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Geiſterſehers.

Aus den Papieren des Mannes

mit der eisernen Larbe⸗

Herausgegeben von

Cajet an Tſchin k⸗

Dritter und letzter Band.

Wien, 5 bey Ftanz Jakob Kaiſerer, 179%

Es war mir, als ob ich aus einem Traum aufgerufen wurde. Ich ſah mit ungewiſſen forſchenden Blicken rund um mich her ich ſah nach dem Irlaͤnder. Er kam herzu.

Der ſchnelle Wechſel der vorigen Eins druͤcke, der entgegengeſetzten heftigen Ems pfindungen, vorzüglich aber der letzte Aufs tritt hatte mich ſehr angegriffen. Ich ließ mich auf dem Grabhuͤgel nieder.

„Nicht wahr Hiermanſor! (ſagte ich nach langem Stillſchweigen) ich babe ge⸗ träume 77°

Setraͤumt? verſetzte er mit Erſtaunen Und was haͤtten Sie getraͤumt?

„Mich duͤnkte, mein Hofmeiſter ſtehe

auf dieſem Huͤgel und * wunderliche

‚Dinge; Ya | Ich

(6 | Ich hatte die naͤhmliche Erſcheinung.

„Hiermanſor! treiben Sie nicht Kurz— weil mit meinem Verſtande.“

Es iſt, wie ich ſagte.

„Es kann nicht ſeyn! Crief ich heftig) Es war eine Taͤuſchung. Denken Sie nicht, daß ich noch immer ſo leichtglaͤubig ſey. Ge— ſtehen Sie nur, es war ein neues Blend— werk, wodurch Sie mich pruͤfen wollten.“

Ein Blendwerk erfordert Maſchinen. Ich erlaube Ihnen, ich bitte Sie ſogar darnach zu ſuchen. Sie moͤgen den ganzen Kirchhof durchwuͤhlen, aber Sie werden frucht— loſe Mühe haben:

„Immerhin! Es iſt vielleicht eines Ihrer feinſten Kunſtſtuͤcke, es iſt aber dennoch Taͤuſchung.“ 5

Es iſt Taͤuſchung, weil Sie es bes fehlen.

„Hiermanſor! was wollen Sie, eur ich glauben ſoll?“

Was Sie glauben können. i

„Hier ſtand die Geſtalt meines Hofmei— ſters und hier ſtand ich, und wir bac 1 miteinander befprehen⸗ 1

Sr Es

Es kan Ihnen geträumt haben, es kann eines meiner feinſten Kunſtſtuͤcke geweſen ſeyn—

„Was vermoͤgen Sie dagegen aufzu— bringen?“ | | Nichts Herzog! nichts!

„Ich beſchwoͤre Sie, was koͤnnen Sie einwenden?“

Einerſeits koͤnnte ich Ane e finden, daß zwey Menſchen ſtehend, was chend, mit offenen Augen das naͤhmliche träumen; anderſeits: daß es dem fein ſten Tauſendkuͤnſtler ſchwer fallen moͤchte bey hellem Tag, auf freyem Platz, eine Luft— geſtalt erſcheinen zu laſſen, die Ihrem Freunde vollkommen gleicht, vernünftig ſpricht, vor— gelegte Fragen beantwortet, und auf Verlan— gen abermahl erſcheint.

„Alles wahr! alles wahr! Allein ich begreife die Erſcheinung eben ſo wenig, wenn ich ſie fuͤr kein Blendwerk halte.“ A

Sie wird Ihnen begreiflich werden, verſprach Antonio.

„Aber wann? Ich ſterbe vor Wißbe— gierde.“ Darf ich ein freyes Wort reden Herzog? „Ich

S

„Ich wuͤnſchte, Sie haͤtten vor mir im⸗

mer frey geſprochen und offen gehandelt.“ Mein Wort koͤnnte Sie beleidigen, darf ich es dennoch vorbringen? dieſe Frage geht

nicht Miguel, ſondern den Herzog an.

Ich verſtehe. Auch dieſen wird Auf— richtigkeit nie beleidigen. Sprechen Sie frey.“ Es iſt nicht Streben nach Wahrheit, bloß eitler Vorwitz iſts, was Sie auf das gefaͤhrliche Meer des Wiſſens hinaustrieb, wo Sie ohne Steuerruder und Compaß auf gut Gluͤck herum kreuzen, um unbekannte Laͤnder und bezauberte Inſeln aufzuſuchen. Ich begegnete Ihnen vor einiger Zeit auf dieſer Fahrt, und nahm Sie (gefangen. Sie haͤtten eben ſo leicht in andere Haͤnde gerathen koͤnnen, die Ihnen eine ſchlimmere Sklaverey wuͤrden bereitet haben. Ich mißbrauchte meine Gewalt uͤber Sie nicht. Sie arbeiteten zwar in den von mir ange- legten Feſſeln, aber nicht in meinem Dienſte, nicht für mich, ſondern für Ihr Vaterland, was Sie mir thuts leid, es ſagen zu muͤſſen als freyer Mann nicht würden ges than haben. Sie verſuchten nichts, oder boch

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(9.

boch fo viel als nichts, jene Ketten zu zer— reiſſen, wohl aber ſich dem Dienſte des Vaterlandes zu entziehen. Ich hielt Sie dazu feſt, indem ich die Feſſeln enger zu— ſammenzog. Allein zufällige Umſtaͤnde fuͤhr— ten Sie aus der Gefangenſchaft heraus, und jetzt erſt ſchien ich Ihnen ein boͤſer Korſar, der ſich Ihrer widerrechtlich bemaͤchtiget und bedienet haͤtte, da Sie mich doch vorher fuͤr ein uͤbermenſchliches Weſen hielten, unter deſſen Gewalt Sie ſich freywillig begeben zu haben glaubten. Mein theurer Herzog! ich bin weder ein Boͤſewicht, noch ſolch ein er— habenes Weſen, aber Sie ſind nicht imſtande, mich zu beurtheilen. Es iſt wahr, ich be— ſitze wichtige Geheimniſſe, durch derer An— wendung ich wunderbare Dinge bewirken kann, allein ich darf davon keinen Gebrauch machen, bis alle gewoͤhnliche menſchliche Mittel nicht hinreichen zu meinem Zweck zu gelangen. D So, wie ich Sie kannte Her- zog! reichten die Spiele der natuͤrlichen Ma— gie, reichten die Kuͤnſte der Feinheit und Klug⸗

9 Si 165 den erſten Band S. 29

on

Klugheit hin, um Sie für meine Abſichten zu gewinnen. Aber jetzt, da die Binde von Ihren Augen genommen iſt, da jene Blend— werke, die Sie durchſchaut haben, nichts mehr uͤber Sie vermoͤgen, jetzt durfte ich zu meiner hoͤhern Macht Zuflucht nehmen, und durch dieſe habe ich die Erſcheinung Ihres Hofmeiſters bewirkt. Sie aber beurtheilen meine Werke fo unrichtig, als mich ſelbſt. Vorhin hielten Sie wirkliche Taͤuſchungen für Wunderwerke, jetzt halten Sie das Werk eines großen wichtigen Geheimnißes fuͤr Taͤuſchung. Woher bieſes ploͤtzliche Abſprin— gen von einem Extrem zum andern? Was ruͤckt immer den wahren Geſichtspunkt, von dem Sie die Dinge ſehen ſollten, aus ihren Augen? Die Quelle dieſes Uebels liegt tief, ich will ſie Ihnen entdecken, denn Sie duͤrf— ten fie zu ſpaͤt finden, weil fie in Ihnen ſelbſt liegt. Ein Trieb iſt Ihnen angeboh— ren, und durch ihre lebhafte Phantaſie groß— gezogen ein Trieb, der ſich maͤchtig in Ihnen regt, und nach Befriedigung ſtrebt, der Trieb zum wunderbaren. Zu ſpaͤt ſuchte ihn. Ihr Hofmeiſter durch die kalten Specu— la⸗

lationen der Philoſophie niederzuſchlagen, anſtatt ihn zu beſchraͤnken und zu leiten. Bey Gott! Ihr Freund iſt ein ebler Mann, der es gut mit Ihnen meinte, aber ſeine Philoſophie hielt nicht durchgängig die Probe. Eine vorgefaßte Verachtung gegen geheime

Wiſſenſchaften jeder Art hinderte ihn unbe—

fangene Unterſuchungen daruͤber anzuſtellen, und indem er alle Erſcheinungen und Ereig— niße, die mit dem gewoͤhnlichen Lauf der Natur nicht uͤbereinſtimmten, im voraus als Werke der Betruͤgerey oder zufaͤlliger Con— junkturen erklaͤrte, verſuͤndigte er ſich ſelbſt gegen die Philoſophie, indem er das als erwieſen vorausſetzte, was er erſt haͤtte er— weiſen ſollen. Ihr Gefuͤhl Herzog! ließ Ihnen wohl das mangelhafte und uͤbertriebene in ſeinen Behauptungen merken, allein Ihre Vernunft reichte nicht aus, es durch Gruͤnde zu berichtigen oder zu widerlegen, unb ſo nahmen Sie die Grundſaͤtze Ihres Hofmei— ſters nicht aus voller inniger Ueberzeugung, ſondern aus Vertrauen auf ſeine Gelehrſam— keit und Redlichkeit an, und indem Sie Ih—

rem Lehrer glaubten, glaubten Sie ſeine

Philoſophie. „Hier⸗

(3.32 )

„Hiermanſor! mir fcheint wahrhaftig: Sie haben recht!“

Laſſen Sie mich vollenden. Es ſtand alſo nicht philoſophiſche Ueberzeugung gegen: die Eingebungen Ihres Hanges zum wun— berbaren , ſondern bloß Glaube gegen Glau— ben. Der erſtere gruͤndete ſich auf das An- ſehen Ihres Lehrers, der zweyte auf eine geheime innere Stimme. Dem erſteren Glau— ben anzuhaͤngen forderte die Achtung für Ihren Freund Sie auf, und bie Ehre für einen Philoſophen zu gelten; dem andern ſich zu uͤberlaſſen ſpornte Sie ein angebohr- ner Trieb. Und ſo warfen ſie ſich bald dem einem, bald dem andern Glauben in die Arme, je nachdem der eine oder der andere Beweggrund ſtaͤrker wirkte. Aber immer waren dieſe Beweggruͤnde nur Gefuͤhle, nicht reine unhezweifelte Vernunftgruͤnde. In dem Verhaͤltniße alſa, wie die Gefühle der einen oder der anderen Art Nahrung und Bekraͤfs tigung von auſſen her erhielten, traten Sie nun zu jener, nun zu dieſer Parthey uͤber. Sobald ich meine magiſchen Maſchinen ſpie⸗

len

#33.)

ten ließ, bekam ber Wunderglaube bey Ihnen die Oberhand; ſobald Ihr Hofmeiſter Ihnen feine Lektion wiederhohlte, ſaß wieder die Phi— loſophie auf dem Throne. Sie waren ein Ball, der bald in ſeine, bald in meine Haͤnde flog, weil es Ihnen an feſter Ueberzeugung fehlte, an der Sie ſich haͤtten halten koͤnnen. Zu⸗ letzt aber würde es doch mir bloß durch mei⸗ Gauckelſpiele gelungen ſeyn, mich Ihrer aus— ſchlieſſend zu bemaͤchtigen, weil Ihr Hang zum wunderbaren, und Ihre Einbildungs— kraft, welche in meinen Werken Rechfferti— gung und Befriedigung fanden, das Ueber- gewicht uͤber erlernte philoſophiſche Senten— zen wuͤrden erhalten haben. Pileski entdeckte Ihnen, was Sie ſelbſt hätten entdecken ſol— len, daß meine Kuͤnſte Blendwerke waren und nun ziehen Sie den Schluß, daß ich nichts als Blendwerke hervorbringen kann, Sie gehen vielleicht noch weiter und laͤug— nen ſogar die Möglichkeit der Geiſtererſchei— nungen, weil ich Ihnen einſt in Amaliens Hauſe einen Geiſt erſcheinen ließ, der keiner war. Im Grunde bleiben Sie Ihrem Cha— rakter getreu, Sie traten zu meiner Parthey

über

an)

uͤber, weil Ihr Gefühl dabey feine Rech— nung fand; Sie finden ſich getaͤuſcht, und fliehen wieder zur Parthey Ihres Hofmeiſters zuruck, weil Sie allda die Wahrheit zu tref⸗ fen meynen. Immer iſt es nur blinder Trieb, Gefaͤhl, Meynung, was Ihre Schritte lei— tet. Und mit dieſen Fuͤhrern hoffen Sie ins reine zu kommen? Ungluͤcklicher Juͤng⸗ ling! Sie ſind dazu gemacht ſich ſelbſt zu taͤuſchen, und getaͤuſcht zu werden,

Nach einer Pauſe ſagte der Irlaͤnder:

Vergeben Sie meiner Freymuͤthigkeit, Herzog! Ich habe ausgeredet.

„Sie zeigten mich mir von einer Seite, die ich noch nicht kannte, und die mich er— ſchreckt. Hiermanſor! wenn Ihnen noch et— was auf dem Herzen liegt, ſagen Sie es heraus. Ich werde Ihnen deſto mehr Dank wiſſen, je freyer ſie ſprechen.“

Ja Herzog! Sie verdienten ein beſſeres Schickſal als Sie ſich ſelbſt bereiten. Sie beſitzen eine Fuͤrſtenſoͤhnen ſeltene Tugend: den Muth bittere Wahrheiten anzuhoͤren; ein edles Herz ſchlaͤgt in Ihrer Bruſt, Wiß⸗ begierde haben Sie mehr als Sie ſollten,

En Sie

Cs)

Die find voll gutes Willens aber mit als len dieſen herrlichen Eigenſchaften werden Sie dennoch zu Grunde gehen. Innere Feſtigkeit mangelt Ihnen, Sie werden wie ein Rohr von jedem Anhauch hin- und hergetrieben. Sie ſind dazu gemacht, ewig beſtimmt zu werben, nie ſich ſelbſt zu beſtimmen. Jene unerſchuͤtterliche Beharrlichkeit auf einem Ente ſchluſſe, die eine Folge gruͤndlicher Ueberzeu— gung iſt, zaͤhlen Sie nicht unter Ihren Ei— genſchaften. Ihre Vernunft hat zu wenig Macht uͤber Sinnlichkeit und Phantaſie, die Sie ungeſtuͤmm auf Abwege fortreiſſen. Ja, ich behaupte es, Ihre Sucht nach geheimer Weisheit war bisher nichts anders als ſinn— liche Begierde Ihr Vergnügen am Wun— derbaren ſinnliche Luſt, es kitzelte Ihren Ehr— geitz, mehr zu wiſſen, als andere Men— ſchenz es ſchmeichelte Ihrer Eigenliebe, über die Kräfte der Natur gebiethen zu koͤnnen, es war fuͤr Ihre Augen ein angenehmes Schauſpiel auſſerordentliche Ereigniſſe zu ſe— hen, ungefähr wie es in einem gewiſſen Al⸗ ter eine angenehme Unterhaltung iſt, ſchauer— liche kaͤhrchen zu hoͤren Und mit dieſer Stim⸗

K L0N 7 Stimmung hielten Sie ſich für wuͤrdig in ein Heiligthum eingefuͤhrt zu werden, vor deſſen Betretung ſelbſt die ernſte uneigennuͤ— zigſte Wahrheitsliebe ſich reinigen muß? Weſ⸗ ſen Sie wuͤrdig waren, haben Sie erfahren mit myſtiſch klingenden Worten, mit Ta⸗ ſchenſpielerkuͤnſten, und Gaukeleyen verdien— ten Sie abgefuͤhrt zu werden; auch waren Sie ja damit ganz zufrieden. Erſt nachdem Ihnen andere die Augen geoͤffnet hatten, nahmen Sie es hoch uͤbel, daß man ſich unterſtanden Ihnen Taͤuſchung ſtatt Wahr: heit aufzutiſchen, ſtatt Wahrheit! als ob je reine Wahrheitsliebe Sie geleitet hätte, und ob das, was Sie dafuͤr hielten, etwas anderes als eitle Neugierde geweſen wäres Dennoch laſſe ich mich bewegen Ihnen ein Werk meiner hoͤhern Macht zu zeigen, ich laſſe Ihnen den Geiſt Ihres entfernten noch lebenden Freundes auf eine geheimnißvolle Art erſcheinen, und Sie beweiſen ſogleich, wie wenig Sie dieſe Wuͤrdigung verdienen; Sie finden zwiſchen diefer Erſcheinung und den vorigen Gaukeleyen gar keinen Unter⸗

oled, halten fie für einen Traum, für ein neues

(17)

neues Vlendwerk. Junger Mann! lernen Sie erſt Wahrheit von Taͤuſchung unterſchei— den, üben Sie ſich vorher in den Vorberei⸗ tängswiſſenſchaften, ehe Sie es wagen nach geheimer Weisheit zu ſtreben, lernen Sie erſt ſich ſelbſt kennen, ehe Sie nach Kennt— niß verborgener Dinge haſchen, ſuchen Sie durch kaltes Nachdenken Ihre Phantaſie, durch Selbſtverlaͤugnung Ihre Sinnlichkeit zu bezaͤhmen, ehe Sie über die Kräfte der Nas tur zu gebiethen fich erkuͤhnen wollen.

„Wie klein erſch eine ich in meinen Au— gen. Hiermanſor! fahren Sie fort mich zu demuͤthigen.“

Es iſt viel fuͤr den Menſchen gewonnen, wenn er ſeine Schwaͤche kennen gelernt hat, aber auch feine Staͤrke darf ihm nicht vers borgen bleiben. O Herzog! ein goͤtliches Vermoͤgen liegt in uns, es heißt: Vernunft. Allein wie ſehr von dem verſchieden, was man gewoͤhnlich dafuͤr gelten laͤßt! die Ver— nunft muß vorerſt von allem, was nicht fie ſelbſt iſt, gelaͤutert, und geheiliget werden, wenn ſie uns eine untruͤgliche Fuͤhrerin ſeyn fol. Durch fie bezwingen wir unſere Sinn⸗

2 lich⸗

G

lichkeit, durch fie heben wir über die ſicht⸗ bare Natur uns empor. Sinnlichkeit iſt allein das irdiſche an uns, die Vernunft ſetzt uns mit hoͤhern Geiſtern in Gemeinſchaft. Je mehr wir die erſtere bezwingen lernen, deſto mehr Macht erhalten wir uͤber die Kraͤf- te der Natur, je mehr wir die zweyte rei⸗ nigen, in deſto naͤhere Verbindung treten wir mit hoͤheren Weſen. Der Menſch, das Mittelding zwiſchen Engel und Thier iſt das einzige Geſchoͤpf, das vermittelſt feiner Sin— ne mit der phyſiſchen Natur, und durch ſei— ne Vernunft mit Geiſtern im Zuſammenhan⸗ ge ſteht, und daher auf beyde zu wirken vers mag. Ahnen Sie nichts Herzog? es liegt ein tiefer Sinn in dieſen Worten, aber ſeine Entwicklung wuͤrbe mich zu weit fuͤhren. „O nur einige Tropfen aus dieſer heise ligen Quelle!“ - | 1 Ein andermahl Herzog! Jetzt rufen mich wichtige Geſchaͤfte. Wollen Sie mich in die Stadt begleiten? „Mit Vergnuͤgen.“ | Der Kutſcher hatte in einiger Entfernung von dem Kirchhofe mit dem Wagen gewarz ; ket.

619

ket. Der Irlaͤnder befahl ihm, uns ſchnell zuruͤckzufahren. Auf dem Wege ſagte er mir, daß ich in zvey Tagen nach Mund aufbre⸗ chen muͤßte. Zugleich beſchied er mich auf übermorgen um eilf Uhr Nachts an einen dritten Ort, wo er die heute abgebrochene Materie fortzuſetzen verſprach.

An meinem Hauſe ließ er den Wagen halten und nahm Abſchied.

Es war Ein Uhr voruͤber und die 3 de verſaͤumet, welche mir die Frau von Des lier gegeben hatte. In einer andern Ges muͤthsſtimmung würde mir das hoͤchſt peins lich geweſen ſeyn, jetzt nahmen wichtigere Dinge mir den Kopf ein. Was ich auf dem Kirchhof ſah und hörte, hatte einen tiefen Eindruck in meiner Seele zuruͤckgelaſſen. Je mehr ich uͤber bie Erſcheinung nachdachte, deſto mehr uͤberſtieg fie mein Faſſungsvermoͤ⸗ gen. „Der Betrug (ſagte ich bey mir) ſcheut das Licht, er ſucht Dämmerung oder Fin⸗ ſterniß um die Augen des getaͤuſchten zu ben» den; der Betrug laͤßt feine Maſchinen in vers ſchloſſenen zugerichteten Orten ſpielen; er bes ib ſcch durch Vorbereitungen den Zuſchauer

| B 2 in

20.)

in eine dem Blenbwerk angemeſſene Stim⸗ mung zu verſetzen; hier war von allen dem nichts. Die Erſcheinung gieng am Mittage vor ſich, auf einem offenen freyen Platze, ich war, als der Irlaͤnder mich abholte, auf dem Wege uͤber eine Liebesangelegenheit Er— kundigung einzuziehen, und alſo in einer für Geiſtererſcheinungen ſehr unvortheilhaften Stimmung. Der Betrug, fuhr ich fort, ſorgt bafür, daß man feinen Machwerken nicht zu nahe komme, ich ſtand nahe genug, um die Geftalt zu berühren; der Betrug gibt feine verborgenen Maſchinen nicht der Gefahr der Entdeckung preis, der Irlaͤnder forderte mich ſogar auf, die ſtrengſte Unterſuchung anzu— ſtellen. Und die Erſcheinung ſelbſt, dem Anſehen nach eine leibhafte Menſchengeſtalt, und dennoch ſo koͤrperlos, daß meine Arme ſie durchgriffen ohne eine Spur in ihr zuruͤckzu— laſſen, die Aehnlichkeit mit Antonio ſo weit getrieben, daß ſie das lebendige Original ſelbſt zu ſeyn ſchien. Und dieſe Geſtalt ſprach, gab auf alle meine Fragen paſſende Antwor— ten; freplich bewegte fie bei dem Spre— chen die Lippen nicht, auch glich die Stim⸗ a Me

em)

me nicht ganz der Stimme meines Freundes aber ſeine Sprachwerkzeuge waren ja auch nicht mehr die naͤmlichen und der Ton ließ ſich deutlich neben mir hoͤren. Endlich das Verſchwinden und abermahlige Erſcheinen auf mein Verlangen = feßt es nicht eine freye Willkuͤhr der Geſtalt voraus?“ Kurz! jemehr ich der Sache nachdachte, deſto mehr gewann ſie an Wahrheit.

„Und wenn es denn Wirklichkeit iſt, was ich ſah fuhr ich fort welch ein erſtaunungswuͤrdiges Geheimniß liegt dahin— ter verborgen? Wie geht es zu, daß ein noch lebender abweſender Menſch feinem Freun— de auf eine Art erſcheint, wie ſonſt von Ver ſtorbenen die Sage geht? wie kann ſeine Seele auf einige Zeit den Koͤrper verlaſſen, und ſich in eine nachgeahmte Geſtalt ver—⸗ huͤllen?“ A

Zwar hatte mir der Irlaͤnder am Ende der Unterredung einen Wink uͤber die Moͤg— lichkeit ſolcher Wunder gegeben. Aber wie weit war ich entfernt, dieſen leiſen Wink zu verſtehen nnd wie ſehr duͤrſtete meine.

B 3 CHE

\ 022) Seele nach der verſprochenen Fortſetzung bes Geſpraͤches. „Er hat recht, (ſagte ich zu mir) ich war bisher eines hoͤheren Unterrichts nicht werth, ich verdiente mit leerem Schaum ab⸗

geſpeißt zu werden. Wie ſchlecht paßte mein

neugieriges, ungeſtuͤmmes Weſen fuͤr einen Schuͤler geheimer Weisheit, wie klein muß⸗ te ich in feinen Augen ſeyn! Wie groß zeig⸗ te er ſich in den meinigen! Mit welcher All⸗ wiſſenheit hatte er im innerſten meiner Seele geleſen, mit welchem Tiefblick meine Schwaͤ⸗ chen ausgehöhlt, mit welcher Freymuͤthigkeit ſie mir entdeckt. Waͤre es ſeine Abſicht, mich ferner zu taͤuſchen, ſo wuͤrde er dieſelben im ſtillen zu ſeinem Vortheile benuͤtzt, und ſich wohl gehuͤtet haben meine Aufmerkſamkeit darauf zu leiten. Einen unverdaͤchtigeren, uͤberzeugenderen Beweis haͤtte er mir von der Guͤte und Lauterkeit feiner Geſinnungen ges gen mich nicht geben koͤnnen. Dieſe Aufrich⸗ tigkeit, dieſer Edelmuth verdienen von meiner Seite Dank und Erwiederung. Ja Antonio!

er vertrete meine Stelle bey dir! Wie ich

mich

n mich dir überließ, will ich mich ihm Über: laſſen.“

Abends gieng ich zu Amalien, um ihr meine Abreiſe anzukuͤndigen.

Sie war eben mit ihrem Claviere be— ſchaͤftiget, und gruͤßte mich mit einem freund- lichſtillen Blick ohne ſich im Spiele ſtoͤren zu laſſen. Die Baroneſſe empfieng mich mit kal⸗ ter Hoͤflichkeit; ich wußte wohl: warum; aber es war keine Gelegenheit da, mich we— gen der verabſaͤumten Stunde zu entſchuldi— gen. Ich ſetzte mich Amalien gegenuͤber. Die ruͤhrenden Stuͤcke, welche fie mit unbeſchreib⸗ lichem Zauber ſpielte, fiengen an, meine gan— ze Seele in ſuͤſſe Wehmuth zu ſchmelzen. Ploͤtzlich dachte ich an den Irlaͤnder, an meinen Entfhluß, an meine Abreiſe. Ich berließ meinen gefaͤhrlichen Platz.

Amalie hoͤrte bald zu ſpielen auf. Ich war an ein offenes Fenſter, das in den Gar— ten ging, getreten; fie folgte mir dahin.

„So in Gedanken vertieft Herzog!“

„Ich denke an meine Abreiſe.“

„Sie werden doch nicht

„Webers

„Uebermorgen werde ich abreiſen. Dritte gende Geſchaͤfte erfordern meine perſoͤnliche Gegenwart in M' d.“

Dieſe Neuigkeit brachte Ueberraſchung und Stillſchweigen hervor. Die Kaͤlte der Frau von Delier fieng aufzuthauen an. „Die Geſchaͤfte (ſagte ſie) werden doch nicht gar ſo dringend ſeyn werther Herzog!“

„Leider fo, daß ſie keinen Aufſchub gu: laſſen.“

„Leider! (wiederholte Amalie) Als ob dieſe Abreiſe Ihrem Herzen etwas koſten koͤnn⸗ te!“ Sie erroͤthete, als haͤtte ſie etwas un: vorſichtiges geſagt.

„Ach! nur zu viel koſtet ſie meinem Herzen, aber wer bekuͤmmert ſich um mein Herz! 1 74

Ey, verſetzte die Baroneſſe, Sie denken ſehr unfreundſchaftlich von uns.

Es iſt ein truͤber Abend, ſagte Amalie, „inden fie ans Fenſter trat.

Und der vorige Gang des Geſpraͤches war nun abgeſchnitten. Ich gab mir Muͤhe es wieder dahin zu lenken; ich bemerkte aber,

daß man verlegen, verſtimmt, mit ſich ſelbſt uns

(25) uneinig war. Auf hundert der verſchieden— ſten unwichtigſten Dinge fiel die Rede, nur wollte die Graͤfinn die vorige Saite nicht mehr beruͤhten, ſo oft ich ſie auch hald laut, bald leiſe anſchlug.

Endlich brach ich auf. Die Frau von Delier war ſo gefaͤllig mich bis uͤber die Treppe zu begleiten. Ich ſagte ihr, daß ein wichtiger Beſuch des Irlaͤnders, den ich auf keine Art abweiſen konnte, mich verhindert haͤtte um die geſetzte Zeit zu erſcheinen. Sie nahm die Entſchuldigung ſehr guͤtig auf, und beſchied mich morgen fruͤh um zehn Uhr in das Fichtenwaͤldchen.

Unruhe und Neugierde trieben mich zur beſtimmten Zeit dahin. Ich fand die Baro— neſſe ſchon zugegen. Die Graͤfinn iſt in der Kirche, ſagte ſie, laſſen Sie mich die kurze Zwiſchenzeit zu einer kleinen Verraͤtherey an— wenden. Aber weh Ihnen, wenn Sie mich wieder verrathen und meiner Freundinn plau— dern.

Gewiß nicht! erwiederte ich, deſſen Er— wartung durch dieſe Einleitung nur noch hoͤ—

her geſpannt war. „Was

(26 )

„Was ich Ihnen zu entdecken habe, Bes ſteht eigentlich in zwey Worten: Sie werden geltebt Herzog!“ |

„Gnaͤdige Frau

VH kaſſen Sie mich ordentlich erzählen (fuhr die Baroneſſe fort, die fi) an meinem . Erſtaunen ſehr zu vergnuͤgen ſchien.) Erin⸗ nern Sie ſich Ihrer erſten Bekanntſchaft mit der Graͤfinn. Schon dazumahl, als ſie den 45 Ring aus Ihrer Hand annahm, waren Sie ihr nicht gleichguͤlg. Rur wußte die gute N Graͤfinn es damahls ſelbſt noch nicht. Sie hielt ihre Empfindungen bloß fuͤr Wirkungen der Dankbarkeit, die fle ihnen ſchuldig zu ſeyn glaubte, weil Sie die veranlaſſende Ur- ſache von der langgewuͤnſchten Erſcheinung ihres verſtorbenen Gemahls waren. Allein dieſe Erſcheinung, welche Sie hernach fuͤr den Sohn des Moͤrders ausgab, legte eben dadurch Amalien die Pflicht auf, ihr Wohl: wollen gegen Sie zu unterdruͤcken. Die Mi: he, welche es ihr koſtete, dem Ruf der Pflicht zu folgen, e ihr erſt, dax,

. *

- .

1 *

56

Geiſt ſelbſt meine Freundinn aufgefordert dem Moͤrder zu vergeben, ſte hielt ſich da— her um ſomehr berechtiget auch auf den Sohn deſſelben die Vergebung auszudehnen. Sie hatte nicht vorgeſehen, daß die Zaͤrtlichkeit duech dieſen Vorwand gedeckt ſich nur deſto ſicherer an den kaum verlaſſenen Platz wie— der einſchleichen würde. Erſt dann, als die— ſelbe auf einen Grad ſtieg, der Amalien keis nen Zweifel mehr uͤbrig ließ, wie fie daran ſey, dann erſt ſah fie ein, daß an md er Be reitwilligkeit fih mit Ihnen wieder us ſoͤhnen, die Aufforderung des Geiſtes weni— ger als die ihres eigenen Herzens Antheil hatte.

Beſter Herzog! das alles aus dem Munde der Graͤfinn herauszulocken koſtete mich viele Muͤhe. Sie verſchloß ſorgfaͤltig eine Neigung in ihrem Buſen, deren Daſeyn fie ich ſelbſt kaum zu geſtehen wagte. Sie hat: te dem Verſtorbenen ewige Treue geſchwo⸗ ren, und obſchon ſie ſolche durch untvillkuͤhr⸗ liche Empfindungen nicht gebrochen su has ben glaubte, fo ſchien ihr doch ein Geſtaͤnd⸗ i ß dieſer Empfindungen, auch nur in dem 5 But

| [1.99 )

Buſen einer Freundinn niedergelegt, eine Entweihung jenes Geluͤbdes. Indeſſen zog ich ſchon aus dem Umſtande, daß ſie oͤfters die Gelegenheit ergriff, von Ihnen mit Theil— nehmung zu ſprechen eine Vermuthung deffen, was mir der Beſuch des Irlaͤnders bald naͤ— her aufflärte. „Sie wiſſen, daß er vor einiger Zeit

in unſerem Haufe war, daß er uns von The rer Erhebung zur Herzogpuͤrde Nachricht gab, und die Ausfage des Geiſtes in An— ſehung des Mords in das wahre Licht ſetzte. Allein Sie wiſſen das wichtigſte noch nicht, Ich uͤbergehe hier, was er ſowohl von Ihrer Familie als von Ihnen insbeſondere ſchoͤ— nes und ruͤhmliches ſagte. Ich melde hier nur, daß er am Ende hinzufuͤgte, die Graͤ— finn pon C— vel ſelbſt, wenn fie den Herzog naͤher kaͤnnte, wuͤrde gewiß ihrer Liebe ihn wuͤrbig achten. Amalie gerierh durch dieſe ploͤtzliche Wendung in ſichtbare Verwirrung. Sie zweifle an des Herzogs Liebenswuͤrdigkeit nicht, ſagte ſie, allein ſie haͤtte ihrem Gemahl unverbruͤchliche Treue gelobt. Wenn es nur das iſt, verſetzte der 15 Irlaͤn

(29)

Irlaͤnder, fo kann ich Sie darüber beru— higen. Der Verſtorbene ſelbſt ſoll Sie ei— nes Schwures entbinden, deſſen, Beobach— tung ihm weder Nutzen noch Freude bringt; es ſtehet in meiner Macht, ihn dazu auf— zufordern. Nein! nein! rief Amalie erſchro— cken, die Ruhe des Todten ſoll nicht noch einmahl geſtoͤrt werden, ich wuͤrde ſeinen Anblick nimmer aushalten. Keine Erſchei⸗ nung Graͤfinn! war ſeine Antwort, Sie ſol— len den Verſtorbenen weder ſehen noch hoͤ— ren. Und nun erklaͤrte ſich der Irlaͤnder naͤ— her. Er zog aus feiner Brieftaſche ein weiſ— ſes Blat Papier und erſuchte Amalien, oben- auf folgende Worte zu ſchreiben: „Geiſt des Grafen C— ol! fol ich meinem Ge> Libde gemäß! Herz und Hand dir treu be— wahren bis an meinen Tod?“ Sobald die Graͤfinn, welche dazu ſchwer zu bewegen war, dieß geſchrieben hatte, bath fie der Irlaͤn— der das Blatt in eine Stube zu bringen, wo Niemanden ohne ihr Wiſſen und Willen der Zugang moͤglich waͤre. Amalie waͤhlte die Kammer, welche an ihr Schlafzimmer ſtoͤßt⸗ Die Fenſterladen wurden von innen verfchlofe ſen,

ee; fen, das Blatt auf einen Tiſch gelegt, nah die Kammer von dem Irlaͤnder ſtark geraͤu⸗ chert, wobei er einige uns unverfändliche Worte ſprach. Hierauf entfernte man ſich, nur die Graͤfinn gieng auf fein Verlangen noch einmahl zuruͤck das Blatt zu beſehen, ſah aber nichts, als die von ihr darauf geſchrie⸗ benen Worte. Sie ſchloß alsdann die This re, und ſteckte den Schluͤſſel zu ſich.

„Schlafen Sie ruhig, ſagte der Ir⸗ laͤnder, und Öffnen Sie die Kammer nicht eher, als Morgen fruͤh, Sie werden eine Antwort auf die Frage finden. Hiemit be⸗

gab er ſich hinweg.

„Es war ſchon eilf Uhr Nachts, und Amalie kam nicht mehr aus ihrem Schlaf— zimmer. Sie legte ſich bald zu Bette, aber Unruhe und Neugierde lieſſen ſie die ganze Nacht kein Auge ſchlieſſen. Indeſſen blieb es in der Kammer ſtille. Fruͤh Morgens gieng Amalie hinein, und fand auf dem Pas piere unter ihren Zeilen eine blaſſe, doch les⸗ bare Schrift, die Sie ſogleich für ihres vo— rigen Gemahls Hand erkannte. „Dein Ges „luͤbde, das mich an eine Lebende auf Erden

% und

631.0

„und dich an einen Abgeſchiedenen feſſelt, „hemmt meine und deine Freyheit. Ich zer „reiſſe dieſe Feſſeln. Der Mann, der mich „einſt morden ließ, iſt Vas’’og. „Stellen Sie ſich Amaliens Erſtaunen uͤber eine Begebenheit vor, die offenbar die Wirkung einer hoͤheren Macht war, indem der Eintritt in das Gemach, deſſen Fenſter— laden von innen verriegelt worden, und def > ſen Thuͤre in Amaliens Schlafzimmer gieng, ſchlechterdings jeder menſchlichen Kunſt wis derſpricht. Auch war dieſes Wunder fuͤr meine Freundinn entſcheidend, die ſich von nun an fuͤr frey erkannte.

„Sie werden es leicht glauben Her— zog, daß jene zaͤrtliche Neigung, die in einem verſchloſſenen Herzen Eingang gefuns- den hatte, ſich in einem freyen deſto wirke ſamer bewies. Der Geiſt ſchien ja ſelbſt durch die beygefuͤgte Angabe des aͤchten Moͤr⸗ ders ſtillſchweigend die Liebe zu einem Fürs ſten, deſſen Vater durch einen ungerechten Verdacht gekraͤnkt worden war, zu beguͤn— ſtigen. Dennoch ſuchte Amalie mir noch immer ihren innern Zuſtand zu verhehlen,

und

333

und lieber wollte die Eigenſinnige mir ihn errathen laſſen, als ſelbſt etwas geſtehen, das man für eine Schwachheit haͤtte hal— ten koͤnnen. Allein eben der Zwang, den ihr die Zuruͤckhaltung eines Geheimniſſes koſtete, das einen Ausweg ſuchte, einzelne Reden, die ihr unbewußt entfielen, der um- woͤlkte Blick, die ſtille Melancholie kurz! alle jene Zuͤge, die Ihnen Herzog! ſo gar nichts von Amaliens geheimen Empfindun— gen geſagt zu haben ſcheinen, uͤberzeugten mich bald, daß Liebe die ſtille Angele— genheit ihres Herzens ſey. Ich theilte ihr meine Entdeckung mit, und ſie geſtand mir endlich deren Richtigkeit ein,

„O Himmel Crief ich) ſie geſtand es Zugleich unterſagte fie mir aber aufs ſtrengſte, Ihnen etwas davon verlauten zu laſſen. Und wiſſen Sie warum?

„Nein! |

„Amalie vermuthete keine Gegenliebe. Schon aus dem Umſtande, daß Sie, waͤh— tend ihrer Krankheit, ſich entfernten ohne auch nur ſchriftlich Abſchied zu nehmen, ſchloß fie, wie gleichguͤltig fie Ihnen wäre.

N In

(.- 33 3 | In dieſer Meynung wurde fle nachher dar durch beſtaͤrkt, daß Sie nichts mehr von ſich hören ließen. Und auch Ihr Betragen waͤh—⸗ rend Ihrem jetzigen Aufenthalt hat die Graͤ— finn eben fo wenig von dieſem Wahn befrepr, als die Ankuͤndigung Ihrer Abreiſe.

„Amaliens Blicken haͤtte meine Leiden— ſchaft entgehen koͤnnen?“

„Den meinigen nicht. Ich faßte ſorg— faͤltig alle Aeußerungen derſeben auf, und ſtellte ſie meiner Freundinn vor. Sie fand darinn weiter nichts als Beweiſe von Artig— keit, die ein Mann von feinerer Erziehung jeder jungen Dame darzubringen pflegt. Würde wohl, ſagte fie, eine wahre feurige Liebe ſo lang eine deutliche Erklaͤrung zuruͤck— halten? Und in der That Herzog! was laͤßt ſich gegen dieſen Einwurf ſagen?

„O gnaͤdige Frau! daß ich an keine ſol— che Erklaͤrung denken konnte, ſo lang jenes Mißverſtaͤndniß wegen des Mordes nicht ge— hoben war, wenn ich auch den Aufenthalt der Graͤfinn gewußt haͤtte, der mir aber ſeit ihrer Entfernung aus dem Waldſchloß vers borgen blieb. . 10 auch jetzt noch keine

Eis

324 9

Erklaͤrung wagte, daran iſt das raͤthſelhaf— te Betragen der Graͤfinn ſchuld. Eben das, woraus Sie mein Gluͤck ſchloſſen, ließ mich mein Ungluͤck ahnen ich fuͤrchtete, Ama— lien ſchon durch meine Gegenwart beſchwer— lich zu fallen. Verhaltenen Widerwillen ge: gen mich, hoͤchſtens Mitleiden, aber ihre Lie— be vermuthete ich nie.

„Ich ſehe ſchon, Sie find ein Neuling in dieſem Punkte; (ſagte die Frau von De— lier mit Lächeln) Und ich habe alſo wohl et— was recht geſcheides gethan, daß ich Ihnen die Augen oͤffnete.

„O meine Theuerſte! (rief ich, indem ich ihre Hand faßte) mein Dank kann nur mit meinem Leben f

„Stille, ſtille! (fiel ſie ein und hielt mir den Mund zu) Sie haben bisher nur gute Neuigkeit gehoͤrt die ſchlimme koͤmmt jetzt nach.

Was kann das ſeyn? fragte ich be— troffen.

„Hoͤren Sie Amaliens eigene Worte: „Der Herzog liebt mich nicht, ſagte ſie, aber falls er mich liebte, falls er mir auch ſeine

| Lie⸗

635 )

Liebe erklaͤrte, fo ſoll er das Geſtaͤndniß mei⸗ ner Gegenliebe, doch nie meine Hand erhal— ten. Zwar iſt mein Geluͤbde geloͤſt, allein eben meine freye Willkuͤhr erhoͤht die Treue gegen meinen verſtorbenen Gemahl, welche vor— her nur Pflicht geweſen wäre, jetzt zum Ver- dienſt, und ich will ſie ihm halten, in ſo fern ich vermag. Ich kann über meine Lie⸗ be zum Herzog nicht gebtethen, aber über meine Hand kann ich ſchalten.“

„Wie tief haben Sie mich von dem Gi— pfel meiner Seligkeit herabgeſtuͤrzt!“ ſagte ich nach einer Pauſe.

„Und eine Grille der Graͤfinn koͤnnte Sie

ſo muthlos machen? Herzog! Sie bedenken nicht, wie leicht die Liebe eines Lebenden die Treue gegen einen Todten verdrängen kann. Amaliens Herz gehoͤrt Ihnen, ſeyn Sie ge— troſt, die Hand wird ſchon folgen. N „Nicht dieſe Ungewißheit allein befüm- mert mich. Die Graͤfinn liebt mich, weil ſie muß. Kann mich eine Liebe gluͤcklich machen, die ich keiner Ieepioiligen Neigung zu dans fen habe ?

K 2 „Wi⸗

(4.36 °)

„Wie Sie ſchwaͤrmen! Was Ste flolg und freudig machen ſollte, ſchlaͤgt Sie nie⸗ der. Wodurch kann Amalie unwillkuͤhrlich zu Ihnen hingezogen werden, als durch das Bewußtſeyn Ihrer Vollkommenheiten, durch eine unwiderſtehliche Sympathie, die Beyder Herzen aneinander knuͤpft, und was kann er⸗ wuͤnſchter, inniger, dauerhafter ſeyn, als ſolche Bande? Herzog! die Liebe hat alles fiir fie gethan, und Sie nichts für die Liebe— Eroͤffnen Sie erſt Amalien Ihre Empfindun: gen, theilen Sie Ihre Zaͤrtlichkeit ihr mit, und die unwillkuͤhrliche Neigung wird ſich bald in eine freywillige verwandeln.

„Meine theure Freundinn, meine Troͤ— ſterinn! (rief ich) welcher Geiſt ſpricht aus Ihnen, und bemaͤchtiget ſich meines ganzen Weſens?

„Der Geiſt der Liebe ich habe einſt geliebt; und weiß theilzunehmen an Herzens⸗ angelegenheiten und zu rathen. Aber jetzt ſagen Sie mir Herzog! wuͤrde Ihr Vater jemahls in eine Heyrath unter Ihrem Stan⸗ de willigen?

„Wenn auch ichs Ich bin Herzog.

„Ich

„Ich begreiffe Sie. Allein Amalie, deſorge ich, wird ſich nie zu einer Verbin— dung entſchlieſſen, welcher der Segen des Markgrafs von Vila ** mangelt.

„Mein Vater liebt mich, er wird ſei— nem einzigen Sohne nicht in einer Sache entgegen ſeyn, von der die Gluͤckſeligkeit ſei— nes Lebens abhaͤngt.

„Nun wohl! ich uͤbergebe Sie Ihrem guten Schickſale. Was meine Wenigkeit vielleicht hinzuthun kann, dieſe Verbindung zu bewirken, daran ſoll es nicht fehlen. Ue— brigens (ſetzte ſie mit Wuͤrde und Nach— druck hinzu) hoffe ich von Ihrer Billigkeit, daß Sie meine Verwendung, ſo wie dieſe Unterredung nicht aus einem unrechten Ge— ſichtspunkt anſehen. |

„Ich ſehe beydes aus dem Geſichtspunkt an, in dem Sie als meine unfhägbare Freundinn erſcheinen.“

„Und als Amaliens Freundinn, fügen Sie hinzu. Meine Kinder! (fuhr fie mit ruͤhrender Herzlichkeit fort) wie eine Mutter liebe ich euch beyde. Ich konnte es nicht laͤnger anſehen, daß zwey Menſchen, die

5 C 3 mir

(6838)

mir fuͤr einander beſtimmt ſcheinen, ſich in einer Entfernuag halten, die jede nähere Herz zensergieſſung hemmt. Sie werden Amalie gluͤcklich machen Herzog! oder alle meine Menſchenkenntniß mußte mich truͤgen. In dieſem Glauben uͤberliefere ich ſie Ihnen. Ei⸗ nen Engel, deſſen fruͤheſte Bildung mein Werk und mein Stolz iſt, deſſen Vollkommenhei— ten Sie kaum zur Haͤlfte kennen, das rein— ſte, beſte, vortreflichſte Geſchoͤpf uͤbergebe ich in Ihre Haͤnde. Schlieſſen Sie auf das Vertrauen, das ich in Sie ſetze.“

„Ich werde mich deſſen wuͤrdig bewei— ſen.“

„Jetzt entfernen Sie ſich, ſonſt koͤnnte uns Amalie uͤberraſchen. Daß Sie ihr aber ja von dieſer Zuſammenkunft, von unjerer Unterredung keine Vermuthung geben. Nicht einmahl fruͤher als gewoͤhnlich duͤrfen Sie heute Abends kommen“

Ich verſprach es und entfernte mich.

Vom Anfange des Geſpraͤches her war mein ganzes Weſen in einer fieberhaften Be— wegung. Kaum vermochte ich die unentbehr— lichſten Antworten auf die Reden der Bars

neſſe

39

neſſe hervorzubringen. Von Amalien geliebt werden! Mit dieſer Gewißheit that ſich ein Himmelreich vor mir auf, und das uͤberraſch— de Herz vermochte kaum die Fülle von Se— ligkeit zu faſſen. Ich ging nach Haus fe wie ein träumender, ich ging wieder aus, und mir unbewußt trugen mich meine Fuͤſſe nach der Gegend, wohin ein inneres Draͤn— gen mich trieb. Aber der Baroneſſe ſtrenges Geboth hatte einen weiten Kreis um Ama— liens Wohnung gezogen, der mich zuruͤck— ſtieß. Ich flatterte wie ein gebannter Geiſt an dem Rande deſſelben, und ſeufzte nach dem Glockenſtreich der geſetzten Stunde. Nie N iſt *) Ich habe hier ſo, wie in der Folge mir die Freyhert genommen aͤhnliche Stellen, wo der Herzog als Liebender, oder Geliebter ſeine Ge⸗ muͤthsſtimmung ſchildert, abzufürgen, manchmal ſogar: fie wegzulaſſen, wenn die Geſchichte da⸗ durch nichts verlor. Sein Charakter verbunden mit den Sttuationen, worin er ſich befindet, wird Leſern von lebhafterem Gefühl und Einbtr- dungskraft jederzeit den Zuſtand feines Herzens leicht errathen laſſen; die übrigen konnen dieſe Luͤcken eben fo leicht aus Romanen erſetzen. Anmerk. des gerausgebens

(46)

ift ein Abend ſehnlicher herbeygewuͤnſcht wor- den, und ach! nie daͤuchte mich die Son- ne ſpaͤter den Horizont zu verlaſſen.

Endlich ſchlug die Gluͤcksſtunde. Aber in dem Augenblicke, wo ich mich auf den Weg begab, geſellte ſich eine groſſe Bangig— keit zu meinem Entzuͤcken. Ich ſollte Ama⸗ lie durch mein Betragen nicht veranlaſſen, die Entdeckung der Baroneſſe zu vermuthen, und doch ſchien mir jetzt eine ſolche Zuruͤck— haltung bey der fortdauernden Heftigkeit mei— nes Zuſtandes ſo gut als unmoͤglich. Dieß war der Grund jener Bangigkeit, die mich aber nur deſto mehr in Gefahr ſetzte, mich zu verrathen, weil fie mir den kleinen Ueber- reſt von Faſſung raubte, den noch die freu— dige Trunkenheit mir gelaſſen hatte.

Indeſſen trat ich ins Hausthor. Das Kammermaͤdchen ſagte mir: die Graͤfinn bes finde ſich im Garten. Ich ging durch meh— rere Alleen, ohne ſie zu finden. Es war ei— ner von den Abenden, wo der Mond hinter aufgeſchuppten Woͤlkchen bald hervortritt, bald ſich wieder verbirgt. Die Groͤße des Gartens und mein ungeſtuͤmmer Gemuͤths—⸗

iur

6

zuſtand hinderten mich noch mehr fie zu ent: decken, die ich ſuchte. Endlich als ich aus einem mit hohen Hecken beſetzten Seitenweg hervortrat, glaubte ich in der Ferne bey ei— ner Statue ſich etwas regen zu ſehen. Nach einigen Schritten ließ der Schimmer, womit die vom Monde beleuchtete Bilbſaͤule Ama— lien verklaͤrte, mich nicht laͤnger in Zweifel. Ich naͤherte mich mit wankenden Schritten. Sie ſtand am Fußgeſtelle der Diana hinge— lehnt und in ſich vertieft. Schon war ich ſehr nahe, als das Rauſchen meiner Tritte fie aufſtoͤrte.

„Guten Abend Herzog! (ſagte ſte mit merklicher Verwirrung) begegnete Ihnen Frau von Delier nicht?

„Nein gnaͤbigſte Graͤfinn.“

„Sie ging vorhin weg, und koͤnnte ſchon wieder hier ſeyn.“ N

„Sonderbar! ich komme Abſchied zu neh— men und Ihnen fuaͤhrt mich der Zufall zuerſt entgegen.“

„„Abſchied? (ſagte fie betroffen) Alſs rei— ſen Sie morgen wirklich?“

„Ich muß!“

Eine

2

Eine lange Pauſe.

„Und nach M’*d geht Ihr Weg ?

„Nach Mid und von da, in mein Bas terland. |

Sie ſchwieg abermahl. Endlich ſagte fie mit Nachdruck und Empfindung: „Rei⸗ ſen Sie gluͤcklich Herzog!“

„Beſte Graͤfinn

„Was iſt Ihnen? (rief Amalie, ala fie mich näher ins Geſicht faßte) wie ſehen Sie aus?“

Die Bewegung meines Herzens war ſchrecklich. Meine volle gepreßte Bruſt drohte zu ſpringen. „Gott weiß, (verſetzte ich mit brechender Stimme) ob ich Sie je wies der ſehen werde.

„Wir werden uns gewiß wiederſehen,, ſagte ſie mit einem Blick zum Himmel.

„O mein Gott! ſollten meine Hoffu un— gen erſt jenſeits des Grabes blühen!

„Welche Hoffnungen? „fragte ſie mit forſchenber Verwunderung.

„Und Sie ahnen nicht, was dieſe Trennung meinem Herzen koſtet?“

e

( 43 )

Amalie blickte um ſich ihre Augen ſchienen die Frau von Delier zu ſuchen, und kehrten zweifelhaft auf mich zuruͤck.

„Herzog! (ſagte fi) Ihre Worte und Ihr Betragen ſind mir ein Raͤthſel.

„So nehmen Sie die Erklaͤrung guͤtig auf, (erwiederte ich, indem ich auf ein Knie ſinkend ihre Hand ergrif) ich liebe Sie.

Die Graͤfinn ſchwieg uͤberraſcht - „Und das ſagen Sie mir zum Tebewohl? „liſpelte ſie endlich.

Ich glaubte einen leiſen Druck ihrer Hand zu fuͤhlen, meine gluͤhenden Lippen er— wiederten ihn. Sie neigte ſich herab mich aufzurichten.

Die Frau von Delier trat zwiſchen uns „Was iſt das? (rief fie mit verſtelltem Er— ſtaunen) Eine Liebeserklaͤrung?

Amalie ſchwieg. Die Baroneſſe wieder— hohlte die vorige Frage an mich.

„Eine Erklaͤrung gnaͤdige Frau! (ſagte ich) aber keine Antwort!

b „Meine ſuͤſſe Freundinn! (fuͤſterte fie ſchalkhaft der Graͤfinn zu) ſtuͤrzen Sie ihn boch nicht in Verzweiflung.“

n „Ich

(4)

„Ich faſſe es noch immer nicht, (ver⸗ ſetzte Amalie) warum Herzog! bringen Sie mir dieſes Geſtaͤndniß zum Abſchiede?

Ich ſagte hieruͤber ungefaͤhr dasſelbe, was ich am Morgen der Baroneſſe geſagt hatte. Amalie ſah mich lange mit Verwun⸗ derung an. „Ein Miß verſtaͤndniß alſo? (erwiederte fie) Und ein Mißverſtaͤndniß auf beyden Seiten! Es iſt doch wahrlich wun— derbar!“ Sie ſchuͤttelte laͤchelnd den Kopf. Liebes Taͤubchen! (rief die Baroneſſe) fehen Sie doch den Herzog an! wie er Ih— nen jeden Blick, jedes Woͤrtchen ablauert in Hoffnung eine Antwort zu erfahren.

Amalie ſchien in einiger Verlegenheit zu ſeyn, aber nach kurzem Stillſchweigen ſagte ſie mit der Faſſung einer ſchoͤnen edlen Seele: „Wenn Sie eine Gemahlinn ſuchen Herzog! ſo bitte ich Sie, mich zu vergeſſen. Suchen Sie aber nur ein Sie liebendes Herz, ſo (fügte fie erroͤthend und etwas leiſer hinzu) haben Sie es gefunden.“

Ich weiß nimmer, was ich darauf ant⸗ wortete, ich weiß nicht, was ich nachher ſprach. Von dem Augenblick an, als das

Ge⸗

(45)

Geſtaͤndniß der Gegenltebe aus ihrem Munz- de kam, duͤnkte ich mir, dem Erdeleben ents ruͤckt in einer neuern beſſeren Sphaͤre zu ath⸗ men. Der Beſitz von Amaliens Herzen, von ihr ſelbſt mir zugeſtchert, hatte jeden irdiſchen Wunſch aus meiner Bruſt verdrängt, mein ganzes Weſen ſchien mir erhoͤht und gelaͤu— tert, und die Flamme, von der es durch— drungen war, ein heiliges Feuer, von jedem Stoffe der Sinnlichkeit geſchieden. O Liebe voll Unſchuld! die aus der Verwandſchaft zweyer reingeſtimmter Seelen hervorgeht, du biſt vielleicht die einzige Art von Verbin⸗ dung und Genuß, die uns Erdebewohnern

einigen Begriff von den Verbindungen und Vergnuͤgungen himmliſcher Geiſter zu geben fähig iſt. Was Wunder alſo, wenn es uns, beſonders in den erſten Momenten des Ge— nußes an Vermoͤgen fehlt, ſolche Empfir⸗ dungen in eine Sprache zu kleiden. Aber den- noch ſchien Amalie mein Stammeln, meine verworrenen Ausdrucke, meine abgebroches ne Reden ſo deutlich zu verſtehen, als ob ſte unmittelbar in meiner Seele laͤſe, das konn—

te ich aus ihren Worten und aus dem noch

bered—

.

beredteren Spiele ihre Minen entnehmen. Die Liebe hatte ihrem Geſichte, ihren klein⸗ ſten Bewegungen einen neuen unnennbaren Reitz verliehen, der ſie mit einem ſolchen Zauber umgab, daß ſie mir mehr als eine Sterbliche zu ſeyn ſchien. Und von ihr mich geliebt wiſſen! wäre ich nicht ſchon vom Morgen her mit meinem Gluͤck bekannt ges macht worden, ich waͤre der Uebermacht dies ſes Gefuͤhles unteglegen. |

Die Frau von Delier, welche uns die ganze Zeit uͤber allein gelaſſen hatte, erſchien endlich mit den Worten: „Wißt ihr auch Kinder, daß es nicht mehr weit von eilf Uhr iſt?“ Ich fuhr wie bey einer Todespoſt zuſammen, denn ich gedachte des Irlaͤnders.

Eilf Uhr war die geſetzte Stunde, der Ort, wohin er mich beſchieden hatte, eine ziemliche Strecke entfernt. Ich mußte von Amalien Abſchied nehmen.

Abſchied nehmen! ohne zu wiſſen, wann ich ſie wieder ſehen wuͤrde, denn Mor— gen in aller Fruͤhe ſollte ich reiſen. Dieſer Gedanke uͤbermannte mich fo ſehr, daß ich Amalien und mir ſelbſt verſprach, fie mor⸗

gen

1

gen noch einmahl vot meiner Abreiſe zu be— ſuchen.

Dennoch war die Trennung ſo aͤngſtlich, das Losreiſſen auf beyden Seiten ſo ſchwer, und das Lebewohl kam aus der beklemmten Bruſt gebrochen uͤber unſere Lippen. Ach! eine geheime Ahnung ſchien es uns zuzufluͤ— ſtern, daß wir uns nicht wieder ſprechen wuͤrden. Wie oft verſuchte ich zu gehen und blieb wieder ſtehen wie oft gieng ich und kam wieder zuruͤck, um Amalien zu verſichern, ich würde ſie gewiß wieder ſehen. Ihre Aeußerungen ſchienen zwar ruhiger als die meinigen, aber ich durchblickte ſie, ich merkte den Kampf, den ſie im ſtillen kaͤmpfte, ich ſah ihre Angen naß und ihres Buſens hef— tige Bewegung.

Die Frau von Delier blieb nicht laͤnger eine muͤſſige Zuſchauerinn. Sie bedeutete uns, das alles auf morgen zu ſparen, und uns heute lieber der Freude zu uͤberlaſſen. Sie draͤngte mich von der Graͤfinn weg und fuͤhrte fie fort.

Auf der Terraſſe blieb ich noch einmahl ſtehen; ich ſah beybe die Allee langſam hin⸗

f ab

( 48 )

abwandeln, ſah Amalie ſich noch zweymahl nach mir umwenden, und mir zuwinken— Meine Thraͤnen floſſen, meine Arme ſtreck— ten ſich nach ihr aus, die Dunkelheit ent» zog fie meinen Blicken.

Ich drang beſinnungslos auf die Straſſe hinaus. Ich fand mich an dem beſtimmten Orte, ohne zu wiffen, wie ich dahin kam. Es war ein abgelegener mit einigen Baͤu— men beſetzter Ort. Der Ie ließ mich nicht lange warten.

„Meine Zeit ift kurz, 1 1 er) die Dinge, welche ich Ihnen zu ſagen habe Her— zog! ſind viel; laſſen Sie uns niederſitzen.“ Mit dieſen Worten fuͤhrte er mich zu einer ſteinernen Bank, die unter einem Ba ſtand.

