das ganze Gejtade des Meers, die Mündungen der Ströme, und alle übrige Aus- und Eingänge befezt haften, Die einzigen ausfchließenden Ab» nehmer der natürlichen und fünftlichen Producte diefer $änder , und die einzigen Zuführer aller Waaren, die diefe brauchten, und denen fie nach ihrem Belieben Preife fezen Fonnten. Eine faft nothwendige Folge alter diefer Vortheile war der Eifer, mit welchem die griechifchen Pflanzſtaͤdte ſich gleich nach ihrer Entſtehung auf Handel und Schif⸗ fart legten. Man kann zwar die Geſchichte von beyden nicht mehr vollſtaͤndig beſchreiben, noch auch genau die Stuffen anzeigen, die fie in einer jeden Stadt erreicht haben; aber fo viel laͤßt ſich im Allgemeinen fagen, daß die Jonier, deren tage allerdings günftiger, als die der übrigen afiatıfchen Griechen war **), früher und weiter In gereift *) ©. unten die dritte Seylage. xi) Es laßt ſich kein anderer Geund als Mangel einer vors theilhaften Lage angeben, warum die Griechen, die — — — — Weber den älteften Zuftand von Griechenland. 31 gefchife und gehandelt haben, als die Dorier oder Aeo⸗ lier ), und daß unter den Jonlern ſich wiederum die ewohner von Miler, Kolophon, Samos und Phokaͤa vor allen übrigen durd ihre Thaͤtigkeit und ihren Fühe nen unternehmenden Geift ausgezeichnet Haben. Die Milefier erbauten an den Küften des mittelländifchen und ſchwarzen Meers fünf und fiebensig, ober gar achtzig Pflanzftädte **), und fie waren es auch vorzüglich, bie, wo nicht früher, doch unter dem Pſammetichus **) feften Fuß — — — ſich in Lyeien, Pamphilien und Cilicien niedergelaſſen hatten, niemals zu einer ſo ausgebreiteten Handlung, und bis auf die Zeiten der Roͤmer auch nicht zu einer ſolchen Cultur gelangt find, als ihre Brüder erreichten, die fih in Karien und Lydien gefeze hatten, Die er: ftern waren mit lauter armen und räuberiichen Völkern umgeben, mit denen fie öfter Eriegen mußten, als fie mit ihnen handeln fonnten. ®) Unter den dorifchen Griechen thaten ſich die Nhodier, und unter den Aolifchen die Bewohner von Lesbos, bes fonders von Mitylene am meiften hervor. CVergl. Heyne Comment. de Caft. Epochis p, 42 & 58.) Al fein beyder_ihre Schiffart und Reichthuͤmer waren doch viel geringer, als der Handel und Wohlſtand der gror gen jonifhen Städte, Die Stade Nhodus, die lange nad) dem Zeitalter der fieben Weiſen erbaut wurde; XIV, 965, Strab.) hatte erft das Slüf, der Hauptſiz der griehifhen Handlung, Weltweisheit und Beredt⸗ famfeit zu werden, als Athen und die afiatifchen Städte den größten Theii ihres ehemaligen Glanzes verlohren hatten. Hievon werde ich zu ſeiner Zeit umſtaͤndlicher reden. er) Das erſte ſagt Fenee. ad Helviam I, 6.; das andere Plinius V, 29. “) Fruͤher als die Regierung des Pfammetichus kann man eine daurende Bekanntſchaft der afiatifchen Sriechen mit den 32 Erſtes Buch. Fuß in Aegypten faßten, die ferner den übrigen aſiati⸗ ſchen Griechen den Eingang in dieſes fand öfneten, und unter dem eben genannten Könige ſowohl als unter dem Amafis die einzige Handelsjtadt Aeghptens, und viele . ‚andere Factoreyen errichteten *). Kolophon wurde nod) vor dem Gyges, der im erſten Jahre ver fünf und mans zigften Olympiade ftarb, fo rei, Daß die begüterten Bürger den bey weitem größern Theil ihrer Einwohner ausmachten**). Die Samier ſchiften zuerft nad) Spas nien, und diefen abmten bald die Phofäer nach, von welchen leztern Herodot noch fagt, daß fie unfer den Gries chen zuerft lange, ober geräumige zu weiten Seereifen geſchickte Kauffarthenfihiffe gebaut hätten ***), So natuͤrlich es war, daß die vortheilhafte Lage der ariechifch - afiatifehen,, befonders der jonifchen Staͤdte, Handlung und Schiffart veranlaßten; eben fo natürlich folgten auf beyde Vermehrung von Reichthuͤmern und Kräften, und Erfindung oder Vervollkommung non Handwerfern, Manufacturen, Künften und Wiſſen⸗ ſchaften. Die Macht und Tapferkeit von Milet und Kolo⸗ den Aegyptiern wohl nicht anſezen. Die Jonier und Karier, die dem Pſammetichus nachher ſo große Dienſte ſeiſteten, und fo Eoniglih von ihm belohnt wurden, ftiegen nicht vorfezlih, fondern durch Noch gezwungen, ans aͤgyptiſche Ufer aus; ſie raubten und pluͤnderten hier, wie anderswo, und waren, wie aus der Erzaͤh⸗ lung des Herodots erhellt, den Argyptiern eine gam neue Erſcheinung. #) 152:54:173. 11. *) Arift. de Civ.1IV. 4. 40%) Her. IV. 1523. Man fehe Heynii Comment, fee, deCaft, Epochis p. 61. it, Her, I, 163, Weber den älteften Zuftand von Griechenland. 33 Kolophon waren fo groß, daß fie zu Sprüchwörtern An⸗ laß gaben *), die noch lange nach der Zerftöhrung oder dem Verfall beyder Srädte fortdauerten. Die Mitefier behaupteten ihre Freyheit und Unabhängigfeit während 'eines Zeitraums von anderfhalb Jahrhunderten gegen die Angriffe der mächtigften lydiſchen Könige; und unges achtet **) oft viele Jahre hinter einander ihre Felder ver« wuͤſtet, ihre Fruchtbaͤume abgehauen, und ihre Heerden weggetrieben wurden , fo blieben fie doch unbezmingbar, weil ihre Stadt die Königinn des Meers war, und durch ihren Handel fich leicht alles Nothwendige verfchaffte, und allen Schaden wieder erfezte, Kolophon entriß den Aeoliern das ſchoͤne Smyrna, und wehrte ſich eine Zeit⸗ lang gegen den lydiſchen Gyges; allein ſie unterlag end⸗ lich, wie Smyrna und Priene dieſem Könige oder feis nem zweyten Nachfolger, von welcher Zerftöhrung or eben diefe Städte, Smyrna ausgenommen **), ſich bald müffen erhohlt haben, Kroͤſus war der erfte, der die afiatifchen Griechen alle überwältigte +), und das "ganze Vorderafien bis an den Halys beherrfihte tt)» Bon *) Man fehe über die Milefier Athen, XI. 523. Ariftoph, Plut. 1002, . xuAaıı or oov Akımor MuAMEIOH, und über die Kolophonier XIV. 953. Sırab. Die Reue teren der Kolophonier war ſo beruͤhmt und tapfer , daß fie allenthalben, wo fie ſich zeigte, den Sieg entfchied O 8 (jest Strabo hinzu) za vv OLEOIAINOLV cudo⸗ — Tyy Aeyssay, Tov Roxuuαα eweßurev, orov Teros emıreIn Beldaiıov ro menynarı, * SET, 14, 19. ) Smopena blieb nach ber Zerftorung durch die Lydier * hundert Jahre wuͤſte. Strab, XIV, 956. 21% . ++) Strab, XIV, 1068, Von den Manufacturen, welche die afiatifchen - Briechen mit der allmäligen Erweiterung ihres Handels entweder erfunden oder vervollfommt haben, ſchweige ich, ' da wir zu wenig umftändliche Nachrichten von ihnen ha= ben, und das, was ung davon in alten Schrifeftellern aufbehalten ift, von Goguet vollftändig ift gefamlet wor den. Don dem Fortgange der Kunft aber mill ich die merfwiürdigften Data, die ſich im Herodot, Plinius und Paufanias finden, kurz zufammen faffen, theils um zur Erklärung des Urſprungs der Wiffenfchaften vorzuberei- ten, theils um die Bewunderer der afiatifchen und afri- canifchen Nationen zu überzeugen, wie wenig die afiati« ſchen Griechen den auf ihr höhers Alterchum fo ftolzen Barbaren, und wie viel hingegen das europäifche Grie— chenland feinen Pflanzftädten zu verdanfen hatte, wie na⸗ türlich eg endlich fey, daß einige Künfte gleich nad) der fiebenzigften, andere nad) der achtzigften, und nod) an dere nach) der neunzigften Olympiade in Gicilien und Athen den höchften Grad ihrer Vortreflichkeit erftiegen. Die afiatifchen, vorzüglich aber die jonifchen Gries chen erfchufen die fehönen Künfte entweder aus mehr oder meniger plumpen Handwerken, oder fie zogen fie auch | ohne alle Mufter und Vorbilder aus ihrem eigenen, durch alle Arten guͤnſtiger Einflüffe befruchteten, Genie hervor, Das erfte kann man von der Mufif, der Plaftif, der Kunft Metalle zu verarbeiten; das andere von der Sculptur in Marmor, von der Mablerey und Baufunft behaupten. Daß die Griechen ihre Mufif von den Ly⸗— diern und Phrygiern erhalten haben, ift fehon oben be> merft worden; daß fie aber auch eben diefe phrugifche und lydiſche Muſik veredelt haben, müßte man, wenn es Weber den älteften Zuftand von Griechenland, 5 es auch nicht durch ältere Ueberlieferungen beſtaͤtigt würde *) „ allein aus der großen Zahl nicht nur in. ihrem Zeitalter, fondern auch in allen naͤchſtfolgenden Jahr— hunderten bemwunderter Dichter fchließen, die unter den Regierungen der beyden Iezten lydiſchen Könige, oder auch Furz vorher und nachher fangen. Die Plaftik er— fanden die Griechen eben fo wenig als die Mufif, und es ift zuverläffigfalfch, was Plinius fagf, daß Rhoekus und Theodor von Samos die erften Bildner gewefen feyen, ungeachtet ic) ihm gerne zugebe, daß man Werke aus Thon fchon lange vor der Vertreibung der Bartiaden aus Korinth im Waterlande des Pythagoras gearbeitet habe**), Die eben genannten Meifter lebten zu einer Zeit, mo viel ſchwerere Kuͤnſte ſchon fehr ausgebildet waren , und alfo eine der leichteſten und einfachften nicht erſt entdecke werden fonnte. Die erften rohen Bildnereyen empfingen die Griechen entweder von den Flüchtlingen aus Aſien und Aegypten , die fich unter ihnen niederließen, oder fie fan= den fie aud) bey ihrer Ankunft in Afien unter den Indiern und Phrygiern vor. Sie ahmten alfo anfangs nad, bohlten aber ihre Vorgänger bald ein, wie man zwar nicht aus der Vergleichung der Werke diefer Wölfer, die ſchon zu Plinii Zeiten untergegangen waren, aber doch daraus abnehmen Fann, daß die Gefchichte die Nahmen berühmter griechifchee Plaften aufgezeichnet, und binges gen das Andenfen von feinem einzigen Lydiſchen oder Phry⸗ giſchen Künftler erhalten hat, Moch entſcheidender laͤßt es ſich darthun, daß die aſiatiſchen Griechen nicht nur € 2 ihre m — ⸗ *) plin.Vil.86. Ak) XXXV, 12, 56 Erſtes Bud, ihre nächften Nachbaren, fondern auch die Phoͤnicier in kuͤnſtlichen Arbeiten aus Erz und edlen Metallen fehr weit übertroffen haben. Die beyden festen Iydifchen Könige ließen bie Foftbaren Gefchenfe, die fie aus einer Mifchung von Andacht und Eitelfeit.dem Apoll zu Delphi ſchickten, nicht. von ihren eigenen Unterthanen, nicht von Phöni« ciern, fondern von griechifchen Meiftern verfertigen, unge⸗ achtet fie fonft die aftatifchen Griechen mit unverföhnlicyer Feindſchaft verfolgten. in prächtiges filbernes Geſchirr, was Alyattes verehrte, und eine eiferne Unterfchaale, die Herodot zu den fehenswürdigen Kleinodien des griechifchen Gottes rechnete, waren von einem Chier Glaufus verfer- tigt, der, nie Herodot fagt, unter allen Gterblichen die Kunſt, das Eifen zu löten, zuerſt erfunden hatte *). Ein anderer filberner Krater, von einem ungebeuren Umfange, das fchönfte Gefchenf, was Kröfus nach Dels phi gefchicft hatte, war, wie die Diener des Apoll ver» fidjerten, ein Werf des Samier Theodorus, und Heros dot glaubte ihnen, weil es ein auferordenrfiches Kunſt⸗ ſtuͤck geweſen fey **), Der jonifche Gefchichrfchreiber alfo, der die beften Arbeiten in diefer Art ſowol in Ae— gypten als Phönicien und in Vorderaſien gefehen hatte, fand felbit in der ungewöhnlichen Kunſt, die aus dem Ges ſchenke des Kroͤſus hervorleudjrete, einen Grund, warum das legtere von feinem andern als einem griechifchen Künftter herruͤhren Fönne ***). Eben diefer Theodor war der Arbeiter des berühmten Ringes des Tyrannen Polye —ñ — — — Ueber den alteften Zuſtand von Griechenland. 37 Nolyfrates, der noch zu Augufts und Plinii Zeiten mie den fehönften ähnlichen Kunftwerfen um den Vorzug - ſtritt). Faͤlſchlich aber werden er und Rhoekus für die erften Dlaften und Arbeiter in Erz ausgegeben *). Miel glaublicher ift es, daß fie in Bildungen aus Thon, und in Statüen aus Erz alle vorhergehenden Künftter fo ſehr verdunfele Haben, daß man von ihnen die Epoche der fchönen Kunſt anfing ***), | Nicht bloß von den Griechen veredelte, ſondern felbft erfundene und ihnen ganz eigenthümliche Künste, fcheinen die Seulptur in Marmor, die ſchoͤne Baufunft und Mahlerey gemefen zu feyn. Die beyden erftern ſtei— gen bis an den Anfang oder gar bis über die Olympia⸗ den hinauf, die Sculptur in Marmor wurde zuerft in Ehios erfunden, bald nachher aber auch in andern In— k ia i feln 5 nn %) Paufan, VIH. 140. 629. Plin, XXXVIE ı, *%#) Plin. XXXV, 12. & Paufan. }, e, #4) Daß man lange vor dem Rhoekus und Theodor fünftliche Arbeiten aus Erz verferriger Habe, laßt fich am unwi—⸗ - derfprehlihften aus den beyden Thalamis beweifen, die Myron, König in Sikyon, kurz nach der drey und dreyßigſten Olympiade nach Olympia geſechenkt hatte, und wovon der eine in dorifcher, der amdere in jont« ſcher Manier verfertige war. (Paufan, VI, 19, p 497.) Gleich nad, dem Rhoekus und Theodor aber muß die Kunſt, Erz und edfe Metalle zu bearbeiten, mit ſchnel— len Schritten fortgegangen und vollendet worden feyn, Denn die Werke, die zwifchen der fiebenzigiten und achtzigften Olympiade von Onafas (Pauf. VIIL a2. e. 687. p.) und andern Kuͤnſtlern, befonderg für die Koͤ— nige und Städte in Sicilien, verfertiat trden, be— haupteten ftets den Ruhm der hoͤchten Vortreflichkeit. Ich werde unten, wo es nöthig feyn wird, auf diefe Bemerkung wieder aufmerkfam machen, 38 Erſtes Buch. ſeln und Staͤdten getrieben; und Dipoͤnus und Skyllis aus Kreta waren die erſten, die um die funfzigſte Olym— piade ihre Kunft auch im eigentlichen Griechenland zeig⸗ ten, und befonders für Sikyon mehrere Bildfäulen von Göttern machten *). Ohngefaͤhr ein halbes Jahrhun⸗ dert fpäter blühten Bupalus und Anthermus aus Chios, und füllten die berühmteften griechifchen Städte in Afien, und Europa mit ihren Werfen an. ie arbeiteten fo vortreflih, daß ihre aus parifhen Marmor verfertigte Statüen noch im Zeitalter des Auguft vorzüglich geſchaͤzt, und von.diefem erften Beherrfcher der Roͤmer neben den größten Meiſterſtuͤcken aus den beften Zeiten der Kunſt, aufgeftellt wurden **), Bon gleichem oder noch hoͤherm Alter, als die Eculptur, war die Baufunft in Kleinafien, welche die Griechen weder von den Hdiern, noch Phöniciern, noch Aegyptiern gelernt hatten nod) lernen Fonnten. Unze ter diefen eben genannten Voͤlkern bauten die Aegyptier am Fühnften und dauerhafteften, und eben daher brauchte Kambyſes, als er Sufa und Efbatana verfchönern woll« te, nicht phönicifche, fondern aͤgyptiſche Baumeiſter; allein unter allen Denfmälern Aegyptens trifft man nicht die geringfte Spur von griechifchen Säulenordnungen, griechifcher Einfall, Regelmaͤßigkeit und Schönheit an"), Wenn aber auch die Architektur der Aegnptier vollfommner, oder der Griechiſchen ähnlicher gemwefen wäre, als man nad) ihren Reften, und den übereinftim- menden *) Plin, XXXVI. 4, **) Plin, I. c. c. 6. und Pauf. IV. 30. 355. pP» **5) Gogu. IE 127. u. f. ©. Ueber den älteften Zuftand von Griechenland. 39 menden Urtheilen der Renner glauben kann; fo wuͤrde man doch die Jonler und Dorier für die Erfinder ber ih⸗ rigen halten müffen, weil das, was die Baufunft der leztern von der erftern unterfcheidet, lange vorher befanne und eingeführt war, ehe beyde Völker mit einander in eis nige Verbindung Famen *), Die Säufenordnungen find fo alt, daß man bie Zeit, wann fie zuerft gebraucht worden, und ihre Entdecker in Griechenland nicht mehr angeben Fonnte, Später erfand man die Kunft, den Marmor auch zur Verzierung der Böden, Daͤcher und Wände, großer Gebäude anzuwenden, Erſt unter den Hegierungen des Alyattes von Hdien, und des Kyaraa res von Medien lehrte Byzas von Naxos die Griechen, Marmorblöde in Ziegelplatten zu zerlegen: eine Entdes fung, die den Zeitgenoffen dieſes Mannes fo wichtig ſchien, daß fie feinen Nahmen durch Ehrenfäulen und In⸗ ſchriften zu verewigen fuchten *). Unter allen Künften aber iſt die Mahlerey diejenige, uͤber deren Erfinder und Alterthum die größten und fleißigſten Forſcher unter den Griechen am wenigften mit einander einig waren, und C «di über« — — — Die Lydier waren gewiß nicht die Lehrer der Griechen in der Baukunſt. Das reiche und uͤppige Sardes, das erſt nach den trojaniſchen Zeiten erbaut war (Strab, XII, 928.) beftand noch unter der Negierung des Das rius Hyſtaspis großtentheifs aus Häufeen ‚ die aus Leim und Rohr zufammengefeze waren, und die wenigen, die man aus gebackenen Steinen aufgefuͤhrt hatte, hat— ten doch noch Strohdächer. Eben daher brannte diefe Be fe aust ab, als zur Zeit ihrer Eroberung | a Jonier von ungefähr Feuer ausfam. V. :01, *9 V. 10. 398. Paufan, 40 Erſtes Bud). uͤber welche Plinius die widerſprechendſten Nachrichten, wie die entgegengeſezteſten Artheile aufgezeichnet hat *). Man wufte nicht, ob die erfien Mahler Aegyptier oder $ndier, oder afiatifche_oder europäifche Griechen geweſen wären; und Doc) erzählte man mit der genaueften Um— ſtaͤndlichkeit die verfchiedenen Stuffen der Vollkommenheit, welche diefe Kunft in Griechenland durchgegangen war. Man nannte die Nahmen derjenigen, Die zuerft nur die Umriſſe von Körpern gezeichnet, die nachher eine einzige Farbe gebraucht, die noch fpater beyde Gefchlechter untere fhieden, die Ausdruck in Gefichter und Bewegungen der Gliedmaßen gelegt, und endlich Licht und Schatten in ihre Gemälde hineingebracht hatten **), Wenn man Die Zeugniffe des Plinius nicht ganz verwirft, fo ſcheinen die erften Anfänger der Mahlerey, in fo ferne fie von Zei⸗ henfunft unterfchieden ift, den Griechen eigenthuͤmlich, und nicht weit von denen der Baufunft und Eculptur in "Marmor entferne, aber ihre Fortgänge viel langfamer, als die der übrigen Künfte gemefen zu feyn, Denn Pa— näus, ein Bruder des Phidias, war der erfte, der zu ei⸗ ner Zeit, als die Baufunft und Sculptur ihrer größten Höhe nahe gefommen waren, Perfonen nad) dem eben, oder Vorträte ſchilderte. Unglaublid) ift es, was Pli— nius — — — — — — — — — — — — — 9— VII. 56. XXXV, 3 8. 9. *«) Chen diefe Nachrichten beweiſen wenigſtens, daß, wenn auch die aſiatiſchen Griechen die eigentliche Mahlerey von irgend einem andern Volte erhalten haben, fie doch eben diefe Kunſt in einer folhen UnvollEommenheit em— Hfangen haben müffen, daß die elenden Pinfeleyen, - dergleichen die . Griechen zuerſt nadhahmeten, nicht einmal den Nahmen von Kunſtwerken verdienten. Ueber den aͤlteſten Zuſtand von Griechenland. gr nius mit großer Zuverficht erzähle, daß Kandaules, Koͤ⸗ nig in ydien, ein Öemälde des Bularch mit Golde aufs gewogen habe *.. s Er 30% Dafi nun in fo reihen, blühenden und mächtigen ‚Städten, als die griechifchen Colonien in Afien waren, ſolche Manner, als wofuͤr man die fogenannten Weifen halten muß, in dem Zeitalter, in welchem fie wirflich lebten, entftanden , ift meinem Urtheil nach weniger zu verwundern , als daß fie fich nicht viel eher gezeigt haben, Wenn man von den griechifchen Weifen ſich eine rich— tige Borfiellung machen will; fo muß man fie fih als Männer denken, die mit großen Anlagen des Geiftes und Herzens eine durch vieljährige Erfahrung reif ge⸗ wordene Klugheit, und alle müzliche Kenntniſſe der das maligen Zeit vereinigten, die eben diefer außerordentlichen angebohrnen und erworbenen DBorzüge wegen, in den wichtigften Angelegenheiten um Rath gefragt, zu den größten öffentlichen Gefchäften gebraucht, und entweder ‚zu Geſandten, oder Heerführern, oder Gefezgebern, oder Häuptern von Staaten erwählt wurden, die endlich ihre Mitbürger nicht bloß durd) heilſame Rathſchlaͤge und Ans ordnungen, ſondern auch durd) faßliche Gedichte, und Furze Fräftige Spräche zu beffern ſuchten, und die nun um dies fer mannigfaltigen Verdienſte willen von der Danfbars keit und Ehrfurcht ihrer Zeitgenoffen den Ehrennamen der Weifen empfingen, €sz Wenn *) Quid? quod in eonfeffo perinde eft, Bularchii picto⸗ ris tabulam, in qua erat Magnetum praelium, a Can- daule rege Lydiae Heraclidarum noviflimo, qui & Myehilüs vocitatus el, repenfam auro: tanta jam di- guatio picturae erat, 42 Erſtes Bud. Wenn aud) nicht alle ober ber größte Theil ber griechifchen Weifen Dichter waren, wie neuere Gefchicht- fehreiber berichten *), fo muß man fie doch gewiß ohne Ausnahme für große Staatsmänner erfennen, zu deren Rechtſchaffenheit, Much und Klugheit man in den ge- faͤhrlichſten Zeitläuften, und am meiften alsdann feine Zu- flucht nahm, wenn zerrüttete und aus einander gefallene Städte wieder herzuftellen, und in Drdnung zu bringen waren. Um diefes zu beweifen, bat man nicht einmal noͤthig, ſich auf die Urtheile der größten Schriftſteller des Alterthums zu berufen, in welchen die griechiſchen Wei— fen Häupter von Staaten, oder Eluge vorberfehende Ge- ſezge⸗ *) Wenn man dem Diogenes und Athenaͤus trauen wollte; fo hätten außer dem Solon alle übrige Weifen, Thales, Pittakus (I. 79. Ath, X, 7. 427. p) Dias (Diog. I, 85.) Periander (ib. 97. ſ. Athen, XIV. 8.) Kleobulus (S. 89.) und Chilon (S. 68.) Gedichte meiftens in eles giſchen Versarten hinterlaffen, und den Pittafus würde man fogar für den erften proſaiſch politifhen Schrift: ftellev halten müffen. So wenig unglaublicd es aber auc an fich ift, daß die übrigen Meifen gleich dem Solon gefungen haben; fo fehr zweifle ich doc;, daß fie, den athenienfifhen Gefezgeber ausgenommen, ihre Mitbürger durch Gedichte unterrichtet haben, Weder Plato noch Ariftoteles noch. irgend ein anderer alter Scriftfteller vor dem Plutarch führte Verſe der uͤbri— gen ariechifchen Weifen, und auch diefer ein Werk des Thales mit großer Ungewißheit an. In den Fragmen— ten des Bias, die beym Diogenes ſtehen, findet ſich kein joniſcher Dialekt, und der Inhalt der Elegien die— ſes Mannes, in welchen er die Gluͤckſeligkeit Joniens geprieſen haben ſoll, ſtreitet mit dem Rath deſſelben, den ich gleich nachher aus dem Herodot erzaͤhlen werde. Leber den älteften Zuftand von Griechenland. 43 fesgebende Männer genannt werden *); fordern man Fann von einem jeden, der den Weiſen zugezäble wurde, Tharen und Facta anführen, die von ihrem Eifer für das Beſte ihres Baterlandes, und ihrer Erfahrendeit in öffentlichen Gejchäften zeugen. Pittafus, Solon, Kieos bulus und Periander waren entweder Geſezgeber, oder Heerführer, oder Vorſteher und Beherrfcher ihrer Vater— ftädre *). Chiton befleidete das Amt eines Ephorus in Eparfa, und wurde wegen feiner Vorherſehungskraft, oder feines politifchen Weißagungsgeiftes bewundert ***), Dom Thales und Bias mwiffen wir zwar nicht, ob fie öfs fentliche Würden getragen haben; aber von beyden ift es gewiß, daß fie Rathgeber von Völkern und Königen waren. x) Cic. de Or. III. 34. fed ut ad Graecos referam oratio- nem — feptem fniffe dieuntur uno tempore, qui fa» pientes & haberentur & vocarentur, Hi omnes, praeter Milefium 'Thalenı, eivitatibus ſuis praefue- runt, Dicaearch. ap. Diog. 1.40. 6 de Asmeıcse- os are codes. (Ueber diefes Wort werde ich mich in der Folge erklären) re QuAecodas Dyow au. TS YeyovErdı, Ouverss de Fıvas uaıvonoferings, Plutarch vom Solon: (Opp, 1. 319. Ed, Reisk,) QirosoDıns de Ta nIıns uadısa To WONITIROV, GOmEe © MAIS Tav Tore 0oPwv nyazncev, und im Leben des Themiftofles (ib, p. 440.) von ei: nem Muefiphilus, mit dem der griechifche Held Umgang gehabt Habe: — — — — Tyv narÄguEıNV Today, Bao de dewornre T0- AlTınyv au deossmeuov CUVETW , erirndeune TE- TOMMEVE. *) Arift, de Civ, II, 10, Diog. I. 74. Strab, I, fup, eit, ; **#) Diog.1.68. 71, Herod. 1,59. VII. 239 a Eee Bu, waren. Der leztere biele den Kröfus von einem Sees Friege wider die griechifchen Inſelbewohner zurüc, und that bey den Einbrüchen der Derfer den yoniern den Vorſchlag, den Herodot alsfehr weife pries, ihre Städte in Aften zu verlaffen, und nad) Sardinien zu ziehen *). Sange vorher hatte Thales die Jonier zu bewegen geſucht, in einen großen Bund zufammen zu treten, und in Teog, das ohngefähr von allen jonifchen Städten gleich weit ent⸗ ferne fen, einen gemeinfchaftlichen Rath zu verfamlen **), Eben diefer Weife begleitete den Kröfus auf feinem Zuge wider die Derfer, und führte das Iydifche Heer trocenen Fußes durch den Halys, den er abgeleitet hatte **), | So ), 7.27 170. "AT. 170. Her. = ; #8) Aus diefem Facto kann man die Nachricht eines Un— genannten beym Divgenes (I. 25.) widerlegen: daß Thales die Mileſier von der Verbindung mit dem Kroͤ⸗ fs abgezogen, und zu einem Bundniffe mit dem Kys rus bewegt habe. Milet war allerdings die einzige jos nifhe Stadt, die fih zum Kyrus vor feinem Siege’ uber den Kroͤſus fchlug; allein Thales kann die Urſache dieſes Entfehluffes nicht gewefen feyn, weil er fi ſonſt fchwerlich in das Heer des Ipdifchen Koniges würde gewagt haben. (Her. 1, 75. & 169.) Aus diefer legten Nachricht, wie aus den im Terte angeführten Zeugniffen des He— rodot, kann man ferner beweifen, daß, wenn Thales auch ein von öffentlichen Gefchäften entferntes Reben ge: führt hätte, er fi) doch feinen Mitbuͤrgern und Zeitges noffen nicht ganz entzogen, nod) auch der Betrachtung der Natur allein gewidmet habe, wie NHeraflides er: zählte. (I. 25. Diog.) Diefer Schriftfteller wurde auf feine Meinung wahrſcheinlich durch das Maͤhrchen gelei⸗ ret, was fi ſich ſchon im Plato findet (Theaet. p. gı. Ed, Baſ.) daß naͤmli h Thales vor gar zu aufmerſamer Be— ſchauung Weber den aͤlteſten Zuſtand von Griechenland. 45 So entfernt es auch von den Sitten und Gewohn⸗ heiten unſerer Zeit ift, ‚daß Regierer und Ordner ganzer Staaten neben Dichtern die einzigen und erften Wolfs« leh⸗ —— mn ſchauung des Himmels nicht dag gefehen habe, was ihm vor den Fuͤßen lag, und eben daher in eine Grube ge— fallen, und von einer barbariihen Selavinn ausgelacht worden fey; oder er fehonfte fie auch. aus einer Stelle des Arijtoteles, wo es heißt, daß man den Thales, Anaragoras und ande zivar für weiße, aber nicht für kluge Männer halte, indem fie bey allen den bewuns dernswürdigen göttlihen Kenntniffen, die fie befeffen, dennoch nicht ihre eigene Vortheile verftanden, und ſich um menſchliche Guter befümmert hatten (VI, 7, Ethic,) Diefen beruͤhmten Schriftſtellern folgte allem Vermu— then nach Cicero, wenn er den Thales aus der Zapf der Weifen, die Häupter ihrer Vaterſtaͤdte geweſen wären, gleichlam heraus hob. Ich muß hier noch einer Stelle des Plato Erwähnung thun, in welcher er allen übrigen alten Schriftitellern widerſpricht, oder zu widerſprechen fcheint. Er fage naͤmlich (p. 345. in Hipp. maj. Ed. Bafil.) daß alle, oder doc die meiften Männer, die wegen ihrer Weiss heit beruͤhmt gewefen, von Thales, Bias und Pittakus an bis auf den Anaxagoras herunter ſich von öffentlichen Sefhäften enthalten härten. Wenn Plato diefes in allem Ernte behauptete, fo kann man ihn eben fo zus - verfichtlich eines Irrthums befchuldigen, als wenn er im erften Buche feiner Gefeze den Epimenides nur zehn Jahre vor dem erften Einfalle der Derfer, alfo im Anfange der fiebenzigiten Olympiade nach Athen kom— men läge. Allein man muß annehmen, daß Plato hier wie an vielen andern Stellen, wo er den Sokra⸗— tes mit den Sophiften vedend einführt, oft nur deßwe⸗ gen den erften von der Wahrheit abweichen, und aus feinem eigenen, Charakter heraus treten läßt, um die leztern dejto mehr in Verlegeuheit zu fezen. Indem er dieſe Abſicht zu erreichen fucht, nimmt er ſich ſelbſt nicht genug vor, Widerfpruchen-in Acht, Denn in chen ; dem Erſtes Buch, fehrer waren, fo auffallend es ferner manchen, die nur ihr eigenes, oder den ıhrigen ähnliche Zeitalter Eannten, gervefen ift, daß man jemals durd) ſolche Sprüde *), der» 46 — ————— — dem Gefpräche, in welchem er die älteften Weifen Grie— chenlandes zu müffigen Unterſuchern macht, um den Sophiſten zu zeigen, daß fie denfelben unaͤhnlich feyen, träge er durch den Mund des Sofrates die Meynung yor: daß die Kunft des Sophiften viel älter fey, als fie ſelbſt glaubten, und daß fie von undenklichen Zeiten her in Kreta und Sparta geblüht habe. Diefe Des hauptung fteht bet erſtern ſchnurſtracks entgegen, und iſt auch nach der ſtrengſten Auglegung eben fo wenig wahr, als dieſe. * Wenn man die Spruͤche aufmerkfam unterfucht, die vom Plato, (in Prot. 1, c.) Ariftoteles (U. 2. Rhet.) Dioge⸗ nes Cim erften Buche) HemMerfaffer des Gaftmals der fieben Weiſen, vom Demerrius Phalereus (Ap. Stob in Serm, p-44: 45.) Soſwides (p. 47. 1b.) und Stobäus (p. 208.) endlich vom Auſonius in.feinem Ludus feptem fapien- tum den griechiſchen Weiſen zugeeignet werden , fo ieht man bald, dag fat ein jeder merkwuͤrdiger Denk⸗ ſpruch einem jeden Weiſen zugeſchrieben worden, daß die Griechen in ſpaͤtern Zeiten felbſt nicht mehr gewuſt haben, welche und wie viele einem jeden zugehoͤrten, und daß befonders in den Samlungen derfelben beym Soſwides, Diogenes, Stobaͤus, Auſonius und dem Verfaſſer des Gaͤſtmals der ſieben Weiſen viele unter geſchoben find. Es iſt uns 150 unmöglich, die Achte Untergefhodenheit eines jeden Spruchs zu — — — heit oder deweiſen, und wenn man es auch koͤnnte, fo wuͤrde Muͤhe verlohnen. Man Eann aber es ſich nicht det | doch, glaube ich, diejenigen noch am erfien für alt und aͤcht Halten, die wir vom Plate, Ariſtoteles und De: metrius Phalereus angeführt finden. Diefe find alle ſehr einfältia md beftehen meiftens nur ang zweyen oder drey Wörtern, DA hingegen viele ben. den ubrigen Schrift: ftellern kuͤnſtlicher und weitfäuftiger find. Henn man diefe % Ueber den älteften Zuftand von Griechenland. 47 dergleichen die der griechifchen Weifen find, den Nahmen von Weifen habe verdienen Fönnen; fo vollfommen anges meffen war der Unterricht der griecyifchen Weifen den Bedürfniffen ihrer Zeirgenoffen, und nicht weniger wuͤr— dig der Thaten, die fie getban, der Würden, die fie bes Fleidet, und des Ehrentitels, den fie erhalten haben. Die griehifhen Weifen lebten in Staaten, in welchen nie⸗ mand weder dur Erbreht, noch angebohrnen Adel, noch auch durch größere von beffern Vorfahren er» worbene Reichtbümer zum Heer »oder Wolfsführer erho⸗ ben wurde, fondern in welchen man nur allein durch überwiegende Geiftesfräfte, erbabene Tugenden, und bervorftechende Verdienſte zu den höchften Ehrenftellen hinaufdringen, und es als eine Regel ohne Ausnahme an« fehen Eonnte, daß diejenigen, die mit dem freyen Wil« len des Volfs an der Spize deffelben ſtanden, diefer ih— rer Stelle auch allemal durch die Größe ihres Geiſtes und Herzens werth waren. Wenn man alfo zu einem fol« rn ] diefe wahrfcheinlich nicht erdichtete Sprüche der griechis ſchen Weifen dazu genuzt hat, daß man die wahre Bes ſchaffenheit des Unterrichts der Älteften Zeit, und der Lehren der größten Staarsmänner hat Eennen lernen; fo glaube ich nicht, daß man fonft noch beträchtliche Vortheile daraus ziehen Eonne, Sie find alle zu uns beftimmt und zu allgemein, oder auc) zu vielen Mißr deutungen und unrichtigen Anwendungen ausgefezt, als dap man fie als heilfame Lebensregeln empfehlen der brauchen Eonnte. Diefe Unbeitimmtheit, oder Viel: dentigfeit, oder felbft auch Unrichtigkeit derfelben fiel Thon mehrern Iiharfiinnigen Weltweifen des Alterthums auf, und einige dieſer Sprüche wurden’ daher auch als falfche Bemerkungen oder ivreführende Narhfchläge ber { ftritten. Man fehe den Ariftot, I, e.) } 3 Erſtes Bud. ! ſolchen Anfehen gelangt, dergleichen die griechifchen Weis "fen erhielten, fo muſte man feinen Mitbuͤrgern mehr als andere gedient, ' den Menfchen mehr als andere betrac)- tet, und über den Werth oder Unwerth von Dingen, und die guten oder ſchlimmen Folgen von Handlungen Häufiger als andere nachgedacht haben. Die griechiſchen Weiſen waren daher auch in ihrem Zeitalter am meiften geſchickt, weniger erfahrne und geuͤbte Menfchen zu uns terrichten, und nicht bioß am meiften gefchicft, fondern fie muſten auch vor allen andern geneigt dazu feyn. Denn man magannehmen, daß uneigennüzige Vaterlandsliebe, oder Ehrgeiz und Ruhmbegierde, oder irgend eine andere ſelbſtſuͤchtige Leidenſchaft, fie angetrieben habe, fich als Gefesgeber, Magiftrarsperfonen, und Heerführer um ihre Mitbürger verdient zu machen; fo mufte fie eben dieſer Patriotismus, eben diefe Ruhmſucht und Eigennüzigfeit auch antreiben, ihre vorzüglichen Kenntniffe dazu anzus wenden, entweder um ihren Zeltgenoffen eine defto groͤ— ßere Ehrfurcht gegen fich felbft einzuflößen, oder fie auch zu beſſern und glücflichern Menfchen zu machen. Ihre Lehren Eonnten aber nicht in feinen ſcharfſinnigen Bemer- kungen über das geheime Spiel menfchlicher Leidenſchaf— ten, und die verborgenen Triebfedern menfchlicher Hand» Iungen beftehn, indem die Menfdyen damals noch niche fo Fünftfiche, verwidelte und zufammengefezte Mafchinen waren, als fie in fpätern Zeiten wurden, und diejenigen, ı Denen man nuzen wollte, vergleichen nicht einmal vers ftanden haͤtten; fie muften vielmehr Turze bündige Spruͤche, einfältige Erfahrungsfäze, Fräftige Ermah- mungen zur Tugend, und nachdruͤckliche Warnungen vor dem Safter ſeyn, die ſich von dem gemeinften Verſtande faſſen, \ — Ueber den älteften Zuftand von Griechenland. 49 faffen, und dem ſchwaͤchſten Gedaͤchtniſſe einprägen lies Gen, die endlich ihr Gewicht eben fomohl oder noch mehr dem Anfehen der Perfonen, von denen fie berrührten, als ihrem Inhalte zu verdanken hatten. n Solche Sprüche nun, waren nicht bloß den gries chiſchen Weifen, und ihrem Zeitalter, und nicht den Griechen allein eigenthuͤmlich, fondern fanden ſich auch unter andern Völkern unter ähnlichen Umfländen. Es iſt freylich nur ſokratiſcher Scherz, wenn Plato *) ſei⸗ nen $ehrer fagen läßt, daß die älteften Sophiſten fich in Kreta und Sparta gefunden hätten, daß diefe Völker alle übrige griedhifche Staaten an Weisheit wie an Lei⸗ besübungen überträffen, daß fie aber die erftere verftecke ten, um feinen Verdacht, oder nachtheilige Aufmerk⸗ ſamkeit gegen ſich zu erregen; allein es iſt auch wiederum reine, und mit den Ausſagen aller übrigen Schrifrfteller beftätigte Wahrheit, ‚wenn Sokrates hinzufezt , daß Per» fonen benderley Geſchlechts in Sparta von ihrer erften Kindheit darinn geübt würden, kurze und Fräftige Anke morten zu geben, und daß daher aud) der gemeinfte Spartaner, der am mwenigiten gu verfprechen fcheine, doch immer ein gefährlicher Feind fen, der einen jeden an⸗ dern Griechen , der fich an ihn machen wolle, durch die. treffendften Einfälle zu Boden werfe. Zwiſchen diefen Antworten und Einfällen der Spartaner, auf welche fie einen fo großen Werth festen, und zwilchen den Eprüs chen der griechiſchen Weifen, fand Pluto fihon eine große Aehnlichkeit, und diefe Aehnlichkeit war nicht erdichtet, wenn — — ®) In Prot,p, 295. D wenn er nicht fowohl die wizigen Spottreden der erftern, und ihre beißenden Repartien, fondern vielmehr diejeni⸗ gen Apophrhegmen im Sinne hatte, die man als Grundfäze aͤchter Spartaner, und als Denfmäler der Weisheit der Vorfahren den Nadhfommen überlieferte *). Solche Sprüche wurden von Männern , die den gried)ie fchen Weifen aͤhnlich waren, in ähnlichen Abfichten aus» gefprochen, und brachten auch ähnliche Wirfungen hervor, Gleich nach) dem Zeitalter der griechifchen Weifen folgte Hipparch, der ältejte und weiſeſte unter den Soͤh⸗ nen des Pififtratus, den Fußftapfen, welche die erftern ihm vorgezeichnet hatten **). Machdem er nämlich die Gedichte des Homers nah Athen gebracht, und Rapſo⸗ diften beftelle hatte, welche fie fingen muften, nachdem er ferner den Anafreon und Simonides als göttliche Leh— rer durch die glänzendften Belohnungen nad) Arhen gezos gen, und mit ihrer Hülfe die Einwohner der Stadt ges bildet hatte; fo fuchte er auch die noch rohen Landleute zu beffern und aufzuklären. Er ließ daher, an den öffentlie chen Plaͤzen und Straßen der Stadt, Säufen oder Here men errichten, und diefen Hermen im elegifchen Silben« maaße abgefaßte Sittenfprüche eingraben, damit fie von den Sandleuten, wenn fie zur Stadt fämen, gelefen, und u e) Dies erhellt aus der großen Menge von Apophthegs men, die Plutarch, oder ein dem Plutarch gleichzeitis ger Schriftfteller noch zufammen bringen Eonnte. Diefe fpartanifhen Bon Mots und Einfälle find aber eben fo wenig alle alt und aͤcht, als diejenigen, die man den griechischen Weifen zusignet, ) agasaı P. 234 Ueber den älteften Zuſtand von Griechenland. sr und von biefen wiederum ihren Hausgenoffen und Mache baren mitgetheilt würden, Plato hat uns mehrere der⸗ felben aufbehalten, die ganz im Geiſte der Weiſen ges dacht und ausgedrückt find *). | Was unter den Griechen die Weifen waren, das waren unter den Nömern die Claudier, Scaͤvola's, Scipionen, Meteller, befonders Caro und Morimus, Diefe faßten, eben wie die erftern, ihre wichtigen Erfah. rungen, und die darüber angeftellten Betrachtungen in Eurzen allgemeinen. Sägen zuſammen, die ganze Jahr⸗ Hunderte nachher nicht nur der Jugend eingeprägt, ſon⸗ dern auch vor dem Volfe und im Senat alsdie Stimmen der Weisheit und Tugend angeführt wurden **). Der Cenſor Cato war unter allen Römern an foldyen Eprüchen, wie an wizigen Einfällen und Gegenantworten am reichiten, und er war auch der erfte, der bende aus dem Alterthum ſam⸗ lete. Wenn man die Ueberbieibfel der alt. römifchen Meisheit, die im Cicero , Plinius und Valerius Maxi⸗ mus zerſtreut find, auffuchen wollte; fo würde man ges wißeben fo viele, und auch eben fo vortreflihe Gedan⸗ Een finden, als den griechifchen Weifen zugeeignet werden. D 2 Wenn ) ssıyedinaın Deovwv. — z51 de T@v Fomud- Twv x EAU £9 RAAKIS Epunis MOAAT Hals HAAR ERSYEYoruueEeva. E51 de Koı IN TETO Em Tn sesonaun om. © Aeysı. wvnun od ine Tuexs. an Dırovefarare. InEeas.l.c, #0) Man fehe Val, Maxim. VII. 2 & Cicer, de Ami. c. 2, Multa eis (Catonis) & in fenatu & in foro vel pro= / vifa prudenter, vel adta conflanter, vel sefponfa acute ferebantur, 52 Erftes Bud. Wenn ich nicht glaubte, daß die bisher angeführ- ten Benfpiele binreichten, den rechten Geſichtspunct zu beftimmen, aus welchem man die Sprüche der griechi» ſchen Weifen anfehen muß; fo würde ich mid) nod) auf die falomonifchen Sprüche, und andere ähnliche Werfe morgenländifcher Nationen berufen. Allein mas ic) ge» ſagt babe, ift fehon genug, um zu bemeifen, daß Furze faßliche Sprüche gleichfam die Erfilingedes Nachdenfeng, und des Beobadhtungsgeiftes unter ganzen Völkern, und die Vorläufer wiffenfchaftlicher Kenneniffe find *). Biel eigenthümlicher als die Sprüche felbft, (heine die Art gemefen zu feyn, wie die griechifchen Weifen fie zu erhalten, und auszubreiten fuchten. Sie heiligten fie nämlid) dem Apoll zu Delphi, und ließen fie in den Vor⸗ böfen, und an den Eingängen feines Tempels eingra« ben **), mo fie noch bis auf die Zeiten des Paufanias gelefen wurden. Allein auch hierinn hatten die griechifchen Weiſen in ihrem Vaterlande ſowohl ihre Worganger als Nachfolger, und auch unter andern Völkern trift man ähnliche Beyſpiele und Gewohnheiten an, Unter ben Griechen legte man ſchon von den älteften Zeiten nicht nur Denfmäler merfwürdiger Begebenheiten und en Das *) Die meiften alten Spruͤchwoͤrter in allen Sprachen ruͤh⸗ ven von Männern ber, die den griechifchen Weiſen ähnlich waren, und wurden erit Spruͤchwoͤrter, mache dem man die Nahmen ihrer Urheber vergeffen hatte. Faſt eine jede Gegend, ein jedes Dorf, ja eine jede Samilie erhält gewiffe Sprüche von Männern, die in ihrem Leben, megen ihrer befondern Klugheit und viele jährigen Erfahrung, berühmt waren. **) Plat, in Protag, p, 295. und Pauf, X, 24. e. 857. p. lieber den älteften Zuffand von Öriechenland, 53 Thaten, nicht bloß Gefeze und Verträge von Staaten, fondern auch wichtige Werke, Becbachtung und Erfins dungen in dem Tempel irgend einer Gottheit nieder, theilg - aus andachtiger Dankbarkeit gegen die Goͤtter, von wels chen man alle guten Gaben abfeitete, teils aber auch um nuͤzlichen Werfen und Entdeckungen ein größeres Anz fehen, eine längere Dauer und ausgebreitetere Nuͤzlichkeit, wie dem Erfinder defto fchnellern und größern Ruhm zu verſchaffen. Alle diefe Zwecke, befonders aber den leztern fonnte man vor der Gewohnheit, Meifterftücke der Kunſt und des Genies den bey Olympia oder an andern Spies len verfamleten Griechen vorzulegen, auffeine ficherere Art erreihen, als indem man ſich mit allem, was man ers halten, oder befannt gemacht wünfchte, an den Tempel irgend-einer weißagenden, oder heilenden Gottheit wandte, nach welchem täglich) aus allen Theilen von Griechenland, und felbft aus fremden $ändern, ‚ganze Schaaren von Pilgeimmen zufammen floffen, Die fich alle Seltenbeiten und Merfwürdigfeiten der heiligen Derter zeigen und er» ‚Elären ließen. Aus einer, oder einigen, oder allen von mir angegebenen Urſachen heiligte Palamedes die von ihm erfundenen Würfel der Fortuna zu Argos, und ein ge- wiffer Alerander ein Pfalterion, was er verfertige hatte, und für fein vortreflichites Werf hielt, der Diana zu Epheſus *). ‚Eben diefer Göttin widmete nachher Heraflie fein Werf über die Natur der Dinge, fo wie alle Genefende,, die ihre Gefundheit dem Aesculap fchul. dig zu feyn ——— die Goͤtterſize deſſelben mit Tafel: chen anfüllten, auf welchen die Heilmittel angezeigt wa⸗ D 3 ven, — *) Pauſ.II.20. Athen. IV, 29,c. p. 183. 54 Erſtes Buch.! ren, wodurch fie von ihren Kranfheiten und Uebeln was ven befreyt wordben®), Unter den Yusländern uͤbergab Hanno, wenigſtens einer griechifchen Sage nach, feine Er: zählung von der Umfchiffung von Africa den Prieftern des Saturn in feiner Vaterſtadt **), und in Nom tief Decimus Brutus Verſe feines Freundes Accius in alle von ihm errichtete Tempel und Monumente eingraben ***), Auch unter den Arabern bes fechften und fiebenten Jahr⸗ bunderts murben diejenigen Gedichte, bie den größten Beyfall des Volks und der Geſchmacksrichter empfangen hatten, mit gotdenen Buchftaben auf Seide gemalt, und im Tempel zu Meeca aufgebangf +). Indem alfo die griechifchen Weifen ihre Den ſpruͤche nach Delphi ſchickten, folgten fie bloß einer alten Eitte, die auch noch lange nach ihnen gebräuchlich blieb ; und indem ihre Gedanfen über dem Eingange des Tem⸗ pels des Apollo eingegraben wurden, erhielten fie eine Ehre, die vielen vor ihnen, und auch nach ihnen, ſowohl unter den Griechen als andern Nationen aus ähnlichen Urfachen erzeigt wurde, oder erzeigt worden war. Eben diefe unter den Griechen mehr als unter andern Völfern allgemeine Ges mohnbeit, große Werfe, Erfindungen und Denfmäler merkwuͤrdiger Handlungen und Begebenheiten den Goͤt⸗ tern zu widmen, war der Grund, warum die Priefter in den älteften Zeiten faft die einzigen Bewahrer und Belt zer *) Strab. VI, 575. & ib, Caſaub. %*) Men fehe Holft. Notae ad Porph, vit, Pyth, p. 98, Ed. Rom, æes) Cicer. pro Archlac. II, Val. Maxim, VII, 14, }) p. 7. Richardfon’s Differtation on the litterature, Lan- guages and Manners of Eaflern Nations, Weber ben älteften Zuftand von Griechenlaud. 35 zer nüglicher Kenntniſſe, und der älteften Befchichte und Meberlieferungen waren, und warum die berühmteften Goͤtterſize fo fleißig von den erften Weltweifen, Aerzten und Gefchichtfchreibern befucht wurden. Pythagoras wandte ſich allenthalben andie Priefter und Priefterinnen, und ſelbſt Ariftorenus erzählte, daß der ſamiſche Welts weile einer Priefterinn zu Delphi vieles zu danfen hätte *), Herodot empfieng gleichfalls viele alte Sagen, befonders über die Geſchichte der Götter und Religion in Dodona und andern geweihten Pläzen, und Hippokrates foll einen großen Theil feiner Wiffenfchaft aus den Heilmite tein gefchöpft haben, die er im Tempel des Aesculap zu Kos vorfand **), Eben fo merkwuͤrdig als die Sprüche der Weifen, iſt der Geſchmack an Raͤthſeln und Griphen, mit deren _ Erfindung und Auflöfung ſich unter den griechifchen Wei. fen ***) vorzüglich Bias, Kleobulus und deffen Tochter Kleobulina oder Eumetis, und unter den ältern Dichtern Sappho, Archilochus, Simonides und Theognis befchäf- tige zu haben fcheinen. Mad) den Ueberbfeibfeln zu ur £heilen, Die am meiften das Gepräge des Alterthums an fid) fragen, und von den angeführten Schriftftellern Dafür ausgegeben werden, waren die Raͤthſel, wodurch die Weifen Griechenlandes ſich großen Ruhm erwarben, entweder unbeflimmte Fragen, die auf mannigfaltig richtig fcheinende, aber nur auf eine einzige £reffende Art | D4 beant. —— — — — ®) Die Stelle werde ich unten mit mehrern andern anführen, °*) XIV, 972. . 25) Athen, X, 15, bis ans Ende des Buche. Digg. I, 69. Audi. conv, Sap, inter Oper, Plut, VI, 569, u. f. 56 Erſtes Buch. beantwortet werben Ponnten, ober es waren auch Bes fehreibungen, die beym erften Anblife auf gar feinen rirflichen Gegenftand, bey näherer Unterfuchung abet auf viele Gegenftände' anwendbar ſchienen, aber doch im» mer etwas unerflärtes übrig behielten, bis man auf die Sache fiel, die gemeynt, und deren Merfmale auf eine verwirrende Art angegeben worden waren *), Man brauchte fie nicht bloß an Gaftmälern **), oder in freund« ſchaftlichen und feftlichen Zufammenfünften, als Mittek der %) Die Erklärung eines Näthfels vom Klearch beym Athend- us (I. e. p. 498.) iſt viel zu enge, und paßt nur auf Griphen, wie man fie zu feinen Zeiten hatte, und brauchte. YeuDos (fagte ev) meoßAnux e34 raısı- Kov, Meosanrınov TE di CnrnTews Eugsw rn Mœvoſe To meoßAnIev, Tıuns 1 errIenME Xorg EIENLLEVOV. Die meilten Nätbfel, die Diogenes und der DVerfaffer des Gaftmals der fieben Weifen anfühs ren, fcheinen ale zu feyn, und flimmen mit denen überein, die Athenaus ©. 451 und 453, ate führe. Ich Ki nur kurz folgende Worte ber: REXNRIOTRTOS BES AoYınos YeıDos, Ko TNS TE venbevew DYTEwsS CIKEIOTRTOS. Ti MOVTES 8% ETISRHEVO O4 ROKOMEV5 T TAUTOV sdane Kol BAVFANEZ Ks WEOS TETAUS, Ti TAUTOr ey BeRIw Km EM Yns, Ka €v Iararınz IL.E Mm. 5 Klearch urtheilte fehr richtig, wenn er beym Athenäus (©. 457.) fagte: Tav YaDav y Nracis 8x GAAo- rei PiAovodıas esı naı cı Tara TV THF mans amodaıew ev TEros emosvro. Er irrte aber gewiß, wenn er hinzufeste: Treoefß&A- Aoy Yag Mag TES METES, EX, WETTER 01 vuv epw- Tay- Ueber den älteften Zuſtand von Griechenland. 57 ber Unterhaltung, und als Erwecker der Froͤhlichkeit, fondern die weifelten und vornehmiten Perfonen, ſelbſt Könige legten fie fich einander vor, um gegenſeitig ihren Scharffinn auf die Probe zu ſtellen. Line glücfiiche Auf⸗ föfung derfelben wurde für ein ficheres Merfmal von Weisheit gehalten, und überdem noch, wie es fiheint, in den meiften Fällen durch anfehnliche Geſchenke und Preife belohnt, fo wie auch wiederum das Befenntniß, vorge legte Griphen nicht enträrhfeln zu Finnen, außer dem Bekenntniſſe in einem Kampfe des Genies überwunden zu ſeyn, faßt immer eine beträchtliche Geldbuße, oder andere Strafe nach fic) 509g. So reifte eine Königinn "aus Arabien nad) Jeruſalem hinauf, um die Weisheit des Koͤniges Salomo, deſſen Ruhm durch alle urnliegende $änder erfchollen war, auf die Probe zu ſezen. Sie legte ihm allerley Raͤthſel vor, und als der ifraelitifche König dieſe glücklich aufgelöft hatte, ließ fie eine Menge von Koftbarfeiten, wohrſcheinlich als den Preis der bes | Ds wuns TOwVTES KAANABS, TIS T@V APeodinsesinuv CUYy- duasnov, 1 Tns n Moss sXYus Ndsos ı Tıs oX- pasoraros. Die Aufgabe und Auflfung von Raͤth— feln wurde erft fpäter unter die Beluſtigungen der Ta: fel aufgenommen. Man belohnte den glücklichen Ra— ther duch Kränge, oder lauten Deyfall; der unglück- liche Hingegen mußte einen Becher reinen ungemifchten Weins austeinfen (Clearch, ap, Ath. 1. c.) — Biel fonderbarer ift es, daß drey ſamiſche Sungfrauen an den Feften des Adonis vorgelegte Griphen in Verſen aufldften. Die Beyfpiele, die Athenaͤus anführt, be: weifen, daB diefe Fefte des Adonis in Samos ausge: laflener, als die ae unter den Roͤmern va: ven. (451. ©.) 58 Erſtes Buch, wundernswuͤrdigen Sahigfeie des großen Nathers, zus ruͤck *). Außer den Griechen, Aeanptiern, Arabern, Sjfraeliten fcheinen auch die alteften Skythen Raͤthſel für Probierfteine von Weisheit gehalten zu haben. Denn als Darius Hyſtaspes auf feinem unglüclichen Zuge wis der fie den aͤußerſten Mangel an Lebensmitteln zu leiden anfieng; ſchickten fie ihm einen Vogel, einen Froſch, eine Maus und ein Bund von Pfeilen, mit der Nad)- richte, daß die Perfer, wenn fie weife wären, die Bes deutung diefer Gegenftände errathen möchten. Der Kö: nig felbft glaubte darinn ein Befenntniß zu finden, daß die Skythen fich unterwerfen wollten, allein Gobriag, der mweifefte unter den Perfern, legte den Sinn der Feinde ganz anders aus. Er überzeugte den Darius, daß die Skythen ihm drobten, daß er famt feinem Heere ihren ' Pfeilen nicht entweichen würde, wenn er nicht wie ein Froſch im Waffer ſchwimmen, oder wie eine Maus ſich in die Erde verfriechen, oder wie ein Vogel durch die Luſt fliegen Fönnte **), So fehr aber aud) diefe Gfleichförmigfeit des Urs tbeils fo vieler Völfer, die zwar der wiſſenſchaftlichen Ausbildung nicht gleih nahe, aber doch fchon alle weit von der Gedanfenlofigfeit wilder Nationen entferne was ren, die nicht nach Grundfäzen, fondern nach augen« blicklichen Einfallen und gegenwärtigen Eindrücken han deln, fo fehr diefe nun auch zu bemeifen fcheint, daß der Hang zu Raͤthſeln unter folhen Umftänden, in welchen bie Griechen ſich im Zeitalter der fieben Weifen fanden, dem *) 1B. d. Könige 10 Cap. **) Herod, IV, 31, Leber den älteften Zuftand von Griechenland, 59 dem Menfchen ganz natürlich fenn müffe; fo wenlg weiß ich mir ihn doch auf eine befriedigende Art zu erflären, Die Erfindung und Auflöfung von Raͤchſeln fest aller« dings allemal einen gemiffen Grad von Scharffinn vors aus, von dem man es fich leicht vorftellen fann, wie man ihn in Zeiten, wo man Griftesfräfte, und ihre Ans zeigen richtig zu ſchaͤzen noch garnicht gewohnt war, über alles Maaß bewundern Fonnte; aber ſchwer gu begreifen bleibt es doch immer, wie man ben Grad der Fähigkeit oder Unfähigfeit, leichte und Elare Sachen zu verdunfeln, und vorſezlich verdunfelfe aufzuflären, als einen Maas» ftab der Weisheit und des wahren Genies annehmen Fonnfe, Die Erfahrung, fcheint es, mufte die Men- ſchen bald lehren, daß die Fertigkeit Raͤthſel zu finden und aufzufchließen, mehr die Wirkung einer geriffen Vebung, abb einer ungewöhnlichen Vortreflichkeit der Verſtandeskraͤfte ſey, und daß daher mittelmäßige und feibft ſchlechte Köpfe es in diefem Puncte ungleich) größern fehr weit zuvorthun Fönnen *). Schon unter den Griechen waren mehrere Schrift« ſteller, welche die Raͤthſel der griechifchen Weifen und anderer alten Völker mit der Sprache der alten Dich— ter, ihren Bildern und Allegorien und mit ben Symbo» Ien des Pythagoras für einerley oder doch fehr genau ver. wandt hielten **), Allein dieſe verwechſelten Dinge, die — 2 Laͤcherlich wäre Les, wenn man hieraus den Schluß ziehen wollte, daß meiner Meynung nach nur mittelmäßige Köpfe ſehr gluͤcklich, und alle Maͤnner von Genie’un: N in der Erfindung oder Auflojung von Räthfeln eyen. ##) p. 451. 52, Athen, I, c, 60 Erſtes Buch, die wefentlich verfcjieden find. Alte Völker und Dich» ter von Völfern, deren Sprachen noch arm, oder noch wicht genug ausgebildet find, drücken häufig Gegenftände mit den Wörtern oder durch die Eigenfchaften anderer aus: das heißt, fie reden in Bildern, Gieichniffen und Allegorien. Allein fie hun diefes nicht in der Abfiche, um fich vorfezlich unverfländlich zu machen, und die Ges duld oder die Gabe Geheimniſſe aufzufchließen in ihren Hoͤrern oder Leſern zu prüfen, fondern entweder weil fie für das, was fie fagen wollen, Feine eigentlicdye Aus— druͤcke finden, oder Doch durch eigentlihe Wörter nicht fo ftark und kraftvoll ausdrücken Fönnen, als fie gerne moͤch⸗ ten. Die Närbfelerfinder hingegen unter den Weiſen wicfelten das, was fie fehr gut deutlich hätten fagen koͤn⸗ nen, in eine Menge täufchender Decken oder Knoten ein, von denen fie wuͤnſchten, daß fie eines ‚jeden Scarfjinn unauflösfich bleiben möchten, Der Gefhmad an Raͤthſeln verlohr fich nicht gleich mit dem Zeitalter der fieben Weifen, fondern nahm vielmehr zu. Allein er befam eine ganz andere Ric) tung, als er urfprünglich gehabt hatte, Anſtatt daß fie ehemals eine wirfliche Befchäftigung der ernftbafteften und weifeften Männer gemefen waren, murden fie in der Folge bloße Ergözung, von der man aber fagen Fann, daß ihr Fein Wolf allgemeiner, länger und in einem hoͤ⸗ bern Grade nachgehangen habe, als die Griechen, Es waren nad) Klearchs Rechnung *) fieben Arten, mit denen man nicht nur an Gaftmälern, fondern an es fien, —— — 9 p- 448. c. 16. Athen. “ Ueber den älteften Zuftand von Griechenland. | 6: ſten, und fogar auf Grabfchriften fpielte. Die größten Dichter fangen Raͤthſel, und viele Schriftfteller *), des ren Nahmen man beym Arhenäus nachlefen kann, zeich- neten ihre Gefchichte auf. Zu den Zeiten diefes Sam— fers aber waren fie fehon verfchmunden, und harten Tiſchreden Paz gemacht, die weniger Anftrengung er- forderten , aber der fchaamlofen Verderbniß und Ausge laffenbeit der Gitten angemeffener waren. - Wenn nun foldye Männer, die fich wiedie griechie ſchen Weifen durch Kenntniſſe, Werdienfte, und befon: ders durch Staatsfunft fo fehr von ihren Zeitgenoffen unterſchieden, unter einem jeden andern Volke mit dem Titel der Weifen wären beehre worden; fo wuͤrde man Feine Urfache haben, hierinn etwas fremdes oder fonderba= res zu fuchen. In Griechenland aber war diefes um defto weniger zu vermwundern, indem das Wort MWeife unter den Griechen ſowohl vor als fange nad) dem Zeitalter der Männer, die diefen Ehrennahmen- erhielten, bay weis tem nicht fo viel fagend war, als er jejo unfer uns iſt, und auch fpäter unter den Griechen wurde. Weiſe war mit geſchickt und erfahren völlig gleichbedeutend, und man nannte daher nicht nur alle gute Dichter und Künftler, fondern aud) alle gefchicfte Handwerker, und felbft erfahr- ne Schiffer und Landleute weife Männer **). Unter kei⸗ nem *) Athen. b. c, ®*) Ueber die Bedeutung der Wörter 60Dos, aoßısns, Di- AocoQDos, und deren Veränderungen, ferner über die Veranlaſſungen zur Benennung der fieben Weifen, über ihre Zahl, Gaftmäler, und das Anfehen des Haft mals der fieben Weifen, fehe man die Fünfte Beylage, die-man am Ende diefes Buchs finden wird, 62 Eıftes Bud, nem Volke alfo ift es weniger auffallend als unfer ben Griechen, daß verebrungswürdige Haͤupter oder Rath⸗ geber und Lehrer von Staaten vorzugsweife fo genannt wurden. Um aber das Natürliche diefer Erfcheinung noch mehr zu begreifen, darf man nur die Geſchichte anderer Nationen in ähnlichen Zeitpuncten, und befonders die der Römer zu Mathe ziehen. Dieſe Erdbezwinger waren während des zweyten punifchen Krieges, noch mehr aber zroifchen dem Schluffe deffelben, und dem Anfange des dritten, in einer Sage, die von der Lage ver griechiſchen Städte in Afien im Zeitalter ver Weiſen nicht fehr vers fchieden war. Die Sitten der Römer waren nämlicd) noch foft gang unverdorben, und die Achten römifchen Tugenden niche nur ungeſchwaͤcht, fondern auch in der höchften Spannung, die fie unter dem erhabenften Volke der Erde jemals erreicht haben, Maͤßigkeit, Ent- baltfamfeit, gewiffenhafte Redlichkeit, und Einfalt in Wohnungen, Gerathe, Epeilen, und Ergöjungen wa⸗ ren noch ganz gemeine Tugenden ; und Würde des Reichs, und die Majeftät des römifchen Nahmens, nicht aber verderblicher Ehrgeiz und Gewinnſucht leiteten Die Väter des Volks in ihren Enrfehliefungen, und trieben ihre Heerführer und Legionen unwiderſtehlich über alle Gefah— ten und Feinde bin. Ungeachtet man mit reichen Mas tionen gekriegt hatte, und bald nachher ehen Diefe und noch andere reichere Völker und Könige überwand; fo wurde doch die unermeßliche Beute, Die man gewann, nicht einigen räuberifchen Feldherren, und ihren gierigen Nots ten zu Theil, fondern wie anvertraute Heiligehümer in die Schazkammer des Staats geliefert, Die größten Hel⸗ Ueber den älteften Zuftand von Griechenland. 63 Helden, die die Republik bereichert hatten, und ihre Fa« milien, waren entweder wirklich arm, oder Doch nur wohlhabend, und das Vermögen, mas fie befaßen, mar nicht durch Gemaltthätigfeiten und Diebereyen, fondern durch Fleiß und Sparfamfeit errungen. In diefem Zeitalter nun, auf welchen der Freund und Verehrer menfchlicher BortreflichFeiten mit bemunderndem Erftaus nen verweilt, erhoben ſich Männer, die in einem langen zum Dienfte des DVaterlandes in allen Arten von Yems teen und Gefchäften hingebrachten Jeben die nüzlichften Erfahrungen Eluger Hausväter, meifer Senatoren und gluͤcklicher Feldherren gefamlet hatten, und mit der Recht: fchaffenheit guter Bürger eine genaue Kenntniß der vater ländifchen Nechte, Religion, Geſchichte, und alles deffen verbanden, was damals nur wifjensmürdig war *), Dergleichen waren ©, Aelius, M. Manilius, der ältere Craſſus, T. Coruncanius, M. Cato, Caͤc. Metellug, M. Lepidus, Maximus, Paullus, und andere, deren Nahmen man im Cicero findet **), Dieſe Haͤupter des Volks, weit entferne, den lezten Theil ihres Lebens in eis nee unrühmlichen genießenden Muße binzubringen, res gierten durch ihre Klugheit und Anfehen den Staat, und erlaubten einem jeden, daß er fie entweder zu Haufe, oder *) Equidem faepe audivi (ſagt Craffus beym Cicero III. de orat.) de patre & de focero meo, noftros quoque homines, qui excellere fapientiaa gloria vellent, omnia quae quidem tum haec civitas noſſet, folitos efle compledi. — Ueber den Marimus und Cato werde ich gleich nachher Stellen anführen. “*) Man fehe Cis, de Sen, 37. s, de Amic, 2, & 5, de orat, ul, 33+ ! 64 Ecrſtes Bud, oder auf dem Foro, wo fie deßwegen zu gewiffen Zeiten, fpazieren giengen, zu Rathe ziehen konnte *). Man frug fie nicht nur über zweifeihafte Nechtsfälle, fondern auch über häusliche Angelegenheiten; über die Verhei⸗— rathung von Kindern, den Kauf oder Verkauf von Häur fern oder Gütern, und über die befte Art feine Aecker zu bauen und zu benuzen. ie waren ſtets mit Haufen der edelſten Syünglinge umgeben, die man nicht bloß in der Abſicht zu ihnen führte, um von ihnen zu Rechtsge⸗ lehrten und Nebnern gebildet zu werden, fondern um durch ihr Beyſpiel zu guten Bürgern, durd ihre Er— fahrung, $ehren und Anfehen zu mweifen und tugenbhaf- ten Männern, und durch ihre Handlungen zu großen Thaten erweckt und gereizt zu werden *). Auf dieſe Urt bildete ſich der Cenſor Kato in dem vertrauten Um⸗ gange mit dem Q. Maximus, dem Erretter Roms, der den Hannibal ermüdete, und feine Heftigfeit zuerft brach, der feinen Zeitgenoffen eben fo fehr an Kenntniß des Staats und des Alterthums, als an felöherrifchen Tus genden, Stärke der Seele und Erhabenheit des Geiftes über die re Vorurtbeile feines Volks übers ——— ®) ©. die vierte Beylage, welche am Ende des Abſchnitts angehängt wird. ©“) Cic de ſenect. e. q. Quid enim eſt jucundius fe. nedtute, fipata fludiis juventutis? Anne eas qui- * dem vires fenedtuti relinguemus, ut adolefeentulos doceat, inftituat, ad omne officii munus inſtruat? quo quidem opere quid poteſt effe praeclarius? Mihi vero Cn. & P. Seipiones, & avi tui dun, L, Aemilius & P. Africanus Baia: nobilium juvenum fortunati videbantur, Leber den älteften Zuftand von Griechenland. 65 übertraf *). So wie Cato das Mufter des Maximus ftets vor Augen gehabt, und zu erreichen gefucht hatte; fo wurden er wiederum und die beyden Scipionen Bey fpiele für andere, und diefe drey außerordentliche Maͤn⸗ ner muß man vielleicht für die legten Lehrer römifcher Tugenden, ober wie die Schriftiteller diefes Volks agen, römifcher Künfte halten, die bald durch ausländifche Kenneniffe und Wiffenfchaften verdrängt wurden. Alle diefe nee ers “) de Sen, 4. Ego (fagt der Ältere Cate) Q, Maximum, eum, qui Tarentum recepit, adolefeens ita dilexi fenem, ut aequalem, erat enim in illo viro comi= tate condita gravitas; nec feneftus mores mutave- rat, — Cumque eo quartum confule adolefcentulus miles profeftus fum ad Capuam, quintoque anno poft ad Tarentum quaeflor: — — — hic & bella gerebat, ut adolefcens, cum plane grandis eſſet: & Hannibalem juveniliter exfultantem patientia fua mol- liebat: — — — Nec vero in arımis praeftantior,, quam in toga: — — — augurque cum eflet, dicere aufus eft, optimis aufpiciis ea geri, quae pro rei= publicae falute gererentur: quae contra rempubli- cam ferrentur, contra aufpicia ferri. Multa in eo viro praeclara cognovi; fed nihil eft admirabilius, quam quomodo ille wortem M. filii tulit, clari viri & confularis, eft in manibus laudatio; quam cum legimus, quem philofophum non contemnimus? Nec vero ille in luce modo, atque in oculis civium magnus: fed intus, domique praeftantior, Qui fer. mo? quae praecepta ? quanta notitia antiquitatis ? quae feientia juris augurii? multae etiam, ut in ho- mine Romano, litterae. Omnia memoria tenebat, non domeftica folum, fed etiam externa bella: cujus fermone ita tum cupide fruebar, quafi jam divina- rem jid, quod evenit, illo exſtincio, fore, unde difcerem, neminem, 22.2 € 66 Erfted Bud. diefe großen Römer nun, die gleich den griechifchen Weir fen in ihrem blühenden und reiferem Alter dem Staate in Frieden wie im Kriege gedienet hatten, und als. Greife noch durch ihre weifen Rathichläge ihren Mitbürgern und Durch ihre Ermahnungen und Benfpiele der Jugend nüz- lich zu werden fuchten, erhielten vom ganzen Bolfe, was fie anbetete, oder aud) fürchtend verehrte, den Nahmen der Weifen *), und man muß aus diefem Betragen der Roͤmer und der Griechen fhließen, daß alle Völfer in ähnlichen Fällen eben fo gebandelt haben, oder doch han- deln würden, Wenn — — —— — — ꝰ — — — — — ®) Cic. de Amic. dze. Sunt ifta, Laeli. nec enim melior vir fuit Africano quisquam, nec clarior, fed exifti- mare debes, omnium oculos in te efle conje&tos: unum te /apientem & appellant & exiftimant, Tri- buebatur hoc modo M. Catoni. Seimus L, Atilium apud patres noftros appellatum eſſe fapientem, Sed uterque alio quodam modo: Atilius, quia prudens efle in jure eivili putabatur: Cato, quia multarum rerum ufum habebat, — Propterea quafi coguomen jam habebat in feneÄtute fapientis,. — Und ec. 5, Nos autem ea, quae funt in ufu, vitaque communi, non ea, quae finguntur ‚aut optantur,, fpe&tare debemus, Nunquam ego dicam, C. Fabricium, M. Curium. T, Coruncanium, quos ‚fapientes noftri majores judica- bant, ad iftorum normam fuiffe fapientes, Endlich e. 17, de ſenect. Apex autem feneÄtutis eft Auctori- tas. Quanta fuit in L, Taecilio Metello? quanta in Atilio Calatino? in quem illud elogium unicum: plu- zimae confentiunt gentes, populi primarium fuifle virum, Notum eft totum carmen, incifum in fepul- ero. Jure igitur gravis, cujus de laudibus omnium effet fama confentiens. Quem virumP. Craflum, nuper ' pontificem maximum, quem poftea M, Lepidum eo- dem facerdotio praeditum vidimus?® Quid de Paulo aut Africano loquar? aut ut jam ante de Maximo? Lieber den älteften Zuftand von Griechenland, 67 Wenn die griehifchen Weifen allein um ihrer Spruͤche und Gedichte willen ihren Ehrennamen erhalten hätten; fo würden fie diefen Titel wahrfcheinlich mit den gehrdichtern haben theilen müffen, die in oder kurz nach ihrem Zeitalter lebten, und unter welchen außer dem Colon, Aefop, Mimnermus, Theognis, Phofylides und Gimonides die berühmteften waren, Die ernfthaf: ten Gedichte diefer fogenannten Gnomiker haben mit den Sprüchen der Weifen ſowohl in Anfehung ihres Aus— drucks, als ihres Inhalts eine auffallende Aehnlichkeit. Ihre Sprache unterfcheidet ſich von fchlichter Profe faft ganz allein durcy den abgemeffenen Numerus *) und iſt durchgehends fo einfältig, Funftlos und belle, daß fie 2 {2 - aud) — * Ich finde im Athenaͤus über den Rythmus der alten Gno⸗ mifer eine Stelle, die ic) entweder nicht verftche, oder die auch mehrere Unrichtigkeiten enthält. Diefer Schriftſteller ſcheint namlich zu behaupten, daß Homer deßwegen nachläfliger in der Beobachtung des Sylben⸗ maaßes, und im Versbau gewefen fey, weil feine Ger dichte gefungen worden, und daß hingegen Solon und andere Lehrdichter mehr für die Nichtigkeie der Versart geforge hätten, weil fie ihre Elegien nicht zum Sin— gen, und für mufifalifche Inſtrumente auegearbeitee hätten. Beyde Behauptungen find eben fo fonderbar, als es falfch ift, daß die Werke der alten Gnomifer nicht gefungen worden find. Plato bezeugt im Anfange feines Timäus, daß man die Gedichte des Solon und anderer Gnomiker in Athen, an gewiflen Feften abge: ſungen habe, und Athenaͤus ſelbſt erzaͤhlt, daß ſogar die Geſeze des Charondas in Athen vormals an Gaft- mälern wären gefungen worden (XIV. 3. 619.) Die Worte des leztern Schriftftellers, die mich zu diefen Demerkungen veranlaßt haben, ftehen im ı4 Buche im achten Capitel und lauten fo: ors de TEOS TNV_ RETI- nv 68 Erſtes Buch, auch einem unausgebildeten Verftande Feine Schwierig: feiten machen konnte. Ihr inhalt befteht entweder in allgemeinen Klagen über die Bosheit und das Elend der Menfcen*), über die Kürze und Fluͤchtigkeit des menſch⸗ lichen Lebens, über die Freudenlofigfeit des Alters, und über die Schande und Birterfeit der Armurh **), oder in Erhebung des Reichthums, befonders deffen, der auf eine gerechte Art erworben worden ***), oder in allges meinen unbeftimmten Empfehlungen von Tugenden, vor- züglid) derjenigen, die in jenen Zeiten am nüzlichften und nothwendigſten waren, der Eintracht, Tapferfeit, War terlandsliebe, Maͤßigkeit, der Vorſicht in der Wahl von Freunden, und der Treue in Sreundfchaften, Eiden und ve en mv osımroro Öieneivro ol aexascı, dmAoy de eE "Onees, os dim To memEeAomomkevdı root ERUTE TNVv Fomomv aDeovrissı TES TOAABS OKE- Darss Fa SIXBS, Kai Auyaeas, Evi de pessess. Zevoßavns de au ZoAwy necı @eoyvis, acı Danur,dns, eri de Tlegıavdeos o KoewSuos EAEYEIOTOIOS, KA Toy Auızmv 05 un TEOTKYov- TES WOOS TR TOMTE neAodınv, EHTFOVETI TES SUXBS TOIS AED HS nos FA TOLEı Toy METEwV, Ho CHOMETI, OMWS Murwv undeıs aneDoAos es unre Auyagoıs, wre neiseos. Cicero urtheilte von den Berfen des Kenophanes und Parme- nides, was den Wohllaut derfelben betrift, richtiger Ac, Quaeft. IV. 23. Parmenides, Xenophanes minus bo- nis quanquam verfious, fed tamen illis verfibus in- erepant eorum arrogantiam &c, *) Theng. 65. 90. ®*) Theog. 6. 21. 649. v. @09) y113, 1152, id, - Leber den älteften Zuftand von Griechenland. 69 und Verträgen *), ober endlich in frommen Betrach« tungen über die Macht und den Einfluß der Götter: daß naͤmlich alles Gluͤck und Unglück, alle Weisheit und Tu— gend von den unfterblichen Göttern berfomme und ab» hänge, daß fromme und fugendhafte Menfchen von ihnen geliebt, und boshafte und gottlofe unfehlbar, wenn gleid) bisweilen fpät, geftraft werden *). Diefe und ähn- liche Allgemeindrter machen den Hauptvorwurf der Lehr⸗ gebichte des arhenienfifchen Gefezgebers, wie feiner Zeit⸗ genoffen, und unmittelbaren Nachfolger aus; und man Fönnte baber fait aus der Gleichförmigfeit des Vortrags und der Gedanfen fchließen, daß fie ohngefähr in folchen Zeiten und für folhe Menfchen gefchrieben worden, in und von welchen die Denffprüche der griechifchen Weifen bewundert wurden ***), | ne € 3 Bor rer *) V, 30. 480; 1183. %*) 149. 50. 165.:70. 589. Theog, von) Sich trete völlig dem Urtheile des Herrn Hofrath Heyne bey (Vid. praef, ad Glandorfii Edit. carm. aur, p. 23.) nad welhem die Gnomen des Theognis, fo wie wir fie jezo haben, nicht ein einziges, unverftümmeltes und ‚amverfälfchtes Lehrgedicht, fondern vielmehr eine Sam: lung von Sprüchen diefes und anderer Dichter find, in welhe Trink⸗ und Liebeslieder von mehrern Verfaſ⸗ fern eingefhoben worden. Nur mit diefer Vermuthung allein kann man den Mangel des Zufammenhanges, die häufigen Wiederhohlungen, und die nicht feltenen Widerfprüche der Ueberbleidfel des Theognis erklären. — Das momus vadernov, das den Nahmen des Phokylides führe, Halte ih mit Scaligern für ein ſchoͤ⸗ nes Gedicht, das aber unftreitig einen Ehriften zum Derfaffer hatte. Die Empfehlungen der Jungfrau/chaft und der Mildchätigkeit gegen Arme, ferner die War: nungen 70 Eıftes Bud, Bor allen andern aber verdienen die Fabeln des Aeſop Aufmerkſamkeit, den das griechifche Alterthum als einen weifen Mann bewunderte, den viele Schriftfteller unter die griechifchen Weifen ſezten, deffen Erzählungen Sofrates wenige Tage vor feinem Tode in Verſe brachte, und Plato allein in feiner Republick duldete, aus welcher er die Werke des Homer, Hefiod und anderer berühm« ten Dichter verbannt hatte, den aber ein elender Mönd) nah unzuverläffigen Sagen als einen haͤßlichen Poffenreißer gefchildert hat *). Gelehrten $efern brauche man nicht mehr zu bemweifen, fondern man darf fie nur daran erinnern, daß Aeſop nicht der erfte Erfinder der Dichtungsart war, die vonihm den Namen erhielt: daß ſchon vor ihm Hefiodus, Archilochus und mehrere andere den Aefopifchen ähnliche Fabeln erzähle hatten; daß ferner die Aefopifchen Fabeln von ihrem Verfaſſer weder in Verſe gebracht noch) aufgefchrieben, fondern mündlich vorgetras gen, und aud) durd) bloße mündliche Veberlieferungen er- halten worden: daß Sofrates, Demetrius Phalereus und andere berühmte Männer und Schriftfteller unter den Griechen ihnen ein dichteriſches Gewand umgeworfen und nungen gegen magifche Bücher und gegen Unkeufchheit, endlich die Erwähnung einer goͤttlichen Dffenbahrung verrathen alle einen Dichter, der mit riftlichen Reli— gionsbegriffen angefüllt war. % Eben diefe Schriftfteller, die den Aefop als einen Poffen- reißer befchrieben, dachten nicht daran, daß er ein Freund und Gefandter des Kröfus war, und daß die Griechen ihn für einen fo gottronhlgefälligen Mann hielten, daß fie glaubten: Apoll habe die Hinrichtung feineg Lieblings, an den Delphiern durch ſchwere Stra⸗ fen geahnder. Man fede Herod, Il, 134, Ueber den aͤlteſten Zuſtand von Griechenland. 71 und fie geſamlet haben: daß endlich nur der kleinſte Theil der griechifchen Fabeln, die den Namen des Aefop tragen, vom Aeſop berrühren, und die meiſten, fpätern namen» Iofen, mehr oder weniger glüclihen Nachahmern des Phrygiers zugeeignet werden müffen ? Eine natürliche Folge diefer ausgemachten Worders fäze ift diefe: daß, wenn man die Natur und den Zweck ber Aefopifchen Erzählung beurtbeilen oder beftimmen will, man ſolche Fabeln, die von den älteften Schriftftellern, einem XAriftophanes, Zenophon und Ariftoteles anges führt werden , und von denen es alfo am wahrfcheinlich« ften ift, daß fie acht und unverfälfche find, zu Muftern wählen, und mit ähnlichen Weberbleibfeln alter Dichter vergleichen müffe. Nach ſolchen, allem Vermuthen nach, weder un⸗ tergeſchobenen, noch verdorbenen Reſten zu urtheilen, waren die Fabeln des Aeſop, und ſeiner Vorgaͤnger und Zeitgenoſſen erdichtete Erzaͤhlungen menſchenaͤhnlicher Re⸗ den, Handlungen und Begebenheiten, von Thieren, wodurch ihre Erfinder weder muͤſſige Hörer und Leſer allein ergoͤ⸗ zen, noch auch) bloß im allgemeinen unterrichten und befe fern wollten, fondern In welchen fie Handlungen und Be» gebenheiten der Thiere als Mufter der Nachahmung, oder als Benfpiele der Warnung aufftellten, um die Ent ſchließungen eines ganzen verfamleten Volks in einzelnen wichtigen Fällen und Angelegenheiten dadurch zu leiten, und ihre Micbürger entweder zu gemwiffen Entwürfen aufs zumuntern, oder fie auch vor übereilten Schritten und Unternehmungen zu bewahren. So erzählte Stefichorus den Himerenfern die Fabel vom Pferde und Hirfche, um fie gegen die Sycanuep des Phalaris zu warnen, und’ E 4 Aeſo⸗ 72 Erſtes Bud). Aefopus ben Samiern die Gefchichte des Zuchfes, um fie von einer ungerechten Verurtheilung eines reich gewor⸗ denen Demagogen zurück zu halten *). Aeſop und Ste: fihorus waren daher nicht bloße Märchenerzähler, fon» dern Rathgeber von Staaten und öffentliche Volksred⸗ ner **), die, mie Menenius Agrippa auf dem heiligen Berge gethan haben foll ***), ihre Zeitgenoffen durch Fabeln ermahnten oder abriethen, und auf die wichtig ſten Gefchäfte und Angelegenheiten einen mächtigen Ein fluß hatten, | Wenn aber Fabeln die Wirkungen bervorbringen follten, weswegen ihre erften Erfinder fie erzählten, fo muften fie, wie die Sprüche der Weifen, und die Werfe ber älteften Lehrdichter ernſthaft, faft ohne allen Schmuf, kurz, und dennoch deutlich ſeyn, meil Fünf liche Verzierungen die Zuhörer zwar ergözt, aber ihre Aufmerffamfeit von dem Sinne auf die Einfleidung ge- leitet — und die geringfte Dunkelheit und Verwirrung fie fangfamen, im Denfen ungeübten Menfchen uns verftändlich gemacht harte, Die erzählten Begebenheiten muften wahrfcheinlich, die Reden und Handlungen der Thiere, ihren Charafteren enefprechend, die Anwendung leicht, Mn ®) Rhet, Arift, II. 20, ”*) Avswrros (fagt Ariftoteles am angeführten Orte) de Ev Zaum auvnyYnewy Innaryoya , KEIVOREVW meeiı Javars, x. TA. ®#e) II, 32. Liv. Sch halte es nicht für unwahrſcheinlich, daß diefer Römer den Plebs durch eine Fabel nach Rom aurück gebracht habe. Sch zweifle aber, ob der Inhalt derfelben fo befchaffen war, als Livius ihn angibt Ueber den alteften Zuftand von Griechenland. 73 feiche, und die $ehre fich felbft darbierend, und aus der Erzählung natuͤrlich ausfließend feyn. Alle diefe Merks male findet man in den älteften Fabeln der Griechen fo- wohl als anderer Völfer, und nach ihnen Fann man in manchen einzelnen Fällen, über das Alter und Anfehen von Gedichten diefer Art, einen ziemlich zuverläffigen Ausſpruch thun. Merkwuͤrdig iſt es, daß Aeſop, und auch die er— ſten Fabeldichter anderer Nationen, ihre Zeitgenoſſen allein oder doch vorzuͤglich durch Handlungen und Bege— benheiten von Thieren, nicht aber durch die Benfpiele und Mufter von Göttern oder von Helden , oder endlich von erdichteren und allegorifchen Perfonen zu belehren, und zu warnen gefucht haben. Dies -fcheint um defto fonderbarer, da wundervolle Erzählungen von den Tha- ten und Schicfalen unfterblicher oder vergötterter Natu— ven, und Maͤhrchen von-allerley Arc, in Griechenland, und auch unter andern Nationen, entweder älter, oder doch eben fo altwaren, als die Fabel im Aefopifchen Ge: ſchmack. Alle Forfher, welche die Gefchichte diefer Dichtungsart unterfuchten, bemühten ſich, die Gründe zu finden, warum man fo allgemein diefer Art lehrreicher Erzählungen, vor allen übrigen Gattungen, den Vorzug gegeben habe. Kin jeder gab eine andre Urſache diefer Erſcheinung an, und glaubte dabey die wahre endeckt zu haben, Allein Feiner hat fie da gefucht, wo fie allein ges funden werben Fonnte, nämlich in der Denfungsart der Menfchen, die zuerft durch Fabeln unterrichtet wurden. Die älteften Fabeldichter lebten in folchen Zeital- fern , in welchen der größte Theil eines Volks wenig ge- bilder, ‚über die Thiere des Feldes wenig erhaben, und Es zugleich 74 Erſtes Bud). zugleich mit den außerordentlichen Fertigkeiten und Kuͤn— ften derfelben auf das vertraulichfte befannt war! in wel⸗ chem alfo aud) der rohe Menſch, , der die todte Matur be- lebte, und felbfi die göttliche vermenfchlichte, leicht dar— auf verfallen Fonnte, Thieren, deren Werfe ihm eben fo unnachahmlich als unbegreiflic) waren, menſchenaͤhn⸗ lihe Sprache, und Vernunft zuzutrauen. Der Glaube on vernünftig rebende und handelnde Thiere war vormals, und iſt nod) izo allen Wilden und Barbaren, und felbft mehrern halbcultivirten Voͤlkern gemein®), und die Ein» theilüng der empfindenden Erdbewohner in vernünftige und unvernünftige wurde und wird nicht eher gemacht und angenommen, als bis der Menſch fid) lange in Städte zurücigezogen, und durch Künfte, Handwerfe, und Wiffenfchaften über die Thiere, deren angebohrne Gefchicklichfeiten er immer weniger und weniger beobad)- tet, zu erheben angefangen hat. Die älteften Fabelerzaͤh— lee waren daher nicht durchgehends Erdichter, wenn fie Thiere auf eine menfchenähnliche Art reden und handeln ließen, fondern fie folgten einer herrſchenden Meynung, die ſich wahrfcheinlicy zu Aefops Zeiten noch nicht ganz verlobren hatte, und übertrafen ihre Zeitgenoffen nur darinn, daß fie dieſe Meynung zum beften ihrer Mit bürger nuzfen. Sie erfanden einzelne Begebenheiten, Handlungen und Reden von Thieren und Göttern, die aber beybe mit ben gemeinen Begrifen ihres Zeifalters übereinflimmen muften. Wären die Menfchen nicht zu einer gewiffen Zeit überzeugt gewefen, daß die Thiere nad) Art der Menfchen redeten und handelten; fo würde die *) Siehe meine phil. Schriften zter Theil ©. 78. Lieber den älteiten Zuftand von Griechenland. 75 die Aefopifche Fabel felbft als Erdichrung unwahrfchein. lich gewefen, und als folche verworfen worden feyn. Bon Feiner andern Are von Erzählungen, fie mag früher oder fpäter als die Aefopifche Fabel erfunden wor- den ſeyn, konnte man ſich fo große Wirkungen, als von derleßfern, verfprechen. Die Abendrheuer erdichte ter Perfonen würden gar Fein Anfehen erhalten, und fei- nen Eindruck gemacht haben, weil man fie von der er: ften jugend an von Ammen und alten Frauen in Maͤhr— chen gehöre hatte. Die Scicfale der Götter waren meiftens fo febr außer der Ordnung der Mas tur, und ihre Handlungen fo wenig mufterhaft, daß die einen felten lehrreich ſeyn, und die andern faft nie» mals zur Nachahmung empfohlen werden konnten. Wahre Gefchichte gab es gar nicht, oder fie war äußerft eingeſchraͤnkt. Große Helden waren faft zu Göttern er- hoben, und ihre Thaten der Mythologie eingewebt oder angehängt. Was man aber aud) nod) von zuverläffigen Ueberlieferungen aus vorhergehenden Zeitaltern befaß, war fo unbedeutend, daß man aus ihnen nur felten Benfpiele hernehmen Fonnte, Die auf gegenwärtige Falle gepaßt hätten. Die Handlungen und Begebenheiten von Thie- ren boten daher den reichften und ſchicklichſten Stof zum faßlichen anziehenden Unterricht für folche Menfchen dar, dergleichen Diejenigen waren, mit welchen Heſiodus, Archilochus, und felbft auch noch Aeſop febten. Von Feiner Seite ift die Aefopifhe Fabel den Sprüchen der Weifen und Gedichten der Gnomifer fo aͤhnlich, als von diefer, daß ihr Wirfungsfreis und ihre Nuͤzlichkeit eben fo ſehr, oder auch mehr begränzt waren, als der erflern ihre, Nachdem unter den Griechen Welt 76 Erſtes Buch). Meltweisheit, Beredſamkeit, Geſchichte und drama- eifche Dichtkunſt entftanden; ließen die aufgeflärtern und durch Dichter und Redner verwöhnten Volksverſamlun— gen fidy nicht mehr durch folhe ſchmuckloſe Erzählungen befriedigen, als wodurdy Steſichorus und Aeſop ihre Zeitgenoffen geleitet hatten. Die Aeſopiſche Fabel fanf in die Claffe von Maährchen, oder doch — von erzählen- den Gedichten herab, von denen man mehr Unterhaltung und Ergözung als Unterricht erwartete, und die man gang für Erdichtungen hielt, weil man nicht mehr an Sprache und Vernunft der Thiere glaubte. Unter den Griechen machte fi) daher nad) dem Aefop Fein einziger Fabeldichter berühmt, ungeachtet noch viele einzelne Fa⸗ bein ausgearbeitet wurden, In diefen trat man oft aus den urfprünglichen Gränzen diefer Dichtungsart heraus, weil man nicht mehr diefelbigen Zwecke hatte, welche ihre erſten Erfinder zu erreichen ſich vorfegten.. Man belegte Fictionen aus der Mythologie, luſtige Erzählun. gen von Begebenheiten aus dem gemeinen $eben, ja ſelbſt ſolche, in denen Ieblofe oder allegorifche Wefen res dend und handelnd eingeführt wurden, mit ben Namen Aefopifcher Fabeln, und glaubte, daß fie in der Manier des Phrygiſchen Volfslehrers erdichter waren, Phadrus erfuhr zuerft, daß Feine andre Dichtungsart mehr an ge- wiffe Zeitalter gebunden ſey, als die Aeſopiſche Fabel, und daß fie unter aufgeflärten Wölfern weder den Mugen ftifte, noch den Ruhm verfchaffe, den Aeſop geftifter und erlangt hatte. Denn ungeachtet der Freygelaffene des Auguſts geriß anmuthiger erzählte, und eine fehönere Sprache redete, als derjenige, welchem er nad)eiferte; ſo war doch der Benfall, den er erhielt, fo geringe und : fo. Ueber den älteften Zuftand von Griechenland. 77 fo Fury daurend, daß Seneca die Aefopifche Fabel als eine Dichtungsart anfab, in welcher die Römer ſich noch gar nicht verfucht hätten *). So fehr aber alle bisher gefamlete Züge des Zeitalters der fieben Weifen zu einem einzigen harmoni. ſchen Gemälde zufammen ftimmen ; eben fo fehr ſcheint ihnen die große Zahl von Trinf und Siebesliedern zu wi⸗ derfprechen, an welchen Fein anderes Zeitalter fo frucht⸗ bar war, als dasjenige, in welchem die Griechifchen Meifen lebten und ftarben. Entweder zugleich, oder auch Furz vor und nad) ihnen fangen Alkman, Alfäus, Sappho, Anakreon und Ibykus, deren Werke fo ausge: faffen und üppig waren, daß fie fo gar einen nicht fehr ftrengen Sittenrichter, der zur Zeit der höchften Ruch⸗ loſigkeit der Nömer handelte und ſchrieb, anftößig wur⸗ den *) Nicht aber bloß die ebengenannten Dichter, die — — — — #) Conf, ad Polyb. c. 27. Non audeo te usque co per- ducere, ut fabellas quoque & Aecfopeos logos, in- tentatum remanis ingeniis opus, folita tibi venuftate eonnectas. Difhicile eft quidem, ut ad haee hi- lariora ftudia tam vehementer perculfus animus, tam eito pofit accedere, - Die lezten Worte zeigen, daß man auch damals die Aefopifhe Fabel mehr für eine ergoͤzende, als ernfthafe unterrichtende Arbeit oder Lectuͤre hielt. ®#) Quis — non intelligit, — quid homines dodiffimi & ſummi poetae de fe ipfis & carminibus edant & eantibus? fortis vir in ſua republica cognitus, quae de juvenum amore feribit Alcaeus? Nam Anacreon- tis quidem tota poefis eft amatorla,. Maxime vero omnium flagrafle amore Rheginum Ibycum, apparet ex feriptis. Atque horum omnium libidinofos effe amores videmus, Fragmente Liefer Dichter finder man beym Athenäus X. 8. 430. XIII. 8, 601, 78 Erſtes Bud, die fich ganz der Venus und dem Bacchus gewidmet hatten, und die als eifrige Diener diefer Götter berüchtige waren, fondern aud) die größten unter den Gnomikern, Colon, Mimnermus, Theognis, Simonides und Ste- fihorus priefen mit entzücfender Begeifterung die Freu. den der Siebe und des Weins, und munferten zu ihrem Genuffe auf *). Dies zahlreiche Chor von Dichtern, deren Stimmen fid) alle zu $obgefängen auf die gröbften und heftigften finnlichen Vergnuͤgungen vereinigten, fcheine einen Hang zur Ueppigfeit und Schwelgerey zu verrathen, von dem man Faum begreifen fann, wie er fidy mit der Einfalt der Sitten und Denfart zufammen finden Eonnte, die aus den Spruͤchen und Raͤthſeln der Weiſen und aus den Gedichfen der alten Gnomiker ber- vorleuchtet. Um diefe dem erften Anfehen einander enfgegen- gefegten Erſcheinungen zu erklären, muß man erftlic) bemerken, daß nicht immer Ueppigfeit in Schriften, Verdorbenheit der Sitten in ihren Verfaſſern, oder de- ren Zeitgenoffen beweift. Ich will mich nicht darauf berufen (weil man gegen dies Benfpiel manches einwen« den Fönnte) daß eben der weife König, der fein Wolf durch feine Sprüche belehrte, auch der WVerfaffer des hoben Liedes fey; allein gewiß ift es doch, daß Archilo- dus, ber früher lebte, als man die Anfänger der Ver: dorbenheit der Griechen mit einiger Wahrſcheinlichkeit annehmen kann, fo unfittlic und verführerifch in feinen Gedichten war, daß diefe deswegen aus Sparta aus« gewor⸗ Veen — — — — — #) Simonid. ap. Ath, XII, ı 1, Mimner. XII. 7. 8, Stefich, XIII, 8. 601, Leber denälteften Zuftand von Griechenlaud. 79 geworfen wurden *). Wir wiffen ferner, daß unter den Römern, felbft in den Zeiten, mo ihre Mäßigkeit und Reinigkeit der Sitten, ihrer Tapferkeit und Vaterlands— tiebe gleich) Fam, die älteften Saturninifche und Fescen. ninifche Gefänge im höchften Grade murhwillig und un: züchtig waren **). Unter den Griechen fowohl als Ns: mern ſcherzten ferner die größten und ernfthafteften Staats» männer, Heerführer, Beherrſcher und Weltweiſe, ver ten Leben und Charafter meiftens ganz untadelich waren, in den leichrfertigften Gedichten, deren anziehenöfter Reiz ihnen eben ihre Unzüchtigfeit zu fenn fchien ***), Die großen Mamen diefer Männer findet man beym Plinius und Apulejus, die fid) mit ihren Bey: fpielen vechtfertigten, und deren Keufchheit eben fo mu» fterhaft, als ihre Schriften muthwillig waren }), Im | alten — — — em — *) Athen. VI. 3, 4%) ee de Satyrica Poefi & Satira Rom, II, I. p. 177: — “) Scimus (jagt Plinius, indem ev von feinen Hendeka— follaben redet, VI. 14.) alioquin bujus opusculi illam effe veriffimam legem, quam Catullus expreflit, Nam caftum eſſe decet pium po&tam Ipfum, verficulos nihil neceffe eft: Qui tunc denique habent falem & leporem, fi funt molliculi & parum pudici. 4) — — Apul, Zı0. 11. Ed. Colvii & Plin. VII. 4. Epift. — — coepi reputare, maximos oratores hoc ſtudii genus, & in oble&tationibus habuiffe & in laude pofuiffe, Intendi animum, contraque opinio- nem meam, poft longam defuetudinem, perquam exiguo temporis momento id ipfum, quod me ad feribendum follieitaverat, his verfibus exoravi. Quum libros Galli legerem, quibus ille parenti Aufus de Cicerone dare eft palmamque decusque, La- 80 Erſtes Buch. alten Griechenlande kann man aus Unſittlichkeit von Schriften um deſto weniger auf Ruchloſigkeit des Charak— ters, oder Ausartung der Sitten ſchließen, da der Genuß ſinnlicher Freuden an manchen Feſten und feſtlichen Zuſam⸗ menkuͤnften einen Theil des Goͤtterdienſtes ausmachte. Es war alſo nicht Widerſpruch oder Unbeſtaͤndigkeit, wenn Solon, Mimnermus, Simonides und andere, die in ihren ernſthaften Gedichten alle Geſchlechter und Alter zur Tugend zu erwecken ſuchten, in froͤlichern Ge- fängen gleich Juͤnglingen fpielten; und eben fo wenig kann man fchlechtweg behaupten, daß der Verfall der Eitten unter den Aſiatiſchen Griechen eben fo groß, als die Ausgelaffenheit ihrer Dichter gemefen feyn müffe. Ungeachtet aber die jego mitgetheilten Betrachtun⸗ gen viele Schmwierigfeiten in ber Beantwortung einer Frage, die anfangs unauflöslich feine, aufflären, und aus dem Wege räumen, fo werden fie doch diejenigen, welche die Zügellofigkeif eines Alkman, Anafreon und Ibykus nur aus ihren Fragmenten Fennen, noch nicht ganz bes friedigen. Ich bemerfe daher ferner, daß gerade die ſchlimm⸗ — ——— — Lafeivum iuveni luſum Ciceronis, & illo Spedtandum ingenio quo feria condidit, & quo Humanis falibus, multo varioque lepore Magnorumj oftendit mentes gaudere virorum, ' Nam queritur, quod fraude male fruftatus - amantem = Paucula coenato fibi debita fua via Tiro Tempore nodturno fubtraxerit. His ogo ledtis Cur poft Ns , inquam, noftros celamus amores ? Nullumque in medium timidi damus? atque Tironisque dolos, Tironis noffe fugacen Blanditias, & furta novas addentia flammas ? Weber den älteften Zuftand von Griechenland, 8ı » ſchlimmſten unter den alten Wein und $iebesdichtern dee Griechen, entweder in einer Stadt gebohren wurden, welche man die erfte Verführerin und Werderberin der Griechiſchen Städte nennen Fann, oder daß fie auch an dem Hofe des veichften, glüclichften und ausſchweifend⸗ ften Tyrannen des Polyfrates lebten, und daß fie endlich etwas fpäter als die Griechifchen Weifen, und zwar in folhen Zeiten blühten, wo Weichlichkeit, Schmwelgerey und alle Arten unnarürlicher $üfte das Afiatifche Griechen« land wie Fluthen uͤberſchwemmeten, und allenthalben die fürchterlichften Verheerungen anrichteten, Diefe Sittenverderbniß ging von den Sydiern aus, die unter ihren lezten Königen, befonders unter dem Kroͤſus, das reichfte, aber aud) bald nachher das nichts⸗ wuͤrdigſte und üppigfte unter allen Afiatifchen Völkern wurden, Sie waren nicht nur die erften Erfinder der weichlichſten und Eöftlichften Kleider und Tapeten, ſon⸗ bern auch der wohlriechendften Salben, der leckerhafte⸗ ften Gerichte und der fchmelzendften Inſtrumente *). Sie pflanzten zuerft Paradiefe oder fchattenreiche Garten, in deren fühlenden Gängen und wollüftigen Einfiedeleyen fie Erfrifchung und Ruhe zum lebhaftern und ungeftörtern Genuß der feinften finnlihen Vergnuͤgungen fuchten. Sie entdeckten zuerft das Geheimniß, auch Madchen zu verfchneiden, um fie zu Hüterinnen ihrer Weiber und Beyſchlaͤferinnen, und zur Verrichtung anderer Gefchäfte zu nn — — — m — — — ®) Athen, XII, 3. XIV. 9. 634. XV. 12. 690. srei die Benra em ndumadeıe oi Audos, zo vo rag’ Ava- nesovtı Audozadns, arsacıy ayrı Te nduradns. 82 Erftes Buch. zu gebrauchen, die fonft männlichen Verſchnittenen aufs getragen wurden, Als die Einwohner von Sardes fic) gegen den Kyrus, der ihrer gefchont hatte, empörten, und Diefer fie in feinem Grimme vernichten wollte; gab Kröfus aus Siebe zu feinen Unterthanen dem erzürnten Sieger den Kath, den $ydiern, und befonders den Bürgern der übermütbigen Hauptftadt, ftatt des Lebens ihre Männ« fichfeit und alle Tugenden zu nehmen, wodurch fie den Perſern fuͤrchterlich werden Eönnten*), Aufdiefen Bor- ſchlag des Kröfus unterfagte Kyrus den Iydiern auf ewig den Gebraud) der Waffen und Friegerifche Uebungen: er fehrieb ihnen eine Kleiderordnung vor, wodurch fie in goeibifche Komödianten verwandelt wurden, und befahl ihnen, ihre Kinder beyderlen Gefchlechts in allen Künften der Unzucht und Verführung zu unterrichten, Die Volle ziehung diefer Verordnung brachte nad) der Bemerfung des Herodot in den Sitten und der Lebensart der Ldier eine gänzlihe Veränderung hervor, Zur Zeit diefes Ges ſchichtſchreibers war es ſchon eine ganz allgemeine Ge. wohnbeit, daß die Töchter der Lydier mit ihren Reizen wucherten, und den Genuß derfelben an den meiftbieten» den verfauften, um ſich durch dies ſchaͤndliche Gewerbe einen Brautfchaz zu ſammlen **), Diefe entfezliche Sittenverderbniß der Indier ver⸗ breitete fid) ſchon in den legten Zeiten ihres Reichs, noch mehr aber unter den Perfifchen Königen über die Gries chiſchen, befonders die Joniſchen Städte, die daher auch im Europäifchen Griechenland eben fo übel berüdh- tigt, — — — — — #) Her. I, 155. “) 1. 93, * Ueber den älteften Zuftand von Griechenland. 83 tigt, als die $pdier wurden *). Kolophon war die erſte Ungluͤckliche, die feit ihrer Zinsbarfeit und genauern Vera bindung mit den Iydiern **) ihre alte einfache mäßige $ebensart verließ, und mit einer Arc von Wuth fich in ausländifche Schwelgeren und Ueppigkeit ftürzte, Mehr als taufend ihrer Bürger prangten an öffentlichen Der tern mit purpurnen Gemändern, die man bisher nur zum Schmud und unter die Kleinodien von Königen gerech« net hatte, und die damals noch mit Silber aufgewogen wurden. Weil fie glaubten, daß für die fellgen Bea wohner von Kolophon Fein Augenblick leer vom Genuß, und unausgefüllt mit den ausgefuchteften Vergnuͤgungen feyn müffe; fo machten fie 3 Geſez, das noch bis auf 2 die — — —— — — ®, Athen, XII. 525. 526. @zoßgusos dev To megi Moyns, ns on zo Tas Iovias Oyos die vv Urrees Born Tns FEOPns , E73 Kos vuy 7 QuaN TaEos Io uæuenevnxe. #8) Athen. ib. KoAoQwvios d ws Ono⸗ Qurxexos, U FNV BEXMy ovrEes CHANGOI Ey Taıs EYmYaıs, EWei es TEeuDNv eEwneıAuv eos Audss DiAsav Ko GUMMEXIY TrOMTOHMEVO, EO NETEV ÖMORNUpE- vos TES KoWaS Xevom Kodum, ws Kos Zevodavye new, ADdeosuvas de nudovres — — Avday, oDex rugavyıns NEav ETRISUYEENS, NETov EIS AYogNvy MAVEABEYEr Dasge EXovTes, BUEIBS NTEE XıÄroı EIS ERI WOW. Avuynarsoı Kaırnow ayaAAouev', sure TEETOW, Acxnrois odun Xeiauası devonsron. 84 Erſtes Buch. die Zeiten des Athenaͤus fortdauerte, und das mehr als irgend etwas anders den wahnſinnigen Taumel verraͤth, der ſie ergriffen hatte, daß Taͤnzerinnen, Saͤngerinnen, und andere Diener und Kuͤnſtlerinnen öffentlicher Ergo- zungen aus dem Schaze des Volks ſo reichlich belohnt werden ſollten, daß fie verpflichtet wären, vom frühen Morgen bis an den einbrechenden Abend für die Unter- Haltung ihrer Wohlthäter zu arbeiten. Aus diefem Kreife unmittelbar auf einander folgender Zerftreuungen des Tages traten fie, ohne ſich auszuruhen, in einen andern Wirbel nächtlicher Freuden über, von denen fie fi) nicht . eher trenneten, als bis fie durch Sinnloſigkeit und Er- fhöpfung dazu gezwungen wurden. Das $eben diefer Schwelger war faft nichts als ein beftändiger Rauſch, oder Erholung vom Rauſche, und es follen viele unter ihnen gewefen ſeyn, die niemals weder die aufgehende noch diesuntergehende Sonne geſehen hatten. Diefe rafende Ergözungsfucht und Prachtliebe Fam von Kolophon zuerft zu den Milefiern, dann zu den Ephefiern, und endlich zu den übrigen Joniſchen Städten *). Am fpäteften fcheint fie Die Inſeln erreicht zu haben. Nachdem aber Polyfrates fich der Herrſchaft über Samos bemäd)tigt, ſich viele Eylande und Städte, felbft am feften Sande unterworfen, und große Schäze geſammlet hatte, ſchuf er Samos in ein zweytes Sardes um **). Er verfammiete nicht nur die größten Kuͤnſtler, die Foftbarften Seltenheiten und Eigenthümlichfeiten aller Sander an feinem Hofe und auf feiner Inſel, und ſchmuͤckte en en ®) 523. 25, Athen, “*) XI, Athen, c, 9,10. p. 540. 41, Ueber den ältefien Zuſtand von Griechenland, 85 ſchmuͤckte nicht bloß die Stade mit den praͤchtigſten Wer« fen aus; fondern er ſchlaͤferte auch die Samier durch unaufhörliche Seite, Schmäufe und eine fich faft nie vers fierende Trunfenheit ein: er legte nad) Sardifchen Mur ſtern Derter oder Pläze an, wo man alle Bergnügungen, die die Siebe nur gewähren Fann, ohne Mühe fand, und ohne Vorwurf und Gefeze genießen durfte: endlich flößte er dem ganzen übrigen Griechenlande eben den Hang zur Schwelgerey und Ueppigfeit ein, wodurch er feine Mits bürger entfräftet hatte, Diefe ungeheure Sittenverderbniß brachte faft in allen Städten diefelbigen Wirfungen hervor *), Gränzens fofe und felbft dur) den Genuß gereizte Begierden erzeugten Verſchwendung: auf Verſchwendung folgte Armuch und peinigendes Unvermögen, den unerfättlichen Durft nad) Vergnügungen befriedigen zu koͤnnen. Aus Armuch entftanden Hang zu Neuerungen, Kaubfucht und Kühn heit zu den größten Frevelthaten, und aus diefen endlich entweder Tyranneyen oder Aufrubre, in welchen die Reichen und der Poͤbel ſich wechfelsweife verjugen, oder mit un menſchlicher Graufamfeit aufrieben **). Viehiſche 5 3 Schwel⸗ e) Ich werde dieſe Bemerkung in der Folge bey vielen an⸗ dern Staaten wiederholen muͤſſen. Nuper, fagte Li⸗— vius (in praef.) von den Römern, divitiae avaritiam & abundantes voluptates defiderium, per luxum at- que libidinem, pereundi,, perdendique omnia in- vexere, ®) Herod, V, 28.30. Athen, 523. 26, In Miler ließ der Poͤbel die Kinder der Reichen von Ochſen zertee- ten, und als die Häupter der Ariftofratie wiederum die Oberhand erhielten, verbrannten fie ihre Feinde ſamt Weibern und Kindern. Athen, 524. 86 Erſtes Bud. Schwelgerey, und entnervende Weichlichfeie tödteten In den Aſiatiſchen Griechen alle öffentlichen QTugenden, machten ihre ſchwachen Bemühungen zur Wiedergewin⸗ nung der Freyheit vergeblich, und würden wahrfcheinlich auch den fernern Fortgang von Künften und Wiffenfchafr ten gehindert haben, wenn diefer aud) nicht durch den Perfifhen Despotismus wären verjage ober erfticht worden. | PRAG Erſte Ueber den älteften Zuftand von Griechenland. 97 Erſte Beylage. | Ds Bemerkung, daß Einrichtungen des Minos der Grund des nachherigen Ruhms und Ueber gewichts der Griechen über die Perfer wurden, Eann nies manden fonderbar fcheinen, der fich befinnen will, daß Minos zuerft die Gymnaſtik zu einer Voruͤbung des Krieges und zu einer Ausbilderin ftarfer und gewandter Krieger machte, daß Hkurg die Kretifchen Leibesuͤbun⸗ gen nad) Sparta hinüber brachte und vermehrte *), daß eben dieſe $eibesübungen der Lakedaͤmonier eine ganze Zeitlang eine unbeftrittene Ueberlegenheit über alle andere Griechen im Kriege verfchaften **),. und daß fie endlich von Sparta aus ſich allmaͤhlich auch über die übrigen Griechiſchen Staaten verbreitere, und die Bürger derfel: ben eben fo fehr, als Freyheitsliebe und Klugheit, zu Siegern über die Barbaren bey Marathon und Platäa, und in den Gefilden Afiens gemacht habe, Die meiften Arten Griechifcher Wertfämpfe waren viel alter, als die eigentlichen feierlichen Spiele, und hatten anfangs auc) nicht diefelbigen Abfichren, die fie in der Folge erhielten. Die erftern fteigen bis über die Trojanifchen Zeiten, und vielleicht bis über das Zeitalter des Minos hinauf, der durch fie wahrſcheinlich zur Ein« führung feiner Disciplin veranlaße wurde ***), an flatt daß die älteften der lestern, die Dlympifchen, vom 35 4 Iphi⸗ *) Dan fehe bey Ariſtox. ap, Athen, XIV. 7. 630. . **) De Civ, VIII, 4. Ariſt. *#*) Freret in Meimoires de l’Acad, des Infcript, VII, 237. 292, 88 Erſtes Buch. Iphitus hundert und acht Jahre vor dem Anfange der Olympiaden, und 884 Jahre vor Chriſti Geburt geſtif⸗ tet wurden *). Alle Wettkaͤmpfe waren urſpruͤnglich mehr kunſtloſe Ergoͤzungen an oͤffentlichen Zuſammen⸗ kuͤnften, oder gottesdienſtliche Handlungen, die man verſtorbenen Helden zu Ehren an ihren Graͤbern vornahm, als kriegeriſche Leibesuͤbungen, die ſorgfaͤltige Vorberei⸗ tung erfordert, und dem Körper Staͤrke, Behen- digkeit und Dauerhaftigfeie gegeben hätten. Man mußte fange nad) der Stiftung der Olympifchen Spiele nichts von ftärfenden«Salben und Reiben, nichts von der Ent: blößung des Leibes, nicht einmal von der Bekraͤnzung ber Sieger mit Delzweigen *). Die Sparfaner waren die erften, melche auf den “Befehl des Lykurg bey ihren Friegerifchen Uebungen fich falberen, und alle Hinderliche Beverungen abwarfen; und ihrem Beyſpiele zu Folge magfe es ein Megarenfer zuerft ganz nackt in den Olym⸗ pifhen Spielen wettzulaufen **). Dies fehien den Griechen anfangs lächerlicd), allein man gewöhnte ſich bald daran, und fahe den Nuzen diefer Neuerung ein }). Faft zweh hundert Jahre nad) der Stiftung der Olym- pifchen Spiele war das Saufen bie einzige Uebung, in melcher man ſich zu zeigen pflegte +1); und erft im An⸗ fange der achtzehnten Olympiade führten zween Spartaner das *) Man fehe Strabo VIII, 5944-48. Pauf, V, 4.7. 8. 9.16. 24. VL. 18. ee) Thuc. 1. 6. Strab. I, c, ©**) ib, & Meurfius de Arch. Athen. I. 4-6, +) Plato de rep, V.330. Ed, Maffey, | 34) Man fehe Meurfus, 1, c. bef. aber Pauf, V. 8., wo man die Zeit und Ordnung der Kämpfe, die ‚allmählich hinzukamen, am richtigften angegeben findet. : Ueber den älteften Zuſtand von Griechenland. 89 das Pentathlon und Ringen ein, in welchen Seibesäbun- ; gen fie aud) den Preis erhielten. Die Safedämonier alfo waren es, welche die heftigften aus Kreta empfangenen geibesübungen den übrigen Griechen mittheilten, und fie maren es auch, die fie am längften bepbehielten, da fie in den übrigen Griechifchen Staaten - auszufterben ans fiengen *). Wenn man die Urfachen auffucht, warum die Gymnaſtik mehrere Yahrhunderte den Kretern, und nachher den Spartanern eigenthümlich geblieben fen; fo findet man fie in den Gefesgebungen des Minos und Hkurg, die von denen aller übrigen Griechiſchen Staaten himmelweit verfchieden waren. Minos bildere (und eben das that nachher hkurg,) die Kreter in Krie ger um, die Feine andere ihrer würdige Kunſt, als die des Streits, und im Frieden Feine andere edle Befchäf- tigung, als Jagd und Seibesübungen Fannten, die ferner ihre Felder von unterjochten Selaven bearbeiten ließen, und Acerbau und Handiverke Hingegen als freyen Män- nern [himpflich anfahen **). Beyde Völker harten alfo zu allen Arten von Seibesübungen überflüffig Muße, und wurden ven ihrer erften Jugend dazu angehalten, Sin den übrigen Griechiſchen Staaten hingegen waren alle Bürger dem Aderbau und Handwerfen ergeben, und bey diefen Fonnten daher die Kretifchen und Spartani» ſchen Feibesübungen nicht eher Eingang finden, als bis fie reich) genug wurden, Gymnaſia zu erbauen und zu unterhalten, und bis eine beträchtliche Anzahl von Mit. F 5 bite — — — Brock *) Athen. 1. ſup. eit. ®*) Arift.deCiv. 11,8. Plat, de Leg, IV. init, p. 539: \ 66 Eiſtes Hd. Bürgern fo begüfert war, daß fie felbft bie Gymnafia befuhen, oder von ihren Kindern beſuchen laſſen Fonnten, ohne fih und ihre Familie einer befchmwer- lichen Duͤrftigkeit auszuſezen. — Schon lange vor ben Derfifhen Kriegen merfte man eg, daß die Par läftra die Ernährerin der Tapferfeir fey, und Polyfras tes ließ daher alle Öymnafien als Feinde feiner Herrſchaft jerftöhren *). Zweyte Beylage. (Gegen dies Nefultat meiner Unterſuchungen Fönnen vor züglich zween Einmwürfe gemacht werden: erfilid) aus den bewundernsrohrdigen Werfen des Dadalus, wie Diodor fie befahrieben hat **), und dann aus den Gefchenfen, welche die Kyoſeliden dem Jupiter zu Olympia widmeten, und unter welchen vorzüglich der Kaften des Kypſelus merf- würdig if. Die einen ſowohl, als die andern fcheinen ein höheres Alterthum und größere Fortgänge der Kunſt im eigentlichen Oriechenlande zu bemeifen, als ic) ange» nommen habe, Was die Werke des Daͤdalus betrift, fo berufe id) mich auf die vortrefflichen Goguetiſchen Bemerkungen über diefen griechifchen Bildhauer, in welchen jener auf eine unwiderlegliche Urt darthut, daß alle die großen Denkmäler, bie man dem leztern zugefchrieben habe, er» dichtet ſeyn ***). Ungeachtet ich es für eine ſehr Fühne Ber: — IT ee nn —— Du — — *) Athen. XIII 602. **) IV, 319. 0. f. vs) |], 207, Weber den älteften Zuftand von Griechenland. 9ı Vermuthung des Paufanias halte, daß man alle hölzerne Statüen lange vor dem Dädalus Dädala genannt, und daß alfo der erftere feinen Mamen von ben Ieztern, nicht bie lejtern von ihm empfangen haben *); fo wollte ich diefe Vermuthung doch nod) viel eher vertheidigen, als glauben, daß dierohen Statuen, die man zu den Zeiten diefes Schriftftellers für Arbeiten des Dädalus ausgab, und die er felbft auch dafür hielt, von der Hand diefes al- ten Künftlerd gewefen feyen**), Man darf nurbedenfen, daß Dädalus nahe an funfzehn hundert Syahre vor dem Paufanias lebte, und daß die Werfe,, die man ihm zu⸗ eignete, faft alle von Holz waren, um ſich zu überzeugen, daß fie eben fo wenig von ihm berrühren Fonnten, als die Statüen acht waren, die man vom Kefrops **x) oder den Töchtern des Danaus +) gebeiligt, oder auch aus Ilium herübergebracht glaubte. Wie wenig man fih auf die Ueberlieferungen und Angaben der Griechen bey Denke mälern und Perfonen aus einem hohen Alterthume verlaſ⸗ fen koͤnne, erhellt unter andern daraus, daß man den Sfyllis und Dipoenus, die um die 50 Olympiade blüh- ten +}), und den Bearchus von Rhegium, der die bron« jene Statuͤe des Jupiters in Sparta, deren Theile mit Nägeln zufammengeheftet waren, verfertigt hatte +t}), für Schüler des Dädalus hielt, Wollte aber jemand alle die Ueber⸗ *) . 3. **) Er nennt ſie J. 27. p. 63, II, 4, p. 121, beſ. IX, 40. 793. — 1 p. 63. H 1 37. 198. *) Plin. XXXVI. 4, tt7) IL 32. 87. 8. II. 17. p. 257. Pauſ. Ueberbleibſel vergeßner Künftler, - die man im zweyten Jahrhunderte nach Chriſti Geburt als Werfe des Da- dalus verehrte, dieſem Zeitgenofjen des Minos wirklich zueignen, fo würde man daraus nidhts für die frühen Forrgänge der, ſchoͤnen Kunft in Griechenland fließen Fönnen. Sie waren nämlich ohne alle Ausnahme hoͤchſt unvollendet, und für das Auge der Kenner beleidigend *), und es fand fi) Darunter eine Venus aus weichem Steine, die nicht einmal Füße, fondern ſtatt deren einen unförm- lichen Block hatte *), Man fönnte aus diefer Nachricht die gewoͤhnliche Meynung, die für mich immer etwas unmabrfcheinliches gehabt bat, bezweifeln: daß fehon Daͤdalus die Phönicifchen und Aegyptiſchen Mufter, die zu feiner Zeit nicht felten in Griechenland feyn Fonnten, über: troffen, und feinen Bildfäulen $eben und Bewegung ge: geben habe. Selbſt die State des Apoll zu Amyklaͤ, die man, glaube ich, nicht älter als die funfzigfte Olym⸗ piade machen kann, war, Mund, Hände und Füße ausgenommen, weiter nichts, als eine eherne Säule ***), Der Kaften des Kypfelus, deffen Befchreibung beym Paufanias +) Herr Hofrath Heyne vortrefflich er» läutert hat, verdient in der Griechifchen Kunftgefchichte die größte Aufmerkfamfeit. Diefer Kaften mar aus Ce⸗ dernholz verfertigt, und mit Basreliefs und Figuren aus Eifenbein und Gold auf allen Seiten gefhmüdt. Um das hohe Alterthum deffelben zu beweifen, darf man ſich nicht e) Pauf, II. 4. p. 141. s®) IX, 40. 793. **®) III. 19. 257. Pauf, +) V. 17, 419. u. f. Ueber den älteften Zuftand von Griechenland, 93 nicht auf die allgemeine Sage berufen: daß Kypſelus gleich nach) feiner Geburt vor feinen Nachftellern darinn verftecft worden; aud) nicht auf die Vermuthung des Paufanias, daß der Korinthifche Dichter Eumelus, der nad) Frerets Meynung um den Anfang der Olympiaden (ebte, der Verfaffer der Inſchriften ſey, wodurch die Be— deutung mehrerer Figuren beſtimmt wurde, auch endlich nicht darauf, daß der Künftler zu den Zeiten des Pau- fanias gänzlich) unbefannt war. Das hohe Alterthum diefes Werks wird durch die Charaftere oder Buchftaben, die darauf vorfamen, und die felbft dem Paufanias oft unleferlich waren, und durch die furchenmäßige Schrift un⸗ widerſprechlich dargethan. Beyde Meynungen uͤber die Zeit, wann der Kaſten verfertigt worden, laſſen ſich vertheidigen: ſowohl die, welche ihn uͤber die Geburt des Kypſelus hinaus, als die, welche ihn in die Regierung dieſes Koͤnigs, oder ſeiner beyden Nachfolger ſezt. Fuͤr die erſtere kann man die Ueberlieferung der Prieſter in Olympia, das Urtheil des Paufanias, und vorzüglich den Grund anführen: daß, wenn die Kypfeliden dies Werf hätten verfertigen laffen, fie alsdann wahrſcheinlich dem Künftler befohlen haben würden, ihre eigene Samiliengefchichte darauf vorzu⸗ ftellen. Die Verfechter der zweyten Meynung fönnen ſich vorzüglich auf die Stelle des Ariftoteles *) berufen, wor« inn er von den geheiligten Denfmälern redet, an welche die Kypſeliden die Schäze der Korinthier verſchwendet hatten, und zu welchen der Griechifche Weltweife allem Vermuthen nach auch diefe Foftbare Kifte. rechnete. Zwey⸗ *) V. 11. deCiv, 94 Erſtes Bud), Zweytens Fönnfe man auch diefes erinnern, daß die Kiſte des Kypfelus ein zu prächfiges Geraͤth für eine nicht herrſchende Familie gemefen ſey. Wenn man die Grüne de für beyde Meynungen unpartheyifch gegen einander abs wiegt; ſo Fann man kaum anders als der erftern feinen Benfall geben, Die Stelle des Arijtoteles fcheint hier nicht anwendbar zu feyn, da der Kaften des Kypfelus, fo prächtig er auch war, ſchwerlich als ein Werk ange fehen werden konnte, das zur Erſchoͤpfung der Korinthier vieles beygetragen habe. Und gegen den zweyten Grund. kann man mit Herrn Hofrath Heyne einwenden, daß alle alte und vornehme Geſchlechter Schäze hatten, aus wel» chen fie die Gaftfreunde befchenften, und worinn fie die Geſchenke von Gaftfreunden niederlegten, und daß alſo der Kaften des Kypfelus vermuthlich auch ein Kleinod eines folhen Familienſchazes gemwefen fy. Man mag aber beytreten, welcher Meynung man will; fo wird man immer geftehen müffen, daß die Frage, wann dies Kunſt⸗ werk verfertigt worden? viel weniger wichtig fey, als wo es, und ob es im alten Grischenlande, oder in Kos rinth ſelbſt gemacht worden? ch halte es für ganz uns glaublih, daß ein ſolches Stuͤck, als der Kaften bes Kopfelus war, vor, oder während der Regierung der Kupfeliden, von einem eingebobrnen, und felbft von eie nem ausländifchen Künftler in-Korinth, oder dem eigent» lichen Griechenlande ausgearbeitet worden. Wenn dies gefcheben wäre; fo würde man den Namen des Kuͤnſt⸗ lers nicht gänzlid) in Olympia vergeffen, und gewiß aud) Vorſtellungen aus der Korinebifchen Geſchichte und Fabel darauf erblict haben, wovon man feine Spur auf dem ganzen Kaften ſah, ein Umftand, der ſchon dem Pau« ſanias Weber den älteften Zuftand von Griechenland. 95 fanias fehr auffiel. Hiezu fommt noch, daß, wenn man dies alte Monument in Griechenland felbft vor oder unter der Regierung der Kypfeliden verfertige annimmt, man alsdenn wider alle Gefhichte, große, und nod) dazu ganz vergeffene Künftler vor den erften Kuͤnſtlern anneh— men muß, die aus Afien nach Griechenland, und zwar alle fpäter famen, als der Kaften in Olympia gemacht feyn kann. Eine mir fehr annehmlich fcheinende Ver⸗ muthung alfo-über den Kaften des Kypſelus wäre diefe: daß er, wie alle Arbeiten aus Eifenbein oder Gold und Silber im Homerifchen Zeitalter, und die koſtbaren Tha- lami, die Myron König von Sikyon *) nach) Olympia gefchenft hatte **), aus Afien nach Öriechenland, in die Familie der Vorfahren des Kypfelus gefommen fey, und daß man eben daher von dem Namen des Künftlers nichts mehr gewußt, und auch nichts aus der Ge- ſchichte von Korinth oder ber Kypfeliden darauf er blickt Habe, Man kann wider diefe Vermuthung einwenden, baß zu eben der Zeit, da die vom Kypfelus nad) Olym- pia gefchenfte goldne State des Jupiters ***) gemad)t worden, auch der Kaften verfertige feyn koͤnne. Allein erftlich laͤßt fich nicht beweifen, daß diefe Statüe in Grie⸗ henland gearbeitet worden, und zweytens ift es fehr uns gewiß, ob Kypfelus je ein "Bild aus. gediegenem Golbe nad) Olympia gefchenft habe, - Man erinnere fich bier an die Seltenheit des Goldes in Griechenland und Ko— rinth —⸗ rn *) Ol. 33, **) VI. 19. p. 497- Pauf, ext) Strab, VII, 542. 96 Erftes Buch). eineh noch zu den Zeiten des Königs Kröfus und Hiero: und rufe ſich die Zeugniffe der Alten ins Gedaͤchtniß zur rück, in welchen Gorgias als der erfte genannt wird, der eine gediegene goldene Statüe in Griechenland verfertigen laſſen *), und man wird, glaube ich, die Gage, vom goldenen “Jupiter des Kypſelus beym Strabo, nicht mehr für gegründet halten. — Auch die Denfmäler der Kyp— feliden alfo, fo viel uns davon bekannt ift, ftoßen meine Behauptung nicht um, daß vor der funfzigften Olym⸗ piade Eeine berühmte eingebohrne Künftler im alten Grie⸗ chenland geblühet Haben, Dritte Beylage. Von den Schaͤzen der alten Koͤnige Phrygiens, und diens find alle Fabeln, und von der Fruchtbarkeit die⸗ fer Sänder, mie der fie von Dften begrängenden Reiche, find alle Gefchicht und Erdbefchreiber voll *), Wenn man aber die wundervollen und glänzenden Schilderungen der Reichthuͤmer Hdiſcher und Phrygiſcher Beberrfcher lieft; fo muß man erftlich bedenfen, daß fie Ueberliefe— rungen von Griechen, und zwar aus ſolchen Zeitaltern find, mo es leicht war, die leztern an Koftbarfeiten und edlen Metallen zu übertreffen. Man muß ferner nicht vergeffen, daß in diefen Weberlieferungen nicht Wohlha- benheit ®) Athen, XI, c, ult. 505, Pauf, VI. 494, Plin. XXXIII. 4. Cicer, de Or. III, 32. “*) an fehe Her. I. 93. V. 101. Strabo im ganzen zwölf; ten Buche, ferner XIII. 928. XIV. 999, Ueber den alteften Zuffand von Griechenland. 97 benheit ganzer Völfer, fondern nur Schaͤze einzelner Könige oder mächtiger Privarperfonen und Dynaſten ger priefen werden. Solchen Häuptern von Völkern , oder alten edien Gefchlechtern, war es fehr leiht, große und den Griechen ungeheuer fcheinende Schaͤze zu fammien, wenn ſie auch gleich jährlich an edlen Metallen noch weni⸗ ger als die Lydiſchen Könige, aus goldreichen Fluͤſſen oder aus Bergmwerfen heraus gebracht hätten *). Sie erhiel» ten alles, was fie für fi) und ihre Familien brauchten, entweder durch Geſchenke, oder auch durch die Arbeit von Sclaven. Sie befoldeten ferner, wie auch noch jezo die Afintifchen Despoten, ihre Bediente durch narürliche oder Fünftliche Producte, die in Vorrathshaͤuſern aufbes wahrt wurden, und wenn fie, was nur ſelten gefchehen Fonnte, etwas einfaufen wollten, was weder von ihren Knechten, noch von Unterthanen, die ihnen zollen mus fen, verfertige oder angeboten wurde; fo taufchten fie diefes wiederum meiftens gegen Gaben oder Waaren ihres $andes ein. Könige alſo, oder ihnen an Macht gleich fommende Häupter von Familien hatten faft gar Feine Gelegenheit, edle Metalle auszugeben, und alles, was davon in ihre Hände Fam ,. häufte ſich fo lange auf, bis irgend ein Foftbarer Krieg Die lange geſammlete Schäze verzehrte, oder ein glücklicher Eroberer fie mit ftarfer Fauft wegnahm, und unter feine Krieger vertheilte. Kröfus war reicher, alsalle feine Vorgänger, die wegen ihrer Schäze berühmt geworden waren, Allein | dies — —⸗ ) Strab, I, c. & Her, V. 49. 6 98 Erſtes Bud. dies war gar nicht zu vermundern, da er fich bie ganze Küfte von Vorderafien unrerwarf, und alle Handels⸗ ſtaͤdte auspluͤnderte. Seine ganze Schazkammer aber wurde, wie die Neichthümer aller übrigen Voͤlker Aſiens, die Phönicier ausgenommen, eine "Beute des Perſiſchen Kyrus deffen Naub Plinius nicht zu hoch anfchlagt *), wenn es wahr iſt, was Herodot von einem einzelnen Eins wohner in Phrygien erzählt, der zweytauſend Talente Eilbers. und vier Millionen Perfifcher Goldſtuͤcke befeffen, und dem Ferres angeboten haben foll. Mehrere Schriftftellee haben den Reichthum der dier und Phrygler aus einem uralten einträglichen Han⸗ del abgeleitet, den biefe Volker geführt haben follen **), Kern man diefen beweiſen will; fo beruft man fid) vor« zuͤglich auf das Zeugniß des Kaſtor beym Euſebius, der die Lydier als das erſte, und Die Phrygier als das fünfte Meerbeherrjchende Bolf nennt ***). Wahrfcheinlic folge sen Syncellus +) ſowohl, als Paufanias +) dem Kas ftor beym Eufebius, wenn fie einen König von Phrygien, Midas, für den eriten Erfinder des Anfers ausgaben, Allein ic) halte ven Kaſtor für einen der nachläffigften J unwiſ⸗ nn ——— *) Jam Cyrus devicta Afla pondo XXXIV. millia inve. nerat, preeter vafa aurea, aurumque faltum, & in eo folia ac platanum vitemque: Qua victoris ar- gento quingenta mıllia talentorum reportavit, & eraterem Serntramidis, cujus pondus quindecim ta= lenta colligebat, Lib. XXXIII. 3. er) Wan fehe bei. Goguet. II IV BE) Tan fehe Calaub. Comment. in Polyb p. 192-94, Ed. Gronoy,Heyne J. c, 1,p. 80, U, p, 44 D p- ı8L. tt) l. 4. Weber den älteften Zuftand von Griechenland. 99 unmiffendfien Zeitrechner unter den Griechen, und fein Fragment für den unglaubwürdigiten Reit griechiicher Chronologie, der kaum einen fo gruͤndlichen und gelehrten Ausieger, als Herr Hofratd Heyneift, verdiente, Dies ſer Kaftor nennt in feinem DVerzeichniffe fiebenzehn Voͤlker, die eine Zeitlang wenigſtens in einem gemwiffen Theil des mittelländifchen Meers mächtig gewefen ſeyn follen, und unter diefen find wenigſtens fünf oder fehhs, von denen man mit der größten Zuverficht behaupten Fann, daß fie niemals den Ruhm berühmter Seefahrer verdient haben, Dergleichen find Die $pbier und Phrngier, wie ich gleich jeigen.werde, ferner die Pelasger, von denen die alren Schriftſteller bloß dieſes fagen, daß fie weir und hreif berumgezogen feyn, und nur allein Dionys von Halifars naß bezeugt *), daß fie id) auf der See Anfehen ermors ben hätten: nach diefen Die Aegyptier *) und Thracier, und endlich die Lakedaͤmonier — Eben diefer Schrift ftellee mache ferner die lächerlichften Verfezungen und gibe die Schiffart faft Feines Volks zur rechten Zeit, fondern alfe entweder zu früh oder zu ſpaͤt an. So follen die Hdier, Pelasger, Thracier, Rhodier, Phrygier und Kyprier früher als die Phoͤnicier die Mileſier vor den Rariern, und die $afedämonier vor den Aegyneten die See befahren und beherricht Haben. Endlich übergeht er mehrere berühmte und auf dem Meere weit herrfchende Völker, wie die Kreter und Korinthier, und widerſpricht in Unfehung der Dauer, der Macht und Schiffart, die G 2 er ®) 1,18. Ant, Rom, a, Man fehe Her, 1,179 100 Erftes Buch, “er für jede Stadt oder Marion beſtimmt, den ficherften Geſchichtſchreibern. Der gelehrte Kommentar meineß Freundes ift daher auch faft durchgehends eine ſtillſchwei⸗ gende Anflage des träumenden Griechen. Daß die Hdier und Phrygier niemals, wenigſtens nicht innerhalb des Zeitraums der Ueberlieferung und Geſchichte, Eühne Schiffer, unternehmende Handelsleute, und Beberrfcher des Meers waren, läßt ſich nicht bloß durch das Stillfäymeigen der älteften Schriftſteller, fon« dern auch noch durch andere überzeugende Sacta bemeifen, Wären diefe Voͤtker jemals dem Handel und der Schif— fart ergeben gewefen; fo würden fie nie zugegeben haben, daß vor den frojanifchen Zeiten die Pelasger, Leleger, Kreter und Karier, und nad) diefem Zeitpuncte die Gries chifchen Kolonien der ganzen Küfte, die vor ihren Jän dern ausgeftrecft war , eingenommen hätten”), Man £rift ferner in den beften Schriftftellern gar feine Spur von Factorerenen oder Miederlagen, oder Colonien an, welche Die Phrygier oder $ydier des Handels wegen ‚ges gründer und ausgefande hätten. Ohne ſolche Colonien aber, deren Mitglieder die Vortheile reicher, aber vers nachlöffigter $änder nuzten, oder auch die -barbarifchen Eirmobner derfelben unterhielten und cultivirten, um fie zu Werfzeugen ihres Gewerbes und Handels brauchen zu koͤn⸗ — — — °) Ich finde in den Alten nur einen einzigen Ort erwaͤhnt, bey deffen Erbauung man um die Erlaubniß eines Lydi— fhen Königs nachgefucht hat, und diefer ift Abydus. Strabo Xl1l. 883. Alle sibrige Pflanzftädte wurden ohne die Berilligung, aber auch ohne Widerfezung der kydiſchen Könige meggenommen, oder ganz nem angelegt, Weber den älteften Zuftand von Griechenland. 101 fönnen, war und blieb Schiffart in den älteften Zeiten mehr Räuberey, als einträglicher dauerhafter Handel, und man fann daher aus dem Nichtdaſeyn der erftern ziemlich ſicher auf Das Nichtdaſeyn des leztern ſchließen. Wenn jemanden bey dieſer Beobachtung die An⸗ Funft des Petops aus Phrrgien oder Indien *), oder auch die Abfunft der Etruscer eder Tnrrbener aus Indien, dee ren mehrere Schriftſteller gedenfen,**), einfallen follten ; der bedenfe, daß die Phrygier und Lodier, welche Pes lops mit nach dem Peloponnes brachte, ein flüchriger Haufe war, der mit Gewalt aus feinem Vaterlande auss geworfen wurde, und in der Folge gar Feine Verbindung mit feinen Landsleuten unterhielt; und Daß die Auswan⸗ derung der Hdier nach Italien mit ſolchen Umftänden erzähle wird, die fie ganz unglaublich machen, weßwe— gen aud) die feharfinnigften Alterthumsforſcher an ihrer Wirklichkeit gezweifelt, oder fie gänzlich abgeleugnet has ben **). Wollte aber jemand das Anſehen des Heros bot, oder vielmehr der Hdier, Denen er nachersäblte, nicht ‚verwerfen; fo kann man felbit aus der Gefchichte der Hdiſchen Auswanderung, mie fie von dem eben ge» nannten Scriftfteller voraetragen wird, mehrere Bes weiſe wider den Handel und die Sciffart diefes Volfs hernehmen. Nachdem die Einwohner von Hdien, (fo lautete die Sage) unter ihrem zweyten Könige Atys, eine 16) 3 Hun⸗ *) Pauf. V. 1,376. p. Athen. XIV, 5. 624. p. ") — 1,94. Strabo V. 335, Vell. i. i. Tac. Annal, . 5 N ®#*) Vid, Heyne in Comment, fuper Caftoris Epochisp, 81, quemque ibi laudat Freret T. XVIII. Hift, de PAca- demie des Infer, p, 94. et fq. 102 Erſtes Buch. a“ Hungersnotd von 22 Jahren ausgeftanben haffe, (eine Mech, die das ganze Volk aufgerieben haben müfte,) fo verlief die Hälfte der Einwohner ihr Vaterland, ging nach Smyrna, baute oder verichafte ih Schiffe, und kam endfich nach vielen Srrungen in Imbrien an. Waͤ— ren Die Lydier ein handelndes Wolf gewefen, wirden fie denn wohl fo fange von Hungersnoth haben gedrückt wers den Finnen und gezwungen worden ſeyn, in einer fo gros fen Zahl auszumandern? Würden fie denn wohl fo lange und aufs Gerathewohl herumgeſchift, und heue Wohnfize aufgefucht haben? Wie wenig die Indier die Vortheile bes Handels einzufehen, oder ſich zuzueignen gerrachtet haben; erhellt aus dem Betragen der Koͤnige, aus dem Stamme der Mermiaden, denen ganı Troas unterworfen war. Auch dieſe ſuchten ſich niemals von den Griechlſchen Staͤdten, deren maͤchtigſte fie bekriegten, oder zerſtoͤrten, unab⸗ haͤngig zu machen, oder den Handel, der den leztern als Iein Kräfte zum Widerftande gab, zu zerftören, oder fie auch durd) eine Seemacht vom Meere, wie durch ihre Heere von der Landſeite einzuſchließen. Kröfus hatte einmal den Gedanfen, eine Flotte zu erbauen , um auch Die Griechen auf den Inſeln zu bezwingen; allein er ließ diefen Gedanken fogleich wieder fahren, da Dias ihn durch eine Erdichtung fühlen ließ, daß er den Inſula⸗— nern zur Eee eben fo wenig, als die Griedyen ihm zu Lande gewachſen feyn würden. Wenn aber gleich die Phrngier und Hdier niemals Handlung zur See getrieben, fondern in ben älteften Zei- ten von den Phöniciern, in fpätern von ben Aſiatiſchen Griechen alles, was ſie brauchten, erhalten, und ihnen wieder⸗ A Ueber den älteften Zuftand von Griechenland. 103 wiederum, mas fie entbehren Fonnten, verfauft haben; fo ift es doch unläugbar, dat fie fange vor den Griechen eine gewiſſe Eultur erreiht , und dak die Pflanzjtädre in Alten es ihrer Bekanntſchaft mir diefen Bölfern zum Theil zu verdanken haben, daß fie in Künften und Wife fchenfchaften ſchneller, als die Griechiſchen Staaten in Eus ropa forrgerüickt find. Die Erfindung der Gold- und Gübermüngen, die man den $ydiern zufchrieb, die erfte Einführung von Gafthöfen und mancherley Spielen zum Seitvertreib *), die frühe Prachrliebe und Sittenverderb⸗ niß, von der ich im Tepte geveder habe, verrarben alle ein Volk, das vor den Griechiſchen Barbaren, die nach Alten kamen, und felbit vor denen, die dieſe austrieben, fehr vieles voraus hatte. Von ihnen und den Phryaiern empfingen die Aftarifchen Griechen nicht nur mufifalifche Inſtrumente und gerifje Arten der Mufif **), fondern auch Manufacruren befonders die Kunſt Wolle zu färs ben, die nachher in Mitet fofehr vervollkommt wurde ***), niche weniger bie Kunſt, Erz zu fenmelzen und zu verats beiten +) und vielleicht die erften Anfänger der Mahles rey ++), und der Bergwerfsfunft, welche leztere fie aber auch aus Kolchis +t}) oder von den Phöniciern, die auf Thaſos Goldbergwerfe angelegt und bearbeitet haften, ers O4 halten — —— — ®) Her, I, 94. “r) Plio. vi, 56 #*%) ibid. +) Aes conflare & temperare, Ariftoteles Lydum Sey- them monftraffe, Thcophrafus Delum Phrygem - putat, ++) Ari, ib, 111) Plin. XXX. Cap. 3s 104 Erftes Buch. halten Haben Fönnen %), Wie weit die Phrngier und $ndier es vor der hoͤhern Eultur der Griechen, befonders in der Bearbeitung von Merallen gebracht haften, laßt ſich nicht bloß aus den allgemeinen, und oft verdächtigen Zeugniffen des Dlinius, fondern auch aus ven Werfen bemweifen, die man noch u Herodors Zeiten in Delphi zeigte 18). Nach diefem Water der Geſchichte war Mis das, König in Phrygien, der erfte Barbar oder Auslaͤn⸗ der, der den Apoll zu Delphi beſchenkte. Er beitigte ihm einen Thron, auf welchem er Gericht zu halten pflegte, und der nach Herodots Urtheil der Arbeit we— gen fehenswürdig war. Ungeachtet diefer Schriftfteller über die Materie diefes Föniglichen Sizes nichts hinzuſezt; fo muß man doch annehmen, daß er aus Erz, oder gar noc) aus einem edlen Meral! verfertigt war. Noch freys gebiger bezeigte fich gegen diefelbige Gottheit Gyges, Koͤ⸗ nig in Hdien. Dieſer widmete ihr nämlich aufer einer großen Summe Geldes noch fechs geldene Trinfgefchirre, die dreyßig Talente ſchwer, und wahrfcheinlich im Sande felbft gemacht wären, meil Herodot fonft nicht vergeffen haben würde, den Namen des Griedyifchen Künftlers ans zuzeigen. Vielleicht kommt es manchen nicht unwahrſchein— lich vor, daß man bey der Aufſuchung der erſten An— faͤnge von Kuͤnſten und kuͤnſtlichen Handwerken noch tie— fer — “) Her. VI. 46. 47. Unwahrſcheinlich iſt es, was Pli— nius in dem ſchon mehrmalen angefuͤhrten Capitel, in welchem er ſich ſelbſt widerſpricht, meldet, daß ſchon Kadmus Goldbergwerke in Griechenland erdbfnet habe. MT. 14. Ueber den älteften Zuftand von Griechenland. 105 fer in Afien zurück geben, und fie von den Ufern des Ti« gris und Euphrach herauf holen Fonne, Allein diefer Vermuthung kann man erftlich das Zeugniß und Urrheil des Strabo entgegen fegen, nach welchem zu den Zeiten des Homer die Eriechen von den Voͤlkern des innern Aſiens, gar nichts, oder fehr wenig wuſten; weil, wenn man fie gekannt hätte, Homer die Aſſyrier, Meder, Babylonier eben ſowohl, als der Größe von Theben, und der Reich⸗ thümer der Phönicier würde erwahnt haben, Mau kann ferner eben diefe Vermuthung aud) durch die fpäiere Ges fchichte der angrenzenden oder berefchenden Wö:fer widers legen. Denn wäre die Eultur von Ninive oder Babylon aus zu den Phrogiern und Indiern fortgerückt; fü würden fie doch aud) die dazwiſchen liegenden Nationen haben bes rühren müffen. Allein die Rappadocier und Armenier, welche in der Folge den Medern dienten, maren felbft noch zu des Darius Hystaſpes Zeiten der Viehzucht erge⸗ ben, und megen ihrer zahllofen Heerden berühmt *). Aud) die Meder waren der langen Verbindung, die fie mährend einer Rnechtichaft von soo Jahren mit den Aſ⸗ foriern unterhalten hatten, ungeachtet, zu den Zeiten der Freyheit, doch nod) fo wenig gebildet, daß fie nur in. Dörfern wohnten, feine ordentliche Magiftratsperfonen, oder fefte Geſeze hatten, fondern alle Streitigfeiten ent weder durch die Waffen ausmachten, oder auch durd) freywillig gewählte Schiedsrichter beylegen ließen. Una ter folchen Schiedsrichtern erwarb ſich einer mit Namen Dejokes durch Klugheit und Unpartheylichkeit, anfangs N 5 nur —e — 2) Her. V. 49. 106 Erſtes Bud. nur in feinem Dorfe, bald aber unter allen übrigen Staͤmmen der Meder ein fo allgemeines Zutrauen, daß fie ihn einſtimmig zu ihrem Könige erwählten. Er murde daher zu den Zeiten des Gyges der Stifter des Mediſchen Reichs und der Erbaner von Efbarana, ver erften Mes difchen Stadt. Das Medifche Reich war alfo weit jüns ger als das Phrugifche und Hdiſche; und Pracht und Ueppigfeit entftanden im erftern auch viel fpäter als in den leztern *), Man ſieht aber doch aus der ganzen Befeftis gung und Ausſchmuͤckung der Königsitadt **) des Dejos tes, aus dem Pompe feines Hofes, und aus Dem des⸗ potifchen Ceremoniel, was er einführte, daß diefer erfte DBeherrfcher dee Meder einen andern üppigen Hof ſich zum Mufter gewählt hatte. Sein Nachfolger Phraor- tes bezwang die Perfer, und fein Enfel Kyarares, der aber während feiner vierzigjährigen Regierung 28 Jahre den Skythen zinsbar war, eroberte und zerftörte Mis nive ***), und wurde der Schöpfer der Kriegsdifeiplin }), indem er Reuterey, Zußvolf und Bogenſchuͤten, Die vor⸗ ber ohne alle Drönung unter einander gemifcht geroefen waren, von einander fonderte. Auch führte er mit dem Alyartes, einem Vater des Kröfus, einen hartnaͤckigen Krieg, der endlich nicht durch das vorzuͤgliche Gtücfoder die Tapferfeit einer der beyden Partheyen, fondern durch Aberglauben aeendigt wurde. Beyde Heere ſowohl dag &ydifche als das Mevdifche wurden durch eine Sonnenfins fterniß, die Ihales vorher gefagt hatte, in ein ſolches Schre, *) Her. I. 95. 96. LI; 9 f 99. c ses) 6165, v. Ch. Geb, 19) 1034 c. * Ueber den aͤlteſten Zuſtand von Griechenland. 107 Schrecken geſezet, daß alle Gemuͤther ſich zum Frieden neigten, der auch bald geſchloſſen und durch die Vermaͤh⸗ fung einer Indifchen Königs Tochter, mit dem Mediſchen Aftyages befefliger wurde, Im 35 Jahre der Regierung des Uvenfels bes Dejofes, wurde ſowohl das Medifche und Babylenifche Deich, welches leztere fich noch immer gegen Die Meder gehalten hatte, als das Hdiſche vom Kyrus übern Haufen geworfen *), und famt den Gries chiſchen Städten auf dem feften Sande in Aſien in die ungeheure Perfifche Despotie vereinigt, die fid) bis auf den Zerxes noch immer vergrößerte, und in Anfehung ihres Umfangs und der Zahl von Voͤlkern, die fie in ſich faßte, alle ältern Aſiatiſchen Neiche ohne Vergleichung übertraf. Eben diefe Sieger Afiens waren vor und zu den Zeiten des Kyrus eben fo fehr Barbaren, als die Meder es zu den Zeiten des Dejofes waren. Das ganze Pers fifche Volk beftand aus zwölf Stämmen, unter denen nur einige das Feld baueten, der größere Theil aber von der Jagd oder Viehzucht, und wahrfiheinlich auch von Raube lebte. Sie Fleideten ſich durchgehends in Thierfelle, Eannten weder Oehlbaͤume noch Weinftöce, noch andere edle Früchte und Gewächfe, und waren auch, wie felbft aus dem Kunftgriffe erhellt, womit Kyrus fie zur Em⸗ pörung wider die Meder aufbrachte, mit allen Bergnü- + gungen und DBequemlichfeiten ausgebildeter Nationen gänzlich unbekannt **), — Da alfo $urus, Künfte und Fünftliche Handwerfer nicht einmal von den Affyriern zu den ®) 130. ©, *®) Her. I, 71. & 12% 108 Erſtes Bud, den Medern, vor dem Untergange der erftern, und von beyden wiederum bis auf den Umſturz von Ninive und Babylon nicht zu den Perfern übergiengen, fo ift es noch viel unmahrfcheinlicher, daß fie durch einen ganz unbegreiflichen Eprung vom Innern Aften ber zu den Phrygiern und Lydiern gefgmmen fen follten. Aus der langroierigeh Barbaren und Armutb aller Ber großen Völker, die den Affyriern und Babploniern am näcften lagen, ferner aus der Unmöglichkeit, eine Nation ohne Haupt und Geſeze, wie bie Mediſche war, wieder zum Gehorfam zu bringen, endlic) aus den unwi⸗ derftehlichen Einfällen der Skythen, und aus den fchnel« fen Eroberungen des Kyrus fehließe ih, was Goguet ſchon mit andern Gründen vortrefflich gezeigt bat *), daß die Schilderungen faft aller alten Schriftftellee von den Reichthuͤmern, der Pracht und den Kunftwerfen der Staͤdte Ninive und Babylon auf das unverfchäntefte übertrieben find. Dierte Beylage. Meminerint illi S. Aelium, M. vero Manilium nos etiam vidimus transverlo ambulanten foro; quod erat infigne, eum, qui id faceret, facere eivibus omnibus confilii fui copiam: ad quos olim et ita ambulantes & in folio fedentes domi fic adibatur, non folum ut de jure civili ad eos, verum etiam de filia collocanda, de fundo emen- —— q —— m msn *) Prem, Part, Liv. Il. ch. H Ueber den älteften Zuftand von Griechenland, 109 emendo, de agro colendo, de omni denique aut officio aut negotio referretur, Haec fuit P. Craſſi illius veteris, ‚haec T. Coruncanii, haec proavi generi mei, Scipionis, prudentif- . fimi hominis fapientia, qui omnes pontifices maximi fuerunt, ut ad eos de omnibus divinis atque humanis rebus referretur: iideinqueet ın le- natu, & apud populum, & in caulis amıicorum & domi & militise confilium luum fidenque praeitabant:e Quid enim M. Catoni , präcter hanc polıtiffima:; doctrinam transınarinam arque adventitiam, defuit? num quia jus civile didice- rat, caufas non dicebat? aut quia poterat dicere, juris fcientiam negligebat? At utreque in ge- nere & labor.vit & praeititit Num propter hanc ex privatorum negotiis collectam gratianı tardior in republica capeflenda fuit? nemo apud populum fortior, nemo melior fenator: idem £scıle optimus imperator: denique nihil in hac eivitate temiporibus illis ſeiri dilcive potuit, quod ille non cum inveftigarıt, & Icierit, tum etiam confcripierit*); inhocviro(M Porcio Catone) tanta vis animi ingeniique, ut quo- cunque loco natus eſſet, fortunam fibi fadturus videretur. Nulla ars neque privatae, neque publicae rei gerendae, ei defuit. , Urbanas ru- fticasque res pıriter callebat. Ad ſummos ho- nores alios Icientia juris, alios eloquentia, alios gloria militaris provexit, Huic verlatile inge- nium —— —“ — —— — — — ®) Cĩe.de Or, Ill.33. Man höre den Livius L. 39. cap. 49. 110 Erſtes Bud, nium fie pariter ad omnia fuit, ut natum ad id unum diceres, quodceumaue ageret. In bello manu fortifimus, multisgue inlignibus clarus puguis, idem pofleaguam ad magnos honores. pervenit fummus imperstor: idem in pace, fi jus confuleres, peritifimus, fi caufa oranda eſ- fet, eloquentifimus., Nec is tantum, cujus lingua vivo eo viguerit, monumentum eloquen- tiae nullum exſtet: vivit imo, vigetque eloquen- tia ejus, facrata Icriptis omnis generis, — In parfimonia, in patientia laboris periculique ferrei prope corporis animique, quem ne ſene- ctus quidem, quae folvit omnia, fregerit, Qui fextum et odtogeliimum annum agens caufam dixerit, ipfe pro fe oraverit, ſcripſeritque, nonagefimo anno Servium Galbam ad populi ad- duxerit judicium. Ueber die Beſchaͤftigungen feines Alters läßt Cicero ihn fo reden *): Septimus mihi Origenum liber in manibus: omnia antiquitatis monumentacolligo: caufarum illuftrium,, quas- cunque defendi, nunc quam maxime conficio orationes: jus augurum, pontiicum, civile trado: multum etiam Graecis litteris utor: Pythagoreorumque more exercendae memoriae gratia, quid quoque die dixerim, audierim, egerim, commenioro velperi Hae funt exer- citationes ingenii, haec curricula mientis: in his defudans atque elaborans corporis vires, non magnopere deſidero: adſum amicis: venio in jena- \ — — — — — *) De Senedl, c, IL, Ueber den älteften Zuffand von Griechenland, in fenatum frequens: ultroque affero res diu mul- tumque cogitätäis; easque tueor animi NON COT- poris viribus. Der Griechiſchen Lirteratur war Cato bis in fein hohes Alter gar nidit gewogen, wie nicht nur aus der Entfernung Des Karneades und feiner Gefährs ten, als gefährlicher Schwäzer aus Nom, bifannt ift, fordern auch aus folgendem Fragmente diefes großen Mannes erhellt, das ich mit einigen Anmerfungen des Plinius heriezen will, weil es beweifet, wie fehr er alle Kenntniffe reines Zeirelters, ſelbſt die Medicin, ums faßte *). Dicam de iftis Graecis fuo loco Marce fill, quid Arhenis exquilitum habeam, et quod bonum fit eorum literas inipicere, non perdi« fcere, Vincam nequiſſimum er ındocile genus illo- ram: et hoc puta vatem dixifle: quandocungue ifta gens luas litteras dabit, oınnia corrumpet:: tum etiam magis, li medicos fuos huc mittets jurarunt inter fe barbaros necare omnes medi- cina. Sed hoc ipium mercede faciuntz ut fides iis fit, facile ditperdane. Nos quoque dicti- tant barbaros, et Ipurciusnos quam alios opicos, appellatione foedant: interdixi tibi de Medi- cıs — Atque hic Cato (fagt Piinius) DCV anno urbis noftrae obiit, — — lubjieit enim qua me- dicina et leet conjugem usque ad longam ſenectu- tem perduxerit , iis ipfis Icilicet, quae nunc nos tractamus. Profiteturque eſſe commentarium fibi, quo medeatur filio, fervis familiaribus, quem nos per genera utus fui differimus, Fünft — — — Er — — Lib.xXxxXx. 112 | Erſtes Buch. Fuͤnfte Beylage. Ni. urfprüngliche Bedeutung des Worts voPos will ich nur mit einigen Stellen erläutern. Nenneſt du nicht, (fagt Sofrates zum Thrages)“), diejenigen Weife, bie in dem Gefchäfte oder der Kunſt erfahren find, worauf fie ſich nelegt haben? — Und nicht lange nachher fährt er fort: Nach was für einer Art von Weisheit bift du begierig, vielleicht nach der, wodurch die Menfchen Schiffe regieren? — Wen, fagt Sofrates zum Prota- goras **), gibft du den Namen eines Weifen? oder wel. chen nennft du fo? — Wie das Wort felbft zeigt, an wortet Protagoras, Tov Tav coßwy erisyuove, einen jeden, der nüzliche Kenntniffe beſizt. — Man Fann alfo, erwiedert Sofrates, Mahlern und Bildhauern diejen Mamen geben? — Und erſt hier fängt Protagoras an, feine gegebene Erflärung vom Weiſen einzufchränfen, — Weisheit, fagt Ariftoteles ***), ſchreibt man denen zu, die in den Künften vorzüglich groß und gefchickt find, und man nennt alfo Deidiav, Audeeyov 0oDdov, xy IloAv- Asırov, avdeıey To ra. Er führt die merfwürdige Stelle Homers an, wo der Dichter vom Margites fagt: roy d’sr' agsnaumenge Oec Jerav gr purnen 8 RAAws Tu 0oDor. In — — — — | men — —ñ— — m *) P, 239. Op. Ed. Baf, Gr. **) in Prot. p, 284, #°r) Echic, V. 7. Weber den älteften Zuftand von Griechenland. 113 In einer alten Jnſchrift wurde auch Onatas weife genannt *): BOAAL EV A oDdE Tomuara no " Ovarı Eeyor, ey en rexe TAI MIRaV, - Zu diefen Zeugniffen, die ich leicht vervielfältigen Fönnter ſeze ich nur nod) eing aus dem Athenaͤus hinzu, in wele chem diefer Schriftfteller bemerft, daß man in den aͤlte⸗ ften Zeiten vorzüglich Tonfünftler, die faſt alle zugleich Dichter waren, mit dem Ehrennamen ber Weifen be⸗ legt habe *5 In den aͤlteſten Zeiten waren Sophiſt und Weiſer (ooßısns agy voDos) völlig gleich bedeutend, Herodot braucht den Ausdruck Sophiſt, wenn er fagt, daß afle Kuͤnſtler und gefchicte erfahrne Männer, und unter diefen auch) Solon, fi) an dem Hofe des Kröfus ver⸗ fammlet hätten, An einem andern Orte nennt er den Pythagoras einen der vornehmften Sophiften Griechene landes ***). Syfßfrates erzähle, daß Solon fic) in Grie« chenland zuerft den Nahmen eines Weifen oder Sophie ften gegeben babe 1), Aeſchylus nannte Mufikver« ftändige fo: | er 37 0oDısys HA TORTE EAUN ap. Athen. XiV 8. Kratinus gab dem Homer und Dee fiodus ++), und Plato fogar dem Jupiter eben diefen Na⸗ men T— — 9 Pauſ. V, 21. pP 445» ”*) XIV, 8. Dar, IV, 05: F) ee her II, p. 412, Ed, Beatt, +1) Ap. Diog, A, 12. 114 Erftes Bud). men *). ben deswegen legten ſich die alten Sophiften diefen Titel bey, und dies wirft ihnen Sokrates faft in allen Gefprächen des Plato vor. Einer der berühmteften war Hippias, und von dieſem heißt es beym Paufanias **), daß er von den Griechen der Weiſe genannt fey. Thrafymas Aus, gleichfalls ein Sophiſt, erhielt folgende Grabfchrift: Tevoux Int gw Ada. cvav, un aAda Xu 8 08y KATEIS varunda. 4 de rexvn codm Endlich erhellt aus vielen Stellen des Zenophon, Plato, und Ariſtophanes, daß aud) Prodifus, Protagoras und Gorgias den Beynamen der Weiſen erhalten und geführt haben, J Wenn daher Plutarch behauptet, daß die alten Weiſen Griechenlandes, und unter dieſen auch Solon, andere in ihrer Weisheit unterrichtet, daß ihre Weisheit vorzuͤglich in Staatskunde, und in der Wiſſenſchaft Menſchen zu regieren beſtanden, und daß endlich ein ges wiffer Mnefipbilus, der Lehrer des Themiftofles, diefe Weisheit vom Solon als eine Sekte empfangen hätte; fo hat er ſowohl den Sokrates als Cicero auf feiner Seite f). Allein Plutacch hat wiederum nicht nur Das — ⸗ — — k *) in Min. p, 509. “*) V. 25. P. 44%. *#%) ap, Athen. XIV. 20, p. 454 +) Plut. in vit. Them, I, p. 441. Ed. Reisk, HEAAoY a9 av TIS WEITEN. TOIS aNOıDiAg ToVv DeuısorAeo TE Does (nAarnv yevecdai Aeysoıy, 8TE eNTogos ovros, 8TE Toy Duoinav KANDEITwV pırceaßay, and ryv KaABmevyHV coQıcv, 800v de dewvornTob TONTIRN 5, NH deusneiov quvscuy, ERITN deumsch TER OI« Ueber den älteften Zuftand von Griechenland, ır5 das ausdrücliche Zeugniß des Iſokrates, fondern auch alle vorher von mir. angeführte Stellen der Alten gegen ſich, wenn er fagt, daß man erft diejenigen Männer mit dem Mamen der Sophiften zu belegen angefangen habe, Die neben der Staatsfunft auch noch in der gerichtlichen Beredſamkeit Unterricht gegeben, und fich von der Wera waltung öffentlicher Gefchäfte allein auf die Verfertigung ſchoͤner Neden hingewandt härten. Die Griechifchen Weiſen wurden eben ſowohl voPısc , als die Sophiften weiſe Männer genannt, Mit beyden Ausdrücen "gingen Im Zeitalter des Sofrates und feiner erften Nachfolger große und zwar entgegengefezte Weränderungen vor. Der Name Goa phift wurde durch ben Stolz, die Habfucht und verderbs H 2 lichen ———— ex Asudoxns umo ZoAwvos. vol mera raura di- Koavinis MIERVTES TEXVIS, Roı METEYaYoyTES uno Toy meweewv TNV MOHNCı ET TES A0yas, coPısaı meoonyopsugneav. loc, reg avridonews II. 412. sxsv emıye Tav meoyovay STws eye. ANNE FES ev narauevas 0oßısas eIoruuclor, Ko TES OUVOVTAS aurois elmMAsv' Tas de ouXo- Gavras TMAISmV HoKmv MITiBs Evonilov enau. Keyısov de rerumgiov. ZoAwv& HEV Yap Tov rei. Toy Ta Forrav Außovra TYP ErTWVvUNIEV Tou- TV, meosorny nEiwoov TNS TOAEWS Ewa. — Cie. de Orat, III. 28. Dicunt igitur nunc quidem illi, qui exiparticula parva urbis ae loci, nomen habent, et peripatetici philofopbi, aut Academici nominantur; olim autem, propter eximiam rerum maximarung feientiam, a Graecis politici philofophi appellati, univerfarum rerumpublicarum nomine vocabantur, ır6 Erftes Buch. lichen Sehren der Männer , die ihn führten, am meiſten aber durch den Tadel des Sofrates und Plato fe verhaßt, daß er fich in einen Schimpfnamen verwandelte, und daß fo gar viele der vornehmften und aufgeklärteften Griechen ſich ſcheueten, etwas zu ſchreiben, weil fie, fuͤrchteten, für Sophiften gehalten zu werden *). Der Rame Weifer (voDes) hingegen wurde dadurch, daß Sokrates, den die Pythia für den Weiſeſten unfer den Griechen erflart hatte, ihn ablehnte, und Weisheit für eine Vollfommenheit erklärte, die man nicht dem Men« ſchen, fondern nur der Gottheit zueignen Eönne **), fo fehr erhoben, daß Feiner in der Folge ſich mehr unter» ftand, ſich felbft diefen Titel beyjulegen "**), oder von feinen Zeitgenoffen anzunehmen, NPlato +) fehloß wider den Sprachgebrauch feiner Zeit alle Künftler, Hands werfer, und Verrichter nüzlicher Gefchäfte des bürger- lichen $ebens von der Zahl der Weifen und den Anfprüs chen auf Weisheit aus, und fezte Die leztere in ein unveränderliches Beftreben ſich von aller SinnlichFeit und Anhänglichfeit an Die Materie loszumachen, und feine hoͤchſte Gtückfeligfeie in der beftändigen Anſchauung ewi⸗ ger u %) Plat, p.207. Xenoph, in Kuvayerino. e. 13. 2*) Plat, in Apol. Soc, p, 8. in Phaed, p, 214, ss) Don Epieur ausgenommen, von welchem Cicero fagt: ! qui fe unus, quod feiam, fapientem profiteri fit au- fus. Nam Metrodorum non putant ipfum profeflum: fed cum appellaretur ab Epicuro, tantum beneficium repudiare noluifle, Cicero dachte nicht an die Sophis fien, und man muß daher nach dem Worte unus, poft Soeratem hinzufegen, wenn feine Behauptung richtig ſeyn fol De fin, IL 3. +) In Protag, p, 82, 83. in Epinom, p, 635. 636, Weber den aͤlteſten Zuſtand von Griechenland, 117 ger Wahrheiten, oder des ſtets Gleichen und Unwandel⸗ baren, und in der Aehnlichwerdung und Wiedervereini⸗ gung mit Gott zu finden. Zu den Zeiten bes Ariſtoteles hatte bas Wort inder Sprache des Volks, und in der Bücherfprache eine ganz verfchiedene Bedeutung”), In der erften nannte man den Phidias, Polykletus und ans dere noch immer weife Künftter; in der andern hingegen ‚feste man fchon weiſe und Eluge Männer einander entge- gen, und nannte nur diejenigen Weife, die ſich wie Tha— les und Anaragoras mit den fchwerften und über den ges meinen Menfchenverftand am meiften erhabnen Kennts niffen befchäftigen. Ariſtoteles unterfchied daher oPıa don auvenis, Deovasıs , erısnan und rexva , und erklärte die erftere als eine Wiſſenſchaft der wiffenswürdigften Dinge, orı 4 voDdım z51ı Ka erIsmun Hoi VBS TOV Ti piwrarwov rn Ducsı. Gelbjt die Regierungs und Ges feggebungsfunft fehienen ihm nicht zur Weisheit zu gebö« ten, fondern nur verfchiebene Zweige der Klugheit (Peo- vnass)zu ſeyn **). - Mit diefen Begriffen angefüllt fpras chen Difaarch und andere den Männern, die in den Älte« ften Zeiten allein und vorzugsmweife den Ehrennamen der Weifen empfangen hatten, ben Titel der Weifen ab, und hielten fie bloß für kluge und ſtaatskundige Perſo⸗ nen, die ihre und ihres Waterlandes Wortheil gut ver« ftanden und eifrig befördert hätten ***), 93 Es #) .7. Ethic, *) Ib, W#N) Dicae, ap, Diog. I. 40. Cie, de'WAmie, e. 2, Nam qui ſeptem appellantur, eos qui iſta fubtilius quas- runt, in numero fapientum neu habent, 8 Erſtes Bud). Es ift eine ganz allgemeine Meynung, daß Pytha⸗ goras ſich zuerft in Griechenland aus Beſcheidenheit niche einen Weifen, fondern einen $iebhaber der Weisheit ges nannt habe, Cicero *), Diogenes **) und andere has ben diefes dem Heraflides Pontifus, oder aud) folchen Schriftſtellern nacherzaͤhlt, die aus diefem Schüler des Plato und Ariſtoteles gefhöpft harten. Allein gleichwie Heraflides die ganze Philoſophie des Plato auf den Py- ehagoras übertrug, (und dies wird in ber Folge umfländficher dargethan werden,) fo eignefe er ihm aud) in dem Mährchen, worin er ihn zum Erfinder des Na— mens Philofoph machte, einen dem Plato oder deffen $ehrer eigenthuͤmlichen Gedanfen zu, wie einem jeden, glaube id), aus folgenden Gründen einleuchten wird, Hätte nämlich ſchon Pythagoras ftatt des zu folgen Titels, Weiſer, oder Sophift, den Namen eines $iebhabers der Weisheit angenommen, fo würden ſchwerlich die Sophi« ften und andere große und berühmte Männer das Herz gehabt haben, fich felbft noch immerfort Weife zu nennen. Auch Herodot nennt den Pythagoras ***) nicht einen Philoſophen, fondern einen ro@ısnv , und yon von Chios co®ov F). Im Zeitalter des Sofrates gab es außer den Sophiften noch ToAırmo, enroees, nasnuarızo , nscıror, Puoıno, oder ol Toy MeTEwewv Decvrisaı, ak To nErewen, Tor deimovin, Ta Sei ÖNTEVTES wol Deovricovres, aber unter allen diefen $ehrern, entweder nuͤzlicher, oder blendender, oder felbft fchädlicher Kennt» niffe ö— — — — — u mus Omar en — ——— *) Tufe, Quaeſt. V, 3. =) 112, u“) IV, 94. +) Ap. Diog. I, 120% Leber den alteften Zuftand von Sriechenland. 119 niffe fanden ſich gar Feine, die fi) QrAoooßzs genannt hätten. Dies Wort kommt ferner in feinem Fragment der älteften philofophifchen Dichter, auch nicht in den Bruchftücken des Heraflit und Demofrit, und nicht ein⸗ mal, fo viel ich weiß, im Herodot vor. Lezterer braucht nur einmal den Ausdruck DrAocoDew *) an der Stelle, wo er den Kroͤſus zum Solon fagen läßt: daß der Ruhm der Weisheit des leztern, und der Reifen, bie er zur Ermwerbung und Erweiterung nüzlicher Kenntniffe unters nommen habe, auch zu ihm gefommen fey **). Aus allen diefen Factis und Stellen der Alten muß man ſchlie⸗ gen, daß Sokrates, der den Titel eines Weifen für zu erhaben hielt, als daß Menfchen ihn fragen dürften, dee den Namen Sophift lächerlich und verhaßt machte, der ſich auch nicht zu den Naturforfchern oder Dumas red) nen wollte, weil er ihre Unterfuchungen (rx nerewex) verabſcheuete, und nur weus Twv avIewreiwv aeı dieAe- yero***), daß diefer alfo der erfte gewefen fey, der fi) einen Siebhaber der Weisheit zu nennen angefangen babe, Hiemit ftimme nicht nur Pfato überein, indem er ihn am Ende feines Phaedrus fagen läßt +): Fo wev coPov » Paıdes nordeıv, euer Ye Me Vo eıvası doKEI, Kodı E@ MOV TEETEI. To de y DsAocoßov, n TH TURTOV, KaAAoy TE MVaUTrm no Kemorro wa EUMENESERWS exe: fondern auch die Bemerfung, daß die Wörter QDiXoaoPos und Dirocodıx erft in ben Schriften der 24 Schü: 2 1.30, ") os QiAosoQemv anv HoAANv Jewens Ewenev ee: AnAudos. “) Xenoph, Mem, I,r, t) p. 214. 