Er ſchien es zu bemerken, daß ic ſtark bewegt war, und beobachtete eine Weile ein eruſtes tiefes Stillſchweigen, um mir Zeit zu laſſen, mich zu faſſen. „Ich wuͤnſche mein theurer Herzog! (fing er endlich an) daß Sie von dieſer Unterredung nicht mehr erwarten, als ich Ihnen geben darf. Sie muß ſich auf den theoretiſchen Theil jener

ge⸗

.

geheimen Philoſophie einſchraͤnken, in die ich Sie nach Verlauf der beſtimmten Zeit einzuweihen verſprochen habe. Aber es geht hier, wie bey allen übrigen Wiffenfchaften: Der Schuͤler von Kopf erraͤth ſchon aus der Theorie, welche Aufſchluͤße er von dem prafs tiſchen Theile der Wiſſenſchaft zu erwarten hat, ungefaͤhr wie ein Mahler in einer gegebenen Skizze ſchon das kuͤnftige Gemaͤhlde erblickt, oder wie ein Architekt in den Um— riſſen auf dem Papier, ſchon das auszufuͤh— rende Gebäude in feiner Vollendung ſieht. Begnuͤge Sie ſich alſo indeßen mit dem, was ich geben darf.“

„Ich beſcheide mich gern, nicht mehr zu erfahren, als ich jetzt ertragen kann.“

Der Irlaͤnder ſchwieg abermahls eine Weile, und hob dann alſo an:

„Waͤre unſere Vorſtellungskraft bloß auf Sinnlichkeit beſchraͤnkt, ſo wuͤrde die ſichtbare Welt alle unſere Gedanken, Empfins dungen, Wuͤnſche und Hoffnungen einſchlieſ— ſen. Keine Idee von einem Geiſt, von Gott, von Unſterblichkeit wuͤrde uns uͤber die ma⸗ terielle Sphaͤre hinausheben. Um dieſe Ideen

D her⸗

( 50 3) hervorzubringen und zu faſſen, iſt ein gang eigenes uͤberſinuliches Vermögen noͤthig, das wir Vernunft nennen, und das näher bee trachtet, mit den uͤbrigen Seelenkraͤften gar keine Aehnlichkeit hat. Die Vorſtellung der geſammten Sinnenwelt biethet uns nichts dar, was nicht koͤrperlich, endlich, vergaͤng— lich wäre. Aber auf dem Gebiethe der Ver- nunft öffnet ſich eine Ausſicht in eine Welt ohne Grenzen, und von einer ewigen Dauer, in ein Reich der Geiſter, das von Einem unendlichen Geiſte nach heiligen Geſetzen res giert wird. Wie dem Blindgebohrnen, wenn er durch die Kunſt des Arztes den Gebrauch ſeines Geſichts erhaͤlt, ſich eine neue nie getraͤumte Welt darſtellt, fo geht auch mit der Entwickelung der Vernunft fuͤr uns eine unbekannte Welt hervor, wovon die Sinn— Kchkeit uns nichts ahnen ließ, für welche fie auch keine Begriffe, keinen Maßſtab hat— Sie ſehen alſo ſchon, an welche Seelenkraft wir uns bey unſerer Unterſuchung halten muͤſſen, wenn wir durch dieſe in das Reich der Geiſter uns einen Weg bahnen wollen.“ „An die Vernunft.“ „Es

(5)

„Es iſt kein anderes Mittel. Aber eben darum laſſen Sie uns ſchaͤtzen und gebrau— chen lernen dieſes Licht, das ung leuchtee in den Finſterniſſen, in denen dem Auge des ſinnlichen Menſchen alle Gegenſtaͤnde fin den oder nur dunkel erſcheinen, daher er auch entweder ihr Daſeyn ganz laͤugnet, oder ihnen die Form der Schatten gibt. Ja mein Beſter! wie der Blindgebohrne, um mich auf mein voriges Gleichniß zu berufen, entweder das Daſeyn der Farben als eine laͤcherliche und ungereimte Meynung verwirft, oder, wenn er dem einſtimmigen Zeugniße der Sehenden glaubt, ſich die Farben un- 91 wie Toͤne vorſtellt, ſo wird auch der

Menſch, deſſen Vernunft durch die Sinn- lichkeit unterdrückt wird, oder eine falſche Richtung genommen hat, entweder die Exis ſtenz der Geiſter und unſer Verhaͤltniß zu ihnen laͤugnen, oder dieſe Weſen mit der Form ſeiner regelloſen Phantaſie ausſtatten. Der Unglaube und Abekglaube liefern ung unzaͤhlige Beyſpiele von ſolchen Menſchen— Immer waren es nur die billigeren, welche behaupteten, man muͤſſe über dieſe Gegen:

D 2 ſtaͤn⸗

( ſtaͤnde fein Urtheil zuruͤckhalten, und immer waren es nur die weiſeſten, welche wirklich ein richtiges Urtheil faͤllten.

„O Hiermanſor! fuͤhren Sie mich in den Kreis der letzteren ein. Allen übrigen Partheyen bin ich ſchon in den verſchiedenen Perioden meines kebens angehangen. In meiner fruͤhern Jugend glaubte ich an Geis ſtererſcheinungen ſo, wie nur immer der ge— meinſte aus dem Volke glauben kann. In fpätern Jahren hielt ich mich von der Un: möglichkeit ſolcher Erſcheinungen uͤberzeugt. Seit der Zeit als ich Sie kennen lernte, ſchwankte ich zwiſchen Aberzlauben und Uns glauben. Und erſt vor kurzem habe ich be— ſchloſſen, mein Urtheil uͤber dieſe Gegen— ſtaͤnde bis auf beſſere Ueberzeugung zu ver⸗ ſchieben. Gewaͤhren Sie mir dieſe.“ | „Das will ich, aber Sie hörten ſchon,

daß es nur auf dem Wege der bloſſen von

aller Sinnlichkeit gelaͤuterten Vernunft ge—

ſchehen kann. Es wird Ihnen beſchwerlich

ſeyn auf dieſem Wege zu wandeln, und mich

Muͤhe koſten, Sie zu fuͤhren. Ich muß mich

aller Bilderſprache enthalten, um die uͤber⸗ finns

683 3 finnlichen Begriffe in ihrer Reinigkeit Ihnen mitzutheilen, und Sie muͤſſen ſich darauf verſtehen, die abgezogenſten feinſten Ideen handzuhaben, wenn auch dieſe mit Ihrer bisherigen Vorſtellungsart in Widerſpruch gerathen buͤrften.“ „An Aufmerkſamkeit und gutem Willen

werde ich es wenigſtens nicht fehlen laſſen.“

„Es iſt bey gegenwaͤrtiger Betrachtung vor allen noͤthig, daß wir uns uͤber den Begrif Geift vereinigen. Um nicht eigene maͤchtig dabey zu verfahren, ſo laſſen Sie uns auf den allgemeinen Sprachgebrauch Ruͤckſicht nehmen. Wenn man ſagt: der Menſch beſteht aus Leib und Seele, ſo be— greift man unter dem erſten Beſtandtheil ein koͤrperliches, und unter dem andern ein un— koͤrperliches Weſen. Wir haben alſo einen gemeinſchaftlichen Punkt, von dem wir bey unſerer Unterſuchung ausgehen koͤnnen. Seiſt iſt dem Koͤrper entgegengeſetzt. Daruͤber ſind wir nach dem allgemeinſten Sinn und Ge— brauch des Wortes einverſtanden? „Ich bin es.“

D 3 „Laß

84 =)

„Laſſen Sie uns ſehen, was daraus folgt: Jeder Koͤrper iſt ein zuſammengeſetztes, ausgedehntes, undurchdringliches, und den. Geſetzen der Bewegung unterworfenes We— fen, alſo iſt jeder Geiſt ein einfaches, un⸗ ausgedehntes, durchdringliches, von 975 Geſetzen der Bewegung a fen.’

„Richtig.“

„Koͤrper ſind ausgedehnt, das heißt: fie nehmen einen Raum ein, und das Ver— haͤltniß, worin ein Koͤrper zu dem anderen im Raume ſteht, macht feinen Ort aus. Geis ſter ſind nicht ausgedehnt, ſie exiſtiren alſo nicht im Raum und an keinem Ort.“

„Wie wuͤre das?“

„Wie ich geſagt habe. Aber ich will meinen Beweis noch mehr beleuchten. War— um koͤnnen zwey Koͤrper nicht zugleich an einem Orte exiſtiren? Weil fie wegen Ihrer Ausdehnung und Undurchdringlichkeit einan— der ausſchlieſſen. Zwey Körper muͤſſen da= her zur naͤhmlichen Zeit auch zwey Orte ein— nehmen, das heißt: jeder Koͤrper muß ſei⸗

nen

(55) gen eigenen Ort haben. Und warum muß jeder Koͤrper ſeinen Ort haben?

„Eben wegen ſeiner Ausdehnung und Undurchdringlichkeit.

„Gut! bye Eigenſchaften aber koͤnnen einem Geiſt nicht zukommen, alſo kann ihm auch kein Ort zukommen. |

„Das ſcheint wirklich zu folgen.

„Der Beweis laͤßt ſich auch fo führen. Ein Geiſt hat als einfaches Weſen weder eine rechte noch linke, weder eine Ruͤck- noch Vorder-S ite, er kann alſo mit allen Dingen, die im Raume vorhanden ſind, von keiner Seite im Verhaͤltniß ſtehen. Die Schluß— folge ergibt ſich von ſelbſt.

„Fuͤr den Geiſt wuͤrde alſo in der gan— zen materiellen Welt kein Platz uͤbrig ſeyn?

„Wollen Sie ihm vielleicht in der im— materiellen Welt einen Ort anweiſen? Wie koͤnnen Sie ſich in einer ſolchen Welt Raum und Ort ohne Widerſpruch denken? Wenn kein Geiſt einen Raum einnimmt, ſo koͤnnen auch alle zuſammen keinen einnehmen, wie ſollte es alſo ein Verhaͤltniß unter ihnen im Raume einen Ort geben? |

„Ich

„Ich verſtehe Sie und verſtehe Sie wies der nicht. Sie wollen mich von der Moͤg— lichkeit der Geiſtererſcheinungen überzeugen z und heben das Daſeyn der Geiſter auf, Denn wenn dieſe weber in der ſichtbaren noch unfichtbaren Welt Platz finden, wo ſollen ſie denn exiſtiren?

„Was Ihre Begriffe doch ſinnlich und verworren ſind! Merken Sie denn nicht, daß Ihre Frage nichts anders heißt, als: an welchem Orte ſollen die Geiſter exiſtiren? und folglich in Ihrer Frage dasjenige vor- ausſetzen, deſſen Ungereimtheit ich eben klar genug bewieſen habe? Sehen Sie denn nicht ein, daß Raum und Ort nur äußere Eigen- ſchaften, nur Verhaͤltniſſe materieller Dinge ſind? Und glauben Sie denn, daß die Eris ſtenz eines Weſens nur von aͤußeren Eigen- ſchaften und materiellen Verhaͤltniſſen ab⸗ hängt? - |

„Haben Sie Geduld mit mir.

„Ich habe ſie, denn ich weiß, wie ſchwer es iſt, uns von ſinnlichen Vorſtellungen los— zumachen, allein da dieſe auf Geiſter nicht paſſen, fo muͤſſen wir darauf Verzicht thun,

oder

CB)

oder wir dürfen die Grenzen der Sinnenwelt nicht uͤberſchreiten.

„Ich bitte Hiermanſor! fahren Sie fort:

„Wir wiſſen bisher aus unſerer Unter— ſuchung nicht viel mehr, als was ein Geiſt nicht iſt, und was ihm nicht zukommen kann. Wir muͤſſen uns erſt zu uͤberzeugen ſuchen, welche reellen Eigenſchaften ſeine in— nere Natur ausmachen. Eine davon haben wir ſchon oben beruͤhrt: es iſt die Unabhaͤn— gigkeit von den Geſetzen der phyſiſchen Na— tur oder die freye Willkühr. Eine andere Eigenſchaft dringt ſich uns eben ſo ſchnell auf, naͤhmlich die Vorſtellungskraft, die ſo wie jene unſerer Seele mit allen übrigen Geis _ ſtern gemein iſt. Und nun befinden wir uns ſchon im Stande einen zwar unvollſtaͤndigen, aber beſtimmten Begriff von einem Geiſt feſt— zuſetzen: „er iſt ein einfaches mit Vorſtel— lungskraft und freyer Willkuͤhr begabtes Wis ſen.“ Finden Sie nicht, daß dieſe Erklaͤrung dem allgemeinſten Sprachgebrauch entſpricht?

„Ein Buͤrge mehr, für ihre Richtig⸗ keit.

„Wie

658

„Wie alſo der Koͤrper durch ſeine ma— feriellen Wirkungen im Raume fein Daſeyn beweiſet, fo ſichert uns der Geiſt das ſeini— ge durch die Aeußerung feiner Vorſtellungs-⸗ und Willenskraft zu. So allgemein ein— leuchtend und angenommen dieſer Satz iſt, ſo macht man doch eine ſehr unrichtige Ans wendung davon denn es iſt, wie aus dem vorhin geſagten erhellt, ſchlechterdings falſch und weiter nichts als eine Art opti- ſcher Taͤuſchung, wenn wir uns die Seele in dem menſchlichen Koͤrper oder wohl gar in einem beſtimmten Grte deſſelben einge— ſchloſſen vorſtellen. Man kann dieſer Taͤu⸗ ſchung eine anbere entgegen ſetzen: es gibt Zerſtreuungen, Abweſenheiten des Geiſtes, wo das denkende Principium unſern Koͤrper ſo ganz verlaͤßt, daß in dem letzteren nur mehr die animaliſchen Kraͤfte wirkſam ſind, und bey der Ruͤckkehr des wiedererwachen— den Selbſtgefuͤhls ſcheint der Geiſt aus weit entfernten Regionen zuruͤckzukommen. Aber auch das iſt nur Schein. Alles, was wir von der Verbindung zwiſchen Seele und Koͤrper ſagen koͤnnen, beſteht darin: unſer

Geiſt

0

Geiſt iſt ſich eines koͤrperlichen Organs be— wußt, deſſen Veränderungen mit feinen Vor— ſtellungen und Willenshandlungen auf das genaueſte uͤbereinſtimmen. Allein ſo wenig Ihr Geiſt, wenn er ſich mit allen ſeinen Ge— danken und Empfindungen in Amaliens enk⸗ fernte Wohnung verſetzt, von den Mauern derſelben eingeſchloſſen wird, eben ſo wenig ſchließt ihn Ihre koͤrperliche Huͤlle ein, in welche er gewoͤhnlich verſetzt zu ſeyn ſcheint. Nein! mein Beſter! die Bande des Raumes koͤnnen nicht ein immaterielles Weſen an ein materielles feſſeln.“

„Das fließt freylich aus dem vorherge— henden; aber durch welche Bande wuͤrde denn die Gemeinſchaft zwiſchen Seele und Koͤrper unterhalten?“

„Ihre Frage bezieht ſich auf eine That— ſache, und die Antwort gehoͤrt folglich in den praktiſchen Theil dieſer Philoſophie. Indeſſen (fuͤgte der Irlaͤnder nach einigem Nachden— ken hinzu) kann ich Ihnen einen vorlaͤufigen Wink hieruͤber geben. Jede Subſtanz, alſo auch der Körper muß eine innere Thätigkeit

als den unſichtbaren Grund der aͤußerlichen

I nz Wirk⸗

6300

Wirkſamkeit, welche im Raume ſichtbar iſt, beſitzen. Dieſes innere Princip des Koͤrpers wirkt auf den Geiſt, ſo wie ber Geiſt auf bieſes Princip. Folglich nicht unmittelbar, ſondern nur burch dieſes Medium koͤnnen Seele und Leib wechſelweiſe auf einander wir- ken. Wie aber alle materiellen Weſen zuſammengenommen ein groſſes Ganze aus— machen, das die phyſiſche Welt heißt, ſo macht der Inbegriff aller geiſtigen Weſen die ſogenannte immaterielle Welt aus. Es er— giebt ſich aus dem bisher geſagten, daß die Verbindung, Ordnung und Regelmaͤßigkeit, welche in der erſtern Welt ſichtbar werden, von der Regelmaͤßigkeit, Ordnung und Ver— bindung, welche in der andern herrſchen, ganz verſchieden find. Alle materiellen We— ſen find dem Scepter der eiſernen Nothwen— digkeit unterworfen, unb werden durch phy— ſiſche Geſetze in Ordnung erhalten; der Rang, den dieſe Weſen gegeneinander behaupten, iſt auf angebohrne oder durch Convention gewuͤrdigte Eigenſchaften gegruͤndet; und nach Art der Verhaͤltniſſe, in die ſie durch Zeit und Raum geſetzt werden, ſind ſie ein⸗ ander

ander näher oder ferner. Wie ganz anders in der Geiſterwelt! Für vernuͤuftige mit freyer Willkuͤhr begabte Weſen gelten keine andere Geſetze, als die der Sittlichkeit; die Vorzuͤ— ge und Abſtufungen, welche unter ihnen ſtatt finden, haͤngen von den verſchiedenen Gra— den ihrer Weisheit und Tugend ab; und nach der Gleichheit oder Ungleichheit ihrer Denkungs- und Empfindungsart ſind fie fi naͤher oder ferner, das heißt: harmoniren, oder disharmoniren ſie untereinander. Der Menſch gehoͤrt mittelſt ſeines Geiſtes und Koͤrpers beyden Welten an, und ſteht daher mit beyden in Verbindung. Es kann ſich alſo gar wohl fuͤgen, daß derjenige, welcher vermoͤge ſeiner phyſiſchen oder politiſchen Lage auf Erde eine wichtige Rolle ſpielt, zu glei— cher Zeit unter ben Ueberirdiſchen die letzte Stufe einnimmt; daß die Seele eines Koͤr— pers, deſſen Schoͤnheit hier alle Augen bezau— bert, in der Geiſterwelt ein gleichguͤltiger oder veraͤchtlicher Gegenſtand iſt, daß die Seelen ei— nes Saturn- und eines Erdebewohners in Anſehung ihrer geiſtigen Gemeinſchaft naͤhere Nach⸗

>

06)

Nachbarn find, als die Seelen derjenigen, die unter einem Dache hauſen.“

„Das begreife ich.“ |

„Der menſchliche Geiſt ſteht alſo ſchon in dieſem Leben mit den Gliedern der unſicht— baren Welt in Verbindung, und dieſe iſt ihm weſentlich und bleibend, indeß jene mit dem Koͤrper nur zufaͤllig und voruͤbergehend iſt. Nun laͤßt ſich aber eine Verknuͤpfung zwiſchen Subſtanzen, das iſt: thaͤtigen Nas kuren nicht ohne wechſelſeitige Einwirkung denken, alſo muß auch die menſchliche See— le auf die Geiſter, mit denen ſie in Gemein— ſchaft ſteht, und dieſe wieder auf ſie einen wirklichen Einfluß haben. Woher koͤmmt es denn aber, daß wir uns dieſer wechſelſeiti— gen Einfluͤſſe und Mittheilungen nicht wie derjenigen bewußt find , welche zwiſchen un— ſerer Seele und unſerm Leibe ſtatt finden? Die Urſache liegt eben nicht tief verſteckt. Der menſchliche Geiſt kann wegen ſeines koͤr— perlichen Orgaus nur die Gegenſtaͤnde der materiellen Welt klar empfinden, er iſt da⸗ her nicht einmahl einer unmittelbaren klaren Anſchauung ſeiner ſelbſt und um ſo weniger

ſei⸗

(65) feiner immateriellen Verhaͤltniſſe gegen ande— re Geiſter fähig; zwiſchen den Vorſtellungen, welche in ihm mittelſt ſeiner Geiſtigkeit und Gemeinſchaft mit geiſtigen Weſen entſtehen, und den Vorſtellungen, die er durch Mitwir— kung des Körpers erhält, oder von ſinnlichen Gegenſtaͤnden abzieht, iſt ein fo weſentlicher Unterſchied, daß die Vorſtellungen der erſtern Art mit denen der letztern in keine Verbin— dung treten koͤnnen, daher wir uns ihrer auch gar nicht oder nur dunkel bewußt wer— den, aber ſie erheben ſich zum deutlichen Bewußtſeyn, ſobald die Verknuͤpfung der Seele mit dem koͤrperlichen Organ aufhoͤrt.“

„Dieß Hiermanſor! ſcheint einigermaſ— ſen im Schlafe der Fall zu ſeyn, wo die ſinnlichen Werkzeuge von ihren Verrichtungen ruhen. Sollten alſo wohl jene Philoſophen des Alterthums recht behalten, welche uns in Traͤumen fuͤr die Einfluͤſſe hoͤherer Natu— ren, und uͤberirdiſche eingebungen empfaͤng— lich glaubten?“

„Etwas wahres liegt unſtreitig zum Grunde. Nur daß wir jene Empfaͤnglichkeik nicht im Traume, fondern im feſten Schlafe

be⸗

(549 beſitzen. Man meynt gewoͤhnlich, wit bäfe ten in dem letztern Zuſtande nur dunkle Bars ſtellungen, und dieſe Meynung ruͤhrt daher, weil wir uns derſelben bey dem Erwachen nicht mehr erinnern. Allein mit welchem Rechte kann man daraus folgern, daß ſie waͤhrend dem Schlafe nicht klar geweſen waͤ— ren. Solche Vorſtellungen dürften leicht klaͤ⸗ rer und ausgebreiteter ſeyn, als ſelbſt die hellſten im Wachen, indem bey gaͤnzlicher Ruhe der ſinnlichen Werkzeuge die Thaͤtigkeit unſers Geiſtes durch nichts modificirt und beſchraͤnkt wird. Aber eben darum, weil hier der Koͤrper keinen Antheil nimmt, und alſo deſſen begleitende Idee beym Erwachen mangelt, koͤnnen wir ſolche Vorſtellungen nicht ins Bewußtſeyn zuruͤckrufen; fie bleis ben iſolirt in der Seele, indem fie mit den- jenigen, die wir vor und nach dem feſten Schlafe haben, und an denen immer der Koͤrper mehr oder weniger Theil nimmt, in keinem Zuſammenhange ſtehen. Bey Traͤu men iſt bas anders. In dieſen wirkt die Thaͤtigkeit des Geiſtes nicht mehr rein und unbeſchraͤnkt. Traͤumen iſt ein Mittelzuſtand

wiz⸗

(65)

zwiſchen Schlafen und Wachen. Wir em⸗ pfinden dann ſchon in einem gewiſſen Grade klar, und weben unſere Geiſteshandlungen in die Eindruͤcke der aͤuſſern Sinne, wodurch ein wunderliches, oft ſehr laͤcherliches Ge— miſche entſteht, deſſen wir uns aber beym Erwachen noch zum Theil erinnern.“

„Sie haben nur die Wahrſcheinlichkeit deutlicher Vorſtellungen im feſten Schlaf dars gethan, koͤnnten Sie nicht die Wirklichkeit

derſelben erweiſen?“

| „Allerdings! diefe Beweiſe gehoͤren nur nicht in den theoretiſchen Theil unſerer Phi— loſophie. Indeſſen will ich Sie hier im Vor— beygehen die Handlungen einiger Nachtwand— ler nicht zu vergeſſen bitten, welche zuwei— len im feſten Schlafe mehr Verſtand als ſonſt aͤuſſern, obwohl ſie beym Erwachen ſich die— ſer Aeuſſerungen nicht erinnern.“

„Das iſt wahr! (rief ich) das wirft ein wunderbares Licht auf dieſe Materie.“

„Doch nicht bloß im feſten Schlaf (fuhr der Irlaͤnder fort) auch im Wachen kann mancher Menſch fähig ſeyn, ſich der Gemeine ſchaft mit der Geiſterwelt und ihrer Wirkun⸗

E gen

(160. -) gen klar bewußt zu werden. Zwar liegt dit Ungleichartigkeit der geiſtigen und der menſch⸗ lichen Vorſtellungen ein wichtiges, aber kein unuͤberſteigliches Hinderniß in den Weg. Es iſt wahr, der Menſch kann ſich wegen der Mitwirkung ſeines koͤrperlichen Organs nicht unmittelbar jener geiſtigen Vorſtellungen bes wußt werden, darauf muß er ſchlechterdings Verzicht thun, allein dieſelben koͤnnen nach dem Geſetz der vergeſellſchafteten Begriffe die⸗ ſenigen Bilder, welche mit ihnen verwandt ſind, im Gemuͤth rege machen, und ſomit analogiſche Vorſtellungen unſerer Sinne er— wecken, die wohl nicht die geiſtigen Wirkun⸗ gen ſelbſt, aber derer Symbole ſind.“

„Ich merke, wo ſie hinzielen.“ 7 9 „„Durch Beyſpiele wird Ihnen die Sache noch deutlicher werden. Die Erfahrung lehrt, daß unſere hoͤhern Vernunftbegriffe, die ſich den geiſtigen Vorſtellungen ziemlich naͤhern, gewoͤhnlich ein koͤrperliches Kleid annehmen, Hum ſich in Klarheit zu ſetzen. Daher ſchaft der Dichter die Weisheit in eine Goͤttinn Mi⸗ nerva, die Gewiſſensbiſſe in Furken um, er perſonificirt Tugenden und Laſter: der Mas 5 the⸗

G, thematifer bildet die Zeit wie eine Linie ab; und welcher Philoſoph denkt ſelbſt die Gott— heit immer ohne Beymiſchung menſchlicher Eigenſchaften? Auf ſolche Art koͤnnen auch Vorſtellungen, die uns durch einen geiſtigen Einfluß mitgetheilt ſind, ſich in die Zeichen derjenigen Sprache, die uns gewoͤhnlich iſt, und die gefuͤhlte Gegenwart eines Gei— ſtes kann fi) in das Bild einer menſch⸗ lichen Geſtalt einkleiden. Beydes hat die Erfahrung bey der neulichen Erſcheinung Ih— res Hofmeiſters beſtaͤtiget. Hiermit iſt die Theorie aller uͤberſinnlichen Eingebungen und Geſichter begruͤndet; die Geiſtererſchei— nungen haben alſo mit den Traͤumen dieſes gemein, daß wir uns Dinge, die in uns vorgehen, als auſſer uns vorſtellen, aber fie unterſcheiden fid) zugleich dadurch, daß ihnen wirklich eine Einwirkung von außen, ein geiſtiger Einfluß zum Grunde liegt. Die: fer Einfluß kann aber nicht unmittelbar, ſon— dern nur durch verwandte Bilder der Einbils dungskraft, welche die Lebhaftigkeit wirklich empfundeuer Gegenſtaͤnde erreichen, ſich un— Di Bewußtſeyn offenbaren. Sie ſehen alſo E 2 ſchon,

(6 ) ſchoͤn; welch ein weſentlicher Unterſchled zwi⸗ ſchen den Phautomen der Träume und zwi⸗ ſchen Geiſtererſcheinungen obwaltet. Aber hier iſt auch die Grenze der Theorie. Die Kriterien, wodurch ſich Geiſtererſcheinungen in jedem Falle mit Sicherheit von leeren Hirngeſpinnſten, uͤberſinnliche Eingebungen von natürlichen Einfaͤllen unterſcheiden laf⸗ ſen, die Mittel Erſcheinungen zu bewirken, durch geiſtige Weſen Beyſtand und Aufſchluͤſſe zu erhalten, dieſe und noch mehrere Din⸗ ge gehoͤren in den praktiſchen Theil der ger heimen Philoſophie. i Mein Geſchaͤft, beſter Herzog! if alſo fuͤr dieſes Mahl vollbracht, und ich laſſe den Vorhang fallen. Der Mangel an Zeit noͤ—⸗ thigte mich eine Sache, die durch viele Un⸗ terredungen noch lange nicht erſchoͤpft werden würde, ins kurze zuſammenzuziehen, allein ich darf die Erweiterung und Ausbildung dieſes Grundriſſes kuͤhn Ihrem eigenen Vers ſtande uͤberlaſſen. Genug, daſt ich Sie in den Stand ſetzte die Erſcheinung Ihres Freun⸗ des begreiflich zu finden, und einzuſehen, | die Vernunft, weit entfernt uͤber Gegen⸗ ſtaͤnde

(9)

ſtaͤnde dieſer Art ein Verwerfungsurtheil zu ſprechen, vielmehr das einzige Mittel iſt, uns darüber Licht und Sicherheit zu verſchaf⸗ fen. Auch moͤgen Sie aus der aufgeſtellten Theorie urtheilen, ob es der Muͤhe lohne, ſich in die Geheimniße des praftifchen Thei— les dieſer Philoſophie einweihen zu laſſen. Indeſſen werden ſie ſchon uͤberzeugt ſeyn, daß zu dieſem Unterrichte, und um ſo viel mehr zur Ausuͤbung deſſelben kein Sterbli⸗ cher zugelaſſen werden kann, der ſich nicht durch Bezaͤhmung ſeiner ſinnlichen Natur, durch Reinigung und Erhoͤhung feiner geie fügen Kraͤfte gewärdiget hat. Sind Sie das zu thun entſchloſſen?

„Ich bins, Stellen Sie mich auf die Probe.“ Br 1465

„So kreten Sie mit Sonnenaufgang die Reiſe nach Mild an, ohne von der Graͤfinn Abſchied zu nehmen. Der Irlaͤnder hatte treflich gewaͤhlt, grau⸗ ſamer konnte keine Forderung von ſeiner Seite, groͤßer kein Opfer von meiner ſeyn. Der Kampf, den es mich koſtete einen Entſchluß zu faſſen, war fuͤrchterlich, aber kurz. Ich

N E 3 verse

(4 1708.) verſprach dem Irlaͤnder, ſeinen Willen zu thun. |

„Gut! (ſagte er) und nun hoͤren Sie die ferneren Maßregeln. Sobald Sie in Mild werden angekommen ſeyn, eilen Sie, dem *nifchen Staatsminiſter O“ vad und dem Staatsſekretair Su vez ſich vorzuſtellen. Vermeiben Sie aber ſorgfaͤltig, dem einen oder andern politiſche Abſichten merken zu laſſen; ſagen Sie nur, daß fie geſinnt waͤ⸗ ren einige Zeit allda zu verweilen um dem Vergnuͤgen zu leben. Wiederhohlen Sie Ihre Beſuche ſo oft, bis Ihnen beyder Vertrauen zu Theil geworden iſt. Ihr einnehmendes Betragen Herzog! und die Verhaͤltniſſe, in denen Sie mit Vas“ dos ſtehen, werden Ihnen dieſe Eroberung ſehr leicht machen- Leben Sie wohl! In e ſehen wir uns wieder.“

Wir ſchieden. Der Irlaͤnder 0 noch einmahl um. „Ihre Lebensweiſe in M*’*d (ſagte er) wird Aufwand noͤthig machen, und el darf Ihnen an baarem Gelde nicht ge— brechen. Ich habe dafür geſorgt. Sie wer- den zu Hauſe eine Summe finden, mit der

Sie

7) Sie nach Belieben ſchalten Finnen.‘ Er ging ſchnell hinweg. ö Als ich nach Hauſe kam, fand ich auf meinem Tiſche zwey Geldſaͤcke und in jedem tauſend Dukaten. Pedro fagte mir, ein Be dienter des irlaͤndiſchen Seekapitains haͤtte ſie Abends gebracht.

Man wird es mir gern glauben, went ich ſage, daß ich nun dem Irl d ader mit gan- zer Seele angehörte; ſchon durch jenes Ge— ſpraͤch auf dem Kirchhof fühlte ich mich über—⸗ redet, durch das letztere hingegen überzeugt, daß ich nichts beſſeres thun koͤnne, als mich ganz feiner Fuͤhrung zu uͤberlaſſen, und wenn ich vorher durch die ſiegende Uebermacht ſei— nes Geiſtes zu dieſem Entſchluß beſtimmt worden war, ſo beſtaͤrkte mich jetzt der volle Beyfall meiner eigenen Vernunft darin. Ja ich wuͤrde nun, falls ſich der Irlaͤnder von mir haͤtte losmachen wollen, mich ſelbſt an ihn gedrängt und um feine Freundſchaft ges buhlt haben, ſo ſehr hatte mich die tiefe Weisheit ſeiner Unterredung bezaubert. Jetzt waren auch die kleinſten Ueberreſte von Miß— trauen, die noch gegen ſeine verborgene Macht

in

RE.)

in mir hätten aufkeimen koͤnnen, aus meiner Seele vertilgt, und ſelbſt meine Achtung ge—⸗ gen Philoſophie, welche mich vorhin wider ihn eingenommen hatte, war nun eines der ſtaͤrkſten Bande, die mich gegenwärtig an ihn feſſelten. Wie angenehm fand ich mich uͤberraſcht, in der Vernunft ſelbſt, die ich ehedem fuͤr die ſtaͤrkſte Widerſacherinn des Wunderglaubens hielt, die wichtigſten Grüns de für denſelben anzutreffen, und mit den naͤhmlichen Waffen, womit ich vorhin gegen den Irlaͤnder kaͤmpfte, mich von ihm beſiegt zu ſehen, ohne daß ſich der Sieger einer Kriegs— liſt, eines unerlaubten Vortheiles uͤber mich bedient haͤtte. Die Aufrichtigkeit, Strenge und Buͤndigkeit, die jeden Schritt feines phi= loſophiſchen Unterrichtes bezeichneten, was - ren mir die unverwerflichſten Buͤrgen fuͤr die Richtigkeit des Reſultats. Haͤtte er ſeine Beweisgruͤnde in einer blumenreichen und geheimnißvollen Sprache durch den Zauber der Deklamation unterſtuͤtzt vorgetragen, ſo wuͤrden ſie mir verdaͤchtig geworden ſeyn, allein von allen ſophiſtiſchen Kunſtgriffen ent⸗ bloͤßt führte er die einfache, verſtaͤndliche,

kalte

73.)

kalte Sprache der Vernunft, ging von alls gemein angenommenen Grundſaͤtzen aus, zog keine Folgerungen, als wozu ihn die Vor- derſaͤtze be echtigten, zerſtoͤrte Wahnbegriffe und Vorurtheile, die er zu Trugſchluͤſſen hätte benutzen koͤnnen, ja es ſchien, als ob er deſſen, was er beweiſen ſollte, uneinge⸗ denk, es bloß darauf wollte ankommen lafs ſen, wohin der Gang einer unpartheyiſchen Unterſuchung endlich von ſelbſt fuͤhren wuͤrde, und mit ee ſah ich mich am Schluße derſelben am ausgeſtecktem Ziele, von dem uns der eingeſchlagene Weg gaͤnzlich zu entfernen drohte.

Ich ſage nichts von den wunderſamen kuͤhnen Gedanken, welche die erhaltenen Auf— ſchluͤße in mir erweckten, nichts von den ſchauerlich- angenehmen Empfindungen, von denen jene Gedanken begleitet wurden. Die aufgehende Sonne traf mich noch in dieſem unbeſchreiblichen Zuſtand und erinnerte mich durch ihre Strahlen, daß es Zeit zur Ab⸗ reife ſey. ö 8

10

Ich traf ſogleich die noͤthigen Anſtalten und nach einer Viertelſtunde ſaß ich im Was gen. Ich ſah noch einmahl nach der Gegend hin, wo Amalie wohnte und wieder eins mahl und fuhr zum Thore hinaus.

Auf der erſten Station ſchrieb ich an fie. Ich entſchuldigte mich, daß ein unvorgeſe⸗ hener wichtiger Zufall mich genoͤthiget habe meine Reiſe fo fruͤh des Morgens anzutres ten, daß es unſchicklich geweſen wäre den verſprochenen Beſuch abzuſtatten; ich ver: hieß, auf den Flügeln der Liebe zuruͤckzu⸗ kehren, ſobald meine Geſchaͤfte in Mrd wuͤrden beendiget ſeyn. Alle Schmerzen der Trennung, alle Zärtlichkeit eines tiefbeweg⸗ ten Herzens ließ ich laut in dieſem Briefe ſprechen, um Amalie zu uͤberzeugen, daß nicht meine freye Wahl an der Unterlaſſung des Beſuches Schuld geweſen war.

Ach! je weiter mich mein forteilender Wagen von ihr entfernte, deſto tiefer fühlte ich das Opfer, welches ich dem Irlaͤnder gebracht hatte. Um mich zu zerſtreuen ſtoͤrte ich in meinen Auffägen, Briefen und Pa-

pies

78. )

pieren herum. Ich fand noch eine Kopie von des Irlaͤnders Briefen, welche mir zu bechiffriren uͤbrig geblieben war, und ich fieng ſogleich die Arbeit an. Hier iſt der Brief: |

„Bald wären meine Anſchlaͤge auf Mi: „yguel mit feinem Leben verloren gegangen. „Und gewiſſermaſſen war ich es ſelbſt, der „ihn an den Rand des Abgrundes führte, „Aber wer hätte auch fo was vorausſehen tönen! Erlauben Euer Excellenz! daß ich „die Geſchichte ausführlich erzähle.

„Ich hatte einen Theil meiner Diener— „ſchaft abgeſchickt, Migueln auf ſeiner Reiſe „zu folgen. Ich ſelbſt blieb zuruͤck, um „einen Verſuch zur Wiederherſtellung der „Graͤſinn zu wagen, für deren Geneſung „die dumme Behandlung des Arztes m ir „bange zu machen anfieng. Mein Verſuch „gelang über alle Erwartung. Einige Tro „pfen von einem Elixier, die ich der Graͤfinn „eingab, wirkten ſo ſchnell, daß ſich in neinigen Stunden die deutlichſten Merfmahle - „der Geneſung einſtellten. Als ich dieſes ers

| „fuhr =

ZB.)

„fuhr, machte ich mich gleich am zweyten „Tage mit dem Reſt meiner Leute auf den „Weg, Migueln zu folgen. Allein vorher „ert heilte ich dem Kammerdiener der Gräfiun . „folgende Aufträge: Er ſollte nach drey Ta⸗ „gen an den Herzog ſchreiben, Amalie waͤre „geſtorben und einige Tage darauf: fie „waͤre von mir wieder erweckt worden. Er y ſelbſt aber ſollte von der Graͤfinn feinen „Abſchied begehren und mir folgen, weil ich „ihn zur Ausführung meiner fernern Ent— „wuͤrfe brauche. Meine Abſicht bey dem merken Auftrage war, mich aus der Art, „womit Miguel die Nachricht von Amaliens „Tode aufnehmen wuͤrde, zu uͤberzeugen, „ob feine Liebe zu ihr nur eine fluͤchtige „Neigung geweſen, oder ob er eine ernſtliche „Leidenſchaft für Sie gefaßt hatte, und auf „welchen Grad dieſe ſchon geſtiegen wäre. „Wie noͤthig ich das zu wiſſen brauchte, „darf ich Eurer Excellenz nicht erſt erklaͤren. „Der zweyte Auftrag hatte nicht bloß den „Zweck auf die Wunde Miguels Balſam zu „gieſſen, ſondern ich wollte in feinen Augen dals Wunderthaͤter, als fein. und Amaliens „Freund

(m) „Freund erſcheinen, um fein Zutrauen zu „gewinnen.“

„Ich beſchleunigte meine Farth ſo ſehr, „daß ich Miguel noch auf halbem Weg ein- „hohlte,, und mit meinen vorausgeſchickten „Leuten zuſammenſtieß. Sobald derſelbe, „und wir mit ihm zur Stelle anlangten, „quartirte ich meine Leute an verſchiebenen „Orten ein, ſo, daß er von ihnen auf allen „Seiten umgeben war. Ich ſelbſt miethete „mir ein bequemes Haus in der Vorſtadt, „um feinen Dlicken deſto ſicherer 1 „weichen.

„Nach drey Tagen kam der Brief an „Miguel, worin diefer von dem Tode der „Graͤfinn benachrichtigt wurde. Die Wir- „kung, welche die Nachricht auf ihn machte, „muß eine Art von Raſerey geweſen ſeyn. „Einer von meinen Leuten, die alle ſeine „Schritte belauerten, hinterbrachte mir ſpaͤt „am Abend: Miguel waͤre mit allen Zeichen „der Verzweiflung im Geſichte, aus feinem „Hauſe gekommen, und mit folder Heftig— „keit fortgeeilet, daß er mit ſeinen Kamer⸗ „raden ihm kaum zu folgen vermochte. Nach

27

n „einem zweyſtuͤndigen zweckloſen Herum⸗ „ſchweifen hätte Miguel endlich nicht ferne „von hier an dem Ufer des Fluſſes Halt ge— „macht, wo er gegenwaͤrtig in ſich vertieft „auf und nieder wandle.

„In kurzer Zeit kam ein zweyter Bothe, „und meldete: Miguel habe ſich in den Fluß „geſtuͤrzt, einer von ihnen aber, der in eis „nem nahen Gebuͤſch ihn beobachtete, wäre ‚machgefprungen, und haͤtte ihn gerettet, „man ſey auf dem Wege, ihn hieher zu „bringeu. In wenig Minuten brachte man

„Miguel wirklich, er glich einer Leiche, fein „puls ſchlug kaum merklich, das Bewußt⸗ „ſeyn fehlte ihm ganz. Ich ließ ihn ſogleich „in ein weites leeres Gewoͤlb tragen, und „indeſſen ein Theil meiner Leute ſich bemuͤ⸗ „hen mußte, den Ungluͤcklichen zu ſich zu „bringen, beſchaͤftigte ich mich mit ſchnellen „Anſtalten, ihn bei feinem Erwachen auf „eine treffende Art zu zuͤchtigen.

„Sobald man wahrnahm, daß er im „Begriffe ſey, ſich zu erhohlen, ließ ich ihn „in die Mitte des Gewoͤlbes legen, ſtellte mich tief vermummt in ziemlicher Entfer⸗

„nung

275" )

„nung gegenuͤber, winkte den Anweſenden

„in das anſtoſſende Gemad) abzugeben, und „die Lichter mitzunehmen. Kaum war alles „in Ordnung, als ich aus einem tiefen Athem⸗ „zug Miguels merkte, daß er zu ſich gekom⸗ „men. Sonderbar genug mag dieſes Er⸗

„wachen geweſen ſeyn. Die Erinnerung ſagte

„ihm, daß er ſich an einem Orte, wo er „Niemanden zugegen ſah, ins Waſſer ge— „ſtuͤrzt habe, und nun erwachte er in ei— „nem trocknen, leeren, finſterem Raum, es „muß wie das Aufwachen in einer andern

„Welt geweſen ſeyn. Auch ſcheint dieſe Em—

„pfinduug ihn mit ihrer ganzen Schaͤrfe

„durchdrungen zu haben, denn er ſtieß einen „lauten Schrey aus, von dem das Gewoͤlbe

„wiederhallte. “) Dieß war fuͤr meine Leute im

*) Hier iſt ein Irrthum, denn ſoviel wir aus dem Berichte des Herzogs im I. B. 170 ©. wifſen, ſo entfuhr ihm der Schrey darum, weil ihn, als er aufſpringen wollte, eine unſichtbare Macht niederzog. Da aber der Irlaͤnder von dieſem Umſtande nichts gewußt zu haben ſcheint, und auch in der Folge keine Erwaͤhnung daron ge⸗ ſchieht, To iſt zu vermuthen, daß die unbekannte

(80. )

vim anſtoſſenden Gemach ein Signal, fie „entzuͤndeten die bey einer Oefnung in der „Mauer angebrachte Stange, welche mit „Flachs umwunden, und mit Spiritus be: „ſtrichen, einen matten Schimmer im Ge— „wölbe verbreitete. Das Erſtaunen Mi: „guels, als er rund umher ſah, und „nichts als einen Vermummten erblickte, „uͤberſteigt allen Aus druck. Seine Angſt „wurde dadurch vermehrt, das ich ſtarr und „und ſtumm ſtand, ſeine Anrede unerwiedert „ließ, und daß einer der verborgenen drey— „mahl in einem Jammerton Weh rief.

„ich endlich vortrat und mich zu erkennen „gab, ſtuͤrzte er wie vor einem hoͤhern We— „ſen nieder. Ich aber hielt ihm uͤber ſeine „That eine ernſtliche Strafpredigt, die, um „aͤhnliche Unbeſonnenheiten in der Folge zu „verhindern, e derb ausfiel, zugleich 5 f yſuch⸗ Urſache jenes Niederztehens keine andere als ein Arm oder Fuß des Herzogs ſelbſt war, womit er noch halb betaͤubt ohne es zu wiſſen den Mantel niederhtelt, als er ſich, um aufzu⸗

ſtehen, anſtemmte. Anmerk des Serausg

(„Br )

file ich feinen Ehrgeitz zum Dienſte des „Vaterlandes zu entftammen, was mir auch „gelang. Ploͤtzlich ſtimmten die verborgenen; „meiner vorhergehenden Abrede gemäß, eine Hfanfte Muſik an, wobey eine Singſtimme „ſich hoͤren ließ, die Migueln verkuͤndigte, „daß Amalie noch lebe. Sein Entzuͤcken „glich beynahe ſeiner vorigen Beſtuͤrzung— „Allein ich hieß ihn ſchweigen, verband ihm „die Augen, und uͤbergab ihn einem meiner „Diener mit dem geheimen Befehl ihn nach Haufe zu begleiten; doch auf alle feine Fra⸗ „gen nichts zu erwiedern. Mein dienſtbarer „Geiſt machte feine Sachen recht gut. Er „fuͤhrte ſchweigend ihn bis in die Gegend; „wo er wohnte, und als Miguel um die „Ecke eines Hauſes hinuͤberſchritt, zog er „den Stift, der das Tuch um deſſen Augen „zuſammenhielt, heraus, ſprang hinter der „Ecke in eine offene Hausthuͤre, zund ließ „Miguel gehen. Dieſem muß es ganz wun— „derbar vorgekommen ſeyn, als nach eini— „gen Schritten das Tuch von ſeinen Augen „fiel, und er Niemanden um ſich erblickte, | F 5 „Zum

(9)

„Jum Gluͤck war es ſchon ſpaͤt! in der Nachk,

„und die ganze Begebenheit blieb verborgen. „So gluͤcklich endigte ſich ein Abenteuer, „das ſo uͤbel angefangen hatte.

„Aber Pileski hat einen dumm en Streich

„gemacht, den ich ihm ſchwer vergeben kann. „Er verlangte von der Graͤfinn feine Ent⸗ „laſſung, und da ſie ihm dieſe als einem „treuen Diener, wofuͤr er in ihren Aug

„galt, nicht gern bewilligen wollte, ſo ging

pet heimlich davon. Er ſoll für dieſe Uns „beſonnenheit buͤſſen. Ich bin ze.

In ſo fern mich dieſer Brief belehrte,

daß ich den erzaͤhlten Auftrit einſt mit Un⸗ recht der Mitwirkung einer hoͤhern Macht zus ſchrieb, ſagte er mir nichts neues, weil der Irlaͤnder ſelbſt kein Geheimniß daraus mad): te, daß bey allen meinen wunderbaren Be⸗ gebenheiten vor Pileski's Entdeckung Taͤu⸗ ſchung im Spiele war; aber um deſto

merkwuͤrdiger war es mir zu erfahren, wle

und durch welche kuͤnſtliche Anſtalten ich ge⸗

taͤuſcht wurde. Ich muß bekennen, daß mei⸗

ne Verwunderung über den Irlaͤnder jetzt, da. ich ben ganzen Hergang ſo natuͤrlich ent⸗ wi⸗

(83. )

wickelt vor mir ſah, nicht viel geringer war als zur Zeit, wo ich ihn fuͤr mehr als na= tuͤrlich hielt, und ich wuͤnſchte ſehnlich, über noch einige Begebenheiten aus dieſer Epoche, die ich mir nicht entraͤthſeln konnte, bald Auf- ſchluß zu erhalten. Als ich in MD ankam, ſaͤumte ich nicht, dem Miniſter gleich in den erſten Tas gen meine Aufwartung zu machen. Er em pfieng mich, mit eben ſo vieler Achtung als Freunblichkeit, und unterhielt ſich uͤber eine Stunde mit mir, obwohl die uͤberhaͤuften Staatsgeſchaͤfte ihm ſo wenig Muſſe uͤbrig lieſſen, daß er ſich allen Fremden verlaͤug⸗ nete. Nicht minder gluͤcklich war ich beym Staatsſekretaͤr Suez, den ich in einer hal ben Stunde ſo ſehr gewonnen hatte, daß er das Gluͤck meiner Bekanntſchaft nicht hoch genug preiſen zu koͤnnen glaubte. Beyde ers ſuchten mich beym Abſchiede, ſie waͤhrend meinem Aufenthalt in Meld oͤfters mit mei⸗ nem Beſuch zu ehren, eine Einladung, wovon ich Gebrauch zu machen wußte.

Mit Verwunderung und Freude wurde ich bald gewahr, daß ich meinem Zwecke viel

J 2 frü⸗

84 ) Früher nabe kam, als ich anfangs vermurher‘

hatte. Zwar bin ich der Meynung, daß die

ſichtbar zunehmende Neigung dieſer Hoͤflinge gegen mich zum Theile perſoͤnlich war, indeſ— fen hatte doch der Irlaͤnder recht, wenn er dafuͤr hielt, daß mir der Zugang zu beyder Vertrauen durch die Verhaͤltniſſe wuͤrde er: leichtert werden, worin fie mit Vas“ os ſtanden, und ich mit ihm. Suez beſaß des Miniſters innigſtes Vertrauen und war mit Vas ros verwandt. Die Freundſchaft des letztern bahnte mir alſo zum Subez, und die Freundſchaft von dieſem zum D°’va” den Weg. Die beyden Staatsſekretaire waren die naͤchſten Reichsperwalter: Su*ez in dem Rathe von Port“ zu Mrd, und Vas“ os in dem Staatsrathe zu Libbon, beyde arbeite— ten als Untertyrannen meines Vaterlandes dem D*va* in die Hände, der im Nahmen

des Königs von nien das Steuerruder des

Deſpotismus fuͤhrte.

Daß der Irlaͤnder alle dieſe Verkettun⸗ gen gut berechnet habe, wird man aus dem Plane ſehen, den er darauf baute,

0:65)

Ich hatte gleich bey meiner Ankunft in Mind an Amalie und an die Frau von Delier geſchrieben, und erhielt jetzt Antwort von beyden. O der himmliſchen Liebe und Suͤte, die aus jeder Zeile der erſteren ath— miete! o Zartheit des Gefuͤhls und Schoͤn— heit einer durch traurige Schickſale gelaͤu— terten Seele, die ſich in dieſem Briefe wie in einem reinen Spiegel unverkennbar dar— ſtellten! wie oft habe ich ihn gekuͤßt und ge— leſen und wiedergeleſen, bis ich endlich o ſuͤſſes Spiel meiner trunkenen Phantaſie! die liebenswuͤrdige Schreiberinn ſelbſt vor mir zu ſehen und die Worte, welche auf dem Papiere ſtanden, aus ihrem Munde zu hoͤ— ren glaubte.— )

In

) Sowohl dieſer Brief der Graͤfinn, als die ganze Correſpondenz, welche zwiſchen ihr und dem Herzog fleißig fortgeſetzt wurde, iſt noch vor— handen. Damit aber der Gang der wichtigeren

Begebenheiten nicht unterbrochen, und das Werk zu weit ausgedehnt werde, fo findet man ndthig, keinen Gebrauch davon zu machen, ſo intereſſant ubrigens dieſe Briefe, beſonders die der Graͤßnn

l man⸗

( 86 )

In dem Briefe der Frau von Delier fiel mir beſonders folgende Stelle auf: „Ich „habe weder Amaliens Brief, noch ſie den meinigen geleſen; aber wenn ſie aufrichtig „war, fo wird fie Ihnen viel liebes geſchries „ben haben, wie ich aus der Betruͤbuiß „juͤber Ihre Entfernung, und der Wärme, „womit ſie von Ihnen ſpricht, muthmaſſen „kann. Ich denke, daß Amalie den Ents „ſchluß unverheyrathet zu bleiben, wenn „nicht fruͤher, doch gewiß dann aufgeben „wird, wenn der Mörder ihres Gemahles „nicht mehr am Leben iſt. Nicht als ob ſie „etwas aͤhnliches geaͤußert haͤtte, oder als „ob ich glaubte, daß in einer fo reinen ed⸗ „len Seele rachgierige Geſinnungen Platz „haben koͤnnten, ſondern weil vielleicht die fromme Schwaͤrmerinn waͤhnt: der Geiſt

des j

manchen Leſern ſeyn duͤrften. Um jedoch keinen Sprung in dem Laufe der Liebesgeſchichte ge⸗ ſchehen zu laſſen, merke ich noch an, daß die Briefe Amaliens immer zaͤrtlicher, und die des Herzogs immer feuriger wurden. Wohin dieß fuhrte, wird ſich zuletzt wohl zeigen. Anmerk. des Hersusg.

ee)

„des ermordeten werde dann-erft einer voll— „kommenen Ruhe und Seligkeit genieſſen, „wenn der Thaͤter die verdiente Strafe em— „pfangen hat. Suchen Sie beſter Her— „zog! Ihre Geſchaͤfte in Mind bald zu „vollenden, um uns wieder mit ihrer Ge⸗ „genwart zu erfreuen.“

Den letzten Punkt glaubte ich beſonders Amalien beantworten zu muͤſſen; ich ſchrieb ihr daher: „Meine Verrichtungen allhier gewin— „nen ſchnellen und gluͤcklichen Fortgang, „Bald werde ich Sie wiederſehen theuerſte „Graͤfinn! Aber ach! iſt es genug Sie wie— „der zu ſehen? O ſelig, wer unaufhoͤrlich „ſeine Augen auf die Ihrigen heften koͤnn— „te! ſelig, wer Ihr Bruder ware Amalie! „um beſtaͤndig um Sie zu ſeyn, und Sie zu „ſprechen, oder Ihe Sklave, um Ihnen „ſtaͤts zu dienen, unter Einem Dache mit „Ihnen zu athmen, Ihnen uͤberall zu fol— „gen, und mit den Blicken jeden Wink, „jede Miene von Ihrem Angefichte wegzu⸗ „haſchen. ll

Ungefähr drey Wochen befand ich mich in d, als ich eines Abends den Mi—

niſter

6888)

niſter beſuchte, und in Geſellſchaft eines Mannes fand, der mir ſchon von ferne ver— moͤge ſeiner Kleidung von hohem Stande, übrigens alt und hinfaͤllig zu ſeyn ſchien, aber als ich naͤher kam, vermochte ich kaum meine Feſſung zu behalten, ich glaubte in den Umriſſen feines Geſichtes den Irlaͤn⸗ der zu erkennen, alles andere hingegen war an ihm verandert; eine Peruͤke deckte fein Haupt, feine ſonſt dunkeln Augenbraunen waren weißlicht, die Geſichtsfarbe gelb, ſei⸗ ne ſchwache Stimme wurde oft durch einen anhaltenden Huſten unterbrochen. Der Mi⸗ niſter trat mir mit den Worten entgegen; Herzog von ina! ich habe die Ehre Ihnen hier den Marcheſe Ricieri vorzuſtellen, der unlaͤngſt von einer Reife durch Ihr Vater⸗ land zuruͤckgekommen iſt. Der Marcheſe er: hob ſich mit Mühe, wie es ſchien, von ſei⸗ nem Sitze, und nach den wechſelſeitigen Hoͤf— lichkeitsbezeugungen und einem kurzem es ſpraͤche nahm er Abſchied. |

Erſtaunt folgten ihm meine Augen bis in das Vorzimmer, und nur mit groſſer Anſtrengung konnte ich dem zurüͤckkommen⸗

den

(689 )

den Miniſter meine Empfindungen verbergen. Dieſer ſagte mir, der Marchefe habe ihm unangenehme Nachrichten aus Port“ mit— gebracht, wo der Geiſt der Unruhen ziemlich laut herrſchen ſoll. Weil ich nicht wußte, wie weit ich mich, ohne gegen des Irlaͤnders Abſichten zu verſtoſſen, uͤber dieſen Punkt her— auslaſſen duͤrfte, ſo antwortete ich ihm nur im allgemeinen, und ſuchte dem Geſpraͤche eine andere Wendung zu geben. Auch kam bald groſſe Geſellſchaft; ich unterhielt mich noch eine Stunde, dann entfernke ich mich.

Im Heimgehen zupft mich jemand und eine bekannte Stimme gruͤßt mich. Ich ſehe auf und der Irlaͤnder ſteht vor mir, in feinem gewöhnlichen Anzuge, ſchwarz geklei— det, im rothen Mantel. Ich halte betrof— fen ſtille. Gluͤck zu, Herzog! ſagt er freund— lich, Ihre Unternehmungen gehen doch nach Wiunſch? Nach Wunſch, erwiebere ich Wollen Sie mich nicht in mein Hotel be— gleiten? füge ich nach einer Weile hinzu. Er ließ ſichs gefallen.

„Sorgen Sie dafuͤr (ſagte er, als wir auf meinem Zimmer waren) daß wir allein

und

%

"sind unbehorcht bleiben. Dieſe Vorrede ließ mich wichtige Dinge vermuthen, auch betrog ich mich nicht. Sobald ich ihm erzaͤhlt hatte, was ich bey O' va“ und Suez ausgerich⸗ tet, aͤußerte er mir ſeine Zufriedenheit unb fagte: Es iſt nun Zeit, der Sache näher zu kommen. Zwey Auftraͤge lege ich in Ihre Haͤnde, beyde von gleicher Wichtigkeit, beyde nur durch Sie ausfuͤhrbar.

„,Laſſen Sie mich hören.’

„Erſtens müffen Sie durch den Miniſter eine koͤnigliche Verordnung auszuwirken füs chen, kraft deren die Adelichen von Port“ bey Verluſt ihrer Guͤter gehalten find * niſche Dienſte zu nehmen.

„Mein Gott! was iſt das?

„Zweytens (fuhr er fort ohne ſich an meinen Ausruf zu kehren) muͤſſen Sie dem Miniſter ein Mittel angeben, wie er ſich des Herzogs von B *" bemaͤchtigen koͤnne.“

Ich ſah mit ſtarren Augen den Irlaͤn⸗ der an. „Alſo geht die Revolution zuruͤck?“ ſagte ich nach einer Pauſe voll banges Er⸗ ffaunen®,

J N

Mao...) „Im Gegentheil, ſie ſoll dadurch geſi— ekt und beſchleuniget werden.“ | „„Ich ergruͤnde Sie nicht, (rief ich); ents weder Sie handeln Ihrem eigenen Plan ent— gegen, oder die Revolution geht zuruͤck. Ich fehe hier keinen Mittelweg.“ „Mein guter Herzog! man muß oft einem Plan entgegen zu handeln ſcheinen, mum ihn deſto gewiſſer durchzuſetzen. Ich will mich deutlicher erklären.“ (Er ruͤckte feinen Stuhl naͤher und ſprach etwas leiſer:) „Laf— ſen Sie uns einen kurzen Ueberblick auf den Zuſtand ihres Vaterlandes werfen. Ich will hier nichts von dem Verluſte der Beſitzungen ſagen, den es während der 'niſchen Regie- rung auswaͤrts erlitten hat, der Verluſt iſt ungeheuer, aber der innere Zuſtand des Rei— ches iſt noch weit jammervoller. Die Könige von 'nien ſehen es nut wie eine im Krieg eroberte Provinz an, ſie haben die Maxime das Reich in ein gaͤnzliches Unvermoͤgen zu ſetzen, um es deſto leichter in Unthaͤtigkeit zu erhalten; die koͤniglichen Einkünfte von Port“ find alle vertheilt und verſetzt, mehr als dreyhundert Galeeren, mehr als zwey⸗ tau⸗

n

tauſend Canonen ſind nach *nien gebracht, der Abel wird durch unbillige Forderungen beeintraͤchtiget, die Kleriſey ſteht ihre Pfruͤn⸗ den in fremder Hand, das Volk wird durch uͤbermäſſige Steuern erſchoͤpft kurz! alle Saiten find beynahe auf das höoͤchſte ges ſpannt. Deſto beſſer! das iſt eben ein Zei⸗ chen, daß unfere Unternehmung zum Aus⸗ bruche reift. Laſſen Sie uns die Saiten noch hoͤher ſpannen und ſie ſpringen.

„Und was alsdann? (ſagte ich raſch) allgemeine Bewegung, aber auch allgemeine Verwirrung, aus der nicht die Freyheit mei⸗ nes Vaterlandes, ſondern eine noch druͤcken⸗ dere Sklaverey hervorgehen wird. Wenn nicht das Volk durch den Adel unterſtuͤtzt und beyde unter ein gemeinſchaftliches Haupt ge⸗ ordnet werden, ſo ſehe ich einen zuͤgelloſen Haufen, der ſo lange toben wird, bis ihn kniſche Ruthen wieder zu paaren treiben.“

„Sie haben wie aus meiner Seele ge⸗ leſen.“ Sagte der Irlaͤnder.

Und ich war wie aus den Wolken ges fallen. „So habe ich Sie vorhin nicht ver⸗ le (verſezte ich) ich ſollte eine Verord⸗

nung

(9)

nung auszuwirken ſuchen, ktaft deren die Adelichen bey Verluſt ihrer Guͤter gehalten find in kniſche Dienſte zu treten; ich ſoll dem Miniſter ein Mittel angeben, wie er ſich des Herzogs von S* bemaͤchtigen koͤnne. Sag⸗ ten Sie nicht ſo?

„Woͤrtlich ſo.“

„Wenn aber die Adelichen in "nifche Dienſte treten, wie ſollen fie denn im Dien⸗ ſte des Vaterlandes wirken? Wenn der Her. zog von B'“ gefangen wird, wie ſoll er das Haupt der Verbuͤndeten vorſtellen?

„Der Himmel verhuͤte, daß Ihre Wenn in Erfuͤllung gehen!“

„Warum alſo die Anſtalten dazu? Ich verſtehe Sie nicht.“ Sie haben mich vorhin nicht ausreden laſſen. Das Volk muß durch den Beytritt des Adels und der Kleriſey unterſtuͤzt, und alle Stände durch Einen Anführer geleitet werden, darin haben Sie recht, dazu ſind auch alle Vorfehrungen getroffen, und die Bewegung wird in allen ihren Theilen ein⸗ ſtimmend und ordentlich geſchehen, wann fie einmahl vor ſich geht. Aber beſter Herzog

ö Sie

694

Ste betrachten das ſchon als gegenwärtig i was noch kuͤnftig iſt. Ich ſagte vorhin: die Saiten find beynahe aufs hoͤchſte ge⸗ ſpannt beynahe! ein Augenblick von Vor⸗ eiligkeit kann den kuͤnſtlichſten Plan verder⸗ ben. Es iſt wahr, das Volk und die Kle⸗ riſey wartet ſehnlich auf das Signal einer Umwaͤlzung, aber der Adel bedarf noch des letzten Sporns. Schon einmahl wurde er durch eine Verordnung aufgefordert in 'ni⸗ ſche Dienſte zu einem Zuge gegen die Ea**nier zu treten; er begnuͤgte ſich aber feinen Un⸗ willen durch die ſchlechte Befolgung des Des krets ſtillſchweigend zu bezeigen. Laſſen Sie nun in dieſen Umſtaͤnden die Verordnung noch einmahl erſcheinen, laſſen Sie die Ueber⸗ treter mit dem Verluſt ihrer Guͤter bedro⸗ hen, und der im ſtillen gluͤhende Unwille wird bald helle Flammen ſchlagen dann ſind alle Staͤnde gleich geſtimmt, dann iſt es Zeit, daß der Herzog von DB das 55 chen zum Ausbruch: gebe. | „Aber eben dieser Herzog ft ja ver⸗ Wake werden 1

7 So

( 95.)