120 | Erſtes Bud, Schuͤler des Sofrates und ihrer Zeitgenoffen häufig vor« kanmen, und aus diefen bald in die allgemeine Molks— frache übergegangen find, Die Bedeutung derfelben blieb aber noch lange unbeftimmt, Syfofrates verftand uns ter der Philoſophie die Kunſt glücklich zu leben, und ans bere durch Klugheit, Beredſamkeit und Rechtſchaffenheit glücklich zumachen *). Plato ift fehr unbeftändig im Ges brauche des Worts Philofophie. Bald nimmt er es für Begierde nad) nüzlichen Kenntniffen (Dirouxdm), bald ſchraͤnkt er es faft ganz allein auf das Studium der Groͤ⸗ ßen ⸗hre ein, und bald ift es ihm wiederum mit Yvooıs, eze can und eoPss einerley, Sein Zuhörer und zwey⸗ ter Nachfolger Kenofrates war der erfte, der den Aus— druck Pbilofophie genau beftimmite, oder doch ihren Ums fang, ihre Theile, und die Kenntniffe angab, weldye fie in ſich foffen folle **), Nachdem ich jezo die Geſchichte einiger der wich- tigften Wörter der griechifchen Sprache vorgetragen habe; fo komme ic) zum zweyten Puncte, den ich in diefer Bey⸗ lage zu erläutern verſprach: nämlich zur Prüfung dee übrigen Sagen von der Beranlaffung der Benennung der Grie⸗ ®) Paneg.L 142. @sAcooQıav vom 4 mavro Tour ouvefsupe, Hai OUYKATETHEUKOE, Ko 005 re ras mewfeisnpasemaidsuce, ni eos EAANAES ereuuve kaı TwVv GunDogwv Tas Ted — mas ras et arayans Yıyvonesas dieı- As, xcı Tas ev QuAafacdaı, Tas de vnAws eveynew edidafev, N MoÄis FU — m — .. ETıundev. er) Man fche Sextum adverf, Mathem, VII, ı6, Weber den älteften Zuffand von Griechenland, rar Griehifhen Weifen. Ungeachtet ich nun Feine andre Wer muthung und Erzählung für fo wahrſcheinlich, und mit der Gefchichte anderer Voͤlker für fo übereinftimmend halte, als diejenige ift, die ich im Texte mitgetheilt habe, und. die durch das Urtheil des Cicero beflätige wird *); fo Fann ich doch auch nicht verhehlen, daß die Meynung des Iſokrates nicht vieles vor fich habe. Dieſer Redner ſagt, in der oben angeführten Stelle, daß Solon der erfte in Athen geweſen fen, der ſich einen Weiſen genannt habe, und ſagt es auf eine ſolche Art, daß man ficht: er habe noch andere im Sinne gehabt, die vor dem Solon eben dieſen Namen angenommen hätten, Leſer, die mit der Denfungsart der Griechen und anderer freyen Völfer nicht befannt find, werden geneigt feyn, die Nachricht des Iſokrates bloß deßwegen als falfch zu verwerfen, weil fie befürchten, daß, wenn ihre Wahrheit zugegeben würde, | die Weifen Griechenlandes ſich eines unverzeihlichen Stolzes ſchuldig gemacht hätten. Allein eben diefe Leſer kann man auch bald auf eine unmwiderfprechliche Are über zeugen, Daß Die Griechiſchen Weiſen, wenn fie ſich auch ſelbſt dieſen Titel beygelegt haͤtten, gar nichts ungewoͤhn⸗ liches gethan, und ſich ſelbſt bloß Gerechtigkeit haben wie⸗ derfahren laſſen. Man u wie Tacitus**) vortreffe 5 lich — — — — — — — — — — — — —— —— — — —— — *) De Fin. II. 3. Septem autem illi, non fuo, fed po» pulorum fuffragio omnium nominati funt, %*#) In vit. Agr. I, At plerique fuam ipfi vitam (ev redet von den alten Römern) narrare, fiducian porius morum, quam arrogantiam erbitrati funt, nec id Rutilio Sczuro eitra fidem, aut obtreätstioni fuit, adeo virtutes iisdem temporibus optime aeſtimantur, quibus facillime gignuntur, 122 Erſtes Buch. lich bemerkt, niemals mit groͤßerer Zuverſicht von ſeinen eigenen Tugenden, als in ſolchen Zeitaltern, wo man am meiſten beſizt und ausuͤbt, und nirgend (kann man hinzuſezen) ruͤhmte man ſeine und ſeiner Freunde Vollkommenheiten und Verdienſte mit einer groͤßern Freymuͤthigkeit, als in ſolchen Staaten, in welchen man die Fehler und Verbre⸗ chen ſeiner Feinde am dreiſteſten tadeln konnte und durfte. Die furchtſame Beſcheidenheit, die ſich ſelbſt entweder gar nicht, oder nur mit Erroͤthen lobt, war den freyen Griechen und Römern eine eben fo unbefannte Tugend, als die ſchuͤchterne ſchonende Behutfamfeit im Tadel von MWiderfachern; und fie erhielten beyde erft, nachdem fie faft alle übrige Tugenden mit ihrer Freyheit eingebüße hatten, Die republicanifdhen Römer fchrieben nicht nur ihr eignes $eben, fondern fie hielten auch ihren nächften Verwandten nad) ihrem Tode Lobreden, in welchen die Tugenden und Thaten der Verftorbenen und Vorfahren mit aller Macht der Beredſamkeit geſchildert wurden, Wenn fie fih) dem verfamleten Wolfe als Mitwerber um hohe Würden darftellten ; fo waren fie von den ehrwürdig- ſten Männern begleitet, die fie den Wählenden empfah- len, und fie felbft fuchten das Volk zu überzeugen, daß fie mehr als irgend andere zur Führung des Amts, wel- ches fie fuchten,, fähig feyen. Sie mochten endlich fich felbft vertheidigen , oder andere anflagen; fo machte al« lemal ein nachdrücliches lebhaftes Gemälde ihrer eigenen Vorzüge und Verdienfte einen großen Theil der Reden aus, womit fie ſich entweder felbft vom Verderben erret⸗ ten, oder andere niederfchlagen wollten. Esift alfo Un: reiffenheit, und Mangel von Kenntniß der Sitten freyer Nationen, wern man den Griechen und Roͤmern ein je: des Ueber den älteften Zuffand von Griechenland. 123 des Selbſtlob, das unbefcheiden ſcheint, zur fträflichen Eitelkeit, und jeben Tadel, der jezo übertrieben heftig feyn würde, zur bäurifchen Grobheit anrechnet. Ich führe Feine Roͤmiſche Benfpiele an, weil diefe bier zur Unzeit angebracht fenn würden, und ic) e8 zu einer andern Zeit in einer Abhandlung tiber den Charakter des Cicero und feiner Schriften zu thun gebenfe, in welcher ich mit reuvoller Ehrerbierung dem Schatten diefes großen Man« nes öffentlich das Unrecht abbirten werde, welches ich ihm mit einer unbefonnenen Uebereilung in einer meiner Us reifen Arbeiten zugefüge habe. Wenn man alfo auch mit dem Iſokrates annähme, daß die Griechiſchen Weifen fich felbft fo genannt hätten; fo würde daraus weiter nichts folgen, als daß fie ihre Ue— berlegenheit in Menſchenkenntniß und Staatsflugheie über ihre Zeitgenoffen gefühlt, und ohne Prahlerey durd) einen felbftgewählten Bennamen geäußert harten, fo wie die Nömifchen Helden durd) die Beynamen des! Großen, des Gluͤcklichen, des Afrifaners, des Numidikers u. ſ. w. ihre Thaten ausdruͤckten. Was Iſokrates vom Solon berichtet, das thaten nachher Kenophanes, Heraklid und Empedokles, ohne daß man dieſe Männer einer übermäs figen Schäzung ihres eigenen Werrhs beſchuldigt, ' oder einen gefährlichen Neid auf fie geworfen hätte; und auch die Sophiften würden ungeftört in dem Beſize des Na- mens weifer Männer geblieben feyn, wenn fie nicht durch ihr Leben und ihre Lehren den Spott und Unwillen des Sofrates und feiner Schüler auf ſich gezogen hätten. Lenophanes, das Haupt der Eleatifchen Weltwei⸗ fen, und der bitterfte Tadler des Homer, Heſiod und ande- 124 Erſtes Bud. anberer alten Weiſen, fagt beym Athenaͤus von ſich felbft: Wenn jemand aud) im Laufe, und in allen andern Arten von Kämpfen bey Olympia Sieger geworden, und als Sieger den Vorſiz in allen Spielen, prächtige Geſchen— fe, und beftändigen Unterbaft von feiner Vaterſtadt em: pfangen hätte; fo wuͤrde er doch das nicht werth feyn, was ich werth bin. Denn meine Weisheit ift nüzlicher und vortrefflicher, als die Stärfe von Männern und Pferden: und irrig wird die leztere Der erften vorgezogen, Denn wenn fich auch qute Ninger oder Balger oder Laͤu⸗ fer, oder Fuͤhrer und Seiter von Pferden und MWägen, in einer Stadt finden; fo ift fie deßwegen nicht beffer geord⸗ net oder verwaltet*). — Noch ftärfer und nachdrüclis cher ſprach Heraflid von feinen Kenntniffen und Vorzuͤ— gen. Er geftand**), daß er zwar in feiner Jugend uns wiffend geweſen fen, daß er aber ‚in feinen reifern Jahren alles, und zwar durd) fid) fefbft ohne fremde Hülfe und‘ Unterricht erkannt hätte Er verficherte fogar, daß ee - iu ame — — — — —— ®) Pag. 37. Pocf, phil, Steph, Ich will nur einige Verfe abfchreiben: Aieunv u — — Taur& yazavra Anyoı um eav weis ware EyYw. Ewuns Ye PAPER Avdenv nd’ iamay nueren voQım AN zum aA Tero vonceres, &rs InCLIOV. Ileo xewew ewum Tns ayalıs. voßıms. ax) Ej. Frag. apud Diog, IX, 5, Leber den älteften Zuſtand von Griechenland. 125 er allein alles wiffe, und daß alle übrige unmiffend feyen *). So fühn nun der Epheſiſche Weltweiſe fein eiges nes Lob verfündigte; fo freymüthig und entfcheidend war er in feinen Ausfprüchen über andere, Wielmifferen (agte er) nuͤzt zu nichts, weil fie fonft dem Hefiodus und Hekataͤus würde geholfen haben, Wahre Weisheit be— ftebe darinn, denjenigen Scharffinn zu befizen, der jeman⸗ den in allen Sagen und Umftänden leite, und zum Bea ften führe *). Noch) befremdender als alles, was ich bisher ans geführt habe, wird für die meiſten Leſer der Lobgeſang feyn, den Empedokles auf ſich felbft anſtimmt. Freue euch (rief er in dichterifcher Begeifterung aus) ***), freue uch, ihr Bürger von Agrigent, daß ich mit heiligen Infuln und Kränzen umwunden unter euch, nicht als ein fterblicher Mann, fondern gleich einem unfterblichen Gotte herummandle. Mic, verehren Männer und Weis ber, wenn ich in fremde Städte einziehe: mir folgen jebentaufende, und fragen mich, bald über die Wege, f die ; %®) Apud Procl, in Tim. p. 106, NeuxAsıros TOTER daurov Eudevar- AEyay, MAVTES TES RAABS OVERISZNAOVES EIVOL. * So müffen, glaube ich, folgende Worte des Heraklit verſtanden werden, die Plutarch mißverſtanden hat: ev yoo Er TO 0oDeov, α Ympamy, _ fra 0 außsovgesi 'zare die marra. Aus dieſen lezten Worten bat Plutarch em Fo Deovar, Omws nußepvarauı vo Te ouuma nad joa Asıror herausgebracht. delf,& Of, VII, p, 502, Ed, Reisk, ⸗ↄe ) Ap, Diog, VII, 62, 126 Erſtes Bud), die zu ihrem Gluͤcke führen, und bald ziehen fie mich über die Zukunft oder über die Heilung von Kranfheiten zu Hard, — Der Agrigentinifhe Dichter hielt fich felbft für einen Wundertbäter, oder wollte wenigftens dafiir angefehen feyn, Denn in einem andern Fragment gibt er einem Freunde von fich folgende Verfprechungen *). Don mir, fagt'er, ſollſt du die Mittel erfahren, wo⸗ ‚durch du Kranfbeiten zu vertreiben, und das fraurige Alter zurückzubalten vermagft: aber auch nur dir allein vertraue ich diefe Geheimniffe an. Won mir follit du bören, mie du verheerende Winde bezaͤhmen, und wenn Du willft, in ihr Lager oder in ihren Geburtsort zurück führen Eönneft, Ich will Dich lehren , wie du Ungemwite fer in heitern Sonnenfchein, oder diefen in jeneg verfeh- ren, wie du aus Dürre Negen bervorbringen, oder auf Fluthen trodene Witterung folgen laffen, wie du endlich die abgefchiedene Seelen verftorbener Menſchen aus dem Reiche der Schatten wiederum hervorrufen Fönneft. Dios genes und andere, die die großen Männer des Alters thums nach der Deufungsart ihres Zeitalters beurtheilten, warfen dem Empedofles unerträglidyen Stolz vor; allein Sextus **) dachte anders, und glaubte, daß nur unwiſ⸗ fende Grammatifer unverfhämtes Selbftlob in den Ver⸗ fen diefes Weltweifen finden koͤnnten. Apollonius pries den Empedofieg gluͤcklich, Daß er fih durch das Gure, was er von fich felbft gefagt, unter feinen Zeitgenoffen Feine Seinde und Meider zugezogen habe ***), Da — — — — — — —— — — — s) Ap. Dios.VIIl. 59, **) adv, Math. 1. 302, *+*#) VIII. 7, Philoite, in vit, Apoll, Ueber den älteften Zuſtand von Griechenlaud. 127 Da alfo Eenophanes, Heraklit und Empedokles fo laut von ihrer Weisheit redeten, und noch fpäter bie Sophiften fi) ungefcheue Weife nannten, und vom gane zen Griechenlande bis auf eine gewiſſe Zeit dafür erkannt wurden; fo Fann man es nicht als ganz unwahrſcheinlich verwerfen, daß die leztern den ältern Griechifchen Weis fen nachgeahmet, und auch Solon und deffen Zeifgenofs fen ſich felbft den Titel der Weifen beygelege Haben. Alle übrige Erzählungen über die Veranlaſſung der Benennung der Griechifchen Weifen, welche Diogenes und deffen Ausleger *) am vollftändigften gefammlet ha- ben, find weniger glaubwürdig, und mit den Sitten der alten Zeit weniger übereinftimmend, oder auch mehr mit Fabeln vermifcht, als diejenige, die ich angenommen habe, und die ic) gleich nach dieſer für die mahrfcheine lichfte halte. Die befanntefte und gewöhnlichfte Sage ift folgende: daß Joniſche Juͤnglinge von Mitefifhen Fis fchern einen Nezzug gefauft, und unter den Fifchen einen goldenen oder ehernen Dreyfuß **), von welchem es une gewiß ift, ob esein Trinkgeſchirr oder ein Gefäß, worinn man Wein und Waffer zu mifchen pflegte, oder endlich ein Tifch gewefen fey **), gefunden hätten, Ueber diefen unerwarteten Fund fey unter Käufern und Vers kaͤufern ein Streit entftanden, der vom Apoll zu Delphi endlich dabin entfchieden worden, daß der Dreyfuß we⸗ der *) I, 28: 33. ”*) Das eritere fagt Diogenes I, ©, dag andere Diodor Exec, IL, 552, \ ®**) Man ſehe Athen, IL, 2, 10, Über die Bedeutung des Noris TEITFODES, 128 Erſtes Bud, der ben einen noch den andern zufomme, ſondern dem Weiſeſten unter den Griechen überreicht merden ſolle. Diefem Ausfprucy zufotge babe man ihn dem Thales ana geboten, der ihn aber abgelehnt, und einem andern bes rühmten Zeitgenoffen zugeſchickt habe. Der zweyte Em— pfänger fen aber eben fo befcjeiden gewefen als Thales, und habe das Gefchenf einem dritten überliefert, von dem es aber aus gleichen Bewegungsgründen einem vierten und fo weiter herumgeſandt worden, bis es endlid) an den Eolon gefommen, der es endlid; dem orte zu Delphi geheilige habe, — Andern Ueberlieferun⸗ gen oder Erdichtungen nad) *), hinterließ ein gewiffer Arkadier, Batyllus, ein Treinfgefdyier, mit dem Be— fest, daß es dem Weifeften der Griechen geſchenkt wuͤrde; oder Kröfus foll einen goldenen Becher als einen Preis der Weisheit; oder die Argiver, einen Dreyfuß, als einen Preis der Tugend, ausgefezt haben, Diefe widerfprechenden Nachrichten ftimmen weder in Anfehung der Männer, die diefe Geſchenke zuerft empfangen, noch auch derer, die fie behalten haben follen, mit einander überein, — Die Zeit, wann durd) die eine oder die als dre diefer Beranlaffungen mehrern berühmten Männern, ſowohl im Aſiatiſchen als Europaifchen Griechenland, der Name von Weifen gegeben worden, foll in das fies ben und funfzigfte Syahr des Thales, und in das fünf hundert ein und achtzigſte vor Chrifti Geburt fallen **), Ich — ®) Diog.'l, c. **) Marmor, Arund, Eooch. XXIX. Diee Darum iſt falſch, weil die Haͤlfte der ſiehen Weiſen in der ſieben und funfzigſten Olpmpiade nicht mehr lebte. Ueber den älteften Zuftand von Griechenland. 129 Ich trage Fein Bedenken, alle jejt Furz erzählte Maͤhrchen von einem wunderbar gefundenen Dreyfuß, der vom Apoll dem Weifeften in Griechenland zuge: fprochen worden, oder von Preifen der Weisheit und Tu— gend, die von einzelnen Perſonen oder Städten hinrertaffen ‚und ausgefezt feyn follen, als ganz unglaublich zu verwer⸗ fen. Die Pythia Fonnte wohl einzelne Männer für die MWeifeften unter den Griechen erfiären; allein ſie Fonnte nicht einen Fund dem Weifeften zuerfennen, ohne entre: der unfinnig zu feyn, oder etwas zu beftimmen, mas nicht gut beftimme werden Fonnte, nämlich wie und von welchen, und nad) was für Merfmalen die höchfte Tus gend und Weisheit geprüft und gerichtet werven follte? Eben diefe Schwierigkeit findet auch) bey den übrigen Sa: gen ftatt, Denn kaum ift es gedenfbar, daß es einzel. nen Perfonen und Staͤdten auch nur jemals einfallen fonnte, dem Weifeften und Tugendhafteften einen Preis zuguerfennen, ohne Richter oder Gefeze, nach welchen die Werteifernden gerichtet werden follten, zu beftellen und vorzuſchreiben. Hiezu kommt noch diefes, daß weder Plato, der die Griechiſchen Weiſen ſo oft nennt, noch Herodot, der einen jeden (einen einzigen ausgenommen) mehrmalen namentlich anführe, und manche Abenrheuer und Wunder vorträgt, Die den Erzählungen von den fieben Weifen, befonders der von dem gefundenen Drey» fuße ſehr ähnlich find, und ihn, wie es fcheint, noth— wendig daran erinnern mußten, nicht das geringfte von den Begebenheiten anführen, wodurch die Griechifchen Weiſen ihren Ehrennamen erhalten haben follen. Heumann glaubte, daß die Griechiſchen Weiſen als Dichter um Preiſe geſtritten, und auch als die beſten | ng | Dich: 130 Erftes Buch, Dichter ihrer Zeit, Die ihre Mirbuhfer oft in dichterl⸗ ſchen Wertfämpfen beſiegt, den Namen der Weiſen vers dient haͤtten. Allein erſtlich iſt es zweifelhaft, ob alle Weiſe wirklich Dichter waren, und um ausgeſezte Preiſe wettgeeifert haben, und zweytens iſt es eine durchaus willkuͤhrliche und falſche Vorausſezung, daß ihre dichte⸗ riſchen Verdienſte nach dem Urtheile der Griechen vor denen aller uͤbrigen ſo hervorſtechend geweſen ſeyen, daß man ihnen deßwegen den Namen der Weiſen gegeben habe. Vielmehr ſieht man aus der groͤßern Zahl von Fragmenten einer Sappho, eines Alkaͤus, Anakreon, Simonides, und anderer, die ohngefaͤhr um dieſelbige Zeit lebten, und aus Den qrößern Lobſpruͤchen, die ihnen bengelege werden, daß eben diefe Sänger und Sängerin: nen, die man niemals vorzugsweife Weiſe genannt hat, für vortrefflichere Dichter, als die Griechiſchen Weifen, gehalten worden find, Viel glücklicher würde Heumann, meinem Bes dünfen nad), gerathen haben, wenn er die poetifche Wettkaͤmpfe, die in den aͤlteſten Zeiten an Feſten oder auch an den Gräbern gehalten, und an welchen demjenigen, der das Lob der Gottheit oder des Helden am beften befungen hatte, Preife zuerkannt wurden **), für die Veranlaſſung aller Mährchen über den Urfprung der Benennung der Meifen gehalten hätte Weil man nämlich in folchen dichteriſchen Wertfämpfen meiftens den Sieger mif einem Dreyfuße belohnte; fo erdichtefe man, daß aud) ein ges fundenes, oder hinterloſſenes dreyfüßigtes Geſchirr ober Gefäß #) Hefiod. Op & Dies, V. 652. u. f. Athen, II, 10, Auct, Conv. Sap, VI, 583, apud Plut, Weber den älteften Zuftand von Griechenland, 131 Gefäß oder Tiſch für den Weifelten der Griechen ausge fezt worden ſey, ohne darauf Acht zu geben, Daß der vorzüglichfte unter mehrern Dichtern, und das befte un. ter verfchiedenen Dichterifchen Werfen, viel eher erfanne werden Fünne, als der Weifefte und Tugendhaftefte eines ganzen Volks. Die Zahl der Griechifcen Weifen war, wie es ſcheint, weder in ihrem eigenen Zeitalter, noch auch eis nige Zeitalter nachher, beſtimmt. Herodot führt zwar die Namen aller Weifen an, den einzigen Kleobolus ausgenommen, allein er fagt nirgends, daß man fie auf eine gewiffe Zahl eingefchränfe habe. Plato und deffen Freund Eudorus waren allem Vermuthen nach die erften, welche von fieben Weiſen Griechenlandes *) redeten ; allein beyde gaben wiederum die Namen derfelben niche auf einerlen Art an, indem Plato den Myſon ftatt des Periander, und Eudorus eben denfelben an die Stelle des Kieobulus fezte. Die Zählung diefer beyden Weltweifen hat zwar auf die fezt alle übrigen verdraͤngt; allein fie wurde in Griechenland doch nicht jo allgemein angenom« men, daß man nicht von ihnen, ſowohl in Anfehung. der Zahl, als der Namen der Griechiſchen Weifen, ab» gegangen wäre. Mad) dem Dikaͤarch **) gab es nur vier Männer, die ehne Widerreve und Ausnahme vom ganzen Griechenlande für Weife anerfannt worden: naͤm⸗ lich Thales, Bias, Pittakus und Solon: außer diefen nannte ee aber noch fechs andere, aus welchen einige’diefe, andere jene ausgehoben hätten, um die Zahl fieben voll | 2 zu ®) Plat. in Prot.!p. 299. und Eudorus apud Diog, 1,30, **) I. 40, 41, apud Diog, 132 Erſtes Buch, zu machen. Hermipp hingegen führt ſechszehn Männer an, aus welchen die fieben Griechiſchen Weifen auf eine ganz verfihiedene Weife von verſchiedenen Schrifſſtellern gewähit worden *). Lamprias, ein Bruder des Plu— tarch, glaubte, daß ihrer urfprünglich nur fünf gemefen fenen, und daß Cleobulus und Prriander ſich gleichſam mit Gewalt in ihre Zahl eingedrängr härten **), Dios genes bezeugt ferner ***), daß zu der Damals faft allge: mein angenommenen Zahl der fieben Weifen von einigen noch drey, von andern vier hinzugefegt wurden, und nad) ihm nahm Porphyr nicht fieben, fondern neun Griechiſche Weifen an. Zu den Zeiten des Paufanias wufte man zwar nur von fieben; aber man rechnete, wider das An« fehen des Plato, den Periander, und einen Lesbiſchen Tprannen darunter +). Aus diefen abweichenden Zeugs niffen alter Schriftſteller fann man, glaube id), mit Hecht fehließen, daß Plato und Eudorus in ihren Ans gaben der Zahl und Namen der Griehifhen Weifen mehr ihren eigenen Vermuthungen, als zuverläffigen Nachrichten, oder alten Urberlieferungen folgten, und daß daher die nachfolgenden Geſchichtſchreiber aus Gruͤn⸗ den, die mir unbefannt find, fich für berechtigt hielten, von den Entſcheidungen diefer Weltweiſen abzumeichen. Nicht Älter und auch nicht übereinftinmender , als die Zeugniffe über die Zahl und Namen der Weifen, find die Sagen von ihren Zufammenfünften, Gaſtmaͤ⸗ lern *) 1. 42. Diog. **) Vil. Op, Plut, 514. zegı TE 21 TE ©v AeAQos “13, ! 4) 1. 23. Ueber den alteften Zuftand von Griechenland. 133 lern und Tifhreden, Plato ift, wo nicht der erfte, doc) gewiß der ältefte- unter allen Geiechiſchen Schriftfteflern, deren Werke zu uns qefommen find, und die von den Zufammenfimften der fieben Weifen *) reden. Er ſcheint zu behaupten, daß die Griechiſchen Weiſen in efe ner folchen Zufammenfurft den Entſchluß gefaßt harten, ihre Eprüche, als die Erftlinge der Griechiſchen Weis— beit, dem Apof zu Delphi zu weihen. Plato beftimmre aber weder die Zeit, noch den Dre, wann und wo fie ſich verfammler haben follten. Beyde wurden in fpätern Zeiten auf eine ganz vers fhiedene Art angegeben. Archetimus von Sprafus be— hauptete, daß die Griechiſchen Weiten bevin Kypſelus zuſammengekommen wären, unter deſſen Regierung der groͤßere Theil der Griechiſchen Weiſen wahrſcheinlich noch nicht einmal gebohren war **). Andere liefen die Griechi— ſchen Weiſen fich entweder in Delphi, oder an dem Hofe des Kröfus, oder in Korinth beym Periander, oder endlich in Myfale, in Afien verfammlen ***), In ſpaͤtern Zeiten ließ man fie auch Gaftmäler feyern, die wiederum | J3 auf — — — — — —— — *) In Prot, p. 295. TaT@v 1v xs OuAns 0 MıAnouos, un Ilrranos 0 mıruAgvasos, ua Bias 0 wem. reus, nu ZaAmv o nmerecos, ads KAsoßeAos 0 Amos, xaı Muowv 6 xnveus, as Edones ev Touros EAeyero Annedasuovios Xırov. — — 8r0 as non EuveAoyres, amaexnv Tas 0cßıws aveterav rw AmoAAavı gıs Tav vewv ev AsADdaıs yeaıyavres rayra In mavres vmvecı, Ivayı * TExUTEV xo⸗ under ya: ) Diog I. 4, #9) Diog, |, c, 134 Erſtes Buch, auf eine ganz abweichende Art geſchildert werben, El⸗ nige befchreiben fie als fröhlihe Schmäufe, im weichen man ſich den Freuden des Weins ohne Zurückhaltung überlaffen *), andere hingegen als feyerliche Gafimäler, in denen Weisheit und Ernſt geherrſcht, und Scherze und Muthw illen verbannt hätten **). Die Zufamenfünfte der fieben Weifen find zwar nicht unmwahrfcheinlich, und flreiten auch nicht mit der Zeitrehrung***); aflein es gibt andere Gründe, weß— wegen man fie für erdichter halten muß. Herodot redet von dem Zufammenlaufe aller wegen ihrer Kenntniffe oder GefchicklichFeiten berühmten Griechen am Hofe des Kröfus; er erzähle, daß Thales fich im Heere diefes Königs, und Bias an feinem Hofe gefunden, daf beyde den bey Mykale verfanimleten Griechen vortreffliche Wor- fehläge gegeben hatten; er handelt endlich umftändlich vom Periander und feiner Verbindung mit dem Thraſy⸗ bulus; allein nirgends erwähnt er einer Zufammenfunft der Griechiſchen Weiſen, fo viele Weranlaffungen er aud) batte, eine fo merfroürdige Begebenheit aufzuzeichnen. Dies — ———— —— — — #) Athen. 3 p. 463. e7eisvro de wo co Imre uuAB- — 00o⸗ suu®dorines OWIÄIOS. raguardeiTeı Yare 6 owos no ray TB Ynews duedunev Oyaw 6 @sodenxsos sv Tw TER kedas. *#) Vid. aut. Conv. fept. Sap, “r“) Pittikus wurde in der zwey und dreyßigſten, Periander im erſten Jahre der 29ten, Thales in der 35 oder 38) Olympiade gebohren, Solon gab in der 46 Olympiade feine Geſeze. Die Zeitrechnung der übrigen if unge: wiß, wir wiffen aber doch, daß fie Zeitgenoflen ber ers fern waren. Leber ben älteffen Zuftand von Sriechenland. 135 * Dies redende Stillfhweigen des Herodot würde allein ſchon das Zeugniß des Plaro überwiegen, wenn man aud) daran nicht einmal denken mollte, Daß eine ſolche verabredete Zufammenfunft der Weiſen Griechenlandes eine viel genauere Verbindung zwilchen entfernten Staͤd⸗ ten, mehr Mufe, und wichtigere Bewegungsgruͤnde vor— ausſezt, als man annchmen oder vermuthen kann. Wahrſcheinlich hat die Machricht des Herodot, daß alle Kuͤnſtler und erfahrne Männer den Kroͤſus befucht haͤt⸗ ten, zur Erdichtung einer Zuſammenkunft der fieben Weiſen Anlaß gegeben. Eine ſolche Zuſammenfunft iſt aber, meinem Urtheile nach, immer weniger unwahrſcheinlich, als ein Gaſtmal in dem Geſchmacke, in welchem ein unbekann⸗ ter Schriftſteller, den man faͤlſchlich für den Plutarch ges halten, eins gefchriebenhat. Dieſem Schrifiſteller nach folte man glauben, als wenn die Weifen nur in dee Abficht zufammengefpeifee hätten, um ſich auf einmal alte ihre Sprühe, Raͤthſel und Gefinnungen mitzutheilen und vorzulegen. Solche Gaftmäler, an welchen man mehr zufammendachte, als zufammenaß, find ein offene barer Widerfpruch mit den Sitten der alten Zeit, in wel⸗ cher alle Schmäufe, gortesdienftlihe Handlungen, und zu Ehren der Götter angeftellt, oder doch mit gottesdienſt⸗ lichen Gebräuchen, mit Opfern, Bekränzungen, fröhlis chen Gefängen, und felbft mie Spielen und Rauſch bes gleitet waren *). Diefen feftlichen Schmäufen, an 4. wel⸗ * Man ſehe Athenaͤus I. 2. V. 3.192, X.7.427 XL 3, 462. p. und die Beſchreibungen der Alteften Dichter, die bier vorkommen, 136 | Erſtes Buch.“ weichen felbft die weifeften Männer riethen, fich von der bedächtlichen Nuͤchternheit eben ſo weit zu entfernen, als vor der ſinnloſen Trunkenheit in acht zu nehmen, wa— ren die freundſchaftlichen Zuſammenkuͤnfte, an welchen man gluͤckliche Begebenheiten der Familie, oder der Haͤupter von Familien feyerte, im Zeitalter des Sokra⸗ tes noch ſehr aͤhnlich, wie die Gaſtmaͤler des Plato und Eenophon beweiſen. Plato war in feinen Geſezen der erſtere, der wider die wilden Schmaͤuſe, die man an Selten zu Ehren der Goͤtter feyerte, und wider die Bes raufchungen, womit fie begleitet waren, eiferte, und er und Menedemus führten zuerft die mäßigen Gaftmäler ein, can welchen man mehr für den Geift, als für den Gaumen forgee, und fich über ernft hafte und miffenfchaftlihe egenftände unterhielt *), Diefe philofophiften Gaftmäler wurden in der Folge in allen Sekten allgemein, und dauerten mehrere ahrbun« derte nach Chrifti Geburt fort. Die berühmteften Welt: mweifen veroröneten, daß dergleichen nad) ihrem Tode von- ihren Verehrern zur Erneuerung ihres Andenfens achals ten werden follten; und mehrere fezten anfehnlicye Vers - mädhrniffe zu diefer Abficht aus, Man fieht aber aus dem Athenaͤus, daß diefe Gaftmäler fid) in Anfehung der Mäßigfeit eben fo fehr von denen der erften Stifter entfernten, als die fpaten Nachfommen der großen Welt: weifen Griechenlandes den Häuptern ihrer Schulen un: ähnlich waren **). Nicht — — —s — — — *) Athen, X, 4. p. 419. Diog, Il, 133. 140, 141. “VL Ueber den aͤlteſten Zuftand von Griechenland, 137 Nicht bloß aus der jezo angeführten groben Bes feidigung des Eoftume, deſſen fidy der Verfaſſer des Gaftmals der fieben Weifen ſchuldig gemacht hat, ſchließe ih, daß diefer DVerfaffer nice Plutarch ſeyn koͤnne, (denn man Fönnte leicht aus diefem großen Weltweiſen und Gefchichtfihreiber Fehler anführen , die eben fo groß, und vielleicht noch größer find, als derjenige, den fein faifcher Namenträger begangen hat,) fondern ich gri®ide mein Urtheil noch auf folgende Bemerfungen, Die mir entfcheidend zu feyn ſcheinen: x) Iſt die Schreibart zwar nicht ſchlecht, oder unrein; allein fie hat doch nicht die Fuͤlle, das Blühende, den Reichthum an gluͤcklichen Bildern und Gleichniffen, nicht die häufigen Anfpieluns gen und Anführungen auf, und von den größten Dichtern feines Volks, welche die Sprache des Plutarch einem jeden vertrauten Leſer und Kenner dieſes vortrefflis dien Schrififtellers fo Fenntlid machen. 2) Erhellt felbft aus der DVermirrung, oder gefchmacklofen Uns ordnung diefes Aufſazes, daß Plutarch die unförmlichen Theile dieſes unausgearbeiteten Ganzen weder gebildet noch geftellet babe. Alle Anekdoten, Sprüche, Rärhfel und Gedanfen, die in fpäten Zeiten den Griechifchen Weiſen zugeeignet wurden, find mit fo weniger Vorſicht gefammlet und geprüft, und mit fo weniger Beurtheis lungskraft über einander hergeworfen, daß ein jeder vers ‚ nünftiger Menfch fühlen muß, daß man niemals folche Gaftmäler und Tifchreden gehalten habe, oder daß dies jenigen, die fie gehalten hätten, mit allen ihrem Scheine. und Nufe von Weisheit die laͤcherlichſten Dedanten und die verächtlichften Ihoren gewefen ſeyen. So wenig aber Plutarch fähig war, weile Männer auf eine folche unge 5 reimte u. Erſtes Bud. reimfe Art reden und denfen zu laffen, als bie Weifen Griechenlands im Gaftmale des Ungenanntenthun; eben fo wenig war er, glaube ich, faͤhig, die Sitten der al ten Zeit fo fehr zu vergeffen und zu beleidigen, daß er die Kleobelina oder Eumetis, eine Tochter des Kleobulug, zu einer Tifehgenoffinn der fieben Weifen, oder zu einer Theilnehmerinn ihres Gaftmals gemacht hätte*), Wollte men aber aud) diefes dem Piutard) zutrauen; fo würde Dod) viertens dies unmiderleglich bleiben, daß der wahre Plutarch Die Eumetis nicht für eine Tochter des Lindiſchen Kleobulus, fondern für eine Eorintherin hielt**), End» lich und fünftens muß auch diefes gerechten Verdacht ges gen die Aechrheit des Gaftmals erregen, daß der Mer faffer des leztern nie des &s ermähnt, über welches Plu- tard) eine ganze Abhandlung gefchrieben hat, und daß wiederum Plutarch in diefer feiner Abhandlung nicht ein Wort von der angeblihen Zufammenfunft der Griechi— ſchen Weifen beym Perlander fagt, und den leztern fonar, fanıt dem Kleobulus, aus der Zahl der Briechifchen Weis fen ausſchließt. *) 584.85. “) VII. 578. eg TB &ı TE ev AeAQas. Zwey⸗ — rn —ñ— — — —— —— — Zweytes Bud, Von der Joniſchen Philoſophie, oder Ge⸗ ſchichte der erſten wiſſenſchaftlichen Kennte niſſe der Griechen. Lo pers — ————— un h N. den Griechifchen Weifen war Thales von Milet, den Zeugniffen aller Alten zufolge, der einzige, und auch der erfte, der über den Urfprung der Dinge, über die Größe und Bewegungen himmliſcher Körper, über die wichtigften Erfcheinungen der Natur, endlich) über fich felbft und die menfchliche Seele, Beobachtun. gen und Unterfuchungen anzuftellen, und vielleicht auch die erfien Gründe der Meßfunft zu legen anfing”), Cr wurde daher in der Folge der Water der Griechifchen Philofophie, und das Haupt derjenigen Männer genannf, die das Forfchen der Natur zur einzigen, oder doc) zur Hauptbeſchaͤftigung ihres Lebens machten. Man gab ihm und feinen Nachfolgern den Namen der onifchen Weltweifen, weil Thales felbft, und die berühmteften Maͤn⸗ 2) Man ſehe Arift. 1. 3. Serabo, XIII, 942. Cie, I, II, de Nat, Deor, aud) Plutarch im Leben des Solon. 140 | Zweytes Buch. Männer, bie feinen Fußftapfen folgten, in Sonifchen Staͤdten waren gebohren worden *). Diefer erfte Lhrer und Erfinder wiffenfchaftlicher Kenntniffe machte feine Gedanken weder in profaifchen Werken, die man zu feiner Zeit noch nicht Fannte, noch aud) —— e) Eigentlich folte man nur den Thales, Anarimander und Anarimenes alte Sonifhe Philofophen nennen. Der erfte wurde, tie ich in der Folge beweiſen werde, mahr- fheinlih in der acht und drevpigften, und der andere in der zwey und vierzigften Olympiade gebohren. Weber das Zeitalter des Anarimenes finden fich in verfchiede: nen, ja fogar in den felbigen Schriftftelleen, ganz vois derſprechende Nehrichten. Nach dem Diogenes foll er erft um die 63ſte Olymp. gebohren, und doch fchon vor feinem Lehrer zur Zeit der Einnahme von Sardes geftorben feyn 1I. 1. Suidas feze feine Geburt in die fünf und funfzisfte Olympiade, weldes Datum aber mit der Zeitrechnung des Anasimander, den er nach dem Ariftoteles hörte, unvereinbar it. Am wahrſchein⸗ fichften alfo find die Angaben des Eufebius und des Berfaffers der DrAoroQgpevz, wovon der erftere den Anfang des Ruhms des Anarimenes in Olymp. <6, 2, und der andere feine Blüte in die 58 DI. fezt. Wenn man diefe Zeugniffe gelten laͤßt, oder auch feldft dem Suidas folgen will; fp muß man es für ungfaublih halten, daß Anaragoras der DI. 70, 1. gebohren wurde, ein Schüler des Anarimenes gewefen fen. Ariſtoteles nennt den leztern Auch nie, fondern vielmehr den Here morimus von Klazomene, einen Lehrer des Anaragorag, ber auch einen ganz andern Weg einſchlug, als die drey erften Weltweifen aus Milet betreten harten. Auf den Anaragoras folgten Diogenes ven Apollonia, und Archelaus von Athen, unter welden der leztere ganz unbedeutend ift, In Anfehung des erftern verweiſe ich auf meine Hiftoria doctrinae de vero Deo p. 372. Don der Joniſchen Philoſophie. 141 auch in Gedichten allgemein bekant *); fondern er legte fie vielmehr in.vertraulichen Unterredungen in den Bufen einie — ⸗ — — ©) Dies kann man mir der groͤßten Gewißheit daraus ſchlie⸗ fen, daß Ariſtoteles von feinen Meynungen allenthals ben als von ſolchen redet, die nicht duch Schriften ih« tes Erfinders, fondern durch Ueberlieferung fortgee pflanzt worden, und daß Plutarch der. eifte ift, der eines Werks des Ihales erwahnt, aber auch zugleich an der Aechtheit defjelben zweifelt, (De Pythiae Ora- eulis VII, 685. Ed. ‚Reiskit,) Diogenes hingegen, Simplicius und Stebaus fchrieben die Werke, die man dem Thales untergefipoben hatte, als alte Denzmaler des erſten Griechifchen Weltweiſen aus. Die Schrift des Anaximenes, deren Diogenes von Laerte erwähnt, 1. 2. war gleichfalls unachır, wenn anders diefer Comes _ pilaror ein richtiges Urtheil uber fie gefallt har. Sie foll naͤmlich in einer einfälrigen bilderlofen Sprache abs gefaßt gewefen ſeyn, dergleichen man. von einem Zeite genoflen des Pherekydes nicht erwarten kann. In Anfehung der Schrift des Anarimander über die Natur der Dinge, von welcher Themiſtius Orat, XX. ſagt, daß fie die erſte geweſen ſey, die man in Griechenland zu ſchreiben gewagt hale, Bin ich ungee wiß. Wider ihre Alterıhum konnte man anführen, daß alle Griechiſche Schriftfieller ohne Ausnahme den Pherefydes, der ſpaͤter als Anarimander gebohren wurde, für den erſten Profaiften errlaren, welcher über die Natur der. Götter und Dinge geichrieben habe. Gegen diefen Grund laßt ſich aber einwenden, daß ungeadhter Anarimander einige Olympiaden alter alg , Pherekydes war, er doch depwegen fpater als der lez⸗ tere fein Buch bekannt gemacht haben koͤnne. Hiezu kommt noch ferner, daß mehrere Schriftjteller, und un« ter Dielen ein alter, ein Werk des Anarimander aus- drüclic anführen, oder doch feine Meynungen fo ers zahlen, als wenn fie fie aus einer Schrift diefes Mans nes genommen hätten. Apollod, ap, Diog, li, 2, Simpl, 142 Zweytes Buch. einiger Freunde nieder, in denen er Siebe zur Wahrheit und Fähigkeit, die ihnen anvertraueten Kenntniffe zu bewahren und zu erweitern, zu finden glaubte, Er theilte fich aber vorzüglich dem Anarimander mit, der wiederum dem Anarimenes eben den Dienft leiftete, den Thales ihm erwiefen hatte, Die Aiten nennen daher den leztern einen Schüler des Anozimander, fo wie den Anapimander einen Zuhörer des Thales. Man muß fi) aber durch Diefe in Griechiſchen und Römifchen Schriſtſtellern fehr gewoͤhnliche Arten zu reden nicht vers führen laffen, zu glauben, als wenn Thales ſolche Lehr⸗ ſtunden gegeben, oder eine ſolche Schule errichtet hätte, als Plato, Ariftoteles und andere fpätere Weltweiſen in Athen eröfneten. Der eigentliche höhere Lehrſtand, der ſich der Bildung des Geifles und Herzens von Fünglingen und Männern gang widmete, entftand faſt ein volles Jahrhundert nach dem Thales im Europäifchen Griechen» lande, J — — — — Simpl. in- Phyf. Auf, Ariftot, fol, 6, a, fol 32, b, Plus. ap. Euf. 1.8. Daß diefe Gelehrte alle daffelbige Buch vor fih gehabt haben, erhellt aus der vollkomm— zen Webereinftimmung der Lehren, die fie dem Anaxi— mander zueignen, und die auch denen genau entfpres en, welche Ariftoreles dem Freunde des Thales zus ſchreibt. Wenn es aber auch jemanden um dieler SHetrachtungen willen wahrfcheinlicher vorkommen follte, daß Anarimanver einen Euren Abriß feiner Gedanken hinterlaffen habe; fo muß man doch wenigſtens die Abrigen Schriften, die Suidas unter dem Worte Anarie mander diefem alten Joniſchen Weltweifen zueigner, für untergefihoben halten. Denn Apollodor, Themiſtius und Diogenes wußten alle drey nur von einem eins zigen Buche, das den Namen des Anarimander trug, ’ Bon der Joniſchen Philoſophie. 143 lande. Diealten Griechiſchen Sophiften waren dieerften, die einen jeden ohne Unterfchied fürs Geld unterrichteten; und die Zuhörer des Sokrates waren wiederum die eriten, die das handelnde Leben verließen, und fich von öffent lichen Geſchaͤften zurüdzogen, um felbft deſto ruhiger forfchen, und der Jugend an beftimmten, meiftens öfa fentlichen Piäzen , alle Arten von Wiſſenſchaften vortra⸗ gen zu koͤnnen. Wenn man das Zeitalter der aͤlteſten Joniker mit denjenigen Zeita'tern vergleicht, in welchen der groͤßte unter den Griechifchen Dichtern, und die erſten Erfinder und Forebilder aller Künfte lebten; fo wird man mit Erftaunen gewabr, daß die rohen Anfänge von Wiffene ſchaften fid) in Griechenland fo fpät, und viele Menfchen- alter nachher zeigten, da die Künfte ſchon einen nicht ges ringen Grad der Vollkommenheit erreicht hatten. Diefe Verwunderung wird aber um viele Grade vermindert, fo bald. man ſich befinnt, daß dies nicht bloß unter den Griechen, fondern auch unter andern Völkern ges ſchehen, und daß es dem Menſchen immer viel.fchmerer geworden ſey, ſich felbit und die Natur zu erforfchen, als fie in herrlichen Werfen nadhzubilden und zu verſchoͤ⸗ nern. Unterden Römern und Arabern gingen die Künfte gleichfalls lange vor den Wiffenfchaften vorher; und bey der Wiedergeburt von benden im funfzehnten und fechs« zehnten Jahrhundert folgte die wahre Reinigung und Era hebung der leztern den vollendeten Künften erft: in einer langen Entfernung nach. Selbſt diefe fpäte Entftehung ber wiffenfchaftlihen Kenntniſſe aber in einem Zeitalter, in welchem die Griechen ſchon Jahrhunderte durch mit den am meiflen gebilderen Nationen befannt waren, und diefe 144 Zweytes Bud). diefe auch fehen lange in allen Künften erreicht und über: troffen hatten, ferner die langdaurende Kindheit der Gries chiſchen Philoſophie, ihr langfames Wachschum, und endlich die unverwerflichfien Nachrichten zuverläffiger Schriftſteller, nad) welchen die größten Erfindungen von folchen Maͤnnern gemacht worden find, die niemals Gries chenland verlaffen haben, beweiſen alle, daß die Griechen, einzelne Hanögriffe und ‘Beobachtungen ausgenommen, Feine Wiffenfchaft unter irgend einem Volfe, mit wel⸗ chem fie Gemeinſchaft hatten, in einem blühenden Zus ftande gefunden, und nur in ihre Vaterſtaͤdte uͤbergetra⸗ gen haben. Denn wären Die Dhönicier oder Aegyptier die Beſizer von fo vielen Wiffenfchaften gemefen, als man nach den Zeiten des Alerander zu glauben anfing; fo würden diefe früher nad) Griechenland gekommen, und niche die erften einfachften Grundfäze derfelben vom Thas leg erfunden, fondern ver ganze Vorrath von Entdeckungen vieler Jahrhunderte würde auf einmal von den Vorfahren des Thales, dieaus Phönicien abftammten, oder von den Griechen, Die feit den Zeiten des Pſammetichus Aegypten hefucht hatten, ins Griechifche Aſien werpflanzt worden feyn *). Wenn man aber auch zugeben wollte, mas wider die ausdrücklichen Zeugniffe der größten ‚Schrift: fteller läuft, daß Thales alle feine Gedanfen aus dem Wers —— ne — ——— — — — — —— — ®) Ich habe den gemeinen Wahn: daß die Griechen ihre Wijlenfhaften von Aſiatiſchen und Africanifchen Voͤl— £ern empfangen haben, in meiner Gefchichte der Lehre von Gott weitlaufeig unter den Abfchnitten der Religions— begriffe ver Aeguprier, Phoͤnicier und Indier widerlegt, Weiter unten werde ich die Zeit und Urſachen der Ent: ftehung des gemeinen Irrthums anzeigen, ‘ Bon ber Joniſchen Phitofophie. 148 Werken ober dem Umgange ber Weifen bes einen oder bes andern dieſer Voͤlker geſchoͤpft habe; fo würde man bod) alsdenn wenigſtens geftehen müffen, daß die Kennt⸗ niſſe der leztern höchft eingeſchraͤnkt geweſen feyen, teil faft alles Wiffen des Thales, und feiner erften Nachſol— ger nicht in wichtigen Beobachtungen, und In ſcharfſinni⸗ gen aus Beobachtungen gezogenen Schlüffen, fondern in ungluͤcklichen, oder vielmehr wilden Vermuthungen bes ftand, von dehen man Faum begreift, wie Männer, bie alle ihre Zeitgenoffen an Talenten und Durft nach Wahr⸗ beit Üübertraffen, fie glauben konnten, und nicht vielmehr durch den flüchtigften Blick auf fich fetoft und die Mate davon zurüdgebracht wurden, Viel natürlicher, und . der Gefchichte ſowohl, als dem Gange des menfchlichen Beiftes gemäßer ift es, anzunehmen, daß weder die Dhös nicier noch die Aegyptier auf eine ſolche Ark zu rathen, öber zu irren Im Stande geivefen, als man uns von den erſten Jonikern erzaͤhlt, und daß ihnen im Zeitalter des Thales, mo fie in Auſehung der Kuͤnſte weit hinter den Griechen zuruͤck waren, ſolche Fragen gar nicht einmal in den Sinn gekommen ſehen, dergleichen der Mileſiſche Weltweiſe aufzumerfen, und zu beantworten wagte. Wenn man einem ſcharffinnigen, aber mit ber Ge⸗ ſchichte des menſchlichen Geiſtes nicht genau bekannten Manne die Frage votlegte auf weiche Gegenftände ee glaube, daß die erften Denker vorzuͤglich ihre Aufmerk— faͤmkeit gewandt haͤtten, oder von welchen Fragen tind Unterſuchungen fie ausgegangen wären; fo wuͤrde ein fols her allem Bermuthen nach den erffen Suchern Der Wabks beit mancherlen rn zueigen, von denen die K Ga 46 Zweytes Buch, Geſchichte zeigt, daß fie fi ihnen niemals genaͤhert ha— ben, und hingegen an Diejenigen, auf die fie wirflic) ge— fallen find, vielleicht gar nicht, oder am fpäteften den- fen. Einem glücklichen Rather müfte fid) feine Vermu⸗ thungq eher darbieten, als diefe, daß man diejenigen Wiffenfchaften zuerit erfunden habe, die allem Anfcheine nach am leibteiten zu erfinden, und den Bedürfniffen reicher Srenftaaten am meiſten anpaffend waren, Bey—⸗ des, feheint es, - Fann man vorzuͤglich von der Staats⸗ und Arznenfunde, der Arithmerif, eigentlicher Sitten Ichre, Defonomie, und von der Kunft zu überreden bes haupten, und diefe Wiffenfchaften, follte man alfo den« fen, wären unter den Griechen vor allen übrigen herges gangen, Allein die Geſchichte lehrt, daß die erften Fors ſcher alle diefe Kenntniffe vernadyläffige, und hingegen mit den fehmeriten Unterfuchungen über den Urfprung der Dinge, über die Natur und Klaffen der Götter, über das Wefen der menfchlichen Seele, über die Größe und Bewegungen bimmlifher Körper, über die Urfachen gro» fer Erfcheinungen der Natur, endlich über die Verhaͤltniſſe und Eigenſchaften gewiffer Linien und Flächen angefangen haben. So fonderbar und unerklaͤrlich aber auch diefer Gang des menfihlichen Geiftes unter den Griechen fcheinen mag ; fo ift es doch nichts defto meniger gewiß, daß er der natüra lichſte ſeyn muͤſſe. Denn alle Bölfer, die ohne fremder Unterricht, über Nationalgedichte und fabelhafte Chroniken hinaus, bis zu den erfien Elementen wiſſenſchaftlicher Kenntniſſe fortruͤckten, nicht weniger diejenigen, die von aufgeflärten Uebermindern oder Ueberwundenen belehre wurden, enditch auch ſolche, Die aus einem blühenden Zuftande in RAIN und Barbaren hinab fanfen, haben Bon der Zonifchen Philoſophie. 147 Haben eben die ſchweren, und meiftens unergründlichen Unterſuchungen, mit welchen die Öriedyen anfingen, oder doch ihnen aͤhnliche, am erften hefvorgezogen oder angee nommen, oder am lanaften beybehalten. Die Aegyptier und Chaldäer hatten nicht nur Ueberlieferungen, und man⸗ gelhafte Chroniken von den Schickſalen ihrer Reiche, den Thaten ihrer Könige, und den Folgen und Verdien« ſten einzelner merfwürdiger Priefter; fordern fie beobach- teten auch die Bewegungen und Stellungen der Geftirne, befiimmten die $Sänge des Johrs, und die Wiederkehr jährlicher Fefte, und magten Vermuthungen über die Schickſale der abgefchiedenen Seelen, und die Seltenheis ten und Eigenthünlichfeiren ihres fandes. Die Priefter eben diefer und anderer morgenländifchen Voͤlker, ferner die Gallifchen Druiden, und in der Folge die Araber griffen, nad) ihrer Befanntichaft mit den Griechen, une ter allen den Kenntniffen und Wiſſenſchaften, welche die Ieztern ihnen darboten, nad) denen am gieriaften, welche am früheften waren erfunden worden, und Fragen alfo, über den Urfprung der Dinge, über die Größe der Walt, über die Mevolutionen der glänzenden Ephären, die fie als die Regiererinnen ihrer Schicfale verehrten, waren die erſten, mit melchen fie fich beichäftigten *), Auch nach der Zerftöhrung des Abendländifchen, und dem Wera fall des Griechiſchen Reichs blieben von alten Künften und Wiſſenſchaften, die aflmalich ausftarben, nur die unnuͤzeſten und fpizfindigften Unterfuchungen, und zwar meiſtens Diejenigen übrig, welche Die Neugierde der Gries Ka chen ne En ai 8) Ueber dieſe Saͤze fehe man die erſten Abſchnitte meiner Gefchichte der Lehre von Gott, en Abſch 148 Zweytes Buch. chen zuerſt auf ſich gezogen hatten, ine jede dieſer Er⸗ fcheinungen muß den aufmerffamen nadydenfenden Beob⸗ achter daran erinnert, wie natürlich oft dasjenige ſey, was uns am unnatürlichften fcheinf, und wie leicht man fid) verwirren Fönne, wenn man, ohne der Gefchichte zu folgen, bloß unter der Jeitung eigener . Vermurhungen über die Wege und Richtungen des menſchlichen Geiftes zu vernünfteln fich unterfänge, So wie Hefiodus ſich vom Homer vorzüglich darinn unterfchied, daß er außer den Geburten und Zeugungen der Götter, auch die Entftehungen eingelner Theile ver Natur Befang; fo unterichieden ſich die älteften Syonifchen Weltweilen, deren Philojopbie gleihfam aus vaterländis ſcher Dichtkunſt ausfloß, und damit verſchwiſtert blieb, vom Hefiod wieder dadurch, daß fie nicht bloß den Ur: fprung der Erde, Luft, Berge und Meere, fondern auch) die Entftehung aller Dinge aufjuchten *), daß fie ferner ganz “ = F x) Man kann immer zweifeln, ob Heſiodus von allen himm— liſchen Körpern geglaubt habe, daß fie entftanden fenen; Wenigftens erwähnt er in feiner kurzen Kosmologie der Entſtehung der Sonne, des Mondes, und einzelner Geſtirne nirgends) ungeächtet er v. 108 und 110 fagte: EIFETE OS TE MET Neci Kbi Yarick Yevovro; — — — ggce TE ABURETOOVTE Koi Seävos Eleos | le wgreogen: Wahrfcheinlich hielt er die Sterne fir Eleine glaͤnzende Lichter oder Flammen, die am Himmel befeſtigt wären; den Himmel aber gewiß für einen Sohn der Erde, der ihr gleich ſey. Yo FE TOR WODToy HEV EYELTO 10oy Ekurn senvov ae m — — Bon der Sonifchen Philoſophie. 149 ganz beftimme den Urftoff angaben, aus welchem, ihrer Meynung nach, alles hervorgegangen war, und daß fie zugleich Die Kraft oder Kräfte nannten, durd) welche alle Weſen aus der erften Grundmaterie hervorgebracht worden, Wenn Heſiodus gefungen hatte, daß das Chaos zuerft entftanden fey, ohne die Matur diefes Chaos zu beftimmen, oder den Stoff und die Kraft anzugeben, woraus und wodurch es wirflich geworden; fo nannten Thales das Waſſer, Anarimander eine gewiffe Subitanz, die feiner als Waffer, aber dichter als Juft fey, und Anaximenes die Luft als Dasjenige Grundwefen, aus wel⸗ chem die Welt und alle Dinge in der Welt erzeugt wors den, und in welches alle Dinge auch wieder aufgelöft würden, Anarimander befchrieb feinen namenlofen Urs ftoff als eine unendliche göftliche Marur, die weder ent— ftanden, noch dem Untergange unterworfen ſey; welche Borzüge Thales wahrjcheinlic dem Waſſer, und Anaa rimenes gewiß der $uft beylegte. Die wirfende Urfache, die aus dem ewigen Grundftoffe alles geſchaffen habe, be: fchrieb Thales als eine felbftändige bewegende Kraft, die er mahrfcheinlich Seele nannte; Anarimander hingegen fand fie in zwoen entgegengefezten Kräften, der Wärme und der Kälte, wovon er die eine als Ürfache der Enkſte— hung, die andere als die Urfache der Aufloͤſung aller Weſen anſah. Allem Vermuthen nad) ſtimmt Anatle menes über dieſen Punet mit feinem Lehrer überein *). K3 So * Die Beweisſtellen finder” man in meiner AIR, Doctr. de Dea pP. 1,8, ı, 150 Zweytes Buch. So wie Hefisdus Himmel und Erde, und felbft die Götter, aus oder nad) dem Cheas entftehen ließ; eben fo glaubten auch die Joniſchen Philofophen, daß alle göttliche Naturen aus der ewigen Materie, die ein jeder vertheidigte, entſprungen fenen. Thales fagte, daß alles mit Göttern oder Dämonen angefüllt fen, ohne, fo. viel wir wiffen, die Geftalten, Vollkommenheiten und Gefchäfte diefer übermenfchlichen Wefen zu beftim- men. Entweder glaubte er alfo mit dem Hefiod, daß viele Taufende von Dämonen vom Jupiter über alle ° Theile der Erde zerftreut, und zu Hütern der Menfchen geſezt worden *): oder er war aud in der Meynung, die man faft unter allen unaufgeflärten Voͤlkern wieder⸗ findet, daß nämlid) in einem jeden Gegenftande geheime unfichtbare göttliche Kräfte, oder wohlthätige und feind⸗ felige Gottheiten wohnten. Anaximander hielt Die Goͤtter nicht nur für entſtanden, wie Heſiod und Thales,fondern fogar auch für fterblich. Er behauptete, daß aus der unendlichen unbeftimmbaren Natur, unzaͤhliche Welten und Geflirne, die er für Götter erfannte, abgefondert, und nad) lan—⸗ gen Zeiträumen wieder in ihren Urſtoff aufgelöfee würden **), So wenig die Gedanfen der erften Weltweifen Griechenlandes über den Urfprung der Dinge und Götter ſich von denen des Hefiodus unterfchieden, und über fie erhoben; fo roh, und mit den Vorſtellungen vieler wilden Völker übereinflimmend waren ihre Grundfäge über *) Oper, & Dies, v, 121. 250. . 90) Man fehe die angeführte Schrift am angeführten Orte, Bon der Joniſchen Philoſophie. 151 über die Natur der Seele, und über die Entſtehungsart der Menfchen und Thiere. Thales hielt Die ganze Welt für beſeelt, und die Seele felbjt für eine bloß bewegende Kraft, die fich nicht nur in Menfchen und Thieren, und in den Öewächfen der Erde, fondern auch im Magnete und im Bernftein finde. Was Anarimander und fein Zus hoͤrer über die Seele gedacht haben, ift eben fo ungewiß; als es wahrfcheintich it, daß der erfiere und fein Lehrer alle Ihiere aus dem Wafler, oder aus einer fetten fehleis migten Feuchtigkeit entitanden, geglaubt haben. Pius tarch eignet wenigftens dem Anarimander die Behauptung zu *), daß die Menfchen eine Zeitlang im Waſſer und in Fiſchen, die er deßwegen die Väter ber Menfchen nannte, ernährt, und aledenn aufs trockene fand geworfen worden, mo fie fich felbit fortgehoffen hätten *r), Solche Männer nun, die entweder Waſſer oder $uft, oder eine zwifchen benden liegende Mirtelnatur für den Grundftoff, und eine oder mehrere unverftändige, nicht nach Abfichten wirfende bewegende Kräfte, für die erfte Urfache aller Dinge erklärten, die die Seele für ein - bloß bewegendes, und den Menfchen mit allen Thieren, Pflanzen und ſelbſt mis Steinen gemeinſchaftliches We— fen hielten, denen ferner die Thiere Zeugungen einer K 4 frucht · — — — — — — — — — — — — — **) Pherekydes wird allgemein für dem erſten erkläre, der die Yinfterblichfeic der Seelen in Srichealank verkan dige hade. (Cie. Taufe, Qusaeſt. 4, 163 — Waaheſcheide⸗ lich oder muß man ſtatt Unſterblichkeit Seelenwo anderung ſezen. Denn die Fortdauer ber Seele nach dem Tode wurde durch alle heilige Fabeln und Mofterien der Veligreki« gion fange vor dem Pherekydes gelehrt. 152 Zweytes Bud), fruchtbaren, aber empfindungslofen Feuchtigkeit, Mens ſchen Geburten von Fifchen, und felbft görrliche Marus ven Wirfungen einer vernunft-und empfindungslofen Subftan; zu feyn fihlenen, Die endlich niche nur an un⸗ zählige entftandene, fondern fogar an fterbliche Gott⸗ beiten glaubten, und die Geſtirne ferbft, mie ich gleich zeigen werde, fir vergängliche Ruinen elties von ohnge⸗ fäbr entjtandenen, und durchs Ohngefähr zerbrochenen Achtskreiſes anſahen, folche Männer nun konnten fich unmögdich zu dem Gedanken eines über alles mächtigen, weifen und gürigen Schöpfers, ober Dröners und Erhal⸗ ters der Melt erheben, weil fie weder die erftaunliche Groͤße und Schönheit, noch die bemundersmwürdige und unbegreifliche Ordnung, Zweckmaͤßigkeit und Abfiche in den Werfen der ratur erkannten, durch deren Wahrneh⸗ mung allein die forfchende Vernunft zur Vermuthung eis nes unfichtbaren Urhebers aller Dinge Hinaufgeleitet were den Fann *), J Man —ñ— — — — u menu — ———⏑ *) So muß man über die aͤlteſten Joniſchen Weltweiſen ur— theilen, wenn man dem Ariſtoteles und andern zuver⸗ käffigen Gefchichtfchreibern folat. Man kann alfo ohne Bedenken alle die fehönen Sprüche, die dem Ihaz . . les vom Diogenes, dem Verfaffer des Gaftmals der fieben Weiſen vom Clemens von Alerandrien, umd vom Johannes Stobäus zugeeignet werden, als erdiche tet verwerfen, weil fie den ächten Meynungen des Thas les und feinee Nachfolger ſchnurſtracks widerſprechen, und unläuabase Spuren Platoniſcher, Ariftotelifcher und Stoifher Philoſophie an fi tragen. Dergleichen find folgende: daß Gott das ältefte unten allen Wefen, ohne Anfang und Ende, und die Mele das fchönfte Werk der Gottheit fen: daß die Gottheit nicht nur die Hands Bon der Joniſchen Bhilsfophie, 153 Man wundert ſich um defto weniger, daß die älteften Joniker fich von ven Schilderungen der Dichter, und den Begriffen des Volks fo wenig entfernten, wenn man ihre Ausſpruͤche mit den Sragmenten des Pherefndeg über die Natur der Götter und der Welt vergleicht, Diefer alte Gortesgelebrte, wie die Griechen ihn nann⸗ ten, redete ober fang vielmehr von den Geburten und Schlachten der Götter, wie. Homer und Hefiod; von der Siebe des Zeus und der Erde, von den Mohnungen des Ogens, oder des Oceans, die Jupiter gebauet, und von dem ſchoͤnen Gewande, das diefer in eine beflügelte Eiche bineingearbeitet hatte”), Er unterſchied ſich vom Homer | / Ks und Handlungen der Menfchen, fondern auch) ihre Gedan- fen erkenne; daß Gott der erfte Beweger deg Ganzen, und fein Wille ewiges Gefez, und unüberfteigliche Nothwendigkeit ſey. Man fehe Stanley S. 2,; de Thal, ) ArAE u re Zugiou Tv Hoinew anoTei, Koı Tav Zmvos nos THU X,Iovimv, Hoss Tov ev TTS EEWTEE, no Tnv OQsovews Yeverıy , no ray Ieav nayıyv ua To devdgov au To memAov. Max. Tyr, Diff, XIX, p. 304. Ed. Dav, Cantab, 1703. Zur Er⸗ haͤuterung diefer Worte dienen folgende Stellen, die in der eben angezeigten Ausgabe angeführe werden. Eeifus ap. Orig, Lib. VI. p. 303. Bus Beesxv: nv — nuSorrenav TERTEIEY SEBTEIK FETT. FOEUNN , Ko TNS EV 7 YEnovoe Koavay didevesı, Fu; Eregus de OBsoven‘ MeouAnoeıs Te ni aıAAds &urmv Izogsı. Clem, Strom, Lib, VI, p. 448. Deegexudns ö Zuesos Aeyeı. Zoss Weiss Pagos MEY TE KO KAAoV, Mobs EV MUTm WOIAAE Ymy Ho Dymo, za Qynvs dapore. Mid.ap,cund p. 462, 154 Zweytes Bud). und Hefiob bloß darinn, daß er den Jupiter, den Kros nos und die Erde, die diefe für entitanden hielten, für ewig erflärte *), und diefen Ausfpruch hatte Ariftoteles wahrſcheinlich im Sinne, menn er **) fogt, daß Phe— rekydes nicht, wie die ältere Dichter gefabelt, und daß er die erfte zeugende Urſache für das Befteund Vollfom- menfte gehalten babe ***), Fach den Fragen über den Urfprung der Welt, der Menfchen und Thiere, und über die Natur der Seele fcheinen die alteften Griechiſchen Weltweifen ihre Auf: merkſamkeit vorzüglicdy auf die Entftehung, Größe und Bewegungen der himmliſchen Körper, befonders der Sonne und des Mondes, auf die merfwürdigften, und die Sinne am meiften rührenden Erfcheinungen am Him⸗ mel und auf der Erde, endlidy auf die Mittel, Größen zu beſtimmen, und die Verhältmiffe und Eigenfchoften von Linien, Flächen und Figuren zu entdecken, gerichtet zu haben, Allein von allen Unterfuchungen der Joniker über dieſe Gegenftände finden ſich in den Werfen alter und - 462. Ka: Yyae Ka done TES MOOS TULUEVES Orrorodew va padwos Fi esw 7 UmURTELS deus, #0 TO Er aurN TETFOIKIÄ MEVOP Owxeos, wo Mayr 000 Deeerudns &AAnyoensas —— vynoem. ®) Diog. I. 119. owgeras de 78 Evers re’ re BıßAsov o auveyauıbev, 5 naexn, ZEUS EV Kos Keovas Eis wer, nos YSTav A. sx) Pag. 246. Ed. Sylb, Gr, Metaph, 2) Wr diefe Stelle fehe man niſt. doctr. dei Deo p. 265. Bon der Joniſchen Philoſophie. 155 und zuberläffiger Schriftfteller, in denen man dergleichen am erften vermutben follte *), fo wenig Ueberbleibfet und in fpäfern und unzuverläffigen Gefchichtfchreibern **) fo widerfprechende Nachrichten, daß man auch bey der gröften Behutfamfeit im Drüfen und Verwerfen dad) ims mer in Gefahr ift, ſich zu verirren, und dem Thales und feinen beyden Nachfolgern etwas abzufprechen, was ihnen zunehört, oder etwas zugufchreiben, was fie nicht bes hauptet haben. Man mag aber zum Grunde legen, welche Zeugniffe man will; fo muß man immer geftehen, daß ihre Kenntniß des Himmils;: und ihre Naturfunde eben fo mangelhaft und unvofiftändig, als ihre übrige Philoſophie war, und daß Männer, die fo dachten, we⸗ der von den Aegyptiern, noch Phöniciern vieles gelernet haben fünnen, Man — — — —J— Dergleichen ſind die Buͤcher des Ariſtoteles de Coelo, und feine Meteor, in welchen er, wie in feinen übri- sen Schriften, gleichfalls ein genauer Gefchichtfihrei- ber ift. ‚.#%) Dergleichen find der Verfaſſer des elenden Buchs de placitis philofophorum, der falfhe Srigenes, Sto— haus, Diogenes, Proklus, und felbft auch Eudemus, den Proklus und Simplicius häufig anführen, und der die Gefchichte mehrerer mathematiſcher Wiffenfchafs ten geichricben hatte, Er lebte, wie ich aus dem Sins plicius fehe (in Phyf, Aufe, Arift, 98. f. b.) vor dem Alerander Aphrodifaus, und ift alfo mwahrfcheinlich ei- nerley mit dem Eudemus, der ein Zeitgenoß des Galen war. Siehe L. 15. 4. Jonf, de feript, hift, phil. Im Zeitalter diefes Sefchichrfchreibers waren den älteren Weltweiſen, befonders dem Thales, fehon viele Buͤcher untergefihoben, und aus folchen fcheint er den genauen Detail der Erfindungen genommen zu haben, die er und aus ihm Proklus dem Thales zueigneten. 156 Zweytes Buch. Man barf nur allein die Vermuthungen bes Ana⸗ ximander über die Entſtehung der Geſtirne, wie Plutarch fie beſchrieben hat *), nachleſen, um ihre ganze Art zu denken Fennen zu lernen, und fich zu überzeugen, daß man in den Gedanfen diefer erfien Naturforſcher nicht einmal Annäherung zur Wahrheit erwarten koͤnne. Der Juͤnger des Thales behauptete naͤmlich, daß ſich um den Dunftfreis der Erbe, ein aus dem unendlichen Urſtoff entftandener Feuerzirfel hergezogen, und ihn eben fo, wie die Ninde einen Baum umgeben babe, Diefer feurige King fey auf einmal durch einen Zufall gefprenge worden, und aus den Bruchſtuͤcken deffelben hätten fi) Sonne, Mond und bie übrigen Geftirne gebilder, Mach dem angeblichen Plutarch **), dem Johan⸗ nes Stobäus faft durchgehende folge ***), foll Thales die Geftirne, und unter dieſen aud) Sonne und Mond für Körper gehalten haben, dieunferer Erde zwar ähnlich, aber doch feuriger Natur wären, ben diefen Schrift: ftellern zufolge wichen Anarimander und Anarimenes +), fomohl in der Beftimmung der Subftanz der Geftirne, als ber Größe der Sonne und des Mondes vom Thaleg ab +1). Anarimander foll das Sonnenrad für zwey und dreyßig, und ben Cirfel des Mondes für neunzehnmal | größer #) Apud Eufeb; Praep. Ev, I, 8, #*) II, 13. de Plac. Phil, +) p. 53. 86. Edi. phyf, \ +) p. 55. Stob, de Plar, Phil, II, 30, 21, 28. ++) Anarimander ſoll behanptet haben, (59.59. p. Stob.) daß die Sonne fowohl als der Mond in vadförmigen Gehaͤuſen eingeſchloſſen wären, die aber Defnungen hätten, durch welche ihr Licht ausſtroͤnmte. Nach eben dieſem Bon der Joniſchen Philoſophie. a7 größer als die Erde, Anarimenes den Mond und die Erde für gleich *), und Ihales Hingegen die leztere für viele hundert mal Fleiner als den Mond gehalten haben **). Entweder hat Thales nicht auf eine foldye Art geirrt, oder er hat aud) die Sonnen -und Mondfinfterniffen nicht auf eine folche Art erklärt, als der Verfaffer des Buchs von den Meynungen der Weltweifen feine Leſer glauben ma⸗ chen will ***), Thales mag übrigens über die Urſachen ber Eklipſen gedacht haben, mie er will; fo war er gewiß der erfte in Griechenland, der eine Sonnenfinfterniß vorher verfüns digte +); doch muß man immer bemetfen, daß er nicht ganz genau die Zeit angegeben habe, mann fie einfallen wuͤrde. Er hielt ferner die Erde für einen platten Koͤr⸗ per, ber wie Holz auf dem Waffer ſchwimme, und deffen Geftale die Urfache ihrer Feſtigkeit und Unbes weglichkeit fey. Dieſe leztere Meynung nahmen Anapis imenes, Anaragoras und Demofrit vom Thales an, und auch Anarimander feheine ſich nicht weit davon entfernt zu haben #): Die TE 2 a — nen di r in EVEREEN TORRENT DOSSIERS ir — dieſem Sammler ps 53; hielt Anaximander den Himmel fuͤr ein Chryſtallenes Gewoͤlbe, in welchem die Sterne wie Naͤgel befeſtigt worden. Die Traͤume des erſtern werden von andern Schriftſtellern dem Herakbit zu— geeignet. *) B. 59: Stob. | NOERE AENEEL ER sr) |. 24, Diefe Stelle ift verdorben. Man fehe Stanl, ‚10; ’ Ss) He Plac; II; 24; ER RT NER — ++) Ariſt. de Coelo, Hier widerſprechen dem Ariſtoteles der angebliche Plutarch, und Diogenes von Laerte III. 10; — de 158 Zweytes Bud. Die übrigen aftrenomifchen Beobachtungen oder Dermurhungen des Thales, bie Stanley *) gefammlet bat, find eben fo verdaͤchtig, als feine große Werterfunde - unglaublich ift**). Won eben fo zwendeutigem Anfehen find die Zrugniffe des Proftus, in weicher er meiltens nad) dem Eudemus die geometrifhen Erfindungen des Thales angibt, Denn ungeachtet der Schuͤler des Plus tarch dem Erfinder der Meßkunſt unter ven Griechen feine Entdeckung zufchreibf, die diefer niche gemacht haben Esunte; fo kann man doc) bey dem Stillſchweigen älterer Schriftſteller, und der bekannten Nachläffigfeit des Pros klus und feines Gewaͤhrsmannes nicht vorfichtig genng ſeyn. Alle Säge, die Thales zuerft unter den Griechen gelehrt haben foll, gehören zu den einfachften Theoremen der Meßkunſt, und es läßt fich alfo faum denfen, was der Mileſiſche Weltweife von den Aegyptiern, deren Schuͤler er gewefen ſeyn foll, gelernt haben Fann, wenn er felbft nody (mie Proklus gleichfalls verfichere ***) Er findungen gemacht, und Pythagoras der Geometrie zuerft eine wiſſenſchaftliche ©eflalt gegeben hat, Wahrſchein—⸗ licher de Pl, Phil, Diog. in Vit, Thal, & Anaxim, Be chert, daß Thales und Anarimander die Erde für rund gehalten, und erfterer, daB Thales ihr zwar eine runde, Anaximenes aber eine tifchformige, und Anaximander aar die Geſtalt einer ſteinernen Säule ge geben habe, Man fieht hieraus, wie mißtrauifch man gegen diefe Schriftſtellor feyn mülfe, ——— er Prifnteles führt davon eine Probe an, deCiv. I 2 - die mir höchft lächerlich ſcheint. Ungeachtet Ariftoteles ihr nicht ausdeudlich feinen Beyfall gibt, fo wundert es mich doch, daß er ihrer nur erwahnt hat, Re In Eucl, p. 19. Ed, Herv, Don der Zonifchen Philoſophie. 159 licher ift es, daß Thales nach Aegypten mehr praftifche. Kunftgriffe hinbrachte ‚ als womit die Prieſter diefes Lan— des bis dahin befannt waren, und daß er, mie alte Schriftſteller verfichern, ihnen zeigte, wie man die Höhe der Poramiden aus der ange ihres Schatteng beftimmen fönne *). Thales ſelbſt aber ging gemiß nicht über die leichteften Elemente diefer Wiffenfchaft hinaus, weil fonft Pythagoras nicht erft feinen $ehrfas hätte entdecfen, und eben dadurch als durdy eine große Erfindung berühmt wer⸗ den Fönnen, Unter allen Erflärungen merfmürdiger Meteore oder Erfcheinungen auf der Erde, die den Joniſchen Welt teifen zugefchrieben werden, iſt die des Erdbebens vom Anarimenes die einzige, für deren Mechtheit man einſte— ben kann **). Er glaubte, daß Erderſchuͤtterungen ents flünden, wenn der “Boden entweder durch anhaltende Dürre oder Ermeichung gefpalten würde, und große Theile der Oberfläche oder der aͤußerſten Rinde in innere Höhlen hinein fielen ***) Won den Vermuthungen eben diefes Mannes, und feines Lehrers über die Urfas chen des Donners und Blitzes, die vom Seneca +) dem angeblichen Plutarch ++) und deffen Ausfchreiber dem Stobäus +tt) angeführt werden, ift es zweifelhaft, ob — — — — — — nn — — *) Hieronym, sp. Diog, J. 27. Plin. Lib. 36, c, 6. **) Arift, Meteor, II. 7. & Sener, Nat, Quselt, VI. 10. Brr) Die Erklärung des Erdbebens, die Thales gegeben haben ſoll, fteht beym Seneca VI, 6, Nat, Quaeft, +) IL Hif, N, 17. & feq, 44) III. 4. 5. — P+ 64 Ecl, Phyf, 169 Zweytes Buch; ob fie ächt find, fo fehr diefe Schrifefteller auch mit eins Anber überein ftimmen *). Wenn aber auch diefe Meynungen von den Nachfolgern des Thales herrähren ſollten; fo find fie nur neue Beweife deffen, was id) über die Eingefchränftheitibrer Naturfunde geſagt habe, indem fie Bliz und Donner aus Windftößen oder Feuern able: teten, deren Entfiehung fie nicht anzugeben wuften. So unvollkommen aber auch die erften Werfuche der Aſiatiſchen Griechen in der Weitweisheie waren ; fh merkwürdig ift es doch (und eben diefes vermindert das Befremdende diefer Erſcheinung) daß fie vor der Proſe und Geſchichte dieſes Volks hergiengen, wovon die ers ſtere vom Pherekydes, einem Eingebohrnen von Shros erfunden, und die andere von zween Mileſiern, dem Kad⸗ mus und Hekataͤus, zuerſt bearbeitet wurde. Beyde, ſowohl die Proſe, als die Geſchichte, waren in ihrem er⸗ ſten Urſprunge eben ſo mangelhaft, als die Philoſophie der Joniker: beyde bildeten ſich eben fo langſam aus, und entfernten ſich auch mit eben fo fchleichenden Schritten von ihren Schweſtern öder vielmehr Müttern, der Dicht: kunſt, Fabel und Weberlieferung, als die Weltweisheit von Mythologie und vaterländifcher Neligion; Die Schteib⸗ art des Pherekydes fomohl als des Kadmus und Heka⸗ täus **) unterfehled ſich von der Sprache der Alteften Dich⸗ fluctuare tune; cum dieitur tremere. 845 Beyde waren Zeitgenoffen, und blühten unter der Re— HR: des Därius Hyſtaſpes, kurz vor dem Einfalle iefeg Königs In das Enropaifche Oriechenland; Her, V. 35; 135, & ' Bon der Joniſchen Philoſophie. 168 Dichter durch weiter nichts, als durch die Abweſenheit eines beflimmten abgemeffenen Rythmus *), und nach dem Urtheil des Strabo waren die älteften Gefchichtfihreis ber auch eben fo voll von Fabeln und Erdichtungen, und eben fo wenig glaubwürdig, als Homer und Heſiodus warten **). Schon Thales und feine erften Nachfolger, noch mehr aber die Vaͤter der Griechifchen Profe und Ges ſchichte erlebten den Verluſt der Freyheit des Aftatifchen Griechenlandes, und ſolche Verwüftungen ihrer Water ſtaͤdte, daß fie den Verfall des öffentlichen Wohlſtan— des, wie ber Künfte und Wiffenfchaften voraus fahen, und eine Auswanderung der gröften Künftler und weifes ften Männer befürchten muften. Kaum hatte Miles ihre Freyheit von dem wahrhaftig edelmuͤthigen, und fein Vaterland mehr, als feine und feiner Familien Größe liebenden Thrafpbulus ***), wiedergenommen; als fie, | wie ——eÛh ⸗⸗— %) Strab, I, 37. Ed. Almel, **) XL 774 ner) Er vertheidigte feine Vaterſtadt mit unerſchuͤttertem Muthe wider den Alyattes Her. I, 21. 22, und bes freyte fie von einer Belagerung, gegen die fie fich wegen des Außerften Mangels an Lebensmitteln nicht fange mehr hätte halten Eünnen, durch eine Kriegslift, die ‚einen eben fo glücklichen Erfolg hatte, als fie in jenen Zeiten fein jeyn mochte, Wenn Thraſybulus, bloß in der Abſicht, feine Mitbürger, und deren Güter zu Werkzeugen feiner fehändlichen Lüfte zu machen, und nicht aus edlerer Ruhmſucht und Herrfihbegierde fich der hoͤchſten Gewalt in Miler bemächtige hätte; fo würde er weit entfernt, dieſe Stadt von einem fremden Soche zu retten, fie vielmehr, wie nachher unzählige $ andere 162 Zwehytes Bud. mie alle übrigen Griechifchen Städte auf dem feften Sande (nur die Sneifchen und Ciliciſchen ausgenommen) vom Kroͤſus unterjocht und ihm zinsbar wurde . Wenn man aber einen, wie es ſcheint, fehr maßigen Tribut, den dieſer König ihnen auflegte, und vielleicht die Verbinde lichkeit, mit ihm gegen feine Feinde zu ziehen, aus— nimmt, fo ſcheint er übrigens weder die Freyheit noch die Grundverfaffung der Griechifchen Staaten geſchmaͤ⸗ fert zu haben, Herodot fage nicht, allein nichts von Aufe fehern oder Tyrannen, die er den Griechen aufgedrungen; fondern er redet fogar von gemeinfhaftlichen Zufammen« Einften, die fie nad) wie vor gehalten, und von frenen gemeinſchaftlichen Entfehließungen, die fie gefaßt haͤt⸗ ten **). MWahrfiheinlich alfo war es mehr Gewogenheit und Danfbarfeit gegen die Milde des Ediſchen Königs, als Zwang oder Furcht, wenn außer Miler alle Griechi— ſche Städte ihm Huͤlfsvoͤlker wider den Kyrus ſchickten***). Diefe Treue und Anhänglichfeit der Aftarifehen Griechen an dem Kröfus Fam ihnen aber nad) der Niederlage dies es — A andere thaten, demfelben aus allen Kräften zu unter⸗ werfen gelacht „haben, um ſich ſelbſt eine Stuͤze zu verfhaffen, und die Herrſchaft über feine Mitbuͤrger als einen Lohn ſeiner Verraͤtherey zu empfangen. %) Her. I. 26. 28. Kroͤſus regierte von DI. 54, 4, bie 58. J. um) Selbſt die freundſchaftliche Verbindung, in welcher mehrere der Griechiichen Weifen mit dem Kröfus ſtan⸗ den, beweift, daß man den leztern nicht als einen Typs rannen verabſcheute, und Dienfte, die ihm erzeigt wur- den, nicht für Verräthereyen gegen das Vaterland hielt, erR) Her.I. 75 14lr Bon der Sonifchen Philoſophie. 163 fes Königs und dem Umfturze bes Hdiſchen Reichs Nſehr theuer zu ſtehen. Vergebens flehten fie um die Gnade **), ſich dem fiegenden Kyrus unter eben den Bedingungen unterwerfen zu dürfen, unter welchen fie bisher dem Kroͤ⸗ fus zinsbar gewefen wären. Er antwortete ihnen, daß es num zu fpät fey, um eben das zu bitten, was fie vor⸗ ber, da es ihnen von freyen Stücen angeboten, muth« willig ausgefchlagen hätten, Er übergab daher, weil er nad) der Eroberung von Sardes in Oberafien zurück ging, um die Babylonier und andere Völker zu bezwin⸗ gen, die Züchfigung und Unterjochung der Afiatifchen Griechen einigen feiner Feldherrn, unter welchen der graufame Mazares Priene und Magnefia nicht nur von Grund aus zerſtoͤrte, fondern auch ihre Bewohner als Sclaven verfaufte ***). Weil die Phokaͤenſer ein aͤhnli— ches Schickſal befürchteren ; ſo entſchloſſen fie fih, eher ihr Vaterland felbft zu zerflören, und es alsdann mie Meibern, Kindern und allen beweglichen Gütern zu ver⸗ laffen, als fi dem Harpagus, einem Machfolger des Mazares, zu unterwerfen }),. Ihrem Benfpiele folgten die Tejer, Denn als die Perfer ihre Mauer erſtiegen, fezten fie fih in ihre Schiffe, und mandten ſich nad) Abdera, deren Bewohner von den Thraciern vertrieben worden waren, Alle übrige Joniſche Städte fochten 82 gleich⸗ *) Olymp, LVIII. I ®*) Herod, I, 141, *ex) Idem I. 16:, 4) Herod. I. 163, Nach vielen Drangfalen und ausge⸗ übten tapfern Thaten ließen fie fich endlich in Itallen und Gallien nieder, und wurden bie Erbauer von Elsa und Maflilien, 4 164 Zweytes Bud! gleichfalls mit einem Murbe, den die aͤußerſte Verzwei⸗ felung und die Furcht vor unvermeidlicher Knechtſchaft unter unerbirtlihen Barbaren nur einflößen konnte; allein fie wurden dennoch alle nach einander erobert, Harpagus begegnete ihnen aber mit größerer Oelindigfeit, als wo— mit fein Vorgänger Priene und Magnefia behandelt hatte, Er ließ weder ihre Einwohner weaführen, noch ihre Wels ber und Kinder als Sclaven verfaufen *), Am mwenigs ſten Widerftand thaten die Karier, fo wie aufder andern Seite die HHcier am würhenditen fochten. Die leztern lieferten den Perfern eine blutige Schlacht, und als diefe ungluͤcklich ausfiel, fchleppten fie Weiber, Kinder, Eclaven und Kleinodien in den befettigten Theil der Stadt Banthus **), verbrannten alles, was ihnen am. theuerften war, verpflichteten ſich Durch die fürchterlichften Eide, ihr Leben von feinem Perfer anzunehmen, und ftürzten fich hierauf mit rafender Tapferkeit in den Feind, durch deffen Schwerdt fie alle fielen ***), Faſt eben dag thaten die Kaunier }), und man Fann daher aus diefen angeführten Nachrichten abnehmen, wie fehr das Aſia— tifche Griechenland dur diefe erfte gewaltfame Unter- werfung unter die Herrſchaft der Perfer leiden mufte +}). Wenn nn nen — *) Idem I, 169, "3 1,-176. *«*) I, 170. 1) bh 177. —— 77) Miler war die einzige Stadt auf dem feſten Lande, die verihonr wurde, weil fie fid vor der Niederlage des Kroͤſus mir dem Perſiſchen Eroberer verbunden harte, Der Untergang ihrer Schweſtern wurde für fie, wie für Bon der Joniſchen Philoſophie. 165 Wenn man aber die Verheerungen ausnimme, welche der Ueberfall eines rohen Friegerifchen Volke, und re, die — — — — — — — fuͤr die Griechiſchen Inſeln, eine neue Quelle von Reich— thum, Handel und Macht. Milet, Samos und Chios waren, wie aus der Folge erhellen wird, nie in einem bluͤhendern Zuſtande, als zwiſchen dem Einfalle des Kyrus und der Empoͤrung der Aſiatiſchen Griechen uns ter dem Ariſtagoras. Ueber das Schickſal der Griechiſchen Inſeln finde ih den Herodot mir ſich ſelbſt und andern Schriftſtel— lern im Widerſpruch: Einmal ſagt er, daß die Grie⸗ Sifchen Inſulaner durch die Grauſamkeit der Perſer gegen die Griechen auf dem felten Lande wären in Furcht gefezt worden, unddap fie fich dem Kyrus ergeben hätten (I. 169.) An einer andern Stelle gefteht er ſelbſt, daß die Inſelbe— wohner von den Perſern nichts zu befürchten gehabt hätten, weil die leztern im Seeweſen noch unerfahren, und die Phönicier ihnen noch nicht unterworſen geweſen wären I. 43. Er felbft nenne viele Infeln namente lich, die noch unter dem Darius Ayftaspes ihre Freyheit hatten, und erſt in der Folge von diefem Könige bes zwungen wurden V. 3. u.f. Hiemit ſtimmt nicht nur das Zeugnig des Thukydides, fordern auch die Ge— fhichte des Polykrates überein, wie wir fie in eben diefem und andern Gefhichifchreibern finden, (Her, IR 39. 41, 139.149. Thuc. I, 13. 14. NIE 104. Pin, XXXVI. 1,) Diefer Tyrann von Samos berrichte nicht nur über fein Vaterland, fondern auch uber viele andere Inſeln, und felbit uber Städte auf dem feſten Lande, und ging gar mit dem Gedanken um, fid) Jo— nien zu unterwerfen. Er war anfangs ein Bundes⸗ genoß und Gaſtfreund des Aegyptiſchen Koͤnigs Amaſis, der ihm aber, wie Herodot meldet, bie Freundſchaft aAufkuͤndigte, weil er befuͤrchtete, daß ein fe anhalten« des und erſtaunliches Gluͤck, als dasjenige war, was Polykrates genoſſen hatte, nothwendig den Neid der Goͤt⸗ ter erregen, und einen ſchrecklichen Umſturz feiden würde, Poly⸗ 166 Zweytes Buch, bie hartnäcfige Gegenwehr der Griechen gleich unvermeid⸗ lich machten, fo wurde das Schickſal der leztern unter den beyden erften Perfifchen Königen allem Anſehen nad) gar nicht, oder nur fehr wenig verfchlimmert, Die Aſiatiſchen Städte hingen freylic; von dem Perfifchen Bes - fehlshaber ab, der meiftens feinen Wohnfiz in Sardes hatte: fie muften ferner, gleich allen übrigen uͤberwun⸗ denen Völkern, gewiffe Gefchenfe darbringen *), die wahrſcheinlich den Tribut, den fie vorher vem Kröfus entrichtee hatten, nur um ein geringes überftiegen: end« lich waren fie verbunden, Kriegsvölfer, wo, undwann, und fo viel ihrer verlange wurden, zu flellen, Allein man nahm ihnen weder ihre Gefeze, noch ihre innere Verfaſſung, man drang ihnen Feine Tyrannen auf, und erlaubte ihnen fogar, fi zu verfammlen **). Kyrus ſowohl als Kambyfes waren zu fehr mit neuen Eroberuns gen und mit den erften nothwendigen Einrichtungen kaum bezwungener größerer Sänder befchäftigt, als daß fie die Heinen Griechiſchen Staaten, die in unermeßlicher Enes fera Polykrates bot daher dem Kambyſes feine Dienfte an, und fhidte ihm eine Flotte wider Aegypten zu Hüffe, die er mit Männern befezte, von denen er gerne befeye feyn wollte. Den ſchrecklichen Kreuzestod diefes gro= gen Mannes koͤnnen diejenigen, die fid) von dem Betra— gen der Perfer einen Begriff machen wollen, beym He— rodot nadhlefen, UI, 125, - | 2) Herod, IN. 89. er) Yuf einer folhen Verfammlung der Jonier war es, wo Dias den Vorſchlag that, um des unabiwerflichen Joches der Perſer reillen, Aften zu verlaffen, und unter der Fuͤhrung der Görtiun der Freyheit nach Sardinien zu ziehen. I 170 } Don der Joniſchen Philoſophie. 167 fernung von ihren Königsfigen am außeriten Rande ihres ungeheuren Reichs lagen, genau hätten Fennen, oder den Entſchluß faffen koͤnnen, die ihnen eigenthümliche Frehe heitsliebe, und alle aus diefer hervorquiflende Tugenden, durch vorſichtige Maaßregeln zu brechen und augzurot⸗ ten. Go gelinde aber aud) die Herrfchaft der benven eriten Perfifchen Könige war, fo ſchimpflich und uner- träglich fehien doch den Griechen ihre Knechtſchaft zu ſeyn. Herodot ſagt daher, daß die Aftarifhen Griechen unter dem Ryrus zum zweyten mal in die Sclaverey gerathen feyen, und daß Kambyſes die Jonier und Aeolier ſchon als angeerbte Knechte angeſehen habe *). Unter dem Darius Hyſtaspes, den man mit Hecht den zweyten Gründer oder den Befeſtiger des vom Kyrus geftifteren Neichs nennen kann **), wurden bie Griechiſchen Staaten in Afien viel eingefchränfter und abhangiger, als fie unter deffen Vorfahren gewefen wa⸗ ren, und ihre alte Grundverfaffung wurde gänzlich um gefehrt und vernichtet, Diefer edle Zerftörer des ſchimpf⸗ lichen Priefterregimentg, deffen fic) nad) dem Tode des Kambpfes die eben ſo verfehmizten als Führen Magier bemaͤchtigt hatten, erweiterte feine Staaten, nicht nur durch Eroberungen in Indien, und durch die Bezwin⸗ gung der Griechifchen Inſeln, fondern en theilte auch alle ihm unterworfene Laͤnder in zwanzig große Provinzen ober Satravien ein, deren jeder er einen ihrer Größe und MWohlhabenheit angemeffenen Tribut auflegte. Erbes ftellte hr über eine jede Provinz einen geoßen Befehlsa 84 heben, — 2 9 I, 169. 1 1. *) Darius Hyſtaspes regierte von OLLKIV, 4. bis LXXIIM. 3. \ 168 Zweytes Buch, haber, ber den Tribur heben, im Namen des Königs Gerechtigkeit handhaben, Ruhe erhalten, Feinde zurück treiben, und zum Dienfte des Königs eine geroiffe Ana zahl von Kriegsleuten bereit halten, und an einem geroife fen jedem beftimmten Ort liefern mufte. Endlich vers ordnefe er über einzelne Städte, und Fleinere Gegenden Vorſteher, die von dem Satrapen abhängig waren, und dahin fehen muften, daß nirgends etwas wider das {ns tereffe des Königs vorgenommen, daß fein Wille allent⸗ halben erfüllt, und eine jede Lebertretung deffelben beſtraft würde, Dieſe Einrichtungen muften ſich die Griechen, wie alle übrige dem Scepter der Perfer gehorchende Voͤlker gefallen laffen. Darius fchlug Jonien, Aeolien, Karien, Hcien und Pamphylien zu einer Provim, legte ihnen einen Tribut von 400 Babpionifchen Talenten Sil⸗ bers auf (ein jedes Talent hielt 70 Euboifhe Minen) feste über das ganze Afiatifche Griedyenland einen einzigen Eatrapen, und über eine jede Stadt einen eigenen Vors ſteher. Dieſe legtere waren immer gebohrne Griechen, meiftens aus den Städten, denen fie vorftunden, und wurden von ihren Miebürgern Tyrannen genannt, und als ſolche verabſcheut *), weil fie ihr Waierland nad) ih— rem eigenen Gutdnfen und dem Willen des Hofes bes berrfchten, dem fie ihre Hoheit und alle Damit verbundene Vorzüge zu danfen harten. Die eigennüzigen und uns patriotifchen Geſinnungen diefer Tyrannen äußerten ſich bey keiner Gelegenheit deutlicher, als bey dem kuͤhnen Vorſchlage des Miltiades, der ihnen rieth die Bruͤcke uͤber *) Herod. IV, 137. 138. V. 37. 38. Herodot nennt ſie bald rveaevwves, bald erITEoTBS. “*) Herod, IV, 137. 138, Corn. Nep, e. 3. in Vit, Milt, Bon der Joniſchen Philoſophie. 169 über die Donau, deren Befezung der Perfifche König den Aſiatiſchen riechen beym Antritt feines Zuges wider die Skythen anvertraut hatte, abzubrechen, und den Darius famt feinem Heere durch das ihm folgende Schwerdt der Feinde verzehren zulaffen. Alle Tyrannen, deren Mamen Herodot anführt, verwarfen diefen Rath einftimmig, und fcheuten ſich nicht, öffentlich zu befennen, daß ihre Wohlfart von der Errettung des Darius abhänge, daß mit feinem Unfergange auch ihre Größe aufhören, und die Freyheit ſich allenthalben auf den Trümmern ih» rer Herrfchaft erheben würde. Sie entriffen daher durd) berrügliche DVerfprechungen den fliehenden König der’ Rache der Sforhen, und wurden von diefen,, die fie hin— tergangen hatten, die feigeften und niederträchtigiten Eclaven geſcholten. Nicht lange nach diefem fchimpflichen Nückzuge der Perfer zog die Unbefonnenheit und Werzmeiflelung eines einzigen Mannes die Afiatifhen Griechen in eine folche Keihe von Fehltritten und Unglücsfällen hinein, die fic) für alle Städte, felbft diejenigen, die big dahin ihre Freyheit behauptet hatten, und vom Feinde unberührt geblieben waren, mit der härteften Knechtſchaft und fol: chen Berheerungen endigten, daß ganze Jahrhunderte nicht binreichten, fie wiederum aufzurichten. Diefer mer würdige Mann, der tiber fein Vaterland fo viel Jammer und über die Europäifchen Griechen fo viel Gefahren brachte; aber auch felbft durch dieſe Defahren (und dies fer Gedanke kann allein den, Griechen liebenden Leſer trös ften) den Grund zum Ruhme und zur Gluͤckſeligkeit der leztern legte, war Ariftagoras, Tyrann oder Vorſteher von Milet, welche Stadt damals, nad) dem Zeugniffe L% de3 170 Zweytes Bud), des Herodot, nicht nur alle Städte Joniens, fonbern aud) ſich fel&ft an Reichthum, und Macht, und blühen- dem Wohlftande übertraf *). Ariftagoras wurde theils durch Schulden, in die er durch Die Verraͤtherey eines vornehmen Perfers geftürze worden war **), theils durch die Furcht vor der Nechenfchaft, zu der er glaubte, daß man ihn ziehen würde, am meiften aber durch die An— teisungen feines Schwiegervaters Hiftiäus, den man wis der feinen Willen am Derfifcyen Hofe in einer ehrenvol⸗ fen Gefangenfihaft hielt, indie gefährliche Unternehs mung bineingetrieben, das Aſiatiſche Griechenland zu einer allgemeinen Empörung, und Die mächtig« fin Griechifhen Staaten in Europa zu einem Kriege wider die Perfer aufjumiegeln. Er fing da— mit an, feiner Vaterſtadt Miler die Freyheit wieder zu ſchenken, trieb bald nachher aus allen übrigen Joni⸗ ſchen Städten die von den Perſern eingefezten Tyrannen aus, führte allenthalben eine republicanifche Berfaffung ein, und reiste dadurch die aus dem Schlummer der Knechtſchaft erwachenden Griechen zum lebhafteften Ei— fer, ihre alten Nechte, und die füße wiebererhaltene Frey⸗ beit mit allen Kräften gegen ihre Unterdruͤcker zu werthei« digen. Weil aber Ariftagoras die vereinigte Mache der Afiatifchen Griechen noch nicht für hinreichend hielt, den Perſern zu widerftehen, fo ging er felbft nad) Sparta, um deren tapfere Bürger zum Mitftrejte für die Wohl- fars ihrer Brüder in Aften einzuladen, Allein hier wurde fein zz —e⸗ 30 ) V. 39135 Bon der Ssonifchen Philoſophie. 171 fein Vorhaben theilsdurch die Klugheit und unbeftechliche Rechtſchaffenheit des Königs Kieomenes, theils durch die unzeitige Aufzählung dee freylich reichen, aber unermeß— lichen Sander des Perſiſchen Königs vereitelt , wodurch die bedachtlichen Spartaner mehr abgeſchreckt als ange« lockt wurden. Defto glücklicher war Ariftagoras in Achen, wo es ihm, wie Herodot ſagt*), leichter wurde, einen Haufen von 30000 freyen Männern zu berücken, als in Sparta einen eingigen weifen König zu Überliften. Die Arhenienfer befchloffen, ihm 20 Schiffe zu Hülfe zu ſchicken, zu denen noch fünf andere aus Eretria fließen, Bis hieher war fein Entwurf nod) immer von der Art, daß die Ausführung deffelben nicht unmöglich fihien, und ein glücklicher Ausgang feinem Urheber einen Plaz unter ben fühnften und erhabenften Geiftern feines Wolfs würde gegeben haben. Allein der Gebrauch), den er von der aus Europa erhaltenen Verftärkung machte, zeigte, daß Ariftagoras viel Fleiner, als die Unternehmung mar, die er angefangen harte, Er that nämlid) einen aben» theuerlichen Zug gegen Sardes, Das er, zwar überrums pelte, aber nicht einmal fo lange behaupten konnte, daß er e8 hätte ausplündern Fonnen. _ Er mufte fich fchleunig zuruͤckziehen, und fchon auf diefer fchimpflichen Flucht wurde er durch den beträchtlichen Verluſt, den er litt, dafür gezüchtige, daß er einen Theil der Stadt Sardes, und unter andern aud) einen Tempel der Göttin Kybele **), in die Afche legte, welche Mordbrenneren der Hauptgrund wurde, weßwegen Darius das Europäifche Briechentand mit 9 **) 102, c, Herod, 172 - Zweytes Bud. mit Krieg überzog, und alle Wohnungen Griechifcher Götter mit fhwärmerifcher Rache zerſtoͤren ließ, Diefe unbefonnene Unternehmung gegen Sardes machte auf die verbundenen Sriechifchen Staaten ganz entgegengefezte Eindruͤcke. Die Arhenienfer verlohren durch den Tod vieler edlen Griechen, die auf dem Ruͤck— zuge erfchlagen worden waren *), auf einmal den Muth fo ſehr, daß fie aller Bitten und Gefandfchaften des Ariftagoras ungeachtet, von ihrem Bündniffe mit den Joniern abtraten. Die Aftatifchen Griechen hingegen gewannen durd) eben diefen Streidy an Kuͤhnheit eben fo ſehr, als an neuen Bundesgenoffen und Ernberungen. Sie nahmen Byzanz und andere Städte am Hellespont weg; und erhielten die Einwohner von Kypern, und eis nem großen Theile von Karien zu Mitfämpfern **). Dies anfcheinende Glück war aber nur von fehr Furzer Dauer. Kypern wurde gleich in dem erften Jahre nad) feinem Abfall wieder erobert ***), Die Karier erlitten eine Hiederlage von zehataufend Mann +); und die eroberten. Städte am Hellespont wurden wie Klazomene in Jonien und Kyme in Xeolien unter die Perfifche Herrfchaft zus rücgebracht. Ariftagoras felbft entfloh nad) Thracien, wo er famt feinen Begleitern von den Eriegerifchen Ein« wohnern erfchlagen wurde, Alle diefe Unfälle machten die Griechen bald den Schritt bereuen, den fie gethan hatten. Sie warfen es dem Bon der Joniſchen Philoſophie. 173 dem Hiſtiaͤus vor, daß er ſie durch den Ariſtagoras zum Kriege wider Die Perſer bewogen habe *), und die Mis leſier weigerten fich fo gar, ihn als ihr Haupt aufzuneha men, Unterbeffen fahten fie doch **) den einmüthigen Entſchluß, in dem Abfall von ven Perfern zu bebarren, und diefes nicht ſowohl in der Hofrung eines glücklichen Ausgangs, als weil fie fih in ihrer gegenwärtigen Sage nicht anders zu rathen wuſten. Cie verfammleten daher eine Flotte von mehr als drenhundert und fünfzig ***) Schiffen, ein Beweis, wie piefibnen, aller ausgeflandenen Drangfale ungeachtet, no Kräfte übrig geb'iehen waren +), und würden vielleidyt die faft zweymal fo ftarfe feindliche Seemacht gefchlagen haben, wenn nicht Zwietracht und Verraͤtherey fie getrennt, und Weichlichfeit fie zu den Gefahren, und felbft zu den Vorübungen des Krieges untüchtig gemacht hätte. Sie folgten anfangs dem heile famen Rathe des Dionyfius von Phofäa mit der groͤßten Bereitwilligfeit, der fie ermunterte, ſich taͤglich fleißig inden Waffen zu üben, und zu allen Arten des See: freits zu rüften und vorzubereiten ++), ja fie gaben ihm fo gar "eine unumfchränfte Vollmacht, alle Veranſtal- tungen zn treffen, die er gut finden würde; allein diefe guten Vorſaͤze dauerten nur fieben Tage. Das anhaltende Rudern, das Hin»und Herfchiffen, und das mühjfelige Wafe a a — — —— —— — — — 3 VI.3. 8 VI. 7 N VI.80, 7) Die Milefier allein gaben achtzig, die Samier ſechzig und die Chier soo Schiffe her, von welchen leztern ein jedes mir 40 ftreitbaren Burgern befezt war. 1» 11412 u. 174 Zweytes Buch, Waffentragen erfihöpfte fie nicht nur, fondern zog ihnen auch würflich viele Kranfheiten zu. ie meigerten fi) Daher fehlechrerdigs, dem Dionyfius ferner zu gehorchen, verließen ihre Schiffe und richteten am Ufer Zelte auf, unter denen fie fich von der ihnen unerträglich ſcheinenden Arbeit erholten, Aus diefer Unbeftändigfeit und Wider fpenftigfeit gegen ihren Führer muften norhmendig aller⸗ ten Unordnungen und verderblihbes Miftrauen enrftehen, welches die vertriebene, zu den Perfern übergangene Tyrannen auf eine liftige Are zu unterhalten und zu nuzen vouften. Die Samier fingen zuerft an, an dem Gluͤcke der Griechifchen Waffen zu verzweifeln, und fchloffen mie den Feinden einen geheimen Vertrag, in welchem fie fi) verbindlich machten , ihre bisherigen YBundsgenoffen zu” verlaffen. Sie fegelten daher auch in der bald darauf er⸗ folgenden unglüclichen Schlacht mit allen ihren Schiffen, elfe ausgenommen, verrärherifcher Weife nach Haufe, und wurden dadurch Die Urfache, daß die Flotte der übrie gen Griechen, unter denen die Chier am tapferften foch« ten, faft ganz zu Örunde gerichtet wurde, Durch diefen Streich gewannen die Samier *) zwar fo viel, daß we— der “ — — — — *) Nach dem Tode des Polykrates war Samos, mie Hero— dot fagt, die erfte unter allen Griechifchen und Sonie ſchen Städten, und würde diefen Vorzug (III. 139, Herod.) wahrfcheinlich aud) noch lange behauptet haben, wenn nicht der Wahnfinn des Maͤandrius dem Polykrates feine Macht übergeben hatte, uͤber die fchönfte und reichfte der Griechifchen Inſeln das fchredlichtte Verderben ges bracht hätte. Er ließ die vornehmen Perſer, die den Solyfon, einen Bruder des Polykrates, als Negierer von Samos einfezen follten, .eweurgen, und teizte das durch den Darius fo ſehr, daB er die Samier, we | rige | Von der Sonifchen Philoſophie. 175 der ihre Haͤuſer noch die Tempel ihrer Goͤtter angezuͤndet wurden, allein fie muſten doch wider ihren Willen”) den Aeakus zum Beherrſcher annehmen , weil diefer zur Uns freue der Samier, und zur Miederfage der Griechen am meiften beygerragen hatte, Alle übrige Öriechifche Staͤdte auf dem feften Sande ſowohl, ols auf den Inſeln, wurs den mit einer unerhörten Grauſamkeit vernichtet, fie mochten mit Gewalt erobert werden, oder fich ohne Be⸗ lagerung frepmillig ergeben **), Ihre Mauern wurden eingeriffen, ibre Häufer und Tempel verbrannt, alle wehrhafte Männer getödtet, oder auch in das Innerſte des Perſiſchen Reichs weggeführt; Weiber und Kinder wurden als Sclaven verfauft, die edelften Juͤnglinge vers fihnitten, und die fehönften Jungfrauen für den Harem des Königs ausgefucht. Die mit Trümmern von Palld« ften und Tempeln uͤberdeckten Piäze, mo einft die herrlich. ften. Städte geftanden hatten, wurden famt dem dazu gehörigen Gebiete entweder eingebohrnen Perfern, oder auch Kariern, oder endlich folchen Griechen ausgetbeilf, welche die Perfer für unfchuldig hielten **). Wenn man nun die bisher erzählten, ſchnell auf einander fol« gens übrige Infulaner mißhandeln ließ, Man ftellte eine allgemeine Menfchenjaad an, ſchlug alle wehrhaften Männer, die man antraf, todt, und verkaufte die ubrie gen Einwohner als Sclaven (UI.aa7. VI 31.) Samos wurde daher auf einmal ganz menfchenleer: doch ließ der Verwuſter diefer Ssnfel, duch einen Traum ge— ſchreckt, fie bald nachher wieder befezen. IN, 149. — Eben fo bejammernswuroig war der Fall von Miler, VI. 20. %)_VL;a5. “*) 19, 26, 31, 32. 2**) Diele ganzliche Umkehrung des Afiatifchen Griechenlan: des geſchah im Gren Jahre ihres Abfalls, im lezten Jahre der 72 Olympiade, Herod,.VI, 31, 76 Zweytes Buch. genden und immer fchreflichern Verwuͤſtungen des Grie⸗ ifchen Afiens, den Tod oder die Flucht der großen Mäns ner, die Augrottung der edelften Familien, die noch immer fortdaurende Unterwuͤtfigkeit unter harten und argwoͤhni⸗ fhen Herren, und endlich die ungeheure Sittenverderbniß, die kurz vor oder auch) zu den Zeiten ihrer größten $eiden unter den Griechen Ueberhand nahm, zufammendenft; fo findet man es fehr hegreiflih, was die Gejchichte lehrt, daß Künfte und Wiffenfchaften in Afien nicht nur ſtille zu ftehen, fondern auch zu fallen anfingen, und aus ihrem urfprünglichen Vaterlande in andere Gegenden flüdhteten, wo fie unter dem Schuze der Freyheit, und im Schooße des Veberfluffes, Sicherheit und Belohnungen erwarten Eonnten. Daß Mardoniue in die Griechifchen Städte eine demofratifche Negierungsform einführte *), halfihnen eben fo wenig, als daß die Roͤmer fpäter den Europäls ſchen Griechen die Freyheit wieder ſchenkten. Beyde blie« ben doch immer von mächrigern berrfchenden Wöl Fern abhängig: und beyde hatten von dem reizenden Schattenbilde, womit man fie täufchte, den großen Scha= den, daß fie in wuͤthende Factionen **) zerriffen, von vier len gem *) VI. 43. Herod, er) Auf diefen Zeitpunet bezieht fi) der Fluch, den Hera klit über die Ephefier, wegen der Verbannung des KHermodors, ausfprad), und die Erklärung des Ephe— fiihen Volks, daß unter ihnen niemand vor andern hervorftechen, fondern wenn er über feine Mitbürger fich zu erheben wünſche, alsdenn ſich unter ein anderes Volk begeben fülle. (Diog. VII, 2.) - Die fernere Gefchichte des Griechifehen Aſiens will ih alsdann, fortfegen, wenn es aus feiner Were nich⸗ Bon der Zonifchen Philoſophie. 177 len nichtswuͤrdigen Demagogen irre geführt, und der wenigen rechtfchaffenen Patrioten, die Willen und Murh hatten, ihr Waterland zu — , beraubt wurden. nichtung wiederum aufgeſtanden ſeyn, und das Europaͤiſche Griechenland an Cultur übertreffen wird. M er Drit⸗ 178 Drittes Bud. Geſchichte der Pythagoreiſchen Geſellſchaft, und ihrer Verdienſte um die Wiſſen⸗ ſchaften. — en nern) - Einleicung. Philofophlam nos quoque adjuvemus, nosque ipfos redargui, refellique patiamur, Quod ii ferunt ani- mo iniquo, qui certis quibusdam deflinatisque fen- tentiis quafi additi, & confeerati funt, caque ne- ceſſitate conftridti, ut etiam quae non probare foleant, ea cogantur conſtantiae caufa defendere, Nos qui fequimur probabilia, nec ultra id, quod verifimile occurrit, progredi poffumus, et refellere fine perti= nacia, et refelli fine iracundia parati fumus, Cr, N-- allen Männern, die man bis auf den Sokrates in Griechenland Weife oder Naturfündige nannte, ift Feiner, der die Aufmerkſamkeit des Gefchicht« forfhers und Menfchenfenners in fo vielerley Betrachtun⸗ gen verdient, als Pythagoras, zu deffen und feiner Sreunde Schieffalen und Verdienſten ich jezo fortgehe, Pytha, Gefchichte der Pythagoreiſchen Geſellſchaft. 179 Pythagoras vereinigte in einem böhern Grabe, als irgend einer feiner Vorgänger und Nachfolger, reife und oft überdachte Erfahrungen mit unergründficher Tiefe des Genies, Er befaß allein, oder doc) vorzüglich bas Geheimniß, die mächtigften Triebfedern des Aber glaubensundder Staatsfunft, allen Pomp und Würde ber Religion und Tugend, endlich jeden Reiz anziehender und nüzlicher Kenntniſſe zu den großen Abfichten anzuwen⸗ den, zuerft ſich felbft Freunde, Anfehen und Herrfchaft über die Seelen feiner Zeitgenoffen zu verfchaffen, und durch diefe niche fein Vaterland, fondern fremde bloß durch gemeinfchaftlihe Sprache mit ihm verbundene Menfchen zu beffern und glücklich zu machen. Die Gründung und Fortdauer der Gefellfhaft, die er ftiftere, Hatte mehr glückliche, und ihr Umfturz mehr nachtheilige Folgen für die Sitten, Freyheit, Staarsverfaflung und Aufklärung eines großen Theils von Griechenland, als die Cutſtehung und der Untergang einer jeden andern Sekte. Aus ihr gingen mehr große Dichter, Erfinder und Ermweiterer von Wifr ſenſchaften, mehr berühmte Staatsmänner, Tyrannen⸗ mürger, Feldherren, Geſezgeber, oder Bilder von fol- chen hervor, als Feine weder ältere noch jüngere Schule erzenge hat. Durch den Infis zog fie den Epaminondas von Theben, und Philipp von Macedonien, die beyde die ganze Geſtalt von Griechenland umkehrten, und wo⸗ von der eine die Feffeln fehmiedete, welche niche lange nachher Alerander ven Völkern Afiens anlegte. - So ge« wiß es aber ift, daß die Geſchichte des Pythagoras wich⸗ tiger iſt, als die aller übrigen Weltweiſen des alten Griechenlandes; eben fo wahr ift es auch, daß fein an- derer Theil der Griechifchen Gefchichte fo ſchwierig und | Ma | vers 182 | Drittes Bu. verwickelt, und feit Jahrtauſenden durch fo viele Fabeln und Meynungen verdorben worden ift, als eben fie, Von dieſen Schwierigkeiten laffen ficy mehrere Gründe angeben, unter welchen folgende die wichtigften find. Die erften Gefchichtfchreiber, die vom Pythagoras und feinen Freunden nicht in einzelnen: zerſtreuten Stellen, oder in zufällig eingemifchten Nachrichten, fondern in mweitläuftigen Werfen handelten, lebten faft zwey Jahr— Hunderte nach dem Untergange des Pythagoreiſchen Bun- des, und fihöpften nicht alle aus fichern, öffentlichen, forofäitig geprüften Urkunden: und Denfmälern, fondern meiftens aus Ueberlieferungen, die nothwendig während eines fo großen Zeitraums unter den eben fo leichtgläubi- gen, als fühn erdichtenden Griechen auf mannigfaltige Art verftümmelt und verfälfcht fenn muften. Wenn alfo auch diefe ältefte Geſchichtſchreiber des Pythagoras und der Pythagoreer den feltenften Scharffinn und unermuͤdet⸗ ften Sleiß mit der reinften und wärmften Wahrheitsliebe verbunden hätten, und alleihre Werfe unverfehrt zu ung gekommen wären, ſo würden wir doch den Vorfchriften Ds einer ganz gemeinen, noch gar nicht mistrauifchen oder zweifelfüchtigen Vorſicht zu folge, fragen und prüfen muͤſſen, ob felbft ſolche Männer, die mit allen Vorzuͤ— gen großer Alterehumsforfcher ausgerüftet waren, in einer fo ungeheuren, alles verfehrenden Entfernung, die Haupt- perfonen und ihre Werdienfte richtig gefaßt, und nach) der Natur gefchildert harten. Nun aber läßt ſichs be⸗ weifen, daß mehr als die Hälfte diefer erſten Schrift: ſteller über den Pythagoras leer von allen den angebohr— nen oder erworbenen Tugenden waren, Die man von einem jeden Gefchichtforfcher, am meilten aber von den - erſten Geſchichte ber. Pythagoreiſchen Geſellſchaft. 81 erſten Unterſuchern der Geſchichte der Pythagoreer fodern muſte. An ſtatt die verſchiedenen Sagen und Ueberlie— ferungen von ihrem Helden, den die Volksmeynung ſchon lange in einen Gott, oder Goͤttergleichen Mann umgeſchaffen hatte, nad) den Geſezen der Wahrſchein— lichkeit abzumägen, und dann die glaublichften- anzuneh» men, die zweydeutigen abzuſondern, und die unglaubfi- hen ganz zu verwerfen, griffen Die meiften grade nad) den lächerlichften und augenfcheinlichiten Fabeln mit der größten Gierigfeit, ſchmuͤckten diefe mit Zufäzen und Umftänden von eigener Erfindung aus, und beugfen alles nach Sieblingsmeynungen, die bey der größten Vorſicht und Wahrhaftigkeit allein ſchon hinreichend gewefen wä- ren, ihre Erzählungen fehief und unfoͤrmlich zu machen. Aus diefer großen Berfchiedenheit von Gaben, Arbeit: famfeit, Nedlichkeit und vorgefaßten Meyhnungen ent- ſtanden fihon in den Werfen der älteften Befchichtfchrei« ber Häufige Widerfprüche, faſt über einen jeven Lebens— ‚umftaud des Pythagoras, über eine jede Einrichtung ſei— ner Gefellfchaft, über eine jede Meynung und Erfindung, die er und feine Anhänger gehegt und gemacht haben foll- fen. Den fühnften und unzuverlaͤſſigſten unter ihnen begegnete es nicht ſelten, daß fie ſich ſogar ſelbſt wider. ſprachen, oder doch aus Vergeſſenheit ihrer Abfıchten Dinge vorbrachten, die gar nicht mit einander beftehen fonnten. Vielleicht aber würden doch, mit Huͤlfe einer ftrengen und fcharfunterfuchenden Kritik, die-meiften Verwirrungen, Ungewihheiten und Dunkelheiten welche die Schwachheits-fowol als vorſezlichen Sünden der er— ſten Gefhichtfchreiber der Phthagoreer hervorbracten, gehoben werden koͤnnen, wenn nur ihre Schriften ganz M 3 | zu 182 Drittes Buch. zu ung gefommen wären, ober wir nur genau wuͤſten, was ein jeder, und mie er erzählt habe, Ungluͤckli— chermweife aber find ihre Werfe bis auf einige Ueberbleib⸗ fel verlohren gegangen, und aus eben diefen verſchwun—⸗ denen Werken entlehnten wieder während eines Zeitraums von fünf Jahrhunderten ganze Folgen oder Gefchlechter von Befchichtfchreibern, von denen oft die Damen, noch öfter das Zeitalter, und durchgehende der Grad von Zuverläffigfeit, ben man ihnen zugefiehen muß, und die Männer, denen fie vorzüglic) folgten, unbefannt find, Unter diefen Schriftftellern, die vom Anfange des dritz ten Jahrhunderts vor Ehrifti Geburt, bis an den Ans fang des dritten Jahrhunderts nad) unfter Zeitrechnung die Gefchichte des Pythagoras und der Pythagoreer bearbeiteten, mar feiner , der ſich durch hervorftechende Verdienſte ausgezeichnet, ober auch nur die am weniaften berühmten unter feinen Vorgängern erreicht harte, Kine gegen fanden fich unter ihnen (und wie läßt ſich von Gries hen aus jenen Zeitaltern etwas anders erwarten ?) viele entweder Seichtgläubige, Die aus Liebhaberey fürs unglaub- liche und wunderbare, und weil fie einen großen Mann mit einem Wundermann für einerfey hielten, bekannte gefchriebene Fabeln mit neuen erft entftandenen, und big- her ungefchriebenen Erdichtungen häuften; oder aud) Un« wiffende und Nachlaͤſſige, die ganz verfchiedene Perſonen und Zeitalter verwechfelten, und nad) halb erlofchenen Zügen ihres Gedächtniffes, das, was fie vor langer Zeit gelefen hatten, verſtuͤmmelt und verfälfcht wiederholten : oder ferner Hypotheſenerfinder und Beſchuͤzer, denen daran gelegen war, daß Pythagoras andern das fcheinen möchte, wofür fie ihn hielten, die nur das für hiſtoriſche Wahr: Geſchichte der Bythagoreifchen Geſellſchaft. 183 Wahrheit gelten lleßen, was mit ihrer Vorftellungsart übereinftimmte, die alfo die Meynungen und Thaten des Pythagoras fo befihrieben, als wenn er wuͤrklich fo ges dacht und gelebt hätte, als fie ſich einbildeten; oder end« lid) feltfame Zwitter oder Mitteldinge von abergläubifcher Schwaͤrmerey und argliſtiger Verſchmiztheit, die ſich fie Beſizer goͤttlicher uͤbermenſchlicher Küntte ausgaben, von denen ſie ſelbſt nicht recht wuſten, wie viel ſie glauben oder nicht glauben ſollten, Die fie unterdeſſen zu ihrem Vorthelle ausübten und von Pythagoras ableiteten, um ſich felbft als deffen achten Nachfolgern defto mehr Zutrauen und Anfeben zu erwerben. Aber auch die Arbeiten diefer Männer, die in gang verfchiedenen Zeitaltern aus Sagen und Schriften von ganz verfchiebenem Werthe, mit bald geringern, bald hoͤ⸗ bern Graden von Unfleiß, Aberglauben und Erdichtungs« fucht ſammleten und fehrieben,, hat ung die Zeit entriffen, und von ihren und der erften Geſchichtſchreiber Denfmä« lern üft nichts zu ung gefommen, als ein roher Haufe wi⸗ berfprechender, ungereimter, und größtentheits falfcher Nachrichten und Erzählungen, die drey der elendeſten Eompilatoren fiebenhundert Jahre nad) dem Tode des Py⸗ thagoras zufammengef&leppt haben, ohne daß man bis« ber (einige Fälle ausgenommen) weiß, woher eine jebe genommen, und mie oft fie umgebildet worden, ehe fie an den oder die Scheiftfteller Fam, aus welchen Dioge⸗ nes, Porphyr und Jamblich fie zufezt entlehnten. Wenn man zu allen diefen unüberwindlic) fcheinenden Schwie- rigfeiten endlich noch diefe Hinzudenfe, daß man den Py- thagoreern ſchon vor den Zeiten ihrer älteften Geſchicht⸗ fehreiber folfehe Bücher angedicht:t, und daß man eben My Diefes 184 Dritted Bud, diefes in allen nachfolgenden Zeitaltern fortgefezt "habe, daß diefe untergefchobenen Werfe, ihrer Nichtswürdig« feit und Widerfprüche ungeachtet, bey vielen Glauben gefunden, und neue Widerfprüche veranfaßt haben, daß endlich nod) jezo unter dem Namen alter Pythagoreer ganze Schriften ſowohl, als einzefne Bruchſtuͤcke übrig find, deren Anfehen ungewiß und ſchwer zu beftimmen ift; fo muß nothwendig ein jeder, der noch nichedie Mit— tel weiß, wie man die meiften diefer wirklichen, garnicht vergrößerten Schwierigkeiten wegräumen kann, entweder an einer Gefchichte der Pprhagoreer verzweifeln, oder fie doch für eine eben fo fchwer auszuführende Unternehmung halten, als wenn jemand ſich vermeffen wollte, aus allen Goͤtter und Heldenfabeln der Griechen das wenige darin» nen verborgne, und bis zur Unkenntlichkeit umgeformte und verkleidere Wahre heraus zu leſen. Aus dem bisher gefagten muß einem jeden von ſelbſt einleuchten, daß man eine wahre Geſchichte des Pythagoras und feiner Nachfolger fo lange vergebens wuͤnſchen wird, fo lange man noch nicht die Aechtheit oder Unächtbeie verdächtiger Pythagoreiſcher Schriften, ferner das Zeifalter, und die Zuverläffigfeit der verſchiedenen Gefchichtfchreiber unterſucht, und endlic) ausgemacht ha— ben wird, weldyem unter ihnen eine jede wichtige, aber namenloſe Nachricht und Erzählung in den lezten Lebens— beſchreibern des Pythagoras zugehöre. Mur alsdann erft, wenn man biefes geleiſtet bat, ift man im Stande, glaubwuͤrdige und unglaubwürdige Ueberlieferungen von einander zu fondern, und den Werth der zweydeutigen aus der Uebereinſtimmung und Aehnlichkeit derfelben mit den Geſchichte der Pythagoreiſchen Geſellſchaft. 185 den einen oder andern feſtzuſezen, da man im entgegen⸗ gefezten Fall immer ungewiß bleibt, ob man die Erzäh- lung. eines fichern und alten Gefchichtfchreibers, oder das Maͤhrchen eines jüngern Fabeldichters lieft und nieder— fehreibt. FM ‚ Unter allen Schriftfteffern, die mir bis jego, da ich diefes ſchreibe, bekannt find, ift Feiner, der nur eis nen Fleinen Theil der Arbeit übernommen hätte, dieman nothwendig vollenden muß, ehe man daran denfen Fann, eine Geſchichte des Pythagoras und feiner Gefellfchaft, und beyder Verdienfte um die Wiffenfihaften anzufangen. Alte beriefen fich vielmehr bisher ohne Unterſchied eben fo gut auf unzuverläffige Schriftſteller und unaͤchte Schrif⸗ ten, als: auf zuverläffige und Achte, oder wenn fie auch bisweilen die Zeugniffe der einen und das Anfehen der ans dern verwarfen, fo thaten fie diefes nicht nach einer un: parthepifchen forgfältigen Unterfuchung, fondern um ge: wiffer Meynungen willen, die fie durchfezen wollten, und denen jene im Wege fanden, Ich glaube daher den big» herigen Bearbeitern der Gefchichte der Pythagoreer Fein Unrecht zu thun, wenn ich fage, daß, wenn man fie auch alle gelefen haf, man dod) nicht einmal zu errathen im Stande fey, wie Pythagoras und feine Philofophie ſich in ihrer wahren Geftalt zeigen werben, Ich will daher, bevor ich die Gefchichte der Py— thagoreifchen Philoſophie und Gefellfchaft anfange, zuerft die Gefchichefchreiber von beyden nennen, und beurthei« len, und alsdann zur Unterfuchung des Zeitaltersdes Sa- mifchen Weltweifen und feiner Nachfolger fortgeben, def: fen Nichtfenntniß die feltfamften Berwirrungen und Ber: fezungen von Menfchen fowohl als Meynungen, entweder M 5 in 185 Drittes Bud. in frühern ober ſpaͤtern Zeiten veranlaßt bat*). Diefe beyden Unterfuchungen, machen den fchmerfien, und went fie gluͤcklich ausgeführt werden, den wichtigften Ab» ſchnitt dev Geſchichte der Dytbagoreifchen Philofophle aus. Denn wenn man erft alle Schriftftelfer geprüft und alle Facta geſammlet hat, fo gehört alsdenn nur aanz gewoͤhnli⸗ cher Fleiß, Ordnungegeift, und Hebung im Schreiben dazu, Die leztern nach ihrem Werthe von einander zu fcheiden, zu fteffen, und in eine zufammenhängende Erzählung zu verarbeiten, Ich erinnere biefes um derentwillen, die gewohnt find, den guten Geſchichtſchrelber ohne alle Ver⸗ gleichung weit über den Gejchichtforfcher wegzuſezen, ober Die auch Das, was ihnen beym Leſen am wenigften Unter» haltung verfchaft, für den leichteſten und enebebrlichiten Theil diefes Werks halten möchten. Hier, role in vie- fen andern Fälten, fordert Die Vorbereitung, Erforfchung, Keinigung und Befefligung des rundes, mehr Kräfte und Anftrengung, als die Vollendusg des Gebäudes, was nachher barauf errichtet wird, 2) Die Prüfung der Pythagoreiſchen Schriften, von un gewiſſem Alter und Anfehen, werde ich erft am Ende der ganzen Geſchichte vornehmen, wo fie an ihrem rech⸗ ten Plage iſt. Erſte Geſchichte der Pythagoreiſchen Geſellſchaft. 187 Erſtes Kapitel, Bon den Geſchichtſchreibern des Pythagoras, feis ner Schule und feiner Philofoppie, Quidam ineredibilium relatu commendationem parant, & le&torem aliud afturum, fi per quotidiana duceretur, miraculo ezcitant, Quidam creduli, quidam negligen- tes funt: quibusdem mendscium obrepit, quibusdam placet. Mi non evitant, hi sppetunt. Et hoc in com- mune de tota natione: quae spprobare opus fuum, & fieri populare non putet pofle, nifi illud mendacie afperfit, Smer. © oft ich das Verzeichniß der Schriftfteller durch⸗ laufe, die vom Pythagoras und den Pythago— reern gehandelt haben, und alsdenn das große Mißver⸗ hältniß zwiſchen treuen, fleißigen, und fähigen, und zwi⸗ ſchen nachläffigen, unglaubwürbigen, und unfähigen Männern bedenke; fo oft fcheint mir Die Ungerechtigkeit ber ältern und neuern Öriechen » Feinde verzeiblid), denen Griechiſcher Glaube ein Spott war, die an Griechiſcher Treue ganz verzweifelten, und denen es Grund genug zu feyn ſchien, Erzählungen ganz zu verwerfen, wenn fie von Griechen herrübrten. Ich felbft würde der erfte feyn, der Iernbegierige Sünglinge von dem Studium der Gefchichte diefes Vol. kes abſchreckte, wenn in jedem Theile derfelben, wie in der Gefhichte der Pythagoreer, die Wahrheif unter ei- nem folchen ungeheuren Haufen von Fabeln, Irrthuͤmern, und 188 Drittes Bud), | und Erdichtungen vergraben wäre, und mit fo vieler WEGE aus dony Abyrunde und Schufte laͤngſt verfloffener Jahrhunderte hervorgezogen werden müfte. Hoͤchſtens würde ich Die Griechiſche Geſchichte denen empfehlen, die ihre Kräfte gerne in der Ueberwindung großer Schwie— rigfeiten üben, und ihren Scharfſinn befonders an der Auseinanderzerrung unaufloͤslich ſcheinender Knoten ver- ſuchen moͤchten. Nicht alle unter den Alten, die des Pythagoras und ſeiner Schuͤler erwaͤhnten, und in deren Werken und Fragmenten Nachrichten von beyden vorkamen, waren eigentliche Geſchichtſchreiber: Auch Redner, Dichter und Weltweiſe redeten von ihnen, und zwar hoͤchſt wahr⸗ ſcheinlich viel mehrere, als deren Namen oder Schriften jezt bekannt ſind. So viel wir ihrer aber kennen, mad)- fen fie entweder die Geſchichte des Pythagoras, und feiner Gefelifchaft, oder auch feiner gehren und Erfindungen zum .Haupfgegenftande einzelner Schriften, oder doc) großer Abſchnitte derfelben ;- oder fie handelten auch nur im Vor— beygeben davon. In Ruͤckſicht auf das Zeitalter, worin; nen fie gelebt haben, kann man fie ale bequem in fünf Klaſſen eintheilen. Ä Die erfte umfaßt diejenigen Schriftfleller, die vor dem Ariftoreles von dem Pythagoras oder den Pythago- reern geredet haben. In dieſe Klaffe gehören die Dich— ter *) on von Chios, Antiphanes, und Ariſtophon, vielleicht aud) Ariftopdanes. Ferner die Weltweifen Plato, Ari. ey Ueber diefe Männer ſehe man die Beylage am Ende die- ſes Abſchnitts. Gefchichte der Pythagoreiſchen Gefellfchaft. 199 Arifipp, Eudorus und Metrodor, ein Sohn des Epi— charmus, denen man den Redner Iſokrates zugefellen kann; endlich die Gefwichtfihreiber Herodor, Andron von Ephefus, Anarimander und Theopomp. Die ein- zelnen Zeugniffe dieſer Männer werde ich an ihren Piäzen anführen und prüfen. Ich finde aber unter allen Feinen einigen, der bier eine eigene ausführliche Unterfuchung verdiente, Die zwote Klaffe enthält den Ariſtoteles, feine Zu- hörer, oder unmittelbaren Nachfolger, und deren Zeirge- noffen: Alfo den Ariftorenus, Heraklides Pontifus, Kle— ant, Dikaͤarch, Hermipp, den Zeno von Zittium, und deffen Schüler den Kleanth, den Komiker Aleris, und den Gefchichtfehreiber Duris von Samos, Unter diefen find alle diejenigen, die ich vor dem Zeno, dem Vater der Stoifer, genannt habe, der forgfältigften Prüfung werth, weil vorzüglich aus ihren Werfen alle nachfolgende Gefchichtfehreiber gefhöpft haben, und von ihrer Glaub» wuͤrdigkeit die ganze Vorftellung der Pythagoreiſchen Ges ſellſchaft und Philoſophie abhängt, Won den übrigen haben wir nur einzelne Nachrichten, oder wir wiffen auch ne, daß fie von den Pythagoreern gefchrieben haben, ohne das geringfte von ihren Arbeiten zu befizen. So führt zum Benfpiel Feiner der fpätern Gefchicht. hreiber, auch nur ein einziges mal ein Werk des Zeno iber die Meynungen der Pythagoreer an, den Diogenes ıllein ausgenommen, der es unter den Schriften diefes Weltweiſen aufgezählt hat *), Syn die dritte Klaſſe ges bören 190 Drittes Bud), hören diejenigen, die nach den erften und äfteften Schüs lern des Ariftoteles, aber doc) vor Chrifti Geburt, die Gefchichte des Pythagoras und der Pythagoreer bearbeis tet, oder ihrer doch erwähnte haben. Dergleichen find Zimäus, Sotion, und deffen Auszieher Heraflides, GSerapions Sohn, Hieronymus, kus, Eratofthenes, Ariſtarch, Neanthes, Werander, Diodor, Strabo, Didymus und Philo; Cicero und die Lateiniſchen Dich— ter nicht einmal mitgerechnet. Unter dieſen verdienen nur allein Timaͤus, Hermippus, Neanth, Diodor und Alexander eine beſondere Aufmerkſamkeit. In die vierte Klaſſe ſeze ich diejenigen Schriftſteller, deren Zeitalter unbekannt iſt. Solche find Antiphon, Soſikra⸗ tes, Dionyſiphanes, Hippobotus, Androkydes, Eudorus, Apollodor der Arithmetiker, und Lykon der Jaſier. Ich laſſe dieſe Schriftſteller vor denen, die nach Chriſti Geburt gelebet haben, vorhergehen, weil es von allen gewiß iſt, daß ſie aͤlter ſind als Porphyr und Jamblich, und von mehreren wahrſcheinlich, daß fie über den Ana fang unferer Zeitrechnung hinaus fallen. Unter allen die⸗ fen Geſchichtſchreibern ift feiner, von dem ic) umftändlich zu reden noͤthig hätte, Die fünfte und legte Klaſſe endlich beſteht aus fol, hen Schriftftelleen, die nad) Chrifti Geburt das Leben des Pythagoras, oder aud) die Einrichtung feines Bun« des und feine Meynung befchrieben haben. Dies thar ten Apollonius von Tyana, Nikomachus, Moderatug, Numenius, zween Diogeneffe, Porphyr, Jamblich und der Ungenannte beym Photius, deſſen Fragmente Kuͤſter zugleich mit den Lebensbeſchreibungen des Jamblich und Por⸗ Gefchichte der Pythagoreiſchen Geſellſchaft. 191 Porphyr hat abdrucken laſſen. Alle dieſe Männer ver⸗ dienen, Daß man ſich bey ihnen verweilt, und fie ges nauer Fennen zu lernen ſucht. Sch babe fie daher von der großen Schaar derer abgefondert, die in eben den Zeitaltern des Pythagoras, oder feiner Schüler und Leh— ren nur erwähnt haben, und deren Nachrichten nicht alle von gleicher Bedeutung find, Die merfwürdigften Zeug⸗ niſſe find die des Plinius, Plutarch, Apulejus, ducian und Phlloftratus: weniger wichtig find die, der Platos nifer, bes fünften und fechften, und ber Kirchenvaͤter Des dritten und vierten Jahrhunderts. Die Glaubwürdigkeit aller diefer Schriftftelfer, und die Zuverläfjigkeit ihrer Erzählungen und Nachrichten werde ich nach folgenden Gefezen ſchaͤzen. 1. Geſchichtſchreiber, deren Fleiß, Treue und Scharffuin nicht nur von Feinem unparehenifchen Kenner bezweifelt, fondern vielmehr vom ganzen Alterthume, oder doch von mehreren großen Männern und gültigen Richtern anerkannt worden, die ferner in Zeitaltern feb= ten, wo die Ueberlieferungen von den älteften Pythago— reern noch nicht ganz verfalfche waren, deren Erzählun- gen endlich unter fi), mit dem Geiſte der Zeiten, die fie befchrieben, und mit den Nachrichten andrer bewährter Shriftfteller übereinftimmen, folche BSefchichtfchreiber verdienen unelngeſchraͤnktes Zutrauen, und muͤſſen als ſi⸗ chere Fuͤhrer in den dunkeln Gegenden des Alterthums angeſehen werden. 2. Zeugen von dieſem Gewichte koͤnnen nicht gleich verworfen, oder ihr Fleiß und Aufrichtigkeit in Zweifel gezogen werden, wenn man ſie auch eines oder einiger klei⸗ 192 Drittes Buch. kleinen Fehler wider die Zeitrechnung, oder in andern Fäl- fen und Schriften einer zu weit getriebenen Partheylich— feit, für oder wider gewiffe Perfonen zeihen und überfühs ren Eönntee Geſchichtſchreiber, die nie gefehlt hatten, und die niemals wider jemanden gereijt, oder für jemans den, oft ohne es felbft zu wiffen und zu glauben, einge nommen worden, find noch nicht gebohren worden, und werden vielleicht auch nicht gebohren werden, 3. Geſchichtſchreiber ferner, von denen man bewei- fen ann, daß fie wahre und falfhe Sachen ohne Uns terfchied aus zuverläffigen und unzuverläffigen Schrift ftellern genommen, daß fie, ohneeszumerfen, fid) felbft widerfprochen, und Dinge, die ihren Zeifgenoffen felbft unglaublich fcheinen muften, mit dem Tone der feiteften Weberzeugung erzähle haben, muͤſſen wenigftens für ſchwache und feichtgläubige Männer gehalten werden, deren Zeugniffe nur alsdann Glauben verdienen, wenn man weiß, daß fie aus unverwerflicyen Urkunden entlehne find, oder auch mit den Zeugniffen glaubwirdiger Mäns ner überein Eommen, hergegen muß man biefer Schrift, ſteller Nachrichten gar Fein Gewichte beylegen, fo lange es unbekannt ift, woher fie entlehne worden, oder fo bald. fie auch glaubwürdigern Zeugniffen entgegen ftehen. 4, Erzählungen von Wundern, oder von uns uns olaublich feheinenden Dingen, laſſen nicht immer auf ſchwache Seichtgläubigfeitim Erzähler fchließen. Schrift⸗ ſteller Eönnen Fabeln anführen, ohne fie felbft zuglauben, und andere glauben machen zu wollen; auch Fünnen uns gewiffe Erzählungen unglaubliche Fabeln ſcheinen, die in andern Zeitaltern nicht dafür gehalten wurden. 2 Gefchichte der Pythagoreiſchen Gefellichaft. 193 5. Esift in vielen einzelnen Fällen ſchwer, Jeichtgläus bigfeit, mit Unfleif verbunden, von Untreue oder vorſez⸗ licher Erdichtungsfucht zu unterfebeiden, vorzüglid; deß— wegen, weil man unmöglich zu beflimmen im Stande ift, wie weit die Seichtaläubigfeit einzelner Menfchen ges ben fönne, oder vielmehr, weil man aus unzähligen Beyſpielen fonft ſcharfſinniger Männer weiß, daß ihre Ueberzeugung oft in gleichem Verhaͤltniſſe mit der Un« glaublichkeit gewiffer Hachrichren flieg. Unterdeffen kann man ohne Bedenken einen Schriftfteller unrreu und luͤ— genhaft nennen, wenn große, biflise und vorfichtige Männer ihn vorfezlicher Erdichtungen befohuldigen, wenn er häufig fo ungereimte, und allen Glauben überfteigende Dinge vorbringt, daß es hoͤchſt unmahrfcheinlich it, daß auch der Seichrgläubigfte fie annehmen konnte: wenn er ferner eben fo oft Sachen erzählt, von denen man vor ihm feine Spur findet, und wenn endlich felbft fein Leben voll von unüberlegten, oder nledertraͤchtigen Raͤnken und Betruͤgereyen ift. 6. Iſt es fehr wichtig zu wiffen, ob Gefchicht, ſchreiber bloß leichtglaͤubig aber treu, oder ob fie vorfeg« fiche Erdichter find. Den erftern Fann man oft mit eben der Zuverficht, wie den glaubwürdigften Zeugen, den an dern aber niemals trauen, felbft alsdann nicht, wenn fie etwas von den ficherften Gewaͤhrsmaͤnnern gehört, oder aus den glaubmürdigften Urkunden enttehnt zu haben, vorgeben, 7, Alle Schriftftelfer, die nad) den festen Pythas goreern und ihren erften Geſchichtſchreibern gelebt haben, verdienen nur in fo ferne Glauben, in fo ferne fie zuvers läffigen und alten Gefcyichrichreibern nacherzaͤhlen. Die N eigene 194 Drittes Buch. eigene Glaubwuͤrdigkeit der erflern nimmt in gleichem Merhaͤltniſſe mit ihrem Abſtande von Den lezrern ab, weil Erdichtungen, falſche Urcheile, untergeſchobene Schrif⸗ ten und unrichtige Anfuͤhrungen der Vorgänger ſich mit jedem Zeitalter vermehrten, und diejenigen Echritifieller, die zulezt von den Dytbagoreern handelten, fib nicht ime mer an die ältelten und beiten, fondern meiſtens an Dieiee nigen hieiten, die ihnen am nächften waren, und deren Schriften noch den friſcheſten Huf harten. Wenn alfo Porphyr und Jamblich die Namen und Schriften der ere jten Geſchichtſchreiber enführen; fo kann man nicht ime mer annehmen, daß fie. die Werke diefer Männer felhit zu Mathe gezogen haben, Ich werde in Dir Folge mit mehrern Beyſpielen beweifen, daß dieſe Platoniker oft Nachrichten des Hriftorenus und feiner Zeitgenoften, nicht aus den Echriften und mit den Worten ihrer Werfaffer, fondern aus fpärern Schriftſtellern erzählen , die fie viele leicht wiederum aus andern fehöpfen, und bisweilen gar durch Umkleidung in einen fremden Ausdruck verſtuͤmmelt oder verfälfcht harten. 8. Die glaubmürbigften unter allen Nachrichten, find unſtreitig Diejenigen, in weiden alte und neue, glaubwürdige und unglaubmürdiae Schriftſteſler zufame men ſtimmen. Faſt von gleichem Gewichte find die Era zaͤhlungen aller oder mehrerer der erſten und zuneriäff igften Geſchichtſchreiber, wenn ihnen gleich von jüngern und unguverläffigen mideriprochen wird. Ganz zu verwerfen aber find die Zengniffe jüngerer und zuverfäffiger Mäns ner, die durch ausdrückliche Gegenzeugniffe eier oder mehrerer Alten voiderleget worden, 9 Geſchichte der Pythagoreiſchen Geſellſchaft. 195 9. Man kann hler fo wenig, als in andern Faͤl— len die Glaubwuͤrdigkeit von Ausſagen nach der Menge von Zeugen ſchaͤzen. Die Erzählungen aller oder vieler verdächtiger oder unzuverläffiger Schriftfteller werden das her durch ein einziges Zeugniß eines alten und zuverläffie - gen Mannes überwogen, und zwar um defto mehr, wenn jene unter einander jlreiten, oder wenn gar bemiefen werden kann, daß fie alle aus einer einzigen unreinen Duelle ausgefloflen find. \ 10, Sn der Gefchichte der Prehagoreer, mo die Zahl der glaubmwürdigen Zeugen und Zeugniffe gegen die unglaubwürdigen fo fehr Elein iſt, verdienen alle Nach— richten, deren Urheber entweder ganz unbefannt, oder höchitens dem Mamen, nicht aber dem Zeitalter und Anfehen nad) befannt find, gar feinen Glauben, als in fo ferne fie geprüften Nachrichten entfprechen, oder ihnen ähnlich find. Der geringfte Schein von Gegenfaz fol cher verwaifeten Erzählungen mit bewährten Zeugniſſen gibt ein vollfommnes Recht, fie als falfch zu verwerfen, oder doc) als verdächtig zu übergeben, L Ariftoceles, Wenn ich den Ariftoteles nach den jest vorgetrage⸗ nen Öefezen richte; fo Eann ich nich" anders, als urtbeie len, daß er wie der ältefte, fo aud) der zuverläffiufte ei« gentliche Gefchichtfejreiber des Pythagoras und feiner Philoſophie fey. | Er trug in mehrern Werfen die Gedanfen der Pythagoreer hittorifch vor, oder mwiderlegte fie auch als Wahrheitsforſcher. Allein alle dieſe Arbeiten, find bis N 2 auf 196 Drittes Bud, auf ihre Titel und einige wenige gerettete Trümmer une tergegangen *). Ihr Verluſt ıft eben fo ſehr, als der von irgend einer andern Ariſtoteliſchen Schrift zu bedau— ren, und um deſto unerſezlicher, da die juͤngern Schrift⸗ fteller aus ihnen nicht, mie aus andern Buͤchern, bes trächtliche Auszüge gemacht, und ung hinterlaffen haben. Die Nachlaͤſſigkeit diefer Männer, und den Mangel von Eritifhem Sinn , kann man ſchon allein Daraus abneh⸗ men daß fie alle zufammengenommen den Ariftoteles nur ein oder einine mal anführen, und ſich eher einem jeden andern Erdenfohne überlaffen , als die Mühe gegeben has ben, die treuften Urfunden in den Denfmälern des größten Weltweiſen Griechenlandes aufzufuben. Ungeachtet wir aber mit diefen Werfen zugleich) Die beften und ficheriten Führer in der Geſchichte des Prrhagoras und feiner Ges ſellſchaft eingebüpt haben, fo müffen wir uns doch immer noch Gluͤck wuͤnſchen, daß Arittoteles in andern Schrife ten , die fih erhalten haben, die ihren und Meynungen der älteften Pythagoreer zwar immer nur benläufig, aber doch oft und bisweilen auch ausführlich vorgetragen har. Wenn man alle feine Zeugniffe fammlet; fo Fann man freylid) aus ihnen noch nichts volfjtändiges über die Alt- Prrbas goreiſche Phitofophie heraus bringen; fie reichen aber doch wenigftens hin, ung mit den Grundſaͤzen der eriten Porhagoreer über den Urfprung Der Dinge, die Natur der Götter und Menfchenfeelen, und mit ihrer ganzen Art zu philoſophiren befannt zu machen. So — r— &) Man ſehe Diogenes Ve 25. Menage ad VII, 24, Jonf, I, 11. Gefchichte der Pythagoreiſchen Geſellſchaft. 197 So hald man aber den Ariftoteles bey einem ges wiſſen Theile der Pythagoreiſchen Gerchichte zum runde legen will, muß man fidy bereit halten, folgende Fragen aufzulöfen, deren Beantwortung der größte Bewunderer des Stagiritifchen Werfen nicht ablehnen Fann, wenn er anders billig und unpartheyiſch denkt. Die erfte Trage ift diefes Meder Arittoteles auch wirklich von den älteften Pythagoreern, das iff von ſolchen, die Freunde und Zeite genofjen des Pothaqoras ſelbſt waren , oder hatte er nicht vielleicht, fo oft er Mennungen der Pythagoreer anführt, diejenigen Männer im Sinne, die fi in feinem Zeitz alter fo nannten? Ferner, Fonnte Ariſtoteles au die Grundfäze diefer geheimnißvollen Schule erfahren, und woher nahm oder empfing er fie? Eadlich, hat Ariftos teles die Lehren der älteiten Phrhagoreer auch unverän= dert vorgetragen, oder har er, wie Moshrim *) und andere neuere Schriftfteller ihn beſchuldigen, fomol der Porhagoreer, als anderer alter Weltweifen Meynungen vorfeslich verfehre und verfähicht, um dir Verdierfte feis ner Vorgänger in den Augen der Nachm It zu verfleirern, und feiner Größe das hinzuzuſezen, was eı andern aufeine binterliftige und niederträchtige Art entwandt harte? Diefe drey fragen müffen unterfucht und aufgelöfer were den, bevor man den Zeugniffen des Ariftoteies in der Gefchichte der Pythagoreer folgen, oder fie Den Gegens zeugniffen anderer vorziehen kann. Wird man durch die fchärfiten Unrerfuchungen die Glaubwürdigfeit der erftern nicht nur nicht geſchwaͤcht, fondern bewaͤhret; fo erhält man alsdenn in ihnen einen großen Gewinn, namlich N 3 einen — — ®) Ap Cudw, Syft, intell, Tom. l. p. 16. Ed, die 4te. 189 Drittes Bud. einen richtigen Maasſtab, na chwelchem man bie Zuver⸗ läffigfeit und den Werth anderer Gefdrichtfchreiber und ihrer Werke ſchaͤzen und beftimmen Fann, Folgende Bemerfungen (um gleich mit der erften Frage anzufanı n) werden, glaube id), niemanden einen Zweifel übrig laſſen, daß Ariſtoteles, fo oft er von Ph⸗ tbagoreern ſpricht, nicht Die Philofophen diefes Namens aus ſeinem Zeitälter, fondern die alteflen Mitglieder der noch blühenden Pythagoreiſchen Schule gemennet habe, Er redet von ihnen, als von den erften Erfinder der Zahlen- und Größenlehre in Griechenland, und fräge ihre Meynungen ſtets vor denen des Seufipp, Demokrit, Parmerides, Anaragoras und Empedofles vor Er unterfcheider den Archytas, Eudorus, und Philolaus forgfältia von den Pythagoreern, deren er am meiften in feiner Phyſik und fogenannten Metaphyſik erwähnt; hinge— gen fiebt er den Alfmäon, der in den festen Zeiten des Pythagoras lebte, als ihren Zeirgenoffen an *), | Die zmente Frage, ob Ariſtoteles die wahren Grundſaͤze der erftern Pythagoreer erfahren konnte? kann man zwar nicht ſo zuverſichtlich, als die erſtere bejahen; deſto entſcheidender aber kann man behaupten, daß, wenn zu den Zeiten dieſes Weltweiſen die Lehren und Schickſale des Ppthagoras und ſeiner Freunde ſich noch nicht ganz aus dem Gedaͤchtniſſe und den Denkmaͤlern der Griechen ver⸗ lohren harten, und die Erforſchung von beyden noch nicht unmsöalich geworden war, man alsdann die unparthenifche Unterfuchung und Erzählung berfelben von feinem nad. & h fol⸗ *) Die Beweisſtellen findet man in meiner Hiſtor. dodtr, de vero deo, p, 299. Gefchichte der Pythaqoreiſchen Gefellfchaft. 199 folgenden Schriftiteller mehr oder nur fo fehr als vom Auſtoteles erwarten Fönne, Er übertraf alle fpätere Gerchicheichreiber ohne Ausnahme an Scharffinn, Wiß⸗ beaikrde und Gelehrfamfeit, nicht weniger an großen Verbindungen und Reichthuͤmern, endlich an Eifer und Bereitwilligfeit, die einen und die andern zur Ermeites rung Der Wiffenfchaften und zum Beſten ver Gelehrfams Feit anzumenden Man mag alſo annehmen, daß die Philoſophie der Pythagoreer bis auf feine Zeit nur durch mündlıche Veberlieferungen fortgepflanzt,, oder Daß fie in alten, aber ſeltenen und foftbaren Werken enthalten warz fo muß man in beyden Fällen glauben, dat Ariftoreleg leichter, und eber, als irgend ein anderer, zur richtigen Kenntniß derfelben gelangen Fonnte. Wurden die gehren und Geſchichte der Pythagoreer im Gedächtniffe, nicht aber in gefchriebenen Denfmäs lern aufbewahret; fo harte Ariftoteles außer andern natürs lien und erworbenen Worzügen und Gaben vor feinen Machfolgern den wichtigen Vortheil, daß er wenigſtens um ein Menfchenalter früher lebre, und alfo um eben fo viel der Wahrheit näher, und der Verfälichung alter Tras ditionen weniger -ausgefezt war, Sezt man hingegen voraus, daß manim Zeitalter Aleranders alles, was den Pythagoras und die Pythagoreer betraf, in fehriftlichen Urfunden finden Fonnte, fo muß man auch alsdenn den Ariftoteles für denjenigen erfennen, der die meifte Bes triebfamfeit und Mittel harte, fich foldhe Werfe zuver⸗ ſchaffen, und den größten Scharffinn aͤchte von untere geſchobenen oder verfälfchten zu unterſchelden. Er war der erfte in Öriechenland , der eine vollftändige Bibliothek fammlete; er befaß, wie feine Schriften beweifen, die s N ge. Merfe 200 Drittes Bud. Werke aller übrigen Altern Dichter und Weltmweifen , und man fann daher nicht zweifeln, daß er nicht alles angewandt haben follte, um die Schriften und Ueber— bleibſel der älteften Pyrhagoreer, wenn es dergleichen noch gab, zu erhalten, Er lebte ferner vor, oder in dem Anfange der Zeiten, wo die Griechen von der Wuth der ‘Bücererdichtungen, mie von einer allgemein herr⸗ fehenden bösartigen Kranfheit ergriffen wurden, its weder waren zu feiner Zeit dem Pythagoras und feinen Freunden noch gar Feine Schriften untergefchoben, oder wenn deraleichen herumgiengen , fo war er mehr algirgend ein anderer durch feine vorzüglichen Kenntniffe und Hebung im Stande, ſolche Berrügerepen zu entdecken, Mir ift es Höchft wahrfcheinlich, daß Ariftoteleg Alt-Pythagoreiſche Schriften in Händen harte, und dan die ehren, die er ihnen in feinen Werfen zueignet, aus folchen genommen find. Ich fchließe diefes Daraus, daß er fo vieles über und wider die Pythagoreer und ihre Philoſophie fehrieb, Daß er aud) in den Arbeiten, vie wir noch befizen, fo oft und ausführlich von ihnen redet, und dieſes weder mit dem zmweiflenden Tone, noch mit den ihm fonft fo geläufigen Formeln: man faot, und, es. beißt, deren er fid) bey Dingen, die er nicht gewiß mußte, oder die er der bloßen Ueberlieferung zu danfen hatre, zu bebienenpflege. Sollte aber jemand aller diefer Gründe ungeachtet dennoch glauben, mit Recht daran zweifeln zu Fönnen, ob Ariftoteles Die wahre Gefchichte und Grundfäze des Pythagoras erfahren babe; der bedenfe, daß, wenn man den Ariftoteles zur richtir gen Unterfuchung der Pythagoreiſchen Philofophie für un. fähig erklaͤrt, man noch vielmehr alle übrigen, die nad) ihm Geſchichte dev Pythagoreiſchen Geſellſchaft. 201 ihm ſchrieben, fuͤr untuͤchtig erkennen, und zugleich an einer Geſchichte der Pythagoreer gaͤnzlich verzweifeln muͤſſe. | Wenn man aber zugibt, mas fich vernünftiger MWeife nicht laͤugnen läßt, Daß Ariftoteles mehr als alle übrigen, Die nach ihm lebten, Gelegenheit hatte, über den Prtbagoras und Die Pythagoreer die Wahrheit zu erfahren; fo ift es noch immer erlaubt zu fragen, ob er auch Medlichfeit genug gehabt habe, das, was er gefun— den oder gehört hatte, unverändert in feine Schriften eins zutragen? oder ob nicht Seindfeligfeit, und die Begierde, allein groß zu fern, und allenthalben die Wahrheit zuerft entdecht zu haben, ihn zu einer vorfezlichen Verſtuͤmmelung Pythagoreiſcher Gedanfen verleitete, wodurch diefe in grillenhafte Träume verwandelt wurden, oder doch das Anfehen feltfamer und lächerlicher Meynungen erhielten ? Diefen entehrenden Verdacht konnten und Finnen nur diejenigen hegen, (ich fage diefes mit allem Vorbe⸗ dacht ; aber auch mit dem gerechten Unmwillen, den das verkannte und gemißbandelte Werdienft in jedem feiner danfdaren Verehrer bervorbringen muß) die die Größe des Mannes, an dem fie fich verfündigen, nicht Fennen, und den Freund Philipps und den Erzieher Aleranders - mit irgend einem eben fo unbefonnenen als niederträc)ti« gen Sophiften verwechſeln. Freylich hatte Ariftoteles, eben wie Sofrates, auch ſchon im Alterthum viele Verlaͤumder *); allein diefe feine Feinde waren entweder als muthwillige und neidifche Schaͤnder aller großen Namen beruͤchtigt, oder fie waren Ns | auch *) le 2; e * Euſebius. Zufeb, Praep. Evang, X 202 Drittes Buch. { auch Schüfer und Nachfolger von berühmten Weltweiſen, die Ariſtoteles getadelt oder widertegt hatte, und deren verlegten Ruhm fie retten zu müffen fi einbilderen, Sie verriethen durch ihre notoriſch unwahre, und allen Glauben übertteigende Befchuldigungen ihren Unverftand und ihre Ohnmacht eben fo sehr, als ihren Vorſaz zu ſchaden; und Ariftofles urtheilt nicht unrecht von ihnen, wenn er fagt, daß die Werfe der meiiten ſchon eher, als fie ſelbſt, geftorben wären, ie warfen dem Mann, den Philipp von Mafedonien zum Ürzicher feines einzigen Sohnes erfohr, eine in den fihändlichflen Luͤſten und Beſchaͤftigungen Hingebrachte Jugend, eine unnatürliche Bertraulichfeit mit dem Hermias und eine feiner Weise heit unwuͤrdige Schwelgerey und Ueppigfeit vor. Auf— gebrachte Platonifer befduldigten den Ariſtoteles einer ſchwarzen Undanfbarfeit gegen feinen Lehrer, einer nie drigen Tadelfucht, oder einer unruhigen, in allen feinen Schriften bemerfbaren ‘Begierde, neue und des Plato feinen entgegengefszte Meynungen zu behaupten, Diefer elende Widerſpruchsgeiſt habeihn, (fagten fie) zu den gröften Ungereimtheiten und einer Menge gotte Lofer, dev Tugend und Froͤmmigkeit verderblicher Bes hauptungen verleitet, und ihn zu einem Laͤugner der Vor⸗ fehung und der Unfterblichfeie der Seele gemacht *). Aus diefer ganzen Schaar feindfeliger Anfläger des Ariſto⸗ teles aber hatte Feiner das Herz, ihm eine vorfezliche Merfälfchung oder abfichtlich - unrichrige Vorſtellung der $ehren älterer Philofophen vorzumerfen; den einzigen Eus | buli⸗ — — —— — — — — um — 2) Man ſehe den Platoniker Attikus beym Euſebius Praep, Evang. XV. 4* 11 Geſchichte der Pythagoreiſchen Gefellfihaft, 203 bulides, einen der Eriftifer, ausgenommen, die Ariſto⸗ teles am nachdrücklichiten beftritten, und bis zur Lnbes weglichEeit gebunden harte. Diefer Eubulides war uns verſchaͤmt genug, von dem glüclichen Befämpfer feiner und feiner Brüder Marrheiten zu fagen, daß erdie Werke des Plato verdorben oder verfärfcht habe. Dies angebs fiche Verbrechen war, wegen der großen Zahl von Abs fhriften, die von Plato’s Gefprächen noch bey feinem geben durch alle Theile von Griechenland verbreitet wurs den, und wegen der faft eben fo großen Menge eifriger Verehrer, die er binterfieß, und die aud) die Fleinften ihres Meifters Ehre nachtheiligen Verſuche nicht würden ungeftraft gelaffen haben, fo augenfcheinlich unausführbar, und die Erdichtung derfelben eine fo offenbare Ungereimte beit, daß Feiner der nachfolgenden Tadler des Ariftotes les es gewagt bat, diefe fich felbft widerlegende Verlaͤum⸗ dung zu wiederholen, oder Theil daran zu nehmen, Selbſt aber aus diefer Nothwendigkeit, worin die Widerfacher des Ariftoteles waren, durch die Une glaublichfeit ihrer Befhuldigungen mehr die Vernunft und ihren eigenen guten Namen, als den Ariftoreles zu beleidigen, und dann aus den: allgemeinen Stillfehweigen aller alten und zuverläffigen Schriftiteller muß man noth⸗ wendig fchließen, daß es mährend des ganzen langen Zeitraums, in welchem die Werfe der älteften Weltwei⸗ fen unverfeze fortdauerten, und unzählige Gelehrte die Geſchichte ihrer Meynungen ausarbeiteten, niemanden eingefallen fey, die Aufrichrigfeie des Ariftoteles zu bee zweifeln, oder ihn wegen einer vorfezlichen Verkehrung der Lehrgebaͤude feiner Vorgänger zu argwohnen. Man barf auch nur die Unbefonnenheis eines ſolchen Unterneh» mens, 204 Dritted Bud. mens, als die Entftellung der ältern Syſteme gemefen wäre, mitder vorfichrigen Klugheit des Ariftoteles zufams menhalten, um den leztern eines eben fo haffenswürdigen, als unverzeihlichkindiſchen Anfchlags, Der unmöglich un: entdeckt bleiben Fonnte, nicht fähig zu glauben. Die Schriften ber Männer, deren Lehren er verdorben haben fol, waren zu feiner Zeit, wo nicht in aller, doch in vieler Händen, hatten größtenrheils eben fo viel Ruhm und defer, alg er für die feinigen nur hoffen Fonnte, und von feinen oder wenigen ließ es fich vernünftiger Weife vermuthen, daß fie eher als die feinigen untergehen wuͤr⸗ den, Die meilten ältern Philofophen harten noch zu den Zeiten des Ariſtoteles Nachfolger, die ihre Mennungen annahmen, vertheidigten, und auf andere fortsupflangen fuchten, die alfo auch eine jede Entweihung der Weis: heit ihrer Führer auf frifcher That würden geahnder ha⸗ ben. Endlich hatte Ariftoreles viele Feinde und Meider, die allen feinen Febltritten auflauerten, und fich gewiß fo gleich zu Verfechtern von Männern würden aufgerworfen haben, denen Ariſtoteles Unrecht zu chun verfucht hätte, Aus diefen allen erhellet, daß man ein foldyes Verfahren, dergleichen einige dem Ariftoteles zugetraut haben, nur von einem Menfchen, der mit einer Eleinen neidifchen Eecle den äuferfien Grad von Unbedachtfamfeit verei- nige hätte, nicht aber von einem alten feinen Hofmanne erwarten koͤnne. Gegen die Pythagoreer befonders konnte Ariftoteles ſich um defto weniger etwas erlauben, weil viele angefehene Männer diefer Schule feine Zeitgenoffen waren, und er nicht nur gegen die ältern, fondern aud) gegen die neuern gefchrieben härte. Won diefen mufte er alfo befuͤrchten, daß fie eine jede an ihnen oder ihren Vor⸗ fah⸗ Gefchichte der Pythagoreiſchen Gefellfchaft. 205 fahren begangene Untreue fo gleich offenbaren und ſtra⸗ fen würden, Wie fehr er aber Purch die Ärenmürbigfeit, womit er die Pythagoreiſche Philoſophie beſtritten hatte, alle Freunde derfelbigeu wider fich gereist babe; ſieht man aus den Beyſpiel des Prrbgoreers Lyko, Den Ariſtokles auch unter den armieltgen Verläumdern des Ariſtoteles aufzählr, der aber dieſem Philoſophen weiter nichts, als ein zu Foftbares und zahlreiches Küchen» und Be ‚vorgumerfen wuſte. Zu den bisher angefuͤhrten Gruͤnden fuͤr die Red⸗ lichkeit und hiſtoriſche Treue des Ariſtoteles ſeje man zulezt noch dieſe hinzu, daß alle Nachrichten des Ariſtoteles von den Meynungen aͤlterer Weltweiſen mit den Fragmenten der legtern , oder mit den Erzählungen alter übrigen glaube würdigen Schriftſteller genau uͤbereinſtimmen; daß: alles, was er von der Porhagoreifihen Philoſophie ſagt, Durch andere unverierfliche Zeugniffe beitärige wird, und daß man endlich noch Feinen einzigen Fall angezeigt, und außer Zweifel geiest hat, in welchem Aristoteles als ein Verfaͤl⸗ ſcher wäre befunden worden. Wenn ich aber die Redlichkeit des Ariftoteles zu retten, und den- lächerlichen Verdacht einer vorfeslichen unrichrigen Darftellung der Lehren älterer Weltweifen zu miderlegen fuche; fo behaupte ich im geringften nicht. daß nicht eben diefer große Mann Stellen und Meynungen anderer bisweilen habe mißverſtehen, unrichria auslegen, und falich über fie urtheilen koͤnnen. Es braucht gar kei— ner Erinnerung, daß felbft die fcharfiinnigften Kunſt⸗ richter nicht immer gegen Mißiverftändniffe, unrichtige Aus« fegungen oder Urtheile ficher find, daß man aber aud) aus ſol⸗ 506 Drittes Bud), ſolchen richt3 wider die Glaubwuͤrdigkeit von Geſchicht⸗ ſchreibern und Zeugniffen ſchließen Fönne, Heraklides Pontikus. So wie beym Ariſtoteles fich alle Umftände ver⸗ einigen, um ihm ſelbſt Glauben, und feinen $efern Zu frauen zu feiner Glaubwuͤrdigkeit einzuflögen: fo kommt bey feinem Schüler und Mitſchuͤler, dem Heraflides Pon⸗ tikus, alles zufammen, was einen Schriftſteller verdächtig madıen, und im Altertbumsforfcher ein unausloͤſchliches Mistrauen gegen feine Zeugniffe bervorbringen muß. Das ganze Leben des Heraflides, oder doch die wichtigſten gebensumftande, wie Diogenes *) fie meiftens aus gleich» zeitigen Geſchichtſchreibern erzähle, nicht weniger die mei» ften feiner übriggebliebenen Fragmente, und endlich alle Urtheife, ſowohl alter als neuer, ſowohl feharfprüfender als leicht zu befriedigender Schriftfteller zeigen ihn als eis nen Mann, der eben fo feichtglaubig, als Fühn im Ers dichten war, den man eben fo oft betrog, als er andere hinterging oder zu hintergehen füchte, der wenigftens eben fo unbefonnen, als verſchmizt, und zu verfehiedenen Zeie ten fich felbjt ungleich war. Er fehrieb außer vielen ans dern Werfen ein Buch) über die Pythagoreer **), aus welchem und feinen abentbeuerlichen Maͤhrchen eu Tas arves faft alle Erzählungen genommen find, die beym Diogenes, Jamblich, Porphyr, und verfchiedenen an⸗ bern vorfommen, Diogenes ***) gibt ihm das Zeugs niß, — — — — — — ——— ——— Bu rn — — ee v.86- 94 Geſchichte der Pythagoreiſchen Geſellſchaft. 207 niß, Daß ſeine Schreibart praͤchtig und anziehend gemes fen ſey⸗ Um ſich zu überzeugen, wie leichtglaͤubig und un—⸗ bedadırfam diefer Mann mar und wie leicht ihm DBerrüges repen und Erdichtungen wurden, darf man nur folgende Facta lefen, vie Diogenes faſt alle aus den Werfen feiner Zeitgenoffen und Mirchüler, eines Hermipp und Ariftorenus, gezogen hat. Ein gewiffer Dionhſius, wie ‚andere lagen, Spintharus, verfertigre ein Trauerjpiel, dem er den Namen des Sophofles vorjejte. Heraklides nahm dies untergeſchobene Werk ohne Bedenken für aͤcht an, und mußte ſich nadıher auf eine ſchimoſtiche Art feinen Mans gel an Scharfſinn und Vorſicht von eben dem Manne, der ihn hintergangen hatte, vorruͤcken laſſen. Nicht lange nachher gab der berrogene Heraklides Trauerfpiele, die er felbit gemacht hatte, unter dem Namen des Thes— pis heraus, wahrſcheinlich um diejenigen, Die ihn berückt harten, wieder zu überliften, und feine Schuld durch ähnliche Fehltritte anderer zu decken, oder Doch zu verrin⸗ gern. Er beraubte ferner mir der dummſten Unverſchaͤmt⸗ heit einen gewiffen Chamäleon *), und eignete fi aus deffen Werfe die wichtigften Nachrichten über. ven Homer und Heſiod zu, ohne den Namen desjenigen zu nennen, dem er fie zu danken hatte. Er wurde aber fogleich auf ber That ergriffen und gesüchtigt5 denn der beleidigte Schriftſteller Flagte lauf über Gewaltthaͤtigkeit, und übers führte den Heraklides öffentlich des groben Diehftals, den er anihm begangen hatte. Noch weniger Ehre aber, als die angeführten Bübereyen machen feinem Herzen und 2) V. 92, et ibl Menag, 208 - Drittes Buch. und Verſtande die lächerlichen und vergeblichen Bemuͤhun⸗ gen, wodurch er es dahin zu bringen ſuchte, daß er als ein Gott oder göttlicher Mann verehret würde Einer Erzählung des Hermipp zu folge haften die Einwohner von Heraflea fchon lange durch Theurung und Hungers- noth gelitten, fie fchieften endlich eine Gefandfehaft an den Apoll zu Deiphi, um von diefem Gotte die geſchwin— deften und kraͤftigſten Mittel gegen eine der fchrecflichften aflgemeinen Landplagen zu erfahren. Diefe Werlegenheit der Herafteoten ſuchte Seraflides zu feinem Vortheil zu nuzen: ev beftach nämlich die Pyrhia, und ließ den Fra. genden die Antwort geben, daß man, um von dem ges genmärtigen Uebel befrent zu werden, den Heraflides mit einer goldenen Krone kroͤnen, und nach feinem Tode als einen Helden verehren müffe. Die bedrängte Stadt wollte den angeblichen Götterfpruch eben erfüllen, ale der gortlofe Betrug entdeckt, und feinen Urhebern und Theilnehmern verderblich wurde. Heraflives (fo fähre Hermipp fort) ftarb gleich nachher, da man ihm die gols dene Krone aufs Haupt gefezt harte, an einem Schlag⸗ fluffe: die Gefandten ftürzten zu Boden, und die Pythia wurde Furz darauf durdy den Biß einer Schlange ge: toͤdtet. Ich laͤugne nicht. daß Hermipp nicht der Mann ſey, von deſſen Nachrichten man die Ehre von Schrift, ſtellern abhängig machen koͤnne: ich gebe audı zu, daß die eben mirgerheilte Erzählung eher das Anſehen eines andachtigen Mährchens als einer wahren Gefchichre habe, und daß fie wenigftens den Stumpfſinn und Aber- glauben des Hermipp weit mehr, als die laͤcherliche Eitelkeit des Heraklides verrathe. Hermipp iſt aber auch nicht der ein⸗ Geſchichte der Pythagoreiſchen Gefellfchaft. 209 einzige, der von Anfchlägen des Heraflides auf göttliche Verehrung geredet hat, Auch Dionpfius von Magnefia erzählte *), daß Heraklides eine Schlange ganz zahm gemacht, und einem feiner Freunde befohlen habe, feis nen Leichnam gleich nad) feinem Tode in der Stille fort« zufhaffen, und an deffen Stelle die Schlange unterzu« fehieben, um den großen Haufen glauben zu machen, als wenn er zu den Göttern hinaufgeftiegen wäre, Nach dem Zeugniffe eben diefes Gefcyichtfchreibers richtete zwar der Freund des Heraflidves den Willen diefes Betrügerg aufs pünctlichfte aus; allein unglüclicher Weife wurde die Schlange durch die zu heftigen Ausrufungen der bes mundernden Menge fehüchtern gemacht; fie entwifchre zur Unzeit: Die Abfichten des verftorbenen Thoren offenbarten fid) aud) den einfältigften, und man bielt den Heraklides niche mehr für denjenigen, der er feyn wollte; ſondern für den, der er würfiid) war, | Solche Fehltritte und Schwachheiten eines fonft nicht unberühmten Mannes Ffonnten unmöglich im gan⸗ zen Alterehume unbemerfe bleiben. Wir finden daher auch, daß man ihn gleich nad) feinem Tode für einen Maͤhrchenerzaͤhler und Erdichter gehalten, und daß man allgemein feinen Hang zum Wunderbaren und Fabelhaf⸗ ten getadele bat. Schon Timäus *) warf ihm vor, daß er die Gefchichte des Todes des Empedofles und des Ehrendenfma's, das ihm vom Päufanias errichtet wors den, ganz unrichtig erzähle, und durd) viele feltfame Zus ſaͤze verfälfcht habe. Solche *) Diog. V. 89, ®*) VI, 71, 72. Diog, 210 Drittes Bud). Solche Entftelungen von Factis (ſezt Timäus hinzu) feyen dem Heraklides ganz gewoͤhnlich, und durd) alle feine Schriften zerſtreut. Wollte man gegen diefes Urtheil einmenden, daß Timäus als ein übertriebener und verläumderifcher Tadfer unter den Griechen berüd)- tige geweſen ſey; fo kann man hierauf antworten, daß diefer Gefchichtfcehreiber im gegemärtigen Falle Facta, und zwar folhe Facta vor ſich hatte, nach welchen der billigfte Richter nicht anders hätte urtheilen Fönnen, und daß es außer dem Timäus noch mehrere Männer von großem Anfehen gegeben habe, die dem Heraflides allen Glauben abgefprochen Haben. Cicero, ber dem Heraflie des mannigfalfige Kenntniffe zugeftanden, ſagt doc), daß er feine Werke mit Eindifchen Fabeln angefüllt habe *). Auch Plutarch, der vielen frauete, Die es nicht verdienten, und vieles annahm, was er hätte verwerfen follen, nennt den Heraklides einen fabelhaften und untreuen Erzähler, an dem e8 gar nicht zu verwundern fey, daß er Nom in eine griechifche Stadt am großen Meere verwandelt, und ein Heer von Hyperboreern zu ihrer Zerftöhrung babe kommen laffen, ohngeachtet ihm die wahre Ges fchichte der Einnahme Noms durch die Gallier und ihrer Befreyung durch den Camillus **), fo wie Ariftos teles fie vorgefragen bat, nicht unbefanne habe feyn Fünnen. N Wenn aber auch) alle diefe Anklaͤger des Heraflides gefchmiegen hätten, und wir von feinem ganzen $eben und Charakter fonft nichts müßten; fo würden doch die wenie “) Tufeul, Quraeft, V. 3. de Nat. Deor, I, 13, "") in vita Camilli 1, 543. Ed, Reisk, | Geſchichte der Pythagoreiſchen Geſellſchaft. au wenigen Ueberbleibſel ſeiner Schriften ſo laut, als irgend einer ſeiner Feinde, wider ihn reden. Er erzählte den Fall eines Menſchen aus dem Monde *), die Seelenwanderungen des Pyrhagoras**), und die Himmelfahrt des Empedofles ***) mit fotchen Umftänden, daß man ohne alles Bedenken fagen Fann: er felbft Habe in dem Zeitalter, worinn er lebte, und bey den Kenneniffen, die er befaß, das, was er erzählte, felbft nicht geglaubt, fondern ein elendes Wergnügen darin gefunden, Maͤhrchen zu erfinden, und andere glauben zu machen. So bald alſo Heraflides in feinen Nachrichten von dem Pythagoras oder den Pythagoreern, andern gleich. geitigen and glaubwürdigern Schriftftefiern mwiderfprächtz ſo darf man nicht bloß, fondern man muß ihn verlaſſen. Er war gewiß der vornehmfte, oder einer der vornehm« fien unter den alten und angefehenen Schriftftellern , von denen Porphyr und Jamblich beyde fagen, daß fie die Wunderthaten des Pythagoras aufgezeichnet hätten +). Mit dem Heraflides verbinde ich den Klearch, weit diefer auch ein Zuhörer des Ariftoreles war +4), und in feinen Lebensbeſchreibungen berühmter Männer gfeich« falls vom Pythagoras handelte Mach den Proben, die Öellius aus dieſem jft, und Diogenes ++H) aus einem ' 92 Als *) Diog, V. 72, **) vll. 4. ***) VIII 67. 