„So wenig, als der Porf*ifche Adel eniſche Dienſte nehmen. Er ſoll aber gleich. dieſen durch den Druck einer aͤußern Trieb— feder zur Thaͤtigkeit aufgeregt, zum letzten

Entſchluße beſtimmt werden.“

„Bey feinem Vater wuͤcbe ein ſolches Huͤlfsmittel unnoͤthig geweſen ſeyn. Aber der Geiſt des Verewigten ruht auf dem Her⸗ zog nicht. en

„Der ) Schon die Großmutter des Herzogs von Ber ſuchte ihre Rechte auf den Thron geltend zu ma⸗ chen, ſie mußte ihn aber der Macht des Staͤrkern uͤberlaſſen. Sein Vater konnte den Verluſt der Krone ſo wenig verſchmerzen, daß er ſich einfallen ließ den König von *nien, als diefe auf einer Reiſe nach Li*bon in Dir**ciofa bey ihm einkehrte, gefangen nehmen, und nicht eher entlaſſen zu wollen, bis er ihm das Reich ab- getreten haͤtte. Kluge Freunde ſtellten ihm vor daß dieß Beginnen unmöglich einen guten Aus⸗ gang gewinnen koͤnne. Indeſſen mußten doch ſel⸗ ne Leute zu Lirbon einigemahl mit den Einige lichen Bedienten Händel anfangen, wobey der

Pöbel zur Genuͤge blicken ließ, wie gewogen es

dem Haufe B*** ſey, aber dabey hatte es ſein

Bewenden. Noch war die Stunde nicht gekommen,

in der Port * ſeinem Hauſe wieder heimfallen,

(96 7)

„Der ſchnelle Entſchluß iſt nicht immer der feſteſte, und die raſche That ſelten die beſte. Das Unternehmen des Herzogs von Birr iſt uͤberdieß von der Art, daß er da—

bey nichts geringeres als ſein und ſeines

Hauſes Wohlfart wagt, und es iſt daher allerdings einer längeren Erwägung werth.““

„Wenn er zuruͤcktraͤte?“

„Eben darum muß man den Weg hin⸗ ker ihm vollends abtragen, damit ihm das umkehren unmoͤglich wird. Dahin zielt auch der zweyte Auftrag, den ich in Ihre Hand legte. | | „Wie ſoll ich das verſtehen?

„Nicht wahr? das Mittel ſcheint etwas

hart und gewaltſam, allein es iſt nicht ein bloß willkuͤhrlicher Kunſtgriff, ſondern von den

ſollte, daruber graͤmte ſich der Vater des Her⸗ zogs von B*** fo ſehr, daß er endlich feiner Sinne nicht mehr maͤchtig blieb, von nichts als Krieg und Waffen ſprach, und ſterbend den Seinen

befahl, ihn auf koͤnigliche Art zu begraben, was

auch von ſeinen Bedienten, 1 90 heimlich, ge⸗ f 7 7 0 iſt. 5 5 | Anmerk. d. Marquis von ©:

*

6 7

den Umſtaͤnden entlehnt, in denen ſich der Herzog von B*** wirklich ſchon befindet. Dem *nifhen Staats miniſter find die Bes wegungen in Port“ nicht mehr unbekannt, und da er den Herzog fuͤr die Quelle derſel— ben haͤlt, ſo iſt ſein Augenmerk vorzuͤglich auf ihn gerichtet. Doch was hätte Od var bisher gegen ihn unternehmen koͤnnen? Ges walt waͤre fruchtlos geweſen, und wuͤrde den allgemeinen Aufſtand nicht nur befoͤrdert, ſondern auch die Handlungen des Herzogs zntſchuldiget haben. Er mußte also zur Kunſt ſeine Zuflucht nehmen. Allein drey ſeiner Verſuche mißlangen. Zuerſt trug er dem Herzog, um ſich feiner zu bemaͤchtigen, die Statthalterfhaft von Ma** an, dieſer lehnte aber die Ehre mit dem Vorgeben ab, daß er nicht genug Kenntniß des Landes und der Geſchaͤfte beſitze, um ein fo wichtis ges Amt nach Wuͤrde zu bekleiden. Bald fand ſich eine andere Gelegenheit, die dem Miniſter Stoff gab, ein neues Netz zu ſpin— nen: der Koͤnig von *nien wollte in eigener Perſon ausziehen, um die aufruͤhriſchen Ca“ nier zu zuͤchtigen. Dazu wurde nun

| G der

98 )

ber Herzog auf das hoͤflichſte eingeladen, welcher ſich aber damit entſchuldigte, daß zu einem ſolchen Zuge großer Aufwand erfor— dert wuͤrde, den ihm gegenwärtig der Mans gel an baarem Gelde nicht verſtatte. Durch dieſe abſchlaͤgigen Antworten ließ ſich Orva* dennoch nicht abſchrecken, neuerlich einen

dritten Verſuch zu wagen. Es ging das

Geruͤcht, eine Flotte aus r n“ nähere ſich den port“ iſchen Kuͤſten,, vermuthlich in der Abſicht eine Landung vorzunehmen. O va! ſchickte dem Herzog eine faſt unum⸗ ſchraͤnkte Vollmacht die gehoͤrigen Anſtalten dagegen zu treffen, beſonders alle Hafen zu beſichtigen, fie zu befeſtigen, Beſatzung ein⸗ zulegen, über die Schiffe zu gebiethen, in= deſſen erhielt aber der *nifche Admiral O©*"*rio den geheimen Befehl, mit ber Flotte an eis nem Ort, wo er den Herzog gegenwaͤrtig wuͤßte, unter dem Vorwande, daß ihn das ungeſtuͤmme Meer dazu genoͤthiget habe, ein= zulaufen, denſelben auf die Forte zu laden, und wenn er ſich feiner bemaͤchtiget hätte, mit ihm nach nien zu ſegeln. Allein dies ſer Anſchlag ſcheiterte durch einen wirklichen | Sturm,

I—

1

( 99..) Stärm, der die Flotte zerſtreute, und den Admiral zwang die port''iſchen Hafen unbe— ſucht zu laſſen. Seitdem iſt kein neuer Verſuch geſchehen, und der Miniſter bruͤtet im ſtillen. Dieſe Ruhe aber iſt ohne Ver— gleich fuͤrchterlicher als jene Angriffe waren.

Ich weiß, daß er feinen Mann in Port* *

hat, welcher im verborgenen fuͤr ſeine Ab— ſichten arbeitet D. Die Freyheit, vielleicht das Leben bes Herzogs ſtehen in Gefahr, und der Todesſtoß, der das Haupt der Re— volution traͤfe, wuͤrde auch alle Glieder er— ſtarren machen, ſchon mit der Gefangen— nehmung des Anfuͤhrers find auch die Haͤn- de der Verb endeten gefeſſelt. Wenn alſo die Unternehmung vor ſich gehen ſoll, ſo muß der Herzog von den geheimen Nachſtellungen des Miniſters geſichert werden; ich fage: vor den geheimen, denn wenn ſie bemerkbar ſind gleich den drey erwaͤhnten Verſuchen, fo kann man wie bisher Mittel ihnen aus— zubeugen finden. Es kommt demnach vorerſt . a G 2 darauf

*) Dieſer Unbekannte wird ſpaͤte chin ſichtbar werden. i

(100)

darauf an, den Miniſter zu bewegen, daß er auf dem vorhin eingeſchlagenen Weg ſeine Angriffe gegen den Herzog fortſetze. Und dieß zu bewirken ſteht in Ihrer Macht. Sie ſollen ſogar die Angriffe eigenhaͤndig entwer⸗ fen und lenken.“ |

„Ich fürchte, (ſagte ich zu dem Irlaͤn⸗ der) Sie muthen mir mehr zu, als ich ver⸗ mag. “u _ „Hören Sie erſt meinen Plan. Sie ge: hen nach zwey Tagen zu Or va“, melden ihm, Sie haͤtten durch Briefe aus Port““ von den alldort herrſchenden Unruhen Nach⸗ richt erhalten

„Ohnehin (fiel ich ein) ſagte mir D’va* heute, daß er durch einen gewiſſen Marcheſe Ricieri, der von einer Reife aus Port“ zu⸗ ruͤckkam, von dieſen Bewegungen waͤre un⸗ terrichtet worden.“

„, deſto beſſer! (verſetzte der Irländer 75 ohne meinen forſchenden Blick zu erwiedern, oder bey dem Nahmen Ricieri eine Miene zu verandern) deſto beſſer! fo haben Sie ſchon einen Vorredner, an deſſen Einleitung Sie um ſo leichter Ihren Vortrag anknuͤpfen koͤn⸗

G-18i

koͤnnen. Sagen Sie alſo bem Miniſter, daß es Ihnen nun aus den bemeldten Briefen bes greiflich wäre, warum der Herzog von *”* die Einladungen, welche von Seite des "nis ſchen Hofes an ihn erlaſſen wurden, alle ausgeſchlagen habe. Or va“ wird Sie um eine nähere Erklärung dieſer Worte erſuchen— Geben Sie zur Antwort, der Herzog von Be durfte es noͤthig finden, die Nähe eines Hofes zu vermeiden, gegen den er die ſchuldige Treue auſſer Acht geſetzt zu haben ſich bewußt iſt. Der Miniſter wird nach fols chen Aeuſſerungen noch ſtaͤrker in Sie drin— gen. Sagen Sie dann, daß es Ihnen zwar leid thue, ſich wiber den Herzog von B*** als Ihren Verwandten erklaͤren zu muͤſſen, daß aber die Stimme Ihres Gewiſſens lau: ter als die Stimme des Blutes rufe, daß Ihre Pflichten gegen den König von » nien und gegen Ihr Vaterland, welches durch die beſtaͤndigen innerlichen Unruhen in den traurigſten Zuſtand verſetzt werde, Ihnen nicht laͤnger erlauben, ſich als Freund desjeni⸗ gen zu betragen, der an den Unruhen fo vers zuͤglichen Antheil habe. Auf ſolche Art wer⸗

8 den

( 102 )

den Sie und der Miniſter ſich in kurzer Zeit verſtaͤndigen und der letztere wird bald mit der Frage herausruͤcken: welche Maßregeln nach Ihrem Gutduͤnken die ſchicklichſten und wirkſamſten waͤren ſich des Herzogs zu bes mächtigen. Ergreiffen Sie dieſe Gelegenheit, Ok va“ zu uͤberzeugen, daß und warum ges waltſame Mittel jeder Art von dem uͤbelſten Erfolge ſeyn wuͤrden, preiſen Sie den Weg, welchen die Weisheit feiner Politik ſchon ſelbſt einſchlug, als den ſchicklichſten an, auf dem der Herzog fo lange verfolgt wer— den muͤſſe, bis ihm keine Ausflucht mehr offen ſtehe. O* va“ wird hieruͤber eine ber ſtimmtere Erklaͤrung verlangen, und dann ſprechen Sie alſo: „Meine Meynung iſt, Sie berichten dem Herzog das Ungluͤck mit der Flotte, und geben ihm unter dem Vor⸗ wande, daß man jetzt deſto mehr auf die Sicherheit des Reichs bedacht ſeyn muͤſſe, den Auftrag, alle feſten Plaͤtze des Koͤnig⸗ reiches zu beſehen, ſie, wo es noͤthig iſt, zu verwahren und befeſtigen. Zugleich ertheilen Sie den Befehlshabern in allen Feſtungen, die ohnehin "nier find, eine geheime Wei⸗

ſung

( 103 9

fung, fid des Herzogs in der moͤglichſten Stille zu verſichern, wozu ſich leicht eine Ge— legenheit finden wird. Damit aber der letz— tere nicht wieder Mangel am baaren Gel de vorſchuͤtze, um Ihren Auftrag abzulehnen . fo uͤberſchicken Sie ihm eine Summe, wo— von er ſowohl die zum gemeinen Beſten, als zu ſeiner Reiſe noͤthigen Koſten beſtreiten ſoll.“

„Geſetzt, (ſagte ich) dieſer Vorſchl ag wird angenommen, wie ſoll der Herzog von Ber der Schlinge entgehen?“

„Genug, daß man ihn davon unterrich- ten kann. Weiß er kein Mittel, ihr durch Liſt zu entgehen, fo gilt Gewalt; er mag in die Laͤrmtrompete ſtoſſen, und die Res volution beginnt. Das iſt ja eben der Punkt, wohin wir ihn bringen wollen.“ =

„Es laͤßt ſich (fuhr der Irlaͤnder fort) mit einer Art von Gewißheit vorausſagen, daß O' va den Vorſchlag, welcher wie aus feiner Seele genommen, und nur eine Fort ſetzung ſeines vorigen Entwurfes iſt, ſich werde gefallen laſſen. Sobald Sie auf die— fer Seite Ihren Zweck ich haben, eilen

Sie

(104 )

Sie die Verordnung gegen den Adel augsus wirken. Berufen Sie ſich abermahl auf die erhaltenen Briefe, aus denen Sie erſehen haͤtten, daß der groͤßte Theil des Adels dem Herzog von B*** anhaͤnge, und ihn bey dem Ausbruch eines Aufſtandes unterſtuͤtzen würde. Ziehen Sie daraus den Schluß, daß die Unruhen in Port ““ nie aufhoͤren wuͤr— den, und alle Maßregeln gegen den Herzog, ſelbſt dann, wenn ſie gelingen ſollten, ohne den beabſichtigten Erfolg bleiben duͤrften, ſo lange der Adel nicht anderwaͤrts beſchaͤftigt, und zur Beobachtung jener weiſen Verord— nung angehalten wuͤrde, die ihm auferlegt in »niſche Dienſte zu treten. Fuͤgen Sie hin⸗ zu, daß die Nachſicht, womit man bisher die ſchlechte Befolgung der Verordnung dul dete, den Adel immer kuͤhner und ausſchwei— fender, den Herzog von B*** immer fuͤrch⸗ rerlicher mache. Dringen Sie endlich auf die Erneuerung und Verſchaͤrfung jener Ver⸗ | ordnung.“ 5

Nach einer kleinen Weile fagte der Ir⸗ länder

„In

(105)

| „In dem Munde eines andern koͤnnten dieſe Vorſchlaͤge Orvars Verdacht erwecken, nur nicht in Ihrem. Sie haben ſein Zu— trauen ſchon ſo ſehr gewonnen, daß es da— durch vielmehr beſtaͤrkt werden wird. Und in der That! treffen auch bey Ihnen alle Umſtaͤnde zuſammen, die jede Spur eines Argwohns von Ihrer Perſon entfernen muͤſ— fen. Nicht nur, daß die Vorſchlaͤge ſelbſi den Schein haben, die Entwürfe des Here zogs von B** und der Verbuͤndeten zu vers nichten, ſondern ſie waren auch zur Zeit, als man dieſelben in Port“ ſchmiedete, auf Reiſen, wie ſollten Sie daran Theil haben? So lange Sie ſich allhier aufhalten, geht Ihre Zeit in Beluſtigung und Zerſtreu— ungen dahin, wie wären Sie imſtande fid) - mit tiefliegenden Staatsintriguen zu beſchaͤf⸗ tigen? Hingegen iſt dem Miniſter, Ihres Va— ters Treue gegen den König von *nien und der ſtille Haß, den Ihr Haus gegen den Herzog von B* “* hegt, nicht unbekannk, wie koͤnnten ihm demnach Ihre Vorſchlaͤge anders als ganz natuͤrlich und aufrichtig vorkommen ? Ihre Freundſchaft mit Vas os waͤre

(10653

waͤre allein ſchon hinreichend, ihn dieſes auben zu machen.“ N „Ich habe kaum noͤthig zu erinnern Clans der Irlaͤnder, indem er aufbrach) daß Sie bey Ihren Verhandlungen auch den Staats— ſekretair Subez in das Intereſſe ziehen muͤſſen. „Laſſen Sie uns annehmen (verſetzte ich) daß ich dieſe Auftraͤge zu Ihrer Zufrieden heit ausrichte, wie ſoll ich es anfangen, daß die Sache meinem Vater verborgen bleibt?“ Der Irlaͤnder bedachte ſich kurz; „Ver— langen Sie von Olva“*, wenn er Ihre Vors ſchluͤge genehmiget hat, geradezu, daß er dem Markgrafen nichts davon melde, weil Sie gefonnen waͤren, ihn nach dem gluͤckli⸗ chen Ausgaug der Sache durch ſelbſt eigenen mündlichen Bericht dagen zu uͤberra— ſchen.“ 1 Beym Weggehen empfahl mir der Ir⸗ laͤnder Feinheit, Kuͤhnheit und Betriebſamkeit. Hing es von der Befolgung dieſes Nas thes oder von der Leichtigkeit des Geſchaͤftes ſelbſt, oder von den günſtigen Umſtaͤnden ab, daß ich bey dem Miniſter meinen Zweck ee genug! ich brang mit beyden Vor⸗ 55 ſchluͤ⸗

2 >

% )

ſchlaͤgen durch. Nach zehn Tagen erging der

Auftrag an den Herzog ſammt einer Summe

bon vierzigtauſend Dukaten; nach drey Wo—

chen folgte die den Adel betreffende Ver—

ordnung.

Allein der Herzog von B*** zog ſich auch dieſesmahl fein aus der Schlinge. Zwar

erfuͤllte er den Auftrag des » niſchen Hofes buchſtaͤblich, er durchzog das ganze Reich,

ſah uͤberall mit Vergnuͤgen, wie gewogen

ihm das Volk ſey, machte ſich mit dem em⸗

pfangenen Geld und der anvertrauten Ge— walt allenthalben gute Freunde, aber erſchien

in den Feſtungen e fo wohl beglei—

tet, daß keiner von den *nifchen Befehls—

habern ſeine Verhaftung zu unternehmen wagte.

Der Irlaͤnder, welcher mir dieſe Nach⸗ richt brachte, gab mir zugleich neue Verhal— tungsregeln, nach denen ich mich richten ſoll⸗ te, wenn der Miniſter uͤber den vere itelten Anſchlag klagen wuͤrde. Das geſchah auch bald; mit dem aͤußerſten Unmuthe machte D’va* mit dem ſchlechten Erfolg unſeres Un: ternehmens kund. „Es iſt nur halb mißlun⸗ |

gen,

(1089)

gen, (gab ich ihm nach einigem Nachdenken ziemlich kaltbluͤtig zur Antwort.) Wenn Sie

den abgeriſſenen Faden wieder anknuͤpfen wollen, fo läßt ſich leicht ein neues Netz

ſpinnen, dem ſich endlich der Herzog nicht wird entwinden koͤnnen. Sie haben jetzt die ſchoͤnſte Gelegenheit einen Befehl an ihn zu ſenden, daß er ſich in M' d einfinben, und

Seiner Majeſtaͤt von dem Zuſtande des bes

ſichtigten Koͤnigreichs muͤndlichen Weiche ſtatten ſoll.“

Dem Miniſter gefiel dieser Rath, und er ſaͤumte nicht, ihn zu befolgen. Der Her— zog von B, welcher wohl einſah, daß der Befehl des *nifchen Hofes nicht mehr abzulehnen ſey, ſchickte einen ſeiner Cammer⸗ junker nach M* Id, der allda einen Pallaſt

miethen, Bediente annehmen, Livreen ver⸗

fertigen laſſen mußte. Er ſelbſt aber blieh

dennoch aus. Bald gab er vor: er befinde

ſich nicht wohl, bald: es fehle ihm am Gel— de, bald wollte er feinen Rang zu M’*b wiſſen. Es gelang mir aber durch des Ir⸗

laͤnders Rath den Miniſter ſo zu leiten, daß | er or Schwierigkeiten hob, und dem Dere

zog

| |

( 109 )

zog zur Beſtreitung der Reiſekoſten zwanzig⸗ tauſend Thaler ſchick te.

Jetzt, ſagte der Irlaͤnder zu mir, ſind dem Herzoge von B*** alle Auswege ab⸗ geſchnitten, und es bleibt ihm nichts mehr übrig als entweder nach M’*d zu reifen, was er aber wohl unterlaffen wird, oder das Zeichen zum Ausbruche der Revolution zu geben. Ihr Geſchaͤft iſt geendigt Herzog! und Sie haben weiter nichts mehr als das ſtrengſte Stillſchweigen zu beobachten. Wann Ihr Vaterland frey iſt, ſehen wir uns wie- ber, dann werde ich Ihnen meine . gen erfuͤllen.

Ich dankte ihm, und fragte, als er ſchon wegehen wollte: Was macht unſer koͤ⸗ niglicher Einſiedler?

„Er befindet ſich wohl. Wenn der Koͤnigsthron durch den Herzog von B*** wieder in Port“ errichtet und befeſtiget ſeyn wird, ſollen Sie ſchon mehr von ihm hoͤren.

„Aber mein alter Freund

„Wird Sie in kurzer Zeit an 5 Herz di aͤcken.

„Und

60. 170% 29

„Und Amalie?“ RN

„Nach dem Vehältnif, worin Sie be: reits mit ihr ſtehen, zu urtheilen kann Ihnen meine Macht entbehrlich ſeyn.,, Und hiemit nahm er freundlich von mir Abſchied.

Es war in der That! hohe Zeit, daß

mich der Irlaͤnder frey gab. Ich hatte in |

M' d keine bleibende Stelle mehr. Zu ihr, die mit zauberiſchen Banden mich umwun— den hielt, zu Amalien zog eine unwiederſteh⸗ iche Gewalt mich zuruͤck. Die Entfernung und ihre Briefe hatten meine Leidenſchaft auf den hoͤchſten Grad geſpannt; zwar waren dieſe Briefe von allem feurigen Ungeſtuͤmm der Liebe fo weit entfernt, fie waren fo fanfe und ruͤhrend, aber eben dieß war Oel in meine Flamme. Ich fühlte es: ich koͤnne

ohne fie nicht leben. Freylich fanden ſich

meine Hofnungen auf ihre Hand, durch ſie

uicht beguͤnſtiget, aber auch nicht zuruͤckge⸗

wieſen, und durch mehrere Aeuſſerungen der Frau von Delier aufrecht erhalten. Mit Ente zucken berechnete ich ſchon die Wirkung,

welche meine unvermuthete Ankunft bey Ama⸗

lien hervorbringen wuͤrde. Ich ließ daher, | | ohne

6

ohne fie von meiner Rd kreiſe zu benachrich⸗ tigen, alle Anſtalten treffen; aber mein Geiſt eilte dieſen Anſtalten fihon zuvor, und nur der geringere Theil von mir befand ſich noch in M’’d, was Wunder alſo, daß die Briefe meines Vaters und des Marquis von F, welche mich nach Port“ zuruͤckriefen keinen Eindruck auf mich inte?

„Ich weiß nicht, (ſchrieb der Marquis) „was deinen Vater bewogen hat, in diefen „Jahre viel früher als ſonſt nach der Haupt⸗ „ſtadt zu ziehen. Aber ſo viel kann ich die „ſagen, daß du ihn bey deiner Zuruͤckkunft „kaum mehr kennen wirſt. Seit jener Zeit, „da er den verſtorbenen Grafen von San“ „zwill geſehen haben, iſt eine ahbe che „Veraͤnderung mit ihm vorgegangen. Er iſt „ſtille, duͤſter, verſchloſſen ich moͤchte ſa⸗ „gen, er iſt aberglaͤubiſch geworden. Er „ſucht, beſonders ſeit feiner letzten Krankheit, „jeden Umgang, ſelbſt den meinigen zu ver— „meiden, in ſo fern es die Schicklichkeit zu⸗ „laͤßt. Nur Ein Menſch hat bey ihm freyen d „Zugang, nur er ſcheint ſich ſeines ı ganzen

„Zu⸗

)

„Zutrauens bemaͤchtigt zu haben, und diefen „Menſchen muß ich dir beſchreiben.“ „Stelle dir einen aͤltlichen Mann über „die mittlere Groͤſſe vor, mit einem langen „eingefallenen Geſichte von gelber Farbe, ei: „ner ſtarkgefurchten Stirn, tiefliegenden Eleis „nen brennenden Augen, uͤbrigens mit ſtar⸗ „ren faſt erſtorbenen Zuͤgen, die, wenn er „laͤchelt, in eine Art von Grinſen uͤbergehen. „Dieſe Phyſtonomie, die ſich unmoͤglich durch „Worte ganz ſchildern laͤßt, und von der „Natur auf das unvortheilhafteſte ausge- „zeichnet iſt, wird durch eine erkuͤnſtelte „Miene von Froͤmmigkeit gemildert, aber, „wenn man ſie naͤher und laͤnger beſchaut, „ſticht ſie nur deſto abſchreckender durch den „erborgten Schleyer hervor. Mir kommt „dieſes Geſicht wie ein fuͤrchterliches Geheim— „niß vor, und ich kann es nie ohne ſtilles „Grauen anſehen. Das uͤbrige des Mannes „paßt ganz zu dieſem Kopf ein ſchleichen⸗ „der Gang, ein geſenkter Nacken, ein graues „Kleid doch du mußt und wirſt ihn ſelbſt „ſehen. Mir iſt er in innerſter Seele ver— „haßt. Ich denke, Bo er keiner guten 727 „ds

(as

fähig iſt, und daß ſchon feine bloſſe Ges „genwart hinreicht, auch in anderen Herzen halle edeln Geſinnungen zu erſticken.

„unbegreiflich wuͤrde es mir ſeyn, wie „dein Vater mit ihm umgehen kann, wenn „aer nicht durch die Scheinheiligkeit und er- „baulichen Geſpraͤche deſſelben verblendet wäre, „Der Mann er laͤßt ſich Alumbrado nen= „nen behauptet, daß ſein innerſtes auf— „gethan ſey, und ſpricht viel von den Ga— „ben des uͤbernatuͤrlichen Lichtes. Dein Va— „ter, der alles, was aus dieſem Munde „koͤmmt, ſteif und feſt glaubt, ſcheint von „ihm taͤglich mehr bezaubert zu werden. O „eile mein Freund! ihn von dieſer unruͤhmli— „chen, und wie ich fürchte gefaͤhrli— „chen Bezauberung zu befreyen. Ich halte „dafür, daß gerabe eine ſolche Gemuͤthser— „ſchuͤtterung, als dein Anblick nach langer „Trennug bey dem Markgrafen verurſachen „wird, noͤthig ſey, ihn wieder zu ſich ſe bſt „zu bringen, u. ſw.“

Meine n wie ich ſchon geſagt habe, dieſes Schreiben unwirkſam. Mir kamen die Be e des Marquis uͤbertrie⸗

H ben

C: 114. %

ben, feine Verurtheilung des Alumbrade aus phyſtognomiſchen Gründen ſogar unbil— lig und lieblos vor, und ich hielt meinen Vater fuͤr alt und vernänftig genug die Ges fahr, falls doch eine vorhanden ſeyn ſollte, ſelbſt einzuſehen und zu vermeiden. Die Ruͤck⸗ reife zu der Graͤfinn daͤuchte mich weit drine gender als nach Port?. Ich nahm von O“ va“ und Sulez Abſchied, und verficher: te beyden, daß der Handel mit dem Herzog von B'. bereits auf einen Punkt getrie- ben ſey, wo die Entſcheidung ohne unſer Zuthun naͤchſtens von ſelbſt erfolgen muͤße. Sie waren gleicher Meynung und entlieſſen

mich unter den verbindlichſten Complimentens

Schon hatte ich alles in Ordnung ge— bracht, und die Abreiſe auf den folgenden

Morgen feſtgeſetzt, als ein Brief von Ama-

lien und der Baroneſſe mein Vorhaben zer— nichtete. Die erſtere meldete mir, daß ein dringendes Schreiben ihres kranken Onkels,

der fie vor feinem Tode noch einmahl zu ſe—

hen wuͤnſche, ihr die Pflicht auferlegt habe

nach Cad“ zu eilen. In dem Briefe der

Baroneſſe, welcher unter andern die Adreſſe an

9 an die Graͤfinn in Cad enthielt, lag der letzteren Portrait.

Amaliens Portrait! Wiederſchein jener himmliſchen Reitze, in deren Anſchaun ſelbſt Engel ſich vergnuͤgen koͤnnten, und die in der lebloſen Nachahmung noch ſo bezaubernd wirkten! mit welcher Wolluſt ſogen mei— ne trunkenen Augen ſie ein, wie ſetzte ihr Anblick in meinem Innerſten alle die ſuͤſſen Regungen in Aufruhr, die ſonſt die Gegen— wart des Urbildes darinn erweckte. Dieß milderte den Schlag, der mich von dem Zie— le des Gluͤckes, welchem ich mich ſchon ſo nahe gewaͤhnt hatte, ploͤtzlich ſo weit zuruͤck— ſchleuderte. Ach! dieſer Schlag traff ſchwer auf mein Herz, das alle feine ſuͤſſen Borges fühle des Wiederſehens auf einmahl in die nahmenloſen Schmerzen einer neuen Tren— nung verwandelt fand. Doch der Anblick des Gemaͤhldes, das mir die entfernte Ge— liebte vergegenwaͤrtigte, noch mehr aber der geheime Sinn dieſes Geſchenkes war es, was mich troͤſtete, und zu freubigen Hoffe nungen ermunterte. Von wem Foante das Geſchenk kommen als von ihr? zwar enthielt

Da. ihr

So

4 116 7

ihr Brief nur einige ſchwache Winke, zwar lag das Bild in dem Briefe der Frau von Delier, allein das machte mich nicht irre ich kannte Amaliens Delicateſſe. Mein Entſchluß war ge⸗ faßt zu dem Markgrafen zu eilen und ihn auf meine Verbindung mit der Graͤfin vorzubereiten.

Ich that wohl daran, daß ich ihn mit meiner Ankunft uͤberraſchte, ſonſt haͤtte ich mich ſchwerlich des freundlichen Empfanges zu erfreuen gehabt, wozu mein unvermuthee ter Anblick ihn hinriß. Sobald die erſteren Augenblicke vorüber waren, ſagte er mit ei— ner etwas kalten Miene: die Welt muß fuͤr dich viel Reitz gehabt haben.

„Den Reitz der Neuheit, mein Vater!“

„Du konnteſt dich ja gar nicht losreiſſen, hatteſt beynahe den Weg nachHauſe vergeſſen.“

„Ich hatte viel zu ſehen, und habe viel erfahren.“

„Das glaube ich; es mochte dir wenig Zeit bleiben an deinen Vater zu denken.“

Ich ſuchte dieſen Vorwurf, auf den ich mich ſchon gefaßt gemacht hatte, nach Kraͤften von mir abzulehnen. Es gelang mir ziemlich. Der Markgraf wurde waͤrmer,

wort⸗

i

wortreicher, freundlicher. Er fragte nach meinem Hofmeiſter und nach dem Grafen von C- l.

Daß ich ihm von dem erſteren keine neueren Nachrichten geben konnte, ſchien er mit tiefem Schmerz aufzunehmen. Von dem letzteren ſagte ich ihm, daß eine wichtige Familienangelegenheit ihn ploͤtzlich von mir weggerufen habe.

Aber mein Vater ſchien mir fetzt nicht

in der Stimmung zu ſeyn, daß ich von der Graͤfinn ſprechen durfte. So ſehr mich auch der Drang meines Herzens dazu aufforderte, ſo rieth doch die Klugheit einen guͤnſtigeren Zeitpunkt abzuwarten. Dieſer ſchien mir am folgenden Morgen ſchon vorhanden zu ſeyn. Mein Vater war in ſehr heiterer Laune, und ich veranſtaltete, daß er mich mit Amaliens Bildniß in der Hand antraf.

„Was haſt du da?“ fragte er.

„Das Portrait der verwittweten Graͤ— finn von C- vl.“

„In wie fern iſt ſie mit deinem Reiſege⸗ faͤhrten verwandt?

„Sein

( 118 )

„Sein Bruder war ihr Gemahl.“ „So jung und ſchon Wittwe. (Sagte er, das Bild betrachtend.) Ich haͤtte es fuͤr das Protrait eines ſiebenzehnjaͤhrigen Maͤd— chens gehalten. Doch die Mahler verſtehen die Kunſt zu verjuͤngen. | „Ich verſichere Ihnen, bas Original iſt in jeder Ruͤckſicht nicht zur Hälfte erreicht. „So muß die Graͤfinn ſehr huͤbſch feyn. „Es iſt eine Engelgeſtalt.“ „Das Geſticht iſt mehr intereſſant, als ſchoͤn. „Es iſt beydes in gleich hohem Grade.“ „Du biſt verliebt.“ „Mein Vater „Das waͤre mir ſehr unangenehm.“ „Warum?“ fragte ich betroffen. „Die junge Fuͤrſtinn von L* wie fin> deſt du Sie. „Nicht nach meinem Geſchmack.“ „Das wuͤrde mir leid thun, ich habe ſie zu deiner Gemahlinn auserſehen.“

„Mein Herz hat ſchon gewählt. Ihre

Einwilligung mein theurer Vater!“

„Die

(29%

„Die Graͤfinn von C— vl? Nim⸗ mermehr!“

„Sie kennen ſie nicht. Ihre Familie und ihr Vermoͤgen iſt ſehr anſehnlich.

„Du wirt Sie doch in dieſen Ruͤckſich— ten nicht mit der Fuͤrſtinn von L“ vers gleichen?“

„Nein! aber der liebenswuͤrdige Cha— rakter der Graͤfinn.“

„Die Fuͤrſtinn iſt von dieſer Seite oh— ne Tadel. Mein Sohn! denke an den Glanz, an die Erhöhung unſers Haufes. Denke da— ran, mir eine Freude zu machen. Als du auf mein Verlangen dich von einer gewiſſen Barbis losriſſeſt, erneuerteſt du meine Hoffe nung dich mit dem Geſchlechte der L' ver— bunden zu ſehen; vernichte nicht durch eine neue kiebſchaft meinen Plan, woran ich lange im ſtillen gearbeitet, und an deſſen Aus— fuͤhrung mein Herz haͤngt. Du biſt zwar frey und kannſt dir nach Belieben eine Ge— mahlinn waͤhlen. Aber meine Einwilligung und mein Segen ſoll nur deine Verbindung mit der Fuͤrſtinn begleiten. Ich ſehe, es wird dir Muͤhe koſten, der Graͤfinn zu ent—

ſagen,

(120°)

ſagen, eben darum will ich jetzt nicht weiter in dich dringen. Erſt nach ſieben Wochen werde ich um deinen Entſchluß fragen. Bis dahin rede mir kein Wort von der Sache.“ As er ſah, daß ich ſprechen wollte, er» griff er meine Hand. „Sey ein Mann, der über jugendliche keidenſchaften zu ſiegen weiß. Erwirb dir meine Achtung, wie du meine Liebe erwerben haſt. Mein Leben iſt freudenleer, mache nicht, daß ich es zu haſſen anf ange. Mein guter Sohn! ich habe ſchon viel fuͤr dich gethan, thue jetzt deinem Vater auch etwas zu lieb.“ Mit dieſen Worten verließ er mich. O warum mußte er auf ſolche Art mich zu einem Opfer auffordern, das ich ihm nicht bringen konnte. Es war das erſtemahl in meinem Leben, daß ich wuͤnſchte, er haͤtte in einem drohenden, gebietheriſchen oder auch nur in einem rauhen Ton mit mir geſpro— chen, fo würde ich doch Urſache gehabt ha- ben mich entgegen zu ſtemmen und meinen Willen geltend zu machen. Aber woher haͤtte öch den Muth genommen, dieſem fanften An- dringen, dieſem bittenden Zureden eines Va⸗ kers zu widerſprechen. Und doch! mußte ich nicht

(ER, -)

nicht noch etwas ſchlimmeres thun, mußte ich ihm nicht zuwider handeln? Nie fuͤhlte ich es tiefer als jetzt, daß es mir unmoͤglich fey, auf Amaliens Geis Verzicht zu thun. Ach! nie war eine Lage ungluͤcklicher als die meine, und noch iſt kein Herz in einen ſchreck⸗ licheren Widerſtreit mit ſich ſelbſt durch zwey ſo theure Menſchen gebracht worden, als mir Amalie und mein Vater waren.

Mit naſſen Augen ſah ich umher, ich ſah nach einem Menſchen, in deſſen Buſen ſich mein volles gepreßtes Herz ergieſſen konnte. Ich ging zu dem Marquis von F

Ich hatte ihm nichts von meiner Zu- ruͤckkunft gemeldet; er ſchrie bey meiner An⸗ kunft laut vor Freude auf. Dieſe verwan— delte ſich aber bald in Traurigkeit, als ich ihn mit meiner ungluͤcklichen Lage bekannt machte. „Ja mein Freund! (ſagte er, nach

dem

) Ich ſtreiche hier eine Schilderung aus, die ein allzupartheyiſcher Mahler von mir entwarf, als daß ich in dieſer Verſchoͤnerung mir ahnlich ſehen Eönnte. . 5

Ä Anmerk. d. Marquis von 5%

6322.)

dem er mich lange voll Mitleid angeſehen hatte) wenn es in deiner Macht ſteht dieſe Leidenſchaft zu unterdruͤcken, ſo bitte ich dich f

„Rede nicht aus, (ſtel ich ihm üg | Wort) es iſt unmöglich.‘

„Nun denn! ſo ſtehen dir zwey Wege offen deines Vaters Einwilligung zu erhal⸗ ken, der erſte iſt langwierig und beſchwerlich, aber gerade.“

„Und der iſt?“

„Die erſchlafften Nerven des Vaterher— zens in eine Bewegung zu bringen, worin ſeine Liebe zu dir das Uebergewicht uͤber ſei— nen Ehrgeitz erhaͤlt.“

„Und der zweyte!

„Iſt ein Nebenweg, der kurz und zu⸗ verlaͤßig zum Ziele führt, aber Schlan— gen lauern auf dieſem Wege, Tyger liegen im Hinterhalt

„Nenne ihn nicht!

„Ich nenne ihn, um dich davor zu war— nen, er heiſt Alumbrado. O mein Freund! (er druͤckte mit Waͤrme meine Hand) gehe den geraden Weg!“

„Das

60

„Das will ich. Du haſt mir viel boͤſes von dieſem Alumbrado geſchrieben.“

„Kein Wort, das ich zuruͤcknehmen moͤchte.“

„Wo iſt er? ich habe ihn noch nicht geſehen.“

„Er iſt jetzt verreiſet.“

„Ich bin neugierig ihn kennen zu ler— nen.“

„Komm ihm nicht zu nahe! Er moͤchte das Netz, womit er den Markgrafen beſtrickt, auch nach dir auswerfen.“

„Fuͤrchte nichts! ich will meinen Vater aus bieſer ſchimpflichen Gefangenschaft be— freyen.“ | „O wenn du es vermoͤchteſt! Aber daß nicht der, den du herauszuziehen ſtrebſt, dich mit in die Grube reiſſe ſey auf dei— ner Hut.“

Ich verſprach es ihm, und er ſchloß mich in ſeine Arme.

Vor meiner Abreiſe aus Port“ hatte ich mit dem Marquis verabredet, daß ich auf dem Wege eine Art von Tagebuch fuͤh— ren, das merkwuͤrdigſte darin eintragen, und

ihm

( 124 a

ihm bey meiner Zuruͤckkunft mittheilen wuͤrde. Nach dieſem Tagebuch fragte er mich nun.

„Es iſt reichhaltig geworden (gab ich zur Antwort) und du wirft wunderliche Din ge erfahren; ich habe dir davon gefließent- lich nichts geſchrieben, um dich deſto ſtaͤrker zu uͤberraſchen. Doch du mußt deine Neu— gierde noch eine Zeit bezaͤhmen, bis ich meis ne Papiere werde geordnet und ins Reine gebracht haben.“ Der Marquis wars zu⸗ frieden.

Miein edler Freund! du wirſt mir dieſe Liſt vergeben. Der Vorwand ſollte nur die— nen, dich bis zum Ausgange der Revolte tion hinzuhalten, denn ich hatte dem Ir— laͤnder verſprochen, bis dahin bas ſtrengſte Stillſchweigen zu beobachten. Es war alſo nicht Mißtrauen gegen dich, was mein Ders fahren beſtimmte, ſondern Pflicht, die mein gegebenes! Wort mir auferlegte. Und wie wohl ich daran that, dieſes ſo puͤnktlich zu halten, lehrte bald der Erfolg. Es waren nicht mehr als vier Tage verfloſſen, als ich fpät des Abends, auf dem Wege nach Haufe von dem Irlaͤnder angehalten wurde. Seine

x Au:

6425 3

Augen flammten, alle Geſichtszuͤge waren aus ihrer gewoͤhnlichen Richtung, feine Miene war mir ſo unbekannt, als ſchrecklich— „Ungluͤcklicher! (ſagte er mit einem durch die Zaͤhne hervorgepreßten Ton) haben Sie dem Vas' dos die Unternehmung entdeckt?“ Nein! erwiederte ich. „Haben Sie ihn auf irgend eine Art vor Gefahr gewarnet?“ Nein! „Haben Sie jemand andern, einem Ihrer Freunde das Geheimniß vertraut?“ Keiner Seele. „Koͤnnen Sie alles das auf Ehre betheuern?“ Auf meine Ehre. Dieſe Fragen that er ſchnell hinter ein ander, und eilte eben fo ſchnell wieder fort, Ich ſtand eine Weile wie erſtarrt uͤber dieſen Auftritt. Aber meinem Erſtaunen folgte bald eine andere Empfindung , denn ich ſchloß aus den Worten und bem Affekte des Irlaͤn⸗ ders nichts geringeres, als daß die Unter- nehmung verrathen waͤre. Die Erkundigun⸗ gen, welche ich nachher einzog, ſchienen dieß zu beſtaͤtigen. Vas vos hatte fein Schloß verlaſſen und über den Tak fluß geſetzt, ein Umſtand, der billig den Verdacht erweckte, er habe durch ſeine unzaͤhligen Kundſchafter RR ide

6 426

die Sache entdeckt, und wuͤrde ſofort Anſtalt treffen, ſich der Verbuͤndeten zu verfidern. Allein der Erfolg widerlegte noch in der naͤmlichen Nacht dieſe Vermuthung. Vas vos war nur bey einem Gaſtmahle geweſen und kam ſpaͤt mit lauter Froͤhlichkeit und Muſik nach Haufe. Er ahnete nicht, daß er mor— gen um dieſe Zeit ſchon wuͤrde begraben ſeyn.

Ich ſelbſt, obwohl ich den Ausbruch der Revolution in der Naͤhe wußte, haͤtte ihn doch nicht ſo bald vermuthet. Am folgenden Tage (den 1. Dezember 16) früh gegen 8 Uhr zogen die Verbuͤndeten allgemach aus allen Gegenden der Stadt theils zu Pferde, theils zu Fuß, die meiſten aber um die maucherley Waffen beſſer zu verbergen in Wagen und Saͤnften vor den herzoglichen Pallaſt. Die Zahl der Adelichen, welche groͤßtentheils Haͤupter ihrer Familien waren, belief ſich auf fuͤnfzig, die Zahl der Buͤrger auf zweyhundert. Als es auf dem Thurm der Domkirche Acht ſchlug, gab des Herzogs geheimer Rath Pinto Rio mit einem Pi⸗ ſtolenſchuß das letzte Zeichen zum Angeiff,

und

(127 ) und die Verbündeten brachen in vier Schaa— ren getheilt nach ihrem beſtimmten Poſten auf.

Pinto R io zog mit feiner Schaar nach Vas“ os Schloſſe. Der letztere hatte von dieſem Ueberfall ſo gar nichts geahnet, daß er kaum mehr Zeit fand, ſtch in einen Schrank zu verbergen. Allein er wurde ent— deckt, mit einer Piſtolenkugel begruͤßt, und dann mit vielen Stichen durchbohrt uͤber das Fenſter geworfen, zugleich rief man hinab: „Der Tyrann iſt todt, es lebe die Freyheit, „und Jo der neue König von Port *!“ Das unten verſammelte Volk wiederhohlte dieſen Ausruf mit einſtimmigen lauten Freu— dengefchrey, Um den Leichnam den Miß— handlungen des tobenden Volkes zu enfzies hen, draͤngte ſich die Bruͤderſchaft der Barm— herzigkeit herbey, und trug ihn auf einer nur fuͤr Sklavenkoͤrper geeigneten Bahre zu Bab.

Indeſſen war eine andere Schaar der Verbuͤndeten mit Gewalt in den Pallaſt der Unterkoͤniginn gedrungen. Dieſe befand ſtch eben in Geſellſchaft des Erzbiſchofes von

"age,

9 128.

vaga, der bey den erſten Aeußerungen des Aufſtandes uͤber eine verborgene Treppe hie⸗ her gekommen, um dem geheimen Rathe bey⸗ zuwohnen. Dieſer Erzbiſchof, ein naher Freund des Vas“ dos, war von den Verbuͤn⸗ deten durch Stimmenmehrheit gleichfalls zum Tode verurtheilt, aber auf Al“ 'da's Fuͤr⸗ bitte wieder freygeſprochen worden. Die Uns terkoͤniginn wandte ſich an die Eindringenden mit der Erklaͤrung: daß Vas dos ihren Haß wohl verdient haͤtte, daß ſie aber, wenn ſie weiter giengen, ſich des Verbrechens der Empoͤrung wuͤrden ſchuldig machen. Man antwortete ihr, ſo viele Edle haben ſich nicht eines Menſchen wegen, der von dem Henker ſeinen Lohn haͤtte empfangen ſollen, ſondern in der Abſicht verſammelt, um dem Herzog von B“ die Krone aufzuſetzen, die ihm gebuͤhre. Die Unterkoͤniginn Feng an von der Macht zu ſprechen, welche ihr durch den

König von 'nien anvertraut fey. Man er⸗

kenne keinen andern Konig, unterbrach man fie, als den Herzog Jo“ von B***. Jetzt wollte ſie zum Saale hinaus, um ihr Heil bey dem Volk zu verſuchen; man hielt ſie

| aber

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aber mit den Worten zuruͤck: es wuͤrde zu gefaͤhrlich ſeyn, ſie vor einem uͤber lange Unterdruͤckung aufgebrachten Volk erſcheinen zu laſſen. Und was koͤnnte mir denn das Volk thun? ſagte ſie mit veraͤchtlicher Mie— ne. Nichts anders als Eure Hochheit zum Fenſter hinaus werfen, erwiederte einer der Adelichen. Der Erzbiſchof von daga wurde über dieſe Rede fo entruͤſtet, daß er ſich a⸗ nes Degens bemaͤchtigte, um die Unterkoͤni⸗ ginn zu raͤchen. Aber Alrrda umarmte und erſuchte ihn, ſich zu entfernen, indem er oh- nehin ſein Leben von den Verbuͤndeten nur mit Muͤhe erbethen haͤtte. Dieſe Entdeckung entwaffnete mit einemmahle den Eifer des Praͤlaten. Indeſſen wurden die vornehmſten mier gefangen herbepgebracht. Die Verbuͤn— deten erſuchten jetzt die Unterkoͤniginn um die Ausfertigung eines Befehles, daß die Beſatzung von St. Ge fi ergeben moͤch— te. Denn dieſes Schloß, von dem die gan— ze Stadt konnte befchoffen werden, war noch in 'niſcher Gewalt. Die Unterkoͤniginn weie gerte ſich. Als man aber drohte, daß dieſe Weigerung allen gefangenen "niern das fes

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& ben

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ben koſten ſollte, fertigte fie den verlangten Befehl in der ſtillen Hoffnung , er würde nicht befolgt werden, aus. Allein der Schloß oberſte, welcher es nicht wagte ſich zu ver— theivigen, gehorchte buchſtaͤblich, und ſo ward die Stadt von aller Furcht befreyt.

Es iſt faſt unglaublich, mit welcher Schnelligkeit und Leichtigkeit alle vier Schaa⸗ ren der Verbuͤndeten ſich der angewieſenen Poſten bemeiſtert und ihren Zweck erreicht hatten.“) Noch erſtaunungswuͤrdiger iſt es, wie bereitwillig und geſchwind nicht nur das ganze Königreich, ſondern auch alle aus⸗ waͤrtigen ihm angehoͤrigen Länder und Plaͤtze dem Beyſpiele der Hauptſtabt folgten. Die Revolution fieng kaum an, ſo hatte fie ſchon den erwuͤnſchten Ausgang erreicht. Sie iſt einzig in ihrer Art, und die Geſchichte wird nicht leicht eine ähnliche liefern. Ihre Aus⸗

fuͤh⸗

*) Wie wenig Menſchenblut dieſe Revolution ko⸗ ſtete, laßt ſich daraus ermeſſen, daß von den Vertheidigern des Vaterlandes keiner getoͤdtet, nur ein einziger verwundet wurde.

Anmerk. des derz, v. ina⸗

66131 9

führung beweiſt, mit welcher Weisheit fie entw e und geleitet wurde.

Faͤr meinen Vater aber war fie ein Dei waar, der ihn deſto faͤrker ruͤhrte, je unerwarteter er ſchlug. Ihm war in ſeiner Abgeſchi⸗ benheit von der Welt das all maͤhlige Zusammenziehen des Gewitters, das ſtille Bruten am politiſchen Horizonte verborgen geblieben, und ſelbſt die deutlichen Anzeichen, die ſich zuletzt ſeinen Augen aufdrangen, duͤnckten ihn bloß ein leeres Wetterleuchten voruͤberziehender Duͤnſte. Jetzt da er den ploͤt⸗ lichen allgemeinen Ausbruch und deſſen Fol- gen ſah, ſtand er wie erſtarrt. Doch bald ging er aus dem Zuſtande der Betaͤub ung zu den lauteſten Aeußerungen feines Unmuthes über, und nur durch oft wiederhohltes Zureden: daß man der Nothwendigkeit und Ueber— macht nachgeben muͤſſe, gelang es mir end— lich, ihn zum Schweigen zu bringen. Aber der Unwille blieb in feinem Herzen zuruͤck; mit ſichtbaren Mißvergnuͤgen , und, wie ich denke, nicht ohne heimlichen Vorbe⸗ halt huldigte er dem neuen Regenten, in— deſſen ich in die Hände deſſelben dem wahren

&

2 noch

( 132 )

noch verborgenen Koͤnig den Eyd der Treue .

ſchwur. 0 Mein Vaterland war von 'niſchen Joche

befreyt, allein mein Herz lag noch in der al⸗

teu Gefangenſchaft. Blumenketten waren die Feſſeln und dennoch feſter als diamantene, wie haͤtte ich Willen und Kraft gehabt meis nem Vater, der ſie zerbrochen wiſſen wollte, zu gehorchen? Dieſe Gefangenſchaft war mir ſo ſuͤß, und dadurch, daß ich ſie mit einem angebetheten Weibe theilte, noch ſuͤſſer als alle Freyheit geworden; ich wuͤnſchte nichts wärmer, als die Bande, welche uns depde vereinigten, noch enger zuſammengezogen zu ſehen. Aber mein Vater wollte von einer Heyrath mit Amalien ſchlechterdings nichts wiſſen, und ohne ſeine Einwilligung durfte

ich die ihrige nicht hoffen! Der Marquis von Fr

erſchoͤpfte vergebens feine Beredſamkeit, den

Unerbittlichen zu bewegen. In dieſer unſeli— gen Lage ſchickte ich einigemahl nach Alume brabo's Beyſtand hin, aber ich bebte im: mer vor dem Gedanken zuruͤck, mich dieſem Menſchen zu verpflichten. Ich fand bey ſei⸗

nem erſten Beſuche die Bemerkungen des

hats

0.1339) Marquis beſtaͤtigt, und alle Höflichkeit, wordt Alumbrado mich uͤberhaͤufte, diente zu nichts, als meinen Widerwillen gegen ihn zu vermehren.

Finſter, wie meine äußere Lage war, umzog es ſich auch in meiner Seele. Ach! die Ausſicht nach meinem Himmel wurde durch immer dichtere Wolken verdunkelt. In dieſer Nacht flimmerte nur noch ein einziger Stern, auf welchen ich aber voll Hoffnung mei⸗ ne naſſen Augen richtete. Ich zweifelte nicht daß der Irländer meine mißlichen Umſtaͤnde kennen, und mit ſeiner Macht mir zu Huͤlfe kommen wuͤrde. Jetzt hat er Gelegenheit, dachte ich, mein Vertrauen auf ihn zu be— lohnen, jetzt wird er aus unuͤberſteiglichen Hinderniſſen die mir verheiſſeue Gluͤckſelig⸗ keit hervorgehen laſſen. Indeſſen ruͤckte der Zeitpunkt, wo der Markgraf meinen Ent- ſchluß wegen der Verbindung mit der jungen Fuͤrſtinn von L* erwartete, immer näher herbey, und der Irlaͤnder erſchien noch im— mer nicht. Angſt kaͤmpfte mit meiner Hoff: nung. Ich ging, ich forſchte allenthalben nach ihm, ich ging und forſchte vergebens. | Fort⸗

Fortſetzung

durch den Marquis von F *.

0 ben Papieren des Herzogs von ing findet ſich hier eine große Luͤcke: die aber um ſo weniger unergaͤnzt bleiben darf, weil

ſonſt ein wichtiger Theil feiner Geſchichte ver⸗ loren und der uͤbrige dunkel waͤre. Es iſt Pflicht des letzten Freundſchaftdienſtes, wel⸗ chem ich dem Ungluͤcklichen noch zu erweiſen vermag daß ich dieſe Luͤcke ausfuͤlle. Ich nehme daher die abgebrochene Erzaͤhlung auf, um ſie bis dahin fortzufuͤhren, wo ich den Faden an die noch uͤbrigen Papiere des Her— zogs wieber anknuͤpfen kann.

Der Kummer, welcher das Herz meines Freundes beſtuͤrmte, drückte ſich bald in ſei— nem Außern fo ſichtbar ab, daß ich fiir ſei⸗

ä ne

( 135.)

ne Geſundheit zu zittern anfieng. Meine Furcht ging leider nur zu bald in Erfuͤllung, indem eine Nachricht, die ihm der Bruder des neuen Regenten ſchrieb, ſeine Leiden auf einen Grad erhöhte, dem feine Kräfte un: terlagen.

„Mein Lieber! (ſchrieb ihm der Prinz) „ich habe die Nachforſchungen, die ich we— „gen ihres Hofmeiſters, als Sie hier was „ren, ) anſtellte, ſeit Ihrer Abreiſe keines- „wegs aufgegeben. Allein ich hätte fie im⸗ „mer mit aller Klugheit und Betriebſamkeit „fortſetzen koͤnnen, ohne doch meinem Zwe— „cke naͤher zu ruͤcken, waͤre ich nicht durch „eben denſelben, den ich fo lauge vergebens „ſuchte, einer undankbaren Bemuͤhung uͤber— „hoben worden.

„Ja mein Freund! Ihr Hofmeiſter „Graf *erez ſelbſt war es, der durch ſeine „unvermuthete Ankunft mich auf die ange— „nehmſte Art uͤberraſchte. Aber o mein Bes „ſter! halten Sie, wenn Sie dieſes leſen,

„Ihre Freude zuruͤck. Der Wiedergefundene „war

*) Siehe den ıten Band. Seite 284.

(466 2 „war nur wie eine liebliche Erſcheinung, „die ſich auf einige Augenblicke zeigt und „wieber verſchwindet. Ihr alter Freund kam „und ging ging dahin, wo keine Ruͤck⸗ „kehr mehr ſtatt findet.“

„Es iſt nun der fünfte Tag, daß er „fruͤh Morgens durch ſeinen unerwarteten „Beſuch mich in Erſtaunen ſetzte. Ich merkte „aber bald mit Befremdung, daß er die

„‚Aeußerungen meiner Freude nicht fo ganz

„erwiederte, daß ſein Blick forſchend und „zweifelhaft auf mir ruhte. Seine Erzaͤh⸗ „lung Härte mir bald dieſes Raͤthſel auf.“

„Werden Sie es glauben mein Freund,

„daß er an jenem Abend, wo wir feiner mit

„ſolcher Sehnſucht und Ungeduld harrten,

„heimlich aufgehoben, entfuͤhrt, und ver— „haftet wurde? Er war ſchon auf dem Wege „u uns, als er einen Wagen heranfahren „ſah, den er wegen Aehnlichkeit der Equi— „page fuͤr den meinigen hielt. In dieſer „Meynung wurde er beſtaͤrkt, als man die „Pferde halten ließ, der Bediente herbey— „ſprang, und ihm den Schlag des Wagens „oͤffnete. Zwey unbekannte Herren, die dar⸗ 47 U

„in ſaſſen, erſuchten ihn, einzuſteigen, in⸗ „dem ſie vorgaben, daß ſie von mir geſchickt „waͤren, ihn abzuhohlen. Er nahm ohne „Bedenken Platz, und als ber Kutſcher ſtatt „den Weg nach meiner Wohnung zu neh— amen zum Thore hinausfuhr, wurde ge— „fagt, man muͤſſe noch einen von den gela— „denen Gaͤſten abhohlen. Dieſer vorgebliche „Gaſt erſchien in einer entlegenen Gegend der „Vorſtadt; ſobald er eingeſtiegen war, ſetzte „er Ihrem Hofmeiſter den Dolch auf die „Bruſt, indeſſen die anderen zwey ſich ſei— „ner Hände bemaͤchtigten, und fie zuſam— „menbanden. Alles dieſes war das Werk „einer Minute, ehe Graf *ereg Zeit zur Ge— „genwehre gewinnen konnte, die wohl auch „eben ſo gefaͤhrlich als fruchtlos geweſen „waͤre. Man bedeutete ihm, daß, wenn „er ſtillſchweigend ſich in fein Schickſal er— „gebe, ihm nichts widriges begegnen ſollte, „daß man aber, ſobald er nach Huͤlfe riefe, „ihn durchſtoſſen wuͤrde. Zugleich verband „man ihm die Augen, und nachdem man „noch eine halbe Stunde kreutz und quer herumg efahren war, hob man ihn aus dem Wa⸗

138

„Wagen, fuͤhrte ihn uͤber mehrere ſteinerne „Treppen durch lange Gaͤnge in eine Stube, „verſchloß ſie und ließ ihn allein.

„Als Graf berez die Binde von den „Augen nahm, erblickte er ſich in einem ges „raͤumigen durch Lampenſchein erhellten Zim⸗ „mer, an das noch zwey andere ſtießen, wovon „aber keines ein Fenſter hatte. Nach einiger „Zeit brachten ihm zwey Masken Speiſe und „Trank, welches in der Folge jeden Mittag „und Abend wiederhohlt wurde. Ueberhaupt „ließ man es ihm an nichts fehlen, als „an Freyheit. Seine Zimmer, die von auſſen „verſchloſſen waren, konnte er nie verlaſſen, „und da noch uͤberdieß feine maskirten Auf- „waͤrter ſich gegen alle ſeine Fragen taub und „ſtumm bezeigten, ſo blieb ihm kein Weg Huͤbrig zu erfahren, durch wen und wo er ger „fangen wäre. Jedoch vermuthete er aus der „Naͤhe des Glockengelaͤutes, der Kirchenge— „fange, und aus anderen kleinen Umſtaͤnden, „daß er ſich in einem Kloſter befinde.“

„Es iſt merkwuͤrdig, daß er waͤhrend „ſeinem Aufenthalt einem Bildhauer ſitzen „mußte, der ſeine Statue ſo meiſterhaft ar⸗

„bei⸗

( 1239 )

„beitete, daß ſie in jeder Ruͤckſicht die hoͤchſte „Aehnlichkeit hatte. Der Kuͤnſtler war gleich— „falls maskirt, und ließ ſich auf keine Weiſe „die Entdeckung ablocken, wozu ſie beſtimmt fe.