68, +) Porph.323. 2%. Jambl. 60 f, ++) fiehe Jonf. I, cap. 18. at7) IV. 51. Wegen der Nachricht beym Gellius kann Klearch vielleicht auf eben die Art entfihuldiger werden, wie ih weiter unten den Dikaͤarch rechtfertigen werde. tttf) 1. 9. 212 Drittes Bud, andern Buche anführen, war er nicht weniger leichtglaͤu⸗ big und kuͤhn, als feine Miefhüler, Seine Fragmente beym Athenäus hingegen enthal- ten nichts unmahrfcheinliches, und ſtimmen mit den Er⸗ zählungen anderer glaubwürdiger Schriftſteller vollkom⸗ men überein, weswegen ich ihnen auch zuverſichtlich ges folge bin. Das angebliche Werk diefes Gefchichtfchrei« bers endlich, aus welchen zuerft Joſephus *), und aus dem Joſephus, Clemens **) und Cufebius ***), eine Stelle über die Bekauntſchaft des Ariftoteles mit einem Juden angeführt haben, halte ich mit dem Jonſius für eben fo wenig ächt, als den Briefwechſel des Demetrius Phalereus mit dem Ptolomaͤus Philadelphus, und wies derum zwifchen diefem und dem Hobenpriefter der Juden, welchen man bey dem zulezt angeführten Kirchenvater findet. *) Cont, Appion, I, c, 22, ®*) Stronn. 1. ss) Praep. Evang. IX, 5. Wenn im Diogenes (I. 6.) Klearch für Klitarch gefezt werden müfte, wie Menage vermuthete, und die Nachrichten, die im fiebenten Abſchnitt ftehen, eine Forte fezung derer im fechften wären, fo würde man dem Klearch in feinen Erzählungen von fremden Völkern, deren Religion und Meynungen, allen Glauben abfpres chen müffen: denn in der lezten Stelle wird von den Magiern vieles gefagt, was durch die Zeugniffe der zuverläfiigften Gefhichtfehreiber widerlegt wird. Man kann aber weder mit Gewißheit behaupten, daß Dips genes den Klearch, und nicht den Klitarch, der gleich» falls ein feiner Erdichtungen wegen berüchtigter Schrifte fteller war, vor fih gehabt habe. Mean fehe Ernefti Clav. Cic. Voc, Clitarchus, noch läßt es fic) darthun, daß die Fragmente beym Diogenes alle von demfelben Verfaſſer find, Gefchichte der Pythagoreiſchen Gefellfchaft. 213 finder, Alte diefe Schriften rühren hoͤchſt wahrfcheinlich von irgend einem der Juden her, die nicht nur aus Gries chifhen Schriftſtellern alle Zeugniffe zufammenfuchten, in denen bioß der Name ihres Volks oder Landes vorfam; fondern auch berühmten Männern Schriften unterfchoben, um durch deren Ausfprüche das Anfehen und Alterthum ihres Volks, ihrer Weisheit, und ihrer heiligen Bücher zu beweifen, welchen Zweck fie auch nach Wunſch erreich« ten. Die vom Joſeph gebrauchte Schrift muß einen unmiffenden Fremdling in fpätern Zeiten zum Verfaſſer haben, weil, wie Jonſius bemerkt, Ariftoteles darinn mit feinen Schülern nad) Afien verfezt wird, und feine Zuhörer axoAzsıraı genannt werden, welches Wort erft lange nach dem Ariftoteles in diefer Bedeutung gea nommen worden iſt. | nl. Vom Arifforenus, Dikänech undgierononymus,. Mad) dem Ariftoteles verdienet unter den Altern Geſchichtſchreibern des Pythagoras Feiner mehr Aufmerk famfeit, als Ariftorenus, der gröfte und berühmtefte unter allen Schülern des erften wandelnden Weltweifen, nach) ober vielmehr neben dem Theophraft. Er handelte vom Pythagoras, den Pythagoreern, und beyder ihren Lehren nicht nur umftändlich in einem eigenen Werfe, oder wenigftens in einem großen Ab- f&hnitte feiner $ebensbefchreibungen, fondern auch noch beyläufig in andern Schriften *). Wir haben von die. — O 3 ſem — — — — ®) fiehe Jonfius I. 14, Diog, VIIT, 15. 214 DSDrittes Buch. fem Manne weit mehr Fragmente, als man gemeiniglich glaubt, oder bisher aufgefücht hat. Und wenn er alfo zuverfäffigift; fo Fönnen wir ans feinen Nachrichten allein die Lebensumſtaͤnde der älteften Pythagoreer, und die ganze Einrichtung und Abfichten ihrer Geſellſchaft vollſtaͤn⸗ diger, als aus dem Xriftoteles, ihre Erfindungen und einzelnen Meynungen erfahren. Meinem Urtheile nach gebührt dem Ariſtoxenus uns ter den Schriftftellern über die Pythagoreer gleich nach) feinem Lehrer der erfte Rang: wenigftens iſt unter den übrigen feiner, der alle Vorzüge eines großen Gefchichte forfchers, Fleiß und Scharffinn, Treue und Erhaben- heit über Aberglauben, endlic Verachtung aller Fabeln im höhern Grade befeffen hätte, und dem zugleich weni- ger Schwachheiten und Fehltritte vorgeworfen werben koͤnnten, als ihm. Ariſtoxenus wird haufig von den berühmteften Männern des Alterthums, deren Werfe zu ung gefommen find, angeführt; aber von feinem wird ihm Unfleiß, Erdichtung, oder Seichtgläubigfeit vor» geworfen, vielmehr preifen die meiften, befenders Cicero *), feine feltene Gelehrſamkeit, feinen Fleiß und fein viel um⸗ faffendes Genie. In den Erzählungen, die wir noch von ihm haben, findet ſich nichts Maͤhrchenhaftes, nichts unglanbliches, oder aud) nur unwahrſcheinliches, nichts, woraus man fehließen Fönnte, daß er für oder wider die Pythagoreer eingenommen, oder daß es ihm darum zu thun gewefen fen, fie durch Kunſt oder Gewalt zu Beftäs tigern irgend einer vorgefaßten Meynung zu brauchen, Sie %) de Orat. III. 33. ad Attic, VII, 4. de Fin, V. 19, Tufe, Quaeft, 1. 18, Geſchichte der Pythagoreiſchen Geſellſchaft. 215 Sie ſtimmen ſowol unter ſich, als mit den Nachrichten anderer glaubwuͤrdiger Geſchichtſchreiber uͤberein, und widerſprechen nur den Zeugniſſen folder Echriftfteller, die von Feiner Seite mit ihm verglidyen ‚werden Fünnen, und die mit ſich felbft eben fo: fehe, als mit dem — xenus ſtreiten. Auch lebte Ariſtoxenus zu einer Zeit, wo der J beln uud Erdichtungen von den Pythagoreern noch nicht ſo viele, und dieſe Fabeln noch nicht ſo alt waren, daß man ihre Urheber nicht hätte entdecken koͤnnen. Endlich wurde er mit den leztern Pythagoreern bekannt, von denen’ er unſtreitig alle muͤndliche und ſchriftliche Nachrichten uͤber ihre Vorfahren einzog, die ſich bis dahin erhalten hatten, Beym Ariſtoxenus find diefe Umſtaͤnde und Vor⸗ theile wichtig, wenn gleich Heraklides Pontikus und andere ſie wenig genuzt haben. Gegen den Fleiß und die Vorſicht des Ariftorenus koͤnnte man allenfalls diefes einwenden, daß er *) den Infis und Archippus als die einzigen Pythagoreer nannte, die in dem Veberfall der Kylonifchen Parthey nicht umges fommen feyn, und daß er vom Mſis hinzuſezte: er fey nad) dem Untergange des Bundes nach Theben gegangen, und der $ehrer des Epaminondas geworben. Diefer Nachricht hat befonders Bentley unmiderfprechliche Gründe entgegen geſezt *); und Ariftorenus hat ſich unftreitig eines Fehlers wider die Zeitrechnung fehuldig gemacht, wenn er den Bilder des Siegers bey Seuftra und Cheronaͤa für einen Zeiss des Pythagoras aus⸗ —— —— — — Lone ne — — * Jambl. 251. ſ. »*) Man ſehe feine Diſſ upon the Epiſt. of Phal. p. 56. 57. 216 Drittes Buch. ausgab. Allein diefer Fehler ift auch der einzige in der Gefchichte des Pythagoras, deffen man ihn überführen fann, und aus weichem allein Fein billiger Nichter einen Beweis vonfträfliher Nachläffigkeit im Unterſuchen bernehmen wird. Der Irrthum des Ariftorenus ift um defto verzeihlicher, da ihn alle übrige Schriftſteller, die von dem Untergange der Pythagoreiſchen Gefellfchaften geredet haben, auch begangen, und feiner im ganzen Als terehum bemerkt hat *). Hoͤchſt wahrſcheinlich alfo war er älter, als Ariftorenus, und fand fich fehon in den Ue— berlieferungen oder Urfunden der Pythagoreer, die diefer zu Rathe zog. Ein viel größerer, und nicht fo leicht zu beantwor⸗ tender Vorwurf wider die Unpartheplichfeit des Ariftores nus liege in der Heftigkeit, womit er den Sokrates an« griff, und ihn der gehäfligften Laſter befchuldigte, weiche ihm — — — *) Dies Verfehen war Feine turpis avssoennie; fondern. ein commune erratum, und muß man es eben fo beurtheis fen, mie Cicero einige ähnliche Fehler in folgender Stelle: Nam illud de Flavio & faftis, fi fecus eft, commune erratum eft; & tu belle „70 noas; & nos publicam prope opinionem fecuti fumüs, ut multa apud Graecos, Quis enim non dixit, Eu7ro- Aw Tov Tas wexgasas, ab Aleibiade, navigante in Sieilism, dejeftum effe in mare, Redarguit Era» tofthenes Adfert enim, quas ille, poft id tempus, fabulas doeuerit, Num idcirco Duris Samius, homo in hiftoris diligens, quod cum multis erravit, irri= detur? Quis Zaleucuin leges Locris feripfiffe non di- xit, num igitur jacet Theophraftus, fi id a Timaeo, tuo familiari, reprehenfum eft, Epift, ad Atticum Lib, VI, I, pP: 641, Ed. Ernett, Gefchichte der Pythagoreiſchen Geſellſchaft. 217 ihm vorzumerfen felbft Ariftophanes, und feine Anklaͤger fid) gefcheut hatten *). Einem Manne, fann man fagen, der den beften und weifeften der Griechen wider alle Zeugniffe feiner ver⸗ ehrungswuͤrdigſten Schüfer fo falſch beurtbeilen, und fo ungeftim und grundlos verläumden fonnte, muſte nothwendig die ruhige Gleichgültigfeit und Unbefangen» heit des Geiftes fehlen, mit welcher ein jeder Wahrheit- lebender Forfiher unterfuchen, und jeder zuverläffige Ges fhichefchreiber erzählen follte ben diefe Verftandess ſchwaͤche, die ihn den Sofrates gänzlich) verfennen machte, feste ihn in der Gefchichte eines jeden andern berühmten Mannes, und alfo auch des Pythagoras der Gefahr aus, der augenfcheinlichiten Wahrheit zum Troze feine Helden entweder unnatürlich zu verhäßlichen oder auch zu ver: fhönern. Ich übernehme es eben fo wenig das Verfah— “ren des Ariftorenus zu rechtfertigen, als ich fein hartes Urtheil über den Sofrates billige. So ſehr ich aber aud) bedaure, daß fich unter den Griechen auch nur einige, und unter diefen ein fo großer Mann, als Ariftorenus war, ge⸗ funden haben, die die Afche des Sokrates nicht fegneten, und fein Andenfen nicht eben fo eifrig, als Tugend und Wahrheit vertheidigten; fo feft bin ich auch überzeugt, daß Ariftorenus nicht fo. ſchuldig ſey, als es ſcheint, und daß der Reſt von Schuld, der nicht von ihm abgemälzt werden Fann, feine Glaubwuͤrdigkeit in der Geſchichte der Pythagoreer im geringften nicht vermindere. Ich laͤugne nicht, daß ein jeder warmer Verehrer des Sofrateg leicht in Verſuchung gerathen koͤnne, es einer vorfezlichen O 5 Ver⸗ — — — — ——— — *) II, ıg. Diog, 218 Drittes Bud), Verblendung ober fträflichen Verſtocktheit zugufchreiben, daß Ariſtoxenus eher unficyern oft widerlegeen Gerüchten, als den unverwerflichen Zeugniffen eines Zenophons und Plato traute, Wem fallen bier aber auch nicht unzählige Beyſpiele ein, daß oft die elendeften Kleinigkeiten, un: betraͤchtliche Abweichungen in Urtheifen, verſchiedene Schaͤzungen von Dingen, die einem vorzüglich werth waren, WBiderfprüchegegen Meynungen, wo man gerade feine Widerſpruͤche vertragen Fonnte, daß diefe oft die größten Männer fo ſehr aufbrachten, daß fie ſich gegen: feitig als Feinde zu baffen und zu verfolgen, und ihre Berdienfte nach falſchen und ganz andern Kegeln abzuwaͤ— gen anfiengen, als nach welchen fie alle übrige Menfchen richteten ? Wenn man alfo aus einem einzigen alle, wo je mand tadelnswuͤrdig, Hart und ungerecht war, folgern wollte, daßer es aud) gegen alle übrige, oder viele andre Menfchen feyn müfte; fo wäre dies ohngefähr eben fo feltfam und unrichtig gefchloffen, als wenn man um eines einzigen Irrthums eines berühniten Schriftftellers wil- len alle feine Behauptungen für falfch erklärte, Faſt immer find die Urfachen, die ungewöhnliche Menfchen bis zur gänzlichen Vergeſſenheit ihrer felbft gegen andre ihres gleichen empoͤren, fo einzeln, daß fie nur unter dies fen Umftänden gegen biefe und Feine andere Perfon wuͤr⸗ fen; und eben daher verwandeln fid) aud) die dem er. ften Anſcheine nach unvernünftigften Ausbrüche von Hize in gewöhnliche und verzeihliche Schwachheiten, fo bald man nur den erften zündenden Funken entdeckt, Auf diefe Art müfte man die Ungerechtigkeit eines Mannes, von dem bie größten Schriftfteller mit Hoch⸗ achtung Gefchichte der Pythagoreiſchen Gefellfehaft. 219 achtung reden, und dem man in feinem andern Falle etwas ähnliches vorgeworfen bat, erklären, wenn wir auch gar nicht mehr die Urſachen erfathen Fönnten, die den Ariftorenus fo fehr wider den Sofrates erbitterten, Sch glaube aber wenigftens eine davon in einer Stelle gefunden zu haben, die Eufebius ung aus einem Werke des Ariſtokles aufbehalten hat, und die einen jeden zugleich belehren Fann, wie leichtglaͤubig Parthey— lichfeit oder Eingenommenheit den flärfften und gefunde- ften Kopf madye *), Ariſtoxenus erzählte in feiner Ge f&hichte des Sofrates, Daß ein Indiſcher Brachman, der fich zuden Zeiten des Sohns des Eophronisfus in Athen aufgehalten, den leztern gefragt habe, was denn vorzüglich der Hauptgegenſtand feiner Philofophie und feis ner Unterfuchungen fen, und daß Sokrates auf diefe Frage geantwortet habe: er befchäftige fich nur mit ſolchen Be— trachtungen, dieeinen unmittelbaren Einfluß aufs menſch⸗ liche $eben hatten, und die dem Menfihen feine eigene Natur näher befannt machen, oder fie auch beffern und veredeln Eönnten. Auf diefe Erklärung (fuhr Ariftorenus fort) habe der Indier mit einem verachtenden Lachen er wiedert: daß man folche Kenntniffe, dergleichen Sofra» tes allein ſchaͤze, fuche und ausbreite, gar nicht erlangen Fönne, wenn man fich nicht auch über den Menfchen bins aus, bis zur Betrachtung göftlicher und unfichtbarer Dinge erhebe. Wenn man diefe Erzählung des Ariſtorenus die ohne allen Zweifel, eine erſt nach dem Tode des Sokrates erfuns —— — — _#*) XI, Praep. Evang, 3. p. Sit. 220 Drittes Bud). erfunbene Zabel it, recht beherzigt; fo führe fie ganz natürlich auf die Vermuthung, daß Ariftorenus vielfeiche deßmegen gegen den Sokrates fo feindfelig gefinnt war, weil diefer das Ziel der Weltweisheit feinem Urtheile nach zu kurz abftecfte, ihre Grängen zu fehr einfchränfte, und vom Gebiete derfelbigen fehr vieles ausfhloß, was dem Schüler des Ariftoteles erhabene und des Menſchen vorzüglich würdige Kenntniffe zu feyn ſchien. Auch ift es nicht unwahrfcheinlich, daß eine andre Urſache des Un. willens des Xriftorenus wider den Sofrates die Ueberres dung war, als habe der lejtere alle angenehme, bloß er- gözende Künfte, und unter diefen die Tonfunft, von de— ren Bearbeitung Ariftorenus den Beynamen des Mufi- fers erhielt, verachtet, oder doch zu fief Herabgefezt, und nicht ihrer Wortreflichfeit gemäß gemürdige. Daß aber Ariſtoxenus, diefer Urfadyen von Feind» feligfeiten ohngeachtet, ſich nicht zu verläumderifchen Erz dichtungen herab ließ , und aud) nicht, nad) der Weife Eleiner Seelen, begierig dunfle, inder Finſterniß herum: fehleichende Pöbelfagen, deren Nichtigkeit er felbft Fannte, aufgefucht babe, um darauf feine Anflagen zu gründen, fieht man aus einer Nachricht beym Cyrill, die ung ein dem guten Namen des Ariftorenus günftiger Zufall aufbes wahret hat *), Diefem Zeugniffe zufolge, wurde er mit einem gewiffen Spintharus, einem ehemaligen Zuhörer des Sofrates befannt, der aus einem jezt nicht mehr zu erklaͤrenden Haſſe gegen den Sokrates, einigen richtigen Beobachtungen uͤber feinen Lehrer, entehrende Unwahr⸗ heiten — — — — %) Cyrill, adv. Jul. Lib. VI, & Luc. Holſt. in not, ad Por- phyr, cap. VII. P. 57: Gefchichte der Pythagoreiſchen Gefellfejaft. azı heiten untermifchte. Aus den Erzählungen diefes Man- nes fchöpfte Ariftorenus alles das nachtheilige, was er nachher felbft vom Sokrates wieder fagte, und ihm traure er mehr, als dem Plato und Eenophon; nicht ſowohl, weil auch Spintharus ein Augenzeuge und Zuhörer des Arhenienfifchen Philofophen war , fondern weil die Nach⸗ richten dieſes Abtrünnigen mehr mit feinem vom Eofra- tes vorher gefällten Urtheile übereinftimmten. Ariſto— Fenus wird durch diefen Umftand zwar nicht gerecheferriger, aber doch entfchuldiger; und es wird jezo nicht feicht je mand mehr zweifeln, daß der Verunglimpfer des Sofras tes dennod) ein großer Mann, und ein treuer vortreflicher Gefchichtfchreiber des Pythagoras feyn Fonnte, ‘ Nach dem Suidas *) ſchonte Ariftorenus feinen Lehrer nicht mehr als Sofrates, und fuchte fie durch die heftigſten Schmähungen am Ariſtoteles zu rächen, weil diefer nicht ihn, fondern den Theophraft zum Nachfolger ernannt hatte. Wenn dieſe Nachricht wahr wäre, fo würde man allerdings Recht haben, den Xriftorenus un: vergünftig reizbar und auf eine empörende Art undanfbar zu nennen; allein auch um diefes gehäffigen Verfahrens willen, würde man ihm noch nicht allen Glauben in ber Geſchichte von Männern abfprechen Eönnen , die ihn we— der durch Beleidigungen zu ihrem Widerſacher, noch durch große Wohlthaten zum Lobredner und Schmeichler gemacht hatten, und machen konnten. Ariſtoxenus braucht aber nicht auf diefe Art ver⸗ theidigt zu werden; denn feine angeblichen Ausfälle auf den — — — — *) In voce Agıse&svos. 222 Drittes Buch. \ den Xriftoteles find ungegründer, und mwahrfcheinlich aus Misverftändniffen entftanden. Wir wiffen nämlich aus dem Zeugniffe des Ariftofles, der die Vorwürfe aller Verlaͤumder des Ariftoteles am fleifiaften aufgeſucht, und am weitläuftigften widerlegt hat, daß Ariſtoxenus niemals anders, als mit Achtung und Ehrerbierung von feinem $ehrer geredet habe *). Vom Ariftorenus gebe ich fogleich zum Difäarch, feinem Freunde und Mitfehüler, fort, der gleichfalls Le— bensbefchreibungen berühmter Männer, und unter diefen auch die des Pythagoras, und vielleicht einiger der bes rühmteften Ppthagoreer heraus gegeben hatte. Ueber biefen Weltweifen und Gelehrten find die Urtheile der Alten, deren Ausſpruͤche am vielgeltendften find, fo ges theitt, daß man, mern man auf fie allein hinſieht, ſchwerlich entfcheiden kann, ob man feinen Zeugniffen trauen, oder fie verwerfen foll. Cicero ſchaͤzte ihn nicht nur als Weltweifen, und einen der berübmteften Scü- ler des Ariftoteles, und redete nicht nur von ihm, alsvon feinem $ieblingsfchriftfteller und von einigen feiner Werke als von goldnen Büchlein; fondern er verehrte ihn auch als Gefhicht-und Erdbefchreiber vor vielen andern, nannte ihn in diefer Nückficht einen großen bewunderns« wuͤrdi⸗ ®) Tıs day meiodem Tas um Agısofevg TE uBCıR8B Asyouvas ev rw (din TE IINwrovos; ev yag rn ravN no rn amolnme, Dacw eravisacdos Ka avronnodouem AUTO TIVES TELITATOV Eevss OVTaS. OI0YTEI 8V EVI TEUTE Melı ABSoreAgs Asysw avrov, Acısofeve din ravros eußnnsvrog AgısoreAnv. ap, Eufeb, XV, 2, Praep, Evang. Gefehichte der Pythagoreiſchen Gefellfehaft. 223 würdiger Mann *), eignefe ihm Fleiß, Scharffinn, und alle übrige Hiftorifche Gaben im böchften Grade zu, und glaubte, dag man mit ihm entweder gar nicht irren Eönne, oder daß Fehler in ihm Höchft felten und unbedeutend feyn, Eben fo urrheilten außer dem Cicero , Atticus und Dionpfius, der gelehrteſte Unterrichter der jungen Eicerone, Ganz anders aber dachten Polyb und Strabo über ben Dikaͤarch **). Jener fand in den geographifchen Büchern diefes Schriftftellers eine Menge grober Fehler und Jerthuͤmer, und Strabo macht dem Polyb fogar Vorwürfe darüber, daß er fich fo weit vergeffen Habe, auf einen fo oft von ibm felbft getadelten, und fo unzuverläf« figen Mann auch nur einmal fich zu berufen. Zwar fest Strabo hinzu, daß dem Dikaͤarch und Eratofthenes bie fehler, die fie in der Befchreibung des nördlichen Eu— topa gemacht hätten, um defto eher zu verzeihen wären, meil fie diefe Gegenden felbft nicht bereiſet hätten, und in diefem Zufaze alfo fcheinen die Fehler des Difaarh | mehr für Wirkungen einer unüberwindlichen Unwiſſenheit als des Unfleißes gehalten, und nicht ſowohl ihm als fei- nem Zeitalter zugerechnet zu werden; allein eine merk: würdige Stelle beym Cicero, dem größten Verehrer des Dikaͤarch ***) bemweift, daß man ihn nicht bloß unver« meidlicher, fchuldfreyer Irrthuͤmer, fondern auch einer firaflihen Nachläffigkeit oder Uebereilung befchuldigen konnte. — — — ⸗û— — — — —— — — °) Ad Att, Il, 2. VI. 2. e) Strabo II, p. 104. se) Epift, ad, Attic, Vl. 2. 224 Drittes Buch. Fonnte. Er fabelte nämlich dle Griechen, daß fie ihre Städte fo gerne am Meere erbaut hätten, und fagte ohne Einfhränfung, daß alle Städte in Pelopones an der, See gelegen wären. Dieſer Fehler war um defto uns verzeihlicher, da Dikaͤarch nad) dem Zeugniffe des Cicero lange im Peloponnes gelebt hatte. Unterfuht man ferner die Ueberbleibſel feiner $es bensbefchreibung des Pythagoras; foftößt man auf einige Machrichten, die einen jeden geneigt machen müffen, eher dem Urtheile des Polybius als dem des Cicero beyzutre⸗ ten. Dikaͤarch erzählte, daß Pythagoras in Metapons tum in einem Tempel geftorben fey, nachdem er vierzig Tage gefaſtet, und ſich aller Nahrung enthalten hätte *). Auch redete er gleich dem Klearch von den Wanderungen und Wiedergeburten des Pythagoras, als von einer glaublicyen Sache **). Er mar alfo wenigftens leicht. gläubig, vorausgefezt, daß er diefe Nachrichten fo nies derfchrieb, als wenn er felbft von ihrer Wahrheit über zeugt geweſen wäre, und andere davon überzeugen wollte, Hieran muß man aber billig zweifeln, weil er nicht nur ges meinen Aberglauben und Vorurtbeile verachtete , fondern auch Lehren und Meynungen verwarf, die unter ben Grie« chen für Religionsartifel, oder Grundſaͤze der Weltweisheit galten. Er läugnete alle Arten von Weißagungen (nur die von fräumenben und wahnfinnigen Perfonen ausges nommen) und beftritt nach) dem Zeugniffe des Cicero die Unfterblichfeit der Seele, unter allen Alten, mitden auss gefuchteften Gründen. Bon einem ſolchen Manne müßte man nn en nn — — 2*) Diog. VIII, 40. »®) Gellius IV, 13, Gefchichte der Pythagoreiſchen Geſellſchaft. 225 man vermuthen, daß er die vom Gellius und Diogenes aus ihm angeführten Fabeln nicht ſelbſt geglaubt, ſon⸗ dern als gemeine Sagen vorgetragen habe, wenn wir auch nicht aus einem Fragment beym Porphyr *) wüften, daß er wenigftens die eine nur als eine ftreitige Ueberlies ferung , und auch nice fo abentheuerlicy als Diogenes erzählt babe. Die übrigen Bruchſtuͤcke der Gefchichte des Pytha⸗ goras vom Difäarch, die ich in der Folge anzeigen werde, entſprechen vollfommen dem Lobe, was Cicero feinen hi⸗ ftorifchen Werfen gab, und ftimmen genau mit den Er» zählungen des Ariftorenus und anderer. zuverläffiger Schriftſteller überein. Ich rechne daher den Dikaͤarch unter die glaubwürdigen Geſchichtſchreiber der Pythago⸗ reer, und würde ihn ſelbſt dem Ariſtoxenus und Ariftotes les völlig gleich fezen, wenn er nicht durch Irrthuͤmer in einer der Gefchichte verwandten Wiffenfhaft, einen Verdacht von Uebereilung oder Nachlaͤſſigkeit gegen fich erregt hätte, Ich Fomme jezo zu den Gefchichtfchreibern des Py⸗ thagoras, dieic) in Die dritte Klaffe geworfen habe. Un« ter diefen ift Timäus der ältefte, der zu den Zeiten der beyden erften Ptolomaͤer, und des Agathokles in Sieilien lebte, Timfus, Diefer berühmte Schriftfteller hatte in einem feiner Werke, wahrſcheinlich in feinen Gefdichten, mweitläuftig von —t u — — — — — — — 8. 57. 926 Drrittes Buch, von dem Pythagoras und feinen Freunden geredet, und wird ſowohl vom Porphyr, als befonders vom Diogenes in feis nem gangen achten Buche häufig angeführt. Seine Un- glaubwuͤrdigkeit läßt fich eben fo unwiderſprechlich, als Die des Heraflides Pontifus bemeifen, Timäus wird nur von einem großen Renner, näms lich vom Cicero *) gelobt: aber nicht als Gefchichtfchrei« ber, fondern als Schriftfteller, und nicht wegen feiner Glaubwürdigkeit, fondern wegen feiner Schreibart und Gedanfen. Plutarch hingegen **) und Songin fadeln an ihm Froſt oder Müchternheit der Sprache und Gedanfen, eine altenthalben ſichtbare Begierde, etwas neues und auffal« lendes zu fagen, und eine hieraus entftehende Eindifche Schiefheit oder Falſchheit von Einfällen, womit er glaͤn⸗ zen wollte. Selbſt alſo der Ruhm eines fchönen rednes riſchen Schriftfiellers wurde ihm von mehrern gültigen Kichtern freitig gemacht. Als Geſchichtſchreiber aber ward %) Minimus natu horum omnium Timaeus, quantum au« tem judicare poflum, longe eruditifimus, & re- rum copia & fententiarum varietate abundantiffi=. mus, & ipfa compofitione verborum non impolitus, magnam eloquentiam ad feribendum attulit, fed nul- lum ufum forenfem, Orat. Il, 14. Neque ut mults, Timaeus: qui cum in hiftoria diziffet, qua nodte natus Alexander eſſet, eadem Dianae Ephefiae templum deflagraviffe, adjunxit, minime id effe mirandum, quod Diana cum in partu Olympiadis effe voluiffet, abfuiſſet damo, De Nat, Deor. 11. 27, Diefer lezte Gedanke ift es, den Longin, wie id) alaude, mir Recht als froftig tadelr, 20) Vol, Ill, 335, Gefchichte der. Pythagoreiſchen Gefellfchaft. 227 ward er ganz allgemein verurtheilt, und aller cher we⸗ gen getadelt, deren ein Hiftorifer fich nur fchuldig machen kann. Polybius *), Artemidorus beym Strabo **), Diodor ***), Clemens ), endlich Suidas und Hefychius werfen ihm eine fobrednerifche übertriebene Erhebung ein« zelner weniger Menfchen, befonders desTimoleon, noch mehr aber die unverfchämtefte Tadelfucht vor, wodurch er die größten Männer, am meiften den Agathokles verunftals tet habe. Eben diefe Scheiftfteller, wenigſtens Poly⸗ bius, Diodor und Clemens fagen, daß feine Seichtgläus bigfeit und Nachlaͤſſigkeit eben fo groß als feine Dreiftig« keit im Erdichten gewefen ſey. Man belegte ihn mie mehrern Schimpfiamen, die ſich auf feine allgemein be⸗ kannten Untugenden bezogen. Einige nannten ihn den Tadler ++) und andre einen Mährchenfammler +tr). Faſt alle feine Fragmente beweifen, daß die vorher ange« führten Schriftftellee ihm Fein Unrecht gethan haben, Er erzählte, um nur eine einzige Probe zu geben, in allem Ernfte, daß Empedofles feinen Mitbürgern gerathen babe, zur Abwehrung gewiffer fchädlicher, die Saaten verderbender Winde, eine Menge Eſel zu wuͤrgen, und ihre Häute auf Bergen und Anhoͤhen auszufpannen +ttt). P 2 Er — — —— — ——jü — — s Hi, XII. 1-6. c, 15. 16. de Virtut, & Vitiis p- 1398 II. Ed. Gronov, “®) XIV. 690. Ed. Cafaub, **) XIII, 614. in Excerp. 1408, 1415, Ed, Wefl, 4) I, p. 269. Strom. Ed. Sylb, +7) eririmios, emırınaıos: Fir) YexoovArerrem. +47) Diog, VII, 60, 228 Drittes Buch, Er ſcheute ſich nicht Hinzuzufegen, daß diefer Vorſchlag mit dem glüclichften Erfolge wäre ausgeführt worden, und daß Empedofles daher den Namen des Windebändi- gers erhalten habe. Wenn alſo die Nachrichten des Timaͤus von den Pythagoreern die geringfte Unwahrſcheinlichkeit enthalten, oder den Zeugniffen älterer oder zuverläffiger Gefhicht- ſchreiber widerfprechen; fo Fann man fie entweder als era dichter oder als- verfälfche vernachlaͤſſigen. Nie aber Fönnen fie der Maasftab werden, nach welchem man bie Erzählungen anderer fchäzen oder richten dürfte, KHermippus. Bon gleicher Unwürdigkeit mit dem Timäus war Hermipp, der eine umftändliche Geſchichte des Pythhago⸗ rasfchrieb, und unter dem Ptolomaͤus Evergetes lebte *). Wenn man dem Urtheil des Joſephus trauen wollte; fo war Hermipp einer der berühmteften unter den Gefdyicht- fchreibern des Pythagoras, und in allen Arten von Kennts niffen und Geſchichten ſehr bewandert. Man kann aber leicht errathen, warum jener dieſem einen ſo unverdienten Lobſpruch ertheilte. Er ruͤhmte ihn nämlich aus Danf- barkeit, weil er gefagt hatte, daß Pythagoras viele Mey» nungen und Gebräuche von den Juden angenommen habe. Man darf übrigens nur die Stelle lefen, die Joſephus aus dem Hermipp!anführt, um das Urtheil des erſtern durd) das erhaltene Fragment des leztern zu widerlegen, Diefem Bruchſtuͤcke find faft alle übrigen aͤhnllch, die ic) von ihm in andern alten Schriftftellern antreffe. Sie beftes — ”*) Dios. VIII. 10. Jofephus I, 22, contra Apionem, Gefchichte der Pythagoreiſchen Gefellfchaft, 229 beſtehen größtentheils in den ungereimteften Fabeln, von denen er wahrſcheinlich einen Theil felbft geglaubt, und einen andern erfunden det ‚ um die einen durch die an⸗ dern zu ſtuͤzen. Er war gewiß einer der erften Griechifchen Philos fophen, der an Magifche Künfte glaubte, und weitläuftig von ihnen In feinen Schriften handelte*), Er redete ferner zuerft von Werfen des Zoroafter, zeigte fogar ihre Titel an und fihäzre ihren Inhalt auf zwo Millionen Zeilen, ‚entweder nach Gerüchten, die er ohne Prüfung annahm, oder auch nach eigenen Muthmaßungen *). Keinem vor ihm war es einfallen, den Pythagoras zu einem ‘jünger der Juden und der TIhracier, ‘eines barbarifchen Volks zu madyen **). Er allein hatte das Herz eben diefen Weltweifen der gröbften Betrügerey, und des lä- herlichiten Aberglaubens zu befchuldigen +). Pythago⸗ ras, erzählte er, habe bey feiner Ankunft in Italien fic) eine unterirrdifche Wohnung bereitet, und feiner Mutter befohlen, während der Zeit, daß er ſich darinn aufhalten würde, alle merkwuͤrdige Begebenheiten aufzuzeichnen, und ihm mitzufbeilen. Als er nun nad) einem gewiffen Zeitraume aus: diefer ‘Betrügergrube, mager und ent: fleifcht, bervorgefommen, habe er vorgegeben, daß er jezt aus dem Neiche der Schatten wiederum zur Oberwelt empor geftiegen ſey, und zur Begläubigung feiner unterirr⸗ diſchen Reife den Krotoniaten alles vorgelefen, was in P 3 feiner — — — — *) Plin, XXX, 1. *) ib, | sc) Jof, k c +) VII 40. 41. Diog, 230 Drittes Bud, feiner Abweſenheit vorgegangen war. Durch biefen Kunftgrif feyen die Einwohner von Kroton nicht nur von der Wahrheit feines Worgebens überzeugt, fondern aud) bis zu Thraͤnen und Wehflagen über feine Leiden, und zur hoͤchſten Bewunderung feiner Adentheuer gerührt wors den. Hermipp forgteaber in den Fabeln, Die er von - andern annahm, oder aucd) felbft erfand, fo wenig für Gleichfoͤrmigkeit und Uebereinſtimmung, daßer eben dem Pythagoras, den er bisweilen als den Fühnften Betrüger ſchilderte, an andern Orten die Schwachheit oder Narr⸗ heit zufraufe, einer einzigen Griffe fein geben aufzuopfern. Diogenes wiederholt es nämlich aus dem Hermipp *): Daß Pythagoras, in einem Kriege der Syrakuſaner und Agrigentiner, den leztern zu Hülfe gefommen fey, und als diefe gefchlagen worden , fid) auf der Flucht eher habe umbringen laffen, als er ein heiliges Bohnenfeld zertreten undentweiht habe. Dieſe Fabel widerfpricht allen oͤbri⸗ gen Erzählungen vom Tode des Pythagoras eben fo fehr, als mir die folgenden allgemeinen unglaublich fcheinen würden, wenn nicht Syofephus fie angenommen hätte *. Dem Bericht des Hermipp nad), gab Pythagoras vor, daß ihn die abgefchiedene Seele eines feiner Freunde, des Kalliphon von Kroton, Tag und Nacht umſchwebe, und ihm ſtets die wichtigften Lebensregeln wieberhole: fich ja vor Dertern in Acht zunehmen, wo ein Efel gefallen fey, und ſich forgfältig vor truͤben ſchmuzigen Waſſer zu hüten, Solche und aͤhnliche Albernheiten glaubte Joſeph mit dem Hermipp, daß Pythagoras von den Juden und Thra— ciern Eee u — — °) VIII. 40, a", Jod, ),e Gefchichte ber Porhagsreifthen Geſellſchaft. 23r ciern gelernt babe, und man ſieht hieraus, wie fehr es jenem darum zu fhun war, ben Griechen Zeugniffe ihrer eigenen Schriftfteler vorlegen zu Fonnen, in welchen feis nes Bolfs Erwähnung geſchehen. Mach dem, was id) bisher gefagt habe, halte ich es für unnöthig, mit mehr Beyſpielen zu bemweifen, daß Hermipp fähig war, alles zu glauben oder zu erdichten, daß er felbft zu wenig kirtheilsfraft befoß, um zu untere fcheiden, welche Fabeln und Lügen ſich mit einiger Wahr⸗ feheinlichfeit erzählen ließen, und welche nicht; daß er end« fich des Sobes ganz unwerth fey, das Joſeph und Jon— ſius an ihn verfehwender haben *), Mur will ich noch fürzlich außer einigen Stellen, die den angezogenen nichts nachgeben *), dieſes anzeigen, daß er nad; dem Heras klides gewiß eine von den Hauptperfonen ſey, von denen Porphyr und Jamblich fagen, daß fie viele wundervolle Handlungen und Begebenheiten vom Pythagoras aufge» zeichnet hätten, und daß er wahrfcheinlic) der erfte war, ber den Pythagoras als einen in die Geheimniſſe der Ma« gie eingeweihten Wunderthaͤter ſchilderte. Yreantbes, Alexander Polybiffor und Diodor, Nicht lange nach dem Hermipp, namlich unter der Regierung des Attalus, ſchrieb Neanthes von Ky— zikum ein Buch über die Botbagoreer **), welches, wie P 4 ande⸗ *) Siehe den leztern II 9. 3. x) Mau leſe, was er beym Diogenes vom Pherekydes 1. 117. ſ. vom Heraklides V. 91. und ſelbſt noch vom Pr thagoras erzähle VIII. 10. *%+#) VIII. 72, Diog. 232 Drittes Bud. andere Werfe diefes Mannes von vielen Schriftftellern angeführt wird, die Jonſius *) und Menage **), wie wohl nicht vollftändig, aufgezählt haben. Ueber diefen Mann finde ich in den Alten Fein anderslirtheil , alsdas des Plutarch ***), der ihn einer nachläffigen Leichtglaͤu— bigfeie befchuldig. Diefer Ausſpruch eines fonft gar nicht ſtrengen Richters erregt Fein gutes Vorurtheil für den Meanthes, deffen Ueberbleibfel zeigen, daß Plutardy ehe zu gelinde, als zu ftrenge gegen ihn gemefen fey. Er wiederholte nicht nur die Erzählung bes Arifto: renus vom Lyſis und Archippus ohne Prüfung +), ſon⸗ dern fezte auch, wie es ſcheint, aus andern Nachrichten biefes Schriftftellers, und aus eigenen oder Hermippifchen Erdichtungen eine fo unglaubliche Geſchichte zufammen, daß man ihn dreift als einen Verfälfcher, oder als einen. leicht zu berückenden Nacherzaͤhler anflagen Fann tt). Seiner Berficherung nach, brannte Dionyfius vor Begierde, die Freundſchaft der Pythagoreer zu erhalten, oder mit ihnen in genauere Berbindung zu fommen, Weil er nun alle übrige Wege fchon vergebens verſucht hatte; fo entſchloß er ſich endlic) Gewalt zu gebrauchen (ein Mit tel, deffen fich der verfchmizte Dionyfius gewiß in dieſem Falle nicht bedient hatte). Er ſchickte daher einen Haus fen von Kriegsleuten aus, die den Pythagoreern, die jährlich von Tarent nad) Metapontum wallfahrteten, aufe lauren, — — GE — — — 2) 11,4... 4. **) ad Ding. 1, «. “eN) Symp. I, 10. Cap, +) Porph. ſ. 55. N HD Man fehe Jambl, S, 189. fg. Gefchichte der Pythagoreiſchen Gefellfchaft. 233 fauren, fich ihrer bemächtigen, und fie alsdann zu ihm bringen follten. Dieſe Notte des Sicilianifchen Tyran— nen war aud) fo glüclich, den ganzen Zug von Pythago— reern, Denen fie nachftellten, anzutreffen, Sie bradıen, ‚als fie diefe entdeckten, aufeinmal aus ihrem Hinterhalte hervor, und überfielen die Pythagoreer, um fie gefangen zunehmen, Allein diefe fuchten fich durch die Flucht zu retten, und wuͤrden wahrſcheinlich ihren Werfolgern aud) alle enfronnen ſeyn, wenn fie nicht plözlicy auf ein Bob. nenfeld geftoßen wären, Vor diefem heiligen Orte mach⸗ ten fie, um ihn nicht zu verwüften, auf einmal Halte, und vertheidigten ſich mit Steinen und Prügeln , fo gut fie Eonnten, fielen aber endlich bis auf den lezten Mann, weil fie fich durchaus nicht ergeben wollten. Mur allein Myllias von Kroton, und Timycha, deffen hochſchwan— ‚gere Frau, wurden ergriffen, weil fie ſich von der übris gen Gefellfhaft getrennt hatten, und unvermutbet über» fallen wurden. Dies Paar führte man vor den Diony- fing, der die Timycha frug, als wenn er nichts wichtigers hätte fragen koͤnnen, warum ihre Freunde ſich eher hät ten umbringen, als durd) ein Bohnenfeld treiben laſſen? Zugleich verſprach der König ihr und ihrem Manne die Freyheit und andere Belohnungen, menn fie ihm diefe Frage aufrichtig beantworten würde. Weit entfernt aber ihm zu willfahren, fagte die Pythagoreerin, daß fie lieber Bobnen zertreten, als ihm offenbaren wolfe, warum ihre Brüder es nicht gerhan hätten. Dieſe trozige Hartnäcigfeit reiste den Dionys fo fehr, daß er fie ſo— gleich auf die Folter fpannen ließ, in der gewiffen Hofe nung, daßer einem fihmachen, ihre Niederkunft erwarten- den, und von ihrem Manne getrennten Weibe, durch P 5 Mar⸗ 234 Drittes Bud). Marter, leicht ihr Geheimniß entreißen würde, Der Wuͤterich wurde aber, wie Neanth erzählte, ganz in feiner Erwartung betrogen, Die Timycha btieb felbft in den heftig. ften Schmerzen verfchloffen, und biß ſich ſogar, um der Mög- lichkeit, ihnen unterzuliegen, nicht ausgefest zu feyn, die Zunge ab, die fie iyrem Folterer ins Angeficht fpie. Dies Fragment des Neanthes ftreitet offenbar mit den Gefinnungen des Dionyfius, die Ariftorenus aus Deffen eigenem Munde gehöret hatte **); und ich babe daher das erfiere mit Fleiß fo ausführlich abgeſchrieben, um meinen $efern in einem auffallenden Beyſplele zu zei⸗— gen, wie dreift man fihon in den nächften Zeitaltern nach dem Ariftoteles, und feinen älteften Schülern, dengröß- ten Männern widerfprochen, wie fehr man wahre Er: zählungen verdreht, Fabeln noch fabelhafter gemacht, und aus beyden neue Abentheuer zufammengefezt habe, Faft aber waren auch Neanthes und die übrigen Nachfol— ger der erften Gefchichtfchreiber zu Erdichtungen oder Verfaͤlſchungen gezwungen, wenn fie efwas neues fagen, und nicht bloß das bekannte wiederholen wollten. Alles wahre und falfche, was man aus Veberlieferungen , Ge rüchten und Schriften hatte auftreiben Fönnen, war vom Ariſtoteles und feinen würdigen oder unwuͤrdigen Schü- lern erfchöpftz und es blieb daher den ſpaͤtern Schriftftel- leen, vie die Macjrichten ihrer Borganger nicht kritiſch prüfen, und auch nicht bloß nacherzählen wollten, nichts weiter übrig, als ganz unerhoͤrte Dinge zu erdichten, aber folhe, Die von andern fehon erzählt waren, umzu⸗ bilden, Andere Proben der Unwiſſenheit, Nahlöffig- keit, —ñ *, Man ſehe Ariier, ap, Jambl. 234 et ſeq. Geſchichte der Pythagoreiſchen Geſellſchaft. 235 keit und Leichtglaͤubigkeit des Neanthes finden ſich beym Porphyr *) und Diogenes **) wovon id) nur die leztere berühren will: ie auf den Empebofles, gl laubt Geſchicht⸗ ſchreiber, waͤren die geheimen Wiſſenſchaften der Pytha— goreer nur allein den Eingeweiheten bekannt geworden; allein dieſer Dichter habe zuerſt die verborgene Weisheit ſeiner Bruͤder ausgebreitet, und dieſe Entweihung habe die Pythagoreer bewogen, es zu einem unverbruͤchlichen Geſeze zu machen, keinen Dichter wieder in ihre Geſell—⸗ fhaft aufzunehmen, Aus diefem Grunde fey in der Folge Plato abgewiefen, und nicht zu den Geheimniſſen der Pythagoreer zugelaffen worden. Diefe Erzählung ift aus lauter handgreiflichen Ungereimtheiten und groben Irrthuͤmern zufammengeflict, Ungereimt wäre es ger _ wefen, wenn die Pythagoreer ein Gefez gegen die Bes Fanntmacher ihrer Geheimniſſe erft da hätten geben wollen, nachdem diefe ſchon einmal verbreitet worden, und nicht weniger ungereimt, ein folches Geſez nur gegen Dichter ein« zuführen, als wen Profaiften auch nicht unvorfichtig oder freulos hätten feyn Finnen, Falſch aberiftes, was Nean⸗ thes voraus fezt, daß dieDyrbagoreer bisaufden Empedokles noch immer in einem Orden vereinigt gewefen, und Ordens⸗ geheimniffe gehabt hätten: Falfch, daß Empedokles zu dieſem Bunde gehoͤret, und in feinen Gedichten bisher verbor— gene $ehren der Pythagoreer vorgetragen habe: falſch endlich, daß Plato von den Pythagoreern abgemwiefen worden, weil man ihm als einem Dichter nicht genug getraut en TEE — —— 9— de Abſtin. IV, nn *”) VII 55. 236 Drittes Buch, “getraut habe. Saft ift es unbegrafih, mie man zu einer Zeit, wo es fo leicht war, fich aus glaubwürdigen und unverftümmelten Urkunden zu unterrichten, ſolche Fehler begehen, und wie Schrififteller, die fo fehlten, und fo unwiſſend waren, als Neanthes, dennod) vom Dioge- nes, Porphyr und Jamblich eben fo gut, als die älteften und treueften Geſchichtſchreiber gebraucht werden Eonnten, Wichtiger, als diefer Neanthes, ift ‚in der Ge- fchichte der Pytbagoreer Alerander Cornelius, der wegen feiner Gelehrſamkeit der Vielriffer genannt wurde, und zu ben Zeiten des Sulla lebte *). Er handelte **) in feinem Werke von ven Folgen Griechifcher Weltweifen, auch von ber Pythagoreiſchen Philofophie, und hattenod) überdem, wie es ſcheint, In einer befondern Schrift die Pythagoreiſchen Eymbola unterſucht ***), Diefer Ulerander war des prächtigen Beynamens, den er erhielt, und der feinen ihn bemundernden Zeitgenoffen Feine Ehre macht, ferner der großen $obfprüche ungeachtet, womi: die Kirchenväter ihn belegten, meil er von den Juden, und ihrer heiligen Geſchichte geredet hatte, ein fehr ſchwa— cher und leichtgläubiger Mann, dem es mehr darum zu thun war, den Griechen von unbefannten Jändern und Völkern etwas neues vorzuerzählen, als die Schriften und Werke su prüfen, aus denen er feine Nachrichten ent; lehnte. Er hielt den Manetho und Berofus für glaub- wuͤrdige Hiftorifer, und fchrieb ihnen alle ihre Llugereimt: heiten und Erdichtungen nad), ohne ben geringften Zwei fef Dagegen zu äußern, Ich nn nn — — — —— — — — — 2) Siehe Voll, de Hiſt. Grasc, p. 144. Jonf, IL, xl, 1, *e\ VII. 36. Ding. ») Clem. l. ꝑ. 394. Gefchichte der Pythagoreiſchen Gefellfchaft, 237 Ich würde alfo den Alerander, auch in der Py— thagoreifchen Geſchichte, unter die verbächtigen Schrift: ſteller herabſezen, wenn ich nicht aus dem Diogenes mwüfte, daß er die Meynungen der Pythagoreer nach Di: thagoreifchen Schriften, die ihm in die Hände gefallen waren, bdargeftellt habe*). Freylich häffen diefe Schrif: ten: leicht unächt und unfergefchoben feyn, und vom Alsrander doch nicht als folche erkannt werden koͤnnen; allein diefen Verdacht verliert man, wenn man die Frag⸗ mente biefes Mannes beym Diogenes mit den Zeugniffen des Ariftoteles und anderer zufammen hält, Denn bey einer ſolchen Vergleichung ergibt es fih, daß Alerander ächte Bücher von wirklichen Pythagoreern vor ſich harte. Wann aber und von wen diefe Werfe gefchrieben worden, läßt fich niche beflimmen; am wahrfcheinlichften ift es, daß fie von einem der lezten Pythagoreer herrührten, die zu den Zeiten des Xriftoteles und Ariftorenus lebten, | Diefem Alerander war Diodor fehr ähnlich, in deffen Bibliothek und Ercerpten ſich, außer einigen fehr merfwürdigen chronologifchen Datis, vorfrefliche Nach- richten über die Einrichtung und Gefeze der Pythagorei— ſchen Geſellſchaft finden. Diodor war zwar leichtgläubig, aber freu und aufrichtig im Erzählen; man Fann ihm alfo ficher glauben, wenn man weiß, daß erzuverläffigen Gemwährsmännern und Urfunden folgte. Seine Erzählung vom Pythagoras und den Pythagoreern fchöpfte er ge- wiß aus dem Ariftorenus und Dikaͤarch; denn faft alles, was davon gerettet ift, ſtimmt mit ſolchen Nachr; chren überein, von denen wir gewiß wiffen, daß fie von diefen benden — — — — — — — — — — ) VIII, 24-36. 238 Drittes Buch. beyden Männern find, Dagegen trift man im Diodor nichts dem ähnliches an, mas Deraflides, Hermipp und Ti mäus vom Pythagoras und den Pythagoreern gefabelt hatten. Ich rechne es aberdem Diodor gar nicht zum Ber. bienfte an, daß er in diefem Falle fih an die beffern Schriftſteller gehalten, und die fehlechren verachtet habe, und eben fo wenig glaube ih, daß er nach reifer vorhers gegangener Prüfung, die einen gewählt und die andern verworfen habe, So günftig fann man von einem Manne nicht urtbeilen, der alles annahm, mas prahlerifche Ae— gyptier und luͤgenhafte Aethiopiſche Ebentheurer ihm vor— erzählten, oder mas Kteſias von Babylon und deſſen MWundernerdichter hatte. Wenn er andierechten Quellen Fam, fo war es nicht fein Scharffinn, fondern mehr glücklicher Zufall, ber ihn binfeitete, Unter den Gefchichtfchreibern des Pythagoras, die ich in die fünfte und lezte Klaffe geftelle habe, iſt der merkwuͤrdigſte unftreitig Apollonius von Tyana. Der nicht nur das $eben des Pythagoras fehrieb,, aus welchem Porphyr einiges *), und Jamblich zwey große Bruchftüce erhalten hat **), fondern aud) den Pythagoras, fo wie er ihn fich vorftellte, in feinem gan« zen Leben auszubrücen und zu erreichen fuchte, Wenn man die Fragmente des Apollonius mit dens jenigen Stellen in feinem $eben, wo von der von ihm na che m 71.2.1 #*) 5, 1.30. 2542064. Gefchichte der Pythagoreiſchen Geſellſchaft. 239 nachgeahmten Pythagoreiſchen Philofopdie die Rede ik, und dann mit den Nachrichten anderer gfeichzeitiger oder aud) etwas früherer und fpäterer Schriftftellee zufammen hält, fo kann man fehen, wiedas aligemeine Urtheil ter Griechen und Roͤmer über den Pythagoras im erſten Jahrhunderte befchaffen war, aus und nadı weichen Schriftſtellern dies Lireheil beftimmt wurde, und ob Apol« lonius und Philoftratus, oder Jamblich und Porphyr ſelbſt erdichtet haben. Sehr leicht kann man, des Zeugniſſes des Suidas ungeachtet, auf den Argwohn kommen, daß nicht Apol⸗ lonius von Tyana, ſondern ein andrer Schriftſteller glei— ches Namens, vielleicht der Weltweiſe, oder Rhetor, die beyde am Ende des zweyten Jahrhunderts lebten, der Verfaſſer der vom Jamblich erhaltenen Fragmente ſey. Verdaͤchtig iſt es, daß Jamblich nicht, wie ans dere Schriftſteller meiſtens thaten, zum Namen des Apollonius den Namen ſeiner Vaterſtadt hinzugefuͤgt hat: verdaͤchtig, daß Philoſtratus nirgends dieſer Lebensbeſchrei⸗ bung erwaͤhnt, verdaͤchtig endlich, daß der Apollonius beym Jamblich an der Stelle, wo er von den Reiſen des Pythagoras redet, nichts von deſſen Aufenthalte unter den Indiern faget *), da wir doch aus dem Mbilofiratus, ober vielmehr aus dem Damis wiffen, daß Apollonius die Pythagoreiſche Philofopdie für Indiſchen Urfprungs hielt**). Allein alle diefe drey Bedenklichkeiten laffen fich feiche wegräumen. Auffallend würde es feyn, daß Jamblich das Vaterland des Apollonius ungenannt gelaffen, wenn niche — — m 8. 9. **) VIII. 5. 7. 12, 240 Drittes Bud. niche andere Schriftſteller es auch gethan, und zwar deßwegen gethan haͤtten, weil Apollonius von Tyana alle übrigen Männer gleiches Namens fo ſehr verdunkelte, daß man, wenn man vom Apollonius ohne weitere Be— ſtimmung redere, man nicht leicht an einen andern, als an den von Thana denfen fonnte und dachte *). Nicht ſchwer zu erflären iftes, warum Philoftratus des Sebens des Porhagoras vom Apollonius nicht erwäh- net habe, Philoftratus liefert nirgends ein vollftändiges Verzeichniß der Bücher feines Helden; fondern führenur diejenigen Schriften des Apollonius beyfäufig an, melche ihm, durch gewiſſe Begebenheiten und Lebensumſtaͤnde diefes Mannes, ins Gedachtniß gebracht wurden, Das gänzlidye Stillſchweigen über den Aufenthalt unter den Indiern würde eine unaufläßlihe Schwierig. feit fenn, wenn es im Philoftrates hieße, daß Pytha— goras, der Meynung des Apollonius zufolge, don den Brachmanen felbft unterrichtet worden wäre. Allein Apollonius ſagt nur, daß die Pythagoreiſche Mdilofophie aus — — — — — *) unter andern Apulejus Apol. Il.pag.375 Ed. Calvii. Si quamlibet modieum emolumentum probaveritis; ego ille im Carinondas, vel Damigeron, vel Hifmofes, vel Joannes, vel Apollonius, vel ipfe Dardanus, vel quicunque alius poft Zoroaftrem & Hoftanem inter Magos celebratus et. ich glaube, daß auch Strabo den Apollonius von Tyana in folgender Stelle im Sinne hatte. Er d’ Egudeav ZußvAAx erw evdes, zo Mavrıan YuvAris. Kar’ Arefaydeov de &AAN nv Toy Kurov FEOMov navrınn, vorguern A9yvaıs, EX TNS UTNS WoAEoS , ns HAI Nuas hoanAeıdns neoQsAos wrgos, CvoXoAasns AFOAAmyıR TE wuos. (Lib.XIV. pag.954, Edit, Almelov.) Geſchichte der Pythagoreifchen Gefellfchaft. 241 aus Indien abgeleitet fey; und dies ſagt er in der Ue⸗ berzeugung, daß die Öyninofophiften in Aethiopien, und die Aegnptifchen Priefter, unter denen Pythagoras lange gewohnt habe, urfprünglich von den Indiſchen Weiſen abfiammten *), Mehr aber, als durch alle Beantwor⸗ tungen ber vorhergehenden Einmwürfe, werde ich in der Meynung, daß die angezeigten Stellen beym Porphyr und Jamblich dem Apollonius von Tyana zugehören, dadurch beftärft, daß in diefen Fragmenten Ppehagoras genau fobefchrieben wird, als Philoftratus ung berichtee,, daß Apollonius ſich ihn vorgeftelle und nachgeahmt habe, Diefe Uebereinftimmung der Fragmente mit der Erzäh« lung des Philoftratus beweift zweyerley. Erſtlich, daß die Fragmente beym Porphyr und Jamblich würflich vom Apollonius von Tyana find, unddann, daß Philoftratus, wie er auch felbft gefieht, an den Orten, die ich gleich bemerken werde, der Handfhrift des Damis freulich ges folgt fen. ni In den Fragmenten beym Jamblich und Porphyr befchreibt Apollonius den Pythagoras als einen außeror- bentlihen Mann, der zwar nicht vom Apoll erzeuge wor: den, deffen Seele aber doch aus einer hoͤhern göftlichern Claſſe unfichtbarer Wefen als die Seelen gewoͤhnlicher Menfchen gemefen ſey. Er erzählte, daß Pythagoras in feiner Kindheit und Tugend, wegen feiner feltenen Schoͤnheit, die Bewunderung aller benachbarten Gegen- den auffich gezogen, und daß er befonders megen feines reichen und ſchoͤnen Haarwuchſes xourrns benannt mwor- den — — ⸗ * ”) VI.ec.U.ꝑ. 245. 246. * Apollon. 242 Drittes Buch). den fey. In feinem achtzehenten Jahre (fährt er fort) babe er, wegen der fchon ſich gründenden Tyranney des Polykrates, Samos veriaffen, um die weifen Männer feiner Zeit Fennen zu lernen, und habe, befonders durch Das Benfpiel und das Zureden des Thales gereizt, fich die ſtrengſte Enthaltfamfeit von Fleiſch und Wein aufge⸗ lege. Durch eben diefen Weifen ermuntert ſey er über Phönicien nach Aegypten gereift, und nad) einem Aufs enthalte von zwey und zwanzig „Jahren, vom Kambyſes nach Perfien geführt worden. Allenthalben habe er die Religion und Gebräuche von Völkern und Städten uns terſucht, fich in alle Mofterien einmweihen laffen, und fey endlich mit aller Weisheit der Phönicier, Aegypter, Chaldaͤer in einem fechs und funfzigjährigen. Alter nad) Samos zurüdgefommen. Weil man aber in feiner Vaterſtadt zu wenig Begierde nach feinen großen Kennt⸗ niffen bezeige, und ihn überdem mit öffentlichen Ges fchäften zu oft beunruhigt habe, fo fey er endlich bewo⸗ gen worden, nad) Italien zu fchiffen, wo er eine große Anzahl von Schülern und Berunderern erhalten, die ihn bey feinem $eben nur den göttlichen genannt, und nach feinem Tode durd) das Wörtchen jener bezeichnet hätten *). Alle diefe Züge, mit denen Apollonius den Pythagoras mahlte, finden ſich in der Sebensbefchreibung des erftern, befonders in den Stellen wieder, mo entwe⸗ der Philoſtratus ſagt, in welchen Stuͤcken Apollonius dem Pythagoras nachgeahme habe, oder wo er auch den Apollonius felbft aus deffen eigenen Briefen, und der TEN DB H Jamblich, et Borphyr. I. c. Geſchichte der Pythagoreiſchen Geſellſchaft. 243 der Handſchrift des Damis ſich über die Natur, die Ab» fiht und Vortheile der Pythagoreiſchen Philoſophie und $ebensart, der er fich ergeben habe, erflären läßt *). Aus diefen wichtigen Abfäzen der Biographie des Philoftratus kann man gleihfam die verlohrnen Theile der Sebensbefchreibung des Pythagoras vom Apollonius wiederherftellen, und fihließen, mas Apollonius in ben Abſchnitten, die wir nicht mehr haben, vom Pythagoras, dem Vater und Urheber feiner Weisheit, mie er ihn meh tere male nenne, erzähle und geurtheilt habe, Um feinem großen Mufter defto eher ahnlich zu werden, fing Apollonius als ein junger Menſch an, auf einmal feine ganze $ebensart zu ändern. Er näbrte fein Haar, wie er glaubte, daß Pythagoras gethan habe; Fleidere fich nur in Cattun, $einwand, vermied forgfältig alte Bedecfung des Leibes, die von Thieren genommen, ober aus ihrem Naube bereite war, und unterfagte ſich nicht nurden Genuß alles Fleifhes und Weins, fondern aud) fo gar der Siebe: eine Enthaltfamfeit, die Pytha— goras nicht empfohlen und geübt hatte, wodurch aber Apollonius fein Vorbild noch zu übertreffen fuchte, und nad) dem Urtheil des Philoftratus auch wirklich über- traf *). Er zog fid) aus dem Geräufche von Tarfıis in das ftillere Mega zurück, und wohnte im Tempel des Aesculap, der ihn für feinen Mithelfer erflärete, und oft Kranfe an ihn verwies, welche Schmeicheley ihm in der Folge auch noch) andere Götter machten. Auf der Reife, Q2 die nn — — — — — —s — m — — — — ®) I. 1 et 32, c, VI, 11, VIII. e. 7. ſ. 4. 12, Ep. 50 et 52, Apoll, «#t) Philoftr, 1. 13, 244 Drittes Buch. die er gleich nachher, während feines fünfjahrigen Stille fehmeigens, durch Die Städte von Vorderaſien unters nahm, kehrte er allenchalben als Gaſtfreund in die heiligen Wohnungen der Götter ein, ließ ſich in ihre Mpiterien einweihen, und unterfuchte oder befjerte ihren Dienft, fie mochten Griechen oder Barbaren ſeyn. Die Gabe aus Träumen, Geftirnen und andern Erfcheinuns gen und Gegenftänden zu weißagen, das Ölüd des Um— gangs der Götter gewürdigt zu werden, das Vermoͤgen, die Erfeheinungen der Götter von denen der Helden und bioßen Phantomen unterfcheiden zu Fonnen, endlich vie Wiſſenſchaft, den Göttern auf die ihnen gefälligfte Arc zu dienen, hielt er für eigenthuͤmliche Vorzüge der Py> thagoreiſchen Philofophie, und für hinlaͤngliche Beloh— nungen fuͤr den Zwang, den fie den menſchlichen Begier— den und $eidenfchaften auflege. Kin nothwendiger Theil der wahren Pythagoreiſchen Verehrung der Götter ſchien ihm die gänzliche Enthaltung von blutigen Opfern, und der herrlichfte Segen derfelbigen diefer zu ſeyn: durch übernatürliche Unterftügung gforreiche Thaten oder Wun⸗ der verrichten zu Fönnen. Apollonius von Tyana und Damis gaben daher vor (und Zeitgenoffen, und nach« folgende Menfchergefchlechter glaubten es) daß er, Apol- lonius, als ein Uebling und Vertrauter der Götter, ab« gefchiedene Seelen hervorrufen, unreine Geifter austrei- ben und bändigen, Todte erwecken, Seuchen und Erd— beben abwenden, in demfelbigen, oder in einigen wenigen auf einander folgenden Augenblicken fich an mehrern Orten zugleich zeigen, Ketten durch ein bloßes Wort brechen, und wenn er wolle, fich unſichtbar machen und verfchwin- den Fönne, endlich, daß er die Sprache aller Völfer, und Gefhichte der Pythagoreiſchen Gefellfchaft, 245 und ſogar ber Thiere verftehe, Aller diefer Goͤttergaben ruͤhmte ſich Apollonius, und man Fann alfo gar nicht zwei⸗ fein, daß er fie nicht auch gleich der Wiffenfchaft zufünfs tiger Dinge , der Vertraulichkeit mit den Göttern, dem Unterfiheidungsvermögen der verfchiedenen göttlichen Naturen, dem Pythagoras zugeeignet habe *). Wenn man das erzählte gelefen hat, fo wird man nicht feicht von einem vernünftigen Manne noch Unterfu- dungen über die Unglaubwürdigfeit des Xpollonius als eines Gefhichtfchreibers des Pythagoras erwarten. Man kann auch nit einmal zweifeln, daß er zu der Zeit, als er das $eben des Pythagoras ſchrieb, ſchon fein bloßer Schwärmer mehr, fondern aud) ein Betrüs ger geweſen ſey. Wenn es gebenfbar wäre, daß Apollo» nius in einem ſolchen Grabe hätte leichtgläubig und ver- ruͤckt ſeyn Fönnen, daß er ſolche Dinge, dergleichen ich ausdem Philoftrafus ausgezogen habe, vom Pythagoras geglaubt, und auch fich felbit zugetraut Härte; fo iſt und bleibt es doch immer unmiderfprechlich,, Daß er wider feine eigene Üeberzeugung redete, wenn er fagte, daß Pytbha« N 3 goras #) Apollonius glaubte, eben wie man vom Pythagoras erzählte, in vielerfen Körpern zu verfchiedenen Zeiten erſchienen zu ſeyn, und hatte es zu einem Grundſaze ſeines Lebens gemacht: allen Menſchen unbekannt zu leben, (VII. 28:) oder wenn dies nicht moͤglich ſeh, wenigfteng allen Menfchen undefannt zu fterben. Die: fen Grundſaz nahm nachher Proklus, wahrfcheinlich auf das Anfehen des Apollonius, als äht Pythagoreiſch an, ungeachtet er aus der Dhilofophie des Epikur abfiammte, und von alien Widerfachern des Epikur, befonders aber vom Plutarch, als eine der menſchli— Sen Gefellfihaft gefährliche Lehre bejiritten worden war. 246 Drittes Buch. goras alle feine wiffenfchaftliche Kenntniffe, fogar feine Zahlenlehre, und den wahren Götterdienft von den Aegh⸗ ptiern erhalten, und daß diefe widerum alles den Indiern zu danfen hätten. Apollonius war felbft in Aegypten und Indien geweſen, und mufte es daher wiffen, daß weder Aegnptier noch Indier fo achten und lebten, als er den Damis überredet hatte. Es finden ſich noch viele andere Proben in ber $ebensbefchreibung bes Philoftratus, aus welchen unläugbar erhellt, daß Apollonius oft ein Betrüger, und Damis ein ſchwacher Betrogener war. Ich verweiſe hier aber nur Fury auf die Stellen, mo Philoſtratus nad) dem Damis erzählt, was Apollonius dem leztern über die Wunder und Grundfäze der Brach⸗ manen, und über die Hervorrufung und Unterredung mit dem Schatten bes Achill vorgedichtet hatte. Unterdeffen läßt fich beweifen, daß Apollonius, Kleinigkeiten ausgenommen, im $eben des Pythagoras nichts vorgetragen babe, was nicht von ältern Schrifte fiellern, befonders dem Heraflides und Hermipp gefagt, und von den Zeitgenoffen des Apollonius geglaubt wor⸗ den, Ungeachtet er ganz aus eigenem Antriebe, und ohne irgend ein lebendes Benfpiel vor ſich zu haben, bie Lebensart erwaͤhlte, die er für Pyrbagoreifch hielt *); fo war er doch niche der einzige angebliche Pythagoreer jener Zeiten, noch vielmeniger ber einzige oder erfte, ber fo vom Pythagoras dachte, und ihm auf eine ſolche Art nachzueifern fuchte, Im — — — —— —— — 3) Zwar hörte er einen Pythagoreer Euxenus in Tarſus; allein er urtheilte feibjt, daB diefer des Namens, den er angenoinmen habe, unwuͤrdig fep. Gefchichte der Pythagoreiſchen Gefellfchaft. 247 Im Zeitalter des Cicero gab es gute und böfe Männer, die dem Apollonius ähnlich waren, und den Pythagoras und die Pythagoreiſche Philofephie für das hielten, wofür Apollonius fie hielt. Vatinius und Fi⸗ gulus waren beyde Pythagoreer, beyde glaubten an Dias gie, Zauberey, Befchmwörungen und Weißagungen *). Der lezte gab ſich felbft für einen Mann aus, der in der Sterndeuterey und andern Künften, die man damals unter der Magie zufammenfaßte, erfahren ſey. Im Zeitalter des Piinius war es herrfchende Meynung, daß Pythagoras die ganze Magie von Barbaren gelerner, und in Griechenland gelehre und ausgeübt habe**), Auch Plutarch führt einen Pythagoreer Theanor ein, der an Traumgefichter glaubte, der Erſcheinungen verftorbener 24 und gps *) Et quoniam emnium rerum magvarum a diis immor« talibus principia dueuntur, volo ut mihi refpondeas tu, qui te Pythagoricum foles dicere, et hominis dodtiflimi nomen tuis immanibus et barbaris moribus preetendere; quae te tanta pravitas mentis tenuerit, qui tantus furor, ut cum inaudita, ac nefaria facra fufceperis, cum inferorum animas elicere, cum pue- rorum extis deos manes mactare foleas u, f. w. Cic, in Vatin, c 6, Vom Figulus erzähle Apulejus folgendes: (Apol. 1. p» 338.) Itemque Fabium, cum quingentos denarios perdädiffet, ad Nigidium confultum veniffe: ab eo pueros carmine inftin&tos indicaffe, ubi locorum defofla eflet crumena, cum parte eorum, ceteri ut forent diftributi: unum etiam denarium ex eo numero habere M. Catonem Philofophum, quem fe a pedif fequo in flipe Apollinis accepifle Cato confeffus ef. Figulus erhielt diefen Namen von einem Beweiſe, de: er für die Zuverläffigkeit der Sterndeuterey vorbrachte Man fehe Auguftin, de Civit, Dei, V, 3. ") Lib, XXX, I, 248 Drittes Bud, und lebender Menfchen zu unterfcheiden wuſte, der Geifter Hervorrief, ſich mit ihnen unterredete, und Stimmen börte *). Ale diefe Zeugniffe bemeifen , daß man im Zeitalter des Apollonius allgemein vom Pythagoras eben fo geurtheilt babe, als Apollonius, und alfo noch vor und im Anfange unferer Zeitrechnung die beften und zuverläffigften Geſchicht⸗ fchreiber des Pythagoras in Vergeffenheit gerathen, und von den unmürdigften Erdichtern verdrängt worden waren. Moderatus. Ein ander beruͤhmter Pythagoreer des erſten Jahr⸗ hunderts, und ein Zeitgenoß des Apollonius it Modera- tus von Bades, Plutarch fpeifte mit einem feiner Schüs ler, und man ſezt ihn daher nicht ohne Grund in die Res gierung des Nero **). Er fehrieb ein Werf über die Pythagoreiſche Pbilofopdie, welches Porphyr und.mehrere Scheifefteller in den folgenden Jahrhunderten als vortref- lich loben, wovon aber nur Porphyr allein ***) und Stobäus +) einige Fragmente erhalten haben. Dies Werk hatte Aldobrandin noch in Händen, und zog, wie er fagt, nur eine Furze Stelle daraus an, meil er hoffte, daß es nächftens würde befanne gemacht werden +1). Modes un — — ) Tom, VIII. 304 S. Edit. Reiskii. Sch Habe zwar ehes mals an der Aechtheit diefer Abhandlung gezweifelt; befenne aber jezo, daß ich es ohne hinlaͤnglichen Grund gethan habe. it. 48-33. #) I, Phyf, Eel. 2. $}) Aldob, ad Diog, VIII. 25. ⸗ Geſchichte der Pythagoreiſchen Geſellſchaft. 249 Moderatus *) war in der Meynung, daß Plato, Ariftoteles, Eenofrates und Ariftorenus fich die wichtig. ften Erfindungen der Pythagoreer, als die ihrigen zuge eignet, und diefen Männern nur folhe Gedanfen und Lehren übrig gelaffen hätten, aufmelche nicht leicht jemand ftolg feyn Eönnte, In diefer Meynung, die eine große Unmiffenheit in der ältern Gefchichte, und eine nicht ge: tingere Unbelefenheit, befonders in den Schriften des Ariftoteles, voraus fezte, gab er der Pythagoreiſchen Dhilofophie eine durchaus Platoniſche Geſtalt, und ſuchte ihr durch mühfame Erflärungen das wieder zu gewinnen, was er glaubte, daß Plato und feine Schüler derfelben entwandt haften, Er verwandelte die ganze Arithmetik der Pythagoreer in ein hieroginphifches Zeichenſyſtem, wodurch fie ihre Begriffe über das Wefen, fowohl der unſichtbaren, ſich ftets gleichen und unveränderlichen, als der wandelbaren und veränderlichen Dinge, die fie nicht durch Worte ausdrücken Finnen, angedeutet hätten, Er glaubte daher, daß die Pythagoreer unter ihren Zahlen nicht wirkliche Zahlen verftanden, fondern daß fie dieſel— "ben als Symbole ganz von ihnen verfchiedener Begriffe gebraucht hätten **), So ſehr diefe Behandlung der Q 5 Pytha⸗ %) 8. 53 Porph, *) un duvansvoı, Dyas, 7a TORTE ein zu Tex REDTaS KEYS οÊ Tw Aoyw zapalsven, & TE To duamegwonror Kuray A dugs£osor, Mage yEvOVTo EMI TBS AIABS, zvonus dides- REAAIGS KRLIV , MIUNTRMEVO TES YEWMETLRS Kotı Tas Yaruuarisas. — — Ks 8Tw Tov uey Ts EHOTNTOS AdYoy, Kos Tor THE TAUTOTATOS Hk zus 250 Drittes Bud). Pythagoreiſchen Zahlen aud) wider alle Geſchichte ſtritt; fo fand fie doc) im erften und in den folgenden Jahrhun⸗ derten allgemeinen Beyfall. Pfutardy nahm fie ohne Einfchränfung an *), und wenn er von den Zahlen der Pythagoreer redet; fo muß man unter den leztern faft immer nur den Moderatus, und deffen Schüler Julius Tuſcus verfiehen. Plutarchs Beyſpiele folgten alle neuere Platoniker und Kirchenväter; auch diefe legten die Zah: fen auf diefelbige oder auf eine ähnliche Art wie Modes ratus aus, frugen, wie er, die ganze Platonifche Phi- loſophie in die Potbagoreifche über, und es wurde daher nicht lange nach) dem Zeitalter des Moderatus eine allge- mein berrfchende Ueberredung, daß die erftere ganz aus ber leztern gefchöpft, und mit ihr völlig einerley fey. Nikomachus. Den Fußſtapfen des Moderatus und Heraklides Pontikus folgte Nikomachus, der vor dem Apulejus, wahrſcheinlich gegen die Hälfte des zweyten Jahrhunderts, febte. — ENS ICOTNTOS, Ha TO AITIOV TNS TUMTVOIES Kol TNS TUMTaJEIES ns THIS TWTAQIEE Tav oA, TE HATE TAUTE HU WTAUTWS EXNOITOS, £y mesCHYogeuoV. HL Yag To Ev TOIS HOT@& WMepos ev FOIETOV UTFREYXE > HYOJLEVOV Tas HELETW xcxc⸗ TUU- MVEV, HAT METBCIEV TE TEDTE MITIB. Tov de TNS ETEEOFNFOS K0 OVICOTNTOS, Ru MRVTos TE negise, #04 Ev merwforn, nos &AAore EAAms EXOYTOS, duo udn Aoyov vers dunde FEOCmYogEv- car. 8. T. “ Man fehe befonders feine Abhandlung Teu Ta u Te sv ArADus. Gefchichte der Pythagoreiſchen Geſellſchaft. 251 lebte *). Er mar ſowohl Lebensbeſchreiber des Pyrha- goras, als ein Geſchichtſchreiber ſeiner und ſeiner aͤltern Schuͤler Philoſophie. Von ihm ſind außer ſeinem Grundriſſe der Tonkunſt und ſeiner Auslegung der Zah— lenlehre noch viele und wichtige Fragmente beym Stobaͤus und Photius (von welchem leztern ich unten reden werde) vorzuͤglich aber beym Porphyr und Jamblich, bald mit, bald ohne feinen Namen übrig **). Wenn man dem Urrheile des Jamblich frauen dürfte, fo würde Nikomachus zu den größten Männern des Alterthums gehören *). Er nennt ihn einen außer. ordentlichen Mann, der in ben matbematifchen Wiſſen⸗ fchaften wenig feines gleichen gehabt habe Er rühmt feinen Tieffinn und erfinderifhen Geift, die Ordnung und den Zuſammenhang feiner Gedanken, das beftimmte, gedrungene und abgerundete feiner Schreibart. Gicht man hingegen die Zragmente des Nikomachus felbft an; fo muß man darüber erflaunen, was die neuen Platoni⸗ Eer alles ohne den geringften Argwohn zu glauben im Stande waren, und wie leichte Uebereinſtimmung in Meynungen, einen Ihoren in den Augen des andern zu einem großen Manne erheben Eönne, Nikomachus er: zählte }), daß Pythagoras gleid) nad) feiner Anfunft in Italien durd) eine einzige Nede einen Haufen von zwen. taufend Menfchen, Männer, Weiber und Kinder, fich \ ir) nn N Jonf, 111, XII. 2, *®) Porph. 20 - 32. Diefen entfprechen Jambl, 30.37 ferner Jambl, 25. 53. biejen entiprechen Porph, $7. 59. endlich Jambl, in Nicom. Acithm, p, 5. *) le. p. 3.4. t) Porph, $. 20.32. in Vit. "- 252 Drittes Bud), fo eigen gemacht und fo bezaubert habe, daß fie fo gleich alle Gedanken in ihre Heimat; und Behaufungen zurüd: zukehren, aufgegeben, und eine gemeinſchaftliche Woh⸗ nung errichtet haͤtten, um in einer voͤlligen Gemeinſchaft aller Guͤter, des himmliſchen Unterrichts des Pythagoras angeſtoͤrt genießen zu koͤnnen. Dieſe ſeine Juͤnger, fuhr Nikomachus fort, hielten ihn fuͤr einen Gott, und ſchwo⸗ ven ben feinem Namen eben fo wohl, als bey der heili⸗ gen geheimnißvollen Tetrektrss. Unter feine Schuͤler yerhnet er den Zaleufusund Charondas, den Epimenides, Abaris, Empedokles und Tamolxis, und glaubte zus aleich an alle Wunder, die man bis auf feine Zeit dem Pythagoras angebichtet hatte. Auch in der Geſchichte bes Unterganges des Pythagoreifchen Bundes, und der Schickſale und Lebensart der wenigen übrig gebliebenen Mitglieder, fo wie Nikomachus fie vortrug, findet fich viel fabelhaftes, unter welchen unglaublichen Nachrichten aber Feines foneu, und den Zeugniffen aller übrigen Schrift: fielfer fo entgegengefezt ift, als diefe: daß die Pytha⸗ goreer nach dem Tode der größten Männer ihres Bundes ſich aus aller menfchlichen Gefellfchaft in Einoͤden zurück“ gezogen, und fid) auch ganz in fich felbft verfchloffen haͤt⸗ ten, Dieſe Eurzen Auszuͤge lehren, daß Nikomachus eben fo feichtgtäubig als unwiffend in ber Gefchichte und Chronologie war, und zeigen, wie wenig man von einem ſoichen Manne richtige Auslegung der alten Pyrhagorei- ſchen Philoſophie und Zaplenlehre erwarten koͤnne. Yuf den Nikomachus folge unter den Män- neyn, deren Nachrichten über den Pythagoras und deffen Hhiloſophie vorzügliche Aufmerffamkeit verdienen, Dioge: Gefhichte der Pythagoreiſchen Gefellfehaft. 253 Diogenes, den man vom Diogenes von Saerte forgfältig un terfcheiden muß. Wann und wo diefer Diogenes gelebt babe, und wer er gewefen ſey, läßt fich nicht genau be- ftimmen; daß er aber fpäter als alle bisher von mir be⸗ urteilte Schriftfteller gebohren wurde, und in die erfte Hälfte des dritten Jahrhunderts falle, ſieht man aus fei nen Fragmenten, in denen Nachrichten aus dem Ariſto- renus, Heraklides, Timaͤus, Neanthes, Moberatus und Nikomachus vorkommen. Er fchrieb ein Werk von den Wundern jenfeits Thule, das nur allein Porphyr*) namentlich angeführt hat **); ein Beweis, daß er nie fehr Pr N *) 5 10. 32: ®*) Nachdem ich diefes geihrieben Hatte, fiel mir wiederum der Abfchnitt in der Bibliothek des Photius in die Hände, mworinn aus dem Werfe des Diogenes ein Auszug mite getheilt, und ein Urtheil darüber gefällt wird. Dies fen Abſchnitt hatte ich zwar fchon früher gelefen, aber nicht augemerkt, weil ic) auf den Mann ſelbſt noch nicht aufmerkfam geworden war. Nach dem Auszuge nun beym Photius waren die Aoycı TÜV umeg OsAyy amızav ein Roman, in ‚welchem Diogenes einen gereiffen Dis nias gerade im diejenigen Länder, die den Griechen am wenigften bekannt waren, reifen, allerley Abentheuer erleben, und nachher erzählen hieß *). Diefen Erzahluns gen floche er auch, wie Photius fagt, die Geſchichte des Pyrhagoras ein, die gewiß nicht am wenige ften Unglaubliches enthielt. Photius vermuthete, daß er nicht lange nach) dem Zeitalter Alexanders gelebt habe; allein er bringe gar Feine Beweiſe, als eine neue Der: muthung bey, daß nämlich Lucian, Achilles Tatius, Hellodor und andere Maͤhrchendichter, ſich nach dem Muſter des Diogenes gebildet zu haben ſchienen. Wenn ) Cod. 156. 2P- Phor, 254 Drittes Buch. fehr befannt geworden, oder großen DBenfall erhalten habe. Außer dem Porphyr bat aber noch Jamblich, ohne ihn zu nennen, fehr vieles aus ihm entlehne, wie ic) unter dem Abſchnitt vom Jamblich meitläuftiger dara thun werde, Porphyr fage zwar von ihm, daß er fehr genau und umftändlid vom Pythagoras gehandelt habe; allein eben dies Urtheil zeigt, daß Porphyr über die Glaubwuͤr⸗ digkeit von Schriftftellern gar nicht zu urtheilen im Stande mar. Dach den Ueberbleifeln der Schrift diefes Man⸗ nes zu fchließen, mar er zwar fein Erdichter oder Ver⸗ faͤlſcher, aber ein birnlofer Sammler, der aus allerley Merken ohne Auswahl wahre und falfhe, ja fich felbft widerſprechende Erzählungen zufammenraffte, ohne fie zu prüfen, oder ihren Widerfprud) zu bemerfen, der alles, aud) das Unglaublichfte, glaubte, mas man vom Pytha. goras gefabelt hatte, und der fid) endlich gar nicht um die Zeit, wann der Samiſche Weltweife und andere bes ruͤhmte Männer lebten, befümmert hatte, Diogenes redete von der wundervollen Errettung und Erziehung des jungen Pythagoras anders, als irgend ein glaubwürdiger alter Geſchichtſchreiber gethan hatte*); er war überzeugt, daß Zafeufus und Charondas, nice weniger Eamolris und Abaris Schüler des Pythagoras gewefen feyn, oder doch von ihm unterrichtet worden. Er han⸗ — 7 — Wenn Diogenes ſo fruͤh gelebt haͤtte, und von ſo vie⸗ len nachgeahmt worden waͤre, als Photius glaubte; fo wuͤrde er gewiß öfter angeführt worden feyn, Ich finde daher Feine Urſache, mein Urtheil über das Zeite alter des Diogenes abzuändern. ®) Porphyr S, ı0, Geſchichte der Pythagoreiſchen Gefelifchaft. 255 bandelte von den Reifen des Pythagoras unter den Ara- bern, Juden, Chaldaern und Perfern, und von den großen Weisheitsfchäzen, die jener aus dem Umgange mit den Prieftern und Philoſophen diefer Voͤlker nad) Griechenland zurück gebracht habe: er bewunderte den Pythagoras als einen Mann, der mit den Göttern eben fo vertraut, als mit Menſchen umgegangen fey, der durch ihre Huͤlfe große, die gewöhnlichen Kräfte der Menfchen überfteigende Thaten verrichtet, und fein Leben in der Betrachtung überirrdifcher, unvergänglicher und - unmandelbarer Dinge zugebracht habe, Ich übergehe hier andere Unrichtigfeiten, die fich in feinen Fragmenten beym Porphyr *), und noch mehr beym Jamblich finden, und die alle zu dem Schluffe hin» führen, daß Diogenes in einem Zeitalter lebte, in wel« chem man eine richtige Kenntniß des Alterthums fehon ganz verlohren, und in welchem auch die fabelhaften und unglaubwürdigen Schriftfteller fchon völlig das Ueber⸗ gewicht über die zuverläffigen erhalten hatten, Ein Zeitgenoß des Plotins, und wahrſcheinlich auch des Diogenes, von dem ic) eben geredet habe, mar Numenius, der in der erften Hälfte des dritten Jahr— hunderts die Platonifche Philofophie in Athen lehrere **). Auch er verband, mie die meiften Dlatonifer des erften und zweyten Jahrhunderts Platonifche und Pythagoreiſche Philofophie, und glaubte nicht nur, daß die Gedanfen bes Pythagoras und Plato mit einander übereinftimmten, fondern daß aud) mit ihnen wiederum die Religionen der Indier, — — — — — — *) S, 10-15. und 32-46 oder 48. ®*) Porphyr, in vit, Plot, 256 Drittes Bud. Indier, Juden, Phöniciern und Aegyptiern, und die Mennungen ihrer Priefter einerley wären. Er war in dem Wahne, daß Piato befonders den Juden vieles zu danfen Habe, und nannte ihn daher den Attifhen Mo- fes. Er redete mit Bewunderung von den Tharen Mofis in Aegypten, und von der göftlichen Kraft, womit Jan— nes und Jambres, Aegyptiſche Priefter, die Wunder des Afraelitifchen Gefezgebers nachgeahmt oder vernich— tee hätten, Er hielt fie alle für göttliche Wunderchäter und Magier; und man kann alfo leicht denfen, daß er auh den Pythagoras für einen foldyen anerfannt babe *. | Wahrſcheinlich im Zeitalter diefes Mannes ſchrieb Diogenes von Aaerte und Sextus, unter welchen der erftere fein ganzes achtes Buch dem Pythagoras und deffen Schülern gewidmet hat. Diogenes ift in diefem, wie in feinen übrigen Büchern, ein leichtgläubiger, vermorrener, nicht felten ſich felbft widerfprechender Schriftftellee, der aber weder den Vorſaz, nod) die Fähigkeit hatte, zu erdichten. Er behielt faft immer die Worte der Männer bey, die er ausfchrieb, und hierin liegt der Grund, warum feine Sprache ſich ſelbſt fo ungleich), oder von fich felbft fo fehr verfchieden if. Diogenes verdient alfo, mie alle ihm aͤhnliche nicht argliftige Compilatoren diefer Art, Glauben, menn es gewiß Br - — — mm — *) Siehe Eufeb, Praep, Evang. IX. 7.8. in den folgenden Büchern des Eufebins finden fih noch viele Fragmente diefes Mannes. Geſchichte der Pythagoreiſchen Gefellfchaft. 257 gewiß ift, daß er zufälliger Weife fichere Urfunden und Gefchichtfehreiber vor fid) hatte, In der Erzählung der $ebensumftände des Pythagoras nenne er feine Gewaͤhrs⸗ männer viel feltner, als er fonft zu thun pflege, und man fann daher alle namenlofe Stellen nie mit Zuverfiche zum Grunde legen, weil wir aus andern, wo er feine Quellen angibt, wiffen, daß er dem Heraflides, Hera mipp, Timäus und Meanthes eben fo wohl, als dem Ariftorenus oder Ariftoteles folgte. In der Gefchichte der Einrichtung der Pythagorei⸗ ſchen Geſellſchaft, ſcheint er vorzuͤglich den Ariſtoxenus gebraucht zu haben, mie aus der Folge erhellen wird, Den Furzen Grundriß der Pythagoreiſchen Phitofophie endlich nahm er aus den Schriften des Ariftoteles und des Aleranders, und bier verdient er daher am allermela fien Glauben, Wahrſcheinlich fhöpfte Sertus, in deffen zehn⸗ tem Buche fid) ein wichtiges Fragment über die Pythago⸗ reifche Zahleniehre findet, aus denfelbigen, oder ähnlie chen Quellen. Sextus und Diogenes ftimmen eben fo fehr in den Hauptlehren, die fie für Pythagoreiſch aus⸗ geben, mit einander überein, als fie vom Moderatug, Tikomahus, und allenneuern Platonifern abweichen, Machdem ich izt alle merkwürdige Geſchichtſchrei⸗ ber des Pythagoras, feiner Schüler, und beyder ihre Phie loſophie beurtheilt Habe; fo komme ich endlich zur lezten und einer der fchmerften Unterfuchungen dieſes Abfchnittsz zur Prüfung der Biographie des Pythagoras vom Pors phyr und Jamblich, in welchen das wirhtigfte von dem, was man während ganzer fieben hundert Jahre über bie Pythagoreer gefchrieben u und zugleich die größten Bruch⸗ 258 Drittes Bud). Bruchſtuͤcke aus den meiften vorhergehenden Geſchicht⸗ fhreibern, aber freylich faft immer ohne Merfmal und Inſchrift enthalten find. Es koͤmmt alſo darauf an, die dem Werth nad) fehr ungleichen und durch einander gervorfenen Güter fo vieler Eigenthuͤmer abzufondern, das Alter und Anſehen derfelben zu beftimmen, und wenn es möglich iſt, ein jedes feinem wahren Befizer wieder zuzueignen. $äße fich eine folche Theilung ganz, oder doch größtentheils zu Stande bringen und ausmachen, aus welchen Schriftftelleen eine jede Nachricht oder Ab⸗ faz des Porphyr und Jamblich genommen ift; fo kann man auch mit Hülfe der bisher gefällten Urtheile beftim- men, wann man diefen beyden Männern trauen oder nicht frauen, und was man überhaupf in der Gefchichte der Pythagoreer glauben oder nicht glauben müffe, Bevor ich aber meine kritiſche Scheidefunft an dem Porphyr und Jamblich verſuche, muß ic) nothwen⸗ dig den Grund oder Ungrund ber Zweifel prüfen, welche viele berühmte Gelehrte gegen die Ehrlichkeit und Auf richtigkeit diefer Schriftfteler im Erzählen geäußert haben. Der Biſchof Loyd, Küfter, Mosheim, Bruder und ein ganzes Heer von blinden Nachfagern waren in der Meynung, daß Porphyr und Jamblich die meiften Wunder, die fie vom Pythagoras erzähle haben, in der Abſicht erfunden hätten, um dadurch die Wunder unfers Sellandes und feiner Jünger verdächtigzumadjen, Man eignete allen neuern Platonifern den unverföhnlichften Haß gegen das Chriſtenthum zu, und glaubte wider alle rich- tige Zeitrechnung, daß felbft Philoftratus, der früher fhrieb, als Ammonius Saccas zu lehren anfing, und Piotin gebohren wurde, doc) ein Waffensräger diefer Mans Gefchichte der Pythagoreiſchen Gefellfehaft. 259 Männer gewefenfey, und feinen Helden, den Apollonius, als einen großen Wunderthäter gefchildere Habe, um ihn dem göttlichen Stifter unferer Religion an die Seite zu ſezen *). Dieſe faft allgemeine Meynung von der Er« dichtung von Wundern, durch den Pbhiloftratus, Pot⸗ phyr und Jamblich, und zwar in der vorausgefezten Ab- ſicht, läuft fo fehr wider die ganze Geſchichte des Pytha⸗ goras, Apollonius und der neuern Platonifer, und verrärh eine folche Unbelefenheit, oder doch Unaufmerkfamkeit im $efen und Beobachten, daß id) es kaum begreifen Fann, mie nur mittelmäßige Gelehrte auf fie verfallen, fie ans nehmen, und fo lange gelten laffen konnten. Sch will nicht einmal darauf dringen, daß felbft die Beftreiter des Chriſtenthums, unter den neuern Pla— tonifern, ſtets mit der größten Hochachtung von Mofes und Chriftus geredet, und nie daran gedacht haben, die Wirklichkeit ihrer Wunder zu läugnen, ober zu be= zweifeln, daß man ferner weder den Porphyr noch den Jamblich jemals, auch nur einer einzigen Erdichtung übermwiefen hat, und daß man endlic) in ihren Schriften nicht die geringfte Spur von Vergleichung und Veraͤhn⸗ lichung der Wunder des Pythagoras und unfers Heilane des entdeckt; aber das, denfe ich, hätte man doch nicht überfehen Fönnen und follen, daß die älteften Geſchicht⸗ fdrreiber des Pythagoras diefelbigen Wunder erzählten, die fich im Porphyr und Jamblich finden, daß eben vie- ſes von beyden ausdrücklich verfichere wird, und baß man Ra ‚im — — — — — — — — — — — — — *) Man ſehe hierüber meine Abhandlung über die Neu⸗Pla— tonifhe Philofophie, im dritten Stü des Goͤttiagiſchen Magazins. 260 Drittes Buch. im erften und zweyten Jahrhundert allgemein fo vom Pythagoras urtheilte, als fieihn gefchildere Haben, Die folgende Unterfuchung wird einen jeden überführen, daß eben die Weltweifen, die man argliftiger Erdichtungen halber in Verdacht hatte, nicht nur alle ihre Nachrichten aus vorhergehenden Schriftftellern nahmen, fondern fie auch faft durchgehends mir den Worten derer, Die fie auge fchrieben, erzählten. Beyde waren von einer fo einfäl« eigen, Findifchen und eruglofen Ehrlichkelt, und von dem Vorſaze, ihre $efer durch neue von ihnen felbft erfundene Fabeln zu hintergehen, fo weit entfernt, daß fie in ihren Auszügen fo gar die Bemerkung ſolcher Männer mittheil« ten, melche glaubten, daß die Pythagoreer ihrem Meifter viele Wunder angedichtee hätten. Wenn fie fo verſchmizt gemwefen wären, als man fie fich gemeiniglid) vorftelle; fo würden fie gemiß dergleichen Gedanfen unterdrückt haben, wodurch ihnen ihre eigene $eichtgläubigfeit vorgeworfen, und die Glaubwürdigkeit ihrer Erzählungen vernichtet oder gefchwächt wurde, Ich frage daher Fein Bedenfen, die ganze Anklage von Erdichtung gegen den Porphyr und Jamblich für falfch und grundlog zu erflären, und halte die Unverfälfchtheit der Fragmente und Zeugniffe, aus denen ihre Sebensbefchreibungen zufammengefezt find, für eben fo gewiß, als ic) gegen die Zuverlaͤſſ igkeit der meiften mistrauifc) bin. In diefer Unterfuchung nun, aus welchen Schrift ftellern Porphyr und Jamblich eine jede Erzählung, oder einen jeden Abſaz genommen haben, werde ic) folgende Kegeln zu beobachten fuchen, gegen beren Richtigkeit man ſchwerlich im allgemeinen etwas einzumenden haben wird über deren feblerlofe Anwendung aber freie lich Gefchichte der Pythagoreiſchen Geſellſchaft. 261 lich leicht Zweifel und Bedenklichkeiten entſtehen koͤnnen. 7) Gebe ich ganz genau auf die Stellen acht, wo ber eine, ober der andere die Männer nennen, aus wel⸗ chen die erſtere entlehne find, und fuche alsdann aus Aehnlichfeit der Sprache und des Inhalts, oder auch aus dem Uebergange in ganz neue Erzählungen und Mas ferien, zu beſtimmen, wie weit folhe Zeugniffe reichen, Meiftens find die Abfäze oder die Lebergänge von dem Fragment eines Schriftftellers zum Fragment eines an⸗ dern fehr ftarf abgefchnitten: bisweilen aber ift es zwei⸗ felhaft, wo eine Erzählung aufhört, und die andre ſich anfängt: und ſolche Stellen oder Fälle werde ic) aufriche tig anzeigen, 2) Wann ich folhe Fragmente, deren Verfaſſer von einem der beyden Compilatoren genannt ift, in dem andern auch ohne Namen, aber mit denfelbigen oder we⸗ nig veränderten Worten wieder finde; fo fehreibe ich folche gleiche oder ähnliche Stellen nicht nur demfelbigen Manne zu, fondern ich forfche auch nach, ob nicht vielleicht dere jenige, der feinen Gewährsemann verfchwieg, mehr auge 309 und abfchrieb als der andere. Sehr oft ann man diefes aus dem Fortgange der Erzählung, aus der Gleich⸗ heit der Spradye, aus der Webereinftimmung und dem Zuſammenhange der Nachrichten mit der größten Gewiß⸗ heit beftimmen, und alsdann fchließe ich, daß alles, was mit einer Stelle, deren Verfaſſer befannt ift, unläugbar zufanımen hängt, von derfelbigen Hand herruͤhre. 3) Sammle und bemerfe id) mit der größten Sorg⸗ falt alle Gedanfen und Nachrichten, die von andern Rz Schrift. 262 Drittes Bud). Schriftſtellern aus diefem oder jenem ältern Gefchichte ſchreiber, wenn auch nicht mit den Worten der leztern, Doch dem mefentlichen Inhalte nach angeführt werden. Wenn ich nun folhe Gedanfen md Nachrichten, von denen es bekannt ift, daß dieſer oder jener fie zuerſt, ober doch auch erzählte, im Porphyr oder Jamblich, die bloß abfchrieben, antreffe; fo halte ich mich berechtigt ans zunehmen, Daß die ganzen Stellen und Fragmente, worin fie eingemwebe find, oder zu denen fie gehören, diefelbigen Verfaffer haben, Doc) erlaube ich mir diefe Art zu [hließen nur alsdann, wann die Abfchnitte, in denen ic) die Gedanken oder Erzählungen älterer Ges fhichtfchreiber finde, durch Schreibart und übrigen In⸗ halt meine Vermuthung begünftigen, und fi) hingegen nichts darin findet, was fie verbachtig machen fönnte, denn fonft würde man fih, wie ich oben ſchon bemerft babe, fehr oft irren, wenn man immer voraus fezte, daß allenthalben, wo Nachrichten eines Ariftorenus, Hera⸗ Elides und anderer vorfommen, aud) ganze unveränberte aus den Werfen diefer Männer abgefchriebene Stellen und Fragmente vorhanden ſeyen. Mad) diefen Bors fchriften nun hoffe ich faft das ganze Fragment der Le⸗ bensbefchreibung des Porphyr, und den größten Theil der bes Jamblich, in ihre Beftandtheile auflöfen, und die Schriften angeben zu Fönnen, aus welchen fie entlehne worden find, Ungeachtet unter biefen beyden Compilas tionen die des Porphyrs die Fürzefte ift, fo ift fie doch unftreitig die wichtigſte, weil fie den Schlüffel zu der Yamblichifchen enthält, die ohne fie faft durd) und durch unhrauchbar fenn würde. Porphyr nenne fehr häufig bie Männer, denen er folgte, und durch Huͤlfe dieſer Ans Gefchichte der Pythagoreiſchen Gefellfchaft. 263 Angaben Fann man meiftens heraus bringen, welche Werke Jamblich vor fidy Hatte und ausſchrieb. Blücs licher Weife gibt Jamblich da, mo Porphyr feine Vor⸗ Hänger verſchweigt, ihre Namen an, oder man findet auch in den Fragmenten des erftern, deren Verfaſſer man aus dem leztern entdeckt hat, Stüde, durd) weldye man wiederum an andern Stellen dem Porphyr auf die Spur fommen Eann, Porphyrs Sebensbefchreibung verräth Feine von den Vorzügen, die man ihrem DBerfaffer in andern Werfeg nicht abfprechen Fan, und hingegen alle Schwachbeiten, Gebrechen und Fehler, woruͤber ſich feine Tadler nur je luftig gemacht haben. Porphyr war gewiß der fcharffins nigfte Kopf, der größte Gelehrte und einer der erträglich ften Scheiftfteller unter den neuern Matonifern, Man muß es nothwendig wiſſen, daß in dem Zeitalter, in welchen er lebte, Erziehung, Unterricht und herrſchende Denfart, Schmwärmerey und Aberglauben begünfligten, um es nicht unglaublich zu finden, daß ein fo geiftvoller Mann, als Porphyr, der durch den Songin gebildet, und durch die beften Werke der Alten genährt war, in einem Alter von dreyßig Jahren, von dem vermworrenen , geile fterfehenden , und aus fich felbft weggerückten Plorin, fo bezaubert und hingeriffen wurde, daß er völligin diefelbi« gen Rafereyen verfiel, und, kleine Zwiſchenraͤume von Zweifel und gefunder Vernunft ausgenommen , darin bis an feinen Tod beharrte. Es fcheint zwar nicht, als venn Porphyr gleich nach feiner Befanntfchaft mit feinem weyten Lehrer ein uneingefchränftes Zutrauen zu ihm ges faßt ‚und alles fuͤr Wahrheit angenommen: habe, was R 4 er 264 Drittes Bud. er von ihm hörte: er erzähle vielmehr von ſich felbft, daß er dem Pfotin Einwürfe gemacht, daß er ſich mehrmalen über diefelbigen Materien Erläuterungen ausgebeten, und aufrichtig gefagt habe, was ihm in feinem Vortrage uns verftändlich fen; allein er muß diefe Vorſicht in der Zus rüchaltung des Beyfalls, und die damit verbundene Wis berfpenftigfeit bald abgelegt haben. weil er nad) einer fünfjährigen Wertraufichfeie mit dem Plotin weit gefährs licher als dieſer ſchwaͤrmte, und in einem foldyen Grade Haſſer des Lebens, und Veraͤchter aller Güter und Eitel» £eiten der Erde wurde, daß er den Entſchluß faßte, ſich felbft umzubringen, und feinen unfterblichen Geift aus dem ihn einfchränfenden Gefängniffe des $eibes heraus zu reißen. In feinen reifern Jahren wurde fein Glaube an die Sehren feines Meifters bisweilen wieder erfchüctere, und er verfiel von Zeit zu Zeit, ' wie fein Brief an den Ae⸗ gyptiſchen Priefter Anebo, und viele Fragmente beym Auguftin bemeifen, in einen völligen Zweifel an den ge⸗ beimften Lehren und Künften feiner Worgänger; aber auch diefe Eleinen Verirrungen von der Bahn, in welche Diotin ihn eingeleitet hatte, dauerten nicht lange, mie aus allen jeinen übrigen erhaltenen Schriften und Bruch» ftücfen erhellt. Er hing, mit einem noch feftern Glauben als Plotin, an Magie, und allen damit verbundenen heiligen Kuͤnſten, legte falfche Drafel mit einer nod) grö- Kern Salbung aus, und trug Platonifche Begriffe mit noch größerem Eifer in die Religionen aller Voͤlker ein. In feiner gebensbefchreibung des Plotin erzählt er, daß er als ein Greis von acht und fechzig Fahren der innig« ften Vereinigung mit dem böchften Gotte gemürdiget wor⸗ den fen, Er redet zugleich von den Wundergaben und Tha- Sefchichte der Pythagoreiſchen Gefellfchaft. 265 Thaten feines $ehrers in einem fo offenen und freuherzigen Tone, daß man an feiner feften Ueberzeugung von alle dem, was er fagte, nicht einen Augenblick zweifeln kann. In der Biographie des Pythagoras erfcheint Porphyr nicht bloß als ein leichtgläubiger Schwaͤrmer, der andern vom Pythagoras eben das und noch mehr zu, glaubte, als was er felbft vom Plotin erzähle hatte, fons dern zugleich als ein fehlechter nachlaͤſſiger Schriftſteller, der fich nicht einmal die Mühe gab, die Erzählungen anderer zu ordnen, zu verbinden, mic fich ſelbſt überein« flimmend zu machen, und dann nad) feiner eigenen Art, und mit feinen eigenen Worten zu erzählen. Won dem ganzen Fragment, fo wie wir es jezo haben, gehört ihm nichts, als etwa die anderthalb erften Paragraphen, und dann in der Folge die Hebergangsformeln, und die Tem⸗ pora verfchiedener Zeitwoͤrter zu, die er hin und wieder abgeändert hat, um fie den vorhergehenden entfprechend zu machen ; fonft aber ift dies unvollftändige Werfchen , eine felten zufammenbängende, und oft zur Unzeit unter» brochene Reihe von bloß abgefchriebenen Stellen ganz verfchiedener Gefchichtfchreiber, Dies fieht man nicht nur aus der auffallenden Ungleichheit der Schreibart, foudern auch aus der Trennung von Materien, die zufammen gehören, und der wiederholten Erwähnung derfelbigen Dinge, aus den weder gehobenen nod) einmal bemerften Widerfprüchen von Nachrichten, aus den harten, gar nicht vorbereiteten Uebergängen aus einer Materie und Erzählung in andere, die mit der vorhergehenden in gar Feiner Verbindung ftehen, endlich daraus, daß im Jam⸗ blich, der eben die ee ausfehrieb, die Porphyr R 5 geplüns 266 . Drittes Bud. seplünbert hatte, fehr oft ganze Stellen mit benfelbigen over wenig abgeänderten Worten wieder vorfommen, Diefe Bequemlichkeit, immer andre für ſich reden zu laf- fen, mache zwar feinem Kopfe Feine Ehre; fie verbürgt ung aber aud) feine Ehrlichfeit, und die Unverdorbenheit feiner Erzählungen *). | Die — — — *) Porphyr iſt nicht bloß im feiner Lebensbeſchreibung des Pythagoras, fondern auc in feinem gefchäzteften und toichtigften Werke mes aroxns euuxwv ein elen- der Sammler oder Ausfchreiber. Es ift in der That ſchimpflich für die Kritik der legten Jahrhunderte, daß. man dies Bud) fo ſehr bewundert hat, ohne zu bemers fen, daß der größte Theil deffelben, und zwar gerade diejenigen Abſchnitte, in welchen Gedanken und Schreib» art wirklich fehon find, nicht vom Porphyr herruͤhren, fondern nad) der Gewohnheit des dritten und vierten Jahrhunderts aus Altern und beffern Schriftftellern ausgefchrieben find. Aus dem erften Buche gehören dem Porphyr bloß die drey erften Paragraphen. Die vier und zwanzig folgenden find aus verfchiedenen Schrifts ftellern genommen, die er felbft nennt. Vom fieben und zwanziaften Abfchnite Bis zu Ende des Buchs har er lauter befannte Gedanken, von denen viele in den folgenden Büchern. wieder vorfommen und 'beffer gefagt werden, wahrſcheinlich mit feinen Worten vorgetragen. Im zweysen Buche ift nur die Einleitung, die vier Paragraphen beträgt, vom Porphyr. Die folgenden, bis zum zwey und drepßigften find, tie er felbft fagt, aus dem Theophraft abgefchrieben, einige Fabeln und ‘ Einfchiebfel ausgenommen. Vom zwey und dreyßigften bis an den ſieben und dreyßigften redet. er felbft wieder, Dann aber läßt er, wie er felbft erinnert, einen Pla: tonifchen Philofephen, unbekannt welchen, bis ang Enye des Buchs fprehen. Das ganze dritte Buch, das mit großem Scharffinn gefchrieben ift, hat Por: phyr wieder von einem andern entlehnt, wie aug fels nem Gefchichte der Pothagoreifchen Gefellichaft. 267 Die erften fiebenzehn Abfchnitte find aus dem Kleanthes, Apollonius, Duris von Samos, Hkos, Eus doxus, Antiphon, Diogenes und Dionyſiphanes genoms men, und das, was einem jeden gehoͤrt, iſt ſo deutlich bemerkt, daß ich die Leſer des Porphyr nur aufmerkſam zu machen brauche, ohne einzeln angeben zu duͤrfen, was aus dem einen oder dem andern genommen ſey. Nur al⸗ fein von den beyden leztern Paragraphen koͤnnte e8 zwei- felhaft fcheinen, ob fie dem Dionnfiphanes zugehören , allein, wenn man die Erzählung des funfzehenten Ab ſchnitts: daß Pythagoras nad) Samos zurücgefommen, um den Hermodamas zu hörenu. f. w, mit dem Anfange bes folgenden, in welchem der Bewegungsgrund feiner Abreife nach Sytalien angegeben wird, vergleicht ; fo wird man bald den Zufammenhang derfelben wahrnehmen, Der achtzehnte und neunzehnte Paragraph find von Dikaͤarch und in Anfehung ihres Inhalts fehr wichtig, Beym zwanzigften fängt fid) ein Fragment des Nifoma: chus an, das meinem Urtheile nad) bis an den zwey und > drenßigften Paragraphen fortläufl. Man findet nämlich) in diefem ganzen Abfchnitte nirgends Unterbrechung, oder unna⸗ — — — — —— Tran nem eigenen Geſtaͤndniſſe ($. 1.) aus der Ark, wie des Apollonius ($. 3.) und einer Reife nach Karthago (5. 4.) erwähnt wird, erhellt, Der vortrefliche Verfaffer die- fer Abhandlung lebte nach dem Plutarch. ($. 18 & 24.) Das lezte Buch ift wiederum aus Fragmenten des Dis kaͤarch, Chäremon, Euphantus, Dallas, Eubulus, und anderer ungenanter Schriftfteller zuſammen gefezt, deren Worte Porphyr fait immer beybehalten,, und aus denen er ohne alle Beurtheilung kuͤrzere oder längere Stellen (wie den 3. und 4. $.) adgefchrieben hat, die gar nicht zu feinem Zwecke aehürten,, 268 Ä Drittes Bud. unnafürliche Uebergange, fonbern vielmehr allenthalben Gleichförmigkeit der Schreib , und Denfart, in einander gegründete, und durd) einander. veranlaßte Erzählungen von Wundern, dergleichen nur ein Pythagoreer nad) Ehrifti Geburt fo innig glauben Fonnte, endlich dieſel⸗ bige grobe Unmiffenheit in der alten Zeitrechnung und Ges fchichte. Den zwey und zwanzigften Paragraphen nahm Nikomachus aus dem Ariſtoxenus, die folgenden aber aus dem Heraflides, Hermipp und andern: denn er vers fichere ausdrücklich, daß er in der Geſchichte der Wunder alten, und, wie er urtheilte, glaubmwürdigen Männern gefolgt fey. Daß fi) beym zwey und dreyßigften Abſchnitt ein neues Fragment anhebe, würde man bemerken fönnen, wenn Porphyr auch gar nicht Hinzufezte, daß er jezo die Erzählung des Diogenes mittheile. Dies Bruchftüc gehet gewiß bis an den fechs und vierzigften, vielleicht bis an den adjt und vierzigften, oder gar bis an den vier und funfzigften Abſaz fort. Bis an die zuerft bemerfte Stelle eutſteht eine Nachricht aus der andern, und nirs gends entdecket man Unterbrechung, ‚oder Sprung, ober plözlichen Abfall von Schreibart. Zwiſchen dem fünf und vierzigften und fechs und vierzigften findet ſich zwar feine Luͤcke; allein bier fcheint die Sprache fich merklich zu verändern und feyerlicher zu werden. Um der natür- lichen Folge willen, glaube id), daß aud) der ſechs⸗ und fiebenvierzigfte aus ben Diogenes abgefchrieben fen; we⸗ gen der Berfäjiedenheit der Schreibart aber vermurhe ich, daß Diogenes felbft wiederum nur die Worte eines ans dern in fein Werf übergetragen habe, Unddiefer andere war allem Vermuthen nad) Moderatus, aus welchem ſogleich Geſchichte der Pyhthagoreiſchen Geſellſchaft. 269 ſogleich eine lange Stelle vom acht und vierzigſten Para⸗ graphen bis zum vier und funfzigſten angefuͤhrt wird. Ton und Grundſaͤze in den beyden zweifelhaften Abfäzen find den fechs folgenden vollkommen entſprechend. So mwahrfcheinlich es mir aber ift, daß der ganze Abfaz (46:54) vom Diogenes aus bem Moderatus und vom Porphyr wieder aus dem Diogenes entlehne ſey; fo werde ich es niemanden „verargen, wenn er in diefem Falle meine Gründe für nicht ganz genugthuend hält. Ich will daher auch den Verfaſſer des ſechs und vierzigften und folgenden Pargraphen unentjchieden laffen, da man ide ver fehr gut entbehren Fann, und nichts von Wichtigkeit darin enthalten iſt. Wenn man vom drey und funfzigften zum naͤch⸗ ften Paragraphen fortrüct; fo merft man es fogleich am gänzlichen Mangel des Zufammenhanges, daß ein an derer Schriftiteller zu reden anfange. Porphyr verſchweigt zwar. den Verfaffer des neuen Abfazes, der drey Paragraphen *) enthält; allein es iſt aus einer Parallelftelle des Jamblich **) gewiß, daß er aus dem Ariftorenus genommen fey, Der ſechs und funfzigfte und die Hälfte des fieben und funfzigften Paragraphen ***), find ohne alle Veraͤn⸗ derung aus dem Dikaͤarch abgefihrieben. Dies ſieht man nicht nur aus dem Zeugniffe des Porphyr felbft, der den Difäarch nennt, fondern auch aus der Uebereinftim« mung der ganzen Erzählung mit derjenigen, die Dioge⸗ a nes nn et ee —— — *) bis 56. ſ. **) S, 24852, i wo) Dig an die Worte: 7y⸗ derumPogas. K: TA, 270 Drittes Bud. nes *) aus dieſem Schriftſteller anführe: endlich aus den Worten, womit fi) der fechs und funfziafte Para- graph fließt. Hier ſagt nämlich der Werfaffer, daß man des Aufftandes gegen den Pythagoras und feine Freunde noch bis auf feine. Zeit in Großgriechenland un. ter den Namen der Verſchwoͤrungen und Aufrühre gegen die Pythagoreer erwähne: eine Anmerfung, für deren: Verfaſſer nicht leicht jemand den Porphyr halten wird. Die legte Hälfte des fieben und funfzigften Para» graphen, bis ans Ende, ift aus dem Nikomachus ent- lehnt. Porphyr verfchweigt zwar bey den anderthalb er- ften Abfehnitten den Namen des Geſchichtſchreibers; man vergleiche fie aber nur mit dem Fragment des Ni- Fomadyus beym Sjamblid) **), und man wird bald aus der völligen Uebereinftimmung des leztern mit der namen» Iofen Stelle beym Porpbyr finden, daß beyde von eben dem Manne gefchrieben find, welhem Porphyr den neun und funfzigften und die folgenden Paragraphen zueignet. Diefe kurze Analyfe des Porphyr ift eine der wich» tigften Arbeiten in der Geſchichte der Pythagoreiſchen Philoſophie, auf die fich vieles im vorhergehenden grün. bet, und worauf fi) Das meifte von dem folgenden be« ziehen wird. Schon die Unterſuchung der Jamblichiſchen ‚Biographie, zu der ich jezt fortgehe, wird einen jeden überführen, wie viel ich dadurch gewonnen habe. Porphyrs beruͤhmteſter Schüler, Jamblich, war ſeinem Lehrer weder an Talenten noch an Gelehrſamkeit gleich: *) VIII. 40. en. 8. 252, 534 Gefchichte der Pythagoreiſchen Geſellſchaft. a7: gleich: er übertraf ihn allein, wenn man anders dies Wort in einer foldren Bedeutung nehmen darf, an Schwaͤrmerey, $eichtgläubigkeie und Unfleiß. Die $es bensbefchreibung des Pythagoras vom Porphyr ift zwar das ſchlechteſte unter allen jeinen Werfen, fie it aber doc) immer noch ein Meifterftück gegen die des Jamblich, in welcher dieſer Schriftfteller auch unter fic) felbft binab- gefunfen zu fepn ſcheint. In der erftern- folgen Doch meie ftens die Auszüge nad) einem gemwiffen Plane auf einans der; in der andern hingegen find die rohen Materialien, die Jamblich geſammlet hatte, fo abſichtslos, und mei ftens ohne alle verbindende Formeln, hinter einander ges ſtellt, daß fie nicht verworrener und unzufammenhängen- der feyn Eönnten, wenn er Die Fragmente aller Schrift- fteller durch einander geworfen, und fie dann mieder einzeln, fo wie der Zufall fie ihm in die Hände geführt, zufammen gehefter hätte. Jamblich gab fich nicht allein nicht die Mühe, die gröbften Fehler gegen die Geſchichte und Zeitrechnung zu verbeffern, und die Widerfprüche der Sähriftfteller, die er ausjog, zu vereinigen oderzu heben ; es war ihm fogar zu läftig, darauf Achtung zu geben, ob nicht etwas, was in der Folge vorfam, fchon im vorher⸗ gehenden enthalten wäre. Es werden daher oft diefelbis gen Sachen mit denfelbigen Worten wieder erzähle, weil er fie in verfchiedenen Schriftftellern fand, die aber den« ſelbigen Geſchichtſchreiber ausgefchrieben hatten, der bis, mweilen vom Jamblich felbft ſchon benuzt worden wat. Diefe häufigen Wiederholungen koͤnnen Teiche die Vermurhung veranlaffen (die auch Küfter in feiner Vorrede zu diefer Compilation äußerte) daß die foge- nannte 272 Drittes Sud. A nannte $ebensbefchreibung des Pythagoras vom Jamblich eine unvollendete Arbeit dieſes Mannes, und eine bloße Sammlung von Materialien fey, an deren Bearbeitung er durch den Tod gehindert worden. Allein Jamblich felbft Hat mic) belehrt, daß diefer Gedanke, aller feiner WahrfcheinlichFeit ungeachtet, doch ungegründet fen, und daß man von dem Schüler des Porphyr zu vortheilhaft urtheile, wenn man ihm nicht einen faft unglaublichen Grad von Nachlaͤſſigkeit zutraut. Er ſagt naͤmlich gleich im Anfange ſeiner Aufmunterung zum Studio der Welt⸗ meisheit *), daß er dieſe göttliche Wiſſenſchaft " Py⸗ thago⸗ (isn nee Sn *) TIegı nev Tu$aYogs vos TE Kar aurov Big, Toy = Te mudayopinav vdgmv TO TUMMETEL Ev Fois zrgo TET@y EIENKEMEV. aEXwmeIa de To Aoızzov sure rys aıgecews. Cap. ı.Protr. Diefe Ermah⸗ nung zum Studio der Philoſophie ift feiner Lebens; beihreibung des Pythagoras eben fo ähnlich, als dag Bud) von der Enthaltung von Fleifchfpeifen der Bio— graphie des Porphyrs ift. Auch ſie ift groͤſtentheils aus übel zufammenhängenden, und wirklich abgefchriebenen Stellen andrer Weltweifen zufammen gefezt, in denen, wie in den Auszügen des Porphyrs, vieles vorkoͤmmt, was im geringiten nicht zur Sache gehört, und fich big» weilen gar widerfpricht. Einen Beweis von der Drei- ftigkeit des Jamblichs, oder der in feinem Zeitalter ſchon allgemeinen und gar nicht mehr fchimpflichen Mode, neue Bücher aus Bruhftüden alter zu vers fertigen, muß ein jeder in den vielen und langen Stels len finden, die aus den Gefprächen des Plato, eines damals vorzüglich beliebten Schriftftellers, unverändert genommen find, ohne daß Plato ein einziges mal ges nannte wäre. Jamblich fhrieb fogar feinen Lehrer den Porphyr aus, wie Simplicius in feinen Commenta- rien über die Kategorien des Ariftoteles bezeugte, (Man fede Gefchichte der Pythagoreiſchen Sefellichaft. 273 thagoreifchen Gründen empfehlen wolle, nachdem er die Geſchichte des Pythagoras und feiner Schüler geliefert Babe, Aus diefer Stelte fieht man, daß Jamblid) fein geben des Pythagoras noch vor feinem Tode befannt ge- macht, und für ein Werf gehaltenhabe, das feiner Ver: änderungen und Verbeſſerungen bedürfe, um einem jeden Leſer vorgelegt. zu werden. Man verweile hier einen Augenblick ben der Be. trahtung, mie Geſchichte, Beredtſamkeit und Weltweis- heit in einem Jahrhunderte beſchaffen fen mußten, in welchen ein Mann , den feine Zeitgenoffen als einen gött- lichen Weifen verehrten, eine foldre Biographie, als bie Jamblichiſche ift, unter felnem Mamen heraus zu geben, das Herz hatte, | Jamblich fängt fein Buch mit einem Fragment des Apollonius von Tyana an, das die fünf erften Kapi— tel, bis an den dreyßigſten Paragraphen einnimmt, Daß dieſer — — — — ſehe deſſen Worte, ap. Holſten. vit. Porph.) Ex hoc Simplieit loco (fest Holſtein Hinzu) apparet non Infos lens fuiffe Jamblicho Porphyrii libros transferibere, ‚aut additis mutatisque quibusdam interpolare: quod & in commentariis in Platonis» Tiınseum eum feciffe apparet ex illis, quae Proclus ex utroque paſſim ci- tat: ita enim ferme ubique eos conjungit, ut unam eandemque utriusque fententiam referat. Man traue alfs dem Samblich nicht, wenn er in feinem Commentar über die Arichmerit des Nikomachus fagt: dag es un dankbar fey, fid) fremde Gedanken zujueignen, und Andere ihres verdienten Ruhms berauben zu tollen, (sre oPereoler dan Ta yeyonupeve. Ayvono- cuvns YaREIKErTIS EEYon, Pause da Tns ee BoArsans dofns rov ouyyeyeapore. P. 4.) Ss - 274 Drittes Buch. diefer ganze Abfchnirt von einem einzigen Verfaſſer fen, lehrt einen jeden die Gleichheit der Schreibart, und die ununterbrochen fortgehende Erzählung, die nirgends eis nen plözlichen Abfall hat, daß fie aber aus dem Apollos nius entlehne fen, fieht man nicht nur aus dem Fragment des Apollonius beym Porphyr *), das ſich im Jamblich wieder findet **), ſondern auch aus der Uebereinſtimmung aller darinn vorfommenden Nachrichten, mit denen des Philoſtratus, in welchen er uns die Gedanken des Apols lonius über die $ebensart und Philofophie des Pythagoras mittheile, oder aud) die Seiten aufzähle, von welchen der eine dem andern aͤhnlich zu werden ſich bemüht abe, | Sogar die benden erften Paragraphen find nicht vom Jamblich, fondern vom Xpollonius und eine Eins feitung in deffen $ebensbefchreibung des Pythagoras. Dies erhellt theils aus dem andäctigen Tone, der darinn herrſcht, und aus dem frommen Gebete, und der Ans rufung der Götter, theils aus der Aeußerung des Vorſa⸗ 3e8, fid) den Pythagoras als den Vater der göttlichen Philofophie zum Mufterzu wählen; am meiften aber aus den Klagen über die Schwierigfeiten, die mit der Ers forfdyung der Gefchichte des Pythagoras verbunden feyen und aus dem Öeftändniffe, daß die Pythagoreiſche Phi« Iofophie felt langer Zeit wäre vernachläffigt worden. Dies festere Fonnte Jamblich unmöglic) fagen, da es ſchon ſeit drey Jahrhunderten wieder Pythagoreer gegeben hatte, die Jamblich für ſolche erkannte, und deren Schriften er a a Tem — — 82 RE Geſchichte der Pythagoreiſchen Geſellſchaft. 275 er am meiſten las. Eben fo wenig konnte eg dem Jam⸗ blich, bey der Methode, nach welcher er die Geſchichte des Pythagoras ſammlete, und ſtudirte, einfallen, über ihre Schwierigfeiten zu Flagen, und unter diefen Schwie- rigfeiten befonders die Menge falfcher, dem Pythagoras ober feinen Schülern untergefchobener Schriften anzufüb- ren. Denn er felbft zweifelte an der Aechtheit von Wer- fen, die den Namen von Pythagoreern trugen, eben fo wenig, als er unter glaubwürdigen und unglaubwuͤrdigen Geſchichtſchreibern einen Unterfchied madhre. Das zweyte Fragment im Jamblich gebt bis an den *) fieben und drenßigften Paragraphen, und ift ohne allen Streit vom Nikomachus. Inhalt, und fogar Worte flimmen mit dem überein, mas Porphpr en aus diefem Pythagoreer angeführt hat. Saft eben fo gewiß it es, daß der folgende Abſaz, ber erſt mie dem ſieben und funfzigſten Paragraphen auf. hört, ohne alle Veraͤnderung aus dem Difäarch genom- men ſey. Die Schreibare in diefer ganzen Stelle ift fo fbön, und die Reden und Gedanfen, die dem Pytha— goras in den Mund gelegt werden, fo vortreflih, und dem Eharafter diefes Weltweiſen ſowohl, als dem Geifte feines Zeitalrers fo fehr entfprechend, daß auch ein mit: telmäßiger Kenner es fühlen muß, daß bier ein alter und großer Schriftfteller vede, und daß feiner von allen den Männern, die nach Ehrifti Geburt das $eben des Dy- 62 thago- m —— ®) Doch werde ’ich nicht widerſprechen, wenn jemand auch den ſechs und dreyßigſten Paragraphen dem Dikaͤarch zu: erkennen wollte. —* . 20, uf, 276 Drittes Buch. thagoras befchrieben haben, ſich fo auszubrüden, undfo zu denfen im Stande geweſen fer. Unter den ältern Geſchichtſchreibern aber ift feiner, dem dies Fragment mit einer höhern Wahrſcheinlichkeit zugeſchrieben werden fann, als dem Difdarch. Denn aus einer Stelle des Porphyrs wiffen wir *), daß Pytha⸗ geras nad) dem Zeugniffe des Dikaͤarch gleich nach feiner Ankunft, in eben der Ordnung, und zueben den Altern, Staͤnden und Geſchlechtern geredet haben foll, in welchen die Ermahnungen des Pythagoras im Jamblich mitge⸗ theilt werden. Der neun und funfzigfte und fechzigfte Paragraph hängt mit den vorhergehenden eben fo wenig, als mit den nachfolgenden zufammen. Sie find beyve, allem Vermuthen nah, aus dem Heraklides Pontifus: denn Cicero fowohl, als Diogenes **) lehren uns, daß diefer Mann die Veranfaffung zur Annahme des Namens eines Philofophen fo erzähle, und die Philofophie des Pythagoras fich fo gedadıt babe, als beyde in dieſen Ab— Schnitten vorgetragen werden, Die vier folgenden Paragraphen **®) find mit des nen beym Porphyr +) einerley, und ausdem Nikomachus entlehnt: Jamblich mag fie nun aus dem leztern, oder. aus dem Porphyr abgefchrieben haben. Mit dem vier und fechzigfien Abfchnitt hebt ſich ein neues Fragment an, das erft mit dem fieben und acht⸗ #) % 18. 19. 2*) Ding, I. 12. et ibi Comment, ns), 60-64. T,23.8f, Gefchichte der Pythagoreiſchen Gefellfchaft. 277 achtzigften aufhört. Dies iſt unftrsitig aus dem .Dios geneg: denn alles, was darinnen von der Mufik der Pythagoreer, ihrer Prüfung, ihrer $ebensart und ihren Elaffen gefage wird, entſpricht dem Inhalt, und oft den Worten nad) den Auszügen des Diogenes beym Porphyr N. Der acht und achtzigſte Paragraph fteht mit dem ‚vorhergehenden fo wenig In Verbindung, als das Ende und der Anfang zweyer verfchiedener Bücher, oder als der neun und achtzigfte mit dem neunzigften zufammen« hängt. Den Berfaffer diefer beyden Abfchnitte weiß ich nicht anzugeben. Daß er vom Diogenes verfchieden fey, erhellt aus den Abweichungen des neun und acıtzigften, und des ein und zwey und achtzigften Paragraphen. Wie unwiſſend und leic)tgläubig aber diefer unbefannte Schrift. fteller war, fieht man aus dem Mährchen von dem jäm« merlichen Tode des Hippafus, der eine göttliche Strafe für die Ausbreitung der bis dahin geheim gehaltenen gro» Ken geometrifchen Wahrheiten ber Phthagoreer geweſen ſeyn fol. Eine abermalige Probe des gedanfenlofen Abſchreibens des Jamblich ift diefe, daß er, ungeachtet er abbrady), doch das Ende des neun und achtziaften Paragraphen fteben ließ, in welchem ber Verfaſſer fage, daß er nun aud) von der Eintheilung der Pythagoreer in die Elaffe der Staatsmänner, der Geſezgeber, und der Beforger der häuslichen Angelegenheiten reden wolle, von welchem allen im neunzigften Abſchnitt nichts vorfömmt. Das neunzehnte Capitel, was in vier Abfchnitten die Wunder des Abaris in ſich faßt, ift wiederum ein ein» 3 zel⸗ —— ns ) 8. 13. et 32-48. 278 Drittes Bud). zelnes Bruchſtuͤck, beffen Urheber mir unbekannt it. Ein Theil der Wunder des Abaris, bie hier er» zahle werden, find mit denen einerlen, die weiter unten *) mwieder vorfommen. » Allein diefe Aehnlichkeit führt zu nichts. Denn wenn man auch weiß, von wen die legte Stelle iftz fo bleibt es doch immer ungewiß, ob der be- Fannte den unbefannten, ober ber unbefannte ben befann» ten, oder beyde einen dritten augsgefihrieben haben, Es ift aber auch nicht viel daran gelegen, ob wir die Namen der Verfaffer der beyden lezten Fragmente er⸗ fahren, oder nicht, meil ſich nichts beträchtlicyes darinn findet, wodurch die Geſchichte der Pythagoreer erweitert und bereichert werden könnte, Eine der wichtigften Stellen im ganzen Jamblich iſt das zmanzigfte und die beyden folgenden Capitel, Die, wie Schreibart und Zufammenhang zeigen, von einem Verfaſſer herrühren. Die edle Einfalt der Sprache, die Abmefenheit aller ungeheuren Wörter, welche die neueren Pythagoreer und Platonifer fo kenntlich machen, die glaubmwürdige und fabellofe Erzählung von Dingen, welche alle Schriftfteller nach Chriſti Geburt auf eine fo ganz unmwahrfcheinliche Ark zu übertreiben pflegen, Fönnen niemanden, der Griechifch verfteht, und ſich nur einiger maßen mit den Gefchichefchreibern des Pythagoras bes kannt gemacht hat, zweifeln laffen, daß dies merkwuͤr⸗ dige Fragment einem Manne, aus dem Zeitalter der noch unverdorbenen Griechifhen Sprache, zugehöre, in welchem auch die meiften Fabeln vom Pythagoras und ſei⸗ *%) 8. 141. Geſchichte der Pythagoreiſchen Geſellſchaft. 279 ſeinen Schuͤlern noch nicht entſtanden, oder noch nicht allgemein geworden waren. Eine genauere Unterſuchung des ganzen Styls, und die Vergleichung der darinn enthaltenen Nachrichten mit ſolchen, deren erſte Erzähler von andern Schriftſtel⸗ fern genannt worden, lehrt ferner, daß der Verfaffer def- felben Ariftorenus fey. Diefer würdige Schüfer des Ariſtoteles wird von vielen Schriftftellern als derjenige angegeben , der mit fei- nem $ehrer, und wider den Heraklides und andere Erdichter, behauptet habe, daß die älteften Pythagoreer ſich nicht . ganzlicdy von animaliſchen Speifen enthalten, fondern vielmehr das Fleiſch von Thieren genoffen, und auch den Göttern Thiere geopfert hätten *).. Diefe dem Ariftoteles und Ariftorenus fo eigenthümliche Behauptung findet ſich im gegenwärtigen Abfaze **) wieder; und man kann daher den feztern, wie id) glaube, dem Ariſtoxenus zufchrei- ben, ba der Ausdruck, forein und edel er auch iſt, doc) ganz von der Sprache des Ariftoteles abweicht, Nenn ich aber aud) nicht im Stande gewefen wäre, ben Ver— faffer diefes Fragments durch eine hoͤchſt wahrſcheinliche Vermuthung heraus zu bringen; ſo wuͤrde ich es doch, wegen der größern Wahrſcheinlichkeit der Erzählungen und ber -unläugbaren Borzüglichfeit-der Sprache allen ähnlihen Stellen und Erzählungen im Jamblich und Porphyr vorgezogen, und als das glaubwürdigfte unter allen übrigen in der Gefchichte der Einrichtung der Pytha⸗ goreifhen Gefellfhaft zum Grunde gelegt haben, | 84 Wenn *) Die Beweisfteflen werden unten angeführt werden. | $, 98. 280 Drittes Buch. Wenn man den auffallenden Unterfchieb , ober bie Sprache eines atten und eines juͤngern Geſchichtſchreibers recht bemerken will, fo vergleiche man die jezt geprüfte Stelle mit dem gleich darauf folgenden hundert und Drits ten Paragraphen, ber voll von pomphaften, magifch feherlichen, aber doch zugleich) leeren, und bloß tönenden Wörtern ift *). Bon diefem Paragraphen bis an den hundert und vierzigften finde ich eine an einander hängende, nirgends abgefezte Erzählung, und eine ſich Jaft durchgehends gleich bleibende Schreibart. Daß dies Fragment nun von einem der fpätelten, leihtgläubigfien, und unwiſſendſten Schriftfleller, Die vom Pythagoras gehandelt haben, herruͤhre, erbellt aus dem Verzeichniffe dee Schüter des Pothagoras **), unter wels chen Philolaus, Zamolyis, $eufipp und Empedofles fie ben, nicht weniger aug der Geſchichte des Abaris, und der Wunder des Pprhagoras. Wenn es aber zugefchries ben werden müffe, iſt nicht fagleich einleuchtend. Der genaueften und mehrmalen wiederholten Unterfuchung zu Folge, die ich über diefen Abfaz angelteller habe, kann ich u — *) Wan gebe beſonders auf folgende Worte aht: &ı Tis die$enseıe ndws Tas Tav Tludaryogiwv auußo- Aav eu Paceis Kay ETOLENTES evvomus, vans 00- Jornros was aAndeıns nerexsow aneraAudIer- eXi, naı TE awıynaTwodss EAsudeen FE TU- #8, MEeOTOREIWJEITdL de a9 aA ua ao xıAov maueddanıy Tas T@v DiAoroday Taray neyarcdusis, Ko UTEe IEmRIUNV ErrWOLe ER Aαα. *) 5, 104. Gefchichte der Pythagoreiſchen Geſellſchaft. 281 ich nicht anders, als behaupten, daß er aus dem Dlo—⸗ genes abgefehrieben fey. Die Nachrichten über die $es bensart der Pythagoreer *), über ihre Muſik und ben Gebrauch, den Porhagoras von den Gedichten des Homer und Hefiodus gemacht habe **): flimmen genau mit denen überein, die Porphyr ***) aus eben diefem Schrifte ſteller angeführt bat. Hiezu kommt nod) das Urtheil über Die $eichtgläubigfeit der Ppthagoreer, und ihre Bes gierde , den Porhagoras durch erdichtete Wunder zu erhe⸗ ben; ein Urrheil, von dem man ſich unmöglich vorfiellen Fann, daß ein Pythagoreer es gefällthabe f). So wahr⸗ fcheinlich es aber ift, daß Diogenes der Verfaſſer diefeg Fragments fen, fo gewiß iftes, daß er den größten Theil derfeibigen wieder aus dem Nifomachus genommen, und alfo auch fpäter, als dieſer gelebt habe. Vom Nifo machus nämlich ift dag Verzeichniß von Schülern des Porbagoras, unter welchen Charondas und Zaleufus ſich finden }}), das Urtheil über die Symbola des Pyrhago» SS; ras, * — — m #) 8. 106, “*) 8S. 111 zu. | t) Kaırsroye mavres oi Nugayoessor, cuws exses WISEUTIRW@S, olov megı Auısass T8 Tleoxovvycig Kost Aßagıdes ra" reoßoess Ta woIoAoyzueve, Kari 0008 KAA Toreura AeyeTacı. MAC Ye Ti- GEVETI TUS TARTAS, WOAAR dE KU Kur Tel ewvras. 9. 138. Ich irrte daher mit allen denen, die dieſe Stelle bisher angeführt Haben, wenn ich in meis nee Gefchichte der Fehre von Gott noch glaubte, daß dies Urtheil vom Jamblich herrühre, und vorzüglich die Pythagoreer nach Ghriſti Geburt treffe. (S. 272.) +7) S. 194. et 130. 282 Drittes Buch. rad, das ganze fechs und zwanzigfte Capitel und die Fa« bein von den Wundern des Abaris und Pythagoras *). Sollte aber auch jemand gegründete Zweifel wider meine Vermutung über den Verfaffer diefes Fragments finden; fo wird. man doc) immer geftehen müffen, daß ein Schrift⸗ ſteller, der alles bas erzählen fonnte, mas darinn enthalten ft, Aar feinen Glauben verdiene, fo bald ihm von einen befannten glaubwürdigen Geſchichtſchreiber widerfprodjen wird, | Mit dem hundert ımd vierzigften Paragraphen fängt fid) ein neues Fragment eines andern Schriftftellers an, das fich mit dem Bundert und acht und vierzigften wieber ſchließt. Daß der Verfaſſer deffelben eben fo jung und leichtgläubig, als Diogenes fey, bemeifen die Machrichten vom Adaris, und die Meynung, daß Py— thageras fein Werk: Heilige Rede, betitelt, aus ben göttlichen Geſaͤngen bes Orpheus zufammengefezt, und dieſem aften Dichter, außer den Aegyptiern, feine ganze Philoſophie zu danfen habe; daß der Verfaffer aber auch von Diogenes verfchieden fey, und wie Diefer den Mifo- machus beraubt habe, Ichren die Miederholungen der Abentheuer des Abaris, bie Diogenes im vorhergehen— ben Fragment auf eine äbnfiche Art aus dem Nikomachus erzaͤhlt hatte. So nahe man aber aud) durch dieſe Be merfungen dem Zeitalter des Schriftjtellers gebracht wird ; fo wenig Data finden fid) darinn, aus welchen man fei- nen Namen errathen Fönnte. Der a ——— ⏑—— —— Man ſehe die Fragmente des Nikomachus beym Porphyr. Gefchichte der Pythagoreiſchen Geſellſchaft. 283 Der hundert und neun und vierzigfte Paragraph macht mit den achtzehn folgenden *) wieder einen befon- bern Abfchnite aus, befjen Verfaffer mir gleichfalls une befanne ift. Eine Fortſezung des vorhergehenden Fann er nicht feyn, weil der Anfang deffelben mit dem Ende des leztern gar niche zufammenhänge, und im hundert und funfzigften und dem folgenden Paragraphen von der Enthaltung der Pythagoreer vom Eide, und der Abftam- mung der Pythagoreiſchen Philofophie aus der Orphiſchen, eben dag wiederholt wird, mas ſchon im hundert und vier und vierzigften gefagt wird. Die abentbeuerliche Sprache in diefem ganzen Frag» menfe, die Herausdrehung geheimer Deutungen aus allen Handlungen und Gewohnheiten der Dorbegerzer, der feite Glaube an das Alterthum, und die Aechtheit Pythagoreiſcher Schriften, endlich die Ueberredung von der Erfindung und Vollendung aller Wiffenfchaften durch ben Pythagoras, dringen einem jeden Prüfer Die Ber muthung auf, daß es einen der fpäteften Schriftſteller zum DVerfaffer habe, Die gänzlicye Uebereinſtimmung des hundert und funfzigften Paragraphen aus dem, was Porphyr **) und Jamblich ***) aus dem Nikomachus anführen, erregen die wahrfiheinliche Vermuthung, daß legterer, ober ein noch jüngerer Schriftfteller, der ihm folgte, dies gefihrieben Babe. Aus dem hundert und neun und vierzigfien und neun und funfjigften Paragra- phen — —— — — en — —ñ —— ”) bis 167 z £ 29 8.20 ***) in Arithm, p. 5. >84 Drittes Bud. phen erheffe, daß der Werfaffer, er ſey auch mer er wolle, den Ariftorenus und Heraflides *) vor fid) gehabt habe. Der Anfang des dreyßigſten Capitels fcheine beym erſten Anblick eine Forrfezung des neun und zwanzigſten zu ſeyn; mwenigftens Fönnte man fo etwas aus den Wen: dungen fehließen, momit das leztere gefchloffen wird, Es laffen ſich aber mehrere Gründe anführen, warum man mit dem hundert fieben und fechzigften Abſchnitt ein neues Fragment anfangen, und diefes bis an den zweyhundert und acht und vier;igften Darapraphen, einige Einſchiebun⸗ gen abgerechnet, forrgefezt annehmen müffe, Denn erft= lich ift die Eprache diefes ganzen Abfazes (die einge fäjalteten Stellen ausgenommen) von der GSchreibart bes Nikomachus, oder wer auch der Werfaffer der vors bergehenden Paragraphen feyn mag, nicht weniger, von der Schreibart der übrigen Pythagoreer fo ganz verfchies den, daß man den Abftand derfelben nicht leicht überfe: ben, oder läugnen kann. Die Spradye in dem großen Fragmente, deffen Verfaſſer ic) iezt auffuche, ift rein, keuſch, ohne den falfchen Prunf von neuen und glänzenden Wörtern, und eines Zeitgenoffen oder Schülers des Ari- ftoteles vollkommen würdig. | Es fommen ferner in diefem Abfaze viele Nach— richten und Stellen vor, die zwar in den vorhergehenden Fragmenten des Diogenes und Nikomachus flehen, von denen es aber viel wahrfcheinlicher ift, daß die leztern fie aus dem erftern entlehnt, als daß fie diefelben mehrma« fen angeführt und wiederholt hätten. Endlich wird die Ge: mn — *) Man vergleiche S. 100 et 59, Gefchichte der Pythagoreiſchen Gefellfchaft. 285 @efchichte des Abaris *) in diefem Fragmente anders erzähle, als fie von dem einen oder andern diefer beyden Schriftfteller in den von mir beurtheilten Bruchſtuͤcken ift vorgefragen worden, Aus allen diefen Gründen muß man behaupten, daß einer der altern Schriftfteller in diefen Paragraphen rede; mer aber diefer alte fen, wage ich nidyt zu beftim- men. Die VBerfezungdes Charondas, Zaleufus**) und Epimenides ***) unter die Schüler des Pythagoras, und die wunderbare Gefchichte des Abaris f) verrarhen fo viel $eichtgläubigkeit und Unwiſſenheit, daß id) geneigt wäre, auf den Heraflides zu rathen, wenn nicht im hundert fechs und achtzigſten Paragraphen, und nod) an einer ans dern Stelle, im Tone des Beyfalls von der Enthaltung der Porbagoreer, vom Schlachten und Opfern der Thiere gefprochen würde, wogegen Heraflives, wie wir aus dem Porphyr wiffen, mit vielen Grimden geftritten hatte +}). Noch viel weniger erlauben die eingemifchten Fabeln, die groben Fehler wider die Zeitrechnung, und die Anpreie fung der vegetabiliſchen Diät an den Ariftorenus zu den« fen, ungeachtet es ausgemacht ift, daß der Berfaffer eine lange Stelle fff) aus diefem Gefchichtfchreiber, und nicht wenig ausdem Difäarch genommen habe. Wahr. ſcheinlich alfo ift dieler Abfaz aus dem Hermipp oder Klearch abgefthrieben, und verdient meinem Ustheile | | nad) *) 8. 216, **) 172. —— +) 216 u. f. +t) Porphyr. de Abſt. I, 4. ttt) S. 229-240. Vergleiche diefe mit dem oben’ angeführ« ten Fragment diefes Mannes. 285 Drittes Buch. nach immer Nufmerffamfeie, fo bald man ausber Aehn⸗ tichfeit geroiffer Stellen mit den Fragmenten des Arifto- xenus und Difäarch fehließen muß, daß der Verfaffer einem diefer beyden Weltweifen folgte, Daß dieſes Fragment bis an den zwey hundert acht und vierzigften Paragraphen hinab laufe, Fann man fo» wohl aus der Gleichheit der Schreibart, als der zuſam⸗ menhängenben Folge der Materien fhliegen. ‘Die plözlis chen Abſaͤze und Unterbrechungen aber, auf die man hin und wieder ſtoͤßt, rühren daher, daß Jamblich an eini« gen Stellen, wo ihm die Erzählung nicht vollftändig ges nug ſchien, Fragmente aus andern Gefhichtfchreibern, und zwar meiftens folche einfhob, die vorher fehon da gewefen waren. Ein folhes Einfchiebfel ift die Stelle, zroifchen dem hundert und acht und achtzigften, und hundert fünf und neumzigften Paragraphen. Der Anfang diefes Sragments hängt mit bem Ende des vorhergehenden Ab» ſchnitts nicht zufammen, und iſt ſchon einmal *) aus dem Diogenes angeführt worden; die übrigen Paragraphen nahm Jamblich aus dem Porphyr, der fie aus dem Mer anth und Hippobotus gezogen hatte *). Der hundert fünf und neunzigfte Paragraph hat wiederum gar feine Beziehung auf die zunächftvorhergehenden, und ijt hin⸗ gegen mit dem hundert und fieben und achtzigften in der genaueften Verbindung, Ein anderes eingefchaltetes Fragment fängt ſich ohngefähr in der Mitte des zwey hundert drey und zwan⸗ äigften Paragraphen an, und geht bis an den zweyhun⸗ dert °) 8. 111 Dan ſehe dae Ende der Pythagoreiſchen Biographie. Gefchichte der Pythagoreiſchen Geſellſchaft. 287 dert vierzigſten Paragraphen fort), Dies ganze Frag. ment äft weder mit dem vorhergehenden, noch mit dem folgenden, noch mit ſich felbft in einer genauen Berbins dung: es enthält Stellen aus dem Diogenes und Xriftos renus, die vorher ſchon vom Jamblich waren eingeführt worden; ja eine Nachricht aus dem leztern **), die erft im zwey hundert und ſechs und zwanzigften Paragraphen da gewefenwar, Wenn man diefe ganze Reihe von Pa- tagraphen aus der Stelle, wo fie eingeruckt find, her: aushebt; fo wird man finden, daß die beyden abgeriffes nen Enden ber Erzählung, die ich vorher bemerkt habe, fi) einander vollkommen entfpredyen, und daf im Ans fange des zwey hundert und fieben und drenßigften Paras graphen das fortgefezt wird, was im zwey Hundert Dreys und zwanzigften von der Freundfihafe der Pythagoreer angefangen war. Der Anfang bes zweyhundert ein und vierzigften Abſchnitts zeige, daß derfelbige Schriftfteller nod) immer fortrede, und das Ende des zwey hundert acht und vierzigften, daß er nım aufböre. Die Erzählung des Untergangs der Pythagoreiſchen Schule in den vier folgenden Paragraphen, ift vom Ariftorenus, wie Jamblich fetbft bemerkt **) Am Ende des zwey humdert ein und funfziaften Abſchnitts fängt ein Fragment des Nikomachus, und mit dem zwey hundert vier und funfzigften, ein anderes des Apollonius an, ‚das bis an den zwey hundert fünf und ſechzigſten - forte — — un — — — — *) Mit den Worten: jy de zo adıwAsımroe OR Au- Tas HagaRAncıs. EC: | %*) S, 234. EN “RR, 248- St, J 238 Drittes Buch. fortgeht. Ob die drey festen Paragraphen, die die Ge- fhichte und Namen der Nachfolger bes Pythagoras ent⸗ halten, vom Apollonius oder einem andern find, iſt una gewiß. Daß fie aber feinem alten Schriftfteller zuge Bören, fieht man theils daraus, daß Diodor von Afpens dus darinn angeführe wird, theils aber auch aus dem Vers zeichniſſe der Pythagoreer, unter denen mehrere vorfommen, die diefen Namen nicht verdienen , oder Die wenigitens nicht unter die älteften Freunde des Bythagoras gezählt werden koͤnnen. Ich haͤnge dieſen Unterſuchungen uͤber den Jam⸗ blich und Porphyr noch einige Bemerkungen uͤber den un⸗ bekannten Beſchreiber einiger Lebensumſtaͤnde und Lehren des Pythagoras und ſeiner Schuͤler an, deſſen Fragment Kuͤſter zugleich mit ber Biographie des Potphyr und Jamblich aus dem Phetlus *) har abdrucken laſſen. Ich glaube zwar nicht, daß man in dieſem Frag⸗ ment Data finden Eönne, aus meldyem fid) das Zeitals ter feines Verfaffers genau beftimmen ließe; allein fo viel kann man doch aus mehren Stellen fehr wahrſchein⸗ lich ſchließen, daß er einer von den jüngern Auslegern und Freunden der Arifiorelifchen Phitofephie geweſen fey, ber, nach dem Porphyr und Jamblich, im vierten, oder einem der folgenden Jahrhunderte gelebt habe, in weichen die Ausleger des Arifioteles meiftens aud) Bewunderer oder Ausleger des Plato waren, und den größten Theil der Schwaͤrmereyen der neuen Platonifer und Pythago— reer annahmen, oberangenommen hatten. Die Begriffe Yon den himmliſchen Ephären und der Natur der Geſtirne im — = So — ns ®"\ 40, Cod. Geſchichte der Pythagoreiſchen Geſellſchaft. 289 im zehnten und zwoͤlften Abſchnitte, die Eintheilungen der Seelenkraͤfte im fuͤnften, endlich der Vertheidigungs. ton gegen die Tadler des Ariſtoteles im vierzehnten, ver⸗ rathen, wie die Sprache, und noch mehrere andere Gedan⸗ Een einen Anhänger des Ariſtoteles, dergleichen Olhmpio⸗ dor, Simplicius und Philopon waren, Ungeachtet aber der Verfaffer felbft Fein Pythagoreer war, (denn er vers wirft die Seelenwanderung) fo bat er doch die meiſten ihrer hiſtoriſchen und philofophifchen Vorurtheile anges nommen, Zu diefen gehörendie Meynungen: daß Zeno, Parmenides, Plato und Ariftoteles Nachfolger des Dya thagoras gewefen ſeyen*); ferner die Lehre von der Aehn⸗ lichfeit und dem vertrauten Umgange mit Gott **), ver Glaube an die Weißagungen des Pythagoras, ımd an die erft nach dem Tode des Körpers erfolgende Vollendung der Seele und ihrer Vollkommenheit *«8s), endlich die Auslegungen der Zahlen nach dem Beyſpiele des Mode raus und Nikomachus. Die Eintheilung der Schüfer des Pythagoras, wie die Nachrichten von den $ebens« und Familienumftänden diefes Weltweifen, die im erften und zwenten Abſchnitt ftehen, unterfcheiden ſich, oder tiderfprechen aud) den Zeugniffen aller übrigen Gefchicht ſchreiber. Nach dem, was id) jezt gefagt habe, wird es, hoffe ih, nicht leicht jemand wagen, irgend eine Bemerkung oder Erzählung diefes fo jungen, unbekann⸗ fen und unzuverläffigen Schriftftellers als entfcheidend oder glaubwürdig anzuführen, Nach⸗ 9— J. 9 — 5,8 290 Drittes Buch. Nachdem id) izo die verfchiedenen Gefchichtfchrei« ber des Pythagoras, und feiner und feiner Nachfolger Philoſophie geprüft, und die Mamen der Verfaffer der wichrigften Fragmente im Porphyr und Jamblich angeges ben habe; fo wird es nicht fo fehr ſchwer mehr ſeyn, die Einrichtung der Pyrhagoreifchen Gefellfhaft und ihre Meynungen ausfindig zu machen. Ehe ich aber zu die» fen Unterfuchungen fortgehe, muß ic) nothwendig vorher dag Zeitalter des Pythagoras, die Zeit des Untergangs feines Bundes, die verfchiedenen Gefchlechter der Nach— folger des Pythagoras, fo genau als möglich, zu beftims men fuchen, weil es von der Entfcheidung diefer Fragen abhängt, ob man gemiffe Männer zu den älteften Pytha— goreern rechnen, und ihre Grundſaͤze in die Gefchichte der Pythagoreiſchen Philoſophie hineinfuͤhren müffe, oder nicht? Beylage. Aeber die verſchiedenen Schriftſteller, die des Pythago⸗ as und der Pythagoreer mebr beylaͤufig erwaͤhnt, als ausführlich von ibm gebandels baben, Erfte Elaffe, Fon von Chios befchuldigte den Pythagoras, daß er dem Orpheus ein Gediche untergefchoben habe*), Wenn man voraus ſezt, daß Diogenes allenthalben, wo er denfelbigen Namen anführt, aud) von derfelbigen Derfon rede; fo war diefer Jon ſchwerlich einerlep mit dem Tras — — — — — — *) Diog, VII. 8. Gefchichte, der Pythagoreiſchen Geſellſchaft. 291 Tragiker gleiches Namens, der um die 72 Olympiade blühte *), Jener war ein Zeitgenoß des Sokrates, und vielleicht noch jünger, als der Achenienfifche Weltweiſe; er Fannte ihn, oder hatte ihn als einen berühmten Mann gekannt; weil er ſich die Mühe gab, einer Reife des Sofrates nad) Samos (die allem Vermuthen nach ers dichtet ift) in feinen Schriften zu erwähnen **), Diefe Umftände fönnen unmöglid) auf Jon den Tragifer pafe fen, wenn er anders um die 72 Olympiade am berühme teften war. Eben fo wenig halte ich den Son beym Diogenes für einerley mit dem Philofophen Jon, den Plato mit dem Sofrates ſich unterreden läßt, Der lez— tere war in Ephefus, und ber erfte in Chios gebohren. Uebrigens kann man bem Son von Chios nicht vor⸗ werfen, baß er gegen den Pythagoras feindfelig gefinne war; Er nennt ihn vielmehr mit tiefer Ehrfurcht den Weifen, in einem Epigram, das er auf den Pherekydes gemacht har ***). Bon den Komifern, die der Pythagoreer geſpot⸗ tet haben, ſchweige ich, da ich ihre Stellen zur gehörte gen Zeit erläutern werde, und ihr Zeitalter einem jeden Gelehrten bekannt if. Aus eben diefen Hrfachen halte ich, mich nicht beym Plato, Herodot und Iſokrates auf. In die erfte Claſſe gehört aber noch Anarimans der, der Gefcbichtfchreiber von Milet, ber zu den Beiten des Artarerres Mnemon Iebte, und die ‚Symbola der Pythagoreer auslegte }), Es ift zu ; To Vera ——, —— — —— mn *) Jonf. II. Cap, 13. 4, **) II. 23. Diog. di a.) Diog. l. 120. +) Suidas in voce Anax. 202 Drittes Bud). verwundern, daß außer dem Suidas Eein anderer Grieche oder Römer dies Werf angeführt hat, daß, wenn es ächt war, und zu ung gefommen wäre, den Forfchern der Pythagoreiſchen Geſchichte fehr viele Mühe und Streis figfeiten würde erfparet haben, Theopomp hatte, wie Herodot, des Pothagoras nur beyläufig In feinen Werfen erwähnt. Er trat der Meynung des Ariftorenus und anderer bey, daß Pytha⸗ goras ein Etrusker gewefen fey, und fehilderte ben leztern als einen verfehmizten Staatsmann. Man muß gegen diefe Nachricht mistrauiſch, fo wie überhaupt gegen ihn fo firenge, als gegen irgend einen andern ſeyn, weil er zwar als Schrififteller und Menſchenmahler bewundert *), aber zugleidy von den gröften Männern als ein haͤmiſcher partheyifcher Tadler, als ein Raͤuber fremder Güter, und als ein Maährchenerzäbfer und Sabelerdicyter ange Elagt wird **). Ein Zeitgenoß des Theopomp, und einer von be⸗ nen, die er pluͤnderte, war Andron von Epheſus. Dies fer Geſchichtſchreiber fammlete die Weißagungen des Pythagoras, unter welchen Theopomp eine, die beym Fufebius ***) angeführte wird, vom Pprbagoras auf den Pherekydes übertrug. Diogenes führt zwo Nach richten aus diefem Andronan +): unter weldyen die erftere von den Erzählungen aller übrigen Schriftfteller ganz abweicht. Dom ®) VI. 733-835. Dionyf. Edit, Reisk, “) Dionyf, I. c. Cic, de leg, I, ı, Porph. ap, Euf, Praep, Evang, X, 3, mr] #) I, 30, 119. Geſchichte der Pythagoreiſchen Geſellſchaft. 293 Vom Eudoxus ſind mir nur zwey Zeugniſſe be⸗ kannt, die zur Geſchichte des Pythagoras gehoͤren, das eine ſteht beym Porphyr *), und das andere in einem Fragment des Apollonius beym Jamblich **). Beyde rechtfertigen die Urtheile, die Strabo an mehrern Stellen vom Eudorus fällt, und worinn er ihn für einen leicht» gläybigen, und nicht forgfältig genug prüfenden Schrifte fteller erfläre ***).- Ä Vom Ariftipp, einem Zeitgenoffen des Plato und Eudoxus, habe ich nur eine einzige nicht ſehr wahr⸗ ſcheinliche Nachricht über den Pythagoras gefunden. Er -glaubte namlih, daß diefer Weltweife feinen Namen daher erhalten Habe, weil er eben fo wahrhaftig, als die Pythia gewefen fen }). Metrodor, ein Sohn des Epiharmus, wird von den Gefchichrfchreibern des Pythagoras nur ein eini« ges mal angeführt ff) Ibm haben wir die Mach: richt zu danken, daß die Pythagoreer den Dorifchen Dias lekt allen übrigen vorgezogen hatten, Aus der zweyten Claffe find Duris von Gas mos und Kleanth die einzigen, von denen ich hier noch einiges herſezen will, indem ich von den übrigen entweder fchon geredet habe, oder nod) reden werde. Dom Kies anth gilt ebendas, was ich in der Abhandlung feldft von feinem $ehrer, dem Zeno von Cittium, bemerkt habe, wu würden gar nicht Sn daß Kleanth im ſuͤnften T3 Bude *) de vit, Pyth, 7, ®*) de vit. Pyth, 7, **) vide p. 778. 82 2. Ed. A ———— Si 7. 842. Ed. Alnelow, tt) 24% 42, Jambl, 294 Drittes Buch. Buche feiner uuIzav vom Pythagoras gehandelt hatte, wenn es nicht dem Porphyr eingefallen wäre, eine Er: zählung daraus in feine Lebensbefchreibung überzutragen, Kleanth behauptete, daß Pythagoras nicht in Samos, fondern in Tyrus gebohren worden, daß aber fein Vater das Bürgerrecht in der erften Stadt erhalten habe, weil er ihren Einwohnern zur Zeit einer fürchterlichen Huns gersnoth mit einem großen Vorrath von Getreide zu Hülfe gefommen fey *).- Duris von Samos gehört zu den gefchärteften $gebensbefchreibern oder Geſchichtſchreibern berühmter Männer von Griechenland **), ungeachtet er nicht frey von Fehlern und Irrthuͤmern war***),. Ich habe feinen Mamen nicht ganz verfehweigen wollen, ungeachtet wir von ihm nur eine einzige, und wie es fcheint, nicht ein» mal zuverläffige Familiennachricht über den Pythagoras haben }). r Schriftftelfee der dritten Claſſe. Hieronymus war ein berühmter Peripaterifcher Meltweifer zu den Zeiten des zweyten Ptolomaͤus. Er Binterließ mehrere Werfe, die von den Alten häufig ans geführt werden ++), und in deren einem er auch vom Py⸗ thagoras redete. Mach dem einzigen Fragment aber zu urtheilen, das wir aus feiner Gefchichte des Pythagoras haben, kannte er den Sohn des Mneſarchs nicht, und mar ®) Porphyr. I f. "*) Man fehe Cie. VE. 1. ad Atticum und Jonf. II. 2. 3, “er, an fehe den Cicero J. e. und Diogenes Il* 19. +) Porph. 5. 3. +4) Man fehe Menage ad Diog, I. 26, et Jonf, II, 3, 6, Geſchichte der Pythagoreiſchen Geſellſchaft. 295 war nicht ſtrenge genug in der Pruͤfung von Nachrichten, die er ſelbſt als wahr erzaͤhlte. Seinem Zeugniſſe zu Folge ſollte Pythagoras geſagt haben, daß er bey feinem Hinabfieigen und Aufenthalt in Hades gefehen habe, wie die Seele des Heliodus zur Strafe für ihre Schmähungen wider die Götter an eine bronzene Säule gefeffelt worden, und vor Schmerz und Wurh gefnirfche hätte, und mie ferner die des Homer aus eben der Urfache an einem Baume aufgebenft, und mit Schlangen umringe gewefen fey*). Erftlich iſt es ganz unglaublich, daß Pythagoras jemals vorgegeben, die unterirrdifhen Wohnungen der abgefchiedenen Seelen befucht zuhaben, und zweytens iſt es unwahrfcheinlich, daß Pythagoras, der die Werke der alten Dichter zur Era weckung der Andacht, und zur Befferung des Herzeng eifrig empfahl, und felbft aus den Erzählungen des Ho« mer und Hefiod unterrichtende Ermahnungen und Bey fpiele für andere zog, Daß diefer durch die vom Hiero⸗ nymus erwähnte Erdichfung, das Anfehn der beyden größten, und am meiften verehrten Dichter feines Volks zu ſchwaͤchen geſucht haben follte, Aykus, Ein anderer Peripatetifer kykus, deffen Meynung über das höchfte Gut, Klemens von Alcrandrien **),, und beffen Ausſpruch über das Vaterland des Byrhages ras, Porphyr erhalten hat***), war gewiß ein fehr nachı laͤſſiger Geſchichtforſcher. Er hieſt es (on der legten Tg Stelle) *) VI. 21. Diog, *#*) 11, 416. ) 8.5. 296 Drittes Buch, Stelle) für unmöglich, das Vaterland bes Pythagoras ausfindig zu machen, weil die Schriftſteller ſich fo ſehr widerfprachen. Denn einige gaben ihn für einen Samier, andere für einen Phliafier, und noch andere für einen Metapontiner aus. Dieſe beyden lezten Angaben hatte ykus höchft wahrfcheinlich nirgends gefunden; fie fcheinen vielmehr aus der Vermechfelung der Geburtsftadt des Pythagoras mit Dertern feines Aufenthalts entftanden zu feyn. Sotion von Ulerandrien, lebte unter dem Ptolos mäus Epiphanes, und machte fid) am meiften durd) feine Schrift von den Folgen der Griechifhen Weltweifen bes ruͤhmt *). Keiner führt ihn häufiger an, als Dioges nes von Laerte, der ihn, oder feinen Abfürzer faſt auf allen Seiten nennt, Unter den Nachrichten aber, die Diogenes aus dem Sotion abfchrieb, trift man nicht wenige an, die Fein günftiges Vorurtheil für die Genaus igfeie und den Scharffinn diefes Mannes im Unterfuchen geben. So finden ſich zum Beyfpiel viele Unrichtigfeiren in der Schilderung der Perfiihen Magier, die im erften Buche **) ſtehet. Er machte ferner wider alle übrige Zeugniffe der Xiten den Eudorus zu einem Schüler des Plato ***), und gab den FZenophanes fir den erften "Des haupter der Unbegreiflichfeit aller Dinge aust), Sein Ausſpruch alfo, wodurch er dem Dythagoras zwey Bes dichte, eines Uber die Natur des Ganzen, und ein ans deres unter dem Titel: Das heilige Wort, zueignete, fann *) Jonf. II, cap, 10, I. **9 NEE 7 “r*) Vin, 86, 9 IX, 20, Geſchichte der Pythagoreiſchen Gefellichaft, 297 Fann einem Sachverſtaͤndigen nicht leicht von Gewicht ſcheinen *). Es verfteht fih von felbft, daß die Fragmente des Heraflives, eines Sohns des Serapion, der aus der Geſchichte des Sotion einen Auszug machte, nicht mehr Glauben verdienen, als das Hauptwerk des Sotion felbft *). Unter folgenden drey Männern, dem Eratofthes ned, Ariftarch und Philochorus hatte der erfte unftreis tig das größte Anfehen im Alterthum, fo oft ihn audy Strabo getadelt, und falfche Schlüffe ſowohl, als unges gründete Nachrichten vorgeworfen hat. ein Zeugniß über das Zeitalter des Pythagoras fteht beym Dioges nes *), aus welchem ich es zur gehörigen Zeit beybringen und prüfen werde, Ariſtarch hielt den Pythagoras mie vielen andern für einen Tyrrhener oder Etrusfer +): die einzige Stelle, woraus wir wiffen, daß diefer Kunſtrich— ter auch vom Pythagoras geredet habe, Philochorus fchrieb ein Buch über die Heldinnen des weiblichen Ges fhlehts, oder von den Pythagoreiſchen Weibern, aug - welchem wahrfcheinlich die Benfpiele von Muth und Stand⸗ baftigfeit, die beym Jamblich von Pythagoreerinnen erz zählt werden, entlehne find ++). Cicero ermähnet des Pythagoras und der Pytha⸗ goreer häufig. Unter allen Stellen, wo er von dem einen dehe dem andern handelt, ſind diejenigen die wich⸗ Is tige — — — — — — *.vm. 7. *) Man ehe Jonſ. II, e. u. $. 3. #**) VJIL, 48. +) Strom, I. p, 300. Clement, +) Jon 1, 9.9.1. ‘208 Drittes Buch! tigften, in welchen er von dem Zeitalter des erftern ſpricht, auf welche ich im folgenden Abfchnitt zurück kom⸗ men werde. Zugleich mie ibm, oder niche lange nad) ihm, lebten Didymus und Philo, beyde Pythagoreer, und Strabo. Didpmus gabein Werk über die Pytbhas goreer und ihre’Sehren heraus, das aber nur vom Cle⸗ mens und Eufebius angeführt wird *). Der Fragmente diefes Buchs find zu wenig, als daß man nad) ihnen ein ficheres Urtheil über die Zuverfäffigfeit feines Verfaſſers geben fönnte; und fo ift auch unter allen Nachrichten, die wir von ihm haben, Feine von einer foldyen Bedeutung, baf fie eine ſcharfe Unterfuchung noͤthig machte. Aus dem, was Clemens ausihm anführe **), fieht man, daß er von der Aechtheit und den Urhebern der Sprüche der fies ben Weifen, und von den Verdienſten gelehrter oder doc) berühmfer Griechifchen Frauenzimmer gehandelt habe. Wahrſcheinlich um eben diefe Zeit, gewiß vor Chriſti Geburt, lebte Philo, ein Pythagoreiſcher Philo⸗ foph, der vom Clemens und Eufebius , befonders vom erften einige mal angezogen wird ***), Diefer Philo war ein großer Bemwunderer der Weisheit der Juden und ib» res Geſezgebers. Er hielt jene für viel älter, als die der Griechen, glaubte aber dody, daß Mofes auch von Griechiſchen Lehrern in Aegypten wäre gebildet worden f). Nach folhen Stellen braudyt man die Unmiffenheit und Unzuverläffigfeit diefes Mannes nicht weiter zu beweifen, deffen *) Man fehe Jonf. II. 1.3. und Scheffer de Phil, Ital. p 3 e*) Str. 1. 300. 309. IV, 523. °*) Jonſ. III. 4. 4. +) Strom, I. 305. 309 Gefchichte der Pythagoreiſchen Gefellfchaft. 299 deffen Benfpiel uns lehrt, wie bald nach dem Alerander die Griechen auf die Gefchichfe fremder Voͤlker, befon- ders der Juden aufmerffam geworden, und wie früh das Vorurtheil entftanden fey, als wenn die Griechen ihre Philoſophie und übrigen Wiffenfchaften von Barbaren em« pfangen hätten. Auch im Strabo fommen verfchiedene Nachrichten über den Pythagoras und die Pythagoreer vor, unter wels chen folgende die meifte Aufmerffamfeit verdienen: daß Pythagoras nicht bloß Aegnpten , fondern auch Babylon befucht habe, daß er fi) von aller animalifchen Nahrung enthalten, und diefe Lebensart wie gewiffe aftronomifche Kenntniffe feinem Sclaven Famolris mitgetheilt habe, der nachher Gefezgeber und Religionsftifter unter den Geten geworden, und.als ein Gott verehrt worden fey *). Diefe Erzählungen führe ic) nicht deßwegen an, weil ich fie für wahr halte, ober weil ich glaube, daß Strabo’s Anfehen ihnen ein geriffes Gewicht beylegen Fönnte, fondern um jüngere $efer zu überzeugen, wie fehr man auf feiner Hurh feyn müffe, um ſich durch den Ruhm von Schrift« ſtellern nicht irre führen zu laffen, oder um nicht zu glaus ben, daß man einem Schriftfteller, der unzählige mal zuverläffig war, nun ohne weitere Unterfuchung ftets trauen koͤnne. Strabo war unftreitig einer der gelehrtes ften und fcharffinnigften Schriftfteller feiner Zei. Er war nicht nur mit den Werfen der größten Männer auf das vertrautefte befannt, fondern prüfte fie auch, und bes merfte *) Lib. VII. p. 456. 57. Edit. Almelov, 297. 98. Edit, 300 | Drittes Buch. merfte oder werbefferte fehr oft Fehler, welche Euborus, Hipparch, Poſidonius, Dikaͤarch, Eratofthenes, Poly bius und andere begangen hatten. Er verfolgte Erdichter und deren Fabeln mit unerbittlicher Strenge, und hatte ſich über manche Vorurtheile und aberglaͤubiſche Meynuns gen erhoben, denen die meiſten aufgeklaͤrten Griechen und Roͤmer, beſonders die Stoiker, zu denen er ſich bekannte, unterworfen waren. Nichts deſto weniger war dieſer ſo gelehrte, ſcharfſinnige, freydenkende und mißtrauiſche Strabo zu gewiſſen Zeiten ſo leichtglaͤubig und unnach⸗ denkend in ſeinen Ausſpruͤchen, daß man ihn fuͤr einen eben fo ſchwachen Kopf, als unwiſſenden Schriſtſteller halten ſollte. Won diefer nachtbeiligen Seite erfcheint er in feiner Befchreibung der Gitten und $ebensart der Ge: ten, und der Verdienfte des Kamolris, in feinen Urthei— fen über die Wiffenfchaften der Aegyprifchen und Chaldaͤi⸗ fchen Driefter im Anfange des fiebenzehnten Buchs, und dann in der Annahme der damals ſchon berrfchenden Meynung von den Keifen des Pythagoras in die Morgens länder: welche Benfpiele von Vebereilung noch mit vielen andern vermehrt werden koͤnnten. In ungewiſſen Zeitaltern lebten folgende Schrift⸗ ſteller: Antiphon, der Verfaſſer von Lebensbeſchreibungen berühmter Maͤnner, welche Diogenes *) und Porphyr **) anführen. Diefem Untiphon zufolge, erhielt Pythago⸗ ras vom Polyfrates ein Empfeblungsfchreiben an den Koͤ⸗ nig Amafis, der ihn auch auf das Bitten feines Damals noch geliebten Freundes, den ehrwuͤrdigen Collegiis von Prie⸗ a Tg En *) VELY ) 9,7. Geſchichte der Pythagoreiſchen Gefellfchaft, gox Prieſtern mir vielem Nachdruck empfahl, Allein biefe, abgeneige ihre Weisheit einem Fremden anzuvertrauen, iwiefen ihn erft von einer Stadt zur andern, und als der neugierige Juͤngling ſich dadurch nicht abſchrecken ließ, ſuchten ſie ihn durch langwierige und peinliche Pruͤfungen zu ermuͤden. Nachdem Pythagoras auch dieſe geduldig ertrug, ſchloſſen ſie ihm endlich, voll Bewunderung uͤber feine Beharrlichkeit, die verborgenen Schaͤze von Kennt niffen auf, die fie ihm bisher vorenthalten hatten, Nachdem Pythagoras Aegypten verließ (fo fährt Anti— phon fort) kehrte er nach Samos zuruͤck, und bereitete ſich ein Lehrhaus, welches man nachher den Halbeirfel des Pythagoras nannte, und worinn die Samier fid) in fpätern Zeiten über öffentliche Angelegenheiten bevarh« ſchlagten. Er ging aber auch oft in eine von der Natur felbft angelegte Höhle, in welcher er ſowohl des Tags als des Nachts ſich mit feinen Freunden über wichtige Gegen« ftände unterbielte, Faſt eine jede diefer Nachrichten bes Antiphon ſirel⸗ tet mit den glaubwuͤrdigſten Zeugniſſen aͤlterer Geſchicht⸗ ſchreiber, oder iſt doch außerft unwahrſcheinlich: beſon⸗ ders die von dem Empfehlungsſchreiben des Polykrates, von den Lehrhauſe des Pythagoras in Samos, und von deffen Aufenthalte in einer Höhle, Ohne Bedenfen alfo kann man den Antiphon zu den leichtgläubigften und nach» laͤſſigſten Männern rechnen, die vom Pythagoras ger fehrieben haben, Nicht viel zuverläffiger [heine Soſikrates geweſen zu ſeyn, der in feinem Bude von den Folgen ber Grie⸗ | chiſchen 902 Drittes Bud), chiſchen Weltweiſen, auch vom Pythagoras handelte *), Diefer Sofifrates lebte gewiß nad) dem Heraflides und Hermipp, weil er von dem erften die Erdichtung von dem Urfprunge des Namens Philofoph annahm, und ſich auf den leztern in der Gefchichte des Myſon bezog **). Wenn er auch nicht ſelbſt erdichtete; fo war er doch auch nichts weniger, als ein großer Geſchicht-und Alterthumsfor⸗ ſcher. Er biele den Ehilon für den erſten Ephorus in Eparta ***) und läugnete, daß Ariftipp irgend etwas ger ſchrieben habe }), Lykon ein angeblicher Pythagoreer war der faſſer einer Lebensbeſchreibung des Pythagoras, aus wel⸗ cher aber nichts übrig geblieben iſt, als die einzige Nad)- richt, daß Pythagoras fehr mäßig gelebt habe }}). Er gehört zu den hizigſten und unbefonnenften Berläumdern des Ariftoteles +). ‚Den Dionyfiphanes führe unter allen Alten nur allein Porphyr an, weßwegen auch fein Name ſowohl dem Voſſius, als Jonſius unbemerkt geblieben ift +1). Er hielt den Zamolxis für einen Sclaven des Pyrhagoras, und erzählte, daß diefer Gete unter die Seeräuber gefallen, und von ihnen gebrandmarft worden fey, aus welcher Urs fache er auch fein Geficht oder feine Stirn ftets verhülle getragen habe, Ein Mährchen, woraus man nicht viel günftie ——n — ®) Diog. VII. 8, *«) 1. 106. 107% «®r) |, 68. p) I. 84. ++) Ath. X. 4. 418. +++) Man fehe Ariftocles ap, Euf, XV. 2. p. 792. tr) % 15. Gefchichte der Pythagoreiſchen Sefellfchaft. 303 günftiges. für die unbekannte Schrift des Dionpfiphanes ſchließen kann! Hippobolus hatte ſowohl eine Geſchichte der Griechiſchen Sekten, als ihrer Stifter geſchrieben, deren Diogenes mehrmalen erwähnt *). Seine Erzählungen vom Pythagoras find aber ganz verlohren gegangen, bis auf die von den Verwandlungen des Pythagoras, und daß diefer Weltweiſe von Etruſciſcher Abkunft geweſen ſey *). Es iſt daher eben fo wenig der Mühe werth, über feine Glaubwürdigkeit ausführliche Unterfuhungen anzuftellen, als über die des Androfpdes, den Nifoma- chus einen Pythagoreiſchen Philoſophen nennt ***) und von welhem wir nur noc) eine einzige fromme $egende haben, die in feiner Schrift von den Symbolen der Pya thagoreer ftand f). Aus der vierten Claſſe find nur noch allein Eudo⸗ xus und Apollodor der Arithmerifer übrig, Vom erften werde ib am Ende der Gefchichte der Pythagoreiſchen Zahlenlehre zeigen, daß er fpäter, als Nikomachus ges lebt habe Vom andern wiffen wir nur dieſes, daß er bie Erfindung des Pprhagoreifchen Lehrſazes dem Pytha⸗ goras zugefchrieben, und geglaubt habe, daß diefer Welt weiſe um diefer wichtigen Entdeckung willen eine wirkliche Hefatombe geopfert habe tt). %) Jonf. IV. 22. *. ah fehe Arlth. Theol, Par, 1543, p. 41. & Clem. I. up, c ee) * P: 5. 1) 3.14 +H)X, “ "Athen, Zmey: 304 Dritted Bud). Zweytes Kapitel, Ueber das Zeitalter des Pythagoras: dıber die Zeit des Unterganges feines Bundes; uber die Fol gen der Pythagoreer: nebit einigen hiemit ver⸗ wandten Unterfuchungen. De Frage vom Zeitalter des Pythagoras iſt in der Zeitrechnung der Griechen eben das, was die Geſchichte ſeiner Lehren in der Geſchichte der Griechiſchen Philoſophie iſt: eben ſo wichtig, aber auch eben ſo ſtreitig, und dies leztere nicht nur durch die widerſprechenden Zeug⸗ niſſe Griechiſcher und Roͤmiſcher Schriftſteller, ſondern auch durch die abweichenden Reſultate der Unterſuchungen der groͤßten Gelehrten, unſers und des lezten Jahrhun— derts. Ich will daher zuerſt die Negeln feſtſezen, nach welchen ich glaube, daß man dieſe Unterſuchung anſtellen muͤſſe; ; alsdann die verſchiedenen Meynungen berühmter Selehrte n über das Zeitalter des Pythagoras, famt ihren Gründen Furz anführen und prüfen, und endlich meine eigne Vermuthung vortragen, 1) Man darf nur allein den Diogenes von $aerte aufmerffam gelefen haben, um ſich zu überzeugen, daß bie ältere Zeirechnung ber Griechen noch viel ungewiffer fen, als ihre ältere Gefchichte, daß die Griechen in der Beftimmung und Angabe von Zeitaltern und Zeitpuncten noch viel nachläffiger, als in der Prüfung von hiſtoriſchen Factis waren, daß daher oft die glaubroürdi giten Ges fhicht« Gefchichte der Pythagoreiſchen Gefellfchaft. 305 fchichefchreiber, als die unzuverläffigften Chronologen bes funden werden, daß endlich felbft Diejenigen Schriftfteller, die als Chronologen unter den Griechen am berühmteften waren, 3. B. Timaͤus, Apollodor, und Sotion ſich viel häufiger widerfpradyen, und auch meit öfter fehlten, als die beften Griechifchen Gefihichrfchreiber. Um die Unges wißheit der altern Griechifcyen Zeitrechnung einzufehen , darf man nur wiffen, daß das Zeitalter Feines einzigen Griechiſchen Weltweifen vor dem Sofrates genau bes ſtimmt war, und daß die Geburtssund Sterbejahre der alten Phyſiker von Schriftftellern, die wegen ihres Flei⸗ fies und ihrer Sorgfalt im Unterfuchen unter den Gries chen am meiften galten, auf die verfchiedenfte Art anges geben werden. Diefe einzige Betrachtung muß nothwen⸗ dig in einem jeden, der fie recht beherzige, folgende Gedanfen veranlaffens daß es gar nichts beſonders oder einziges fey, wenn die Schriftiteller des Alterthums in der Zeitrechnung des Pythagoras fo fehr von einander ab⸗ weichen: daß man ferner unvorfichtig, und gegen alle Kegeln einer behutfamen Kritif verfahre, wenn man auf einem einzigen Dato felbft eines fonft zuverläffigen und großen Schriftftellers, deffen Gründe man aber niche weiß, und dem von andern, eben fo großen Schriftftele lern widerfprochen wird, die ganze Chronologie des Pys thagoras zu bauen unternimmt: daß man aber am als ferwenigften die Zeugniffe und Angaben folcher Männer zum Grunde legen müffe, deren Namen oder Zuvertäffige keit nicht befannt, oder deren Unfleiß und Nachlaͤſſigkeit erwiefen ift, oder deren Worte zweydeutig find, und mehrere Auslegungen und $esarten leiden, die ſich endlich u ſelbſt 305 Drittes Buch), fetbft widerfprechen, oder benen auch von mehrern glaub» würdigern Unterfuchern widerſprochen wird, 2) So gewiß es ift, dat ſich in der Zeitrechnung eines jeden-ältern Weltweifen und Dichters entweder un» vereinbare, oder doch fehmer zu hebende Widerſpruͤche finden; eben fo gewiß ift es, daß alle oder doch die mei. ften Nachrichten, von den Sebensumftänden des Pythagoras, durch bloße Ueberlieferung auf feine erften Gefchichtfehreie ber fortgepflanzt worden find. Dieſe Fonnten alfo zwar wiffen, von welchen großen Männern Pythagoras ein Zeitgenoß war, und weld)e wichtige Begebenheiten er er» lebte ; aber bloß errathen Fonnten fie es, mann er geboh» ren worden, wann er geftorben, und wie lange er gelebt habe: denn folhe Umftände und Nachrichten find es, weiche aus Ueberlieferungen am eheften heraus fallen, oder am eheften verfälfcht werden, und um welche die Griechen überhaupt ſich amt mwenigften befümmerten, Wenn wir alfo auch die Zeugniffe der älteften Geſchicht⸗ fehreiber von dem Geburts.und Sterbejahre, und der $ebenslänge des Pythagoras hätten; fo würden dieſe weis ter nichts, als Vermuthungen, und nod) dazu fehr von einander abweichende Wermurhungen feyn. Die Angas ben der ältern Schriftfteller find aber mit allen Grün. den, womit fie unterftüze waren, bis auf einige wenige verloren gegangen; man muß aber doc) aus den großen Abweichungen der fpätern, die wahrfcheinlich immer ei⸗ nem ber vorhergehenden folgten, fchließen, daß aud) ihre Führer fi fich faft alle entgegen gefezt waren, Aus diefen Betrachtungen nun folge wieder, daß es eine unerfüllbare Forderung, oder eine fruchtlofe Are beie feyn würde, wenn man das Beburts-und Todesjahr des Gefchichte der Pythagoreiſchen Sefellichaft. 307 des Pythagoras, mas die älteften Gefchichtfchreiber nur durch Berechnungen und nad) mwahrfcheinlichen Datis heraus bringen fonnten, nach dem Verlufte ihrer Untere fuchung jezt ganz gewiß und beſtimmt wiffen, oder an⸗ geben- wollte. 3) Diefe Fragen aber: wann Pythagoras gebohren morden, mann er geftorben fen, und wie lange er gelebt habe ? Fönnen auch ohne Schaden unentfchieden bleiben, wenigſtens gehören fie nicht zu den wichtigften in der Unterfuchung der Zeitrechnung diefes Mannes, indem ung wenig daran gelegen ift, ober einige jahre mehr oder weniger gelebt habe, oder nicht? Der Hauptpunct, um deffentwillen die Zeit⸗ rechnung des Pythagoras allein Aufmerffamfeit verdient, ift diefer, vor, neben und nach welchen berühmten Mäne nern und Weltweifen feines Volks er gebohren worden ? gefezt, daß man auch die Zahl von Jahren nicht beftime men fönnte, um welche er entweder jünger oder älter, als ein jeder feiner Vorgänger, Zeitgenoffen, oder Nadhfols ger war, Der Auflöfung diefer wichtigen Frage kann man fich weit mehr nähern, als der Beantwortung der andern, die bloß die Meugierde befchäftige: wie lange er gelebt, und in welchem Jahre er geftorben fey? Wenn man ſich hauptfächlic) auf die Beantwortung der erftern einfchränft ; fo wird’ die ganze Chronologie des Pythago— ras leichter und einfacher, und man ift eines beſchwerli⸗ chen Kampfs mit einer Menge von großen Schwierigfeis ten uͤberhoben. 4) Es läßt fid) zwar über die Zeitrechnung des Pythagoras Feine Hypotheſe liefern und erwarten, in welcher alle Zeugniffe Griechifcher und Roͤmiſcher Schrift« fteller vereinige, und welcher von feinem widerfprochen Ua würde, 308 Drittes Buch, würde, weil mehrere Schriftfteller fogar mit fich felbft im Gegenfaze find. Man muß aber doch immer, glaube ih, diejenige für die wahrfcheinlichtte und annehmens. würdigfte halten, die auf ganz Fiare, im geringften nicht zroeydeutige Stellen glaubwürdiger Männer und auf fichere Ehronologifhe Data gegründet iſt, mit welcher ferner die meiften Schriftfteller von geringerm oder zweydeuti⸗ gem Anfehen übereinftimmen, und welcher endlich Fein einziger, deffen Name unter den alten Ehronologen oder Gefchichtfehreibern von großem Anfehen ift, ausdrüd. lich widerfpriche. Zu einer foldyen Hypotheſe kann man nur alsdann gelangen, wenn man diejenigen Lebensum⸗ ftände, in welchen alle oder die meiften und glaubwürdig. ften Alten zufammen ftimmen, ſammlet, dann nachſucht, ob und wie ferne diefe fich wiederum einander beftärigen, und endlich erft zu erfahren ſich bemüht, was aus ihnen alien folge, und für das Zeitalter des Pythagoras ge⸗ fchloffen werden Fann, Der erfte Gelehrte der neuern Zeit, der das Zeitalter des Pythagoras zu beflimmen sagte, ift Dodwell *). Diefer Alterthumsforfcher lege eine Nachricht aus dem Fragmente des Apollonius beym Jamblich **) zum Grunde feiner Unterfuhung. Er nimmt mit dem Apollonius an, daß Pythagoras ſich zwölf Jahre in Perfin, mohin er vom Kambpfes als Gefangener geführt worden, aufgehalten habe, und daß er endlich im 56 Jahre feines Alters nach Samos in fein Vaterland zurück gefommen fey ***), Da nun bie Eros *) In feinem Buche, de Veteribus G A ——— Cyclis p. 137-148. us Graccorum Romano® 19. ) s. 19 Gefchichte der Pythagoreiſchen Gefelfchaft. 309 Eroberung Aeanptens durch den Kambnfes in das dritte Jahr der zwey und ſechzigſten Diympiade fällt; fo ſchließt Dodwell, daß Pythagoras im dritten Jahre der zwey und funfzigften Diympiabe gebohren, und im vier und vierzigften Jahre feines Alters in die Perfifche Scla⸗ verey gerathen ſey. Hiemit, glaubt er, flimme dag Zeugniß des Ariftorenus beym Porphyr zufammen *), nad) welhem Pythagoras fein Waterland im vierzigften Jahre verlaffen habe, weil ihm die immer zunehmende - Gewalt oder Tyranney des Polyfrates unerträglich ges worden ſey. Ariftorenus habe fich nur darinn geirret, daß er den Pythagoras nicht nad) Aegypten, fondern nach Italien habe reifen laſſen. Nachdem nun (fährt Dodwell fort) Pythagoras **) wieber aus der Perfifchen Knechtſchaft losgefauft war, fo bielt er fi) eine Zeitlang in Samos auf, und bereifte einige Inſeln und Theile von Griechenland, nicht nur um feine Kentniffe zu erweitern, fondern auch wahre ſcheinlich um von ſeinem Vaterlande nicht zu weit entfernt zu ſeyn, wenn ſich etwa Hofnungen darbieten ſollten, es von dem Drucke des Solyſon, eines Bruders des Poly⸗ Erates, und damaligen Herrn von Samos, zu befreyen. Pythagoras Fonnte alfo nicht vor DI. 67. 1. und vor fels - nem acht und ‚funfzigften Jahre nad) Italien kommen. Im folgenden Jahre habe er zwar fchon da feyn Fönnen; allein zwo Nachrichten des Jamblich, über die Laͤnge feines $ebens, und feines Aufenthalts in Itallen, machten es nothwendig, feine Ankunft in Italien, entwe⸗ der in den Ausgang des zweyten, oder in den u3 An⸗ a er u #) 85.0. oe) in 91,66, 3. 310 Drittes Buch. Anfang des dritten Jahrs der 67 DI. zu ſezen. Diefer Schriftſteller fage namlich, daß Pythagoras der von ihm geftifteten Schule neun und dreyfig Sabre vorgeftanden habe, und in einem beynahe hundertjährigen Alter ges ftorben fen *). Diefem Zeugniffe zufolge Fönne man nicht anders, als behaupten, daß Pythagoras erft, nach⸗ dem er an der Rettung feines unterdrüchten Baterlandes gänzlich verzmeifelt harte, ſich im fechzigften Jahre feines Alters nach Jatalien gewandt habe, welches Jahr mit DI. 67. 2 und dem lezten der Regierung des Königs Tar⸗ quinius Superbus zufammen falle, Später dürfe man ihn auch nicht in Kroton erfcheinen laffen, weil Cicero fage, daß Pythagoras unter dem eben genannten Römis ſchen Könige in Italien angelangt fey, und Diodor nebjt andern bezeuge, daß er zur Zeit des Krieges der Krotoniaten mit den Tarentinern unter den erftern ges wohne habe **), In Kroton habe er eine berühmte Schule errichtet, und ihr, nad) dem Juſtin, zwanzig Jahre vorgeftanden ***), als der größte Theil feiner Freunde durd) Die Empörung und den Ueberfall der Kylo« nifchen Parthey umgebracht worden f). Zwar fagten mehrere alte Schriftfteller, daß Pythagoras felbit entwe⸗ der in diefem Aufruhr, oder gleich nachher geftorben fey; allein ihm fcheine die Nachricht des Jamblich glaubwuͤr⸗ diger, daß Pythagoras neun und dreyßig Fahre das Haupt einer von ihm genannten und Anfangs fehr ®) 265. ſ. %*) Olymp. 67. 4 °s) XX, 4 t) 01.74 3. Gefchichte der Pythagoreiſchen Gefellfchaft. zra blühenden, aber in der Folge fehr zerftreuren und ges ſchmaͤlerten Geſellſchaft gewefen fen, und aljo neunzehn Jahre ihre hoͤchſte Bluͤthe überlebt habe. Unter allen Erzähtungen der Todesart des Pytha—⸗ goras jtimme feine mit den bisherigen Datis überein, alg ‘ die Des Hermipp, den Joſephus den berühmteften unter allen Sefhichefchreibern des Pyrhagoras nenne, Dieſer Philoſoph nämlich Habe erzähle *), daß Pythagoras ben Agrigentinern gegen die Syrakuſaner zu Hülfe gefommen, aber in einer Schlacht, welche die erftere gegen die leztern verloren, von denen Siegern erlege worben fen, weil er durch ein heiliges Bohnenfeld in feiner Flucht aufgehalten worden. Allem Vermuthen nad) fey dies Treffen eben dasjenige, deffen Diodor in der 77 DI. 1. erwähne, in welchem der Beherrfcher von Agrigent Thrafidäus vom Hiero von Syrakus überwunden worden. Die wichtigſten Punfte diefer Zeitrechnung behäle Dodmwell in feiner Abhandlung vom Zeitalter des Pythas goras bey, mworinn er feine Behauptungen gegen die Eine würfe und Widerfprüche von Bentley und Loyd zu retten fucht, und unftreitig den erftern in einigen Vermuthun⸗ gen glüclicher angreift, als ſich felbft vertheidigt. Er verändert feine Meynung aber doc) darinn, daß er die Geburt des Pythagoras um ein Jahr, und den $yfonis ſchen Aufftand um neun ganze Olympiaden fpäter und viele Jahre nad) dem Tode des Pythagoras anfeze **). UV4 Er men ®) Diog. VIII. 40. “) ©. 203, näml, Olymp, 83. 3. oder 47 2 312 Drittes Buch. Er rückt die Epoche der Verſchwoͤrung wider bie Pythagoreer deßwegen fo tief herab, meil Jamblich und mehrere Alte bezeugten, daß Lſis, und nod) ein anderer Pythagoreer aus dem Brande, in welchem die übrigen Freunde umgefommen waren, als junge und rüftige Männer entfprungen, und der erftere nach Theben in Griechenland gegangen fey, wo er den Philipp von Mas fedonien, ‚ und den Epaminandas unterrichtet babe *). Nach dem Plutardy nun war Iyfis fchon mehrere Jahre geftorben, als die Thebaner die Lakedaͤmonier aus ihrer Burg Kadmea verjugens diefe leztere Begebenheit aber falle in Di. 1023 , und der Tod des Mſis mahrfcheinlich in Ol. 1003. Wenn man ferner nad) andern annehmlis chen Vermuthungen voraus fege, daß Sufis DI. 76. 3: gebohren worden; fo Fönne die Meuteren gegen die Py⸗ thagoreer nicht vor DI.g3.3, wohl aber fpäter ausgebror hen fenn **). Ungeachtet Dobmell Feinem von denen, bie das Zeitalter des Pythagoras unterfucht haben, weder an Ge« Iehrfamfeit noch an Fleiß und Scharfſinn nachgab; fo üft doch feine Hypotheſe die ſchwaͤchſte und unhaltbarfte unter allen, auf die man gefallen ift, und diejenige, die am wenigſten vor fih und am meiften wider. fic) bat, Penn ich auch felbft nichts befferes und befriedigenders vorzubringen mwüfte; fo würde ich doc) diefe mit der größten Zuverficht als durchaus falfch verwerfen. Der Grund, warum Dodmell ſich viel weiter von der Wahre heit verirrte, und Die Gefeze der gefunden Kritik mehe ‚als ( Te I WELEHE °, 6, 198, u.f, @*) 207. ©, Geſchichte der Pythagoreiſchen Gefellfchaft. 313 als irgend ein anderer beleidigte, lag in gemiffen vorgee faßten Meynungen, mit denen er an die Beftimmung des Zeitalters des Samifchen Phitofophen ging. Er harte naͤmlich die berühmteften Männer des Griechifchen Alter» thums, ſowohl Geſezgeber als Dichter fo tief, einige um so, andere um soo ‚Jahre mehr, als fie ſollten, herab⸗ gefchoben, daß er nun durch feine Hypotheſen über das Zeitalter des Homer, ykurg, Stefihorus, Phalaris, und fo weiter faft gezwungen wurde , aud) den Pythago— ras vorwärts zu drangen, um die gehörigen Entfernuns gen zwiſchen ihm und denen, die vor ihm gelebt hatten, zu erhalten. Dodwell fehlte erftlid) darinn, daß er die ganze Zeitrechnung des Pythagoras auf ein einziges Zeuge niß, und zwar auf ein foldyes Zeugniß gründete, das wahrfcheinlic) vom Apollonius, oder gar von einem une befannten, leichtgläubigen und unzuverläffigen Schrift ſteller, herruͤhrte, deſſen Gültigkeit er gar nicht geprüft, und bewiefen hatte, das nicht nur an ſich hoͤchſt unwahr⸗ fcheinlid war, fondern auch durch alle übrige Angaben älterer Schriftfteller widerlegt wurde, und das Dodwell felbft nicht ganz annahm, ohne fich doch darüber zu erfläs ren, warum er einen Theil glaublich fände, und einen andern hingegen verwürfe. Er traut dem Erzähler beym Jamblich, wenn er fagt, daß Pythagoras vom Kamby⸗ fes als ein Sclave weggefchleppt worden, und zwölf Fahre in Perfien geblieben fey: und verläßt ihn, wenn diefer virfihere, daß Pythagoras gleich nach feiner Befannts ſchaft mit dem Thales nad) Phönicien und Aegypten ges reift, und zwey und zwanzig Jahre in dem Testen Sande geblieben ſey. Er nimmt ohne allen Grund, und niche nur rider die Zeugniffe aller übrigen Schriftſteller, ſon⸗ u; dern 314 Drittes Buch. dern auch wider alle Wahrfcheinlichfeit an, daß Pytha— goras nah einem Kath des Thales den Entſchluß gefaßt habe, Aegnpten zu befuhen, daß er aber diefen Vorſaz erft achtzehn Jahre nachher ausgeführt habe, und nur etwas länger als ein Jahr unter den Prieftern diefes $an« des geblieben fy. Kr überfah es, ober verfchmwieg es wenigftens, wie unglaublich, und wider alle Gewohnheit alter Wölfer es fen, daß Kambyſes einen Fremden, der weder der Sclave eines Aegyptiers war, noch unter ben Aegyptiern gefochten hatte, zur Knechtſchaft follte vera dammt, und in fein Reich fortgeführt haben. An ſtatt fid) durch den Ariftorenus auf andere Gedanfen bringen zu faffen, der die Reife des Pythagoras nad) Italien ing vierzigſte Jahr feines Alters feste, zwang er durch eine unerhörte Gewaltthätigfeit diefen Weltweifen, wiber fich ſelbſt zu zeugen, indem er die Neife nad) Italien in die nach Aegypten verwandelte. Er nahm endlich gar nicht einmal Ruͤckſicht auf die Abweichung eines freylich jungen, und in diefem Falle unzuverläffigen Schriftftels ler *), der zwar gleic) dem Syncell **) der Gefangen« fehaft des Prthagoras in Perfien, worauf Dodwell als auf ein Hauptfactum drang, erwähnt, der aber den Py⸗ thagoras nicht aus Aegypten nach Perfien, ſondern aus Perſien nad) Aegypten bringen läßt, und hinzu fezt, daß nur einige wenige diefer Eclaverey des Pythagoras ers wäbnten, und daß hingegen, der allgemeinern Meynung zufolge, Pythagoras aus eigener Bewegung und unge⸗ zwungen —— ———— — *) Apul, p. 231. Ed, Colpil, “*) Siehe deffen Worte ap, Bentl, p, 50. Gefchichte der Phthagoreiſchen Gefellichaft. 315 mungen Aegypten, und die Morgenländer befucht babe, - Das bisher gefagt ift, glaube ih, fehon hinrei⸗ chend, einen jeden Sadverftändigen von der Unregel- mäfiigfeit des Dodwellifchen Verfahrens, und der Unzus läffigfeit der dadurd) erpreßten Hypotheſe zu überführen, Es find aber nod) eben fo ftarfe, wo nicht ftärfere Ber weiſe übrig, wodurch) fie ganz zernichtet wird, Weil Dodwell den Pythagoras erft in feinem finfenden Alter nach Samos zurüc fehren, und als einen Greis von ſechzig Jahreu *) in Italien anfanden ließ; fo war er gezwungen, allen denen fehlechterdings zu wiberfprechen, die die Zeit des Anfangs oder der höchften Reife feiner Blüche, das ift, feines Nuhms, angegeben haben. Die eine oder die andere fezen Diodor, Diogenes, Clemens und Tatian, Kyrill und Auguftin **) entweder in die fehzigfte, oder in die ein und fechzigfte, oder hoͤchſtens in die zwey und fechzigfte Dlympiade. Kufebius, nach ber. Scaligerfhen Ausgabe, rüct die Zeit feines Ruhms in DI. 65. 1. herab; allein. mehrere Handfchriften haben 62. 3. oder 4., welche $efearten, wegen der Zufammens flimmung aller übrigen Schriftfteller, den Vorzug verdies nen, wie Bentley richtig bemerft hat, Alle diefe Stel« len ftehen der Dodwelliſchen Rechnung entgegen, denn unmöglic, kann man fügen, daß Pythagoras zu einer Zeit, da er noch in der Perfi — Gefangenſchaft war, gebluͤhet habe. Um Er SD 0ꝰꝰ ®) Ol. 67. 2. oder 3. “*) 48.49. ©. Bentl. 316 Drittes Bud. Um die Zeit des Untergangs der Pythagoreiſchen Schule *), und des Todes des Pythagoras **) zu beftim. men, legte er zwo Stellen zum Grunde, bie fidy feldft widerſprachen: die eine aus dem Juſtin ***), und die ans dere aus einem Fragment beym Jamblich +). Der erftere fagt ausdruͤcklich, daß der Pythagoreiſche Bund nur zwanzig Jahre gedaurer habe, und daß Pythagoras nad deffen Zerftörung nad Metapontum gegangen, und dort geftorben fey. Der andere hingegen erzähle, daß Pytha⸗ goras neun ung dreyßig Jahre feine Schule regiert habe, welches vernünftiger Weiſe nicht anders, als von der noch immer wachfenden, unbeunruhigten Gefellfchaft ver» ftanden werden kann. ch will aber auf diefen Wider- ſpruch von Datis, die Dodmwell für harmonirend hielt, nicht weiter dringen, da er feine Meynung über den Zeit punet der Zerftörung der Pythagoreiſchen Schule nachher geänderthat. Dagegen willich den Grundprüfen, aus welchen er das Todesjahr des Pythagoras in die 77 Ol. 2 oder 3 ‚gefezt hat. Dies Datum gründet ſich ganz allein auf die angeführte Nachricht beym Jamblich, daß Pythagoras neun und neunzig jahre alt geworben fen; allein diefe Nachricht hat nicht die geringften Vorzüge vor denen, bieden Pythagoras im achtzigften, oder neuns zigften, oder hundert und vierten, oder gar hundert und fiebenzehnten Jahre fterben laſſen. Wenn fie etwas we⸗ niger unglaublich ift, als die beyden leztern; fo ift fie CHE en Den nn »), 01.728, “*) Ol, 77.2, ur“) XX. 4. +) 265. 5. Geſchichte der Pythagoreiſchen Geſellſchaft. 37 ſie noch nicht ſo glaublich, als die erſtere, die uͤberdem noch von einem bekannten Schriftſteller herruͤhrt, und durch das Stillſchweigen des Lucian beſtaͤtigt wird, der den Pyrbagoras, wie Bentley fchon anmerfte, nicht unter den langlebenden berühmten Männern angeführe bat, Zugegeben aber, daß die Stelle beym Yamblich über das Alter des Pythagoras die glaubwürdigffe unter allen fen; fo hätte Diefe Dodwell bewegen müffen, den Dythagoras eher acht oder neun Ofpmpiaden früher ge bohren werden, als in der fieben und fiebenzigften Olym— piade fterben zu laffen. Denn in der Folge werde ich zeigen, daß, fo bald man den Tod des Pythagoras über die fiebenzigfte Olympiade hinausfest, man alle dem wi— derfprechen müffe, was wir wahrfcheinfiches und gewiſſes über das Zeitalter des Kenophanes, Parmenides, He raklit und Leukipp wiſſen, und was alle Schriftſteller vom Untergange der Pythagoreiſchen Schule erzählen. Ich merfe bier nur noch diefes an, daß Dodwell unter alten Erzählungen von der Todesart des Pythagoras gerade die unglaubmwürdigfte und unwahrfcheinlichfte gemähtt Habe, Denn läßt es ſich wohl denfen, daß ein Greis von neun und neunzig Jahren einem Tyrannen von Agrigent ges gen einen König, den bie Syrafufaner anbeteten, in eiges ner Perfon zu Hülfe gefommen ſey, und fid) felbft habe umbringen laffen, um nur ein Bohnenfeld nicht zu zer. treten ? Die einzige wichtige Veränderung, die Dodwell in feiner Hypotheſe machte, und wodurch er die Verſchwoͤ⸗ zung wider die Pythagoreer nach dem Tode des Pythago⸗ ras, und in oder nach der zwey und achtzigften Olympiade feste, iſt nicht allein Feine Verbeſſerung, fondern sine fei» 318 Drittes Buch. feiner willkuͤhrlichſten, wenn gleich am muͤhſeligſten aus— geführten Behaupfungen*), Sie hat durchaus nichts vor fi, als die Nachricht beym Jamblich, daß Mſis einer von denen war, die ausdem Brande des Haufes, worinn die Pythagoreer ſich verfammler hatten, entiprungen fen, und dann die elendefte Werdrehung einiger Stellen in eben diefem Gefchichtfchreiber **), wo es heißt, daß Porha« goras zur Zeit, dadie Verſchwoͤrung gegen feine Freunde ausgebrochen, nicht gegenwärtig, und daß die außeror« dentliche Ehrfurcht derfelben gegen ihren Meifter eine von den Urſachen des Aufitandes gegen fie geweſen fey. (Man habe nämlid) ven Pprhagoras bey feinen Lebzeiten den Götrlichen genannt, und nac) feinem Tode durch das Wortlein, jener, bezeichnet.) Diefe Anmerkung des Apollonius nimmt Dodwell für einen Vorwurf, den die Feinde der Pythagoreer felbft vorgebracht, und Apole fonius nur wiederholt hätte. Die Erzählung von der glüclichen Entwifchung des Hſis aus dem Untergange der Pythagoreiſchen Gefellfchaft in Kroton wird zwar von mehrern Schriftftelleen beftätigt und wiederholt, allein eben diefe nehmen ſich felbft in diefem Falle allen Glaus ben, meil fie fagen, daß Lyſis der Lehrer des Epaminon« das, und Schüler und Zeitgenoß des Pythagoras gemes fen fey. Dies getraut Dodmwell ſich jelbft nicht zu behaupten, fondern er erdichtet hier, wie in mehrern- ähnlichen Fällen, einen neuen Pythagoras, den der Etifterder Schule mitaus Samos nach Staliengebracht, und der zur Zeit der Zerftöhrung der Geſellſchaft noch ges lebe — —— —— *) 207. S. ) 248. 255. Sefchichte der Pythagoreiſchen Gefellfchaft. 319 iebt habe, Wie viel natürlicher und mahrfcheinlicher wäre e8 gewefen, entweder mitandern anzunehmen, daß man den Lehrer des Tpaminondas mit einem ältern Lyſis verwechfelt, oder Daß man auch den einzigen Infis, wie den Empedofles, Philolaus, Archytas und Timäus aus feinem Zeitalter verrüct habe. Man mag aber von dies fen beyden Vermuthungen vorziehen, weiche man will, fo muß man Dodwells lezten Gedanfen über Die fpäte Epoche der Verſchwoͤrung wider die Pythagoreer immer als grillenhaft verwerfen, Denn alle Schriftfteller ohne Ausnahme, Yuftin, Diogenes, und beym Porphyr und Jamblich *), Ariftorenus, Dikaͤarch, Nikomachus, ja ſelbſt Apollonius, fagen mit ganz ausdrüciichen, gar feiner Verfchraubung fähigen Worten, daß die Empoͤ— rung wider die Pythagoreer bey den Lebzeiten des Pythagoras ausgebrochen fen; und gchen nur dann von einander ab, wann die Frage entfteht, ob Pythagoras gegenwärtig gewefen, oder nicht, und ob er in diefem Tumulte zugleich mit dem größten Theile feiner Anhänger, oder eine Zeitlang nachher geftorben fen? Nach diefer Prüfung der Dodwelliſchen Meynung über das Zeitalter des Pythagoras, komme ich jego zur genauern Unterfuchung der Bentleyſchen Hypotheſe, fo wie ich fie in der neuern Ausgabe feiner Abhandlung von der Aechtheit der Briefe des Phalaris finde **), Bentley geht von einem Zeugniffe des Eratofthenes und Phavorin aus***), nad) welchem der Samifche Mo⸗ tha⸗ — — — — ®) 54. 8. u. f. Jambl. 248. 8. ®*) London 1777, p. 35° 63. ©. a“) Diog. Vill, 47. 48. 320 Drittes Buch. thagoras, mit einem reichen Haarwuchs und einem pur⸗ purnen Gewande geſchmuͤckt, ſich um die 48 Olympiade, und im Anfange feines achtzehnten Jahrs, vor den Rich⸗ tern der Olpmpiſchen Spiele erbot, unter den noch unere wachfenen Knaben zu kaͤmpfen, und da er deswegen vers fpottet wurde, fich gleich in die Zahl der männlichen Kämpfer einzeichnen ließ, und den Gieg davon trug. Eben dies erzählen Eufebius und Spneellus *). Auch $ucian **) und Auguftin beftätigen eg, daß ber weile Pythagoras ein Athlete, oder in der Athletik fehr geübt ges weſen fey. Hieraus fchließt nun Bentley, daß erim vierten Stahre der 43 DI. gebohren ſeyn müffe. Mit diefer Vermu⸗ thung flimme das Zeugniß eines gemiffen Antilodyus ***) überein, der von dem ſchoͤnſten Alter +) des Pythagoras, bis auf den Tod des Epifur }}) 312 Jahre rechnete. Das griechiſche Wort, worauf bier alles anfomme, fey nicht, mie Dodwell vorgebe, mit Yevzx, fondern mit our gleich bedeutend, | Nach dem Ariftorenus, fährt Bentley fort, ging Pythagoras als ein Mann von vierzig Jahren, alfo DI. 53.3, nad) Italien. Dies Datum fey nidye nur wahr⸗ fheinlicher,, als Dodmwells Berechnung, der ihn erftals einen Greis von fechzig Jahren in einem fremden Sande anfommen, heurathen und-eine Schule fliften laſſe, ſon— bern werde aud) durch die Zeugniffe mehrerer großer Maͤn⸗ rn nn nn %) Euf.p 40. Sync, 339 “®) in Gallo, “#) I.p. 133. Clem, Strom, FT) Am. +H Ol, 127. Geſchichte der Pythagoreiſchen Geſellſchaft. zaı Männer bekraͤftigt. Livius erzähle, daß Pythagoras niche der Jehrer des Numa habe feyn Fönnen, weil er über hundert Jahre nad) deffen Tode eine Schule geftif tet habe *). Wenn man nun vom Tode des Numa **) auf das dritte Jahr der drey und funfzigften Olympiade herab⸗ rechne, fo fomme eine Zahl von 105 Jahren heraus, Eben fo müffe Dionyfius von Halifarnaß gedacht haben, welcher fage , daß Pythagoras nad) der so Olympiade in Stalien gewefen ſey **). Walefius habe bier zwar einen Fehler vermuthet, und ftatt der sofen die 6o Olym⸗ piade ſezen wollen; allein dies leide der Zufaz nicht, wo— durch Dionyſius felbft feine Meynung näher beflimme, Er ſchaͤze namlich die Entfernung des Pythagoras auf vier Menfchenalter, oder 1334 jahre, welcher Zeitraum nur mit der gewöhnlichen Lesart zufammenftimme, Ends lich führe Plutarch im Leben des Numa die Meynung einiger Gelehrten an, die den Pythagoras fünf Generas tionen nad) den Zeiten des Numa gebohren werden ließen. Auch dies weiche nicht weit von feiner Angabe ab, da Plutarch ein Menfchenalter nad) dem Heraklit auf drey- Big Fahre angefchlagen habe. Mur alsdenn, wenn man den Pythagoras in der 53 DI. nach Kroton fommen laffe, habe man das Chronifon Alerandrinum auf feiher Seite, welches bezeuge, daß diefer Philofopb in der fols genden Olympiade +) befannt zu werden angefangen babe, *) 1.1% ) 01l. 27. l. ee) |], p. 120, N DD 54 22 Drittes Bud). Habe. Diefem widerfprähen die Schriftfteller nicht, welche fagten,, daß er in der 69, oder 61, oder 62, oder gar 65 DI. berühmt geweſen fey, oder geblüht habe. Wenn aber Eicero *) fage, daß Pythagoras erft unter ber Regierung des Tarquin, die DI, 6r. 4. anfing, und Solin **), daß er gar erft unter dem Confulat des Bru- tus nad) Italien gefommen fey; fo müffe man anneh« men, daß diefe beyde Schriftfteller die Zeit, wann Pys thagoras in Italien war, mit der Zeit, wann er hin kam, verwechſelt haben, Ueber die Zeit ſeines Todes ſeyen zwar die alten Schriftſteller nicht einig: doch ſtimmten die meiſten, Jamblich nämlich ***), Tzetzes **vx), und ſelbſt Dioge⸗ nes**»„*ü), wenn man die Lesart des Caſaubonus annehme, darinn zuſammen, daß Pythagoras ein Alter von neun und neunzig Jahren erreicht habe. Dieſe Nachricht werde durch die Zeugniſſe des Diodor +), des Jam⸗ blich +) und des Cicero +++) beſtaͤtigt, von denen die beyden erftern ausfagten, daB Pythagoras zu und nach der Zeit des Krieges der Krotoniaten und Sybariten +t+}), und der leztere, daß er zur Zeitder Austreibung der Könige aus Nom durd) den Brutus, in Italien geweſen fen. Wahre *) Tufe, Quaefi, I, 16, acht WERK) VIII. 44. +») ad Ol, 67. 4. +») c 535 +t}) Tufe, Quaeft, IV, ı, ttt1) 67 4 Gecchichte der Pythagoreiſchen Geſellſchaft. 923 Wahrſcheinlich alſo muͤſſe man das Todesjahr des Pytha⸗ goras in das neun und neunzigſte feines Alters fezen *), und annehmen, Daß er entweder in oder gleich nad) dem Kyloniſchen Ueberfall geftorben, von’ jwelchem leztern Jamblich fage, daß er nicht lange nad) der Eroberung von Sybaris ausgebrochen fen. Diefe vom Bentley geordnete Zeitrechnung des Pythagoras lage fich viel beffer vertheidigen, als bie Dodmellifche, Hat weit mehr Zeugniffe der Alten vor, und viel weniger wider fih. Sie hat aber dennoch ihre Schwierigkeiten, weßwegen id) fie nicht annehmen kann. Der erfte wichtige Einwurf, den man ihr mie Recht machen kann, iſt diefer, daß fie ganz auf einer zweydeutigen Stelle beym Diogenes **), und einer vom Dodwell angefochtenen, und vom Bentley nicht genug vertheidigten Auslegung derfelben beruht, Aus der Verbindung nämlich, worinnen Diogenes die Zeugniffe des Eratoſthenes und Phavorin anführe, Fann man niche anders, als mit Dodwell und wider Bentley ſchließen ***), & 3 dag 9 Ol, 68. 2. ®*) vin. 47. ver) 'O, dena mA ervdereeyomosov Em'yıyov Yeryoye= vor Dascı Ilvdayopav, mewrov donsvra eutus no Ouppergas esoxacd9ar. Kos wAAov > ayrorooy Zapiov. Kos Eregov, enToex pox,In- gov. Kos sargov @AAov, Ta MEgi RMANS Yeyon- Dora, ra Tıya mei DOpees Tuvrerayusveor. Ro Ereooy Aweınm Feren yuareouevov, ws Ai0e yuros igogei. Eewroodevns de Oncs (raIw xx⸗ De ognos sv nn TAVToazns Isogins Baer ; TirJE- 224 Drittes Bud. daß diefe beyde gelehrte Griechen nicht den Weltweifen Pythagoras, fondern den Werfaffer der Dorifchen Ge- ſchichte für den Kämpfer gehalten Haben, der in der acht und vierzigften Olympiade unter den Männern fiegte. MWenigftens erhellt aus dem Anfange des neun und vier- zigften Abfchnitts im Diogenes unläugbar, daß fo wohl ber leztere, als der Verfaffer des Epigramms, das an⸗ geführt wird, den Athleten Pythagoras vom Philofopben unterfchieden haben *). Auch Apollonius **) trennt den einen von dem andern, und nennt den Athleten Pytha— goras als den einzigen, der in Samos gegen die Weis» heit des Philoſophen nicht gleichgültig geblieben, und mit diefem nad) Italien gegangen fey, Er bezeugt fer- ner, daß diefer dem Weltweifen gleichnamigte Kämpfer, ein Sohn des Eratofles, die Kämpfer zuerſt an Fleiſch⸗ fpeifen gewöhnt, und auch Schriften über die Athletik binterfaffen Habe: welche Erfindung und Werfe einige unrecht dem Weltweifen Pythagoras, einem Sohn des Mnes — — — — — ⸗ ———— TIIETAN) TETOv EDEL Tov MEWTOV FUTEXYWS TFUK- TEUTEVTE, EB TNS 0Ydons HL TETTEERKROSNS OAyumiades, noun TNV no cuNBeyıda Dogavra edIyvas TE Er Toy Today, noı XAsuac$er- To, avrına meoolnvcs smı Tas avdons, Ko vınm- oaı..S. 47. ®) Emı de T8 a9Anre Iludayeos xı TaTo eAeyero 70 emiyeamud, Ovros MURreus@y 9 OAvurrıcs mac avnlos Auge Tludayogws 6 Koxrew Zax- yes. o de DiAocoDos (fest Diogenes hinzu) xy wde ereseihe. #. TA. @) 5, 35. ap, Jambl, Gefchichte der Pythagoreifchen Gefellfchaft. 325 Mnefarch, zugeeignet hätten. Endlich fagt Diogenes *), daß nach der Meynung mehrerer Schriftfteller nicht der MWeltweife Pythagoras, fondern ein anderer, der ent weder Athlet, oder Lehrer der Athletik war, der erfte Empfehler der Fleifchfpeifen für Achleten gemwefen fey. Denn wie follte (fezt Diogenes wahrfcheinlich nach den Männern hinzu, deren Behauptung er eben niederges fehrieben hatte) Pythagoras der Weltweife diefes gethan baben,.da er gar das Erwürgen von Thieren verboten hatte? Diefe wider feine Auslegung der Stelle beym Diogenes ftreitende Gründe und Gegenzeugniffe hat Bente len niemals gehörig beantworte, Go gewiß es aber aud) ift, daß Apollonius, Diogenes und viele andere Schriftfteller vor und mit ihnen den Fechter Pythagoras von dem Weltweifen unterfchieden, und die wichtige Vers änderung in der Diaͤtetik der Kämpfer dem leztern abges fprochen habe: eben fo gewiß ift es auch, daß die ent« gegengefezte Nachricht und Meynung aud) viele Verthei⸗ diger hatte, daß zu diefen Eratofthenes und Phavorin gehörten, daß alfo Bentley Recht hatte, wenn er die zum Grunde gelegte Nachricht der beyden Griechifchen Schrift. fteller vom Philofophen verftand, und daß es endlich bloß der Nachläffigkeit und Verworrenheit des Diogenes zuzufchreiben ift, wenn ihre Erzählung in ein folches Licht geftellet wurde, daß man fie nothwendig misdeuten, und von einer andern Perfon, als bie fie im Sinne hatten, nehmen mußte. Die Beweife von diefen Sägen wird man leicht finden, wenn man den zwölften, und dann den fieben und acht und vierzigften Abfchnitt mit einander £ 3 ver⸗ — — — 9 $, 1% \ 326 Drittes Buch. vergleicht, Es heißt, fagt Diogenes, an bee erften Stelle, daß Pythagoras, der Weltweife, den Athleten zuerft den Genuß animaliſcher Nahrung angerathen habe, und nad) dem Phavorin foll er den Eurymenes zuerft fo gezogen haben, da die Kämpfer vorher ſich mit teodenen Hülfenfrüchten und friſchem Kaͤſe naͤhrten. Eben diefer Phavorin nun iſt es, der in Uebereinſtimmung mit dem Eratoſthenes in den beyden lezten Abſaͤzen ſagt, daß ein gewiſſer Pythagoras zuerſt kunſtmaͤßig ſich gebalgt, und in der acht und vierzigſten Olympiade den Sieg davon getragen habe, und um gar feinen Zweifel übrig zu laſ— fen, von welchem Pythagoras die Rede ſey, fezter hinzu, daß eben biefer Funftmäßige Athlet zuerft Erflärungen in die Mathematik eingeführt, den Himmel zuerft Koouec und die Erbe rund genannt babe, welches alles man ſchwerlich von einem andern als dem Weltweifen verftehen fann. Die ganze übrige Befdyreibung des Athleten Py: tHagoras, oder die Merkmaale, die Eratofthenes und Phavorin von ihm angaben, pafjen vollfommen auf den Samifhen Weltweifen. Er babe, fagten fie, fein Saar genährt gehabt, welches Apollonius*), Nifomas chus **) und Suchen ***) gleichfalle vom Weltweiſen er⸗ zählen. Diefen Schriftſtellern zufolge war der haar seiche Juͤngling aus Samos gar ein ſpruͤchwoͤrtlicher Aus» druck, womit man den Pythagoras bezeichnete. Ihnen allen roiderfpricht zwar Hefychius +), allein dieſer Wörs terbuchſchreiber har nicht einmal fo viel, wenigſtens nicht mehr un #) ap. Jambl. If. et Phil, Vie, Apol, I, 32, ®*%) 5,30, ap. Jambl, RE) I. 541. Vit. Auf, * Ap, Dodw, p. 12% Gefchichte der Pythagoreiſchen Gefellfchaft. 327 mehr Gewicht, als irgend einer der genannten Männer, und er Fann alfo in diefem Falle gegen alle drey gar niche in Betrachtung fommen, da die Ieztern überdem noch ben Eratofthenes auf ihrer Seite haben. Auch aus dem purpurnen Gemwande, in welchen fich der Athlet Prtha= goras den Kampfrichtern bey Elis darbot, muß man fließen, daß Eratofthenes unter den Athleten und Welt meifen einerley Perfon verftanden habe. Denn die beften Gefchichtfchreiber, deren Zeugniffe man weiter unten fin« den wird, bezeugen, daß Pythagoras und feine Schüler durch reine und glänzende, wenn gleich nicht immer Foft« bare Kleider, dem großen Haufen Ebrerbierung einzus flößen gefucht haben. Dodwell läugnefe nicht nur wider bie von mir atıe geführten Nachrichten, daß der Weltweife Pythagoras fein Haar genähre und purpurfarbne Kleider getragen babe; fondern er fuchte auch aus der gänzlichen Enthal- tung deffelben von Fleifchfpeifen wahrfcheinfich zu machen, daß Pythagoras der Weltweife, und Pythagoras der Arhler, oder der Einführer der animalifhen Diät für Kämpfer, nicht einerley Perfon feyn Fönne, . Ueberdem fehienen ihm die heftigen $eibesübungen der Griechen zu fehr mit dem ftillen betrachtenden Leben des Pythagoras zu flreiten, als daß man dieſem ſchon in einem Alter von ı8 jahren fo viel Erfahrenheit in der Athletik zu« trauen Fönne, um über erwachfene Männer zu fiegen *). Allein! es iſt nicht nur zweifelhaft, fondern, mie ih im He plgenben Capitel zeigen werde, hoͤchſt unwahr⸗ 4 ſchein⸗ u) 1 — — — —— — — — *) De aetate Pych, p, 125 u. f. 328 Drittes Buch. ſcheinlich, daß Pythagoras und feine Freunde ſich vom Fleifche und vom Schlachten der Thiere gänzlich enthalten haben, Wenn aber aud) ein Ordensgefez den Pythago- reern felbft ven Genuß thierifcher Nahrung unterfagt hätte; fo würde daraus im geringften nicht folgen, daß Pytha⸗ goras nicht den Athleten das Fleiſcheſſen angerathen ha— ben koͤnnte. Die neuern Platoniker verboten animalifche Mahrung aufs ftrengfte; aber nur allein folchen, die ein reines befchauliches geben führen, und ihren emporftres benden Geift von den Banden des Körpers und der Sinne losmachen wollten. Sie erlaubten hingegen das, wo— von fie fi) felbft enthielten, ausdrüdlich Athleten, Krie- gern, Handwerkern und allen übrigen, die ſchwere Ars beiten verrichteten, oder ein unruhiges gefchäftiges Leben führten *%. Auch Pythagoras alfo hatte zwar fich felbft und feinen Schülern das Fleiſcheſſen nicht erlauben, und dennoch Rämpfern empfehlen koͤnnen. So unrichtig Dodwell in dem legten Falle fchloß, -fo unglücklich war feine Bermuthung: daß heftige Leibes⸗ übungen dem Pythagoras und feinen Freunden deßwegen zumider gemefen wären, meil fie dadurch zu fehr zerſtreut, und in der ftillen Warhheitsforfhung wären unterbrochen worden. Der glaubmwürdigfte unter allen Geſchichtſchrei⸗ bern des Pythagoras, Ariftorenus, ſagt in einer Stelle, auf die ich in der Folge zuruͤckkommen werde **), daß die Pythagoreer, um ihren Körper zu bilden und zu ftärfen, alle Tage mehrere Arten von heftigen Leibesuͤbungen ge« trie⸗ #) Porph. l. c. #8) ap. Jambl, 97,5, Gefchichte der Pythagoreiſchen Gefelfchaft. 329 ‚trieben hätten. Aus bem Strabo *) und andern wiffen wie ferner, daß Milo, der ftärffte und beruͤhmteſte un- ter allen Griechifchen Athleten, und der Sieger der Ep: bariten, ein Schüler des Pythagoras, und daß um eben diefe Zeit die Stadt Kroton, wegen ihrer Krieger und Kämpfer, unter allen Griechifchen Städten am mei« ften berühmt war. Mach eben diefem Erdbefchreiber brachte Kroton in einer Olympiade fieben Sieger in den Olympiſchen Spielen hervor, und ihre Kämpfer hatten einen fo großen Namen, daß man im Sprüchwortefagte: der geringfte unter den Krotoniaten fen der größte unter den übrigen Griechen. Pythagoras alfo, der unter feis nen Schülern fo große Athleten hatte, und deffen Vor⸗ fohriften und $ebensregeln wahrfcheinlich mehr, als die gefunde Luft in Kroton, fo viele ſtarke und gemandte Männer in Kroton bildeten. Pythagoras alfo Eann felbft auch wohl in der Athlerif geübt gewefen ſeyn, und als Juͤngling in den Olympiſchen Spielen geſiegt haben. Wenn man fraͤgt, warum Apollonius, und andere neuere Schriftſteller, dem Weltweiſen Pythagoras Er⸗ fahrenheit in der Athletik, und Erfindung der animali« ſchen Diar für Kämpfer abgefprodhen, und einen zweyten vom Samifchen Philoſophen verfchiedenen Pythagoras erdichtet Haben, fo antworte ih, daß diefe Männer nicht anders Fonnten, indem fie den Pythagoras als einen ſchwaͤrmeriſchen Grübler ſchilderten und nachahmten, ber fchon als Juͤngling durch Enthaltfamkelt und Faſten fele nen $eib gefreuzige habe, um durdy ihn beftomeniger in himmliſchen Entzüfungen und Betrachtungen geftöre zu Ex wer⸗ ®) VI, 262. 63. Ed, Caf, — — — — 330 » Drittes Buch, werden. Schwaͤrmer und Leichtglaͤubige, die fo vom Pythagoras dachten, waren gezwungen, ſowohl anima» ſiſche Diat, als flarfe Leibesübungen von ihm zu entfer- nen, weil fie von beyden glaubten, daß die Geele da. durch fefter an den Leib genagelt würde, Ungeachtet ich aber überzeugt bin, daß Bentley wie Nachricht des Erarofthenes mit Recht vom Weltweis fen Pythagoras verftanden habe, fo zweifle id) doch fehr, ob er fie auch mit Recht zur Grundlage der ganzen Zeitz vechnung des Dythagoras machen Fonnte, Zwar ſcheint, wie audı Elend anmerfte, die Berechnung des Antilochus die Meynung des Eratofthenes zu beftätigen, und die Zeugniffe des Dionyfius von Halikarnaß, Livius und Plutatch widerfprechen ihr auch nicht fchlechterdings, Allein alle diefe Etellen find unbeſtimmt, und die drey leztern befonbers find mehr wider Dodwell, als fie für Bentley find. Denn wenn zum Benfpiel Dionnfius fagr, dab Pythagoras fid) nach der funfzigften Olympiade (welche Leſeart ich mit Bentley für. bie richtige halte) in Italien aufgehalten habe; fo Fann man daraus weiter nichts ſchließen, als daß der leztere nach der Meynung des erſtern zroifchen der funfzigſten und fechzigften, und nicht erſt nach der leztern nad) Italien gefommen fen. Die nähere Beftimmung, daß Pythagoras vier Ges fchlechter nad) dem Numa geblüher habe, ift nur alsdann für Bentley, wenn man vom Anfange der Megierung des Numa zu rechnen anfange, Heißt aber im Diony⸗ ſius: nad) dem Numa blühen, (mie es viel wahrſchein⸗ licher iſt) fo viel, als nac) dem Tode des Numa *), oder auch em er nenn: — — — ”) Ol, 27. 1. 4 Gefchichte der Pythagoreifchen Geſelſchaft. 331 auch nach der Mitte ſeiner Regierung beruͤhmt werden; ſo iſt die Stelle des Dionyſius ein Gegenzeugniß wider die Nachricht des Eratoſthenes. Eben ſo ſchwankend find Die Worte des Livius, worinn dieſer Geſchichtſchrei— ber ſagt, daß Phthagoras uͤber hundert Jahre nach dem Numa, zur Zeit der Regierung des Servius Tullius, an der aͤußerſten Kuͤſte Italiens Juͤnglinge unterrichtet habe. Wer kann hier beſtimmen, wie viel Jahre uͤber hundert, und in welchem Jahre der Regierung des Ger vius Tullius, Livius geglaubt habe, daß Pythagoras in Italien zu lehren angefangen? Diefer Roͤmiſche König berrfchte von der zı big an Das Ende der 61 Olympiade, und man kann alfo aus dem Zeugniffe des Livius hoͤchſtens fo viel abnehmen, daß, feinen Unterfuchungen zufolge, Pythagoras vor der 6o Olympiade nad) Italien gefonte men fen, weil er fonft nicht nad) hundert, fondern nach hundert und fünfzig Jahren würde gefagt haben. — Moch viel weniger konnte Bentley die Meynung derer, welche den Pythagoras fünf Menfchenalter nach dem Puma fezen, als eine Beftätigung des Zeugniffes des Eratofihenes anfehen. Wer mag bier unterfcheiden, ob man den Zeitraum, um welchen Pythagoras vom Numa entfernt geweſen feyn foll, von der Geburt des Römifchen Königs, oder von feiner Regierung, oder von * Tode zu berechnen anfangen muͤſſe? Mach) einer genauen Unterfüchung alfo ift das Ur. theil des Eratofthenes, und etwa das bes Phavorin das einzige, welches Bentley berechtigen Eonnte, den Pytha⸗ goras in der 43 Olympiade gebohren werden zu laffen. Allein biefem Urcheile ſteht erſtlich das Be des Cicero ent» « 332 Drittes Buch. entgegen *), nad) welchem Pythagoras erft unter bem Tarquinius, alfo nicht vor 61. 4., nad) Italien Fam: ferner das Zeugniß des Dikaͤarch **), nad) welchern Pythagoras den Pherefydes begrub, bevor er Italien befuchte, und der leztere alfo vor der 53 Ol. geftorben feyn müßte, welches allen Weberlieferungen der Alten wider: ſpricht: endlich, die Data aller, oder der beften Ge. ſchichtſchreiber über die Zeit feiner Bluͤthe, die Dauer feines Aufenthalts in Italien, die Laͤnge feines Lebens, und über die Epoche der Regierung bes Polyfrates, def fen geftärfte Herefchaft ihn noͤthigte, Samos zu ver- laffen. Alle Schriftfteller fegen die Zeit der Bluͤthe des Pythagoras, oder feines allgemeinen Ruhms, zwiſchen die 60— 62 Olympiade. Wäre er alfo fo früh nach Sstalien gekommen, als Bentley mennt; fo würden doch menigftens einige feine Blüthe bald nad) 53 Ol. angenom- men haben. Denn feine Ankunft in Italien war aud) der Anfang feines ſich in der Folge mehr verbreitenden Ruhms. Nach dem Juſtin ſtand Pythagoras ſeiner Schule zwanzig Jahre, und nach einem ungewiſſen Schriftſteller beym Jamblich neun und dreyßig vor. Bentley's Ned). nung zufolge, würde er nahe an ſechzig Jahre das Haupt einer blühenden Gefeltfchaft geweſen feyn. Die glaubwürdigften und wahrfcheinlichften Anga. ben der Lebenslaͤnge ſind unſtreitig die, welche beym Diogenes ſtehen. Die eine des Heraklides, der den Pytha⸗ *) Tuſe. I. 16, ®*) Porph, 55. 8. Geſchichte der Ppthagoreifchen Gefellihaft. 333 Pythagoras go Jahre gab: und die andere der meiften Schriftfteller, die das Leben des Pythagoras zu neunzig Jahren anfchlugen. Mit feinem von diefen beyden Da— tis reicht Bentley aus, und er muß daher dem Ttetzes und Jamblich folgen, die den Pythagoras neun und neun- zig jahre alt machen, Vergebens fucht er auch den Diogenes mit den beyden leztern übereinftimmend zu ma« chen, weil Feine Handfchrift ſtatt neunzig Jahre, neun und neunzig angiebt. Die größte und unübermwindlichfte Schwierigfeit ges gen die Bentleyifchen Angaben der Geburt des Pythagoras und feiner Ankunft in Italien, ift die Unvereinbarfeie derfelbigen,, mit der Zeitrechnung des Polyfrates, deffen Herrfchaft, nach dem Zeugniffe aller Schriftfteller, die Urfache entweder feiner Reife nach Aeghpten, oder nad) Italien, oder auch nach beyden $ändern war, Nimmt man mit dem Apollonius *) und dem Antiphon **) an, daß die erften Anfänge der Tyranney des Polyfrates den Pythagoras zu feiner erften Entfernung aus Samos bes megt haben, und daß Polyfrates ihm gar Empfehlungs- fhreiben an den Amafis mitgegeben habe; fo würde fols gen, daß Polyfrates ſchon um die acht und vierzigfte Dlympiade die Freyheit feines Warerlandes unterdrückt, und den Pythagoras an den Amafis fafl zwanzig Jahre vor der Regierung des leztern empfohlen habe. Wenn man aber auch die unzuverläffigen Nachrichten diefer Manner ganz verwirft, und mit dem Ariftopenus bes hauptet, daß die Tyranney des Polykrates nur einmal die — — — — nme, — —— — — *) 5, 11. ↄap. Jambl, 2t) 5,7. ap. Porph, 334 Dritte Bud. die Urſache ber Flucht des Pyehagoras, und zwar nach Italien geworden, und daß der flüchtende Weltweife um diefe Zeit vierzig Jahre alt gewefen fey; fo wird doch da» durch), fo lange man die Bentleyſche Zeitrechnung verthel⸗ digt, die Regierung des Polyfrates wider die ausdruͤck⸗ lichſten Zeugniffe aller Schriftfteller, und ſelbſt über alle Wahrfcheinlichfeit hinaus verlängert, Nach dem Ariſtoxenus war bie Tyranney dieſes Mannes fon im Wachsthum, oder befeftigt, als Pythagoras fie nicht länger ertragen konnte; ihr Anbeginn würde alſo über die 53 Olympiade hinaus, gegen die 50 hinfallen, und der glückliche Beherrfcher von Samos, der DI, 64. 1. gefreuzige wurde, wuͤrde über so Jahre regiert haben. Dies ift niche nur unwahrſcheinlich, fondern wird auch durch mehrere Nachrichten beym Athenäus widerlegt. Athenaͤus tadelt ben Mermeftanap, daß er die Sappho und den Anafreon für Zeitgenoffen gehalten habe *), da jene boch unser dem Alyattes, und diefer zu den Zeiten bes Kyrus und Polpfrates gelebt Habe. Nun ftarb Alyattes in der 54 DL. 3., und Kyrus fing nach dem üßereinftimmenden Zeugniffe alter Alten, erft ss Of, 1. anzu regieren. Polyfrates alfo, deffen Epoche der des Alyattes enigegen geſezt, und mit der des Kyrus gleich gemacht wird, Fann nicht vor der fünf und funfe sigften Ofymplabe fi) dew Alleinberrfchaft in Samos bes mächtige haben. Ich dringe hier nicht einmal auf das Beugniß des Polyänus, (das Bentley feibft anfüpre) **) nach welchem Polyfrates im Anfange feiner Herrſchaft Trup⸗ m Ten En a en £) XIII VIII, p. 599. “) Stratag. 1, 23» Gefchichte der Pythagoreiſchen Geſellſchaft. 335 Teupven vom Iygdamis, Tyrann auf Naxus, borgte, der wahrfcheinfich nicht vor DI. 59. 1, zusregieren anfing, Wider diefe Nachricht läßt ſich theils diefes einwenden, daß der leztere noch vor der Ergreifung der höchften Ges walt dem Polyfrates, wie dem Pififtvat *), beyſtehen Fonnte, und daß Polyan ihn einen Tyrannen von Naxus nannte, weiler es kurz nach der Unterftügung des Poly« Frates wirklich wurde: theils kann man dem Polyan ein Zeugniß des Apollodor enigegen ſezen, welcher beym Dio« genes **) fagt, daß Anarimander im ten Fahre ver 58 DI. 64 Jahr alt gewefen, und kurz nachher geftorben fey, nachdem er vorzüglic) zu den Zeiten des Polykrates gebtühet habe. Diefe Seile ſtreitet zwar mit der des Polyaͤns, aber nicht mit der des Athenaͤus, und bemeift die Bentleyifche Meynung vom Anfange der Regierung des Polyfrates im geringften nicht. Suidas fagt zwar unter dem Artikel Anafreon, daß diefer Dichter um die 52 Olympiade gelebt habe, und ein Zeitgenoß des Poly- £rates geweſen fey; allein Bentley fühle ſelbſt, daß diefer nac)läffige Lexikograph nichts für ihn bemeife, indem’ er unter dem Worte Ibikus wieder fchreibt, daß Anafreon in der 54 Olympiade nach Samos gefommen fey, als Dolykrates, der Water des Tyrannen in Samos, und Kröfus in Hdien regiert habe, Nun hatte Dolykrates feinen Vater gleiches Namens, der Samos beherrfchte (fein Water Hieß Aeafes) und Kröfus beftieg, nach Bentleys Rechnung erft, in DL. 55. 3. den Spdifchen Thron ***), | Zwi⸗ Inne *) 1, 61. Her, **) In vita Anaximandrl, ARE) S. 48, 336 Drittes Bud). Swifchen Dodwell und Bentley nahm der Bi- ſchof Uohd gleihfam die Perfon eines Mittiers an. Er verwarf zwar die Rechnung des erftern ganz, gab aber doch dem feztern auch nicht in allem Recht *). Pyrha« goras (fage er) ift im dritten Sabre der 43 Olympiade gebohren, wenn er derfelbige mit demjenigen ift, von welchem ratofthenes beym Diogenes redet **). Er wolle aber doch lieber fein Geburtsjahr in das dritte Jahr der acht und vierzigften Olympiade ſezen, weil Heraklides bezeugt, daß Pythagoras nur achtzig Jahr alt geworden, und die meiften Biographen, daß er nicht lange nad) der Zerftöhrung von Sybaris geftorben fey ***), Am wahr ſcheinlichſten alfo fey es, daß Pythagoras in der 68 DI. 3. geftorben, Und zwanzig Olympiaden vorher gebohren wor den fey. Wolle man aber mit den Schriftftellern beym Diogenes glauben, daß Pythagoras ein Alter von 90 Jahren erreicht habe, fo falle fein Tod in DI. 70. 4. Ungeachtet $oyd meinem Urtheile nad) der Wahre heit näher gefommen ift als Bentley; fo hat er doch feine Meynung viel weniger bemwiefen, als diefer Gelehrte, Er gab zu, daß Pythagoras in der 43 DI. gebohren feyn müfte, wenn Eratofthenes den Weltweifen Pythagoras im Sinne gehabt habe; und verließ doc) diefen Eratos fihenes und Bentley, ohne etwas wichtiges wider die Glaubwuͤrdigkeit des erftern, und Die Auslegung des an⸗ dern — — un 2) Man fehe den Auszug feiner Hiftoire chronologique de Pythagore, & d’autres hommes c&lebres, qui ons vecu de fon tems, dans la Biblioth, choifie de M, le Clere X, p. 101, ee) Diog, VIIL 47, *). O1, 67.4 Geſchichte der Pythagoreiſchen Gefellfchaft, 337 dern vorgebracht zu haben ober vorbringen gu Fönnen. Er würde, feiner Art zu fchließen zu folge, Bentley ohne meitern Zweifel haben beyflimmen müffen, wenn diefer die Stelle des Diogenes fo vertheidige hätte, als fie ſich, wie ich gezeigte habe, wirklich vertheidigen laͤßt. Das einzige, was ihn (außer dem Dato von der Zerflörung von Spbaris) bewog, vom Bentley abzugeben, war die Nachricht des Heraflides über die $ebenslänge bes Pythagoras, die ihm dadurch ein neues Gewicht zu erhala ten fchien, weil $ucian den Pythagoras niche unter den langlebenden Weltweiſen angeführt habe. Auch ich glaube zwar, daß die Nachricht des Heraflides denen, aller übrigen Schriftfieller, vorgezogen zu werden verdiene, aber dies nicht um des Heraflides willen, deffen Gewaͤhrs⸗ männer und Gründe ich nicht weiß, auch nicht um des Stillſchweigens des Luclan willen, weil Sucian viele andere berühmte Männer, die neunzig und mehrere Fahre alt geworben find, nicht angeführt Harz nur allein deßwegen halte ich die Erzählung des Heraklides für die wahr. fcheinlichfte, weil fie allen übrigen hoͤchſt glaubwürdigen Zeugniffen alter Geſchichtſchreiber, und den zuwerläffige jten darauf gegründeten Berechnungen am beften ent ſpricht. Ohne diefe Zufammenftimmung würde ich es nie wagen, das Datum diefes Schriftitellers zur Grund« lage der ganzen Zeitrechnung des Pythagoras zu machen. Nenn man nicht ffrenger fenn wollte, als Loyd; fo Fönnte man mit eben fo vielem Grunde, als worauf feine Neche nung gebaut ift, die Geburt des Pyrhagoras in die 46te Dlympiade hinaufrüden. Die meiften Schriftfteller (£önnte man fagen ) ſtimmten, wie Diogenes meldet, dahin überein, daß Pythagoras go Jahre gelebt habe, Da er | ) | nun 338 Drittes Bud. nun bald nach dem Ausgange der 67'Ol. geftorben ift; fo folgt hieraus, daß er entweder am Ende der 45, oder mahrfcheinlicher mit dem Anbeginn der 4öften gebohren feyn müffe, Bon diefen drey berühmten Schriftftellern, über das Zeitalter des Pprhagoras, weichen wiederum Harz duin und Stanley ab. Der erftere *) fezt eine aftronomifche Entdeckung des Pythagoras in das 661ſte Jahr vor Chrifti Geburt, und läßt ihn alfo faft hundert Jahre früher ge- bohren werden, als Bentley. Diefe willkührliche Rech⸗ nung aber wird durch die Zeugniffe aller Alten fo Fräftig widerlegt, daß man fich der Mühe überbeben Fann, ihre Unrichtigfeit ausführlicd) zu zeigen. Stanley hinge⸗ gen **) fest die Geburt des Pythagoras noch um einige Jahre fpäter an als Dodwell. Er nimmt zuerft die Er zählung des Jamblich als wahr an: daß Pyrhagoras, nachdem er fid) 22 Jahre in Aegypten aufgehalten hatte, vom Kambyſes im driften Jahre der 63 DI, nad) Per« fien geführet worden, und nad) einer Gefangenfchaft von zwölf Jahren, nach Samos in fein Vaterland zurückges fommen fey. Diefer Erzählung nad), Fönne er alfonicht vor dem Ende der 66 DI. Samos verlaffen haben, um Italien zu befuchen,, und wenn er damals, wie Jamblich gleichfalls bezeuge, 56 Jahre alt geweſen, ſo koͤnne er nicht vor dem erften Jahre der 533ſten Olympiade gebohren worden ſeyn. Auch diefe Meynung unterfuche ich nicht weitläufe tig, meil alle die Gründe, die ich der Dodwelliſchen entgegen gefezt babe, auch wider die Stanlenfche gelten, Sch erinnere hier nur noch diefes, daß in einigen Puncten Stans *) Chron, Vet. Teft, ad annum 661. ante Chriftum, **c) Hit, phil, de Pyth, ec, X, p. 671, Gefchichte der Pythagoreiſchen Gefellfchaft. 339 Stanley, in andern aber Dodwell ſich genauer an bie Schriftſteller Halten, denen fie beyde folgen. Dodwell darinn, daß er den Pythagoras nicht gleich in demfelbi« gen Fahre, in welchem er aus der Perfifchen Gefangen. ſchaft zurückgefehre feyn fol, nach Sytalien_ reifen läßt : Stanley aber darinn, daß er den zwey und zwanzig jäh« rigen Aufenthalt des Pythagoras in Aegypten, den Dod⸗ well abläugnet, beybebält. Eine ganz neue Bahn, die von den Wegen aller bisher genannten Männer abwich, betrat ein gelehrter Franzos de la Nauze *). Diefer übernahm es zu bemeis fen, daß Pythagoras im Anfange der 35 Ol., 640 Jahr vor Chriſti Geburt, gebohren worden, Er beruft fich zuerft auf eine Sage, die Herodot unter den Griechifhen Anwohnern des Hellefpont und ſchwarzen Meers hörte: daß nämlich Zamolxis, der von den Geten göttlich verebret wurde, ein Eclave des Py« thagoras gewefen fen **). Herodot (fagt de la Mauze) hielt diefe Sage freylich für eine Erdichtung; allein fie würde unmöglid) in mehrern Sändern haben Glauben fin den, und ſich verbreiten Fönnen, wenn Pythagoras fo jung gemwefen wäre, als Bentley oder Lloyd und Dodwell glauben, und bis unter den Darius, ober gar Eerres gelebt Härte. Man muß daher annehmen, daß fein Tod uͤber die Regierung diefer beyden Perfifchen Könige, alfo über Ol. 64.4. hinaus falle, 2 Er ®) Mẽmoires de Litterature tires des Regiftres de l'Aca- demie royale des Infcriptions & belles lettres, Tom, XIV, 375 e*, IV, 93 340 Dritte Buch. Er beruft fich ferner auf die Zeugniffe der Alteften Weltweifen, die alle vom Pythagoras als einem Manne redeten, der vor ihnen gelebt hätte. So table Heraflit die Vielwifferey des Pythagoras *), Parmenides fchreibe ihm eine Entderfung über die Venus zu **), und Zenos phanes endlich ***) mache feine Seelenwanderung lächer: ich. Nun bluͤhete (fchließt de Ta Nauze) der erftere um die 69 DI., Parmenides war beffen Zeitgenoß, (falſch fagt der ®., daß Parmenides älter als Heraflit und deffen Lehrer gewefen fen) und vor dem Parmenides lebte Zenophanes von Kolopbon. Da nun Pythagoras älter als fie alle war; fo müffe man feine Geburt nothwendig bis in das 640ſte Jahr vor unferer Zeitrechnung hinauf heben, Er beruft fi drittens auf das Zeugniß des Par menides, nad) welchem Pythagoras ber erfie war, der beobachtete, daß der Morgen » und Abendftern nicht von einander verfchieden feyn. Zwar fehreibe Phavorin +) diefe Beobachtung dem Parmenides zu; allein Apollodor (beym Stobaus und Plinius ff) flimmten dem Parme nides bey, ber bier unftreitigam meiften Glauben vers diene, Plinius fage fogar, daß Pythagoras diefe Erfin dung in der 42 Olympiade gemacht habe fft). Auch bier» aus alfo müfte man den Schluß ziehen, daß Pythagoras um en re — ”) Diog, VII, I, 6, **) VII], 14. —— 666 1) IX. 23. +) 1.6, Ttr) 612.9. vor Ch. Geh, Gefchichte der Pythagoreiſchen Geſellſchaft. 54 um die fünf und dreyßigſte Alpine gebohren worden fey. Us einen vierten Grund für feine Meynung führe be fa Nauze die allgemeine Leberlieferung aller alten Schhrififteller an, daß Pythagoras ben Dherefydes von Syros zu feinem Lehrer gehabt habe. Dieſer Pherefydes müffe alter gewefen feyn, als die Weifen von Griechen— land, meil Tteges berichte *), daß Ihales ihn gehört babe, Da nun Pythagoras ein Mitfchüfer des Thales gemwefen fen, ſo folge hieraus, daß er. auch ohngefaͤhr um dieſelbe Zeit **) muͤſſe gebohren morben feyn, Das frübe Zeitalter des Pherefydes werde überdem durch zwey merkwürdige Nachrichten im Diogenes ***), außer Zweifel geſezt. Diefer Schriftfteller berichte, daß Pherekydes zur Zeit bes Meffenifchen Krieges gelebt babe. Diefer Krieg nun fönne Fein anderer. als. der zweyte feyn, der fid in der 27. DI. mit. ber. Zerfidrung von Meffene endigfe. Diogenes führe ferner aus dem. Hermipp an, daß Pherekydes die mit den Magnefiern friegenden Ephefer beguͤnſtigt, und ihnen. durch die, Forefchlennung feines Körpers in ihr Gebiet den Sieg verfchaft habe. Diefer Krieg fey unftreitig eben der, deffen Archilochus erwaͤhnt babe +), welcher Dichter nach) dem Herodot unter dem Mdiſchen Könige Gyges vor der 27 DI. lebte. Wenn übrigens. Pherekydes von einigen Schrifte ftellevn tiefer herab geſezt werde, fo komme biefes daher, V 3 daß — 870. Chil. 640 J. v. Ch. Geb, * J—— h. Geb. 35 Ol. ) Str. XIV, p. Bun Clem, Str, I, p. 144. * 342 Drittes Bud. daß man zween Pherekydeſſe von Syros, einen Aftrolos gen und einen Theologen mit einander verwechfelt habe, welche vom Andron von Ephefus forgfältig unterſchieden worden *). Wolle man aber mit dem Eratofthenes **) und Strabo ***) nur einen Pherefydes von Syros anneh⸗ men; fo fönne man doch nicht läugnen, Daß ältere und neuere Öelehrre den Unterrichter des Pythagoras mit dem viel ſpaͤtern Geſchichtſchreiber vertaufche hätten, Nicht aber bloß die Zeitrechnung der Lehrer des Pythagoras, ſondern auch ſeiner Schuͤler beweiſe, daß er um die 35 DI. gebohren worden ſey. Unter den lez— tern werde, ſowohl vom Jamblich als Porphyr, Zaleus fus der Gefezgeber der Sofrier genannt, deſſen Zeitalter man am beften aus einer Stelle des Demofthenes wider den Timofrates beftimmen koͤnne, in welcher der Athe— nienfifche Redner fage, daß die Geſeze des Zaleufus ſchon über 200 Jahre geltend geblieben wären. Da nun Des mofthenes diefe Rede in der 106 DI, mehr als 3200 Jahr vor Ehrifti Geburt gehalten habe; fo folge daraus, daß die Gefesgebung des Zaleufus gegen 550 Jahr vor Chriffi Bebure hinaufgefeze werden müffe, und daß Pythagoras alfo um das 600 Jahr vor Chriſti Geburt gelebt habe. Ein anderer Zuhörer des Pythagoras, Hippafus von Metapont, war nad) dem Suidas ein $ehrer des He raklit +), und werde aud) vom Xriftoteles ſtets vor dent Hera⸗ —— ®) Diog. 1. 119. °*) 1,119. see) x, 487: 1) in voce neukAsıTos. Geſchichte der Pythagoreiſchen Geſellſchaft. 343 Heraklit als der ältere genannt, Nun babe Heraklit um die 69 DI. oder soo Jahr vor Ehrifii Geburt ges blüht, und Pythagoras, der Lehrer feines Lehrers, muͤſſe daher um 600 Jahr vor Chrifti Geburt gefebt haben, Ich übergehe das, mas der V. von dem Zeitalter bes Alkmaͤon und Parmenides vorbringe, und feze nur nod) feine Bemerfung über das Zeitalter des Tenophanes, und deſſen DVerhältniß zur Epoche des Pythagoras ber. Parmenides hörte, nad) dem Zeugniffe *) des Diogenes, ben Eenophanes, und den Pythagoreer Diochetes. Nun fey jener, nach dem Apollodor **) und Gertus, um die 40 Olympiade gebohren worden, und da eben biefer Weltweiſe jünger als Pythagoras gewefen, wie aus feis nen eigenen oben angeführten Werfen erhelle; fo Eönne der leztere nicht unter die 35 DI. herab gebracht werden. Diefer feiner Rechnung miderfprächen zwar erftlich die Zeugniffe des Jamblich und anderer, die den $nfis, Empedofles, Philolaus, und mehrere andere Weltweife zu Zeitgenoffen des Pythagoras machten; allein durch diefe und aͤhnliche Nachrichten müffe man fid) nicht irre machen laffen, da eben diefe Schriftfteller aus einer uns verzeihlichen Macdhläffigfeie fo gar Männer, die nach dem Ariftoteles lebten, in das Zeitalter des Pythagoras hinaufgehoben hätten **). Wenn de la Nauze alle übrige Einwürfe wider feine Hypotheſe fo gut hätte wegräumen koͤnnen, als den eben angeführten; fo würde fie unter allen bisherigen die 4 annehm⸗ ——— — — —— Tg Sn a — *) IX. 21. ®*) Clem. Str, I, zor. ”"*) 5,14, 244 Drittes Buch. annehmlichfte feyn? Allein fie zwingt in u laͤugnen, daß Pythagoras zu den Zeiten bes Amafis, Kambyſes und Polyfrates gelebt habe, wenn man nicht außer dem berühmten Tyrannen von Samos mit den Suidas eis nen andern gleiches Namens annehmen wolle. De la Nauze gibt übrigens zu, daß Pythagoras im often Jahre feines Alters nach Italien gekommen, und im goften Jahre, 550 por Ehrifti Gebure, noch vor der 60 Olympiade geftorben fey. Syn eben dem Bande, in welchem ſich die zulezt ausgezogene Abhandlung findet, ſteht eine Widerlegung derfelben vom gelehrten Freret, deren Inhalt ich Daher auch Furz mittheiten will. Das Jahr der Geburt des Pythagoras (fagt diefer Chronolog) Fönne fo wenig; als das feines Todes, genau beflimmt werben, und er wolle daher nur die außerften Granzen abzuſtecken fuchen, über welche man das eine nicht hinaus, und das andere nicht herüber rücken Fönne Nach dem Diodor von Sicilien, deffen Nachricht von allen andern Gefchichtfchreibern, entweder vorausge⸗ fezt und beftätige, oder doch nicht widerrufen werde, übers lebte Pythagoras bie Zerftöhrung von Sybaris*), welche nad) ihm und dem Eufebius in das Jahr 509 vor Ehrifti Geburt **) falle, biemit flimmen Apollonius beym Jamblich und Eicero ***} genau zufammen, bie ihr beyde noch nad) der Zerftöhrung von Sybaris leben laſſen. Pythagoras koͤnne alfo nicht vor 509 J. geftorben ſeyn; wahr« *) Lib, XII, 483. Ed, Wedel, **) 67. Ol. 4. **) Tufc, IV, Io Gefchichte der Pythagoreiſchen Gefellfchaft. 345 wahrfcheinlich aber falle fein Tod in das Jahr vor Chriſti Geburt 508 oder 7, wenn anders die Erzählungen der Alten über feine Todesart beym Jamblich und Porphyr Glauben verdienten. Je nachdem man nun einer von. den enfgegengefezten Nachrichten Griechifcher Schriftſtel— ler uͤber die Jebenslänge des Pythagoras folge, und die lejtere entweder auf 80, oder 90, oder 99, oder 104, oder 117 "jahre fhäze, je nachdem müffe man auch das Ges burtsjahr defjeiben höher oder niedriger, enfweder in das 587, oder 597, oder 606, oder 611, oder 634 Jahr v. C. ©, ſezen. Mad) dem Antilochus, der von der HAsıce des Pythagoras bis auf den Tod des Epifur *) 312 Jahre redjnete, müffe Pythagoras 600 Jahr vor Ehrifti Geburt gebohren worden feyn, wenn man 7Aurız in der Bedeutung nehme, in welcher es in den beften Shriftftelleen vorfomme, naͤmlich für das Alter, worinn jemand zum Krieger gefickt war. Wolle man hingegen dem Jamblich folgen, der den Pythagoras in der 62 Olympiade **), und in einem Alter von 56 Jahren nad) Italien kommen laffen ; fo müffe man deffen Geburt einige Jahre fpäter (im 596 oder 594 Jahre) ans nehmen, - Diodor von Sicitien, Cicero und Sellius ſtimm⸗ ten ohngefähr "alle mit dem Jamblich über die Zeit der -Anfunft des Pythagoras in Italien überein. Der er ftere feze fie in die 6r Ol. ***), die beyden leztern in dag D 5 Ende ®) 270 v. Ch. Geb, ) 532, 33. RR) 534 5, vor Ch, G. 346 Drittes Bud. Ende der Regierung des Servius Tullius, oder den An« fang der Regierung des zweyten Tarquinius. Vergleiche man endlich die Nachrichten bes Arifto- renus, über das Alter des Pythagoras bey feiner Abreife nad) Sjtalien, mit den Datis anderer, und befontrs des Eufebius über den Anfang und das Ende der Tyran- nen des Polyfrates, um welcher willen Pythagoras fein Vaterland verließ; fo falle feine Ankunft in Italien zwi— fehen die Jahre 522-535, und feine Geburt zwifchen 562 = 75. Nach dem Ariftorenus ging Pythagoras zur Zeit der höchften Macht des Polyfrates als ein vierzig jähri« ger Mann nach Italien: Polyfrates aber wurde im zten Jahr der 64 DI, *) gefreuzige, und hafte nad) dem Eu« febius im 2ten Jahre der 61 DI. **) zu regieren an« gefangen, Darinn war Freret vorfichfiger als alle feine Vor: gänger, daß er von den ficherften Datis in der ganzen Zeitrechnung des Porhagoras ausging: von den Zeug« niffen nämlid) des Diodor , Cicero und Apollonius beym Jamblich, nad) welchen Pythagoras die Zerftöhrung von Sybaris ***) überlebte. Diefe Nachrichten nun waren freylich hinreichend, die Meynung des de la Nauze, bie er widerlegen wollte, übern Haufen zu werfen, allein fie führten doch auch zu nichts beftimmten, wenn er nicht erfilich die Erzählung des Apollonius damit verbunden hätte: daß die Verfchwörung wider die Pythagoreer bald | nad) —— — 0 *y 521 Jahr v. Ch. Geb “) Das ift, 535 vor Ch. Geb. * nach andern Hand⸗ ſchriften: 533. 32 22, u 67. 4 Gefchichte der Pythagoreiſchen Gefeltfchaft. 347 nach der Niederlage der Sybariten ausgebrochen, und Pythagoras entweder in dem Kylonifchen Aufftande um: gefommen, oder doc bald nachher geitorben ſey. Für die Nichtigkeit dieſer Meberlieferung bringt Freret gar Feine Gründe vor. Wenn er alio die Empörung wider die Py— thagoreer gleich in das erſte oder zweyte Jahr nad) der Zerftörung von. Sybaris, und den Tod des Pythagoras in das Jahr 508 oder 507 vor Ehrifti Geburt feste; fo hatte er nur allein das Anfehen eines jüngern fabelhaften Gefshichefehreibers, und eine unbewiefene willführlicye Auslegung einer zweydeutigen Stelle vor ſich. Von diefem durch bloßes Rathen herausgebrachten Sterbejahr des Pythagoras rechnet er nun nach einander die Sebenslängen zuruͤck, die von verfchiedenen Schriftftel: lern angeführt werden, und daraus ergibt es fih, daß zwifchen dem nachften und entfernteften Geburtsjahre ein eben fo großer Abftand, als zwifchen den Meynungen ei: nes de la Nauze und Bentley, oder eines Bentley und Dodwell ſey. Dieſe Berechnungen waren ganz unnuͤz, fo bald er nicht erflärte, und darthat, welchem Schrift: feller man folgen, und welche $ebenslänge man für die wahrfcheinlichfte halten müffe. Freret fehle ferner, wenn er die Nachricht beym Jamblich über die Nücffehr des Pythagoras nad) Samos in einem Alter von 56 "jahren, mit einer andern von der Ankunft deffelben in Sytalien in der 62 Olympiade verbin. det, als wenn fie beyde von einerley Schriftfteller her- rübrten, und daraus den Schluß zieht, daß Pythagoras im Jahr 587 gebohren feyn müffe. Das eine Datum ift vom Apollonius, das andere vom Nikomachus, und e8 348 Drittes Bud. es iſt gar nicht bewiefen, daß der erftere bie Berechnung des zweyten, und der zweyte bie Erzählung des erftern angenommen habe. Bielmehrift es wahrfcheinlih, daß Apollonius dle Ankunft des Pythagoras in Italien viel fruͤher als Nifomahus angefezt habe. Wenn man nämlich zugibt, daß das lezte Capitel im Jamblich eine Fortſezung des vorhergehenden fey, und wie der größte Theil des leztern, und die fünf erftern Capitel, den Apole fonius zum Verfaſſer Habe: fo läßt ſich Die Nachricht im 36 Capitel, daß Pythagoras feine Schule 39 Jahre rer giert habe, . fehr wohl mit der Erzählung des Apollo« nius *) aber gar nicht mit der Nachricht des Nifoma- chus **) vereinigen. Freret nahm fogar wider das Zeug- niß des Xpoffonius an, daß Pythagoras in eben dem Sabre, in welchem er aus der Perfifchen Knechefchaft zurücgefommen fepn foll, fih nad) Italien eingefchift abe. t Ein weit größeres Verſehen aber, als die vorher. gehenden, mar diefes, daß er alle übrige Schriftfteller mit dem Nifomahus, der die Neife des Pythagoras in die 62 Olympiade fezte, in Harmonie zu bringen fuchte, Außer dem Nifomachus reden nur noch zween andere be- ſtimmt und ausdrüclich von der Anfunft des Pythagoras in Italien: Cicero namlich, der ihn unter dem Tarquis nius Superbus***), und Golin f) der ihn in dem Con⸗ fulat des Brutus +}) nad) Italien fommen läßt, Der erſtere ö— — — — — — — — — — — *) S. 19 **) Sm 36. Abſchnitt. ‚er, Mad) Ol. 61. +) c. 21. +) 68. 1. x Gefchichte der Pythagoreiſchen Gefellfehaft. 349 erftere von diefen beyden ſtreitet zwar nicht mit dem Ni— komachus, aber beftätige aud) feine Angabe nicht. Der andere hingegen weicht um 6 Olympiaden von ihm ab, Alle übrige Griechen und Römer, die Freret zu ‚Mitzeugen des Nifomahus, und zu Erhärtern feiner Meynung macht, reden entweder nur von dem Anfange des Ruhms des Pythagoras, oder von feiner Bluͤthe, oder überhaupt von der Zeit, wann er gelebt habe. Den Anbeginn feines fich verbreitenden Ruhms fezte der Ver— faffer des Alerandrinifhen Chronifons in das. 1. Jahr der 34, Ol. und Auguſtin in die Zeit der Ruͤckkehr der Juden aus der Babylonifchen Gefangenschaft: ohngefähr um die 62 Ol. Seine Blüthe nimmt Diogenes in der 6o und Diodor in der 61 Olympiade an, und an diefe Bluͤthe laͤßt ſich, mie ich nachher. darthun werde , erft einige Jahre nad) feiner Ankunft in Italien denken. Won ver Zeit, wann er gelebt habe, reden Dionyfius, Plutarch, Tas tion, Clemens und Kyrill, abev alle unbeftimme, Bon den beyden erftern habe ich dies fihon gezeigt, ‘und von den andern darf man nur die Worte lefen, um feinen Beweis weiter zu verlangen. Tatian fage in feiner Rede wider die Griechen *), daß man den Pyrhagoras um die zwey und fechzigfte Olympiade finde, und faft eben fo drückt fi) Clemens von Alerandrien aus, dem Kyrill benftimme **), nur daß der erftere den Pythagoras einen Zeile - H Am Endep. 174, Abcency de meeı OAuumıada rei- BKOSAV nos EVVOTNY Eugianeras Yeyovms. ZoAwy zeoı a, Mvdayogus megı ER. ®*) adv, Jul, p, 12, 350 Drittes Buch). Zeitgenoffen des Polykrates von Samos nennt *), Es braucht gar Feiner Erinnerung, daß ſich in alten diefen Zeugniffen nichts finde, was die Nachricht des Nifo- machus über die Ankunft des Pythagoras in Italien bes ftätige; und daß hingegen die meiften, wie das des fi« pins, der den Pythagoras ſchon unter dem Servius Tullius in Italien lehren läßt, offenbar wider ihn ſeyen. Das fonderbarfte aber in ber Freretſchen Unterſu— chung ift diefes, daß er das Zeugniß des Ariftorenus,, nad welchem Pythagoras im vierzigften Jahr feines Alters nach Stalien kam, zum Grunde einer Berechnung legt, wodurd) die Angabe des Nifomachus beftätigt wer⸗ den fol. Das erftere ftreitet offenbar mit der leztern; denn wenn Pythagoras vierzig Jahr alt war, als er in der 62 DI. nad) Italien kam; fo Fann er nicht, wie Freret will, in der 68, er muß wenigftens in der 70 Dlympiade geftorben feyn, wenn man feine $ebenslänge auch nur auf go jahre ſchaͤzt. Wollte man hingegen dem Pythagoras ein Alter von 100, 104, 117 “jahren geben; fo mürde fein Tod nahe bis an die go Olympiade herabfallen. Freret fcheint auch gar nicht bemerft zu haben, daß man entweder die auf das Zeugnißdes Apol⸗ fonius gegründete Rechnung, oder auch die Erzählung des Ariftorenus von dem Alter des Pythagoras, zur Zeit feiner Abreife nach Italien verwerfen müffe, Er behält beyde bey, und verbindet die leztere zuerft mit einer Nach⸗ | richt — ⸗ — — — — — — 2) Clem. Str. I, p. 302. Ilv$oayogas de nor moAU- nearyy Tov Tugavvov, TEL THV Econosmy deuregay oAUmTrIO dos EUEICKETU. Geſchichte der Pythagoreiſchen Sefellfcyaft. 351 richt des Eufebius: daß Polykrates erft im zten Jahre der 61 Dl.zu regieren angefangen habe, und dann mit der Erzählung des Herodot, nad) welcher eben diefer Tyrann, im dritten Jahre der 64 Olympiade, oder 522 Jahre vor Ehrifti Geburt, hingerichtet wurde. Aus den verbundenen Datis des Ariftorenus und Eufebius fehließt er nun, daß die Ankunft des Pythago—⸗ ras in Italien zwifchen das Jahr 522 und 35, und feine - Geburt alfo zwifchen 562 und 575 unferer Zeitrechnung falle. Dies fcheint ihm fehr gut mit den Zeugniffen des Clemens übereinzuftimmen, nach welchen die Reife des Py⸗ thagoras nach Kroton zwifchen 532 — 34 gefezt werden müffe. In diefem durchaus unfritifchen Räfonnement ver: gaß Freret, daß die Maͤnner, die er als gleichdenfend annahm, mit einander ftritten, daß das Zeugniß des Ariftorenus mit andern nicht fo verbunden werden Eönne, als er wollte, weil Ariftorenus über den Anbeginn der Herrſchaft des Dolykrates wahrſcheinlich nicht fo urtheilte, als Eufebius, daß ferner die Handfchrift des. leztern fehr von einander abweichen, und daß endlidy das Datum des Eufebius durch die Zeugniffe des Athenaͤus und Apollodor von der Regierung des Polyfrates, und wie aus der Folge erhel- fen wird, durch die zuverläffigften Data aus ber Zeit: rechnung des Pythagoras widerlegt werde, Ich merfe nur nad) diefes an, daß, wenn Eufebius, derden Tod des Pythagoras nad) einigen Mfpten in die 68, nad) andern in die 70 Olympiade ſezt, den Polyfrates erft von der 6: DI. hätte zu regieren anfangen, und den Pythagoras ohngefähr in der Mitte feiner Herrfchaft in einem Alter von 40 Jahren nad) Sytalien entfliehen laffen, er dem lez⸗ tern eine geringere $ebenslänge, und einen kuͤrzern Auf- ent 352 Dritte Buch, enthalt in Italien gegeben haben würde, als irgend ein anderer Schriftfteller behauptet hat. So vieles ſich aber auch gegen die Feoretfihe Schaͤ⸗ zung, Auslegung und Vereinigung von Datis alter Schriftſteller einwenden laͤßt; ſo gruͤndlich iſt ſeine Wi— derlegung der Hauptſtuͤcke der Zeitrechnung des Pythago— ras, wie de la Nauze ſie entwarf. Ich will daher das Weſentliche dieſer Pruͤfung mittheilen, weil ich mich auf einige ſeiner Beobachtungen in der Folge beziehen, und zugleich der Muͤhe uͤberheben werde, mich bey gewiſſen Stellen weiter aufzuhalten. Was erſtlich die Stelle im Plinius betrift, in welcher die Entdeckung der Einerleyheit des Abend- und Morgenfterns dem Pythagoras in einem jugendlichen Als ter zugefchrieben, und in die 42 DI. geſezt wird: fo be— merfe Freret, daß es gar nicht wahrſcheinlich fey, daß ein junger Menfch, der zur Zeit der Kindheit der Aftros nomie unter den Griechen lebte, auf eine Erfindung follte gefommen feyn, die zu den ſchwerſten der Aftros nomie gehöre, und eine vollfommene Kenntniß unfers Sonnenſyſtems, befonders des Laufes ber Venus voraus⸗ fege. (Diefer Einwurf würde ftärfer ſeyn, wenn Freret bewiefen hätte, daß man auf den Gedanfen, den Pli» nius dem Pythagoras zueignet, nur allein durch folche Rechnungen und Wahrnehmungen, aus welchen er jeze bewiefen wird, nicht aber durch bfoßes Rathen und Bes obachten gelangen Fönne, und daß die Meynung der Als ten überhaupt, die den Phosphorus und Hefperus für einerley hielten, fo gegründet und dargethan war, als fie es in unfern Zeiten ift. So lange beydes nicht ausges macht iſt, kann man nicht ficher fhließen, daß Pytha⸗ goras ⸗ Geſchichte der Pyhthagoreiſchen Geſellſchaft. 353 goras oder ſonſt jemand im entfernteſten Alterthume, da die Sternkunde noch ein kleiner roher Haufen, entweder von einfaͤltigen Beobachtungen, oder kuͤhnen Vermu⸗ thungen war, nicht eben ſo gut darauf haͤtte verfallen koͤnnen, daß der Morgen und Abendſtern einerley ſey, als daß die Erde ſich um einen andern Körper bewege, und daß der Mond unferer Erde ähnlich, oder wie diefe bewohnt fen.) Wichtigere Einwendungen gegen die Stelle im Plinius, und die Folgerungen, die man daraus gezogen bat, find diefe: daß Pythagoras über 130 Jahre alt ges worden feyn müfte, wenn er ſchon in der 42 Olympiade bie ihm zugeeignete Entdeckung gemacht hätte: daß fera ner die Zahl im Plinius in- verfchiedenen Handfchriften auf eine fehr verſchiedene Art gelefen werde, indem einige ftatt der 42 Olympiade die 32, oder auch 58 fegen: daß hoͤchſt wahrfcheinlichen Vermuthungen der beften Ausles ger zu Folge die Stelle im Diogenes, wo Parmenides diefe Erfindung dem Pythagoras zufchreibt, gleichfalls vordorben fey *); und an flatt @s Dnoı Ilxemenichs, © de Oncı Ixenevidnv gelefen werden müffe, meil Dioges nes im $eben diefes Weltweifen **) dem Phavorin bey. flimme, der die Bemerkung über die Venus dem Pars menides zufchrieb: daß endlich das einzige Zeugniß des Plinius nicht gegen die widerfprechenden Angaben älterer und zuverläffigerer Gefchichtfehreiber vertheidige werden fönne, da wirniche einmal wüßten, woher er es genome men, und mit welchen Gründen es unterflüzt geweſen fey. Wenn — — —— — *) VIII. 14. x) IX. 23. 354 Drittes Buch. Wenn aber zweytens de la Nauze aus dem Zeit alter der, Lehrer und Mirfchüler des Pythagoras fehließen wolle, daß ber lezte in der 35 DI, gebohren worden fey ; fo thue er den beften Schriftftellern die offenbarfte Gewalt an. Es fey falſch, daß Pherekydes, ver Lehrer des Pythagoras, fo früh gelebt habe, alsman vorgeben wolle: falſch, daß Thales ein Zeitgenoß des Pythagoras ges wefen fey. Man müffe es freylich als ein unläugbares, und von allen Schriftftellern bewährtes Factum annehmen, daß Pythagoras einen Pherefpdes von Syros zum Seh. rer gehabt habe; affein man müffe auch mit dem Andron von Ephefus, beym Diogenes, zween Pherefydeffe unter« feheiden, einen Aftrologen, und einen Theologen, einen Sohn des Badys, mit welchem leztern Pythagoras be» fannt gewefen ſey. Vom erftern hingegen rührten die MWeißagungen ber, die ſich auf die Niederlage der Ma« gnefier und Meffenier bezogen, und beym Diogenes im geben des Pherefndes ſtehen. Aus diefen Weißagungen alfo, die man unrichtig auf den fogenannten Theologen übergetragen babe, koͤnne man nicht fchließen, daß der Lehrer des Pythagoras zwiſchen der 20 und 30 Olym⸗ piade geblüher habe. (Dies Raͤſonnement läßt fich freylich vereheibigen ; man kann aber auch) mit dem Eratofthenes und Strabo nur einen Pherekydes annehmen, und doc) denen fehr leicht widerfteben, die diefen Mann in die Zeit der Zerftörung von Magnofia und Meffene ſezen. Beyde Prophezeyuns gen von dem Untergange diefer Städte, oder der Nieder» lage ihrer Einwohner find offenbare Fabeln, die durch ihre Erzähler nicht das geringfte Anfeben, nicht einmal das Vor Geſchichte der Pythagoreiſchen Gefellfchaft. 355 Vorurtheil eines gemwiffen Alters gewinnen. Die eine nahm Diogenes aus dem Hermipp, einem berüchtigten Ervichter und Mährchenliebhaber ; bey der andern nennt Diogenes feinen Gewährsmann nicht einmal. Sie fün« nen daher ohne Bedenfen den Erdichfungen zugezähle werden, die dem Ppthagoras den Eamolis, Charons das und Epimenides zu Schülern gaben, weil fie den Ana gaben der glaubmwürdigften Alten, und der ganzen übrigen Zeitrechnung bes Pythagoras widerfprechen). Suidas feze die Geburt des Pherefydes in die 45 Dlympiade; Cicero made ihn zu einem Zeitgenoffen des Servius Tullius, der bis DI. 61. 3. regierte: und mit diefem ſtimme Diogenes überein, als welcher fage*), daß Dherefydesum die 59 Olympiade gelebt habe. Eufebius erwaͤhne feiner im zten Jahre der 6o Olympiade, und alle diefe ftimmten darinn überein, daß Pherefydes fpäter als Thafes und Anarimander gebohren worden und auch geftorben fey. (Die Zeit feines Todes ift ungewiß, und laͤßt fich auch nicht genau beftimmen. Aus den Worten des Cicero **) muß man fchließen, daß er noch vor der 61 Diympiade geftorben fy. Nimmt man feinen Tod in den erften fahren der neun und funfzigften Olympiade on, fo hatte Difaarch Recht, wenn er fagte, daß Py⸗ thagorasden Pherefydes ie vor feiner Reife nach Ita⸗ - 2 lien 9 121.1, ei) Sed quod litteris exftet Pherecydes Syrius primus di- zit, animos hominum efle fempiternos, antiquus fane, fuit enim meo regnante gentili. Hanc opinio- nem difcipulus ejus Pythagoras maxime confirmavit, qui cum Superbo regnante in Italiam veniffet, ete. Tufe, Quaeft, I, 16, 356 Drittes Bud. lien zur Erbe beftatter Habe. Sezt man hingegen das Sterbejahr des leztern in die 60 oder 61 DI.: fo muß man denen folgen, welche berichten, daß Pythagoras aus Italien nad) Delos zurücigegangen ſey, um feinem Lehrer die lezte Pflicht zu leiften. In jenem Fall aber haben die jüngern Geſchichtſchreiber Unrecht, welche vor» geben, daß die Pyrbagoreifhe Schule zerflört worden fey, während daß Pythagoras den Pherekydes befucht, und nad) feinem Tode begraben habe. Bentley *) nahm ohne Beweis an, daß Pherefydes um die 59 Olympiade geftorben fey, und daß Lucian, der einem gewiſſen Phe« vefydeg ein Alter von 85 Jahren giebt, den $ehrer des Pythagoras gemeint habe, Mad) diefen unrichtigen Vor⸗ ausfezungen bringt er nun feine Geburt in das te Jahr der 37 Olympiade zuruͤck; allein ſchon Dodmell hat ge⸗ zeigt **), daß Suclan niche vom Weltweiſen, fondern vom Genealogen oder Gefchicytfchreiber geredet habe, Loyd verwechfelte gleichfalls den Lehrer des Pythagoras mit dem Pherefydes beym Lucian, und laͤßt daher den erftern im aten Sabre der 66 Olympiade fterben, meld)es das ‚Bste Jahr vom Anfange der 45 DI. iſt.) Mehrere alte Schriftftelter (fo fähre Freret fort ***) geben dem Pythagoras nicht nur den Pherefpdes, fons dern auch den Thales und Anarimander zu $ehrern. Diefer Männer Zeugniffe vermerfe de la Nauze um des einzigen Tzetzes willen, als welcher den Thales zu einem Schüler des Pherekydes und zu einem Mitſchuͤler und Zeit⸗ — — e ⸗ *) ©. 42. | s*) ©, ı01, de aetate Pyth, ar”) hell, ap. Porph. $. 11. und Apollonius ap, Jambl, 4 id I» } Gefchichte ber Pythagoreiſchen Geſellſchaft. 357 Zeitgenoffen des Pythagoras mache. Gegen diefen Vor⸗ zugaber, den fein Gegner einem nachläffigen und unglaub- - würdigen Grammatifer gebe, und gegen die Nachricht bes leztern ftreite niche nur die ganze wahrfceinlichere Zeitrechnung des Pherefydes, fondern auch alle Dara und Urtheile der Alten über die $ebensumftände und Philos ſophie des Thales. Sowohl Ariftoreles als Cicero ver- ſicherten ausdruͤcklich, daß Ihales der erftere geweſen fen *), der Unterfuchungen über die Natur der Dinge anzuftelfen angefangen habe. (Und beyde, kann man hinzu fegen, erwähnen, wie alle übrige alte Geſchichtſchreiber, der Meynungen des Thales und Anarimander. ftets vor denen des Pherekydes oder Prrehagoras), Mit diefen Urs theilen ftimmten die Data der Griechen von dem Alter des Thales vollfommen überein. Nach dem Apollonius und Diogenes **) war Pythagoras fehr jung, als erzum Thales Fam, und Thales fchon ein hohes Alter erreiche hatte: man müffe alfo wenigftens einen Unterfchied von 40 oder 45 Jahren unter ihnen annehmen, Nun feze Apollodor , derjenige Schriftfteller, der den Thales am höchften hinauf rücfe, beffen Geburt in die 35 Di. ***), oder 640 Jahre vor unferer Zeitrechnung, und Pythago⸗ ras müffe alfo gewiß nad) der 45 DI. gebohren worden feyn. Vielleicht aber falle die Geburt des Thales noch) tiefer Heıb, denn Herodot berichte, daß er die.Nieder- lage das Kröfus noch erlebt Habe +), und alfo in bie 58 Olt mpiade eingetreten fey , in welche auch Eujebius 33 fein men m u ——— ”) de Nat. Deor, I, 10. Metaph, I, 4, ““) |], ce, “**) 1, 37.38 N 1. 75.170 958 Drittes Bud. fein Todesjahr ſeze. Wenn man biefe leztere Data an. nehme, und dem Thales auch mit dem Soſikrates das hoͤchſte Alter, naͤmlich vonachtzig Jahren gebe; fo muͤſſe man ſeine Geburt in die 38 Olympiade herunterſchieben. (Freret haͤtte bier gar nicht zweifeln ſollen: denn Heros dots und Eufebii Zeugniffe überwiegen die Angabe des oft unrichtigen Appollodorus ohne Verhaͤltniß. Man kann daher ohne alles Bedenfen die 38 Olympiade als diejenige anfehen, in welcher Thales gebohren worden). Wenn man es endlicd) zugebe, daß Pythagoras auch den Anarimander gehört habe; fo muͤſſe man die Geburt des erftern nothwendig diffeits 640 vor C. ©. her- unterfinfen laſſen. Denn Anarimander war nach) Apol« lodors Berichte im fen Jahre der 58 Olympiade 64 Jahre alt, und alfo 614 oder ı5 gebohren: aus welchem Dato es viel wahrfcheinlicher werde, daß Pythagoras diffeits 600 J. vor Ch, Geb. , als vor biefem Zeitpuncte gebohren worden ſey. (Wenn Anarimander aud) nicht. der Sehrer des Porhagoras war, welches man, tie ic) glaube, aus feinem vernünftigen Grunde abläugnen fann ; fo muß man ihn doch immer um drey Olympiaden älter, als den Pherefydes, und alfo wenigſtens um 6 Dlympia- den älter, als den Pythagoras annehmen). Zulezt kommt Freret zur Unterfuchung des Zeitals ters der Männer, die man für Schüler oder aud) Nad)- folger des Pythagoras gehalten habe. Aus der Sage bemerft er richtig, daß Zamolpis ein Selave des Pytha⸗ goras gemwefen fey, Fönne man nichts für das hohe Alter- thum des leztern fchließen; meil Herodotdas ganze Gerücht für falfch erkläre. Eben fo ſchwach fen das Käfonnement, wodurch de la Mauze ben Zaleufus zu einem Freunde des Sami- Gefchichte der Pythagoreiſchen Geſellſchaft. 359 Samifchen Philofophen zu machen fuche Die Worte des Demofthenes, worauf er ſich gründe, fenen unbes ſtimmt; Eufebius feze den Zaleufus in das zte Jahr der 29 Olympiade, und mit diefem übereinftimmend gäben Sfymnus von Chios *) und Strabo **) die Geſeze des Zaleufus für die älteften gefchriebenen Geſeze in Gries» chenland aus, deren Bekanntmachung alfo Pythagoras unmöglich hätte erleben koͤnnen. — Endlich fen die Nach» richt, als wenn Charondas vom Pyrbagoras gebil« bet worden, im geringften nicht einer chronologifchen Hypotheſe gänftig, wodurch die Geburt des Pythagoras in die 35 Olympiade verrückt werde. Ariſtoteles verlache diejenigen, die den Charondas zu einem Freunde des Za⸗ leufus machen ***), und nad dem Diodor habe Charondas gar erft feine Gefeze für Die Bürger von Thu⸗ rium gefchrieben, weldye Stadt in 83 DI. 3. gegründet wore den ſey. Wenn man aber aud) zugeben welle, daß Eharondas der Urheber der Gefezgebung von Rhegium, die durch die Tyranney des Anarilas abgefchaft wurde, gemwefen fen; fo folge hieraus nichts, mas die Meynung des de la Nauze beftätigen fönne; indem man nicht wiffe, mie lange man die Gefeze des Charondas bis auf den Anapilas, der im dritten Jahre der 7ı DI, zu herrſchen anfing, beobachtet habe. Hier bricht Freret feine Betrachtungen uͤber die Zeitrechnung der Maͤnner ab, aus deren Alter de la Nauze die Epoche der Geburt des Pythagoras zu beſtim⸗ 34 men *) 8 313: %) IV,259, ““r) V, 12, de Rep, 360 Drittes Buch: men fuchte. Unſtreitig waren aber die Data ber Alten ber die Zeit, warn Hippafus, Alkmaͤon, Heraflit, Zensphamenes, Parmenides und andere gelebt hatten, das fcheinbarfte, was de fa Nauze für feine Behauptung vorgebracht hatte. Hier nun, mo fein Widerfacher am ftärfften ift, ſchlaͤgt er ihn bloß durch die Anmerfung: Daß, wenn aud) in den Nachrichten der Alten über die Epoche berühmter Männer, die man für Zeitgenoffen oder Nachfolger des Pythagoras ausgegeben habe, fich etwas finden follfe, was mit den ausgemachteften Daris der Zeitrechnung des leztern ſich nicht vereinigen laſſe, man erft prüfen müffe, wie viel Glauben foldye wider: fprechende Stellen verdienten, und ob fie allen den Zeug» niffen, denen fie enfgegenflünden, das Gleichgewicht Halten Fönnten ? Nachdem ich izt den Grund oder Ungrund aller mir bekannten merkwürdigen Meynungen über das Zeitalter des - Pythagoras, und zugleich den Sinn, oder die Gültigkeit und Ungültigkeit der meiften Stellen, die zum Grunde gelegt worden find, oder gelege werden müffen, geprüft habe; fo wird es mir um defto leichter werden, meine eigenen Gedanken über diefen Ge- genftand in aller Kürze zufammenzufaffen,. Sch fchmeichle mir, daß ic) Feine von den Grundfäzen beleidigen werde, die ich anfangs niedergelegt, und nach welchen id; andere gerichtet habe. Auch) werde ich aufrichtig alle Zeugniffe und Schwierigkeiten anzeigen, die meinen Vermuthun⸗ gen entgegen ſtehen. Wenn man die kurz vorher aus dem Freret mit- getheilten, und von mir beflätigten oder berichtigten wahrfcheinlichften Berechnungen des Zeitalters der Män- ner Gefchichte der Pythagoreiſchen Gefellfchaft, 361 ner gelten läßt, die alle Sehrer des Pythagoras, oder doch gewiß älter als er waren, und ihnen zufolge ans nimt, daß Thales in der 38 oder höchftens 35, Anapia mander in der 42, und Pherekydes in der 45 Olympiade gebohren worden ; fomuß man geneigt werden, die Geburt des Pythagoras nicht nur über die 45 Olympiade herab, fondern auch näher an die funfzigfte als andie 45 zu ſezen. Eine jede der angegebenen Epochen der Vorgänger des Pythagoras gründet fid) auf die glaubwürdigften Data mehrerer Schriftfteller, und eine jede ift alfo einzeln für fid) betrachtet, annehmenswereh. Um defto größer wird daher ihr Gewicht, da fie unter einander fo vollfommen übereinftimmen, und feiner einzigen etwas mit Grunde entgegengefezt- werben Fann, Ich will aber dennoch aus der Harmonieder Zeitrechnungen des Thales, Anarimans der und Pherefydes nichts weiter fließen, als daß es wahrfcheinlich fey, daß Pythagoras mehrere Olnmpiaden nad) der 45 gebobren worden, \ | Die eigentliche Zeit oder das Jahr der Geburt des Pythagoras hat Feiner beſtimmt, als ein gemiffer Anel- lochus, deffen Zeitalter unbefannt iſt, und der nur vom Clemens *) und einem ungenannfen Zeitrechner angeführt wird *), Beyde Schriftfteller fagen vom Antilochus, 35 daß *) Clem. AvrıAoxos des res ISOORS FOR Yuoreur- wevos amo vns Iudwyoge MAmızs emı vw Farı- useg TEÄeUTNV, YaumAsovos de denn iso MEVS YEvopEVHV, E74 Degsit Tavyros TEIKOTIE Omdene. *#) Anonymus. Oruumiadav ara yga ds ault.ad Olymp, XLIX, 2, evreugenr AvrssAogos 795 Tev Isogoy Teoy- ’ 362 Drittes Bud, daß er die Gefchichte der Griechifchen Weltweiſen von der yAsıe des Pythagoras bis auf den Tod des Epikur be fchrieben, und daß er diefen Zeitraum auf 312 Jahre be» rechnet habe. Wenn man nun bon dem Todesjahr des Epikur *) 312 Jahre zurück rechnet, fo fälle die nArız des Pythagoras, mit welcher Antilochus feine Gefchichte anfieng, in das are jahr der 49 Olympiade, wie ber ungenannte Zeitrechner fchon anmerkte. Hier entftand nun Streit über die Bedeutung des Worts 7Arzım. Bentley bewies mit mebrern Benfpielen (und ihm ſtimm⸗ ten $loyd und Freret bey) daß nArıe für das blühende Alter von Männern gebraudjye werde, und mit axum einerlen ſey. Dodwell hingegen that mit eben fo entſchei⸗ denden Stellen aus dem Demofthenes und Plutarch dar *), daß nam mit aetas, oder mit Zeitalter gleichgeltend fey, und nicht immer ein beftimmtes Alter, eine fefte Stufe im menfchlichen Leben anzelge. In diefer Bedeu- tung nahm Antilochus unftreitig dies Wort in dem ange» führten Fragment? denn er trug die Gefchichte der Welt. meifen vom Pythagoras bis auf den Epifur vor, und fieng alfo eben ſo wahrſcheinlich mit dem Leben, ober der Geburt des ET Rn TERYMRTEINS BOYETON. idem ad Olymp, XXV. 2, AvrıAoxos o Tas ISogus eo YMRTEUTOMEVOS 070 vns Ilud&yogs yAmsws emı vov Errınges TeAeuruy, ern Deesı va mavr& Tıß. — Ich übergehe hier dag Zeugniß des Eratofthenes und Phavorin, niche nur, weil id) es oben fo beftritten habe, fondern weil man daraus zwar die Olympiade, aber nicht das Jahr heraus bringen könnte, in welchen Pythagoras nah dieſer Männer Meynung gebohren werden. * Ol. 127.2 *) 105. p. de act, Pyth, Gecſchichte der Pothagoreifchen Gefellfchaft. 363 des erftern an, wie er mit dem Tode des leztern aufhoͤrte. Diefe Erflärung der zwendeufigen Stelle des Antilochus iſt allen Gefezen der richtigen Auslegungs£unft fo entfpres chend, daß man fid) Faum vorftellen fann, wie man je auf eine andere fallen Fönnte. Einem jeden, ſcheint eg, müffe es einleuchten, wie lächerlich und unglaublic) es fey, daß ein Mann, der die Gefchichte der Weltweisheit von einem gewiffen Pbilofophen bis auf den Tod des an⸗ dern abzubandeln fid) vorgenommen hatte, daß diefer von dem eben besjenigen, mit mweldyem er anfieng, einen Theil abgefchnitten und zurück gelaffen hätte, da er das - ganze geben des leztern, mit demeraufhörte, in fein Werk einſchloß. Vernuͤnftiger Weife alfo läßt ſich nicht daran zweifeln; daß Antilochus die Geburt des Pythagoras in das ate Jahr der 49 DI. gefezt habe, von welchem er ausging. Kine ganz andere Frage aber ift diefe: ob An« tilochus richtig rechnete, und ob man feiner Angabe bey» ſtimmen müffe? Wir fennen nämlic) weder feinen Fleiß, noch feinen Scarflinn, nod die Männer, denen er folgte, noch die Gründe, auf welchen feine Rechnung berubte. Auch blieb er den berühmreften Schrifeftellern unter Griechen und Römern unbefannt: lauter Ums ftände, die, wie es ſcheint, nicht viel günftiges für den Antilochus und fein Zeugniß fchließen laffen, — Daraus aber allein, daß Antilochus nur von einigen genannt wors den ift, folgt nichts nachtheiliges, wenigſtens nicht für ben Fleiß oder die Genauigkeit diefes Gefchichtfehreibers; denn aud) die Werke des Sertus, und einiger anderer berühmter Sriechifcher Weltweifen find oft nur von einem oder einigen erwähnt worden. Aus den beyden Stellen hingegen, bie Clemens und ber ungenannte Chronolog ans 364 Drittes Buch. eus ihm erhalten habe, muß man menigftens fo viel vermufben, daß er in Unterſuchungen, die zur Zeitrech- rung gehörten, genauer und forgfältiger war, als die Griechen gewöhnlich zu ſeyn pflegren. Er gab nämlich nicht nur ganz genau den Zeitraum, cber die Menge von Jahren an, die feine Gefchichte in ſich begriff , fondern er. beftimmfe auch die Zeit des Todes des Epifur auf Monath und Tag, Ich will mic) aber diefer Vortheile und der dem Antilochus günftigen Umftände nicht einmal bedienen, fondern fein Zeugniß nur als ein folches anſe⸗ ben, das für ſich gar Feine Glaubwürdigkeit hat, und deffen Were ganz von der Uebereinflimmung deſſelben mit andern fihon geprüften wahrfcheinlichen Datis ab» hänge, Vergleicht man es nun mit der Zeitrechnung der Männer, bie dem ganzen Alterrhum zufolge vor dem Pythagoras gebohren wurden; fo wird es dadurch nicht nur nicht widerlegt, fondern fogar beftätig. Denn wenn Thales in der 38, Anarimander in der zwey und vier: zigften, und Pherekydes in der fünf und vierzig: ften Olympiade gebohren wurden; fo ift es fehr wahr: ſcheinlich, daß die Geburt des Pythagoras ohngefähr in die 49 Olympiade gefallen fey. Die Rechnung des Antilochus entſpricht nicht nur den Chronofogien ber Sehrer und Vorgänger des Pytha— goras; fondern fie ſtimmt aud) vollfommen mit den An- gaben der glaubwürbigften Schriftftelfer überein, die von der Bluͤthe, oder bem fich’ausbreitenden, oder ſchon ausgebreiteten Ruhme des Pythagoras reden. eine Bluͤthe fegt Diogenes in die 60 *), Diodor, der, wie ic) — — — — — — — ”, VII, 45 Gefchichte der Pythagoreiſchen Gefellfehaft. 365 ich oben gezeigt habe, die beften Schriftfteller vor fich - hatte, in die 61 *), und Auguſtin in die 62 Dl., mit welchen Tatian, Clemens und Kyrill zufammenzuftim- men feheinen **). Dieſe Bluͤthe des Pythagoras muß man durchaus mehrere Jahre nach feiner Ankunft in alien annehmen, weil er fich vorher nirgends zeigte, und Zeit dazu erfodert wurde, ebe er als ein Fremdling Anſehen und Freunde gewinnen Fonnte, Auch aus Dio- dors Worten *8*) Fann man nicht anders fehließen, als daß Porhagoras zu der Zeit, als er berühmt zu werden anfieng, fich ſchon einige Zeit in Italien aufgehalten hatte, Aus diefen Zeugniffen wird es daher wahrfcyein« ih, daß Pythagoras nod) vor der 60 Olympiade nad) Italien gefommen feyn muͤſſe. Nun wiſſen wir ferner aus dem Zeugniffe des Ariftorenus, daß Pythagoras ohngefähr 40 Jahr alt war, als er aus Samos entwich, um fih in Italien niederzulaffen; und auch aus diefer Nachricht, verbunden mit den Datis des Diodor und Diogenes über die Blürhe des Pprhagoras, muß man alfo den Schluß ziehen, daß er gegen das Ende der 49 Olympiade gebohren worden fey. Das Zeugniß des Antilochus entfpricht daher ſowol ber Zeitrechnung des Thales, Anarimander und Phere- kydes, *) Tom, H, Exc, p. 653. 54. Ed, Weffel, *5) Siehe Bentl. p. 49. ***) Diodor. 553. 54. ori em aexovros Adyuncı @z0ıKaEBS KAT TAV Eu OAuurıcda, Iu$ayoexs o DiAocoßos EYVWEICETO MEorEeHoDws ndy ev Touıdeıa, Yeyove de Isogias wfios El Kos Tis Ere- Eos Toy regi maıdeıav barenvavrav. Yeyove de Exuıos vo yeyos: 6 de Doacw örs Tugenvos. etc, 366 . Dritted Bud) Endes, als den glaubwürdigften Erzählungen des Ariſtoxenus, Diogenes und Diodor , über das Alter und die Zeit, in welchen er in Italien angelangt fey, oder geblüht habe, Endlich beftätigen !ioius, ber die Neife des Pythago⸗ ras nad) Stalien in die Regierung des Servius Tullius fege, ferner Tatian, Clemens und Auguftin, welche far gen, daß er um die 62 Olympiade geblüht oder gelebt habe, die Angabe des Antilochus mehr , als fie von ihr abweichen, da fie hingegen den Rechnungen des Freret, Dodwell, Bentley und Loyd offenbar widerfprechen, oder doch fehr ſchwer Damit zu vereinigen find, In der ganzen Lebensgeſchichte des Pythagoras ift fein Umftand fo gewiß, und durch fo viele glaubwürdige Stellen der Alten bewährt, als diefer: daß Pythagoras noch gelebt, und feine Schule noch geblüht habe, als die KRrotoniaten unter der Anführung eines feiner bes rühmteften Freunde, des Rämpfers Milo, die Sybari. ten überwunden *), welcher Sieg in das vierte Jahr der 67 Ol. fälle. Wie bald aber auf die Zerftörung von Spbaris'der Untergang feines Bundes gefolgt fen, laßt ſich vielleicht gar nicht, mwenigftens nicht aus unzweydeu⸗ tigen Stellen alter Geſchichtſchreiber beftimmen, Aus der Erzählung des Apollonius, (dem id) in diefem Frag» ment mehr als fonft zufraue, weil er die Weranlaffung des Aufftandes, und bie Beſchwerden wider die Pytha⸗ goreer, fo umftändlid ausführt, als fie niemand ohne Urkunden erdichten Eönnte, und weil er, ohne es zu mer» fen, — = 2 Sn nn la Te — —n ®) Diod. XII, 483. Cic. Tufe. Q. 1, 16, Apoll, 255. ap, Jambl, Ariftoz, ib, 249. Porph, 54. ſ. Geſchichte der Pythagoreiſchen Gefellfchaft. 367 fen, verfchiedene Facta einmiſcht, die feiner eigenen Schilderung des Pythagoras widerfprechen) aus der Er» zählung des Apollonius alfo muß man zwar vermuthen, daß der Pythagoreiſche Bund nicht fo gar lange nad) dem Siege der Krotoniaten aufgelöft wurde; allein man fin, det darinn nicht ein einziges Wort, woraus man zu ſchlie⸗ fen berechtigt wäre, daß die Verſchwoͤrung der Feinde der Pythagoreer fo bald reif geworden und ausgebrochen fey, als Bentley, !oyd und de la Nauze annehmen, Vielmehr ift es wahrſcheinlich, daß Pythagoras und feine Parthey durch den glüclichen Erfolg des Raths *), den ber erftere den Krotoniaten gegeben hatte, und dur den glänzenden Sieg, den diefe vorzüglich dem Pythago— reer Milo fchuldig waren, auf eine Zeitlang, ein weit größers Anfehen, und einen maͤchtigern Einfluß erhiel. ten, als fie vorher gehabt hatten. Unwahrſcheinlich hin- gegen ift es, daß die Einwohner von Kroton gleich im erften oder zweyten Jahre nad) dem Umfturze von Syba» vis die Verdienſte ihrer Wohlthärer fo fehr vergeffen, und eine Gegenparthey fo fehr begünftige haben, daß die Sieger ihrer Feinde, und die Erhalter ihrer Vaterſtadt dadurch hätten vertilgt werden Fönnen. Viel glaublicher ift es, daß mehrere Jahre darüber hingingen, bis man die weifeften und tapferften Mitbürger beym großen Hau» fen foverdachtia machen, und.eine fo mächtige Rotte gegen fie zufammen bringen fonnte, Daß man es mit irgend einem Scheine von glüdlichem Erfolge magen durfte, fie mit — — — — — — — — —— — — — “) Naͤmlich den uͤbermuͤthigen Sybariten die Flüchtlinge nicht auszuliefern, die fie zuruͤck foderten, und die ſich unter den Schuz der Krotoniaten begeben hatten. 968 Drittes Buch. mit offenbarer Gewalt anzugreifen, und entweber zu er⸗ morden , oder ing Elend zu jagen, Eine folhe Vorausſezung wird faſt nothwendig, wenn man mit dem Dikaͤarch und Polybius annimmt, daß die Berfhmwörung wider die Pyibagoreer nicht bloß auf Kroton eingefchränft gemefen, fondern in den meiften Städten von Großgriecheniand aufeinmal wider fie aus» gebrochen fey, denn fo allgemeine und gleichzeitige Vers ſchwoͤrungen gegen einen fo mächtigen Bund, alsder Pya thagoreifche war, Fönnen nicht in einem fo Fleinen Zeite raum, als man gemeiniglich zwifchen dem Untergange von Sybaris, und der Pythagoreiſchen Gefellfchaft an- nimmt, entworfen und ausgeführt werden. Man fezt daher, glaube ich, mit mehrerm Grunde die Zerftörung der Pythagoreiſchen Schule in den Anfang, oder die erſte Hälfte der 69 als der 68ten Olympiade. Alle alte Schriftfteller *) fagen entweder, daß Py⸗ thagoras in dem allgemeinen Aufftande umgefommen, oder daß er kurz nachher geftorben fey, welches leztere Difd- arch, und aus ihm wahrſcheinlich Juſtin verfichern *). Hoͤchſtens alfo überlebte er den Untergang feiner Freunde um einige Monathe, und man muß daher annehmen, daß er in der erften Hälfte der 69 Olympiade geftorben fey. Dies ſtimmt nicht nur mit allen bisher angeführten Da« tis, fondern aud) mit den fchon oft erwähnten Zeugniffen des Heraklides 'beym Diogenes, und eines ungewiſſen Schriftſtellers beym Jamblich überein, unter welchen jener dem Pythagoras ein Alter von go Jahren gab, und diefer "m 54. ©. Bentl, “*) Dicacarch. ap. Diog. VIII, 12. ap, Porph, 52. Juft, XX, 4, Geſchichte der Pythagoreiſchen Geſellchaft. 369 dieſer ihn 39 Jahre ſeine Schule in Italien regieren ließ. Spaͤter als den Anfang der 69 Ol. kann man den Tod des Pythagoras, und die Aufloͤſung ſeines Bundes nicht herabſezen, weil Eenophanes und Heraklit *) vom Pythagoras als einem Verſtorbenen reden, und Ariſtote⸗ les niche nur die Meynung des Hippafus, fondern auch die $ehren aller älteften Pythagoreer fters vor denen der Eleatifer und des Heraklit anführe, Zenophanes war zwar ein Zeitgenoß des Pythagoras, denn er bluͤhte um die **) 60. D1.***), er wurde aber älter als Pythagoras, weil er fich, feinem eigenen Zeugniffe zufolge, über fieben und fechzig Jahre außer feinem Baterlande aufhiele, und bis in die Regierung des Hiero, und das Zeitalter des Epicharmus hinein lebte f). Heraklit blühte um die 69 Dlympiade, und in diefer Olympiade mufte Pythagoras ſchon geftorben feyn, weil Heraklit gewiß nicht eher blüe hend genannt wurde, als bis er fein Werf über die Nas tur der Dinge im Tempel der Diana niedergelegt hatte, — Wollte aber jemand den Tod des Pythagoras mit dem Eufebius einige Jahre höher hinaufruͤcken, nämlich ins dritte Jahr der 68 Olympiade; fo hätte ic) aud) Dagegen nichts einzumenden, Nur würde man alsdenn diefen Ph Deren ” VIII. 6. 36. Diog, ®*) Apollodor fehlte unftreitig, wenn er den Kenophanes in die 40 Olympiade feste, Sotion hingegen Fonnte mit Recht fagen, daß diefer Weltweiſe ein Zeitgenoß des Anarimanders geweſen ſey. @»*) Diog. IX. 20, #) Diog, IX, 19, & Timaeus ap, Clem, Strom, 1,30% er 379 Drittes Bud). Philoſophen nicht go Jahre alt werden laffen fönnen, was aud) gar nicht nörhig ift, da die Nachrichten von der $ebenslänge des Pythagoras unter allen die unficherften, und mit ſich felbft am meiften ftreitenden find. Diefe Zeitrechnung des Pythagoras nun, nad) welcher er einige Jahre vor der so DI. gebohren wurde, eben fo lange vor der Go nad) Italien fam, und im An« fange der 69 oder am Ende der 68 ftarb, ift, glaube id), unter allen diejenige, zu deren Beftätigung die meiften Data zuverläffiger Geſchichtſchreiber, die vom Pythagoras gehandelt haben, und alles zuverläffige oder wahrfcheinliche, mas mir von den Zeitgenoffen diefes Mannes, oder von feinen Vorgängern und Nachfolgern wiffen, zufammen flimmen, zu deren Wertheidigung ferner Feine einzige wichtige Stelle, die man nicht ganz zu verwerfen fid) unterftehen darf, gemaltfam verdreht zu werden braucht, und welcher endlid) Feine andere Schrift« fteller widerfprechen, als Die entweder mit ſich felbft nicht einig find, oder aud) von einer größern Zahl geprüfterer Zeugen überflimmt und widerlegt werden. Dffenbar ſtrei⸗ ten wider die Beftimmung des Zeitalters des Pythagoras, die mir die annehmlichfte fcheine, nur Eratofthenes und Phavorin, ferner Apollonius, Nifomahus, Cicero, Solin, Pafıhalis, Juſtin und die Männer, die dem Pythagoras ein höheres als achtzigjäbriges Alter gegeben haben. Von den beyden erftern Schriftftellern brauche ich nichts weiter zu fagen, da ich oben weitläuftig von ihren Zeugniffen geredet habe. Apollonius läßt den Helden, dem er nachzuahmen glaubte, erft im 56 Jahre nad) Samos zurüd fommen, anftatt daß Ariftorenus, dem id) Geſchichte der Pythagoreiſchen Geſelſchaft. 371 ich gefolgt bin, ihn ſchon im vierzigſten Fahre nach Ita— lien reifen ließ, Wer Fann aber hier nur einen Yugene blick zweifeln, den erftern gegen den leztern zu verlajfen, befonders da mit dieſem die beften übrigen Gefchichtfchreie ber harmoniren, und mit jenem unvereinbar find, — Nikomachus fezt die Ankunft des Pythagoras in die 62 Olympiade: Cicero in die Regierung des Tarquinius Superbus *): Solin erft nad) 68, 1. und Pafchalis hin« gegen die Zeit, wann er berühme zu werden anfing, in die 45 DI. — Iſt aber unter allen diefen gegen einan« der gefehrten Zeugniffen, von denen man Feines anneh» men fann, ohne die übrigen zu verwerfen, wohl ein eine ziges, das den Angaben des Diogenes, Diodor, Kvius und ber meiften Kirchenväter, von der Zeit der Blüche des Pythagoras, oder feiner Reife nach Großgriechenland, bas Gleichgewicht halten Fünnte, wenn auch die leztern nicht durch die ganze übrige Zeitrechnung des Pythagoras beſtaͤtigt, und jene nicht zernichtet würden **)? — Auch Juſtin, der den Pythagoras nur zwanzig Jahre in Kro⸗ ton wohnen laßt, kann nicht vertheidigt werden, wenn man nicht dem Ariftorenus, und allen denen entfagen will, die den Pythagoras zwifhen Di. 60-62 blühen, und erft noch 67. 4. fterben laffen. — Wenn ich endlich dem Heraflides beyftimme, und die übrigen Nachrichten verwerfe, nad) weldyen Pythagoras go, oder 99, oder 104, a2 | oder — #) Zwiſchen 61. 3. und 68. 1. ©) Der Wichtigfte unter allen diefen Schriftftellern, Cicero, war fein genauer Zeitrechner. Man: fehe folgende Stellen über die Zeitalter der Gefezgeber und Weifen GSriechenlandes, und über das des Themiftokles, de Orat, 11,32, Brut, 10. Tufs, Quaefi, 1, 2, 97% Drittes Buch, ober 117 Jahre alt geworben feyn foll; fo thue Ich diefes nicht deßwegen, meil ich überzeugt bin, daß Gerapions Eohn das Alter des Pythagoras beffer willen Fonnte, als andere, oder daß er fichrere Urfunden brauchte, fondern weil ich bey einer ohngefaͤhr gleichen Glaubwuͤrdigkeit aller abweichenden Erzählungen die erftere mit der Chronologie bes Pythagoras am meiften übereinftimmend finde. Uns terdeffen ift der Widerſpruch von vier Nachrichten Fein Vorwurf, der meine Meynung allein träfe; wenn Dies anders ein Vorwurf ift, fo ift er unvermeidlid), und man Eann ihn nicht nur allen bisher befannten, fondern auch allen nur möglichen Sppothefen machen, Man mag ans nehmen, welche Nachricht man mill; fo muß man ime mer vier abweichenden allen Glauben abfprechen, Wenn man nun als ausgemacht feftfezt, daß Py⸗ thagoras noch vor der 70 Olympiade geſtorben, und ſeine Geſellſchaft zu Grunde gerichtet oder zerſtreut worden ſey; fo muß man folgende Claſſen oder Geſchlechter von Py⸗ thagoreern annehmen, Aeltefte oder wahre Pythagoreer verdienen nur ala lein diejenigen genannt zu werden, die Zeitgenoffen des Pythagoras, und Theilnehmer feines Bundes waren. Sin diefe erfte Claſſe kann niemand gefeze werden, von dem es nicht bewiefen ift, daß er vor der 65 DI. gebohren, und in den noch blühenden Pythagoreiſchen Bund wirf- lich aufgenommen worden. Kine zweyte Claſſe von Py⸗ thagoreern machen diejenigen aus, die nach der Zerſtoͤh⸗ sung der Pythagoreiſchen Sefellfchaften einzelne Mite glieder derfelben, die ſich geretter hatten, oder auch deren Schüler und Nachfolger Fennen ——— und ihre Mey⸗ nungen Geſchichte der Pothagoreifchen Geſellſchaft. 373 nungen und gebensart annahmen *). - Nach der fuͤrchter⸗ lichen Empörung naͤmlich, in welcher der größte und edelfte Theil der Pythagoreer gefallen war, verließen die wenigen, die fich gerettet hatten, nicht fogleich ihre Grunde füge und Lebensart, an die fie ſich gewoͤhnt haften, fone dern pflanzten beyde zugleich mit dem Namen auf andere fort, ungeachtet diefe Männer, die fih Pythagoreer nannten, nicht mehr fo genau als fonft vereinigt waren. Der Name und die Nachfolger der Pythagoreer dauerte daher bis auf die Zeiten des Ariftorenus und NHeraflides fort, in welchen die legten gelebt haben follen *). Aus diefer zweyten Claffe muß man bey gewiffen Fragen forge fältig diejenigen, die vor dem Anaragoras lebten und ges fchrieben Haben, von denen unterfcheiden, die erft nach dem Weifen von Klazomene berühme oder Schriftfteller wurden, — Nach) den kurz vorher. angeführten Zeugniffen des Diogenes und Cicero, erloſch die Pythagoreiſche Phi⸗ Iofopbie in Griechenland ohngefähr gegen die 130 Olym⸗ piade, allein diefer Tod oder Schlummer daurete nicht lange, Denn fchon im Zeitalter des Cicero, Julius Caͤ⸗ Aa 3 . far *) Diefe nennt Iſokrates in einer Stelle, die ich bald anfuͤh⸗ ten werde, nur angebliche Pythagoreer. #) TeAeurasa yageyevovro ray Ilugayogsıwv 85 Katı Agıso£evos gide, ZevodiAos te 0 XwAnıdeus, &70 Bexuns, ni Bavrwavo DAsaosos, Kot Exexeo- Tns, no AsonAns, »oı IloAuuvasos, DAracıoı - #0 &uros. Diog. VIII. 46. Hieher gehört auch fol- gende Stelle des Cicero: Denique fic judico, pof il- los nobiles Pythagoreos, quorum difeiplina exſtincta eft quodammodo, cum aliquot faecula in Italia Sici- liaque viguiffet ; hunc exfitiffe (Nigidium) qui illam renovaret, frag, de Univerfo, init, En — mm 3774 Drittes Buch. far und Auguſt fanden ſich viele angefehene Männer, bie fid) für Porhagoreer ausgaben und dafür gehalten wurden, Dergleihen waren Figulus, Warinius, Sotion von Alexandrien, Anarilaus von $Sariffa, und Sertius: fer» ner Diogenes *), Endorus **), Phito ***) und der Py—⸗ thagoreer Eurenus, den Apollonius zu Tarfus hörte }). Aus diefem DVerzeichniffe fieht man, daß es eine freund« ſchaftliche Schmeicheley war, wenn Cicero den Nigidius einen Wiedererwecker der Pythagoreiſchen Philofophie nannte, Höchft wahrſcheinlich hatte Nigidius, wie Va⸗ tinius, den Hang zur angeblich Pythagoreiſchen Philoſo⸗ phie, entweder von einem der Männer, die ich eben ge⸗ nannt habe, oder aud) von izt ganz vergeffenen Griechen empfangen. Aus der DVerfchiedenheit der Länder, in welchen Sotion, Anarilas, Philo und Eurenus geboh—⸗ ven worden waren, oder lehrten, muß man fchließen, Daß die erneuerte Phrhagoreifche Weltweisheit faft ein Jahrhundert vor Chrifti Geburt ſich wieder gezeigt habe, und mit dem Anfange unferer Zeitrechnung ſchon durch) alle Theile des Kömifchen Reichs verbreitet gewefen fey. Unter allen denjenigen aber, die fie befannten, verſchafte ihr feiner bey feinem $eben und nad) feinem Tode mehr Verehrer und Bewunderer, als Apollonius von Tyana, der im erften und folgenden Jahrhunderte faft allgemein als ein göttlicher Mann, als ein Freund und Vertrauter der Görter, und als ein zweyter Pyrhagoras verehrt wurde. Durch ihn vorzüglic) wurden die Pythagoreer | in 8) Jonf, IT, 1. 3. **) 111.2. 4. see) III. 4. 4. 9) L, Vit. Ap. T: Gefihichte der Pythagoreiſchen Geſellſchaft. 375 in den beyden erften Jahrhunderten nach Ehrifti Geburt fo zahlreih, daß fie vom Lucian und andern immer zu den damals. blühenden Seften gezählt werden. Schon im dritten Jahrhunderte wurden fie feltner, und mit dem vierten hörten fie ganz auf, weil Piotin und defjen Mache folger zwar allen Unfinn und Schwaͤrmereyen der neue ‚ ern Pythagoreer in die Platoniſche Philofophie aufnahe men, fic) aber doch nicht Pythagoreer, fondern Platonis Fee nannten. — Diefe Folge von Männern nun, die etwa vom erften Jahrhunderte vor Ch. Geb, bis in das dritte nach Ch. Geb, fid für Schüler des Pythagoras ausgaben, machen die dritte und lezte Claſſe von Pytha⸗ goreern unter den Römern und Griechen aus, Nachdem ic) izo die Zeitalter des Pythagoras fos wohl, als der verfchiedenen Gefchlechter feiner Schüler und Nachfolger beſtimmt und unterfchieden habe; fo fönnte ich ohne Bedenken, da ich niche ane Geſchichte des Pythagoras, fondern der Pythagoceiſchen Philofor pbie, in fo ferne fie ein Zweig der alten Griechifchen Weltweisheit ift, fchreibe, alle übrige Sebensumftände des Pythagoras übergehen. Unterdeffen kann ich doc) einen einzigen wichtigen Abſchnitt feines Lebens, feine Reiſen nämlich, nicht ganz unberührt laffen, da er mir Gelegenheit geben wird, den-Urfprung eines Irrthums, der unter den Griechen lange geherrfcht, und in der neu ern Zeit fehr viele Bertheidiger gefunden bat und noch fin» der, des Wahns von ber Uebertragung der Pbilofophie und übrigen Wiffenfchaften, aus den Völkern Afiens und Afrikens nad) Griechenland omguzeigen, Ya 4 Wenn 976 Drittes Buch. Wenn man den unten angeführten Schriftitels fern *) glauben wollte, fo hatte Pythagoras faft alle Voͤl⸗ fer befuche , die den Griechen zu, und Fury nach Alexan⸗ ders Zeiten befannt waren, und hatte unter allen entwe⸗ der aus alten Schriften, oder aud) aus dem Munde von Prieftern, die man als Kenner und Forfcher der Natur fchildere, Weisheit geſammlet. Man nennt nicht nur die Phönicier und Aegyptier, fondern Thracier, Juden, Araber, Chaldaͤer, Perfer und Indier, als diejes nigen Völker, unter denen Pythagoras ſich aufges halten und unterrichtet habe. In Phönicten follte er die Arithmetik gelernt, und die Bücher des Mofchus gelefen : in Aegypten Geometrie und Aftronomie ergründer, in Chaldaͤa und Perfien vom Zabratus oder Zoroafter die Zahlenlehre, und die verfteckteften Geheimniſſe der Natur empfangen: in Arabien ſich in der Sprache der Thiere unterrichtet, in Indien die Kunſt mit Göttern umzuge⸗ hen aus dem Munde der Brachmanen gefhöpft, und endlich in Judaͤa die Schriften Mofis fiudiert haben. Gleich nach Eprifti Geburt fagten es nicht bloß Juͤdiſche und ®) Cie, Ds Fin, V.29. Cur ipfe Pythagoras & Aegyptum luftravit, & Perfarum magos adiit? cur tantas regio- nes barbarorum pedibus obiit? ‚tot maria transmifit ? Wie viel Glauben Cicero in diefer Erzählung verdiene, zeigt eine ähnliche in feinen Tufeulanifhen Fragen : IV. ı9, Philofophiae denique ipfius principes nun- quam in fuis fludiis tantos progreflus fine flagranti eupiditate facere potuiflent, Ultimas terras luftrafle Pythagoram, Democritum, Platonem accepimus, Man fehe ferner Hermipp. ap. Jof. adv. Apioneml, f. c, Strab. XIV. 638. Apull, ap. Jambl, ſ. 14. & ı9. Lye. ap. Porph. $.6. Diog, ib. f„ 11. ı2. Diog. VIII, 3, Plin.XXX, ı. Plutarch. de if, & Of, VII, 397. Euf, X. 4. Apul, p,231, Ed, Colvil, Gefhichte der Pythagoreiſchen Gefellfchaft. 377 und Chriftliche Schriftfteller, welche die Yuden und Chris ften erheben, unddie Griechen erniedrigen und demürhigen wollten, fondern die berühmteften Gelehrten und Welt: weifen unter Öriechen und Römern glaubten eg auch, daß die Weltweisheit unter den Griechen nicht einheimifch, ſondern barbarifchen Urfprungs fey, und daß ſowohl Pys thagoras, als Orpheus und Thales vor ihm, und Des mofrit, Plato und Eudorus nad) ihm, alte wiffenfchaft- liche Kenntniſſe auf ihren Reifen unter Aegyptiern, Chals daͤern, Phöniciern und andern Völkern fic) erworben, und nachher unter ihren Landesleuten verbreitet hätten, Haft die einzige Abweichung von diefer nach Chriſti Ges burt fo allgemeinen Meynung findet fi im Anfange des erften Buchs des Diogenes von $aerte, der hier uns ftreitig einem unbekannten, aber größern Manne folgte, als er felbft war ®). Ich wiederhofe hier nicht, was ich anderswo aus unläugbaren Factis bewiefen habes daß Feine von den Nationen Afiens oder Afrifens, deren Alterefum und Aufklärung man fo fehr bewundert hat, wiffenfchaftliche Kenntniffe befeffen habe, und daß alfo weder die Philofos phie, noch irgend eine andere Wiffenfchaft, aus einem barbarifchen Wolfe, das in diefen Erdtheilen wohnte, nach Griechenland gebracht worden fey; ic) fehränfe mich hier nur auf die Bemerkung ein, daß fein glaubwürdiger Schriftſteller vor dem Alerander daran gedacht habe, die wiſſenſchaftlichen Erfindungen der Griedyen Ausländern Yasz zu,zu⸗ un er) Nwvovse, d’aurss va ray 'EAAmay Korag- Yours » - Aneßueas weesemrovres. Diog. I, % 378 Dritted Bud). zuzueignen. Herodot leitet Religion, Gebräuche, Fefte, Spiele, DBequemlichfeiten des Lebens, Anfänge von Kuͤnſten, Schiffart und Handel, Handwerfer, Manu: facturen, Producte des Luxus, von den Barbaren ab; er fagt, daß die Sehre von ber Geelenwanderung, und vieles in den Orphiſchen und Pprhagoreifchen Geheim— niffen aus Aegypten entfprungen fey; allein nirgends fagt er, oder läßt es aud) nur merken, daß Thales, Anari- manber, Pythagoras, und die Griechifchen Sophiflen ihre Kenntniffe aus eben diefem oder einem andern Sande geholt hätten. Zenophon erhob die Weisheit des Kyrus, und die Erziehung der ältern Perfer, bis zu einem ſchoͤ⸗ nen, aber unwahrfcheinlichen deal. Plato redete nicht nur von der Erziehung der Perfer und Aegyptier, fondern auch von den Aegyptiſchen Prieftern, und deren Geſezen mit den unverdienteften $obfprüchen, und. Ariftoteles glaubte (mahrfcheinlich auf das Wort des fügenhaften An- tifthenes) daß die Aegyptier und Babylonier *), feitdem entfernteften Alterthume, den Himmel beobachtet, und ihre Beobachtungen aufgefchrieben hätten; aber feinem diefer Männer fiel es ein, den Ruhm und die Wiffen (haften ihres Volks auf Chaldaͤer oder Derfer überzutragen. Auch Hefatäus von Milet, und Eudorus, die mweitläuftig von Aegypten gehandelt hatten, müffen nidyts von den Wiffenfchaften dieſes Landes gefchrieben haben, weil Plutarch fie nur immer an folhen Stellen anführe, wo er von den ungereimten Sagen Aegyptiſcher Price fter.rebet, und hingegen feinen eigenen Wermuthungen folge, wenn er aus ſolchen Fabeln Menfchenfinn, oder gar ur * De Caelo IL, 12, Geſchichte der Pythagoreiſchen Gefellfehaft. 379 gar Platoniſche Philofophie heraus arbeiter. Der ficherfte Beweis aber, daß Fein Schriftiteller vor dem Alerander Barbaren für die eigentlichen Erfinder der Griechifchen Philoſophie und Wiffenfchaften gehalten habe, liegt im erften Buche des Joſephus, wider den Grammatifer Apion, in weldyem er auf die ängftlichfte Art alle Stellen jufammen fucht , worinn von den Juden nur geredet, und den übrigen Bewohnern von Afrifa und Afien etwas zu« gefchrieben wird, worauf er glaubte, daß die Griechen ſtolz ſeyn Fönnten, Unter allen gehäuften Zengniffen nun, in wel⸗ hen die Juden, Chaldäer und Aegyptier für Lehrer der Gries chen erfläret werden, frift man Fein einziges aus einem MWerfe an, das vor der Eroberung Afiens durch den Alerander gefchrieben wäre, Die einzige Stelle aus einem ältern Buche, bie man mir entgegen fezen Fönnte, findet ſich in der Lobrede auf den Bufiris vom Iſokrates *). Der Athenienfifche Redner preift die Frömmigkeit der Aegyptiſchen Priefter, und — — ) Exo⸗ day Tis un arreudew WEJNEVOS WOAAR KK — eg Ts onIornTos aurwv dieAgew, mw BTE MOVoS, STE TEWTOS EYm TUYXavo HutEwen- K105, RAN WoAAo KO Tor OVT@V, KO TV TFEOYE- rermevoy, y you IlvSayogws 0 Zorpıos eis eswv. "Os &Dmopevos eis Aryunrov, Ka ua_NTNS exeı- vor YEvoLEVos, Tnv TE aAAyv DiAocoDıav TEwTos eis TBs EAANvaS eropioe, mi To Meg Tas UNS Fe nn TS Ayızeias Tas ev Tors legoıs. ETRIDAVESEEOy FOv RAAmv eomedaoer. Nysnevos, Bi Ka undey SuTw.dios TAUTE MÄcIV Yyıyyaro 7000 380 Drittes Bud, und ſezt hinzu, daß nicht er es allein fey, der diefe em⸗ pfähle, fondern daß fehr viele, ſowohl Zeitgenoffen als Vorgaͤnger, und unter den leztern befonders Pythagoras von Samos, eben diefes gethan härfen, Diefer fey nach Aegypten gereifet, ihr Schüler geworden, und habe außer, daß er die übrige Philofopbie zuerft in Griechens land eingeführt, Opfer und andere goftesdienftliche Handlungen häufiger, und auf eine mehr in die Augen fallende Art unternommen, als alle Weife vor ihm: in der Hofnung, daß, wenn er dadurch die Gnade der Goͤt⸗ ter auch nicht in einem hoͤhern Grade verdienen follte, er doch gewiß einen größern Namen unter ben Menfchen er⸗ fangen würde, | Wenn Iſokrates an dieſer Stelle auch ausdruͤcklich verſicherte, daß Pythagoras alle ſeine Kenntniſſe im Umgange mit den Aegyptiſchen Prieſtern erworben hatte, ‘fo würde doc) Fein vernünftiger Leſer deßwegen glauben koͤnnen, daß der Redner hier feine wahre Meynung vor⸗ getragen habe, oder daß man feine Worte als ein hiftori» ſches Zeugniß brauchen Fönne. Iſokrates Hatte ſich in i feiner moed Tav Demv, Am Tagnyeras avIew- His En TBTWy HRAıS av Erdomiunasır. URER Kurw ao ovvsßßn. Tossrov Yap zvdofın TEstaAAgs urreeosfdochev, @SEKLTES VEWTERBS KTOVTOS ETI- Yunew aure nagnras eıvot, xonı TBS meeaßure- eus ndsov ögnv Tas maıdas TEs duray sreliw Tuy- YYVoREVES, N T@V oEImv ErriueNapevas. Kaı TBTOS EX, OHov TE ATMIsEN. ETi Ya YWTBS TEoC- WOIBWEVSS EHEIVB HAITTAS Eh, MoAAov ar Yayras Savpialonev, 4 Tes EM To Aryeıy cıv yeyısıy doguv EXovras. | Gefchichte der Pythagoreiſchen Gefellfehaft. 38: feiner Declamation aufden Bufiris vorgefezt, die Macht feiner Beredfamfeit dadurch zu zeigen, Daß er einen Mann von einer guten Seite fehilderte, deſſen Name unter den Griechen der ftärffte Ausdruck eines graufamen Wuͤterichs war. Ben diefer Gelegenheit nun breitet er fich über die Verdienfte und Tugenden der Aegyptiſchen Priefter aus, und redet von beyden mit einer Wärme, die eben_fo ers fünftele ift, als das Lob des Bufiris wenig aufrichtig mar. Um aber dod) feinem verfchönernden Gemälde einen Anſtrich von Wahrheit zu geben, beruft er fich auf den Pythagoras von Samos, der unter den Griechen als ein Gottgefaͤlliger Mann berühmt war, und den Iſokrates, um ihm noch mehr Anfehen zu geben, den Einführer aller nüzlichen Kenntniffe in Griecyenland nenne, Dieſer verehrungswürdige Weiſe habe (fagt er) die Heiligkeit der Aegyptiſchen Priefter erkannt, und ihrem großen Mufter zu Folge fich einem veinern beffern Götterdienfte ergeben, als wovon die Griechen bis dahin gehöre hatten, Ange achtet nun aber Iſokrates wider fein beffers Wiffen, und über alle Wahrheit hinaus ſowohl den Pythagoras als die Aegyptiſchen Priefter erhob; fo wagte er es doch Aicht, diefe zu Vätern und Befizern allee Wiffenfchaften, und jenen zu einem bloßen Ableiter derfelben nad) Griechen⸗ land zu machen. Er ruͤhmt die Nährer und Wärter der Aegyptiſchen Götter vorzüglid) wegen ihrer Heiligkeit, oder wegen ihrer reinen, enthaltfamen und mäßigen $es bensart, und gibt den Pythagoras nur in fo ferne für ih⸗ ren Schüler aus, in fo ferne er diefe Heiligfeit zu erreis chen fich beftrebt Harte, An ftatt alfo die falfhe Mey ' nung von der Entftehung aller Griechiſchen Wiffenfchaften in Aegypten zu begünfligen, widerlegt vielmehr die lob⸗ rede vi 382 Drittes Buch. rede des Iſokrates auf den Buſiris dieſen gegen die Gries» dien fo ungerechten Irrthum, indem fie zeigt, daß es nicht einmal verfchönernder Panegyriften vor den Zeiten Alerans ders in den Sinn gefommen fey, die Aegyptiſchen Pries fier zu Lehrern und Ausbildern der erften Griechifchen Weltweifen zu machen. Gleich nach dem Alerander aber fing der Wahn an, ſich unter den Griechen zu verbreiten; daß die alten berühmten Völfer, die der Makedoniſche Eroberer ent weder bezwungen oder doch befucht hatte, feit undenflis chen Zeiten eben ſolche Naturforfher, Wiffenfchaften und Meynungen gehabt hätten, als die riechen, und daß die ganze Phitofophie der leztern, durch den Orpheus, Pythagoras, und andere Männer von den Ufern des Nil, Euphrat und Ganges nad) Griechenland wäre verpflanzt ‚worden. Seltſam ift es, daß diefer Wahn gerade zu einer Zeit entftand, und in allgemeine Meynung überging, als Alerander und feine Nachfolger das Innere von Aſien und Afrifa den Griechen eröfnet hatten, und ihnen Gele» genheit verfchaften, den wahren Zuftand der Völker dies fer $änder genauer Fennen zu lernen, als es ihren Vor⸗ fahren möglich gewefen war. Allein zwo Claſſen fonft ſehr verfchiedener Schriftfteller fhienen darinn fi) mit einander verabredet zu haben, den Griechen die verdiente Ehre zu rauben, die Aufklärer von Afien und Afrifa ges worden zu feyn, und fie fogar zu Schülern derjenigen Voͤlker zu machen, die ihnen alles, felbft die Kenntniffe fhuldig waren, wodurch ſie fic) über ihre Sieger und Sehrer zu erheben fuchten. In Geſchichte der Pythagoreiſchen Geſellſchaft. 383 In die erfte Claſſe gehören die Gefchichefchreiber, die den Alerander nach Afien begleiteten, oder auch gleich nachher unter feinen erften Machfoigern lebten. Dergleie hen find: Klearhus, Dnefifritus, Kalliſthenes und Megafthenes. Alle diefe Männer redeten von den Wiſ— fenfchaften der Chaldaͤer, Magier und Indier, mit eben der Bewunderung oder Verwunderung, womit fie die Ungeheuer und Seltenheiten Indiens beſchrieben. Mer gaſthenes befonders, der Fühnfte und fabelhaftefte unter ihnen, bezeugte *), daß alles, was man in Griechen» land über die Natur der Dinge geforfcht und gelehrt habe, ſich aud) unter Juden und Indiern finde, und lange ges ” funden habe, Diefe Schriftſteller, deren Unverfehämt: heit im Erdichten faft eben fo unglaublich ift, als es ihre Erzählungen waren, fanden dennoch unter den leicht« gläubigen Griechen Eingang, ungeachtet Eratofihenes, und andere genauere Unterfucher, ihnen allen Glauben abfprechen. Hermipp **) zmweifelte ſchon nicht mehr daran, - daß Pythagoras nicht vieles von den Juden und Thras ciern gelernet hätte. Außer diefen müfjen die meiften übrigen Schriftfteller zmifchen dem Zeitalter des Alexan— ders und Auguft das hohe Altertum der Wiſſenſchaften unter den Morgenländern und Aegyptern für ausgemacht gehalten haben, weil es unter der Regierung des lez— tern ſchon berrfchende Mennung war, und Strabo, Philo der Pythagoreer ***), Apollonius, Se neca ®) Euf. IX. 60. ®*) I. 22. Jof. adv, Apionem, wm, * I er ) Tarov arayrov ressßurarov nareo Toledxıwv YEVoS , Ks TYV TRE KMVTOSs QDiAocoDıav EYYERT- Toy 84 Drittes Buch. neca *) und Plinius, von ber Weisheit diefer Völker, und den Reifen des Pythagoras und anderer unter ihnen, als von Factis reden, wogegen ſich gar nichts einwen⸗ den ließe. Ä In diefen Irrthuͤmern nun, die von mindigfen Griechen zuerft waren ausgeftreuet worden, wurden Die folgenden Zeitalter noch) mehr durch die Erdichtungen und Erzählungen von Schriftftellern aus denjenigen Völkern beftärfe, denen die Griechen ihre Sprache und Wiſſen⸗ fchaften mitgetheilt hatten. Nicht lange nad) dem Alexander erhoben ſich in Aegypten, Phönicien, Judaͤa, und Chaldda Schrififteller, bie die Kenntniſſe und Ge⸗ fhichte ihres Volks und ihrer-Worfahren den Griechen bekannt zu machen vorgaben, Alte diefe Männer erhoben das Alterthum und die Weisheit ihrer Nationen über die der men De — — — — rov yevoueyny, Teonarwekaı Tas me "EAAyı — 595 dies moAAav 6 Tludeyogsıos vunα- eızvos, Diravı Sch feze auch die folgenden Worte her, da fie theils eine Beftätigung des vorhergehenden, theils aber deffen find, mas ich gleich fagen werde, 8 uev aaa u AgısoßsAos 0 FeumernTinos, Ki NA WALES, va un Kor ovoua eimy diareßBw. Poaveewrare de Meyasens 6 auys yeades, 0 Zeieunw To Niravogı un ßeßıne nos, 8 Tu rerrn ray Ivdmav ide YerDer. Aravro nev To To Meg Ducems eipnneve Trospos Tois BEXUIS Acyerou u Mae vos eo rs EAARdos BrroaoQoıs. Tr ner ware Ivdas Umo Tav Beaxpuvov. 7% de ev my Zugie Umo Toy KAABAEIWV lsdeıav. Clem. Strom, 1. p- 305. ®) Matı fehe Sen, Nat, Quaeft, 1,32, II, 29, VII, 4, Gefchichte der Pythagoreiſchen Gefellfchaft. 385 der Griechen, und einige von ihnen waren fo dreist, zu ver⸗ fihern, daß Orpheus, Pythagoras und andere Griechen von Priefteon ihres Baterlandes wären unterrichtet worden. Die vornehmften unter diefen gräcifirten Barbaren, die den Griechen Hohn fprachen, waren Berofug der Chals daͤer, Manerho, Chäremon, Ptolomaͤus und Apion, aus Aegypten *); ferner Theodotus, Hypſikrates, Mas bus **), Dion ***) und der angebliche Sanchuniathon aus Phönicien, endlid) die Juden Ariſtaͤus +), Ariftos bulus 4), Philo und Joſephus, denen man vielleidye den Eupolemus hinzufügen muß tt}). in jeder diefer Erdichter (bier nehme ic) die Juden aus) machte fein Volk zum älteften der Erde; ließ Schrift, Künfte, Handwerker und Wiffenfchaften in feinem Vaterlande ere funden werden, und fejte die Gefchichte deffelben aus Narionalfagen, und aus Griechifchen Fabeln, nicht we⸗ niger aus Erzählungen des Sfraelitifchen Gefezgebers zus fammen, deſſen Schriften vom DBerofus, Manetho, Chäremon, und den übrigen eben von mir genannten Schriftftellern benuzt wurden, wie ſchon Joſephus, Eus febius und. Syncellus bemerften. Die Juden blieben zwar ihrer alten Gefchichte getreu, allein fie legten doc) in die Werke ihres Gefezgebers Griechiſche Philofophie binein, und bemühten fich zu beweifen, daß Orpheus, Pytha⸗ — —ñ —⸗ *) x, if. p. 4 R) Euf, 5. P- 493 ***) 1, 17. ap. Joſ. +) VII. 155. Euſeb. +p XI. 12. ib, - +tr) IX, 26. ib, Bb 386 Drittes Buch, Pythagoras, Plato und andere Griehen mit Mofes übereinftimmfen, und ihre $ehren in Judaͤa aus den Schriften ihres göttlichen Propheten gefchöpft hätten *). Sie erdichteten ferner, um die Griechen zu demüthigen, und ihnen Ehrfurcht gegen ihr Wolf und ihre heilige Schrif⸗ ren einzuflößen, einen Briefrechfel zwifchen dem Salo— mon und einem Phoͤniciſchen Könige, zwifchen dem Demetrius Phalereus, den fie zum Auffeher der Alexan⸗ driniſchen Bibliothef und zum (Urheber des Projects der Heberfezung ihrer alten Neligionswerfe machten, und dem Ptolomaͤus Phitadelphus, endlich zwiſchen diefem Grie— chiſchen Könige und einem Hohenpriefter der Juden **), Auch machten fie gemeinfcjaftlihe Sache mit dem “Bero« ſus, Manetho und den Phönicifhen Schriftftellern ***), und führten deren Zeugniffe an, modurd) das Alterthum ihres Volks bewieſen wurde: a fie gingen endlich fo weit, berühmten Schriftftellern der Griechen Werke unterzufchie= ben, und darinn Griechiſche Weltweiſen das Geftändniß ablegen zu laffen, daß fie vieles von Juden gelernet häts ten. Ein folches unachtes Buch war vermurblic) das« jenige, deſſen ich oben in der Beurtheilung des Klearchs erwähnt habe, und aus weichen Joſephus +), Clemens und Eufebius eln Fragment anführen. Diefe Anfprüche und Vorgeben der Juden fanden um defto mehr Glauben, da fie von Männern vorgebracht wurden, die, wie Ari. ftäus und Ariftobulus niche nur unter ihren Glaubensge⸗ nofs *) Arift, ap, Euf, XIII, 13, Praep, Evang, N ““) Jof, 1. cont. Ap. 7) 1. 22. adv, Apion, Geſchichte der Pythagoreiſchen Geſellſchaft. 387 noſſen, ſondern auch als Weltweiſe unter den Griechen im Anſehen ſtanden, und da Schriftfteller fie wiederhols ten, die, wie Joſephus und Philo, auch von Nichtjuden ziemlich allgemein gelefen wurden. Wenn man diefe Facta und Bemerfungen über die Erdichtungen Briechifcher und gräcifirten Schriftfteller überbenft; fo Fann man fid) nidye mehr wundern, daß Griechen und Römer, am meiften aber die neuern Pa« tonifer, die den Berofus, Chäremon, Sanchuniathon, Manetho und die befannteften Juͤdiſchen Schriftfteffer mehr lafen , alsdie beften Gefchichtfehreiber ihres Volks, dag endlich die Kirchenväter, denen eine jede Gelegenheit, die Griechen zu erniedrigen, willfommen war, es al ein unläugbares Factum anfahen, daß die Griechifche Philoſophie fremden Urfprungs fey, und dag Pythago⸗ ras fait alle Voͤlker der Erde befucht Habe, Brucker und einigeandere Gelehrte bezweifelten oder derwarfen ſchon mehrere von den Neifen des Pythagoras , und hielten befonders die nad) Judaͤa und Indien für Erdichtungen der neuern Platonifer und Kirchenväter, Allein diefe Männer erdichteten nicht zuerft, fie waren auch nicht die erften Seichrgläubigen, die fich durch die falfchen Erzählungen unglaubwürdiger Schriftftefler vers führen fießen. Sie irrten nur, wie viele große Männer vor ihnen geirrt hatten, und folgten Gefchichtfchreibern , deren Ruhm und Glaubwürdigkeit durd) den Beyfall mehrerer Jahrhunderte befeftige war. Ungeachtet die Reifen des Pythagoras nad) Paläftina und Indien unter allen die unglaublichften find, fo Haben doc) gerade diefe bie Zeugniffe der älteften Schriftfteller vor fih. Hermipp und Ariftobulus fagten, daß Pythagoras fir) in Judaͤa, Bb a und 388 Drittes Bud). und Megafthenes, oder doch Apollonius, daß er ſich in Indien von Prieftern und Weltweifen habe unterrichten laſſen. Wenn man aber alten zuverläffigen Schriftſtellern und wahrſcheinlichen Vermuthungen folgen will, fo ift unter allen angeblichen Reiſen des Pythagoras in aus mwärtigen ändern nur allein die nad) Aeghpten gewiß, als welche vom Herodot und Iſokrates bezeugt wird, und die übrigen hingegen find entweder unficher, ober völlig erdichter, Aegypten befuchte Prebagoras, nit, wie man glaubt, um fid) mit den Wiſſenſchaften der Priefter diefes Sandes bekannt zu machen, fondern um die Vers faffuna, Geſeze, Sitten und Religion diefes Volfs, vorzuͤglich aber, um die Einrichtung und Kunftgriffe des Priefterordens kennen zu lernen, wodurd) fie fich faft zu unumfchränften Herren über Könige und Volk ges macht hatten. Er fonnte es wagen, dies fand zu befu« chen, weil die Griechen lange dahin gehandelt, und viele fi) darinn niedergelaffen hatten, und die Priefter fo gar die Sprache feines Volks redeten. Kr war gewiß, in Aegnpten Gaſtfreunde, Landsleute und viele Eingebohrne zu finden, mit denen er fi) unterhalten Fonnte, Eben diefe Vortheile und “Bequemlichfeiten würde er fehon in den Phönicifhen Städten, entweder gar nicht, oder in viel geringerm Maaße angefroffen haben. Dieje waren- ihm überdem lange nicht fo wichtig, als Aegypten, und fein Aufenthalt in Phönicien- bleibt daher immer zweifels haft, ohngeachtet ich ihn nicht ganz abläugnen möchte, Seine Reifen nad) Paläftina aber, nad) Arabien, Chals dia, Perfien und Indien kann man ohne Bedenken für erdich⸗ Gefchichte der Pythagoreiſchen Gefellfchaft. 389 erdichtee erflären. Denn menn Pythagoras ſchon im vierzigfien Jahre nach Italien kam, fo muß man die Zeit, wo er außer Griechenland fich aufhalten Fonnte, zwiſchen die funfziafte und fechzigfte Olympiade ſezen, wo ein bis dahin unbefanntes, und den riechen unera | hörtes *) Volk (denn Kroͤſus Fannte die Perfer nicht einmal) fich aus feiner Dunfelheir hervorhob, mit unwi⸗ derftehlicher Gewaltſamkeit über Medien, Mdien bis ing Griechiſche Afien fortwälzte, und die meiften von den $ändern verheerte und unficher machte, die — beſucht haben fol. Es iſt gar nicht einmal gedenfbar, daß Pythagoras fich unter Völfer gewagt haben follte, die mit den Örlechen in Feiner Verbindung au, wo er feine Gaftfreunde und Dolmerfcher finden, und deren Sprache er eben fo wenig, als man die feinige verftehen | 5b 3 fonts \ ee * Man lefe folgende Stelle des Strabo, in welcher er richtiger urtheilt, als an der oben angeführten, wo er von den Reifen des Pythagoras mit dem großen Haufen redete. Zuveßn de Fois Tlegomus evdoguraros Ye veoYa Fav Breßagav, rauen vos EAAyow, orı Tov mevarAav sdeves Tray rıv Acıns wekav- Tav EAAyvwv ne&ov, —* —R 80 exeıvoi Ta- Tas, 80 oi EAAves res Baeßwess. AN ei MiKgov movov Eu TNs MogemIEev arons. Ounooc ysv STE TyV Toy Zuewv, BTE TNV Mndwv wexn? oıdev. ade yapay Ondas Asyurrav ovousxlar, ROH Tor EXEI, Kos Tov Ev Dowiıvy WÄSTOV, rov 69 Beßuravı, 20 Nivo no Erßarovos TRLECIW- zuce. Wie roh, und zugleich wie unbekannt die Pere fer zu und vor den Zeiten des Kyrus den Lydiern und ihrem Könige waren, kann man aus der Rede des Sandanis beym Herodot fehen. I, 71. cs 990 Drittes Buch. konnte; und folhe $änder waren damals Arabien, Ya- läftina, Chaldäa, Perfien, Indien, von welchem lez⸗ gern man mit Zuverläffigfeit behaupten kann, daß die Griechen es nicht einmal dem Mamen nad) Fannten, MWenn aber auch Pythagoras Luft gehabt hätte, die Prie⸗ fter und Sazungen der bis dahin unbekannten Perfer ken⸗ nen zu lernen, die bis aufden Kyrus gleid) den Skythen in Thierfelle gefleidet, in Stämme abgetbeilet, und in elende Dörfer zerftreut waren, und eben deswegen die Neugierde eines Mannes, mie Pythagoras war, nicht befonders reizen Fonnten; fo hatte er gar nicht noͤthig, fie in ihrem Vaterlande aufzufuchen, er Fonnte fie eben fo gut im Griechiſchen Afien, oder in Hdien beobachten, Die Erdichtungen alſo der meiften Reifen des Pythago— ras, und der Glaube an fie, fezte eine gänzlidye Un- wiffenheit der Zeit, in welcher er lebte, und der Verfafs fung der Sänder voraus, in welchen er fi aufgehalten Haben foll, Drit⸗ Gefchichte der Botfagoreifihen Geſellſchaft. 39x Drittes Kapitel Bon den Einrichtungen und den Sazungen der Pythagoreiſchen Geſellſchaft, von der Lebensart, den Geheimniffen, und den Symbolen der älteften Pythagoreer, endlid) von der Ausartung der Pythagoreer, die nach dem Untergang des Bundes lebten, (8 Pythagoras fein Vaterland gegen die fechzigfte Dlympiade verließ, weil er unter der Herrfchaft des Polyfrates weber Sicherheit für feine Perfon, noch aud) die geringfte Hofnung hatte, auf eine feinen Talen» ten und erworbenen Kenntniffen entfprechende Arc ſich jemals in Samos empor zu heben; ſezte er weder nad) dem feften Sande Afiens, noc) nad) dem eigentlichen Griechenlande über; fondern er wandte ſich, wie Zeno⸗ phanes, und viele aus ihren Sizen vertriebene Freyheit« ſuchende Afiatifche Griechen, nach Italien, deffen unterfte fo wohl öftlihe, als weſtliche Küfte, eben wie dic öftliche und füdliche Seite Siciliens ſchon einige Jahrhunderte von Griechen befezt, angebaut und mit Städren um« kraͤnzt war. Er mied das Griechifche Afien, weil die fes von den Perfern kurz vorher vermüftet und unterjocht worden war: und fchiffte vor; dem eigentlichen Griechen- land vorüber, weil die wichtigften Staaten und Städte entweder wie Sparta allen Fremdlingen Yufnahme und Bürgerrecht verfagten, nder doch unendlich erſchwerten, oder weil fie, wie Athen, damals noch zu arm und ohn⸗ b 4 maͤch⸗ 392 Drittes Buch. mächtig waren, oeder endlich auch wie Korinth, eine Demofratifche Verfaffung , oder vielmehr Defpotismus eines zügeliofen Pöbels eingeführe hatten: eine Regie⸗ tungsform , die Pythagoras eben fo fehr, ale bie unbes ſchraͤnkte Alleinherrſchaft eines einzigen Tyrannen haßte. Die Griechiſchen Städte in Italien und Sicilien Dinge» gen Famen in Unfehung ihres Reichthums, ihrer Macht und Volksmenge den reichten, mächtigften und bevöl- Fertften in Aſien gleich, und hatten fo vortrefliche Geſeze und Grundverfaffungen, daß Pythagoras immer hoffen durfte, daß, wenn auch die einen oder die andern durd) Gittenverderbniß geſchwaͤcht und erfchlaft worden wären, fie doch wiederum durch Weisheit und Tugend erweft und bergeftelle werden koͤnnten. Ein jeder weiß, daß alle von den Griechen in Ita⸗ lien gegründeten Städte in fpätern Zeiten mit dem präch» tigen Namen von Groß: Griechenland bezeichnet worden find ®); allein ungewiß iftes, wann und warum man fie fo genannt hat. Athenaͤus **) und Strabo ***) geben ihr fchnelles Wachsthum, ihre außerordentliche Bevoͤl⸗ Ferung, und ihren Flor, wodurch fie bald alle Städte des eigentlichen Griechenlandes verdunfelten, als den Grund diefer Benennung an. Wäre diefe Ableitung richtig; fo müßte man vermurben, daß der Name Großgriechenland ſchon vor dem Pythagoras gebräudjlic) gewe⸗ *) Einige begriffen unter dieſem Worte nicht nur die Ita: liaͤniſchen, fondern auch die Sicilianifchen von Griechen ” bewohnten Städte, wie Strabo X, 389, Ed, Almelov., ®*) XIL 5. p. 523. 24) 1: & Gefchichte der Pyhthagoreiſchen Geſellſchaft. 393 gewefen fen, weil die Griechiſchen Cofonien in Italien und Sicilien lange vorher ihre Mukterftädte niche nur ein« geholt, fondern auch ühertraffen Hatten Ein Schrift fteller hingegen beym Jamblich *) verfichere, Daß der Name Großgriechenland erſt nach der Gründung der Py— thagoreifchen Schule entftanden, und durch die große Zahl von Rednern, Dichtern, Weltweifen und Gefezge bern veranlaßt worden fen, Die vom Pothagoras gebildet worden, und ſich über alle Städte von Stalin, Sici— lien und Griechenland verbreitet hätten, Die älteften Gricchifchen Städte in Italien und Eicilien, die fhon mehrere Menfchenalter vor der Flucht des Pythagoras aus Samos blühten, (denn einige wurs den erft in feinem Zeitalter von vertriebenen, oder flüche tenden Afiatifchen Griechen in Italien, Sicilien und Gal- lien erbaut) waren nicht lange nach dem Trojanifdyen Kriege, die meiften und größten zwifchen der 10 und 20 Olympiade, andere aber zwifchen der 20 und 30 Olympiade gegründet worden **), Ihre Stifter waren entweder Spartaner und andere Dorifche Griechen, ober auch Achaͤer, oder endlich Ebentheurer aus Chalfis, Die Urfachen der Auswanderungen von Griechen aus fo verfchiedenen Stämmen nach Italien und Sicilien, wa— ren eben die, wodurch fie nicht lange vorher über die In— feln und an die Küften von Aſien waren getrieben wor» Sb 5 den? *) 166. de Vit. Pyth, R * Sich beziehe mich hier auf die vortreflichen Abhandlun— gen des Herrn Hofrath Heyne über die Gefeze und Schickſale der Städte in Sroßgriechenland, in denen man allemal, wo ich feine alte Schriftfteller namentlich ans —— die beweiſenden Zeugniſſe geſammlet finden wird, 394 Drittes Buch. den: entweder innere Spaltungen und Gaͤhrungen enfgegen« gefezter Partheyen, die fich damit endigten, daß dieeine frepmillig oder gegwungen das Vaterland verlaffen, und neue Wohnſize fuchen mußte *); oder auch Miederlagen, wodurch ganze Voͤlkerſchaften, oder dod) die Bewohner einzelner Städte und Gegenden aus ihren bisherigen Wohnſizen verjage wurden. Der Grund aber, warum fich die Griechen zwiſchen der 20 und 30 Olympiade, und nachher zwifchen der 50 und Go Olympiade nad) talien, Eicilien und zulezt nach Gallien wandten, lag nicht bieß in der Fruchtbarkeit diefer Sander, oder in ihrer glückli- chen Sage, (denn beyde wurden mehrern Pflanzörtern nicht zu Theii) oder in der Milde des Himmelsſtrichs, fondern hauptſaͤchlich darinn, meil bie Hüften von Aſien, die Briechifchen Inſeln, und felbft auch die Ufer des ſchwar⸗ zen Meers ſchon befezt waren, Alle Altgriechiſchen Staͤdte in Eicilien und Ita— lien wurden fruͤher gegruͤndet, als Demokratien, oder Volkshecrſchaften im eigentlichen Griechenlande entſtan⸗ den, und ihre Erbauer gingen alle von Staͤdten und Voͤlkern aus; die entweder von Koͤnigen, oder von ei⸗ nem Mathe, ber aus ben angefehenften und weifeften Bürgern beftand, oder auch von benden zugleich regieret wurden, Das lestere war, mie befannt, der Fall in Sparta. Die Achaͤiſchen Städte aber gehorchten noch bis über die 30 Olympiade hinaus Koͤnigen *e). Auch) Kos *) Solche Meßhelligkeiten nöthigten zum Beyſpiele die fo- genaunten Jungfernkinder in Sparta ihren, väterlichen Boden zu meiden, und Tarens anzulegen. *®) Paufan, VI, 19, 22, VII. 1-6. Geſchichte der Pythagoreiſchen Geſellſchaft. 395 Korinth hatte in den aͤlteſten Zeiten Könige, dann jaͤhr⸗ liche Prytanen, bierauf unumfchränfte Beherrſcher, und erſt nad) ver 49 Diympiade sine Deinorranie Werfaſ⸗ fung *). Bon Chalfiswiffen wir esaus einem Zeugniffe des Strabo, daß diefe Stadt zu der Zeit, als fie Colos nien nach Italien und Sicilien ausſchickte, eine Ariſto— £ratifche Negierungsform hatte **). Den Euböifchen Eoloniften ahmten die Peloponnefifchen Griechen nach, die fid) in Italien und Sicilien niederliegen, Wenn diefe gleich inihrem Vaterlande an Fönigliche Herrfchaft gewohnt waren; fo duldeten fie diefe doch nicht in den Städten, die fie erbauten, (wenigſtens ift mir in allen riechiſchen Schriftftellern nicht eine einzige Stelle aufe geftoßen, woraus id) dergleichen vermuthen Fönnte,) ſon ⸗ dern fie führten, wenn man von den größten und wichtig. ſten auf die Fleinern fchließen darf, eine Ariſtokratiſche Verſaſſung ein, und erwählten einen regierenden Rath, der, wo nicht die gefesgebende, doch gewiß die ausübende Gewalt in Händen hatte. Won Tarene ***), Syrakus, und den Städten Chaffidifchen Urfprungs, hat Herr Hofe rath Henne es ſelbſt bewieſen. In Anfehung Krotons aber, und der übrigen von Achaͤern erbauten Städte, zwei⸗ 5) 14. 