„Endlich erſchien die Stunde der Erloͤ— „ſung. Man weckte den Gefangenen des „Morgens zwiſchen ein und zwey Uhr, hieß „ihn, ſich reiſefertig machen, verband ihm „die Augen, fuͤhrte ihn auf die Gaſſe hin— „aus, wo er in einen Wagen gehoben, und „mit dem Tode bedrohet wurde, wenn er „ſich nicht ſtille verhielte. Man fuhr gegen „eine halbe Stunde mit ihm herum, hob „ihn hierauf aus dem Wagen, und jagt: „ſogleich in vollem Galopp davon. Als er „merkte, daß er allein waͤre, nahm er die „Binde vom Auge, und ſah ſich in einem „oͤden Winkel der Vorſtadt. Sobald es licht „wurde, kam er zu mir.“

„Nachdem Graf *ereg feine Erzaͤhlung „geendiget hatte, ließ ich, um mich vor ihm „von einem Verdacht, der mich tief kraͤnkte, „der aber begreiflich war, zu reinigen, ſogleich „meine Bedienten zuſammen rufen, und ſtellte

%o

f. 140 )

„vor feinen Augen die ſtrengſte Unterſuchung „an. Allein es wies ſich aus, daß zur „Stunde, wo der Graf aufgehoben wurde, „alle meine Bedienten ſowohl, als meine „Wagen und Pferde zu Hauſe waren. Es „blieb daher nichts anders zu glauben uͤbrig, „als daß meine Equipage durch jenen be— „wußten Unbekannten nachgeahmt wurde,

„um den Grafen durch dieſe Lift deſto ſiches

„rer in die Falle zu locken.“

„Er fragte viel und mit groſſer Waͤrme „nach Ihnen, ich ſagte ihm, was ich wußte, „das genügte ihm nicht. Gleich am folgen: „den Tage machte er ſich auf, Ihnen nach⸗ „zureiſen, und ich ritt neben dem Wagen „her, um ihn eine Meile weit zu begleiten. „Die Ungeduld Ihres Hofmeiſters Sie bald

„zu ſehen verurſachte, daß ihm der Kutſcher

„allzu langſam zu fahren ſchien, er ermahnte „ihn, die Pferde ſtaͤrker anzutreiben. Die— „ſen verdroß es und er fuhr noch langſamer, „der Graf erinnerte ihn jetzt etwas hitzig, „ohne zu beobachten, daß der Weg eben „an dem Abſturz, den Sie kennen, vorbey—

„gehe; der Kutſcher Über die Ermahnung

„auf:

( =141 -) „aufgebracht, peitſchte wie raſend in die „Pferde, dieſe wurden wild und der Was „gen lag in dem Abgrund. Der Graf athmete „kaum, als man zu Huͤlfe eilte, der Kut— „ſcher war todt.“ | „Ich ließ für unſern Freund ſogleich „alle nur moͤgliche Sorge tragen, allein ein „heftiger Blutſturz, die Folge einer Bruſt— „quetſchung, endigte am folgenden Tage „ſein Leben. Kurz vor ſeinem Tode ſchrieb „er noch beyliegenden Zettel, woben ihn „eine Ohnmacht unterbrach.“

„Vorhin trennten uns Menſchen, jetzt „trennt uns Gott. Ich murre nicht, aber „gern haͤtte ich Sie noch einmahl geſehen. „Sterbend ſtrecke ich meine ſegnende Hand „nach dir aus, edler Juͤngling! Weine nicht „uͤber mich, wir werden uns dort begegnen, „wo alle gute Seelen ſich wieder finden wer— „den. Ehre mein Andenken dadurch, daß „du den Grundſoͤtzen getreu bleibſt, bie aus „meinem Geiſt in deinen uͤbergingen.—“

Zweh fo tiefe Wunden, als die ungluͤck⸗ liche Liebesgeſchichte und der Tod ſeines Hof— meiſters dem Herzen meines Freundes ſchlu⸗

gen

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gen , hefteten ihn auf das Krankenlager. Jetzt geſchah, was ich befuͤrchtet hatte, obs ne es jedoch verhindern zu koͤnnen Alum—⸗ brado, der von feiner Reiſe zuruͤckkam, drängs te ſich an das Bette des Herzogs und erſah hier die Gelegenheit ſich den ſicherſten Weg zu ſeiner Gunſt zu bahnen. Mein Freund war in dem Zuſtande, worin er ſich befand, ſchwach genug, ihm die Angelegenheit ſeiner Liebe zu eröffnen ; und Alumbrado ſaͤumte nicht, von ſeinem Vater die Einwilligung zu der gewuͤnſchten Heyrath auszuwirken. So groß war Alumbrado's Macht über den Marke grafen, daß dieſer ſich bewegen ließ einen eigenhaͤndigen Brief an die Graͤfinn zu ſchrei— ben, worin er ſie auf die ehrenvollſte und ſchmeichelhafteſte Art einlud, feinen Sohn mit ihrer Hand zu begluͤcken. Der Herzog ſchrieb an dieſelbe nur dieſe wenigen Zeilen: „Meine Theuerſte! nahe am Rande des „Grabes wende ich mich an Sie; Ihre Hand „kann mich retten oder hinabſtoſſen, in ihr „liegt alſs die Entſcheidung meines Schick— „ſals. O komm du angebethetes Weib! dum mich an deinem Arm von den Pforten „des

1

„des Todes in ein paradiſiſches Leben zu „fuͤhren, komm meine Liebe zu belohnen, „die noch allein mein ſterbendes Herz belebt.“

N. S. „Vas“ os hat unter den Schwerd— „ſtreichen der Befreyer meines Vaterlandes „feinen Tod gefunden.“

Die Antwort der Graͤfinn lautete alſo:

„O daß dieſer Brief Flügel hätte, um „Ihnen früh genug Freude und Geneſung zu „bringen! Ja, Ihr Verlangen ſey gewaͤhrt. „Empfangen Sie o Geliebter! dem mein gerz „Thon lange ſich ganz ergeben hat, empfau⸗ „gen Sie auch meine Zand und den Ver⸗ „maͤhlungskuß. Da mein Onkel von ſeiner „PFrankheit wieder hergeſtellt iſt, fo ſoll mich „nichts abhalten, mich dem erſten Schiffs „anzuvertrauen, das von hier nach Port“? „ſegeln wird. Der Gedanke, daß Ihre be— „ſten Wuͤnſche, der Segen Ihres Vater: „und meines Onkels und der Schutzgeiſt der „Liebe auf meiner Fahrt mich begleiten, wird „mir meine Furcht vor dem Meere überwins „den helfen. Ich haͤtte noch viel zu ſchrei⸗ „ben, wenn dieſer Brief nicht eiligſt abgehen „muͤßte, und wenn nicht eine Freundinn, die

| „vor

(144 „vor zwey Tagen wider Vermuthen hier ans „gekommen iſt, die Feder entfuͤhrte | Ihrer Amalie C— vl.“ „Nur um Ihnen hochzuverehrender Braͤu— „tigam! Glück zu wuͤnſchen und die Frage „vorzulegen: ob Sie jetzt nicht als ine „ſagerinn anerkennen Ihre ergebenſte Anna v. Delier.““ Schon ſeit der Zeit, als der Markgraf in das Verlangen ſeines Sohnes willigte, Feng dieſer ſich zu erhohlen an, Amaliens

Brief vollendete feine Geneſung. Man konn⸗ te ſich keinen gluͤcklicheren und froheren Men⸗

ſchen denken als den Herzog von rina. Es war natuͤrlich, daß Alumbrado, welcher als der Schöpfer feines Gluͤckes auf Dankbar— keit Anſpruch hatte, in ſeinen Augen einen Werth erhielt, der den erſten Widerwillen gegen denſelben verbraͤngte. Davon wurde

ich gar bald belehrt, als ich bey einer Ges

legenheit mir ein paar Worte uͤber Alum-

brado entfallen ließ. „Ich weiß nicht (vers

ſetzte der Herzog lebhaft) warum du ſo ſehr

gegen dieſen Mann eingenommen biſt; es iſt

wahr, feine Gefichtszuͤge ſprechen nicht zu | ſei⸗

648

ſeinem Vortheil, aber es iſt doch ſehr un⸗ philoſophiſch jemanden auf fein bloſſes Ge— ſicht zu verdammen.“ Sage, was du willſt, erwiederte ich, ein unerklärbares abſtoſſendes Gefuͤhl, das mich gewiß nicht betruͤgt „Du haſt nun einmahl die Antipathie (stel der Herzog ein) und die laͤßt ſich nicht durch Gruͤnde widerlegen; aber ich will dir ein Geſchichtchen erzaͤhlen, das hier ein Wort zu ſeiner Zeit ſeyn duͤrfte. Sokrates, deſſen Phyſionomie, wie du weißt, ſehr unvortheil— haft war, befand ſich einſt im Zirkel ſeiner Freunde, als ein Philoſoph auftrat, der ſich für einen Geſichtskundigen ausgab. Man erſuchte ihn den Charakter bes ihm unbekann— ten Sokrates aus ſeinem Geſichte zu beur— theilen. Der Philoſoph nannte mehrere La— fer her, die er ganz deutlich in demſelben zu leſen vorgab. Ein allgemeines Gelaͤchter folgte auf dieſes Urtheil, Sokrates allein blieb ernſthaft und erflärte, er habe wirk— lich von Natur einen vorzuͤglichen Hang zu dieſen Laſtern gefuͤhlt, durch ſein Bemuͤhen aber unterdruͤckt. Die Anwendung der Ge— Machte, fuͤgte der Herzog hinzu, uͤberlaſſe K ich

G 146)

ich dir ſelbſt. „Wie? (rief ich voll Erſtau⸗ nen auf) du willſt Alum brado mit Sforas tes, einen abgeſchmackten Aſceten mit dem ehrwuͤrdigen Weiſen, die Scheinheiligkeit mit der Tugend vergleichen?“ Dieſe unges heure Verblendung aͤrgerte mich ſo ſehr, daß

ich meiner Zunge freyen Lauf ließ. Ich ſag aber bald, daß meine Worte nicht den ge⸗

ringſten Eindruck machten. Da ich es alſo aufgeben mußte, des Herzogs Meynung zu

ändern, fo war ich deſto mehr bedacht, den | Umgang zwiſchen Alumbrado und ihm wer nigſteus bis zu ſeiner Verbindung mit den Graͤfinn abzuſchneiden, denn hernach hoffte ich, ſollte dieſer Engel bald jenen Unhold von feiner Seite verſcheuchen. Ich ſchlug den Herzog eine Reiſe nach ina, die er ſchon lange im Sinne hatte, zur Befeſtigung ſeis⸗ ner Geſundheit vor, und both mich an, ihn zu begleiten. Er willigte um ſo lieber ein, weil er durch Zerſtreuung und Bewegung die Zeit zu betruͤgen bachte, welche ihm bis zur Ankunft Amaliens unertraͤglich langſam forte zuſchleichen ſchien. Allein meine Abſicht waͤe re auch ohnedieß erreicht worden, denn

Alum⸗

(147)

Munbrado ſelbſt reiſte ab; indeſſen ging doch auch unſere Reiſe vor ſich.

Wir befanden uns aber kaum fieben Tage in ina, als der Herzog wieder fort wollte. So unwahrſcheinlich es auch war, daß Amalie ſchon ankommen moͤchte, fo ließ ihm doch dieſer Gedanke keine Raſt. Wir traten alſo am achten Tage die Ruͤckreiſe an, und ſetzten fie Tag und Nacht fort:

Es war fuͤnf Uhr des Morgens, als wir in ſeinem Hauſe ankamen. Wir waren noch kaum in die Zimmer getreten, als ſein Sekretaͤr mit einem Billet in der Hand er— ſchien, das, wie er ſagte, ſpaͤt am verfloſ— ſenen Abend von dem Lootſen waͤre gebracht worden. Der Herzog erroͤthete und erblaßte, als er es oͤffnete. Sie iſt da! rief er, und ließ vor Entzuͤcken das Blatt fallen. Sie iſt da! wiederhohlte er, indem er es auf— hob, kuͤßte, und nochmals durchlas. Seine Gemuͤthsbewegung war ſo heftig, daß er ſich ſetzen mußte. Amalie iſt da! ſagte er nochmals, ſtand auf, und umarmte mich. Das Billet war folgendes Inhalts.

K 2 „Hat

(248 .)

„Hat Ihnen mein Geliebter! Ihr Herz „nicht geſagt, daß ich nahe bin? Ich waͤre „viellelcht ſchon bey Ihnen, wenn der Kae „pitaͤn mir erlaubt haͤtte mit dan Boote des „Lootſen ans Land zu gehen. Aber wegen „der zu groſſen Entfernung, und der trotz „aller Windſtille hohen See hat er es durchaus „nicht zugeben wollen. Wenn uns der Him— „mel guͤnſtig iſt, ſo wird Sie morgen ſehen

Ihre Amalie.“

„Nun! (ſagte der Herzog, als ich ihm das Blatt zuruͤckgab) war meine Vermuthung unrichtig, und that ich nicht wohl, daß ich meinem Kopf folgte? Aber was verwei⸗ len wir hier? (rief er) fort, fort nach den Seehafen!

Sogleich wurden Pferde geſattelt, die wir in unſern Reiſekleidern beſtiegen. Pedro allein begleitete uns. Wir ritten fharf, und jeder uͤberließ ſich ſprachlos ſeinen Empfin⸗ dungen. Der Himmel hing finſter uͤber uns, die allgemeine durch kein Luͤftchen unterbros chene Stille ſchien nichts gutes zu prophe⸗

zeyhen. Endlich glaubten wir mit groſſer | |

Berroundetung das dumpfe Nollen des Don⸗ ners

(349...)

ners zu hören, aber wir merkten bald, daß es bloß der Wiederhall von Kanonenſchuͤſſen war. Dieſe fernen Stuͤckſchuͤſſe und der An⸗ blick des nahen Sturms preßten mir einen Angſtſchweiß aus; denn ich vermuthete, das Schiff muͤſſe in groſſer Noth ſeyn. Bald darauf hoͤrten wir nicht mehr ſchieſſen, und dieſe Ruhe war mir noch ſchrecklicher als je— nes Krachen. Wir ſpornten unſere Pferde ohne ein Wort zu ſprechen, denn keiner wag— te es zu geſtehen, was er beſorgte.

Endlich kamen wir an. O Schauſpiel des Entſetzens, das wir erblickten! Die Brandung war fuͤrchterlich, die Klippen und ber Strand waren mit einem blendend weißen Schaum uͤberzogen. Die Sonne vermochte nicht ſich durch den Nebelduft hervorzuarbei— ten, der bruͤtend uͤber der See lag. Wir konnten daher die Inſel, wo das Schiff ſich befand, nicht entbecken, ſte ſtellte ſich bloß wie eine finſtere Wolke dar, die ungefähr eis ne halbe Viertelſtunde von der Kuͤſte entfernt fhien. Der Schleyer, welcher die Gefahr des Schiffes vor unſern Augen verhuͤllte, diente, unſere Angſt zu verſtärken.

8 Bey⸗

4 1359

Beynahe zugleich mit uns war unter Men os Anfuͤhrung ein Trupp Schiffvolk und Soldaten an dem Ufer eingetroffen. Man ſchlug die Trommeln und feuerte ein Gene— ralſalbe. Sogleich leuchtete auf der See ein Blitz und gleich darauf fiel ein Stuͤckſchuß. Wir eilten alle nach der Seite hin, wo wir das Zeichen bemerkt hatten. Hier wurden uns durch den Nebel das Gebaͤude und die Segelſtange eines groſſen Schiffes ſichtbar. Wir waren ſo nahe, daß wir trotz dem Brau- fen der Wellen das Pfeifen und Rufen der Matroſen hören konnten. Von dem Augen blick an, wo man auf dem Schiffe gewahr wurde, daß Huͤlfe in der Nähe ſey, hoͤrte

man nicht auf, alle drey Minuten ein Stuͤck

zu loͤſen.

Ich bewunderte die Seelenſtaͤrke des Herzogs, der bey einem Anblick, der ihn ganz zu Boden ſchlagen ſollte, Faſſung genug behielt fuͤr die Rettung des Schiffes thaͤtig zu ſorgen. Ich ſah ihn ſehr angelegentlich mit Men“ os ſprechen, und den Anweſenden Geld und Befehle austheilen. Man zuͤnde⸗

te groſſe Feuer am Strande an, man fchafte

Bret⸗

Cs)

Bretter, Thaue, leere Safer, und Lebens⸗ mittel herbey.

Alles ſchien einen nahen Orkan a ders kündigen. Die Wolfen waren in der Mitte von einer gräßlichen Schwaͤrze und kupfer⸗ farbig am Rande. Das Laub bewegte ſich an den Baͤumen, und doch ging kein Wind. Die Luft ertoͤnte von dem Geſchrey ber Sees voͤgel, die von allen Gegenden auf der In⸗ ſel Schutz ſuchten.

Endlich vernehmen wir mit einemmahl von der Seeſeite her ein fuͤrchterliches Brau—

ſen, als ob ſich ganze Waſſerſtroͤme von hohen Bergen ſtuͤrzten. Alles ruft: das iſt der Orkan! und in dem Augenblick hebt ein heftiger Wirbelwind den Nebel weg, der uͤber der Inſel gelagert war. Nun konnten wir das ganze Schiff frey liegen ſehen. Sein Verdeck war voll Menſchen, ſeine Flaggen aufgezogen, ſein Vordertheil lag vor vier Ankern, ſein Hintertheil an einem. Das Vordertheil ſtellte ſich den Wellen, die aus der offenen See bruͤllend daher rollten, ent— gegen, und wurde ſo hoch emporgehoben, daß man ſeinen ganzen Kiel in der Luft ſah, in⸗

6.352 :)

indeſſen das Hintertheil ſo tief untertauchte, als ob es verſinken wollte. Die mißliche Lage, worin ſtch das Schiff befand, machte tam ſowohl den Ruͤckzug, als das Auslau⸗ fen auf den Strand unmoglich.

Fuͤrchterlich war das Heulen der Winde und das Rauſch en der See, das mit je⸗ dem Augenblicke hoͤher ſchwoll. Der ganze Kanal zwiſchen dem Land und der Inſel war ein weiſſer dicker Schaum von hohlen ſchwar— zen Wellen durſchnitten. Der Horizont hatte alle Zeichen eines an Sturmes. Einige Wolken von fuͤrchterlicher Geſtalt ſon— derten ſich von Zeit zu Zeit ab, ib ſchoſſen mit Pfeilesſchnelligkeit fort, andere blieben unbeweglich gleich ungeheuern Felſenmaſſen. Nirgends zeigte ſich ein blaues Fleckchen am Firmament, nur ein bleicher fahler Schein erhellte Himmel, Erde und Waſſer.

Die Todteublaͤſſe auf dem Geſichte des Herzogs, ſein unruhiger bald ſchneller, bald langſamer Gang, ſeine geſtammelten Worte, die Zuckungen feiner Lippen waren Zeugen des Sturmes, der in ſeinem Innern vorging, und dem aͤußeren auf der See an Heftig⸗ ke it

4 )

keit gewiß nichts nachgab. Der Ungluͤckli⸗ che blickte bald himmelwaͤrts, bald ſah er aͤngſtlich, als ob er Jemanden ſuchte, um

* ſich her, und einigemahl hoͤrte ich ihn deut—

lich Hiermanſor rufen. Es war ein Anblick,

der tief in meine Seele ſchnitt und heiſſe

|

Thraͤnen mir aus den Augen preßte. Indeſſen erreignete fich auf der See tie

ne ſchreckliche Begebenheit. Durch das hef—

tige Schwanken des Schiffes riſſen die An-

kerthaue an ſeinem Vordertheile, und da es

jetzt nur an einem einzigen Hinterthaue hing, ſo wurd es auf die nahen Felſen geworfen. Bey bieſem Aublick brachen wir alle in ein lautes durchdringendes Geſchrey aus. Der Herzog wollte ſich in der See ſtuͤrzen, und nur mit groſſer Auſtrengung hielt ich ihn am Arm zuruͤck. Allein da ſeine Verzweiflung keinen Vorſtellungen Gehoͤr gab, ſo banden ich und Pedro ihm ein langes Seil um den Leib, und hielten das Ende des Seiles. Nun ſprang er in die kochende Fluth, die ihn ſogleich verſchlang, dann wieder em— portrieb; und ſo naͤherte er ſich dem Schiffe, indem er bald ſchwamm, bald auf den Klips | pen

( 154 )

pen fußte. Einigemahl hatte er Hoffnung das Schiff zu erreichen, denn die See ließ es in ihren unordentlichen Bewegungen zu weilen ganz auf dem Trocknen, aber ploͤtzlich kehrten die Fluthen mit neuer Wuth zuruͤck, und begruben es unter die ungeheuren Waſſer— maſſen, die den Herzog halbtodt an das Ufer ſchleuderten. Kaum erhielt er den Gebrauch ſeiner Sinne wieder, ſo ſprang er auf und eilte mit neuem Muth nach dem Schiffe. Allein vor dem Ungeſtuͤmm der Wogen fing dieſes zu berſten an. Das Schiffsvolk, welches nun an ſeiner Rettung verzweifelte, ſtuͤrzte ſich haufenweiſe auf Ram, Brettern, Pfloͤ⸗ cken, Kiſten in die See.

O Anblick des Jammers, den ich nie vergeſſen werde! Zwey Frauenzimmer erſchie— nen jetzt auf dem Hintertheil des Schiffes, die eine war die Gräfinn, die Frau von Delier die andere. Amalie ſtreckte ihre Air me nach dem aus, der allen ſeinen Kraͤften aufboth zu ihr zu gelangen, ſie hatte ihren Geliebten an feiner Unerſchrockenheit erkannt Die Baroneſſe rang bittend die Haͤnde ge⸗ gen die Zuſchauer, und deutete auf Amalien

hin,

9 158 )

hin, als wollte ſie ſagen: Ueberlaßt mich meinem Schickſale, aber retet nur dieſe. Wir alle waren bis ins innerſte erſchuͤttert, doch wagte keiner eir eben fo gefährliches als fruchtloſes Unternehmen. Indeſſen ſtand Ama— lie ohne Zeichen der Furcht, und mit einem edeln geſetzten Anſtand winkte ſie uns mit der Hand, als ob ſie auf ewig von uns Abſchied nehmen wollte. Alle Zuſchauer wein ten und ſchrieen laut. Der Herzog ſtrengte kaͤmpfend mit der Fluth, ſeine letzten Kraͤfte en, die gegen ihn hinſtrebende Geliebte zu retten, aber jetzt zwaͤngte ſich ein Waſſer— berg von fuͤrchterlicher Groͤſſe zwiſchen die Inſel und die Kuͤſte, und ſchoß untergang— drohend nach dem Schiffe. In dem Augen— blick ſtuͤrzte die Baroneſſe auf Amalie zu, beyde umſchlangen ſich feſt, und in dieſer Umarmung wurden ſie ſammt dem Schiff von der Fluth verſchlungen.

Betaͤubt und erſtarrt hatten wir kaum Beſonnenheit und Kraft genug den Herzog an dem Seile ans Ufer zu ziehen. Der Un— gluͤckſelige ſchien mit der Geliebten ſeinen

er Geiſt

61560

Geiſt ausgehaucht zu haben, er lag heftig blutend ohne Zeichen des Lebens vor uns.

Ich ſank vor Schrecken und Wehmuth an ihm nieder, ich bedeckte ſein blaſſes vom Schmerz verzogenes Geſicht mit Kuͤſſen, ich rief ihm ſeinen, meinen, endlich Amaliens Nahmen ins Ohr; da er aber bey dem letz teren unbeweglich blieb, ſo glaubte ich wahr— haftig, er ſey todt. Pedro ſchlug ſich auf die Bruſt, und fuͤllte die Luft mit ſeinem Jammergeſchrey. Die Anweſenden draͤngten ſich herzu und da nach vielen Verſuchen noch Spuren des Lebens in den Herzog bemerkt wurden, trug man ihn ins naͤchſte Haus zu Bette. Hier unterſuchte ein Feldchirurg die Quetſchungen und Wunden, die er durch das Anprallen an die Felſen empfangen hatte, ſie waren nicht toͤdtlich. Mit einem lauten Freudengeſchrey warf ich mich auf die Kniee und dankte Gott. Der Herzog ſchlug die Augen auf und ſchloß ſie wieder. Der Arzt befahl uns denſelben in Ruh und allein zu laſſen.

Indeſſen Pedro a Haufe ritt, um dem Markgra et die Geſchichte feines Soh⸗

nes

( 137

nes zu berichten, ging ich den Strand ent⸗ lang um zu ſehen, ob das Waſſer Amaliens und der Baroneſſe Leichname auswerfen wärs de. Allein da der Wind, wie bey Orkanen zu geſchehen pflegt, ſich ploͤtzlich gedreht hatte, ſo mußte ich die Hofnung aufge— ben, ihnen bie Ehre des Begraͤönißes zu era zeigen.

Der Herzog lag in einem bewußtſeyn⸗ loſen Hinbruͤten. Ach! ſein Geiſt ſchien nur gezwungen und mit Unwillen in einer Welt zu verweilen, die ihn von der Geliebten trennte. Doch warum ſoll ich aufs neue in meinen Wunden wuͤhlen? ich werde mich auf keine Beſchreibung ſeines Zuſtandes ein⸗ laſſen. Ohnehin ertoͤnen bey der leiſeſten Erinnerung noch immer in meinen Ohren die Schreye der Angſt, des Entſetzens, und die wilden Aufrufungen der Freude, die er waͤhrend einem wuͤthenden Fieber ausſtiet, je nachdem feine Phantaſie ihm die Geliebte bald in ſchrecklichen, bald in gluͤcklichen Sis tuationen Aufführte, Beſtaͤndig war feine Einbildungskraft und ſeine Zunge nur mit ihr beſchaͤftiget. Als endlich das Fieber vor⸗

uͤber

L 458

über ging und die Beſonnenheit ſich wiede einftellte, fo hielt er auch Amaliens wirkli⸗ che Ungluͤcksgeſchichte nur fuͤr einen fieber⸗ haften Traum. Ungeachtet aller meiner Be⸗ hutſamkeit dieſen Wahn nur allmaͤhlich zu zerſtoͤren, grif ich dennoch die Entdeckung ſo hart an, daß ich beſorgte, er wuͤrde dars über, wo nicht das Leben, doch den Vers ſtand verlieren. De

Ich darf hier einen Auftritt nicht une beruͤhrt laſſen, der ſich bey beginnender Ges neſung des Herzogs ereignete. Der Mark⸗ graf hatte ihn, ſobald er beſſer geworden war, zu ſich ins Haus tragen laſſen, wo er ihn mit vaͤterlicher Sorgfalt pflegte. Ein⸗ mahl, als der Herzog ſchlief und ich an ſei⸗ nem Bette ſaß, kam er, um ſich nach ſei—

nem Befinden zu erkundigen. Er neigte ſich

uͤber den Schlafenden, und ſchien in deſſen Geſichte nach den Spuren der Geneſung zu forſchen. Bey dieſer Gelegenheit nahm er auf der Bruſt ſeines Sohnes eine blaue Schleife wahr, die fi) aus dem Hemde her⸗ vorgeſchoben hatte. Er zog leiſe an dieſer Schleife und das Bild der Koͤniginn von eee eee

( 359 )

ern“ kam hervor. Die erſte Miene des Markgrafens war die eines Menſchen, der ſeinen Augen nicht traut, aber bald darauf ſah ich ihn bis in den Mund verblaſſen und hef— tig zittern. Sobald er ein Wort hervorbrin— gen konnte, bath er mich, das Zimmer zu verlaſſen.

Erſt nach zwey Stunden kam er in ſtar⸗ ker Bewegung heraus, er ging an mir vor⸗ uͤber ohne mich zu bemerken. Als ich in das Zimmer trat, fand ich den Herzog in Thraͤnen. Die Schleife hing ohne das Bild— niß der Koͤniginn an feiner Bruſt⸗

Ich bezeigte ihm mein Erſtaunen. Er nahm meine Hand und ſagte: du biſt mein einziger Freund, vor dem ich kein Geheim— niß zu haben wuͤnſchte. Und doch bin ich ſo ungluͤcklich, daß mir auch dieſer Wunſch verſagt iſt. Dringe nicht in mich das, was zwiſchen meinem Vater und mir abges handelt wurde, zu erfahren. Ich habe ihm einen fuͤrchterlichen Eyd ſchwoͤren muͤſſen, es mit mir in das Grab zu nehmen. In das Grab! (fügte er nach einer Weile hinzu)

mich

Gies

mich verlangt ſehr nach dieſer Wohnung, ſeit Amalie und Antonio darin Platz nahmen,

„Miguel! (rief ich, indem ich mich an ſeinen Buſen druͤckte) verſcheuche dieſe finſte⸗ ren Gedanken. Du ſollſt erfahren, daß man nicht alles auf der Welt verloren hat, wenn man noch einen Ro ar wie mich beſitzt. dd

„Ich kenne dich ind danke dir, (erwie⸗ derte er geruͤhrt) Laß uns zuſammen ſterben, dieſe Welt iſt nichts für uns. Was ſollen wir in einer Welt, (ſetzte er mit wildem Blick hinzu) in der nur das Laſter gluͤcklich iſt, und die fuͤr gute Menſchen nichts als ein Grab hat.

Man nehme dieſe Rede be Ger nicht für die Wirkung einer bloſſen Aufwal⸗ lung, ſie ging aus einem durch den Zuſam⸗ meufluß der traurigſten Schickſale verbitterten Herzen hervor, und dieſe Verbitterung ſaß tiefer als ich anfangs vermuthete. Sie trieb bald in ſeiner Seele giftige Sproſſen, die feiner Religion verderblich wurden. Er erklärte es für unmoglich, daß ein guter e gutgeſinnte Menſchen fo planmaͤßig

elend

6161)

elend mache, als er gemacht worden war. Er waͤlzte den Geund ſeines Ungluͤcks auf ein boͤſes Ütweſen, das als Theilnehmer an der Weltregierung feinen Verſtand bloß dazu gebrauche, feinen boͤſen Willen zu ber friedigen. Er behauptete, es wäre wider die Natur eines unendlich guten Weſens was immer fuͤr Zwecke, ſelbſt gute, durch ſchlim— me Mittel auszufuͤhren, und wenn man auf der Welt eben fo viel Unordnung, Uns vollkommenheiten, und Ungluͤck, als Har— monie, Vollkommenheiten und Gluͤckſeligkeit wahrnaͤhme, ſo waͤre eben dieſes ein Be— weis, daß ein boͤſer und guter Gott die Welt gemeinſchaftlich ſchuffen und beherrſchen. Kurz! er pflichtete ganz dem Syſteme der Manichaer bey.

Mit Verwunberung und Schmerz nahm ich dieſe neue Verirrung ſeines Geiſtes wahr, von der ich ihn um ſo ſchneller zuruͤckzufuͤh⸗ ren für Pflicht hielt, weil Sie ihn des letz⸗ ten Troſtes in ſeinen Leiden beraubte. Ich zeigte ihm daher, daß die Begriffe eines boͤſen, und guten Urweſens einander aufhe— ben, daß ein boͤſer Gott ein wahrer Wis

£ ders

(162)

derſpruch ſey, daß alſo die Grundideen feis nes Syſtemes widerſinnig waͤren, und mit

ihnen das Syſtem ſelbſt fallen muͤſſe. Ich |

zeigte ihm, wie die Uebel dieſer Welt fuͤglich mit der Guͤte und Vorſehung Gottes beſtehen koͤnnen, und daß ſelbſt das Gluͤck der La⸗ ſterhaften und die Leiden der gutgeſinnten in

dieſem Leben, weit entfernt unſern Glauben

niederzuſchlagen, vielmehr unſere Hoffnung auf ein beſſeres Leben, in dem jeder den gerechten kohn ſeiner Thaten von Gott em⸗ pfangen wird, begruͤnden. Allein ſo uͤber⸗

zeugend meine Vorſtellungen für jeden undes

fangenen wuͤrden geweſen ſeyn, ſo wenig machten ſie auf den Herzog Einbruck, der durch die Verſtimmung und Duͤſterheit ſeines Gemuͤthes fuͤr jenes troſtloſe Syſtem allzu⸗ ſehr eingenommen war. Er fand darin ſo gar nichts anſtoͤßiges, daß er vielmehr durch die Annehmung eines boͤſen Gottes den gu⸗ ten gegen die Klagen und Vorwuͤrfe der Ungluͤcklichen zu ſichern glaubte, indeſſen ſein eigenes Herz ein Behagen darin fand,

feine ganze Bitterkeit auf jenes böfe Welen, | den Urheber feiner Leiden, frey ausgießes

zu

653

zu koͤnnen. Er war daher mit Ernſt darauf

bedacht, die Gründe, welche ich gegen feie

nen neuen Glauben vorgebracht hatte, zu widerlegen, und ſobald er fein Bette ver»

laſſen konnte, ſuchte er am Schreibpulte ſeis nen Behauptungen Ordnung, und Buͤndigkeit

zu geben, um fie gegen meine Einwuͤrfe zu

ſichern. Er war mit dieſer Arbeit faſt zu Ende, als Alumbrado von ſeiner Reiſe zus

ruͤckkam. | Man kann ſich kaum vorſtellen, mit wel⸗ chem Schein von Wahrheit und Innigkeik

dieſer Mann ſeine Betruͤbniß uͤber das un— gluͤckliche Schickſal des Herzogs aͤußerte, ſo daß der letztere von feiner warmen Theilnah⸗

me ganz bezaubert, die guͤnſtige Meynung #

welche er fuͤr ihn gefaßt hatte, hinlaͤnglich

gerechtfertigt glaubte. Alumbrabs begnuͤgte

ſich nicht, ihn zu bedauern, er ſuchte ihn

auch zu troͤſten. Als er aber unter an⸗

dern auf die wunderbaren Wege Gottes,

der ſelbſt das Uebel zu unſerem Gluͤck zu wenden wiſſe und vermoͤge, zu ſprechen kam,

ſchuͤttelte der Herzog verneinend den Kopfe Alumbrado darüber befremdet fragte ihn un

L 2 die

1 154)

die Bedeutung ſeines Mißfallens. Der Her⸗ zog, welcher ihn ſchon ſeines Vertranens wuͤr⸗ dig hielt , war unvorſichtig genug feinen neus en Glauben zu enthuͤllen, ja er vergaß ſich ſo⸗ weit, daß er ihm ein Stuͤck von ſeinem Auf⸗ ſatze vorlas. So ſehr ich daruͤber erſchrack, fo war ich doch nicht wenig begierig bey die⸗ ſer Gelegenheit Alumbrado's Betragen und Urtheil zu erfahren. Allein mein Erſtaunen flieg aufs hoͤchſte, als derſelbe mit einern Freymuͤthigkeit, die ſonſt nur der Wahrheits⸗ liebe eigen iſt, gegen die Behauptungen des Herzogs loszog, als er mit einer Evidenz und Wärme, welche nur das Licht der Res ligion zu geben vermag, den Glauben an bie Guͤte und Vorſehung des einigen Got⸗ tes vertheidigte. Die Wuͤrde, die Salbung, die Kraft, womit er ſprach, riſſen den Her⸗ zog unwiderſtehlich hin, er ſah verwirrt, ſtumm, beſchaͤmt zur Erde. Ich geſtehe gern, daß ich jetzt ſelbſt zu glauben anfing, ich habe mich in Alumbra⸗ do's Charater gewaltig geirrt, Ich that ihm Abbitte in meinem Herzen, und wenn ich Ik ibn gleich wicht lieben konnte, ſo hielt ich es den

0.65.) dennoch für Pflicht, ihm nicht länger meine Achtung zu verſagen.

Allein in kurzer Zeik ereigneten ſich zwey Dinge, die mich beſorgen lieſſen, ich habe mein Urtheil zu voreilig geändert. Mir blieb es nicht verborgen, daß Alumbrado in dem Hauſe eines Mannes aus und ein gehe, deſ— ſen Charakter in ſchlechtem Rufe ſtand. B'eza war fein Nahme. Das wichtige Amt, wel— ches er bey dem Zollweſen bekleidete, und der große Handel, den er durch ganz Euro— pa trieb, verſchaften feinem Haufe Glanz, Neichthum, Macht nur nicht Ehre. Er war Jude von Geburt, hatte aber aus politiſchen Abſtchten, wie man allgemein ba- für hielt das katholiſche Glaubensbekennt⸗ niß abgelegt. Sein Betragen wenigſtens wi— derlegte die Meynung nicht, daß er die neu⸗ angenommene Religion bloß mit dem Munde bekenne, und es erregte daher groſſes Aerger— niß, als O“ va“ ihm den Chriſtusorden ertheilte. Ueberhaupt ſtand er mit dieſem Miniſter in dem beſten Verhaͤltniſſe, das durch die Revolution keineswegs erſchuͤttert, ſondern nur geheimer fortgeſetzt wurde, was

ei⸗

(166 9)

einem ausgelernten Heuchler wie B“ eza nicht ſchwer fiel. Man wird leicht begreiffen, daß mir Alumbrado's Umgang mit dieſem Manne

aus mehr als einer Ruͤckſicht mißfallen mußte.

Noch in zwepter Umſtand erweckte mei⸗ ne Aufmerkſamkeit. Der Herzog vermißte ein Blatt von dem Aufſatze über das manis chaͤiche S yſtem. Alumbrado hatte ihn oͤfters beſucht, war zuweiken ganz allein auf dem

Zimmer gewveſen, und der Aufſatz lag uns verſchloſſen in dem Schreibpulte. Der Her— zog aber weit entfernt, auf ihn einen Verdacht zu werfen, glaubte vielmehr, er ſelbſt koͤnnte wohl das Blatt verſtreut, oder unter andere Papiere verſchoben haben, und da er auf Alumbrado's Zureden dem Syſtem entſagt hatte, ſo bekuͤmmerte er ſich auch um den Aufſatz nicht weiter.

Obgleich ihn vorhin meine Warnung und erklaͤrte Abneigung vor Alumbrado nicht zu— ruͤckhielten, ſich mit dieſem einzulaſſen, ſo hielten ſie ihn doch ab, engere Bande zu knuͤpfen; allein ſeitdem er wußte, daß ich ſelbſt eine guͤnſtigere Meynung von Alum—

brado gefaßt hatte, ſchloß er ſich näher an der⸗

G

deuſelben. Der alte Markgraf bemerkte dieß mit großem Vergnuͤgen, hingegen ſah er mit nicht geringerem Kummer, daß die Geneſung ſeines Sohnes nur ſehr lang ſame Fort— ſchritte mache. Die Urſache davon war eine ſtille, aber tiefe Schwermuth, in, die ſich fett feiner religiöfen Sinnesaͤnderung jener wis thende Schmerz, jene uͤberflieſſende Bitterkeit ſeines Herzens umgewandelt hatte. Dieſe Melancholie fraß wie ein ſchleichendes Uebel inwendig um ſich, und hinderte nicht nur die kebensſaͤfte des ungluͤcklichen Juͤnglings, ſondern auch die Spannkraft ſeiner Seele in ihrer Thaͤtigkeit. Er befand ſich daher in einem bloß leidenden Zuſtande, der ihn für aͤuſſere zu feiner Gemuͤthsſtimmung paſſende Eindruͤcke deſto empfaͤnglicher machte, je we— niger Vermoͤgen er zum Widerſtehen und Selbſtwirken beſaß. So war er ein Snftrus ment, auf dem Alumbrado nach Belieben ſpielen konnte. Noch ſchien aber der letztere mit ſich nicht einig zu ſeyn, welche Saiten er zur Erreichung ſeiner Abſichten anſchlagen ſollte. Doch der Herzog ſelbſt fuͤhrte ihn nachher auf die rechte Spur. 2

Ä ; Sei⸗

. 68

Seine liebſte Unterhaltung beſtand dar⸗ in, ſich mit dem neuen Vertrauten von dem Wiederſehen geliebter Seelen in beſſern Wel— ten zu beſprechen, und wenn er ſich jetzt mit mir weniger zu ſchaffen machte, ſo geſchah es bloß darum, weil ich uͤber dieſe Materie wenig zu fagen wußte, indeſſen ſich Mum⸗ brado's Phantaſie und Berebſamkeit uner⸗ ſchoͤpflich bewies. Ich hatte keine Hoffnung, dem Geiſte des Herzogs eine andere Richtung zu geben; die natürliche Lebhaftigkeit, die fonft feine Aufmerkſamkeit bald von einem Gegenſtande abzog, und zu andern oft ent⸗ gegen geſetzten Gegenſtaͤnden hinriß, dieſe Lebhaftigkeit war verſchwunden, eine duͤſtere Einfoͤrmigkeit, die den einmahl gefaßten Ge⸗ ſichtspunkt unverruͤckt feſthielt, hatte die Stelle derſelben eingenommen. Jede irdi— ſche Freude war ihm mit Amalien, Delier und Antonio geſtorben, die Quelle, woraus er gegenwaͤrtig ſein Vergnuͤgen ſchoͤpfte, floß jenſeits des Grabes. Wie gern haͤtte er die Kluft, welche ihn von den geliebten trennte, mit Gewalt uͤberſprungen, haͤtten ihn nicht meine und Alumbrado's Vorſtellungen zu⸗ y ruͤck⸗

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ruͤckgehalten. Deſto begieriger ſah er fi nach einer kuͤnſtlichen Bruͤcke um, die ihm den Uebergang zu dem Geiſterreich gewähren moͤchte, ohne daß er dieſe Welt ganz ver— laſſen duͤrfte. Mit einem Worte! alle in der Schule des Irlaͤnders eingeſogenen Ideen erwachten in dem Herzog mit verdoppelter Staͤrke. Was vorhin nur ein Gegenſtand der Wißbegierde ſeines Geiſtes geweſen war, wurde nunmehr auch die wichtigſte Angele- genheit ſeines Herzens. Er uͤberraſchte einſt Alumbrado mit der Frage: Ob er den Um— gang mit Geiſtern nicht fruͤher als nach dem Tode moͤglich halte? Dieſer zog ſich vorſich— tig genug aus dem Handel, indem er ver— ſetzte, eine ſolche Frage lieſſe ſich weder im allgemeinen noch in Kuͤrze beantworten. Ich merkte aber, daß Alumbrado, obwohl er ſo— gleich den Faden des Geſpraͤches abriß, den Herzog ſcharf beobachtete, und nachdenkend wurde.

Man wird Ach ſchwerlich vorſtellen, mit welcher Sehnſucht der Herzog der Ankunft des Irlaͤnders entgegen (ab, von dem

er

(3170,

er die letzten Aufſchluͤſſe uͤber dieſe Mate⸗ rie zu erhalten hofte. Man ſollte viel: mehr denken, daß fich der Irlaͤnder durch ſein wortbruͤchiges Betragen um allen Glau⸗ ben bey ihm gebracht haͤtte, denn ſowohl die erſte Verheiſſung, daß er durch ſeine Wundermacht dem Herzog Amaliens Beſitz verſchaffen wuͤrde, als auch die zweyte, daß er nach Beendigung der Revolution ihn be— ſuchen und in die praktiſchen Geheimniſſe feiner wunderbaren Weisheit einweihen wol⸗ le, waren unerfuͤllt geblieben. Der Herzog aber, anſtatt ſich fuͤr hintergangen zu halten, entſchuldigte ihn. Hiermanſor, ſagte er, iſt nicht allmaͤchtig, wie konnte er den Streich des Schickſales von Amaliens Haupt abwen⸗ den? Hiermanfor hat mir den Tag feiner- Wiederkunft nicht beſtimmt, er iſt vielleicht durch Geſchaͤfte von hoher Wichtigkeit auf: gehalten, vielleicht will er auch das Maß meines Zutrauens pruͤfen; was immer die Urſache feines Zoͤgerns ſeyn mag , er wird nicht unterlaſſen mir ſein Wort zu erfuͤllen. Alumbrado fragte, wer denn dieſer Hier- manſor waͤre? und der Herzog erzaͤhlte | ihm

** Ga)

ihm ſehr ausfuͤhrlich ſeine Begebenheiten mit deniſelben, ohne jedoch den Antheil, welchen er an der Revolution hatte, zu verrathen. Ich erwartete, daß Alumbrado, der mit einem⸗ mahle einen ſo gefaͤhrlichen Nebenbuhler ken— nen lernte, nichts unverſucht laſſen wuͤrde, ihn zu ſtuͤrzen. Ich irrte mich. Alles, was er ſich uͤber den Irlaͤnder zu ſagen erlaubte, beſtand darin: daß der Schein zwar wider ihn waͤre, daß man jedoch ſein Urtheil uͤber einen ſo großen und tiefen Charakter ſo lan— ge zuruͤckhalten muͤſte, bis unumſtoͤß liche Beweiſe gegen ihn zeugten.

Dieſe ſchonende Aeuſſerung reichte kei— neswegs hin, den Herzog von ſeiner Ver— blendung zu heilen. Indeſſen, wenn ſich gleich ſein Vertrauen auf den Irlaͤnder ſtark bewies, ſo war doch ſeine Geduld deſto ſchwaͤ— cher; und obſchon meine Gruͤnde wider Hier— manſor ſeinen Glauben an dieſen nicht zer— ſtoͤren konnten, fo machten fie ihn doch un— ruhig. Einigemahl war er Willens oͤffent— liche Nachfragen anzuſtellen, aber der Ge— danke, daß derſelbe dadurch moͤchte beleidi—

get und doch nicht gefunden werden, wenn | er

5 Se

er ſich nicht finden laſſen wollte, hielten ihn immer wieder zuruͤck. Endlich aber, da nach langem Harren der Irlaͤnder noch im— mer nicht erſchien, kam mein Freund auf den Einfall nach dem Grafen zu forſchen, und, falls er ihn entdecken ſollte, ſich ſeiner mit Liſt oder mit Gewalt zu bemaͤchtigen, weil er durch ihn Beſcheid uͤber den Irlaͤnder zu erhalten hoffte. Alumbrado fragte den Her⸗ zog, wie der Graf ausſehe. Er iſt faſt von meiner Groͤße, erwiederte er, aber blond, von einnehmender Bildung, auf feinem Ger ſichte ruht gewoͤhnlich ein ſtiller ſanfter Ernſt, der aber oft der muthwilligſten Laune Platz macht, um ſeine ſprechenden blauen Augen liegt ein kaum merkbarer Zug von Schwaͤr⸗ merey, ſeine Naſe iſt etwas gebogen und edel, fein Munb beynahe weiblich ſchoͤn, das Kinn ſinkt ein wenig zuruͤck ohne ihn zu ent⸗ ſtellen.— Wiſſen Sie was, ſagte Alumbrado laͤchelnd, ich will es verſuchen den Gra⸗ fen zu bannen, aber dazu brauche ich fein Bil NL wollen Sie ihn auf ae zeich⸗ nen? Der Herzog, welcher ſo wenig als ich wußte, was er an diefer Rede machen ſoll⸗

2.

62375 ſollte, ſah bald ihn, bald mich an. In Wahrheit, ſagte jener, ich wuͤnſche das Bilb— niß des Grafen zu beſitzen, uͤberlaſſen Sie mir den Erfolg. Wenn ihnen darum zu thun iſt, verſetzte mein Freund, ſo ſollen Sie es haben.

Geſchickt im Zeichnen, gluͤcklich im Tref⸗ fen, brachte er durch feine Phantaſie unter- ſtuͤtzt, das Portrait ſchon am folgenden Ta— ge zu ſtande, und uͤberlieferte es an Alum⸗

hrado. Wir erwarteten begierig, was die— ſer damit machen wuͤrde; allein er ging vier

Tage bey dem Herzog aus und ein, ohne

des Bildes zu erwaͤhnen; aber am fuͤnften

Tage kam er mit der Nachricht, in welchem Gaſthof der Graf zu finden ſey. Wir fahen ihn noch mit ſtummen Erſtaunen an, als er hinzufuͤgte: Eilen Sie, jetzt koͤnnen Sie ihn

uͤberraſchen, und wean er nicht gutwillig

gehen will, ſo bedeuten Sie ihm, daß die

Wache in der Naͤhe warte.

Es befand ſich, wie Alumbrado geſagt hatte. Der Herzog traf den Grafen auf ſei⸗ nem Zim mer. Dieſer konnte aufangs vor Beſtürzung kein Wort vorbringen, als er

(174 )

ſich erhohlte, ſtammelte er Entſchuldigungen, daß er jetzt die Einladung nicht annehmen koͤnne. Wie er aber den Herzog von der Wache ſprechen hoͤrte, und einſah, daß er ſo gut als gefangen waͤre, ergab er ſich in fein Schickſal. Der Herzog ließ deſſen Kof—

fer auf ſeinen Wagen packen, und fo tube er mit ihm nach Haufe.

Da zu vermuthen war, der Graf moͤch⸗ te in Gegenwart eines dritten minder frey und aufrichtig bekennen, fo hatten Alums brado und ich mit Wiſſen des Herzogs uns in ein Nebenzimmer verfügt, wo wir fie hoͤ⸗ ren und ſehen konnten, ohne bemerkt zu werden. | =

Die Einleitung ihrer Unterredung war ſchon in Wagen vorhergegangen, wir hoͤr— ten alſo nur die Fortſetzung. Sobald ſie eingetreten waren, erſuchte der Herzog den Grafen um den Kofferſchluͤſſel, der ohne Weigerung ausgeliefert wurde. Waͤhrend aber jener den Koffer aufſchloß und nach Pa pieren ſuchte, die ſich nicht fanden, zog die⸗ fer feine Brieftaſche, ging zum Camin und vie Brieftaſche lag im Feuer. | in

So

( .ı75 )

So ſchnell auch der Herzog hinzu fprang

fie zu ritten, war fie doch ſchon von den

Flammen ergriffen, und ein Theil davon ver⸗

zehrt, den Ueberreſt verſchloß er in einen Schrank.

Warum thun ſie mir das? ſagte er zor⸗ nig zu dem Grafen.

„Weil ich mir nicht gern meine Ges heimniße durch Gewalt entreiſſen laſſe.“

Der Herzog ging einigemahl auf und nieder, um ſich zu faſſen, dann ſchellte er. Wein! ſagte er zu dem eintretenden Bedien—⸗

ten. Dieſer brachte ihn und entfernte ſich. | Graf! fagte der Herzog mit ſanftem Ton, der Wein hat die Tugend, daß er redſelig unb aufrichtig macht. Laſſen Sie uns trinken.

„Meine Geheimniße ſoll man mir we— der durch gewaltſame noch kuͤnſtliche 9 eittel entwinden. Ich will doch wenigſtens das Verdienſt behalten freywillig zu bekennen, was ich bekennen darf und kann.“

„Das iſt ſchoͤn. Aber der Wein befise noch eine Eigenſchaft, ep verſcheucht Erbittes

rung

e rung und Verlegenheit. Wir wollen immer⸗

hin trinken.“ Der Graf ließ ſichs gefallen.

Vor allem, ſagte der Herzog, nachdem

fie ſich geſetzt hatten, beantworten Sie mir

die Frage: Wo iſt Hiermanſor? Er ver⸗

ſprach mir, ſobald Port'“ von 'niſchen Joch frey waͤre, mich zu beſuchen, und er hat nicht Work gehalten. | „Er konnte nicht. Geſchaͤfte von Wich— tigkeit riefen ihn nach Braftl“*, wo er ſich vermuthlich noch befindet. „Sie denken, daß er mir nach ſeiner Zuruͤckkunft ſein Verſprechen erfuͤllen wird?

„Allerdings! Was macht Ihnen aber

ſeinen Beſuch ſo wuͤnſchenswerth?

„Er verhieß mir die letzten Myſterien einer hoͤheren Philoſophie aufzuſchlieſſen. Sind Sie vielleicht im Stande ſeine Stelle zu vera treten?

„Nein Herzog!

„Aber Sie ſind imſtande, mir über jene Taͤuſchungen, wodurch ich geprüft wurde,

Licht zu geben?

„Ja !

n

„Ja!“ antwortete der Graf nach einer Pauſe. |

„Ich verlange nur über die dunkleren und wichtigſten dieſer Taͤuſchungen Aufklaͤ— rung, dann hoffe ich die uͤbrigen wohl ſelbſt zu entraͤthſeln.

„Die meiſten und wichtigſten ſind Ihnen ſchon durch jene Papiere enthuͤllt worden, die Sie vormahls aus in meinem Koffer fanden.

„Wie wiſſen Sie das?“ fragte der Her— zog mit groſſer Verwunderung.

„Durch Hiermanſor.“

„Und woher wußte es dieſer?“

„Von Ihnen ſelbſt.“

„Von mir? Ich erinnere mich nicht, ihm etwas davon geſagt zu haben.

„Nicht geradezu, aber Sie haben ſich vertathen.

„Bey welcher Gelegenheit?“ | „Als Sie zu *ubia von ihm Beſuch erhielten. Erinnern Sie ſich noch an Ihre Frage, ob er Amalien entdeckt haͤtte, daß Nicht Ihr wirklicher Vater der Mörder ihres

M Gat⸗

( 178 3

Gatten war 2) dieß hätten Sie ſchlechter⸗

dings nicht wiſſen koͤnnen, haͤtten Sie nicht in die erwaͤhnten Papiere geſehen.

„Das iſt wahr!“ (ſagte nach einigem

Stillſchwei gen der Herzog) Aber dieſe Papie⸗ re reichten nur bis zu dem Auftrit, wo Hier⸗

manſor in Ihrer und meines Hofmeiſters Gegenwart verhaftet wurde. Ich war eben damahls auf Anrathen des erſteren im Bes

griffe in den Abgrund eines wuͤſten Gebaͤu⸗ des hinabzuſteigen, um einer allda ſchlafen⸗ den Jungfrau die Schmucknadel aus dem Haare zu nehmen.“

„„Ich weiß das. Sie 1 weder die Jungfrau, noch irgend etwas von den Wun⸗ derdingen, die Hiermanſor Ihnen vorſpie⸗ gelte, angetroffen haben, wenn ſie hinabge⸗ kommen waͤren.“

„„Was fagen Sie 2 Er hatte einen Be⸗ trug gewagt, worauf ich ihn ſo leicht hätte ertappen Finnen „Er wußte im voraus, daß Sie das Ende der Treppe nicht erreichen würden, Es

) Sieh den II. Band Seit. 303.

k--179. }

Es war ſchon verabredet, daß ich frühzeitig genug mit der Wache erſcheinen und Sie durch den Piſtolenſchuß zuruͤckrufen ſellte. | „War es das? (ſagte der Herzog mit Verwunderung) Ich beſinne mich zugleich eis nes ſonderbaren Umſtandes. Auch ohne Ih- re Dazwiſchenkunft waͤre ich vielleicht nicht hinabgeſtiegen, fo eine ungewöhnliche Bana gigkeit ergriff mich, und verſtaͤrkte ſich bey jedem Schritte, den ich vorwaͤrts that. Ich weiß nicht, wie es kam, aber es ſchien ein unſichtbarer Arm mich zuruͤckzudraͤngen.“

„Das will ich Ihnen erklaͤren. Sie ers innern ſich doch, daß Ihnen von unten her— auf ein dicker Qualm eutgegen dampfte 2 Man hatte in der Tiefe ein Naͤucherwerk ana gezuͤndet, das die Eigenſchaft beſitzt die Bruſt mit einer erſtickenden Beklemmung zu er⸗ fuoͤllen.“

„Ich geſtehe (ſagte der Herzog nach ei— ner Weile) die Ausfuͤhrung war fo vorſich⸗ tig, als der Plan liſtig. Wirklich wurde ich damahls zu glauben hingeriſſen, daß Hier- manſor nicht nur die geheime Kenntniß un— cher Schaͤtze, ſondern auch die Macht

M 2 und

(7780) und den Willen habe, mich daran Theil neh⸗ men zu laſſen, und daß es bloß meine Schuld waͤre, leer ausgegangen zu ſeyn. Beſonders hatte er durch die fluͤchtige Anzeige deſſen, was ich in der Tiefe des Gebaͤudes finden würde, meine Phantaſie in Thaͤtigkeit ges

ſetzt, und ich war nach dieſen Wunderdin—

gen weit begieriger als nach den Edelſteinen.

„Sie konnten es mir gar nicht verge— ben, daß ich dieſes Abenkeuer durch Hier⸗ manſors Verhaftung unterbrochen hatte.“

„Ja wohl! Aber was hatte es denn mit der Verhaftung fuͤr ein Bewandtniß?“ e mußte mir daran liegen, mich vos Ihnen und Ihrem Hofmeiſter auf eine un⸗ widerlegliche Art als einen geſchworden Feind Hiermanſors zu beweiſen. Wie konnte ich das beſſer als durch ſeine Gefangennehmung? Der Magiſtraksrath war mein vertrauter Freund, und mit ihm die ganze Poſſe ver⸗ abredet, die man vor Ihren Augen auffuͤhrte.“ | „Der Irlaͤnder wurde nicht ernſtlich verhaftet?“

(14819)

„Die Haͤſcher hatten den Auftrag ihn frey zu laſſen, ſo bald er weit genug aus unſerem Geſichtskreis entfernt war.

„Nun begreiffe ich, warum Sie ſich fe hartnaͤckig widerſetzten, als ich meinen Hof— meiſter aufforderte zur Vefreyung Hierman— ſors einen Verſuch zu wagen. Doch was wuͤrden Sie angefangen haben, wenn ich auf dem Gedanken verharret waͤre dieſen Schritt zu thun?“

„Daun haͤtten Sie ihn wahrlich nicht allein gethan; ich ſelbſt haͤkte Sie zum Mas giſtratsrathe gefuͤhrt, und dieſer wuͤrde ſchon gewußt haben, Sie uͤber das Schickſal des Irlaͤnders zufrieden zu reden. Indeſſen ſchien es doch nicht rathſam, Sie laͤnger in der Naͤhe des Schauplatzes zu laſſen. Sie haͤtten ohne unſer Wiſſen hinter den Vorhang ſchauen, Ihr Hofmeiſter insgeheim Nach— forſchungen anſtellen koͤnnen. Ein Zufall haͤtte ſie vielleicht, bey dem Verfolg des vorgebli— chen Proceſſes gegen Hiermanſor, auf Ent— deckungen geleitet. Kurz! es war weder Sir cherheit noch Freyheit des Spieles, ſolange ſie in der Naͤhe waren, daher mußte der

M 3 Ma⸗

(n

Magiſtratsrath fie zu einer ſchnellen und weiten Entfernung zu bereden ſuchen, und es iſt Ihnen bekannt, wie ihm das gelang.“ „Jetzt liegt es am Tage, wie Hierman⸗ ſor ſich bey feines Verhaftung fo ruhig ver— halten, mich in 'n wieder zu ſehen verſpre— chen, und ſein Verſprechen erfuͤllen konnte.“ „Das letztere war freylich ein leichtes; aber ihm war darum zu thun, feine Wieder- erſcheinung durch begle tende Umſtaͤnde inter- eſſant zu machen. Ein trauriger Zufall ar: beitete file ihn. Sie erinnern ſich an Frans ziska's Hinrichtung, au die leider zu ſpaͤte Entdeckung ihrer Unſchuld, an das naͤchtli⸗ che Leichenbegaͤngniß, wozu ich Sie einlud. Eine merkwuͤrdigere Gelegenheit haͤtte ſich Hiermanſorn nicht darbiethen koͤnnen, vor Ihnen aufzutreten. In dem Zeitpunkte, wo Ihre ganze Seele mit duͤſtern, wehmuͤ⸗ khigen, ſchauerlichen Empfindungen durch- drungen war, mußte die Erſcheinung eines Mannes, den Sie in Feſſeln, oder wohl gar ſchon auf dem Scheiterhaufen hingerichtet waͤhnten, den tiefſten Eindruck machen. Sie witz

9483 3

wiſſen, daß er nichts unterließ, dieſen Ein⸗ Druck zu verſtaͤrken.“ |

„Wie konnte er mich aber ſchon damahls Herzog von ina gruͤßen?“

„Er hatte Ihre Erhebung zu dieſer Wuͤr⸗

de fruͤh genug aus dem Schreiben eines Freundes erfahren, der mit dem Sekretaͤr Ihres Vakers in Bekanntſchaft fand.“ f „Laſſen Sie uns von den Auftritten jener Nacht abbrechen, fie find mit zu ſchrecklichen und ſchmerzlichen Erinnerungen verkn uͤpft. Wir wollen in die ſtille Zelle des Einſtedlers uͤber— gehen, wo es auch nicht an Wundern fehlt. Ich frage Sie zufoͤrderſt: Halten Sie den⸗ ſelben fuͤr den alten verbannten Koͤnig? 2

„Dafuͤr halte ich ihn wirklich, nicht bloß, weil Hiermanſor mich deſſen verfichers te, ſondern weil auch ſeine ganze Geſtalt mit dem Bildniß des aͤchten Königs uͤberein—⸗ ſtimmt.“

„Aber wann wird er den Thron von Port“ beſteigen?“

„Ich vermuthe: bald.“ |

„Das vermuthen Sie? Ich ſehe noch feine Anſtalten dazu. Nicht einmahl gefpros chen

6484) chen wird von dem alten Koͤnig; jedermann haͤlt ihn noch immer fuͤr todt; ich daͤchte, es waͤre doch Zeit die Nachricht zu verbreiten, daß er noch lebt.