11.4. *9 Strab. X. p. 685. Ks vas Irarsus ds acc Si. WMAS TOAAE Kwoia KaAxıdeov esıy. EsaAycav de oı amamıı wuroı nadazee eıennev Agızore- Ans uvınen av Immoßoraov kargnevn errengw- TEL FONITEIO. TFEOETNCHV YaE KUTIS Wo Tılay- HaTov ovdees AUSORLATIK@S KEXOYTES. “##) fiche V. 3, de Civ, Ariſt. 396 Drittes Buch. jmeifelt dieſer Gelehrte, ob fie eine ben vorhergenannfen ähnliche Grundverfafung gehabt hätten, oder nicht , in- dem die Acyaer in Griecyentand nad) dem Polyb *) fehr früh Freyheit oder Demokratie erhalten harten. Allein diefee Geſchichtſchreiber beſtimmt Bier Feine Zeit, und man muß ihn daher nad) den oben angeführten Zeugniffen des Paufanias, die ſich auf alte Denkmäler ſtuͤzten, auslegen. Dieſem zufolge gehörten die Achder mit zu den lezten Griechifhen Voͤlkerſchaften, die fid) von der Königlichen Herrſchaft losmachten. Von Kroton laßt es ſich mit den glaubwuͤrdigen Zeugniffen des Difäarch **) beweifen, daß diefe Stadt einen Rath von Taufen- den oder von Geronten hatte, und auch von Sybaris läßt es fich nachden Erzählungen des Herodot ***), He: raffides Pontifus +), und Diodor ff) Faum läugnen, daß auch in ihr die Vornehmſten die höchfte Gemalt in Händen hatten, Denn eben eine Empörung des Pobels rider die Reichen, und die Flucht der leztern, war die Urſache des Kriegs der Sybariten mit den Krotoniaten, und des gänzlichen Untergangs der erftern, Ale alte Schriftſteller, beren Nachrichten man in den Abhandlungen meines vortreflichen Freundes bey: fammen findet, und von denen id) nur einige unten an» zeigen will ++), ſtimmen darinn überein, daß die vor- nehm: *) 11. 38. %#) jambl. S. 45. und Porph. 8. ı8, wrr) V. 44. +) ap. Ath, XII, p. 521. +9. XI. 9. +++) Athen, IV. 9, ex Theopomp, VI, zu. X, 3-5 « Pag. 518" 523. Gefchichte der Pythagoreiſchen Geſellſchaft. 397 nehmften Griechifchen Städte in Italien, befonders Ta- rent, Sybaris und Kroton gegen die so Olympiade, noch mehr aber zur Zeit der Ankunft des Pythagoras in Großgriechenland unglaublich bevölfere, aber auch in eine faft maͤhrchenhafte, oder doc) fiftenverderbende Pracht, Schwelgerey und WeichlichFeit verfunfen waren, So zogen, um ein Beyſpiel ihrer Volksmenge zu geben, die Sybariten mit 300000 Mann wider die Krotoniaten aus, und fanden ein Heer gegen fid), dag aus 100000 Mann beftand, und von dem fie bis aufs Haupt gefchla- gen wurden. Wenn man aud) annimmt, daß die er- ftern alle ftreitbare Männer nicht nur aus Sybaris, fon» dern aud) *) aus den 25 Städten, bie ihnen zinsbar moren, zufammen gezogen hatten, fo bleibe es doc) im» mer unbegreiflih, woher die Krotoniaten auch nur den bitten Theil einer ſolchen Macht aufbrachten. Diefe Volksmenge, und ber Reichthum beyder Städte iſt ein defto größeres Raͤthſel, weil ihre Einwohner, befonders die von Sybaris, feinen fehr fruchtbaren Boden bauten, und wie man aus dem Stillfhmeigen der Alten fehließen muß, aud) Feine einträgliche Manufacturen oder Schif« farth hatten, fondern fich vielmehr die Foftbarften Pro. ducte des $urus von auswärtigen Kaufleuten zuführen ließen. Man mag aber von den Nachrichten des Strabo und anderer über den Zuftand der Griechiſchen Städre in Sstallen fo vieles abrechnen, als man will; fo bleibt doch diefes unläugbar, daß Sybaris, Kroton und Tarent, gegen die 60 Olympiade am äußern Wohlftande und Ber völferung alle Städte des eigentlichen Griechenlandes ſehr | weit *) VI. 404. Strab, 398 Drittes Buch. weit uͤbertrafen, fo wie fie von dieſen wiederum in Anſe⸗ hung der Reinigkeit der Sitten übertroffen wurden, Pythagoras wählte, unter allen mächtigen Städten in Großgriechenland, Kroton zu feinem Fünftigen beftän. digen Wohnfize, wabrfcheintich nicht bloß deßwegen, weil der Zufall ihn zuerft in diefe Stadt verfchlagen hatte (denn es erhielt fid) eine Sage bis, in fpäte Zeiten herab *), daß er zuerft bey Sybaris ans fand geftiegen fen) fondern entweder, weil er fie für gefunder hielt, als die übrigen, oder weil er ihre Einwohner am wenigſten verdorben, und eben deßwegen zur Ausführung feiner großen Abfid)- ten am gefchickteften fand. Gleich nach feiner Ankunft in Kroton zog er die Aufmerffamkeit und Bewunderung aller Stände, Geſchlechter und Alter auf ſich **), weil er, alle Gaben und Vorzuͤge befaß, die eine frengebige Matur, verſchwenderiſches Glüf, langwierige Reifen, reife Erfahrung , vertraufer Umgang mit den größten Männern feiner Zeit, und eine beftändige Beobachtung und Ausbildung feiner felbft nur verleihen und mittheilen Fonnten. Vor ihm ging dee Ruf von feinen großen Reifen, und feinem vieljährigen Aufenthalte in fremden $ändern her, und bereitete die Gemüther zur Ehrfurcht und Erwartung feltner und erhabener Weisheit vor. Er war fhön und groß von Perfon: ein Vorzug, der ihn allenthalben würde empfohlen haben, der aber nirgends fo no ®) Jambl, 36. .. #®) Dicacarch. ap. Porph, 18, ap. Jambl. 37. & ſeq. und aus ihm im Juſt. XX. 4. und Diodor, IE, 554. Aus diefen Stellen find auch die, folgenden Nachrichten ges nommen. Geſchichte der Pythagoreiſchen Geſellſchaft. 399 ſo tiefen Eindruck machte, als unter den Griechen, die ungewoͤhnliche Schoͤnheit eben ſo ſehr, als die groͤßten Talente und vollkommenſte Tugend ſchaͤzten. Einladen— der Siebreiz und Ehrfurcht gebietende Würde, waren nicht nur über feinen Körper verbreitet, fondern waren aud) in feiner Stimme, in feinen Bewegungen und Mes den in feltner Eintracht vereinigt, Hiezu Fam endlich eine alles überwältigende Beredſamkeit, die nicht den Ohren und der itelfeit eines müffigen und ſtolzen Poͤbels ſchmeichelte, fondern eingewurzelte herrfchende Leidenſchaf⸗ ten und Safter angriff, und die Seligkeiten eines weiſen tugendhaften Lebens verfündigte. Er redete nach dem Dikaͤarch, nicht lange nad) feiner Ankunft in Gymnaſien, Tempeln und in dem Verfammlungshaufe des groften Raths, zuerfi nur zu den unerwachſenen Kindern in Kro— ton, dann zur ftärfern Jugend, und endlich zum regie- renden Kath felbft, und aufdefjen Befehl zu den Matro- nen der Stadt, Und durd) diefe felne vortreflichen Er: mahnungen erhielt ev nicht nur von den Vätern des Volks öffentliche Danffagungen , fondern wirkte auch auf die Seelen feiner Zuhörer fo mächtig, daß die Männer ihre Kebsweiber abfchaften, die Weiber allen ihren Schmuck, und ihre Foftbaren prächtigen Gewänder, als überflüffige, und ihrer Tugend unmwürdige Verzierungen, im Tempel der uno niederfegten, und ber Goͤttinn heiligten, und die Zünglinge endlich mit dem lebhafteſten Eifer für nüz lihe Kenntniffe erfüllt wurden *). Dieſe bewunderns- würdige Gewalt, womit Pythagoras Die Herzen eines üppie — ®) Dicasarch.f, 50, 56, ag. Jambl, Dlod. Exe. 11,.554. und Juß.l,c, 400 Drittes Bud. üppigen und ſchwelgeriſchen Volks an ſich riß, und nad) “ feinem Gefallen bildete, wird außer den angeführten Factis nod) durd) Die Zeugniffe eines Ariftoteles und Ti: mons, des Skeptikers und Tadlers aller alten Weltwei- fen, bekraͤftigt. Der erftere erzähle, daß die Krotonia— ten den Pythagoras wegen feiner WBeisheit für einen goͤtt⸗ lichen Mann, "oder gar für ein goͤttliches Wefen, für den Hyperboreiſchen Apoll gehalten hatten, der ſich in menfchficher Seftalt geoffenbart und unter ihnen niederger laffen habe *): der leßtere hingegen **) nannte den Py—⸗ thagoras einen bezaubernden Schwaͤzer und einen liftigen Menfchenjäger. Die Eindrücke, die Pythagoras in Kro- ton machte, find, fo außerordentlich fie aud) befchsieben werden, doc) nicht unglaublich, und Fönnen nicht einmal jemanden unwahrſcheinlich vorkommen, welcher weiß, welch einen ungeheuren Beyfall viele, weniger große Maͤn⸗ ner in andern Zeiten erhalten haben, und wie heftig und allgemein, und faft bis zur Kranfheit fteigend der Enthu« fiasmus und die $ernbegierde war, weldye die älteften Sophiften in allen Griechiſchen Städten, ferner die ers ften Griechifhen und Roͤmiſchen Redner im alten Nom, und Die erften Lehrer und Ausleger der Griechiſchen Sprache und Schriftfteller in Italien, Frankreich und Teutſchland hervorbrachten. Bey — —⸗ ——— ) Ariftot. ap, Aelian. Var. Hiſt. II. 26. Man ſehe auch Diod, in Exec. 554. 55. Edit, Weſſel. #*) Ap. Diog, VIII, 36. Ilu$oyoenv TE Yonros amonwavr' emidokav, nen em" avdenmwv, gen vnyogıns Kogisnv, Geſchichte der Pythagoreiſchen Gefellfchaft. 401 Ben den fo fehr hervorſtechenden Verdienſten des Pythagoras, und der faft göttlichen Verehrung, womit man den neuangefommenen remdling in Kroton empfan- gen hatte, Fonnte es nicht fehlen, daß nicht die erften Männer des Staats, und alle edle zu großen Thaten bes ſtimmte und fähige Juͤnglinge, feinen Umgang und Uns terricht gefucht haͤtten *). Diefe Bewerbung um feine Befannefchaft war nach alle dem zu urtheilen, was wir vom Pythagoras wiſſen, und was id) in der Folge von ihm erzählen werde, das, mas Pythagoras mwünfchte, und zu bemwirfen gefucht hatte, und gleichfam der erfte nothwendige Schritt zur Vollendung des gros fen Plans, den er gewiß fon in Aegypten ent mworfen, und viele jahre überdacht hatte, und um wel⸗ chen auszuführen, er aus feinem Vaterlande entwichen und nach Italien gefommen mar, Wahrfcheinlic) brauchte Prhagoras mehrere Jahre, um alle die vornehmen angefehenen Männer und Juͤng— linge, die ſich um feine Freundfchaft bemühten , oder die ihm der feinigen werth ſchienen, in der Stille , und ohne feine Abfichten zu verrathen, genau zu prüfen und zu beobachten. Sowie er fienäher Fennen lernte, zog er ſich (aud) dies laͤßt fich nicht anders denfen) allmaͤlich von de— nen zurück, in welche er ein Mistrauen zu fezen gerechte Urſache hatte, und verband fic) hingegen immer inniger mit foihen, in denen er große Anlagen des Geiftes und Herzens entdeckte. Diefe leztere vermochte er endlich da» bin, ſich mit ihm in eine Geſellſchaft zu vereinigen, und nad) — — — — — — — — *) Man leſe hierüber die oben aus dem Iſokrates angeführte Stelle. Cr 402 Drittes Bud). nach ganz eigenthümlichen, von ihm vorgefchriebenen Ges fezen zu leben und zu handeln. Auf diefe Art entftand der Pythagoreiſche Orden, der nach den Zeugniffen aller Alten zuerft in Kroton geftiftet wurde, und der von eini« gen der Pythagoreiſche Bund, von andern die Pprhago- reifche Werbrüderung und Schule, und vom Herodot fogar *) die Pythagoreiſchen Drgien genennt wird. Mehrere Gefchichefchreiber ſtimmen ziemlich in der Zahl der genauern Freunde des Pythagoras, oder der Mitglieder überein, aus welchen fein Bund beftand, als er in Kroton zerſtoͤrt wurde *), allein es giebt Fein zuvers läffiges Datum, aus welchem man die Menge der Theil: nehmer diefer Gefellfhaft bey ihrer erften Errichtung bes flimmen Fönnte ***). Wir wiffen ferner aus den Nach— richten der älteften und glaubwürdigften Schriftfteller,, eines Ariſtoxenus, Difaarch und Polybius, daß der Py— thagoreiſche Bund nicht bloß in den Mauren von Kroton eingefchloffen geblieben fey, fondern daß menigftens in den gröften Städten von Großgriechenland ähnliche, von der in Kroton abhängende, oder wenigftens mit ihr ver bundene Verbrüderungen errichtet worden; allein unbe— kannt ift es, wann und in welchem Sorfgange dieſe ents N ftanden, rn —— —— *) 11. 87. **) Sie fezen fie nämlich auf dreyhundert. Juft. XX, 4. wahr⸗ ſcheinlich aus dem Dikaͤarch Apoll. 260. ſ. ap. Jambl, Diog. VIIl. 3. lezterer redet ſ. 15. von 600. aber bier werden nicht Mitglieder des Bundes, fondern nur Zur hoͤrer gemeynet. SRH) Denn die ungereimte Erzählung des Nikomachus beym Porphyr ſ. 22. verdient, wie ic) ſchon an einem andern orte erinnert habe, gar Eeinen Glauben, Geſchichte der Pythagoreiſchen Gefellfchaft, 403 ftanden, und wie zahlreich fie in einer jeden Stadt gewe⸗ fen find. Auch beruht es nur allein auf der Richtige Feit gewiffer Erzählungen beym Diodor *) und Jamblich, und bes Verzeichniffes der Pythagoreer, in dem leztern, daß der PhthagoreiſcheOrden fic) nicht nur über Italien und Sicilien, fondern aud) bis ins eigentliche Griechenland, und in die Griechiſchen Inſeln, ja fogar bis nad) Kar⸗ thago und‘ Kyrene verbreitet habe, oder daß fich doch in den zulezt genannten Städten und Inſeln einzelne Mita glieder deffelben gefunden haben. Die Errichtung der Pythagoreiſchen Schule iſt meinem Urtheile nad) das erhabenfte und weifefte Syſtem von Gefezgebung, was jemals zur Veredelung und Ver⸗ vollkommnung unfers Gefchlechts erfunden worden; ein Syſtem, das ganz auf die reinfte uneigennüzigfte Tugend gegründet, und auf die Ölückfeligkeit ganzer Laͤnder abges jielt war, das endlich nicht nur dem Geifte und Herzen feines Erfinders, fondern der menfhlichen Natur felbft Ehre macht, aber freylich nur bey einer Fleinen Zahl aus⸗ erwaͤhlter Männer ausgeführt werden Fonnte, Mach den Irdensregeln, die Pythagoras für fich und feine Freunde entwarf, Eonnfe in denen, die darnach lebten, Feine Kraft und Anlage unentwickelt, und Eeine Unart oder Gebrechen unbemerkt und ungefchwächt bleiben. Vermoͤge diefer Regeln wurden alle Theile des Körpers, und alle Faͤhig— Feiten der Seele, durch die angemeffenften, beftändig an⸗ haltenden Uebungen bis zur dauerhafteften Geſundheit, yöchften und fchneflften Wirffamfeit und männlichften Stärfe ausgebildet; und Tugenden wurden nicht durch Ce 2 Vor. — - “) 554 pP 404 Drittes Bud). Vorſchriften oder Beweife und Ermahnungen, fondern durch Beyſpiel und Gewohnheit gelehrt. In ihnen war alles vereinigt und verbeffert, mas Pythagoras in den Sazungen feines Volks und fremder Nationen nüzlic)es und heilfames beobachtet hatte, und fogar die Heiligfeit der Religion und goftesdienftlicher Gebräuche, und das Ehrwuͤrdige herrfchender Vorurtheile, war meifterhaft ge: nuzt, um ihren Beobachtern und Verehrern ein defto größeres Anſehen zu verfchaffen. Das Gefezbud) des Pythagoras, wenn ich mich fo ausdrücen darf, war fo volljtändig, daß nad) ihm Feine Stunde des febens, das man wachend zubringt, unausgefüllt, Feine Handlung ungeregele, Feine Pflicht unbeftimmt, und Fein Gut oder Dergnügen unabgemogen blieb. Nach den erften Haupt« ſtuͤcken deſſelben, wurden zwar feine Freunde genauer uns ter fich, als mit ihren Mitbürgern vereinigt; allein nicht um ſich von diefen zu entfernen, ober ihnen entgegen zu mwirfen, fondern um mit verbundenen Kräften deſto leb⸗ bafter und ehätiger an ihrer Wohlfart arbeiten zu fönnen, Eben diefe Geſeze beftimmten ferner ihre freuften und würdigften Erfüller zu Häuptern und Führern anderer Menſchen, aber nicht um Voͤlker zu unterdrücken oder zu plündern, damit fie allein genießen koͤnnten, fondern um mit ihrem eigenen Gute und Blute die Freyheit, Nechte und Sicherheit ihrer Mitbürger zu ſchuͤzen, und alle die jenigen, die dieſen nachſtellten, oder fie angriffen, entwe⸗ der abzuhalten oder zu zernichten. — Man lefe, was id) jego erzählen werde, und urtheile alsdann, ob id) bloß ein idealiſches Gemälde geliefert babe, und ob Pythagoras wegen der Einrichtung feiner Geſellſchaft nicht mebr ge: fegnet zu werden verdiene, als wenn er das weitläuftigite Lehr⸗ Gefchichte der Pythagoreiſchen Gefellfehaft. 405 Lehrgebaͤude, und alle die Wiffenfchaften, die man ihm zuzufchreiben pflegt, erfunden hätte, Pythagoras nuzte erftlich. in der Wahl der Bede— ungen des $eibes, Die er feinen Freunden vorfchrieb,, die Beobachtungen und Benfpiele der Götterdiener, ſo⸗ wohl der Griechen als Aegyptier und anderer Voͤlker, die alle früh bemerften, daß Anzug und Gewand dem großen Haufen oft eben fo fehr, als Würden, Werdienfte und Tugenden Ehrerbietung einflößen. Er entlehnte das ber aus Aegnpten*) eine Kleidung, die ſich durch Selten» heit eben fo fehr, als durch Foftbare Einfalt, von her Tracht der Übrigen Griechen unterfchied, und einen Ge- ruch von priefterlicher Heiligfeit über Diejenigen verbreis tete, die damit angerhan waren. Anſtatt daß die übrigen Griechen fich in wollene Zeuge oder Tücher einwicelten, wählte Pythagoras für ſich und feine Freunde Gewaͤnder bon feiner Aegyptiſcher Cattunleinwand, die oft mit Pur« pur gefarbt, oder doch mit Purpurftreifen erhoben war **), Ec 3 und — *) Herod. II, 37. **) Ariftox. ap. Jambl. ſ. 100, Diod, Exe. 555. p. Phi- loft, vit. Apoll. I, 1. & ibi Olear, Hermip. Timseus & Sofier. ap. Athen. IV. 17. 18. Allen dieſen Schrift ſtellern widerfpricht der einzige Diogenes von Laerte, der VIII 19. einem ungenannten, aber gewiß unzuvers lafligen Geſchichtſchreiber nacherzaylt, dag die Pyrha- goreer weiße aus Wolle bereitete Roͤcke getragen hätten, indem Aegyptiſche Cattunleinwand im Zeitalter des Py— thagoras noch nicht in Großgriechenland befannt gewe— fen wäre. An diefer legten Nachricht würde man bey dem vieljährigen Handel der Griechen mit den Xegyptiern, und der Prachrliebe der Bewohner von Großgriecherne land zweifeln muffen, wenn aud nicht Thukydides im erſten 406 Drittes Buch. und beren blenbende Weiße man fletserhalten ober wieder. herſtellen mufte, Faft alle Schriftfteller, die von der Kleidung der Pythagoreer reden, fagen ferner, daß eben diefe Männer, nicht nur auf die Neinlichfeie ihrer Gewänder, fondern auch aller Theile des geibes, die größte Sorgfalt gewandt, und fich daher häufig gefchoren, und Bäder und Salbun- gen gebraucht harten. Auch Hierin ahmte Pythagoras den Aegyyptiſchen Prieftern nach, die ſich alle vier und zwenzig Stunden viermal in Faltem Waffer badeten, und an jedem dritten Tage ihren ganzen $eib fchoren, damit Fein Ungeziefer an ihnen haften koͤnnte. Wahrſcheinlich verlangte Pythagoras von feinen Schülern nicht bloß deß- wegen eine größere Neinlichfeie in Kleidern, und häufi» gere Säuberungen des Seibes, als unter den übrigen Grie— chen gebräudjlich waren, weil er fie für nothmendig, und der Gefundheit befonders zuträglicd) hielt, ſondern weil der große Haufe von Außerlicher Reinlichkeit, und von Reinigungen bes Körpers, auf Unbeflecktheit und Keuſchheit des Herzens ſchloß, und weil ungewöhns liche Reinigungen nad) den Religionsbegriffen der dama— ligen Zeit zu den heiligen Gebrauchen und. goftesdienfts lichen Handlungen gehörten. Ich zweifle aber doch fehr, ob Pythagoras hierin fo weit gegangen fey, als die Ae— anptifchen Priefter, und ob er fo oft als diefe feinen ganzen Koͤr⸗ BETT mel Denn — eriten Buche ausdrücklich verfiherte, daß Aegyptiſcher Cattun in alten Zeiten eine gewöhnliche Kleidung der Griechen geweſen, und erft kurz vor feinem Zeitalter abgefommen fey. Geſchichte der Pythagoreiſchen Geſellſchaft. 407 Koͤrper, und ſelbſt alſo auch das Haupt beſchoren habe. Her⸗ mipp und Soſikrates *) ſcheinen zwar die Pflegung des Haars für ein Zeichen der Unreinlichkeit zu halten, mo» von die älteften Pythagoreer weit entferne gewefen ſeyen, und verfihern, daß die Schüler des Samifchen Philo⸗ fopben ſich forgfältig gefchoren hätten; allein außer daß es nicht wahrfcheinlich iſt, daß Pythagoras, der fo fehr auf ein vortheilhaftes Aeußere ſah, eine die Griechen be— feidigende Kahlheit follte empfohlen haben , bezeugen viele oben angeführte Schriftiteller, daB Pythagoras in feiner Jugend feinen reichen Haarwuchs genährt habe, und Arhenäus felbft meldet an einem andern Orte, dafi die Griechen erft zu Aleranders Zeit den Bart wegzufiheren angefangen hätten **), Die Pythagoreer Fleibeten ſich aber nicht bloß in reine weiße Cattunleinwand, fondern fie rubeten auch) auf und unter Decken von diefem Zeuge, und ließen for gar nach dem Tode ihre Leichname darinn einwiceln. In diefem Stuͤcke waren fie den frühern Macheiferern der Aegyhptiſchen Priefter, _ den Vorftehern und Einweihern, der Orphifchen Geheimniffe ahnlich: eine Aehnlichkeit, die allem Vermuthen nad) den Herodot veranlaßte, die Pythagoreiſche Gefellfhaft als eine Art von Myfterien anzufehen, und mit dem Damen von Orgien zu belegen ***), Den Ppthagoreern aber ahmten wiederum in Anfehung der Pracht und Reinlichkeit, Empedokles +), Gorgias, 4 und — — ⸗ *) ap. Athen, I, c, "XI, 3 p. 565. u.) I, y) viil. +; 74. Diog. 408 | Drittes Buch, und alle ältere Sophiften, und in Anfehung des Stoffs, aus welchem ihre Gewaͤnder verfertige waren, Apollo- nius *), und die meiften neuern Pythagoreer nad). Apollonius glaubte, daß Pythagoras die Aegyptiſche $einwand deßwegen zur Bedecfung des Leibes gewählt habe, weil fie eine Gabe der mütterlichen unvergäng- lichen Erde fey, und daß er hingegen wollene Kleider aus dem Grunde verboten habe, um feinen $eib nicht durch etwas zu beflecfen, was von einem lebenden, aber zugleich fterblihen Gefchöpfe genommen, oder ihm geraubt worden. So durchgedacht die Grundfäze des Pythagoras über die Kleidung und Wartung des Körpers waren; eben fo tiefe Menſchenkenntniß verrathen die Vorfchriften, in melchen er die Vergnügungen und Erholungen fomohl, als die Gefchäfte und Arbeiten des ganzen Tags be: flimmte. Beyde waren nicht nur fo gewählt, daß Koͤr⸗ per, Geift und Herz gleichförmig und verhältnißmäßig geübt und entwickelt wurden, fondern folgten auch fo zweckmaͤßig und in fo abwechfelnden Reiben auf einander, daß aus den einen nie Langeweile und Heberdruß, und aus den andern nie Ermuͤdung oder Erfchöpfung entftehen Fonnte, So bald die Pythagoreer des Morgens erwacht, und von ihrem Lager aufgeftanden waren, wandelten fie einzeln an ruhige einfame Derter in Haine oder Tempel, nicht aue umihre Sinne und Körper zu erwecken und zu setrifchen, fondern aud) um ihr Gemuͤth zu ſammlen, um — mm ®) 1,1. de Vita Apoll. Gefchichte der Pythagoreiſchen Gefellfchaft. 409 um ferner die Thaten des vergangenen oder: mehrerer ver⸗ gangenen Tage zu wiederholen *), endlich um ſich zuden Gefchäften des angefangenen Tages vorzubereiten **), Sie nahmen ***) die Töne der Leier zu Hilfe, um alle Mebel des Schlafs zu zerftreuen, ihre Lebensgeiſter zu ermuntern, und die Seele zu einer gefezten gleichförmir gen Thaͤtigkeit zu ftimmen, Ihnen ſchien es gefährliche Leichtfertigkeit, mit andern zu reden und umzugehen, ber vor man ſich mit fich felbft unterhalten habe, weil noth« wendig Unruhe und Verwirrung des Beiftes, und Ueber» eilung in Handlungen und Gefchäften daraus erfolgen müffe, wenn man fid) ohne alle Vorbereitung insg Ges wuͤhl von Menfchen hineinſtuͤrze +). Wenn die Pythagoreer ihre frühen Spaziergänge geendiget hatten; fo fuchten fie fid einander auf, und wandten in Tempeln, oder ähnlichen Dertern die heiter- ften Stunden des Tages und ihre erften Kräfte zum $eb» ren und $ernen, zur Nufflärung bes Geiftes und Erweite⸗ rung nuͤzlicher Renntniffe, oder aud) zur Befferung des Herzens an. Auf diefe lehrreichen und bildenden Unter— redungen folgten Uebungen, die dem Körper Stärfe und Behendigkeit geben, oder fie auch vermehren muften. Die meiften metteiferten mit einander im Saufen, der älteften $eibesübung in Griechenland, und ließen ſich zu« gleich falben und reiben: andere rangen und balgten ſich Erz in *) Diod, p. 555. Exec, **) Arift. ap Jambl, 96 et 235. Diog, ap, Perph, 46. es*) Quint. IX. 4. +) Man fehe den Ariftorenus I, c. aus dem ich auch das fol⸗ gende nehmen werde, 410 Drittes Bud. in Gaͤrten oder Hainen, und noch andere endlich warfen große Gewichte nad) gemiffen Zielen, oder tanzten auch) gewiffe Tänze, Die mit heftigen Bewegungen aller Theile des Körpers, befonders der Hände verbunden waren. Bon diefen Seibesübungen gingen fie zum Mittagsmahl, das unter Griechen und Römern meiftens nur Fruͤhſtuͤck, ‚aber unter den Pythagoreern noch viel einfacher als unter den übrigen Griechen war, Sie genoffen weder Fleiſch noch Wein, (vom lejtern enthielten fie fidy Den ganzen Tag über) fondern nahmen nur fo viel Brod und Honig zu fih, als zur Gtillung des Hungers nöthig mar, Mach geendigter Mahlzeit arbeiteten fie den gröften Theil des Nachmittags in öffentlichen Angelegenheiten, unb erſt gegen Abend gingen fie nicht einzein, fondern felbft ziveen und drey fpazieren, und wiederholten die Materien, bie fie des Morgens gehört, oder worüber fie ſich unter» redet hatten. Diefe Abendfpaziergange befchloffen fie mit einem Ealten Bade, und verfammleten fid) alsdann in gemeinſchaftlichen Speifefälen zum Nachteffen, das aber immer vor Untergang der Sonne geendigt wurde, Diefe Abendmahlzeiten, an welchen nie mehr als zehen Brüder der größern Vertraulichkeit wegen beyfammen waren, wurden jedesmal mit Kbationen und Opfern an« „gefangen und befchloffen, und beflanden aus mannigfal- tigern und nahrhaftern Speifen, als welche fie des Mits tags zu genießen pflegte. Sie aßen nicht nur gefochte und ungekochte Kraufer und Gemüfe, fondern auch Sleifch und Fiſche, aber felten und wenig, und franfen auch Mein. Wenn fie abgefpeift hatten, unterhielten fie ſich noch eine Zeitlang mit angenehmer oder unterrichtender Lectuͤr. Der Oberſte der Oefellfchaft fhlug vor, was gele- Gefchichte der Pythagoreiſchen Geſellſchaft. au gelefen werden follte, und der jüngfte mufte vorleſen, den jener, wo es nöthig war, verbefferce und unterbrach. Zulezt wurden noch einem jeden beym Auseinandergehen die wichtigften Pflichten des Lebens, und die Haupfgrunds füge des Ordens kurz vorgehalten, und in Erinnerung gebracht. Hier hört zwar die Erzählung des Ariftorenus beym Jamblich von der gewöhnlichen Art, wie die Pythagoreer ven Tag binbrachten, auf: man Fann aber aus andern Schriftftellern, die hoͤchſt wahrſcheinlich den eben genannten großen Geichichtfchreiber vor ſich hatten, noch diefe Nachricht binzufegen, daß die Pythagoreer nicht gleich von der Abendmahfzeit fich zur Ruhe begaben, fondern vorher noch ein wichtiges Gefchäft vornahmen, Sie uͤberdachten namlich, bevor fie fidh niederlehten, alles, was fie den Tag über gefehen, gehört und gethan batten, und bemübten fich dann, ihre Seele zu enrfpan« nen, und durch die fanfteften Harmonien der Leier in eine füße Ruhe einzumiegen, und zu einem ungeftörten und traumlofen Schlafe vorzubereiten *), Nach⸗ *) Siehe Rittersh. in Not. ad Porph. S. 30, p. 39. Dieg, ap. Porpb. 40. idem ap. Jambl, 65. Avo de ux- — naıgBs Mason Yu Ev Deovridı Ie0Ias. „rov EV OTE EIS UMVOoy TEEOITO. TOV de öre Ef umvg davısaro. EMIOKOmEN ya MEOoNAEı Ev Enareew TETOW, TATE non TEREHYMEVE, KT MEeAAoV- TE. Toy MEV YEvonevav EUdUvaSs Toro Edurs Erct- sov Auußevevra. Fav de MEAAovTay arecvoey mösnsvoy. Ilgo nev ar ra umva raura eauro To — ERRIEN Enasiarv, . nd 412 Drittes Buch. Nachdem ich nun den ganzen Tageslauf eines Pythagoreers nad) dem Xriftorenus gefchildert habe; fo will ich igo noch einzelne Theile diefer Befchreibung etwas näher unterfuchen, und aud) diejenigen Ordensregeln, die nicht darinn berührt find, nachholen. Erftlih muß eg felbft dem Unaufmerkfamften aufs falten, vote fehr Die ziwenfache Nückfehr in fich ſelbſt, wo— niit die Pythagoreer den Tag anfingen und befchloffen, das innere Auge fhärfen, einen jeden mit fich felbft be- fannt machen, Unbedachtfamfeit und Urüberlegtheit im Meden und Handeln vermindern, und endlich durd) das felige Vergnügen, mas das Andenken an gute Thaten gewährte, die Liebe zur Tugend flärfen, und hingegen durch Schaam und Reue, die von der Erinnerung an Thorheiten und Ungerechtigfeiten unzertrennlich find, Die Keime unmäßiger oder ungefelliger Neigungen allmaͤlich erſticken muften. Pythagoras fehrieb aber die Wieder: holung defjen, was man gethan hatte, und die Heberden. fung deffen, was man thun wollte, nicht bloß als Mit, tel der Selbſterkeantniß und Bildung des Herzens vor, — — —— — —ñ— und Umvov HRÄRKUTIV ER op uaOw reoode- oda, Ilew rav Nuseıvav EeyYwv TeIS Euosov i — In waeeßuv; Fi dreefe; Ti no deov g% ETEAEONN 5 Tleo de vns efavasurens eusive,. Iewor& ev EE umvoo MeAıeovos efuna- viSas, Eu para Tamveuer, 07° EOYE TE- heozeis. Geſchichte der Phthagoreiſchen Gefellfchaft. 4:3 fondern er verorbnetefie aud) nach dem Zeugniffe mehre- rer Schriftfteller als die vortreflichfte Hebung des Gedaͤcht— niffes, und fie werden daher auch als eine Pythagoreiſche Gedaͤchtnißkunſt befchrieben *). Ks war den Freunden des Pythagoras nicht genug, fid) überhaupt, oder im Ganzen der Begebenheiten eines oder mehrerer vergange- nen Tage zu erinnern, fondern fie bemühten fi), nad) dem Narbe ihres Meifters, die Spuren berfelbigen in eben der Ordnung zu erneuern, in welcher die Begeben- heiten ſelbſt einander gefolgt waren. Sie befannen fi) alfo zum Benfpiel, was fie ihren Bedienten zuerft, was zweytens, drittens und fo weiter befohlen hatten ; wem fie zuerft, wen zweytens und drittens aufgeftoßen, welche Ge— fpräche zuerft, welche zulezt, und welche zwiſchen beyden ges führt waren. Wenn fie Zeit hatten, fo gingen fie mit ihren Gedanken nicht nur über die Eraͤugniſſe eines Tages, fondern mehrerer Tage zurück ; und es Fonnte nicht fehlen, daß nicht durch dieſe anhaltenden Uebungen ein Seelenvermögen, das die Alten überhaupt mehr fchästen, als Die neuern, fehr geftärft worden wäre. Bey der beftändigen und wieder« ER bol- IN EN ET VIE S°8 *) Diod.l. e. et Nic, ap. Jambl. 164. 165. Iv$a&yoecsıos an? 8 TEOTELgoV Er TAS KOITNS AVISATo „ NTAX- Ges yevoneva mengegov avauynodem. erreigaro avaeradavew rn davor, Ti MEGITELOV EımEV, N HARTEV, N WEOGETALEV TOIS Evdov, avasası deuregov nrearov. Kos Tee Twv ErwuEvwv o au- wos Aoyos. Kar Far av efiav, Fi mewTrw EveTuXev, 9 70 deureco. Ks Aoyas rives EAEXINTEV TE@TO, N deurseo, n raro. — — sı de mAsım EXoAnv ayoıev ev To heysseao gas, Ta HOT TEITNV NMeenv Ounldavra Fov Kurey TEOTOV EREIERTO avaraufuvew. 414 Drittes Buch, holten Erfrifchung aller Eindruͤcke, die ihr Gedaͤchtniß empfangen, oder die fie ihm auch anvertraut hatten, mufte der ganze Vorrath ihrer Erinnerungen gleichſam eine an einander hängende Gallerie von Gemälden werden, auf welchen alle wichtige Auftritte ihres Lebens mit uns vergänglichen, oder wenig verbleichenden Farben vorgeftelle waren, Die $ebensgefchichte, Die ein jeder in feinem Gedaͤchtniſſe herumtrug, mufte vielmeniger Luͤcken haben, als bey andern Menfchen, bie durch Nachläffigkeit oft ganze Jahre einbüßen, und aus großen verflofjenen Zeits räumen nur einige dunfle verworrene Schattenbilder in die legten Abfäze ihres Daſeyns binüberbringen, . Wahr: ſcheiniich war Pythagoras der erfte feines Gefchlechts, der die großen Vortheile einer periodifchen, an gemiffe Zei« ten gebundenen Prüfung feiner felbft, und regelmäßiger Gedaͤchtnißuͤbung einfah: gewiß aber war er der erfte, der jene öffentlich ernpfahl, zur Gewohnheit nicht nur für ſich, fondern aud) für eine große Zahl von Freunden machte, und aus ihr fo mannigfaltigen Nuzen zog, als man eis nige Jahrtauſende nad) ihm Faum glauben wird, daß fie verſchaffen Eönnte, Weniger neu und eigenthümlich find die Erholune gen und Leibesuͤbungen, die er feinen Freunden vorfchrieb, Diefe waren alle (vielleicht das Spaziergehen ausgenom= men) ſchon vor ihm unter den Griechen eingeführt: und die meiften davon gehörten zur Erziehung eines jeden edeln “ und über den Pöbel hervorragenden Griechen. Allein die zweckmaͤßige Vertheilung derfelben war doch dem Pys thagoras eigen. Sie entfprehen der Abficht, wozu fie erfunden waren, fo ſichtbar, daß id) meine Leſer belei— digen würde, wenn ich ihnen weitläuftig zeigen wollte, wie Geſchichte der Pythagereiſchen Gefelffchaft. 415 wie viel eine jede zur Entwickelung, Geſundheit und Staͤrke des Koͤrpers beytragen muſte. So ſehr die alten Schriftſteller in dem Maaße von Speiſe und Trank uͤbereinſtimmen, das die Porha- goreer beobachteten, fo ftreitend find ihre Nachrichten über die Befchaffenheit und Arten der Nahrungsmittel, die Pythagoras feinen Nachahmern erlaubte. Alle Geſchicht⸗ ſchreiber bezeugen, daß die Pythagoreer niemals der Na: kur mehr aufgedrungen haben, als fie verlangte, und daß fie aud) niemals durch Fünftliche Mittel und Reize Begierden erregt hätten, um fie mit einem augenblickli— chen Kizel befriedigen zu fönnen, Diele vor dem Pytha⸗ goras, und noch mehrere nad) ihm hatten und haben die Vortheile der Mäßigfeit, und alle traurigen Wirfungen ver Unmäßigfeit , die oft die Seele noch mehr als den geib verdirbe, mit lebhaften Farben geſchildert; allein Feiner als er verftand die Kunſt, üppige, in allen Arten von MWohlleben erweichte Männer und Juͤnglinge von einer Schwelgerey, die gleihfam Beduͤtfniß geworden war, loszureißen, und auf den Weg der einfachen un« perborbenen Natur zurückzuführen. Pythagoras lehrte nicht bloß Maͤßigkeit, fondern er ließ fie ausüben; er empfahl fie nicht bloß, fondeen er zwang gewiffermaßen dazu: beydes dadurch, daß feine Schüler den ganzen Tag über weder Wein, noch Fleifch, nody warme Speis fen genießen, und am Abend in der Gefellfchaft und un« ter der Aufſicht von altern Mitgliedern effen muften, die durch Benfpiel und Anfehen ihre jüngern Brüder von allenı Uebermaaß im Genuß würden zurück gehalten has ben, wenn die Gerichte auch verſuͤhreriſcher, und nicht bloß 416 Dritted Bud. bloß zur Stillung bes Hungers zubereitet geweſen wären *). So wie Ppythagoras feine Tifchgefellfhaften nach Kreti⸗ ſchen und Spartaniſchen Muſtern einrichtete, ſo nahm er auch vom Hkurg und deſſen Söhnen die wahre Norm, oder den Probierftein einer fortgefezten Mäßigfeit an *). Das einzige zuverläffige Merfmal eines mäßigen unta« delichen Lebens ſchien ihm eine ftete Gleichheit des Zur ftans 2) Ariftoxen. ap. Stob, Serm, X. p, 132. Ilegı de emidv- nias, Ta de ereyev. zw To ma$os TETo nor KıAov, #0 TOAUFOVOV, Kos WOoAUENesEToV. &ı- vos de Tav ETISUMMWY TS EV ETIKTNTES TE Ha TALUCHEUNSUS , TS de TUMDUTBS KUTNV MEV TO rıv erıdupiav, eridogav rva ras Duxns ao oeunv, Hoss ogıEw emo TÄNEwCEnS, 1 TaESTIRS — N KEVWOEDS Ko UTETIAS, Ha TE un uuoJaveoIa. emıYupies de yuwernuevns re nos DavAnss TE EIvaL —* TE YV@LQIUDTETE , KOXNHETWN , ETUMMETEIEV, andıgıav. m Yo ourodev EL THV ERISUMIEV EOXNMOVE TE Ka Dogrinm nos uvelsuSeeov. 7 TErTo nev 8, 0Do- dgorsgov TE na Xeoviwregov TE TEOCNKoVToOS. N TETov MOOS TAUTE, 0 TE 8 der, HI EOS 8 dei. ®*) Vide Diod, loc. cit, Diog, ex Arift,ap. Porpb, von Py- thagoras: cYeV aUFw nMı To TRM& WOTEE EMI sagyun rav aurnv EEw die QuAurrew. 8 More sv uyıovov, Tore de voosv. de dv Tore MeV Tı- Kvonevov zaı aufavouevov, More de Aezro- voMEvov Kos soXuıvouevov. Vet, Script. ap. Jambl, 196. et226. An der erften Stelle von den Ppthagoreern : MEOGEIKoVv YxE 28T TR CWMATE, WS MV E74 Toy aurwv bianeivras, Kos UM TEOTE MEV PIHVd , more de moAu sangen. avapare yag Bıs vere woyTo enouı deiyner. Sefchichte der Pythagoreiſchen Geſellſchaft. 417 ſtandes des Koͤrpers zu ſeyn, die durch nichts abgeaͤndert oder unterbrochen werde, als durch die unvermeidlichen Geſeze der Natur, nach welchen alle thieriſche Weſen eben fo langſam abnehmen, und zur Aufloͤſung binab« finfen follen, als fie entwickelt und ausgebilder werden, Hingegen hielt er mit den Spartanern alle Kranfbeiten ohne Ausnahme, ferner Magerheit, oder plözliches Ver— ſchwinden von Kräften und Fleiſch, endlich überflüffiges Fett und Aufgedunfenheit für unfrügliche Zeichen yon Unmäßigfeit, N Bon einem Manne, der nach diefen Grundfäzen lebte, und andere leben ließ, kann man fchon erwarten, daß er in der Wahl der Speifen, wo nicht fo ftrenge als Hkurg, doc) flrenger als feine Zeitgeneffen gewefen fey. Diefes beftätigen auch alle Schriftfteller , nad) welchen Pythagoras und feine Schüler fid) von gewiffen Nahrungs- mitteln enthalten haben. Mur weichen jene von einan- der ab, und widerjprechen fih, wenn fiezue Aufzählung der einzelnen Speifen fommen, die Pythagoras ganz ver; worſen, oder felten genoffen haben fol, Man mag aber- folgen, melden man will, und über ihre Glaubwürdig- Feit noch fo verfchieden urtheilen, fo muß man die Diä- tetif des Pythagoras nicht nad) den Grundfäzen unferer neuern Aerzte richten. Der Öriechifche Weltweiſe unter fagte gewiffe Speiſen, nicht bloß deswegen, weil er fie für ſchaͤdlich und ungefund hielt, fondern weil fie zu den Leckereyen und Sieblingsgerichten der damaligen Schwelger gehörten, oder weil fie auch nad) dem Aberglauben feiner Väter und. Zeitgenoffen entweder für heilig, oder auch ‚für unrein gehaften, und in den Mpfterien verboten. wur- den, Syn feiner Diäerif fuchte er nicht bloß Arbeiten D>d und 418 Drittes Bud, und Erbolungen, Schlaf und Wachen, Effen nnd Trinken, fo genau abzuwägen, und ihre Berhättniffe fo zu beftimmen, daß Daraus nothmendig eine ununterbrocheneGefundheit des Körpers und Geiftesentftehen mufte, (ungeachtet er auch diefes, nach den Zeugniffen der Alten, unter den Griechen zuerft verfuchte;) feine Abfiche bey der Unterfagung ge⸗ wiffer Speifen war vornehmlich auch diefe, einer in Sitte Abergangenen Schwelgerey zu fleuren, der unbegränzten $ecerhaftigfeit feiner Zeitgenoffen Feine Nahrung zu ge» ben, und die Religionsbegriffe der Griechen nicht zu bes leidigen, indem ihm viel daran gelegen war, daß er und feine Anhänger für reine, unbeflefte und Gott gefällige Menfchen gehalten würden. In der ganzen Diäterif des Pythagoras ift Feine michtigere, und ſchwerer zu beantwartende Frage, als diefe: ob er feinen Freunden eine gänzliche Inthaltfam- feit von aller animalifcher Nahrung empfohlen Habe? — Wenn diefe Frage bloß nad) der Zahl zuſammenſtimmen⸗ der Schriftfteller entfchieden werden Fönnte, oder dürfte; fo müfte man fie unftreitig mit ja beantworten: denn der größte Theil meldet, daß die Pythagoreer nad) den Ge. fezen ihres Lehrers gar Feine Fleiſchſpeiſen genoffen haben, Andere hingegen, und zwar Männer von großerm Ges wicht, verfichern, daß die älteften Pprhagoreer auch Fleiſch, nur nicht von allen Thieren, und auch niche alle Theile von Thieren gegeffen haben, Einige wenige endlich halten ſich zwifchen dieſen beyden entgegen gefezten Partheyen gleichfam in der Mitte, und fagen, daß zwar Pythagoras, und deffen vertraufeften Freunde, die fich nach feinem Vorbilde der höchften Reinigkeit des Lebens be- Gefchichte der Pythagoreiſchen Gefellfchaft. 419 befliffen Hätten, fi vom Opfern, vom Schlachten und Effen der Thiere unbefleckt erhalten, daß hingegen die niedern Claffen feiner Anhänger, die nicht Kräfte genug gehabt, fich von allem Syrdifchen abzureißen, wie andere gewöhnliche Menfchen gelebt, und animalifche Speifen nicht unter die verbotenen gerechnet hätten, Die Zeugniffe der Alten, die für eine gänzliche Enthaltung der Pythagoreer von Sleifchfpeifen angeführt werden Fönnen, rühren im geringften nicht von lauter fpatern, verdächtigen oder unberühmten Schriftftellern ber: mehrere derfelben find von Weltweifen und Dichtern, die Alter oder eben fo ale, als die älteften Gefchicht; fchreiber des Porhagoras waren, und einen großen Nas men in ihrem Bolfe hatten. Man kann ſich mit Recht zuerft auf verfchiedene Fragmente des Empedokles beru« fen, in welchen diefer Bewunderer, und in vielen Stü« en Nachahmer des Pprhagoras, die Menfchen vom Schlachten der Thiere, ala vom Vater- und Bruder. morde abzufchrecfen fuht*). Faſt eben fo wichtig ift D d 2 die *) Ap. Plut. Opp T. VI. p. 654. de fuperfit, & Arift, Rhet. I. 13, MoeOnv d anrafarre marne DiAov vo PIITL Dale, EWEUNOMEVOS MEYE vnmios. © de TR OEEUVTEL Ascsomevov Yvovres. 0 d avnnssos Omo- HAEWY, EDafas, 2 Meyagamı wann oNeyuvaro KIT. Ss 420 Drittes Buch. die Erzählung des großen Sternfundigen und Himmelsbe⸗ trachters, Eudorus, beym Porphyr *), nad) welcher Pythagoras nidye nur niemals Thiere fhlachtete, und von ihrem Fleifche aß, fondern fic) fogar in Acht nahm, Köchen und Jaͤgern zu nahe zu fommen, als wenn fie verruchte, und mit Menſchenblut befleckte Mörder ge— wefen wären. Eben diefe Abgeneigtheit der Pythagoreer gegen thierifche Nahrung bezeugen die Komiker, deren Fragment Athenaus **) und Diogenes ***) anführen, und - die zwifchen der go und hundertſten, oder Doch vor der 120 Olympiade ſchrieben. Diefe find Antiphanes, Aleris, Mueſimachus, Ariftophon und Ariſtophanes, wenn nicht dieſe beyden leztern eine Perſon ſind, und der Name des zweyten, mit dem Namen des erſtern verwechſelt worden iſt, wie Menage vermuthete ). Allen dieſen Schrift: ſtellern ftimmen Apollonius +), ein unbefannter Schrift» fteller beym Porphyr ++), Sotion und Sertius Hr), Dio⸗ "Ns 8 aurws mwaree vios Amy as MNTeen TOIDES Oypov aroggnıcavra, DiAos Karte aoens EI8TH. und ap. Sext. adv. Math, IX. 128, 129. Ov Tuuseote Dovor duamyeos; 8% €00- Eure AAANABS damrovres undems voor; =)8.7 5* 68 **85) VII, 37. 38. +) ad Vill, 38. Diog. +1) S. 13. 2p. Jambl. I, 1. vit, Apoll, +1 de Abit. II, 26. +tt7) ApudjSenec, paſſim. Gefchichte der Pythagoreiſchen Geſellſchaft. 421 Diogenes %, Porphyr **), und mehrere Schriftſteller beym Jamblich bey ***), Zu allen diefen Beweisftel- len, Fatn man endlich noch diefen Grumd Hinzufügen, daß Pythagoras an die Wanderung von Menfchenfeelen in Xhierleiber glaubte, und daß er daher das Ermürgen und Eſſen von Thieren für eben fo unerlaubte und gewalt⸗ fame Handlungen erflären mußte, als den Todrfchlag und wilde Menfchenfrefferen. Wenn man au) voraus fegen wollte, daß die ek— ftatifchen Musrufungen und Warnungen des Empedofleg, Menſchenhaͤnde nicht mit dem Blute von Thieren zu ver- unreinigen, gar nicht auf abnliche Gefinnungen der Pys thagoreer fehließen ließen, weil es befannt fey, daß ber Agrigentinifche Dichter Fein ächter und alter Schüler des Pythagoras geweſen, und in vielen Duncten von ihm ab— gewichen fen; fo Fann man doch unmöglich , mwenigftens nicht mit einigem Scheine, die Fragmente der Komiker verwerfen, in weldyen die Enthaltung von Fleiſchſpeiſen als etwas den Pythagoreern eigenthümliches angegeben wird, Diefe Stellen find meinem Urtheile nad um defto unverdächtiger, da die Verabſcheuung animalifcher Nahrung den Pythagoreern nicht zur Heiligkeit und Reis nigkeit des $ebens angerechnet, fondern als eine fromme Thorheit, oder aud) als eine Wirfung der äußerften Ars muth vorgeworfen wird, Man muß alfo nothwendig annehmen, daß die Pythagoreer, die zwifchen der 90 Dd 3 und innen —— — ——— — At rn — *) VII. 13. ») II. de Abſt. 36. e*⸗) Nicom, ap, Jambl. 106. 150, & 168. 186, 422 Drittes Buch, und 100 DI. im eigentlihen Griechenlande lebten, und vielleicht gar fhon die Zeitgenoffen des Eimpedofles , der um die 84 DI. blühte, das Schladhten von Thieren als ein Verbrechen, und das Genießen ihres Fleiſches als eine den Göttern misfällige Verunreinigung ihres Jeibes angefehen haben. So gewiß mir aber diefes auch zu feyn ſcheint; fo wenig, glaube ich, läßtfich daraus der Schluß ziehen, daß Pythagoras und feine älteften Freunde, Die vor der 7oſten Olympiade blühten, eben die Sebensregel beobachtet haben, die von feinen Nachfolgern ein halbes oder ganzes Jahr⸗ hundert nad) feinem Tode ausgeübt worden if. Es ift vielmehr aus den Fragmenten der angeführten Komifer felbft erweislich, (wie ic) weiter unten zeigen werde) daß die Pythagoreer, die nach dem Tode des Pythagoras lebten, ſich in vielen wichtigen Puncten von ihren Bor- gängern unterfchieden haben, und zu diefen Meuerungen gehört nun auch die größere Strenge in der Lebensart, die fie fich in der Enthaltung von allen Fleiſchſpeiſen auf- legten. Dies kann man mit den Zeugniffen von Ge- fhichtfchreibern beweifen, welche den Eudorus ſowohl als alle neuere Schriftfteller , Die von den unblutigen Opfern, und der vegerabilifchen Diät der Pythagoreer reden, ohne alle Vergleichung an Glaubwürdigfeit übertreffen. Dergleichen Zeugniffe nun find die Nachrichten des Ariftoteles und Ariftorenus, der gelehreeften und wahr- Haftigften Gefchichrfchreiber des Pythagoras, und der von ihm eingeführten Lebensart und Philoſophie. Beyde flimm- sen darinn überein (und aud) Theophraft glaubte, und. fagte diefes) *) daß Pythagoras und deffen ältefte Freunde ſich — — — — — — — —®) ap, Porph, II, 5. 28. Gefchichte der Pythagoreiſchen Gefellfchaft. 423 ſich niche von allen Thieren, fondern nur von einigen Arten derfelben , befonders vom Zugochſen und Bock, und dann von einigen Theilen, befonders dem Herzen und der Mute ter enthalten hätten *). Diefen Männern trauten Plutarch und verfchiedene Pythagoreer feiner Ztit, die Sleifcheffer waren, mehr als dem Eudorus und deffen Mitzeugen, ungeachtet Plus tard) den Eudrus fleißig gelefen hatte, und fonft ein eifriger Vertheidiger der Thiere und der vegetabilifchen $ebensart war **), Auch Achenaͤus ***), dem wir die Erhaltung der meiften Spöttereyen der Griechifchen $ufte fpietfchreiber über die Enthaltfamfeit der Pythagoreer ih- ver Zeit zu verdanfen haben, dehnte dieſe gänzliche Ent. haltung von ehierifhen Speifen nicht auf die älteften Pythagoreer aus, und glaubte auch nicht, daßder Murd« wille der Dichter den Pythagoras felbft und deffen Zeit genoffen treffe, fondern frat den Meynungen derjenigen bey, welche verficherten, daß die älteften Pythagoreer von allen Thieren, nur nicht von Fifchen gegeffen hätten, Wenn endlich Apollonius, Sotion, Sertius, Porphyr, Jamblich und andre denen folgten, welche die Vorſchrift Dd 4 der ®) Plut. ex Arift. ap. Gell. IV. 11. Ariſt. ib, & Diog. _ VII. 20, Jambl.'S 98. ap. Pörph. ex Diog. 34. 36. **) Sympof. VIII.g. Ks re uag’nues Arefmeures EVETUXEV HAINTUS, ONAG Ev es Ore Kereins 7005 Degonevas, ao vn Ai Susow, 1x vos de un YeusaoIas To Taga may Umouevgow. — Taur emawveaus 0 ZuAAus, MEoCEImE regı Toy Ilvdc- Yocımayv, WS MAIS MeV EyEvovro Tmv jegotu- Tov anwexomeva ros $ersıs. *«*) VII, 16. p. 308, air Drittes Buch, der Schonung der Thiere vom Pythagoras ſelbſt ableite⸗ ten; fo ſchien es hingegen den Pythagoreern, die Plutarch fannte *), kaum befannt zu feyn, daß man dergleichen jemals dem Samiſchen Weltweilen zugetraut habe, und fie aßen daher alle ungefcheut vom Fleiſche heiliger Opfer hiere. | Gegen alle diefe Zeugniffe ift die Stelle des Eus dorus beym Dorphyr von feinem Gewichte, Wenn diefer Freund des Pfato auch ein eben fo großer Kunſtrichter und Geſchichtforſcher gewefen wäre, alser Mathematifer war; fo hätte es ihm doc) leicht begegnen koͤnnen, daß er eine diatetifche Vorfchrift, Die von allen oder den meiſten Pythagoreern feiner Zeit ausgeübt wurde, auf den Py— thagoras felbft übergetragen hätte, Eudoxus war aber als Prüfer und Erzähler von Nachrichten aus dem hoben Alterthume gar nicht mit dem Xriftoteles und Ariftorenus zu vergleichen, mie ich ſchon oben gezeigt habe, und fein Gegenzeugniß kann daher einem jeden vorfichtigen For⸗ ſcher um deſto weniger Bedenflicyfeit und Zweifel erregen. Noch viel weniger ift die Lehre von der Seelen: mwanderung ein Grund, warum man das Schlachten der Thiere, und das Eſſen ihres Fleifches, als vom Prha- goras verboten, anfehen müfte.e Denn felbft die Ae- guptier und deren Priefter, von welchen Pythagoras jene Meynung erhalten haben fol, erwürgten und afen faft ‚von eben fo vielen Thierenarten, als fie entweder als göttlich anbeteten, oder aud) als unrein verabſcheuten. Auch gibe e8 unter den Brahmen mehrere Caften, die über Se — un — — Geſchichte der Pythagoreiſchen Gefellfehaft. 425 über die Schicffale der Seelen nach dem Tode des Körs pers mitden alten Aegyptiern gleich denfen ‚= und fich eben fo wenig als diefe ein Gewiffen daraus: machen, Thiere zu opfern, oder wenn fie gefchlachter find, von ihrem Fleiſche zu eſſen. Freylich fcheine zwifchen dem Berragen und der Denkart der alten Xeguptier ſowohl als der In— difchen Priefter ein offenbarer Widerfpruch zu ſeyn; man fieht aber aus diefen Beyfpielen, daß die Berrheidiger ges wiſſer Säge aus diefen nicht immer die Folgerungen zies ben, von denen man ſich vorftelle, daß fie nothwendig daraus gezogen werden muͤſten. Man kann alfo auch nicht fchließen: weil Pythagoras die Einkehr menfchlicher Seelen in $eiber von Thieren lehrte; fo Ponnte er diefe weder opfern noch ſchlachten, nod) ſich mit ihrem Fleiſche nähren *). Es laͤßt fich ferner Feine Urfache anführen, warum Pythagoras ftrenger gegen fich felbft und feine Schüler, als die Aegyptiſchen Priefter gewefen feyn follte, Viel— mehr muß man vermuthen, daß, wenn auch die leztern in Dd 5 ihrer *) Wenn ein Gedanfe des Diogenes, der ſich beym Sams blich findet, nicht bloß eine Vermuthung diefes oder eines andern Schrifeftellers iftz fo war zwiſchen der Lehre der Pythagoreer von der Seelenwanderung und dem Opfern der Thiere, die unvereinbar zu feyn fihei: nen, fein Widerfpruch, Die Pyrbagoreer follen nam: lich geglaubt haben, ‚daß in diejenigen Thiere, die zum Dpfern beſtimmt und tuͤchtig wären, Feine menfchliche Seelen einwanderten, Eis movov ray Cwav 8% sıc- eeyero, avgewnms Wuxn, & Sewis &55 rudvarn, ‚ TETO Tav Jusimay Xen EoIEv Movov, es av To zaDıeı xoagnen. ap, Jambl, 5, 85, 426 Drittes Bud, ihrer Zuruͤckgezogenheit, und der ungeftörten Ruhe ihrer Tempel nur vegetabilifche Speifen genoffen hätten, Py- thagoras fie in dieſem Stuͤcke würde verlaffen haben, weil er nicht müffige fid) fters cafteyende Mönche, fondern chärige Männer für den Staat ziehen wollte. Es iftim- mer hoͤchſt unwahrſcheinlich, daß er, der Athleten und allen übrigen Kaͤmpfern zuerft eine Fleifhdiät empfal, und feinen Freunden durch alle Arten von Leibesuͤbungen, Etärfe und DBehendigfeit des Körpers zu geben fuchte, daß eben er diefe Vorzüge durch eine übertriebene ftrenge $ebensart follte verhindert haben *). Unges *) Ehe ich weiter gehe, muß ich den Plutarch gegen eine Auslegung von Dodmell vertheidigen, wodurch der Griechiſche Weltweife mit fich ſelbſt in den offenbarften Widerſpruch gefezt wird. Nachdem namlich Plutarch VL, 8. Syinp. feine und feiner Zeitaenofien verfchiedene Gründe angeführr hatte, warum die älteften Pythago— reer fich meiſtens, die neuern aber gaͤnzlich von Fiſchen enthalten hätten, lobt er die leztern wegen der Scho— nung von Thieren, die nicht allein dem Menſchen nicht toirklich fhadeten, ſondern auch nicht einmal fchaden Eonnten. Nach diefem Lobfpruch führe er in folgenden Worten fort: Ilzessi de ray Te Aoyav naı Ta iegay einulew ToIs mENdicıs, Ws ® Movov sdw- dav, @AA na Dover (we un PAumrovres, &e- Vovevayes, naı aIEeTuov ersieyro. RANTEI-ds- TIXEOMEI@ HLFeIgyopeva, Koi Kerala Twvos (ws Dasw) sn Aerdwv emınesuraere Tois AneTeis ven yew OSzigopevas , nekavro wev oe Jiegeueiv. 871 ÖE CHWS TALETTOWEVC Ho desmavovrss , iodew pev en hey ua eelew, ws TI MEY& dewv- res To Yvew eunbuxov. Diele ganze Stelle ver. ſteht Dodwell won den aͤlteſten Pythagoreern, die Aoyæa⸗ Gefchichte der Pythagoreiſchen Gefellfchaft. 427 Ungeachtet aber Pythagoras feinen Schülern das Sleifcheffen erlaubte; jo that er dies doch nur unter Ber dingungen, wo es niche leicht taͤglich werden, oder in ſchaͤd⸗ Aoyss von ihren geheimen Lehren, und hält einen Delphifchen Goͤtterſpruch für die Urfache, warum Aleri- Erates und andere Pythagoreer im Zeitalter des Plu— tarch von der enthaltfamen Lebensart ihrer Vorgänger abgewichen wären. Wenn man nicht wüfte, daß es dem Dodwell p. 131. de aet. Pyth. darum zu thun war, den Athleten Pythagoras, und den Erfinder der Fleifchdiät, von dem Weltweifen Pythagoras zu unterfcheiden, und daß er allenthalben, wo er nur fonnte, Beſtaͤtigungen diefer feiner Meynung fand umd fuchte; fo würde man ihn wegen der angeführten Erklarung der Worte des Plutarch mit Recht der aͤußerſten Unwiſſenheit ſowohl der Griechiſchen Sprache, als der angeblichen alten Ue— berlieferungen der Griechen beſchuldigen Finnen. Wie fonnte es ihm fonft ohne die ſeltſamſte Verblendung nicht einfallen, daß os FaAaso, hier nicht die älteften Pythagoreer, (von denen Plutarh an zwoen vorber: gehenden Stellen ausdrücklich gefage hatte, daß fie Sleifchfpeifen genoffen hätten) fondern, wie an unzäb- ligen andern Orten, die erſten Sterblichen, oder Be— wohner Griechenlandes, bedeute? Sollte er ſich ferner nicht darauf befonnen haben, daß von der Zeit an, da die Enthaltung von animalifhen Speifen für einen Be— fehl des Pythagoras gehalten, und von mehrern ans genommen wurde, - auch angebliche heilige Sagen (jeeos Acyos) in Griechenland herumgingen, daß Ke— krops, Triptolemus, Drako, und die Eleufinifchen Mufterien dag Ertwürgen von Thieren als eine Miſſe— that verborhen hatten, de Abft. Anim. IV. 22. Porph, Auch konnte eg ihm nice unbekannt feyn, daB man die unwahrfheinlichften Maͤhrchen von den erſtern Er— würgern von Stieren, _ und den göttlichen Strafen, womit diefe Frevler heimgefucht feyn follten, erzählte. Endlich hätte er es nothwendig merfen muͤſſen, daB die orte 428 Drittes Bud. ſchaͤdliche Schwelgeren ausarten Eonnte, ° Er befahl nämlich, daß man nicht von allen Thieren, fondern nur von gewiſſen Arten, befonders von jungen Boͤcklein und Schweinen, und auch von diefen nur mit Ausnahme ger wiffer Theile, und bloß alsdenn effen follte, wenn fie den Göttern zum Opfer wären dargebracht worden*), Nun aber waren, mie ich nachher beweifen werde, die Pprba« goreer viet fparfamer in der Darbringung blutiger Opfer, als die übrigen Griechen: auch fehlachteten fie den Göt- tern zu Ehren, weder fo große Thiere, noch in fo großer Zahl, als ihre Zeirgenoffen, und hieraus folgte von felbfk, daß Fleiſch für fie nicht eine tägliche Koft werden Fonnte, und daß, wenn fie es aßen, fie e8 immer nur von juns gen, zarten, und leicht verdaulichen Thieren nahmen, Eben — — —— Worte mAndeı d emixeouevo naIsı@yousvor, 0 venous Twvos er AeADwy ETFIHENEUTKUUEVE Tas vaenas Mchyev DIesgousvas ſchlechter- dings nicht auf die Pythagoreer im Zeitalter des Plu— tarch, fondern nur auf die altefien Bewohner Griechen: landes, die von den fih zu fehr vermehrenden Ihieren in die Enge getrieben worden, anwendbar feyen, Dieſer Anmerkung füge id) noch folgende hinzu: daß diejenige Meynung, nach welcher Pythagoras dag Fleiſcheſſen den nicht ganz eingeweihten Schülern er laubte, und nur ſich und feinen ehrwuͤrdigſten und froͤmmſten Nacheiferern unterſagt haben ſoll, durch gar "feinen alten Schriftſteller, ſondern nur durch den Ni— komachus und andern diefen ähnliche bezeugt werde 108. 159. ap. Jjambl,. Wahrfheinlic alfo iſt fie nicht eher entftanden, als bis man zu glauben anfing, daß Pr- thagoras fein ganzes Leben in Ertodtungen feines Fee ſches zugebracht habe. *) Ariſt, ap. Jambl, 98, Forph. 34, Diog, VIII. ze, Gefihichte der Bothagsreifihen Geſellſchaft. 429 Eben die Schrifefteller , deren Anſehen ich bisher den Zeugniffen der ihnen widerfprechenden vorgezogen, und mit denen ic) angenommen babe, daß die älteften Pyhtha—⸗ goreer animalifche Speifen ſich nicht gaͤnzlich unterſagt haͤtten, eben dieſe verſichern, daß Pythagoras und ſeine Freunde ſich von gewiſſen Fiſcharten ganz enthalten, und auch die eßbaren viel ſeltner, als das Fleiſch von Land⸗ thieren gegeſſen haben *). Plutarch beſonders, mit mel» chem Athenaͤus uͤbereinſtimmt, merkt an, daß die Py- thagoreer, die er Fannte, in Anfehung der Fiſche firen- ger als die altern geweſen feyen, und daß fie ſich den Genuß derfelbigen gänzlich verfage härten**). Aus eben diefem Schriftjtefler erhellt, daß die Pythagoreer des er⸗ ften und zweyten Zahrhunderts diefe Enthaftung von _ Fifhen als ein Gebot des Pythagoras angefehen haben, deffen Grund vielleicht ewig ein Geheimniß bleiben wiirde, Sie vermutheten bald, daß er ihrer zu fehonen verordnet habe, weil er fie für heilige Symbolen des Stittfchmei« gens angefehen; bald, weil die Aegyptiſchen Prieſter fie als unrein verabſcheut haften, oder endlich, weil fie un- ter allen Thieren dem Menſchen gar nicht fihaden koͤnn— ten. Dieſe legte Vermuthung Fam dem Plutarch am mwahrfcheinlichften vor, und er war gar nicht ungeneigf, das Mährd;en für wahr zu Halten: daß Pythagoras bey feiner Anfunft in Italien einen Kifchzug gekauft, und alle darinn enthaltene Fifche frey aelaffen Habe, So unge- reimt die jüngern Pythagoreer handelten, wenn fie ohne eigentlich zu wiffenmwarum ? eine Speife mieben, von der große — — — — — 2) Ai Ariſtox. & Plut, cit, los, Ben “= 430 Drittes Buch. große Schriftfteller fagten, daß Pythagoras fie nicht ganz verboten hatte; fo mweife handelte Prrhagoras, wenn er in feiner Geſellſchaft, die eine Schule von Maäßigfeit feyn follte, ben öftern Gebrauch von Fiſchſpeiſen unterfagte, Er erreichte dadurd) zwo große Abſichten, die ihm beyde gleich wichtig waren, und zwar zuerft Einfchränfung der Schlemmerey der Griechen, denen Fifche die feinften Secferbiffen und die größten Koftbarfeiten der Tafel waren, Wahrſcheinlich theilte fich der bis zur Wurh gehende Ge» ſchmack an Fifchen von alien und Sicilien aus dem übrigen Griechenlande mit: wenigftens war er in Syba- ris fo herrſchend, daß man in diefer Stadt den Verfän- fern gemwiffer Fiſcharten, eben fo wie den Verfertigern und Einführern von purpurnen Gemwändern alle öffentliche Abgaben erließ. in anderer Vortheil aber, den Pytha⸗ goras dadurd) gewann, daß er Fifche faft ganz von der Tafel feiner Freunde entfernte, war diefer, daß er und feine Anhänger für heilige, den Göttern eifrig dienende Männer gehalten wurden, meil fie fich von lebenden Ge— fchöpfen enthielten, die nicht opferbar waren. Dermwahre Grund, warum Fifchenicht geopfert wurden, war diefer, weil die Menfchen zu der Zeit, als fie thierifche Opfer den Göttern darzubringen anfingen, nod) feine Fifche afen. Der Pöbel aber glaubte, daß man fie deßwegen nicht auf die Tifche der Götter bringe, weil fie entweder heilig, oder auc) weil fie unrein wären. Der legte Dies fer Gründe wird vom Sulla, einem der Tifchgenoffen bes Plutarch*) angeführt; der erfte und wichtigfte aber **) wird *) p. 909. VI, *e) p. git. Gefchichte der Pythagoreiſchen Befellfcyaft. 431 wird vom Plutarch felbft, aber nur im Borbengehen hingeworfen. Unter den vegetabiliſchen Nahrungsmitteln ſoll Py« thagoras nur die Bohnen allein verboten haben, wie die meiften Schriftiteller fagen *). Hermipp erzaͤhlte fo. gar, daß Pythagoras felbjt, und Meanth und Hippobo- us **), und viele Pythagoreer lieber ihr Leben gelajfen, bevor fie fich unterftanden hätten, ein beiliges Bohnen. feld zu zertreten. Allen diefen Zeugniffen widerfpricht Ariftorenus, nach welchem die älteften Pytbagoreer, un ter allen Erdgemächfen Feines fo haufig genoffen haben, als Bohnen, weil fie den Leib gelinde öfneten ***), Wenn ic) mid) nur überzeugen koͤnnte. daß die zuerft angeführte Stelle — #) Ariftot. ap. Diog, VII, 34. & ibi Men, Theophraft, V. de Cauf, Plant. 21. e. Alexander Polyh, ap. Diog. 24. VIII. Diefe Stelle ift fo wenig als die eritere uns verdächtig. Lurian 1. in vit, Auf. 545. Plın XVII, 12. Diogenes ap. Porph. 44. Jambl, 106, und meh: tere andere ap. Rittershuf, ad Porph, 24. ſ. p. 30. ®%) ap, Jambl. 189, & 260. f, WR) Geil, IV. iu. Diefer Sammler bemerkt, wahrfiheinlich auch aus dem Ariftorenus, daB zu dem Irrthume der Enthaltung des Pythagoras von Bohnen vielleicht der Vers des Empedofles Anlaß gegeben hatte: Asa avdeıAoı, KuURuaVv Mo Xeaigas eXeodeaı. opinati funt (fest Gellius hinzu) plerique zuaor le: gumentum vulgo dici. Sed qui diligentius anquifi- tiusque carmina Empedoclis interpretati funt, xvxuss hoc in loco tefticulos fignificare dicunt, eosque more Pythagorae nperte atque fymbolice xucuss appellatos, quia ſint is To zusy dewos, Ks TI TE KVEIY. 432 Drittes Buch. Stelle des Diogenes von Laerta *) wirklich aus einer ächten Schrift des Ariftoteles genommen worden, fo wuͤrde ich Fein Bedenken tragen, ihr zu folgen, und zu behaupten, daß Ariftorenus diesmal von den Pythago⸗ reern, die er Fennen lernte, unrecht berichtet worden fey. Allein Die ganze Stelleift verdorben, und es ift alfo auch Feine Unmöglichkeit, daß der Name des Ariſtoteles an die Stelle eines andern gefezt, oder bod) fo verrückt wor: den fey, daß er izo etwas bezeugt, was ein anderer gefagt hatte. Diefer Fall iſt um defto wahrſcheinlicher, da weder in den Verzeichniffen der Werke des Ariftoteles (dies bemerfte ſchon Menage) nod) in irgend einem andern Alten, das Werf von den Bohnen angeführt wird, aus welchen die Worte beym Diogenes entlehnt feyn follen. Ueberdem find die Gründe des Verbots, die beym Dio- genes angegeben werden, fo befchaffen, daß es faft un- glaublich ift, daß Ariftoteles dergleichen dem Pythagoras zufchreiben Fonnte, _ Denn wenn id) auch drey Davon gel« ten laffen wollte; daß man naͤmlich feine Bohnen effen müffe, weil fie einige Aehnlichkeit mit den menſchlichen Zeugungsgliedern hätten (diefen Grund führte aud) der fpottende Lucian an, der noch hinzuſezt, daß fie, wenn fie gekocht würden, fich in Blut verwandelten,) oder weil fie dem Körper ſchaͤdlich waͤren und unfruchtbar machten, (diefe on — *) Dos de AQISOTEANS 89 Two WER KUOMOY, Torgay- YEANEW RUFOv AMEXEeIEI Tay KUdumVy, Nros or aidoroıs EIOW oMoicl, NOTLads FUAIS. yo- verrey ‘YoLp over) 7 orı DIeieen, 9 0Tı TN TB 0\8 Quaes oposoy , N 073 ONKREXIMEV. KÄNEBYT EL Yay euros. Diog. VIII, 34. | Gefchichte der Pythagoreiſchen Gefellfchaft. 433 (diefe Urfache vermuthete Theophraſt) oder weil fie Sym- bole der Dligarchie wären, fo läßt es fich doch Faum den— fen, daß Pythagoras fie verboten, (und Ariftoteles dies geglaubt haben follte) weil fie den Thoren der unterirtdis ſchen Derter, oder auch dem ganzen Univerfo ähnlich fenen. Solche finnlos myflifche Narrheiten kann nıan dem Pythagoras eben fo wenig, als die Wiederholung derjelbigen dem Xriftoteles zutrauen. Hingegen find fie ganz in der Manier der neuern Pythagoreer, die eine unglaubliche Uebung hatten, Bedeutungen und Aehnlich— feiten zu finden, wo Fein andrer Menfch dergleichen zu entdecken im Stande war, und Gründe von Dingen an- zuführen, die nach eines jeden vernünftigen Urtheil niche für foldye gelten Fonnten. — Auch Theophraft fteht dem Ariftorenusnicht entgegen: denn er fagtenur, mas diefer zugab, daß Weltweife, die fi) Potbagoreer nannten, fit) von Bohnen enthalten hätten. Alle übrige Schrift: fteller reden entweder auch nur unbeflimme von Pythago— reern, die Feine Bohnen gegeffen hätten, oder fie ſahen auch den Pythagoras für den Urheber einer Regel an, nad) welcher feine fpätern und unaͤchten Schüler fich rich» teten. — Will man aber dennoch die Sage: daß Py« thagoras felhft das Bohneneffen verboten habe, nicht aufs geben; fo darf man ihn einer ſolchen Worfchrift halber nicht gleich als einen Aberglaubigen verdammen, Er unterfagte fie aledann entweder, weil er fie für blaͤhend, oder gar unfruchtbarmachend hielt, wie nad) ihm Theos phraft, oder weil die Aegyptifchen Priefker fie verabfcheus ten *), oder weil fie in mehrern Mpfterien verboten wa« ren, 2) Nach deren Bepfpiel, wie e3 fcheint, der Flamen Dialis in Nom aud) feine Bohnen effen durfte, Plin lc. Ee \ 434 Drittes Buch. ren, oder endlich, meil er die Unterfagung derfelben als eine ſymboliſche Ermunterung zur Keufchheit und wahren Freyheitsliebe anſah. Durch alle bisher von mir angeführte Verordnun⸗ gen glaubte Pythagoras die Schmwelgerey und Ueppigkeit, ein Paar Ungeheuer, die Webermuth erzeugten, und durch diefe Städte und Familien ins Verderben ftürzten *), noch) ®) Emreı de vßeis, zo FeUDN moAARKIS, Kot youavy — ermescw eis adınıav, die Tours — maenyyeıre vonw Bondew, xoı —R DoAzueıv dia TUT de no Tyy TOsauTnv dieies- OW ETWFOIEITO, 0TI TO TEWTOV Toy KAHmY sapgeiw zıwdey EIS TE TAS OIMIAS Ko TaS WOÄEIS, N H- Asnevn reußn‘ deuregov ußeis. Feırov, oAedeos. 0FEv ex Tayros Eıeyew TE nu emwmdeısIa raw Teußnv, Ko auvedileo I, TO YEVETNS 0W- Deovi TE HU avdeınw Bw. Diefe Stelle ift mit der vorherangeführten des Ariftorenus, und mit einer ans dern eben diefes Schriftfiellers (S. 100. ap. Jambl.) fo übereinftimmend, daß man niche zweifeln fann, daß fie aus ihm genommen ift. Um die Vielbedeutenheit des Worts ußess zu zeigen, will ich eine Stelle aus dem Phaͤdrus des Plato herfezen, die in diefer Ruͤckſicht merkwürdig iſt: ErIIupIeS € EAUBONS EI Ndo- vas, #0 weeauons EV HAN TN REXN ußeıs ET@- vouxodn.. vßgıs de dn FoAuwvunov. ToAunegeS yag m Wohueides, Ko TETWV Toy EWV EHTFOE- TFES NV TUXN YEVoREıN TA AUTNS ERWVonIiay ovommlouevov Tov EXOVFE TALEXETI, 8TE Tv noAnv. are emafıny nerAnogcı. TEL MeV Yoga —R KERTETK TE A0YE TE TE RQISGE Acı Toy aMNay Geſchichte der Pythagoreiſchen Gefellfchaft. 435 noch nich genug gebänbige zu haben. Er machte es da⸗ ber zu einem Gefeze, daß feine Freunde zu gemiffen Zei« ten die herrlichſten Mahlzeiten zubereiten, und die Tafel ihrer Speifefäle mit allen dem befezen laffen follten, was die dem Gaumen dienende Künfte nur reigendes und eine ladendeg erfinden Eönnten, daß fie alle diefe vor ihnen ausgebreiteten Neichthümer der Schwelgeren eine Zeit lang mit den Mugen genießen, und alsdann zur Befies gung der Begierde, die Anblick und Geruch erregen würs den, von ihren Sclaven wegnehmen und verzehren laffen follten *). Diefe vortreflihe Uebung in der Mäßigfeie gab in fpäfern Zeiten zu der Erzählung Anlaß, daß Py— tbagoras durch Faſten und andere gewaltfame Mittel gegen die fleifchlichen Lüfte gefämpft, und fiedurch Feuer und Schwerdf, und die peinlichften Creuzigungen auszu⸗ rotten geſucht babe *). | Durch diefe mannigfaltigen Mittel, fich und feine Freunde vor gefährlichen Verſuchungen und Ruͤckfaͤllen in Schwelgerey zu verwahren, erflicfte er dag verzehrende euer, des heftigſten unter allen Trieben der menfchlichen Natur, des Triebes der finnlichen thieriſchen Siebe gleich fam in der Geburt. Er warnete und redete nich bloß wider die Wolluft, wie Archytas von Tarent, einer ſei⸗ Ee 2 ner — — —¶ — — — ————— va ꝓce TOV.EHOVTE TAUTOV TETO KERÄNUEVoY TOBE- xeras megi de au uedas Tuguweusues, IyAap 8 reuferaus meos enueres. Phacd, p. 199, Ed, #) Ver. Setipt, ap, Jambl. 187. S. Diodor, E Vet, Script. ap, Jambl. . > . Exec, 555. ) Plaut. — Edit. n ——— #*) Jambl, 68. 226, 436 | Drittes Bud, ner gröften und würdigften Nachfolger, er fchilderre fie niche nur als eine Feindinn der Tugend und Vernunft, deren fie den Menſchen, fo lange fie daure, gänzlic) bes raube, oder als die verderblichfte unter allen natürlichen Krankheiten und Gebrechlichkeiten unfers Gefchlechts, oder endlich als die Mutter von Verrätherenen des Bater: landes, Umfehrungen ganzer Staaten, heimlichen Ber: bindungen mit Feinden, und den ſchaͤndlichſten Ehebrüs chen und Gemaltthätigfeiten *); er entkraͤftete und vers wan⸗ *) Cap. 13. de Senect. Aceipite enim, (der ältere Cato redet) optimi adolefcentes, veterem orätionem Archytae Tarentini, magni in primis et praeclari viri: quae mibhi tradita eft, cum effem adolefcens Tarenti cum Q. Mazimo. Nullam capitaliorem peſtem, quam corporis voluptatem, hominibus dieebat a natura dataın: cujus voluptatis avidae libidines, temere et effrenate ad potiundum incitarentur, Hinc patriae proditiones, hinc rerum publicarum everfiones, hine cum hoftibus clandeftina colloquia nafei: nul- lum denique fcelus, nullum malum facinus effe, ad quod fufeipiendum non libido voluptatis impelleret ; ftupra vero, et adulteria, et omne tale flagitium, nullis aliis illecebris excitari, nifi voluptatis, Com- que homini fine natura, fiue quis deus nihil mente praeftabilius dediffet; hule divino muneri ac dono. nihil effe tam inimicum, quam voluptstem, Nee enim libidine dominante temperantiae locum eſſe; neque omnino in voluptatis regno virtutem pofle confitere. Quod quo magis intelligi poſſit, fin- gere animo jubebat, tanta incitatum aliquem volu- ptate corporis, quanta percipi pofit maxima. Ne- mini cenfebat fore dubium, quin tamdiu, dum ita gauderet, nihil sgitare mente, nihil ratione, nihil cogitatione confequi poflet, Quocirca nihil eſſe tam deteftabile, tamque pefiferum quam voluptatem ; Gquidem ea, cum major eflet atque longior, omue ; animi Geſchichte der Pythagoreiſchen Gefellfchaft. 437 wandelte fie dadurch in einen heilfamen, der Vernunft gehorchenden Naturtrieb, daß er ihr allen Zunder und Nahrung entzog, indem er nicht nur feine Freunde maͤ— fig leben, und Leib und Seele beftändig üben ließ, fon- dern ihnen auch, Benfchläferinnen zu entfernen, ihren Weibern, die durch beilige Gebräuche und Bündniffe mit ihnen verbunden worden, getreu zu ſeyn, und ſelbſt in den keuſchen Umarmungen der ehelichen Siebe ein ges wiffes Maaß, gewiffe Zeiten, und gewiffe Vorfichtsres geln in Acht zu nehmen befahl *). Kan ——— — nen animi lumen exflingueret, Haec cum C, Pontio Sampite, patre ejus, a quo Caudino proclio Sp, Poftumius, T. Veturius, Confules, fuperati funt, locutum Archytam, Mearchus Tarentinus, hofpes nofter, qui in amicitia populi Romani permanferat, fe a majeribus natu accepiffe dicebat, ‘cum quidem ei fermoni interfuiffet Plato Athenienfis: quem Tarentum veniffe, L, Camillo, Appio Claudio con- fulibus, reperio, #) Ariftox, ap. Stob. Serm, XCIX. p. 542. 43. Dicacarch, ap, Jambl. 48. $. Diod, p. 555. Exc. imp, Jambl, 209-214. Dies leztere Fragment ift eins der vortrefz lichften im Jamblich, und alle Gedanfen und Rath— fchläge über Zeugung, Erziehung und Genuß, die dars inn enthalten find, ‚entfprechen denen des Ariftorenus beym Stobäus jo vellfommen, daß man fie feinem andern, als ihm zufchreiben fann, Ich “will die Stelle aus dem Stobäus herſezen, da auch die folgenden Bemerfungen - daraus -- genommen find. Tee de YEVETEWS Tarıdav , TArde ENeYe. HaFoAg uer QuAarreodaı Fo naAguevov meoDegss.: 8rE Yac rar Durwv, 8TE Toy (wmv EUHLETE Tab i meoDeen Yıyendori. @AAR Xeovov Fivan TEO Wa- ERTKEU- 438 Drittes Sud. Pythagoras rechnete den Genuß der finnlichen Siebe mit zu ‚den Dingen im menfcjlicyen $eben, mit denen eine fpätere Bekanntſchaft am vortbeilhafteften fey. Denn fo wie alle frühzeitigen Gewächfe und Thiere, oder ſolche, deren Trieb durd) Fünftlihe Mittel zu fchnell er» weckt und befördert werden, nur ſchwache und kurz dau« rende Früchte brachten; fo Fönnten aus dem unreifen Saamen nody unvollendeter Menfchen aud) nur elende und unvollendete Kinder entftehen. Er rierh daher, Juͤnglinge und Jungfrauen durd) $ebensart, Uebungen und Arbeiten fo zu ziehen *), daß fie, wenigftens die er⸗ euncreunleoIas Tas naemoPoeius, &v w eEiXu- CAYTE Hl TETEÄEIWMEE TE TWMETE, TOLE- KEIV Ta TE OMEOMATa nd Tas naemes deduvm- Fa. Mora de emo, &v 015 9 obınadıa e54 Berrıwv, crov nous Tors aPeodinia lew men ype. deov 38V esı Haas Srus aysodas din TOv aw- MaTav KOXOABS, wse an aovov un Önrew, aAN Eı OUVvaTo um EIVos Tnv TOIRUTNY CUVETIRY EV ToIS Fo eıkasw erwv. orav de Tıs u eis TETE &Dr- ANTai, ORAVIOS EI KENZEV TS aDeodinseis. TETO Ya WEOS TETHV Twy YEVV@YTaV, Ka Yev- ynoouevav evefıav moAu oup[daAAsoIan, eAeye de unre reudns, unre neIno mAnEN TaIS yuvas- Zw Eis To Yeyvay opılew 8 Yo eu DauAns, Ho EovuPgovs no TEC woes nensews eugug un æc nad, MAN ads ayadan Tav wexav Yı- verou. i 8) Eine vortteflihe Stelle des Ariſtoxenus über die Beſchaͤf⸗ tigungen, die Pythagoras einem jeden Alter vor: ſchrieb, finder fih beym Stobäus; Ser, 41. P- 243 - ezi- Gefchichte der Pythagoreiſchen Gefellfehaft. 439 erfiern, ſich nicht vor dem zwanzigſten jahre nach der Vermiſchung mit Perfonen des andern Geſchlechts fehn- ten. Wenn aber ein junger Menfch diefes Alter erreis het babe, ſo muͤſſe er, wenn ihm anders Gefundheie und Stärfe des Leibes werth fen, der Liebe nur felten pflegen, als welcher die größten Gefezgeber der Griechen durch die Verbote der Vereinigung mit Töchtern, Müts tern und Schweftern, und aller unnatürlichen und ge mwaltehätigen Luſt, weife und heilfame Hinderniffe enge» Bat Ee 4 gen errıueAnreov de maoys HAmıas yyavro, Ka TEE pEV raıdas ev YVEeRUMRTI KO TS RAAOIS PERLE pacı arkeısIcı. TBS de verviokss ToIs TNS 7O- Asws e9eo4 TE, ao vonos YumvalccIas. res de avdeas raus meufesı uch NS Asırgeyicis eogexeiv. res de meesaluras, ev$uundsos, no — aa auulßeAuıs dew avaoreeDesIau pera naons erısnuns emeAuu[duvov , o7wS un Te 01 WOUdes vARIAeSTW, MRTE 01 veavianoı Tri DKEIEUOIVTO, PATE &v — VEXVIEUOWTO, MNTFE MT) „yegovres Maga Peovosev. dev de eDxauov eugus 8 Tolıdav, Koı Tyv TEoDyv TETrEYuEvas MeosQe- eeo9ai, ddaeszzcav (Gefnerus malebat didaaxov- TES) ws n mev Tafıs, vos aoupmereı& Kay Kos oumPoeos‘ 7 de wrafın van nuumeroia &ioXeos TE xoı neu Doegos. Diefe Stelle beweiſt außerdem, weßwegen ich fie hauptfächlich angeführt habe, noch zweyerley, erſtlich, daß nAszıa nicht bloß blühendes Alter bedeute, fondern mit dem Lateinifchen aetas, und mit dem teutſchen, Alter, einerley fey; und dann, daß Pythagoras Knaben und Sünglinge nicht bloß zu eins famen Wahrheitsforfchern, fondern zu: gefchäftigen und weilen Staatsmännern auszubilden füchte, 440 Drittes Bud. gen gefezt hätten. Pythagoras billigte die gröfte unter allen finnlichen Bergnügungen nur alsdann, wenn fie in den Armen einer rechtmäßigen Gattin nicht zur Befrie— digung unmäßiger, durch Schwelgeren erwedter Be— gierden, fondern den Aofichten der Natur gemäß zur Erzielung gefunder , gutgearteter und gluͤcklich organifir. ter Rinder genoffen würde, Er unterfagte fie ſich und feinen Freunden zwar nicht gang, wie nachher Apollonius und viele von deſſen Machfolgern thaten, die mar Lehrer der neuern Piatonifer, und Vorläufer der Ehrifttichen Monde, und Anachoreten nennen fönnte; allein er fah doc) jeden, auch den mäßigften Genuß als ſchwaͤchend an, und rieth daher feinen Nachahmern, ſich ihn nur felten,, und weniger in der heifien, als Falten Jahrszeit zu eriaus ben. Diefe Vorfchrift, die man nachher in eine gänz« liche Enthaltſamkeit von finnlicher Siebe verwandelte, hatte aber ganz andere Gründe und Abſichten, als die neuern Pythagoreer, Platonifer, und aud) die Kirchenväter fic) einbildeten. Pythagoras rieth die Geltenheit des Ge- nuffes niche deswegen an, weil er befürchtete, durch diefe finnliche Bergnügungen den Geift an den Cörper zu fymieden, oder dadurd) in himmlifchen ‘Betrachtungen geftört zu werden; er empfahl fie vielmehr zur Stärfung des Seibes, und um feine Freunde zu hindern, ihre Kräfte nicht in thierifchen Vergnuͤgungen zu verfhmwenden, die fie auf eine edfere und beffere Arc zur Wohlfart ihrer Freunde, und im Dienfte ihres VBaterlandes verwenden koͤnnten. Diefen Gedanken, daß audy ein mäßiger Ge— nuß immer ſchwaͤche, hatte Pythagoras entweder mitden Athleten feiner Zeit gemein, oder wurde auch, wenn er Achletik und Erziehung der Athleten zuerft auf Regeln brachte, * Gefchichte der Pythagoreiſchen Geſellſchaft. 441 brachte, in der Folge von diefen angenommen und genau beobachtet: denn es iſt bekannt, daß die Griechiſchen Athleten fich ganz der Siebe enthalten muften. — Pytha⸗ goras eiferte ferner wider die viehiſche Sorglofigfeit, wo: mit die meiften Menfchen eines der wichtigften Werfe, die Fortoflanzung ihres Geſchlechts, und die Hervorbrins gung ihres Gleichen unternahmen. Bey Hunden und andern Thieren (beobachtere er vorfreflich *) gebe man genau darauf acht, wann und wo, und von welchen Eltern, und aus welchen Nacen fie erzeugt würden, Bey der Zeugung des Menſchen hingegen laffe man ſich ganz von augenblicflichen Begierden leiten, und gebe ihm mit eben der Gedanfenlofigkeit das Leben, womit man ihn nachher aufzuziehen pflege. Er befahl daher, fich mit der größten Sorgfalt zur Zeugung von Kindern vorzus bereiten, vorher mäßig zu leben, ſich nicht mie Speifen zu überfüllen, oder mit Wein zu befeuren, meil aus Voͤlkerey eine wüfte, unlautere, unharmoniſche Mifchung des Saamens entftehe, und der Grund zur Bösartigfeie und Michtswürdigfeit des Eünftigen Menfchen gelegt merde, | So unfehlbar die von ihm vorgezeichneten Wege waren, auf welchen er feine Freunde zur Mäßigfeit und Enthaltfamfeit führte, fo unverbefferlich ift die Methode, nach) welcher er fie zur unerfchütterlichen Gleichmuͤthigkeit, zur Herrſchaft über Die beftigften Empfindungen, zur männlichen Stärfe und Erhabenheit der Seele über äus Bere Zufälle gewoͤhnte und hinleitete. Er unterfagte ih. x Ee 5 nen *) Men ſehe den Ariſtoxenus beym Jamblich an der zulez) angeführten Stelle, 42° Dritte Bud; nen (und zeigte durch fein Beyſpiel, daß er nichts un« mögliches fordere) alle Ergießungen von ausgelaffener Freude, mie von übermäßiger Traurigkeit, alle Aus⸗ Brüche eines wilden Zorns, wie das Krümmen und Win⸗ den nieberfrächtiger Fleher und Schmeichler *), Er verbannte daher aus der Mitte feiner ächten Nachahmer ſowohl das frohlockende Jauchzen des Frölichen, als die Thränen und Winfeleyen des Niedergefchlagenen, fo wohl die Ereifchenden Drohungen und Verwünfchungen von Zornigen, mie bie entehrenden Schmeicheleyen des Demüthigen, indem dadurch die ruhige ſtete Gleichheit der Seele zerftörtmerde. — Wenn es nun wahr ift, was viele merkwürdige Menfchen von fich felbft bezeugt ha⸗ ben **), daß man durd; die Erfünftelung und Nachah⸗ mung ber äußern Zeichen, Geberben und Stellungen hef⸗ tiger Gemürhsbewegungen, diefe leztern in fich hervor⸗ bringen Fönne, wenn auch fonft Feine andere Beranlaf fungen da feyen, fo kann man fi), glaube id), eine noch allgemeinere und fichrere Wirkung für die Mäßigung und Unterdrücfung von $eidenfchaften davon verfprechen, wenn man ſich darinn übt, oder es dahin bringe, Die Symptone, die ſie zu begleiten pflegen, zurüczuhalten, — Uebernahm aber dennod) jemanden, der noch nicht lange genug ) Oncı yae srws 0 Ausofevos. Omrav de no de- KLUMV, Ki TEYTOV TV TAETR@Y sieyeodas TEs avdeas erewas, ws evdexgerai madısa. 6 @uros ds Aoyos no mecı Jameas naı denaews Ki Ar- TORVEIKE A- TAYTwV Toy TAETWV. 8) TCardan fagt dergleichen von ſich in feiner Schrift de vita proptia, Gefchichte der Pythagoreiſchen Geſellſchaft. 443 genug an ſich felbft gearbeiter hatte, oder noch nicht zur völligen Herrſchaft feiner felbft gelangt war, eine plöglich entftehende Freude, oder Traurigkeit, oder Wuth; fo war es Geſez, fich aus der Gefellfhaft anderer Menfchen zu entfernen, ſich in der ſtillſten Einfamfeit zu beruhigen, und nichts zu fagen oder zu unternehmen, und weder Uns tergebene zu firafen, noch Freunden Vorwuͤrfe zu mas chen, bis dieſe innere Empörungen fich gelegt, und man fi) wieder in den Beſiz feiner felbft gefezt hätte. Dies fem Rath des Pythagoras folgte Archytas, der große Staatsmann und Feldherr der Tarentiner, nach der Gefhichte, die beym Jamblich *) erzähle, und vom Cicero und vielen andern widerholt wird, Unter allen eigenthümlichen Worzügen der menſch⸗ lichen Natur, und allen Tugenden eines vollfommnen Mannes fchäzte, wie es fcheint, Pythagoras feinemehr, als eine gewiffe Sanftheit und Milde des Gemuͤths, die uns gegen Freunde dienfteifrig und ergeben, gegen Fremde und gleihgültige Perfonen gefällig, und gegen Feinde verſoͤhnlich macht. Er nannte fie Harmonie oder bare monifche Stimmung der Seele, und hielt fie für die Mutter der Befcheidenbeit, Verſchaͤmtheit und allgemeine Mens — 2) Archytas kam nämlich (S. 197.) von einem Feldzuge nach Hauſe, und fand, daß der Mann, den er zum Aufſeher beſtellt hatte, und alle uͤbrige Sclaven, ſeine haͤuslichen Angelegenheiten auf das unverantwortlichſte verabſaͤumt hatten. Er wurde durch dieſe ſtrafbare Nachlaͤſſigkeit heftig gereizt, allein er faßte ſich bald, und ſagte denen, die ihm geſchadet hatten, daß es ihr Gluͤck ſey, daß er durch ihr nichtwuͤrdiges Betragen wäre in Zorn geſezt worden, 444 Drittes Bud. Menfchenliebe. Er verabfiheute hingegen unter allen angebohrnen, oder erworbenen und mitgerheilten Misge: ftalten oder Verunftaltungen unfrer Natur, Feine fo fehr als eine wüfte Nobheit oder Verwilderung des Gemuͤths, deren unzertrennliche Begleiterinnen Scyaamlofigfeit, Mangel von Maßigung im Glück, wie im Unglück, und unerweichbare Härte feyen, und wodurch der Menſch vom Menfchen entfernt, und gegen feines Gleichen bey den Eleinften Anläffen entzündet werde *) Um feine Machahmer von der leztern zu entfernen, und zur erftern zu gewöhnen, befahl er ihnen, mit ihren Freunden fo umzugehen, daß diefe nie Feinde werden koͤnnten, und Feinden hingegen fo zu begegnen, daß fie Freunde wers den müften *). Er machte,es ferner zum Gefez, Feine unfchädliche, vielmeniger nuͤzliche Thiere und Gewächfe ohne Noth zu beleidigen, oder zu vernichten, und brei- tete durch Diefes Geſez das theilnehmende Mirgefühl mit dem Wohl und Weh unfrer Brüder, mas lange im Menſchen ſchlummert, faft immer ſchwach iſt, und oft ganz — nn ®) Arift, S, 95. ap. Jambl. ETWECHOTEI YO WS EXNETH Duvsews 7LOS NMEEWOW. EHONEI dE TETO KRTOP- FUoW. TOAEMIV dE NYEITO TYV AYEIOTNTE eos Foaurnv bayayı. ano\eIew Yap ayeoryrr avasıdeıav, AvciaKuvriav, MuoAaCıEy , vsid- Isıav, avaexıav, arınıav no Ta MnoAsIc. ud TresuryTi de no NMEeoTNTIı, TE evaavrıa. e%) Dicacarch, 40. ap. Jambl. areDavero de adı raus 7005 RÄNAES oMIÄIES ETWS AV KEWMEVBSEMITUY- KavEy, @S MENABOH TOIS mev DiAoıs ande Tore EX Yeoı narasıvar. TOIs de EXIROS, WS TAXI- 3% Dıra Ywerdan i Gefchichte der Pythagoreiſchen Sefellfchaft. 445 ganz erſtickt wird, auch über die bloß empfindende, und fogar über die empfindungslofe Natur aus *). Er bofte nicht obne Grund, daß Menfchen, die fich fcheuten, un— vernünftige Thiere, und ſelbſt gefühllofe Gegenftände zu ‚verlegen, daß folhe Menfchen ſich noch vielmehr hüten würden, ihres Gleichen zu fihaden, mit denen fie durch Bande des Bluts und der Freundfchaft, oder durch Gleichheit der Rechte, ober doch durch Webereinftims mung der Matur und Sprache genauer vereinigt waͤren. Aus der großen Aehnlichkeit der Lebensart, Grund⸗ ſaͤze und Geſinnungen der Pythagoreer, aus ihrem bes ftändigen Zufammenleben,Ahrem vertraulichen Umgange, der mehr, alsalles diefes, Herzen zufammenziehenden Ge« meinfchaft großer Entwürfe und Geheimniffe, von denen ich bald reden werde, muften nothwendig unter diefen Männern wahrhaftige Heldenfreundfihaften, und heilige, ungertrennliche Seelenbündniffe entftehen **), Haft alle Schriftfteller des Altertdums find von diefen Freundfchafe ten der Pythagoreer voll, und Ariftorenus ***) und ana dere fagen, daß Ppthagoreifche Freundfchaft zu einem Sprichworte geworden, und als eine gleichgeltende Fors mel für ächte Sreundfchaft gebraucht worden ſey. So | eine ®) Ariftox, ap. Jambl, 98, ar&urws de za Cwov, © N meQure BAaßeeov Tw avdenmıa yeysı, unre Brurrew, unre BIeieew. — — S. 99. Mæe- 09 Durov nos eyaagmov unve BAarmrev unrs ? en % riftox, 101-103, und ©. 229, bi — ik BR an SP a0 ®*) ap, Jambl, p, 230, ' 446 Drittes Buch. eine nothwendige Folge aber feiner übrigen Einrichfungen diefe innige Verbindung feiner Freunde auch war, und fo wenig er von folchen gefegten, mäßigen und fugend» haften Männern, als welche die meiften von den Schein⸗ gütern verachteten, die Zwietracht unter Freunden zu er= zeugen pflegen, heftige Ausbrüche von Feindſeligkeiten, grobe vorfezliche Beleidigungen, und gefährliches, mit Eiferfucht und Haß von Nebenbuhlern begleiteres Wett eifern und Streben nad) denfelbigen Wortheilen zu bea fürchten hatte; fo ſuchte er doch noch durch weife Rath fihläge, die gleich in Handlung und Gewohnheiten über« gingen, das Band, was feine Freunde Fnüpfte, noch fefter zufammenzugieden, und allen, auch nur möglichen Veranlaffungen von Uneinigfeit und Brüchen zuvorzu⸗ kommen, und er wurde daher, wie einer feiner größten Geſchichtſchreiber fagt *), der erfte Geſezgeber der Freunds fhaft genannt. Er rieth einem jeden dahin zu fehen, daß wahre Freundſchaft fo wenig als moͤglich Narben und Geſchwuͤre erhalte, weil es ſchwer fey, alte Wunden, die man ihr einmal gefchlagen, in der Folge ganz auszu⸗ heilen. Man müffe daher Zänfereyen und Rechthabe⸗ rey aus dem freundfchaftlichen Umgange verbannen, und - Treu und Glauben dürfe man nicht einmal im Scherze verlegen. Selbſt freundfchaftlihe Ermahnungen, die er mit einem ganzen eigenen Worte nannte **), müßten mit einer folchen Behutfamfeit gegeben, und durch die fanfteften Worte fo gemildere werden,, daß man es nicht ver⸗ — a en *) an fehe hier Arift, S. 101. 102. 234, ap, Jambl, aus welchem auch das folgende genommen ift, ) roudaeraceis, % 103, ap, Jambl, Geſchichte der Pythagoreiſchen Geſellſchaft. 447 verkennen koͤnnte, daß ſie aus keiner andern Quelle, als aus der aufrichtigſten Sorge für das Beſte des Fehlenden entfprungen feyen, Er erklärte endlich diejenigen für fchändliche Verräther, die um bloßer unverdienter und unvermeiblicher Unglücsfälle willen eine geprüfte Freund« ſchaft aufhöben, die nur allein wegen einer unhelfe baren Verkehrung des Herzens jfonft geliebter Perfonen zerriffen werden ſollte. — Dies waren die Grundfäze, nach welchen die Pythagoreer unter einander febten, und wenn man diefe mit ihrer übrigen Art zu denken und zu handeln zufammenhält, fo wird man die Benfpiele von willigen Aufopferungen des $ebens und der Güter, die*), von Pprhagoreern erzählt werden, nicht allein nicht mehr für unglaublich , fondern kaum für etwas ungewöhnliches alten. h Pythagoras z0g aber nicht die ungetheilten Herzen feiner Freunde, und ihr ganzes Vermoͤgen zu lieben, fo auf fi, und die mit ihm verbundenen zufammen, daß fein Reſt von Neigung für andere Menfchen übrig geblie— ben, oder Falte Gleichgültigfeit und Verachtung gegen ſolche, die Feine Brüder waren, daraus entftanden wäre, Er empfahl vielmehr Freundfchaft oder Wohlwollen aller gegen alle, Ehrfurcht gegen Gott, gegen Eltern und bejahrte Perfonen, Zärtlichkeit gegen Ehegatten, Kine der und Verwandte, und felbft Schonung gegen unver⸗ nünftige Thiere, die mit den Menfchen wenigftens durch gemeinfchaftliches ähnliches Gefühl zufammen hingen **). ; Er — *) 8. 235 u. f, ®*) Dan ſehe Ariſtox. ap, Stob. Serm. 67. p. 457. und aus ihm aut, ap, Jambl, 229, Piday da dinDavex- | FAT 448 Drittes Buch. Er erlaubte nur allein unverbeſſerlichen Boͤſewichtern Feindſchaft anzukuͤndigen, und einen ewigen Krieg mit ihnen zu führen. In ſolchen gerechten Fehden müffe man feinen Widerfacher mehr mit Werfen als Worten verfolgen, und nie vergeffen, daß auch der verruchtefte Gegner doc nod) immer ein Menſch fey *). Wenn man bie bisher erzählten Verdienſte des Pythagoras um feine Freunde überbenft, fo findet man Feine Wirkung der Danfbarfeit natürlicher, als diefe, daß die leztern ihren Lehrer, in dem fie den Bilder ihres Herzens und Geiftes, und den Schöpfer ihrer Glückfelig- keit erfannten, als einen großen und außerordentlichen,, oder — — — — Sara ——— edane. Hewv nev meos avdewnes di eureßeias yo emisnaoviuns Jeeameins doynuarav de meos ANA, naı na oAEVuXns Tess wu, Ao- Yısınz TETEOS TE TB aAoya sıdy, dies DiRcco- sus, zo Tns nor’ auryv Jeweias’ avdenTron E EOS AAANABS , HOAITmV MEV dict QDuoswAoyıas — wvdeos de weos yuvamı, n Tenva, 9 AdsADESs, Ks oMEIBS, di Mowoyias adın- . seode. etc. *) Ariftox, ap. Jambl, felt, 232. ex Igov Enovra unde- More leide MEOS TES MN TEAEISS KOXSS. REXILEVoV de, MEVEW EUYEVWS EV T@ dhamworsusew, av an META REN Fonds TE IDeesusvg, vaı TREOSYE VNTOs EUYVwmooUVy. TOoAEMED de un Aoyco, RAAL FOIS EEYOIS. Vopımov de ewauı vos . 00@V TOv TOAEHWV, Hoi WS.uvewTos AVILaTTE TFONEWIS EIEV. Geſchichte der Pythagoreiſchen Geſellſchaft. 449 oder, wie die Griechen ſagten, goͤttlichen Mann verehrten. Nach dem Ariſtoteles theilten die aͤlteſten Pythagoreer alle vernuͤnftige Naturen in Goͤtter, Menſchen, und in ſolche Weſen ein, dergleichen Pythagoras ſey ). Es iſt alſo nicht bloß eine ſpaͤtere Erdichtung, dag Pytha⸗ goras noch waͤhrend ſeines Lebens von ſeinen Schuͤlern fuͤr etwas erhabeners, als einen gewoͤhnlichen Menſchen, ge— halten worden ſey. — Mir ſcheint es daher auch gar nicht unglaublich, was Apollonius beym Jamblich ſagt**), daß man den Pythagoras bey ſeinem Leben nur den Goͤtt⸗ lichen genannt, und nach feinem Tode durch das More Jener bezeichnet Habe. Zur neuern Mythologie diefes Mannes aber mug man es unftreitig rechnen, was meh⸗ sere Schriftſteller verfichern, daß feine Freunde ihn als einen wirklichen Gott, als den Hnperboreifchen Apoll ane gebeter, daß fie feine Ausfprüche als eben fo viele Orakel aufgenommen, daß fie alle ihre Entdeckungen ihm allein zugefchrieben hätten, ja daß er endlich fich felbft für einen Sort ausgegeben, und dem Abaris feine goldene Hüfte gezeigt habe ***). Als *) S. zu. ap. Jambl. “Isoges de zo AuasoreAes &v rois eg TNS IIvSayogınns QrAocoQıas, diesgeaw FIvo TOrovde URO TÜV ydewv Ev TOIS TOyU ETFOR= enrois iaQuAwrrecIn. T8 Aoyınz (ws To nev esı Yeos, To de avdewmos, vo de oiov Tu- Yayogas. 21) 8. 255. x*ᷣxx) Diog, VIII. 11. 14. Nicom. ap, Porph, 20. incert, auct. ap, Jambl, 91, 92. nec non ap, eund, 140. & 144. 5, 198, 177. Sf AO © Drittes Buch. Als den ftärfften Beweis des göttlichen Anfehens, mworinnen Pythagoras fic) bey feinen Schülern gefezt hatte, führt man gemeiniglid die berüchtigte Formel: er ſagt's *) an, die ſtatt aller Gründe bey feinen Anhaͤn⸗ gern gegolten, und wodurch er alles weitere Nachfragen auf einmal abgebrochen haben fol. So reden von die fem angeblihen Machtfpruch nicht nur Cicero **) und andere Schriftfteller ***), fondern Apollonius ahmte ihn auch in diefem Sinne nach), und man muß daher glauben, daß ein oder mehrere ältere Gefcyichtfchreiber davon auf eine ähnliche Art geredet haben, Diogenes +) ift der einzige, der das, er ſagt's, nicht dem Pythagoras von Samos, fondern einem andern von Zafynfus zueignet; allein lieber möchte ich die ganze Sache verwerfen ober bezweifeln, als glauben, daß ein dem Samiſchen gleich« namigter Weltmeife fich unterftanden habe, feinen Schü- lern auf eine folche Art Stillſchweigen zu gebieten: indem unter allen Männern, die außer dem Sohn des Mnes far den Damen Pythagoras getragen haben, Fein ein ziger Ruhm genug hatte, um ſich eine folche Seelenherr⸗ fhaft, als welche die beyden Griechifchen Wörter vor⸗ ausfezen, über feine Freunde anmaaßen zu Fönnen. Ein jeder Sefer aber, der den Pythagoras von Samos nur fo weit — ”) Auros eDe. **) de N.D,ı.5. Nec vero probare foleo id, quod de Pythagoreis accepimus: quos ferunt, fi quid affirma- rent in difputando, cum ex iis quaereretur, quare ita eflet, refpondere folitos, ipfe dixit. Ipfe autem erat Pythagoras; tantum opinio pracjudicata poterat, ut etiam fine ratione valeret auftoritas, ®*®) ap, Men, ad VIIL, 46. +) VIU, 46. Geſchichte der Pythagoreiſchen Geſellſchaft. 455 weit kennt, als ich ihn bisher geſchildert habe, muß ſo⸗ gleich fühlen, daß die ſtolze Tyranniſche Formel, wie fie ihm zuerft von einigen unverftändigen Bewunderern zugefchrieben, und von andern nachher wiederholt worden, nicht einen Weiſen zum Urheber haben fönne, der mäßige Scäzung feiner eigenen, und Anerkennung fremder Verdienfte durch Beyſpiel und Grundfäze lehrte, und daß fie auch unmöglich gegen folhe Männer habe ges braucht werden Ffönnen, dergleichen Pythagoras in feinen Freunden wählte oder bildete. Ich vermuthe aber doch nicht, daß man das zuros Bw ganz erdichter, ſon⸗ dern daß man es nur verdreht und misverftanden habe, — Unterdeffen fann man viel entfcheidender behaupten, daß der Sinn, den man in diefe Worte zu legen pflegt, falſch fey, als man ihre wahre Bedeutung und die Umftände, unter welchen fie ausgefprochen worden, wieder finden kann. _ Sch will aber doch immer lieber eine jede ana dere, nur mögliche und dem Charafter des Pythagoras und feiner Freunde entfprechende Auslegung annehmen, als mit der Vertheidigung der gemeinen, den erftern eines an Narrheit gränzenden Stoljes, und die leztern eines kindiſchen Blödfinnes und einer verächtlichen Geduld bes ſchuldigen. Vielleicht brauchten die Verehrer des Pytha⸗ goras das: er ſagt's, als ein Loſungswort, um dadurch anzuzeigen, daß die Meynungen und Rathſchlaͤge, die fie im regierenden Rath zu Krofon vortrugen, auch die des Pythagoras feyen *): oder fie fprachen es auch aus, um ſich unter einander zu fagen, daß gemwiffe Entfchlie» Sf. ungen — — — — — *) Pythagoras wurde häufig in den wichtigſten Angelegen⸗ heiten befragt: 8. 177. »p. Jambl, 452 Drittee Bud. ßungen igo gefaßt, gewiſſe Entwuͤrfe auch von ihm felbft gebilligt worden, und nun ausgeführt werden ſollten: oder man erinherte endlich auch dadurch ſolche Pythago⸗ veer , die noch in der Prüfungszeit begriffen waren, und alfo das innere Triebwerk und die Geheimniffe der Gefell- ſchaft noch nicht Fannten, daß fie izo noch nicht die Gründe von dem, was man von ihren verlangte, oder ihnen ver= bot, oder auftrug, erfahren koͤnnte, und ſich in manchen Fällen mit dem bloßen Anſehen des Haupts ihres Ordens begnügen müßten, ine jede diefer Vermuthungen ift gedenfbarer, als die Eage, daß Pythagoras feinen Schülern Meynungen ohne Beweiſe aufgedrungen, und eine löblihe Wißbegierde durch einen unvernünftigen Machtſpruch unterdrückt haben follte, Nachdem Pythagoras eine gemwiffe Zahl von ges prüften Freunden zufammengebradyt, und fie bewogen Hatte, nach den von ihm vorgefchriebenen Gefezen zu le— ben und zu handeln; nahm er mit ihnen gleichfam vie Verabredung, daß Feiner ein Mitglied ihres heiligen Sreundfchaftsbundes werden follte, den er nicht vorher geprüft hätte, und der fich nicht folche Prüfungen gefal« Ien lafjen würde *), Pythagoras machte daher, glaub. würdigen Zeugniffen zu Folge, nicht einmal jemanden die Hofnung, ihn dereinft unter feine verfrautern Freunde aufzunehmen, wenn er nicht vorher deffen ganze Bildung, | Mies R 5 *) Man fehe Ariflox, ap, Jambl, 94. 95. Diog. ap, Porphyr., 13, 8. ap. Jambl, 71. Die leztere diefer beyden Stellen iſt faſt ganz aus dem Ariſtoxenus; und aud) die zweyte entſpricht der Erzählung dieſes Geſchichtſchreibers vol. kommen. Geſchichte der Pythagoreiſchen Geſellſchaft. 453 Mienen, Geberden, Stellungen, Gang und Berves gungen genau unferfucht hatte. Aus allen diefen äußern Zeichen zufammen genommen, lockte er wahrfcheinliche Vermuthungen über die Sähigfeiten und Sefinnungen ibm fonft unbekannter Perfonen hervor, und er wurde daher von den Alten für einen großen Kenner, oder auch für den Erfinder der Runft gehalten, das Unſichtbare im Menfchen aus dem Sichtbaren zu errathen. Pythagoras hatte aber ſich felbft und andere zu lange beobachtet, als daß er auf fo trüglihe Data, allein, ſich hätte verlaffen, oder bey ihnen hätte fiehen bleiben ſollen. Er forſchte alfo weiter nach, wie diejenigen, die ſich um feine ver« traute Freundſchaft bewarben, ſich gegen ihre Eltern, Hausgenoffen und Freunde betrügen, und wie die leztern befchaffen wären? Er gab auf ihr Sachen, ihre Neden und Schweigen, auf ihre Zerfireuungen und Gefchäfte, und alle ihre übrigen Bewegungen Acht, und unterfuchte endlich, ob, und warn und bey welchen Gelegenheiten, und wie fehr fie aufgebradjt, oder erfreuet und niederge⸗ ſchlagen würden? ob fie zaͤnkiſch und ungefellig und roh, oder friebfertig, freundlich und milde wären? Von ber Prüfung der Gemuͤthsart feiner Fünftigen Freunde ging er zur Ergründung ihrer Fähigkeiten fort. . Er merfte auf, ob fie die Kenntniffe, die er ihnen mittheilte, Teiche und Degierig faßten, und freu und dauerhaft behielten, oder ob fie ihm nur langſam folgten, von dem, was er ihnen fagte, nur wenig erweckt und erwärmt würden, und ob feine Reden fich nach) einem gewiffen Zeitraume in ih- rem Gedacheniffe verftümmelten, oder gar daraus ver, ſchwaͤnden. Am allermeiften fuchte aber Pythagoras zu erfahren, ob jemand anverfraute Geheimniſſe aufbewah⸗ RZ ven 454 Dritted Bud) een fonnte, ober ob er geſchwaͤzig, unvorfichtig, mitthel- lend und leicht auszuforfchen fey? Fand nun Pythago— ras, in und nad) allen diefen Prüfungen, in denen, die fi) ihm darboten, foldye Gaben und Vorzüge, als er fie von feinen Vertrauten verlangte, fo rücte er folche ges prüfte Männer in die Claſſe der ſchon fange Eingeweibten ein, und ließ fie mit diefen diefelbigen Vorrechte ges nießen, Weil Pythagoras nad) dem Ausdruck des Arifto genug die Kunſt zu ſchweigen mehr, als die Kunft zu res ben fchäzte, und die Fünftigen Mitglieder feines Bundes vorzüglic) in Rückficht auf ihre Verſchwiegenheit auf die Probe feste; fo wurde die ganze Zeit der Prüfung in der Folge die Zeit des Stillfehweigens *) genannt. Diefe Verſchwiegenheit, oder dies Stillfchweigen nun, worauf Pythagoras fo fehr drang, nahm man (faft ift es un« glaublich) in der ftrengften und eigentlichen Bedeutung diefes Worts, und überredete fih), daß Pythagoras de» nen, die er prüfte, geboten habe, ihren Mund während, eines Zeitraums von zwey oder drey, oder gar fünf Jah⸗ ven gänzlich zu verfchließen, und gegen Feinen Menfchen aud) nur ein einziges Wort vorzubringen **), Ja man glaubte nicht bloß an ein mehrjähriges Stillſchweigen, das Pythagoras feinen Freunden auferlegt habe, fondern man ahmte es, wie die angeführten Schrifefteller bewei⸗ fen, fo gar nach, und pries es als das vortreflichfte Mite tel, Here feiner felbft und Meifter feiner Zunge zu wer⸗ den, em ®) eyenudes. Man fehe die Zeugniffe — ap. Rittereh. ad Porph, S. 19. p. 20. Gefchichte der Pythagoreiſchen Gefellfchaft. 455 den, ferner ſich von allen irrdifchen Dingen abzuziehen, und die vertrautefte Befanntfchaft mit feinem Innern zu erlangen. Eben diefe leichtglaͤubige Männer, deren Benfpiel abermals zeigt, wie viele Unrichtigkeiten und Ungereimtheiten durch bloße Einfalt und Mißverftand] in die Pythagoreiſche Gefchichte gefommen find, geben nur darinn von einander ab, daß einige zwey, andere drey, die meiften aber das, mas fie ſich Faum als moͤglich hät- ten vorftellen follen, fünf Jahre, ‚als den beftimmten Zeitpunct angeben, während welchem die einzumeihenden Pythagoreer gar nicht reden, fondern nur hören, und ie ren $ehrer nicht einmal von Angeficht zu Angeficht fehen durften. Man betrachtete, fiheint es, die Pythagorei⸗ fehe Philofophie als ein Handwerk und die Prüfungszeit als befchwerliche Lehrjahre, welche der Meifter fo viel als möglich zu verlängern gefucht habe. Apulejus ift der einzige jüngere Schriftfteller *), welcher fagt, daß Py⸗ thagoras diejenigen, die er prüfte, Doch nicht zu einer gänzlichen Stummbeit verdammt habe, und ihm flimmen nur allein der Platoniſche Weltweiſe Taurus **), und ein elender Schriftfteller beym Jamblich ***) darinne bey, daß Pythagoras nicht allen eine gleich lange Zeit des Stillſchweigens und der Prüfung auferlegt habe. Dies leztere würde man annehmen, fo wie das vermenntliche Stillſchweigen als eine den Pythagoras und feine Freunde entehrende Erdichtung verwerfen muͤſſen, wenn jenes aud) von niemanden bezeugt, und diefem von Feinem wider⸗ 4 ſpro⸗ *) p. 232. %*) Ap. Gell, 1.9, 6 WAR) 8. 90. 456 . Drittes Buch. fprochen würde, Ariftorenus aber, dem mir Die weit: Täuftigfte und glaubwürdigfte Beſchreibung der Prüfungs» methode *) des Pothagoras zu danken haben, meldet nichts von einer ‚völligen Aufhebung des Gebrauchs dee Eprache, nod) auch von einer unveränderlichen, für alle ohne Unterfchied feitgefezten Prüfungszeit. Er erzählt nur, Daß Pythagoras einen jeden vorzüglich wegen der Gabe zu ſchweigen erprobt, und wenn er diefe und an⸗ dere Vollfommendeiten in Perfonen gefunden hätte, er ühnen alsdenn fein ganzes Zutrauen gefchenkt habe, Ma» türlich wurde e8 Dem Pythagoras bey dem einen leichter, bey dem andern ſchwerer, Ihn genan kennen zu lernen, und eine nothwendige folge hievon war, daß der eine früs ber, der andere fpäter in feine Gefellfchaft aufgenommen wurde, Meer Ariftorenus, noch irgend ein zuverläffiger Geſchichtſchreiber fagt etwas davon, daß Pythagoras dea nen, die ſich zu Mitgliedern feiner Gefellfchaft meldeten, befchwerliche und peinliche Büßungen auferlegt babe, durch welche in fpätern Zeiten Chriften und Nichcchriſten alle diejenigen durchgehen ließen, die in Klöfter oder My— flerien aufgenommen werden wollten. Solche unnöthige, und in dem damaligen Zeitalter mehr abfchrecfende als einladende Rreuzigungen würden den Abfichten des Samis ſchen Weltweifen eben fo hinderlic) gewefen ſeyn, als die Prellereyen, die Rratinus in einem Fragment beym Dio« genes ſchildert ). Denn man mag voraus fegen, daß Py⸗ en — — %) 8. 94. 95. ap. Jambl, ®) vll. 37. E9os esw auros, av rwidorny Trorey AuBwcıv EICENOVT®, IR TeIgwpEvoy Ts Geſchichte dev Pythagoreiſchen Geſellſchaft. 457 Pythagoras und ſeine Freunde diejenigen, die ſich biswei— len in ihre Verſammlungen miſchten, oder auch diejeni— gen, die dereinſt von ihnen als Bruͤder geliebt zu ſeyn wuͤnſchten, auf die vom Griechiſchen Komiker befchries bene muthmwillige Art gepfoppe haben; fo Fann man ein ſolches Betragen in feinem Falle anders, als des Ernſtes ber Pythagoreer unwuͤrdig, und eben deßwegen unglaubs lich nennen, Kratin hatte wahrfcheinlicdy davon gehört, daß Pythagoras auch die Fähigfeiten von Perfonen uns terſuche: er glaubte daher, oder ftellte fich doch, als wenn er es glaubte, daß diefer Weltweiſe und feine Gehuͤlfen alle Neulinge durch fpizfindige Reden, oder verfängliche Stagen zu verwirren und niederzuwerfen fuchten, und hieraus entſtand die übertriebene Schilderung, (dergleis hen den älteften Fomifchen Dichten fehr gewöhnlich wa— ten), wodurch die Pythagoreer in mutbwillige Sophiften verwandelt wurden *), fs Eine — Tys Taov Aoyav Eewuns, TALUTTEV Wo ” KUROV Tas avrıgeraus, Tes meenXCIı, Tas EB ' Cwuadı, Toss amomrAavous, Tus weyeterw vefßu- SIRWwS. Diefe Stelle habe ich vormals untichtig verftanden. | pag, 282 Hift. doctrinæ de vero Deo, *) Noch feltfamer als Kratin, der der Pytagoreer fpotten wollte, mahlte das Haupt derfelben ein neuerer Schrift: ſteller, und gewiß in der Abficht, dag feierliche und heilige der Pythagoreiſchen Sazungen zu erheben. S. 72. ap. Jambl, Er fagt nämlich, daß man die Lehrlinge erft drey Jahre hintereinander vernachläffigt, oder ihnen mit Verachtung begegnet, und ihnen alsdenn noch ein fünf« jähriges Stillſchweigen auferlegt babe, 458 Drittes Buch, Eine gemeine Sage, bie aber allem Vermuthen nach wiederum aus Mißverftändniß eneftanden ift,* iſt biefe: daß die Pythagoreer entweder gleich, wenn fie ſich zu Fünftigen Mitgliedern der Gefellichaft angaben *), oder auch wenn fie ihre Prüfungszeit überftanden haften, ihr ganzes Vermögen ber Gefellfchaft überliefert hätten, und daß daher unter den Pythagoreern eine völlige Ge: meinfchaft der Güter eingeführt gemefen fey **). Diefes Zufammenhäufen aller Haabe, welches Pythagoras zu- gleich mit der Zufammenfchmelzung der Seelen verbunden haben foll, ift eine fo unwahrfcheinlihe Sache, und eine mit der Klugheit diefes Mannes fo wenig vereinbare Uns ternehbmung, baß man fie läugnen Fönnte, menn fie auch nicht von ben erften und zuverläffigften Gefchicht- fehreibern verworfen würde. Für die Pythagoreiſche Ges meinfchaft der Güter zeugen nur fpäfere oder ungültige Schriftfteller, unter welchen wahrſcheinlich Timäus der vornehmfte ift. Wenn naͤmlich in den Worten des Dio- genes***), die ich unfen anführe, nicht Nachrichten ver- ſchiedener Männer vermifche find, wie es nicht fcheint ; fo ift Timäus der erfte, der von einer Gemeinfchaft aller Guͤter unter den Pprhagoreern geredet hat, Nimmt man hingegen an, daß Diogenes nad) den beyden erften lie: s - ®) Diog. ap. Jambl, 72, 168.’ #%*) Diog. VII ı0. Apollon. sp, Jambl. 237. it. ſ. gr; Nie com, ap, Porph. $, 20, Taurus ap, Gell, 1,9, sur) VIL 10. eume Te mewros (ws Onsı 6 Tiuaıos) xova ra DiAwv eıvaı. Kos DiAsav InoTyTa. var AUTE 0 HAINTA RUTSTIIEVTO TES SOIRS, zıs ey BOABEVO. Gefchichte der Pythagoreiſchen Geſellſchaft. 459 Gliedern oder Abſaͤzen der angezogenen Stelle, die Er zählung eines andern Geſchichtſchreibers mitrheilt; fo iſt zwar Timäus alsdenn frey von der Schuld der Erdichtung, oder eines groben Misverftändniffes: man muß fie aber alsdenn auf einen andern eben fo nachläffigen oder er« dichteten Gefchichtfchreiber übertragen. Unläugbar ging der Glaube an die Gemeinfcaft der Güter unter den Sreunden des Pythagoras über Chrifti Geburt hinaus; denn Apollonius erwähnt ihrer fhon. Wer aber aud) zuerft davon geredet haben mag; fo iſt es immer ausge macht, daß fie niemals unter ihnen ftatt gefunden hat. Dies beweifen die Erzählungen des Ariftorenus beym am» blich *), nach welchen die Pythagoreer bey der Gefahr von Brüdern, deren Gluͤck einen nahen Umſturz drohte, alle Baarſchaft, die fie nur aufbringen konnten, zuſam⸗ ‚menraften, um ihre wanfenden freunde zu unterftüzen. Eben diefe Benfpiele von Nochhülfe wiederholt Diodor aus dem Ariftorenus **), und begleitet fie mit der Ans merfung , die wahrſcheinlich aus demfelbigen Schriftftels ler genommen ift, daß die Pythagoreer mit einem jeden Theilnehmer ihres Bundes, der fein Vermögen verlohe ren hatte, das ihrige brüderlich getbeilt, und daß fie diefen Sreundfchaftsdienft nicht bloß denjenigen, mit denen fie täglich umgegangen wären, fondern auch folchen, die fie nie von Perfon Eennen gelernt, erwieſen härten. — Die Veranlaſſung der Meynung von der Gemeinfdyaft der Güter unter den Pythagoreern laſſen ſich leicht ausfin- den, und find in Ruͤckſicht auf diejenigen, die dadurch irre "5,239. “r) — 460 0, Dritted Bud, irre geführt wurden, viel verzeihlicher, als die von vielen . ondern. Sie liegen namlich in den: Ausfprüchen des Pythagoras *), die nachher unter den Griechen Sprüc- wörter murden "*); daß die Freunbfchaft eine völlige Gteichheit, und eine Zufammenfchmelzung mehrerer Her: zen in eins, und ein wahrer Freund ein anderes ich oder felbft fen, daß daber unter Freunden alles gemein ſeyn muͤſſe. Dies lezte Freundſchaftsgeſez, was die Pptha- goreer in feinem ganzen Umfange erfüllten, und nad) welchem feiner von ihnen etwas beſaß, ober in feiner Macht hatte, was er nicht, und wenn es aud) das $eben geweſen wäre, einem jeden feiner Zreunde willig mitgetheilt und aufgeopfert hätte, dies Gefez legte man fälfchlich fo aus, als wenn Pythagoras alles Eigenthum einzelner Mitolteder hätte aufheben, und aus den Gütern aller einen gemeinfcjaftlichen Fond des ganzen Ordens hätte gründen wollen, Nichts iſt glaublicher, als was Diogenes ***) beym Jamblich erzähle, daß die Pythagoreer ein jedes unwuͤr⸗ diges Mitglied, das wider die Grundfäze ihrer Gefell- ſchaft groͤblich ſuͤndigte, und durd) Lafter oder Miffetha- then alle feine übrigen Mitbruͤder befehimpfte, von dem gefunden Körper abgefondert und ausgeworfen, daß fie es jerner für todt erfiärt, und ihm als einem DVerftorbenen ein Grabmal gefest haben. Falſch hingegen ift der Zu: faz diefes Schriftftellers, den ich nicht weiter zu widerle— gen braudyes daß fie einem ſolchen ausgeftoßenen Bru- der un — — — — — #) Diog, VIII. ı0. ex Tim. & Cic, ap, Menag, ad, h. 1, u*) Arifint, IX, c. 8, Ethic, sr) 8. 73. Gefchichte der Pythagoreiſchen Gefelffchaft. 461 der zweymal fo viel, oder noch mehr zurück gegeben hätten, als er bey feinem Eintritt in die Caffe der ganzen Gefells fihaft eingeliefert hatte *). | Aus dem bisherigen Fann man leicht beftimmen, wie viele Haupfelaffen von Freunden oder Anhängern Pythagoras gehabt habe, wenn man diejenigen nicht mit dazu rechnet, die feinen und feiner Schuler Neden bis« weilen, oder auch oft mit Bewunderung zubörten, ohne fonft mit ihnen in nähere Verbindung zu kommen. Es waren nämlih, und Fonnten ihrer nicht mehr als zwo ſeyn: erftlich folhe, die Pythagoras geprüft Batte, und denen er ſich ganz offenbarte: und wiederum foiche, die noch geprüft wurden, und vor denen man noch immer etwas zurück hielt, Dies beftätigt das Zeugniß des Ari» ftorenus **), nach welchem man die ftreitenden, unbe- flimmten, oder gar lächerfichen Eintheilungen und Be— nennungen der Pythagoreer berichtigen oder verwerfen muß **"), Es iſt wahrſcheinlich, was die meiften bezeu⸗ —y rr nÛ,f nit *) Dieſe Nachricht iſt gewiß falſch, wenn fie vom Einlegen und der doppelten Rüdzahlung des ganzen Vermögens verftanden ward. Wahrſcheinlich ift es unterdeffen, daß ein jedes Mitglied bey feiner Aufnahme in die Gefelle ſchaft eine gewiffe Summe Hergeben, und aud) nachher noch immer beytragen muſte, um die gemeinfchaftlichen Ausgaben der ganzen Geſellſchaft daraus zu beftreiten. **) S,95, ap. Jambl, Ev nev 8v doreigot TOIKUTE emeovome, Aı meos raue narcı res uovde- vovlas. Tas Te aguolores Ts ayadcıs rıs mag Swulo soPias evexgiwe. KR) Die Hauptftellen find folgende. Taur, ap. Gell. 1,9, Diog. ap. Porph, 37. & ibiRittersh. ap, Jambl. 72. 81. vid,& 89, Anonym, ap, Phot,l, Hiemit vergleiche man : Menag, 462 Drittes Buch. bezeugen *), daß die noch nicht bewährten Freunde des Pythagoras Afuftifer oder Afusmatifer und rotes rifer; die geprüften hingegen entweder Efoterifer oder Marhematifer genannt wurden. Auch iſt es nicht uns- glaublich, daß die leztere nach ihren verfchiedenen Faͤhig⸗ feiten entweder für die Erforfchung und den Vortrag von Wiffenfchaften, oder auch für öffentliche Gefchäfte entweder die Damen von Theoretifern oder Phnfifern, oder auch von Politifern und Nomothetikern trugen. Falſch hingegen, und ganz wider das, was ic) von dem Unter, richte der Pythagoreer aus dem Ariftorenus erzählt habe, ift es, daß die einen deßwegen Efoterifer und Mathema- tifer genannt worden, meil fie den Pythagoras innerhalb des Vorhangs gehoͤret, und feine geheimften Lehren auss fuͤhrlich, und mit allen ihren Beweiſen aus feinem Munde empfangen hätten: die andern hingegen Epoterifer und Akusmatifer, weil fie den Pythagoras außerhalb des Vorhangs gehört, und fich bloß mit gewiffen kurzen und unbemwiefenen $ehrfäzen hätten begnügen müffen. Eben fo gefchichtwidrig, und felbft mit der gefunden Vernunft ſtreitend, find die Eintheilungen des Ungenannten beym Photius, die vom hirnlofen Suidas, und einem ſchwach⸗ koͤpfigten nu Menag. ad VIII. 38: & Scheff, de Phil. italica ec, XI, Der leztere fallt in ein unverftändliches Gemirre, weil er alle Nachrichten der Griechen ohne Ausnahme gelten läßt, und fo viele Nangorönungen von Pothagoreern ” beraus zw bringen fucht, als fih Benennungen derfels ben in elenden Schriftftellern finden, die von dem othasuzeren die falfcheften und ungereimteften Begriffe haben. “) Beſ. Taur, & Diog, l. « Gefchichte der Pythagoreiſchen Geſellſchaft. 463 Eöpfigten Scholiaften bes Theokrit wiederholt werben. Unter den Pythagoreern, fagen diefe Männer, waren einige ganz dem Befchauen oder der Betradyrung ergeben, und diefe wurden Ehrivürdige genannt. Andere bes ſchaͤftigten ſich mit weltlichen Dingen, und diefe hießen Politifer. Eine dritte Claſſe arbeitete in den mathema⸗ tiſchen Wiffenfchaften, und diefe führten den Namen von Mathematifern. Ferner wurden diejenigen, die den Pythagoras felbft hörten, Pythagoriker; ſolche hingegen, die nur von feinen Schülern Unterricht empfingen, Py⸗ thagoreer: und endlich alle übrigen, die fonft dem Py— thagoras wohl wollten oder nacheiferten, Pythagoriſten genannt *), Nachdem id) ijo die ganze innere Einrichtung der Pythagoreiſchen Geſellſchaft befchrieben habe; fo frage ich nun einen jeden $efer, ob es ihm glaublicher vorfomme , daß diefe Männer (mie man in der neuern Zeit allgemein ange« — — — — —— — — nme. mem u — — — — 2) Nach dem Dikaͤarch (S. 19. ap. Porph.) wurden nicht nur Männer, fondern auch Weiber in die Pythagoreiſchen Gefellfehaften aufgenommen. Hiemit aber wollte Dis kaͤarch nichts weiter fagen, als daß die Weiber und Tochter der Pythagoreer nah den Grundſaͤzen ihrer Männer und Väter fic) gekleidet, genährt, gehandelt, und ihre Kinder erzogen hätten. Uebrigens fieht man aus der Einrichtung der ganzen Sefellfchaft, mie Ari— ftorenus fie befchrieben hat, daß das weibliche Gefchlecht weder an dem frühen Unterricht, noch an den heftigen Leibesbewegungen, noch endlich an den nachmittägigen Berathſchlagungen Theil genommen habe, oder nehmen konnte. Wenn es richt verboten war, die Geheimniffe des Bundes Weibern anzuvertrauen; fo fagt doch auch fein glaubwürdiger Schriftiteller, dag dieſes geboten oder gewoͤhnlich gewefen fey. 464 Drittes Buch. angenomm hat und ncch annimmt) in einer beftänbigen Entfernung von öffentlichen Gefchäften gelebt, und fich ganz in Die Betrachtung und Erforfchung himmliſcher und unfichtbarer Dinge verfenft haben, oder ob er es den Sazungen des Pythagoras entfpredyender finde, daß er und feine Schüler ihre Kenntniffe und Kräfte, mie vor ihnen die Weifen von Griechenland, und nachher Die Eleatiker thaten, in einem handelnden $eben, und in der Uebernehmung öffentlicher Yemter und Würden zum Dienfte ihres Vaterlandes angewandt haben? Das leztere behaupten alle ältere, zuverläffige und Die meiften neuern unzuverläffigen Schriftfteller; das erſtere hingegen nur allein Heraklides Pontifus, und nad) ihm Apollos nius, Nikomachus, und die meiften neuern Platonifer, die fich aber zugleich felbft widerſprechen. Denn eben diefe Männer, die den Pythagoras an einigen Stellen als den Stifter eines philoſophiſchen Mönchordens fhile dern, flimmen wiederum mit den glaubwuͤrdigſten Ges ſchichtſchreibern darinn überein, daß die Pythagoreer in allen Städten, wo fie fid) fanden, eine genaue verbundene Gefellfchaft von. Staatsmännern ausmachten, die nad) den vortreflichen Grundſaͤzen ihres Dberhauptes öffentliche Angelegenheiten verwalteten, Eitten und Geſeze zu vers beſſern, Alleinherrſchaft, oder übermäßige druͤckende Ges malt eines oder einiger Tyrannen zu hindern und zu ver tilgen, Eintracht und Frieden unter allen Ständen zu erhalten, und eine gemäfigte, auf das Gluͤck aller ab« zielende Ariftofratifche Negierungsform einzuführen und zu befeftigen fuchten. Kein anderes Factum in der gan⸗ zen Pprhagoreifchen Gefchichte wird durch fo viele Ausfa- gen, und zwar ſolcher Männer beftärige, die fonft in allen Geſchichte der Pythagoreiſchen Geſellſchaft. 465 allen übrigen Punefen von einander abwichen. Ich will diefe Beweisftellen nach der Ordnung der Zeit, in welcher ihre MWerfaffer gelebe haben, Hinter einander an« führen, weil es bier nicht bloß um den hiftorifchen Vor— trag von unbezweifelten Nachrichten, fondern um den Beweis einer Sache zu thun ift, die wider die allgemeine Meynung der Gelehrten der leztern Yahrbunderte läuft. Schon Theopomp bielt den Pythagoras zwar nicht für einen fo edel denfenden Staatsmann, .als er wirk« lid) war, (befannt aber ift es, daß Theopomp nie im oben, aber faft immer im Tadeln zu vielthat) aber doch für einen feinen politifchen Kopf, der unter dem Vor—⸗ wande feiner feheinbar ſchoͤnen Philoſophie ſich der Allein— berefchaft zu bemächtigen, und ähnliche gewaltthaͤtige Ge- finnungen feinen Schülern einzuflößen gefucht hätte, Er verglich daher den Athenion, einen Ariftotelifchen Welta weifen, der im Mithridatifchen Kriege fid) zum Tyran— nen von Athen aufwarf, mit dem Pythagoras, und fezte binzu, daß der erftere dem Beyſpiel und den Grundfäzen des leztern gefolgt fey *). Eben fo urtheilte Hermipp über den Pythagoras, mie nicht nur aus den verbefferten Worten des Athenaͤus, fondern auch aus feiner oben ge= prüften Erzählung von dem Aufenthalte des Pythagoras in einer Hoͤhle erhellet. Zwiſchen diefe beyde Schriftftel« fer fallt Ariftorenus, der nicht nur fie, fondern auch die meiften der folgenden als Gefchichtfchreiber uͤberwiegt. Diefer vortreflide Schüler des Ariftoreles erzähle erſtlich, daß — — a %) Athen, XV, 2. 6 8 466° Drittes Buch. daß die Pyrhagoreer den ganzen Nachmittag auf politiſche, ſowohl einlaͤndiſche als auslaͤndiſche Angelegenheiten ver⸗ wandt haͤtten *), er ſagt ferner, daß man den Pythago⸗ reern alle Abend beym Weggehen von ihren Gaſtmaͤlern eingepraͤgt habe: der Gerechtigkeit und den Geſezen zu helfen, und mit der Ungerechtigkeit und Tyranney einen unaufbörlichen Krieg zu führen *8). Endlich bezeugt er, daß die Pythagoreer folgende Ermahnung , als den Inbegriff ihrer und aller rechrfchaffenen Männer Sitten- lehre beftändig wiederholt haͤtten: daß man auf alle nur moͤgliche Arten, und ſelbſt mit Feuer und Schwert, vom Koͤrper Krankheit, von der Seele Unwiſſenheit, oder viel⸗ mehr rohe Ungebildheit, vom Bauche Schwelgerey, von Staͤdten Aufruhr, von Familien Uneinigkeit entfernen und vertilgen, und in allen Dingen ſich vor Uebermaaß huͤten müffe**”). Alle dieſe Stellen des Ariſtoxenus vi en ———— . 97. ap. Jambl, ”r) S,100. youm Te BonSew, naı vous ToRsuem. "ap. Stob, Serm, 41. Auch redete er von den Pythago⸗ seiihen Grundfäzen der Erziehung, als wenn fie nur allein Führer von Staaten oder Herren hätten bilden wollen, ®*R) Arift, ap. Nicom. in Porph,vit.f.22, Buyadeuleov FATN KNKRYN, Kokı MERIKOMTEOV ugs ao Sıdnew Koh MNKAVIS BORYTOIRIS ETEO MEY O@URTOS Vorov,. mo de yuxns ana, nous de BorureAsıer, FoNsws de Saow, en de IoDeoruun , ou& de mavrav RMErTLIAV. tan fehe den Ariſtoxenus auch ap. Stob. Serm. 41. p. 243. Bon ihm ift, wie ich vorher fchon bemerkt habe, mahrfcheinlich auch der zweyhundert umd vierzehnte Abſaz im Jamblich, me er Geſchichte der Pythagoreiſchen Geſellſchaft. 467 den durch ſeine Nachrichten von den Urſachen und Folgen des Unterganges der Pythagoreiſchen Schule, die ich nachher anfuͤhren will, bekraͤftigt und erlaͤutert. Auch Dikaͤarch, ungeachtet er in einigen Umſtaͤnden von ſeinem gelehrten Freunde abgeht, kommt doch darinn mit ihm zu⸗ fammen, daß Pychagoras das Haupt einer maͤchtigen Geſellſchaft geweſen fen, die fi) über viele Städte ver⸗ breitet, felbft benachbarte ungriechifche Könige und Dy— naften zu Mitgliedern gehabt, allenthalben einen übermwie- genden Einfluß in Staatsgefdyäfte erhalten, und end« lich durch ihren Untergang die größten Unorönungen in allen Staaten von Großgriechenland nad) fich gezogen habe *)., Nach dieſen reden Polybius **), Cicero ***) N Ög 2 und er fagt, daß Pythagoras allenthalden Tyrannen verjagt, Geſezloſigkeit gebaͤndigt, und alte Rechte und Freyheit wieder hergeftellt habe: Tugxvvsoxs de varaAumv, Hai TONTEIES TCUYHEXUMEIAES ORTATTOYy, ENEU- Gegıwv re umo dersıus raıs moNenı magndıdes. ‚ Ko nv raeovoniay mavov, ve Te narTa- Auvav, kıı Tas U gISES Koi TUERVURBS KwAumV. Kas Foıs nev dinmioıs naı Nuegoıs meuov Enuroy magexav audyyenova, res de wyeıss avdexs ua uBasas ameAnuyay TS auvscias &C: *) Porph, S. 56, »* 1. . ®*#) de orat. III. 34. Tufe, Quaeft, I. 16. Hanc opinie- nem difcipulus ejus Pyihagoras maxime conformavit? qui cum Superbo regnante in Italiam veniffet, tenuit magnanı illam Graeriam tum more & difcıplina, cum etiam auctoritate: wultaque faecula poftea fic viguit Pythagoreorum nemen, ut nulli alii dodti videren« tur, V.4. Nec vero Pythagoras nominis folum in. venter, verum etiam amplificator fait, Qui - po 468 Drittes Such. und Diodor *) vom Pythagoras, als einem Manne, den die Krotgniaten in den wichtigften Fallen und Angelegen» heiten um Kath befragt und gefolgt Hätten, und von den Gefellfehaften der Pythagoreer, als von den Haͤuptern und DVornehmften, in den Großgriechifchen Staaten, die fie viele Jahre Hinter einander durch ihre Weisheit, DBenfpiele und Gefeze blühend gemacht hätten, Endlich erzäblte Strabo **) von den Tarentinern, daß auch fie die Pythagoreiſche Philofophie angenommen hätten, und daß unter den Weltweiſen aus dieſer Schule vorzüglid) Archytas länge mit vielem Ruhme feiner Vaterſtadt vor- geftanden habe. Eben diefer Erdbefczreiber ***) führe den Parmenides und Zeno als Pythagoreiſche Philoſophen an, durch welche Elea vorzuͤglich vortrefliche Geſeze er— halten haͤtte. Wenn dieſen izt angefuͤhrten Schriftſtellern auch alle juͤngere Geſchichtſchreiber und Weltweiſen entgegen ſtuͤnden, ſo wuͤrde doch ein jeder vernuͤnftiger Forſcher der Parthey der erſtern folgen muͤſſen. Nun aber ſtimmen auch — poſt hune Phliaſium ſermonem in Italiam veniſſet, exornavit eam Graeciam, quae magna didta eſt, & privstim & publice, praeſtantiſſimis & infitutis & artibus, de Amic. IV. Plus apud me antiquorum au- &oritas valet, vel noftrorum majorum, qui mortuis tam religiofa jura tribuerunt; — — — vel eorum, qui in hac terra fuerunt, magnamque Graecam (quae nune quidem deleta ef, tum florebat) infitu- tis, & prasceptis fuis erudierunt, #) 483. Lib, XII. Ed. Weff, **) VI, 429, Almel, Ed, “x”, 387. Pr Geſchichte der Pythagoreiſchen Geſellſchaft. 469 auch die leztern mit jenen uͤberein, und widerſprechen nur ganz allein ſich ſelbſt. Apollonius, deſſen erſter Grund- ſaz dieſer war, unbekannt zu leben, oder doch unbekannt zu ſterben, und der dieſen Grundſaz für aͤcht Pythago⸗ reiſch hielt, ſchildert doc) *) die Pythagoreer als eine Oligargiſche Parthey, die faſt alle Gewalt in Kroton in Händen gehabt, und ſich der Wahl von Magiſtrats⸗ perfonen durchs Loos mit der äußerften Macht widerfezt babe. Auf eine eben fo widerfinnige Arc ftreitet Niko mahus mie ſich ſelbſt. Denn an vielen Orten redeter, eben wie Apollonius, von den Pythagoreern, als von imm«- liſch gefinnten Forfchern und $iebhabern der Wahrheit , die alle irdifihe Dinge verachtee hätten; und an andern hingegen pflichtet **) er denjenigen Erzählungen bey, nad) welchen Pythagoras nad) feiner Ankunft in Stalien viele Staaten von Tprannen entlaftee, und in ihre alten Rechte und Freyheit wieder eingefeze habe Er nenne die Städte, welche durdy die Pythagorer aus der Sclaverey herausgeriffen worden, und hält gar den Eharondas und Zaleufus, die berühmteften Geſezgeber in Sroßgriechenland, für Mitglieder des Pythagoreiſchen Bundes. Er verfichert ferner, daß aus der Schule des Pythagoras nicht nur die gröften Dichter und NBeltwei- fen, fondern aud) Öefeggeber hervorgegangen feyen, und daß die von ihnen gefchriebene Gefeze fogar ins eigent- liche Griechenland wären übergetragen worden. Auch die beyden Diogenejfe, die nicht felten die Pytha— goreer nad) dem vom Heraklides, Apollonius, Nifoma» * — At Den Aus *) ap. Jambl, S. 254, et ſeq. #*) ap. Jambl, S, 33. 5 470 Drittes Buch). chus und andern entworfenen Gemälde fHildern, ſtimmen doc) hier in die Erzählungen aller übrigen Schriftfteller ein. Der erftere, den wir nur allein aus feinen Frag» menten beym Porphyr und Jamblich kennen, gefteht *), daß es unter den Pythagoreern Staatsmänner und Ges fezgeber gegeben habe: daß die Städte in Italien ihnen die wichtigften Aemter und große Macht anvertraut, und daß jene eben deswegen zur Zeit der Pprhagoreifchen Schule am meiften geblüher hätten. Auch er fezt hinzu, daß diefe Männer aus vielen Städten Tprannen verjagt, und ihnen eine freye Negierungsform wieder gegeben häfs ten. Mit diefen Machricyten harmoniret Diogenes von $aerte **) fo genau, daß es feheint, als wenn fie beyde aus einer einzigen Duelle geſchoͤpft haͤtten. Der leztere fage nämlih, daß Pythagoras den Italiaͤniſchen Gries chen Geſeze gegeben, und drey Hundert Freunde in Kro— ton um ſich ber verfammlet habe, die gleichfam einen Ariftofratifchen Körper ausgemad)t, und den Staat vors treflich regiert hätten, — Allen diefen Stellen füge id) endlich nod) folgende aus dem Jamblich hinzu, die ic) deßwegen zulezt anzeige, weil ihr Verfaffer nicht ganz gewiß * 5,1129. Ein Theil diefes Abfazes ift aus dem Ariftore- - nus: man vergleiche das Bruchftück des leztern 249. ferner S, 130: 133. *") VIII. 3. Era eraunAdew eis Eomov, nos Eu- eay Tv mareidee rugavvauevnv ümolloAuxewres, omneev cıs Keoorava vns Irarıas. ans vouss Yes Tos Irarswarauıs, edofacgn auv ros nagn- TOIS. 04 WERL TES TEIOCHODIBS OVTES, MXOvomEV — FOL MONITINE, WS TE OXEdoy BEISOHEOTIREN eva TV WOoÄITEIRV. Gefchichte der Pythagoreiſchen Gefellfchaft. 47ı gewiß befanne ift *%). Dieſer Schrififteller giebt den Pythagoreern das Lob, daß fie unter allen die vortref- lichiten Gefezgeber gemwefen feyen, und er nennt außer dem Charondas und Zaleukus nod) fünf andere, deren Namen von den Pepe Geſchichtſchreibern übergangen worden find, Die bisher angeführten Zeugniffe Finnen niche leicht einem verftändigen Runftrichter einen gegründeten Zweifel übrig laffen, daß es vom Heraklides Fühne, unver: ſchaͤmte Erdichtung, und in den neuern Pythagoreern und Platonikern grobe Unmiffenheit, vereinigt mit der Meigung, war, die berühmteften Weltweifen des Gries chiſchen Alterthums fid) ähnlich zu denfen, wenn fie den Pythagoras und feine Freunde als Männer vorftellten, die einen ſchwaͤrmeriſchen Abſcheu gegen alle vergängliche Güter und Größen empfunden, und mit ihrem in fich gefehrren Geifte flets aus dem niederziehenden Körper und über die fublunarifhe Welt hinaus geſtrebt hätten. Verbindet man aber noch mit diefer großen Zahl von Zeugniffen die Bemerfung, daß die berühmteften Nach« folger oder Nachahmer des Pythagoras, Empedokles, Archytas, Timäus, Eudorus undandere, große Staats. männer waren, und erwägt man endlich die Erzählungen der berühmteften Gefchichtfchreiber , von den Urfachen und Folgen des Untergangs der Pythagoreiſchen Gefell: fhaften, fo kann man, glaube ich, einen jeden einer blödfinnigen DVerftocktheit oder Anflebung an alte Vor— urtheile befcehuldigen, der es noch läugnen wollte, daß 694 Pytha⸗ rn np ”) $. 172. 472 Drittes Buch. Pythagoras vorzügli deßwegen feinen Bund errichtet habe, um durch die Hülfe, Weisheit und den Arm der ganz von feinem Geifte befeelten Freunde einen mächtigen Einfluß in alle Staatsverwaltungen von, Großgricchen- land zu erhalten, Den Untergang des Pythagoreiſchen Ordens, der fo feft gegründer zu feyn fchien, als wenn er weder durd) innere noc) äußere Gewalt hätte zerftört werden Fönnen *), tra⸗ —ñNi — — m — — *) Man koͤnnte auf die Pythagoreer faſt das anwenden, was Pofidonius von den Volkshirten des goldenen Zeits alters träumte: .(Sen. Ep, 90.) Ulo ergo faeculo, quod aureum perhibetur, penes fapientes fuifle re- znum Pofidonius judicat, Hi continebant manus, et infirmiores a validioribus tuebantur: fuadebant, difluadebantque, & utilia atque inutilia monftrabant. Horum prudentia, ne quid deeflet fuis, provide- bat ; fortitudo arcebat pericula; beneficentiaaugebat, ornabatque fubjedtos. oficium erat imperare, non regnum, Nemo quantum poflet adverfus eos expe- riebatur, per quos coeperat poffe, — Diefer Pofido- nius, der ſich unter den Griechiſchen Stoikern eben fo fehr, als Seneca unter den Roͤmiſchen, des Schoͤnredens befleißigee, der ferner die Wahrheit und Nichtigkeit von Sachen nicht genau unterfichte, wenn fie ſich nur ſchoͤn erzählen oder declamiren ließen, hielt die Pytha— goreiſche Schule fuͤr die Mutter zweener großer Ge— ſezgeber, die lange vor ihrer Entſtehung geſtorben wa— ren, und glaubte doch zugleich, daß ſie ſolche Maͤnner in einer heiligen Stille, und in einer Entfernung von dem Geraͤuſche öffentlicher Geſchaͤfte gebildet habe. Za- leuei leges (fahre Seneca in eben dem Briefe aus dem Dofidonius ford) Charondaeque laudantur, hi non in foro, nec in eonfultorum atrio, fed in Pythagorae tacito illo ſanctoque ſeceſſu didicerunt jura, quae florenti tune Siciliae, et per Italiam Graeciae po- nerent, Geſchichte der Pythagoreiſchen Geſelſchaft. 473 fragen zwar die aͤlteſten und zuverlaͤſſigſten Schriftſteller nicht genau mit denfelbigen Umftänden vor: allein fie flimmen doc) faft alle in der Angabe der Veranfaffungen beffelben, und in der Befchreibung der Folgen, diedar- aus entftanden, mit einander überein. Man mag daher wählen, welchen Führer man will; fo muß man immer zugeftehen, daß folche Verſchwoͤrungen, als welchen die Pythagoreer unterlagen, nicht gegen eine Schule von ruhigen, alfe öffentliche Gefchäfte fliehenden, und ſich feibft lebenden Weltweifen ftatt haben Fonnten, und daß die Erwürgung oder Verjagung von bloß fpeculirenden Grüblern nicht folche fürchterliche Zerrüttungen ganzer Staaten hätte nad) ſich ziehen Fönnen, als unläugbar auf die Bertilgung der älteften Pythagoreer folgten, Mach dem Ariftorenus*) wurden mehrere Veran⸗ Icffungen der Verſchwoͤrung wider Die Pythagoreer anges geben, von denen aber Jamblich nur eine ausgezogen bat **), Ein reicher Krotoniate namlich), mit Namen Kylon, verlangte ein Mitglied des Pythagoreifchen Bun- deg zu werden: er wurde aber abgemiefen, weil er ein fühner, unruhiger und berrfchfüchtiger Ropf- war. Diefe Beſchimpfung ſchmerzte ihn fo fehr, daß er eine Verſchwoͤrung wider fie zu Stande bradjte, der die Py— tbagoreer lange widerftanden, die ihnen aber doc) endlich den Untergang brachte. Sie waren eben in dem Haufe des Milo verſammlee, und rathfchlagten über wichtige Sriegsangelegenheiten, als fie von der Korte des Ky« Ögs fon — — * Nie dem Diodor Exe. 554. uͤbereinſtimmt, und in den. meiften Puncten auch Diogenes VIIL 39, **) S, 248° 52, : 474 Drittes Bud. fon überfallen wurden. Diefe Wuͤthenden zindeten die Wohnungen, in welcher die Pythagoreer beyfammen waren, und ermwürgten oder verbrannten alle, den Archy- tas und Lyſis ausgenommen, Nach dieſem Vorfall be» fünmerten fich die Pythagoreer, wie Ariftorenus mel« der, um Feine wichtige Angelegenheiten mehr, theils, teil die Stadte fich ihrer nicht annahmen, am meiften aber deßwegen, weil die Häupter ihres Or: dens, und die größten GStaatsmänner gefallen waren. Von denen, die ihren Feinden entfamen, gingen einige nach Griechenland: die übrigen verfammleten fid) in Rhegium, und blieben ihrer Lebensart und ihren Grund» fäzen getreu, ungeachtet ihr Bund aufgehöret hatte, — Diefe Erzählung läßt fi) unmögfid) von einer bloßen philoſophiſchen Sefte verftehen, man mag fie aud) aus: legen, wie man will, Mach dem Dikaͤarch ergriffen die Verſchwoͤrer nur vierzig Pythagoreer auf einem Haufen, und ermordeten die übrigen einzeln, mie fie fie in der Stade antrafen. Pythagoras felbft aber entwiſchte, und wandte ſich zuerft nach Lokri. So bald die Einwohner diefer Stadt feine Annäherung vernahmen, fandten fie ihm einige Mirglies der des regierenden Raths mit dem Bedeuten entgegen: daß fie ihn zwar für einen außerordentlihen und meifen Mann erfennten, daß fie aber auch mit ihrer gegenwär- tigen Berfaffung zufrieden waren, und hinfort aud) über ihren Gefezen halten wollten. Sie erfuchten ihn daher, ſich einen andern Aufenthalt zu waͤhlen, als ihre Stadt; doc) feyen fie bereit, ihn mit allem, was er brauchte, zu unterftügen. Eben fo wurde Pythagoras in Tarent empfangen und abgemwiefen, und fam alfo endlich nad) Meta: Geſchichte der Pythagoreiſchen Geſellſchaft. 475 Metapontum. Denn (ſo ſchließt Dikaͤarch) allenthalben entſtanden große Aufruͤhre, von denen man unter dem Namen der Verſchwoͤrungen wider die Pythagoreer noch bis auf den heutigen Tag rede *)., — Wäre Pythago— ras weiter nichts als ein ruhiger Wahrheitsforſcher gewe⸗ fen; fo würde man ihm felbft nicht das Einfehren in meh» rere Städte verwehret haben, als wenn von ihm fogleich Umwaͤlzungen von Regierungsform zu befürdyten gewe- fen wären, und eben fo menig würden er und feine Freunde fo große Empörungen veranlaßt haben, die noch zwey Jahrhunderte nady ihrem Tode Im Munde des Volkes waren. Den Nachrichten des Apoflonius zu folge, hatten die Pythagoreer fehon lange vorher den allgemeinen Haß dadurch auf fih gezogen, daß fie fo genau unter ſich vers bunden waren, und ſich fo fehr von ihren Mitbürgern unterfchieden. Diefe Unzufriedenheit wurde nicht wenig vermehrt, als nad) der Zerftörung von Sybaris vorziigs lich auf ihr Anftiften die eroberten Sändereyen nicht nach. dem Wunfche des Pöbels ausgetheilt wurden. Co bald nun die Feinde der Pythagoreer merkten, wie fehr diefe an Siebe unter dem großen Haufen verloren hätten, thas ten fie, um das Volk nody mehr zu erhizen, den Vor⸗ ſchlag, der in folchen Eleinen Staaten, als die Griechi⸗ ſchen überhaupt, und auch) der von Krofon war, immer mit dem größten Beyfall aufgenommen wurde, daß alle öffentliche Würden und Aemter einem jeden Mitbürger, der Verdienfte befäße, offen ftehen, und alle Magiftrats« perſo⸗ ®) Dicacarch, S. 56. ap. Porph. , 476 Drittes Buch. perfonen einer gewiffen Zahl von Männern, bie durchs $008 aus.dem ganzen Volke erwählt würden, Rechen⸗ fchaft ablegen follten. Diefem aufrübrifhen Entwurfe, den man in allen alten Freyſtaaten zu einer gewiſſen Zeit machte, und durchfezte, der in allen eine Zeitlang fuͤrch⸗ terliche Spaltungen, bürgerliche Kriege und Niederlagen, bald der Vornehmen, und bald des Pöbels herworbrachte, und endlich auch allen, nach der Ausrottung der edelften und gröflen Männer und Familien, Knechtſchaft und Untergang zuzog; dieſem verderblichen Entwurfe wider festen fih die Pythagoreer aus allen Kräften, richteten aber weiter nichts aus, als daß fie ihre Gegenparthey verftärften, und die Wurh des Pöbels noch mehr wider ſich reizen. Zween Aufrührer, Kylon und Ninon, die durch niederfrächtige Berlaumdungen die Väter des Bas terlandes aus dem Wege zu räumen, und zugleich durch Friechende Schmeicheleyen fid) felbft zu Führern des Vol: kes zu erheben fuchten, Flagten die Pythagoreer öffentlich an. Der Ieztere ftellte fi), als wenn er in alle ihre Geheimniffe eingeweiht wäre, und ließ ein untergeſcho— benes Buch ablefen, deſſen Inhalt yrannifche und oli= garchiſche Gefinnungen, ausſchließenden Eifer für das Wohl der Geſellſchaft, Verſchwoͤrung wider das Volk, und Verachtung aller derer, die nicht zum Bunde gehör: ten, enthielt und empfahl, Er warf es den Krotoniaten als etwas ihrer unwuͤrdiges und fie entehrendes vor, daß fie fid) von drey hundert Männern beherrfchen ließen, die fie taufendmal fo viel am Traentfluß überwunden haften. Er ermahnte fie endlich, den Verraͤthern fernerhin Fein Gehör zu geben, die es auf alle Weifezu hindern gefucht hätten, daß fie ſich zur Behauptung ihrer Freyheit niche eins Gefchichte der Pythagoreiſchen Geſellſchaft. 477 einmal hätten verſammlen und berathſchlagen felfen, Durch diefe Reden wurde der Pöbel fo fehr erbirtere, daß er einige Tage nachher zufammenlief, um die Pytha⸗ goreer umzubringen, Allein diefe merken die Gefahr, die ihnen bevorftand, und flohen entweder in heilige : Schuzoͤrter, oder auch außer der Stade, Mach ber Entweichung felbft wurde ihre Sache unterfucht, und von Schiedsrihtern aus Tarent, Kaulonia und Metapont (die ſich aber nad) den Archiven in Kroton beftechen ließen) dahin enefchieden, daß fie, die Pythagoreer, ſamt ihren Samilien, und denen, die mit ber neuen Verfaffung unzufrieden wären, auf ewig verwiefen feyn follten. Erſt nach vielen Jahren, und nad) dem Tode der Hauptauf: rührer, unter welchen Nino entfezliche Graufamfeiten : ausübte, fahen die Krotoniaten das Unrecht ein, was fie den Ppthagoreern angethan hatten, und föhnten fich durch die Vermittelung Achäifcher Gefandten, mit den Ber wieſenen, deren ohngefähr noch fechzig übrig waren, uns ter gewiffen Bedingungen aus, vie von beyden Seiten beſchworen, und zum ewigen Andenfen i in Delphi aufbe⸗ wahret wurden ”). Der Grund diefer Nachrichten des Apoffonius iſt gewiß nicht erdichfet, wie ich oben fihon bemerft habe, und wie auch aus ihrer Vebereinftimmung mit ben bis“ berigen Erzählungen, und mit dem Zeugniffe des Polyb erhellt**). Nachdem (fo erzähle diefer große Geſchicht⸗ fehreiber) an der ganzen Küfte von Stalien, die man Groß⸗ *) Jambl. 254 et ſeq. ) II, 39, 478 Drittes Bud. Großgriechenland nennt, alle Gefellfchaften der Pytha— goreer vertilge worden waren, wurden die Griechiſchen Städte mit Mord und Aufruhr angefüllt, weil fie ihre größten Männer in einer eben fo ptözlichen als traurigen Revolution verlohren hatten. Alle Griechiſche Wölker ſchickten Abgefandten nad) Italien, um die entftandenen Unruhen und Uneinigfeiten benzulegen; die zerrüätteten Städte aber bedienten ſich allein des treuen Beyftandes und Raths der Achaͤer, welchem zu Folge fie die Geſeze und Vers faffung der leztern annahmen, und einen Ort beftimmten, wo fie ihre jährlichen Zufammenfünfte halten, und gemein» ſchaftliche Angelegenheit abthun wollten, Von den Machrichten der bisher angezogenen Ges fchichefhreiber weicht zwar der Pythagoreer Theanor, den Plutarch in der Abhandlung vom Genius des Sokra⸗ tes vedend einführt *), in feiner Befchreibung des Unter: ganges des Bundes darinn ab, daß er die Verſchwoͤrung der Kylonier nicht in Krofon, fondern in Metapontum ausbrechen läßt; allein übrigens beftätigt auch er, oder vielmehr Piutard) die Hauptfacta: daß Die Pythagorei⸗ ſchen Geſellſchaften in allen Staͤdten Italiens durch Rot—⸗ ten und Aufſtaͤnde zerſtoͤrt worden, daß in dieſen Unruhen die meiften Pythagoreer umgefommen, und in den Staas ten von Großgriechenland gleich nachher langwierige Kriege, Meuterenen und Alleinherrfchaften entftanden feyen. Aus den Zeugniffen alfo aller alten Schriftfteller über die Urfachen und Wirfungen des Untergangs des Pythagoreiſchen Bundes kann man nicht anders ſchließen, als — ne 2 on ®) VIII, 304. 5. Bd, Reisk, Gefhichte der Pythagoreiſchen Gefellfchaft. 479 - als daß dieſer eine mächtige Verbrüderung von großen Staatsmännern war, die ihre Vaterſtaͤdte eine Zeitlang glücklich) machten, mit deren Tode oder Verjagung aber die wahre Freyheit und Macht eines großen Theils von Großgriechenland unmwiederbringlid) verlohren gingen *), Pur erft alsdann, wenn man erfant hat, daß die Pythagoreer am Ruder vieler mächtigen Städte faßen, und daß vom Munde des Pythagoras in Kroton Ent» mürfe und Rathſchlaͤge, wie Götterfprüche, über ganz Großgriechenland ausgingen, nur alsdann erft Fann man es fich recht erflären, warum die Pythagoreer eine fo un gewöhnliche Froͤmmigkeit, einen fo hervorftechenden Ei. fer fuͤr den reinften Dienft der Götter, und eine fo große Erfahrenbeit in allen Theilen der Bolfsreligion, und ſelbſt in ſolchen Künften affectirten, die fonft nur von Gauklern und Prieftern getrieben wurden, Alle diefe Dinge fcheis nen, wie ihre Geheimniffe und Eymbola, lauter Raͤth— fel oder Ungereimtheiten, fo lange man den wahren Zweck der Geſellſchaft verfehlte. — Pythagoras hatte es am meiften in Aegypten bemerft, daß Arzneyfunde, fo unbedeutend fie auch war, ferner ein reines heiliges $eben, die angebliche Gabe zu weißagen, und den Willen der Götter aus willführlichen Zeichen zu erfahren, befonders aber der vertraute Umgang mit Göttern gleichfam die Säulen des Anfehens, und der faft gränzenlofen weltlis chen Macht der Priefter diefes Jandes waren. Ihrem Benfpiele alfo zu Folge, fuchte er feinen Orden nichenur auf Tugend und Wohlthaͤtigkeit zu gründen, fondern ihn auch *) Siehe die Beylage am Ende dieſes Kapitels. 480 Drittes Bud. auch durch alles, was die Arzneykunde und Keilgion hei⸗ liges und ehrwürdiges hatten, dem Aberglauben und den Vorurtheilen des. großen Haufens zu empfehlen. Die erftere wird, wie die Gefchichte, nicht nur der Griechen, fondern auch aller übrigen Voͤlker lehrt, nie für eine göttlichere Kunſt, und Diejenigen, die fie befigen, nie für göftlichere Männer gehalten, als fo lange fie noch mit der Religion und Zauberfunft, als ein Theil derfelbigen von Prieſtern oder Jongleurs verbunden wird, und hoͤch— ftens in einerdürftigen Sammlung einzelner Erfahrungen oder Beobachtungen über die Heilfrafte einfacher Mittel befteht. In dieſem Zuftande befand ſich die Heilfunde der Griechen, als Pythagoras nad) Italien Fam, Sie war noc) Feine Wiffenfchaft, fondern, wie man glaubte, ein Geheimniß der Götter und ihrer Diener, Es gab noch Feine andere Aerzte als Priefter oder heilige Gaukler, ‚dergleichen Ariftäus und Epimenides waren. Go wie an Kranfheiten und Seuchen für Schickungen der —* hielt; ſo glaubte man, daß ſie auch nur durch den Rath der Goͤtter, oder durch Luſtrationen und Entſuͤndigun⸗ gen goͤttlicher Männer vertrieben werden koͤnnten. Py—⸗ thagoras handelte Daher fehr weiſe und zweckmaͤßig, wenn er feine Kenntniſſe in der Heilung von Krankheiten ſowol als Wunden *), die er fi) auf feinen Reifen, und durd) eigene Verſuche erworben harte, und die gewiß die Kenntniſſe aller Griechifchen Priefter übertrafen, auszu— üben anfing, und Die Arzneykunſt zu einer Dienerinn und Gehüffinn der Staatskunſt und der Gefezgebenden Weisheit machte, Wahrſcheinlich erhielten durch ihn Bea | bie *) oo VII 13. Diog, ap, Jambl, 63. et Porph, 53 Gefchichte der Pythagoreiſchen Geſellſchaft. 48ı die Aerzte von Kroton einen fo großen Ruf, daß fie für Die erften in ganz Griechenland gehalten wurden; und allem Vermuthen nad) war der Krotoniate Demofedes, der den König der Perfer heilte, entweder vom Pytha⸗ goras, oder einem feiner Schüler gebildet worden *), Gewiß aber waren, wenn man dem XApollonius bey: ſtimmt **); die glücklichen Euren der Pythagoreer, mo» durd) fie einer Menge von Perfonen Geſundheit und Leben wieder gegeben hatten, eine Haupturſache ihrer Zurüc. berufung. Pythagoras und feine Freunde verbanden aber mit den Heilmitteln, die fie Kranken gaben, noch die Zau⸗ berkraft der Muſik und geheimnißvoller Beſchwoͤrungen, obne welche alle Wöifer vor der Wervollfommnung der Medicin glaubten, daß Arzneyen nicht. wirffam feyn Eönnten. Beyde waren im Zeitalter des Pyrhagoras eben fo nothwendig, einem Kranfen Zuverſicht zu fei- nem Arzte einzuflößen, als es izo nur die unſchul— digften Kuͤnſte großer Aerzte ſeyn fönnen, Wenn die legten nicht mehr muficiren oder beſchwoͤren, fo rührt dies bloß daher, weil ihre Kranke andere Vorurtheile, als die ältern Griechen haben. neben der Abſicht, in welcher Pythagoras feine Freunde mit dem Zaubermantel des Arztes und Beſchwoͤ— vers befleidere, umgab er fie auch mit der Heiligkeit, und den Kuͤnſten von Prieftern und Götterdienern, Die Pythagoreer wickelten fich daher nicht in üppige, aber in reine, [rn — — *) III. 129. 131. Herod, *) 3635, Jambl. 2 482 Drittes Buch. reine, und goftgefällige Gewaͤnder ein *); fie enthielten fih) von allen Speifen, die den Einzuweihenden verboten waren: fie lehrten und wohnten foft in Tempeln und Bei ligen Häinen, und naheren ſich haufig in Andacht und Anbetung den Bildniſſen und Altaͤren der Goͤtter, weil man einer Betrachtung des Pythagoras zu folge ihre feierlichen Size nie in guter Abſicht befuchen Fünne, ohne fie beffer zu verlaffen, als man fie betreten habe **). Sie unterredeten ſich beftändig über Die Verehrung der Götter, und fangen alle Tage Keder zu ihrem Lobe ab ***). Sie nahmen Fein Abendmahl ein, vor und nad) welchem fie nicht zu Ehren der Goͤtter Wein ausgegoffen, oder Weihrauch gebrannt hätten. Zwar brachten fie feltener blutige, und auch niche fo koſtbare Opfer, als die übri- gen Griechen +) dar; allein weit entferne, daß diefes der guten Meynung von ihrer Heiligfeit geſchadet hätte, bes ftärfte fie diefelbe vielmehr. Auch die gemeinen Sriechen wuften, Daß die heiligſten Altaͤre ihrer Götter unblutig waren, und daß Neinigfeit, oder ſeltne Beflecfung der Hände mit dem Blute oder durch die Ermürgung von Thieren ein Theil eines erhabenern Goͤtterdienſtes fer. Durch *) 555. Exc, Diog. et Ariſt. 1. c, **) Plut, VII. 627. Ed. Reisk, **®) Ariftox, 98. 149. +) Diog. ap. Porph. $, 36. @vav re Jeus averaxYus 9, aADıras TE a1 momavo na Aravorw rcı nveen es Yess efıraonopevos, zuuxos de NKISO. RANy EI AN TOoTE SBAERTOLICH Kai TV Xorav Foss araNwraros. Diogenes nahm diefe Nachricht hoͤchſt wahrfcheinli aus dem Ariflorenus. Man fehe auch den Diogenes von Laerte VIII. 20, Gefchichte ber Pythagoreiſchen Gefellichaft. 483 Durch diefe Sparfamfeit in der Opferung von Thieren gewann Pythagoras noch zwey andere große Vortheile: er beugte erftlicy der Schwelgerey vor, die faft immer mit reihen Schlachtopfern verbunden war, und lehrte ‚überdem die Griechen durch fein und feiner Schüler Beyſpiel, daß nicht Pracht und Koftbarfeie der Opfer, fondern Reinigkeit des Herzens und der Hände des Opfern» den die Gnade der Götter verfchaffe *). — Die Pytha⸗ goreer rühmten fid) der genaueften Vertraulichkeit mie göttlichen Naturen, und munderten fih, menn jemand fagte, Daß er nod) niemals einen Damon in ſichtbarer Geſtalt angefihauer habe **). Sie hatten (oder gaben es mwenigftens vor) Erfcheinungen abgefhiedener Sees len **), und fonnten eg an gewiſſen Zeichen erfennen, ob die Schatten, die in Träumen vor ihrer Einbildungs- fkraft vorüber fehmebten, Seelen von lebenden oder ver- ftorbenen Menfchen feyen. Um die Gräber ihrer Brü- der war ein gewiffes Heilige verbreitet, woran fie es merften, ob ihnen alle gebührende Ehre wäre erzeigt worden, ober nicht? ie riefen die Geifter abgefchie- bener Freunde aus ihren dunfein Wohnungen hervor, und hörten Stimmen derfelben aus ihren Ruheſtaͤtten erfchafs len }). Als Freunde der Götter endlich wagten fie es, Hh 2 den - *) Diod. 555. p. %#) Apul, 300. p. At enim Pytbagoricos mirari oppido folitos, fi quis fe denegaret unquam vidifle Daemo- nem, ut reor, idoneus audtor eft Ariftoteles, ®e*) Plut. Op. T. VIil. de Gen. Soc. 305. +) Ich bin zwar izo überzeugt, woran ich fonft zmeifelte, daß die Abhandlung über den Genius des Sofrates vom ben Willen derfelbigen, und die Zukunft aus allen Arten von Zeichen zu enträthfein, die unter den Griechen nur bedeutend waren. Cie weißagten daher aus dem Fluge und Gefchren der Vögel, aus Träumen, Stimmen und endlich aus glücklichen oder unglücklichen Worbedeus fungen *). Ich unterftehe mich nicht zu entſcheiden, wieviel von diefer in die Yugen fallenden Gottesfurcht und Froͤm⸗ migfeit der Pythagoreer wirklicher Ernft, und wie viel nur nüzliche, höhere Abfichten befördernde Verftellung war. Wenn man bedvenft, daß Sofrates, und faft alle übrige Griechifche Weltweifen an Eingebungen, Er⸗ cheinungen und Warnungen von Göttern, an Vorbedeu⸗ tungen und Vorher ſagungen der Zukunft, endlich an Träus me und Wunder glaubten; fo kann man freylich niche lanafam und vorfichfig gerug den Ausfpruch thun, daß Meynungen und Handlungen großer Männer des Gries ifchen Alterthums, die ung grober Aberglauben zu feyn, oder dergleichen zu verrathen fcheinen, nicht im Ernfte von ihnen angenommen und ausgeüb£ feyn Fönnen, Ueberlegt man aber auf der andern Seite, daß die Religion des Pythagoras, wie alle feine übrige Gefeze | und Einrichtungen, auf dag vollfommenfte dahin zufam- menftimmten, ihn und feine Schüler zu ehrwuͤrdigen Fuͤh⸗ rern > vom Plutarch felbft fey, allein ich bin ungewiß, ob man das, was er den Theanor fagen und thun läßt, den älteften Pythagoreern zufchreiben Fonne, und ob nicht Plutarch vielleicht den Aberglauben der Pythagoreer feiner Zeit auf die Freunde des Pythagoras übergetra> gen habe. *) Arift. ap, Jambl, 149, Diog. VII, 20. 24, Jambl, 139 148: Gefchichte der Pythagoreiſchen Gefellfchaft. 485 rern und Regierern von Völkern und Staaten zu machen; fo fann man ſich nicht des Gedankens erwehren, daß Pys thagoras weniger aberglaͤubiſch, als glücklicher Verſteller war ®), In fpätern Zeiten, da man im Pythagoras nicht mehr das Haupt einer erlauchten Gefellfchaft von Staatss männern, Heerführern und Gefezgebern fah, fondern ihn als einen Wunderthäter und Götterfreund, als einen MWeißager und Beſchwoͤrer verehrte, und alles das, und noch weit mehr im Ernft that und glaubte, mas er und feine Sreunde nur zum Scheine angenommen und geglaubt baten, in fpätern Zeiten alfo gab man vor, daß Pytha⸗ goras feine Wiffenfchaft örtlicher Dinge nicht nur von den Prisftern vieler Völker, fogar von Gallifchen und Spanifchen Druiden, von benen er vielleicht nie etwas gehört hatte, und nicht bloß aus Geheimniffen, in die er 253 nie⸗ — *) Eufebius e. XI, in Hieron, 438. 