„Ich geſtehe Ihnen, daft ich ſeit der Zeit, als wir beyde feine Hütte verließen, nichts mehr von ihm gehoͤrt habe. Ich hoffe, Hier⸗ manſors Zuruͤckkunft ſoll der Zeitpunkt fiir ner Thronbeſteigung ſeyn. Vielleicht, daß er ihn triumphirend in Port“ einführt.“ |

„Wenigſtens ſcheint zwiſchen dieſen bey⸗ den ein enges Verhaͤltniß obzuwalten. Wif: fen Sie noch, wie Hiermanſor Nachts um Ein Uhr von dem koͤniglichen Einſiedler geru⸗ fen, auf eine eben ſo geheimnißvolle als er⸗ ſtaunenswuͤrdige Art erſchien?“

„O, was dieſes Gaukelſpiel betrifft

Der Herzog fuhr von ſeinem Sitze auf. „Ein Gaukelſpiel (rief er) auch das waͤre ein Gaukelſpiel geweſen?“—

„Kann dieſe Entdeckung Sie ſo ſehr Ss fremden?“

„Der Auftritt war in der That de bar genug, daß man ihn für mehr als na⸗

kuͤrlich halten konnte.“ „Ss

( 880

„Sie haben recht. Auf den ununterrich⸗ keten Zuſchauer mußte das Kunſtſtuͤck eine erſtaunliche Wirkung thun. Der Einſiedler ſpricht, indem er das Bild dreymahl kuͤßt, einige unverſtaͤndliche Worte; auf einmahl laͤßt ſich ein Geraſſel hoͤren, eine Flamme ſchlaͤgt über das Gemaͤhlde hig, das Licht im Glaſe verliſcht und erſcheint wieder. Das alles iſt ſehr uͤberraſchend. Wenn man aber weiß, daß der Altar, worauf das Bild ſteht, eine verſteckte Maſchine iſt, daß ein Finger— druck des Einſiedlers eine Stahlfeder loss ſchlaͤgt, und das Triebwerk in Gang bringt, daß die Kerze im Glaſe mit demſelben in Verbindung ſteht, durch die hohle Roͤhre des Leuchters hinabgezogen, und wieder hinauf— geſchoben wird wenn man ferner weiß, wie Hiermanſor in die Zelle hineinkam, ſo verliert dieſe Geſchichte alles wunderbare.“

„Eben die Erſcheinung Hiermanſors war mir ganz unbegreiflich.“

„Und doch iſt ſie ſehr einfach. Unter den braun bemahlten Brettern, woraus die Ere— mitenhuͤtte zuſammengefuͤgt war, befand ſich in der Ecke ein bewegliches, das ſich ohne Ge⸗ 3 raͤuſch

( 186)

*

räͤuſch auf⸗ und zuſchieben ließ. Durch dies ſen heimlichen Eingang ſchlich Hiermanſor herein, ſobald er auſſen durch ein kleines Loch das Licht in der Zelle verloͤſchen ſah. Da Sie, mit dem Ruͤcken gegen ihn gekehrt, Ihre Aufmerkſamkeit auf den Altar und die Thuͤre daneben hefteten, ſo war er ganz aufſer Gefahr bemerkt zu werden. | u Mfo war alles ſchon vorbereitet und mit dem Koͤnig verabredet?“

„Ja wohl.“ 1 g „Sein ganzes Betragen war alſo eine eingelernte Rolle?“

„Allerdings.“

„Das wunderbare (ſagte der Herzog nach einer Pauſe) faͤllt jetzt freylich von dem Schauſpiele weg, dafuͤr haftet es aber auf dem Koͤnig. Wie iſt es moͤglich, daß dieſer ehrwuͤrdige Greis ſich darauf verſtand, mich auf eine ſo dürchgedacher Weiſe zu hinterge⸗ hen? 2 64

„Er war dazu ſchwer genug zu bringe Nachdem aber Hiermanſor feine Beredſam⸗ keit lange vergebens angewandt hatte, und der Koͤnig noch immer heel blieb,

etz

T

0 187 9

erklaͤrte er ihm endlich mit duͤrren Worten,

daß keine andere Wahl übrig ſey, als ent⸗

weder feine Krone auf ewig in unrechtmaͤſſi⸗

gen Haͤnden zu laſſen, oder ſich zu dieſem unſchaͤdlichen Betrug, zu dieſer durch den Endzweck gerechfertigten Lift zu verfichen.

Der König glaubte es dem Reiche und fi

ſelbſt ſchuldig zu ſeyn das letztere zu waͤhlen.“

Langes Stillſchweigen auf beyden Geis

ten. Endlich ſagte der Herzog: „Hierman—

ſes?“

for ließ mich die Geſtalt meines Hofmeiſters auf dem Kirchhofe ſehen wie geſchah dies

„Erlauben Sie, daß ich dieſe Frage

unbeantwortet laſſe.“

„Warum?“ verſetzte der Herzog mit

ſcheinbarer Kälte.

„Weil Ihnen meine Antwort nichts er— klaͤren wuͤrde.“ 3 | |

„Wie fo? Bisher haben mich Ihre Auf— ſchluͤße vollkommen befriediget.“ |

„Sie betraffen auch nur ſolche Dinge,

zu derer Einſicht das Maß Ihrer Kenntniſſe

hinreicht.“

„Das

( 31881) /

„Das ſoll aber kein Compliment fir | ü

meinen Kopf ſeyn.“

„Verſtehen Sie mich nicht unrecht Her zog! Sie haben vorhin ſelbſt geſagt, daß Sie von Hiermanſorn noch nicht in die letze ten Myſterien ſeiner Weiß eit enge f

ſind.“

„So iſt es auch. Und daraus folgt iu „Daß es Ihnen noch an den gehörigen Kenntniſſen fehlt die Erſcheinung Ihres Hof N

meiſters zu begreifen. „Sie werden mich alſo uͤberreden wol⸗

len, daß dieſe Erſcheinung ein Werk von

Hiermanſors Wundermacht war?“

„Ich will Sie nichts uͤberreden. Ich 0

ſage nur, was ich weiß.“

„Und ich nur, was ich nicht gal Wie? Alles uͤbrige waͤre Gaukelſpiel gewe⸗ fen und nur Antonio's Erſcheinung war

keines?“ | „Antonio's Erſcheinung war keines.“ „Das werden Sie mich nimmermehr glauben machen.“

„Ich kann es Ihnen nicht verdenken.““

„Warum is

zn 3 Eee

an De

|

1890)

„Ich habe bey Ihnen das Recht ver— wirkt Glauben zu verdienen.“

Der Herzog ſchwieg und ſein Auge ruhte auf dem Grafen. Der letztere fuhr fort:

„Auch kann es mir gleichguͤltig ſeyn, was Sie von der Sache halten. Hierman⸗ ſor mag Sie daruͤber ſelbſt belehren.“

„In welchem Verhaͤltniſſe ſtehen Sie mit ihm?“ fragte der Herzog.

„Ungefaͤhr in demſelben, worin Sie ſtehen. Er hat ſich meiner bemaͤchtiget, und nun diene ich ihm.“

„Dienen Sie ihm mit Wider willen?“

„Mit Ergebung.“

„Alſo werden Sie doch wohl wiſſen, wer der iſt, dem Sie ergeben ſind.“

Ich weiß von ihm nicht viel mehr als Sie.“ |

„Auch das wenige, was Sie mehr wife ſen, waͤre mir merkwuͤrdig, wenn es zu⸗ verlaͤßig iſt.

„Sollte ich alle die a ten und Maͤhrchen, die man ſich von ihm erzaͤhlt, wiederhohlen, ſo wuͤrde ich Ihre Geduld ermuͤden. Aber eben der glaubwuͤr— . di⸗

© 59% J

digen Nachrichten uͤber biefen Menfchen find |

ſehr wenig.“

„Ich geſtehe, daß ich ſie wiſſen moͤchte | „Schon der wahre Geſchlechtsnahme Hiermanſors iſt mir unbekannt. Er ſoll in Irland von bürgerlichen Aeltern gebohren

ſeyn. Ein naher Anverwandter, der ſich

mit Sterndeuterey abgab, hatte bey ſeiner

Geburt die Geſtirne beobachtet, und groſſe Dinge von ihm geweiſſagt. Eben dieſer be—

wegte die Aeltern, daß ſie den Jungen ſtu⸗

diren lieſſen, welches fie nachher um fo we⸗ niger gereute, da fie bie erſtaunlichen Fort— ſchritte, welche er im Lernen machte, wahr: nahmen. Als er aͤlter wurde, gab ihm der An verwandte in der Mathematik und Aſtro— nomie ſelbſt Unterricht, Der Ruf von Hier⸗ manſors ausgebreiteten Kenntniſſen erwarb ihm in ſeinem achtzehnten Jahre die Stelle

eines Lehrers in einem ſehr vornehmen Hauſe. Die Ältere Tochter ſah ihn bey ihren Bruͤ .

dern, und ihre auf ihm verweilende Augen verriethen den Eindruck, den er auf fie ges

macht. Sie war eine bluͤhende Schoͤnheit,

die ſchon viele Freyer von hohem Rangs her⸗

(: 197.)

herbeygelockt und abgewieſen hatte. Hier: manſorn war es aufbehalten in dieſem Herzen den erſten Strahl der Liebe zu entzuͤnden, und doch ſchien er gegen fein Gluͤck unem⸗ pfindlich zu ſeyn. Er war es nicht. Allein Redlichkeit ſowohl als Klugheit befahl ihm ſeine Empfindungen gegen eine Perſon zu verheimlichen, die ſo weit uͤber ſeinen Stand erhaben war. Nur iſt das jugendliche Alter nicht immer maͤchtig genug die ſtrengen Vorſchriften der Vernunft gegen die verfuͤh— reriſche Stimme der Neigungen aufrecht zu erhalten, und ſo entwiſchte Hiermanſorn in einem Augenblick der Schwaͤche das Geheim— niß feiner Liebe, welches von der Geliebten mit Freude aufgenommen, und in ihrem Buſen verwahret wurde. Aber von dem Au— genölick diefer Eröffnung legte er ſich die Pflicht auf, alle Kraͤfte anzuſtrengen, um ſich in eine Lage zu verſetzen, wo er ohne zu erroͤthen um die Hand ſeiner Geliebten werben koͤnnte. Dieſer kuͤhne Gedanke hatte kaum in der Seele des entſchloſſenen Juͤng⸗ lings Platz gegriffen, ſo wurde auch ſchon der Plan zur Ausfuͤhrung entworfen. Hier⸗

mais

ih) manſor hielt die See fuͤr den kuͤrzeſten Weg ein glaͤnzendes Gluͤck zu machen, und ſogleich wurde die Seewiſſenſchaft der Gegenſtand ſeines eifrigſten Studiums. In kurzer Zeit be⸗

fand er ſich im Stande davon Gebrauch zu ma⸗

chen, was er groͤſitentheils der Unterſtuͤtzung des Hauſes, in dem er das Amt eines Lehrers bekleidete, zu danken hatte. Die ausgezeich⸗

nete Geſchicklichkeit, welche er im Seedienſte

bewieß, erhob ihn zum Rang eines Kapi⸗

tains, als ſeine Geliebte ſtarb. Hier⸗ manſor legte ſeine Stelle nieder und ging

in das Kloſter der *iten.

„Es iſt mir unbekannt, aus welcher Ab:

ſicht er ſich in den Orden nur als Layen⸗

bruder aufnehmen ließ, aber ſo viel wriß

ich gewiß, daß man ihm oͤfters die Prie⸗ ſterwuͤrde antrug, und er ſie immer von ſich

ablehnte. Als er die Geluͤbde abgelegt hatte,

wurde er nach R“ verſetzt, wo der Orben gleichfalls ein Kloſter beſaß, in dem ſich ein

durch feine Kenntniſſe in der Phyſik und Na⸗

turkunde beruͤhmter Prieſter, mit Nahmen

R befand. Unter feiner Anweiſung machte Hiermanſor in dieſen Wiſſenſchaften schnelle

und

63493

und wichtige Fortſchritte, und verſchafte ſich jene großen Kenntniſſe in der natuͤrlichen Magie, wozu fein Anverwandter ſchon den Grund in ihm gelegt hatte. |

„Allein einem ſolchen Geiſt kann die kloͤſterliche Stille und das ſpekulative Leben nicht in die Laͤnge Befriedigung gewaͤhren. Der Orden ſchickte eine Miſſion nach Indien, und Hiermanſor erbath von ſeinen Obern die Erlaubniß mitzureiſen. Dort unter den Bramanen ſoll er jene wundervolle Weis⸗ heit gehohlt haben, in deren Geheimniſſe er Sie einzuweihen verſprochen hat.

„Ich weiß nicht, was ihn bewog in der Folge den Orden zu verlaſſen. Da man ihn ſehr ungern vermißte, ſo machte man ihm in Anſehung der Diſpenſation groſſe Schwierig— keit. Endlich aber entließ man ihn doch un— ter der Bedingung, daß er nie feindlich ge— gen den Orden handle. Das iſt alles, was mir von ſeiner Lebensgeſchichte als zu⸗

verlaͤſſig bekannt iſt.“ ö „Was der Magiſtratsrath und der Ein— ſiedler von Hiermanſor erzählt find alſo N bloſ⸗

6.494.)

bloſſe Mährchen ? fragte der Herzog nach langem Stillſchweigen.

„Nicht doch! (verſetzte der Graf) faſt jeder dieſer Erzaͤhlungen liegt eine wahre

Geſchichte zum Grunde, aber erdichtete Ne— henumſtaͤnde veränderten immer die wahre Ges ſtalt. Indeſſen wurden die erzaͤhlten That⸗ ſachen von Hiermanſorn nur durch Huͤlfe der natuͤrlichen Magie ausgefuͤhrt. „Zum Beyſpiele: Die Befreyung des alten Königs aus dem Schloſſe zu St Zr was hatte es damit fuͤr ein Bewandniß?

„Sie wurde zuverlaͤſſig durch Hierman⸗ |

ſors Liſt, obſchon nicht durch feine Hände allein bewirkt. Die naͤheren Umſtaͤnde ſind mir unbekannt.

„Und Autonio's Le auf dem Kirchhof?

„Halte ich fuͤr ein Werk le En Macht.

„Graf! bey allem, was Ihnen theuer

iſt, bey Hiermanſors Freundſchaft, bey uns ſerer Wiederverſoͤhnung! wofür halten Sie

dieſe Erſcheinung? „Fuͤt eine Wirkung feiner hoͤhern Macht. Der

.

Der Herzog ſtaud auf und faßte des Grafen Hand. „Haben Sie irgend einen Wunſch, den ich befriedigen kann, es koſte, was es wolle, fordern Sie, und ich will ihn erfuͤllen, aber bekennen Sie frey und aufrichtig.

„Ich habe ſchon Brand

„Wenn Sie vielleicht Ihre wahre Ge— ſinnung hier zu eröffnen Bedenken tragen, ſo beſtimmen Sie einen Ort, welchen Sie wollen, und ich gebe Ihnen mein Ehrenwort: Ihr Geheimniß ſoll Niemand auf dieſer Welt erfahren.

„Mein befter Herzog! ich fagte Ihnen in Wahrheit, was ich denke.

„Graf! bey allem, was heilig iſt, bey den Schauern der Ewigkeit! (der Herzog umſchloß ihn mit feinen Armen) bey Ama— liens Schatten! Wofuͤr halten Sie jene Erſcheinung?

„Jene Erſcheinung, halte ich für eine Wirkung Bon Hiermanſors hoͤhern Macht.“ antwortete der Sraf nach einigem Stilfs

ſchweigen.

N 2 Der

( 196.) Der Herzog trat zuruͤck, und als et ihn eine Weile mit ſtarrem Blick betrachtet hatte, ſagte er: Sie ſind mein Gefangener,

wiſſen Sie, daß ich Sie dem Gericht uͤbers

geben kann? „Ich bin in Ihrer Gewalt.

„Wo man Ihnen die Wahrheit nicht 4

durch Bitten abfragen wird. „Auch auf der Folter werde ich mir nicht widerſprechen.“ | Kommen Sie (ſagte der Herzog, nad):

dem er einigemahl ſtumm und nachdenkend

auf und nieder gegangen war,) kommen Sie, noch gebe ich ihnen Bedenkzeit.“

Er führte den Grafen in ein anderes

Zimmer, ws er ihn einſchloß; und kehrte dann zu uns zuruͤck.

„Was ſoll ich mit dem Menſchen thun? (ſagte er) Ihm glauben und die Freyheit ſchen⸗ ken, oder mißtrauend ihn zuruͤckhalten?

Ihn zuruͤckhalten, war meine Antwort, wenn er Ernſt ſieht, wird er ſchon mit der Sprache herausruͤcken.

Das naͤhmliche ſagte 1 Aumbrabo:

Aber |

497: )

Aber unſer Rath wurde nicht befolgt. Als ich ihn am folgenden Morgen beſuchte, war der Graf ſchon freygelaſſen. Die Gas che verhielt ſich alſo: | Abends hatte der Herzog ihn nochmahl beſucht, um bey ihm über Amaliens Lebens geſchichte Erlaͤuterung einzuhohlen; er fragte ihn, ob er in der Erzaͤhlung derſelben immer getreu geweſen, oder vielmehr ein Maͤrchen ſtatt einer Geſchichte vorgetragen habe. Der Graf geſtand freymuͤthig, daß er dabey eben nicht ſehr gewiſſenhaft zu Werk gegangen, daß er in fein Gemälde viele erbichtete Zuͤgeauf⸗ genommen, und ſogar die Hauptbegebenhei— ten durch Beymiſchung falſcher Umſtaͤnde ent— ftellet habe um durch feine abenteuerliche Erzaͤhlung die Stimmung des Herzogs fuͤr das wunderbare zu erhoͤhen, und ihre Ama— lie ſelbſt intereſſanter zu machen. Der Her— zog fragte, wie er einen Betrug wagen konn⸗ te, den ihm die erſte Zuſammenkunft mit der Graͤfinn leicht haͤtte aufdecken koͤnnen. Ich wußte wohl, erwiederte der Graf, daß ſo— wohl Sie als Amalie bey dem zärtlichen Einverſtaͤndniß, welches zwiſchen ihren Her— zen

CB N,

zen waltete, es vermeiden würden, auf eine Erzählung von Begebenheiten zu kommen, wo von ihrem verſtorbenen Gemahl und ihrer Liebe gegen denſelben haͤtte muͤſſen ge— ſprochen werden. Der Herzog fragte, ob nicht der Irlaͤuder mit der Frau von Delier waͤre verſtanden geweſen? Nur in ſofern, verſetzte der Graf, als er ſich derſelben be— diente den Gang der Liebe zu leiten, die ſich zwiſchen Ihnen und Amalien entfponnen hat⸗ te; die naͤheren Beſtimmungen und Beding— ungen, unter denen die Baroneſſe Ihrer wechſelſeitigen Verbindung foͤrderlich ſeyn ſollte, find mir nicht bekannt. Auf die Frage, ob jener wunderbare Zettel, der Amalie von dem Geluͤbde gegen ihren abgeſchiedenen Gat— ten losſagte, ein Kunſtſtuͤck von Hierman— ſors natürlicher Geſchicklichkeit, ober die Wirkung einer hoͤhern Macht geweſen ſey, verſicherte der Graf das letztere. Der Herzog war durch dieſe wiederhohlten Erin— nerungen an Amalie fo weichmuͤthig gewor— den, daß ſeine Thraͤnen zu flieſſen anfingen. Der Graf glaubte dieſe Stimmung des Herz zogs e zu muͤſſen, um feine Loslaſ—⸗ ſung

( 1990)

fung von ihm zu erhalten, und er erhielt ſie. Was haͤtte Amaliens Schwaͤger in dieſen Augenblicken nicht alles von ihm erhalten koͤnnen? | | Alumbrado ſchien über diefen Ausgang nicht weniger unzufrieden als ich. Meine Hoffnung, daß der Graf durch die vollſtaͤn⸗ dige Entdeckung der Gaukeleyen des Irlaͤn— ders deſſen uͤbermenſchliches Anſehen bey dem Herzog vernichten wuͤrde, war nun dahin, indem der Graf gerade das wichtigſte Ge— heimniß, die Erſcheinung Antonio's auf dem Kirchhof, unenthuͤllt gelaſſen hatte. Indeſſen troͤſteten mich doch die zuruͤckgebliebenen Was piere, von denen ich vermuthete, daß ſie dem Herzog darüber einiges Licht geben dürfe ten. Er ſelbſt ſchien dieſe Hoffnung zu naͤh— ren, und obwohl die Papiere zur Haͤlftt vom Feuer verzehrt, zur Hälfte vom Rauch ent» ſtellt waren, ſo ließ er doch den Muth nicht ſinken, und unternahm dieſe muͤhſame Leſe⸗ rey. Wir entfernten uns, um ihn nicht zu ſtoͤren. ö | Am folgenden Morgen kam Alumbrado zu mir mit Vermelden, er habe den Herzog be⸗

( 205 .)

beſuchen wollen, waͤre aber nicht vorgelaſſen worden. Wir ſchloſſen daraus, er muͤſſe mit den Schriften noch nicht im reinen ſeyn. Nach einer Stunde, eben als Alumbrado

gehen wollte, erſchien der Herzog ſelbſt. Mit |

finſterer Miene überreichte. er mir einige Blaͤt⸗ ter, und ſagte: hier it fo viel als ich her— ausbringen konnte, lies und erbaue dich.

„Lieber Getreuer“ fieng ich laut zu Te: ſen an. Der Herzog unterbrach mich: „Es iſt ein Schreiben von der Gemahlinn des vormahligen Herzogs von B, zu einer Zeit, da ſeine Koͤnigswuͤrde noch im Reich der Moͤglichkeit lag; der Surf ift an au manſor gerichtet.

„Lieber Getreuer! ich habe jeden Eurer „Briefe an unſern Geheimſchreiber ſammt „idem Billete geleſen, in dem Ihr ihm von „eurem Vorhaben, Miguel mit dem Einſtedler bekannt zu machen, Nachricht ertheilt. Ich „habe immer Eure Briefe mit Bewunderung „aus der Hand gelegt, allein ich muß geſte⸗ „hen, eben das, was mir einerſeits Bewun— „derung ablockte, floͤßt mir andrerſeits den „Zweifel ein, ob euch nicht mehr um dieſe

„als

*

en

„als bloß um die Eroberung Miguels zu „thun war. Miguel, ſollte ich denken, mode „re auf einem ſicherern, leichtern und kuͤrzern „Weg zu erhalten geweſen, und Ihr wuͤr— „det, wenn Ihr ſolchen eingeſchlagen hattet, „Euch ſelbſt einen groſſen Theil von Zeit und „Mühe haben erſparen koͤnnen. Wozu der „Aufwand von Erfindungen, wozu ſo koſt— „bare, verwickelte, kuͤnſtliche, und ich fuͤge „hinzu, eben darum fo leicht zerbrechliche Ma⸗ „ſchinen, um Miguel zu beſtricken? Eine „folche Maſchinerie iſt immer der Gefahr ein „ner zufälligen Entdeckung ausgeſetzt, wel— „che, wenn ſie eintrifft, leicht dem ganzen „Spiel ein Ende machen kann.“

„Ihr werdet antworten: Wenn er auch „eine ſolche Entdeckung machte, es wuͤrde „nicht viel zu bedeuten haben. Ihr kennt „dieſen Miguel zu gut, ſeyd Euch eurer Ue— „berlegenheit zu wohl bewußt, Ihr habt euch „ihm nun einmahl nothwendig gemacht, mag „immerhin das wunderbare Netz im Rauch „aufgehen, Ihr haltet ihn noch an genug „Ketten, die nicht fo leicht zerreiſſen. Aber „wozu denn gleich anfangs mehr? Wozu

| „Wun⸗

( 802.)

„Wunder und Geiſter? um Miguel in das „Intereſſe unſeres Bundes zu ziehen haͤtte die „Liebesintrigue mit Amalien und der Zauber „Eurer Beredſamkeit hingereicht.“

„Es kann ſeyn, daß ich mich irre, aber „ich begreiffe Euch nicht, wenn ich nicht an⸗ „nehme, daß Euch eine uͤbermuͤthige Thaͤ⸗ „tigkeit getrieben hat, außerordentliche In- „triguen anzulegen und wunberſame Maſchi— „nen ins Spiel zu ſetzen. Das ſieht Leuten „von Euerm Genie gleich. Ihr verſchmaͤht „die gewoͤhnlichen Wege der Alletagsmenſchen, „brecht euch uͤber unerſteigliche Gebirge neue „Pfade, umwindet Euern Mann mit hun⸗ „dert Zauberbanden, und babe eure Luſt zu „ſehen, wie der Gefangene, wenn er Ein „Band zerreiſſen will, ſich nur deſto ſtaͤrker „in die übrigen vetwickelt. Eurem Geiſte „gewaͤhrt der einfache Gang eines Schau— „ſpieles kein Vergnügen, das Schuͤrzen und „Entwickeln groſſer Knoten, das Treiben „kuͤnſtlich zuſammengeſetzter Maſchinen, ſelbſt „Hinderniſſe und Gefahren geben der Wirk—

„ſamkeit Eures Geiſtes Genuß. Vielleicht

„auch war Euch Miguel nur ein Gegen⸗ „ſtand,

(203 )

„ſtand, an dem Ihr Eure Kräfte und Kunſt⸗ „ſtuͤcke verſuchtet, um zu ſehen, wie weit „ihr damit bey wichtigern Gelegenheiten „ausreichen möchtet.‘

„„Doch dem ſey, wie ihm wolle, fo bin „ich mehr euch fuͤr den Eifer Eurer Verwen— „dung zu danken verpflichtet, als die Wahl „Eurer Mittel zu beurtheilen berechtiget. „Vollendet, was Ihr angefangen habt, und „ſeyd meiner immerwährenden Gunſt und. „spthaͤtigen Erkenntlichkeit verſichert.“ | Indeſſen ich gelefen hatte, war der Herz zog mit ſtarken Schritten auf und niederge ee. Jetzt blieb er ſtehen. „Nun Mar— quis! nun Alumbrado! ſagte er, ich ſpiele in dieſem Briefe eben keine glaͤnzende die gur?“

Wir ſchwiegen, denn wir ſahen, daß er heftig bewegt war.

„Man gibt mir die Figur eines Bloͤd— . ſennigen, eines Schwachkopfs, eines alber⸗ nen Jungen. Nicht wahr?

W„Wie du uͤbertreibſt! (ſagte ich) Uner— fahrenheit wird dir in dieſem Briefe zuge— muthet, und das iſts alles.“ |

„08

[ 504 )

80 Marquis I fichft du nicht, in wels chem Tone, mit welcher Geringſchaͤtzung das ſtolze Weib von mir ſpricht!“

„Es iſt ein Weib, das dich verkannt

hat.“ N „Himmel und Erde! und ic ſollte ihre Beleidigung ungeraͤcht erdulden?“

„Herzog! (ſprach Alumbrado) in wel⸗ chem Verhaͤltniſſe ſtanden fie denn mit diefer |

e Ich ſehe den Zuſammenhang der Sache nicht ein.“

Der Herzog klaͤrte ihm dieſen Zuſam⸗ | menhang dadurch auf, daß er den Ans theil offenbarte, den er an der Revolution

hatte.

ſehr aufmerkſam, und ſchien, als ſie ſchon geendigt war, tief in Gedanken verſunken.

„Mein Freund! (ſagte ich zu dem Der: |

Alambraber horchte bey der Erzählung

zog) hier find noch einige beſchriebene Blaͤt⸗

ker

„Es iſt Hiermanſors Antwort auf den vorigen Brief. Lies!“

„Mit nicht geringer Ueber ech finde

„ich in dem Schreiben, womit Eure Durchs

„laucht

{ 205 )

„laucht mich zu beehren die Güte hatten, „mich wegen eines Punktes zur Rechenſchaft aufgefordert, von dem ich wuͤnſchte, daß „er nie wäre beruͤhrt worden. Deun ſo ſehr „deſſen Beruͤhrung dem ſcharfſinnigen und „alles durchdringenden Blick Eurer Durch- „laucht Ehre macht, eben ſo demuͤthigend „it für mich das Geſtaͤndniß, welches mir „dadurch entriſſen wird, und das ich jeder⸗ „mann, nur nicht einer fo erhabenen Auf: „forderinn, auf immer wuͤrde verweigert „haben.“

„Wie ich darauf verfallen bin, Miguel „durch die Kuͤnſte ber natuͤrlichen Magie in „unſern Bund zu ziehen, habe ich in mei „nem zweyten Briefe an Ihren Geheimfchreis „ber ') dargethan, und ich glaube nicht, „daß es noͤthig ſey, den allda angefuͤhrten „Gruͤnden neue hinzuzufuͤgen, wenn Eure „Durchlaucht die Güte haben wollen dieſel⸗ „ben von allen Seiten zu erwägen. Auch „treffen Ihre Vorwuͤrfe nicht ſowohl das iel, des ich gewaͤhlt habe, als die b „Art

> Sieh den zweyten Band S. 262, 263, %

G 4266

„rt feiner Anwendung. „Wozu der Auf⸗

wand von Erfindungen, (heißt es in Ih⸗

„rem Schreiben) wozu fo kostbare, verwi⸗ kelte und kuͤnſtliche Maſchinen um Mi⸗ guel zu beſtricken?“ In Wahrheit! Eua „re Vurchlaucht denken von Migueln zu klein, „„Sein Scharfſtnn ſowohl als feine Kennt⸗ „niſſe erheben ihn weit uͤber die gewoͤhnli—

„chen Menſchen von feinem Alter, fein Vers

„ſtand in der Schule eines Antonio von „“erez gebildet iſt nicht fo leicht zu hinter⸗ „gehen. Und wenn ich es von jeher nur mit

„ihm allein haͤtte zu thun gehabt allein

„ſein Hofmeiſter, der ihm nicht von der Sei— „te wich, ſtand immer in Bereitſchaft die „Zauberbande zu zerſchneiden, womit ich un „zu umfangen bemüht war.“

| „Doch warum ſtehe ich noch länger an, „ganz mit der Sprache herauszuruͤcken. Mein „Anſchlag ging nicht bloß auf Miguel, ſon⸗ „dern auf feinen Hofmeiſter ſelbſt. Dies „ſen durch meine magiſchen Kuͤnſte in un⸗

„ſern Vund zu ziehen war mein geheime

„ſtes, aber angelegentlichſtes Beſtreben. Da— „rum der Aufwand von Erfindungen, darum {y rd

4 207 )

„fo koſtbare und verwickelte Maſchinen. Waͤ⸗ re es mir gelungen ihn zu erobern, fo wäs „re mir Miguel ohnehin gewiß geweſen.“

„Eure Durchlaucht werden fragen, was „mich bewog einen ſo verwegenen Entwurf „anzulegen, und was mir Hoffnung machen „konnte ihn auszufuͤhren? Ich bitte Sie, „folgende Punkte zu erwaͤgen.“

„Graf von *ereg war mir auf meinem „Wege zu Miguel ein unuͤberſteigliches Hin— „derniß. Ich mußte ihn alſo entweder für „unſere Parthey gewinnen, oder auf die Sei- „te räumen. Warum ich das erſtere zu vers „ſuchen mich entſchloß, liegt am Tage, wenn „man den Vortheil erwaͤgt, den ſeine Ero— „berung unſerer Sache haͤtte verſchaffen koͤn— „nen. Dieſer Vortheil waͤre in nichts gerin— „gerem beſtanden, als burch Antonio's Vers „mittlung den R'ſchen Hof in unſer Inte⸗ „reſſe zu ziehen. Antonio war des jetzt re— „gierenden Fuͤrſten in R“, ehe dieſer noch „den Thron beſtieg, fo wie mehrerer Per⸗ „ſonen von hohem Range geliebter Freund. „Durch ihn haͤtten wir alſo zuverlaͤßig er— „warten duͤrfen, die Gunſt eines Hofes zu

ge

\

is gewinnen, welcher, wenn er ſich nicht für zung erklärt, unſer gefaͤhrlichſter Feind were

„den kann. Und ich fuͤrchte, ich fürchte, er

„werde ſich ſchwerlich für uns erklaren.“) „Welch ein Triumph fuͤr mich, wenn „es mir gelungen waͤre dieſen Mann durch „meine magiſchen Operationen mir unters „wuͤrfig zu machen und durch Ein Netz zwey „fuͤr unſer Buͤndniß ſo wichtige Perſonen: „Mig uel und feinen Hofmeiſter zu fangen. „Der Gedanke, mich des letztern gleichfalls „durch Wunder und Geiſter zu bemaͤchtigen, „war zwar kuͤhn, aber nicht unuͤberlegt, wie „et beym erſten Blick ſcheinen buͤrfte. Anz „tonio brachte die fruͤhern Jahre ſeiner Ju— „gend zu R“ in einem Kloſter hin. Ich „wußte zwar, daß er in der Folge durch 1 5 „Welt⸗

) An dem Rande ſteht von der Zand eines Un⸗ genannten geſchrieben: Der Irlaͤnder hat es errathen, denn ſchon ſind zur Zeit, als ich die⸗ ſes ſchreibe, neun Jahre ſeit der Revolution verfloſſen, und noch immer iſt der Koͤnig von Port “** von dem er * ſchen Hofe nicht anerkannt worden.

( 209, )

„Welterfahrung und Selbſtdenken ſeinen Ropf „von den allda eingeſogenen Vorurtheilen ges „,reiniget hat, aber ich wußte auch, daß die „Jugendeindruͤcke nie ganz verloͤſchen, und bey „‚gewwiffen Veranlaſſungen wieder mit Lebhaf— „tigkeit erwachen. Zudem war mir feine Phi⸗ „loſophie als eine ſolche bekannt, die keines- „wegs die Exiſtenz der Geiſter leugnet, und die Hoffnung der Zukunft, welche er immer „mit. Enthuſtasmus vertheidigte, macht uns „nur zu ſehr geneigt Geiſtererſcheinungen, wenn „ſie die Miene der Wahrheit haben, Glau— „ben beyzumeſſen. Selbſt fein Hang zum „Gruͤbeln, fein in ſich zuruͤckgezogenes We- „ſen, fein Intereſſe an uͤberſinnlichen Gegen- „ſtaͤnden, fein melancholiſches Temperament „lieſſen mich bermuthen, daß meine Kuͤnſte „Eingang in ſeinem Herzen finden duͤrften. „Und wenn einmahl das Herz fuͤr etwas „eingenommen iſt, dann iſt anch der Verſtand , meiſtens ſchon zur sälfte gewonnen. Nur „verſteht ſich, daß derjenige, der ihn ganz „gewinnen will, einem hellen gewandten Kos „pfe keine Bloͤße geben darf, und daher

O „muß⸗

(2109

„mußte ich auch die Taͤuſchung auf das aͤnſ⸗ Vſerſte zu treiben ſuchen, ich mußte trachten, „es dem Grafen von "eres unmoͤglich zu ma⸗ „chen meine Blendwerke zu durchſchauen.“

„Eure Durchlaucht ſehen hieraus, daß „ich bey meinem Entwurf, ſo kuͤhn er auch war, doch nicht ohne Rechnung zu Werke „gegangen bin. Daß ich mich verrechnet „hatte, davon ließ ich mich erſt dann uͤber⸗ „zeugen, als der Graf von Ci mit „dem Grafen von *erez in ein engeres Ver „haͤltniß trat, und ſeine naͤhere Bekanntſchaft „machte. Er bath mich einen Entwurf aufe „zugeben, der ſchlechterdings nicht durchzu⸗ „ſetzen waͤre. So ſehr dieß meinen Stolz „kraͤnkte, fo geboth mir doch die Klugheit, „nachzugeben. Jetzt war alſo auf nichts „als ein geſchicktes Mittel zu denken, den „Grafen *eres ohne Verluſt ſeines Lebens „auf die Seite zu ſchaffen, weil ſonſt zn „befuͤrchten ſtand, daß er auch meinen An⸗ „ſchlag auf Miguel duͤrfte ſcheitern machen. „Eure Durchlaucht wiſſen, wie ‚glücklich es „uns gelang, ihn aus dem Wege zu raͤu⸗

amen 110800

E 211)

„Ich ſehe hier dee Frage entgegen, ob „Graf *erez nicht durch irgend ein anderes „Mittel als durch Magie in unſeren Bund „waͤre zu ziehen geweſen? Ich antworte: „durch kein anderes. Miguel haͤtte aller⸗ „dings auf anderen Wegen, aber auf Feis „nem kürzeren, (und hier war an Eile alles „gelegen) in unſer Intereſſe koͤnnen perflsch⸗ „ten werden, aber nicht ſo ſein Hofmeiſter. „Dieſer iſt mit unerſchuͤtterlicher Treue dem „Könige von "en zugethan, weil er es für „ſeine Pflicht haͤlt ihm ergeben zu ſeyn „und ein fuͤnfzigjaͤhriger Mann mit ſo feſten „Grundſaͤtzen iſt von dem, was er fuͤr Pflicht „haͤlt, nicht eher abzubringen, als bis es „ihm Pflicht zu ſeyn aufhört. Welcher ir „diſchen Macht aber koͤnnte ein ſolcher Kopf „die Loszaͤhlung von einer Pflicht zutrauen? „Hier muͤſſen uͤberirdiſche Maͤchte auftreten „und ihn losbinden, Weſen aus der ande— „ren Welt muͤſſen als Buͤrgen erſcheinen.“

„Ich kann es kaum für meine Schuld „halten, daß ich dieſen Plan nicht durch „ſetzte, denn ich habe alle Mittel aufgebo— then ihm meine Wunder und Geiſter wahr— f O 2 „ſchein⸗

(212 4

stcheinlid zu machen. Eben dieß hat mich „andererſeits in eine unangenehme Nothwen⸗ „digkeit verſtrickt. Ich muß nun Miguel,

„dem ſogar meine hoͤhern Kunſtwerke durch

„ſeinen Hofmeiſter ſind verdaͤchtig gemacht „worden, durch eine noch geſpanntere An-

„ſtrengung meiner Kräfte auf dem eingefchlas

„genen Wege zu erhalten ſuchen, ich muß

„vielleicht um den unſtaͤten immer abſeit—

„waͤrts ſtrebenden Juͤngling zu fixiren etwas „ganz auſſerordentliches leiſten. Und ſo „glaube ich denn die Frage: woͤzu der Auf— „wand von Erfindungen, wozu ſo koſtbare, „verwickelte und kuͤnſtliche Maſchinen! Hinz „laͤnglich beantwortet zu haben.“

„Warum ich aber meinen Anſchlag auf

„Miguels Hofmeiſter ſo geheim hielt? „Um, falls er mir gelaͤnge, alle Verbuͤnde—

„ten beſto angenehmer mit der glaͤnzenden

„Eroberung zu uͤberraſchen, oder falls er „mir mißlaͤnge, mir bie Demuͤthigung etz „was uͤber meine Kraͤfte verſucht zu haben „„zu erſparen. Ich hoffe, daß Euere Durch- ylaucht die e meines Bekenntniſ⸗

| nee \

(6 213 9

„es mit einer ewigen Geheimhaltung defe „ſelben belohnen werden.“

Ich gab dem Herzog den Brief lutück. ö Langes Stillſchweigen auf allen Seiten. Er brach es zuerſt:

„Mein Freund! du kennſt meine Ge⸗ ſchichte mit dieſem Irlaͤnder was denkſt du von ihm?“ |

„Wie kannſt du nach allen Aufſchluͤſſen, die wir bereits von ihm haben, noch 0 Frage thun?“

„Ich Bu fe von dir eo ha⸗ ben.“

„Ich denke (ſagte ich in einem patheti⸗ ſchen Tone) kdieſer Irlaͤnder iſt ein übers menfchliches Weſen.“

„Spotte, wie du willſt ich finde dennoch etwas unerforſchliches in ihm.“

„Mein lieber Herzog! was von dem Irlaͤnder zu halten iſt, das weiß ich, aber was ich von dir denken ſoll, weiß ich kaum.“ „Dir mißfaͤllt meine Geſchichte mit die⸗ ſem Menſchen?“ ee mißfälle mir recht för 1

O 3 805

(2140

„Sag es nur immerhin frey heraus,

was du auf dem Herzen haſt, es druͤckt dich ohnehin ſchon lange, wie ich merke.“

„Du warſt krank, und ich wollte u ſchonen.“

„Ich will keine Schonung bieſer Att.

Sprich!“ „Ein andermahl, mein Freund! ein andermahl.“ „Keinen Aufſchub. Alumbrado weiß meine

Geſchichte, und mag alſo auch hoͤren, was

du mir daruͤber zu ſagen haft.

„Du forderſt mich auf, und ſo muß ich die den meinen Unwillen kund thun, den Unwillen, der mich bey dem Gedanken er⸗ greift, daß der Menſch, welcher ſo verwe⸗ gen war, mit deinem Verſtande ſein Spiel zu treiben, den Triumph genoß dich am

Gaͤngelbande dahin zu fuͤhren, wo er dich

haben wollte. Ich freue mich, daß du ihm ſeine magiſche Arbeit ſauer machteſt, ich freue mich des Widerſtandes, den du feinen Anz griffen entgegenſetzteſt, aber es ärgert mich in die Seele, daß er dich fo unredlich und 1 Ainerlſdis bekaͤmpfte. Ich laſſe dir die Ges | tech⸗

| (‚=215.-) rechtigkeit widerfahreg, daß ber Betrug, dem dein Scharfſinn unterlag, ungeheuer war, aber es wurmt mich, daß es dem Manne, den du ſchon als einen falſchen Spieler er: kannt hatteſt, gelang nochmahls mit dir zu ſpielen.“

„Du denkſt alſo, daß mich der Irlaͤnder zuletzt nicht minder hinterging als anfangs?“

„Ich halte es für ausgemacht. /

„Daß ſeine ganze geheime Weisheit nur in Taſchenſpielerkuͤnſten beſtehe.“

„In natürlichen Kuͤnſten allerley Art. 7

„Durch welche natuͤrliche Kunſt haͤtte er denn die Erſcheinung des Antonio auf dem Kirchhof bewirkt?“

„Das weiß ich nicht, aber wir Hätten es wahrſcheinlich durch den Grafen erfah— ren, wenn er nicht ſo ſchnell entkommen wäre.’

8 „Gut, daß du mich an den Grafen er⸗ innerſt. Warum hielt er ungeachtet meiner Bitten und Drohungen mit der Erklarung jener Begebenheit zuruͤck, und gab ſie fuͤr das Werk einer hoͤhern Macht aus, da er boch ſelbſt alle übrigen Werke des Irlaͤnders fuͤr

(216

für Taͤuſchungen erkloͤrte. Wozu ſollte er, nachdem die Revolutlon bereits vorüber und folglich der Entzweck erreicht iſt, mich noch laͤnger zu hintergehen ſuchen?“

„Hat er nicht eingeſtanden, daß er im Dienſte des Irlaͤnders ſtehe? weiß man, wel: che Aufträge er von ihm hat? War der ges heimnißvolle Schleyer, den der Graf uͤber jene Begebenheit deckte, nicht das einzige Mittel ſeinen Herrn und Meiſter noch bey einigem Anſehen zu erhalten? Wer weiß, was er gebeichtet haͤtte, haͤtteſt du Ernſt gezeigt deine Drohungen zu erfuͤllen.“

„Es war Schwaͤche und Voreiligkeit ihn ſo ſchnell freyzulaſſen, ich geſtehe es.“ „Im Grunde iſt wenig daran gelegen.

Was koͤnnteſt du auch auf die Ausſagen ei⸗

nes Mannes bauen, der dich vormals mit ſolcher Dreiſtigkeit hintergangen hat? Und wie? wenn ich dir zeige, er habe nn auch das letztemahl belogen.“ | „Du ſetzeſt mich in Erſtaunen.“ „Erinnerſt du dich nicht, daß er jene

Begebenheit mit dem Zettel, durch den Amas

lie von dem Eyde gegen ihren verſtorbenen

Ges

(2237: ,)

Gemahl losgebunden wurde, Hiermanſors höherer Macht zuſchrieb ?“

„Nicht bloß der Graf, Hiermanſor ſelbſt f machte mich dieſes glauben.“

„So haben dich beyde belogen.“

„Mein Freund! wie wirſt du dieſes be weiſen?“

„Dadurch, daß ich jenes Wunder für ein Taſchenſpielerſtuͤckchen erkläre.

„Du ſpannſt meine Erwarkung aufs hoͤchſte.“

Ich habe das Kunſtſtück von einem hier durchreiſenden Taſchenſpieler gelernt, und es hf ſicher das naͤmliche, deſſen ſich der Irlaͤnder bediente. Er gab Amalien ein weiſ— ſes Blatt Papier, und ließ ſie oben die Frage an ihren verſtorbenen Gatten ſchreiben. Hier mußt du drey Dinge bemerken, erſtens, daß er es war, der das Papier hergab, zwey— tens, daß er die Frage obenan ſchreiben ließ, und drittens, daß er ihr die Frage ſelbſt in die Feder ſagte. Alsdann legte er das Blatt ‚auf den Tiſch, raͤucherte die Stube ſtark mit einem ſelbſtverfertigten Raͤucherwerk, und befahl der Graͤfinn erſt des Morgens früh = | das

( 218 ) das Papier zu beſehen. Es war ſehr natüͤr⸗

lich, daß fie unten auf der Blatte die Antworr

fand, welche ſchon Abends vorher mit unſicht⸗ bar ſympathetiſcher Diute darauf geſchrieben ſtand, aber erſt in der Nacht durch den Rauch leferlich gemacht wurde. Vermuthlich hatte ſie der Sraf geſchrieben, der ſeines Bruders Hand nachzuahmen wußte.“

Der Herzog ſah mich lange mit ſtummer Verwunderung an endlich ſchlug er freu⸗ dig feine Hände zuſammen und rief: „Mein Freund! welches Licht haft du mir anges zuͤndet!“

„Ein Licht (verſetzte ich) bey dem bu Ä hinglaͤnglich ſehen kannſt, wie unendlich der

Irlaͤnder und der Graf bis ans Ende mit

dir umgegangen ſind. Sie ſuchten dir weiß zu machen, daß fie dich anfangs bloß zur Prüs fung getaͤuſcht hatten, ſeit Pileski's Ent⸗ deckung aber dich mit baarer Wahrheit bes dienten. Du armer Betrogener! man un

gab dich immerfort mit Luͤgen und Blend⸗ Ä

werken der Unterſchied liegt nur darin, daß die letzteren feiner als die erſtern waren.

„Die

(4219 ,)

„Die Erſcheinung auf dem Kirchhof ik demnach eben ſo gut ein Gauckelſpiel ge⸗ weſen als die Begebenheit mit dem Wun⸗ derzettel?“ | „Ja! und nach allen Regeln muß ich mit Ja antworten. Wenn ich jemanden ein⸗ mahl auf Betrug ertappe, ſo darf ich mit Recht ſchlieſſen, er habe mich ſchon oͤfters betrogen; wenn ich aber uͤberzeugt bin, daß mich jemand ſo oftmahl betrogen hat, ſo muß ich mit vollem Rechte ſchlieſſen, ich ſey von ihm auch das letztemahl betrogen worden.“ ü „Du haͤlſt eine aͤchte Geißeln für unmoͤglich?“ | „Wie koͤmmſt du darauf? 2 die Frage iſt hier nur: ob der Irlaͤnder, oder irgend

ein Menſch eine ſolche Keſcheinung bewirken

kann?“ „Du willſt meiner Frage ausweichen 2“ „„In Wahrheit nicht.“ | „So antworte, haͤlſt du Gafaaſhe. | nungen, für möglich 7“

„Sage

( 220 )

„Sage mir, iſt deine Frage nicht mit

folgender gleichlautend: Sind wir Menſchen faͤhig Geiſter zu ſehen?“

„Allerdings.“ ö

„So antworte ich mit Nein.“

„Du laͤugneſt alſs allen Menſchen ſchlech⸗ kerdings dieſe Faͤhigkeit ab?“

„Und mit Recht. Wir koͤnnen nur ſol⸗ che Dinge, die ein Bild auf bie Netzhaut unſers Auges werfen, folglich nur ausge— dehnte Dinge ſehen, ein Geiſt hat keine Aus dehnung, folglich können wir ihn nicht ſehen.“ 5

„Du machſt es kurz.“

„Mein Beweis iſt buͤndig.“

„Du haſt aber nichts weiter bewieſen, als daß wir keine puren Geiſter ſehen koͤnnen. Die Faͤhigkeit Geiſter in einer koͤrperlichen Huͤlle zu ſehen bleibt uns unbenommen.“

„Und ich gebe fie mit beyden Händen zu, denn Die tägliche Erfahrung beſtaͤtiget ſie. Ich ſehe Menſchen, folglich ſehe ich Geiſter in einer körperlichen Zülle.

„Du ſuchſt mir durch eine Wendung zu entſchluoͤp fen, aber das ſollſt du nicht. Du llauͤumſt

( 221 9 raͤumſt alſo ein, daß, wir Geiſter in einer foͤrperlichen Hülle ſehen koͤnnen?

„Was wir feben, iſt immer nur dis koͤrperliche Huͤlle, ob dieſe von einem Geiſte bewohnt werde, muͤſſen wir erſt aus andern Merkmahlen und Umſtaͤnden ſchlieſſen. Ueber⸗ haupt koͤmmt in dem ganzen Gebiethe unfes rer ſinnlichen Erkenntniß kein Weſen vor, das unſerer Idee von einem Geiſte entſpricht, dieſe Idee iſt bloß durch Vernunftſchlüſſe hervorgebracht, und daher kann ein Geiſt nie ein Gegenſtand unſerer Anſchauung werden.

„Sonderbar! (verſetzte der Herzog, in— dem er den Kopf ſchuͤttelte) der Irlaͤnder ſagte ungefaͤhr das naͤhmliche, und dennoch fand er einen Weg aus, mir die Moͤglichkeit der Geiſtererſcheinungen zu beweiſen.)

„Ich habe dieſen Beweis geleſen, er iſt aus der Dialetik hergehohlt. Schon dieſer Umſtand haͤtte dir ihn verdaͤchtig machen ſollen. Oder biſt du denn in befagter Wiffen = ſchaft ein a Neuling, der nicht weiß,

| wels

9 Sieh Seite 49.

CA welche unendliche Geſchmeidigkeit ſie hat ſich

allen Meynungen aupaſſen zu laſſen. Sos⸗

wohl die Philoſophen, welche alle Weſen

des ganzen Weltalls fuͤr Geiſter halten, als

auch diejenigen, welche das Daſeyn der Gei⸗

ſter laͤugnen, ſchoͤpfen ihre Beweiſe aus ei⸗

ner und derſelben Quelle: der Dialetik. Was für eine Ungereimtheit gibt es doch, die nicht mit einer bodenloſen Weltweisheit koͤnn⸗ te in Uebereinſtimmung gebracht werden. „Du gehſt zu weit. Der Irlaͤnder ſtellte unſtreitig mehrere Saͤtze auf, die ſich durch

ihre Evidenz als Wahrheit aufdringen.“

„Das laͤugne ich nicht. Aber es gehoͤrt

viel philoſophiſcher Scharfſinn, ein geuͤbter feſter Blick dazu, um das wahre und fal⸗ ſche, welches ſeine Behauptungen in einem ſonderbaren Gemiſch enthalten, auseinander zu wickeln. Man fuͤhlt wohl oft das uns richtige ſophiſtiſcher Spitzfindigkeiten, und

iſt doch nicht im Stande ſie zu widerlegen.

„Ich moͤchte nur wiſſen, was du gegen

die Lehre des Irlaͤnders von der Möglichkeit

der Geiſtererſcheinungen BE eee 5

den Halt „Da⸗

* (1 223: }

„Dazu wird voresft. nöthig ſeyn, daß ich ſeine Lehre ins kurze zuſammenfaſſe. Wenn ein Geiſt behauptet der Irlaͤnder auf den meinigen wirkt, ſo iſt er mir gegen— waͤrtig. Waͤre ich ein bloß vernuͤnftiges We⸗ ſen, ſo wuͤrde ich mich damit begnuͤgen, mir die Gegenwart des Geiſtes außer mir zu denken, allein da ich vermoͤge meiner Natur auch ein ſinnliches Weſen bin, fo ſtellt ſich meine Phantaſie den Gegenſtand, welchen mein Verſtand denkt, ſinnlich, das

heiſt: unter einem Bilde vor. Die Gegen:

wart eines Geiſtes ſetzt daher mittelſt des obern Erkenntnißvermoͤgens, mein unteres in Thaͤtigkeit, ich denke ihn nicht bloß auſſer mir, ich nehme auch auſſer mir eine ihm entſprechende Geſtalt wahr, ich faſſe nicht bloß die Gedanken, die er mir einfloͤßt, auf, ich kleide ſie auch in Worte ein. Kurz ich ſehe den Geiſt, ich hoͤre ihn ſprechen. Mein Freund! glaubſt du, daß ich die Lehre des Irlaͤnders begriffen habe? : „Vollkommen.“

„Die Geſtalt, in der ich einen Geiſt febe-

iſt alſo nichts wirkliches, ſondern nur ein Werk

Ruhr

*

( 224 )

Werk meiner ſinnlichen ce e 7 meiner Phantaſtie. „Richtig.

„Folglich liegt beym Seißerfehen nad eine geiftige Einwirkung zum Grunde, die aber nach Willkuͤhr unſerer Einbildungskraft gea formt und gemodelt wird. Bey jeder Gei⸗ ſtererſcheinung waͤre daher Wahrheit mit Schein untermengt, und unſere Erziehungs- begrieffe, alle in der Kindheit eingeſogenen Vorurtheile wuͤrden dabey eine wichtige Rolle ſpielen?

„Ich ſehe ſchon, wo du hinzieleſt.“

„So ſage mir denn, was koͤnnte uns

die Gabe Geiſter zu ſehen nuͤtzen, da die geiſtige Wirkung nothwendig in das Hirn⸗ geſpinnſt der Einbildung ſo genau wuͤrde verwebt werden, daß es unmoͤglich ſeyn muͤß⸗

te das wahre von den groben Blendwerken,

die es umgeben, zu unterſcheiden?“

Der Herzog ſtand nachdenkend ohne zr |

antworten. Ich fuhr fort:

„Siehſt du nicht, daß auf ſolche Art

dem Aberglauben Thor und Thuͤre geöffnet würde, indem man bey der abgefihmacktes ſten

(225. 3

ſten Taͤuſchung der Ahantafi doch immer für moͤglich annehmen muͤſte, daß eine gets ſtige Einwirkung zu Grunde liege?

Der Herzog ſprach noch immer nicht. Ich fuhr fort:

„Und ſiehſt du nicht ein, daß man eis nen Geiſterſeher von einem Wahnſinnigen nicht wuͤrde unterſcheiden koͤnnen?“

Der Herzog fuhr auf: „Was? von eis nem Wahnſinnigen?“

„Allerdings. Das Eigenthümliche des Wahnſinns beſteht darin, daß man bloſſe Objekte ſeiner Einbildung auſſer ſich verſetzt, und fuͤr wirklich gegenwaͤrtige Dinge anſieht. Daran iſt die Verziehung der Hirngefäße ſchuld, die aus ihrem Gleichgewichte ge— bracht ‚find. Dieſe Störung des Gleichge— wichtes kann durch Nervenſchwaͤche, oder durch ein zu ſtarkes Andringen des Blutes gegen den Kopf bewirkt werden, und dann erſcheinen ſelbſt beym Wachen bloſſe Bilder g der Phantaſie als wirkliche Gegenſtaͤnde aufs

ſer uns. Wenn auch ein ſolches Bild ans

fangs nur ſchwach waͤre, ſo wuͤrde doch die Beſtuͤrzung über eine Erſcheinung, welche N 3 nach

( 226)

nach der natürlichen Ordnung der Dinge niche vorgehen ſollte, bald die Aufmerkfämkeit res ge machen, und der Scheinemfindung eine ſolche Lebhaftigkeit geben, die den getaͤuſch— ten Menſchen an der Wahrheit derſelben nicht zweifeln lieſſe. Es iſt daher kein Wunder, wenn der Phantaſt manches ſehr deutlich zu ſehen und zu hören glaubt, was Niemand auſſer ihm wahrnimmt, oder wenn ſolche Hirngeſpinſte ihn ploͤtzlich erſcheinen, und verſchwinden, oder wenn ſie bloß Einem Sinne, dem Geſichte vorgaukeln, ohne durch einen andern Sinn, zum Beyſpiel das Ges fühl empfunden zu werden, und daher durch- dringlich ſcheinen. Die Krankheit des Phans kfaſten betrift nicht unmittelbar den Verſtand ſondern die Taͤuſchung der Sinne, daher der Ungluͤckliche feine Verblendung durch kei⸗ ne Vernunftgruͤnde heben kann, weil die wahre oder ſcheinbare Empfindung der Sin⸗ ne ſelbſt vor allem Urtheil des Verſtandes vorhergehet, und eine unmittelbare Evi⸗ denz hat, die jede Ueberlegung weit uͤber⸗ ſteigt. Ich kann es alſo keinem Menſchen verdenken, der die Selſeeehee anſtatt ſie fuͤr

(227 )

fie Halbbuͤrger der andern Welt anzuſehen, kurz und gut als Kandidaten des Hoſpitals abfertiget.“

„Marquis! Marquis! (ſagte der Here zog laͤchelnd) du ſpieleſt den Geiſterſehern übel mit. Ich würde fie dir ganz preisge⸗ ben, wenn mir nicht der Irlaͤnder die Mit⸗ theilung eines Kennzeichens verſprochen bäfa te, burch welches man wirkliche Geiſterer— ſcheinungen von leeren Blendwerken der Ein⸗ bildung mit Zuverlaͤßigkeit unterfcheideng ann.

„Schade, daß er es dir nur verſprochen hat, denn er wird es damit, wie mit ſeinen uͤbrigen Verheiſſungen halten, derer Erfuͤllung er immer ſchuldig bleibt.“

„Wir wollen ſehen.“

„Auch dann noch, wenn ich dir ewe fe, daß er kein ſolches Kennzeichen offenba— ren kann?“

„Wenn du dieſes zu beweiſen vermöd)a teſt

„das iſt nicht ſchwer. Das Kennzeichen eine achte Geiſtererſcheinung von einer bloſ⸗ ſen Taͤuſchung zu unterſcheiden muͤßte entwe⸗ der ein zuſſeres ober ein inneres Kennzeichen

* 2 len,

R (228)

ſeyn, das heißt: bs muͤßteſt bey einer Er⸗

ſcheinung entweder aus dem, was deine Sinne wahrnehmen, oder aus dem, was in deiner Seele vorgeht, die Gegenwart des Geiſtes unfehlbar zu erkennen im ſtande ſeyn. Nicht wahr?“ f

„Noch ſicherer wuͤrbe es en wenn

beyde Kennzeichen zugleich eintreffen.“ „Waͤre nur eines von beyden möglich, ſo wollte ich dir gewonnen Spiel geben.

Aber du wirſt gleich ſehen, wie es um dieſe

Kennzeichen ſteht. Alles was du bey einer

Erſcheinung mit deinen Sinnen wahrnimmſt oder wahrzunehmen glaubſt, ſind entweder wirkliche Gegeuſtaͤnde materieller Art, wo⸗

mit dich vielleicht ein Betruͤger, vielleicht die in ihren Wirkungen unerſchoͤpfliche Natur, vielleicht ein Zuſammentreffen ſonderbarer Umftände uͤberraſcht oder es find nur

ſcheinbare Gegenſtaͤnde, die deine ſtarkbeweg⸗ te Einbildungskraft dir vorſpiegelt, niemahls

aber kann das, was du mit den Sinnen

wahrnimmſt, der Geiſt ſelbſt ſeyn, denn bier ſer iſt ein unkoͤrperliches Weſen, und kann alſo weder geſehen, noch gehört, uoch ges

fuͤhlt,

6 229 )

fuͤhlt werden. Folglich gibt es kein aͤuſſe⸗ res Kennzeichen von der Aechtheit einer Gei⸗ ſtererſcheinung.“ „Das iſt, daͤucht mir, unumftsßlic be⸗

wieſen.“ | „Aber vielleicht gibt es ein innerg Kenn— zeichen? Um dieſes zu erforſchen muͤſſen wir darauf Ruͤckſicht nehmen, was bey einer Er— ſcheinung in der Seele des Menſchen vorgeht. Das erſte iſt die lebhafte Vorſtellung von der Gegenwart eines Geiſtes, die Empfindung des Schreckens, des Erſtaunens, der Ehr— furcht, allein dieſe Vorſtellung und Em⸗ pfindung koͤnnen die bloße Folge eines un— gewoͤhnlichen und doch natuͤrlichen aͤuſſern

Eindruckes, oder einer fieberhaften Einbil— dung ſeyn, und ſichern uns alſo keineswegs die wirkliche Gegenwart eines Geiſtes zu— Doch vielleicht wird uns dieſe durch das Ent— ſtehen gewiſſer auſſerordentlicher Begriffe,

GSefuͤhle, Erkenntniſſe verbuͤrgt? Nein! denn

um zu wiſſen, daß ſie durch die Einwirkung

eines Geiſtes in uns ſind hervorgebracht wor—

den, muͤßte man uͤberzeugt ſeyn, daß ſie

nicht nataͤrlicher Weiſe in unſerer Seele ha- ben

( 230 )

ben entſtehen koͤnnen. 4 In dieſem Falle muͤß⸗ ten [wir den ganzen Vorrath unſerer klaren und dunkeln Vorſtellungen, alle Beziehungen, worin ſie gegen einander ſtehen, alle moͤgli— chen Zuſam nenſetzungen, welche die Ein— bildungskraft damit vorzunehmen vermag, kennen, was nur der Allwiſſenheit allein vors behalten iſt. Geſchieht es doch manchmahl im Traume, daß wir die wunderſamſten Er⸗ ſcheinungen haben, die buͤndigſten Vernunfte ſchluͤſſe machen, neue Wahrheiten entdecken, Dinge vorherſagen, die in der Folge wirk— lich eintreffen, warum ſollte die naͤhmliche Seelenkraft, welche in unſeren Traͤumen ſo erſtaunliche Wirkungen hervorbringt, uns

nicht auch manchmahl im Wachen, wenn ſie in eine heftige Bewegung geräth, mit aͤhn— lichen Operationen uͤberraſchen? Kurz! mein“

Freund! es fehlt an einem innern Wahrzei⸗ chen ſo gut als an einem aͤuſſern, um uns von der Aechtheit einer Geiſtererſcheinung zu uͤberzeugen.“

„O Ounzulaͤnglichkeit der menschlichen Ver⸗ nunft! (rief hier der Herzog jammernd aus) zweydeutiges Vermögen, durch das wir uns

er | ber

2319

der Gottheit ähnlich waͤhnen, und das uns doch weit unſtcherer als der Inſtinkt die Thiere leitet! Noch vor kurzem hielt ich es der Vernunft gemaͤß an Geiſtererſcheinungen zu glauben, jetzt ſehe ich das Gegentheil ein. Deine Gruͤnde haben eingeriſſen, was bie des Irlaͤnders aufgebaut haben. Und ſo werde ich immer von einer Ueberzeugung zu einer entgegengeſetzten hingetrieben. Wo fin— de ich denn endlich jenen feſten Punkt, auf dem ich unbeweglich ruhe? O gluͤcklich der— jenige, wer von dem regen Triebe des Den— kens und Forſchens frey mit kindlicher Ein— falt in den Armen des Glaubens liegt.“

Ich ſtand noch erſtaunt uͤber die Rede des Herzogs, als Alumbrado nach einer kur— zen Pauſe zu mir ſagte: „ie erklaͤren alſo den Glauben an Gei— ſtererſcheinungen fuͤr unvernuͤnftig?“

„Ein Glaube, ber keinen zureichenden Grund hat, iſt unvernuͤnftig.“

„Eine Erſcheinung mag alſo beſchaffen ſeyn, wie ſie will

„So werde ic) fie für Taͤuſchung halten, deren Quelle entweder auſſer mir in einer a ver⸗

( 232 )

verborgen: 1 natürlichen Urſache, oder in mei⸗

ner Einbilbung ſelbſt ! oder in bepden ee

liegt.“

„Noch eine Frage beanttlorke mir (fans

te der Herzog) was haͤltſt du von Hierman⸗ ſors geheimer Weisheit, die er bey den Wi manen gehohlt haben ſoll?““

„Daß ſie in einer tiefen Kenntniß ber

Phyſik und Naturgeſchichte beſtehe.“

„und die hoͤhere Macht, deren er ch

ruͤhmt „Beſteht in einer geſchickten Shoe jener Kenntniſſe.“

Der Herzog ſchwieg eine e Weile: „Eine

Macht, weſche die Kraͤfte der Natur übers

ſteigt, waͤre alſo eine a Anmaſ⸗

fung?” Ich laͤchelte. „Sie glauben wohl auch an die Sg

lichkeit der Wunder nicht?“ ſagte Alumbras

do mit ſchrecklichem Blick, den er aber nz gleich wieder verſuͤßte.

„Ich bin von der Moͤglickkeit ber Wun⸗ der uͤberzeugt, (war meine Antwort) denn

es u von ſelbſt ein, daß Gott als Ur⸗

heber

f

6 233.) 3

heber der Naturgeſetze Ge Ändern und aufhe⸗ ben kann, aber das kann nur der Urheber ein Menſch iſt folglich nicht imſtande Wun⸗ der zu wirken.

„Aber Menſchen koͤnnen doch Werkteu⸗ ge ſeyn, (fuhr Alumbrado freundlich fort) deren ſich Gott zur Ausfuͤhrung ſeiner Wun⸗ der bedient?“ |

Allerdings! nur keine ſolchen, wie det Irlaͤnder. Eines Menſchen, der Scheinwun⸗ der für aͤchte verkauft, mit Lügen und Trag umgeht, wird ſich die ewige Wahrheit und Heiligkeit nie als eines unmittelbaren Werk⸗ zeuges bedienen.

„Welcher Sterbliche iſt ohne Fehler? (ſagte der Herzog) du denkſt von dem Ir⸗ länder zu übel und zu klein. Er taͤuſchte mich nicht aus Bosheit oder Eigennutz, ſon⸗ dern eines gerechten edlen Endzweckes wil⸗ len.“

„Handlungen, die an ſich unſtttlich find, wie Trug und Lüge, koͤnnen durch die Ge⸗ rechtigkeit ihres Zwecks nicht ſittlich werden, und ein Organ der Gottheit kann ſie nicht

als Mittel gebrauchen. Aber mein Freund! f wenn

(ey) wenn du die Beförderung, der Revolution fur eine gerechte edle Sache hieltſt, warum muß⸗ te denn der Irlaͤnder alle ſeine Kuͤnſte auf⸗ biethen um dich dazu zu bewegen?“

Die Blicke des Herzogs wandten ſich

von mir weg, und weilten auf dem Voden.

Alumbrado empfahl ſich und ging. Der Ders

zog ſtand noch verwirrt und ſtumm. Ich ergriff ſeine Hand. .

„Es war nicht mein Wille (ſugte ich) mich in Alumbrado's Gegenwart uͤber deine

Geſchichte mit dem Irlaͤnder zu erklaͤren, du

ſelbſt haſt mich dazu gezwungen. Da ich nun einmahl ſprechen mußte, ſo mußte ich auch freymuͤthig ſprechen.

„„Ich danke dir dafür.“

„Dein Eigenſinn und meine Freymuͤ⸗ thigfeit dürften mir etwas . zu ſtehen kommen.“

„Wie ſo?“

„Sie koſten mir vielleicht Freyheit und |

Leben.“ „Vas iſt dir, was haſt du denn 2“

„Ich habe mich wider den Glauben an

N erklaͤrt, und wer ſteht mir

225

mir dafuͤr, daß Alumbrabo nicht jetzt auf dem Weg iſt, mich bey dem Juquiſttiensge⸗ richte zu verklagen?

„Erwacht dein alter Verdacht gegen ihn ſchon wieder? Sey unbeſorgt und hoͤre endlich einmahl auf, ungerecht von einem Menſchen zu urtheilen, dem du nichts vor— zuwerfen haſt, als ein Geſicht, das dir mißfaͤllt.“

„Du bemerkteſt den toͤdtlichen Blick nicht, der ihm gegen mich entfuhr. O mein Theu— rer! es ergehe uͤber mich, was da wolle, ich dulde es gern, wenn es mir nur gelungen iſt, dich von deinen Verirrungen zuruͤckzufuͤh— ren.“

„Habe Dank für deine Liebe aber faſt fürchte ich, daß ich zu den Ungluͤcklichen ge— höre, von denen du ſagteſt, daß fir ihre Ver: blendung durch keine Vernunftgruͤnde heben koͤnnen. Ich fühle es, die ſinnliche Empfta— dung hat eine unmittelbare Evidenz, der jee de Ueberzeugung des Verſtandes weichen muß, das fuͤhle ich, fo oft ich an die Erfcheis nung auf dem Kirchhof denke.“

Du

93.

n „Du blickſt mich mitleidig an, (fuhr

der Herzog fort.) Ich verſtehe dich. Aber

hätteft du geſehen, was ich ſah

„Daun würde ich (war meine Antwort) über die Feinheit des Blendwerks, und uͤber die Kunſt des Irlaͤnders, der es hervorbrach⸗ te, erſtaunt ſeyn. Das gebe ich zu.“

„Noch mehr! du wuͤrdeſt eben ſo wenig

als ich begreiffen, wie es natuͤrlich herging.

„Auch das raͤume ich ein. Aber darum, weil ich nicht begreiffe, wie etwas natuͤrlich hergeht, ſchlieſſe ich noch keineswegs, daß es nicht natuͤrlich hergehe. Es gab eine Zeit,

wo du auch die Geiſtererſcheinung in Amaliens

Hauſe nicht fuͤr natuͤrlich hieltſt, und ſie war es dennoch. Wer wird ſo kindiſch ſtolz ſeyn, ſeine Faſſungskraft fuͤr den Maßſtab der Na⸗ turkraͤfte, und feine Kenntniſſe für die Gren⸗ zen der menſchlichen Kunſt zu halten? Indeſſen hat die Erſcheinung auf dem Kirch⸗ hof auch als Kunſtwerk betrachtet einige Maͤn⸗

gel, die der Urheber krotz ſeiner Geſchicklich⸗

kit nicht wegzutilgen vermochte, und die in

den Augen des kaͤltern Beobachters die Illu⸗

ſion bald zerſtoͤren duͤrften. Der Irlaͤnder wußs

N ET Te a ne =;

| |

(: 237°...)

wußte dem Phantom nicht die Sprache dei⸗ nes alten Freundes zu geben, ſo gut er auch

deſſen uͤbrige Zuͤge nachzuahmen verſtand.

Daß die Geſtalt weder Auge, noch Mund,

noch irgend ein Glied bewegte, ich gleich—

falls ein bedenklicher Umſtand, der von den Schranken des Künftlers zeugt. Der be—

denklichſte Umſtand aber, den man gege n die Wahrhaftigkeit der Erſcheinung anfuͤhren kann, iſt unſtreitig dieſer, daß dein alter Freund ſelbſt nichts von allen dem gewußt zu haben ſcheint, was vorgeblich fein Geist, alſo ſein eigentliches Ich dir auf dem Kirchhof vortrug; denn haͤtte er etwas davon ge— wußt, ſo wuͤrde er es nicht dem Prinzen von 3 *, in deſſen Armen er ſtarb, am aller wenigſten dir in ſeinem Abſchiedsſchreiben verheimlichet haben. Deſto merkwuͤrdiger

aber iſt, was er dem Prinzen von ſeinem Ebenbild erzaͤhlte, das man waͤhrend ſeiner

Verhaftung aus Holz geſchnitzet hat, und deſſen ſich wohl der Irlaͤnder bey ſeinem Blendwerk auf irgend eine Art bedient ha⸗ hen mag.“

Der

( 238 ) Der Herzog ſtatecte mich an, wie einer,

der einem tiefen Geheimniſſe auf die Spur

zu kommen glaubt. Marquis! (ſagte er endlich) mir iſt, als ob Schuppen von mei: nen Augen fielen. Aber dennoch iſt mein un— gewohnter Blick nicht imſtande eine That— ſache zu durchſchauen, die ich nicht aus mei⸗ nem Gedaͤchtniſſe verdrängen kann.

„Schon wieder eine Geiſtergeſchichte?“

„In die aber nicht ich, ſondern mein Vater im vorigen Jahre verwickelt war.“

„Du meynſt die Erſcheinung des Gra— fen von San“?“

„Die naͤmliche.“ )

„Dein Vater hat fie mir mit allen Um⸗ ſtaͤnden erzaͤhlt. Ich / muß geſtehen, daß mich die Geſchichte ſonderbar uͤberraſchte. Aber

ich habe daruͤber nachgedacht und glaube,

ſie natuͤrlich erklaͤren zu koͤnnen. Dein Va⸗ ter erfuhr zwey Tage vor der Erſcheinung aus einem Briefe, daß Graf San“ an einer gefährlichen Krankheit darniederliege, von der ſein Alter kein Aufkommen mehr hoffen a laſſe. Siehe den erſten Band Seite 37, 38 ꝛe⸗

239 3

Kaffe. Dieſe Nachricht, ergriff ihn ehr hef⸗ tig und die Vorſtellung von dem nahen Tode ſeines innigſtgeliebten Freundes war von nun an die herrſchende Idee. Die Melan— cholie deines Vaters ſchien ſtuͤndlich zu wach⸗ ſen, ſie machte ihn den Tag hindurch einem Traͤumenden gleich, und beunruhigte des Nachts ſeinen Schlaf. In der zweyten Nacht glaubte er, ſo oft er aufwachte, jemanden ſeufzen zu hoͤren; der Seufzende war aber zuverlaͤßig er ſelbſt, und die Urſache ſeines Erſeufzens der Druck des Blutes gegen bie Bruſt. Dieſer Druck weckte ihn ſodann fruͤh Morgens nochmahl und zwar mit Heftigkeit aus dem Schlafe. Er ſchlummerte aber in einigen Minuten wieder ein, und was war natuͤrlicher, als daß der Traum, welcher ihn da uͤberſchlich, den Graf von San“ zum Inhalt hatte. Dein Vater hielt den Traum für eine wirkliche Erſcheinung, und nichts iſt ihm leichter zu vergeben als dieſer Selbſt— betrug. Die Sonderbarkeit liegt nur darin, daß der Graf in der That zu eben der Stun— de ſtarb. Allein ich frage dich, iſt es denn etwas gar fo erſtaunliches, wenn die Eins bil⸗

(2400

Hbilbungskraft, welche uns tauſendmahl mit ihren Vorſpiegelungen hintergeht, endlich

in mahl zufälliger Weiſe mit der Wahrheit

35 zue 1

„Man ſollte ſich vielmehr daruber wuna

dern (ſagte der Herzog) daß dieſes ſo ſelten der Fall iſt.“

„Hier haſt du alſo zwey Beyſpiele von

Geiſtererſcheinungen, (fuhr ich fort) die dar⸗

in uͤbereinſtimmen, daß fie Taͤuſchungen find, aber darin von einander abweichen, daß die

eine auf dem Kirchhof ihren Entſtehungs⸗ grund außer dir, die andere den ihrigen in

der Einbildung deines Vaters hatte. Nicht ö

immer find wir zwar ſo gluͤcklich Erſcheinun⸗

gen auf eine natuͤrliche Art erklaͤren zu koͤn⸗ nen, aber unſere Ungeſchicklichkeit und Uns | wiſſenheit gibt uns ja kein weder fie für

uͤbernatuͤrlich zu halten.“ „Du ſuchſt alſo den Urſprung des Glau—

bens an die Erſcheinungen und Einfluͤſſe der

Geiſter bloß in der Unwiſſenheit auf?“

„Allerdings. Gleich unbekannt mit den Geſetzen der Natur und ſeines Denkens mußte der noch ungebildete Menſch hald auſſer ſich

bald

| II Il

| |

( 24) bald in ſich Phänomene gewahr werden, die er aus dem kleinen Vorrath feiner Erfahrungs- kenntniſſe nicht zu erklaͤren wußte. Durch das Geſetz ſeines Verſtandes genoͤthiget zu jeder Wirkung eine Urſache zu ſuchen, ſetzte er da, wo er keine bekannten Urſachen fine den konnte, unbekannte hin, und eben dar— um, weil dieſe im verborgenen wirkſame Weſen ihm unſichtbar waren, hielt er ſie für Geiſter.“ e „Ich gebe es dir zu, mein Freund, der

Glaube an die Einfluͤſſe und Erſcheinungen dieſer Weſen ſtuͤtzt ſich, ſeiner Entſtehung nach, auf einen offenbaren Fehlſchluß. In⸗ deſſen war es ſehr oft das Schickſal der Wahrheit, daß ihre erſte Entdeckung auf unrichtigen Vorderſaͤtzen beruhte; die Unrich— tigkeit in der Art, wie ein Begrif erzeugt wird, macht alſo ſeine innere Wahrheit noch nicht verdaͤchtig, es koͤmmt nur darauf an, ob er ſich aus anderen Gruͤnden richtig ab— leiten laͤßt.“

„deine Bemerkung iſt fein und wahr, aber auf den gegenwaͤrtigen Fall nicht ans wendbar, denn ich habe ſchon bewieſen, daß

| Q wir

242)

wir weder ein Äufferes noch inneres Kenn⸗ zeichen beſitzen, an dem wir die Einfluͤße und Erſcheinungen jener unſichtbaren Wefen er⸗ kennen koͤnnen, und daß es uns folglich an

einem zureichenden Grunde fehle an dieſel⸗

ſelben zu glauben.“

„Auch dieſes raͤume ich ein. Allein da⸗ durch haſt du nur die Unmoͤglichkeit eines Erkenntnißgrundes für die Einfluͤſſe der Geis ſter, aber keineswegs die innere Unmoͤglich⸗

keit dieſer Einfluͤſſe ſelbſt bewieſen. Es bleibt

immerhin denkbar, daß dieſe Weſen Erfcheis nungen auſſer uns, Wirkungen in uns her⸗ vorbringen, daß wir mit ihnen in einer ges heimen thaͤtigen Verbindung ſtehen, wenn

wir uns gleich davon nicht uͤberzeugen koͤn⸗ |

nen. Und ſo lange dieſe innere Unmoͤglich⸗ keit nicht erwieſen iſt, ſo iſt es auch nicht ungeraͤumt zu denken, daß Menſchen, wel⸗

che ihre Sinnlichkeit ertoͤdten, ſich ganz in

ſich ſelbſt zuruͤckziehen, und den Blick bloß auf uͤberirdiſche Dinge gerichtet halten, von geiſtigen Weſen haͤufigerer Einfluͤße, einer en⸗ geren Verbindung gewuͤrdiget werden.“

„Was

„Was dieſe Klaſſe, von Menſchen be⸗ trift, fo weiß ich zwar nicht, ob fie ſich durch die erwähnte Kaſteyung immer zu Geis ſterſehern bilden, aber ſo viel iſt gewiß, daß fie auf dem Wege find, Schwaͤrmer und Wahnſinnige zu werden. Auch halte ich es für ſehr übel gethan, alle Freuden des Men⸗ ſchenlebens aufzuopfern, die Pflichten gegen die buͤrgerliche Geſellſchaft zu vernachlaͤſſigen, um der Möglichkeit einer Sache willen, fuͤr deren Annehmbarkeit wir keine Gründe ha— ben. Es iſt nicht ſchlechterdings undenkbar, daß ich noch einſt Mandarin in China wer- de, aber die leere Moͤglichkeit wird mich wahrlich nicht bewegen, daß ich mir, um zu dieſer Wuͤrde mich vorzubereiten, mit Erlernung der chineſiſchen Staatspolitik den Kopf beſchwere. Noch mehr! es iſt nicht bloß moͤglich, es iſt wahrſcheinlich, daß es Einwohner im Monde gebe, aber ich werde in meinen Handlungen fuͤrwahr keine Ruͤck— ſicht darauf nehmen, den Mann im Monde nicht zu beleibigen. Im Ernſt! mein Freund! bey unſerer Frage handelt ſichs nicht darum, 95 Einwirkungen der Seiler auf uns und. ; Q 2 und

6244)

und die dußeren Gegenſtaͤnde moͤglich find, ſondern ob wir ein zuverläffiged Kennzeichen file die Wirklichkeit dieſer Einwirkungen bes ſitzen, und daß wir keines befitzen, habe ich erwieſen. Ich ſage noch mehr; ein Ding ſey nicht bloß moͤglich, es feh wirklich vor⸗

handen, ſo iſts doch in Ruͤckſicht meiner,

als exiſt ire es gar nicht, fo lange mir nicht ein zuverlaͤßiger Grund deſſen Daſeyn vers huͤrgt, fo lange es ſich nicht durch fichere Kennzeichen meinem Bewußtſeyn offenbart.“

„Aber dein Einwurf (ſagte ich nach ei— nigem Stillſchweigen) laßt ſich noch weiter verfolgen. Du behaupteſt: ich koͤnne die ins nere Unmöglichkeit der geiſtigen Einwirkun⸗ gen nicht beweiſen, und darin haſt du Recht,

aber ich behaupte mit gleichem Rechte daß du mir eben ſo wenig dle reelle Möglichkeit derſelben beweiſen kannſt. Denn dazu wuͤt⸗ de erforderlich ſeyn, daß wir beyde nicht bloß müßten, was ein Geiſt unſerem Ber griffe nach, ſondern was er an ſich ſelbſt iſt: dieſes zu wiſſen iſt aber bloß dem Ur⸗

heber der Geiſter vorbehalten. Kennen wir

doch unſere felbeigene Seele nur aus ihren

Wir⸗

(«245 .)

Wirkungen, was dieſe Urfache aller unferer Vorſtellungen und Willenshandlungen als Weſen an ſich iſt, vermag kein Sterblicher zu enthuͤllen. Allein eben deßwegen wird es auch ein Geheimniß bleiben, ob und in welchen Verhaͤltniſſen fie bienieden mit puren Geis ſtern ſtehe? Siehſt du hier mein Freund! die Grenze der menſchlichen Vernunft, die du nicht uͤberſchreiten kannſt, ohne in den leeren Raum ſophiſtiſcher kuftbilder zu gerathen. Solange du immer in dem rechtmaͤſ⸗ ſigen Bezirke bleibſt, wirſt du nie Urſache haben, dich uͤber die Unzulaͤnglichkeit und Unzuverlaͤßigkeit der Vernunft zu beklagen, wie du vorhin thaſt. Aber es iſt ſtraͤfliche Anmaßung den heiligen Markſtein zu uͤber⸗ ſpringen, den ihr die ewige Weisheit ſelbſt geſetzt hat, welche nicht minder verehrungs— wuͤrdig in dem iſt, was ſie uns verſagte, als in dem, was fie uns zu Theil werden ließ. Steige demnach es mein Freund! ſteige aus dem leeren Raum, in den der Irlaͤn— der dich entfuͤhrte, wieder auf den feſten Boden der Erfahrung und des gemeinen Menſchenverſtandes herab. Gluͤcklich berjes nige,

(246) nige, der dieſen Boden als den uns ange⸗ wieſenen Platz betrachtet, woraus wir nie— mahl ungeſtraft hinausgehen, und der auch alles einſchließt, was uns befriedigen kann, fo lange wir uns am nuͤtzlichen halten.“

Ungefähr ſechs Wochen nach dieſer un

terredung geſchah es, daß ich Abends bey dem Markgrafen in Geſellſchaft ſeines Soh— nes und Alumbrado's ſpeiſte. Das Geſpraͤch, welches die neue Regierung betraf, wurde gera— dezu ſehr lebhaft, als eine Wanduhr rauſchte, und Zehn ſchlug. Mit einmahl verfaͤrbt ſich Alumbrado und verſtummet, feine Augen bleiben in ſtarrer Richtung, er ſelbſt ſcheint zu einer Bildſaͤule geworben zu ſeyn. Wir uͤbrigen ſehen einander mit Beftemdung an, der alte Markgraf iſt der erſte, welcher ihn anruft, und als er keine Antwort erhaͤlt, mit Beſtuͤrzung aufſpringt. Der Herzog und ich folgen feinem Beyſpiele, aber unſer Be: muͤhen, Alumbrado zu ſich ſelbſt zu bringen, iſt fruchtlos, er verharret in tiefer Erſtar— rung. Ungewiß, was ihm zugeſtoſſen ſey, wollte man eben nach Aerzten ſchicken, als er wie einer, dem ganz und gar nichts un⸗ 99

(3247 7

gewoͤhnliches begegnet iſt, vom Stuhle auf: ſteht, unter uns tritt, und mit aller Unbe— ſangenheit ſagt: „In dieſem Augenblick hat ſich hundert Meilen von hier eine ſonderba— re Geſchichte zugetragen. Zu kli“ im Saft: hof zur Sonne gab das Gemaͤhlde des neu— en Koͤnigs, welches allda im Speiſezimmer hieng, Gelegenheit uͤber denſelben zu ſpre— chen. Einer von den Gaͤſten brachte viel zu feinem Lobe vor, aͤußerte aber das Beſorg— niß, der König von 'nien moͤchte die ver» lorne Krone nicht ſo ruhig verſchmerzen, und ſie wohl mit Gewalt zuruͤckfordern. Ein anderer Gaſt nannte dieß eine leere Grille und behauptete, ber neue Regent ſitze ſo feſt auf ſeinem Throne als ſein Bild dort druͤ— ben an der Wand. Aber zu gleicher Zeit ſtuͤrzte das Bild mit Gepraßel zertruͤmmert zu Boden.“

Alumbrado ſchwieg. Indeſſen wir alle ſtumm und ſtarr vor Verwunderung ſtanden, ſah er uns mit dem feſten ſtillerwartenden Blick eines Menſchen an, der eine Neuig— keft, von der er Augenzeuge war, hinterbracht 95 e und Grauen uͤbergahmen mich,

und

( 248 )

und ich wußte nicht, was ich ſagen ſollte. Der Herzog erhohlte ſich zuerſt, und fragte ihn: Woher er alles das wiſſe? Ich muß Sie bitten (erwiederte Alumbrado nach einer Weile etwas leiſer) eine Frage zu unterdruͤcken, die ich nicht beantworten darf. Uibrigens (fuͤgte er mit Nachdruck hinzu) iſt meine Nachricht aͤcht, darauf koͤnnen fie ſich verlaſſen.“

Und ſo war es auch. Schon am ſech— ſten Tage kamen glaubwuͤrdige Briefe aus Ki“, welche die naͤmliche Geſchichte berichte⸗ ten und am neunten Tage las man ſie in auswaͤrtigen Zeitungen. Sie trug ſich an eben dem Abend und zu eben der Stunde zu— in der fie uns Alumbrado erzählte.

Mir wurde nicht Zeit gelaſſen, den Quellen feiner Wahrſagerkunſt nachzuſpuͤren, noch den Herzog, der ſehr zurückhaltend ge— gen mich zu werden anfieng, um feine Mey— nung daruͤber auszuforſchen „denn der neue Regent beehrte mich mit hoͤchſt unerwarteten Auftraͤgen, die mich weit von Port“ weg⸗ riefen. Es gieng mir nahe, den Herzog bey fo kritiſchen Umſtaͤnden in Alumbrado's Ara

men

( 249

men zu laſſen, allein meine Entfernung litt keinen Aufſchub. Der Herzog wand ſich mit Thraͤnen aus meinen Armen los, und ver— ſprach mir fleiſſig zu ſchreiben.

Ich reiſte zu Waſſer unter gluͤcklichen Zeichen. Eine Woche nach meiner Ankunft erhielt ich ſchon von ihm ein Schreiben, wor— aus ich das hieher gehoͤrige einruͤcken will,

Ich habe in dieſen Tagen eine „wichtige Unterredung mit Alumbrado ge— „habt. Der naͤchſte Gegenſtand derſelben „war der alte verborgene König von Port“, „für deſſen Wiedereinſetzung ich mich ver- „wendet hatte. Können fie im Ernſte glau- „ben (ſagte Alumbrado) es ſey der aͤchte „Koͤnig geweſen, mit dem Sie ſich in der „Eremitenzelle beſprachen? Sie vermuthen „alſo nicht einmahl, daß man mit dem als „ten Manne ein Gaukelſpiel vor Ihnen auf— „führte , das gleichen Endzweck mit den „uͤbrigen Blendwerken des Irlaͤnders hatte? „Wenn wir auch annehmen, der Koͤnig ſey „in jener Schlacht gegen die Sarazenen nicht „geblieben, er und kein anderer ſey es ge— weſen, der in dem Schloſſe zu St. Lir, Ders

{ 250 ) „verhaftet wurde, wovon aber weder das „eine noch das zweyte erwieſen iſt, wer hat 705 denn verſichert, daß ber Einſiedler eben „dieſelbe Yerfon ſey? Setzen Sie ſich immer⸗ 7 en über die Unwahrſcheinlichkeit hinweg, „daß der Gefangene aus dem wohlbewach— „ten Schloſſe entfuͤhrt wurde, daß er unge— „achtet der Muͤhſeligkeiten, die er im Felde „und Gefängniße erlitt, ein Alter von hun— „dert acht Jahren erreichte, aber bedenken „Sie nur, wer Ihnen den Einſiedler als „den Koͤnig darſtellte, der Irlaͤnder wars. „Bedenken Sie ferner, daß der Einſiedler „ſich mit ihm einverſtanden hatte Sie zu „hintergehen, wie der Graf ſelbſt bekannte, „und ſagen Sie mir dann, mit welchem „Rechte Sie auf das Zeugniß zweyer Be— „truͤger eine ſolche Unwahrſcheinlichkeit an— „nehmen koͤnnen? Vielleicht um der Merfs „mahle willen, die der Einfiedler mit dem „achten Könige gemein hatte? Allein haben „nicht lange vorher drey Menſchen, die ſich „gleichfalls fuͤr den Koͤnig ausgaben, ſolche „Merkmahle als Beweiſe fuͤr die Aechtheit ihrer eise aufgezeigt, und ſind dennoch „als

253 3

„als Betruͤger entlartzt worden? Mein gu⸗ „ter Herzog, alles wohl erwogen, ſo ſcheint „man bey dieſem Gaukelſpiele ſehr auf She „re Jugend und die Abweſenheit Ihres Hof— „meiſters gerechnet zu haben.

„Ha! woran erinnern Sie mich! Crief „ich auf) jener Brief der Koͤniginn und die „Antwort des Irlaͤnders

„Richtig! (fiel Alumbrado ein) beyde „Briefe zeigen genugſam, daß man Ste als „einen Juͤngling betrachtete, der zur Aus— „führung des entworfenen Planes als ein „blindes Werkzeug zu gebrauchen waͤre. Und „worin dieſer Plan beſtanb und in weſſen „Kopf er entſtand, iſt itzt wohl kein Ge— „heimniß mehr. Der ſtolzen Herzoginn von „B' geluͤſtete nach der koͤniglichen Krone, „und ſie war es, die ihren Mann berede— „te feine Hand darnach auszuſtrecken. Zur „Erreichung derſelben bedurfte man Ihrer „Beyhuͤlfe mein theurer Herzog, aber mar? „ſah zugleich voraus, daß Sie dieſe verfa— „gen würden, weil man Ihre Abneigung „gegen den erlauchten Anverwandten kannte. 1 machte Ihnen daher weiß, der Her⸗

398

(232)

„zog von Br fuͤhre nur die Sache des als ſten Koͤnigs und ſuche dem Haufe dien bloß „in der Abſicht die port“ 'ſche Krone zu ent⸗ „reiſſen, um fie dem rechtmaͤßigen Eigenthuͤ— „mer aufzuſetzen. Allein man mußte Sie „auch zu uͤberzeugen trachten, daß dieſer „wirklich noch am Leben und in Sicherheit „ſey, zu dieſem Behuf trat der Einſiedler „auf, der ſeine Rolle nicht uͤbel ſpielte. „Verdammtes Complott! rief ich hier „ungeſtuͤmm aus. Stille, ſtille! (unter⸗ „brach mich Alumbrado) jetzt find Aufwal⸗ „lungen zur Unzeit. Huͤten Sie ſich ſolche „laut werden zu laſſen, der neue Regent „moͤchte ſchon vergeſſen haben, daß Sie ſein „Anverwandter find, oder daß Sie die Stus „fen, worauf er zum Throne emporſtieg, „erbauen halfen. Jetzt iſt Ihnen nichts uͤb⸗ „rig, als ſich in Demuth vor ihm zu beu⸗ „gen. Noch weniger laſſen Sie die Ehr— „furcht, welche Sie der Koͤniginn ſchuldig „ſind, auſſer Acht, denn ſie beherrſcht ih— „ren Mann und das Reich. Am allerwenig⸗ „ſten aber erwarten Sie einen andern Negens „ten, als der bereits auf dem Throne ſitzt. „Und

es 9

„und fern Sie mir nicht glauben, fo fra „gen Sie ihn ſelbſt nach dem alten König, „ich kann Ihnen die Antwort im voraus „ſagen: Er hat mir die Regierung uͤber— „läffen,, wird es heiſſen, weil er fle Alters „halber nicht mehr zu uͤbernehmen vermag, „oder wohl gar, er iſt geſtorben.“

„Mein lieber Marquis! was ſagſt du „zu dem allen? Ich fuͤrchte Alumbrado ha- „be recht, und bin in einer Stimmung, in vder ich nicht bey Hofe zu erſcheinen wage. „Aber ſobald' der Aufruhr in meiner Bruſt „gedämpft. iſt, will ich unſerem neuen Koͤ— „nig einen Beſuch machen, durch den ich „ins Klare zu kommen hoffe.

N. S. Adreſſtre deine Briefe nur im— „mer nach Li“ bon, denn ich habe fo wenig „Luſt als mein Vater, dieſen Sommer die „Stadt zu verlaffen.

Ich hatte noch nicht Zeit gewonnen die— fen Brief zu beantworten, als ich ſchon eis nen zweyten folgenden Inhalts empfieng.

„Wirſt du es glauben, mein Freund! „daß ich dreymahl um Audienz affuchen „mußte, ehe mein koͤniglicher Vetter mich

f vor

(..254 )

„vorzulaſſen geruhte.Dieſer gänzliche Mans „gel an Ruͤckſicht und Erkenntlichkeit brach: „te mein Blut, welches ich vorher mit Muͤ⸗ „he zur Ordnung gewieſen hatte, neuerdings „ſo ſehr in Aufruhr, daß ich auf eine Art, „die der Hofetikette eben nicht am ſtrengſten „Genuͤge leiſtete, in den Saal trat. Der neue Monarch aber kam mir ſehr freund- „lich entgegen, und bedauerte, daß die zrüberhäuften Staatsgeſchaͤfte ihm nicht eher „erlaubt haben einen Beſuch anzunehmen, „der ihm nicht anders als angenehm ſeyn „kann.

„Ich komme eben (verſetzte ich) Ihnen „meine Verwunderung daruͤber mitzutheilen; „daß der alte König noch immer nicht er— „Scheint, um fie den Beſchwerden der Staates „verwaltung zu entheben.

„Wiſſen Sie denn noch nicht, daß er „äeftorben iſt?

Was bey dieſen Worten in mir vor⸗ gieng, kann ich unmoͤglich beſchreiben, aber meine Erſtarrung, mein Verbleichen, mein Schweigen mußte etwas davon verrathen.

„Was

0:55

„Was ſetzt Sie denn fo ſehr in Erftau: „nen 2 doch nicht das Hinſcheiden eines „hundert und acht jaͤhrigen Greiſes?“ „Nein! (erwiederte ich nach einer Pau— „ſe) ſondern der Umſtand, daß es fo zur „rechten Zeit eintraff.“

„Erklaͤren Sie ſich beutlicher.“ VIIch meyne, es iſt ein ſonderbarer Zu— „fall, daß der koͤnigliche Greis eben zur „Zeit, wo er ſich ſeinem Volke wieder als „Regent zeigen ſollte, in das Himmelreich „einging, und Eurer Majeſtaͤt die irdiſche „Krone zuruͤckließ.“

„Es iſt ein Zufall.“ |

„Und ein ſehr gluͤcklicher für Euere Mas yjeſtaͤt.

„Was nennen Sie Gluͤck? die Krone „von Bort** gehörte rechtmaͤſſig meinem „Haufe, und mir um fo mehr, da ich fie „mit Gefahr meines Lebens an mich brach— „te. Ich wuͤrde Sie aber freudig auf das „Haupt meines geliebten Uronkels geſetzt „haben, haͤtte nicht ſein Tod dieſen Plan „zernichtet. Sie irren ſich, wenn Sie es für ein fo beneidenswerthes Schickſal hal⸗

ten:

6 256 )

„ten: Köniz zu ſeyn. Die Laſt der Regle⸗ „rung druͤckt ſchwer.!“

„O es gibt Erleichterungsmittel!

„Wovon ich fo wenig als möglich Ges „brauch machen werde, denn es ſoll meine „Sorge und Freude ſeyn mein Volk gluͤck⸗ „lich zu machen. f

„Wer koͤnnte auch daran zweifeln, „Aber was den verſtorbenen König hetitffl, „ſo daͤchte ich, man ſoll feinen Todesfall oͤf⸗

„fentlich bekannt machen. J „Wenn wir nur erſt die Leute uͤberwei⸗

„ſen koͤnnten, daß er noch in unſeren Tas „gen gelebt hat. Das ſtrenge Incognito, „hinter welches er ſich verbarg, legt uns „ein unuͤberſteigliches Hinderniß in den Weg. „Was wir auch dagegen ſagen moͤgen, es „wird uns Niemand glauben.

„Wahrhaftig! ich glaube es ſelbſt nicht „mehr.“

„Sie haben recht, man bc das „nicht zu glauben, wovon man uͤberzeugt iſt, „denn Sie haben ihn mit Ihren Augen ge⸗

„ſeben. Hätte ihm das Schickſal gegoͤnnt

ſich oͤffentlich zu zeigen, fo wuͤrde er von jes ders

(- 257) „dermann als der erkannt worden ſeyn, wer „er war, der alte rechtmaͤſſige Koͤnig von „Port'“. Da er aber unerkannt lebte und „ſtarb, ſo mag die Sache auch ferner ein „Geheimniß bleiben, und zwar um ſo mehr, „weil die Entdeckung nichts nuͤtzen wuͤrde. „Es iſt demnach mein koͤniglicher Wille, daß „weder muͤndlich noch ſchriftlich eine Sffentlis „che Erwähnung geſchehe. Lebt wohl! Cfügs „te er nach einer Pauſe hinzu) ich bleibe „Euch in Gnaden gewogen.“

„Hiemit hatte die Audienz ein Ende. „Verlange nicht mein Freund! daß ich dir „die Gedanken und Empfindungen eroͤffne, „die ſie mir einfloͤßte. Ich ſelbſt arbeite „daran, ſie bis auf die Erinnerung aus mie „„zu verbannen.

„Alumbrado iſt ſehr übel mit mir zu⸗ „frieden, daß ich ſo mit dem Koͤnige ſprach. „Glauben Sie denn, ſagte er, ſein belei— „digter Stolz werde Ihnen je die Qual der „Selbſtuͤberwindung vergeben, die es ihn „koſtete, ihren Reden Gelaſſenheit entgegen „zu ſetzen. Das Opfer, welches er dadurch „der Politik brachte, wird er, daß koͤnnen

R Sie

(268: )

„Sie gewiß ſeyn, an Ihnen nicht ungeahn⸗ „det laſſen. Thun Sie von nun an auf alle „Hoffnung einer Erhebung Verzicht, denn „einen fo Führen Kopf, wie Sie ihm ſchei⸗ „nen mußten, ſucht man in Unterthaͤnigkeit

„und Entfernung zu erhalten. Dieß iſt wohl

„das geringſte, was Ihnen widerfahren „kann; Ihre Hitze, Ihre uͤbel angebrachte

„Freymuͤthigkeit duͤrfte leicht noch ſchlimme⸗

„re Folgen nach ſich ziehen. Aber warum „waren Sie nicht auf Ihrer Huth? Ich

„habe Sie vorher gewarnt, ich habe Ihnen

„eingepraͤgt: dem König mit Demuth zu „begegnen.“ | |

„Alumbrado meynte es bey dieſem freund hafificien Verweiſe gut mit mir, „er wußte nicht, daß jedes ſeiner Worte ein „zweyſchneidiges Schwert ſey, welches ſich „blutig in mein Herz grub.“

„Ich bin in meinem Schreiben unter⸗ „brochen worden, und zwar durch den Beſuch eines Geiſtlichen von hohem Range. Er kam „um meinem Vater und mir die Neuigkeit „zu erzaͤhlen, daß man die vormahlige Un⸗ een von e auf Befehl des

Muse

N

259)

„neuen Regenten in, engere Verwahrung „brachte, wo ſie ſcharf gehalten wird. Die „5Urſache iſt, daß fie ſich irgendwo verlau— „ten ließ, er habe ſich des Thrones hinter— „liſtig bemaͤchtiget, und jeder Bewohner „Port“ “s wäre im Gewiſſen verbunden den „Koͤnig von mien als ſeinen rechtmaͤſſigen „Herrn anzuerkennen, indem der erſte Eid, „welcher dieſem freywillig geleiſtet wurde, „durch den zweyten, welchen der Herzog von „Be durch kiſt und Uebermacht abgedrungen

„hat, nicht koͤnne aufgehoben werden. Ich

„ſehe nicht ein, fügte der Praͤlat hinzu, „was man gegen die Wahrheit dieſer Be— „hauptung einwenden kann, nichts deſto⸗ „weniger darf Niemand ſich beygehen laſſen „ſie laut zu bekraͤftigen, ohne gleiches Schick⸗ „ſal mit der Unterkoͤniginn zu theilen.

„Mir ſcheint die Unterkoͤniginn und der „Praͤlat haben recht. Aber was iſt zu „thun? Lebe wohl mein Freund! und „antworte mir bald.

N. S. „Eben erhalte ich aus dem Or⸗ „te, wo der Einſiedler lebte, Antwort auf

beinen Brief, den ich gleich nach der Aus

N 3 dienz

( 260)

„dbienz dahin abſchickte und worin ich mich „wegen dem Hinſcheiden des alten Mannes „erkundigte. Eine ſehr zuverlaͤßige Hand „schreibe mir, daß derſelbe vor vier Mona— „ten eines natuͤrlichen Todes geſtorben ſey.“

Ich ahnete ſchon aus dem erſten Schreis ben, noch ſtaͤrker aber aus dem eben anges fuͤhrten, wie nahe der Herzog daran waͤre einen Weg zu betreten, von dem ihn die Hand eines Freundes nicht zu fruͤhzeitig ent— fernen konnte. Jetzt erſt glaubte ich einen be⸗ ſtimmten Zweck bon Alumbrado's Bemuͤhun⸗ gen abzuſehen und mir ſchauderte vor dem Gedanken, daß er erreicht werden möchte: Dennoch war mein Verdacht gegen Alum⸗ brado nichts mehr als eine Vermuthung,

die mir bey weitem noch kein Recht zur An⸗

klage gab. Nach reifer Ueberlegung hielt ich es unterdeſſen fürs beſte, ihm den Herzog, auf den die Staͤrke ſeines Planes angelegt ſchien, zu entführen. Und dadurch hofte ich zwey Vortheile mit Einem Zug zu erhalten, indem ich erſtens die Nerven von Alumbra— do's Unternehmen zu zerſchneiden, zweytens den

.

den Herzog von den ihm gelegten Fallſtri⸗ cken zu ſichern glaubte.

In dieſer Abſicht ſchrieb ich dem letzte— ren.“ Deine Briefe waren für mich von groſ⸗ ſer Wichtigkeit, aber die Antwort muß ich dich bitten ſelbſt bey mir abzuhohlen. Laß mich keine Fehlbitte thun mein Freund! komm in die Arme deines Freundes, dem an ei⸗ nem Orte, wo die Natur das Faͤhlhorn ihres Segens ausgegoſſen hat, zum Gluͤck des Lebens nichts als deine Gegenwart mangelt. Hier wollen wir ung über die politiſchen Ans gelegenheiten, welche dir ſo viel zu ſchaffen machen, muͤndlich berathſchlagen, denn ſchriftlich geht das aus mehr als Einer Ur— ſache nicht an, und meine Geſchaͤfte, die ſich in die Länge zu dehnen ſcheinen, dürften mir die Ruͤckkehr nicht ſo bald geſtatten. Die Reiſe wird deiner Geſundheit zutraͤglich ſeyn und auch dein Geiſt, den jetzt eine truͤbe Eis nerleiheit der Ideen niederdruͤckt, bedarf ei— ner Aufmunterung und Zerſtreuung. Ich bin im voraus uͤberzeugt, in die Paradieſe, welche hier bluͤhen, wird dich die Melan— cholie nicht verfolgen, Und wenn nur erſt

ſie

(862, .)

fie dich verlaſſen hat, dann wirſt du manche Dinge, die dir jetzt in einer widrigen Ges ſtalt erſcheinen, in einem milderen Lichte ſe— hen. Auch kaunſt du wohl vermuthen, daß die Auftraͤge, welche der Koͤnig in meine Hand legte, mich in Stand ſetzen, dir uͤber manche politiſche Gegenſtaͤnde Aufſchluͤſſe zu geben, die ich jedoch nur unmittelbar in dei— ne Bruſt als Geheimniſſe niederlegen darf. Komm mein Freund! es ſoll dich gewiß in keiner Ruͤhſicht reuen dieſe Reiſe unters nommen zu haben.“ u. ſ. w. ia

Mein Brief that die erwuͤnſchte Wirk: ung. Der Herzog antwortete ſehr freund⸗ ſchaftlich, und berficherte mir, daß er nach Verlauf von zehn Tagen die Reiſe antreten werde. Wie freudig und ſehnſuchtsvoll ſchlug mein Herz ſeiner Ankunft entgegen. Aber er blieb aus. Statt ſeiner kam ein Brief, den ich hier woͤrtlich mittheile. Ä

„Warum ich nicht komme? Frage das „den Himmel, nicht mich, denn ich habe alles „gethan, dir mein Verſprechen zu erfuͤllen. „Trotz Alumbrado's Widerrathen beſtieg ich „am zehnten Tage das Schiff und fuhr ab.

„Der

6

„Der guͤnſtige Wind, welcher in unſere Se⸗ „gel blies, ſchwellte meine Hoffnung dich „bald zu umarmen. Der Abend kam, und „noch immer guͤnſtiger Wind und ein heiterer „Himmel. So kam auch der zweyte und dritte Abend, und noch immer war unſere 7,Fahrt die angenehmſte geweſen.

„Ich weiß nicht, warum an dieſen Abend „das? Andenken an Amalie mit beſonderer „Lebhaftigkeit in mir erwachte. Doch wat „es nicht mit ſchmerzlichen, ſondern jenen „bitterſuͤſſen Empfindungen verbunden, die „tieffuͤhlenden Seelen oft -eine weit ſchmack— „haftere Wolluſt als reine Freude gewaͤhren. „Von Gefühlen ging ich unvermerkt zu Phan— „taſien über. Ich ſah nach dem Stern der „Liebe, und glaubte in ſeinem Silberglanz „Amaliens Geiſt verklaͤrt zu erblicken. Mei— „ne Seele ſchwang ſich Über den unermeß— „lichen Raum, der uns trennte, empor, „und koſtete von den Vergnuͤgungen der Se— ligen o warum mußte fie fo bald die „Schranken ihrer Kraft fühlen , die ſie wie der auf den Erdball zuruͤckzukehren zwangen!

„Ich

( 264 )

„Ich fpürte eine Erſchoͤpfung, die mich „„zur Ruhe einlud, und nachdem ich von der „See und dem geſtirnten Himmel Abſchied „genommen hatte, begab ich mich in die „Cajuͤte, wo bald ein ſanfter Schlaf meine „Augen ſchloß.

„Eine Stunde vor der Morgenroͤthe er— „wachte ich. Da ich mich ganz munter fuͤhl—

ite, verließ ich das Lager und ging aufs „Verdeck, um die Sterne noch einmahl vor

„ihrem Verſchwinden zu begruͤßen. Aber welch „ein Anblick! Das Firmament ſchien nicht „mehr uͤber uns zu ſeyn, wir ſchienen „auf demſelben zu fahren. Ich zweifelte, „ob ich wache, oder traͤume, ich rieb mir

„wieberhohltermahlen die Augen. Umſonſt!

„ich mochte hinauf, oder unter mich ſehen, „eder Anblick blieb immer derſelbe: Dichtes „Dunkel verhuͤllte den Himmel, und alle „ſeine Sterne und Milchſtraſſen enen e „dem Waſſer zu feyn.

„O Natur! nie wird dir dein dankbarer „Sohn den Genuß vergeſſen, den ihm die—

„ſes alle Beſchreibung uͤbertreffende Schau-

„ſpiel gewaͤhrte. Mein verſchlingender „Blick

(265 )

4.

„Blick war lange über» die ganze leuchtende „Waſſerflaͤche ausgegoſſen, eh er ſich auf „die einzelnen Schoͤnheiten einzulaſſen ver— „mochte. Ueberall, wo mein Auge auf der „Flaͤche ſich hinwandte, begegneten ihm „Strahlen, aber nicht alle Theile ſchimmer— „ten gleich ſtark und anhaltend. Einige Stels „len blitzten ſchnell auf, indeſſen andere durch „mehrere Sekunden funkelten. Vor uns her „ſchoß das getheilte Waſſer in Lichtſtroͤmmen „fort, und die Furche, welche, das Schiff „hinter uns zog, bildete einen weiſſen glaͤn— „zenden Streif mit himmelblauen Punkten „durchſaͤet. Vielfach und blendend ſpielte „das Licht in den ſich kraͤuſelnden Wellen, „der Schaum, den die Luftblaſen darauf. „erregten, flimmerte, wie filberfarbiger „Schnee. Welch ein Gewuͤhl von Leben und „Licht! ich haͤtte mich hinabſtuͤrzen moͤgen, „um in dieſem Himmel unterzugehen. „Die kommende Sonne machte dieſem „Zauber ein Ende. In dem Schiffe wurde „es lebendig. Ich eilte den erwachten ent: „gegen, und erzaͤhlte ihnen, welche Scene „fie verſchliefen. Ein Greis lächelte. Man „Sieht

( 266 ) „ſieht wohl, ſagte er, daß Sie noch ein

„Neuling auf der See ſind; dieſe Erſchei⸗ „nung iſt zu allen Jahreszeiten beſonders

„unter den heißeren Himmelsſtrichen nichts

„ſeltenes, nur uͤber ihren Grund haben ſich „die Naturkuͤndiger noch nicht vereinigen koͤn⸗

„nen; einige ſuchen denſelben in leuchtenden

„Inſekten, andere in einer fetten Materie „verfaulter und ausduͤnſtender thieriſcher Koͤr— „per. Manche wollen behaupten, daß dieſe „Erſcheinung einen nahen Sturm andeute, „aber das iſt falſch.“

„Der Alte mochte uͤbrigens recht 61 „allein ſeinen letzten Ausſpruch widerlegte „dießmahl die Erfahrung. Die Woͤlkchen, „welche vereinzelt am Himmel ſchwebten, „zogen ſich allgemach zuſammen, und ver: „duͤſterten die Sonne. Ein ſchwarzes Ges „witter ſtieg nordoſtwaͤrts am Himmel em⸗ „por. Das St. Elmsftuer gleitete wie ein „Wurm vom Verdeck herab. Das Schiffsvolk „fing eben an, ſich auf einen Sturm zu ruͤſten, „als mit einemmahle ein heftiger Gegenwind. „ſich aufmachte, und das Schiff mit Pfei⸗ „lesſchnelligkeit forttrieb. Wir verloren da⸗

bey

(

„bey einen von unfern Aaͤkern, der mit ſchmet⸗ „ternden Gepraſſel vom Verdeck herabſtuͤrzte. „Einige laute Donnerſchlaͤge gaben das Size „nal zu dem vollen Ausbruch des Gewit— „ters. Das Licht des Tages verſchwand, „rauſchend waͤlzten fid) die Wellen der eme „poͤrten See uͤber einander, das Feuer der „Blitze ſchien ihre Oberflaͤche mit Blut zu „faͤrben, jeder Schlag drohte den Maſt des „Schiffes in tauſend Stuͤcke zu ſplittern. „Das Bruͤllen der Wogen, das Gebeul der. „Winde, das Krachen des Donners verkuͤn— „digten dieſer Weltgegend den Zuſtand des „erſten Chaos.“

„Bey dem ſtarken Leuchten der Blitze „entdeckten wir ploͤtzlich Land in der Nähe. „So erfreulich dieſer Anblick bey heiterem „Wetter It, eben fo erſchrecklich war er uns „ietzt wegen der Gefahr zu ſtranden. Die „ausgeworfenen Anker ſchienen der Wuth, „womit Winde und Wogen das Schiff be— „ſtuͤemten, nicht in die Laͤnge widerſtehen zu „koͤnnen.“ |

„Alle diefe Umſtaͤnde brachten in meiner „Seele das Bild jener ähnlichen Begeben

„heit,

(268 }

„heit, wodurch ich Amalie einbuͤßte, fo leb⸗ „haft hervor, daß ich alles, was ich da⸗ „mahls empfand, vom neuen erlitt. Dieß „raubte mir die Kraft, womit ich ſonſt den „Schrecken, welche mich umgaben, wider— „ſtanden haͤtte. Jetzt haͤmmerte mein Herz

„mächtig gegen die Bruſt, und ich unters

g ſchied mich von denen, welche heulend und

„„haͤnderingend um mich ſtanden, bloß das

„durch, daß ich aus Schaam meine Empfin⸗ „dungen nicht laut werden Tieß

„Ploͤtzlich ſchuͤttelt mich jemand am Ar⸗

ame, und als ich umſehe, ſteht Alum⸗

„brado vor mir. Wie bey ber Erfcheinung.

„eines Verſtorbenen, ſo fahre ich bey ſeinem

„Anblick zuſammen. Entſetzen und Erſtau⸗

„nen rauben mir beynahe die Befinnung. Er

„hatte ohne mein Wiſſen die Reiſe mitge⸗

„macht, und Mittel gefunden ſich bisher vor

„mir verborgen zu halten wie heftig muß⸗

„te mich alſo in dieſen Augenblicken der Aufs

„tritt dieſes Menſchen erſchuͤttern, welchen

„ich noch in Li bon vermuthete.“

„Was haben Sie jetzt davon, daß Sie % meinen Rath verachteten?“ ſagte Alum⸗

„brabo

(269 )

„brado und ſchwieg. „Es hat das Anſe⸗ „hen (fuhr er nach einer Weile fort) daß „Sie Ihren Freund auf dieſer Welt nicht „mehr ſehen werden.“ Es vergingen eini⸗ „ge Minuten, ehe ich ſprechen konnte. Alum⸗ „brabo unterredete ſich nicht lange mit mir: Laſſen Sie uns jetzt das erhabenſte Schau- ſpiel der Natur ſchweigend genieſſen.“ So „ſagte er, und ſah ruhig, als ob er fern „von der Gefahr am ficheren Ufer ſtaͤnde, in „den Tumult hinaus, welcher das Schiff „bald gegen die flammenden Wolken empor— „hob, bald in den Schlund der ſtedenden „See verſenkte. Dieſe anhaltende Ruhe auf „Alumbrado's Geſicht bey dem wuͤthenden „Kampf der Elemente, bey dem wahrſchein— „lichen Untergang des Schiffes, bey dem „Jammergeſchrey der verzagenden Menge „ſchien mir mehr, als die Menſchlichkeit vers „mag. Ich ſtand beſtuͤrzt vor einem Weſen, „das an einem Schauſpiele, welches die Haa— „re auf jedem Scheitel emporſtraͤubte, ſich „vergnuͤgen konnte.“

| „Endlich leuchteten die Blitze ſchwaͤcher, „die Schläge verminderten ſich, die Winde

ſchie⸗

N V

643 270 ) „ſchienen ihre Wuth erfchöpft zu haben, aber „noch war die See ſo ſtuͤrmiſch, daß man „fuͤrchtete, die Ankerthaue würden die hef— „tige Bewegung des Schiffes nicht mehr „laͤnger aushalten koͤnnen. Vergebens for— „derten wir durch unſere Kanonen menſchli— „chen Beyſtand um Rettung auf; die unge— „heuern Wellen ſpotteten der Fahrzeuge, wo—

„mit man uns vom Lande aus zu Huͤlfe zu

„kommen ſtrebte.“

„Eitles Bemühen menſchlicher Kräfte, „gegen die Allgewalt der Natur anzukaͤm⸗ „pfen!“ rief ich bey dieſem troſtloſen Anblick „auf. Alumbrado wandte ſich zu mir. „Wol— „len Sie nach Libbon zuruͤckkehren (ſagte er) „ſo werde ich dieſe aufruͤhriſchen Wellen zur „Ruhe weiſen.“ Ich ſah ihn zweifelhaft mit „ſprachloſen Staunen an. „Es iſt mein „Ernſt (fuhr er fort) wollen Sie nach Libbon „zuruͤckkehren?“ Ob ich will? verſetzte ich, „ob ich will? Unbegreiflicher! machen Sie, „daß ich kann. Alumbrado verließ mich ob: ne etwas weiter zu reden. 0

„Aber nach drey Minuten ſtand er ſchon „wieder bey mir. Sie werden jetzt ein Wun⸗ „der-

|

(271. )

„derwerk ſehen, (ſagte, er) doch verlange ich „von Ihnen, daß fie den Thaͤter keinem Men: „ſchen entdecken.“

„Ich verfprad es ihm. Das Wunder „geſchah. Die ungeſtuͤmme, wildrauſchenbe, „wogenthuͤrmende See ward ruhig und glatt. „Wir ließen uns ans Land ſetzen, und fan— „den uns nicht weiter als eine Lag reise e von „Li“ bon entfernt.“

„Du ſiehſt mein Freund, daß eine hoͤ— „here Fuͤgung, der ich nicht zu widerſtreben „wage, meine Reiſe hintertrieb. Ich habe „die Geſchichte derſelben ohne Anmerkungen „erzaͤhlt, um dir in deinem Urtheile nicht „vorzugreifen. Was mich betrifft, ſo bin

„ich überzeugt: ich habe endlich in Alumbra— do den gefunden, den meine ahnende Seele „ſo lange ſuchte.“

Dieſes Schreiben ſetzte mich allerdings in groſſes Erſtaunen, vermehrte aber andrer— ſeits meine Beſorgniſſe nicht wenig. Ich beantwortete es auf eine Art, wodurch ich mich weder für, noch gegen Alumbrado's Wundermacht erklaͤrte, weil ich den Herzog in ſeinem Glauben auf dieſelbe zu beſtaͤrken eben

( 272)

eben ſo ſehr fuͤrchteta, als ich ſeine Vertrau⸗ lichkeit gegen mich zu unterhalten wuͤnſchte, denn wie haͤtte ich ohne dieſe hoffen duͤrfen,

fortgeſetzte Nachrichten von ſeinen Verhaͤlts

niſſen mit Alumbrado zu empfangen? woran mir vorzuͤglich gelegen war.

Obwohl ich dieſe Voeficht auwandte fo verging doch ein Monath, und noch hatte der Herzog meinen Brief nicht erwiedert. Ich

ſchrieb nochmahls an ihn; aber jetzt erhielt

ich von dem Koͤnig den Auftrag zuruͤckzurei⸗ ſen, und ihm von den ausgerichteten Ge— ſchaͤften muͤndlichen Bericht abzuſtatten. Ich mußte alſo aufbrechen, ohne die Antwort des Herzogs erwarten zu koͤnnen.

Deſto mehr freute ich mich den 86008 ſelbſt durch meine Ankunft zu uͤberraſchen— Sobald ich in Li*bon angekommen war, eils te ich zu ihm. Er ſchien bey! meinem Eintritte mehr betroffen als entzuͤckt, und fragte mit einer Art von Aengſtlichkeit, ob ich ſein letztes Schreiben ſchon empfangen haͤtte. Als ich mit Nein antwortete, ſchien

er ruhiger, und als ich beyfuͤgte, ich haͤtte

Anſtalt gemacht, daß es mit ſogleich nach⸗ ge⸗

( 273 )

geſchickt würde, bewoͤlkte fi feine Stirne vom neuen. | Das alles gefiel mir nicht. Ich fragte um die Fortſetzung feiner Geſchichte mit Alum⸗ brado. Er bat mich die Ankunft feines Schrei— bens abzuwarten, durch das ich dieſelbe ums ſtaͤndlich erfahren wuͤrde. Umſonſt both ich ſowohl die Macht der Freundſchaft, als mei— ne Geſchicklichkeit auf, um ihn auszuforſchen. Er entſchluͤpfte mir immer, nicht ſelten durch ſehr gezwungene Wendungen. Dieſe Ver— ſchloſſenheit und Zuruͤckhaltung verdroß mich, ich nahm von ihm ſehr trockenen Abſchied. Die ganzen zwey folgenden Tage bes ſuchte weder er mich noch ich ihn. Ich darf nicht vergeſſen hier anzumerken, daß ich am zweyten Tag einen Brief von einer mir un— bekannten Hand erhielt. Als ich den erſten Umſchlag wegnahm, fand ich einen verſchloſ— ſenen Brief, ſammt folgenden an mich gerich— teten Zeilen. „Sie werden morgen von einem „alten guten Freunde Beſuch erhalten, dem „Sie beygelegten Brief zu uͤbergeben die Guͤ— „te haben. Sollte er aber wider Vermuthen „bis uͤbermorgen fruͤh nicht erſcheinen, ſo S ts

.

e

„erbrechen Sie den Brief, worin fie alsdann f

„das weitere erfahren werden.“ Ich konnt weder vermuthen, woher dieſe Zuſchrift kom⸗ me, noch wer der gute Freund ey, deſſen Beſuch mir zugeſagt wurde:

Tages darauf erhielt ich fruͤh morgens das mir nachgeſchickte Schreiben des Her⸗

zogs. Ich öffnete es mit Haſtigkeit, und

las:

„Mir wird es immer wahrſcheine; „mein Freund! daß Alumbrado, um mich „fuͤr meinen Ungehorſam gegen ſeinen Rath „izu zuͤchtigen, das Ungewitter erregt hat, „welches unſerem Schiffe den Untergang broh⸗ „te. Wie? ſollte derjenige, der die ſtuͤrmi⸗

ſchen Wellen der See baͤndigen kann, nicht

„auch im Stande ſeyn, ſie in Aufruhr zu „bringen ?

3 „Sage, was du willſt, bier liegt eine | uͤbernatuͤrliche Macht zum Grunde, und

„wer vermag ihre Ausdehnung, ihre Schran⸗ fen zu beſtimmen? Mein Vater und ich

„verehren ſeit jener Begebenheit Alumbrads |

„als einen W, ſo ſehr ſich auch : bier.

ae er ren

( 275.)

zbieſer hinter der Demuth heiligen Mäntel

„verbirgt.