439. läugnet ſchlechter⸗ dings, daß Pythagoras jemals, wie Apollonius, vors gegeben habe, mit Göttern oder Dämonen umzugehen: und zwar aus dem Grunde, weil es weder dem Archy⸗ tas, noch Philolaus, noch Plato eingefallen fey, auf einen folhen Vorzug Anfpruch zu machen. Allein die fem Räfonnement des Eufebius fieht das ausdrückliche vorher angeführte Zeugniß des Ariftoteles entgegen, das auch durch die vom erftern angeführten Benfpiele gar nicht gefchwächt wird. Denn wenn Plato, Archy: tas und Philolaus fih weder übermenfchlicher Verbin dungen, noch übernatürliher Gaben rühmten; fo bes weift dies nur, daß fie ſolche Anſpruͤche nicht brauchten, oder daß diefe auch in ihrem Zeitalter eine Wirkung mehr gethan haben würden; nicht aber daß die Älteften Pythagoreer dergleichen nicht mit vielem Gluͤcke gemacht haben follten. 486 Drittes Buch: niemals eingeweihet worden war *), ſondern vorzüglich aus den Irphifchen Gedichten und Mpfterien empfangen Habe *r). Es gab eine Schrift, unter dem Titel das Heilige Wort **), in welchem Pythagoras alles diefes felbft eingeftand, und zugleid dem Orpheus den Gedan- Een zuſchrieb, daß das ewige Wefen der Zahl die weiſeſte Urſache des Himmels, der Erde, und aller in ihnen ent⸗ Baltenen Dinge ſey. ya man eigenete ihm eine Menge von Kegeln und Gebräuchen zu, die man vielleicht vor⸗ mals in den Orphifchen Mpfterien gegeben und beobad)- tet hatte, und welche die fpätern Pythagoreer als die Haupf- artifel ihres Glaubens, und eines heiligen Bott gefällis gen Wandels anfahen. Zu diefen rechne ich }) die Beftimmung der Opfertage verfchiedener Götter, nach den Aehnlichkeiten, die fie mit gewiffen Zahlen gemein Hatten: ferner die lächerlichen Vorfchriften, daß, wenn man im Tempel unvorfezlich mit Blut befleckt werde, man ſich mit Gold oder im Meere reinigen müffe: daßes nicht erlaubt fey, in einem Gotteshaufe zu gebähren, oder. die unfterbliche Seele an den fterblichen $eib zu feffeln: daß man in Tempeln Fein Ungeziefer töbten: hingegen, menn es donnere, die Erde mit der Hand berühren, end» lich in Heilige Derter von der rechten Seite hinein gehen müffe. — Man befchimpft das Andenfen des Pythago⸗— rag, wenn man nur einen Augenblick glaubt, daß der große Gefezgeber Italiens und Giciliens in ſolche aber- glaͤubiſche Raſereyen haͤtte fallen koͤnnen; er, der ſich ſo weit m nn ®) 151.56. ap. Jambl, =) 1b. & 5. 145.146, #8) S, 146. 9 5. 152. u. f. Gefihichte der Pothagoreifchen Gefellfchaft. 487 peit über den allgemeinen Aberglauben der Griechen er- bob, daß er fagte: eine Frau, die ihrem Manne bey: gewohnt habe, koͤnne fogleich, und ohne Furcht von Uns vinigfeit aus ihrem Ehebette in den Tempel gehen: bins gegen fey und bleibe fie unrein, wenn fie in den Armen enes Ehebrechers gerubt habe, und nachher auch durd) ale gottesdienftliche Wafhungen und Reinigungen die Befleckung Ihres Leibes zu tilgen ſuche *). | Ich komme izo zu den Geheimniffen und Symbo⸗ fen der Pythagoreer, die, wenn fie fo befchaffen gewe— fen wären, als die neuern Verehrer des Pythagoras fie vorftelfen, ihn in den Augen aller vernünftigen Menfchen eben fo laͤcherlich und verächtlich machen würden, als unverfiändige Männer ihn defmegen fobgepriefen haben. Die Pythagoreer und Pfatonifer nach Chrifti Gebure glaubfen und fagten allgemein, daß Pythagoras ale feine Sehren und Meynungen deßwegen in Myfterien verwan« delt, und feinen Schülern erft nach langwierigen Prüs fungen, und einem fünfjährigen Stillſchweigen, unter der Bedingung einer ewigen Verſchloſſenheit mitgetheilt babe, meil er es für ein eben fo großes Werbredyen gehalten, feine Offenbahrungen einer nicht genug vorbes reiteten gereinigten Bruſt anzuvertrauen, als die heiligen Mofterien der Ceres zu Eleufis zu entweihen und auszu— breiten **). Man gab ferner vor, daß Pythagoras feine erhabene Weisheit in unverftändliche kurze Sprüche, der— 54 - gleichen %) Dicaearch, S. 55. ap, Porphyr, **) Siehe Nieom, 254. Jambl, und den erdichteten Brief des Lyſis an den Hipparchus S. 75, ap, eund, ferner ib, 104. 161. 62. Protrept, c, 21. p. 131, & Gyrald, de fymbolis Pythag. — — — — 488 Drittes Bud, gleichen die übriggebliebenen Symbola feyen, eingefchloffen babe, um in feinen Anhängern, mährend der Prüfung: zeit, ein fehnfuchtsvoiles Verlangen nach ihrer Enträth» felung zu erwecken. Endlicy nannte man bald den Ep» charmus, baldden Empedofles , bald den Hippardyus*), bald den Hippafus **), bald den Philolaus ***), urd bald dejjen Erben, alsden, oder diejenigen „mwodurd) de bis dahin mit einem undurchdringlichen Schleier umjo» genen Pythagoreiſchen Geheimniſſe befannt gemacht worden. Von den erſtern ſagt man, daß fie der Ente weihung der Pythagoreiſchen Geheimniffe wegen, aus dem Sande ausgeftoßen worden, und vom Hippafus wird gar erzählt, daß er zur Strafe für feine Untreue elendigs lich im Meere umgefommen ſey. Wenn man diefe gemeine Vorftellung der Geheims niffe und Symbolen des Pythagoras annimmt, fo bes hauptet man etwas, mas nicht nur gar Fein einziges zu⸗ verläffiges Factum für fid) hat, fondern was aud) wider alle Geſchichte, und ich feze hinzu, was nicht einmal ges denfbar it. — Kein alter glaubwürdiger Schriftfteller bat je gefagt, daß Pythagoras Mennungen verſteckt zu halten gefucht habe. Dikaͤarch und aridere bezeugen - vielmehr, daß er häufig zu allen Ständen und Geſchlech⸗ tern in Kroton über ihre gegenfeitige Pflichten redete, Ferner meldet ein gemiffer Prtbagoreer Lykus beym Por- phyr +), daß feine geometriſchen und aftronomifchen Er⸗ findun« mem DE Worum ver ®) locn ımodo «itato, **) Jambl. 89. | »”*) VIIL 15. 27 \ Geſchichte der Pythagoreiſchen Geſellſchaft. 489 findungen bekannt geworden, weil ſie in vielen Schriften aufgezeichnet geweſen. Auch Apoflonius erzählt, daß Pythagoras feine matbematifhe Wiſſenſchoſt in Samos gemeinnüzig habe machen wollen, daß er aber nur eitten einzigen Lebhaber gefunden habe, dem er nod) dazu die Geduld ihn anzuhören, durch Geld abFaufen müffen *), Endlich ift.eg eine allgemeine Sage, daß er den Mufen ein öffentliches Danfopfer gebracht habe, als er feinen berühmten Lehrſaz entdeckt harte. Wenn wir aber aud) alles diefes nicht wuͤſten; fo müfte es doch einem jeden unglaublidy vorfommen, daß ein Mann, mie Pythago— ras, der flets nach Grundfäzen handelte, entweder ohne alle Bewegungsgründe, ‘oder aus folchen, aus welchen es nur die elendejten Marfefchrener zu fenn pflegen, geheim⸗ nißvoll war, und daß er unter dem Vorwande der Hei⸗ ligkeit feiner ehren, wirklich aber in der Abfiche, fich felbft ein defto größeres Anfehen zu geben, und feinen Schülern eine defto lebhaftere Sehnfucht nach den zurück gehaltenen Renntniffen einzuflößen , ſich unterftanden habe, die erften und angefehenften Männer, in einer der reich. ften Städte Italiens, drey oder fünf Jahre fang mit der Auswendiglernung vorſezlich verfinfterter Raͤthſel zuquäfen, um durch deren Ausfchließung ihre erfchöpfte Geduld zubelohnen. Ich läugnenicht, daß Pythagoras mit gewiffen KRenntniffen, deren Befiz und Ausübung Ruhm und Vortheile verfchafte (und ſolche waren zum Beyſpiel feine medicinifchen) gegen Perfonen, mit denen er nicht genau verbunden war, zurücgehalten, und zwar in der Abſicht zurückgehalten habe, um diejenigen, die 25 fie — STE ®) S, 20, 21, ap, Jambl, 490 Drittes Bud). fie erwerben wollten , zu nöthigen in feinen Orden zu tre- ten; allein wenn man diefes auch zugiebt, was nicht ein- mal durch gültige Zeugniffe bewiefen werden kann, fo bleibt es doc) immer unerflärlih, warum er alle feine übrigen Kenntniſſe auch geheim gehalten, warum er feine Pünftigen Schuͤler fo lange, und nicht bloß ihre Fähigkeit, fondern auch ihre Gemüthsart geprüft, warum er in ih⸗ rer Wahl fo fehr auf Verfchwiegenheit gebrungen, und Maͤnner von reifem Verſtande, und meiftens in hohen Würden Jahre lang mie dunfeln Sprüchen gemartert habe? Porhagoras hatte gar nicht nöthig, aus der Ur— fache geheimnißvoll zu feyn, aus welcher die Brahminen, und andere Priefter morgenländifcher Völker ihre heiligen Schriften fo forgfältig verbergen: weil nämlich die Mey— nungen, die er vorfrug, mit der oͤffentlichen Religion fireitend waren, und ihm, wenn er fie unvorfichtig en- weder einem falfchen oder leichtfinnigen Freunde mirge- heile hätte, Verfolgung haͤtte zuziehen Fönnen. Seine ganze Schre ſtimmte mit den Hauptbegriffen des Griechi» ſchen Glaubens überein; würde aber auch, wenn fie die- fen ſchnurſtracks widerſprochen hätte, ihn doch nicht zur Zurückhaltung bewogen haben, meil zu feiner Zeit der Unterſchied unfer rechtglaͤubigen und unrechtglaͤubigen Meynungen in Griechenland noch nicht bekannt, und das Verbrechen des Unglaubens, das nachher dem Sokrates und andern Weltweiſen Tod oder Verweiſung zuzog, noch unerhoͤrt war, Er würde daher, gleich dem Tenophanes und deffen Nachfolgern, neue der Volksreligion enfgegen- stehende Behauptungen öffentlich haben vortragen, und die alten göttlichen Dichter, oder den herrfchenden Aber: glauben lächerlich machen Fönnen, ohne deßwegen im ger ringften Gefchichte der Pythagoreiſchen Gefellfchaft. 491 tingften angefochten zu werden. Auch Fann man nicht fagen, daß Pythagoras aus dem Grunde fo verfchloffen war, aus welchem es die Jongleurs und Priefter unter den berühmteften alten, und unter allen noch fortdauren« ben barbarifchen Völkern waren, und find, weil fein ganzes Anfehen fich auf gemwiffe heilige Künfte und Tas fchenfpielereyen gründete, die auf einmal ihre Wirkung verlohren hätten, wenn ihre wahre Befchaffenheit allge mein befannt geworben wäre. Dies war der Fall beym Pythagoras nicht; allein wenn er es auch zum Theil ges wefen wäre, fo würde man alsdenn doch dieſes zugeben müffen, daß er Diejenigen wiffenfchaftlichen Unterfuchune gen, von denen man vorzüglich glaube, daß er fie feinen Juͤngern lange vorenthalten habe, nicht zu verſtecken gebraucht hatte. ; Man fällt alfo unvermeidlich in die gröbften Une gereimtbeiten, oder auch in Widerfprüche, fo lange man in der Meynung beharrt: daß die Geheimniffe der Py⸗ thagoreer bloße Meynungen und $ehren, und ihre Sym⸗ bola gleichfam deren undurchfichtige Hülfen waren, Gleichwohl ift es unläugbar, daß Pythagoras gemiffe Geheimniſſe hatte: daß er Fein Talent und Feine Tugend von feinen Freunden fo fehr forderte, als Werfchwiegen« heit *); daß die Pythagoreer ferner ſehr geheimnißvoll waren, — — —— — — — — — —— Neoror uev 81 ev Tw Auußavev ray dereıgar ECHomei, 8 duvayras EXeMUSEew (TBTw Yyae du Ko EXENTO TW oVouTı) nk KUSEwOE, £ Hoty- Javovres, @CE wu arsrwmav, 0304 TE EICH 0IW- Tav uoı die QuAarrev, ETOEBTO TE AEG — TE IT, VrEO TE Audew. 492 Drittes Bud, waren, und es als einen Grundfaz ihrer Schule beobadh- teten, daß man nicht allen alles fagen müffe; daß endlich ihr Stillſchweigen die Haupturſache war, warum man in den folgenden Zeitaltern nicht mehr wufte, mas Pytha⸗ goras feinen Freunden mitzuthellen pflegte *). Da nun Vernunft und Gefchichte dawider zeugen, daß die Ge⸗ beimniffe des Pythagoras in bloßen Lehren beftanden ha⸗ ben, und daß er nur, um diefe Uneingemeihten zu ent» ziehen, fo fehr auf Verſchwiegenheit gedrungen, und feine Schüler fo lange geprüft habe, fo bleibt Feine andre als diefe Vermuthung übrig, daß die Myfterien der Pytha⸗ goreer vorzüglich Staatsgeheimniffe waren, die nicht ohne die gröften Nachtheile und Gefahren des ganzen Bundes hätten befannt gemacht werden Fönnen. Die Prager reer machten, wie ich aus den glaubwürdigften Gefchiche- fchreibern gezeigt habe, einen mächtigen politifchen Orden aus, deffen Hauptſtamm zwar in Kroton gegründet war, beffen Zweige aber ſich über die blühendften Städte Ita⸗ liens und Siciliens, ja gar bis ins eigentliche Griechen⸗ fand, und über die Griechiſchen Inſeln ausbreiteten. Diefe verfhiedenen Pythagoreiſchen Gefellfchaften waren alle unter einander verbunden, und haften in einem jeden Staate die mwidhtigften öffentlichen Gefchäfte in ihren Händen, oder wenigftens die Abſicht fich allmälid) Meis N fter — —— — — — — *) Ariftox. ap. Diog. VIII. 15. eAeyov Fe ni cr AA Iludayoeso, pn ewoi Toos mavras mavra enrœ, @s Dyaıv Aeısofevos Ev denern Tasdev- Tır@y vonwy. Dicaearch. ap, Porph. 8,19, A rev 8v EAeye Tois auvacw ade dis eye Deaxoaı Beßoı- 5, nt Yap EI NTUXETE 19 ae AUTO TIwrrn. Geſchichte der Pythagoreiſchen Geſellſchaft. 493 ſter davon zu machen. Es konnte alſo nicht fehlen, daß nicht im geheimen und hoͤchſten Rathe zu Kroton taͤg⸗ lich wichtige Nachrichten eingelaufen, geheime Einwuͤrfe gemacht, und in Ueberlegung genommen, geheime Bes tatbfchlagungen über die Befiegung und Unterdruͤckung von Feinden und Schwierigkeiten, über die Annehmlich⸗ feit von neuen Freunden, über die Gebung neuer. Öefeze, und andere den ganzen Bund angehende Dinge angeftelle worden wären. Alle diefe Nachrichten, Entwürfe und Berathſchlagungen nun, die ſich fo fehr anhäuften, daß fie nach) dem eben angeführten Zeugniffe des Ariftorenus, den Pythagoreern den größten Theil des Tages wegnah⸗ men, muften nothwendig geheim gehalten werden, wenn nicht Pythagoras ſich und feine Freunde den Widerfachern Preis geben, die größten Plane fcheitern, und alle ‘Be: rathfchlagungen fruchtlos machen wollte. Er durfte fie daher auch nur feinen alten geprüften Vertrauten mitthei⸗ len, auf deren Treue und Ergebenheit er fich verlaffen fonnte, und es war alfo nicht nur weiſe, fondern aud) unumgänglich nothwendig, daß er lauge vorfichtig forfchte, bis er jemanden in die auserwählte Zahl feiner Freunde, und zu allen den Geheimnifjen zuließ, von denen das Wohl und die Sicherheit des ganzen Bundes abhing. Auf diefe Art laffen fih die Geheimniffe des Pythagoras, die Mothwendigfeit der Eintheilung feiner Freunde in zwo Claffen, die Verſchwiegenheit der einen, und die Prüfungen der andern, ohne Charlafanerie, die des Py⸗ thagoras unwuͤrdig ift, aus eben der großen Menfchen- Fenntniß und Klugheit, die aus der ganzen übrigen Ein» richtung feiner — hervorleuchtet, begreiflich machen. Die 494 Drittes Buch. Die Symbola des Pythagoras waren, wenn man fie recht verſteht, eben ſo unentbehrlich, als ſeine Geheim- niſſe, oder doch eben ſo heiſſam, als irgend eine andre Sazung feines Ordens, Sie beſtanden nicht in dunkeln, verdrehten, ihres Sinnes ſowohl als ihrer Gründe bes raubten Eprüden; “auch war ihre Abſicht nicht, junge - Freunde zu martern, oder der Saffungsfähigfeit der Altern zu Hülfe zu Eommen *), fondern fie waren entweder furze bündige den ratis fententiis des Epifur, oder den praeceptis der Gtoifer ähnliche Sprüche **), melde die Pflichten des Menfchen, und der Theilnehmer des Bundes, in alter oder eigenthümlicher Dichterfprache aus- drückten: oder fie waren auch eine geheime Sprache und Schrift, vermöge deren die Pythagoreer fid) gegenwärtig oder abmefend ihre Gedanfen mittheilen Fonnten, obne in Gefahr zu fommen, von andern verftanden zu werden; oder fie beftanden endlich) in gewiffen geheimen andern uns bemerfbaren Zeichen, woran fie fic) gegenfeitig erfennen, und ihre Eingeweihtheit offenbaren Fonnten. Daß *) 8. 88. ap. Jambl. *r) Die Epikurer lernten die Kugas does ihres Meifters auswendig. Quis enim veftrum Cheißt es beym Cicero de Fin, Il. 6.) non edidicit } picuri yupas dokas, id eft, quafi maxime ratas® quia graviflimae funt ad beate vivendum breviter enunciatae fententiae, Auch die Stoifer unterichieden doymuaro, deereta, feita, placita von praeceptis (Sen. Ep, 94. & 95. Dic, Ac, Quaeft. IV. 9.) und von diefen fagt Seneca: Non enim repofita illa effe debet, fed in promptu. Quaecun- que falutaria funt, faepe agitari debent, faepe ver- fari: ut non tantum nota fint nobis, fed etiem parata. Gefchichte der Pythagoreiſchen Geſellſchaft. 495 Daß Pythagoras die wichrigften Lebensregeln, die er von feinen Freunden beobachtet wiffen wollte, in Furs zen Sprüchen, die fi) leicht behalten und wiederholen liegen, zufammengefaße babe, iſt nicht nur wahrfihein« lid), fondern wird auch Durch das Zeugniß des Ariſtoxe— nus bewährt *). Diefe Sprüche waren nicht in belle bilderlofe Profe eingeffeidet (denn .eine folche gab es damals nod) nicht) fordern fie waren in damals gewoͤhn⸗ liche und verftändliche dichterifche Bilder und Altegorien gehuͤllt, an denen die Einbildungskraft des Pythagoras ſehr fruchtbar war **). Dieſe Sprüche wurden wahr— ſcheinlich nicht im Zeitalter des Pythagoras, ſondern erſt in ſpaͤtern Zeiten ihrer Einkleidung wegen Symbola ges nannt. Für dergleichen halte ich diejenigen, die beym Porphyr im zwey und vierzigften Abſchnitt flehen, und die meinem jezigen Urtheile nach entweder aus dem Ari— ftoteles oder Kriftorenus genommen find, fernerdie erften beym Jamblich ***) und die beym Diogenes +). Diefe Symbola find nicht alle gleich dichterifch ausgedrückt, und fo viel man davon verftehen kann, Gemeinpläze, die dazu beftimmet waren, alle Pythagoreer an ihre Dfichren zu erinnern) nicht aber um den geprüften Schülern bey ih⸗ rer Einweihung aufgefchloffen zu werden +4). Fuͤr die i ichs *) S, 100 ap, Jambl, *e) Artftot. ap. Porph, 41. °*#) in protreptico, +) VIIL 17. ++) Im diefer Bedeutung habe ich ihr Alterthum fonft ge: (äugnet, und läugne es noch ige. Siehe Hiſt. do- ärinae de vero Deo. p. 290. Kichtigkeit aller Auslegungen diefer erften Art von Py- thagoreifchen Symbolen, Die man in den Schriftſtellern nad) Ehrifti Geburt findet, möchte ich nicht einfteben: (fogar eih neuerer Schrififteller war überzeugt, daß diefe Auslegungen meiter nichts, als fehr unfichere Vermu— thungen wären *) : allein wenn ich Doc) Deutungen der- felben annchmen follte, fo würde ich viel eher die ganz ungefünftelten beym Porphyr **), mwodurd) fie in ſchlichte Tugendlehren verwandelt worden, als Die gezwungenen und oft ungereimten Auslegungen des Plutarch und des Schriftſtellers beym Jamblich waͤhlen***), nad) weldyen fie ſich alle auf Gott und göttliche Dinge beziehen, und den Pprhanoreern ein beftändiges Himmel Anfireben be- fohlen haben follen. Die faijchen Verehrer des Pytha⸗ goras erdichteten nicht nur myſtiſche Auslegungen von Eymbolen 1), fondern auch Symbola ſelbſt, die durd) ihre Albernheit, durch den lächerlidyen darinn enthaltenen Aber: — — — h — — —— — —e——— nn m — —ü nn *) Ap. Jambl, S. 86. #*) 5,42 #**) 5, 92, vit, Pyth. ©. 134. und f. in Protrept, +) Von diefen ſeltſamen Auslegungen will ich nur einige Beyſpiele anführen: das Symbolum: MeAavses Amexs. KIwvıov yao esı ©ewv deutet der Schrift: ftellev beym Jamblich p. 139. Protrept. auf folgende Art: Men mufle den Einfiüffen der Geſtirne widerfte; ben, fich von aller Gemeinihaft mit der Materie log: zumachen, und fih mit den unkdrperlichen Göttern zu vers Binden fachen. — Das Symbolum duxrursov un Dees ſo: philofophire aufrichtig, und fe die Bande ab, mit denen du gefeſſelt biſt p. 151. Endlich) das yaedıav zn Tewye auf folgende Art: zerreiße und ‚zerftore die Verbindung und die Zuſammenſtimmung des Ganzen nicht. ’ Gefchichte der Pythagoreiſchen Geſellſchaft. 497 Aberglauben, und durch den Widerſpruch, worinn ſie mit den ſicherſten Factis der Pythagoreiſchen Geſchichte ſtehen, unverkenbar ſind *). Eigentliche Symbola aber, welche die Pythago— reer ſelbſt ſo nannten, waren ihre geheime Sprache und Schrift, und die Kennzeichen des Ordens. Die beyden erſtern brauchten ſie gleich allen großen Staatsmaͤnnern der alten und neuern Zeit, und ihre Einfuͤhrung wird durch die Zeugniſſe mehrerer Schriftſteller bewieſen. — Ih⸗ rer Verſchwiegenheit wegen, heißt es bey einem alten Schriftſteller, *) wurden ihre Geheimniſſe nicht bekannt: und wenn fie mit Fremden und Uneingeweihten in Geſell⸗ fehaft waren, fo deuteten fie fi ihre Meynungen durch räthfelhafte Symbola an. — Die Pythagoreer, fagt Arie ftorenus***), übten Sreundfchaft gegen einen jeden aus, von * Dergleichen ſind folgende. Symb. XL p. 132. Eıs uer urodnaw vov dekiov mode magexe. Eıs g Modovimreov Foy zumvumoy. Ferner XV. Ileos NAsov rergappevos un sgsı. Symb. XVII. AAsk- Teuova TeEDe uev, mn Suede. nn Yag nos AAw vadıeewros. Syınb, XXI. AuzruAsov an Doess und das folgende, das diefem offenbar widerſpricht: Oes Trurov un ers yAuße daxruAım. XXIV IIlxox Auxvov un amomeıfe. XXV. Ilse Iewv undey Iauuasav amıseı, ande megı Yzımv doyuarav. XXVII. Ilxex Qucsıav un ovuxsde. XXXU, Azo KALUETRV CRmy HL ATOVONITHATwV KATATTUE. XXXVIIL. Kuzyoy uzexs. XXXIX. Eupuxar AREXE. ®) S, 227. ap. Jambl. ss®) 5, 237, ap, Jambl, aus ihm Diog, VIII, 16, St 498 Drittes Bud. von dem fie nur hörten oder wahrnahmen, baß er ein Theilnehmer ihrer Geheimniffe ſey. Er bemeift dieſes durch die Gefhichte eines armen Pythagoreers, der uns ter Weges Franf wurde, und kurz vor feinem Tode feinem gutherzigen Wirthe, der ihn ohne alle Hofnung von Vers geltung forgfältig gewartet hatte, ein Taͤfelchen gab, das er ihm öffentlich an einem den Vorüberreifenden fichts baren Ort feftzubeften befahl. Auf dies Täfelchen war nach dem Ariftorenus ein Symbolum gefchrieben, das bald bemerft wurde, und dem edlen Verpfleger des ver ftorbenen Pythagoreers eine reichliche Belohnung ver» fchaftee Aus diefer Erzählung fieht man, daß dies Symbolum entweder eine nur Pythagoreern verftändliche Folge von Wörtern, oder auch ein ihnen eigenthümliches Symboliſches Schriftzeichen gewefen ſeyn muͤſſe. Vielleicht waren die Woͤrter der geheimen Sprache und die Hieroglyphen der geheimen Schrift, wodurch ſie ſich gegenwaͤrtig oder abweſend unterredeten, einerley mit den Zeichen, an welchen fie ſich einander erkannten, viel—⸗ (eicht aber auch, (denn wer mag dieſes beftimmen ?) davon unterfchieden. Als eins von den Zeichen oder Symbolen, woran ein Pythagoreer den andern erkannt hätte, nenne Lucian das dreyfache in fich felbft verfehlungene Dreyeck, aus welchem fünf andere Dreyecke und ein Pentagon ent— ftänden *). Wahrſcheinlich trugen fie diefe Figur in Mes tall, oder einer andern harten dauerhaften Materie ſtets bey ®) 1, 729. pro lapfu inter Salt, Kar Foye TeımAsv KUFOIS TENYwvov, TO HaAAyAmv, To FROITAYORM- yo, @ uußoAw meos TEs onodofes EXEWYTo, UYIEIR EOS RUTRY WVOoRIoLETO. Geſchichte der Pythagoreiſchen Geſellſchaft. 499 bey ſich: denn ſolche kuͤnſtliche gearbeitete Zeichen der Ein⸗ weihung wurden unter den uͤbrigen Griechen und Roͤmern Symbola genannt, und allen denjenigen als Kennzeichen oder Urkunden mitgetheilt, die ſich in Myſterien hatten einweihen laſſen *). Nachdem ich izo die Geſchichte der ganzen Eins richtung der Pythagoreiſchen Geſellſchaft vorgetragen habe; ſo will ich dieſen Abſchnitt mit einigen Betrach⸗ tungen uͤber die Schickſale und Ausartung der ſpaͤtern Py⸗ thagoreer, und über bie angeblichen Wunder des Pytha⸗ goras fihließen. Durch die Empörungen des Volks in allen Staͤd⸗ ten, wider die Pythagoreifchen Gefellfchaften, und durch die Erwürgung oder Austreibung der vornehmften Mita glieder derfelben, wurde der Bund, den Pythagoras geftiftet hatte, auf ewig zerſtoͤrt. Es blieben freyfich viele Pythagoreer übrig: und diefe gingen entweder nach Griechenland und Sicilien, oder fammleten fic) auch in Rhegium; ober fie wurden endlicd) nad) dem Apoflonius wieder in ihre Warerftädte aufgenommen, allein fie vera einigten fih, wie Ariftorenus ausdruͤcklich meldet **), Ji 2 nie ©) Apul. Apoi. L, 348. Ed. Colvii. Vin dicam, cujus« od illas res in fudario obvolutas, Laribus Pon- siani commendarim? Mos tibi geretur. Sacrorum pleraque initia in Graecia participavi. Eorum quae- dam figna & monumenta tradita mihi a Tacerdod- bus fedulo confervo. Nihil infoltum, nihil incoi- gnitum dico, vel unius Liberi patris ſymmiſtae, qui adeftis, feitis, quid domi conditum celctis & absque omnibus profanis tacite veneremini, m EQvanfar ner gyra efugxns yon m Ta moi Inpara, 500 Drittes Bud). nie wieder in einen mächtigen. herrfchenden Orden, une geachtet fie, fo viel fie Eonnten, ihre Lebensart und Grunde fäze benzubehalten, und auf andere fortzupflangen fuchten. Mie dem Untergange ihres Bundes hörte ihr Einfluß in die Regierung von Staaten auf: ihre Geheimniffe ver- fhwanden, und ihre Symbola wurden unnüz und ab- ſichtlos. Sie ftanden niche mehr unter einem gemein: fehaftlichen Oberhaupt, waren nicht mehr durch Ordens. gefeze gebunden, ergözten fi nicht, arbeiteten, und ſpeiſten nicht mehr fo gemeinfchaftlic) und an beftimmten Drten, und waren alfa wahrfcheinlich mehr burd) eine gewiffe Aufklärung, Rechtſchaffenheit und Denfart, als durch ein übereinftimmendes Xeußere, und eine in die Augen fallende $ebensart, die von nenem Argwohn und Nachftellungen hätten erregen koͤnnen, von ihren Mit« bürgern unterfchieden. Wenn man den wenigen Winfen folgt, die man in alten Schriftftellern über das Betragen der Nachfolger der älteften Pythagoreer vom Bunde findet ; fo muß man glauben, daß diejenigen, die fich nach der ahtzigften Olympiade in Italien und Sicilien Dythago« reer nannten, ihren großen Vorgängern ähnlicher geblie- ben feyen, als ihre Brüder, die ſich nach eben biefem Zeitpuncte im eigentlichen Griedyenlande aufgehalten ba« ben. Archytas, Timaͤus, Eudorus, undandere, dieim Zeitalter des Plato lebten, eiferten dem Pythagoras darinn nach, daßfie, ein jeder um fein Vaterland, fich als Heerführer oder Etaatsmänner oder Gefezgeber ver- dient Innara, Roaıros EHAEIMSÄNS TYS uee- TEwS. cos EUYEIWS NDavieINTaV, TEUTE MEY Er Agısofeyos dimysraı. 251. apud Jambl, Geſchichte der Pythagoreiſchen Geſellſchaft. 501 diene machten. Eben fo beweiſt die Geſchichte des Py⸗ thias und Damon, deren Freundſchaft Divnys von Sy« cilien auf die Probe ſtellte, daß einzelne Pythagoreer In großen Städten noch immer durch eben ſo heilige und ungertrennliche Bande, als welche ihre altern Brüder zufammengefnüpft hatten, vereinigt waren. In derfels bigen Zeit aber, in welcher diefe edle Männer, wahr- ſcheinlich die legten Verehrer des Phrhagoras, in dei Gegenden, in welchen feine Geſellſchaft vorzüglich geblüs ber hatte, dem Namen, den fie trugen, Ehre machten, fanden ſich im eigentlichen Griechenlande auch fogenante Pythagoreer, die aber ihren großen Vorfahren fat ganz unaͤhnlich waren, Denn wenn man nicdyt den übereitts ftimmenden Schilderungen der Dichter der alten, mittlern and neuern Komödie und *) den Zeugniffen des Iſokrates allen Glauben abfprechen will; fo füchten fie ſich zwar durch eine ftrengere Lebensart, als die Altern Pythagoreer geführt hatten, und durch eine affectirte Verſchwiegenheit, Ehrfurcht zu erwerben; allein fie waren zugleich verächt« lih arm, efelhaft ſchmuzig, und mit elenden Lumpen behangen. Sie aßen gar fein Fleiſch, tranfen gar Feis nen Wein, und fchienen durd) ihr mürrifches finfteres Wes fen aller Freuden des Lebens zu fpotten. Ungeachtet es ihnen gelang, die Aufmerkſamkeit des Pöbels auf fich zu ziehen; fo biendeten fie doch die Scharffichtigern nicht. Iſokrates nennt daher die Pythagoreer feiner Zeit nur ſolche, die ſich für Schüler des Pythagoras ausgaben **): und Ariftopbon, ein gleichzeitiger Dichter, gibt ihnen | Ji 3 den Br ®) Ath, IV, 17, 18, Diog, VL, 38, **) ]I, 167. 502 Drittes Bud. den Namen der Neuern, mit dem Zufaze, daß ihre Un reinlichkeit gar nicht auszuhalten fey*). Einer der lezten und thöricheften diefer ausgearteten Schüler des Sami⸗ fchen Weiſen, Diodor von Aspendos, verwandelte endlich die Pythagoreiſche Lebensart in die Kynifche, und wurde, wie Hermipp, Timäus und Sofikrates bemerften *), gerade das Widerfpiel vondem großen Manne, für def fen Nacheiferer er fich ausgab. Da nundie Pythagoreer, die fih in Griechenfand aufdielten, in Anfehung ihrer ganzen Art zu leben, fe fehr von ihren Vorbildern abwichen; fo läßt fich zum vora aus vermuthen,, daß fie diefen auch in Anfehung ihrer Meynungen eben fo wenig getreu geblieben feyen. Nach den Sragmenten zu ustheilen, die man aus ihren Echrif- ten aufbewahrer bat, bebielten fie zwar den Hauptgedan⸗ ken der äfteften Pythagoreer bey; aber fie ermeitertere und verfchönerten, befonders die Lehre von den Zah⸗ fen, wie ich gleich in dem mächften Eapitel zeigen werde, Die festen Weltweiſen diefer Schule waren Zeit» genoffen des Ariftorenus und Heraflives, und ſtarben alfo ohngefähr gegen die 130 Olympiade aus. he Name % Sie erivarben fich ihren Eummerlihen Unterhalt durch Unterriht, den wahrfcheinlich wenige fuchten, weil damals ſchon Sofrates, umd deffen große Sünger im Athen und andern Städten Griechenlandes lehrten. Alexis ap, Athen. IV. 14. 161. p. Tudaysgısuos xos Aoyas Armror, diesneAsunsai TE Deovrides Tee» Oso EHEWES. es) IV, Ach, 17. 18. Gefchichte der Pythagoreiſchen Gefellfehaft. 503 Name fann aber, wie ich oben erinnerte, niche viel über Hundert Jahre gefchlafen Haben, weil ſich ſchon vor und im Zeitalter des Cicero und Auguft fo wohl unter: den Roͤmern als Griechen Männer bervortbaten, die fich den Titel von Pyrhagoreern anmaßten. Die Beranlaffungen der Wiederaufweckung der Pythagoreiſchen Schule ließen ſich allegdings durch wahrfheinliche Vermuthungen bes flimmen; allein diefe würden mid) zu weit von meinem Zwecke abführen. Ich beziehe mid) daher auf das, was ich unter den Abfchniften, Apollonius, Moderas tus, und Nikomachus von dieſen Samäcmern und Betruͤgern beygebrache habe, Bon den Wundern des Pythagoras wilt ich nicht in der Abfiche reden, um.darzuthun, daß fie falfch find , fondern nur, info ferne ich dazu im Stande bin, zu beftimmen,, ob Pythagoras und feine älteften Schüler zur Ausbreitung derfelbigen Anlaß gegeben , und mann ynd von. welchen fie vorzüglich erdichter worden, Die meiften Schrifeftelfer-der neuern Zeit machen ſich, wenn fie von den angeblihen Wundern des Pyrhagoras hats deln, eines Widerfpruchs und einer doppelten Ungerech= tigkeit ſchuldig; fie fchelten zuerft den. Pythagoras felbft einen Betrüger, der durch angeblihe Wunder abergläu- bige Menfchen. bethört Habe, und dann, wenn fie auf ihre lezten Erzähler, die neuern Platoniker, fommen, befchuldigen fie diefe wiederum, daß fie durch die Erfin- dung, der Wunder des Pythagoras und Apollonius das Anfeben.der großen Thaten des Stifters, und der. erften Lehrer der chriſtlichen Religion hätten ſchwaͤchen wollen, ig Wenn 504 Drittes Bud). Wenn man weiß, daß unter allen Völkern affe bes rühmte Männer vor einem gewiffen Grade der Auffläs rung in Wundermänner find verwandelt worden, daß die Griechen befonders von. den meiften alten Dichtern und Weiſen, ſowohl vor als nach dem Pythagoras, felbft von ſolchen, die gar nicht Anſpruch darauf machten, nament⸗ lich vom Amphion, Orpheus, Arion, Thales, Epime— nides, Ariſtaͤus, Pherekydes, Anaxagoras, Demokrit, und Empedokles Wunder erzaͤhlt, daß endlich eben dieſe Griechen unter allen Kuͤnſten und Wiſſenſchaften am mes nigften Diejenigen verftanden Haben, welche aud) in neuern Zeiten am fpäteften ift verarbeitet worden, id) meyne bie Kunft, wahrfcheinlihe und unwahrfcheinliche, glaub« mwürdige und unglaubmwürdige Dinge zu beurtbeilen; fo kann es niemanden befremdend vorfommen, daß ınan vom Pythagoras mehr, als von irgend einem andern, wunderbare Ihaten und Begebenheiten erzählt habe. Pythagoras war berühmter, als irgend einer der uͤbri⸗ gen Wundermänner Griechenlandes, murde ſchon bey feinem $eben von den Krotoniaten als ein Gott, undvon feinen Freunden als ein göftlicher außerordentliher Mann verehret, und gab durd) feine Sehren ſowohl, als durd) fein übriges Betragen, zu diefen Mepnungen und zu Er zälungen von feinen übermenfclichen Wollfommenbeiten vorſezlich Anlaß. Seine priefterliche Kleidung, fein heiliges enthaltfames geben, feine inbrünftigen Lobgeſaͤnge, fein andächtiges Beten und Befuchen der Tempel, feine häufigen Reinigungen, Wafchungen, und meifteng uns blutige Opfer, feine Weißagungen aus Träumen, aus dem Fiuge und Gefchrey der Vögel, die Gefichter und Erſcheinungen, die er zu haben vorgab, endlid) die Er- zaͤh⸗ Geſchichte der Pythagoreiſchen Gefellfchaft. 505 zählung von den verfchiedenen Perfonen, in welchen er ſich geoffenbabre habe *), mujten nothwendig unter feis nen Zeitgenoffen den Glauben bervorbringen, daß er als ein $iebling und Bertrauter der Götter, durch die Gnade und Huͤlfe der leztern, vieles wiſſen und thun Fünne, was die Kräfte anderer Menfchen überfteige. In dies fem günftigen Vorurtheil wurden die Griechen nod) durch die geößern Kenntniffe des Pythagoras beftärft, die fie wahrfcheinlich nicht für eigene oder gefanımlete Beobach- fungen und Betrachtungen, fondern für göttliche Einges bungen hielten, und denen fie um defto mehr zufrauten, je weniger fie felbft ihren Werth und Umfang zu ermeffen im Stande waren, Unter foldyen Umftänden war alfo nichts natürlicher, als daß man im Pythagoras entweder einen göftlihen Mann, oder einen in menfchliche Geſtalt gekleideten Gott ſah, der Fünftige "Begebenheiten vorher verfündigen, wilde Thiere bezähmen , die Sprache der Vögel auslegen, Seuchen und Kranfheiten durd) götts liche Macht abwehren, oder heilen, an mehrern Orten zugleich ſeyn, verſchwinden und erfcheinen Fonne, wann und wo er wolle, der endlich in einer goldenen Hüfte die deutlichften Spuren eines göttlichen Urfprungs an fich trage *). J— Sis Med. — % Dies Mährchen findet fich in fo vielen und glaubwürdis gen Schriftftellern, daß man kaum zweifeln kann, dag es nicht vom Pythagoras felbit herrühre. Vid. Gell, IV. 10. Diog. VII, 4. et ib. Menag, Apoll, ap, Phil, I. 1. nec non Ariftox, Eubulid, Hippobor, et Neanthem ap, Audorem Toy @soAoysnevar Tns Aasunriens p. 41. Ed. Par, 1543. 8) 8. 23. u. f. ap. Porphyr, 60 et 134. apud Jambl, it, Men, ad 36. VIII. Diog, et Dieg, ap, Porph. $. ır. 506 Drittes Bud). Mehrere von biefen Wundern find fo plump , daß man unmoͤglich glauben Fann, daß Pythagoras fie von fi) felbft, oder die Pythagoreer von ihrem Meifter er zähle haben. Der erfiere war viel zu fein, um nicht einzuſehen, daß es viekficherer fey, andern zum Glauben und zur Erfindung von Wundern Anlaß zu geben, als dergleichen geradezu von fich felbft zu ruͤhmen. Mir ift es höchft wahrſcheinlich, daß alle, oder doc) die meiften Wunder des Pythagoras fchon bey deſſen Lebzeiten ges glaubt, und daß die Gefchichtfchreiber Diefes Weltweiſen fie in der Folge. nur. ermeitere und verfchönert Haben. Wenigſtens iſt diefes gewiß, daß fih Spuren feiner Wunder ſchon vor dem Zeitalter.feiner älteften Geſchicht⸗ fchreiber finden ); daß ferner mehrere der erften Ge- fhichtfehreiber des Pordagoras, befonders Heraflides, Hermippund Timäus, die Wunder des Pythagoras voll. ftändig gefammlet **), und aus diefen erft Apollonius, Nikomachus und Diogenes, und aus den leztern endlich) Porphyr und Jamblich. Aus dieſen Bemerkungen folgt nun, daß man den Pythagoras viel eher des Vorſazes, fir einen Wunder⸗ mann gehalten werden zu wollen, als die neuern Plato⸗ nifer % Man Iefe die Erzählung des Andron von Ephefus, der nit lange vor der 100 Olympiade ſchrieb, in einem Fragment des Porphyrs beym. Eufebius. Praep. Evan- gel. X, 3. s) 5, 23. Porphyr. S, 60. Jambl, FE, de des RIFEVEV Tois isawencacı Megı KUTE, MaARıcıs de 801 Kotı 8lıo- Aoyoss. S. 23. Porph, Eben dieſe Worte ftehen bepm Jambl. $, 60. Gefchichte der Pothagoreifchen Gefellfchaft. 507 nifer der Erdichtung befchuldigen koͤnne *), Es würde aber Schwäche des Verftandes, Mangel von Kenntniß der Zeiten, in welchen Pythagoras lebte, und endfic) Unwiffenheit der Gefchichte der größten Männer der alten Voͤlker verrarhen „ wenn man ben Pythagoras deßwegen einen elenden Betrüger nennen wollte. Pythagoras that eben das, mas die berühmteften Geſezgeber, Staats» männer, Heerfuͤhrer und Weltweife vor und nach ihm gethan haben, und thaten: er fuchte aus Vourtheilen, die er nicht ausrotfen Fonnte, alle nur mögliche Vor» theile zu ziehen und machte Aberglauben und $eichtgläus bigfeit zu heilſamen Werkzeugen der Beförderung feines Anſehens, und der Glückfeligfeit feines Nebenmenſchen. Mur alsdenn würde man dem Pythagoras alle die gehä« Figen Namen geben fönnen, womit man je Werführer und Verderber des Volks belegt bat, wenn er durch Fünftliche Worfpiegelungen von Wundern zuerft die Gries chen berückt hätte, um fie nachher defto bequemer plün- bern, undfih mit feinen Schülern dienftbar machen zu Fönnen, Beylage zu ©. 479. Ham Polybius zu Folge fchränften fich die Vertreibun⸗ gen und Ermordungen der Pyrhagoreer nur allein auf bie Städte *) Wenn man den Ppthagoras mit dem Rucian (in Alexan- dro Oper. T. II. p. 211. Ed. Reizii.) von aller Schuld von Wundererdichtung frey fprechen veill; fo muß man diefes Urtheil doch immer dahin einfchränfen, daß man fagt: Pythagoras habe den größten Theil der Wunder, die von ihm in fpatern Zeiten herumgetragen wurden, nicht felbft erfunden und ausgebreitet, oder auch durch feine Freunde ausbreiten laſſen. 508 Drittes Buch. Staͤdte in Stalien ein, und die daraus entftandenen Zer- rüttungen endigten ſich zulezt allenthalben mit der Ein- führung einer Demokratiſchen Kegierungsform, unter welcher befonders Tarent fich *) in der Folge empor bob. Wenn man aber die Nachrichten aller übrigen alten und glaubwuͤrdigen Schriftſteller zufammenhält; fo Fann man fait nichts anders als glauben, daß die Wirfungen der Verſchwoͤrungen wider die Pythagoreer fic) auch über die großen Städte Siciliens verbreiteten, Auffallend ift es menigftens, Daß nicht fange nach dem Untergange det Pythagoreiſchen Gefellfhaften ſich in allen Griechiſchen Städten in Sicilien Tyrannen aufmarfen, und zu herr fhen anftengen **). Der Weisheit, Tapferkeit und Milde diefer fogenannten Tyrannen aber harten die Fürs ftinnen unter den Sicilifchen Städten, Syrakus und Agrigent, allein ihre Größe, ihren Reichthum, die prächtigften Kunſtwerke ***) und die Befreyung von einem Joche zu Danfen, das wenigftens fo hart geworden wäre, als dasjenige war, unter welchen die Afiatifchen Grie— chen ſchon beynahe ein Jahrhundert feufzten, und unter welches ihre Brüder im eigentlichen Griechenlande zu fallen (m — *) Strab, I. c, %) Arift. V.ı2 de Civ, Herod. VII, ı54, Diodor, XI, 419- ‘ 456. Ed, Weflel, HR *en) Mie hoc) die Kunft unter den Regierungen der erſten Koͤ— nige in Syrafus und Agrigent flieg oder geftiegen war, kann man aus den berrlihen Werfen fchliefen , die noch zu den Zeiten des Verres und Cicero übrig wa— ren, und die zu den edelften Denfmälern des Alter: thums gerechnet wurden. Man fehe Cis, in Verrem IV. befonders c, 33. et 55% Geſchichte der Phthagoreiſchen Gefellfehaft. 509 fallen in Gefahr waren. Ohngefaͤhr um biefelbige Zeie erlangte Gelon in Syrakus und Theron in Agrigent die Alleinherrſchaft *). Der erſtere dieſer beyden großen Maͤnner ſchlug, mit Huͤlfe des leztern, und der übrigen verbuͤndeten Sici— lier, an eben dem Tage **), an welchem $eonidas bey TIhermopylä fiel, ein Heer von 180000 Karthaginienfern aufs Haupt, und theilte die Beute und Gefangenen ver: haͤltnißmaͤßig unter die Sieger aus. Die Agrigentiner brauchten die ihnen zugefallenen Eclaven dazu ***), die berrlichften Werfe in und außer der Stadt aufzuführen, die noch viele Menfchenalter nachher als die Denkmaͤler ihrer erflaunlichen Größe fortdaureten +): und eben fo wendete Gelon die eroberten Schäze und den Tribut von zweytaufend Talenten, den die Karthaginienfer bezahlen mußten, zur Verfchönerung von Syrakus und andern Städten Siciliens an }}). Die Macht diefes Königs erhielt durch den Sieg über die Karthaginienfer auf ein mal einen fo erftaunlihen Zuwachs, daß er im Kriege wider den Eerres faft eben fo viel an Reuterey, Fußvolk und *). Pac) dem Diodor ftarb Theron 74 DI. 1. nach einer Ne⸗ gierung von 16 jahren, deren Anfang. alfo in 73. 1, fält. Nun herrſchten nach dem Ariftoteles (V. 12. de Civ;) Gelon, Hiero und Trafybulus eben fo lange, oder auch nicht länger als Theronz; und Gelon würde alfo auh um die 73 DI. ı. zu regieren angefangen haben. Andere rücken diefen Zeitpunkt: in Ol. 72. 2» hinauf. ) Ol, 75.1 ®*") Diod. XB. 423. +) Ueber ihre Größe. Diodor. XII, 607. 610. +}) Diod, ib, et ©, 42% 510 Drittes Buch. und Schiffen zu liefern verſprach, als das ganze uͤbrige verbundene Griechenland zuſammengebracht hatte, wenn man ihn zum Anführer der Griechen, eder nur zum ‘Bes fehlshaber ihrer ‚Flotte ernennen wollte *). Merfwürs dig ift es, daß die Sicilianiſchen Griechen faft um eben die Zeit die Rarthaginienfer überwanden , in welcher die Bewohner des eigentlichen Griechenlandes über die Per- fer fiegten, und daß diefe Siege die Haupturfache der Macht und des Reichthums von beyden wurden: daß ferner Agrigent und Eyrafus faft zu gleicher Zeit die un⸗ würdigen Nachfolger ihrer erſten Beherrfcher ausftießen **), und eine bemofratifhye Verfaſſung einführten: daß die Sprafufaner die unterdrücften Städte Siciliens ***) nur einige Jahre fpäter in Freyheit fezten, als die Athenien- fer die Griehifchen Städte in Afien +), daß endlid) in der achtzigſten Olympiade, in welcher Ephialtes die Kegierungsform von Athen in eine Demofratifche ver: wandelte +4), alle griehifhe Staaten (Sparta ausge: nommen) in Afien und Europa in Demofratien überges gangen waren. — — e\ VII.i54- 158. Herodot. ©) Agrigent den Sohn des Theron Ol. 77. 1. oder 2, Dind. ©. 444. und Syrafus den Thrafpbulus 78 Ol, 3, ©. 456. “en S. 461. +) 77 Ol. 2. Diod, 449: 59 4t) Diod, ©. 457- — TER, EEE EEE, — — — — ——— — Vier— Gefchichte der Pyhthagoreiſchen Geſellſchaft. 51uꝛ Viertes Kapitel. Von der Philoſophie des Pythagoras und der aͤlteſten Pythagoreer, und den Verdienſten dieſer Männer um die übrigen Wiſſen⸗ ſchaften. une Shen 6 eben bem Grabe, in welchem dlie unglaubwuͤrdige, ſowohl ältere als neuere Schriftfteller, den Cha» rafter des Pythagoras, und die Abfichten und Einrich- tung feiner Gefellfchaft entſtellt haben; in eben dem Grade haben fie, befonders Heraflides Pontifus, und nach ihm am meiften Apollonius, Moderatus und Nikomachus, denen alle neuere Datonifer und Peripatetifer folgten, die Philofophie der alteften Pythagoreer und ihre übrigen Erfindungen verfälfcht. Diefelbige Unwiſſenheit aber, und derfelbige mie Blödfinn verbundene Vorſaz, alles am Pythagoras und feinen Freunden zu erheben, brachte in der Verfälfchung von beyden ganz entgegengefezte Wirs Fungen hervor. Anſtatt daß die bewundernde Dumme heit den Pythagoras und feine Gefellihaft gänzlich ver⸗ unftaltete, verfchönerte fie feine Philofophie über alles Maaß und alle Wahrfcheinlichkeit, Ich bin daher ges zungen, wenn ich anders den großen Fuͤhrern, deven $eitung ich mic) bisher überlaffen babe, nicht untreu werden will, mic) in diefem Abſchnitt eben fo fehr, als in dem lezfern von den unbefugten Sobrednern des Pytha⸗ goras zu entfernen, und diefem Weltweifen eben fo viel von angebichteten großen Erfindungen und Wahrheiten h abzus 512 Drittes Buch. abzuziehen, als ich ihm an wahrer Würde wiedergegeben habe. So fehr aber auch meine Schilderung des Pytha— goreifchen Lehrgebaͤudes von den gewöhnlichen abweichen wird; fo bin ich doch feft überzeugt, daß ic) dem Py— thagoras Fein Unrecht thue, und daß alle vernünftige $es fer es einfehen werden, wie falfch es gefchloffen fen, wenn man glaubt, daß große Staatemänner und Gefezgeber der alten Zeit auch große Kenner der Natur und Welt weiſe in der Bedeutung gewefen feyen, in welcher wir izo diefe Wörter nehmen. { Wenn Nikomachus und feines Gleichen Glauben verdienten; fo erfanden und vervollfommneten Pythagoras und feine Freunde nicht nur Arithmetif, Geometrie, Aftronomie und Mufif, fondern auch) alle Theile der Philoſophie, Diaͤtetik, Phyſik und Erhif, fo fehr, daß die fpätern Griechifchen Weltweifen zu denen ihnen von den Pythagoreern übergebenen Wiffenfchaften gar nichts, oder nichts beträchtliches hinzuſezen konnten *). Den Auge % — *) Taurav Fowuv EVOIEV TAV TEL TOV VONT@Vy Kol vnv meaı Jewv erısnunv maeadıdwow. — Emeit ra Duos mare avadıdaczs, rav re nIırnv D1AocoDıav, 404 TNVy Aoyınyy ETEAEWTKTO. Ml- Onuara re mavroa macadıdwar, Ko EWISNAUE Tas wgısas. 6AwmS TE 8dev sw em Ywaıv EM- Audws zregı org 8v maca avdewmas, © un € FOIS UYYRMMACI FETOS Imreißorar. — Tree .M TETOv ATavTav EMISNUAS Matedwue TS UIKEIOTRTUS, no 8dsv MageNımev adıegsuyn For. Ka Gefchichte der Pothagoreifchen Sefellfchaft. 513 Ausfprüchen jener Männer nach, hatten Plato und Ari- ftoteles Eeine eigenehümfiche Verdienfle, etwa das des Vortrages ausgenommen, fondern fie waren bloße Nach— freter der Pythagoreer, oder gar undanfbare Schüler derſelben, welche die Namen ihrer Lehrer verfchmwiegen , oder fie auch beſtritten, um fich dadurch deſto ge— yoiffer von dem Werdachte heimlicher Näubereyen zu bes freyen, und ihren Gedanfen einen defto blendendern Schein von neuen eigenen Erfindungen zu geben *). Alle fpätere Pythagoreer und Platoniker glaubten esdem Heraflides Pontifus zu, daB Pythagoras zuerft den Nas men ber Philofophie eingeführt, daß er fie eine Siebe oder Begierde der Weisheit genannt **), und Weisheit alg | die you Tas Kowas du ERISYURS, WOWEE TAy &Wo- demrium , Kos TNV ORITIKNV, Aaı THV dasgeriunv mueedwre Tas ENFEWTOIS. etc, Nicom, ap, Jambl, 157. 161. %) Porph, S, 53. **) Nicom, ap, Jambl. 159 S. id. p. 3. Arith, et p, 5. ap⸗ Jambl. in ipſ. Arithm, inpr. Heracl, S. 58. 59. ap. Jambl, et ap. Cie. Tufe, Quaeſt. V,3. Quem (Pytha- goram) ut feribit auditor Platonis, Heraclides Pon- tieus, vir dodtus in primis, Phliuntem ferunt venifle, cumque Leonte, prineipe Phliafiorum, do&e et co» piofe differuiffe quaedam. Cujus ingenium et elo« “quentiam cum admiratus effet Leon, quaefiviffe ex eo, qua maxime arte cnnfideret, At illum artem quidem fe feire nullam, fed effe philofophum, Ad- miratum Leontem novitatem nominis, quaefiffe, Quinam eflent philofophi, et quid inter eos et reli- quos intereflet? Pythagoram autem reſpondiſſe, ſimilem fibi videri vitam hominum et mercatum eum, qui haberetur maximo ludorum apparatu totius Grae- ciao KE 514 Drittes Buch. die Wiffenfchaft ewiger unvergänglicher Dinge er» klaͤrt — — t— ciae celebritate. Nam ut illie alii corporibus exer- eitatis gloriam et nobilitatem coronae peterent: alii emendi aut vendendi quaeitu & Jucro ducerentur? effet autem quoddanı genus eorum, idque vel ma- Zime ingenuuin, qui nec plaufum nec lucrum quae- rerent, ſed vifendi caufa venirent, ftudioleque peripicerent, quid ageretur, et quo modo: item nos quafi in mercatus quandam celebritateın ex urbe aliqua, Sic in hanc vitam ex alia vita et natura pro- fe&os: alios gloriae fervire, alios pecuniae: raros effe quosdam, qui, ceteris omnibus pro nihilo ha- bitis, rerum naturam fiudiofe intuerentur: hos fe appellare fapientiae Rudiofos, id eft enim philofo- hos: et ut ällic liberaliſſimum eſſet, ſpectare, ni« hil fibi acquirentem, fie in vita longe omnibus flu- diis contemplationem rerum, cognitionemque prac- ftare. Mit diefen Worten des Cicero flimmt der acht und funfzigſte Abſchnitt im Jamblich ſo genau uͤberein, daß es unläugbar iſt, daß Eicero aus dem Heraklides überfezt, und Jamblich fein Fragment unverändert aus eben diefem Schriftjteller genommen babe. Sch feze nur folgende Stelle her. zosmevas Ya edn Fıv us rov Biov rav avIewmav mugodev rw emı Tas Famyugeis UWAVTaVTIı oMıAm. @s Yag exeice avrodamroı Dorr@avres augewzos „ @AAos nur RAAB xesiav aDınveras, 0 MV XENMETICHE TE X Xeedes. ee W ATWEATOANTEs Tov Goerov ETFEIYOJEVOS. 0 de o&ns Even emrideigonevos NKEI Tav MM TE TWMRTOS. 851 de uoaı reitov Eidos, — OuvaÄuLopevov , TOWaY Ieus Even no Inuseynuarav nAmy, Mo pers eoyav mas Aoyay etc, Meinem Urtheile nach hat Heraklides dies Gleichniß ſo aus dem Alexis, wie andere das Aute Awexs vom Epifur auf den Pytha⸗ Geſchichte der Pythagoreiſchen Geſellſchaft. sı5 erklärt Babe *), deren Abſicht ſey, den unſterblichen Geiſt von allen Banden und Schlingen des Koͤrpers und thieriſcher Leidenſchaften loszumachen, ihn von der An— haͤnglichkeit an dem Irrdiſchen zu reinigen, und ihn der Kk 2 Gott⸗ — — — — — Pythagoras uͤbergetragen. Man leſe folgende Verſe dieſes Dichters beym Athenaͤus. (XL. 3. p. 463.) eyronæ Ysy ETWS EWICKOTEBMEVOS end —O0—————— Arcodnmias de ruyyaveıy nuus weites œrœs omeo EIS REM YUgW TEL AQıynevss, &% TE Davars uaı TE ORTES sis ray diareilnv, Eis To Das re TaI' odh Oewuev: Nur folgende Anwendung ließ Heraklides weg: 05. d au mAcısy yerAnon nor mm nu vs AQgo- dirns avrı$Aalaros Tov Keovov TETOV, ov &Dei- Tori Ko TUXN Yegavs TWos maymyugioas, A Isamnndev oimnade. ®) Heraclides ap. Jamb. S. 59. KaAny uev 8v ewau ruy TECUMTRVTOS EERVE Jeav, KO Tav EV HUTw Dope- nevav useewv , eu VIE un Ioguy vv raEw. Kara HETBOIEY MEV FOL TE MEWTE Ks TB VONTE Eivası Kuro FoiBrov. To de TEwroy yv Enewo, 9 Ta» aeiduav re zo Acyay Quoıs, di amavrmv dia» Issoa, mag Es Fr TayTa TRUTE DUVTETEHTaI TE EMMEÄDS , Ko HEKOOUNTAL MEEROVTwS. Ko voQıa ev, N Tw ovrı erısyun Tis, N Te To — BEI HOLT — Asuevn. @v METONN Ro TR AA av EITOS TIS KRAK. n DrAocoQıa de, y nAwcıs TNS TOauTns Jeweins: h EP 5:6 0. Drittes Buch, Gottheit nicht nur aͤhnlich zu machen, fondern auch mit ihr auf das innigfte zu verbinden”), Sie ftimmten fer ner dem Heraflides darinn bey, daß Pythagoras das ruhige betrachtende Leben für dasjenige erklärt habe, was des Menfchen am meiften würdig fey, und ihn feine hohe Beſtimmung am ficherfien erreichen machen koͤnne**). Aus allen diefen zogen fie endlich den Schluß, dag der Samiſche Weife die mathematifhen Wiſſenſchaf⸗ ten gleichfam als Brücfen oder Stuffen gebraucht habe, um den Menfchen vom Sinnlichen zum Geiftlichen, vom Körperlichen zum Unförperlichen, vom Jrrdiſchen zum Himmliſchen, und vom VBergänglichen zum Ewigen und Unvergänglichen hinüber zu führen ***), Durd) fie allein werde das innere lang verfinfterte Seelenauge gleichſam von neuem belebt und geftärft }); und ohne dieſe würde es, wenn — BBRR NL 35 *) Ap. Porph, 46. BiAccoQDıav d' eDsAocoßnsev, is 00%0M05., Lusacdgnı Kos d EAeufepwaau Toy FOIBTRV EIEYumv TE HI GUVÖETUMy Tov KATOLKE- XRLITJAEvoy Ay vav. Eben fo beym Jamblich 228, ferner ap. Jambl, 240. **) Heracl. Il, cc. ? *9 Nicom, Arithm. p. 6. InAov — pad FITHKO yelvemis ome TAUTE TU MAINULTE , die ßı- Baxlovra nv bavoav nuov, ao rav si gnrwv Ko dogoswy ETW TEL VONTL NO ETFISNMOVIRE. Mars um. Tav auvreoPwy nv na enfßeeDwy ovr@v CuvyIwv vAIK@V Ka Cw@URTIRaV , ERITE EcuvyIN nos ErecoduA® Feos Tas WIoINTEIS no moAUv TE@ToV Twy Ev KUTEIS VONTIKWV. y) Opp& ev Tas Wuxas ELTO TO RAAwV ezırndeu- MaTaV AMoTUDAguEvov Has KRTogUTTOoMEVoV dio FETEY YoRmy MYOLWTFUgEN Ks MVEYEILETE. pas · 7: Gefchichte der Pothagoreifchen Geſellſchaft. 517 wenn es aus der Finfterniß der Materien auf einmal gegen das Licht ewiger Wahrheiten gefehrt würde, gleichfam geblendet werden. Ohne ihre Hülfe und Vorbereitung würde der von feiner Geburt an in finnlihe Verderbniß verfuns kene Menſch an der Erreichung feiner wahren Gluͤckſeligkeit ‚verzweiflen, und nicht einmal den Muth faffen Fönnen , die unermeßliche Kluft, die ihn nody vom Ziele feiner wahrer Beſtimmung trennte, jemals überfpringen zu Fönnen *). Ich Habe, glaube ich, nicht mehr noͤthlg, meinen $efern nachzuhelfen, um die Zeugniffe des Heraklides, Nikomachus, und der neuern Platonifer über die Abficht und das Wefen der Philofophie des Pythagoras zu mie verlegen; denn eine ſchwache Erinnerung deſſen, was ic) über das $eben der Pythagoreer und die Einrichtung ihrer Geſellſchaft gefagt habe, ift fdyon hinlaͤnglich einen jeden zu überführen, daß fie nicht zu den ftets anfchau« enden Weltweifen des Alterthums gehörten, und daß Heraklides alfo, und alte diejenigen, die in feine Fuß— ſtapfen traten, irrten, wenn fie die Schwärmereyen des in den Schatten der Akademie grübelnden Plato auf die Pythagoreer übertrugen. Vielleicht aber feheint es mans hen nicht unglaubliy, daß Pythagoras durch eben die Kfz Kraft — — — — — — — — — — — — — — — — *) Porph, - - un euvraeax eis tn aDva naı a Ieoos perafßorn anoscaPn ar amsımndıe wu TOOEUTAV TE KL TOCETw YEovwm TEoDnNs narkıav. Me&Inuaoı Fowuv, na Tois &v HETIXHID OWjAbb- Tv TE KH KOwuaTav VERENURTE — — TFEO- eyunule ara: Bouxa Feos TR OTRS HUTW etc, 46, 47, et Jambl, 228. —— 318 Drittes Buch. Kraft bes Genies, momit er den Menfchen überhaupt, und vorzüglich feine Zeitgenoffen fo tief erforfcht, fie fo unmiderftehlich an fich zu ziehen, fo ungertrennlic) zu vers binden, und fo unumfchränfe zu beberrfchen roufte , auch in die Geheimniffe der Natur, und in die unbekannten Felder menschlicher Kenntniffe fo tief eingedrungen ſey, als die neuern Pythagoreer und Platonifer vorgaben, Allein man darf nur einmal ernftfich Daran denfen, mann und nach melden Männern Pythagoras gelebt, und wie feine Borgänger, Zeitgenofien, und feine unmite _ telbaren Nachfolger in den erften Zeugungen gedacht ba» . ben, um einzufehen, daß eine richtige Kenntniß und Beobachtung der Natur dem Menfchen unendlich ſchwe— rer werde, als eine richtige Kenntniß und Beobachtung des fittlichen Theils feiner felbft, und daß es nicht nur unwahrſcheinlich, fondern ganz unmöglich gewefen fey, daß Pythagoras fo viele Wahrheiten habe entdecken, und ganze Wiffenfchaften fo fehr habe erweitern und vervoll« fommnen fönnen, als einige der alten Geſchichte ganz unfundige Schriftfteller zuerft vorgegeben, und uns vorfichtige Gelehrte nachher geglaube haben. Pythago— ras blühte lange nad) den gröften Geſezgebern Griechen— landes, einem Hkurg und Solon, deren Gefeze gewiß fo viele Menfchenfenntniß verrathen, als die Einrichtung des Pythagoreiſchen Bundes, und doch dachten diefe großen Menfchenfenner eben fo wenig, als die Griechiſchen Weiſen daran, (einen einzigen ausgenommen) die Nas fur der Dinge zu erforfchen, ober die Elemente von Wiſſenſchaſten zu erfinden. Er mar ferner ein Zeitgenoß der Männer, die es in Öriecyenland zuerft wagten, einen h Blick Gefchichte der Pythagoreiſchen Geſellſchaft. 514 Blick auf die fie umgebende Natur zu werfen, die Enta ſtehung der Dinge zu erforfchen, und die bis dahin noch immer gebundene Sprache von den Feſſeln des Splben- maaßes zu befreyen. Da nun Pythagoras gleichfam mit der Griechifchen Philofophie und Proſe zugleich gebohren wurde; fo muß es einem jeden eben fo unmöglid) vor- fommen, daß er wie Plato und Ariftoteles pbilofophiree habe, als es unmöglich ift, daß er, der nicht weniger als Pherefydes dichtete, bey einem gänzlichen Mangel aller eigentlichen und allgemeinen Ausdrücke auf einmal wie Plato hätte fihreiben, oder wie Demofthenes hätte reden fönnen, Nicht aber bloß die Gefchichte der Vor⸗ gänger und Zeitgenoffen, fondern aud) der Machfolger des Pythagoras zwingt den aufmerffamen Forfcher zum Befenntniffe, daß die Philofophie des leztern nicht viel vollftändiger und richtiger gemefen ſeyn Eönne, als die ber aͤlteſten Joniker, und daß feine Erfindungen in allen übrigen Wiffenfchaften feinen philofopbifchen Behaupfun= gen entfprecyend, und nur unzufammenhängendes Stuͤck— werf gewefen feyn'müffen. Denn die Gedanken der ältes ften Eleatifer, ferner die des Heraflit, Leukipp und E:npedofles über die Entftehung der Welt, und über die Natur der Geftirne und menfchlichen Seelen waren nicht minder feltfam und unglüclih, als die des Thales und Anarimander; und Ariftoteles fage, wie die Folge dies fer Schrift lehren wird, völlig der Wahrheit gemäß, daß die Weltweisheit der Griechen bis auf die Zeiten des Anaragoras nur geſtammelt habe. Hätte Pythagoras das geleiftee, was man einem einzigen Menſchen niche zutrauen Fann, und was alle große Männer, die zwi⸗ fhen ihm und dem Plato und Ariſtoteles lebten, Faum Kk 4 lei⸗ 520 Dritted Buch. feiften Eonnten, und hätte er die Philofophie und allı Wiffenfchaften fo fehr bereichert, als man erdichtet hat, fo würden Sprache, und ein jeder Theil der Philofophie, nicht fo langſam unfer den Griechen fortgerückt feyn, ale wirklich gefhehen iſt, und die nächften Weltweifen nad ihm wuͤrden nicht in fo grobe Sperthümer gefallen feyn, als die fie in der That vertheidiget haben, So bald man alfo fic den Pythagoras als einen Freund oder Zeifgenofjen des Ihales, , Anarimander, Pherekydes und Zenophanes, und als den Vorgänger des Parmenides, Heraklit, Leukipp und Empedofles denfr; fo muß man es für gang unglaublich erflären, daß Dys ehagoras allein mehr Wahrheiten follte erfunden, und mehr Entdeckungen gemacht haben, als alle feine Lehrer und Zeitgenoffen, und daß er fogar alle feine Nachfolger bis auf den Anaxagoras und Sokrates an Kenntniffen übertroffen haben. Co fchildern das Gedanfenfiyftem des Pythagoras nur alfein die unglaubwärdigften Befchreiber feines Lebens und feiner $ehre, Moderatus, Nikomachus, und andere von noch) geringerm Gewichte, die man aber bisher als die einzigen zuverlaͤſſigen Fuͤhrer befolgt hat, Ihren Zeugniffen nad) war die Philofophie des Pythago— ras ein faft vollendetes Syftem der erhabenften Wahrbeis ten, und zwar meiftens folcher Wahrbeiten, von denen fih) in ven Gedanfen der nachfolgenden Naturforſcher bis auf ven Anaragoras feine Spur wieder finder, gleich als wenn mit dem Pythagoras zugleich alle feine Erfin— dungen unfergegangen wären. Ganz anders ftellen ung die ältefien und zuverläffiaften Schriftfteller die Meynun⸗ gen und Verdienſte des Pythagoras und feiner Freunde dat, Geſchichte der Pythagoreiſchen Geſellſchaft. zaı bar. Wenn man ihren Erzählungen folge, fo haben bie Pythagoreer nicht viel mehr Wahrheit erkannt, und nidye weniger feltfame Meynungen vorgetragen, als Thales, Zenophanes und deren Nachfolger, und mit ihnen hat man nicht nöthig etwas unmöglicyes anzunehmen, daß Sprache, Weltweisheit und andere Wiffenfcdyaften , die fih, wie die alte und neuere Geſchichte lehrt, viel lang- famer, als die Künfte, bilden und Herftellen, gleich nach ihrer Geburt den höchften Grad ihrer Vollkommenheit erreicht haben, dann gleich nad) dem Pythagoras wieder verloren gegangen, und erſt einige Jahrhunderte nachher wieder gefunden find, ungeachtet Dytbagoreer bis nach den Zeiten des Plato und Ariftoteles fortdauerten. Ich werde daher ohne weitere Bedenflichkeit die Geſchichte der Meynungen der älteften Pythagoreer über ben Urfprung der Dinge vorzüglich nad) dem Ariftoteleg erzählen, deffen Nachrichten durd) das Anfehen, und die Glaubwuͤrdigkeit ihres Verfaſſers, durch ihre innere MWahrfcheinfichfeit, und durch die Beyftimmung aller übrigen Männer, die nad) ihm einigen Glauben verdie, nen, die widerfprechenden Zeugniffe eben fo ſehr, als die ansgemachtefte Wahrheit den leichteſten Irrthum, übers wiegen. Diefem großen Kenner, und unpartheyifchen Nichter des Griedifhen Alterthums zufolge, glaubten Pythagoras und deffen Freunde, vie erften, welche über die Zahlen Unterfuchungen anftellten, eine Menge von Aehnlichkeiten und Beziehungen zwifchen den Zahlen, und allen wirflihen Gegenftänden der Natur zu finden, Um diefer Verhaͤltniſſe willen, fahen fie die erſtere, als den Stoffund die Urfache der leztern an, und erflärten alle Dinge in der Welt, Himmel, Erde, Seelen und ng RE > Tu⸗ 522 Drittes Bud. Tugenden, Furz alles fichtbare und unfichtbare für Wirs Ffungen und Eigenfchaften der Zah! oder der Zahlen, Mur mwichen fie darinn von einander ab, daß einige die Ele mente der Zahl oder Zahlen, das Gleiche und Ungleiche, wovon fie das erfiere endlich, das leztere unendlich nann⸗ ten, andere die Einheit allein, nod) andere mehrere aber doc) eine endliche Menge von Zahlen, und andere zulezt unbeftimmte oder unendliche Zahlen, für die wirfende Ur- face und die Grundmaterie aller Wefen hielten. Gie behaupteten ferner, daß das hervorgebrachte vollfommner und vortreflicher, als die berworbringende Urfache fey, und erfiärten zugleich, für die vollfommenfte unter allen Wirkungen der Zahlen, und für das größte unter allen Weſen ein gewiſſes görtliches Feuer, dem fieden Namen der Wache des Jupiters gaben, das in der Mitte der Melt wohne, und um welches die Sonne, Geftirne und Erde fid) herumbewegten. Alles diefes fagten fie, wie Ariftoteles an mehrern Orten ausdrücklich verfichert, ohne den geringften Beweis: fie beflimmten nicht, wie aus Dingen, die weder Schwere noch $eben, weder Em» pfindung noch Vernunft hätten, Körper mit fo vielen ER geufihaften, in einer fo vortreflihen Ordnung, und nicht bloß lebloſe Körper, fondern auch lebende Wefen hervor⸗ gehen Eönnten. Wenn fie von der Enrftehung der Wele und aller Dinge in der Welt aus Zahlenredeten; ſo war es, mie Ariftoteles ſich ausdruͤckt, als wenn man in einen andern Himmel verfezt wurde *). — Frey⸗ —— — — *) Die Stellen des Stagiriten, in welchen die hier geordne- ten Gedanken gefunden werden, habe ich in einer an- dern Schrift angezeigt. Hiß, doötr, de veroDeop. 300 - 35. Gefchichte der Pythagoreiſchen Geſellſchaft. 523 Freylich iſt dieſe Zahlenlehre und Erklärung des Urs fprungs aller Dinge fo wunderbar, daß man mit Recht fragen Fann, mie fie jemals in eines Menfchen Sinn Eoms men, und befonders, wie fo große Männer, als die Py— thagoreer waren, auf eine fo ungeheure Arc irren Eonn« ten, Dieſe Sonderbarfeit des alt. Pyehagoreifchen Sy— ftems fezt nicht bloß uns in Erftaunen, fondern fiel aud) dem Ariftoteles, Cicero und Sextus auf, und doch fiel- len die leztern, und Alexander Polybiltor es eben fo mie Ariftoteles vor. Das. Grillenhafte in den Gedan⸗ Fen ber Pythagoreer, über die Mache und Wirfungen der Zahlen, mird weniger befremdend, wenn man fie mit ben Meynungen derjenigen Weltweifen vergleicht; die vor dem Pythagoras, ober auch gleich nach ihm lebten, Denn behaupten, daß alles aus Zahlen eneftanden ſey, it im Grunde niche lächerlicher, als fagen, daß alle Dinge aus Waſſer, oder aus einem gemwiffen Unendlichen, oder aus Luft, oder aus Feuer und vier Elementen durch Seindfchaft oder Freundfchaft, oder aus Atomen durch Wirbel und Nothwendigkeit hervorgebracht worden, oder _ daß das ganze Univerfum nur eine einzig undewegliche und unmandelbare Subftanz ausmache. Selbſt in der Phis lofopbie des Piato und Ariftoteles finden fich viele Bes hauptungen, von denen man fehlechterdings läugnen müßte, daß fie je von vernünftigen Männern vorgetragen worden , wenn es erlaubt wäre, alles als ungedacht zu verwerfen, was uns im höchften Grade ungereimt und felbft undenk. bar fcheint, Ich wundere mich viel weniger Darüber , daß Py- thagoras und deſſen ältefte Freunde die Zahl, oder Zahe len 524 Drittes Buch. fen fuͤr die Grundſaͤze der Dinge gehalten haben, als daß die Pythagoreer, die nad) dem Sofrates, Plato und Ariftoteleslebten, dieſe Lehre benbehalten, und fie nur vers ſchoͤnert, erläutert und in eine mehr wiſſenſchaftliche Ge⸗ ftalt eingefleivet haben. Diefer Männer Anhaͤnglichkeit an einer alten Grille hat nur allein die Thorheit einiger neuern Myſtiker und Mathematiker neben ſich, Die gleich— falls altes aus Zahlen zu erklaͤren geſucht haben *). Auch der oder Die Pythagoreer, deſſen oder deren Meynungen Alexander Polhhiſtor, und aus dieſein Diogenes von $aerte abfehrieb **), nannten die Monas ober die Eins heit, die Grundurfache aller Dinge, welche die unbe ftimmte Dyas ober Zwey hervorgebracht, und diefe als einen Urſtoff bearbeite habe. Aus der Einheit und der unbeſtimmten Dyas feyen die übrigen Zahlen, aus den Zahlen Puncte, ausden Puneten Linien, aus den $inien Flaͤ⸗ dien, aus ben Flächen Solida, aus diefen Die vier Ele⸗ mente, Feuer, Waſſer, Erde und Luſt, und aus biefen endlich eine ſphaͤriſche, befeelte und werftändige Melt ents ſtanden, die die Erde, afeichfalls von kugelrunder Geſtalt, in ihrer Mitte habe. Der oder Die Verfaſſer der Schrif⸗ ten, die Alexander Polyhiſtor vor ſich hatte, behaupteten ferner, daß Licht und Finfterniß, Wärme und Kälte, dns Trockne und Feuchte ohngefähr gleichförmig, oder in gleicher Maſſe durch Die Welt verbreitet ſey, daß aber doc) von dieſen entgegengefezten Eigenfchaften bald die eine, balddie andere die Oberhand gewinne, Durch das Uebergewicht der Wärme werde der Sommer, und hergegen durch ) Siehe die Beylage am Ende des Capitels. ””) Yulas uf. Geſchichte der Pythagoreiſchen Geſellſchaft. 325 durch das Uebergewicht der Kaͤlte der Winter, und durch ihr Gleichgewicht Die ſchoͤnſte der Jahrszeiten, der Frühling hervorgebracht, der viel gefunder ſey, als ber Herbſt, wo dies Gleichgewicht von Wärme und Kälte wieder abnehme. Eben diefes laſſe ſich von den verfchigs benen Tageszeiten fagen, unter weldyen der Morgen dem Fruͤhlinge, und der Abend dem Herbſte äbnlich ſey. Die Luft, welche die Erde umgebe , erflärten diefe Pythago— reer für faul, träge und ſtillſtehend, und daher fen alles, mas in ihr athme oder won ihr umgeben werde, vers gänglich und fterblich ; — die höchfte Luft Hingegen hielten fie für rein, gefund und unaufbörlic) bewegt; und def» wegen fen alles, was fie in ſich faſſe, unfterblich und göttlih, Der Sonne, dem Monde, dervon der Sonne erleuchtet werde, und den übrigen Geſtirnen gaben fig den Namen von Göttern, weil in ihnen die Wärme, die Urſache des Sebens, das Uebergewicht habe, Selbſt die träge Erdluft, die fie Falten Aether nannten, durchdringe ein Strahl oder Ausflug der Sonne und des warmen himmliſchen Aethers, wirfe bis in die Tiefen des Meers und der Erde, und belebe oder befeele alle Pflanzen, Gewaͤchſe und Thiere. Alles in der, Welt alfo hänge zufammen, weil alles vom Aether durchdrungen und be— wege werde: Ihiere feyen mit Menfchen, und Menfchen mit Höttern verwandt, indem fie alle Theilnehmer deffel« bigen göttlichen Aethers ſeyn. Aus diefer Berwandfchaft fehloffen fie, daß die Goͤtter für die Menſchen, als für ihre Brüder forgten , die mit ihnen einerley Matur und einer- ley Urfprung hätten. — Diefer Grundriß des Pythagoreiſchen Syſtems, wie Alexander A: es in Pythagoreiſchen Scheiften fand, 526 Dritted Buch. fand, unferfcheidet fi) von dem, den ich aus dem Ari. fioteles mitgetbeilt habe, durch nichts, als durch eine umftändliche Befchreibung der Ordnung, in welcher alle Dinge aus der Monas, oder der Einheit entfprungen feyen, durch eine genauere Beftimmung des görtlichen Aethers, und des Unterfchiedes defjelben von der fums pfigeen, faulenden oder auflöfenden Erdluft, endlich) durch die Verrückung eben diefes Aerhers aus dem Mits telpuncte der Welt, und die Hinfegung der Erde an deffen Stelle. Aus der leztern Abweichung ſchließe ich am meiften, daß die Schriften, aus denen Alerander fhöpfte, von fpätern Pythagoreern herrühren, als diejenigen wa= ten, deren Meynungen Ariftoteles aufzeichnete, Diefe Zeugniffe des Ariftoteles und Alerander Pos inbiftor werden wiederum durch die des Gertus beflä- tigt, derandrey Stellen, unter welchen die legte die ausführlichfte ift, die Grundlehren der Pythagoreer über den Urfprung der Dinge aus den Zahlen vorgetragen hat *), Daß diefe Auszüge nicht aus den Werken der älteften Pythagoreer gemacht find, erhellt nicht ſowohl aus der Fünftlichern Einfleidvuug der Säge und der Be- weife, momit jene begleitet find, als aus den Widerle— gungen des Unaragoras, Demokrit und Epifur, die darinn vorfommen. Daß aber aud) die darinn enthalte: nen Gedanken nichk irgend einem der fpäteften Pythago- teer im erften oder zweyten Jahrhundert nach Chriſti Ge- burt zugeeignet werden Fönnen, muß einen jeden die Vergleichung derfelben mit den Träumen des Moderatus und — ®) Hypot Pyrr. II, S. 151. & ſeq. Adverſus Arichm, I & feq. adverf, Phyf, S, 248, & ſeq. Gefchichte der Pythagereiſchen Geſelſchaft. 527 und Nikomachus lehren, von denen ich ſogleich reden werde. — In allen dieſen Stellen nun ſagt Sextus, daß die Pythagoreer den Zahlen außerordentliche Kräfte zuge— ſchrieben, und fie nicht nur für den Grundfloff, fondern auch für die erfte wirfende Urfache aller Dinge ausgegeben bätten *), Aechte Naturforfcher (fo fingen diefe Pythab goreer an) müßten den Sprachlehrern nachahmen. Go wie diefe zuerft die Buchftaben als die Elemente der Wörter unterfuchten, dann zu den Sylben forfgingen,, und endlich auf die Eigenfchaften ganzer Wörter ihre Hufe merffamfeit richteten; fo müffe auc) der Naturforfcher, ber die Natur des Ganzen ergründen wolle, bis zu dem erften undeinfachften fortgehen, worinn fid) alles auflöfen laffe. Won der fichtbaren Welt aber eine in die Ginne fallende erfte Urfache annehmen zu wollen, ſey durchaus unphiloſophiſch, weil alles finnliche und fichtbare nur aus etwas unwahrnehmlichen und vunfinnlichen entjtehen koͤnne. Doc würde man wiederum übereilt ſchließen, wern man alles, was ſich unwahrnehmliches denfen laffe, zur Grundurfache von Körpern machen wolle, Diejenigen alfo, welche Homoiomerien, oder Atomen, oder fonft uns fihebare Theilchen, zum erften Stoff Förperlicher Sub» ftanzen gemacht, häften zwar von einer Seite die Wahr- heit getroffen, indem fie etwas nicht finnliches zum Prineipio des finnlichen gemad)t ; allein darinn hätten fie geirrt, — — — — — — — — ——— — *), Beſonders adv. Phyſ. S. 24a8. Ka uarıeHors oiemı- Snuovesaro Tav Pucinwv ETWs MEeyaAyy duvaruıy TS OQIIMOIS UTEVEINEV, SE BONES Ki SOINEIE Tov 0Awv TETES vonilew. 879 de aıow 6, megı Toy Zrıov Tlugayogavy. 528 Drittes Bud), geirrt, daß fie noch immer Förperlihe, wenn gleih un fichtbare Weſen, für die Urſache der die Sinne rührenden Körper angefehen hatten. Denn fo, wie die gröbern Sub— fangen aus feinern, nur gedenfbaren Beſtandtheilen zus fammengefezt feyen, fo müßten vor dieſen wiederum un« Eörperliche Dinge vorhergehen. Und gleichwie die Ele mente von Wörtern nicht Wörter wären; fo Fönne der Urftoff von Körpern nicht etwas Förperliches feyn, Co bald man das leztere behaupte, fo müfle man zugleich) annehmen, daß das, woraus und wodurch der Urſtoff entftünde, wieder etwas koͤrperliches ſey, und fo ins un— endliche fort, woraus denn nothwendig folge, daß die Koͤr— perwelt gar Feine Urfache habe. Ferner fey nicht einmal alles unzufemmengefejte, was man fid) vor dem Zuſam⸗ mengefezten vorftellen Fönne, Die Urfache des leztern. Platoniſche Ideen, Solida, Flähen, Linien, Puncte ließen fid) alle vor dem Körper Denfen, und doch Fönne man feine der erftern zum Principio des feztern erheben. Eine jede dee, Flaͤche, ein jeder Punet, und ein jedes Solidum, mache für ſich betrachtet ein einzefnes Ding, und wenn'man ihrer mehrere zufammennehme, eine groͤ— ßere Zahl aus. Wor ihnen allen alfo Fönne man fi) Zahlen vorftellen, und die fielen wiederum unter die Ein— heit zuſammen. Daher habe Pythagoras die Monas die Urfache, -oder das Principium aller Weſen genannt, meil ein jedes, nur in fo fernees an ihr Theil nehme, ein wirfliches für fih befiehendes Ding genannt werde, Wenn man dieſe Einheit zu fi) felbft hinzufuͤge, fo ent- ftehe daraus die unbeſtimmte Dyas.oder Zwey, die man für den Grundftoff alles deffen, mas fen, halten müffe, Daß man die Monas und Dyas die einzigen und wahren Grund⸗ Geſchichte der Pythagoreiſchen Gefellfehaft. 529 Grundurfachen der Dinge feyen, ſuchten die Pythagoreer (fage Sertus) auf mannigfaltige Arten, am meiftenaber dadurch zu beweifen, daß fie alle Dinge erft in drey große Gattungen eintbeilten: in ſolche, die für ſich allein ges dacht werben koͤnnten, in entgegengefezte, und in folche, die fich auf andre bezögen : daß fie diefe unter andere noch höhere Gattungen brachten, und endlich zeigten, daß diefe wiederum alle entweder ber Einheit oder der Dyas, als den hoͤchſten Gattungen, untergeordnet, oder Darunter bes griffen wären. Dieſe Unterfuchungen über die höhern und höchften Gattungen überlaffe ih Neugierigen zum Nachleſen, da fie gar nidye mit dem zufammenhängen, was ich aus dem Syſteme der fpätern Pythagoreer beweis fen will.» Wenn diefe Weltweifen nun bis an den Grund» fa; gefommen waren: daß die Einheit und Dyas die höchften Gattungen der Dinge feyen, oder daß diefe ſich vor allen übrigen Dingen denfen ließen; fo fehritten fie zu dem Beweiſe fort, daß aud) alle übrige Zahlen, und nicht bloß die Zahlen, fondern auch die Welt, und alle Dinge in der Welt aus ihnen entflanden, und daß die Monas die wirfende Urfache, und die Dyas der Stoff, oder die Materie derfelben ſey *). Der Pımce nämlich verhalte ſich wie die Einheit, oder fey der Monas aͤhn⸗ — — — *) Oder Dasw sy TaIS BEXais TAUTOIS Tov MEu r8 dewuros ra Aoyov EREXEW TYv movorde. Toy de ns maSXsons vAns, Tv duade. Kar ov FEOMov TBS EL KUTaV ———— TEÄETRV, ETW Hs ToV KOToy Ko ERVTE EU To KOT Aw MEN, 5,277» 2 530 Drittes Buch). ähnlich *), weil er ſich eben fo wenig als diefe heilen laffe. Und fo wie die Monas das Principium der Zah« fen fen, fo fen der Punck es von den Sinien. Auf eben die Art bewiefen fie, daß die Linie fich wie die Dyas, die Fläche wie die Trias, und endlic) die Tetras mie das Solidum, oder wie ein wirklicher Rörperverhalte, Denn wenn man über drey auf einer Fläche liegenden Puncten einen vierten annehme, fo entitehe ein pyramidalifches Solidum, das drey Dimenfionen; Höhe, Breite und Tiefe, habe, So wuͤrden nun gleichſam unter der Leitung von Zahlen Solida, und aus diefen Erde, Waffer, Luft und Feuer, und aus dieſen endlich die Welt gebilder, die nach harmonischen Verhaͤltniſſen zufammengefezt fen und bewegt werde, Solcher Verhäftniffe nahmen fiedreyanz Diarefferon,, oder wie ſich acht zu fechs: Diapente, wie ſich fechs zu neun; und Diapafon, wie fid) ſechs zu zwölf verhalte **). Diefe — — — — sn nn *) 5.278. Eudews yap To ame war Toy TuS povados Aoyov FeraxIaı. Ns yap y movas AdMIEETOV TI ESW, ETW na To anusiov. Koss ov TEATOv H MOVLSREXN TIS E5W Ev werds, Erws Koh TO ONMEIV KEXN TIS EIW EV Yoxuuais. wse To MEV ONMEIOV, Tov TNS Movados eıye Aoyo. 9 E Yeruun KAT TV TnS duwdos ideosv eIewesito. %#) Hyp. Pyrrh, III. 155. Kos ET To OWMRETR Kos OAoy Toy Hoopev AveidwÄuToBOwW, 6v TIVa Kol dieısioda Pası nira demovmas Aoyss. Toy e din TETOEEmV » Ös Esıv ERIFEITOS (ws EXeı eos Fa EEE, ra ontw.) Kaı Tor din wevre, 05 esw Nj410- Gefchichte der Pythagoreiſchen Geſellſchaft. 531 Diefe Pythagoreer nun, deren Roͤſonnements ich bisher aus dem Sextus ins kurze gezogen habe, ſtimmen, wenn man Ausfuͤhrlichkeit, Ordnung und Beweiſe ab: rechnet, vollfommen mit denen überein, deren rohere Gedanfen man vorher aus dem Ariftoteles hat Fennen lernen, Jene laffen nämlich eben wie diefe aus der Mo— nas die unbeftimmte Dyas, aus beyden als den Princi. pils aller Dinge die Zahlen, aus Zahlen Puncte, aus Puncten Sinien, aus $inien Flächen, aus Flaͤchen So— lida , aus Solidis die vier Förperlichen Elemente, und aus diefen endlich nad) barmonifchen Verhältniffen die ganze Welt, und alle Dinge in der Welt entftehen *), Außer diefen Pythagoreern, welche die Monas und Dyas die Grundurfachen aller Dinge nannten, gab es noch andere, die den Punct für das erfte und einzige Drincipium aller Wefen hielten, Aus einem fließenden Puncte (fagten diefe) **) entftehe eine Sinie, aus einer | ‘it 2 flie⸗ ef Ymorios: (ws 8xE1 7rgos Ta EE Tot EvvEo) no Toy din ma0wv, 05 e5 bimAaaıss. (ws EXeı mEos rot "EE vo dwdene) FauT® Te &v ovewgomoässı, RT Ar 9 8. 282. IIMv gran. MEY RMOoTekeıtas To SegeX omuara, NyBuevay Tav agı)yamy. uD'ov Acı- MOV Ho TO SEgEw OUISaT, YN TE Ho Udwg, N.061 ONE, no TUR, RI KT OAB 0 Koamos, cv Dam — auıIumv, Ev os 04 Aoyas EICı T@y Gusarinav THE Tess Keuodıas Tun Dwvuav. **) 8. 281. Sext. Tives de mo Evos SNMEE TO TWUE Dası awiısaoten. Tero Yag ro onmeiov @uey Yeap- 522 Drittes Buch, fließenden Linie eine Slähe, aus einer niederwaͤrts ſich bewegenden Fläche ein Solidum, und aus diefem endlich Elemente, und was aus Elementen zufammengefüge ey. So gruͤndlich und ſcientifiſchſcheinend aber auch die Raͤ⸗ ſonnements dieſer Pythagoreer waren; fo konnte man ihnen doch immer noch den Vorwurf machen, den Ariſtoteles ſchon den aͤlteſten gemacht hatte: daß ſie durch einen faſt unbegreiflichen Fehlſchluß das einfachſte, was ſich vor allen Dingen denken laͤßt, mit der Grundurſache derſelben verwechſelten, und daher die Monas, die in Gedanken nur vor allen koͤrperlichen Subſtanzen hergeht, zur Schoͤ⸗ pferinn der Welt verherrlichten. Sch füge endlich den Beweisſtellen des Ariſtoteles, Alexander und Sextus noch die lezte des Hermias hinzu, der entweder auch Schriften von Pythagoreern, Die vor Chriſti Geburt lebten, ober doch Auszüge Daraus in an⸗ dern gelefen hatte *). Diefer Heidenfpötter bezeuge niche nur, daß die Pyrhagoreer die Monas das Priucipium aller — — — Yorupmv amorehew' T)jy)'— de Yenxppmv Evsitay smımedev waew. Tero de sıs Ba&Ios vın$er, Fo Coma Yeryav TEIXN diaesesrov. dicpepeı en rosurn ray TuSayogsiay sarıs TuS Tav mew- Telwv. Ereıwos uev Yag Ex duosv EX, TNS TE paovados naı TNS BOQISE® duxdos erusy Fes5 a0$- MES. EIT' En Tov BeıIumv Ta anmeIa, naı Tas YORWARS, TO TE ETITEIN ONNUATE KO To Se- Gew. ros de mo Evos onKEIS Ta MAT TERTOL- v801..%. T. A. *) Juſtini aliorumque veterum doctorum oper, T. II, p: 179. kariſ. 1030, Geſchichte der Borthagoreifchen Gefellfchaft, 533 aller Dinge genannt, und aus ihr die Zahlen, und aus den Zahlen die Elemente hätten entitehen laſ— fen; fonderm er gibt auch die Zahlen und Fi: guren an, wodurd) die Elemente, felbft euer und Aether, hervorgebracht würden. Die Pythagoreer fezten nämlich das Feuer aus vier und zwanzig, die Luft und Erde aus acht und vierzig, und das Waffer aus hundert und zwan⸗ ‚zig rechtwinklichten Dreyecken, den Aether aber aus zwoͤlf gleichfchenklichten Dentagonen zufammen: ein Spielwerf, was Plato zum Theil in feinem Timaͤus angenom— men bat. ' Wenn man nun alle diefe Zeugniffe mit dem Sim- plicius *), und einem Porhagoreifchen Fragment bey eben diefem Ausleger verbinder; ift es denn noch möglich zu zwei⸗ fen, daß nicht nur Pythagoras und feine ältefte Freunde, fondern auch viele feiner fpätern Nachfolger vor Chriſti Geburt die Monas oder Zah! für die Mutter der Welt, der Götter und Menfchen gehalten Haben? Und daß man bie Ppthagsreer nach Chrifti Geburt für eben fo _ falfche Ausleger erklären müffe, als fie feichtgläubige und unzuverläffige Gefchichtfchreiber waren, wenn fie der Alt= Pythagoreiſchen Zahlenlehre erft die ganze Platonifche Philoſophie unterlegen, und dann den ganzen ungeheus ten Aberglauben ihrer Zeit, und faft eben fo wahnfinnige Erdichtungen hinein trugen ? | 03 Der 5) 8. 253. in phyſ. Aufcult, Ariſt. Agı9y wov de TV griay ımev, m Tas Ilug@yopeiıs unor&Imy , EEXTS Tav ovrmv Aeyacı TEs aandyuss. KenAun * ————— — —— ya deor, no wert uw dE TE MIT’ EIEOKEN 534 Drittes Bud). Der erfte, der Platonifche Begriffe in die Pytha— goreifche Arithmetif hinein erklärte, war Moderatus; wenigftens wird von den nachfolgenden Schriftftellern fein älterer fenn wollender Pythagoreer genannt, der Die Zahlen auf eine ähnliche Art ausgelegt hätte. Er glaubte *), daß bie älteften Pythagoreer fich der Zahlen bedient hätten, um dadurch ihre Gedanken über die Grund» urfachen und das Wefen der Dinge, die fie fonft nicht hätten mittheilen fönnen, deutlich auszudrüden. So menig alfo Sehrer der Geometrie, wenn fie Die Figur eines Triangels zeichneten, durch das in die Augen fallende Bild das Weſen eines Dreyecks andeuten wollten ; eben fo wenig hätten die Pythagoreer, wenn fie die Zahlen die Elemente der Dinge genannt, fie für die Grundurs ſachen alles deffen, mas ift, ausgeben wollen. Ihre Abſicht fey nur Diefe gewefen, fie als bequeme Zeis chen der erften Principien dee Welt zu brauchen. Sie häften daher die Natur des Unwandelbaren, des fid) felbft unveränderlicy Gleichen, der Grundurſache der Erhaltung und Harmonie des Ganzen durch die Einheit bezeichnet, weil fie zwifchen diefem Symbol, und der dadurch ausgedruͤckten Subftanz einige Aehnlichfeit ges funden **). Für das Wandelbare hingegen, das ſich ſelbſt pure nn — — — LT — ee — — *) Ap. Porph. 48. 52. S. °5 Shen fo auch Johannes Stobaͤus Eel. phyſ. Lib. J. e; I. p. 2. Nicht weniger unaͤcht find die für Pythagoreiſch ausgegebene Erklaͤrung der Zeit p. 19. und die Be— hauptung der Ewigkeit der Welt, nicht der Zeit, ſon— dern nur der Vorſtellung nach p. 49, » Sin der leztern wird der Schöpfung des fünften Elements (re DEM- Gefchichte der Pythagoreiſchen Gefellfchaft. 535 felbft Ungleidye und Theilbare, hätten fie den Namen der Dyas gewählt, weil ein jedes Paar mirflicher Ges genftände einander immer unäbnlich, und ftets wandelbar fen. Nach aͤhnlichen Beziehungen hätten fie durch die übrigen Zahlen andere Kräfte und Weſen ausgedrückt : tI4 durch — — FERTFTE SOSSE) erwähnt. Wenn unter allen Mey⸗ nungen, die Stobäus dem Pythagoras oder den Pytha⸗ goreern zuſchreibt, irgend eine ift, die gewiſſe Spu⸗ ven des Alterthums an. fih trägt, fo ift es folgende P. 39. 0 Ilvdayogs, enTos ewdı TE KoCu8 Ke- yov, EIS 6 Mvamvaı 0 Kommos, nos E& 8. Diefe Stelle nahm Stobäus gewiß aus dem Ariftoteles, welcher im vierten Buche feiner Phyſik von den Pythagoreern ſagt: sa d’ eDacav na 01 Ilvdayogesos xevov, ns ETEITIEVLL AUTO T@ SLAM EN TE AMEILB TVEU- KOTOS, Ws dv AvomveovTı. Kl To HEvoV, © dregifeı Tas Qureıs. WS OvTos TE KEvE, KEIgIO- pE TWwos T@y eDe£ns Kos TS drogısews. no -FET EWEL TEWTov Ev TOIS a SMoIS. TO YaE KE- vov dimeslew rnv Duo aurav. Simpficius adh.1. fol. 152. b. trägt die Meynung der Pythagoreer noch deutlicher vor, aber feine Erklärung derfelben ift, wie die fat aller übrigen Lehren der älteften Philofophen, gezwungen und ungereimt, fo richtig er faft immer den Üriftoteles auslegt. Eben diefe Bemerkung gilt vom Alerander, Philopon und andern Auslegern des Stagie riten. — Aus der angeführten Stelle des Simplicius ſchreibe ih nur diejenigen Worte ab, die zur Ge> fhichte der darinn enthaltenen Meynung gehören: ENEYOV Yogꝙ EKEIVOL TO KEVOV ETTEITIEVL T@ KOTUR, Os0v EVOTrVEovTi N EIOTVEOVTI LUTW WETTER TIVEU- na, mo 8 eEwdev Teeınexumevs. Xeeiav. de TALENETIOr, MEOS To UN OUVEXN EI TAVT CwnaTa unAyAus, ws 6 Anekardeos wuxgeı. 536 Drrittes Bach: durch die Drey, zum Benfpiel, alles, was Mittel, An⸗ fang und Ende habe, und durd) die Zehn den Inbegriff der hoͤchſten Vortrefflichkeit, weil die Dekas die voll« kommenſte unter allen Zahlen fey, die alle Beziehungen, Hehnlichfeiten und Eigenſchaften derſelben im ſich vers einige, Schon aus biefem Fleinen Fragment des Modes ratus, der elf Bücher über die Zahlen gefchrieben harte, nimmt man ohne Anftvengung wahr, Daß er über die Zahlen ganz anders dachte, als die älteften Pythagoreer und deren Nachfolger, An fiat, daß diefe die Zahlın wirklich für Die Grundurfachen aller Bey: erflärten, fezte er fie auf bloße Zeichen derfelben herab. Die Mes nas war ihm das Symbol des Platonifchen Weefchöpfere, und die Dyas das Zeichen der ewigen rohen Materie, aus welcher alfes hervorgebracht worden. Dieſe Deutun⸗ gen fanden um defto mehr Beyfall, da fie mit dem alles gorifchen Geifte der erften Jahrhunderte nach Ehrifti Geburt und dem oflgemeinen Glauben an die Heiligkeit und Weisheit der älteften Pythagoreer übereinftimmten, und von dem herrſchenden Vorurtheil begünftige wurden : daß Plato ein aͤchter Pythagoreer gemefen fey, und feine ganze Dhilofophie von ihnen empfangen habe. Einen großen Theil der Gedanken des Moderatus über die Kräfte der Zahlen, über den vielfachen Sinn, den die Pythagoreer ihnen gegeben haben follten, und über die Namen, die ihnen deßwegen beygelegt wurden, Fann man aus dem Plutarch wiederherftellen, der das Merk diefes Mannes gelefen hatte, mit feinen Machfol« gern und deren Grundfägen fehr befannt war, und wenn er Geſchichte der Pythagoreiſchen Sefellfchaft. 537 er von Pythagoreern redet, faſt immer den Moderatus und deffen Schäfer im Sinne hat *), Aus den anges führten Stellen des Plutard) fiebt man, daß die Pytha— goreer feiner Zeit fo wohl Zahlen als neometrifche Figuren mit den Namen von Göttern und Göttinnen, von Tugenden und felbft von gefeltfchaftlichen Werbinduns gen belegten: daß fie gleichfam Gefchlechter unter ihnen annahmen, und eine jede um eigenthümlicher Kräfte und Tugenden willen für heilig und göttlich bielten. Am mei⸗ ften verehrten fie die Tetraktys, unter welcher fie fich die Zahl 36. dachten, und bey welcher fie den heiligften Eid fhworen, Von diefer vorzüglichen Heiligkeit oder Goͤtt⸗ lichfeit der Tetraktys wuften die älteften Pythagoreer nichts; Ariſtoteles fage wenigſtens Fein Wort davon, und ich vermuthe daher, daß fie ihr entweder von den lezten Pythagoreern, die Zeitgenoſſen des Ariſtoxenus wa⸗ ren, oder gar erſt von den Pythagoreern kurz vor, oder nach Chriſti Geburt verliehen worden. So unhiſtoriſch aber, und auf nichts gegruͤndet das Auslegungsſyſtem des Moderatus auch war; ſo muß man es doch immer noch für ein ſchoͤnes und feſtes Ges bäude gegen das des Nikomachus erklären, deſſen Schrifs ten von den neuern Platonifern und den gelehrteften Kira chenvätern als der Schlüffel zur geheimen Weisheit des Pythagoras angefehen, von ihnen vorzüglich) gelefen und« 5 erlaͤu — ®) De Ifide et Of, VII. 500. Es apud Delph, 522 - 25, 531. 33. Auch Lucian ftelle die Meynungen und Gas zungen der Pythagoreer nach dem Apellonius, Modes ratus, und den herefhenden Begriffen des zweyten Sapıhunderts vor, Tom, I, 542, 45. in Vit, Aut, 538 Drittes Bud. erläufert wurben, und den nur allein Photius bey Gele» genheit des Auszugs feiner Theologumena Arithmetifa richtig beurfbeile hat, megen welcher Schrift der Ver- faffer eine der erfien Pläze im myſtiſchen Narrenhaufe verdient *). In diefem Buche bemühte Nikomachus fih, mie Photius vortrefflich bemerkt, nicht feine Unterfuchungen der Erfahrung und der Natur der Dinge entfprechend zu machen; fondern er unterwarf und beugte fie vielmehr unter die ungeheuren Misgeburten feiner kranken Phans tafie. Er marterte, zerriß und flickte bald die Zahlen, bald alle Arten fichtbarer und unfichtbarer Dinge zuſam⸗ men, entweder um die erftern den leztern anpaffend zu machen, ober um bie leztern an die erftern hlnanzuzwin⸗ gen. Er entbedte endlich (und dergleichen follte man nur von Rafenden vermuthen) zmifchen einer jeden Zahl, und den ungleichartigfien, ja gar enfgegengefezten Gegens ftänden, bie nächften Verhaͤltniſſe und größten Aehnlichs feiten, um berentwillen er die Benennungen der feztern auf die erftern übertrug. Er nannte baher die Monas bald Verftand, und Gott: bald ein Zwittermefen, und die Materie: dann wieder die Behälterinn aller Dinge, das Chaos, Die Vermiſchung und Verwirrung der Wefen, das Lichtlofe, die Finfterniß, den Schlund; ferner den Gtyp, den unterirdifchen Abgrund, den Lethe, und doch aud) die Sonne und den Apollo. So erhob, fezt Phorius hinzu, Nikomachus die Monas, und befchimpfte fiedod) Sg ie ' — #) Cod, 187. P. 237. Edit, Hoefchel, Grass, Geſchichte der Pythagoreiſchen Geſellſchaft. 539 Die Dyas beſchrieb er als das Principium des Gleichen, und als ſich ſelbſt ungleich, als Ueberfluß und Mangel, als die Duelle und Wurzel aller Harmonie, ungeachtet fie auch das Principium aller Mistoͤnigkeit ſey. Er nannte fie die Gerechtigkeit, Iſis, Nhea, Natur, und häufte die Namen aller befannten Göttinnen alter Völ« Fer auf ihr zufammen. Zulezt gab er ihr auch die Nas men, der Unmiffenheit, Unmahrheit, Unbeftimmtheit, Zwietracht, des Verhängniffes und Todes, Auf eben diefe Art vafere er die übrigen Zahlen big zur Zehn durch, bey welcher er in einen der längften und beftigften Parorismen fiel. Dieſe Defas befang er als das Univerfum, als den übergöttlichen Gott, als den Gott der Götter, als — —— bod) ich will meine $efer mit den übrigen Vollfommenheiten, die er in ihr fand, verfchonen. — Wenn nun das zweyte Yahrhun: dere fehon foldhe Narren trug, als Nikomachus war; fo darf man ſich nicht wundern, daß fi) im dritten und in den folgenden Jahrhunderten andere fanden, die dies fen. Thoren für einen weifen Diann hielten, und in feine Sußftapfen traten. *), — Die eben mitgetheilten Frag— mente * Man fehe Jambl, in Nicom, Arith. p. 14. ferner die unftreitig untergefchobenen Erklärungen der Zahl vom Hippafus und Philolaus ib. p. 11. die Erklärung der Gottheit, welche die Zahl der Zahlen genaunt wird, ap. Heroc, ©, 166. aus dem angeblichen jew Aoyd des Pythagoras, ferner Eudorum ap, Simpl, in Arift, Phyf. 39, fol, wo die Erklärung und Benennungen des Ev ganz in der Manier des Nikomachus if, Diefe Stelle beweift zugleich, dag Eudorus, den Simplicius uud 340 Drittes Buch), mente bes Moberatus und Nikomachus habe id; haupf« fächlich in der Abſicht angeführte, um folchen Leſern, die ſich unter der Monas die Gottheit und unter der Dyas eine rohe Maferie zu denken gewöhnt haben, und fi) von Diefen Gedanken nicht ohne Mühe losmachen Fönnen, um dieſen auf eine nachdrückliche Art zu zeigen, was das fir Köpfe waren, aus denen diefe Auslegungen zuerft enefprangen, was dieſe fid) nod) fonft bey diefen Aus» drücken vorſtellten, und weld) eine Blindheit oder Wider fpruch es war, die Ungereimtheiten diefer falfchen Pytha⸗ goreer, zund derer, Die ihnen folgten, entweder nicht zu bemerfen, oder, wenn man fie bemerfte, ihnen dennod) immer als verftändigen Auslegern und glaubmwürdigen Geſchichtſchreibern zu frauen, Ungeachtet die äfteften Pythagoreer den himmli⸗ fchen Aether aus den Zahlen, und alle göttlichen Naturen wiederum aug der Aetheriſchen Subftanz entftehen ließen; fo that diefe Meynung und die ganzliche Verfennung eis - nes alles fchaffenden oder ordnenden Wefens ihrer Froͤm⸗ migfeit eben fo wenig Abbruch, als die Gottesfurcht der übrigen Griechen darunter litt, daß fie die Gegenftände, ihrer Anbetung entweder von andern ihrer Art, oder auch aus dem Chaos gebohren glaubten, Die Pythagoreer erkann⸗ m —ñ iff un und Proklus häufig anfuͤhren, nah dem Nikomachus gelebt haben muͤſſe. Jonſius war ungemiß in Anfes hung feines Zeitalters, aber dabey nicht ungeneigt, ihn für den Eudorus zu halten, deffen Strabo erwähnt. Er war von Alerandrien, und fihrieb ein Biftorifches Werk über die Philofophie, das Stobäus p. 161. Phyt, Cicl, anführt, der ihn auch einen Akademiſchen Philo⸗ ſophen nennt. Geſchichte der Pythagoreiſchen Geſellſchaft. 541 erkannten nicht nur, wenn man ihren Aether ausnimmt, dem ſie aber nicht die geringſte Ehre erwieſen zu haben ſcheinen, keine andere Goͤtter, als die, welche von allen Griechiſchen Voͤlkern angebetet wurden, fondern fie theils ten fie aud) in diefelbigen Nangorönungen ab, und uns £erfchieden fich von äftern Dichten und Weltweifen nur darinn, daß fie alle Arten übermenfchlicher Weſen nicht aus dem Chaos, oder aus Waffer und $uft, oder aus dem Unendlihen, fondern aus einem göttlichen Feuer hervorgehen ließen. Ihre Götterlehre ſtimmte daher voͤl⸗ lig mit den Begriffen des Volks und der berühmteften Dichter überein, Die Pythagoreer befahlen, die unfterblichen Goͤt⸗ ter am meijten, und vorzüglich vor andern göttlichen Maturen zu verehren *).. Unter diefen unfterblichen Göttern verftanden fie, allem Vermuthen nach), außer den Geſtirnen, nod) diejenigen Götter, welche die Grie⸗ chen Götter vom erften Range, oder oberfte Götter nannten. Mach diefen gebothen fie zunächft den Dämos nen die größfe Ehre zu erweifen, unter welchen fie wahr« ſcheinlich, wie die übrigen Griechen, alle von den uns fterblihen Göttern entweder mit Nymphen, oder mit Menfchenfindern erzeugte Halbgötter verftanden **), da hingegen Hefiodus durch das Wort Dämonen, was Ho: mer noch als gfeichgeltend mit Göttern brauchte, die ab- geſchiedenen Seelen des Menfihen des goldenen und filbers nen #) Carın, aur, V. 1. Ariftox, 100, ap. Jambl. et 175. ap. Porph, 38. S, Dicaearch. $, 37. ap. Jambi, Piog. VIII. 23. *°) Vide Hiſt, do&tsin, de vero Deo, p, 205, 542 Drittes Bud. nen’Zeitalters begeichnefe, die in Luft gekleidet, an der Zahl dreyßig faufend auf der Erde herumfchwebten, und vom Supiter zu Hütern des menfchlichen Geſchlechts beftellt wären *). Auf diefe Dämonen ließen fich endlich, der allgemeinen Meynung ihrer Zeitgenoffen gemäß, Die Heiden folgen, unter welchen Namen fie die abgefchie- denen Seelen großer Männer anbeteten, die durch ihre außerordentliche Thaten fich nad) ihrem Tode einen Plaz unter den Göttern erworben, und göttliche Verehrung verdient hatten **), Mit den Dämonen und Helden ſollen fie ***) die ganze Luft angefüllt geglaubt, und zu- gleich behauptet Haben, daß um diefer willen alle Reini: gungen, Waſchungen und Uebel abtreibende Mittel ein- gefezt, und von ihnen bedeufende Träume, und andere Vorzeichen fünftiger Begebenheiten, fewohl Menfchen, als Thieren zugeſchickt würden f). Die Seelenlehre der älteften Pythagoreer ift eben fo dunfel, als die von den Dämonen und Göttern, und fo viel man davon verfteht, auch nicht ganz frey von Widerſpruͤchen. Gewiß ift fie eben fo dichteriſch, und nicht weniger aus den Volfsbegriffen der damaligen Zeit gefchöpft, als ihre Ausfprüche über die hoͤhern Naturen. Auch beweift fie eben fo fehr, mie wenig die Philofophie der Pythagoreer ſich von den finnlichen Vorftellungen der älteften Bolfsfänger entfernte, und über fie hinaus bob. Nach nn —— — ö— — — — — 2; Ba ka Eey. nr). exe) — VI. 32.33. 7) Siehe zweyte Beplage am Ende des Capitels, L} Gefihichte der Pythagoreiſchen Geſellſchaft. 543 Nach dem Alerander beym Diogenes *) glaubten fie, daß die Seelen der Menfchen gleichfam abgeriffene Stücke fomohl des warmen feurigen, als des Falten Aethers feyen, oder daß fie aus Beftandtheilen von beyden gemifcht waͤ⸗ ren, Einer Nachricht des Ariftoteles aber zu Folge was ren fie in ihren Meynungen über die Matur der Seele geheilt. inige hielten dafür, daß ihre ganze Subſtanz luftig fey, oder aus Lufttheilen beſtehe; andere hingegen, daß fie dem Weſen gleichartig fey, mas die $uft in Ber wegung feze *). Ariſtoteles erzähle ferner, daß fie bes bauptet hätten: alle Seelen würden durch ein bloßes Dhngefähr eine jede in einen gewiffen Körper geführt ***): ein Einfall, der nicht weit von dem Gedanken des Ver— faffers der Orphifchen Gedichte abwich, nach welchem die Seelen der Menfchen durch Winde in die Wohnungen Des —— — — — —— — ®) 8. 28. 30: 31, %t) De aniına |, 2. eosxe de naı ro mag Tov IIudaysgsı- av AeYopevov, TNV KUTAy EXEW dınvommy. EDaaay ag Tıves aurav, Wuxav encı Ta u Tm weg VCHRTA. 0 de, To TAUT® xıvev. Johannes Hhiloxenus in feiner Anmerkung zu diefer Stelle gibt zu, daß diefer Ausfpruh, wenn man ihn wörtlich nehme, kindiſch und lächerlic) fey, daß man ihn aber, wie die Fabein der alten Dichter, allegorifch erklären muͤſſe. Er glaubt daher, daß die Pythagoreer mit den angeführten Worten die Eigenfhaft der Seele hät- ten andeuten wollen, wodurch fie die verfihiedenften Dinge verbinde und zufammenrüde. @R®) Ar. 1.3. de Ani, Treu de ra de£onevs C@MRTIS, adev erı meondiogilaaı reg evdexonevov KToı ras IIuIayoginss uu9es, Tnv FuXaoar yuxmv EIS Fo TUXov evVduecdar Twum. 544 Dritte! Bud. des Leibes Hineingetrieben wurden *), Die Pythagoreer nahmen in der menſchlichen Seele drey Kräfte, ober, wie die Alten fagten, Theile an **), deren Bezeichnun: gen aber unüberfezbar find, Zween von diefen Aus⸗ drücken (Deeves, Sypos) find alt und Homeriſch ***); allein fo wenig ich jemanden für fähig halte, die Bedeus tungen derſelben, und ihre Abweichungen von Wuxn und sıdwrov genau zu beſtimmen, fo wenig traueid) es mir oder einem andern zu, ben Sinn der Pythagoreiſchen Ausdrüde für Die drey Haupttbeile der Seele, und die Merkmale, wodurch fie Seele und Leben +) von einander ulle ae *) Tero de mwemovde no 0 ev Tas oeDinos RaÄB- pevass emesı Aöyos. Das Yap ray buxm en re ONE EIOHEVAL, AYOTEVEOVTay (DEComEINy U Toy AVEK@V. Br) 5. 30, vv de avenue buxnv diasgera ger Fa- N, EIS TE vsy naı Desvas nes Duuov. Nach dem Jamblich beym Stobaus (S. 109. Eel, Phyf.) unterfhieden die Pythagoreer Theile und Kräfte der Seele: benannten jene wie Plato, und diefe ohnge: fähr wie Arifioteles. 0, de zer Trarwva, xeu Aexuras, mai 6 Acımos IluSayogsios Tv \bu- x Femeen amobouvovres diasgsvres sis Ao- Yıryov, Ro Dupov, Ko ETiTupicv =» - = duver- nes de rns Wuxns avaAoyıdovras Quo xaı Davracıny, ao wiogncw, #0 dogav, mo Kuıvn- TIRNV CWMATRV Orvcicv,, Ah OPEL KEAmv Ko ayodav, zo vorosis. Man fehe auch Protrep, p. 20. Sch darf wohl Faum einmal hinzu ſezen, dag die Pythagoreiſchen Schriften, aus denen Jamblich diefe Gedanken entlehnte, untergefhoben waren, ©**) Vid. Mosh, ad Cudw, p, 1036, $. 2-8, 1) 5: 28. Geſchichte der Phthagoreiſchen Gefellfehaft, 545 anterſchieden, richtig anzugeben. Nur fo viel kann man mit Gewißheit ſagen, daß die Pythagoreer, wie Homer, denjenigen Theil des Menfchen, den fie Dgsvars nannten, für den edelften und goͤttlichſten erfanne, und geglaubt yaben, daß diefer von den übrigen abgefondere werde, nd abgefondert fortdauren Fönne, wenn aud) dieübrigen Theile untergehen follten *). ! 2 Bon ben Kräften und Theilen der Seelen fezten fie ie beyden eblern ins Gehirn, den niedrigern hingegen ns Herz, und dieſen leztern mepnten fie wahrfcheinlich illein, wenn fie fagten, daß die Seele vom Blute er. rähre werde **), Merven und Adern nannten fie Bande der N are —— =) Ich zmeifle aber fehr, ob die Pythagoreer einen gewiſſen Theil der menfhlichen Seele mit dem Namen ver belegt, und wenn fie dieſes gethan, ob fie diefer ygs wie den Supos für fterblih, und den Menfchen und übrigen Ihieren gemeinfchaftlih gehalten haben. Wenigſtens widerſpricht fich entweder Alerander, oder Diogeues , wenn er bald den vas und Junos für heile der menfhlichen Seele, die ſich auch in den übri= gen Thieren fanden, ausgibt, und bald wiederum 5, 28. den Thieren, mie den Pflanzen uͤberhaupt, Seeelen abfpricht. Diefer lezte Saz befonders reimt ſich nicht gut mit den Ausſpruͤchen: dag Strahlen des Aerhers die ganze vegetabilifhe und thierifhe Natur durchdraͤngen: daß die Thiere Wohnungen von Men- fchenfeelen feyen: daß man alle lebende und empfin- dende Wefen für gleichartig erfennen müfle. Dicacarch, ap. Porph. S. ı9. ib ») 5.36. T eDeoIaı re rıv duxav @mo TE aıua- ros. Tas de Aoyss, \VUXNS @VEmEs eva. wogKrov 78 Mm | ai * 46 Drittes Bud. der Seele, fo mie Gedanken, Betrachtungen und Grund» füze, Winde derfelben; doch frugen fie den erftern bild- lichen Ausdruck aud) auf Die leztern über, wenn fie fih in einer Geele fänden, die ſich ganz in ſich hinein gezogen , und ihre ganze Kraft.in fich felbft verfammier habe, So wie fie die Seele ſich als einen Ausfluß des Aethers vor- ftellten; fo nannten fie die Sinne wiederum Tropfen oder Ergießungen der Seele, das Geſicht den wärmften Dufe oder Aushauch derfelben, und die Augen die Thü- ren oder Defnungen der Sonne *). * Dieſe Reihe von Bildern, die ſich alle in eine, oder ein Paar aufloͤſen laſſen, beſchloſſen die Pythagoreer endlich mit einer allgemeinen aufgenommenen Fabel, die man mie ihre übrigen finnlichen Vorftellungen faft unter often Bölfern, wenn glei) etwas verändert, wies — der TE EIVRLAUFNV Ks TES A0Yas. EEI Ho 6 une — dern Te vos rusıbuxns, Tas Dres Koch TOLS OLETMEIDS 5 MOLı FOL VEUGEL. orœy EICKUN, zeunag urn yevopsvnnesundernua yweo9eu au- TNS TES AOYSSs ano To EoYa&. Nach dem Porphyr glaubte Pythagoras, dag die Seelen in der Milchftraße verſammlet wuͤrden, und daß diefe daher den Samen befommen harte, weil fie, wenn fie mit dem; Körper verbunden würden, (denn dies fagen die Worte: öra. 35 YEerw FeTaTWw) mit Milch genährt wür: den de antro Nymph. :27. Edit Roman. x) Aus dem bisherigen würbe man allein fließen koͤnnen, daß die Erklärung des angeblichen Hippafus benm Sto: baͤus Lib. I, p. 07. untergefchoben fey, wenn nicht die Worte ſelbſt ihren falfhen Urſprung verriethen. ws de arrınov noruseys des oeyavor, Imzmacos € axscuarınos roy MvIoyogssor. B Geſchichte der Pythagoreiſchen Sefelifchaft. 547 ber finder, Sie glaubten naͤmlich, daß die Seelen ber Menfcyen, gleich) nach dem Tode der $eiber, in der $uft in Körperähnlichen Öeftalten berumfchwärmten, daß fie aber bald vom Hermes, dem Begleiter ver Seelen, aus allen Enden der Erde geſammlet, und die reinen alsdenn zum Aether hinauf geführt, oder in eine höhere Claſſe von Wefen verfezt *), die unreinen hingegen mit unzers reißbaren Banden von den Furien gefeflelt würden **), Diefe lezten Behaupfungen der Pythagoreer hielten Bayle und andere für unvereinbar mit einer andern Lehre, welche das ganze Alterthum dem Pythagoras zueignet: daß naͤmlich die abgelöften Geelen in die $eiber von Menfchen und Thieren einfehrten***). Nicht aber Pyrhagoras allein, m 2 ſon⸗ ®) Carm. aur, v. 70. 71. Hr diamorenbas owm a5 wide ereufeer —R Eoos aIavaros Jeos, apldeoros, 8% E73 vNros. ' Das aIavaros Yeos ift an dieſer Stelle ein füh- ner Ausdruck, den der Dichter gewiß nicht in derfelbie gen Bedeutung genommen bat, in welcher er im. An: fange vorkommt. Kein Pythagoreer, oder Platonifer, oder ſonſt rechtgläusiger Grieche konnte annehmen, daß auch die befte, ſchuĩdloſeſte Seele foglei Dir monen und Helden weg im die höchfte *2 vernuͤnſe tiger Weſen verſezt wuͤrde. *8. 31. ⸗e⁊. Xenophan, ap, * VIII. 36. Herod. II, gr. Dis caearch. ap, Porph.'$, 19. ap, Gell, IV, ı1. ibi et Cle- arch, Heracl, VIII. ap.-Diog. 4. 5. Apol. I. 1. und viele.andere. In den leztern Stellen iverden auch die Wanderungen ag , bie Pythagoras gemacht has ben ſoll.b s48 - Drittes Bud). fondern aud) Empebofles *) und Piato, ja ganze Vaͤlker, befonders die Aegnptier und Indier haben fic) diefes an= feheinenden Widerſpruchs ſchuldig gemacht, indem fie alle, ‚neben der Seelenwanderung, noch Derterder Freue den für reine, oder doc) Derter der Duaal und Strafen für unreine Seelen behaupteten. Allein eben diefe Bey— fpiefe hätten die Vermuthung veranfaffen müflen, daß man die eine oder die andere vertheidigen Fönne, ohne mit fich felbft in Gegenfaz zu fommen., Man fah nam« lich Die Wanderungen von Seelen als Zuftände der Prüs fungen an, in weldyen fie, entweder nad) ausgeftandener Strafe im Hades, von allen nod) übrig gebliebenen Un- seinigfeiten fo geläutert würden, daß fie endlid) bis zw den Göttern erhöht, oder auch mit dem Aether verbuns den werden koͤnnten — oder in und durd) welche auch) Unverbeffertichfeit und unheilbare Verderbniß fo darges than und erfannt würde, daß diefe nad) einem fruchtlos fen Gebrauch des Fräftigften aller Heilmittel Eranfer oder verwundeter Seelen ohne weitere Verſuche der Herftellung ihrer Gefundheit ewigen Quaalen uͤberantwortet werden koͤnnten. Die aͤlteſten Pythagoreer eben ſo wenig als die Stoiker von einem vorhergehenden koͤrperloſen Zu⸗ ſtande der Seele, und behaupteten auch eben ſo wenig als dieſe, daß die Seele zur Strafe für Vergehungen, des ven fie fich in einem beffern Geifterleben fchulbig gemacht hätten, in den menfchlichen $eib eingefchloffen worden ſey. Entweder lehren ſie**), daß Seelen, wie Körper, und zu⸗ *; ap, steph. Poeſ. Phil, p, 24, 25, **) 8, 48. VIII. Diog, 4 Gefchichte der Pythagoreiſchen Gefellfchaft. 549 zugleich mit ihnen erzeugte würben, oder mas man aus einer oben angeführten Stelle des Xriftoteles ſchließen fönnte, daß bald nad) der Empfängniß oder Geburt die wefentlichen Beftandtheile derfelben, aus Aether und Luſt gemifcht, in den Grundftoffdes Körpers eindrängen, und fich mit ihm auf das genaufte vereinigten. Unter den Nachfolgern des Pythagoras aber, die nicht lange vor dem Pfato, oder zugleich mit ihm blühten, glaubren mehrere, daß die menſchlichen Seelen urfprünglidy frey und rein von dem Drucke und der Befledung der Materie ein göttergleiches Leben gelebt hätten, und nachher erft um gewiffer Sünden willen in das Gefängniß, oder Grab des Körpers hinabgeftoßen worden, aus welchem fie fich nur allein durch unabläffiges Streben, der Gottheit ähn fich zu werden, und durch eine unermüdete Ausübung aller Tugenden zur verlornen Seligfeit wieder empor ſchwingen koͤnnten. Don ihnen entlehnte Euripides die Frage, die Plato aus ihm anführt *): wer weiß, ob das, mas wir Tod nennen, nicht $eben, und ob das, was wir Leben nennen, nicht Tod fen, und ob mir alfo izo, da wir leben, nicht wirklich fterben? Sie waren die Weifen, von denen Plato fagt, daß fie den Körper in Grab, oder ein Gefäß, und Behälter der Seele ge nannt hätten, und die aus diefem Saze die Folge zogen, daß es **) Empörung wider die Gottheit fey, wenn jes | Mm 53 mand neu %) In Georg, p, 320, 5) omeR nn Ta EyayE ao RR Toy dw, ws yuv NMEIS TEIVOMEV. Ho To KEV win Esıv Yawv ame. uns de \buxns TETO, ev ar sr Jun eıcı, FUYNL- 550 Drittes Bud. mand ohne ben Aufruf oder wider den Willen des Herrn der Geifter aus feinem Gefingniffe heraus gehe, und durd) einen gewaltſamen Streich die Zeit des irdiſchen gebens und der Strafe, die ihm zuerkannt worden, abfürze *) Unge: am nn — — — — — ——— av Kai KETw. Has TETO EX Tis KuguÄAoywv xou\os ayne ınws Zinedos is n IraAsnos maee- Yav rw ovouarı diu To mıbavov zus TreISIRoV, wvon&e Fıgov. Plato zielt hier nicht auf die Alteften Pythagoreer, ſondern auf den Philolaus, deſſen er aud) in Phädo p. 23. 24. erwaͤhnte, und aus welchem Clemens von Alerandrien eine Stelle anführt Lib, II. Strom. 433. worinn der Gedanke, daß die Seelen der Menfchen zur Buͤßung gewiſſer Verbrechen mit Körpern verbunden worden, fchon den ältefien Dichtern und Theologen zugefchrieben wird. Ich urtheile über dies Fragment izo anders als fonft (Phil. Schriften dritter Theil S. 305.) und halte es für einen Theil eines untergefchobenen Werks, Wenn es aber auch nicht it; fo enthält es unflveitig einen Srerthum. Denn weder im Homer noch im Heſiod noch in den Ältern Bruchftüs «en der fogenannten Orphifchen Gedichte, noch in den zuverläffigften Quellen der Philofophie der Alteften Py— thaggreer trifft man eine Spur der Lehre an, die der angebliche Philolaus fo alt made. Auch Plato würde, in feinem Gorgias und Kratylus beftimmter geredet haben, anftatt daß er im leztern den Sokrates in einem faft ganz fcherzhaften Tone fagen läßt, daß die Orphi⸗ ker vielleicht deimegen den Leib 700 genannt hätten, meil er gleihfam das Grab (omuw) der Seele fey. ©) Man fehe den Philolaus beym Plato in Phaed, p. 23 und den Pythagoreer Eupitheus beym Athenäus, der hier Geſchichte der Pythagoreiſchen Geſellſchaft. 551 Ungeachtet man von der Seltſamkeit der Meyhnun⸗ gen bes Pythagoras über die Natur und Entftehung aller ‘ Dinge, und von der Ginnlichfeit feiner Vorftellungen von der Seele nicht auf eine ähnliche Unvollkommenheit, und Unvoliftändigfeit feiner Ethik ſchließen darf (denn bie erftere konnte ſchon fehr erweitert feyn, wenn die erftern Unterfiichungen noch fehr mangelhaft waren); fo kann man doch aus dem gänzlichen Stillſchweigen des Plate, aus den faft übereinftimmenden Nachrichten der Alten, daß Sokrates die Philofophie zuerft in die Städte und Woh- nungen der Menfchen eingeführer, endlidy aus einigen Zeugniffen des Ariftoteleg nicht anders vermuthen, als daß die wiffenfchaftliche Sittenlehre,: die Pythagoras feis nen Freunden vortrug, doch immer noch fehr eingefchränft, und feinen übrigen $ieblingsideen entfprechend gemefen fen, Der lezte große Schriftfteller nenne zwar den Pythagoras | Mmg4 "den bier dem Klearch folge. CIV. 14. p. 157.) Ev&ı9eos 6 Tlu$ayoeınos » Ninıov, ws Onci Krexexos» Ilseımarnrinos ev deureew Bıwv EAe- yev, evdedeoden rw omuarı nos Tw deuew Bil Tas amavrav \yuxas Tunes Xoleıv, Ko ‚diesmaoIasTov Yeov, ws &ı un aevaıv eri TETOIS Ems av Ermy auras Avon MÄEBCI za eılociv EUTETBVTEL Tore Aumiaicıdo mayras euralde- EEE ee an DoßeıcIau 78 nv EHOVTES erßavar Wenn Cicero diefes Verbot des Selbf- wordes dem Pythagoras felbft zufhreibt; fo irrt et eben fowohl, als wenn er mit dem Philolaus beyrm Clemens die Lehre von der Begrabung der Seelen in ben Körper für eine allgemeine Mehnung ber älteftin Bin hät, Man fehe iplius fragin, p, 66, Edie, une, — 552 Drittes Bud. den erften Lehrer ber Erhif; er fezt aber zugleich Hinzu , daß dierer alle feine Betrachtungen über Tugend und Gtücfeligkeit auf Zahlen zurück gebracht habe*). Diefe Nachricht des Ariftoteles allein wäre ſchon hinreichend, einen jeden von der Unächtheit der moralifchen Fragmente der Pythagoreer zu überzeugen, die Gale aus dem Stos baus und Jomblich gefammlet, und aus denen Dmeis feine ungereimte Pythagoreiſche Sittenlehre zufammen- gefezt hat. Wenn man Bi den Pythagoras als Menfchens fehrer und Sittenverbefferer bewundern, und feine großen Verdienfte in ihrem ganzen Umſunge kennen lernen will; fo muß man nicht fragen, ob er neue, und welche bis dahin unerhörte Meynungen er vorgefragen, fondern wel⸗ che Grundfäze er und feine Schüler ausgeübt, und in wirf« liche Lebensregeln und Gewohnheiten verwandelt haben. Nicht die Erfindung eines ganz neuen Syftems erhob ihn über alle feine Zeitgenoffen, und gab ihm unfterblichen Ruhm, fondern die Bildung vieler vorfreflicher Männer, durch die Anwendung von Sehren, deren größten Theil man fchon vor ihm für Wahrheiten gehalten hatte, vie man ferner alle nach feiner Zeit fchöner und weitläuftiger ausführte uud bearbeitete, die aber niemand beffer ge brauchte und treuer befolgte, als er und feine Freunde **), Die ganze Einrichtung feiner Gefellfchaft verraͤth bie reinfte und erhabenfte Sittönlehre, und wenn id) alfo von diefer noch umſtaͤndlicher reden wollte; fo würde id) bie Geſchichte von Imnf nur wiederholen müffen. Alle — —— ®) Magn. Mor. 1.2 J ve) Siehe die dritte Beplage a am m Ende dieſes Kapitels. Geſchichte der Phthagoreiſchen Geſelſchaft. 553 Alte übrigen Wiſſenſchaften, die Pythagoras ent weder mit Beobachtungen, oder Demonftrationen,, odır auch mit Vermuthungen bereicherte, waren zu feiner Zeit eben fo dürftig und unvollftändig, als die Philofophie, und man hatte eben fo wenig daran gedacht, jene von einander abzufondern, als diefe in ihre Theile zu zerle- gen, Die meiften Gattungen von Kenntniffen, die man nachher in einzelnen für ſich beftehenden Wiffenfchaften fammlete, hatten entweder nod) gar feine, oder doch nicht die Namen erhalten, die man ihnen in ber Folge beylegte *): und alle waren noch fo eingefehränft, daß ein einziger, nicht gemeiner Kopf, ſie ohne Mühe umfpannen, und zu einer jeden noch etwas binzufegen konnte. Auch Pythagoras forfchre, nach dem Benfpiele der älteften Did)» ter und Weifen feines Volks, nach allem, was in feinem Zeitalter wiffenswürdig war, und wandte es zum Nujen und Gluͤck, oder doc) zur Aufklärung feiner Freunde und Zeitgenoffen an **), Durch feine Erfahrenheit in der Arznepfunde erwarb er fich und feiner Gefellfchaft ein großes Anfehen, wie ich oben gezeigt habe, und verbafs ferte vieles in der Diäterif überhaupt, befonders aber in der für Kämpfer und Fechter. Schwerer aber, oder vielmehr unmoͤglich iſt es, die Heilmittel und die Heilart zu beftimmen, deren fih die Pythagoreer in einer jeden ms Krank he H So hieß zum Beyſpiel die Geometrie Foom, wie Strabo und ein Ungenannter beym Jambl. S, 89. bezeugen. xx) Der trübfinnige Heraklit warf dem Pythagoras, Heſto— dus, Hekataͤus und Kenophanes ihre Vielwiſſerey vor, ‚und. fagte: roAummdun voav a Öidaaxeı. ap, Ding. IX, 9 i N 554 Drittes Buch. Krankheit bedient haben. Es beruht nur allein auf eis nem verworrenen und verdächfigen Fragment eines unbes kannten Schriftſtellers beym Jamblich *), daß Pytha⸗ goras Pflaſter viel haͤufiger, innere Arzneyen aber, wie Feuer und Meſſer, viel weniger, als ſeine Vorgaͤnger gebraucht habe. Wahrſcheinlich iſt es unterdeſſen aus dem Gange menſchlicher Kenntniſſe in andern Zeitaltern, und unter andern Voͤlkern, daß die Pythagoreer geſchick⸗ ter in der Heilung von Wunden und aͤußern Verlezungen, als in der Ueberwindung heftiger im Innern — —— Uebel geweſen ſeyen. Die Regeln der Arithmetik erfanden die Potha⸗ goreer, oder bewieſen ſie doch zuerſt, und trugen ſie in wiffenfchaftlicher Ordnung und Form vor**). Auch hier läßt es fih nicht mehr beflimmen, welche und wie viele Verdienſte Pythagoras und deffen Schüler um dieſe Wiſ⸗ fenfchaft fich erworben,, und in welcher Geſtalt ſie ſie hinterlaſſen haben. Wenn es ausgemacht waͤre, was Ariſtoxenus verſicherte ***), daß Pythagoras zuerſt rich⸗ tiges und uͤbereinſtimmendes Maaß und Gewicht in Griechenland eingefuͤhrt habe; ſo wuͤrde dieſe wichtige Verbeſſerung des Handels und Wandels unſtreitig die nüglichfte unter allen Anmendungen der Zahlenlehre gewe⸗ fen ſeyn t). Wenn 2) 16. Jambl, i **) Arift. I. 5. Met. **#) VIII. 14. Diog. 4) Nad) dem Difdare (ap. Jambl. —* Ind Cieeto nannte Pythagoras die Erfitider und weiceror der Sptachen die Gefchichte der Pothagereffchen Gefellfchaft. 355 Wenn man ben berühmten Pythagoreiſchen Lehr⸗ ſaz ausnimmt *), nad) beffen Erfindung Pythagoras den Mufen opferte; ſo Fann man aus alten und glaub: würdigen Schriftftellern Feine andere wichtige Entdecfung anführen, womit er bie Geometrie bereichert hätte, Dieſe am mwenigften flreitige Erfindung des Pythagoras zeigt aber, in weld) einem Zuftande nicht nur die Wife ſenſchaft, zu der fie gehörte, fondern aud) alfe mit ihr verwandten Kenntniſſe ſich im Zeitalter des Pythagoras befanden, und mie unmiffend diejenigen waren, welche behaupteren, daß Pythagoras, der gleichfam nur einen ber erften Grundfteine der Meßkunſt legte, zugleic) das ganze Gebäude derfelben vollendet habe **), Die Weberbleibfel der Aftrohomie der älteften Pythagoreer beftehen entweder in Erfindungen, ven des nen e8 zweifelhaft ift, ob fie von ihnen, oder in ihrem Zeitalter gemacht worden, ober auch in Fühnen, unbe» wieſenen und grundlofen Vermuthungen, von denen eine jede unwiderſprechlich für die Kindheit dieſer Wiffenfchaft im Zeitalter des Pythagoras zeugt, In die erfle Claſſe von Fragmenten der Sternfunde diefes Weltweifen feze ich die Entdecfung der Schiefe der Efliptif, die Denopis bes von Chios ihm entwandt haben foll ***); und niche weniger bie Verfertigung einer Himmelskagel, deren Ume — die weiſeſten unter den Sterblichen, und man kanñ da⸗ ae mit Recht an der Erzählung des Aelian (IV. 17. Var, ift.) zweifeln, duß er diefen noch die Frfinder von Zahlen vorgezogen habe, ®) Diog. VII. ı2. #) Timaeus ap. Diog.l. e. wss) Stob, Ecl, Phyf. p, 53: 55 6 a Drittes Bu: Umdrehung ben Bewegungen der himmlifchen Körper ent⸗ fprochen härten *), und daß der Hesperus vom Phos- phorus nicht verfihieden fey **), Wahrfcheinlich alt und aͤcht Pythagoreiſch, aber von einer ganz andern Art, als die vorhergehenden Gedanken, find folgende: daß alle Geftirne, und felbft die Erde fi entweder um ein im Mittelpuncte der Welt ruhendes Feuer, oder daß auch die Sterne allein ſich um bie ruhende Erde herumbeweg- ten ***), daß ferner ein jedes Geſtirn eine eigene Welt ausmac)e+), daß es außer den neun Kreifen oder Sphä- ren himmlifcher Körper, von welchen die Griechen glaub» ten, daß die Sinze felbft fie ungoffenbarten, noch einen zehnten Himmel oder Erde gebe, den die Pythagoreer, wie Ariftoteles fagt, bloß um der vollfommenen Zahl Zehn willen annahmen }}), daß bald diefer Antichton, bald die Erde die Urſache der Mondfinfterniffe fey ftf), daß die _ —— — *) Hegefianax. ap, Athenae, XII. 8. p. 599. **) Diog. VIIl. 14 Stob. p. 54. Apollodor. ap, eund.p. 55, 2x*) Diog, VII. 25. Il. de Coelo, Arift, 13. Philol. p. 51, ap. Stob, Eel. Phyf. Auch Alfmäon glaubte, daß alle himmlifche Körper, Sonne, Mond und Sterne in eis ner unaufhörlichen Bewegung wären; (de Anim. ı. 2.) und er’alfo fowohl, als die übrigen Pythagoreer wa— von fehe weit von der Vermuthung entfernt, daß alle Planeten fih um die Sonne herum bewegten. Dies fen Gedanken hegte, nad) dem Zeugniffe des Theo: phraſts, Niketas von Syrakus zu allererft- unter den Griechen, (Acad. Quaeft. IV. 39.) der ihn aber nicht ſehr wahrfcheinlich gemacht haben muß, weil feiner der - fpätern Griechifhen Aftronomen ihn angenommen ee +) Ap. Stob. 53. ++) Mel. J. 5. de Coelo. II. 13, +++) Ariſt. et Heracl, Pont, ap, Stob, p. 60. Gefehichte der Pythagoreiſchen Gefelichaft, 557 die Kometen, oder vielmehr der Komet (denn fie fcheis nen nut einen einzigen angenommen zu haben) ein Stra ftern fen, der aber nur felten ficyebar werde *): daß man die Milchſtraße für niches anders, als für einen wirkli⸗ chen Weg halten fönne, ver entweder durch einen aus feinem Kreife gefallenen Stern, ober auch durch die Sonne, die fich bisweilen dorthin bewege, entzuͤndet worden : und daß endlich die Sterne durch ihre Bewe— gungen eine vollfommene Harmonie machten **). Ih— nen ſchien es unmöglich), daß fo viele himmlifche Körper fi) fo ſchnell Herummälzen, und gar keinen Laut hervor bringen follten; und fie fuchten daher aus erdichteten Entfernungen derfelben, die man beym Plinius angeges ben findet ***), zu beweifen, daß fiedie herrlichſte Muſik erzeugten, die wir nur deßwegen uͤberhoͤrten, weil fie bes ftändig foredaure, und unfere Ohren gleichfam durch fie betäubt und unempfindlich geworden feyen +), Mit Recht warf Ariftoteles den Vertheidigern folcher Meynuns gen vor, daß fie nicht von forgfältig angeftellten Beob⸗ achtungen ausgegangen feyen, und daß fie ihre. Rafon« nemens nicht nach wirklichen Erſcheinungen zu berichtis gen, fondern unläugbare Erfcheinungen durch willführa lic) angenommene Säge zu verdrehen gefucht hätten). Stern. En Zn —— — — — 2) Arift. Meleoral. I, 6, ®e) de Coelo Il. g, ”**) I. 20. +) Ari. 1, e. Somn, Scĩp.e. 5. Plin, 1.22, +}) Arift.de Coelo II.iʒ. svavguws u zeaı ray Iradıar, Kemapevor de Ilutayogeios. Aeyssıy, 877 Ber 'yag ‚TE 558 Drittes Buch. Sternkunde und Tonkunſt hielten die Pythagoreer fuͤr genau verwandt, und nannten ſie daher Schweſtern, oder verſchwiſterte Wiſſenſchaften *). Ungeachtet Py⸗ thagoras weder der erſte noch der einzige unter den Griechen war, der die Macht der Muſik uͤber einzelne Perſonen, und den Einfluß derſelben auf die Sitten ganzer Völker bes merfte, der ferner die Tonfunft zur Heilung von Krank: beiten ſowohl, als zur Erregung oder Beruhigung von eidenſchaften brauchte ; fo war er doch, einer faft allge» mein für wahr anerfannten Weberlieferung zu folge, der erfte, der fie auf gemwiffe Regeln zu. bringen füchte, und der die nad) ihm gewöhnlichen und ftets beybehaltenen Kunftwörter einführte. Ueber diefe vom Pythagoras erfundene Theorie der Muſik ſchweige ich ganz, weil an dere fchon genug davon geredet haben , und ich felbft nur ein Bewunderer, aber Fein Kenner diefer Kunſt bin. Man braucht aber das leztere nicht zu ſeyn, um einzufes ben, ee TE En a Eee — — FE UECB MU eivcı Dacı. ray de Yan, &v Tray RSgwV 8TOV, Kuno Deeonevnv TE To MEooV, VUKTRRTE HI NMELOV TWOIEW. Eri Nevavrıav aA- Any Taurn naracneualecı yav, 1 vr Fene ovoumaAgOwW. 8 Teos Ta Poivoneva TBs Aoyas x TS aırıns Cnrevrss, aA Teos Tıyas do- Zus ndı Aoyassaurau Ta Dosvonere TreoasARoV- TES, x TEIGOMEVOL CUYHoTj4EIV. etiMetaph.1,5. - MELı bE TETRY EV, TETov EREeDnvavTo Toy Teo- ro Kos Meg TE TI ESiv ne&ovro mEv Aeyed, nos — Adv danrws erbuymareudyser. @erlovTo TE Ya EmIımoAdims. } #) VII, p. 104. de Republ, Plat, Ed, Mafley, Geſchichte der Pythagoreiſchen Gefelfchaft. 559 ben, daß viele von den Wunbern, die Pythagoras und feine Freunde durch Muſik verrichtet haben ſollen, erdic- tee find *). \ Erſte Beylage, zu S 524. Ts führe hier nur das einzige Beyſpiel eines fonft ver. dienten Mathematifers, ‚Erhard Weigels, an, den geibniz in Jena hörte, und gegen den er, während feines ganzen Lebens, unter allen feinen Sehrern die größte Hoch. achtung behielt. Dieſer ſcharfſinnige Kopf ftiftete eine eigene Pythagoreiſche Geſellſchaft, die an gewiſſen Tagen zuſammen kam, und ihre Entdeckungen uͤber die wun⸗ dervollen Eigenſchaften der Zahlen vorlas und pruͤfte. Er ſelbſt gab eine. Arithmetiſche Beſchreibung der Mo— ralweisheit von Perſonen und Sachen, worauf das gemeine Weſen beſtehet, nach ver. Pythagorei⸗ ſchen Kreuzzahl in lauter tetractyiche Glieder einge⸗ theilet, 1674 zu Jena heraus, in welcher. er alle häus- liche und bürgerliche Berhältniffe, alle Stände, Beſchaͤf⸗ tigungen und Pflichten Eleiner oder. größerer Geſellſchaf⸗ r 1 \ a ten *) Man fehe die Schriftftellee ap. Porph. 30 - 33. ap. Jambl, 64. 110-112, 163. 195, 224: Die ältern Schriftſteller der Griechen find über das. Inftrument, was die Pythagoreer allein, oder vorzüglich geliebt ha- ben fpllen, nicht einig” Mehrere fagen, dag fie die Zlöte verworfen, und nur die Leyer beybehalten hätten; beym Athenaͤus hingegen heißt es, dag Euphranor und Archytas über die Flöte gefchrieben hätten, Ach. IV, cap. ult. welche verlohene Werke ich aber geneigs Bin für untergefchoben zu halten, 560 > Drittes Buch, —X ten aus den Zahlen erklaͤrte, und auf Zahlen gruͤn⸗ dete. Ich will nur einige Stellen auszeichnen. Wie die Zahlen (Heißt es ©; 11.) ihrer Progreffion nach, von Eleinern zu größern fortfchreiten, und zwar alfo, daß zwar die Fleinfte Zahl, Eins, gewiß befannt, die grö- fiefte aber nicht zu benennen ift, außer nur relpedtive, als vier? dahin aud) vier Ausfpredyungsftuffen, als nad) der defadifchen und Zehnerart, Eins, zehen, hun⸗ dere, tauſend; oder nad) der tetraktyſchen und Wier- fings oder Kreuzart, Eins, Vier, Sechzehn, Schock (vier und fechzig) gezogen werden koͤnnen; alfo gehen die Menfchen ihrem Alter nach von der Fleinften Kindheit an immer weiter fort, doc) auch alfo, daß der ältefte Menfch eben fo wenig, alsdie größefte Zahl zu benennen: als nur refpedtive, dahin gleicher Geftalt die vier or» dentlichen Alterfiuffen zielen, da der Menſch ift, 1.ein Kind, 2. ein Juͤngling, 3. ein Mann, 4 ein Greis (S. 14.). Kbenermaßen gleichwie der Menſch, jeder vor ſich, der untheilbare Grund, und bie fehlechtefte Wurzel der moralifhen Verſammlungen und Vielheit ift, fo ſich felbft wweber in fi, noch in mehr andere Menſchen zertheilen laͤßt; noch vor ſich allein fi multipliciren kann; alſo giebt Mann und Weib den Urſprung nicht allein aller Vergleichungen im gemeinen Weſen, auch unter ſonſt fremden Familien, weil das Weib dem Manne gleich, ja mit ihm gar Eins, und dadurch eine Familie mit der andern vereinigt wird; ſondern auch der Brunnquell aller Fortpflanzung und Multiplicirung des menſchlichen Gefhhlehts: Mann, Weib und Knecht aber hält in fid) den Anfang alles Weberfluffes und der Ungleichheit, weil der Knecht außer der Familie , oder Ge⸗ Geſchichte der Pythagoreiſchen Geſellſchaft. 561 Geſchlechtsgeſellſchaft faͤllt, und geringer als Herr und Frau zu achten. Wenn aber zu dem Mann, Weib und Knecht auch das Kind von Gott beſcheret wird, ſo gibt es eine vollkommene häusliche Geſellſchaft ©. ı7. Im Krieg, da man die Zahlen einzelner Perfonen , der benöthigten durchgehenden Stellung wegen, nicht alfo wie zu Sriedenszeiten im gemeinen Wefen, oben hin, und überhaupt, fondern jeder vor fich genau beobachten muß, fiehee man augenfcheinlich, nie gleichfam Geift und Kraft, fo wohl zum Streit als zum Commando, von den Zahlen, und von den Figuren, darinn fie fid) ſchicken, herkommen. Wie dann die Kriegsfuͤhrung deßwegen ganz und gar nach der Rechenkunſt, und nach den Eigenſchaften der Zahlen eingerichtet worden. Und wie wohl die nach richtiger Zahlenmanier geordneten Sol⸗ datenhaufen, wie die bisher uͤbliche Praxis ausweiſet, ſchon ziemlich nahe ſich in ſpecie nach der Vierung richten; ſo wuͤrde doch, meines unmaßgeblichen Erachtens, noch ein größerer Vortheil dabey ſeyn, wenn man im Krieg die, vor allen Zahlen ſo vortrefliche Viere noch genauer beobachtete, und durchgehends verordnete, daß vier Soldaten ein Glied oder Rotte machten, und dahero 16 eine Corporalſchaft, 64 das iſt ein Schock, eine Compagnie, vier ſolcher Schock eine Majorſchaft von 256 Mann, ſechs Schock ein Regiment von 1024 Mann, ein Schock mal Schock eine Generalmajorſchaft von 4096 Mann, vier Schock mal Schock eine gemeine Armee von 16384 Mann, ſechs Shof mal Schock eine Hauptarmee von 65536 Mann, welches, was es vor einen fonderlichen Vortheil habe, zu anderer Zeit weiter ausgefübrer werden fol, — Endlih S. 38,39, Diefe Mn (die 562 Drittes Bud, (die negativen Zahlen) werden zwar mit eben folchen Ziffern bezeichnet, aber fie Haben dabey gleichfam einen Fleck an fih, wie die Juden, nemlich das Zeichen (—) welches fie allezeit vor fid) tragen, damit man ſich vor ihnen vorfehen Fann, als —4—6. Das ift eine Mi Bier, eine After Sehfe. Dahingegen die gültigen Zif— fern entweder gar fein Zeichen bey ſich haben, oder fie tragen das Zrichen eines aufrichtigen Kreuzes vor ſich, as-+t4.+6uf.m Eben alfo kommen bey der politifchen Rechnung nicht Tauter gültige Perfonen vor, fondern auch mißigüftige, ‚mißbandelnde Mifferhäter, und zwar entweder ganz Mikgültige, oder nur zum Theil, Derer ganz mifigültigen werden etliche beym Staat gar gnädig angefehen, und nur vor Nichts gerechnet, die, mit einer bloßen Nulla bezeichnet, fo lange in der Ge— meinde als natürliche Perfonen gelitten werden, derglei— chen find, die infames, die Unehelichen, denen alle Aechtbarfeit und Geltung abgefprodyen, nur daß fie das natürliche $eben noch behalten: zu welchem die zum ewie gen Gefängniß verdammte gar nahe freten, u. ſ. m, Beylage u ©. 542, — Ss diefem Abfaze habe ich die Lehre der älteren Pytha— goreer von göttlichen Naturen fo vorgeftelle, als id) fie nad) den meijten mit einander vereinbaren Erzählungen alter Schriftfieller gefunden habe. Ich will aber doch aud) die wichtigen ihnen entgegenftehenden Zeugniffe nicht verfchweigen, Die einem jeden in diefer Unterfuhung wenigftens einen entfcheidenden Ton unterfagen müffen, | Einer Geſchichte der Pythagoreiſchen Gefellfchaft. 563 Einer Nachricht des Ariftoreles nach *) nahmen die Py— fhagoreer zwifchen den unflerdlichen Göttern und den Menfchen nicht zwo Elaffen übermenfchlicher Naturen, fondern nur eine einzige an, entweder die der Dämonen, oder die der Helen, und in diefe Claſſe festen fie den Pythagoras — Das goldene Gedicht erwähnt zwar der Dämonen fowohl, als der Helden; allein es läßt die leztern gleich auf die Götter folgen, und vor den Daͤ— monen vorhergehen **): eine Rangordnung, bie nicht nur wider die herrſchenden Wolfsbegriffe, und die Stel: len der alteften Dichter ***), fondern auch wider alle Zeugniffe der glaubwuͤrdigſten Geſchichtſchreiber Pytha— goreiſcher Meynungen laͤuft. — So wie man ferner durch das Wort: Seelen, oft die Daͤmonen ſowohl, als die Helden ausdruckte; ſo ſcheint man auch bisweilen, wie Plato, die Seele durch Asın@v bezeichnet zu haben, wie in folgendem Verſe des goldenen Gedichts v. 62. Eı macw dafs, 00 Fw desmov Xewvraı. Wenn man endlid) voraus fest, daß die Pythagoreer die Dämonen für ſolche Naturen gehalten,‘ als id) fie nadı dem Ariſtoxenus und Ariftoreleg befchrieben, und daß fie fie aus dem göttlichen Aether entfprungen geglaubt haben; foift es ſchwer zu erflären, wie fie nicht nur aute, fondern auch böfe Dämonen annehmen, und zur Abwendung oder Befänftigung ihres Zorns gottesdienſt⸗ liche Handlungen und Gebräuche erfinden Fonnten +). N n 2 Auch x) 5, 31, ap. Jambl, *) v.13. **%) Heſ. v, 158. +) Diog. VIII, 32. 564 Drittes Bud. Auch Plutarch *) nenne den Pythagoras unter denen, welche die Dämonen in gute und böfe eingerheile hätten; allein er verdiene hier eben fo wenig Ölauben, als wenn er dem Plato diefelbige Meynung, oder dem eben genannten Philoſophen die. Lehre von zweyen entges gengefezten Prineipiis zueignet **), Mir kommt es im⸗ mer fehr unwahrſcheinlich vor, Daß die älteften Pytha— goreer, welche fagten, daß man Die Gnade ver Götter nicht durch reiche Dpfer und Gefchenfe, fondern durch ein reines Herz gewinnen Fönne, und zu gewinnen fudhen müffe, bösartige, menfchenfeindliche Dämonen, dergleis chen weder die Griechen im hohen Alterthum, noch aud) Homer und Hefiodus Fannten, gefuͤrchtet haben follten, Noch unglaublicher aberiftes, daß fie aus elendem Aber⸗ glauben fich von fo vielen Dingen enthalten hätten, als beym Diogenes *) verzeichnet ftehen. Hingegen halte ich-folgende Lehren, die ihnen zugefchrieben werden, für aͤcht: daß die Götter und Dämonen die Schickfale der - Menfchen regierten, daß fie fo wohl das Gute, als das Widrige, mas diefen begegne, veranftalteten, daß man daher feinen Willen dem Willen diefer höhern und weis fern Maturen unterwerfen, und felbft alle unangenehme Zufälle mit Geduld und Ergebung annehmen und ertra⸗ gen müffe *). Bey⸗ *) VII, 423. de If. et Of. 25*) S, 23, F) xennara d AAore ev vraode Direı, &AAoT oAscdeı. — daımorgı TuXus, Beoros ANYE EXBaW, @v Gefhichte der Pythagoreiſchen Geſellſchaft. 565 Beylage zu ©. 552, De wichtigſten Fragmente, aus denen ich die Grund- fäze der aͤlteſten Dytbagoreer gefchöpft babe, und die man meinem Urtheile nad) als aͤchte Weberbfeibfel ver Pytha— goreifchen Ethik anfehen Fann, find das des Dikaͤarch beym Jamblich *) , die den Hriftorenus **), ferner mane che Stellen in dem fangen Abfchnitte des Jamblich **), in welchen von der Tugendlehre der Pythagoreer gehan—⸗ delt wird, und deffen aröfter Theil aus dem Ariftorenus entlehnt ift, endlich der drey und zwanzigfte, und Die Hälfte des vorhergehenden Daragraphen im achten Buche des Diogenes, welche, wie die meiften $chren im Dio— dor +), entweder aus, dem zulezt genannten Schriftfteller, oder auch aus dem Difäarch entlehnt find, Vorzuͤglich merfwärdig ift das Fragment des Dikaͤarch, das die $ehren und Ermahnungen enthält, die Pythagoras bey feiner Ankunft in Kroton ben Juͤnglingen, Knaben, Frauen und dem regierenden Nath in diefer Stadt gege ben hat, oder haben ſoll. Diefe Reden find nicht nur des Pythagoras würdig, und feiner und feiner Freunde Denfungsart gemäß, fondern auch dem Geifte der Zeit, co Fu z und @y UV MOIREVEXHS, mens Dege, und uyasarreı. bzoIaı de mesmeı vatocov duvn. ade de Dewleu 8 Fa Tus &yadas Tara MoAupoea didwan. .) ” re Aur, vid, Jambl, 174. 217. 145- 148. Liawr a —* Stob, X, ALL 67. 97, Serm, ap, er) 3,107. Tg, D Exec. 554, et ſa. 66 Drittes Buch), und den Beduͤrfniſſen der Zuhörer fo vollfommen ange: meffen, daß man nicht anders glauben fann, als daß Difgarch alte Denfmäler, oder unverfälfchte Urkunden vor fich hatte, als er fie niederfchrieb., Denn alle Vor- fchriften und Gedanken, wodurch Pythagoras die vers fehiedenen Stände, Geſchlechter und Alter in Kroton zur Tugend aufzumuntern fuchte, werden entweder durch Thas ten und Beyfpiele von Göttern und Helden, oder durch die Auslegungen von befannten Stellen von Dichtern, oder endlich durch glücliche Anwendungen von eigenthuͤm⸗ lichen Gebraͤuchen und heiligen Sagen der Krofoniaten bewiefen, die Dikaͤarch allein nur aus altern Schriften wiſſen Fonnte. Zu den Bruchſtuͤcken der alt- Pythago: reifchen Sittenlehre gehört auch die Erklärung deſſen, was Gerecht fen, welches fie nach dem Ariſtoteles in eine ganz genaue Vergeltung ſowohl des Guten, als des Bös fen ſezten, mas man empfangen habe. Aoxeı de rıcı gi To avrımemoros eivası AmAmS dmaıov weTree 7 Iu$a&yoesin eDac&v. V. 5. Nic. lb. 1. M.M.e, 34. IV, Eodem c. 3. Wenn man das avrızerondos fo beftimmt, * ich izo gethan habe, fo war der Begriff der Pythagoreer vom Gerechten, glaube id, gegen alle Einwendungen fiber. Behaupteten fie hingegen, wie Ariftoreles ihre Meynung auslegte, daß die Gerechtigkeit darinn beftebe, einem jeden gerade das und fo viel zu geben als man er- halten habe, und ihn genau eben fo, un® auch ſo viel - leiden zu laffen, als er Unpeche gerban; fo lehrten die Pythagoreer nicht nur eine bis zur Ungereimtheit puͤnct— liche, fondern auch eine in unzähligen Fällen gar nicht ausführbare Wiedervergeltung. Ich vermurhe aber, daß Gefchichte der Pythagoreiſchen Gefellichaft. 56% daß Ariftoteles fie misverftanden habe; doch möchte ic) nicht gleich mit bem Dmeis und andern fagen *), daß er ihnen vorfezlic eine lächerfiche Meynung angedichtet. Mehrere Gefchichtfehreider erzählen ferner **), daß Pythagoras feinen Freunden verbothen habe, bey dem Göttern zu fehwören, und daß diefe alfo entweder nies mals oder doch nur auf den Namen des Pythagoras und auf die heilige Tetrafiys einen Eid abgelegt hätten, Eine folche Unterfagung von Eiden aber, die im bürger- lichen Seben allein dafür galten, laͤßt ſich bey folchen Männern, als die Pythagoreer waren, eben fo wenig als die Vertheidigung einer ganz genauen Wiedervergel- fung denfen. Mir wiffen überdem aus dem goldenen Gedichte **) und ausdem Zeugniffe des Diodor +), daß Pythagoras über den Gebrauch des Eides nicht anders dachte, als alle vernünftige Menfchen in allen Zeitaltern gedacht haben, und als alle Nichter und Etaatsmänner denfen follten. Er rierh namlich in allen feinen Reden wahrhaftig zu feyn, damit man der feyerlichen Betheu— rung der Wahrheit durch einen Eid nur felten nöthig habe: wenn man aber zur Erhärtung feines Worts die Götter zu Zeugen aufrufe; fo muͤſſe man alsdenn feinen Eid uns verbruͤchlich halten, und ihn eben fo heilig alseinen Aus— fpruch oder Befehl der Götter verehren. Zulezt will ic) nod) eine Erflärung der Glücfeligfeit anführen , die Py— thagoras gegeben haben ſoll, und Die Klemens aus dem | Mn 4 Hera *) p. 53. 54. Ethic. Pythag. “) tan — Jambl. 144, 150. Diog. VIII. 22, — v. — +) 555. p. Exc. Eben fo muß auch die Stelle des Dikaͤarch . 47+ ap. Jamb], verſtanden werden. 568 Drittes Buch. Heraklides anführe*), Dieſem Schrifefteller zu Folge, vonnte er fie eine Miffenfchaft der Vollkommenheit der Tunenden der menfchlihen Seefe. Biel deutlicher drückte fid} Heraflides in den oben angezogenen Stellen aus, wo er fagte, daß Pythagoras die hoͤchſte Gluͤckſeligkeit und Beſtimmung des Menſchen in ein beſchauliches Leben ge- ſezt habe. Je oͤfter ich aber der Veranlaſſung dieſes Srr- thums nachdenke, deſto wahrſcheinlicher wird es mir, daß Heraklides durch die Ausſpruͤche des Philolaus und anderer Pythagoreer über den Zuſtand der Seelen vor ihs ver Einkehr in die irrdifchen Leiber, und über das menfchlidhe geben, als einen Zuftand der Strafe, verführt worden fey. Diefe Schren eignete ſich Diato zu, und zog entweder mit ihren Erfindern**), oder aud) zuerft aus ihnen die Folge— rung: daß man nur durch beftändige Betrachtung ber Wahrheit der Gottheit ähntic) werden, fich von den Feſſeln des Leibes ablöfen, und der einft genoffenen reinen Seligfeit wieder theilhaftig machen koͤnne. Heraklides nun, und alle, die nachher in feine Fußſtapfen traten, glaubten, daß Pythagoras und deſſen aͤlteſte Freunde eben fo gedacht hätten, als Philolaus und Euxitheus, und daß fie aus denfelbigen Vorderſaͤzen dieſelbigen Schluͤſſe abgeleitet hatten, die Plato daraus abgeleitet hatte, m— — — — — — — 8) Str, II. 417. er) Wie Porphyr glaubte p. 149. ap. Stob, Eel. Phyſ. Fünf Gefchichte der Pythagoreiſchen Gefellfchaft, 569 Sünftes Kapitel. ; Unterſuchung des Alterthums und des Werths der wichtigſten Schriften und Fragmente, die Pytha⸗ goreiſchen Weltweiſen zuge] fchrieben werden. — os babe die Unterfuchung über das Anfehen und dag N Alterthum puthagoreifcher Werke oder Heberbleib: fel mit Fleiß bis hieher aufgeſchoben, um mir die unan« genehme Mühe zu erfparen, diefelbigen Sachen entweder zweymal, oder auch am unrechten Dite zu fagen. Denn hätte ich die Fragmente der Pythagoreer früher be eurtheilt, ſo wuͤrde ich mir entweder ſelbſt haben vorgreifen, und manche Data und Facta, als einzelne aus der Kette der ganzen Geſchichte herausgeriſſene Glieder an ſolche Stel— len hinwerfen muͤſſen, wo ich ſie nicht gehoͤrig beweiſen konnte; — oder ich wuͤrde auch gezwungen geweſen ſeyn, viele wichtige Puncte in dee Wuͤrdigung alter Denkmaͤler unerörtert zu laffen. Izo Hingegen, nachdem ich die wahre Einrichtung der Pythagoreiſchen Geſellſchaft, und die Beichaffenheit ihrer Philoſophie vorgetragen habe, find die Gemürher der Leſer zu der Prüfung, die ich vornehe men werde, gehörig geſtimmt, fo wie auch die meiften Zeugniffe und Gründe, worauf fie ſich ftügen wird, ab» gewogen und gefchäzt find, Es wird niemanden unglaub⸗ lich oder befremdend mehr vorfommen, daß man dem Pythagoras und feinen Schülern falfhe Schriften, gleich falſchen Wundern, angedichtet habe, und daß Männer, Nns bie 570 Drittes Buch. die die ungereimfeften Gabeln vom Pythagoras annah. men, und die gänzliche Verkehrung feiner Philofo- phie nicht merften, daß eben diefe auch nachlaͤſſig in der Prüfung, und leichtfinnig in der Anerkennung unterges ſchobener Schriften waren, Man wird vielmehr nach dem, mas man gelefen haf, geneigt feyn, mir Beyfall zu geben, wenn ic) fage, daß man die Aechtheit von Schriften eben fo ftrenge, als die Glaubwuͤrdigkeit der Geſchichtſchreiber, and die Zus verläffigkeit einzelner Nachrichten vom Pprbagoras un: ferfuchen müffe, Wenn man die Werfe der Griechen und Römer , vorzüglich diejenigen, Die nach Chriſti Geburt find gefchrieben worden, nicht bloß flüchtig nachgefchlagen und eingefehen, fondern aufmerfjam durchgelefen hat, fo ſollte man faft glauben, daß den berühmteften alten Dich— tern, Weltweifen und Rednern, eben fo viele falfche Schriften unfergefchoben worden, als fie ädjte hinterlaf- fen haben. Die Zeiten aber, in denen man Bücher in Griechenland erdichter bat, find eben fo verfchieden, als die Urfachen dieſer Betruͤgereyen, von denen fich nur eis nige angeben oder errathen laffen, andere aber ganz un- erklaͤrlich ſind. Vielleicht wurden fchon vor, ober doch) gleich nach) der Entſtehung der Weltweisheit, unter dem Namen alter Dichter oder Dichterinnen, falfche Werke befannt gemadyt, ‘von denen man einige fogleich als un. ächte Waare verwarf, die meiften hingegen als ehr- mwürdige Weberbleibfel des Alterthums anerfannte und aufnahm. Aller WahrfcheinlichFeit nach waren die Vor⸗ fteher und Einweiher in die Orphifchen Gebelmniffe noch vor dern Zeitalter der fieben Weifen bie erften in Grie- chenland, Gefchichte der Pythagoreiſchen Geſellſchaft. 571 chenland, Die ihre eigene Producte unter einem entlehns ten großen Namen verkauften, und angebliche Gefänge des Orpheus, Mufäus und anderer, mit dem übrigen Pomp und Zubehör ihrer geheimen Feyerlichkeiten in allen Staͤdten ®) herumtrugen, Diefe Gaufler hatten fo viel liſt, oder die Griechen fo viel Aberglauben, daß fie ihren Gefängen das Anfehen heiliger Offenbarungen, und ſich felbft einen großen Theil der Verehrung verfchaften, bie man den alten &öttermännern erwies, für deren ächte Schüler fie" ſich ausgaben. Viel weniger glücklich war Dnomafritus, der die Weißagungen des Mufäus vers faͤſſchte, aber ertappt, und diefes Verbrechens megen vom Hipparc) aus Athen verjagt wurde. Diefer Strafe ungeachtet hafte Onomafritus viele Nachahmer, und zwar unter Den erften Staatsmännern von Sriechenland, Denn wenn ein Volksfuͤhrer feine Mirbürger zu irgend einer Unternehmung anreizen oder davon abhalten mollte, fo fchob er einem alten Weißager oder einer Prophetin, in deren Orakeln der allgemeinen Meynung nach die Schi: fale der Griechifchen Staaten verfündige waren, Verſe von einem folchen Inhalt unter, die feine Abfichten bes günftigeen, und Much oder Niedergefihlagenheit unter dem Volke hervorbrachten. Unter allen Betrügereyen dDiefer Art wurde feine befannter, und fam feine den Athenienfern fo hoch zu ftehen, als die vom Alkibiades erdichteten Weißagungen, worinn den Athenienfern die Eroberung von Sicilien verſprochen wurde. Ein alter Dichter, Jon von Chios, beſchuldigte felbft den Pytha— goras, — m——— *) Man fehe das feste Capitel des zweyten Theils meiner Schrift Hiftoria dodrinae de vero Deo, 572 Drittes Buch, goras, daß er feine eigene Bedichte dem Orpheus zuges fhrieben habe, und wenn diefer Vorwurf Feine Verlaͤum⸗ Dung wäre; fo würde Pythagoras in der Folge durch die Andichtungen von Büchern nur das wieder gelitten haben, was er an andern verfchuldet hatte: freylich immer mit Dem großen Unterfcheide, daß Orpheus wahrſcheinlich dabey gewann, wenn Pythagoras ihm Gedichte zueignete, und dieſer hingegen immer verlohr, wenn elende juͤngere Schriftſteller ihre Arbeiten unter feinem Namen heraus— gaben. So wenig wir aber im Stande find, die Gruͤnde zu bes ſtimmen, die den Pythagoras bewogen haben Fönnten, dem Orpheus feine Werfe unterzufihieben; eben jo wenig laͤßt es ſich errathen, warum ſchon vor dem Zeitalter der erften Gefchichtfchreiber des Pythagoras mehrere bes rüßmte Männer fi) bie Mühe gegeben haben, dem Epi« charmus, einem alten Komifer, der für einen Schüler des Pythagoras gehalten wurde, ihre Gedichte zuzu⸗ eignen *). Wollte man fagen, daß die Erdichter viel- leicht von eben dem Muthwillen getrieben wurden, der den Dionys, und mahrfcheinlic) auch den Heraflides reiste, Zrauerfpiele, vie fie felbft verferfige hatten, für Werke des Euripides auszugeben, um feyn wollende Ken- ner dadurch zu hintergehen; ſo muß ic) geftehen, daß felbft dieſer Muthwille mir ein Raͤthſel iſt, oder mir wenigſtens Feine hinreichende Urſache zu ſeyn ſcheinet, warum vor den Zeiten des Ariſtoxenus ſchon fo viele unaͤchte Schrif: ron einem einzigen Dichter, ber viele andere Weltweife und Dichter über fich hatte, untergefhoben wurden, "Die Bes — —— fe #) Axriſtoxen, ap, Ath, XIV, ib, 048, p. Gefchichte der Pothagoreifchen Sefellfihaft. 573 DBewegungsgründe aber mögen gewefen ſeyn, welche fie wollen; fo erhellt doch dieſes wenigftens aus den von mie angeführten Benfpielen, daß Unterfchiebungen oder Wera fälfchungen von Schriften in viel ältere Zeiten fallen: als man ſich gemeiniglich vorftelle, und daß beyde auch im fernen Alterthum nicht felten waren. Zugleich ift es wahrfcheinlih, daß man nicht bloß dem Epicharmus, fendern auch andern ältern Pythagoreern ſchon vor dem Ariftorenus Bücher angedichtet habe; Doch laßt fich die— fes nicht durch ausdrückliche Zeugniffe glaubwürdiger Schriftfteller erhaͤrten. Alte falſche oder verfälfchte Schriften aber, die vor dem dritten Jahrhunderte vor unferer Zeitrechnung in Griechenland verbreitet wurden, bedeuten nichts gegen Die ungeheure Zahl ähnlicher Producte, die zwiſchen dem dritten Jahrhunderte vor Ehrifti Geburt und den erften nad) Ehrifti Geburt erdichter wurden, In diefem Zeit raume gaben meiftens efende Schriftfteller, vorzüglich aus drey Urfachen, ihre Arbeiten für ächte Werke alter bes rühmter Männer und Völferaus. Die erfte Urſache war Hofnung des Gewinns, den man zu erhaſchen dachte, wenn man angebliche Denfmäler des Alterthums in die Bücherfammlungen zu Pergamus und Alerandrien vers Faufen Fonnte. So waren zum Benfpiel nach dem Zeugs niffe des Ammonius Hunger und Dürftigfeie Die Triebs feder, welche die Verfaffer der vielen unächten Schriften des Ariftoteles in Bewegung fezten, die in Alexandrien gekauft worden waren *). Eben fie waren allem DBer« muthen *) Ammon. ad Ariſt. Categorias ap, Menag. ad Diogenis Lib, VIILS,35, IlroAsunıov rov QiAwderpov Tavu ECHE- 374 Drittes Sud. murben nad) die Muſen, von benen diejenigen begeiftert wurden, welche faft allen alten Rednern *) und Weltweis fen, - und unter diefen aud) dem Pythagoras, oder den Pythagoreern faljche Werke andichteren **). Eine zweyte Urs — — — —— met Ta Aeısoreina vuy- YeRUUETE, ©S no TEL TO Ama no YenAo- To dıdovas Foıs meoofeezew aurw BıldAss TE Biroco®s. obev rwes yenuarıcaeder Berone- Vor, ERIYERDEovTes CUYYyeRpUETa, Tw Ta Di- AosoDe wouarı veoonyov. aueAeı, Daciy ev ry peyarn BıBAsoImen event, Avamurınav nev, ressaganovra BıAss. Koarmyogiov de, dvo. &c. Wenn dem Ariftoteles gleich nad feinem Tode, da feine größten Zuhörer noch lebten, fihon fo viele Bücher untergefhoben wurden, fo kann man fich vorſtellen, wie unverſchaͤmt diefelbige, oder ähnliche Derrüger gegen die ältere Weltweiſen, beſonders den Pythagoras geweſen feyen. - Nirgends kommen mehr angebliche Fragmente des Pythagoras vor, als beym Stobäus, der auch das goldene Gedicht diefem Welt: weiſen zueignete Serm. p. 36. Baf, 1549. Da id) fie angemerkt habe, fo will ich für einige Lefer, die fie vielleicht ohne vieles Nachſchlagen einmal fefen möchten, die Seiten anzeigen, wo fie fie finden Eünnen. Sie fiehen ©. 3. 37. 58 81. 32. 146. 147. 149. 168. 573. Die meiften diefer Sprüche find fo allgemein ausgedrückt, daß fie ein jeder Weltweifer gefyrieben haben, und man fie alfo aus inneren Merkmalen aud Eeinem einzigen abiprechen kann. : * Man fehe die Urtheile des Dionys von Halikarnaß, über die Griechifchen Redner, in denen er die ächten Werfe derfelben von den untergefchebenen durch gewiſſe Merkmale zu unterfcheiden ſucht. *e) Dergleichen waren die vielen erdichteten Schriften, _ des ven fhon Sotion und Heraklides, Serapions Sohn, erwahn: Geſchichte der Pythagoreiſchen Geſellſchaft. 575 Urſache der Buͤchererdichtung in der vorhin angezeigten Periode war die Begierde gracifirter Barbaren, ihre Nationen in ein fabelhaftes Alterthum und zu Sehrerinnen der Griechen zu erheben. In dieſer Abficht erdichtete man nicht nur angebliche alte Gefchichten und miffenfchafts liche Werfe, in. denen die Kenntniſſe der Griechen von fremden Völkern abgeleitet wurden, fondern man ſchob fogar berühmten Griechifihen Schriftftellern Buͤcher unter, in denen fie entweder von fich felbft oder von ihren Lehrern das Bekenntniß ablegten, daß fie ihre Weisheit ausländifchen Prieftern und Philoſophen zu danfen hatten. Sch will bier nicht die Benfpiele wiederholen, womit id) die le» tere Behauptung oben bemwiefen habe: aber ic) Fann es niche unbemerkt faffen, daß die angebliche Schrift des Pythagoras, die heiliges Wort *) uͤberſchrieben, aber von den Büchern gleichen Titels, die Diodor, Diogenes und Apollonius **) anführen, verfchieden war, wahr— ſcheinlich deßwegen erdichtet wurde, um die Griechen durch das Zeugniß des Pythagoras felbft zu überführen, daß er feine Kenntniffe in ven Geheimniſſen der Thracier und anderer Nativnen empfangen habe, Die erwähnten, und von deren einigen die Titel angegeben werden VIIL 7, ap. Diog, ferner der segos Aoyos beym Diodor I. 110. p. Ed. Weff, ‚ver mit dem beym Diogenes wwahrfcheinlich einerley war, endlich der Brief, den Neanthes für untergefchoben erflärte VIEH. 55. ap. Diog, und die vielen falfhen Pythagoreifhen Bücher, über welche Apolloning klagte ap, Jambl, S, 1. *) Jambl, c. 28, p, 23, **) S, 254. 576 Drittes Buch. Die dritte Haupturfache der Buͤcherunterſchiebung unser ben Griechen war der nach dem Alerander in Gries chenfand, und bald darauf in Italien überhand nehmende Glaube an Sterndeuferey, Befchwörungen, und alle übrige Theile der Magie, Die anfangs nur von Chatdäis fhen, Derfifchen und Aegyptiſchen Ebentheurern, fpäter aber auc) von gedohrnen Griechen gelehrt und ausgeübt wurden, , Diefe Betrüger fuchten das Anfehen ihrer eiteln Runft Dadurch zu erhöhen, daß fie fie für eine ge= heime Wiſſenſchaft der älteften Völfer, und die beruͤhm⸗ teten Männer Griechenfandes für ihre Bewunderer aus— gaben, die in alle Geheimniſſe derfelben eingeweiht, und daderch in Stand gefezt worden, außerordentliche Tha— fen zu verrichten. Man dichtete daher ſowohl Ehals diern, Juden und Perfern, befonders dem Zoroafter . und Hofibanes, als dem Orpheus, Pythagoras, Demo- frit und andern, maoifche Schriften an, die man in der | Folge für Acht hielt, und die auch) Plinius haͤufig als ſolche anführt *). | i Zu diefen Urfachen von Buͤcherunterſchiebungen ka⸗ men nach Chriſti Geburt noch neue hinzu, und die Zahl von falfchen Werfen wuchs daher mit jedem Zeitalter fo fehr, daß die größten Denfmäler des Alterthums das durch verdrängt wurden, — Unter ven Chriften entflatte den viele Spaltungen und Selten, die meiflens ihre Jerthuͤmer durch falfche Offenbarungen ind Werke zu rechtfertigen ſich bemuͤhten. Unter diefen Partheyen äber- trafen die Önoftifer alle übrigen an Unverſchaͤmthelt, wie man aus einem einzigen Zeugniffe des Porphyr im eben feines —— — — — — — — — — — — — ——— — ”) Plin, XXV. 4. XXX. 1. 3. Gefchichte der Pythagoreiſchen Sefellfchaft. 577 feineg $ehrers abnehmen Fann *). Gelbft die Rechtglaͤu bigen aber ſcheuten fich nicht, dieſe Betrügereyen von Kezern nachzuahmen *), und auch) fie verbreiteten daher in | mare — — — — — — —æ — —— — ») P. 10. Yeyovaoı de HOLT UT oy Tav Xersıcvay FOMMO MEy Kol RAA0H Kigerimos de ex TNS Wo- Auıas DiAovohias KynYmevor, 04 TER ToVv Ader- Divov us uruAwov. 01 ro AAekavdes rg Aufduos, za DiAoxape , nocı Anuosears, xoı Auds Suyd Yexupora TAEISO KEnTNMEVo, emoxenunbeis re meoohegovres Zwgouses ui Zwsgiave Ko yinodeg, A aAAE YEVBS Ka MEoS, ve @A- Auv ForsTav, MOAABS EENHATEV. — m 50 auros (0 IIAwrivos) usv HoAABS ereyxes Fois- nevos ev Taıs owacıwıs, Yenıdas de nos fun [BAsov ömee meos Tas Wuwsinss erreyganbauer, Auw Ta Aoıme ngıvew naroeAoızrev. Poiphyt fezt hinzu, daß er die Unächeheit der angeblichen Schriften des Zoroafters bewieſen, und daß Ameliug vierzig Bücher wider die des Zoftrianus geſchrieben abe. s*) Ueber die Denfungsart der Chriften in dieſem Puncte will id nur eine kurze Stelle aus dem 105, Driefe des Sineſius abſchreiben, welcher, ungeachtet ev nur ein halb Chrift war, doch gewiß fo edel dachte, als alle rechtglaͤubige Lehrer feiner Zeit: ves Mey av DrAoaa- "Dos eRomTns @v TENIES, uyXwes 7a NEE ve nbeudas. aroAoyor VRR E54 Dws meos wAr- Gesav, na una duus, 8 c ePIaAos.eis'ye- wov oa MMOoANUTEIEy ENTE Daros. ı Tois 0D- — To THoTos wDedrumregoy, Taurn wer To Weudos oPeAos eva ——— num, etehrhehe gov muy uAmJeim TOS 8% oyusaw eyarevınay eos TNv Toy Nr &An$eiav. \ d 8 ; Drittes Buch. mancherley frommen Abfichten eine Menge falfcher Schrife cen, wodurch bald nachher Feinde und Freunde hintergan« gen wurden. Zulezt darf man, wenn man den Urſachen der Büchererdichtungen nachſpuͤrt, auc) die Schwärmer und Betrüger unter den Vertheidigern der Griechiſchen und anderer alten Keligionen nicht vergeffen. Auch diefe {hoben vermuthlic dem Hermes, Orpheus, Zoroafter und den Sibyllen viele Schriften unter, um die Göttlich= keit und Uebereinſtimmung der Religionen aller Voͤlker darzutbun, Da man alfo ben Pythagoreern fo früh, und in fo verfchiedenen Zeitaltern fo vieles untergefchoben hat; fo fann man allerdings auch beym goldenen Gedichte fra⸗ gen: ob es ein aͤchtes Pprhagoreifches Werk fey? — Diefe Frage kann man, glaube, ih mit großer Zuverficht mit Ya beantworten, indem alle Schriftfteller, die diefes Gedichts Erwähnung thun, und unter diefen die gelehrteften und fcharffinnigften des ganzen Alterthums, Chrnfipp, Galen, und Sertus, esals ein für Pythago⸗ reer und von einem Pythagoreer gefchriebenes Gedicht an« fahen. — Die aͤchte Pythagoreiſche Abkunft deffelben beweift ferner der ganze Inhalt, indem es, wie die Vera gleichung einen jeden lehren muß, alle diejenigen Grund: fäze in fic) faßt, nad) welchem id) gezeigt habe, daß die Pythagoreer lebten und handelten. Zwar findet fich nichts von Zahlen, von Aether, und andern eigenthümlichen Py— tbagoreifchen Behauptungen darinn, allein dergleicdyen kann man auch nicht in einem Eurzen Gedichte erwarten, das offenbar nicht zur Erweiterung von Kenntniffen, fon bern zur Selbftprüfung, Herzensbefferung, und zur Staͤr⸗ Fung im Guten beftimmt war, Biel Gefchichte der Pythagoreiſchen Gefellfehaft. 579 Viel ſchwerer zu beantwortende Fragen aber find diefe: Von wen, und in welchem Z:italter das goldene „Gedicht verfertige worden, und ob es volljtändig und uns verfälfche zu uns gefommen fey ? Es ift befannt, daß einige ben Pythagoras felbft, andere den $nfis, andereden Empedofles, andere noch an« dere für die Verfaſſer des goldenen Gedichts gehalten har ben, ohne fid) auf etwas anders, als bloße unbemwiefene Vermurhungen, oder unglaubwuͤrdige Zeugniffe zu flü« zen, Die neuefte, aber aud) die unwahrfcheintichlie Ver- ‚muthung über den Verfaſſer oder vielmehr das Alterthum des Gedichts ift die des legten Herausgebers, als welcher vermutbete, daß es älter als Pyrhagoras, aus den Eleu⸗ finifchen Gebeimniffen gefhöpft, vom Pythagoras ange« nommen, und defimegen für ein Pythagoreiſches Wer gehalten worden fen *). Meinem Urtheile nad) ift das goldene Gedicht von feinem der Altern Pptbagorser, Die vor dem Plato und Ariftoteles lebten, ſondern von einem der lezten Welte ‚weifen diefes Namens, mit denen Ariftorenus und Hes raflives umgingen. Ich ſchließe diefes nicht aus dem Stillſchweigen des Iſokrates, Plato und Ariftoteles, (denn ungeachter diefe Schriftftelleer Häufig Verſe aus Gnomifern anführten , fo haben fie doch niehr Werke ale ‚ber $ehrdichter ungenannt gelaffen, als fie angezogen has ben;) id) dringe aud) nicht darauf, daß der legte Vers faft ganz aus einem Fragment des Empedofles entlehne Oo 2 iſt, ) Ich Habe dieſe Meynung weitlaͤuftiger in einer Recenſion der Glandorfiſchen Ausgabe dieſes Gedichtes gepruͤft, die im zweyten Bande der neuen philologiſchen Bibliothek (71. i.. f. Seite) ſteht. 580 Drittes Buch. ift *), (denn man fünnte diefen Beweis umfehren und fagen, daß Empedofles vielleicht der Entwender gewefen fey;) allein Inhalt und Sprache des Gedichts ſcheinen mir bende meine Vermuthung zu begünftigen. Denn erſt⸗ lich läßt es ſich kaum abläugnen, daß der fieben und acht und dreyßigſte Vers nach dem Sofrates und Ariftoteles, der vier und fechzigfte nach dem Demofrit, und der fies ben bis neun und fechzigfte Vers nach dem Plato ges fehrieben ſeyn müffen , oder daß doch die lezten nicht von einem alten Mitgliede der Pythagoreiſchen Geſellſchaft herrühren fönnen **), — Unbefonnene Verfehwendung und geſchmackloſen Aufwand tadelte man gewiß allenthalben, und auch in Griechenland, fo bald die eine oder Der andere nur bemerft wurben ; allein nach allem, was wir wiffen, waren Eofrates und feine Schöler die erffen, die beyde eine Unwiſſenheit des wahren Schönen, und die Thoren, die diefen ———— — — — *) Carm aur. v. 71. Eooecu &Javaros $eos, anßeoros, 8% er VNTOS. Emped, ap, Diog. VIII. 62. N Pr, u neya asu nara EarIs Anew- Yavros Noser ozenv morews, ayadar mersdquoves seywy Xauseer' eyw dünn eos außgeros, an erıIvmros Tlorsuuos. &c. **) Mn dumavay Moaea na, imo naAmV adanuwv Mrd aveAeudeeos 10h, v. 37. 38. "Os ise® meoßressa Qucıs deınvus Endtsiet. . v. 64, und endlich, AAA Geſchichte der Pythagoreiſchen Geſellſchaft. 581 dieſen Fehlern ergeben waren, &rreıgoxaäss nannten, welche fie den awAoıs n ayo$oss entgegenſezten. Auch ift wahrfcheinlicd) das Wort, womit in diefem Gedichte ſchmuzige filzige Geizhaͤlſe belegt werden, vor dem Eofrates und Ariſtoteles nicht gebraucht worden. Mit noch größerer Gewißheit aber fann man behaupten, daß ‚man vor dem Seufipp und Demofrit die Natur nicht, als ein fchaffendes Wefen, und als eine Göttinn geſchil— dert, oder den Ausdrud heilige Natur gefannt habe. — Endlich) find der Gedanken von der Ablöfung des Geiftes vom Körper, und von der Vernunft als einer Führerinn des Menfcen entweder durchaus Platonifch , oder doch den Lehren der älteften Pythagoreer günzlich widerſpre⸗ chend; und man muß daher aus allen diefen Beobachtun: gen nothwendig die Folgerung ableiten, daß das goldene Gedicht von feinem Pythagoreer des Bundes und wahr; fcheinlich erft nach dem Plato fey verfertige worden *). So wahrfcheinlich es mir nun vorfommt, daß das goldene Gedicht jünger, als Plato, und vielleicht auch als Ariftoteles fey; für fo gewiß halte ich es, daß mir es weder vollftändig noch unverdorben haben. Die Verſtuͤmmelung des Gedichts erhellt erftlich aus der Un— 03 . ordnung - — — —— a he nn — — — AM sıeys Benrav, av eıwouev, ev Te xα- Xenas, . ‘Ev re Aucsı Duxas newavy. nd Doaleu EHASO , Hogor Yenpınv sous aaumeohey Eraser. ») Der legte Herausgeber führt zum neun und ſechzigſten Vers ein Fragment des Linus als eine Parallelſtelle an “in welcher ſich ſchon eben dieſe Allegorie finde. Allein diefe angeblichen Verſe des Linus find geiwiß ungergeffioben, 582 Drittes Bud. ordnung und dem Mangel von Zufammenhange,, ben man an mehrern Stellen bemerft. So fteht der funf- zehnte Vers mit dem vierzehnten, ber fechs und ſieben⸗ zigfte mit dem zumächft vorhergehenden, der drey und funfzigfte mit dem zwey und funfzigften, und endlic) der fünf und fechzigfte mit dem vier und fechzigften fo wenig in Verbindung, daß man nicht anders vermuthen kann, als daß mehrere Verſe heraus gefallen feyen, und eben dadurch der Zufammenhang aufgehoben worden. Die Unvoliftändigfeit des Gedichts aber fieht man aus ber Verweiſung auf Borfchriften von Enthaltfamfeit, deren ber fieben und fechzigfte Vers erwähnt, und die man im ganzen Gedichte, fo wie es in alten Ausgaben abgedruckt zu werden pflegt, vergeblich ſucht. Am meilten aber wird die Mangelhaftigkeie diefes Werfchens durch die Fragmente bewiefen, die andere Schriftfteller daraus anführen, und die fich nicht mehr darinn finden. Ders gleichen find die beyden Verfe, die beym Porphyr ftehen, und zu den Zeiten des Diogenes gewiß zun goldenen Ges Dicht gehörten *), Wahrfcheinlich ift noch ein anderer Vers, den Sertus aufbehalten hat **), aus dem goldes nen ®) Ap. Porph S. 40. IIeo de rns efavasaseos EREIVO. Tlewr& sy e£ umvoro mes Deovos efumavısao' Eu uaAa momVvevew, 00Ev nuaTı Eoy& TE- A8TTEIS. ®%%) adv. Math, IX. 128. Evydev uaı maenvev Era 0 BrAovodar amexXe- Ic Twy euuxav, naı woeßeıw eDaokov Tas avdeumes Bwpov egeudovras managav Fee- | yolcı Dovomn. Gefchichte der Pythagoreiſchen Gefellfchaft, 583 nen Gedichte genommen, und ich vermuthe fat, daß diefer leztere ein Weberbleibfel des verlornen Abfchnitts fey, in welchem die Geſeze der Diaͤtetik gegeben wurden. Es laßt fid) ferner barthun, daß ing goldene Ges dicht Verſe aus andern Ppihagoreifchen Gedichten, die aber wahrfcheinlich viel jünger waren, hineingefchoben worden find. Es gab nämlich, wie die Verſe, ober Stuͤcke von Verſen, die Sertus und Symplicius *) an⸗ führen, zeigen, außerdem goldenen, nach andere Pytha⸗ goreifche uns jezt unbefannte Gedichte Aus folchen find unläugbar die beyden verftümmelten Verſe **) ent« lehnt, die mit den vorhergehenden eben fo wenig, als mit ben nachfolgenden zufammen hängen, in einem ganz ane dern Dialekt gefchrieben find, und noch dazu beym Sextus ***) und Nikomachus +) anders gelefen werden, Auch vermuche ih, daß aus ſolchen Einfchaltungen die vielen Wiederholungen derfelbigen Regeln ſowohl in vers ſchiedenen als übereinftimmenden Worten entftanden find, in welche man gar nicht voraus fezen kann, daß der Vers faffer eines Gedichts, deſſen erfte Tugend möglichfte Kürze war, verfallen ſey. So enthält der fieben und zwanzigfte Vers nur mit andern Ausdrücden eben das, was im vierzehnten ſchon gefagt war, und es brauche nicht viel Scharffinns, um zu bemerfen, daß der 32 mit dem 10, ferner der 38 mit dem 34, der 39 mirdem 204 14ten — — *) adv. Arith.S, 1. & ibi Fabric, **) v. 47.48. 1) ap. Porpk, $, 2e, 584: Durittes Bud). gen und orten, und endlich der 67 mit dem 35 glei: chen oder doch fehr ähnlichen Inhalts ſind *)P. Dieſe verdächtigen Wiederholungen würde man gewiß fchon ent= decft und gerügt haben, wenn man das goldene Gedicht weniger bewundert, und auf die übrigen, aber fpätern Pythagoreiſchen Gedichte, aus welchen es verfaͤlſcht wor« den, einige Kückficht genommen hätte, Leber die angebliche Schrift des Dfellus $ufanus habe ich ſchon an einem andern Drte mein Urtheil gefältet, und wie ich glaube, mie unmwiderleglichen Gründen bars gethan, daß dies Buch nicht. von einem. alten Pythago⸗ reer herruͤhren koͤnne **). Ich will daher bier nur nech nachholen, was ic) damals der Kürze wegen übergeben muſte; "0,9, 10, | Kexrew de9ileo av de Taseos MEV FOwTIS®, Ho URVR, Ad Vemore V. 32. 0 80 yes Tas ea wm oreNeiov EX Xen V. 38. — — m METEDV EI HACW LAISOV ferner v. 14. Mn’ aAoyızws vaurov EXew Treeı MN. EV EIICE, V. 27. _ BeAeus de 700 Eoy8, 0705 mM Moe& TEANTEL. v. 39. NTenooe de raug' & ve un Braıbn. Aoyıcaı de 70 EOYB. Endlih v. 35. Edda de disrar exgew nbogsiov, av- IeURToV, v.67, AM sieys Bewrwv, av EIToMEV, 8 Fe Kaugaenos. | s*) Niſt. dor, de vero Deo P, IH, p. 312. & ſq. Gefchichte der Pythagoreiſchen Geſellſchaft. 585 muftes nämlich die Anzeige von Kunftwörtern, aus wel⸗ chen man fieht, daß dies Werf nach dem Plato und Ariftoteles gefchrieben ſeyn muͤſſe. | Bon diefer Art-find erftlich die Wörter, in welchen der Verfaffer die Unmandelbarfeit des ganzen Univer: fums andeutet *), von denen die eine‘ Hälfte dem Plato, die andere den Eleatikern eigenthümlich waren, welche leztern aber Plato fich gleichfalls zueignete. Mod) neuer iftein Wort, das gleich auf der folgenden Seite vorfommt, und von den Stoifern, wahrſcheinlich von Ehryfipp, zuerft in diefer Bedeutung ift gebraucht worden **), — Py— thagoreifch ift ferner zwar der Saz, daß unterm Monde, alles vergänglich und in unaufbörlichen Verwandelungen fen , allein die Einkleidung ift unläugbar anders woher, und nicht von Zeitgenoffen der älteften Pythagoreer ent lehnt ***), Endlich kann man nicht zweifeln, daß die Bezeichnung der Anordnung der Welt durd) den Anara» goreifchen Ausdruck, und die Ableitung des Worts Göttlich von der beftändigen Bewegung der himms liſchen Körper, von einem Manne herrühre, der Oo 5 die — — —— — ®, Ocellus Luc. p. 507. in Galii opufeulis Mythologiceis Amftelod, 1688. in 8v0, KAA ası zure rizuro, Ho OCRUT@S ÜTEÄEL, Kai ıcoV Koss OMcsov Kuro Erurg. | hy ) 1b. p. 508, Eı yae Tıesw, ev ro mavrı EI, Kol CUV TETW TO TAV, Hu ou TETW TO TAUTa EXEIw, TE MEV @S MEN, TR DE@S ERIYEVVNMaTe: ***) Ib.p.5'6. To de vmoR&ro GEANUNS, VEinas nu Duaews. To ev yao edv ev nurh dar. Anynejovorwv, To de Yeveoıs amoyeyovorwv. 586 Drittes Buch. bie Schriften bes Anaragoras und Plate gelefen hatte *). Außer dem Dfellus ift Epicharmus der einzige, beffen Fragmente für ale Pythagoreiſch gehalten werden Fönnten, wenn es nur gewiß wäre, daß er in den Bund des Pythagoras aufgenommen worden, meldyes aber zweifelhaft ift. Ich fage aber hier nichts weiter von fei- nen Bruchftücfen, weil id) an eben dem Orte, mo ich die Aechtheit des Buchs über Die Natur des Ganzen ge prüft, mid) auch über jene erflärt habe. Die übrigen Schriften und Ueberbleibfel alte, die Pythagoreern zuge: eignet werden, tragen entweder den Namen folder Py— thagereer, die Zeirgenoffen des Plato waren, und an. derthalb Hundert Jahre nach dem Pythagoras lebten, oder aud) ſolcher, deren Zeitalter unbekannt, oder von denen es gar ungewiß ift, ob fie jemals gelebt haben, Nun babe id; im vorhergehenden Abfchnitte gezeigt, daß bie fpätern Nachfolger des Samiſchen Weltweifen nicht nur in Anfehung ihrer $ebensart, fondern auch Ihrer Mey nungen und Grundfäze vielfältig von ihrem Meifter ab: gewichen feyen; und hieraus folgt unmittelbar, daß, wenn ihre Werke auch aͤcht wären, fie doc) nicht zum Grunde gelegt werden fonnten, wenn man die Öedanfen der aͤlte— ften Pythagoreer, Die vor den Eleatifern, dem Heraflir, Seufipp, Demofrit, Empedofles und Anaragoras blühten, aus einander fezen will, Man verwechfelt daher die ver. ſchie⸗ *) 1b. P.527. Kalore de y ra zavros dıex oc un- GW, WSE EIVALEV EUTN To MeV Ts, To de Au- oxv—— mn de e& RuDoreemv KXuTwv, TB mey meı Jeovros Jeıs Te de ası uer@- BorAoyros YEHNTE, NOoTuos won 85W. Geſchichte der Pythagoreiſchen Geſellſchaft. 587 ſchledenſten Zeiten, wenn man glaubt, daß die vermeynt lichen Schriften und Ueberbleibſel eines Timaͤus, Acchys tas und Phifolaus, und anderer, für die Geſchichte der älteften Pythagoreiſchen Philofophie fehe wichtig fenen , oder daß von der Frage: ob ſie aͤcht oder untergefeho» ben find? die ganze Vorftellung der leztern, und dag Zeitalter der merfmwürdigfien Behauptungen der Griechi⸗ ſchen Weltweifen abhaͤnge. Unterdeffen will id) doch bier, weil ic) in der Folge feinen bequemern Plaz für diefe Uns terfuchungen finden möchte, dasjenige kurz zufammenfaf: fen, was ich von der Abhandlung des Timäus $ofrus von der Weltjeele, und den Reſten der übrigen Pythagos reer halte, die Plato in Italien befuchte, und von denen er unfireitig verfchiedenes angenommen hat. Schon vor mehrern Jahren trug ich meine Bes denflichkeiten wider die Mechtbeit der Schrift des Timäug vor *), und ich würde auch izt meine $efer auf diefen Auffaz hinweiſen, wenn nicht ein Gelehrter im deurfchen Mufeum **) meine Gründe zu widerlegen , und die Aechts heit des angefochtenen Buchs zu behaupten gefucht hätte. Ich bin daher genoͤthigt, zur Bertheidigung meiner Mey« nung: daß die Schrift von der Weltfeele dem Timaus erft nad) den Zeiten des Plato angedichtet worden, und aus dem Timäus des lejtern ausgezogen fey, mid) bier etwas weitläuftiger auszubreiten, als ich fonft würde ges than haben. Ich läugne nicht, daß Plato, wie von allen übri« gen altern Weltweifen, fo auch von den Pythagoreern mand)es *) Phil. Bibl. ıter Hand stes &. 304. uf.6, *) Auguf 1778, 588 Drittes Buch. manches entlehner habe. Dies fagen alle zuverläffige Schriftsteller der Griechen ſowohl als Roͤmer, unter des nen Ariſtoteles der merfwürdigfte ift *). Auch gebe ic) zu, daß Plato ſich viele Gedanfen vorbergehender Philos fophen zugeeignet habe, ohne es zu fagen, oder nur mer fen zu laffen, daß er fie andern ſchuldig fey **): allein ic) fäugne es fchlechterdings,, und erfläre es für unglaub» lich, daß Plato es gewagt habe, eine ganze Abhandlung mit allen Haupfgedanfen, und meiftens auch) mit denfels bigen Worten nicht einem ältern, wenig befannten, oder ſchon wieder vergeffenen Schriftftefler, fondern einem feiner berühmteften Zeirgenoffen zu ſtehlen, deffen Werf in vieler Händen ſeyn mufte, und das alfo den Entwen- der der unvermeidlichen Gefahr ausfezte, als ein ges lehrter Raͤuber ertappt und überführt zu werben, Eines fo groben, fo gefährlichen, fo gar nicht abzuläug- nenden Diebftals kann man den Dfato nicht befchuldigen, ohne ihm eine Schwäche und Unfruchtbarfeit des Geiftes, und zugleidy eine Unverfchämtheit und Unbefonnenheit zujufrauen; mogegen alle feine Schriften, und dieglaub: wuͤrdigſten Nachrichten von feinem Charafter zeugen. — Von diefer eben fo unflugen als ſchaͤndlichen That fpre: chen den Plato ferner die Urtheile und das Stillſchweigen der gelebrteften und zuverläffigften Schriftfteller des Als terthums frey, Die alle Hauptfäze in feinem Timäus als ihm eigenthuͤmlich, oder von ihm erfunden anfehen, und gar *) Mötap, # A, cap. 5. p. ı6. Ed. Sylb. »®) Selbſt einer feiner größten Bewunderer glaubte, daß er vieles aug einer Schrft des Protagoras über dag Wirf- liche‘ oder das Weſen der * entwandt habe. X. 3. Praep. evang, | Geſchichte der Pythagoreiſchen Gefellfchaft. 539 gar nichts von einer Schrift, oder nur von ältern Welt weifen wiffen, in welcher oder von welchem diefelbigen Gedanken fihon vor dem Plato gus einander gefezt worden, Ariftoteles, der fo vieles über die Pythagoreer, und auch wider fie gefchrieben hatte, der ferner feinen Lehrer fo freymütbig tadelte, daß man ihn deßwegen eis ner ungerechten Feindſeligkeit befchuldigte, würde ohne allen Zweifel die Schrift des Timäus, wenn es eine fol: che gegeben hätte, gefannt, oder doc) davon gehört, und den wahren Urheber der $ehren, die Plato in feinem Ti— mäus geäußert hatte, irgendwo angegeben haben, Er ſchweigt aber nicht nur von dem Buche, das Plato abe gefchrieben haben foll, fondern er eignet ihm an mehrern Stellen die im Timaus enthaltenen Gedanken als deffen Erfindungen zu, . Ander Furz vorher angeführten Stelle*) zeigt er ausführlich, aus welchen Quellen Plato geſchoͤpft babe; er redet von den Aehnlichfeiten ſowohl als Unter: fehjieden der Platonifchen und Pythagoreiſchen Begriffe und Meynungen; allein er fagt ausdrüclich, daß er die $ehre von den Ideen zuerft eingeführe habe **), Eben dies — \ *) (Lit. A. 5, Met, 15, 16. p.) h ®*) Gerade die Begriffe, die Arifteteles dem Plato als eigen: thuͤmlich, und ihn von den Pythagoreern unterfcheidend angibt, finden fih in einem Fragment bes Archytas beym Stobaͤus I, p. 92. Eel. Phyſ. das der vorherge— nannte Vertheidiger des angeblichen Werks des Timaͤus für aͤcht Hält, und ich ohne Bedenken für untergeſcho— ben erkläre, weil Ariftoteles die Werke des Archytas genau Fannte, und wider ihm gefchrieben hatte, Air: — nich 590 Drittes Bud). diefes nimmt er in allen übrigen Stellen an, wo er bie Ideen des Plato verwirft und widerlegt *), Eben fo enefcheidend verfichert er an einem andern Orte, daß Plato zuerft die Zeit für entftanden gehalten habe **); eine Meynung , die eben wie die Ideen in der angeblichen Schrift des Timäus vorfommen ***), Eben diefe Säge, die Ariftoteles als dem Plato ganz eigenthuͤmlich betrach⸗ tete, hielten auch Cicero, der den Timäus uͤberſezte, und Plutarch, der die Weltfeele des Plato erläuterte, für folhe, die niemand vor ihm behauptet habe, und auch fie Hatten eben fo wenig, als Galen und Sextus, von einer Schrift des Timäus gehoͤrt, in welcher die Platoniſchen Begriffe zwar kürzer, aber deutlicher als im Piato felbjt vorgertagen worden t) Aus allem die» fen Fir —— en nichts wundere ich mich fo fehr, als daß es diefem Kunſt⸗ richter fo befremdend vorfümmt, daß man fo unverfhämt habe feyn Können, den Pythagoreern Meynungen zus jueignen, die wirklich dem Plato zugchörten. Noch fonderbarer aber fiheint es mir, daß diefer Gelehrte von einer folchen Uebertragung von Mehnungen Feinen an: dern Grund finden fonnte als diefen, weil man dem Plato eine allgemeine zuerkannte Erfindung habe freitig machen wollen ©. 158. *) Met. 1. C. & u. cap. 5. P. 21% “*) VII. 1. Phyf. Aufe, “r%) Wenn Arsftoteles an einem Orte jagt: de anim. 1,3. 6 Tinomos Dumiokoyes, Tv ıduxav nıvev To wa; fe kürzt er hier feine Anführung eben fo ab, wie er oft in feinen Büchern rer Torıraas thut, wo er bey vielen Gedanken den Sofrates nennt, und den Plato verfteht, der fie in feinen Gefprächen durch den Mund des Sofraresmeäußert hatte, +) Man fehe befonders Plutarch über die Platonifhe Welt: feele ib. VII, de Virt, Mor, 7. 37, Ed, Reickli, Gefchichte der Pythagoreiſchen Geſellſchaft. 591 fen muß man nothwendig den Schluß ziehen, daß die größten Kenner der Griechifchen Philofophie die Abhand⸗ lung des Timäus, die man bisher fuͤr aͤcht gehalten hat, nicht nur nicht gelefen, fondern ihrer auch in keinem ana dern glaubwürdigen Schriftfteller erwahnt gefunden hatten *). Sch halte es nicht für unmoͤglich, daß einzelne Pythagoreer die Lehre von der Seelenwanderung, und die Zabeln von den Wohnungen und Strafen abgefchiedes ner Seelen verworfen haben; aud) ftreite id) nicht dawi⸗ der, daß einer oder der andere diefer Weltweifen matte hen Artikeln der Volksreligion widerfprechen Eonnten, ohne ſich deßwegen Verfolgung zuzuziehen; aber ich ers - fläre es noch immer für hoͤchſt unwahrſcheinlich, daß ein Nachfolger des Pythagoras , der die Volfsreligion nicht nur in Schuz nahm, fondern den größten Theil feiner Nation, und die eigenthümlichen Behauptungen feines Mei« x — ®) Alle diefe von mir angeführten Weltweiſen, die dem Plas to einftimmig die Meynung von den Ideen zuſchreiben, und zu welchen man noch den Seneca hinzufügen kann, hatten auch den Epicharmus gelefen, fanden aber das nicht darin, mas ein gewiſſer Altimus, der wahr— ſcheinlich erſt nah Chriſti Geburt febte, weit Athenaͤus feiner zuerfi Erwähnung thut, darinn gefunden zu has ben glaubte, und was auch jezo Fein vernünftiger Kunftrichter und Ausleger- in den Fragmenten des Si—⸗ eifianifchen Dichters entdecken wird Diog. IL. 10. 14. 17. Hätte diefer Alfimus, der die Ideen des Pfato fo gern zu einer Pythagoreifchen Erfindung, und den Plato zu einem gelehrten Diebe machen wollte, die Schrift des Timaͤus gekannt, oder nur davon gehoͤrt, fo würde er ſich nicht auf zweydeutige Verſe des Cpicharmus, ſondern auf die deutlichen Ausſpruͤche des Timaͤus bes zufen haben, 592 - Drittes Bud), * Meiſters, und deſſen aͤlteſter Schüler fo wenig ſollte ge ſchont haben, daß er beyde oͤffentlich angefochten, und den Hades ſowohl, als die Seelenwanderung fuͤr nuͤzliche Erdichtungen ausgegeben haͤtte, womit man diejenigen, die ſich nicht durch Vorſchriften der Tugend im Zaume halten ließen, baͤndigen koͤnne ®), Ich weiß nicht, was mein Freund ſich bey den Geheimniſſen der Pythagoreer und bey Eingeweihten ges dacht habe, menn er glaubte, Daß es zu den Zeiten des Timäus noch Gehrimniffe gegeben, und daß diefer Py- thagoreer nur für Eingeweihte gefchrieben habe, In diefen allee Geſchichte entgegenftehenden Behauptungen ſcheint eine andere zu liegen, die nicht weniger gefchichte widrig iſt: dieſe nämlich, Daß die Achten Freunde des Pytha⸗ — *) p.565. 66. ap. Gal. 2, de x Tıs OuAKEoS Roy arreı- Ins, TETo d ens0Iw zoracıs, ET En Tav yor@y #04 & en Tav Aoyav Guvrova ETRYOITE deut Tee mwenvie noy To nr ei dew, orıno- Ausıes RTEAEATN FOL ETROKEITY Ourdensmoos veQ- Tee no TRNA 000 eravew Tov Iwvinov Foin- TaV, E% WAARINS TWOIEWTE Tws EVAYERS. wg 7% GwuaTa vormdeı more uyıalouss, ein N EIAN TOIS UYIEWOTRTOIS. BTW TS \WUXaS ETrErP- Yenes Wevdens Aoyaıs, 81 u an aynroy Ay- Geo. Asyowvro d' avayuaıwns nor Tıyaweucy Eevoy, os nerev duousvay ray \duxav, Tav nv de- Arov, E15 Yuvaszea onaveu, moS ußew eudido- peva' Twv ds minudovaov, ea Ineimv COURT, morı nohacıy. Adyrwy de eoouwy KaTeay vöeDas. #. T. M. * Geſchichte der Pythagorelſchen Geſellſchaft. 593 Pythagoras weder an Beſtrafungen der Ruchloſen in el⸗ nem andern Leben, noch auch an Seelenwandecn⸗ ge⸗ glaubt hätten *). Die bisher von mir —— Gruͤnde wider die Aechtheit der Schrift des Timaͤus ſind, glaube ich, ſchon von einem ſolchen Gewichte, daß ich den lezten ganz ver⸗ ſchweigen koͤnnte, ohne in unpartheyiſchen Richtern eine ſchwaͤchere Ueberzeugung zu bewirken. Dieſen Grund muß ein jeder in dem Stillſchweigen entdecken, welches der verkappte Timaͤus uͤber die Entſtehung aller Dinge aus den Zahlen beobachte. Dieſe Meynung vertheidig⸗ ten, wie ich oben gezeigt habe, alle Pythagoreer, bis auf die Zeitgenoffen des Ariftorenus, und ohne fie Eonnte niemand in Anfehung feines Syſtems ein ächter Potha« goreer ſeyn. Mit diefen Zeugniffen und Beweiſen nun halte ‚man die Zeugniffe derjenigen Schriftfteller zufammen, welche an die Aechtheit der Timälfchen Abhandlung ge- glaubt Haben, und deren Stellen Sale feiner Ausgabe vorgeſezt hat: und man wird, denfe ich, feinen Aur genblick mehr zweifeln, daß die leztern mit den erftern ‚gar nicht einmal in Vergleichung zu ftellen find, Zween \ Rir, 2) Auch / ſehe ich ein,. was Herr T. dabey gemeint, wenn die Redensart Tsumgscy Eevay durch nngemöhnliche, nicht aber durch ausländifche. Strafen oder Schrecfbilder.. überfezt wird. Die legte Erklärung feheint deßwegen die natürlichfte, weil die Lehre von der Seelenwandes zung wirklich auslandifh, und nach der älteften Ge ſchichtſchreiber Zeugniffen vom Ppthagoras aus Aogypten nach Griechenland * war.) p — — 594 Drittes Buch. Kirchenväter, und einige neuere Platonifer find die Männer, deren gar nicht geltende Urtheile man für das Alterthum des Buchs anführen kann. Zween ber keztern, Jamblich, und aus diefem Proklus, ziehen einige Verſe des Sillographen Timon an *), die Herr Tiedemann fo auslegt, als wenn der Dichter in ihnen auf die Schrift des Timäus gezielt, und den Plato beſchuldigt haͤtte, daß er aus dem Werfe des Timaus fein Gefpräch gleiches Namens ausgefchrieben habe. Diefe Auslegung ift aber offenbar gewaltfam, denn wenn der Spötter aller alten Weiſen die Schrift des Timäus namentlich erwähnt hätte; fo würden die ältern Schriftſteller, befonders Plutarch, diefen Vorwurf auch bemerft haben, und aufmerkfam darauf geworden ſeyn. — Aus ven Berfen des Timen kann man alfo weiter nichts fehließen, als baß ihr Ver⸗ faffer eine zu feinen Zeiten ſchon ziemlich allgemeine Meys nung, als wenn Plate alles dem Pythagoras, fo wie diefer den Barbaren zu verdanfen hätte, in einen Vor⸗ murf von Diebftal verwandelt babe. - Die neuern Pla⸗ tonifer, die den Plato mit einer eben fo feften Ueberzeu⸗ sung für einen aͤchten Nachfolger des Pythagoras, wie diefen für einen Schüler der Aegyptier hielten, wandten die Verſe des Timons auf die untergefchobene Schrift des Timaͤus an, auf welche Deutung man aber eben fo wenig, als auf viele andere eben fo grundlofe, die von ihnen her⸗ kamen, etwas bauen kann. Man feje aber voraus, was gar nicht wahrſcheinlich iſt, Daß Timon in einem Spottgedicht, mworinn er alle Philofophen zwar mit ſtar⸗ fen — — — *) Mora d ‚agyueıay 0Arynv nArufaro Bıßros eydey aDogunders Truocyeaderr EEK oe. Geſchichte der Pythagoreiſchen Geſellſchaft. 593 ken und uͤbertriebenen, aber doch immer kurzen Zuͤgen laͤcherlich machte, einer einzelnen Schrift, die Plato beraubt haben ſollte, erwaͤhnt, und daß keiner von den gelehrteſten Alten vor dem Clemens dieſes wahrgenom⸗ men habe; ſo kann man doch das Zeugniß eines ſolchen Dichters, der gerade in dem Zeitalter lebte, in welchem die meiſten Buͤcher erdichtet wurden, und alſo auch die des Timaͤus ſchon untergeſchoben ſeyn konnte, gar nicht den Zeugniſſen des aͤltern, gelehrtern und unpartheyiſchern Ariſtoteles vorziehen, der die Hauptſaͤze des Platoniſchen Timaͤus keinem andern, als ſeinem Lehrer zueignet, und dabey nicht den geringſten Wink von einem Werke gibt, welchem Plato gefolgt ſey, und das ihm ſchwerlich haͤtte verborgen bleiben koͤnnen *). Pp 2 Nach — *) Mider die irrige Meynung des Jamblich und Proklus, als wenn Plato vorzüglih eine Schrift des Timäus benuzt und aus ihr Kenntniß der Pythagoreifchen Philo⸗ fophie erhalten Habe, till ich nicht einmal die Erzählune gen anführen, daß Plato und Dionys für den Plato entweder vom Philolaus oder deflen Erben ein Werk des leztern um einen hohen ‘Preis gekauft, und dars aus die Pythagoreiſche Weltweisheit gelernt babe, Gell, If. ı7. Diog. VIII. 84.85. Sch halte nämlid) diefe Nachrichten fiir eben fo falſch, als fie mir einander ftreitend find, und für nicht weniger erdihter, als dag Verzeichniß der Weltweifen, von denen es heißt, daß ‚fie die Geheimniffe ber Pythagoreer zuerſt ausgebreitet hätten. Zwar ift es nicht unglaublich, daß Plato oder Dionys Pythagoreiſche Schriften theuer erfauf: haben: (denn alle Werke von einigem :Werthe wurden damals um einen ungeheuren Preis gekauft) allein falſch ift es, dag die Lehren der Pythagoreer damals noch Geheime wife, und daB die Buͤcher des Philolaus die erſten | | N. | Pptha⸗ 596 Drittes Buch. Tach den jezt geprüften untergefchobenen Schriften des Dfellus und Timaͤus verdienen die moraliſchen Frag⸗ mente die meifte Aufmerkfamfeit, die Gale aus dern Jamblich und Stobaͤus gefammlet hat, und Die der Ueberſchrift nach meiftens folhen Pythagoreern zugehoͤ⸗ ven, von denen es ungewiß ift, ob fie je gelebt, oder doch warn fie gelebt haben. Alle diefe Bruchftüce find, meinen Urtheile nach, eben fo wenig aͤcht, als die des Hermes Trismegiftus, und wahrſcheinlich viel fpater erdichter, als die dem Okellus und Timäus untergeſcho⸗ beien Abhandlungen. Wenigftens Fann man mit Zus berficht behaupten, daß die erftern nicht von Pythago⸗ reern gefchrieben find, Die älter als Ariftoteles waren. Dies erhellt erftlich daraus, daß in einem jeden bie Hauptbegriffe der Ariftorelifchen Erhif worfommen, von denen fid) feine Spur weder im Plato nod) in andern als ten Werken findet, die Fein glaubmürdiger Schriftfteller den Pythagoreren zugeeignet, oder dem Xriftoteles abge- fprohen hat, ja deren Erfindung nicht einmal ohne die aͤußerſte Ungereimtheit dem Stagiriten ftreitig gemacht werden kann. Dergleichen find die Begriffe und Grund⸗ ſaͤze von Gluͤckſeligkeit, und der dem Menſchen unter al⸗ len Thieren eigenthuͤmlichen Faͤhigkeit gluͤcklich zu ſeyn *), net [en en Pythagoreiſchen geweſen ſeyen, die öffentlich bekannt geworden. Archytas machte alle feine Werke gemein« nuͤzig, fo wie er auch öffentlich lehrte, Athenaeus XII. 12. ex, Ariſt; und die Seheimniffe der Pythagoreer hat ten ſchon anderthalb hundert Jahre vor dem Plate — "Ex Hippod ”, p. 660. 61. Ex Hippod, p. 665. Ex Eurypb, #, 66%, ’ Far Arch, 673. 676 PR — Geſchichte der Pythagoreiſchen Gsefellfhaft. 597 ferner die Eintheilungen ber Güter, nach welcher fie ent weder um ihrer felbft willen zu wählen find, oder nicht, und beyde wiederum entweder Güter der Seele, oder des Koͤr⸗ pers, oder des Gluͤcks find »): nicht weniger die Er klaͤrung von Weisheit, Wiffenfchaft, und der Kräfte oder "Theile der Seele **): endlich die berüchtigte Lehre, Daß die Tugend in einer gewiffen Mittelmaͤßigkeit, oder in einem von zweyen fchädlichen Extremis gleich weit ente fernten Mittel beftehe***). Unglaublich iftes, daB Ari⸗ ſtoteles, der die Pythagoreer, und befondersden Archytas, beftrite, ‚die Grundlagen feiner Sittenlehre aus ihren Werfen follte entlehne, und eben fo unglaublih, daß feiner vor dem Ariftotetes die Gedanfen und Schriften der erftern follte erwähnte, und Feiner nad) ihm feine Käuberenen bemerkt haben. Wenn nur ein einziger als ter Pythagoreer in einem Werfe, das fo viel gelefen, und fo oft abgefchrieben worden wäre, daß es bis aufdie Zeiten des Stobäus fortdauren konnte, ſolche Gedanken vorgetragen hätte, als fid) in diefen Fragmenten finden, und von denen das ganze Altertum glaubte, daß Arifto- teles fie zuerft gelehre Habe; fo würde es ſchon unerflär- lich feyn , wie Feiner der gelehreeften Griechen und Rd mer eine folhe Schrift, und die Heberginftimmung ihres Inhalts mit der Ariftotelifchen Sittenlehee entdeckt hätte. Um wie viel unwahrfcheinlicher ift es alfo, daß fo viele B Dpz3 MWerfe, — — — 674. 75. ex Arch, ®*) 677. p. ex Arch. ver) 9.693. Indem leztern Fragmente Fommen noch die erft nach dem Ariſtoteles erſundene Wörter amraIa und KETewr&Ier& ver. 598 Drittes Buch. Werke, als Stobaͤus und andere vor ſich gehabt ha⸗ ben *), keinem andern als dem Ariftoteles, und dann erft nad) — — 2) Thomas Gale hat bey weitem nicht alle ſeyn ſollende Fragmente der Pythagoreer geſammlet, und ich will wenigſtens die Stellen, wo man fie finden kann, an: führen. Aus diefem Verzeichniſſe wird man fehen, daß zu des Stobäus Zeiten Werke von neunzehn big zwan— zig Pythagoreern, und Pythagoreerinnen herumgingen, von denen einige mehrere Bücher gefchrieben Haben foll: ten. Geltfam ift es, daß die Fragmente und Briefe, die Pythagoreiſchen Frauen zugeeignet werden, ſchoͤner amd mehr im Geifte des Bundes gefchrieben find, als alle Ueberbleibſel der beruͤhmteſten Ppthagoseer, Man fehe die Fragmente des Onatus beym Stob. Ecl, Phyſ. p. 1 & 4. $Euryfus p. ı6. Diog:nes ib, ©kellus p. 32. N Pbilolaus. p. 44. 49. St. Diefe beyden leztern ſchei⸗ nen mir ächt. p 56. Jambl. in Nie. p. 7. 11. 109, ap. Phil. reg; xoruorausas wid. Menag. adS,84. Vi, Diog. Archytas Stob, Ecl. Phyf. p. 84. 82. 92. 158. Serm. p. 15. i6. 314. ap Simpl. in Phyf. Aufe. fol, 108 & 186. a. ap. Phil. Vit. Apoll. VI. 31. Jambl, de wit Pych. S. 160. Protr. e, 3. Nicom, Arith, p. 4 vide & Men. ad. £. 80. VIE, Diog, bes Ore ſas p. 305. Eel Stob. der Periklione ib. ferm. p. 6. 457. 487. des Metopus. ©. 7. Therges ©. io. des Aippodamus. ©. 248. 535. 553. Diotegenes. ©. 251. 267. Stenidas., ©. 332. Bius. ©. 408- der Pbynıys. © 443. des Pempelus, ©. 460. az Kalli⸗ Geſchichte der Pythagoreiſchen Geſellſchaft. 599 nad) vielen Jahrhunderten dem elendeſten der Griechi⸗ ſchen Compilatoren befannt geworden feyen. Vergleicht man ferner die Fragmente mehrerer ſeyn foffenden Pythagoreer unter einander, oder die, welche einerley Mamen führen, mit ſich felbft; fo findet man, daß die erftern in Anfehung der Gedanken und Eprache zu aͤhnlich find, als daß fie von fo vielen verfchiedenen Verfaſſern berrühren Fönnen, und daß wiederum die lez⸗ tern, befonders die des Archntas, die beym Stobaͤus, Jamblich *) und Nikomachus **) gefunden werden, einander zu miderfprechend find, als daß man fie einem und eben bemfelben Weltweifen zueignen fönnte. Go find 5. B. die benden Erklärungen der Weisheit, die eine beym Stobäus **x), und bie andere beym Nikomachus }), einander fehnurftradfs entgegengeſezt; und nicht weniger ftreitend find die Eintheilungen der Dinge, ober die Zus rücbringung aller Dinge unter gewiſſe Höchfte Gattungen, die man in mehren angeblichen Sragmenten des Archy⸗ tas findet. Beym Yamblich erklärt Archytas denjenis gen für ben meifeften, der alles unter eine einzige Gat⸗ Pp 4 tung Zalllkratides. S. 484. Euriphamus. ©. 595. “ippafus p. ıı. Jambl. in Nic. Aritb. %) Prot. 3.c. & Gale 733, vide & Stob. Ecl, p. 02. **) p. $. Arithm. w*s) Gale 677. p. Asyo de ERISOpAV, doDicv pev Toy Iymv „#04 deuumvnv, Deovadı de rwv av. Iewrıvay Kay raw nreeı rov [Buov. +) P.:733: 34. ap. Gal. & &0Q1x 8 Fedı Ti @Dwgıcne- vov EVFI TOy EOVTaV, AAA KaAws TEL TANTE To EOyTa. 600 Drittes Buch, tung oder Prineipium zurüctzuführen wiſſe ). Beym Nikomachus nimmt er zwey Principia an, und ſcheint darunter Linien und Zahlen zu verftehen **). Beym Stobäus hingegen heilt er afle Dinge in vier Hauptgat⸗ tungen ab: in finnliche, muthmaßliche, miffenfchaftlidjye, und verftändfihe?**), und endlich in einer Schrift von der Na⸗ tur des Ganzen +) follen alle wirkliche und mögliche Dinge unter zehn höchfte Gattungen oder Prädicamente gebracht werben tt). Unmoͤglich Eönnen alle dieſe Fragmente acht, und ®) osıs wv MVaduray olos TE EVFı HAVTE To Yeven Umo Kiav TE Koı Tv aUTay apa, #04 moAıy auvdewa; Fe noy owaeıdunsuotey, Eros doxes nos #04 SODwraros nuEv noy ray aAulesares. S. 734. ap. Gal. ) 5. p. AA nay Apxuras o Tagavrwos aupxo- Noneros TE KEMOVIKE , TO MUTO ETW Ws Atyen Karus no deusvri To megı Ta manuorine , dayvonsvd;, na 8dev aTomws auras oefiws,. olc EvTı, MER EUASE Deoves. TEeeiı yap Fas Fuv 0Amv Duosos nuAws diayvovres, ewmeAov x ME TOv HAT MELOS, old EvFi, KaAms olaoIa eg Tı in TuS Yewmereiais nor aeıIunrras mapedwuav um, — av. 8X HRS de ndı reg u8Cimay, TauTE 08 7% nalnnara, denevri sunsvoy ddeADsc. ee YaR wderDen Tu TS orTos TERTISR dva “ esdew uvaseodav sy, u) p.92. Toy yaessı T& um aiodare, vos de de. fusa, rad’ enısara, re ds vonre. P Isa Fa mavros Quciws, die 1571 zu Venedig ges druckt ift, die ich aber nicht gefehen habe, ur $#) Men, ad 1, go. VII, Diog. Geſchichte der Pythagereiſchen Gefellfchaft. 601 und aus Schriften des Archntag genommen feyn. Am menigften verdächtig fheint mir das beym Nikomachus, weil e8 mit einer oben angeführten Stelle des Piato, wor⸗ inn er vonden Pythagoreern redet, fehr zufammenftimmt. Die übrigen Fragmente hingegen find zuverläffig erdichtet, fo wie das Buch über die Natur des Ganzen, wenn anders bie zehn Kategorien darinnen vorgetragen find, Dieſe eignen alle Alte, fo gar Porphyr, dem Ariftoteles als ihrem Erfinder zu; und überdem Fann man es als hoͤchſt ‚ wahrfcheinlich annehmen, daß die Pprhagoreer, deren Mennungen über die höchiten Gattungen ich oben ausge» zogen habe, ihre $ehre gegen die zehn Prädicamente würe den vertaufcht haben , wenn fie diefe in einer Schrift des Archytas gefunden hätten, | Sowohl alfo aus den Widerfprüchen von Frag» menten, die demfelbigen Pythagoreer von verfcyiedenen Schriftſtellern zugeeignet worden, als aus der beyfpiels loſen Gleichheit der Epradye und Ideen, in den Les berbleibfeln beym Stobaͤus, die verfchiedene Pythagoreer zu Verfaffern haben follen, muß man ſchließen, daß fie alle (nur das eben erwähnte beym Stobaͤus, und ei» nige des Philolaus ausgenommen) untergefchoben find, Die Zeit, mann fie erdichtet worden, läßt fich zwar nicht mit Gewißheit beflimmen ; dod) halte ich dafür, daß einige derfelben im dritten, die meiften aber zwifchen dem vierten und fiebenten Jahrhunderte von einer einzigen Hand, oder von wenigen Männern gefchrieben worden find, In dieſem Zeitraume hatte die Ariſtoteliſche Phi⸗ loſophie viele Verehrer, von denen ſie aber mit der Platoni⸗ ſchen und verdorbenen Pythagoreiſchen zuſammen geſchmol · zen wurde. Hoͤher, als ich gethan habe, kann man die mei⸗ Prs flen 62 Diittes Buch. fien Fragmente beym Stoböus nicht wohl hinaufruͤcken, weil fie von feinem Platoniker oder Pythagoreer der vier erften Jahrhunderte angeführt worden *). — — *) Seltſam iſt es, daß in einem Fragmente, das dem Hip- parch zugehören foll, die Sterblichkeit der Seele be- hauptet wird, wenn man anders die Verbefferung von Gale annimmt, ohne welche diefe Stelle gar feinen Sinn hat. 673. ©. Oi yap andewro Ta ToR« waguorevafomevo, @s Br 853 (iv METR Toy ras Ccs weovov (8% evadoyılovray, emes 8 raro 8*) E£e0Iı YevesIay, Kenrwpeda Trags- sıav Twv ayaduv, ex de Tas DiAocoPıns nut- Amy xy ceuvov Ke, Diefen Irrthum Eonnte Fein Phthagoreer, aber wohl ein Ariſtoteliker lehren, der die Meynungen ſeines Meiſters, oder doch der beruͤhm⸗ teſten Ausleger derſelben nicht vorfichtig genug einem Pythagoreet unterſchob Vier⸗ nr Biertes Bud. XRenophanes, Parmenides, Leukipp und Heraklit. Ye Zeitalter des Pythogoras und der aͤlteſten Py« thagoreer lebten noch vier andere berühmte Wahrheits-und Naturforfcher, Zenophanes aus Kolo— phon, Parmenides aus Elea, $eufipp entweder aus eben diefer Stadt, oder, was ic) für wahrſcheinlicher halte, aus Abdera, und endlich Heraflit aus Ephefus. Mit die: fen Männern muß man, glaubeich, das Chor ver alten Weiſen Griechenlandes befchließen: denn mit dem Me lis und Zeno, dem Anaragoras, Demofrit, Empedo— fles, und den älteften Sophiften, fängt fid) eine ganz neue Seriode, ſowohl der griechifcdhen Sprache, als der Weltweisheit und übrigen Wiffenfchaften an. Der ältefte unter diefen Weltweiſen, Eenophanes, wurde allem Vermuthen nad eben fo früh gebohren, als Pythagoras, überlebte ihn aber, weil er ein fehr Hohes Alter erreichte. Er verließ feine Vaterſtadt als ein jun⸗ ger Mann, entweder weil feine Mitbürger ihn verjagten, oder weil er die Herrfchaft der Perfer eben fo wenig, als Pythagoras die des Polifrates ertragen konnte, und ging aus 604 Viertes Buch. aus eben den Urfachen, aus weichen Pythagoras biefe Gegenden wählte, nad) Gicilien und Großgriechenland, wo er den größten Theil feines Lebens meiftens in Elea zubrachte; und der Lehrer des Parmenides, und ber Stif⸗ ter der fo genannten Eleatifchen Schule wurde *). Die dren übrigen, Parmenides, $eufipp und Heraklit, bluͤh⸗ ten ohngefähr um die Zeit, als der Pythagoreiſche Bund gerfidret wurde, und ſtarben wahrfcheinlich alle vor der 80 Dlympiade, vielleicht den einzigen Parmenides aus genommen, | Alle diefe Phnfifer, wie die Griechen fie nannten, wurben zwar mit den Gedanken der Joniker und Pytha⸗ goreer bekannt; allein ein jeder von ihnen war doch fo eigenthümlic; in feinen Behauptungen **), daß man dar⸗ ‚aus unmoͤglich die Meynungen ihrer Vorgänger oder Zeit. genoffen errathen koͤnnte. ud) hatte Feiner außer dem Parmenides einen $ehrer, in der gewöhnlichen Bedeu⸗ tung diefes Worts ***), fondern ein jeder fuchte vielmehr neue e) Vlll. Diog. 18. 19. In einem Fragmente, das Dioge- nes anführe, fast Zenophanes ſelbſt, daß fein Ruhm damals ſchon fieben und fehzig Jahre durch Griechen⸗ land erfchollen, und daß er, als er angefangen habe, berühmt zu werden, fünf und zwanzig Jahre alt ges Wweſen fey. ee) Nur muß man den Parmenides ausnehmen, ber aber auch nit ganz mit dem Kenophanes zufammenftimmte. “es, Einige Griechiſche Schriftfteller hielten den Leufipp für - einen Schüler des Zeno von Elea; allein diefe würden etwas, tag fich beffer vertheidigen ließe, gefagt haben, wenn fie den Zeno zu einem Zuhörer Leukipps gemacht - hätten; denn der feztere blühte nah bem Diogenes um die 69 DI. und hatte den Demofrit zum Nachfol: ger, ber zwar ein Zeitgenoß bes Zenn ; aber doch Älter, nis diefer mar. Renophanes, Parmenides, Seufippu. Heraklit. 605, neue Wege, die von denen, welche man vorher gebahnt hatte, ganz verfchleden, ober ihnen gar entgegengefejt waren. Ferner haben ihre Gedanken, befonders die des Zenophanes, beym erſten Anblick einen Schein von Gruͤndlichkeit, Ordnung und Zufammenhang, der ihnen auf eine Zeitlang einen großen Vorzug vor den $ehren der Joniker und Pythagoreer gibt; allein genauer unterfucht, it ihre Philofopbie eben fo eitel, als die der vorhergehens ben Weltweifen,, nicht mehr auf Erfahrung gegründet , und nicht weniger reid an DBenfpielen von feltfamen Eprüngen im Schließen, oder von Verwechſelungen der verfchiedenften Begriffe. Zenophanes und Parmenides faßten ihre Lehren noch in Verſen; $eufipp und Heraflit hingegen fchrieben in ungebundener Rede, Die aber nod) unverftändlicher, oder doch eben fo unverſtaͤndlich, als jener ihre Poefie war. Won allen vieren find Fragmente übrig, und zwar die meiften vom Darmenides, die we nigften von $eufipp, aus weldyen Ariftoteles und Dioge- nes nur einige Mepnungen mit deffen eigenen Worten anführen. Die Aechtheit diefer Bruchfiüde muß man, mie die Richtigkeit der widerſprechenden Nachrichten des Diogenes, des falfchen Origenes und Plutarchs aus den Zeugniffen deg Ariftoteles beurtheilen. Vom Eenophanes und Parmenides ift eg gewiß, daß fie unter den Bürgern von Elea in großem Anfehn fanden, und in wichtigen Angelegenheiten um Rath ge frage wurden. Parmenides gab feiner Vaterſtadt fogar Gefeze, welche ihr fo theuer waren, daß alle:obrigfeir- liche Perfonen einen feyerlichen Eid ablegen mußten, fie unverbrüchlich zu beobachten *), Dom Heraflit zeigen —— theils — | ——— n *) vid, Plut. adv, Colot. 606 Viertes Buch. eheifs feine Freundſchaft mit dem Hermodorus, theilsdie Fluͤche, die er über den unbändigen Pobel in Epheſus ausiprach, daßer nicht flers in Betradytungen vergraben, und um öffentliche Gefchäfte unbekuͤmmert geweſen fey *). Bon $eufipp Fann man zwar nichts dergleichen mit einis ger Gewißheit behaupten: allein über dies Stillſchweigen der Alten darf man ſich nicht wundern, indem $eufipp viel weniger Aufmerkſamkeit als die übrigen erregte. Schon unter den Griechen war es zweifelhaft, ob er in Europa oder in Aſien gebohren worden, und ob er etwas geſchrieben habe oder nicht? | Zenophanes und Parmenides ſtimmten beyde darin überein, daß er nur eine einzige, ewige, unwandel⸗ bare, unbewegliche, fid) ſtets gleiche Subſtanz gebe, in welcher weder Vervollkommnung noch Verſchlimmerung, meder Schmerzen noch Krankheit noch Untergang ſtatt finde, und diefe ſowohl mit Empfindung als Vernunft begabr fey **). Die Beweiſe, die fie für diefen ihren erften Grundſaz anführen, maren eben fo feltfam, als | " der- 2) Diog. IX. 2. naganreroy de no rau EOescswv , 81 To Tov Eraucov exnfßaAsıv Epnodwgev. ev eis Oncw, Adıv EPeduoi nfandev umodaven ması, Roy Toic on[doss Tny moAw zatarımew, olrwes Eepidweov egwürav evniscv efefforAov Aeyerres, HAccoy unde Eis ons os esw. &1 de TS TOIETOS, an TE xy per adv. Herablit follte ihnen, ſezt Diogenes hinzu, Geſeze geben; allein er fhlug es ab, weil der Staat der Ephefer ſchon zu fehr verdorben war. “*) Dan fehe Hiſt. docic. de vero Deo p. 321, u. f. ERenophanes, Parmenides, Leukipp u, Heraklit 607 der: Grundfaz felbft wider ale Vernunft und Erfah: sung lief. Wenn etwas ift, fagte Eenophanes, ſo muß biefes nothwendig ewig feyn, weil es weder aus nichts, noch aus etwas wirflichem, das. vorher ſchon da war, entſtan⸗ den feyn kann. Aus nichts, ſagte er, Fönne unmöglic) etwas entftehen, dies fey ganz undenkbar; aus Dingen, die vorher da feyn, aud) nicht, weil etwas, was fihon exiſtire, nicht erft anfangen koͤnne zu ſeon. Da nun nie. mals etwas entweder aus Nichts, oder auc) aus etwas wirflichem entftanden fey und entſtehen Fönne; fo muͤſſe man.annehmen, daß alles, was erifiire, ewig und uns ‚endlich ſey, da es weder Anfang noch Ende gehabt habe, noch haben werde. Aus dem Begriff des Unendlicyen «folge norhwendig, daß alles, was wirklich fen, nur eine einzige unbegränzte Subſtanz ausmache. Denn wenn man mehrere unendliche unbegränzte Weſen annehme, fo bebe man durch diefe Mebrheit die UnendlichFeit eines: jer den auf, indem eins das andere begranzen, und deffen Unendlichfeit zerfiören würde, — Nah dem Porphpe brauchte Parmenides einen andern Beweis für die Ein» «heit einer ımendlichen altes in fich faffenden Subftanz, ‚den aber hoͤchſt wahrſcheinlich Zeno zuerft vorgetragen , und Porphyr, durch eine Verwechfelung von Namen, deſ⸗ fen Lehrer zugefchrieben bat *). | Man theile (fo foll Parmenides gefchloffen Haben) Bas wirkliche, mern estheilbar ift, in zwo gleiche Hälften, biefe wieder in andere „ und fo immer fort? und man wird Sn 0 2 *) Simplie, ad Phyf, Aufe, fol. 30. pt. 608 Viertes Bud). wird entweder auf Fleinfte, untheilbare, ber Zahl nach unendliche Elemente kommen, oder man wird aud) fo lange theilen, big gar nichts übrig bleibt. Das leztere fey undenfbar, weil alsdenn das wirkliche aus nichts ent⸗ ftanden ſeyn müffe; das erſtere hiele er auch für unmöglich, obne daß wir den Grund wiffen, warum es ihm fo vor« fam. — Aus der Einheit der unendlihen Weltfubftanz folgerten Zenophanes und Parmenideg weiter *), daß fie ſich fters und allenthalben gleich fey, weil Ungleichheit Coder Verſchiedenheit nicht ohne Vielheit von Theilen oder Subftanzen möglic) fen; und aus diefer Gleichheit leites ten fie endlidy Unbeweglichfeit und Unmwandelbarfeit ab, vermöge deren Feine Weränderungen oder Verfezungen von Theilen, Feine Bermehrungen oder Berminderungen, Feine Berbefferungen oder Verfchlimmerungen, feine Ab» nahme oder Vernichtung in der einzigen Subſtanz gedacht werden koͤnne. Die Unbeweglichkeit ſuchte Eenophanes noc) dadurch zu bemeifen, weil das Ganze weber in ei⸗ nen leeren, noch in einen von andern Körpern beſezten Kaum hineintreten koͤnne. In einen leeren Kaum defis megen nicht, weil diefer ein Unding fey: in einen befezten eben fo wenig, weil es außer dem einzigen Ganzen Feine andere Körper gebe, und wenn bergleidyen aud) eriftirten, der mit ihnen ausgefüllte Raum die einzige Subſtanz nicht empfangen oder aufnehmen Fönne, | Diefer einzigen Subſtanz gab Eenophanes, außer den ſchon erwähnten göttlichen Vorzuͤgen, fo viel wir miffen,, ohne alle Gründe noch Empfindlichfeit und Wer» nunft, —N — ®) Siehe Par. ad, Simp!. 17. fol. 1. & fol. 31, Zenophanes, Parthenides; Leufipp u; Heraklit. 609 nunfe, dachte fie fich in fphärifcher Form, und nannte fie. Gottheit, deren Dafeyn er nur durd) einen Blick auf das unermeßliche Gemwölbe des Himmels bewies. Par⸗ menides unterfchled fich von feinem Lehrer hauptſaͤchlich darinn, daß er das Weltganze nicht für unendlich, ſon⸗ dern für endlich erflärte, und in der Abficht feine Lehren mit der Erfahrung, und den gemeinen Begriffen der übrigen Menſchen weniger ftreitend zu machen, außer der einzigen Subftanz, deren Einheit und Unmandelbarfeir er nicht aufs bob, noch zwo andere Örundurfachen annahm, wovon Die eine alles hervorgebracht habe und hervorbringe, und aus der andern alles hervorgebracht worden fey, und hervorgebracht werde, Diefe beyden Principia nannte er mit verfchiedenen Namen: das wirkende, entweder Feuer oder Licht und Wärme, und das leidendeentweder Finfterniß oder Kälte, Auch ſcheint er Das erftere noch mit dem Namen: Krone, Venus und Nothwendigkeit, belegt zu haben, Wenn man bey diefer Reihe von Begriffen und Saͤzen einige Augenblicke verweilt: fo wird man fich viele leicht noch eher mit ben Zahlen des Pythagoras, als mit den abgezogenen Träumen des Zenophanes und Parmes nides ausföhnen. Die Pythagoreer lehrten freylich ete was, was weder die Erfahrung beftätige, noch die Vers nunft begreifen kann: allein fie empörten fich doch niche mit einem foichen Troze , als Eenophanes, wider die Zeug« niffe aller Sinne; und läugneten nicht ſolche Erſcheinun⸗ gen, von deren Wirklichkeit uns jede in und aufer ung vorgehende Veränderung überzeugt; Parmenides fuchte zwar zwiſchen Nachdenfen und Erfahrung, zwifchen Ver⸗ fand und Sinnen, die Zenophanes bis zur unverſoͤhn⸗ Kate Feindſchaft gegen einander aufgebracht hatte, ng öriede 610 | Viertes Bud. Friede zu fliften: und er gab daher Entftehung und Auf loͤſung, Veränderung und Bewegung der Dinge zu; ale fein dieſer Friede Eonnte unmöglich) aufrichtig und dauer⸗ haft feyn, folange er zugleich die Einheit und Unwandel⸗ barkeit einer einzigen untheilbaren Subftanz vertheibigte, Es war nicht fächerlicher, die Entftehung der Welt aus Zahlen zu behaupten, alsdie Entftehung wirklicher Dinge aus andern wirklichen zulaugnen, oder als Unendlichkeit von Zeit mit Unendlicjfeit dem Raume nad) zu verwech⸗ fein; (und dies thaten die meiften Eleatifer, deren Uns endliches allemal mit ewig gleid) bedeutend ift) oder end» lich aus unbegrängter Dauer eines Weſens Einheit defs felben, und aus Einheit wiederum Unmanbelbarfeit zu ſchließen, gleich als wenn Mehrheit ewiger Wefen ein Widerſpruch wäre, oder als wenn Veränderung in wirfs lichen Dingen nicht ohne Spaltung derfelben in mehrere und verfchiedene Subftangen ftatt fände, Diefe Srundlehren des Kenophanes und Parmenia des ftritten fo fehr wider allen finnlichen Schein, und wie der alles, mas andere auch fonft noch fo verfchieden den⸗ Pende Menfchen für Wahrheit hielten, daß man fich nicht wundern darf, wenn beyde für die erften Behaupter der Unbegreiflichkeit aller Dinge, und der Unfähigkeit des Menſchen, Wahrheit von Irrthum zu unterfcheiden, ge⸗ halten morden find *). Zenophanes Fonnte zwar niche alles —ñ—ñ— — ——— e) Man ſehe Sotion beym Diogenes IX, 20. € Quaeft, IV, 23. Pfeudo Orig, p. ana Freie, Bath. VII. 49:52. Sertus aber Bleibt ſich felbft nicht gleich, und legt diefelbigen Verſe des Kenophanes an verſchiedenen Stellen anf eine ganz verfchiedene Art aus VII. Kenophanes, Parmenibes, Eeufipp und Heraklit 6uꝛ alles menſchliche Wiffen für ſchwankend und ungewiß er. Fiären, weil er fonft durch diefen Ausfpruch alle feine Meys hungen übern Haufen geworfen hätte *), vielmehr hielt er alle vorher mitgetheilte Säze für wiffenfchaftliche Kenntniffe, oder wie wir zu fagen pflegen, für unumftößliche Wera nunftwahrheiten, Zugleich ader erflärte er mit allen alten Philofophen **), die zwiſchen dem Pythagoras und Sofrates lebten, unſere finnlihe Erfenneniß für truͤgli- then Schein, für biendende Taufchungen, wodurch die wahre Natur der Dinge entftellt und verfterft würde; und die Sinne ſelbſt für falfche unaufrichtige Zeugen, denen man, wenn fie den durch edlere Kräfte entdeckten Wahre beiten widerfprächen, Stillſchweigen auflegen muͤſſe. Eben ſo dachte Parmenides, wenn anders Sertus den Sinn des von ihm angeführten dunfeln Fragments wichtig getroffen Hat ***), Doc) ging auc)diefer Eleatis | 2q2 ſche VIE 49 & 110, An der erſtern ſtimmt er denen bey, welche glaudten, daß Kenophanes die Unerforfchlichkeie der Wahrheit gelehrt habe. An der andern hingegen fagt er, daß eben diefer Weltweiſe nur an einer wife Tenfhaftlichen unmandeldaren Kenntniß der Wahrheit, nicht aber an der Erreichung wahrſcheinlicher Kenntniffe verzweifelt habe. Beyde Auslegungen find meiner Meys j nung nad) eben fo unrichtig, als fie einander entgegene geſetzt find, ®) Hievon fteht auch gar nichts in den Verſen des Kolopho⸗ niſchen Dichters, in welden nur allein die gewoͤhnli—⸗ chen Begriffe der Menſchen von Göttern, irriger Wahn genant, und die Unfähigkeit des Menfhen, die Nas tur der Gottheit zu ergründen, eingeprägt wird. er) Man fehe Sertus und Cicero an den angeführten Orten, und Ariftoteles Met, Y: cap, €. p,63, er) Yil llh uf, Y- cap, €: pr63 612 | Viertes Buch. ſche Philoſoph, wie Heraflic, Empebofles, unb Demo» krit, fehr oft in Klagen und Ausrufungen über die Unge⸗ wißheit und Widerfprüche aller menfhlichen Meynungen über, und fagte, daß der Sinn des Menfchen nad) den verfchiedenen Miſchungen der Beftandtheile feiner Natur verfchieben fey und fid) abändere, und daß daher wegen der fo fehr abmeichenden Eörperlichen Difpofitionen der eine dieſes, ber andere jenes für wahr halte, und berfelbige Menfd) zu verfchiedenen Zeiten. ganz entgegengejezten Meynungen anhange*). Außer der einzigen Lehre, vom Gegen⸗ — — — — unse — — —— — e) Man ſehe Ariſtoteles Met. p. 62. und Theoph, ap. Steph. Poef, phil, p. 46. Wenn nicht zuverläffige Schriftſteller, und unverwerfliche Bruchftüde es bewies fen; ſo müßte man es für unglaudlid halten, dag man in Griechenland. fo allgemein und fe früh, da man durch Vernunft und forfchenden Verftand noch faft -gar nichts an reiner Wahrheit gervonnen hatte, den Sinnen, und der Erfahrung den Krieg angekündigt, und alle Kenntniffe, die wir ihnen fohuldig find, für eitel Tand gehalten habe. Denn nicht nur die erften Eleatiker und Altefte Sophiften, fondern auch Heraklit, Leufipp, Demofrit und Empedofles waren alle Ankläs ger der Sinne, und mistrauifch gegen die einzigen Fuͤh⸗ ver, wodurch fie in den Tempel der Wahrheit, den fie alle fuchten, bey dem fie aber alle auf verfchiedenen - Wegen vorbeyirrten, hätten eingeführt werden fünnen, An eben diefe Claſſe gehört auch Zeniades von Korinth, deffen Meynungen Sertus VIE 53 wahrſcheinlich aus dem Demokrit, nicht aber aus übrig gebliebenen Schrifa ten anfuͤhrt. Wenn Sertus nicht den Demofrit, und Demofrit nicht den Zeniades ınisverftanden hat; fo bes bauptete der leztere, daB alle von außen herfommende Empfindungen falih, und die darauf gebauten Saͤze Irrthuͤmer fenen. Auch lehrte er wider die übereinftims mende Grundſaͤze aller übrigen alten Philoſopen, dag alles, Eenophaned, Parmenides, Leufipp u. Heraklit. 613 Gegenſaze der finnlichen und abgejogenen Erkenntniß, der äußern Sinne, und der Vernunft oder des Verſtandes find nur noch wenige zuverläffige und deutliche Nefte von den Gedanken des Renophanes und Parmenides über die Subftanz und Kräfte der Seele übrig, Einer Theos phraftifchen Auslegung gewiſſer Verſe des Parmenides zu folge *), foll der leztere Empfindungsvermögen und Denk» 993 kraft alles, was entſtehe, aus etwas entſtehe, was vorher nicht da ſey, und daß alles, was untergehe, in nichts, oder in etwas verſchwinde, was mit dem, was eine Sache vorher war, ganz ungleichartig fey. — So ber fremdend es aber auch ift, daß die Altern Philoſophen Griechenlandes fid) gleichſam wider die Sinne verſchwo— ren hatten, und alle finnlihe Kenntniß verdächtig zu machen fuchten; fo tft diefes bey den Meynungen, bie fie vertheidigten, und die meiftens durch augenfcheinliche Erfahrungen widerlegt wurden, doch immer noch leid): ter zu erklären, als die Veranlaffungen und Wege auszufinden find, durch und auf welchen die- meilten, befonders Zenophanes, zu den ihnen eigenchümlichen SHehauptungen bingelangten. — Das Zeitalter des Keniadeg, den ich Eurz vorher genannt habe, ift unbe: fannt; er gehört aber, wie Buto von Athen, zu dem älteften Weltweifen Griechenlandes, deren nur felten "Erwähnung gefhieht, weil fie eine Schüler gebildet, und feine Werke oder Nachfolger hinterlaffen haben. Buto wurde von einigen für den Lehrer des Kenophas nes ausgegeben (Diog: IX. 27.) ' ®) Poef, phil, Steph. 46. p. Ilxenevicns nev yae sAns 8lev a weınev, a movov ori duow ovrow sar- yecıy, nara vo umeeaiov esıv H Yywcıs. ev Yag vmegnien To Iegpov n To woXer, —8 yıreaday ray diavemv BeArTıw de ner nadew- Teeny, ryv dis To Jeeuov' Bunv aA #d Tau- ray desaIay Twos aunpereus. Is 614 Viertes Buch, kraft für elnerley, und beybe für Wirkungen der Mis fung von Wärme und Kälte in der menfhlihen Natur gehalten Haben, in welcher aber doch die Wärme das Mebergewicht haben muͤſſe. Eben diefer Schriftfteller berichtet ferner, daß Parmenides die MWerfchiedenheiten und Veränderungen in ber Denkart und ben Syſtemen der Menfhen, wie Gedaͤchtniß und Bergeffenheit aus den verfchiedenen und ſich abandernden Verhältniffen der Wärme und Kälte erklärt habe. Er bezeugt endlich, daß diefer Weltweife allen Gegenftänden der Natur ohne Ausnahme , felbft den leblofen, ein gewiſſes Wahrneh⸗ mungsvermögen zugetraut habe, Denn fo wie lebende Men. "Ns yxe Enasa (Dnew) exe agwaıs meAewr BOMUTAÄRYKTOYV. Tus voos aIewmaoı MagESUREV. To Yag ' | auro Esıy omee Deove mereav Quois age | Tach, Koy muaw up mars To Yag WAsov E56 vonpd. To yae wısYaveodey na mo Peovew, ws reula Asye. dio nad Tv MYnmmv no may Angnv ao TETWV Yırzaday 4 ENSHEBTEDS. EV dc Zwos zu Bikes, * 8504 Ogovcau, N 8, x Tıs 1 dımdecis, adev ers diwemev, crı de uy To evayrıw nd auro zo Tnv aiognaıv, Days gov sv olg Duos, Fo vengov Davos mev ney Jeous x0 Davas 8x wirtavsodoy, die zuv erdenbw Ta Mugos. Wuxes de #04 TI@TEns Ka T@Vv Evasv. | Tıav diegaverIp na oAws de may Foo exew Ta Yen. | Zenophanes, Parmenibed, Ceufipp u. Heraklit. 615 Menſchen, Licht und Warmeund Schall empfänden; fo nähme der Verftorbene die Kälte und Finfterniß und Stille wahr. — Wenn man auch voraus ſezt, daß Theo» phraft den Parmenidesnicht allenthalben verftanden Habe; fo bemweifen die Auslegungen des erſtern doch immer fo viel, daß es nichts befferes und vernünftigers über die Seele in den Werfen des leztern gefunden habe. So wenig aber Eenophanes und: fein: Freund fich von den. Jonikern und Pythagoreern durch Erfindungen neuer und wichtiger Wohrheiten unterfchieden ; fo-fehr vers dient der erffere deswegen bewundert zu werden, daß er ſich mehr als feine Vorgänger, und als die meiften der fpätern Sriechifchen Weltweifen, felbft derer, die ihn fehr weit an Kenntniſſen übertrafen, über den Aberglau« ben feiner Zeitgenoffen und ihre unwürdigen Begriffe von görtlichen Naturen erhoben Hat; undeben fo fehr muß man über der Griechen Duldfamfeie, und: über feine Kuͤhnheit erftaunen, womit er den allgemeinen Glauben feines Volks, als einen Haufen gottesläfterlicher Irrthuͤ⸗ mer öffentlich tadelte, und die größten Dichter und Lehrer der Religion, die man als- göttliche Männer verehrte, als Verlaͤumder ber Gottheit anklagte. Er züchtige deu Homer, Hefiod.nnd Epimenides, dafür, daß fie Die Göte ser als Ehebrecher, Räuber und Berrüger geſchildert, und ihnen Safter und Verbrechen angedichtet hätten, weß⸗ megen die Geſeze Menfchen als Böfewichter firaften *). % q. 4 Er ⸗ — *) Diog, IX. 18. Poef; Phil. 36,37. pı Ilayre: Seos ave- Smncev Nuneos I’ Hosdos Te Oeoæ mug ayIgamrossw oveiden xay Voyos esı- Kierr, 616 Diertes Bud, Er zertrat aber nicht bloß, wie man von ihm fagfe, ben Homer, -fondern auch ben heiligen Unfinn des ganzen Griechifchen Volks. Er nannte diejenigen gottlos, wel⸗ che glaubten, daß Götter gebohren werden oder fterben £önnten *), und ladjte über Die Aegyptier, daß fie wirk⸗ liche Götter bemweinten, oder Wefen, die beweint zu werben verdienten, für Götter hielten *). Aus diefen Gefinnungen floß die freymürhige Antwort auf die An» frage der Bewohner von Elea : ob fie die Leukothea durch Thränen und Wehflagen ehren follten? - Wenn ihr, fagte er, die Leukothea für eine Goͤttinn haltet, fo beweint fie nicht; und wenn ihr fie beflagen wollt, fo betet fie nicht als eine Görtinn an. Die Geftalt, worunter die Griechen fich ihre Götter dachten, und die Kuͤnſtler fie vorftellten, bielt er für eine bloße Erfindung der menſch⸗ lihen Eitelfeit, und erflärte darauf, daß, wenn Stiere oder Loͤwen menfchliche Hände hätten, und Gemälde oder Bildfäulen verfertigen Fönnten, fie die Götter gewiß, und mit eben fo vielem Grunde als Löwen und Stiere darftellen würden, als womit die Menfchen fie in einer ihnen ähnlichen Geſtalt ausdrücten***), Er war endlich faft KAezrev, HoXevav TE, Roy aANABS AT TEUEH. O mis eBIeykavro Jeav aJeuısıw zerye, KAsrarev MoXeven TE, Ro AMNASS Ra Teva. | %) Arift. Rhet. If. 24. #*) Plut. de If & Of, VII. op. 491. Reisk. ses) p,36. Steph. Poef. phil. AN eıro gesgas y &xov Boss VIREN Zenophanes, Parmenides, Eeufipp u. Heraklit. 617 faft der einzige unter den Griechifchen Weltweifen, ber alle Arten von Weißagungen als Aberglauben oder 7% trügerey verwarf *). Die wenigen Meynungen und $ehren,- bie bem Eenophanes und Parmenides noch mit einiger Zuverfiche zugefchrieben werben Fönnen, find den bisher erzählten entweder fehr aͤhnlich, oder beweilen auch, daß man zu einer Zeit, wo man die Matur faft gar nicht kannte, den. noch bismeilen fehr Fühn und glücklich rathen konnte. Nach dem. Ariftoteles hielt KRenophanes, wie die meiften alten Philoſophen, die Erde für unbeweglich, wuſte aber von dem Nichtfinfen, und der Unbeweglichkeit derfelben Fei- nen andern Grund anzugeben, als daß fie gleichſam bis ins Unendliche eingewurzelt oder befeſtigt ſey**). Gluͤck⸗ licher war die Vermuthung, Die aber bem Cicero ganz ungeheuer vorfam, daß der Mond eine der unfrigen 295 | aͤhn⸗ H nd KEIRESTI Ko EO'ya Tee, cmee adees, Immo ner I imması, Boss de se Besır cuoio⸗ Kay xe Jewv ıdens eyenDev, xy awuar ETOIBV Towu$ oiov weg ny auto demas- eryev omeiov. °) Cie, de Div. 1.3. “*) DeCoelo Il, 13. 05 usv Ya —2* xvuro ereıgovlo RAT@ TNSYnS esvoy Dacw, er megoy aUrAV eeguQwc day Asyovres, weree Zevodavns 0 #0- Aodavos iva un TeRYMar —— Curavres TNV MTIAV. 6:8 Diertes Bud, ähnliche berohnte Erde fey, auf welcher ſich viele Stäbre und Berge fänben *), ' Alte übrige Gedanfen, die man gemeiniglich dem Zenophanes und Parmenides zueignet, fireiten entweder fo fehr mit den erften Grundfäzen diefer Weitweiſen, und den Nachrichten der älteften und glaubmwürdiaften Schrifte fteller, ober werden auch von fo fpäten unzuverlaͤſſigen, und fich ſelbſt widerfprechenden Geſchichtſchreibern anges führe, daß ich fie nicht für ächt auszugben wage, we⸗ nioftens die Vertheidigung ihrer Aechtheit nicht uͤberneh⸗ men möchte *). Für offenbar unfergefchoben halte ic) die angeblichen Behauptungen des Benophanes beym Dio⸗ geneg: daß eg vier Elemente und unzählige unmwandelbare Welten gebe, und daß alles, was entftehe, dem. Unter» gange unterworfen fey: benn beyde Saͤze find mit: dem erften Principio diefes Miannes unvereinbar, ehr vers daͤchtig, und meiftens vom Heraktit auf den Eenophanes übergefragen, fcheinen mie die übrigen Ausſpruͤche, die man im Diogenes, und den übrigen von mir angez0ges nen Schriftfielleen finder: daß die Geeleein Hauch, und: der Verſtand, oder die Denffraft das vortrefflichfte unter allen Bermögen fey: daß es eben fo viele Sonnen und. Monde, als Erdftriche gebe: daß die erftern täglich aus. feurigen Ausdünftungen entſtuͤnden, und wieder untergin⸗ gen, ®) Cic. Ac, Quaeſt. IV. 39. Habitari alt Xenophanes- in. luna, eamque effe terram multarum urbium, & mon- tium portenta videntur. — 0) Stan fehe Plutarch. ap, Euf, Praep, Evang. tr, 8, Diog, IX. ı9, Pfeudo Origen, p. 94 - 100, Pfeudo Plut, II, 20, 24. a5. de Plaeitis Pbil. und aus ihm mit denfel- bigen Worten Stob, Ecl, Phyf, p. 53-64. Renophanes, Parmenides, Eeufipp u. Heraklit. 619 gen, und daß aus einem äßnlichen Verſchwinden des fe» tern Mondfinfterniffe entflünden: daß die Sonne eine feurige, und der Mond eine verdickte Wolfe ſey: daß die Erde ehemals Waffer, oder doc) mit Waffer überdeckt gewefen, welches aus den Berfteinerungen erhelie, die allenthalben gefunden würden *), Wahrſcheinlich find diefe Behauptungen aus eben den untergekchobenen Ges dichten abgefchrieben, aus welchen Gertus die beyden Verſe nahm, in deren einem es heißt, daß alles aus Erde entftanden fey, und wiederum in Erde werde auf: gelöfet werden, und im andern, daß wir alle aus Waſ⸗ fer und Erde gebohren oder zufammengefeze fenen *”). Wollte aber jemand den Eenophanes lieber eines Wider ſpruchs befchuldigen, als die®rzählungen der neuern Schrift⸗ ſteller, und Die Gedichte, aus denen fie entlehnt wurden, verwerfen; fo würde Dadurch mein Urtheil über das Maaß und den Werth der Kenntniffe der erften Eleatiker, und über den Zuftand der Wiſſenſchaften in ihren Zeitalter noch) mehr befiätige werden. Wenn die Fragmenteder älteften Eleatiker auch alle verloren gegangen wären; fo würde man doch aus den Ueberbleibfeln des Heraflit, und aus den Urrheilen der Alten über diefen Weltweifen, und feine Schrift, zwar nicht die einzelnen Meynungen, aber doch) den Zuſtand - der — — ———— — 2) Für eben fo unaͤcht halte ich die Meynungen des Parme⸗ nides, die Stobäus anführt: p. 53: 56. Ecl. Phyf. daß die Sterne Feuerklumpen feyen, die aus irdifchen Aus— dünftungen entfländen: und daß Sonne und Moub fih von der Milchſtraße abfonderten. ®®) p. 36. Poef, phil, und meine Hiftos, docte. de vrro Deo. am angeführten Orte. 620 Viertes Bud). der Griechiſchen Wiffenfchaften und Sprache, um bie Zeie des Untergangeg ber Pythagoreiſchen Schule, zu beftimmen im Stande feyn. SHeraflit war nad) dem Pherekydes der erfie, oder eigentlich der erfte wirkliche Naturforfcher in Orie« chenland,der in ungebundener Rede ſchrieb. Die Sprache war zur Zeit dieſes Philoſophen noch fo arm, und feine Schreib⸗ art aus eben diefem Grunde fo dichterifch und dunfel, daß er baher den Namen des finftern erhielt, und in fpätern Zeiten, mo man ſich der urfprünglichen Dürftigfeit der Griechiſchen Sprache nicht mehr erinnerte, die allgemeine Meynung entſtand, als wenn Heraklit mit Fleiß feine Gedanken in Finſterniß gehülle hätte, um eine defto groͤ⸗ fiere Begierde darnach in lernbegierigen Suchern zu erres gen *). Die Urfache der Unverftändlichkeit des Heraflit lag aber nicht bloß im rätbfelhaften bilderreichen Aus— drucke, fondern im Mangel aller Interpunctionen **), und hieraus muß man alfo fließen, daß man gegen die fiebenzigfte Olympiade nod) Feine Zeichen in Griechenland erfunden hatte, wodurch die Fürzern oder längern Paufen, in einer an einander hängenden Keihe von Gedanken, und die verfchlebenen Theile der Rede getrennt werden. Wahrſcheinlich war die Dunkelheit des Herafliti- fchen Werfs am meiften Schuld daran, daß es wenig bes Rn en en — *) IX. 6. Diog. Cie, de Fin. II, 5. Et tamen vide, ne- - « fit aliqua culpa ejus, qui ita loquatur, ut non in- telligatur. Quod duobus modis fine reprehenfione fit: fi aut de induftria facias, ut Heraclitus, cogno« miento qui axoreivos perhibetur, quia de natura ni- mis obfcure memoravit etc. ®*) Arift. Rhee. III, 5. den falfyen Demet, Phal, p, 126. de interp. J Kenophanes, Parmenides. Leufippu. Heraklit. 621 befannt wurde, und alfo auch nicht viel zur Aufklaͤrung der Griechen, und zur Ausbreitung nüzlicher Kenntniſſe bey⸗ trug. Heraklit legte es als ein Heiligebum, ober als einen öffentlichen Schaz im Tempel der Diana nieder, und bier müffen nur wenige Abfchriften davon genommen worden ſeyn, weil die Griechifchen Gelehrten ſowohl über den Titel, als über den Hauptinhalt deffelben verfchiedes ner Meynungen waren *). Vielleicht geböret es alfo mit zu der großen Zahl alter, vor dem Plato gefchriebener Werke, vondenen Porphyr fage, daß fie ſchon zu feiner Zeit untergegangen wären **), und wenn dies wahr feyn follte; fo. müfte man annehmen, daß die Schriftfteller aus den drey erften Jahrhunderten nach Ehrifti Gebure, die viele und große Stellen aus dem Heraflit anführen, diefe Stellen nidye aus dem Budye ſelbſt, Tondern aus andern entlehnt haben, wo fie ſie abgeſchrieben fanden ***), Nach den Reften der Heraklitifchen Schrift zu urrheifen, enthielt fie nicht bloß Unterſuchungen über den Urfprung der Dinge, über die Natur und Größe der himmliſchen Körper, und über die Ürfachen merfwürdiger Erſcheinun⸗ gen; fondern auch Beobachtungen über den Menfchen , und über die Verwaltung von Staaten und öffentlichen Geſchaͤften, Heftige Ausfälle auf Dichter, Weltweife und Geſchichtſchreiber, mürrifchen Tadel und Verwuͤnſchungen feiner Mitbürger, die alle große Männer als Zeinde und Nach⸗ cum ——u—n ®) Diog. IX, 12 & 15. ®*) ap. Euf, Pracp. Euang. X, 3. : re) Heraklit hatte Nachfolger, die fih von ihm nannten 8. 6. 1X, Diog. und bis auf Yen Plato fortdauerten. Allein unter diefen Herakliteern hat ſich Feiner durch Lehren oder Schriften vorzüglich ausgezeichnet. 622 Biertes Bud. Nachfteler ihrer Freyheit entfernten, endlich Empfehluna gen der Tugend und Vorfchriften der Kiugbei. Der ethifche und politifche Theil war unftreitig verftändlicher und lehrreicher *), als der phnfifche, der Tauter unbewie⸗ jene Behauptungen und wunderbare Träume in fich faßte. Heraklit lehrte, fo viel wir wiſſen, ohne den ge» eingften Beweis dafür beyzubringen, daß das Feuer die Grundurſache, und der ewige unvergängliche Urftoff der Welt fen, aus welchem nad) zweyen Gefezen ber Morde wendigfeit alles entfianden fey, und in melches auch alle Dinge wiederum zuruͤck kehren würden **), Das Gefez der Entftehung nannte er Feindfchaft, und fagte, daß durch diefe Schöpferinn aller Dinge dag Feuer in Luft, Luft in Waſſer, Waſſer in Erde verwandelt werde; das Geſez des Unterganges aber Freundſchaft, oder Eintracht, nac) weldyem umgefehre Erde in Maffer, Waffer in Luft, und Luft endlich in Feuer aufgeiöft werde ei ies — °) Man ſehe beſ. Plat. in Hipp. 348. Poef. Phil, p. 133, unten p. 134 ex Diog, 136 und 137, 135 ss) Die Bewelsſtellen finden ſich in meiner Hiftoria doctrie nae de vero Deo p. 347 u f. Es iſt unftreitig eine unrichtige, und auf Stoifche Begriffe ſich gründende Auslegung der. Heraklitifchen Meynung, wenn es beym Stobäus p. 12. Ecl, Phyf. heißt: aosav EM oL@MEVNE amoDdaıwero Aoyov Tov diw Bbias TE movros m noyro eben fo unrichtig, als dem Heraklit Fo xu$es e10v G@MX&, GWELRE TASTE TFOVTOS YEVETEDS, Kay webiedg neroov reraypevns unbekannt war, ꝝen) Put, de es apud Delph, Tom, VIR, 541, Renophanes, Parmenides Leufipp u. Heraklit. 625 Dies Feuer hielt er für die einzige bleibende Grundlage des Ganzen, und für die einzige Subſtanz, die aller Umfehrungen in andere Naturen ungeachtet, unvergaͤng⸗ lich und unverändert bleibe, die gleichfam unzählige mal fterben Fönne, ohne im Tode, und durch Verwandelung Das geringfte zu verlieren. Zwar verfchwinde oder gehe das Feuer in Luft, wie Luft in Waffer, und Waffer in Erbe über; allein am Ende werde doch immer durch ges soiffe periodifche Ummälzungen die ganze Wele in die Nas tur, woraus fie entfprungen fey, zurücgetrieben. Dieſe Entftehungen aller Dinge aus dem Feuer, und ihre Ber« fhwindungen in eben diefen Urſtoff fehienen ihm fo rei« Bend und ſchnell, daß er fagte: alle Wefen fenen in eie nem beftändigen Fluſſe, und fo wenig man ziweymal in denfelbigen Fluß bineinfteigen Eönne , eben fo wenig Fönne man in zween auf einander folgenden Augenblicken denſel⸗ bigen unveränderten Gegenftand berühren. Tod folge fo ſchnell auf Geburt, und ein Alter fterbe fo geſchwind in das andere, Vergnügen in Schmerz, Wachen in Schlaf, Größe in Kleinheit und Niedrigkeit ab, daß man Feine Grängen und Unterfchiebe zwifchen ihnen bemer- fen oder angeben koͤnne *). So richtig der Gedanfe war, daß alle ung befannte Wefen ſich unaufhörlich ver« ändern; fo irrig, und der Erfahrung mwiderfprechend, war die Behauptung folcher fehleunigen zerftöhrenden Verwandlungen, todurd) die entfernteften Gegenftände in einem Prinete oder Augenblick zufammengerüdt, und die ungleichartigften oder entgegengefezteften einander s gleich EN ET e) Man fehe bef. Plut. VI, Conful, ad Apoll, 405. p, VIR, es ap. Delph, 540. qı, Luc, vit, Auf, 1. 554. 624 Viertes Buch. gleich gemacht werden, Indem Heraflit biefes lehrte, irrte er nicht weniger als Zenophanes, welcher glaubte, daß alles ftehe, oder unbeweglid) fey. i Noch feltfamer waren feine Begriffe von der ung umgebenden Natur, von dem Wefen der menfchlichen Seele, und von Wahrheit und Irrthum. Heraklit nahm zweyerley Arten von Ausdünftungen an, feurige und helle, die aus der Erde auftiegen, und feuchte, die fich vom Waffer ablöften ). Mit jenen glaubte er die Räume der Himmel ausgefüllt, und mit den leztern wahrſcheinlich (doch fo, daß fie einen Zufaz der erftern hätten) den uns umgebenden Dunftfreis. Mach dem Diogenes erflärte er fi nicht über die Natur der uns umgebenden $uft **), nad) dem Gertus hingegen fagte er, daß fie Empfindung und Verſtand befize ***), Won Diefer Iuftigen aus ungleichartigen Dünften gemifchten Subftanz floffen feiner Meynung nach die menfchlichen Seelen aus, die er felbft Ausdünflungen, und zwar mern Kleanth ihm recht verftanden hat, feuchte Ausdünftungen nannte }), Er glaubte ferner, daß Ver⸗ en ———— TEE ——— — — — — oe *) IX. 9. Diog. 24) LJ. e. ses, VII. 126, | | H Man fehe Cleanth, ap, Euf, in Praep. Evang, XV, 20. Hiemit ſtimmt ein Fragment des Heraklits beym Porphyr überein, de antro Nymph. p. 112, Ed.’ Ro- man. worinn es heißt, daß es den Seelen nicht Tod, fondern Wonne ſey, feucht zu werden, und daß er uns tr Wonne ihre Entſtehung verftanden . habe, Ich weiß nicht, wie er mit dieſem Auss ſpruche einen andern vereinigte, daß die trocenfte Seele die weiſeſte ſey. Plut, VI, 703 & ibi Reisk, Kenophanes, Parmenides, Eeufipp u. Heraklit. 625 Vernunft und Fähigkeit, Wahrheit zu erfennen, von der ine nigften Verbindung der Seele mir der gemifchten Subſtanz, aus welcher fie entftanden fey, abbangen. Unfere Sinne feyen gleichfam die Thüren oder Defnungen, wodurch die unferer Seele verwandte Materie in uns eindringe, oder eingezogen werde, und fich alsdenn mit ihr vermifche, Wir hätten daher nur Verftand und Erinnerungsfraft, fo lange während des Wachens die Sinne geöfnet wären, und die Verbindung der Seele mit der vernünftigen, in fie eins firömenden Natur ungeftört bliebe: wir verlören hinge⸗— gen bende, wenn durd) den Schlaf diefe Gemeinfchaft auf gehoben, und die Seelenöfnungen gefchloffen würden, Aus diefen Säzen zog er den Schluß: daß mir alle nur folange, als wir wachten, eine einyige gemeinfchafte lihe Welt hatten: und daß ein jeder im Schlaf und Traume gleichfam in feine eigene Welt einfehre*), daß ferner nur das wahr fen, was mit der allgemeinen Bere nunft, und worinn alle Menfchen uͤbereinſtimmten, und das falſch, was nur dem Verſtande einzelner Menfchen wahr fcheine *). Er widerfprach fich felbft, indem er die — Reisk, Porph. I. e. p. 113, und daß fie, menn fie feucht werde, wie die der trunkenen ihre Vorzüge ver liere. Steph, Poef. Phil. p. 137. Er glaubte, daß die Seelen, tote alle übrige Subitanzen, in beftändigen Verwandlungen feyen, daß diefe Verwandlungen für fie Ruhe, und das Fortdauren in einerley Zuftande bins gegen ihnen fhmerzhaft ſey. Jambl. ap. Stob Ecl. Phyf, 113. 114. Die neuern Platoniker legten ihn nach ihrer Weiſe aus, Man fehe nach Plot. p. 468: ®) VI, Plut, 634, **) Sext I.c. Wenn Heraklit feinen erften Grundfäzen gemäß hätte‘ räfonniren wollen; fo hätte er Pr Kr 266 Viertes Buch. die Augen und Ohren, ober die Sinne roher unausges bildeter Menfchen, als unzuverläffige Zeugen verwarf, und würde fid) noch mehr widerfprochen haben, wenn er, wie Sertus, meinem Urtheile nach, ohne Grund glaubte, die Sinne überhaupt, oder alle finnliche Erkenntniß ohne Ausnahme verworfen hätte *). ! Wenn die Nachrichten und Fragmente beym Dio- genes und Plutard) **) wahr und ächt find; fo dachte er “über Götter und Dämonen, wie die Jonifchen und Py- thagoreiſchen Philofophen, tadelte aber verfchiedenes in der Arc, wie man fie verehrte, ohne daß wir fagen Föns nen, wie viel ihm in dem öffentlichen Götterdienfte der Griechen gefallen habe oder nicht. Er glaubte, daß die Luft mit Dämonen ***) und Seelen angefüllt fey, und mar von der Wahrhaftigkeit des Apoll zu Delphi, und der alten Sibyllen überzeugt; fand aber doch die Anru— fung todter gefühllofer Bilder laͤcherlich, und fagte, daß an fie feine Wuͤnſche und Gebete zu richten eben fo viel fey, als wenn man ſich mit Käufern unterhalten wolle ). Faſt alles für wahr erkennen muͤſſen, mas ein jeder wachendet Menſch dafür haͤlt; oder er hätte auch alles für wahr, oder alles für falfch haften müffen, denn das eine oder das andere folgte aus feiner Behauptung: daß alle Dinge auf eis ne gewiffe Are feyen und auch nicht feyen. Arift, Mes, DE 68 *) Sext, VII, 126, Steph, p. 137. ex Stob, **). Diog, IX. 7. Plut. ap. Steph, 138,'p. f ***) Er nannte die Menſchen fterbliche Götter, und die Goͤt⸗ ter unſterbliche Menſchen. Lue, ı, 553. vide & Heracl, ap. Stephan, p, 135, 1) ps 132. ap..Stepb, Wenn man dem Entraͤthsler der Aegyptiſchen Geheimniſſe trauen koͤnnte; ſo nannte Hera⸗ Renophanes, Parmenides, Leukippu. Heraklit. 627 Faſt über allen Glauben fonderbar waren feine Borftellungen von der Natur der himmliſchen Körper, und feine Erflärungen der Tags» und Jahrszeiten. Diefe geigen vorzüglich, wie unendlich ſchwer es dem Menfchen wurde, Größe, Ordnung, Schönheit und Regelmäßig. keit auch da zu entdeden, wo wir jest glauben, daß fie unüberfehbar find, und daß fie ſich aud) den ungeübteften Sinnen offenbaren muften. — Heraklit war in dee Mey: rung, daß die feurigen Dünfte, die aus der Erde aufs ſtiegen, fich in gewiffen ausgehoͤhlten Gefäßen oder Trich- tern, deren Befchaffenheiten er aber nicht erklärte, famm- Ieten, und daß aus diefen Klumpen feuriger Dünfte die Sterne enrftünden. Er glaubte ferner, daß in der Sonne die reinfte Flamme brenne, und daß eben fie fich auch in den reinften Raume des Himmels herumwaͤſze: das die übrigen Geftirne weiter, als fie, von der Erbe entfernt wären, der Mond hingegen der lezten am näch« ften fen. Sonnen-und Mondfinfterniffen erflärte er aus den Umdrehungen der Gefäße, in denen Ihr Licht einge fchloifen fen, oder aus Abwendungen der offenen Seiten der Sonnen⸗ und Mondtrichter. Die Sonne ließ er an jedem Morgen nicht aufgehen, fondern ganz von neuem entitehen, und an jedem Abend nice bloß unter gehen, fondern gänzlich) verſchwinden, und Plato fagte daher von etwas, was geſchwind unterging, Daß es noch Re 2 fchnels Heraklit die Opfer deswegen axs, weil fie den Men« ſchen veinigten, und pries die geiftigen Opfer am meis ften an, die aber nur von wenigen ansermählten Mäns nern dargebracht wurden, de Myſt. Aegypt, 1. II. V, 1% 628 Viertes Buch, ſchneller als eine Heraklitiſche Sonne ausgelöfcht werde *), Diefen Begriffen zu Folge lehrte Heraftit, daß der Tag anbreche, wenn fie feurige Dünfte genug zu einer Son— nenmaffe gefammlet hätten; und daß er ſich endige, wenn diefer Klumpe glühender Ausdünftungen durch) ent⸗ gegengefezte wäfferigte vertilgt werde, Auf eine ähnliche Art erläuterte er die Abmwechslungen der Jahrszeiten. Wenn nämlich die Feuertheile und die Wärme die Ober» hand gewönnen, fo erhielten wir Sommer; und wenn Hingegen die Feuchtigkeit das Uebergewicht erlange, ſo ftelle fich der Winter ein **). Die meiften Weltweifen, von denen ich bisher ges redet habe, wichen einer von dem andern, und alle wie⸗ derum gleich weit von Wahrheit und Erfahrung ab, Eben diefes Fann man aud) vom $eufipp behaupten, deffen Meynungen id) als das legte Benfpiel des Zuſtan⸗ des der Wiffenfchaften in Griechenland vor der fiebenzige fien Olympiade, und als die lezte Beftätigung meines Urtheils über Die Joniſche, Pythagoreiſche und Eleatifche Philoſophie anführen will. Leukipp fezte fih zwar allen feinen Vorgaͤngern, aber einem fo abfichtlich und fihnurgerade entgegen, als dem FZenophanes. Diefer laͤugnete Bewegung und lege ven Kaum, und bielt alles für eine einzige ungetheilte Subſtanz: Leukipp hingegen behauptete nicht nur unend» lid) viele ewige, untheilbare, und unzerſtoͤrbare Elemente, die er zuerft Atomen nannte, fondern auch) einen unende lichen leeren Naum, den er für etwas wirflidyes, und eben *) de Rep. VI, p. 42. Ed. Mafley, **) Diog IX.g. 10. Stob, Eel. Phyf, 53 & 56 p. Eenophanes, Parmenides, Eeufipp u. Heraklit, 629 eben fowohl als die Atomen, für ein für fich beftehendes Weſen anfah *). Dieſe Atomen (fuhr er fort) feyen in unaufbörlichen Bewegungen, und aus ihnen und dem leeren Raume feyen alle Dinge nad) gewiffen Gefezen der Nothwendigkeit entftanden. Die Verfchiedenheiten der _ zufammengefezten Subſtanzen ruͤhrten alſo ganz allein von der verſchiedenen Figur, Ordnung und Lage der Ato— men ber. — In dieſen Saͤzen glaubte Leukipp nach der Bemerkung eines großen Weltweiſen eben fo viele Wahr: heiten gefunden zu haben, die der Erfahrung beffer ent» prächen, als die Meynungen bes Eenophanes **); allein ben diefer Philofoph urteilt an einem andern Orte, daß er Lehrer des Demofrit die Urfache der Bewegung eben o wenig angegeben und erflärt habe, als alle die übris jen, die vor ihm über den Urfprung der Dinge geforfcht yätten **), Wie richtig diefes Urtheil fey, zeigen die ur halb verftändlichen Auszüge oder Fragmente beym Diogenes, aus welchen ic) nur kurz das, was zuverläfe ig vom $eufipp behauptet, und vom Demofrit angenom« nen wurde, mittheilen will, Der erftere lehrte alfo, daß von ber unendlichen ah! der im undegränzten leeren Raume herumfliegende ſtomen einige in einander gegriffen, ſich mit einander erbunden, und einen feften Klumpen ober Maffe gebil: et hätten, und daß diefe Maffe durch die in der Nähe orbenftreichenden Körperchen allmalich vermehrt, und n eine Ereisförmige Bewegung gefezt worden, Dieſe Rr 3 Ato⸗ ) Arift, Met. 1. 4. de Coclo El, 7. Simpl, fol, 7, 1. iu Phyf. Arift, Diog, IX. 30-34. **) Arift, de Gener. & Int, 1, 8. ##®) Met. 1,4. 630 Viertes Buch, Atomenmaſſen feyen anfangs feucht gewefen, durch die fihnelfe Bewegung allmaͤlich ausgetrocknet, und endlich in Geftirne ausgebrannt worden. Auf diefe Art, dachte er, waͤren unzahliche Welten entftanden, und wieder untergegangen, und mirden auch noch in der Zukunft unzähliche Welten entſtehen, und wieder untergehen. Wenn man nun nicht annehmen will, daß affe Fragmente der erften Philoſophen Griechenlandes erdich- tet, und alle Zeugniffe der alten, Scheiftfteller von ihnen unglaubwürdig find, oder daß auch alle Gefchichtfchrets ber oder Erhalter ihrer Gedanken und Ueberbleibſel ſich gleichfam verabredet haben, nur Die größten Ungereimts heiten aus ihren Werfen auszuheben, und den Nachfoms men zu überliefern; fo muß man aud) zugeben, Daß bie erften Elearifer, ferner Heraklit und Leuklpp, faſt nichts merfroürdiges zur Erweiterung der Kenntniß der Natur und menfchlichen Seele bengetragen, daß fie afle mehe gerathen, als beobachtet haben, daß alſo auch die Wiß fhenfhaften in Griechenland um und nach der 7often Olympiade noch immer in ihrer Kindheit, und endlich die Joniſche und Pythagoreiſche Philoſophie nicht vollſtaͤn⸗ diger und richtiger geweſen ſeyn koͤnne, als ich fie geſchil⸗ dert habe. Fuͤnftes Bud. Geſchichte der Sriechifchen Weltweisheit zwi⸗ ſchen der ſiebenzigſten und achtzigſten Olympiade. Empedokles, Anaxagoras, Demokrit, Zeno und Meliſſus. U die bluͤhendſten Griechiſchen Staͤdte in Aſien durch Sittenverderbniß und wiederholte Verheerungen, und die maͤchtigſten Staaten in Groß: griehenland durd) die Ausrottungen oder Vertreibungen der Pythagoreiſchen Gefellfhaften unbeilbare Wunden empiangen hatten; fo Fonnfedoch der Saame wiffenfchafte liche: —— der an ſo vielen Enden ausgeſtreut war, nicht auf einmal erſtickt, und der forſchende Geiſt, der in ſo manchen Gegenden rege geworden war, nicht auf einmal unterdrückt werden. Das Schwerdt der Derfer hatte in Aſien eben fo wenig allgemein, und mie gleicher Grauſamkeit gewürgt , als die Zerrüttungen und Aufrühre, die aus den Bertilgungender Pythagoreer entfianden, dem ganzen Griechiſchen Italien und Sici« lin in gleichem Maaße verderblich geworden waren, Unter den Afiatifhen Pflanzftädten büßten viele, befon- Rr 4 ders 632 Fünfte Bud). ders diejenigen, die am Hellefpont und ſchwarzen Meere gelegen waren, außer ihrer Unabhängigfeit, oder einem . alten Heren, deffen Milde ihnen ihre Knechtſchaft erträg« lich gemacht hatte, faft nichts weder an Bürgern, noch an ihren alten Rechten und Sazungen ein; und felbft in diejenigen , welche die Nache des erzürnten Giegers gan» lich umgeworfen hatte, kehrte mit wiederhergeftellter Ruhe ein großer Theil ihres ehemaligen Handels und Gewerbes, und mit diefen Reichthümer und öffentliche Glücfeligkeit zurück. Auch die Großgriechifchen Städte, nachdem fie alle Uebel erduldet haften, melche der Ver: luft ihrer Häupter, und die hieraus erfolgte Geſezlofigkeit, nur bervorbringen fonnte, gewannen mit dem Frieden und ber bürgerlihen Ordnung, welche fie aus ben Händende Achaͤer empfingen, zwar nicht alle, aber doch viele von ben Kräften wieder, die ihnen wilde Zwietracht geraudt hatte. Die Sicilianifchen Städte befonders erreichen in dem Zeitalter, zu welchem id) jezo fortgehe, unter der Herrfchaftvon Tyrannen, oder vielmehr Durch die Befires bungen und Qugenden von Männern, die menigiieng eben fo Vaterland liebend als ehrgeisig, und für bas Wohl derer, die fie fich unterworfen haften, nicht weni⸗ ger, als für die Befeftigung ihrer eigenen Gewalt befyrge waren, ben höchften Gipfel von Macht, Anfehen, Wohl: babenheit und Aufflärung, den fie jemals erftiegen haben, Unter folchen Umftänden wäre es eine Abmeichung ber Natur von ihren eigenen Geſezen gewefen, wenn der Schaz von Kenntniſſen, den glüclichere Vorfahren er mworben haften, von den forglofen Nachkommen ganz waͤ⸗ ren vernachläffige worden: man muß vielmehr erwarten, daß die leztern das, was ihre Väter ihnen Binterlaffen hate Gefchichte der Griechifchen Weltweisheit. 633 hatten, noch zu vermehren gefucht haben. In dem gans zen Umfange von Griechenland, wie es fid) von feinem urfprünglichen Size nach Often und Welten ausgebreitet hatte, blieben nad) allen den gewaltfamen Umwälzungen, von denen ich geredet habe, nod) immer viele blühende Staͤdte übrig, und in diefen Städten wurden noch ime mer Männer gebohren, welche Natur und Gluͤck mit- eben den Gaben und Vortheilen zur Bereicherung und Bervollfommung von Wiffenfchaften ausrüfteren,, womit beyde, die älteften Joniker und Pythagoreer zur Erfin- dung derfelben befchenfr hatten. Solche Männer waren. Empedofles von Agrigent, Anaragoras von Klazomene, Demokrit von Abdera, Zeno von Elea, und endlich Me- liffus von Samos *), deren Verdienfte ich im gegenwär tigen Abfchnitte unterfuchen werde, Sie waren alle Zeit« genofjen von einander, und unimtrelbare Nachfolger des Pythagoras, Zenophanes, $eufipp, Heraklit und Dar. menides. Man kann fie daher als das dritte, oder viels mehr als das vierte Gefchlecht von Naturforfchern anfes hen, die in Griechenland aufftanden. Die Namen ih» rer Vaterſtadt zeigen, daß die Weltweisheit noch immer in eben den Gegenden vermeilte, in welchen fie zuerft war geboren, oder mohin fie zunächft war verpflanzt worden. In der Gefchichte diefer Männer hat man noch eben fo fehr, als in der Geſchichte ihrer Worgänger, Urs fadye darüber zu Flagen, daß auc) nicht die Werfe eines einzigen gerettet worden, daß der übrig gebliebenen Frag: mente nur wenige, und diefe wenigen Fragmente mei« Ars ſtens 2) Siehe erſte Beylage am Ende des Abfchnitte. 634 Fuͤnftes Buch, fiens dunkel, und in-einer Menge von Schriftftellern, von denen fie auf gang verfchiedene Arten gedeutet were ben, zerftreuet find, daß man ferner auch ihnen Gedan- Een und Schriften unfergefchoben hat, und daß endlid) die fehren und Erfindungen, die ihnen zugeſchrieben wer Ben, ſich eben fo fehr, als die Nachrichten und Sagen aus ältern Zeiten roiderfprechen. So wahr aber diefet ift; fo muß man doch zugleich geftehen, wenn man fich anders nicht die Ehre, größere Schwierigkeiten, als man wirftic) zu befämpfen hatte, überwunden zu haben anmafen will, daß man in den Ueberbleibſeln aus bie, fem Zeitalter viel leichter, als in ben Erzählungen aus feühern Perioden das Wahre vom Falfchen unterfcheiden, und daß man auch aus den Bruchfiücken, Die zu ung ges kommen find, die Verdienſte eines jeden Denfers, und den Zuftand der Wiffenfchaften viel zuverläffiger beurthei- len kann, als ich in den vorhergehenden Büchern zu thun im Stande war, wiewohl man aud) in dem gegenwaͤrti⸗ gen noch nichts vollſtaͤndiges erwarten Fann, Wenn man bie prächtigften Sobfprüche lieſt, wel che bie größten Männer Roms und Griechenlandes dem Anoragoras und deffen Zeitgenoffen ertheilt Haben *), und — a) Sch will nur die wichtigſten diefer Lobfprüche anführen. Vom Anaxagoras fagt Cicero: de or. II. 34, At hunc (Periclem) non clamator aliquis ad clepfydram latrare docuerat, fed ut accepimus, Clazomenius ille Ana- xagoras, vir fummus in maximarum rerum fcientia, Sextus nennt ihn Tov Duomararoy Auafayogv (VIE, 90. adverf, Math.) Vom Empedofles fingt Lucrez in folgenden Verſen, ungeachtet er die Grundfäze defz ſelben widerlegte: Quos= Gefchichteder Griechifchen Weltweiſheit. 635 und alsbann zu ungewöhnlichen Ermarfungen geftimme nachforfht, um wie viel diefe Weltweiſe die Gränzen der menfchfichen Erkenntniß nad) allen Seiten bin erwei- tert haben; fo erffaunt man, wenn man bemerft, daß die erhabenften Geiſter fo geringe Fortgänge im Felde der Miffenfchaften gemacht, und fih um fo menige Schritte mehr afs ihre Vorläufer den Geheimniffen der Natur und der Wahrheit genähert haben, Noch immer ſcheint es, als wenn der menſchliche Gelſt mehr gedichtet und Quorum Aeragantinus cumprimis Empedocles eft: Infula quem Triquetris terrarum geffit in oris: Quae cum magna modis multis miranda videtur Gentibus humanis regio, vifendaque fertur, Rebus opima bonis, multa munita virum vi: Nil tamen hoc habuiffe viro praeclarius in fe, Nee fandum magis, & mirum, ‚earumque videturs Carmina quin etiam divini pe&toris ejus Vociferantur, & exponunt praeclara repertaz Ut vix humana videatur flirpe creatus, I. 717 &cv Eben ſo ſehr wurde Demokrit vom Ariſtoteles umd Ci— cero bewundert. Ariſt. de gen. & corr. L. L. c. 2. Aus de maea Too ermımoäns ee 8devos ads smesnoev, etw Annoneıre 8ros d' goine ev Tegı eiravrwv Deovricay, non de ev Tw mus dinDegen. Cie, Ac. Quaefl. IV. 23. Quid loquar de Democrito ? quem cum eo conferre poflumus non modo ingenii wagnitudine, fed etiam animi? qui äta aufus fit or- diri, Haec loquor de univerfis. Nihil excipit, de quo non profiteatur, Quid enim efle poteft extra univerfs ? quis hunc philefophum non anteponit Cleanthi, Chryfippo, reliquisque inferioris aetatis? qui mihi cum illo collati, quinta claffis videntur., Die vortheilhaften Urtheile dev, Alten über den Zend werde ich in ber folgenden Note anführen, 636 Fuͤnftes Buch und gefabelt, als nachgedacht und ernftlich geforfcht hatte, Noch immer trifft man unter den Meynungen der weife- ften Männer gegen eine einzige wichtige Wahrheit und Beobachtung zehn geundlofe Vermurhungen und augen» fheinliche Ungereimrdeiten an. Und endlich ift die Summe ihrer Gedanken noch immer fo Elein, daß ein einziger nicht einmal vielfaffender Kopf die Elemente aller Wiſſenſchaften ohne Mühe umfpannen fonnte, Die Ge, ſchichte derſelben beweift unmiderfprechlih, daß die ges woͤhnliche Schilderung der Pythagoreiſchen Philoſophie eitel Traͤumerey, und der Glaube an die Verpflanzung aller Wiſſenſchaften aus Aeghpten und Aſien nad) Grie. chenland eine ungegründete Erdichtung fey. Ungeachtet aber die Weltweifen, die zwifchen der fiebenzigften und achtzigften Olympiade blühten, nicht viel meiter als Diejenigen, deren Zußftapfen fie folgten, vor: ruͤckten; fo unterfchieden fie fid) doch von den leztern auf mebrere vortheilhafte Arten, die man nicht überfehen oder verfchmeigen barf, wenn man ihnen Gerechtigkeit rieders fahren laffen will. Sie fingen doch en, die Natur ge- naner zu beobachten, und ihre Räfonnements mehr auf Erfahrungen zu gründen, als ihre Väter gethan hatten, Eie richteten ihre Aufmerffamfeit auf, eine ungleich grö- fere Anzahl von Gegenftänden, als diefe, und ihr Ge: fichtsfreis erweiterte fi), wenn fie auch gleich nicht im⸗ mer fanden, was fie fuhren. Sie erhoben fich, ober vielmehr Anaragoras allein, dem aud) die beyden erftern Verd ienſte faft ganz allein eigenthümlidy find, von der Erde und über die Himmel, in welchen man Schönheit, Drönung und Negelmäßigfeit wahrzunehmen anfing, zu bem unbegreiflichen Urbeber und Regierer des Ganzen, def- Sefchichte der Griechiſchen Weltweisheit. 637 deffen Majeftät man bis dahin eben fo fehr, als die Vortrefflichfeit feiner Werfe verfanne hatte. — Eben fo groß, ober auch größer, als irgend eins der jezt erwähnten Verdienfte, ift die Ausbildung, welche die Profe, und befonders die philofophifche Sprache ber Griechen durch Die Arbeiten der Weltweifen diefes Zeite alters (den Empedofles ausgenommen) erhielt, Wir find zwar nach dem Verluſte ihrer und ihrer Worgänger Werfe nicht mehr im Stande zu beflimmen, wie viel ein jeder zur Bereicherung und Verfchönerung feiner Mutter forache beygetragen habe; allein wir Fönnen doch immer aus den günftigen Urtheilen, die gültige Richter über die Schreibart des Demofrit und Zeno gefälle haben *), nicht # Die Schreibart oder Sprache des Demofrie wurde mit der Stimme des Jupiter verglichen. VII, 265. Sext, adv, Mathem, Cicero urtheilt folgender Geftalt über fi: Quamobrem fi ornate locutus eft, ficut fertue & mibi videtur, pbyficus ille Democritus, waterieg illa fuit phyfici, de qua dixit: ornatus vero ipfe verborum, orstoris putandus eft, de drat r. ıı, und in orator, cap. 20, Itaque video vifum efle nonnul- lis, Platonis & Democriti locutionem, etfi abfit a verfu, tamen, quod incitatius feratur, & clarifi- mis verborum luminibus utatur, potius poema pu- tandum, quam comicorum po&tarum &e, Vom Ze— no heißt es beym Apulejus (Apul. I p. 306. Ed, Col- vii) item Zenonem illum antiquum Velia oriundum, qui primus omnium didionem folertiflimo artificlo ambifariam diffolueret. Selbſt die Schreibart deg Anaragoras beurtheilt Diogenes, aber gewiß nach eis nem andern, wie er flets zu thun pflegt, auf folgen⸗ de guͤnſtige Art: apfuuevos 8rw αα- narss, desw ı dews as MeyaroPeorws Foup: VSMSsYyOV. u. 9 58 Fünftes Buch. nicht weniger aus ben Fragmenten des Araxagoras und Meliffus ſchließen, daß die beyden erfiern Meifter in der Kunſt zu ſchreiben waren, und daß die leztern alle Die geſuch⸗ ten und fchwerfälligen Verzierungen - verachteten, wodurch ihre Lehrer ihre Gedanken öfter verdunkelt oder verfehrt als erhoben hatten, und durd) deren unmäßigen Gebrauch die ihnen folgende Sopdiften zwar die Bewunderung ib» ver Zeitgenoffen, aber den Tadel befferer und aufgeflärs terer Nachkommen verdienten. — Ich würde auch noch die Dialefrif, deren Erfindung Ariſtoteles dem Zeno {Us ſchreibt *), unter den wichtigen Endeckungen der erſten Hälfte des fünften Jahrhunderts vor Chriſti Geburt auf zählen, wenn man nicht diefe verberbliche, und in der Folge nur zu fehr geliebte und blühende Kunft vielmehr für eine Ausartung oder einen ſchaͤdlichen Auswuchs, als für eine Erweiterung der Philofophie halten müfte, Wenn die Wiffenfchaften in dem Zeitraume, den diefer Abſchnitt umfaßt, einen viel. größern Sprung ges macht hörten, als wir finden, daß fie wirffich gemacht haben; fo würde man ſich darüber nicht wundern Fönnen, weil die beyden größten Männer, die darinn bervorges bracht wurden, ganz wider die Mufter der. ältern Weiſen Griechenlandes, ſich öffentlicyen Geſchaͤften entzogen, und fo gar ihre häuslichen ‚Angelegenheiten vernachlaͤſſigten, oder doch) ihren Freunden übergabpn * *), um defto unges ‚ flörs — *) Sext VIE 7. *#) Siehe Bayl, Art, Anaxagore Not. A, bef. Cie, Tulg Quaeft, V, circa finem. Quid ergo aut Homero ad des lsdationem animi & — aut euiquam docto defu⸗ Gefchichte der Griechiſchen Weltweisheit. 639 ftörter und ununferbrochener der Erforfchung der Wahr. heit obliegen zu koͤnnen. Empedokles und Meliſſus hin gegen wandten einen Theil ihrer Zeif und Kräfte im Dienfte ihrer Vaterftädte an; und Zeno, ungeachtet er der erfte eigentliche NBeltweife in Griechenland war, der öffentlich Iebrre, und ſich feinen Unterricht bezahlen lieh, verlor fein Leben unter den edfen Beftrebungen, feine Mit; bürger von einem Unterbrücker zu befreyen, der die Allein berrfchaft in Elea an ſich geriffen hatte, Machdenkende $efer werden in der Geſchichte die— fer Weltweifen, wie in einer jeden andern, auf Räthfel ftoßen, die ihnen eben fo unauflöslich ſeyn werden, als fie eg mir find. Bald werden fie darüber erftaunen, daß eben der Mann, der die fehmerften Wahrheiten glücklich enderfte, und die feinften Beobachtungen ohne - Benfpiel und Vorbild anftellte, in Irrthuͤmer fallen Fonnte, die alle gefunde Vernunft empören, indem fie wider die gemeinften Erfahrungen und alle Analogie der Natur ſtreiten. Bald wird es ihnen unerflärlic) fcheinen, daß Männer, wie Demofrit, Melifjus und Zeno, folche Meynungen, dergleichen ihre erften Grundſaͤze waren, noch immer nach der Offenbarung der Wahrheit durch den Anaragoras vertheidigen, und Benfall und Schuler finden Eonnten. Endlich werden fie nicht begreifen Eöns nen, wie es zuging, daß in der Weltweisheit Werderb: niß BEE = defuiffe unquam arbittamur? An ni ita res fe ha- beret, Anazagoras, aut hic ipfe Demoeritus, agros & patrimonia fua reliquiffent, huie difcendi quae- rendique divinae delsdationi toto fe animo de» diffent? 640 Fuͤnftes Bud). niß und Ausartung fo fehnell auf ihre Kindheit und Ju⸗ gend folgten, und ſich ſchon-da einftellten, als fie erft einige wenige reife und heilfame Früchte für den Geift und noch faft gar feine für das Herz der Menſchen getragen atte, Der erfte unter den Weltweiſen, von denen ich reden werde, ift Empedofles, der zwar eirige Jahr ſpaͤ⸗ ter als Anaxagoras gebohren wurde, aber fich früber als Schriftfteller zeigte. Die tiefe Ehrfurcht gegen den Pythagoras, welche der Agrigentifche Weltweiſe nicht nur in feinen Werfen äußerte, fondern auch durd) Nachahmung im $eben und Handeln ausdruͤckte, feine Bekanntſchaft mit einigen Pythagoreern, bie Damals noch über alle große Städte Italiens und Siciliens zerftreuf waren, und bie Bertheidigung mehrerer Gäze, die den Freunden und Machfolgern des Samiſchen Philofophen eigenthuͤmlich waren, wurden vermuthlic die Beranlaf fungen der falfhen Sagen, daß Empedofles ein Ber trauter des Pythagoras gewefen, und in feinen Bund aufgenommen, aber wegen der unfreuen oder leichtjinni« gen Ausbreitung gewiffer Geheimniffe als ein unwuͤrdiges Mirglied herausgeworfen worden fey *). Empedokles blühte gerade in dem glaͤnzendſten Zeitpuncte feiner Va⸗— terftadt, nicht lange nachher, als die Agrigentiner ihre Tprannen vertrieben, und die größten Werfe der Kunſt errichtet hatten **). Er war nicht weniger als Pythago⸗ ras *) Diog. VII, 35. **) Man fehe das, was ich über den Zuftand der Sicilifchen Städte am Ende des dritten Capitels des dritten Buchs gefagt habe. Kine neue Beftätigung meiner Bemer- kung Gefchichte der Griechifchen Weltweisheit. 64r ras ein Feind der Unterdruͤckung, oder einer beſchimpfen⸗ den] Ungleichheit *). Er züchtigte diejenigen, die ſich felbft oder andere übermürhiger oder niedererächtiger Weiſe zu erheben ſuchten: ſchlug fogar die Königsfrone aus, die man ihm anbot, und vermochte die Agrigentiner dahin, daß fie (und hierinn verließ er die Grundfäze des Mufters, das er ſich zur Nachahmung vorgefezt hatte) den regieren. den Kath von saufenden aufhoben, und eine Demokratie ſche Verfaffung einführten,, nad) welcher damals die Ein« wohner aller Griechiſchen Städte ftrebten **), Diefes Eifers für bürgerlihe Gleichheit ungeachtet unterfchied ſich Empedofles im Aeußern eben fo fehr, oder noch mehr als Pythagsras von feinen Zeitgenoffen. Er Eleidete ſich niche —Der —r — — — — fung iſt der Spruch, den man dem Empedokles zus ſchreibt: daß die Agrigentiner wohllebten, als wenn fie an jedem folgenden Tage fterben müßten: und bins gegen Gebäude aufführten, als wenn fie nie zu leben aufhören würden. ap, Diog. 63, f. ©) Dycs d' aurov ns AgısoreAms EAeudegoy Yeyo- VEVOh, Ho FROUS REXNS AMOTeIV, € ‘Ye ray Baoıraav aurw didouevnv zaenrnooro, (vIc- eo ZavIos Ev TUS EC AUTE ABYE) TV Arro- euro (beffer sroryre) dmAovors rAeov ayarycas Diog, 63. f. | ") "Ysegoy "o EurredoxAns nos To Toy Xıkımy AIeoıT u KRTEAUTE CUVESWS ET ETN TOIE. Wse 8 Movov Ivy Toy TAB, ARE Kos Tav Tor di- porn Deovavrav. Diog. 66. ſ. Euredoräns de TBS TE MEWTES Twy mohırav UBereovras Kot dia Dogavras (vielleicht hadIeeovras) To xoid sfeneyEas &c, Plut. adv, Col, A. 628, ©s 642 Fuͤnftes Buch. nicht bloß reinlich, fondern prächtig, und frug Gewän: der und Schmud, die mandamals als Zeichen der Föniglie chen Würde, oder einer göttlichen Heiligfeit anfab. Seine Mitbürger verehrten in ihm nicht nur den Wieder⸗ herſteller, Vater und Befchüger ihrer Freyheit, den alle gemeinen Wohlthäter, der fein großes Vermögen zur Verbefferung der Stadt, oder zur Ausftattung armer Mirbürgerinnen anwandte, den berühmten Dichter, den mächtiaen Redner *), den großen erfahrnen Arzt, ſon— dern fie berounderten in ihm auch (und hier ſtimmte das ganze übrige Sicilien bey) den Vertrauten der Götter, den Vorfteher und Weißager der Zufunft, endlich den tounderthärigen Beſchwoͤrer, der den Lauf der Natur hemmen, und felbft dem Tode gebieten Fönne **), Empedofles fhrieb nicht, wie Pherefydes, Hera⸗ klit, und vielleicht auch Anarimander und Leukipp vor ihm gethan hatten, in Profe, fondern in Verſen, zum Bes weife, mie leicht und natürlich es damals fcheinen mußte, feine Gedanfen in gebundener, und wie ſchwer und une natuͤr⸗ — — — c⸗ — — ⸗ N 6no⸗ de Earrubos ev vos Biois, orı Kos sergos my won enrmp ergssos, Logysav yay vov Asovrivov — yevasdau matnrNV, ovdes ÜMELENovTes Ev enroesen, Kos TEXVHY BEHONEAOTOTE. ap. Diog, 59. VIII. vide Arift, teflimonium 1. $7. 8) Man ſehe Diog. 1. c. & ſ. 59. 60. 61. 78. 73, Seine Euren und Wunder werden vom Diogenes nad) dem He— raklides Pontikus und Zimäus in einer abgeſchmackten Regenden Sprache erzählt. Biel glaublicher als Timaͤus (Diog. 60.) erzähle es Plutarch, wie Empedokles eine gewiffe Gegend in Sieilien, die gefährlichen Seuchen PETER war, gefund gemacht babe, adv, Colot. ‚5 Geſchichte ver Griechiſchen Weltweisheit. 643 natürlich in ungebundener Rede auszudruͤcken. Er hin⸗ terließ Gedichte von ganz verſchiedenem Inhalte *), von denen zwar keines unverſtuͤmmelt, aber doch mehr Bruch⸗ ſtuͤcke, als von irgend einem andern alten philoſophiſchen Dichter, zu uns gekommen find. Das ganze Griechi⸗ fehe Alterthum fezte den Empedokles den größten Dichtern an die Seite**), und Arifteteles urtheilte, daß in feinen Merken ein Homerifcher Geift webe, und daß er befon« ders in Anfehung der Bilderfprache und aller übrigen Were zierungen der Poefie wenige feines Gleichen, und vielleiche Feinen über fi) habe. Allein eben diefe Zierrathen, an denen feine üppige Einbildungsfraft nur zu fruchebar war, und die er nicht immer nach den Öefezen der dichterifchen Sparfamfeit austheilte, raubten feinen Werfen einen Vorzug, der den älteften und größten Dichter Griechene landes zugleich zum leichteſten und anziehendften Schrift⸗ ſteller felbft für Anfänger macht: ich meyne die Kiarheie und die nirgends aufhaltende und verwirrende Helligkeit des Homerifchen Geſangs. Er redet oft eine fo eigen« thuͤmliche Sprache, und braucht fo Fühne Bilder und fo Ss 2 dunkle *) Man ſehe das Verzeichniß derſelben beym Diogenes 57. 58, RER de ro mei nomrav Dncw (ApısoreAns) or yo Opeeos © Eurredenäns, wor desvos er Tyy Oocou yeyove, METRDogIRDS TE wV , N TOIS oA Ads Tois WEL FOINTIRNV ERITEUYARTI XEwmEevos Diog, 57. f. Theophraft urtheilte, daß er ein Nachah⸗ mer des Parmenides geweſen fey, und feine Manier zu. erreichen gefucht habe ©. 55, Hermippus glaubte ſo⸗ gar, dag er mir dem Kenophanes befannt gewefen * = feinen Art zu dichten ſich zu nähern bemuͤhet A 2 5 0 ⸗ 644 Fuͤnftes Buch), dunkle Allegorien, daß die größten Kunftrichter und Sprachverſtaͤndige nicht felten ihren Scharfſinn vergebens an denfelben verſucht, oder fie doc) auf die verfchiedenfte Urt ausgelegt haben. Uebrigens aber Elingen die län- gern Fragmente, die wir noch haben, fo voll und fo praͤch⸗ tig, und haben einen fo reichen Wohllaut, dergleichen man nur in den beften Gefängen des Homer, und außer diefem in keinem andern Griechifchen Dichter antrift. So fehr aber auch Empedofles den Eenophanes, Parmenides, und deren Zeitgenoffen an dichterifchem Feuer, und vielleicht an Mannigfaltigkeit von Kenntniffen über- £roffen haben mag; fo wenig war er ihnen als Forfcher und Ausleger der Natur und feiner felbft überlegen. Seine Gedanken flritten zwar nicht fo offenbar mit den Zeugniffen der Sinne, als dieder erften Eleatiker; allein fie waren nicht weniger falſch, und noch mehr mit Wi- derfprüchen angefüllt, Empedofles nahm zuerft vier unwandelbare Ele mente, Feuer, Waffer, Erde und $uft, als den Urftoff an, aus welchem alle Dinge hervorgebracht worden, und ‘in welchen alle Dinge zurücfehren würden *)Y. Er fäugnete, ®) Die Beweisftellen für diefen Abſchnitt finder man in mei- ner Hift. doct. de vero deo p. 354. eine einzige wich. tige, nämlich das Zeugniß des Plutarch beym Eufebius ausgenommen in Praep. Ev. I, 8 Wenn Plutarch den Empedokles nicht unrecht verftanden hat; fo glaubte diefer,, daß die vier ewigen Elemente urfprünglich mit einander vermifcht, und ohne alle Bewegung waren, dab aber Bewegung in der Folge daher entftanden fey, weil das Feuer mit überwiegender Kraft auf die-übrigen Grundkoͤrper zu wirken angefangen babe. Co ver: ſtehe Gefchichte der Griechiſchen Weltweisheit. 645 laͤugnete, mie alle übrige Griechiſche Weltweife, bie mebr als eine leidende Örundurfache behaupteten , eigenfe liche Entftehung und wirklichen Untergang. Was man Entftehung nenne, ſey Zufammenfezung von Theilen, die vorher fchon da geweſen, und eben fo Untergang oder Tod Auflöfung von Theilen, die bisher vereinigt waren, Nichts alfo werde gebohren oder zerftört, fondern alles werde nur verwandele*). Die wirkenden Urfachen, oder die Geſeze und lebendigen Kräfte, durch und nach wel⸗ chen alles aus den vier Haupfgattungen von Grund£örpern hervorgebracht, oder darinn zurücfgetrieben werde, belegte er mit denfelbigen Namen, mit welchen fie Heraflit bes lege hatte; nur Fehrte er oder faufchte er ihre Geſchaͤfte und Wirffamfeit um. Er erflärte nämlich die Freunds fchaft oder Siebe für diejenige Kraft, die alle Wefen aus den verfchiedenen Elementen zufammenfüge, und die Feindſchaft hingegen für die Urfache der Auflöfung der Dinge in den Urſtoff, aus welchem fie entftanden feyen, SG 3 Unter ftehe ich wenigſtens folgende Worte des Plutarch: TNV dE KOXmv TAS Rıvnosws Gumlinvei ro Tg TE TUXNHEICH Kara Fov aIgoıspior, emridguaav- Tos TS zveos. Aus dieſem Chaotiſchen Zuftande der Elemente habe fih, dachte Empedokles ferner, die Luft zuerft abgefondert oder hervorgemideit, und fich um die übrige Maſſe Freisformig her verbreiten, Nach der Luft fey das Feuer hervorgefommen, und durch die Kälte der erftern in die Höhe getrieben warden. *) Arift, de Gen, & Corrupt. I, 1, j& Empedselis fragment, ap, Plut, adv, Colotem X, p. 573. 579. 580. 646 Fünftes Bud, Unter diefen erften Hauptgedanfen des Empebos kles ift Feiner, den er nicht ſelbſt durch mehrere enrgegens gefezte Ausfprüche aufgehoben hätte Er redete bisweis Ten nicht nur von den Elementen, als von wandelbaren Naturen *), fondern manfte auch in ihrer Zahl. Denn bald fahe er das Feuer als das eine, und Waffer, Erde und Luft als das zweyte Element an, aus welchen alles entfprungen fen; bald brachte er gar alle Elemente aufein gewiffes Eins, oder eine 'geroiffe Einheit zurück, deren Weſen und Eigenfchaften er niemals anzugeben oder zu beftinnmen fuchte **). Eben fo unbeftändig mar er in feinen Behauptungen über die wirfenden Urfachen oder Kräfte Oft flimmte er dem Heraklit bey, welcher fagte, daß die Feindfchaft oder Zwietracht die Schöpferinn, und die sen ee ED re 2) Man fehe befonders die Fragmente des Empedokles beym Simpfieius fol. 34. I, in Phyf, Aufe, Ariftot. Ich führe nur das fürgefte an: ors de ss ANA nera- Bere, fast Simplicius IyAcı Aeymv, Ev de HELEes nERTEBTı TEOITAOMEVOIO KUnAoio. Kay D9wea us aRmAm, no @uferoy ev ne- eu uans. SH) Man fehe Emped, Frag, ap. Arift, VIII, 1. Phyf. & ibi Arift, ferner de Gen. & corrupt, I. 1. Enrzedo- HANS WEV EV EOIKEN EVOVFIL AEYEV, xc/ mgos To Dowoneva, Kor TEEOS CLUTOV AUTOS. Kam Ev yae 8 Dnviv Erseov e& Erees yweodoy Toy Sol veroy Edev, UA TEE FAEVTE ER TETOV. dos D orav owvayayn ew &v Tyv dmacav Ducıw, nv TS vernss, eu Ta &vos Yıyveodoy man Enasor. Mon fehe auch Met, R. d. Pı 44. Geſchichte der Griechifchen Weltweisheit. 647 die Eintracht die Zerſtoͤhrerinn aller Dinge ſey ). An andern Stellen fah er die Freundſchaft feibft als ein Ele⸗ ment an, das aus der Einheit entjtanden fey, und gab die Feindfchaft für die einzige Kraft aus, die diefer Eins heit ihren Urfprung nicht zu verdanken habe. Zulezt era Elärte er in einem abermaligen Widerfpruche mit fich felbff, daß auch die Feindſchaft aus der Einheit entſtanden fey, und nannte bald das Glück, bald die Nothwendigkeit, bald die Natur als thätige Kräfte, wodurch eben ſowohl als durd) Freundfchaft und Feindſchaft unzählige Körper zuſammenſezt und aufgelöft, und die wichtigſten Erſchei— nungen und Veränderungen in der ganzen Welt erzeugt wurden. | | Unter den ältern Weltweiſen ift nicht feicht jemand, von dem man wenigere Meynungen über die allgemeinſten Eigenfchaften der Dinge und über die Natur himmliſther Körper angeführt hätte, oder deffen Meynungen weniger befolgt worden wären, als die des Empedokles. Er foa wohl als Anaxagoras läugneten zwar mit den älteften Eleatikern das Dafeyn eines feeren Raums, allein fie fagten bende nichts von den Urſachen der verfihiebenen Dichtigfiit oder Lockerheit, und der verfchiedenen Jeiche tigkeit oder Schwere von Körpern bey gleicher Maffe und Umfange **), Er tadelte den Zenophanes in den bitterften Ausdruͤcken, daß er die Erde deßwegen für un⸗ beweglich gehaltenhabe, weil fie ing Unendliche eingewurzelt 84 on *) Die Beweisftellen für dieſen, und die folgenden Sie finder man in meiner hiſt. doct. de vera den a 354. 55. | **) Ari, IV, 2, de Coelo. 648 Fünftes Buch, fey , und brachte für den Saz, den Tenophanes feinem Urtheile nad) fo ſchlecht bewies, einen andern Grund vor, der nicht weniger ſeltſam und eingebildet war. Er glaubte naͤmlich, daß die erſtaunlich ſchnelle Bewegung des Him⸗ mels, der die Erde umgebe oder umfaſſe, den Fall oder die Umwaͤlzung der Erde eben ſo hindere, wie das Ausfließen des Waſſers durch das ſchnelle Herumſchwin⸗ gen eines Keſſels zuruͤckgehalten werde *), den Himmel ſelbſt hielt er fuͤr eine chryſtallene feſte Maſſe, und die Sonne nicht fuͤr Feuer, ſondern fuͤr einen Abglanz des goͤttlichen Lichts *), oder fuͤr den Ruͤckſchein einer andern Sonne, die derjenigen, die wir ſaͤhen, entgegengeſezt ſey, und die Raͤume der Himmel mit hellem Glanze er- fülle ***), Er redete von zwoen Halbfugeln, die fich be« ſtaͤndig um die Erde bewegten: einer feurigen oder licht. vollen, und einer andern, die größtentheilsaus Luft, und aus einem Kleinen Zufaze von Feuer beftehe. Diefe leztere nannte er Macht, und hielt fie für einen dem Monde ähnlichen Körper, der feiner Meynung nad) aus der vom Feuer verlaffenen Luft gleihfam zufammengefroren fey, und fein $iche von der Sonne empfange }). Ue—⸗ ber die Natur des Lichts und des Sehens drückte er fi) nich€ immer auf diefelbige Art aus, Bisweilen bes bauptete er, daß das Licht, mas uns die äußern Gegen⸗ ftände fichtbar mache, aus den Augen wie aus Feuer: Duel- — — — — — — — — *) II, 13. de Coelo. w*) Stob. p. 53. Plutarch. de Pyth. or, VII. 575. id, . Euf. 1. 8. we) de Plac. II. 20. Stob. Ecl, Phyf. p. 56, $) Plutarch, ap. Euf, Prap, Ev. 1. 8. Geſchichte der Griechiſchen Weltweisheit. 649 Quellen ausfließe *), An andern Stellen hingegen be: fehrieb er das Licht, als eine von der Sehfraft gänzlid) verfchiedene feurige Subftanz, die fich in den Räumen zwifchen Himmel und Erde verbreiten Pönne, ohne daß mir fie wahrnähmen**). Ich ſehe nicht ein, wie er mit diefen unter einander ftreitenden Ausfprüchen einen dritten vereinigte, den ung Plato aufbehalten hat***x). Diefem MWeltweifen zufolge lehrre Empedofles, daß ſich von allen Gegenftänden gewiſſe Theile ablöften, und daß fid) wie- derum in allen Körpern Deffnungen fänden, in und durch Ss 5 welche *) So verftehe ic) wenigftens folgende Stelle beym Ariſto— teles (de fenfu & fenfibili c, 2.) erres esye ruenv, nagomee Eumedorins Dyos, zo ev Fo Tınaıw VEYERTT ON no Guveßßcuıve Fo ogwv efiovros warreg en Auumrneos T8 Daros, Darı 8 no Ev Tw Orn- ve Ewen av ordıs; In dem Fragment des Empe— dokles felbft aber, was Ariftoteles anführt, fcheine die andere Meynung beftätigt zu werden. , ®*) Arift, II, 7. de Anim, Kay 8 oedws EuredorAns, BI TS &Aos Srws zınkev, @s Degoneva TS Dwros, nay yıyvouevs Tores merafu Tas Yns ug TE MEQIEX.ovTos, nuas de Auvdavres. #*®) Plat, in Meno p, 336, 8x8» (frägt Sofrates) Aeyere RTogeoas Tıvas Tav ovrwv nor Eumedordsz; — cDoden Ye (antwortet Menon) — x wogss EIS 85 Ho ν Oi MoREoR Togevovray; — mau Ye. — Koy Tav wrroggowvras mer denor- TE eviUS Tay Mogav, Tas de eAurras n ueilas EIVoyz — E51 TAUTE. — 8u8V no orlw nass Ti, — syaye. — eu Taray dn auves, ori As- Yo, On Ilvdeos. E54 YXP XEo8 Emoggen Exn- Harav orbes sunuergos og ieInTos. 650 Fuͤnftes Buch. welche fie ein und ausgehen koͤnnten. Mach diefen Be- griffen erflärte er das Sehen felbft und den Anblif oder die Unterfcheidbung von Farben, als das Eindringen ge« wiffer von aͤußern Objecten abfließender Theile‘, die den Definungen des Auges enrfprächen, und zugleich wahr: nehmlich wären. — Eben fo falſch, und feinen erften Brundfäzen nicht weniger widerſprechend war die Mey: nung, daß das Waffer ein Gemifche, oder ein Inbegriff aller Arten von Säften und Geſchmacks fey, die wegen ihrer Feinheit oder Verduͤnnung unmerflich waren, und daß daher die Säfte und Salze aller Pflanzen und Früchte aus verfajiedenen Theilen des Waffers abgefondert wür: den *). Diefer Gedanfe paßte nur in das Syftem des Anaragoras, der die sier Elemente nicht für die einfachften Principien der Körper, fondern für Mifchungen aus un« zähfigen Homoiomerien Biel. Empedokles arg— wohnte eben ſo wenig, als alle uͤbrige aͤltere Weltweiſe, einen uͤber alle Gedanken erhabenen maͤchtigen, weiſen und guͤtigen Urheber der Welt, ſondern er ließ alle Goͤtter gleich Menſchen und Thieren, aus ewigen Grundkoͤrpern durch blinde Kraͤfte, deren Natur er eben ſo wenig, als ihre Art zu wirken erklaͤrte, zuſammengeſezt und wieder auf⸗ — — — — =) Hieruͤber ſehe man die Betrachtungen des Ariſtoteles de Gener. & Corrupt. LI. Sch will bier noch kurz ein paar Ausſpruͤche des Empedokles anführen, die beym Ariftoteles in feinen mereweoroyizos ftehen. Er nannte (IE. 3.) das Meer den Schweiß der Erde: recht gut, ſagt Ariſtoteles, fuͤr einen Dichter, aber ganz un— verſtaͤndlich fuͤr einen Naturforſcher. Empedokles glaubte ferner (A. 8.) daß der Bliz aus dem Feuer entftche, was die Wolken aus den Sonnenftrahlen fanımleten, . Gefchichte der Griechiſchen Weltweisheit. 651 aufgelöft werden *). Won diefem allgemeinen Geſeze der Entftehung nahm er nicht einmal das luftige oder gei- ftige Wefen aus**), wovon er, wie die Pythagoreer von ihrem göttlichen Feuer, und Heraklit von der göttlichen uns umgebenden $uft, glaubte, daß es die Urfache des $ebens, Empfindens und Denfens aller Naturen, und die Urquelle aller Götter, Dämonen und Geefen ſey. Er hielt die Götter zwar für größere Maffen oder Theile des geiftigen Wefens, als die Seelen der Menfchen , Thiere und Gewächfe,; übrigens aber glaubte er doch, daß fie mit den leztern verwandt, und von gleicher Natur feyen ***), Er tadelte mitdem EZenophanes den allgemeinen Serthum feines Volks, welches fi) die Götter in menſchenaͤhnlicher a Ges — — —— — — 2) Man ſehe Hiſt. doct. de vero deo. p.'357. Die wichtig⸗ ſten Zeugniſſe ſtehen beym Ariſt. de Gen. & corrupt. 11, 7. Metaph. B. dp. 43% “r) Man fehe Sext, VII. 127. ſ. (die Stelle ſelbſt Habe ich in meiner Hit, doct. p. 358. abgefehrieben) und Am—- monii Comment, in Arift, Lib, Tegı feunveres ip. 94. div TauT® 0 Areoyavr wos ToDos ETIELOL- mılay TES megı Jeav as avdenmoeday ovray Too ToIs MomTais Aryouevas muSes,' ermn- YaYE REM YEHEVOS MEV Tel EMOoAmvos, Tel EN AUTw TEOS EX@S 0 Aoyas, Hoarce de Tov &u- rov TEOWOV, Koy NEU TE Js Mavros amAmE amohevonevos, STE Ya avdeopen KEDEAN K- Tor Yu KENdSOf, 8 MeV Anawvwrav Ye dum vArdoı RITTRTW Vο Es, 8 Iox YEva%, 8 UuNe de Auxunevre, a Dev ice, may es OPaTos EmAaTToV usvon, Deovrını Konpaav ray. Ta narwiccar Foneı, se.) Sczt, lc, 652 Fuͤnftes Buch). Geftalt dachte, ſtimmte aber darinn mit den Griechen überein, daß er mehrere Claſſen übermenfchlicher Weſen, naͤmlich Götter und Dämonen annahm, welche leztere er von den erftern durch geringere Vorzüge und befonders durch Fehlbarfeit oder Sündbarfeit unterfhied. Er war allem Vermuthen nad) unter den Griechen der erfte, der diefe Begriffe von den Dämonen vortrug, der ferner lehrte, daß folhe Dämonen um gemiffer Vergehungen willen auf die Erbe oder in die Materie geworfen*), und durd) ein ewiges Geſez des Verhaͤngniſſes oder einen uns abänberlichen Rathſchluß der Götter gezwungen würden, mäbrend eines beftimmten faft unermeßlichen Zeitraums alle Arten von Körpern zu beleben *8). Er fagte ferner wahrfcheinlich zuerſt, daß die Seelen der Menfchen felbft gefallene Dämonen feyen, die ſchon ein befferes Leben ge« lebe hätten, und nad) der Auswanderung aus dem menfch« lichen Leibe noch viele Prüfungen und Wanderungen durch« gehen und vollehben müßten, bis fie ſich zu ihrer urfprüng« lichen verlornen Seligfeit wieder empor heben koͤnnten. Bon ihm rührt endlich allem Anfehen nach der Gedanke her, den die mittlern Pythagoreer und Plato, und aus dem —n *) Man fehe Plot, Ennead — u. Plut, de If. & Of. ap. Steph. Poef. phil, 24. & 28, ibique aliud fragment, ex eod. w) Cr felbft fagte von ſich: Hon Yae mor EY@ YEVOUNV HBEHTE HOgos TE Bauvos FT omwvos TE, va av adı ERomos sus ap. Diog. VII. 78, Andere Stellen ap. Sext. IX. 128. 129. Arift. Rhet. I, 13. die man beym Stephanus p. 24. I. e. beyſammen findet, Geſchichte der Griechiſchen Weltweisheit. 653 dem Plato nachher alle neuere Platoniker annahmen, daß unfer zerbrechliche Leib ein Grab der Seele, unfer irdi- fches Leben ein Zuftand der Prüfung, oder vielmehr ein geiftlicher Tod, und der Tod des Körpers, oder die gänze liche Ablöfung der Seele von aller Materie der Anfang eines neuen $ebens, und gleichſam die Wiedergeburt eines lange verwiefenen Dämons fey *). Mit diefen Gedanken des Empedokles über die Abftammung menfchlicher Seelen find feine Behauptun« gen über ihre Natur und ihre wefentlichften Kräfte entives der ganz unvereinbar, oder dod) fo wenig zufammenhäns gend, daß man fehmerlich die feinen Faden entdecken wird, wodurch fie in dem Kopfe ihres Erfinders zufam« men gefponnen waren, Er glaubte nad) einem Grund» faze, der faft allen älfern Maturforfchern gemein war, ‚und nad) welchem nur gleiche Dinge einander erfennen und anziehen follten: daß die Seele der Menfchen aus al- len —— *) Auf ihn ziele Plato, wenn er im feinem Gorgias fagt: (p. 320. Ed, Baf. Gr.) 8 yae ro Iaupalom ar, wermidns arnyn ev Tois ). Aryas, Asyay, Tıs d odev, es To Cuv ev esı narIavew, ToRardu- vev de iv; Ku yueıs Tw ovri 10ws Tedvanev. omeg ndn Ta EYwye nes NuBCa Toy codwv E ws yuy YUSS TEIYEMEr. Kos To MEU OmU Eziv Numv anne. vns de \buuns re To &v a ai emıdumin es FTUyXave ov oiov avamerdeortas un merammlev vw Hs KATw. Ks TETO wen Tis MufoAoywv xombos une, saws Iixedos vis, n Iradızos, Tacayay rw ovonuri, a To BıJavav nu mer- Sırovl, wvonase mı$or. &e. Man fehe noch Fragım. Empedoclis ap, Hieroclem in sarmen aureum p, 186, Ed, Needh. 654 Fünftes Bud, fon Elementen und Grundurfachen, alfo aus Feuer, Luft, Waſſer, Erde, Freundſchaft und Feindſchaft zufammen« gefeze fenen, weil fie fonft die aus ihnen gemifchten oder durch fie hervorgebrachten Dinge nicht erfennen und wahr- nehmen Fönnten*), Er hielt Empfinden und Denfen für einerlen Veränderung oder Kraftäußerung der Seele und Empfindungsvermögen und Verſtand für eine und eben diefelbe Kraft *). Er fagte mit dem Parmeni« des, daß unfere Vernunft oder Verftand von den ver- ſchiedenen Zuftänden des Körpers abhänge, und mit dem leztern verändert werde; verwarfaber dennod) alle Kennt: niffe, die wie durch die Sinne erlangen, als früglichen Schein, und nahm die Vernunft als die einzige Nichte: rinn und Prüferian von Wahrheit und Irrthum an, oder er ließ die Empfindungen der äußern Sinne nur alsdenn für richtige Abdrüce der Natur äußerer Gegenftände gelten, wenn die Vernunft über fie gleichfam die Aufſicht geführt, und fie gereinigt, oder vor Verfaͤlſchungen bes wahre hätte ***). Diel —— — — — — — — — — t x) Nach dem Cicero glaubte er, daß das Weſen der Seele im Blute enthalten fey. Tufe, Quaeft, 1,9. Animum efle cordi fuffuflum fanguinem, ben fo Plut,ap. Euf, 1.8. To de NYERovinoY, ETE Ey KEDEAN, STE EV Yagazı, AM ev Hurt. 6Sev (fezt er hinzu) Ka oTı My MELos TE OWURTOS MAEOV N T&LE- OTOREUEVOV TO mil, ET KAT EREO TEWTE- gesy TES OVIEWTES. ##) de Anim Ill. 3. Metaph. p. 62. xex) Sext VII 121-125. Es war eine bloße willkuͤhrliche Aus— legung ſeiner Meynung uͤber die Natur der Seele, wenn Geſchichte der Griechifchen Weltweisheit. 655 Viel übereinftimmender mit feinen übrigen Ges dahfen , waren feine Ausfprüche über die Schickſale der abgefchiedenen Seelen. Weil das gegenmärtige $eben ihm nur ein Eleiner Abſchnitt der langen Prüfungszeit zu fern ſchien, zu welchen die gefallenen Geiſter verurtheilt worden; ſo mufte er behaupten, -daß die Seelen der Menfchen nach der Trennung von ihren Körpern noch in die $eiber von vielen andern Geſchoͤpfen einwanderten, Er glaubte daher, daß fie nicht nur Thiere, fondern auch Pflanzen und Gewächfe beleben würden, welche leztere ihm eben fowohl Empfindungen und Denkkraft zu befizen ſchienen, als Menfchen und Thiere, und die er deßwegen auch für eben fo gefchicft hielt, Behaufungen unfterblicher Seelen zu feyn. Mad) der Vollendung aller diefer Wanderungen und der gänzlicyen Ablegung aller Unarten und Gebrechen unferer Natur würden wir, fehmeichelte ſich Empedofles, in die Gefellfhaft, und an den Tiſch der Götter aufgenommen werden, und von allen “Bes ſchwerden und Befümmerniffen, die uns während der Verbindung dev. Seelen mit fterblichen $eibern gedrücke hätten, vollfommen befreyt werden *). Seiner Vor— ſtellung nad), maren die Freunde der Geligen eben fo finnlich, als die Seelen ſelbſt Förperlich und zufammen- gefezt waren, R e Woenn * A — wenn man ihm eben ſo viel Kriteria andichtete, als — der Seele annahm. Dean fche Sext, . 121, 4 *) Adonwres eRomıy öneski, &v Te reumeluis EOVTES OVOReOV EXERV TERN, BTNESS. ap. Steph, pı 28, 656 Fünftes Buch. Wenn man allein nach den Leberbfeibfeln bes Em- pebofles fchließt; fo har er die Thiere und Gewaͤchſe forg« fältiger unterfucdhe und umftändlicher abgehandelt, als den Menfchen und die himmliſchen Körper. Allein auch diefe feine Mepnungen über die Entſtehung aller Thiere und Gerächfe, über Zeugung und Fortpflanzung, und andere merfwürdige Eigenſchaften derfelben find noch im« mer den Begriffen des gemweinen Mannes, und der ältes ften Dichter unter allen Völkern ähnlich, und fie enthal« ten nur einen einzigen oder einige richtige Gedanfen, die aber vielleicht mehr Bermuthungen, als genaue Beobach⸗ tungen waren. Empebofles fah das Ohngefähr oder das Glück als die einzige oder doch hauptſaͤchliche Schöpferinn aller Pflanzen und Thiere, befonders der leztern an *). Er glaubte, daß das Ohngefähr unzählige ungluͤckliche Ver⸗ fuche und Zufammenfezungen gemacht habe, bis es ſolche Thiere und Gefchöpfe hervorgebracht, die fortdauren, und ondern ihnen ähnlichen Wefen das Dafeyn geben Fönnten. Er redete von Ungeheuern allerley Art, die vor der Ente ftehung vollfommner Thiere vorhergegangen feyen, von Menfchen mit doppelten Gliedern und Gefichtern, oder von Monftris, in welchen Theile aus menfchlichen und andern ) Phyf, Ariſt. II. 4, au TE noeıs ray Cawv ao Fu- uns yeveordaı Te mAıSa Pac. vide & de Part. Anim. I. 1. & Empekd. frag. ap. Simpl. in Phyf. Ariſt. f. 86. 5. welches Fragment Simplicius auf eine fonderbare Art auslegt. Cenforin fagt: e. 4. primo membra fingula ex terra quafi praegnante paflim edita, deinde coiiffe, & effeciffe folidi hominis materiam, igni fimul & humore permixtam, Gefchichte der Griechifichen Weltweisheit. 657 andern thierifchen Körpern vereinigt geweſen *). Ihm ſchienen aber nicht bloß ganze Gefchlechter von empfinden« den Naturen, fondern auc) einzelne Theile derfelben durch bloße Zufälle] entftanden zu ſeyn. Go leitete er die Abs fäze und ‚Gelenfe des Ruckgrades **) aus Brüchen ab, die Öagber Bildung deffelben von Ohngefähr entftanden feyen. . Auf eine ähnliche Art erflärte er die Höhlen des Bauchs und der Eingeweide aus gemwaltfamen Durch— brüchen des Waffers durd) den $eib, da er eben gebildes worden, und die Naſenloͤcher aus heftigen Strömen und Bewegungen ber $uft, die fih an gewiffen Theilen des Gefihts Defnungen gemacht habe. Nur bisweilen, ſagt Ariftoteles +), nannte er von der Wahrheit und Era *) Ton uev auPımeoune ns am Dsseoven Qussson, Bayevn, avdeorewen, road EUTAAY efovo- . TEAMEIV Avdoodun, Berexva neuiypera N Mey um , avdemy , Ta de yuvassodun THIELOIS NTHNMEIE Yuicss. Emped. ap. Ael. de nat, animal, Lib, XVI, c, 29. - ®*) De part. Anim. I, I. p. 3: T) Eviaxs de FB aurn no EuzredorAns TENDITTEI, OS yYoMEVoSs Um MUrNs Ts aANGEKS, cu TaW E0I0y Kaırnv Dusiv ovoyualercy Davor Tov " Aoyov own, cv 08V amohdes Ti esw. De Part,anim, 1. 1.p.8. Das Fragment, worauf Arie foteles am Ende diefer Stelle zielt, fteht de Anim, 1, 5. & VAL ORWS 89 EXVTE SOrXeia TET@V Enason, RAS Aoym Tui Ko auydscei, nsIaTrsg Onsı neu EumedorAns To 058V. Tt 658 Fünfte Buch, Erfahrung gezwungen, nicht das Gluͤck oder das Ohnge⸗ fähr, fondern eine zweckmaͤßige Mijchung und Verhätte nißder Elemente, als die Urfache des Urfprungs und der eigenthümlicyen Natur von Thieren und ihren Glied maaßen. Dieſen Gedanken des Empedokles uͤber —2 — ſtehung der Thiere find die von der Zeugung und Forte pflanzung derſelben genau entſprechend. Er behauptete, daß weder der Vater allein, noch auch die Mutter allein den ganzen Stoff des kuͤnftigen Menſchen hergebe oder enthalte*); denn wenn dieſes waͤre, warum Weiber als⸗ dann nicht ohne die Huͤlfe oder Vermiſchung mit Maͤn⸗ nern Kindern erzeugten? Seiner Meynung nach, wuͤrden die Beſtandtheile des Embryo ſowohl aus dem Koͤrper der Mutter, als des Vaters geſammlet und zuſammen⸗ geſezt, und die Gliedmaaßen enthielten die Form bes einen oder des andern Gefchlechts, je nachdem die Grund⸗ lage derfelben entweder vom Water oder von der Mutter berrühre. Das Geſchlecht und die Zeugungstheile von Kindern oder Zungen würden, glaubte er, allein Durch die — —— rn 1 de XIav errmeos ev eosegyoss Xoavası res duo Tuv oKTw mogıwv AuXE vnsıdos asyAns Teocaga $ NDaısor. Tod ossw Asunayevovro. ®) De Gen. Anim. A, cap. m p. 177. 178. Dyaı yagp ev To ann xcu ev Ta ImAcı oiov aumßoAov ever, Av d um’ Bdersen amıvo. Ara deomasch meiewv Quois, 7 MeV £y avdgos. diats Yare av Fa InAsa 8% eyerıa eẽ aucν, EITEO AWO TAV- ros TE RMEOXETM, nos EXE vmredoxyv; vide etiam Lib, A. «. Gefchichte der Griechifchen Weltweisheit. 659 die Wärme oder Kälte der Mutter beftimme *). Kalle: nämlich der Saame in einen warmen heißen Schooß, fo entſtehe ein männliches, und im. gegengefezten Falle ein weibliches Gefchöpf. Die Wärme und Kälte der Murs ter aber richte fich wiederum nad) der Fleinern oder groͤ— fern Entfernung der Zeit des Benfchlafs von der monate lichen Reinigung, . Er wollte nämlich bemerkt haben, daß das andere Geſchlecht um defto mehr oder weniger begierig nad) dem Beyſchlafe ſey, je fürzer oder länger es fen, daß es die periodifche Veränderung feiner Natur überftanden habe, — Maulefel hielt er deßwegen für un« fruchebar und unfähig zur Zeugung, meil ihr flüffiger oder weicher Saame ſich durd) die Vermiſchung verhärte, wie Eifen, wenn es mit Zinn zuſammengeſchmolzen werde. Den Grund, den er von diefer Erfcheinung angab, war eben fo feltfam, als der Ausfpruch, daf die Milch der Säugthiere verborbenes Blur fey+*). Die Verhärtung des Saamens von Maulthieren entftehe naͤmlich daher, daß die dichten Theile des männlichen Saamens genau in Smifchenräume dee weiblichen pafiten, und eben da⸗ durch einen feften Körper bildeten. Gluͤcklicher beobadyr tete und riet) er f), wenn er gegen den Parmenides bes bauptete, daß das männliche Geſchlecht feuriger oder. Tea waͤrmer — — *) A. ce. p. 269. Anders aber falſch ſtellt Cenſorin die Meyuung des Empedofles vor e. 6. de die Nat, In eben diefem Capitel werden noch andere Muthma⸗ Bungen diefes Weltweifen angeführt, bie ich nicht wie⸗ derhole, weil ich nicht gewiß bin, ob fie Acht find‘ *®) De Gener, Anim. p. 299. Lib, A. +) De part, Anim, ß. e. ß. p. 21, 660 Fuͤnftes Buch, wärmer als dasmweibliche fey, und daß in unfern und ans dern thierifchen Körpern das Blut fich herum, oder viels mehr auf und niederwärts bewege *). Selbſt aber die Erklärung diefes Phänomens zeigt, daß Empedokles ganz falfche Vorftelungen davon gehabt, und nicht for wohl beobachtet, als vermuthet habe, Er hielt die Adern für durchloͤcherte Gefäße und Schläuche, die nicht - ganz mit Blut ausgefüllt wären, und deren Deffnungen zwar Fleiner als die Partifeln des Bluts, aber doch groͤ— Ser als die Lufttheiſchen ſeyen. Durch diefe Deffnungen nun dringe die Luft herein, wenn das Blut fich nieder wärts bewege, und daher entftehe das Einathmen : durch ‚eben diefe Deffnungen aber werde die Luft wieder heraus. getrieben, wenn das Blut in die obern Theile des Koͤr⸗ pers zurück frete, und eben dadurd) werde das Aushau⸗ chen verurfacht. Unter allen feltfamen Behauptungen der ältern Weltweiſen iſt vielleicht keine, deren Veranlaſſungen ſich weniger errathen laſſen, und die den meiſten Leſern mehr auffallend ſeyn wird, als die Meynung, die dem Empedofles mit feinen groͤßten Zeitgenoſſen gemein war, und die alfo ohne die richtigern Kenneniffe fpäterer Jahr⸗ hunderte fehr wahrfcheinlic, feyn mußte, daß nämlich alle Pflanzen und Gewächle der Erde nicht bloß lebende und empfindende Geichöpfe feyen, fondern daß fie ‘Bes gierden und Verabſcheuungen, und felbft Vernunft und Verftand, kurz alle die Vorzüge beſaͤßen, von denen es ſcheint, daß man fie von jeher als dem Menfchen eigen» thuͤmlich ®) De reſpir. e. 3. Gefchichte der Griechifchen Weltweisheit. 661 thuͤmlich hätte anfehen muͤſſen*). Aufgeklaͤrten Bölfern ift es ſchon faſt unbegreiflih, wie man nur jemals den Menſchen mie den übrigen Thieren, bie ihm am aͤhnlich⸗ ften find, habe verwechfeln, und diefen menfchenähn- liche Sprache und Denkkraft zueignen fönnen. Um wie viel befremdender alfo muß es fenn, daß Die größten Maturforfcher, die ſchon mehrere Geſchlechter von Weltweifen vor fi) hatten, und in dem Zeitalter der Vollendung faſt aller Künfte, oder doch nahe daran leb⸗ ten, daß dieje die unterfcheidenden Vortreffiichkeiten ihrer eigenen Natur fo fehr haben verfennen, oder Weſen, die um fo viele Stuffen unter ihnen flanden, fo fehe haben erhöhen Fönnen, daß fie Diefelben, als mit, fi felbit gleichartige Gefchöpfe: betrachteten. Diefer Irrthum war nicht eine nothwendige Folge eines andern: daß naͤmlich ein gemwiffes belebendes oder geiftiges Weſen durd) das ganze Univerfum ausgebreitet fey; denn Demokrit läugnete das Dafepn einer folhen Kraft oder Subſtanz, und glaubte nichts defto weniger an das Em» pfindungsvermögen und die Vernunft von Pflanzen und Gewachfen. Die Pythagoreer, Platoniker und Stoifer hingegen gaben zwar einen alles durchdringenden und ume. faffenden Aether oder Seele zu; allein fie verwechfelten deßwegen nicht mefentlich verfchiedene Gattungen von Dingen, Man muß alfo immer geftehen, daß Te z es *) Ariſt. de Plant, I, I. Avafayoces EV Ey ⸗ Ex- medorins, emdune raure. weisen Arysoıy, sundaverdn Te von Auzeicyu, zu ndeoIes — — — 6 de Avafayogas, BERG Anposgiros, zo © Eumederäns, xce⸗ vav won yvacıy EXew eımoy va Dura. ib, 662 Fuͤnftes Buch. es groͤßtentheils unerklärlich bleibt, auf melden Wegen man auf den Gedanken von denfelbigen Vorzuͤgen der Menfhen, Thiere und Gewächfe gekommen fey, oder eus welchen Gründen man ihn angenommen babe, Nicht weniger räthfelhaft ift es, daß Empebofles die Pflanzen und Gewaͤchſe nad) andern Gefezen, als Menfhen und Thiere, hervorgebracht glaubte. An flatt daß er bey der Entftehung der leztern und ihrer Theile das Gluͤck als die Auffeperinn nannte, gab er eine bil« dende und erhaltende Natur als die Schöpferinn und Mflegerinn der erftern an *), Feuer und Erde fchienen ihm der Stoff zu feyn, aus welchen die Natur Pflanzen und Gewächfe zubereite, und wodurd) fieihnen Wachschum und Gedeyen gebe, indem die Erde nach narürfichen Geſezen die Wurzeln forttreibe, und das euer den Stamm, die Blätter, Bluͤthen und Früchte hervorbringe. — 2. diefe ®) Arift. do Anim. II, EumredorAns d 8 naims EIONKE varo mgocTıgeis Tv augnaw nuußeuvew Fois Qu- FoIs K@To ev erlanevav, die To Tnv Yav ETW OeesoIas var Duciv. ava de din To Fup wenu- Tas. — Diefe Stelle commentirt Pbilopon fo: EITIT OH EumedorAex 3 KAADS IWOVER TNV = gs ev rois eu Vuxois Ywerden. EAeye yag wv- eg To Durov. T& nev ev Eanurw TULoSs KAT KAudes errı Fo avm aufovros. ns de yns Tas ev Kurw Tas erlas emı Kara aufaons. TUgI HEV Yaug neu yn averıdsı FuV arrıav Tas Kugndews- To Ler yao em To avm Tas uAndes aufs as av Doeov. Tv de ynv em To KaTw Tors eılas , @s n- Ta Doeov. Ich kann die Seite nicht anzeigen, weil in der Benezianifchen Ausgabe des Commentars des Philoponus weder Seiten noch Blätter bemerkt find. Geſchichte der Griechiſchen Weltweisheit. 663 dieſe Sonderbarkeit, bey weniger edlen Geſchoͤpfen eine höhere wirkende Urſache, als ben vollkommnern vorauss zufegen, auch diefe war dem Empedokles nicht ganz allein eigenthuͤmlich. Denn e8 gab mehrere Weltweiſen, wel⸗ che die Entftehung der ganzen Welt und aller himmliſchen Körper aus dem bloßen Ohngefähr oder Zufall erklären zu Fönnen glaubten, und zugleid) geitanden, daß man mit eben diefem Zufall und Ihngefähr bey der Erflärung bes Urfprungs der Thiere und Gewaͤchſe nicht ausrichten Eönne, fondern daß man eine nach Abfichten, ober doch nach feften unveränderlichen Geſezen wirkende Natur an⸗ nehmen mäffe *). | Der Gevanfe von ber Gleichartigkeit der Thiere, Gewaͤchſe und Pflanzen war. im Empedokles fo herrfchend, daß er ihn zu einer gewaltfamen Veränderung des Sprach⸗ 64 gebrauchs F ⁊ * °) Ariſt. Auſe. Phyſ. 1,4. Eic⸗ de TIVES , u Ku Te BoxvE TB de, Ku TOV KOOMIHOY TEVTRy TIP“ Tau TO AWTOHEToV. EMO TAVUTOURTE Yare Yıyve- a9 Dacı zuv duunv Kos Tyy Rıvnaıv, TV diegngı- yaacar Kos KETASNTATEV EIS euyrav av raofıy ro may. (Dies behaupteten Demokrit und 2eufipp,) Ks uud varo Ye ayro Sauuaoaı w£iov, Ae- Yovras, Ta ev Cwos non Ta Dura amro Tuxns unre emo unre yeah, RR ara Quaw,n vEV, NTETOBSTOP ETEROV EIVOH To Aıriov. (8 Ya 0 Ti ETUXEV EX TE CTELKATOS EHSE Yıyverau, U EX_MEV TE Toadı eAait, eu re Ta road euIenmas) Tov de Bpvov war Ts Seioreew ran Doavecwv E70 TE RUTIMATE Yıveodeu. Toisurnv ds @ıriav undewmw ever, av Tv (wmv nor ray Qurav. 664 Fünftes Buch. gebrauchs veranlaßte, indem er Ausdrücke, die man nur von Thieren und ihren Kräften braucht, auf Pflanzen und Gewaͤchſe übertrug. Er nannteden Seamenderfels ben Eyer, und fie felbft eyergebährend *). Zarte noch nicht ausgewachfene Pflanzen und Bäume beiegte er mit dem Namen von ungen, und fagte, daß fie noch nicht zeugen Fönnten, weil fie erft in ihrem reifſten Alter Saamen erhielten **). Er glaubte, daß die Gemwächfe der Erde fid) dadurch am meiften von deu übrigen Thies ten unterfchieben, daß in, ihnen beyde Geſchlechter ver» mifcht oder verbunden wären: eine Beobachtung , bie Ariftoteles an einem Orte billigte, und an einem andern Drte als ınrichtig verwarf ***), Ein Zeitgenoß des Empebofles war Anaragoras, beffen Namen Siebhaber der Weisheit nie anders, ale mie einer gewiffen Ehrfurcht denfen und nennen folls ten. Im ganzen Griedhifchen Alterthum wird man nur wenige finden, die ihm an achter, ungekünftelter, wenn gleich ee — — — ®) De Gener. Anim, Ariſt. A, cap, alt, Ka rero xa@Aws AcyEı EuredowAns TBOMTOAS. Erw WOTOKEL — KEx OEVOLER TEWTOV EAEIAS. TOIEYAL wov, Kun- pa esw. &e, Er fagte auch, daß die Blätter an den Pflanzen und Bäumen eben das feyen, was die Haare an den Menfchen, die Federn an den Vögeln, und die Schuppen an den Fifchen find. Metear. A. c.g. Tavra rarges ni PDvAd, na 0wvw@y FTELH TUNG, Kar Aemıdes yrworru sm sıagosoı meRee- cuv. “#) Ariſt. de Plant. I, 2. it. de Genen Anim. p. 196. A ®#*) Arift, de Gen, Anim. H. p. 196, de Plant. I. 2. Gefchichte der Griechifchen Weltweisheit. 665 gleich nur ſtiller Größe der Seele, an wahrer nacuͤrlicher Güte des Herzens, an Erhabenheit über die Vorurtheile feines Volks, und an brennenden Eifer für die Erfor— ſchung der Wahrheit, gleich gekommen wären, und viel- leicht feinen, der ihn übertroffen hätte *). Sein Durft nach neuen und nüzlidyen Kenntnffen war fo groß, daß er in eine unabläfjige Erforfeyung der Matur, und eine freye unabhängige Muße feine hoͤchſte Gluͤckſeligkeit fezte**), und alle die Vortheile und Ehrenfteflen ver: achtete, die ihm feine edle Geburt, fein großes Wermo- gen, feine feltenen Gaben, und feine vertraute Befannt: fchaft mit dem Perikles hätten verfchaffen koͤnnen. Er verließ feine Vaterſtadt nicht lange nachher, als das Eus ropäifche Griechenland ſich feibft, und feine Pfianzftädte in Afien vom Soche der Perfer befrent harte. Athen waͤhlte er wahrſcheinlich deßwegen zu feinem Aufenthalte, weil diefe Stadt‘ eben damals die größten Helden und Staatsmaͤnner befaß, die fie je hervorgebracht hat, und weil fie nach ihren glorreichen Siegen über die Feinde des Griechifchen Namens der Mittelpuner des Handels, des Reichrhums und der Künfte, und der Sammelplaz aller weifer oder außerordentlicher Männer wurde, Die "aus allen Gegenden dahin zufammen famen. Unaragos ras fushfe ader ar ſowohl, wie viele andere, zu glän- Its zen, \ *) Die Facta und Nachrichteng von welchen diefe Lobſpruͤ⸗ che das Reſultat fi nd, findet man in den Noten zum Artikel Anaragoras in Baylens Wörterbuch. *x) Man fehejärift. Eudem, 1, 4; und Clem. Alex, Strom. II, p. 416. Tyv Jewesay Davau va us TeAos sau xce TNV TO TEUTNS EAEUJEgI. 666 Fuͤnftes Buch. zen, ober fich zu bereichern, als feine Kenntniffe zu ver- mehren, und er wollte aud) lieber Männer bilden, bie bas Ruder von Staaten geſchickt zu führen wuͤſten, als fi) felbft auf ein Mieer wagen, das unaufbörlid von Stürmen beunruhigt wurde, mo die größte Erfahrenheit richt wor gefährfihen Schiff bruͤchen ficheree, und auf welchem er felbft, der in einer flillen Muße, wie in einem fihern Hafen zu liegen glaubte, faſt feinen Untergang gefunden hatte, Ungeachtet wir von den Schriften des Anaragoras *) weniger Ueberbleibfel, alg von denen ſei⸗ ner Zeitgenoffen haben: fo find doch dieſe wenigen Bruch⸗ ftücke hinreichend, ung zu überzeugen, daß er das Ges bier der menſchlichen Erkenntniß mehr, als irgend einer der Naturforſcher, die zugleich mit ihm blühten, erwei⸗ tert habe. Anaxagoras nahm freylich viele falfche Ge⸗ danfen von feinen Vorgängern an: er felbft fiel auf an⸗ dere, die eben fo ungereimt, oder noch lächerlicher wa⸗ ren, als die feltfamften Einbildungen der ältern Welt weiten; allein bey allen diejen Abweichungen von der rechten Bahn drang er tiefer, als irgend einer vor oder. neben ihm, in die Geheimniſſe der Natur ein, und felbft jeine Irrthumer zeigen, daß er mehr und richtiger, als fonft jemand vor und in feinem Zeitalter beobachtet babe, Anaxa⸗ e) Außer dem Werke va Duame (fol. 33 oder zregı Quosus fol. 8. 2.) betitelt, aug welchem Simplieius alle Frag: mente genommen hat, und das aus mehrern Büchern beitand, finde ic) noch eines zegı Basırsıes vom Ae— fian, (IV. 14. Var. bit) ein anderes zrgos Asyaeoy vom Ariftoteles, (I. 2. de Plant) und ein brirtes end- lid) über die Quadratur des Cirkels vom Plutarch au— gefuhrt. (leco mox citendo.) Gefchichte der Griechifchen Weltweisheit. 667 Anaragoras befolgt eben die Ordnung, bie alle Weltweifen vor ihm beobachtet harten, und aud) nad) ibm beobachteten. Er fing mie den allgemeinften Unter. fuchungen über den Urftoff und die Grundurſachen aller Dinge und deren Entſtehung an, und ging alsdenn zu Betrachtungen über die Natur und Eigenfchaften einzel ner Theile der Welt und einzelner Erfcjeinungen und Ges genftände auf der Erde fort. Alles, was ift, fagte Anaragoras, war von Emigfeit, weil eben fo wenig et: was aus nichts entfichen, ais in Michts unterge- ben kann ). Allein die wirflihen Dinge wären nicht immer in folhen Ordnungen, Sagen und Verbindungen, als worinn wir fie jego wahrnehmen, fondern eine unbe: gränzte Menge von unendlich Eleinen Grundkoͤrperchen lag in rohen unbeweglidyen Kiumpen durch einander ges worfen**). Ungeachtet diefe zahllofen Elemente alle die Kräfte ®) Simpl. in Ariſt. Phyf, 33. fol, b, 'Orı de ade yweras Ti 8de DIsıgerou TwV omoioneewv „aR as rav- Ta 851, MAuAeyav, TETwV de grow die KEHLIHE- YywY, YIV@THEV KEN, 0TI TAT adey EAATO@ EZ, BOE WAEIW. BIE vUSoy TAITwy MÄLW Er ya, aa mavra ıca ae. et fol. 34.b. To os yneodan nu amoRuoIn 8u 0Fws vonlacw oı ERwes. #dev Yap Xenma YıvErcı ede aroAu- Ton. EM ET EOVTOv KENHRATaV TUMMIOYETM TE eu dieneweran. Kos arws av ce$ws naAsıev To YıveoIcu auuuicyeodeı, zus vo amoRwed dier- newseYon. ®%) Frag. Anaz. ap. Simpl. fol. 33.b, Ous Xenuara MAT MV UMEIges KT MANIOS Hol OMIREOTE. Kos YEE TO TMIREOV RTEIGOY NV. 1 ROYTaV Ol —— BÜEV EUMMAOy Mu UTO TRINBOTUTOGR . 668 Fuͤnftes Buch. Reäfte und Eigenfhaften befaßen, die wir jezo in den Gegenftänden der. Körpermelt entdecken; fo waren Doch in ihnen weder Farbe, noch Wärme, noch Kälte, noch andere Beſchaffenheiten bemerkbar, weil fie durch die unendliche Kleinbeit und Vermiſchung der&rundrbeife felbft gleichfam verfdwanden, oder ſich allen Sinnen entzogen *), Es waren ihrer aber eben fo viele Gattungen, als es jezo Gat⸗ tungen ungleihartiger Körper gibt: denn wenn man nicht für eine jede Körperart eigene Eiemente, für Gold, Knochen und Fleiſch unzerfiörbare ihnen gleichartige Grundtheil- chen annaͤhme; fo müfte man, glaubte Anaragoras, behaupten, daß Dinge aus nichts entffanden feyen, und in Nichts untergingen *). Wegen diefer Gleichheit oder Gleichartigfeit der Elemente mit den Körpern, die aus ihnen zufammengefezt feyen, nannte er die erftern Ho- moiomerien***), und lehrte zugleich, daß das, was man Enrftehbung und Untergang, Geburt und Tod nenne, nur Zufammenfügung oder Auflöfung von Körpern in ihre ewigen uuveränderlichen Beftandtheile fey }). Die, — — — — —— *) Ib, zeıv ds amereı Ina Onci, mayr@y ous EOV- Toy, 8 € xKeom eudmAos nv sdeum. UTWELDAUE Yagn VoRies Bavray KonuaTav, TE Te deceg ui TE EHeE, Has TE Iegus, no TE Vuxes, nes FB ARUMEE Has TB loPeos , 01 yns HoBnS SVERTNS, HI OMELHATEV EHEIemv mAnIEs Bde s0:Horwv EANAOIS. » *x) Man fehe riſt. de coelo III. 3. Luer. I, 830, de Plac. Phil, I. 3, *tob, Ecl, phyf. p, 26. ") Auct. mode cit. +) Anaxag. ap. Simpl. I. e, Anaxagoras redet bisweilen von ‚einer Einheit (To &9) und verſteht darunter den gan: Sefchichte der Griechifchen Weltweisheit. 