„O warum war Alumbrabo nicht bey „jenem Seeſturm zugegen, der meiner Amis „lie das Leben koſtete, er haͤtte ſie gerettet, Hund ich wäre ein Gluͤcklicher, den alle Goͤt⸗ „ter der Erde beneiden muͤßten. Um „nichts geringeres hat mich der Irlaͤnder „durch feine nichterfuͤllte Verheiſſung betro— „gen.“ N

„In Anſehung dieſes J Irlaͤnders hat mi „Alumbrado einen ſonderbaren Win 1 gege⸗ „ben. „Der Marquis von F hat unſtkrei⸗ „tig recht (ſagte er) wenn er behauptet, daß „Gott die Macht Wunder zu wirken nie in „die Hand eines Betruͤgers lege. Aber er „irrt, wenn er die ſprechende Luftgeſtalt, „die Ihnen Hiermanſor auf dem Kirchhof Herſcheinen ließ, bloß für ein natuͤrliches

„Kunſtſtuͤck Hält; mir, der ich die Staͤrke

„und Schranken menſchlicher Kunſtweisheit „fo ziemlich kenne, wird Niemand weiß mas chen, daß dahey nicht mehr als natuͤr—

„liche Kraͤfte im Spiele waren. Mehr als

znatuͤrliche Kraͤfte und doch kein Wunder 2 S 2 als

(nai6 5

„Allerdings, denn bonnte nicht Hiermanſor „burch den Beyſtand des Vaters der Ligen „Ihnen ein Blendwerk vor Augen ſtellen?

„Ich will mich hieruͤber nicht naͤh er erklaͤren, „aber ich halte den Irlaͤnder fuͤr einen gleiß⸗ „neriſchen Voͤſewicht, ber ein verdammliches „Handwerk treibt. Es iſt Ihnen Gluͤck zu „wuͤnſchen, daß er Sie zu gutgeſinnt fand, „um Sie in ſeine ſchrecklichen Geheimniſſe „einzuführen. Nicht umſonſt warf er Ihnen

„Mangel an Selbſtſtaͤnvigkeit und Enſchloſ⸗

Aſenheit vor, denn man bedarf eines entſetz⸗ „lichen Grades von Seelenſtaͤrke um Buͤnd⸗ „niſſe einzugehen, durch die der Sterbliche „dem furchtbaren Ewigen Trotz biethet. Aber „Ihr guter Genius wachte 9045 Ihnen, und „ob Sie gleich eine Zeit lang in den Schlin⸗

„gen der Bosheit gefangen lagen, ſo entriß „er Sie doch dieſen Schlingen eher, als ſie „unaufloͤslich zuſammen gezogen wurden.

„Danken Sie es der Gnade des Allguͤtigen, „und ſeyn Sie kuͤnftig anf Ihrer Huth. ben Sie Maͤnner, welche uͤbermenſchli⸗ „che Werke thun, ſo koͤnnen Sie ſich bald

uͤberzeugen, weſſen Geiſtes Kinder fie find;

ft:

„erlauben ſich dieſelben Luͤgen und Betrug, „ſo gehören fie dem Geiſte der Finſterniß „an, iſt ihnen aber Wahrheit und Gerech— „tigkeit heilig, ſo ſind es Kinder des Lichts, „Haͤtten Sie den Irlaͤnder nach dieſem Maß: ſtab geprüft, fo wuͤrden Sie bey der Er— „ſcheinung auf dem Kirchhofe mit Schrecken „vor ihm geflohen ſeyn, ſo haͤtte es ihm „nicht gelungen, Sie in ein Unternehmen zu „verwickeln, das dem König von 'nien einer „rechtmaͤßigen Krone raubte. Schon feine „Lehren und Grundſaͤtze haͤtten Ihnen den „Irlaͤnder verdaͤchtig machen ſollen. Er ſuch— „te Ihnen einerſeits die Vernunft auf Ko— „ſten des Glaubens als die einzige untruͤg— liche Erleuchterinn und Fauͤhrerinn anzuzei⸗ „gen, und trachtete andererſeits eben dieſe „Vernunft durch die kuͤnſtlichſten Trugſchluͤſſe „zu verwirren, wie der Marquis von F * „meiſterhaft zeigte. Der Irlaͤnder huͤtete ſich

„wohl, Sie auf die Schranken der Vernunft „und menſchlichen Kraͤfte aufmerkſam zu ma— „chen, weil dann ein ſo richtiger Kopf als

„der Ihrige leicht auf die Unentbehrlichkeit „goͤttlicher Erleuchtung und Gnade hätte

„[hliefz

(278 )

„fälieifen duͤrfen, und nichts ſuchte er mehr, „als das kicht der Neligion zu entfernen, „denn ſeine Werke mußten immer in taͤu⸗ „ſchende Nebel eingehuͤllt ſeyn. Auch wer— „den Sie ihn nie die Kirche beſuchen, nie gottesdienſtliche Handlungen verrichten ge— a/ſehen, nie gewiſſe heilige Nahmen ausſpre— „chen gehoͤrt haben. Ich kenne dieſe Art „von Menſchen, die deſto gefaͤhrlicher ſind, „ie mehr Geſchicklichkeit fie beſitzen ihre wah⸗ „re Geſtalt hinter reitzende Masken zu ver⸗ „bergen. Zwar ſcheint die immer weiter um „ſich greifende Freygeiſterey, die rafende „Sucht alles natuͤrlich erklaͤren zu wollen, „den Glauben an das Daſeyn, ja ſogar an „die Möglichkeit der Wunder und der Zau— „berey zu verdraͤngen, allein dieſe haben „darum nicht aufgehört. Die Meynungen „der Menſchen koͤnnen ſich ändern, die Din⸗ „ge ſelbſt bleiben dennoch. Eben die All⸗ „macht, durch deſſen Beyſtand Moſes das „iſraelitiſche Volk trockenes Fuſſes durchs „rothe Meer fuͤhrte, zeiget ſich auch noch in „unſeren Tagen durch Zeichen und Wunder u erklich, wenn dieſe gleich von den blinden „nicht

279: )

nicht anerkannt werden. Eben der venvor⸗ „fene Geiſt, welcher vormahls durch das. „Orakel zu Delphos ſprach, und durch deſ— „ſen Beyſtand Simon der Magier wirkte, „beweiſet ſich auch in unſeren Tagen noch „thaͤtig. Und iſt es denn etwas fo unbe⸗ „greifliches, daß Menſchen, welche durch ihre „Heiligkeit, uͤber andere Sterbliche erhaben, „der Gottheit ſich naͤhern, dieſer auch an „Macht aͤhnlich, und eines unmittelbaren

W Einfluſſes von ihr gewuͤrdiget werden? Iſt

7 es denn etwas fo unbegreifliches, daß der „Geiſt der Finſterniß mit jenen Menſchen, die „durch Bosheit und ſchwarze Thaten ſich zu feinem Ebenbilde machen, in eine thaͤ⸗ „tige Gemeinſchaft tritt, und ihren Willen „zum boͤſen auch mit dem phyſiſchen Ver⸗ , moͤgen ihn allezeit zu erfüllen ausruͤſtet? „Freylich werden Menſchen von beyderley „Art immer ſelten ſeyn, der Aberglaube „wird viele dafuͤr halten, die nicht unter „ihre Zahl gehoͤren, aber wer kann beweis fen, daß fie ganz von der Erde verſchwun⸗ „den find? Ich bin keineswegs ein Feind „der Achsen Aufklaͤrung, aber meines Be⸗ „duͤnk⸗

( 280 )

„duͤnkens iſt es eben fo thoͤricht alles wuns

„bare hartnaͤkig zu verwerfen, als blind⸗ „lings anzunehmen. Ich ſchaͤtze die Ver⸗ „nunft, nur muß ſie immer in den angewieſe⸗ „nen Grenzen bleiben, wie der Marquis „von 5 richtig bemerkte, nur muß ſie nicht „den Glauben verdraͤngen wollen. Es gibt „üͤberſinnliche Dinge, heilige Wahrheiten, „die jene nimmermehr begreifft, die nur die— „ſem aufbehalten find. Der Glaube findet „auch da noch Sonnenlicht, wohin der Ver— „nunft bebender Schimmer nicht reicht. In⸗ „deſſen fie oft durch ein Gewinde von Schluͤſ⸗ „ſen und Folgerungen langſam und unſi⸗ „cher fortſchreitet, genießt er eines unmit- „telbaren klaren Anſchauens der Wahrheit „mit aller Staͤrke ihrer Evidenz. Aber die „Zeit iſt gekommen, wo man anfängt ſich „ausſchlieſſungsweiſe den kalten Spekulati⸗ „onen der Vernunft hinzugeben, und dieſe „unfelige Maxime veroffenbaret ſich auch im „praktiſchen Leben nur allzu ſichtbar. ‚Gel: „ten wird etwas unternommen, was man „nicht vorher mit einer kleinlichen Genauig⸗ „keit von allen Seiten berechnet und wie⸗ ade

{ 281 0

der uͤberrechnet hat. Dafur ſind wir aber „auch ſo arm an großen Thaten. Der Be— geiſterung heiliges Feuer erliſcht und mit „ihr alle Schwungkraft der Seele. Indeſſen „dieſe ihr ganzes Vermoͤgen in unfruchtba, „eren Gruͤbeleyen erſchoͤpft, bleiben die For- „derungen und Beduͤrfniſſe des Herzens un— „befriedigt, das Gefuͤhl wird ſtumpf, das „Gemuͤth feige, alle edlen Regungen er⸗ „ſterben. Nein! das iſt kein Zeitalter, in „dem große Geiſter reifen werden. Das „Raiſoniren hat noch wenig unſterbliche Tha— „ten bewirkt, aber der Glaube war es „auch nur der Glaube eines Mannes auf „ſeine eigenen Kräfte hat oft das un— „moͤgliche moͤglich gemacht. Was muß erſt „der Glaube an den Beyſtand einer allmaͤch— „tigen Kraft für Wunder wirken? Der erſte Koͤnig von Port“ * hat uns dason „ein glänzendes Beyſpiel gegeben. Er zog „wie Sie aus der Geſchichte wiſſen, mit „vier tauſend Mann gegen die Unglaͤubigen und ihm ſtellten ſich nicht weniger als fünf „Koͤnige mit vierhunderttauſend Mohren ent— „gegen. Bey dem Anblick dieſer ungeheuern

= „Ueber⸗

62829

„Uebermacht verließ ſeine Armee aller Muth, „aber die berühmte Erſcheinung ) durch

„welche ihm Gott den Sieg verhieß, belebte „denſelben wieder. Und was anders als „der Glaube auf dieſe Verheiſſung konnte „ihn eine Schlacht unternehmen und gewin⸗ „nen machen, in der Ein Mann gegen hun⸗ „dert zu fechten hatte?“

„Mein lieber Marquis! ich bin aber⸗ „mahl durch den unvermutheten Beſuch ei— „nes ſehr vornehmen Geiſtlichen in meinem „Schreiben aufgehalten worden, und zur „HFortſetzung deſſelben will ich hier das merk⸗

„wuͤrdigſte von dem aufzeichnen, was die⸗

„ſer Geiſtliche geſprochen hat. | „Die Juden (ſagte er) haben, wie Sie „wiſſen werden, dem neuen Regenten gleich „ach feiner Thronbeſteigung eine groſſe Sum⸗ ame

*) Es wuͤrde wentg Kunſt ſeyn, dieſe Erſcheinung na⸗ tuͤrlich zu erklaͤren, falls hier der Ort dazu waͤre. Indeſſen muß ich geſtehen, daß ſie eine Erſcheinung zur rechter Zett war; und Alf * * hatte ihr wirk⸗ lich ſowohl den Sieg als die Koͤnigskrone zu danken. \

Anmerk. d. marquis von 8

( 283 3

zune Geldes angeboten, wenn er ihnen die Freyheit geſtatten möchte, als aͤußer— „liche Chriſten im Koͤnigreiche zu wohnen, „und Handel zu treiben, ohne daß die In— equiſition ihnen etwas anhaben dürfte. „Es waͤre zur Aufnahme der Religion zu „wuͤnſchen geweſen, daß die Juden dieſe „Freyheit erlangt haͤtten, denn hätten: fie „auch anfangs die chriſtlichen Kirchen nur „zum Schein beſucht und den Gottes dienſt „nur aͤußerlich mitgemacht, ſo wuͤrden doch „gewiß viele in kurzer Zeit fo erbaut und „hingeriſſen worden ſeyn, daß fie im Ernſte „zu unſerer Religion uͤbergetreten waͤren. Auch „machte die Inquiſition ſelbſt dem Koͤnig ins⸗ „geheim dieſe Vorſtellung. Allein der „wie fol ich ihn benennen? dem die „Verbreitung des Glaubens ſo wenig am „Herzen liegt, ſchlug den Juden ihr Geſuch „ab. Die Inquiſition hat jetzt bie Sache „nach R“ berichtet; und der heilige Vater, „welcher ihm bisher den koͤniglichen Titel „verweigerte, wird ſich nun um fo mehr „huͤten, einen Freygeiſt, der dem Intereſſe der Kirche bey jeder Gelegenheit zuwider

. „hans

1 184

„handelt, in ſeiner angemaßten Wuͤrde zu „beſtaͤtigen. Aber ich müßte mich ſehr truͤ⸗ „gen, oder unſerem neuen Regenten ſind „dieſe Entzweyungen recht, und er hat ſie ar einem entſetzlichen Endzwecke beabſichti⸗ „get. Nicht genug, daß er die Nation von „ihrem rechtmaͤffigen Koͤnig losriß, ſo ſucht „er auch eine Gelegenheit herbey zu fuͤhren, „um ſie von dem Oberhaupte der Kirche „loszureiſſen. O Markgraf! o Herzog! wel⸗ „che Ausſichten fuͤr uns alle, die in dem „Glauben ihrer Water zu leben entſchloſſen „ind. |

„Halten Sie ein! (rief der Markgraf) „nein! es wird nie ſo weit kommen. Beym „Himmel! ſo weit ſoll es nie kommen.“ „Mein Vater ſprach noch, als der Geiſtli⸗ „che, von dem ich dir neulich ſchrieb, ſich „bey uns melden ließ. Die beyden Praͤ⸗ „laten waren ſehr erfreut, ſich hier zu „treffen, und ſie hatten vor einander ſo „wenig Geheimniſſe, daß ſie ihre Mey⸗ „nungen uͤber den neuen Koͤnig ohne Ruͤck⸗ „halt an den Tag legten. Ich weiß nicht „Cſagte der letzere, indem er ſich au. mei⸗

„nen

8 383

„nen Vater und mich wandte) wie fie) „in deren Adern ſelbſt koͤnigliches Blut fließt, die Erniedrigung ertragen Eönnen > „einem Uſurpator des Reiches zu gehorchen, „der noch dazu nichts unterlaſſen wird, ihr „Haus ſo klein als möglich zu machen. Se: „hen Sie denn nicht, daß er immer andere „als ſeine Blutsfreunde zu den hoͤchſten Aem⸗ „tern befoͤrdert, indeſſen er dieſe aus einer „feigen Politik in Entfernung und Unterthaͤ⸗

„nigkeit erhält: Der König von 'nien kennt „ihre Verdienſte und iſt im Stande dieſel⸗ „ben wuͤrdig zu belohnen. Wer wollte nicht „lieber unter dem groͤßten Monarchen ein „wichtiges Amt bekleiden, als unter dem „kleinſten Koͤnige von Europa in Unthaͤtig⸗ „keit, und ruhmlos leben. So denken viele „Edle in dieſem Reiche, die mit unwandel⸗ „barer Treue noch ihrem alten Oberherren nergsben find.

„kieber Marquis! mein Herz if be: „klemmt, und in meinem Kopfe ſchwirren „ſonberbare Gedanken. Was ſoll ich thun? „Alumbrado ſagt: „nichts, als die Sache „Gott anheim ſtellen.“

( .286 -)

0 Sch efgielt heute deinen Nrtef, „worin du mir über langes Stillſchweigen „Vorwuͤrfe macheſt, und doch bereue ich es „kaum, daß mein Schreiben, welches ich „ſchon vor einigen Tagen abſchicken wollte, „durch meine Vergeſſenheit liegen blieb, „denn ich kann es jetzt mit der Erzaͤhlung einer „ſehr wichtigen Begebenheit ſchlieſſen.

„Ich pflegte eine Zeit her alltäglich ges „gen Abend unſere Lieblingsgegend auſſer „der Stadt zu beſuchen, die theils durch „ihre kunſtloſe Schönheit, theils durch ihre „ungeſtoͤrte Ruhe mich beſonders an ſich zog. „Auf der linken Seite eine fortlaufende Reihe „mahlerifch gruppirter Hügel, auf der rech⸗ „ten ein in der Ebene ſich hinziehender Forſt; „in der Mitte die Ausſicht auf entfernte „blaue Berge du weißt, welche bezaus „bernde Wirkung dieſe Gegend vorzüglich. „bey Sonnenuntergang thut, daher walls „fahrtete ich immer um dieſe Zeit dahin. „„Der Weg fuͤhrt an einer alten Kapelle vors „bey, die mit einer zum Theil eingeſunke⸗ „nen Mauer umgeben iſt. Als ich geſtern „babin kam, trat Alumbrado hervor,

„Halt!

(387 )

5 Halt! (ſagte er) wiſſen Sie, daß Ste auf z dem Wege zum Tode find ?°* Alumbrado's unerwartete Erſcheinung, ſeine Bothſchaft „und der Ernſt, womit er fie vorbrachte,

„zogen meine Nerven krampfhaft zuſammen. „Zum Tode? (ſagte ich.) „Ja wohl! (er— „wiederte er) Prophezeyte ich Ihnen nicht, „daß der König feine Rache nachtragen wuͤr— „de? Gehen Sie fünfzig Schritte weiter, z ſo fallen Sie unter den Händen feiner Ban⸗ „viren. Sie ſtarren mich an? (fuhr er fort) „Damit Sie ſich uͤberzeugen koͤnnen, fo „kommen Sie herein, und laſſen uns die 3 Kleider wechſeln; ich will dann in ihren „Mantel verhilft vorwärts gehen, und die „‚gebungenen Mörder werden in der Mey— „nung, es mit Ihnen zu thun zu haben, „die Aufträge des Koͤnigs an mir volle „ſtrecken. Steigen Sie in dieſen Thurm „hinauf, von dem Sie den ganzen Auftritt „bequem uͤberſehen koͤnnen.“ Ich trat „mit Schrecken zuruck, und wollte es ſchlech⸗ terdings nicht zugeben, aber Alumbrads „heſtand darauf.“ Sorgen Sie fuͤr mein beben nicht! (verſetzte er) machen Sie keinen

„Lern;

(289%

„Lärm , wenn Sie mich fallen (chen gehen „Sie ſtill und unbekuͤmmert nach Hauſe, „ohne irgend jemanden von dem zu ſagen, „was Sie geſehen haben. Wir werden uns „wieder ſprechen.“ Alle meine Einwen⸗ „dungen halfen nichts; wir tauſchten die „Kleider, er begleitete mich in den Thurm hin⸗ „auf, zeigte mir den beſten Standpunkt, und „ging fort. Ich verfolgte ihn mit geſpann⸗ „‚ten Augen und mit hochſchlagenden Herzen.

„Alumbrado war kaum laͤngſt dem For: ste fuͤnfzig Schritte gegangen, fo knallte „ein Schuß und er ſtuͤrzte zuſammen. So⸗ „gleich ſah ich drey Kerl aus dem Forſte

„hervorſpringen, die ihm einige Stiche ver⸗

„oſetzten, und ihn darauf hinter die Bäume z „trugen. Ich wankte vom Thurm herab „und nach Hauſe. Was in meinem Innern

„„vorging, kann ich dir nicht beſchreiben.

„„Bis nach Mitternacht blieb ich auf. Kein „Alumdrado erſchien. Aber um ſechs Uhr „früh ließ er ſich melden. Ich begreiffe nicht, „wie mir bey ſeinem Anblick war. Er both „mir unverſehrt und freundlich einen guten „Morgen, und aa ſchauerte ich vor ihm le

(289 )

»ozuſammen. Alumbrodo! (ſagte ich nach „langer Pauſe) was habe ich geſtern vom „Thurm geſehen, und dennoch ſtehen Sie „fo vor mir?“ Wer unter Gottes unmit— „‚telbaren Schutze wandelt (war feine Ant— „wort) über den vermögen Kugeln und „Dolche nichts. Kommen Sie (fügte er hinzu) laſſen Sie uns den Markgrafen zbeſuchen.

„„Wir traffen meinen Vater ſchon ange— Hzogen. Ich erzaͤhlte ihm die Geſchichte des gefirigen Abends. Er ſtand wie verſteiner „„Die unmenſchliche Bosheit des Königs und „die uͤbermenſchliche Macht Alumbrado's »oſchienen ihn außer ſich zu ſetzen; der Dank, „den er dem letzteren wegen der Erhaltung „meines Lebens ſagen wollte, ſchwebte zu „gleicher Zeit mit Verwuͤnſchungen gegen „den Koͤnig auf feiner Zunge: er konnte nicht ſprechen.

„Wir wollen in die freye Luft, (ſagte „Alumbrado) laſſen Sie uns in den Garten „gehen. Wir gingen. Was allda verhan— „delt wurde, will ich nicht niederſchreiben; ,aber glaube nicht, daß Alumbrado Oel in

2 „Die

( 290 )

„„die Flamme goß. „Der Herzog von B““ „„(ſagte er) iſt nun einmahl König, und ſteht „unter keinem als Gottes Gericht. Kein „Sterblicher darf die ſtrafende Hand nach ihm ausſtrecken, fo lange nicht Gott oder „fein Statthalter auf Erden es befehlen. „„An mich iſt kein ſolcher Befehl ergangen, „und ich denke, auch nicht an Sie. Alles, „was Sie thun koͤnnen, iſt: ſich vor dem „König zu huͤten, und die Geſchichte zu „verheimlichen. Verſprechen Sie mir das, „wäre es auch nur, um ihrer eigenen Sie z cherheit willen.“ Wir verſprachen es.

„Ich konnte nicht umhin, mein Erſtau⸗ „nen uͤber Alumbrado's Unverletzlichkeit zu „bezeigen: „Glauben fie denn (ſagte er) „daß nur die, welche mit dem Geiſte der „Finſterniß im Bunde ſtehen, gegen Schuß „und Stich feſt ſind, daß die Kinder des „Lichtes ſich dieſer Gabe nicht zu erfreuen „haben ? Kleinglaͤubiger! Sie ſollen eine „Probe ſehen; laſſen ſie Flinte und Kugeln „hohlen, hier iſt Pulver.“ Hiemit zog er „ein Pulverhorn, das ich ſeit einigen Ta⸗

„gen vermißte, aus der Taſche „Sie hae

ben

(201)

„ben es (fügte er hinzu) entweder verlo— „ren oder es iſt Ihnen geſtohlen worden, „ich habe es in den Haͤnden der Banbiten „gefunden.“ Was wollen Sie denn mit „Flinte und Kugeln? ſagte mein Vater voll

. „Erſtaunen. „Das ſollen Sie ſogleich fee

„hen, (war Alumbrado's Antwort) laſſen „Sie nur erſt beydes hohlen.“ Ich rief „Pedro, der mir beydes aus meinem Zim— „mer bringen mußte. Und nun fluͤſterte mir „Alumbrado zu, den Bedienten fortzuſchi— „cken. Sobald dieſer weg waͤr, erſuchte er „mich, die Flinte zu laden, doch vorher „Pulver, Kugeln und Gewehr genau zu un— „terſuchen. Ich that feinen Willen. Nach- „dem ich geladen hatte, ſagte Alumbrado „zu dem Marggrafen: jetzt nehmen Sie die „Flinte und ſchieſſen auf mich. Mein Vater „uͤber dieſe Zumuthung erſchrocken ſah ihn „eine Weile mit ſtarrem Blick an, und rief „dann : Nein, das werde ich niemahls „thun. Alſo auch bey Ihnen Mangel an „Glauben? (ſagte Alumbrado; er blickte „hierauf gegen den Himmel) o Gott! wie lief find ſelbſt die treueren Bekenner deines 5 2 | „Soh—

o

„Sohnes geſunken.“ Ich chne es nut

„darum nicht (verſetzte der Markgraf) weil „ich Gottes Allmacht nicht verſuchen will.

„Nicht Verſuchung (antwortete jener) ſondern „Verherrlichung derſelben ſey der Zweck dies „ſes Unternehmens. Falle ich, fo bin ich ein Frevler und verdiene die Strafe. Blei—

„be ich aber unbeſchaͤdigt, ſo hat Gottes

„Macht die Kugel geleitet, und Sie wiſſen „dann, wie Sie mit mir daran find.‘ „Alumbrado enzbloͤßte feine Bruſt, trat ruͤck—

„lings einige Schritte zuruͤck, und erwar—

„tete den Schuß.

„Mein Vater hob zaudernd die Flinte.

„und legte an. Ich verbitte mir jede Scho— „nung, rief Alumbrado, ich will, daß Sie „nach meinem Kopf oder Herzen zielen. Der „Markgraf zielte, fieng aber ſo heftig zu „zittern an, daß er die Flinte niederſetzen „mußte. Alumbrado hieß mich zu ſich kom⸗ „men. Er nahm meine Hand und legte ſie „an ſeine bloſſe Bruſt. Fuͤhlen Sie (ſagte

„er) ob dieſes Herz ſo aͤngſtlich ſchlaͤgt, wie

„bas Herz jenes Mannes dort. Dieſe Re— „de muß den Stolz des Markgrafen empoͤrt has

ES

ä

( 293 )

„haben, denn er befahl mir ſogleich, auf „die Seite zu gehen, legte die Flinte an, „und ſchoß. Die Rauchwolke verhuͤllte uns „auf einen Augenblick Alumbrado's Zuſtand. „Wer waͤre vermoͤgend mein Gefuͤhl waͤh— „rend dieſem Augenblick und dem naͤchſtfol— „genden zu ſchildern, als ich ihn in der vo— „rigen Stellung erblickte und rufen hoͤrte: „Sie haben gut gezielt Markgraf, aber die „Kugel prallte von meiner Bruſt ab, hier „liegt ſie im Staube. Mein Vater ſank auf „ein Knie nieder, und hob bethend ſeine „Haͤnde gegen den Himmel. Ich ſtreckte mei: „ne Arme ſprachlos nach Alumbrado aus. „Herzog! (ſagte der letztere) Laden „Sie die Flinte noch einmahl. „„ Der Mark— „graf rafte ſich von der Erde auf, und „rief: wozu? „Damit Ihr Sohn die „That wiederhohle.,„, Nein, es iſt ge— „nug, verſetzte mein Vater, die Allmacht „des Ewigen iſt in Ihnen ſchon verherrli— „het worden. „„ Vorhin waren Sie zu „eleingläubig (ſagte Alumbrado) jetzt find „„Sie zu leichtglaͤubig. Wie? waͤre es nicht moglich, daß Sie mich verfehlten? daß z die

(294)

„die Kugel zufaͤl liger Weiſe auf einen an⸗ „dern Gegenſtand traff und hieher prallte? „„Aber falls Sie auch überzeugt find, daß „„Sie richtig zielten und traffen, iſt darum „auch der Herzog uͤberzeugt ?, Kurz! „ich mußte nochmahl laden, und Alumbra— „odo ſtellte feine Bruſt nochmahl zum Ziele „bar. i „„Ich konnte mich auf die Flinte und „meinen Schuß verlaſſen, und zwar um ſo „mehr, da ich nur ungefähr ſieben Schritte „entfernt ſtand. Ich zielte nach Alumbra⸗ „do's Kopf, ich faßte ihn gut und druͤck⸗ „te los. Aber Alumbrado trat wie ein hoͤ⸗ „heres Weſen unverſehrt aus dem Rauche, „und die Kugel lag abermahl zu ſeinen „Füßen.

Jetzt riß er einen Dolch aus der Taſche, er „ſtieß ihn zweymahl tief tief in die ent— „obloͤßte Bruſt, und zog ihn zweymahl, oh- one daß eine Wunde oder nur eine 1 „zuruͤckblieb, heraus.

„„O du, dem ich dieſes ſchreibe, ori „fahrte bieder, um zu den Fuͤſſen dieſes er⸗

e Menſchen die uͤble Mey⸗ z nung

( 295: )

„nung zu bereuen, die du einſt gegen ihn „hegteſt. Erroͤthe über deine Philoſophie, „durch welche du fo oft meinen Hang zum „wunderbaren bekaͤmpfteſt. O ich habe es „ja immer geahnet, daß dieſem unvertilg— „baren Triebe irgend ein Gegenſtand feiner „Befriedigung entſprechen muͤſſe, nur der „Weg: auf dem er zu ſinden ſey, war mir „unbekannt. Alumbrado hat mir ihn ge— „zeigt: und ſeitdem hat eine neue Epoche „meines Lebens angefangen. Wie klein, „zabgeſchmackt und leer erſcheint mir alle „Weisheit und Herrlichkeit der Welt, ſeit— „dem ich jenes hoͤhere Gut kenne, was den „zmeiſten Sterblichen hienieden verborgen „oder unzugangbar iſt.

N. S. „Ich uͤberleſe meinen Brief, und „finde darin ein paar Stellen, die mich be— „ſtimmen koͤnnten, ihn, wegen der ſtrengen „Wachſamkeit des Königs auf alle abge— „henden Briefe, nicht fortzuſchicken, wenn „„man mir nicht verſichert hätte, daß denen, „melde an dich gerichtet ſind, freyer Abs 25 zug geſtattet ſey.

Als

( 25 )

8 ich dieſes Schreiben des Herſogs von ina geleſen hatte, ſo wußte ich nicht, ob ich zuerſt zu ihm, oder zu ſeinem Vater oder zu Alumbrads eilen ſollte. Ich befahl ſogleich meinen Wagen anzuſpannen, und als ich eben aus der Thuͤre treten wollte, ſo ſtuͤrzte mir mein Kammerdiener bleich und athemlos entgegen. Guaͤdigſter Herr! ſtam⸗ melte er, als ich man hat Nun? ſag te ich Es iſt kaum zu glauben, fuhr er fort, aber das allgemeine Gerede Er hielt wiederum inne. Seine Beſtuͤrzung ſteck— te mich an. So rede doch rief ich mit erzwungener Faſſung. Der Marquis von Villa * und fein Sohn, ſagt man, aber er— ſchrecken Sie nicht gnaͤdigſter Herr Was? verſetzte ich mit halberſtarrter Zunge, wirſt du Ich konnte nicht weiter ſprechen. Der Herzog von 'ing und fein Vater ſollen wegen einer Verſchwoͤrung gegen den Koͤnig ſeyn verhaftet worden. |

Bey dieſen Worten ſtrickten Schrecken und Entſetzen meine Sehnen los, mein Le— ben ſchien mich zu verlaſſen aber bald gab die Verzweiflung mir meine Kraft wies

der.

(729%)

der. Ich warf mich lin den Wagen, um beſtimmtere Nachricht einzuhohlen. Als ich durch die Gaſſen fuhr, fand ich alles in Bewegung, und erhielt nur zubald die Be— ſtaͤtigung jenes Geruͤchtes; ich erfuhr zu— gleich, daß nebſt dem Markgrafen und ſei— nem Sohne noch 45 Perſonen waͤren einge— zogen worden. Vor dem koͤniglichen Palla— fie verſammelte ſich das Volk, mit wuͤthen— dem Geſchrey verlangte es, daß man die Verraͤther ihnen ausliefern moͤchte. Allein der Koͤnig dankte fuͤr dieſen Eifer und ließ die Obrigkeit rufen, den ergrimmten Haufen— zur Ruhe zu bringen.

Meine Beftärzung , meine Angſt und Verwirrung und eine Unpaͤßlichkeit, welche die heftige Gemuͤths bewegung mir zugezo— gen hatte, lieſſen mich vergeſſen, daß heu⸗ te der Tag ſey, an dem der Freund, wel— cher mir in jenem Schreiben von unbefanns ter Hand angekuͤndiget wurde, erſcheinen ſollte. Erſt am darauffolgenden Tage fiel mir jenes Schreiben wieder in die Augen, und weil der Freund mich nicht beſucht

2 hat⸗

(298 3

hatte, ſo bediente i mich ber che Erlaubniß es zu oͤffnen.

Aber wie groß war mein Erſtaunen,

als ich die Handſchrift des Herzogs von ing

erblickte. „Wann du dieſes lieſeſt (ſchrieb

„er) fo iſt die That gethan, und Port“ „ſteht wieder unter 'niſchen Scepter. Ber: „gieb mir, daß ich dieſesmahl dein Ver— „trauen hinterging, aber das Verhaͤltniß, „in dem du mit dem neuen Regenten ſteheſt, „verbot mir, dich um die Sache fruͤher, als

„bis fie geſchehen iſt, wiſſen zu laſſen. Da—

„her erſann ich die Liſt mit dieſem Briefe, „der dich zwar von dem ganzen Hergange „unterrichten, aber erſt dann erbrochen wer— „den ſoll, wenn man den Anſchlag nimmer „hintertreiben kann.

„Nicht nur mein Vater und ich, nicht

„nur jene zwey Praͤlaten, deren ich ſchon „oͤfters in meinen Briefen erwaͤhnte, ſon⸗ „dern auch andere Adeliche und Edle kamen „nach mehreren Unterredungen darin uͤber— „ein, daß der unrechtmaͤßige Befitzer des „Reiches gezwungen werben muͤſſe, die „Krone dem Könige von nien gu: „rück

(..299: )

„rücsuftellen, Allein ber Anſchlag ſchien ſo „gefahrvoll und ließ fo wenig einen gluͤck— „lichen Ausgang hoffen, daß weder der „Markgraf noch ich Hand daran zu legen „wagten, fo lange wir nicht Alumbrado's „Einwilligung und Beyſtand erhielten. Wir bathen ihn daher eines Tages, beydes uns „nicht laͤnger zu verſagen. Erz bedachte ſich „lange und ſprach endlich: „Wohlan! „aber ich weiche nicht von der feſtgeſetzten „Bedingung, keinen Schritt gegen den Re— „genten zu beguͤnſtigen, bis ich nicht uͤber— „zeugt bin, daß es Gottes Wille ſey. Dies „ſen zu erfahren, iſt kein anderer Weg als „bas Gebeth. Ueber den frommen Bethen⸗ „den wallt Gottes Geiſt, und die Einge— „bungen, die man in dieſem Zuſtand erhaͤlt, „ſind Gottes Stimme. Laſſen Sie uns alſo „dieſe Nacht hindurch im Gebethe verhaͤr— „ren; jeder wache einzeln, und morgen kruͤh wollen wir zuſammen kommen, um einan— „„der mitzutheilen, was uns der Herr geof— „„fenbaret hat. Wenn Ihr Vorhaben auch nach wpollbrachter Andacht noch feſt in ihrer Seele 5 ſteht,

1 (. 300 ) „ſteht, fo iſt es der“ Wille des Ewigen und „wir wollen dann ans Werk ſchreiten.“ „Ich hatte ſchon lange den Gedanken „in mir herumgetragen, eine Nacht allein „in einer Kirche zuzubringen, was ich mir „immer als einen Genuß vorſtellte, der ganz „einzig in ſeiner Art ſeyn muͤſſe. Ich be⸗ „ſchloß alſo Alumbrado's Vorſchlag zu be⸗ „folgen, und zugleich mir den erwähnten „Genuß zu verſchaffen. In dieſer Ruͤckſicht „ließ ich mich Abends in die Domkirche „einſperren. Die erſte Idee, welche ſich „mir, als ich hier allein war, aufdrang, „war die Vorſtellung von der unmittelbaren „Gegen wart des Ewigen, und dieſe Idee „ergriff mich in ihrer ganzen furchtbaren „Erhabenheit. Ich ging zu dem Hochaltar, „und warf mich an den Stufen auf mein „Angeſicht nieder. Anbethung war meine „erſte volle Herzensergieſſung, dann ging „ich zur Bitte um Erleuchtung und Beyſtand ‚uber. Ich zerfloß in Schauer der Andacht, „ich bethete, wenn ich mich ſo ausdruͤcken „darf, in allen meinen Sinnen und Gedans „ten.

e

ken, und meine Seele folgte dem Strome „heiliger Begeiſterung, die ſie dahin riß. „Es ſchlug eilf auf dem Kirchthurm, „als ich wieder zu mir ſelbſt zuruͤckkam. „Ich ſtand auf und ſah umher. Die Kirche „lag in einem heiligen Dunkel eingehuͤllt; „die einzelnen Lampen, welche vor den Al— „taͤren und Bildern brannten, brachten an „den entgegengeſetzten Theilen des Gebaͤu— „des groſſe Maſſen von Licht und Schatten „maͤchtig und erhaben in ihrer Wirkung „hervor, indeſſen ſie in dem uͤbrigen Raume „nur eine matte Daͤmmerung verbreitete. „Die Gegenwart des Allerheiligſten, das me= „lancholiſche Schweigen der Nacht, der „weite Umfang des gothiſchen Gebäudes lieſſen mich mit einer Art von Schauer „meine Einſamkeit au dieſem Orte fuͤhlen. „Die herrſchende tiefe Stille wurde nur zu— „weilen von einem Kniſtern und Krachen, „von den Raſſeln der Kirchenfenſter, von „dem Saͤuſeln eines Luftzuges durch die lei— „ſetoͤnenden Orgelroͤhren, von den Wim— „mern feiner Glocke unterbrochen. Als ich „weiter ging, befremdete mich das Geraͤuſch „Mmeis

6 302)

„meiner lang nachhallenden Fußtritte, und „erinnerte mich, daß der Marmorboden auf „Gewoͤlben ruhe, unter denen die Geiſtlichen „des Ordens begraben liegen. Ich ſchritt „durch einen Seitengang hin, und ſtand „bald vor einem Altar, bald vor der Bild: „ſaͤule eines Heiligen, bald vor einem Grab— „mahl in ehrfurchtsvoller Betrachtung ſtille; „das alte kunſtwidrige Ausſehen mancher „Gemaͤhlde und Statuen trug nicht wenig „bey, ihren feyerlichen Eindruck zu verſtaͤr— „ten. Eine Kapelle, wo ein Chriſtusbild

„in Lebensgroͤße am Kreutze hing, zog be⸗

„ſonders meine Aufmerkſamkeit an ſich, venn „das ſchnellwiederhohlte Aufflimmern der „allda ſchwebenden Lampe hatte die Taͤu— „ſchung in mir erregt, daß ſich das Bild

„bewege. Ueberhaupt brachte die ganz eis

„gene Verfloͤſſung und Vertheilung von Fin⸗ „ſterniß, Daͤmmerung und Licht in dieſer „Kirche, das ploͤtzliche Emporlodern und „Erſterben der Lampen die verſchiedenſten, „nicht ſelten uͤberraſchendſten Wirkungen fuͤr „das Auge hervor, und die Einbildungskraft „hatte immer reichlichen Stoff.

ö „Ende

. ͤ

e

„Endlich trugen ich meine herumir⸗ „renden Fuͤße durch eine große Halle, die „in den hinterſten Kreutzgang und zu einem „verſchloſſenen Kirchhof fuͤhrte. Mein erſter „Blick, der dahin fiel, zuckte betroffen zu⸗ „ruͤck. Ich ſah nochmal hin, und ſah, wie „zuvor, mehrere weiſſe Geſtalten, die rau— „ſchend erſchienen und verſchwanden. Ich „muß geſtehen, daß ein kalter Schauer mich

„anflog, und daß ich wie eingewurzelt ſte⸗

„hen blieb. In wenig Augenblicken kam „aus dem Hintergrunde ein Moͤnch mit ei— „ner Laterne hervor; und eine kurze Beſin— „nung loͤſte mir jetzt das ganze Raͤthſel. „Das Geraͤuſch, welches ich hoͤrte, kam „von feinen Tritten und die Geſtalten wa— „ren nichts als weiſſe Bildſaͤulen, die ſo, „wie er im Gehen ſeine Laterne bewegte, „bald ſichtbar, balb unſichtbar wurden. Er „hatte vermuthlich im Kreutzgange gebethet, „und ging jetzt nach ſeiner Zelle zuruͤck; ich „druͤckte michl an. die Wand, um von ihm

„nicht bemerkt zu werden.“

„Eine Muͤdigkeit, die von der kuͤhlen „Nacht und der Unterdruͤckung des Schlafes „ders

(3304)

„herruͤhren mochte, lud mich ein, meine „Wanderung einzuſtellen. Ich ſetzte mich in „einen Stuhl, wo ich mich dem ungebundes „nen Gange meiner Gedanken überließ. Als „ich aus meinen Phantaſien erwachte, daͤm⸗ „merte ſchon das Gewölbe der Kirche auf, „und der Schein der Morgenroͤthe fiel ver— „klaͤrend auf ein Marienbild, das dem Fen⸗ „ſter gegenuͤber ſtand. Ich war lange in „dieſem Anblick wie verloren. Aber das ana „genehme Hinſtaunen wurde bald durch eine „herzlichere Empfindung verdrängt, ein from⸗ „mes Vertrauen regte ſich fin meinem Bu⸗ ‚fen und ich wollte mich eben vor der Hoch— „gebenedeyten auf die Kniee werfen, als „ich die Kirche aufſperren hoͤrte. Haſtig „verbarg ich mich in eine Ecke, und ſobalb „der Schlieſſer in die Kirche getreten war, „ſchluͤpfte ich unbemerkt hinaus. Auf dem „Wege glaubte ich in der Ferne Sierman⸗ „ſorn zu erblicken, es ſchien ſogar, als ob „er ſich mir naͤhern wollte, aber ich floh

„mit Schrecken vor ihm. „Nicht laͤnger als eine Stunde befand Iich mich zu Haufe, als ſchon Alumbrado

„era

( 305 ) Ferſchien. Ernſt und feyerlich trat er einz „Sein Geſicht ſagte mehr als ſein Mund. „Wir gingen zu dem Markgrafen, der ſchon „begierig unſere Ankunft erwartet zu haben ſchien. Er verneigte ſich tief vor Alum-⸗ „brado.“

„Sie haben die Nacht durchwacht (ſagte „ber letztere zu uns) und der Andacht ges „beiliget. Steht ihr Vorhaben noch feſt?

„Ja, antwortete mein Vater mit mir „zugleich. |

„Eine lange Pauſe. Alumbrado ſprach: 25 ich habe die Nacht durchwacht, und

ich trete hiermit in Ihren Bund ein; „Er faßte zugleich eines jeden Hand. Ich „habe zu Gott geredet (fahr er fort) und „er hat mich hoher Eingebungen gewuͤrdiget. „„Verſprechen Sie mir Stillſchweigen, fo zwill ich fie Ihnen mittheilen⸗

„Wir verſprachen.

„Ja meine Freunde! (hob er Pr Gott „hat ſte auserſehen, Werkzeuge ſeiner ſtra⸗ „fenden und genugthuenden Gerechtigkeit zu „ſeyn. Ihr Amt iſt ehrwuͤrdig, aber fuͤcch⸗ „terlich fuͤrchterlich, aber auch Segen

= u pers

{ 306)

„verbreitend. Nur geziemt es einem Werk⸗ „zeuge weder zu gruͤbeln, noch zu widerſtre⸗ „ben. Wollen fie alſo in meine Hand ges „loben, blindlings zu folgen?

„Das wollen wir.

„Auch dann zu folgen, wenn Gottes „Befehle mit Ihren Meynungen und Ihren „Gefühlen in Widerſtreit gerathen.

die Nathſchlaͤge des Ewigen find un: „erforſchlich, aber immer gerecht und weiſe, „Wir gehorchen?

„H, Sie ſchwoͤren alſo blinden Gehorſam? „„Wir ſchwuren. Und nun erfuhren wir „durch Alumbrado unſere Auftraͤge, und „den ganzen Entwurf des geheimen Bunz „des. Eine Darſtellung davon wuͤrde fuͤr „dich uͤberfluͤſſig ſeyn, indem, wenn du die⸗ „ſes lieſeſt, die Ausführung ſchon vorbey „und alſo der Plan dir auch bekannt iſt.

„Lebe wohl mein Freund! auch dann noch

„zaͤrtlich von mir geliebt, wenn du mein „Feind werden ſollteſt. Lebe wohl.“

Dieſes Schreiben loͤſete mir zum Theil das Raͤthſel der ſchrecklichen Geſchichte, allein

über den ganzen Seen der Ver⸗ ſchwoͤs

- ͤ —. .. ——

K 307) ſchwoͤrung und ihren Entwurf erhielt ich erſt dann volles Licht, als man die Schuldigen verhoͤret hatte. Ich begnuͤge mich hier einen Furzen Umriß der Geſchichte zu liefern.

Als der "nische Staatsminiſter Orva* im verfloſſenen Jahre die Anſtalten, welche der Herzog von B'** traf um die verlorne Koͤnigskrone wieder an ſein Haus, zu brin⸗ gen, durch drey Verſuche nicht zu hinter— treiben vermochte ), ſchickte er Alumbrado, deſſen er ſich ſchon bey mehreren Gelegenhei— ten mit Vortheil bedient hatte, nach Li'bon, damit derſelbe die Bewegungen des Herzogs von B*** in der Nähe beobachte, und durch wirkſame Gegenanſtalten vereitle. Alum— brado warf fein Augenmerk auf einen Mann, der ſowohl wegen des Ranges feiner Ges burt und ſeiner Verdienſte um den Staat, als auch wegen feiner Reichthuͤmer in groſ—

ſem Anſehen ſtand, naͤmlich auf den Marks

grafen von Villa“, deſſen geheime Abnei— gung gegen den Herzog ihm aus D’va’g 1 1 bekannt war; mit dieſem wollte er U 2 j ge⸗

) Siehe in dieſem Bande, Seite 97, 98.

( 308 ) gemeinschaftlich die Mine anlegen, welche das groſſe Werk des Hauſes B'“ in die Luft ſprengen ſollte. Allein er traf den Mark⸗ grafen in einem Zuſtande, der ihm fuͤr ſeine politiſchen Abſichten wenig hoffen ließ. Jene vermeynte Erſcheinung des verſtorbenen Gra⸗ fen von San' und feine nachfolgende Krank— heit hatten ihn aus einem Staatsmanne in einen froͤmmelnden Klausner umgeſchaffen. Doch ein fo durchtriebener Kopf als Alum⸗ brado gab deßwegen feinen Anſchlag nicht auf, er aͤnderte nur ſeine Maßregeln, und gruͤndete auf religioͤſe Schwaͤrmerey und Aberglauben einen Plan, durch welchen er den Markgrafen fuͤr ſeine Abſichten zu gewinnen hoffte. Allein er hatte ſich vielleicht dieſe Arbeit leichter, oder die Fortſchritte des Her⸗ zogs von B'“ langſamer, als fie waren, vorgeſtellt genug! die Revolution brach aus, ehe er mit der Ausführung ſeines Ent⸗ wurfes zuſtandegekommen war. Dieſer Streich

drückte Alumbrado's Geiſt nicht barnieder⸗

Er hatte dem Herzoge von B' die Erobe⸗

rung der Krone nicht ſtreitig machen koͤnnen,

er faßte den Entſchluß ſie ihm wieder zu enk⸗

(309 )

entreiſſen. In dieſer Ruͤckſicht reifte er nach knien zurück und berathſchlagte ſich mit dem Miniſter. O' va“ hatte ſich wirklich durch die Verſtelluug des Herzogs von *ing ver— leiten laſſen zu glauben, daß es dieſem mit feinen Vorſchlaͤgen gegen das Haus B** Ernſt geweſen, und dieß war genug um den Schluß zu faſſen, daß Alumbrado nicht nur den Markgrafen, ſondern auch ſeinen Sohn fuͤr den Anſchlag wider den neuen Regenten zu gewinnen trachten muͤſſe. Daß und wie er dieſes gethan, zeigte der Gang der Ge— ſchichte. |

Allein Alumbrado hatte wohl eingeſehen, daß die Ausfuͤhrung eines ſo gefaͤhrlichen Anſchlages viele mitwirkende Krafte fordere, und hatte ſich daher bey Zeiten um mehrere Theilnehmer beworben. Einer der vorzüglis chen war der Erzbiſchof von "age Primas von Port“, (den der Herzog von ina in feinen Briefen an mich unter dem einen Geiſt⸗ lichen von hohem Range verſtanden hat) eine Eroberung, die dem Alumbrado ſo wenig Mühe machte, daß ihm der Erzbiſchof viel: mehr auf halbem Weg entgegen kam. Die:

13 fer

(320, N

fer hatte den gluͤcklicheit Ausgang der Staats⸗ veränderung mit dem aͤußerſten Unwillen ans geſehen, denn er war dem *nifchen Hofe And der Unterkoͤniginn eifrigſt ergeben, wel⸗ cher er ſeine Erhebung ſchuldig war. Schon bey dem Ausbruche der Revolution hatte er, um fie zu rächen, gegen einen der Verbuͤnde⸗ ten den Degen gezuckt ), um fo viel mehr glaubte er jetzt, da er ſie in Feſſeln ſah, alles zu ihrer Befreynng anwenden zu muͤſ⸗ ſen. Durch ſeine Vermittelung eroberte Alum— brado ſogar den Biſchof von *arda Groß- inquifttor des Reiches. (und dieſer war der zweyte vornehme Geiſtliche, von dem in den Briefen des Herzogs von *ina Meldung ges ſchieht) Er wurde durch die Vorſtellung ge: wonnen, daß er bey der neuen Regierung ſein wichtiges Amt nicht lange bekleiden wuͤrde, indem der Koͤnig damit umgehe, die Inquiſition in ſeinem Lande aufzuheben. Beyden Praͤlaten leuchtete ſehr wohl ein, wie nothwendig der Beytritt des Markgra⸗ fen und feines Sohnes ſey, wenn das Un⸗ ter⸗ * Sieh in dieſem Bande, Seite 129.

Gr)

ternehmen gelingen forte, und fie unterftüg - ten daher Alumbrado's Bemühungen: die—

ſes Paar in den Bund zu ziehen, nach ih- rem beſten Vermoͤgen, obwohl fie einem ab= gekarteten Plane gemaͤß ſich anſtellten, als wenn ſie mit Alumbrado in gar keinem Ver— haͤltniſſe ſtaͤnden. Indeſſen ſuchte der letzte— re durch Beyhuͤlfe der beyden Praͤlaten im ſtillen ſtaͤts mehrere Mitglieder anzuwerben und ſie brachten auch nebſt dem Grafen von Ar mar einem Vetter des Primas und ans dern port“ ſchen Edelleuten alle Parthey— gaͤnger von *nien und die Juben auf ihre Seite. Die letzteren wurden auf eine beſon— dere Art gewonnen. Es iſt ſchon in den Briefen des Herzogs gemeldet worden, daß ihnen der neue Regent ihr Geſuch: als aͤu— ßerliche Chriſten ohne Furcht von der In— quiſitton im Koͤnigreiche leben und handeln zu duͤrfen abgeſchlagen habe. Allein der Primas trug ihnen dieß freywillig an, er verhieß ihnen ſogar insgeheim im Nahmen des Königs von „nien eine oͤffentliche Sy⸗ nagoge im Reiche! wenn ſie zur Ausfuͤhrung

| des

8 ves groſſen Anſchlages mitwirken wurden; wozu fe ſich denn auch verſtanden.

Der Anſchlag ſelbſt war ſchrecklich ge⸗ nug. Am sten Anguſt (im Jahre 16 * *) ſollten die Juden zur Nachtzeit nicht nur im koͤniglichen Pallaſte, ſondern auch in al⸗ len Abtheilungen der Stadt an mehreren Orten Feuer anlegen, um das Volk zu bes ſchaͤftigen. Dann ſollten die Verſchwornen unter bem Vorwande zu loͤſchen in den Pal⸗ laſt eindringen, den Koͤnig erſtechen, die Koͤniginn aber ſollte mit den zwey jungen Prinzen burch den Herzog von “ina gefan⸗ gen genommen werden, um das Schloß auf die naͤhmliche Ark, wie man es mit der Un⸗ terkoͤniginn gemacht hatte, zur Uebergabe zu zwingen. Zu gleicher Zeit ſollten einige die Flotte im Hafen anzuͤnden. Indeſſen wollte der Primas mit ſeinem ganzen Ge⸗ folge durch die Stadt ziehen, um das wi⸗ derſtrebende Volk mit der Inquiſition zu be⸗ drohen. Nach Ausgang der Sache ſollte der Margraf von villa“ die Wuͤrde eines Unterkönigs bekleiden

I

i

(313)

Dieß war der Enttburf eines Unterneh⸗ mens, welches nur tollkuͤhne, oder verblen— dete wagen konnten. Alumbrada, der das abenteuerliche und halsbrechende deſſelben am beſten begriff, ſah wohl ein, daß ſelbſt in dem Falle, wenn alles gluͤcklich ablaufen ſollte, dennoch nichts als die Hauptſtadt und zwar mit offenbarer Gewalt würde ge— wonnen, und, wenn nicht ſogleich eine dus ßere Macht den Verſchwornen zu Huͤlfe kaͤ— me, alles wiederum wuͤrde verloren ſeyn. Er fand daher für noͤthig, daß eine 'niſche Flotte an der Kuͤſte warte, um bey dem Ausbruche des Feuers in den Hafen einzu— laufen, und daß an den Graͤnzen ein kleines Heer *nifcher Soldaten bereit ſtehe, um bey der erſten Nachricht von dem gluͤcklichen Aug: gange des Unternehmens in das Land ein— zudringen. Dieſe Huͤlfe ſollte O' va“ leis ſten. Daher mußte ihm der gefaßte Ans ſchlag auf das umſtaͤndlichſte berichtet, und die genaueſte Abrede genommen werden. Nur war die Frage, wie das Paket richtig und ſicher nach nien komme, indem der neue Regent in Ruͤckſicht des verdaͤchtigen Brief:

wech⸗

(314 ) wechſels gute Anſtaͤlten an den Grenzen des Reiches getroffen hatte. B'eza, von dem ich ſchon oben Meldung that. ) war wegen ſeines ausgebreiteten Handels von dem Rz nige allein mit dem Privilegium beſchenkt, freyen Briefwechſel nach 'nien zu unterhal⸗ ten. Alumbrado zog dieſen wichtigen Mann in das Intereſſe der Verſchwoͤrung und ihm ward die Beſtellung jenes gefaͤhrlichen Pas

ketes anvertraut. Aber Der Irländer war von feiner Reiſe zu⸗ ruͤck gekommen. So geheim auch die Ver⸗

fuͤgungen, Werbungen und Anſtalten der |

Verſchworenen betrieben wurden, fo fielen ihm doch hie und da Reden und Bewegun— gen auf, die ihm verdaͤchtig ſchienen. Den⸗ noch war es ihm ſchwer auf eine fichere Spur zu kommen. Es hatte ihm zwar ge⸗ lungen, ſich in Bw eza's Haufe unter der Geſtalt eines auslaͤndiſchen Kaufmannes Eingang zu verſchaffen, und ſich bey ihm durch einige betraͤchtliche Geldgeſchaͤfte in Kredit zu 5 allein in Ruͤckſicht des ge⸗ hei⸗

) Sieh in dieſem Bande. S. 1655

C.. 318... 2

Heimen Auſchlages war Breza die Verſchwie⸗ genheit ſelbſt, obwohl der Irlaͤnder um ihn zu locken, manchmal auf die neue Regierung ſchimpfte. Als aber B eza jenes Paket bes kommen hatte, um es nach nien zu ſchi— cken, ließ er eine Art von Aengſtlichkeit blis cken, die dem Irlaͤnder nicht eutging. Dies fer wußte, ohne irgend eine Abſicht zu vers rathen, denſelben ſo kuͤnſtlich zu lenken, daß er das Paket an den Marquis von Aja“, Befehlshaber einer 'niſchen Grenzfeſtung ads dreſſirte. B'eza ſchien der Meynung zu ſeyn, daß, wenn die Briefe nur einmahl in *nien wären, es alsdann mit der richtigen Bes fiellung weiter keine Schwierigkeit hätte. Die Veranſtaltung des Irlaͤnders war im Grunde bloſſe Vorſicht, denn Bleza's Aengſtlichkeit bey Beſtellung des Paketes konnte wohl auch ein kaufmaͤnniſches Be— ſorgniß wegen Wichtigkeit der darin enthal— tenen Handelspapiere ſeyn. Indeſſen ging doch die Vorſicht des mißtrauenden Irlaͤn⸗ ders noch weiter; er ſchickte ſogleich ein Schreiben an ſeinen 5 den Marquis

von.

Ge

von Aja“ ab, wohin er ihn auf bie An⸗ kunft jenes Paketes aufmerkſam machte. Als der Marquis es erhielt und bey Erbrechung des erſten Umſchlages mit dem groſſen Siegel bes Primas von Port“ ge⸗ ſchloſſen, und an den 'niſchen Staatsminiſter D*va* gerichtet fand, fo kam ihm die Sache nach jener vorlaͤufigen Erinnerung des Ir⸗ laͤnders deſto verdaͤchtiger vor. Er öffnete das Paket, und entdeckte die groſſe Gefahr, in welcher ſich der König von Port“ befand. Der Marquis ein naher Anverwandter des Koͤniginn von Port“““ und ihrem Gemahle zugethan, ſchickte das Paket in aller Eile an ben letzteren zuruͤck. 165 Man kann ſich das Erſtaunen und Ent⸗ ſetzen des Koͤnigs vorſtellen, als er den ſchrecklichen Anſchlag erfuhr, der uͤber ihm und dem Reiche ſchwebte. Er rief ſogleich den geheimen Rath zuſammen, worin fols gende Gegenanſtalten beſchloſſen wurden: Den Ften Auguſt, an dem in der Nacht

um eilf die Ausfuͤhrung des Komplottes

feſtgeſetzt war, ließ des Morgens der Kot nig alle in der Nähe gelegenen Truppen un⸗

ter

L 37 } ) zer dem Vorwand einruͤcken, daß er fie auf dem groſſen Platze vor dem Pallaſt muſtern wolle. An demſelben Morgen haͤndigte er ſelbſt den treueſten Officieren verfiegelte Brief⸗ chen ein, mit Befehl, ſie nicht eher als um die Mittagsftunde zu erbrechen, und alsdann den Inhalt unverzuͤglich und auf das ger naueſte zu vollziehen. Hierauf ward zum groſſen Staattzrathe um ein Uhr mit dem Bedeuten angeſagt: daß der König noch et⸗ was beſchlieſſen wolle, ehe er die Kriegs- übungen machen laſſe. Sobald der Erzbi⸗ ſchof von daga und der Narkgraf von Villa“ als Mitglieder des Staatsrathes erſchienen waren, wurden ſie verhaftet. Zu gleicher Zeit verſicherte ſich ein Hauptmann der koͤ— niglichen Leibwache des Serzoges von ina auf oͤffentlichem Platze. Und dieß war der Zeitpunkt, in dem alle beſtellten Officiere ihre verfiegelten Zettel öffneten, worin jeder den Nahmen deſſen, den er ergreiffen, und das Gefaͤngniß, wohin er ihn bringen ſollte, angezeigt fand. Für jeden Beſchuldigten war ein eigener Verwahrungsort, und zur Verhaftung mancher, mehr als einer be⸗ ſtimmt.

646318 3)

ſtimmk. Alle Beorderten fanden ſich auf ein⸗ mahl an den angewieſenen Pläßen ein, und richteten ihr Geſchaͤft, ſo zu ſagen, in einem Augenblick aus. Die Zahl der Verhafteten belief ſich auf Siebenundvierzig.

Nun wurde ein hohes Gericht nieders

geſetzt, in dem wegen der Großen, die vor demſelben verhoͤret wurden, mehrere Gran— den von Port“ Sitz nahmen. Die Briefe wollte man ihnen nicht ſogleich vorlegen, um den Marquis von Aja““ nicht zu vers rathen. B'eza wurde mit der Folter bes droht und bekannte der erſte, die uͤbrigen beſtaͤtigten feine Ausſage mittelſt der ſchar- fen Frage. Der eee von Villa“ aber, der Herzog von ina und die zwey a ten geſtanden freywillig. Alumbrado hielt den erſten Grad der Folter aus und bekannte nicht. Als man ihn aber mit dem zweyten Grad bedrohte, fieng er zu beichten an.

Man wird vielleicht begierig ſeyn, die naͤheren Lebensumſtaͤnde dieſes Menſchen zu wiſſen. Was ich davon in Erfahrung bria⸗ gen konnte, will ich hier mittheilen.