669 Diefen unendlichen Haufen ruhender und in ein- ander gemiſchter Homoiomerien näherte ſich (fo fuhr Anarago: — — — — — 7 zen Inbegriff aller Homoiomerien, Bevor fie aus einan« der gefondert, und im Korper von einer beirimmten Art zufammen gefigt waren. Anaxag. fragmenta ap. Simpl. fol. 8. a. & 33. b. rgrav de. gT@s exovr wv, .xen done Ev eıvas WOAAS TE nı War, 8% TATI TOoss GUYHEWOREVOS, Kokı GRELMATE TAV- Toy Yennest@v. Kos 1ERSS TAVTOUcS" EXDVTE Ks Xgoas, Kokı Meœs. Ariſtoteles legt dag Ev des Anaragoras. durch To oy aus, und vvfteht darun⸗ ter die Fähigkeit der ewigen vermifchten Elemente, al les aus fich hervorbringen zu laflen. Metaph, X, B. p. 196. An den eben angeführten Stellen fpricht Anas Fagoras noch von einer andern Ins undis, als die: jenige war, wodurch die gegenwärtige Welt aus dem ewigen Chaos hervorgebracht wurde. Sch bin aber nicht im Stande zu fagen, was er fich dabey gedacht babe. Simplieius deurere fie auf die Schöpfung einer verftändlichen Welt. Sch will die Hauptworte herjezen: Kas a dewrss Ye ouumaymar, nos Ta AA dw, 008 uw EXen ERAYE, Kai TS Ve okv- IERTOITIV Eivoss mocı GEÄNVHV, #0 FT am WITREE zae num. Kas ray yav auraıs Dusiv HOAAR TE HI BOAVTOIE. MV EVEWOL TE OVNVISE EYEinch- Evo Eis TyV omnow Keavraı. — — Dicht bloß ‚dunfel, fondern felbft widerfprechend mit feinem Grund: faze von der urfprünglichen VBermifchung aller Elemen» te fiheint die Behauptung zu feyn: daß die Luft und ber Aether die ganze Maſſe der Homoiomerien vor der Scheidung und Anordnung derfelben umfaßt hätten und daß fie beyde unendlich wären. Kas mavrwv ous sovra 2dev EudnAov Hv Uro TWIRLOTHTOS. TFT Yao ang TE Hai uONE narsıyer, auPorser version eovroa. Ap. Simpl. fol. 33. b. Gleich nad): ber 670 Fünftes Bud). Anaragoras fort zu einer gewiſſen Zeit ein verftändiges Weſen, das mit denfelben ganz unvermifcht, ‚unendlid) ausgefpannt, und nicht aus mehrern Clementen zufam- mengefezt war *). Dies verftändige Weſen übertraf alle andere Naturen nicht nur an Seinheit und Reinigkeit feiner Subſtanz, fondern aud) an Macht und Weis: heit, Indem es alles vermochte und umfafte, und fo wohl das Vergangene und Zukünftige, als das Gegenwärtige, fowohl dasjenige, was aus dem Wirflis chen werden konnte, als dasjenige, was da war, ers Fannte; fing es an das Linordentliche zu ordnen, das Vermiſchte von einander zu fondern, dem Unbeweglichen Bewegung, und dem wüften Gemiſche von Elementen, Schönheit und Glanz mitzurheilen. Das Dichte wurde vom $ocern, das Kalte vom Warmen, das $ichte vom Dunfeln, und dag Trockne vom Feuchten gefchieden. In diefer Abfonderung einer unendlidien Maffe rückten die verwandten und gleichartigen heile zufammen: Die lockern — 00 — — — her druͤckte ſich Anaxagoras ſo aus, als wenn Luft und Aether urſpruͤnglich nicht alle uͤbrige Elemente einge— ſchloſſen haͤtten, ſondern bey der Anordnung der Welt von den uͤbrigen erſt waͤren getrennt worden. Kaı ya ö ung nos 0 audmE armergıveras amo TE TRELIENOVTOS. TE MWOANE. Ho To YE TERIEXov emeieoy es To mAmdes. ib. Eben diefe und aͤhnli— he Stellen, an welchen Anaragoras die Luft und den Aether unter die übrigen Homoiomerien zähle, machen es unmöglich, nur zu errarhen, wie er fih die Sub: ftanz der gleich der Luft und dem Aether unendlich aus- gedehnten Gottheit vorgejtelle habe. *) Die Beweisftellen ſtehen im des Hiſt. dodtrinae de vero Deo p- 362. 63. } Gefhichte der Griechiſchen Weltweisheit. 671 lockern und leichten, die hellen und frocfenen Elemente fliegen empor, und aus ihnen wurden Sonne, Mond, die übrigen Geftirne, Die Luft und der Aether, oder die Räume des Himmels gebilde, Die dichten feuchten, Falten und dunkeln Theile hingegen ſenkten ſich dabin, wo die Erde ift: und auch bier ſammlete ſich gleiches zu gleichem ; das ungleichartige theilte ſich, und es entftanden neue Zufammenfezungen aus Elementen, die urfprünglich vermifcht gemefen waren *). Aus Wols fen wurde Waſſer, aus Waffer Erde, aus Erde Steine abgefondert und gebildet, und durch andere Abfonderun gen und Zuſammenſezungen von Theilen wurden Gewächfe, Thiereund Menſchen hervorgebracht. Nicht alfo Zufall, oder Gluͤck, oder Nothwendigkeit, ober vernunftlofe Na— tur, oder blinde unerklaͤrliche Kräfte, ſondern eine alles uͤberſchauende und durchdringende **) Gottheit fep die ein« zige mn —— *) Simpl, fol. 6. b. ez Theophr, Anaxag, ap. $impl. p.33.b, Kas rus Feaıgwenews TNs OVumaons vas ene@- rnocy, W@sE megiKweyau Tv aexmw. Kas mew- TOV AO TE Tunes negaro MeQIYwenaa. E7E „de mEAB0V WEOIKWwEE 5 Kr TEGIKWENTRI ETI- VrrreoV. = Kos TV eRIKwenTwW, TAUTM, nv vuv MErXwegeri, TOETE USEm, wo 6 MAıos, Kay deAyvn, Kai co ame, Kaı o ugye cs !Erongi- yonevos. 4 ODE TFELIKWENTIS MUTN ETOMGEN ETFOXLI- VETIo. HL ATOREWETEI ABO TE TE Redıs Te ZuRrVov, us ao TE \Wuxes To Ieemov, nos ars ru CoDses To Auumeov, udı &mo TE desgs To Eneov. &e. Man fehe auch fol. 38. a. “°) Man fehe meine eben angefuͤhrte Schrift 1. e. Ich für ge noch ein Zeugniß des Plato Hinzu, weil dadurch — 672 Fuͤmftes Bud). —— zige Urſache der Bewegung, Ordnung und Schoͤnheit der Welt; ſie allein habe aus dem Schooße des todten Chaos alle Theile des unermeßlichen Ganzen hervorgezo— gen, und fo geordnet, daß nicht Die geringfte Veraͤnde— rung im Univerfo vorgehe, die fie nicht vorhergeſehen und befäjleffen habe. Das ganze Alterehum rief daher aud) den Anaxagoras als den erjien Priefter des wahren Gottes und als den erfien Verfündiger des Vaters und Kegierers der Welt aus *). Eine nothmendige Folge aus der Lehre bes Anara- goras von den Homoiomerien oder der Entftehung aller Körper aus gewiffen ihnen gleichartigen Beſtandtheilen war diefe,. daß die Gottheit zwar alles aus einander ge- fondert, geordnet und in Bewegung gefezt, aber in dem Weſen derfelben nichts geändert, zu ihren Kräfter: und " Eigenſchaften nichts hinzugefügt, oder davon weggenom⸗ men habe. Er erwähnte daher der Bottheit nur alsdenn, wenn er Erfcheininyen erflöre, bie er für Wirkungen der Ordnung, Bewegung und Schoͤnheit von’ Rörperi hielt; er ſchwieg Hingegen von dieſer Weltſchoͤpferinn, wenn er von — — en wieſen wird, daß Anaragoras ſich die Gottheit zwar als eine reine, unvermiſchte, aber doch als eine Sub— ſtanz gedacht habe, welche die ganze Welt durchdringe: Plat. in Cratyſo p. 8°. eos de ro Öinciov, 6 o As- yeı Avafayogas, vavenaı TETE, MUTOREEToRE "YRE OVTO KUTOV, 7.024 BÖEVE MEMIYEVOV, EVTL Dnow EUTOV KOTHEW- T TEAYALTE, 106 TORV- TœV IVTA. *) Br ſehe die Zeugniffe der Alam: in Hift, do&t, de vero H Deo p. 253. Gefchichte der Griechiſchen MWeltweisheit. 673. von folhen Phänomenen redete, die nur aus der Natur, dem Wefen, den innern unverlierbaren Kräften der. Bes ftandrheile aller Dinge abgeleitet werden Fönnten. . Diefe Urſache feines oft langen Stillſchweigens von Got, den er doch den Herrn und Megierer aller Dinge nannte, ſcheinen Plato und Ariſtoteles nicht be— merkt zu haben *); indem beyde Weltweife ihm vorwar⸗ fen, daß er die.wichrigften Veränderungen in der Matur nicht aus den Voll kommenheiten und weifen Abfichten der Gottheit, fondern aus dem Wefen **) des Aethers, des Feuers, der $uft, und anderer Dinge erläutert, und daß er den Mamen der Gottheit nur alsdann genannt babe, wenn er alle andere Urfachen oder Maturfräfte unzulänglich gefunden haͤtte. Dieſe Befchuldigungen wuͤrden nur alsdenn den Anaragoras treffen, wenn er die Gottheit anfangs für die Urfache alles deffen, was alte Dinge find und befizen, ausgegeben, und nachher die Eigenfchaften, Kräfte und Veränderungen derfelben nicht für — — — G —— — ®) Siehe Plat. in Phaed. p. 39. Ariſt. I, 4. Metaphyſ. Avafoyoex TE yag unyavn Kenras rw vo eos ray noomoroiev. Kos orar uroonen, dio Tv aırıav eE avayuns 851, Tore Are ourov. ev de FrOS @AAUıS mar MaAADy KITIEToI Toy Yıyousvav, N v8V. we) Dies Wefen oder den ganzen Inbegriff aller urfpriingfie chen Kräfte und Eigenfchaften'der Homoiomerien, nann: te er Nothwendigkeit, wie feldft die Worte des Ariſto⸗ teles an der Sielle zeigen, wo er dem Anaxagoras mit unter diejenigen Weltweiſen fezt, Die ihr vieles zuge⸗ eignet hatten, Arift, 11. 8. Phyf. Aufe,. Uu 674 Fuͤnftes Bud. für Wirkungen der Gortheit, fondern des Weſens ber Dinge oder der Nothwendigfeit erklärt hätte *). Ungeachtet Anaragoras fehr viele ungereimte Fole gen und unaufloͤsliche Schwierigkeiten feiner Lehre von der Entftehung aller Dinge aus gieichartigen Beſtandthei⸗ len überfehen zu haben ſcheint **): fo zwangen oder verlei« teten ihn doch einige Einwürfe, die er bemerkte, zu neuen Behauptungen, die er wahrſcheinlich als die ftärfften Stuͤzen feines Syſtems anjah, die ihn aber, wenn Hy⸗ pothefenerfinder anders unbefangen feyn Fönnten, hätten bewegen follen, feine JSieblingsmeynung aufzugeben. Weil Anaxagoras nicht läugnen Fonnte, daß die Dinge, ‚womit Menſchen, Thiere und Pflanzen ernährt werden, feine fichrbare AchnlichFfeit oder Verwandſchaft mit der Natur der legtern haben, und daß befonders durch diefele bigen Nahrungsmittel, zum Benfpiel Brodt, ganz une gleichartige Theile des Körpers, Knochen, Fleiſch, Blut, Haare, Nägel, u.f.w. ergänzt werden, fo mufte er fagen, daß in den Nahrungsmitteln der Menfchen und Thiere Beſtandtheile enthalten feyen, die den ver« i fchie» en — — *) Indem aber Anaxagoras das, was den Homoiomerien von Ewigkeit her weſentlich und eigenthuͤmlich war, von den Wirkungen der Gottheit auf fie unterſchied; fo ſchloß er feinen Grundfazen gemäß, wenn er nicht alles aus den leztern erfiärte. Allein das hatte man ihm vor« werfen koͤnnen, daß er nicht, wie Bewegung, DOrd: nung und Schönheit, fo auch alle übrige Kräfte und Eigenfchaften aller Naturen vom der Gottheit hervors gebracht geglaubt habe, 5) Dieſe Folgerungen und Schtierigkeiten findet man beym Ariftoreleg I. 4. Phyf. Aufe, Lucr, L, c, und Bayle Ar- ticle Anaxagore, NoteB, Geſchichte der Griechifchen Weltweisheit. 673 fehiedenen Theilen ihrer Körper, Die dadurch erfezt wire den, ähnlich wären, und die man nur wegen ihrer uns sendlichen Kleinheit nicht wahrnehmen Fönute *). Eine ſolche Vermiſchung der ungleichartigften Homoiomerien konnte Anaragoras aber nicht bloß auf die Nahrungsmittel von empfindenden und lebenden Gefchöpfen einfchränfen, wenn er fich nicht offenbar verraten wollte; er war alfo genöthige, zu behaupten, daß alles in allem fey, dag alles aus allem abgefondert werde, und daß auch in’ dem Eleinften Theile zufammengefezter Materie eine Unendliche keit weſentlich verfchiebener Elemente eingefchioffen fen ***), Uu 2 Doch — — ⸗ — — — — *) Vide Ariſt. Phyſ. I, 4. de Gener. Anim, A, cap, v9. p. 179. de Plac. 1,3, Simpl. fol. 106. a. Kos deszvuos (ſagt der leztere vom Ariftoteles) 073 8 movoy To oAoy yiyuos areıgov avayun To ue yede⸗ Aeyeı auror, KAAT Hoi Enoisn) OMOIMELEIGV, OMOwS Fo OA@ TEOLVTR EXNECOV EVUMAEKOVTE, Kö 8 de RTTEIOOb Movo, AAN na WmEigunıs mei. AA us ev Tnv roiaurnv evvoay 0 Avakoyogers mAIev, NYSuEVdS Mndev en TE UM OVTos YıveoYası wer mroLv Um TE ouoı8 rpeDeoIar. oewv 89 Mary Ei TOLVe TOS Yivonevov, EI Kl UN DMEOCWDS AA KTos Taf, mau Yog En Wugos amp, vi &E wegas Uwe, Ro er Vdaros Ya, man ex ‘ns Audos, Karen AıIg maAv TUR, Koadı TeoÖns de tas durne me00Degoneins, 6109 ROTE, MOAAR war voor Yıveraı, Deren, 6508, DAeee, veuod, Feis ME, DVUNES, Kai Mrepk, Ei STw FUxdi id HELRTE &e. #*) Bayle befchuldigte daher feine Lehre mit Recht, daß fle das nicht leiſte, wozu fie erfunden worden: - fie Ei haft: 6 Fuͤnftes Buch. Dh nahm Anaraaoras diefe Ueberbleibfel chaotifcher Permilchungen nicht deßwegen an, weil er die Gorrheit für zu ſhwach hielt, alle ungleichartige Elemente aus einander zu fondern, oder Körper aus lauter gieichartigen Elementen zufammenzufezen, fondern um feine Hypotheſe mie der Erfahrung übereinftimmend zu machen *%), Syn den hrigen Gedanfen des Anaragoras über die Matur der bimmlifchen Körper, über die wichtigften Erſcheinungen am Him⸗ naͤmlich noch immer eine unbegraͤnzte Verwirrung in der Welt übrig, da fie doch erklaͤren ſolle, wie aus erviger Unordnung Ordnung entftanden fey. 2) Heinins in den Schriften der Berliniſchen Akademie der Wiſſenſchaften vom Jahre 1753 läugnet es fchlechter: dings (©. 373.), daß Anaragoras alle Körper aus gleichartigen Theilen, Fleiſch aus Partikeln von Fleiſch, Knochen aus £leinen Knochen u. f. w. entftanden ge: glaubt habe. Cine folche Behauptung fey zu unge reimt, als daß ein jo großer Mann, dergleichen Anara- goras war, darauf hätte verfallen kͤnnen. Wenn diefe Art zu fehließen gölte, fo würde man, wie ich ſchon anderswo bemerkt habe, den größten Weltweifen des Alterthums den größten oder doch einen großen Theil ihrer Meynungen abfprechen müffen. Faſt alle Schrift: ſteller, die ich bisher angeführt habe, eignen dem Ana⸗ xagoras die Meynung zu, die der eben genannte Ge- lehrte aus dem Syſtem diefes Philofophen zu vertilgen ſucht. Wenn man aber auch annehmen wollte, daß Ynaragoras nicht geſagt habe: Knochen entftünden aug kleinen Knochen, Augen aus Eleinen Augen, Cingeweis de aus Eleinen Einaeweiden, fondern aus Elementen, die diefen Körpern aleichartig wären, und aus denen fie nur allein aebilder werden koͤnnten; fo würde durch diefe Auslegung zwar die augenfcheinlidhe Ungereimtheit ‚der Meynung des Anaragoras etwas vermindert wer: den, allein die unbeantwortlichften Einwürfe würden noch immer ungefchwacht bleiben. Gefchichte der Griechifchen Weltweisheit. 677 Himmel und auf der Erde, endlich über das Weſen der Menfchen, Thiere und Gewächfe, find Wahrheit und Serehum, doch immer mit einem Uebergewicht des lez⸗ tern, eben fo, mie in feinen Vermuthungen über die. Entftehung aller Dinge vermifcht,, und allem Anfehen nach widerfpräch er fich eben fo oft, als die Schriftjieller, die uns feine Beobachfungen und Meynungen aufg:zeich net haben, Er fagte nichts von den Urfachen der verfüries denen Schwere und Leichtigkeit der Körper *), und fuchte dagegen den Grund auf, worinn das unendliche Ganze nicht finfe, fondern feit und unbeweylic) bleibe. Er fand ihn darinn, daß ſich das Univerfum ſelbſt ſtuͤze, oder auf fich felbft gegründet fen **). Feuer und Aether fehienen ihm einerley Subftanz, und die Räume der Him⸗ mel mit Feuertheilchen angefüllt zu feyn, als welche bey der Weltfchöpfung und der Abfonderung aflee Dinge aus dem Chaos fid) in die Höhe gehoben hätten ***), Zugleich aber glaubte er, daß in den hödhften Gegenden des All's, wohin nur die feinften und flüchtigften Theile hätten bins auffteigen Fünnen, die Sonne und übrigen Geſtirne als feurige Steine, oder glühende fteinigte Maſſen herum⸗ ſchwoͤmmen }). Spätere Schriftfteller eignen ihm fogar die Meynung zu: Daß die Sterne urfprünglib Greine gemwefen feyen, die von der Erde durch gewiſſe Wirbel oder Sturmminde fortgeführt, und endlich zu Geftirnen Uu 3 Ä aus· — — —et ®) IV. 2, de Coel, **) Phyf, Ari, II. 5. *’.) De ser; n 3. Meteor. 1.8. u. bef, Ipf, fragm. 38. fol, b, ap, Mmpi, r Man fehe die Zeugniffe des Plato, Xenophon und ans derer beym Bayle Art. Anaxagore Note B. 678 Fünftes Buch, ausgebrannt worden *); und eine noch größere Zahl von Geſchichtſchreibern erzählt, daß er die Ausloͤſchung dieſer glühenden fleinigten Maffen, und den Sturz derfeiben anf unfere Erde geglaubt, und den Wunverftein bey Aegos Potamos, den man noch zu Plutarchs und Plinii Zeiten verehrte, entweder für das Bruchftück eines Sterns, oder auch für einen ausgelofchenen himmlifchen Körper gehalten, und deffen Fall viele Wochen vorher verfüne bigt habe **), | Unter allen feinen Behauptungen zog ihm Feine andere einen bittern Tadel größerer Männer, und einen Heftigern Haß des gemeinen Haufens zu, als eben dies jenige, wodurch er die Sonne und übrigen Geſtirne für glüs — — — *) Diog, in ejus vitaLib, Il. 10. 12. De Plac, phil, II, 13. und mehrerer Kirchenväter. e) Man fehe den Diogenes 1 ec, & ibi Comment, vor allen andern aber den Plutarch im Leben des Lufander, Man kann aber meinem Urtheile nach mit Rech: zweis feln, ob Anaxagoras diefe Ungereimtheiten behauptet und geſagt habe, ungeachtet für Eeinen andern Lebens— umfand, und für Feine andere Meynung dies Weltz weifen fo viele Zeugen als für feine Weißagung deg Falls des berüchtigten Steins bey Aegos Potamos an- geführtwerden Eonnen. Hätte Anaxagoras gelehrt, daß die Sterne von der Erde weggeriffene Steine, und daß der Stein bey Aegos Potamos ein Stud der Sonne oder ein erloſchenes Geſtirn ſey; fo würden Plato und Kenophon an den Drten, wo fie von der Mennung des Anaragos ras tiber die Natur der himmliſchen Körper, als einer eben fo ungereimten als aottlofen ‚Griffe reden, und Ariſtoteles in feinen mereorologifchen Büchern, befen: ders da, wo er des Steins und feines Falls aus der Luft erwähnt (Meteor. I. 7.), diefe Behauptungen dee Anaragoras nicht verfchtwiegen habe. Gefchichte der Griechifchen Weltweisheit. 679 glühende Steine erklärte, und fie alfe ihrer Gottheit enfe fezte *). Anaragoras machte dadurch alle Unterfuhuns gen über die Natur und Veränderungen himmliſcher Körz per fo verdächtig, daß man fich fogar feine Lehre über . die Natur und Verfinſterung des Monves bis auf die Zeiten des Plato als ein wahres, aber auch als ein ge= fährliches Geheimniß anvertraute **), Er mar der erſte ***), der fich unterſtand, öffentlich in feinen Schtife fen den Mond nicht eine Goͤttinn, fondern eine Erde zu nennen, bie der unfrigen ähnlich fen, und ihr Sicht von der Sonne erhalte Er war zuerit fo gluͤcklich und Fühn, die Abnahme, Zunahme, und die Verfinfterungen des Mondes aus den wahren natürlichen Urjachen zu erlläs ren +). Wenn aber Anaragoras die Größe der Sonne mit dem Umfange des Peloponnes verglich, und hinzu feste, Daß die erfte viel größer, als der leztere ſey +})3 Uu 4 fo s, Die Stellen des Xenophon, Plato und anderer findee man beym Bayle Art, Anaxagore Not, B, **) Ul. 393. in Nic, Plut. **) ib, p. 60. Stob. Phyf. Ech, » Plato in Crat, p. 87. zweifelte, ob Anaragoras zuerſt ges lehrt habe, das der Mond fein Liehe von der Sonne . erhalte. Allein er zmweifele nur, weil ev. dem Anaxago⸗ cas nicht günftig war. Selbſt die Art, wie er diefe Bes merkung vortraͤgt, zeiat, daß man fie in feinem Zeit alter allgemein für neu achaften, und dem Anapegeras zuaefchrieben habe, — Uebrigens it es merkwurdig, daß lezterer den Mond fiir einen Körper von ganz ar— derer Natur, als die übrigen Sterne gehalten babe, Aus der Erklaͤrung des Weſens des Monde entſtand wahrfcheinlich die irrige Meynung eines neuern Schrifte fiellers, daß Anaragoras alle Sterne fir irdiſche oder unferer Erde ähnliche Körper gehalten habe Diog, 1. e. +7) Diog, H,g. IE, zı. de Pfac, Phit, 680 | Fünftes Buch, fo war er der Wahrheit nicht näher, als wenn er die Kos meten für Erſcheinungen hielt, die aus der Mereinigung oder Zufammenräcfung von Planeten enrftünden *). Giüclicher war feine Vermuthung, daß die Mitchftraße das eigentliche Licht gemiffer Sterne fen, welche die Sonne nicht anblicke **), oder zwifchen welchen und der Sonne die Erde ftehe ***). Seine Betrachtungen über die Erde zeigen, daß es denn Menfchen ſchwerer würde, fid) von feinem Wohn- ſize richtige Begriffe zu machen, als über die Natur und Bewegungen der himmlifchen Körper wahrſcheinliche Vermuthungen zu begen. Er hielt die Erde mit dem Anarimenes und Demofrit für platt +), und elaubte, dafi fie anfangs ganz ſchwammigt und fumpfigt gemefen, daß aber endlich der obere Theil, den. mir bewohnten, durch beftändige Negen zufammengeprefit und dichter ges worden fen ++)- Ihre platte Geftalt fchien ihm der Grund ihrer Unbeweglichfeit zu feyn; denn dadurch werde die Luft, welche fie frage oder ihre Stuͤze ſey, fo einges ſchloſſen, daß fie nirgends einen Ausgang finden, und fi) der auf fie druͤckenden Saft entziehen koͤnne jft)y. Die y Erd⸗ — — — x*) 1, 7. Meteorol,! xx) Meteor. 1. %: F#*) Er glaubte, daß wir diejenigen Sterne, welche die Sonne anblicfe, deswegen nicht wahrnahmen, weil die Strah— fen der Sonne ihren Strahlen voiderffunden, und fie hinderte, bis auf die Erde herabzufommen. +) de coel. U. 13, ++) Il. 7. Meteorol, Ariſt. +44) I, 13 de Coel. Nach dem Verfaffer des Buchs von ben Meynungen der Weltweiſen ſoll Anaragoras gefagt haben, daß die Erde oder die Welt nach ihrer Entſtehung, und | Gefchichte der Griechifchen Weltweisheit. 681 Erdbeben erklärte er auseinem Herabftrahlen oder Herab- fenfen des Aethers, der in die Höblen der untern lockern Seite der Erde eindringe, und die Erde von unten bis oben durch alle ihre Gewölbe erichüttere *). Daß die Luft ihrer Feinbeit und Unfichtbarfeit un: geachtet ein wirklicher Körper fey, der andern Widers ftand thun Fönne,; ſchloß er aus der Kraft, die man anwenden müffe, um Blafen, die mit ihr angefüllt ſeyen, zuſammenzudruͤcken, und aus den Erfcheinungen einer Maſchine, die allen Griechen befannt war *). Eine jede Bewegung der $uft nannte e Wind ***), und erflärte ihn für eine Wirfung der Sonnenftrahlen, wodurch die Luft verdünnt und bewegt werde f). Den Bliz hielt er ++) für eine plözlicye Erfcheinung einer von oben ber: Uu s abges — —— und der Hervorbringung aller Thiere ſich ein wenig nad) Mittag geſenkt habe, damit einige Theile derfelben be: wohnbar, andere hingegen unbewohnbar würden (1, 8.). Don diefer Meynung des Anaragoras, deren Grund mir ein Raͤthſel ift, finder fich Fein Wink im Ariſto— teles, und man muß fie allo um defto mehr für erdich- tet, oder für die Wirkung eines Mißverftändniffes hal- ten, weil fie den Beweis umwirft, den Anaragoras für die Unbemwenlichkeit der Erde vorbrachte. Denn wenn die Erde nicht ſenkrecht, fondern nach einem ſchiefen Winkel auf der ihr unterliegenden Luft rubte; fo wür: de die lezte mehrere Deffnungen finden, wodurch fie hervordeingen, und die Erde zum Ginfen bringen fonnte. " #,.11. 7.{Meteoro! Arift, **) Phyf Arift, V. 6. Problemat, f. 16. p. 125. Diefe Beobachtungen leiteten ihn unfiveitig.auf die Vermu— thung des Dienftes, den die Luft der Erde leifte. *##) 1], 4, Meteor, +) Diog. 11. ıo. ++) II, 9, Meteorol, 682 Fuͤnftes Bud. abgeftiegenen Aethermaſſe, deren Auslöfchung den Don⸗ ner verurfache, Eben deßwegen alfo, weil ſolche Feuer: flumpen eher ſichtbar würden, als fie erftürben oder aus» gelöfcht würden, fähe man auch den Bliz früher, als man den Donner höre. Seine Gedanfen über die Entftehung des Hagels Fann man aus einer zu Furzen Stelle des- Ariftoteles nicht ganz errathen *). Diefem Zeugniffe nad) glaubte Anaragoras, daß Hagel alsdann entftehe, wenn Seuchtigfeiten in die Falte obere Luft emporftiegen, Der dunfefte und am menigften ausgearbeitete Theil feiner Phitofophie ſcheint feine Seelenlehre gervefen zu ſeyn; denn über dieſe widerfprechen fid) die Griechiſchen Schriftſteller am meiſten, oder drücken ſich doch am un» beftimmteften aus, Bald redefe er fo, als wenn er dag Weſen der Gottheit von Seele oder Weltfeele unterfchie- den hätte: menigftens belegte er nur die Urſache der Ordnung, Schönheit, und Bewegung aller Dinge mit dem Worte Verftand (ves), und von ihr ſagte er es aud) vorzüglih, daß fie mit allen übrigen Subſtanzen unver: mifche fen **). An andern Stellen hingegen brauchte er die Wörter Verftand und Seele, als gleichgeltende Aus— drücke, für das Principium aller Bewegung, alles Em- pfindens und Denfens, und fagte, daß der Verſtand alles durchdringe ***), alles umfaffe und vegiere +), was be> feelt fey, und daß er ſich in allen Thieren, in Eleinen wie in 3— *) ], 12, Meteorol, %#) Ar, I, 2, Plato p, 58, Anax, p, 33, fol, 2, ap. Simpl, ***) Plat. p. 58, . fol, 33+ pP 2% Geſchichte der Griechiſchen Weltweisheit. 683 in großen, in verworfenen, wie in den edelſten finde *). Wenn man die Bruchftücke zufammennimmt, und mit einem andern Zeugriffe des Plato vergleicht **); fo kann man faum zweifeln ***), daß Anaragoras von der göftlis chen Subitanz felbft geglaubt habe, daß fie durch die ganze Welt verbreitet, und allenthalben die Urſache des Empfindens und Denfens ſey }). Allein wie er diefe alles durchdringende und befeetende Gottheit doc immer noch rein und undermifcht nennen konnte, und welchem befannten Körper er ihre und aller Seelen Subftanz fich am ähnlichften gedacht habe, wage ich nicht zu beftimmen, da er fie zwar die feinfte und geläutertfte aller Subftanzen nenne, aber ſowohl von Luft als von Aether unterfeheis det ++). Zuverläffig falſch aber ift es, daß er die Seele für eine aus Luft beftehende oder zufammengefezte Natur gehalten habe, wie der angebliche Plutarch +++) und Theo« doret +t+}) verſichert. Wahrfcheinlich hingegen, was eben diefe Männer berichten, daß er die Seelen für unver» gänglih, den Schlaf für eine bloße Veränderung des Koͤr⸗ *) Art, I. 2. de Anim. N p. 53 *, Mie ich an einem andern Drte gethan habe. 2) Ich nehme aud) hier die Bemerkung zurück, daß Ariftos teles in den beyden Stellen im zweyten Capitel feines erfien Buchs von der Seele fih eines Widerſpruchs fhuldig gemachte habe. Xriftoteles ftimmt vollfommen mit ſich jelbft, mit dem Plato, und mit dem angefuͤhr— ten Fragment des Anaragoras überein, + Man fehe die Fragmente beym Simplicius fol, 33. b. abgefihrieben habe ich dieſe Stelle ip der bifl, dodtr, de Deo, tn IV. 3. stm v. Serm, p. 545, 684 Fünftes Buch. Körpers, nicht der Seele, und den Tod für eine Tren- nung bes Denfenden Geiltes vom fterblichen $eibe gebalten habe *). | Hr Ueber die Zahl von Kräften, die er in der Seele annahm, wiſſen wir faft nichts beftimmtes, als daß er alten Thieren **) Leben, Empfindlichkeit, Begehrungs- vermögen und Denffraft zugeeignet, daß er ferner die Freyheit der Seele behauptet, und unvermeidliches Ver. haͤngniß, oder zwingende Nothwendigkeit für finnleere Kamen erflärt habe ***8). Nach dem Xriftoteles glaubte er, daß der Menfh Feine andere Bor: züge vor den Thieren, als feine Hände befize +), welche allein ihn zum vernünftigften unter allen empfin« denden Wefen machten, Mach dem Plutarch hingegen, der als Gefchichtfchreiber der Meynungen alter Weltwei- fen fehr tiefunter dem Stagiriten ftehr, lehrte Anaragoras, dak der Menſch an Beobachtungsgeift, an Umfang des Gedaͤchtniſſes, an Kunſt oder Geſchicklichkeiten, endlich an Weisheit alle übrige Ihiere, ohne alle Vergleichung übertreffe, und daß eben diefe Worzüge es ſeyn, wodurd) der Menfch alle Thiere fich unferehan mache, und warum er ihre Arbeiten und Kräfte nad) feinem Wohlgefallen brauche tt). Biel übereinftimmender mit feinen übrigen Grunde fügen, als diefer lezte Ausfpruch gemwefen feyn würde, waren feine Klagen über die Schwäche und Dunkelheit der u) — — — mn — m — — — —— — *) de Plae. V. 25. **) 1, 1, de Plant, Ariftot, #*#) Alexand. de fato C. 2. +) de Plant, I, 1. de Part, Anim, A, 1. p. 106. tt) VI. de fortuna 373. ©. Gefchichte der Griechifchen Weltweisheit. 685 der Sinne **). Anaragoras muſte nothwendig die Kenntniſſe, welche die Sinne uns von den aͤußern Ge— genſtaͤnden geben, für ſehr unzulaͤnglich, oder gar unrich— tig halten, weil fie uns nichts von der unendlichen Theil» barkeit der Körper, und der unendlichen Kieinheit und Vermiſchung der Homoiomerien fagen. Als ein auffals Iendes Bepipiel der Unfäbigfeit der Sinne, die wahre Beichaffenheir von Körpern zu entdeden, führte er die Beobachtung an: daß, wenn man Feuchtigfeiten von verichiedenen Farben nehme, und die eine tropfenweife in die andere fallen laffe, man alsdenn niemals vie allmäh: lige Verwandlung und Vermiſchung von Farben fo ſtuf— fenweife, als fie fich in der Matur eräugne, bemerfen koͤnne **). Aus diefen Erfahrungen und Vorderfäzen konnte Anaragoras allerdings fchließen, daß die Sinne unglaubwürdig, die Empfindungen und Vorſtellungen, die wir durch fie erhalten, trüglicy und mangelhaft, und daß alfo der forfchende Verftand der einzige Richter und Erforfcher der Wahrheit, oder der wahren Matur der Dinge ſey. Auch fonnte er behaupten, daß alle finnliche Gegenftände, und alfo aud) der Schnee nicht diejenige Farbe wirklich habe, die er zu haben fcheine, allein wenn er fagte, daß der Schnee ſchwarz fey, und zwar deßwegen ſchwarz fey, weil eraus ſchwarzem Waffer ent⸗ ᷣScc. adv, Mathem, VII, 90. evSey ouey Qvomare- vos Avafayorasıws andeves deaßadAav rar uc9nres, umo aDaveornros aurav Dycı & duvaroy eouevr newew T wAndges. TıYycı de mı- SW AUT TAS ETISINS, TV THALE MIREV Toy Kowuarmv EERRayM. 2A, ®*) Sext, ı. Hyp, Pyrrh, 23. & ihi Fabric, der die Zeugniffe des Cicero, Lartanz und Salen anführt. 686 Fuͤnftes Bud. entftehe , ober gar daß ihm der Schnee nicht einmal weiß ſcheine *); fo fagte er nicht nur efwas ungereimtes,, fon: dern aud) etwas, was mit feinen eigenen Mepnungen fteite **). So fehr Demofrit auch die Bemerfung deg Anaragorasrühmte***), daß man die unbefannten Eigen: fehaften der Dinge aus den befannten oder aus finnlichen Erſcheinungen erflären muͤſſe; fo war fie doch mit der $ehre von der Schwäche der Sinne nicht weniger unver einbar, als zween Gedanken, die Ariftoteles ung in fei- ner — — — — *) Acad. Quaeſt. IV, 31. Cie, Man ſehe aber doch auch a ss) Rein Skeptiker hat je behauptet, und Fein vernünftiger Menſch, der einer folchen Empfindung, als diejenige ift, welche die weiße Farbe verfchaft, fähig ift, kann es bes haupten, daß der Schnee ihm nicht weiß ſcheine; und ic) glaube daher, daß Cicero an der einen Stelle den Ge— danken des Anaragoras übertrieben habe. Wenn "der. leztere aber behauptete, daß der Schnee nicht weiß, fon: dern ſchwarz fey, weil er aus Waſſer entftehe; fo konn— te man ihn fragen, warum er glaube, daß feine Sinne ihm die Farbe des Waffers richtiger als die des Schnees angaͤben, und warum er unter den unzähligen Farben, die das Maffer zu haben feheint, vor allen andern die ſchwarze wähle? Man tonnte ihm endlich einen Trug— fehluß entgegen fezen, der aber ganz nad) feinem Wu: ſter gebildet ift: daß namlich alles Waſſer, wenigſtens alles Schneewafler weiß fey, weil es aus weißem Schnee entfiehe. Die Art, wie Hr. Heinius die Meynung des Anaragoras zu rechtfertigen ſucht, fcheint mir eben fo ſeltſam, als die Meynung felbjt zu ſeyn, & qu’ ainſi la neige paroit blanche fans Vetre effedtivementz qu'l ne faut pas fe fier A cette couleur; qu'elle n'eſt utile 3 quoique ce foit: & que celvi — la fe trom- persit beaucoup, gui employeroit In neige # blanchir les habsıs, | #68) YIl, 140, Sext, adv, Mathem. Geſchichte der Griechiſchen Weltweisheit. 687 ner Methaphyſik aufbehalten hat, es mit der Behauptung find, daßder Verſtand oder die Vernunft das Kriterium der Wahrheit ſey. Anaragoras erflärte erftlich feinen Freunden, daß alle Dinge fo befchaffen feyen, als fie ih nen fehienen *), und dann glaubte er, daß es zwifchen Seyn und Nichtfenn, oder zwiſchen zween widerſpre⸗ chenden Saͤzen nod) ein gewiffes Mittel gebe**), Denn wenn man etwas gutes und fchlechtes sufommenmifche, fo fey diefe Mifchung weder das eine noch das andere, Unter den Gedonfen des Anaragoras über die Nas eur und Entftehung von Menſchen, Thieren und Pflanzen eriffe man gleich merkwürdige Beyſpiele von feinen und richtigen Beobachtungen” und von ungeheuren Vermu— thungen und Seblfchlüffen an. Er lehrte, daß Menfchen (und wahrfdeinlich auch die übrigen Thiere) aus dem Saamen der Väter entftünden, und daß die Mutter nur den Plaz bergebe, worinn dev Embryo gebildet werde ***), Die | *) Arift..Metaph. Y. &. p. 63. Avafayoes de Hy 6ETF0- OIeyua uynmoveueray mgos Tov Erauemv TIvas, OF TOIRUTE KUTOIS ES TE OT, 0 Y UTO- Außwos., *) ib. Y.&.P- 68: öl Avafuyoos, EIVY Fi nerwfu Fns avrıDzcews‘ woe mavrı \eudn. Orav Yarg KIXIA, 8re ayaIov, BTE BR &Yya$ov To nıyaa. wse sdey ATEy aAndes. *e#) de Gen. Anim. A. a, p. 269. Cenſorinus zählt alfo faͤlſchlich den Anaxagoras unter denen auf, die geglaubt ‚hätten, da& der Menſch ſowohl aus dem Saamen der Mutter als des Vaters entſtehe, und eben fo wenig kann Anaragoras geſagt Haben, daß die Kinder derjenis gen Perfon ahnlich wurden, die am meilten Samen bergegeben hätte, e. 6, 698 Fünftes Buch, Die Urfache, wodurch der Saame zu einem lebenden Ger fchöpfe ausgebildet werde, überging er nicht mit Still: fehmeigen, mie Die meiften alten Weltweifen;- auch nannte er fie nicht Zufall oder Ohngefaͤhr, fondern eine ätherifche Wärme, oder eine görtliche bildende Kraft, wodurch der Saame organifirt, belebt, und allmählig in ein mit allen Gliedmaßen verfehenes Geſchoͤpf ausuearbeie fet werde *). Er hielt den Saamen für einen Ausfluß des Marfs, oder für eine Feuchtigkeit, die fich aus dem Mark abfondere, und der Stoff des Fleiſches ſowohl als des Fettes von Thieren fey. Zum Beweife berief erfich, wie Alfmäon von Kroten, und Demofrit von Abdera auf die Erfchöpfung oder den Verluſt von Marf ſowohl als von Fett und Fleifh, den alle Thiere nach einem zu oft wiederholten Benfchlaf litten. Das Geſchlecht Fünftiger Thiere werde, feiner Meynung nach **), vorzüglich dadurch beftimmt, ob ver namliche Saame von der rechten oder Iinfen Seite berfomme, Im erften Falle werde ein männliches , im enrgegengefezren Falle ein weibliches Ges fchöpf gebildet, Auch in der Bärmurter habe die rechre Seite den Vorzug, daß fie die Aufbewahrerinn männ« licher Geburten fey, da weibliche Embryonen die linfe Seite einnähmen ***). Anaragoras lehrte ferner, daß das Haupt oder das Gehirn, als der edelfte Theil des menfchlichen Körpers, als der Siz aller Empfindlichkeit und ®) Cenfor, de die nat, c. 6, Anaxagoras ante omnia ju- dieavit inerelsere cerebrum, unde omnes funt fen« fus,. — funt, qui aetherium colorem inefle arbitren- tur, qui membra difponat, Anaxagoram fecuti, 1.) A. &. p. 269. de Gen, Anim, *®#) Arift, ib, Geſchichte der Griechifchen Weltweisheit. 689 und die Urquelle aller Sinne zuerft vollender, und daß das angefangene Thier durd) den Nabel ernährt werde *). Diefe Beobachtungen hatte Anaragoras wahrfcheine lich eben der Zergliederungsfunft zu danfen, wodurch er die Monftrofirät eines Kopfs, aus weldyem der Zeichene deuter Lampon in Athen eine große Staatsveränderung weißagte, auf natürliche Urfachen zurückführte **), Wenn man diefe Bemerfungen eben gelefen bar; fo muß man nothmendig erftaunen, wenn man ferner lieft, daß der Urheber derfelben geglaubt habe, daß die Kaze durch das Maulgebahre, und daß Naben und Ibiſſe ſich mie ihren Schnäbeln vermifchten und dadurd) empfingen ***), Nicht minder feltfam, und des Anaragoras unwürdig war der Einfall, daß die Pflanzen und Gewächfe der Erde wirfliche Thiere ſeyen, daß fie gleich den Menfchen lebten, und daß fie eben fomohl Vergnügen und Schmerz em» pfänden, Ddächten, begehrten und verabfcheuten +). Anaragoras ging noch weiter als Empedofles und Des mofrit, ‚indem er ſagte, daß Pflanzen und Gemächfe gleich allen übrigen Thieren atymeten, oder $uft ein » und ausbauchten ++). Ihre Empfindlichfeit gegen Vergnügen und Schmerz ſchloß er aus dem Ausbrechen und Abfallen der “Blätter, Die er wahrfcheinlich, wie Empedofles, mit ®) c. 6. Cenf. de die nat, **) Plut, in vita Pericl, =) Y. 5, P. 253. Arift, de Gener. Anim, - +) de Plant. I. 1, Ariſt. ++) Kein Wunder alfo, wenn er, und Diogenes eben die⸗ fes von allen Fifhen behaupteten. Arift, de refpirat, l, 2 x * Er 690 Fünfte Buch, mit ähnlihen Erfcheinungen in thierifchen Körpern verglich”). Wenn er die Erde die gemeinfchaftliche Muts ter, und die Sonne den gemeinfhaftlichen Water aller Pflanzen und Gewächfe nannte ; fo ſtimmten diefe Bilder mit dem Sprachgebrauh, menigftens dem dichterifchen Sprachgebraud) faft aller Wölfer überein **). Ein Zeitgenoß des Anaragoras war Demofrit von Abdera, ein Schüler oder Freund des Leukipp. Mad) den außerordentlichen Lobſpruͤchen, momit die größten Männer den Demofrit erhoben haben, follte man ihn für eines der allgemeinften und erfinderifchften Genies hals een, welche Griechenland hervorgebracht hat. Unter⸗ ſucht man hingegen die Fragmente und Gebanfen diefes Weltweiſen unpartheyiſch; fo wird man "geneigt zu glau« ben, daß er in den Zeiten des Urfprungs der wiſſen⸗ fehaftlichen Kenntniffe unter den Griechen, nicht aber zugleich) mit dem Anaragoras gelebt, und erft nad ihm ge: r — — *) ib, **) de Plant. 1. 2. Anaxagoras flellte, wie die meiften al ten Weltmweifen, Betrachtungen über die Natur und Vers hältniffe von Größen, und über die Urfachen von Kranfs heiten an, welche leztere die erſten Unterfucher der Wahrheie und Natur, als die merkwürdigften Erfcheis nungen anfehen muften. Bon diefen medieinifchen aber und geometrifhen Kenneniffen haben fih, fo viel ich weiß, nur zwey Bruchſtuͤcke erhalten: die Meynung nämlich), daß die Galle die Urſache hiziger Krankheiten fey, (Arift, de part, Anim. A. B. p. 84) und dann das Zeugniß des Plutarch: daß Anaragoras im Gefängniffe über die Quadratur des Zirkels gefchrieben habe. Wenn dieſe Nachricht richtig wäre; fo müßte die Größen: lehre von Pythagoras bis auf den Anaragoras fihnelfe Fortgaͤnge gemacht haben, m Geſchichte der Griechiſchen Weltweisheit. Gyr geſchrieben habe. Wenn man den Pythagoras aus⸗ nimmt, ſo iſt unter den aͤltern Weltweiſen keiner (und eben dieſes iſt der ſicherſte Beweis des allgemeinen Ruhms, den er im ganzen Alterthume gehabt hat) welchem man ſo viele große und wunderbare Thaten zugetraut und zugeeignet, dem man aber auch unter und neben dieſen Wun⸗ dern fo viele Narrheiten und ungereimte Schriften ange« dichtet hat, als dem Demokrit. Man ließ ihn, wie den Pythagoras, unter die entfernteften Völker Afrifens und Afiens reifen, und fogar von fic) felbft fagen, daß er achtzig Fahre in fremden Sändern zugebracht habe *). Man machte ihn, wie den Pythagoras, mitden verborgen« ften Kräften der Dinge befannt , und rühmte die Wun« der, die er vermöge diefer Vertraulichkeit mit den Ges heimniffen der Natur verrichtet, und die Weißagungen, wodurch er feine Zeitgenoffen in Erftaunen geſezt, und ſich felbft das Anſehen eines göttlichen Mannes erworben habe, Man erzählte, daß er fein ganzes $eben mit der Unterfuchung von Kräutern, Steinen und andern natürlie Er.2 dien — 2) ap. Clem. Alex, Strom, ı. p. 304. &Yw de Tav nr EHOUTOV AVIE@TRy Yny RASNV EVERARNTEUN, isogEwv TR MNKISO. Koy WEOUS TE Hy Yeas TAASaS esdov, ac Avyımy avdenmwv FAeSay EONRBOG. no Yonpewv auvSsgios MET &770- deifios ads um me maenAuker, &d ci Asyu Tray noNsouevor Agrredov amroy. cuv Tors d’ ers mac Em ErE oydanovra emı Eewns eyevunInv. Die Bemweisftellen für die übrigen Behauptungen diefes Abfazes kann man im Leben des Demofrit von Brus der, und in Baylens Wörterbuch Article Democrite finden. 692 Fünftes Buch. chen Körpern zugebracht, und daß er, um biefen Unter⸗ ſuchungen deſto ungeftörter nachhängen zu koͤnnen, fi) von aller menſchlichen Gefellfchaft in die Wohnungen der Todten zuruͤckgezogen habe. Zugleich aber fagte man auch (und anfangs gewiß in der Abſicht, den Namen des Demofrit zu erhöhen, und ohne zu bemerfen, daß man etwas widerſprechendes vorbrachte) daß diefer unermuͤdete Beobachter der Natur unfinnig genug geweſen fen, ſich feibft die Augen auszureißen, mit deren Verluſte alle Weſen, deren Kräften er nachfpürte, ſich mit emiger Finfterniß würden bedecft haben, und daß eben diefer feyerliche einfiedlerifche Weiſe, der aus den Berfammlun- gen der Menfchen in die ruhigen Werfftäte der todten Natur floh, ſich die Mühe gegeben habe, die Thorheiten der Menfchen beftändigzu belachen, wie Heraflit fie follte beweint haben. Alle diefe mit einander ftreitende Mähr- chen *) werden von den größten Gchriftftellern der Gries hen und Roͤmer geglaubt, oder doch angeführt, und man Eann es daher dem Pöbel im Zeitalter des Plinius und Apufejus nich übel nehmen, wenn er ben Demofrit für einen — — — — u. — * Zu dieſen Maͤhrchen gehoͤrt auch die Sage, daß die we: gen ihres Blödfinns berüchtigten Abderiten den Demo: Erit eben deßwegen, weil er ganz anders lebte und han delte als fie, für verrückt gehalten, und den Hippokra— tes gerufen hätten, um ihren Mitbürger zu heilen: daß aber Hippofrates die Weisheit des Demofrit bald erkannt, und die Krankheit, deven man ihn geargwohnt hatte, den Abderiten vorgeworfen habe. Diefe Erzäh: lung ‘verdient eben fo wenig als die übrigen eine ernft- liche Widerlegung, weil fie gleich. den Briefen, die De— mokrit und Hippokrates gewechfelt haben follen, fait ‚gar nicht zu verkennende Spuren dev Erdichtung an fich tragen. Geſchichte der Griechiſchen Weltweisheit. 693 einen der erſten hielt, der uͤbernatuͤrliche oder magiſche Kuͤnſte auf ſeinen langwierigen Reiſen gelernt, und ſie in gewiſſen Schriften andern zum Nuzen vorgetragen abe, h Demokrit, Zeno, Meliffus, und Hippofrates find Iehrende Beyſpiele, daß der Gedanfe eines einzigen Welke ordnenden und regierenden vernünftigen Wefens nicht nur fehr ſchwer zu finden, fondern auch ſchwer zu faffen und zu verbreiten war, und daß er den größten Geiftern an⸗ fangs nicht einmal wahrſcheinlich gemwefen fe, Wer erftaunt nicht, wenn er findet, daß Demofrit, der mit den Werfen des Anaragoras befannt, und nicht allein nicht feindfelig gegen ihn gefinnt war, fondern mehrere feiner Gedanfen lobte und annahm, daß diefer die vom Anaragoras verfündigten Wahrheiten gegen die wilden grundlofen Träume des $eufipp verworfen habe? Des maokrit behauptete, mie fein Lehrer, daß ein unendlich ausgefpannter leerer Raum, und eine unendliche Menge untheilbarer Subftanzen von verfchiebenen Figuren und | Größen die Principia oder Grundurfachen feyen, aus welchen alle Dinge entweder durchs Shngefähr, ober durch die ewigen Gefeze der Bewegung und Nothwendig⸗ keit, ober durch die abfichtlofen Wirkungen einer blinden Natur hervorgebracht worden *). Er eignete beyden auch | ER3 die⸗ — — a — — — *) Man ſehe Diog. IX. 45. Ariſt. Phyf, II. 4. Metaph, 1. 4. 4 p 4 Plut, ap, Euſ. Praep. Evang. 1. 8. Plato hatte une ſtreitig auch im zehnten Buche ſeiner Geſeze den Demokrit, dem er unhold war, im Sinne, wenn er ſagte: pP. 605. Edit, Baf, Gr, — — — MUg Ra vowE Hay Ynv noy neon, Luca TaVT% Eeıvoti 694 Fünftes Buch). diefelbigen Eigenfchaften zu, die Leukipp ihnen bengelege hatte: dem einen Fähigkeit fid nach allen Seiten durch⸗ dringen zu laffen, den andern unübermindliche Feſtigkeit, oder Undurddringlichfeit %). Er faate ferner mit dem Leukipp, daß nur diefe allein wirkliche, für ſich beftehende Dinge, die Körper hingegen, wie ihre Eigenfchaften, bloße Erfheinungen feyen, die aus der Zufammenfezung son Atomen, und von Theildyen des leeren Raums ents ftüns — EIOY Ko FUXn Dası, rexXvn de 8dev TETaV. nor Tx KETE TOTER KUTWMRTE YAS TE Heu MAIS WEANvKS ase@v Te Mali, I TETm Yeyovevas TavTeAws ovray enluyav. FuXn de :Degonevo Ty Tns duvanews Ense Enaswv, m Euren iw- HEV KCHOTTOVT OIKEIOS TS, Yegua Wuxeoss, n Eneo weos Üyen, us morona mweos anAngo" Ku MAVTE 0MOTE TN TwVy EVEVTIRVy KELTE Ko- Ta TuUXnv EE avayuns auynenenetn. ToUrNncH KAT TAUTE ETW YeyEVonKEevas Tov TE BERVov h oAov, x Cum av ns Dura Zuumarro wewv MACHV Eu TETWV Yevouevay. &de dia vev Oxaow, 3de din rıva Yeov, ade din Texunv, aM 0 Aec- Youev, Duses nos TUXn. TEXvnv de Usegav en TETay Useeay Yevomeyay aurnv Ivyryv ex Jvn- FTov. x. T. A. Demofrit nahm wie alle alte Welte soeife an, daß unmöglich etwas aus nichts entfteher koͤnne. Plut, adv. col, X. p. 561, und als einen Bes weis, daß nicht alles entftanden fey, führte er das Beyſpiel der Zeit an, welche grängenlos oder ewig fey. Arift. Phyf. Aufe, VII. I. ®) Grinannte den leeren Raum oft under, bie Atome der oder Aeces. p. 561. 69. X, adv, Colot, und gab bey⸗ den gleiche Realität und Unmandelbarkeit des Subſtanz Arik, & Dlut, Ile, Gefchichte dev Griechifchen Weltweisheit. 605 ftünden *), und mit deren Trennung auch wieder untere gingen, . Endlich ſtimmte er feinem Meifter bey, wenn er lehrte, daß die Verfchiedenheit der Kräfte und Eigen» fhaften von Körpern aus der verfchiedenen Geſtalt, Lage, und Ordnung der Atomen entflünden, und daß aus dies fen Grundförpern unzählige längft untergegangene Wel⸗ ten zuſammengewirbelt worben, und eben fo viele in der Zufunft noch zufammengefezt werden würden **). Wenn Demofrit in allen diefen Duncten vom $eufipp etwas ab» wich, fo war es in der felffamen Einbildung, daß unter den unendlich vielen Welten, dieausden Atomen entjtans den wären und entftehen würden, fehr viele ***) einander vollfommen gleiche gewefen feyen, und ſeyn würden. Xx 4 Indem —⸗ 2) Ariſt. Metaph. 1. 4. & Sext. VII. 135. @Andes E EV TOIS EOW URÄLENE TO KTOUBS Eivoy, Kol HEvov. vouw Yae Dyos YyAuav, Kes Vouw TFIREOV, voumJeeuor, vonw WuxXeov, vouw Xeom. eren E, Top Ko HEVoV, TER vonslercs EV Eiwete us dogaleru vw niodnra, 84 851 de kur aAyIeay Taura. AA TE Mreun Movov Hu Ta . BEVoV. “) Diog. 1. e. #*%) IV. Acad, quaeft, Cie, 40, Sin agis verecundius, & me accufas, non quod tuis rationibus non aflentiar, fed quod nullis: vincam animum: cuique aflentiar deligam, Quem potifimum? quem? Democritum! femper enim, ut feitis, ftudiofus nobilitatis fui. Ur- gebor jam omnium veftrum convicio. Tunc aut inane quidquam putes effe — — — & alins ejusdem- modi mundos eſſe? & ut nos nunc fumus ad Baulos, Puteolosque videmus, fie innumerabiles paribus in lo- eis eſſe, eisdem nominibus, honoribur, rebus geftis, ’ Ängenlie, formis, astatibus, eisdem de rebus dilpn- kantes, 696 Fuͤnftes Buch. Indem Demokrit dieſe feiner Landsleute mehr als feiner ſelbſt wuͤrdige Gedanken mit einer Nachlaͤſſig⸗ keit hinwarf, als wenn eben der Zufall, den er fuͤr den Schoͤpfer der Welt hielt, ſie ihm zugefuͤhrt haͤtte; ſo dachte er ſo wenig daran, ſie zu beweiſen, daß er es vielmehr als einen Grundſaz feſtſezte: daß man von dem, was ewig, oder was beſtaͤndig geſchehen ſey, gar nicht die Urſachen zu wiſſen verlangen muͤſſe. Dies ſey eben ſo laͤcherlich, als wenn man den Anfang der Ewigkeit oder die Graͤnzen des Unendlichen erforſchen wolle *). Ariſtoteles ſchreibt ihm zwar die Ehre zu, den erſten An fang, Begriffe und Ausdruͤcke zu erklären, gemacht zu haben **); er meldet aber Doch zugleich, daß Demofrit faft immer nur gefagt habe, daß etwas fey, oder wie er fi) etwas vorftelle; niemals oder felten aber, warum etwas fo fey, oder aus welchen Gründen er ſich Sachen fo und nicht anders denke ***), Die ) Arift, de Generat, Anim, ß. 5. P- 322. 8 naAws de Aeyscıy — 00054 AEYEOW , OT ETWS es Yıveroy. Ko TOUTNV esvoy vouslsaw aEXHV eures, WoTFeR Annongires o Aßdnerens, orı T8 pev es noy umegs en esıv aexn. To de darı, wexn. To de LE, UTFEILOV. WIE TO ELWTRV, TOoHETI, LEXN;5 ro de ATWEIEOV. BTE TO ELWTEV, To dir, WEL Toy TasTav TWwos, 70 (nrw emo Dycs TE KTHLB KENN. ©%) de part. Anim. I. I. p. 8. ”*") de Gen, Anim, E. 9. p. 35, Anuoxeıros de, To & Evenn aßes Aeyav, Havra avayeı ois Xen- Ton Puoıs, 801 MeV TABTOS, 8 un, @N &ve- æce TWos 804, Ne TE Meg inasov PBeAriovos KREI. Geſchichte der riechifchen Weltweisheit. 697 Dieſer rohen und allen Gefezen der gefunden Ver⸗ nunft zumiderlaufenden Methode entfprechen vollfommen alle übrige Meynungen über Gegenftände und Erſchei— nungen der Natur, fo viel man uns deren aufbehalten hat, Wenn er auch nicht, wie Anaragoras, die Sonne für eine glühende ſteinigte Maffe hielt *); fo nahm er dod) vom Weltweifen von Klazomene wenigfteng die Erklärung der Milchftraße an *). Die Kometen aber hielt er nicht bloß für Erfcheinungen, fondern für himmliſche Körper, die zu Firfternen ausgebrannt würs den, indem fid) nad) der Verſchwindung von Kometen oft neue Geftirne zeigten ***). Auch ſcheint er wie derum die Verwandelung von Firfternen in Kometen ges glaubt zu haben +): wenigitens behauptete er, daß bey Verwandlungen oder dem Untergange von Welten und bimmlifchen Körpern gewiffe Bruchſtuͤcke oder Theile in unfern Dunftfreis bereingefchleudert, und eben dadurch feltene epidemifche Krankheiten hervorgebracht würden ft). Er vermuthete, daß es außer den befannten Plane» ten noch mehrere Irrſterne gebe; er gab aber weder ihre Zahl noch ihre Namen an. Seneca, der ung diefes berichtet, ſezt hinzu, daß zu den Zeiten diefes feharf. Er s ſin⸗ — — — — — — — — *) Wie Stobaͤus fagt, p. 56. Eel. phyſ. Nach dem Plu— tarch beym Euſebius glaubte er, daß fie urſpruüngtich unſrer Erde aͤhnlich, und ohne allen Glanz und Licht geweſen ſey, daß fie aber in der Folge fich verarbßert, und Feuer in fih aufgenommen habe. ap, Eul, Pcaep. Evang. 1.8. - **) Meteor. Arift, ı, 8. ws, ib. 1.6. p. 13. +) ib, +}) VIII 9 Plut, Sympoß, p. 924. 698 | Fünftes Bud). finnigften aller alten Weltweifen der Lauf und die Bene: gungen der Planeten nody nicht bekannt oder berednet geweſen feyen *). Die Erpbeben leitete Demofrit aus der Gewalt und den Wirfungen des Waffers, oder der duft, oder auch bender Elemente her **), Er ftellte ſich die Erde als einen löcherichten, mit vielen Höhlen durchbrochenen Körper vor, der alfo erſchuͤttert werben Fönne, menn Woffermaffen, die ſich in geriffen Höhlen gefammlet hätten, entweder den Boden erweichten oder durchbraͤ—⸗ chen, ober wenn der Wind große Säulen von Waffer binanwerfe, ober wenn endlich die eingefchloffene Luft, dievon allen Seiten bineindringe, Feinen Ausgang finden koͤnne. Ariſtoteles vermwirft diefe Erflärung des Erdbe⸗ bens eben fo wohl, als eine andere Meynung des Des mofrit; daß das Meer ſich vermindern, und zulezt ganz verfchminden werde ***). Diefe Vermuthung, ſagt Ari- ſtoteles, iſt der Aeſopiſchen Erdichtung aͤhnlich, nach welcher die Charybdes durch einen einzigen Schluck oder Zug die Berge, durch einen zweyten die Inſeln ſichtbar machte, und durd) einen dritten das ganze Meer ver ſchlingen, und alles fefte Sand trocken machen wird, Weber die Natur der Seele irrte er auf eine ihm ganz eigenthümliche, oder doc; nur des Seufipp feiner ähnliche Art. Er glaubte, daß die Seelen der Men- fchen mit dem Feuer von gleicher Natur, oder aus den» fel: — *) VII 3. Nat. Quaeſt. ”") B. ce, 7. Meteor, Arift, p. 61. Senet, Nat, Quaelt, VI 20, “u) Meteor, 6. c. 3. pP. 43» Gefchichte der Griechiſchen Weltweisheit. 699 felbigen Beftandtheilen, naͤmlich fphärifchen Atomen zus fammengefezt feyen, Die wegen ihrer Kleinbeit und Ges ſtalt die größte Beweglichkeit hätten *), Solche fphärl- ſche Grundförperchen feyen in unzähliger Menge durd) die Luft zerſtreut, welchen er eben den Namen gab, wo⸗ mit er den ganzen Inbegriff menſchlicher Erkenntniß— Eräfte**), oder richtiger, womit er die ganze Gubftang menfchlicher Seelen ausdrücte. Er hielt nicht, ‚wie die meiſten Griechifchen Weltweifen, gewiſſe Kräfte und Theile der Seele; für höhern Urfprungs oder erhabnerer Natur, als andere; fondern fezte alle Seelen aus gleich« artigen Elementen zufammen, und leitete ihre Faͤhigkei— ten ausden urfprünglichen Bewegungen diefer Atomen ab, von #%) Ariſt. de Anima 1, 2, 09ev Anporgıros wev, ze xy IYegnov Dyow aurnv eıay. ATELOV YaE cu. Tœv OXNMETOV, Ho Aroma, To ODeseoss du. zug #ay yuxmv Asyes. — Aypoxgiros de 0 YArQvgwregws TETWV Enoregov. uxav ev yap ewey Teure #04 v8V. TETO de Eivaj En Toy TERTWv Ko ordsot- eerwv awuaray. Kumrızov de, dia Kingonecescev KU TO ONAMR. TOV DE OYNUETRy EUKWNTOTE- Tov, To aDemgoeross Aeya. Tossrov de zw Tov TE vEy Kay To zvVe. Philopon fagt in feinen Commentar über- diefe Stelle: dab die Mörter evsuos, badnyn, und TEOARN, wodurch Demo: Erit die Figur, Ordnung und Lage der Atomen aus— drückte, Abderitifche Wörter geweſen feyen. *®) ib. & de refpirat, e. 1. er Yyap Tw aeg ToAuy REITuEV Eıvay Toy TOrsTwy, 2 vaAer EXesvos yay vo buxar. 700 Fünfte Bud). von welchen er weiter feinen Grund angab, Die Seele *) bewege den Körper, weil und wie fie felbft beweger werde: und ihre Beſtandtheile feyen in einer beftändigen Bewe— gung, weil diefe, vermöge ihrer Natur, nicht ruhen könnten, Bey Anführung diefer Meynung fann Ariſto⸗ teles ſich einer Spötterey nicht enthalten, welches ihm fonft nur felten begegnet. Demofrit, fagt er, bewege den Menſchen durd) feine fpharifdien Atomen, wie der Komiker Philipp fagte, daß Dädalus eine hölzerne Ve⸗ nus durd) Queckſilber beweglich gemacht habe **). So wie er bie Bewegungen der Seele durch sigenmächtig angenommene Kräfte der Atomen entjiehen und auf einander folgen ließ; fo fuchte er auch die Er— haltung und den Untergang der Seele aus Wirkungen von Nomen zu erflären, Die gänzlich erdichtet waren, die man mit eben fo vielem Grunde abläugnen Fonnte, als er fie vorausfezte, und von weichen er auch nicht ein» mal faite, daß die Natur fie hervorzubringen die Abfiche gehabt babe. Unſerm Körper, glaubte Demofrit, fey ein gewiffer Theil von fphärifchen Atomen eingewebt, welche die Seele ausmachten. Diefe Beftandtheile der Seele würden aber durch die von allen Seiten auf den Körper druͤckende Luſt bald gaͤnzlich hHerausgebreßt werden, wenn nicht die in der Atmosphaͤre verbreiteten, der Seele verfchiifterten Atomen ihr zu Hülfe eilten, Indem wir | dieſe —r i—— — »RNi. 3. de Anim. Ariſt. ) ib, Daß Demekein dem Menſchen alle Frevheit dee Willens abſprach, wuͤrde man allein ſchon aus dieſen Bären ſchließen koͤnnen, wenn auch nicht Cicero de fato e, 17. 88 beſtaͤtigte Gefchichte der Griechiſchen Weltweigheit, 701 diefe durch das Einathmen an ung zögen, verhinderten fie, daß nicht die Seelentheife vom Körper abgelöft oder herausgetrieben würden. Auf Ein- und Aushauchen der Luft beruhe Leben und Tod, und der Mienfch müßte noth» wendig fterben, wenn die ganze Subſtanz der Eeele durch die Einmwirfungen der ung umgebenden Luft aus dem Körper herausgedruͤckt und zerftreut worden *), Wunderbar würde es ſeyn, daß eben der Mann, der bie Seelen der Menfchen allmäblig zuſammenſchwinden und ver⸗ — ®) de Reſpir. 1, Ariſt. Annoxeıres , orı nev en rs svamvons auuBasves TI TOIS AVATVESTI AEYer, Dasnuv nonuesv enIAr Bert Favbunm' 8 nev Fol WS TETE YE Evena FOmTas iv TETo ryv Qu- a, adey escnnev. 0AwS Ya warree nu ol ac Qusma, ns 8ros 8dev urreres TNS Tours urıns. Aeyes d’ ws n un neu To Seouov Tau- Toy TO TEWTE EXnuara Tav a Dongoeidwv. EX- KEIOMEV@V 89 KUT@V URO TE MERIENOVTOS EXAI- Bavros, Bongesav ywergas ryv avamvonv Drow. ev yap Tw dep MoAuv aIIKoV Eweu Toy TOI8- Tay, 06 HocAer EHEsVOS vEV nos WUXHV. OVaTrVvEov- Tos 8V MH EITIOVTOS TE WEROS, TUVETIOOTE TO au avaeyorra av SAnbıv, K@Aves TNVy EvaCY ros lwois Ousvas Yuxmv. nous dia TETo ev Tw DLVOETFVEIV HK EHTEVER Eiva TO (NV Ho To amo- Iynozesv. orov YEL HERTNTO .MEQIENov TUV- Sarßov, zu unners vo Jueader eoiov 8 du- yorTcrı MVEIOYEIV, MN ÖvyaMEeVB MVamvem, To TE ouußuvew rov IJavarov , Tas Caoıs. Eıvou YaR Tor Savarov, TW Ta TAIETOV INNMAETOY E% 73 0wunvos efodev 4 Tus TE Meg EXovras 9 Anbews. 702 — Fuͤnftes Buch. verfllegen ließ, ſich und andere mit der Hoffnung ſchmei⸗ chelte, daß man dereinſt wieder aufleben, oder daß alle Theile, die vormals eine Perſon ausmachten, in der Zukunft auf eben die Art, wie im erſten Leben zus fammengefügt werden Fönnten*). — wenn nicht eben die- fer Mann geglaubt hätte, daß ganze und nod) dazu uns zäblige Welten einander vollfommen gleich wären, und gemefen feyn "*), Wenn — — — — ) VIE 55. Plan. wi) Sch fehe nicht ein, mit welchem Grunde Tufe. Quaeft, 1. 34. Epikur dem Dewmokrit vorwerfen fonnte, daß er dem Menfchen nod) nad) dem Tode des Körpers ewi⸗ ges Gefühl übrig laſſe. Aber recht gut kann man es ans der angeführten Stelle des Ariftoteles erklären, wo— ber die falfchen Auslegungen der Meynung des Demos krit entſtanden ſeyen, nach welchen er eine Gottheie von feuriger Subftanz behauptet, (de Plac, 1. 7.) oder auch die Natur, aus welcher diefe Seelen und die göttlichen Bilder entfprüngen, für göttliche Weſen gehalten, und endlich den Atomen eine gewiſſe lebende Kraft zugeeignee haben foll. de Nat. Deor, Cicer. I, ı2. Tufe, Quaeft, 1.0.18. Demofrit nannte die fphärifchen Atomen, wel: che die Beftandtheile des Feuers wie der Seele feyen, yes no Wuxn: daher der Irrthum, daß er einen göttlichen ves, ein göttliches verftändiges Weſen von feuriger Subftanz behauptet habe. Er glaubte, daß aus der Vereinigung geroiffer Atomen Feuer, Leben und Seelen entjtünden, daher der falſche allgemeine Sa;: daß er allen Atomen eine gewiſſe lebende Kraft zuge- ſchrieben habe. — Endlich ſprach er von gewiſſen gött« lichen Bildern, die er wie die Seelen aus fphärifchen Atomen entfichen ließ, und hieraus Schloß man, da er die leztern auch für göttlich gehalten habe, So gen waltſam dieſer Schluß war; fo gänzlich falfch war die ſchul⸗ Gefihichte der Griechifchen Weltweisheit. 703 Wenn aber Demofrit gleich die ganze Seele aus denfelbigen Elementen zufammenfezte, und Ausdrücke als gleichgeltend brauchte, womit andere ganz ungleich: artige Theile und Kräfte der Seele bezeichneten ; fo unter« fhied er doch Empfindungsvermögen von Denkkraft, oder Verftand, und eignete der leztern, wenigftens an mans chen Orten Vorzüge zu, die er den Sinnen gänzlich ab- ſprach. Er verwarf bie leztern, als ganz unzulänglic) zur Erkenntnis dee Wahrheit, indem wir durd) fie dass jenige, was allein wirflicd) fey, Das Leere und die Ato— men gar nicht wahrnähmen, und nur allein Gegenftände und Eigenfchaften empfänden, die das nicht waͤren, was fie fhienen. Alle Kenntniffe, die wie durd) fie erlang- ten, ſeyn dunkel, und nur diejenigen rein und ächt, Die wir unferee Vernunft und unſerm Verſtande zu verdanfen hätten **). In der Behauptung diefes Vorzugs des | Vers — —rs — Beſchuldigung des Epikurers Vellejus, den Cicero ſo viele unrichtige Nachrichten, und ungegruͤndeten Tadel vortragen laͤßt, daß Demokrit die Seelen der Menſchen fuͤr Götter angeſehen habe. de Nat, Deor. I. ı2. *) Man fehe Sext, adv. Math. VII. 135. 136. bef. aber 138. ſ. &v de Tois Rovonı, duo Dow zıvay yvwrass. Tnv Ev div Fav wıeInsewv, vnv de din Fns dievoss. av Tyy mev dia TIS diavoias Yınamy Haraye MEOOUMETUEWV uurN To mısov 5 AANFEKS KE1- ow. nv de din Fwv uoIncewv arorinv ovoundes, RDILeBMEVoS KUTNS To WEoS diayvacıy TE a@AN- Ges umAnves. Asyes de ur Aeew. Yvauns de dvo eıaw ıdını, 7 ev yvncm. 9 de onorm. zog cuorms ev vor de auumavroe, onbıs, aunon, odien, yeuoıs, Wavsis, n de ynom, ÜWOKERRUMMEIM E TARUTTS. 4 Fuͤnftes Buch. Verſtandes vor den Sinnen beharrte Demokrit eben fo wenig, als viele andere ältere Weltweiſen. Er klagte, daß wir im Grunde nichts richtig und zuverläffig erfenn» ten: daß unfere Meynungen gänzlich von den Zuftäns den unfers Körpers abhängig feyen, und daß endlich die Waohrheit gleichfam in einem tiefen Brunnen vergraben lies ge, aus welchen fie durch Feine menjchliche Kraft hers vorgezogen werden koͤnne *), Faſt alle Ueberbleibfel der Demofritifchen Narurs Ichre enihalten Faum gedenfbare Ungereimtheiten, und fehiivern den Zuftand der Wiſſenſchaften furz vor dem Sokrates eben fo lebhaft als die Denfungsarı des Mans ned, von dem fie herrühren. eine Lehre von den Bildern zeigt vorzüglich, wie wenia er die Natur Fannte, da er ihr noch fo etwas andichten Fonnte; und wenn Epifur in der Folge diefe Bilder vom Demofrie ans nahm; fo gab er dadurd) einen fichern Beweis, daß nichts fo ſeltſames gefräumet werden fonne, was nicht feine Berrheidiger und Bewunderer fände, und daß er die Natur nidyt genauer als Demofrit erforfcht hatte. festerer glaubte, daß gemiffe feine Bilder fich zu allen Zeiten von allen Körpern, vorzuͤglich von thierijchen abs löften, und dieſen nicht nur ähnlich feyn, fondern auch ihre aanze Denfzund Gemuͤthsart ausdräckten, und an ſich hätten, wenn fie anders vollftändig und —— M⸗ 9 Dlog. IX. 137. Cicer. Ac, Quaeft, IV, 10. Sext, VII. 137 Ev de ro TEL ıdewv YıyV@THew TE Xen, Dow, avfemmeov Tw de rw uavovs, OTI ETENS an Auz- Toy. no mov, OnAos mev dn Hay Bros ö Aoyos, ori ETEN BOEV ITUEV WTEg 80svos. PINS errieusum Ina 9 do&ıs. #04 ET, nasror ÖnAcv E54 071 ren oloy ENESOV Yıyvmanev, 2v AlyAw esw. Ariſtot. Metaph. Y.E. p. 62. so Annongiros ye On- Fir, NrO adey Eivcy aAndes, n na y —* Geſchichte der Griechifchen Weltweisheit. 705 ftämmelt blieben *). Unverſehrt aber erhielten, fie fich am meiften in einer reinen und hellen tuft, da hingegen eine dicke, ungleiche, und fich oft verändernde Luft die Bilder auf mancherley Art ſchwaͤche und verunftalte, Er behauptete ferner, daß diefe Geftalten ſich um defto häufiger ablöften, und deſto ausdrucksvoller, und ihren Urbildern ähnlicher würden, je feuriger und lebhafter die Körper wären, von denen fie abflöffen. Sie feyen ed, welche durch die feinen Deffnungen der Haut und des Körpers durchdrängen, die Seelen der Träumenden beruͤhrten, und in ihnen die Gefichter aller der Gegen, ftände hervorbrächten, die fie wirklich zu fehen glaub⸗ ten *). Außer diefen Simulacris, die fich von wirks lichen Gegenftänden trennten, nahm Demokrit noch ans dere an, die fich von ohngefähr aus den in der $uft, oder in dem unendlichen leeren Raume herumfliegenden Atomen bildeten. Dieſe Geftalten feyen fo wohl gut⸗ als ®) Sext, IX. 19. Annoxgıros de adaAz rıya Onciv ap- Meran TS AVIEWFUS. Kl TETOV Ta new evay ayadorow; Ta de nanomo. evdev na EUXETOHL EUAOYay TUXEW EidwAmv. zivau de raslos peyarz Te nu vmep meyegn, cu doo@Iaera PEV, 3% RDIaer% de, Teoonuamvey TE To — Fors avIewros Hemegusvı, xy Dw- yas MDivra. 0DEVv TETWVv durav Davraoıcy Außovres ol aA, vmevoncav eıvan Oso undevos uRE MALER TaUTra ovros Des, TE &PIaerov Dvaw exovros & ſ. 42. va de edwAn Eivay EV Tw MEQIENOVTı UmeeQDuN , noy avIewro eideis moeDas exovro &c, vide & Vellej. ap. Cic, I. ı2. de Nat, Deorum, ®#) Sympof, VIII, 10. Plut. p. 930, 31, Edit. Reiskii, D) 706 Fuͤnftes Buch. als busartig, von ungeheurer Größe und langdaurend, äber nicht unverganglih, Sie näherten fich bisweilen dem Menichen, und zeigten ihm durch Bewegungen and Stimmen die Zufunft an *). Ihre Ericheinuns “gen hätten in den eriten Sterblichen Begriffe von Goͤt⸗ tern, oder von Weſen, von denen fie felbjt an Macht und Wiffenfchaft ſehr weit übertroffen würden, hervorge⸗ bracht **). Er hielt ed aber doch auch für wahrſchein⸗ ich, daß ungewöhnliche Erſcheinungen am Himmel, wie Sonnen » und Monpfinfterniffen oder andere furchts Bare Phänomene der luft, in den Menfchen den Gevanfen von höhern mächtigern Naturen veranlagt hätten ***7, Er ſelbſt wuͤnſchte inbrünftig, dag ihm niemals andere, als wohlthaͤtige gottlicye Bilder aufftogen möchten, und _ fäugnete zugleich, daß es außer ihnen noch andere uns ſterbliche göttliche Naturen gebe. So feltfam es aber klingt, daß ein Mann, der das Dafenn der Gortheit oder der Götter Täugnete, ſich vor einer Art von Ges fpenftern oder Hirngefpinften fürchtete; fo wenig ftreis tend war diefe Furcht mic feinem Syfteme, oder fo mes nig Fonnte er diefe Furcht durd) Grunpfäze feines Sy⸗ ſtems wegraͤumen. Denn wenn das Ohngefaͤhr aus A ’ {04 ůÿIIöSI)R)°ò— — &) Demokrit glaubte nicht bloß, daß große menſchenaͤhn⸗ lihe Simulacra die Zukunft vorher verfündigten, fons dern daß man auch viele Fünftige Begebenheiten aus den Eingeweiden der Thiere vorheriehen fünne. Democri- tus autem cenfet, fapienter inftituiffe veteres, ut hoftiarum immolatarum infpicerentur exta, quorum ex habitu atque colore tum falubritatis tum peftilen- tiae figna pereipi;5 nonnunquam etism, quae fit vel fterilitatis agrorum, vel fertilitatis futura. Cie. de Divinat. 1. 57. Cicero rechnet daher den Demokrit mit unter diejenigen Philoſophen, die an Divination glaub⸗ ten, 1.3. II, 13, ib, we) 1X, Sext. 19. 42, ee%) ib, f, 24, Geſchichte der Griechifchen Weltweisheit. 707 Atomen Welten, und gute und böfe Menfchen hetvor—⸗ bringen Fonnte; warum auch nicht Wefen, die dem Menfchen an Macht überlegen wären, und die ihm nach ihrer. verfihiedenen Gemuͤthsart eben fo wohl fchaden als nüsen konnten? | Auch in den Unterfuchungen des Demokrit über die Entſtehung und Fortpflanzung der Menfchen und Tiere findet fich faft Eeine einzige richtige Beobachtung, und von feiner Naturlehre alfo kann man mic Recht fagen, daß fie, fo weit wir fie fennen, aus bloßen Irrthuͤmern faft ohne alle Berfegung von Wahrheit beftanden habe, Wenn man einem Schriftfteller trauen dürfte, der aber viel öfter falfch, als wahr erzaͤhlt; fo glaubte Demos Erit, daß die Menfchen aus Wafler und einem ferten Schlamme entftanden wären”). Eben diefem Samm⸗ ler zufolge ſtimmte er zwar dem Anaragoras über den Urſprung des Saamens, aber nicht über die Bildung von! Embryonen, und über die Urfache ihres Gefchlechts bey. Er behauptete nämlich, daß zuerft die äußern Theile, bes fonders das Haupt und der Bauch, und dann erſt die ins nern Theile entwickelt würden **), und daß das Geſchlecht werdender Menfchen, fo wie die Aehnlichkeit derſelben mit Vater oder Mutter durch die größere Kraft oder Stärfedes Saamens entfchleden werde ***)? Ungeheuer 9 2 er⸗ *) Cenfor, e. 3. **) De Gener, Anim. £, d\ p- 216, Cenfor, e. 6. de! die Nat, *#F) N. a, de Gen, Anim. 269. 271. 272, Cenforin fage €. 6. daß nach dem Demofrit das Gefchlecht von KRins dern davon abhärge, ob det Saame des Vaters oder der Mutter zuerft an den Play komme, wo das Kind ges bilder werden fol. Welcher von den beyden zeugenden Perfonen Saame der ander ihrem zuvorfomme, der mache das Kind entweder zu einem Männlein oder Weiblein; 708 Fünftes Buch. erflärte er as einer wiederholten Ergießung des Saas mens, worinn der fpätere fich mit dem erjtern vermis ſche, und dadurch Aus, oder Zujammenwachfen der Embryonen verurjache *). Sowie er die Thiere und ihre Seelen aus einerley Elementen mit der Menfchen ihren entſtehen ließ; fo eignete er ihnen auc) viefelbigen Triebe und Kräfte, ſelbſt Vernunft und DBerftand zu **). Außer diefer Behauptung finde ich nur noch drey Meynungen des Demofrit über die Thiere, die aber . den eben angeführten über die Menfchen ähnlich find, Er glaubte, daß alle blutloſe Thiere Eingeweide härten, die nur ihrer Kleinheit wegen unfichtbar wären; daß die Unfruchtbarkeit dee Mauleſel aus einer Verderbung ver Zeugungsglieder entjtehe, die wiederum in der Ungleich⸗ artigfeit derer ihrer Erzeuger ihren Grund habe: daß 'endlich jungen Thieren die Zähne deßwegen auöfielen, weil fie durch den Genuß der Milch vor der Zeit heraus» getrieben würden 7). Wenn #) De Gen, Anim, A, d\ p- 283. Arift, **) 1. 1. +) De Part. Anim, y. 4. p. 58. de Gen, Anim. B. 7. 233 E. 9. p. 324. Nah dem Poſidonius war Des mokrit der Erfinder von Gewolben, der Kunft, das El: fenbein zu poliren, und eine große fteinigte Maſſe in Smaragden zu verwandeln. Sen. Ep. 90. Allein diefe Erfindungen find wahrfcheinlid nicht weniger erdichter, als die Entdefungen, die eben diefer Weltweife dem Anacharfis zueignete, oder als die idealiſchen Schilde: rungen, die am der angezogenen Stelle aus ihm ans geführe werden. Poſidonius war zwar einer der ge: lehrteſten Stoiker, aber auch, wie ich oben ſchon ir—⸗ gendwo erinnert habe, einer von denen, deſſen hiſtori⸗— ſche Nachrichten am wenigften Glauben verdienen, und * häufig aus Fabeln und Anekdotenſammlungen genom- men waren. Geſchichte der Griechifchen Weltweisheit. 709 Wenn man die Urtheile des Cicero über die Vers dienfte des Demofrit um die Größen: und Tugendlehre mit den Fragmenten von beyden vergleicht; fo erjtaunt man über das fonderbare Spiel, welches Zeit und Zus fall mit den Werfen und dem Ruhm großer Schriftiteller treiben. In der Geometrie nennt Cicero ven Demos Eric einen Meifter, und dennoch wiffen wir von den mas thematifchen Kenntniffen und Entdecfungen veffelben nur diefes: daß er die Sonne nicht, wie nachher. Epifur, für fo Elein, als fie uns ſcheint, fondern für einen gros fen Körper gehalten habe *). Ueber die Tugend hins gegen fchrieb Demofrit nad) dem Zeugniffe eben dieſes gros Gen Mannes nur fehr wenig, und Dies wenige weder ſchoͤn, noch in einer lichtvollen Dronung *2). Und grade aus diefen nachläffigften und unbedeurendften Ars beiten des Demofrit find die.melften und auch die beften Gedanken gerettet worden, die wie von ihm bofizem, Unter diefen moralifchen Fragmenten finde ich Feins, was entweder um der Sprache oder des Inhalts willen des Demofrit unwürdig wäre. Diele derſelben fcheis nen mir befonders wegen des ältlichen und etwas frems den Ausdrucks eben fo Acht, ats fie fehan find. Un— läugbar aber ift ein Theil derfelben aus untergefchobenen Werken entlehnt, fo ſchwer es auch iſt, aflgemeine Merkmale ihrer Aechtheit ever Unächtheit anzugeben F). VYyz3 Ein — — — — — — — — — — — — ®) Cicer, de Fin. I, 6, Allem Vermuthen nad glaubte Demofrit, daB die zwifhen dem Auge und zwifchen entfernten Gegenftänden befindliche Luft die fichtbaren Körper verkleinere, denn wir würden, fagte er, eine Ameife am Himmel fehen koͤnnen, wenn der Zwiſchen— traum ganz leer wäre. De Anim. Arift, 11, 7, **) V, 29. de Fin, +) Siche Beylage am Ende des Abſchnictts. 710 Fuͤnftes Buch. Ein Zeitgenoß der Maͤnner, von denen ich in die⸗ ſem Buche geredet habe, und ein Zuhörer und Freund, ober wie Plato fagt, Geliebter tes Parmenides war Zes nv von Elea, der weder feinen $ehrer, noch fonft jemand unfer den vorhergehenden Weitweifen: an Größe und Bortreflichfeit feiner Geiftesgaben, und an Adel und Stärfe der Seele etwas nachgab. Wenn aud) die Ers zaͤhlungen von den fürchterlichen Todesarten, die er erlite ten, und von der faft übermenfchlichen Standhaftigfeit, womit er die unleidlichften Martern geduldet haben foll, übertrieben, oder von andern Männern auf ihn übertras gen worden find; fo Fann man doch daran nicht zweifeln, daß er nicht fein Leben im Dienfte feines Waterlandes verloren habe *), Nichts iſt mehr zu verwundern, als daß ein Mann, der alles für feine Mitbürger aufı zuopfern bereit war, darauf verfallen Fonnte ‚ feine Zeitgenoſſen nicht aufflären, fondern verwirren, nicht beſſern, fondern bloß über eine eitle Kunſt ftaunen mas chen zu wollen, die mehr ſchaͤdlich als unnuͤze und gleich unwuͤrdig war, von Zeno ausgeübt, und bon den edel; fen Griechen fo fehr und fo lange bewundert zu werden *). Er war, wo nicht der erſte Exfins der — —— *) Die Zeugniſſe über den gewaltſamen Tod des Zeno fühe ven Bayle und Bruder an. Sch begnüge mich damit, folgende Worte des Cicero herzufezen, weil daraug ers helle, daß man nicht, wie einige geglaubt haben, die Marter, unter denen Anaxarch in Cypern ftarb, aus Verfehen auch vom Zeno erzählt habe. Anaxarchum Democritum a Cyprio tyranno excarnificatum accepi- mus; Zenonem Eleae in tormentis necatum, II, de Nat. Deor. 33. “) Ich will hier. nur die wichtigften Zeugniffe über die Dias leftif, oder wie Ariftoteles fie nennt, Sophiftif, ars führen, indem ich unter dem Abfchnitte von den So: phiften Geſchichte der Griechifchen Weltweisheit. zur - ber *) , Boch gewiß unter den Männern, welche die Griechen Weltweiſe oder Maturforfcher nannten, der erfte lehrer und Ausüber der Kunſt: alles, felbft entapgefeste Säge unmittelbar hinter einander zu vertheidigen und zu bes ſtreiten die unlaͤugbarſten Wahrheiten ungewiß, und die größten Ungereimtheiten wahrſcheinlich zu machen, endlich andere durch beſtaͤndige Fragen in die lächerlich ften Wiverfprüche zu verwickeln, ober auch durd) Fünfts fiche und ihnen unauflosliche Trugſchluͤſſe zu verwirren, ſich ſelbſt hingegen durch ähnliche Sophismen unübers windlich machen zu koͤnnen **). Er verrheidigte die Meynung des Kenophanes und Parmenides über die Eins heit nicht im Ernfte, fondern um feinen Scharffinn zu jeigen; ja er erweiterte und übertrieb die Gedanken feis ner Dorganger, um die Behauptung derfelben befto YA ſchwe⸗ phiſten wieder darauf zuruͤck kommen werde, Man i be alfo Ifoer. If, p- 115. & feq. in Helenae Encomio; eontra Snphiftas p. 327. & fq. Edit. Battie, AriNotel, Metaph. . ß. p. 52. befonders Plat. in Parmenide p. 139. 140. Edit. Baſ Gr. Ariſtoteles giebt an der angezogenen Stelle die Unterfchiede der Sophiftif von der Diolektik feiner Zeit an, und auch Plato fonderte fie von der Kunſt, richtig zu denfen und zu veden, oder geſchickt zu fragen und zu antworten, (divasmrıry ezusnpn) ab. in Sophitt, p. 110. °) Dies wollte Ariftoteles VIL. 7. Sext, adv, Math, & ibi Fabr, Das Zeugniß des Iſokrates hingegen und die Geſchichte der Sophiſten, die ich in der Folge vortra— gen werde, beweiſen, daß ſchon andere vor dem Zeno eben diefe Kunft trieben, we) Phavorinus hatte Unrecht Diog. IX. 29, wenn er den Trugfchluß Adilles dem Parmenides zufchrieb: denn Axriſtoteleß eianer ihn Phyk, Auſc. VI. 24. dem Zens ausdruůcklich zu, + 712 Fünftes Buch. ſchwerer, aber auch defto glorreicher zu machen *), Unter den eigentlichen Weltweiſen, in fo fern man fie von ven Sophiften unterfcheiven muß **), war er ver erfte vorfezliche Derderber der Weisheit, der fie von der Bildung der Herzen und der Erforfchung der Na: tur auf fehwere, dürre, und unnuͤze Spizfindigkeiten ab: leitete, und anftate ihren noch fchwachen Stamm zu nähren und zu pflegen, ihm gefährlich zu verlegen und zu untergraben, anfıng. Wenn man bey der Zufam: menfuchung der Spifindigkeiten und Trugfehlüffe des Zeno erſtaunt, daß ein Geift, wie der feinige, gegen Die nur in einem Griechen gedenfbare Eitelkeit, durch feine Trugfchlüffe andere zu quälen, ven eben fo leicht zu er» werbenden gruͤndlichern Ruhm, nüzliche Wiffenfchaften i zu nn Sn — — *) Plut, in Pericl, Amnsce de IleesRAns xo⸗ Zuvavos T8 EAERTE, TORYURTELDDUEVE TEL Ducw ws IIxenevidns. SAEYATIUNV de FW, Kos di Evoy- FIOAOYıRS EIS omogiav nronAeızoav efoouy- auvros EEw. wozee nu Tınwuo PAacuos sıenxe di FETWY Außwreeo YAwcow Te nEya OIevos 84 UTE- TnAov. Znvovos TEVTOV ERIÄNTFTOEOS. Unrichtig urtheitte eben dieſer Plutarh, wenn er vom Zeno fagte: ap. Euſ. Praep, Evang, I, 8. Zuvav de 6 EAewrns ıdıov mev adev efedero, dun- ToenTE de TE TET@V ERI TAEIOV. #9) Iſokrates zählt den Zeno mit zu den Sophiften; allein eben diefer rechnet auch den Meliffus darunter: und beyde mit eben fo vielem Grunde, als womit Aefchines den Anaragoras und Sofrates Sophiften nannte. Man fehe Hoc. Enc, Helen. II. 115. Die ältefien Sophis ften waren alle Dialektifer, aber nicht bloß Dialekti, fer, fondern auch Redner und Lehrer der Beredfams feit. Gefchichte der Griechifchen Weltweisheit. 713 zu erfinden, oder zu erweitern, vertaufchte, fo muß man auf der andern Seite nicht vergeffen, daß felbft unter den wunderlichſten Spielwerfen des Scharffinnes diefes Mannes ſich mehrere Irrthuͤmer und Wahrheiten finden; die aus feinem geringern Kopfe, als dem des Zeno fommen fonnten. Bedauren würde ich es, daß ein Mann wie Zeno fich felbft fo ſehr verkehrte, und liebee andern bejchwerlic) als nuͤzlich werden wollte, wenn nicht alle ältere Sophiften und viele ver Mega; rifchen Weltweifen gleiche Talente auf eine ähnliche Art gemißbraucht haͤtten. Pen dieſer tehrart des Zeno kann man nicht fra⸗ gen, was er felbft geglaubt, fondern wie er gelehrt, und Säge vertheidigt oder angefochten Habe. Als Proben feiner Mechode will ich nicht feine Sophiſmen wider die Dewegung, die man fchon aus Baylen’s Wörterbuche kennt, oder Fennen lernen kann, nicht die Trugfchläffe, welche Plato in feinem Parmenides *) ſowohl den Zeno als deffen fehrer vortragen läßt, fondern feine Ausfprüs che über die Einheit und deren Eigenjchaften anführen, die Ariftoreles in einem befondern Eleinen Aufſaze zufams mengefaßt hat **). Wenn etwas it, fagte der Eleatifche Dialeftifer, fo Fann diefes unmöglich entftanden feyn: und dieſer Saz gilt daher auch von der Gottheit, auf welche er ihn fo gleich anwandte, Wenn das Wirfliche enrftanden feyn follte, fo müßte es’entweber aus etwas ihm aͤhnli⸗ chen, oder auch aus etwas ungleichen hervorgegangen fenn. Das erftere läßt fich gar nicht denken, weil fein Grund da ift, warum ein Gleiches das andere eher er: jeugen, als davon erzeugt werden follte, indem in dem einen alles, wie in dem andern iſt. Der andere Fall 9 5 iſt — — — — — — — — — — — — — —— — — — * Siehe Beylage am Ende des Abſchnitts. #®) De Zenone, 714 Fünftes Buch, ift eben fo wenig möglich. Denn wenn das Ungleiche aus dem Ungleichen entftanden feyn follce; fo müßteent weder dad Mächtigere aus dem Schwächern, und das Vollkommnere aus dem Unvolllommnern, oder auch ums gekehrt entſtanden feyn. So wohl das eine ale das ans dere ift unmöglich, weil in beyden Vorausfezungen et— was entweder aus Michts entſtanden, over in Nichts verſchwunden feyn müßte, welches wir uns gar nicht ein- mal vorftellen fonnen. Aus diefen Gründen muß man alfo annehmen, daß bie Gottheit ewig fen. ben dieſe Gottheit Fann nicht anders, als einzig feyn, wenn fie anders das vollkommenſte und mächtigfte Weſen if. Denn man mag zween oder mehrere Götter von glels chen oder ungleichen Vortreflichkeiten annehmen; fo hoͤ⸗ ren fie immer auf, Sort, die vollfommenfte und maͤch— tigfte Natur, zu ſeyn. Denkt man fich mehrere Get. ter von gleicher Macht und Bollfommenheit; fo ift Eeir . wer unter ihnen das mächtiafte und beſte Weſen, weil ein jeder eben fo vollfommene Naturen, als er fel&ft ift, neben fich hat. Nimmt man hingegen mehrere Goͤtter, von ungleicher Macht und Güte an; fo find diejenigen feine Götter, Die eine mächtigere, und vollfommnere Subftanz über fich haben. Da alſo nur eine einzige Gottheit möglich iſt; fo muß man ferner behaupten, daß diefe fich felbft allenrhalben gleich fey, daß fie allent, halben fehe, höre, und die übrigen inne äußere; denn fonft würde man etwas ungereimtes fagen müffen: daß gewiffe Theile der Gottheit die übrigen befiegten und überträfen, oder von ihnen befiegt und oͤbertroffen wuͤr⸗ ven. Daraus nun, daßdie Gottheit fich ſelbſt allent⸗ halben gleich fey, folgerte Zero, daß fie nothwendig eis ne ſphaͤriſche Figur haben müffe”). ben dieſer einzige, ſich —n — — i — ⸗ — „Er: nannte die Gottheit einen Körper, ſagt Axiſtoteles fds Gefchichte der Griechifchen Weltweisheit. 715 fich ftees gleiche und fphärische Dort, Fonne weder ums endlich noch endlich, weder unbegraͤnzt noch begränzt ſeyn. Unendlich fey nur allein das Nichts oder Unwirk⸗ liche, indem diefes weder Anfang, noch Mittel, noch Ende, noch fonft Theile Habe, Die Gottheit, oder eins ige Subftanz fey aber weder dem Nichts, noch auch einer Menge oder Mehrheit von Subſtanzen ähnlich, und fonne daher nicht, wie jenes, unbegränze, oder wie diefes , durch andere befehränft werden. Eben fo wes nig Fonne man fie undeweglic) oder bewegt nennen. Unbeweglich fey nur allein das Nichts, weil in diefes weder etwas anders fommen, noch es feidft ſich etwas an⸗ derm nähern koͤnnte. Beweglich Fonne die Gortheit aber deßwegen nicht ſeyn, weil Bewegung nicht ohne Beränderung ſtatt finde, und durch jede Beränderung bie einzige Subftanz aufhören würde einzig zu ſeyn ®), Die Gottheit fen alfo (fo ſchloß er endlich) ein einziges, ewiges, fich ſtets gleiches und fphärifches IBefen, das weder endlich noch unendlich, weder unbeweglich noch in Bewegung fey **). Unge⸗ — — — — — — — (de Zenon, c. 2.) Er mag nun unter Gottheit die Melt oder etwas anders verftanden haben. * Sp muß man die dunfeln und gewiß verdorbenen Worte des Ariftoteles verficehen, azesgov Yyae To pn ewou muß &Treıgov movov To an oveıweu beißen. Nur mit dieſer Verbeſſerung iſt diefe Stelle und alles folgende verftändlich. "*) Zeno fehrieb als ein Junger Mann ein Werk, in welchem er zu beweiſen füchte, daß aus der Meynung: daß es mehrere Subftanzen gebe, weit mehr Ungereimtheiten folgten, als aus dem Grundfaze des Parmenides, den ‚ er gegen Spötter und Widerfacher zu retten füchte: daß alles nur eine einzige Subftanz ausmache. Plat. im Parm, p. 139, Simpl. in Phyf. Aufe. Arif. fol, 29. «, 716 Fünftes Bud, Ungeachtet aber Zeno nur eine einzige Subſtanz annahm, und auc) diefer Einheit mehrere Eigenfchaften zueignete und abfprad) *); fo befannte er doch wiederum, daß ihre Natur ihm unerforſchlich ſey. Nenn er fie aber erfennen koͤnnte; fo würdeer, glaubte er, alles Uebrige leicht erflären koͤnnen **). Der lezte große Dann, deffen ich in dieſem Buche furz erwähnen werde, ift Meliffus, ver Befehlshaber der Samifchen Flotte, und der Ueberwinder der Arhes nienjer zu einer Zeit, als fie glaubten, daß fie unübers windlich wären ***), Ungeachtet er ein Zeitgenoß des Zeno war; fo näherte er fich doch diefem und feinem tehrer viel weniger, ald dem Tenophanes, mit welchen er die Unendlichkeit und Einheit der einzigen Subſtanz ohne alte Einfchränfung wider den Parmenides behauptete, and alle Entitehung, Deränderung, Untergang und Bewegung fehlechterdings verwarf }). Ariſtoteles vers bindet ihn daher fters mir dem Kenophanes, fcheint aber gegen beyde eingenommen gewejen zu feyn, weil er fie jeichte und ungründliche Näfonneurs nennt, da doch die Vergleichung der Fragmente diefer Maͤnner mit denen des Parmenides lehrer, daß fie, wo nicht richtig, doch mit — *) Er nannte fie einen Körper, und läugnete, daß fie et: was untheilbares fey. Was zu einem Dinge hinzuges _ than, es nicht vergrößere, und weggenommen, nicht vermindere, fey gar nichts wirkliches, Meteor, B. d. p. 45. | sw) Simpl. 1. e. fol. 30, a, ex Eudenio, Linterdeffen läug- nete oder bezweifelte er doch, daB alle wirkliche Dinge ſich an einem gewiſſen Orte fänden oder finden müßten, Denn alsdenn muͤſſe jeder Ort toieder in einem Orte ſeyn, und diefes ins Unendliche fort. Arift, Phyf, Aufe, N. cap. 1. s*», Plut. in Periel. I. 640-647. adv, Col, 629, p. X, +) Asift, Met u, 5 Phyſ. I. 2. 3. 4. V. 6. Geſchichte der Griechifchen Weltweisheit. 717 mic fich ſelbſt viel übereinftimmender, als der Geſezge⸗ ber von Elea fehloffen. Simplicius ift der einzige, der uns beträchtliche Stellen aus den Werfen des Mes lifus *) erhalten hat, aus welchen Stellen erhellt, daß diefer Weltweife die Lehre von einer einzigen Sub» ftanz vielleicht deutlicher, ordentlicher, und fcheinbarer als irgend einer vor ihm entwickelt habe, daß er aber durd) eben diefe Schriften nicht vieles zur wahren Auf, klaͤrung Griechenlandes beytragen Fonnte **) Beil er das Dafeyn einer einzigen Subſtanz in einer eben fo mer nig gemilderten und eingefchränften Bedeutung, als Le nophanes lehrte, fo mufte er eben wie diefer die Zeugs niffe ver Sinne verwerfen, die er vorzüglich deßwegen für unzuverläffig biele, weil fie uns diefelbigen Gegen— ftärde nicht zu allen Zeiten auf diefelbige Art, und mit denfelbigen Eigeufchaften zeigten P). Nachdem ich nun die Gefchichte der ganzen alten Phlloſophie der Griechen vollftändig vorgetragen habe ; fo will ich noch zum Schluffe die wichtigften Rejultate meiner bisherigen Unterfuchungen Fürzlic) unter. einem Gefichtspunete verſammlen, um meine tefer defto mehr in Stand zu feren, den wahren Zuftand der Willen, fhaften in dem Zeitalter, wo id) jezo abbreche, beurtheis len zu Fonnen. | Wenn man die Bemühungen der größten Geifter Griechenlandes, von denen ich bisher geredet habe, mit einem allgemeinen Blicke überfchautz; fo bemerkt. man uerft mic Verwunderung, daß mehr ald anderthalb Sahrhunderte erfordert wurden, den wahren Schöpfer der — * Er führe zwey Buͤcher: eines mE Ducews 9 Ast TE ovros, fol, 15. b, und eins 22 fol, b, Megı Yeve- 0Ews #04 DIoeas an. ””) Siehe Deylage am Ende des Abfchnitts. +) Siehe Beylage. 718 Fuͤnftes Buch. der Welt zu entdecken. Alle Weltweiſen vor dem Ana⸗ xagoras irrten mit ihren Gedanken in der ganzen Natur, wie in einer unbekannten duͤſtern Wildniß umher, ohne irgendwo Spuren einer ſchaffenden oder ordnenden Gott⸗ heit zu finden, die wir jezo ihren groͤßten, wie ihren kleinſten Werken eingedruckt finden. Die aͤltern Wahr⸗ heitsforſcher nahmen entweder eine einzige oder mehrere Grundurſachen der Dinge ‚ und die einzige entweder uns beweglich, oder auch in einer unaufhörlichen Bewegung an *). Man mochte aber einen einzigen, oder einen vielfachen Grundſtoff behaupten; fo ließ man daraus ent» weder durch Gluͤck, Zufall und Hhngefähr, oder durch eine mehr vorausgefejte, ‚als erklärte felbititändige bewe⸗ gende Kraft, oder durch mehrere entgegengefeite wirkende Urjachen, die man eben deßwegen, weil man von ihnen Feine Mechenfchaft geben Fonnte, mit dichterifchen Was men belegte, oder durch eine blinde Nothwendigkeit, oder endlich durch eine vernunftloſe Natur “ die ganze Welt, und alle Thiere, Menſchen, und Götter entſte⸗ ben **), Selbſt nachdem Angxagoras ven wahren Gott verfündigt hatte; verfannten ihn noch immer alle feine Zeitgenoffen (den Diogenes von Ypollonia ausgenoms men, der aber doch das verftändige fehaffende Weſen, nicht wie Anaxagoras von der Örundimaterie, aus wels cher er alles entftanden glaubte, abfonderte,) und redes ten gleich den erften Phnfifern von Nothwendigkeit, Gluͤck, Natur und Wirbeln, als den Schoͤpfern der Welt. Eben ſo wenig, oder noch weniger, als die Macht, Guͤte und Weisheit des Urhebers des Ganzen, erkannte man die Majeſtaͤt und Vortreflichkeit feiner ers habenſten Werke. Die wahre Große, Entfernungen und #\ Arift. A, Met, Y. 7 Seit, X, 310, =») Arift. II, ce. Pbyf, Aufe, II, * 8. Hiſt. doct. de vero Deo p. 248. 249⸗ Gefchichte der Griechiſchen Weltweisheit. 719 und Bewegungen der bimmlifchen Rörper waren allen alten Griechifchen Weltweiſen gänzlich unbefannt. Man hielt fie entweder für Fleine folide glühende Maffen, oder für Furzdaureude feurige Erfcheinungen, die an jedem Mors gen entſtuͤnden, und mit jedem Abend wieder unters gingen, er Anaragoras fiel zwar auf die wahren Urſachen der Berfinfterungen der Sonne und des Mondes; aber er argwohnte eben fo wenig, als feine Borgänger und Zeirges noffen, die Bewegungen der Planeten um die Sonne und die wahre Geftalt der, Erde, auf welcher er wohnte, Auch war er nicht mehr als dieſe im Stande, die tänge des Sonnenſahrs zu beffimmen, und die Zeitrechnung der Griechen zu verbefleen, Ueber die Urfachen ver merk: wuͤrdigſten Veraͤnderungen der kuft, und auf der Erde rieth man nicht glücklicher, als über das Weſen und die Kräfte ver Seele Man dachte fich die leztere als ein gewifles bewegendes und belcbendes Weſen, das fich aber im Menfchen nicht mehr als in den übrigen Thieren, und in den Pflanzen, oder gar in allen leblos ſcheinen⸗ den Körpern finde. Man verwechfelte allgemeines Ems pfindungsvermögen und Denffraft, und hatte für die verjchiedenen Aeußerungen der leztern eben fo wenig Wörter erfunden, ald man fie felbft beobachtee und uns terfchieden harte. Die rohen Begriffe von der Zeugung der Menſchen und Thiere, die ich angeführt habe, zei⸗ gen, daß man kaum anaefangen hatte, die innere Eins richtung der thierif hen Natur mic Hülfe der Zergliedes zungsfurft auszuſpaͤhen. Wahre Arzneykunde, fame allen mit ihr verwandten, oder von ihr abhängenden Wilfenfchaften waren noch gar nicht, und von der Größen. und Zahlenlehre nicht viel mehr, als die erften Anfangsgruͤnde erfunden, \ Die älteften Griechifchen Weltweiſen wichen faft alle von einander ab, weil fie nicht der Erfahrung, " ſon⸗ 720 Fuͤnftes Bud. fondern ihren eigenen unbewiefenen Bermuthungen folgs ten. Unterdeſſen ftimmten fie dod) bey allen diefen Wis derfprüchen in vielen Meynungen zufammen, die nicht nur degwegen Aufinerffamfeic verdienen, weil fie uns zeigen, wie man anfangs fich felbft, und die Natur anfah, und von welchen Örundfäzen man ausging, fondern auch, wie eingefchränft die wiffenfchaftlichen Kenntniffe der Griechen bis über die achtzigfte Olympiade hinaus blieben. Diefe Grundfäze nun, welche alle, oder doch ein großer Theil der Altern Weltweiſen ald uns läugbare Wahrheiten feftfesten, waren vorzüglich fols gende: daß unmöglid) etwas aus Nichts entftehe, oder in Nichts untergehen Fonne *), daß tie Zeit ewig fey, daß aber alles, was in der Zeit entftanden fey, auch wiederum werde aufgeloft werden **): daß alles in uns aufhorlichen Berwandlungen oder in einem beftändigen Stufe fen ***): daß Thiere, Menfchen und Götter aus gefühl» und vernunftlofen Principiis hervorgebracht wors den: daß alle Weſen befeele, und Pflanzen eben ſowohl als Thiere und Menfchen mit empfindenden und. vers nünftigen Seelen begabt feyen: daß es gar Feine Freys heit der Seele gebe, fondern daß der Menſch in allen feinen Encſchließungen und Handlungen durch eine zwins gende unwiderftehliche Nochwendigfeic getrieben werde f): daß das Gleiche das Gleiche anziehe, und durchs Glei—⸗ che erfanne werde: Daß Empfindungsvermögen von Denffraft nicht verfchieden fen, und daß man den Zeugs niffen der Sinne nicht trauen koͤnne: endlid) daß die Ges ftiene nur Eurzdaurende Erfcheinungen feyn, oder daß . fie — — — — — — — — — — — — — — — mn en ®) I. Phyſ. Arift 4. Metaph, K. 5. p. 181. eẽ) Phyf. Arift. Viil.i. «ee, De Coelo Ill. 2. Plat. in Theaet. p. 73. +) Cic, VI, de Fato. Geſchichte der Griechifchen Weltweisheit. 721 ſie alle um die Erde, als den Mittelpunct der Welt, herumgewaͤlzt würden *). Erfte Beylage zu ©. 633. Ueber Die Zeitrechnung des Empedokles, Anaragoras, Demokrit, 3eno und Meliſſus. Man ich diefe fünf Weltweiſen zwiſchen die fiebens zigſte und achtzigſte Olympiade fege; fo will ich damit weiter nichts fagen, als daß fie nach den Pythagoreern und älteften Eleatifern, und vor den alten Sophiften, wenigſtens dem größten Theile verfelben blühten, daß fie ferner alle in, vder nicht fange nad) der fiebenzigftere Olympiade gebohren wurden, und daß endlich einige von ihnen wahrfcheinlich fehon vor der achtzigften, und die übrigen gleich) nach der achtzigften Olympiade entweder als Schriftfteller oder als tehrer der Weltweisheit bes rühme geworden find. Uebrigens weiß ich fehr wohl, und werde ed auc) fogleich felbft beiveifen, daß alle Phi⸗ lofophen, deren Zeitrechnung ich jego unterfuche, weit über die achtzigfte Olympiade Hinauslebten, und daß eini⸗ ge von ihnen kurz vor, und andere kurz nach der neuns zigften Olympiade ftarben, | Auch in der Zeitrechnung diefer lezten unter den als ten Sriechifchen Weltweifen, findet fid) noch immer eine Menge von gar nicht zu hebenden Dunfelheiten, und bon ſchwer zu vereinigenden Widerſpruͤchen der berühms teften Ehronologen und Geſchichtſchreibet. Man a i *) Ich habe es nicht für noͤthig geachtet, bey einem jeden Saze die Beweisftellen anzuführen, da man fie unter ben vorhergeheriden Abfchnitten finden wird, Bi 722 Fünftes Bud). fich hier, wie bey ihren Vorgaͤngern, oͤfter damit bes gnügen, zu wiffen, mit oder vor und nach welchen Mäns nern jemand gelebt hat, ald man angeben Fann, in wels chem Jahre einer gebohren worden, oder geftorben ift. Dergebens fucht man in den alten Schriftftellern nach einem zuverläffigen und entfcheiderden Dato, nach) welchen fia) das Zeitalter des Empedofles genau beftims menließe, Wir wiffen zwar aus dem Ariftoteles, daß er, ungeachtet. er jünger, und zwar wie Simplicius fagt *), nur etwas jünger als Anaragoras war, doch früher Schriftfteller wurde, als diefer **), daß er im fechzigften Jahre feines Alters ſtarb ***), wie Heraflit, und daß fein Großvater noch in der ein und fiebenzigften Dlympiade bey Olympia fiegte 7). Allein aus allen dies fen Datis kann man freylich die Zeiten, im welchen er lebte, aber nicht genau die Jahre feiner Geburt und feis nes Todes heraus bringen. ben fo unbeftimmt ift die Nachricht beym Diogenes, deren Berfaffer nicht befannt ift, daß Empedokles um die 84 Olympiade geblüht has be 77), und die Erzählungen des Theophraft, Alkidamas, Satyrus, Ölaufus und Simplicius, daß er ein Zuhoͤ⸗ rer und Nachahmer des Parmenives, und ein $ehrer des Gorgias gemefen FFF): endlich daß er nach Thurium, welche Stadt kurz vorher gegründet worden, gegangen ſey. So viel kann man aber doch aus den angeführten Zeugniſſen fchliegen, daß Empedokles nach dem Anaras goras gebohren, aber vor diefem Weltweiſen berühmt ges worten, und geftorben fey. on ®) InPhyf, Arift, 6, b, #“*) Met. 1.3, *a#) Ap. Diog, Vill, 57, 7) Ib, 5: _ +) 5. 74. Vi, it7) Simpi,h, c, — — Geſchichte der Griechifchen Weltweisheit. 723 In der Chronologie des Empedokles find die Data zwar nicht beſtimmt, aber doch zufammenftimmend. In der des Anaragoras hingegen frifft man zwar fehr bes ſtimmte, aber durchaus fich widerfprechende Nachrichten an *). Fürdie glaubwürdigften unter allen Zeugniffen, auf welche man die Zeitrechnung des Anaragoras grüns den kann, halte ich mit den eben angeführten Gelehrten diejenigen, die fich im fechften Abfchnite des zweyten Buchs des Diogenes von taerte finden. Hier heift es erftlich, daß der gemeinen Meynung nach Anaragoras zur Zeit des Einfalis des Rerxes in Griechenland **) zwanzig Sabre alt gemwefen fey, und daß er zwey und fiebenzig Jahre gelebt Habe. An eben diefer Stelle ſezt Apollodor die Geburt diefes Weltweifen in die fiebenziafte, und feinen Tod in die acht und achtziafte Olympiade ***). Mic diefen Angaben fiimmet die des unbefannten Verfaſ⸗ fers der Befchreibung der Olympiaden überein, nach wels cher Anaragoras im erften Fahre der fiebenzigften Olyms piade gebohren wurde, MWenn man diefe Data gelten läßt; fo ift es un: twahrfcheinlich, daß Anaragoras den Anarimenes gehöre habe, wie mehrere Schriftfteller verfichern F), Denn wenn man auch mit diefem tebensbefchreiber des Anaras goras annehmen wollte, daß Anarimenes um die Zeit der Eroberung von Sardes gebohren worden ; jo würde man doch diefem Freunde des Anarimander ein unwahrfchein, 3; 2 lich) en — ———— —— e) Man ſehe Bayle Article Archelaus, und Heinius vie d’Anaxagore. Memor, de l’Ac, des Sciences de Ber- lin An. 1752. “*) LXXV. Ol. 1. 2 ***) Denn diefe Zahl muß, wie die größten Ausleger geurs theilet haben, und die ganze übrige Zeitrechnung des Anaragoras beweiſt, ſtatt der Zahl 74 gefeßt werden. +) Siehe Heinius p. 32I. 724 Fünftes Bud), lich) Hohes Alter geben müffen, wenn Anaragoras feinen Unterricht noch Härte genießen follen. Unwahrſcheinlich ift eg ferner, was Demetrius Phalereus beym Dioges nes *) verfichert,, daß Anaragoras im zwanzigſten Sahre, gerade zu der Zeit, ala Kerres Öriechenfand mit Krieg überzog und Athen zerftohrte, nach diefer Stadt gekom⸗ menfey, und Philofophie gelehrt habe **). Diel wahr, feheinlicher hingegen ift es, daß er unter dem Kallias, den auch Demerrius Phalereus nannte, und der in der gıten Olympiade Archon war, in einem Alter von 45 Jahren, das wieder aufblühende Athen zu feinem Wohn» fie gewählt Habe. Noch unwahrfcheinlicher aber, als alles vorhergehende ift diefes, daß er vierzig Jahre älter, als Demofrit, und daß er ein tehrer des Sokrates ger wefen fey. Das leztere kann man mit Baylen aus mehr tern Gründen für falfch erklären, weil Sofrates alödenn den Unaragoras nicht-fo heftig, und auch nicht bloß nach dem), was er in feinen Büchern gelefen hatte, würde angeflagt, und die Feinde des Sokrates ihm dieſe Des kanntſchaft würden vorgeworfen haben. Ganz unglaubs Jid) endlich ift es, was Diogenes erzähle ***), daß Anaras goras bey dem Anblick des Grabmals, welches Artemis fia dem Maufolus Hatte errichten laſſen, die Betrach⸗ tung gemacht habe: daß diefes Foftbare Werk das Denks mal großer in Steine verwandelter Schäze fen. Der Erdichter diefes des Anaragoras unwürdigen Spruchs bedachte nicht, daß diefer Weltweiſe meift zwanzig Olym⸗ piaden vor der Vollendung des Grabmal des Mauſo⸗ lus 7) geſtorben ſey. — Die Anklage des Anaragoras ſezt Diodor in das 2te Jahr der g7ten Olympiade, mit wel» 1.7. *«) Bayle l. e. Ber) ilig. 2) 107. ol, Gefchichte der Griechifchen Weltweisheit. 725 welcher Erzählung Heinius die Nachricht des Diogenes - von dem dreyßigjährigen Aufenthalt deffelben in Achen auf eine glückliche Art vereinigt *), Unter allen Schwiez ‚rigfeiten, welche Bayle und Drucker wider ven langen Aufenthalt des Anaragoras in Athen gemacht haben, fcheint mir Feine von Bedeutung, als diefe, woher es fam, daß Sofrates nicht den Anaxagoras, wie alle übrigen berühinten Männer feiner Zeit, gehört oder kennen zu,lernen gefucht habe, wenn vieler bis in die Mitte ver 87ten Olympiade in Athen verweilte, Moch weit verwortener, ald die Zeitrechnung des Anaragoras iſt die des Demofrie**), Wenn die beyden Data, die Diogenes an der bemerken Stelle aus Wers fen des Demokrit anführe, wirklich aus ächten Schrifs ten diefes Weltweiſen genommen wären; fo würde es nicht fehwer werden, Die Zeit, warn er gebohren wors den, genau zu beftimmen, Demofrit foll naͤmlich felbft gefagt haben, daß er vierzig Jahre jünger ald Anaxago⸗ ras gewefen fen, und daß er feinen Amges dianornos 730 Sahre nach der Zerftöhrung von Troja, oder gegen das Ende der achtzigſten Olympiade voltender habe, Die erfte Nachricht ſtimmt vollfominen mit der Angabe des Apollodor zufammen, der die Geburt des Anaragoras in die 70, und die des Demokrit in die achtzigſte Olym⸗ piabe ſezt. Allein fie ift wiederum mit. dem zweyten Dato, und mit den Zeugniffen aller übrigen Schrift fteller unvereinbar. ‘Denn wenn Demofrie erft in der achtzigiten Olympiade gebohren wurde, fo Fonnte er uns möglich 730 Jahre nach der Zerſtoͤhrung von Troja eine feiner wichtigften Schriften verfertigen. Wollte man aber die Zeitrechnung tes Anaxagoras, und Die | 35 3 Nach⸗ *) ©. 345. 46. *s) Man fehe Diog. IX. 41. & ibi Menag. Bayle Artiele DPeuioexit. Not, D, Weſſel. ad Died, XIV. 647. p. * 726 Fünftes Bud). Machrichten des Apollodor und anderer über die Zeit der Geburt diefes Meltweifen verwerfen; fo fonnte man zwar die angeblichen Nachrichten des Demofrit von ſich ſelbſt mit einander vereinigen, allein alsdann würde Anaxago⸗ ras wider alle Sefchichte und Wahrſcheinlichkeit über fein Zeitalter hinauf gefchoben werden. War nämlid) Demokrit vierzig Jahr jünger als Anaxagoras, und ſchrieb doch eins feiner Werfe in der achtzigften Olym⸗ piade; fo würde die Geburt des Anaragoras in oder nahe an die fechzigfie Olympiade gefezt werden müffen, durch welches Datum alles, was wir von der Zeitrechnung bes Anaragoras und Empevofles gewiß oder wahrfchein: lic) wiffen, ungemwis gemacht, oder umgeftoßen werden würde. Da alfo beyde Data, welche Diogenes aus dem Demokrit anführe, nicht wahr feyn fonnen, fo frägt ſich's, welches von ihnen erdichtet oder dem Weltweiſen von Abdera fälfchlich zugefchrieben worden if, Allen Dermurhen nach muß man dies leztere von dem angeb⸗ lichen Seftändniffe glauben, nach welchem Demofrit vier zig Jahre jünger als Anaragoras gemefen feyn foll. Den einzigen Apollodor ausgenommen, laſſen alle übrige Schriftſteller den Demofrit früher als den Gofrates gebohren werden. Gellius *) fagre, daß Demofrit Al, ter ald Sokrates war: Trafyllus **) fezte feine Geburt ins drifte Jahr der 7ıten Olympiade, und Eufebius läßt ihn gar ſchon im Anfange der Toten Olympiade blühen, und erfi im aten Jahre der 93ten fterben, welche Angas ben aber unftreitig unrichtig find. Die annehmlichfte unter allen viefen Nachrichten ift die des Diodor, nad) welcher Demofrit etwas jünger als Anaragoras, und um fo viel älter. ald Sofrates war, daß er der fehrer des — ®) XVII, 21. ” we) 1X, 41. Diog, Gefchichte der Griechifchen Weltweisheit. 727 des Hippofrates wenigftens durch feine Schriften wer» den fonnte. Ohngefaͤhr um diefelbige Zeit mit dem Demofric murde Zeno von Elea gebohren. Denn wenn er, wie Diogenes fagt *), um die 79 Dlyınpiade blühte, und wie Plato bezeugt, ein Alter von vierzig Jahren erreiche hatte, als Sofrates noch fehr jung war, fo Fann feine Geburt nicht viel früher oder fpäter als in Bas Ende der 7ıten, oder den Anfang der 72ten Olympiade fallen, Ohne Grund fchloß Bayle **) aus der Zeit des Todes des Perifles, der in der g7ten Olympiade ftarb, daß Zeno fein lehrer um die 76te Olympiade geblüht haben muͤſſe. Nenn man aud) annimmt, daß der junge Sos frates Damals, als er den Zeno hörte, nicht Älter als 15 oder 16 Jahre war; fo Fann man doc) die Geburt des Zeno nicht früher als in das dritte oder vierte Jahr der. 71, und die Zeit feiner Bluͤthe nicht früher als in die 79te Olympiade ſezen. Ueber das Zeitalter des Meliſſus finde ich nur ‚eine einzige Machricht in den Griechiſchen Schriftftellern. Apollodor naͤmlich bezeugt, daß Meliffus um die 84te Diympiade geblüht habe, oder am berühmteften gewefen fen **). Woahrſcheinlich alfo wurde Meliſſus zwiſchen bein Demokrit oder Zeno und dem Sokrates gebohren, welches leztern Geburt in das 4te Jahr der as und fiebenzigften Olympiade fiel, Zweyte Beylage zu S. 709. ad) dem Eicero de Fin, V. 29. feste Demofrit das böchfte Gut oder die wahre Glückfeligkeit in eine gewiſſe 33 4 eusv- *) IX. 20. **) Art, Zenon Not. C. : ®* ) ap. Diog, IX. 24. 728 Fuͤnftes Buch. suduna, oder Ieußın. Auf diefes Zeugnig geſtuͤzt, kann man mit ziemlicher Sicherheit diejenigen Fragmente für aͤcht halten, in welchen von dieſer eudupues und &Iaußıc geredet wird. Dergleichen ift befonvers dag herrliche Bruchſtuͤck, welches Steppanus *) aus dem Stobäus anführt. Aus diefen Fragmenten fieht man, baß Cicero diefe eudupue und Sau nicht durch animum terrore liberum, fondern durch animum omnibus turbidis motibus liberum hätte überfezen follen. Demofrit verſtand unter diefem Worte faft eben Das, was die Stoiker fic) bey ihrer wra Je“ dachten: eine beftändige Gleichheit, Selbſtgenuͤgſamkeit und Ruhe, oder vielmehr Unerſchuͤtterlichkeit des Gemuͤths, vermoͤge deren man ſeine meiſten und groͤßten Freuden aus ſich ſelbſt ſchoͤpft, äußere Gäter und finnliche Vers gnuͤgungen nich fehnlic) begehrt, nur nach dem trachtet, was man mit feinen Kräften erreichen kann, und ends lid) mit dem Gegenwärtigen ſtets zufrieden ift, indem man fich nicht mit denen vergleicht, die mehr, fondern mil denen, die weniger, als wir befigen und genießen. Demofritifch iſt ferner die Genten;: ZUVEOHR, &7%0r AnEm pinen. efessurau yag avdenmos e£ avdenre. Denn Plinius XXVIIL 6. fagt: Venerem damna- vit Democritus, ut in qua homo alius exiliret ex homine. echt ift alfo auch **) das Fragment, in welchem Demokrit aller ver Gefahren und Befchwers lichfeiten wegen, die mit der Erziehung und Zeugung eigener Kinder verbunden find, dem Weiſen, dem feine Ruhe lieb fey, anräch, lieber Kinder von andern, die er prüfen und wählen fonne, zu adoptiren, als ſelbſt Vater zu werden, Man Eann ferner alle übrige Frag⸗ mente, *) P, 161. Poef, phil, x") B, 174. ap, Steph, b Geſchichte der Griechiſchen Weltweisheit. 729 mente, die unmittelbare Folgerungen der jezt angefuͤhr⸗ ten Grundſaͤze des Demokrit enthalten, oder ihnen doch ſehr entſprechen, endlich ſolche, die viel Sinn haben, und in einer alten durch Ausdruck und Wortfuͤgung feyerlichen Sprache geſchrieben ſind, mit Grunde fuͤr Demokritiſch annehmen. Außer dieſen finde ich aber unter den moraliſchen Ueberbleibſeln beym Stobaͤus und Clemens von Alexandrien, manche, die entweder wegen der Gedanken, oder wegen der Einfleivung nicht vom Weltweiſen aus Abdera zu ſeyn feheinen. Für offenbar falfch Halte ich das Fragment beym Clemens *), in welchen Demokrit fagt, daß er unter allen feinen Zelt genoffen die meiſten fremden Sander befucht, die meiften weifen Männer gefehen und gehört, daß er alle, mit des nen er bekannt geworven, felbft die Aegyptiſchen Arpe⸗ donapten an geometrifchen Kenntniffen übertroffen, und fich achtzig Jahre außer feinem Daterlande aufgehalten habe. Ein jeder ſieht, daß der Erdichter diefes Frags ments ſich nicht, einmal die Mühe gegeben habe, mit einiger Wahrfcheinlichfeit zu erdichten. Ders dächtig find mie ferner folgende Gentenzen **): Acısov aygewrw rov Buev dass as mAsısa sudunm Yevrı, na EARXISE avındevrı. T8TO day em Tu un ER rois Ir osos Tas ndovas wosıro "AT Ferner ibi p. 165. uavor $eoQirees, soo exgeov To ad »sew P. Nicht weniger ib. P. 168. osıs vauu Ie- 335 € *) Strom, I, 304. ap. Steph, p. 160, **) Ap. Steph, p. 164. Hr) Weil Demokrie gar nicht von unvergänglichen Gütern re⸗ den fonnte, und diejenigen verlachte, die fich ihrer Sterblichkeit nicht bemuße, vor den erdichteren Mars tern des Tartarus fürchteten. p. 178. +) Weil er an Gottgefälligfeit wahrfheinlih eben fo wenig, ale an Bstt glaubte, 730 Sünftes Bud). eumeuei, To ERUTE, 8X Eauroy Jeoumeun. O'sıs de xenmare, 89 Exurov, STE Ta Eaurs, AA Er ToV Toeewreemy rev Euure.”). Endlich ıb. Ovu® ne- YerIaı mev KRAsTov UNd FoRoı ToAumaSees voev 8 exscı, weil Ariftoteles V. 6. de civitate den er» ften, und Diogenes den andern (IX. I.) dem He raklit zuſchreibt. Mus einem ähnlichen Grunde zweifle ich an der Aechtheit des Fragments *) Avdaroow 700 ‘ya Barn. Wuxns yae ayadns mareıs 0 #00- nos und eines andern ***) undev rı par u. ſ. w. weil der erſte Gedanfe von mehrern alten Schriftftelleen dem Anaragoras, und der andere den Pythagoreern zur geeignet wird: wiewohl Demofrit ſich dieſe Bemerkun⸗ gen auch zugeeignet haben Fonnte. Das Bruchſtuͤck P. 177. Fov euguusioIası neRovre xen un FoAa ncaosew unre ıdın, unre non, &c. würde ich für ächt erfennen, weil es mit den Begriffen des Demofrit von der menfchlichen Glückfeligfeit zur zufammenftimmt, wenn ed mir nicht auf der andern Seite mit einer obs rede diefes Weltweiſen auf das gefchäftige feben und auf die Tapferkeit zu ftreiten fchiene, die Plutarch aufbehals cen hat 7). 37 mn — — — nn nn — — ——— — — “) Dieſer Gedanke paßt nur in dem Munde eines Sokra— tes und Plaro, nicht aber eines Demokeit. **) P, 170. *“e).P, 172. }) — — wexasn molreias, war Diras Bacıdewv, =D’ av ra neyarn Kara eıs rov [ov Yıveodes . e@n Anpoxeıros (op. X. orı 8de mv E51 &c, ' pP. 526.) und contra Colotem ib. p. 628. Anud- AUTOS HEV TREE TNV TE RoAzumm TEXYNy ME- — — * new, ED wmv Ta MEYaAR vo Aummer Yıwoyraı Tois tem mois. Gefchichte der Griechifchen Weltweisheit. 731 Dritte Beylage zu ©, 713, Nie ganze Kette von widerfprechenden Schlüffen, die Plato durch den Parmenides vortragen läßt, und die man ohne Eckel und Kopfichmergen faum bis ans Ende verfolgen Fann, gehört eben fo wenig Diefem Welt weifen, oder dem Zeno, oder gend einem Altern Philos fophen zu, als Sofrates die tehre von den een, vie er ihn im eben dieſem Geſpraͤche aus einander fegen laͤßt, jemals vertheidigt hat. Plato fezte diefe Reihe von wi» derfprechenden Schlüffen wahrfiheinlich entweder in ver Abſicht zufammen, um die Lehrart der Dialeftifer durch Uebertreibung lächerlich zu machen, oder um zu zeigen, daß er eben fo gut, als diefe Sophifinen auf Soppifinen häufen koͤnnen, wenn er fich nur die Mühe geben wollte, — Für Parmeniteifdy Fann man die Näfonnements im Gefpräche des Plato nicht anfehen, weil weder Ariftoteles, noch fonft ein alter glaubwärdis ger Schriftfteller dem Freunde des Kenophanes folche Sophifteregen zugefchrieben , oder Proben davon aufbes - halten hat. Sein erfter Grundfa; von einer einzigen Subſtanz, den Zeno fo eifrig verfocht, nicht weniger feine Ausſpruͤche über dle Natur und Eigenfcaften dies fee Einheic ftreiten mit den Trugſchluͤſſen, mit denen Plato ihn als einen Greis von fünf und fechzig Jahren fpielen läßt, Nicht wahrfcheinlicher ift es, dag Zeno wirklich fo, wie Parmenides beym Plato räfonnirer, und daß der lezfere nur die Gedanken des Juͤngers auf den Meifter übergetragen habe. Denn die Näfonne, ments, die Ariftoteles, ein ungleich glaubwuͤrdigerer Ges fehichtfchreiber, als Plato, für Zenonifch ausgibt, find denen im Parmenides zwar in einigen Puncten aͤhn⸗ fich , aber von ihnen aud) in mehrern Stücfen verfchies den, wie die Dergleichung einen jeden lehren "wird. Men 732 Fünftes Buch. Man kann aber doeh immer den Parmenides des Plato ais eine Ichrreiche Urkunde anführen, tie die Methode ver Dialektiker befchaffen gewefen fey, und eben deßwe⸗ gen will ich einige Bruchſtuͤcke und Reſultate daraus mit theilen, da das ganze Öefpräch nur fehr wenigen fefern ausftehbar ſeyn, und auch nur etwas flärfer, als der Auszug beweifen würde, dag Plato mit der Phantaſie eines Sehers den Scharfſinn, und die Spizfindigkeit eines Scholaftifers verbunden habe. Wenn ed eine Einheit oder einzige Subſtanz gibt (ſagt Parmenides) fo kann biefe weder Theile haben noch ein Ganzes feyn, weil in jedem Falle die Einheit der Subftanz berfäminden wirde. Wenn fie aber nicht aus Theilen beſteht, fo hat fie auch Feinen Anfang, Feis nie Miete, fein Ende, weil diefe Theile eines Ganzen find. Hat fie Eeinen Anfang, Mitte, und Ende, fo ift fie auch unendlich, und ohne alle Figur, weder rund noch vierefigt, u. ſ. w. weil eine jede beftimmte Ges ftalt eine Mehrheit von Theilen voraus ſezen würde. Die Einheit Fann ferner unmöglic) irgendwo, weder in fich ſelbſt, noch in einem andern Weſen feyn; nicht in einem andern, denn in diefem Balle müßte fie das, wos von fie eingefchloffen wäre, an mehrern Stellen beruͤh⸗ ven, aud) nicht in fich felbft, denn alsdann würde Die Einheit, die einfchlöffe, von ber Einheit, die umfaßt würde, berfchieden werden, und aufhören, eine einzige Subſtanz zu ſeyn. Endlich kann die Einheit weber verwandelt, noch von einem Drte zum andern bemegt werden, weil Verwandlung fo wohl ald Bervegung ohne eine Verſezung von mehrern Thellen nicht gebenfbar if. — Durch aͤhnliche Schlüffe ſucht Parmenides in per Folge zu beweifen: daß bie Einheit weder unbeweg⸗ fich fey, noch bewegt werde, weder jic) ſelbſt gleich oder ungleich, noch von ſich felbft oder andern verfchieben fey: daß fie nicht in einer gewiflen Zeit exiſtire, alfo nie war, nicht Gefhichte der Griechifchen Weltweisheit. 733 nicht ift, und nie feyn wird: daß man fie alfo weder ernpfinden noch begreifen noch benennen fonne: daß fie eins und viele, ein Ganzes und Theile, endlich und uns endlich fen: daß fie ſowohl in fich felbft als in einer ans dern Natur erijtire, fo wohl fich felbft, als andere bes rühre: daß die Einheit weder Größe, noch Kleinheit habe, und weder größer noch Fleiner als andere Dinge: und Doch auch zugleich geößer und Eleiner als eben dieſe fen: daß es endlich *) weder eine einzige hoch viele Subſtanzen gebe, daß fie weder aus einander gefors dert, noch mir einander vermifcht wirde, noch aus dem Gleichen ins Ungfeiche, aus dem Großen ins Kleine, oder umgefehrt übergingen :: und daß auch weder erwas Kleines noch Großes, weder etwas Gleiches noch Uns gleiches, weder Bergrößerung noch Verkleinerung wirk⸗ lich jen. | Dierte Beylage zu ©. 717. Hı wichrigften Fragmente ftehen beym Simplicius in feinem Commentat, über die Phyſik des Ariſtoteles fol, 9. a. und fol. 22. b. welches ich in meiner hifto- ria dodtrinae de vero Deo p. 335 angeführt habe, ferner fol. 23. b. und fol, 24. a. Die legtere will ich hier überfezen, weil die Eigenfchaften der Eleatifchen Einheit nirgends fo kurz und fo deutlich angegeben find, als in diefen Worten des Meliffus: Das ganze iſt daher ewig, unendlich, einzig, und fid) ftets felbft gleich. Es Fann weder leiden roch untergehen, weder verwandelt hoc) vergrößert noch auch nur gefränfe werden. Denn wenn ihm fo etwas wiederfuͤhre; fo würde es aufhören, eine einzige Subftanz zu feyn. Wuͤrde es naͤmlich vor, aͤndert ) P. 150, Ed. Baſ. Gr. 734 Fünfte Bud. ändere oder verwandelt; fo Eonnte es fich nicht gleich bleiben; fondern das, was vorher da wär, würde uns tergehen, und etwas, das vorher nicht da war, würde gebohren werden. Wenn vie Welt in zehntaufenden von Zahren nur um ein einziges Haar verändert würs de; fo müßte fie in einer grängenlofen Zeit nothwendig untergehen. Es ift aber nicht möglich, daß fie auch nur umgebilver werde, Die Welt, die vormals da war, iſt nicht untergegangen, und ed wird auch Feine, die jezo noch nicht iſt, entſtehen. Wenn nichts von neuem hinzukoͤmmt, nichts vernichtet oder verändert wird, mie fann denn etwas umgeformt werden, da Dins ge nur alsdenn umgebildet werden, wenn fie anders werden, als fie vorher waren? — Das Ganze leidet auch Feine Schmerzen, weil ſich ein leidendes Univer: fun eben fo wenig, als eine ewig leidende Subſtanz dens fen läßt *). Wenn das ganze Schmerzen ausgeſezt wäre, fo würde es entweder darüber, daß ihm etwas abginge, oder daß ihm etwas zugeſezt würde, leiden, und in beyden Fällen fich nicht gleich bleiben, Auch kann das Gefunde , fo lange es geſund iſt, Feine Schmers zen empfinden. Denn alsdenn würde die Gefundheit und das Wirfliche untergehen, und das, was nicht wirk, lich war, von felbft entſtehen. — Auch gibt es kei— nen leeren Raum: denn leerer Raum ift nichts oder ein Unding, und ein Unding Fann nicht woirflich ſeyn. Auch wird das Ganze nicht bewege. Denn es kann nivs gends wohin weichen, da alles angefüllt ift, und ſich Fein leerer Raum finder, welchen es einnehmen koͤnnte. Eden ®) Hier kommen einige Worte vor, deren Bedeutung ich nicht verftehe, oder vielmehr deren Zufammenhang mit dem vorhergehenden ich nicht einſehe: dev EX (To av) sony dvapıy Fo vyıcı. Gefchichte der Griechiſchen Weltweisheit. 735 Eben fo wenig kann es Dicht oder locker feyn. Das tockere kann nämlich nicht auf eine folche Arc voll, ats das Dichte ſeyn: fondern ift leerer als das leztere. Do etwas voll oder nicht angefülle ſey, muß man auf fol⸗ gende Art beurtheilen. Wenn ein Gegenſtand einem andern weicht oder ihn aufnimmt, ſo iſt er nicht voll. Wenn er weder das eine noch das andere thut; ſo iſt er angefuͤllt. Nothwendig alſo muß das Univerſum voll ſeyn, da fein leeres iſt. Und wenn es voll iſt; fo findet feine Bewegung ftatt. — Die Worte: Eben fü we—⸗ nig kann es dicht oder locker feyn: find mir ſelbſt nicht recht verftändlich; und ich will daher das Griechi- ſche herjegen, wenn etwa ein anderer einen beffern Sinn darinn finden Fonnte: TrUxvov de nu rgosov 80 av es To yap —D EH MVUSOV TTAE@V Evo — To TEURV ar non! To LEIOV VE HEVEWTELOV YWVETY 78 TUXVS. Wegen dieſer Behauprungen rechnete Iſokrates den Mes liſſus unter die Sophiſten. Allein wenn dies richtig ge⸗ urtheilet wäre; fo müßte man den Xenophanes auch einen Sophiften nennen. — Ueber die Natur der Götter wagte Meliffus nicht, einen entfcheidenden Ausfpruch zu thun, meil wir- von ihnen ‚Feine befriedigende Degeiffe erhalten fönnten IX. 24. Diog. Fünfte Beylage zu ©. 717. Naßer den Maͤnnern, deren Verdienſte und Gedan— ken ich in dieſem Buche erzaͤhlt habe, lebten in demſel⸗ digen Zeitraume noch andere, die zwar weniger merk⸗ würdig find, aber doch eine kurze Erwähnung verdienen, Einige davon waren Pythagoreer, oder wurden doch das für gehalten: andere waren Lehrer oder Schüler ver Weltweiſen, von denen ic) gereder habe; und von noch andern wiflen wir gar nicht, ob fie von einem der äls fern 736 Fünftes Bud). tern Phlloſophen gebildee worden. Ja wir wiſſen ſelbſt nicht einmal genau, wann ſie gelebt haben. Die beyden aͤlteſten find Alfmaon von Kroton, und Hippafus, die gemeiniglich für Pprhagoreer gehalten merden. Allein Ariftoteles unterjcheider den erftern beftändig von den Freunden des Samiſchen Weltweifen, und iſt zweifelhaft, ob die Pythagoreer eine gewiffe Meynung von ihm, oder er von den Porhagoreern ange nommen babe *). Er lebte in den legten Zeiten des Pythagoras, und hinterließ in einem Werke Beobach⸗ tungen und Gedanken uͤber allerley Gegenſtaͤnde, von welchen Ariſtoteles und Cenſorin folgende aufbehalten haben. Er redete von entgegengeſezten Principiis der Dinge, wie die Pythagoreer, aber auf eine ſolche ver⸗ worrene Art, daß Ariſtoteles ſeine wahre Meynung nicht errathen konnte **). Die Seele hielt er für unſterb⸗ lich, weil fie mit den himmliſchen Körpern von aͤhnll⸗ cher oder gleicher Natur fey, und ſich wie Sonne, Mond und der ganze Himmel unaufgörlich bemege***), oder ein felbftftändiges Prineipium eigener innerer Bewer gung befize. Weber die Natur und Entftehung des Saas mens dachte er, wie Anaragoras und Demofrit; über die Urfache des Geſchlechts in Kindern aber wich er von ihnen —— e) A Metaph. E.p. 13. —VDDDDD—————— — xæ⸗ To cros Bag EKEIV@V, N EXeis vor mag TeEr2 megeAußoy Tov Aoyov Ferov, Kau ya eyevero rrv nAmıny AAkuasav emiı ya- eovr3 Ilugayoew , EREDNvarTo de TRCRBANTIRS Fsrois: Ondi Yap eivas duo ri WORK TOy oly- Soeonnov, Aeyav Tas evavrioryras, EX, uorep Erb dimgiouevas, ARE TES TUXBTAS: es?) L, 2, de Anim, Geſchichte der Griechiſchen Weltweisheit. 737. ihnen ab. Er glaubte, daß Mädchen erzeugt würden, wenn die Mutter, und Knaben, wenn der Vater am meiften Saamen hergäbe *). Ariſtoteles tadelre ihn mit Necht, wenn er fich einbildete, daß die Ziegen durch die Ohren Athem hokten **), allein ohne Grund ging er von ihm ab, wenn er das Weiße im Ey für die Milch, oder für die Nahrung ver Küchleins hielt ***), Die Menfchen, fagte er, rennen nur deßwegen ins Ders derben, weil fie bey ihren Handlungen nicht fters den Anfang mit dem Ausgange verbinden, oder nicht im» mer das Ende ihrer Unternehmungen reiflich uͤberle⸗ gen ****), Andere Fragmente von Meynungen ftehen beym angeblichen Plutarch, die ich aber nicht anführe, weil e3 zweifelhaft iſt, ob fie ihm zugehoͤren F). MWahrfcheinlich um dieſelbige Zeit mit dem Alkmaͤon lebte Hippaſus von Metapontum, ten Diogenes FF) und die Lebensbeſchreiber des Pythagoras ſtets als eis nen Schüler des leztern anfehen FFF), Ariſtoteles und Sertus hingegen von ihnen unterfcheiden 7777). Eben diefe Schriftfteller fagen, daß er das Feuer für den Urs ftoff und die Grundurfache aller Dinge, ungewiß, ob vor — — — — — — —— — — —r— er *) C. 5. Cenſ. de die nat, %+) Hiſt. Anim, A. a. p, 15, s**) De Gen, Anim. Y. B. p. 245) #6) Arift, Probl. ıE. Y-. p. 129. ) De Plac. Phil, IV, 16. 17.18. V. 3.14.16. 17. 23. 30, +r) VI 84. +++) Jambl. gi. ſ. An diefer Stelle wird er fogar für denjes nigen ausgegeben, der das Wort Akusmatiker erfunden, und die Klaffe von Zuhorern, die dadurch ausgedrückt wurde, zuerft eingeführt habe, MP Met. A. Y. und Sext, Hyp. Pyrrb, II, 30. & ibi Fabr, IX, 361, adverſ. Math, Aaa 738 Fünftes Bud. vor oder nach dem Heraklit, gehalten Habe *). Leber den Epicharmug, der wahrſcheinlich um die 75 Olympiade blühre, breite ic) mic) hier nicht weiter aus, fondern bes rufe mich auf das, was ic) von feinen Fragmenten in meiner Hiftoria Doctrinae de vero Deo p. 310. ır. gefagt habe. Auf einige derjelben werde ich unter dem Artikel von der Platonifchen Philoſophie zurücktoms - men. Sehr oft Habe ich mich darüber gewundert, daß von dem Lehrer des Anaragoras, von welchem dieſer den Gedanken des einzigen wahren Gottes, oder eines verftändigen Urhehers der Welt erhielt, oder erhalten haben foll, fich nicht mehrere Nachrichten in den Schriftftellern der Alten finden, und daß man fo gar feinen Namen auf fo ganz verfchiedene Arten gefchrieben bat. Ariſtoteles **), Plinius ***) Alerander Aphrodiz fäus F) und andere nennen ihn Hermotimus, Ser tus, der fic) auf den Ariftoteles beruft, Hermotimon FF), Plutarch, Hermodor, und Dalerius Marimus hingegen Hermipp FIT). Wenn Hermotimus fich unter den Griechen zuerft zu dem Begriff eines weiſen Baus meifters der Welt erhob; fo mufte er nothmwendig viele andere neue und wichtige Betrachtungen anftellen, von denen es faft unbegreiflich iſt, Daß gar nichts zu uns’ gekommen ift. Eben fo feltfam ift es, daß alle Schrifts ſteller, felbft diejenigen, die. des Hermotimus erwähr nen, dennoch an denfelbigen oder an andern Stellen dem — — — —r — — — — — —— — —— — — ®) Siehe nad) Praep, Ev. Euſ. XIV, 14. Stob, ; ’ c. 13. de Plac. . 13. Dioz. VIII. Ay es *») A.y.Met.p 8. ss) VII. 52. +) Ap. Simpl. in Ari, Phyf, Aufe, fol, 331. ++) IX. 7. adverf. Mathem. +44) Fabr, ad Sext. |, e, & Pint, ad Plin, I, e, Gefchichte der Griechiſchen Weltweigheit. 739 dem Anaragoras das Verdienſt der erſten Berfündigung und Entdeckung der wahren Gottheit zueignen. Wolls te man fagen, daß Hermotimus deßwegen wenig bes kannt geworden fen, weil er wahrfcheinlich nichts ges fehrieben habe; fo Fonnte man fagen, und es mit den Benfpielen des Thales, Pythagoras und anderer bewei⸗ fen, daß Schriften in Griechenland weder nothwendig waren berühmt zu werden, noch um Gedanfen und Ers findungen auf fpätere fehriftitellerifche Machkommen fort⸗ zupflanzen. Das Andenken dieſes Mannes hätte, fcheint es, in den Denfmälern ver Griechen um defto länger blühen müffen, da er ben feinem teben für einen götclichen Weißager, und einen Vertrauten der Götter gehalten, und nach) feinem Tode von feiner Vaterſtadt in einem Zempel verehrt wurde, Hermotimus fiel häufig in Entzuͤckungen, in welchen er des Bewußtſeyns feiner felbft, und fein Leib aller Empfindlichkeic beraubt wurde *). Sn diefen Efftafen, glaubte man, daß feine Seele in. den entfernteften Gegenden herumſchwebe, weil er, wenn er wieder zu fich felbit Fam, Dinge offens barte, von denen man fich vorftellte, daß er fie nie häts te erfahren koͤnnen, wenn nicht fein befferer Theil fich am ganz andern Drten aufgehalten hätte, als wo fein ges fühllofer Körper lag, — Seine Frau beging an ihm die Verraͤtherey, daß fie feinen feib zu einer Zeit, da die Seele ihn eben verlaffen hatte, feinen Feinden den Kanthariden überlieferte, die ihn verbrannten, und den wiederfommenden Geijt hinderten, in feinen ehemaligen Wohnfiz, oder wie Plinius fagt, in feine Scheide zuruͤck⸗ zufehren. — Daß man einen folchen Songleur Tems pel erbauefe, ift- weniger wunderbar, als daß er zuerft den wahren Gott erfannt, und den Anaragoras ges ! Asa 2 lehrt — — \ — | EEE — — — — e) Plin. VII, 52, & ibi interpretes. 740 Fünftes Bud). lehrt Hat. Bielleicht aber kommt diefes manchem nicht widerfprechender vor, ald daß man dem leztern in karte pfafus einen oder mehrere Altaͤre errichtete, da man ihn in Athen als einen Feind der Goͤtter und Religion ans klagte. Ungeachtet Anaxagoras keine Sekte ſtiftete, und keine Nachfolger hinterließ, die ſich von ihm genannt hatten; fo hatte er doch, um mic den Griechen zu res ‚ Den, mehrere berühmte Schüler, die alle, ober doch viele von feinen Grundfäzen annahmen, und unter des nen einige, befonders Diogenes von Apollonia und Ars chelaus von Athen, philofophiiche Schriftfteller, oder Lehrer der Weltweisheit wurden *). Dom Archelaus wiffen wir fo wenig, und Dies wenige fo ungewiß, daß ic) es niche der Mühe wereh achte, die freitenden und dabey gleich unzuverläfligen Zeugniffe neuerer Geſchicht⸗ jchreiber einzeln zu prüfen und anzuführen *). Dom Diogenes von Apollonia würden wir. nicht viel mehe glaubwuͤrdiges als vom Archelaus wiſſen, wenn nicht Simplicius uns verſchiedene Fragmente aufbehalten haͤt⸗ te, die man bisher gar nicht genuzt hat ***). Dioge⸗ nes hatte mehrere Werke gefchrieben, die ver eben ges nannte Ausleger des Arifkoteles aud) nennt; von denen aber nur das einzige über die Natur bis auf die Zeiten des Simplicius gefommen war 7). Jener glaubte, daß alle Dinge in der Welt aus demfelbigen Urfloff ent, ſtuͤn⸗ ——— ——— — —— —— — — n — a) Chen dieſes kann man auch vom Metrodor von Lampſa- kus ſagen. Vide Diog. IL Ir. ss) Man ſehe Bayle Article Archelaus. Diog, II. 16. Pfeu- do Plutarch, de Plac, Phil. 4. 3. Pleudo Orig, p. 78» 79, Stob p. 2. & 26. K#r) San fehe Bayle Article Diogene, ) Fol, 6, a. 32, b, Geſchichte der Griechifchen Weltweisheit. 741 ſtuͤnden, oder daß fie aus derſelbigen Subſtanz abgefons dert und hervorgebracht würden *). Denn wenn ed mehrere ganz Yon einander vers ſchiedene unwandelbare Grundſubſtanzen oder Elemente gebe, aus welchen alle Dinge zuſammengeſezt wuͤrden; fo wuͤrde niche alles fo mannigfaltig in einander uͤberge— hen, nicht fo. Häufig verwandelt, und mit einander vers mifcht werden, auch) nicht auf eine folche Arc wirken und leiden, und fich gegenfeitig fo nuͤzen und ſchaden, als wie erführen, daß jego geſchehe. Selbſt das Hervors wachfen von Pflanzen, Gesträuchen und Bäumen aus der Erde, die Entftefung, Ernährung und der Uns tergang der Thiere beweife, daß der Stoff aller Dinge derſelbe, oder vollig gleichartig fen, und daß alles auch in diefelbige Grundmaterie zuruͤckkehre. Diefen Stoff nun, aus welchem durch Verdünnung oder Verdickung alles entftehe, und in welchen durch eben diefe Deriwane Aaa 3 deluns — — — — —— — — — ) Man ſehe Ariſt.' de Gener. & eorrupt. I. 6, & ipfum Diog, sp. Simpl, 33. b. Eyes de dexes Fo MEV Euu- TOV EITEW TAVTE Ta ovTa ame TE faurg Äre- goneo ya, aus To auro Ewa, nu Tero eudyAov, € yag To ev Tode Tw worum eevre& vuv yn nos vdwe au FT RAAS 00% Dawerm ev Tode Fo noe- M@ S0VTR, EI TET@V Ti nv To Eregov TE Ereog ETEEAV ov TY 1di Duses, Kos un To &uro go ME FERIRTE WOMAEXWS 9 Nrascı 870, sdaun 8r8 — &AAyAoıs yduvaro, 'gre aReAncıs ro Ereen, are Pia. sd av are Eurov en rys vnc Puvas, &re Cwov, gre aAAoyeracdas ade, EI UNET@ TUWISKTO BSE TRUTO EIVeHh, @AAL TAYa Ta TOT Eh TE BUTE ETHLUBMENE, BAAcTg UNNoI6 YWETaA, HA EIS TO MUTO WVaXweEL 742 Fünftes Buch. delungen alles untergehe, nannte er buft *), weil er fie für dasjenige Element hielt, was am meiften gefchicke jey, in ankere Naturen uͤberzugehen **). Diefer Luft eignete er Derftand zu, oder hielt fie für ein verftän, diges Weſen, mweil man ohne diefe Vollkommenheit fich gar nicht vorfiellen fünne, wie alle Dinge in der Welt fo herrlich) und zweckmäßig eingerichtet, und wie beſon⸗ ders die Tags und Zahrszeiten und alle Beränderumgen der Witterung fo ordentlic) abgerheilt feyen und auf einan: der folgten. Er nannte fie ferner mächtig und groß; und fagte, daß fie allein ewig und unvergänglich, alle übrige Dinge hingegen, die aus ihr entftünden, der Auflofung unterworfen fenen ***). Es eriftire nichts, was nicht an ihr Theil nehme, oder aus ihr hervorgebracht wer» | de; — ——— — — —— — — — — — — — — — — — — — *) Simpl. ib, eDadns de deikas, OTI ESI Ev 7 xexn rœvrn vonois HoRN, 8 Yae av Pyow Erw dedanIau Erov TE NV OVEU VONTHS, WSE TAVTOY METER EX EI, KEımwvos TE HI JECBS, ni VUHTOS Kosı NuEERS, Kos VETWV HU OVEM@V, Kou Eudimv, Kos Tor aA &ı Tıs Bareras evvossoIcu, Evgiaaoı av Erw diK- KEIMEV, WS Avusov HAASE, ERRYEI, OTs vo avdewmos zas TE aA (ww En TnS wexns TEUTAS , Yrıs esıv one, nos On ns \buxmv exXen, za vonow. *®) Fol, 6. 2. Simpl. Der berühmte Peripatetifer Nifofa: us von Damaskus glaubte, daß Diogenes nicht die Luft, fondern ein gewiffes Mittelweſen zwifchen dem Feuer und der Lufe für die Grundurfache aller Dinge gehalten habe. Ap, Simpl. I, c. Diefe Meynung bat aber die Zeugniffe aller Alten, die des Diogenes —— und die Bruchſtuͤcke des leztern ſelbſt wi⸗ er ſich. WR) 38. 2. Gefchichte der Griechifchen Weltweisheit. 743 de *); unterbeffen fen doch die Luft fich felbft ſehr ungleich, "indem die eine wärmer oder kaͤlter, trocfner oder feuch⸗ ter, träger oder beweglicher, als die andere, und auch fonft noch von vielen Seiten verfchieden fer. Mad) dem Verhaͤltniſſe diefer Verſchiedenheit des Urftoffs fenen nun auch alle Naturen in Anfehung ihrer Geftalt und ihrer Bollfommenpeiten von einander verfchieden. Man muͤſſe die $ufe aber nicht bloß als die Grundurfache des Dajeyns, fondern auch des Lebens, Empfindens und Denkens aller Wefen anfehen. Durch fie lebten, em» pfänden und dächten Menfchen und Thiere, deren See⸗ len alle aus gleichartiger Luft beftünden, die wärmer als die äußere, aber Fälter als diejenige fey, aus welcher die Sonne beftehe **). Der Menſch denfe, wenn die Luft mie dem Blute durch die Adern den gangen Körper durchdringe ***), und er fterbe, wenn das Athemho⸗ Sen aufhöre, und die Beftandtheile von tuft, wodurch er bewegt, belebt, und regieret worden, von ihm abges fondert würden. Ungeachtet aber die Seelen aller Thies re gleichartig, und aus einee wärmern bLuft zuſammen⸗ gefezt feyen F), fo feyen fie fich doc) auch nicht wies Aaa 4 derum *) Kasssı unde Ev, orı un MereXsi TST8. nerexeide '8de Ev onows To Erseoy Tw Eregw. EAAR FoAAc TOT Kos AUTE TE LELOS Ku TNS vonaios Eıaw. 51 Ye moAureomoS. Kos Yeguoregos nes ıbuxeo- TELOS, Hals ENLOTEEOS, HL UYLOTELOS, Ku FLnıu0- TELOS, HULOEUTELOV KIVNOHW ENWV. HOU Mc ro. ETELOIBTIES EVEICH, KO NÖOVNS Ko KeoIns arresgeı. ) Der Saame des Menfhen felbft fey von geiftiger und luftiger Natur. *“* Simplicius fagt, daß Diogenes genaue anatomifche Bes fehreibungen von den Adern mitgetheilt habe. }) Kos mavraov Twy (way de n un To auto esw, vne Srenoregos KEV TE efw ev © ECHEV, TE KEV- Do To 744 Fuͤnftes Bud), berum alle gleich; und aus diefer Ungleichheit der Grade der Wärme, welche fich in den Beſtandtheilen der Sees ie fünden, müßten Die Berfchiedenheiten ver Sinne und Kräfte verfchiedener Menfchen und Thiere erklärt wers ven *). | - &3 wäre wider meine Abficht, wenn ich alle übrige Zeugniſſe Griechiſcher Schriftjteller über ven Diogenes eben fo ausführlich als die Sraginente dieſes Mannes aus einander fezen wollte, Ich begnüge mic) daher das mit, nur noch über einige Derfelben eine oder die andere Prerrachtung anuftellen. Plutarch **) befchreibt die Entſtehung der Welt nach dem Diogenes, wo nicht uns richtig, doch auf eine ſo dunfle und verworrene Art, daß man nach feinen Worten dem Diogenes nothwens dig faliche Meynungen zueignen muß, wenn man fic) nicht ſchon vorher mit den wahren tehren deſſelben bes kannt gemacht hat, Nachdem das Ganze (fo foll Die: genes gedacht haben) in Bewegung gefezt worden, und die Luft fich hin und wieder verdünnt, an andern Stel⸗ len aber verdickt hatte; fo gerieth zuerft Bas Dichte und nachher afles übrige in einen Wirbel, e8 bildeten fich uns zahlige Welten, die leichtejten Beftanotheile fliegen am höchften, und aus diefen entftand der Sonnen Korper. — Dayle***)fonnte nicht begreifen, wie Diogenes noch von x Ders — — — — — — — — — — — — — — To TALK Tw HAsw 7oAAov Wuxeoreeos. oporov de 7870 To deonoy sdevos Tay Cowv EV, ERE 8ds rav ardenzmav @AANAıs, AA di Depei peyzpev 8, EAN wse —A — ——— 8 MEVTOL UTLEHEwS YE oMOI0V Yeov = —- cre EV TOAUTEOTE EVETNS TNS ETELOIWOIOS, FOÄUTLOTE wo va las xaı moAAu. Kas ade ıdeuv @AAy- Acıs EOIKOTE, STE diırav, STE vonrw &c %, Man fehe auch de anim. Ariſt. I. 2. sr) Beym Fufebiug I. 8. Praep, Evang, *er) Art, Diogene N, B, Geſchichte der Griechifchen Weltweisheit. 745 Verduͤnnungen der tuft reden konnte, da er fie doch für die feinite aller Subſtanzen erklärt harte, Allein diefe Schwierigkeit hätte fich der beruͤhmteſte unter allen Woͤrterbuchſchreibern leicht aufldſen koͤnnen, wenn er nur die Sragmente gelefen harte, im welchen Diogenes felbit fagt, daß es zwar nur eine einzige Grundſubſtanz, die tuft, gebe, daß aber diefe ihrer Öleichartigfeit uns geachtet fich nicht durchgehends gleich, fondern bald duͤn⸗ ner, bald dichter fen. Mic mehrerm Grunde fann man den Plutarch fadeln, daß er die Mehnung des Diogenes fo vorftellt, als wenn er mic dem Heſiodus oder den Als teften Weltweiſen geglaubt hätte, daß entweder das Dhngefähr oder eine blinde Kraft den Grundftoff aller Dinge in Bewegung geſezt babe, da Doch Diogenes die Luft für das felbfiftandige Principium ihrer eignen Bewe⸗ gung und der Bewegungen aller aus ihr enrftandenen Dinge hielt. Die Ausfprüche dieſes Weltweiſen von unzähligen Welten und von Wirbeln, wodurch fie her⸗ vorgebracht worden, waren hoͤchſt wahrfiheinlich die Ur⸗ fache, warum Simplieius fagte, daß er die kehren des geufipp und Anapagoras (und man kann noch hinzufezen des Anaximenes) mit einander verbunden *). Bahyle war ungewiß, ob der Berfaffer des Buchs von den Meynungen der Weltweiſen allenchalben, wo er vom Diogenes fehlechthin ohne weitere Beſtimmung redet, den Diogenes von Apollonia, oder auch andere Weltweiſen diefes Namens verjtanden habe, oder nicht? Allein meinem Urtheile nach kann man gar nicht zweis fein, daß diefer Schriftſteller, wie fein Ausſchreiber Stobäus, nicht an allen Stellen, die Bayle anführe **), den Schüfer des Anaragoras im Sinne gehabt habe. Bayle ift aber nicht vollftändig in der Angabe der Ab: Aaa5 ſchnit⸗ — — *) L. e. fol,6,b, ex) N.C. 746 Fünftes Bud), ſchnitte, wo Meynungen des Diogenes von Apollonia gefunden werden, und. ich will fie daher zur großen Bes quemlichfeit neugieriger $efer berichtigen *). Bey einer fhärfern Unterfuchung einer jeden einzelnen Stelle des falfchen Plutarch würde man aber, glaube ich, oft finden, daß er die Gedanfen des Diogenes bisweilen unrichtig gefaßt, und befchrieben habe. Zur Probe wähle ich nur das Capitel, worinn er von den Seelen der Thiere redet, V. 20. Ascyevns, HETEXEI MEV @uTa TE vonts uas astos, dio de Ts MeV MUHVornT® Ta de TAeovaoov (fo Schreibe ich mit Neisfen) ras vyeaoıes, unre diavosıodcı, unre aıadaveodas, meoaQeeos d'au- To harsıo9aı Tois mEMNvoOı, BALERTAIKOTOS TE Nye- povms. Wenn man es auch gar nicht einmal rügen will, daß an diefer Stelle das verftändige Wefen und die Luft als verfihiedene Naturen angefehen werden; fo fann man es doch zuverfichtlich für faljch erklären, daß Diogenes ven Thieren, denen er an mehrern Stels len feiner Fragmente viefelbigen Grundfräfte mit dem Menfchen zufchrieb **), alle Empfindung follte abgefpros chen haben. Nenn er fie auch mit Wahnfinnigen und Hafenden verglich; fo konnte er ihnen doch deßwegen nicht das Vermögen durch die außern Sinne Gegens ftände wahrzunehmen, und von ihnen angenehme und unangenehme Eindrücke zu erhalten, ftreitig machen, Die lezte Anmerfung über den Diogenes von Apols lonia betrift feine Zeitrechnung, in welcher fein gleich)» nomigter tebensbefchreiber mehrere grobe Fehler gemacht bat ED — — — — — — —ü — x) Lib II, 1. 8. 13. 23. 32. III. 2. 15. IV. 5. 16. 18. V. 15. 20. 23. Hiemit verbinde man Ariſt. Hiſt. anim. V. B. de Reſp. I, Clem. Paedagog, I, 105. Cenfor, 5.6. ) loyv, Duxmv x⸗ vonom. Gefchichte der Griechifchen Weltweisheit. 747 hat *). Diefer nämlich nennt jenen erftlich einen Schr ler des Anaximenes, und einen Zeitgenoffen des Anaxa⸗ goras, und gleich nachher einen Lehrer des Anaxarch, welcher den Ulerander auf feinem Zuge nach Aſien begleis tete, und ohngefaͤhr hundert und zwanzig Jahre fpäter, als Anaragoras bluͤhte. — Diogenes war gemiß Fein Schüler des Anaxamines: denn er febte nac) dem Anas xagoras, von welchen es fich nicht einmal mit einiger Wahrſcheinlichkeit behaupten läßt, daß er mit dem Anas ximenes perfonlic) befannt geworden ſey. Mit diefer Bemerkung ſtimmt das Urrheil des Simplicius zuſam⸗ men, welcher fagt, daß Diogenes faft der jüngfte unter allen denjenigen geweſen fen, welche unter den Griechen vorzugsweife Phyſiker der Maturforfcher genannt wors den **), Demofrit war glücklicher ald Anaxagoras. Er ers hielt, wenn man dies anders ein Glück nennen kann, Schüler, die fich von ihn nannten, die aber nur bis ins Zeitalter des Epifur fortdauerten, als durch welchen fie gänzlich verdrängt wurden. Der berühmtefte unter diefen war Metrodor von Chios, der ein Werf hinters lieg, dem er eben den Titel gab, den bie älteften Welt— weifen faft allen ihren Werfen überfchrieben hatten ***), Die größten Gefchichtichreiber der Griechifchen Philoſo⸗ phie, Ariftoteles, Sextus und Cicero erwähnen dieſes Weltweiſen höchft felten; und was wir alfo von feinen Gedanken noch) übrig haben, fteht fait alles in einem Pu: — —— —ñ,ꝰ — — AD en —ñ — — —⸗ — ®) Diog. IX. 57. **) fol. 6.a, »**) Cic, Ac, Quaelt, IV, 23, — — tenebricofos, fie enim appellat eos, (fenfus) is, qui hunc maxime eſt ad- miratus, Chius Metrodorus initio libri, qui ef de natura. Auch NMaufiphanes, der Lehrer dee Epikur, war ein Demokriteer, de Nat, Beor, I, 26. 748 Fuͤnftes Buch, Plutarchiſchen Fragmente, und in den Buͤchern des Verfaſſers von den Meynungen der Weltweiſen. Mach dieſen Bruchſtuͤcken gu urtheilen, nahm Metrodor die erſten Grundſaͤtze ſelnes Meiſters alle am. Er behaus ptete mit ihm eine unendliche Menge von Atomen, einen unendlichen leeren Raum, unendlich viele Welten, und Dunkelheit oder Unzuverlaͤſſigkeit der Sinne. Auch re⸗ dete er ganz mit den Worten und Gruͤnden der aͤlteſten Eleatiker, von der Unmoͤglichkeit der Entſtehung wirkli⸗ eher Dinge, von der Ewigkeit, Unendlichkelt und Unbe⸗ weglichfelt oder Unmandeibarkeit bes Samen *), eine Meynung über bie merkwuͤrdigſten Erfcheinungen der zuft und der Erde fichen beym angeblichen Plutarch und beym Seneca *). Wenn man neue Peweife von bee Machtäffigfeit des erftern haben will; fo lefe man die Art, wie er die Hypotheſe des Metrodor über das Erd⸗ beben in dem zulezt genannten Capitel vorftellt, und vers „gleiche fie mit der Erzählung des Seneca. Man fehe, in wie einem falfchen tichte der ebem gefadelte Schrifts ftefler die Gründe fegt, womit Metrodor die Unendlich keit von Welten bewies "**), or, d’umeigos zur ro mAndeS, NA Er TE UmeIen Te aıFın E10 Eu MeV — 6 NLOMOS METECHOMEvOS, Tor Öaırın MOVTos Teig, EG @V 0 ds ö HOTjLOS YEYoVvEvV UV Yan EMEIELS en. Am eben biefer widerlichen Nachlaͤſſigkeit willen, und weil er nirgends bemerf£, ob er Meynungen des Metrodor von Ehios, oder des Schülers des Epifur anfuͤhrt, zeige ich nur Furg bie übrigen Stellen an, wo eined Metrodor Erwähnung gefchiegt T), Die Meys Ä nung — — — — —— — — — — — — — #) Plut. ap, Euſ. I, 8. Praep. Ev, ®*) III. I. 3. 4. 5. 7. 9. 15, Sen, Nat, Quaeſt. VI. 19. x) I. 3. +) De Plae. L 5. 18. II, 15. 17. 18. 20. Geſchichte der Griechifchen Weltweisheit. 749 nung über die Unendlichreit oder unendliche Zahl von Welten *) eignet Stobäus dem Epikureer Metro⸗ dor zu *. Wenn man den Zeno nicht zu den Sophiſten rech⸗ net, fo if er der erſte Griechiſche Weltweiſe, ver gleich den leztern ums Geld lehrte. Ihn hörten Perikles, Pythodor und Kallias, unter-welchen die benden leztern ihm feinen Unterricht mie hundert Minen belohnten ***). Phythodor lehrte wiederum in hen, wie man aus dem Marmenides des Plato fieht 7), und hatte mehrere Schüler, unter welchen aud) ein Antiphon bemerkt wird 77), der wahrſcheinlich mie dem Antiphon einerley ift, deſſen Meynung über die Urfache der Salzigkeit des Meerwaflers der angebliche Plutarch anfuͤhrt FF), und der auch vom Johannes Stobäus in feinen phyſiſchen Eregggien einige male genannt wird, Wahrfcheinlich gehört in den lezten Abſchnitt der erſten Periode der Grischifchen Philofophie ein gewiſſer Hippon, den Sertus TIFT) einen Rhegier, andere einen Metas pontiner, und Artfiorenus einen Samier nannte 771 )1). Ariftoteles führe feinen Namen zwar mit in dem Ders zeichniffe der Männer an, die über die Grundurfachen ' der — — rn — —— 1. 5. xxy) Eclog. Phyf. p. 52. **x) Plut. p, 221. in Ale. I. P p · 138. +4) IL 16, +t}) Hyp. Pyrrh. TIL, 4, adv, Math, IX, gox. 7) Hypot. Pyrrh, II, 4. adverſ. Mathem, IX, 361) tfh Cenfor, de die Nat, c, 5, \ ’ | ' 750 Fünftes Bud). der Dinge Unterfüchungen angeftellt hätten *), allein er hält es nicht der Mühe werth, feiner Gedanfen zu erwähnen, weil feine Borftellungsart gar zu roh und zu einfälcig fen **). Sertus fagt ***), daß Hippon das Feuer und dad Waſſer als die Priccipia aller Weſen angenommen habe. Dach dem Alexander von Achrodis faa ****) Hingegen hielt er eine gewiſſe Feuchtigkeit für den Urſtoff der Welt, ohne zu beftimmen, ob er unter diefer Feuchtigfeit tufe oder Waſſer verſtehe. Endlich gab er einem allegorifirenden Ausleger des Hefiod zu folge, der den Hippon einen Atheiften nennt, die Erde für die urfprüngliche Materie aus, aus welcher alles eniitanden ſey 7). Aus der Meynung diefes Weltweis fen über die Matur der Seele muß man fchließen, daß Alerander feine tehre von der Grundurſache am richtige ften vorgeftelle habe. Hippon gehörte nämlich zu den ftumpfjinnigen Philofophen, welche die Subſtanz ver Seele ſich als feucht dachten, wahrfcheinlich deßwegen, ſezt Ariftoteles Hinzu, weil der Saame aller Thiere eine gewiſſe Feuchtigfeic it FT). Mehr Wahrheit findet fich in den Beobachtungen, die Cenſorin 777), und der ans gebliche Plutarch FETT) diefem Manne zueignen, und in denen *) Met.a. Y. ”*) immwva ev Yap au ay vis afimaeis Java merce Tarav, dia Tny eureiciay aurs 77 ‚uns As- vosas. a): ice, es®*) [,p, 12, in Met. Arift, +) Fabr. ad Sext. Hyp, III, 4. +}) De Anim, I. 2, +1) 5.6.7. yttD) V. 5. de Plac, Geſchichte der Griechifchen Weltweisheit. 751 denen ich weder Widerfpruch mit feiner Hypotheſe über das Wefen ver Seele, noch auch andere Spuren. von Erdichtung antreffe. Diefem Schrififteller zufolge glaubte er, daß der Saame vom Marfe abgefondere werde, und berief ſich, wenn Cenſorin ihn recht verſtan ⸗ den har, auf die Erfahrung: daß man in Thieren, Die man gleich nach der Vermiſchung toͤdte, das Marf gar nicht erjchöpft finde. Seiner Meynung nac) würden Kinder gan; allein aus dem Saamen des Baters, und zwar aus dem ftärfern Knaben, aus dem fchwächern Mädchen gezeugt: der Saame der Mutter hingegen frage nichts zur Zeugung bey, weil er gang verfchürter, und oft von Weibern, befonders von Wirwen, ohne Zurhun eines Mannes weggelaffen werde, Seltſam ift es, daß er das Haupt für den Siz der Seele hielt, da ihm die Seele jelbft eine Feuchtigkeit zu feyn ſchien *), Außer diefen Männern führt Ariftoreles noch fünf andere an, die allem Vermuthen nad) zwijchen der ſieben⸗ zigften und achtzigften Olympiade blühten. Die beyden eritern find Hippofrates von Chios, und deffen Schüler Aeſchylus, deren Erklärung von den Kometen den Bes griffen der Pythagoreer ahnlich war **). Auf diefe fols gen Kleivanus und Leophanes, von welchen beyden gleichfalls nichts zu und gefommen ift, als die Erklärung des Blizes vom erftern ***), und die Meynung des leztern über die Urfache ver Erzeugung von Kindern beyderley Ges ſchlechts ö— — — — ——— — — — — — — — — —t —— ) C. 7. Cenſ. se) San ſehe Meteor, I, 6, und Heinios differtation fur Oenopidas p. 412. ®**) Met. B- 6,8, p. 7I- 752 Funftes Bud, fehlechts *). Der lezte ift Denopides von Chios, der ein Zeitgenoß des Demofeit war **), und uber welchen Heinius die wichtigften Stellen der Alten geſammlet har ***), Den Diogenes von Melos rechnet man zwar genteiniglich zu den Efeatifchen Philoſophen, allein er war . nicht ſowohl ein Weltweiſer, als ein unfinnig ſchwaͤrme—⸗ rifcher Widerfarber der Goͤtter und Religion feiner Vaͤ⸗ ter. Mein }erdeil über ihn finder man in der Hifto- ria doctrinae de vero Deo p. 346. *) Ariftot. ap. au&t, libr, de Plac, Plil, V, 7. #®) IX. 41. Diog. ö acx) Memoires de l’Academie de Berlin de V’aunde 1746. 3, Pr 401», | Ende d88 erſten Bandes. RER Berbeflerungen zum erften Theil des Hrn, Prof. Meiner Gefhichte des Urſprungs, Fortgangs und Derfalls der Willen» ſchaften. Ungeachtet ich mein Manuſcript ſelbſt einigemale ſorg⸗ faͤltig durchgeſehen, und nachdem es ſauber abgeſchrie⸗ ben war, von einigen Freunden babe nachfeben laſ⸗ fen; fo find doch folgende Schreib: und Drudfeblee fieben geblieben, welche man zů verbeffern bitier, mn mn — — — — ©. 6. Zeile 9. für hoften, ſeze hofften, fo auch an vier len Stellen für famlen — ſammlen. ib. in der Note für Herodot® — Herodot. ©. 7. 3. 11. für gemeinſchaftlich — gemeinfhafftlich., und fo in allen Worten, bie von fchaffen herfommen. S. 8. 3. 16, hinter geblieben, feze waren. ib. 3. 20. für auf das — aufs. ©. 10, 3, 18. für in einem — in einen. ©. 11. 3.7. für Verzweifelung — Verzweyfelung. So durchgehends für zweifeln — zweyfeln. ©, 13. 3. I. fuͤr deswegen — deßwegen. Go In dee Folge allenthalben. S. 15, 3,10. für vortreflihen — vortrefflichen. ©. 16, 3. 26, für bewafneten — bemaffneten. S. 19. 2. 1. fiatt aus ihrem — aus feinem. ©. 20. 3. 13. hinter geftorden del. feyn. ©. 21.3.5, ſtatt Kolonien — Eolonien, und für Koͤr⸗ per — Coͤrper. ib. 3. 21. für Drigena — Aegina. ©. 23.3. 10, für denn — dann. * —X Drudfebler, &. 24. In der Rote für Pamphilien — Pamphyllen. ib. in ber erften Note für Neon Telhos — Neon Teichos. 26. für griechiſch, joniſch — Griechiſch, Joniſch, und ſo in aͤhnlichen Faͤllen. S. 27. 3. 10. fuͤr Staatskoͤrper — Staatscoͤrper. S. 32, 3. 12, für oͤfneten — oͤffneten. ib. 3. 9. für fchiften — ſchifften. ©. 33. 3. 2. für Zerſtoͤhrung — Zerſtoͤrung. ib. Not. 2. vor I. 14: 19. ſeze Herod. ©. 37. 3. 14. für, fee. S. ar. in der Note 3. 1, für Bularchii — Bularchi. ©. 46. in der Note für Sofmides — Soſtades. S. 48. 3. 1. binter gelangt, fege war. S. 53. 3.26. für Heraflid — Heraflik, ©. 55. Rot. 2. fee hinzu Strab, S 57, 3. 11. für foßt — faft S. 58. 3. 4. für die — melde. ©. 604 3. 18. für verlohr — verlor. ©. 64. 3. 3. für frug — fragte. ib, 3. 15. für Kato — Cato. ©. 70.3.7. für Hoſiod — Heſiod. S. 74. 3. 3. für welhem — melden! E. 75. 3. 30. hinter auch, ſeze noch, S. 76. 3. 2. hinter entjtanden , fege waren: ib. 2. 23. für maren — wären. . 80, 3. 1. In der Rote für juveni — inveni. . 83. 3. 3. in der erften Note für Feoßdns — reußus und für gun — xevon. 85. 2. 20. für verjagen — bverjagten, 86. 2, 6. für dieſer — biefe, . 87. 3. 9. für ber Lafebämonier — ben kakedaͤmoniern. ib. 3. 13. für verbreitete — verbreiteten. = 3. 16. für habe — haben, ‚90. in ber lezten 3, für feyn — find, €. 93. 3. 28. für hatten — hätten. RAM MR: SEC. ©. 96. Deudfebler, S. 96. 3.1. für des Könige — der Könige. ©. 105. 3. 5. für die — der ©. 112. unten für xeurnex — ee und in ber drit⸗ ten Note für Lib.V. — Lib. V ©. 114. unten in der Note für em vn ei _ 1 TNosUn®. ©. 128. 3, 11. für Batyllus — Bathyllus. ©. 134. In der zweyten Note, ſtatt Aut. — Auct. ib. in.der dritten Note für Pittikus — Pittafus. ©. 136. 3. 24. hinter Mäßigfeit, fee in der Folge. ©. 140. In der Note deleatur der legte Abſaz: in Anfes hung des Erftern u, f. w. ©, 148. für virwirren — berirren. ib. in der Note für ya — yaı. 152. 3.9. für Lichtskreiſes — Lichtfreifeg. .‚ 161, 3. 12, für vorausfahen — boraugfehen, . 163. 3. 7. binter angeboten, feze worden, . 167. 3. 22 hinter Fennen, fege lernen. . 177. 3. 2. für großen — großten. „186,3. 1. für frühern, fpätern — frühere — (päs tere, .189. 3. 10. für Kleant — Klearch. . 197, unten in der Note, für die — Im. ©. 198. 3, 26. für hatten — hatte. ©. 208. 3. 8. für fie — und ©, 210. 3. 10. für zugeflanden — zugeftand: ib. 3. 21. für hat — hatte, ©. 223. 3. 13. für einmal — ein einziges mal, ©. 230. 3. 19, für, allgemeinen — allgemein. ©. 233. 3. 18. für frug — fragte. ©. 253. 3. 7. für falle — fiel, ©. 261. 3. 15. für Bann — Ben. S. 283. 3. 21. für au — mit, ©. 292. 3. 2. für daß — bat. | ©. 295. in der zweyten Note f} 1.416. 11. ar. £ ©. 393. AR RARRRRR \ Drudfebler, S. 303. 3. 3. für Hippobolus — Kippobofus.' S. zır. 3, IT. für denen — ben. ©. 321. 3. 14, hinter Pythagoras, fege vom Numa. ©. 323. in der Note für yeyenboras — yeyendore. ib. für were yuareouevov — MER YunTeuEvoV. ib, für zuge — ao. > ©. 324. in der Note für euregvas — syreXyas. ib. für OAnnmiodos — Orupuzundes, E. 334. 3. 16. für Hermefianap — Hermefianag: ©. 344: für flimmen — ſtimmten. ©. 362. in ber Note 3. 5. für fo — ſchon. ©. 363. 3. 5. für koͤnnte — fonnte, ©. 383. 3. 17. für abfprechen — abfprachen: — —ñi THE LIBRARY UNIVERSITY OF CALIFORNIA Santa Barbara THIS BOOK IS DUE ON THE LAST DATE STAMPED BELOW. series 9482 UC SOUTHERN REGIONAL L Inu IN 8 534 7, * J = u ; v N er | » we s J J —* di un “* a \ r ’ } * — x \ x F z $ ' Ei iT N ur k . si * * — —9 * F * A *% « . s - i E 8 J —n * | a ; * ia ; — A \ ’ ” ‘ h } n M 8 A £ Y h * 1% Ey \ s. ’ R j } » 5 4