5 Er

6319 3

Er iſt in da“ gebohren. Wenn die Ju⸗ genden der Aeltern ſo erblich wie ihr Rang und Reichthum waͤren, fo wuͤrde er nicht, der Schandfleck eines eben ſo anſehnlichen als wuͤrdigen Hauſes geworden ſeyn. Schon in fruͤhen Jahren zeigte er Spuren eines durchdringenden Verſtandes, einer befondee ren Faſſungskraft und Geiſtesgewandtheit aber die Natur hatte ſo wie das Gluͤck an einen Nichtswuͤrdigen ihre Gaben verſchwen— det. Die groſſe Strenge, womit fein Bas ter uͤber ſein Betragen wachte, diente zu nichts als ihn zu einem Heuchler zu bilden, denn er enthielt ſich von keinem Vergehen, wenn er es unbemerkt veruͤben konnte, ob— wohl er oͤffentlich fuͤr ein Muſter galt, das man anderen Kindern zur Nachahmung em— pfahl. In ſeinem neunten Jahre warf er ein Maͤdchen mit einem Stein aus der Schleu— der todt, und war ſchon imſtande nicht nur die Schuld auf einen ſeiner Spielgeſellen zu waͤlzen, ſondern dieſes durch Betheuerungen und Thraͤnen über die getoͤdtete auch glaub— wuͤrdig zu machen. Der Lauf der Jahre Anderte an ſeinem Charakter nichts, als daß

23

628)

er an Boͤsartigkeit und an Geſchicklichkele ſie zu verbergen zunahm.

Da ihn aber der Tod ſeines Vaters zum Herren eines ungeheuren Vermoͤgens machte, wollte er ſich fuͤr ſeine bisherige Zuruͤckhal⸗ tung durch Zuͤgelloſigkeit ſchadlos halten, und uͤbergab ſich allen Arten von Ausſchwei⸗ fungen mit einer Wuth, die nicht minder ſeine Geſundheit als ſein Vermoͤgen zugrunde richtete. Der Gram uͤber dieſe Lebensart toͤdtete ſeine Mutter. Das war ihm recht, weil er durch eine friſche Erbſchaft ſeinen Zuſtand zu verbeſſern hoffte. Aber er fand ſich getaͤuſcht. Seine Mutter, die es fuͤr Suͤnde hielt ſeine Ausſchweifungen zu unter⸗ ſtuͤtzen, vermachte ihren Nachlaß einem Klo⸗ ſter. Um ſich dafür zu rächen ſteckte er das Kloſter in Brand, und ging durch |

Die Juſtiz verfolgte ihn, und die Duͤrf⸗ tigkeit machte das Maß ſeines Elendes vol: Wohin er auch floh, folgten ihm beyde: Endlich gelang es ihm ſich auf einem Schiffs einzubetteln, das eben in die See zu ſtechen bereit war. Dadurch entging er zwar den gerichtlichen Nachſtellungen, aber nicht dee

Strafe

( 32% ) | Strafe des Himmels, denn das Schiff wurde von Korfaren angegriffen, uͤbermannt, und er in die Gefangenſchaft geſchleppt.

Um ſich dem Sklavendienſte zu entzie⸗ hen, nahm er Muhameds Religion an. Es gluͤckte ihm durch die Faͤhigkeiten ſeines Kos pfes ſich emporzuarbeiten, und nach einigen vortheilhaften Streifzuͤgen auf der See ein betraͤchtliches Vermoͤgen zu ſammeln, wel⸗ ches er waͤhrend einer Zeit von zwanzig Jah⸗ ren durch Spekulationen zu Waſſer und Land zu einem unermeſſenen Reichthum erhöhte, Dabey unterließ er nicht, den Chriſten, wo er konnte, Abbruch zu thun, beſonders war ſeine boshafte Kabale Schuld, daß Port“ einen wichtigen Theil ihrer Beſitzungen in A“ verlor.

Allein fein Gluͤck ward endlich die Ura ſache ſeines Ungluͤckes, es machte ihn ſo uͤbermuͤthig, daß er nach einer Waͤrde im Staate ſtrebte, zu der ein Renegat ſelten oder nie gelangt. Man wies ſein Geſuch zuruͤck. Dadurch wurde ſein Ehrgeitz noch mehr entflammt, und er trachtete ſeinen Zweck burch große Beſtechungen durchzuſetzenz doch vergebens. Jetzt ſpann er eine abſcheus

* liche

| ( * liche Meuterey an, die aber ein Derwiſch,

den er mit verwickeln wollte, verrieth. Der

Renegat hatte kaum Zeit genug, mit Zuruͤck⸗

laſſung aller Haabe, feinen Kopf durch die

Flucht zu retten. Als er die chriſtlichen Länder wieder bes trat, zog er ein Pilgerkleid an, in dem er

die Rolle eines wallenden Buͤſſers ſpielte.

Ueberall, wo er durchreiſte, gab er vor, er haͤtte das heilige Grab beſucht, waͤre von den Unglaͤubigen lange in harter Gefangen— ſchaft gehalten, und endlich durch ein Wun⸗ der daraus befreyet worden. Er theilte Stuͤck⸗ chen von Holz, Stein und Erde als koſtba⸗ re Reliquien, die er aus Jeruſalem mitges

bracht haͤtte, unter die Leute aus, welche

ihm dieſe Armſeligkeiten mit ſchweren Gelde bezahlten.

So ſetzte er ſeinen Pilgerſtab von einem Orte zum andern fort, und fand allenthal⸗ ben Leichtglaͤubige, Obdach und Almofen. In A ljuez lernte er den Biſchof W’’* ken⸗ nen, der damahls das Amt eines r* ſchen Geſandten in 'nien bekleidete. Durch feine

5 sea; gelang es ihm,

ſich

8b.)

ſich bey dieſem wuͤrdigen prälaten in Gunſt zu ſetzen, der ſich endlich ſo ſehr taͤuſchen ließ, daß er in ſeine Dienſte ihn aufnahm Alumbrado ſchickte den Geheimſchreiber in die andere Welt, und ruͤckte auf dieſer in ſeine Stelle ein. Der Praͤlat, weit von allem Argwohn entfernt, war mit Alumbrado's Geſchicklichkeit und Fleiß in feinen Amtsver— richtungen ſehr zufrieden, und als er im dritten Jahre *nien verließ um nach R“ zuruͤckzukehren, empfahl er ihn dem Staats— miniſter O*’va* fo nachdruͤcklich, daß dieſer ihn zu ſich bitten ließ.

Od va ds Charakter war ſehr von dem Charakter des Biſchofs verſchieden, aber Alumbrado verſtand die Kunſt jeden nach ſeiner Weiſe zu behandeln. Er nahm ſeinen neuen Goͤnner in kurzer Zeit alfo für fi) ein, daß ihm derſelbe die Ausfuͤhrung eines po— litiſchen Geſchaͤftes von Wichtigkeit auftrug, und Alumbrado richtete es zu groffer Zufrie⸗ denheit des Miniſters aus, welcher daher bedacht war, ſich einen ſolchen Mann zu verbinden. Der letztere war nicht minder darauf bedacht, ſich in Orva'g Gunſt zu bes

a haup⸗

( * ) haupten, und ſuchte in dieſer Ruͤckſicht feine Lieblingsneigungen auszuforſchen. Es konn⸗

te dem ſcharfſpaͤhenden Alumbrado nicht Tanz

ge entgehen, daß der Miniſter groſſe Achtung

gegen die geheimen Wiſſenſchaften trug; fo= gleich gab er ihm zu verſtehen, er habe ſich in denſelben betraͤchtliche Kenntniſſe auf ſei⸗ nen Reiſen geſammelt. Von nun ſtand der Miniſter gewiſſermaſſen mehr in dem Dienſte Alumbrado's, als dieſer in dem feinigen. Fuͤnf Jahre verlebten fie in wechſelſeiti⸗ gem guten Vernehmen, als die Bewegungen

in Port“ die Aufmerkſamkeit und Gegenan-

ſtalten des 'niſchen Hofes erweckten. Und hier tritt die Epoche ein, wo Alumbrado von dem Miniſter nach Likbon zu einem Ges

ſchaͤfte abgeſchickt wurde, das nachher in

dieſe Verſchwoͤrung uͤberging in dieſe ſchreckliche Verſchwoͤrung, die, wenn fie ges lungen wäre, dem Koͤnige von Port** das Leben gekoſtet, und das Reich in das graß⸗ lichſte Elend geſtuͤrzt hätte.

AUngluͤcklicher Juͤngling! der du durch den beyſpielloſen Betrug eines Ungeheuers in den Anſchlag mit verwickelt wurdeſt, ha⸗

ben

(3%)

ben nicht alle Qualen der Hoͤlle in deiner Seele gewuͤtet, als das Blendwerk, womit Alumbrado dir das Abſcheuliche deines Uns ternehmens zu verhuͤllen wußte, vor deinen Augen zerrann, als deinem Verfuͤhrer vor Gericht die Larve abgeriſſen wurde, als du einſehen lernteſt, in welchen Haͤnden du dich befandeſt, und von welcher Art die Wunder waren, durch die du dich fangen ließeſt? Ein Bruchſtuͤck, das ich aus den Akten des gerichtlichen verhöres hier einruͤcken will, wird dieſes zur Genuͤge zeigen.

„Serzog. Es iſt unmoͤglich, ich wies derhohle es.“ |

„Alumbrado. Und es iſt doch ſo. Sie „ſelbſt leiteten mich durch die Erzählung ih⸗ „rer Geſchichte mit dem Irlaͤnder auf die „Idee, Sie durch ſcheinbare Wunder fuͤr „meine Abſichten zu gewinnen. Dieſen einzi— „gen Weg ließ mir der Marquis von F“ „noch frey, denn mit Geiſtererſcheinungen „durfte ich nach dem, was er daruͤber zu. „Ihnen geſprochen hatte, nicht mehr Ein— „gang zu finden hoffen. Ich mußte mich „bey meinen Wundern vermoͤge der War—

nung,

63660)

„nung, die Ihnen Ihr philoſophiſcher Freund „gab, nur huͤten, auf keinem Betrug ertappt „zu werden, und ich mußte den Beiliger „ſpielen. Um mich in einen deſto ſtaͤrkeren „Gegenſatz mit dem Irlaͤnder zu ſtellen, und „dieſem zugleich den fernern Zugang zu Ih⸗ „nen abzuſchneiden ), erklaͤrte ich ihn für „einen Zauberer. Dadurch gewann ich weit „mehr, als wenn ich ihn nur für einen Be= ytruͤger erklaͤrt hätte, denn mir lag daran „Ihnen einen blinden Glauben für auſſer— „natuͤrliche Wirkungen jeder Art, aber ein „blindes Vertrauen fir. meine Wunderwerke „allein einzufloͤſſen. Es war mir ſehr ers „wuͤnſcht ein Mittel ausgefunden zu haben, „durch das ich auf Sie und den „fen 9) Ein Zeichen, daß Alumbrado die Zuruͤckkunft des Irlaͤnders kuͤrchtete, und vielleicht vorzuͤg⸗ lich darum, weil derſelbe dem Herzog von ing über die Erſcheinung auf dem Kirchhof den ge⸗ hörigen Aufſchluß geben duͤrfte. Die Zerfiörung eines ſo merkwuͤrdigen Blendwerks wuͤrde den Wundern Alumbrado's wenigſtens ſehr gefaͤhrlich geweſen ſeyn. Anmerkung des Marg. v. S*.

6327

fen zugleich wirken / und behde zu einem „Ziele hinleiten konnte. Aber der Marquis „von Fi“, fuͤrchtete ich, moͤchte mir hinter „meine Schliche kommen, und darum ſuchte „ich ihn durch eine dritte Hand bey dem „Koͤnige fuͤr ein Geſchaͤft anzuempfehlen, das „ihn weit genug von uns entfernte. „Berzog. Hoͤlliſche Buͤberey! Boͤſewicht „ohne Gleichen! Doch nein! Ihre Werke „ſelbſt zeugen gegen Ihre Ausſagen. Nein! „Alumbrado! ſolche Wunder kann menſchli— „che Kunſt nicht hervorbringen. Die Natur „ſelbſt gehorchte Ihnen ja. Tu „Alumbrado. Ihre Einbildungskraft „allein gehorchte mir. Die Idee des Wun— „derbaren war ſchon durch den Irlaͤnder in „Ihrem Kopfe befeſtiget, ich brauchte ſie „nur zu verſtaͤrken, und das Vertrauen, „welches ſie jenem geſchenkt hatten, mir zu— „zuwenden. Nur fand ich es fuͤr dienlich „meine Methode von jener des Irlaͤnders „zu unterſcheiden. Er baute feine Wunder- „macht auf geheime Philoſophie, ich auf re— „ligioͤſe Myſtik. Sie vor den Verirrungen „einer vernünftelnden philoſophie, 3%

0 5 )

zu den Verirrungen des blind e n Glan „bens hinüber zu führen, war mir ſo leicht, „als, Ihnen Beweiſe meiner Wundermacht „zu geben. Ein wenig Geſchicklichkeit, ein „wenig Glaͤck auf meiner Seite, eine klu⸗ „ge Benuͤtzung der Umſtaͤnde uͤberlieferten „Sie und den Markgrafen in meine Ge— „walt. Meine Abſichten wurden uͤbrigens „erreicht, das iſt das ganze Wer bey „der Sache

„Serzog. Aber die Wirkungen, welche „ſie hervorbrachten, find mir auch jetzt noch rtv unbegreiflich |

„Alumbrado. Und doch ging alles ſehr „natürlich zu.

„Berzog. Wie konnten Sie die Bege⸗ „benheit in dem Gaſthofe zu kli“ zur naͤhm⸗ „lichen Zeit wiſſen, als fie ſich zutrug.

„Alumbrado. Weil ich ſelbſt fie ver⸗ „anſtaltete. Ich hatte durch Correſpondenz „mit einigen Bekannten in li“, und dieſe „mit dem Gaſtwirthe des ganze Gaukelſpiel, „abgekartet. Nun iſt es wohl kein Geheim- „niß mehr, wie ich Tag und Stunde fo. W i wie die Begebenheit mit

mei⸗

8 ) 7

„meiner Wahrſagung genau zuſammen⸗ „treffen konnte.

„Berzog. Was beablichtigten Sie bey „dem veranftalteten Gaukelſpicle?

„Alumbrado. Die erſte Idee von dem, „wozu ich Sie verfuͤhren wollte, auf eine „feyerliche Art in Ihr Gemuͤth zu bringen. „Die Herabſtuͤrzung des Bildes durch eine „unſichtbare Hand ſollte Ihnen als Figgess „zeig eines hoͤheren Verhaͤngniſſes von der „Entthronung des Koͤnigs erſcheinen.

„Berzog. Aber die Beſaͤnftigung der „ſtuͤrmiſchen See konnte kein Gaukelſpiel, „und konnte kein Zufall ſeyn. Durch wel— „be auſſerordentliche Macht bewirkten Sie „alſo dieſelbe? |

„Alumbraöv. Eine bloſſe Vorſicht „kam mir hier zu ſtatten. Die Erfahrung „lehrte mich, daß dem Oele die beſondere „Eigenſchaft zukomme, das ſtarkbewegte „Waſſer ins Gleichgewicht zu ſetzen, und „die aufeährerifchen Wellen zu ſtillen. Ich „pflegte daher nie über die See zu reifen, „ohne einige mit Oel gefuͤllte Faͤſſer mitzu⸗ eher und e dazumahl ließ ich meh .

ere

( 32 )

„rere in einer Schakuppe mitfuͤhren. Als „ich nach jener Ankuͤndigung des vorgeblis „chen Wunders von Ihnen wegging, that „ich nichts, als daß ich meinen Leuten Be⸗ „fehl gab, die Reife der Faͤſſer loszuſchla—

„gen, und das Oel in die See zu ſchuͤttens | „Dieſes verbreitete fih mit Schnelligkeit auf „der Oberflaͤche des Waſſers und ſtellte die

„Ruhe her. )

„Serzog. (nach einer Pauſe.) Ihr End⸗ „zweck war, mich nach ki“ bon zuruͤckzu⸗ „bringen, und den hatten Sie durch dieſe „That erreicht. Aber was haͤtten Sie an⸗ „gefangen wenn Ihnen kein Sturm Gele-

gen⸗

205 Schon Plinius kannte dieſe merkwuͤrdige Wir⸗

kung des Oeles auf das Waſſer. In den neue⸗ ren Zeiten wurde ſie durch Franklins Verſuche

beſtaͤtiget. Der rußiſche Hofrath und Akade⸗ miker Oſorezkowsky machte auf feiner phyſtka⸗

liſchen Waſſerreiſe die naͤhmliche Erfahrung. Unter den Seefahrern überhaupt iſt dieſe Kraft

des Oeles nicht mehr unbekannt, und fie be⸗

dienen ſich des ſelben bey Brandungen mit Nutzen. Anmerk. des gerausg.

. ———— ͤ—— -

6.339 3 „genheit gegeben hätte, mich durch den Schein „eines Wunders zu verblenden?

„Alumbraöo. Dann wuͤrde ich ſchon „andere Gelegenheiten herbeygefuͤhrt, an— „dere Kuͤnſte hervorgeſucht haben, deßwe— „gen machte ich ja ohne Ihr Wife die „Reiſe mit.

„Serzog. Auf welche Art erhielten Sie „Ihr Leben unter den Haͤnden der koͤnigli— „chen Banditen?

„Alumbrado. Der ganze Auftritt, den „Sie vom Thurme ſahen, war von meiner „Erfindung, Die Leute, welche mich anfie— „len, waren weder vom Koͤnig beſtellt, noch „Banditen, ſondern von mir zu der Rolle, „die ſie zu ſpielen hatten, abgerichtet; ihre „Flinten waren nur blind geladen, und „ihre Dolchſtiche traffen mich nicht. Da „haben 8 die Aufloͤſung des ganzen Wun⸗ „ders. | ee Nicht vom König beſtellk, „ſagen Sie? Alſo kein Anſchlag auf mein „Leben?

„Alumbrado. Nein. So etwas kam den König nie in den Sinn.

„Ber⸗

32.)

y verzotz. O ſpaͤndlich ſchaͤndlich „mich ſo zu betruͤgen! Und zu welchem „Endzweck veranſtalteten Sie den Betrug?

„Alumbrado. Um Sie und den Marks „grafen zur Rache gegen den König zu ent⸗ „flammen. Ich will Ihnen noch mehr fagen. „Mein Werk war es, daß Ihnen der Koͤ— „nig mit Kaͤlte begegnete, daß er ſich huͤtete „Ihr Haus zu erheben, denn ich hatte ſie „durch eine dritte Hand ihm als Menſchen „ſchildern laſſen, die ſeine neue Wuͤrde mit „Unwillen anſehen. Durch dieſe wechſelſei— „tige Verhetzung gewann ich fuͤr meinen „Plan den Vortheil, daß ihre perſoͤnliche „Abneigung gegen den Koͤnig, durch ſein „Betragen gereitzt, in einen thaͤtigen Haß „uͤberging, der in ihren Augen den Schein „des Rechtes hatte.

„Berzotg. Ha! jetzt fange ich an, die „abſcheuliche Intrigue zu durchſchauen. Und „Sie waren alſo derjenige, welcher fie ent⸗ „ſpann und leitete?

„Alumbrado. Was wuͤrde mir mein „Laͤugnen nuͤtzen?

„5der⸗

0 333] )

„Berzog. Und doch ſchienen Sie nicht „daran Theil zu nehmen. Der Anſchlag „gegen den Koͤnig war ſchon gefaßt, und „noch immer verſagten Sie uns Einwilligung „und Beyſtand.

„Alumbrado. Mit gutem Vorbedacht. „Ich durfte mich nicht verrathen. Ihnen „unbewußt mußten meine Operationen, „mußte der Primas und der Großinauifitor „Sie zu dem Entſchluß beſtimmen, indeſſen „ich unſichtbar hinter dem Vorhang das „ganze Spiel lenkte. Wäre ich voreilig her— „vorgetreten, ich hätte leicht mein eigenes „Werk zerſtoͤren koͤnnen. Meine Zuruͤckhal— „tung befeuerte ſie, und ſicherte meinen Plan. „Erſt nach dem letzten Scheinwunder glaubte „ich ſie feſt genug, und mich gegen allen „Verdacht hinlaͤnglich gefichert, um befehlen „zu koͤnnen im Nahmen Gottes.

„Serzog. Nach dem letzten Schein⸗ „wunder? Sie verſtehen wohl darunter je— „sen Akt, wo Sie ſich unverletzbar gegen „Schuß und Stich bewieſen?

2 Allum⸗

0 04 ) „Alumbrado. So iſts. Das ganze „Geheimniß meiner Unverlegbarfeit beſteht „darin, daß ich in das Pulverhorn, welches „ich aus Ihrem Zimmer entwendet hatte, „ein von meiner Kunſt zubereitetes Pulver „füllte, das die Kugel nicht weiter als auf „fünf Schritte trug. Da ich mich nun der „Flinte in einer Entfernung von ſieben Schrit- „ten entgegen ſtellte, ſo war ich weit genng „auſſer Gefahr getroffen zu werden. Ich ließ „zweymahl auf mich ſchieſſen, um den Pul⸗ „vervorrath, der gerade dazu hinreichte, „ausleeren zu laſſen, eine Vorſicht, die Sie „auſſer Stand ſetzte, in der Folge die Bes „ſchaffenheit dieſes Pulvers zu entdecken. „Eben ſo kuͤnſtlich war auch der Dolch zu— „bereitet, mit dem ich gegen die Bruſt ſtieß. „Bey dem leiſeſten Widerſtand wich die we— „nig geſpitzte Haͤlfte deſſelben in die hohle „Roͤhre zuruͤck, welche die andere Haͤlfte „des Dolches bildete. Dieß brachte die Taͤu⸗ „ſchung hervor, als draͤnge der Vordertheil „des Stahles in meine Bruſt, und da ihn, „ſobald ich die Hand zuruͤckzog, eine Feder „wieder in die vorige Stellung zuruͤckdruͤck⸗

ter

( 335] ) „pte, fo konnten Sie den Betrug in ber „Ferne unmoͤglich entdecken. )

„Serzog. Zu welchem Endzweck mach⸗ „ten Sie uns Ihre Unverletzbarkeit weiß?

„Alumbraöͤo. Mußten Sie nicht alles „auf den Beyſtand eines Mannes bauen, „der Ihnen feſt gegen Schuß und Stich „ſchien? Doch ich habe von jedem mei— „ner Scheinwunder bisher erſt den beſon— „dern Zweck augegeben, alle zuſammen „hatten einen gemeinſchaftlichen, der darin „beſtand: Sie und den Markgrafen zu uͤber— „führen, daß Gott ſelbſt durch mich wirke „und ſpreche. Unſer Anſchlag war fo ges „wagt, die Umſtaͤnde fo unguͤnſtig, ein gu— „ter Erfolg ſo unwahrſcheinlich, daß immer „zu beſorgen ſtand, ſie moͤchten ſelbſt nach „gefaßtem Entſchluß bey Erwaͤgung der Ge— „fahr wieder zuruͤcktreten. Ich hielt daher „fuͤr das kluͤgſte, mich Ihnen als Organ „der Gottheit darzuſtellen, denn wenn ſie

5 cl te mean daß Gottes Wille „und

») Auf dem Theater bedienen ſich die Schaufpie⸗ ler a Dolche zum Erffeihen. s

N ö

„und Macht auf Seite unſeres Anſchlages fen: fo hatten fie nichts mehr zu fuͤrchten; „bey Gott it ja kein Ding unmoglich. Um „Sie e Glauben zu beſtaͤrken, empfahl „ich Ihnen das Gebeth | „Zerzog. Vermeſſener! wie konuten Sie role] ſes wagen? an „Alumbrado. Warum nicht? Sie bat ten, ehe Sie den Himmel um Rath frag⸗ „ten, ſchon den Entſchluß gefaßt. Seit „langer Zeit war er die herrſchende 1 0 in „Ihnen, und trat folglich bey jeder V „anlaßung, alſo auch im Gebethe Hank, „nur mit dem Unterſchiede daß ſie in dem „letzteren Falle das fuͤr Gottes Ausſpruch „hielten, was bie Stimme ihrer aufgereitz⸗ ten Empfindung war. Ob Sie nicht etwa „durch die Andacht auf froͤmmere Gedanken „moͤchten gebracht werden, war meine ges „ringſte Sorge, denn die Vernuͤnfteley der | „Leidenſchaft und die zwey Praͤlaten hatten „Sie ſchon vorher überredet, baß der Aus „ſchlag gerecht ſey; ich erwartete vielmehr, „daß der Eifer des Gebethes P en

eur Nachtzeit ihr Blut noch mehr in Wal⸗ „lung

0 Me ) „lung bringen, und ihren Muth zur Unters „nehmung erhöhen würde.

„BZerzog. Ha Teufel! und noch ärger „als er! denn vor ihm find doch Kirchen „und Altaͤre ſicher, aber du legſt deine Schlin— „gen auch dort. Das heiligſte, das ehr— „wuͤrdigſte, was dem Menſchen gegeben iſt: „Glauben und Gebeth mißbraucheſt du zu „ſeiner Verfuͤhrung, und du ſcheueſt dich „nicht das Antlitz des ewigen Himmels zu „ſchauen? Was wuͤrdeſt du gethan ha— „ben Ruchloſer! wenn waͤhrend dem Gebeth „ein Strahl goͤttlicher Erleuchtung meine „Verblendung zerſtoͤrt haͤtte?

V Alumbrado. Dieß beſorgte ich nicht. „Da Ihnen Ihre eigene Vernunft, wenn Sie „dieſe mehr als Ihre keidenſchaften zu Rath „gezogen haͤtten, das unerlaubte Ihres „Vorhabens wuͤrde einleuchtend gemacht ha— „ben, ſo durften Sie keine Erleuchtung von „Oben erwarten. Gott wirkt da keine Wun— „der, wo die natürlichen Kraͤfte hinreichen.

„Serzog. (Wie auſſer ſich und ſchrey— „end) Wenn aber e denn wie kannſt

| du der unendlichen 2 Weisheit und Guͤte

9 „Ge⸗

0 \ss )

„Geſetze Ihres Verhaltens vorſchreiben? „wenn es ihr doch gefallen haͤtte, mich einer „hoͤhern Erleuchtung zu wuͤrdigen?

„Alumbrado. (kalt) Dann hatte ich „noch ein menſchliches Mittel, welches ich „mir auf den Fall, wenn alle Stricke riffen, „vorbehielt. Sie erinnern ſich wohl noch, „daß Sie von Ihrer ſchriftlichen Vertheidi⸗ „gung der manichäiſchen Lehre ein Blatt „verloren, ich war's, ber es entwendete. „Waͤren Sie von dem Anſchlage zuruͤckge— „treten, dann haͤtte ich Ihnen mit allen „Schrecken des Inquiſitionsgerichtes gedroht, „das Blatt war Ihre Handſchrift, und der „Großinquiſitor auf meiner Seite, folglich „blieb Ihnen kein Ausweg übrig dem fuͤrch⸗ „terlichen Gerichte zu entrinnen, als der: „dem Anſchlag treu zu bleiben.

„Berzog (mit ſchauderndem Abſcheu) „führt mich in meinen Kerker zuruͤck, damit „der Anblick dieſes Ungeheuers mich us „vollends vergifte.“

Am Tage nach dem gerichtlichen Ver⸗ hoͤre ſteckte mir der Sohn des Kerker— meiſters ſehr geheimnißvoll einen Brief zu,

der

0 1. )

der zu meinem groſſen Erſtaunen vom Her— zog ſelbſt kam, und folgendes Inhaltes war. )

Schmerz, Entſetzen, Mitleiden, Hoff— nung, Verzweiflung beſtuͤrmten wechſelweiſe mein Herz, als ich den Brief geleſen hatte. Meine heißen Thraͤnen benetzten ihn. Als dieſer heftige Zuſtand meines Gemuͤthes in ſo fern nachließ, daß ich wieder zu denken vermochte, uͤberlegte ich, was zur Rettung des Ungluͤcklichen zu thun ſey. Ich vergaß meiner Unpaͤßlichkeit, und fuhr zu dem Erz⸗ biſchofe von Ti bon, der von jeher dem Herzoge von ina ſehr zugethan war, und bey der Koͤniginn in großer Achtung ſtand. Ich erſuchte ihn fuͤr demſelben Fuͤrbitte bey der letzteren einzulegen. Ach! erwiederte er, ich habe es ſchon gethan, aber hoͤren Sie den Beſcheid. Wie? Herr Erzbiſchof! ſagte die Koͤniginn, Sie wollen einem ſolchen Ver⸗ raͤther an Uns und dem Reiche das Wort

f Er Y 2 * Are⸗

*) Diefer Brief iſt dem Werke vorangeſchickt. Man ſehe den erſten Band Seite 1. 2. 3.

( 0 )

reden? alles, was Sie von mir erwarten koͤnnen, beſteht darin, daß ich vergeſſen will, was Sie geſprochen haben.

Dieſe Nachricht des Erzbiſchofes Gehe mich tief, aber noch war meine Hoffnung auf den Koͤnig ſelbſt gerichtet, deſſen gutes Herz ich kannte. Ich ließ ihn um Gehoͤr bitten, das er mir auch ſogleich gewaͤhrte. Auf meinen Knien flehte ich zu ihm um Gnade für den Herzog. Stehen Sie auf, ſagte der König, es hätte Ihrer Fuͤrbitte nichts ber duͤrft, um meine Guͤte aufzufordern. Ich bin Willens, nicht nur den Herzog, ſon⸗ dern auch die übrigen Schuldigen durch Groß⸗ muth zu ſtrafen, aber die Entſcheidung haͤngt nicht von mir allein ſondern auch von dem Ausſpruche des Staatsrathes ab. Mit die⸗ ſem Beſcheid entließ mich der Koͤnig.

Am folgenden Tage erhielt ich durch den Kerkermeiſter abermahls ein Schreiben von dem Herzog, das ich gleichfals hier wortlich mittheile:

„Noch einmahl mein theurer Freund! „darf ich ſchriftlich mit dir ſprechen. Die 1208 Dobra haben den Kerkermeiſter mitlei—

1d

{ 5 0 )

„diger gegen mich gemacht, und das Ver— ‚„‚fprehen einer Wiederhohlung dieſer Sum— „me bewog ihn ſogar mir die Beſtellung bie: „ſes Briefes zuzuſichern. Ich muß dir „eine wichtige Neuigkeit berichten, die ſich „geſtern Nachts inner meinen Mauern zu⸗ „trug. Die Thuͤre meines Kerkers ging „ploͤtzlich auf und hineintrat Biermanſor. „So viele Urſache ich auch habe, auf ihn „boͤſe zu ſeyn, fo kam er mir doch in Ver⸗ „gleichung mit Alumbrado wie ein Engel „vor. Mein Herz richtete bey feinem An- „blick ſich auf, aber bald ſank es mir, als „er nach ernſtem Schweigen. mit erſchüttern⸗ „dem Nachdruck ſagte: Stier ſehen wir uns „wieder?“ e „Ich konnte nicht 5 schwer „wie eine Blutſchuld lag das Gefuͤhl meines „Vergehens auf mir. Der Blick des Irlaͤn— „ders ſchlug den meinigen nieder. Ohne „durch meine Verwirrung gerührt zu wer⸗ „den fuhr er nach einer Weile fort: Als „einen edeln Juͤngling verließ ich Sie, und

„als Rebellen ſehe ich Sie wieder?“ SB

*

„War es der Ton, womit die letzte Ne: „de geſagt wurde, oder war es ihre Wahr— „heit, was mein Blut in ploͤtzliche Wallung „jagte, genug, ich brach in die Wor— „te aus: Hätten Sie die Pflicht: Ihr Ver- „Sprechen mir zu halten erfüllt, fo würde „ich die meinige vielleicht nicht uͤbertreten „haben. Der Irlaͤnder ſchien heftig bewegt. „Bey Gott! rief er aus, es iſt nicht meine „Schuld Herzog! Eine Reiſe Geſchaͤfte „von groſſer Wichtigkeit hielten mich ab, „Sie fruͤher wiederzuſehen. Aber ich verſte— he ihre Rede nicht ganz, erklaͤren Sie ſich „deutlicher. | „Geben Sie erſt mir über etwas eis ne deutliche Erklaͤrung, die Sie mir noch „ſchuldig find, dann fol die meinige fol⸗ „igen.“

„Woruͤber meynen Sie? ſagte der Ir⸗ laͤnder.

„Ueber Antonio’ 8 Erscheinen auf dem „Kirchhof. War ſie ein natürliches Kunſt⸗ re von , Hand? Halten Sie „ſagen Sie

„Sie

6394 „Sie war ein natuͤrliches Kunſtſtuͤck— „O mein Gott!“

„Was iſt Ihnen denn?

„Fragen Sie nicht! den Aufſchluß den „Aufſchluß.

„Die Erſcheinung ward durch Huͤlfe „eines Hohlſpiegels hervorgebracht, der die „beſondere Eigenſchaft beſitzt, daß er die Ge— „genſtaͤnde nicht in ſich, ſondern auſſer ſich „in einer gewiſſen Entfernung in freyer Luft „darſtellt. ) Die Luftgeſtalt., welche Sie „umfaſſen wollten, war nichts anders als „das von dem Hohlſpiegel zuruͤckgeworfene

„Bild einer Statue Ihres Hofmeiſters, die „vor demſelben aufgeſtellt war.

„Aber wie kam es denn, daß ich den

„Hohlſpiegel nicht ſah?

„Sie

*) Hier folgt eine umſtaͤndliche Erklaͤrung von der Natur und Beſchaffenheit des Hohlſpiegels, die aber in unſeren Zeiten ſchon zu bekant iſt, als daß ich die Beſchreibung nicht weglaſſen dürfte. 3 | Anmerk. d. Serausg⸗

640

„„Sie erinnern ſich wohl noch, daß die „Erſcheinung in der Naͤhe der Kapelle ſicht⸗ „bar wurde. Hinter einer Mauer derſelben; „war der Spiegel fo geſtellt, daß Sie. „ihn nicht bemerken konnten. |

„Und Antonio's Bildfäule? |

„Hätten Sie zwar, wenn Ihnen der „Anblick der Erſcheinung Muſſe zu Neben⸗ „bemerkungen gelaſſen haͤtte, von einer Sei⸗ „te ſehen koͤnnen, da ſie aber wie andere „Bildſaͤulen auf dem Kirchhofe weiß be⸗ „mahlt war, fo würde fie Ihnen eine Hei⸗ „ligenſtatue geſchienen, und Ihre Aufmerk⸗ „ſamkeit nicht gefeſſelt haben. e

„Wie konnte denn die Erſcheinung ver⸗ ſchwinden und auf mein ee wieder „ſichtbat werden? i

„Das war leicht. e der 10 „Hohlſpiegel durch ein Kirchenfenſter zu di⸗ „rigiren beſtellt war, durfte ihn nur von „der Stelle weg, oder wieder hin ruͤcken, fo „ſtellte der Spiegel das Bild der Statue „dar, oder nicht.

„Wenn ich aber nach geendigtem Auf: „tritte Unterſuchung angeſtellt haͤtte?

| SIEHE

„Glauben Sie denn nicht, daß ſchon „im voraus ſchnelle Gegenvorkehrungen ab: „geredet waren? Selbſt dann, wenn Sie den „Hohlſpiegel geſehen haͤtten, ſo würden Sie „ihn nicht als das, was er iſt, noch we— „niger ſeine Wirkung erkannt haben. Doch „vor Unterſuchungen war mir nicht bange. „Ich wußte gar wohl, die Luſt zum Nach— „forſchen würde Ihnen eben dadurch verge „hen, daß ich ſelbſt Sie dazu aufforderte, „denn Sie mußten daraus ſchlieſſen, daß ich „mich vor Entdeckungen ſicher hielt.

„Aber die Luftgeſtalt ſprach ja ie „wie war denn dieſes möglich ?

„Nicht das Luftbild, ſondern der Graf „von C— vl, der ſich in der Kapelle auf „der Emporkirche befand, redete durch ein „Sprechhorn zu einer Oeffnung heraus. Die „Richtung des Horns und die taͤuſchende „Aehnlichkeit des Luftbildes mit Ihrem Freun— „de bewirkte, daß Sie die Sprache der Er⸗ „ſcheinung . |

Mien

( 46 )

„Hiermanſor! ſagte ich nach einer Pau— fe, alſo auch Ih letztes Wunber war leude „werk?

„Sie Haben mein Bekenntniß.

„Und doch betheuerten Sie einſt ſo „feyerlich, es waͤre ein Werk Ihrer hoͤhern „Macht!

„Das that ich, mit dem geheimen Vor⸗ „behalt nach erreichtem Endzweck, nach ge— „endigter Revolution zu widerrufen. Uns „vorgeſehene Umſtaͤnde waren Schuld, daß „dieß erſt jetzt geſchieht.

„Warum wiederrief nicht an Ihrer Stel- ‚le der Graf, den ich fo Dringend um aufrich⸗

„tiges Geſtaͤndniß erſuchte?

„Der Graf hatte in dieſer Ruͤckſicht gar „keine Auftraͤge von mir, und vielleicht hielt „er eben deßwegen zuruͤck. a

„Sie verhieſſen mir einſt eine neue „Weisheit, eine neue Gluͤckſeligkeit, die an⸗

„dern Sterblichen verborgen iſt.

„Da verhieß ich etwas, das ich nicht „leiſten kann. Ohne Umſchweife: ich hinter⸗ „ging Sie.

„Und

( 30% 3

„Und Sie haben die den Muth, mir „das ins Geſicht zu ſagen?

„Ich ſage, was wahr iſt, und erwar⸗ „te Vergebung von Ihrem Herzen. Ja ich „hinterging Sie, und das Gluͤck der Revolu— „tian hing großentheils von bieſem unſchuldi⸗ „gen Betruge ab. Ich hinterging Sie, weil

vergeben Sie mir auch dieſe Freymuͤ— ithigkeit weil Sie wollten hintergangen ſeyn. i „„Ihre Moral ſcheint bequem genug, um „ſich mit Ihrer Politik zu vertragen.

„Daß Sie (ſagte der Irlaͤnder bitter „laͤchend) ſich zum Richter meiner Morali— tät aufwerfen, koͤmmt mir wirklich uner- „wartet. Der Klang dieſer Ketten ſtimmt „nicht wohl zu Ihren Sittenreden.

„Ich nahm alle meine Faſſung zuſam⸗ men, und ſagte: Wenn ich Ihnen aber „bewieſe, daß der ſogenannte unſchuldige Bes „trug, womit Sie mich umgaben, eine wich— tige Veranlaſſung zu meinem Verbrechen, „zu dieſen Ketten, und wahrſcheinlich zu mei— „ner Hinrichtung ſind?

Das

( \z48 )

„Das verhuͤte der Himmel! ſagte der „Irlaͤnder erſchrocken.

„Sie reitzten meinen Hang zum Wun⸗ „derbaren durch Ihre Blendwerke. Sie be⸗ „ſtaͤrkten ihn. Die Aufloͤſung derſelben ver⸗ „nichtete keineswegs dieſe Wirkung, indem „ich den Wahn, daß die Erſcheinung auf dem „Kirchhofe von Ihnen durch eine hoͤhere „Macht hervor gebracht ſey, nie ganz aus „meiner Seele verbannen konnte. Ein ſchreck⸗ „licher Be truͤger benuͤtzte meine Gemuͤths⸗ „ſtimmung, und leitete mich durch neue Vers „blendungen zu dem Unternehmen, das mich „in dieſen Kerker warf. Verſtehen Sie jetzt „jene Rede, woruͤber Sie vorhin eine deut⸗ „lichere Erklaͤrung verlangten?

„Der Irlaͤnder ſtand blaß und ſchwoei⸗ „gend. Aber ploͤtzlich ermannte er ſich und „ſtuͤrzte fort. Wohin? rief jch nach. Zum „Koͤnig, ſagte er, indem er ſich umdrehte. „Was wollen Sie beym Koͤnig? fragte ich. „Ihn um Ihr Leben, war des Irlaͤnders

„Antwort, um Ihre Befteyung bitten. Ver⸗ 5910 mir ungluͤcklicher J jüngling ! fuhr er fort, vergib! Alles, Was ich uͤber den

„Kos

( 349 )

„Koͤnig vermag, will ich zu deiner Rettung „auſbiethen. Mit dieſen Worten eilte er „hinweg, und ich ſah ihn ſeitdem nicht wie „der. ) Ob er etwas, und wie viel er uͤber „den Koͤnig zu meinen Gunſten erhalten hat, „muß ich erwarten. N

„Mein Freund! lebe wohl! Ich fuͤrchte „das Abſcheiden aus dieſer Welt nicht, denn „Amalie iſt ja todt, Antonio iſt todt, und „ach! auch mein Vater wird ohne Gnabe „ſterben muͤſſen. Aber der Tod von öffent „licher Schande begleitet, erfuͤllt mich mit „Angſt und Schrecken. Guͤtiger Himmel! „wenn es moͤglich iſt, ſo laß ihn voruͤber „gehen.“ N

Zwiſchen Hoffnung und Furcht getheilt ſah ich dem Tage entgegen, wo das Gericht

N | des

) Ueber die naͤhern Lebensumſtaͤnde dieſes Ir⸗ laͤnders iſt ein Schleyer ausgebreitet. Ich konnte ungeachtet meiner Nachfragen nie mehr erfahren als was der Graf von C— vl Seite 190 ꝛc. davon erzählte. Ich habe aber Grund zu glauben, daß dieſe Erzählung zuverlaßig if. | |

Anmerk. d. M. von S*.

. f 350 )

des Herzogs Schickſal ſollte. Er kam. Meine Erzählung neigt fi zu Ende s. warum zittert meine Hand weiter zu ſchrei— ben? warum flieſſen meine Thraͤnen, die ich {dom verſiegt waͤhnte, vom neuem? O halte noch auf kurze Zeit aus, mein Herz! dann magſt du brechen.

Die Richter, welche ber die Sthuldi⸗ gen das Urtheil faͤllen ſollten, verſammelten ſich an dem beſtimmten Tage. Ihr Aus⸗ ſpruch war, daß der Markgraf von Villa“ und der Herzog von 'ina als Empoͤrer ge⸗ gen einen Koͤnig, deſſen Rechtmaͤſſigkeit ſie durch Unterzeichnung jener von den Staͤnden darüber ausgefertigten Erklaͤrung anerkannt hatten, enthauptet, die uͤbrigen gehangen und geviertheilt werden ſollten. Die Strafe des Primas und des le ward dem Koͤnig uͤberlaſſen. 5

In dem Staatsrathe, der ber di efen | Urtheilsſpruch gehalten wurde, ſtimmte der König, dahin: daß man einige der Schuldi⸗ gen zuͤchtige, allen aber das Leben ſchenke. Allein der Marquis von rg. drang; auf

| die

==

(351 )

bie Vollziehung der geſetzmaͤſſigen Strafe, und die übrigen Mitglieder ſtimmten ihm bey. Doch verwandelte der Koͤnig die Strafe derjenigen, die zur Viertheilung oder zum Strange verdammt waren, in die gelinde re des Schwertes. Das Urtheil uͤber die beyden Praͤlaten, welches man ihm uͤber— laſſen hatte, war ewiges Gefaͤngniß.

Am folgenden Tage hoͤrte ich bey Hofe, Alumbrado ſey aus dem Gefaͤngniß entkom⸗ men. Man hielt dafür, Obva“ habe zur Loslaſſung beſſelben den Kerkermeiſter durch groſſe Geldſummen beſtechen laſſen, was mir mir um ſo zuverlaͤſſiger ſchien, da auch der letztere nirgends zu finden, alſo vermuthlich mit dem Verbrecher entflohen war, welcher aber ich will es zum Gluͤcke der Menſch— heit hoffen feiner Strafe *) doch nicht entrinnen wird. Man ſuchte die Geſchichte des Alumbrado zu unterdruͤcken.

5 Was

*) Er entrann ihr auch nicht, wenn anders, wie ich mit Grund dafuͤr halte, Alumbrado und Diro*ya eine und dieſelbe Perſon iſt. Unter dem letzteren Nahmen kam er nach ſeiner Flucht

aus

('-852 9 Was ich jetzt erzählen werde, iſt die Nachricht eines Augenzeugen, denn wie haͤtte ich ſelbſtes anſehen koͤnnen. Am 28ten Auguſt wurde auf dem groſ— fen Markte in £i*bon ein ſchwarzbekleidetes Ge⸗

aus Porté* wieder in knien an, bethoͤrte durch feine vorgeblichen Kenntniſſe in geheimen Wiſ—⸗

ſchaften neuerdings den Miniſter, und ſtand 5

noch, als dieſer von der Staatsverwaltung und endlich vom Hof entfernet wurde, mit ihm in Verbindung. Allein eine Reiſe, die Alumbrado nach Tolkno machte, wo er ſeine magiſchen Gaukelſpiele treiben wollte, war fein Werder: ben; die Inquiſitton bemaͤchtigte ſich feiner, und richtete einen Boͤſewicht, der ſchon lange ſeiner Thaten wegen den Tod von dem weltlichen Ar— me der Gerechtigkeit haͤtte empfangen ſollen, als einen Retzer und Zauberer hin. Auch Drya* als feine Verbindung mit demſelben an das Licht kam, wurde von der Inquiſttion eingezogen, aber, wie man ſagt, von ſeinen Verwandten mit Gift auf die Seite geraͤumt, um ihn der Schmach der Hinrichtung zu ent⸗

ziehen.

Anmerk. des M. von Sou“.

351 95

Geruͤſte vor dem Haus errichtet, worein man die Verurtheilten aus ihrem Gefaͤngniſſe in der vorhergehenden Nacht gebracht hatte, und aus dem ſie durch ein Fenſter gleich ei— ner Thuͤre heraustreten konnten. Auf dies ſem Trauergeruͤſte waren drey Erhöhtingen - gemacht, auf jeder Staffel ſtand ein Stuhl, der oberſte für den gerzog von ina, der mittlere für den Markgrafen von Villa“ der unterſte für den Grafen Ar' mar. | Der Markgraf trat zuerſt aus der Thuͤre. Er bath die Anweſenden mit wenig Worten ihm zu verzeihen, und ward auf ſeinem Stuhle mit verbundenen Augen enthauptet. Sobald der Koͤrper zugedeckt war, kam der Zerzog von ina heraus. Sein bleiches ſtarres Geſicht ſchien ſchon das Geſicht eines Todten zu ſeyn. Kein Laut trat uͤber ſeine Zunge. Er ſetzte ſich ſchnell auf ben Stuhl, und ein Schwertſtreich trennte den Kopf vom Leibe. N Die Feder entſinkt meiner 1 die Kraft meiner Seele erliegt unter dieſer Vor— ſtellung. Aber du, der einſt dieſe Blaͤtter leſen wird, blicke mit ernſter Erwaͤgung noch 3 ein⸗

(N84)

einmahl auf den Weg zuruͤck, worauf ein Juͤngling mit den treflichſten Anlagen des Kopfes ſowohl als des Herzens ſich endlich zu dem Verbrechen verfuͤhren ließ, das er mit feinem Leben buͤßte.

Anhang

32

Fortſetzung der Geſchichte

durch einen Ungenannten.

Als ein Nachlaß des Marquis von F“, der aus Gram uͤber das Schickſal des Her— zogs von *ina nach neun Wochen ſtarb, ka— men dieſe Memoiren in meine Hand. Was ich ihnen noch beyfuͤgen werde, iſt einerſeits ſo merkwuͤrdig als abenteuerlich, anderer— ſeits betrifft es ein ſo tiefes unverbruͤchliches Geheimniß, daß erſt nach dem Tode der Perſonen, die es angeht, dieſe Blätter an das Licht treten duͤrfen.

3 3 | Neun

( s Neun Jahre ſind bereits ſeit der Ver⸗ ſchwoͤrungsgeſchichte, und dem Hinſcheiden des Marquis von F' verfloſſen, und noch lebt der Herzog von *ina, eben derſelbe, deſſen Hinrichtung jener als Thatſache be— ſchrieben, die auch von jedermann geglaubt wird., etwelche Perſonen ausgenommen, des nen die geheime Geſchichte und der verborge⸗ ne Aufenthalt des Herzoges bekannt ſind. Ich ſehe ſo wenig Wahrſcheinlichkeit vor mir, die Nachwelt zu überreden, daß ſie eine ſo anſcheinende Ungereimtheit wie meine Behauptung iſt, auf mein bloſſes Wort, gegen das einſtimmige Zeugniß mehrerer tau⸗ ſende, die den Herzog oͤffentlich enthaupten wollen geſehen haben, als ein wahres Fak⸗ tum annehme, wenn ich nicht durch gewiſſe Entdeckungen die Moͤglichkeit darthue, wie alle jene Augenzeugen getaͤuſcht wurden. Der Koͤnig, welcher einerſeits dem Her⸗ zog bas Leben retten wollte, ohne ihn je⸗ doch, weil er ihn fuͤr gefaͤhrlich hielt, auf freyen Fuß zu ſetzen; andererſeits aber dem Staatsrathe, der die oͤffentliche Hinrichtung nn hatte, nicht entgegen zu handeln wagte

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wagte, befand ſich in keiner geringen Ver— legenheit. Aber der Irlaͤnder, dem es um die Rettung des Herzogs nicht minder zu thun war, loͤſte durch ſeine Feinheit und Kunſt den gordiſchen Knoten. Ich koͤnnte, ſagte er zu dem Koͤnig, eine Larve verferti— gen, die dem Geſichte des Herzogs ſo aͤhn— lich ſteht, als ob ihm feine Phyſionomie waͤ— re geſtohlen worden, dieſe Larve koͤnnte ich ſodann auf einem anderen Geſichte ſo ge— ſchickt befeſttgen, daß Jedermann glauben müßte, der Kopf des Herzogs ſtitze auf eis nem fremden Rumpfe. Es kaͤme alſo nur darauf an, eine Perſon mit einem Rumpfe von gleicher Hoͤhe und gleichem Wuchſe wie der des Herzogs iſt zu finden, welche zu— gleich Luſt haͤtte ihren Kopf anſtatt ſeiner zu verlieren, und dieſe Perſon fol Alum⸗ brado ſelbſt feyn. Er hat ungefähr gleiche Statur mit jenem, und wenn man ihm kund thut, daß er von dem Staatsrathe verur— theilt ſey geviertheilt zu werden, fo wird er gern die leichtere Strafe des Schwertes und die Maske waͤhlen. Weil er aber in dieſem Falle als Alumbrado unfichtbar werden muͤß⸗ fe:

(W te, ſo ſprengt man aus, er ſey aus dem Gefaͤngniß entwiſcht.

d Alles dieſes wurde mit Wiſſen und Bi: len weniger Perſonen, die ſich nebſt einem Eyd mit ihrem Leben verbindlich machen mußten, das ſtrengſte Stillſchweigen hier⸗ uͤber zu beobachten, ins Werk geſetzt und ſo geſchickt ausgefuͤhrt, daß keinem Menſchen, der den Alumbrado in ſeiner Maske enthaupten ſah, ein Zweifel uͤber die Hinrichtung des Herzogs beykam. |

Allein der Herzog wußte nichts von 19 8 lem denn wiewohl der Irlaͤnder ſein Ge— ſicht in Wachs abgedruͤckt hatte um nach dieſem Modell die Larve zu arbeiten, ſo ward ihm doch nicht der entfernteſte Wink von dem Endzwecke gegeben; als der Herzog einige Stunden nach vollſtrecktem Blutgerichte aus feinem Kerker abgehohlt und durch einen uns terirdiſchen Gang gefuͤhret wurde, glaubte er auf dem Weg zum Tode zu ſeyn. Mau führte ihn durch eine eiſerne Thuͤre über ges heime Treppen in ein dunkles Gemach, wo man ihn warten hieß. Aber bald oͤffnete ſch eine andere Thuͤre, die in ein helles

Zim⸗

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Zimmer führte, wo er den König an einem Tiſche ſitzen, neben ihm einen Mann mit ei— nem Sack in der Hand und ein Schwert an der Seite ſtehen ſah, welcher ihm winkte ſich zu naͤhern. Als der Herzog eintrat, wurde die Thuͤre hinter ihm geſchloſſen. |

In der feften Erwartung des Todes naͤ— herte er ſich dem Tiſche. Der Koͤnig ſah ihn lange unverwandt an, und ſprach dann alſo: Ihr habt nach dem Verderben Eures Vaterlandes, nach meiner Krone, nach mei— nem Leben, nach der Gefangennehmung mei— ner Familie getrachtet, was verdient Ihr? Den Tod! erwiederte der Herzog. Ihr ſeyd, fuhr der Koͤnig fort, von dem Staatsrathe zu einer ſehr ſchmerzlichen Todesart verur— theilt worden, ich habe ſie in die gelindere des Schwertes verwandelt. Der Herzog danfe te und ſah nach dem Manne, den er irrig fuͤr den Scharfrichter hielt. Das Gericht iſt ſchon vollzogen, ſagte der Koͤnig nach einer Weile. Das Schweigen des Herzogs und der Ausdruck auf ſeinem Geſichte zeigte die Begierde nach einer Erklaͤrung dieſer unbe— greifflichen Rede. Ihr ſtaunt mich an, vers

N fſitz⸗

ſetzte der König, ihr zweifelt vielleicht, aber ihr ſollt ſelbſt ſehen Hiemit gab er dem Manne, der neben ihm ſtand, einen Wink, worauf dieſer den Sack oͤffnete und einen ab— gehauenen Kopf herauszog, den er dem Her— zog vorhielt. Dieſer trat mit einem Schrey zuruͤck, als er an dem fremden Kopfe ſein eigenes Geſicht erblickte. Der Mann klaͤrte ihm nun das ganze Geheimniß auf, und der König fügte hinzu: Ihr dankt Eure Erhal— tung meiner Gnade und der Erfindungskunſt des Irlaͤnders. Aber Euer kuͤnftiges Schick— ſal zu ändern ſteht nicht in unſerer Macht; Ihr gehoͤret lebend unter die Todten und ſeyd auf immer fuͤr die Welt verloren; vor ihrem Angeſichte verborgen werden eure Tage ba: hinflieſſen. Uebrigens def koͤnnet ihr vers ſichert ſeyn ſoll es euch an nichts mans geln als an Freyheit. |

Und fo wie der König ſagte, wurde es auch in der Folge gehalten.

Fort⸗

Fbrtſetzung.

durch einen anderen Ungenannten.

a | Och befinde mich im Stande dieſe Schrif— ten, welche mir ihr voriger Beſitzer als ein Vermaͤchtniß hinterlaſſen hat, durch eine wichtigen Zuſatz zu vermehren.

Sechs Jahre nach dem Hinſcheiden des Koͤnigs von Port“ wurden zwiſchen feinem Nachfolger oder vielmehr feiner noch leben— den Gemahlinn und dem r— n ſchen Hofe heimliche Verhandlungen gepflogen, welche die Folge hatten, daß der Herzog von ina in gröfter Stille nach *r—n * überfegt wurs de. Andere glauben, er fey aus feinem Vers wahrungsort entkommen, und habe ſelbſt feinen Weg zu Waſſer nach ru“ genom— men. Dem ſey, wie ihm wolle, ſo erfuhr ich nachher, daß der traurige Zuſtand des

Her⸗

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Herzogs dadurch um nichts verbeſſert wurde, und es ſcheint, daß nebſt dem Geheimniße ſeiner vorgeblichen Hinrichtung noch ein Ge— heimniß anderer Art auf ihm geruht hahe; denn er wurde, ſobald er an den * c—n* (chen Kuͤſten anlangte, ſogleich auf dem Schloſſe M're verhaftet, nach einiger Zeit aber in einen Thurm uͤberſetzt, wo man ihn eben ſo ſtreng, als in dem Schloſſe bewachte. Der Auf— ſeher, welcher ihm beygegeben war, begeg— nete ihm zwar mit aller der Achtung, die der Groͤße ſeines Standes gebuͤhrte, und ließ es ihm an keiner Bequemlichkeit fehlen, nichts deſto weniger fuͤhrte er immer zwey geladene Piſtolen bey ſich um den Gefange— nen auf der Stelle zu erſchieſſen, falls er ſich verrathen ſollte. Daher war auch das Geſicht des letzteren immer mit einer kuͤnſtlis chen Larve von Eiſen bedeckt, um unerkannt zu bleiben. Der Ungluͤckliche erreichte in dem Thurm ein hohes Alter, ehe der Tod ſeine langen Leiden ſchloß.

( 365 ) Erinnerung de s 3„„%

8 Aus dem Anhange, durch welchen von dem berufenen Geheimniß der eiſernen Mas- ke eine neue Vermuthung aufgeſtellt wird, kann man ſehen, warum ich mir auf dem Titelblatte der Geſchichte den Zuſatz erlaubte: Aus den Papieren des Mannes mit der eiſernen Larve. Zugleich aber geſtehe ich, daß dieſer Zuſatz auf keine groͤſſere Zuver— laͤßigkeit Anſpruch mache, als die Hypoteſe ſelbſt, die keineswegs ſo unbeſcheiden ſeyn darf, ihren aͤltern Mitſchweſtern den Rang abſtreiten zu wollen. Denn wenn gleich in der vorhergehenden Geſchichte eines Geiſter— ſehers ſich einzelne Zuͤge finden, die der neuen Vermuthung einiges Gewicht geben koͤnnten, fo iſt doch, auch andere Unwahr— ſcheinlichkeiten weggerechnet, ſchon der Um— ſtand, daß beyde Abſchnitte des Anhanges dem Ungenannten angehören, an und für ſich fo bedenklich, daß ich fuͤr das beſte erachte, 3 dem

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dem Leſer ſelbſt die Entfeheidung aber diefe Sache zu überlaffen. Indeſſen, hoffe ich, ſoll das Werk auch ohne Ruͤckſicht auf den Anhang und die Hypoteſe noch genug In— tereſſe haben um ſeine Bekanntmachung zu verdienen; denn wenn ich meine unmaß— gebliche Meynung als Herausgeber ſagen darf Die Geſchichte des Geiſter⸗ ſehers, ſammt der Sortfegung des Mar⸗ quis von 8 enthaͤlt ſo viel wahres und merk— wuͤrdiges, ſo viel zur Belehrung und War— nung, als mancher von den hiſtoriſchen und moraliſchen Romanen, die man des Her⸗ ausgebens und Leſens werth achtet, als manche von den Schriften, die zum Nutzen und Vergnügen erſcheinen. Aber hierdurch bin ich weit entfernt zu beſtimmen „ob und in wie fern dieſes Werk in literariſcher Hin⸗ ſicht einen Werth habe, ein Urtheil, das weder einem Verfaſſer noch Herausgeber ges ziemt, indem die Entſcheidung uͤber dieſen Punkt lediglich vor das Forum des Publis kums und der Kunſtrichter gehoͤrt.

Ende des dritten und letzten Bandes.

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Neue Verlagsbücher, welche bey F. J- Kaiſerer, Buchhändler, berausge— kommen ſind.

I steilen ſammt den Schlüffeln zu ih⸗ rer Erklärung, von Caj. Tſchink (Verfaſſer der Geſchichte eines Geiſterſehers.) mit 1 Kupf. 8. Wien 792. auf Druckp. uft“ 15 kr. Schreibp⸗ 2 fl. 40 kr.

(Innhalt: Die verdoppelte Nonne. Die naͤcht⸗ liche Erſcheinung. Der Schatzgraͤber. Die He⸗ re. Der verwandelte Zwerg.)

Schauſpiele von $: W. Ziegler. 3 Bande, Enthal⸗ halten: Eulalia Meinau, oder die Folgen der Wiedervereinigung, ein Schauſpiel, ( Torffes gung von Menſchenhaß und Reue.) Rache für Weiberraub, ein Ritterſchauſp. Mathilde Graͤ⸗ fin von Gießbach, Trſp. Liebhaber und Ne— benbuhler in einer Perſon, Luſtſp. Die Pilger, ein Schauſp. und der ſeltene Onkel, ein Luſtſp. 8. Wien 792. Druckp. ohne Kupf. 1 fl. 48 tr.

nt Kupf. 2 fl. 18 kr. f N

Angenehme Bibliotbek. 6 Bändchen. Enthält: Soarrons tragiſch-komiſche Novellen. Momus von Albertt. Lazarillo von Tormes, ein komi— ſcher Roman mit Kupf, 8. Wien 790. 3 fl:

x

Contes de Fees, par Charles Perrault et Mad. la Comtesse de Murat. Ornes des Figures, 8. à Vienne 792. 1 fl. 5

Sammlung hinterlaſſener Schriften vom feligen Alex. Enders (J. G. Major und J. Oe. Ar⸗ tillerie⸗ Diſtrikts⸗ Kommandanten) mit ſeinem Portrait, von Hr. Adam geſtochen. 8. m 793. 1 fl. 15T.

Die Sreymaurer nach ihren verſchiedenen Abſichten im hellen Lichte dargeſtellt. gr. 8. Wien 793. 30 kr. 5

Gedanken über das Chriſtenthum. 8. 793. 34 kr.

Stifft (A.) praktiſche geilmittellehre. 2 Bde. gr. 8. Wien 792. 4 fl. 20 kr.

Beer (J. G.) praktiſche Beobachtungen ber ver⸗ ſchiedene, vorzuͤglich aber uͤber jene Augenkrank⸗ heiten, welche aus allgemeinen Krankheiten des Körpers entſpringen, oder dfters mit demſelben verbunden find. mit illuminirten su: gr. 8. Wien 791. 1 fl. 45 kr.

Geſchichte von Halitſch und Wladimir bis 772. Betz bunden mit Auseinanderſetzung und Vertheidi⸗ gung der Oeſterreichiſch-Ungriſchen Beſitzrechte auf die Königreiche, von Ch. Engel, 2 A gr. 8. Wien 792.2 fl.

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